GEOGRAPHIE
VON
GRIECHENLAND.
ZWEITER BAND.
GEOGRAPHIE
VON
GRIECHENLAND
VON
CONRAD BURSIAN.
ZWEITER BAND
PELOPONNESOS UND INSELN,
MIT 8 LlTHOGRArHIRTEN TAFELN
UND EINER VON H. LANGE GEZEICHNETEN KARTE.
LEIPZIG,
DRUCK UND VERLAG VON B. G. TEUBNER.
1872.
GEOGRAPHIE
VON
GRIECHENLAND
VON
CONRAD BURSIAN.
ZWEITER BAND
PELOPONNESOS UND INSELN.
ERSTE ABTHEILUNG
DIE LANDSCHAHflVjIiARGOLIS LAKONIEN MESSENIEN.
MIT 5 I.ITHOORAPHIKRTKN TAFKLN.
lir
LKIPZKi,
DRUCK UNI) VERLA(i VON |{. (i. TKUHNEH.
1868.
Die Uebersetzung in fremde Sprachen wird vorbehalten.
IL Peloponnesos. ')
Die südlichere Hälfte des griechischen Festlandes ist eine
Halbinsel von 392 Quadratmeilen Umfang, die von allen Seiten
vom Meere bespült, nur im Nordosten durch ein im Verhältniss
zur Breite der Halbinsel sehr schmales Band, die Landenge von
Korinth, gewöhnlich schlechthin ''die Landenge' (6 'löd^^og) ge-
nannt, mit dem übrigen griechischen Festlande zusammenhängt
*) Von der zahlreichen Litteratur ist vor allem das eine Hauptwerk
zu nennen: ^Peloponnesos. Eine historisch-geographische Beschreibung
der Halbinsel von E. Curtius'. H Bände, Gotha 1851 u. 52. Das Ma-
terial zu diesem trefflichen Werke lieferten, ausser den wissenschaft-
lichen Reisebeschreibungen, unter denen namentlich die von W. Gell
( Itinerary of the Morea, 1827), von W. M. Leake (Travels in the Morea,
HI Vols. 1830, und Peloponnesiaca, 1846) und von Ross (Reisen im Pe-
loponnes, L 1841) hervorzuheben sind, besonders die Untersuchungen
der französischen Expedition scientifique de Mor^e (1829 — 31), deren
geographische Resultate auf den betreffenden Blättern der 'Carte de la
Grece redigde et gravde au de'pöt de la guerre d'apres la triangulation
et les lev^s exe'cut^s par les officiers du corps d'dtat-major ä l'dchelle
de iTniVuir' (B^- 7, 8, 12, 13, 17 und 18) und in Pouillon-Boblaye's 'Re-
clierches gt^ographiques sur les ruines de la Mor^e', 1836, niedergelegt
sind; ausser diesen hat Curtius (s. Pel. I, S. 145 f.) auch eine Anzahl
der die Küsten des Peloponnes darstellenden englischen Admiralitäts-
karten, die mir leider nicht zu Gebote stehn, benutzen können. Von
den nach dem Werke von Curtius veröffentlichten Arbeiten sind E.
IUmiI^'s 'i^^tudes sur le Peloponn^so* (Paris 1855) für die Geographie
l^'anz unerheblich; wichtiger W. O. Clark's 'Peloponnesus, Notes of
Htudy and traveP (London 1858) und der betreffende Abschnitt in W.
Vischers 'Erinnerungen und ?^.indrücke aus Griechenland* (8. 217 — 514).
BURSlAlf, OKOOR. II. 1
2 H. Peloponnesos.
und daher auch von den Alten selbst als Insel und zwar als die
Insel des Pelops (ij Uiloitog vrjaog, rj nsXoTtovvrjöog) be-
zeichnet wird. Dieser Name, der uns zuerst um den Anfang des
7ten Jahrh. v. Chr. in der Litteratur entgegentritt,^) wird von
der Tradition mit dem Pelops und dem von ihm sich herleiten-
den Fürstengeschlechte der Atriden, das in der achäischen Zeit
bei weitem das mächtigste und angesehenste auf der ganzen Halb-
insel war, in Verbindung gebracht, wobei es freilich auffällig
bleibt, dass die Homerischen Gedichte, die uns ja eben jene
achäische Zeit schildern, ihn nicht kennen, sondern dass er erst
nach der Einwanderung der Dorier, die zwar überall an die alt-
achäische Tradition anknöpften, aber doch gerade die Pelopiden
als ein aus der Fremde, aus Phrygien oder Lydien, eingewan-
dertes Geschlecht, das die den Herakliden oder Perseiden gebüh-
rende Herrschaft nur usurpirt habe, darstellten, zur allgemeinen
Geltung kam. Wahrscheinlich ist er zuerst im Westen der Halb-
insel, bei den Epeiern, einem ursprünglich wohl lelegischen
Stamme, den wir auch als den eigentlichen Träger der Pelopssage
betrachten dürfen , aufgekommen und in Folge des freundlichen
Verhältnisses, in welches dieser Stamm zu den dorischen Erobe-
rern trat, sowie durch das steigende Ansehen des Olympischen
Heihgtums und Festes von den Doriern adoptirt und gleichsam
sanctionirt worden. 2) In der Zeit als der Achäisc^|e Bund, nament-
lich unter der Führung des Aratos, eine hervorragende Rolle
spielte und einen grossen Theil der Halbinsel umfasste, bildeJe
sich .der Sprachgebrauch, den Namen der Achäer auf alle Pe-
^) Zuerst in den etwa um 690 v. Chr. gedichteten KvnQia 87trj: s.
schol. Pind. Nem. X, 114; dann im hymn. in Apoll. Pyth. 72 und bei
Tyrtaios fr. 2, 4. Die homerischen Gedichte kennen noch keinen Ge-
sammtnamen der Halbinsel, denn Aristarch's Behauptung (schol. II. z/,
171) "jQyog oXrjv tr^v UsXoTtovvrjGov XsyBi, ist unrichtig. Die bei den
attischen Tragikern und späteren Dichtern vorkommende Bezeichnung
'Änta oder 'Änlg yfj, welche von einem alten König von Argos oder
Sikyon, Apis, hergeleitet wird und mit dem homerischen Ausdrucke-
ctnLCC yri {A, 270; P, 49; tc, 18) durchaus nichts zu thun hat, scheint
wenigstens nie volkstümlich gewesen zu sein.
2) Vgl. darüber auch A. Passow Beiträge zur ältesten Geschichte
von Hellas (aus dem Jahrbuche des Klosters U. L. Fr. in Magdeburg
1861) S. 1 ff.
II. Peloponnesos. 3
loponnesier auszudehnen J) was dann durch die Römer noch da-
liin erweitert wurde , dass sie das ganze griechische Festland vom
Cap Taenaron bis zu den Gränzen von Illyrien und Makedonien
als provincia Ächaia bezeichneten. Seit den byzantinischen
Zeiten, als nicht nur die östlicheren sondern auch die westlicheren
Hellenen ihren alten Namen, dessen sie nicht mehr würdig waren,
mit dem noch jetzt im Volksmunde aliein lebenden der Rho-
mäer, d. 1. Römer (Pco^atoi, vulgär 'Po/itfot) vertauschten, kam
auch für die Halbinsel insbesondere, die nach den verheerenden
aber schnell vorübergehenden Einfällen der Gothen und Vandalen
über zwei Jahrhunderte lang (vom Ende des 6ten bis zum Reginne
des 9ten Jahrhunderts) im Resitze südslavischer Stämme, der
Avaren und Rulgaren, blieb und erst von Ryzanz aus wieder er-
obert werden musste, der Name Rhomaea auf, der dann, viel-
leicht durch den Einfluss der fränkischen Eroberer, die seit dem
Reginne des 13ten Jahrhunderts einen Staat in den Formen des
abendländischen Feudalwesens auf der Halbinsel begründet hatten,
durch eine Metathesis in den noch jetzt beim Volke allein ge-
bräuchlichen Namen Morea (6 McoQsag, gewöhnlich 6 McoQsäg
gesprochen), umgewandelt wurde. 2)
Durch ihr völlig selbständiges, von dem des nördlichen Grie-
chenlands unabhängiges Gebirgssystem (vgl. Rand I, S. 6) wird die
Halbinsel naturgemäss in 6 grössere Landschaften geschieden: in
der Mitte Arkadien, das man mit Recht als das Alpenland des
Peloponnes und seinen naturlichen Mittelpunkt, in demselben Sinne
wie es die Schweiz für Europa ist, bezeichnet hat; zwei Stufen-
länder, deren Rergzüge sich von den arkadischen Randgebirgen
terrassenförmig nach einem Ilachen, durch Alluvion gebildeten
Köstensaume absenken: Elis im Westen und Achaia im Norden;
•) Polyb. II, 38 (vgl. Curtius Fei. I, S. 111); daher nennt Ptolem.
III, 16, 5 die alto Landschaft Achaia r^v ISicag yiaXovfiivrjv *A%atav.
») Vgl. Hopf in den Monatsbcr. der Berl. Akad. 1862, S. 487, wo-
durch die früheren Erklärungsversuche, wie die Herleitung von fio^^or,
Maulbeerbaum, oder vom slavischen more, Meer, definitiv beseitigt
sind. Ueber die (Jescliichte der Halbinsel seit den byzantinischen Zeiten
vgl. Fallmerayer Geschichte der Halliinsel Morea während des Mittel-
alters, 2 Bände, 1830 u. 86; ßuchon liecherches historiques sur la Prin-
cipautd Fran<;ai8e de Mortie et ses hautes Haronies, 1845; Leake Pe-
loponnesiaca p. 135 ss. und die Ucbersicht bei Curtius Peloponnesos I,
S. 84 fr.
1*
4 II. Peloponnesos.
endlich drei Halbinseliv, die von selbständigen, in ihren Wurzeln
aber mit den arkadischen Gebirgen zusammentreffenden, an Mäch-
tigkeit denselben theils ebenbürtigen, theils sie id)erjagenden Berg-
zögen, an die sich dann breite, offene Köstebenen anschliessen,
durchzogen werden: die Argolische Halbinsel im Osten, die
Lakonische mit zwei mächtigen, ganz aus krystallinisch-körnigem
Kalkgestein bestehenden, nur durch eine vom Eurotas durchflos-
sene Alluvionsebene getrennten, in zwei lange Felszungen auslaufen-
den Gebirgszügen im Süden, und die Messenische im Süd-
westen. So haben alle diese Landschaften den Vorzug, Küsten-
länder zu sein, das heisst an einer oder an mehreren Seiten vom
Meere bespült zu werden, mit Ausnahme des einzigen Arkadiens;
und auch dieses besass wenigstens eine Zeit lang eine Küsten-
strecke von 100 Stadien im südlichen Elis (Triphylien), so dass
Dikaearchos ^) mit Recht sagen konnte, alle Staaten des Pelopon-
nes seien am Meere gelegen. Freilich sind die Vorzüge dieser
Lage unter die einzelnen Landschaften ungleichmässig vertheilt,
da die schon im nördlicheren Hellas deutlich ausgeprägte Bevor-
zugung^ der Ostseite gegen die W^estseite durch eine ungleich
reichere Küstenentwickelung (vgl. Bd. I, S. 5) sich auch im Pelo-
ponnes an der Ost- und Südseite gegenüber der West- und Nord-
seite wiederholt.
Die sechs oben aufgezählten, durch die natürliche Gestaltung
des Landes selbst abgegränzten Landschaften haben kaum jemals
im Alterthum sechs selbständige Staaten gebildet, sondern in der
Regel hat, insbesondere in Folge des Uebergreifens des einen
oder andern in das Gebiet eines schwächeren Nachbars, die poli-
lische Eintheilung nicht ganz jener landschaftlichen Gliederung
entsprochen. 2) In der achäischen Zeit, der ersten Blütezeit der
') Bei Cic. ad Att. VI, 2; vgl. Scyl. per. 44 mit C. Müllers Note.
Die politische Verbindung zwischen Elis und Arkadien ist auch der
Grund, weshalb manche alte Schriftsteller nur 5 Landschaften des Pe-
loponnes anerkannten, indem sie Elis und Arkadien als eine rechneten:
vgl. Thuk. I, 10; Paus. V, 1, 1.
*) Vgl. Niebuhr Vorträge über alte Länder- und Völkerkunde, S 31 ff, ;
Dr. L. Schiller, Stämme und Staaten Griechenlands nach ihren Terri-
torialverhältnissen bis auf Alexander, 3 Programme der Studienanstalten
zu Erlangen (1855) und Ansbach (1858 u. 1861), die alle drei nur den
Peloponnes betreffen.
II. Peloponnesos. 5
Halbinsel, finden wir nach den Schilderungen des Homerischen
Schiffscatalogs zwar sechs selbständige Staaten auf derselben, deren
Begränzung aber in mehr als einer Hinsicht von jener oben an-
gegebenen abweicht: das Reich des Diomedes, welches nur aus
der südlicheren Hälfte von Argolis besteht; das des Agamemnon,
welches das nördlichere Argolis, vom Nordrande der argivischen
Ebene an, und fast ganz Achaia (oder wie es damals hiess Aegia-
leia) umfasst;^) Lakedaemon und das östliche Messenien unter
Menelaos, eine Art Lehnsfürstenlhum des Agamemnon; das west-
liche Messenien und Triphylien unter Nestor; Arkadien unter
Agapenor; Elis mit dem westlichsten Theile Achaia's, das
Land der Epeier, die unter verschiedenen Heerfürsten stehen.
Gewaltsam umgestaltet wurde dieses achäische Staatensystem
durch die Einwanderung der Dorier, die zwar nur drei Land-
schaften ganz in ihre Gewalt brachten, aber doch mittelbar
durch Verdrängung früherer Einwohner, wie der Achäer, die
nun von der alten Aegialeia Besitz nahmen und sie zur Achaia
machten, auch auf die übrigen Landschaften einwirkten und über-
haupt der ganzen Halbinsel für alle Folgezeit einen wesentlich
dorischen Charakter aufprägten. Die Ueberlieferung lässt aller-
dings die drei von den Doriern in Besitz genommenen Landschaften,
Argolis, Lakonien und Messenien, als drei selbständige König-
reiche durchs Loos unter die dorischen Heerfürsten vertheilt wer-
den; allein deutliche Spuren der Sage zeigen, dass der Argivische
Antheil, der dem Temenos zugefallen sein soll, nicht die ganze
Landschaft Argolis umfasste, sondern dass wenigstens das Gebiet
vonKorinlh, das nach der Tradition durch eine besondere Schaar
von Doriern unter Führung des Aletes erobert wurde, davon aus-
geschlossen war; ja es ist im hohen Grade wahrscheinlich, dass
die Herrschaft der Temeniden sicU ursprünglich nur über die
argivische Ebene und etwa die zunächst westlich und nordwest-
lich davon gelegenen engen Gebirgsthäler erstreckte und erst all-
mälig über andere Theile der Landschaft sich ausbreitete, bis es
dem Pheidon gelang, die ganze Landschaft unter seinem Scepter
*) Dies ist freilich vielleicht ebenso wie die Erwähnung der Boioter in
Boiotien (vgl. Bd. I, 8.201, Anm. 4) als eine Uebertragung späterer
VerliUltnisse (der Occupation der Aegialeia durch die Achäer in Folge
des Eindringens der Dorier in den Peloponnes) auf die achäische Zeit
zu betrachten.
6 n. Peloponnesos.
zu einem politischen Ganzen zu vereinigen und derselben die
Führerschaft in den gemeinsamen Angelegenheiten der Halbinsel
zu erwerbend) Allein schon unter seinem Nachfolger fiel dieses
Reich wieder auseinander; nicht nur die grössern Ortschaften,
wie Korinth, Sikyon und Phlius, gewannen ihre Selbständigkeit,
die sie dann bis zur Zeit der Römerherrschaft behauptet haben,
wieder, sondern auch kleinere lösten sich von der Souveränität
von Argos los und wurden von diesem erst in verhältnissmässig
später Zeit wieder unterworfen; endlich wurde ein nicht unbe-
deutender Theil des altargivischen Landes, die Kynuria, nach
langen und harten Kämpfen den Argivern durch die Lakedämo-
nier entrissen. Der dritte der dorischen Staaten, Messenien, hat
bekanntlich frühzeitig seine selbständige politische Existenz ein-
gebüsst und dieselbe erst in den späteren Zeiten der griechischen
Geschichte wiedererlangt. Ferner hat der südlichste Canton von
Elis, die Landschaft Triphylien, sich immer und immer wieder
gegen das Verhältniss der Unterthänigkeit zu Elis gesträubt und
wenigstens zum Theil, wie schon bemerkt, eine Zeit lang an
Arkadien sich angeschlossen. Diese Landschaft selbst endlich hat
in der historischen Zeit niemals eine politische Einheit gebildet,
sondern ist stets in eine Anzahl einzelner, von politisch selbstän-
digen Stämmen bewohnter Cantone zersplittert gewesen: auch die
durch Epameinondas veranlasste, in ziemlich gewaltsamer Weise
durchgeführte Concentration der Cantone Südarkadiens zu einem
Einheitsstaate war nur von kurzer Dauer.
Diese Schwankungen der politischen Verhältnisse dürfen uns
indess natürlich nicht hindern, unserer Schilderung der Halbinsel
die Eintheilung in die oben genannten sechs Landschaften zu Grunde
zu legen. Mit Rücksicht auf die Chorographie würde dabei am
naturgemässesten von Arkadien als von dem natürlichen Mittel-
puncte auszugehen sein ; allein sowie wir im ersten Theile unseres
Buches hauptsächlich aus Rücksicht auf die Uebersichtlichkeit der
1) Vgl. besonders Weissenborn Hellen S. IfF. , dem in der Zeit-
bestimmung des Pheidon (01.28 statt 8) Curtius (gr. Geschichte I, S. 207),
Schiller (a. a. O. III, S. 9 f.) u. a. beigetreten sind, während Grote (Ge-
schichte Griechenlands I, S. 640flf. d. d. Ueb.), Duncker (Gesch. d. Grie-
chen I, S. 389 ff.) , Hertzberg (Allgemeine Encyclopädie d. Wiss. und
Künste I, Bd. 80, S. 304) u. a. gegen ihn die überlieferte Chronologie
in Schutz nehmen.
1. Argolis. 7
Darstellung die periegetische Anordnung festgehalten haben, so
wollen wir dies auch hier wenigstens für die geographisch selb-
ständigen Landschaften thun und demnach mit Argolis beginnen,
was es uns möglich macht, den am Schlüsse des ersten Bandes
unterbrochenen Faden unmittelbar wieder aufzunehmen.
1. Argolis.
Der Name Argolis (rj 'AQyoUg^ nämlich %(6Qa) bezeichnet
eigentlich ebenso wie Argeia (t] ^Agyna) nur einen von den
drei Theilen, in welche die ganze hier im freieren geographischen
Sinne so benannte Landschaft ihrer natürlichen Gliederung nach
zerfällt: das unter der unmittelbaren Herrschaft der Stadt Argos
stehende Gebiet, das heisst die weite, im Süden vom Argoli-
schen Meerbusen bespülte Küstenebene in der Mitte der Land-
schaft, in der Argos selbst liegt, und das dieselbe zunächst von
drei Seiten umschliessende Bergland, im Westen bis zu den die
Gränze gegen Arkadien und Lakonien bildenden Bergzügen des
Artemision, Parthenion und Parnon, im Norden bis an die die
Parallelthäler von Phlius, Nemea und Kleonae sowie den nach
Korinth hin sich öffnenden Engpass im Süden abschliessenden
Berge, im Osten endlich bis zu der weit nach Südosten sich
verzweigenden selbständigen Gebirgsmasse, welche eine beson-
dere, den Städten Epidauros, Troizen und Hermione zugehörige
Halbinsel, die gewöhnhch mit dem Namen des Gestades (^
'ATixrj)'^) bezeichnet wurde, bildet. In Folge des bedeutenden
Uebergewichts aber welches Argos, das als Ausgangspunkt der
Dorisirung der meisten übrigen Städte der Landschaft gewisser-
massen als Mutterstadt derselben betrachtet werden konnte, er-
langte, bildete sich allmälig, freilich mit mannigfachen Schwan-
kungen, der Sprachgebrauch aus, das ganze von Arkadien, Lako-
nien, dem Argolischen und dem Saronischen Meerbusen begränzte
Land, entweder bis zu den die nördliche Strandebene, das Gebiet
von Korinth und Sikyon, im Süden abschliessenden Bergen,^) oder
<) Strab. Vni, p.389; (Scymn.) orbis descr. 523; 638; Diod. Xn,68;
Polyb. V, 91; Plnt. Demetr. 26; Arat. 40; Paus. II, 8, 6.
») Strab. VIII, p. 336 (vgl. p. 376); Ptol. III, 16, 11 u. a.
8 11. Peloponnesos.
auch bis zum korinthischen Meerbusen und dem Isthmos,^) mit
dem Namen Argolis oder Argeia zu bezeichnen.
Die älteste Bevölkerung wenigstens eines grossen Theiles der
Landschaft, namentlich der Ebene von Argos und der nördlichen
Strandebene, war eine pelasgisch-ionische;^} neben derselben hat-
ten sich aber frühzeitig, besonders im östlichen Theile der Land-
schaft (Epidauros, Hermione) karische und wohl auch lykische^)
Einwanderer festgesetzt, die zum grösseren Theile wieder durch
die Dryoper, welche den südöstlicheren Theil der Landschaft in
Besitz nahmen, vertrieben wurden. Eine feste staatliche Ord-
nung gewann die Landschaft durch die offenbar von Thessalien
her eingewanderten Achäer, denen sich Angehörige anderer Thes-
salischer Stämme, namentlich der Minyer (als deren Hauptsitze
Korinth uiid Epidauros zu betrachten sind), angeschlossen hatten:
zwei mächtige achäische Königreiche, von denen das nördlichere
unter dem Fürstenhause der Atriden seine Gränzen weit über die
Naturgränzen der Landschaft hinaus erweitert hatte (s. oben S. 5)
bestanden neben einander und machten sie zur unbestrittenen Füh-
rerin der ganzen Halbinsel. Und auch als die Dorier von zwei Kü-
stenplätzen aus, an denen sie sich zuerst festgesetzt hatten (dem
Temenion am südlichen Rande der Argivischen Ebene und dem
Hügel Solygeios an der Ostküste der Korinthia), allmälig, anfangs
durch Gewalt, dann durch freiwillige Unterwerfung der alten Be-
wohner, die ganze Landschaft in Besitz genommen und dorisirt
hatten, behauptete Argos, das nun der unzweifelhafte Mittelpunkt
derselben geworden war, noch Jahrhunderte lang die Hegemonie
über die Halbinsel und dehnte seine Herrschaft zeitweise weit
nach Süden , bis zum Vorgebirge Malea hinab (Herod. I, 83) aus,
bis das Emporkommen des am vollständigsten von dorischer Art
1) Pomp. Mela II, 39; Eustath. ad Dion, Per. 419; vgl. schol. Eiirip.
Orest. 1239. So bezeichnet Paus. III, 1, 1 die Korinthia, c. 7, 1 die Si-
kyonia als (loiQCi rrjg 'jQysiag und VIII, 1, 2 nennt er die Sikyonier
k'öxatOL fJLOiQUs trjg 'AqyoXCdog, während er anderwärts (vgl. 11, 26, 1)
unter der Argeia nur das Stadtgebiet von Argos versteht.
2) Gegenüber den Erklärungen des Herodot (I, 56; VII, 94) scheint
es uns unmöglich, die Peloponnesischen lonier bestimmter von den
Pelasgern zu unterscheiden.
3) Darauf führt für Korinth die hier heimische Sage vom Bellero-
phon, für Tiryns die von den lykischen Kyklopen.
1. Argolis: Korinlhia. 9
durchdrungenen Staates, Lakoniens, ihm die factische Hegemonie
über die Halbinsel, wie auch einen nicht geringen Theil seines
ehemaligen Landes entriss und nur die mit einer Zähigkeit, welche
der argivischen Politik gerade in den entscheidungsvollsten Zei-
ten der griechischen Geschichte einen schwankenden, ja geradezu
antinationalen Charakter aufprägt, fest gehaltenen Ansprüche darauf
übrig Hess.
Die nordöstlichste Ecke der Landschaft und zugleich eine Korinthia.
Art Vorhof der ganzen Halbinsel bildet die Korinthia, das Ge-
biet der Stadt Korinthos, welches die natürliche Brücke zwischen
dem nördlicheren und südlicheren Hellas, den Isthmos, sowie eine
schon früher (Bd. L S. 382 ff.) geschilderte nicht unbeträchtliche
Strecke altmegarischen Landes, die sogenannte Peraea, ferner
die östlichere Hälfte der zunächst im Südwesten an den Isthmos
sich anschliessenden Strandebene, in welcher der kleine Bach
Nemea die Gränze gegen die Sikyonia bildete, endlich das südlich
davon sich hinziehende dürre und unfruchtbare, von zahlreichen
Schluchten durchzogene Bergland umfasste, das durch ein enges,
von einem Giessbache durchflossenes Thal, in welchem der kür-
zeste aber steile Weg von Argos nach Korinth, die sogenannte
Kontoporia hinführte,^) in zwei Theile geschieden wird: einen west-
licheren, von den Alten mit keinem Sondernamen bezeichneten
(wahrscheinlich rechneten sie diese Berge zu dem das Thal von
Kleonae im Süden begränzenden Treton), aus welchem ein ein-
zelner 575 Meter hoher Felskegel gegen Norden vortritt, der die
Burg von Korinth {'AxQOTcoQcv&og) trug, und einen östlicheren,
der den Namen des Oneion oder der Oneiaberge^) ('Ovsta
OQf}) führte. Die östlichen Abhänge dieses letzteren treten fast
überall ohne Küstensaum unmittelbar an das Meer hinan, die
südlichen werden nur durch schmale Schluchten von anderen
zum Theil höheren, viel weiter nach Osten streichenden Berg-
massen geschieden, die zu dem Epidaurischen Gebirgssystem ge-
hören, auf deren Rücken wahrscheinlich die Gränzlinie zwischen
der Korinthia und der Epidauria hinlief. Die BodenbeschafTenheit
') Athen. II, p. 43«; Polyb. XVI, 16; vgl. Ross, Reisen und Reise-
routen in Griechenland I, 8. 26.
«) Thuk. IV, 44: Xen. hell. VI, 6, 61; Polyb. II, 62; Plut. Cleom. 20.
Da88 Strahon (p. 380 u. 39.3) das Oneiongebirgo mit der Gcrania ver-
wechselt hat, ist schon Bd. I, S. 367, Anm. 1 bemerkt worden.
10 n. Pcloponnesos,
dieses ganzen Gebietes ist keineswegs eine zur Ansiedelung ein-
ladende, denn abgesehn von der balb zur Korinthia, balb zur
Sikyonia gehörigen Strandebene westlich vom Isthmos, die durch
ihre Fruchtbarkeit sprüchwörtlich geworden war,^) ist das übrige
meist dürres Bergland mit wenigem, steinigem Ackerboden,^')
auch für den Weinbau schlecht geeignet,^) höchstens der Vieh-
zucht durch Weiden an einigen besser bewässerten Berghängen
dienend.'') Allein dieser Mangel wird völlig aufgewogen durch
die für Handel und Schifffahrt wahrhaft unvergleichliche Beschaf-
fenheit des Isthmos, der nicht nur die einzige Strasse für den
Verkehr zu Lande zwischen der südlichen und nördhchen Hälfte
von Griechenland bildet, sondern auch zu beiden Seiten die herr-
lichsten Häfen hat, die dem Seeverkehr nach Osten wie nach
Westen gleich günstig sind. ^) Daher finden wir denn auch schon
in frühen Zeiten Angehörige desjenigen griechischen Stammes,
der zuerst der griechischen Schifffahrt ihre Bahnen eröffnet hat,
Thessalische Minyer (vgl. Bd. I, S. 102) hier angesiedelt: ihre
mit dem in der ältesten griechischen Geschichte so häufigen Na-
men 'Eq)VQa (II. Z, 152; 210) bezeichnete Niederlassung lag wahr-
scheinlich an derselben Stelle wie die spätere KÖQLvd'og , auf
einer tafelförmigen Fläche am nördlichen Fusse des schon er-
wähnten steilen Felskegels, dessen breiter Gipfel zugleich als
Zufluchtsort für die Bewohner der Unterstadt und ihre Beichtü-
mer und als Heiligtum ihres Stammgottes Poseidon diente: weit
genug von der Küste um vor plötzlichen Ueberfällen von Piraten
sicher zu sein (vgl. Thuk. 1, 7), aber auch nahe genug dem Isthmos
*) Athen. V, p. 219*; vgl. Luc. Icaromen. 18; id, navig. 20; schol.
Ar. aveS 968; Zenob. III, 57; Liv. XXVII, 31; Cic. de lege agraria
I, 2, 5.
2) Ygi Theophrast. de causis pl. III, 20, 5 , wonach die Aecker in
der Korinthia erst durch sytlid-oloyELV ertragfähig gemacht wurden.
3) Alexis bei Athen. I, p. 30^
^) Dass namentlich die Pferdezucht in Korinth blühte ist aus der
Bezeichnung edler Rosse als -Aonnaxiai oder KonnacpOQOL (Lucian. adv.
^nd. 5) zu schliessen, welche doch wohl von einer den in den korinthi-
schen Staatsgestüten gezüchteten Rossen eingebrannten Marke herzu-
leiten ist, wie wohl auch die Gcc^cpogaL von Sikyon (vgl. unten S. 25).
^) Sehr bezeichnend für die Lage Korinths sind die Ausdrücke des
Dion Chrysostomos: rj noXig aGTCSQ sv tQi6d(p r^g 'EXXaöog k'yiELto (or.
VIII, 5) und Ev KoQLvQ'cp Iv zw TiEQLTtdta) trjg 'ElXddog (or. XXXVII, 7).
1. Argolis: Korinthia. 11
um die von ihm gebotenen Verkehrsmittel auszubeuten und zu
beherrschen. Ganz natürlich ist es ferner, dass eine solche Nieder-
lassung auch Ansiedler von Osten her, arischen wie semitischen
Stammes, anziehen musste, welche die Künste und Fertigkeiten
des Ostens wie auch ihre heimischen Sagen und Culte mitbrach-
ten, daher wir in Korinth manche Industriezweige, wie die Kunst-
weberei und Färberei, die Bearbeitung des Erzes, die Töpferei
und Thonplastik, früher und höher als in anderen Theilen Grie-
chenlands entwickelt und ausländische Culte in grösserer Anzahl
und höherem Ansehn als sonst finden: der phönikische Sonnen-
gott Baal-Melkarth verdrängte sogar den Poseidon von der Burg,
die jenem nun als dem Helios in Verein mit der Aphrodite (der
phönikischen Astarte) geweiht wurde, während Poseidons Heilig-
tum auf den Isthmos verlegt,^) ihm aber auch dort der Melkarth
als Melikertes-Palaemon beigesellt und in die Sagengeschichte des
Minyischen Königshauses eingereiht wurde; der lykische Bellero-
phontes, seiner ursprünglichen Bedeutung nach der gegen Gewitter-
wolken und andere feindliche Naturkräfte kämpfende Sonnengott,
erhielt ein Heiligtum vor der Stadt und wurde auch mit der
Athene verbunden, ^j Auch Stammgenossen der ägialeischen lo-
nier haben sich, wahrscheinlich von der Tetrapolis im nördlichen
Atlika aus, in der Stadt niedergelassen und eine Zeit lang die
Herrschaft darin behauptet; von ihnen scheint die Umänderung
des älteren Namens Ephyra in Korinthos (die Höhenstadt, ur-
sprünglich wohl nur Bezeichnung der später zum Unterschied von
der Unterstadt 'JjcQoxoQivd'os genannten Burg) herzurühren;^)
unter ihrem Einfluss sind wohl auch die Festversammlungen und
Kampfspiele im Heiligtum des Poseidon auf dem Isthmos zu grös-
serer Bedeutung gelangt durch die Betheiligung anderer ionischer
Staaten, vor allen Athens, an denselben.'*) Endlich kam noch ein
0 Dies ist offenbar die f actische Grundlage der korinthischen 8age
vom Streit des Poseidon nnd Helios um das korinthische Land und die
Beilegung desselben durch Briareos (Paus. II, 1, 6; Dio Chrysost. er.
XXXVII, 11). Aphrodite nebst Helios auf Akrokorinthos : Pans. II, 5, l.
«) Paus. II, 2, 4; 4, 1.
') Nach korinthischer Localsagc sind Korinthos und Sikyon Brüder,
Söhne des Marathon; s. Paus. II, 1, 1; 3, 10. Der Name Kogiv&og
hängt jedenfalls mit noQd'vg, wohl auch mit noQV(prj üusammen.
*) Darauf führt die Sago von der Gründung oder Umgestaltung der
12 II. Peloponnesos.
neues Element der Bevölkerung hinzu durch die dorische Erober-
ung, welche, ähnlich wie die von Argos, von der Seeseite her
erfolgte, indem ein Haufe dorischer Abenteurer, dessen Anführer
bezeichnend genug Aletes (der Umherschweifende) genannt wird,
an einer 3 Stunden von der Stadt entfernten Stelle der Ostküste,
südlich von dem Vorgebirge Che rson es os, dem östlichsten Vor-
sprunge des Oneion, landete, den 12 Stadien von der Küste ge-
legenen Hügel Solygeios, der später ein Dorf Solygeia trug,
occupirte^) und von dort aus durch unausgesetzte Angriffe die
Bewohner der Stadt nöthigte, die Eindringlinge als Herren in die
Stadt aufzunehmen. So trat Korinth, Anfangs von Königen, die
sich zum Geschlecht des Herakles rechneten, dann von Prytanen
aus der gleichen Familie beherrscht, in die Reihe der dorischen
Staaten der Halbinsel ein, ohne doch einen eigentlich dorischen
Charakter anzunehmen; vielmehr blieb, der Natur des Lan-
des gemäss, Handel, Schifffahrt und Industrie die eigentliche
Beschäftigung der in 8 Phylen, welchen ebenso viele Bezirke
des ganzen Gebietes entsprachen, getheilten Bevölkerung,^) deren
Wohlstand einen neuen Aufschw^ung nahm seitdem durch einen
wenigstens väterlicher Seits einem äolischen Geschlechte an-
Isthmien durch Theseus: s. Plut. Thes. 25; schol. Pind. Isthm. arg.;
vgl. Krause, Die Pythien, Nemeen und Isthmien S. 175 ff. Vielleicht ist
die Begründung der .Isthmien geradezu als eine Art Opposition gegen
die maritime Amphiktyonie von Kalaurea, zu der Korinth nicht ge-
hörte , aufzufassen.
^) Thuk. IV, 42, wo eine von den Athenern im achten Jahre des
Peloponnesischen Krieges unternommene Landung an demselben Platze
erzählt wird. Die dort als 'PsLtog oderJ^PsLtog (vgl. Bd. I, S.327, Anm. 3)
bezeichnete Oertlichkeit, welche Curtius (Pelop. II, S. 549) als den Vor-
sprung der Küste, welcher gegen Westen die Bucht schliesst, betrachtet,
dürfte dem Namen nach eher für den bei dem Dorfe Galata vorüber-
fliessenden und in den Winkel der Bucht mündenden Bach zu hal-
ten sein.
^) Vgl. Suid. u. nävxa o-atco, wonach Aletes die Bürger in 8 Phy-
len und die Stadt in 8 Theile getheilt hätte : demnach sind diese Phylen
(oder Demen?) jedenfalls als topische, die aber gewiss nicht bloss die
Stadt sondern das ganze Gebiet umfassten, anzusehn; als eine dersel-
ben darf man wohl Petra, die Heimat des Eetion, des Vaters des
Kypselos (Herod. V, 92, 2) betrachten. Charakteristisch für Korinth ist
auch dass dort nach Herod. II, 167 die Handwerker am wenigsten ver-
achtet waren.
1. Argolis: Korinthia. 13
gehörigen Mann, Kypselos, die Oligarchie der dorischen Ge-
schlechter gestürzt, die Familie der Bakchiaden, in deren Hän-
den bisher die Regierung gewesen war, vertrieben und eine
Monarchie aufgerichtet worden war, deren Hauptbestreben dahin
gieng, der Stadt durch Anlage einer Reihe von Handelsstationen
an den Küsten des westlichen Hellas die Alleinherrschaft im west-
lichen Meere, zugleich aber auch durch Colonisation auf der thra-
kischen Halbinsel Pallene und durch Anknüpfung von Verbindun-
gen mit griechischen Städten Kleinasiens, wie mit Miletos und
Mitylene, ja sogar mit den Herrschern von Lydien und Aegypten,
einen* Einfluss im Osten zu sichern. ^) Diese Politik wurde auch
im Wesentlichen festgehalten als nach dem Sturze der Kypseliden
eine gemässigt aristokratische Verfassung eingerichtet worden war,
und ihr verdankte es Korinth, dass es, wenn auch als eigentliche
Seemacht erst von Aegina, dann von Athen überflügelt, doch unstrei-
tig die erste Handelsstadt von Hellas blieb, mit der sich an Volks-
zahl, an Reichtum und Pracht, freilich aber auch an Verlockungen
zu Ausschweifung und Verschwendung, namentlich durch die grosse
Anzahl von Hetären, die ihr Gewerbe zum Theil geradezu im
Dienste der Aphrodite betrieben, keine andere Stadt messen
konnte. 2) Auch der Umfang der Stadt war bedeutend: die Ring-
mauer, welche die tafelförmige Fläche der Unterstadt mit Aus-
nahme der durch den steil ansteigenden Berg geschützten Süd-
seite umgab, hatte eine Ausdehnung von 40 Stadien und zog sich
dann mit einigen durch die Schroffheit der Abhänge bedingten
Unterbrechungen bis auf den Gipfel des Berges, der dadurch in
*) Vgl. Barth Corintluomm coinraercii et mercaturae historia, Berlin
1844; über Kypselos Abstammimg auch Schubring De Cypselo Coriu-
thiorum tyranno, Göttingen 1862.
*) Nach Timaeos bei Athen. VI, p. 272»» betrug die Zahl der S.kla.
ven in Korinth 640,000, eine Zahl die sich nur erklären lässt, wenn
man darunter alle von den Korinthern besessenen Sklaven , d. h. nicht
nur <lie in der Stadt und ihrem Gebiete in Fabriken, mit Feldarbeit
u. dgl. beschäftigten, sondern auch die als Ruderknechtc auf den Schif-
fen dienenden und in den auswärtigen Handelsniederlassungen korinthi-
scher Kaufleute arbeitenden versteht, die also zur Berechnung der von
Clinton (Fasti Hellenici ed. Krüger p.4298.) auf etwa 40,000 Seelen ver-
anschlajjtcn freien Bevölkerung keinen Anhalt giebt. TJebor die He-
tären bes. Athen. XIH, p. 573«= ff.; Strabo VHl, p. 378; Sotion bei Gell.
N. A. 1,8; Zenob. V, 37.
14 II. Peloponnesos.
die Befestigung der Stadt aufgenommen war, hinauf, so dass der
gesammte Umfang gegen 85 Stadien betrug (Strab. VIII, p. 379).
Dieser Glanz fand freilich ein jähes Ende durch die barba-
rische Zerstörung der Stadt durch Mummius im Jahre 146 v. Chr.,
welche Mommsen mit grosser Wahrscheinlichkeit aus der mer-
kantilen Eifersucht der römischen Grosshändler erklärt hat: die
Stadt verschwand dadurch gänzlich aus der Reihe der bewohnten
Orte; der Boden worauf sie gestanden hatte wurde mit einem
Fluche belegt, ihr Gebiet theils zu römischem Gemeindeland ge-
macht, theils mit der Leitung der Isthmischen Spiele an Sikyon
gegeben. Erst 100 Jahre später (im Jahre 44 v. Chr.) wurde der
Fluch aufgehoben und eine römische Colonie unter dem Namen
Colonia Laus Julia Corinthus durch Cäsar auf der Stalte
der alten Stadt, aber mit geringerem Umfang, begründet, die in
der römischen Raiserzeit, wie wir aus der Beschreibung des Pau-
sanias (II, 2, 4 ff.) ersehen, wenigstens einen Schimmer ihres alten
Glanzes wieder erlangt hatte. ^) Auch diesem w urde durch die
Einfälle barbarischer Völker, wie der Gothen und Slaven, denen
Korinth mit seiner gewaltigen Feste als der Schlüssel der ganzen
Halbinsel immer zuerst erliegen musste, ein Ende gemacht; doch
hat sich trotz der wiederholten Zerstörungen von Menschenhänden
wie durch Naturereignisse, namentlich Erdbeben die noch in
den letzten Jahren wiederholt den Isthmos und seine Umgebungen
heimgesucht haben, bis auf den heutigen Tag ein freilich sehr
unscheinbares und ärmliches Städtchen mit dem alten Namen und
einigen wenn auch geringen Trümmern der alten Bauwerke auf
der alten Stätte erhalten. Freilich reichen diese Trümmer, unter
denen 7 hoch alterthümliche bis zum Capital monolithe dorische
Säulen aus mit röthlichem Stuck überzogenem Kalkstein^) das
Bedeutendste sind, bei Weitem nicht aus zur Feststellung der
Topographie der Stadt, sondern wir müssen uns dabei fast ganz
1) Nach Dio Chrysost. or, XXXVII, 36 war Korinth noch zu dessen
Zeit die bedeutendste Stadt in Hellas. Eine Bibliothek in der Stadt
erwähnt ders. ebds. § 8.
2) Stuart undRevett (Alterthümer von Athen III, Lief. 12, Tfl.lOf.)
sahen noch 12 Säulen, aber schon 30 Jahre später waren nur noch 7
vorhanden, die noch heut zu Tage stehen. Vgl. den Plan und die Ab-
bildungen in der Expe'dition de Moree III, pl. 77 ss.
1. ArgoJis: Korinthia. 15
an die nicht allzu klare Schilderung des Pausanias halten. Der-
selbe durchschreitet, von Kenchreae, also von Osten her, kom-
mend zuerst einen to Kgccvetov genannten Kypressenhain , in
welchem er das Heiligthum des Bellerophontes, einen Tempel der
Aphrodite Melaenis und das Grabdenkmal der Hetäre Lais (eine
Löwin welche einen Widder zwischen den Vordertatzen hielt)
erwähnt;^) unmittelbar am Stadtthore lag das durch das Marmor-
bild eines Hundes bezeichnete Grab des Diogenes von Sinope, zu
dessen Zeit sich hier ein viel besuchtes Gymnasion befand, um
welches herum elegante und wegen der Reinheit der Luft in die-
ser Gegend besonders gesuchte Wohnungen sich ausbreiteten;
auch die Hökerinnen mit Brod, Gemüse und Früchten pflegten
hier feilzuhalten.-] Etwas nördlich davon ist für die römische
Colonie eine in Griechenland sehr seltene Anlage, ein Amphi-
theater, ganz in eine künstliche erweiterte Vertiefung des Fels-
bodens hineingearbeitet, so dass man erst wenn man unmittelbar
am oberen Rande der Sitzreihen steht desselben ansichtig wird. ^)
In der Stadt beschreibt Pausanias (c. 2, 6 ff.) zuerst die im Süden
wahrscheinlich bis an den Fuss des Berges hinanreichende Agora,
an welcher die meisten Heiligthümer und Götterbilder standen:
die Mitte derselben nahm eine Erzstatue der Athene mit Bildern
der Musen am Piedestal ein. Durch eine reiche Thorhalle trat
man von der Nordseite der Agora in eine nach dem Hafen Le-
chaon führende Strasse, an welcher ausser mehreren Götterstatuen
ein von dem bekannten Günstlinge des Augustus und Regenten
von Lakonien, C. Julius Eurykles,^) gestiftetes kostbares Bad lag
eine ostwärts von ihr abzweigende Seitengasse führte zu der
besten und bedeutendsten unter den zahlreichen aus dem Stadt-
boden aufsprudelnden Quellen, die als ein Ausfluss der auf Akro-
') Paus. c. 2, 4. Das Grabdenkmal der Lais, das nur ein Kenota-
phion «gewesen zu sein scheint (vgl. Athen. XIII, p. 589*'), ist gewiss
nicht auf das Gewerbe derselben zu beziehen, sondern als ein Symbol
der Macht des Todes zu fassen.
*) Diog. Laert. VI, 2, 77; Plut. de exilio 6. Theophr. de caus. pl.
V, 14, 2; Alcii)hr. cpist. I]I, 00; vgl. Ruhnken ad Tim. p. 167.
3) Expedition de Moree HI, pl. 77, 3; Vischer Erinnerungen S. 2G4 f.:
vgl. Dio Chrysost. or. XXXI, 121; lunioris philos. orbis dcscr. c. 28
(Bode Scriptores rerum niyth. II, p. ^V).
*) Vgl. über ihn Strab. VIII, p. 363; 366 und Keinesius bei Böckh
ad C. I. gr. n. 1389.
16 n. Peloponnesos.
korintbos entspringenden Peirenc (vgl. S. 17) betrachtet wurde:
das Wasser kam in mehreren künstlicli angelegten Grotten zum
Vorschein und floss aus diesen in einen Marmorbrunnen, bei
welchem ein heiliger Bezirk mit einer Bildsäule des Apollon an-
gelegt war. Noch heutzutage quillt am nördlichen Bande der
Fläche , auf welcher die alte Stadt lag, eine reiche Fülle köst-
lichen Trinkwassers unter den grottenartig überhängenden Felsen
hervor und erzeugt eine üppig wuchernde Vegetation, welche die
in Rorinth residirenden türkischen Woiwoden, namentlich den
letzten, den prachtliebenden Kiamil Bei, veranlasst hatte, hier
schöne Gärten und ein prachtvolles Serail anzulegen, von dem
nur noch einige unscheinbare Trümmer oberhalb der Quellen
übrig sind.^) Endlich führte eine andere Hauptstrasse von der
Agora westwärts in der Bichtung nach Sikyon, an welcher zur
Bechten ein Tempel des Apollon, etwas weiter hin oberhalb eines
Brunnens ein bedecktes Theater (Odeion) und bei demselben
das Grabdenkmal der Kinder der Medeia standen ;2) in der Nähe
derselben war der Tempel der Athene Chalinitis mit einem akrolithen
CuUbilde der Göttin, aufweichen man mit Wahrscheinlichkeit die
schon erwähnte hochalterthümliche Tempelruine beziehen kann; nahe
dabei das nicht mehr nachweisbare, also wohl ganz auf künstlichem
Unterbau ruhende Theater, oberhalb dessen in der römischen Zeit
ein Tempel des Capitolinischen Juppiter lag, endlich nicht weit davon
das alte Gymnasion mit einer Lerna genannten Quelle vortrefflichen
Trinkwassers^), die in der römischen Zeit von einer mit Buhebänken
j
^) Es wurde Ende April 1821 durch den Archimandriten Dikaeos,
nachdem er vergeblich die Griechen in Korinth zum Widerstand gegen
die heranrückenden Türken ermuntert hatte, in "Brand gesteckt; s.
Brandis Mittheilungen über Griechenland II. S.118; Gervinus Geschichte
des 19ten Jahrhunderts V, S. 192 f.
2) Curtius Pel. II, S. 531 f. setzt nur den ApoUontempel an die
rechte, die übrigen von Paus. (c. 3, 6 ff.) erwähnten Oertlichkeiten an
die linke südliche Seite der Strasse 'wo sie sich an den Fuss der Burg
anlehnen konnten' : allein da Paus, von dem ApoUontempel mit einem
olCyov UTtariQOJ zu der ■iiQi]vr} der Glauke, dem Odeion u. s. w. über-
geht, so scheinen vielmehr alle diese Anlagen an derselben, nördlichen
Seite der Strasse gesucht werden zu müssen; an der Südseite war ver-
muthlich eben wegen des Fusses der Burg kein Raum für grössere
Baulichkeiten.
3) Vgl. Athen. IV p. 156*'; Lucian. De bist, conscr. 29.
1. Arf?oJis: Koiinlhia. 17
versehenen Säulenhalle umgeben war, und Tempeln des Zeus und
des Asklepios. Unmittelbar vor dem Thore, welches das westliche
Ende dieser Strasse abschloss, stand ein Tempel der Hera. ^) Von
der Südseite jener Strasse aus führte eine Seitenstrasse nach
dem Gipfel der Burg empor, welcher, eine gute halbe Stimde
im Umfang, nicht eine ebene Fläche sondern verschiedene kleine
Plateaus und Erhöhungen bildet; auf der höchsten Spitze stand
der Tempel der Aphrodite, etwas östlich unterhalb desselben be-
merkt man noch jetzt das alte Brunnenhaus der Quelle Peirene,
zu dessen tempelähnlicher Facade ein mit polygouen Steinen aus-
gemauerter, jetzt mit einem modernen Gewölbe bedeckter Gang,
in welchen man ursprünglich auf einer Felstreppe hinabstieg,
führt. -) Ausserdem finden sich noch mehrere andere Quellen auf
der Höhe, ein Umstand, der nebst der Steilheit des Zuganges
und dem grossen Umfange des Gipfels viel dazu beigetragen hat,
Akrokorinthos zu einer der wichtigsten Festungen, einer 'Fessel
von Hellas', wie es Philipp von Makedonien nannte, ^) zu machen.
Diese Bedeutung behielt es auch unter der byzantinischen,
fränkischen, venetianischen und türkischen Herrschaft, wie noch
jetzt die fast überall auf antiken Fundamenten ruhenden Mauern,
welche den ganzen Gipfel umgeben, zahlreiche, allerdings meist
unbrauchbare Geschütze auf den Brüstungen derselben und
eine Menge in Trümmern liegender Häuser innerhalb der Mauern
bezeugen. Jetzt freiUch ist alles im Verfall und die ganze Be-
satzung der Feste besteht aus einigen Invaliden, welche den durch
die herrliche Aussicht angelockten Besucher durch das Labyrinth
von Trümmern führen.
Das Befestigungssystem von Korinth schloss aber in der
') Dass das Heraeon ausserhalb des Thores lag zeigt Phit. Arat.
c. 22 (vgl. C.21); dieses Thor für ein anderes als das Sikyonische (Liv.
XXXII, 23) zu halten (mit welehem übrigens die von Xen, Hell. VII, 1,
18 erwähnten nvXai cci Inl ^Xiovvta lovti wohl identisch sind) sehe
ich keinen Grund <'in. Ob das von Paus. c. 4, 7 am Aufgange nach
Akrokorinthos erwähnte tsqov der Hera IJunaea mit jenem Heraeon (das
dann oberhalb der Strasse gestanden haben müsste) identisch ist oder
nicht, wage ich nicht, zu entscheiden.
2) Vgl. Oöttling archäol. Zeitung 1844, N. 20, S. 326 ff. Die Fei
iie galt als Tochter des Asopos, daher *>4(yco7r^ff Anth. Pal. IX, 225.
3) Strab. IX, p. 428; Liv. XXXII, 87; vgl. Strab. VJII, p. 301.
ÜURSIAN, GKOGR. II. 2
18 II. i*eloponnesos.
Blütezeit der Stadt nicht nur die Burg ein, sondern auch der
der Stadt zunächst gelegene von den Isthmischen Häfen, das Le-
chaeon, war durch 12 Stadien lange, durch einen weilen Zwi-
schenraum von einander getrennte 'Schenkehnauern' [öxtXrj, ^a-
XQcc TSLXV)' ^" denen sich mehrere Thore hefanden, mit der
nördlichen Ringmauer der Stadt verhundcnj). Endlich ist als ein
zu demselben Befestigungssystem gehöriges Aussenwerk die 40
Stadien lange Quermauer zu betrachten, welche zur Verhinderung
von Invasionen von Norden her an der schmälsten Stelle des
Isthmos zuerst, soviel wir wissen, bei dem Zuge des Xerxes gegen
Hellas aufgeführt, beim Einbruch der GalUer in Griechenland
(Ol. 125, 1) wahrscheinlich erneuert und später noch von den
byzantinischen Kaisern und von den Venetianern wiederhergestellt
wurde: 2) die noch erhaltenen Fundamente, welche ohne Zweifel
dem ursprünglichen Baue angehören, zeigen, dass dieselbe nicht
eine gerade Linie bildete, sondern den Grundsätzen der griechi-
schen Befestigungskunst gemäss durchaus der natürlichen Gestalt
des Terrains (grossen Theils dem Rande einer ziemlich tiefen
Schlucht) folgte und durch zahlreiche Thürme, hie und da wohl
auch durch besondere kleine Castelle geschützt war.
Von den Häfen war das schon erwähnte Lechaeon an der
Westseite des Isthmos, durch diese seine Lage der Ausgangspunkt
für den Verkehr mit dem Westen, in Folge seines Anschlusses
an die städtische Befestigung die Ilauptstation für die Kriegsflotte,
durch starke Molos gegen die Versandung, welche es jetzt für
den Verkehr völlig unbrauchbar gemacht hat,^) geschützt: noch
jetzt erkennt man drei ins Meer hinausgeworfene Schenkelmauern
und bei der nördlichsten derselben fand ich eine Marmorbasis,
welche laut der Inschrift (s. Bulletino 1854, p. 34) die Statue
1) Xenoph. Hell. IV, 4, 7 ss.; 18; Strab. VIII, p. 380; vgl. Leake
Travels in the Morea III, p. 251 ss.
2) Herod. VIII, 71; IX, 7 ss.; Diod. XI, 16; Paus. VII, 6, 7: vgl.
Curtius Pel. I, S. 14; II, S. 546 f.; 596; Vischer Erinnerungen S. 232 f.
3) An seine Stelle ist jetzt das weiter nördlich am Fusse der Ge-
raneia gelegene Lutraki getreten, das seinen Namen von einigen
warmen Quellen erhalten hat, die nahe an der Küste wenige Zoll über
dem Niveau des Meeres hervorsprudeln (s. Fiedler Reise durch alle
Theile des Königreichs Griechenland I, S. 229 f.): jedenfalls sind dies
die bei Xen. Hell. IV, 5, 8 erwähnten &SQ(id.
1. Argolis: Korinthia. 19
eines Römischen Proconsuls Flavius Herrn (oge)nes trug, den Rath
und Volk der Rorinther als ^Wohllhäter und Wiederhersteller des
Hafens' geehrt hatten. In der früheren Zeit lag auch hier eine
offenbar befestigte ansehnliche Ortschaft, die unter anderem ein
Heiligtum der Aphrodite mit einem geräumigen Saal für Opfer-
schmäuse (aCxiatoqiov) enthielt; zur Zeit der Römischen Herr-
schaft waren nur noch wenige Häuser und ein Heiligtum des Po-
seidon davon übrigj) Eine breite Fahrbahn, auf welcher nicht
nur Waaren sondern auch kleinere Schiffe über den niedrigen
Rücken des Isthmos transportirt wurden, der sogenannte Diol-
kos,2) verband die Westküste des Isthmos mit der Ostküste, an
welcher die geräumige gegen Südosten geöffnete Rucht Schoinus
lag, die ihren von den zahlreich hier wachsenden Rinsen herge-
nommenen Namen noch jetzt, wenn auch in neugriechischer
Uebertragung (Kalamaki) bewahrt und neuerdings als Hauptstation
der Dampfschiffahrt eine Redeutung gewonnen hat, die sie im
Alterthume jedenfalls nicht besass, indem der eigentliche östliche
Hafen von Korinth die zwei Stunden von der Stadt zwischen einem
den Isthmos im Süden abschUessenden felsigen Höhenzuge und
dem östlichsten Theile des Oneion sich öffnende, auch grösseren
Schiffen einen sicheren Ankerplatz darbietende Rucht von Keuch-
reae war, an deren Ufer sich eine ähnliche Ortschaft wie am
Lechaeon ausbreitete: am nördlichen Ende des Hafens stand ein
Tempel der Aphrodite, am südlichen Heiligtümer des Asklepios
und der Isis, dazwischen auf dem Molo, dessen Fundamente noch
erhalten sind, eine Erzstatue des Poseidon. Ausserhalb der Ort-
schaft lag an der nach dem Isthmos führenden Strasse ein Tempel
^) Dies zeigt ausser der Angabe des Dionys. Calliph. v. 108 von
einer nöXig As%aLOv die Erzählung der Ereignisse des sog. Korinthischen
Krieges bei Xen. Hellen. IV, c. 4 s. (vgl. dazu Grote Geschichte Grie-
chenlands V, S. 266 ff. d. d. Uebers.). S. auch Plut. VII sap. conv. 2
und für die spätere Zeit Ötrab. p. 380; Paus. c. 2, 3.
«) Strab. VIII, p. 335; 380; Aristoph. Thesmoph. 648 s. c. schol.;
vgl. Curtius Fei. I, S. 28 und II, S. 596. Hesych. u. SCoX%og lässt
denselben vom Lechaeon nach Konchreae sich erstrecken, was schon
wegen des Höhenzuges, der diesen Hafen von dem eigentlüihen Isthmos
trennt, unmöglich ist. ~ lieber den zu vordchiedonen Malen im Alter-
tliiiiii .1 II t tauchenden, vom Kaiser Nero ernstlich in Angriff genonunenen
Plan, den Diolkos durch einen Durchstich dos Isthmos zu ersetzen,
8. Fiedler Reise I, S. 236 ff.; Curtius Pel. I, 8. 12 ff.
2*
20 il. i'eioponnesoS.
der Artemis ; südwestlich, gegen das die Bucht im Süden abschlies-
sende Vorgebirge Chersonesos (vgl. S. 12) zu, quillt schwach salz-
haltiges Wasser in solcher Stärke, dass es nach ganz kurzem
Lauf eine Mühle treibt, hervor, das im Alterthume unter dem
Namen des Bades der Helena bekannt war und wahrschein-
lich, wie auch jetzt noch bei den Umwohnern, als heilkräftig galtj)
Der jetzt ganz verödete, nur mit Gestrüpp und einzelnen
Strandkiefern bewachsene Rücken des Isthmos war im Alter-
thume wenigstens zu einem bedeutenden Theile mit Baulichkeiten
geschmückt, welche alle für den Cult des Poseidon und des ihm
beigesellten MeHkertes-Palaemon, insbesondere für die Feier der
Islhmischen Spiele und zur Aufnahme der ungeheuren Menge von
Fremden, welche zu denselben aus allen Gegenden, in welche
die griechische Cultur nur je einen Fuss gesetzt hatte, zusammen-
strömten, bestimmt waren. Den Mittelpunkt derselben bildete der
auf einer Hochfläche 172 Stunden östlich von der Stadt gelegene
Tempel des Poseidon, von nicht eben bedeutender Grösse, wahr-
scheinlich im dorischen Stile erbaut, mit ehernen Tritonen als
Akroterien auf dfm Firste: zu Pausanias Zeit (s. c. 1, 7 f.; vgl.
Philostr. V. Soph. II, 1, 5) standen mehrere ältere Erzbilder im Pro-
naos, in der Cella eine von Herodes Attikos geweihte Gruppe aus Gold
und Elfenbein (Poseidon und Aphrodite auf einem von vier Rossen
aus vergoldetem Erz gezogenen Wagen, daneben Tritonen und
Palaemon auf einem Delphin), wohl das letzte bedeutende Werk
der chryselephantinen Skulptur, auf einer mit Reliefs geschmück-
ten Basis. Zur Linken des Tempels lag ein Heiligtum des Pa-
laemon, ein Rundtempel mit einer von vier dorischen Säulen ge-
tragenen, mit Delphinen als Akroterien verzierten Kuppel, aus
welchem ein bedekter Gang zu dem Adyton, einer unterirdischen
Opfer- und Schmausstätte derselben Gottheit, führte. ^) Von keinem
^) Paus. c. 2, 3; Apul. met. X, 35; vgl. die Korinthische Münze bei
Millingen Me'dailles grecq. ine'dites pl. "2, 19; über die Quelle s. Fiedler
Reise I, S. 245 f. Die von Plinius (n. h. IV, 19, 57) als Kenchreae
gegenüber liegend genannte Insel Aspis (vgl. Steph. Byz. u. 'AanCg)
ist entweder das kleine flache Inselchen gerade östlich von dem Vor-
gebirge Chersonesos, das nach der französischen Karte jetzt Platu-
rada oder Prasura heisst, oder das weiter südlich gelegene etwas
grössere Ebraeonisi.
2) Paus. c. 2, 1; vgl. C. I. Gr. n. 1104 und die Korinthische
Münze bei Miliin Gal. mythol. CX, 402.
1. Argolis: Koriulliia. 21
der beiden Tempel hat man bisher auf der mit Trümmerhaufen
verschiedener Art, zwischen denen eine kleine verfallene Capelle
steht, bedeckten Hochfläche eine sichere Spur entdecken können;
wohl aber erkennt man noch in seinem ganzen Umfange den Pe~
ribolos derselben, der mit seinen starken, durch Thürme ver-
theidigten Mauern ein mit der Befestigungsmauer des Isthmos (die
hier zugleich die Nordmauer des Peribolos bildete), zusammen-
hängendes Festungswerk ausmachte. ^) Es umschloss dieser Peri-
bolos noch eine nicht geringe Anzahl anderer Heiligtümer, wie
Tempel des Helios, der Demeter und Kora, des Dionysos, der
Artemis, der Eueteria (Abundantia), der Kora, des Pluton; ferner
Altäre, Heroengräber, Wohnungen und Uebungsräume für die
Athleten u. dgl. mehr; auch Statuen Isthmischcr Sieger waren
darin aufgestellt und Alleen hochstämmiger Pinien bildeten einen
würdigen Eingang zu dem Tempel des mit Kränzen von den
Zweigen dieses Baumes die Sieger in seinen Festspielen lohnen-
den Poseidon. Die eigentlichen Anlagen für die Spiele lagen
ausserhalb des ummauerten Bezirkes: etwas gegen Süden, zur
Rechten der von der Stadt herkommenden Strasse, das wenigstens
zur Zeit des Pausanias mit Silzen aus weissem Marmor geschmückte,
noch später von einer Säulenhalle mit gewölbten Gemächern um-
gebene Stadion, dessen Form noch deutlich im Boden erkennbar
ist; westlich vom Peribolos, fast ganz in einer schmalen Schlucht
versteckt, das Theater, dessen noch erhaltener Unterbau einer
Erneucnmg in der Römischen Zeit angehört; in derselben Gegend
wird wohl auch das von Herodes Attikos erbaute bedeckte Theater
(Odeion) gestanden haben, ^j Material zu allen diesen sowie zu
den städtischen Bauten lieferte der Isthmos selbst in Fülle: die
am meisten ausgebeuteten Steinbrüche finden sich zwischen dem
Heiligtum und der Stadt, in der Nähe des Dorfes Hexamilia. ^)
') Vgl, besonders Clark Peloponnesus p. 47 ss. mit Plan auf pl. 2
(wiederholt auf unserer Tfl. I, 1).
*) S. ausser Paus. c. 1, 7; c. 2, 1 f. und Pbilostr. vit. Soph. II, 1,
5 besonders die Inschrift C. I. Gr. n. 1104, welche ein Verzeichniss der
von P. Licinius Priscus Juventianus etwa um den Beginn dos 3ten Jahr-
hunderts n. Chr. auf dem Isthmos neu errichteten un(i. wiederherge-
stellten Baulichkeiten enthält.
» ^') Sollte etwa auf diese Gegend der freilich von Neueren mehrfach
angezweifelte Name Lcukopctra, womit Aurol. Vict. de vir. ill. c. 60
22 H. PelüjMjiitiesüs.
Endlich liiidet man auf dem ganzen Räume zwischen der Stadt,
ihren llälcn und dem lleiligtume wie auch auf dem Isthmos jen-
seits des Heiligtums zahllose alte Gräber, welche, obschon bereits
von den Römischen Colonisten nach der Wiederherstellung der
Stadt vielfach ausgebeutet,') doch bis auf den heutigen Tag an
bemallen Thongefässen, namentlich des ältesten Stils, ergiebig sind.
Von der Rückseite Akrokorinlhs aus führte durch das Te-
neatische Thor an einem lleiligtume der Eileilhyia vorüber ein
Rergpfad, der dann in die schon oben (S. 9) erwähnte Konto-
poria einmündete, in 3 Stunden nach Tenea, einer in einem
baumreichen Ilochthale in der Gegend des jetzigen Chiliomodi
gelegenen Ortschaft, deren kräftige, hauptsächlich wohl von Vieh-
zucht lebende Revölkerung einen auffallenden Gegensatz zu den
verweichlichten Stadtbewohnern bilden mochte und zu kühnen
auswärtigen Unternehmungen, wie zum Beispiel zur Gründung
von Syrakus, die tüchtigsten Leute stellte: sie betrachteten sich
als Abkömmlinge der alten Troianer und Stammverwandte der
Bewohner der Insel Tenedos und verehrten als Ilauptgottheit den
Apollon/^) Der ganze Landstrich östlich davon, der ganz von
dem Oneion und den nördlichsten Verzweigungen der Epidaii-
rischen Gebirge eingenommen nur wenig anbaufähiges Land be-
sitzt, bildete wohl den schon oben (S. 12, Anm. 2) erwähnten
Gau Petra, zu dem jedenfalls auch die ebenfalls (S. 12) bereits
die Oertlichkeit der der Zerstörung Korinths vorhergehenden Schlacht
zwischen Mummius und Diaios bezeichnet, zu beziehen sein?
0 S. Strab. VIII, p. 381 s., dazu O. Jahn Einleitung in die Vasen-
kunde S. XXIV, der aber schwerlich mit Recht die oorgccyiivcc TOQSV{iatci
auf Gefässe mit Reliefs oder Thonreliefs deutet. Die von ihm selbst
angeführten Stellen des Martialis (ep. IV, 46, 16 und XIV, 102), in
denen ein Thongefäss rotae toreuma genannt wird, zeigen, dass man
allerdings das Wort toqeviicc auch von den auf der Töpferscheibe ge-
formten Gefässen gebraucht hat, ein Sprachgebrauch, der aus einer
Verwechselsung von toqsvblv und toqvsvslv entstanden zu sein scheint.
2) Strab. p. 380; Paus. c. 5, 4; Xen. Hell. IV, 4, 19: vgl. Curtius
Pel. II, S. 597; Ross archäol. Aufsätze II, S. 344 ff. Die Stammver-
wandtschaft mit den Tenediern könnte man geneigt sein aus einer
etymologischen Spielerei zu erklären; doch führen die Notizen von einer
Stadt Tenedos in Lykien od. Pamphylien (Steph. B. u. Tsvsdog)
und in Troia (schol. Pind. Nem. XI argum.) in Verbindung mit dem
Apolloncult auf troisch-lykischen Ursprung der Bevölkerung beider Ge-
genden.
1. Argolis: Sikyonia. 23
erwähnte Ortschaft Solygeia und die weiter südöstlich zunächst
der Gränze des Epidaurischen Gebietes gelegene, von den Korin-
thern wegen der weiten Entfernung von der Stadt und der Schwie-
rigkeit der Communication nicht benutzte Hafenbucht Peiraeos^)
gehörten.
Gerade westwärts von der Stadt, links an der nach Sikyon
führenden Strasse, lag ein Tempel des Olympischen Zeus, der
zur Zeit als Agesilaos nach Asien zog plötzlich von Feuer ver-
zehrt wurde — was die Korinther als eine Warnung vor der
Thellnahme an diesem Zuge ausdeuteten — und seitdem in Trüm-
mern liegen blieb. 2) Weiterhin in der von mehreren Bächen
durchflossenen, äusserst fruchtbaren Strandebene, die eine durch-
schnittliche Breite von V2 — % Stunden hat und deren süd-
lichen Band die allmälig ansteigenden nördlichen Vorberge des
Treton und Apesas bilden, mögen etwa die als grosse und volk-
reiche Komen der Korinthia bezeichneten Ortschaften Asae und
Mausos^) gelegen haben. Unter den Bächen ist der bedeutendste
der jetzt Longopotamos genannte, der aus dem Thale von
Kleonae herkommend eine Stunde westlich von Korinth die Ebene
durchfliesst; nach diesem, noch eine Stunde weiter westlich, der
Giessbach Nemea^) (jetzt Bach von Kutzomati genannt), dessen
Wasser gewöhnlich das Meer nicht erreicht. Jenseits desselben
beginnt die Sikyonia, das Gebiet von Sikyon, einer der alte- sikyonia.
sten griechischen Ortschaften, die von den ägialeischen loniern
begründet zuerst den Namen Mrjxcovrj ('die Mohnstadt') geführt
haben soll, der dann, offenbar in Folge des bedeutenden Gemüse-
baues in den die Stadt umgebenden Gärten, in Zsxvcjv oder
*) Thuk. VIII, 10 f.; vgl. Steph. u. TleLQdLog. Die Bucht, welche
wahrscheinlich dem jetzigen Porto Franco entspricht, scheint mit dem
von Plili. n. h. IV, 9, 18 und Ptol. III, 16, 12 erwähnten Hafen Bu-
kcphalos (vgl. Steph. Byz. p. 181, 15 ed. Mein., wo vielleicht 'Amris
für 'ATtm^e zu schreiben ist) identisch zu sein.
2) Paus. II, 6, 6; III, 9, 2: vgl. Theophr. de caus. plant. V, 14, 2.
') Theopomp, bei öteph. Byz. u. 'Aaai und Mccvöog: der letztere
Name scheint karischen Ursprunges zu sein, der crstere, wohl wie
Asea und Asopos von ccaig abzuleiten (vgl. Etym. M. p. 161, 44), eine
Niederung mit fruchtbarem Schlamm- oder Lehmboden zu bezeichnen.
<) Strab. VIII, p. 382; Diod. XIV, 83; Aeschin. de falsa leg. § 168;
Liv. XXXIII, 15. Nach ötat. Theb. IV, 717 ss. (vgl. v. 51; Nikandr.
alexiph. 105) mutts der Bach auch den Namen Langeia geführt haben.
24 , II. Peloponncsos.
Zlxvcov ('Gurken-Land') umgewandelt wurde, welcher Name nur
vorübergehend durch Demetrios Poliorketes mit zlrj^irjTQLccg ver-
tauscht worden ist. ^) Trotz der geringen Ausdehnung des im
Süden an die Phliasia, im Westen an Arkadien und Achaia
gränzenden Gebietes spielt Sikyon doch in der Geschichte der
Kunst und Industrie eine bedeutende Rolle und wetteifert nicht
ohne Glück mit Korinth. Diese Bedeutung verdankt es haupt-
sächlich der Tyrannis der Orthagoriden, welche gestützt auf das
ionische Element der Bevölkerung, das auch nach der von Argos
aus erfolgten Dorisirung der Stadt sich erhalten und in der den
drei dorischen coordinirten Phyle der AlyiaXsig concentrirt hatte,
ein volles Jahrhundert hindurch (etwa 666—566) in ebenso kluger
als milder Weise die Stadt beherrschten, Kunst, Handel und Gewerb-
fleiss begünstigten und vielleicht auch ihr Gebiet durch Unterwerfung
benachbarter Orte erweiterten. 2) Nach dem Sturz dieser Dynastie
durch Sparta verlor Sikyon zwar fast alle pohtische Bedeutung,
indem es im Wesentlichen als Werkzeug der spartanischen Po-
litik dienen musste, aber es blieb angesehen und blühend als ein
Ilauptsitz der Bildnerei in Marmor und Erz und der Malerei,
durch seine Industrie, als deren Erzeugnisse besonders zierliche
Schuhe genannt werden,^) und durch seinen bedeutenden Binnen-
handel, wofür noch die grosse Anzahl Sikyonischer Münzen, welche
man in den verschiedenen Theilen des Peloponnes findet, Zeug-
niss geben. Ausserdem war auch bei der Fruchtbarkeit der zu
*) Hesiod. Theogon. 536; Strab. p. 382; Steph. Byz. u. Siv,v(6v:
vgl. Etym. M. p. 583, 55. Die E^rm Zehvcov , welche nach Apollonios
(bei Bekker anecd. p. 555, 5) die einheimische war, wird durch die älteren
Münzen, welche gewöhnlich die Buchstaben 2E zeigen, und durch die
Inschrift der Delphischen Schlangensäule {EEKFONlOl) bestätigt;
doch giebt eine von Cyriacus beim Theater copirte Inschrift (C. I. Gr.
n. 1108), falls die Copie zuverlässig ist, Sl'kv(ov{l)(ov. — JrjßrjtQLds:
Diod. XX, 102; Plut. Demetr. 25. -- Vgl. über das Gebiet und die Ge-
schichte der Stadt auch Gompf Sicyonica, Berlin 1832 und im Pro-
gramm des Gymnasiums zu Torgau 1834, und Bobrik De Sicyoniae topo-
graphia, Königsb. 1839.
2) Aristot. pol. V, 12 (p. 161, 11 Bekk. ed. min.); vgl. O. Müller Dorier
I, S. 162 fif.; Grote Geschichte Griechenlands II, S. 27 ff. d. d. Ueb.; Ur^
lichs Skopas Leben und Werke S. 221 ff., dessen Schluss auf eine Ero-
berung von Kleonae durch Sikyon aus Plut. de sera num. vind. 7 freilich
keineswegs zwingend ist.
3) Athen. IV, p. 155 <=; Lucian dial. mer. 14, 2; Poll. VII, 93.
1. Argolis: Sikyotiia. 25
seinem Gebiete gehörigen Strandebene (vgl. S. 10, Anni. 1) der
Land- und Gartenbau, insbesondere der Oelbau, von nicbt geringer
Bedeutung; die Abhänge der Berge boten treffliche Weiden fiir
die Züchtung edler Bosse, das Meer endlich lieferte eine Fülle
wohlschmeckender Fische. ') — Die Bevölkerung, deren Gesammt-
zalil man auf etwa 40 — 50,000 Seelen veranschlagen kann, -)
zerfiel, wie schon bemerkt, in vier Phylen: die drei dorischen der
Hylleer, Dymaner und Pamphyler und die das altionische Element
repräsentirende der Aegialeer. Unter Kleisthenes, dem bedeuten-
sten und machtigsten der Orthagoriden, wurden nach dem Be-
richte des Herodotos (V, 68) in offener Verhöhnung des dorischen
Elementes den dorischen Phylen die Spottnamen der 'Tärai^
'Oveätai und XoLQsätcct als officielle Benennungen octroyiert,
der Name der Aegialeer, zu welcher Phyle die herrschende Dy-
nastie gehörte, in ^AQxilaoi umgewandelt, Veränderungen, die
natürlich mit dem Sturze der Tyrannis wieder aufhörten, da seit-
dem das dorische Element wenigstens in politischer Hinsicht wieder
die Oberhand gewann. Ausserhalb dieser Phylen sland, wie es
scheint, eine Klasse von Hörigen, welche nach den grossen Stöcken,
die sie zu tragen pflegten, KogvvritpoQOi^ nach ihrer mit Schaaf-
fellen besetzten Kleidung xatcovaxocpoQOL genannt wurden^) und
im Kriege jedenfalls nur als Lcichlbewafl'nete, in Friedenszeiten
als Ackerbauer und Hirten dienten; daneben muss noch eine ge-
wiss nicht sehr beträchtliche Zahl von Sklaven als Hausdiener-
schaft, Arbeiter in den Werkstätten und Buderknechte auf den
Schiffen vorhanden gewesen sein.
Die Stadt selbst lag auf einer breiten, terrassenartigen Hoch-
fläche oberhalb der Strandebene, welche im Osten durch das Bett
des in den Gebirgen oberhalb Phlius entspringenden Asopos,
nach welchem die Ebene unterhalb der Stadt Asopia genannt
wurde*), im Westen durch das eines kleineren von den Gränz-
') Vgl. Gorapf Sicyonica p. 14 s; Curtius Peloponnesos II, S. 583
Antn, 58.
') Vgl. Clinton Fasti Ilellenici ed. Kriigor p. 429.
^) PoU. III. 83; Steph. Byz. p. 694, 5 ed. Mein.; Athen. VI, p. 271 «»;
die Zurückführung des Namens der xarcai'rtxoqpd^oi auf die Tyrannen
bei Poll. VII, 68 scheint auf einem Irrthume zu beruhen.
•) Strab. VIII, p. 382; IX, p. 408.
26 II. Peluponnesos.
gebirgen Arkadiens herkommenden Baches, des llelisson,') ab-
gegränzt ist; die Ufer beider Bäche fallen steil ab und sind
wegen des lockeren, erdigen Bodens vielfach zerklüftet. Diese
Ilochnäche, die gegen Süden hin immer schmäler wird und nur
durch eine Art Isthmos mit dem dahinter liegenden hohen Berge
zusammenhängt, bildete bis zur Unterwerfung der Stadt durch
Demetrios Poliorketes (Ol. 119, 2) bloss die Oberstadt oder Burg,
an welche sich noch eine am Abhänge und auf der letzten nie-
drigen Abdachung der Berge gegen die Strandebene gelegene
Unterstadt anschloss; Demetrios aber zwang die Bewohner diese
zu verlassen und sich auf die Hochfläche zurückzuziehen, wo er
eine neue Stadt nach regelmässigem Plane anlegte, der er sogar
seinen Namen octroyierte. ^) Diese neue Stadt, welche durch
Aratos wieder zu politischer Bedeutung gelangte und durch die
Bömer zunächst nach der Zerstörung von Korinth begünstigt,
dann aber durch M. Scaurus ihrer besten Kunstschätze, nament-
lich der theils in den Tempeln, theils in einer öfl'entlichcn Ge-
mäldegalerie (der sogenannten Tioimlri örocc) aufgestellten Gemälde
beraubt, im Beginn der Kaiserzeit (wahrscheinlich unter Tiberius
im Jahre 23 n. Chr.)^) durch ein heftiges Erdbeben heimgesucht
wurde, ist von Pausanias (li, c. 7 — 11) beschrieben worden und
^)'EUoO(6v Paus. II, 12, 2; Elissos Stat. Theb. IV, 52, nach
welcher Stelle ein Heiligtum der Eumeniden an diesem Bache gewesen
sein muss, während Pausanias II, 11, 4 einen Tempel dieser Göttinnen
in einem Haine von Stecheichen nahe dem rechten Ufer des Asopos
erwähnt: sind beide Heiligthümer verschieden oder hat Statius (der
sonst in der Geographie Griechenlands sehr gut Bescheid weiss) den
Helisson mit dem Asopos verwechselt?
2) Paus. II, 7, 1; vgl. S. 24, Anm. 1. Die Stadt heisst noch bei
Hierokles Synekd. 10 Nsa SiHVcov.
^) Paus. c. 7, 1, wo die Zeit dieses Erdbebens nicht bestimmt, aber
erwähnt ist, dass durch dasselbe auch die Städte Kariens und Lykiens
und die Insel Rhodos heimgesucht worden seien; darnach könnte man
an das Erdbeben im Jahre 17 n. Chr. denken (Tac. ann. II, 47; vgl.
Strab. XII, p. 579; Plin. n. h. II, 86, 200), allein da nirgends von einer
Erstreckung desselben auf die Küsten des Peloponnes die Rede ist,
halte ich es für wahrscheinlicher, dass Paus, das vom Jahre 23, durch
welches nach Tac. ann, IV, 13 auch Aegion in Achaia geschädigt wurde,
gemeint hat. Noch jetzt geben zahlreiche herabgestürzte Felsblöcke
auf der Stelle der alten Stadt von den Wirkungen dieses oder noch
späterer Erdbeben Zeugniss.
1. Argolis: Sikyönia. 27
von ihr sind noch jetzt ausgedehnte wenn auch nicht eben an-
sehnliche Trümmer bei dem Dorfe Vasililia, das nur einen Theil
der Ostseite der Hochfläche einnimmt, erhalten,^) während von
der unteren Stadt nur einige ganz geringe Spuren vorhanden
sind, wie einige Hausplätze, die ich an dem Wege bemerkte, der
sich von Osten her, nachdem man den Asopos auf einer hohen
türkischen Brücke überschritten hat, neben welcher ich noch
einige Resle einer antiken Brücke erkannte, den Abhang nacli
dem Dorfe VasiHka hinaufzieht; doch können dies auch die Stellen
alter Grabmäler sein, deren mehrere nach Tansanias (c. 7, 2 fg.)
an der von Korinth herkommenden Strasse jenseits wie diesseits
des Asopos angelegt waren, meist in Form kleiner Tempelfaraden,
indem auf einem steinernen Unterbau zwei Säulen sich erhoben,
welche einen giebelförmigen Aufsatz mit dem Namen des Ver-
storbenen und dem Abschiedsgrusse (xcctQs) trugen. Auch ein
Heiligtum des Olympischen Zeus (Olympion) stand rechts von
der Strasse diesseits des Asopos. Zunächst an dem Thore, durch
welches Tansanias die Stadt betrat, war eine Grotte, von deren
Decke Quellwasser herabtropfte, die sogenannte Tropfquelle, deren
Stelle wohl in Folge der Erdbeben, die den Boden der Stadt
heimgesucht haben, sich nicht mehr mit Sicherheit nachweisen
lässt. 2) Für die Topographie der Stadt selbst bietet den sicher-
sten Anhaltspunkt das Theater, welches westlich vom Dorfe
Vasilika in die Nordostseite einer kleineren höheren Felsterrasse,
auf welcher nach Tansanias (c. 7, 5) die Akropolis der neueren
Stadt mit Hciligthümern der Tyche Akraea und der Dioskuren
stand, hineingebaut ist: sowohl die Sitzreihen, mit Ausnahme der
aus grossen Quadern construirten beiden Enden des Halbkreises,
t
') Vgl. den Plan der Ruinen in der Exped. de Morde III, pl. 81
(wiederholt bei Aldenhoven Itineraire descriptif de l'Attrque et du Pc'-
loponnfese zu p. 93 und bei Curtius Pel. II, Tfl. XIX) und die Beschrei-
bungen bei Curtius a. a. O., S. 489 f. und bei Vischer Erinnerungen
«. 274 ff.
*) In der kleinen unmittelbar westlich vom Dorfe Vasilika sich
hinziehenden Schlucht, in der sich noch mehrere Mauorreste aus Sand-
steinquadern, wohl Unterbauten, finden, quillt weiter abwärts gegen
Nordosten Wasser aus dem Felsen hervor und bildet herabfallend einen
kleinen Bach: war hier die azd^ovacc nriyjj dos Pausanias (c. 7, 4), so
musste die Strasse von Korinth nördlich um den Voraprung der Torrasso,
auf dem das jetzige Dorf liegt, sich herumziehen.
28 II. Peloponiiesüs.
als auch die Fundamente des Skenengehäudes sind aus dem
natürlichen Felsen gearbeilet; ausser den gewöhnlichen Eingängen
zu beiden Seiten der Orchestra gewähren noch zwei gewölbte Gänge
unter den Sitzreihen hindurch den Zuschauern Zugang zur Cavea. ^)
Ein längerer Felsgang, in welchen man durch eine Grotte mit
doppeltem Eingang gelangt, führt hinter dem Zuschauerräume
des Theaters eine Strecke weit in den Berg hinein und setzt sich
dann in einem engern Canale fort, der wahrscheinlich zur Her-
beiführung von Trinkwasser für die Stadt bestimmt war; ähnliche
Canäle zogen sich als Cloaken unter dem Stadtboden nach -der
Ebene hinab, ^j Nordwestlich neben dem Theater erkennt man
noch das von Pausanias nicht erwähnte Stadion in der Einsenk-
ung zwischen der Akropolis und einer zweiten Anhöhe: die
Langseiten waren an den vorderen Enden durch Mauerwerk ge-
stützt, die nordöstliche Schmalseite ruhte auf einem noch wohl
erhaltenen Unterbau von grossen polygonen Werkstücken. Das
Theater gehörte wie in so vielen griechischen Städten zum heiligen
Bezirke des Dionysos, dessen ein Goldelfenbeinbild des Gottes
und Marmorstatucn von Bakchantinnen enthaltender Tempel, von
dem jetzt keine Spur mehr vorhanden ist, hinter dem Skenen-
gebäude gestanden zu haben scheint; zwei andere Bilder des
Gottes wurden in einem besonderen, doch wohl auch innerhalb
des heiligen Bezirkes gelegenen Gebäude, dem Kosmeterion, auf-
bewahrt und nur einmal jährlich zur Nachtzeit in festlichem Zuge
in den Tempel geführt.^) — Die ebene Fläche östlich und nord-
östlich vom Theater ist jetzt noch auf eine Länge von etwa einer
Viertelstunde mit zahlreichen Grundmauern alter Gebäude, zwi-
schen denen man noch die Linien der sehr regelmässig angelegten
alten Strassen erkennen kann, bedec||t. Die bedeutendste dieser
*) Vgl. den Plan in der Expe'dition de More'e III, pl. 82.
2) Plut. Arat. 9; vgl. Ross Reisen im Peloponnes I, S. 48.
3) Paus. c. 7, 5. Der alteinheimische Name des Gottes scheint
Adrastos gewesen zu sein, da nach Herod. V, 67 (dessen Darstellung
aber wenigstens in Bezug auf das Verhältniss des Kleisthenes zu diesem
Culte nicht recht klar ist) die Sikyonier von Alters her diesen mit ''tra-
gischen' d. i. Satyrchören, deren Gesänge seine leidensvollen Schick-
sale behandelten, ehrten. Vgl, Welcker zu Schwencks Etymologisch-
mythologischen Andeutungen S. 302 f. Anders, aber schwerlich rich-
tiger, fasst den Adrastos Baumeister De Atye et Adrasto (Lipsiae 1860)
p. 9 SS.
1. Argolis: Sikyoniy. 29
Strassen scheint diejenige gewesen zu sein, welche wahrscheinlich
in der Richtung von Südwest nach ^Nordost an einem Tempel der
Artemis Limnaea vorüher nach der Agora führte, in welche sie
bei einem Heligthume der Peitho einmündete, das schon zu der
Zeit, wo die eigentliche Stadt noch in der Strandehene lag, inner-
halb der damaligen Akropolis bestanden hatte; neben demselben
stand ein Ileiligthum der römischen Kaiser, früher das Ilaus des
Tyrannen Kleon,^) vor welchem man dem Befreier Sikyons von
der Tyrannenherrschaft, dem Ära tos, ein Heroon errichtet hatte.
Ferner befanden sich, um die blossen Altäre und Götterbilder
zu übergehen, 2) an der Agora das ßuleuterion, eine vom Tyrannen
Kleisthenes aus der ßeute des heiligen Krieges gegen Kirrha er-
baute, also >\ieder noch von der alten Akropolis herstammende
Halle und ein sehr alterthümliches, zur Zeit des Pausanias (s. c.
9, 7; vgl. Polyb. XVII, 16) schon völlig verfallenes Heiligtum
des Apollon Lykios. Nicht weit vom Markte lag das dem Hera-
kles geweihte Gymnasion, ein hauptsächlich für die Uebungen der
Knaben bestimmter^) umschlossener Raum mit einem Heiligtum
des Herakles in der Mitte, in welchem derselbe zugleich als Gott
und als Heros verehrt vvurde. Eine Strasse, deren Richtung uns
nicht angegeben wird, führte von hier nach dem Heiligtume des
Asklepios, dessen geräumiger Peribolos neben dem Tempel dieses
Gottes eine Halle und eine Doppelcapelle des Hypnos und des
Apollon Karneios enthielt; ein anderer Peribolos lag nahe dabei,
der Aphrodite geweiht, mit dem chryselephantinen Sitzbilde der
Göttin von Kanachos; um den Tempel herum wuchs eine angeb-
lich sonst nirgend vorkommende Pflanze, der jtaiösQCog, deren
Hlätler nach der Beschreibung des Pausanias (c. 10, 6j an Form
denen der Eiche, an Farbe denen der Silberpappel glichen.^)
Stieg man von diesem ofl'cnbar schon am Abhänge der Terrasse
') Vgl. über diesen Plass Die Tyrannis bei den Griechen II, 8, 15G.
*) Vgl. darüber Paus. c. 7, 7 ff. Eine sitzende Statue auf der
Agora der älteren Stadt erwähnt Aristot. pol. V, 12, p. 161, 18 Bekk.
ed. min.
3) Dies ist zu schlicssen aus dem von Paus. c. 10, 1 angegebenen
Namen TLaiöi^r]^ dessen grammatische Form freilich sehr zweifelhaft ist.
^) Nach Plin. n. h. XXII, ,'M, 70 eine Art Acanthus. Die lilättcr
wurden auch als Färbemittel gebraucht (Atlien. XII p. 5-42 «•; XIII, p.
r.(;8 *=); die Sikyonischen Phalloplunrii banden sio statt der Masken
vora Gesicht (ibid. XIV, i^. G22 '^).
30 n. Pelopoiinesos.
gegen die Strandebene zu gelegenen Peribolos wieder auf die
Ilochfläclie empor, so liam man bei dem IleiligLume der Artemis
IMieräa vorüber zu einem zweiten Gymnasion, das von Kleinias,
dem Vater des Aratos, erbaut für die Uebungen der Epbeben
benutzt wurde. Eine Seitenstrasse führte von diesem nach dem
heiligen Thore, welches seinen Namen einem hochaltertüm-
lichen, angeblich von dem mythischen Epopeus gegründeten llei-
ligtume der Athena verdankte, von welchem zur Zeit des Tan-
sanias (c. 11, 1) nur der Altar der Göttin und davor das Grab
des Epopeus übrig war; in der Nähe stand ein Tempel des ApoUon
und der Artemis, den derselbe Epopeus,- und einer der Hera, den
Adrastos gegründet haben sollte, also lauter alte Heiligtümer, die
schon der früheren Akropolis angehört hatten. Hinter dem Heräon
standen Tempel des ApoUon Karneios und der Hera Prodromia,
von denen Tansanias (c. 11, 2) nur noch Säulen ohne Cellamauern
und Dach vorfand; unterhalb desselben nach der Strandebene zu
endlich ein Tempel der Demeter Epopis. ^)
Der Hafenort von Sikyon, der schlechtweg 6 udiiirjv genannt
wurde, lag ^/^ Stunden unterhalb der Oberstadt, ein künstüch
ausgegrabenes Becken, das jetzt vollständig versandet ist. An der
Strasse nach demselben stand zur Linken ein Tempel der Hera;
zwischen dem Hafen und dem Helisson, etwas links oberhalb der
an der Küste hin nach Aristonautae, dem Hafen der an die Sikyonia
gränzenden achäischen Stadt Pellene, führenden Heerstrasse, ein
HeiUgtum des Poseidon. 2) Zum Gebiete der Stadt gehörte ausser der
Strandebene zwischen dem Bache Nemea im Osten und dem von den
Nordabhängen der arkadischen Kyllene herabfliessenden Sys oder
Sythas im Westen das Bergland südwärts. von der Stadt in einer
Länge von etwas über 3 Stunden, durch welches in gerader süd-
licher Richtung im engen Thale des Asopos die Strasse nach
Phlius, der südlichen Gränznächbarin von Sikyon, hinlief. Westlich
von dieser Strasse führte über die fast ganz aus weichem Sand-
stein und weisslichem Thon bestehenden, daher meist kahlen
und vom Wasser zerklüfteten Berge ein Fusspfad nach Titane,
der einzigen bedeutenderen Ortschaft der Sikyonia ausser der
Hauptstadt, welche 60 Stadien südwestlich von Sikyon auf einem
^) Paus. a. a. O.; vgl. Hesyeh. u. 'Enconig.
2) Paus. c. 12, 2; vgl. Xenoph. Hell. VII, 3, 2; Polyaen. V, 16, S.
1. Arj(olis: Sikvonia. ~ 31
flachen, im Westen von liöheren Gipfeln überragten Hügelriiclien
bei dem jetzigen Dorfe Voivonda oberhalb des linken Ufers des
Asopos lag und ihre Bedeutung wesentlich einem hochalterthüm-
lichen, von Heilung Begehrenden viel besuchten Heiligtume des
Asklepios verdankte. Der periptere Tempel war von einem
geräumigen Peribolos umgeben, welcher Wohnungen, besonders für
die Curgäste, und eine Anzahl alter Kypressenbäume enthielt. In
der Cella des Tempels standen altertümliche Bilder des Askle-
pios und der Hygieia, vollständig bekleidet mit Ausnahme des
Gesichts, der Hände und Füsse, ferner Statuen des Alexanor,
welcher für einen Enkel des Asklepios und Stifter des Tempels
galt, und des Euamerion, eines mit göttlichen Ehren gefeierten
Dämon des körperlichen Wohlseins; in einem besonderen Gemache,
einer Art Adyton, wurden heilige Tempelschlangen gehalten. Auf
dem etwas höheren östlichsten Theile des Hügels, welcher wahr-
scheinlich als Akropolis diente, lag ein kleinerer im dorischen
Stile erbauter Tempel der Athena, dessen Stelle jetzt eine Ka-
pelle des heiligen Tryphon einnimmt, am Fusse des Hügels ein Altar
der Winde, auf welchem nur einmal jährlich zur Nachtzeit geopfert
wurde. ^) — Ausserdem gab es, abgesehen von einigen nur beiläufig
erwähnten kleinen Ortschaften, wie Ephyra an einem Bache Sel-
leis, Platää der Heimat eines Dichters Mnasalkes, und dem
ziemlich zweifelhaften Buphia,^) in der Sikyonia noch mehrere
Castelle zum Schulze der Gränzen: so Thyamia, ein von den
Sikyoniern Ol. 103, 1 befestigter Gränzort gegen die Phliasia,
auf einem jetzt Spiria genannten Gipfel oberhalb des rechten
Asoposufers^), und ein ähnliches Castell auf einem Bergvorsprunge
oberhalb des linken Ufers in der Nähe des jetzigen Dorfes Lio-
pesi, von welchem uns nur noch Mauerreste aber nicht der antike
*) Paus. c. 11, 5 ff.; vgl. Ross Reisen im Peloponnes S. 50 ff.
2) Strab. VIII, p. 338; IX, p. 412; Steph. Byz. li. BovcpCu: die Vermu-
thung von Ross (a. a. O. S. 40), dass Buphia mit dem gleich zu erwUh-
ncnden Phoibia identisch sei, lindet auch in dem Umstände eine Stütze,
dass Stephanos als Quelle für diesen Ortsnamen das 23ste Buch des
Ephoros anführt, in welchem höchst wahrscheinlich der Zug des Epa-
meinondas in den Peloponnes, bei welcliom er auch Phoibia einnahm
(Paus. TX, ir>, 4), erzählt war.
3) X. II. II (dl. VII, 2, 1 und 23; 4, 1 und 11: vgl. Ro8s a. a. O.
S. 41 11.
32 II. ^cloI)on^csos.
Name erhalten sind^); dann gegen das Thal des Nemeabaches
hin, also als Gränzwehren gegen die Kleonäer und Korinther,
Phoibia, Epieikia und Derae, deren Stellen freilich nicht
mehr genauer zu bestimmen sind, ^j
phiiasia. Die Phliasia, die südliche Gränznachbarin der Sikyonia,
mit welcher sie durch das enge Thal des Asopos verbunden wird,
ist ihrem Ilauptbestandtheile nach ein rings von Bergen umschlos-
senes Thal von der Form eines mit der Spitze nach Norden ge-
kehrten Dreiecks, das jetzt nach seinem Ilauptorte, dem oberhalb
seines Südostrandes gelegenen grossen Dorfe Hagios Georgios,
benannt wird. Den westlichen Rand desselben bilden die. Abhänge
des jetzt Gavrias genannten Gebirges, das mit dem zum Gebiete
des arkadischen Stymphalos gehörigen Apelauron'^) zusammen-
hängt, den südlichen das jetzt Megalovuno, in seinem nord-
östlichsten Theile Polyphengo genannte Gebirge, die Kelossa
der Alten, ^) die aus zwei mächtigen, schroffen und höhlenreichen
Felsmassen, zwischen denen ein Engpass nach der Argivischen
Ebene hindurchführt, besteht: von der östlicheren, die den Son-
dernamen Karneates führte, kommt der eine Hauptarm des
Asopos herab, der sich in der Mitte des Thaies mit einem zweiten
von Südosten her kommenden vereinigt. Im Osten wird das Thal
durch den Bergrücken des von drei stumpfen Gipfeln gekrönten
Trikaranon, auf welchem ein Ol. 103, 1 von den Argivern
errichtetes Castell gleichen Namens stand -^j, von dem schmalen
Thale des Nemeabaches geschieden; ein niedriger Hügelrücken,
über welchen die Verbindungsstrasse zwischen beiden Thälern
^) Vgl, Koss a. a. O. S, 49 f. Vielleicht ist dies rovovcaa j} vtiIq
^LKVcävog (Paus. II, 4, 4; V, 18, 7), das Curtius (Pelop. I, S. 485; II, S. 498)
schwerlieh mit Recht mit dem von Paus. VII, 26, 13 erwähnten Jovovaaa,
einem von den Sikyoniern zerstörten achäischen Städtchen zwisclien
Aegeira und Pellene, identificirt.
2) Paus. IX, 15, 4; Xen. Hell. IV, 2, 14; 4, 13; VII, 1, 22: vgl.
Ross a. a. O. S. 40 und S. 45. f.
3) Polyb. IV, 69 ro 'AnslavQOv. vgl. Liv. XXXIII, 14.
^) KrjXa66a geben die Hdsr. bei Strab. VIII, p. 382, KrjXovoa bei
Xenoph. Hell. IV, 7, 7, was auch bei Paus. II, 12, 4 von [Dindorf herge-
stellt worden ist.
5) Xen. Hell. VII, 2, 1; 5; 11, 13; Demosth. pro Megalopol. p. 206;
Harpocr. und Steph. Byz. u. Tgi^dgarov. Vgl. Ross Reisen im Pelop.
I, S. 25 ff.
1. Argolis: Phliasia. 33
hinüberläuft, verknüpft diesen Bergzug im Südosten mit der Kelossa.
Der Boden des so umschlossenen Thaies ist das beste Ackerland,
daher auch die einheimische Sage den Autochthonen Aras als den
ersten Gründer einer städtischen Niederlassung Arantia (später
in Araethyrea umgetauft) auf dem Hügel Arantinos, einem
nördlichen Vorsprunge der Kelossa, bezeichnete;^) die Abhänge
der Berg^ liefern noch jetzt wie im Alterthum einen trefflichen,
feurigen Wein , daher der Eponymos der späteren Hauptstadt,
Phlias oder Phlius, als Sohn des Dionysos galt. 2) Die alt-
ionische Bevölkerung unterwarf sich ohne Widerstand den von
zwei Seiten, von Argos und von Sikyon her, eindringenden Doriern ;
nur ein Theil der alten Bewohner, wohl hauptsächlich die Aristo-
kratie (daher ihr Anführer Hippasos genannt wird) zog es vor, die
Heimat zu verlassen und zu ihren ionischen Stammgenossen nach
Asien überzusiedeln;^) die Zurückbleibenden bildeten wahrschein-
lich wie in Sikyon eine vierte Pliyle neben den drei dorischen, die
aber niemals jene Bedeutung wie in Sikyon erlangte; vielmehr
war die Verfassung von Phlius mit nur kurzen Unterbrechungen
eine aristokratische, daher auch der kleine aber seine Unabhängig-
keit gegen seine mächtigern Nachbarn immer tapfer wahrende
Staat stets ein treuer Bundesgenosse Sparta's büeb.^)
Die Stadt Phlius^) lag 30 Stadien nördlich von der Stelle
1) Paus. II, 12, 4 f.; 14, 4; vgl. Strab. VIII, p. 382; Steph. Byz.
u. 'Agccid'VQScc und ^jQccvTia.
2) Paus. c. 12, 6; Pliiletas frg. 8 Bergk; Apoll. Rhod. Argon. A,
115 SS.; Hygin. fab. 14 (p. 41, 12 ed. Bunte); Steph. Byz. u. ^Xiovg\
über den Wein Athen. I, p. 27 ••.
3) Paus. c. 12, 1 f.
'*) Vgl. O. Müller Dorier II, S. 160 f. Die Vermutung desselben
Gelehrten (ebds. S. 54, Anm. 6) dass die vierte Phyle den Namen Xd^ovo-
q)vXr] geführt habe, scheint mir ziemlich unsiclier. Dass die Zahl der
Bevölkerung eine verhältnissmässig bedeutende war sieht man daraus,
dass die Landschaft zur Schlacht bei Plataeae lüOO Mann stellte (Herod.
IX, 28) und zur Zeit des Agesilaos über 5000 (waffenfähige) Bürger
hatte (Xen. Hell. V, 8, 16).
'") Die ältere Namensform muss ^Isiovg j^'ewesen sein, da das Eth-
nikon in der Inschrift~der SchlangensUule (s. Detliier und Mordtmann
Epigraphik von Byzantion und ConstaMtinoi»olis I, Tfl. II) und noch in
einer späteren Inschrift (lioss Reisen im Pelop. S. 42) fPXficiaiog
lautet. Die Annahme einer Nebenform at '^Xiai beruht nur auf einer
falschen Lesart l)ei Diod. XIV, 91, wo schon Wosseling richtig *At«-
aCav (für (pXiag der Ildsr.) hergestellt hat.
BUB8IAN, OEOOU. II. 3
34 H. Peloponnesüs.
der ältesten Ansiedelung am Nordostrande des Thaies auf und
an einem mit der Kette des Trikaranon zusammenhängenden Hü-
gel, der in zwei grösseren Terrassen von Norden nach Süden gegen
die Ebene abfällt. Die obere derselben bildete die Akropolis der
Stadt, deren starke durch Thiirme geschützte Mauern auch das
älteste und ehrwürdigste Heiligtum des Landes, die von einem
Kypressenbain umgebene Opferslättc der Ganymeda (spflter Hebe
genannt), ferner Tempel der Demeter und der Hera sowie grös-
sere Strecken Ackerlandes, auf welchem in Zeiten der Noth das
für die Besatzung nöthige Getreide erbaut werden konnte, ein-
schlössen. Die gleichfalls geräumige Untersladt erstreckte sich
über die zweite Terrasse, auf welcher ein Tempel des jugendlichen
Asklepios gerade oberhalb des Theaters und nahe dabei ein zweites
Heiligtum der Demeter standen, in die Ebene hinab bis zu einem
vom Trikaranon her in den Asopos fallenden Bache, dessen tiefes
aber den grössten Theil des Jahres hindurch wasserloses Bett an
beiden Seiten mit Mauern eingefasst war, um die Stadt gegen
einen Angriff von der Ebene aus zu schützen. Von den Tempeln
der Unterstadt war der älteste und angesehenste der des Dio-
nysos: zwischen diesem und der Agora stand der sogenannte
Nabelstein (öfx-^aAo'g), welchen die Fremdenführer von Phlius mit
naiver Unverschämtheit als den Mittelpunkt der ganzen Halb-
insel zeigten, ursprünglich jedenfalls das Symbol irgend einer nicht
anthropomorphisch dargestellten Gottheil. ^)
Eine Viertelstunde südlich von der Stadt lag der kleine Flecken
Keleae mit einem Tempel {dvccKZOQOv) der Demeter, deren alle
vier Jahre gefeiertes Hochfest die grösste Aehnlichkeit mit den Eleu-
sinischen Weihen hatte; der Göttin waren zwei alte Dämonen des
Ackerbaues, die dann in die genealogische Landessage aufge-
nommen wurden, Aras und Dysaules, beigegeben, deren Gräber
man in Keleae aufzeigte.^) Ausserdem kennen wir noch zwei
1) Paus. c. 13, 3 ff.; Strab. VIII, p. 382; Xenopli. Hell. VII, 2,
5 ff.; Ael. h. an. XVII, 46; Athen. V, p. 210 ^: vgl. besonders Ross
a. a. O. S. 32 ff. Dass Plinius (n. h. IV, 5, 13) Phlius, das er ebenso
wie den nördlichsten Theil von Elis zu Aehaia rechnet, nur als ca--
stellum bezeichnet, verdient weiter keine Beachtung",
2) Paus. c. 12, 4; 15, 1 ff. Der Name des Dysaules scheint ursprüng-
lich JLOavlrjs (Zweifurcher) gelautet zu haben; vgl. den Elensinischen
Triptolcmos und den Pheneatischen Trisaules (Paus. VIII, 15, 4).
1. Ar^olis: Nemea. 35
wie es scheint vereinzelt stehende Cultstätten der Phliasier: einen
Tempel der Hera, der am Abhänge des Trikaranon unterhalb
des oben (S. 32) erwähnten Castells , und einen der Dioskuren,
der im westlichen Theile des Cantons an der Strasse nach dem
arkadischen Stymphalos lag. ^) Auch finden sich noch die Spuren
einiger Gränzbefestigungen, deren Namen wir nicht kennen: so
oberhalb- des Dioskurion gegen Stymphalos und auf dem nörd-
licheren Theile des Trikaranon gegen Korinlh (Palaeokastron von
Kutzi).2)
Im Osten der Phliasia zieht sich von Süd nach Nord ein
schmales, gegen Norden zu einer blossen Schlucht sich veren-
gendes Längethal, das nach den reichen Weiden, welche die Thal-
sohle und einen Theil der Abhänge der es begränzenden Berge
bedecken, Nemea genannt wurde, ein Name der dann auch auf Nemea.
den am südlichen Rande des Thaies entspringenden und es in
nördlicher Richtung durchfliessenden Bach (s. S. 23, Anm. 4)
übergieng. Wie vom Trikaranon im Westen wird das Thal im
Osten durch den Apesas (jetzt Phuka) begränzt, der in seinem
nördlichen Theile sich zu einem oben abgeplatteten, wie künst-
lich abgeschnitten erscheinenden Gipfel von 873 Meter Höhe er-
hebt; gegen Süden slossen seine Wurzeln mit den nördlichen
Abhängen eines von West nach Ost streichenden felsigen Gebirges
zusammen, das von den vielen Höhlen, die sich in seinen Wänden
Hnden, den Namen Tretos oder Treton (der durchbohrte Berg)
erhalten hatte: eine dieser Höhlen galt als Lagerstätte des von
Herakles erwürgten Löwen, der ursprünglich wohl nur ein Sym-
bol dos in ungeregeltem Laufe das enge Thal verwüstenden Giess-
baclies war.^)
Das jetzt ganz unbewohnte Thal, dessen älteste Bewohner
zum Stamme der Hryoper gehört haben sollen, hat nie eine släd-
') Xcnoph. ITell. VII, 2, 1; 11; Polyb. IV, G7 f. ; 73: vgl. Ross
a. a. ü. S. 32 und S. 38.
2) 8. Curtius II S. 480 f.
3) Paus. c. 15, 2; Diod. IV, 11; vf,'l. Ilosiod. tlioog. 331, wo Trotos
und Apesas als öcliauplut/ der Verheerungen des Löwen bczeiehnot
werden. Die (trotte .s(dl nneh Nigidius lieiui .sehol. German. Arat. 118
(vpl. Curtius II, 8. 587) den Namen 'A^rpiSvaov , der uueli Ixi Hygin.
fah. 30 licrzustellen ist, geführt haben.
3*
36 If. Peloponiicsos.
tische Ansiedelung, daher auch keine seihständige politische Exi-
stenz gehaht — nur eine Kome Bern hi na oder Bern hin os wird
als in deniselhen gelegen erwähnt^) — seine Bedeutung war
durchaus eine sacrale. Zunächst nämlich war der flache, gleich-
sam wie ein natürlicher Felsaltar sich erhehende Gipfel des Apesas
-eine uralte Cultstälte des Zeus, dem man hier als dem Gewitter-
und Regengotte opferte ^j; danehen wurde in dem feuchten Thal-
grunde offenhar ehenfalls seit sehr alter Zeit ein dem Dionysos
entsprechender Gott unter dem Namen A(h-astos wie in Sikyon
(vgl. S. 28, Anm. 3) verehrt, wovon noch die Quelle Adrasteia
und die Sagen vom König Lykurgos und dem durch eine Schlange
getödteten Knaben Ophelias, deren Gräher man hier aufzeigte,^)
Zeugniss geben. Aus einer Vereinigung dieser beiden Culte, bei
welcher der des Zeus naturgemäss überwog, ist wahrscheinlich
der Nemeische Agon hervorgegangen, der zu Ehren des Zeus,
aber zugleich zum Andenken an den Tod des Ophelias gefeiert
wurde und von Adrastos gesliftet sein sollte. Die regelmässige
trieterische Feier wurde erst Ol. 51, 4 durch die Argiver, welche
damals das Thal den Kleonäern, zu deren Gebiete es gehörte,
abgenommen hatten, begründet und diese behielten auch mit we-
nigen und kurzen Unterbrechungen die Leitung derselben, obgleich
nicht bloss die Kleonäer, sondern auch die Mykenäer und Korinther
darauf Anspruch machten.^) Die Cultstätte des Zeus wurde nun
in das Thal selbst in einen Kypressenhain verlegt, der auch die
Quelle Adrasteia, das durch Altäre innerhalb eines Steingeheges
bezeichnete Grab des Opheltas und den Grabhügel des Lykurgos
umfasste: ein Tempel wurde vielleicht erst um die Zeit der Ma-
kedonischen Herrschaft hier erbaut, wenigstens ist derjenige, von
welchem noch jetzt drei Säulen (zwei vom Pronaos, eine von der
Ostfronte) aufrecht stehen, nach dem ganzen Charakter seiner Archi-
tektur, insbesondere der dem Wesen des dorischen Stiles durchaus
nicht entsprechenden Schlankheit der weitläufig gestellten Säu-
1) Steph. B. 11. Ns^sa und BifißLva; Strab. Vlll, p. 377.
^) Steph. Byz. ii. 'JnsGag; Paus. c. 15, 3; vgl. Etym. M. p. 176,
32. Dass Perseus hier dem Zeus zuerst geopfert haben soll ist bedeut-
ungsvoll, da dieser Heros ursprünglich ein Gewitterdämon ist.
3) Paus. c. 15, 3.
'') Vgl. die Stellen bei Krause Die Pythien, Nemeen und Isthmien
S. 107 ff. und C. Fr. Hermann Gottesd. Alterthümer §. 49.
1. ArgoJis: Kleouaea. 37
Jen, sclivverlicli in einer früheren Zeit errichtet worden.^) Zum
Heiligtum gehörte auch ein Theater und ein Stadion, welche weiter
östlich am Abhänge des Apesas lagen, wo man die Form wenig-
stens des ersteren noch deutüch erkennt. Auch ein Heiligtum
der Demeter scheint in dem Thale bestanden zu haben. 2)
An der Ostseite des Apesasgebirges öffnet sich ein drittes
Parallelthal, das weiter ist als das Nemeische, hinter dem von Kieonaea.
Pidius aber sowohl an Breite als an Fruchtbarkeit des Dodens
zurücksteht. Im Süden wird es von dem Ilauptzuge des Tretos,
im Osten von einem durch niedrigere Hügel mit diesem zusam-
menhängenden Gebirge (in seiner bis zur Höhe von 703 Meter
aufsteigenden Flauplmasse jetzt Skona genannt) umschlossen, das
nur durch eine enge Schlucht vom Oneion getrennt wird, von
den Alten aber wahrscheinlich als ein Theil des Tretos betrachtet
wurde (vgl. oben S. 9). Eine bedeutende Anzahl kleiner Bäche
vereinigt sich von verschiedenen Seiten her ungefähr in der Mitte
des Thaies zu einem grösseren, jetzt Longopotamos genannten,
welcher der Nemea und dem Asopos parallel durch die das Thal
im Norden abschliessende enge Schlucht der Strandebene zufliesst.
Schon der Schiffscatalog (II. B. 570) gedenkt einer städtischen
Ansiedelung in diesem Thale, des ^vohlgebauten Kleonae', deren
Stelle auf einem an der Westseite des Thaies gelegenen Hügel
noch durch ihre Ruinen kenntlich ist: der .etwas höhere süd-
westliche Theil desselben bildete die Akropolis, der breitere nord-
östliche, auf welchem sich noch die Grundmauern mehrerer Ge-
bäude sowie Triglyphen und andere Baustücke von einem oder
zwei dorischen Tempeln vorfinden, die eigentliche nicht sehr aus-
gedehnte aber stark befestigte Stadt, in welcher ein Tempel der
Athene mit einem von Dipoinos und Skyllis gefertigten Cultbilde
und CHI Heiligtum des Herakles mit den Gräbern des Eurytos
und Kteatos, die er hier auf dem Wege nach dem Isthmos ge-
tödt^'t haben sollte, erwähnt werden. Die Haupterworbscjuelle der
*) 8. über den Tempel, einen dorischen Poripteros mit 6 X 13 Säu-
len, Paus. c. 16, 2 und die PlUne in den Alterthümern von lonien C. 6,
Tfl, 15 flf. und Kxpddition de Mor»fo HI, pl. 71 ss.; vgl. Welcker Tnge-
l)nch einer griechischen Reise (Berlin 1866) Bd. I, S. 176 f. Das Theater
erwähnt Plut. Philopoem. 11.
2) ä. das Testament des Aristoteles bei Diog. L. V, 16.
38 ~ H. Pcloponnesos.
Bevvolirier scheint ViM- und Gartenbau gewesen zu sein; unter
anderem wurden hier besonders grosse Reitige gezogen.^) Die
Lage der Stadt an der Hauptstrasse von Argos nach Korinlh, wo-
durch sie die nach beiden Seiten hin rührenden Pässe beherrsclite,
musste nalürlicli diese ihre beiden mächtigen Nachbarn schon
früh zu Versuchen der Annexion reizen. Zunächst war es Korinth,
das sie, aber wie es scheint nur für kurze Zeit, mit Gewalt in
Besitz nahm; 2) dann entrissen ihr die Argiver das Thal von
Nemea und gewannen allmälig mehr und mehr Gewalt über sie,
so dass sie ihnen zunächst Heeresfolge leisten musste (wie Ol.
79, 1 bei der Zerstörung von Mykenae), dann aber ganz ihre
politische Selbständigkeit verlor, welche sie erst durch ihren Ein-
tritt in den Achäischen Bund wieder erlangte.^) Seit der Auf-
lösung des Bundes behielt sie nur als Station an einer Hauptver-
kehrsstrasse eine gewisse Bedeutung, und noch heut zu Tage steht
Vj Stunde südöstlich von ihrer Stelle ein Khan (der Khan von
Kurtesa genannt) und eine Caserne daneben zur Erleichterung
und Sicherung des Verkehrs, während im Uebrigen das Thal
selbst verödet ist. Erst am nördlichen Abhänge des Tretos liegt
ein Dorf, Hagios Basilios genannt, bei welchem der kürzeste, nur
für Fussgänger und Saumthiere gangbare Pfad aus dem Thale
nach der Ebene von Argos vorüberführt; in der Nähe des Dorfes
finden sich auch Ueberreste einer alten Wasserleitung, die jedenfalls
zu dem grossartigen Werke des Hadrian, durch welches er Wasser
aus deuj Thale von Stymphalos nach der Stadt Korinth führte,^)
gehören. Die Fahrstrasse zog sich vom Thale aus südwestwärts
nach dem westlicTisten Theile des Tretos und durchschnitt den-
selben, allmälig aufsteigend, in einem Engpasse in, welchem man
noch an einigen Stellen die in den Felsboden eingeschnittenen
1) Strab. VIII, p. 377; Paus. c. 15, 1; Diod. IV, 33. Für eifrigen
Feldbau zeugen die Nachrichten von besonderen ;u«Z«^oqpvAaxss und
Opfern zur Abwendung des Hagels (Sen. q. nat. IV, 6; Clem. Alex,
ström. VI, p. 268 Sylb.); für die Rettige s. Theophr. last, plant. VII,
4, 2, Hesych. u. Klsoavaia. Ueber die Ruinen Vischer Erinnerungen
5. 286 f.
2) Dies ist zu folgern aus Plut. Cim. 17. Ob KI. auch eine Zeit
lang den Sikyoniern gehört hat ist unsicher: vgl. S. 24, Anm. 2.
3) Vgl. Strab. a. a. O.; Plut. Arat. 28.
4) Paus. c. 3, 5.
1. Argolis: Argeia. 39
Falirgeleise erkennt; ungefähr in der Mitte des Passes, doch schon
jenseits der Wasserscheide, findet man hart am VV^ege die Grund-
mauern eines alten Thurmes, der offenbar von. den Argivern zur
Vertheidigung dieses Hauptzuganges zu ihrem Gebiet angelegt war
und, vielleicht nach seinem Erbauer, der ^Thurm des Polygnotos'
genannt wurde. ^)
Die Ebene von Argos, in deren zunächst sehr schmalen nörd- Ar^na.
liehen Winkel dieser Pass einmündet, war in uralten Zeiten
offenbar eine tief ins Land eingreifende Bucht, welche durch die
Ablagerungen der zahlreichen von den sie umschliessenden Ge-
birgen herabkomnunden J]äche allmälig ausgefüllt worden ist;
einige kleine Felshügel und der grössere von Nauplia bis zum
Hafen Tolon sich erstreckende Felsrücken im östlichen und süd-
östlichsten Theile der Ebene ragten ursprünglich als Felsinselu
aus dieser Bucht hervor. Begränzt wird die Ebene von lauter
kahlen und dürren Felsbergen, die im Westen am mächtigsten
und wildesten sind: hier bildet das bis 1772 Meter hoch auf-
steigende Artemision (jetzt Malevo), der natürliche Grenz-
wall zwischen Arkadien und Argolis, den Knotenpunkt, welcher
sich in einer nicht viel niedrigeren Kette (jetzt Ktenia, ^Kamm-
berg', genannt, vielleicht das Kqslov oQog der Alten-) gegen Süd-
osten fortselzt, an welche sich dann im Südwesten das wieder
etwas niedrigere Parthenion (jetzt Bhoino) in nordsüdlicber
Richtung anschliesst. Von dem Hauptzuge treten mehrere parallele
nur durch enge Schluchten geschiedene Bergrücken weit gegen Osten
vor: der nördlichste das Lyrkeion, an dessen nordwestlichen
Abhängen der Inachos (jetzt Panitza) entspringt^) und um
den nördlichen Fuss des Gebirges herum in die Ebene fliesst;
1) Plut. Arat. 6 f.: vgl. über die jetzt 'EXl^voav XlQ^uql ge-
nannte Ruine iind den Pass überhaupt Curtius II, S. 512; Vischcr
S. 289 f.
') Callim. Lav. Pall. 40, vgl. Meineke Diatribe p. 248. Der nur
bei Strab. VIII, p. ::J76 vorkommende Name ÄQSonoiXov ist von Kramer
und Meineke mit Recht als Zusatz eines Interpolators ausgeschieden
worden.
^) Strab. VIII, p. H70; Stepli. Byz. u. Avq)ibiov. Manche rech-
neten diesen ganzen IJergzug noch zum Artemision, daher Pausanias
(II, 26, 3 und VIII, 6, 6) die Quellen des Inachos auf dieses Gebirge
verlegt.
40 H. Peloponnesos.
dann das Chaongebirge mit der gegen Osten vorgeschobenen,
im Alterthiim wenigstens theilweise mit Rypressen bewaldeten
Lykone, an deren östlichen Fuss sich der Felskegel der La-
risa anschliesst; weiter südlich endlich der PontinosJ) dessen
nur durch einen schmalen Küstensaum vom Meere getrennter
Fuss den südwestlichen Endpunkt der eigentlichen Ebene be-
zeichnet: doch erweitert sich dieser schmale Saum südlich vom
Pontinos noch einmal zu einer kleinen Strandebene, die erst durch
das wie ein mächtiger Felsriegel bis ans Meer vorgeschobene Za-
vitzagebirge, eine östliche Verzweigung des Parthenion, ihren
Abschluss erhält. Im Norden bilden die Kelossa und der Tre-
tos, deren südliche Verzweigungen nur durch ein schmales
Thal, die nördlichste Fortsetzung der Ebene, getrennt sind, im
Osten die westlichsten Ausläufer der Epidaurischen Gebirge den
mehrfach ausgezackten Rand der Ebene, die im Süden durch
einen seit dem Alterthume nicht unbedeutend verbreiterten Streifen
sumpfiger Niederung, gewissermassen die Eierschale, die ihr noch
von ihrer Entstehung her anklebt, gegen das Meer abgegränzt
wird. Auch im nordöstlichen Theile der Ebene, in der Nähe
der Dörfer Merbaka und Chonika, finden sich jetzt grössere
Strecken versumpften Bodens, der nur zum Bau von Baumwolle
und Reis benutzt wird, jedoch durch eine sorgfältige Drainage
leicht trocken gelegt werden könnte, während am südwestlichen
^nde der Ebene am Fusse des Pontinos durch zahlreiche Quellen
ein Teich von bedeutender Tiefe — der unten weiter zu besprech-
ende Sumpf von Lerna — gebildet wird. Im Uebrigen leidet
aber die Ebene (das 7toXvÖL^Lov"AQyog)'^) sehr an Wassermangel,
da auch ihre beiden bedeutendsten Bäche — der Inachos und
der etwas weiter südlich durch die Schlucht zwischen Lyrkeion
und Lykone vom Artemision herkommende Charadros, jetzt
Xerias genannt — einen grossen Theil des Jahres hindurch nur
sehr wenig oder gar kein Wasser in ihren mit Steingeröll an-
gefüllten Betten führen, ein Mangel dem im Altertum durch
zahlreiche gegrabene Brunnen und Cisternen, deren Anlage auf
die ältesten Landesheroen, besonders auf Danaos zurückgeführt
1) Paus. II, 24, 5 f.; 36, 8: vgl. Curtius II, S. 337 und über die
Lykone Conze und Michaelis Annali XXXIII, p. 22.
2) II. z/, 171 c. schol.; vgl. Eurip. Alcest. 560; dazu Curtius Pel. II,
p, 558.
1. Argolis: Argeia. 41
wurde, ^) noch besser abgeholfen war als heut zu Tage: ausge-
dehnte Getreidefeklcr und Vieliweiden, besonders für Rossheerden,
bedeckten damals die Ebene 2), die jetzt, abgesehen von den ver-
sumpften Stellen, fast ganz von den den Boden mehr und mehr
aussaugenden Tabaksfeldern eingenommen ist.
Die ältesten Bewohner der ursprünglich mit dem Appellativ-
namen t6 ccgyog benannten Ebene waren ohne Zvveifel Pelasger, die
sich als Ureingeborene des Landes betrachteten; an der Spitze ihrer
Sagengeschichte stand Phoroneus, der Sohn des Flusses Inachos
und der Nymphe Melia, ebenso wie seine Tochter Niobe eine
alte Göttergestalt, die dann zum Begründer des geselligen und
staatüchen Lebens gemacht wurde: er sollte die bis dahin zer-
streut lebenden Menschen zuerst zu einer gemeinsamen Ansie-
delung, dem ^OQavixov adzv am Fusse der bei feindlichen An-
griffen einen sichern Zufluchtsort darbietenden Felsburg Larisa,
vereinigt haben, aus welchem sich allmälig die Stadt Argos ent-
wickelte. 3) Zu diesen Pelasgern kamen theils zum vorübergehenden
Handelsverkehr, theils zu bleibender Ansiedelung Männer des
Ostens, Phöniker, lelegische Karer und Lykier, welche ihnen
neben den Waaren auch die fortgeschrittenere Technik des Orients
brachten, und so entstand die erste durch Kunst stark befestigte
Stadt in der Ebene, das der Sage nach von den lykischen Ky-
klopen im Auftrage des Königs Proitos ummauerte Tiryns (Strab.
Vllf, p. 372), welches zugleich wohl als Bollwerk gegen die von
fremden Ansiedlern auf dem nordwestlichen Vorsprunge des die
») Hesiod. Frg. XCVII Göttling; Strab. I, p. 23; VIII, p. 371. Wie
Danae das von Zeus befruchtete, daher Frucht 'gebende' (vgl. ro Sd-
vog und altlat. dauere) Land, so scheint Danaos der Kepräsentant
der Bevölkerung, durch welche der Boden fruchtbar gemacht wurde, zu
sein. Auch auf Agamemonon scheint man die Anlage von Brunnen
zurückgeführt zu haben; vgl. Hesych. u. 'Aycc^Sfivovsia (pQEcctcc.
2) "Agyoq noXvnvQOv II. O, 372; "A. tnnoßorov ß, 287 und ö.: vgl.
Strab. VIII, p. 388; Ilor. carm. I, 7, 9. Nach Aristot. meteor. I, 14
(p, 31. 10 Bekk. ed. min.) war in den ältesten Zeiten die eigentliche
Argeia versumpft, das Gebiet von Mykenae dagegen fruchtbar, während
später das letztere durch allzu grosse Dürre unfruchtbar, die Argeia
zum Anbau wohl geeignet war. Vgl. auch Varro de re rust. I, 2, 6.
3) Paus. II, 15, 5; vgl. Stark Niobe und die Niobiden S. 337 flf.
Uebrigcns wird eine Stadt Argos nur an drei Stellen der homcr. Ge-
dichte mit Sicherheit erkannt: B, 659; J, 52; qp, 108.
42 II. l'olüponncsüs.
Ebene im Südosten ahgränzenilen Felsrückens gegründete See-
stadt Nauplia dienen sollte. Als dann das ritterliche Volk der
Acliäer die l*ciasgische Bevölkerung sich untcrwirlt und sie mit
Ausnahme der Bewohner des südwestlichen Berglandes, der Ky-
nurier, die noch nach der Dorisirnng den pelasgisch- ionischen
Charkter erkennen liessen, ^) zu einer achäischen umgestaltet, wird
der politische iMittelpunkt, der Ilerrschersitz des achäischen Kö-
nigshauses, an den äussersten Nordrand der Ebene verlegt, wo,
den Zugang zu derselben von Norden her beherrschend, in einem
jjergwinkel das 'goldreiche xMykenae' sich erhebt als Hauptstadt
eines umfassenden Beiches; die Ebene, in der nun Argos den
Vorrang vor Tiryns gewinnt, bildet mit dem östlichsten Theile
der Landschaft einen besondern, aber unter der Lehnsherrlichkeit
der Atriden stehenden Staat. Aber auch Mykenae's Blüte ist von
kurzer Dauer, denn als die Schaaren der Dorier sich auf einem
leicht zu vertheidigenden und zum Angriffe wohl gewählten Punkte
der Küste, dem sogenannten Temenion, festsetzen, ist Argos be-
reits die bedeutendste Stadt, deren Eroberung über den Besitz
der Ebene entscheidet; Ton ihr aus werden zunächst die kleineren
umliegenden Ortschaften theils unterworfen und ihre Einwohner,
ähnlich wie in Lakonien, entweder zu Leibeigenen {'yv^vij0toi)
oder zu Periöken (minder berechtigten Bürgern) gemacht, theils
auf gütlichem Wege zur Unterordnung unter die Hauptstadt —
in Form einer öv^^axlcc, an deren Spitze Argos steht — ge-
bracht; 2) von ihr aus endlich werden dorische Fürstenthümer
^) Herod. VIII, 73. Das Gebiet der Kynurier enthielt nach Thuk.
V, 41 (vgl. IV, 56) die Städte Thyrea und Anthene, erstreckte sich also
vom Zavitzagebirge im Norden bis zu den östlichsten Vorbergen des
Parnon, wenigstens bis zu dem jetzt y.dßo xov Tvqov genannten Vor-
gebirge im Süden: eine grössere Ausdehnung desselben gegen Norden
ist weder aus Herodot a. a. O. (vgl. die folgende Anmerkung) noch aus
Strab. VIII, p. 370 (wo die AVorte xov ytaxa xrjv KvvovQLCiv OQOvg Trjg
'AQ-AadCag von Kramer und Meineke als Glosse ausgemerzt worden sind)
zu erweisen.
2) Die Frage nach dem politischen Verhältnisse der kleineren Städte
und Komen der Argeia zur Hauptstadt, über welche früher besonders
O. Müller (Dorier I, S. 154 ff.; 175 f.; II, S. 50 ff.), zuletzt aber keines-
wegs abschliessend W. Lilie gehandelt hat (Quae ratio interces-
serit inter singulas Argolidis civitates, Breslau 1862, c. I),
bietet manche Schwierigkeiten dar. Zunächst werden Leibeigene er-
1. Arf^olis: Arffeia. 43
in den übrigen Städten der Landschaft, in Sikyon und Phlins, in
Epidauros und Troizen begründet. Bald nach den Perserkriegen
aber wurde die Symmachie auf gewaltsamem Wege, durch Unter-
werfung von Tiryns und Mykenae, endlich auch von Kleonae, in
ein völliges Unterthänigkeitsverhältniss verwandelt, so dass sich
nun das Stadigebiet von Argos, die Argeia, von den Gränzen der
Phliasia und Korinihia im Norden und der Epidauria im Osten
bis zur arkadischen Gränze im Westen und bis zum Zavilzage-
birgc im Süden erstreckte. Die südlich von diesem gelegene
Landschaft Kynurla (vgl. S. 42, Anm. 1) hatte ursprünglich eben-
falls zur Argeia gehört, war aber nach langen Kämpfen seit der
Mitte des 6ten Jahrhunderts v. Chr. definitiv in den Besiiz der
Spartaner gelangt, die sich länger als zwei Jahrhunderte hindurch
darin behaupteten, bis sie zuerst durch Philipp von Makedonien,
dann durch eine schiedsrichterliche Entscheidung der Römer den
Argivern wieder zugetheilt wurde. ^)
wähnt, yv(ivT]6iOL od. yvfivr]TSg (Hesycli. u. yv^vi^oioi', Steph. 13. ii.
Xiog; PoII. III, 83), die mit den Lakonischen Heiuten verglichen wer-
den, also jedenfalls als rechtlose Nachkommen der von den Doriern
nach längerem Widerstände mit Gewalt unterworfenen alten Ijcwohuer
zu betrachten sind; dann tibqCoiy.ol, offenbar die Bewohner der Ort-
schaften, welche früher oder später unter gewissen Bedingungen die
Herrschaft der Dorier anerkannt hatten, aus denen in Zeiten der Noth,
wie nach der schweren Niederlage durch Kleomenes, die gelichteten
Reihen der Vollbürger ergänzt wurden (Aristot. pol. V, 2 p. 129, 31 ed.
Bekker; vgl. Paus. VIII, 27, 1). Da nun nach Herod. VIII, 73 die Ky-
nurier, so lange ihr Gebiet zu Argos gehörte, 'Oqvsritcii v.cd nsQt'oLyioi-
waren, so muss man, wenn man nicht etwa das Wort Ogve^zcci in
yviivrJTsg ändern will, annehmen, dass der Name der Bewohner von
Orneae, die nicht zu den argivischen Periöken, sondern zu den av(i-
(laxot gehörten (vgl. Thuk. V, 67 und Paus. X, 18, 5) zur allgemeinen
Benennung der argivischen avuiiccxoL geworden war. Nicht zu den
Periöken gehörten ferner die Bewohner von Mykenae und Tiryns, die
sich eine gewisse Selbständigkeit bewalirt hatten, der erst nach den
Perserkriegen die Argiver mit Gewalt ein Ende machten: auch sie waren
bis dahin wohl avfifiaxoi von Argos ebenso wie Kleonae. Dass auch
Epidauros Mitglied dieser Symmachie gewesen, ist aus Thuk. V, 63
schwerlich zu folgern: für die Annahme einer argivischen Amphiktyonie
bietet diese Stelle ebenso wenig als irgend eine andere eines alten
Schriftstellers einen sicheren Anhaltspunkt.
•) Paus. II, 38, 6; vgl. c. 20, 1; VII, 11, 1 f.; Polyb. IX, 28, 7;
XVII, 14, 6. Dass bei Polyb. IV, 36 das Argivische Gebiet sich bis
44 II. Peloponiiesos.
Das altdorisclie Königtum hat sich in Argos liiiige, wenig-
stens bis zur Zeit der Perserkriege, erhalten; <Iocli war die Macht
des Königs schon frühzeitig durch die Volksgemeinde so beschränkt
worden, dass ihm wenig mehr als der Name ßaötXevg übrig ge-
blieben war. ^) Nach Abschaffung desselben ist wahrscheinlich
gleich jene demokratische Verfassung eingeführt worden, wie wir
sie zur Zeit des Peloponnesischen Krieges finden und wie sie sich
trolz mehrfacher, zum Theil sehr blutiger aristokratischer Re-
actionen bis zur Zeit der römischen Herrschaft erhalten hat: die
oberste Entscheidung über alle Staatsangelegenheiten lag in der
Hand der Volksversammlung, d. h. der gesammten in vier Phylen
(die drei altdorischen und eine vierte, Hyrnethia) getheilten Bürger-
schaft, welche auch in dem Ostrakismos ein Prävenlivmittel gegen
oligarchische Bestrebungen hatte; die Verwaltung wurde von der
Bule und ihren Ausschüssen, dem Collegium der Achtzig und dem
der Artynen, geführt, ^j Der Privatcharakter der Argiver wird
uns von den alten Schriftstellern ebenso wenig als ihre in Folge
der kleinlichen Eifersucht gegen Sparta meist antinationale aus-
wärtige Politik in einem günstigen Lichte dargestellt: sie gelten
als streitsüchtig und anmassend, als geneigt zur Dieberei und als
unmässig im Trinken^) — letzteres scheint ein durch die Natur der
Landschaft selbst hervorgerufener oder doch begünstigter Fehler zu
sein, da noch die heutigen Argiver die besten Trinker wenigstens
unter den eingebornen Bewohnern des Königreichs Hellas sind.
Wenden wir uns nun zur topographischen Betrachtung
nach Zarax hinab erstreckt, kann sich nur auf vorübergehende Ver-
hältnisse beziehen.
1) Herod. VIT, 149: bei Paus. II, 19, 2 ist nur von Absetzung eines
Königs, nicht von gänzlicher Abschaffung des Königtums die Rede;
vgl. Flut, de Alex, virt, II, 8; de Pyth. orac. 5.
2j Thuk. V, 47; Aristot. pol. V, 3 (p. 129, 3 ed. Bekk.); schol. Arist.
equit. 855. Ueber die Fhjle-'TQvrjd'LCi oder "TQvaQ'Ca vgl. die Inschr.
C. I. G. n. 1130; 1131; BuUett. 1854 p. XXXIV ^ und Steph. Byz. u.
dv^ävBg. Neben den auf Gemeinsamkeit der Abstammung beruhenden
Phylen gab es in Argos auch topische Phylen; denn als solche fasse
ich mit Ahrens Philologus Bd. XXIII, S. 16 die Namen TloöCdocov und
TLsdiov in der Inschrift Revue arche'ol. 1855 p. 577 ff. (= Philologus
IX, S. 588).
^) Diogenian. II, 79 c. not.; App. prov. III, 35; Suid. u. 'AgyeiOL
cpagss. — Athen. X, p. 442 ^i; Aelian. v. h. III, 15,
1. Argolis: Argeia. 45
der Argeia und kehren zu diesem Behufe nach dem Passe
durch das Tretosgehirge, in welchem die Wege aus dem Thale
von INemea und von Kleonae her zusammentreffen, zurück. Nach-
dem man aus dem Passe in den noch sehr sclunalen nördlichen
Winkel der Ehene eingetreten ist, sieht man zur Linken auf einem
vom Tretos gegen Westen vortretenden, in mehreren Ahsätzen
zur Ehene absteigenden Felsriicken, an dessen südwestlichem
Fusse jetzt das Dorf Charvati liegt, die noch jetzt, nach mehr
als 2000jähriger Verödung, stattlichen, ja imposanten Ruinen von
Mykenae, der 'wohlgebauten', 'breitstrassigen' , 'goldreichen'
Stadt der Ilias, die noch in den ]*erserkriegen, während ihre
mächtigere Nachbarin Argos eine schimpfliche Neutralität beob-
achtete, einen Theil ihrer wohl schon sehr zusammengeschmol-
zenen Bürgerschaft gegen den Nalionalfeind aussandte, ^) aber
schon im Jahre 463 v. Chr.^) von den Argivern nach längerer
Belagerung durch Hunger zur Unterwerfung gezwungen und in
Folge dessen von ihren Bewohnern, die zum grössern Theile nach
Makedonien auswanderten, zum Theil in dem benachbarten Kleo-
nae, das offenbar nur widerwillig zu ihrer Unterwerfung mitge-
wirkt hatte, und in dem achäischen Keryneia Zuflucht fanden,
gänzlich verlassen und seitdem so vergessen wurde, dass ein Geo-
graph wie Strabon (VIIl, p. 372) schreiben konnte, es seien auch
keine Spuren davon mehr erhalten. Dieser schon von Pausanias
durch eine kurze Beschreibung der von ihm besuchten Buinen-
slätte (c. 16, 5 ff.) belichtigte Irrtum wird durch den Augen-
schein aufs glänzendste widerlegt; denn noch jetzt ziehen sich
rings um den oberen Absatz des Felshügels, mit Ausnahme einer
Strecke der Südseite, an welcher die schroff abfallenden Felsen eine
künstliche Befestigung enlbclirlich machten, zum Theil in bedeut-
') Ilcrod. VII, 202; IX, 28; vgl. die Inschr. der delphischen Schlan-
gensHulc (Dethier und Mordtmaiin Epigr. von liyzantion I, TH. 11} Ge-
winde 7: MT^ANEZ d. i. Mv-viavstg wie auch Steph. JJyz. u. Mv-
HTJvaL das Ethnikon Mvyirjvfvg neben MvyirjvKiog anführt.
') Nach Diod. XI, 6ft schon Ol. 78, 1 (468): docli muss dies, wie schon
Grote (Gesch. Griech. III, S. 248 d. d. Uob.) bemerkt liat, ein Irrtum
sei, da Diodor selbst beifügt, die Lakedämonicr Ijätteii den MykenUorn
nicht helfen können 'wegen ihrer eigenen Kriege und des in Folge des
llrdbebcns erlittenen Schadens». Vgl. auch Strab. VIII, p. ;{77; l'aus
MI, 25, 5.
46 II. Peloponnesos.
ender Höhe die meist ans grossen polygonen Werlistücken erbau-
ten Ringmauern der Oberstadt mit dem berülunlen Löwentbor
(von den Eingebornen tö IsovtaQL Vier Löwe' genannt) im We-
sten und einem kleineren Tbor an der Nordseite; noch jetzt
erkennt man auf dem Ilacheren Absätze westlicb von der Ober-
stadt die Spuren einer von Nord nach Süd gerichteten Mauer,
die wohl als eine Art Landwehr zum Schutz gegen einen Angrifl'
von der Ebene her zu betrachten ist; noch erheben sich östlich
von dieser Mauer zwei künstlich aufgeschüttete Erdhügel, vvelc,he
unterirdische Kuppelgebäude von bienenkorbähnlicher Form —
wahrscheinlich alte Königsgräber aus der Atridenzeit — bergen,
von denen das südlichere, von den Gelehrten gewöhnlich *das
Schalzhaus des Atreus', von den ' Jmwohnern treffender Mas Grab
des Agamemnon' genannt, seit dem Anfang dieses Jahrhunderts
ausgeräumt und dem Bescliauer zugänglich, leider aber sowohl
seiner aus Halbsäulen und Tafeln von buntem Marmor bestehen-
den Thürverkleidung als auch seines Schmuckes von Erzplatten
im Innern entkleidet ist, während das nördlichere, von dem nur
in Folge des Einsturzes der obersten Spitze einige der nach Oben
sich verengenden concentrischen Steinkreise sichtbar sind, noch
immer der Aufräumung harrt; noch jetzt sieht man über dem
Erdboden westlich und östlich von dem Mauerzuge zwei aus grossen
unbehauenen Steinen, über welche noch mächtigere als Decksteine
gelegt sind, construirte Eingänge (von den Bauern (povQvot, Mie
Oefen' genannt), die wahrscheinlich zu jetzt verschwundenen unler-
irdischen Grabkammern geführt haben; noch jetzt endlich erkennt
man in dem meist trockenen Bette eines südwestlich unter der
Burg hinfliessenden Giessbaches die Beste eines alten Brücken-
pfeilers und südlich davon die Spuren der zu dieser Brücke füh-
renden FahrstrasseJ) Nur die von Pausanias (c. 16, 6) innerhalb
^) Vgl. die Pläne und Ansichten in der Expe'd. de Moree II, pl. 63 ss.
(darnach der Plan der Kuinen bei Curtius II, Tfl. XVI nnd auf unserer
Tfl. I, n. 2) und die Beschreibungen bei Curtius S. 400 ff. und bei
Vischer Erinnerungen S. 304 ff. Von dem Cliirakter des Reliefs über
dem Lövventhore, das ein entschiedenes Streben nach scharfer Natur-
wahrheit mit grosser Unbehülflichkeit in der Bildung mancher Körper-
theile verbindet, giebt die nach dem Gips;ibguss in Berlin gefertigte
Abbildung in der arch. Zeitung XXIII (18G5) Tfl. 193 die beste An-
schauung. Ueber die Bestimmung der unterirdischen Kuppelgebäude zu
1. Argolis: Argeia. 47
der Ruinen erwähnte Quelle Perseia ist nicht mehr nachzu-
weisen; ebenso wenig sind wir im Stande die von demselben
(a. a. 0.) aufgeführten Grabmäler zu identificiren (doch könnte
eine umfassende Aufräumung des Bodens besonders östlicli von der
unteren Mauer noch manches Verborgene zu Tage fördern) oder
den Emeia genannten Platz aufzuzeigen, auf welchem der Sage
nach Thyestes die Reste der furchtbaren Mahlzeit, von deren
Anblick der Sonnengott sich abwandte, wieder von sich gegeben
halte. 1) ^
Südostwärts von Mykenae zieht sich ein hoher, jetzt ganz
kahler Felsberg, der südlichste Ausläufer des Tretos gegen die
Ebene, hin, der, nach seinem alten Namen Euboia zu urtheilen,
im Alterthum noch wenigstens theilweise mit Weideland bedeckt
gewesen zu sein scheint. Gegen Süden fällt er in zwei Terrassen
ab, welche im Nordwesten und im Südosten von zwei tiefeingeschnit-
tenen Flussbetten, in denen einst die Bäche Eleutherios und
Asterion flössen, eingefasst sind; jenseits des letzteren erhebt
sieb ein isolirter runder Felshügel, im Alterthum Akraea genannt;
die allmälig nach der Ebene absteigende Gegend unterhalb der
unleren Terrasse führte den Namen Prosymna, der ursprünglich
eine Ortschaft, von der sich freilich im Alterlhume selbst nur eine
dunkele Erinnerung erhalten hatte, ^) bezeichnet haben soll. Die
obere der beiden Terrassen, deren Südseite noch jetzt von einer
Substruction aus mächtigen , fast ganz rohen Conglomeratblöcken
gestützt wird, trug den alten Tempel der Hera, das lleraeon,
welches urs|)rünglich den Mykenäern gehörig, dann eine Zeit lang
von ihnen mit den Argivern gemeinsam verwaltet, seit der Ver-
ödung von Mykenae in den Alleinbesitz der Argiver übergegangen
war. Nachdem der ältere Tempel Ol. 89, 2 abgebrannt, \\urde
durch den Baumeister Eu[)olemos, wahrscheinlich unter der Ober-
leitung des Polykleitos, welcher die berühmte chryselephantine
Kolossalstatue dafür arbeitete, ein neuer auf der unteren rings
von einer Peribolosmauer umschlossenen Terrasse erbaut, der nach
Gräbern vgl. Mure im Rhein, Mus. VI, S. 240 IT.; Weleker Kleine
Hchriften III, S. 353 ff.
«) Eustath. ad. Iliad. p. 184, 12; Etym. M. p. .'$34, 19: Vf,M. G. Her-
mann ad Acscli, Agam. v. 15G7.
2) Htrab. VIII, p. 373; Stat. Theb, I, 383; IV, 43; Stcpli. Uyz.
n. TlQoavfiva.
48 11. Peloponnesos.
(Jen Resultaten einer im Herbst 1854 unternommenen Ausgrabung
gerade in der Mitte des Pcribolos in der Ricbtung von OSO nach
WNW aus mit Stuek überzogenem TufTstein (nur die Cellamauern
aus weisslich-grauem Kalkstein) in dorischem Stil, wahrscheinlich
als Hexastylos peripteros, erbaut und mit reichem Sculpturschmuck
aus Parischem Marmor (aus welchem Material auch das Dach
nebst dem Traufbord bestand) in den Metopen und Giebelfeldern
verziert warJ) Nordöstlich vom lieräon in einem kleinen rings
von Bergen umschlossenen Thc4e, das mit der Ebene von Argos
durch eine enge, von steilen und höhlenreichen Felsbergen be-
grünzte Schlucht (Klisura) zusammenhängt, findet man 10 Minuten
westlich von dem Dörfchen Birbati die Reste eines kleinen helle-
nischen Thurmes, nahe dabei eine zerstörte Kirche, welche, wie
Säulenreste und die noch erhaltene antike marmorne Thürschwelle
zeigen, an der Stelle eines kleinen in ionischem Stil erbauten
Tempels steht; 5 Minuten weiter westlich die Ruinen mehrerer
grosser römischer Ziegelgebäude mit gewölbten Gemächern, deren
Wände mit buntem Stuck bekleidet und zum Theil mit Reliefs
in Stuck (eines, einen Pfau mit ausgebreiteten Flügeln und Schwanz
vorstellend, fand ich noch wohl erhalten am Platze) geschmückt
waren: das eine derselben, ein Saal von 85 Fuss Länge, mit Strebe-
pfeilern, die die gewölbte Decke slüzten, an den Wänden, muss
wohl als Ilauptsaal eines römischen Thermengebäudes betrachtet
werden. Der hellenische Thurm diente jedenfalls zur Bewachung
des durch dieses Thal führenden directen Verbindungsweges zwi-
schen Argos und Korinlh, aber den Namen der noch in Römischer
Zeit blühenden Ansiedelung kennen wir ebenso wenig als den
1) Paus. c. 17; Strab. VIII, p. 368; 372; Herod. I, 31; Thuk. IV,
133. Die angebliche Gründung des Tempels durch Doros (Vitruv.
IV, 1) kann schwerlich als ein ächter Zug der Sage betrachtet wer-
den, da seine Gründung jedenfalls der Zeit vor der dorischen Einwan-
derung angehört, wie auch Soph. Electra 8 ihn schon in der Pelopiden-
zeit vorhanden sein lässt. Ueber die Ausgrabung vgl. meinen Bericht
im Bulletino 1854, II, p. XIII ss. und Rangabc Ausgrabung beim Tempel
der Hera unweit Argos, Halle 1855, dazu den Plan auf unserer Tfl.-I,
n. 3. Der Tempel nebst dem Peribolos war für gewöhnlich ver-
schlossen und wurde wohl nur an den Festen der (xöttin geöffnet:
p. Plut. Oleomen. 26. Plünderung desselben durch die Aetolier unter
Führung des Pharykos: Polyb. IX, 34.
' 1. Argolis: Argela. 49
der Gottheit, welcher der Tempel neben dem Wartthurme ge-
weiht war. ^j
Die etwas über zwei Stunden lange Strasse von Mykenae nach
Argos führt in gerader südlicher Richtung durch die jetzt ganz
baumlose Ebene. Pausanias (11, c. 18) sah auf diesem Wege zu-
nächst hinter Mykenae zur Linken ein Heroon des Perseus, dann
etwas weiter hin zur Rechten das angebliche Grab des Thyestes
mit dem Steinbilde eines Widders (die Renennung ot Kqlol, Mic
Widder', welche er als die volkstümliche dafür giebt, lässt ver-
muten, dass früher noch mehrere solche Rilder dort gestanden
hatten), noch etwas weiter hin zur Linken einen Mysia genann-
ten Platz mit einem verfallenen Tempel der Demeter Mysia, in
welchen eine kleine Kapelle aus Ziegeln, die Schnitzbilder der
Kora, des Pluton und der Demeter enthielt, hineingebaut war.
Nachdem er dann den Inachos überschritteji hatte und bei einem
Altar des Helios vorübergegangen war, trat er durch das nach
einem benachbarten Tempel der Eileithyia benannte Thor 2) in
die Stadt Argos ein, welche damals den Raum zwischen dem
Felskegel der Larisa im Westen, einem durch eine Einsattelung
[zfstQas) mit dem nordöstlichen Fusse derselben zusammenhän-
genden flachen Felshfigel im Norden (der noch ebenso wie der
Rücken der Larisa innerhalb der Mauerlinie lag) und dem trocke-
nen Rache Charadros im Osten einnahm^) — gegen Süden ist
ihre Ausdehnung, da sich hier keine sicheren Spuren der Ring-
mauer nachweisen lassen, nicht mehr zu bestimmen, doch scheint
sie nicht weil über den südlichen Fuss der Larisa hinausgegangen
zu sein — einen Raum, welcher von dem jetzigen Städtchen
*) Man könnte auf diese von mir im .1. 1854 untersuchten Ruinen
den nur von Thuk. V, 58 erwähnten Namen Saminthos beziehen;
doch scheint diese Ortschaft in der Ebene selbst und zwar im nord-
westlichen Theil derselben (schwerlich bei Phiklia, Mykenae gegenüber,
wie Koss Reisen I, S. 27 annimmt, eher im Inachosthale, bei dem jetzigen
Skala, oberhalb dessen ein mittelalterliches Castell auf hellenischen
Fundamenten steht) gelegen zu haben. Lag bei Birbati vielleicht Me-
li na mit dem Tempel der Aphrodite MelinUa (Steph. u. MsXiva)?
') Dies ist, wie schon Curtius (Pel. II, S. 368) vermuthet hat, je-
denfalls identisch mit dem von Hesych. u. N^iisid^sg nvXai crwähnien
Nemeischen Thore.
3) Dasa der Charadros ausserhalb der Stadtmauer war, zeigt Thuk.
V, CO.
RUR8IAN, GEOOR. II. 4
50 II. Peloponncsos.
Argos, trotz seiner weitläufigen ganz dorfartigen Bauart, kaum
zur Hälfte ausgefüllt wird. Von den ßefestigungswerken der
alten Stadt sind noch auf dem höchsten nördlichen Theile der
Larisa, welcher die eigentliche Akropolis hildete, in der noch
Pausanias (c. 24, 3) einen verfallenen Tempel des Zeus Larisaeos
und einen wohlerhaltenen der Athene sah, bedeutende Reste der
meist aus schön bearbeiteten polygonen Werkstücken gefügten
Ringmauer mit den Fundamenten einiger Thürme erhalten,^)
deren Linie sich dann gegen Süden fast den ganzen Rücken der
Larisa entlang, gegen Nordosten an dem Abhänge durch die Ein-
sattelung (in der man noch die Stelle eines alten Thores erkennt)'^)
hindurch nach dem kleineren nordöstlichen Hügel verfolgen lässt:
dieser bildete eine besondere zweite Akropolis, welche, wie die
noch erhaltenen Reste zeigen, ringsum von einer Mauer aus
grossen fast ganz regelmässigen Quadern, die durch Thürme ver-
stärkt war (ein grosser Rundthurm ist noch an der Nordostseite
erkennbar) umschlossen wurde und zu welcher man von der Un-
terstadt auf einer Felstreppe von 13 Stufen emporstieg. Ausser
diesen Resten der Befestigungswerke findet man noch am südöst-
lichen Abhang des kleineren Hügels einen aus grossen fast ganz
unbehauenen Werkstücken erbauten unterirdischen Gang, der
1) Vgl. Curtius Fei. II, S. 350 f.; Annali XXXIII, p. 15.
2) Dies war offenbar das von Paus. c. 25, 4 als nvlcct ui Ttgog tfi
dsiQccÖL bezeichnete Thor; denn nur dieser Einsattelung, nicht, wie
Leake (Morea II, p, 400) und Curtius meinen, dem kleineren Hügel kann
derNarae^fi^ag zukommen, wie, abgesehen von der eigentlichen Bedeutung
desselben (Hals, Nacken), schon die Angabe des Paus. c. 24, 1, wornach
man über die Deiras zur Akropolis emporstieg, zeigt. Dass auch der kleine
Hügel eine besondere Akropolis bildete, beweisen die von mir genauer
untersuchten Reste der rings um ihn sich herumziehenden Ringmauer;
es wird bestätigt durch die ausdrückliche Angabe des Livius XXXIV,
25: ""utrasque arces — nam duas habent Argi'. Den wirklichen alten
Namen des Hügels können wir nicht mehr feststellen; am passendsten
für die Form desselben wäre der Name 'Agtcls (Plut. Oleomen. 17; 21.
Pyrrh. 32): allein da nach der zuerst angeführten Stelle dieser Name
einen Platz vtcsq tov Q'sdxQOv bezeichnete, so müsste man dann anneh-
men, dass Plutarch das Theater mit dem Stadion, welches nach Paus,
c. 24, 2 in der Einsattelung zwischen der Larisa und dem kleineren
Hügel gelegen zu haben scheint, verwechselt habe. Der von Anderen
für den Hügel vorgeschlagene Name 'AQ'rivaiov hat, da er nur bei Pseu-
doplut. De fluv.. (18, 12) erscheint, gar keine Gewähr.
1. Argolis: Argeiii, 51
jetzt auf eine Länge von 65 Fuss offen liegt und am siUlliclien
Ende von einer Art kreisf
wird, in folgender Weise:
Ende von einer Art kreisförmiger kleiner Kammer abgeschlossen
o
Die mit starkem bräunlichen Cement bekleideten Seitenwände
treten nach oben allmälig gegen einander vor, doch stehen sie
oben noch über einen Fuss weit von einander ab; die Tiefe des
Ganges konnte ich, da der Boden mit Wasser bedeckt ist, nicht
bestimmen. Wahrscheinlich haben wir in der ganzen Anlage eines
jener alten Wasserreservoirs, deren Errichtung die Sage auf Danaos
zurückführte (vgl. S. 41, Anm. 1), zu erkennen: vielleicht ist sie
identisch mit dem von Pausänias (c. 23, 7) unter den Sehens-
würdigkeiten von Argos erwähnten unterirdischen Bauwerke, auf
welchem der vom Tyrannen Perilaos zerstörte eherne Thalamos
der Danae gestanden hatte. Ist diese Vermutung richtig, so haben
wir auch die anderen von Pausänias a. a. 0. erwähnten Gebäude:
das Denkmal des alten Königs Krotopos, Sohnes des Agenor, den
Tempel des Dionysos Kresios und den der Aphrodite Urania auf
dem kleineren Hügel zu suchen. ^)
Ferner zieht sich am östlichen Fusse der Larisa eine gegen
100 Fuss lange Mauer aus grossen polygonen Werkstücken von
bedeutender Höhe, mit einem einfachen Thore in der Mitte, hin,
welche eine künstlich geebnete Fläche am Abhänge des Berges
stützt, auf der noch die Reste eines römischen Bauwerkes aus
Ziegeln stehn. In die felsige Rückwand dieser Fläche ist in
gleicher Linie mit dem Thore der Terrassenmauer ein recht-
winkeliger Raum hineingearbeitet, der sich stufenweise verengt
und von einer halbrunden Nische, in welche ein Canal aus dem
Innern des Felsens einmündet, abgeschlossen wird: eine ziemlich
räthselhafte Anlage, die ich wenigstens für nichts Anderes halten
kann als für ein Brunnenhaus, das von einer jetzt versiegten
Ouelle im Innern des Burgfelsens gespeist wurde. ''^) Auch die
römische Ruine scheint von einem damit in Verbindung gesetzten
*) So schon Curtius (Fei. II, S. 361), der nur nicht an Bekleidung
• l(>r Wände des Ganges mit Erzplattcn liilttc denken sollen, wogegen
ilcr Cemontüberzug spricht.
2) S. den l*hin Expt(d. de MorJe H, pl. CO. Der Ansicht von Curtins
(a. a. O. S. :^ü7), welcher in -der Terrasse das von Paus. c. 20, 7 er-
4*
52 II. Peloponnesos.
Thermengebäude herzurühren. Weiter südlich ist in den Fuss
der Larisa das Theater hineingearbeitet, von dessen aus dem
Felsen des Berges selbst geschnittenen Sitzreihen noch 67 über
dem Boden sichtbar sind ; bloss die beiden Enden des Halbkreises
waren durch Mauerwerk gestützt, welches ebenso wie das Bühnen-
gebäude jetzt verschwunden istJ) Neben dem südlichen Ende
des Halbkreises sind noch gegen 20 Sitzstufen in Form eines
flachen Kreissegmentes über einander in den Fels gearbeitet,
deren Bestimmung durchaus unklar ist. '^) Oberhalb des Theaters
stand nach Pausanias (c. 20, 8) ein Tempel der Aphrodite, vor
dem Cultbilde desselben eine Stele, auf welcher die Dichterin und
heldenmüthige Vertheidigerin ihrer Vaterstadt, Telesilla, mit einem
Helm in der Hand dargestellt war: die Stelle desselben bezeich-
net wahrscheinlich die Capelle des h. Georgios auf dem südlich-
sten Theile des Rückens der Larisa, der den Sondernamen Aspis
geführt zu haben scheint.^) Unterhalb des Theaters endlich fin-
det man noch die Reste eines umfangreichen länglich -viereckten
Bauwerkes aus Ziegeln mit einem kleinen Anbau an der Rück-
wähnte Kqlttjqlov^ die Gerichtsstätte von Argos, erkennt, scheint mir
die obere Felsanlage, sowie die Notiz der Schol. zu Eur. Orest. 859,
dass jene Gerichtsstätte auf einem IJqwv genannten Gipfel oder Vor-
sprunge des Berges lag, entschieden zu widersprechen.
1) Vgl. Expe'd. de More'e II, pl. 57 s.; Strack Gr. Theatergeb. Tfl.
IV, 2. Die von Paus. c. 20, 7 erwähnte Gruppe (der Argiver Perilaos
den Spartiaten Othryadas tödtend) bildete wahrscheinlich mit mehreren
anderen Sculpturwerken den Schmuck der Vorderseite der Bühne.
2) Gegen die an sich nahe liegende Annahme, dass hier das Kriterion
(S. 51 Anm. 2) zu suchen sei, hat Vischer (Erinnerungen S. 321) richtig
bemerkt, dass der Weg, den Pausanias machte, sie nicht zu gestatten
scheine. Wollte man nun auch annehmen, Pausanias sei von dem Hei-
ligtume des Zeus Soter an der Südwestseite der Agora aus eine Seiten-
strasse gegangen, die ihn gerade auf jene Steinsitze zu geführt habe,
so bliebe doch immer bei der unmittelbaren Nähe derselben und des
Theaters der Ausdruck xovxov ds tativ ov tcoqqco &s(Xtqov (c, 20, 7)
sehr bedenklich.
^) Vgl. S. 50, Anm. 2. Dass das kleine Relief auf dem Felsen
nördlich vom Theater, welches einen auf eine Amphora zu reitende«
Krieger mit dem Schild am Arm, dazwischen eine sich aufrichtende
Schlange darstellt, mit jener Benennung nichts zu thun hat, sondern
eine gewöhnliche sepulcrale Darstellung ist, haben schon Conze und
Michaelis (Annali vol. XXXIII p. 15 s.) richtig bemerkt.
1. Argolis: Argcia. 53
Seite, der nach Innen eine halbkreisförmige Nische bildet: viei-
leicht eine Basilica aus der Römischen Kaiserzeit.
Von der eigentlichen Stadt sind wegen der bedeutenden
Erhöhung des Bodens in Folge der ununterbrochenen Bewohnung,
abgesehen von einigen für die Topographie unwesentlichen Bild-
werken und Inschriften, gar keine Reste erhalten, so dass wir
uns nur aus der zwar ausführlichen aber keineswegs sehr klaren
Beschreibung des Pausanias (c. 19, 3 — c. 24, 2) eine ungefähre
Vorstellung von der Würde und Stattlichkeit der Heiligtümer und
öifentlichen Gebäude wie von der Fülle von Kunstwerken, die sie
schmückten*), machen, aber kein genaueres topographisches Bild
derselben entwerfen können. Den Mittelpunct, um welchen die
meisten und bedeutendsten Heiligtümer herum lagen, bildete die
umfangreiche, mit zahlreichen Statuen und Heroengräbern be-
setzte Agora, die sich unterhalb der Burg (Liv. XXXII, 25), d. h.
offenbar nahe dem östUchen Fusse der Larisa, doch nicht un-
mittelbar an demselben — vielmehr führten Seitengassen von der
Westseite der Agora nach dem Fusse des Berges (vgl. weiter
unten) — hinzog. Das angesehenste jener Heiligtümer war der
angeblich schon von Danaos gegründete Tempel des Apoll on
Lykios, der mit seinem ausgedehnten Temenos, in welchem noch
verschiedene Götterbilder, Altäre, Heroengräber und sonstige Bild-
werke vereinigt waren, einen bedeutenden Theil der Nordseite
der Agora eingenommen zu haben scheint; ihm gegenüber, d. h.
wohl durch eine Strasse davon getrennt, lag das Heiligtum des
Zeus Nemeios; in dieser Strasse zur Rechten das Grab des
Phoroneus, zur Linken, hinter dem Zeusheiligtum, ein alter Tem-
pel der Tyche, ein Grabdenkmal der Maenade Chorcia und etwas
weiter ab vom Markte ein Heiligtum der Hören. ^) An der West-
seite der Agora standen dann Statuengruppen : die sieben Heerführer
*) Aemilius Paullus bewunderte x6 ßccgos trjs tcov 'AqyuoiV noXstos
nach Polyb. XXX, fr. 15, 1.
*) Paus. c. 19, 3 8H., vgl. 8chol. Soph. El. 6. Meiner Ansicht nach
ist alles, was Paus, von c. 19, 3 bis c. 20, 3 beschreibt, im Temenos des
Apollon Lykeios zu suchen; dann geht er nach Erwähnung des Heilig-
tums des Zeus Nemeios die Strasse, welche dieses von jenem Temenos
trennt, und kehrt mit § 6 {Inaviovti S'syifCQ'Sv, missverstanden von Cur-
tius a>. 561, .\nm. 13) auf die Agora zurück. Da mehrere Weihungen
an Apollon enthaltende Inschriften (C. I. 0. n.lU2; 1143; 1152) bei
54 ' 11. Peloponncsos.
gegen Theben und die sogenannten Epigonen ; vor denselben, gegen
die Mitte des Marktes zu, zeigte man ein Denkmal des Danaos und
ein Kenolapliioii der vor llion und auf der Ki'ickfahrt gefallenen
Argiver. ^) Von einem ebenfalls noch an der Westseite der Agora
gelegenen Heiligtum des Zeus Soter führte dann eine Seitenstrasse
nach dem Fusse der Larisa in die Nähe des Theaters, in welcher
Tansanias (c. 20, 6 f.) ein Gebäude, in welchem die Argivischen
Frauen die Adonisklage hielten, ein Heiligtum des Flussgottes
Kephisos, ein steinernes Medusenhaupt, das als Werk der Kyklopen
galt, und dahinter, auf einem Vorsprunge der Larisa (Prön), das
Kriterien, d. h. den Platz, wo Danaos über Hypermnestra Ge-
richt gehalten haben sollte'^), erwähnt.
Wenn man vom Theater aus nach der Agora zurückkehrte,
fand man — also jedenfalls an der Südseite derselben — ausser
mehreren Heroengrabmälern einen Tempel des Asklepios, ein
Heihgtum der Artemis Peilho, einen Delta genannten Platz mit
Altar des Zeus Phyxios davor, und einen Tempel der Athena
Salpinx. Ungefähr in der Mitte der ganzen Agora stand ein mit
Reliefs verziertes Marmordenkmal, welches den Platz bezeichnete,
auf dem der Leichnam des bei seinem verunglückten Versuche
der Ueberrumpelung der Stadt (Ol. 127 , 1) gefallenen Pyrrhos
verbrannt worden war; nahe dabei erhob sich ein einfacher Erd-
hügel, unter welchem das Haupt der Gorgo Medusa liegen sollte,
daneben das Grab der Gorgophone, Tochter des Perseus, und
vor diesem ein Tropaeon zur Erinnerung an die Vertreibung eines
Tyrannen Laphaes. Nicht weit davon, jedenfalls noch an der
Südseite der Agora, standen die Tempel der Leto und der Hera
Antheia, vor dem letzteren das gemeinsame Grab der Frauen, die
mit Dionysos nach Argos gekommen sein und hier ihren Tod
gefunden haben sollten. Diesem Grabe gegenüber, d. h. wohl
einer Kirche des h. Nikolaos (deren Stelle ich leider nicht genauer an-
geben kann) gefunden worden sind, so scheint diese ungefähr die Stelle
des Apollontempels einzunehmen.
•) Paus. c. 20, 5 f., vgl. Strab. VIII, p. 371, in welcher Stelle un-
möglich, wie Curtius (a. a. O.) will, ^ara (isarjv rriv rav 'Agysicov ayo-
QKV bloss 'die Richtung auf die Mitte des Marktes' bezeichnen kann.
Deinias beim Schol. Eur. Or. 859 spricht nicht vom Grabe des Danaos,
sondern von dem eines Melanchros.
2) Vgl. S. 51, Anm. 2 und S. 52, Anm. 2.
1. Aigolis: Argeia. 55
am südlichen Ende der Ostseile der Agora, lag das Heiligtum der
Demeter Pelasgis, in dessen Nähe das Grab des Pelasgos und
eine eherne Basis, auf welcher altertümliche Bilder der Artemis,
des Zeus und der Athene standen, sowie das Heiligtum des
l'oseidon Prosklystios , welches die (jränze einer durch den
Zorn des Poseidon verursachten Ueberschwemmung eines grossen
Theiles der Ebene bezeichnen sollte; nicht weit davon waren
das Grab des Argos, ein Tempel der Dioskuren, ^) ein Heiligtum
der Eileilhyia (das jedenfalls von dem in der Nähe des nach
iMykenae führenden Thores gelegenen verschieden ist) und ein
Tempel der Hekate. Zvvisclien diesem und dem vorhergenannten
Heiligtume jnündete, wie es scheint, auf den Markt eine gerade
Strasse aus, welche in östlicher oder südöstlicher Richtung nach
dem Diamperes genannten Thore führte, vor welchem, nicht
ganz 300 Schritt von der Stadtmauer entfernt, das grössle und
hekaimteste Gymnasion der Stadt lag, welches nach dem Sohne
des Sthenelos, Kylarabis, benannt wurde. ^) An einer anderen,
ri Koilri (der Hohlweg) genannten Strasse, deren Richtung nicht
ganz sicher ist (doch scheint sie ebenfalls von der Ostseite der
Agora, etwas weiter nördlich als die nach dem Thore Diamperes
führende, nach der östlichen Stadtmauer gegangen zu sein)^), lag
ein Tempel des Dionysos und unmittelbar neben demselben die
Ruinen des Hauses des Adrastos (der auch hier wie in Sikyon
wohl ursprünglich mit Dionysos identisch war), weiterhin ein
Heiligtum des Anjphiaraos, das Grab der Eriphyle, ein Temenos
des Asklepios und ein Heiligtum des Baton; an der andern Seile
^) Nach Pliit. Q. Gr. 23 wurde Polydoiikcs als Gott, Kastor, dessen
Grab man aufzeigte, unter dem Namen Mi^ciQxayhng als Heros verehrt.
■^) Paus. c. 22, 8; vgl. J.iv. XXXIV, 26; IMiit. l'.vnli. :V2 (die einzige
stelle, wo der Name des Thores, jLUimsQBSj angegeben wird); Cleomen.
17; 26; Lucian. Apol. pro merc. cond. 11. Dass es wenigstens in
der röm. Kaiserzeit noch mehrere Gymnasien in Argos gab, zeigt die in
einigen Ehrendecretcn (C. I. G. n. 1122; 1123; lUillettino 1854, p. XXXIV«)
wiederkehrende Formel d-tvtcc l'lcaov ev nccvtl yvfivccaLfp.
^) Der Ausdruck ivrsvdsv bei Paus. c. 23, 1 kann unmöglich auf
da» zuletzt beschriebene Gymnasion bezogen werden, da die Koile gewiss
innerhalb der 8tadt lag, sondern entweder auf die zum Thore Diamperes
tiihrende Strasse oder (wie Curtius S. 361 wohl mit Recht annimmt)
wieder auf die Agora. Bei Paus. a. a. O. schreibe uh dann 4j 2: otniag
56 II. Pelopoimesos.
der Strasse wieder näher dem Markte zu das Grab der llyrnetlio,
sodass wohl von den vier nach den vier Phyien benannten Stadt-
quartieren, in welche die Stadt getheilt war,^) das Ilyrnetliische
hier östlich von der Agora anzusetzen ist. Am nördlichsten Theile
der Ostseite der Agora lagen dann noch das bedeutendste Heilig-
tum des Asklepios, der Tempel der Artemis Pheraea, die Denk-
mäler der Deianeira und des Helenos, und ein Gebäude, worin
nach der Behauptung der Argiver das troische Palladion aufbe-
wahrt wurde. In der Deiras endlich, durch welche die Strasse
nach der Burg hinauf führte, lagen die Tempel der Hera Akraea,
des Apollon Pythaeus (auch Apollon Deiradiotes genannt) und der
Athena Oxyderko sowie das Stadion, in welchem der von den
Argivern in die Stadt verlegte Nemeische Agon und auch die IJeraeen
begangen wurden; höher hinauf war dann zur Linken der Strasse
noch das Grabdenkmal der von den Danaiden ermordeten Söhne
des Aegyptos bemerkenswerth. 2)
Eine nur vorübergehende Anlage waren die langen Mauern,
durch welche die Argiver Ol. 90, 4 nach dem Muster von Athen
und mit Unterstützung der Athener ihre Stadt mit dem Meere in
Verbindung setzten, die aber schon im folgenden Winter noch
vor ihrer Vollendung von den Lakedaemoniern zerstört wurden. ')
Dieselben gingen wahrscheinlich von der südlichen Stadtmauer
nach dem nächsten Punkte der Küste, welcher zwar keinen eigent-
lichen Hafen — als solcher diente den Argivern die frühzeitig
von ihnen unterworfene Stadt Nauplia — aber doch einen durch"
einen Hafendamm gesicherten Landungsplatz darbot: einer etwas
erhöhten, festen Stelle in dem sumpfigen Küstensaume, 26 Sta-
dien von der Stadt, welche als der erste Landungsplatz der dori-
^) Dies ergiebt sich aus Plut. De mul. virt. 4 (p. 245), wo ein Stadt-
theil ro 77a/Ltqp'üA,ta>toV erwähnt wird. Zwei von der Hyrnethischen
Phyle gesetzte Ehreninschriften (C. I, G. n. 1131 und Bullettino 1854,
p. XXXIV ^) sind vor der jetzt verlassenen Kirche des h. Petros, bei
welcher auch viele alte Baureste liegen, gefunden worden.
2) Paus. c. 24, 1 f. : über die c. 23, 7 f. erwähnten Anlagen vgl.
oben S. 51. Ueber die Feier der Nemeien in Argos s. Krause Die Py-
thien, N-emeen und Isthmien S. 110 f.; über die Heraeen C. Fr. Hermann
Gottesd. Alt. §.52, 1 f. Von Pausanias nicht erwähnte Localitäten
sind das Prytaneion (Diod. XIX, 63) und ein Temenos des Agenor
(Plut. Q. Gr. 50).
3) Thuk. V, 82 f. 5 Diod. XII, 81; Plut. Alcib. 15.
1. Argolis: Argeia. 57
sehen Eroberer und als Grabstätte ihres Anführers Temenos den
Namen Temenion führte: auf demselben waren dem Poseidon
und der Aphrodite (als Euploia) Heiligtümer errichtet. ^) Weiter
östlich, gegen Tiryns hin, lag an der Küste ein Platz Sepeia, der
schon durch seinen Namen als eine feuchte, versumpfte Niederung
bezeichnet wird; hier wurden Ol. 71, 3 die Argiver von dem
lakedämonischen Könige Kleomenes geschlagen und flüchteten in
den offenbar weiter nördüch auf festem, etwas erhöhten Terrain
gelegenen dichten Hain des Heros Argos, welchen Kleomenes in
Brand stecken Hess. 2)
Vom Thor Diamperes (s. S. 55) aus führte eine jetzt wieder
fahrbar gemachte Strasse südostwärts nach Tiryns, dessen der
Sage nach von den lykischen Kyklopen im Auftrag des Königs
Proitos ummauerte, mit dem Sondernamen Likymna bezeichnete
Burg auf dem westlichsten der aus dem östlichen Theile der
Ebene sich erhebenden Felshügel, etwas über eine Stunde von
Argos entfernt lag. Die kaum 50 Fuss über die Ebene empor-
ragende obere Fläche des Hügels hat von Nord nach Süd eine
Länge von ungefähr 900 Fuss; der südliche Theil ist etwas höher
und breiter als der nördliche. Mauern von gewaltiger Dicke,
ans ganz unbearbeiteten colossalen Steinblöcken, zwischen welche
kleine Steinhröckel zum Ausfüllen der Lücken eingeschoben sind,
construirt, ziehen sich noch jetzt in verschiedener Höhe um den
Hügel herum, so dass die innere Seite derselben hart an dem
oberen Rande, die äussere etwas tiefer am Abhänge steht. Die-
selben sind an der Südostseile von zwei langen, durch das Gegen-
einandertreten der Steinblöcke oben in Form eines rohen Spitz-
bogens bedeckten Gängen durchbrochen, deren äusserer sechs
grosse bis auf den Boden herabgehende OelTnungen, die nach
1) Paus. c. 38, 1; Strab. VIII, p. 368. Nach Steph. u. Trjfiiviov
scheint auch eine wohl hauptsächlich von Fischern und Schiffleuten
bewohnte Ortschaft hier gestanden zu haben. Vgl. Ross Reisen I,
S. 149.
«) Herod. VI, 77 ff.; vgl. Paus. III, 4, 1. Auf den Hain ist wahr-
scheinlich auch das Sprüchwort "Agyovs (oder "ylgyov) X6q}og (Diogon.
HI, 10) zu beziehen. In der NHhe des Ilainps ist woIjI auch der Liby-
ens carapus und das auf Argos zurückgeführte Heiligtum der Demeter
Libyssa iv XagdS^a ovrco yiaXovfiivco zoncp (s. Preller Polemonis fragra.
p. 44) zu suchen.
58 II. rclüpüiiucsos.
oben wie die (iäiige selbst spitzbogenförmig abgeschlossen sind,
in der Aussenwand hat und darnach wohl als eine Art VV^jchlocal
lür einen Tlicil der Besatzung diente. Auch mehrere Thore,
durch vorspringende Mauerecken verlheidigt, sind noch erkenn-
bar, sowie im Innern eine von West nach Ost gehende Quer-
mauer, welche den südlichen Theil der Burg von dem nördlichen
schied.^) Wie die Gründung, so gehört auch die Bedeutung der
Stadt der mythischen Zeit an. Der Schiffscatalog [B, 559) führt
unter den von Diomedes beherrschten Städten die 'wohlummauerte
Tiryns' an zweiter Stelle, neben Argos, auf; seit der dorischen
Eroberung trat sie wahrscheinlich in ein gezwungenes Bundes-
genossenverhältniss zu Argos; das letzte Zeichen selbständigen
Geistes gab sie in den Perserkriegen, indem ein Theil ihrer
Bürger bei Plataeae mitkämpfte; nicht lange nachher wurde sie
von Argos erobert, die Burg mit dem Tempel der Hera (aus dem
die Argiver das alte Schnitzbild der Göttin nach ihrem Ileraeon
schafften) zerstört, die Bewohner, soweit sie nicht in Epidauros
und in der zum Gebiet von Hermione gehörigen Ortschaft Halieis
eine Zuflucht suchten, zur Uebersiedelung nach Argos genöthigt.
Seitdem scheint die Burg wüste gelegen zu haben vvie Mykenae;
aber unterhalb derselben wurde eine neue Ansiedelung unter dem
alten Namen gegründet, die in der Zeit nach dem peloponnesischen
Kriege so blühend war, dass sie eigene Münzen prägte; jedoch
war dieselbe wenigstens zur Zeit des Pausanias wieder völlig ver-
schwunden, ^j
^) Vgl. den Plan Exped. de Moree II, pl. 72 s. und darnach bei
Curtius II, Tfl. 15 und auf unserer Tfl. II, 1. Ansichten der Gänge bei
Dodwell Views and descriptions of Cyclopian or Pelasgic remains in
Greece and Italy pl. 2 ss. und Göttling Arch. Zeitung 1845, N. 26:
letzterer will darin die von Paus. c. 25, 9 erwähnten Q-dlcc{iov xmv
IlQOizov &vyarsQ(ov erkennen, mit Unrecht, da diese nach Pausanias
7iataßavT(ov ü)g ini d'ccXaooav, also unterhalb der Burg nach der Küste
zu, lagen.
2) Herod. IX, 28 (vgl. die Delphische Schlangensäule, wo Gewinde 8
TIRYN0IOI); Paus. c. 25, 7 (vgl. II(, 17, 5; VIII, 46, 2); Strab. VIII,
p. 373> Ueber die neuerdings gefundenen, sicher nach der Zerstörung
der Stadt durch die Argiver geprägten Münzen mit den Inschriften Tl,
TIRV, TIRVN, TIPVN©lßN s. A. de Courtois in der Revue numismatique
1864, p. 178 ss. und 1866 p. 153 ss. (der sie gewiss mit Unrecht ^comme
simple Souvenir historique' betrachten will). Auf die Bewohner dieser
1. Argolis: Argeia. 59
Kaum drei Viertelstunden südlich von Tiryns lag und liegt
rjocli jetzt auf einer kleinen gegen Westen in die Bucht vortre-
tenden felsigen Halbinsel, welche durch einen Isthmos mit dem
die Argivische Ebene im Südosten abschliessenden Bergzuge zu-
sammenhängt, die Stadt Nauplia (ieizt t6 Navjthov) mit einem
trefflichen Ilafenbassin an der Nordseite, offenbar die Gründung
eines seefahrenden Volkes, vielleicht von den Dryopern, welche die
Küste von hier aus bis zur $üdostspitze der argolischen Halbinsel
in Besitz genommen hatten, als Vorwerk gegen die Bewohner
der Ebene angelegt,^) früher, so lange sie ihre Selbständigkeit
gegen die feindliche Nachbarin Argos bewahren konnte, Mitglied
des Seebundes ionischer Staaten, welcher im Tempel des Poseidon
auf Kalaurea seinen Mittelpunkt hatte, später, nachdem sie wäh-
rend des zweiten Messenischen Krieges von dem Argivischen
Könige Damokratidas erobert und die alten Bewohner vertrieben
worden waren (denen die Spartaner das Messenische Mothone zur
Wohiistätte anwiesen), blosse Hafenstadt von Argos, das auch ihre
Stelle in der Kalaureatischen Amphiktyonie einnahm/^) Je mehr
die Macht und der Wohlstand von Argos sank, desto mehr kam
auch Nauplia herunter: Pausanias (II, 38, 2) fand es ganz ver-
ödet, nur Beste der Befestigungsmauern (hauptsächlich wohl der
Akropolis, von der noch jetzt in den Mauern des türkischen F'orts
Itsch-kaleh auf einer felsigen Anhöhe mitten in der Stadt schöne
Polygonreste erhalten sind), zwei Häfen (zu beiden Seiten der Land-
enge), ein Heiligtum des Poseidon und eine Quelle, Kanathos
genannt, von welcher Aehnliches wie von dem Jungbrunnen (Queck-
brunnen) der deutschen Sage erzählt wurde: die Göttin Hera
jüngeren Stadt ist wohl der Vorwurf der Trunksucht (lilphippos bei
Athen. X, p. 442 •*) sowie die Geschichte von ihrer unbezähmbaren
Lachhist (Theoplirast. bei Athen. VI, p. 261 ^) zu beziehen.
*) Dafür spricht besonders auch, dass die Heroen Nauplios und
Palamedes (dessen Name sich noch in dem des steilen, von einem star-
ken Fort gekrönten Berges Palamidi, der den Zugang zum Isthmos
von Südost her beherrscht, erhalten hat) auch in dem von Dryopern
bewohnten südlichen Euboia localisirt sind: vgl. meine Quaostiones
Euboicae p. 23.
2) Strab. VIII, p. ;^68; 374; Paus. IV, 24, 4; 35, 2. Die Steine mit
Inschriften aus der Kaiserzeit, die in Nauplia gefunden worden sind
(C. I. Gr. n. 1162 — 66), sind wohl thcils aus Argos, thoils von anderen
Orten (n. 1166 von Ilcrmione) dorthin verschleppt worden.
60 II. Pcloponncsos.
sollte alljälirlicli durch ein Bad in derselben ihre Jungfrauschaft
wieder gewinnen, eine Legende, welche ofl'enbar aus dem mit
mystischen Gebräuchen verbundenen Doppelcult der Hera als Braut
('Hqu Nvficpsvo^svri) und als Ehefrau ('HQa TbIeio) entstanden
ist. In der Nähe der Stadt waren Grotten mit verschlungenen
Gängen [kaßvQLv%^oi) , welche man als Werke der Kyklopen be-
zeichnete: wahrscheinlich alte, in bergmännischer Weise betrie-
bene Steinbrüche, die bis jetzt noch nicht wieder aufgefunden
worden sind. ^) Erst im Mittelalter und der Neuzeit ist die Stadt
durch ihren guten Hafen wieder, namentlich als Stützpunkt für
maritime Eroberung, bedeutend geworden, besonders während sie
sich im Besitz der Venetianer befand, die den Hafen sowie den
Zugang zur Stadt von der Landseite her neu befestigt und auf dem
diesen Zugang beherrschenden Felskegel, dem Palamidi (vgl. S. 59,
Anm. 1) eine ausgedehnte Befestigung angelegt haben, die jetzt,
durch eine Felstreppe von 875 Stufen bequemer zugänglich ge-
macht, die einzige in vertheidigungsfähigem Zustande befindliche
Festung des Königreiches Hellas (dessen Haupt- und Residenzstadt
Nauplia, das auch früher der Sitz des Präsidenten Kapodistrias
gewesen, während der Jahre 1833 und 1834 war) ist. Jetzt zählt
die Stadt mit Einschluss der östlich von dem Isthmos sich aus-
breitenden Vorstadt Pronia, des Sitzes der hellenischen Natio-
nalversammlung im Jahre 1832, in deren Nähe ein in hohem
Relief aus einer Felswand herausgearbeiteter Löwe, ein AVerk
des deutschen Bildhauers Siegel, das Andenken der in Griechen-
land gestorbenen baierischen Soldaten verherrlicht, etwa 6000
Einwohner.
Ein ganz ähnliches Schicksal wie NaupUa hatte im Altertum
dessen Nachbarstadt Asine, die ebenfalls von Dryopern bewohnt,
von den Argivern frühzeitig (angeblich schon um den Anbeginn des
achten Jahrhunderts v. Chr.) erobert und gänzlich zerstört wurde:
nur das Heiligtum des Apollon Pythaeus verschonten sie, welches
») Strafe. Vni, p. 369 ; 373. Die Ansicht von Curtius (Pel. II, S. 391),
dass einige Grotten in der Schlucht hinter der östlichen Vorstadt Nau-
plions, Pronia, die von Strabon erwähnten GmjXaia y,ai sv uvrotg olyw-
dofiTjxol laßvQLV&OL seien, kann ich durchaus nicht theilen, da diese
Grotten , wenigstens soweit ich sie gefunden und besucht habe , ganz
gewöhnliche Erdhöhlen von geringer Tiefe und ohne irgend welche
Spuren von in das Innere des Berges führenden Höhlengängen sind.
1. Argolis: Argeia. 61
sie später, wie es scheint, gemeinsam mit den Epidauriern ver-
walteten,^) und welches noch Pausanias, der auch von der Ort-
schaft noch Trümmer am Strande vorfand, sah; die vertriebenen
Asinaeer waren von den Lakedaemoniern freundlich aufgenommen
und in Messenien angesiedelt worden. Selbst die Stelle des ar-
givischen Asine ist nicht mehr mit voller Sicherheit nachzuweisen,
da sowohl an dem zunächst südöstlich von Nauplia gelegenen
Hafen Tolon, von welchem aus eine schmale Ebene sich nach
dem südöstlichen Ende der grossen argivischen Ebene hinaufzieht,
auf einem Vorsprunge des Gebirges die Reste einer alten Burg,
als auch in der weiter östlich gelegenen kleinen Strandebene von
Kandia, zu welcher wahrscheinlich die durch zwei Vorsprünge
des felsigen Ufers umschlossene Bucht von Chaidari gehörte,
^/o Stunde vom Ufer die Ruinen einer befestigten Ortschaft und
nahe am Strande zwischen zwei Lagunen von geringer Ausdehnung
die Trümmer eines nicht unbedeutenden Tempels sich vorfinden. 2)
Vor der Küste vom Hafen Tolon bis zum westlichen Vorsprunge
des Bergzuges Avgo, welcher die Bucht von Vurlia umschliesst,
liegen drei jetzt ganz unbewohnte Felsinseln, Makronisi (die lange
Insel), Platia (die breite) und Hypsili (die hohe) genannt: da dies
die einzigen Inseln innerhalb des Argolischen Meerbusens sind,
so scheinen ihnen die von Plinius (N. h. IV, 12, 56) aufbewahr-
ten Namen Pityusa, Irine (wohl Eirene)^) und Ephyre zu
gehören; doch waren sie schwerlich jemals dauernd bewohnt.
') Ich schliesse dies aus Thuk. V, 53, wo unter den IlaQCinoTcciiioi.
(falls diese Lesart richtig ist) wohl die Anwohner des aus der Epi-
dauria nach dem Argolischen Meerbusen fliessenden Baches von Bedeni
zu verstehen sind, in Verbindung mit der Notiz bei Scyl. Per. 50, dass
Epidauros eine Küstenstrecke von 30 Stadien Länge mitten zwischen
dem Gebiete von Argos und dem von I [alieis besass.
2) Paus. II, 36, 4 f.; IV, 34, 9 SS.; Strab. p. 373; Diod. IV, 37.
IJeber die Ruinen vgl. Curtius S. 465 f., der Asine beim Hafen Tolon
ansetzt und die Ruinen in der Ebene von Kandia auf Eion {'Hiovsg
11. B, 561; 8trab. p. 373; 7/iwv Diod. IV, 37) bezieht; doch dürften von
letztcrem , von dem schon zu Strabons Zeit keine Spur, zu Pausanias
Zeit, wie es scheint, nicht einmal eine Erinnerung melir vorhanden war,
schwerlich noch Reste erhalten sein.
') Da nach Harpokr. und Steph. J)yz. u. KuXavgeia (vgl. Plut.
Q. Or. 19) Eirene der Ultere Name der Insel Kalaureia war, so
könnte, besonders da auch Pityusa als Name eitior Tiisol bei der argo-
62 II. Peloponnesos.
Mit der von Argos nach Tiryns und Nanplia führenden
Strasse fiel wohl eine kurze Strasse die von Argos nach Epidauros
zusammen, an welcher Pausanias (c. 25, 7) ein jetzt verschwim-
denes pyramidenförmiges, mit Schilden in Relief verziertes Bau-
werk als Denkmal des Kampfes zwischen den mythischen Herr-
schern Akrisios und Proitos und der darin Gefallenen, und dann
eine bereits an der Gränze des argivischen und epidaurischen
Gebietes, am Fusse des Arachnaeongebirges, gelegene Ortschaft
Lessa mit einem Tempel der Athene erwähnt, von der noch einige
Reste bei dem Dorfe Ligurio erhalten sind^); übergangen hat
er zwei offenbar zur Sicherung der Strasse angelegte Castelle,
von denen noch Ruinen vorhanden sind: eines etwas seitwärts
rechts (südlich) von der Strasse, in der Nähe des Dorfes Katzingri,
da wo die Strasse die Ebene verlässt und zwischen die west-
lichsten Ausläufer der Epidaurischen Berge eintritt; ein zweites
272 Stunden weiter östlich unmittelbar rechts über der Strasse.
Von einer dritten umfangreicheren und stärker befestigten Burg,
an deren Fusse auch eine Unterstadt lag, finden sich die sehr
wohl erhaltenen Ruinen ^/^ Stunde südwestlich von diesem Castell,
zwei Stunden von Ligurio, links über der von NaujiHa nach Epi-
dauros führenden Strasse, die sich weiterhin mit der von Argos
kommenden vereinigt, oberhalb der kleinen jetzt Sulinari ge-
nannten Ebene; 2) von einer vierten wiederum kleineren endlich,
welche den Weg aus der argivischen Ebene nach der Hafenbucht
von Tolon beherrschte, sind über dem östlichen Rande der süd-
östlichen Fortsetzung der Ebene, bei Spaitziko, noch einige Reste
erhalten. Gegen V/^ Stunde nördlich von der epidaurischen
Strasse findet man am östlichen Rande der Ebene, südöstlich von
dem Dorfe Dendra, auf einem nach allen Seiten ausser gegen
Nordwesten steil abfallenden Felshügel die Ruinen einer offenbar
sehr alten befestigten Ortschaft: Mauern aus grossen rohen Stein-
lischen Akte bezeugt ist (Paus. c. 34, 8), die ganz» Angabe des Plinius
leicht auf einer diesem Schriftftsteller wohl zuzutrauenden Gedanken-
losigkeit beruhen.
1) Vgl. Curtius S. 418. Die dort erwähnte, Exped. de Moree II,
pl. 76 abgebildete Pyramide halte ich für einen Wartthurm.
2) Vgl. den Plan bei Lebas Voyage arche'ologique , Itineraire pl.
31 s. (wiederholt bei Curtius II, Tfl. XVIII) und die sorgfältige Beschreib-
ung bei Vischer Erinnerungen S. 503 f. , mit welcher meine eigenen
Notizen ganz übereinstimmen.
1. Argolis: Argeia. 63
blocken, deren Lücken durch kleine Steine ausgefüllt sind, erbaut
ziehen sich um den Rand der oberen Fläche herum, mit Aus-
nahme der Südost- und Südwestseite, wo der schroffe Absturz
der Felsen als ausreichende natürliche Schutzwehr diente. Dies
sind die Reste von Midea, einer an Alter Tirynth kaum nach-
stehenden Ortschaft, welche die Sage als Herrschersitz desElektryon,
des Vaters der Alkmene, bezeichnete; sie wurde frühzeitig von
den Argivern zerstört, worauf die alten Rewohner nach Halieis
übersiedelten; doch entstand am Fusse des Hügels, ganz wie bei
Tiryns, wiederum eine kleine Ortschaft unter dem alten Namen,
die auch Münzen geprägt zu haben scheint.^)
Von dem an der Nordwestseite der Stadt Argos , in der
Deiras, befindlichen Thore gieng eine Hauptverkehrstrasse zwischen
Argolis und Arkadien, die Mantineische, aus, welche sich nicht
weit vom Thore in zwei Strassen spaltete, die nach den Pässen,
durch welche sie das Gränzgebirge zwischen beiden Landschaften
überschritten, ^die Strasse durch den Stacheleichenwald' (dia
TIqlvov) und ^die Treppenstrasse' [did TcXi^axog) genannt wur-
den. 2) Die letztere, die weitere und bequemere, trat ungefähr
zwei Stunden nordwestlich vom Thore, bei dem jetzigen Skala,
wo noch [{este einer alten Refestigung erhalten sind (vgl. S. 49,
Anm. 1), in das bald sich verengende Thal des Inachos ein und
folgte dem linken Ufer des Raches, an welchem 60 Stadien von
Argos die zur Zeit des Tansanias (c. 25, 4) längst verödete Ort-
schaft Lyrkeia lag, aufwärts bis zur arkadischen Gränze, welche
sich auf dem jetzt Portäs fdie Thore') genannten, von kahlen
Telszacken bekrönten Rücken des Lyrkeion hinzog, von dem ein
theil weise durch in den Fels gehauene Stufen gebildeter Pfad in
den nordöstlichsten Winkel des Mantineischen Gebietes, das soge-
nannte Argon Pedion, hinabführte. Wenige Minuten westlich
von der Stelle von Lyrkeia mündet ein kleiner Seitenbach von
Norden her in den Inachos: wenn man diesen eine Strecke auf-
wärts verfolgt und sich dann durch eine Rergschlucht nordwest-
^) Strab. p. 373 (der ausdrücklich die Form Mi9ia im Qegensat«
zum Boiotiöchen MiSsia bezeugt); Paus. c. 25, 9; Steph. liyz. u. Mi-
(Iffta: vgl. Curtius S. 395 und 569 und Annali XXXHI, p. 19 mit Plan
auf der Tav. d'agg. F (wiederholt auf unserer Tfl. II, 2).
2) Paus. c. 25, 1 und 4; VIII, ß, 4; vgl. Koss Hoisen I, S. 129 ff.
64 n. Peloponnesos.
lieh wendet, gelangt man in das enge Thal eines bereits dem
Asopos zufliessenden Baches, des Orneas, an welchem 60 Stadien
von Lyrkeia, in der Gegend des jetzigen Palaeo-Leonti, Orneac
lag, in alten Zeiten eine nicht unbedeutende Stadt, die sich lange
als Bundesgenossin von Argos eine gewisse Selbständigkeit be-
wahrte und zwar Ol. 91, 1 wegen der unter dem Einflüsse Spartas
erfolgten Aufnahme argivischer Verbannter von den verbündeten
Argivern und Athenern nach kurzer Belagerung geschleift, aber
jedenfalls bald wiederhergestellt wurde, da sie noch in den
Kämpfen der Spartaner gegen die Argiver und gegen die Mega-
lepoliten und ihre Verbündete Ol. 106, 4 und 107, 1 eine Rolle
spielt. Um den Beginn unserer Zeitrechnung aber war sie be-
reits verödet und nur einzelne Heiligtumer standen, wahrschein-
lich unter dem Schutze und der Verwaltung der Argiver, noch
aufrecht. ^)
Die andere Strasse nach Mantineia wandte sich westwärts
an einem Doppeltempel der Aphrodite und des Ares vorüber und
trat eine Stunde von Argos in die enge Schlucht, aus welcher
das Bett des Charadros hervorkommt, ein, wo sie durch einen
Vy^artthurm, dessen Unterbau noch erhalten ist, geschützt war.
Ungefähr 1'^/^ Stunde lang gieng die Strasse in dieser Schlucht
hin, bis sich dieselbe zu einer kleinen anbaufähigen Ebene er-
weitert, in der mehrere kleine Bäche von verschiedenen Seiten
her zusammenkommen; zwischen denselben scheint an einem jetzt
Palaeochora genannten Platze, auf welchem öfter alte Münzen ge-
funden werden, der argivische Flecken Oinoe (oder Oine) ge-
legen zu haben. Von hier aus stieg man an den steilen nordöst-
lichen Abhängen des Artemision empor zu dem Heiligtume der
Artemis Oinoatis, dessen Stelle wahrscheinlich eine zerstörte
Kapelle des heiligen Elias, die von einer schönen Gruppe von
Stacheleichen« umgeben ist, bezeichnet. Nur wenig höher hinauf
gelangte man zu den auf dem eigentlichen Rücken des Gebirges
mit reicher Wasserfülle hervorsprudelnden Quellen des Inachos,
von denen aus ein steiler Pfad in das Argon Pedion hinabführte, ^j
1) IL ß, 571; Thuk. VI, 7; Aristoph. Av. 399; Diod. XII, 81; XVI,
34; 39, Strab. VIII, p. 382; Paus. c. 25, 5 f.; Stepli. Byz. p. 496 Mein.;
vgl. oben S. 42, Anm. 2.
2)Paus. c. 25, 1 flp. ; Steph. Byz. u. Oi'vri: vgl* Clark Peloponnesus
p. 114 s.; 125 s.; Annali XXXIII, p. 21 ss.
1. Argolis: Argcia. 65
Eine zweite Hauptverbindungsstrasse zwischen Argolis und
Arkadien, die von Argos nach Tegea, gieng von einem Thore in
der Nähe des Theaters aus südwestwärts. Zunächst hatte man zm*
Flechten den Berg Lykone, auf dessen Gipfel ein Heiligtum der
Artemis Orthia stand, dann zur Linken ein anderes Artemisheilig-
tum, weiterhin wieder zur Rechten den Berg Chaon, an dessen
östlichem Fuss eine von den Alten als Ahfluss des Stymphalischen
Sees betrachtete mächtige Quelle {xscpaXccQi) hervorbricht, welche
sogleich als wasserreicher Bach (von den Alten Erasinos ge-
nannt) mehrere der Stadt Argos gehörige Mühlen treibt. In der
Bergwand über der Quelle öffnen sich zwei geräumige Grotten,
wahrscheinlich dem Pan und dem Dionysos, denen man als Segens-
spendern hier an der Quelle opferte, gev^eiht; in der nördlicheren
findet sich noch jetzt eine Kapelle mit einigen alten Werkstücken. ^)
Die Strasse gieng östlich in einiger Entfernung an den Quellen
vorüber und wandte sich dann gegen Westen dem Eingange der
das Chaon vom I*ontinos trennenden Schlucht zu, aus welcher ein
von den Alten mit dem allgemeinen Namen 6 Xfi^aQQog be-
nannter Giessbach hervorkommt. Noch bevor man in diese ein-
tritt, bemerkt -man zur Rechten unterhalb des Chaon geringe
Reste einer alten Ortschaft und darüber auf einem vom Chaon
voitretenden Hügel ein aus grossen polygonen mit Mörtel ver-
bundenen Werkslücken zusannnengesetztes Bauwerk von vierecktcr
Grundform mit pyramidal abgeschrägten Aussenseiten, dessen
Bestimmung und Alter gleich unsicher sind. 2) Innerhalb der Schlucht
*) Paus. c. 24, 6 f.; Ötrab. VI, p. 275; VIII, p. 371; Herod. VI, 7G.
Der von Pau8. c. 36, 6 und c. 38, 1 erwähnte Fluss Phrixos, in welchen
'1er Erasinos sich ergiesse, ist heut zu Tage nicht rneliv nachweisbar,
<la (las Wasser des Kephalari in mehreren Canäli ii dinct dem Meere
ziifliesst. Allerdings sammelt sich in einer Schlucht des Chaon nördlich
vom Kephalari bei Ilegengüssen Wasser, das sich dann beim P^intritt in
die Ebene verliert; allein wenn man auch annehmen wollte, dass hier
einst ein wirklicher IJach geflossen sei, der sich mit dem ursprünglich
mehr gegen Nordost laufenden Erasinos vereingt habe, so würde doch
die Strasse von Argos nach Lcrna entweder zuerst über diesen Bach
und dann erst über den Erasinos, oder über den bereits aus der Ver-
linigung beider entstandenen Bach, der nach Paus, den Namen Phrixos
trug, geführt haben, was beides mit Paus. c. 36, 6 im Widerspruch steht.
'') Vgl. die Beschreibungen bei Ross Ueison I, S. 141 tf. (mit Ansicht
(K;s Einganges auf T(l. 4) und Clark Pcloponnesus S. 98 f.; auch Ex-
BUR8IAN, OEOOIt. U. 5
ß6 II. Peloponnesos.
wandte sicli die Strasse in vielfachen Windungen westwärts an den
Bergen liinan, dann auf der den Pontinos mit dem jetzt Ktenia ge-
nannten ßergzuge verbindenden Höhe gegen Süden an dem kleinen
Gebirgsflecken Kenchreae, den sie zur Rechten Hess, vorüber, wo
Tansanias mehrere Polyandria der in einem Kampfe bei Hysiae gegen
die Lakedaemonier (wahrscheinlich Ol. 64, 4) gefallenen Argiver fand,
nach Hysiae, der letzten argi vischen Ortschaft gegen die arka-
dische Gränze hin, die als Gränzfestung für die Argiver von
Wichtigkeit, Ol. 90, 4 von den Lakedämoniern zerstört, wahr-
scheinlich aber von den Argivern wieder hergestellt wurde, zu
Pausanias Zeit jedoch in Trümmern lag. ^) Noch jetzt sind an-
sehnliche Trümmer der Akropolis derselben erhalten oberhalb
eines kleinen rings von steilen Bergen umschlossenen Hochthaies,
das jetzt zu dem grossen Dorfe Achladokampos gehört und aus
welchem ein doppelter Weg nach der Ebene von Tripolitza führt:
ein beschwerlicher Saumpfad über die Höhe des Gränzgebirges
Parthenion hinweg, und eine jetzt wieder fahrbar gemachte Strasse
um den nördlichen Fuss desselben herum. Eine Stunde nordöstlich
oberhalb des Thaies von Hysiae finden sich auf der Höhe neben
mehreren Quellen, nach welchen der Platz gewöhnlich die Wässer
(td VBQd) genannt wird, Spuren einer alten Ortschaft, wahrschein-
lich von Kenchreae; der daran vorüberführende Theil der Strasse
wurde im Altertum, wahrscheinlich wegen seiner vielen Windun-
gen, 6 Tqo%6s genannt.
Wendet man sich von den Quellen des Erasinos südwärts,
so gelangt man nach einer Stunde Weges an den ziemlich weit
gegen Osten vorgeschobenen Fuss des Pontinos, der nur durch
einen schmalen, durch Wasserfülle und reiche Vegetation ausge-
zeichneten Landstreifen vom Meere getrennt wird. Die grösste
Wassermenge concentrirt sich in einem kleinen See oder viel-
mehr Teiche mit schilfbewachsenen Ufern (Akxvovia IC^vri), ^^^
schon im Altertum wie noch heut zu Tage in dem Rufe uner-
ped. de Moree TI, pl. 55. Die Beziehung der Reste unterhalb auf
Kenchreä und der Pyramide auf eins der von Pausanias daselbst er-
wähnten Polyandria hat Curtius (S. 366) mit Recht zurükgevviesen. __
') Paus. e. 24, 7; Strab. VIII, p. 376; Thuk. V, 83; Steph. w/Taia:
für KeyxQScci ist bei Aeschyl. Prometh. 676 die Form Ksqxvsicc hand-
schriftlich bezeugt. Vgl. Ross S. 145 ff. und den Plan der Akropolis von
Hysiae bei Lebas Voyage arche'ologique, Itine'raire pl, 30.
1. Argolis: Argeia. 67
gründlicher Tiefe stand und daher wie manche ähnhche Oerllich-
keit als Eingang zur Unterwelt galt. Das Wasser, das ohne das
Eingreifen der Menschenhände die ganze Küstenstrecke in einen
Sumpf verwandeln würde, ist durch Eindämmung der Ufer des
Teiches und durch Ableitung vermittelst eines Canals geregelt
und nutzbar gemacht. Etwas südUch von dem Teiche sprudelt
am Fusse des Berges eine starke Quelle hervor, deren eigent-
licher Name Amymone gewesen zu sein scheint; doch wird ihr
häufig der der ganzen Gegend zukommende Name Lerna bei-
gelegt. Eine zweite wasserreiche Quelle entspringt einige Hundert
Schritt nördlich vom Teiche und bildet ebenso wie die Amymone
einen kleinen direkt dem Meere zufliessenden Bach, den die Alten
mit demselben Namen bezeichneten, ^wie den Berg, aus dessen
Wurzeln er hervorquillt, Pontinos: zwischen den beiden
Bächen zog sich vom Fusse des Berges bis zur Küste ein
Platanenhain hin, welcher ausser dem Teiche und einer jetzt
nicht mehr nachweisbaren, nach Amphiaraos benannten Quelle
Tempel der Demeter Prosymne (auch Demeter Mysia genannt) und
des Dionysos Saotes einschloss, zweier Gottheiten, welche die
reiche Vegetation der Gegend, die auf der durch Menschenhände
geregelten Wasserfülle beruht, bezeichnen, während die schäd-
lichen Wirkungen des ungeregelten Wassers durch die Sage von
der Hydra mit zahlreichen immer sich erneuernden Köpfen aus-
gedrückt werden. Auf dem Gipfel des Berges, der jetzt die
Trümmer, eines mittelalterhchen Schlosses trägt, stand ein zur
Zeit des Pausanias bereits verfallener Tempel der Athene Saitis;
daneben wurden dem alten Reisenden die Fundamente eines Ge-
bäudes als die des Hauses des Hippomedon gezeigt.^)
Südlich von Lerna verbreitert sich die Küste wieder zu einer
kleinen Ebene, die im Süden durch das Zavilzagebirge abge-
schlossen wird: in derselben lag eine kleine Ortschaft Gene-
ion und hart am Strande ein Heiligtum des Poseidon Genesios,
(»wie ein Apobalhmoi genaimter IMatz, an welchem Danaos mit
') Paus. c. 36, 6 ff.; Strah. VIII, p. 368 und 371; vgl. Ross Reisen
S. 148 ff.; Annali XXXIII, j). 20 mit der Plunskizze auf Tay. (l'ngg. F
(darnacli auf unserer TH. II, 3). Ueber die Demeter Mysia h. Osann
Arcli. Zeitung 1855, N. 82, 8. 142 ff.; über die Athene Saitis, deren
üeiname dem des Dionysos Saotes entspricht, Gerhard Gr. Mythol.
i. 249, 4.
5»
68 n. Peloponnesos.
seinen Töchtern gelandet sein sollte. ^) In einem nach der Ebene
zu sicii öffnenden P'lussthale finden sich, gegen 172 Stunden von
Lerne entfernt, ausgedehnte Reste einer alten Ansiedelung, die
vielleicht dem frühzeitig verschollenen Elaeus angehören. ^j Vom
südlichen Ende der Ebene führt ein über ly^ Stunde langer
Küstenpass an den unmittelbar ans Meer hinantretenden Abhängen
des Zavilzagebirges hin, dieAnigraea, welche die Argeia im
engern Sinne mit der Thyreatis, dem nördlicheren Theile der
Kynuria, verbindet: nahe dem südlichen Ende derselben bemerkt
man im Meere ein eigenthümliches Phänomen, eine etwa 1000
Fuss weit von der Rüste aufsprudelnde Quelle süssen Wassers, die
Dine (jetzt r] 'Avdßolog), in welche die Argiver in alter Zeit
aufgezäumte Rosse als Opfer für Poseidon versenkten.^)
Der wichtigste Theil der Kynuria (vgl. oben S. 42 f.) ist eine
gegen zwei Stunden lange, aber nirgends über eine Stunde breite
fruchtbare Ebene, die von zwei auf dem Parnongebirge entsprin-
genden Bächen durchflössen wird: dem Tanos (jetzt Bach von
Luku genannt) im Norden und einem ähnlichen, dessen alten Na-
men wir nicht kennen (jetzt Bach von Hagios Andreas) im Süden. ^)
Die Mündung des nördlicheren, der seinen unteren Lauf verändert
hat, ist jetzt ganz verschlammt und von Sümpfen umgeben, wie
auch in der Mitte zwischen beiden Bächen ein Theil der Rüste,
da wo sie am schmälsten ist, von einem ausgedehnten Sumpf mit
salzhaltigem Wasser (6 Movötog genannt), dessen Trockenlegung
man ohne Erfolg versucht hat, eingenommen ist. Die. Ebene ist
1) Paus. c. 38, 4. Plut. Pyrr. 32 nennt als Landungsplatz des Da-
naos xcc TcvQafiia ttjs ©VQSccridog, was allerdings wohl auf dieselbe
Stelle zu beziehen ist, obgleich diese sicher noch nicht zur Thyreatis
gehörte.
2) Apollod, II, 5, 2; Steph. ii.'EXaLOvg: vgl. Ross Reisen S. 155 f.;
doch ist die Beziehung nicht sicher und könnte Elaeus auch weiter
südlich in der Thyreatis gelegen haben.
3) Paus. c. 38, 4; VIII, 7, 2.
^) Paus. c. 38, 7, nach welcher Stelle man allerdings ebenso gut
den südlicheren Bach für den Tanos halten könnte; allein da nach Eur.
Electra 410 der Tcoxaaog Tccvaog die Gränze zwischen Argos und Sparta
bildete, so muss der Name wohl auf den nördlicheren Bach bezogen
werden. Ob der südlichere der von Stat. Theb. IV, 46 erwähnte Cha-
radros sei, wage ich wegen der Unsicherheit der Lage von Neris nicht
zu entscheiden.
1. Argolis: Argeia. 69
ohne Zweifel die alte Tliyreatis, der Schauplatz vieler hliitiger
Kämpfe zwischen Argivern und Spartanern, unter denen keiner
berühmter ist als der sagenhaft ausgeschniückte zwischen je 300
auserwählten Kämpen beider Staaten, in welchem der factische
Sieg der Argiver durch die Geistesgegenwart des Spartaners Othrya-
das ungiiltig gemacht worden sein soll; noch dem Pausanias wur-
den der Platz des Kampfes und die Gräber der Gefallenen im
westlichsten Theile der Ebene gezeigtJ) Die Stadt Thyrea, von
welcher nicht nur die Ebene, sondern auch das dieselbe bespü-
lende Meer seinen Namen (o SvQsatrjg xoXTtog) hatte, scheint
zur Zeit des Pausanias schon völlig verschwunden gewesen zu
sein,^) daher es nicht zu verwundern ist, dass ihre Stelle jetzt
nicht mehr nachzuweisen ist, obgleich sich noch an mehreren
Stellen sowohl in der Ebene als oberhalb der Ränder derselben
Reste alter Ansiedelungen erhalten haben. Zunächst nämlich findet
man auf einem vom Nordostrande der Ebene ins Meer vortreten-
den felsigen Vorgebirge, auf welchem seit dem Refreiungskriege ein
Städtchen Astros sich erhebt, •^) Reste einer aus ganz unbehauenen
Werkstücken errichteten Refestigungsmauer, welche das Vorgebirge
gegen das Festland abschloss; dann etwas über eine halbe Stunde
') Paus. c. 38, 5, wo wohl zu lesen ist: iovri Sh av(o ngog ri^v
rjneiQOV [ccn] ccvr^s xagiov iariv xrA. (die Vulgata Gvqek x^ogtov ist
eine Interpolation des Musurus, durch welche sich sowohl Ross als
Curtius haben irre führen lassen). Als Name der Oertlichkeit, wo der
Kampf ytatt fand, giebt Choeroboskos bei Bekker anecd. p. 1408 (vgl.
\rcad. p. 125, 10) TIccq an. lieber Othryadas vgl. Herod. I, 82; Seneca
.Suasor. 2, 16; Lucian. Char, 24; (Plut.) parall. 3; Unger im Philologus
XXm, S. 28 ff.
2) Vgl. Anm 1. Dass man auch zu Ötrabons Zeit über die Lage
der Stadt keine nähere Kunde mehr hatte, darf man wohl daraus fol-
;,'ern, dass dieser (VIII, p, 376) nur die Angabe des Thukydides darüber
wiederholt, wie auch Pliu. IV, 8, 16 nur einen 'locus Thyrea' neben
dem oppidum .\nthane anführt.
•^) Der Umstand, dass auch früher schon der Laudungsplatz am Fasse
fies Vorgebirges diesen Namen führte, berechtigt uns nicht, denselben
als eine Ueberlieferung aus dem Alterthume zu betrachten. Die An-
führung eines Ortes "^dtpov bei Ptol. III, 16, 11 beruht, wie Curtius
(II, S. 567) richtig bemerkt, auf einer Glosse, wie schon der Umstand
beweist, dass die diesem Orte gegebeneu Positionen mit denen der zu-
nächst darauf folgenden Oertlichkeit {*Jvoexov notufiov inßoXai) ganz
identisch sind.
70 n. Peluponnesos.
•
weiter südlich in der hier ziemlich schmalen Ebene unterhalb
eines Ilagia Triada genannten Rlosterhofes geringe Spuren einer
alten Ortschaft, die früher bedeutender gewesen sein sollen, und
noch eine Stunde weiter südlich, am südlichen Rande der Ebene
auf einem Felshügel unmittelbar an der Küste, an dessen Fusse
ein Landungsplatz für Schiffe sich befindet, die ziemlich wohl er-
haltenen Ruinen einer befestigten Stadt (jetzt nach einem benach-
barten Dorfe das Paläokastron des heiligen Andreas genannt).
Ferner liegt am südÜchen Abhänge des Zavitzagebirges oberhalb
des Thaies des Tanos die Ruine einer alten Festung, unterhalb
deren noch eine kleine Ortschaft gestanden zu haben scheint;
auf der Südseite des Flusses unterhalb des Klosters Luku sind
Rruchstücke von Granitsäulen, zahlreiche Säulencapitäle (meist
korinthischer Ordnung) und Sculpturwerke aus der Zeit der grie-
chisch-römischen Kunst, sowie Spuren eines umfänglichen Heilig-
tumes und anderer Rauten endeckt worden, welche das Vorhan-
handensein einer noch in der Zeit der Römischen Flerrschaft
blühenden Niederlassung bezeugen. Endlich sind noch ansehn-
liche Reste alter Refestigungsmauern mit runden und viereckigen
Thürmen (jetzt t6 'E^^tjvlxo genannt) erhalten auf einem 637
Meter hohen Rergrücken eine Stunde südlich von Luku, welcher
einerseits ein gegen Osten nach der Strandebene sich öffnendes
kleines Thal, andrerseits eine enge nach Norden gerichtete Schlucht,
durch welche ein kleiner Rergbach dem Tanos zufliesst, be-
herrscht. ^) Keine dieser Ruinenstätten kann für das alte Thyrea
gehalten werden; denn dieses lag nach der einzigen uns erhal-
tenen genaueren Angabe (bei Thuk. IV, 56 f.) an der Gränze des
Argivis(J:ien und Lakonischen Gebietes, 10 Stadien von einem
Platze an der Küste, auf welchem die von ihrer Insel vertriebenen
Aegineten, denen die Lakedämonier diese Stadt zur Ansiedelung
angewiesen hatten, Ol. 88, 4 eben ein Castell erbauten, als eine
athenische Hecresabtheilung landete und die Stadt, in welche die
Aegineten sich zurückgezogen hatten, eroberte und verbrannte.
Wahrscheinlich ist das Vorgebirge von Astros die Stelle, an wel-
cher die Aegineten ihre Küstenbefestigung (der das noch erhaltene
*) Vgl. die eingehenderen Beschreibungen dieser Ruinenstätten bei
Ross S. 161 ff. und Curtius S. 377 ff. sowie die Abbildungen der Sculp-
turwerke von Luku in der Exped. de Moree III, pl. 88—91.
1. Argolis: Argeia. 71
Mauerstück angeliöreii mag) anlegten -J) die Stadt Thyrea lag
dann Yj Stunde landeinwärts davon, also etwa am Eingange in
das Thal des Tanos; sie wurde jedenfalls nach der Zerstörung
durch die Athener, wobei die Bewohner theils umkamen, tlieils
als Gefangene fortgeführt wurden, nicht wieder aufgebaut und der
Name auf die ganze Kästenebene übertragen, ^j Der zweiten
Sladt der Kynuria, Anthene (auch Anthana und Athene ge-
schrieben)^), gehören wahrscheinlich die Ruinen von Hagios An-
dreas an, so dass sie den südhchen Zugang zur Ebene, wie
Thyrea den nördlichen, beherrschte. Westlich oberhalb der Ebene
lagen noch zwei Komen: Neris, wahrscheinUch an der Stelle
des Hellenikon, und die grössere Eua mit dem Heiligtum eines
') Darauf ist wohl auch die von Zenob. I, 57 zur Erklärung des
Sprüchworts atiQOV Xccßs xal ^e6ov s^sig erzählte Geschichte zu be-
ziehen.
2) Aus dieser Annahme erklärt es sich erstens, warum Thukydides
an einer späteren Stelle (V, 41) von der Kynuria sagt: s'xsi^ S iv avtrj
0VQsav v-dl 'Avd'r]vr}v nöliv (nicht nolsiq)^ wei^ als er dies schrieb, nur
Anthene, nicht mehr Thyrea eine bewohnte Stadt war; zweitens wie
Pausanias (c, 38, 6), der von einer Stadt Thyrea keine Spur mehr vor-
fand, dazu kam, Anthene als die von den Aegineten bewohnte Ort--
Schaft anzuführen. Gegen die Beziehung der Ruinen bei H. Triada
auf Thyrea spricht, wie Ross (S. 163) richtig bemerkt, der von Thuk.
(IV, 57) für Th. gebrauchte Ausdruck rr/v avto nöXiv.
3) Thuk. V, 41; Steph. B.u.'^v^aVa; IIarpokr.p.21,12 ed.Bekk. Wenn,
was ich für unzweifelhaft halte, bei Scyl. Per. 46 Gail richtig 'Jv&dvcc
(für Mid^civcc des Codex) emendirt hat, so bietet uns diese Stelle einen
Beweis für die Lage der Stadt an der Küste, welche auch mit der kur-
zen Notiz des Pausanias (c. 38, 6) über seine Route nicht im Wider-
spruch steht. Derselbe geht nämlich, wie ich glaube, von den Polyan-
drien zunächst südwärts durch die Ebene bis zum südlichen Rande der-
selben; dann kehrt er zurück, verfolgt das kurze Seitenthal bis zum
Ifellenikon und steigt von diesem nach Luku hinab; von hier aus ver-
folgt er dann den Weg über das Plateau des Gebirges, der noch jetzt
die directeste Verbindungsstrasse zwischen Argos und Sparta bildet (über
Hagios loanniß und Hagios Petros nach Arachova) und gelangt so auf
den Rücken des Parnon, an dessen östlichen Abhäugen der Tanos (den er
daher erst hier erwähnt) entspringt. — Ganz unsicher ist die Lage des
nur von Steph. Byz. (u. Evvai) als noXig "Agyovg rjv roHOW Kvvovgiot
erwähnten Eunaea; und wenn der», (u. Kvvovga) mit Berufung auf
I'ausunias (HI, 2, 2) Kyuura ;i\a noXig "Agyovg anführt, so hat er wohl
das Vorliandensoin einer solchen Stadt nur aus dem Namen der Land
Schaft gefolgert.
72 * n. Poloponnesos.
den Kranken Heilung gewälnenden asklepiadisclien Heros, Pole-
niokrates, bei dem Kloster Lnku. Obcrlialb dieser Konien, anl
dem di(; Wasserscheide zwisclien dem Tanos und dem Lakoniscln^n
Enrotas bildenden Rücken des Parnongebirges, lief zur Zeit der
Römischen Herrschaft die durch Hermen l)ezeichnetc G ranze zwi-
schen den Gebieten von Argos, Tegea und Lakonien liin.
Epidamia. D'^ östUche Nachbaciu von Argos ist Epidauros, deren
Gelnet im Norden durch das von Korinth, im Südosten durch
das von Troizen und Hermione begränzt, im Süden mit einem
mn* 30 Stadien breiten Streifen an den Argolischen Meerbusen
hinabreichend, durchaus von Gebirgen eingenon)men >vird, unter
denen das bis zur Höhe von 1199 Metern aufsteigende, in seinen
westlichen Verzweigungen bis in die Argivische Ebene hineinreichende
Arachnaeon^) (jetzt Arna, in seinem westHcheren Theilc auch
Hagios Ilias genannt) das bedeutendste ist. Gegen Norden
sind demselben zwei andere an Höhe ihm ziendich nahe stehende
Bergzüge (die Trapezona von 1137 und der Tschernidolo von
1048 Meter Höhe) vilrgelagert; gegen Südosten setzt es sich
zunächst in mehreren niedrigeren Bergen (dem Titthion, Ko-
ryphaeon und Rynortion der Alten) fort, erhebt sich aber
wieder bis zu einer "Höhe von 1102 Meter in dem steilen bis
an die Küste vortretenden Ortholithi, welcher die Gränze des
Epidaurischen Gebietes gegen die Troizenia, und in dem im Süd-
westen damit zusammenhängenden 1076 Meter hohen Didyma-
gebirge (dessen Name wahrscheinlich antik ist), welches n)it seiner
westlichen Forlsetzung, dem bis zum argolischen Meerbusen sich
hinziehenden Avgogebirge, die Gränze gegen das Gebiet von
Hermione bildete. — Die ältesten Bewohner dieses Gebietes, we-
nigstens der Ostküste, waren Karer, zu denen dann lonier aus
der athenischen Tetrapolis gekommen sein sollen; daneben dürfen
wir wohl auch aus Thessalien eingewanderte Phlegytr, welche den
1) Aeschyl. Agam. 309; Paus. c. 25, 10 (wo der angebliche älteste
Name HanvGiläraiV jedenfalls corrupt ist; auch die von Hesychios ge-
gebene Form 'TggsXlvov, womit 'TöaiXsiov bei Theognost. Can. p. 24, 9
und 'Tut 8 IX siov bei Suidas u. d. "W zu vergleichen sind, scheint unsicher);
Steph. Byz. u. 'jQaxvuiov. Alterthümliche Mauern in der Einsenkung
zwischen dem östlicheren und westlicheren Gipfel scheinen die Stelle der
von Paus, erwähnten Altäre des Zeus und der Hera, auf welchen man
bei anhaltender Dürre opferte, zu bezeichnen (s. Curtius S. 418).
1. Argolis: Epidaiiiia. 73
Cult des Asklepios und die Tradition von seiner Geburt niit-
braciiten und in dem heiligen Waldthale am Fusse des Titthionberges
localisirten, als einen Hauptbeslandtheil der ältesten Bevölkerung
betrachten. ') Dorisirt wurde sie von Argos aus, der Sage nach
durch Deiphontes, den Gemahl der Hyrnelho, der Tochter des Teme-
nos, dem der letzte ionische König, Pityreus, ohne Kampf die Herr-
erhaft abgetreten haben soll. Wie in Korinth so sahen sich auch
hier die Dorier durch die Natur des Landes selbst auf den Ver-
kehr zur See angewiesen; sie besetzten daher die zahlreichen vor
ihrer Küste liegenden Inseln, insbesondere die bedeutendste der-
selben, Aegina, und entsandten in Gemeinschaft mit ihren Nach-
barn, den Argivern und Troizeniern, Ansiedler nach dei- Küste
und den Inseln des südlichen Kleinasiens; ja sogar an den ioni-
schen Städtegründungen in Kleinasien betheiligten sich Dorier aus
Epidauros. -) Aber freilich vermochten sie nicht mit Korinth zu
concurriren, und als Aegina im Vollgefühle der eigenen Kraft
sich von der 3futterstadt losgerissen hatte, da sank die Seemacht
und damit die poütischc Bedeutung der letzteren , die nun nur
durch engen Anschluss an Sparta, dem sie im pelopoimesischen
wie im korinthischen und thebanischen Kriege unwandelbar treu
blieb, sich ihre Unabhängigkeit gegen die mächtigeren Nachbarn
bewahren konnte., von der sie zuletzt noch durch den Anschluss
an den achäischen Bund Zeugniss gab. ^) Ein wesentliches Mo-
ment für diese Richtung der äusseren Politik war auch die streng
aristokratische Form der Staatsverfassung: alle Gewalt war in den
Händen von 180 jedenfalls bestimmten städtischen Familien an-
gehörigen Männern, welche für die Executive; einen Ausschuss,
dessen Mitglieder Artynen (wie* in Argos) hiessen, ernannten;
die Bewohner der übrigen Landschaft ausserhalb der Hauptstadt
wurden mit dem Spitznamen der 'Staubfüssler' {xovLTtoöec;) be-
zeichnet.'*)
') Aristot. bei Strab. p. 374; Paus. c. 26, 1 ff.
») Herod. I, 146; VII, 99: vgl. O. Müller Aeginet. p. 41 s».
•^) Vgl. Schiller Stämme und Staaten Griech. III, S. 20. Das Pro-
gramm von Weclewski De rebus Epidauriorum (Posen 1864) steht mir
nicht zu Gebote.
*) Plut. Q. Or. 1; vgl. Hesych. u. xovCnoÖeg. I>as8 es auch in Epi-
dauros vier Phylen wie in Argos (die drei dorischen und die Hyrnethia)
gegeben habe, wie O. Müller (Dorier II, 8. 53 und 72) behauptet, ist
wenigstens nicht zu beweisen.
74 11. Pcloponncsos.
Epidaiiros, die einzige uns bekannte sLädtisclie Niederlassung
in dem ganzen Gebiet, lag auf einer kleinen felsigen Halbinsel
der Ostküste, welche durch einen niedrigen Isthmos mit einer
schmalen aber fruchtbaren, auf drei Seiten von Bergen umschlos-
senen Strandebene zusammenhängt; an der Nordseite der-
selben ist ein natürlicher Flafen, an der Südseite eine grös-
sere offene Bucht, die ebenfalls als Hafen benutzt wurde, da-
her die Stadt auch den Beinamen der ^doppelmündigen' [öl-
0to^og) führte. Pausanias (c. 29, 1) erwähnt als Sehenswür-
digkeiten derselben ein Schnitzbild der Athene Rissaea auf der
Akropolis, Tempel des Dionysos und der Artemis, ein Heiligtum
der Aphrodite, einen heiligen Bezirk des Asklepios mit Marmor-
statuen des Gottes und seiner GemahUn Epione im Freien, und
einen Tempel der Hera auf einem Vorsprunge der Küste am
Hafen: die Stelle des letztgenannten nimmt jetzt eine Kapelle des
heiligen Nikolaos ein, welche auf einem felsigen Vorsprunge der
Strandebene an der Nordseite des Hafens steht. An die eigenlHche
Stadt, von welcher nur ein Theil der Bingmauer (an der Süd-
seite der Halbinsel) erhalten ist, schloss sich eine offene Vorstadt an,
welche sich in der Strandebene zunächst am Hafen hinzog, wie
auch jetzt wieder im nördlichen Theile der Strandebene ein Dörf-
chen, Nea-Epidavros genannt, steht. ^)
2'/2 Stunden von der Stadt lag in einem anmuthigen, rings
von Bergen umschlossenen Thale, das noch jetzt vom Volke das
Heiligtum (t6 'Ieqo) genannt wird, die berühmteste Cultstätte des
Asklepios, zugleich ein von Kranken aus allen Gegenden besuchler
und daher mit Logierhäusern für diese und Wohnungen für die
die Cur leitende Priesterschaft, aber auch mit Anlagen zur Er-
heiterung der Fremden durch gymnastische und dramatische Spiele
wohl ausgestatteter Curort, dem Epidauros seit dem Verfalle seiner
Seemacht hauptsächlich seine Bedeutung verdankte. Der Weg
dahin führt aus der Strandebene westwärts in einer engen, reich
mit wilden Oelbäumen bewachsenen Schlucht, in welcher Pau-
1) Strab. p. 374; Thuk. V, 75; Hesych. u. dLOTOfios: vgl. den Plaji
(nach der englischen Seekarte) bei Curtius II, Tfl. XVII. Für alten
Weinbau, der auch die Hauptervverbsquelle der Neuepidaurier ist, zeugt
das Beiwort afiTtsloELg II. B, 561. Als Hauptsitz des Asklepioscultes
wird die Stadt auch zum Unterschiede von der Lakonischen Epidauros
Limera -rj lsqcc 'EnidccvQOs genannt: Plut. Per. 35.
1. Argolis: Epidauria. 75
sanias (c. 28, 3) einen Hyrnethion genannten Platz, auf wel-
chem die Hyrnetho, Gattin des Deiphontes begraben sein sollte,
erwähnt, auf den Rücken des das Thal im Norden begränzenden
Titthionberges^) und von diesem südwestvvärts in das noch jetzt
mit zahlreichen, meist von dichtem Gebüsch bedeckten Ruinen
erfüllte Thal', in dessen westlicherem Theile der eigentliche hei-
lige Rezirk, das lsqov älaog, mit dem Tempel des Asklepios,
dem daran stossenden Gemache für Incubationen, und anderen
Heihgtümern und Raulichkeiten aller Art, rings von Gränzsteinen
umgeben, innerhalb deren weder Geburt noch Tod eines Menschen
gestaltet war, ausserhalb derselben noch mehrfache andere An-
lagen, darunter auch ein von dem späteren Kaiser Antoninus Pius
als Senator errichtetes Gebär- und Sterbehaus für die Rewohner
des heiligen Haines, lagen. Die Fülle kostbarer Weihgeschenke,
mit welchen die Dankbarkeit der durch die Hülfe des Gottes und
seiner Priester Genesenen (deren Namen unter Reifügung der
Krankheit, an der sie gelitten, und der Heilmethode auf Stein-
pfeilern verzeichnet wurden) das Heiligtum geschmückt hatte, gab
mehrfach Veranlassung zu Plünderungen desselben, wie solche
von Sulla und den kilikischen Piraten berichtet werden; 2) aber
die Nachrichten des Pausanias (c. 27, 6) von den durch An-
toninus hier ausgeführten Neubauten und Erneuerungen älterer
Rauwerke, Mie auch die zahlreichen Trümmer gewölbter römischer
Gebäude und Inschriften der späteren Kaiserzeit, die man noch
jetzt daselbst findet, beweisen, dass es bis in die letzten Zeiten
des Heidentums seinen Ruhm sich bewahrt hat. Leider lassen sich
nur wenige der alten Gebäude noch mit Restimmtheit fixiren: so
die von Polykleitos aus weissem Marmor erbaute Tholos — ein
Rundgebäude von etwa 20 Fuss Durchmesser, im Innern mit Ge-
mälden des Pausias geschmückt, das wahrscheinlich als Lokal für
gemeinsame Mahlzeiten der Priesterschaft diente — deren Funda-
mente nicht weit von dem westlichen Eingange des Thaies, zur
Rechten des von Ligurio her kommenden Weges, im Gebüsch ver-
'J Nach der von Paiisan. c. 26, 4 berichteten Legende soll der ur-
sprünglich MvQyiov (so codd.) genannte Berg den Namen Tird-iov er-
halten haben, weil der von seiner Mutter darauf ausgesetzte Asklepios
von einer Ziege gesäugt worden sei.
') Paus. IX, 7, 5; Plut. Sulla 12; Ponipei. 24; vgl. Liv. XLV, 28.
76 II. l'elupoiiiiesus.
steckt sind; südwestlich davon das durch künstliche Aufschüttung
des Bodens gehildele Stadion, und am Abhänge des Kynor-
tion, des das Thai im Südosten abschliessenden Berges, das
wiederum von Polykleitos errichtete Theater, dessen marmorne
Sitzstufen, 55 an Zahl, leider jetzt so mit dichtem Buschwerk
überwachsen sind, dass es unmöglich ist auf denselben zu circu-
liren. Von den übrigen BauUchkeiten stand der Tempel des Asklepios
in der Nähe der Tholos, wahrscheinlich westlich von derselben;
die Stellen des Tempels der Artemis und des Heiligtums der
Aphrodite sind nicht zu bestimmen. ^) Am Kynorlion, über welches
der Weg aus dem heiUgen Thale nach Troizen führt, stand ein
alter Tempel des Apollon Maleatas, bei welchem wiederum Anto-
iiinus Pius verschiedene Anlagen, darunter eine grosse Cisterne
zur Sammlung des Regenwassers, errichtet hatte; auf dem Gipfel
des das Thal im Südwesten abschliessenden Berges, des Kory-
phon, an dessen nördlichem Abhänge man einen alten krumm
gewachsenen Oelbaum zeigte, den Herakles als Gränzmal für das
Gebiet der Asinäer in diese Form gebogen haben sollte, ^rhpb
sich ein Heiligtum der Artemis Koryphaea.^)
Südöstlich vom Hieron zieht sich das enge Thal eines Flusses
hin, der in mehreren Armen von Kynortion und Koryphon herab-
kommt und anfangs genau südwärts, dann fast ganz westlich fliesst
und durch eine dreieckige Mündungsebene, die zunächst der Küsle
eine Breite von einer Stunde hat, sich in den Argolischen Meer-
busen ergiesst. Das ganze Flussthal mit seinen Rändern gehörte
zum Gebiet von Epidauros; an drei Stellen finden sich noch Spu-
ren alter Ansiedelungen in, beziehendlich an demselben: oberhalb
des linken Ufers des oberen Laufes, nördlich von dem Dorfe Be-
deni, nach welchem der Fluss jetzt benannt wird; weiter süd-
westlich auf einem 640 Meter hohen Bergrücken oberhalb des
rechten Ufers, und am nördlichen Rande der Mündungsebene bei
dem Dörfchen Iri. Von keinem dieser Plätze ist uns der antike
^) Vgl. den Plan in der Expe'd. de Moree II, pl. 77 (das Theater
pl. 78 u. 79), wiederholt bei Curtius II, Tfl. XVII (vgl. S. 418 flf.); Lyans
in den Transactions of the royal soc. of litt., 2 series, vol. II, p. 229 ss.
und Annali XXXIII, p. 12. Inschriften bezeugen den Cult der Artemis (C. I.
G. n. 1172 f.; Lyons a.a.O. p. 231), des Apollon (C. I. G. n. 1174—76;
Lyons a. a. O.) und des Dionysos (C. I. G. n, 1177).
2) Paus. II, c, 27, 7; 28, 2; Steph. Byz. u. KoQVcpcciov.
1. Argolis: Epidauria. 77
Name bekannt; die Anwohner des ganzen Flussgebietes scheinen
mit dem Namen TTaQaTtotd^iot bezeichnet worden zu sein. ^)
Vor der Küste des nördlichsten Theiles der Epidauria liegen
zahlreiche felsige Inseln, welche in zwei Hauptgruppen zerfallen.
Die nördlichere besteht aus mehr als einem Dutzend meist ganz
kleiner Inselchen, die sich von dem Cap Spiri (dem alten Spei-
raeon, das wahrscheinlich die Gränze der Korinthia und Epidauria
bildete) gegen Osten bis auf die Höhe von Salamis hinziehen:
die westlicheren derselben werden jetzt mit dem Gesammtna-
men Diaporia [diaitogem^ Durchfahrt) oder Pentenisia (Fünf In-
seln) bezeichnet, führen aber auch besondere Namen, die drei
östlichsten heissen Lagusae (Haseninseln); die alten Namen der
wichtigeren derselben führt Plinius (n. h. IV, 19, 57), jedenfalls
in der Richtung von Osten nach Westen, auf: Elaeusa (wohl
Elaeusae, die jetzigen Lagusae), Adendros, Kraugiae,Raekiae
und Seiachusa. Die südlichere Gruppe, die sich von dem die
Bucht von Sophiko im Süden umschliessenden CapTrachili ebenfalls
gegen Osten bis zur Höhe von Salamis hinzieht, enthält ausser
einigen ganz kleinen drei bedeutendere: die jetzt unbewohnte
Kyra, mit Ruinen einer alten Befestigung auf der nordöstlichen
Berghöhe, bei den Alten Pityonnesos genannt; östlich davon
die grössere noch jetzt bewohnte Ankistri mit dem Hauptorte
Megalochorio an der Nordküste, die alle Kekryphalos oder
Kekryphaleia, bei welcher die Athener Ol. 80, 3 einen Sieg
über die vereinigte Flotte der Korinther, Epidaurier und Aegineten
gewannen 2); endlich noch weiter östlich Aegina, eine [nsel von
^) Thuk. V, 53: vgl, oben S. 61, Anna. 1. Ueber die Ruinen s. Pouil-
lon-Boblaye Kecherches p. 55 und Curtius S. 429, der vermuthungs-
weise das von Strab. p. 375 als xonog ng r^g 'Emdavgiccg erwähnte
Aegina bei Bedeni ansetzt.
2) Plin. N. h. IV, 19, 57; Steph. Byz. u. KsKQV(pccXsLcc; Thuk. I,
105; Diod, XI, 78. Da bei Plinius die Reihenfolge ist: Cecryphalos,
Pityonesos, Aegina, so könnte man geneigt sein, die Kyra für Kekryphalos
und das Cap Trachili für die von Steph. erwähnte ax^a Kekryphaleia zu
halten; allein die Entfernung von VI milia passuum vom J^estlande,
die er für Pityonesos angiebt, passt nur auf die Kyra. Wahrscheinlich
ist auf diese zwischen Cap Trachili und Aegina gelegenen Inseln der
von Paus. c. 34, 3 gegebene Name TliXonoq vijaoi. zu beziehen; denn
obgleich die von Paus, angegebene Zahl 9 der Wirklichkeit nicht ent-
Hpriclit, so wüsste ich doch sonst durchaus keine Inselgruppe, für welche
die IJ«!zeiohnung vriaiSeg a't nQomivtui Trjg (tcov Me^)-(xv(ov) x^Q^S
78 H. Peloponnesos.
wenig über zwei Qiiadratmeilen (gegen 83 D Kilomeier) Flachenin-
halt, ganz gebirgig, jetzt ganz ohne Bewaldung und fast ohne fliessen-
des Wasser, die aber über ein Jahrhundert lang die erste See-
macht in den hellenischen Ge\>ässern war. ^) Der Boden ist
durchweg steinig und ziemlich mager, jedoch keineswegs un-
fruchtbar, sondern bei sorgfältigem Anbau für Gerste, Wein,
Mandeln, Feigen und Oel wohl geeignet; der fruchtbarste Theil,
besonders für den Getreidebau, ist eine breite Ebene an der
Westseite der Insel um die Hauptstadt herum, deren Boden fast
ganz aus Kalkmergel besteht. Kalkstein bildet auch die Haupt-
masse der Gebirge; an einigen Stellen tritt vulkanisches Gestein
(Trachyt) auf, besonders im südöstlicheren Theile der Insel, wo
man unterhalb der zerstörten mittelalterlichen Stadt eine Anzahl
in senkrechten Wänden aufsteigender Felskuppen trifft, welche
jetzt *der geborstene Berg' (ro öJtccö^evo ßovvo) genannt werden.
An verschiedenen Punkten findet man einen vortrefTlichen Töpfer-
thon, daher die Töpferei schon frühzeitig auf der Insel zur Blüte
gelangte und Thonwaaren einen nicht unbedeutenden Ausfuhr-
artikel bildeten. Die Berge im Norden liefern gute Bausteine -)
Obgleich nun die natürliche Beschaffenheit der Insel nicht eben
günstig ist für die Schiffahrt (denn abgesehen davon, dass sie von
zahlreichen Klippen umgeben ist, ^) ist die Ostküste mit Ausnahme
der kleinen jetzt Ilagia Marina genannten Bucht ganz unzugäng-
lich; die Westküste bietet zwar einige offene Bheden dar, die
aber erst durch Kunst in sichere Häfen verwandelt werden
mussten), so musste doch schon ihre Lage, die sie zur natür-
lichen Vermittlerin des Verkehrs zwischen dem nordösthchen
passte, da östlich von Methana auf der französ. Karte (Bl. 13) nur
zwei kleine Inselchen, Petrokaravo und Platurada, verzeichnet sind.
^) Vgl. über die Insel: Aegineticorum liber scripsit Car. Mueller,
Berlin 1817; About Me'moire sur Tile d'Egine, in den Archives des niis-
sions scientifiques et litte'raires, t. III, p. 481 — 667. Im Alterthum hatte
Pythaenetos ein Werk tisqI Atyivrjg in wenigstens drei Büchern (Athen.
XIII, p. 589 ^) und Theagenes ein Buch unter gleichem Titel geschrieben
(Schol. Find. Nera. III, 21).
2) Vgl. über die geognostischen Verhältnisse der Insel übcrhaivjit
Fiedler Reise I, S. 272 ff. und über die vulkanischen Bildungen insbe-
sondere W, Reiss und A. Stübel Ausflug nach den vulkanischen Gebir-
gen von Aegina und Methana im Jahre 1866 nebst mineralogischen
Beiträgen von K. v. Fritsch, Heidelberg 1867.
3) Vgl. Paus. II, 29, 6.
1. Argolis: Epidauria. 79
Griechenland und dem Pelojionnes machte, die Bewohner früh-
zeitig auf den Verkehr zur See hinweisen; und in der That wird
schon von der ältesten, dem achäischen Stamme der Myrmidonen
angehörigen Bevölkerung, welche Zeus seinem Sohne Aeakos, den
er mit der Asopostochter Aegina erzeugt und auf die bis dahin
menschenleere, Oinone oder Oinopia genannte Insel gebracht hatte,
zu Liebe aus Ameisen erschuf, gerühmt, dass sie zuerst Schiffe
gezimmert und mit Segeln versehen habe;^) auch finden wir die
Aegineten unter den Mitgliedern der alten ionisch-achäischen Am-
phiktyonie von Kalaurea (Strab. VIII, p. 374). Dieser Bichtung
auf Schiffahrt und Handel konnten auch die Dorier, welche, an-
geblich unter Führung eines Triakon, die Insel von Epidauros
aus besetzten und colonisirten, sich nicht entziehen: die Tochter-
stadt wetteiferte mit der Muttersladt, ja sie überflügelte dieselbe
bald an Macht und Beichthum und löste endlich das Verhältniss
einer immer drückender empfundenen Abhängigkeit von derselben
ganz auf (etwa um Ol. 50). ~) Von diesem Zeitpunkte an bis zur
Unterwerfung durch ihre mächtigere Nebenbuhlerin, Athen (Ol.
81, 1) gelangte die Insel an Bevölkerungszahl, Macht und Beich-
tum zu einer fast beispiellosen Blüte. Wenn wir auch das
Zeugniss des Aristoteles (bei Athen. VI, p. 272*^. und Schol. Find.
Ol. VIII, 30), dass die Aegineten 470,000 Sclaven besassen, auf
die Gesammtzahl der den Bewohnern der Insel gehörigen Sclaven,
mit Einrechnung der auf den Schiffen und in auswärtigen Etablisse-
ments beschäftigten, beziehen (vgl. oben S. 13, Anm. 2), so wer-
den wir doch die Gesammtzahl der Bevölkerung nicht wohl unter
500,00^) Seelen ansetzen dürfen.^*) Der Handel war ebensowohl
') Hesiod. frg. 93 Göttling. Achäische Bevölkerung kennt auf Ae-
gina auch der »Schiffscatalog (II. B, 562), welcher die Insel ebenso wie
Epidauros zum argivischen Reiche des Diomedes reclmet.
*) llerod. V, 82 flf. ; vgl. Müller Aegin. p. 68 ss.; Duncker Gesch.
.1. Alt. IV, S. .311 f.
') Wallon (Histoire de Tesclavage I, p. 281) läugnet die Richtigkeit
der Angabe des Aristoteles, weil, wenn man neben der von jenem ge-
frebenen Sclavenzahl eine freie Bevölkerung von 130,000 Seelen an-
nehme, man 7230 Einwohner auf den QKilometer erhalte, zweimal so-
viel als im Departement de la Seine und nur dreimal weniger als in
Paris. About stimmt ihm bei und schützt dann willkürlich die bürger-
liche Bevölkerung auf etwa 20,000 Seelen, die Metöken (V) auf ebenso
viele, die Sclaven auf 120—130,000 Köpfe. — Heut zu Tage ztthlt die
Insel etwa 5000 Einwohner.
80 II. Peloponnesos.
Zwischen- und Binnenhandel, hesonders nach dem Peloponnes
(vgl. Paus. VIII, 5, 8), als ein grossartiger P^xport- und Iniporl-
liandel nach den ferneren Küsten des Ostens und Weslens: zum
Schutze des letzteren halten die Aegineten Colonien nach Kydonia
auf Kreta und nach ümhrien entsandt und wahrscheinlich auch
am Pontos, von wo sie hauptsächlich ihren Getreidehedarf hezo-
gen (vgl. Herod. VII, 147), eine befestigte Handelsstation ange-
legt.^) Als Exportartikel lieferte die einheimische, wahrscheinlich
durch ein strenges Prohibitivsystem geschätzte Industrie haupt-
sächlich Thonwaaren und Salben, dann überhaupt allerhand Kurz-
und Galanteriewaaren, die man daher geradezu mit dem Namen
Ai/yivaCcx i^TtoX}] bezeichnete. 2) Von der Bedeutung dieses
Handels legt besonders der Umstand Zeugniss ab, dass der ägi-
näische Münzfuss wie auch das äginäische Maass- und Gewichts-
system in der älteren Zeit fast durch ganz Griechenland verbreitet
war und insbesondere im Peloponnes die äginäischen Münzen,
die nach ihrem Gepräge sogenannten 'Schildkröten' {xsXcjvai),
das gewöhnliche Courant waren. ^) Bei dieser lebhaften Ent-
wickelung des Handelsgeistes kann es nicht Wunder nehmen, dass
die aller Orten und mit allen möglichen Waaren handelnden Aegi-
neten, ähnlich wie die Juden im Mittelalter und in neueren
Zeiten, nicht nur für sehr gewandte und schlaue, sondern auch
für betrügerische Handelsleute galten.^) Doch waren sie keines-
wegs ein blosses Krämervolk, bei welchem das Streben nach
Handelsgewinn alle höheren Interessen in den Hintergrund drängte,
sondern auch auf anderen Gebieten standen sie in den vordersten
Reihen: äginäische Bürger fochten mit rühmlicher Tapferkeit
in den Schlachten gegen die Perser, die edelsten Geschlechter
der Insel lieferten zahlreiche Sieger in den gymnischen Agonen
^) Herod. III, 59; Strab. VIII, p. 376. Ein ifinoQLOV Alyivr'ixriq zwi-
schen 'Aßcovov X8LX0C; und KCvioXus erwähnen Arrian. Peripl. Pont. Eux.
§ 20; Anon. Per. P. Eux. § 20; Marcian. Epit. peripli Menippei § 9 und
Steph. Byz, u. Aiyivi^Trjg: vgl. Müller Aegin. p. 83 s.
2) Steph. u. Atyiva-, Athen. XV, p. 689 d; Ephor. bei Strab. VIII,
p. 376 ; auf Prohibitivsystem lässt das Verbot gegen attische Waaiien
(Herod. V, 88), das gewiss nicht aus blossem Nationalhass zu erklären
ist, schliessen.
3) Vgl. Fr. Hultsch Griech. und röm. Metrologie S. 131 ff.
^) S. Diogenian. Prov. V, 92; vgl. Herod. IX, 79,
1. Argolis; Epidauria. 81
der grossen Festspiele ^),' und die bildende Kunst, besonders die
Erzbildnerei, gelangte durch die aeginäische Bildnerschule zu
einer Blüte, die nur durch den Verlust der Selbständigkeit ge-
brochen wurde. Von diesem Schlage hat sich überhaupt die
Insel nie \vieder erholt: auch nachdem Ly^ander den Ueberbleib-
seln der von den Athenern vertriebenen Bevölkerung den Be-
sitz derselben zurückgegeben hatte, konnte sie nicht einmal
einen Schatten ihrer früheren Macht vviedergewinnen, sondern
verzehrte sich in unfruchtbaren Feindseligkeiten gegen Athen 2)
und war häufig ein blosses Werkzeug in den Händen der Feinde
desselben.
Die der Insel selbst gleichnamige Hauptstadt lag im Alter-
tum ungefähr an derselben Stelle wie die jetzige, an der West-
küste (Strab. VHI, p. 375), nur dass sie, wie die Spuren der
Bingmauern zeigen,'^) von weit bedeutenderem Umfang, besonders
nach Norden zu, war. Sie besass ausser einer am weitesten
gegen Norden gelegenen, durch einen Damm gegen den Nord-
wind geschützten offenen Bhede zwei künstliche Häfen, deren
Molen noch jetzt ziemlich gut erhalten sind : der kleinere nörd-
lichere, dessen schmaler Eingang durch zwei Thürme geschützt
und mit Ketten verschliessbar war, diente wahrscheinlich zur
Zeit der Unabhängigkeit der Insel als Kriegshafen, der etwa zwei-
mal grössere südlichere, welcher durch eine Fortsetzung der
Stadtmauer auf dem südlichen Molo auch in die Befestigung der
Stadt aufgenommen war, als Handelshafen. Neuerdings ist nur
') Vgl. Krause Die Gymnastik und Agonistik der Hellenen H, S.
740 SS.
*) Den stärksten Ausdruck fand dieser Hass in der Bestimmung, dass
Jeder Athener, der die Insel betrete, dem Tode verfallen sein solle (Plut.
Dion ()] Diog. Laort. III, 19); Proben von der Aengstlichkeit gegen
plötzliche Ueberriimpelung von Seiten Athens sind die Anbringung
schwerer eiserner Hämmer an den Stadtthoren (Aen. Poliorcet. 20) und
ilas Polizciverl)ot bei Nachtauf den Strassen zu circuliren (Plat. Cratyl.
I». 433 *). Vgl. über die spätere Geschichte der Insel Müller Aegin.
p. 189 88.; About Mt'moire eh. VII.
^) Leake (Travels in the Morea II, p. 48G s.) konnte die gegen 10 F.
dicken, mit Thürmen in nicht ganz regelmässigen Zwischenräumen ver-
sehenen Mauern an der Landscite noch in ihrer ganzen Ausdehnung
verfolgen, während heut zu Tage wenigstens über dem Boden nur noch
geringe Spuren davon sichtbar sind.
ItUItHIAN, ÜUdUK. II. G
82 II. Peloponnesos.
der südlichere, an welchem der Präsident Kapodistrias einen
neuen Molo angelegt hat, im Gebrauch. Auf einem flachen Vor-
sprunge des Ufers am nördlichen Hafen steht auf hohem, aus
mächtigen Quadern gebildeten Unterbau (dessen Steine zum grössten
Theile zum Bau des eben erwähnten Molo verwendet worden sind)
eine dorische Säule ohne Capital aus gelblichem Kalktufl", der
Rest eines Tempels, von welchem frühere Reisende, wie Dodwell
und Leake, noch zwei Säulen vorfanden, deren eine mit dem
Capital eine Flöhe von 25 Fuss, an der Basis einen Durchmesser
von 3 Fuss 9 Zoll hatte. Unter der Voraussetzung, dass der
nördlichere Hafen der zur Zeit des Pausanias gewöhnlich ge-
brauchte gewesen, hat man diesen Tempel für den der Aphro-
dite (vgl. Paus, ü, 29', 6) gehalten;^) indess ist jene Voraus-
setzung ziemlich unsicher, da Pausanias (a. a. 0. § 10 f.) ausser
dem Hafen, in dem er gelandet ist, noch einen anderen, den
KQVJtrög kt^fjv (ein Name, der für den grösseren südliche4i
Hafen sehr wenig passend erscheint) erwähnt, in dessen Nähe
das Theater und hinter demselben das Stadion, dessen eine Seite
als Unterbau des Theaters diente, lagen. In der Nähe jenes
Tempels und des kleineren Hafens scheint ein dem Attalos Phi-
ladelphos, König von Pergamos geweihter heiliger Bezirk (ro
^AtxdleLOv) gewesen zu sein. 2) Weiter gegen Norden erhebt
sich ein grosser künstlicher Erdhügel, welcher dem vom Peiraeeus
her kommenden Reisenden schon bevor er landet in die Augen
fällt; am Fusse desselben ist eine grosse Fläche von nicht ganz
regelmässiger viereckter Form (eine Seite ist ungefähr 100 Meter
lang) in den Felsboden eingeschnitten. Der Zweck dieser ganzen
Anlage ist ziemlich unklar; denn obgleich es sehr nahe liegt, in
dem Hügel das Grab des Phokos — einen Erdhügel mit einem
runden steinernen Unterbau — zu erkennen, so passt doch jene
Vertiefung im Felsboden keineswegs auf das neben diesem Grab-
hügel am ansehnUchsten Platze der Stadt gelegene Aeakeion,
1) Vgl. Alterth. von lonien C. VI, Tfl. 1; Exped. de Moree III,
pl. 38 s.; Leake Travels in the Morea II, p. 435 s. ; Klenze Aphori-
stische Bemerkungen auf einer Reise in Griechenland S. 159 IF. , Tfl.
I, 1. Ein Fest Aphrodisia als Nachfeier eines IGtagigen Poseidonfestes
erwähnt Plut. Q. gr. 44.
2) Vgl. die dort gefundene Inschrift C. I. gr. n. 2139 *^ (= 'E(pr](i.
ciQX. 1839, n. 343 und Rangabis Ant. hell. n. 688), Z. 46.
1. Argolis: Epidauria. 83
(Jas als ein viereckter Peribolos, von Marmormauern umschlossen,
beschrieben wird, mit einer Eingangshalle, in welcher die der
Sage nach einst an Aeakos von den Hellenen abgeordneten Ge-
sandten dargestellt waren, mit alten Oelbäumen im Inneren und
einem niedrigen Altare, den eine Geheimsage als Grabmal des
Aeakos bezeichnete: aeginäische Sieger in den Festspielen brach-
ten hier ihre Siegeskränze als Weihgeschenke dar und Verfolgte
fanden hier . ein schützendes AsyU) Müssen wir also die Stelle
dieses Denkmals unbestimmt lassen, so gilt dasselbe auch von
den sonstigen Tempeln der Stadt, wie von den nahe bei einander
stehenden des Apollon, der Artemis und des Dionysos, ^j dem der
Ilekate, welcher alljährhch ein hochheiliges Fest mit geheimniss-
vollen Cultbräuchen gefeiert wurde, ^) und dem der Demeter
Thesmophoros.'') Jetzt sind auf dem Boden der alten Stadt
ausser den schon erwähnten Resten nur noch ein antiker Mosaik-
fussboden, eine Fülle von Scherben alter Thongefässe und sehr
zahlreiche in den felsigen Boden brunnenartig eingesenkte Gräber
mit je einer oder mehreren unterirdischen Grabkammern erhalten. ^)
Wendet man sich ostwärts von der Stadt durch die noch
jetzt ziemlich gut angebaute, besonders mit Oel- und Feigenbäumen
bepflanzte, hie und da von Gärten, in denen viele Kypressen er-
scheinen, unterbrochene Ebene, so' gelangt man nach ungefähr
einer halben Stunde an den Fuss des Gebirges, welches man auf
ziemlich steilen und unwegsamen Pfaden ersteigt. Eine Stunde
von der Stadt findet man auf der oberen Fläche eines kahlen
Felsens die verfallenen und jetzt ganz verlassenen Häuser der Pa-
laeachora, d. h. der Ortschaft, in welche die Bewohner der Insel
' <) Paus, c. 29, 0; Find. Nem. V. 96 c. schol.; Olymp. XIII, 154;
Schol. Apoll. Rhofl. IV, 1770; Plut. Demosih. 28. Festspiele AidyiSLa:
8chol. Find. Olymp. VII, 156. Ueber den Tumuliis und die Felsfläclie
8. About Memoire \>. .546 8,, der hier, schwerlich mit Recht, das Aea-
keion ansetzt,
') Paus. ( io, 1; der Tempel des Apollon wird als am Inicpavi-
GtuTog tonog rrys noXsiüg gelegen erwähnt in der Inschr. C. I. gr. n.
2140, Z. 35 f.
') Paus. a. a. O. § 2; vgl. Luc. Navig. 15.
*) Herod. VI, 91.
^) Vgl. über diese Koss Arcimol. Aufstltzc *I, S. 45 ff., TH. II und
III; Erinnerungen und Mittlicilungon aus UriecbenUnd (herausgegeben
von O, Jahn, Berlin 1868) 8. 139 f.
6*
84 n. Peloponnesos.
unter der türkischen Herrschaft aus Furcht vor Seeräubern sich
zurückgezogen hatten: obgleich sich keine antiken Reste hier
nachweisen lassen, kann man doch mit Sicherheit die alte Oie
mit dem HeiUgtume der aus Epidauros eingeführten Gottheiten
Damia und Auxesia (Ilerod. V, 83) hier ansetzen, da die auf 20
Stadien angegebene Entfernung von der Hauptstadt gerade auf
diesen Platz passt. Am südlichen Fusse der Felshöhe fliesst der
bedeutendste unter den Bächen der Insel, der freilich den grös-
seren Theil des Jahres hindurch wasserlos ist: derselbe scheint
im Altertum den Namen Asopos geführt zu haben. ^) Etwas
über eine Stunde östlich von hier, auf einem 190 Meier hohen
Hügel oberhalb der Bucht der heiligen Marina, steht die berühmte
Ruine des Tempels der Athene, eines dorischen Hexastylos perip-
teros (mit 6 X 12 Säulen und doppelter Säulenstellung im Innern
der Cella) aus gelblichem, durchgängig mit farbigem Stuck über-
zogenen Kalkstein (das Dach und die Sculpturen aus parischem
Marmor), dessen Giebelgruppen allein uns ein Bild von der Blüte
der bildenden Kunst auf Aegina in der Zeit seiner Selbständig-
keit zu geben vermögen.^) Südöstlich vom Tempel erkennt man
noch den Unterbau eines antiken Gebäudes, das wahrscheinlich
zu Wohnungen für die Tempeldienerschaft bestimmt war.^)
Ein etwas längerier und beschwerlicherer Weg, als nach dem
Tempel der Athene, führt von der Stadt nach dem im südöstlichsten
Theile der Insel sich erhebenden Gros, wie es jetzt als einziger
wirklicher Berg der Insel von den Umwohnern schlechtweg ge-
nannt wird, dem alten Panhellenion. Am nördlichen Abhänge
des Berges erhebt sich in einem rauhen, einsamen Thale, das
noch in neueren Zeiten bewaldet war, eine von Mauern aus gros-
sen Trachytblöcken gestützte Terrasse, auf der jetzt eine ganz aus
schönen antiken Werkstücken erbaute, aber wieder verfallene Kirche
*) Einen Bach Asopos auf Aegina nimmt Didymos, eine Quelle Kai-
listratos in den Scliol. Pind. Nem. III, 1, freilich im Widerspruch mit
Aristarchos, an.
2) Vgl. über den Tempel Alterth von lonien C. VI, Tfl. 2 ff.; Ex-
pe'dition de More'e III, pl, 47 ss. ; Garnier Revue archeologique XI (1854)
p, 193 SS.; 343 ss. ; 423 ss. , und über Athene als Eigentümerin des
Tempels (vgl. Herod. III, 59) Ross Arch. Aufs. I, S. 241 ff.; A. Mi-
chaelis N. Schweizer. Mus. III, S. 213 ff.
^) Das diicpLnolsLOV der Inschrift C. I. gr. n. 2139, Z, 13.
1. Argolis: .Kpidauria. 85
des Erzengels Michael (rov aytov döa^drov) steht ; in der Mitte
der Terrasse findet man noch antikes Steinpflaster, auf dem eine
Anzahl grosser platter Steine in gleicher Entfernung von einander
liegt, wie wenn sie als Basen von Pfeilern gedient hätten. Das
Ganze bildete jedenfalls einen von Mauern (von denen noch meh-
rere Bruchstücke erhalten sind) umgebenen Peribolos, etwa mit
einer kleinen Kapelle in der Mitte, welcher der Aphaea — einer
der Artemis verwandten , von den Alten selbst mit der kre-
tischen Britomartis-Diktynna identificirten Göttin — geweiht war. ^)
Ein sehr steiler Pfad führt von hier auf den 531 Meter hohen
Gipfel des Berges, der jetzt eine Kapelle des heiligen Elias trägt;
diese ist an die Stelle des Heiligtums des Zeus Hellanios oder
I^anhellenios getreten, einer Stiftung des Aeakos, der hier einst
den lang ersehnten Regen von Zeus erfleht haben soll: eine Sage,
die wesentlich meteorologischen Ursprungs zu sein scheint; denn
für die Athener waren >Volken, welche sich auf dem Gipfel dieses
Berges lagerten, ein sidieres Zeichen kommenden Regens, wie sie
es noch jetzt für die Bewohner der Insel selbst und für die Megarer
sind. Das Heilig]um bestand einfach aus einem von einer halbkreisför-
migen Mauer aus grossen unregelmässigcn Steinen umgebenen Altar. ^)
Nicht sicher zu bestimmen ist die Lage des von Xen. Hell. V,
1 , 10 bei Gelegenheit eines Ol. 98, 1 von Chabrias gegen die
[iwtl ausgeführten - Handstreiches erwähnten Heiligtumes des He-
rakles (Herakicion) und des 16 Stadien (doch wohl landeinwärts)
davon gelegenen Ortes Tripyrgia: da aber als Landungsplatz
des Chabrias mit Wahrscheinlichkeit die olfene Rhede nördlich
von der Stadt betrachtet werden kann, so darf man vermuten,
dass die im nördlichsten Theile der Ebene auf geglättetem Fels-
boden stehende Kirche des heiligen Nikolaos, in welcher sich
einige alte Werkstücke vorfinden, die Stelle des Herakleion be-
zeichne^). An der entgegengesetzten Seite der Westküste, süd-
') Pau8. c. 30, 3; Antonin. Lib. 40: vgl. Müller Aegin. p. 163 ss.
und über den Platz Ko8« Krinnerungen und Mittheilungen aus Gricch.
S. 1,43; About Memoire p. 552 »8.; Expe'd. de Morce III, pl. 46.
«) Paus. c. 30, 4; Pind. Nem. V, 10; Ißocr. Euag. § 14 f.;.Theo-
phraHt. De signi» pl. I, 24. Vgl. A. M(u8toxidi) in der Zeitschrift
fl Aiyivaia. 'E(pr}(ieQlg (pt.XoXoYi.nf}, iTciarrjuoviyiiq %ai TfxvoXoyiyifj 1831,
s. 158 ff.
») 8. About Mdmoire p. 548.
8H 11. I*(;Iü|ionncsüs.
licli von der Stadt in der Nähe der jetzt Perdikas (nach den auf
der Insel überhaupt sehr zahlreichen Rebhöhnern) genannten
Bucht, befand sich nach einer daselbst gefundenen Inschrift')
ein Temenos des Apollon (Delphinios) und des Poseidon.
An das festländische Gebiet von Epidauros slösst im Süd-
osten die Troizenia, welche gegen Süden durch eine vom
Ortholithi (vgl. oben S. 12) nach Osten ziehende Bergkette be-
gränzt wird, die in ihrem höheren westlichen Theile (bis 720
Meter Höhe) Aderes,'-) in dem östlicheren (der eine Höhe
von 537 Meter erreicht) Darditza genannnt wird: der öst-
lichste Vorsprung der ganzen Bergkette, das Cap Skyli, vor
welchem zwei kleine Inseln und eine KÜppe liegen, scheint das
Sky Ilaeon der Alten zu sein, welches mit dem attischen Cap
Sunion die beiden Endpunkte des Eingangs des Saronischen Meer-
busens bezeichnete.^) Die Troezenier griffen hier über ihre natür-
1) Ö. Wordsworth Athens und Attica p. 231; A. Michaelis im N.
Schweiz. Mus. III, S. 217.
2) Ob diesen der Namen ^OQßdvTLOv zukommt, welchen Steph. Byz.
u. d. W. für ein uqos TQOL^rjvog überliefert, wie lo. Nie. los. Schell (De
agro Troezenis, Tergesti 1856, p. 3) vermutet, dürfte nicht sicher zu
entscheiden sein.
3) Scyl. Per. 51 (wo avQvzatog statt evd^vzatos zu schreiben ist);
vgl. Thuk. V, 53; Strab. VIII, p. 368; 373; Plin. N. h. IV, 5, 17*s.;
Ptol. III, 16, 11; Steph, Byz. u. S-avXXaiov. Pausanias freilich (c.
34, 7 f.) nennt nach dem Skyllaeon in der Richtung nach Hermione
zu ein zweites Vorgebirge, Bovv,Ecpcila^ und nach diesem drei Inseln:
Haliussa (mit einem Hafen), Pityussa und Aristerae. Daher hat Curtius
(Pel. II, S. 452 if.) das jetzige Cap Skyli für das alte Bukephala ge-
halten und das Skyllaeon etwas weiter nordwestlich, zunächst südlich
von dem Citronenwalde der Porioten, angesetzt. Allein abgesehen
davon, dass doch das jetzige Cap Skyli den natürlichen Abschluss des
Saronischen Meerbusens im Südwesten bildet, ist auch die weitere An-
setzung der von Paus, zwischen Bukephala und der Stadt Hermione
aufgeführten Oertlichkeiten bei Curtius höchst unwahrscheinlich, nament-
lich entspricht die Annahme, dass das jetzige Cap Thermisi das Vor-
gebirge Buporthmos sei, gar nicht der Angabe des Pausanias: vor
diesem liege die Insel Aperopia (Doko), nicht weit von dieser Hydrea,
und nach dieser der mondsichelförmige Küstenstrich, der bis zur Stelle
der alten Stadt Hermione reiche. Die Bezeichnung von Buporthmos
als 6qo£ ig d'dXccGGav dno tov UEloTCOvvTJaov nQoßsßlrjfisvov in Ver-
bindung mit der weiteren: tzqü-hsitki, Ss BovnoQd'fiov v^Gog 'ATtsqonCa
zcclovfisvrj macht es im höchsten Grade wahrscheinlich, dass Buporth-
1. Arijrolis: Troizenia. 87
liehen Gräiizeii zum Schaden ihrer südwestlichen Nachbarn, der
llermioneer, über, indem sie auch die freiUch nur wenig anbaufähigen
südlichen Abhänge des Darditzagebirges, an welche sich nur ein
ganz schmaler Streifen flachen Landes angesetzt hat, der noch
dazu von zahlreichen kleinen Seen oder , Teichen voll salzigen
Wassers unterbrochen wird, .sich annectirt hatten, offenbar um
auch am Ilermionischen Golfe wenigstens einen Landungsplatz zu
haben. Die Gränze zwischen den Gebieten von Troizen und Iler-
mione bezeichnete hier wenigstens zur Zeit des Tansanias^) ein
den Ilermioneern gehöriges Heiligtum der Demeter Thermasia 80
Stadien westlich vonj Skyllaeon, also in dem flachen Küstensaume
zwischen einem dem Kloster des Propheten Elias auf Hydra zu-
gehörigen Metochi (Nebenkloster) und dem breiten felsigen Cap
Thermisi.
Den Mittelpunkt der Troizenia bildete eine den nördlichen
Kuss der Aderesberge berührende, von West nach Ost etwa drei
Viertelstunden breite Strandebene, welche jetzt von dem an ihrem
südwestlichen Rande gelegenen Dorfe Damalas den Namen trägt.
Sie wird von mehreren Bächen bewässert, unter denen der aus
einer romantischen Schlucht westlich von Damalas hervorkommende
Kremastos, von den Alten Ilyllikos genannt,*) der bedeutendste
mos der ganz halbinselartige Felsvorsprung der Küste südlich vom
Hafen Kuverta ist, welcher der Insel Doko gegenüber in dem Cap Mu-
saki endet. Ist dies richtig, so kann freilich Pausanias bei seiner See-
fahrt nicht vom Cap Skyllaeon, sondern muss von Südwesten her nach
llermione gekommen sein und wir müssen annehmen, dass er bei der
Kedaction seiner Keiseaufzeichnungen sich geirrt und aus einer Fahrt
etwa von llalike (dem jetzigen Hafen Cheli) oder von Mases (Porto
Kiladia) nach Hermione eine solche vom Skyllaeon (wo gar kein Lan-
dungsplatz ist) aus gemacht hat. Unklar und ohne bestimmtes Re-
sultat behandelt diese Frage lo. Nie. los. Schell, De agro Troezenis
p. 11 8.
') Paus. c. 34, 6 und 11. Die Ansetzung des Heiligtums am Cap
Thermisi selbst, dessen Namen wohl auf warme Quellen zurückzuführen
ist, steht mit der Kntfcrnunosangabe bei Paus, im Widerspruch. Strab.
VllI, p. 373 rechnet das Skyllaeon noch zum Gebiete von Hermione,
aber auch Scyl. Peripl. 51 sagt ausdrücklich: l'art de ro £kvIXcciov rrjs
TQOitrjviccg.
*) Paus. c. 32, 7 führt als den ttltcstcn Namen des Flusses Tau-
rio» oder Tauros (vgl. Athen. III, p. 122 0 »»» welcher wie ähnliche
Namen {Zvg, AptOff, Kccngog u. a.) den wilden, ungestümen Charakter
88 n. Poloponncsos.
ist; zahlreiche Quellen erhöhen die Fmchtharkeit der Ebene, die
für Wein') und Gelreidebau wohl geeignet, jetzt aber nur zum
Theil mit Bäumen und Weinpllanzungen bedeckt, zum Theil mit
der baumartigen Wolfsmilch (Euphorbia dendroides), deren Aus-
dünstung die Gegend ungesund macht, bewachsen ist. Die alte
Stadt nahm einen ziemlich ausgedehnten Raum nordwestlich vom
Dorfe Damalas ein, wo man zunächst einen bis zu bedeutender
Höhe erhaltenen viereckten Thurm (an der Nordseite 44 Fuss
lang) mit einem daran stossenden Stück der südöstlichen Stadt-
mauer, eine Viertelstunde weiter westlich die sogenannte Episkopi
(den Sitz der ehemaligen Bischöfe von Damalas) mit mehreren ganz
aus antiken Werkstücken erbauten Kirchen und Trümmern ionischer
Säulen darin, davor die Unterbauten von zwei alten Tempelge-
bäuden findet: wahrscheinlich standen hier die von einem ge-
meinschaftlichen Peribolos umschlossenen Tempel des Ilippolytos
und des Apollon Epibaterios (Paus. c. 32, 1 f.). An der Östseite
dieses Peribolos lag das Stadion, dessen oberes Ende noch jetzt
im Boden sichtbar ist, und oberhalb desselben ein Tempel der
Aphrodite Kataskopia, in dessen Temenos die Gräber der Phaedra
imd des Hippolytos (der Mondgöltin und des Sonnengottes des
ältesten Cultus, die dann in die Ileroensage verflochten und zu
Ileroengestalten herabgezogen worden sind) in der Nähe eines
ebenfalls in die Sage von Phaedra und Ilippolytos verflochtenen
Myrlenbaumes mit durchlöcherten Blättern (jedenfalls eines alten
Cultsymboles der Aphrodite) gezeigt wurden (Paus. a. a. 0. § 3).
Ausserdem finden sich zahlreiche antike Reste, darunter mehrere
anscheinend noch am Platze stehende Säulenstümpfe,') nördfich
eines Giessbaches bezeichnet. Auf die reiche Bewässerung ist jeden-
falls der Cult der Movacci 'AgdaXiösg oder 'Agdaltai (Paus. c. 31, 3;
Plut. VII sap. conv. 4; Steph. B. u. 'AQdalCdBg) zurückzuführen. Nach
Plin. N. h. XXXI, 2, 11 und Vitruv. VIII, 3 sollte das Wasser der
Brunnen in Troizen das Podagra hervorrufen.
^) Ueber den Weinbau in Troizen vgl. besonders Aristot. bei Athen.
I, p. 31 <=. NachTheophr. Hist. pl. IX, 18, 11 (vgl. Plin. N. h. XIV, 18,
116) machte das Trinken des Troizenischen Weines zeugungsunfähig.
2) Von besonderem Interesse darunter sind die Säulentroncs aus
roth-grauem granitähnlichen Steine mit 8 flachen Seiten, von denen ich
im J. 1854 nur noch einen in der bezeichneten Niederung vorfand: die
Abschrägung der Seiten anstatt der Canelirung, welche W. Gell (Argolis
p. 121) als ein Zeichen des höchsten Altertums erschien und ihn ver-
1. Argolis: Troizenia. 89
und in der Niederung östlich von der Episkopi: an dem letzteren
[Matze lag wahrscheinlich die Agora, an welcher mehrere Tempel,
wie der der Artemis Soteira, der Artemis Lykeia, des Apollon
Thearios (vor welchem noch das Zelt, in dem Orestes vom Mut-
termorde gesühnt worden, gezeigt wurde) und des Zeus Sotei',
Altäre und Hallen (darunter eine mit Statuen von athenischen
Frauen und Kindern, die während des Perserkrieges in Troizen
Zuflucht gefunden hatten) standen; auch das Theater lag an oder
doch nicht weit von der Agora, in der Nähe des Tempels der
Artemis Lykeia (Paus. c. 31). Die Akropolis endlich mit einem
Tempel der Athene Sthenias stand auf einem steilen Berggipfel
südwestlich oberhalb der Ebene, wo man noch Reste einer mit-
telalterlichen Befestigung auf antiken Fundamenten vorfindet;- beim
Herabsteigen von da nach der Ebene kam man an einem Heihg-
tume des Pan Lyterios vorüber (Paus. c. 32, 5 f.).
Die Bevölkerung der Stadt sowie iles Gebietes derselben
war, wie man aus den ältesten Cullen und aus zahlreichen Spuren
der Sagen, welche die Vorzeit der Stadt mit einem glänzenden
Lichte umstrahlen, schliessen kann, ionischen Stammes und ins-
besondeie mit den loniern Attikas nahe verwandt, wie denn enge
Beziehungen zwischen Troizen und Altika bis weit in die histo-
rische Zeit hereinreichen. Doch scheint die ionische Bevölkerung
frühzeitig unter die Herrschaft eines achäischen Fürstenhauses
gekommen zu sein, welches in der Sage durch den Pelopssohn
Pittheus repräsentirt wird: er erscheint als der eigentliche Grün-
der der Stadt, .die er durch Zusammensiedelung der Bewohner
aus zwei älteren Ortschaften, Antheia und Hypereia, gebildet haben
>oll. ') An die Stelle der achäischen Fürsten traten nach der
(lorischen Wanderung dorische, wohl ein Zweig des argivischen
Königshauses; wahrscheinlich wanderte in Folge dieses Wechsels
• in Theil der alten Geschlechter nach der Küste Klcinasiens aus
anlasstc, die Säulen auf den von Paus. c. 31 , 6 erwähnten uralten
Tempel des Apollon Thearios zu beziehen, dürfte wohl aus der Be-
schaffenheit des Materials zu erklären sein.
') Paus. c. 30, 8 f.; vpl. über die Sagengeschichte der Stadt über
JiHupt Nie. Scholl De Troezenis urbis historia. Cap. I. Do antiquisKimu
historia usquo ad Pittheum urbis qui dicitur conditorein (Krakau 1868);
Cap, II. De Thesei origino, oducatione, itinerc Athenas suscepto (Ofen
1860); auch L. Schiller, Stämme und Staaten Griechenlands, III, S. 23 IX.
90 II. Pclopoiinesos.
und gründete dort, vereint mit argiviscben Auswandeiern, die
Stadt HalikarnasosJ) Die Zurückbleibenden bewabrten sieb trotz
der doriseben Herrscbaft, die, wir wissen nicbt wann, statt der
nionarcbiscben die aristokratische Form annabm,'^) im Wesent-
licben den ionischen Charakter, und die enge Verbindung der Stadt
mit Sparta, wie sie besonders im Peloponnesisclien Kriege her-
vortritt, ist jedenfalls aus politischen Gründen, nicbt aus dem
Gefühle der Stammesgenossenschaft herzuleiten.
Den Hafen der Stadt bildete eine ungefälir 74 Stunde gegen
Osten entfernte Einbuchtung der Küste, welche nach ihrer Form
IJcdycDV (der Bart) genannt wurde. ^) Auf dem Wege dabin kam
man an einem Genethlion genannten Platze, der angeblichen
Gebm-tsstätte des Theseus, vor welchem ein Tempel des Ares
stand, vorüber ; an der Bucht selbst (w ahrscheinlicb an der Nord-
vvestseite) lag eine kleine Ortschaft Kelenderis, etwas weiter
östlich eine andere, Psipha, nach welcher der anliegende Theil
des Meeres '^ WicpaCa ^dla(5öa genannt wurde; von einer dritten
Ortschaft, Saron, aufweiche man den Namen des Sa ronischen
Meerbusens, d. h. des zwischen der Ostküste von Argolis und
der Westküste Attikas gelegenen Meeresarmes (vgl. S. 86) her-
leitete, war in der späteren Zeit nur noch ein Heiligtum der
Artemis Saronia übrig. 4)
1) Vgl. Strab. VIII, p. 374; XIV, p. 616; Vitruv. II, 8; Steph. Byz.
u. "Aliv.cLQVctGGos. Auch das um Ol. 15 gegründete Sybaris war eine
gemeinsame Colonie der Troizenier und Achäer: Aristot. pol. V, 3 (p.
130, 22 ed. Bekk. min.).
*) Ueber die Verfassung von Troizen sind wir leider nicht näher
unterrichtet. In einer zu Ehren des Caracalla gesetzten Inschrift (C. I. gr.
n. 1185) wird ein atQocrrjyog T'^g TtöXsog (sie) als eponymer Beamter
genannt; in zwei Inschriften (C. I. gr. n. 1186 und Bullett. 1854
p. XXXIV ^) wird die ßovlr] erwähnt, in der letzteren auch ein a.QXLCc-
zQog f^g TCoXecog, der zugleich das Amt eines Agoranomen verwaltet.
In der älteren Zeit standen vielleicht monatlich wechselnde Prytanen
wie in Halikarnasos (vgl. die Inschr. C. I. gr. n. 2656 und bei Newton
A history of discoveries at Halicarnassus etc. Vol. I pl. LXXXV, Vol.
II p. 671 SS.) an der Spitze der Staatsverwaltung.
3) Strab. VIII p. 373; Herod. VIII, 42: vgl. Suid. u. stg TqoL^ijva
und Ucoycov; Paroeraiogr. gr. edd. Schneidewin et Leutsch II, 36 s.
*) Paus. c. 32, 9 f.; vgl. die von mir im Rhein. Mus. n. F. XI,
S. 321 ff. behandelte Inschrift aus Troizen: auch bei Paus. c. 30, 7 ist
wohl Wicpaia (für ^OLßaCa) Xi^vrj herzustellen. Einen Ort (oder Fluss)
1. Aifiolis: Troizenia. 91
Die Ebene von Troizen wird im Norden durch einen felsigen
Höhenzug begränzt, mit welchem durch einen schmalen Isthmos
eine mächtige, gegen Norden sich mehr und mehr verbreiternde,
durchaus inselartig ins Meer vorgeschobene Bergmasse, zum gröss-
ten Theil aus vulkanischem Gesteine (rothbraunem Trachyt) be-
stehend, zusammenhängt, die noch jetzt wie im Altertum Methana^)
genannt wird. Der Boden der Halbinsel ist, abgesehen von eini-
gen kleinen Strandebenen, durchaus felsig; doch hat der Fleiss
der Bewohner bis hoch an den Gebirgsabhängen hinauf sorg-
fältig die wenige Erde sammelnd Terrassen angelegt, auf denen
besonders Wein und Gel gebaut wird. Schon aa der Südoßtseite,
wo das Gebirge noch aus dichtem Kalkstein besteht, findet sich
eine kleine landseeartig abgeschlossene Bucht, deren Wasser einen
starken Geruch von Schwefelwasserstoffgas verbreitet (daher jetzt,
ebenso wie eine in der Nähe liegende kleine Ortschaft, ßQo^o-
U^vfj, 'der Stinksee', genannt) ; in der Mitte der Nordküste dringt
unter herabgestürzten Trachytblöcken (nach Paus. c. 32, 1 erst
seit den Zeiten des Makedonischen Königs Antigonos Gonatas)
eine warme Ouelle stark salzigen und schwefelhaltigen Wassers
hervor, das offenbar im Altertum zu Heilbädern benutzt wurde.
Der mit der Halbinsel selbst gleichnamige Hauptort lag
an der Westseite V2 Stunde südwestlich von dem jetzigen Orte
Megalochorio , auf einer steil aus einer kleinen Strandebene auf-
steigenden Anhöhe, deren Bänder noch jetzt rings um mit den
Resten der aus rothen Trachytblöcken erbauten Ringmauer be-
setzt sind ; die kleine an die Strandebene sich anschliessende
Bucht war durch einen Hafendamm geschützt. Ausserdem findet
man noch an zwei Punkten der Ostküste (östlich von H. Theo-
Edgmv erwähnen nur Öteph. Byz. u. d. W. und Eustath. ad Dionys. Per.
V. 420: vgl. Vibius Sequester p. 9, 9 meiner Ausgabe (im Zürcher Uni
versitätsprogramm 1867).
<) Mi^civa Strab. p. 374; Paus. c. 34, 1; Msd-jjvrj Ptol. HI, 16,
12; bei Thuk. IV, 45 (u. Diod. XII, 66) geben die Codd. Med-avrj, was
schon Strab. (a. a. O.) Iv naiv ccvriygcccpoig fand: der Name hängt wohl
mit tii&v (vgl. über den Weinbau auf der Halbinsel Paus. a. a. O. § 2)
zusammen. Ueber die geognostischen Verhältnisse vgl. Fiedler Reise
I, 8. 267 ff.; Landcror im Ausland 1861, N. 52 und die S. 78, Aum. 2
angeführte Schrift von Keiss und Stübei; über die von Strab. I, p. 69
u. Ovid. Metam. XV, v. 296 ff. geschilderten vulkunischen Erhebungen
auch Curtius Pclop. I, S. 40 ff.
92 II. Peloponncsos.
doros und südlich von BronioÜmni) Kuinen kleiner befestigter
Ortschaften, beide mit sicheren Ankerplätzen, und auf dem Isth-
mos Ueberreste der Ol. 88, 4 von den Athenern, welche die
Halbinsel den Troizeniern entrissen hatten, angelegten Befestigung,
welche nicht nur im Mittelalter, sondern auch während des grie-
chischen Befreiungskrieges wenigstens theilweise wiederhergestellt
worden ist. ^)
Vor der Ostküste des Troizenischen Gebietes liegt, nur durch
einen schmalen Meeressund davon getrennt, eine grössere jetzt Po-
rös genannte Insel, ein Kalksteingebirge, das offenbar ursprünglich
die Fyrtsetzung des die Ebene von Troizen im Norden begrän-
zenden Höhenzuges bildete: mit der Südwestseite desselben hängt
durch einen ganz schmalen sandigen Isthmos eine kleine aus vul-
kanischem Gestein (Trachyt) bestehende Halbinsel zusammen, auf
welcher jetzt das durch mehrere Ereignisse des griechischen Be-
freiungskampfes bekannte Städtchen Porös liegt. Die ganze Insel
ist ohne Zweifel die alte Kalaureia, berühmt durch das Heihg-
tum des Poseidon, welches seit den ältesten Zeiten der griechischen
Geschichte den Mittelpunkt eines Bundes (Amphiklyonie) von sieben
seefahrenden Staaten (Hermione, Epidauros, Aegina, Athen, Prasiä,
Nauplia und Orchomenos in Boiotieu) bildete, ^j dessen Vorort
wenigstens ursprünglich wohl Hermione war, woraus auch die
Nichtbetheiligung von Troizen an demselben zu erklären sein
dürfte: vielleicht hatte die naturgemäss zum Gebiete von Troizen
gehörige Insel einstmals den Gegenstand längerer Kämpfe zwischen
den Nachbarstädten Troizen und Hermione (ähnlich wie Salamis
zwischen Athen und Megara) gebildet, welche dann durch die
Vermittelung befreundeter Seestaaten dahin beigelegt wurden,
dass der Gegenstand des Streites eine Art neutrale Stellung er-
hielt. Die politische Bedeutung des Bundes wurde jedenfalls durch
den Eintritt der beiden mächtigsten dorischen Staaten, Argos und
1) Vgl. die französ. Karte Bl. 13 und Curtiiis Pel. II, S. 440 f. -
Ueber die von Paus c. 34, 3 erwähnten Inselchen des Pelops vgl. oben
S. 77, Anm. 2.
2) Strab. VIII, p. 369 und 373 s. (dessen von öteph. Byz. u. Ka-
XccvQSia nachgeschriebene Bezeichnung von Kai. als vrjaLdiov oaov
tqidv,ovTK Gzadicov s'xov xov y.vy.Xov einfach auf einen Irrtum in seinen
Aufzeichnungen zurückzuführen ist); Paus. c. 33, 2; Scyl. Per. 52; Har-
pokr. p. 105, 19 ed. Bekk. (vgl. oben S. 59, Anm. 2).
1. Argolis: Hermionia. 93
Spartas, welche die durch ihre Schuld leer gewordenen Stellen
von Nauplia und Prasiä einnahmen, aufgehohen, aber das Heiligtum
bestand in hohem Ansehen, besonders durch das selbst von den
Makedonischen Gewalthabern wenigstens formell respectirte Asyl-
recht (das freilich die kilikischen Seeräuber nicht abhielt, es zu
verwüsten) '), und noch jetzt findet man, nachdem die Ruinen des-
selben Jahrhunderte lang den Bewohnern von Porös, Hydra und
andern Nachbarorten als Steinbruch gedient haben, ausgedehnte,
wenn auch unscheinbare Reste desselben (einige Mauerzöge und
Unterbauten) ^) auf einer breiten Hochfläche ungefähr in der Mitte
der Insel, eine Stunde oberhalb der Küste. Die Stadt Kalaurea,^)
welche wahrscheinlich an der Stelle des jetzigen Städtchens Porös
lag, scheint bis zu den Zeiten der römischen Herrschaft, ähnlich
wie Delphoi, unter dem Schutze der Poseidonischen Amphiktyonie
autonom geblieben zu sein; später wurde die Insel Eigentum
der Troizenier. Diesen gehörten jedenfalls zu allen Zeiten die
beiden ganz kleinen Inselchen südlich von Kalaureia, deren öst-
lichere jetzt ein Fort, die westlichere ein Lazareth trägt: da auf
der letzteren sich Reste einer alten Tempelanlage gefunden ha-
ben, so ist dieselbe für die ursprünglich 2J(pttLQLa, dann 'Isqcc
genannte Insel, auf welcher ein Tempel der Athena Apaturia
stand, zu halten.^)
Der südöstlichste Theil der Argolischen Akte bildet eine be- "'
sondere, vielfach ausgezackte und in mehreren grösseren Kels-
inseln nach Osten und Süden sich fortsetzende Halbinsel, als
<) Paus. I, 8, 2 f.; Strab. p, ,S74; Plut. Demosth. 29; Pomp. 25.
(Jrab des Demosthenes im Peribolos des Tempels: Paus. II, 33,^3.
2) Frühere Reisende haben noch Architekturstücke gefunden, aus
denen siel» ergiebt, dass der Tempel in dorischem Stile erbaut war.
j'lan der Ruinen bei Lebas Voyage archeologiquc Itineraire pl. 15,
wiederholt bei Curtius Pelop. II, Tfl. XVIII.
•'') Die Angabe von Cjirtius (l*el. II, S. 448): 'die Stadt der Kalau-
reaten wird von den alten Schriftstellern nicht erwähnt', ist unrichtig,
H. Scyl. Per. 52: vrjaog iati KaXavqCa Y.a\ nolig nal Ufir'iv. Für die
Autonomie der öt;idt zeugen die Inschriften Annali 1829, p. 165 (Ste-
))hani Parerga archaeol. IV: darin erscheint ein taftt'as als eponymer
ficamter); C. I. gr. n. 1188 und Rangabis Antiq. hell. n. 821 •' (letztere
■hr verderbt; Z. 9 wird darin ein *j4Qrt(ii'tiov erwähnt).
*) Paus. c. 33, 1: vgl. Pouillon-Boblayo Kecherches p. 59; Curtius
S. 446 f.
94 II. Peloponnesos.
(leren Basis das nicht sehr hohe Aspro -Vuno, eine südliche
Verzweigung des Didymagebirges, zwischen der Bucht von Kastri
im Osten und der Bucht Kiladia im Westen, betrachtet werden
kann. Die ältesten Bewohner derselben, von denen wir Kunde
haben, waren Karer, die sich wohl theils als Seeräuber, theils als
Fischer, besonders von Purpurschnecken, ^) auf diesen Felsküsten
angesiedelt hatten ; sie wurden verdrängt durch die Dryoper, welche
entweder aus dem Spercheiosthale oder vom Parnass her aus
der Gegend von Delphoi kamen und die ganze Küste vom Skyl-
laeon bis nach Nauplia hin in Besitz nahmen: wahrscheinlich
bildeten sie eine Tripolis, d. h. einen Bund von drei selbständigen
Städten (Hermione, Eiones und Asine), deren jede einige unter-
thänige Ortschaften besass, mit Asine als Vorort. ^) Als nun Asine
durch die Dorier von Argos zerstört und die Bewohner ausge-
trieben worden waren (vgl. oben S. 60 f.) und als aucli Eiones
ein gleiches Schicksal, angeblich durch die Mykenäer, welche den
Ort eine Zeit lang als Stapelplatz benutzten (Strab. VIII p, 373),
erlitten hatte., erhielt sich Hermione allein als selbständige Ort-
schaft und bewahrte, wenn es auch in manchen Beziehungen,
wie namentlich in Hinsicht der Sprache, dem dorischen Einflüsse
sich nicht entziehen konnte, doch namentlich in religiöser Hinsicht
treu den alten dryopischen Charakter, knüpfte auch mit den
nach Messenien übergesiedelten Asinäern eine durch gemeinsame
Opfer unterhaltene Verbindung wieder an.^) Sein Gebiet bildete
1) Hermionischen Purpur erwähnt Plut. Alex. 36.
2) Strab. VIII, p. 373; Diod. IV, 37; vgl. Paus. IV, 34, 9. Uebri-
gens kann auch eine Dryopische Tetrapolis hier wie am Oeta (vgl.
Strab. IX p. 434) bestanden haben, wenn ausser den drei genannten
noch Mases, das II. B, 562 neben denselben genannt wird, eine selb-
ständige Stadtgemeinde war: oder gehörte etwa Nauplia, das sicher
ursprünglich dryopisch war, zu diesem Bunde?
3) Vgl. die Inschr. C. I. gr. n. 1193. — Aus dem Schiffscatal(^ (ß,
■559 if.), wo die Dryoperstädte neben Argos, Tiryns, Troizen, Epidauros
und Aegina als unter der Führung des Diomedes stehend erscheinen,
darf man vielleicht schliessen, dass sie nach der Dorisirung von Argos
eine Zeit lang im Abhängigkeitsverhältnisse zu diesem gestanden haben;
doch könnte v. 567 wohl eine argivische Interpolation zum Behuf der
Unterstüzung der Ansprüche der Argiver auf die Herrschaft über ganz
Argolis sein. Jedenfalls war Hermione sowohl zur Zeit des Polykrates
(Herod. III, 59), als zur Zeit des Perserkrieges (Herod. VIII, 43; IX,
1. Argolis: Hermionia. 95
die alte Dryopis mit Ausnahme der von den Argivern und Epi-
danriern oecupirten Partien, d. b. die Halbinsel südlich von der
Bergkette des Avgo-, Didymo- und Aderesgebirges, auf deren
niicken jedenfalls die G ranzen gegen Argos, Epidauros und Troi-
zen hinliefen, und die in der Nähe der Küste liegenden Felsinseln,
von denen es freilich Hydrea an Samische Piraten abtreten
musste, die es ihrerseits den Troizeniern übergaben (Herod.
III, 59), welche, wie schon oben bemerkt (S. 86 f.), auch auf
dem Festlande ein Stück althermionischen Gebietes sich annectirten.
Von Damalas (Troizen) aus steigt man in 6 — 7 Stunden über
den jetzt ganz kahlen Kamm des Aderesgebirges nach dem gegen
drei Stunden östlich von Kranidi, dem jetzigen Hauptorte der
Halbinsel, gelegenen Dorfe Kastri, das die Stelle der Stadt Her-
mion^) oder Hermion e einnimmt. Pausanias (c. 34, 6) kam auf
diesem Weg zunächst noch in der Troizenischen Ebene an dem
'Steine des Theseus' (ursprünglich Altar des Zeus Sthenios), dann
auf dem Gebirge an einem Tempel des Apollon Plalanistios und
an einem Oertchen Eileoi mit Heiligtümern der Demeter und
der Kora vorüber: ob dieser jedenfalls schon zum Gebiet von
Hermione gehörige Ort an dem jetzt llia genannten Platze (einer
Hochebene am südlichen Abhänge der Aderes) lag, ist bei der
öfteren Wiederkehr dieses Ortsnamens in Griechenland nicht zu
entscheiden. Die Stadt Hermione soll nach Pausanias (eb. § 9 f.)
ursprünglich auf der sieben Stadien langen und höchstens 2 — 3
Stadien breiten Landzunge (jetzt mit dem albanesischen Namen
"28: vgl. die Inschr. des Platäischen Weihgeschenks, Gewinde 9), des
Peloponnesisclien Krieges, wo es auf Seiten Spartas stand (Thuk. II,
5G; VIII, 3) nnd später von Argos unabhängig. Paus. c. 34, 5 spriclit
von einer tnotmcc der argivischen Dorier in, Hermione oiFenbar nur aus
Vermutung. Aus der Zeit des Pelop. Krieges stammt wahrsclieinlich die
von Baumeister im Philol. IX, S. 180 und von mir im Bullcttiiio 1854
|). XXXIII •* veröffentlichte Inschrift, welche Kccliininoin iii,,)- ver-
schiedene öffentliclie Ausgaben (Hauten und Gesandtschaften) enthält.
Xenon Tyrann von H( imione legt Ol. 136, 3 die Tyrannis nieder und
ir. tritt dem achäischcn Bunde bei: Polyb. II, 44.
') Die ältesten Zeugnisse (II. ß, 5G0 und Herod. VIII, 73) geben als
Form des Ortsnamens '£pjittoj';^; bei den folgenden Schriftstellern wech-
selt diese mit ^Egfiicitv und zwar scheint im Nominativ die längere, in
den Casus obliqui die kürzere Form vorwiegend gewesen zu sein. Die
Inschriften geben nur das Kthnikon 'EiffiiovBvg. Steph. Byz. u. '£9-
^iiciv führt als alten Namen der Htadt auch AuxiffBia un.
96 II. Peloponnesos.
])isti, d. i. der Schwanz, benannt) gelegen haben, welche sich
östlich von Kastri zwischen zwei Buchten (einer kleineren nörd-
lichen und einer grösseren südlichen, dem jetzigen Hafen Kappari)
ins Meer hinausstreckt, und erst spater etwas weiter landeinwärts
an den Fuss und Abhang des Berges Pron, der im Westen durch
eine Einsattelung von einem längeren Bergrücken, dem Thornax
oder ^Kukuksberge' (KoKxvycov: s. Paus. c. 36, 2) der Alten,
getrennt ist, verlegt worden sein; doch ist dies schon deshalb
unglaublich, weil mehrere der bedeutendsten Heiligtümer, darunter
das der Demeter Chthonia mit dem zur Unterwelt hinabführenden
Erdschlunde, am Berge Pron lagen. Man wird also vielmehr anzu-
nehmen haben, dass die Stadt zur Zeit ihrer höchsten Blüte sich
vom Abhänge des Pron, der die Akropolis bildete, bis zur äus-
sersten Spitze der Landzunge erstreckte, allmälig aber bei Ab-
nahme der Bevölkerung die Bewohner sich von der Landzunge
nach der Küste zurückzogen, so dass auf jener nur einige Hei-
ligtümer und die Befestigungsmauern und Hafenbauten übrig
blieben. Noch jetzt findet man zu beiden Seiten derselben Reste
der alten Hafenbauten, an der Ostspitze die Ruinen eines runden,
an der Nordseite die eines viereckigen Thurmes, auf dem östHcheren
Plateau den über 100 Fuss langen und 38 Fuss breiten Unter-
bau eines Tempels aus graublauem von weissen Adern durch-
zogenen Kalkstein (jedenfalls des von Paus. a. a. 0. § 10 er-
wähnten Tempels des Poseidon)^) und weiter westlich zahlreiche
andere antike Bautrümmer, unter denen man noch an der Süd-
seite die Reste eines Theaters aus römischer Zeit erkennt. Pau-
sanias fand auf diesem Theile der Landzunge noch verschiedene
Tempel (zwei der Athena, an deren einem das Dach eingestürzt
war, einen des Helios, einen der Chariten, und einen des Serapis
luid der Isis — letzterer ein Beweis, dass diese untere Stadt noch
in der alexandrinischen Zeit bewohnt war), die Fundamente eines
Stadion und mehrere von Mauern aus rohen Steinen umschlossene
Räume, in welchen der Demeter geheimnissvolle Opfer gebracht
wurden. Die obere Stadt begann höchstens vier Stadien von dei*
Küste und zog sich von da, wie das jetzige Kastri, aber offenbar
in weiterem Umfang, am Abhang des Pron empor, rings von einer
^) Ein LSQSvg &80v Tloasidavog erscheint in der späteren Inschrift
I. gr. n. 1223.
1. Arpfolis: Ilermionia. 97
Mauer (von welcher vielleicht die 50 Fiiss lang offen liegende
hellenische Mauer, welche den Unterbau des jetzigen Schulhauses
bildet, ein Rest ist) umgeben, mit zahlreichen Tempeln : so stan-
den im unteren Theile die Tempel der Aphrodite (Pontia und
Limenia als Hafengöttin genannt), der Demeter Thermasia, des
Dionysos Melanaegis, der Artemis Iphigeneia, der Hestia, drei Tempel
des Apollon und ein Tempel der Tyche; höher hinauf am Pron
das mit Asylrecht ausgestattete Hauptheihgtum der Stadt, der
Tempel der Demeter Chthonia, mit welchem ein ihm gegenüber
liegender Tempel des Klymenos und eine zur Rechten angebaute
Halle (der Echo) verbunden waren: hinter dem Haupttempel waren
drei mit Steinmauern umgebene Plätze, der eine dem Klymenos
(mit einem Erdschlunde, durch welchen Herakles den Kerheros
nach Hermionischer Sage emporgeführt haben sollte), der zweite
dem Pluton geweiht, der dritte ^Acherusischer See' genannt. Die
Stelle dieser ganzen Gruppe von Heihgtümern bezeichnet wohl
ungefähr die jetzige Hauptkirche von Kastri {tc5v xalLdQ%(ov,
d. i. der Erzengel), bei welcher zwei alte Säulen, einige Sculp-
turfragmente und zahlreiche alte Werkstücke, auch zwei Steine
mit Weihinschriften für Demeter, Klymenos und Kora liegen;^)
bestimmter würde dieselbe wohl nur festzustellen sein durch Auf-
findung jenes Erdschlundes, der offenbar nach dem Volksglauben
der Hermioneer eine directe Verbindung zwischen der Stadt
und der Unterwelt bildete und als solche die Hermionischen Tod-
ten der Zahlung des Fährgeldes an Charon überhob.^)
Aus der westlichen Ringmauer der Stadt führte ein Thor,
in dessen Nähe innerhalb der Mauer ein Heiligtum der Eileithyia
mit einem nur für die Priesterinnen schaubaren Cultbilde stand, ')
nach Mases, einer alten Ortschaft, die zur Zeit des Pausanias
(s. c. 36, 1 IT.) zu einem blossen Hafenplatze von Hermione herab-
1) S. Annali XXXIII p. 10; andere Weihinschriften, theils für De-
meter Chthonia allein, tlicils für Demeter, Klymenos und Kora C. I. gr.
n. 1193 — 1200; ein if^tug rov KXv^svov ebd. n. 1220, Verwüstung des
IJemctertempels durch die Kilikischen Seeräuber: Plut. Poujpei. 24. Hc-
S(;hreibung der siimmtlichcn im Texte erwähnten Tempel l»oi Paus,
c. .'U, 11— :^5, 10. Auf das Asylrecht des Demctertempels ist duH Sprüch-
wort uv^^ 'EQ(ii6vos (s. Said. u. d. W.; Zcnob. 11, 22) /Jiriuk/Jiführcn.
2) Strab. Vin, p. 373.
3) Pnn';. c ?.r., 11: v?!. (Vir fnschril't Annali XXX 111. \> 11.
IIUKSFAN, '.i.'i..i:. II. 7
98 n. Poloponnesos.
gesunken wav. Wjuulte man sicli sieben Stadien von llermione
von dieser Strasse ab zur Linken, d. li. gegen Süden, so gelangte
man an die Stelle einer anderen alten Ortsebaft, Ilalieis oder
Ilalike, ursprimglicb einer Niederlassung Ilerniioniscber Fischer
und Salzsieder, die dann durcb die Zu^vanderuug eines Tbeiles
der vertriebenen Tiryntbier (vgl. oben S. 58) verstärkt wurde, ^)
zur Zeit des Pausanias aber völlig verlassen war. Da sie als am
Eingang des Argolischen Meerbusens gelegen bezeicbnet wird
(Scyl. Peripl. 50), so kann man sie mit ziemlicher Sicherheit an
der jetzt Porto Cbeli genannten Bucht, an der Westseite der
südlichsten Spitze der Halbinsel ansetzen, an deren südlichem
Ufer sich noch Grundmauern alter Gebäude finden; ein nördlich
von der Bucht sich hinziehender ausgedehnter Salzsee (jetzt Ver-
veronda genannt) gab den Anwohnern Gelegenheit zur Salzge-
winnung. Die dieser Bucht im Norden entsprechende Bucht Ki-
ladia, bei welcher sicli ebenfalls einige antike Beste vorfinden,
wird dann als der Hafen von Mases und der diese Bucht im
Nordwesten begränzende Felsvorsprung als das Vorgebirge Stru-
thüs (Paus. c. 36, 3) zu betrachten sein. Nicht zu bestimmen
sind die Philanorion und Boleoi genannten Plätze, zu welchen
Pausanias (a. a. 0.) von Strulhus aus, auf dem Bücken der Berge
hingehend, gelangt,-) während die Ortschaft Didymoi, in welcher
er Heiligtümer des Apollon, des Poseidon und der Demeter er-
wähnt, mit Sicherheit in dem in einem kleinen Hochthale am
südwestlichen Fusse des gleichnamigen Berges gelegenen Dorfe
Didyma wiederzuerkennen ist, in welchem man noch einen liefen
3) So ist offenbar der Ausdruck des Herod. VII, 137 'JXisag rovg
£>t TiQvv&og zu verstehen; vgl. Ephoros bei Steph. u. 'AXistg. Nach
Strab. p. 373 (vgl. Meineke Viudic. Strab. p. 120) wären vielmehr die
vertriebenen Mideer nach Halieis gezogen. Die Angabe bei Steph. u.
TiQVvg, Tiryns sei früher Halieis genannt worden, beruht offenbar auf
Verwechselung. Schon zur Zeit des Strabon (s. p. 373) scheint keine
eigentliche Ortschaft Halieis mehr bestanden zu haben, sondern die
vereinzelten Bewohner der Küsten des Hermionischen Gebietes mit
diesem Namen bezeichnet worden zu sein. Die gewöhnliche Form des
Namens ist 'AXiSLg, bei Scyl. Per. 50 'Alia (vgl. Hesych. u. 'AXicc),
bei Thuk. II, 56 yi] 'AXicig , bei Paus. c. 36, 1 'AXiTirj, bei Kallimachos
"AXvyiog (s. Steph. u. d. W.)
2) Die Entfernungsangabe auf 250 Stadien bei Paus, ist, wie schon
Curtius (Pel. II, S. 464) bemerkt hat, gewiss irrig.
1. Argolis: Ilcrniioni.i. 99
wasserreichen Brunnen mit antiker Fassung, Nvie auch in einer
Kirche der lieiligen Marina östlich vom Dorfe eine Weihinschrift
an Demeter findet.^)
Den am weitesten ins Meer vorspringenden Zacken der ller-
mionischen Küste entsprechen im Osten und Süden mehrere Jn-
schi, welche, wie sclion hemerkt, wohl als submarine Fortsetzinigen
derselben zu betrachten sind. Zunäclist südlich vom Hafen Kap-
pari (s. 0. S. 96) greifen gegen Osten gleichsam zwei Felssclieeren
vor, die in den Caps Steno und Musaki enden und eine kleine
Ducht (jetzt Porto Kuverta genannt) umschliessen. Das Cap Musaki
wird durch einen kaum eine Viertelstunde breiten Canal (Strasse
von Doko) von der fast ganz kahlen felsigen Insel Doko ge-
trennt, die gegen zwei Stunden lang, an der breitesten Stelle
gegen drei Viertelstunden breit, jetzt ohne regelmässige Bewohn-
ung ist, obwohl eine tiefe Bucht an ihrer Nordseite den Schiffen
einen sichern Ankerplatz bietet. Die Strasse von Petasi (benannt
nach zwei kleinen Inseln gleichen Namens, welche darin liegen)
trennt diese Insel von der etwas über fünf Stunden langen, durch-
schnittlich etwa eine Stunde breiten Insel Hydra, deren alba-
nesische Bewohner, als die tüchtigsten und kühnsten Seeleute
Griechenlands bekannt, vor der griechischen Revolution durch
den von ihnen und den Bewohnern ihrer Schwesterinsel Spezzia^)
fast ausschliesslich betriebenen Getreidehandel mit dem südlichen
Uussland zu bedeutendem Reichtum gelangt waren, der freilich
durch die während des Befreiungskampfes von ihnen gebrachten
(Jpfer fast ganz erschöpft worden ist. Die Insel besteht aus einem
von Südwest nach Nordost streichenden Bergzuge, der fast überall
entweder den nackten Fels zeigt oder mit unfruchtbarem alles
Anbaues spottenden Geröll bedeckt, daher grösstentheils ganz
baumlos ist; nur im westlichen Thcile findet sich eine etwas
fruchtbarere Strecke bei der sogenannten Episkopi, einem Metochi
des auf der höchsten Spitze der Insel gelegenen Klosters des
Propheten Elias: dort sollen auch von Zeit zu Zeit einige alte
Reste, wie Gefässscherben und Säulenstücke, zum Vorschein kom-
men. Die gegen 15,000 Einwohner zählende Stadt, in welcher
>) S. Animli XXXIII, p. 11 8.
*) Heide zusuuimeu werden gewöhnlich mit cmiumm der im Ncugriecii-
isclien hnufigen copulativen (Dvandva-) Composita ot 'TSQUioanBrai^atcct
genannt,
7*
100 II. I*eloponnesos.
sich keine sichere Spur einer alten Ansiedelung vorfindet,^) liegt
ziemlich in der Mitte der Nordküste auf drei Hügeln und in den
zwischen denselben nach dem Meere sich herabziehenden Thal-
schluchten: die Strassen sind ausser dem unmittelbar am Meere
gelegenen Marktplatz durchaus uneben, durch kahlen Felsboden
oder trockene Betten von Giessbächen gebildet, das Ganze aber
bietet, namentlich von der See aus, einen sehr malerischen An-
blick dar. Sie hat ausser ihrem Ilaupthafen noch etwas weiter
westlich einen Nebenhafen, Porto Mandri; ausserdem bietet die
Nordküste der Insel noch zwei Häfen dar, Porto Molo weiter gegen
Westen und Porto Panagia östlich von der Sladt, während die
Südküste ganz hafenlos ist. Der Name Hydra lässt uns nicht
zweifeln, dass die Insel die alte Hydrea ist, welche den Hermio-
neern von Samischen Piraten entrissen und von diesen den Troi-
zeniern übergeben wurde; sonst schwebt über ihrer Geschichte im
Altertum ein tiefes Dunkel und es ist uns nur der Name eines
einzigen Hydreaten überliefert, des Euages, eines gänzlich unge-
bildeten Hirten, aber guten Komödiendichters.-) Die Insel Doko
wird für die alte Aperopia, der im Gap Musaki endende Vor-
sprung der Küste für das Vorgebirge Buporthmos, auf welchem
Heiligtümer der Demeter und Kora und der Athena Promachorma
standen, zu halten sein.^)
Wie Doko und Hydra dem Gap Musaki, so entspricht der
mehrfach ausgezackten Südspitze des Festlandes die durch
einen fast drei Viertelstunden breiten Ganal davon getrennte
Insel Spezzia mit der südlich davon gelegenen kleinen und
jetzt ganz unbewohnten, auch hafenloscn Nachbarinsel Spezzia-
^) Ich fand nur bei der am östlichen Ende der Stadt gelegenen
Kirche der Analipsis ein ionisches Säulencapitäl von später Arbeit, den
Stumpf einer uncanelirten Säule und eine Basis, endlich im Hause des
Lehrers der hellenischen Schule eine mit einem Anthemion bekrönte
Marmorstele mit der Inschrift AsovTLXog EvßoLOV 'EXaLOVGios. Alle
diese Stücke scheinen von anderswo hergeschafft zu sein, die Stele
wahrscheinlich aus Attika.
2) Herod. III, 59; Steph. u. 'Töqecc. Die jetzt gebräuchliche Form
Toga giebt schon Hesych. u, d. W. , wo für dolorccov {vrjoog svts-
Xrjg J.) wohl jQvoncov zu schreiben ist.
^) Paus, c. 34, 8 f., vgl. oben S. 86, Anm. 3. Aperopia Avird sonst
nur in der confusen "Stelle bei Plin. X. h. IV, 12, 50 erwähnt.
1. ArL'oIis; Heiinioni.i. 101
pulo. ') Die 'y^o ^^^^^^ lange ^"'^^ 0^0^^ eine halbe Meile breite
Spezzia besteht ebenfalls aus einem Bergzuge, der aber, der Küste
des Festlandes entsprechend, die Richtung von Nordwest nach
Südost hat; sie ist weit ebener und anbaufähiger als Hydra, na-
mentlich ist die Nordseite, in deren östlichstem Theile die von
etwa 12,000 Menschen bewohnte Stadt liegt, fast ganz mit Bäu-
men, Sträuchern und Getreidefeldern bedeckt. Von einer alten
Ansiedelung ist, soviel mir bekannt, keine Spur auf der Insel ge-
funden worden, so dass zu vermuthen steht, dass sie, wie die
gegenüber liegende Küste, nur mit zerstreuten Fischerhütten besetzt
war. Selbst ihr antiker Name ist nicht mit Sicherheit zu be-
stimmen ; doch glaube ich, unter der oben S. 86, Anm. 3 erör-
terten Voraussetzung, dass Tansanias die von ihm c. 34, 8 f. be-
schriebene Küstenfahrt nach Hermione nicht vom Skyllaeon, wie
er wohl in Folge einer Verwirrung in seinen Reisenotizen angiebt,
sondern von einem Hafen der Westküste {Mases oder Halike) aus
gemacht hat, mit Wahrscheinlichkeit in Spezzia die mit einem
Hafen versehene Insel Haliussa, in Spezziapulo Pityussa, und
in drei kleinen östlich von dieser gelegenen, jetzt namenlosen
Inselchen Aristerae (wobei auch die Pluralform des Namens
zu beachten ist) erkennen zu dürfen.'^) Die vom Festland vor-
tretende Spitze Kolyergia, welche Pausanias nach diesen Inseln
nennt, ist dann die Südostspitze des Festlandes, das jetzige Cap
Mylonas, und die darauf folgende Insel Trikrana die jetzt Tri-
keri genannte, aus zwei durch einen Isthmus verbundenen Ber-
gen bestehende unbewohnte Insel, welche gerade in der Mitte
zwischen Spezzia und Hydra liegt. Zwischen Trikeri endlich und
der Südwestspitze von Hydra liegen noch mehrere kleine In-
') Jieide zusamuM n heisseii at Zititaaig, mit welchem Namen über
gewöhnlich auch di'- llaiiptinsel allein benannt wird.
2) Für die Beziehung des Namens 'AXiovoon nuf Spezzia spricht
auch die Uoberein.stimmung desselben mit dem (h 1 -(-ciuiberliegcnden
Küste (AXiccg yri)^ während die Annahme, Spezzia sei das von Plinius
(a. a. O.) neben Aperopia, Colon is und Aristera erwähnte Ti-
l)areno8, oder das von demselben unmittelbar vorher genannte Ephyre,
ganz ohne Anhalt ist. Die axp« Bov%B(paXu des Pausanias ist entweder
das zunächst südüstlich von Porto Cheli vortretende Vorgebirge, oder,
wenn er von Mases aus fuhr, das jotzigr Cap Kf»raka nordwestlich vom
.Salzsee Ververondii.
102 II. l'f'lopomicsüs.
sclclieii, die jetzt gewöhnlich mit dem GcsyinintiHiiiieii J'^rimo-
iiisia (EQr]^ov7]atK, wüsie luselcheii) hczeiclinct >veideij, zer-
streut: für sie stehen uns ebenso weni^^ als für die weiter öst-
lich, 17, Seemeile von der Südküsle von llydia gelegene 4(reuz-
insel' {ZravQovrjai) antike Namen zu Gebote.
2. Lakonien.
Lakonike oder Lakcdacmon nannten die Alten die J^undscliall,
welche sich im Norden in einer Breite von beinahe acht Meilen
an Argolis und Arkadien, im Westen in einer Länge von fünf
Meilen an Arkadien und Messenien anlehnt und an den übrigen
Seiten vom Meere bespült wird, in welches sie gegen Süden zwei
mächtige lange Gebirgszüge gleich gewaltigen Armen hinausstreckt,
Avodurch zwei von Nord nach Süd allmälig sclimäler werdende
Halbinseln entstehen, zwischen welchen sich eine weite Bucht
(6 AaxavLxos ^öXTtog) ^) bis zum Südrande des mittleren Theilcs
der Landschaft nach Norden hineinzieht. Die beiden Gebirgszüge,
welche in ihrer nördlicheren Hälfte durch ein einziges Flussthal
geschieden sind, erstrecken sich ziemlich parallel vom äussersten
Nordrande der Landschaft an in einer Länge von nahe an 15
deutschen Meilen. Der östlichere bildet nur in seinem nördlichsten
Theile eine compacte Masse, die Fortsetzung des argivisch-arka-
dischen Gränzgebirges, deren Gipfel sich bis zu der Höhe von
1937 und weiter südlich von 1840 Meter erheben und die sich
in bedeutender Breite mit stattlichen Vorbergen nach Osten und
Westen abdacht: sie wird im Altertum mit dem an phokische und
attische Gebirgsnamen anklingenden Namen Parnon,-) heut zu
Tage mit dem slavischen Namen Malevos bezeichnet. Sowohl
1) Strab. VIII, p. 362; Ptol. III, 16, 9 u. a.; sinus Gytheates
bei Plin. N. h. IV, 5, 16, wie die Bucht noch heut zu Tage •" Golf von
Marathonisi' (nach dem an die Stelle von Gytheion getretenen neueren
Hafenplatze) heisst.
^) Paus. II, 38, 7. Was die Etymologie der Namen TldQVKaog,
ndgvrjg, TLccgvcov anlangt, so steht darin, worauf mich mein Freund
H. Schweizer aufmerksam macht, 77 wahrscheinlich für K, so dass die
Namen eigentlich 'Hörn, Hörnli' bedeuten und mit dem der 'AnaQVKveg
(vgl. Bd. I, S. 107) zusammengehören.
2. Liikoiiicii. lOo
an llölic als an MasscnliaHigkcit stehen die südliclieicn Foil-
setzungcn, für welche wir aus dem Allerluin keinen Gesaniint-
namen kennen, wie auch heut zu Tage ein solclier niclit ühlicii
ist, dahinter zuriick: der Hauplzug nimmt eine mehr südösthchc
Richtung, spaltet sich aber ungefähr auf gleicher Höhe mit dem
>'ordrande des Lakonischen Meerbusens gabelförmig in zwei Acste,
deren östlicher in das Cap Limenaria (nordöstlich von der alten
E])idauros Limera), der westliche in die felsige Hall)insel Xyli
(die Stelle des alten Kyparissiae) ausläuft; zwischen beiden zieht
sich eine ganz flache fruchtbare Ebene (Leuke) hin. An die Süd-
westseite des östlichen Astes schliesst sich eine neue Fortsetzung
an, die Anfangs, von zahlreichen Engthälern durchbrochen, die
ganze Breite der Halbinsel einnimmt, dann aber sich wiederum
in zwei durch die Bucht von Vatika (im Altertum Busen von
iJoiac genannt) getrennte Zweige gabelt: der östlichere, dessen
höchster Gipfel (der jetzige Berg Krithina) die Höhe von 793
Meter erreicht, endet im Südosten in dem berüchtigten steil
gegen das Meer abfallenden Cap Malea, der westHchere, kürzere
und niedrigere, bildet die in ihrem südlichsten Theile dieselbe
gabelförmige Formation wiederholende Halbinsel Elaphonisi (alt
Onu gnathos), welche jetzt durch Ueberflutung des schmalen
Isthmos, durch den sie mit der grösseren Halbinsel zusammen-
hängt, zur Insel geworden ist. Eine submarine Fortsetzung dieses
westlicheren Zweiges scheint die Insel Cerigo (Kylhera) zu sein,
welche durch eine 40 Stadien breite Meerenge (von den ilaliäni-
j-chen Schiffern 'la strada di Cervi' nach dem italiänischen Namen
von Elaphonisi benannt) von Elaphonisi getrennt ist. Ebenso er-
kennen wir in einer Anzahl kleiner Inselchen südlich von Cerigo,
unter denen Cerigollo (das alte Aegila)') die bedeutendste ist,
einzelne Glieder einer fortlaufenden Kette, welche die Südostspitze
i^akoniens und dadurch den Peloponnes überhaupt mit der Insel
Krela verl)indet.
Weit mächtiger, massenhafter und grossartiger als dieser
»istliche ist der den westlichen Theil der Landschaft ciimehmende
') Ai'yiXa, 8. Meincke ad Stcpli. Byz. p. 41, 6 und C. Müller ad
Dionyö. Perieg. v. 499. Ob dcraelben Insel der von Steph. p. 7ü6, 3
erwähnte Name "SlyvXoq (vgl. Meineko zu d. St.) zukomme, wie Kiepert
(Topogr.-hist. Aila» von Hellas IJl. XXI j aiinininit, i»t mir sehr zwei-
felhaft.
101 II. Pelopoiiiicsus.
(Jebirgsziij,', von den Alten Taygeton (auch Taygetos), ') von den
Byzantinern und Neugriechen nach der Form der Gipfel seines
niittlercn Theiles Pentedaktylon (Fünffingergebirge) genannt, der
vom südlichen Rande der Ebene des arkadischen Megalcpolis
(bei dem jetzigen Leondari) bis zum Cap Taenaron hinab eine
ununterbrochene Kette bildet, durch welche nur ein einziger sehr
beschwerlicher Pass, die sogenannte Langada, der direcleste,
freilich nur für Fussgänger und Maulthiere passierbare Weg von
Sparta nach dem Messenischen Kalamata (9—10 Stunden), hin-
durchführt. Dieser Weg tritt gerade westwärts von Sparta, bei
dem Dorfe Trypi, zwischen den von reichen Quellen bewässer-
ten und in Folge dessen mit Grün überkleideten, mit Obstbäumen,
Oliven und Weinpflanzungen ^j bedeckten Vorbergen in eine bald
sich verengende Schlucht ein und führt in dieser als schmaler,
zum Theil gefährlicher Pfad zwischen hohen Felswänden und steil
abfallenden Betten von Giessbächen aufwärts in die höhere Re-
gion des Gebirges, die noch mit mehreren Arten von Laubholz
(besonders mit Nuss- und Kirschbäumen) und mit zum Theil sehr
mächtigen Kypressen bewachsen ist und in welcher noch, abseits
von dem Wege, nicht wenige von Getreidefeldern umgebene
Dörfer Hegen. Aus dieser gelangt man in die Region der Tannen,
über welcher sich noch grüne Matten, in denen hie und da ein
Quell wunderbar frischen Wassers emporsprudelt, hinziehen, über-
ragt von zahlreichen kahlen Felskuppen, unter denen der ziemlich
weit südlich von diesem Passe, oberhalb des jetzigen Xerokampo
gelegene Gipfel des heiligen Elias ^) die bedeutendste Höhe (2409
^) Vgl. Steph. Byz. p. 607, 10, der die Formen x6 Tavystov (ionisch
Trjvysrov) und 6 und t] Tavysrog bezeugt: die Neutralform ist bei den
Historikern und Geographen weitaus die überwiegende. Die Plural form
Taygeta scheint, abgesehen von Flut. De mul. virt. 8 (wo wohl nach
dem sonstigen Gebrauche des Plut. ro Tavystov herzustellen ist, wie
dies Wölfflin bei Polyaen. VII, 49 nach den Spuren der Codd. gethan
hat), nur bei röm. Dichtern (vgl. Verg. Georg. II, 488; Stat. Achill. I,
427; iSilv. IV, 8, 53) vorzukommen.
2) Von diesen Vorbergen stammte offenbar auch der bei Theogn.
879 erwähnte Wein tov yiOQvcp-^g vno (so richtig Hecker für zogvcprjg
ano der Codd.) TrjvyizoLO "A^tcsXol rjvsyyiav, da höher hinauf am Ge-
birge kein Wein mehr gedeiht. Verschiedene Lakedämonische Wein-
sorten erwähnt, nach Alkman, Athen. I, p. 31*^.
^) Der antike Name dieses Gipfels ist nicht sicher festzustellen.
Paus. III, 20, 4 erwähnt eine äyiQcn tov Tavystov TaXstöv , welche
2. Lakoiiicn. 105
iMetcr) erreicht. Der Pass führt nördlich von diesen höchsten
Kuppen über den Kamm des Gebirges in einer Einsattelung des-
selben hinweg und steigt dann weniger steil als beim Aufstieg
über die terrassenförmigen Absätze, in welchen sich der westlichste
Theil des Gebirges nach der Ebene Messeniens zu abstuft, hinab. ^)
Südlich von der durch die höchsten Gipfel gekrönten Partie
tritt ein Theil des Gebirges — meist anmuthige, mit Gebüsch
und Wald bedeckte Hügel, auf denen die sogenannten Barduno-
Choria liegen — weit nach Nordost vor und schliesst dadurch
die Ebene von Sparta im Südosten bis auf einen schmalen Spalt,
durch welchen der Fluss ausströmt, ab. Die Hauptmasse des Ge-
birges zieht sich gleichmässig in nordsüdlicher Richtung fort und
bildet ostwärts in steilen, unwirthlichen Felszacken, westwärts in
breiteren, durch kleine Buchten getrennten Felsstirnen, über wel-
chen sich meist kleine anbaufähige Hochebenen hinziehen, gegen
das Meer abfallend, eine durchschnittlich 2 — 3 Stunden breite
felsige Halbinsel i^die Mdvrj, auch xßx« ßovvcd, 'die bösen Berge'
genannt), an welche dann durch einen schmalen felsigen Isthmos
eine kleinere, mehrfach ausgezackte Halbinsel angehängt ist,
welche in dem Cap Matapan (Taenaron), der södüchsten Spitze
der griechischen Halbinsel und einem der südlichsten Punkte des
europäischen Festlandes überhaupt, endet. Der südlichere Theil des
Gebirges ist reich an verschiedenen Marmorarten, die zum grössten
Theile schon im Altertum ausgebeutet worden sind. Zunächst
findet sich nahe dem eigentlichen Vorgebirge nördlich von der
dem Helios geweiht war, dem man daselbst unter Anderem auch Pferde
opferte, und eine zweite nicht weit davon entfernte EvoQag, wo viel
Wild, besonders wilde Ziegen, vorkamen. Gegen die sonst nahe lie-
gende Identificirung des Taleton mit dem Gipfel des heiligen Elias
spricht die Angabe des Paus., dass jenes 'oberhalb Bryseac' (das mehr
als zwei Stunden nordwärts von Xerokampi lag) sicli erhebe; der Name
Euoras aber scheint nach der Schilderung des Paus, nicht bloss einem
einzelnen Gipfel, sondern einem grösseren Thcile des (»ebirgcs zuzu-
kommen.
') Ich habe bei njeiner Durchwanderung der Langad.i die sichere
Ueberzeugung gewonnen, dass die von einigen neueren Gelehrten auf
Grund von Odyss. y, 491 ss. und o, 182 ss. aufgestellte Ansicht, es habe
in der Zeit der achäischen Herrschaft hier eine fahrbare Strasse von
Phcrae (Kalamata) nach Sparta durch das Taygeton gefülirt, durchaus
unmöglich ist.
K)() II. l'(3i(»jK>lltU'S(»S.
Jhic.lil, Kistciiiiics eine starke Ablagerung scliwarzen Marmors, der,
wenn er pollrt wird, seliwarzgrau erscheint; weiter nördlich an
zwei Stellen treten mächtige Bänke eines roth, grün und weiss
gefärbten Marmors (mit gewellten Adern) zu Tage; endlicli einige
Stunden weiter nördlich oberhalb des Dorfes Damarislika sind
sehr ausgedehnte Brüche des schönsten rothen Marmors (Bosso
antico), die neuerdings durch Prof. Siegel in Athen wieder in Be-
trieb gesetzt worden sind. ') Eine andere, gleichfalls schon von
den Alten benutzte edle Steinart findet sich in dem gegen Nord-
ost vorgeschobenen Theile des Taygeton, südwestlich von dem
Dorfe Levetzova (dem alten Krokeae): ein schöner Porphyr von
dunkellauchgrüner Grundfarbe, dessen Schichten nur leider jetzt
so zerklüftet sind, dass es schwer hält ganze Stücke von einem Fuss
Breite und einigen Zollen Dicke zu gewinnen, wie er auch schon
im Altertum nicht in grösseren Blöcken, sondern in einzelnen,
an Form den Flusskieseln ähnlichen Stücken zu Tage gefördert
wurde. ") Ausserdem enthält das Gebirge an verschiedenen Stel-
len Ablagerungen von Eisenocker, welche, wie die Eisenschlacken,
die man noch an einigen Punkten bemerkt, sowie die Nachrichten
der Alten von der Lakonischen Eisenfabrication^) beweisen, eben-
falls von den Alten ausgebeutet worden sind. Endlich waren die
Wälder, welche die höheren Partien des mittleren Gebirgsstockes
oberhalb der Ebene von Sparta bekleiden, im Altertum sehr reich
an ^Yild und boten dadurch den Spartiaten die beste Gelegenheit,
ihrer Lieblingsbeschäftigung, der Jagd, obzuHegen.'*)
Die beiden bisher geschilderten Gebirgszüge umschliessen in
ihrer nördlichen Hälfte, von den Gränzen Arkadiens und der
') Vgl. meine Abhandlung 'Ueber das Vorgebirg Taenaron' in den
Abhandlungen der k. bayer. Akad. d. W. I Cl. VII Bd. III Abth. S.
773 ff., bes. S. 782 f. und 789 ff.
2) Paus. III, 21, 4. Plin. N. h. XXXVI, 7, 55 rechnet das Gestein
fälschlich zu den Marmorn. Vgl. Fiedler Reise I, S. 326 ft\
^) S. bes. Steph. Byz. p. 407, 19 ff., wozu Meineke auf Schneider
Histor. rei metall. p. 26 ss. verweist,
*) Vgl. Paus. III, 20, 4, nach welchem die Strecken zwischen den
Kuppen Taleton und Euoras (vgl. S. 104, Anm. 3) cct ©rJQCit genannt
wurde. Die Lakonischen Jagdhunde waren berühmt: vgl. Aristot. Hist.
anim. VI, 20; De gener. animal. V, 2; Pindar. frg. 73 Bergk; Xenoph.
Cyneg. 9,1; PoU. V, 37; Verg. Georg. III, 345; 405; Hör. Epod. 6, 5;
Lucan. Phars. IV, 441.
2. Lakonicn. 107
argiv'isclicn Kyiiuria bis zum Lakonischen Meerbusen hinab, das
Thal eines bedeutonderen Fhisses, der nichtigsten Lebensader
der Landschaft, dessen Lauf im Wesentlichen derselben Richtung
folgt wie jene beiden Gebirgszüge. Dies ist der Eurotas, jetzt
Iri genannt, der an den südUchen Abhängen der Randgebirge
des sudöstlichen Arkadiens — wie die Alten behaupteten, aus
denselben Quellen wie der Alpheios, der Hauptfluss des südlichen
Arkadiens ^) — aus mehreren unscheinbaren Rächlein sich bildet
und zunächst etwa vier Meilen weit als ächter Sohn des Gebirges
in schmalem Engthale rasch dahinströmt, bis er seinen bedeu-
tendsten Zufluss, den Oinus (jetzt Kelephina) von Osten her
aufnimmt. Von da an durchströmt er, immer noch in raschem
Lauf, aber in breiterem, mit Oleandergebösch umsäumten Reit
und in mannigfaltigeren Windungen, eine fünf Stunden lange,
zwei Stunden breite fruchtbare Ebene, die den natüdichen Mit-
telpunkt der ganzen Landschaft und daher auch zu allen Zeiten das
Centrum ihres politischen Lebens bildet, tritt dann in eine ganz
enge Schlucht zwischen dem früher erwähnten breiten Vorsprung
des Taygeton und den südwestlichsten Vorhöhen des Parnon im
weiteren Sinne ein, den Aulon,'^) durch welchen im Altertum
eine zum Theil in die Felsen, welche die Ufer des Flusses über-
ragen, eingeschnittene Fahrstrasse führte, endlich nach fast fünf-
stündigem, vielfach gewundenem Lauf in die ganz durch den Fluss
geschalfenc und fortwährend im Lauf der Jahrhunderte sich er-
weiternde Alluvialebene, durch die er in den Lakonischen Meer-
busen einmündet. Kaum l'^ Stunde westlich von seiner Münd-
ung ergiesst sich ein Fluss, der sich erst in der Mündungsebene
') 8. Strab. VI, p. 275; VIII, p. 343; Paus. VIII, 44, 3. Der Name
EvQcoTag wird von den Neuern (vgl. Curtius Griech. Etymol. I, S. '319)
wobl mit Kccht auf die Wurzel PT (gtco) zurückgeführt. Die Sage
machte ihn zum Sohne der Tnygete (Steph. liyz. p. 607, 12), weil er
ja auch vom Taygeton zahlreiche Zuflüs.se erhält, oder des Myles (Paus.
III, 1, 1) nach den Mühlen, die er treibt, oder auch des Lelcx, des
iuitochthonen Ahnherrn der ältesten Bevölkerung des Landes, und zum
Vater der Sparte (Apollod. III, 10, 3). Der Name BmiiVTicce, den er
nach Etym. M. p. 218, 19 in älterer Zeit geführt haben soll, nuQU ro
ßooe nvyir}d'(i6v 7CttQCcnXi]aiov ^x^lv^ ist gewiss nur ein dichterischcH
Moiwort.
*) Polyaen. II, 14, 1 : eine lakonische Stadt dieses Namens uiimt
Öteph. Ryz. u. AvX(üv. L'eber die Spuren der alten Strasse s. Leako
Travels in Moreu I, p. 194.
lOS II. Pcl<»l)üUllCSOS.
seihst bildet und iiucli der Fülle klaren Wassers, die er iiaeli
kurzem Lauf dem Meere zuführt, von den Anwohnern 'der könig-
liche Fluss' (Basilopotamos) genaimt wird. Einige andere vom
Wassersystem des Eurotas unabhängige Flüsse findet man im öst-
licheren Theile der Ebene, die sich aber, bevor sie das Meer er-
reichen, in den Sümpfen der Küstenstrecke (in der Gegend, wo
das alte Helos lag) verlieren: der bedeutendste darunter und
überhaupt in Bezug auf die Länge seines Laufes der bedeutendste
Fluss der ganzen Landscliaft nächst dem Eurotas ist das vom
Parnon herkommende Mariorrheuma, welches in diesem seinem
modernen Namen (den antiken kennen wir nicht) den Namen
der alten Ortschaft Marios, in deren Nähe es entspringt, bewahrt
hat. Fast zahllos endlich ist die Menge der ausserhalb des
Stromgebietes des Eurotas liegenden kleinen Bäche, besonders
auf den beiden Halbinseln, deren meist sehr kurze Betten einen
nicht unbeträchtlichen Theil des Jahres hindurch wasserlos bleiben.
So klar und bestimmt auch, abgesehen von der Nordseite,
^lacli den andern Seiten hin die Gränzen der Landschaft von der
Natur vorgezeichnet sind, so war doch die politische Begränzung
derselben zu verschiedenen Zeiten sehr verschieden und schwank-
end. Nach der einheimischen Tradition, welche den Autochthonen
Lelex als den ersten Herrscher des Landes nannte und mit ihm
die verschiedenen topischen Benennungen wie Eurotas, Taygeton,
Lakedaemon, Sparta, Amyklae, Therapne genealogisch verknüpfte,
müssen wir Leleger als die ältesten Bewohner des Landes be-
trachten. 1) Schon damals aber bildete der Bücken des Taygeton
keine Völkerscheide, sondern dieselbe Bevölkerung nahm die
östlichen wie die westlichen Abhänge des Gebirges und die beiden
unterhalb desselben gelegenen fruchtbaren Ebenen, die Spartanische
sowohl als die Messenische, ein, während der östlichere Theil der
Landschaft, die Parnonhalbinsel bis zum Cap Malea hinab, im Be-
sitz einer den ältesten Bewohnern von Argolis und Arkadien ver-
wandten pelasgisch-ionischen Bevölkerung gewesen zu sein scheint,
mit welcher wahrscheinlich auch Minyische Elemente sich ver-
mischt haben. 2) Auch die Phoiniker, welche frühzeitig die Insel
Kythera, behufs Ausbeutung der dort sehr ergiebigen Purpiir-
') Paus. III, 1, 1 ff., dazu besonders Deimling Die Leleger S. 117 ff.
2) Darauf führen mehrfache Spuren der alten Ortsnamen, wie Aso-
pos, Kyparissos, Delion (Epidelion) , Epidauros u. a. Die P^rzähhing
2. Lakonien, 109
fischerei, in Besitz genommen haben, scheinen von dort aus Nieder-
lassungen an einzelnen Küstenpunkten, besonders wohl der öst-
lichen Halbinsel, gegründet zu haben. Dann unterwarfen sich die
Achäer, jedenfalls von Argolis aus, die ganze Landschaft, die nun,
wie bisher mit dem westlicheren Theile Messeniens politisch ver-
bunden, eine Art Lehensfürstentum des Reiches der Atriden bil-
dete.^) Als dann die Dorier, offenbar vom südlichen Arkadien
aus, ^^o sie der Widerstand der tapferen Bergbewohner vom Vor-
dringen in das Innere dieser Landschaft zurückgehalten hatte,
dem Laufe des Eurotas folgend in Lakonien eingedrungen waren
und sich im nördlichsten Theile der mittleren Ebene festgesetzt
hatten, unterwarfen sie sich allmählig und nach harten Kämpfen
die Landschaft von der arkadischen Gränze bis zum Lakonischen
Meerbusen, beziehentlich bis zum Vorgebirge Taenaron hinab in
der Weise, dass, mit Ausnahme des unmittelbaren Gebietes von
Sparta, die altachäische, beziehentlich lelegische Bevölkerung
nicht nur im Besitz ihres Grundeigentums, sondern auch unter
der unmittelbaren Regierung ihrer einheimischen Fürsten gegen
Zahlung eines bestimmten Tributs und Leistung der Ileeresfolge
an die Eroberer verblieb. So waren innerhalb der eben bezeich-
nelcn Gränzen neben dem dorischen Staate Sparta fünf unter
der Oberhoheit desselben stehende lakedämonische (Periöken-)
Staaten vorhanden, als deren Mittelpunkte wir durch Ephoros^)
von der Ansiedelung der Minyer am Taygeton bei Herod. IV, 145 ff.
darf gewiss nicht als historisch betrachtet werden, sondern ist hervor-
gerufen durch das Bestreben , die Lakonischen Minyer mit denen von
Lemnos und Thera zu verknüpfen,
') Von den Städten, deren Bewohner der Schiffscatalog (11. B, 581 ff.)
als unter der Führung des Menelaos stehend aufführt, ist allerdings
Oitylos die westlichste; allein die sieben Städte, welche Agamemnon
dem Achilles als Ileiratsgut verspricht (II. f, 150 ft'.), liegen sämmtlich
weiter nach Nordwesten, so dass also wenigstens nach der Vorstellung
des Dichters dieser Partie der IHas noch das ganze östliche, ja wenn
die alte Identificirung der Namen Aepeia und Pedasos mit den späteren
Korone und Methone richtig ist, auch das südwestliche Messenion bis
"gen Pylos hin unter der Herrschaft des Agamemnon stand.
«) Bei Strab. VIII, p. 364, vgl. Curtins Pelop. II, S. 309 und Schäfer
itr. cphoris Lacedaemoniis (Loipz. 1863), p. 5, welchem letzteren ich in
rler Bestimmung der fünften Ortschaft (Geronthrae statt Boiae, wie
C'urtius wollte: vgl. Paus. c. 2, ß und c. 22, C) gefolgt bin und aucli
durin bi-istimmo, dass er die fünf Kphoren, ihrer ursprünglichen Bedeut-
1 10 II. Peloponnesos.
lolgciule Orte kennen: Aegys, Amyldae, Pharis, Las und Ge-
ronthrac. Es ist natiirlicli, besonders bei der Ilerrscbsnclit und
dem Streben nacli politischer Centralisation, welche im dorischen
(Iharakter liegen, dass dieser Zustand nicht von langer Daner
sein konnte, und so hören wir denn, dass die Spartiaten eins
nacli dem anderen dieser Lehensfiirstentumer , zum Theil wieder
nach harten Känij)ren, durch welche ein Theil der alten Bevölk-
erung zu Hörigen (EtXcorsg)^) herabgedrückt wurde, während
die Uebrigen als TtsQLOLxot freie, wenn auch aller eigentlichen
])olitischen Rechte entbehrende Leute blieben, ihrer unmittelbaren
Herrschaft unterwarfen. Bald drangen sie nun auch erobernd
weiter gegen Osten wie gegen Westen vor: sie nahmen die ganze
Parnonhalbinsel sammt der Insel Kythera, die bisher unter der
Herrschaft der Argiver gestanden hatten,-) in Besitz und entrissen
denselben unter blutigen Kämpfen sogar die Kynuria; sie über-
schritten das Taygeton und machten die ganze blühende Land-
schaft Messenien zu Spartiatischem Zehentlande. Auch nordwärts
suchten sie auf Kosten der Arkader ihre Gränzen zu erweitern,
konnten aber hier in Folge des energischen Widerstandes, wel-
chen namentlich die Tegeaten leisteten, nichts Beträchtliches
gewinnen. Immerhin aber erstreckte sich in der Blütezeit der
Spartanischen Macht, in der Zeit vom Ende des achten bis zum
zweiten Drittel des vierten Jahrhunderts v. Chr., das Gebiet
Spartas vom Argolischen bis zum Kyparissischen Meerbusen und
umfasste zwei Fünftel des ganzen Peloponnes, so dass es nicht zum
Verwundern ist, wenn die Spartiaten im stolzen Selbstgefühl sich
als die natürlichen Führer nicht nur der Halbinsel, sondern
auch von ganz Hellas betrachteten und wenn die übrigen
griechischen Staaten, selbst Athen nicht ausgenommen, vom
Glänze des spartiatischen Namens geblendet, nur schwer sich ent-
schliessen konnten, ihnen im offenen Kampfe gegenüber zu tre-
ten. Dieser Glanz verbleichte aber schnell, als zum ersten Male
ung nach, als Gehülfen der spart. Könige zur Beaufsichtigung und
Verwaltung eben dieser Bezirke, die früher unter achäischen Fürsten
gestanden hatten, betrachtet,
^) Die Alten selbst leiten diesen Namen durchaus von der Ortschaft
"EXog her, während manche neuere Gelehrte die Ableitung von siXov,
^XsLV vorziehen. Wofür man sich auch entscheiden mag, jedenfalls ist
der Na«ie aus einem ursprünglichen '"'Eljorss entstanden.
2) Herod. 1, 82.
2. Lakonien. 111
ein feindlicljes Heer, von Epameinondas geführt, in Lakonien ein-
gedrungen war und es bis zum Lakonischen Meerbusen liinah
durclizogen hatte (Ol. 102, 3), ein Zug, der den Spartanern nicht
nur den schon bei Leuktra zerstörten Nimbus ihrer Unbesieg-
barkeit, sondern auch die kleinere Hälfte ihres Gebietes kostete:
Messenien wurde ihnen entrissen und als unahhängiger Staat neu
constituirt, und wenn auch Sparla niemals die Rechlsbeständigkeit
dieser etwas schwächlichen Constitution anerkannt hat, so ist es
ihm doch nicht gelungen, das Verlorne wiederzugewinnen.
Weitere Verluste brachte ihm der unbeugsame, eines bessern Ge-
schickes würdige Stolz , mit welchem es nach der Schlacht bei
Chaeroneia Philipp IL von Makedonien, als Alles sich vor ihm
beugte, entgegenzutreten wagte, indem durch dessen Machtspruch
die Kynuria sammt einem Theile der Ostküste Lakoniens den Ar-
givern, die Gränzdistricte gegen Arkadien (Belminatis und Skiritis)
den Megalepoliten und Tegeaten, und eine beträchtliche Strecke
Landes am westlichen Abhänge des Taygeton (der Bezirk von
Denthalioi und der Küstenstrich bis zu dem Bache Pamisos hinab)
den Messeniern zugetheilt wurden J) Zwar gelang es den Spar-
tanern bald, einen Theil des Verlornen wiederzugewinnen; aber
als dem kurzen Aufschwünge des durch Kleomenes IIL verjüngten
Staates die Schlacht bei Sellasia ein rasches Ende gemacht hatte
und als Philopoimen, der unermüdliche und unversöhnliche Ge-
gner Sparlas, 2) an die Spitze des achäischen Bundes getreten wai-,
wurde ihnen nicht nur die Belminatis wieder entrissen (die ihnen
indess später durch die Römer zurückgegeben ward), sondern
auch die sämmtlichen Küstenstädte der Landschaft, deren Be-
wohner bisher Periöken gewesen und durch die von den Spar-
tiaten verschmähten Erwerbszweige (Handel und Industrie) zum
Wohlstand gelangt waren, wurden für unabhängig erklärt und
diese ihre Unabhängigkeit durch den achäischen Bund , dessen
gezwungenes Mitglied Sparta selbst eine Zeit lang war, garanlirt.
Nach der Auflösung des Bundes erhielt es zwar durch die Homer
seine Autonomie, soweit von einer solchen in dieser Zeit über-
haupt die Bede sein kann, zurück, aber die Periökenstädte lilieben
^) Vgl. A. Schufer Demostlicncs und seine Zeit III, 1, S. 38 IV.
') 'Pliilopoemen — anctor seniper Acliaeis niinuendi opes et uucto-
ritatcm Lacedaeinoniorum' Liv. XXXVIII, 31. Uebor die I5( Iminatis vgl.
ebda. c. 34.
1 12 11. Pcloponnesos.
selbsläiulig und vereinigten sich, nachdem die Wiederlierstellung
der landschaftlichen Staatcnvereinc von Rom aus gestattet worden
war, zu einem Bunde, der ^Gemeinschaft der freien Lakonen'
(to xolvov tav 'EXevd'SQokaxcjvcDv), welcher durch Auguslus
förmlich anerkannt w urde und noch im zweiten Jahrhundert n. Chr.,
wenn auch mit verminderter Mitgliederzahl (18 statt 24), bestand. *)
Die Spartaner erhielten von Augustus, wahrscheinlich durch die
Vcrmittelung von dessen Günstling C. Julius Eurykles, der eine
Zeit lang als eine Art Tyrann in Sparta regierte, ein Stück des
östlichen Messeniens mit den Städten Thuria und Pharae zum
Geschenk, allein Tiberius sprach nicht nur diese, sondern auch
den östlich davon gelegenen Bezirk von Denthalioi den Mcsseniern
wieder zu und setzte die Wasserscheide des Taygeton, weiter
südlich eine enge von einem Giessbach durchflossene Schlucht
(die xoLQiog vccTtr}) zwischen den Städten Gerenia und Abiae als
Gränzscheide zwischen Messenien und Lakonien fest, ^j
im dritten und vierten Jahrhundert wurde Lakonien, insbe-
sondere das Eurotasthai, durch verheerende Einbrüche der Go-
then (267 und 395), seit dem achten Jahrhundert durch slavischc
Stämme, die sich namentlich am Taygeton dauernd ansiedelten,
heimgesucht, später wechselte sein Besitz zwischen Byzantinern,
Franken, Türken und Venezianern bis zur Stiftung des König-
reichs Griechenland.^)
F.ii.oiasiimi. Die topographische Schilderung Lakoniens beginnen wir mit
dem Flussgebiet des Eurotas, d. h. der von diesem Flusse und
seinen Nebenflüssen (unter denen freilich nur der Oinus ein
eigenes zur Anlage einer Stadt brauchbares Flussthal besitzt)
durchströmten Land-, beziehentlich Gebirgsstriche. Das obere Eu-
rotasthal, welches gegen Osten durch meist unmittelbar an das
1) Paus. IIP, 21, G f. (zu dessen Zeit folgende Orte selbständige
Bnndesglieder waren: Gytheion, Teuthrone, Las, Pyrrhichos, Kaenepolis,
Oitylos, Leuktra, Thalamae, Alagonia, Gerenia, Asopos, Akriae, Boiae,
Zarax, Epidauros Limera, Brasiae, Geronthrae, Marios); vgl. Strab. VIII,
p, .^6G; C. I. gr. n. 1389; H. Sauppe in den Nachrichten von der G. A.
Universität und der Göttinger Gesellschaft d. Wiss. 1865, N. 17, S. 461 ff.
Dasselbe ist to v.olv6v tüv AccyisSaLuovLcov C. I. gr. n. 1335.
2) Paus. IV, 1, 1; 30, 2; 31, 1; Tac. Annal. IV, 43; vgl. Ross Rei-
sen I, S. 3 ff.
3) Vgl. die I^ebersicht bei Curtiiis Pelop. I, S. 84 ff. und II,
S. 214 f.
2. Lakonieii: Eurolasthal. 113
Flussufer hinantretende rauhe Berge hegränzt wird, während von
Westen her die durcli kleine Bäche getrennten Vorhöhen des
Taygeton allmäHg gegen den Fluss ahsteigen und Raum für eine
Heerstrasse am rechten Ufer lassen, bildete das Gebiet von drei
für die Vertheidigung des Zuganges zum Herzen der Landschaft
sehr wichtigen Periökenstädten und wurde daher mit dem Na-
men Tripolis bezeichnet^) Die nördlichste derselben war Be-
lemina (auch Belmina oder Belbina geschrieben), deren Ge-
biet, die wasserreichste Gegend von ganz Lakonien, von den Ar-
kadern, als ursprünglich arkadisches, von den Lakedaemoniern in
alter Zeit widerrechtlich annectirtes Land reclamirt und auch
zeitweise occupirt wurde (vgl. oben S. 111): der natürlichen
Gränzscheide nach mit Unrecht, da es zum Stromgebiet des Eu-
rotas, nicht des Alpheios gehört. 2) Der Ortschaft selbst, in deren
Nähe ein Heiligtum des Hermes ('E^^acov) stand, gehören wahr-
scheinlich die Ruinen südlich von dein Dorfe Petrina, westlich
von dem quellenreichen, von mehreren sich vereinigenden Bächen
umflossenen Berge Chelmos an; ein mittelalterliches Caslell,
dessen Mauern theilweise auf hellenischen Fundamenten ruhen,
auf dem Gipfel dieses Berges scheint die Stelle einer alten Be-
festigung zum Schutze der an der Südseite des Berges hinfüh-
renden Heerstrasse von Megalepolis nach Sparta einzunehmen. ^)
Diese Strasse zieht sich zunächst etwa 2y.^ Stunden lang ober-
halb des rechten Flussufers auf den Vorhöhen des Taygeton hin,
bis sie eine nicht unbedeutende Kbone, die grösste des obern
') 'Tripolin Laconici agri qui proximus finem Megalopolitarum est'
Liv. XXXV, 27: da nun nach Polyb. IV, 81 auch Pellene zur TqltioIk;
gehörte, so scheint dieselbe von der Gränzc von Megalepolis bis in die
Nähe der Einmündung des Oinus sich erstreckt zu haben.
*) BsXffiivii l'.'iiis. TU, 21, .'{; VITf, .'55, .*?; HsXaivärig x^^Q^ Polyb.
II, .54, was wohl uucli hei Stral.. VIII, ].. .".I.". mid Ptol. 111, KI, -»i» (für
/i;.t|ii.) herznsteli<ii i~t : /;.''A(in/aPliit.Cleoin.4; llesydi. und Stepii. u. d.W.;
agcr r.clbinut. . l,u. WXVJII, M. Ob auch mit (Kmii von Paus.
Vlir, 27, 4 erwUhnton BXtviva dieselbe Ortschaft gemeint ist (vgl. Cur
tius I*elop. I, S. .'W7), ist ganz unsicher.
') Man könnte an das 'A&r'jvuiov denken, das nach Plut. Cleomen.
4 Ttfgl T/Jv BiXßivuv — tfißoXr) tTJg Aaniovi-n^g war; allein aus Polyb.
II, 40; IV, 37; 60; 81 verglichen mit I*ausanias VIII, 44, 2 sieht man,
dass dies nördlich vom Chelmos am Wege von Megalepolis nach Asea,
also auf arkadis<'hem Gebiet lag.
RURSIAN, OKOCic. tl. 8
114 11. Peloponnesos.
Eurotastliales, erreicht, die sich in verschiedener Breite auf beiden
Ul'ern des Flusses über eine Stunde weit von Nord nacli Süd
erstreckt. Den nördlichen Absclduss derselben bildet ein vom
Taygeton nach dem Eurotas sich hinziehender niedriger Ilügel-
rücken zwischen den Dörfern Georgitzi und Pardali, auf welchem
die Ruinen eines mittelalterlichen Schlosses auf hellenischem Un-
terbau stehen und unterhalb dessen man auch in der Ebene Reste
einer alten Ortschaft findet. Ohne Zweifel war dies die zweite
Ortschaft der Tripolis, wahrscheinlich das alte Aegys, das sehr
frühzeitig durch die Spartiatischen Könige Archelaos und Charillos
zerstört, dessen Name aber (Aegytis) der ganzen Gegend zu
beiden Seiten des oberen Taygeton, die halb zu Arkadien halb
zu Lakonien gehörte, geblieben war: an die Stelle des alten
Ilauptortes scheint später Karystos, eine durch ihren Weinbau
bekannte Ortschaft, getreten zu sein. ^) Im Süden wird jene Ebene
abgeschlossen durch den breiten nach Westen vortretenden Fierg
von Vurlia, dessen westlicher Fuss fast unmittelbar vom Eurotas
bespült wird, während die Strasse nahe dem rechten Ufer zwi-
schen diesem und den Vorhügeln des Taygeton hinläuft. Auf
zwei gegen Nordwest vorgeschobenen Höhen des Rerges von
Vurlia liegen zwei einzelne Kapellen (des heiligen loannis und
des heiligen Dimitrios), östlich davon in einer Schlucht Reste eines
mittelalterlichen Castells; am westlichen Fusse jener Höhen ent-
springen zwei sehr wasserreiche Quellen, welche zusammen einen
kleinen Teich bilden und dann in den Eurotas abfliessen. Eine
halbe Stunde weiter südlich findet man Spuren alter Mauern, die
sich quer über den Weg ziehen, also olFenbar einer auf förm-
lichen Verschluss der Strasse abzielenden Befestigung angehören;
Reste einer zweiten Befestigung von geringerer Ausdehnung (wohl
eines blossen Wartthurmes) finden sich wieder eine halbe Stunde
weiter südlich in der Nähe der noch eine starke Stunde von
Sparta entfernten neueren Eurotas-Brücke (roi) Koitdvov xo ys-
(pvQi), über welche jetzt der Hauptweg aus dem Eurotas- nach
dem Oinusthale j(über den südlichsten Theil des Berges von
Vurlia) und weiter nach dem südöstlichen Arkadien führt und die
füglich als der Abschluss des oberen Eurotasthaies betrachtet
1) Paus. Iir, 2, 5; VIII, 34, 5; Strab. VIII, 364; X, 44G; Poljb.
II, 54 (wo (\.ie AiyvTig u. BslfiLvccrig xaga verbunden sind); Stepli ^jz.
u. Alyvg: vgl, Vischer Erinnerungen S. 401 f.
2. Lakonien: Eurotastiial. 115
werden kann. Jene Mauerspuren gehören vvalu'scheinlich dem
von Pausanias (ÜI, 21, 2) erwähnten xa^axaiiu an, einem Bollwerke
zum Schutze der Ebene von Sparta gegen Einfälle von Norden
her, und auf dem nordwestlichsten Theile des Berges von
Vurlia wird Pellana oder Pellene zu suchen sein, die dritte
Stadt der Tripolis, von welcher Pausanias (a. a. 0.) nur noch ein
Heiligtum des Asklepios und zwei Quellen, Pellanis und Lankeia
genannt, der Erwähnung werth findet.*) Ungefähr gegenüber der
vorauszusetzenden Stelle der Stadt findet man in der Nähe des
rechten Fiussufers Reste einer auf Bogen ruhenden Wasserleitung,
welche in der römischen Zeit von den Vorbergen des Taygeton
Wasser nach Sparta führte. Da wo der Eurotas mit einer plötz-
lichen Wendung gegen Osten den südlichen Fuss des Berges von
Vurlia umfliesst, um sich dann bald wieder gegen Süden zu
wenden, bemerkt man in einer hart an das rechte Ufer des Flusses
liinantretenden Felswand eine natürliche Höhle und darunter eine
künstlich ausgehauene Nische, in welcher Neuere das Grab des
Schnellläufers Ladas, der, nachdem er zu Olympia im Dauerlauf
gesiegt hatte, auf der Heimreise starb und auf dem Platze, wo
der Tod ihn ereilte, bestattet wurde, haben erkennen wollen:
allein da die Entfernung von hier nach Sparta höchstens IV2
Stunde beträgt, das Ladasgrab aber nach Pausanias (HI, 21, 1)
50 Stadien von der Stadt entfernt war, so ist dies wohl weiter
nördlich auf einer der Vorhöhen des Taygeton westlich über der
Strasse zu suchen; in jener Felsnische stand vielleicht das Bild
der Aedo, welches die Tradition als vom Ikarios beim Abschied
von seiner Tochter Penelope gestiftet bezeichnete. 2)
Der Oinus^) (jetzt Kelephina), durch dessen Zutritt die Was-
sermasse des Eurotas beträchtlich vermehrt und sein Belt ver-
*) Vgl. über Pellene (das Strub. VHI, p. 38G durch die Form xa
ritXlava von der Hcliiüschen Studt unterscheidet) ausser Paus. a. a. O.
l'olyb. IV, 81; XVI, 37; Xenoph. Hell. VIT, 5, f). Der von Plut. Agis 8
ttrwühntc x^Qfi^QOg v.atcc ThXXrjvriv ist wahrscheinlich ^ler um den nörd-
lichen FusH des Berges von Vurlia herum dem Eurotas zufliossende Hach.
*) Paus. c. 20, 10. Gegen die von Leakc, Koss und Curtius be-
folgte Ansetzung des Ladasgrabos erklart sich auch Vischer Erinne-
rungen S. 401, Anm, **♦
3) Nach Plut. Lycurg. 6 (vgl. Pclopid. 17) hatte er früher den Namen
KvaniMV (vgl.lfcrodian. TtfQl ^lov. Xt^. p. 17,22) geführt; vgl. jedoch unten
8. ItiO. Uiisiclicr ist die Lage des durch seinen Weinbau bekannten Stadt
8*
IIG II. Pelüponnesos.
lireitert wird, bat seine Haiiptquellen am nordwestlichen Abliange
des Parnon, wo in der Römischen Zeit die Gränzen von Lakonien,
Arkadien und ArgoHs, durch Hermen bezeichnet, zusammensliessen.
Die noch jetzt mit dichtem Eichengebüsch l)edeckte Gegend war
im Altertum von einem ausgedehnten Eichenwakl eingenommen
und führte darnach den Namen Skotitas: ein IleiUgtum des
Zeus Skotitas stand eine halbe Stunde östHch seitwärts von der
im engen Flussthal hinführenden Strasse aus der argivischen
Kynuria nach Sparta J) Ungefähr drei Stunden von der Gränze
erweitert sich das Thal zu einer nur zehn Minuten breiten und
eine Viertelstunde langen, rings von Bergen umschlossenen Ebene,
durch welche ein kleiner Seitenbach, der Gorgylos, von Westen
lier dem Oinus zufliesst: hier trifft die gerade von Norden her
kommende Strasse von Tegea nach Sparta mit der argivischen
zusammen, so dass die Sicherung der kleinen Ebene für Sparta
von höchster Wichtigkeit sein musste. Diese Aufgabe erfüllte bis
zum Untergange der Selbständigkeit Spartas die stark befestigte
Stadt Sellasia, von deren Ringmauern sich noch jetzt bedeu-
tende Resle auf dem umfangreichen 831 Meter hohen Plateau des
unmittelbar über dem rechten Ufer des Oinus aufsteigenden, die
kleine Ebene im Süden abschliessenden Berges finden: der etwas
höhere nördliche Theil des nach Süden zu sich etwas absenkenden
Plateaus bildete die AkropoHs. Die Stadt ist wahrscheihhch in
Trümmern liegen geblieben seit dem Jahre 221 v. Chr. (Ol.
139, 4), wo sie von König Antigonos Doson von Makedonien zer-
stört wurde, nachdem sie schon 50 Jahre früher (Ol. 102, 3) von
den Thebanern und vier Jahre darauf (Ol. 103, 3) von den La-
kedaemoniern'zur Strafe für ihren Abfall von Sparta verheert wor-
den war. Die vorher erwähnte kleine Ebene nebst den Abhängen
der sie begränzenden Berge (desEuas im Südwesten, des Olym-
pos im Osten) war der Schauplatz der für Spartas Selbständig-
keit verhängnissvollen Schlacht zwischen Antigonos Doson und
Rleomenes lil von Sparta, deren nächste Folge eben die Zerstör-
chens Oinus (Stepli. Byz. ii. Otvovg-, Alkman bei Athen. I, p. 31*=), da die
Worte des Athen, a. a. O.: %(OQia ät xavxa nlrjaiov JliTäviq? sich jeden-
falls nur auf die zuletzt genannten Orte Onogla und Stathmoi beziehen.
1) Paus. c. 1, 1; 10, 6; Polyb. XVI, 37; vgl. Ross Reisen I, S.
173 ff. Steph. Byz. u. Zv-orivd giebt, mit Berufung auf t*ausanias, als
Namen des Ortes Zyionvä und Zsvg ÜTiotLVccg.
2. Lakonien: Eiirotasllial. 117
ung Sellasias durch Antigonos war. ^) Die alte Strasse nach
Sparta fülirte wahrscheinlich nicht wie die jetzige westüch von
Sellasia üher den Berg von Vurlia, sondern folgte wohl von der
kleinen Ebene aus noch eine beträchtliche Strecke dem rechten
Ufer des Oinus in dem engen Thale, gieng dann da, wo derselbe
einen nicht unbedeutenden Nebenfluss von Osten her aufnimmt,
auf das linke Ufer hinüber und stieg nun über den herg Thor-
nax, auf dessen südlichstem Vorsprunge ein Heiligtum des Apol-
lon Pythaeus lag, zu welchem ein geräumiges Temenos in der
Ebene gehörte, nach dem Eurotasthaie hinab, ^j
Zwischen den Engthälern des obern Eurotas und des Oinus
zieht sich ein rauhes und kahles Hochland hin, von zahlreichen
Schluchten durchschnitten, ohne irgend welche grössere Ebene:
die Sk Iritis, bewohnt von dem kriegerischen, ursprünglich arka-
dischen Stamme der Skiriten, der offenbar erst nach langem
Widerstände und unter besseren Bedingungen als die übrigen
I'eriöken — die Skiriten bildeten eine besondere Heeresablheilung,
welche in der Schlacht jederzeit den Unken Flügel, auf dem
Marsche die Vorhut ausmachte — der Herrschaft der Spartaner
') Polyb. II, 65 ff., dazu Ross Reisen I, S. 181 ff. und Vischer Er-
innerungen S. 360 ff. Dass der Name der Stadt sowohl HsXccöicc^
als auch Sslkaaia geschrieben wurde, sieht man daraus, dass Steph.
Byz. diese beiden Formen als zwei verschiedene Artikel in sein
Lexikon aufgenommen hat. Ob der Beiname der Artemis Selasia mit
dem Namen der Stadt zusammenhängt, wie Hesych. u. ZlsXaaici an-
giebt, möchte ich nicht entscheiden, ebenso wenig ob unter dem bei
Liv. XXXV, 27 und 30 erwähnten Berge Barbosthenes (Barnosthenes
will Cartius Pelop. II, ö. 321) die östliche Fortsetzung des Olympos,
der jetzige Berg von Vresthena, zu verstehen sei.
2) Polyb. II, 65; Paus. c. 10, 8; Steph. Byz. u. Goqvcc^', Xen. Hell.
VI, 5, 27. Da auch ich in den Marmorfundamenten auf dem Vorspränge
des Hügels oberhalb Pavle'ika (s. Curtius Pel. II, S. 321) Reste des
Apollonhciligtums erkenne, so kann ich den Thornax, auf welchem
nach Paus, a. a. O. und Herod. I, 69 das altertümliche Cultbild des Gottes
stand, nicht, wie gewöhnlich geschieht, für den auf dem rechton, son-
dern nur für den über dem linken Ufer des Flusses sich erhebenden
Berg halten. Die topographischen Angaben des Zenon bei Polyb. XVI,
16 waren offenbar schon dem Polybios selbst unklar: man könnte den
Hoplites für den von Osten her in den Oinus mündenden Bach hal-
ten, allein die Strasse kann nie längs dieses hingeführt haben; die
OTBv^ oSog naga to lloXiäaiov dagegen kann wohl die Strasse in dem
engen Thal des Oinus sein.
118 H. Pcloponncsos.
sich gel)eiigt halte und gleich beim ersten Einfall der Thehancr
in Lakonien sich wie seine alten Stammgenossen, die südlichen
Arkader, diesen anschloss, freilich ohne Erfolg für seine politische
Selbständigkeit. Die Wichtigkeit dieses Districts für Sparta be-
ruht darauf, dass durch denselben die von der Natur vorgezeich-
nete, daher noch heut zu Tage übhche, wenn auch wie die
meisten Strassen in Hellas nur für Saumthierc gangbare Strasse
von Tegea nach dem mittleren Eurotasthaie führt. Von dem
noch auf arkadischem Gebiete (in der Gegend des alten Phylakae)
gelegenen Khan von Krya Vrysis geht der noch jetzt den stolzen
Namen einer ^drj^oöLa' (Eleerstrasse) tragende Weg an einem der
den Alpheios bildenden Bächlein aufwärts in die Berge, wo man
noch auf eine ziemliche Strecke die alten in den Felsboden ein-
geschnittenen Wagengeleise erkennt, bis zur Wasserscheide und
von da durch den engen und rauhen Pass Rlisura abwärts
bis zu der vier Stunden von Krya Vrysis entfernten kleinen Ebene
von Sellasia, in welcher er mit dem aus der Thyreatis kommenden
Wege zusammentrifft. Wahrscheinlich am südlichen Ausgang
der Klisura, gerade halbwegs zwischen Krya Vrysis und Sel-
lasia, lag das Castell Oion, die einzige uns bekannte Ortschaft der
Skiritis, die wohl erst von den Spartanern zur Sicherung des
Passes angelegt worden war, während die Skiriten ursprünglich
in offenen Weilern wohnten. ^) Bedeutender als Oion, aber aus-
serhalb der eigentlichen Skiritis, war die auf einem flachen Hügel
zwischen zwei zu einem Nebenflusse des Oinus sich vereinigenden
Bächen (eine Stunde westlich von dem grossen Dorfe Arachova)
gelegene Periökenstadt Karyae, ebenfalls ursprünglich zu Arka-
dien gehörig, dann ein wichtiger Gränzposten Lakoniens, indem
sie die auch für Heere gangbare Strasse von den Quellen des
Alpheios, d. h. aus der Tegeatis, nach dem Oinusthale bewachte.
Je bedeutungsvoller so der Besitz dieser Stadt für Sparta war,
desto härter strafte es ihren Abfall beim Einbruch der Thebaner:
der König Archidamos eroberte (Ol. 103, 2) dieselbe mit Gewalt
wieder und Hess alle die, welche dabei lebendig in seine Hände
fielen, tödten. Ausser seiner strategischen hatte der Ort auch
<) Xenoph. Hell. VI, 5, 24 f.; VII, 4, 21: vgl. Ross Reisen I, S.
178 fF.; Welcker Tagebuch einer griecli. Reise I, S. 203. Die Exi-
stenz einer Ortschaft Skiros ist aus Steph. Byz. u. 2aiQog nicht zu
folgern.
2.Lakonicii: Eurotaslhal. 119
eine sacrale Bedeutung durch ein berühmtes Heiligtum der Ar-
temis und der Nymphen, in welchem alljährlich eine hauptsächlich
von Jungfrauen, welche besondere Tänze dabei aufführten, be-
suchte Panegyris gefeiert wurde. ^)
Kurz nach der Aufnahme des Oinus durch den Eurotas hören
die Vor berge des Taygeton, die sich bisher bis hart an das rechte
Ufer dieses Flusses erstreckten, auf, und es bleibt zwischen den
wie eine lange Mauer sich hinziehenden Abhängen des Gebirges
und dem Flusse eine durchschnittlich V/^ Stunde breite, äusserst
fruchtbare Ebene, die durch zahlreiche, vom Taygeton her dem
Eurotas zufliessende Bäche bewässert wird, während auf dem lin-
ken Ufer niedrige, meist kahle Anhöhen zum Theil bis unmittelbar
an das Wasser hinantreten. Im nördlichen Theile dieser Ebene,
die gleichsam der milde Kern in der rauhen Schale Lakoniens ist,
halten die Dorier zuerst festen Fuss gefasst und sich in mehreren
offenen Weilern [xa^ca] angesiedelt, die zunächst durch ein reli-
giöses Band — den gemeinsamen Cultus der Artemis Orthia, den
sie jedenfalls von den achäischen Bewohnern überkommen hatten
— zusammengehalten, allmälig zu einer Stadt zusammenwuchsen,
welche schon in ihrem Namen [ZTCccgta, d. i. die Zerstreute)
ihren von dem aller anderen griechischen Städte wesentlich
verschiedenen Charakter zur Schau trug. Das IJaupterforderniss
für eine griechische Stadt nämlich, eine schützende, die verschie-
denen Gruppen von Gebäuden zu einem Ganzen verbindende und
jiach Aussen hhi abschliessende Bingmauer mit Zinnen, Thürmcn
und Thoren, fehlte Sparta bis zum Untergange der Selbständigkeit
des Lakonischen Staates gänzlich und die Spartiaten prahlten an-
deren Hellenen gegenüber gern damit, dass Spartas Männer seine
Mauern seien, ^j Erst unter der Herrschaft des Tyrannen Nabis
winde, nachdem man früher sich mit Anlegung von Pfahl werken
und tiefen Gräben und Erbauung einiger gemauerter Schanzen an
den gefährlichsten Stellen zur Abwehr der Angriffe des Demetrios
0 Thuk. V, 55; Xciioph. Hell. VI, 5, 25; 27; Vll, 1, 28; Polyaen.
I, 41, 6; Liv. XXXIV, 26; XXXV, 27; Paus. c. 10, 7 (vgl. IV, 16, 9;
Lucian. De saltat. 10); Stcph. Byz. u. KuQva: vgl. Rosa a. a. O. S. 176 f.
und über die verwirrte Erzählung bei Vitruv. I, 1, 5 auch ProUer Aus-
gewählte Aufsätze aus dem Gebiet der classischcn Altcrtumswisson-
achaft S. 136 ff.
') Vgl. Flut. Apophtliogm. Lac. Agesil. 29; Boneca Suas. 2, 3.
120 II. Peloponncsos.
Poliorketes und des Pyrrhos begnügt hatte, der grösste Tlieil der
Stadt mit einer festen Mauer umgeben, die zwar bald von den
Achäern zerstört, aber auf Geheiss der Römer wiederhergestellt
und, wie die noch erhaltenen bedeutenden Reste derselben zei-
gen, auch in der byzantinischen Zeit erneuert worden ist. ^) Erst
die Anlage der Stadt Mistra auf einem Vorhiigel des Taygeton eine
Stunde westlich von Sparta durch Guillaume Viliehardouin (1250)
veranlasste die Verödung der Stadt ^^akedämon' oder *Lakedä-
monia', wie sie seit früher byzantinischer Zeit genannt wurde,'-)
eine Schuld, die heut zu Tage Mistra büssen muss, da es seiner-
seits in Folge der Erbauung von Neu -Sparta im südlicheren
Theile des alten Stadtgebietes der Verödung entgegen geht.
Als die Gränzen des städtischen Weichbildes, des Mittel-
])unktes für das politische Leben des ganzen Staates, sind wahr-
scheinlich die beiden Oertlichkeiten Babyka und Knakion zu
betrachten, welche eine alte von Plutarch (Lycurg. 6) erhaltene
Rhelra als die Gränzen, innerhalb deren die Volksversammlungen
{ccTtelXai) gehalten werden sollen, bezeichnet. Ist auch eine
sichere Fixirung dieser Oertlichkeiten bei dem Schwanken der
Ansichten der Alten selbst unmöglich, so kann man doch mit
ziemlicher Wahrscheinlichkeit in der Babyka die Brücke über den
Eurotas, von welcher sich noch jetzt ziemlich in der Mitte zwi-
schen der Einmündung des Oinus und der jetzigen Stadt Sparta
Reste vorfinden, als die Nordgränze, in dem Knakion einen der
südlich von der jetzigen Stadt von Westen her in den Eurotas
lliessenden Bäche — entweder den jetzt Panteleimon genannten
oder die etwas weiter nördlich fliessende Magula'^) — als die
1) Vgl. Paus. I, 13, 6; VII, 8, 5; 9, 5; Liv. XXXIV, 38; XXXVIII,
34; XXXIX, 37.
*) AccKS^aificov (n^TQonolig r% AcfnoaVL-Krjg rj TtQiv ZnaQtrj Hierokles
Synekd. 10.
3) Diese betrachten die neueren Topographen als den von Paus.
III, 18, 6 Tiaoa, von Athen. IV, p. 139'' TiaaGog genannten Bach,
ohne Grund, da ja noch verschiedene Bäche auf dem Wege von Sparta
nach Amyklä fliessen; dass einem der südlicheren (wahrscheinlich dem
Panteleimon) der Name zukomme, dafür spricht der Ausdruck bei Athen.
^oiii^ovGi xci nccidia Big ctyQOV. — Vgl. den Plan von Sparta und Um-
gebung in der Expe'd. de More'e II, pl. 45 (grösserer Plan des Terrains
und der Ruinen von Sparta ebds. pl. 46), darnach bei Curtius Pel. II,
Tfl. X. und auf unserer Tfl. III.
2. Lakonien: Eurolaslhal. 121
Südgränze erkennen. Innerhalb dieser Gränzen lagen jedenfalls
die vier alten Komen, aus denen die Stadt erwachsen ist: Linmae,
Kynosureis (lakonisch KovoovQstg), Mesoa und Pitana, von denen
Limnae mit dem alten Heiligtum der Artemis Orthia ohne Zweifel
unmittelbar am rechten Ufer des Flusses, das noch jetzt an meh-
reren Stellen sumpfig ist, lag und bei der Ummauerung der Stadt
zum Theil ausserhalb der Stadtmauern blieb ; ^) Mesoa scheint
seinem Namen nach den mittleren Raum, also hauptsächlich wohl
den 3Iarkt mit seinen Umgebungen, Pilana, das als der zum
Wohnen behaglichste Stadttheil bezeichnet wird,'-^) den westlicheren
und nordwestlichen, Kynosureis endlich den südlichsten Theil des
Stadtgebietes umfasst zu haben. Der nördlichere Theil dieses
Gebietes wird von mehreren ziemlich niedrigen Hügeln einge-
nommen, deren westlichster durch die Ruine eines an seinen süd-
westlichen Abhang angelehnten Theaters, welche fast den einzigen
sicheren Anhaltspunkt für die Topographie der alten Stadt bildet,
ausgezeichnet ist. Die beiden Flügel des sehr umfangreichen
Zuschauerraumes werden durch mächtige Stützmauern aus Tulf-
quadern gebildet; der auf dem Hügel selbst ruhende innere Raum
des Halbkreises ist jetzt ganz mit Erde bedeckt, nur einige grosse
Marmorblöcke liegen umher, die einzigen Ueberreste der alten
Silzstufen, denen entsprechend wohl auch die Orchestra und der
Unterbau der Bühne sammt dem Scenengebäude mit Marmor übcr-
kleidet waren, ^j eine Ausstattung, die freilich schwerlich der
') Paus. III, 16, 9; Strab. VIII, p. 363 und ,364. Curtius setzt Lim-
nae am weitesten gegen Norden, zwischen der Babyka-Brücke und der
Einmündung des Oinus, nach Meinekes Ergänzung der lückenhaften
Stelle bei Strab. p. 364 'xara tov Ooqvwkcc'' (s. Vindic. Strabon. p. 115):
allein selbst wenn diese Ergänzung sicher wäre, was sie keineswegs
ist, würden diese Worte sich vielmehr auf Mesoa, von welchem Stra-
bon dort handelt, als auf Limnaeon beziehen. Dass ein so wichtiger
Stadttheil wie Limnae so weit ab von der eigentlichen Stadt gelegen
habe, scheint mir unwahrscheinlich und mit Pausanias Schilderung nicht
wohl vereinbar,
') Vgl. Plut. De cxil c, Für die Lage von Pitana westlich vom
Markte zeugt Paus. c. 11, J; die Ansotzung desselben im Norden 'im
Flussthale aufwärts bis in die Nähe des Oinus' (Curtius Pelop. 11, S.
231) beruht nur auf einem Missverständniss der Stelle des Athen. I,
|. 31«=; vgl. oben. 8. 116, Anm. 3.
^) Dass der ganze Bau mit Marmor bekleidet war, zeigt der Aus-
druck de« Paus. c. 14, 1: ro ^iargov Xi^ov Xivv.ov ^f'crg (v^tov; das»
122 II. Pcloponnesos.
älteren Zeit angehört, wo das Theater mehr zu den VVcttkampfen
der Chöre an den Gymnopädien und Ilyakinthien als zu diama-
tischen Auflührungen, welche der altspartanischen Zucht und Sitte
widerstrehten , benutzt wurde. ^) Unmittelbar neben und über
dem Theater, ja selbst innerhalb desselben findet man zahlreiche
Ruinen mittelalterlicher Gebäude, Ueberreste der mittelalter-
lichen Stadt Lakedämonia, welche auf diesen Hügel und die zu-
nächst östlich davon gelegene Fläche beschränkt gewesen zu sein
scheint. Derselben gehört auch wenigstens zum weitaus grössten
Theile die Mauer an, welche man mit einigen Unterbrechungen
rings um den Hügel verfolgen kann; nur einige Stücke derselben
scheinen noch aus dem Altertum zu stammen, d. h. aus der Zeit,
wo die früher offene Stadt mit einer Ringmauer versehen und
wahrsclieinlich zugleich die bis dahin nur sacralen Zwecken die-
nende Akropolis befestigt wurde. Die geräumige, terrassenförmig
absteigende obere Fläche dieses Hügels nämlich, welche jetzt ganz
mit hohem Schutt bedeckt ist, aus dem nur einzelne alte Bau-
trümmer, wie namentlich die durch einen grossen Steinbalken
gebildete Oberschv\elle einer Thüre mit den obersten Theilen der
Seitenpfosten hervorragen,^) wurde im Altertum von den Heilig-
tümern der Gottheiten, unter deren besonderem Schutze die Stadt
stand, eingenommen und wohl nur aus diesem Grunde — denn
eine fortificatorisdie Bedeutung hat der Hügel wenigstens in den
älteren Zeiten nicht gehabt^) — der von der Ebene aus keines-
wegs ansehnliche Hügel als Akropolis der Stadt bezeichnet (Paus,
c. 17, 1). Das angesehenste unter diesen Heiligtümern war das
der Athene Poliuchos oder, wie die Göttin gewöhnlich nach dem
das erhaltene Mauerwerk aber nicht aus Marmor, sondern aus Tuffstein
aufgeführt ist, kann ich aus eigener Anschauung bestätigen. Plan des
Theaters Exped. de More'e II, pl. 47; Wieseler Theatergebäude Tfl. I,
19 und Tfl. III, k.
1) Vgl. Herod. VI, 67 (wo freilich die Erwähnung des Theaters in
der ersten Zeit der Regierung des Königs Leotychides, um 490, ein
Anachronismus ist); Plut. Ages. 29; Athen. IV, p. 139«'; Luc. Anach. 38.
2) Wie Vischer (Erinnerungen S. 376) habe auch ich nur e~ine
solche Thüre bemerkt, während Leake (Travels in Morea I, p. 156)
und Gell (Journey p. 330) zwei gesehen haben,
3) Später befand sich die Burg des Nabis auf demselben: s. Liv.
XXXV, 36.
2. Lakonicn: Eurotasllial. 123
Erzschmuck, mit welchem die inneren Wände ihres Tempelhauses
hekleidet waren, genannt wird, Chalkioikos, dessen erste Stiftung,
von der Tradition dem Tyndareos beigelegt, jedenfalls noch in
die achäische Zeit zurück reicht; der Tempel wie ihn noch Pau-
sanias (c. 17, 2 f.) sah, mit dem altertümlichen Erzbild der Göttin
und den die Cellawände bedeckenden Erzplatten mit zahlreichen
Reliefdarstellungen, war ein Werk des alten lakedämonischen Erz-
bildners Gitiadas. Wahrscheinlich innerhalb desselben Peribolos
lag ein zweites Heiligtum, in welchem Athene als Ergane verehrt
wurde; die Umfriedigung des ganzen Bezirkes wurde durch Hallen
gebildet, von denen die an der Südseite mit einem Heiligtum
des Zeus Kosmetas in Verbindung stand, während die an der
Westseite Weihgeschenke zur Erinnerung an die .Seesiege des
Lysandros enthielt. Neben dem Altare der Chalkioikos standen
zwei Statuen des Pausanias, der bekanntlich in diesem Hei-
ligtume seinen Tod gefunden hatte, in der Nähe derselben
Bilder der Aphrodite Ambologera, des Hypnos und Thanatos.
Zur Rechten des Tempels sah man eine Erzstatue des Zeus Hy-
patos neben einem wohl zeltartigen Gebäude (dem sogenannten
Skenoma), dessen Bestimmung wir nicht kennen, zur Linken ein
Heiligtum der Musen, hinter dem Tempel (der Chalkioikos) einen
Tempel der Aphrodite Areia mit sehr altertümlichen Schnitz-
bildern. ^) Diese Gruppe von Heiligtümern scheint den mittleren
und westlicheren Theil der oberen Fläche des Hügels eingenommen
zu haben; an der Ostseite, wo der Weg nach dem sogenannten
Alpion (wahrscheinlich dem im Nordosten an den Burghügel sich
anschliessenden Hügel) führte, lag das angeblich von Lykurgos
gestiftete Heiligtum der Athena Optilitis (oder Ophthalmitis), weiter
gegefi Norden Heiligtümer des Annnon und der Artemis Knagia.*^)
') Paus. c. 17, 4 ff. Eine Darstellung des Cultbildcs der Athena
Poliuchos geben Münzen von Sparta: s. O. Jahn De anti<|uissiini8 Mi-
uervao siraulacris atticis (ßonn 186G).t. IH, n. 6.
*) Paus, et 18, 2 88,; Plut. Lycurg. 11; Apophthegm. Lac. Lycurg.
7 (wo x6 zfjg XctlxiOLiiOv rifievog wohl den ganzen Burghiigel bezeiclinet:
vgl. unten hJ. 126, Anm. 2). Die Gründungslegcnde des Heiligtiuns der
'J&rjvci 'OmiXttis (denn so, nicht 'OntiXitig^ ist der IJeinamo mit Lo-
beck Pathol. 8. Gr. p. 119 zu schreiben) oder 'Oqp-O^aZfttTtg ist oflV^nbur
eben nichts als eine Legende und bezeichnet der lieiname die Göttin
einfach als die 'scharfblickende', der '^-U. Vl^üdf^xco in Argos (vgl.
oben Ö. 66) entsprqcheud. ;Der Beiname der Artemis Äfayta.ist wohl
124 II. Peloponiiesos.
Am östlichen Fusse des Burghiigels zog sich die Agora hin, ein
umfangreicher PlaJz, dessen schönsten Schmuck die aus der Beute
der Perserkriege erbaute, später erweiterte und verschönerte
persische Halle bildete, an welcher Marmorstatuen persischer
Heerführer an oder über den Säulen als Träger des Gebälkes
angebracht waren J) Ferner lag am Markte das Rathhaus, worin
der Rath der Alten (die Gerusia) seine Sitzungen hielt, die Amts-
locale der Ephoren (ein älteres, die sogenannten d^x^^^^ e(poQ£tc)c,
mit Grabmälern des Epimenides und Aphareus, und ein neueres),
der Nomophylakes und der Bidiäer, Tempel des Julius Caesar und
des Augustus und Heiligtümer (wohl blosse Altäre, höchstens mit
kleinen Capellen für die Cultbilder) der Ge und des Zeus Agoraeos,
der Athena Agoraea und des Poseidon Asphaüos, des Apollon und
der Hera, der Moiren mit dem Grabe des Orestes. Der freie
Raum zwischen diesen Gebäuden war hauptsächlich für den Markl-
verkehr, ein Theil (der mit den Statuen der delphischen Gottheiten
geschmückte Choros) zur Aufstellung der Chöre der Jünglinge
an den Gymnopädien bestimmt.-)
Vom Markte aus führte eine breite Strasse, die Aphetais
(Corso), in südlicher Richtung bis zum südlichen Ende der Stadt,
wo sich als Fortsetzung an sie die nach Amyklae führende Hya-
kinlhische Strasse anschloss. Die eine Ecke des Marktes und der
Aphetais bildete das Amtshaus der Bidiäer, die andere (westliche)
wahrscheinlich ein Booneta genanntes Gebäude, hinter welchem,
von der Strasse seilab gegen Westen, ein Heiligtum des Asklepios,
weiter gegen das Theater hin ein Heiligtum des Poseidon Gene-
thlios lag. -^j Auf das Amtshaus der Bidiäer folgte das Heiligtum
ebenso wie die derselben Göttin zukommenden Beinamen Kvccnsarig (in
der Tegeatis nahe der Lakonischen Gränze: Paus. VIII, 53, 11) und Kva-
yialrjOta (vom Berge Knakalos bei Kaphyä in Arkadien; Paus. ebd.
23, 3) von yiv^yiog (Saflor) herzuleiten und auf die fahle Farbe des
Mondliehts zu beziehen.
•) Paus. c. 11, 3; Vitruv. I, 1, 6: ob die Halle ein- oder zweistöckig-
war, ist aus beiden Stellen nicht sicher zu erkennen. •
2) Vgl. über die Spartanische Agora Paus. c. 11 , 2 ff. und Xenoph.
Hellen. III, 3, 5 ff.
3) Paus. c. 12, 1 if. ; c. 15, 10. Der 'Name BocSvrjta, welchen Paus,
von den als Kaufpreis für das Haus gegebenen Rindern herleitet "(vgl.
Hesych. u. d. W.), dürfte wohl eher das Amtslocal der ßomvKi, d. h. der
Beamten, welche die Opferthiere für die Staatsopfer einzukaufen hat-
ten, bezeichen, — 'OSos'Tccmvd^cg Athen. IV p. 173 f.
2. Lakonien : Eurotasthai. 125
der Alhena Keleutheia, dann zu beiden Seiten der Strasse, die
durch einen freien Platz, das sogenannte Ilelienion, unter-
brochen wurde, verschiedene Heroengräber und Heiligtümer, unter
denen das der Diktynna das südlichste, liart an der späteren
Stadtmauer gelegen war: nach demselben wurde die von der
jetzigen Stadt Sparta eingenommene Anhöhe Diktynnaeon ge-
nannt. ^)
Eine andere Strasse gieng wahrscheinlich in östlicher Richt-
ung vom Markte ab bei der sogenannten Skias, einem von
Theodoros von Samos wohl bald nach Olympiade 26 erbauten,
ursprünglich für musikalische Aufführungen bestimmten, später
zu Volksversammlungen benutzten Gebäude mit schirmförmigem
Dache;-) in der Nähe desselben stand ausser einigen Heroen-
gräbern ein Rundgebäude mit Statuen des Zeus Olympios und
der Aphrodite Olympia, diesem gegenüber ein Tempel der Kora
Soleira; dann folgte das Heiligtum einer der Hauptgottheiten
Spartas, des Apollon Karneios, der durcli den Reinamen Oiketas
als der Schutzgott jedes Sparlialischen Hauses bezeichnet wurde. ^)
Den Abschluss der Strasse bildete ein viereckiger von Hallen
umgebener Platz mit Altären des Zeus, der Athene und der Dios-
kuren, die sämmtlich unter dem Beinamen 'Ambulioi', also als
Schutzgötter von Berathungen (wahrscheinlich der (ierusia), die
vor Errichtung eines besonderen Gebäudes dafür hier stattgefun-
den haben mögen, verehrt wurden; in den Hallen wurden in
alterer Zeit Quincailleriewaaren und allerhand Kleinkram verkauft.
In der Nähe dieses Marktes stand auf einem Kolona genannten
Platze ein Tempel des Dionysos Kolonatas und nicht weit davon
1) Paus. c. 12, 4 ff.; Liv. XXXIV, ;^>8. Das 'En7]viov war wohl
dei* Versaniinlungsplatzi für die Abgeordneten der zur Spartanischen
Symmachie gehörigen Staaten. Zu dem von Paus. e. l'i, 5 erwähnten
Heiligtum des Poseidon Taenarios gehörte jedenfalls das aus Inschriften
bekannte Collegium der Tuivuqioi: s. Annali dell' Jnstit, vol. XXXIII,
p. 41 88.
«) Paus. c. 12, 10; Etym. M. p. 717, ;)G. Die Heliauptung Pyls (Die
griechischen Kundbauten im Zusammenliang mit dem Götter- und He-
roen<;ultus erläutert, Greifswald 1861, S. 92 rt'.), dass die Skias ein
Tempel der Hestia gewesen sei, stützt sich auf keine irgend ausreich-
enden Gründe.
3) Paus. c. i:i, :\ f.; vgl. C. I. pr. n. 1440.
12G II. Peloponnesos.
oin Ileiligtiim des Zeus Euanemos, rechts davon auf einem Hügel
ein Tempel der Argivisclien Hera und ein Heiligtum derselben
Göttin mit dem Beinamen Hypercheiria , der von dem Schutze,
welchen sie der Stadt hei einer Ueherschvvemmung hatte ange-
deihen lassen, hergeleitet wurde. Wahrscheinlich ist Kolona die
östlich vom Burghügel bis nahe an den Eurotas sich hinziehende
Anhöhe, auf deren östlichstem Vorsprunge jetzt die Ruine eines
kreisförmigen Bauwerkes aus Backsteinen, also jedenfalls aus
römischer Zeit, steht, das wegen seines geringen Umfanges eher
fOr ein zum Temenos des Dionysos (dessen zum Bezirk Limnae
gehöriger Tempel am östlichen Fusse der Anhöhe gelegen zu
haben scheint) gehöriges Odeion als für ein Amphitheater zu hal-
ten ist; der Hügel der Hera wird in der südlich von da, unge-
fähr dem Eurotas parallel laufenden Anhöhe zu erkennen sein. ^)
Eine dritte Strasse führte vom Markte westwärts zunächst
nach dem Theater, in dessen Nähe sich Grabdenkmäler des Bra-
sidas, des Pausanias und des Leonidas befanden, dann zu einem
^Theomelida' (woM nach einem frühern Eigentümer des später
vom Staate acquirirten Grundstückes) genannten Platze, welcher
als Begräbnissstätte für die Könige aus der Familie der Agiaden
diente, während die Eurypontiden ihren Begräbnissplatz am süd-
lichen Ende der Aphetais in der Nähe des Heiligtums der Dik-
tynna hatten. ^) Dieser Platz, in dessen Nähe ausser verschiedenen
Heiligtümern dasVersainmlungshaus(die Lesche) der Krotanen, einer
Unterabtheilung der PHanatischen Phyle lag, erstreckte steh wahr-
scheinlich westlich oder nordwestlich vom Theater bis zur Gränze
der Stadt, also in der späteren Zeit bis zur Bingmmier; das in
^) Paus. c. 13, 6 iF. Das Jiovvaiov auf der Kolona erwähnt nebst
dem in der Nähe desselben gelegenen Hause der Hetäre Kottina auch
Polemon bei Athen. XHI, p. 574'': to tov zliovvoov tsgöv fv ÄLfivccig
Strab. Vni, p. 363. Plan der Ruine des röm. Rundgebäudes Expe'd. de
Moree H pl. 48, 1.
2) Paus. c. 14, 2 (für den Namen vgl. Keil Analecta epigr. p. 236)
und c. 12, 8; vgl. Hesych.: 'Ayiccdai xoTcog sv AccnsSatfiovL und C. Wachs-
muth in den Jahrb. f. Philol. Bd. 97 (1868) S. 3. Da nach Thukyd. I,
134 das Grab des Pausanias (das von dem bei Paus, erwähnten (ivrjfiu
doch wohl nicht zu trennen ist) im 7tQ0t8fi8vi6(icc der Chalkioikos ~sich
befand, so muss auch das Theater mit dem zunächst südlich davon ge-
legenen Räume zum Temenos der Chalkioikos im weiteren Sinne ge-
hört haben.
2. Lakonien: Eurotasthai. 127
der Nähe jener Lesche, aber schon ausserhalb des Stadtviertels
Pitana gelegene Issorion mit dem Tempel der Artemis Issoria
(oder, wie sie auch genannt wurde, Limnaea) muss einer der
westlich oberhalb des Hohlweges, durch welchen der Weg von
der Brücke über den Eurolas nach dem Dörfchen Magula führt,
sich erhebenden Hügel sein, i) Durch diesen Hohlweg geht offen-
bar Pausanias, dessen Führung wir bisher für die Topographie
der alten Stadt gefolgt sind, von der Begräbnissstätte der Agiaden
nach dem Dromos, einem geräumigen für die Uebungen der
Jugend im Wettlauf bestimmten Platze, auf welchem zwei Gym-
nasien lagen: ein älteres, und ein neueres, welches C. Julius Eu-
rykles (vgl. oben S. 15) der Stadt zum Geschenk gemacht hatte.
Der Platz dieser Bennbahn kann nur in der Niederung zwischen
dem Eurotas und den nördlich vom Burghügel nach diesem sich
hinziehenden Anhöhen (wahrscheinlich nördlich von dem Vor-
sprung, auf welchem die Buine des römischen Odeion steht) ge-
wesen sein, so dass dieselbe zu dem Stadtviertel Limnae gehörte.-)
Bis zum Flusse hin kann sich der Dromos nicht erstreckt haben,
da Pausanias (c. 15, 6) eine von demselben nach Osten sich hin-
ziehende Strasse, von welcher rechts ab ein Seitenweg zu einem
Tempel der Athene Axiopoinos führte, erwähnt. Südlich, wie es
scheint, vom Dromos lag ein von Platanen umgebener, daher P la-
ta nistas genannter Platz, der inselartig ringsum von einem brei-
ten Wassergraben, über welchen zwei Brücken führten, umschlossen
war: hier hielten die Spartanischen Jünglinge, in zwei Bolten
gelheilt, nachdem sie Tags vorher in dem ausserhalb der Stadt
in der Nähe von Therapne (aber wohl auf dem rechten Ufer des
Eurotas) gelegenen Phoibaeon geopfert hatten, grossartige Katz-
balgereien, wobei sie mit Händen, Füssen und Zähnen übereinander
*) Paus. c. 14, 2 f.; Plut. Agcs. 32; Polyaen. Hr 1, U; Steph. Byz.
'') Wenn Curtius (S. 2.^5) den Dromos zu Pitune rechnet, weil Mo-
nelaos, dessen Haus Pausanias (c. 14, 6) in der Nähe , aber ausserliulb
des Dromos, gegen die an dem einen Einpano; zum Platanistas aufg-o-
stellte Statue des Herakles hin erwähnt, nacli Hesych. u. TliTCivcctrjs
ein Pitanate gewesen sei und weil Hesych. ebds. von einem in Pitanc
abgelialtenen gymnischen Agon spreche, so sclieint mir der erstcre
G'nind nichts zu beweisen, der Agon aber auf das zu Pitnne gehörig^
Tlicator liezogon wordfMi zn niiissen.
128 n. Peloponnesos.
herfielen J) Längs des Grabens zog sich an einer Seite (wabr-
scbeinlicli der südlichen) eine Säulenhalle hin, hinler welcher ver-
schiedene Gräber von Männern, welche Heroencult genossen, ein
Grabdenkmal des Dichters Alkman und Heiligtümer der Helena
und des Herakles (letzteres nahe an der südlichen Stadtmauer)
lagen.
Ausser den bisher erwähnten führt uns Pausanias (c. 15,
8 ff.) noch zu einer beträchtlichen Anzahl denkwürdiger Gebäude
innerhalb der Ringmauern Spartas, deren Standort nicht näher
zu bestimmen ist. Solche sind, um nur die wichtigeren hervor-
zuheben, die 'bunte Halle' {^eöxrj itoLmkri)', das Heiligtum der
Hera Aegophagos; ein auf einem Hügel gelegener altertümlicher
Doppeltempel der Aphrodite, in dessen unterem Stockwerk ein
Holzbiid stand, welches die Göttin bewaffnet darstellte, während
in dem oberen ein ebenfalls hölzernes Bild dieselbe unter dem
Beinamen Morpho sitzend, einen Spiegel in der Hand und Fes-
seln an den Füssen zeigte; ein Heiligtum der Leukippiden;'*)
endlich im Bezirk Limnae das Heiligtum der Artemis Orthia und
in dessen Nähe ein Heiligtum der Eileithyia.
Die nördlich von der eigentlichen Stadt über den Eurotas
führende Brücke, zu welcher man an einem Heiligtume der
Athena Alea^) und weiterhin an einem HeiUgtume des Zeus Plu-
sios vorübergieng, verband Sparta im engeren Sinne mit der auf
einer steilen Anhöhe über dem linken Fiussufer gelegenen, öfter
auch mit zu Sparta gerechneten Ortschaft Tlierapne, welche
durch die Sage berühmt war als Wohnsitz der Dioskuren, der
^) Paus. c. 14, 8 SS.; vgl. Lucian. Anacb. 38; Cic. Tusc. V, 27, 77.
Dass das auch bei Paus. c. 20, 2; Herod. VI, 61 und Liv. XXXI V, 38
erwähnte Phoibaeon noch auf dem rechten Ufer des Flusses gelegen
habe, ist daraus zu folgern, dass dasselbe nach Paus. a. a. O. nicht
weit vom Heiligtum des Poseidon Gaeaochos entfernt war, das nach
Xen. Hell. VI, 5, .30 (wo der dazu gehörige Hippodrom erwähnt wird)
auf dem rechten Ufer angesetzt werden niuss. Ob der von Liv. a. a. O.
erwähnte Platz Heptagonias {tmcc ycoviai) an der Südwestseite der
Stadt zu suchen sei, wie Curtius annimmt, ist nicht wohl zu entscheiden.
2) Vgl. Plut. Q. gr. 48, nach welcher Stelle daneben eine Capelle
des Odysseus stand.
^) Paus. c. 19, 7 spricht nur von einem Xoanon der Göttin; aber
aus Xen. Hell. VI, 5, 27 ergiebt sich, dass es ein Heiligtum mit einem
geräumigen Temenos war.
2. Lakonien: Eurotasllial. 129
Helena und des Menelaos: von dem Heiligtum der beiden letzteren,
nach welcliem öfter der ganze Hügelzug Menelaion benannt
wurde, haben sich auf dem nordöstlichsten Theile der Anhöhe
noch Spuren gefunden. ^)
Die schöne Ebene südlich von Sparta, deren westlichster
Theil zunächst dem Fusse des Taygeton jetzt bis nach Xerokampi
hinab mit Oel- und Maulbeerbaumpflanzungen bedeckt ist, war
in der altachäischen Zeit von mehreren wohlbefestigten und blii-
lienden Städten eingenommen, die durch die dorischen Eroberer
gebrochen, später theils ganz verschwunden waren, theils als offene
Dörfer fortbestanden. Die bed(!utendste darunter war das nur
20 Stadien südlich von Sparta anmutig zwischen Baumpilanzungen
und Fruchtfeldern gelegene Amyklae,*) das nach der Gründung
Spartas noch etwa zwei Jahrhunderte lang als Hauptsitz der
achäisch-minyischen Bevölkerung mit einer gewissen Selbständig-
keit fortbestand, dann, als es durch den spartanischen König Ta-
ieklos und den Aegidcn Timomachos erobert und seine Mauern
geschleift worden waren, durch seinen von den Spartanern zu
einer Art Nationalheiligtum erhobenen Apollontempel, wohl auch
durch den Gewerbfleiss seiner Bewohner, eine über die Gränzen
Lakoniens hinausreichende Berühmtheit sich bewahrte.^) Seine
Stelle ist ohne Zweifel ein ^/^ Stunden südlich von Sparta, etwa
') Paus. c. 19, 9; Polyb. V, 18 fF. u. a.; vgl. Ross Archaeolog. Aufs.
II, S. Ji41 ff. Das Cultbild der Helena scheint nacligebildet auf einigen
lleliefs zwischen den Diosknren: s. Annali deir inst. XXXIII, tav.
(Pagg. D.
2) Polyb. V, 19. Der Name würde als 'die Anmutige' zu doutuii
sein, wenn auf die Glosse des Ilcsych.: (x^vv.Xig' ykvnvg, rjöug Ver-
lass wäre.
8) Paus. c. 2, 6; Schol. Pind. Isthm. VII, 18. Das bei den röm.
])ichtern sprichwörtliche ^schweigende Amyclae' (vgl. Serv. ad Verg.
Aen. X, 664; llertzberg Rhein. Mus. XIII, S. 039 f.) hat nichts mit der
lakon. Stadt zu thun, «ondern betrifft das altlatinischc Amunclae.
— Für Züchtung trefflicher Jagdhunde in Am. zeugt Simonid. fr. 29
liergk; ob aus Ovid. Rem. amor. 707 auf Wollfürbereien in Am. zu
schliesscn aei, ist wegen «hrs freieren Gebrauches geographischer Namen
lici röm. Dichtern (Amyclacus für Laconicus) unsicher; ebenso ab die
i?enonnung einer Art feiner Schuhe dfiVKlatäss {VnW. VII, 88; llesych.
M. d. \V.) oder «ftvxXat (Thcocr. X, 35 c. scliol.) V(»u der Stadt als dem
N'crfertigungsorte derselben herzuleiten sei.
UL'ftSIAN, (;K0UU. II. 9
130 II. Peloponnesos.
10 Minuten wcstlicli vom Eurotas enlfernter Hügel, auf dessen Gipfel
eine Capelle der Ilagia Kyriaki, am nordöstlichen Fusse ein kleines
Dörfchen Tschausi steht; am östlichen Rande des Gipfels sind noch
Uehcrreste einer aus mächtigen Werkstücken erhauten Ringmauer
— jedenfalls der durch Taleklos geschleiften Rurgmauern — er-
halten. ^) Aher nicht nur die Rurg von Amyklae lag auf diesem
Hügel, sondern meiner üeberzeugung nach auch das Heiligtum
des Apollon, dessen Tempelhaus mit dem etwa 45 Fuss hohen
auf dem Grabe des Hyakinthos stehenden altertümlichen Erz-
hilde und der von Rathykles aus Magnesia in P'orm eines Thron-
sessels erbauten Capelle um dasselbe wohl die etwas niedrigere nord-
westliche Fläche des Gipfels des Hügels einnahm, von welcher
das Temenos des Gottes sich wahrscheinlich am nördlichen Ab-
hänge des Hügels hinabzog, wahrend das Dorf Amyklae, dessen
Tansanias erst nach der Schilderung des Heiligtums gedenkt
(c. 19, 6), am südlichen Fusse des Hügels sich ausbreitete."^) Mit
der Stadt verband das Heiligtum die über die Räche Tiasa (vgl.
oben S. 120, Anm. 3) und Phellias (wohl den Räch von Rivlo-
tissa : vgl. Paus. c. 20, 3) hinwegführende Hyakinthische Strasse
(S. 124, Anm. 3), auf welcher alljährlich am Feste der Hyakin-
Ihien im lakonischen Monat Hekatombäeus (Julius) fast ganz
Sparta in festlichem Zuge zur Theilnahme an dem im Temenos
des Heiligtums gefeierten Agon strömte. ^) An der südlichen Fort-
setzung dieser Strasse, der Hauptverbindung des mittleren Euro-
tasthales mit dem Meere, lag die altachäische Stadt Pharis oder
Pharae, die in den ersten Zeiten nach der dorischen Erober-
ung der Sitz eines der fünf Periökenkönige (vgl. oben S. 110),
^) Vgl. besonders Vischer Erinnerungen S. 381 f. und Michaelis
Annali XXXIII, p. 48 s.
2) Gegen die Ansetzung des Amyklaeon bei dem durch die slavi-
schen Eroberer des Peloponnes aus den Trümmern alter Ortschaften der
Umgegend, besonders wohl Bryseaes, gegründeten, eine halbe Stunde süd-
östlich von h. Kyriaki gelegenen Slavochori spricht, dass Pausanias, der
doch von Sparta herkommt, erst das Heiligtum und dann erst die Kome
Amyklae erwähnt, sowie dass Polyb, V, 19 das Temenos des Apollon
ausdrücklich in dem 20 Stadien von Sparta entfernten Amyklae ansetzt.
Die neuere Literatur über den von Paus. c. 18, 9 ff. ausführlich be-
schriebenen Thron s. in Paulys Realencycl. d. cl. Altert. I, 1, S. 927
der 2. Auflage.
3) Vgl. Strab. VI, p. 278; Athen. IV, p. 139 ^
2. Lakonien; Eiirotasllial. 131
dann, nachdem die alte Bevölkerung ausgewandert, verlallen und
zu Pausanias Zeit ganz unbewohnt war. ^) Ihre Stelle ist wenig-
stens mit Wahrscheinlichkeit bestimmt durch die Entdeckung eines
unterirdischen Kuppelbaues in einem Hügel bei dem verödeten
Dörfchen Vaphio^), der ohne Zweifel ebenso wie die analogen
Bauten in Mykenae, Orchomenos und Pharsalos als ein altachäi-
sches Königsgrab zu betrachten ist und die Existenz einer alt-
achäischen Stadt in dieser Gegend ausser Zweifel stellt, die frei-
lich dem nur etwa ^/^ Stunde von hier entfernten Amyklae,
das ja auch der Sitz eines besonderen achäischen Königs war,
sehr nahe lag. Die ebenfalls zu Pausanias Zeit bis auf einen
Tempel des Dionysos verödete Ortschaft Bryseae lag offenbar
in der quellenreichen Gegend westlich von dem zum Theil wohl aus
ihren Trümmern erbauten Slavochori, in der Nähe der Dörfer
Katzaru und Sinanbei, wo sich noch Reste eines antiken Tempel-
gebäudes erhalten haben; nordwestlich davon, wahrscheinlich bei
dem von üppigem ßaumwuchs umschatteten Dorfe Hagios loannis
am Fusse des Taygeton, stand ein Heiligtum des Zeus Messapeeus,
der einzige Rest einer alten Ortschaft Messapeae; weiter nörd-
lich, etwa bei Parori oder bei Mistra, ein Oertchen Alesiae,
das der Sage nach von der Erfindung des Mahlens des Getreides
durch Myles den Sohn des Lelex, in Wahrheit wohl von den
mehrfach an dieser Seite des Taygeton vorkommenden Mühlsteinen
benannt war. ^) Oberhalb der Ebene nennt uns Pausanias (c.20,4 fl'.),
nachdem er zwei Gipfel des Taygeton, T aleton und Euoras
(vgl. oben S. 104, Änm. 3) nebst der zwischen ihnen liegenden,
an Gemsen, Wildschweinen, Hirschen und Bären reichen Strecke
Therae erwähnt hat, ein Heiligtum der Demeter Eleusinia, in
welches alljährlich an bestimmten Tagen ein Xoanon der Kora
von Helos aus geschafll wurde ; 15 Stadien von diesem Eleusinion
auf dem Taygeton das Lapithaeon, in der Nähe desselben das
') Paus. c. 2, 6; c. 20, 3; IV, 16, 8. Doch kommt dio Stadt *a-
QaC noch bei Ilierokl. Synekd. 10 vor, wo wegen der Keihenfolge der
Aufzählung nicht an das Messeniscliu Pherae (Kahimata) gedacht wer-
den kann.
2) S. Mure Rhein. Mus. 1838 S. 247 ff.; Vischer Erinnerungen S.
384 f; Michaelis Annali XXXIII, p. 49.
') PauH. c. 20, 2 f.; Steph. Byz. u. M«a<ia«£ai; vgl. Pouillon-Boblaye
Jiecherchc« g<'ogr. siir lea ruines de la Moree p. 83.
9*
132 II. Peloponnesos.
Dereion mit einem im Freien aufgestellten Bilde der Artemis De-
reatis und einer Anonos genannten Ouelle, endlich 20 Stadien
von da das bis in die Ebene berabreicliende Ilarpleia. Keine
dieser Oertlichkeiten lässt sich mit irgend welcher Sicherheit
fixiren, da wir weder für den Ausgangspunkt noch für die Richtung
dieser Wanderung des Pausanias bestimmte Anhaltspunkte haben. ^)
Am südwestlichen Ende der fruchtbaren Ebene liegt am
Ausgange einer von steil abfallenden Felswänden umschlossenen
Schlucht des Taygeton das Dorf Xerokampi, bei welchem eine
durch ihre Wölbung merkwürdige antike Brücke über den aus
jener Schlucht hervorkommenden, jetzt Rasina (wohl verstümmelt
aus Erasinos) genannten Seitenbach des Eurotas führt.-) Die
Existenz dieser Brücke macht es höchst wahrscheinlich , dass im
Altertum von diesem Winkel der Ebene aus eine Strasse über
die oben (S. 105) erwähnten Vorberge des Taygeton, welche bis
zur Losreissung Griechenlands von der Türkei von einem wilden
und räuberischen Stamme muhamedanischer Albanesen, den Bar-
dunioten, bewohnt wurden, hinweg nach Gytheion führte: die
Richtung derselben wird etwa durch die jetzigen Dörfer Potamia,
Vigla (bei welchem sich eine fast ganz aus den Resten eines
alten Tempels erbaute Kirche findet) , Levetzova (in dessen Nähe
der durch seine Porphyrbrüche bekannte Flecken Krokeae, dessen
Bewohner den Zeus Krokeatas und die Dioskuren verehrten, zu
suchen ist)^) und Lagio bezeichnet.
Die von Nord nach Süd jetzt etwa zwei Stunden (im Alter-
tum wohl nur die Hälfte), von West nach Ost über vier Stunden
breite Mündungsebene des Eurotas übertrifft an Ergiebigkeit des
Bodens für den Getreidebau und an Ueppigkeit der Wiesen noch
die Spartanische Ebene. Nur der südöstlichste Theil ist von lang-
*) Die Ansicht von Curtius (S, 251 f.), dass das Eleusinion bei
Anavryti, Harpleia bei Parori und Mistra zu suchen sei, Pausanias also
vom Eleusinion aus die Richtung- nach Norden eingeschlagen habe, hat
sehr wenig Wahrscheinlichkeit. Ueber die Spuren antiker Bewohnung
auf den Anhöhen des Taygeton oberhalb der Ebene s. Ross Wander-
ungen II, S. 203 ff.
2) Vgl. Mure Annali X. p. 140 ss. ; Mon. delP Tust. 11, tv. .57; Cur-
tius S. 265 f.; Clark Peloponnesus p. 177 ss.
•^) Vgl. oben S. 106; Paus. c. 21, 4; Ro.s.s Wanderimo-en II, 8.
238 ff.
2. Lnkonien: Parnonhalbinsel. 13o
gestreckten Lagunen eingenommen, die im frühen Altertum
entweder gar nicht oder doch in heträchtlich geringerem Um-
fange vorhanden waren, da die alte in dieser Gegend gelegene
Ortschaft Helos (nach welcher die ganze Ebene ?J 'EXoa ge-
nannt wurde) ^) im SchlfTscatalog (II. B, 584) ausdrucklich als
eine Seestadt [scpccXov 7ttoXi£d-Qov) bezeichnet wird. Die zunehm-
ende Versumpfung der Küste, in Folge welcher Helos nicht
mehr als Landungsplatz für grössere Schiffe benutzt werden konnte,
sondern durch die künstliche Hafenanlage bei Gytheion ersetzt
werden musste, veranlasste offenbar den Verfall der Stadt, die um
den Beginn unserer Zeitrechnung noch als Dorf bestand, im zwei-
ten Jahrhundert n. Chr. aber in Trümmern lag; 2) der Name (der
(U'sprünglich jede feuchte Niederung bezeichnete) hat sich noch
jetzt im Volksmunde für die ganze Ebene erhalten.
Der östliche Theil Lakoniens wird durchaus von Gebirgen,
dem Parnon und seinen südlichen Verzweigungen (s. oben S. 102 f.),
eingenommen, die besonders gegen Osten in breiten, durch Giess-
bächc vielfach zerklüfteten Hochflächen vortreten und eine zwar
mannigfach ausgezackte, aber nur wenige sichere Ankerplätze für
grössere Schiffe darbietende, selten durch eine kleine Strandebene
unterbrochene Steilküste bilden. Der nördlichste Theil dieses
Gebietes, der von den Alten mit dem allgemeinen Namen Oreia
(Bergland) bezeichnet worden zu sein scheint,'^) bildet jetzt den
District Tzakonia, der von dem kräftigen, eine eigentündich alter-
lüudiche, aber auch mit uiigriechischen Elementen versetzte Mund-
art redenden Stamme der Tzakonen bewohnt wird, die wohl als
die Hut slavischen Elementen vermischten Abkömmlinge der alten,
ja auch in manchen Beziehungen von ihren Nachbarn sich unter-
scheidenden Kvnuricr zu betrachten sind. ^)
1) Polyb. V, 19 f.
2) Vgl. Strab. VIII, p. 363; Paus. r. 22, H.
) Die« schliessc ich aus der von Paus. c. 24, I mitgetlieiiten Tra
'litiüu der Bewolmcr vom I'rasiae, dass ihre Stadt t'riilier 'Oq^iciTcd «rc;
li. 188611 habe.
'*) Vgl. Thierach Uebcr die Muudart der Tzakonen, in den Abhand-
liingeu d. Bayer. Akad. d. W., philol, hi.st. Kl. I, 8. 611 ff. (Auszug
darauH bei Leake PeloponncHiaca p. 301— .'{38). Ross (Wanderungen in
(Jr. II, .S. 19) llerloitung des Namen» Tfaxcöveg von Adyicovfg ist ety-
mologisch schwerlich zu rechtfertigen: vielleicht ist der Name; eher von
T2;rtxos (italiän. giaco) 'Panzerhemd' herzuleiten.
l'arnon-
lialbinsel
134 II. Peloponnesos.
Der Ilauptort dkses Dislricts ist das am westliclien Ende
einer fruchtbaren Strandebenc gelegene Städtchen Leonidi mit
einem kleinen, durch einen Bergvorsprung am südliehen Ende der
Ebene geschützten Hafen , oberhalb dessen auf dem Rücken des
die Ebene im Süden überragenden Berges sich die Reste einer
alten Stadt, von einem auf hellenischen Fundamenten stehenden
mittelalterlichen Castell, Ilagios Alhanasios genannt, beherrschl,
hinziehen. Wahrscheinlich gehören sie der alten Seestadt Prasiae
an, die einst Mitglied der Amphiktyonie von Kalaurea, dann von
den Spartanern unterworfen, zu Tansanias Zeit die nordöstlichste
der Eleutherolakonischen Städte und der Sitz einer eigentüm-
lichen, wohl auf einer Verschmelzung der Mythen von Dionysos
und von Perseus beruhenden Tradition über die Erziehung des
Dionysos — offenbar der Hauptgotlheit der Stadt, der zu Ehren die
Ebene unterhalb derselben 'der Garten des Dionysos' genannt wurde
— war. Auch Asklepios und Achilles, dem man alljährlich ein Fest
feierte, hatten hier Heiligtümer; auf dem Bergvorsprunge über
dem Hafen standen drei kleine Erzbilder von Schifffahrtsgöttern
(Kabiren?), denen die Athena beigesellt war. ^) Von Leonidi aus
geht ein Bergweg in nordnordwestlicher Richtung über die öst-
lichsten Theile des Parnon nach der Thyreatis, der den Wanderer
1) Paus. c. 24, 3, bei welchem die Schreibung BQuaiccC offenbar nur
der mythischen Etymologie zu Liebe gewählt ist; sonst schwankt die
Ueberlieferung nur zwischen den Formen UgccGLCtC und UgaGta, vgl.
Thukyd. II, 56; VI, 105; VII, 18; Aristoph. Pac. 242; Polyb. IV, 36;
Scyl. Per. 46; Strab. VIII, p. 368; 374; Ptol. III, 16, 10; Steph. Byz. u.
TlQocGiat. Was die Lage der Stadt anlangt, so ist dieselbe auf der
französ. Karte und bei Curtius beträchtlich weiter nördlich, auf dem
Cap Tyru, angesetzt, weil nur diese Stelle der von Pausanias auf 200
Stadien angegebenen Entfernung zwischen dem bei Kyparissi anzusetzen-
den Kyphanta (s. unten S. 137) und Prasiae entspreche. Allein Pausanias
spricht nicht von der directen Entfernung zu Lande, sondern ausdrücklich
von einem nlovq oxadLcov 8ia%oci(ov ^ einer Seefahrt, deren Länge er
offenbar nur nach der darauf verwandten Zeit (etwa fünf Stunden, da ein
Schiff von Kyparissi nach Leonidi wegen der starken Vorsprünge der
Küste einen Bogen aufs hohe Meer hinaus beschreiben muss) unter
Zugrundelegung der Berechnung einer Tagfahrt auf 500 Stadien be-
stimmt hat. Die Höhle , in welcher Ino den Dionysos genährt haben
soll, ist vielleicht dieselbe, in welche jetzt das dem heiligen Nikolaus
geweihte Kloster Zinka (westlich oberhalb Leonidi, vgl. Finlay bei
Leake Peloponn. p. 304) hineingebaut ist.
2. Lakonien: Parnonhalbinsel. 135
nach etwa drei Stunden über das hinter Leonidi aufsteigende
breite Hochplateau hinweg in eine rings von Bergen umsclilossene
Ebene führt, deren Gewässer durch eine Katabothre am Fusse
des im Norden sie begränzenden Berges ihren Abfluss haben;
westUch oberhalb der Ebene finden sich die Ruinen einer mittel-
alterlichen Stadt, Rheonta (nach denen die Ebene selbst 'die der
Palaeochora' benannt wird), die wahrscheinlich die Stelle einer
alten zur Bewachung des Bergwegs bestimmten Ortschaft (viel-
leicht des von Polyb. IV, 36 erwähnten Po lieh na) einnimmt.
Ein ähnlicher, aber noch schwierigerer Pfad führt von Leonidi
aus westlich in einer engen Schlucht, durch welche ein Giess-
bach vom Rücken des Malevo herabkommt, aufwärts und über den
Kamm des Gebirges nach dem Dorfe Tzinzina, von welchem man
nordwärts nach den im obern Oinusthale gelegenen Ortschaften
Vamvaku und Arachova gelangt; am obern (westlichen) Ende jener
Schlucht, in der Nähe des Dorfes Hagios Vasilios, findet sich eine
offenbar zum Schutz dieses Pfades bestimmte alte Befestigung,
deren Name (Lympiada) in Verbindung mit dem Namen Olympo-
choria, womit der ganze District südwärts von hier bis gegen
das Eurotasthai hin bezeichnet wird, schliessen lässt, dass dieser
Theil der Parnonkette im Altertume den Namen Olympos ge-
fübrt hat. Der alte Name des Palaeokastron von Lympiada lässt
sich nicht bestimmen, da die von neueren Geographen hier an-
gesetzte Ortschaft Glympeis oder Glyppia weit näher an Ma-
rios, d. h. beträchtlich weiter südlich (vielleicht bei dem jetzigen
Dorfe Kosmas oder bei Kremasti südlich über der Ebene von
Mari) gelegen zu haben scheint. ') Dieses nämlich, eine Stadt der
Elcutherolakonen mit einem gemeinsamen Heiligtum aller Götter
und einem Heiligtum der Artemis, lag nach Pausanias (c. 22, 8),
dem wir allein die Kunde von seiner Existenz verdanken, 1(X)
Stadien von Gerontbrae in einer besonders wasserreichen Gegend
oberhalb der Mündungsebene des Eurotas, Angaben, die in Ver-
bindung mit dem Namen uns mit Bestimmtheit nach dem in einer
anmutigen und wasserreichen Hochebene, einer wahren Oase in
') Vgl. Pau8. c. 22, 8; Polyb. IV, 36; V, 20: dass au letzterer Stelle
rXvfinsig als tisqI tovs ogovg Trjg ^Agy^Cag v.ccl AayKovi-urjg gelegen be-
Äeichnet wird, giebt für die Aiisetzung bei Lynipiadn keinen Anhalt,
fla in der Zeit, in welche das von Polybios berichtete Ereigniss fallt,
die lakonische Ostküste bis nach Zarax liinab zur Argeia gehörte.
loG H. Peloponnesos.
(It'iii riniheii licrgdistnct der 'Mückendörfer' (Kunupoclioria;, der
sieli ostwärts von den Olympochoria l)is zur Küste liinziclit, ge-
legenen Dorfe Mari weisen, das auch dem sclion oben (S. 108)
erwäluUen Haclie Mariorrlieuma den Namen gegel)en bat: die Ruinen
der Akropolis der alten Stadt finden sich westlich über der Ebene,
eine halbe Stunde südlich von Mari. Vier Stunden westlich von
diesem liegt am nordöstlichen llande eines von zwei Giessbächen
begränzten, nach dem Eurotasthaie zu alimälig absteigenden Pla-
teaus die im Mittelalter bedeutende Ortschaft Geraki, die Nach-
folgerin der altachäischen, dann von Sparta aus mit Doriern be-
setzten Stadt Geronthrae, *) die noch in der späteren römischen
Kaiserzeit als Stadt der Eleutberolakonen von Bedeutung war:
Pausanias (c. 22, 6) findet darin einen von einem Haine umge-
benen Tempel des Ares, die am Markte befindlichen Brunnen
mit Trinkwasser und einen Tempel des Apollon auf der Akropolis
der Erwähnung werth. Von demselben Schriftsteller erhalten wir
auch Notiz von zwei in der Nähe von Geronthrae gelegenen Kö-
rnen: Selinus, 20 Stadien von der Stadt (wir wissen nicht nach
welcher Richtung) 2) und Palaeakome (Altorf), südlich von Ge-
ronthrae an der Strasse nach dem südöstlich über der Mündungs-
ebene des Eurotas gelegenen Akriae.
Kehren wir von dieser Abschweifung nach der Nordostküste
Lakoniens zurück, so finden wir nordwärts von der Ebene von
Leonidi bis nach IJagios Andreas, dem südlichen Endpunkte der
Thyreatis (vgl. S 71) zahlreiche felsige Küsten vorsprünge, zwischen
denen sich sichelförmige Buchten ins Land hineinziehen. Die
beträchtlichste darunter ist die vom Gap Trikeri im Norden, dem
Gap Tyru im Süden begränzte, 2'/2 Stunden nördlich von Le(>-
nidi, an welche sich eine kleine Strandebene anschliesst, an deren
westlichem Ende ein Dorf Tyros liegt: der Name desselben wie
1) Paus. c. 2, 6; 21, 7; 22, 6; Steph. Byz. u. rsQäv^Qca; Hierocl.
Syuekd. c. 10. Die Form mit o wird durch die Inscliriften (C. I, gr. ii.
1334; Lebas Inscriptions n. 226 ss.) bestätigt; unter diesen befinden sich
vier Fragmente der griechischen Uebersetzung des Edicts des Diocle-
tian 'de pretiis rerum venaliura' vom J. 301, das jetzt am vollständig-
sten herausgegeben ist von W. H. Waddington 'Edit de Diocletien e'tJL-
blissant le maximum dans l'empire Romain', Paris 4864.
'^) Eine sehr unsichere Vermutung darüber s. bei Leake Morea
III p. 11 s.
2. Lakonicn: Parnouhalbinsel. 137
des nach ihm benannten Caps scheint antik zu sein, da auf dem
letzteren Reste einer befestigten alten Ortschaft erhalten sind und
Stephanos von Byzanz (u. TvQog) ein lakonisches Tyros erwähnt.
Eine Stunde südlich von der Ebene von Leonidi öffnet sich wie-
der eine kleine, jetzt zum Dorfe Pulitra gehörige Strandebene,
die im Osten durch eine felsige Anhöhe mit Ruinen von einer
unbekannten allen Ortschaft abgeschlossen wird; dann tritt die
Küste in einer breiten, jetzt Saphlaurus genannten Bergmasse, die
gegen Südosten im Cap TurkovigHa ausläuft, gegen Osten vor und
zieht sich dann südwärts von dem Hafen Phokianos, dessen öst-
liche Flanke dieses Vorgebirge deckt, etwa 11 Stunden lang bis
zum Vorgebirge Limenaria in einer durch manche kleinere Buch-
ten und Vorsprünge unterbrochenen Linie mit gleichmässig fel-
sigem Charakter hin. Reste alter Ortschaften findet man hier nur
an der Bucht von Kyparissi, fünf Stunden südlich von Leonidi,
wo das schon zu Pausanias ^) Zeit zerstörte Kyphanta, und dann
wieder fünf Stunden weiter südlich an dem durch zwei felsige
Vorsprünge der Küste trefflich geschützten Hafen Hieraka, wo
Zarax lag, eine alte Seestadt, später Mitglied des Bundes
der Eleutherolakonen, die sich von der Zerstörung, welche sie
durch den mit Pyrrhos verbündeten Kleonymos, den Sohn des
Königs Klcomenes H von Sparta, erlitten (272 v. Chr.), nie wieder
hatte erholen können.'^) Der Name, welcheu die Alten von einem
von Apollon, dem Hauptgottc der Stadt, in der Musik unterrich-
teten Heros Zarex herleiteten, kam ursprünglich wohl dem jetzt
Kolokera genannten Cebirgc zu, das sich westlich und südlich
von der Stadt hinzieht und in den beiden mächtigen Caps Hie-
raka und Limenaria endet.
Südlich von dem letztgenamiten Vorgebirge, dem ein ähnlicher
felsiger Kiistenvorsprung an der Westküste der Halbinsel (die
jetzige Halbinsel Xyli) entspricht, vermindert sich die Breite der-
•; Paus. c. 24, 2, wo für e^ nov GzciÖLU mit t'ouillüii-Hobhiyc (Kc-
chcichos p. 102) syiatov axadia (die» leichter, als was Curtiiis II S.
;i.'U vorzieht ^' ?') zu le><oii ist. V;^l. IN.ly}.. TV, '^(\■. V\n\vw. Ut, l'V K»-
FMin. N. ]i. IV, 6, 17.
'-') Paus. C. 24, 1 (vgl. I, l;}, \ s. iiiul ;IH, Xy, ViAyh IN, ;J0; Mopii.
1. />. II. ZttQr}^; Ptol. III, 16, 10; 14. Ucber <lic selir altcrtündichcii, au
ilii; von Tiryiis (.riimenMlcn Iviiinoii 8. Pouinon-noblayc Kcchorche.s
1». 101; rian (nach der «;ngl. .Scokarte) hei Cnrtins II, TU. Xlll.
138 II. Peloponiiesos.
selben beträchtlich und es entsteht so an der Ostküste eine weite
gegen Südosten geölTnete Bucht, an deren Westseite im Altertum
Epidauros Limera lag, eine Pflanzstadt der argivischen Epi-
daurier, welche auf einer Fahrt nach Kos hier landeten und
durch Träume und andere Zeichen bewogen, dem Culte des
Asklepios sowie ihrem Seehandel eine neue Stätte bereiteten. ^)
Von der Stadt selbst, die 100 Stadien von Zarax entfernt war,
sind noch ziemlich ausgedehnte Mauerreste auf und um einen
Hügel in geringer Entfernung vom Meere erhalten, innerhalb
deren man auch noch die Plätze der beiden Ilaupttempel der
Unterstadt (des Asklepios und der Aphrodite) sowie des Tempels
der Athene auf der Burg erkennt. Einige Minuten nordöstlich von
der Stadt findet man einen kleinen aber sehr tiefen Teich mit
frischem Wasser, der im Altertum der Ino geweiht war, noch
etwas weiter östlich mehrere Felsgrotten, die wahrscheinlich auch
zu sacralen Zwecken benutzt worden sind. Südlich von dem dem
Zeus Soter geweihten Hafen liegt, eine Stunde von Epidauros, un-
mittelbar vor der Küste eine kleine Felsinsel, deren steiler nur
durch einen in den Felsen gehauenen Zickzackpfad zugänglicher
Kamm im Altertum ein Castell trug, das, wie der Name Minoa
vermuten lässt, ursprünglich wohl von karischen oder phönikischen
Piraten begründet, dann nach der Gründung von Epidauros von
diesem besetzt und zum Küstenschutz benutzt wurde: wahrschein-
lich war schon damals wie wiederum seit dem Mittelalter, wo
hier ein Hauptstapelplatz des Levantinischen Handels und eine
der stärksten Küslenfestungen Moreas unter dem Namen Monem-
vasia (im Abendlande Malvasia) angelegt wurde, die Insel durch
eine steinerne Brücke oder einen Damm mit dem Festlande ver-
bunden, so dass sie vom Meere aus ganz wie eine Halbinsel er-
schien.^)
^) Paus. c. 23, 6 ff. Der Beiname AiiirjQcc wird von Apollod. bei
Strab. VIII, p. 368 (vgl. Meineke ad Steph. Byz. p. 273, 9) als Xi(is-
vrjQCc 'die hafenreiche' erklärt; doch scheint aus sprachlichen Gründen
die Deutung 'die hungrige' (Schol. Thucyd. VII, 26; vgl. Lobeck Pathol.
p. 279) vorzuziehen, so dass es eigentlich ein Spitzname ist, den die
Stadt wegen der geringen Fruchtbarkeit ihres Gebiets erhalten hat.
2) So erklärt sich am leichtesten die Bezeichnung von Minoa als
a^ga bei Paus. c. 23, 11 (vgl. Schol. zu Ptol. IIF, 16, 10). Das (pQOv-
QLOV erwähnt Strab. VIII, p. 368. lieber Monemvasia vgl. die Nach-
weisungen bei Curtius II, S. 328 f. Der Malvasierwein, der im Mit-
2. Lakoiiicn: Parnonhalbinsel. 139
An das Gebiet von Epidauros gränzte im Süden das von
Boiae oder Boia, einer durch Zusammensiedelung von drei
älteren Ortschaften (Etis, Aphrodisias und Side) gegründeten
Stadt an der Nordostseite der weiten, zwischen ^en beiden süd-
lichsten Verästungen der Parnonhalbinsel (vgl. S. 103) sich öff-
nenden Bucht, welche nach ihr der BoLCcrcTcog ^oXjcog genannt
wurde (jetzt Bucht von Vatika). An der Agora der Stadt, von
welcher nur ziemlich unscheinbare Beste südwestlich vom Dorfe
Pharaklo sich erhalten haben, stand ein Tempel des ApoUon;
ausser diesem wurde Artemis Soteira in einem alten Myrtenbaum,
an welchen sich die Legende von der Gründung der Stadt durch
den Herakliden Boios knüpfte, ferner Asklepios und in der römi-
schen Zeit auch Sarapis und Isis verehrt. Zahlreiche ausgeschmol-
zene Eisenschlacken und Bruchstücke von Eisenerz, welche man
in der Nähe findet, lassen vermuten, dass hier ein Hauptsitz der
lakonischen Eisenindustrie war. ^) Zum Gebiete der Sladt gehörte
an der Ostküste der Halbinsel das Vorgebirge Delion oder Epi-
delion (jetzt Kamilo) mit einem Heiligtum des Apollon, ferner
die Südostspitze der Halbinsel, das berüchtigte Cap Malea oder
Maleae, auf welchem Apollon (unter dem Beinamen Lithesios)
und Fan und wahrscheinlich auch Zeus verehrt wurden — jetzt
haust dort ein Einsiedler, der von vorüberfahrendon Barken einen
Tribut an Brot und Taback heischt — und ein westlich davon
gelegenes Heiligtum der Nymphen [Nv^cpaiov) , bei welchem
eine volkreiche Ortschaft und ein Hafen bestand,^) endlich jeden-
telalter einen so berühmten Namen hatte, ist weder auf der Insel
selbst noch auf der benachbarten Küste gebaut worden, sondern kam
von den Kykladen, besonders von Tenos, und wurde nur nach dem Orte,
von welchem aus er nach dem Abendlande versandt wurde, benannt.
') Paus. c. 22, 11 f.; Strab. VIII, p. 364; Scyl. Peripl. 46; Polyb.
V, 19; Ptolem. III, 16, 9; Plin. N. h. IV, 5, 17: vgl. Ross Wanderungen
II, S. 246; über die Ei.senglanzlager an der Westseite der Halbinsel,
ungefähr zwei StuiKirn nördlich von Onugnathos, beim (aj) Kulendiani
PMedler Rei.se I, S. i i '. t. , iil)er die Gründungslegeiidc der ^)tadt Bot-
ticher Der BauirK nitn. (h^r Hellenen S. 241 ff.
*) Paus. c. 2:i, 2 t. ; Htrab. VIII, p. .368. lieber die Namonsformen
MaUa, Mdisici, MdXtiov und MaXiai vgl. die Nachweisungen in Pape-
Benselers Wörterbuch der griech. Eigennamen u. d. W.; über den Cult
des Apollen Lithesios 8teph. Byz. u. Aid-rjaiog und Paus. III, 12, 8;
iil)er Pan Meineke ad Hteph. p. 42, 15. Pen Zeus MccXntaiog orwUhnt
Steph. u. Malta.
140 II. Pcloponnesos.
f;ULs auch die den Meerbusen im AA^esten unischliessende felsi{;e
Halbinsel, die von den Alten nach ihrer Form, besonders nach
der Einbuchtung der. Südküste zwischen den Caps Xyli und Santa
Maria, Onugnathos (Eselskinnbacken) genannt, heut zu Tage,
da sie durch Ueberflutung des flachen und schmalen Isthmos,
der sie mit der grösseren Halbinsel verknüpft, zur wirklichen
Insel geworden ist, Elaphonisi (Hirschinsel) heisst. Dieselbe hat,
obgleich sie in dem sogenannten Porto Franco, an der Westseite
des Cap Xyli, einen ziemlich guten Hafen besitzt, doch jetzt keine
regelmassigen Bewohner, sondern wird nur während der Sonmier-
monate von einigen in Kalyvien (Sommerdörfern) hausenden Hir-
ten und Ackerbauern besucht, hat auch keine Spuren einer an-
tiken Ansiedelung aufzuweisen; doch miiss eine solche, wenn auch
keine eigentliche Sladt, in älteren Zeiten bestanden haben, da
noch Pausanias einen angeblich von Agamemnon gegründeten,
verfallenen Tempel der Athene und das Grab des Kinados, eines
Steuermanns des Menelaos, hier vorfand. ^)
Die 40 Stadien breite Strada di Cervi trennt, wie oben (S.
103) bemerkt, Onugnathos von dem Cap Platanistüs (jetzt Cap
Spathi), der nördlichsten Spitze der von Nord nach Süd vier Mei-
len langen, an der breitesten Stelle etwas über zwei Meilen breiten
felsigen Insel Kythera (jetzt Cerigo), die weniger um ihrer
eigenen Erzeugnisse willen — sie lieferte, wie noch jetzt, haupt-
sächlich Wein und Honig — als wegen der Producte des sie be-
s[)ülenden 3Ieeres, besonders der Purpurschnecken, 2) von Phöni-
kischen Kaufleuten besetzt wurde , deren Göttin — die Astarte oder
Astoret von Askalon — von hier aus als Aphrodite Urania oder
Kythereia ihren Triumphzug durch Hellas hielt. Als Argos seine
Herrschaft über die ganze Ostküste der Parnonhalbinsel bis zum
Cap Malea hinab ausbreitete, unterwarf es sich auch Kythera,
das ihm aber durch die Spartaner wieder entrissen wurde, für
welche es sowohl als Station für den Seeverkehr mit Aegypten
und Libyen wie als Vorposten zum Schutze ihres Gebiets gegen
0 Paus. c. 22, 10; Strab. VIII, p. 363; Ptol. III, 16, 9.
2) Daher auch UoqcpvQOVGci genannt: Steph. Byz. u. Kvd-rjgcc, wo
auch ein eponymcr Heros Kytheros, Sohn des Phoinix, genannt wirU.
Ueber die Formen des Namens (gew. ra Kvd'qQCi, auch Küd-sgr] und
Kvd'rjQicc) s, Pape-Benselers Wörterbuch der griech. Eigennamen u. d. W. ;
über den Aphroditecult Herod. I, 105; Paus. I, 14, 7.
2. Lakofiien: Parnonhalbinsel. 141
die Angriffe von Seeräubern von grosser Wiclitigkeit war: sie
Hessen die Insel, deren Bewohner in die Stellung lakonischer
Periöken eintraten, durch einen besonderen, jährlich wechselnden
Beamten [Kv^rjQodcxrjg), dem ein Iloplitencorps als Besatzung bei-
gegeben war, verwalten. Die Athener richteten mehrfach ihre
Angriffe gegen dieses Aussenwerk Spartas: im Jahre 455 ero-
berte Tolmides, nachdem er das Arsenal von Gytheion in Brand
gesteckt, die Insel nebst der Stadt Boia; im Jahre 424 unter-
warf Nikias, unterstützt durch eine den Spartanern feindliche
Partei unter den Bewohnern, sie wieder den Athenern, die sie
zwar im Frieden des Nikias den Spartanern zurückzugeben ver-
sprachen, dieses Versprechen aber offenbar nicht erfüllten, da
bei der Sikelischen Expedition ein Kytherisches Hülfscorps unter
den athenischen Bundesgenossen erscheint; im Jahre 393 endlich
wurde sie wieder durch Konon erobert und unter die Aufsicht
eines athenischen Statthalters gestellt; doch war auch diese Be-
sitznahme jedenfalls nur von kurzer Dauer, lieber ihre späteren
Schicksale wissen wir nur, dass sie um den Beginn unserer Zeit-
rechnung Privateigentum des C. Julius Eurykles war. ^) Nach
dem Falle von Byzanz kam sie in die Hände der Venezianer und
theilte dann das Schicksal der sogenannten sieben ionischen In-
seln, mit welchen sie im Jahre 1863 dem Königreich Hellas ein-
verleibt wurde.
Der an der Südküste in der Nähe des Cap Trachili gelegene
jetzige Ilauptort der Insel, das ungefähr 1500 Einwohner zählende
Städtchen Kapsaü, bietet keine Spuren einer antiken Niederlassung
dar; wohl aber finden sich solche ziemlich in der Mitte der Ost-
l<üstc bei der durch das Vortreten der Küste gegen Osten gebil-
deten Bucht Avlemona (wahrscheinlich dem Phoiniküs der Alten),
wo auf einer Anhohe, nördlich oberhalb des jetzigen Ilafenstädt-
chens Hagios Nikolaos, Beste der Mauern einer befestigten Sladt
erhalten sind, ohne Zweifel von i\vv mit der Insel gleichnamigen
Stadt K ythera, deren llafenplatz, Skandeia genannt ((un Name,
der wohl wie die jetzt in (iriechenland häufige Benennung Skala
überhaupt einen Platz /um Aussteigen, Landungsplatz bezeichnet).
82 v^^'- V'll, '«i^iüy ; i)io Chrys«»«!. »n. .W», JO; I'aiis, I.
27, 5; Thucyd. IV, 53; 57; V, 18: VII. 67; Xeii. Holl. IV. S, 7; Stnib.
VI 11, p. :•.(;:;.
142 II. Peloponnesos.
(iine halbe Stunde weiter südlich in der Strandehene lag. ^) Auf
einer anderen Anhöhe weiter westlich, nalie der Mitte der Insel,
ist noch der Unterbau und einige Siuilenreste von dem Tempel
der Aplirodite Urania erhalten.
An der Westküste der Parnonhalbinsel finden sich, abgesehen
von alten Steinbrüchen und Grotten in dem zunächst nördlich
von Onugnathos sich hinziehenden Alikigebirge (ein Name, der
ebenso wie der des zwei Stunden nördlich vom nördlichen Ende
dieses Bergzuges gelegenen Dorfes Alika auf einen alten Namen
'^liTiri für diese ganze Gegend schliessen lässt), keine Spuren
einer alten Ansiedelung bis zu der sichelförmigen, durch das Gap
Archangelo im Südosten und durch die von Nord nach Süd eine
Stunde lange felsige Halbinsel Xyli im Nordwesten abgeschlossenen
Bai von Xyli. Hier sind etwas über eine halbe Stunde nördlich vom
Gap Archangelo, wenige Minuten südlich von der Mündung des
von Nordosten her kommenden 'Rabenbaches' (Korakia-potami)
Reste einer alten Tempelanlage erhalten, die ohne Zweifel dem
Ileiligtume des Asklepios angehören, dessen Platz Pausanias (c. 22,
10) mit dem unklaren Namen Hyperteleaton bezeichnet. Die
Halbinsel Xyli trug wahrscheinlich den im Altertum für ähnliche
Vorgebirge nicht seltenen Namen Kyparissia oder Kyparissos
und diente mit einem Heiligtum der Athene Kyparissia als Akro-
polis einer noch in den Zeiten der achäischen Herrschaft ange-
legten Stadt, die nach ihrer Lage in der Nähe des Vorgebirges
Mie Stadt der Parakyparissischen Achäer' hiess. Diese Stadt
scheint frühzeitig in Verfall gerathen und durch eine neu auf-
1) Paus. c. 23, 1. Bei Thucyd, IV, 54, wo man seit Sehneider (Add.
ad Xenoph. bist. gr. p. 106) drei Ortschaften unterscheidet (^ inl Q'a-
XccGGT] Ttolig Zv.ävdsia ytaXov^svrj, ri sitl ^uXccGGr) noXtq xoiv Kv&j]-
QLCov und v ävoa noXig), ist jedenfalls zu schreiben: excoQOvv iitl x^v
TtöXiv x(ov Kvd'TjQLCov (mit Streichung der durch das Versehen eines
Abschreibers aus dem Vorhergehenden wiederholten Worte stcI ^^uXucarj)
und darunter dieselbe Oertlichkeit, die dann als ^ avco noXig bezeichnet
wird, zu verstehen: Nikias lässt durch ein Detachement seiner Flotte
den wahrscheinlich offenen Hafenplatz Skandeia wegnehmen, mit der
Hauptmacht landet er nördlich von Kythera, um die Stadt von dieser
Seite, wo die Befestigungswerke wahrscheinlich weniger stark waren als
an der Seite gegen den Hafen, anzugreifen. Der Name ÜKccrdsia (vgl.
Gv-ccvöccXop oder G-acKvöaXrj&QOV , Stellholz) hängt jedenfalls mit lat.
Scan der e zusammen. ^OLviv.ovg Xen. Hell. IV, 8, 7.
2. Lakonien: Taygetonhalbinsel. 143
blühende ersetzt worden zu sein, welche sich zu beiden Seiten
der Ausmündung eines von Norden her kommenden nicht unbe-
deutenden Baches nalie dem nordösthchen Fusse der Halbinsel
erhob und mit dem ursprünglich jedenfalls dem Bache angehö-
rigen Namen Asopos benannt wurde: ausgedehnte Ruinen, be-
sonders von den Hafendämmen, zeugen noch jetzt von ihrer Be-
deutung. Endlich wurde um den Beginn des Mittelalters auch
Asopos, wahrscheinlich in Folge der Versumpfung der Ebene, an
deren Ausgang es lag, verlassen und eine neue Ansiedelung auf
der Stelle der alten achäischen Stadt, am nördlichen Fusse des
Vorgebirges, begründet, von welcher ebenfalls noch Ruinen —
darunter die einer stattlichen christlichen Kirche — erhalten
sindJ) Die eben erwähnte, jetzt grösstentheils unbebaute und
theilweise versumpfte Ebene, welche sich in einer Länge von
472 Stunden nordostwärts vom Vorgebirge Xyli bis zum westlichen
Fusse des Kolokeragebirges (vgl. S. 137) hinzieht, trug im Alter-
tum nach der weisslichen Farbe des Bodens den Namen Leuke
oder Leukae: eine Ortschaft gleichen Namens lag in ihrem nörd-
lichsten Theile (wahrscheinlich östlich von dem Dorfe Mylaos, wo
Ruinen auf der französischen Karte verzeichnet sind); westlich
oberhalb derselben auf dem Rücken des Kurkulaberges, welcher
den nördlicheren Theil dieser Ebene von der von Helos scheidet,
befand sich eine der Artemis geweihte Oertlichkeit Pleiae; am
westlichen Fusse jenes Berges endlich, l'/.^ Stunden südlich von
Helos (beim jetzigen Hafen Kokkinio) lag die noch zu Tansanias
Zeit ansehnliche Hafenstadt Akriae.^)
Die schon früher (S. 132 f.) geschilderte Mündungsebene des Taygreiou
Eurotas wird im Westen durch die felsigen Höhenzüge, welche
1) Paus. c. 22, 9; Strab. p. 363: vgl. Koss Wanderungen H, S.
247 flf., dessen Ansicht über die Lage von As. und Parak. ich {gegen
Curtius Pelop. II, S. 290 f.) gefolgt bin. Eine Inschrift aus der im
Text erwähnten Kirchenruino s. C. I. gr. n. 88G4. Ganz unsicher bleibt
<lio Lage der von Ptol. III, 16, 9 zwischen Akreia und Asopos ange-
setzen Ortschaft BiavÖLVcc oder ßidvövva , für die auch «aus der In-
schrift C. I. gr. n. 1336 nichts zu gewinnen ist.
2} ötrab. p. :i63; Polyb. IV, 36; V, 19; Liv. XXXV, 27; C. I. gr. n.
1444, Z. 11 f.; Paus. c. 22, 4. lieber die wechselnden Namensfornion
'Av.qial, 'AHQtUL, "jlriffSia und *AxQairci oder ^JnQata vgl. (hntius P«I. H,
S. 327.
144 n. Peloponnesos.
das Taygctou in seiner grössten Breite gegen Oslen vorschiebt,
um sich dann gegen Süden mehr und mehr zur Ilalhinselform
zusammenzuziehen, hegränzt. Die KüstenUnie bildet zunächst süd-
westHch von der Ebene eine weite Bucht, die im Nordosten durch
einen felsigen Vorsprung, vor weichem drei liieine Felsinseln lie-
gen, abgeschlossen wird: derseljje trug im Altertum ein Casteli
Trinasos,^) das nach dem Untergänge der Selbständigkeit La-
koniens verfiel, während der durch die drei Inselchen geschützte
kleine Hafen mit einem Dorfe Tiinisa bis in die neuere Zeit als
gewöhnlicher Landungsplatz für die Ortschaften im Eurotasthaie
diente. Ein ziemlich beschwerlicher Weg von 1\\, Stunden führt
von hier an der felsigen Küste hin nach einer kleinen Strandebene,
die im Norden und Westen von kleineren Hügeln, im Süden
von einem bedeutenderen, die Bucht gegen Süden abschliessen-
den Bergzug (dem Larysion der Alten) umgeben ist: über die
Ebene wie an den Abhängen der Hügel sind die Ruinen von Gy-
theion zerstreut, einer Gründung phönikischer Purpurfischer, die
noch in der achäischen Zeit ohne Bedeutung, später, als die Spar-
(aner anfingen eine Flotte zu bauen, als Haupt- und Kriegshafen
des Landes die grösste Wichtigkeit erhielt und trotz mehrfacher
Zerstörungen ihrer Seearsenale und Befestigungswerke noch in
den Zeilen der Römischen Herrschaft als Hauptstapelplatz des
Lakonischen Handels unter den Eleutheroiakonischen Städten eine
hervorragende Rolle spielte. ^) Dieser Zeit der Nachblüte der
Stadt gehören auch zum grössten Theile die jetzt mit dem Namen
Palaeopolis bezeichneten Ruinen an, unter denen das an den Ab-
hang des die Ebene im Westen begränzenden Hügels (dessen
Höhe die Akropolis der Stadt trug) angelehnte, mit Marmorsitzen
geschmückte Theater, ein an der Rückseite des nördlichen Flügels
') Paus. c. 22, 3; Ptol. III, 16, 9.
2) Vgl. G. Weber De Gytheo et Lacedaemoniorum rebus navalibus,
Heidelberg 1883; dazu die Nachweisungen bei Curtius Pel. II, S. 323
und in Pape-Benselers Wörterbuch d, gi\ Eigenamon u. Fv^siov; ferner
II. Sauppe ^Eine Inschrift aus Gjtheion' in den Nachrichten Aon der
Götting. Ges. d. Wiss. 1865, N. 17, S. 461 ff. und über den von Paus. c. 21,
9 erwähnten Meergott, den die Gytheaten unter dem Namen ysQtov ver-
ehrten, Gaedechens ^(xlaukos der Meergott' S. 190 f. Plan der Ruinen
bei Lebas Voyage arche'ologiqnc, Itinernire, pl. 26, darnach bei Cur-
tius Pel. 11, Tfl. Xn.
2. Lnkonien: Taygetonlialbinsel. 145
desselben stehendes kreisförmiges Gebäude mit gewölbter Decke
(entweder ein kleines Odeion oder das Versammlungs- und Speise-
local für die Beamten der Stadt) und mehrere geräumige Bade-
anlagen hart am Meeresufer hervorzuheben sind. Etwa 10 Mi-
nuten südlich von der Stadt zeigte man noch zur Zeit des Pau-
sanias einen rohen Stein, auf welchem Orestes Ruhe von seiner
Raserei gefunden haben sollte: die Bezeichnung desselben als
^Zeus Kappotas' lässt uns in demselben ein Cultsymbol einer die
Stürme beruhigenden Gottheit vermuten. Der östliche Abhang
des dem Dionysos geweihten Larysionberges, auf dessen Höhe
jedes Frühjahr eine geheimnissvolle Feier zu Ehren dieses Gottes
begangen wurde, führte den Namen Migonion: hier stand ein
Tempel der Aphrodite Migonitis, jedenfalls eine uralte Gründung
der hier angesiedelten Phöniker, dessen Stiftung die Sage dem
Paris zuschrieb, der auf der unmittelbar vor der Küste gelegenen
kleinen Felsinsel Kranae (jetzt Marathonisi, d. i. FencheHnsel ge-
nannt, welchen Namen auch ein seit dem Anfang dieses Jahrhunderts
auf der Küste, der Insel gerade gegenüber, begründetes Städtchen
trägt) sein Beilager mit der Helena gefeiert haben sollte.^)
Gegen V/^ Stunden landeinwärts von Gytheion (bei Limni)
lag Aegiae, wahrscheinlich eine Gründung der von den Phöni-
kischen Ansiedlern hier von der Küste zurückgedrängten Minyer,
mit einem Tempel des Poseidon, zu dessen Bezirk ein dem Gotte
geweihter Teich gehörte, nach der, freilich ziemlich vagen, Be-
hauptung der Bewohner des Ortes das im SchiffsCatalog (II. ß,
583) erwähnte Augeiae.^)
Südlich von Marathonisi beginnt die Landschaft Mani, deren
raidien und wilden Charakter wir schon oben (S. 105) kurz ge-
schildert haben. Die Ostküsle derselben ist in ihrem nördlicheren
Tlieile noch in mehrere Buchten gegliedert; von dem Rückeo des
(iebirges, das hier noch an mehreren Stellen mit Eichenwaldung
l)eslanden ist, herab strömen diesen eine Anzahl Bäche zu, in
deren wenn auch schmalen Thälcrn noch einige Plätze für kleine
') Paus. c. 22, l f.; Stopli. JJyz. u. Kgavari. Die von einigen Goltz-
schen Miinjcen uiisgcliendo Ahlumdlnng L. IJegers 'Cranae insula Luco-
nlvA cuilem et ITelcnH «licta et Minyaruni postoris linbitatu' ((Jolon.
nnindenb. lf)90) enthält. nielilH UrauelibareH.
') Paus. c. 21, 5; Stral». p. .'JOI ; lihiir die Kuinen Uoss Wanderungen
II. S. 229 f.
nURSIAN, OKOÜK. II. 10
14G H. Peloponnesos.
Stätlteanlagen sicli finden; aber sfidlicli vom Cap Slavri bildet die
etwas nacli Westen zurücktretende Küste eine fast ununterbrocbene
Felsmauer, die erst im südlichsten Theile der Halbinsel durch
einige schöne Buchten durchbrochen wird. Im Innern des Landes
erheben sich überall schrolTe Bergzacken, mit steinigen Hoch-
ebenen abwechselnd; nirgends findet man eine grössere Strecke
anbaufähigen Bodens, nur hie und da kleine Terrassen, auf denen
man mühsam die Erde zusammengetragen hat, um etwas Hafer oder
Gerste zu gewinnen. Baumwuchs fehlt hier fast gänzlich: nur selten
entdeckt das Auge einen vereinzelten Oelbaum oder Feigenbaum; die
Felsen sind entweder ganz kahl oder mit ganz niedrigen Sträuchern
(besonders wildem Salbei) bewachsen, mit denen die Bewohner
ihr Feuer beim Kochen zu unterhalten genöthigt sind; Brod wird
in Form grosser Brezeln ein- bis zweimal im Jahre auf Vorrath
mit Hülfe der Planken eines zerfallenen Kahns oder des knor-
rigen Stammes eines abgestorbenen Oelbaumes gebacken. Dass
trotz dieses wenig einladenden Charakters diese Landschaft im
Altertum wie noch heut zu Tage eine verhältnissmässig zahlreiche
Bevölkerung besass, zeigen die Beste alter Ansiedelungen, die an
vielen Stellen bald in der Nähe der Küste, bald im Binnenlande
sich vorfinden. Die nördUchste derselben lag etwas über eine
Stunde südwestlich von Gytheion, ziemlich eihe Stunde oberhalb
der Mündung des auf dem östlichen Theile des Taygeton bei
Arna in der Landschaft Bardunia entspringenden Arniotiko-Flusses,
in dessen engem oberen Thale sich bedeutende Ueberreste einer
alten Wasserleitung finden, die jedenfalls sein Wasser nach Gy-
theion führte : ^) die Ortschaft, von der einige unbedeutende Beste
in der Nähe einer Petrovuni genannten Felshöhe erhalten sind,
scheint das alte Asine gewesen zu sein, das früher eine stark
befestigte Stadt, zu Pausanias Zeit aber wohl fast ganz ver-
schwunden war. 2) Ein niedriger Bergzug, das Knakadion der
1) S. Ross Wanderungen II, S. 216 und S. 221 f., der dem Flusse
den antiken Namen 2^a^vog beilegt: dass dies irrig sei, zeigt die An-
gabe des Paus. c. 24, 9, wornach dieser Fluss nur fünf Stadien von
Las entfernt war.
2) Thucyd. IV, 53; Xenoph. Hellen. VII, 1, 25; Polyb. V, 19; Strab.
p. 363; Steph. Byz. u. "AcLv-rj. Die von Ourtius (Fei. II, S. 274) als.
'nicht zweifelhaft' bezeichnete Identität von Asine und Las scheint
mir doch sehr zweifelhaft, da sie auf keiner antiken Autorität beruht
2. Lakonien: Tavffelonlialbinsel. 147
Alten, an welchem ein Heiligtum des Apollon Karneios (Karneion)
lag, trennt das Thal des Arniotiko von dem des unhedeutenderen
Flusses Turkovrysis, des alten Smenos, das im Westen und Sü-
den von zwei anderen Bergen (von den Alten Asia und Ilion
genannt, letzterer mit einem Tempel des Dionysos am Ahhange
und einem des Asklepios auf dem Gipfel) umschlossen wird. Auf
dem Vorsprnnge des Asiaberges, der jetzt die auf antiken Funda-
menten ruhenden Ruinen der mittelalterlichen Burg Passava tragt,
stand die alte Burgstadt Las mit einem angeblich von den Dios-
kuren (deren Beinamen Lapersae auf eine Eroberung dieser
Stadt bei ihrer Rückkehr vom Argonautonzuge zurückgeführt wird)
gegründeten Tempel der Athene Asia, einst wegen des guten Ha-
fens, welchen die durch zwei Vorsprünge der Küste geschützte
Bucht Valhy darbietet, der wichtigste Seeplatz Lakoniens, dann
als es durch die steigende Blüte Gytheions diese seine Stellung
verlor, verfallen, bis die Einwohner eine neue ofTene Ortschaft
in der Ebene, eine halbe Stunde vom Meere, eine Viertelstunde
vom Smenosflusse entfernt, gründeten, die als Mitglied des Bundes
der Eleutherolakonen wieder eine gewisse Bedeutung erhielt J)
Landeinwärts erstreckte sich ihr Gebiet gegen ly., Stunden weit
bis zu dem kleinen Orte Hypsoi (oder Hypsa), der auf der
Gränze desselben gegen das Gebiet von Sparta lag; gegen Süden
gehörte dazu wahrscheinlich noch die jenseits des Berges Ilion,
auf dessen östlichstem die Bucht Vathy im Süden abschli(!ssendeu
Vorsprunge ein Tempel der Artemis Diktynna stand, gelegene
kleine Ebene, in welcher hart am Meere sich einige salzige
Quellen und Reste römischer Badeanlagen finden; in derselben
scheint der kleine Ort Arainon (oder Arainos), in welchem
man das Grab des Las zeigte, gestanden zu haben, ^j Weiler
südlich öffnet sich eine weite, durch zwei mächtige Felsvorsprünge
und beide Städte bei Strabon und Steph. Byz. gesondert aufgeführt wer-
den: Pausanias, der von der Existenz von Asine keine Kunde mehr
gehabt zu haben seheint, übertrug ein auf diese Stadt bezügliclies Er-
»igniss auf die Nachbarstadt Las (c. 24, 6, vgl. Polyl). a. a. O.). Uebor
<lie Reste bei l*etrovuni s. Leake Morea I, p. 259 s.
') Der Name lautet bald Ada oder Aä, bald A&g. Vgl. 11. ß, 585 c.
schol.; Thucyd. VIII, 91 s.; Scyl. Peripl. 40; Strab. p. MA; Paus. c.
21, 7 und c. 24, C f.; Ptol. IH, 16, 9; Steph. Dys. n.Aä; Liv. XXXVIII, 30.
») Paus. c. 24, 8 flf.
10*
148 II. Pcloponnesos.
der Küste — Cap Pagania im Nordosten, Cap Stavri im Süden — ge-
deckte Bucht, die jetzt nach einem an ihrer Nordvvestseite gelegenen
Dorfe die Bucht von Skutari genannt wird; in dieselhe mündet
ein aus mehreren Armen gebildeter Bach, dessen antiker Name
Skyras von der Tradition auf eine Landung des Pyrrhos, Sohnes
des Achilles, von der Insel Skyros her zurückgeführt wird.
Die felsigen Gestade der Bucht bieten nirgends Raum für eine
städtische Ansiedelung; die Stadt, zu deren Gebiete sie gehörte,
Pyrrhichos, lag vielmehr zwei Stunden landeinwärts auf dem
kahlen Bergrücken in der Nähe des jetzigen Dorfes Kavalos. ^)
An ihr Gebiet gränzte im Süden das einer anderen eleutherola-
konischen Stadt, Teuthrone, die an der Nordseite der westlich
vom Cap Stavri sich ößnenden Bucht von Kolokyntha bei dem
jetzigen Dorfe. Kotronäs lag und sich, wie die erhaltenen Mauer-
reste zeigen, auch auf eine von der Küste vorspringende, jetzt
Skopä (Warte) genannte kleine Halbinsel erstreckte. 2)
Von der Bucht von Kolokyntha an zieht sich die etwas gegen
Westen zurücktretende Küste in ziemlich gerader Linie südwärts
und schiebt sich erst in der Gegend des grossen Dorfes Lagia
wieder mit einer breiten Felsmasse etwas gegen Osten vor, bis sie
durch eine tiefe Einbuchtung unterbrochen wird, die jetzt nach
der Menge der im Herbst hier gefangenen Wachteln, welche ein-
gesalzen ein Hauptnahrungsmittel der Bewohner für den Winter
bilden, Porto Quaglio (der Wachtelhafen) genannt wird. Auf
dieser ganzen, etwas über sechs Stunden langen Strecke wird
*) Paus. c. 25, 1 f.: vgl. über die römischer Zeit angehürigen Reste der
Stadt Pouillon-Boblaye Recherclies p. 88. Der JJvqqov x^^QC^^ l^ei Polyb.
V, 19 kann nicht mit Pyrrhichos identisch sein, sondern muss, da Phi-
lipp in einem Tagemarsche, unter Verwüstung des Landes, von Amy-
klae aus dahin gelangt, noch im Eurotasthaie (etwa in der Gegend des
Aulon) gelegen haben. Wieder ein anderer Ort (nordwärts von Sparta)
sind die Pyrrhi castra bei Liv. XXXV, 27. ^ Den Fluss Skyras
setzt Curtius weiter nördlich, was mir weder zu der Schilderung des
Pausanias noch zu der Sage, welche diesen Namen zugleich mit dem der
Stadt Pyrrhichos auf Pyrrhos, den Sohn des Achill, zurückführte, zu
passen scheint. Die Beziehung des sinus Aegilodes (Plin. N. h.
IV, 5, 16) auf die Bucht von Skutari entbehrt jeden Anhalts.
2) Paus. c. 21, 7; c. 25, 4; Ptol. III, 16, 9. Eine leider fragmen-
tarische Inschrift von Skopa giebt Leake Morea III Inscr. n. 42. Vgl.
Pouillon-Boblaye Recherches p. 80.
2. Lakonicn: Tay^elonhalhlnscl. 149
uns keine einzige antike Ortschaft genannt, da der einzige Reis-
ende, auf dessen Berichten unsere topographische Kenntniss der
Taenaronhalbinsel beruht, Tansanias , offenbar die Beschwerlich-
keit des Landwegs — die nach der rauhen Felsnatur dieser Ge-
gend iui Altertum 'kaum geringer sein konnte als heut zu Tage
— scheuend seine Beise von Teuthrone aus zu Schiff fortgesetzt
hat. Eine grössere städtische Ansiedelung ist auch gewiss hier
nie vorhanden gewesen, wohl aber zahlreiche kleine Weiler, deren
Bewohner wenigstens seit der römischen Zeit wohl hauptsächlich
mit der Ausbeulung der schon früher (S. 105 f.) besprochenen Mar-
morbrüche sich abgaben : Zeugniss von ihrer Existenz geben noch
einzelne antike Werkstücke, in den Fels gehauene Hausplätzc und
Gräber mit schmucklosen Gefässen, die sich in oder bei den
meisten der zahlreichen, fast durchgängig in einiger Entfernung
oberhalb der Küste gelegenen Dörfer vorfindend) Die ansehn-
lichsten Beste des Altertums aber findet man ziemlich in der
Mitte der ganzen Strecke, einige Minuten südlich von dem zwi-
schen fruchtbaren Abhängen wie auf einer Oase in der grossen
Felswüsle gelegenen Kloster Kurnos. Hier liegen in einer kleinen
von schrolTen P'elszacken überragten Hochfläche die Grundmauern
und Buinen von zwei unmittelbar nebeneinander gebauten dorischen
Tempeln aus grauweissem Marmor, wie er in dieser Gegend in
grossen Massen bricht, deren bauliche Formen (besonders bei dem
grösseren) auf die Zeit des Verfalls der griechischen Architekliu-
hinweisen; daneben ausgedehnte Beste polygoner Mauern und
einiger castellähnlicher Befestigungsanlagen sowie einige alte
Gräbei*.^)
Der Irefllich geschützte Hafen , welchen die von mehreren
Punkten aus wie ein Landsee erscheinende Bucht von Porto Qua-
glio bildet, führte im Altertum den Namen Psam albus; eine
kleine Ortschaft gleichen Namens lag an der Südseite des Hafens
in einer jetzt zu Getreidefeldern benutzten schmalen Strandebene.
Ein kahler, iww \ , Slimd«! breiter Bergrücken trennt dies«; Bucht
von der ihr westlich gerade gcigemiber gelegemii, weniger tief
ins Land einschneidenden und daher weniger sicheren Jhu hl Mari-
^) 8. meine AbhniuUung 'lieber das Vorpcbirp: Tuciuiron* (vgl.
oben 8. 106, Anin. 1) S. 789 ff.
«) Vgl. a. a. O. 8. 792 ft*. (wo 8. 793, Z. 7 v. u. für 0, 55 zu lesen
ist 'J, 55).
150 II- l'cloponnesüs.
nari, die von den Allen ^der Acliillesliafen' (6 ^A%CklaLoq Xi^rjv)
genannt wurde. ') Südlich von beiden Uuchten zieht sich das
Gebirge, an Höhe und Breite jenen schmalen isthmosarligen
Röcken überragend, nocli in einer Länge von fünf Viertelstunden
fort, bis es in dem Cap Matapan, der südlichsten Spitze des
griechischen Festlandes, ausläuft. Die Westküste dieser von den
Alten *das Taenaron' im weiteren Sinn (im engern bezeichnete
dieser Name das Cap Matapan) genannten, gleichsam ein Aidiängsel
der grossen Taygetonhalbinsel bildenden kleinen Halbinsel ist ganz
hafenlos und unwirthlich, an der Ostküste aber finden sich zwei
tiefe Einbuchtungen: die nördlichere, die sich wie ein schmaler
Kanal zwischen die Felsen hineinzieht und daher jetzt ^die tiefe
Furche' (ro ßad^v avlaKi) genannt wird, ohne Spuren antiker
Ansiedelung, aber überragt von schon im Altertum ausgebeuteten
Brüchen grün-roth-weissen Marmors; die südlichere, jetzt 'Kisler-
näs' ('die Cisternen') genannt, im Altertum weit berühmt durch
das an ihrer Nordseite am Ausgange einer noch jetzt mit Ge-
sträuch bewachsenen Schlucht gelegene Heiligtum des Poseidon
Asphaleios, dessen Cultbild im Freien, in einem flüchtigen Ver-
brechern als Asyl dienenden Haine vor einer als Eingang zur
Unterwelt betrachteten Grotte aufgestellt war, während das lange
und schmale Gebäude, dessen Grundmauern noch erhalten sind,
für die Gebräuche der Todtenbeschwörung (als ein sogenanntes
tjjvxoTto^Ttetov) gedient zu haben scheint. Zahlreiche in den
Fels gearbeitete Hausplätze und Cisternen rings um die Bucht
beweisen, dass sich an das Heiligtum im Altertum eine olTene
Ortschaft, die wahrscheinlich den Namen Taenaron führte, an-
schloss. 2) Die äusserst günstige Lage des Hafens für den Ver-
kehr, besonders mit Kreta, Nordafrika und dem südlichen Italien,
erklärt uns leicht sowohl das durch zahlreiche VVeihgeschenke be-
zeugte Ansehen, welches das Heiligtum auch ausserhalb Lakoniens
genoss, als auch die Erscheinuug, dass Dienste suchende Söldner-
schaaren, wie wir sie seit der Makedonischen Zeit so vielfach in
O'Scyl. Per. 46; Strab. p. 363; Paus. e. 25, 4; Steph. Byz. u. '^;Ka-
XsLog und Waiiccd'ovg; vgl. meine Abhandlung über Taenaron S. 773 ff.
2) Paus. c. 25, 4 ff.; Strab. p. 363; Thuc. I, 128; Plut. Cleom. 22^
u. a. ; vgl. meine Abhandlung über Taenaron S. 776 ff. Auf Cult des
Helios auf Taenaron führt Hymn. in Apoll. Pyth. 233 ff. lieber den
Cult des Poseidon Taenarios in Sparta vgl. oben S. 125, Anm. 1.
2. Lakonien: Taygelonlujlljiiisel. 151
Griechenland finden, mit Vorliebe hier ihre interimistischen Quar-
tiere nahmen J)
Geht man an der Westküste von der Bucht Marinari aus
•nordwärts, so stösst man nach et\Ya einer halben Stunde in der
Nähe des kleinen Dorfes Rastraki (in welchem ich ein Paar alte
Grabdenkmäler fand) auf ein grossartig wildes Naturschauspiel:
auf eine Strecke von fast einer halben Stunde längs der Küste hin
sind alle Kuppen des Gebirges herabgestürzt, offenbar in Folge
eines der heftigen Erdbeben, durch welche Lakonien im Allcr-
lume öfter heimgesucht wurde, ^j und bedecken in der wildesten
Verwirrung, grosse und kleine Blöcke durcheinander, den Abhang
bis zum Meere hinab. Weiter nördlich liegt oberhalb der Rüste
auf einem fruchtbaren, mit Feldern und Gärten überkleideten
Hügel das Dorf Vathia, in dem ich wiederum einige Reste aus
dem späteren Altertum vorfand. Von da steigt man in etwas mehr
als einer halben Stunde nach einer kleinen Bucht hinab, an wel-
cher das Dörfchen Kyparissos mit zahlreichen alten Rirchen und
wenigen zwischen Feldern und Weingärten zerstreuten Häusern
liegt, welches, wie zahlreiche Inschriften zeigen, die Stelle einer
elcutherolakonischen Stadt einninnnt, die officiell 'die Stadt der
Taenarier' (« TtoXigtav TaivagCcov), im Volksmunde aber, offen-
bar zur Unterscheidung von der älteren Ortschaft beim Ueiligtume
des Poseidon, Kaenepolis (Neustadt) genannt wurde. In der
oberen Stadt stand ein Heiligtum (Megaron) der Demeter, das,
wie die Reste zeigcn*(unter denen namentlich vier mächtige
Säulen von rothgrauem ägyptischen Granit bemerkenswerth sind), in
ionischem Style und sehr grossen Verhältnissen, vielleicht durch
C. Julius Lakon, den Sohn des Eurykles, nach dem Muster des
Weihetempels in Eleusis errichtet war; am Meeresufer ein kleinerer,
%
') VrI. Diod. XVII, 108; XVIII, 9; Vit. X orat. p. 848«. Unter den
Weihgeschenken ist besonders die kleine Erzgruppe eines auf einem
Delphin sitzenden Mannes (Arion) von Interesse: s. Ilerod. I, 24; Dio
("lirysost. or. 37, 4; Ael. lt. an. XII, 45. Das Heiligtum wurde geplündert
durch den Actoler Timaeos (Polyb. IX, 34) und durch die Kilikischen
Piraten (Plut. Pomp. 24).
2) Vgl. Strab. VIII, p. 367. Ob gerade an das Erdbeben von Ol.
7i), 1 (Plut. Cira. 16; Diod. XI, 63) zu denken ist, wie ich in der Ab-
handlung über Taonaron Ö. 784 vormutet habe, ist mir doch zwei-
felhaft.
152 H. Pelopounesos.
ebeiiialls in ionischem Style erbauter Tempel der ApliroditeJ)
Etwa fünl" Viertelstunden nördlich von Kyparissos tritt eine mäch-
tige, etwas gegen Westen ausgebauchte Gebirgsmassc auf eine
Länge von beinahe zwei Stunden von Süden nach Norden weit ins
Meer vor, deren fast senkrecht aufsteigende, von zahlreichen Lö-
chern und Höhlen zerrissene Felswände, nach denen sie im Alter-
tum Thyrides (Mie Fenster') genannt wurde — jetzt lieisst sie
bei den Schillern Cavo Grosso, 'das massige Vorgebirge' — vom
Meere aus einen grossartigen Anblick gewähren. In mehreren
der zahlreichen auf der Höhe des Vorgebirges bis zum Ramme
des Taygeton gelegenen Dörfer sind vereinzelte antike Reste ge-
funden, doch ist die Stelle der in dieser Gegend gelegenen, schon in
der römischen Raiserzeit verfallenen Ortschaft Ilippola noch nicht
mit Sicherheit nachgewiesen worden. ^) Nördlich vom Vorgebirge
bietet die durch die weit gegen Norden vortretende schmale Halb-
insel Tigani gegen Westen geschützte Bucht von Mezapo einen
sehr guten Hafen, welcher im Altertum zu einem frühzeitig ver-
fallenen, aber in der römischen Raiserzeit w iederhergestellten Städt-
chen Messa gehörte.^) Breite Hochflächen mit dürrem, steinigem
Boden, aber ganz mit sorgfältig durch lose Steingehege abgegränzten
Feldern, auf denen Weizen, Gerste und Bohnen gebaut werden,
und dazwischen zahlreichen Ortschaften (unter denen Pyrgos und
Tzimova die bedeutendsten sind) bedeckt, ziehen sich von hier
unmittelbar über der durch mehrfache Einbuchtungen unterbro-
chenen Rüste hin bis zu der fünf Stunden von Mezapo entfernten
Bucht von Limeni, die wieder einen guten, jetzt zu dem Städtchen
Tzimova (officiell Areupolis) gehörigen Hafen bildet. Eine halbe
Stunde nordwärts von dem innersten Winkel der Bucht liegt das
Dörfchen Vitylo, das noch den Namen und eine Anzahl baulicher
1) Paus. c. 25, 9; Ptol. III, 16, 9 (wo die Reihenfolge der Orts-
namen gestört ist); Inschr. im C. I. gr. n. 1317; 1321 f.; 1389; 1393 f.
und bei Leake Morea III n. 31 ff. ; vgl. meine Abhandlung über Tae-
naron S. 785 ff. und Schillbach im Archäolog. Anz. 1857, N. 106. 107,
S. 99* f.
'^) Strab. p. 335; p. 360 (nach welcher Stelle, vgl. mit Dionys. Hai.
A. R. 1 , 50, Curtius der Südspitze des Vorgebirges den Namen Kivai-
Q^LOv giebt); p. 362; Paus. c. 25, 9. Die Ansetzung yon^Imtöla bei
dem jetzigen Dorfe Krjitovla beruht nur auf der wohl täuschenden
Namensähnliehkeit.
3) Paus. a. a. O., vgl. II. ß, 582 und Strab. p. 364.
2. Lakoiiien: Taygcloiilialljinsel. 153
Reste der alten, iiocli in später Zeit als Mitglied des Bundes der
Eleutlierolakonen blühenden Stadt Oitylos (nach einheimischer
Schreibung Bitylos) bewahrt, in welcher Pausanias ein, nach
den Resten zu schliessen, in ionischem Style erbautes Heiligtum
des Sarapis und ein an der Agora stehendes Schnitzbild des Apol-
lon Karneios als sehenswerth erwähnt. ^)
Die Gegend nördlich von Limeni bewahrt denselben Charakter
eines unwirlhchen und unfruchtbaren Berglandes bis zu dem vier
Stunden nördlich von Vitylo vom Rücken des Gebirges herab dem
Meere zufliessenden Bache von Milia, der im Altertum den Namen
Pamisos geführt und in den Zeiten der Selbständigkeit Messe-
niens die freihch vielbestrittene Gränze dieser Landschaft gegen
Lakonien gebildet zu haben scheint.-) An diesem Bache lag,
eine Stunde von der Küste entfernt, die offenbar nach ihrer ge-
schlossenen, schwer zugänglichen Lage benannte Ortschaft Tlia-
lamae, später eine Stadt der Eleutherolakonen, zu deren Gebiete
auch ein an der Strasse von Oitylos her gelegenes Ileiligtunj der
Ino (öder, wie der eigentliche Cullname lautete, der Pasiphaa)
gehörte mit einem Traumorakel, welches von Zeit zu Zeit officiell
durch die spartanischen Ephoren befragt ^^urde. ^^) An der Münd-
ung des Baches stand ein Städtchen Pephnos (oder Pephnon),
») Paus. c. 21, 7; c. 25, 10; Strab. p. 360; II. ß, 585 c. scbol. ;
Ptol. IIP, 16, 22; C. I. gr. n. 1323; vgl. Leake Morea I, p. 313. Die
Entfeinungsangabe von 150 Stadien von Messa bis Oitylos bei Paus,
a. a. O. ist wolil daraus zu erklären, dass Paus, den Weg nicht zu
Lande, sondern zu Schiff gemacht hat.
2) Strab. p. 361, vgl. Paus. c. 1, 4 und c. 26. 3. Auch in der von
Polybios als unverständlich bezeichneten Schilderung des Zenon vom
Marsche des Nabis (Polyb. XVI, 16) ist wohl dieser Pamisos gemeint.
3) Ptol. III, 16, 22; Steph. u. (S)aAa/i«t; Strab. p. 360 (dessen An-
gabe, Thalamae habe zu seinerzeit Boiaytoi geheisaen, auf einer Corruptel
des Textes zu beruhen scheint); Paus. c. 21, 7; c. 26, 1; Plut. Agis 9;
Cleom. 7; Cic. De div. I, 43, 96. Der Vermutung von Curtius (Pel. II,
S. 284), dass das Heiligtum auf dem jetzt Trachela genannten felsigen
Vorsprunge der Küste, zwei Stunden nördlicli von der I3ucht von Li-
meni, gelegen habe, kann ich nicht beistimmen, theils wegen der be-
trächtlichen Entfernung dieses Platzes von Thalamae, während das
Heiligtum nach Plutareh iv f)c(Xci(ic(ig lag, tlitils weil die Strasse von
Ditylos nach Thalamae , < liwi i lieh hart an '!■ andern jedenfalls
weiter östlich hinlief.
154 II. Peloponnesos.
jedenfalls der Jlal'eiiplatz von Tlialainae, wenn auch ein eigent-
licher Hafen hier nicht vorhanden ist, sondern nur eine offene
Rhede, die durch eine kleine, gleichfalls Pephnos genannte Fels-
insel (oder vielmehr eine grössere Felsklippe), welche die Sage
als Gehurtsstütte der Dioskuren hezeichnete, nur sehr ungenügend
geschützt ist. ^) Nördlich vom Bache von Milia nimmt das Land
zunächst einen milderen und fruchtharercn Charakter an, der
aber schon nach et\>a drei Stunden wieder durch eine rauhe
Felsmasse, die sich in einer Breite von V/^ Stunden südvvestwärts
ins Meer vorschiebt (jetzt Cap Kephali genaimt), unterbrochen
wird. Der südlichere Theil jener Landstrecke bildete das Gebiet
von Leuktra (oder Leuktron), einer ursprünglich wohl von
Minyern gegründeten eleutherolakonischen Stadt, deren Name und
Ueberreste in dem eine Stunde nördlich von der Mündung des
Baches von Milia gelegenen Dorfe Leftro erhalten sind;^j der
nördlichere gehörte seit dem Beginn der römischen Kaiserzeit den
Bewohnern von Sparta, denen Augustus die alte, gegen zwei
Stunden nördlich von Leuktra, 20 Minuten oberhalb der Küste
auf einer steilen Felshöhe gelegene Stadt Kardamyle (in der
local- dialektischen, noch im Namen des Dorfes Skardamula er-
haltenen Form Skardamyla), welche bis dahin, wahrscheinlich
seit Philipp von Makedonien, im Besitz der Messenier gewesen
war, geschenkt hatte. '^j Nördlich vom Cap Kephali lagen noch zwei
eleutherolakonische Städte, beide altmessenische Gründungen, die
auch seit Philipp von Makedonien wieder im Besitze der Mes-
senier gewesen, durch Augustus ihnen wieder entzogen und
auch bei der Grenzrcgulirung durch Tiberius, welcher die enge
Schlucht des Choiros [Xolqlos vccTtr}), des jetzigen Baches von
Sandava, als Gränzscheide zwischen Lakonien und Messenien fest-
setzte, zu Lakonien geschlagen worden waren: Gerenia (oder
1) Paus. c. 26, 2 f.; Steph. Byz. u. Ilicpvov.
2) Paus. c. 21, 7 und c. 26, 4 ff.; Plut. Pelop. 20; Strab. p. 360 f.;
Ptol, III, 16, 9. Für minyischen Ursprung der Stadt sprechen be-
sonders die von Paus, erwähnten Culte des Asklepios, der Ino und
des Eros.
3) Paus. c. 26, 7; vgl. II. /, 150; 292; Herod. VIII, 73; Strab. p.
360; Ptol. III, 16, 22; Steph. Byz. u. KagSaiivlrj. Paus. Angabe "der
Entfernung zwischen Kardamyle und Leuktra auf 60 Stadien beruht auf
einem Irrtum oder auf einer falschen Berechnung nach der Dauer der
Küstenfahrt.
3. Messenien. 155
Gere na) uiul AlagoniaJ) Die eistere, nach der Tradition
das homerische Enope und durch eine alte aber wahrscheinlich
falsche Deutung des bekannten homerischen Beinamens des Nestor
zum Geburtsorte oder zur Zufluchtsstätte dieses Heros gestempelt,
mit einem Rhodon genannten und als Curort dienenden Heilig-
tum des Machaon, des Sohnes des Askiepios, lag wahrscheinlich
nahe bei der kleinen Bucht Kitriäs in dem kleinen Thale, an
dessen Ende man noch jetzt eine bedeutende Grotte bemerkt, die
ohne Zweifel der von Pausanias erwähnten Grotte der Klaia (?)
im Gebirge Kalathion entspricht; Alagonia aber stand V/.^
Stunden landeinwärts auf der Berghöhe, welche jetzt die Ruinen
der fränkischen Burg Zarnala einnehmen.
3. Messenien.
Messene oder, seit Erbauung einer Stadt dieses Namens, auch
Messenia ') nennen die Griechen die Landschaft, welche im Osten
durch das Taygeton von Lakonien, im Norden durch die süd-
westlichen Vcrzweigiimgen des Lykaion (die jetzt Tetrasi und
Hagios Ilias genannten Bergzüge) sowie durch den Fluss Neda
von Arkadien und Triphylien getrennt, an den übrigen Seiten
vom Meere bespült wird, das von Süden her tief in das Land
<) Paus. c. 21, 7; c. 26, 8 ff.; vgl. Hom. II. J, 150; 292; Hesiod. bei
Stepli. Byz. u. rtgrjvLa; Strab. p. 340; p. 360. In der Ansetzung der
beiden Ortschaften bin ich dtr Ansicht von Leake (Morea I, p. 323;
Peloponnesiaca p. 180) gegen die französ. Karte und Curtius (Pel. II,
S. 280), die Gercnia an der Stelle von Zarnata ansetzen, gefolgt, weil
mir aus Paus, hervorzugehen scheint, dass die von Leake unzweifelhaft
richtig erkannte Grotte zwischen Gerenia und Alagonia lag, und weil
die Entfernung von 30 Stadien landeinwärts d. h. ostwärts von Zarnata
uns auf die Hüben gerade unter den höchsten Kuppen des Taygeton
fiiliit, <li' •iiiicliHus keinen Platz für eine städtische Anlage darbieten.
JjHöb rtol. 111, 10, 22 (an einer überdies sehr confuscn Stelle) Gercnia
unter den noXsig (iBOoyfiOL Lakonicns anführt, erklärt sieh, wenn wir
annehmen, dass die Stadt einige Minuten von der Küste entfernt war.
*) rj MtaorivCcc als Substantiv ohne den Heisatz von yfi oder irnq«.
Hndet sich zuerst bei Polybios und bei dem sogenannten Scymnus Chius
Orb. descr. 530.
156 II. Pcloponncsos.
eindrinjj'end den *Mcsseniscli en Meerbusen") bildet. Die
Etymologie des Namens, der eigentlicb 'MiUeliand' bedeutet, zeigt,
dass derselbe ursprünglich nicht der ganzen Landschaft, sondern
nur einem Theile derselben zukam, der nicht nur in geographi-
scher, sondern auch in politischer Beziehung den Mittelpunkt
des Landes bildete. Ohne Zweifel war dies die fruchtbare, von
mehreren zu einem Strome sich vereinigenden Bächen durch-
llossene Ebene im nördlicheren Theile des Landes, ein alles See-
becken, das, abgesehen von einem schmalen Spalt im Süden, von
allen Seiten von Gebirgen umschlossen ist: im Norden durch die
schon erwähnten Gränzgebirge gegen Arkadien, im Nordweslen
durch einen mit diesen zusammenhängenden, jetzt Kutra ge-
nannten Gebirgszug,'^) im Südwesten durch ein jetzt mit dem
Gesammtnamen Kontovunia (^die kurzen Berge') bezeichnetes
Mittelgebirge, das zwei durch eine Einsattelung verbundene Gipfel
(jetzt Vurkano und Hagios Basilios, von den Alten Ithome und
Euan genannt) gegen Südosten vorschiebt, im Osten endlich durch
die westlichen Vorberge des in grossen Terrassen nach der Ebene
zu absteigenden Taygeton. Ein Engpass, durch welchen die ver-
einigten Gewässer abflicsscn , verbindet diese nördlichere Ebene,
die nicht nur in der ältesten, sondern aucfl in späteren Zeiten
einer selbständigen staatlichen Existenz der Landschaft den poli-
tischen Mittelpunkt derselben bildete, mit einer zweiten, an Frucht-
barkeit ihr nicht nachstehenden Ebene, die, gegen Süden sich be-
deutend verbreiternd, von dem Strome durchflössen wird, der,
nachdem er noch einen bedeutenden Zufluss von Nordosten her
') Ms66riviKyi6g ycolnog bei Strabon u. a. : nach demselben VIII, p.
359 biess der nördlichere Theil des Busens 6 Msaorjviaytog mXnog, der
südlichere 6 'Aaivatog hoAttos [doch werden weiterhin beide Bezeich-
nungen als synonym behandelt]; dieselben beiden Theile werden bei
Plin. N. h, IV, 5, 15 als 'sinus Coronaeus' und 'sinus Asinaeus' unter-
schieden. Endlich finden wir auch die Bezeichnung QovQiccTrjg ytolnog
für den ganzen Meerbusen bei Strab. p. 860. Heut zu Tage Golf von
Koron.
2) Curtius Pel. II, S. 130 scheint den Namen 'ElaCov, den er dem
H. Ilias giebt, auch auf dieses Gebirge zu beziehen; doch sind wir
durch die dürftigen Angaben des Tansanias (VIII, 41, 7 und 42, 1, ^gl.
Rhianos bei dems. IV, 1, 6) überhaupt nicht berechtigt, den Namen
Elaion auf die am linken Ufer der Neda gelegenen Ciebirge auszudehnen.
Vgl. Conze und Michaelis Annali XXXIII, p. 57 ss.
3. Messenien. 157
aufgenommen hat, den Namen Pamisos (jetzt Pirnatza) empfängt^)
und der durch die Menge von Sand und Schlamm, die er mit
sich führt, fortwahrend an der Erweiterung dieser seiner Münd-
ungsebene, die zum grössern Theile als seine Schöpfung zu be-
trachten ist, arbeitet. Darin unterstützen ihn ein von dem Rücken
des Taygeton herabkommender wasserreicher Giessbach, der Ne-
don, der zwei Stunden östlich vom Pamisos bei dem jetzigen
Kalamata ins Meer fällt, sowie zahlreiche den grössten Theil des
Jahres hindurch wasserlose Bäche, welche von den südlichen Ab-
hängen der Kontovunia aus den westlichen Theil der Ebene durch-
furchen. Diese südliche Ebene, die wegen ihrer Fruchtbarkeit
im Altertume Makaria ('die gesegnete') genannt wurde, ^) wird
im Südosten durch die wie eine mächtige Barre bis unmittelbar
ans Meer vorgeschobenen felsigen Abhänge des Taygeton begränzt,
mit denen die zum weitaus grössten Theile schon im vorigen Ab-
schnitt geschilderte Taygetonhalbinsel beginnt. Ihr entspricht im
Westen eine zwar etwas breitere aber weit kürzere Halbinsel, die
wir die messenische nennen können,*^) da sie ganz dieser Land-
schaft angehört. Sie wird nicht wie die beiden Lakonischen Halb-
inseln von einem langen Gebirgszuge eingenommen, sondern be-
steht aus mehreren durchaus anbaufähigen Gebirgen von massiger
Erhebung, unter denen das jetzt Lykodimo, von den Allen Ma-
thia genannte, dessen Gipfel die Höhe von 957 Meter erreicht,
das bedeutendste und in gewissem Sinne der Kern der ganzen
Halbinsel ist, da die westlicheren, jetzt Zernaura und Mandila ge-
nniniten Berge, sowie der die Westküste von Modon bis Navaiin
einnehmende Bergrücken des heiligen INikolaos als Verzweigungen
*) Aus Paus. IV, 31, 4 sieht man, dass die Alten die V/^ Stunde
)i«)rdlich von Thuria, etwas über zwei Stunden östlich von der Stadt
Messene am Fusse eines Vor])erges des Taygeton entspringenden, jetzt
nach dem heiligen Floros benannten Quellen als die des Pamisos be-
trachteten; dies wird bestätigt durch die Angabe des Strabon p. .'JGl,
dasH die Länge des Laufes des Pamisos von seinen Quellen an nicht
nulir als 100 Stadien betrage.
2) Strab. p. 301.
^) Die von Curtius beliebte Bezeichnung derselben als Rhion ist
durchaus unbezeugt, da die Alten nur von einer Ortschaft Uhion wissen
(Strab. p. 300 und 301; Stepli. Hyz. u. 'Piov), die, wie Curtius selbst
richtig erkannt hat (l*el. II, S. Iß8), die Stolle dos spätem Asine (dos
jetzigen Koron) einnahm.
158 II. Pcloponnesos.
desselben betrachtet vverden können. Den südlichsten Theii der
Halbinsel aber bildet ein besonderes Gebirge, der Akritas der
Alten, niedriger (der jetzt nach dem heiligen Demctrios benannte
höchste Gipfel erreicht nur die Höhe von 516 Meter), aber rauher
und steiler als die Mathia, in Gestalt eines mit i\er Spitze (dem
Akritas im engeren Sinne, jetzt Cap Gallo) nach Süden gekehrten
Dreiecks, dessen Basis nach Westen bis nahe an das südliche Ende
des Bergrückens des heiligen Nikolaos verlängert ist. Als Fort-
setzungen oder weitere, durch Zerstörung der Verbindungsglieder
vom Stamm losgelöste Verzweigungen dieses Gebirges sind wohl
auch die nahe der Südküste der Halbinsel liegenden, durchaus
felsigen und jetzt ganz unbewohnten Inseln zu betrachten: die
nach ihrer an einen Wetzstein erinnernden Gestalt von den Alten
Theganusa (jetzt Venetiko) genannte gerade südlich vom Cap
Akritas, und die westlichere Gruppe der Oinussae, die aus zwei
grösseren, jetzt Sapienza und Cabrera genannten und einer in
dem Canal zwischen beiden gelegenen kleinen (Prasonisi oder
Santa Maria) besteht, i)
Der westliche Theil der oberen Landschaft endlich wird
von einem mit dem Mittelgebirge der Kontovunia zusammen-
hängenden, von Nord nach Süd streichenden Bergzuge, dem
Aegaleon^) der Alten, eingenommen, der in drei Gipfeln von
annähernd gleicher Höhe (dem Psychro im Norden von 1115, dem
Gipfel der heiligen Barbara in der Mitte der Kette von 1220 und
dem der heiligen Kyriaki im Süden von 1066 Meter) aufsteigt
und in breiten, durchschnittlich noch etwa 100 Fuss über die
Meeresfläche sich erhebenden, mit fruchtbarem Erdreich bedeckten
1) Der nur von Paus. IV, 34, 4 erhaltene antike Name des Lyko-
dimo ist von Bekker nach den Spuren der Handschriften richtig als
tJ MaQ'Ca erkannt worden; vgl. Sehubart Bruchstücke zu einer Metho-
dologie der diplomatischen Kritik S. 24, Dem Bergzug des heiligen
Nikolaos giebt Curtius (II, S. 180, vgl. S. 198) vermutungsweise den
Namen Tomaeon oder Tomeus nach Thucyd. IV, 118 und Steph. Byz.
u. ToiiFvg, schwerlich mit Recht, da, wie schon Leake (Morea I, S. 416)
erkannt hat, bei Thucyd. nach dem Zusammenhange vielmehr an Oert-
lichkeiten östlich d. h. landeinwärts von Pylos zu denken ist. lieber den
Akritas und die südlich davon gelegenen Inseln s. Paus. c. 34, 12; Strab.
p. 359; Ptoh III, 16, 7.
2) Strab. p. 359.
3. Messenien. 159
Hochflächen. gegen Westen vortritt. Durch die zahh-eichen Giess-
baclie, weh'he durch dieselben dem Meere zufliessen, hat sich am
Fusse derselben ein durchschnittlich etwa ^/^ Stunde breiter sand-
iger Küstensauni angesetzt, der zwisclien den Städten Pylos und
Kyparissia eine Ausbauchung gegen Westen zeigt, weiter nördlich
dann sich wieder gegen Osten zurückzieht und dadurch den An-
satz zu dem im Norden durch das Gap Ichthys (jetzt Kalakolo)
in Elis abgeschlossenen weiten Meerbusen von Kyparissia ^) {jetzt
Golf von Arkadia) bildet.
Die idteste Bevölkerung der Landschaft scheint aus lele-
gischen (hauptsachlich im östlichen Theile) , pelasgischen (gegen
die Gränzen Arkadiens hin) und aeolisch - minyischen Elemen-
ten (an der Westküste) gemischt und in Folge der Stammes-
verschiedenheit auch zu keiner politischen Einheit verbunden ge-
wesen zu sein: wenigstens erscheint in den Homerischen Ge-
dichten der grössere Theil des Landes mit Lakonien unter der
Herrschaft der Atriden vereinigt, während die Westküste mit Tri-
phylien ein besonderes Reich unter dem Scepter der Neliden
bildet. Als die Dorier von Arkadien aus eingedrungen waren
und sich in der nördlichen Ebene festgesetzt hatten, unterwarfen
sie sich, wie es scheint, fast ohne Kampf die ganze Landschaft;
nur einige der mächtigsten Adelsgeschlechter wie die Neliden,
die Medontiden, die Paeoniden und die Alkmaeoniden wanderten
nach Atlika, beziehungsweise nach Kleinasien aus; die übrige Be-
völkerung, meist friedliche Ackerbauer, blieb im Wesentlichen im
Besitz ihres Grundeigentums und ihrer politischen Rechte und
wurde, mit Ausnahme der unmittelbar unter dem dorischen Kö-
nig stehenden nördlichen Ebene, von vier Unterkönigen oder
Lehnsfürsten beherrscht, ^j Zwar wurde diese Einrichtung in
*) Cy parissius sinus Plin. N. h. IV, 5, 15; Pomp. Mela II, 50. Von
den Giessbächen der Küste wird uns ausser dem bei Kyparissia fliessenden
KvTcaQioar'iBig (Strab. VIII, p. 349) nur der 2;"«^«$ genannt (Ptolem. III,
10, 7); welchem Bach dieser Name geliört, ist nicht mehr festzustellen.
») 8. Ephoros bei Strab. VIII, p. .361 (dazu Curtius Pel. 11, S. 125 f.
und ßchiller .Stämme und Staaten Griechenlands, II, Ansbach 1858, S.
7 f.), wo als die Sitze der vier Unterkönige genannt werden: Pylos nn
der Westküste; Rhion an der Ostküste der westlichen Halbinsel
(s. oben S. 1.57, Anm. 3); Mesola, was wohl von dem Lakonischen Mossa an
der Westküste der Taygetonhalbinsel nicht verschieden ist, so dass Mes-
senien damals bis zum Cap Thyrides hinabreichte (vgl. Strab. p. 360, wo
160 II. Peloponnesos.
Folge der Unznfrictlenbcit des dorischen Adels n])er die Begünst-
igung der alten Landesbewohner hahl wieder aufgehoben und
die Regierung der ganzen Landschaft in Stenyklaros, dem Sitze
der dorischen Herrscher, concentrirt; allein diese Herrschaft trug
keineswegs einen ausgeprägt dorischen Ciiarakter, vielmehr ver-
schmolzen die Dorier mehr und mehr mit der alten Bevölkerung;
an die Stelle des alten dorischen Stammesbewusstseins trat allmälig
ein messenisches Nationalbewusstsein, für dessen Stärke das Fest-
halten der unglücklichen Messenier an ihrer messenischen Natio-
nalität während jahrhundertelanger Knechtschaft und Verbannung,
wodurch sie den Polen der Gegenwart ähnlich erscheinen, das
beste Zeugniss ablegt. Die Entwickelung dieses nationalen Be-
wusstseins musste natürlich zu einem Gegensatze gegen die alten
Stammesgenossen jenseits des Taygeton führen, der durch die
Verbindung der messenischen Herrscher mit den den Spartanern
feindlichen Stämmen des südlichen Arkadiens, sowie durch Gränz-
slreitigkeiten, wie sie zwischen Nachbarn nicht ausbleiben, immer
mehr verschärft, endlich in Folge eines Actes der Gewaltthälig-
keit, an welchem jede der beiden Parteien der anderen die Schuld
zuschob, in offenen Krieg — den sogenannten ersten Messenischen
Krieg — ausbraeh. Das Resultat dieses 20jährigen Kampfes,
dessen Einzelheiten ganz in das Gewand der Sage gehüllt sind,
war die Vernichlung der nationalen Selbständigkeit Messeniens,
das von den Spartanern ganz als erobertes Land behandelt wurde :
die Bewohner, soweit sie es nicht vorzogen, ihre Heimat zu ver-
lassen, blieben zwar im Besitz ihres Grundeigentums, mussten
aber die Hälfte des Ertrages an die Spartaner abliefern und wur-
den von Sparta aus regiert. Nach etwa 80 Jahren brach der
Hass der Unterdrückten gegen ihre Unterdrücker wieder in helle
Flammen aus: unter Führung des heldenmüthigen Aristomenes,
dessen Thaten noch bis in späte Zeiten in Volksliedern fortlebten,
erhob sich die ganze Bevölkerung, von ihren arkadischen Nach-
barn untertsüzt, zum heiligen Kriege (dem zweiten messenischen
Kriege); aber nach ITjährigem Kampfe, als der letzte Zufluchtsort
6 fista^v ■noXrcog rov Tavysxov v.cu tfjg MsGcrjviag nach meinem Verständ-
nisse die weite Einbuchtung zwischen Cap Thyrides und dem jetzigen
Cap Kephali bezeichnet), und Hjameitis oder Hyameia (vgl. Paus. IV,
14, 3 und Steph. Byz. u. 'Taasicc), das jedenfalls in der unteren Ebene
zu suchen ist.
3. Messenien. 161
der Natioualpartei, die Bergfeste Eira an der Gränze Arkadiens,
durch Verralli in die Hände der Feinde gefallen war, musstc sie
den Widersland aufgeben: ein grosser Theil der Kämpfer wan-
derte aus, was zurückblieb, wurde zu Hörigen (Heloten) gemacht,
die das nun nicht mehr ihnen gehörige Land für die spartiatischen
Herren, deren eiserne Hand noch schwerer als früher auf ihnen
lastete, bebauen mnsstenJ) Seitdem bot Messenien, von Natur
die fruchtbarste und gesegnetste Landschaft der Halbinsel, ein
trauriges ßild der Verödung und des Verfalls dar: das Land war
dünn bevölkert und schlecht angebaut, zu einem grossen TJieil als
Weiden für die Heerden der Spartaner benutzt; ~) die Städte, mit Aus-
nahme des von Dryopern bewohnten, von Sparta begünstigten Asine
und von Thuria, dessen Bewohner lakonische Periöken waren, '^)
ohne Bedeutung, weil Industrie wie Handel unter dem Drucke der
Fremdherrschaft darnieder lagen. Der hauptsächlich von Messe-
nien ausgegangene und daher gewöhnlich als dritter messenischer
Krieg bezeichnete Helotenaufstand brachte neue Verwüstung und
neue Entvölkerung über das unglückliche Land; denn als die iiuf
der Ithome verschanzten Aufständischen im zehnten Jahre des
Krieges (Ol. 81, 2=455) capitulirten, wurde ihnen mit Weibern
und Kindern freier Abzug unter der Bedingung der Auswanderung
aus dem Peloponnes bewilligt und sie von den Athenern in Nau-
l)aktos angesiedelt. ^) Seitdcun herrschte in Messenien die Buhe
eines Kirchhofs, die nur durch die Besetzung von Pylos durch
die Athener im siel)ent(?n Jahre des pcloponnesischen Kriegs (Ol.
88, 3 = 425) vorübergehend unterbrochen wurde. Aber zu einem
neuen Leben erwachte Volk und Land durch den Weckruf des
Epameinondas, der bei seinem ersten Einfall in den Peloponnes
(Ol. 102, 3 = 3G1)) Messenien wieder als unabhängigen Staat her-
stellte und demselben durch die Gründung der Stadt Messene,
zu deren Bevölkerung er die Nachkonunen der ausgewanderten
Messenier in die alte Heimat zurückberief, einen politischen Mittel-
punkt gab.'') Trotz der Weigerung Sparlas, den neuen Staat an-
') Vgl. über die beiden messeniKchen Kriege (Mirtius Gr. (loschiclite
S. 172 fF.; Ph. Kohlmaiin Quaestiones Messcnisujjie, Jionn 1866.
*) Pl.it. Alcib. 1, p. 122''.
'') Tliukyd. I, 101.
<) Tbukyd. 1, KKi.
••) V-1. I'.uis. IV, 2(5, r, fl.; l)io<l. XV, 06.
11
162 II. Peloponnesos.
zuerkennen, bestand derselbe fort, freilich als ein in jeder Hin-
sicht schwächlicher Körper, der sich nie zu einer selbständigen
und wahrhaft nationalen Politik zu erheben vermochte. Die Grän-
zen gegen Lakonien blieben, wie schon früher bemerkt, mannig-
fachen Schwankungen unterworfen, bis sie durch einen Schieds-
spruch des Kaisers Tiberius im Jahre 25 n. Chr. definitiv gere-
gelt wurden. ')
Die nörd- Di^ chorographischc Schilderung der Landschaft hat natur-
uche Ebene, gejjjäss auszugehcu vou der nördlichen Ebene, die, wie oben be-
merkt, ursprünglich Messene, nach Ausdehnung dieses Namens
auf die ganze Landschaft gewöhnlich die stenyklarische Ebene
(nach der alten Königsstadt Stenyklaros, deren Stelle schon den
alten Geographen unbekannt war) genannt wurde. ^) Die Berge,
welche sie gegen Norden umschliessen, tragen schon einen ganz
arkadischen Charakter: wild und grossartig, nur auf beschwer-
lichen, kaum für Saumthiere gangbaren Pfaden zugänglich, erfreuen
sie doch das Auge durch den Reichthum an Laubwald, nament-
lich an prächtigen Eichen, deren mächtige Stämme hie und da
wegen Mangel an Communicationsmitteln unbenutzt verfaulen.
Der höchste Gipfel und zugleich der Knotenpunkt, für die weitere
Verzweigung des Gebirges gegen Südosten (die arkadischen Nomia-
Berge) ist der bis zur Höhe von 1388 Meter sich erhebende Te-
trasi, von den Messeniern Eira oder Ira genannt, von welchem
gegen Nordwesten, zwischen den kleinen Dörfern Kakaletri und
Stasimi, ein von tiefen Schluchten, in denen zwei Arnje der Neda
fliessen, umgebener Felsrücken vorspringt, der die Reste einer
aus unregelmässigen Steinen aufgeführten Befestigung, auf seinem
niedrigeren westlichen Ende die einer kleinen regelmässig um-
mauerten Ortschaft trägt: jene die üeberbleibsel der Bergfestung
Eira, in und bei welcher die Hauptscenen des Dramas des zweiten
messenischen Krieges spielen, letztere wohl von einer nach der
WiederherstelUung Messeniens errichteten Gränzbefestigung her-
1) S. Tac. Ann. IV, 43 und dazu Ross Reisen I, S. 15 ff. — Strab.
p. 362 nennt Messenien eine zum grössten Theile verlassene Landschaft.
2) Herod. IX, 64; Paus. IV, 3, 7; c. 15, 8; c. 33, 4. Curtius (Fei.
11, S. 136) setzt die Stadt nach Pouillon-Boblayes Vorgang- auf einer
von Südosten her in die Ebene vortretenden Anhöhe östlich oberhalb
des Dorfes Meligala an, eine Annahme, für welche es an jedem lite-
rarischen und monumentalen Zeugnisse fehlt; vgl. Annali XXXIII,
p. 56.
3. Messenien: die nördliche Ebene. 163
rührend J) Von den südwestlichen Abhängen des Tetrasi kommt
ein von den Alten wahrscheinlich Leukasia genannter Bach
herab, der sich im südlichsten Theile der Ebene, nachdem er
ein einen nördlichen Winkel derselben bildendes schmales Thal
durchflössen, mit einem anderen von den westlichen Abhängen
der Nomiaberge herabkommenden Bache, dem Amphitos, nach-
dem dieser einen kleinen Seitenbach, den Charadros, aufge-
nommen hat, vereinigt: die vereinigten Gewässer ergiessen sich
nach ganz kurzem Laufe in den von dem südlichen Abhänge
des heiligen Iliasberges her durch ein nordwestliches Seitenthal
in die Ebene einfliessenden Bach, der jetzt Mavrozumenos, von
den Alten Balyra genannt wird.^) Dieser ist gerade an dem
Vereinigungspunkte durch eine in ihren Fundamenten antike Brücke
überbrückt, deren drei Schenkel (einer nach Süden, einer nach
Nordost und einer nach Nordwest gerichtet) die Richtung der
antiken Strasse bezeichnen welche von der Stadt Messene her-
kommend sich hier gabelte, um rechts nach der arkadiscTien Me-
galepolis, links nach Kyparissia auf der messenischen Westküste hin-
zuführen. Folgte man der letzteren, so gelangte man zunächst
nach einer kleinen Ortschaft Polichne, die am südlichen Ende
des vom obern Laufe der Balyra durchströmten, durch einen
niedrigen Bergzug vom Thale der Leukasia getrennten Thaies,
in der Gegend des jetzigen Khans von Kokla zu suchen ist; in
der Nähe derselben flössen zwei Bäche, Elektra und Koios
genannt, jedenfall ein Paar westliche Seitenarme der Balyra. Nach
Ueberschreitung des ersteren kam man an eine Quelle A chaia, in
deren Nähe sich Reste einer alten Ortschaft fanden, die dem Pau-
sanias als die der alten Stadt Dorion (ein Name, der von Anderen
freilich auf einen Berg oder auch auf die ganze Ebene der oberen
lialyra bezogen ward) bezeichnet wurden.^)
*) Paus. c. 17, 10 u. ü.; Steph. Hyz. u. 'Iqcc: vgl. Ross Reisen I,
S. 95 fr.; Curtius Pcl. II, S. 152 f.; Vischer Erinnerungen S. 451 ff.
Die von Clark (Peloponnesus p. 248 ss.) gegen die Beziehung jener
Reste auf Eira erhobenen Zweifel scheinen mir durchaus nicht erheb-
lich zu sein.
2) Paus. c. 33, 4; vgl. Expedition ^e Mort^e I, pl. 48 und Curttos
11, S. 150 f. Der Name Balvga,, den die Legende von der weggewor-
fenen Leier des Thamyris herleitete, gehört wahrscheinlich zur Wurzel
J-t/l, J^ak 'winden, krümmen'.
3) Paus. c. 33, 6 f.: vgl. »trab. p. 360; Steph. Byz. u. JtoQiov.
11*
164 II. Peloponncsos.
Folgte man dagegen tler nach Megalepolis füln'enden Strasse,
so fand man nalie dem östliclien Hände der Stenyklarischen Ebene
am linken Ufer des Charadros (in der Nähe des jetzigen Dorfes
Philia) einen geräumigen Kypressenhain, Karnasion genannt,
in welchem den grossen Göttinen (Demetör und Rora) nebst Apol-
lon Karneios, dem widdertragenden Hermes und den Rabeiren
Mysterien, in ihren Bräuchen wie an Ansehen und Huf an die
eleusinischen erinnernd, gefeiert wurdenJ) Dieses Heiligtum,
dessen erste Gründung jedenfalls in die Zeit vor der dorischen
Einwanderung zurückgeht, gehörte zum Gebiete von Andania,
dem Sitze der alten lelegischen Könige und der Heimat des Ari-
stomenes, dessen Ruinen 20 Minuten nördlich von der Stelle des
Hains auf einem Bergvorsprunge oberhalb des Dorfes Trypha
unter dem Namen 'Helleniko' erhalten sind. Die eigentliche Burg
scheint, ähnlich wie Eira, seit dem zweiten messenischen Kriege
in Trümmern geblieben zuxsein, während unterhalb derselben
nach der Wiederherstellung Messeniens ein Städtchen, dem man
den alten Namen beilegte, begründet wurde. Auf die alte Burg-
stadt bezogen einige den Namen Oichalia, der auch in den
messenischen Sagen eine Rolle spielt, während andere diesen Ort
an die Stelle des Haines Karnasion versetzten.^) Reste einer
anderen befestigten Ortschaft finden sich gegen zwei Stunden süd-
östlich von den Ruinen Andanias, auf der westlichen Spitze eines
steil abfallenden, bereits zu dem Gebirgssystem des Taygeton ge-
hörigen Bergrückens, der auch im Mittelalter eine Burg getragen
*) S. Paus. c. 33, 4 und die grosse in der Nähe des Dorfes Hagios
Konstantinos g-efandene Inschrift bei Sauppe Die Mysterieninschrift aus
Andania, Göttingen 1860; dazu die Bemerkungen von Couze und Mi-
chaelis in den Annali XXXIII, p. 51 ss.
2) Paus. c. 33, 4 f., vgl. c. 1, 2; c. 2, 2; c. 3, 10; c. 14, 7; c. 2G,
6; Strab. p. 339; p. 350; p. 360; Pherekyd. fr. 34 Müller (zu welcher Stelle
auch der neueste Verbesscrungsvorschlag von Sauppe a. a. 0., S. 8,
Anm. 3, sv MsgoXt] für iv Govlrj zu schreiben, verfehlt ist, da das Ge-
biet von Mesola sich nach der von S. angezogenen Stelle des Strab.
p. 360 [vgl. oben 'S. 159, Anm. 2j bis ans Meer erstreckt haben muss:
vielleicht ist sv äXasi %7]g 'Av§avLccg zu schreiben); Liv. XXXVI, 31;
Steph. Byz. u. 'AvdavCa: nach der letzteren Stelle hätte einstmals die
ganze Landschaft (d. h., wie Curtius Pel. II, S. 189 erkannt hat, die
nördliche Ebene) den Namen Andania geführt. lieber die Kuinen von
Andania vgl. Curtius Pel. II, S. 132 f.
3. Mcs'senicn: die nördliche Ebene. 165
hat (Palaeokastron von Kokia) ; wahrscheinlicli gehören dieselhen
Ampheia, einer Gränzfestung Messeniens gegen Lakonien, durcli
deren Ueherrunipelung die Lakedaenionicr den ersten niesseni-
schen Krieg eröli'net haben sollen. ^)
Anf der von der ßalyrabrücke südwärts führenden Strasse
erreichte man in V/^ Stnnden den Fuss der Ithonie und die
westlich von ihr und dem sie mit dem Euan verbindenden Sattel
gelegene Stadt Messene. Der 802 Meter hohe Gipfel des Berges,
zu dem man vom Sattel aus eine Stunde lang emporsteigt, war
dem Zeus Ithomatas, dem Landesgotte Messeniens, dem Spender
fruchtbaren Regens, geweiht, der, ahnlich wie Zeus Lykaeos auf
dem benachbarten arkadischen Gebirge, hier ohne Tempel und
Bild (ein später für die in Naupaktos angesiedelten Messenier von
Ageladas angefertigtes liild des Gottes wurde nicht auf der Cuit-
stätte, sondern im Hause des je auf ein Jahr gewählten Priesters
bewahrt) mit Opfern und musischen Wettkämpfen verehrt wurde;
zugleich diente die mit starken Mauern umgebene obere Fläche,
auf d«r jetzt ein verlassenes Kloster der Panagia steht, als die
IJaup*Ji^tung des Landes, deren Fall den Ausgang des ersten so-
wie des dritten messenischen Krieges entschied. In letzterer
Ilinsi^^t erhielt der Berg neue Bedeutung durch die Gründung
der Stadt 3Iessene, indem er, ähnlich wie Akrokorinthos, als
Akropolis der unteren Stadt benutzt und in das Befestigungssystem
derselben aufgenommen wurde: seitdem galten Ithome und Akro-
korinthos als die beiden stärksten Festungen der ganzen Halb-
insel, oder, wie Demelrios von Pharos es ausdrückte, als die beiden
Ilörner, an denen man den Stier Peloponnesos festhalten müsse. -)
Die unter der Leitung des argivischen Strategen Epiteles ange-
legte Stadt hatte mit Einschluss der Burg einen Umfang von un-
gefähr zwei deutschen Meilen, ein Raum, der freilich nicht ganz
•) Paus. c. .5, 9; vgl. Vischer Erinnerungen S. 419 ff. Freilich liegen
die Kiiincn niclit unmittelbar an der lakonischen, sondern zunächst an
der arkadischen Grunze; allein der Besitz dieses sclimalen südlichen
Zipfels von Arkadien war nach der Annexion der lielminatis an Lako-
nien jedenfalls mannigfachen Schwankungen unterworfen.
2) Polyh. VII, 11; «trab. p. 3GI; Paus. c. 9, 1 f.; c. 33, 1 f. Die
Mncannelirten »Saiden, von denen aucli ich Stücke im llofo des Klosters
fand, stammen gewiss nicht von irgend einem CultgcbUudo, sondern
dienten wohl als Träger von Weihgeschcukeu.
166 11. Peloponnesos.
von den Privatwohnungen, Tempeln und sonstigen ölTentliclien
Anlagen eingenommen, sondern zum Tlieil, wie die innerhalb der
Ringmauer liegenden westlichen und südlichen Abhänge der Ithome,
unbebaut war; nur am südlichen Abhänge, an weichem der
Zickzackpfad zum Gipfel hinaufführt, findet man einige durch
Mauern gestützte Terrassen und auf einer derselben die Trümmer
eines kleinen Tempels der Artemis Limnatis (nach Lebas Herstel-
lung ein korinthischer Tempel in anlis) mit dem Opferplatz, in
dessen Mitte der Altar stand, vor dem Eingange. ^) Die Ringmauer,
welche mit ihren Zinnen und Thürmen von Pausanias ((V, 31, 5)
als das schönste ihm bekannte Reispiel städtischer Refestigungs-
anlagen gerühmt wird, ist am besten erhalten an der Nordseite
und Nord Westseite der Stadt, wo sie sich noch mehrfach bis zu
12 Lagen von regelmässigen, ohne Mörtel sorgfältig aneinander-
gefügten Parallelepipeden, die Thürme, denen nur das hölzerne
Dach und der aus Holzbalken gefügte Zwischenboden zwischen
dem ersten und zweiten Stockwerk fehlt, bis zu einer Höhe von
über 30 Fuss erheben. Ziemlich in der Mitte der Nordmauer
öffnet sich ein Thor, der Ausgangspunkt der Strasse naciJ^Mega-
lepolis, an welches sich nach Innen ein kreisrunder Hofraum von
62 Fuss Durchmesser anschliesst, aus dem man durch ein rveites,
in gleicher Richtung mit dem äusseren liegendes Thor eine nach
dem Innern der Stadt führende, mit viereckten Steinen sorgfältig
gepflasterte Strasse betritt, die man jetzt nur eine kurze Strecke
weit verfolgen kann."^) Wahrscheinlich führte dieselbe als eine
*) S. Lebas Revue archeologique 1844, p. 425 ss. und dessen Voyage
archeologique en Grece Architecture, Livr. 3 — 5, pl. 1 — 9. Für die
Ruinen der Stadt überhaupt vgl. die Pläne und Ansichten in der Expe'-
dition de More'e I, pl. 22 ss., wornach der Plan bei Aldenhoven Itine'-
raire descriptif de l'Attique et du Peloponnese (Athen 1841) zu p. 196,
bei Curtius Pel. II, Tfl. VI und auf unserer Tfl. IV.
2) S. die Abdildungen bei Leake Morea I, p. 372, in der Expe'dition
de More'e I, pl. 42—47, bei Fiedler Reise I, Tfl. IV und bei Curtius Pel.
II, S. 141. Ob die durch die Inschrift C. I. gr. n. 1460 bezeugte Wie-
derherstellung durch Q. Plotius Euphemion die ganze Thoranlage oder
nur ein in der Nische, über der die Inschrift angebracht ist, aufgestell-
tes Bildwerk (die von Paus. c. 33, 3 erwähnte Herme ?) betroffen hat^
ist nicht sicher zu entscheiden, letzteres aber wegen der Stelle der
Inschrift wahrscheinlicher. — Eine Tsysätig nvXrj von unsicherer Lage
erwähnt Polyb. XVI, 17.
3. Messenien: die nördliche Ebene. 167
Art Corso nach der Agora, auf welcher Pausanias (c. 31, 6)
ausser einigen Götterbildern und Heiligtümern besonders einen
Arsinoe genannten Brunnen erwähnenswerth fand, der von einer
am Aufstieg zur Burg entspringenden Qu^^He Klepsydra (vgl. c.
33, 1) gespeist wurde. Dies kann keine andere sein als die,
welche noch jetzt mitten in dem nach ihr benannten Dorfe Ma-
vromati (Schwarzauge, bildlich für eine tiefklare Quelle) aus einer
an den südlichen Fuss der Ithome angelehnten Mauer hervor-
sprudelt und als ein ziemlich starker Bach durch den südlicheren
Theil des alten Stadtgebiets fliesst. ^) Da nun nicht anzunehmen
ist, dass man im Altertum das Wasser dieser Quelle nach dem
höher gelegenen nördlichen Theile der Stadt, der selbst mehrere
Quellen hat, geleitet habe, so wird man die Agora südlich davon,
auf der ebenen Fläche am linken Ufer des Baches zu suchen ha-
ben, auf welcher neben verschiedenen Grundmauern alter Ge-
bäude auch die Reste eines in dorischem Styl erbauten Tempels
erkennbar sind. Etwas weiter gegen Südwesten finden sich die
Ueberreste des an drei Seiten von Säulenhallen umgebenen, an
der Südseite durch die Stadtmauer abgeschlossenen Stadions, des-
sen Sitzreihen besonders an dem oberen einen durch Tangenten
verlängerten Halbkreis bildenden Ende wohl erhalten sind. ^) Unter
den übrigen Ruinen, die in grosser Menge, vielfach von Gebüsch
überwachsen, den inneren Stadtraum erfüllen, ist die ansehnlichste
die eines kleinen Theaters von ungefähr 60 Fuss Durchmesser,
das auf einem viereckten steinernen Unterbau ruht, gerade west-
lich von dem Dorfe Mavromati. In der Nähe desselben, wahr-
scheinlich gegen Osten, stand ein Heiligtum des Sarapis und der
Isis; auch zwei andere ölfentliche Gebäude, das Gymnasion und
das mit den Statuen aller von den Hellenen verehrten Gottheiten
und einem Erzbilde des Epameinondas geschmückte Hierothy-
sion,^) sind wahrscheinlich in dieser Gegend anzusetzen: letz-
teres etwa unmittelbar nordwestlich vom Theater, wo noch eine
«) 8. Expedition de Morde I, pl. 35, 1. Dass die von Lebas Revue
archdol. 1844 p. 431 s. beschriebene Felskammer unterhalb des Tempels
der Lirnnatis nicht, wie Curtius ö. 147 vermutet, das Brunnenhaus der
Klepsydra sein kann, iiat Vischcr Erinnerungen S. 448 riclitig bemerkt.
«) S. Expedition de Morde I, pl. 24—29; Curtius S. 144.
') Paus. c. 32, 1 ff. : v|Erl. für die Ruinen des Theaters Expdd. de
Morde I, pl. 37.
168 11. relüponnesüs.
stattliclie Mauer erhalten ist mit einer Tliiire, durch welche man
auf einer Tre])pe von neun Stufen zu einer Terrasse em[)orsteigt,
ersteres wohl hinter dem Scenengebäuile , d. h. südUch vom
Theater.
i»io süiiiicho Von den Ruinen Messenes aus gelangt nian in etwas mehr
Ebene und yjg ^ii-gi StundcH auf einem Wege, welcher den Pamisos auf einer
Halbinsel. ^^^ autikcu Fundamenten ruhenden Brücke überschreitet, nach
den Ruinen Thurias, der bedeutendsten Stadt der südlichen
Ebene, in welcher einige alte Geographen das homerische An-
theia, andere das homerische Aepeia wieder fanden. Die Be-
wohner hatten sich, obgleich sie als lakonische Periöken den
Druck der spartanischen Herrschaft weniger schwer empfanden,
dem im Jahre 464 v. Chr. ausgebrochenen Aufstande angeschlossen,
nach Beendigung desselben also jedenfalls mit den übrigen Theil-
nehmern ihre Heimat verlassen müssen. Ob die Stadt nun leer
gestanden oder von Lakonien aus neue Bewohner erhallen hat,
wissen wir nicht, da uns keine Erwähnung derselben aus dieser
Zeit erhalten ist; nur das ist sicher, dass sie nach der Wieder-
herstellung Messeniens wieder als eine der angesehensten Städte
der Landschaft bestanden hat. Im Jahre 182 v. Chr., als die
Messenier zum Wiedereintritt in den achäischen Bund genöthigt
wurden, trennte sie sich zugleich mit Abia und Pharae von
der politischen Gemeinschaft mit dem übrigen Messenien und trat
als selbständiges Glied dem Bunde bei. Augustus gab die Stadt,
um die Messenier für ihre Parteinahme für Antonius zu strafen,
den Spartanern; doch wurde sie schon durch Tiberius wieder
mit Messenien vereinigt. Im zweiten Jahrhundert n. Chr. war
die alte Stadt zum grossen Theile verödet, da die Mehrzahl der
Bewohner sich unterhalb derselben in der Ebene am linken Ufer
des Flüsschens Aris (eines östlichen Nebenflusses des Pamisos,
der aus einigen reichen Quellen bei dem jetzigen Dorfe Pidima
entspringt) angesiedelt hatten.^) Von dieser unteren Ansiedelung
1) Thukyd. I, 101; Polyb. XXV, 1; Strab. p. 360 f.; Paus. c. 31,
1 f. Aus der Zeit, als die Stadt ein selbständiges Glied des achäischen
Bundes war, stammt wahrscheinlich die Inschrift bei Viseher Epigra-
phische und archäologische Beiträge aus Griechenland S. 307. In an-
dern Inschriften (Lebas Voyage arche'ol. en Grece, Partie II, sect. 4,
n. 301 — 303) erscheint ein Priester der Athene als Eponymos. Für die
Ruinen vgl. Leake Morea I, p. 354 ss. und den freilich nicht ganz ge-
3. Messenien: die südliche Ebene und die vvcslliclie Halbinsel. 169
ist nur noch die Ruine eines grossen Ziegelgebüudes (jedenfalls
einer römischen Villa) vorhanden; von der oberen Stadt dagegen,
die ein geräumiges Felsplateau einnahm, an dessen nordöstlichem
Ende jetzt ein Dörfchen Palaeokastro liegt, sind noch bedeutende
Reste der Ringmauer, welche genau dem Rande des Plateaus
folgte, und innerhalb derselben zahlreiche Fundamente grosser
Gebäude erhalten, darunter auch die zweier dorischer Tempel,
deren einer der Athene, der Ilauplgöltin der Stadt, der andere
der Syrischen Göttin geweiht gewesen zu sein scheint. Der ge-
gen Osten gelegene höchste Theil des Plateaus war durch eine
besondere Mauer umschlossen und bildete also wohl die Akropolis
der Stadt; an dieselbe lehnte sich die gegen Westen geöffnete
Cavea eines Theaters, deren Form wenigstens noch kenntlich ist,
wenn auch die Sifzstufen verschwunden sind. Zur Versorgung
der Stadt mit Wasser diente eine grösstentheils in den Felsen
gearbeitete, durch Querwände in drei Abtheilungen getheilte Ci-
sterne von 85 Fuss Länge, 50 Fuss Breite und gegen 12 Fuss
Tiefe im sudlichsten Theile des Stadtraumes.
Oestlich von Thuria erstreckt sich his zum Rücken des Tay-
geton ein 4 — 6 Stunden breites, rauhes und unwegsames Rerg-
land mit zahlreichen tiefen Schluchten und einigen kleinen kessel-
fönnigcn Thälern, von einem etwas unterhalb der Wasserscheide
entspringenden, durch mehrfache Zuflüsse verstärkten Flusse, dem
Nedon, durchströmt. Diese Gegend, von den Alten nach einer
alten Gränzbefestigung Namens Denthalioi das Den thalische
oder Denthelische Gebiet genannt, war von den ältesten bis
in die spätesten Zeiten, solange es überhaupt ein selbständiges
Messenien gab, ein Gegenstand des Streites mit dem östlichen
Nachbariande : durch Tiberius wurde sie schliesslich den Messeniern
nauen Plan bei Lebas Itineraire pl. 29 (wiederholt bei Curtius II, TU.
VII). Ich erkannte deutlich die Fundamente zweier Tempel: eines
kleineren in der Nähe der grossen Cisterne, von dem ich noch zwei
Tronc8 halbcannelirter dorischer Säulen vorfand, und eines grössern auf
einem besonderen, theils durch Glättung des Felsbodens, tlieils durch
Untermauerung gebildeten Plateau im nördlichen Theile der Stadt, mit
einer Häulenweite von vier Fuss und unterem Durchmesser der Säulen
von ungefähr zwei Fuss (zwei Fuss zwei Zoll engl, nach Leake): nach
dem, was nocli von dem Grundplanc zu erkennen ist, zu schliossen, ein
dorischer Peripteros hexastylos.
170 II. Peloponnesos.
zugesprochen, die nun auf dem Kücken des Taygeton Gränzsteine
errichteten, von denen zwei mit der Inschrift *Gränze Lakedae-
mons gegen Messene' sich his in die neueste Zeit erhalten haben.
Zu diesem Denthalischen Bezirk gehörte auch das Heiligtum der
Artemis Limnatis, das als gemeinsamer Besitz der lakonischen
und messenischen Dorier in den Traditionen vom Ausbruch des
ersten messenischen Krieges eine Rolle spielt und noch bis in
die späte römische Kaiserzeit mit einer kleinen Ortschaft Lim-
nae bestand: seine Stelle nimmt jetzt eine kleine verfallene Ca-
pelle der Panagia von Volimnos ein. die am nördlichen Abhänge
eines jetzt Volimnos genannten engen Thalkessels steht, der sich
am südlichen Fusse des Berges Gomovuno östlich über dem Bette
eines von Norden her dem Nedon zufliessenden Bergbaches
hinzieht. ^)
In der ziemlich schmalen aber, abgesehen von dem äusser-
sten Rande, sehr fruchtbaren Mündungsebene des Nedon liegt
jetzt, ungefähr 20 Minuten vom Meere entfernt, von Orangengär-
ten umgeben das Städtchen Kalamata, das eine verfallene mittel-
alterliche Festung, aber durchaus keine antiken Reste aufzuweisen
hat. Dennoch kann nicht bezweifelt werden, dass es die Stelle
des alten Pherae oder Pharae einnimmt, da dies nach den
Angaben der Alten an der Mündung des Nedon in geringer Ent-
fernung vom Meere (die seit dem Altertume um 2 — 3 Stadien
gewachsen ist) lag. Die schon in den Homerischen Gedichten
erwähnte Stadt bestand auch unter der lakedaemonischen Herr-
schaft fort, trennte sich im Jahre 182 v. Chr. zugleich mit ihren
beiden Nachbarstädten gegen Nord und Süd, Thuria und Abia,
vom übrigen Messenien, vvurde durch Augustus zu Lakonien ge-
schlagen, aber durch Tiberius wieder mit Messenien vereinigt. ^j"
Die südliche Nachbarstadt, die diese Schicksale theilte, Abia oder
Abea (angeblich das Homerische Ire oder Hire), lag gegen drei
Stunden südlich von Pherae, ziemlich eine Stunde nördlich von
0 Paus. c. 4, 2; c. 31, 3; Strab. p. 362; Tac. Ann. IV, 43; Steph.
Byz. u. ^svO-aUoi: vgl. Ross Reisen I, S. 1 ff. Ob der bei Athen. I,
p. 31'' erwähnte olvog ^bvQ'ks^ der nach einem Castell ^Bvd^idSsg be-
nannt sein soll, hierher gehört, ist mir zweifelhaft, da in dieser Gegend
jedenfalls nie Wein gewachsen ist.
2) II. E, 543; I, 151; 293; Od. y, 488; o, 186; Xen. Hell. IV, 8, 7
wo ^sqccl); Polyb. XVI, 16; XXV, 1; Strab. p. 360; Paus. c. 30, 2 if.
3. Messenien: die südliche Ebene und die weslliche Halbinsel. 171
der Landesgränze, der Schlucht des Choiros (vgl. oben S. 154),
auf einer Anhöhe hart am Meere, welche einige mit Rücksicht
auf die zwei etwas weiter östlich gelegenen Dörfer 'Gross-' und
'Kiein-Mantineia' jetzt 'Alt-Mantineia' genannte antike Mauerreste
und einige Inschriften mit dem Namen der Abeaten trägt. ') Drei
Viertelstunden nördlich davon, am Wege nach Kalamata, liegt das
nach einem starken Bach mit salzhaltigem Wasser benannte Dorf
Armyro,2) dessen kleiner Hafen der Ankerplatz für die Schiffe
der Bewohner von Kalamata, das eine offene Rhede hat, während
der stürmischen Jahreszeit ist. Ungefähr eine Viertelstunde von
der Küste ist eine sehr beschränkte Stelle des Felsbodens von
paläontologischem Interesse, indem man dort versteinerte Knochen
und Gehirne einer Anlilopenart in ziemlicher Menge findet.
Eine halbe Stunde nordöstlich von Kalamata trifft man zur
Linken des directen Weges von Kalamata nach Sparta (vgl. oben
S. 104) einen Hügel, dessen obere Fläche mit antiken Mauer-
resten umgeben ist; Reste einer zweiten Mauer ziehen sich etvTas
weiter abwärts um die Abhänge des Hügels herum; in der Ebene
rechts vom Wege erkennt man noch antike Hausplätze auf dem
künstlich geebneten Felsboden. Wahrscheinlich gehören diese
unscheinbaren, von früheren Reisenden übersehenen Reste dem
alten Kalamae an, das zur Zeit des achäisch-ätolischen Krieges
eine befestigte Ortschaft, in der römischen Kaiserzeit eine blosse
Kome war.^)
An die Mündungsebene des Nedon schliesst sich im Westen
die des Pamisos an, die eigentliche Makaria der Alten, die zwar
jetzt in Folge der Vernachlässigung an manchen Stellen versumpft,
im Ganzen aber immer noch von ausserordentlicher Fruchtbarkeit
ist: ausser Citronen, Orangen, Feigen und Oel wird besonders
bei dem auf dem rechten Flussufer gelegenen Dorfe Nisi trefflicher
rother Wein gebaut; die in Menge wild wachsende Cactus Opuntia
und Agave Americana erhöhen noch den Eindruck acht südlicher
') Paus. c. 30, 1 (vgl 11. i, 150); Polyb. XXV, 1; Ptol. III, 16, 8;
C. I. gr. n. 1307; 1457; 1463; vgl. die Inschrift bei Ross Reisen I, S. 8.
') 'y^^jLtvpd = ccXfivQov: ein vdatQ aXfiVQOv am Wege von Abia nach
Pharae erwähnt Paus, c, 30, 2. — Auch Pharae hatte, wie das jetzige
Kalamata, nur einen vcpOQ^og d-SQivog nach Strab. p. 361.
') Polyb. V, 92; Paus, c, 31, 3; Steph. Byz, u. Kakdfim.
172 ' II. l'cloponncsos.
Vegetation, den man bei Durcliwandcrung dieser Gegend empfängt J)
Itesle antiker Ortseliaflen tindet man liier ebenso wenig als in dem
weslliebsten Tbeile der Ebene, dessen wellenförmiges, durch zabl-
reiclie Hügel unterbrochenes, von Giessbächen^) zerklüftetes Ter-
rain der Pamisosebene an Fruchtbarkeit nachsteht. Jedenfalls
war die ganze Ebene im Altertum weit schlechter bewohnt als
heut zu Tage, wo man wenigstens zahlreiche kleine Dörfer und
Weiler darin antriift: unter der spartanischen Herrschaft wohnten
wohl nur einige Uelotenfamilien in ärmlichen Hütten in der Mitte
der Grundstücke, die sie unwillig und daher schlecht für ihre
Unterdrücker bestellten; nach der Befreiung vom spartanischen
Joche führte das Bestreben, die schwachen Kräfte des jungen
Staates durch Concentration in wohlbefestigten Städten zu stärken,
zur Vernachlässigung und Verödung des flachen Landes. Eine
solche wesentUch zum Schutz der die Ebene im Südwesten ab-
schliessenden Halbinsel (vgl. oben S. 157) bestimmte Anlage war
das gleichzeitig mit Messene unter der Leitung des Epimelides
aus Koroneia in Boiotien erbaute Korone am südöstlichen
Fusse der Mathia, oberhalb eines flachen jetzt Petalidi genannten
Küstenvorsprungs. der dem Cap Koryphasion an der Westküste
gerade gegenüber liegt, so dass eine zwischen beiden gezogene
Linie den nördlichen Abschluss der messenischen Halbinsel be-
zeichnen würde. Die Oberstadt, von welcher noch beträchtliche
Mauerstücke und sonstige Baureste erhalten sind, lag auf einer
Hochfläche, die in alter Zeit wahrscheinüch von der früh verfal-
lenen Stadt Aep ei a eingenommen wurde: sie enthielt ausser der
Akropolis, auf welcher mit Anspielung auf den Namen der Stadt
eine Erzstatue der Athene mit einer Krähe in der Hand aufge-
stellt war, jedenfalls auch die mit einem Erzbilde des Zeus Soter
geschmückte Agora und die Tempel der Artemis Paedotrophos,
des Dionysos und des Asklepios; das Trinkwasser wurde ihr von
*) Auf diese Gegend pässt besonders die schöne Schilderung in einem
Fragment des Euripides (wohl aus dem Kresphontes, wie schon Mus-
grave vermutete) bei Strab. VIII, p. 366.
2) Ob der von Paus. c. 34, 4 genannte Fluss Bias einer dieser
Bäohe der Ebene oder der schon der südlichen Halbinsel angehörige
Dschanebach ist, ist ebenso wenig sicher zu bestimmen als der -von
Paus, vor der Mündung desselben erwähnte der Ino geweihte Platz an
der Küste.
3. Messenien: die südliche Ebene und die weslliclie Halbinsel. 173
einer eine Stunde weiter gegen Westen im Innern des Iioblen
Stammes einer Platane entspringenden, daher Plataniston genann-
ten Quelle her zugeführt. An dem durch Steindämme geschützten
Hafen, der aus einem uns unbekannten Grunde 'der Hafen der
Achäer' (Axaiav ?.L^rjv) genannt wurde, bildete sich, wahrschein-
lich in Folge des regen Verkehrs in demselben, eine offene Un-
terstadt, von welcher auch noch einige Reste erhalten sind. ^)
Südlich von Korone zieht sich in einer Länge von öYj Stunden
eine ziemlich einförmige, von zahlreichen Giessbächen durchfurchte,
durch kleine dreieckige Vorsprünge unterbrochene Küste hin bis
zu dem ziemlich weit nach Osten vorspringenden Vorgebirge, des-
sen Gipfel durch die von aussen noch jetzt stattliche, im Innern
freilich verfallene Festung von Koron gekrönt wird. Im Altertum
lag nur eine Ortschaft auf dieser ganzen Strecke, Kolonides,
angeblich von einem Attiker Kolaenos, einem Nachkommen des
Hermes, gegründet, welche nach den überlieferten Enlfernungs-
angaben in der Gegend des jetzigen Dorfes Kastelia, wo auch
einige alte Reste sich finden, zu suchen ist; in derselben Gegend,
wold nur etwas weiter nördlich, stand ein angesehenes, mit einer
Heilanstalt verbundenes Heiligtum des Apollon.^)
Das schon erwähnte Vorgebirge, welches die Festung Koron
trägt, die mit ihrer Zwillingsschwester, dem ihr gegenüber auf der
Westküste der messenischen Halbinsel gelegenen Modon (das Volk
bezeichnet beide zusammen gewöhnlich mit dem copulativen Com-
positum xd ModcjvoTcoQOva) , einst ein Ilauptobject der Kämpfe
zwischen Venetianern und Türken war, ist seit den frühesten
Zeiten der messenischen Geschichte der Platz einer städtischen
1) Paus. c. 34, 4 f.; Strab. VllI, p. 3G0 f. (vgl. II. /, 152; 294);
Liv. XXXIX, 49; Ptol. III, 16, 8; Steph. Byz. u. Kogavri: über die
Kuinen E. Curtius Bulletino 1841, p. 43 ss. und Wclckcr Tagebuch einer
griecliischen Heise I, 8. 234.
2) Paus. c. 34, 7 giebt die Entfernung von Korone nach dem Apollon-
heiligtume auf 80 Stadien, ebds. § 12 die von Kolonides nach Asino
auf 40 Stadien an; die nicht angegebene Entfernung zwischen dem
Ifeiligtumo und Kolonides muss, da die ganze directc Entfernung von
Pc'talidi nacli Koron höchtens 120 Stadien beträgt und da das Ifeiligtum
hart am Meere, Kolonides in geringem Abstände von der Küste lag,
sehr unbedeutend gewesen sein. Vgl. Loake Peloponnesiaca p. 195 s.
Die Ortschaft heisst yKo^irj KoXioviq bei IMiit. IMdlopocm. 18, KoXojvrj
bei Ptolem. IH, IG, 7.
174 n. Peloponnesos. '
Ansiedelung gewesen, hat aber ausser einigen Cisternen, zahl-
reichen Thonscherben und den von den Wogen angefressenen
Steinen eines alten Hafendamms keine antiken Reste aufzuweisen.
In den Zeiten des messenischen Königtumes stand liier jedenfalls
einer der Hauptorte des Landes, nach seiner Lage *Rhion' d. i.
Vorgebirge genannt (s. oben S. 157, Anm. 3 und S. 159, Anm.
2); nach der Unterwerfung Messenieiis durch die Spartaner wiesen
diese den zeitweise verödeten Platz den durch die Argiver ver-
triebenen dryopischen Bewohnern des argivischen Asine (s. oben
S. 60) als Zufluchtsstätte an, die hier ein neues Asine gründeten
und auch bei der Wiederherstellung Messeniens im Besitz dieser
ihrer Gründung belassen, den Namen und die Culte des allen
Dryoperstammes bis in die spätesten Zeiten des Altertums be-
wahrten. ^)
Die felsige Südspitze der messenischen Halbinsel, der Akritas
der Alten (s. oben S. 158), scheint nur in ihrem nördlichsten
Theile, bei dem westlich von Koron gelegenen Dorfe Saratschä,
einige Spuren einer uns unbekannten antiken Ortschaft darzu-
bieten;^) auch konnten weder die unwegsamen Höhen des Berg-
rückens, noch die hafenlosen Küsten zur Ansiedelung einladen.
Erst nordwestlich davon, da wo sich der Akritas an die breite
Hauptmasse der messenischen Halbinsel anschliesst, öfl'net sich
eine geräumige Bucht, die ausser bei heftigem Südwinde den
Schiffen einen sichern Ankerplatz gewährt, von den Alten Phoi-
nikus genannt, an welcher sich die Ruinen eines römischen
Ziegelgebäudes und einer mittelalterlichen Kirche, auch einige
Mauerreste und zahlreiche Gefässscherben, also sichere Spuren
einer alten Niederlassung, die wohl den Namen der Bucht geführt
hat, finden. ^) Drei Stunden westwärts von hier, sechs Stunden von
Koron entfernt, hegt auf einem gegen Süden nach der Nordspitze
der Insel Sapienza zu vorspringenden Vorgebirge die befestigte
1) Paus. c. 34, 9 ff.; vgl. Herod. VIII, 73 (welche Stelle nur auf
dieses Asine bezogen werden kann); Thuk. IV, 13; Polyb. XVIII, 25;
Strab. VIII, p. 359 s. ; Ptol. III, 16, 8, In einer Inschrift aus Hermione
(C. I. gr. n. 1193) ist uns das Fragment einer Urkunde über die Er-
neuerung der alten Verbindung zwischen dieser Stadt und Asine er-
halten (vgl. oben S. 94).
2) S. Leake Morea I, p. 439.
3) Paus. c. 34, 12; vgl. Aldenhoven Itine'raire p. 170.
3. Messenien: die südliche Ebene und die westliche Halbinsel. 175
Stadt Modon, die Nachfolgerin des alten Mothone oder Me-
thone, von weicher freilich nur geringe Reste (Fundamente des
Hafendammes und an einigen Stellen der Stadtmauer) sich er-
halten haben. Die von den Alten mit dem homerischen Pedasos
identificirte Stadt, deren Name mythisch von einer Tochter des
Oineus (mit Bezug auf den von den Bewohnern eifrig betriebenen
Weinbau), richtiger von einer Mothon genannten submarinen Klippe
am Eingang des Hafens, auf welcher jetzt ein Leuchtthurm er-
richtet ist, hergeleitet wird, hatte schon im Altertum, ebenso wie
im Mittelalter, ein ganz ähnliches Schicksal wie ihre östliche
Nachbarin Asine: wie diese wurde sie von den Spartanern argi-
vischen Flüchtlingen — den von den Argivern vertriebenen Be-
wohnern von Nauplia — zur Wohnstätte angewiesen, die jeden-
falls ihre Culte, besonders den angeblich von Uiomedes gestifteten
der Athena Anemotis (Herrin der Winde) mitgebracht haben;
ebenso wie die Asinäer blieben diese bei der messenischen Restau-
ration in ihrem Besitz unbehelligt und wurden, nachdem die Stadt
in Folge eines Handstreiches illyrischer Seeräuber eine Zeit lang
fast verödet gewesen war, noch von Traian durch Verleihung
der Autonomie begünstigt. ^) Nordwärts von Modon wird die
Küste ganz von dem jetzt nach dem heiligen Nikolaos benannten
Gebirgszuge (vgl. oben S. 157 f.) eingenommen, auf dessen
nördlichstem Vorsprunge, 2^1^ Stunden von Modon, ein am An-
fang des 14. Jahrhunderts von Nicolas de Saint-Omer gegründetes,
von den Griechen NsÖKaatQov, von den Abendländern Navarino
(aus röv 'AßaQivov) genanntes Städtchen liegt, welches den Ein"
gang zu der sichersten und geräumigsten Bucht des Peloponnes,
ja Griechenlands überhaupt beherrscht, der Bucht, welche der
Schauplatz des für das Schicksal des neuen Hellas entscheiden-
den Vernichtungskampfes der vereinigten englisch-französisch- rus-
sischen gegen die türkische Flotte am 20. October 1827 war. Die
westliche Flanke der von Nord nach Süd eine Stunde langen,
halbmondförmigen Bucht wird gedeckt durch eine von den Alten
Sphakteria oder Sphagia (letzterer Name lebt noch jetzt im
^) Paus. c. /{5, wo der Name der Stadt ebenso wie bei Scyl. Per.
46, bei Plut. Arat. 12 und auf einer von Curtius Pelop. 11, 190 ange-
zogenen Münze Caracallas Mod-Cüvr} lautet, während andere Quellen,
wie Thuk. H, 2ö; Stral). VIII, p. 859 f. u. a. Med'covrj geb^en. Ilr'idaaog
ufiTCBXöeaaa II. /, 162 und 294.
176 II. PeIoj)onnesos.
Volksmunde) genannte lange nnd sclnnalc Insel, die aus einem un-
rrnclitbaren liergrüeken besteht, der, in der Mitte durch eine Ein-
sattelung unterbrochen, im nördlichsten Theile sich am höchsten
erhebt. Das nördliche Ende der Insel wird nur durch einen
schmalen, jetzt in Folge der Versandung nur für kleine Boote
passirbaren Canal (Canal von Sikia) von dem südlichen Ende
eines felsigen Vorgebirges getrennt, das sich olfenbar einstmals
ebenso wie Sphakteria als Insel aus dem Meere erhob, aber schon
seit der Zeit, in welche die ältesten historischen Erinnerungen
zurückreichen, durch schmale, dammartige Streifen sandigen Bo-
dens, welche eine weite Lagune (jetzt der Teich des Osman-Aga
genannt) nmschliessen, gegen Osten an das P'estland angeknüpft
ist. Gegen Norden wird es durch eine jetzt vom Volke Boidokilia
{ßoVdoTcoLlLcc d. i. Ochsenbauch) genannte, fast ganz versandete
Bucht von einem ähnlichen, aber weniger steil, namentlich gegen
Osten, abfallenden Küstenberge geschieden, der als drittes Glied
jener alten Inselkette zu belrachten ist, von welcher ausser eini-
gen kleineren Trümmern, wie der kleinen Insel Pylos*) vor der
Südspitze von Sphakteria und einigen Felsklippen im Eingange
der Bucht Boidokilia, nur Sphakteria als Insel übrig geblieben
ist. Das von dieser durch den Sikiacanal getrennte Vorgebirge,
auf dessen Bücken die Buinen einer mittelalterlichen Festung
(von den Griechen Palacokastron oder Palaeo-Avarino genannt)
erhalten sind, ist ohne allen Zweifel die von den Lakedämoniern
Koryphasion, von den Messeniern Pylos genannte Oertlich-
keit, welche der athenische Feldherr Demostlienes im Frühling
des Jahres 425 v. Chr. (Ol. 88, 3) besetzte, eine Besetzung,
die in ihrert Folgen, namentlich durch die Gefangennehmung der
auf Sphakteria abgeschnittenen Spartiaten, einen so bedeutenden
Einfluss auf den Gang des Krieges ausübte.^) Dass aber auch schon
^). Dieses Inselclien scheint im Altertum keinen Sondernamen ge-
habt zu haben, sondern mit zu Sphakteria (Sphagia) gerechnet Ayorden
zu sein, daher der Plural at ScpayiciL bei Xenoph, Hellen. VI, 2, 31;
bei Plinius N. h. IV, 12, 55, wo Ures Sphagiae ante Pylum' aufgeführt
sind, ist Avahrscheinlich noch die kleine jetzt Kuloneski genannte Insel
im Innern der Bucht von Navarin mit einbegriffen.
2) Thukyd. IV, ^ ff.; vgl. Strab. VIII, p. 859; Paus. c. 3G und -den
Plan auf unserer Tfl. V. Die von dem Erklärer des Thukydides, Dr.
Arnold, gegen die besonders durch Leake (Morea I, p. 401 ss.) begrün-
o. iMossenlen: die südliche Ebene und die weslliclie llalliiiisol. 177
in weit älterer Zeit, vor der spartanischen Eroberung, hier eine städ-
tische Ansiedelung bestand und dass diese eben jenes Pylos war,
welches die homerische Dichtung als Herrschersitz und Mittel-
punkt des Reiches des Nestor kennt, das wird durch die Reste
sehr allertümlicher Rcfestigungsmauern, die sich nebst Felsstufen
und Cisternen an mehreren Stellen des Vorgebirges finden, und
durch das Fortleben des ofTenbar den Spartanern als Erinnerung
an eine glorreiche Vorzeit des von ihnen geknechteten Landes
verhassten Namens Pylos im Munde der Messenier sehr wahr-
scheinlich und es findet eine erwünschte Bestätigung durch die
Existenz einer geräumigen, jetzt vom Volke Boidokilia genannten
Tropfsteinhöhle am nördlichen Abhänge des Burgberges, oberhalb
der gleichnamigen Bucht, in welcher man die Grotte wiederer-
kannt hat, in der nach der alten pylischen Sage Hermes die dem
Apollon geraubten Rinder versteckt und zwei derselben geschlachtet
hatte. ') Noch in der römischen Kaiserzeit, wo ein offenbar nach
der Befreiung Messeniens vom spartanischen Joche gegründetes
Städtchen Pylos mit einem Heiligtume der Athene Koryphasia auf
der alten Stätte bestand, zeigte man innerhalb der Stadt nicht
nur das Haus und das Grabmal des Nestor, sondern auch diese
dete Identificirung der Oertlichkeit erhobenen Zweifel sind von Grote
(Geschichte Griechenlands III, S. 559 f. d. d. Ueb.), Curtius (Pelop. II,
S. 179 f.), Clark (Pelop. p. 218 ss.) ausreichend widerleg:t worden.
Die einzige Schwierigkeit liegt in den Angaben des Thukyd. (c. 8),
dass die Insel Sphakteria gegen 15 Stadien lang sei (während die wirk-
liche Länge gegen 24 Stadien beträgt) und dass die Einfahrt in die
Bucht nördlich von der Insel für zwei, die südliche für acht bis neun Schifte
Kaum habe, während jene (der Sikiacanal) jetzt nur für kleine Boote
passirbar ist, die südliche dagegen eine Breite von ungefähr 4000 Fuss
hat. Für die nördliche Einfahrt ist nun allerdings eine Veränderung
der Oertlichkeit seit dem Altertum durch Versandung des Canals anzu-
nehmen; dagegen ist die Annahme einer allmäligen Erweiterung der
südlichen Einfahrt sehr unwahrscheinlich und diese Ditferenz zwischen
der Oarstellung des Thukydides und der Wirklichkeit ebenso wie die
in IJetretf der Lange der Insel auf einen Irrtum des Berichterstatters,
von dem Thukydides., der hier nicht als Augenzeuge schildert, seine
N'achrichlen erhalten liat, zurückzuführen.
') S. Ilymn. in Mercur. v. 108 ff. und 399 ff.; vgl. über die von
Strabon p. 349 ss. bestrittene IdenditUt des homerischen mit dem mes-
senischen Pylos Curtiua Pol. II, 8. 174 ff. und Vischcr Erinnerungen
- 436 f.
IJUKSIAN, (lEOUU. 11. 12
178 il. Peloponnesos.
Grotte, tlie damals beim Volke als der Stall der Rinder des He-
lens lind des Nestor galt. ^)
Die schon oben (S. 158 f.) geschilderte einförmige Küstenstrecke
nördlich von Pylos bis zur Gränze von Elis war offenbar im Al-
tertum sehr wenig bewohnt, vielmehr wohl hauptsächlich mit Oel-
baumpflanzungen, die höheren Terrassen des Aegaleongebirgcs mit
Weiden und Wald bedeckt. Der erste topographisch sichere Tunkt
ist der 100 Stadien nördlich von Pylos entfernte Küstenvorsprung
Platamodes, vor welchem eine kleine jetzt Protano genannte
Felsinsel liegt, die bei den Alten Prote hiess und ein Städtchen
gleichen Namens enthielt, ^j Nördlich davon lag ein jedenfalls
unbedeutender Ort Erana, dem wahrscheinlich die auf der fran-
zösischen Karte verzeichneten hellenischen Reste an der Mündung
des Longobardobaches, halbwegs zwischen Platamodes und dem
neueren Städtchen Philiatra, angehören.^} Die einzige namhafte
Stadt auf dieser ganzen Strecke und im nordwestlichen Messenien
überhaupt war Kyparissia (auch Kyparissiae und Kyparis-
seeis genannt), die sich bis zum heutigen Tage an ihrer alten
Stelle, einige Minuten oberhalb der Küste, erhalten, aber freilich
vom frühen Mittelalter an bis zur Gründung des Königreichs Hellas
ihren alten Namen mit dem Namen Arkadia vertauscht hat.
Die auf einem Vorberge des Berges Psychro, des nördlichsten
Theiles der Aegaleonkette, stehende Citadelle zeigt in dem unteren
Theile ihrer Mauern noch beträchtliche Reste antiken Mauerwerks,
das theils der Zeit der Wiederherstellung Messeniens, theils einer
^) Paus. c. 36, 2. Diese spätere Stadt wird mehrfach erwähnt bei
Polybius (IV, 16; 25; IX, 38; XVIII, 25); vgl. Liv. XXVII, 30; Plin.
N. h. IV, 5, 15.
2) Strab. p. 348; vgl. Thuk. IV, 13; Ptol. III, 16, 23; Steph. Byz.
u. Zl^törrf. Der Name ist wegen der von Steph. bezeugten Betonung
TIqcotiJ nicht mit Curtius (Fei. II, S. 183) als ""die Erste' zu erklären,
sondern als Nebenform für IIXcotT] aufzufassen. In der Ansetzung der
äyiQcc nXata^adrjg weiche ich von Curtius ab, der sie viel zu weit nörd-
lich setzt, während sie nach Strabon südlich von Erana in der Nähe der
Insel Prote zu suchen ist: die 100 Stadien Strabons kommen bei meiner
Ansetzung heraus, wenn man die Krümmungen der Küste (längs welcher
jedenfalls Strabon hinfuhr) in Kechung bringt.
3) Strab. p. 348 und 361. Steph. Byz. u. KvTtccQiaGia identificirt
jedenfalls irrig "Epavi/a (so codd.; bei Strabon "E^ai/a) mit dem triphy-
lischen Kyparissia.
3. Mt'ssenicn : die südliclie Eljtne uiul die weslliche Halbinsel. 179
\veit früheren Periode angehört, also Ueberbleibsel sowohl der
alt- als der neumessenischen Stadt. Die letztere besass Heilig-
tümer des Apollon und der Athene Kyparissia; von einem der-
selben mögen einige bei einer verfallenen Kapelle des heiligen
Georg liegende Säulentroncs herrühren. Geht man von der Stadt
nach der Küste herab, so findet man mitten zwischen Gärten
eine sehr reiche Quelle, deren Wasser jetzt als wunderthätig be-
trachtet wird, mit einem antiken dicht mit Schilfrohr umwach-
senen Bassin, offenbar die Quelle Dionysias, die nach antiker
Sage Dionysos durch einen Stoss mit dem Thyrsos dem Boden
entlockt haben soll. ^) Gegen Norden erstreckte sich das Gebiet der
Stadt bis zu dem die Gränze zwischen Messenien, Triphylien und
Arkadien bildenden, gewöhnlich schlechtweg Au Ion (d. i. Thal-
schlucbt) genannten Englhale des Nedaflusses, in welchem wahr-
scheinlich an der Stelle, wo es sich zu einer fruchtbaren, flachen
Strandebene erweitert, ein Tempel des Asklepios Aulonios stand;
weiter östlich lag, wahrscheinlich über dem rechten Ufer des
Flusses, eine zum Schutz der Gränze gegen die arkadischen Phi-
galeer bestimmte befestigte Ortschaft, die früher ebenfalls Aulon,
später Oluris oder Olura genannt worden zu sein scheint.^)
') Paus. c. 36, 7; vgl. Scyl. Per. 45 (wo die Worte TtQcoTrj Meßatjvr}
nul XLfn]v mit C. Müller in Tlgar^ v^aog x. l. zu ändern und nach
der Erwähnung von Kyparissos, wie die Stadt dort genannt ist, zu
stellen sind); Strab. p. 348 flf.; Polyb. V, 92; Diod. XV, 77 (nach welcher
Stelle die Stadt Ol. 103, 4 zu Elis gehörte); Plin. N. h. IV, 5, 15; Ptol.
III, 16, 7; Steph. Byz. u. KvnccQiGGijeLg] vgl. über die antiken Reste
Leake Morea 1, p. 68 ss. und Aldenhoven Itine'raire p. 138 ss.
2) Paus. a. a. O.; Xen. Hell. III, 2, 25; 3, 8; Strab. p. 350. Die
ven Curtius (Pel. II, S. 185 f.) beliebte Unterscheidung des Aulon als
des Thaies des zunächst nördlich von Kyparissia mündenden Baches
(des Kyparisseeis) von dem Thale der Neda kann ich nicht billigen,
da sie mit den Worten des Paus, in entschiedenem Widerspruch steht.
Nachträge und Berichtigungen.
S. 3, Z. 12 lies: finnischer und südslavischer.
Ö. 64, Anm. 1 füge hinzu: Ueber die jetzt Sampyrgo genannten
Mauerreste von Orneä vgl. Forchhamraer Halcyonia S. 8.
MYKENAI.
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r. 1). MITTLERE E URO TA,S THAL.
Taf.M.
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t,. o/v
MESSENE
Taf.JV.
I.ith.. //,../ /../(., hiuA./.rifjtuf.
Bif.lthonu
N AVAR IN (PYLOS)
Taf.V
l^f m^A Um», fl»t^
GEOGRAPHIE
VON
GRIECHENLAND
VON
CONRAD BURSIAN.
ZWEITER BAND
PELOPONNESOS UND INSELN.
ZWEITE ABTHEILUNG
DIE LANDSCHAFTEN ARKADIEN ELIS ACHAIA.
MIT 3 LITHOGEAPHIEBTEN TAFELN.
LEIPZIG,
DRÜCK UND VERLAG VON B. G. TEUBNER.
1871.
Die Uebersetzung iu fremde Sprachen wird vorbehalten.
4. Arkadien.^)
Arkadien d. i. Bärenland ^j — eine Benennung, die offenbar
aus einer Zeit herrührt, wo der jetzt aus Griechenland überhaupt
verschwundene Bär noch zahlreich auf den waldbedeckten und
höhlenreichen Gebirgen dieser Landschaft hauste — hiess im
Alterthum und heisst noch jetzt die mittelste Landschaft des Pe-
loponnes, ein weites Gebirgs- und Hochland von 9372 D Meilen
Umfang,^) das von den sämmtlichen fünf übrigen Landschaften der
1) Vgl. Chr. Th. Schwab Arkadien, Stuttgart 1852; A. Rangabt'
Souvenirs d'une excursion d' Äthanes en Arcadie, aus den Memoires de
Tacade'mie des Inscriptions t. V. Aus dem Alterthum kennen wir, ab-
gesehen von einigen Specialscbriften über einzelne Cantone oder Städte,
ausser Pausanias 1. VIII folgende Schriften über Arkadien : die */^pxatfixa
des Ariaithos (Dionys. Hai. Ant. r. I, 49; vgl. C. Müller Frgt. bist,
gr. IV, p. 318 s.), des Aristippos (schol. Theoer. Id. I, 3; Clem. Alex.
Strom. I, p. 139; vgl. C. Müller Frgt. bist. gr. IV, p. 327), des Archi-
timos (Plut. Quaest. gr. 39); des Demaratos (C.Müller Frg. bist. gr.
IV, p. 379), u. des Nikias (Athen. XIII, p. 609^); Hellanikos
7C£qI 'Ag-Audiag (schol. Apoll. Rhod. I, 162; vgl. C. Müller Frgt. b. gr.
I, p. 53) und Stapbylos aus Naukratis tcsqI 'AqhccScov (C. Müller Frg.
h. gr. IV, p. 506).
') Dass der Name der Landschaft 'Aq-kccSlu der ursprünglichere und
;iii8 diesem erst der eines eponymen Heros "Agyiag abstrahirt ist, Bchciiit
mir wegen der klaren Etymologie des Namens unzweifelhaft. Bären in
den Wäldern Arkadiens erwähnt noch Pausanias (VIII, 23, 9), wie auch
auf dem Taygeton (III, 20, 4) und dem attischen Farnes (I, 32, 1).
'') Nach Curtius Peloponnosos I. S. 148. Nach der jetzigen Eiu-
theilung des Königreichs Hellas enthält der vofiog 'Agyiadiag nur 79,62
□ Meilen, indem der nördlichste Theil des alten Arkadiens als Eparchie
Kalavryta zum vofiog '^j^afag >ic(l 'UliSog, ein Stück im Südwostcn (die
JJLMSIAN, «»KOOR. II
i;;
182 II. Peloponncsos.
Halbinsel iimgräiizt und so gänzlich vom Meere abgeschlossen isl,
zu dem es sich nur vorübergehend durch Annexion eines Theiles
von Triphylien einen unmittelbaren Zugang verschallte '). Die
natürliche Begränzung der Landschaft wird im Osten, Norden und
Nordwesten durch mächtige Ilandgebirge gebildet, zwischen denen
nur wenige und für grössere Heeresmassen kaum gangbare Pässe
hindurch führen: im Osten durch die schon früher erwähn-
ten Gränzgehirge gegen Argolis, das Apelauron (das fast ganz
auf arkadischem Gebiete liegt), Artemision und Parthenion,
im Norden und Nordwesten durch eine gewaltige aus mehreren
mächtigen Gliedern bestehende Bergkette, deren wichtigstes Glied
die noch jetzt mit reichen Fichten- und Tannenwaldungen be-
deckte Ryllene (jetzt Ziria) ist, ein fast kreisrundes Massen-
gebirge, dessen höchster Gipfel eine absolute Höhe von 2374
Meter erreicht, der Hauptsitz des arkadischen Cultus des Hermes,
welcher Gott in einer der^zahlreichen Höhlen, denen das Gebirge
wahrscheinlich seinen Namen verdankt [Kvllrivri von %vXk6s, ver-
wandt mit Kotkog) , gezeugt und geboren sein sollte und auf dem
Gipfel des Berges als Hermes Kyllenios einen Tempel mit einem
colossalen Schnitzbilde aus dem Holze des Sadebaums (%vov, Juni-
perus Sabina) halte. 2) Ein gegen Norden vorgeschobener Theil
Gebiete von Phig-alia und Aliphera) zur Eparchie Olympia des voiiog
MsöGTjviccg gehören. Die Bevölkerung des vo^og 'Jgyiadiccg betrug im
Jabre 1861 nur 96,546 Seelen. Im Alterthum war Arkadien neben La-
konien wie die grösste so auch die bevölkertste Landschaft der Halb-
insel und der arkadische Stamm einer der zahlreichsten griechischen
Stämme überhaupt; vgl. Polyb. II, 38; IV, 32; Xenoph. Hellen. VH, 1, 23.
Die Gesammtzahl der Bevölkerung mit Einschluss der trotz Philostr. Vit.
Apoll. VIII 7, 12 schwerlich sehr zahlreichen Sclaven wird von Clinton
(Fasti Hellenici II p. 427 ed. Krüger) auf 161,750. Seelen angeschlagen,
jedenfalls eher zu niedrig als zu hoch.
*) Vgl. oben S. 4, Anm. 1 u. über die missbräuchliche Ausdehnung
des Namens Arcadia besonders bei den Römischen Dichtern Unger Sinis
p. 173 SS.
2) Paus. VIII, 17, 1, der als Heros eponymos des Gebirges einen
Kyllen Sohn des Elatos (wegen der Tannenwaldungen) anführt (vgl. c.
4, 4). Auf der Kyllene und nur hier gab es ganz weisse Drosseln
{'KOßavcpoL: Paus. c. 17, 3; Aristot. H. an. IX, ^9); hier wuchs das [icoXn
(eine Lauchart: Theophr. H. plant. IX, 15, 7), wie überhaupt das ganze Ge-
birge sehr reich war und ist an Pflanzen der verschiedensten Arten (ebds. III,
2j 5). Antike Höhenmessungen des Gebirges: Strab. VIII, p. 388; Stcph.
4. Arkadien. 183
der Kyllene ist die von den Allen mid Neueren gewöhnlicli als
selbständiges Gebirge betrachtete 1759 Meter hohe Chelydorea
(jetzt Sclnvarzberg, Mavron-Oros, genannt), Avelcbe den im Alter-
tlium hier besonders zahlreichen Landschildkröten, deren eine
die Sage dem Hermes zur Erfindung der Leier dienen lässt, ihren
Namen verdankt; sie gehörte zum grössern Theile nicht mehr zu
Arkadien , sondern zum Gebiet des achäischen Pellene^). Sie wird
im Südwesten durch den Gebirgszug der Krathis (1875 Meter
hoch), an dessen Nordwestseite (oberhalb des jetzigen Zarukla)
der gleichnamige achäische Fluss entspringt 2), mit einer der Kyl-
lene an Höhe (2355 Meter) Avenig nachstehenden, in Hinsicht auf
die Ausdehnung ihrer Verzweigungen gegen Norden und Süden
diese übertrefTenden Gebirgsmasse verknüpft, dem Aroaniage-
birge^) (jetzt Chelmos), von dem ein gleichnamiger Fluss (Aroa-
nios) in südlicher Richtung herabströmt. Nur das enge Thal
eines gegen Norden fliessenden Baches (des jetzigen Baches von
Kalavryta) scheidet den jetzt mit dem Sondernamen Velia bezeich-
neten westlichsten Theil dieses Gebirges von einer andern gegen
Westen streichenden Gebirgskette, deren zwei Hauptmassen, jetzt
Kalliphoni (1998 Meter hoch) und Olonos (2224 Meter) genannt,
im Alterthum die Namen L a m p e i a und E r y m a n t h o s führten ;
dass aber der letztere Name auch der ganzen Kette zukommt,
ergiebt sich schon daraus, dass der Fluss Erymanthos nicht auf
dem im engern Sinne so genannten Theile des Gebirges, sondern
auf der dem Pan geheiligten Lampeia entspringt^). Von der Haupt-
ketle des Erymanthos verzweigt sich nach Süden ein Gebirgszug,
der bis nahe an das rechte Ufer des Alpheios hinabreichend die
grössere Hälfte des westlichen Bandes der Landschaft und zu-
gleich ihre Begränzung gegen i|jr Vorland Elis bihlet: den jetzt
liyz. 11. KvXXrivrj., Diküsircli in C. Miillcr's Frgt. hist. Gr. II, p. 253.
Schrift des rhilo.stcplianos rcfgl KvXXr]vrig: scliol. Pind, Ol. VI, 144.
•) Pau-s. VIII, 17, 5. Auch das Parthenion war reich an Schild-
kröten: cbds. c. 54, 7.
«) Paus. VII, 25, 11; VIII, 15, 8 t.
•'') Paus. VIII, Ift, 7. TJoi IMin. N. h. iV, (;, 21 heisst (bis Gebirge
X onacris.
<) Paus. VIII, 21, 4; vgl. V, 7, I ,• Strab. VIII, p. 341; ApoUon. Khod.
Arg. /}, 127 c. Hchol.; Steph. liy/.. u. 'E(fV(iavd'og und Accfinfia', Plin. N.
h. |\' C, '2\.
13*
184 n. Peloponnesos.
Astras genannten nördlicheren Theil desselben scheinen die Alten
noch mit dem Namen des Erymanthos bezeichnet zu haben, wäh-
rend sie dessen niedrigere südliche Fortsetzung, ein breites, noch
jetzt wie im Alterthum reichbewaldetes Hochplateau ohne her-
vorragende Gipfel, als ein besonderes, von ihnen Pholoe ge-
nanntes Gebirge betrachteten^). Jenseits des Alpheios, dessen
von massigen, mit reicher Vegetation bekleideten Hügeln um-
säumtes Thal eine Lücke in dem westlichen Gebirgsrande Arka-
diens bildet, beginnt eine neue Gebirgsgruppe , die des Lykäon
(jetzt Diaphorti), dessen heiÜger Gipfel, die älteste und ehrwür-
digste Stätte des arkadischen Zeuscultus (1420 Meter hoch), von
den Arkadern auch mit dem Namen Olympos bezeichnet wurde^).
Die westliche Fortsetzung des Lykäon ist ein über die politi-
schen Gränzen Arkadiens hinaus bis in das Innere von Triphy-
lien reichender Gebirgszug, das Kerausion (jetzt Paläokastro)
und !w eiter westlich die Minthe (jetzt Alvena), von welchem sich
zwei Arme in südwestlicher Richtung bis zum Ufer der die Gränze
gegen Messenien bildenden Neda hinziehen: das Kotilion und
etwas weiter westlich das Elaion. ^) Südlich endüch vom Ly-
käon zieht sich ein ausgedehntes, von den Arkadern mit dem
Gesammtnamen Nomia (Weideberge) bezeichnetes Gebirge hin,
dessen Knotenpunkt der genau südlich vom Diaphorti gelegene,
1) Strab. VIII, p. 336; 338; 357; IX, p. 388; Paus. VIII, 24,4; Xen.
Anab, V, 3, 10; Ptolem. III, 16, 14 (mit dem Scholion aus cod. Paris.
1401: ^oXorj OQOg x6 vvv "Aotqov, wo jedenfalls zu lesen "Actgag); Plin.
N. h, IV, 6, 21 : letzterer erwähnt ebenso wie Steph. Byz. u. ^olorj auch
eine Stadt dieses Namens, von der sich sonst keine Spur findet; ver-
muthlich bezeichneten die Anwohner verschiedene auf den Abhängen des
Gebirges, besonders gegen Westen, wo es terrassenförmig* nach dem Tief-
lande von Elis absteigt, zerstreute Niederlassungen mit diesem Gesammt-
namen.
2) Paus. VIII, .38, 2; Strab. VIII, p. 348; 388; Plin. N. h. IV, 6, 21.
3) Paus. VIII, 41, 3 u. 7 ff.; Strab. VIII, p. 344; Ptol. III, 16, 14;
vgl. Conze u. Michaelis Annali XXXIII, p. 57 ss. Da die Quellen der
Neda, welche nach Paus. a. a. O. dem Ksgavaiov ogog genannten Theile
des Lykäon angehören, bei Hagios Sostis, am Südabhange des den
Diaphorti mit dem 1346 Meter hohen Paläokastro verbindenden Berges
Hegen, so glaube ich diesen Namen dem letzteren Gebirge, das von den
Alten gewiss eher als ein Theil des Lykäon als der Minthe betrachtet
worden ist, beilegen zu müssen.
4. Arkadien. 185
jetzt Tetrasi genannte Gipfel biklet^); von diesem zieht sicli eine
zum messenisclien Gebiet geliörige Kette in gerader westlicher Rich-
tung längs des linken Ufers der Neda hin, eine andere in süd-
östlicher Richtung, deren östliche Ausläufer sich mit den Wurzeln
des Taygeton und mit den nordwestlichen Vorbergen des Parnon
berühren und so den mannichfach ausgezackten, aber nirgends
durchbrochenen südlichen Rand Arkadiens, die Gränze gegen das
östlichere Messenien und gegen Lakonien bilden.
Auch das Innere der so von Gebirgen gleichsam um-
mauerten Landschaft ist grössten Theils von zahlreichen, zum
Theil bedeutenden und meist noch jetzt mit Eichen - und
Tannenwäldern bedeckten Bergzügen eingenommen, die in dem
weitaus grösseren westlicheren Theile der Landschaft von
engen, schluchtenförmigen Thälern durchschnitten sind und
nur eine bis an die südlichen Bergränder hinabreichende
grössere Ebene umschliessen, die allein in diesem Theile der
Landschaft Raum für eine grössere städtische Ansiedelung dar-
bietet und daher bei dem Versuche der Centrahsation zum poli-
tischen Mittelpunkte des sonst mehr dorfartig bewohnten west-
lichen Arkadiens gewählt wurde. In dem durch eine von den
Aroanien bis zum südlichen Rande herabreichende Bergkette von
dem westlicheren geschiedenen östlicheren Theile der Landschaft
finden wir dagegen neben und nach einander mehrere rings
von Bergen umschlossene kessel- oder muldenförmige Ebenen, die,
da das Wasser durch die unterirdischen, von natürlichen Berg-
spalten gebildeten Abzugskanälc^) keinen genügenden Abfluss findet,
in ihren tiefsten Partien versumpft oder geradezu von einem See
bedeckt sind. Solche geschlossene Bassins, nach denen man diesen
östlicheren Theil der Landschaft nicht unpassend als das 'ver-
schlossene Arkadien' bezeichnet hat, sind in der Richtung von
Nord nach Sud die Thäler von Pheneos und Stymphalos, die von
Kaphyä und Orchomenos und die durch zwei nahe gegeneinander
') Die schon Th, I, S. 21 erwähnte arkadische Benennunj^ ^SQsd^g«
(für ßegsd-QU, ßccgccd'QCc) dieser von den jetzigen Griechen ytatccßo&Qai
genannten Bergspalten giebt Strab. VIII, p. 389; vgl. ^Ulsiv für ßdllsiv
Etym. M. p. 408, 42; Hesych. u. ^sXXsiv. Eine vielleicht speciell tegea-
tische Nebenform ist dige&QOv (Hesych. u. d. W.): s. Gelbke in G. Cur-
tius Stadien zur griech. n. latein. Grammatik Bd. II, 8. 28 f.
18B il. l'elopuimcijus.
vorU'ctemle Ilü^^el in zwei Tlieile gescliiedeiie grosse iiuuiliiieiscli-
legeatisclie Hochebene.
Während dieses östliche Arkadien in Folge seiner eigenthüni-
liclien Bodengestaltnng sein eigenes Bewässerungssystem hat —
lauter kleine Bäche, die nach kurzem Laufe sich in Seen oder
Bergspalten verlieren — finden wir im westlicheren Theile der
Landschaft zwei grössere, an Länge des Laufes und an Wasser-
fülle einander ziemlich gleich stehende Flüsse, die sich nahe der
westlichen Gränze zu einem Strome vereinigen, der im Alter-
thum den Namen des südlicheren (des Alpheios), hei den Neueren
den des nördlicheren Flusses (Buphia, des Ladon der Alten)
behält und unmittelbar vor seinem Austritt durch die oben er-
wähnte Lücke im Westrande der Landschaft noch zwei arkadische
Gewässer (den Fluss Erymanthos von Norden und den Bach
Diagon von Süden her) aufnimmt. Abgesehen von diesen gehören
sämmtliche Gewässer der nördlicheren Hälfte des westlichen Ar-
kadiens, mit Ausnahme der an der Nordseite des Aroaniagebirgs,
wo die politische Gränze der Landschaft über die Wasserscheide
hinausgreift, entspringenden, welche durch Achaia dem korinthi-
schen Meerbusen zufliessen, zum Stromsystem des Ladon, die des
südlicheren, mit Ausnahme der selbständig dem Meere zufliessen-
den Neda, zu dem des Alpheios im engeren Sinne. Beide Flüsse
stehen aber auch mit den Gewässern des östlichen oder verschlos-
senen Arkadiens in unterirdischem Zusammenhange, so dass schliess-
lich auch die Wasserschätze dieses Theiles der Landschaft in der
Hauptsache ^) dem Alpheios, als dem Vereinigungspunkt aller arkadi-
schen Gewässer, zu Gute kommen, der sie durch das mittlere
Elis hindurch dem westlichen (sikelischen) Meere zuführt. Der
Ladon nämlich entspringt aus einer sehr wasserreichen Quelle
am westlichen Fusse der den Thalkessel von Pheneos in Süd-
westen umschliessenden Berge, die ohne Zweifel durch unterir-
sche Zuflüsse aus dem See von Pheneos gespeist wird , und auch
die unterirdischen Abflüsse des Thaies von Kaphyä werden ihm
durch den Tragosbach zugeführt^), während er allerdings die
1) Eine Ausnahme bildet der See von Stymphalos, als dessen Aus-
fluss die Altenden argivischeu Erasinos (vgl. oben S. 65) betrachteten:
Paus. II, 24, 6; VIII, 22, 3.
2) Paus. c. 20, 1; 23, 2.
4. Aikailieii. 187
bedeutendste Wassermenge von Norden her durch den vom Aroa-
niagebirge herabkommenden Aroanios erhält. Als obersten Lauf
des Alpheios betrachteten die Alten den Bach, welcher bei Phy-
lake, auf der Gränze der Tegeatis und Lakoniens, entspringt und
alsbald durch das Wasser mehrerer Quellen (von deren Zusam-
mentrelTen die Oertlichkeit bei den Alten Symbola hiess) ver-
stärkt in zahlreichen Krümmungen, die ihm den modernen
Namen Sarantapotamos eingetragen haben, in die Ebene von
Tegea hinablliesst, in welcher er jetzt sich nordöstlich wendet
und nachdem er einen östlichen Seitenbach, den Garates der
Alten, aufgenommen hat, in einer Katabothre am südlichen Fusse
des Parlhenion verschwindet, während er im Alterthum und wahr-
scheinlich noch bis zum ersten oder zweiten Decennium des vorigen
Jahrhunderts gleich nach seinem Eintritt in die Ebene eine west-
liche Richtung nahm und in eine Katabothre am östlichen Fusse
des die Ebene im Südwesten abschliessenden Gebirges, des Bo-
reion, einströmte. Durch die auch jetzt noch durch diese Kata-
bothre ablaufenden Gewässer, zu denen freilich der Sarantapotamos
jetzt keinen Beitrag mehr liefert, wird wahrscheinlich eine am
westlichen Fusse des Boreion in der kleinen Ebene von Asea auf-
sprudelnde starke Quelle (jetzt ^QayxoßQvöig d. i. Frankenquellc
genannt) gespeist, welche sogleich einen, von den Alten als Fort-
setzung des obern Alpheioslaufes betrachteten Bach bildet, der
>ich aber bahl wieder in den jetzt ziemlich sumpfigen Boden
verliert. Die Alten glaubten, schwerlich mit Recht, dass hier
ein unterirdischer Zusammenhang zwischen diesem obern Alpheios
und den am südöstHchen Fuss des jetzt Tzimbaru genannten
Berges hervorbrechenden Quellen des Eurotas bestehe. Am süd-
westlichen Rande der Ebene von Asea, an einer von den Arka-
dern ^die Quellen' {TlriyaC) genannten Stelle (bei dem jetzigen
Marmaria) bricht das Wasser wiederum in reicher Fülle aus dem
Boden hervor und bildet von hier ab einen nicht mehr unter-
brochenen Strom, der sich zunächst südvvestwärts nach dem
südlichsten Theile der Ebene von Megalepolis wendet, die er,
durch zahlreiche Zuflüsse von beiden Seiten her (unter denen der
von Nordosten kommende Ilelisson der bedeutendste ist) gespeist
in nordwestnördlicher Richtung durchflicsst, worauf er bis zu seiner
Vereinigung mit dem I.adon eine vorherrschend westliche Ricli-
188 H. Pelopoiiuesos.
tung einschlägt, der er dann auch in seinem unteren Laufe durch
Elis treu bleibt J)
Die Bewohner der Landschaft bezeichneten sich mit dem
Gesammtnamen der Arkader {^jQXccdeg) und leiteten sich von
einem Stammvater, dem Arkas, dem Sohne des Zeus und der
Kallisto (der arkadischen Artemis) ab ; eine Sage von verhältniss-
mässig jüngerem Ursprung, da der Volksname Arkader offenbar
erst aus dem Nameji des Landes sich gebildet hat. Die ethno-
graphisch richtigere Bezeichnung für die Gesammtbevölkerung
Arkadiens ist' jQTcadsg Ilekaayol, 'Arkadische Pelasger', analog
dem Namen der alten Bevölkerung der später Achaia, früher
Aegialos genannten Landschaft 'IJslaöyol Ji'yialE8g\ 'strandbe-
wohnende Pelasger'; 2) denn als Pelasgisches Volk wurden die
Arkader allgemein von den übrigen Hellenen betrachtet und nach
ihrer eigenen Sage war Pelasgos in ihrem Lande als erster Mensch
von der Erde selbst geboren worden, hatte zuerst als König da-
selbst geherrscht und seine ünterthanen, Autochthonen gleich ihm
selbst, die ersten Elemente menschlicher Gesittung — den Bau
von Hütten, die Benutzung von Thierfellen, besonders Schweins-
häuten , zu Kleidern und der Eicheln der Knoppereiche (Quercus
Aegilops) zur Nahrung — gelehrt.^) An ihn knüpft dann die Sage
durch seinen Sohn Lykaon, den Bepräsentanten der ältesten und
rohesten Form des arkadischen Zeuscultes, die eponymen Heroen
der verschiedensten arkadischen Oertlichkeiten an^); auch den
') Paus. VIII, 54, 1 ff. u. über die Seitenbäche V, 7, 1; vgl. Ross
Reisen I, S. 70 f.; Curtiiis Pelop. I, S. 248 f. Der jetzt Sarantapota-
mos genannte Flusslauf scheint nach einem Fragment des Deinias (C.
Müller Frgt. hist. gr. III, p. 26, 8) im Alterthum auch den Namen
Äaxäg geführt zu haben.
2) Herod. I, 146; vgl. Schiller Stämme und Staaten Griechenlands I
(Erlangen 1855) S. 14 ff., dessen Widerspruch gegen Curtius (Pel. I, S.
159 ff.) Scheidung der Arkader als Eingewanderter von den Pelasgern als
Eingebornen ich vollständig beistimme.
3) Paus. VIII, 1, 4 ff.; vgl. Ephor. bei Strab. V, p. 221. Andere,
wie Charax (Müller Frgt. hist. gr. III, p. 642), Hessen den Pelasgos von
Argos her nach Arkadien einwandern, lieber die älteste Sagengeschichte
Arkadiens überhaupt vgl. A. Bertrand De fabulis Arcadiae antiquissimis,
Paris 1859.
*) Verzeichnisse der Söhne des Lykaon geben Apollod. III, 8, 1 u.
Paus. VIII, 3, 1 ff. Nach Dionys. Hai. A. r. I, 11 wären es 22 gewesen.
4. Arkadien. 189
Arkas inacht sie als Sohn der Kallisto, der Tochter des Lykaon,
zu seinem Ahkömmling (Urenkel) und giebt ihm drei Söhne : den
Azan (eponymen Heros des im Norden Arkadiens, insbesondere
in den Cantonen Kleitoria und Psophidia sesshaften Stammes der
Azanes, daher er Vater des Kleitor heisst); den Apheidas (epony-
men Heros des in der Tegeatis wohnenden Stammes der Aphei-
dantes, Vater des Aleos) und den Elatos (Repräsentanten der mit
Tannenwaldung bedeckten Gebirge, insbesondere der Kyllene, Vater
von fünf Söhnen: Aepytos, Pereus, Kyllen, Ischys, Stymphalos) ^) ;
eine Tradition, aus der man wohl schliessen darf, dass der Name
Arkadia ursprünglich speciell den östlichen und nördUchsten Theil
der Landschaft (die Tegeatis, Mantinike, Stymphalia, Pheneatis»
Kleitoria und Psophidia) bezeichnet hat, deren Bevölkerung zuerst
anstatt in offenen, zerstreuten Weilern mit roh befestigten Zu-
fluchtstätten für Zeiten der Gefahr (ähnlich den Refugien der
keltischen Bevölkerung Galliens und Helvetiens), wie sie im süd-
westlichen Arkadien zum Theil bis in spätere Zeiten bestanden,
in grösseren wolilummauerten Städten sich ansiedelte und anstatt
der patriarchalischen Stammverfassung eine festere staatliche
Ordnung begründete, ein gesetzUch geregeltes Königthum, das
alhnälig einer zwischen Aristokratie und Demokratie schwanken-
den republikanischen Verfassung weichen musste.^)
Von den gewaltigen Erschütterungen, durch welche die
übrigen Landschaften der Halbinsel in Folge des Eindringens der
Dorier heimgesucht wurden , blieb Arkadien fast ganz unberührt.
von denen 2 (Oenotros u. Peuketios) ihre Heimath verlassen, die übrigen
20 die Landschaft unter sich getheilt hätten; eine Tradition, aus der
man wohl schliessen darf, dass zeitweise 20 einzelne arkadische Cantone
1)0 standen haben.
') Paus. VIIT, 4, 1 flf.; vgl. X, 9, 5; llerod. VI, 127; Stcph. Byz. u.
'Alavtct. Psophis zur *A^avig gehörig nach Polyb. IV, 70. Selbst das
achUische Pellene mnss zeitweise zur Azanls }:rehört hHl)cn, da der
Olympische Sieger Philippos (um Ol. 80) auf seiner Siegerstatue als ^A^av
i'x risU dvag bezeichnet war (Paus. VI, 8, 5). Sprüchwort 'A^dvtn x«x«:
Zenob. II, 54; Diogenian. I, 24.
') Die Annahme, dass in Orchonienos noch zur Zeit des Poloponne-
sischen Krieges das Kimigthum bestanden habe, beruht nur auf der sehr
verdächtigen Autorität des Theophilos iv SsvtBQO) Tlekonowi^atcdimv in
der Pseudoplutarchi sehen Schrift nsgl naQalXr]Xmv ellrjvLnmv yinl qco-
fiaixcov c. 32.
190 II. iVluponnesus.
Allerdings scheiiil die Hauptmacht der Kroherer vom iiiillleren
Elis durch das südwestliche Aikadieu im Thale des Alpheios auf-
wärts gezogen zu sein, allein der tapfere Widerstand der kräf-
tigen und streitbaren Bevölkerung, besonders der Mänalier und
Tegeaten,^) hat sie jedenfalls am weiteren Vordringen nach dem
Innern oder nach dem Osten des Landes gehindert und sie ge-
nöthigt, sich in zwei Heerhaufen aufzulösen, von denen der eine
südwestwärts nach Messenien, der andere südostwärts nach La-
konien sich wandte. Und obgleich später das mächtige Sparta
einige jenseits des Südrandes von Arkadien gelegene _, aber poli-
tisch und ethnographisch zu Arkadien gehörige Districte (die Ski-
ritis und den grössten Theil der Aegytis) sich annectirte und auch
die Tegeaten nöthigte seiner Symniachie beizutreten, so ist es
doch nie den Doriern oder andern fremden Eroberern gelungen
innerhalb der natürlichen Grenzen Arkadiens Fuss zu fassen und
es hat sich so die Bevölkerung dieses Landes allezeit unvermischt,
als eine rein pelasgische- erhalten , die auf den Buhm der Autoch-
thonie den vollgültigsten Anspruch hatte und diesen Buhm durch
den stolzen Beinamen der ' Vorniondlichen' {IlQOösXrjvoi oder
ngoaeXrivatoC) d. h. derer die schon vor Erschaffung des Mondes
existirten,^) zur Schau trug. Auch ihr eigenthümlicher Dialect,
ein Aeolismus, der dem weichen lonismus näher steht als dem
harten Dorismus, beweist, dass sie weniger als andere peloponne-
sische Völkerschaften von den dorischen Eroberern beeinflusst
woi'den sind.^) Dieses Autochthonenthum hatte freilich, da es
bei den Arkadern in Folge der Naturverhältnisse ihres Landes
nicht Avie bei den Athenern durch einen regen Verkehr mit dem
^) Eine Erinnerung an diese Kämpfe ist erhalten in der Sage vom
Zweikampf des Tegeaten Ecbemos mit dem Herakliden Hyllos (Paus.
VIII, 5, 1 u. ö.), der freilich, der ganzen Gestaltung der Sage gemäss,
auf den Isthmos verlegt worden ist.
2) Hippys Kheg. bei Steph. Byz. u. 'Ag-nadia (p. 120, 9 ed. Meineke);
Frgm. adesp. (Pindar.) bei Bergk Poetae lyr. gr. n. 84, 8 (p. 1340);
schol. Apoll. Khod. Arg. J, 264; Ovid. Fast. II, 290; (Lucian.) de astrol.
26; Hesych. u. ngoosli^vidss; über die Autochthonie Herod, VIII, 73;
Xeu. Hell. VII, 1, 23; Demosth. de falsa leg. p. 424; vgl. Preller Aus-
gewählte Aufsätze S. 157 ff., bes. S. 192 f.
^) Vgl. über den arkadischen Dialect M. A. Gelbke De dialecto Ar-
cadica in G. Curtius Studien zur griech. u. lat. Grammatik , Bd. II,
S. 1 ff.
4. Arkadien. 191
Auslände aufge\Aogen wurde, seine Schattenseiten: es bewirkte,
dass die Bevölkerung in Hinsicht ihrer geistigen Entwickelung, in
Litteratur und Kunst wie in Verfeinerung der Sitten des socialen
^ebens, hinter den meisten übrigen hellenischen Stämmen zu-
riickblieb, so dass sich an den Namen 'Arkader' der Begriff eines
altvaterischen, beschrankten, ja rohen Menschen knüpfte.^) Schon
die klimatischen Verhältnisse, besonders des östlicheren Theiles
des Landes — die drückende Hitze des verhältnissmässig kurzen
Sommers und die Rauhheit des Winters — mussten ähnlich wie
in Boiotien mehr die Abhärtung und Kräftigung des Körpers als
die Entwickelung der geistigen Fähigkeiten begünstigen. 2) Dazu
kamen dann die Beschäftigungen, denen sich die Mehrzahl der
Bewohner, der Natur ihres Landes gemäss, widmete: Ackerbau
in den grössern Ebenen, auch Weinbau (heut zu Tage auch
Tabacksbau); Viehzucht aller Art, von Pferden und Eseln, Schwei-
nen, Schafen und Ziegen, in den Thälern, an den grasigen Ab-
hängen und auf den herrlichen Alpweiden der auch an Heilkräu-
tern reichen Gebirge; Jagd in den ausgedehnten Wäldern, die
im Alterthum Wild in Fülle, selbst Eber und Bären darboten.
Handel und Industrie fehlten ganz; ausser der Wolle der zahl-
reichen Schafheerden, die gewiss nur zum Theil im Lande selbst
verarbeitet wurde, lieferte höchstens der Holzreichthum der
Berge einen Ausfuhrartikel, der wohl hauptsächlich den holz-
ärmeren Nachbarländern Argolis und Lakonien zu Gute kam,
während der Import früher durch die Aegineten, später wohl
hauptsächlich durch die Sikyonier besorgt wurde ^). Damit die
*) Joseph, c. Apion. I, 4; Philostr. Vit. Apoll. VllI, 7, 12; luven.
8at. VII, IGO. Für die Elinfjicliheit der Sitten sind characteristisch die
.Schilderungen eines '^QHudiyidv ösinvov bei Athen. IV, p. 148 f ss., bes.
uich der Zug-, dass Herren und Sklaven an demselben Tische sasscn und
'lie gleichen Speisen, den gleichen Wein genossen. Gastlichkeit und
l'Vöramigkeit der Arkader: Polyb. IV, 20.
*) Polyb. IV, 21. Auf klimatische P^infiüssc ist .uicli «lie Arka<li.sclu'
noXv(payia (Athen. IV, p. 149'=) zurück/uführen.
^) Vgl. bes. Pliilostr. a. a. O. Ackerbau: Flut. Philopoem. 4; Wein:
Aristot. Meteor. IV, 10, 7; Kuben {yoyyvkai) aus Mantineia: Poll. VI,
r,:{; Pferdezucht: Strab. VIII, p. 388; Dio Chrysost. Or. XV, 30; Esel:
l'Iaut. Asin. 333; Varro de re rust. II, 1, 14; Pers. Sat. III, 1); Plin. N.
h. VIII, 43, 107. Jagd: Paus. VIII, 23, O.Heilkräuter: Theo ph rast. Ilist.
\.\. IX, 15, 4. Import von Aegiua: Pnii^ •• ' « Arkas n.-niindcr (1( -
Weberei ia Arkadien: Paus. c. 4, 1.
192 II. IN'loponnesos.
Bevölkerung mm nicht ganz verwildere — wofür die Bewoimer
des an den nördlichen Abhängen der Aroania gelegenen Canlons
Kynätha ein abschreckendes Beispiel lieferten — war es seit
alten Zeiten Gesetz bei den Arkadern, dass Knaben und Jüng-
linge bis zum 30. Jahre eifrig Musik trieben und jährlich am
Feste des Dionysos im Kunstgesang wetteiferten^). Auch die
Gymnastik wurde bei den Arkadern eifrig gepflegt, wofür beson-
ders die grosse Anzahl arkadischer Sieger in den hellenischen
Nationalspielen Zeugniss giebt^); sie trug neben den Einflüssen
des Klimas und der Lebensweise hauptsächlich bei zur Ausbil-
dung jener Tapferkeit und Kriegstüchtigkeit, welche die Arkader,
auch darin den Schweizern des Mittelalters und der Neuzeit ähnlich,
in der Vertheidigung der Unabhängigkeit ihres Vaterlandes gegen
begehrliche Nachbarn, noch häufiger aber in Folge der politi-
schen Verhältnisse ihres Heimatlandes als Soldtruppen im Dienste
auswärtiger Staaten oder Fürsten bewährten.^) Die Zersplitterung
des Landes nämhch in eine Menge selbständiger kleiner Cantone,
die zum Theil achte Bauernrepubliken ohne städtischen Mittel-
punkt, zum Theil städtische Gemeinwesen mit Unterthanenland
waren und unter einander nur durch ein ganz loses Band, das
sie von inneren Kriegen nicht zurückhielt, zusammengehalten
wurden,'*) verhinderte dasselbe eine irgend wie bedeutende poli-
tische Rolle unter den griechischen Staaten zu spielen. Allerdings
gab es besonders in den grössern Städten des östlichen Arkadiens
*) Polyb. IV, 20. Der namhafteste arkadische Musiker ist Echem-
brotos, der in der ersten Pythiade (Ol. 48, 3) als Aulöde siegte: Paus.
X, 7, 4; vgl. Krause Die Gymnastik u. Agonistik der Hellenen S. 740.
In Arkadien sollte Hermes die Leier, Pan die Syrinx erfunden haben.
Arkadischer Tanz yicSagig: Athen. XIV, p. 631*'.
2) Krause a. a. O. S. 733 ff.
3) S. Xenoph. Hell. VII, 1, 23; Hermippos bei Athen. I, p. 27 ^ u.
den sprüchwörtlichen Ausdruck 'Ag-ndSccg fiLfiovfisvoL für Leute, die sich
immer nur für Andere abmühen (Suid. u. d. W.; Zenob. II, 59; Dioge-
nian. I, 29). lieber die Streitkräfte Arkadiens u. ihre Organisation vgl.
Ol. Chr. Kellermann De re militari Arcadum, München 1831.
^) Vgl. Curtius Pel. I, S. 171 ff. u. über die alterthümlichen Münzen
mit dem Bilde des Zeus Lykäos u. der Aufschrift APKJ u. APKAJIKON
denselben Monatsberichte der Berliner Akademie 1869 S. 472 f. Andere
Spuren einer vrenn auch sehr losen Gemeinschaft sind die Vereidigun'g
der ngosexatsg rmv 'AqkccScov durch Kleomenes in Nonakris (Herod. VI,
74) u. die sgzlcc *Aqh.cc$cov kolvt]' in Tegea (Paus. VIII, 53, 9).
4. Arkadien. 193
eine nationale Partei, welche die Einigkeit des Vaterlandes auf
ihre Fahne geschrieben hatte, aber sie konnte nicht aufkommen
gegenüber Sparta, das allen seinen Einfluss anwandte, um die
Zersplitterung des zahlreichen und kriegstüchtigen Nachbarvolkes
aufrecht zu erhalten, und gegenüber der Macht der Kirchthurms-
interessen, dem 'Cantönligeist', von dem namentlich die kleinen
Bauernrepubliken des westlichen Arkadiens beherrscht waren. Erst
in Folge der Demöthigung Sparta's durch die Schlacht bei Leuktra
gelangte die Nationalpartei, Dank der Tüchtigkeit einzelner ihrer
Führer und der Unterstützung des Epameinondas, ans Ruder und
versuchte nun einen arkadischen Einheitsstaat nach streng cen-
tralistischem Princip herzustellen, für welchen sie in Megalepolis
vermittels eines zum Theil auf gewaltsamem Wege durchgeführten
Synoikismos von 40 kleinen, meist ländlichen Ortschaften einen
neuen Mittelpunkt schuf, den Sitz der Centralregierung, welcher
eine auf breitester demokratischer Grundlage gewählte Volksre-
präsentation, der grosse Rath der 10,000 {oC ^vqloi), zur Seite
und ein wohl geübtes stehendes Heer {ou indgitoi oder ijtaQttat)
zu Gebote stand ^). Aber die neue Gründung hatte nicht nur mit
dem tödtlichen Hass der Spartaner, sondern auch mit der Theil-
nahmlosigkeit, ja sogar mit der offenen Feindseligkeit verschie-
dener arkadischer Cantone (besonders von Heräa und Orchomenos),
die nicht das geringste Opfer von ihrer Selbständigkeit bringen
wollten, zu kämpfen und konnte daher zu keinem rechten Ge-
deihen gelangen. Langwierige und erbitterte Kämpfe gegen Sparta
und gegen Elis förderten die schon durch die Zusammensiedelung
der ländlichen Bevölkerung in der neuen Grossstadt begonnene
Verödung der Landschaft, die in den ersten Jahrhunderten unserer
Zeitrechnung eine betrübende Höhe erreicht hatte 2). Dies bes-
serte sich natürlich nicht in den folgenden Jahrhunderten, Jahr-
1) Diod. XV, 59, 72; Paus. VIII, 27; Xen. Hell. VII, 1, 38; c. 4, 2;
33 f.; über die indgiroi auch ebds. c. 4, 22; c. 6, 3; Steph. Byz. u.
'Enagizai; Ilesycb. u. 'EnaQorjroi. Vgl. Lacbmann Geschichte Griechen-
lands von dem Ende des Pelo]». Krieges bis zum Regierungsantritte
Alexanders d. Gr. I, S. 340 ff.; Schiller Stämme u. Staaten Griechen-
lands I, ö. 21 ff.; Ciirtius Griech. Geschichte III, S. 320 ff.
») Strab. Vni, p. 388; Dio Chrysost. Or. XXXIII, 25 u. die Erwäh-
nung zahlreicher 'wüster Marken' (Plätze verödeter Ortschaften) bei Pau-
anias. — Einige arkadische Ortschaften gehörten zu Pansanias Zeit poli-
lisch zu Argolis: Paus. VI, 12, «J.
Stym-
plialia.
194 II. Peloponnesos.
liundcrtc'ii dos allgemeinen Verfalls für Gricclienland, in denen
auch Arkadien, obschon durcli seine Natur mehr geschützt, als
andere Landschaften, von den Verheerungen der Gothen nnter
Alarich zu leiden hatte ^). Etwa 350 Jahre spater wurde ein
grosser Theil des damals in Folge der fnrchtbaren Pest, die in den
Jahren 746 — 47 in ganz Hellas wüthete, gewiss sehr dünn bevölker-
ten Landes von Slaven besetzt, die zwar auch hier, w ie in andern Ge-
genden Griechenlands, allmälig vollständig gräcisirt wurden, aber
noch in zahlreichen slavischen Ortsnamen ihre Spuren hinter-
lassen haben. An die fränkische Herrschaft, nnter welcher die
Landschaft in eine Anzahl grösserer Baronicn getheilt war, cr-
iiniern jetzt nur noch einige Burgruinen (unter denen die von
Karytena am Alpheios die stattlichste ist), während die Nach-
kommen der seit dem 14. Jahrhundert eingewanderten Albanesen
noch jetzt einen nicht geringen Bruchtheil der Bevölkerung bilden.
Die topographische Schilderung der Landschaft beginnen wir
am Besten mit dem östlichen oder ^verschlossenen' Arkadien,
dessen nördlichster Theil von zwei am südlichen und südwest-
lichen Fusse der Kyllene gelegenen, nur durch einen von dieser
ge^en Süden streichenden Bergzug getrennten Thalbecken und
den sie rings umschliessenden Bergen eingenommen wird. Das
östHchere dieser Becken ist der Mittelpunkt der Stymphalia, des
nordöstlichsten arkadischen Cantons, der in Norden durch die
Kyllene von Achaia, im Osten durch das Apelauron (vgl.
oben S. 32, Anm. 3) von der Sikyonia und Phliasia getrennt
wird; im Westen bildet das Geronteion die Gränzscheide gegen
die Pheneatis, im Süden der Oligyrtos die Gränze gegen die
Gebiete von Orchomenos und Kaphyä-). Durch die drei zuletzt
genannten Gebirge führen Pässe in die Ebene herab, den be-
quemsten Zugang aber hat sie von Nordosten her, wo sie sich
in einer Länge von mehreren Stunden als ein mehr und mehr
sich verengendes Thal hinzieht, dessen oberes Ende durch eine
eine Wasserscheide bildende Anhöhe von einem kürzeren, noch
engeren Thale getrennt wird, an dessen südwestlichem Endesich
1) Vgl. Claudian. in Rufin. II, 189; Zosim. Hist. V, 6 u. 7.
2) rsQOVTSiovTauü. c. 16, 1; c. 22, 1. 6 'OkiyvQxos Polyb. IV, iT;
,70; Plut. Oleomen. 26. Das Geronteion bildet jetzt eine Sprachgrenze,
indem vom Isthmos bis an seinen östlichen Fuss die Bevölkerung alba-
ncsiscli, von da an westwärts dagegen griocliiscli ist.
4. Arl%a(lien: Slymplialia. 195
ein kleiner sumpfiger See befindet. Durch dieses von der nöid-
lichen Fortsetzung der Kyllene (an deren ösllicheni Abhänge die
Dörfer RIementi und Käsari liegen, nach denen das Thal gewöhn-
lich benannt wird) und dem jetzt Vesina genannten, im Alter-
thum zur sikyonischen Ortschaft Titane gehörigen Gebirge um-
schlossene Thal, welches in kleineren Verhältnissen ganz die
Formalion der Stymphalischen Ebene wiederholt, führte jedenfalls
die Hauptstrasse von Sikyon nach Stymphalos, die von Sikyon aus
bis nach dem zwei Stunden davon entfernten Dorfe Suli eine genau
westliche Richtung halte, von da an sich südwestlich wandte;
der jetzt von Suli nach dem Thale von Klementi -Käsari führende
Weg läuft eine bedeutende Strecke weit auf den Resten einer
gepflasterten antiken Strasse hin.
Der am niedrigsten gelegene Theil des Stymphalischen Thal-
beckens ist jetzt von einem See bedeckt, dessen Wasserstand
zwar zu verschiedenen Jahreszeiten verschieden ist, der aber das
ganze Jahr hindurch als wirklicher See, niemals als blosse sum-
pfige Niederung erscheint. Das Wasser, welches demselben durch
zwei grössere, die von den Rergen herabfliessenden Gewässer auf-
nehmende Bäche von Nordosten und von Westen, sowie von einer
starken in der Ebene selbst unterhalb des jetzigen Dorfes Zaraka
(nach welchem jetzt der See benannt wird) entspringenden Quelle
von Norden her zugeführt wird, hat nur einen unterirdischen
Abfluss gegen Süden durch eine Katabothre am westlichen Fusse
des Apelauron. Dass im frühesten Alterthum der Zustand der
Ebene ein ebenso schlimmer, die Gesundheit der Bewohner in
hohem Grade gefährdender war, beweist der Mythos von den
Stymphalischen Vögeln, welche olfenbar die aus stagnirenden Ge-
wässern aufsteigenden verderblichen Dünste repräsentiren, die,
solange nicht Menschenhände ordnend und hemmend eingreifen,
nur durch die wohlthätigen Wirkungen der Sonnenstrahlen (die
Pfeile des Herakles) beseitigt werden konnten. Auch hatte sich
noch zur Zeit des Pausanias im Volksmunde eine dunkle Tradition
ti halten, dass die älteste, von Stymphalos, einem Enkel des
Arkas gegründete Stadt, in welcher auch Temenos, ein Sohn des
Pelasgos gewohnt und drei Heiligthümer der Hera als der Reprä-
iitantin der Erde in den drei verschiedenen Jahreszeiten (im
Frühling als Jungfrau, im Sommer als Gattin, im Winter als
Wittwe) i^^cLMüiidct h.'ilx'u sollt«', an einem anderen IMatze als die
19G II. Peloponnesos.
Stadt der hislorischeii Zeit gelegen hahe^]. Aber durch Anlegung
von Dämmen (von denen noch jetzt im westlichsten Theile der
Ebene Reste erhalten sind) und Ableitung der Gewässer, wahr-
scheinlich vermittels eines gegrabenen F'lussbettes, in die zu
diesem Behuf jedenfalls künstlich erweiterte OelYnung der Kata-
bothre am Fuss des Apelauron gelang es die Ebene ganz trocken
zu legen, so dass während der Sonnnermonate weder ein See
noch Sumpf, sondern ein aus der von den Alten wahrscheinlich
Metopa genannten Quelle entspringender Bach, der Stympha-
los, vorhanden war, der nach kurzem, geregeltem Laufe in der
Katabothre verschwand, wie die Alten meinten, um am östlichen
Fusse des Berges Chaon in der Argeia (s. oben S. 65) als
Erasinos wieder aufzutauchen ; nur während der Regenzeit bildete
sich in unmittelbarer Nähe der Quelle ein kleiner See, aus wel-
chem der Bach ausfloss. Von Zeit zu Zeit mochte allerdings in Folge
einer durch Anhäufung von Baumstämmen, Felsblöcken und der-
gleichen an der Mündung der Katabothre herbeigeführten Stauung
plötzHch die Ebene ganz unter Wasser gesetzt werden (wie Tan-
sanias eine solche bei seinen Lebzeiten eingetretene Ueber-
schwemmung erwähnt, welche der Aberglaube des Volks dem
durch Vernachlässigung der Feier ihres Festes erregten Zorne der
Artemis zuschrieb) ; doch war eine solche Calamität (die Iphi-
krates bei Belagerung der Stadt im Jahre 369 v. Chr. vergeblich
durch Verstopfung der Mündung mit Schwämmen herbeizuführen
versucht hatte) gewiss selten und nur vorübergehend und die
jetzt wiederum durch die gefürchteten Stymphalischen Vögel des
Sumpffiebers völlig verödete Ebene war nicht nur bis in
die spätesten Jahrhunderte des Alterthums, sondern auch noch
im früheren Mittelalter wohl angebaut und bewohnt, wie ausser
den Ueberresten der alten Stadt die nordöstlich davon erhaltenen,
jetzt 'Kionia' (*die Säulen') genannten Trümmer einer grossen
christlichen Kirche mit Halbsäulen aus Sandstein an den Seiten-
wänden und eines mittelalterlichen Befestigungsthurmes zeigen^).
*) Paus. c. 22^ 1 f. Der Name IJtviicpakog , der auch als Bergname
vorkommt (Ptol. III, Iß, 14 anstatt KvXkrjvrj: vgl. Hesych. s. v. 2tv'/i-
q)rjXog; Stat, Silv. IV, 6, 100) scheint mit den Bergnamen Tvjicprj
{Exv^Lcpri) und TvficpgrjGTOS , vielleicht auch mit Grvq)co, GTvcp^Xog zu-
sammenzuhängen.
2) Paus. c. 22, 3 ss. Strab. p. 389. Den N"amen MftioTta (Pind.
4. Arliadien: Stymphalia. 197
Die Oberstadt des alten Stymphalos (die zur Zeit des Paiisanias
politisch nicht zu Arkadien, sondern zu Argolis, mit welcher
Landschaft sie wohl hauptsächlich durch Verkehrsinteressen ver-
knüpft war, gehörte) stand auf einem vom Fusse der Kyllene
gegen Osten sich erstreckenden und in mehreren Terrassen all-
mälig gegen die Niederung sich absenkenden, heut zu Tage
halbinselförmig in den See hineinragenden Felsrücken , auf dessen
höchstem Punkte (im Westen) ein viereckiger Thurm sich erhob,
von dem aus sich die besonders an der Südwestseite wohl erhal-
tenen, 3,20 Meter dicken und mit runden Thürmen geschützten
Ringmauern auf den Rändern der Anhöhe hinziehen; doch scheint
dieselbe nicht von allen Seiten von Mauern umschlossen, sondern
gegen Nordosten, wo wahrscheinlich eine in der Niederung ge-
legene Unterstadt sich anschloss, offen gewesen zu sein. Auf
dem Felsboden erkennt man noch die Linien einiger Strassen,
im westlicheren Theile die Fundamente eines kleinen Tempels in
antis (vielleicht des von Paus. VIII, 22, 7 erwähnten alten Tem-
pels der Artemis Stymphalia, die als Hauptgöttin der Stadt jeden-
falls in der Oberstadt ihr Heiligthum hatte) und besonders an der
Südostseite, gegen den See zu, wo sich ebenfalls keine Spuren
einer Ringmauer finden , lange aus dem Felsen selbst geschnittene
Sitzstufen und einen etwa 30 Personen fassenden halbkreisför-
migen Sitz (eine sogenannte Exedra) von gleicher Ausführung,
Anlagen, die etwa zu einem in der jetzt mit Wasser bedeckten
Niederung gelegenen Stadion und einem Hippodrom gehört haben
mögen ^).
Olymp. VI, 84 [144] c. scliol.; Callimach. H. in lov. 2G c. schol.; o Ms-
twTtrjg Aelian. V. bist. II, 33) kann ich weder mit Ross (Reisen im Pe-
loponiies »S. 38, Anm. 30) auf die Felswand des Apelauron über der Ka-
tabotlire, noch mit Curtius (Pelop. I, S. 216) auf den Fluss des nlJrd-
licbstcn Tbales der Stympbalier, sondern nur mit Leake (Peloponnes.
1». 384) auf die jetzt nfcpaXoßgvaig genannte Quelle des Bacbes Stym-
pbalos, deren Wasser Iladrian nacb Korintb leitete, bezieben. Dass
Stepb. Byz. u. £Ti)(ifpalog (nicbt l'ausanias, der für die Quelle keinen
Namen angiebt) dieselbe mit dem Namen des aus ibr entspringenden
Baelies benennt, ist eine leicbt erklärlicbe Ungenauigkeit.
') Vgl. Dodwell Classiscbe u. topograpb. Reise II, 2, S. 320 ff. d. d.
l'cb.; Leake Morea III, p. 108 ss.; Ross Reisen im Peloponnes S. 54 f.;
< iirtius Pelop. I, S. 204 f. (mit Plan auf Taf. IV); Vischer Erinnerungen
S, 497 f. Die von Letzterem niclit Ix-nuTlitc b.illikreisrormige Fxedra mit
fiUKSIAN, UKO»R. II. 11
198 II. Peloponnesos.
Das Gebiet von Stymphalos scheint sich gegen Süden in
einer Länge von mehreren Stunden hei geringer Breite zwischen
der Orchomenia und der Argeia bis zum Nordrande der Manti-
nike hin erstreckt zu haben. Den Kern dieses engen Berglandes
bildet ein kleiner Thalkessel bei dem jetzigen Dorfe Bugiati, an
dessen Nordrande auf einem den einzigen von Norden her kom-
menden Zugang zu demselben beherrschenden Hügel sich noch
ansehnliche Reste der alterthümlichen Befestigungsmauern und
Thürme von Alea erhalten haben, einer Stadt, deren Gründungs-
sage — sie betrachtete den Aleos, Sohn des Apheidas als ihren
Gründer — ebenso wie der Cult der Athena Alea auf alten Zu-
sammenhang mit Tegea hinweist, "die sich aber wahrscheinlich
schon frühzeitig an Stymphalos angeschlossen hatte und in der
römischen Kaiserzeit wie dieses sich zu Argolis hielt. Ausser
dem Tempel der Athena Alea, offenbar der eigentlichen Stadt-
göttin, besass sie noch einen Tempel des Dionysos, dem alljähr-
lich ein Fest, Skiereia, mit Cultbräuchen, welche an alte Men-
schenopfer erinnerten (Geisselungen von Frauen im Tempel des
Gottes) gefeiert wurde, und ein Heiligthura der Ephesischen
Artemis. *)
Das Geronteion scheidet, wie bemerkt, von der Stymphalia
ein ähnliches, aber geräumigeres Thalbecken, zu welchem man
von Norden her durch ein langes Engthal zwischen Kyllene,
Krathis und Aroania gelangt, durch welches ein von den Ab-
hängen der Chelydorea herkommender Bach in die Ebene ein-
strömt: die Bewohner des Thaies nannten ihn 01b ios, offenbar
weil er bei gehöriger Regelung seines Laufes die Hauptursache
pheneatis. der Fruchtbarkeit des Thaies war, bei den übrigen Arkadern
führte er den Namen Aroanios, der wahrscheinlich eigentlich
einer Seitenlehne an jedem Ende habe ich noch Anfang: Mai 1854 , als
ich die Euinen besuchte, vorgefunden. — Die Aehnlichkeit des Terrains
von Stymphalos mit dem von Lebadeia in Böotien erklärt es, dass eine
Tradition (Charax beim schol. Aristoph. Nub. 508) den Trophonios in
Stymphalos geboren sein lässt,
^) Paus. c. 23, 1 ; Steph. Byz. u. 'AXia. Die Annahme, dass die Be-
wohner von Alea zur Gründung von Megalepolis hinzugezogen worden
seien, beruht meiner Ansicht nach nur auf einem Schreibfehler bei Paus,
c. 27, 3, wo für ^AXäa mit Rücksicht auf die unmittelbar folgenden Orts-
namen *AG£a. herzustellen ist. Ueber die Reste s. Pouillon-Boblaye
Recherches p, 147.
4. Arkadien: Pheneatis. 199
einem von Nordwesten, vom Aroaniagebirge her kommenden, in
der Ebene mit jenem sich vereinigenden Seitenbache zukam ^).
Den westlichen Rand des Thalkessels bildet eine sudliche Ver-
zweigung des Aroaniagebirges, jetzt Turtovana , von den Alten
Pen tele ia genannt, an deren westlichen Abhängen der Ladon-
fluss entspringt;^) im Süden und Südosten schliessen sich daran
die jetzt Saeta und Skipiesa genannten Berge, bei den Alten
Oryxis und Skiathis, in deren Nord-, beziehendlich Westseite
sich zwei unterirdische Abzugscanäle für die Gewässer des Thaies
öffnen, deren Anlage ebenso wie die Regelung des Laufes des
Aroanios durch einen bis 30 Fuss tiefen, im spätem Alterthum
verfallenen Canal die Tradition dem Herakles beilegte : eine ganz
ähnliche, nur, so zu sagen, rationalistischer gefärbte Sage wie
die des Nachbarthaies, der Stymphalia^). Sind auch jene Ab-
zugscanäle von der Natur selbst durch Erdbeben oder ähnliche
Revolutionen geschaffen , so konnte doch nur durch Nachhülfe von
Menschenhand das Thal zur Anlage einer Stadt — des schon im
Schiffscatalog (II. B, 605) erwähnten Phen-eos — geeignet und
für Viehzucht und Ackerbau — deren Bedeutung für die alten
Bewohner durch die Culte des Hermes, des Poseidon Hippios und
der Eleusinischen Demeter bezeugt wird — ergiebig gemacht
werden. Wenn aber schon im Alterthum trotz der Sorgfalt,
welche auf die Regelung des Abflusses der Gewässer verwandt
wurde, der Thalkessel zu wiederholten Malen von' üeberschwem-
mungen — deren eine die Stadt selbst zerstört haben soll —
heim gesucht und zeitweise in einen grossen See verwandelt
wurde"*), so ist es nicht zu verwundern, wenn heut zu Tage, wo
fast Alles in dieser Beziehung der Natur selbst überlassen bleibt,
•) Paus. c. 14, 3; vgl. Strab. VIII, p. 389 (wo mit Leake Morea III,
p. 145 'AQoaviov iür *AvCav herzustellen ist); Athen. VIII, p. 331^ (wo
Casaubon. richtig 'Aqoccvüo für 'Jogvcp emendirt hat).
*) Phot. u. Hesych. u. UsvrsXsia. Die von Plut. Cleomen. 17 u.
Arat. 39 erwähnte Ortschaft TJsvttXsLOV war wahrscheinlich eine auf
•liesem Gel)irge gelegene Gränzfestung der Pheneaten gegen die Kleitoria;
Leake (Morea III, 156) setzt sie, jedenfalls irrig, bei Tharso im Thale
'It'H Aroanios, nordöstlich von Phonia an.
') Paus. c. 14, 1 f.: vgl. Curtius Pel. I, S. 186 ff.
*) Paus. c. 14, 1; Strab. VIII, p. 389; Theophrast. Hist. plant. III,
1, 2; V, 4, 6; Plin. N. h. XXXI, 5, 54; Plutarch. de seru niini.
viud. c. 12.
14-^
200 II. Peloponuesos.
dieser Zustand des Thaies die Regel, die Beschränkung der Ge-
wässer auf kleine Sumpfe in der Nähe des Einganges der Kata-
hothren die Ausnahme bildet, daher auch die Bevölkerung sich
ganz aus dem, von einem 175 Meile langen und in der grössten
Breite gegen 1 Meile breiten, klaren See bedeckten Thale zu-
rückgezogen und an dem nördlichen Bergabhange angesiedelt hat,
wo das jetzige Dorf Phonia, in zwei Häusergruppen getheilt, an-
muthig aber ohne alle Reste des Alterthums^) zwischen Bäumen
liegt. Im Alt€rthum dagegen und noch im Mittelalter lag Pheneos
etwa 10 Minuten südwestlich davon, wo jetzt eine Landzunge von
Norden her in den See vortritt; in der Mitte derselben erhebt
sich ein nicht unbedeutender, aber von allen Seiten leicht zu-
gänglicher Hügel, an dessen Nordwestseite man ungefähr in der
Mitte seines Abhanges den Zug einer Polygonmaucr verfolgen
kann, die an einer Stelle, wo sie eine Ecke bildet, noch fast
mannshoch erhalten ist; auf dem Gipfel erkennt man noch die
Grundmauern eines mittelalterlichen Thurmes, welche, in Verbin-
dung damit, dass in der Umgebung häufig dünne venezianische
Silbermünzen mit dem Typus Christi als Königs auf der einen,
des Löwen von S. Marco auf der andern Seite gefunden werden,
beweisen, dass der Flügel, der ohne Zweifel die Akropolis der
alten Stadt mit dem Tempel der Athena Tritonia (den schon Pau-
sanias in Trümmern fand) und dem Erzbilde des Poseidon Hippios
trug 2), noch im Mittelalter bewohnt war. Um den Fuss des
Hügels erstreckte sich im Alterthum eine wahrscheinlich ziemlicli
ausgedehnte Unterstadt, in welcher Pausanias zunächst dem Ab-
hänge der Burg das Stadion mit dem auf einer Anhöhe gelegenen
1) Ich fand zwar im J. 1854 bei der Ilauptkirclie des Ortes ein do-
risches Capital aus Sandstein, aber dies war offenbar von einem andern
Platze hierher verschleppt.
2) Paus. c. 14, 4 ff., dessen Schilderung der Akropolis als an fast
allen Seiten steil abfallend, daher nur zu einem geringen Theil (offenbar
an der Nordwestseite, wo noch die Mauerreste erhalten sind) befestigt
sich mit dem jetzigen Zustande des Terrains nur durch die Annahme be-
trächtlicher Anschwemmungen an den 3 Seiten der Landzunge, die jetzt
von Wasser umgeben sind, vereinigen lässt. Das von Dodwell (Class. u.
topogr. Reise II, 2, S. 326 f.) beschriebene Paläokastro auf einem hohen
Felskegel oberhalb Phonia kann, wenn überhaupt antik, nur eine be-
festigte Zufluchtsstätte für die Heerden und Hirten der Pheneaten ge-
wesen sein.
4. Arliadicn: Plicnealis. 201
Grabdenkmal des Ipliilos, weiterhin den Tempel des Flermes
(des Hauptgottes der Stadt, dem zu Ehren Wettspiele, Hermäa,
gefeiert wurden) mit dem Grabe des Myrtilos (der hier Heroen-
cult genoss) dahinter, endlich das Heiligthum der Eleusinischen
Demeter und daneben das sogenannte Petroma, einen zur Aufbe-
wahrung der heiligen Urkunden dienenden Rasten aus zwei grossen
Steinplatten mit einem runden Deckel, an dessen innerer Seite
eine von dem Priester bei feierlichen Gelegenheiten aufzusetzende
Maske der Demeter Kidaria angebracht war, erwähnt. Ein zweites
Heiligthum der Demeter mit dem Beinamen Thesmia (der Urhe-
berin eines geordneten Rechtszustandes, gleich der athenischen
Thesmophoros) , dessen Stiftung dem Trisaules und Damithales,
welche die Göttin selbst gastlich aufgenommen haben sollten
(offenbar Heroen des Ackerbaus), zugeschrieben wurde, lag 15
Stadien nordöstlich von der Stadt am Fusse der Ryllene. In
gleicher Entfernung von der Stadt, an der nach Aegira und
Pellene führenden Strasse, also nordwärts, fand Pausanias einen
damals in Trümmern liegenden Tempel des Apollon Pythios, der
von Herakles bei der Rückkehr von seinem Zuge gegen Elis ge-
stiftet sein sollte; in der Nähe des Tempels zeigte man auch die
Gräber zweier Gefährten des Herakles, die nach Pheneatischer Sage
auf diesem Zuge den Tod gefunden hatten: das des Telamon am
Flusse Aroanios und das des Chalkodon bei einer Quelle Oinoe.
Weiter nordwärts, wahrscheinlich in der Gegend des jetzigen
Dörfchens Tharso, theilte sich die Strasse; rechts, d. h. nordost-
wärls führte sie nach Pellene, gegen welches eine Porinas ge-
nannte OertHchkeit am Chelydoreagebirge — wahrscheinlich eine
Höhe oberhalb des jetzigen Dorfes Karya — die Gränze bildete,
links, d. h. gerade nordwärts, ging sie über das Joch des Kra-
iliisgebirges, auf welchem die Grenze durch ein Heiligthum der
\ilemis Pyronia bezeichnet wurde, nach Aegira^). An der Ost-
rite des Thaies schliessen sich an das mehrfach erwähnte Geron-
teion gegen Norden einige andere Vorberge der Kyllene an: zu-
nächst der Dreiiiuellenbcrg {TQLxgrjva), an welchen sich die Sage
von der Pllege des kleinen Hermes durch die Nymphen knüpfte,
') Paus. c. 16, 8 f.; c. 17, 5. Den TlcaQivag hält Leake (Morea HI,
1>. 138 u. 142) für einen Bach, wozu der doch jedenfalls von n^gog her-
zuleitende Name nicht recht passt.
202 n. Peloponnesos.
weiterhin die von giftigen Schlangen hewohnte Sepia, auf
welcher man einen auf einem runden steinernen unterbau ruhen-
den Erdhügel als das Grab des alten Landesheros Aepytos, des
Sohnes des Elatos, zeigte J)
Gegen Westen gingen zwei Strassen von Pheneos aus: die
eine, nach Kleitor führende, folgte in nordwestlicher Richtung
dem Canale des Aroanios bis nach Lykuria, dem Grenzorte der
Pheneatis gegen die Kleitoria^); die andere führte über den
Rücken des Aroaniagebirges nach dem schon etwas nördlich unter-
halb des höchsten Gipfels dieses Gebirges in einsamer Felswildniss
von einer senkrechten, hohen Wand herabgleitenden Wasserfall der
Styx (jetzt Mavronero d. i. Schwarzwasser), deren Wasser bei den
Alten nicht nur, wie^ioch heut zu Tage, als tödtlich für die Menschen
(daher die furchtbarsten Eide dabei geschworen wurden), sondern
auch als alle Metalle auflösend galt, und nach der nordöstlich davon
in dem engen Hochthale des nach Achaia hinabfliessenden Baches
Krathis (jetzt Akrata) , in der jelzt Klukkinäs genannten Gegend
liegenden uralten Ortschaft Nonakris, von der schon Pausanias
nur noch geringe Ueberreste vorfand, die heut zu Tage gänzlich
verschwunden zu sein scheinen^). In alten Zeiten war dieser Ort
0 Paus. c. 16; vgl. Leake Morea III, p. 116; Curtius Pel. I, S. 215.
*) Paus. c. 19, 4. Das jetzige in beträchtlicher Höhe am südlichen
Abhang der Turtovana gelegene Dorf Lykuria kann nicht an der Stelle
der alten Ortschaft liegen, theils weil, wie schon Leake (Morea III, p. 143)
bemerkt hat, die Entfernung desselben von den Quellen des Ladon am
westlichen Fusse der Saeta bei weitem nicht 50 Stadien (was Paus. c.
20, 1 als Entfernung von dem alten Lykuria nach den Ladonquellen an-
giebt) beträgt, theils, wie Curtius bemerkt, weil zu dieser Lage der Aus-
druck des Paus. 'ndtsiaLV nicht passt. Jedenfalls lag die alte Ortschaft
noch an der Ostseite der Turtovana und wurde in Folge von Ueber-
schwemmungen höher hinauf und westwärts verlegt,
3) Paus. c. 17, 6 ff.; Herod. VI, 74; Theophrast. bei Antigon. Ilist.
mir. 158; Strab. VIII, p. 389; Hesych. u. NcovayiQLg; Plutarch de primo
frig. c. 20; Vit. Alex. c. 77; Vitruv. de archit. VIII, 3; Plin. N. h. II,
106, 231; XXX, 53, 149; Seneca Nat. quaest. III, 25, 1. Von Neueren ist
der Styxfall sehr häufig beschrieben worden; vgl. Leake Morea lU, p, 160
SS.; Fiedler Keise I, S. 398 ff. (mit Abbildung auf Tfl. V); Schwab Ar-
kadien S. 54 ff.; Stackeiberg in Gerhards Hyperboreisch : röm. Studien
II, S. 296 ff.; Curtius Pel. I, S. 195 f.; BeuM Etudes sur le P^loponnlsse
p. 195 SS.; Vischer Erinnerungen S. 490 f.; Panag. Dimitropulos To vdcoQ
rrjg Sxvyog (Athen 1855); ti. Sehillbach Zwei Reisebilder aus Arkadien
4. Arkadien: Orchomenia. 203
— der wohl nie eine eigentliche Stadt hildete , sondern aus einer
Anzahl zerstreuter Ansiedehuigen , ähnlich den jetzigen Dörfern
dieser Gegend, mit einem befestigten Mittelpunkt als Zufluchts-
stätte in Zeiten der Gefahr bestand — jedenfalls nicht nur selb-
ständig, sondern auch nicht ohne politische Bedeutung; aber er
inuss frühzeitig verfallen und dann mit dem grössten Theile des
Aroaniagebirges in den Besitz von Pheneos gekommen seinJ)
Südwärts von Pheneos führte im Alterthura eine Strasse zu-
nächst durch die Ebene, dann durch einen schmalen Pass, an
dessen Eingange eine Ortschaft Karyä lag, nach dem südlichen
Nachbarcanton der Pheneatis, der Orchomenia, zwei nur durch me°^a.
eine enge Schlucht unter einander verbundenen Thalkesseln, deren
nördlicherer tiefer liegt als der südlichere. Heut zu Tage gelangt
man auf einem beschwerlichen, immer am Abhänge der Berge
sich hinziehenden Pfade um die Ost- und Südostseite des Sees
von Pheneos herum in 3y2 Stunden nach dem Dorfs Gioza, von
welchem aus man längs eines Giessbaches auf einer theilweise
gepflasterten mittelalterlichen Strasse auf den die Berge Saeta
und Skipiesa verbindenden Kamm empor und von da hinabsteigt
in ein geräumiges Thal, das in seiner südlicheren Hälfte von
Wasser bedeckt ist, ein Zustand in welchem es schon zur Zeit
des Pausanias sich befand. Dieser fand die grössere Orchome-
nische Ebene zum grössern Theile von einem See bedeckt und
am nördlichen Ende desselben eine kleine* Ortschaft Amilos,
bei welcher die aus der Pheneatis und aus der Stymphalia kom-
menden Strassen zusammentrafen ^j. Der Südrand des Thaies
wird durch zwei von Westen und Osten her gegen einander vor-
tretende Berge gebildet, zwischen denen hindurch eine enge
Schlucht nach dem südlicheren Thale führt; der östlichere dieser
Berge hiess bei den Alten Trachy, der westlichere, an dessen
Sudabhang jetzt das Dorf Kalpaki liegt, trug die alte Burgstadt
Orchomenos oder, nach einheimischer Form, Erchomenos,
(leren Hcerdenreichthum schon der Schiffscatalog (II. B, 605) er-
wähnt, die nicht nur die beiden ThähT beherrschte, sondern
(Jena 1866) S. 10 ff.; endlich die Abbildung bei Löffler u. Busch Bilder
ans Griechenland Tfl. 17 (zu 8. 116).
') Das von Paus. c. 27, 4 erwähnte NmvaHQis ist jedenfalls ein an-
deres, worüber später.
«) Pau». c. 13, 4 f.; vgl. Steph. Byz. u. "Afiilos.
204' II. Pelüpuniiesüs.
aucli erobernd bis in das Herz Arkadiens vordrang, wo die Ort-
schaften Theisoa, Methydrion und Teuthis im Verhrdtniss der
Syntelie zu ihr standen, bis sie zur Gründung von Megalepolis
hinzugezogen wurden^). An den oberen Abhängen des Berges
findet man noch bedeutende Ueberreste von drei verschiedenen,
theils aus polygonen thejls aus viereckten Werkstücken erbauten,
durch viereckte Thürme verstärkten Mauerringen, welche die alte
Oberstadt umschlossen. Diese spielt wegen dieser ihrer starken
Befestigung, sowie wegen ihrer Lage in der antiken Kriegsge-
schichte eine nicht unbedeutende Bolle, ^j bis nach Verlust der
Selbständigkeit Griechenlands die Bewohner, wahrscheinlich aus
Bequemlichkeitsrücksichten, die alte Oberstadt (von der Pausanias
nur Beste der Mauern und der Agora vorfand) ganz verliessen
und sich unterhalb derselben nach der südlichen Ebene zu ansie-
delten. Dieser neueren Stadt, in welcher Pausanias (c. 13, 2)
Heiligthümer des Poseidon und der Aphrodite und eine sehens-
werthe Quelle (die noch jetzt an ihrer antiken Einfassung erkenn-
bar ist) erwähnt, gehören einige Terrassen mit dorischen Capitälen
und Säulentrümmern, sowie andere Gebäudereste an, welche sich
um das Dorf Kalpaki herum finden^). Ausserhalb der Stadt stand
*) Paus. c. 27, 4. Die Schreibung 'Egxofisvog wird durch Münzen
mit der Legende EP bezeugt: s. Curtius Pel. I, S. 228; L. Müller Archäolog.
Zeitg. XVI (1858) N. 114, S. 176. Der Berg, auf welchem die alte Stadt
lag, scheint nach Dionys. Hai. A. r. I, 49 auch den Namen N^aog geführt zu
haben. Zum Gebiete des arkadischen Orchomenos gehörte höchst wahr-
scheinlich auch das von Steph. Byz. u. Evaifioov als TtoXig 'OgxofisvLcov
bezeichnete Euämon, dessen Lage nicht näher zu bestimmen ist.
2) Vgl. Thuk. V, 61 ff.; Xenoph. Hell. V, 1, 29', VI, 5, 13; Diod.
XV, 62; XIX, 63; XX, 103; Polyb. II, 46; 54; IV, 6; Plut. Oleom. 23;
Arat. 45; Liv. XXXII, 5. — Rubine im Gebiet von Orchomenos gefun-
den nach Theophrast. bei Plin. N. h. XXXVII, 7, 97.
3) Vgl. über die Kuinen Leake Morea III, p. 100 s.; Dodwell Class. u.
topogr. Reise II, 2, S. 311 f. d. d. Ueb.; Curtius Pel. I, S. 220 f. u. S. 229. Ich
fand auf einer jetzt als Dreschtenne benutzten Terrasse westlich vom Dorfe,
in gleicher Höhe mit den obersten Häusern desselben, 3 dorische Capitäle von
verschiedener Grösse (wohl die von Dodwell ausgegrabenen); am Südwestab-
hange des Berges die Ruinen eines länglich-viereckten antiken Gebäudes mit
Eingang in der Mitte der östlichen Langseite; weiter westlich, dem Dorfe
Rusia gegenüber, die Ruinen eines Gebäudes aus schönen Quadern und
südlich davon die mit antiken Steinen eingefasste Quelle. Auf dem
höchsten Gipfel des Berges, von welchem aus man beide Thäler über-
4. Arkadien: Orchomenia. 205
eine grosse Ceder , in deren Stamm oder zwischen deren Zweigen
ein Holzbild der Artemis Kedreatis aufgestellt war; in der Ebene
bemerkt man noch jetzt verschiedene Steinhaufen, welche dem
Pausanias als Gräber im Kriege gefallener Männer gezeigt wurden.
Am nördlichen Abhänge des die Ebene im Süden begränzenden,
von den Alten Anchisia oder Anchisiä genannten Bergzuges,
auf dessen Rücken die Gränze zwischen Orchomenos und Man-
tineia hinlief, lag ein Heiligthum der Artemis Hyrania, das, ob-
gleich zum Gebiete der Orchomenier gehörig, doch unter gemein-
samer Verwaltung dieser und der Mantineer stand, ein Verhältniss,
das wohl als Ueberrest einer centralen Bedeutung, welche das
Heiligthum dieser von allen Arkadern verehrten alten Naturgöttin
in früheren Zeiten für alle oder doch für die meisten arkadischen
Cantone gehabt hat, zu betrachten ist^j. Die Stelle des Heilig-
thums bezeichnet wahrscheinlich eine Capelle der Panagia östlich
von dem jetzigen Dorfe Levidi; einige Reste antiker Bauhchkeiten
nördlich unterhalb dieses Dorfes mögen der alten Ortschaft
Elymia angehören ^j.
Durch die die obere Stadt Orchomenos vom Berge Trachy
trennende Schlucht, durch welche das Wasser in Form eines
Giessbaches aus der südlicheren in die nördlichere Ebene abfloss,
fährte eine doppelte Strasse: die eine jenseits des Baches, am
Fusse des Trachy hinlaufende, ging an dem Grabmal des Arislo-
krates und weiterhin an einigen Teneiä genannten Quellen
vorüber nach dem schon erwähnten, nur 7 Stadien von den
sieht, bemerkte ich neben den Grundmauern eines runden antiken Thur-
mes die Ueberreste eines grossentheils aus antiken Werkstücken errich-
teten mittelalterlichen Thurmes: ein Beweis, dass im Mittelalter die im
spätem Alterthum verlassene Höhe wieder befestigt war.
•) Paus. c. 12, 8 f. u. c. 13, 1, wo der Name des Berges zweimal
rj Ayxi'Oia, zweimal at 'AyxioiaL geschrieben ist; über die Artemis Hyni-
iiia (deren Beiname gewiss nicht vom Gesang, sondern aus der Vor-
stellung der Mondgöttin als einer webenden [Wurzel v(p] herzuleiten
ist) vgl. auch Paus. c. 5, 11.
*) Xenoph. Hellen. VI, 5, 13. Der Name hängt nach antiker An-
schauungsweise jedenfalls mit dem des Berges Anchisia zusanmien, da
Elyrrros, der eponyme Heros der sikelischen l'lymer , als Sohn des An-
chises galt (P^tym. M. p. 3.33, 31; Serv. ad Aon. V, 72); in Wahrheit ist
derselbe vielleicht von der Pflanze i'Xv(ios (panicum Italicum, welscher
Fenchel), deren Samen von den Alten gegossen wurde (vgl. Etym. M.
1. 1. 31), herzuleiten.
206 H. Peloponnesos.
Quellen entfernten Amilos; die andere führte am linken Ufer
des Baches hin, dann längs der Sudseite des in der nördliche-
ren Ebene sich ausbreitenden Sees westwärts nach Kaphyä,
einer im westlichen Theile dieser Ebene gelegenen Stadt, deren
nach einheimischer Tradition aus Attika eingewanderte, nach einer
andern Sage (oder vielmehr etymologischen Klügelei) aus Troja
stammende Bewohner sich von der mächtigeren östlichen Nach-
barstadt unabhängig zu erhalten gewusst hatten^). Um das Ein-
dringen des im orchomenischen Gebiete sieh stauenden Wassers
in den ihnen gehörigen w^estlicheren Theil der Ebene zu ver-
hindern, hatten sie einen Damm aufgeworfen, der zugleich die
Ostgränze ihres Gebietes bildete; die westlich von diesem Damme
aus dem Boden hervordringenden Gewässer hatten sie in ein
offenbar künstliches Flussbett geleitet, welches sie in einen am
südlichen Rande der Ebene befindlichen Erdspalt abführte; als
Ausfluss dieser Katabothre betrachteten die Alten die im west-
lichen Theile der Kaphyatis jenseits des die Ebene im Westen
begränzenden, jetzt Kastaniä, von den Alten wahrscheinlich Kna-
kalos genannten Berges entspringenden Quellen eines dem Ladon
zufliessenden Baches, der, offenbar wegen des Ungestüms, mit
welchem er in der Regenzeit dahin strömte, den Namen Tragos
(Bock) führte; die Quelle selbst wurde Rheunos, die ganze Ge-
gend Nasoi ('die Inseln') genannt 2). Die Stadt Kaphyä, in
welcher Pausanias Heiligthümer des Poseidon und der Artemis Kna-
kalesia erwähnt, lag wahrscheinlich auf und um einen im süd-
westlichen Winkel der Ebene sich erhebenden isolirten Felshügel,
dessen Gipfel mit Resten alterthümlicher Mauern umgeben ist;
die etwa 10 Minuten nördlich davon in der Ebene sich findenden
Mauerreste und Marmortrümmer gehören wohl der nach Pausanias
nur ein Stadion von der Stadt entfernten Ortschaft Kondylea
und dem in einem Haine gelegenen Tempel der Artemis Kondy-
leatis an. Nicht mehr mit Sicherheit nachzuweisen ist die Quelle
Menelais, welche etwas oberhalb der Stadt bei einer mit dem
gleichen Namen benannten uralten Platane entsprangt).
1) Paus. c. 13, 4 f.; c. 23 , 2 ff.; Dionys. Hai. A. r. I, 49; Strab.
XIII, p. 608; Steph. Byz. u. Kacpvai-, vgl. Polyb. IV, 11 f. u. ö.
2) Paus. c. 23, 2 u. 7: vgl. Leake Morea III, p. 122.
3) Paus. c. 23, 3 ff.; über die Platane auch Theophr. Hist. plant. IV,
13, 2 u. Plin. N. h. XVI, 44, 238.
4. Arkadien: Mantinike. 207
Aus der südlicheren Ebene der Orchomenier steigt man über
das Anchisiagebirge, an dessen südlichem Fusse neben einem zur
Zeit des Pausanias (c. 12, 8 f.) verfallenen Aphroditetempel das
Grabmal des Anchises gezeigt wurde , in die grosse südostarka-
dische Hochebene, die bei einer durchschnittlichen Breite von
einer Meile zwischen den argolischen Gränzgebirgen im Osten
und einer mit verschiedenen Namen (Ostrakina, Mänalion, Bo-
reion) ^) bezeichneten Bergkette im Westen sich in einer Länge
von fast 4 Meilen bis an den südlichen Band Arkadiens erstreckt.
Ungefähr in der Mitte der Länge verengert sich die Breite der
Ebene durch zwei gegen einander vortretende Ausläufer der Band-
gebirge bis auf eine halbe Stundö Wegs und so entsteht ein Pass,
welcher die ganze Ebene in zwei Hälften scheidet, die im Alter-
thum auch politisch von einander getrennt waren: eine etwas
höher gelegene, ^j daher trocknere und gesündere südlichere — die
jetzige Hochebene von Tripoliza, die alte Tegeatis — und eine
niedrigere, in Folge mangelnder Begulierung des Wasserlaufes
jetzt zu einem Theile versumpfte, daher ungesunde und fast un-
bewohnte nördlichere, die Mantinike der Alten. In diese treten Mantinike.
zunächst von Norden her zwei ziemlich parallele Bergzüge ein,
die man als südliche Ausläufer der Anchisia betrachten kann, und
bilden östlich und westlich von der Ebene zwei enge Seiten-
thäler, von denen das westliche, im Alterthum nach einem Heros
Alkimedon benannte, das durch eine Lücke in dem der Ostra-
kina parallel gehenden, jetzt wie im Alterthum namenlosen Berg-
zuge n)it der Ebene zusammenhängt, keine sicheren Spuren einer
HJten Ansiedelung , zeigt ^). Das östlichere, im Osten vom Arte-
*) Paus. c. 12, 2; c. 36, 7 f.; c. 44, 4. Die Ostrakina (jetzt H. Elias)
erreicht eine Höhe von 1981 M., das Mänalion (jetzt Apano-Krepa) von
1559 M., (las Boreion (jetzt Kravatä) von 1088 M. Zu der folgenden
Keschreibung vgl. man das (nach Curtius Pel. I, Tfl. ITI) gezeichnete
Kärtchen auf unserer Tfl. VI.
') Das jetzige Tripoliza liegt nach der französischen Karte 663 Meter,
das alte Mantineia nur 600 Meter über der Meeresfläche.
") Paus. c. 12, 2. Curtius (Pel. I, S. 243) setzt vermutungsweise
die von PolyK XI, 11 erwähnton Elisphasier in dieses Seitenthal; allein
da diese, wie eine Münze mit der Umschrift EAIZ^AZlSlN AXAlSK^N)
lehrt (s. Pinder Monatsberichte der Berliner Akademie 1855, S. 351), ein
Mf'lbständiges Glied des achäischen Bundes waren, so können wir diesel-
l'Cii mnnüglich in diesen Winkel der Mantinike verweisen, sondern
208 II. Pi'lo|)unnc.sos.
nüsioii, im Westen vom Alesionberf^e begränzte Seitcnthal, das
wegen seiner tiefen Lage und weil das Wasser durch einen ein-
zigen Spalt im Fusse des Artemision nur ungenügenden Ablluss
findet, schon im Alterthum versumpft war und daher das Faul-
feld (^AQyov nsdlov) genannt wurde, war für die Mantineer von
grosser Wichtigkeit, weil die beiden von Argos her führenden
Pässe, die Strasse durch den Stacheleichenwakl und die Treppen-
strasse (vgl. oben S. 63) in dasselbe einmündeten, daher die
Mantineer auf einem vom Fusse des Artemision in das Thal
vortretenden Hügel eine befestigte Ortschaft, Nestane, angelegt
hatten, welche den Zugang zur Hauptebene bewachte. Dem Pau-
sanias, der von dieser Ortschaft nur noch Trümmer vorfand,
wurden noch Reste von dem Zelte des Königs Philipp H. von
Makedonien, der Ol. 110, 3 hier ein Lager aufgeschlagen hatte,
gezeigt, wie auch die auf dem den Hügel von Nestane mit dem
Artemision verbindenden Sattel entspringende Quelle den Namen
Philippion behalten hatte. Unterhalb des Hügels, auf dem sich
noch jetzt nicht unbedeutende Mauerreste finden, stand ein Hei-
ligthum der Demeter, worin alljährlich von den Mantineern ein
Fest begangen wurde ; ein noch zum Argon pedion gehöriger Platz
in der Nähe desselben, wurde Mer Tanzplatz der Mära' genannt,
einer von den Mantineern und Tegeaten verehrten Heroine, Tochter
des Atlas, deren Namen auch ein Weiler in der nordöstlichen
Ecke der Mantineischen Ebene trug^).
müssen Elisphasion, falls es eine Stadt dieses Namens gab, westlich von
der Ostrakina, etwa in der Gegend von Alonistenon ansetzen.
') Paus. c. 7, 1 ff., nach welchem die Süsswasserqiielle Dine, welche
im Meere ohnweit des aus der Argeia nach der Thyreatis führenden
Küstenpasses Anigräa aufsprudelt (s. oben S. 68), der Abfluss der
Gewässer dieser Niederung war. Als tov oniaQ'ev v-olnov f^g Mavzivi-
■nrjs bezeichnet dieses Seiten thal Xen. Hell. VI, 5, 17. Ueber die Ruinen
von Nestane {NoctLU nach Theopomp bei Steph. Byz. u. d. W.) vgl.
Clark Peloponnesus p. 127 ss. (mit Planskizze auf pl. 3); Conze u. Mi-
chaelis Annali XXXHI, p. 25 ss. Ueber die KCüfirj Matga Paus. c. 12,
7 ; vgl. Pouillon-Boblaye ßecherches p. 149 Eine avvoSoq tccv isqsiocv rccg
JdfiaTQog erscheint in einer Inschrift aus Mantineia (Bulletin de Fe'cole
fran9aise d'Athenes n. 1, Juli 1868, p. 6 s.), welche nach Z. 41 im KoQccyioy
(ob Theil des Heiligtums bei Nestane oder des von Paus. c. 9, 2 er-
wähnten Heiligtums der Demeter u. Kora in der Stadt Mantineia?) auf-
gestellt war.
4. Arkadien: Mantinike. 209
Diese Ebene, die jetzt in ihrem nördlicheren Theile bis
nahe an die Mauern der Stadt heran See und Sumpf, dazu völlig
baumlos ist, muss im Alterthum, wo die von Osten und Süden
her in sie einströmenden Gewässer sorgfältig canalisirt und in
die am Fusse der westlichen Berge sich öffnenden natürlichen
Abzugscanäle (Katabothren) abgeleitet waren,^) einen weit freund-
licheren und fruchtbareren Anblick gewährt haben. Schon der
Schiflfscatalog (II. B, 607) erwähnt '"die liebliche Mantineia', die
bis ins 5. Jahrb. v. Chr. keine Stadt im strengen Sinne des
Wortes bildete, sondern aus fünf in verschiedenen Theilen der
Ebene gelegenen Flecken bestand, die in einem Castell auf einem aus
dem nördlicheren Theile der Ebene inselartig aufsteigenden Hügel,
an dem noch im spätem Alterthum der Name Polis haftete (jetzt
Gurzuli genannt), einen gemeinsamen befestigten Zufluchtsort
hatten.^) Bald nach den Perserkriegen, zu welchen auch die
Mantineer ihr Contingent gestellt hatten,^) verliessen die Bewoh-
ner, von den Argivern veranlasst, ihre ländlichen Wohnsitze und
gründeten eine Viertelstunde südlich von jenem Castell an der
tiefsten Stelle der Ebene eine neue Stadt, welche den Mangel
natürlicher Festigkeit durch die Begclmässigkeit ihrer Form, die
Stärke ihrer Mauern und Thore und zahlreiche Befestigungs-
thürme ersetzte; die Erinnerung im die fünf Gemeinden, aus denen
die Bevölkerung der Stadt sich zusammensetzte, wurde durch die
Theilung derselben in fünf Phylen (Epaleas, Enyalias, Hoplodmias,
Posoidlias und Vanakisias) erhalten.'*) Die durch diese Zusammen-
*) Einen mitten durch die Ebene gehenden Wassergraben erwähnt
Polyb. XI, 11. Die Regulirung des aus der Tegeatis nach der Mantinike
zu fliessenden Wassers war nach Thukyd. V, 65 ein Gegenstand des
>>treites und Kampfes zwischen beiden Nachbareantonen.
^) Paus. c. 8, 4 (wo mir die Erzähhing von der Gründung der neuen
Stadt durch Antinoe, Tochter des Kepheus, auf einem Irrthum zu be-
ruhen scheint) u. c. 12, 7; Strab. VIII, p. 337.
3) llerod. VII, 202; IX, 77; Paus. X, 20, 1.
*) Von diesen durch eine Insdirift (Bulletin de l'e'cole fran^aise
d'Athenes n, 1, p. 5 s.) ])ezeugten Phylennainen sind 'Evvaliag, Uo-
aoidUag und fava%iaCaq offenliar von den Gottheiten Enyalios, Posei-
don und den Dioscuren (Anakes) herzuleiten; auch der Name 'EnaXiaq
{Sn' *AXias'0 i'**t wohl auf die Athena Alea zurückzuführen; nur der
Name 'OnXoÖfiiag scheint einen besonderen .Stand (<lie Kriegerkaste) zu
l^zeichnen; doch könnte num dabei allenfalls an die Hqu onloofiicc
(I>ycophr. Alex. 614 u. Tzetz. ad v. 858) denken.
210 II. Peluponnesos.
siedelung erstarkte Bnrgerscliaft emaneipirte sich nyn l)al(l von
dem Einflüsse Sparta's, unter dem sie bis dahin gestanden hatte,
und schloss im Jahre 420 v. Chr., nachdem sie ihr Gebiet durch .
Unterwerfung der Parrhasier erweitert hatte, in Verbindung mit
Argos und Elis ein Schutz- und Trutzbündniss mit Athen, weil
sie voraussah, dass sie nach dem Grundsatze der PoUtik Sparta's,
Gebietserweiterungen auf Kosten schwächerer Nachbarn nur sich
selbst, aber nicht den übrigen peloponnesischen Staaten zu ge-
statten, den Besitz des eroberten Gebietes gegen Sparta mit den
Waffen in der Hand werde vertheidigen müssen. Freilich musste
sie, nachdem das Bündniss in Folge der im Jahre 418 in der
Ebene von Mantineia selbst, einem ächten ^ Tanzplatz des Ares'^),
gelieferten, für die Verbündeten verlornen Schlacht sich gelöst
hatte, unter Verzicht auf ihre früheren Eroberungen wieder in
die spartanische Symmachie eintreten, aber sie blieb doch nur
gezwungen und mit schlecht verhehltem Widerwillen in derselben
und Sparta benutzte daher die Gelegenheit, welche ihm seine
Interpretation des sogenannten Antalkidischen Friedensvertrages
darbot, um im Jahre 385 an die Mantineer die Forderung zu
stellen, ihre Stadtmauer zu schleifen, damit die wohlbefestigte
Stadt nicht der Stützpunkt eines bewaffneten Widerstandes gegen
des Oberhaupt des Bundes wefden könne. Da die Mantineer
diese Forderung natürlich ablehnten, fiel der König Agesipolis
mit einem Heere in ihr Gebiet ein und begann eine regelmäs-
sige Belagerung der Stadt; als diese wegen der guten Verpro-
viantirung der Belagerten sich in die Länge zog, nahm Agesipolis
den natürlichen Feind der Mantineischen Ebene, dem sie auch
in der neueren Zeit unterlegen ist, das Wasser zur Hülfe: er
dämmte den von Südosten her durch die Stadt fliessenden Bach
Ophis gleich unterhalb der Stadt ab, so dass derselbe innerhalb
der Mauern über seine Ufer trat und das Wasser bald zu solcher
Höhe stieg, dass die mit Ausnahme der Fundamente aus Lehm-
ziegeln erbauten Stadtmauern und Thürme Bisse bekamen und
den Einsturz drohten. Die Mantineer sahen sich also genöthigt
zu capituliren , wobei der übermüthige Sieger zu der früheren
*) Vgl. über die verschiedenen bei Mantineia geschlagenen Schlach-
ten Leake Morea III, p. 57 ss.; Vischer Erinnerungen S. 348 flf.; über
die vom Jahre 362 besonders A. Schäfer Demosthenes III, 2, S. 3 flf,
4. Arkadien: Mantiiiike. 211
Forderung der Schleifung der Mauer noch die weitere hinzufugte,
dass die Bevölkerung sich wieder in die alten, hei der Gründung
der Stadt verlassenen offenen Weiler vertheile, eine Massregel,
durch deren Ausführung der Mantineische Staat aus einer demo-
kratischen Stadtgemeinde in eine Conföderation oligarchischer,
von lakedämonischen Statthaltern regierter Bauerngemeinden ver-
wandelt wurde. ^) 15 Jahre lang blieb nun die Stätte Mantineia's
verödet, das politische Leben der Bevölkerung unter dem Drucke
Sparta's ertödtet; aber als durch die Schlacht bei Leuktra Spar-
ta's Uebermacht gebrochen war, traten die gewaltsam auseinander-
gerissenen Bestandtheile der Gemeinde wieder zusammen und
beschlossen die Stadt wiederherzustellen, ein Beschluss, den Kö-
nig Agesilaos vergeblich durch Versprechungen und Drohungen
rückgängig zu machen suchte.^) Die Mauern wurden mit Bei-
hülfe einiger arkadischen Städte und mit einer Geldunterstützung
von Seiten der Eleer in dem alten Umfang von etwas über
15 Stadien mit mehr als 100 viereckten Thürmen und 8 meist
durch doppelte, theils viereckte theils runde Thürme vertheidig-
ten Thoren wiederaufgebaut und zwar in ähnlicher Weise wie
früher, so dass nur die Fundamente und ein Sockel von 2 — 4
Steinlagen Höhe, je nach der Hebung oder Senkung des Terrains,
aus grossen Werkstücken, die oberen Theile der Mauern sowohl
als der Thürme aus Lehmziegeln (wahrscheinlich mit mehrfachen
Lagen starker Holzbalken dazwischen) aufgeführt wurden; der
Bach Ophis wurde nun unmittelbar oberhalb der Stadt in zwei
Arme getheilt, die in der Art eines Festungsgrabens die Ellipse
des Mauerringes umflossen und unterhalb der Stadt sich wieder
<) Thukyd. V, 29; 33, 81; Xen. Hell. V, 2, 1 ff.; Paus. c. 8, 6 ff.
iJen Widerspruch zwischen den Angaben des Xen. (1. l. § 7): dtöjx^ff'9'ry
6' T] MavrCvua. texQaxfj und des Ephoros (bei Harpokr. p. 123, 17 ed.
liekk.): sig s' yicofiag z^v Mavrivicov dioj'niaav noXiv Aayisdaifiovioi
[Vgl. Diod. XV, 5) hat man durch Hinweisung auf die Bemerkung des
Paus. (§ 9): wg dl dls x^v Mocvxivsluv, oXCyov fiiv xi yiaxiXmfv ol-
yiBLa%-ai zu heben gesucht, wornach ein kleiner Theil der Bewohner in
der Stadt zurückgeblieben, die übrigen in 4 von den alten 5 Komen
vertheilt worden seien: ob mit Kecht, ist mir zweifelhaft, da die Nach-
richt des Ephoros von der Vertheilung in 6 Komen vielleicht nur auf
lischer Folgerung aus der Geschichte der QrUndung der Stadt beruht,
«) Xen. Hell. Vf, 5, 3 ff; Paus. c. 8, 10.
212 II. Peloponncsos.
in einem Belle vereinigten.') Audi die Heiliglümer und öffent-
lichen Gebäude, die jedenfalls bei der Auflösung der Stadigemeinde
nicht zerstört worden, sondern nur in Folge der Verödung der
Stadt in Verfall geralhen waren, wurden natürlich wiederherge-
stellt und verschönert und Mantineia nahm bald wieder an Glanz
und Reichtum eine der ersten Stellen unter den Städten Arka-
diens ein; aber der alle politische Geist zog nicht wieder ein
in die erneuerten Mauern: die Bürgerschaft schloss sich aus eng-
herziger Abneigung gegen die Thebaner und ihre Gründung, den
neuen arkadischen Einheitsstaat, wieder an Sparta an und der
Held, dessen Siegen Mantineia die Erneuerung seiner politischen
Existenz verdankte, hauchte vor den Mauern der Stadt als Feind
sein Leben aus (362 v. Chr.). Eine zweideutige, ja treulose Po-
litik verfolgte Mantineia dann während der Kämpfe zwischen
Achäern, Aetolern und Sparta: anfangs Mitglied des achäischen
Bundes trat sie zu den Aetolern über und Hess sich dann von
Kleomenes III. als Glied des lakedämonischen Staates aufnehmen.
Im Jahre 22ß von den Achäern unter Aratos Führung erobert
und mit der grössten Schonung behandelt trat sie wieder in den
achäischen Bund und erbat sich sogar eine achäische Besatzung
zum Schutz gegen etwaige Angriffe von Seiten des Kleomenes
oder der Aetoler; aber bald nach dem Eintreffen derselben ge-
wann die lakonische Partei wieder die Oberhand; die Besatzung
wurde ermordet und die Stadt wieder den Spartanern übergeben.
Dafür traf sie im Jahre 222 ein schweres, aber verdientes Straf-
gericht: sie wurde von den von Aratos zur Hülfe gerufenen Ma-
kedonern erobert, geplündert und die Bewohner als Sclaven
verkauft; die Stadt blieb zwar bestehen, aber sie wurde von den
Achäern neu bevölkert und musste ihren allen Namen mit dem
von Antigoneia (zu Ehren des makedonischen Königs Antigo-
nos Doson) vertauschen, der ihr wenigstens im officielien Stil
blieb, bis Kaiser Hadrian ihr den alten zurückgab.^)
^) Vgl. über die noch fast in ihrem ganzen Umfange in durchaus
gleichmässiger Höhe erhaltene Ringmauer von Mantineia, ihre Thürme
und Thore Leake Morea I, p. 100 ss.; Peloponnesiaca p. 112 ss.; ßoss
Reisen im Peloponnes S. 124 f.; Vischer Erinnerungen S. 346 f.; Conze
u. Michaelis Annali XXXIII, p. 28 s ; dazu den Plan des südöstlichen
(teffeatischen) Thores und des Theaters in der Expe'd. de More'e II pl. 5P..
2) Polyb. II, 57 f.; 62; Plut. Cleoni. 14; Arat. 45; Paus. c. 8, 11 f.;
4. Arkadien: Mantinike. 213
Für die Topographie der Stadt bildet den einzigen sichern
Anhalt das von Tansanias (c. 9, 3 f.) erwähnte Theater, von
dessen gegen Osten geöffneter Cavea nocli der polygone Unter-
bau und ein Theil der Sitzstufen ungefähr in der Mitte des
Stadtraumes, etwas mehr gegen Norden, erhalten ist; daneben
Hegen formlose Trümmer eines grossen Gebäudes, welche ent-
weder dem zum Andenken an die Schlacht bei Aktion, in welcher
die Mantineer allein von allen Arkadern auf der Seite des Octa-
vianus fochten, erbauten Tempel der Aphrodite Symmachia, oder
dem mit Cultbildern von der Hand des Praxiteles (Hera thronend,
ihr zur Seite Athene und Hebe stehend) geschmückten Tempel
der Hera angehören.') Die Lage der übrigen von Tansanias er-
wähnten Heiligtümer (unter denen namentlich ein Doppeltempel
des Asklepios mit einem Cultbilde von Alkamenes uud der Leto
nebst Kindern mit Statuen derselben von Praxiteles zu nennen
ist) lässt sich ebensowenig bestimmen als die der Agora oder
sonstiger öffentlicher Anlagen und Gebäude.^)
Ptol. III, 16, 19. ^A TtoXig taiv 'AvTiyovstov auf einer Inschr. aus rÖm.
Zeit: BiiUett. 1854, p. XXXV. 'Avxiyovicov 'Axaimv auf Münzen: Eckhel
Doct. numra. II, p. 232. — Eine Schrift des Aristoxenos tu MavTivstov
^'^"7] erwähnt Philodem, nsql svoeßetag p. 85, 13 ed. Gomperz.
*) Paus. c. 9, 3 f., der die Lage des Tempels der Hera durch ngog
Zip d-£uxQcpj die des Tempels der Aphrodite durch tov d^sccxQOv oniad^sv
bezeichnet.
2) Die Meinung von Curtius (Pelop. I, S. 237) und anderen: dass
Paus, durch das südöstliche (tegeatische) Thor in die Stadt eingetreten
sei, dass also jener von ihm an erster Stelle genannte Doppeltempel des
Asklepios und der Leto in der Nähe dieses Thores gelegen haben müsse,
kann ich nicht theilen. Paus, steigt (c. 8, 1) aus dem Argon Pedion
über die südlichen Abhänge des Alesion in die Mantineische Ebene und
erwähnt dort zuerst eine Quelle Arne (die ich trotz des Widerspruches
von Conze u. Michaelis Annali XXXIII, p. 27 s. nur für die am süd-
lichen Abhänge des Alesion entspringende, jetzt Ko^o%£ql(x. genannte
Quelle halten kann) neben der Heerstrasse (Tra^a Tr)v Xeoifpoqov), Dass
nun diese Heerstrasse, auf welcher offenbar Paus, in die Stadt eintritt,
identisch sei mit der später (c. 10, 1 f.) von Paus, ausführlich beschrie-
benen Stra«8e nach Tegea, dafür findet sich bei Paus, durchaiis keine
Andeutung; ich lialte sie also für davon verschieden und zwar für die
Fortsetzung der von Argos durch den Stacheleichenwald kommenden
Strasse. Sie lief jedenfalls in geringer Entfernung östlich von der Te-
gcatischcn Strasse und mündete durch <ia.s in der östlichen Ringmauer
noch erkennbare Thor in die Stadt ein.
liURSIAN, OEOOR. II. 15
214 II. Poloponnesos.
Das Trinkwasser wurde der Stadt von Nordosten iier durch
eine Wasserleitung zugeführt, als deren Ausgangspunkt Pausanias
(c. 6, 4) eine Melange ia genannte Oertlichkeit hezeichnet,
welche jedenfalls dem ^4 Stunden nordöstlich von den Ruinen
Mantineia's am nordwestlichen P'usse des Alesion gelegenen jetzi-
gen Dorfe Pikerni entspricht, in welchem mehrere nie versie-
gende Quellen entspringen. Die Strasse von hier, die Fortsetzung
der argivisch-mantineischen ^Treppenstrasse', führte nach einer
halhen Stunde zu einer 7 Stadien von der Stadt entfernten, 'die
Quelle der Meliastcn' (einer geistlichen Genossenschaft im Dienste
des Dionysos) genannten Quelle, hei welcher Heiligtümer des
Dionysos und der Aphrodite Melaenis standen: die Quelle spru-
delt noch jetzt am westlichen Fusse des Alesion, ostlich vom
Hügel Gurzuli, hervor und danehen findet man die Fundamente
eines grossen antiken Gebäudes.')
Den noch heute erkennbaren 8 Thoren in der Ringmauer
der Stadt enisprachen ebensoviele Strassen, durch welche der
Verkehr der Stadt nach allen Richtungen der Windrose hin ver-
mittelt wurde. Zwei derselben führten in östlicher und nord-
östlicher Richtung die eine durch das Argon Pedion, die andere
über Melangeia nach den mehrfach erwähnten beiden argivischen
Pässen; zwei giengen nordwärts über das Anchisiagebirge nach
der Ebene von Orchomenos und zwar die eine etwas östlichere
am Stadion des Ladas, einem Heiligtum der Artemis, einem als
Grab der Penelope bezeichneten Erdhügel, den Ruinen der alten
Stadt und einer Quelle Alalkomeneia vorüber nach dem Flecken
Mära (vgl. oben S. 208), die westlichere direct nach dem Grabe
des Anchises (vgl. S. 207).^) Von den beiden westlichen Thoren
giengen zwei Strassen aus, die eine mehr gegen Norden durch den
Einschnitt in der Mitte des in die Ebene hereintretenden west-
licheren Bergzuges (bei dem jetzigen Dorfe Simiades), die an-
dere etwas weiter südlich um das südliche Ende dieses Bergzuges
herum (bei dem jetzigen Dorfe Kapsa) nach der Ebene Alkimedon
(vgl. oben S. 207), wo beide zusammentrafen und die Heerstrasse
nach Methydrion bildeten, welche über das Ostrakinagebirge (wo
man die Grotte, in der Alkimedon gewohnt haben sollte und eine
') S. Ross Reisen im Peloponnes S. 136.
2) Paus. c. 12, 5 fF.
4. Arkadien: Manlinike. 215
Quelle Kissa, die Häherquelle, zeigte) nach dem Gräiizorte zwi-
schen den Gehieten von Manlineia und Megalepolis, Petrosaka,
föhrteJ) Gegen Süden endlich liefen einander ziemlich parallel
zwei Strassen nach dem tegeatischen Gehiete, heide den V/.^
Stunden südlich von der Stadt, also in dem Passe durch welchen
man aus der mantineischen in die tegeatische Ehene eintritt,
gelegenen Eichwald Pelagos durchschneidend: die westlichere,
die Strasse nach Pallantion, herührte kurz vor jenem Walde das
durch eine Säule und einen Schild mit dem Zeichen einer Schlange
darauf hezeichnete Grab des Epameinondas, das auf derselben
Stelle, auf welcher der Held sein Leben beschlossen hatte —
einem Vorsprunge des mänalischen Gebirges ^gegen die manti-
neische Ebene hin, der sogenannten Skope (Warte) — errichtet
^^ar, und einen nur wenige Minuten davon gelegenen Tempel des
Zeus Charmon.2) d\q tegeatische Strasse endlich, welche, wohl
als die wichtigste Verkehrsstrasse, den Namen Xenis führte,^)
gieng von dem östlicheren Thore der südlichen Ringmauer aus
an dem Hippodrom und dem an den westlichen Fuss des Alesion
sich anlehnenden Stadion vorüber nach dem 7 Stadien von der
Stadt am südlichen Fusse des Alesion gelegenen Tempel des Po-
seidon Hippios, dem ältesten und ehrwürdigsten aller mantinei-
schen Heiligthümer, der von Agamedes und Trophonios aus Balken
von Eichenholz, ohne Thüre, nur mit einem rothen Wollenfaden
als Verschluss des Eingangs, errichtet sein sollte, später von einer
Schaar Aetoler unter Führung des Polykritos geplündert, endlich
von Hadrian unter ängstlicher Schonung der Reste des alten
Baues erneuert wurde. '*) In unmittelbarer Nähe des Heiligthums
^) Paus. c. 12, 2 ff., der von den beiden durch die Thore indicirtcn
wcstliclien Strassen wolil nur die südlichere als die bedeutendere ver-
lolf^'t hat und daher die andcn; <:;ir nicht erwähnt. Vgl. Steph. Byz. u.
ll8ZQ00ci)ia.
2) Paus. c. 11, 5; 8; c. 12, 1.
^) Polyb. XI, 11, wo deutlich drei ebensoviel Thoren entsprechende
Htrasßen unterschieden werden: ij ig ro Iloasidcävog tsgov (pegovaa
(weiterhin i} odog 7] ^fvig) d. i. die tegeatische, ri e^^g cög ngog Tccg
dvasig d. i. die pallantische, und q IxoiiBvr] d. i. die (südlichere) uiau-
tliyrcische. Die Bezeichnung a o8bg a %ivCg findet sidi auch auf einer
luschr. aus Alaesa in Sicilien: C. I. gr. n. 051)1, 15.
*) Polyb. IX, 8 (vgl. XI, 11 u. 14); c. .34; Paus. c. 10, 1 f., wo statt
ov nQoaoj otafiiov entwedcn- mit ScliUfer (Demosthenos III, 2, S. 12 f.)
15*
216 II. Peloponncsos.
stand ein steinernes Siegcsdenknial zur Erinnerung an einen
Sieg, welchen ein Heer des achäischen Bundes (zu dem damals
Mantineia gehörte) über die von König Agis IV. geführten Lake-
dämonier gewonnen hatte.^) Von dem Heiligthume aus führte eine
gegen 25 Stadien lange Seitenstrasse, an der man die Grüber
der Töchter des Pelias zeigte, in südöstlicher Richtung nach einem
noch zum Gebiete von Mantineia gehörigen Orte Phoizon, wo
ein Hügel mit rundem steinernen Unterbau, angeblich das Grab-
mal des mythischen Königs Areithoos, 'des Keulenschwingers',
stand. Auf der Hauptstrasse bezeichnete ein runder Altar die
Tegeatis. Gränze zwischen der Mantinike und der Tegeatis,^) welche die
Hochebene von Tripolitza (vgl. S. 207) nebst dem dieselbe im
Süden begränzenden Berglande, dem Quellgebiet des Alpheios
' (vgl. S. 187), umfasste. V^ie die Mantinike so war auch die Te-
geatis in der ältesten Zeit ohne städtischen Mittelpunkt, in eine
Anzahl Gaue getheilt, die wohl hauptsächlich durch ein religiöses
Band , den Cult der Athene Alea in einem gemeinsamen , unge-
fähr in der Mitte der dorfartigen Ansiedelungen gelegenen Hei-
ligthume, zusammengehalten wurden. Die Namen dieser Gaue
waren nach Pausanias (c. 45, 1) folgende: Gareatae, die An-
wohner des in einem östlichen Seitenthal der Ebene, durch wel-
ches die Strasse nach der Thyreatis führte, entspringenden Baches
Garatis oder Gareatis (vgl. Paus. c. 54, 4); Phylakeis, die Be-
wohner des Berglandes oberhalb der Ebene, an den Quellen des
Alpheios, wo noch später eine Gränzfestung gegen Lakonien Na-
mens Phylake stand (Paus. c. 54, 1); Karyatae und Oiatae,
die Bewohner der südlich von da gelegenen, später von Sparta
annectirten Landschaft Skiritis;^) Korytheis, die nördlichen
ov TtQOGco g' 6tu8l(üv, oder ov ngooco entuGTccSiov zu schreiben ist. 'Eni
LSQSog rtö Tlooidävog als Präscript in Inschriften: Bulletin de Te'cole
fran^aise d'Athenes n. 1 (Juli 1868) p. 8 s.; Eoss Inscr. gr. in. I, n. 9;
Vischer Epigraphische u. archäologische Beiträge aus Griechenland S. 38.
^3 Paus. c. 10, 5 ff., der freilich ganz irrig (vielleicht aus Verwech-
selung mit Agis III.) den König in dieser Schlacht seinen Tod finden
lässt: vgl. Schömann Prolegg. ad Plutarch. Agid. et Cleom. p. XXXIII;
Plass Die Tyrannis bei den Griechen II, S. 163 ff.
2) Paus. c. 11, 1 ff.: vgl. Curtius Pelop. I, S. 246 f.
3) Vgl. oben S. 118, dazu Steph. Byz. Oloq , noU%vLOv Tsysccg.
Alßxvlog MvaoLg, wornach aber keineswegs , wie dies Curtius (Pel. II,
S. 322) für Karyä zu thun scheint, ein zweites Oion in der Tegeatis
4. Arkadien: Tegeatis. 217
Nachbarn der Gareaten, Bewohner des grössern östlichen Seiten-
thals am Fusse des Parthenion, durch welches die Hauptstrasse
von Tegea nach Argos führte;^) die Manthyreis (oder Man-
thureis), die Bewohner des jetzt grossen Theils von Wasser,
unter welchem man noch deutlich einen mächtigen alten Stein-
dämm, das sogenannte Choma, wahrnimmt, bedeckten südöst-
lichen Winkels der Ebene am östlichen Fusse des Boreion, wo
sich noch grosse Steinhaufen von der alten Ortschaft Manthyrea
und in einer benachbarten Capelle der Panagia Fragmente ca-
nelirter Säulen von 16 Zoll Durchmesser, Stöcke von dünneren
glatten Säulen, das Fragment eines dorischen Capitäls und an-
dere Architekturstücke, wahrscheinlich von dem Tempel der
Athene Hippia, finden;^) die Potachidä (oder Botachidä)^),
Echeuelheis und Apheidantes (letzterer nach Pausanias erst
unter König Apheidas zu den acht älteren Gauen hinzugekommen),
deren wahrscheinlich in der Mitte und im nördlichen Theile der
Ebene gelegene Wohnsitze nicht näher zu bestimmen sind. Die
hartnäckigen und langwierigen Kämpfe, welche die Tegeaten nach
der Eroberung Lakoniens durch die Dorier gegen diese begehr-
lichen Gränznachbarn zu führen hatten, Kämpfe welche den Te-
geaten ein Stück ihres Gebietes kosteten, endUch aber durch
einen denselben ihre Unabhängigkeit und eine bevorzugte Stel-
lung in der spartanischen Symmachie sichernden Friedens- und
Freundschaftsvertrag, der auf einem am Alpheios aufgestellten
neben dem lakonischen anzunehmen ist: Aeschylos hatte, den Verhält-
nissen vor der dorischen Wanderung gemäss, das später lakonische Oion
als zur Tegeatis gehörig bezeichnet.
') Dies zeigt die Erwähnung eines in einem Eichenhain gelegenen
Tempels der Demeter hv KoQvd'svai in dieser Gegend bei Paus. c. 54, 5.
2) Paus. c. 44, 7; c. 47, 1; Steph. Byz. u. Mavd^vQia; vgl. Conze u.
Michaelis Annali XXXIII, p. 32. Ich fand ausser den im Texte erwähn-
ten Bruchstücken in der Capelle der Panagia weder in der Ebene noch
auf den Anhflhen antike Reste, sondern nur ;iuf einer schroflf ansteigen-
den Felskuppe, der höchsten Spitze eines etwa V^ Stunde westlich von
Kapareli gelegenen auf-chnlichcn Berges, die Itulnc eines mittelalterlichen
Thurmes, dessen unterste, unmittelbar auf dem Fclsboden ruhende Stein-
lage antik ist: dies sind wohl die 'Ruinös helk^niqiies', von denen die
Bewohner Pouillon Boblaye (s. Kechercbes p. 145) berichteten.
') Steph. Byz. u. RmtaxiSai. — Die Zahl von D Domen giebt .'uich
Strab. Vm, p. '.V.M.
218 H. Pcloponnesos.
Pfeilor eingegraben war, beendigt wurden,') gaben ohne Zweifel
Veranlassung, dass durch einen dem mythischen König Aleos zu-
geschriebenen Synoikismos der Bewohner der neun Gaue eine
Stadt gegründet wurde, die schon durch ihren Namen Tegea,
d.i. 'die Schützende, Deckende' 2) ihre Bestimmung, als Schutz -
wehr des ganzen Cantons zu dienen, ausspracli. Zu ihrer An-
lage wählte man einige zu einer Kette, die sich vom Mänaios
nach einem südwestUchen Vorsprunge des Parthenion hinzieht,
gehörige Hügel, unter denen der nördlichste, auf welchem jetzt
das Dörfchen Hagios Sostis liegt, der höchste ist und eine schöne
Aussicht über die ganze Ebene gewährt. Obgleich sich auf dem-
selben noch keine Spuren antiker Mauern, sondern nur zahlreiche
Bruchstücke von Terracottafiguren und Thongefässen sowie einige
kleine Bronzefiguren gefunden haben, ^) so kann es doch nach
der ganzen Beschaffenheit des Terrains nicht zweifelhaft sein,
dass derselbe in die Bingmauer der Stadt eingeschlossen war,
die sich von hier gegen Süden bis an die Stelle des 20 Minuten
von H. Sostis entfernten Dorfes Piali erstreckte, dessen dem
heiligen Nikolaos geweihte Kirche auf den Grundmauern des
Tempels der Athene Alea steht, welcher, da der von Süden her
die Stadt betretende Pausanias ihn zuerst unter allen Bauwerken
derselben erwähnt, in dem südlichsten der vier zugleich als
Phylen geltenden Stadtquartiere, in welche die ganze offenbar
sehr umfangreiche Stadt getheilt war, der nach eben diesem
Tempel benannten Athaneatis,^) gelegen haben muss. Der
1) Herod. IX, 28; Flut. Q. gr. 5.
2) Tsyscc hängt ohne Zweifel mit atiyr], otsyog, otäyto, lat. tego
zusammen.
3) Vgl. 'JQxaLoXoyLTir} icprjfiSQig, Ueg. ß', stog oc (1862), tsvxog -ö-',
p. 241 SS.; Pervanoglu in den Meraorie clell' instituto Vol. II, p. 72 ss.
*) Paus. c. 53, 6, wo die vier Phylen KXccQSmvig, 'innod-oitig,
'AnoXloiviäxig und ^A^avsäxig genannt werden; vgl. die Inschrift C. I.
gr. n. 1513 (genauer bei Leake Morea Vol. III, Inscr. N. 1 zu
Vol. I, p. 89 und bei Bröndsted Graeske og Latinske Indskrifter af
J. L. Ussing, Kopenhagen 1854, S. 26, N. 7), wo wir folgende Bezeich-
nungen finden: 'Ejt' 'AQ-avuCav {noXixai und iistoi-noi), KQccQLarcci,
'innod'OLXcLL und 'AnoXXoividxai. Sonstige Inschriften aus Tegea s. C. I.
gr. n. 1511 SS.; Koss Inscr. g. ined. I, n. 1—7; Archäolog. Intelligenz-
blatt der allgem. Litteraturzeitg. 1838, S. 43 f.; Bergk Commentatio de
titulo Arcadico (Ind. schol. Hai. 1860/61) = A. Michaelis Jahrb. f. Philol.
Bd. 83, S. 585 fif.; 'Aqx. scprjfi. Usq. ß', x. 13 (1869), n. 410.
4. Arkadien: Tegealis. 219
uralte Tempel, dessen Gründung dem mythischen Könige Aleos
zugeschrieben wurde, brannte Ol. 95, 2 ab, worauf die offenbar
sehr wohlhabende Stadt durch Skopas von Paros einen Neubau
errichten Hess, der an Grösse wie Schönheit der Ausführung alle
übrigen peloponnesischen Tempel übertraf: einen ionischen Pe-
ripteros, wahrscheinlich mit 8x17 Säulen, mit einer doppelten,
unten dorischen, oben korinthischen Säulenstellung im Innern
der Cella, und mit figurenreichen Statuengruppen in den Giebel-
feldern ; an der Ostfronte war die Jagd des Kalydonischen Ebers
(dessen Hauer als ehrwürdige Reliquien im Tempel gezeigt, aber
von Augustus sammt dem alten, von Endoios aus Elfenbein ge-
arbeiteten Cultbilde nach Rom entführt wurden), an der West-
fronte der Kampf des Telephos (des tegeatischen Nationalhelden)
gegen Achilles am Kaikos in Mysien dargestellt.^) In der Nähe
des Tempels, der ausser zahlreichen, theils durch Curiosität,
theils durch Kunstwerth bemerkenswerthen Weihgeschenken auch
Statuen des Asklepios und der Hygieia aus Pentelischem Marmor
von der Hand des Skopas enthielt, befand sich das bloss durch
Erdaufschüttung gebildete Stadion, in welchem der Agon der
Aleäa zu Ehren der Athene und der der Ilalotia zum Gedächt-
niss des , siegreichen Kampfes der Tegeaten gegen die Lakedä-
monier, in welchem viele der letzteren zu Gefangenen gemacht
worden waren (um 600 v. Chr.), gefeiert wurden. 2) Nördlich
vom Tempel zeigte man den Brunnen, an welchem Herakles der
Priesterin Auge Gewalt angethan haben sollte; 3 Stadien weiter
(gegen Norden oder Nordosten) stand ein Tempel des Hermes
Aepytos.3)
Nach dieser Gruppe von Baulichkeiten erwähnt Pausanias
0 Paus. c. 45, 4 ff.; vgl. Leake Morea I, p. 91 s.; Ross Reisen
►S. 67 ff.; Ulrichs ökopas Leben und Werke S. 9 ff. und meinen Artikel
' Griechische Kunst' in der Allgem. Encyclop. S. I, Bd. 82, S. 450.
Icli fand in der Kirche, deren Fussboden ganz mit grossen alten Marmor-
stücken belegt ist, 2 Marmorplatten von etwa 1*/« Meter Höhe u. 2 Meter
Breite, auf denen je ein Rad im Relief dargestellt ist.
*) Paus, c, 47, 4: die 'Alfctia werden auch in den Schol. Pind. Olymp.
VII, 153 und öfter in den Inschriften erwähnt.
^) Paus. a. a. O.: Al'nvzoq als Beiname des Hermes könnte nur durcli
eine Idcntificirung des Gottes mit dem alten Landosheros Aepytos, dem
Sohne dos Elatos erklärt werden; doch ist vielleicht Alyvxov (von der
Landschaft Aegytis) zu lesen. Nahe bei der Kirche bemerkte ich einen
220 H. Peloponnesos.
(c. 47, 5 f.) zunächst das Heiligthum der Athene Polias, das nur
einmal jährlich von dem Priester der Göttin betreten werden
durfte, und das der Artemis Hegemone, sodann die Agora, einen
geräumigen Platz von länglich-viereckter Form mit verschiedenen
lleiligthümern, Altären, Heroengräbern und anderen Denkmälern,
und in der Nähe derselben das Theater: ein Theil des Unter-
baues der gegen Nordwesten geöffneten Cavea desselben ist noch
erhalten in den Fundamenten des Chors einer grossen zerstörten
Kirche, in welcher man sehr viele antike Marmorstücke (darunter
auch das Stück einer canelirten Säule) findet, der etwa 20 Mi-
nuten nordöstlich von Piali gelegenen sogenannten Paläa-Epis-
kopi;^) also haben wir die Agora südwestlich von hier, noch
weiter südlich, d. h. gegen Piali hin die Heiligthümer der Athene
Polias und der Artemis Hegemone zu suchen. Dieser Theil der
Stadt bildete wahrscheinlich das Quartier Hippothoitis (vgl. S. 218,
Anm. 4). Nördlich oder nordwestlich vom Theater stand ein
Tempel der Demeter und Kora, die unter dem Beinamen der
fruchtbringenden Göttinnen {KaQitofpoQOi) verehrt wurden, ein
Heiligthum der Aphrodite Paphia, zwei Heiligthümer des Dionysos,
ein Altar der Kora und ein Tempel des Apollon mit einem von
Cheirisophos geschnitzten vergoldeten Holzbilde des Gottes, neben
welchem Cheirisophos sein eigenes Bild aus Stein aufgestellt
hatte: 2) also haben wir hier jedenfalls das Stadtviertel Apollo-
niatis anzusetzen. Den nordwestlichsten Theil endlich des gan-
zen Stadtraumes, d. h. den Hügel von Hagios Sostis und die
Niederung am südlichen Fusse desselben, nahm das Stadtviertel
Krariotis (oder Klareotis) ein; denn die obere Fläche des Hügels,
auf welcher eine grosse Anzahl von Altären standen (also eine
xoivoßcD^ta nach antikem Ausdruck) war dem Zeus Klarios ge-
weiht; am Fusse des Hügels stand neben einem Bilde des Hera-
Brimnen, der nach der Angabe der Dorfbewohner in einer Tiefe von
li Metern eine Marmor fassung haben soll.
') S. Ross Reisen im Peloponnes S. 68. Der Bau des von Paus. c.
19, 1 nur kurz erwähnten Theaters scheint nach Liv. XLI, 20 erst von
Antiochos IV Epiphanes, um 175 v. Chr., begonnen worden zu sein.
^) Paus, c, 53, 7 f.: die vier ebds. § 1 ff. erwähnten Bilder des
Apollon Agyieus, welche von den 4 Phylen errichtet waren, standen
schwerlich unmittelbar neben einander, sondern bezeichneten wohl die
Gränzen der vier Stadtquartiere.
4. Arkadien: Tegeatis. 221
kies der 'gemeinsame Heerd der Arkader '.^) Ob auch die von
Pausanias nur beiläufig unter dem Namen des ' Wachthügels'
{(pvXaxTQLg) erwähnte Akropolis der Stadt ^j auf dem Hügel von
H. Sostis oder auf einer der anderen auf dem allen Stadtraume
sich erhebenden Anhöhen zu suchen ist, lässt sich nicht mit
Sicherheit bestimmen.
Die Zerstörung der alten Stadt, deren weitläufige, vielleicht,
wie in Mantineia, nur in ihren Fundamenten aus Quadern, in
den oberen Theilen aus Lehmziegeln erbaute Ringmauern jeden-
falls schon im spätem Alterthum verfallen waren, scheint durch
den Einbruch slavischer Völker im 8. Jahrhundert unserer Zeit-
rechnung herbeigeführt worden zu sein; aber in Folge der Wie-
derherstellung der Byzantinischen Herrschaft über die Halbinsel
und der Bekehrung der Slaven zum Christenthum wurde auf
einem Theile des alten Stadtraums aus den Trümmern der alten
Stadt eine neue Ortschaft, zu Ehren des heiligen Nikolaos Nikli
genannt, erbaut, von welcher jetzt die Paläa-Episkopi der einzige
Ueberrest ist. In der neueren Zeit erstand ungefähr eine Stunde
nordwestlich von der Stätte des alten Tegea, dessen Trümmer
als Steinbruch dafür ausgebeutet wurden, die Stadt Tripolitza,^)
im vorigen und im Anfange dieses Jahrhunderts eine der blühend-
sten Städte des Peloponnes, jetzt unter dem officiellen Namen
Tripolis Hauptstadt des Kreises (Nomos) Arkadia und Sitz eines
Gymnasions; auf dem alten Stadtraume sind ausser den schon
genannten, Hagios Sostis und Piali, noch zwei andere Dörfer:
Ibrahim Effendi (zwischen H. Sostis und Piali) und Achuria (zwi-
schen Piali und der Paläa-Episkopi) , in welch letzterem eine An-
zahl meist fragmentirter Sculpturen aus dem alten Tegea zusam-
mengebracht sind,^) erbaut.
') Paus. c. 53, 9.
*) Paus. c. 48, 4. Die cckqcc der Stadt erwähnt Polyb. V, 17. Auf
derselben befand sich vielleicht das von Xenoph. Hell. VII, 4, 36 er-
wähnte Gefängnisa (^fö/xüorry^iov), von welchem die dfjpLOGi'a olv.iot
(Prytaneion? Gerichtslocal?) unterschieden wird.
•') Vielleicht liegt (wie auch Ross Reisen im Pelop. S. 121 annimmt)
in dem Namen eine Erinnerung an die drei alten Städte Mantineia, Te-
gea und I'allantion.
*) Vgl. meine Notizen im archäolog. Anzeiger XH (1854) S. 478 f.;
Vischer Epigraphische und archäologischa Beiträge aus Griechenland
8. 39 f.; Conzc u. Michaelis Annali XXXIII, p. 30 s.
222 II. l*eIoponnesos.
Die bis auf die letzten Spuren verschwundene Hingmauer
der alten Stadt muss wenigstens 5 Tliore, denen eben so viele
Strassen entsprachen, gehabt haben: eins an der Nordseite, aus
welchem die Strasse nach dem Eichwald Pelagos und weiterhin
nach Mantineia führte;^) zwei an der Ostseite: ein nördlicheres,
von welchem die über das Partheniongebirge zunächst nach llysiä
lührende Hauptstrasse nach Argos, und ein südlicheres, von wel-
chem der directe Weg nach der Thyreatis ausging; eins an der
Südseite, der Ausgangspunkt der Strasse nach Lakonien, dessen
Gränze gegen die Tegeatis durch den obersten Lauf des Alpheios
bezeichnet wurde ; ^) endlich eins an der Südwestseite, von welchem
aus eine Strasse nach dem die Gränze zwischen den Stadtgebieten
von Tegea, Pallantion und Megalepolis bildenden ^Damm' (Choma)^)
führte. An den meisten dieser Strassen standen innerhalb des
tegeatischen Gebiets vereinzelte Heiligthümer: an der argivischen
ein Tempel des Asklepios, dann, einige Minuten nördlich von
der Strasse, ein zu Pausanias Zeit in Trümmern liegendes Hei-
ligthum des Pythischen Apollon; weiterhin durchschnitt die
Strasse einen heiligen Eichenhain der Demeter im Gau der Rory-
theer, in dessen Nähe noch ein Heiligthum des Dionysos Mystes
lag, und erstieg das Parlhenion, an dessen westlichen Abhängen,
noch diesseits der argivischen Gränze, man den durch ein Te-
menos des Telephos bezeichneten Platz, wo dieser als ausgesetztes
Kind von einer Hindin gesäugt worden, und bei einem Heilig-
thum des Pan die Stelle zeigte, wo dieser Gott dem von den
Athenern kurz vor der Schlacht bei Marathon nach Sparta ge-
sandten Courier Pheidippides erschienen sein sollte.^) Ein Hei-
ligthum desselben Gottes, von einer ihm geweihten Eiche beschattet,
lag an der nach der Thyreatis führenden Strasse , 10 Stadien jen-
seits des Baches Garates; in der Nähe der Stadt zeigte man an
derselben Strasse das Grab des Orestes, dessen Gebeine die Spar-
1) Xen. Hellen. VI, 5, 8; vgl. oben S. 215.
2) Paus. c. 54, 1; vgl. oben S. 187.
3) Paus. c. 44, 5; vgl. oben S. 217. Das nach Pallantion führende
Thor erwähnt Xen. Hell. VI, 5, 9.
'') Paus. c. 54, 5 f.; vgl. Herod. VI, 105. Von dem Heiligthume des
Pan stammen v^rahr scheinlich die von Eoss (Reisen im Pelop. S. 148) in
einer Schlucht an der Südseite der Kuinen des byzantin. Kastells Paläo-
Muchli gefundenen Gesimsstücke aus weissem Marmor.
4. Arkadien: Tegeatis. 223
taner den Tegeaten auf trügerische Weise entführt hatten.*) An
der Strasse nach Lakonien sah man nur 2 Stadien von der Stadt-
mauer zur Linken zur Zeit des Pausanias Altäre des Pan und
des Zeus Lykäos nebst den Fundamenten der dazu gehörigen
Heiligthtimer, 7 Stadien weiter ein Heiligthum d«r Artemis Lim-
natis mit einem im äginelischen Styl gearbeiteten Cultbikle aus
Ebenholz und wieder 10 Stadien weiter Trümmer eines Tempels
der Arterais Knakealis.^) An der Strasse nach dem Choma end-
lich traf man nahe bei der Stadt das Grabmal der Leukone, der
Tochter des Apheidas, nach welcher eine bei dem jetzigen Dorfe
Kerasitza (etwa 20 Minuten westlich von Piali) entspringende
Quelle benannt ward; ungefähr eine halbe Stunde weiter erhebt
sich südlich von der Strasse ein massiger, isoliter Hügel aus
dem manthyreischen Gefdde, jetzt nebst einem darauf liegenden
Dörfchen Bunö, von den Alten Kresion genannt, welcher ein
Heiligthum des Aphneios, d. h. des als Fruchtbarkeit spendender
Gott aufgefassten Ares trug. ^) *
Das vom östlichen Fuss des Boreion bis zu einigen aus der
Ebene (in der Gegend des jetzigen Dorfes Birbati) aufsteigenden
Hügeln reichende Choma trennte das noch zum Gebiete von Tegea
gehörige manthyreische Gefdde von einem nordwestlich davon
gelegenen Winkel der Ebene, der das Gebiet einer Stadt bildete,
deren mythischer Ruhm ihr in den Spätzeiten des Alterthums
eine wenigstens äusserlich glänzende Stellung verschafft hat: Pal-
lantions, einer Gründung des Pallas, Sohnes des Lykaon, der
Heimath des Euandros und daher, als die Sage von der Ein-
wanderung des letzteren in Latium und seiner Ansiedelung am
Palatinischen Berge bei den Römern allgemeine Verbreitung ge-
funden hatte, nach römischer Anschauung der Mutterstadt Roms.
Nachdem dieselbe den grössten Theii ihrer Bewohner zur Grün-
dung von Megalepolis hatte abgeben müssen und in Folge dessen
') Paii.s. c. 5t, 1; v^'I. Horud. I, 07 f., aus welcher Stelle Paus,
«chwerlich mit Recht f()If,'ert, dass das Grab in alter Zeit innerhalb dos
Thores gewesen sein iiiiisse, während die Schmiede, in deren Hof es
nach Herodot gefunden wurde, ebensogut ausserhalb des Thores, im
Gauo der Oaroatae, gostanden haben kann.
*) Paus. c. 53, 11. Der Tempel der Knakeatis ist wahrscheinlich
zu verstehen bei Xcn. Hellen. VI, 5, 9.
') Paus. c. 44, 7 f.; vgl. Uoss lieison im l'clop. 8. 59.
224 II. Peloponnesos.
allmälig zu einem unbedeutenden Dorfe herabgesunken war, wurde
sie von Antoninus Pius wieder zu einer Stadt mit selbständigem
Gebiet erhoben und mit dem Rechte der Abgabenfreiheit be-
schenkt. Doch vermochte dieser äusserliche Glanz, wie es scheint,
den Verfall der Stadt nicht aufzuhalten, denn Pausanias fand auf
dem Rücken des von Westen her in die Ebene vortretenden
Hügels, welchen in älterer Zeit die Akropolis eingenommen hatte,
nur noch ein Heiligthum der ''reinen Götter', in welchem beson-
ders wichtige Eidschwüre geleistet wurden, vor, dessen Grund-
mauern noch jetzt sichtbar sind, und in der unteren Stadt —
welche, wie die fast nur aus Steinhaufen, Ziegelstücken und
Scherben bestehenden Trümmer zeigen, die Abhänge des Hügels
und ein Stück der Ebene am nördlichen und östliclien Fusse des-
selben einnahm — schienen ihm nur ein Tempel mit Statuen
des Pallas und Euandros, ein Heiligthum der Kora und eine
Statue des Polybios der Erwähnung werth^).
Nachdem wir- so das östliche Arkadien von Norden nach
Süden durchwandert haben, steigen wir auf einem schmalen Passe
über den Rücken des Boreion, wo man bis zum Jahre 1837 auf
dem höchsten Punkte des Wegs in einer natürlichen Oeffnung
zwischen den Felsen Säulentrommeln und andere Architektur-
stücke aus weissem Marmor, sowie die Fundamente von einem
der Sage nach von Odysseus der Athene Soteira und dem Poseidon'
errichteten Tempel vorfand,^) nach dem südlichsten Theile des
mittleren Arkadiens hinüber, dessen Mittelpunkt eine geräumige
und fruchtbare, vom Alpheios durchflossene Ebene ausmacht,
dessen zahlreiche hauptsächlich von Nordosten und von Süden
her kommende Nebenflüsse ebensoviele Engthäler in den die
Ebene umrahmenden Gebirgen bilden. Dieses ganze Gebiet war
bis ins 4. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung im Besitz ein-
zelner Stämme, die durchaus selbständig und unabhängig von
1) Paus. c. 3, 1; c. 27, 3 u. 7; c. 43, 1 f.; c. 44, 5 f.: vgl. Xen.
Hell. VII, 5, 5; Plut. Cleoraen. 4; Arat. 35; Dionys. Hai. A. r. I, 31 s. ; Liv.
XLV, 28; Plin. N. h. IV, 6, 20; Serv. ad Yerg. Aen. VIII, 51; Steph.
Byz. u. IJaXlavTLOv. über die Lage u. Reste der Stadt Ross Reisen im
Pelop. S. 62 f.
2) Paus. c. 44, 4; vgl. Leake Morea III, p. 34; Ross Reisen im
Pelop. S. 63 f.
4. Arkadien: Tegeatis. 225
einander, ohne einen politischen Mittelpunkt, in zahlreichen
kleinen Ortschaften, deren Gründung zum Theil bis ins höchste
Alterthum zurückreichte, die aber trotz ihrer Befestigungen durch-
gängig einen mehr dörflichen als städtischen Charakter trugen,
zerstreut wohnten, fast ausschliesslich mit Ackerbau, Viehzucht
und Jagd beschäftigt, von Künsten nur die Gymnastik eifrig be-
treibend; wem die kleinen -und ärmlichen Verhältnisse der Hei-
math nicht genügten , der ging in auswärtige Kriegsdienste, wobei
es wohl mancher, wie der Mänalier Phormis am Hofe des Gelon
und Hieron, zu hohen Ehren und grossem Reichthum brachte.
In politischer Beziehung herrschte wahrscheinlich eine ähnliche
Mischung von reiner Demokratie und patriarchalischer Aristo-
kratie, wie wir sie in den schweizerischen Urkantonen finden.
Die volkreichsten dieser Stämme waren der der Mänalier,
welcher die östliche Hälfte der Ebene und das östlich und nord-
östlich davon gelegene Bergland bis zum Mänalos, der die Gränze
ihres Gebiets gegen Mantineia bezeichnete, inne hatte, ^) und
der der Parrhasier, welcher den westlicheren und südlichsten
Theil der Ebene, das im Westen sie abschliessende Hochgebirge
Lykäon und das im Südwesten sie umgebende niedrigere und offenere
Bergland besass;^) zunächst südlich von letzteren sassen die
Aegyten an beiden Abhängen des nördlichsten Theiles des Tay-
geton, deren Gebiet zum Theil frühzeitig von den Spartanern
erobert worden, zum Theil aber arkadisch gebliehen, beziehendlich
bei der Demüthigung Sparta's durch die Thebaner den Arkadern
zurückgegeben worden war.^) ^'ördlich oberhalb der Ebene lagen
ferner eine Anzahl kleine Ortschaften der Eutresier, welche
sich von Norden her zwischen die Mänalier und Parrhasier ein-
») Paus. c. 27, 3; vgl. c. 3, 4; c. 9, 4; Thiikyd. V, 64; 67; 77;
Steph. Byz. u. MaCvaXoQ.
«) Paus. c. 27, 4; Thukyd. V, 33; Xenoph. Hellen. VII, 1, 28; Strab.
VIII, p. 388; Steph. Byz. u. UaggaOLU. Münzen der Parrhasier: s. L. Müller
Archäol. Zeit. XVI (1858) N. 114, S. 177.
') Paus. e. 27, 4; c. 34, 5: an ersterer Stelle wird unter den Ort-
schaften der arkadlBchen ACyvzai, die zur Gründung von Megalepolis
beitragen mussten, Leiiktron genannt, das auch Plut. Clcoinen. G als
XcoQ^ov Tr}? MByaXonoliTi^og erwähnt (vgl. Pelopid. 20), wiilnend die8ell)e
Ortschaft bei Thukyd. V, ',i ii. Xen. Hell. VI, 5, 24 als zu Lakonien
gehörig erscheint.
226 II. Peloponnesos.
j-edrängt halten;') westlich von den letzteren endlich zogen sich
his zur Gränze Tiiphyliens die Städte der Rynuräer, in denen
wir mit Sicherheit Slammgenossen der argivischen Kynnrier er-
kennen können, hin.^') Dem nur zeitweilig durch UehergrilTe
mächtigerer Nachharn, wie der Mantineer (vgl. ohen S. 210), ge-
störten ländlichen Stilllehen dieser Stämme wurde ein Ende ge-
macht durch die Gründung von Megalepolis^) in der Mitte der
Ehene, am Einfluss des Ilelisson , des hedeutendsten unter den
Nehenflüssen des oberen Alpheios, in diesen, auf der Gränze der
Gebiete der Mänalier und Parrhasier, zu welcher sämmtliche
Ortschaften der genannten Stämme ihr Contingent an ßewohnern
stellen musstcn, eine Leistung, die für viele dieser Ortschaften
völlige Verödung herbeiführte, während andere noch im 2. Jahr-
hundert n. Chr. als Dorfschaften (Tca^ai) von Megalepolis eine
wenn auch nur kümmerliche Existenz fristeten.
Unsere Wanderung durch die umfängliche, aber freilich
ziemlich dünn bevölkerte Landschaft,'') welche seit Ol. 102, 2
"llofiS. das Gebiet von Megalepolis, die Megalepolitis bildete, beginnen
wir am westlichen Fusse des Boreion ^ von welchem sich in süd-
westlicher Richtung bis zum Fusse des jetzt Tzimbaru genannten
Berges, dessen antiken Namen wir nicht kennen, eine kleine
Ebene (jetzt die Ebene von Frankobrysis genannt) hinzieht, welche
mit mehr Recht als das Engthal des tegeatischen Sarantapotamos
als das Quellgebiet des Alpheios betrachtet werden kann (vgl.
oben S.187). Diese Ebene war im Alterthum das Gebiet von Asea,
einer Stadt der Mänalier, die ihre Gründung auf einen Sohn des
Lykaon, Aseatas, zurückführte und auch nach der Gründung von
Megalepolis, zu welcher sie beigetragen hatte, noch eine Zeit lang
als selbständige Stadt, dann als Kome der Megalepolitis fortbe-
1) Paus. c. 27, 3; vgl. Xen. Hellen. VII, 1, 29; Hesych. u. Evxqt}'
Lovg; Steph. Byz. n. Evtqyjols; Etym. M. p. 399, 18.
2) Paus. c. 27, 4.
3) Vgl. oben S. 193.
*) Die grösste Länge der Megalepolitis von Süd nach Nord betragt
etwas über 12 Meilen, die freilich an verschiedenen Stellen sehr ver-
schiedene Breite durchschnittlich etwa 4 Meilen. Da die Gesammtzahl
der waffenfähigen Mannschaft, mit Einschluss der angesiedelten Fremden
und Sclaven, im Jahre 318 v. Chr. nur 15,000 Mann betrug (Diodor.
XVIII, 70), so wird man die Gesammtzahl der Bevölkerung nicht höher
als auf 60 — 70,000 Seelen veranschlagen können.
4. Arkadien: Megalepolitis. 227
stand, im 2. Jahrhundert nacli Chr. aber bis auf einige Trümmer,
wie sie sich noch jetzt auf dem flaclien Rucken und unteren Ab-
hängen eines niedrigen Hügels eine Viertelstunde südwestlich von
der Hauptquelle des Alpheios (der Frankobrysis), an welcher im
Alterthum ein Heiligthum der Göttermutter stand, vorfinden, ver-
schwunden war. ') An der von hier nach Megaiepolis führenden
Strasse lag 20 Stadien westlich von Asea ein Platz Athenäon
(wahrscheinlich eine ehemals bewohnte Ortschaft oder ein Castell),
welcher seinen Namen einem etwas nördlich abseits der Strasse
stehenden Tempel der Athene verdankte, und weiter v estlich
eine ähnliche Oertlichkeit Aphrodision.^) Der nächste Ort an
der Strasse war Hämoniä, zu Pausanias Zeit eine wüste Mark,
die nur noch den Namen einer alten, der Sage nach von Hämon,
einem Sohne des Lykaon, gegründeten Stadt bewahrt hatte, wäh-
rend von einer andern alten Stadt, die ihre Gründung ebenfalls
auf einen Lykaoniden zurückführte, dem südlich von der Strasse,
wahrscheinlich am nordwestlichen Fusse des Tzimbaruberges,
gelegenen Oresthasion (in kürzerer Namensform Orestheion
oder auch Oresteion genannt) ausser anderen Resten noch
einige Säulen des Tempels der Artemis Hiereia übrig waren. '^)
Westlich von Hämoniä, in unmittelbarer Nähe von Megaiepolis,
zeugte noch der Name Ladokeia von dem Vorhandensein einer
alten Stadt.'')
^) Paus. c. 3, 4; c. 27, 3 (wo j^aecc für AXia zu schreiben ist); c.
44, 3; Strab. VIII, p. 343; Xen. Hellen. VI, 5, 11; VII, 5, 5; Stepli.
Byz. u. 'Aascc; vgl. Leake Morea I, p. 83 s. und den Plan in den Annali
XXXIII, tav. d'agg. F, 3. Münzen mit ACEATSIN AXAISIN: Eckhcl
Doctr. numm. II, p. 232.
«) Paus. c. 44, 2; Polyb. II, 40; IV, 37; c. 60; c. 81; die Bezeich-
nung t6 nsgl tiiv Bskßivav ^A^rjvcciov bei Plut. Cleom. 4 scheint nur eine
üngenauigkeit des Ausdrucks.
3) Paus. c. 44, 1 f.; vgl. c. 3, 2; Steph. Byz. u. Aifiovicc^ 'OQSßd-daiov
u. 'Opfor/a; Herod. IX, 11; Thukyd. IV, 134 (wo die ganze Gegend, bis
zu der Stelle, auf welcher später Megaiepolis gegründet wurde hin, als
OQsa&ig bezeichnet wird); V, 64; Eurip. Orest. 1647 (vgl. Electra 1273 ff.);
vgl. über die Bedeutung dos Orestes in diesen Sagen meine Qiine.stione«
Huboicac p. 29 s. Dass die alte Stadt nicht, wie Leako ( Moroa II, p.
MH 8.) annimmt, auf dem Gipfel dos Tzimharu, sondern in der Ebene
l;ig, scheint mir daraus hervorzugehen, dass sie melirfach als an einer
grossen Hecrstrasso gelogen erscheint.
<) Paus. c. 44, 1; Polyb. II, öl; 65; Thiik. IV, l.U (wo wol.l .iao-
228 n. Peloponnesos.
Die übrigen Ortschaften der Mänalier lagen sämmtlich in
dem engen Thale des Helisson, der bei einer Ortschaft gleichen
Namens am westlichen Abhang des Ostrakinaberges (bei dem
jetzigen Alonistena) entspringt,^) und in dessen nächster Umgebung
zerstreut zwischen Bergen, die von den Alten jedenfalls noch zum
Mänalos in weiterem Sinne gerechnet wurden. Gieng man am
linken Ufer des Flusses von der Ebene aus aufwärts, so kam
man 35 Stadien von Megalepolis an die Stelle einer alten Ort-
schaft Paliskios; 20 Stadien ostwärts von da, über dem linken
Ufer des Elaphos, eines in der Nähe von PaUskios in den
Helisson mündenden Giessbaches, lag Perätheis mit einem
Heiligthum des Pan, der Hauptgottheit der Mänalier.^) Ein an-
derer Weg führte von Paliskios aus durch das Bett des Elaphos
an der Westseite des jetzt Bhezeniko genannten Berges hin nach
einer am westlichen Fusse der Hauptkette des Mänalos sich hin-
ziehenden Ebene, dem MaivccXiov itsdCov der Alten; über dem
nördlichen Ende derselben liegt jetzt das Dorf Plana mit einem
mittelalterlichen Castell, unterhalb dessen sich noch einige Spuren
einer alten Ortschaft vorfinden ; östlich über der Ebene das Dorf
Dabia, welchem gegenüber, auf dem rechten Ufer des Helisson,
sich ein einzelner Felshügel erhebt, dessen flacher Gipfel mit
Resten polygoner Mauern umgeben ist. Ob dies die Reste von
Mänalos, der alten Hauptstadt der Mänalier, von welcher zu
Pausanias Zeit noch Spuren eines Tempels der Athene, ein Sta-
dion und ein Hippodrom übrig waren, oder von Dipäa, bei
welcher Ortschaft Ol. 77, 4 eine Schlacht zwischen Lakedämo-
niern und Arkadern geliefert wurde, sind, ist schwer zu ent-
scheiden; trifTt die erstere Annahme das Richtige, so werden
wir Dipäa bei Plana anzusetzen haben. Südöstlich von Dabia,
am Fusse des Gebirges zwischen den Dörfern Rarteroli und Za-
SoHSicp für Aaodiyitco herzustellen ist); die ebds. genannte, sonst nur bei
Plin. (N. h. IV, 6, 20: Bucolium) erwähnte Ortschaft BovyioXiav muss
in einiger Entfernung östlich oder nordöstlich von Ladokeia gelegen
haben.
^) Paus. c. 30, 1; vgl. c. 3, 3. Sollte nicht diese Gegend die 'EIl-
6(pccGLcov xoiQa des Polyb. XI, 11 (vgl. oben S. 207, Anm. 3) sein, so dass
diese nur einen Bruchtheil des Stammes der Mänalier bildeten?
2) Paus, c, 36, 7; vgl. c. 3, 4 u. c. 27, 3 (wo naXiaHLog für 'fccGnioc
herzustellen ist).
4. Arkadien: Megalepolitis. 229
rakova, scheint Lykoa mit einem Heiligthum der Artemis Lykoatis,
südlich von Karteroli auf einem hohen Berggipfel, der eine kleine
jetzt nach einem benachbarten Dorfe Paläa-Selimna genannte
hellenische Ruine trägt, Sumetia (oder Sumation) gestanden
zu haben; der südöstlichste Winkel der Ebene endlich, aus wel-
chem Wege nach dem nördlicheren und dem südlicheren Theil
der Ebene von Tripolitza führen, scheint der von den Alten 'der
Dreiweg' {TqIoöol) genannte Platz zu sein, an welchem die von
den Mantineern nach ihrer Stadt geschafften Gebeine des Arkas
gefunden sein sollten.^)
Im südlichsten Theil des mänalischen Gebietes, nahe der
lakonischen Gränze, lag Eutäa, dessen theilweise verfallene
Mauer König Agesilaos Ol. 97, 2 bei einer vorübergehenden Be-
setzung der Stadt ausbessern Hess, das aber seit der Gründung
von Megalepolis ganz verschollen ist. 2)
Nordwestlich vom Gebiet der Mänalier lag in einem engen
Thale zwischen der Ostrakina und dem ihr parallelen westlicheren
Bergzuge (dem Thaumasion Oros der Alten, jetzt Madara ge-
nannt), recht eigentlich im Herzen Arkadiens, auf einem von
zwei kleinen, nach Norden zu fliessenden Bächen, die sich bald
zu einem vereinigen, dem Maloitas und Mylaon umflossenen
Hügel die alte Stadt Methydrion, nach einer offenbar erst dann,
als die einst selbständige Stadt in das Verhältniss der Unter-
thänigkeit zu Orchomenos getreten war, enstandenen Sage von
dem Lykaoniden Orchomenos gegründet, mit einem Tempel des
Poseidon Hippios an dem östlicheren der beiden Bäche, dem
Mylaon; auf dem Thaumasion war in der Nähe des Gipfels eine
der Rhea geweihte Grotte, in welche die einheimische Tradition
^) Paus. c. 36, 7 (wo statt der jedenfalls verderbten Worte ticct*
svd^v nsvts (ihv axaSCoiq v,ccl Si-nu ccTtootsgco tov norufiov vielleicht zu
schreiben ist ■kcct svd'v tibvts [lev atccSioLg y.al nsvxriv.ovxa anoaTiQU)
TOV TlaliGyiiov)] vgl. c. 3, 4; c. 27, 3; c. 30, 1; dcazu Ross Reisen im
Pelop. S. 117 ff.; über Dipäa und die dort gelieferte Schlacht Herod. IX,
35; Isokrat. Archid. 99; Paus. III, 11, 7; Steph. Byz. u. dCnuLcc. Ver-
schieden von dem mänalischen ist das von Polyb. XVI, 17 erwähnte
Lykoa, das wohl mit dem von Steph. Byz. u. Avuaia aus Theopomp
anj^eführten Lykäa (bei Menelaos Lykätha) identisch ist.
*) Xen. Hellen. VI, 6, 12 u. 21; Paus. c. 27, 3; Steph. Byz. u.
Evxaia.
ÜURSIAN, GEOQR. II. IG
230 11. Peloponnesos.
die Täuschung des Kronos durch seine Gattin vermittels des
Steines, den sie ihm statt des Zeuskindes zu verschhngen gab,
versetzte. Dreissig Stadien nordöstlich von der seit der Grün-
dung von Megalepolis zu einem ärmlichen Dorfe herabgesunkenen
Stadt, von der noch einige Reste der Ringmauern und ein Paar
Säulen zwischen den Dörfern Nemnitza und Vytina erhalten sind,
entspringt die Quelle Nymphasia, von welcher der Punkt, wo
die Gränzen der Gebiete von Megalepolis, Orchomenos und Kaphyä
zusammenstiessen , wiederum 30 Stadien entfernt ist. ^) Südlich
von Methydrion an der Strasse nach Megalepolis lag eine kleine
Ortschaft Schoinus, bei welcher man die Rennbahn der Atalante
zeigte, sodann eine kleine Ebene, die des Polos genannt; über
derselben erhob sich das Phalanthongebirge (wahrscheinlich die
ganze Gebirgsgruppe zwischen den Ortschaften Dimitzana und
Stemnitza im Westen, Alonistena und Plana im Osten, deren jetzt
mit verschiedenen Namen bezeichnete Gipfel sich bis zur Höhe
von 1646, 1552 und 1546 Meter erheben) mit den Resten einer
gleichnamigen Ortschaft; am östlichen Abhang desselben am Flusse
Helisson lag (etwa in der Gegend des jetzigen Oertchens Arku-
dorrheuma) Anemosa, von wo aus die Strasse in einer Länge
von 100 Stadien über die südlichen Abhänge des Phalanthon und
in dem engen Thale eines jetzt Langadia genannten Nebenflusses,
des Alpheios nach dem bereits am nördlichen Rande der Ebene
33 Stadien nördlich von Megalepolis gelegenen Trikolonoi
führte, einer alten Stadt der Eutresier, von welcher zu Pau-
sanias Zeit noch ein in einem Haine auf einem Hügel gelegenes
Heiligthum des Poseidon übrig war. 2) Ein östlich von dieser
1) Paus. c. 36, 1 ff.; Strab. VIII, p. 388; Theopomp, (richtiger
Theophrast nach Ruhnken) bei Porphyr, de abstin. II, 16; Thukyd. V,
58; Polyb. IV, 10 f. u. 13; Plut. Oleomen. 4; Plin. N. h. IV, 6, 21; Steph.
Byz. u. Msd^vÖQiov; vgl. über die Ruinen Leake Morea II, p. 57 s.;
Pelop. p. 202 s.; Ross Reisen im Pelop. S. 116; über die der Nymphasia
entsprechende Quelle 1 Kilometer östlich von Vytina Pouillon - Boblaye
Recherches p. 151.
2) Paus. c. 35, 5 f. u. § 9 f.; vgl. c. 27, 3; Steph. Byz. u. Zxoivovg,
^dXavd-og u. TqitioXcovoi. Ob das IIcoXov nsSiov nach dem Polos be-
nannt war, welcher nach Paus. c. 31, 7 mit Kallignotos, Mentas u. ^o-
sigenes den Dienst der grossen Göttinnen in Megalepolis eingerichtet
hatte, ist nicht zu ermitteln; der Deutung des Namens als Tohlenebene'
steht der Singularis {nmXov statt tcojXcov) entgegen.
4. Arkadien: MegJiIepolitis. 231
Strasse über den Rücken des die Thäler der Langadia und des
Helisson scheidenden, 1546 Meter hohen Gebirges Rhenissa gehen-
der Saumpfad führte nach einer Quelle Krunoi, von der man
auf einem 30 Stadien langen Wege nach dem 25 Stadien von
Anemosa entfernten Grabe der Kallisto herabstieg, einem mit
Räumen bewachsenen künstlichen Hügel, auf dessen Spitze ein
Heiligthum der Artemis Kalliste (der arkadischen Mondgöttin, die
dann als Kallisto in die Stammsage des Landes verflochten worden
ist) stand. ^)
Wie Trikolonoi so lagen auch die übrigen, nach der Grün-
dung von Megalepolis sämmtlich verfallenen und zu Pausanias
Zeit bis auf wenige Spuren verschwundenen Ortschaften der
Eutresier theiis im nördlichsten Theile der Ebene , theils an oder
über dem nördlichen Rande derselben: 10 Stadien südlich von
Trikolonoi, an der Hauptstrasse nach Megalepolis, Charisiä
(oder Charisiä), 15 Stadien westlich von Trikolonoi Zoitia
(oder Zoiteion), 10 Stadien nördlich von letzterem Paroria.
Auch die beiden schon im Gebirge gelegenen Ortschaften Thyräon
(15 Stadien von Paroria) und Hypsus auf einem Rerge gleichen
Namens (wohl dem jetzt Klinitza genannten, der sich nördlich
von dem Dorfe Stemnitza bis zur Höhe von 1548 Meter erhebt)
gehörten wahrscheinlich noch zu dem alten Gebiet der Eutresier,^)
das möglicher Weise auch in alter Zeit, vor der Machtentwicke-
lung von Orchomenos, Methydrion und seine beiden westlichen
Nachbarstädte, welche sein Schicksal theilten, Theisoa und
Teuthis, umfasst hatte. Erstere lag an den Quellen eines nörd-
lichen Nebenflusses des Alpheios, der in zwei Armen von dem
Thaumasion-(Madara-) Gebirge und der nordwestlich davon sich
erhebenden nur wenig niedrigeren Korphoxylia^) herabkommt,
die sich in einer kleinen Hochebene 1 Yj Stunde nördlich von
dem Städtchen Dimitzana zu einem Flusse vereinigen, der von
den Alten in seinem oberen Laufe Lusios ('der Radefluss' nach
*) Paus. c. 35, 8.
•) Paus. c. 35, 6 ff. ; vgl. c. 3, 3 f. u. c. 27, 3 [die nur an letzterem
Orte genannten eutresischen Ortschaften TJroXtSFQfia (?) u. Kvavaov (?)
waren wohl schon zu Paus. Zeit bis auf die letzte Spur verschwunden];
Steph. Hyz. u. Xagiaiai, 7,oitsiov, TTorpco^fm, f>vQaiov u. 'T^ovg.
^) Die französ. Karte giebt den Gipfel dieses Oebirges zu 1510 Meter,
den der Mndara zu 1686 Meter Höhe an.
IG*
232 II- Peloponnesos.
der Sage, dass der neugeborne Zeus darin gebadet worden sei),
in seinem unteren nach der bedeutendsten Ortschaft, an der er
vorüberfloss, Gortynios genannt wurde: also wahrscheinlich
in jener kleinen, jetzt einem an ihrem südwestlichen Rande ge-
legenen Kloster Karkalii gehörigen Ebene, während Dimitzana,
das zwei hübsche in neuitaliänischem Styl erbaute Kirchen und
ein grosses Schulgebäude, worin die Ueberreste einer einstmals
bedeutenderen Bibliothek (ein Theil der Bücher ist während der
Revolution znr Anfertigung von Patronen verwendet worden) und
die Gebeine des von hier gebürtigen Erzbischofes Germanos von
Patras, der am 4. April 1821 zuerst die Fahne des Aufstandes
in Kalavryta aufpflanzte, aufbewahrt werden, in seinem höchst
gelegenen Theile auch Reste polygoner Mauern aufzuweisen hat,
die Stelle von Teuthis einnimmt, wo Pausanias das Cultbild
einer am Schenkel verwundeten Athene, an welches sich eine
Localsage anknüpfte, und Heiligthümer der Aphrodite und der
Artemis vorfand.^)
Das rauhe Gebirgsland nördlich und nordwestlich von den
Quellen des Lusios nach den Gränzen der Cantone Kaphyatis,
Kleitoria und Thelpusäa hin, in welchem sich an mehreren Stellen
— bei Valteseniko am nördlichen Abhänge der Korphoxylia, nord-
westlich von da bei Glanitza und westlich bei Galatäs in den\
jetzt nach einem zur Zeit der fränkischen Herrschaft in Morea
bedeutendem Kastell Akoväs genannten Districte — antike Reste
finden, bildete vielleicht das Gebiet der aus den Orten Kalliä,
Dipoina und Nonakris bestehenden Tripolis, des abgelegen-
sten Di^trictes, der zur Gründung von Megalepolis beigezogen und
ihrem Gebiet einverleibt wurde. 2)
<) Paus. c. 27, 4; c. 28, 2 ff.; Steph. Byz. u. Ssiaoa u. Tsv^tg;
vgl. Leake Morea II, p. 59 ss. (dem ich in der Ansetzung- von Teuthis
bei Dimitzana, wo Ross u. a. Theisoa suchen, beistimme, da dieselbe der
Darstellung des Pausanias besser entspricht, der offenbar Theisoa und
Teuthis nur bei Gelegenheit eines Abstechers nach den Quellen des
Gortynios erwähnt); Ross Reisen im Pelop. S. 114 f. Die Münzen mit
&EI2JOAISIN AXAISiN und AXAISIN QIZOAIESIN gehören wahr-
scheinlich dieser Stadt, nicht der gleichnamigen am Lykäon; s. Curtius
Pelop. I, S. 393, Anm. 10.
2) Paus. c. 27, 4 u. 7; Steph. Byz. u. KaXXiai; vgl. oben S. 203,
Anm. 1: über die hellen. Ruinen bei Galatas u. die fränk. Veste Akova
4. Arkadien: Megalepolilis. 233
Folgt man dem Laufe des Lusios (Gortynios) südwärts, so
gelangt man etwas über zwei Stunden von Dimitzana an einen
vom rechten Ufer des Flusses aus sehr steil aufsteigenden Hügel,
dessen ziemlich geräumige Oberfläche die ansehnlichen Reste von
Gortys oder Gortyna (auch Kortys geschrieben), einer alten
Stadt der Kynuräer, dann Kome der Megalepolitis, trägt. Die
aus grossen polygonen Steinen gefügte Ringmauer zieht sich noch
in einer Dicke von 13 Fuss mit ihren Thürmen um die ganze
Nordseite des Hügels, in deren Mitte sich ein vier Fuss weites
Thor findet, herum; ein ähnUches Thor bemerkt man in einem
bedeutenden Mauerstück an der Westseite, ein grösseres, von
stattlichen Mauerresten umgebenes an der Ostseite; innerhalb des
letzteren ist der Felsboden zu einer Fläche geebnet, auf welcher
noch die Fundamente eines grossen Gebäudes erkennbar sind.
Ausserhalb der Rihgmauer am südwestlichen Fusse des Hügels
liegen die Fundamente des aus pentelischem Marmor erbauten,
einst von einem Haine umgebenen Tempels des Asklepios, in
welchem dieser Gott als Jüngling neben der Hygieia von Skopas
Hand gebildet war. ^)
Von Gortys erstreckte sich das Gebiet der Kynuräer gegen
Westen bis zur Gränze Triphyliens, die durch einen südlichen
Ncbenfluss des Alpheios, den Diagon (jetzt Tzemberula), markirt
wurde, 2) gegen Süden bis zu den nördlichen Abhängen des
Lykäongebirges (Diaphorti) und seiner westlichen Fortsetzung des
Kerausion (jetzt Paläokastro: vgl. oben S. 184, Anm. 3). In diesem
durchaus gebirgigen Distrikt lagen ausser ein Paar Ortschaften,
die schon vor der Gründung von Megalepolis verfallen oder doch
nicht bedeutend genug waren, um zum Synoikismos hinzugezogen
ö. Koss Reisen im Pel. 112 ff., der hier mit der französ. Karte Teuthis
ansetzt: Pausanias ist jedenfalls in diese Gegend gar nicht gekommen.
0 Paus. c. 27, 4 u. 7; c. 28, 1; vgl. V, 7, 1; Polyb. IV, 60 (wo der
Ort zum Gebiete von Thelpusa gerechnet wird); Plin. N. h. IV, 6, 20;
llesych. u. Koqtvvlol; Cic. de nat. deor. III, 22, 67; vgl. über die von
mir selbst genau untersuchten Kuinon auch Leake Morea II, p. 24 s. u.
die Planskizze in der Expedition de More'e II, pl. 31 (darnach bei Cur-
tius Pcl. I, Tfl. V), auf welcher die Stelle des Asklepiostempels unrichtig
angegeben ißt. Ansicht dos Hauptthores bei Dodwcll Views und descrip-
tions of Cyclopian or Pelasgic romains in Greece und Italy pl. 19.
*) Paus. VI, 21, 4.
234 H. Peloponnesos.
zu werden, wie Maratha westlich von Gortys an der Strasse
nach Ileräa und Rhäteä südlich von Gortys am Einfluss des
Gortynios in den Alpheios,*) drei Städte, unter denen die west-
lichste, Aliphera (auch Aliphcira geschrieben), von welcher
sich noch auf dem Rücken und am Fusse eines ansehnlichen
Hügels am linken Ufer eines südlichen Seitenbaches des Alpheios
(des jetzigen Baches von Phanari) ansehnliche Ruinen der Ring-
mauer der Unter- und Oberstadt, sowie die Grundmauern und
Säulentrümmer zweier Tempel erhalten haben (jetzt das Kastron
von Nerovitza genannt), am längten eine gewisse Bedeutung be
wahrte. Diese verdankte sie theils ihrer Lage , in Folge der sie
nach der Gründung von Megalepolis , wozu sie die Mehrzahl ihrer
Bewohner gestellt hatte, als Gränzfestung desselben gegen das
der neuen Gründung feindliche Heräa, sowie gegen die Eleer,
denen sie um 240 v. Chr. von Lydiadas, dem Tyrannen von Me-
galepolis, überliefert und erst 219 durch Philipp V. von Make-
donien wieder entrissen wurde, diente, theils einem berühmten,
auf dem höchsten (südöstlichen) Theile der Oberstadt gelegenen
Heiligthum der Athene, welche nach einheimischer Sage hier
geboren und erzogen war, wofür man als Beweise einen Altar
des 'Wöchners Zeus' (Zeus Lecheatas) und eine Quelle Tritonis
(jedenfalls die am nördlichen Fusse des Hügels hervorsprudelnde^
aufzeigte. Bei der zu Ehren der Göttin gefeierten Panegyris
wurde ein Voropfer dem Heros Myiagros (Fliegenfänger) darge-
bracht, welcher, wie man glaubte, die Bewohner vor der Plage
der Fliegen schützte. Im westlicheren Theile der Oberstadt stand
ein Tempel des Asklepios, dessen Cultus wahrscheinlich von Gortys
hierher verpflanzt worden war. 2) Von den beiden anderen Ky-
nurischen Städten lag Theisoa, zum Unterschied von der an
den Quellen des Gortynios gelegenen gleichnamigen Stadt Theisoa
am Lykäon genannt, am nördlichen Fusse dieses Gebirges, wahr-
scheinlich nordwestlich von dem im Mittelalter als Festung be-
1) Paus. c. 28, 1 u. 3; vgl. Curtius Pel. I, S. 355.
2) Paus. c. 26, 5; c. 27, 4; Poljb. IV, 77 f.; Liv. XXVIII, 8; XXXII,
5; Steph. Byz. u. 'AlitprjQCc; über die Ruinen vgl. Leake Morea II, p.
72 ff. (mit einer bei Curtius Pel. I, Tfl. VII wiederholten Planskizze);
Ross Reisen im Pelop. S. 102 f. Den Myiagros erwähnt als einen von
den Eleern (denen ja Aliphera eine Zeit lang gehörte) verehrten Gott
Plin. N. h. X, 28, 75.
4. Arkadien: Megalepolitis. 235
deutenden Städtchen Karytäna auf dem Gipfel und den terrassen-
förmigen Abhängen eines Hügels, der noch Mauerreste mit Thürmen
und Thoren und die Fundamente eines dorischen Tempels trägt
(jetzt Paläokastron von Lavda oder auch der heiligen Helena ge-
nannt); durch sein Gebiet, das zeitweise im Besitz der Parrhasier
gewesen zu sein scheint (falls wir nicht die Kynuräer als einen
blossen Clan dieses einstmals sehr volkreichen Stammes betrach-
ten dürfen), floss eine ganze Anzahl kleiner Bäche (Mylaon, Nus,
Acheloos, Kelados und Naliphos) nordwärts dem Alpheios zu.
Lykäa (auch Lykoa genannt, wie die mänalische Ortschaft, s. oben
S. 229, Anm. 1) endlich, das wahrscheinlich schon zu Pausanias
Zeit spurlos verschwunden war, scheint nördlich oder nordwest-
lich von da am Alpheios gelegen zu habenJ)
Am Lykäon berührte sich das Gebiet der Kynurier mit dem
der Parrhasier, welche auf dem 'heiligen Gipfel' dieses Ge-
birges ihr altes Stammheiligthum , die Cultstätte des Lykäischen
Zeus hatten. Der jetzt Diaphorti genannte Hauptstock dieses gegen
Westen und Süden sich weithin verzweigenden Gebirges erhebt
sich nämlich in zwei Kuppen, von denen die südlichere, jetzt
nach dem heiligen Elias, im Alterthum auch Olympos benannte,
obwohl um einige Fuss niedriger als die nördlichere (jetzt to öte-
(pccvL genannt), wegen ihrer freieren und dominirenden Lage als
Hauptgipfel des Berges betrachtet und daher schon in den älte-
sten Zeiten von den Umwohnern zur Cultstätte des lichten Him-
melsgottes auserwählt ward, dem auf einem die Stelle des Altars
vertretenden einfachen Erdaufwurf blutige Opfer, nicht selten
und bis in späte Zeit hinab auch Menschen, geschlachtet wurden.
Vor dem Altar gegen Osten standen zwei Säulen, welche ver-
goldete Adler trugen, die Symbole des ohne Bild und Tempel-
gebäude verehrten Gottes , welchem noch in der Nähe der Opfer-
stätte ein Jür jedes Menschen Fuss unbetretbarer heiliger Bezirk
geweiht war: wer aus Versehen oder aus Frevelmuth das strenge
Verbot übertrat, der konnte nach allgemeinem Volksglauben nicht
länger als ein Jahr mehr leben; auch behauptete man, dass kein
1) Paus. c. 27, 4 f.; c. 38, 3 ti. 9; Polyb. XVI, 17; über die Ruinen
bei Lavda (t^q ay(ccq 'FAivriq x6 Hdargo) 8. Leake Morea II, p. 18 s., mit
welchem (p. 316) ich darin die Eeste von TheiHoa erkenne, gegen Curtius
(Pelop. I, 8. 3.58 f.), der hier Lykoa, Theisoa bei Andritzena, dem jetzi-
gen Hauptorte der Eparcbie Olympia, ansetzt.
236 II. Peloponnesos.
lebendes Wesen innerhalb des Bezirks einen Schatten würfe, eine
Behauptung, deren Richtigkeit Jäger, welche ein flüchtiges Wild
bis an die Gränze des heiligen Raumes verfolgt hatten, durch
iügene Erfahrung bestätigt wissen wollten. Neben dem heiligen
Bezirk stand ein Haus, das wahrscheinlich als Wohnung für den
Priester des Gottes bestimmt war, zeitweise aber auch Flücht-
lingen, wie dem spartanischen Könige Pleistoanax, als Zufluchts-
stätte diente.^) Nicht weit davon, wahrscheinlich am südlichen
Fusse des Gipfels, zeigte man einen Kretea genannten Platz
als die Stätte, an welcher das Zeuskind von den Nymphen Thei-
soa, Neda und Hagno — jedenfalls drei Queflnymphen: die Quelle
Theisoa wird an der Nordseite, die Neda an der Südwestseite,
die Hagno, in welche bei anhaltender Dürre der Priester des
Zeus unter bestimmten Gebeten und Opfern einen Eichenzweig
eintauchte, um Regen herbeizuführen, an der Südseite des Berges
zu suchen sein — genährt worden sei. Oestlich von diesem
Platze stand ein Heiligthum des neben Zeus als Stammgott der
Parrhasier verehrten Apollon, das Pythion, nach welchem seit
der Gründung von Megalepolis alljährlich eine vom Markte dieser
Stadt ausgehende Procession heraufstieg.-)
Am nördlichen Fusse der Kuppe des h. Elias lag in einem
Haine ein Tempel des Pan, von welchem noch eine Anzahl grosse
1) Paus. c. 38, 2 u. 6 f. ; Eratosth. Catast. 1 = Hygin. Astron. II, 1 ;
Thukyd. V, 16; Polyb. IV, 33; Strab. VIII, p. 388; vgl. Ross Reisen
im Pel. S. 92 f.; für die Menschenopfer s. (Plat.) Minos p. 315*=; Theo-
phrast. bei Porphyr, de abstin. II, 27. Der Verlust des Schattens be-
deutet offenbar, dass das Wesen, zu dem er gehört, dem Gotte verfallen
ist. Nach Plutarch. Q. gr. 39 wurden diejenigen, welche den heiligen Be-
zirk absichtlich betreten hatten, gesteinigt, die es aus Versehen gethan
hatten, nach Eleutherä verwiesen.
2) Paus. c. 38, 2 ff. u. 8; C. I. gr. n. 1534, wo das Heiligtum x6
Ilvtvov heisst: ob die ebds. erwähnte 'lyietSLCc das als Asyl benutzte
Haus am Temenos des Zeus, wie Curtius (Pel. I, S. 339, Anm. 15) ver-
muthet, oder die Quelle Hagno, bei welcher um Regen gefleht wurde, oder
eine andere Oertlichkeit bezeichne, vermag ich nicht zu entscheiden.
Curtius Annahme (Pel. I, S. 300), dass die drei Quellen sämmtlich auf
dem Platze Kretea entspringen, halte ich für durchaus falsch; ebenso
muss ich seine Bezeichnung des südlich unterhalb des Gipfels gelegenen
Dorfes Karyäs als 'das an Nussbäumen reiche' (ebds.) für irrig erklärerrf
da ich in dem ganzen Orte keinen Nussbaum, sondern nur Eichen be-
merkt habe.
4. Arkadien: Megalepolitis. 237
Werkstücke aus weisslichem marmorähnlichen Kalkstein (jetzt ro
'ElXrjvLXÖ genannt) erhalten sind; in der Hochebene, welche
sich von da nordwärts nach dem Stephanigipfel hinzieht, befan-
den sich die Anlagen für die gymnischen und hippischen Agonen
des Festes der Lykäa: ein Stadion und ein Hippodrom, von
welchem letzteren noch eine beträchtliche Anzahl von Sitzstufen
am oberen Ende und den diesem zunächst liegenden Theilen der
Langseiten, sowie am unteren Ende die Reste eines grossen
Wasserbehälters erhalten sind; ein Fragment einer dorischen
Säule, das ich hier fand, gehört wahrscheinlich dem Pans-
tempel an.*)
Die älteste der parrhasischen Ortschaften, ja nach der Tra-
dition sogar die älteste aller griechischen Städte des Festlandes
wie der Inseln,. die zuerst von der Sonne geschaut worden war,
Lykosura, lag am südlichen Fusse des Lykäon auf einem gegen
Westen schroff abfallenden Hügel, an dessen nördlichem Fusse
vorüber ein von Westen, von den "INomiagebirgen (vgl. oben
S. 184) herabkommender -Bach, der Plataniston^) (jetzt Gastritzi
genannt) in nordöstlicher Richtung dem Alpheios zufliesst. Die
aus fast regelmässig viereckten, aber an der Vorderseite nicht
geglätteten Steinen erbaute Ringmauer folgte genau dem meist
durch zackige Felsen gebildeten Rande der oberen Fläche des
Hügels ausser an einigen Stellen, wo die ganz schroff aufsteigen-
den Felszacken selbst die Stelle einer Mauer vertraten und also
eine künstliche Befestigung überflüssig machten; innerhalb der-
selben steht eine verfallene Kapelle des h. Georg, in welcher sich
verschiedene antike Reste, darunter der Stumpf einer dorischen
Säule und ein Anthemion vorfinden, die offenbar ebenso wie dib
aus ganz regelmässigen Steinen gefügten Mauern , von denen man
*) Paus. c. 38, 5; vgl. Ross Reisen im Pel. S. 91 f.; Beuld Etudes
sur le P(^loponn^se p. 126 ss. u. den Plan des Hippodroms in der Ex-
pedition de Morde II, pl. 33 s. (darnach Curtius Pel. I, Tfl. VI). Der
Agon der Avuaia, für dessen hohes Alter die von Plin. N. h. VII, 56,
205 erwähnte Tradition, dass Lykaon Mudos gymnicos' begründet habe,
spricht (vgl. Paus. c. 2, 1 u, Murm. Par. Ep. 17, Z. 31) wird erwähnt von
Pind. Ol. IX, 95 es.; XIII, 107 s.; Nem. X, 48 (vgl. die Scholien zu die-
sen Stellen); Simonid. Epigr. 155, 8 (Bergk); Plut. Caes. 61; C. I. gr. n.
1515 u. auf Münzen von Megalepolis (s. Bullettino 1868, p. 190 s.) ; vgl.
Xonoph, Anab. I, 2, 10.
«) Paus. c. 39, 1.
238 II- Peloponnesos.
auf den niedereren Terrassen des Hügels Reste bemerkt, einer
spätem Periode der wider ihren Willen zur Theilnahme am Sy-
noikismos von Megalepolis gezwungenen, aber noch zu Pausanias
Zeit wenn auch nur dünn bewohnten Stadt angehören. ^) Ost-
wärts von diesem Hügel erstreckt sich ein niederer Rücken,
welcher ihn mit einem andern Hügel, auf welchem eine ver-
fallene Kapelle des h. Elias steht, verbindet: hier findet man
zunächst dem Rurghügel ausser einer grossen Cisterne die
Grundmauern eines ausgedehnten Gebäudes, dann weiter öst-
lich in einer verfallenen Capelle Säulenreste und sonstige Bau-
irümmer, die sich auch am nördlichen Abhänge des Rückens und
in den Feldern nordwärts davon in grösserer Zahl zerstreut vor-
finden. In der Eliascapelle konnte ich ausser drei uncanelirten
Säulenschäften nichts Antikes entdecken. Diese unscheinbaren
Trümmer bezeichnen die Stätte eines der ehrwürdigsten arka-
dischen Heiligthümer, des der Despoina, d. h. der als Herrin
der Unterirdischen in Verbindung mit ihrer Mutter Demeter und
andern Gottheiten der Fruchtbarkeit der Erde, dem Hermes
Akakesios und dem Pan, verehrten Kora. Der heilige Bezirk,
welcher ohne Zweifel den ganzen Rücken östlich unterhalb des
Hügels von Lykosura einnahm, war von Mauern umgeben; vor^
dem Eingaug, d. h. am östlichen Ende des Rückens, stand ein
Tempel der Artemis, die hier als 'Hegemone', d. i. Führerin
(ins Reich der Schatten) verehrt wurde und der Hekate ähnlich
mit Fackeln dargestellt war. Beim Eintritt in den Peribolos
hatte man zur Rechten eine Halle, auf deren Wand Reliefs und
Inschriften angebracht waren. In der Cella des Tempels, vor
dessen Eingang drei Altäre (der Demeter, der Despoina und der
grossen Mutter der Götter) standen, befand sich das von dem
Messenier Damophon, wahrscheinlich bald nach der Gründung
*) Paus. c. 2, 1; c. 4, 5; c. 10, 10; c. 27, 4 ss.; c. 38, 1; Steph.
Byz. u. AvuoaovQcc; cc 686g a inl Avkoüovqccv C. I. gr. n. 1534. Vgl.
über die jetzt Paläokastron von Stala (nach einem westlich von dem
Hügel gelegenen Dorfe) oder Paläokrambavo (nach dem Dorfe Krambavo
eine Stunde nördlich von dem Hügel) genannten Ruinen Ross Reisen im
Pel. S. 85 ff. u. den Plan in der Expe'dition de More'e II, pl. 35, n. 2
(wiederholt bei Curtius Pel. I, Tfl. IV) nebst der Ansicht bei Dodwell
Views and descriptions of Cyclopian or Pelasgic remains pl. 1; auch
meine Bemerkungen in den Jahrb. f. Philol. Bd. 73, S. 428 f.
4. Arkadien: Megalepolitis. 239
von Megalepolis, aus einem angeblich innerhalb des Peribolos
ausgegrabenen Steinblock (Granitfündling?) gearbeitete Doppel-
sitzbild der beiden Göttinnen: links (vom Beschauer) sass Demeter,
eine Fackel in der Rechten, die Linke um den Nacken der
Tochter gelegt, die mit der Rechten die auf ihrem Schosse
stehende mystische Kiste , mit der Linken ein Scepter hielt. Zu
beiden Seiten des Doppelbildes standen noch Einzelstatuen: neben
Demeter Artemis mit Hirschhaut und Köcher, in der einen Hand
eine Fackel, in der anderen zwei Schlangen haltend, einen Jagd-
hund neben sich; zur Seite der Despoina Anytos, nach der Local-
tradition ein Titane, von dem die Despoina erzogen worden war.
Als weitere Nebenwerke waren unter dem Sitz der Göttinnen die
Kureten, am Fussgestell die Korybanten dargestellt. In die Wand
zur Linken des Eingangs war ein Spiegel eingefugt, in welchem
der Beschauer die Bilder der Göttinnen deutlich, sich selbst gar
nicht oder nur sehr undeutlich sah. Etwas höher als der Tempel
stand zur Rechten des durch den Peribolos führenden Weges das
sogenannte Megaron, ein zu Opfern und Weihungen bestimmtes
Gebäude, dem w^ohl die oben erwähnten Grundmauern am öst-
lichen Fusse des Burghügels angehören; oberhalb desselben, also
am Ostabhange dieses Hügels, zog sich ein von einem Steingehege
umschlossener Hain hin, über welchem Altäre des Poseidon Hip-
pios (der hier als Vater der Despoina verehrt wurde) und anderer
Götter standen. Auf einer noch höheren Terrasse, zu welcher
man auf einer Treppe emporstieg, war eine ganze Gruppe von
Heiligthümern , die offenbar alle von sehr geringem Umfang waren,
vereinigt: eine Capelle des Pan, zu welcher eine Halle den Zu-
gang bildete, ein Altar des Ares, ein Tempel der Aphrodite mit
zwei Bildern der Göttin , einem hölzernen und einem marmornen,
ein Schnitzbild des Apollon und ein Heiligthum der Athene mit
einem gleichfalls hölzernen Bilde.
Auf dem Gipfel des östlicheren Hügels, der jetzt die Elias-
kapelle trägt, stand eine Statue des Hermes Akakesios (welchen
Beinamen die Legende von einem Lykaoniden Akakos herleitete,
der den Knaben Hermes hier aufgezogen habe), wie auch der
Hügel selbst 'AxaKrjoLog ^6g)og und eine an seinem östlichen
Fusse, vier Stadien vom Heiligthum der Despoina gelegene Ort-
schaft Akakesion genannt wurden. Sieben Stadien östlich von
da an der Strasse nach Megalepolis, also in der Gegend des jetzi-
240 n. Peloponnesos.
gen Dorfes Deli-IIassan, lag Daseä, in gleicher Entfernung öst-
lich von da, zwei Stadien vom linken Ufer des Alpheios, Ma-
kareä, beide zu Tansanias Zeit in Trümmern.^)
Ueberschreitet man von hier den Alpheios und folgt dem
rechten Ufer desselben, so gelangt man nach einer halben
Stunde zu dem wenige Minuten nördlich von der Einmündung
des Helisson in den Alpheios auf einer Anhöhe gelegenen Dorfe
Bromosella, wo ich an der Kirche einige Stücke von uncanelir-
ten Säulen, eine ionische Basis und sonstige antike Baureste fand :
das Dorf nimmt jedenfalls die Stelle des schon zu Pausanias Zeit
verödeten Thoknia ein, der etwas weiter östlich von Nordosten
her in den Helisson mündende Bach ist der A mini es der Al-
ten. Ungefähr drei Viertelstunden flussabwärts lag nahe dem
linken Ufer des Alpheios Basilis, der Sage nach eine Grün-
dung des Kypselos, des Königs der Arkader zur Zeit der dori-
schen Wanderung, in dessen Trümmern (von denen noch jetzt
einige Ueberreste östlich von dem Dorfe Kyparissia in den Wein-
bergen zerstreut sind) Pausanias ein Heihgthum der Demeter
Eleusinia fand.^) Etwas weiter nördUch zwischen den Dörfern
Kyparissia und Mavria zieht sich eine tiefe Schlucht von den
östlichen Abhängen des Diaphorti nach dem Alpheios hin, das
Bathos der Alten, in welches die arkadische Sage den Kampf
der Götter und Giganten versetzte, offenbar in Erinnerung vul-
kanischer Erscheinungen, die hier in alten Zeiten beobachtet
worden waren, wie noch am Anfang unseres Jahrhunderts hier
ein mit starkem Schwefelgeruch verbundener Erdbrand stattge-
funden hat; ebendamit hieng offenbar eine (jetzt wie es scheint
verschwundene) ein Jahr um das andere versiegende Quelle
Olymp ias zusammen, in deren Nähe Pausanias Feuer aus dem
Boden aufsteigen sah. Nördlich von der Schlucht, in welcher
alle zwei Jahre ein Fest der "^grossen Göttinnen' gefeiert wurde,
erstreckt sich vom Lykäon nach dem Alpheios hin eine tafel-
förmige Hochfläche, die Trapezuntia, der Schauplatz der Ly-
kaonsage, das Gebiet der Stadt Trapezus, die sich, auf ihren
1) Paus. c. 36j 9 f. u. c. 37 (vgl. c. 3, 3 u. c. 27, 4) ; Steph. Byz. u.
^AytayiTjatov, JaaEcit u. Mwnugsai,; schol. Iliad. 11, 185; vgl. Ross a.a.O.
^) In diesem Heiligthum fanden in älteren Zeiten Schönheitswett-
kämpfe der Frauen nach einer Stiftung des Kypselos statt: Nikias bei
Athen. XIII, p. 609 ^
4. Arkadien: Megalepolitis. 241
mythischen Ruhm pochend, am entschiedensten der Gründung
von Megalepolis widersetzte ; in Folge dieses Widerstandes wurde
ein Theil der Bewohner durch die centralistische Partei getödtet,
die übrigen wanderten nach Trapezus am schwarzen Meere, das
als eine Tochterstadt der altarkadischen Stadt galt, aus, so dass
Pausanias nur noch Trümmer von der letzteren vorfand; ebenso
von Brenthe, einer an der Ouelle des Brentheates, eines öst-
lichen Seitenbaches des Alpheios, der nach nur fünf Stadien
langem Laufe in diesen mündet, etwa 20 Minuten östlich von
dem Städtchen Karytäna (dessen mittelalterliche Festung zu einem
beträchtlichen Theile aus antiken Werkstücken erbaut ist) ge-
legenen Ortschaft. Etwas weiter östlich, an der Strasse von
Gortys nach Megalepolis, stand ein Grabmal der in einer Schlacht
gegen König Kleomenes III. von Sparta gefallenen Arkader, wel-
ches zur Erinnerung an die Verletzung der Waffenruhe durch
Kleomenes Paräbasion (die Stätte der Uebertretung) genannt
wurde. ')
Das Bergland südlich über der Ebene, in welchem die Wur-
zeln des mächtigsten aller peloponnesischen Gebirge, des Tay-
geton, liegen, gehörte dem Stamme der Aegyten, der aber früh-
zeitig, nachdem ein Theil seines Gebietes von den Spartanern
erobert worden war, seine selbständige politische Existenz ein-
gebüsst zu haben und als ein Theil des parrhasischen Stammes
betrachtet worden zu sein scheint. 2) Durch diesen Landstrich,
aus welchem eine Anzahl wasserreicher Bäche dem Alpheios zu-
fliessen, führten im Alterthuni drei Strassen, unter denen die von
*) Paus. c. 28, 7 u. c. 29; vgl. c. 3, 3; c. 5, 4 u, c. 27, 4 fF.: die
beiden an der letzteren Stelle genannten parrhasischen Gemeinden
'AyiovTLOv (vgl. Steph. u. d. W.) u. Tlgoattg (vielleicht IJQOGVfivcCj vgl. C. I.
gr. n. 1535) lassen sich ebensowenig nachweisen als die Stadt Parrhasia,
die trotz der von Steph. Byz. u, TLccQQCiaCa citirten Autoritäten wohl nur
einem Missverstandniss von II. B, 608 ihre Existenz verdankt. Trapezus
erwähnen auch Herod. VI, 127 u. Steph. Byz. u. T^ajrf^ovg; ©ayivCa
(oder f>(6y.vsLa), BdaiXig u. Bgsv&'r} Steph. Byz. u. d. W. lieber die Oert-
lichkeiten vgl. Leake Morea II, p. 292 s.; Ross Reisen im Pol. S. 89 f.
') Dies ist daraus zu schliessen, dass Thuk. V, 33 das von den
Mantineern in Kypsela nahe der lakonischen Skiritis (also im östlicheren
Theilo der arkadischen Aegytis) erbaute, von den Lakedämoniern im
•Jahre 421 v. Chr. zerstörte Castell als iv xfj nuQQuaLiiij ■KSi'iisvov he-
/-e lehnet.
242 II. Peloponnesos.
Megalepolis nach Messene, jedenfalls die bedeutendste, ohne
Zweifel ebenso wie die jetzige freilich nur für Saumthiere gang-
bare Strasse aus der Ebene von Megalepolis nach der nördlichen
messenischen Ebene über den sogenannten Makriplagi-Pass gieng,
d. h. über den massig hohen Gebirgsrücken, welcher den Tetrasi
mit dem südwestlich von dem Städtchen Leondari bis zur Höhe
von 1297 Meter sich erhebenden Hellenitza verbindet. Die
Strasse überschritt den Alpheios etwa zwischen den jetzigen
Dörfern Agias-bei und Dede-bei in der Nähe der Einmündung
des Gatheatas, welcher vorher einen Seitenfluss, den Kar-
nion, aufgenommen hat: der letztere ist ohne Zweifel der jetzige
Xerilopotamos , der an den nördlichsten Abhängen des Taygeton
entspringt (im Alterthum stand oberhalb seiner Quellen ein Hei-
ligthum des Apollon Kereatas) und in einem engen aber langen
Thale am östlichen Fusse des Hellenitza und westhch von Leon-
dari vorüber der Ebene zufliesst, der Gatheatas der weit
kürzere westlichere Nebenfluss desselben, der an der Westseite
des Hellenitza in der Nähe des Dorfes Ryrades (wo also die alle
Ortschaft Gatheä zu suchen ist) entspringt. Ungefähr 40 Sta-
dien vom Alpheios lag an der Strasse Kromoi (auch Kromnos
oder Kromna genannt), zu dessen Gebiet, der Kromitis, auch
Gatheä, also wohl überhaupt der ganze District westlich vom
Hellenitza gehörte, zu Pausanias Zeit in Ruinen, von denen noch
einige Ueberreste bei dem Dörfchen Panagiti zur Linken der
Strasse sich erhalten haben; 20 Stadien weiter, an den quellen-
reichen, noch jetzt wohl bewaldeten Höhen des Makriplagi, war
ein wohlbewässerter, mit Bäumen bestandener Platz Nymphas,
offenbar nach einem Heiligthum der Nymphen benannt; nach wei-
teren 20 Stadien bezeichnete eine kleine Capelle des Hermes
(Hermäon) mit einem Reliefbilde des Gottes die Gränze der Me-
galepolitis gegen Messenien.^)
Die zweite durch die Aegytis führende Strasse, die von Me-
galepolis nach dem Messenischen Karnasion (vgl. oben S. 164)
— wohl nur ein hauptsächlich für die gewiss sehr zahlreichen
') Paus. c. 34, 5 f., vgl. c. 3, 4 u. c. 27, 4; Steph. Byz. u. Fa^Balj
Kgmiiva n. NvfKpocg] 6 Kgmiivog Xen. Hell. VII, 4, 20 ss.; ^ KQ(o(ivog
Kallisthenes bei Athen. X, p. 452 » u. ''. Die Ruinen bei Panagiti er-
wähnt Vischer Erinnerungen S. 414.
4. Arkadien: Megalepolitis. 243
Wallfahrer nach diesem Heiligtum bestimmter Saumpfad — über-
schritt den Alpheios etwas weiter nordwestlich, etwa in der Ge-
gend von Choremi nahe der Einmündung des Flusses Malus,
der vorher einen Seitenbach, den Skyros, aufgenommen hat,
gieng 30 Stadien weit auf dem Unken Ufer des Malus hin, dann
über denselben und ziemlich steil aufwärts nach einem Phädrias
genannten Platze (etwa oberhalb des jetzigen Neochori), von wel-
chem die wiederum durch ein Hermäon mit Statuen der Despoina
und Demeter, des Hermes und Herakles bezeichnete messenische
Gränze nur 15 Stadien entfernt warJ)
Die dritte Strasse, die von Megalepolis nach Lakonien, führte
30 Stadien südlich von der Stadt über den Alpheios, dann nahe
dem linken Ufer des Theius, eines südlichen Nebenflusses des-
selben (jetzt Kutupharina), aufwärts nach der 40 Stadien vom
Alpheios gelegenen Ortschaft Phaläsiä, von welcher das als
Gränzmal gegen Lakonien dienende Hermäon bei Belemina (vgl.
oben S. 113) 20 Stadien entfernt war. 2) In derselben Ge-
gend wird auch Kypsela, wo die Mantineer eine im Jahr 421
wieder zerstörte Gränzfestung gegen die lakedämonische Skiritis
anlegten,^) und vielleicht auch die Ortschaft Skirtonion zu
suchen sein.*) Leuktron oder Leuktra, eine befestigte Ort-
schaft, welche bis zur Demüthigung Sparta's durch Epameinondas
im Besitze der Spartaner gewesen, dann aber zur Gründung von
Megalepolis und zu dessen Gebiet gezogen worden war, scheint
im sudwestlichen Theile der Aegytis gelegen zu haben ; ganz un-
sicher ist die Lage von Blenina.^)
*} Paus. c. 35, 1 f. Am Flusse Malus lag wahrscheinlich die von
Paus. c. 27, 4 erwähnte Ortschaft des Aegyten MaXaia oder MalCa
(vgl. Xen. Hell. VI, 5, 24), deren Namen Curtius Pel. I, S. 336 auch bei
Xen. Hell. VH, 1, 28 u. 29 für Mrjdiag der Codd. herstellen will.
*) Paus. c. 35, 3; Steph. Byz. u. ^akaiciai.
») Thuk. V, 33, vgl. oben S. 241, Anm. 2. Das von Curtius Pel. I,
S. 290 hier angesetzte Castell Athenäon halte ich für identisch mit dem
bei Asea gelegenen; s. oben S. 227, Anm. 2.
*) Paus. c. 27, 4; Steph. Byz. u. £-Ki.Qtc6viov: der Name scheint mir
mit dem der Skiritis zusammenzuhängen.
'•>) Paus. c. 27, 4; Thuk. V, 64; Xen. Hell. VI, 5, 24; Plut. Oleomen.
6; Pelop. 20. Die Ansetzung von Leuktron bei Leondari (wo weder
Leake Morea II, p. 44 noch Vischer Erinnerungen S. 404 antikes Mauer-
werk finden konnten; Leake fand solches bei Samara, •/, Stunde west-
244 II. Peloponnesos.
Nachdem wir so das ganze Gebiet von Megalepolis durch-
wandert haben, müssen wir noch einen Blick auf diese Stadt
selbst werfen, die wenigstens durch ihren Umfang (50 Stadien)
den stolzen Namen der * grossen Stadt', den man ihr bei der
Gründung im Jahre 371 v. Chr. beigelegt hatte, rechtfertigte.
Aehnlich wie Mantineia verdankte sie ihre Sicherheit nicht der
natürlichen Beschaffenheit des zu ihrer Anlage erwählten Ter-
rains — eines muldenförmigen Thalbeckens zu beiden Seiten des
Helisson, 20 Stadien östlich von der Einmündung desselben in
den Alpheios, auf dessen niedrigen Bändern die jetzt fast spur-
los verschwundene Bingmauer hinlief — sondern der Stärke und
Festigkeit ihrer Mauern, die, obgleich wahrscheinlich mit Aus-
nahme der Fundamente nur aus Lehmziegeln mit eingezogenen
Holzbalken hergestellt, doch nach allen Begeln der entwickelten
griechischen Befestigungskunst, wie wir sie noch an den Mauern
Messene's erkennen, erbaut und mit zahlreichen hohen Thürmen
versehen waren. ^) Die Stadt leistete auch sowohl einer Belage-^
rung durch König Agis III. von Sparta im Jahre 330 als einer
zweiten durch Polysperchon im Jahre 318 (bei welcher die Ma-
kedonier schon eine gewaltige Bresche in die Mauer gebrochen
hatten, aber durch die Tapferkeit der Vertheidiger und die Klug-
heit ihres Commandanten Damis zurückgeworfen wurden) hart-
näckigen Widerstand.^) Doch war wohl schon in dieser relativ
glänzendsten Epoche der Geschichte der Stadt, während welcher
dieselbe mehrfach durch energische Männer mit monarchischer
Gewalt (sogenannte Tyrannen) wie Aristodemos und Lydiadas re-
giert wurde, der von den Bingraauern umschlossene Baum zu
gross für die Bevölkerung, die wahrscheinlich durch den Weg-
lich von Leondari) durch Curtius Pel. I, S. 293 ist sehr problematisch;
man würde dann bei Xen. 1. 1. vtisq Trjg Fccd'sccTLdos anstatt vnsg rrjs
MalscctLdog (vgl. oben Anm. 1) erwarten.
') Vgl. die Pläne Expe'dition de More'e II, pl. 36—38 (darnach Cur-
tius Pel. I, Tfl. V), dazu Ross Reisen im Pel. S. 74 ff.; Curtius Pel. I,
S. 281 ff.; Vischer Erinnerungen S. 407 ff.; Annali XXXIII, p. 32; über
den Umfang Polyb. IX, 21.
2) Aeschin. in Ctesiph. § 165; Diod. XVIII, 70f. Die Erzählung hß^
Pausanias c. 27, 13 f. von einem misslungenen Angriffe König Agis IV.
auf die Stadt scheint auf einer Verwechslung dieses Königs mit Agis III.
zu beruhen; vgl. oben S. 216, Anm. 1.
4. Arkadien: Megalepolitis. 245
zug vieler bei der Gründung unfreiwillig hierher versetzter Fa-
milien nach ihrer allen Heimath, der durch keinen neuen Zuzug
ersetzt wurde, von Jahr zu Jahr abnahm, so dass die Vertheidig-
ung der ausgedehnten Befestigungswerke immer schwieriger
wurde. Als nun noch dazu ein grosser Theil der kriegstüchtigen
Jugend in den Schlachten der Achäer gegen König Kleomenes III.
von Sparta am Berge Lykäon und bei Ladokeia fast vor den
Mauern der Stadt (im Jahre 22ß v. Chr.) gefallen war, gelang es
dem Kleomenes, nachdem ein drei Monate früher unternommener
Versuch der Ueberrumpelung der Stadt misslungen war, im Win-
ter des Jahres 222 mit Hülfe von Verräthern innerhalb der
Ringmauer sich derselben durch einen Handstreich zu bemäch-
tigen. Etwa zwei Drittel der waffenfähigen Bevölkerung rettete
sich nach vergeblichem Widerstände unter Philopoimens Führung
mit Weib und Kind nach Messenien ; die Zurückgebliebenen wur-
den gctödtet, die Stadt geplündert, die Mauern niedergerissen
und die Gebäude zum grossen Theile in Brand gesteckt. *) Als
der Rest der Bevölkerung nach der Schlacht bei Sellasia (221)
heimgekehrt war und sich, wahrscheinlich mit Unterstützung des
Antigonos, der ihnen auch einen Peripatetiker Prytanis als Ge-
setzgeber gesandt hatttc, auf der verödeten Stätte wieder noth-
dürftig angesiedelt hatte, entstanden heftige Zvvistigkeiten unter
ihnen: die eine Partei verlangte im Hinblick auf die numerische
Schwäche und die schlimme Finanzlage, dass der Umfang der
Ringmauer beträchtlich verengert würde und dass alle Grund-
besitzer den dritten Theil ihres (irundeigcnthums abtreten sollten,
um damit neu heranzuziehende Ansiedler auszustatten; die an-
dere, jedenfalls hauptsächlich aus den Grundbesitzern bestehende
Partei verweigerte in blindem Eigennutz jede Abtretung von
Grund und Boden und hielt in kindischem Stolze an dem alten
Umfange der Stadt fest. Aratos, der zur Schlichtung det rcitcs
Im rixiigerufen wurde, brachte einen Vergleich zu Stande, der auf
(;iner im Homarion (zu Aegion in Achaia) neben dem Altar der Ilestia
aufgestellten Stele eingegraben wurde. Den Inhalt dieses Vertrages
kennen wir nicht, müssen aber, da die Angabe des Umfanges auf 50
Stadien durch Polybios (s. S. 244, Anm. 1) sicli offenbar auf den
V) r<)ly1). ir, äf) (v^H. 1\, IS); IMiif. Clc.in. 25; IMiilop. 5; Puiis. c.
27, 15 f.
lU »SIAN, OKOtSIt. II. 17
246 n. Peloponnesos.
Zustand der Stadt zur Zeit dieses Schriftstellers bezieht, anneh-
men, dass die Ringmauer, wahrscheinlich mit Unterstützung aus
der achäischen Bundeskasse, in ihrem vollen Umfang wiederher-
gestellt worden ist. Wahrscheinlich hoffte man, dass die sehr
zusammengeschmolzene Bevölkerung, die sich in den weiten
Mauern unbehaglich fühlen musste, wie eine magere Person in
einem für einen corpulenten Körper zugeschnittenen Gewände,
durch Zuzug von Aussen sicli heben werde; aber vergeblich:
die grosse Stadt blieb eine grosse Einöde, was wenigstens den
Vortheil hatte, dass die Bürger, als sie mehrere Jahre hindurch
wegen der Feindseligkeiten des Spartanischen Herrschers Nabis
ihre ausserhalb der Ringmauern belegenen Fluren nicht zu be-
stellen wagten, in den Strassen der Stadt selbst Getreide säen
konnten. Was noch gebaut wurde, geschah mit fremdem Geld<%
wie im Jahre 189 v. Chr. eine der von Kleomenes zerstörten
Säulenhallen von einer durch die Achäer der Stadt zugewamlten
Summe wiederhergestellt wurde und wie einige Zeit darauf Kö-
nig Antiochos IV. Epiphanes von Syrien den grösseren Theil des
zum Neubau der oiTeabar schon wieder eingestürzten Ringmauer
der Stadt nöthigen Geldes schenkte; aber auch solche Zuwen-
dungen vermochten den Verfall der Stadt nicht aufzuhallen, die
indess bis in die spätere römische Kaiserzeit ihre Existenz
fristete.*)
Der von den Ringmauern umschlossene Raum wurde durch
den Helisson in zwei Hälften getheilt, die ohne Zweifel durch
mehrere Brücken mit einander in Verbindung standen. In der
auf dem rechten Flussufer gelegenen nördlichen Hälfte, wo wir
noch die Saatfelder, zu denen jetzt der grösste Theil des Ter-
rains der alten Stadt von den Bewohnern des benachbarten Dorfes
Sinano benutzt wird, weithin mit Säulen- und Mauerresten be-
deckt sehen, lag nicht weit vom Flusse der geräumige, von
stattlichen Hallen umschlossene Marktplatz, dessen Mittelpunkt
ein unbetretbarer heiliger Bezirk des Zeus Lykäos bildete, wo-
<) Polyb. V, 93; Plut. Philop. 13; Liv. XXXVIII, 34; XLI, 20; Strab.
VIII, p. 388; Paus. c. 33, 1. Dass' noch am Ende des 3ten oder Anfang
des 4ten Jahrh. n. Chr. einzelne Bauten in der Stadt, wenn auch nur
aus Trümmern älterer, ausgeführt worden sind, zeigt die von Ross (Rei-
sen im Pel. S. 81 ff.) theilweise ausgegrabene Säulenhalle.
4. Arkadien : Megalepolilis. 247
rin man Altäre, Opfertisclie und Adlerbilder, sowie eine Statue
des Pan mit dem Beinamen Oinoeis sali. Vor dem Eingange des
Bezirks stand ein zwölf Fuss hohes Erzbild des Apollon, das von
den Phigaleern als Beitrag zum Schmuck der neubegründeten
Stadt geliefert worden war; zur Bechten des Bildes hatte früher
ein Tempel der Göttermutter gestanden, von dem Pausanias nur
noch die Säulen und das Cultbild, sowie von einer Anzahl Sta-
tuen, die vor seinem Eingange aufgestellt gewesen waren, die
Fussgestelle vorfand J) Hinter dem Bezirk stand eine Stele mit
dem Beliefbilde des Historikers Polybios.
Unter den Hallen war eine zu Ehren König Philipps H.
von Makedonien Philippeios Sloa benannt, welche sich fast der
ganzen Nordseite der Agora entlang hinzog am Fusse zweier
niedriger Anhöhen, deren westlichere einen Tempel der Athene
Polias, die östlichere, von der eine Quelle Bathyllos ihr Wasser
dem Helisson zusandte, einen Tempel der Hera Teleia, beide zu
Pausanias Zeit in Trümmern Hegend, trug. Neben der Halle,
wahrscheinlich westlich, hatte früher ein Tempel des Hermes
Akakesios gestanden, von welchem zu Pausanias Zeit nur eine
jedenfalls zum Cultbilde des Gottes gehörige marmorne Schild-
kröte übrig war; an die Ostseite der Halle stiess eine kleinere,
welche sechs Bureaux für Begierungsbeamte enthielt; hinter ihr
stand ein Tempel der Tyche. An der Ostseite des Marktes, wahr-
scheinlich am westlichen Fusse einer bis nahe ans Ufer des
Flusses sich hinziehenden niedrigen Anhöhe, welche im Alterthum
den Namen Skoleitas geführt zu haben scheint, stand eine haupt-
sächlich für den Verkauf von Parfümeriewaaren bestimmte, daher
Myropolis genannte Halle, welche aus der Beute einer siegreichen
Schlacht gegen die Spartaner erbaut worden war. Die Südseite
des Marktes wurde durch eine nach ihrem Erbauer Aristandros
Aristandreios Stoa genannte Halle und zwei geräumige Heilig-
thümer abgeschlossen: dem östlich von der Halle gelegenen,
ringsum von Säulen umgebenen Heiligthum des Zeus Soter und
dem an das westliche Ende der Halle sich anschliessenden hei-
ligen Bezirke der 'grossen (iöltiinirn ', d, i. der Demeter und
') Paus. c. 30, 2 — 5. ÜasH unter diesen Statmii aiicli die des Phi-
lopoimcn gewesen sei, ist eine Hcharfsinnige Vermutnuf^ von C. Keil
Analeeta epigrapluca p. 16 ss.
17*
248 H. Peloponnesos.
Kora, welcher ausser dem Tempel dieser Göttinnen selbst solche
des Zeus Philios (mit einem kleinen Ilain dahinter), der Aphro-
dite und der Kora, sowie zahlreiche Bildwerke enthielt. An die
Westseite des Marktes endlich stiess das Gymnasion.-)
In dem Stadttheile südlich vom Flusse, welcher den beson-
deren Namen Orestia führte, 2) war das bedeutendste Bauwerk
das Theater, das grösste aller Theater in ganz Hellas, dessen
nur zu einem kleinen Tlieile auf einer natürlichen Anhöhe ruhen-
des, zum grössten Theile durch Erdaufschüttung und starkos
Mauerwerk an beiden Flügeln gebildetes, gegen Norden geöff-
netes Halbrund auch jetzt noch, obgleich keine einzige Sitzstufe
mehr sichtbar ist, einen stattlichen Eindruck macht. In dem
der untersten Sitzreihe zunächst gelegenen Theile der ßrcheslra
sprudelte eine wasserreiche Quelle, die noch jetzt, obgleich ver-
schüttet, den Umwohnern bekannt ist. ^) In der Nähe des Theaters
stand das nach seinem Stifter Thersilion genannte Ralhhaus,
das Versammlungslocal für die Volksvertretung, den Rath der
Zehntausend, von dem Pausanias nur noch die Fundamente vor-
fand; daneben ein für Alexander den Grossen errichtetes, mit
einer Herme des Ammon geschmücktes Haus, das später in Privat-
besitz übergegangen war. Verschiedene Heiligthümer, sämmtlich
zu Pausanias Zeit verfallen , waren in der Nähe des Theaters ver-
einigt: ein gemeinsames der Musen, des Apollon und des Hermes,
eins des Ares, eins der Aphrodite; oberhalb des letzeren, das
also nordöstlich vom Theater nach dem Flusse zu gelegen haben
^) Paus. c. 30, 6—31, 9; dazu Ross Reisen im Pel. S. 76 ff.; Curtius
Pel. I, S. 285 ff. Der Fluss scheint übrigens seinen Lauf etwas geän-
dert zu haben , da ich an zwei Stellen im jetzigen Flussbett antike
Mauerreste, die nicht von einer Brücke herrühren können, bemerkte.
2) Steph. Byz. u. Msydlr] noXig sagt nur: fxa^stTO 8s -Katcc x6 ^aicv
fiSQog 'OgsGria anb r^g zov "^Oqsoxov nagovoiccg: dass damit der südlichere
Stadttheil gemeint ist, zeigt die an der Strasse nach Messene gelegene
Gruppe von auf Orestes bezüglichen ITeiligthümern und Denkmälern (Paus.
c. 34, 1 SS.). Die Bevölkerung der Stadt, respective des Staates, war in
eine Anzahl Phylen getheilt, von denen wir nur noch eine, die der Av-
KasLtaij mit Namen kennen: s. die Insclir. Annali XXXIII, p. 33 ss.
^ Paus. c. 32, 1; vgl. den Plan Exped. de Moree II, pl. 39; Wiese-
ler Theatergebäude S. 6, Tfl. I, 20. Beispiele von Quellen, Brunnen und
Cisternen in antiken Theatern giebt Wieseler ^ Griechisches Theater' in
der Allgem, Encycl. d. Wiss. u. Künste Sect. I, Bd. 83, S. 238.
4. Arkadien: Megalepolitis. 249
muss, zog sich das Stadion hin, das mit seinem westlichen
Ende an den östlichen Flügel des Theaters stiess; auch in ihm
entsprang eine Quelle, dem Dionysos geweiht, dessen zwei Gene-
rationen vor Pausanias vom Blitz zerstörter Tempel das Ostende
des Stadions ahschloss. In der Nähe des Stadions stand auch
ein gemeinsamer Tempel des Herakles und des Hermes, an dessen
Stelle später ein blosser Altar beider Götter getreten war. Weiter
östlich lagen auf einem Hügel von geringer Erhebung ein von
Aristodemos gestifteter Tempel der Artemis Agrotera und zur
Hechten desselben ein heiliger Bezirk mit einem Heiligthum
des Asklepios und der Ilygieia und einer Anzahl etwas weiter
abwärts am Abhang des Hügels aufgestellter Hermenbilder der
sogenannten ^arbeitenden Götter' ('E^ydrai): der Athene Ergane,
des ApoUon Agyieus, des Hermes, des Herakles und der Eilcilhyia.
Am Fusse des Hügels endlich lag ein Heiligthum des in Knaben-
gestalt verehrten Asklepios, in dessen Nähe wieder eine Quelle
entsprang, deren Wasser nach dem Helisson abfloss. ^)
In der nähern Umgebung der Stadt fand sich an den von
den Hauptthoren derselben aus nach verschiedenen Bichtungen
führenden Strassen, von denen schon oben bei der Schilderung
des Landgebictes der Stadt die Bede war, eine Anzahl von Heilig-
thümern und sonstigen Denkmälern, die zum grössten Theile
noch aus der Zeit vor der Gründung der Stadt datirten. So lag
zur Linken der Strasse nach Messene sieben Stadien vom Tliore
ein Platz, Maniai genannt nach einem Heiligthum der unter dem-
selben Namen (als Furien) verehrten Göttinnen, die an einem
nicht weit von da entfernten, Ake (Heilungen) genannten Platze
in einem zweiten Heiligthum als Eumenides zugleich mit den
Chariten verehrt wurden; zwischen beiden Ileiligthümern, an
welche die Legende vom Orestes, der am erstem Platze von der
llaserei ergriffen, am zweiten davon geheilt worden sein sollte,
sich knüpfte, erhob sich ein niedriger Erdhügel mit einem aus
Stein gearbeiletim Finger auf der Spitze, das sogenannte Finger-
mal, das nach der Legende ebenfalls das Andenken des
*) Paus. c. 32; vgl. Rohs Kelscn im Pelop. 8. 74 f. Ein nicht näher
zu bestimmender Theil der Stadt, der his an die Ringmauer reichte, hiess
6 *ü)X«off nacli Polyb. IX, 18; vgl. H, 65, wo derselbe Namo (statt Äo)-
Xaiov) herzustellen ist.
250 II. Peloponnesos.
1
Orestes, der sich liier in einem Anfall von Uaserei einen Finger
abgebissen habe, verewigte, wie man auch noch in der Nähe
der Ake genannten Oertlichkeit 'den Scheerplatz' (Knreion) zeigte,
an ^veh'hem Orestes, nachdem er wieder znr Besinnung gekom-
men, sich die Ilaare habe scheeren lassen J)
An der Strasse nach Methydrion lag dreizehn Stadien vom
Thore auf einem Skiadis genannten Platze ein von Aristodemos
errichtetes, zu Pausanias Zeit verfallenes Heiligtlium der Artemis
Skiaditis. -)
Auf der Strasse, welche vom ' Sumpfthor' an der Osts(^ite
der Stadt aus längs des llelisson nach den Dörfern der Mänalier
führte, hatte man zur Linken einen Tempel des 'guten Gottes',
weiterhin den Grabhügel des Aristodemos und ein Ileiligthum der
Athena Machanitis; zur Rechten ein Temenos des von den Mega-
lepoliten durch ein jährliches Opferfest gefeierten Boreas, das
angebliche Grabdenkmal des Oikles, des Vaters des Amphiaraos,
und fünf Stadien vom Thore den Tempel und Ilain der 'De-
meter im Sumpfe', welcher nur für Weiber zugänglich war. ^)
Während die Megalepolitis im Westen sich mit einem schmalen
Strich, dem alten Gebiete der Kynuräer, bis zur Gränze von
Elis (Triphylien) erstreckte (vgl. oben S. 233), ward sie im Süd-
westen von einem arkadischen Cantone begränzt, dessen Bewoh-
i'higaiia. ner, die Phigaleis, obwohl sie der Gründung von Megalepolis
^) Paus. c. 34, 1 ff. : in § 3 nehme ich nicht, wie Schubart, Curtius
u. a., eine Lücke, sondern eine Corruptel des Wortes vsqov an und
schreibe: tzqos ds tw xoiQLOi rotg "J^saiv stsgov ianv ovoaa^ousvov
KovQSLOV. In dem /day.tvXov iivrj^cc vermutet F. Liebrecht (Heidelber-
ger Jahrbücher 1869, S. 805) wohl mit Recht das Grabmal eines Mutter-
mörders nach der noch jetzt im Volksglauben erhaltenen Anschauung,
dass einem Muttermörder (oder einem Kinde, das seine Mutter schlägt)
die Hand zum Grabe herauswachse, eine Erklärung, die mir berechtigter
scheint als die zweite von demselben Gelehrten ausgesprochene Vermuth-
ung, dass der steinerne Finger vielmehr ein Phallos gewesen sei. Die
von Dodwell (Class. u. topogr. Reise II, 2, S. 242 f.) in einer Kirche
20 Minuten südöstlich von Sinano gefundenen, auf das Ileiligthum der
Maniä bezogenen Reste eines kleinen dorischen Tempels liegen nicht in
der Richtung der Strasse nach Messene, sondern der nach Pallantion,
könnten also eher von Oresthasion (s. oben S. 227) herrühren.
2) Paus. c. 35, 5; vgl. Steph. Byz. u. ZyiLccg, wo der Platz Smccg
(Ethnikon SKtUTrjg) genannt wird.
3) Paus. c. 36, 5 f.
4. Arkadien : Phiffalia. 251
in keiner Weisse feindlich gegenüber traten, doch auch nach der-
selben ilire cantonale Selbständigkeit bewahrten. Dieser Canton,
ein ranhes Bergland ohne Ebenen, daher fast ausschliesslich für
Viehzucht geeignet, wird in seiner ganzen Lange von etwa fünf
Stunden von der Neda durchflössen, die vom Kerausion herab-
kommend , in einer engen ziemlich genau von Osten nach Westen
gerichteten Schlucht, wenn auch mit mannigfachen Krümmungen,
zwischen den Abhängen der das Lykäon wie die Nomia gegen
Westen hin fortsetzenden Gebirgszüge, von denen sie namentlich
von Norden her mehrere Zuflüsse erhält, dahin fliesst. Die
Hauptstadt des Cantons, Phigalia oder Phialia,^) lag auf einer
halbkreisförmig von Bergen (dem Kotilion im Nordosten und
dem Elaion im Nordwesten) umschlossenen, nach Süden gegen
die Neda hin sleil abfallenden Hochfläche über dem nördlichen
Ufer der Neda, in welche ein nahe an der Ostseite der Stadt
vorüberfliessender Giessbach, der Lymax, einmündet.^) Die
noch in ihrer ganzen Ausdehnung von etwas über eine Stunde
erkennbare, durch thcils runde, theils viereckte Thürme ver-
stärkte Bingmauer folgt genau den Bändern des Plateaus, dessen
höchster, im Nordosten gelegener Theil eine kleine von beson-
deren Mauern umschlossene Akropohs von elliptischer Form
bildet;^) innerhalb derselben lag wahrscheinlich das Heiligthum
der Artemis Soteira, der Ausgangspunkt der festlichen Aufzüge
1) Paus. c. 3, 1 ff. u. c. 39, 2 giebt die mythische Tradition, dass
die Stadt zuerst nach ihrem Gründer Phigalos, einem Sohne des Lykaon
(oder, wie Andere behaupteten, einem Autochthonen) ^lyaXtu (welcher
Name auch zu Paus. Zeit wieder im Gebrauch war), später nach Phialos,
dem Sohne des Bukolion, ^idXBia genannt worden sei (vgl. Steph. Byz.
u. ^LydlsLo). Für ^loiXsia (Ethnikon ^LCiXEvq) zeugen eine in Pavlitza
gefundene, einen Vertrag zwischen den Phialeern, Messcniern und Aeto-
lern enthaltende Inschrift (Archäol. Anzeiger 1859 S. 111* f.; vgl. An-
nali XXXIII, p. 56 8.), eine Inschrift aus Mavromati bei Leake Morea III,
Inscr. n. 46 u. Münzen mit der Legende ^lAAESlN. Die Ueberlieferung
der Handschriften ist ziemlich scliwankond (besonders bei Polybius, der
die Stadt öfter erwähnt). Vgl, Lobeck Pathol. p. 104.
«) Paus. c. 39, 5; 40, 2 u. 7; vgl. Conze u. Michaelis Annali XXXIII,
I). 57 88.
3) Vgl. Leake Morea I, p. 494 ßs.; Ross Reisen im Pelop. S. 98 und
den I'lan in der Kxped. de Morec II, pl. 1, wiederholt bei Curtius Pelop.
I, Tfl. VL
252 H. Pcloponncsos.
der Phigaleer. Ausser diesem notirt Pausanias in der Stadt ein
Gymnasien, einen Tempel des Dionysos Akratophoros (in dessen
Nähe wahrscheinlich das von Diodor XV, 40 erwähnte, zu Pau-
sanias Zeit wohl gänzlich verfallene Theater lag) und die Agora
mit einem sehr alterthömlichen Steinbilde des Arrhachion, der
bei der 54. Olympiadenfeicr sterbend im Pankration gesiegt hatte,
und einem gemeinsamen Grabmale für hundert Männer aus Ore-
sthasion , welche die Ol. 30, 2 durch die Lakedämonier aus ihrer
Ileimath vertriebenen Phigaleer bei der Wiecjpreroberung der
Stadt mit Aufopferung ihres Lebens unterstützt hatten und in
dankbarer Erinnerung daran jährlich ein Heroenopfer erhielten ;
ausserhalb der Stadt das auf einem steilen Felsvorsprung östlich
über dem Vereinigungspunkte des Lymax mit der Neda in einem
Cypressenhain gelegene Heiliglhum der Eurynome, einer vom
Volksglauben mit der Artemis identificirten Göttin des feuchten
Elements, deren Cultbild, halb Weib, halb Fisch, nur einmal
im Jahre, am Feste der Göttin, wo das sonst streng verschlossene
Heiliglhum geöffnet und Opfer von Staatswegen und von Privat-
leuten darin dargebracht wurden, dem Volke sichtbar war; endlich
noch etwas weiter östlich, zwölf Stadien von der Stadt, warme
Bäder. ^) Ausserdem lagen im Gebiete der Stadt zwei Heilig-
thümer, von denen das eine den Besuchern durch die eigen-
thümlichen Legenden und Cultgcbräuche, die sich daran knüpften,
heilige Scheu und Ehrfurcht, das andere durch die künstlerische
Vollendung seines architektonischen und plastischen Schmuckes
Bewunderung einflösste. Das erstere war die in einer grossartigen
Felswildniss dreissig Stadien westlich von Phigalia, im Fusse des
Elaion (des jetzigen Berges von Smarlina) über dem rechten Ufer
der Neda, deren Wasser hier auf eine Strecke von 100 — 150
Schritt durch grosse eine natürliche Brücke über den Fluss bil-
dende Felsraassen den Blicken des Wanderers verdeckt wird, be-
findliche Grotte der schwarzen Demeter, worin diese Göttin,
*) Paus. c. 39, 3 ff. ; c. 40 n. c. 41, 1 — 6. Die kleine Akropolis ist
wahrscheinlich das von Polyb, IV, 79 erwähnte noXsficcQXSiov. Dass die
Feste des Dionysos mit Chören und reichlichen Mahlzeiten gefeiert wur-
den, überhaupt Essen und Trinken bei den Phigaleern eine grosse Eolle
spielten, zeigen die Notizen aus Harmodios von Lepreon Schrift nsgl x&v
%axa ^LyaXsLCiv (oder nccgä ^lyccXsvoi) vo^ii^av bei Athen. IV, p. 148 ^
SS.; X, p. 442b; xi, p. 465« u. p. 479 ^
4. Arkadien: Phisalia. 253
von Zorn und Trauer erfüllt, lange Zeit sich verborgen und den
Menschen ihre Gaben vorenthalten haben soll, bis Pan sie ent-
deckte und dem Zeus ihren Aufenthaltsort anzeigte, der die
Moiren zu ihr sandte, welche sie bewogen diesen ihren düstern
Schmollwinkel zu verlassen. Die Grotte wurde dann von den
Phigaleern als Ileiligthum der Göttin eingerichtet und mit einem
Schnitzbilde versehen, welches dieselbe sitzend in langem Ge-
wände mit einem Pferdekopf und Pferdemähne anstatt mensch-
lichen Hauptes, mit Schlangen und anderem Gethier daran, einen
Delphin in der einen, eine Taube in der anderen Hand haltend,
darstellte. Dieses seltsame Bild war bald nach den Perserkriegen
von Feuer verzehrt und in Folge dessen der Cult der Göttin von
den Phigaleern vernachlässigt worden. Da kam eine schwere
Hungersnoth über das Land und das Delphische Orakel verkün-
dete den es um Rath und Hülfe angehenden Bewohnern, dass
dieselbe nur dann aufhören werde, wenn sie den Zorn der De-
meter durch Wiederherstellung ihres Heiligthums und ihres Cultus
besänftigt haben würden, worauf diese durch den äginetischen
Meister Onatas eine Nachbildung des alten Xoanon in Erz an-
fertigen Hessen. Auch dieses Erzbild war zur Zeit des Pausanias
spurlos verschwunden — wie ein Greis dem Reisenden erzählte,
wären drei Generationen vor seiner Zeit Felsblöcke von der Decke
der Grotte herabgestürzt und hätten es völlig zerstört — aber der
öffentliche sowie Privat- Cultus der Göttin war dadurch nicht be-
einträchtigt: alljährlich brachte eine Priesterin im Verein mit
dem jüngsten Mitgliede des aus drei Bürgern von Phigalia be-
stehenden Collegiums der Hierolhytä auf dem vor dem Eingang
der von einem Eichenhain umgebenen Grotte errichteten Allare
ein aus Obst, Weintrauben, Honigwaben und frischgeschorner
Wolle, worüber Oel ausgegossen wurde, bestehendes Opfer. Und
wie wir öfter, namentlich an Plätzen, wo die Natur selbst das
menschliche Gemülh zur Andacht und ehrfurchtsvollen Sehen vor
(ii'r Gottheit stimmt, eine ununterbrochene Tradition des Giilliis
von der ältesten Zeit bis zur Gegenwart finden, so ist dies auch
hier der Fall: noch heut zu Tage versammeln sich am Feste der
Mutter Gottes die Bewohner des auf einem kleinen Tlicil des
Terrains des alten Phigalia gelegenen Dorfrs Pavlitza und be-
nachbarter Ortschaften unter den hohen Eich bäumen um die
Grotte, deren durch eine kleine Mauer, unter welcher noch jetzt
254 II- Peloponnesos.
die von Pausaiiias cr>viiliiitc Quelle liervorsprudell, verschlossenes
Innere eine ärmliche Capelle der Panagia (Madonna) bildet, um
derselben ihre Verehrung zu bezeugen. ')
Das zweite Ileiliglhuni im Gebiete von Phigalia Mar der
oberhalb der zwei Stunden nordostwärts von der Stadt entlernten
kleinen Ortschaft Bassä auf einem kleinen, an der Nordseile
durcli den Gipfel des Kolilion überragten Hochplateau, welches
eine herrliche Aussicht nach Westen, Süden und Osten hin ge-
währt, 1131 Meter über dem Meere gelegene Tempel des Apollon
Epi kurios, ein mit der P'ront gegen Norden gerichteter dori-
rischer Peripteros hexastylos (mit 6 X 15 Säulen) aus einem
feinen gelblich-weissen Kalkstein, das Dach und der plastische
Schmuck aus Marmor, welcher von dem berühmten attischen
Baumeister Iktinos um den Beginn des Peloponnesischen Krieges
erbaut worden war, noch heut zu Tage eine der schönsten und
best erhaltenen Tempelruinen Griechenlands. Das Innere der
Cella, deren jedenfalls hypäthrales Dach durch eine Doppelreihe
von je fünf durch Wandpfeiler mit den Seitenwänden verbundenen
ionischen Halbsäulen getragen wurde, war mit einem 100 engl.
Fuss langen , 2 Fuss 1 Y2 Zoll hohen, aus 23 Platten zusammen-
gesetzten Fries, wahrscheinlich einem nach attischen Vorbildern
von peloponnesischen Künstlern gearbeiteten Werke, geschmückt,
der im Jahre 1811 durch eine Gesellschaft von Archäologen und
Architekten verschiedener Nationen aus dem Schosse der Erde,
die ihn vor gänzlicher Zerstörung bewahrt hat, wieder ans Tages-
licht gefördert wurde und jetzt im britischen Museum aufbewahrt
ist; auch die Metopen des Hauptfrieses waren mit Sculpturen,
von denen nur wenige Bruchstücke erhalten sind, versehen. Das
zwölf Fuss hohe Erzbild des Gottes war von den Phigaleern nach
der Gründung von Megalepolis als ein Beitrag zum Schmuck der
neugegründeten Stadt geschenkt und dort auf der Agora vor dem
Temenos des Zeus Lykäos aufgestellt worden (s. oben S. 247) ; in dem
Tempel scheint dasselbe (obwohl Pausanias kein Cultbild darin er-
wähnt) durch ein Akrolith (Holzstatue mit Kopf, Händen und Füssen
aus Marmor) ersetzt worden zu sein, da sich im Innern der Cella
^) Paus. c. 42; dazu Beule Etudes sur le Peloponnfese p, 154
Annali Vol. XXXIII, p. 58 ss.
4. Arkadien: Heräilis. 255
Bruchstücke colossalcr Hände und Füsse aus parischem Marmor
gefunden haben. ^)
Oberhalb des Apollontempels stand in einer kh^inen gegen
Süden geöffneten Einsenkung nahe dem höchsten Gipfel des Berges
ein Tempel der Aphrodite, der noch zu Tansanias Zeit, obgleicli
das Dach eingestürzt war, ein Cultbild enthielt; einige Minuten
südwestlich unterhalb des Apollontempels entspringt eine Quelle,
deren Wasser sich nach kurzem Laufe im Boden verhert. ^j
Wie durch das Gebiet der Phigaleer im Südwesten, wird Heräitis.
die Megalepolitis im Nordwesten durch einen selbständigen Canton
begränzt, welcher durch seine die längs des Alpheios hinführende
Hauptstrasse aus Arkadien nach Olympia beherrschende Lage ein
nicht gleichgültiger, durch seine aus Eifersucht auf seine canto-
nale Selbständigkeit entsprungene Feindseligkeit gegen die Be-
strebungen der arkadischen Einheitspartei ein gefährlicher Nachbar
für Megalepolis war: die Heräitis, das Gebiet der nach der
einheimischen Tradition von Heräeus, einem Sohne des Lykaon,
wie ihr alter Name Sologor gos vermuthen lässt vielmehr wohl
von semitischen Ansiedlern aus Kypros, die von der eleischen
Küste aus bis hierher vorgedrungen sein mögen, gegründeten
Stadt Heräa.^) Ihr Gebiet, dessen G ranzen gegen Elis durch
0 Paus. c. 41, 7 f., vgl. c. 30, 3 f. lieber den Tempel s. «"Der
Apollotempel zu Bassä in Arkadien und die daselbst ausgegrabenen Bild-
werke, dargestellt und erläutert durch O. M. Baron von Stackeiberg',
Frankfurt 1826; 'The temple of Apollo Epicurius at Bassae near Phi-
galia and other antiquities in the Peloponnesus, illustrated by Thomas
Leverton Donaldson, Architect', in 'Antiquities of Athens and other
places in Greece, ßicily etc. Vol. IV ' (London 1830); Expe'dition de Mo-
rde Vol. II, pl. 4—30; Ivanoff in den Annali Vol. XXXVIt (1865) p. 29 ss.
*) Paus. c. 41, 10, wo die Worte Kaztkov filv inUlrjOLv, 'AcpQtrSLtri
8b Icxiv iv KoaxiXa} jedenfalls, wie auch Scliubart annimmt, verderbt und
vielleicht so zu verbessern sind: "Egxi, 8s VTthg to lsqov xov 'AnoXXcovog
xov 'EniytovQLOv Kaxilco {KcazCXca die besten codd.) ßtv lniv.lriai,v,
'AcpQodixrj 8s tGXLV j] KcuxlIcu (iv KcoxlXo) codd.). Uebcr die Keste des
Tempels s. Koss Keisen im l*clop. S. 100 f.
') Paus. c. 26, 1; Steph. I3yz. w/'Hqcliu: hitztorcr f^iobt den deutlich
an die Kyprischen Ortsnamen EoXol und VoXyot erinnernden Namen
ZoXoyoQyoq. Vermutlilidi w.n di'' St.nlt, ursprünj^^lifli tinc l'llan/.stiltto
de» Cultus der kyprischen Aj»luodile, welche Göttin uucli der Holleni-
sirung der Bevölkerung mit der hellenischen Hera identiticirt und dar
256 n. Pcloponncsos.
den Lauf zweier Seitciiflüssc des Alpheios, des von Norden her
von dem gleichnamigen Gebirge kommenden Erymanthos^)
(jetzt Doana) und des von Süden her einströmenden Diagon (vgl.
oben S. 233), gegen die Megalepolitis durch die Quellen des von
Nordosten dem Alpheios zufliessenden Baches IJuphagos,^) im
Norden gegen die Thelpusia durch die Tuthoa, einen \vest-
lichen Nehenfluss des Ladon^) bezeichnet waren, wird ausser dem
Alpheios von einem zweiten, an Länge des Laufes demselben fast
ebenbürtigen, an Wasserreichthum ihm überlegenen Flusse durch-
strömt, dem Ladon (vgl. oben S. 186), der 15 Stadien westlich
von der Stadt Ileräa von Norden her in den Alpheios einmündet;
unmittelbar vor der Einmündung theilt er sich in mehrere Arme,
welche ein flaches, mit Platanen bewachsenes Delta, die Raben-
insel {KoQccKcov väöog) der Alten,'*) umschliessen.
Der beste Theil des Gebiets ist die fruchtbare, für Wein- ■'^)
nach die Stadt in "llQccia umgetauft wurde. ^ 'IlQautKS %(OQa Paus.
V, 7, 1.
^) Paus. c. 26, 3, nach welchem die Arkader den Erymanthos, die
Eleer dagegen den Grabhügel des KoriJbos, des Siegers im Wettlauf bei
der ersten gezählten Olympienfeier , als Gränze bezeichneten: da nun die
Eleer gewiss nicht zu ihrem Schaden die Gränze regulirt haben werden,
so kann, wie schon Curtius (Pelop. I, S. 367) u. Vischer (Erinnerungen
S, 462 f.) richtig bemerkt haben, jener Grabhügel nicht auf dem rechten
Ufer des Erymanthos, wo sich allerdings ein stattlicher, im December 1845
durch den Architekten Schaubert auf Kosten der preussischen Regierung
theilweise geöffneter Tumulus befindet (vgl. Ross Reisen im Pelop. S. 107
u. Wanderungen in Griechenland I, S. 192 ff.), sondern nur in einiger
Entfernung vom linken Ufer des Flusses gesucht werden.
2) Paus. V, 7, 1; VIII, 26, 8; 27, 17.
^) Paus. c. 25, 12; das von den Arkadern so genannte UsSlov ist
offenbar das zwischen der Tuthoa und einem weiter südlich fliessenden
Bache über dem linken Ufer des Ladon aufsteigende, von zwei kleinen
Schluchten durchschnittene Plateau, in dessen nördlichstem Theile jetzt
das Dörfchen Vlächi liegt.
*) Paus. c. 25, 12 f.; vgl.' Leake Morea II, p. 90; Ross Reisen im
Pel. S. 107; Curtius Pel. I, S. 369, die nur von zwei Armen des Flusses
sprechen, während Vischer (Erinnerungen S. 462), offenbar in Folge einer
Veränderung des Flussbettes, drei Arme vorfand.
^) Von dem Wein von Heräa, wo noch jetzt ein trefflicher starker
Rothweiu gebaut wird, glaubte man im Alterthum, dass er die Männer
rasend, die Frauen fruchtbar mache: s. Theophrast. Hist. plant. IX, 18,
10, welche Stelle von den älteren Herausgebern aus Athen. I, p. 31 f.,
4. Arkadien: Heraitis. 257
und Getreidebau gleich gut geeignete Ebene, welche sich am
rechten Ufer des Alpheios hinzieht; in dieser lag auch auf einem
gegen den Fluss allmalig abfallenden, im Osten und Westen von
einer unbedeutenden Schlucht begränzten Hügel (südwestlich von
den jetzigen Dörfern Hagios loannis und Anembduri) die Stadt
Heräa, von welcher noch ziemlich ausgedehnte, aber unansehn-
liche Ueberreste vorhanden sind. Zeugniss für ihre politische
Bedeutung in der älteren Zeit giebt eine etwa um Ol. 50 abge-
fasste Urkunde (C. I. gr. n. 11), welche einen Bundesvertrag
auf 100 Jahre zwischen den Eleern(/ßAfrot)undrieräern('H^/«oro6)
enthält. Die Stadt selbst hatte damals und lange nachher noch
bei weitem nicht den Umfang, von welchem noch die Buinen
jetzt Zeugniss geben, sondern war jedenfalls auf die obere Fläche
des Hügels, die spätere Oberstadt, beschränkt, indem der grösste
Theil der Bevölkerung in Dörfern oder auf einzelnen Landgütern
wohnte; erst um die Zeit der Gründung von Megalepolis wurde
durch die Spartaner, offenbar um den Bestrebungen der arkadi-
schen Einheitspartei ein Paroli zu biegen, ein Synoikismos ver-
anstaltet, wodurch die Bewohner von neun ländlichen Orlschaften
der Heraitis nach der jedenfalls in Folge dessen belrächllich
erweiterten und neu befestigten Stadt übersiedelten.^) Diese trat
später dem achäischen Bunde bei, übergab sich im Jahre 224
V. Chr. dem Antigonos Doson, gerieth dann für einige Zeit in
die Hände der Aetoler und wurde endlich nach mehrfachem Be-
Aelian. Var. hist. XIII, G u. Plin. N. h. XIV, 18, 116 richtig hergestellt
worden ist.
*) Strabon. VIII, p. 337, nach welchem der Synoikismos durch
Klcombrotos (König von Sparta 380 — 371) oder durch Kleomenes (so
richtig Böckh C. I. gr. I, p. 27 für KXscovv^ov der Codd.; gemeint ist
Kleomenes II., Kimig von 370—309) geschah: vgl. Curtius Pel. I, S. 394.
Der von Xenoph. Hell. VI, 5, 22 erwähnte Einfall des arkadischen Bun-
desheeres ins Gebiet von IlerUa (369 v. Chr.) hat wahrscheinlich kurz
vor dem Synoikismos stattgefunden, da Xenophon nur vom Anzünden
der Häuser und Abhauen der Häume,'aber von keinem Angriff auf die
Stadt spricht. Auf die Stadt vor dem Synoikismos, die jedenfalls im
Wesentlichen nur ein befestigter Zufluchtsort für die Bewohner der Land-
gemeinden war, glaube ich auch, trotz des "Widerspruchs von Curtius
Tel. I, 8. 346, die Erwähnung von llcril.i als cinos latQiov oxvqov boi
Diodor. XV, 40 beziehen zu müssen.
258
II. Peloponnesos.
Sitzeswechsel durcli die Römer im Jahre 196 v. Chr. definitiv den
Achäern zurückgegchenJ)
Durch diese mannichfacheii Wechselfälle hatte die Stadt
olfeiibar schwer gelitten, aber in den friedlichen Zeiten der beiden
ersten Jahrhunderte unserer Zeitrechnung sich einigermassen
wieder erholt, so dass sie noch Pausanias in leidlichem Zustande
vorfand. Zwar von dem alten, offenbar in der Oberstadt gele-
genen Ilaupttempel, dem der Hera, waren nur noch die Säulen
und andere Trümmer vorhanden, aber zwei Tempel des Dionysos,
in welchen der Gott unter den Beinamen Polites und Auxites
verehrt wurde, ein Gebäude zur Feier der Orgien des Dionysos
und ein Tempel des Fan standen noch aufrecht und längs des
Alpheios zogen sich von Myrthengebüsch und Bäumen eingefasste
Promenaden mit Anlagen zu Bädern hin. ^)
Den Verkehr der Stadt mit der Gegend südlich vom Alpheios
vermittelte eine jetzt nicht mehr nachweisbare Brücke über diesen
Fluss, über welche die Strasse nach Aliphera gieng.^) Die wich-
tigsten Verkehrsstrassen aber waren die westwärts über den gewiss
ebenfalls überbrückten Ladon nach Olympia, und die in südöst-
licher Richtung nach Megalepolis führende; an letzterer lag un-
gefähr zw ei Stunden von Heräa in einer waldigen und wasserreichen
Gegend die zu Pausanias Zeit verlassene alte Ortschaft Melä-
neä, welcher einige Ruinen von Bädern und dergleichen in der
Nähe des Dorfes Kakuraika anzugehören scheinen, und 40
Stadien weiter hart an der Gränze der Megalepolitis, bei dem
jetzigen Dorfe Trypäs, die Ortschaft Buphagion.'*)
Nördlich von der Heräitis erstreckte sich zwischen Elis
im Westen, der Psophidia (gegen welche die Gränze zu Pausanias
1) Polyb. II, 54; XVIII, 25; 30; Liv. XXVIII, 8; XXXIT, 5;
XXXIII, 34.
2) Paus. c. 26, 1 f. Dass Strab. VIII, p. 388 Heräa unter die Städte
rechnet, 'welche entweder gar nicht mehr vorhanden oder von denen
kaum noch Spuren und Wahrzeichen sichtbar sind', ist offenbar eine
aus mangelnder Autopsie entsprungene Uebertreibung. Dass auch der
Alpheios ein Heiligthum in der Stadt hatte, ist aus Aelian. Var. bist. II,
33 zu schliessen.
3) Polyb. IV, 77 f.
4) Paus. c. 26, 8, vgl. c. 3, 3 u. V, 7, 1; Plin. N. h. IV, 6, 20;
Steph. Byz. u. MBlaivai] Pouillon-Boblaj^e Recherches p. 159; Curtius
Pelop. I, S. 356 f.
4. Arkadien: Thelpusia. 259
Zeit durch eine südlich vom Eichvvahl Aphiodision, wahrscheinlich Theipusia.
auf dem Rücken des jetzt nach dem heil. Petros benannten Ge-
birges aufgestellte Stele mit alterthümlicher Inschrift bezeichnet
war) im Norden, der Kleitoria und Megalepolitis im Osten die
Thelpusia oder Telphusia,^) ein durchaus gebirgiger, aber
von mehreren bedeutenden Wasseradern — dem Ladon, einem
von den Alten Arsen genannten, vom Aphrodisionwalde herkom-
menden nordwestlichen Nebentlusse desselben, und dem Ery-
manthos — durchzogener Canton, dessen Hauptort, Thelpusa
oder Telphusa, an und auf einer von zwei kleinen Bächen im
Norden und Süden umflossenen Anhöhe über dem linken Ufer
des Ladon (etwas nordwestlich von dem jetzigen Dörfchen Vanäna)
lag. Die schon zu Pausauias Zeit zum grössten Theil verödete
Stadt, von der jetzt nur noch einige Spuren der Ringmauer,
Säulenstücke und Trümmer eines grossen Wasserbassins, sowie
eines wahrscheinlich zu Badeanlagen bestimmten Backsteinge-
bäudes mit gewölbter Decke übrig sind, verdankte ihren Namen
imd wohl auch ihre Entstehung einer nach dem Ladon abflies-
senden Quelle, deren wahrscheinlich als heilkräftig geltendes
Wasser zur Errichtung eines Tempels des Asklepios, mit wel-
chem, wie so häufig, eine Curanstalt verbunden sein mochte,
Veranlassung gab. 2)
Südlich von der Stadt standen auf einem Onkeion genannten
Platze am linken Ufer des Ladon, angeblich der Stätte einer
alten Stadt Onkä, Ileiligthümer der Demeter Erinnys und,
etwas weiter stromabwärts, des Apollon Onkäatas, letzterem gegen-
über auf dem rechten Flussufer ein Ileiligthum des Asklepios als
Knabe mit dem Grabmale seiner angeblichen Amme Trygon. ^)
*) Der Name lautet Gslnovoa, ©sXnovaia bei Paus. c. 26, 1 ff. und ,
auf Münzen (©EA); Sdlnovaa bei Steph. Byz. u. d.W.; ©ugnovacc bei
Hierocl. Synecd. 10 (p. 392, 13 ed. Bekk.); TäXtpovaa, TsXipovaCu bei
Polyb. II, 54; IV, 60; 73; 77; Diod. XVI, 39; Lycophr. Alex. 1040; Steph.
Byz. u. d. W.; Hesych. u s Aovaia. Der Name ist, da er ursprüng-
lich eine Quelle bezeichnete (Paus. c. 25, 2), wohl von Q-dlnoo herzuleiten.
*) Paus. c. 25, 2 f., der ausser dem Tempel des Asklepios nur noch
ein verfallenes Ileiligthum der 12 Götter und die zu seiner Zeit am Ende
der Stadt gelegene Agora erwähnt. Ueber die Ruinen s. Ross Reisen im
Pel. 8. 111 f.; Leake Moroa II, p. 97 ss.
») Paus. c. 25, 4 ff,; vgl. Etym. M. p. 613, 42; Steph. Byz. u. "Oy
nsiov, Lycophr. AI. 1225 c. schol. Die Uebcrcinstimmung der Namcu
260 II. Poloponnesos.
Flussaufwärts vo^i Thclpusa, an der Gränzc gegen die Kleitoria,
lag ein Ileiligtliiim der Demeter Eleusinia mit sieben Fiiss hohen
Steinbildern der Demeter, der Kora und des Dionysos; ferner
40 Stadien nördlich von der Stadt, 25 Stadien südlich von der
Stelle, wo die durch den Aphrodisionwald kommende Strasse von
Psophis her den Arsenbach in seinem obersten Laufe über-
schritt, an dieser Strasse zwischen den Trümmern einer Kome
Iva US ein Heiligthum des Asklepios Kausios. ^) Endlich eine
Stunde westwärts von Thelpusa, wo sich in betrachtlicher Höhe
über dem rechten Ufer des Arsen zwischen den Dörfern Rhachäs
und Stavri Reste einer alten Ortschaft finden, lag wahrschein-
lich Stratos, ein befestigter Ort, welcher während des Bundes-
genossenkrieges von den Eleern occupirt, im Jahre 218 durch
Philipp V. von Makedonien den Thelpusiern zurückgegeben wurde. 2)
Die über Thelpusa und Kaus führende Strasse von Heräa
nach Psophis und Klcitor durchschnitt gleich jenseits der Gränze
psorhidia. (]ßp Thelpusia den schon mehrfach erwähnten, bereits zur Pso-
phidia, dem nordwestlichsten Canton Arkadiens, gehörigen Eich-
wald Aphrodision, der sich am nördlichen Abhänge des h.
Petrosgebirges hinzog, und stieg dann über Tropäa, einen Platz,
der seinen Namen jedenfalls einem siegreichen Kampfe der Pso-
phidier gegen einen Feind, der in ihr Gebiet eingedrungen war,
verdankte,^} in das Thal des Erymanthos hinab, über dessen
rechtem Ufer, gerade in dem Winkel, welcher durch die Ein-
mündung eines von Norden her kommenden Giessbaches, des
Aroanios, gebildet wird, auf einem langgestreckten Hügel die
Stadt Psophis, durch Natur und Kunst eine der festesten Städte
'OyyiaL und TikcpovGa mit denen böotischer Oertlichkeiten (vgl. Bd. I,
S. 227 u. S: 234) lässt auf alten Zusammenhang der Bewohner der Thel-
pusia mit denen des innern Böotiens schliessen.
^) Paus. c. 25, 1 ; Steph. Byz. u. Kaovg.
2) Polyb. IV, 73 (auch c. 60 ist jedenfalls für Fogyov oder ToQxvvav
ZxQiixov herzustellen) ; vgl. Curtius Pel. I, S. 373. Die Identität des
Ortes mit dem homerischen Ztgutir] (II. B, 606; vgl. Strab. VIII, p. 388;
Paus. c. 25, 12; Steph. u. ETQaxCcc) ist ganz unsicher.
^) Paus. c. 25, 1. Dem Waldreichthum seines Gebietes verdankte
Psophis offenbar den Namen ^T^yfior, welchen es nach Paus, c, 24, 2:_u.
Steph. Byz. u. ^riybia. in der ältesten Zeit geführt haben soll. Auf dem
felsigen Boden in der Nähe der Stadt wuchs das Heilkraut nccva-nsLa in
besonderer Fülle und Trefflichkeit; Theophr. Hist. pl. IX, 15, 7.
4. Arkadien: Psophidia. 261
Arkadiens, sich ausbreitete. Der Rücken des Hügels erscheint
als ein von Süden schroff aufsteigender zackiger Felskamm, von
dem sich im Nordosten und Südwesten mehrere Ausläufer gegen
den Erymanthos und den Aroanios hinziehen; der nordöstlichste
dieser Ausläufer, die höchste und schroffste Partie des ganzen
Terrains, bildete wahrscheinlich die Akropolis der alten Stadt.
Die aus ziemlich regelmässigen Steinen erbaute, durch Thürme
von meist viereckter Grundform (nur an der Südwestecke be-
merkte ich die Reste eines Rundthurmes) geschützte Stadtmauer,
die noch in ihrer ganzen Ausdehnung zu verfolgen, wenn auch
nur an wenigen Stellen in beträchtlicher Höhe erhalten ist, zog
sich an der Nordseite des felsigen Kammes hin, stieg dann auf
den höchsten Gipfel, auf welchem man die Ruinen eines mittel-
alterlichen Thurmes und zahlreicher moderner Häuser bemerkt,
hinan, von hier, sowie an der Westseite, wo sie ungefähr dem
Rette des Aroanios parallel gieng, nach dem rechten Ufer des
Erymanthos hinab, auf welchem sie in geringer Höhe über dem
Flusse hinlief. Innerhalb der Stadtmauer bemerkt man am west-
lichen Abhänge des südwestlichen Ausläufers des Hügels die gegen
Westen geöffnete Cavea eines kleinen Theaters, von der noch
einige sehr zerstörte Sitzstufen umherliegen, weiter östlich die
Fundamente mehrerer antiker Gebäude von verschiedenen Dimen-
sionen; nahe dem Ufer des Erymanthos den Unterbau eines
Tempels nebst Grundmauern der Cella von bedeutender Grösse
(wahrscheinlich des Tempels des Erymanthos, in welchem noch
Pausanias eine Statue dieses Flussgoltes aus w eissem Marmor sah) ;
endlich in der Kirche und im Hofe des jetzt aufgehobenen und
als Domäne verpachteten Klosters des hagios Pateras, welches im
östlicheren Theile des alten Stadtgebietes steht, einige nur an
der unteren Hälfte des Schaftes canelirte dorische Säulen nebst
zahlreichen Fragmenten solcher, mehreren dorischen und ioni-
schen Säulencapitälen und einer Anzahl antiker Werkstücke, wahr-
scheinlich Ueberreste des Hauplheiliglhums der Stadt, des Tempels
der Aphrodite Erykine, der schon zu Pausanias Zeit in Trümmern
lug, wie auch die Heroa des Promachos und des Echephron, der
Söhne des Herakies von der Nymphe Psophis, bereits verschwun-
den waren. Ausserhalb der alten Sladtmauer, zunächst dem Ver-
(^inigungspunkte des Aroanios und Krymanthos, steht jetzt eine
stattliche Eiche mit einem Madonnenbilde, daneben liegen die
IiUIISIA,N, OEOOR. II. 19
262 II. I^eloponiiesos.
Trümmer einer auf antiken Fundamenten und aus antiken Werk-
stücken erbauten Capelle, welche wahrscheinlich an die Stelle
des Grabmals des Alkmäon, eines kleinen und schmucklosen Ge-
bäudes, das zu Tansanias Zeit von mächtigen Cypressen beschattet
wurde, getreten ist. ^)
Psophis hatte ausser seiner militärischen Bedeutung, die
besonders im Bundesgenossenkriege hervortrat, wo es von den
Eleern und Aetolern besetzt war, von Philipp V. aber im Sturm
genommen und den Achäern übergeben wurde (im Jahre 219
V. Chr.), auch grosse Wichtigkeit als Knotenpunkt mehrerer grosser
Verkehrsstrassen. Ausser der schon geschilderten Strasse nach
Thelpusa und Heräa (und Olympia), welche den Erymanthos,
wahrscheinlich an derselben Stelle wie der jetzige Beitweg, etwa
400 Fuss oberhalb der Einmündung des Aroanios, auf einer
Brücke überschritt, beherrschte die Stadt nicht nur die Strasse nach
Kleitor und Pheneos, welche am rechten Ufer des Erymanthos
aufwärts, dann, nachdem sie diesen an der Stelle, wo er seine
nord-südliche Richtung in eine südöstliche verwandelt, über-
schritten hat, am rechten Ufer eines Nebenflusses desselben (jetzt
Fluss von Sopoto genannt) hin und über den steilen Tartariberg
in das Thal von Kleitor führt, sondern auch die Strasse nach
Kaphyä und Orchomenos. Diese letztere zweigt sich von der
Strasse nach Thelpusa bald nachdem dieselbe die Erymanthos-
brücke überschritten hat in südöstlicher Richtung ab und folgt
dem rechten Ufer eines Baches (jetzt Bach von Liopesi, auch
Bach von Skupi genannt), der etwa 300 Fuss unterhalb der Ein-
mündung des Aroanios sich in den Erymanthos ergiesst. ^) Auf
dieser Strasse kam man 30 Stadien von Psophis an einen Seirä
genannten Platz, welcher die Gränze der Psophidia gegen den
Kieitoria. grösscreu Nachbarkautou, die Kleitoria, bildete, bald darauf
1) Polyb. IV, 70 ff.; Paus. c. 24; Ptol. III, 16, 19; Stepli. Byz. u.
WcocpLs; Plin. N. h. IV, 6, 20; Pomp. Mela II, 43. Vgl. die, freilich
nicht ganz genaue, Planskizze bei Leake Morea II, pl. 1, wiederholt bei
Curtius Pel. I, Tfl, VIII; dazu auch Th. Wyse An excursion in the
Peloponnesus IT, p. 159 ss.
2) Dieser Vereinigung von drei Flüssen verdankt die Gegend ihren
jetzigen Namen Tginozcc^o , mit welchem speciell ein nahe dem rechten
Ufer des Baches von Liopesi stehender, zu dem etwa ^4 Stunden weiter
westlich gelegenen Dorfe Mostinitza gehöriger Khan bezeichnet wird.
4, Arkadien: Kleiloria. 263
zu einer Ortschaft Paoii oder Paon, die in alten Zeiten eine
nicht unbedeutende Stadt, später eine blosse Korne von Rleitor
war und zu Tansanias Zeit bereits im Trümmern lag. ^) Gleich
darauf führte die Strasse durch den wildreichen Wald Soron,
sodann über die Ortschaften Skotane, Lykunta und Argeathä
(zu Pausanias Zeit jedenfalls blosse wüste Marken) an den Ladon,
den sie wahrscheinlich an derselben Stelle, wo noch jetzt eine
Brücke sich befindet (bei einem Khan unterhalb der Kalybien von
Philia) überschritt, um dann am Tragosbache (s. oben S. 206)
aufwärts in die Ebene von Kaphyä zu gelangen.^)
Eine grössere Wassermenge als der Tragos führt dem Ladon
der ungefähr eine halbe Stunde weiter östlich von Norden her
einmündende fischreiche Bach von Sudena zu, der von den Alten
nach dem Aroaniagebirge, an dem er entspringt, Aroanios
genannt wurde. Zwei Stunden oberhalb seiner Einmündung in
den Ladon dehnt sich von seinem rechten Ufer gegen Westen
eine zwei Stunden lange, durchschnittlich kaum eine halbe Stunde
breite Ebene mit fruchtbarem Ackerland aus, von einem kleinen
in den Aroanios mündenden Bache durchflössen, welcher ebenso
wie die an seinem linken Ufer, etwas über eine halbe Stunde
westlich vom Aroanios gelegene Stadt den Namen Kleitor führte,
der jetzt in der Vulgarform Klituras auf ein IV2 Stunde weiter
westlich am östlichen Abhang des Tartariberges gelegenes Dörf-
chen übergegangen ist. Auf der jetzt Paläopolis genannten Stätte
der alten Stadt finden sich noch zwischen den Feldern Beste der
alten Stadtmauer, besonders von der West- und Südwestseite,
an welcher auf einem niedrigen Hügel die mit 15 Fuss starken,
durch Bundthürme vertheidigten Mauern umgebene Akropolis lag.
^) Paus. c. 23, 9; Herod. VI, 127. Die Beziehung der nordöstlich
vom Dorfe Besini oberhalb des rechten Flussufers gelegenen nicht unbe-
deutenden Ruinen einer alten Stadt auf Paon (Französ. Karte Bl. 7;
Pouillon-Boblaye Recherches p. 157) scheint mir wegen der Entfernung
dieses Platzes von Psophis (3 Stunden) unwahrscheinlich.
*) Paus. c. 23, 8. Zoqchv ist wahrscheinlich arkadische Form für
ZccQcov: vgl. Hesych. aogcovi'g' iXdrr) nuXctCUy u. ders. aagavidsg' — at
did naXaiOTTjta v,£%rivvtai ÖQVsg. Bei den Kalybien von Philia mag
eine der Ortschaften zu suchen sein, an welchen nach Paus. c. 26, 2 der
Ladon bei scinein Laufe innerhalb der Kleitoria von seinen Quellen an
bis zur Gränze der Thclpusia voriiberflosg: Asv>idoi.ov, Msaoßoa, Näaot,
"Oqv^. '/tXovg und f)(xliudaL: vgl. Lenke Peloponnosinca j). 228.
18 "-^^
264 H. Peloponnesos.
Am Weslabliang dieses Hügels erkennt man noch innerhalb der
Ringmauer die Form der gegen Westen geöffneten Cavea eines
kleinen Theaters. Nördlich und östlich unterhalb des Hügels sind
zahlreiche Säulenreste und sonstige Bautrümmer in den Feldern
zerstreut, die bedeutendsten (darunter ein dorisches Capital^
mehrere Troncs canelirter Säulen und Architravstücke) am wei-
testen östlich unter einer mächtigen Eiche, wo früher eine Ca-
pelle der Panagia stand, vielleicht an der Stelle des Heiligthums
der Eileithyia, welches Pausanias mit den Heiligthümern der
Demeter und des Asklepios zu den stattlichsten Bauwerken der
alten Stadt rechnet. Die westlich ausserhalb der Stadtmauer ge-
legenen Fundamente eines grossen Gebäudes mit Säulenrestcn
gehören wahrscheinlich dem Heiligthume der Dioskuren, die hier
unter dem Namen der ^grossen Götter' verehrt wurden, an. Dreissig
Stadien von der Stadt, wahrscheinlich nordwärts, lag auf einem
Berggipfel ein Heiligthum der Athene Koria.')
Die Stadt, deren Bürger Polybius (II, 55) als tapfer und
freiheitsliebend rühmt, nahm wahrscheinlich frühzeitig eine x\rt
vorörtlicher Stellung unter den azanischen Ortschaften (vgl.
oben S. 189, Anm. 1) ein und benutzte diese Stellung
dazu , allmälig die schwächeren Nachbarstädte zu unterwerfen
und so ihr Gebiet gegen Süden bis über den Ladon, gegen
Norden bis zum Aroaniagebirge auszudehnen. Durch diese
Gebietserweiterungen kam sie wohl in Conflict mit dem
die gleiche Tendenz verfolgenden Orchomenos, gegen welches
*) Paus. c. 21; vgl. die Pläne bei Leake Morea 11, p. 258 ii. Lebas
Voyage arche'ologique en Grece etc., Itine'rairo pl. 34 (wiederholt bei
Curtius Pel, I, Tfl. VIII) u. die Ansicht bei Dodwell Views pl. 64, dazu
Vischer Erinnerungen S. 478 f., mit dessen Schilderung meine eigenen
Aufzeichnungen ganz übereinstimmen. Ein hübsches ionisches Capital
und zwei canelirte Säulentroncs von verschiedenem Durchmesser, die ich
in dem Vg Stunde östlich von der Paläopolis am Aroanios gelegenen Dorfe
Mazeika Kalybia neben der neuerbauten Kirche fend, sind wahrschein-
lich aus der Paläopolis dorthin verschleppt worden; doch erwähnt Dodwell
(Class. u. topogr. Reise II, 2, S. 334) nicht weit von dem Dorfe Ueber-
reste eines kleinen Tempels von dorischer Ordnung. Der Name KXeCxcoq
(auf Münzen auch KXvtcoq, bei Grammatikern ÄhTOQiov) bezeichnet wohl
die rings von Bergen umschlossene Ebene. Die singenden Fische, die
nach dem Gewährsmanne des Pausanias im Aroanios leben sollten, ver-
setzt Mnaseas bei Athen. VIII, p. 331'' in den Fluss Klcitor.
4. Arkadien: Kleitoria. 265
sie im Jahre 378 v. Chr. mit Söldnertruppen Krieg führte. ') Im
Gegensatz zu dieser Stadt und in Uebereinstimmung mit Manti-
iieia und Tegea förderte sie die arkadischen Einheitsbestrehungen :
zwei ihrer Bürger, Kleoiaos und Akriphios, gehörten zu der von den
Vrkadern für die Gründung von Megalepolis erwählten Commission.^)
Als Mitglied des achäischen Bundes, dem sie sich wahrscheinlich
gleichzeitig mit Megalepolis (um das Jahr 235) angeschlossen hatte,
leistete sie im Jahre 220 den Aetolern tapferen Widerstand ; in
ihren Mauern tagte im Jahre 184 die achäischc Landsgemeinde, bei
welcher eine römische Gesandtschaft unter Führung des Appius
Claudius erschien.^)
Geht man aus der Ebene von Kleitor am Aroanios aufwärts,
so gelangt man nach 2 7^ Stunden in eine gegen Norden durch
(las Veliagebirge (s. oben S. 183) abgeschlossene Ebene, die sich
gegen Südwesten in einem gegen eine deutsche Meile langen
schmalen Thale fortsetzt. Im nördlicheren Theile dieses Thaies
sammeln sich die von den es umschliessenden Bergen herab-
kommenden Gewässer und bilden, da einige Katabothren am
Fusse des westlichen und östlichen Gebirges ihnen keinen aus-
i'oichenden Abfluss gewähren, einen langen, schmalen See, der
im Alterthum in Folge besserer Begulirung der Gewässer nicht
vorhanden gewesen zu sein scheint. '*) In der obern Ebene,
die jetzt zu dem Dorfe Sudena gehört, lag Lusoi, noch Ol.
58, 3 eine selbständige Stadt der Azanen, später eine Kome
der Kleitorier, die bloss noch sacrale Bedeutung hatte
durch den alten, mit Asylrecht begabten Tempel der ^milden'
Artemis {'H^SQa oder 'H^EQaöCa), der von einem Ilaine um-
geben war," in welchem heilige Thiere der Göttin (hauptsäch-
^) Xen. Hell. V, 4, 36 f. Eine colossale Erzstatue des Zeus hatten
die Kleitorier als Wcilige.sclienk von der Beute aus vielen eroberten
Städten nach Olympia geweiht: Paus. V, 23, 7.
2) Paus. c. 27, 2.
■•) l»olyb. IV, 18 f.j XXUI, 5; Liv. XXXIX, 35. — Die Angabe über
«Iru Verfall der Stadt bei Strab. VIII, p. 388 ist jedenfalls stark über-
trieben.
*) Allerdings spriclit l'lin. N. h. XXXI, 2, IG von einem Clitorius
lacus, allein die Berufung auf Eudoxos und die Vcrgleichung der von
Stcph. JJyz. u, ^A^avia erlialtcnon Worte desselben beweist, dasa darunter
'• Quelle hei Lusoi (s. u.) zu verstehen ist.
266 11. Peloponnesos.
lieh wohl Hirsche und Rehe) gehegt wurden. Innerhalh dieses
Haines strömte aus einer Grotte eine Quelle hervor, an welcher
einst Melampus die von Wahnsinn erfassten Töchter des Proitos
gereinigt und geheilt haben sollte ; nach einem allgemein ver-
breiteten, durch eine an der Quelle selbst angebrachte Inschrift
bestätigten Glauben flösste das Wasser dieser Quelle denen, die
es tranken, eine unüberwindliche Abneigung gegen den Genuss
des Weines ein. Auch fabelte man von Mäusen, die in dieser
Quelle leben sollten. Der Tempel, welcher im Bundesgenossen-
kriege von einem ätolischen Heerhaufen unter Führung des
Timäos geplündert wurde, lag wahrscheinlich am nordöstlichen
Rande der Ebene unmittelbar unterhalb des Aroaniagebirges, wo
man noch Spuren einer alten Tempelcella bemerkt hat; auf dem
Gebirge, am Wege von Lusoi nach Nonakris, zeigte man noch
zur Zeit des Pausanias, der von der Ortschaft Lusoi nicht einmal
Trümmer mehr vorfand, die Grotte, in welche die Töchter des
Proitos in ihrem Wahnsinn sich geflüchtet haben sollten. ^)
Kynätheis. Am nördlichen Fusse des Veliagebirges erstreckt sich von
Westen nach Osten eine etwa V/.^ Stunden lange fruchtbare Ebene,
die von einem in der Kleitoria entspringenden , durch einen Spalt
zwischen dem westlichen Ende der Aroania- und dem östlichen
der Erymanthoskette in die Ebene eintretenden Flusse durch-
strömt wird, der von den Alten Erasinos,^) jetzt nach dem am
östlichen Ende der Ebene anmuthig zwischen Gärten gelegenen,
von den Ruinen einer fränkischen Burg überragten Städtchen
Kalavryta (d. i. Schönbrunn) der Fluss von Kalavryta genannt
wird. Die Ebene und die Abhänge der sie umschliessenden Ge-
birge bildeten das Gebiet der Kynätheis oder Kynäthaeis,
eines arkadischen Völkchens, das theils durch den Einfluss des
rauhen Klimas, theils in Folge seiner aus einem übermässigen
ünabhängigkeitstriebe entsprungenen Absonderung von seinen
Stammgenossen verwildert und durch lange und blutige Partei-
») Paus. c. 18, 7 f.; Polyb. IV, 18 f.; IX, 34; (Aristot.) Mir. ausc.
125; Sotion de fluviis etc. 12 u. 24 (Westermann IlaQaSo^oyQcccpoi p.
184 u. 186); Vitruv. VIII, 3, 21; Callimach. H. in Dian. 235 f.; Steph.
Byz. II. Aovgol: über die Tempelreste Dodwell Class. u. topogr. Reise II, 2,
S.339. In der Umgegend wuchs besonders Schierling: Theophr. Hist. pl.JX,
15,8 (wo Aovaa statt 2;'ou(7a mit den älteren Herausgebern zu schreiben ist).
2) Strab. VIII, p. 371.
5. Elis. 267
kämpfe, die das kleine, von einer Behörde, deren Mitglieder den
Titel Polemarchen führten, regierte Gemeinwesen zerrütteten, bei
den übrigen Arkadern in den Ruf der äussersten Rohheit und
Gottlosigkeit gekommen war, so dass, als es einst eine Gesandt-
schaft nach Sparta abschickte, die Abgesandten aus allen arka-
dischen Städten, die sie auf der Reise berührten, ausgewiesen
wurden und die Mantineer es sogar für nothwendig erachteten,
ihre Stadt und ihr Gebiet nach dem Abzug der Gesandten durch
Suhnopfer zu reinigen — ein Hass, der schwerlich bloss auf
sittliche, sondern hauptsächlich wohl auf politische Motive zurück-
zuführen ist. Die Stadt Kynätha, welche wahrscheinlich an
der Stelle von Ralavryta lag (doch sind noch keine sicheren
Spuren derselben gefunden worden) , wurde im Jahre 220 v. Chr.,
nachdem sie sich einige Zeit vorher den Achäern angeschlossen
hatte, von den Aetolern durch Verrath eingenommen, geplündert,
in Brand gesteckt und nachdem sie sie vergeblich den Eleern
angeboten hatten, besetzt gehallen; ein Versuch des Aratos, sie
zu entsetzen, schlug fehl und brachte nur den in der Stadt
zurückgebliebenen Anhängern der achäischen Partei Verderben.
Nach dem Ende des Bundesgenossenkrieges scheint sich die Stadt
allmälig wieder erholt zu haben und später von Hadrian unter-
stützt w orden zu sein , da Pausanias auf der Agora ausser Götter-
altären eine Statue dieses Kaisers sah; ausserdem erwähnt er ein
Heiligthum des Dionysos und eine zwei Stadien von der Stadt
unter einer Platane aufsprudelnde Quelle, welche Alyssos ge-
nannt wurde, weil ihr Wasser als heilkräftig für den Biss toller
Hunde galt.^)
5. Elis.
Die gegen Osten ihrer ganzen Länge nach von Arkadien, im
Süden und Norden von schmalen Stücken messenischen und
achäischen Gebietes begränzte, gegen Westen dem ionischen
«) Polyb. IV, c. 10—21; IX, 17; 38; Strab. VIII, p. 388; Paus. c. 19;
Steph. Byz. u. Kvvai^a. Für Zeuscult in der Stadt spricht der Beiname
dcB Zeus Kvvai&svg (Lycophr. Alex. 400 c. schol.) und der von den Ky-
nathern in Olympia geweihte Zeuscoloss (Paus. V, 22, 1). Ueber die
Quelle vgl. Dodwell Class. u. topogr. Reise 11, 2, 8. 345 f.
268 n. Peloponnesos.
(oder sikclischcn) Meere eine melirfacli ausgebauehte, mit Aus-
nahme dreier felsiger Vorsprünge, die offenbar ehemals Inseln
waren, ganz Hache Küste von zwanzig Meilen Länge darbie-
tende Landschaft, welche die Alten mit dem eigentlich nur ihrem
nordwestlicheren Theile zukommenden, in Folge der politischen
Gestaltung aber auf die ganze Landschaft ausgedehnten Namen
Elis oder Eleia (nach einheimischem Dialect Valis, Valeia)^)
d. i. Tiefland bezeichneten, ist ihrem Flächeninhalt nach nächst
Achaia die kleinste,^) in chorographischer Beziehung die am
wenigsten selbständige und in ihrer jetzigen Gestalt jüngste unter
den Landschaften des Peloponnes. Sie hat kein selbständiges
Gebirgssystem, sondern die Gebirge, welche den südlichsten Theil
zwischen der messenischen Gränze und dem Alpheios bis auf
einen schmalen Küstensaum ganz, von dem mittleren und nörd-
licheren Theile die grössere östliche Hälfte einnehmen, sind blosse
Fortsetzungen der Gebirge des westlichen Arkadiens, wenn sie
auch im Alterthum wie heut zu Tage mit Sondernamen bezeichnet
werden: die bis zur Höhe von 1222 Meter aufsteigende Minthe
(jetzt Alvena) im Süden mit ihrer nordwestlichen Forlsetzung, dem
Lapithos (den jetzigen Bergen Kaiapha und Smerna) gehört zum
Gebirgszuge des Lykäon;^) die breiten, terrassenförmigen Hoch-
l)lateaus des mittleren Theiles sind die westlichen Abdachungen
des arkadischen Gränzgebirges, der Pholoe (vgl. oben S. 183f.) ; der
^) faXsLOL in der Inschr. C, I. gr. n. 11 u. auf Münzen; vgl. über
die Ableitung G. Curtius Grundzüge der griech. Etym. I, S. 327 der
1. Aufl. 'HXlcoiu hatten ausser Pausanias (Buch V u. VI) geschrieben
Istros (Steph. Byz. u. ^vtslov; schol. Plat. Phaed. p. 89% t. VI, p. 233
ed. C. Fr. Hermann) und TevnaXos (? Steph. Byz. u. 'AvögCa).
2) Der Flächeninhalt der Landschaft nach ihrer alten Begränzung be-
trägt nach Pouillon-Boblaye (Recherches p. 119) 2572 Myriameter = 255
Kilometer. Ueber die antiken Angaben in Betreff der Länge der Küste
s. Curtius Pelop. II, S. 93 f. Die Bevölkerung, welche verhältnissmässig
stärker war, als in den übrigen peloponnesischen Landschaften (Polyb.
IV, 73; vgl. Diodor. VIII, fr. 1; Strab. VIII, p. 358), schlägt Clinton
(Fasti Hellenici p. 438 ed. Krüger) nach einer freilich sehr unsicheren
Berechnung auf etwa 186,000 Seelen an. Heutzutage gehört der Theil
der Landschaft südlich vom Alpheios zwm. voaos MsoarivCaq, das Uebrige
bildet mit Achaia den vo^og ^A%aLag xat 'HUdog, der einen Flächen-
inhalt von 94,31 □ Meilen und (nach der Zählung von 1861) eine Bevöl-
kerung von 113,719 Seelen hat.
3) Strab. VIII, p. 341; Ptol. III, 16, 14; Paus. V, 5, 8: vgl. oben S. 184.
5. Elis. 269
Gebirgszug endlich, dessen Rucken die Nordgränze der Land-
schaft gegen Achaia bildet und der mit seinen südHchen Verzwei-
gungen bis zum Peneiosflusse herabreicht (von den Alten in seiner
Gesammtheit SkoIIis, jetzt in seinen beiden Hauptmassen Mavri
und Santameri genannt)^), ist eine directe Fortsetzung der arka-
dischen Erymanthoskette. Doch tragen alle diese Gebirge nicht
mehr den wilden und grossartigen Charakter der arkadischen
Gebirge, sondern machen mit der reichen Vegetation , welche sie
dem Einflüsse der Seeluft verdanken, mit den Wäldern und
Triften, welche ihre Abhänge bis zu den Gipfeln hinauf be-
decken, einen vorherrschend milden und anmuthigen Eindruck.
Auch von den Flüssen der Landschaft gehört der bedeu-
tendste, der Alp hei OS, mit dem weitaus grössten Theile seines
Laufes Arkadien an; doch erhält er auf eleischem Gebiet, das
er in der Hauptrichtung von Ost nach West, aber mit zahlreichen
Krümmungen durchfliesst, noch von beiden Seiten, besonders
aber von Norden her, beträchtlichen Zufluss durch eine grosse
Anzahl von Seitenbächen, so dass er bis über eine Meile auf-
wärts von seiner Mündung schiffbar ist. '^)
Der zweite grössere FIuss der Landschaft, der Peneios, ent-
springt hart an der arkadischen Gränzc am südwestlichen Fusse
des Erymanthos, fliesst zuerst in südwestlicher Richtung durch
die enge Schlucht von Verveni (nach welcher er in seinem oberen
Laufe jetzt Fluss von Verveni genannt wird), dann nordwestwärts
am südlichen Fusse des Skollisgebirges, von dem er mehrere
nicht unbedeutende Zuflüsse erhält, hin und vereinigt sich darauf
ungefähr in der Mitte seines Laufes und der Landschaft mit dem
an Wassermenge ihm ungefähr gleichen Ladon, der in ziemlich
paralleler Richtung von der Pholoe herkommt; der vereinigte
1) Strab. VIII, p. 341 u. p. 387; auch p. 339, wo die Codd. tov
Zv,6XXiv geben (to SnoXXiov Kramer), ist jedenfalls derselbe Name ge-
meint, der vielleicht bald als Femininum, bald als Masculinum (vgl. das
wohl auch etymologisch damit zusammenhängende Wo»t 6 cv.6lkvg) ge-
braucht wurde. Ciirtius' (Pel. II, S. 38 u. S. 105, Anm. 39) Unterschei-
dung zwischen ßkollis als Bezeichnung des Hauptgebirges und Z-^oXkiov
als Name des von Nord nach Süd streichenden, eine absolute Höhe von
1016 Meter erreichenden, jetzt Santameri (d. i. St. Oraer) genannten
Bergrückens scheint mir ganz unbegründet.
^) VI railia passuura nach Tun. N. h. IV, 5, U.
270 H. Peloponnesos.
Strom, dem im Altcrthum der Name Peneios verblieb (jetzt wird er
Fluss von Gastuni genannt) nimmt eine vorherrschend westliche
Richtung, bis er sich bei dem jetzigen Bartholomiu plötzlich
gegen Süden wendet und nach zahlreichen Windungen sudöstlich
vom Vorgebirge Chelonatas (dem jetzigen Chlemutzi) mündet. Da
nun nach dem bestimmten Zeugnisse mehrerer alten Geographen
die Mündung des Peneios nördlich von diesem Vorgebirge liegt,
so muss der Fluss im Alterthum auch in seiner Mündungsebene
die westliche Richtung mit allmäliger Abweichung nach Norden
beibehalten und erst im Mittelalter oder der neueren Zeit seinen
Lauf, wie dies bei dem flachen Alluvialboden sehr leicht geschehen
konnte, geändert haben, i)
Ausser diesen beiden Flüssen und ihren Nebenflüssen be-
sitzt die Landschaft noch eine sehr beträchtliche Anzahl von
Bächen, die nur einen Theil des Jahres hindurch Wasser ent-
halten, welches sie nach meist ziemlich kurzem Laufe dem Meere
zuführen. Einer der bedeutendsten derselben, der vom nordwest-
lichsten Theile des Skollisgebirges herabkommende, unmittelbar
südlich vom Vorgebirge Araxos mündende Larisos, galt als
Gränzscheide gegen Achaia , wie im Süden die (arkadische) Neda
gegen Messenien. ^)
Diesen Flüssen und Bächen, welche besonders während der
Regenzeit eine Masse von Geröll, Sand und Schlamm mit sich
führen und an ihren Mündungen ablagern, verdankt der einer
verhältnissmässig jungen geologischen Periode angehörige west-
lichere Theil der Landschaft seine Entsehung, wie die südlichsten
Strecken Akarnaniens und Aetoliens Schöpfungen des Acheloos
und des Euenos sind. An den westlichen Fuss der Gebirge
schliessen sich zunächst sandige, grossen Theils mit Kiefernwald
bedeckte Hügel, an diese flache Strandebenen mit fruchtbarem,
meist auf Sand- und Geröllschichten auflagerndem, mit vielen
1) Strab. VIJI, p. 338; Ptolem. III, 16, 6; vgl. Curtius Pelop. II,
S. 33 f. Der JdScov (Paus. VI, 22, 5) führte auch den Namen SsUrjsis
nach Strab. VIII, p. 339, vgl. VII, p. 328 u. schol. II. 0, 531.
2) Paus. VI, 26, 10; VHI, 49, 7; Strab. VIII, p. 387; IX, p. 440;
Xen. Hellen. III, 2, 23 u. a. Nach Steph. Byz. u. Bovrcgdaiov hätte -der
Larisos (der jetzt Mana genannt wird) auch nach der benachbarten Ort-
schaft Buprasion den Namen BovJtQuoiog geführt.
5. Elis. 271
Meeresproducteii, besonders halb verkalkten Austersdialen durch-
setztem Boden, der für Getreide- und Wehibau, an den nasseren
Stellen für die Cultur der Baumwollenst aude, die schon im Alter-
Ihum in Elis und zwar nur in dieser von allen griechischen
Landschaften gebaut wurde , ^) trefflich geeignet ist. Nur an drei
Punkten wird diese, im südlichsten Theil der Landschaft sehr
schmale und fast ganz von Lagunen bedeckte, im mittlem und
nördlichen Theil breite Strandebene von felsigen Vorsprüngen,
die offenbar in alter Zeit kleine Inseln waren und erst allmälig
durch Anschwemmung mit dem Lande verbunden und zu Halb-
inseln oder Vorgebirgen geworden sind, abgeschlossen. Das mäch-
tigste dieser Vorgebirge, zugleich der westlichste Vorsprung nicht
nur der Landschaft Elis, sondern des ganzen Peloponnes, wird
von den Alten wegen seines breiten, der Schale einer Schild-
kröte vergleicbbaren Rückens Chelonatas,^) jetzt nach einem
mittelalterUchen Castell, dessen Ruinen gerade westlich unter dem
226 Meter hohen Gipfel liegen, Chlemutzi genannt. Südlich
davon tritt die Küs^e beträchtlich nach Osten zurück und bildet
so eine weite Bucht, die im Süden durch eine von Nord nach
Süd gestreckte, von den Alten nach ihrer Gestalt Ichthys
(Fisch) genannte schmale Halbinsel (jetzt Ratakolo) ^) abgeschlossen
und von dem Elis und 3Iessenien gemeinsamen Kyparissischen
Meerbusen (s. oben S. 159) getrennt wird. Eine ähnliche,
aber weniger tief eingeschnittene Bucht, von den Alten der Kylie -
nische Meerbusen (nach Kyllene, der Hafenstadt von Elis) ge-
nannt, erstreckt sich nordwärts vom Chelonatas bis zu dem nord-
1) Paus. V, 5, 2; VI, 26, 6; VII, 21, 14; vgl. über die ßvaaog und
ihre Bedeutung Becker Charikles III, S. 185 ff. (2. Aufl.); Curtius Pel. II,
S. 10 f. u. S. 95, Anm. 10; H. Ritter Ueber die geographische Verbrei-
tung der Baumwolle, Abhandl. d. Berlin. Akad. 1851, Philol.-hist. Cl. S.
.315 ff. — Eine mythische Erinnerung an die Gewinnung des ange-
schwemmten Landes für die Cultur durch Regulirung des Laufes der Ge-
wässer scheint mir der Sage von den Rinderställen des Augeias u. ihrer
Reinigung durch Herakles zu Grunde zu liegen.
2) 6 Xilojvätug Strab. VIII, p. 335; 337 s.; 342; Chelonates Pomp.
Mela II, 49; Plin. N. h. IV, 5, 13; XeXcavizig axpa Ptol. III, 16, 6; der-
selbe giebt für die Bucht den Namen XslaivCtrig y(.6Xno{.
3) Strab. XVII, p. 837 (auch VIII, p. 343 ist' jedenfalls mit Palme-
rius 'ix^vq statt Bv&vg herzustellen); Pomp. Mela u. Ptol. 11, 11.; vgl.
Thukyd. U, 26; Xenoph. Hell. VI, 2, 31.
272 II. Pcloponnesos.
westlichsten Punkte des Peloponries, dein von den Alten meist
zu Acliaia gereclineten Felscap AraxosJ)
Die ganze Landseliaft ist, wie schon aus dem bisher Ge-
sagten erhellt, von der Natur selbst in drei Theile gegliedert,
die im Alterthum auch durch die Stammeszugehörigkeit ihrer
Bewohner gesondert, nur durch ein häufig gelockertes, zeitweise
ganz zerrissenes politisches Band — die Suprematie der Be-
wohner des nördlichen über die der beiden anderen Theile —
zusammen gehalten wurden. Der südlichste Theil, das Land
zwischen Neda und Alpheios, war, wie es seinem ganzen land-
schaftlichen Charakter nach aufs Engste mit Arkadien verbunden
ist, auch ursprünglich von zwei Völkern arkadischen Stammes,
den Kaukones und Paroreatae, bewohnt, von denen die
ersteren nach einigen alten Historikern auch im nördlichsten
Theile der Landschaft, an der Gränze Achaias, sesshaft, nach
anderen die älteste Bevölkerung der ganzen Landschaft waren. ^)
Auch phönikische Seefahrer scheinen sich frühzeitig an einigen
Küstenpunkten angesiedelt und in ein Paar Ortsnamen wie Same
und lardanos, sowie in dem Anbau der Byssospflanze ihre Spuren
hinterlassen zu haben. 3) Zu den Kaukonen und Paroreaten kamen
thessalische Minyer, die jedenfalls von Süden, von der Westküste
Messeniens her, vordringend das Land unterwarfen, das nun
nach dem Zusammenwohnen dreier Stämme Triphylia (das
Land der drei Stämme) genannt und in sechs Bezirke getheilt
ein Bestandtheil des vom Akritas bis zur Mündung des Alpheios
sich erstreckenden Beiches der Neliden von Pylos wurde.*) Audi
nordwärts über den Alpheios hinaus, ja bis zur Gränze Achaias
1) Paus. VI, 26, 10; Strab. VIII, p. 335 u. ö. ; Ptol. III, 16, 5 u. a.
Cyllenes sinus Plin. N. h. IV, 5, 13. Mit dem offenbar vom Schlagen
der Wogen (agdoGO}) benannten Cap "^ga^og scheint das ^jQVfiviov Xs-
yofiEvov OQog Tjjg 'Axcciag mit der ^ogv-vvog ßrjaca (schol. Odyss. v, 96)
identisch zu sein.
^) Odyss. y, 366 c schol.; Strab. VIII, p. 345; Steph. Byz. u. KavucovsLa.
Der Stanimheros KavKcov wird ein Sohn des (arkadischen) Lykaon ge-
nannt: Apollod. III, 8, 1, 2; denselben Sinn hat es, wenn Triphylos, der
aus dem spätem Landesnamen abstrahirte Heros eponymos, ein Sohn des
Arkas heisst: Polyb. IV, 77; Paus. X, 9, 5. Ueber die TJagoiQBätoci s. Herod.
IV, 148; Strab. VIII, p. 346; vgl. Deimling Die Leleger S. 136 f.
3) Vgl. Curtius Pel. II, S. 10.
^) Herod. IV, 148; Strab. VIII, p. 336 s.; vgl. 11. ß, 591 ff.
5. Elis. 273
hin scheinen die Minyer ihre Herrschaft, wenn auch nur vor-
■-übergehend , ausgedehnt und zahlreiche Ansiedelungen gegründet
zu haben, wie aus der üebereinstimmung vieler dortiger Orts-
namen mit denen thessalischer Oertlichkeiten (man vergleiche die
Bergnamen Olympos und Ossa, die Flussnamen Peneios, Enipeus
und Larisos, die Städtenamen Salmone, Ephyra und Ormina, die
gewiss nur zu einem kleinen Theile achälschen Ursprunges sind)
zu schliessen ist. Gerade umgekehrt gestaltete sich das Ver-
hältniss nach der dorischen Wanderung, als die Bewohner des
nördlichsten Theiles der Landschaft, die Epeier oder, wie sie
sich nunmehr nannten, die Eleier, allmälig nach Süden vor-
drangen und die Bewohner nicht nur des mittleren Theiles, son-
dern auch der Triphylia zuerst zu ihren Bundesgenossen, dann,
nach dem Ende des zweiten messenischen Krieges, zu ihren Unter-
thanen (Periöken) machten. Nur der südlichste District Triphy-
liens, das Gebiet von Lepreon, bewahrte sich bis nach den Per-
serkriegen seine Selbständigkeit; und auch nachdem die Lepreaten
die Suprematie der Eleer hatten anerkennen und sich die offi-
cielle Benennung 'Eleer aus Lepreon' gefallen lassen müssen,
benutzten sie jede Gelegenheit, um bald mit Hülfe der Spartaner,
bald mit Hülfe der Arkader, bald des achäischen Bundes das
verhasste Joch abzuschütteln und entweder als selbständiges Ge-
meinwesen oder als Mitglied des arkadischen oder des achäischen
Bundesstaates aufzutreten. Daher erscheint bei manchen Geo-
graphen theils ganz Triphylien, theils das Gebiet von Lepreon
als zu Arkadien gehörig und noch Pausanias unterscheidet das
Gebiet der Lepreaten als Triphylia von der Eleia.^)
Der mittlere Theil der Landschaft, vom Alpheios bis zum
Ladon und einem der zunächst südlich vom Chelonatas mündenden
Küstenbäche, ^) von den Alten Pisäa oder Pisatis genannt, war
«) Scjl. Peripl. 44; Dikäarch. bei Cic. ad Att. VI, 2, 3; Polyb. TV,
77; Paus. V, 5, 3. Vgl. unten S, 277, Anm. 4 u. die historischen ^.uh
Weisungen bei O. Müller Orchomenos S. 367 ff. u. bei Schiller iStUnuue
und Staaten Griechenlands I, S. 11 ff.
') Die Begränzung der Tisatis ist, da dieselbe frühzeitig ihre poli-
tiHche Existenz verloren hat, schwer festzustellen. Im Süden bildet der
Alpheios die natürliche Gränze, der ja auch im Schiffscatalog (II. B, 691)
als Nordgrünze des Pylischen Jlciches erscheint; doch besassen die Pi-
satcn später um unteren Laufe des Flusses beide Ufer, daher Strab. VUI,
274 II. Peloponnesos.
vielleicht schon vor der dorischen Wanderung oder doch unmittel-
bar nach derselben von Achäern occupirt worden, welche ihrem
Stammgotte, dem Zeus Olympios, am nördlichen Ufer des Alpheios
ein Heiligthum errichteten und ihm zu Ehren Festspiele feierten.
Diese Festspiele, Olympia genannt, wurden seit dem Jahre 776
V. Chr. in Folge des wohl nicht ganz freiwilligen Bundesver-
hältnisses zwischen den pisatischen Achäern und Eleern von beiden
Staaten gemeinsam alle vier Jahre am ersten Vollmond nach der
Sommersonnenwende unter Theilnahme zuerst der Lakedämonier
und Messenier, dann der übrigen Peloponnesier, endlich auch
der ausserpeloponnesischen Hellenen (zuerst der Megarer und
Athener, dann der kleinasiatischen lonier u. s. w.) gefeiert; all-
mälig aber nahmen die Eleer, indem sie das Bundesverhältniss
der Pisaten in ein Unterthanenverhältniss verwandelten, die Lei-
tung des Festes für sich allein in Anspruch und nur vorüber-
gehend gelang es den Pisaten, sich entweder die Mitleitung der
Feier zu erringen oder auch die Eleer ganz von der Leitung
auszuschliessen : in den ersteren Fällen wurde die Theilnahme
der Pisaten an der Leitung von den Eleern in ihren officiellen
Verzeichnissen der Olympiaden einfach ignorirt, in den letzteren
dagegen die Feier als gar nicht abgehalten betrachtet und die
betreffende Olympiade als Anolympias bezeichnet. ^)
p. 343 den Bergzug am linken Alpheiosufer (von Curtius Pel. II, S. 90
nach Strab. a. a. O. ^sXXav genannt, ein Wort, das wohl wie (pslXsvg
jede steinige Berggegend bezeichnet) als Gränze zwischen Pisatis und
Triphylien anführt. Schwankender war die Begränznng der Pisatis im
Norden: einige dehnten dieselbe bis zum Cap Chelonatas aus und setz-
ten entweder eine kleine, vor der Westseite des Cap liegende, von Un-
tiefen umgebene Insel (jetzt S. Giovanni) oder einen Küstenbach Elison
oder Elisa (schwerlich den kleinen hart an der Ostseite des Chelonatas
von Nord nach Süd fliessenden Bach, wie Curtius vermuthet, sondern
einen der südlich vom Chelonatas in der Richtung von Ost nach West
fliessenden Bäche, entweder den zunächst südlich von Gastuni, der jetzt
in den Alpheios mündet, oder den etwas weiter südlich fliessenden jetzt
Purleska genannten) als Gränzmark an (Strab. VIII, p. 338; vgl. Theoer.
Id. XXV, 9); andere betrachteten das zunächst nördlich vom Cap Ichthys
gelegene Cap Pheia (beim jetzigen Hafen Chortäs) als den nördlichsten
Punkt der Pisatis (Strab. VIII, p. 343). Dass die Quelle Piera (Paus.
V, 16, 8) die Gränze bezeichnet habe, wie Curtius (Pel. 11, S. 35 u. 45)
annimmt, ist weder nachweisbar noch wahrscheinlich.
1) Strabon VIII, p. 355 u. 358; Paus. VI, 22, 2 f.; vgl. Weissenborn
5. Elis. 275
Der nördlichste Theil der Landschaft, wegen der beträcht-
lichen Ausdehnung seiner Köstenebenen Elis im engern Sinne
oder auch 'die hohle Elis' genannt J) war seit alter Zeit von
einem zum Stamme der Leleger gehörigen Volke, den Epeiern
bewohnt, die im Schiffscatalog nicht zu einem Gesammtstaate
verbunden, sondern in vier von besonderen Fürsten beherrschte
Gruppen gesondert erscheinen, ^j Zu politischer Einheit und in
Folge davon zu grösserer Machtentvvickelung gelangten sie erst
durch das Eindringen einer stammverwandten Heerschaar aus
dem südlichen Aetolien, welches von der Tradition mit der do-
rischen Wanderung in engen Zusammenhang gebracht wird: die
Eroberer verschmolzen bald aufs Engste mit der alten Bevölke-
rung, die sich nun nicht mehr Epeier, sondern nach dem Namen
des Landes Eleier nannte und mit ihrer Herrschaft den Namen
Eleia auch über die Gebiete ihrer Periöken, die Pisatis und
Triphylia (vgl. Anm. 1), ausbreitete. Die Regierung des so ge-
schaffenen Einheitsstaates war eine oligarchische : ein Senat von
90 lebenslänglichen Mitgliedern, aus einer Anzahl vornehmer,
in kleinen Städten oder einzelnen Burgen sesshafter Geschlechter
entnommen, hatte alle politische Macht und insbesondere wohl
die Leitung des olympischen Festes, dessen steigende Bedeutung
Elis mehr und mehr mit einem Nimbus von Heiligkeit und Un-
verletzlichkeit umgab und ähnlich wie Delphi zu einer Art von
antikem Kirchenstaat machte, in seinen Händen, während die
grosse Mehrzahl der Bevölkerung in ländlicher Zurückgezogenheit
dem Ackerbau oblag. ^)
Hellen S. 8 ff. und Schiller Stämme u. Staaten Griechenlands I, S. 9 f.
Curtius (Fei. II, 47) lässt die Achäer aus der Landschaft Achaia als
Bundesgenossen der Eleer in die Pisatis einwandern; allein es ist doch
viel wahrscheinlicher, dass sie vom nördlichen Lakonien her, dem Laufe
des Alpheios folgend, hier eingedi-ungen sind. Doch lässt sich auch eine
directe Einwanderung der Achäer aus Thessalien (gleichzeitig mit den
Minyem) annehmen.
') r; yioari ''HXig Strab. VIII, p. 336 u. ö.; Paus. V, 16, 6; Thukyd.
II, 25 (wo ihr i) jrfpiotxig 'HXbCüov entgegengesetzt ist).
2) 11. B, (515 88.; Strab. VUI, p. 3408.; X, p. 463; vgl. über die 'EnnoC
bes. Deinding Die Leleger S. 144 f.
•) Vgl. bes. Aristot. Pol. V, 6. Die Leitung der Olympien hatte
nach Paus. V, 9, 4 (vgl. Harpocr. p. 70, 24 ed. Bekker) ursprünglich
ein dem Geschlechte des Oxylos angchöriger ^EXXavodC-^rig , seit Ol. 50
276 II. Peloponnesos.
Eine Umgestaltung der Verfassung in mehr demokratischem
Sinne scheint kurz nach den Perserkriegen stattgefunden zu
hahen; wenigstens weist auf eine solche die Ol. 77, 2 (471) ge-
schehene Erweiterung der his dahin unbedeutenden Stadt Elis
durch einen Synoikisraos zahlreicher kleiner Ortschaften hin;
auch hängt damit wohl die (freilich chronologisch sehr unsichere)
Vermehrung der Zajil der Festordner der Olympien, der soge-
nannten Hellanodiken , auf neun und in der nächsten Olympiade
auf zehn, welche auf einer Einthcilung der gesammten Bevöl-
kerung der Landschaft in neun, beziehendlich zehn Phylen zu be-
ruhen scheint, zusammen. Sicher bezeugt ist diese üeberein-
stimmung der Zahl der Hellanodiken mit der der Phylen seit Ol.
103, wo die Zahl heider auf zwölf erhöht wurde; in Folge der
Losreissung Triphyliens von Elis durch die Arkader wurde diese
Zahl Ol. 104 auf acht vermindert, Ol. 108 aber auf zehn nor-
mirt, und diese Einrichtung bestand bis zu Pausanias Zeit fort. ^)
Im Allgemeinen standen die Eleer bei den übrigen Hellenen
nicht im besten Rufe, sondern waren als trunksüchtig und lüg-
nerisch verschrieen; auch ihre kriegerische Tüchtigkeit wurde
von ihren Nachbarn gering angeschlagen;^) besonders aber waren
sie verrufen wegen der Knabenliebe, die, ursprünglich jedenfalls
aber wurde sie (vielleicht in Folge der gemeinsamen Prostasie der Eleer
und Pisaten) zwei i | ccnccvtcov 'HXelcov durchs Loos erwählten Männern
übertragen; gewiss geschah dies nicht ohne wesentliche Einschränkung
der Befugnisse dieser Hellanodiken durch die Gerusie. — Ueber die Nei-
gung der Eleer zum Landleben s. Polyb. IV, 73. Kämpfe zwischen der
oligarchischen und demokratischen Partei im J. 366 v. Chr.: Xen. Hell.
VII, 4, 15.
^) Diod. XI, 54; Strab. p. 336 s. ; über die Zahl der Hellanodiken
und Phylen Paus. V, 9, 5; Harpokr. a. a. O.; schol. Pind. Olymp. III,
22; Philostr. Vita Apoll. III, 30; dazu 0. Müller 'über die Phylen von
Elis und Pisa' Ehein. Mus. 1834 S. 167 ff. (dessen Verbesserung bei
Paus. a. a. O. ns^ntr] d' olvfnaccdi ■nal sßdojjurj'KOGTfj [für slytoazfj der
Codd.] freilich ebenso unsicher ist, als die übrigen Heilungsversuche
dieser verderbten Stelle) und Meier Allg. Encycl. d. W, u. K. Sect. III,
Bd. 3, S. 310.
2) Polemo bei Athen. X, p. 442 ß; Xen. Hell. VII, 4, 30. Für eifrige
Pflege der Kochkunst zeugt das Lob der eleischen Köche (Antiphan.
bei Athen. I, p. 27*^) u. der Cult des 'Anollcov otpocpdcyog (Polemon. frg.
p. 109 Preller). Ein besonderer Industriezweig war die Bereitung von
Salben: Athen. XV, p. 688^; 690«; Plin. N. h. XXI, 7, 42.
5. Elis: Triphylien. 277
eine politische Institution , um die adelige Jugend zur Tapferkeit
und allen ritterlichen Tugenden heranzubilden, wie in Kreta und
Sparta, bei den Eleern frühzeitig das Gepräge grober Sinnlich-
keit angenommen hatteJ)
Triphylien, 2) ein reines Gebirgsland mit ein€m durch- Triphyiien.
schnittlich etwa V2 Stunde breiten Küstensaum, der im nörd-
licheren Theile der Landschaft heut zu Tage fast ganz von zwei
fischreichen Lagunen, der von Kaiapha und der von Agulenitza,
eingenommen wird, war zur Zeit der Nelidenherrschaft in sechs
Bezirke getheilt mit den Städten Lepreos, Makistos, Phrixä,
Pyrgos, Epion und Nudion. Die Mehrzahl dieser Städte wurde
von den Eleern kurz nach den Perserkriegen zerstört, und wenn
sie auch im Laufe der Zeit alle, etwa mit Ausnahme von Nudion,
wiederhergestellt wurden — noch zu Polybios Zeit gab es in
Triphylien neun Ortschaften, welche auf den Namen '^Städte' An-
spruch machten: Samikon, Lepreos, Hypana, Typaneä, Pyrgos,
Aepion, Bolax, Stylangion, Phrixä — so blieben sie doch schwach
und unbedeutend mit Ausnahme von Lepreos und Makistos, welche
allmälig die ganze Landschaft in der Weise unter sich theilten,
dass der südlichere Theil, von der Neda bis an den Fuss des
Lapilhosgebirges, die Lepreatis, der nördlichere, vom Lapithos
bis zum Alpheios, die Makistia bildete;^) war die letztere auch
an Umfang bedeutender, so hatte die erstere die Vorzüge grös-
serer Fruchtbarkeit des Bodens und stärkeren Unabhängigkeits-
sinnes ihrer Bevölkerung: Lepreos war der Mittelpunkt der
national-triphylischen (arkadischen) Partei, die jede politische
Conjunctur benutzte, sich von Elis zu emancipiren."*) Die Stadt,
1) Plat. Sympos. p. 182''; Xenoph. Conv. 8, 34; Plut. de puer. ed.
15; Cie. de rep. IV, 4.
2) Vgl. Boutan Mc'moire sur la Triphylie, in den Archives des mis-
slons scientifiques et littc'raires, TI se'rie, t, I, p. 193 — 248.
3) Iferod. IV, 148; Polyb. IV, 77; Strab. VIII, p. 343 s., vgl. auch
Steph. Byz. u. Mccy-iarog.
*) Die Lepreaten nahmen als selbständiges Corps Antheil an der
Schlacht bei Platäa (Inschr. des platäisch. Weihgeschenks Gew. 3; He-
rod. IX, 28; Paus. V, 23, 2): dies schliesst nicht aus, dass sie damals
schon den jährlichen Tribut von einem Talent an den Olympischen Zeus
zahlten, den sie nach Thukyd. V, 31 für Hülfe, welche ihnen einst die
Eleer in einem Kriege gegon dir Arkndor geleistet hatten, bis zum Be-
ginn des peloponnes. Kricr iilnichten, dann aber ver-
DLR.HIAN, (iKnan. II. 19
278 11. P(3lo])ünnesos.
deren bald Lepreos, bald Lepreon lautender Name wahr-
scheinlich von dem rauhen Felsboden herzuleiten ist, auf wel-
chem die Burg stand, ^) von deren Hingniauern noch beträchtliche
Reste vorhanden sind, lag 40 Stadien vom Meere auf einem
Vorsprunge des Minthegebirges (oberhalb des jetzigen Dorfes
Strovitzi), von dessen südwestlichem Fusse aus sich eine frucht-
bare Ebene, von den Alten Aepasion oder Aepasia genannt,
nach der Küste hinabzieht. Zu Pausanias Zeit war die Stadt schon
so verfallen, dass sie nur noch ein aus ungebrannten Ziegeln er-
bautes Heiligthum der Demeter, ohne Cultbild, aufzuweisen hatte ;
von dem Tempel des Zeus Lykäos und den Heroengräbern des
Lykurgos und des Kaukon, deren Existenz noch in der Erinne-
rung der Bewohner fortlebte, war keine Spur mehr zu finden.
Ausserhalb der Stadtmauern floss gegen die Ebene hin eine
Quelle Arene.
Im südlichsten Theile der Ebene zunächst der messenischen
Gränze lagPyrgos (oder Pyrgoi), ursprünglich, wie der Name
lehrt, nur ein zum Zufluchtsort für die Bewohner der Ebene be-
stimmtes Castell, später ein zur Lepreatis gehöriges Städtchen. 2)
weigerten. In Folge dieser Weigerung legten die Eleer Execution gegen
Lepreos ein; dieses wandte sich an Sparta, das ihm die Autonomie zu-
sprach, und da die Eleer sich seinem Spruche nicht fügen wollten, sie
durch eine Truppensendung zwang, ihre Executionstruppen aus der Le-
preatis zurückzuziehen (im J. 421: s. Thukyd. a. a. O.)« Bald darauf
müssen abör die Eleer die Stadt wieder besetzt haben, da dieselbe in den
im März des J. 414 v. Chr. aufgeführten Vögeln des Aristophanes (v. 149)
als 6 'HXstog Asrcgsog bezeichnet wird. Bei dem Feldzuge des Königs
Agis gegen Elis im J. 401 fielen die Lepreaten ebenso wie die Makistier
und Epitaleer und mehrere Städte der Pisatis von Elis ab und erlangten
bei dem Friedensschlüsse im J. 399 ihre Unabhängigkeit (Xen. Hell. III,
2, 25 u. 30). Für die spätere Zeit vgl. oben S. 273, Anm. 1.
1) So Didymos beim schol. Ar. Aves 149 u. Suid. u. Aingsov; andere
Ableitungen (von Lepreos, dem Sohne des Pyrgeus, der den Herakles im
Essen besiegte, oder von Leprea, einer Tochter des Pyrgeus, oder vom
Aussatze, an welchem die ersten Bewohner der Gegend gelitten haben
sollten) bei Paus. V, 5, 4 f. Lage der Stadt: Strab. p. 344 s. Alnccaia
oder AinocGiov Strab. p. 347 s. Für ABvv,aiov Jios bei Paus. § 5 ist
jedenfalls mit Palmerius Avv.aCov d. zu lesen. Plane und Ansicht der
Euinen Expedition de Möre'e I, pl. 50 — 62 , darnach Curtius Pel. II, Tfl.
IV, vgl. S. 84 f. u. besonders Boutan a. a. O. p. 202 ss.
2) Strab. p. 348; vgl. Herod. IV, 148; Polyb. IV, 77; Liv. XXVH,
5. Elis: Triphylien. 279
Nördlich von Lepreos lag am westlichen Fusse eines andern
Vorsprunges des Minlhegebirges, nicht ganz 30 Stadien vom
Meere entfernt, nahe dem südlichen Ufer eines Pamisos ge-
nannten Baches (etwa in der Gegend des jetzigen Piskini) das
Städtchen Pyios (zum Unterschied von der messenischen Stadt
IlvXog 6 TQL(pvkiay.6g oder auch 6 AsTtQaati'nog genannt), in
welchem einige griechische Alterthumsforscher irriger Weise den
Königssitz des Nestor und Mittelpunkt des Reiches der Neliden er-
kennen wollten, wahrscheinlich eine von Flüchtlingen aus dem
messenischen Pylos nach dem Sturze des Nelidenreiches gegrün-
dete Ortschaft, die frühzeitig von den Lepreaten unterworfen
wurde, welche mit Zustimmung der Lakedämonier die Bewohner
zur üehersiedelung nach Lepreos nöthigten ; seitdem scheint der
Ort verödet und nur der Name Pylos der Ebene bis an den
Berg von Kaiapha hin verblieben zu sein. Oberhalb der Ebene
lag ein heiliger Hain der Demeter und wahrscheinlich etwas wei-
ter östlich, an dem Hauptstock des Minthegebirges, ein Temenos
des Hades, das nach dem Untergange von Pylos von den Le-
preaten und Makistiern gemeinsam unterhalten wurde. ^)
In) nördlicheren Theile der Strandebene zieht sich jetzt von
Nord nach Süd ein zwei Stunden langer, schmaler aber tiefer
32; Steph. Byz. \\. IlvQyoq. Die von Pausanias nicht erwähnte Ortschaft
kommt noch auf der Tab. Peuting., im Itiner, Antonini u. beim Geogr.
Kav. vor. Die von Leake (Morea I, p. 56 s.) erwähnten, jetzt ver-
schwundenen Reste (grosse viereckte Werkstücke und ein Architrav-
fragment aus weissem Marmor) gehörten einein einzelnen Gebäude an.
') Strab. p. 344, wo ich (p. 489, 14 ed. Mein.) schreibe: og vvv Tld-
fiioog 6 'AQUccSi-Kog -naXiLtai'. vgl. p. 336; p. 339; p, 361 und über die
Erobcruiif? der Stadt p. 355, Der Name ^ApLcc^oq sclieint nie im Volks-
iiiundc f,'ebräuchlich, sondern nur eine Fiction etymologisirender Gelehr-
ten gewesen zu sein. Dieser Pamisos ist aber gewiss nicht, wie Curtius
annimmt, der südlich von Piskini fliessende Bach, sondern der nächste
weiter nijrdlich, den Curtius nacli Pouillon-Boblaye (Kecherches p. 134 s.)
u Ross (Reisen Im Pol. S. 105) irrig Anigros nennt, der in seinem Haupt-
arme bei Trupäs entspringt und bei dem einsamen Khan des Hagios
Isidoros (im Volksmunde Aisidoro) mündet; diese Mündung ist nicht, wie
Curtius Pelop. II, S. 81 angiebt, acht bis neun Stadien, sondern eine
starke deutsclie Meile von dem Passe von Kaiapha entfernt, und nach
der Beschaffenheit des Terrains ist es geradezu undenkbar, dass der Lauf
dieses Flusses, der jetzt eine entschieden südwestliche Richtung hat, im
.MtcTthum eine nordwestliche Riclitung gehabt habe.
19*
280 II. Peloponnesos.
See hin, der diircli einen sandigen, mit hohem, düslercni Kiefern-
wald bewachsenen Küstenslreifen vom Meere gelrennt, im Norden
durch einen gegen Westen vortretenden steilen Felsberg, den
westlichslen Vorsprung des Smernagebirges-., überragt wird, dessen
nordwestlicher breiter Gipfel mit den Ruinen einer hochalter-
thümlichen Befestigung gekrönt ist. Vor dem westlichen Fusse
des Berges erheben sich zwei kleine Felshügel, zwischen denen
die Strasse hindurchführt, nachdem sie den hier sehr schmalen,
zum Theil versumpften Sandstreifen, der das nördliche Ende des
Sees mit dem südlichen der grossen Lagune von Agulenitza ver-
bindet, auf einer steinernen Brücke überschritten hat. Der
westlichere dieser Hügel trägt ein kleines Wachthaus zum Schutze
des in mehrfacher Hinsicht den Thermopylen ähnlichen Passes,
welcher nach dem Namen des Berges und Sees der Pass von
Kaiapha genannt wird. In den schrofT abfallenden Felsen ander
Südseite des Berges finden sich unmittelbar über dem Wasser-
spiegel des Sees zwei nur vermittels eines Bootes zugängliche
Höhlen, deren Inneres mit mephitischen Dünsten erfüllt ist.
Weiter östlich fliesst in den See ein vom Kaiaphaberge herab-
kommender, jetzt Mavropotamo genannter Bach, der noch am An-
fang unseres Jahrhunderts — heut zu Tage steht der See in
keiner sichtbaren Verbindung mehr mit dem Meere — an der
Westseite des Sees ungefähr eine halbe Stunde südlich vom Eng-
pass wieder aus- und dem Meere zufloss, bei heftigerem Winde
aber dasselbe nicht erreichte, da die Brandung und der durch
dieselbe aufgeworfene Sand sein Wasser nach dem See zurück-
trieb. ^) Da diese Erscheinung von Pausanias (V, 5, 7) in Bezug
auf den Anigros, einen vom Lapithosgebirge herabkommenden
Bach mit übelriechendem Wasser, in welchem gar keine oder
doch keine essbaren Fische vorkamen, berichtet wird, so kann
man nicht zweifeln, dass dieser jetzt in den See einmündende
Bach der Anigros der Alten ist (der auch den Namen Min yeios
geführt haben soll), wie man auch in den beiden Höhlen über
dem See leicht die Grotte der Nymphen des Anigros (Nv^cpav
'AvcyQiddeg oder ^AviyQCösg), in welcher Kranke für Flechten
1) S. Leake Morea I, p. 51 ss.; Beule Etudes p. 217 ss.; Boutan
Memoire p. 215 ss.: dazu die Pläne u. Ansicht Expe'd. de Moree Vol. I,
p. 53—55 (darnach Curtius Pel. II, Tfl. III).
5. Elis: Triphylien. 281.
und ähnliche Haulkiankheiten Heilung suchten, und die der At-
lantiden (Töchter des Atlas), in welcher Dardanos (Sohn des Zeus
und der Eleklra) gehören sein sollte, erkennt. Im Uebrigen aber
hat das Terrain seit dem AUerthum seine Gestalt nicht unbe-
trächtlich verändert, indem der ganze See von Kaiapha im AUer-
thum nicht vorhanden war, sondern erst seit dem frühen Mittel-
alter, jedenfalls in Folge der gänzlichen Vernachlässigung der
RegnUrung der vom Kalaphaberge herabkommenden und aus dem
Boden der Ebene selbst empordringenden Gewässer, entstanden
ist. Anstatt desselben fanden sich im Alterlhum nur an zwei
Stellen Sümpfe oder Tümpel vor, deren stagnirendes Wasser auf
beträchtliche Entfernungen hin einen Übeln Geruch verbreitete:
unterhalb der Grotte der Anigriaden, wo eine Quelle (offenbar
schwefelhaltigen Wassers, wie solches noch jetzt an mehreren
Stellen aus der Felswand hervordringt) nach dem Anigros hin
abfloss und mit demselben einen stinkenden Sumpf bildete, durch
welchen ein Dammweg, dessen Reste noch jetzt sichtbar sind,
nach den Grotten hinführte, und an der Mündung des Anigros,
wo, wie bemerkt, das Wasser in Folge des Gegenschlages der
Meereswogen sich staute. Ferner nahm im AUerthum der Ani-
gros noch einen Nebenfluss auf, denAkidas oder Akidon, der
auch den Namen Jardanos geführt haben soll; an seinem Ufer
zeigte man das Grab und die Wiese des Jardanos und setzten
einige Alterthumsforscher eine gänzlich verschollene Stadt Chaa
an; auch ein Fleiligthum des makistischen Herakles stand in sei-
ner Nähe. Darnach kann der Akidas nur ein Bach sein, welcher
südöstlich vom Anigros vom Raiaphaberge herabkommt und jetzt
in den Kaiaphasee mündet.^)
') Paus. V, 5, 3 (wo trotz des Widerspruchs von Curtius Pel. II,
S. 115, Anm. 80 eine Lücke anzunehmen und entweder mit Schäfer
lovTt. de dno zrig Msoarjviag inl Tf^g 'lllsiag oder mit Palmerius ein-
fach l. 8. dno TTJg Msaorjviag zu schreiben ist, da Pausanias nur wenn
er von Süden her kam, Lepreos zur Rechten haben konnte: unter
üdfiiHOv versteht er hier wie § 7 die ganze von Strab. p. 344 als J2v-
Xiayiov ntSiov bezeiclinete Ebene); § 7 ff.; Strab. p. 346 ss.: aus beiden
geht mit Sicherheit liervor, dass der Anigros in der Nähe der Grotte der
Nvficpai 'AviyQid^Bg lloss, also unmöglich der von Curtius (vgl. oben
S. 279, Anni. 1) so genannte Tluss, der beim Khan vom H. Isidoros mün-
det, sein kann. Diesen nennt die französische Karte Akidas, wahr-
282 II. Peloponucsos.
Die lUiineii niiC dem Gipfel des Küiaphabergcs sind ohne
Zweifel die Ueberreste der alten Stadt Sa mos, welche noch in
späten Zeiten unter dem Namen Samikon als die wichtigste
Festung der Makistia fortbestand. Zu ihrem Gebiet gehörte das
hochangesehene Ileiligthum des Poseidon Samios, das unter
der Verwaltung der Makislier stand, aber von allen Triphyliern
gemeinsam unterhalten wurde : ein Hain wilder Oelbäume, wahr-
scheinlich am nördlichen Fusse des Kaiaphaberges gelegen, in
welchem nach verkündigtem Gottesfrieden Festversammlungen
unter Theilnahme aller triphylischeii Ortschaften gehalten wurden.
Da also Samos, das unter den sechs minyischen Burgstädten nicht
aufgeführt wird, als wichtigste Oertlichkeit der Makistia in forti-
ficatorischer, wie in religiöser Hinsicht erscheint, so ist es sehr
wahrscheinlich, dass Makistos, welches in dem Herodotischen
Catalog der Minyerstädte und sonst vereinzelt als Stadt aufgeführt
wird, von Samos nicht verschieden, sondern der auf die Burg
und die Bewohner des von ihr beherrschten Gebietes übertragene
Name des ganzen jetzt Kaiapha genannten Bergzuges ist. Da-
gegen hat die Ansicht einiger griechischen Alterthumsforscher,
welche in Samos die Akropolis der Homerischen Stadt Arenc
(II. B, 591 ; A, 723) erkennen wollten, ebensowenig Wahrschein-
lichkeit, als ihre Identificirung des triphylischen Pylos mit dem
Herrschersitze des Nestor.^)
scheinlich nach Strab. p. 351, wo der *Av.i8(ov, der doch kaum vom l^xt-
8ag verschieden sein kann, als ein in der Mitte zwischen Neda und Al-
pheios ins Meer sich ergiessender Fluss angeführt wird; allein Paus. c.
5, 8 bezeugt ausdrücklich die Verbindung des Akidas mit dem Anigros,
so dass wohl anzunehmen ist, dass Strabon a. a. O. aus Versehen den
Akidon statt des Pamisos oder Anigros genannt hat. Die nur von Stra-
bon (p. 346) erwähnten ccXori 'icovalov (dicovaCov will Curtius nach Xy-
lander; eher dürfte 'EvdvfiLcovcctov mit Corais zu schreiben sein, da Eu-
rykyda nach Paus. V, 1, 4 die Tochter des Endymion ist) und Evqvkv-
dsiov müssen in der jetzt vom Kaiaphasee bedeckten Niederung unter
den beiden Grotten gestanden haben. Die Vermuthung Boutans (Me'moire
p. 212 SS.), dass ein von ihm V/^ Stunde nordwestlich von Lepreon,
etwas südlich vom Dorfe Sartena entdecktes alterthümliches kleines Pa-
läokastron das alte.Chaa sei, hat gar keine "Wahrscheinlichkeit.
1) Herod. IV, 148; Xenoph. Hell. III, 2, 30; Heraclid. Pont. Pol. 25;
Polyb. IV, 77 u. 80; Strab. VI, p. 257; VIII, p. 343 s. (der allerdings p. 345
xov MccKLGTOv ov xivsq TLXaxuvioxovvxa, -naXavüiv vom Samikon zu unter-
5. Elis: Tripliylieii. 283
Die ganze gegen zwei deulsche Meilen lange Küstenstrecke
vom nordvvestliclien Fusse des Kaiapliaberges bis zur Mündung
des Alpheios wird jetzt von der Lagune von Agulenitza ein-
genommen, welche durch einen schmalen, ganz mit diclitem
Kiefernwald bedeckten Sandstreifen vom Meere getrennt wird,
mit welchem sie jedoch durch einen das Wasser nach der
Mündung des Alpheios ableitenden natürlichen Abzugscanal in
Verbindung steht. Mehrere flache, ebenfalls bewaldete Inseln er-
heben sich längs der Mitte der Lagune wenig über die beson-
ders im südlicheren Theile mehr der eines Morastes als eines
Sees gleichende Wasserfläche; längs der Ostseite läuft durch
den schmalen Saum flachen Landes, welcher hier sich zwischen
der Lagune und einer Reihe theils mit Waldung, theils mit Fel-
dern bedeckter Hügel hinzieht, die Strasse nach Agulenitza, jetzt
der bedeutendsten Ortschaft dieser Gegend, deren Bewohner aus-
schliesslich von dem sehr reichen Ertrage der Fischerei in
der Lagune (die einen grossen Theil des Peloponnes mit
Fischen versorgt) leben. Wahrscheinlich nimmt diese Ortschaft die
Stelle von Epitalion ein, der durch ihre Lage als Hüterin der
Fürth durch den Alpheios, d. h. der wichtigsten Verbindungsstrasse
zwischen Triphylien und dem mittlem Elis bedeutsamen nord-
Avesllichstcn Stadt Triphyliens, welche ihrerseits an die Stelle
einer älteren Ortschaft, Thryon oder Thryoessa, getreten
warJ) Zwischen Epitalion und Samikon scheint keine weitere
Ortschaft gelegen zu haben, wahrscheinlich weil die ganze Strecke
schon im Älterthum, wenn auch nicht eine zusammenhängende
Lagune wie heutzutage, so doch an mehreren Stellen versumpft
und daher ungesund vvar.^)
scheiden scheint); 346 8.; 349; 351 s.; Paus. V, 6, 1 ff.; Hin. N. h. IV, 6, 21;
Stepli. liyz. u. MccKiCTog (wo die Worte in' OQOvg vtprjKov "neifisvi]
TtQog t(o trjg AsngeuTLyirjg nicht mit Curtius Pel. II, S. 116, Anni. 84 niif
MakistoH, sondern auf l'hrixa zu beziehen sind).
») Xenopli. Hell. III, 2, 29 f.; Polyb. IV, 80; Strab. p. 349; Stoph.
n. 'EnizdXiov; vgl. II. JB, 592; A, 711; Quint. Smyrn. B, 241; Steph. u.
(^QVOV.
2) Der Versuch Strabons (VIII, p. 343 u. p. 350 s.), die nur im
Hymn. Apoll. Pyth. 247 (welchen Vers Strabon entweder durch ein Ver-
sehen odtr nach einem intorpolirten Texte in das Buch o der Odyssee
vor V. 296 einschiebt) erwähnteu Ortsnamen Krunoi und Chalkis hier
284 II. IN'lo|unmosos.
Dagegen lagen in. der ganz von Hügeln und Bergen von
massiger Erhebung eingenommenen Gegend östlich von der Lagune
bis zur arkadischen Grunze verschiedene Ortschaften, unter denen
Epion (das homerische,' Aepy),^) die östlichste der sechs Minyer-
städte, zwischen Makistos (Samikon) und dem arkadischen Heräa
gelegen, zwar nicht an Umfang, aber an Starke vermöge ihrer
natürlichen Lage und künstlichen Befestigung die bedeutendste
war, wie die auf einem steilen Hügel oberhalb des Dorfes Pla-
tiana gelegenen , durch ihre treffliche Erhaltung ausgezeichneten
Ruinen (vom Volke Helleniko genannt) beweisen, die höchst wahr-
scheinlich dieser Ortschaft angehören. Der lange und schmale
Rücken des nach allen Seiten steil abfallenden Hügels ist ganz
(mit Ausnahme der südwestlichen Ecke, wo die Schroflheit der
Felsen eine künstliche Befestigung entbehrlich machte) mit der
nur zwei Meter dicken, meist aus grossen polygonen Blöcken
construirten Ringmauer umzogen, welche an der Süd- und West-
seite durch eine Anzahl viereckiger Thürme verstärkt ist. Der
nördlichere Theil des von dieser Ringmauer umschlossenen Raumes,
der eigentliche Kamm des Hügels, ist durch eine besondere Um-
fassungsmauer gegen Osten, Süden und Westen von dem übrigen,
gegen Süden allmälig abfallenden Terrain der Stadt, auf welchem
man noch die Fundamente zahlreicher Privathäuser und, am
weitesten gegen Osten, zweier Tempel erkennt, abgesondert und
bildet so eine 415 Meter lange, 20 — 40 Meter breite Oberstadt,
innerhalb welcher man fünf Plateaus von verschiedener Höhe,
welche durch Queermauern von einander gesondert waren, unter-
scheidet; das am höchsten gelegene westliche Plateau bildete
jedenfalls die Citadelle; in dem nächsten erkennt man die Ruinen
zu fixiren, ist eine ganz w^illkürliclie Hypothese und verdient nicht die
Aufmerksamkeit, welche ihm Curtius (Pelop. II, S. 87) geschenkt hat;
doch hat letzterer (S. 117, Anm, 90) aus Strahons (p. 351) Bezeichnung
von KqovvoI, XaX-nlg und ^ecc als ddo^av nota^äv ovoiiccra (lallov dh
6%Bxu)V richtig geschlossen, ^ dass man durch künstliche "Wasserabzüge
den Küstenstrich entsumpfte '.
») II. 5, 592 (= Hymn. in Apoll. Pyth. 245); vgl. Stat. Theb. IV,
180; Strab. p. 349 u. Steph. u. Alnv. Der historische Name der Ort-
schaft w^ird verschieden geschrieben: "Eniov Herod. IV, 148; "Hnsiov
Xen. Hell. III, 2, 30; AUiov Polyb. IV, 77 u. 80; "Hmov Steph. Byz.
u. d. W. Ueber die Ruinen s. Boutan Me'moire p. 240 ss. mit Plan
(wiederholt auf unserer Tfl. VII).
5. Elis: Tripliylien. 285
eines Theaters, von welchem noch neun Sitzreihen und der Unter-
bau des 10 Meter langen, 4,40 Meter tiefen Scenengebäudes er-
halten sind; das folgende Plateau scheint von der Agora und mehre-
ren öffentlichen Gebäuden eingenommen worden zu sein; in den
beiden östlichsten findet man die Fundamente von Privathäusern,
mehreren Tempeln und anderen öffentlichen Gebäuden.
Nördlich von diesem Hügel fliesst ein aus mehreren Armen
sich bildender Bach (wahrscheinlich der Acheron der Alten),
dem Diagon, dem Gränzflusse gegen Arkadien parallel, dem Al-
pheios zu und einen ähnlichen Bach von ungefähr gleicher Rich-
tung finden wir IV4 Stunden weiter westlich. In dieser Gegend
standen noch zur Zeit des sogenannten Bundesgenossenkrieges
(Ol. 140) vier Städte: Hypana, weiches dann in Folge der
Uebersiedelung seiner Bewohner nach Elis verfiel, Tympaneä,
das noch zu Strabons Zeit bestand, und die später ganz verschol-
lenen Bolax und Stylangion: einer dieser Ortschaften mögen
einige bei Mundritza, auf einem zum nördlichen Theile des
Smernagebirges gehörigen Plateau, erhaltene antike Reste ange-
hören.') Zwei Stunden nordwestlich von da lag an einem von
Südosten her dem Alpheios zufliessenden fischreichen Bache, dem
Selinus der Alten, zwischen bewaldeten, an Wild reichen Hügeln,
20 Stadien von Olympia entfernt (bei dem jetzigen Dorfe Ma-
krysia) Skillus, eine alle triphylische Ortschaft mit einem Hei-
ligthume der Athene Skillunlia, welche von den Eleern wegen
ihrer Theilnahme an dem Unabhängigkeitskampfe der Pisaten zer-
stört, später abet unter dem Schulze der Lakedämonier, welche
einen grossen Theil des Gebiets der Stadt dem aus Athen ver-
bannten Xenophon schenkten , wieder bew ohnt w urde. Xenophon
weihte das ihm geschenkte Terrain, in dessen Besitz er auch
von den Eleern nicht gestört wurde, der ephesischen Artemis
und errichtete derselben in einem Hain vqu Fruchtbäumen einen
Tempel, eine Nachbildung des ephesischen Tempels im Kleinen,
in dessen Nähe man noch ^lem Tansanias , der von der Ortschaft
Skillus nur Trünuner vorfand, das mit einem Reliefbilde aus
') Strab. p. 344 (wo für JaXioav mit Ross RoiHen im Pel. S. 104 Jiaycav
z.i gchroibon ist); Polyb. IV, 77—80; Ptol. HI, 16, 18; Steph. 11. Tvna-
vfai, "Titotvtt u. ZrvXläyiov: vgl. Ponillon-Boblaye Uucherches p. 133;
DüdWell Class.-topogr. Reise II, 2, 8. 193 d. d. Ueb.
286 II. Pcl()j)onncsos.
pcntelisclieni Maniior geschmückte Grab des Xenophon zeigte.')
(iieiig man von hier nach Olympia, so kam man an einem schroff
nach dem linken Ufer des Alpheios abfallenden Berge, dem Ty-
päon, vorüber, von dessen Gipfel nach einem alten, aber nie-
mals in Anwendung gebrachten Gesetze Frauen , welche sich dem
ausdrücklichen Verbot zuwider unter die Zuschauer beim olym-
pischen Agon eindrängen würden, herabgestürzt werden sollten. ^j
Ein ähnlicher, nur beträchtlich steilerer Berg erhebt sich
zwei Stunden weiter östlich am linken Ufer des Alpheios, da wo
der Lauf dieses Flusses aus der nordwestlichen in die rein west-
liche Richtung übergeht, bei dem jetzigen Dorfe Paläo-Phanari ;
der Gipfel dieses Berges, auf welchem frühere Reisende noch
einige jetzt bis auf eine Cisterne verschwundene antike Reste ge-
funden haben, trug einst die Akropolis von Phrixä (oder Phrixa),
der nordöstlichsten Stadt Triphyliens, die schon zur Zeit des Pau-
sanias bis auf einen Altar der Athene Kydonia in Trümmern lag.^)
Pisatis. Der mittlere Tlieil der Landschaft, die Pisatis, umfasste
das vom rechten Ufer des Alpheios bis gegen den Ladon hin sich
erstreckende, zum Bergsystem der Pholoe gehörige Hügelland,
sowie die Küstenstrecke von der Mündung des Alpheios bis in
die Nähe des Cap Chelonatas (vgl. oben S. 273, Anm. 2). Der
südlichste Vorsprung dieses Hügellandes, welcher hart an der
arkadischen Gränze den durch die Einmündung des Erymanthos
in den Alpheios gebildeten Winkel einnimmt, wurde von den
Alten als der Bergrücken des Sauros,^) zwei andere weiter
«) Paus. V, 6, 4 ff. .(vgl. VI, 22, 4); Xenoph. Anab. V, 3, 7 ff.,
Hellen. VI, 5, 2; Strab. p. 343; Steph. u. llyiLXXovg \ vgl. Boutan Me'moire
p. 228 SS. Da der Name ein Terrain, wo die Meerzwiebel (ayiiXXa) in
Meng-e wächst, also ein sandiges Terrain in der Nähe des Meeres, be-
zeichnet, so stand vielleicht das älteste Skillus an der Küste auf einer
jetzt von der grossen Lagune bedeckten Stelle und wurde erst in Folge
der Versumpfung der Küste weiter ins Innere der Landschaft verlegt.
2) Paus. V, 6, 7; Steph. u. Tvnaiov. Der Name bedeutet vielleicht
' ßichtstätte ' ; vgl. xvfiTtccvL^eiv u. cc7torv(i7tavL^£iv. Die Stadt Typaneä
muss trotz der Uebereinstimmung der Namen wegen Strab. p. 344 von
dem Berge geschieden werden.
3) Herod. IV, 148; Xen. Hell. III, 2, 30; Polyb. IV, 77 u. 80; Strab.
p. 343; Paus. VI, 21, 6; Steph. u. Md-ALGtog u. $pt|a: ders. (u. ^atGtog)
giebt an, dass die Stadt später (aber wann?) ^aiOTog genannt worden
sei. Vgl. Leake Morea IT, p. 209 s.; Boutan Memoire p. 232 ss.
^) Paus. VI, 21, 3, wornach auf dem Bergr-ücken das Grab des Räu-
5. Elis: Pisatis. 287
westlich in der Nälie des Olympisclieii lleiligtliunis gegen den
Alpheios vortretende Hügel mit den wahrsclieinlicli von den
Achäern aus ihren thessalischen Wohnsitzen mitgehrachten Na-
men Olympos und Ossa bezeichnet J) Zahlreiche Bäche fliessen
aus diesem Hügellande dem Alpheios zu : der östlichste derselben
ist der alte Leukyanias, an welchem ein Heiligthum des Dio-
nysos Leukyanites stand ;2) es folgt der ungefähr dem triphyli-
schen Phrixä gegenüber in den Alpheios mündende Parthenias,
an welchem man einen Grabhügel der Rosse des Marmax, des
ersten Freiers um des Oinomaos Tochter Hippodameia zeigte ;3)
sodann der Harpinates, an dessen westlichem Ufer die zu Pau-
sanias Zeit zerstörte Stadt Harpina und in deren Nähe ein
hoher Erdhügel , welcher als Grab der von Oinomaos getödteten
Freier der Hippodameia betrachtet wurde, ein Stadion weiter
ein Heiligthum der Artemis Kordaka und in dessen Nähe ein
kleines Gebäude mit einem ehernen Kasten, der die Gebeine des
Pelops enthalten sollte, lag.^) Zwanzig Stadien westlich von Har-
pina mündet in den Alpheios wieder ein bedeutenderer Bach, der
die Gränze des Olympischen Heiligthums gegen Westen bezeichnende
Kladeos. "^j Bald darauf treten die Hügel vom rechten Ufer des
bers Sauros, der hier von Herakles getödtet worden sein sollte, und ein
zu Paus. Zeit in Trümmern liegendes Heiligthum des Herakles standen.
1) Strab. p. 356; schol. Apoll. Rhod. A, 599; Eustath. ad Dionys.
Per. 409. Curtius (Pel. II, S. 51) setzt den Ossa auf das linke Ufer des
Alpheios wegen Strabons Angabe, dass Pisa zwischen den beiden Ber-
gen gelegen habe; doch ist diese Angabe auch dann richtig, wenn wir
im Olympos den östlich, im Ossa den westlich von dem kleinen Bache
von Miraka sich erhebenden Bergrücken erkennen,
*) Paus. VI, 21, 4 f., wo auch ein etwas weiter östlich, 40 Stadien
vom Saurosberge auf einer Anhöhe am Alpheios gelegener, von einem
gewissen Demänetos gegründeter, zu Paus. Zeit verfallener Tempel des
Asklepios erwähnt wird.
') Paus. a. a. O. § 7; Strab. }). 357; Steph. u. (Vcogiafioi : nach der
letzteren Stelle lag in der Nähe des Flusses, wahrscheinlich zwischen
ihm und dem Leukyanias, eine ^cagiafioi, d. i. 'Kiste, Kasten', genannte
Oertlichkeit, wahrscheinlich eine enge und tiefe Schlucht.
*) Paus. a. a. O. § 8 ff. u. c. 22, 1 ; für die Stadt Harpina vgl. auch
Strab. p. 357; Lucian. de morte Peregr. 36 (nach welcher Stelle sie 20
Stadien ostwärts von Olympia entfernt war) u. Steph. u. 'Aquivu.
&) Paus. V, 7, 1 u. ö.: bei Xen. Hell. VH, 4, 29 ist der Name KXa-
daog geschrieben.
288 II, P(;Ioj)onii(3S()s.
Alplicios belräditliclj gegen Norden znriick uii«l es ciitstelil, so
eine geräumige Ebene, durcli welebc wieder mehrere Bäche nach
dem Alpheios fliessen: der bedeutendste westlichste derselben
scheint im Alterthum den wieder aus Thessalien hierher ver-
])nanzten Namen Enipeus, der nächst östlichere den Namen
Kytherios geführt zu habenJ) Längs des rechten Ufer des
Enipeus zieht sich ein Ilögelriirken bis zum Alpheios herab und
bildet so ein letztes kurzes Engthal, aus welchem dieser Fluss
in seine breite, ganz aus angeschwemmtem Lande bestehende
Mundnngsebene eintritt. Unmittelbar an der Mündung stand in
einem Ilaine ein Tempel der Artemis Alpheionia oder Alpheiusa,
nach der alten Landessage der Geliebten des Flussgottes Alpheios,
an deren Stelle in einer Jüngern Form der Sage die Quellnymphe
Arethnsa getreten ist. ^j
Die Pisatis zerfiel zur Zeit ihrer politischen Selbständigkeit
in acht Bezirke, von denen jeder das Gebiet einer einzelnen
Stadt ausmachte. Als solche alte Bezirkshauptstädte kennen wir
durch das ausdrückliche Zeugniss des Strabon (VlII p. 356 s.)
Salmone (bei einer gleichnamigen Quelle, aus welcher der
Enipeus entspringt), Herakleia (40 — 50 Stadien nordwestlich
von Olympia an der von da durchs Gebirge nach Elis führenden
Strasse am Flusse Kytherios, also in der Gegend des jetzigen
Bruma gelegen, mit einer heilkräftigen Quelle und einem Heilig-
thum der ionidischen Nymphen),^) Harpina (vgl. oben S. 287,
Anm. 4), Kikysion (nach Strabon die grösste unter allen),
und Dyspontion (an der durch die Ebene führenden Strasse von
Olympia nach Elis gelegen, von seinen Bewohnern nach dem un-
glücklichen Ausgange des Unabhängigkeitskampfes der Pisaten
1) Strab. p. 356: der Kvd-7]Qiog heisst bei Paus. VI, 22, 7 Kvd^rjgog.
Meineke Diatr. in Callimaehi H. in lov. 22 (p. 125) vermuthet, dass er
auch den Namen 'icccov geführt habe.
2) Strab. p. 343; Athen. VIII, p. 346 »'; dazu über die alten Wand-
gemälde im Tempel Panofka ^Zur Erklärung des Plinius', Berlin 1858,
S. 4 ff. Ueber die ältere Gestalt der Sage, für welche auch der gemein-
same Altar des Alpheios und der Artemis in Olympia (Paus. V, 14, 6)
Zeugniss giebt, vgl. Paus. VI, 22, 8 f.; schol. Pind. Pyth. IT, 12; Nem.
I, 3; über eine Quelle Arethusa in der Pisatis E. Curtius in Pinder und
Friedländers Beiträgen zur älteren Münzkunde I, S. 234 ff.
2) Vgl. Paus. VI, 22, 7,- zu dessen Zeit Herakleia eine Kome der
Eleier war,
5. Elis: Pisalis. 289
gegen Elis, an welchem sie Theil genommen hatten, um Ol. 50
verlassen).') Die drei übrigen waren wahrscheinlich Aleision,
in älteren Zeiten eine Stadt an der Gebirgsstrasse von Olympia
nach Elis, zu Strabons Zeit nur noch ein Platz in der Amphi-
dolis oder Amphidolia genannten Gegend, an welchem die
Umwohner monatlich einen Markt abhielten (wahrscheinlich iden-
tisch mit der von anderen Schriftstellern erwähnten Ortschaft der
Amphidoloi);^) Margala oder Margana, eine ebenfalls im
District Amphidolia gelegene Stadt, ^) und Letrinol an der Haupl-
strasse von Olympia nach Elis, 120 Stadien von ersterem, 180
von letzterem Orte entfernt, in der Nähe eines kleinen Sees,
also jedenfalls in der jetzt zu dem Städtchen Pyrgos gehörigen
Strandebene, wahrscheinlich bei dem Dörfchen Hagios loannis
oberhalb der Lagune von Muria (die ebenso wie die südlicheren
Lagunen gewiss neueren Ursprungs ist) gelegen, zu Pausanias Zeit
bis auf wenige Wohnhäuser und den Tempel der Artemis Al-
pheiäa zerstört.'*)
Der ausdrücklich bezeugte Umstand, dass Pisa nicht zu
diesen acht Städten gehörte, giebt der Ansicht derjenigen grie-
chischen Alterthumsforscher einiges Gewicht, welche läugneten,
dass es überhaupt jemals eine Stadt dieses Namens gegeben habe
und den Namen der Landschaft von einer Quelle Pisa (später
Bisa genannt) in der Nähe der Stadt Kikysion (die also un-
^) Vgl. mit Strab. a. a. O. Paus. VI, 22, 4; Steph. u. Jvgtcovzlov.
Die Namen der acht Städte der Pisatis standen jedenfalls neben acht der
-koiXt] ^HXig in der Lücke bei Paus. V, 16, 6.
2) Strab. p. 341, vgl. II. ß, 617 u. A, 757; Steph. u. 'AX^iglov. Die
'AfKfLdoXoL (nach dem Zeiigniss des Steph. ii. d. W. zugleich Name der Ort-
schaft und ihrer Bewohner) Xenoph. Hell. III, 2, 25 u. 30; IV, 2, 10.
Diejenigen, welche von einem Flusse 'JXsioLog sprachen (s. Strab. p. 342),
verstanden darunter wohl einen Seitenarm dos Enipcus.
^) Strab. p. 349 (wo MagyccXai u. MagyccXa); MuQyavSLg Xenoph.
Hell. III, 2, 25 u. 30; IV, 2, 16 (an diesen drei Stellen neben den 'Jfi-
fpCdoXoi genannt, also von diesen verschieden); VI, 5, 2; VII, 4, 14 u.
26; Mdqyava Diodor. XV, 77; Maqyuia Steph. Byz. u. d. W.
*) Paus. VI, 22, 8 ff.; Xenoph. Hell. HI, 2, 25 u. 30: IV, 2, 16;
Lycophr. AI. 64 u. 158 (was unter der ebds. erwilhnten MöXnidoq nizqa
gemeint sei, wissen wir nicht): vgl. Leake Morca II, p. 186 ss. Auch
])ei Ptol. III, 16, 18 ist vielleicht (mit Pouillon Boblaye Kecherches p.
! 1 für KoQijvri (oder KoQvvrj) AexQivoi herznstellen.
290 H. l'eloponnesos.
gefähr auf derselben Stelle anzusetzen sein wird, welche andere
für Pisa in Anspruch nahmen) herleiteten. Andere dagegen be-
zeichneten einen zur Zeit des Pausanias mit Weinhergen bedeckten
Hügel 6 Stadien östlich von dem Olympischen lleiligthume als
den Platz der alten Stadt Pisa.^) Jedenfalls beruhte die ganze
Bedeutung der Ortschaft auf dem Ileiligthum des Zeus Olympios,
dessen Platz, jetzt eine ungesunde, feuchte Niederung, grössten-
theils mit Gebüsch und Weideland bedeckt, von bewaldeten An-
höhen umgeben , ohne eine Spur menschlicher Ansiedelungen, im
Alterthum eine mit zahlreichen Bau- und Bildwerken, darunter
Kunstwerken ersten Banges geschmückte Stätte regelmässiger,
täglicher Opfer, während der Tage des Festes ein Sammelplatz
vieler Tausende von Besuchern selbst aus den fernsten Gegenden,
in welche griechische Sprache und griechische Cultur gedrungen,
war. Olympia — mit diesem Namen wurde der ganze im
Westen vom Kladeos, im Süden durch das im Alterthum besser
als jetzt regulirte Bett des Alpheios, im Norden und Osten durch
Hügel begränzte Baum bezeichnet — bestand aus dem geräu-
vmigen Peribolos des Zeustempels — der sogenannten Altis — ,
den Anlagen für die gymnischen und hippischen Agonen und
allerhand Bäumllchkeiten für das Cultpersonal, für das Unter-
kommen und die Bewirthung der Fremden und für geselligen
und geschäftlichen Verkehr. 2) Die Altis war rings von einer
Mauer umschlossen, die sich an der Nordseite hart am Fusse
eines in die Ebene vortretenden Hügels, des Krön ion,- und um
die südwestliche Ecke desselben herum bis zum Kladeos hinzog,
1) Strab. p. 356; Paus. VI, 22, 1 f.; schol. Find. Ol. I, 28; XI, 51;
Steph. Byz. u. TLCgu.
2) Vgl. für die Topographie von Olympia, welche von Agaklytos in
einer besonderen Schrift nsgl 'OXv[i7ttag behandelt worden war (s. C.
Müller Fragm. bist. gr. IV, p. 288), die flüchtige Skizze bei Strab. Vin,
p. 353 s. und die sehr detaillirte , aber leider sehr wenig übersichtliche
Schilderung bei Paus. V, 7 — VI, 21; dazu John Spencer Stanhope
Olympia or topography illustrative of the actual state of the piain of
Olympia, London 1824 [mir nicht zugänglich]; Expedition de More'e I,
pl. 56—73; Leake Peloponnesiaca p. 4—108; E. Curtius Olympia. Ein
Vortrag. Berlin 1852 und Peloponnesus II, S. 52 ff. (dazu Pläne auf
Tfl. II); Beule' Etudes sur le Peloponnese p. 245 ss.; Vischer Erinnerun-
gen S. 465 ff.; Th. Wyse An excursion in the Peloponnesus in the year
1858, London 1865, Vol. II, p. 81 ss.
5. Elis: Pisatts. ^ 291
am linken Ufer dieses Flusses, wo man noch Spuren einer Ufer-
mauer bemerkt, gegen Süden, dann dem rechten Ufer des AI-
pheios parallel, aber in beträchtlichem Abstand von demselben
gegen Osten, endlich in gerader Linie gegen Norden nach der
Südostecke des Kronion hinlief J) Der Haupteingang, durch
welchen die Processionen in die Altis einzogen, befand sich an
der Südseite ; ausserdem gab es mehrere Nebenpforten , wie eine
an der Nordwestseite in der Gegend des Gymnasions und zwei
an der Nordostseite, welche direct in das Stadion (die eine
für die Kampfrichter und Athleten, die andere für das übrige
Publikum bestimmt) führten.-) Den Mittelpunkt der Altis bildete
sowohl in räumlicher Beziehung als in Hinsicht auf seine religiöse
Bedeutung der grosse Altar des Zeus Olympios, welcher auf einem
steinernen Unterbau von 125 Fuss Umfang (der sogenannten Pro-
thysis, auf welcher die Opferthiere geschlachtet wurden) aus der
mit Wasser aus dem Alpheios vermischten Asche der verbrannten
Schenkelknochen der Opferthiere errichtet war. Auf demselben
w urden , abgesehen von den grossen Opfern während der Fest-
feier, täglich von den Eleern und häufig von Privatleuten Opfer
gebracht; jährlich um die Frühlingsnachtgleiche (am 19. des
Monats Eiaphios nach eleischem Kalender) wurde eine neue Lage
von der während des Jahres im Prytaneion angesammelten Opfer-
asche aufgestrichen , so dass die Höhe des Altars, welche zu Pau-
sanias Zeit (mit Einschluss des Unterbaus) 22 Fuss betrug, immer
zunahm. 3) In der Nähe dieses Altars, gegen Westen in gleicher
*) Die Ausdehnung der Altis ist auf dem Plane bei Curtius gegen
Süden zu gross, auch die Stelle des Zeustempels nicht richtig angegeben:
derselbe liegt der südwestlichen Spitze des Kronion beträchtlich näher;
vgl. Wyse a, a. O. p. 148 s. Das r^rj^off der Altis erwähnen Paus. V,
24, 8; 26, 5 u. 7; Xenoph. Hell. VII, 4, 32.
2) nofinmii (l'godog Paus. V, 15, 2; VI, 20, 7; rj k'^oSog ?J xov
yvfivaaLOv nigav V, 1.5, 8; rj i'goSog ij ig td ataSiov V, 14, 9; 21, 15;
22, 1 ; KQvntrj sl'godog für die 'EXlavoStHUi und aycoviGTCcc VI, 20, 8.
') Paus. V, 13, 8 flf. vgl. VI, 17, 1. Der Altar heisst o ßcofiog
schlechtweg bei Xen. Hell. VII, 4, 31; Philostr. de gymn. 5 u. 6. An
denselben knüpfte sich ohne Zweifel das (lavTSiov rov 'Olvfinvov diog
(Strab. VIII, p. 353), d. h. die Weissagung aus den Opfern, besonders
aus der Opferflamrac {Sl' i(invQ(ov), welche bis in diu letzten Zeiten des
Heidenthums durch fiuvreig aus den Familien der 7a/i(dat und KXvtid-
Sui besorgt wurde: vgl. Find. Olymp. VI, 7 n. VIII, 3 c. schol.; Herod,
292 n. Peloponnesos. '
KnlR'rmmy von ileiiisclbeii, staiulen zwei alte und angesehene
Heiligthümer: ein dorischer Tempel (Peripleros) der Hera, der
aller vier Jahre ein Fest Heräa mit Darbringung eines von IG
Frauen gewebten Peplos und Wettläufen von Mädchen verschie-
dener Altersstufen im Olympischen Stadion gefeiert wurde, mit
zahlreichen Iheils durch ihren Kunstwerlh, theils durch Aller-
thümlichkeit (wie der bekannte Kasten des Kypselos) bedeutsamen
VVeihgeschenken, und südlich davon ein Temenos des Pelops (Pe-
lopion), ein mit Bäumen, zwischen denen Statuen aufgestellt
waren, bepflanzter, von einer Mauer umschlossener Raum mit
Eingang an der Westseite. ^) Südlich von diesem Temenos, durch
einen mit Statuen und Weihgeschenken aller Art angefüllten
Raum davon getrennt, erhob sich der grosse Tempel des Zeus,
ein Denkmal des Sieges der Eleer über die Unabhängigkeilsbe-
strebungen der Pisaten, dessen wahrscheinlich noch in den 50er
Olympiaden unter Leitung des Architekten Libon begonnener Bau
erst Olympiade 85 — 86 seinen völligen Abschluss erhielt. Es
war ein dorischer Peripteros mit 6 X 13 Säulen aus mit feinem
Stuck überzogenem Muschelkalk, der Unterbau aus feinkörnigem,
dem phigalischen ähnlichem Kalkstein, das Dach, die Architektur
im Innern der Cella, sowie der plastische Schmuck der beiden
Giebelfelder (im östlichen die Vorbereitungen zum Wettkampfe
zwischen Pelops und Oinomaos von Päonios aus Mende in Thra-
kien , im westlichen der Kampf der Lapithen und Kentauren von
Alkamenes aus Athen) und der je sechs Metopen über dem Ein-
gange zum Pronaos und Opisthodom (Thaten des Herakles; die Me-
topen des äusseren Hauptfrieses waren ohne plastischen Schmuck)
aus weissem Marmor. Das in der Mitte ofTene Dach der Cella,
an deren westlicher, sie von der Nachcella (Opisthodomos) tren-
nenden Wand die Colossalstatue des Gottes, das Werk des Phei-
dias, in einer besonderen Capelle aufgestellt war, wurde von
einer doppelten Säulenstellung, zwei unteren und zwei oberen,
eine Art von Emporen bildenden Säulenreihen längs der Lang-
VIII, 134; Xen. Hell. IV, 7, 2 und die am Fiisse des Kronlonhügels ge-
fundenen Inschriften bei Beule Etudes sur le Pel. p. 268 ss. (auch in
Goettlings Opuscula academica p. 306 ss.).
1} Tempel der Hera: Paus. V, 16; VI, 1, 3; c. 19, 8 u. 12; Athen.
XI, p. 480^; Dio Chrysost. Gr. XI, 45. nsloTtiOv: Paus. V, 13, 1 flf.;
24, 5; 27, 1.
5. filis: Pisalis. 2Ö3
seilen der Cella, gestützt. Dass der Tempel nicht sowohl zu den
Zwecken des Cultus, als zur Erhöhung des Glanzes der Festfeier,
hei welcher den Siegern in den Agonen innerhalh des Tempels
vor der Statue des Gottes die Siegeskränze überreicht wurden,
errichtet war, zeigt schon der Umstand, dass auch nach Er-
bauung desselben die regelmässigen Opfer auf dem grossen Aschen-
allar, der in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Tempel
stand, dargebracht wurden. Doch ist auch von einem Altar, auf
welchem Opfer (jedenfalls nur feuerlose) gebracht wurden , inner-
halb des Tempels die Rede, und eine durch ein ehernes Gefäss
bezeichnete Stelle auf dem Boden der Cella, an welcher einst
ein Blitz eingeschlagen haben sollte, war gewiss, wie alle der-
artige Blitzmale bei den Alten, auch eine Stätte des Cultus.^)
In der Gegend des Opisthodoms , welcher während des Festes der
gewöhnliche Versammlungsort eines kleineren gewählten Publikums
zum Behuf des Anhörens litterarischer Vorträge oder sonstiger
1) Vgl. über den Tempel Paus. V, 10, 2 flf., dessen Maassangaben
(230 F. Länge, 95 F. Breite, 68 F, Höhe) mit den von der französischen
Commission ermittelten Maassen (Länge 205, Breite 93 Par. Fuss) ziem-
lich übereinstimmen; den ßcofiog svros tov vccov (wofür Bötticher
Tektonik der Hellenen Bnch IV, S. 352 unrichtig ivrog trjg "AXtecos
schreiben wollte) erwähnt Paus. ebds. c. 14, 4. Von Neueren s. Expe'-
dition de Moree I, pl. 02 ss.; Rathgeber 'Olympieion' in der Allgem.
Encycl. d. AV. u. K. S. III, Bd. 3, S. 179 ff.; Bötticher Zeitschrift für
Bauwesen III (1853) S. 38 ff. u. 138 ff.; Reber Geschichte der Baukunst
im Alterthum S. 299 f. Eine andere Ansiclit über die Erbauungszeit des
Temi)els hat Urlichs ausgesprochen in den Verhandlungen der 25sten Philo-
logenver.sammlung zu Halle S. 70 ff.: er bezieht die von Paus. a. a. O. er-
wähnten Xccq)VQcc auf einen späteren, Ol. 77, 2 stattgehabten Aufstands-
versuch der cleischen Periöken und lässt den Bau Ol. 77, 3 — 4 beginnen
u. Ol. 80, 3 — 4 im Wesentlichen, bis auf die Gruppe des westlichen Giebels
und die Zeusstatue, vollendet sein. Allein dass Pausanias nur den von
den Pisaten unter Führung des Pyrrhos, Sohnes des Pantaleon, gegen
die Eleer begonnenen Krieg, der (wahrscheinlich Ol. 51: vgl. Julius
Africanus ad Olyni]). XXX und die Thatsache, dass Ol. 52 wieder ein
Eleer als Sieger cr.schciut; mit der Unterwerfung und Austreibung der
Pisaten und ihrer Bundesgenosaen endete, gemeint haben kann, lehrt die
Vcrgleichung der historischen Notizen VI, 22, 4. Heutzutage sieht man
nur zwischen Schutthaufen und zum grossen Theil wieder mit Erde und
Strauchwerk bedeckt, aus welchem einige Säulentroncs herausragen, die
von der französischen Commission im Mai und Juni 1829 blossgelegten
I'imdamento des Tempels.
UUKSIAN, UKOUK. II. 20
294 II. Peloponiiesos.
wissenschaftlicher Unterhaltung oder der Betrachtung ausgestellter
Kunstwerke gewesen zu sein scheint,^) stand ein uralter, angeh-
lich von Herakles seihst gepflanzter wilder Oelhaum, von dessen
Zweigen ein Knabe, dessen beide Eltern noch lebten, mit goldnem
Messer die Kränze für die Sieger in den Karnpfspielen abschnitt;
in seiner Nähe war den ""Nymphen der schönen Kränze' (Nymphä
Kallistephanoi) ein Altar errichtet, ^j Zwischen dem Tempel und
dem grossen Altar stand, südlich vom Wege, unter einem von
vier Säulen getragenen Dache eine uralte, durch zahlreiche Heft-
bänder zusammengehaltene hölzerne Säule, welche von der Tra-
dition als der einzige Ueberrest des vom Blitz zerstörten Hauses
des Oinomaos bezeichnet wurde, zwischen Altären des Zeus Her-
keios und des Zeus Keraunios. ^) Von anderen Baulichkeiten
innerhalb der Altis kennen wir, abgesehen von den sehr zahl-
reichen Altären,^) das in der Nähe des Processionsthores, also
im südlichsten Theile der Altis, gelegene Hippodameion,
einen mit einer Mauer umhegten Platz von einem Plethron
(10,000 DFuss = 9648 preuss. DFuss) Flächenraum, welcher
nur einmal im Jahre von den Frauen, welche der Hippodameia
opferten, betreten werden durfte,^) sowie eine grössere Gruppe
von Gebäuden im nördlichsten Theile der Altis am südlichen Fusse
des Kronionhügels. Zunächst dem Ausgange, welcher nach dem
ausserhalb der Altis, zwischen dem westlichen Fusse des Kronion
und dem Kladeos gelegenen Gymnasion, an dessen östliche
1) Vgl. E. H. Meier Allg. Encycl. d. W. u. K. S. III, Bd. 3, S. 307;
Krause Olympia (Wien 1838) S. 183 ff.
2) Paus. V, 15, 3: vgl. Theophr. Hist. pl. IV, 13, 2; Plin. N. h. XVI,
44, 240. Die auch von Curtius (Pelop. II, S. .53) wiederholte Angabe,
dass der Baum in einem Ildvd'Siov genannten Gehege gestanden habe,
beruht auf einem freilich alten (vgl. schol. Pind. Olymp. III, 60 u. VIII,
12) Missverständniss der vom schol. Aristoph. Plut. 586, schol.
Theoer. IV, 7 u. Suid. u. "hotlvov crscpdvcp ausgeschriebenen Stelle des
(Aristot.) Mir. ausc. 51, wo von dem Oelbaume, von welchem Herakles
den Absenker entnahm, den er in Olympia pflanzte, gesagt ist, dass er
im Pantheion, in der Nähe des Ilissos (also doch wohl in Athen?) stehe.
3) Paus. V, 14, 7; c. 20, 6 ff.; VI, 18, 7.
"*) Ein leider nicht nach den Standorten, sondern nach der Reihen-
folge, in welcher auf ihnen geopfert wurde, geordnetes Verzeichniss der-
selben giebt Paus. V, 14, 4 ff".
'■>) Paus. VI, 20, 7, vgl. V, 22, 2.
5. Elis: Pisatis. 295
Mauer Wohnungen für die Athleten angehaut waren, ^) führte,
stand zur Rechten des vom Heräon her Kommenden das Pryta-
neion, welches zwei Gemärher enthielt: das Heiligthum der
llestia mit dem gleich dem grossen Zeusaltar aus Asche errich-
teten Altar, dem Staatsheerde der Eleer, auf welchem Tag und
Nacht ein ewiges Feuer hrannte, nehst einem Altar des Fan, und
den Speisesaal (Hestiatorion) , worin den Siegern in den Spielen
ein Festmahl gegeben wurde. ^) Dem Prytaneion gegenüber zur
andern Seite des Ausgangs stand ein Rundgebäude aus Ziegeln,
von Säulen umgeben, mit einem ehernen Mohnkopfe auf der Spitze
des Daches, von Philipp II. von Makedonien nach der Schlacht hei
Chäroneia erbaut und daher Philippeion genannt; das Innere
enthielt Statuen des Philippos, seines Vaters Amyntas, des
Alexandros, der Olympias und der Eurydike, sämmtlich Werke
des Leochares aus Elfenbein und Gold. In der Nähe dieses Rund-
baus (westlich oder südlich davon) sland ein grosser, der Götter-
mutter geweihter dorischer Tempel, das Metroon, in welchem
a))er wenigstens zu Pausanias Zeit kein Götterbild, sondern Statuen
römischer Kaiser aufgestellt waren. -^j Diesem ungefähr gegen-
über, südlich vom Prytaneion, lag das Ruleuterion, das Sitzungs-
local des olympischen Rathes, welcher die höchste Instanz für
alle das Fest oder das heilige Gebiet betreffenden Streitigkeiten
bildete; darin stand eine Statue des Zeus Horkios (Schwurgott),
1) Paus. V, 15, 8; VI, 6, 3; c. 21, 2: die Lage ausserhalb der Altis
ergiebt sich deutlich aus der ersten und letzten Stelle.
2) Paus. V, 15, 8 flf:; Xen. Plell. VII, 4, 31; vgl. Preuner Hestia-
Vesta S. 127. Mit dem Prytaneion stand auch offenbar in enger Ver-
bindung der d'STj-KoXsmv, die "Wohnung der ^srjvioXoi, welche, 3 au
Zahl, abwechselnd je einen Monat lang unter Assistenz der anovdocpo-
QOt, jLtat/Tftff, ^^riyriraL, vnoanovSorpOQOi (auch vnoGitovdoQxriGTCtC und
InianovdoQXTjGTai genannt) und des ^vlsvg (auch ■iicc9'rj(iEQod^vti]g) die
täglichen Opfer besorgten: Paus. V, 15, 8—10; Inschr. bei BeuM Ktudes
p. 208 SS.
^) Paus. c. 20, 9, nach welcher Stelle ich trotz der etwas unklaren
Wegbezeichnung c. 21, 2 mit Wyse (An cxcursion in the Peloponnesus
II, p. 138 8.) das Metroon (welchem vielleicht die von Beule' a. a. O. p.
250 erwähnten, zum Theil im Bette des Kladeos liegenden IJeste eines
dorischen Tempels angehören) neben dem Philippeion, nicht mit Curtius
<*stiich vom lleräon ansetzen zu müssen glaube. Das Pliilippeion war
offenbar seiner Bestimmung nach den sogleich zu erwähncudeM Tht.sau-
n .'inalog.
20*
29G II. Pcloponnesos.
A •■
vor welcher die Athleten mit ihren Angehörigen und Lclirern
auf die strenge Beohachtung der Kampfgesetze, die Kampfrichter,
welche über die Kämpfe der Knaben und der Fohlen zu ent-
scheiden hatten, auf Unparteilichkeit und Wahrung des Amtsge-
heimnisses vereidigt wurden. ^) In der Nähe des Prytaneion
scheint in älterer Zeit ein Theater, dessen Sitzstufen für die
Zuschauer wahrscheinlich auf dem Abhänge des Kronion ruhten,
errichtet , aber wenigstens im 2. Jahrhundert unserer Zeitrechnung
wieder verschwunden gewesen zu sein.^)
Wenn man vom Metroon nach dem Stadion, also in west-
östlicher Richtung, durch den nördlichsten Theil der Altis ging,
so hatte man zur Linken am südlichen Fusse des Kronion einen
aus einer Anzahl von langen Treppenstufen bestehenden Unterbau,
von dessen östlichem Ende man durch den sogenannten * verbor-
genen Eingang', offenbar ein Seitenpförtchen in der Mauer der
Altis, unmittelbar in das Stadion gelangen konnte. Auf den Stufen
standen eine Anzahl (zu Pausanias Zeit 17) Erzstatuen des Zeus,
von den Eleern Z a n e s genannt, errichtet aus Strafgeldern, welche
einzelnen Athleten wegen Vergehen gegen die Kampfordnung
auferlegt worden waren. ^) DitJ oberste Stufe führte zu einer
Terrasse, welche zehn Thesauren (Schatzhäuser) d. h. tempel-
artige Gebäude, die von verschiedenen, meist aussergriechischen
Städten zur Aufbewahrung kostbarer Weihgeschenke errichtet
worden waren, in folgender Reihenfolge von Westen nach Osten
trug: das der Sikyonier (errichtet durch den Tyrannen Myron,
der Olymp. 33 einen Wagensieg in Olympia gewann, mit zwei
Gemächern, einem im dorischen, einem im ionischen Styl, deren
Wände mit Erzplatten bekleidet waren) , der Karthager (jedenfalls
nicht von diesen selbst, sondern von Gelon und den Syracusanern
1) Paus. V, 23, 1; c. 24, 1 u. 9 f.; Xen. Hell. VII, 4, 31.
2) Xen. Hell. VII, 4, 31: wenn dort das Wort ^sccrgov nicht eine
blosse Corruptel (etwa für sGZLaTOQiov?) ist, so bleibt nur die im Texte
ausgeführte Annahme übrig, da nicht nur Pausanias das Theater nicht
erwähnt, sondern auch Philostrat. Vita Apoll. V, 7 (p. 88, 2 Kayser) in
Bezug auf Olympia sagt: otg firJTS d-sargov saxL firjrs OHrjvi] ngog rcc
xoiavxa (sc. xQctyaSiccv xat ■niQ'UQCpdiav)^ Gxddiov 8s avzocpvlq xat
yviiva Tidvxcc , eine Stelle, mit welcher Curtius (Pel. II, S. 112, Anm.~68)
sich allzu leicht abfindet.
3) Paus. V, 21, 2 ff.; VI, 20, 8.
5. Elis: Pisatis. 297
zur Erinnerung an den Sieg bei Himera gestiftet) , der Epi-
(lamnier, der Byzantier, der Sybariten, der Kyrenäer, der Seli-
nuntier, der Metapontiner, der Megarer (in Hellas) und der
GeloerJ) Die Terrasse wurde im Norden jedenfalls durch die
nördliche Umfassungsmauer der Altis abgeschlossen; zwischen
dieser und dem Cipfel des Kronion, also höher hinauf am süd-
lichen Abhänge dieses Hügels, stand ein Heiligthum der Eileithyia
Olympia mit einer Kapelle für den specifisch eleischen Dämon
Sosipolis und ein zu Pausanias Zeit verfallenes Fleiligthum der
Aphrodite Urania. Der von den Arkadern während ihres Krieges
mit den Eleern im Jahre 365 v. Chr. befestigte Gipfel des Hügels
war eine alte Cultstätte, auf welcher die Basilen — jedenfalls
ein altachäisches oder eleisches Priestergeschlecht — jährlich um
die Frühjahrsnachtgleiche dem Kronos opferten.'^)
Kehren wir noch einen Augenblick in die Altis zurück, so haben
wir darin ausser den schon erwähnten Gebäuden und Altären noch
mehrere Hallen für Spaziergänge, gesellige und wissenschaftliche
Unterhaltungen anzusetzen , deren Plätze nicht mehr zu bestimmen
sind; eine derselben wurde, weil ihre Wände in älteren Zeiten
mit Gemälden geschmückt gewesen waren, die bunte (Polkile),
oder auch, wegen eines siebenfachen Echos, das man darin ver-
nahm, die Halle der Echo oder die siebenstimmige Halle genannt.^)
') Paus. VI, 19; die Thesauren der Metapontiner und Byzantier
erwähnt auch Polemon. bei Athen. XI, p. 479^ der sie als vaot bezeich-
net; für ihre tempelähnliche Kauart zeugt auch die Erwähnung eines
Sculpturschmuckes im Giebelfelde des Tliesauros der Megarer bei Paus.
§ 18; daher ist es fraglich, ob die von Vischer Erinnerungen S, 470,
Anm. * erwähnten Reste eines Rundbaues an der Südostseite des Kro-
iiion von einem Tliesauros herrühren.
*) Paus. VI, 20, 1 f., wo § 2 zu schreiben ist: iv de TOig nigccGi
Tov Kqovlov xara xo nqbq riqv agntov [tsixog] saxlv ^v (liam zdiv
&r}aavQWV nal tov ogovg isqov EClsid'VLag, weil -nur dadurch die topo-
graphische Angabe h iifacp xtX. einen Sinn erhält, die bei der Ansetzung
des Ileiligthums am Nordabhange des Hügels auch unter der Voraus-
setzung, dass der Weg gewunden war (Curtius Pel. II, S. 112, Anm. 65),
unbogreiflicli bleibt. Die von Xenoph. Hell. VII, 4, 14 erwähnte Be-
festigung des Kronion hat wahrscheinlich Veranlassung gegeben zu dem
Irrthume Diodors, der XV, 77 von einer Stadt Kronion spricht.
^) Paus. V, 21, 17; vgl. Lucian. de morte Peregr. 40; Plut. de
garrulit. 1 ; Plin. N. h. XXXVI, 15, 100. Mehrere atoa£ erwähnt Xen,
Tr.ll. VII, 4, 31.
29(S II. I'clopünnesos.
Der Jlaiim zwisclieii allen diesen Gebäuden und Altären wm- Llieils
mit liäunien, die in den älteren Zeiten jedenfalls den grössten
Theil der Altis eingenommen hatten , aber mehr und mehr durch
die Werke der Menschenhand verdrängt worden waren, bepflanzt,
theils mit einer fast zahllosen Menge von Statuen (meist Erz-
bildern) bedeckt: theils Weihgeschenken von Städten und Privat-
leuten, theils Ehrenstatuen der Sieger in den Kampfspielen, deren
Errichtung seit etwa Ol. 60 Brauch geworden war. ^)
An die nordöstliche Ecke der Altis schloss sich, durch zwei
Eingänge, wie oben bemerkt, mit ihr verbunden, das Stadion
an, die von Nord nach Süd 600 Fuss lange Rennbahn für den
Wettlauf und die übrigen zu diesem ältesten und urspi'ünglich
einzigen Agon allmälig hinzugefügten gymnischen Wettkämpfe,
die sich zwischen künstlich aufgeschütteten Erdwällen, welche
dem zuschauenden Publikum Raum zum Sitzen darboten, in der
Niederung am östlichen Fusse des Kronion hinzog. Am nördlichen
Ende waren die Sitze für die Kampfrichter (Ilcllanodiken) und
diesen gegenüber ein Marmorsitz in Form eines Altars für die
Priesterin der Demeter Chamyne, die einzige Frau, welche den
olympischen Spielen zuschauen durfte, errichtet; nahe dem süd-
lichen Ende, dem Ablauf der Wettläufer, zeigte man das Grab
des Endymion. Oestlich vom Stadion erstreckte sich, wahrschein-
lich ebenfalls in nord-südücher Richtung, aber in weit beträcht-
licherer Länge als dieses, der Hippo^lrom, die kurz vor Ol. 25
(wo zuerst Wagenrennen in Olympia abgehalten wurden) errichtete
Anlage für Wettrennen und Wettfahrten mit Rossen und Wagen.
Die etwas längere westlichere Langseite bestand aus einer künst-
lich aufgeschütteten Erhöhung, welche den Hippodrom vom Stadion
trennte; für die östliche benutzte man einen natürlichen Hügel,
einen einer Landzunge ähnlichen Vorsprung des- olympischen Ge-
birges gegen die Ebene. Am südlichen Ende der Bahn war die
von Kleoitas mit besonderer Kunstfertigkeit ausgeführte Aphesis
angebracht, die Anlage für den Ablauf der Wagen, welche von
den Alten ihrer Form nach mit dem Vordertheil eines Schiffes
*) Paus. VI, 18, 7. Die Aufzählung der Statuen, welche derselbe
VI, c. 1 fF. giebt, ist in der Weise angeordnet, dass c. 1 — 16 die im
nördlicheren, c. 17 u. 18 die im südlicheren Theile der Altis aufgestell-
ten beschrieben werden.
5. Elis; Pisalis. 299
veryliclieii wird: jedenfalls ein mit der Spitze nacli der Balni
gerichtetes gleiclisclienkeligos Dreieck, an dessen je über 400 P'uss
langen Schenkeln Schnppen für die Wagen, in dem innern un-
bedeckten Räume zahlreiche Altäre sich befanden; an die Basis
war als Abschluss des Hippodroms gegen die Ebene hin eine
Halle angebaut, welche nach ihrem Erbauer die Halle des Agna-
])los genannt wurde. An der westlichen Langseite, durch welche
ein Eingang in die Bahn führte, stand am Bande der Bahn der
sogenannte Taraxippos, ein runder Altar, durch dessen Anblick
die Pferde scheu zu werden pflegten, eine Erscheinung, zu deren
Erklärung verschiedene Legenden erzählt wurden. Am südlichen
Ende der Anhöhe, welche die östliche Seite. des Hippodrom bil-
dete, erhob sich ein Tempel der Demeter Chamyne, der jeden-
falls schon vor der Errichtung des Hippodroms vorhanden war
und daher bei Anlage desselben geschont werden inusste: daraus
erklärt es sich am leichtesten, warum diese östliche Seite etwas
kürzer war als die westliche.')
Der Baum zwischen der Südmauer der Altis und dem durch
Ufermauern in ein geregeltes Bett eiiigedämmten Alpheios war
lijuiptsächlich für die äusserst zahlreichen fremden Besucher be-
<) Paus. VI, 20, 8 ff., vgl. V, 15, 5 f. und über den Tagcc^inno^
auch Dio Clirysost. Or. XXXII, 76. Das Stadion setzt Wyse a. a. O.
p. 144 s. (welchem »lie Zeichnung der Anhöhen in meiner Skizze auf Tfl.
VIII entnommen ist) nicht unmittelbar östlich vom Kronion, sondern
weiter gegen Osten in die Vertiefung, in welcher ich den Hippodrom
angesetzt habe; allein dann müsste die Altis sich gegen Osten beträcht-
lich über den Fuss des Kronion hinaus erstreckt haben, was mit der
Be.schreibung des Pausanias nicht wohl zu vereinigen ist. In der An-
setzung des Hippodroms (über dessen Anlage auch G. Hermanns Pro-
gramm de Ilippodromo Olympiaco, Lipsiae 1839, zu vergleichen ist)
weiche ich von den meisten neueren Topographen, die ihn südlich vom
Stadion in der Richtung von Westen nach Osten sich erstrecken lassen,
ab, indem ich ihn mit Leake östlich vom Stadion, diesem parallel, sich
hinziehen lasse; meine Gründe dafür sind 1) die Ijoschatfenheit des Ter-
rains, da nur hier eine natürliche Anhöhe sich findet, welche als die eine
Langseitc der Bahn benutzt werden konnte; 2) der Ausdruck des Paus,
VI, 20, 10 vnsgßaXovzL Si in tou axccdi'ov, welcher l)Cwoist, dass zwi-
schen dem Stadion und dem Hippodrom eine Anhöhe sich befand. Die
Angabc bei Lucian. de morte Peregr. 35, Ilarpiua liege 20 Stadien von
Olympia xata rov tnnodQOfiov dniovxav ngos tca ist auch bei unserer
Ansetzung völlig richtig, wie ein Blick auf unsere Skizze lehrt.
300 H. Peloponnesos.
stimmt, wciclie ^vahrcnd der Fcslzcit tlieils aus Scliaulusl, tlieils
von llaudelsintercssen — denn wie in Dclphoi, auf dem Istlimos
und auf Delos war auch in Olympia mit den Opfern und Spielen
eine Art Jahrmarkt oder Messe verhunden — geleitel von allen
Seiten zusammenströmten. Ausser den Verkaufsbuden, Zelten
und sonstigen provisorischen Anlagen gab es hier mehrere steh-
ende Gasthäuser, unter welchen das nur durch eine Gasse von
dem Haupteingange der Altis getrennte Leonidaon (benannt -
nach seinem Gründer Leonidas) zu Pausanias Zeit das vornehmste
war. Diesem gegenüber wurde noch dem Pausanias die Werk-
stätte des Pheidias gezeigt, das Gebäude, in welchem dieser Meister
die einzelnen Bestandtheile des Zeuscolosses gearbeitet, welches
durch die Errichtung eines allen Göttern zugleich geweihten Altars
eine rehgiöse Weihe erhalten hatte. ') In derselben Gegend wird
wohl auch das Reservoir der Wasserleitung zu suchen sein, welche
im 2. Jahrhundert n. Chr. durch Herodes Attikos angelegt wurde,
um dem bei der heissen Jahreszeit der Feier doppelt drückenden
Mangel an Trinkwasser abzuhelfen. ^) — Wenn man vom Gymna-
sien (vgl. oben S. 294) aus über den Kladeos gieng, so kam man
an einen Erdhügel mit steinernem Unterbau, der als Grabhügel
des Oinomaos gezeigt wurde ; Trümmer eines Bauwerkes oberhalb
dieses Hügels wurden als Reste der Ställe desselben Herrschers
bezeichnet. Auf demselben Flussufer war auf einem Hügel den
Arkadern, welche im Jahre 364 v. Chr. in der Altis selbst im
Kampfe gegen die Eleer gefallen waren, ein Denkmal errichtet.'^)
Nach Elis führten von Olympia zwei Strassen: eine etwas
kürzere aber beschwerlichere, die sogenannte Bergstrasse,
welche in nordwestlicher Richtung über Herakleia (s. oben S. 288)
an den Ladon und an diesem entlang bis zur Vereinigung desselben
mit dem Peneios (beim eleischen Pylos) gieng, ^) und eine brei-
tere und bequemere, die sogenannte heilige Strasse,^) welche
von der Altis aus eine vorherrschend westliche Richtung bis Le-
1) Paus. V, 15, 1 f.; VI, 17, 1.
2) Philostr. Vit. soph. II, 5; Lncian. de morte Per. 19 f.
3) Paus. VI, 21, 3; c. 20, 6.
■*) ri OQSivfi 6S6g Paus. VI, 22, 5; vgl. Theoplir. n^gl Itd^cov 16,
wornach Kohlen sich fanden iv xrj 'HX^Ca ßadi^ovTcov 'Olviinia^s zrjv
ÖL^OQOvg (vgl. Fiedler Reise I, S. 376 ff.).'
^'-^ tSQcc ödög Paus. V, 25, 7; vgl. VI, 22, 8.
5. Elis: Koile Elis. 301
trinoi (s. oben S. 289) hatte, von da sich gerade nordwärts nach
Elis wandte. Von Letrinoi gieng jedenfalls in westlicher Rich-
tung eine Seilenstrasse ab nach Pheia, einem befestigten Hafen-
])latze nördlich von der Landzunge Ichthys (entweder der jetzigen
Bucht von Pontikokastro oder der etwas weiter gegen Norden ge-
legenen von Chortäs), welcher in der Ilias als an einem Flusse
lardanos gelegen, der in der historischen Zeit nicht mehr mit
Sicherheit nachzuweisen war, erscheint^) Sonst wird ausser den
S. 288 f. aufgezählten Oertlichkeiten nur noch eine Ortschaft
der Pisaten Lenos genannt, über deren Lage durchaus nichts
bekannt ist.^)
Die 'hohle Elis' (vgl. S. 275, Anm. 1) zerfällt der natürlichen koüc eüs.
Beschaffenheit ihres Bodens nach in zwei an Ausdehnung ziemlich
gleiche Theile: die breite Küstenebene zu beiden Seiten des
unteren Peneios, welche ausser diesem Flusse von einer sehr be-
trächtlichen Zahl kleiner, den grössten Theil des Jahres hindurch
wasserloser Küstenbäche durchfurcht ist, und das östlich über
derselben bis zur Gränze Arkadiens sich hinziehende Hochland,
die Akroreia,^) deren Anhöhen bis zum Peneios herab zum
Skollisgebir^'e, südlich von diesem zur Pholoe gehören. Gerade
auf der Gränze dieser beiden Theile, da wo die Hügel der Akro-
*) II. H, 135: ^SLccg nag rstxsaaiv, 'iccgSdvov cc(i(pl gssd^gcc, wozu
schol. A: cclXa xal 77 ^sia TtaQcc&alocGoiog iatt, ytal'lccQSavog ovx ogarat
Ttorccfiog ccvrod^i , während Strab. VIII, p. 342 bemerkt: fWi yag x«l
Tiotdutnv nlrjOLOv, womit er aber gewiss nicht, wie Curtius Pel. II, S.
45 annimmt, flen anselmlichen bei Skaphidion mündenden Küstenfluss
gemeint hat, da dieser theils zu bedeutend, theils zu weit gegen Norden
von der jedenfalls an der Nordostseite der Landzunge Ichthys gelegenen
Ortschaft entfernt ist: man muss also entweder einen Irrthum des Dich-
ters, beziehendlich der Ueberlieferung (Verwechselung mit einer am tri-
jihylisclien Flusse Jardanos gelegenen Stadt Chaa) oder, was weniger
wahrscheinlich ist, eine Veränderung der Küste annehmen. lieber den
Hafen Pheia s. Od. o, 297 (wo $f«l); Thukyd. II, 25; Xen. Hell. III,
2, 30 (wo Dindorf richtig ^tag für arpeag der Codd. hergestellt hat);
Polyb. IV, Ü (wo slg tj]v ^sidSa y.alovafvrjv vrjaov wohl nicht auf ein»'
vor dem Hafen liegende kleine Felsinsel zu beziehen, sondern vfioog im
Sinne von 'Küstenplatz' zu fassen ist, vgl. Meineke ad Steph. Byz. p.
83, 17); Steph. u. *fia.
•) Steph. Byz. u. A^vos; vgl. J. Kutgors zu Sexti lulii Africani
'Olvfiniddiov dvaygafpri p. 18.
) Xen. Hell. HI, 2, 30; IV, 2, 16; VII, 4, 17; Diod. XIV, 17.
302 II. r(!l(»j»uiiiieso.s.
reia tieni siulliclicii Ulcr des Pciieios entlang am weilesteii nach
Westen gegen die Ebene voitretch, lag die Hauptstadt der Land-
schaft, Eiis, die nach einheimischer, durch eine Inschrift auf
der am Markte der Stadt aufgestellten Statue des Oxylos beur-
kundeter Tradition von diesem gegründet war. Ijis zum Jahre
471 V. Chr. (Ol. 77, 2) war sie auf den Rücken des jetzt Kaia-
skoj)i genannten, am linken Ufer des Peneios gelegenen Hügels
beschränkt und nur als Sitz der regierenden MifgUeder der Ari-
stokratie und politischer Mittelpuidit des Landes von Bedeutung;
im genannten Jahre aber fand in Folge der Umgestaltung der
Verfassung in demokratischem Sinne eine beträchtliche Erweite-
rung der Stadt, welche fast einer Neugründung gleich kam, in
Form eines Synoikismos, der Zusammensiedelung der Bewohner
einer belrächtUchen Anzahl kleiner Orlschaften, stattJ) Die Stadt
dehnte sich nun in beträchtlichem Umfang unterhalb der alten
Burg, zum grössern Theile am linken, zu einem kleineren am
rechten Flussufer aus, der Neigung der Eleer für das Landleben
entsprechend mehr in Form weitläufiger Vorstädte oder zusammen-
hängender Dörfer, ähnlich wie das alte Sparta, als einer geschlos-
senen Stadt, wie ihr denn auch das Haupterforderniss einer
solchen, eine Befestigungsmauer selbst um den enger zusammen-
gebauten Theil der Stadt, noch im Jahre 399 v. Chr., wo der
spartanische König Agis das Land verheerend bis zur Hauptstadt
durchzog, fehlte.^) Auch in der folgenden Zeit fand nur ganz
vorübergehend, durch Telesphoros, den Admiral des Königs
Antigonos, der sich im Jahre 312 v. Chr. zum Herrn der Stadt
machte, eine Ummauerung der Akropolis statt; aber bald wurde
durch Ptolemäos, einen andern Feldherrn des Antigonos, diese
Befestigung wieder niedergerissen und der Stadt ihre Freiheit
zurückgegeben.^) Noch Pausanias, der Elis als eine wohlerhal-
1) Strab. X, p. 463; Paus. V, 4, 3; Diod. XI, 54; Strab. VIII, p. 336 s.;
Scyl. Per. 43.
2) Vgl. !Xen. Hell. III, 2, 27, wo die ngodatsLCi und yvfivccGia von
der TioXiSy die drsixiatog war (vgl. ebds. VII, 4, 14), unterschieden wer-
den, u. Diod. XIV, 17. Dass die Stadt sich auch auf das nördliche Ufer
des Peneios erstreckte, zeigt Strab. VIII, p. 337: gsi ds diu r^g jroAaw?
6 IlrjvsLog noza^üg naga x6 yv^vdoLOv ccvrijg; den Namen des nr]v8i6g
in den des M^viog (vgl. unten S. 305, Anm. 3) zu ändern, wäre eine
zwar leichte, aber schwerlich gerechtfertigte Conjectur.
3) Diod. XIX, 87.
5. Elis: Kuilü Elis. 303
tene und reich bevölkerte Stadt vorfand, gedenkt zwar der Akro-
polis mit einem Heiligtlium der Athene, das eine dem Pheidias
zugeschriebene chryselcphantine Statue der Göttin enthielt,^) und
eines Thores, welche? nach dem olympischen Ilciligthum führte, 2)
also den Abschluss der 'heiligen Strasse' bildete, aber keiner
eigentlichen Befestigungswerke. Vielmehr wurde die Stadt nach
aussen durch einen Kranz von jedenfalls hauptsächlich aus Land-
häusern bestehenden Vorstädten eingerahmt. Sodann bildeten
einen besonderen Stadttheil die am linken Ufer des Peneios sich
hinziehenden, von Mauern umschlossenen Anlagen für die gym-
nastischen und athletischen Uebungen, die für Elis, wo jeder, der
im olympischen Agon als Kämpfer auftreten wollte, mindestens
einen Monat hindurch, viele aber die ganze gesetzliche Vorbe-
reitungszeit, zehn Monate lang, solchen Uebungen oblagen, von
grösster Wichtigkeit waren. Die bedeutendste derselben war der
sogenaimte Xystos (offenbar nach Säulengängen, welche an den
Innenseiten der die ganze Anlage umschliessenden Mauern herum-
liefen, benannt), der eigentliche Uebungsplatz für die Kämpfer,
welche in Olympia auftreten wollten, mit mehreren durch Alleen
hoher Platanen getrennten Rennbahnen , einem zum Ringkampfe
bestimmten, Plethrion genannten Platze, und Allären des Herakles
Paraslates, des Eros und Anteros, der Demeter und Kora und
einem Kcnotaphion des Achilles. An dieses 'alte' Gynmasion stiess
ein zweites kleineres, nach seiner Form 'Tetragonon' (das Vier-
eck) benannt, mit Uebungsplätzen für die leichtern Vorübungen der
Athleten, mit einer Statue des Zeus geschmückt; an dieses wieder
ein drittes, die sogenannte Maltho, welches den Epheben die
ganze Feslzeit hindurch offen stand; in einer Ecke desselben war
eine Rüste des Herakles, an einem der Uebungsplätze ein Relief
mit der Darstellung des Eros, welchem Anteros den Palmzweig
zu entreissen sucht, zu beiden Seiten des Eingangs die Statue
«'iiies Knaben in der Stellung eines Eauslkämpfers aufgestellt.
Innerhalb der Maltho lag auch das an der Aussenseite mit Schilden
geschmückte* Rathhaus, nach seinem Erbauer Laliclimion ge-
«) Paus. VI, 26, 3; vgl. Xen. Hell. VII, 4, 15.
') Paus. V, 4, 4. Das von Paus. VI, 28, 8 crwübiito rtCxog bezieht
<h auf (lio vorhistorische Zeit, die Stadt vor der Eroberung durch Oxy-
s, deren g inzc Existenz, als mit der oben erwähnten Tradition in Wi-
r.spruch stehend, sebr bedenklich ist.
304 II. Pcloponnosos.
nannt, das auch zu Vorträgen von Roden und Vorlesungen von
Schriftwerken aller Art ])enutzt vvurdeJ)
Von diesem Gyninasion aus führte eine Strasse, die Strasse
des Schweigens (Siope) genannt — wahrscheinlich weil sie von
dem Verkehr entfernt, sehr still und ruhig war — an dem Hei-
ligthum der Artemis Philomeirax vorüber nach den Bädern, die
Avir uns jedenfalls als am Ufer des Peneios gelegen zn denken
haben. ^) Eine andere Strasse führte von dem grossen Gymnasion,
oberhalb des Achillesgrabes, wahrscheinlich in östlicher Richtung
auf die nach der älteren Weise des griechischen Städtebaus an-
gelegte, d. h. von einzelnen Hallen, zwischen denen Strassen
ausmündeten, umgebene Agora, welche zu Pausanias Zeit zum
Zureiten der Rosse benutzt und daher gewohnlich 'der Hippo-
drom' genannt wurde, und zwar zunächst an dem zur Linken
der Strasse liegenden, nur durch eine Querstrasse vom Markte
getrennten Hellanodikeon, der Amtswohnung der Hellanodiken,
vorüber nach einer gegen Süden gewandten, durch Säulen in
drei Theile geschiedenen dorischen Halle, in welcher die Hella-
nodiken den grössten Theil des Tages hindurch sich aufhielten
(also etwa dem Bureau derselben). Eine Strasse trennte diese
Halle von einer zweiten, der sogenannten korkyräischen (weil
aus dem Zehnten der Beute eines gegen Korkyra von den Eleern
geführten Krieges errichtet), welche, ebenfalls in dorischem Style
erbaut, eine doppelte Facade, die eine gegen die Agora, die an-
dere gegen eine der betreffenden Seite der Agora parallel lau-
fende Strasse gerichtet, besass; die beiden Facaden waren durch
eine einfache, das Dach der Doppelhalle tragende Wand, an
deren beiden Seiten Statuen standen, getrennt. Auf dem freien
Räume der Agora stand ein Tempel des Apollon Akesios, Stein-
bilder des Helios und der Selene, ein Heiligthum der Chariten,
mit denen zusammen Eros verehrt wurde, ein Tempel des Silen,
ein tempelähnliches Gebäude ohne Mauern, dessen Dach von
*) Paus. VI, 23, 1 — 7. Die von dem Philosophen Pyrrhon gemalten
Fackelträger (Antigon. bei Diog. Laert. IX, 62) befanden sich wahr-
scheinlich in einem der Säulengänge des Xystos. Die Lage des Gymna-
sion am Flusse bezeugt die oben S. 302, Anm. 2 angeführte Stelle des
Strabon.
2) Paus. a. a. O. § 8, wo eine Legende zur Erklärung des Strassen-
namens Zirnnr] erzählt wird.
5. Elis: Küile Ells. 305
Säulen aus Eichenholz getragen wuixle (angeblich das Grab des
Oxylos, dessen Statue ebenfalls, wenigstens in älterer Zeit, auf
der Agora stand) und ein Gebäude, in welchem sechszehn elei-
sche Frauen ein Gewand für die Hera in Olympia webten. Un-
mittelbar am Markte stand ferner ein alter, rings von Säulen-
hallen umgebener Tempel, dessen Dach zu Pausanias Zeit, wo er
den römischen Kaisern geweiht war, eingestürzt war; hinter der
korkyräischen Halle ein Doppelheiligthum der Aphrodite, die in
einem Tempel als Urania, in einem Temenos als Pandemos ver-
ehrt wurde. ^) Weiter führt Pausanias ohne nähere Ortsbestim-
mung einen Tempel und Peribolos des Hades, der nur einmal
im Jahre geöffnet wurde, und ein Heiligthum der Tyche, worin
in einem besonderen Gemache auch der Dämon Sosipolis verehrt
wurde, an; sodann Mn der belebtesten Gegend der Stadt' eine
Erzstatue von der Grösse eines stattlichen Mannes, die in älterer
Zeit in Samikon als Bild des Poseidon, dann, nach Elis geschafft,
unter dem einem der Korybanten zukommenden Namen Satrapes
Cult genoss.2) Zwischen der Agora endlich und dem Menios,
einem kleinen durch die Stadt dem Peneios zufliessenden Bache,
den Herakles zur Beinigung der Ställe des Aiigeas benutzt haben
sollte, stand das Theater nebst dem Heiligthum des von den
Eleern vor allen anderen Gottheiten verehrten Dionysos, dessen
Fest, Thyia genannt, alljährlich an einem acht Stadien von der
Stadt entfernten Platze gefeiert wurde. ^) An einem anderen
Platze in der Nähe der Stadt, der vor dem Synoikismos eine
») Paus. VI, 24, 1 — 25, 1. Die von Ephoros bei Strab. X, p. 463 er-
wähnte Statue des Oxylos war wohl zu Pausanias Zeit fortgeschafft. Der
später den römischen Kaisern geweihte Tempel ist vielleicht das von
Plut. de mul. virt. 15 erwähnte tegov xov dioq.
2) Paus. c. 25, 2—6.
3) Paus. c. 26, 1 f.: über den Mrjviog (wofür manche UrjVELOS her-
stellen möchten) vgl. Paus. V, 1, 10; Theoer. Id. XXV, 15. Jl nsgl xov
Jlovvgov LBQul ywaCiisg äg tHuaiösyici yiaXovaLV Plutarch. de mul. virt. 15.
Die Vermuthung von Curtius (Pel. II, S. .32 u. S. 102), dass der Festort
der Thyia zum Demos Orthia (vgl. Paus. V, 16, 6) gehört habe, ist des-
halb unwahrscheinlich, weil die von Curtius a. a. O. angeführten Mün-
zen mit der Aufschrift OPGIEISIN (falls dieselben wirklich nach Elis
und nicht etwa nach Tliessalien gehören: vgl. öteph. Byz. u. "ügd-f]) be-
weisen, dass dieser Gau auch nach dem Synoikismos von Elis als selb-
ständige Ortsclmff fortbestand.
306 II. Peloponncsos.
selbstündigc Ortschaft mit dem Namen Petra gewesen war,
zeigte man das Grabmal des Pliilosophen Pyrrhon. ^)
Heutzutage sind auf dem Boden der alten Stadt, am linken
Ufer des Peneios zwischen den Dörfern Kalyvia und Paläopolis,
unansehnliche Reste von Ziegelbauten, die durchaus der römischen
Zeit angehören, zerstreut; nur der Gipfel des zwischen Paläopolis
und dem Flusse gelegenen Hügels Kalaskopi tragt die Ruinen
eines fränkischen Schlosses, dessen Fundamente aus grossen vier-
eckten Werkstücken, die jedenfalls von der alten Burg herrühren,
erbaut sind.^J
Achtzig Stadien flussaufwärts von Elis am Vereinigungspunkte
des Peneios mit dem Ladon (also in der Gegend des jetzigen
Dorfes Agrapidochori) lag, zu Pausanias Zeit in Ruinen, das elei-
sche Pylos, das ebenso wie seine triphylische und messenische
Namensgenossin, aber freilich mit viel weniger Schein, auf die
Ehre, die Heimat des Nestor zu sein, Anspruch machte: patrio-
tische Bürger führten als Beweismittel dafür einen Platz Gere-
nos, einen Bach Geron und einen anderen Namens Geranios an.
Die Bedeutung der Stadt war eine wesentlich strategische : sie
beherrschte durch ihre Lage nicht nur das obere Peneiosthal,
sondern auch die durch das Thal des Ladon führende Haupt-
strasse aus Arkadien nach Elis, war also recht eigentlich für
Elis das Thor der Akroreia.^) Der zweite strategisch wichtige
Punkt an dieser Strasse war Lasion, nahe der arkadischen
Gränze an einem gleichnamigen Berge, von welchem die Quellen
des Ladonflusses herabkommen, gelegen, ursprünglich von den
Eleern als Gränzfestung gegen Arkadien angelegt, später von den
Arkadern annectirt. Von der Stärke der Befestigung sowie der
nicht unbedeutenden Ausdehnung der Stadt legen noch die unter
^) Paus. VI, 24, 5. Ob auch ^AyQLocSsg ein solcher in die Hauptstadt,
hineingezogener Gauort war, ist aus der lückenhaften Stelle des Strab.
VIII, p. 337 nicht ganz klar. Uebrigens sind diese Demoi wohl zu un-
terscheiden von den 8 Tcölsis, Bezirkshauptorten, in welche nach Paus, V,
16, 5 fF. die Eleia ebenso wie die Pisatis getheilt war.
2) Vgl. Dodwell Class. u. topogr. Reise II, 2, S. 157 f. d. d. Ueb.
3} Paus. VI, 22, 5 f.; Strab. VlIF, p. 339 (vgl. p. 352); Xen. Hell.
VIT, 4, 16 u. 26; Diod. XIV, 17. Peytier sah ziemlich ausgedehnte alte
Reste unterhalb Agrapidochori: s. Pouillon-Boblaye Recherches p. 123.
5. Elis^ Koile Elis. 307
dem Namen Kiiti in der Nähe des Dorfes Kumani erhaltenen
Ruinen derselben ein glänzendes Zeugniss ab.^)
Zwischen Lasion und Pylos, in der eigenüichen Akroreia,
lagen noch vier befestigte Ortschaften, deren Plätze bisher nicht
mit Sicherheit nachgewiesen sind: Thrästos (oder Thraustos),
Alion, Eupagion und Opus. 2) Auch das homerische Ephyra
am Selleeis wies man in einer Ortschaft Oinoe (oder nach eli-
scher Aussprache Voinoa) nach, die 120 Stadien von Elis am
Wege nach Lasion gelegen war, also zwei Stunden südlich von
Pylos am linken Ufer des Ladon, wo sich noch nordöstlich von
dem Dorfe Kulogli die Reste einer alten Akropolis und Stadt er-
halten haben. ^) Endlich muss auch Thalamä, eine durch ihre
natürliche Lage sehr feste, schwer zugängliche Ortschaft, auf
welche die aus Elis vertriebenen, mit den Arkadern verbündeten
eleischen Demokraten im Jahre 364 v. Chr. von Pylos aus einen
vergeblichen Angriff gemacht und in welche sich die Eleer im
Bundesgenossenkriege (217 v. Chr.) beim Einfall König Phi-
lipps V. von Makedonien in ihr Land mit Viehheerden und son-
stigen Habseligkeiten, allerdings vergeblich, geflüchtet hatten, in
der Akroreia — sei es im nördlichsten Theile derselben, am
Skollisgebirge, in der Gegend des jetzigen Santameri, sei es süd-
1) Strab. VIII, p. 338; Xen. Hell. III, 2, 30; IV, 2, 16; VII, 4, 12;
Polyb. IV, 72 ff.; V, 102; Diod. XIV, 17; XV, 77; Nonn. Dionys. XIII,
288; Anthol. Pal. VI, 111, 3. AugCcov oqog als Ausgangspunkt des
Flusses Zsll^si.g: schol. II. O, 531. Die von Welcker entdeckten Rui-
nen sind am genauesten beschrieben von Vischer Erinnerungen S. 473 ff.
2) Diod. XIV, 17; ©QuvGtog Xen. Hell. VII, 4, 14; 'Onovg als nö-
Xig 'HXsiag Steph. Byz. u. 'Onosig (vgl. Strab. IX, p. 425), als nota^og
iv 'HIlöl (wenn dies nicht verschrieben für AoytQLÖi: vgl. schol. Apoll.
Rhod. rV, 1780) schol. Find. Olymp. IX, 64. Der Capitän Peytier fand
rine ausgedehnte Akropolis, von den Ruinen einer Stadt umgeben, auf
I iiiem .544 Meter hohen Hügel über dem rechten Ufer des Peneios, 1500
Meter südwestlich von dem Dorfe Skiada (von Curtius ohne Grund auf
Opus bezogen); südöstlich von da, in sehr malerischer Lage oberhall)
des Klosters von Notdna, die Ruinen eines antiken Tempels, endlich nord-
östlich von da, auf dem Gipfel eines spitzen Hügels über dem reclitou
Ufer des Peneios, 2 Kilometer von Kakotari, die Reste eines Paläokastron,
das ihm antik zu sein schien. Vgl. Pouillon-noblayo Rechcrclies j). 125
lind dazu die französ. Karte Bl. 7.
■') Strnb, Vlir, p. .338, vgl. schol. II. O, 631; schol. Pin.] X.in. VII,
, Stoph. u. 'Eqpt»^»a; über die Ruinen l'unillon-Boblayi' .1, ,1 <>. j). 123.
308 i^ Peloponnesos.
lieh von Pylos, in dem e-ngen Tliale eines südliehen Nehenflusses
des Pencios, in der Gegend von Ano-Lnl(avitza oder Klisura —
gelegen hahen. ^)
Im Untcriande war die hedentendste Ortsciiaft Kylie ne,
der Seehafen von Elis, offenbar nach der Krümmung der Küsten-
linie zwischen den felsigen Vorge])irgen Chelonatas und Araxos,
welche von ihr den Namen des kyllenischen Golfs erhalten hat,
benannt. Der Platz des Hafens ist wegen der durch Versumpf-
ung und Anschwemmung bewirkten Veränderung dieser ganzen
Küstenstrecke nicht mehr mit Sicherheit nachzuweisen; doch
machen die von alten Geographen überlieferten Entfernungs-
angaben, wornach Kyllene 320 Stadien von Elis, 14 römische
Milien von dem achäischen Dyme lag, es sehr wahrscheinlich,
dass es nördlich von der Lagune von Kotiki, in den allerdings
heutzutage durch einen breiten Streifen sandigen mit Pinien be-
wachsenen Landes vom offenen Meere getrennten Sümpfen von
Manolada anzusetzen ist. Die Stadt galt für eine arkadische
Gründung und die Bewohner verehrten als Hauptgotlheit den
Hermes unter dem alterthümUchen Cultsymbol eines aufrecht
stehenden männlichen Gliedes; ausserdem hatten sie Heiligthümer
des Asklepios und der Aphrodite.'^) In der Nähe von Kyllene
lag Hyrmine oder Hormina, in älterer Zeit ein Städtchen
(mit einem Ankerplatz, wie der Name lehrt), zu Strabons Zeit
nur noch ein Küstenvorsprung (wahrscheinlich der an der Süd-
seite der Bucht von Kunupeli, auf welchem Reste einer sehr
alterthümUchen Befestigung erhalten sind),"^)
1) Xen. Hell. VII, 4, 26; Polyb. IV, 75 u. 84. Bei Santameri setzt
den Ort Curtius an (Pel. II, S, 38 f.); doch lässt die Schilderung des
Polybios auch an die andere von mir angegebene Oertlichkeit denken.
2) Paus. VI, 26, 4 f.; Strab. VIII, p. 337 s.; Ptol. III, 16, 6; Tab.
Peuting. : bei Plin. N. h. IV, 5, 13 ist für V mil. passuum mit Curtius
Pel, II, S. 102 f. (dem ich in der Ansetzung des Ortes gefolgt bin) XV
mil. passuum zu schreiben. Anzündung des Orts durch die Korkyräer im
J. 435 V. Chr. Thuk. I, 30; Niederreissung der Befestigungsmauer beim
Friedensschluss zwischen Elis und Sparta im J. 399 Xen. Hell. III, 2,
30; Neubefestigung durch die Eleer gegen Philipp von Makedonien 217
V. Chr. Polyb. V, 3. Für die sonstigen sehr häufigen Erwähnungen des Orts
vgl. Pape-Benseler Wörterbuch der griechischen Eigennamen u. KvXX^vrj.
3) Strab. VIII, p. 341; Steph. 'TQfiivrj: vgl. Pouillon-Roblaye Re-
cherches p.^119 s.
6. Achaia. 309
An der Strasse, welche von Elis durch die Ehene nach dem
achäischen Dyme führte, lag 70 Stadien von der Hauptstadt
Myrtuntion, früher Myrsinos genannt, eine offene Ortschaft,
deren Häuser sich bis an die Meeresküste (die im Alterthum sicli
offenbar weiter östlich als jetzt hinzog) erstrecktenJ) 157 Stadien
nördlich von Elis überschritt die Strasse den Gränzfluss zwischen
Elis und Achaia, den Larisos, den jetzigen Fluss Mana, der
durch den langen, von Manolada bis in die Gegend des alten
Dyme reichenden Wald von Ali-Tschelebi und durch die jetzt
ganz versumpfte Niederung südlich von dem mächtigen Felscap
Araxos (das in älteren Zeiten die Gränze zwischen Eleern und
Arhäern gebildet hatte) dem Meere zufliesst. Nahe seinem linken
Ufer muss das ^ waizenreiche Buprasion' der Ilias gelegen haben,
wohl nie eine geschlossene Ortschaft, sondern eine im früheren
Alterthum wohlbebaute und reich bevölkerte, im spätem Alter-
thum, wie heutzutage, fast ganz unbewohnte Gegend. 2)
6. A c h a i a.
Die nördlichste, in Hinsicht ihres Flächeninhalts^) unbedeu-
tendste Landschaft des Peloponnes, zwischen der fortlaufenden
Kette der nordarkadischen Randgebirge und dem schmalen Meeres-
•) II. ß, 616; Strab. VIII, p. 341; Steph. u. MvQaivog. Pouillon-
13oI)laye Rechcrches p. 120 bezieht auf den Ort mit Recht einige von
W. Gell zwischen Knlotikos und Kapeleti geseliene Ruinen.
2) IL B, 615; A, 756; 760; ^, 631; Strab. VIII, p. 340; Theoer. Id.
XXV, 11; nach Steph. Byz. u. BovTtgccaiov u. Etym. M. p. 209, 22 kommt der
Name auch einem Flusse (jedenfalls dem Larisos) zu; derselbe scheint
nach Echephyllidas bei Schol. Plat. Phaed. p. 89 <= (Plat. ed. Hermann
t. VI, p. 233) vgl. mit Paus. V, 3, 2 auch den Namen Badv vScoq {=i^dv
vdcog) geführt zu haben. — Eine befestigte Ort.schaft der Eleer an der
firjlnze der Dymäer scheint auch das nur bei Plut. Cleomen. 14 erwälinte
Aäyycav (für welchen Namen Manso ohne alle topographische Wahr-
»cheinlichkeit AaoLoiv herstellen wollte) zu sein. Ob das von Plut. de
mul. virt. 15 erwähnte Castell Amymone, welches zur Zeit des Ty-
rannen AristotimoH (um 270 v. Chr.) von eleischen Flüchtlingen besetzt
wurde, in dieser Gegend oder in der Akroreia lag, ist nicht zu be-
Htinimcn.
^) Der Flächeninhalt beträgt nach roiiillon Hoblaye Rechcrches p. 19
21 Myriamcter = 210 □Kilometer. '^xuCyicc vorfassto ausser Pausanias
(lib. VII) Autokrates (Athen. IX, j). 395* u. XI, p. 460<').
Ul ItSIAN, OK(KiIC. IT. 21
310 11 Peloponnesos.
arm, welcher das nördlichere oder ausseristhmisclie Griechen-
land von der ^ Insel des Pelops' trennt, ist, obgleich ihr alter
Name Aegia los oder Aegialeia sie als 'Gestadeland' bezeich-
net ^) doch nicht in dem Sinne, wie das mittlere und nördliche
EHs, eine Küstenlandschaft, denn sie besitzt nur eine grössere
Strandebene zwischen dem Cap Araxos und den nördlichsten Ver
zweigungen des Skollisgebirges, eine Fortsetzung der grossen
Ebene des nördlichen Elis, welche vom rechten Ufer des Flusses
Larisos, an welchem die Achaer einen Tempel der Athene La-
risäa errichtet hatten, ^j an das Gebiet der achäischen Stadt Dyme
bildete; im übrigen ist sie ganz von Gebirgen eingenommen,
theils den nördlichen Vorbergen der nordarkadischen_Kette, theils,
ungefähr in der Mitte der Landschaft, von einem selbständigen,
wenn auch gegen Süden mit den nördlichen Wurzeln des Ery-
manthos zusammenhängenden Massengebirge, dem bis zur Höhe
von 1927 Metern sich erhebenden Panachaikon^) (jetzt Voidia
genannt) , das seine Abhänge fächerförmig gegen Norden aus-
breitet und so eine beträchtliche Ausbuchtung der Küste^liervor-
bringt. Diese Gebirge waren im Alterthum zum grössten Theil
mit dichten, jetzt freilich sehr gelichteten Waldungen bewachsen,
die durch ihren Reichthum an Wild der Jagdlust der Bewohner
des Landes reiche Befriedigung gewährten ; die unteren Abhänge,
sowie der schmale Küstensaum waren mit Früchtfeldern und
Weingärten bedeckt, an deren Stelle heut zu Tage längs der
Küste meist Korinthenpflanzungen getreten sind, welche um den
Beginn der fünfziger Jahre unserers Jahrhunderts fast den Ge-
treidebau ganz verdrängt hatten ; als aber in Folge der Trauben-
krankheit diese Pflanzungen mehrere Jahre hindurch ganz ohne
Ertrag geblieben waren, trat wieder eine Reaction zu Gunsten
des Getreidebaues ein; doch hat in den letzten zehn Jahren wieder
der Korinthenbau an Terrain gewonnen und bilden die Korinthen
jetzt den weitaus wichtigsten Exportartikel der Landschaft, wie
1) Strab. Vlir, p. 383; Paus. V, 1, 1; VII, 1, 1; Steph. Byz. u.
AtyiaXog: Plin. N. h. IV, 5, 12.
2) Paus. Vir, 17, 5; vgl. oben S. 272 u. S. 309.
3) Polyb. V, 30. Dass der von Plin. N. h. IV, 5, 13 erwähnte Name
Scioessa dasselbe Gebirge bezeichne, ist eine ansprechende, aber frei-
lich unsichere Vermuthung Pouillon-Boblaye's Kecherches p. 22.
6. Achaia. 311
auch des Königreichs Hellas überhaupt. ^) Von den nördlichen
Abhängen der Gebirge ziehen sich zahlreiche, meist nur wäh-
rend der Regenzeit Wasser führende Bäche nach der Küste, wo
sie einen schmalen Saum weisslichen Thonbodens angesetzt haben,
hinab: dieser Saum erweitert sich an der Mündung der Mehrzahl
derselben zu einem kleinen, mit der Spitze nach Norden gerich-
teten Delta, wodurch die übrigens fast ganz hafenlose Küste ein
eigenthümlich ausgezacktes Aussehn erhält. Von diesen Bächen
gehören die drei bedeutendsten dem Wassergebiet des Eryman-
thos und seiner Fortsetzung, der Lampeia, an: der an der Nord-
seite des Hauptgipfcls des Erymanthos (des jetzigen Olonos) ent-
springende, gegen Nordwest fliessende Pieros oder Peiros
(jetzt Kamenilza) , welcher in der römischen Kaiserzeit die Gränze
der Gebiete von Dyme und Paträ bildete; 2) der aus zwei vom
Kalliphonigebirge (Lampeia) herabkommenden Armen sich bil-
dende, in der Richtung von Nordnordost fliessende Selinus (jetzt
Fluss von Vostitza),^) und der von der Südseite des Kalliphoni
her kommende, zunächst eine Strecke durch arkadisches Gebiet
(den Canton der Kynätheis: vgl. oben S. 266) fliessende Burai-
kos, in seinem obern Laufe Erasinos genannt (jetzt Fluss von
<) Nach der 'lE'nd'SGig tnl tov ysvi-nov nivatiog tov i^coT^giTiov ^/t-
noQLOV rijs EXXccSog für das Jahr 1863 (im 'E^vi-kov rjfiSQoXoyiOV für
das Jahr 1867, S. 313 S.) betrug die Ausfuhr von Korinthen im Jalire
1863 76,676,547 venetianische Litren (2,425,771 weniger als im Jahre
1862) im Werthe von 12,305,697 Drachmen. Vgl. über den jetzigen Ko-
rinthenbau auch Wyse An excursion in tlie Peloponnesus II, p. 262 ss.
u, p. 338 s.
2) Paus. VII, 22, 1, wornach der Fluss in seinem obern Laufe Uls-
905, von den Anwohnern seiner Mündung Tlftgog genannt wurde: den
letzteren Namen geben ihm Paus. c. 18, 1; Ilerod. I, 145 u. Hesiod. bei
Strab. VIII, p. 342 (an welcher Stelle manche Kritiker Flagog schrieben).
Nach Strab. a. a. O. führte er auch den Namen Acheloos (vgl. Strab.
X, p. 450) und nahm den Bach Teutheas auf, nachdem dieser den IJach
Kaukon aufgenommen hatte. Sehr unwahrscheinlich aber ist es, dass
derselbe Fluss auch noch den Namen ikff'Aag geführt habe; daher ist bei
Strab. VIII, p. 386 dieser Name als Dittographie von fityag zu beseiti-
gen und der Narao TJsigog nach nag* ov einzufügen (nach Korais), der
von Callim. H. in lov. 22 u. Dionys. Per. 416 erwähnte MtXag aber für
einen Fluss Arkadiens zu halten.
3) Stral). VIII, p. 387; Paus. VII, Jl, r..
21*
312 II. Peloponnesos.
Kalavryta). ^) Zwischen dem Pieros und Sciinus senden die Ab-
hänge des Panachaikon eine beträchtliche Anzahl theils grösserer,
theils kleinerer Bäche nach oft sehr kurzem Laufe (wenn sie
überhaupt Wasser führen) dem Meere zu, deren Namen uns nur
durch Pausanias überliefert sind : der westlichste derselben ist
der die Ebene südlich von Paträ durchfliessende Glaukos (jetzt
Lcvka);^) sodann der gerade nördlich von Paträ fliessende Mei-
1 ich OS, an dessen Ufer ein Heiligthum der Artemis Triklaria,
der Schauplatz von Menschenopfern in alten Zeiten, stand ;^)
nächst diesem die fast genau parallel laufenden Charadrosund
Selemnos, zwischen denen die alte zu Pausanias Zeit bis auf
einige unansehnliche Reste verschwundene Stadt Argyra in der
Nähe einer gleichnamigen Quelle lag: zwischen ihren Mündungen
tritt ein flacher dreieckiger Küstenvorsprung, das Rhion der
Alten, welches einen Tempel des Poseidon trüg, gegen das lo-
krische Antirrhion vor (vgl. Bd. I, S. 146).^) Weiter östlich fliesst
der nach einer zu Pausanias Zeit verschwundenen Stadt Bolina
benannte Bolin äos (der jetzige Bach von Platiana), der in eine
im Alterthum als Ankerplatz benutzte und daher Panormos ge-
nannte Bucht, fünfzehn Stadien östlich vom Rhion, mündet, deren
östliche Flanke durch 4en nördlichsten Vorsprung der achäischen
Küste, das von seiner Form oder, wie der Mythus erzählte, von
der durch Kronos nach der Entmannung des Uranos hier weg-
geworfenen Sichel sogenannte Drepanon, gedeckt wird; an der
Ostseite desselben, fünfzehn Stadien vom Panormos, stand ein
wahrscheinlich zum Küstenschutz bestimmtes Fort, das Fort
der Athene genannt.^) Nach einer Strecke von etwa 272
*) Paus. VII, 25, 10; vgl. Strab. VIII, p. 371.
2) Paus. c. 18, 2.
3) Paus. c. 19, 4 ff. ; c. 20, 1 ; c. 22, 11.
^) Paus. c. 22, 10 f.; c. 23, 1 (vgl. c. 18, 6); Strab. VIII, p. 335 s.
Die Annahme, dass auf dem Rhion auch ein Heilig-thum der Eileithyia
gestanden habe, beruht auf einem Irrthum in Betreff der Provenienz der
Inschrift C. I. gr. n. 1564, die vielmehr nach Hermione gehört (vgl. Conze
U.Michaelis Annali t. XXXIII, p. 11). Die von Pouillon - Boblaye Re-
cherches p. 23 erwähnten Reste eines monumentalen Thores 1200 Meter
südlich von dem türkischen Castell auf Rhion gehören wahrscheinlicli
dem alten Argyra an.
5) Paus. c. 22, 10; c. 23, 4; Thuk. II, 86; Polyb. V, 102; Polyän.
6. Achaia. 313
Stundeil, auf welche der Fuss des Gebirges unmittelbar, ohne
Küstensaurn, in das Meer vortritt und so einen engen Küstenpass
bildet, öffnet sich wiederum eine im Alterthum als Hafenplatz
benutzte und (wahrscheinlich nach zahlreich am Strande wachsen-
den wilden Feigenbäumen) Erineos benannte Bucht, die im
Osten durch das flache Mündungsdelta eines grösseren Flusses,
des Phoinix der Alten (jetzt Salmeniko) begränzt wird. Zwischen
diesem und dem Selinus münden noch zwei kleinere Bache (der
jetzt Tholopotamos genannte unmittelbar westlich von der Stätte
des alten Rbypes und ein namenloser weiter östlich) und ein
grösserer, der sogenannte Gaidaropniktes (Eselswürger): letzterer,
der östlichste der zum Wassergebiet des Panachaikon gehörigen
Bäche, ist der Meiganitas der Alten J) Zwischen dem Selinus
und dem Buraikos kommt von den als nordöstlichste Ausläufer
der Lampeia zu betrachtenden Bergen vonKerpini, die im Alter-
Ibum den Namen Keryneia geführt und theilweise zu Arkadien
gehört zu haben scheinen, der Kerynites (jetzt Buphusia ge-
nannt) herab. 2) Oestlich vom Buraikos fliesst zunächst der vom
arkadischen Aroaniagebirge (Chelmos) her kommende Bach von
Diakophto, dessen antiken Namen wir nicht kennen, sodann der
Krathis (jetzt Akrata), der an dem gleichnamigen arkadischen
Gebirge entspringt und auf einem spitzen Küstenvorsprunge un-
weit der Stadt Aegä mündet.^) Ebenfalls dem Wassergebiet des
Krathisgebirges gehört der jetzt Vlogokitikos (nach einem über
seinem rechten Ufer gelegenen Dorfe Vlogoka) genannte, >>est-
VI, 23; Plin. N. h. IV, 5, 13; Stepli. Byz. u. BoXCvri. Strab. p. 336 u. Ptol.
III, 16, 5 identificiren irriger Weise jQEnavov mit 'Pi'ov.
') Phus. e. 23, 5. Ciirtius (Fei. I, Ö. 459 u. 487) hält den Thulopo-
tamos für den Phoinix, weil dieser Fluss nach Pausanias östlich von
Rhypes gesucht werden müsse; allein dies geht aus Pausanias, der un-
mittelbar vor der Heschreibung der Stadt Aegion die beiden namhafteren
Gewässer ihres Gebietes nennt, keineswegs hervor; überdies fliesst auch
der Tholopotamos westlich, nicht östlich von den Ruinen von Rhyj)e«.
Für 'EQLvsog s. Paus. c. 22, 10; Thuk. VII, 34; Ptol. III, 16, 5; Steph.
Byz. u. 'Eqivsos.
*) Paus. c. 25, 5. nnyog K&QvvBiog Callim. H. in Dian. 109. Der
Mythos von der von Herakles gefangenen Hirschkuli scheint aus einem
etymologischen Grunde (Anklang an -ni^ag) hier localisirt zu sein.
') Paus. 26, 11 f.; vgl. VIII, 15, 8 f.; Strab VIII. p. 386; Hcrod.
I, U6.
314 II. Peloponncsos.
lieh von dein alten Aegira mündende Bach, dem der Chelydurea
die Bäche von Zakoli, von Gelini und von Mazi an: der letztere,
auch Phönissa genannt, welcher in einiger Entfernung westlich
von Pcllene vorüberfloss, führte im Alterthum, olTcnbar wegen
des Ungestüms, mit welchem er zu Zeiten strömte, den Namen
Krios (Widder), wie aus dem gleichen Grunde der von der Kyl-
Icne herabkommende, östlich unterhalb Pellenes vorüberfliessende
bedeutendere Fluss von Trikkala (oder von Xylokastro) Sythas
(= Sys d. i. Eber) genannt wurde J) Letzterer bildete im
Alterthum die östliche Gränze der Landschaft Achaia, eine Gränz-
bestimmung, die freilich als eine rein politische bezeichnet werden
muss, da als natürliche Gränze des Aegialos im Osten nur der
Isthmos betrachtet werden kann. Auch in ethnographischer Be-
ziehung gehörte wenigstens das Gebiet von Sikyon ursprünglich
zum Aegialos, da es ebenso wie die später Achaia genannte Land-
schaft in der ältesten Zeit von den 'strandbewohnenden Pelasgern'
oder, wie sie später genannt wurden, 'strandbewohnenden lo-
niern' bewohnt und durch die Sage sogar als Herrschersitz des
Aegialeus bezeichnet wurde. ^) Zwar trennte es sich in Folge der
dorischen Wanderung, durch welche hier die üorier zur Herr-
schaft kamen, von der übrigen Landschaft, die in den aus Argos
und Lakonien vertriebenen Achäern neue Herren erhielt, welchen
die alte ionische Bevölkerung theils sich unterordnen, theils durch
Auswanderung nach Attika und von da nach Rleinasien Platz
machen musste; allein das Bewusstsein der Zusammengehörigkeit
mit der westlicheren Landschaft war in den Sikyoniern nie ganz
erstorben und kam in dem durch Aratos bewirkten Anschlüsse
der Stadt an den neu begründeten achäischen Bund im Jahre
251 V. Chr. zum praktischen Ausdruck. Während nun das Achaia
der historischen Zeit gegen Osten in engere Gränzen eingeschlossen
ist als der alte Aegialos, hat es gegen Westen seine Gränzen nicht
unbeträchtlich erweitert; denn der westlichste Theil Achaias, das
Gebiet von Dyme, das auch chorographisch betrachtet zum nörd-
lichen Elis gehört (vgl. oben S. 310), wurde in den alten Zeiten
') Paus. c. 27, 11 f.; vgl. II, 7, 8; c. 12, 2; Ptol. III, 16, 4. Der
Name Uyd-ccg ist offenbar gleiclibedeutend mit dem des von Paus. IX,
30, 11 erwähnten 2vg am Olympos.
2) Paus. c. 1, 1 ff.; Strab. VIII, j). 382 s. Die Tlslccoyol AiyiaXhg
unter Ion "l(t)VBg genannt nach Herod. VII, 94.
6. Achaia. 315
von Kaiikoneii bewohnt und kam dann in den Besitz der Epeier,
welche ihre Herrschaft bis zum westlichen Fusse des Panachaikon
ausgedehnt zu haben scheinen, ^j
Die ionische Bevölkerung zerfiel nach bestimmter üeber-
lieferung in zwölf offenbar den attischen Phratrieli (Geschlechts-
genossenschaften) entsprechende Abtheilungen ; daneben bestand
jedenfalls die in allen ionischen Staaten uns begegnende Einthei-
lung in die, vier Phylen der Geleontes, Hopletes, Aegikoreis und
Argadeis (vgl. Bd. I, S. 262). Jede dieser zwölf Abtheilungen
mag einen besondern Bezirk eingenommen haben, der eine An-
zahl offene Ortschaften, etwa mit einem befestigten Zufluchtsort
für die Zeiten der Gefahr, enthielt; den religiösen Mittelpunkt
des ganzen Landes bildete das Heiliglhum des Poseidon Heliko-
nios, im Bezirk Helike an der Küste zwischen der Mündung der
Flüsse Selinus und Kerynites gelegen, desselben Gottes, dessen
Tempel auch den kleinasiatischen loniern als Bundesheiligthum
galt. Wenn aber die Ueberlieferung diese zwölf Bezirke als
identisch bezeichnet mit den zwölf Stadtgemeinden, in welche die
Landschaft nach der Besitzergreifung derselben durch die Achäer
getheilt war, so ist dies schon deshalb nicht wohl anzunehmen,
weil, wie bemerkt, die Gränzen der Landschaft nach Osten wie
nach Westen hin in der ionischen Zeit andere waren, als in der
achäischen.2) Die zwölf von den olfenbar von Osten her in das
Land eingedrungenen Achäern gegründeten, d. h. durch Be-
festigung oder Zusammcnsiedelung aus Roma zu Poleis gemachten
Städte, welche, jede mit einem besonderen Gebiet von 7 — 8
Demen, und wahrscheinlich auch mit einem besonderen Dynasten,
unter der Herrschaft eines Oberkönigs aus dem Geschlechte des
>) Strab. VIII, p. 341 s.;.345; 387; aus der Darstellung des Schiffs-
cataloges (s. II. ß, 569 ff. u. 616 flf.) darf man folgern, dass der zur
Herrschaft des Agamemnon gehörige Aegialos sieh gegen Westen nicht
weiter als bis Aegion, also bis zum Panachaikon erstreckte, das Land
westlich von diesem Gebirge zum Herrschergebiete der Epeier gehörte.
2) Herod. I, 145; Paus. c. 6, 1; vgl. Strab. p. 383 u. 385 s., der
p. 341 in Bezug auf Dyjtic (das von Herod. u. Pausan. zu den 12 ioni-
schen Bezirken gezählt wird) richtig bemerkt: 6 (ilv yag notrjri^g ot)x
(ovofiay.B xriv Jv(n]V, ovx dnsiyioe d' iatl rote {ihv avri^v vno rotg
*En£ioCg vnctQ^ai, vgxbqov dh xoCg "[(oaiv, ^ j^»?^* i-nf^voig dkXa roCg
zriv iyiSLvoiv x^Q^^ %ataaxovoiv *A%aioig.
316 H. Pcloponucsos.
der Sage nach bei der Eroberung des Landes im Kample gegen die
lonier gefallenen Tisamenos, Sohnes des Orestes, vereinigt waren,
waren Pellene, Hyperasia (Aegira), Aegä, Bura, Ilelike, Aegion,
Rhypes, Paträ, Pharä, Olenos, Dyme und Triteia; da Aegä
und Uhypes frühzeitig aus der Zahl der bewohnten Orte ver-
schwanden, so traten statt ihrer Reryneia und Leontion, früher
blosse Demen, in die Reihe der Poleis ein; die Stelle des eben-
falls frühzeitig verschollenen Olenos dagegen, dessen Gebiet an
Dyme fiel, scheint durch keine andere Ortschaft besetzt worden
zu sein. *) Der Sitz des Oberkönigs und somit die politische
Hauptstadt des Landes war wahrscheinlich Aegion mit seinem
Heiligthum des Zeus, des achäischen Stammgottes; daneben be-
hielt Ilelike mit seinem Heiligthum des Poseidon bei den im Lande
zurückgebliebenen loniern und in Folge der allmäligen Verschmel-
zung derselben mit den Eroberern auch bei diesen eine nicht
geringe Bedeutung, die in Folge des traurigen Schicksals der
Ol. 101, 4 bei einem Erdbeben vom Meere verschlungenen Stadt
durch die Tradition wohl noch grösser dargestellt wurde, als sie
in Wirklichkeit gewesen war. 2)
Nachdem das Königthum in Folge des despotischen Auftre-
tens der Söhne des letzten Nachkommen des Tisamenos, des
Ogyges , abgcschalTt und durch eine gemässigt demokratische Ver-
fassung, welche dem Staate der Achäer den Ruhm eines Muster-
staates bei den andern Griechen eintrug, ersetzt worden war,
bildeten die zwölf, beziehendlich nach Verfall von Olenos. elf Städte
als ebenso viele selbständige Kantone einen Bund mit einer in
Aegion zusammentretenden Bundesversammlung als beschliessender
und wahi*scheinlich, wie in den ersten Zeiten des neuen Bundes,
zwei Strategen nebst einem Staatsschreiber als ausübender ße-
1) Herod. I, 145; Strab. p. 385 s.; Polyb. II, 41. Dass Paus. c. 6, 1
Paträ aus der Reihe der 12 Städte weglässt und dafür Keryneia auf-
führt, hat darin seinen Grund, dass er die 12 noXsig als schon zur Zeit
der lonier bestehend betrachtet, von Paträ dagegen weiterhin ausdrück-
lich angiebt, dass es erst von den Achäern aus 8 Kernen begründet wor-
den sei.
2) Vgl. Strab. p. 385 u. 387; Paus. c. 7, 2; c. 24, 4; Liv. XXXVHI,
30. Dass die Bundesversammlungen in älterer Zeit in Helike stattge-
funden haben, wie manche aus Paus, c, 7, 2 schliessen, ist aus inneren
Gründen höchst unwahrscheinlich.
6. Achaia. 317
hördeJ) Die höclistcn Beamten in den einzelnen Städten scheinen
den Titel 'Damiorgen' geführt zu haben, ^j Nach aussen verhielt
sich der Bund durchaus neutral, hauptsächlich aus Abneigung
gegen die Hegemonie der Spartaner, ähnlich wie Argos; doch
hinderte dies nicht, dass einzelne Städte in den Kämpfen zwi-
schen Athen und Sparta theils für dieses, theils für jenes Partei
ergriffen. Seit dem Jahre 418 v. Chr. aber, wo es den Spar-
tanern gelungen war, die Bundesverfassung in einem ihnen gün-
stigen, d. h. mehr oligarchischen Sinne abzuändern, verfiel die
Landschaft mehr und mehr dem Einflüsse Spartas, dem sie in
allen Kämpfen bis zur Schlacht bei Leuktra treu zur Seite stand.
Nach dieser von Sparta und Theben zu Schiedsrichtern erwählt,
wurden die Achäer von Epameinondas, unter Schonung der unter
Spartas Einfluss gegebenen Verfassung, zum Anschluss an Theben
genöthigt; nachdem aber die Thebaner Ilarmosten in die achäischen
Städte gesandt und durch diese die spartanisch Gesinnten ver-
trieben , die Verfassung in demokratischem Sinne umgestaltet
hatten, erlangte die spartanische Partei bald wieder die Ober-
hand und setzte es durch, dass Achaia wieder offen auf Spartas
Seite trat. Durch die Verluste in der Schlacht bei Chaeroneia
und in dem Kampfe König Agis III. gegen Antipater bedeutend
geschwächt, gerieih Achaia seit dem Ende des vierten Jahrhun-
derts V. Chr. ganz in die Gewalt der Makedonier, unter deren
Schutze sich in den meisten Städten Tyrannen erhoben, durch
deren Willkürherrschaft eine völlige Verwirrung der alten staat-
lichen Ordnung eintrat. Eine nationale Beaction dagegen gieng
von den Städten im Westen der Landschaft, Dyme, Paträ, Pharä
und Triteia, aus, die im Jahre 281 vor Chr. zu einem neuen
Bunde zusammentraten, welcher fünf Jahre darauf durch den Bei-
tritt von Aegion, Bura und Keryneia erweitert, sich bald über
1) Polyb. II, 38 u. 41. Str.vh. p. 384 s. Die Zeit der Aufliebuiig des
Könij^thiims ist leider auch nicht einmal annähernd zu bestimmen; doch
ist es wahrscheinlich, dass die Gründung der achäischen Colonien in Unter-
italien, wie Kroton, Sybaris, Kaulonia, noch zur Zeit der Königsherrschaft
erfolgt ist, da diese Städte ja erst in späteren Zeiten die demokratische
Verfassung des Mutterlandes annahmen (Polyb. c. 39).
') Dies kann man daraus schliesscn, dass in den Zeiten des neuen
IJundes zehn Damiorgon {dafiioQyoi = drifiiovQyoi) als ein dem Strategen
beigeordnetes Collegium erscheinen: s. Liv. XXXII, 22; XXXVIII, 30;
Polyb. XXIV, 5; Plut. Arat. 43; C. I. gr. n. 1512 und 1543.
318 n. Peloponnesos.
den grössten Tlicil des Peloponnes ausdehnte und (Iricclienland
noch kurz vor dem Erlöschen seiner politischen Existenz das
Muster eines die Selhständigkeit seiner Glieder mit weiser Mäs-
sigung zum Besten einer starken Centralgewalt beschränkenden
Bundesstaates gab. An der Spitze der Executive standen die
ersten fünfundzwanzig Jahre nach der Erneuerung des Bundes
neben dem Staatsschreiber zwei Strategen; da aber das Bedurf-
niss nach einer einheitlichen Leitung sich immer mehr geltend
machte, wurde seit dem Jahre 256 immer nur ein Strateg auf
ein Jahr gewählt, der ein Jahr nach dem Ablauf seiner Amtszeit
wieder wählbar war. Er war zugleich Bundesfeldherr und Bun-
despräsident; in ersterer Eigenschaft waren ihm ein oder mehrere
llypostrategen (Unterfeldherrn) und ein Hipparch (Commandant
der Reiterei) untergeordnet, in letzterer ausser dem Staats-
schreiber das Collegium der zehn Damiorgen, dessen Mehrheits-
beschlüssen er sich zu fügen hatte, beigeordnet. Die Wahl dieser
Bundesbehörden, sowie die Bundesgesetzgebung und die Ent-
scheidung über Krieg und Frieden und über die Abschliessung von
Verträgen mit auswärtigen Staaten kam der Landsgemeinde zu,
die sich regelmässig zweimal im Jahre in der früheren Zeit in
Aegion, später auch in anderen Bundesstädten versammelte. Jeder
Bürger einer Bundesstadt, der das 30. Jahr zurückgelegt hatte,
vi^ar zur Theilnahme an derselben berechtigt; abgestimmt wurde
nach Städten, so dass die Mehrzahl der anwesenden Bürger einer
Stadt für die Abstimmung derselben den Ausschlag gab. Zwischen
den Behörden und der Landsgemeinde stand ein Rath (Bule),
welcher wahrscheinlich die der Landsgemeinde vorzulegenden An-
gelegenheiten vorzuberathen, minder wichtige auch endgültig zu
entscheiden hatte: über seine Mitgliederzahl und Organisation
lässt sich nichts Sicheres ermitteln.^)
^) Vgl. C. F. Merleker De Achaieis rebus antiquissimis dissertatio,
Königsberg 1831 (desselben Verfassers Schrift Achaicorum libri III, Darm-
stadt 1837, steht mir nicht zu Gebote); A. Matthiae 'Geschichte des
achäischen Bundes' in dessen ^Vermischten Schriften' (Altenburg 1833)
S. 239 ff.; Krafft und Hertzberg Art. ''Achaia' (Geschichte)' in Pauly's
Realencyclopädie d. cl. Altws. 2te Aufl. I, S. 56 ff.; E. A. Freeman
History of federal government, from the foundation of the Achaian league
to the disruption of the United states, Vol. I (London 1863) p. 236 ss.;
dazu W. Vischer im N. Schweiz. Museum 1868, S. 29 ff.
6. Acliaia, 319
Mit der gewaltsamen Auflösung des Bundes durch die Römer
endet die selbständige Bedeutung der Landschaft, deren west-
lichster Theil in Folge der Gründung römischer Golonien durch
Augustus fast ganz romanisirt wurde, während im östlicheren
Theil sich die griechische Bevölkerung bis zum Eindringen der
nordischen Barbaren ziemlich rein erhielt.
Die westlichste der achäischen Städte, Dyme, lag nahe der
hafenloscn Küste, ungefähr in der Mitte zwischen den Flüssen
Larisos und Peiros, 60 Stadien vom Cap Araxos (vgl. oben S. 309).
In der ältesten Zeit, als noch die Kaukonen in Besitz dieser
(iegend waren, soll der Ort den wohl von der lehmigen BeschalTen-
heit des Bodens entnommenen Namen Paleia (vgl. TtrjXög und
lat. palus) geführt haben; Stratos, was ebenfalls als alter Name
der Stadt angeführt wird, bezeichnete wohl eine sei es von den
Epeiern, sei es von den Achäern, welche die Gegend als das
Westende ihres Gebiets Dyme (== dvöp.7]) nannten, angelegte
Befestigung. Erst später, jedenfalls nach der 6. Olympiade, wurde
durch Zusammensiedelung von acht kleineren Ortschaften (Demen)
eine grössere Stadt gegründet, welche den Namen Dyme er-
liiclt. ^) Im Jahre 314 v. Chr. versuchten die Bürger die in
ihrer Akropolis liegende makedonische Besatzung zu vertreiben,
wurden zwar von Alexander, dem Sohne Polysperchons, hart da-
liir gezüchtigt, bemächtigten sich aber trotzdem nach dessen Ab-
/iii,^e mit Hülfe von Söldnerschaaren der Akropolis und befreiten
') Paus. c. 17, 5 f.; Strab. p. 337; Steph. Byz. u. Jv^ri- Dass der
Uauptort der Gegend noch Ol. 6 den Namen TLciXsia. führte, zeigt das
Ton Pausanias erhaltene Epigramm der Statue des Oibotas, des Siegers
flcr 6ten Olympiade, in welchem Paleia als Heimath desselben genannt
i-t: wenn auch diese Statue erst beträchtlich später (nach Paus, um
Olymp. 80) errichtet wurde, so kann man doch bei dem Gewicht, welches
jede griechische Stadt darauf legte, einen olympischen Sieger unter ihren
Bürgern zu haben, nicht zweifeln, dass man sich bei Abfassung des Epi-
gramms genau an die officielle olympische Aufzeichnung hielt. Was Paus.
())<]. §. 13 von einem Fluche des Oibotas berichtet, in Folge dessen bis
Ol. 80 kein Achäer einen olympischen Sieg davon getragen habe, ist eine
II II historische Legende; denn Ol. 23 siegte im Stadion Ikarios aus der
acliäischen Stadt Ilyperasia (Paus. IV, 15, 1 ; Phlegon bei Steph. Byz. u.
'TnBQao(a) u. Ol. 67 im Stadion, Dianlos und WafFenlauf Phanas aus
Pallene (Scxti Julii Africani 'OlvuniäStov dvaygacpTJ rce. I. Jlutgers
p. -27).
320 11. Peloponnesos.
sich so vom makedonischen Joche. ^) Im Jahre 281 ergriflen sie,
wie schon erzählt, mil den drei anderen Städten des westliclien
Acliaia die Initiative zur Erneuerung des achäisclien Bundes und
hatten dann in den Kämpfen zwischen den Achäern und Aetolern
öfter von ieindlichen Einfällen ihrer Nachbarn, der Eleer, zu
leiden. Im ersten makedonischen Kriege wurde die Stadt zur
Strafe dafür, dass sie eine Besatzung des Königs Philipp aufge-
nommen hatte, von einem römischen Heere unter dem Prätor
P. Sulpicius geplündert und die Bürger als Sclaven verkauf! :
Philipp kaufte aber alle, die er ausfindig machen konnte, los
und führte sie in ihre Vaterstadt zurück ; zum Dank dafür stimm-
ten die Dymäer auf der Landsgemeinde zu Sikyon im Jahre
189 V. Chr. allein von allen Städten des eigentlichen Achaia mit
(law Megalepoliten und Argivern gegen den Anschluss des achäischen
Bundes an Rom.^) Auch in der ersten Zeit nach dem Verlust
der Selbständigkeit war der Geist der Opposition gegen Rom in
der Bürgerschaft von Dyme noch nicht erloschen, wie der Auf-
standsversuch eines gewissen Sosos beweist, welcher das Stadt-
haus mit dem Archiv in Brand steckte und statt der von den
Römern octroyierten oligarchischen eine demokratische Verfassung
einrichtete, dafür aber mit einem der Daraiorgen, der ihm dabei
geholfen hatte, durch den römischen Statthalter von Makedonien,
den Proconsul Q. Fabius Q. f. Maximus, zuui Tode verurtheilt
wurde. ^) Im Jahre 66 v. Chr. erhielt die offenbar sehr zusannnen-
geschmolzene Bevölkerung der Stadt einen den alten Bewohnern
jedenfalls nicht eben erwünschten Zuwachs durch einen Theil der
1) Diod. XIX, 66.
2) Paus. c. 17, 5; vgl. Liv. XXXII, 22; Polyb. V, 3.
^) C. I. g. n. 1543, eine diesen Aufstandsversuch betreffende Ver-
ordnung des Proconsuls an die Dymäer: da, wie Böckh bemerkt hat,
Consuln des Namens Q. Fabius Q. f. Maximus in den Fasten in den
Jahren 145, 142, 121 und 116 erscheinen, so ist das Jahr, in welches
diese Begebenheit fällt, nicht sicher zu bestimmen; da aber die Consuln
der Jahre 145 u. 142 nach Ablauf ihrer Amtszeit in Hispanien kämpften,
so wird man sie entweder ins Jahr 120 oder ins Jahr 115 v. Chr. zu setzen
haben. Aus der Inschrift ergiebt sich auch, dass damals ausser dem Col-
legium der Damiorgen ein cwiSgLOV, dessen yga^^ccrsvg nebst einem
priesterlichen Beamten {d^^onoXog) als eponyme Beamte an der Spitze der
öffentlichen Urkunden genannt wurden, die Angelegenheiten der Stadt
verwaltete.
6. Achaia. 321
von Pompeius überwundenen und verschonten Piraten, welche
der Sieger hier ansiedelte. ^) Die Maassregel scheint nicht viel
gefruchtet zu haben, denn Augustus führte, offenbar um dem
Mangel an Bewohnern abzuhelfen, eine römische Colonie dahin,
fügte aber diese Colonia lulia Augusta Dumaeorum mit
ihrem Gebiete dem Gebiete des ebenfalls von ihm colonisirten
Paträ bei. 2) Pausanias erwähnt in der Stadt einen alten Tempel
der Athene und ein Heiligthum der Kybele und des Attis, ausser-
halb der Stadt zur Rechten der von Elis her führenden Strasse
das Grab des Sostratos, eines von den Dymäern als Heros ver-
ehrten Lieblings des Herakles, an einer anderen Stelle das Grab
des olympischen Siegers Oibotas. ^) Heutzutage sind von der Stadt
nur noch geringe, meist der römischen Zeit angehörige Reste er-
halten bei einer Kapelle des heiligen Konstantinos östlich von
dem in einer öden, zum Theil versumpften Niederung zwischen
Wäldern gelegenen Gehöft Karavostasion, das seinen Namen
f Schiffsstation ') einer zwischen der an der Ostseite des Vorge-
birges Araxos sich hinziehenden Lagune Kalogria und einem
flachen Küstenvorsprunge sich öffnenden, jetzt durch ein Zoll-
haus bewachten Bucht verdankt, die auch im Alterthum als Rhede
benutzt wurde; der Hügel, auf welchem die Kapelle steht, trug
jedenfalls die Akropolis von Dyme. Zur Sicherung der Gränze
gegen Elis war auf dem südöstlichsten Vorsprunge des Araxos,
nahe dem rechten tffer des Gränzflusses Larisos, eine Festung
jerbaut, die gewöhnlich schlechtweg 'das Castell' (Teichos) ge-
nannt wurde, eigentlich aber den Namen Larisa geführt zu
haben scheint. Der Umfang dieser von der Sage auf Herakles
zurückgeführten Festung betrug nur V/^ Stadion, die Mauern
0 Strab. VIII p. 378 s.; XIV, p. 665.
*) Da von den beiden in Anm. 1 angeführten Stellen des Strabon sich
nur an der letzteren der Beisatz ^V vvv\ 'Poiiica'cav dnoL-nia vsfiSTai
findet, so kann man schliessen, dass die Colonisation in der zwischen
der Abfassung des 8ten und des 14ten Buches der Geographie des Strabon
verflossenen Zeit erfolgt ist. Die Existenz der Colonie bezeugen auch
Plin. N. h. IV, 5, 13 und die von Curtius Pel. I S. 450 angeführten
Münzen; ihre Unterordnung unter Pnträ Paus. c. 17, 5.
') Paus. c. 17, 8 ff. Dass das Grab dos Oibotas 'vor demselben
lliore' gelegen habe als das des Sostratos, wie Curtius (Pel. I, S, 425)
Annimmt, ist mir n-wU der Anordnung der Beschreibung des Pausanias
undenkb;ir.
P>22 H. Peloponnesos.
aber (deren noch erhaltene Resle eine Dicke von 12 — 15
zeigen) hatten durchgängig eine Ilöiie von 45 Fuss.') Im sü(
östlichsten Theile der Dymäa lag eine Ortschaft Hekatomhäon
offenbar nach einem Ileiligthum (vielleicht des Zeus, der mehi
lach unter dem Beinamen Hekatombäos verehrt wurde) benannl
bei welcher die Achäer im Jahre 225 durch König Kleomenes Hl
von Sparta geschlagen wurden. 2) In derselben Gegend muss aucj
Teuthea gelegen haben, ein durch ein Ileiligthum der Artemi
Nemydia (?) bemerkenswerthes Städtchen, dessen Bewohner b(
einem zur Hebung von Dyme veranstalteten Synoikismos nac|
dieser Stadt übergesiedelt worden waren. ^)
Die östliche Nachbarstadt von Dyme, das auf dem letztei
Vorsprung des eleischen SkoUisgebirges gegen die Küste hin nahe
dem Unken Ufer des Peiros gelegene Olenos, wahrscheinlich
eine von den Epeiern begründete Filiale der gleichnamigen ätc»-
lischen Stadt (vgl. Band I, S. 131), erscheint Anfangs als eine
der zwölf achäischen Bundesstädte, gerieth aber frühzeitig aus
unbekannten Ursachen so in Verfall, dass es nicht mehr an der
Erneuerung des Bundes sich betheiligen konnte: wahrscheinlich
war es schon damals von seinen Bewohnern verlassen , die theils
nach Peirä und Euryteiä (wahrscheinlich Demen der Olenia), theils
nach Dyme übergesiedelt waren. Strabon fand zwischen den
Trümmern der Stadt noch ein Heiligthum des Asklepios, das 40
Stadien von Dyme, 80 Stadien von Paträ entfernt war; zur Zeit des
Pausanias scheint auch dieses verfallen gewesen zu sein, da er des-
1) Polyb. IV, 59 u. 83, vergl. Steph. Byz. u. TsLXog: eine Stadt
AccQLoa auf der Gränze der Eleer u. Dymäer citirt aus Theopompos Strab.
IX p. 440. Ueber den Tempel der Athene Larisäa s. oben S. 310.
2) Plut. Oleomen. 14 (über das ebend. genannte Aayycov vgl. oben
S. 309, Anm. 2), wo ausdrücklich angegeben wird, dass Kleomenes durch Ar-
kadien nach dem achäischen Pherä (= Pharai) zog und dann zwischen
Dyme und dem Hekatombäon, wo die Achäer lagerten, sein Lager auf-
schlug (irrig Curtius Pel. I S. 427); vgl. Plut. Arat. 39; Polyb. II, 51.
Zeus Hekatombäos: s. Hesych. u. 'Eyiaro^ßatog.
^) Strab. p. 342: für das jedenfalls corrupte Nsfivdiag will Müller
Dorier I S. 373 NsfiLÖLCcg, lioheck ad Phrynich. p. 557 Ns^sccLag lesen. Ob
die von Pouqueville entdeckten Tempelreste bei Kolonäs am Fusse des
Berges Movri, Ya Stunde südöstlich von Epano-Achaia, diesem Heilig-
thum angehören (vgl. Curtius Pel. I, S. 427), ist mir zweifelhaft, da nach
den Worten des Strabon Teuthea nicht unmittelbar am Bache Teutlieas
gelegen u, zur Dymäa, nicht zur Olenia gehört zu haben sheint.
6. Achaia. 323
selben mit keinem Worte gedenkt ; doch haben sich einige Reste
der alten Stadt bis zum heutigen Tage in der Nälie des Dörf-
cliens Kato-Achaia erhalten, darunter die Basis einer von der
Stadt Pharä errichteten Ehreiistatue, woraus man wohl schliessen
darf, dass das Gebiet von Olenos, das zu Strabons Zeit den Dy-
mäern gehörte, früher eine Zeit lang in Besitz von Pharä war.^)
Diese Stadt, deren das obere Thal des Peiros umfassendes Ge-
biet im Westen durch die Dymäa, im Nordwesten durch die
Olenia von der Verbindung mit dem Meere abgeschnitten war,
lag an der Hauptstrasse aus Arkadien nach dem westlichen Achaia,
70 Stadien von der Küste, 150 Stadien (auf der im Peirosthale
und dann längs der Küste hin gehenden Strasse) von Paträ , nahe
dem linken Ufer des hier Pieros genannten Flusses, also ungefähr
in der Mitte zwischen den jetzigen Dörfern Isari und Prevetos,
wo ihre Stelle noch durch ausgedehnte aber unansehnliche Ruinen
bezeichnet wird. Dem Flusse zunächst stand ein Hain uralter
Platanen, deren hohle Stämme von den Bewohnern der Stadt
bisweilen, natürlich nur scherzweise, zu Speise- und Schlafräu-
men benutzt wurden. Mitten auf dem geräumigen, nach dem
älteren Systeme angelegten Marktplatze stand ein Hermenbild des
Hermes Agoräos mit einem steinernen Altar, bei welchem man
sich in eigenthümlicher, ziemlich primitiver Weise Orakel holte;
nahe dabei standen 30 viereckige Steine, von denen jeder als
Symbol oder Repräsentant einer Gottheit Gegenstand des Cultus
war. Dem Hermes war auch eine Dirke genannte Quelle in der
Stadt heilig, in deren Abfluss Fische lebten, die als dem Gotte
geweiht nicht gefangen werden durften. 15 Stadien von der
Stadt lag ein hauptsächlich aus Lorbeerbäumen bestehender Hain
der Dioskuren, in welchem Pausanias einen Altar aus Feldsteinen,
aber weder ein Cultgebäude noch Cultbilder (diese sollten nach
Rom geschafft worden sein) fand. Wie Dyme nahm auch* Pharä
*) Strab. p. 386 ii. 388; Paus. c. 18, 1 u. c. 22, 1; Steph. Byz. n.
"ßAfvog; C. I. gr. n. 1644. Dass unter der nitgrj 'SlXsviri II. ß, 617 das
Gebiet des später achäisclien Olenos zu verstehn ist, lehrt die Verglei-
chung der von Strab. p. 342 erhaltenen Verse des Hesiodos (fr. 216 Gött-
ling). Ueber die Keste von Olenos s. Leake Morea II p. 165 s.; Dodwell
(!bi8s. u. topogr. Reise II, 2, S. 149 d. d. Ueb.; Pouillon-Hoblaye Re-
«berches p. 20. Flüclitlinf?«' ans Olenos in Aegion internirt: Aelian. de
au, V, 29.
324 n. Peloponnesos.
Theil an der Neugründiing des Bundes, litt dann mehrfach durch
Einfälle der Aetoler und Eleer, und wurde durch Augustus den
l*alräern unterthänig gemacht J)
Ganz dieselben Schicksale wie Pharä halle dessen Nachbarin,
die unter allen achäischen Städten am weiteslen von der Kösle
entfernte Bundesstadt Tritäa (auch Triteia geschrieben), die
in Folge ihrer Lage sich eine Zeit lang (wahrscheiidich vor der
Neubegründung des achäischen Bundes, an welcher auch sie An-
theil nahm) an Arkadien angeschlossen hatte. Die Stadt, in welcher
Pausanias ein Heiliglhum der 'Grösslen Götter' mit Cultbildern
aus Thon und einen Tempel der Athena, ausserdem vor der
Stadt ein Grabmal mit Gemälden von der Hand des Nikias der
Erwähnung werth findet, war 120 Stadien von Pharä entfernt:
also gehören ihr wahrscheinlich die jetzt Kastritza genannten
Mauerreste eine Stunde nördlich unterhalb des grossen Dorfes
h. Blasis, nahe den Quellen des Flusses Selinus.^')
Die nordöstlichste unter den Städten des westlichen Achaia,
seit Augustus die Beherrscherin dieses ganzen Theiles der Land-
schaft, war Paträ, das am nördlichen Ende der breiten und
fruchtbaren Mündungsebene des Glaukos, die in ihrem nördlichen
Theile noch von einigen kleineren Bächen durchflössen wird, unter
und auf einem mit dem Panachaikon zusammenhängenden Hügel -
rücken (jetzt Skatovuni genannt) lag. Die Fruchtbarkeit des
Landes für Viehzucht, Ackerbau, Garten- und Weinqultur spiegelt
sich schon in den Namen der alten pelasgisch- ionischen Ansie-
delungen, aus welchen die Stadt erwuchs, und den Sagen von
der Gründung derselben wieder. Zu Eumelos, dem 'Heerden-
1) Strab. p. 388; Paus. c. 22, 1 ff. (wo §. 4 zu lesen ist: vöcag isqov
tßtiv "Eqiiov' jLQ-aa ['"'Aiici codd. ] (isv r^ ^VVV "^o ovofia)] Polyb, IV,
6 f.; 59 f.; V, 94.; Plut. Oleom. 14 (vgl. S. 322, Anm. 2); Ptol. III, 16,
15; Steph. Byz. u. ^ccqai', über die Ruinen Pouillon-Boblaye p. 21.
2) Paus. c. 22, 6 ff.; Strab. p. 341; vgl. Polyb. IV, 6 u. ö.; Plut.
Cleom. 16 u. Arat. 11 ; Steph. Byz. u. TQixaCa u. TgCzsia. Dass Triteia eine
Zeit lang zu Arkadien gehörte , beweist das von Paus. VI, 12, 8 erwähnte
Epigramm auf der Statue des Faustkämpfers Agesarchos: dies geschah
wahrscheinlich zur Zeit der höchsten Macht Arkadiens, bald nach der
Gründung von Megalepolis (vgl. Cic. ad Att. VI, 2, 3, wornach Dikäarch
Triteia zu Arkadien gerechnet zu haben scheint) , nicht erst durch die
Römer, wie Brunn Geschichte der griech. Künstler I S. 538 annimmt.
Ruinen von Kastritza Leake Morea II p. 117.
6. Acliaia. 325
'eiclien', dem eingebornen ältesten Herrscher des Landes, kam,
wie die Sage berichtet, Triptolemos und lehrte ihm den Getreide-
bau, worauf er eine Ortschaft Aroe ('Ackerland') und in Ge-
meinschaft mit Triptolemos eine zweite, Antheia ('die Blüthen-
reiche') griindete; zwischen beiden wurde dann noch eine dritte,
die Mesatis ('die Mittlere') angelegt, deren Bewohner, wie die
hier localisirten Sagen von der Erziehung des Dionysos und seiner
Gefährdung durch die Titanen zeigen, sich hauptsächlich dem
Weinbau widmeten. Die drei Ortschaften waren durch ein reli-
giöses Band, den gemeinsamen Cultus der Artemis Triklaria in
dem Heiligthum am Flusse Meilichos (s. oben S. 312), verbunden;
auch der Cult des Dionysos Aesymnetes, welchen die Sage mit
der Abschaffung der Menschenopfer im Dienst "jener Göttin in
Verbindung setzte, war offenbar den drei Orten gemeinsam, wie
man schon aus der Zahl von neun Männern und neun Frauen,
welchen die Hauptverrichtungen im Cult dieses Gottes oblagen,
schliessen kann. Die Achäer machten Aroe durch Erweiterung
und Befestigung zu einer Stadt, welche als ausschliesslicher Sitz
der herrschenden Familien den Namen Paträ erhielt; zu ihrem
Gebiete gehörten ausser Mesatis und Antheia noch wenigstens
vier ländliche Ortschaften (Demen), von denen wir Arba (von
unsicherer Lage), Argyra (vgl. oben S. 312) und Bolina (vgl.
ebendaselbst) mit Namen kennen. ') Der Umfang der Stadt war
damals geringer als zur Zeit des Augustus und in der Gegenwart,
denn sie beschränkte sich auf den westlichen Abhang des Hügel-
rückens (auf welchem ungefähr auf der Stelle des jetzigen'Castells
die Akropolis lag) und den zunächst unter demselben gelegenen
Theil der Strandebene und war durch unbewohntes Terrain von
ihrem auf künstlichem Wege durch Dämme aus grossen Stein-
blöcken hergestellten Hafen getrennt; erst im Jahre 419 v. Chr.
wurde derselbe auf Anrathen des Alkibiades durch lange Mauern
') Paus. c. 18, 2—5, c. 19 ii. c. 20, 1; vgl. Etym. M. p. 147, 35; für
die Bedeutung des Namens ndtQut vgl. Steph. Byz. ii. ndtga. In An-
theia {-auTcc zr]v 'Jvd'toav %(uQav) wurde Demeter als norrjQiocpoQog ver-
ehrt: Athen. XI p. 460 «J. Die Angabe des Strabon p. 337 TLuxqcci d^ i^
tnta [di]^(ov avvsnoUod'rjauv] beziehe ich auf die ursprüngliclie Grün-
dung »'nicht wie Curtius (Pel. I S. 437) auf eine 'zweite P]rweiterung[etwa
um die Zeit der Perserkriege', von der sich in der Ueberlieferung keine
Spur findet.
«URSrAN, (JKOUU. II. 22
326 n. Peloponiiesos,
nach dem Muster des atheiilsclien mit der Ringmauer der Stadt
verbunden. *) Als Ilafenplatz spielte diese auch in den Kämpfen
des neuen achäischen Bundes, zu dessen Begründern sie gehörte,
gegen die Aetoler eine nicht unbedeutende Rolle; im Todeskampfe
des Bundes gegen Rom erlitt sie noch vor dem letzten Acte dieses
blutigen Dramas einen schweren Schlag, indem ihre ganze Mann-
schaft auf dem Rückzuge nach der Niederlage der Achäer bei
Skarpheia in Phokis durch Metellus aufgerieben wurde, ein Schlag,
welcher den Ueberrest der Bevölkerung in solche Verzweifeln ng
stürzte, dass die meisten Bewohner die Stadt verhessen und sich
in die ländlichen Ortschaften ihres Gebietes zurückzogen.^)
Die Wichtigkeit, welche die Stadt trotzdem als Handels- und
Hafenplatz hatte, war die Ursache, dass Augustus nach der Schlacht
bei Aktion eine römische Militärcolonie dahin führte und die
Bewohner anderer achäischer Ortschaften veranlasste, dort ihren
Wohnsitz zu nehmen. Die von den Römern mit Abgabenfreiheit
und bedeutendem Grundbesitz nicht nur im westlichen Achaia,
sondern auch im südlichen Aetolien und im Gebiet der ozolischen
Lokrer beschenkte Colonia Augusta Aroe Patrensis wurde
nun eine der blühendsten und bevölkertsten Städte Griechenlands.
In der Bevölkerung überwog das weibhche Element bedeutend
und nicht eben zum Vortheil der Sittlichkeit, indem zahlreiche
Frauenzimmer, welche von der Verarbeitung des aus Elis her-
beigeschaflften Byssos zu Gewändern und Haarnetzen lebten, auch
einen leichteren aber weniger ehrenvollen Nebenverdienst nicht
verschmähten.^) Die damalige Stadt, von welcher uns durch Pau-
0 Thuk. V, 52 (vgl., II, 83 f.); Plut. Alcib. 15; über die Reste dieser
Mauern und der Hafendämme vgl. Dodwell Class. u. topogr. Reise I, 1,
S. 161 f. d. d. Ueb.
«) Polyb. XL, 3, vgl. c. 6; dagegen lässt Paus. c. 18, 6 (vgl. X, 22, 6)
die Paträer den Aetolern beim Einfalle der Kelten 279 v. Chr. zu Hülfe
eilen und dabei so schwere Verluste erleiden, dass die Mehrzahl der Be-
wohner die Stadt verlässt; allein dem widerspricht nicht nur die bestimmte
Angabe des Polybius, dass die Niederlage der Paträer in Phokis ßgctxH
XQOvm TtQÖrsQOv (vor der Katastrophe) erfolgt sei, sondern auch die häu-
fige Erwähung von Paträ in der Geschichte des sog. Bundesgenossenkrieges
bei Polybius, welche uns nicht gestattet, die Nachrichten des Pausanias
und des Polybius auf zwei verschiedene Begebenheiten zu beziehen.
3) Paus. c. 18, 7; c. 19, 14; X, 38, 9; Strab. p. 387 u. p. 460; Plin^
N. h. IV, 4, 11. Colonialmünzen: Eckhel D. N. V. II, 1, p. 256. Dass
6. Achaia. 327
saiiias eine ziemlich detaillirte Beschreibung, aber nur wenige
architektonische und plastisclie Ueberreste erhalten sind^) — eine
Folge der ununterbrochenen Bewohnung des Platzes, durch welche
die Fundamente der älteren Gebäude durch die neueren verdeckt,
die Trümmer jener zur Herstellung dieser verbraucht worden
sind — , erstreckte sich von der die Ebene beherrschenden An-
höhe , dem westlichsten Vorsprunge des mehrfach erwähnten
Ilugelruckens, welche die Akropolis trug, bis unmittelbar ans
Meer. Die Akropolis enthielt ein Heiligthum der Artemis La-
phria, deren Cult wohl erst mit dem chryselephantinen Cultbilde,
welches die Göttin als Jägerin darstellte, aus Kalydon durch
Augustus hierher verpflanzt wurde: die Burggöttin der älteren
griechischen Stadt war jedenfalls die Athene Panachais, welcher
auch in der römischen Zeit ein innerhalb des Peribolos des Ar-
temisheiligthums stehender Tempel geweiht war. 2) . Die Strasse
von der Akropolis nach dem Marktplatze führte an einem Ileilig-
Ihume der Kybele ('der Dindymenischen Mutter'), in welchem
auch Attis verehrt wurde, vorüber. An der Ostseite des Markt-
platzes, dessen Mittelpunkt wahrscheinlich das Grab des mythi-
schen Stadigründers Patreus und eine Statue der Athene be-
zeichnete, stand das Olympion, ein mit Ausnahme der steinernen
Säulen und Architrave aus Ziegeln erbauter Tempel des Zeus
Olympios, in dessen Cella der Gott auf einem Thronsessel sitzend,
daneben Athene stehend dargestellt war; gegenüber, wahrschein-
lich durch die von der Burg her führende Strasse davon getrennt,
eine Statue der Hera Olympia und ein Heiligthum des Apollon
mit einem Erzbilde des Gottes, welches denselben nackt, aber
mit Schuhen an den Füssen, einen Fuss auf einen Stierschädel
setzend, darstellte. 3) Ein mit vergoldeten Statuen des Patreus,
schon vor der Gründung der Colonie römische Kaufleute in Paträ ansässig
waren, zeigt Cic. Ep. ad fam. XIII, 17, 1 u. 50, 1. Fortdauer der We-
berei bis ins 12 te Jahrh. n. Chr.: vgl. Constantin. Vita Basilii Maced.
l>. 142 ed. Venet.
*) Vgl. über diese Dodwell a. a. O. S. 158 ff.; Leake Morea II p. 131
öS.; Archäol. Anzeig. 1854, N. 67. 68. S. 479.
*) Paus. c. 18, 8 ff.; c. 20, 2; dass der Cult der Laphria aus Kalydon
stammt, bezeugt Paus, auch IV, 31, 7, also ist auch der von Paus, be-
schriebene tQonog int-xcogiog Q^vaCaq als ursprünglich kalydonischer
J'raucli zu betrachten.
=') I'huh. c. 20, 3 ff.; I'lin. N. h. XXXV, 14, 172; der letztere orwUhnt
22*
328 H. Peloponnesos.
Preiigenes und Atlierion gesclimückles Thor, das offenbar den
Ilaupteingang der Agora bezeichnete, [trennte dieses Apollonhei-
ligthum von dem geräumigen Temenos der Artemis Limnatis,
welches ausser dem Tempel dieser Göttin noch andere Heilig-
thümer, zu denen man durch die offenbar das Temenos an allen
vier Seiten umschliessenden Säulenhallen gelangte, enthielt: so
ein Heiligthum des Asklepios und eins der Athene ; vor letzterem
zeigte man das Grab des Preugenes, dem ebenso, wie seinem
Sohne Patreus, alljährlich beim Feste der Limnatis Todtenopfer
dargebracht wurden. Unmittelbar an die Agora stiess ferner das
besonders reich geschmückte Odeion ; in geringer Entfernung von
dem Platze stand auch das jedenfalls nach römischer Weise ganz
auf einem künstlichen Unterbau ruhende Theater , in dessen Nähe
Tempel der Nemesis und der Aphrodite, ein Heiligthum des^'Dio-
nysos Kalydonios (so genannt, weil das Cultbild aus Kalydon her-
übergeschafft worden^war) und ein Temenos einer einheimischen
Frau (den Namen derselben hat uns Pausanias leider verschwiegen;
wahrscheinlich galt sie als Amme und Pflegerin des Dionysos) mit
drei Dionysosbildern, die nach den drei alten Gauorten benannt
waren (Aroeus, Antheus, Mesateus), sich befanden. An der vom
Marktplatze nach dem Meere führenden Strasse lag rechts ein
Heiligthum des Dionysos Aesymnetes, weiter abwärts ein Heilig-
thum der Soteria (wahrscheinlich der römischen Salus); am Hafen,
dem zunächst Erzbilder des Ares und des Apollon und ein Akro-
lith der Aphrodite aufgestellt waren, ein Tempel des Poseidon
und zwei Heiligthümer der Aphrodite. Ferner zog sich am Meere
ein Hain mit anmuthigen Spaziergängen und Tempeln (des Apollon
und der Aphrodite) hin, an welchen ein Heiligthum der Demeter
stiess ; vor dem Eingang zum Tempel derselben war eine heilige
Quelle, gegen den Tempel hin von einer Mauer umschlossen , von
der andern Seite durch Stufen zugänglich, an welcher sich Kranke
vermittels eines Spiegels Orakel über den Ausgang ihrer Krank-
heit holten : offenbar die noch jetzt mit einer gewissen Ehrfurcht
betrachtete Quelle bei der verfallenen Kirche des heiligen Andreas
südlich von der jetzigen Stadt, welche in ein überwölbtes Bassin,
neben der aedes lovis auch die des Herakles als in gleicher Technik er-
baut: die Lage dieses Herakleion, das nach Plut. Anton. 60 vom Blitze
getroffen wurde, während Antonius sich in Paträ aufhielt, ist, da Pau-
sanias desselben nicht gedenkt, nicht zu bestimmmeu.
6. Achaia. 329
zu dem man auf vier Stufen hinabsteigt, gefasst ist. Auch zwei
Heiligthümer des Sarapis standen in der Nähe jenes Haines.
Endlich wird noch ein * oberhalb', d. h. wohl nördhch von der
Akropolis in der Nähe des nach Mesatis führenden Thores ge-
legenes Heiligthum des Asklepios erwähnt.^)
Als Pausanias Paträ besuchte, bestand in der Stadt jeden^
falls schon eine christliche Gemeinde ; denn wenn auch die Legende,
welche den Apostel Andreas, den Schutzheiligen der Stadt, hier
unter dem Proconsul Aegeates, nachdem er eine zahlreiche christ-
liche Gemeinde gestiftet, den Märtyrertod am Kreuz erleiden
lässt,2) als unhistorisch bezeichnet werden muss, so ist es doch
unzweifelhaft, dass die Stadt neben Korinth einer der ersten Aus-
gangspunkte der Christianisirung der Halbinsel gewesen ist, eine
Mission, die sie zum zweiten Male im 9. Jahrhundert an den in
den Peloponnes eingedrungenen Slaven erfüllte. Obschon im Jahre
551 durch ein Erdbeben schwer heimgesucht,^) blieb sie doch
das ganze Mittelalter hindurch und in der neueren Zeit, unter der
Herrschaft der Byzantiner wie der P'ranken, der Venetianer wie der
Türken, eine der festesten, volkreichsten und gewerbfleissigsten
Städte Griechenlands. Im griechischen Befreiungskampfe pflanzte
sie als eine der ersten, am 4. April 1821, das Kreuz als Zeichen
der Unabhängigkeit auf, wofür sie nach wenigen Tagen durch
völlige Einäscherung und Plünderung durch Jussuf, den Pascha
vonEuboia, büssen musste (15. — 20. April)."*) Aber sie erhob
sich wieder aus ihrer Asche und ist jetzt der wichtigste Handels-
') Paus. c. 20, 6 ff. Meine topographische Ansetzung der Gebäude
am und in der Nähe des Marktes weicht von der von Curtius (Pel. I, S.
443 f.) angenommenen besonders darin ab, dass ich die von Paus. c. 20,
7 erwähnte ^'^odog od. dtf|o^os' für verschieden halte von der odog ig tu
inl %'aXdaari rrjg nolscag c. 21, 6. Dass die Stadt sich ostwärts über
die Akropolis hinaus erstreckt habe, scheint mir nach der Beschaffenheit
des Terrains kaum denkbar: ich fasse daher vnsQ tiqv d-ngonoXiv bei
Paus. c. 21, 14 im Sinne von 'jenseit der Akropolis' auf. Darstellung
des Hafens der Stadt auf römischen Kaisermünzen: vgl. Eckhel D. N. V.
II, 1, p. 257.
*) Vgl. Uqu^sig xat (iuqtvqiov tov äyCov dnoaxolov *Av8qiov in
Acta apostojorum apocrypha ed. Tischendorf (Lips. 1861) p. 106 ss.
>) Procop. de hello Goth. IV, 26 p. 596 ed. Dindorf.
*) Vgl. Gervinus Geschichte des 19ten Jahrhunderts V, S. 187 u.
190; Mendelssohn Bartholdy Geschichte Griechenlands von der Eroberung
Konstantinopels bis auf unsere Tage I, S. 191 f. u. ö. 197.
330 n. Peloponncsos.
platz des westlichen Griechcnlantls, neben Athen, Korfu undllermupo-
lis auf Syra die volkreichste und bedeutendste Stadt des Königreichs.
Die östliche Gränze des Gebiets von Paträ war in älterer
Zeit der Kamm des Panachaikon, an der Küste die Landspitze
Drepanon; die östlichen Abhänge des Gebirges und der Kusten-
saum vom Drepanon bis zur Mundung des Meganitas bildeten die
Rh y pike, das Gebiet der Stadt Rhypes (auch Rhypä und
Arype geschrieben),^) das sich gegen Süden weit landeinwärts
bis zum Gebiet von Tritäa erstreckte. Die Stadt, deren Rürger
Myskellos als Gründer von Kroton in Unteritalien galt, gerieth
frühzeitig in Verfall, vielleicht zum Theil in Folge von verhee-
renden Naturereignissen,^) hauptsächlich aber wohl, weil weder
die Bodenbeschaffenheit ihres Gebietes für den Ackerbau, noch
die Küstengestaltung — die als Hafenplatz benutzte Bucht Eri-
neos (vgl. oben S. 313) war I72 Stunden gegen Nordwesten von
der Stadt entfernt — für den Seeverkehr günstige Chancen dar-
bot. In Folge dieses Verfalls bemächtigte sich wahrscheinlich
die Nachbarstadt Aegion der Küstenstrecke derRhypike; im süd-
lichsten Theile derselben aber behauptete sich Leontion, eine
mitten im Gebirgslande an einem Seitenarme des oberen Selinus
gelegene befestigte Ortschaft (von welcher noch Ruinen südlich
vom Dorfe Guzumistra erhalten sind) als selbständiges Glied des
Rundes, in welchem es die Stelle von Rhypes einnahm.^) Doch
scheint dieser letztere Ort, dessen Stelle , nahe dem rechten Ufer
des Tholopotamos genannten Raches, jetzt noch durch wirr durch-
einanderliegende Steine bezeichnet wird , erst zur Zeit des
Augustus gänzlich verödet zu sein, welcher die Reste der Re-
wohner nach Paträ versetzte nnd den südlicheren Theil ihres
*) 'Pvnsg Herod. T, 145; Aeschyl. frg. 326 DincL; Strab. p. 386 s.;
Paus. c. 6, 1 u. ö.; 'Pvnca od. 'PvTtciLr] nach Steph, Byz. u. d. W.; ^Aqv-nri
nach Steph. Byz. p. 129, 11 Mein.; vgl. Meinekes Note u. Etym. M, p.
150, 55.
2) Auf solche scheint mir die Bezeichnung yiEQa.vviag '^Pvnccq in
dem Anm. 1 angeführten Fragmente des Aeschylos hinzudeuten.
3) Polyb. II, 41; für die Lage des Ortes vgl. dens. V, 94, dazu Leake
Morea III p. 419 s.; Dodwell class. u. topogr. Reise II, 2, S. 347 d. d.
Ueb. Der Name Aeovxiov ist wahrscheinlich auch bei Strab. p. 387 für
Asv-AXQOV (dessen Identität mit Leontion schon Pouillon-Boblaye Recher-
ches p. 22 vermuthet hat) herzustellen. Ethnikon Asovriccvog Apollo-
nios bei Steph. Byz. p. 507, 16 ed. Mein.; AeovtrjoLoe Polyb. XXVI, 1.
6. Achaia. 331
Gebiets ebenso wie die Nachbarorte Tritäa und Pharä zum Ge-
biete dieser Stadt zog, während die Küstenstrecke im Besitz von
Aegion blieb.') »
Diese gegen 30 Stadien östlich von l^hypes auf der Stelle
des jetzigen Vostiza gelegene Stadt war ursprünglich auf ein sehr
unbedeutendes Gebiet — den schmalen Streifen zwischen den
Flüssen Meiganitas und Selinus von der Küste bis zu dem 1613
Meter hohen Berge Barbas, einer südöstlichen Verzweigung des
Panachaikon — beschränkt, das sie allmälig in Folge des Ver-
falles beziehendlich Unterganges ihrer beiden Nachbarstädte Rhypes
und Helike gegen Westen wie gegen Osten beträchtlich erwei-
terte. Doch hatte sie frühzeitig trotz ihres^ beschränkten Ge-
bietes eine grosse- Bedeutung erlangt als religiöser und politischer
Mittelpunkt des achäischen Bundes (vgl. oben S. 316), eine Stel-
lung, die sie theils ihrer centralen Lage, theils dem in ihr be-
sonders eifrig gepflegten Zeuscult verdankte. Die alte Stadt
zerfiel ebenso wie das jetzige Vostiza in zwei Hälften : eine obere,
auf einer ganz aus bröckeligem Sandconglomerat bestehenden
Anhöhe gelegene, und eine untere unmittelbar an der jetzt wie
im Alterthum als Hafen dienenden Meeresbucht, welche gegen
Osten wie gegen Westen durch dreieckige flache Landspitzen ge-
schützt wird. Die Communication zwischen beiden Stadttheilen
wird durch einen hohen gewölbten Gang vermittelt, der innerhalb
des lockeren Terrains des Hügels auf die obere Fläche desselben
emporführt, eine Anlage, für welche wahrscheinlich die Natur
selbst durch eines der heftigen Erdbeben, welche in alter und
neuerer Zeit die Stadt heimgesucht haben, ^j der Menschenhand
vorgearbeitet hat. Diese Erdbeben sind auch die Ursache, dass,
abgesehn von einigen plastischen Werken, welche von der Blüthc
der Stadt in römischer Zeit Zeugniss geben, sich nur sehr wenige
^) Paus. c. 18, 7; c. 23, 4; Strab. p. 387, wo zu schreiben ist: rrjv
8s ;|rwpav ' Pvnidce nalovfievrjv h'G%ov Alyistg x«l Hargsig (statt 0a-
Qietg). Bei Scyl. Per. 42 wird 'Pvnsg noch als Stadt erwähnt.
') Die bedeutendsten, welche speciell in Aegion (Vostiza) zerstörend
wirkton, waren das vom Jahre 23 n. Chr. (Tac. Ann. IV, 13; Sen. Quaest.
nat. VI, 25), das vom 23. Aug. 1817 und das vom 2ö. Dec. 1861: vgl. 1.
Schmidt bei Wygo An excursion in the Peloponnesus II, p. 339 ss. — Lu-
cret. VI, .585 verwechselt wahrscheinlich Aegiuni mit liura.
332 11. Pcloponncsos.
und sehr unscheinbare Reste des alten Aegion erhalten haben, ^)
so dass wir für die Topographie desselben fast ausschliesslich auf
die Beschreibung des Pausanias angewiesen sind. Dieser erwähnt,
von Westen her kommend, zunächst eine noch ausserhalb der
Stadt zu Ehren des Athleten Stralon aus Alexandreia, der Olymp.
178 (68 V. Chr.) in Olympia am gleichen Tage im Pankralion
und im Ringkampfe gesiegt hatte, errichtete Halle ;2) sodann,
olfenbar innerhalb der oberen Stadt, ein altes Heiligthum der
Eileithyia und nicht weit davon ein Temenos des Asklepios; ferner
Tempel der Athene und der Hera , das Theater mit einem be-
nachbarten Heiligthum des Dionysos, und die Agora, an welcher
ein Temenos des Zeus Soter, ein gemeinsamer Tempel des Apollon
und der Artemis, ein der Artemis allein geweihtes Heiligthum und
das Grab des Herolds Talthybios lagen. Am Strande, also in der
unteren Stadt, lagen nach seiner Angabe neben einander (jeden-
falls in der Richtung von Westen nach Osten) die Heiligthümer
der Aphrodite, des Poseidon, der Kora, des Zeus Homagyrios
und der Demeter Panachäa, ausserhalb der Reihe, wahrscheinlich
etwas w^eiter landeinwärts, ein Heiligthum der Soteria, deren
Bild nur für das Cultpersonal sichtbar war. ^) Von allen diesen
*) Vgl. Leake Morea III, p. 185 ss.; Curtius Peloponnes I, S/461 f.;
über einige neuerdings gefundene plastische Werke Conze u. Michaelis
Annali XXXIII, p. 62 s.; Wyse a. a. O. p. 243 s. Von den bei Curtius
erwähnten Grundmauern eines Gebäudes auf einem östlich von der jetzigen
Stadt gelegenen Hügel, unter welchem sich mannshohe Gänge erstrecken
von 3 Fuss Breite ,* theils im Quaderbau ausgeführt, theils in den Felsen
gegraben, an den Seiten mit festem Stuck bekleidet, nebst flaschenför-
migen Cisternen, durch welche sie mit dem oberenj, Gebäude in Verbin-
dung gestanden haben, habe ich bei meinem Besuch der Stadt im Mai
1854 keine Spur entdecken können. Ich fand auf einem in die Strandebene
vorspringenden mit Korinthen bepflanzten Hügel östlich von der unteren,
nördlich von der oberen Stadt ein einziges antikes Werkstück, das noch
an seinem Platze zu stehn schien, und das Fragment einer uncanelirten
Säule, aber keine Spur von unterirdischen Gängen; ausserdem bemerkte
ich nur einen ganz niedrigen Hügel östlich von der oberen Stadt, auf
welchem der Gottesacker und eine Kirche liegen, von antiken Eesten aber
sich gar Nichts vorfindet.
2) Paus. c. 23, 5; vgl, Sexti Julii Africani 'OXv^tclccScov dvccyQucpT]
rec. I. Eutgers (Leyden 1862) p. 81 s.
3) Paus. c. 23, 5 u. c. 24, 3. Die ebd. §. 4 erwähnten Erzbilder des
jugendlichen Zeus und des jugendlichen Herakles, Werke des Ageladas,
6. Achaia. 333
lleiligthümern ist keine Spur erhalten; ;iur das reicliiicli dem
Strande entquellende Wasser, das Pausanias als 'ebenso lieblich
anzuschauen wie zu trinken' bezeichnet, ist der Unterstadt als
unvergängliches Erbtheil geblieben: ein neben einer mächtigen
uralten Platane, die sich unmittelbar am Meeresufer wie eine
ehrwürdige Reliquie des Alterthums erhalten hat, errichteter
Brunnen, aus dessen 16 Röhren eine Fülle des frischesten, rein-
sten Wassers hervorströmt, bildet den Mittelpunkt des öffentlichen
Lebens der Bewohner des heutigen Vostiza. Im Meere sieht
man noch dem Ufer entlang Steinblöcke von dem antiken Molo.
Oestlich von der Unterstadt zog sich das Homarion oder Ha-
marion hin, ein dem Zeus Homarios (offenbar Nebenform zu
Ilomagyrios) geweihter Hain mit einem Altar der Hestia als Mittel-
punkt, worin nach altem Brauche die achäische Bundesversamm-
lung zusammentrat. ^)
Der Fluss Selinus trennte in älteren Zeiten das Gebiet von
Aegion von dem von Helike, einer vierzig Stadien östlich von
Aegion, zwölf Stadien von der Rüste entfernten Stadt, welche
mit ihrem in einem Hain unmittelbar am Meere gelegenen Hei-
ligthum des Poseidon Helikonios den religiösen und politischen
Mittelpunkt des Aegialos bildete, solange derselbe im Besitz der
lonier war, und diesen, nachdem sie von den als Eroberer in ihr
Land eingedrungenen Achäern besiegt worden waren, als letzte
Zufluchtsstätte und Ausgangspunkt für diejenigen, welche die Aus-
wanderung der Unterwerfung unter die Herrschaft der Eroberer
vorzogen, diente. Die Stadt bestand dann fort als Glied des
lassen sich, da sie in den Häusern der je auf ein Jahr gewählten Priester
aufbewahrt wurden, topographisch nicht fixiren. Auch die Sage von der
Ernährung des Zeuskindes durch eine Ziege war in Aegion localisirt:
Strab. p. 387; desgleichen die offenbar aus Thessalien stammende Sage
von einer Jungfrau Phthia, welcher Zeus in Gestalt einer Taube beige-
wohnt habe: Athen. IX, p. 395»; Aclian. Var. bist. I, 15. — Berühmt
waren die Flötenspielerinnen von Aegion nach Antiphanes bei Athen. I,
\>. 27<*. — Spottverse auf die Aegieer, von anderen auf die Megarer an-
gewandt: Suid. I, 2 p. 11 u. n,^2 p. 1305 ed. Bernhardy; Zenob. Prov.
I, 48 u. a.
*)'0(iccQiov Polyb. V, 932(vgl. II, 39); 'j^fiägiov Strab. p. 385 u.
387. Dass der Hain ausserhalb der Stadt nach Helike zu lag, also nicht
mit dem Hciligthum des Zeus Homagyrios identisch war, geht aus der
zuletzt angeführten Stelle hervor.
334 H- Peloponnesos.
älteren achäischen Bundes und das Heiligthum genoss auch ferner-
hin Verehrung, besonders von Seiten der lonier Kleinasiens,
welche ihr Heiligthum des Poseidon Ilelikonios auf dem Vorge-
birge Mykale, das sogenannte Panionion, als ein Filial desselben
betrachteten. Aber im Jahre 373 v. Chr. (Ol. 101, 4) wurde
in Folge eines furchtbaren Erbebens, das auch die Nachbarstadt
Bura zerstörte, das Heiligthum und die Stadt selbst mit allen
ihren Bewohnern — die Katastrophe trat ganz plötzlich, zur
Nachtzeit ein — von den wild empörten Meereswogen, die ein
breites Stück des flachen Uferlandes wegrissen, verschlungen und
verschwand so spurlos von der Erde; nur bei ruhigem Wetter
glaubte man noch nach Jahrhunderten unter der Wasserfläche die
Trümmer der Stadt zu erkennen und die Fischer behaupteten,
dass ihre Netze bisweilen an der auf dem Meeresboden aufrecht
stehenden Erzstatue des Poseidon, die einen Hippokampen in der
Hand trug, hängen blieben. Der fromme Glaube der Hellenen
betrachtete dieses Unglück als eine Offenbarung des Zornes der
Gottheit über einen Frevel der Bewohner der Stadt, die nach
der einen Tradition Schutzflehende aus dem Heiligthum vertrieben
und getödtet, nach einer anderen Version das Gesuch der klein-
asiatischen lonier um die Auslieferung des Cultbildes odec wenig-
stens um die Erlaubniss, ein getreues Abbild davon Behufs der
Weihung desselben im Panionion zu nehmen, trotz der Bewil-
ligung von Seiten der achäischen Bunde^ersammlung, abge-
schlagen hatten.^) Von dem Gebiete der Stadt wurde die auch
fernerhin mit dem Namen Helike bezeichnete Küstenstrecke ebenso
wie das Küstenland der ehemaligen Rhypike von den Aegieern in
Besitz genommen, 2) das Hochland aber bis zur arkadischen Gränze
blieb im Besitz von Keryneia, einer Stadt, die ursprünglich
nur eine Bergfeste der Helikeer, doch frühzeitig, wahrschein-
lich in Folge der Aufnahme eines Theiles der vertriebenen My-
kenäer, zu solcher Bedeutung gelangte, dass sie als selbständiges
Bundesglied an die Stelle des von seinen Bewohnern verlassenen
Aegä trat. Zur Zeit der Stiftung des neuen achäischen Bundes
1) II. B, 575; 0, 203; Theoer. Id. XXV, 165; Herod. I, 145; Strab.
p. 384 s.; Paus. c. 24, 5 ff.; Diod. XV, 48 f.; Aelian. de an. XI, 19;
Seneca Quaest. nat. VI, 23;-26; VIT, 5; 16; Ovid. Met. XV, 293 ff.; Plin,
N. h. II, 92, 206.
2) Strab. p. 387; Paus. c. 25, 4.
6. Achaia. 335
wurde sie von einem Tyrannen Iseas beherrscht, der nach dem
Anschluss der Nachbarstädte Aegion und Bura an den Bund (im
Jahre 276) seine Herrschaft freiwillig niederlegte und die Stadt
dem Bunde zuführte, an dessen Spitze 20 Jahre später einer
ihrer Bürger, der den römischen Namen Marcus führte, als erster
Einzelstratege trat. Noch Pausanias besuchte die Stadt, indem
er von der in der Strandebene hin führenden Heerstrasse nach
rechts, d. h. in südlicher Richtung auf die Berge stieg, und fand
dort ein der Sage nach von Orestes gegründetes Heiligthum der
Eumeniden, welches nicht jedermann ohne Weiteres betreten
durfte, da schuldbelleckte und gottlose Leute nach der Legende
beim Eintritt in dasselbe von Raserei ergriffen w^urden. In der
Umgebung der Stadt, von welcher noch jetzt Ruinen oberhalb
des Dorfes Rhizomylo, eine starke Stunde von der Küste, vor-
handen sind, wurde eine besondere Sorte Wein gebaut, dessen
r.enuss Fehlgeburten verursachen sollte.^)
Oestlich vom Kerynitbs erstreckte sich bis zu dem jetzt Dia-
kophto genannten Bache das Gebiet von Bura, das ungefähr in
der Mitte seiner west-östlichen Breite seiner ganzen Länge nach
von dem Buraikos durchflössen wird. Mit Ausnahme einer ziem-
lich schmalen Strandebene zu beiden Seiten der Mündung dieses
Baches ist es reines Bergland, das durchgängig einen an arka-
dische Landschaften erinnernden grossartigen, zum Theil wilden
Charakter trägt. Der Bach fliesst vom nordöstlichen Ausgange
der Ebene von Kalavryta an in einer engen, tief eingeschnittenen
Schlucht, aus welcher man 2^1^ Stunden nördlich von Kalavryta
auf vielfach gewundenem Pfade ostwärts emporsteigt zu einer
mächtigen, von einer steilen gegen 600 Fuss hohen Felsenwand
überragten Höhle, in welche das grösste und reichste Kloster des
Königreichs Hellas, Megaspiläon [yiiya ötctjXcclov 'die grosse
Höhle'), in der Weise eingebaut ist, dass die drei untersten
Stockwerke den Raum bis zur Decke der Höhle einnehmen, die
höheren darüber wie Schwalbennester an die glatte Felswand
angeheftet sind. Das untei'stc Stockwerk, dessen colossal dicke
Aussenwand den ganzen Bau stützt, dient zu Kelhsrn und Nieder-
lagen; im zweiten, welches aber dem zum rechten Seitenthorc
') Polyb. II, 41 n. 43; Strab. p. 387; Paus. c. 6, 1; c. 25, 5 ff.;
Tlieophrast, Ilist. pl. IX, 18, 11 ; über die Kuiqen Pouillon-Boblaye p. 25 s.
336 ii. pniapüiiiiyyiii i
in das Kloster Eintretenden als Erdgeschoss erscheint, steht die
Kirche mit einem hochverehrten, sehr roh gearbeiteten Marien-
bilde (wie es scheint einem bemalten Holzschnitzwerke) , welches
als ein Werk des Evangelisten Lukas gilt; daneben sprudelt eine
frische Quelle, bei welcher dieses Muttergottesbild durch eine
Jungfrau Euphrosyne gefunden worden sein soll. An der glatten
Felswand über dem Kloster, auf deren Höhe eine Kapelle mit
Wohnungen für Mönche, die ein Anachoretenleben führen wollen,
und eine Art Wartthurm stehen, zeigen die Mönche drei Kreuze;
aber es gehört viel Phantasie und guter Wille dazu, um solche
in einigen formlosen Rissen des Felsens zu erkennen. Der ganze
Bergabhang unterhalb des Klosters ist durch die Thätigkeit der
Mönche in reichlich grünende, terrassenförmige Gärtchen umge-
wandelt worden.^)
Steigt man von dem Kloster, nachdem man den Buraikos
überschritten , in nördlicher Richtung auf den das linke Ufer des
Baches überragenden Bergrücken, von welchem man eine herr-
liche Aussicht auf den korinthischen Golf und das ihn im Norden
begränzende Festland geniesst, empor, so gelangt man nach etwa
drei Stunden an einen gegen Westen in ganz schroffen Fels-
wänden, unter welchen Wasser in reicher Fülle hervorquillt, ab-
fallenden Berg, welcher von den Anwohnern Idra (d. i. wohl
'"'Toga) genannt wird. An der Südseite und einem Theile der
Westseite des Berges, bis zu den Quellen, ziehen sich um eine
Kirche des h. Konstantinos, welche die Stelle eines alten Heilig-
thums einzunehmen scheint, unscheinbare aber ausgedehnte Mauer-
reste und Fundamente antiker Gebäude hin, untermengt mit
grossen Felsblöcken, welche jedenfalls in Folge von Erdbeben
von der Höhe des Berges herabgestürzt sind, wie überhaupt die
ganze Gegend ein eigenthümlich zerrissenes und zerklüftetes Aus-
sehn hat. Offenbar ist dies die Stätte von Bura, welches gleich-
zeitig mit Hehke durch Erdbeben völlig zerstört, aber von dem
der Zerstörung entgangenen Theile seiner Bewohner wieder auf-
gebaut , im Jahre 275 nach Ermordung seines Tyrannen sich dem
neuen achäischen Bunde anschloss und noch von Pausanias be-
') Vgl. über das wohl von jedem Reisenden in Griechenland besuchte
Kloster besonders Vischer Erinnerungen S. 481 ff.; E. Schillbach Zwei
Reisebilder aus Arkadien S. 25 ff. u. Wyse An excursion in the Pelöpon-
nesus II p. 188 ss,
6. Achaia. 337
sucht wurde, der darin einen Tempel der Demeter, einen ge-
meinsamen Tempel der Aphrodite und des Dionysos, einen Tempel
dev Eileithyia und ein Heiligthum der Isis erwähnt. Da die unter
der Felswand hervordringende Quelle im Alterthum den Namen
Sybaris führte, so werden wir annehmen dürfen, dass haupt-
sächlich Buräer die Gründer der gleichnamigen Stadt Unteritaliens
gewesen sind. ^)
Ungefähr eine halbe Stunde nordwestlich von Bura an dem
nach der Strandebene hinabführenden Wege, nahe dem rechten
Ufer des Kerynites, finden sich zwischen einigen neuern Häusern
wiederum Ueberreste einer antiken Ortschaft, besonders eine
Mauer, die man noch gegen 100 Schritt weit in der Höhe von
ein bis zwei Steinlagen verfolgen kann: wahrscheinlich Ueberreste
eines zur Zeit des Pausanias (der auf dem Wege von Helike nach
Bura hier vorübergekommen sein muss) bereits zerstörten Demos
der Buräer. ^j In gleicher Entfernung gegen Nordosten von Bura
in der Nähe eines jetzt Trupäs ('die Löcher') genannten, dem
Kloster Megaspiläon gehörigen Gehöftes bemerkt man in einer
P'elswand neben einander drei Grotten von massigem Umfang mit
Nischen zur Aufstellung von Weihgeschenken im Innern und einem
aus dem Felsen gearbeiteten Kopfe über dem Eingange der mitt-
leren; einige Vertiefungen in der Felswand, die offenbar als
Widerlager für Balken dienten, zeigen, dass vor den Grotten
sich ein Vorbau erhob, der als eine Art Eingangshalle zu be-
trachten ist. Die ganze Anlage war ein Heiligthum des Herakles,
dessen Statue, unter Lebensgrösse, in der mittleren Grotte auf-
gestellt war ; daneben lagen Knöchel , von denen man vier nach
einem Gebet an Herakles auf einen bereitstehenden Tisch warf
und so mit Hülfe einer erklärenden Tafel, welche die Bedeutung
jedes einzelnen Wurfes angab, sich Orakel holte. ^)
Die östliche Nachbarin Buras, die am Krathisflusse nahe der
Mündung desselben — etwa bei dem jetzigen Khan von Akrata;
0 Polyb. II, 41; Strab. I, p. 54; VIII p. 385 s.; Paus. c. 25, 8 f.;
Ptol. III, 16, 15; Steph. Byz. u. Bovga.
') Die modernen Häuser wurden mir ta xa/lvßta xi]q Mafiovaiäg
genannt; sie liegen aber nicht an der auf der französischen Karte mit
diesem Namen bezeiclineten Stelle, sondern beträchtlich weiter nördlich.
') Paus. c. 25, 10; vgl. die Abbildung der Felsfa^ade Expe'd. de Mor<?e
ill jd. 84, 1.
338 H. Peloponnesos.
Ruinon sind freilich nicht mehr zu erkennen — gelegene Stadl
Aega oder Aegä war zur ionischen Zeit hedeutend als zweite
Ilauptstätle des Poseidoncultus neben Ilelike; unter achäischerl
Herrschaft kam sie mehr und mehr zurück, so dass endlich]
— etwa in der Zeit Alexanders des Grossen — der schwache *
Ueberrest der Bevölkerung nach Aegira, der östlichen Nach-
harstadt, übersiedelte und die Stätte von Aegä seitdem verödet]
lag; das Gebiet war um den Beginn unserer Zeitrechnung im]
Besitz von Aegion.*)
Etwa 30 Stadien östlich vom Krathis, also in der Nähe des
Baches Vlogokitikos, fand Pausanias ein von den Umwohnern Gäos
(richtiger wohl Gäon) genanntes Ileiligthum der 'breitbrustigen
Erdgöttin'.*) Etwas weiter östlich, an der jetzt Mavra Litharia
(^ die schwarzen Steine'] genannten Bucht, lag der Ilafenplatz von
Aegira, der weder bemerkenswerthe Gebäude aufzuweisen hatte,
noch mit einem besonderen Namen bezeichnet wurde; doch darf
man vermuthen, dass ihm ursprünglich der wahrscheinlich von
der Schwarzpappel {al'yeLQog) herzuleitende Name Aegira zukam,
während die nicht ganz eine halbe Stunde oberhalb der Küste
auf einer steilen Anhöhe, dem nördlichsten Vorsprunge des jetzt
Evrostina genannten Bergzuges (höchster Gipfel 1164 Meter), ge-
legene Stadt wegen dieser ihrer Lage von den loniern Hype-
resia,,von den Achäern Ilyperasia genannt wurde, ein Name,
den sie erst nach Olympiade 23 mit Aegira vertauschte.^) Sie
nahm zwei terrassenförmige Absätze der Anhöhe ein: einen vor-
1) II. ©, 203; Herod. I, 145; Strab. p. 385 ss.; Paus. c. 25, 12; VIII,
15, 9. Für die Zeit der Verödung der Stadt ist beachtenswerth, dass
dieselbe noch in dem um 338 v. Chr. verfassten Periplus des sog. Skylax
(§. 42) erwähnt wird.
2) Paus. c. 25, 13, wo die Codd. 6 Faiog geben: vgl. V, 14, 10.
^) Dies geht daraus hervor, dass im Verzeichniss der Olympioniken
Ol. 23 ^I-KKQLog " TnsQccGLSvg als Sieger im Stadion aufgeführt wird: s.
S. lulii Africani 'Oivfiniccöcov avccyQcccpT] rec. I. Rutgers p. 8; vgl. Steph.
Byz. u. Al'ySLQcc^ "Ttcsquoiu u. "TnsgrjGLa', Paus. c. 26, 1 £F. Die von
diesem mitgetheilte Tradition über die Entstehung des Namens Aegeira
ist eine an den Cult der Artemis Agrotera sieh knüpfende Legende. Die
Entfernung der Stadt vom Meere wird von Poljb, IV, 57 richtig auf 7
Stadien (1200 Meter nach Pouillon-Boblaye Recherches p. 27) angegeben:
da nach Paus. a. a. O. der Weg vom BnCvsLOv nach der Oberstadt 12
Stadien betrug, so scheint der Landungsplatz nicht direct nördlich von
6. Achaia. 339
(leren, unmittelbar über der Strandebene gelegenen, und einen
höheren, durch einen unbedeutenden Abhangs aber keine Zwi-
schenmauer von jenem getrennten, welcher die Akropolis und ein
Ileiiigthum des Zeus mit einem Sitzbilde dieses Gottes aus pen-
telischem Marmor (einem Werke des Atheners Eukleides) und
einem Goklelfenbeinbilde der Athene trug. Ausserdem erwähnt
Pausanias einen Tempel der Artemis mit einem neueren Bilde
dieser Göttin und einem alterlhümlichen der Iphigeneia (d. h.
der Artemis Iphigeneia); einen sehr alten Tempel des Apollon
mit alterthümlichen Sculpturen in den Giebelfeldern und einem
desgleichen Colossalbilde des Gottes, welches er für ein Werk
eines phliasischen Künstlers Laphaes hält; ferner Tempel des
Asklepios, des Sarapis und der Isis, der (Aphrodite) Urania, der
Syrischen Göttin; endlich eine Capelle, worin Statuen der Tyche
und des Eros und eine Familiengruppe — Vater, Schwestern] und
Brüder um einen im Kampfe gefallenen Jüngling klagend — standen.
Von den meisten dieser Gebäude mögen in dem ausgedehnten, aber
noch nicht ausreichend untersuchten Buinencomplex, welcher
jetzt den Namen Paläokastro trägt, Ueberreste vorhanden sein.')
Von der Akropolis aus führte ein 40 Stadien langer, steiler
Bergpfad nach Phelloe, einem zum Gebiet von Aegira gehörigen
Städtchen, welches in einer äusserst wasserreichen Gegend zwi-
schen Weingärten, von wildreichen Eichwaldungen umgeben, lag
und Heiligthümer des Dionysos und der Artemis besass. In der
Strandebene stand zur Bechten der vom Ilafenplatze ostwärts
führenden Strasse ein ebenfalls noch den Aegiraten gehöriges Hei-
ligthum der Artemis Agrotera. ^)
der Stadt, sondern etwas weiter östlich, an dem speciell tcc iiavQa Xi-
^aqia genannten Platze, wo Leake (Morea III p. 386 s.) einige antike
Reste vorfand, gelegen zu haben. Die Münzen mit der Aufschrift
AiriPATAN (Eckhel D. N. V. II, 1, p. 534) bezeugen Al'yiQU als officielle
^direibung: vgl. Etym. M. p. 28, 39.
*) Paus. c. 26, 4 ff.; dazu Polyb. II, 57 f., wo die Lage der Stadt
in prägnanten Zügen angegeben, von einzelnen Oertlichkeiten das von
Aegion her führende Stadtthor, die jedenfalls auf dem unteren Absätze
gelegene dyOQCt u. die ax^a, welche azBCxiatoq war (natürlich nur an
der Seite gegen die übrige Stadt) erwähnt sind, lieber die Ruinen vgl.
Pouillon-Boblaye Recherches p. 27; Curtius Pel. I, S. 475.
') Paus. c. 26, 10 f. Nach Leake Morea III p. 389 sollen einige
lü!ste von Phelloe am Wege von Vlogok« nach dem über dem rechten
340 H. Peloponuesos.
Die Ostgränze der Aegiratis bildete vvahrscheinUch der Bach
von Zakoli; denn das über dem rechten Ufer desselben aufstei-
gende Chelydoreagebirge gehörte zu seinem grössten Thcile be-
reits zum Gebiete von Pelle ne oder Pellana, dessen Gränzcn
hier mit denen der arkadischen Pheneatis zusammenstiessen. ^)
Seit der politischen Sonderung Sikyons vom Aegialos die öst-
lichste Stadt der Landschaft, bewohnt von einer kräftigen, tapferen
Bevölkerung, die ausser Viehzucht einen besonderen Industrie-
zweig, die Fabrikation dichter Wollenzeuge zu Mänteln, mit
Erfolg betrieb , fand Pellene in seiner Lage wie in seinem Selbst-
gefühl Veranlassung, sich von den übrigen Achäern, als dieselben
mehr und mehr in politische Ohnmacht versanken , zu trennen
und sich an seine arkadischen Nachbarn anzuschliessen, mit
welchen es gleich bei Beginn des peloponnesischen Krieges, als
die Acliäer noch neutral blieben, auf die Seite Spartas trat, dem
es auch im korinthischen nnd thebanischen Kriege ein treuer
Bundesgenosse blieb. ^) Mit Hülfe Alexanders des Grossen be-
mächtigte sich der Bingkämpfer Chäron, der viermal in Olympia
gesiegt hatte, der Herrschaft über die Stadt, weshalb sein Name
bei den Bürgern derselben für alle Zeiten geächtet war. Als Glied
des neuen achäischen Bundes wurde sie im Jahre 224 vom König
Kleomenes durch einen Handstreich erobert, im Jahre 22] ebenso
von den Aetolern, die aber durch Aratos sogleich wieder aus der
Ufer des nach ihm benannten Baches liegenden stattlichen Dorfes Zakoli
erhalten sein.
1) Paus. VIII, 17, 5: vgl. ebd. c, 15, 8 u. oben S. 183 u. 201. nsXX/ivr}
ist jedenfalls die ionische, TLsXXava, was auch auf älteren Münzen er-
scheint (vgl. Curtius Pel. I, S. 493), die achäische Form. Steph. Byz. u.
nslXjjvri bezeugt auch die Form TlsXXCva. Schrift des Dikäarchos IIbX-
XrjvccLODV TtoXitBiw. Cic. ad Att. II, 2, 2.
2) Thuk. II, 9 (über den Anschluss an Arkadien s. oben S. 189, Anm. 1);
Xen. Hell. IV, 2, 20; VI, 5, 29; VII, 1, 15 u. ö. Für die nsXXriVL-aal
%Xttivai s. die Zeugnisse bei H. Blümner Die gewerbliche Thätigkeit der
Völker des klassischen Alterthums S. 84 f. u. bei B. Büchsenschütz Die
Hauptstätten des Gewerbfleisses im klassischen Alterthum S, 72 f. Nach
Strabon p. 386 war dieser von Pausanias nicht mehr erwähnte Industrie-
zweig zu seiner Zeit aus der Stadt verschwunden, blühte aber noch in
einer ebenfalls Pellene genannten, zwischen der Stadt und Aegion (richtiger
wohl Aegira) gelegenen -nayuri'. diese ist nach Leakes Vermuthung (Morea
III p. 389 s.) identisch mit dem von Pausanias erwähnten Phelloe.
6. Acliaia. 341
Stadt hinausgeworfen wurden, ein Ereigniss, welches durch ein
Gemälde des jüngeren Timanthes verewigt war. ^)
Die Stadt lag 60 Stadien oherhalb der Küste auf einer nach
dem rechten Ufer des Baches Krios steil abfallenden Hochfläche,
in deren Mitte sich ein kahler und schroffer Felsrücken in der
Richtung von Norden nach Süden hinzieht: dieser, selbst unbe-
wohnt (nur auf dem höchsten Punkte desselben finden sich noch
Reste einer Befestigung von geringem Umfang und ein Stück
einer canelirten dorischen Säule, welches auf das Vorhandensein
eines Tempels an dieser Stelje schliessen lässt), trennte die Stadt
in zwei Hälften, welche, an Umfang verschieden, wahrscheinlich
jede von einer hesonderen Mauer, die sich bis zu dem Fels-
rücken hinzog, umgeben waren. An beide Hälften schlössen sich
Vorstädte an: die östliche scheint bis an die Stelle des gerade
über dem Abhänge der Hochfläche nach dem Thale des Trikkala-
flusses (des Sythas) gelegenen jetzigen Dorfes Zugra gereicht zu
haben. Noch unterhalb dieses Dorfes, an dem aus dem Fluss-
thale nach der Stadt emporführenden Wege, stand ein Tempel
der Athena , deren Goldelfenbeinbild als ein Jugendwerk des Phei-
dias galt; oberhalb desselben, wahrscheinlich in der östlichen
Vorstadt, ein mit einer Mauer umgebener Hain der Artemis So-
teira, der nur von den aus den vornehmsten Familien der Stadt
gewählten Priestern betreten werden durfte, wie auch der An-
blick des Cultbildes der Göttin nicht nur die Menschen mit Ent-
setzen erfüllen, sondern sogar für das Leben der Pflanzenwelt
tödtlich sein sollte. Diesem Hain gegenüber stand ein Heilig-
thum des Dionysos Lampter, welchem ein Fest Lampteria mit
einem Fackelzuge in das Heiligthum und Trinkgelagen in der
ganzen Stadt gefeiert wurde. In dem östlichen Stadttheile, auf
dessen Stelle noch Reste canelirter dorischer Säulen und eines
dorischen Frieses erhalten sind, müssen wir die von Pausanias
erwähnten Tempel des Apollon Theoxenios (dem zu Ehren Theo-
xenia genannte Wettkämpfe abgehalten wurden) und der Artemis,
so wie die Agora mit einem von einer Gisterne gespeisten Brunnen
— das Trinkwasser wurde aus den unterhalb der Stadt entsprin-
') Paus. c. 27, 7; Demoath. nFgl tcov ngog *AIb^ccvSqov avvd-rjxmv
p. 214. — Polyb. II, 52; IV, 8; I'lut. Cleomcn. 17; Arnt. 31 f.; 39;
Polyän. VIII, 59.
BUBSIAN, OEOUR. li. 23
342 II. Peloponnesos.
genden, 'Glykeiä' d. i. die Süssen genannten Quellen geholt —,
in dem kleineren westlichen das lleiligthuni der Eileithyia suchen.
Das hauptsächlich für die IJehungen der Kpliehen hestininite
Gyninasion scheint zwischen heiden Stadttheilen gelegen zu haben,
sei es nordlich von der Akro[)olis, wo sich zwischen anderen
antiken Resten die Ruine eines Rundgehäudes von 32 engl. Fuss
Durchmesser findet, sei es südlich, wo man noch Fundamente von
Gebäuden und glatte; Säulenstümpfe bemerkt. Unterhalb des Gyni-
nasions lag das Poseidion, in älteren Zeiten eine Aussengemeinde
der Pelleneer, die sich offenbar uni ein Ileiligthum des Poseidon
herum angesiedelt hatte, zu Pausanias Zeit ein öder Platz, der
aber immer noch als dem Poseidon heilig betrachtet wurde. ')
Der Ilafenort von Pellene, Aristonautä {oder wohl rich-
tiger Argonautä, da die Tradition den Namen mit der Argo-
nautenfahrt in Verbindung brachte), lag 120 Stadien von Aegira,
also an der Mündung des Sythas, des Gränzflusses gegen Sikyon,
in der Gegend des jetzigen Xylokastro. Zum Schutz desselben
und der von da im engen Thale des Sythas nach Pellene hinauf
führenden Strasse diente wahrscheinlich das Castell Oluros, das
im Jahre 365 v. Chr., während die Truppen der Pelleneer in
Elis standen, von den Arkadern besetzt, von den schleunigst
heimgekehrten Pelleneern aber nach hartem Kampfe wieder ge-
nommen wurde; später scheint es bis auf den Grund zerstört
worden zu sein, da Pausanias es nicht erwähnt. Statt dessen
nennt derselbe an der Strasse von Aegira nach Pellene ein den
Sikyoniern unterthäniges , von diesen zerstörtes Städtchen Do-
') Paus. c. 27, 1 — 8 (wo leider der Eintritt aus der östlichen Vor-
stadt in die Stadt selbst nicht bestimmt markirt ist); dazu die Beschrei-
bung der Ruinen bei Leake Morea III, p. 214 ss. Die ngodaTsia und das
Ileiligthum der Artemis [Soteira] erwähnt Plut. Arat. 31 f. Mit den
@8oh,Evia , an welchen nach Pausanias nur Einbeimische Theil nahmen
und bei welchen Geldpreise ausgesetzt wurden, werden von anderen Bericht-
erstattern (s. schol. Pind. Olymp. VII, 156; Olymp. IX, 143 u. 146; Nem.
X, 82) die "Eq^ccia, bei welchen UsXlrjvi'Kal xlcctvai als Siegespreise
für Einheimische wie Fremde dienten, in Verbindung gesetzt. Wahr-
scheinlich war also dieser schon um den Beginn unserer Zeitrechnung
nicht mehr gebräuchliche Agon (Strab. p. 386 sagt: ai IlsXlrjVL'iial %laL-
vdi, «S Kcd a&Xa itid'eoav iv rotg dymGi) nur ein einzelner Bestand-
theil des grossen Theoxenienfestes , von dem zu Pausanias Zeit nur noch
verkümmerte Reste fortbestanden.
Acliai... 34;^
nussa, das er, schwerlich mit Recht, mit dem homerischen
Gonoessa identificirt: als Stätte desselben betrachtet man mit
•grosser Wahrscheinlichkeit den jetzt Koryphi (d. i. Gipfel) genann-
ten vereinzelten Berg am rechten Ufer des Krios, dessen 732
Meter hoher Gipfel eine verfallene Kirche der Panagia Spilio-
tissa trägt.')
Ungefähr 60 Stadien von Pellene' — offenbar südwärts, an
den Wasser- nnd banmreiclien Abhängen des Kyllenegebirges in
der Gegend des jetzigen in drei Quartieren nach einander auf-
steigenden Städtchens Trikkala — lag das Mysäon, ein Ileilig-
thum der Demeter Mysia mit einem IIa in von Bäumen aller Art
und reichen Quellen, und nicht weit davon ein Kyros genannter
Kurort, ein Ileiligthum des Asklepios, dessen Bild an der stärk-
sten der hier emporsprudelnden Quellen aufgestellt war.^)
Noch höher hinauf am Kyllene, dessen Rücken wahrschein-
lich die Gränzscheide zwischen der Pellenis und der arkadischen
Stymphalia bildete, lag vielleicht Tromileia, eine achäische
Stadt, in welcher ein nach ihr benannter vortrefflicher Ziegen-
käse bereitet wurde. ^)
*) 'jQictovavtaL (wofür Schubert Bruchstücke zu eiuer Methodologie
der diplomatischen Kritik S. 56 f. mit Wahrscheinlichkeit ^AQyovavrca
vermuthet) Paus. II, 12, 2 u. VII, 26, 14. "OXovQog Xen. Hell. VII, 4,
17 f.; Pompon. Mela II, 53; Plin. N. h. IV, 5, 12; Steph. Byz. u. "OlovQog.
In der Ansetzung des Ortes bin ich Leake (Morea III p. 224) gefolgt;
doch ist es möglich, dass derselbe mit dem nur von Paus. VII, 26, 13
erwähnten Jovovaaa (vgl. oben Ö. 32, Anm. 1) identisch, also vielmehr
auf dem Berge Koryphi gelegen war.
2) Paus. c. 27, 9 ff. lieber die Demeter Mysia vgl. oben S. 67;
über Trikkala (aus dessen Namen Curtius Pel, I, 8. 484 nicht ohne
Wahrscheinlichkeit auf ein antikes Trikka schliesst) Leake Morea III,
p. 221 8.
3) Athen. XIV p. 658 b.
mt. EBENE VON
MAIVTENEIAiTND TRIPOLITZA.
TafM.
i^^':-
I 2AOOOO
'JhlK.yJuMnI,
' OUjinii Sliiilion
li
GEOGRAPHIE
VON
GRIECHENLAND
VON
CONRAD BURSIAN.
ZWEITER BAND
PELOPONNESOS UND INSELN
DRITTE ABTHEIL ÜNG
DIE INSELWELT.
MIT EINEU VUN U. LANGE GE^SEICUNETEN KARTE.
LEIPZIG,
DRUCK UND VERLAG VON B. G. TEUBNER.
1872.
Nachwort.
So wie ich vor mehr als 10 Jahren den ersten Band
dieses Werkes ohne Vorwort in die Welt gesandt habe, in
der Hoffnung, dass dasselbe durch sich selbst sich und seinem
Verfasser Freunde unter den Fachgenossen erwerben werde,
so würde ich auch dieser letzten Abtheilung, mit welcher
das Werk in der von Anfang an beabsichtigten und mir
trotz mehrfachen Widerspruchs auch jetzt noch völlig berech-
tigt erscheinenden Ausdehnung beziehendlich Beschränkung
auf das jetzige Königreich Hellas nebst den Landschaften Epirus
und Thessalien und der Insel Kreta vollendet vorliegt, keinen
besonderen Reisepass mit auf den Weg geben, wenn nicht
an ihrem unscheinbaren aber nothwendigen Begleiter, dem
Namenregister, ein besonderes Kennzeichen zu signalisiren
wäre. Dasselbe enthält nämlich nicht nur sämmtliche in
dem Buche erwähnte Ortsnamen, antike wie moderne, sondern
auch einige die in dem Buche selbst nicht vorkommen: theils
solche die bei Abfassung der früheren Theile übersehen wurden,
theils solche die erst nach Vollendung desselben durch neu
entdeckte Inschriften (besonders Wescher und Foucart's In-
scriptions recueillies a Delphes) bekannt geworden sind. Und
da ich nun einmal das Wort habe, um parlamentarisch zu
reden, will ich auch noch eine kurze persönliche Bemerkung
hinzufügen. Es wird wohl mancher Leser geneigt sein, mir
einen Vorwurf daraus zu machen, dass ich in der letzten
Abtheilung des zweiten Bandes, in welcher die antiken Münzen
VI Nachwort.
in weiterem Umfange berücksichtigt worden sind als dies leider
im ersten Bande und in den beiden ersten Abtheilungen des
zweiten geschehen ist, dafür nur Eckhel's Doctrina nummo-
rum veterum, nirgends Mionnet's Description des medailles
citire: ich muss dies einfach damit entschuldigen, dass mir
letzteres Werk hier nicht zugänglich ist.
Jena, den 4. Aiigu&t 1872.
Conrad Bursian.
III. Die Inselwelt.')
Einen besonderen Vorzug der Gliederung des griechischen
Landes bilden die zahlreichen Inseln, welche längs der Westküste
als eine Anzahl wahrscheinlich auf vulkanischem Wege entstan-
dener Aussenwerke des Festlandes, auf der Ostseite als die Pfei-
ler einer gewaltigen Brücke erscheinen, die einst in uralten Zei-
ten in südösthcher Richtung vom europäischen Griechenland nach
*) Von umfassenderen Werken über die griechischen Inseln (die
Schriften über einzelne derselben werden an den betreffenden Stellen
erwähnt werden) aus dem Alterthum kennen wir eine Schrift nsgl vr\~
Gcov , welche von einigen dem Herakleides, von anderen dem Philoste-
phanos beigelegt wurde (Harpocr. u. Ztqv^t] p. 171, 2 Bekker; vgl. C.
Müller Fragm. bist. Gr. II, p, 197 u. III, p. 30 s.); eine Schrift des Xe-
nagoras unter gleichem Titel (C. Müller Fr. h. Gr. IV, p. 527); des
Ilermogenes vrjaoov -azCoBig (ibid. III, p. 523); von Semos wird eine Nri~
Gidg citirt (Schol. Apoll. Rhod. A, 1165; Athen. III, p. 123 <i). Zweifel-
haft, weil nur bei (Plutarch.) Parall. min. 27 erwähnt, sind des Aretades
von Knidos Bücher Nr}ai.(OTLv.cc. Unsere Quellen für die Kenntniss der
griechischen Inseln bilden die betreffenden Abschnitte des nSQi'nXovg des
sogenannten Skylax (dem als § 113 zwei ÖLacpgccy^UTU, kurze Itinerarien
für Schiffer vom Euripos nach Mykale und vom Gap Mälea nach der
Südwestküste von Asien, als § 114 ein Verzeichniss von 20 Inseln unter
dem Titel ^syid^i] vrjacov angehängt sind), der geographischen Werke
des Strabon, Ptolemäos, Pomponius Mela, der Naturalis historia des Pli-
nius und der Collectanea des Solinus. Von neueren Werken ist das um-
fassendste das freilich besonders in geographischer Hinsicht sehr unge-
nügende Buch von Louis Lacroix lies de la Grece Paris 1853 (ein Band
des grossen Sammelwerkes L'Univers'. Histoire et description de tous los
peuples). Für die Inseln des ägäisclion Meeres ist das Hauptwerk L. Uoss
Jieisen auf den griecliischen Inseln des ägäisdien Meeres, Bd. I — III,
Stuttgart u. Tübingen 1810—1845 (der vierte Band liegt seinem ganzen
Inhalte nach ausserhalb der Grilnzon unserer Darstellung). Von älteren
BÜRSIAN, OE(iGR. If. - t
34r) ITT. Die Inselwelt.
dem südlichen Kleinasien liinübergefülirt hat. Zum weitaus gröss-
ten Theile nämlich sind diese Inseln, wie die Richtung ihrer
Gebirge zeigt, Fortsetzungen der Gebirgszüge des Continents,
welche durch gewallige Erderschütterungen theils als grössere
zusammenhängende Massen, theils in kleinere Bruchstücke zer-
rissen von demselben abgelöst worden sind; nur zu einem klei-
nen Theile sind sie Producte submariner Vulkane, die wenigstens
an einem Punkte ihre Thätigkeit noch jetzt nicht eingestellt
haben. Auf den ersten Blick scheiden sich die sämmtlichen
griechischen Inseln in zwei Gruppen: eine westUche und eine
östliche. Die westliche umfasst die der Westküste des griechi-
schen Festlandes von den Akrokeraunien bis zum Cap Akritas
hinab vorgelagerten Inseln: vier grössere — Korkyra , Kephalle-
nia mit seiner Schwesterinsel Ithake und Zakynthos — denen ge-
wöhnlich als fünfte die erst durch Menschenhand, durch Durch-
stechung des Islhmos, der sie an die Nordwestküste Akarnaniens
knüpfte, aus einer Halbinsel zur Insel gemachte Leukas (vgl.
Bd. 1, S. 115 f.) beigezählt wird, ufld zahlreiche kleinere, welche,
soweit sie nicht schon bei der Beschreibung des Festlandes be-
rührt wurden,^) als Anhängsel der grösseren zu schildern sind.
Diese Inseln wurden imAlterthum, da sie politisch voneinander
getrennt und von Angehörigen verschiedener griechischer Stämme
bewohnt waren, mit keinem Gesammtnamen bezeichnet. Unter
der byzantinischen Herrschaft bildeten sie seit etwa dem Jahre
887 eine eigene Statthalterschaft; 2) nach der Eroberung Kon-
Reisewerken geben Bondelmonte's Liber insularum Archipelagi (ed. Sin-
ner, Berlin 1824) und des Herrn van Kinsbergen Beschreibung vom Ar-
chipelagus (aus dem HoUändischen übersetzt von Kurt Sprengel, Rostock
u. Leipzig 1792) wenig Ausbeute: etwas mehr des Grafen Pasch van
Krienen Breve descrizione dell' arcipelago e particolarmente delle di-
ciotto isole sottomesse l'anno 1771 al dominio russo (Livorno 1773, neu
herausgegeben von L. Ross, Halle 1860); bedeutender ist des Botanikers
Jos. Pitton de Tournefort fJelation d'im voyage du Levant (Amsterdam
1718, II).
*) Erwähnt wurden an der Küste von Epeiros Sason (Bd. I, S. 14)
und Sybota (ebds. S. 28); bei Akarnanien, ausser Leukas, Karnos,
die Oxeiä und Echinades (ebds. S. 118 f.); bei Messenien Prot~e
(Bd. II, S. 178), Sphakteria (ebds. S. 175 f.), Theganusa und die
Oinussä (ebds. S. 158).
2) Constantin. Porphyrog. De administr. imp. c. 50 p. 224 ed. Bekker;
nach demselben De themat. II, 7 p. 54 bildeten sie, obschon in der lieber-
III. Die Inselwelt. 347
slanüiiopels durch die Franken (1204) kamen sie zugleich mit
den benachharten Küsten des Festlandes in den Besitz der Rc-
pubhk Venedig; seitdem kam der von der antiken Bezeichnung
des westgriechischen Meeres als '' ionisches Meer' entnommene
Name der ionischen Inseln' für sie auf, eine Benennung, welche
aus politischen Gründen auch auf die geographisch betrachtet
zur östlichen Gruppe gehörige Insel Kythera (Cerigo) ausge-
dehnt, wurde. Da man nun mit Einschluss dieser, abgesehen von
den kleinen Nebeninseln, sieben Ilauptinseln zählte (Corfu, Paxo,
Hagia Mavra, Thiaki, Cephalonia, Zante und Cerigo), so wurde
bei der durch einen am 21. März 18(X) in Constantinopel zwi-
schen Russland und der F*forte abgeschlossenen Vertrag erfolgten
Constituirung derselben zu einem politischen Körper diesem der
Name der 'Republik der sieben Inseln' oder, nach griechischem
Ausdruck, des 'Siebeninselstaates' [rj ETtrdvrjöog oder nach vul-
gärgriechischer Aussprache ''Eq)Tdvrjöog, die Bewohner Oi 'Eitta-
vriöLcSrai) gegeben. Dieser Staat bestand anfangs als Vasallen-
staat der Pforte, dann unter dem Schutze Russlands, in Folge
des Friedens von Tilsit (7. Juli 1807) unter der Herrschaft Frank-
reichs, seit dem Pariser Vertrage vom 5. November 1815 unter dem
Protectorat Englands fort, bis die Inseln in Folge der Thron-
besteigung des Königs Georgios mit Genehmigung der Garantie-
mächte jenes Pariser Vertrags (Vertrag von London vom 14 No-
vember 18G3) dem Königreich Hellas einverleibt wurden.
Weit zahlreicher und mannigfaltiger in ihrer Gliederung als
die westliche ist die östliche Gruppe von Inseln: sie erstreckt
sich gegen Süden und Osten über die politischen Gränzen des
jetzigen Königreichs Hellas, gegen Osten auch über die von alten
und neueren Geographen willkürlich festgesetzten Gränzen unse-
res Erdlheils hinaus. M Es tritt also auch in dieser Beziehung
«chrift als tßdoiiov ^hiu KfcpaXXrjVLa bezeichnet, doch kein eigenes
Thema, sondern ^^ehiii tcn zu dem des Peloponncsos.
^) Ueber die Gränzlinie zwischen Kuropa und Asien im ägüischen
Meere waren die Ansichten der alten Geographen sehr schwankend.
Während Hekatäos offenbar alle Inseln des ägUischen Moores bis zur
Westküste Asiens zu Europa rechnet (vgl. Steph. liyz. u. MvrtX^vrjy
Olvovaaai und Xiog^ wornacli Hokatilos Lesbos, die Ginussen und Chios
in dem KvQionri betitelten Theil seiner Fru nsQMog behandelt hatte),
Skylax Per. 48 und 58 wenigstens AstypalUa, Amorgos und Ikaros unter
(!»n Inseln Europa's aufführt, rechnet Ptolem. V, 2, 30 f. auch diese In-
24*
348 " in. Die Inselwelt.
wie in Hinsicht der Küstenenlwickelung die natürliche Bevor-
zugung der östlichen vor der westlichen Seite Griechenlands zu
Tage. Die ganze Gruppe gliedert sich nach der Richtung der
Gebirge und der geognostisclien Beschaffenheit der Inseln in nneh-
rere kleinere Gruppen, unter denen die von den Alten als 'Ring-
inseln' {KvxXddsg} bezeichnete als die Centralgruppe erscheint.^)
sein zu Asien. Dionys. Perieg. 517 ss. rechnet alle Inseln, welche man
auf der Fahrt vom Cap Sunion nach dem Hellespont zur Linken hat,
zu Europa, die zur Rechten liegenden, welche er in die Gruppen der
KvyiXccdsg, ZnoQccdsg, 'Icovidsg und ALoXidsg theilt, zu Asien. Strabon
(X p, 488) scheint eine zwischen den Inseln Amorgos und AstypalUa
hindurch gehende Linie, die etwa der jetzigen Gränzlinie zwischen dem
Königreich Hellas und der Türkei entspricht, als Gränze zwischen Eu-
ropa und Asien betrachtet zu haben. Die vom Königreich Hellas aus-
geschlossene Insel Kreta wird von den alten und neueren Geographen
übereinstimmend zu Europa gerechnet.
*) Der Name KvytXadsg, welcher für uns zuerst bei Herod. V, 30 f.
erscheint, höchst wahrscheinlich aber schon von Hekatäos gebraucht
worden war, da nach Steph. Byz. u. Tsvsdog bei diesem die offenbar
im Gegensatz zu KvnXadsg gebildete Benennung UnoQadsg vorkam, ist
gewiss nicht auf gelehrtem Wege, durch Betrachtung einer Landkarte,
entstanden, sondern acht volksthümlich, ein Ausdruck der Schiffer, wel-
che beobachtet hatten, dass sie, wenn sie von Insel zu Insel die Runde
machten, schliesslich wieder in der Nähe des Ausgangspunktes ihrer Fahrt
anlangten, also einen Kreis oder doch eine ungefähr kreisförmige Linie
besehrieben. Die Auffassung, dass die nahe der östlichen Peripherie
liegende Insel Delos den Mittelpunkt dieses Kreises bilde (vgl. Strab. X
p. 485), ist eine freilich alte Verwechselung des religiösen mit dem geo-
graphischen Centralpunkte. Die Ausdehnung des Namens KvaXddsg war
im Alterthum eine sehr schwankende. Im Periplus des sog. Skylax wer-
den zwei Gruppen dieses Namens unterschieden : § 48 werden als Kv)i?M-
dsg •accxa ttjv AccKsdaLfiovLccv x^Q^^ ol%oviisvai verzeichnet Melos,
Kimolos, Oliaros (cod. v(ü%CoQog: es ist entweder HoXvaLyog oder $o-
XiyavdQog zu lesen), Sikinos, Thera, Anaphe und Astypaläa (also die
gewöhnlich UnoQadsg genannte Gruppe), § 58 als KvnXddsg %atcc trjv
'Atti'urjv Keos, Helene (von anderen Geographen zu Attika oder zu den
Sporaden gerechnet), Kythnos, Seriphos, Siphnos, Faros, Naxos, Delos,
Rhene, Syros, Mykonos, Tenos, Andres. Dionysios Calliph. Descr. Gr.
130 ff. führt folgende 9 als KvnXccdEg auf: Keos, Kythnos, Seriphos,
Siphnos, Kimolos, Delos, Mykonos, Tenos, Andros. Strabon X p. 485
giebt an, dass Artemidoros 15 zählte: Keos, Kythnos, Seriphos, Melos,
Siphnos, Kimolos, Prepesinthos, Oliaros, Faros, Naxos, Syros, Mykonos,
Tenos, Andros, Gyaros; er selbst hält die Zahl von 12 (mit AVeglassung
von Prepesinthos, Oliaros und Gyaros) für die ursprüngliche; bei beiden
Iir. Die Inselwelt. 349
Dieselbe besteht aus zwei ungefähr parallelen Inselreihen, welche
durch eine dritte gewissermassen verknüpft werden. Die süd-
lichste Reihe, eine Fortsetzung des Gebirgszuges des südöstlichen
Attika, wird durch die Inseln Keos, Kythnos, Seriphos und Siph-
nos gebildet; die nördliche, deren Glieder die Inseln Andros,
Tenos und Mykonos (mit ihren Anhängseln, den kleinen Inseln
Delos und Rheneia) sind, ist eine Fortsetzung der langgestreckten,
gewiss erst in verhältnissniässig später Zeit von der Ostseite des
mittelgriechischen Festlandes losgerissenen Insel Euboia. Mit der
Südspitze derselben [nsel schemt auch, der Richtung der Gebirge
nach, die mittlere Reihe zusammenzuhängen, deren ZN^ei nörd-
lichste Glieder, die kleinen Inseln Gyaros und Syros, gleichsam
als Drückenpfeiler zwischen den Inseln Keos und Kythnos einer-
seits und Andros, Tenos und Mykonos anderseits dienen, wäh-
rend die südlicheren Glieder, Faros (mit seinen westlichen An-
hängseln Oliaros und Prepesinthos) und Naxos den Ring der
Kykladen im Südosten schliessen. Eine zweite Gruppe, welche
durch den vulkanischen- Ursprung ihrer Glieder characterisirt
wird, bilden die Inseln Thera, Melos, Kimolos und Polyägos.
Einige ganz kleine Inselchen, gleichfalls vulkanischen Ursprungs,
Zählungen ist offenbar Delos nebst Kheneia als Mittelpunkt des Ringes
nicht mitgezählt. Porapon. Mela Do chorogr. II, 111 führt nur 11 auf:
.Sicinos, Siphnos, Seriphos, Rhenea, Faros, Mycon, Syros, Tenos, Naxos,
Delos, Andros (das Fehlen von Keos und Kythnos ist vielleicht auf eine
Lücke der handschriftlichen Ueberlieferung zurückzuführen), Plin. N. h.
IV, 12, 65 SS. 13: Andros, Tenos, Myconos, Siphnus, Seriphus, Prepesin-
thus, Cythnos , Delos, Khene, Syros, Oliaros, Paros, Naxus; ebensovielo
Eustath. ad Dionys. Pereg. 525, nämlich Kythnos, Paros, Amorgos, De-
los, Tenos, los, Seriphos, Mykonos, Nisyros (mit der Pemerkung, dass
diese von anderen zu den Snogccdes gerechnet werde), Syros, Siphnos,
Andros, Naxos. Im weitesten Umfange endlich wird der Name von Steph.
liyz. gebraucht, der u. a. Aegina, Ikos, Kasos, Melos, Poparethos, Tc-
los zu den Kv^Xccdtg rechnet: s. Mcinekc's Index rerum u. Kv^Xccdss-
Aehnlich ist es, dass in den scliol. II. I, G68 Skyros als eine der Ky-
kladen bezeichnet wird. Dass aber in der Anschauung des Volkes die
Zwölfzahl allmälig die Geltung als Normalzahl der Kykladen erlangte,
lehrt der Collectivnanu; für die ganze Gruppe ri Jiodtxccvrjaosy welclicr
zuerst im Jahre 780 in dem Titel des Theophylakto«, Sohnes des Rhangabes,
als des Grossadmirals der zwölf Inseln {ÖQOvyyuQioi tfjg Jcodtyiavqaov)
erscheint und später allgemein gebräuchlich ist ( vgl. C. Hopf in Ersch
und Grubers allgem. Encycl. 8. I, Bd. 85, 8. lOÖ).
350 III. Die Inselwelt.
jetzt Anlirnilo (oder Erimomilo), Falconera iiinl ßelopulo (oder
Kaimeni) genannt, setzen diese vulkanische Reihe gegen Westen
fort und. weisen auf einen Zusammenhang derselben mit den vulka-
nischen Erscheinungen der argolischen Akte, besonders der Halb-
insel Methana (vgl. oben S. 91) hin. Die alten Geographen haben
keine besondere Benennung für diese Gruppe, sondern zählen sie
zu den ^zerstreuten Inseln' (ZTtOQccösg), unter welchem Namen
sie ausserdem die zwischen dieser vulkanischen Ueihe und den
südlichsten Kykladen sich hinziehende Kette der Inseln Pholegan-
dros, Sikinos, los und Amorgos (mit mehreren Nebeninseln), so-
wie die östlich von Thera gelegene Insel Anaphe, endlich auch
die Mehrzahl der östlich von den Gränzen des jetzigen Hellas,
zwischen der Gruppe der Kykladen und den südlicheren Reihen
einerseits und der Westküste des südlicheren Kleinasiens ander-
seits, gelegenen Inseln und Inselchen zusammenfassen. ^) Ja manche
Geographen dehnen diese Benennung sogar auf die im nördlich-
sten Theile des ägäischen Meeres zwischen der Ostküste der Insel
Euboia und der Halbinsel Magnesia, der Südküste Thrakiens und
der Westküste des nördlichen Kleinasiens gelegenen Inseln aus, 2)
welche wiederum in zwei Gruppen zerfallen: eine südlichere, aus
den Inseln Skiathos, Peparethos, Ikos nebst einigen kleineren,
und Skyros bestehende, heutzutage gewöhnlich mit dem (un-
*) Strabon X p. 484 rechnet zn den SnoQccdeg von der von ihm als
vriGoi TtSQi trjv Kqi^ttjv bezeichneten Gruppe die Inseln Thera, Anaphe,
los, Sikinos, Lagusa und Pholegandros (die ferner dazu gehörigen Kimo-
los, Siphnos und Melos zählt er zu den Kykladen; s. oben), sodann
(p. 487 f.) Amorgos, Lebinthos, Leros, Patmos, die Korassiä, Ikaria und
die Inseln im karpathischen Meere mit Ausnahme von Kos und Rhodos.
Eustath. ad Dionys. Per. 530 zählt als Sporaden auf Nikasia, Thera,
Melos, Patmos, Astypaläa, Kimolos, Leros, Donusia; manche, fügt er bei,
rechnen dazu auch Tenos, Prokonnesos und die Kalydnä. Reichhaltiger,
aber ohne klare Ordnung und zum Theil verderbt sind die Verzeichnisse
der Sporades bei Pomp. Mela De chor. II, 111 und bei Plin. N. h.
IV, 12, 68 — 71. Für Steph. Byz. vgl. Meineke's Index u. ZnoQccdeg
VTjOOL.
2) So ausser Hekatäos, welcher Tenedos zu den Sporaden rechnete
(s. S. 348, Anm. 1), Dionysios des Kalliphon Sohn, der Descr. Graec. v. 145 ss.
als '^TCOQccdsg aufführt: Melos, Thera, los, Naxos, Skyros, Peparethos
(hier bricht das Gedicht für uns ab). Vgl. Constantin. Porphyrog. De
themat. I, 17 p. 43, wo Mitylene (Lesbos), Chios und Leranos zu den
Sporaden gerechnet werden.
m. Die Inselwelt. 351
antiken) Namen der nördlichen Sporaden bezeichnete,^)
welche als Fortsetzung der thessalischen Halbinsel Magnesia, be-
ziehendlich der Ostküste der Insel Euboia zu betrachten ist, und
eine nördlicliere, die Inseln Lemnos, Thasos, Sambthrake, Imbros
und Tenedos umfassende, welche jenseits der Nordgränze von
Hellas und daher ausserhalb der Gränzen unserer Darstellung
liegt.
Gegen Süden endlich wird die oslgriechische Inselwelt ab-
geschlossen durch die gleichsam auf dem Kreuzwege zwischen
Europa, Asien und Afrika gelegene Insel Kreta, die zu keiner der
bisher betrathteten Gruppe gehört, sondern den Mittelpunct und
das bedeutendste Glied einer besonderen Inselreihe bildet, welche,
wenn man sich die Lücken zwischen den einzelnen Gliedern und
den entsprechenden Vorsprüngen der Continente ausgefüllt denkt,
als ein gewaltiger, von der Südostspitze Lakoniens bis zur Süd-
westspitze Kleinasiens reichender halbkreisförmiger Damm zwi-
schen dem mit Inseln gleichsam besäten ägäischen Meere ^j oder,
wie wir mit einem trotz seiner griechischen Form den classischen
Sprachen ganz fremden Ausdrucke zu sagen pflegen, dem grie-
chischen Archipel, und dem inselfreien Mittelmeerc erscheint.
*) Die alten Geographen kennen keinen Collectivnamcn für diese
Inseln, sondern nur umschreibende Bezeichnungen nach ihrer Lage: v^-
Gov iv reo AlyaCm TisXccysL Scyl. Per. 58; cci tcqo rrjg Mayvi^aiag vfj-
aoi Strab. IX p. 436 s. (vgl. II p. 124); vrjoidsg nXrjOLOv EvßoLcig
(Scyran. Chii) Orb. descr. 579 (vgl. Steph. Byz. u. Z-niad-og' vqoog Ev-
ßotag); vrjooi nccQWAECasvai rf] MccyisSovicc iv r« Alyaico TCsXdysi Ptolem.
III, 13, 47; insulae in Aegaeo mari prope Thraciain Ponipon. Mela De
chorogr. II, 106 (beide Gruppen); insulae ante Athon Plin. IV, 12, 72.
*) Alyaiov nslayog oder AtyuLog novrog: vgl. über diese Benennung
sowie über die einzelner Abtheilungen dieses Meeres als ©Qrjt'-nLov ns-
Xayog, MvQzmav nsXayog, Kgritiv-ov neXccyog und 'Itkxqlov niXayog
die Nachwei.sungen bei Forbiger Handbuch der alten Geographie II,
S. 19 ff. Aus Alycdov niXayog ist durch allmälige Corruption (Aegeopc-
lago, Agiox)elago, Azopelago) der jetzt als wissonschaftlicher Torminus
in der Geographie eingebürgerte Name Archipel entstanden, der in der
Form Arcipelago zuerst in der Urkunde eines am 30. Juni 1268 zwi-
schen dem byzantinischen Kaiser Michael Paläologos und der liepublik
Venedig geschlossenen Vertrags (bei Tafel und Thomas Urkunden zur
älteren Handels- und Ötaatsgeschichte der Republik Venedig, Wien 1866
.')7, Bd. III, ö. 96) erscheint: vgl. C. Hopf in Ersch u. (iruber's allgem.
liicyclop. ö. I, Bd. 85, ö. 263.
352 in. Die Inselwelt.
Zu derselben Reihe geliören noch nordvvesllich von Kreta die
Iiischi Kylhcra (Cerigo: vgl. über diese oben S. 140 11,), Ae-
gila (Cerigotto: s. oben S. 103) und einige ganz kleine namen-
lose, welche die Nordwestspitze Kreta's mit der lakonischen Parnon-
halbinsel verbinden, gegen Nordosten die (ausserhalb der Gränzeu
unserer Darstellung liegenden) Inseln Kasos, Rarpathos und Rho-
dos, welche eine Verbindung zwischen der Nordostspitze Kreta's
und der südwestlichen Halbinsel Kariens, der sogenannten rlio-
dischen Chersonesos, herstellen.
Der Uebersichtlichkeit halber werden wir die ostgriechischen
Inseln, soweit sie innerhalb der Gränzen unserer Datstellung lie-
gen, in folgende 5 Gruppen ordnen: a) die Inseln vor Magnesia;
b) Euboia; c) die Kykladen; d) die Sporaden; e) Kreta.
Politisch sind diese Gruppen, abgesehen von den Zeiten der
römischen, byzantinischen und türkischen Herrschaft, unter der
sie wenigstens verschiedenen Provinzen, Thematen oder Sandschaks
angehörten, niemals zu einem einheitlichen Ganzen verbunden ge-
wesen. Die südlicheren standen in der frühesten Periode der
griechischen Geschichte, welche die Tradition als die der kreti-
schen Thalassokratie bezeichnet und an die mythische Persönlich-
keit des Minos knüpft, unter der Herrschaft von Kreta, dessen
Flotte die karischen Seeräuber, welche sich auf den meisten dieser
Inseln eingenistet hatten, verjagte und dieselben dadurch zuerst
für hellenische Niederlassungen zugänglich machte. Die Mehrzahl
der Inseln (ausgenommen Kreta und einige Sporaden, wo das
dorische Element zur Herrschaft gelangte) wurde dann von Be-
völkerungen ionischen Stammes in Besitz genommen und schloss
sich daher der alten, Ol. 88, 3 (426) von den Athenern erneuer-
ten Amphiktyonie, deren Mittelpunkt die heilige Delos bildete, an,
als deren Mitglieder wir durch eine Urkunde aus Ol. 101, 2
und 3 (375 und 374)^) folgende Inselstaaten ausser Delos selbst
und dem damaligen Vorort Athen kennen: Mykonos, Syros, Te-
nos, Keos, Seriphos, Siphnos, los, Paros, Ikaros, Naxos, Andros
und die Stadt Karystos auf Euboia. In älteren Zeiten war der
*) C. I. gr. n. 158; vgl. dazu Böckli Staatshaushaltung der Athener
II, S. 78 ff. Dass in alter Zeit auch die 'lavidsg vtjgol (wie sie Dionys.
Perieg. 533 nennt) zu der delischen Amphiktyonie gehörten, ist schon
aus dem Homerischen Hymn. in Apoll. Del. v. 147 ff. und v. 172 zu
schliessen.
III. Die Inselwelt. 353
Kreis der Theilnehmer jedenfalls ein viel weiterer und umfasste
namentlich auch die an der Westküste Kleinasiens gelegenen io-
nischen Inseln. Zur Zeit der athenischen Seeherrschaft gehörten
fast sämmtliche ostgriechische Inseln, die meisten aus freiem Ent-
schluss, einige, wie namentlich IVIelos, durch Zv^ang der atheni-
schen Symmachie an; eine nicht geringe Anzahl derselben trat
auch dem Ol. 100, 3 (378) erneuerten Bunde von Seestaaten
unter der Leitung Athens bei.^) Nach der Auflösung auch die-
ses Bundes kamen die Inseln unter die Herrschaft theils der ma-
kedonischen, theils der ägyptischen Könige, wurden dann durch
die Böraer befreit und grösstentheils für autonom erklärt, bis
Vespasian sie als römische Provinz mit Bhodos als Hauptort con-
stituirte.^) Bei der Theilung des römischen Beiches wurden die
kurz vorher durch Baubzüge der Golhen heimgesuchten Inseln
der östlichen Beichshälfte zugelheilt. Im Jahre 727 erhoben sich
die Kykladen im Verein mit dem eigentlichen Hellas gegen den
byzantinischen Kaiser Leo III. den Isaurier; aber der Aufstand
wurde von diesem schnell unterdrückt^) und die Inseln blieben
mit einer Unterbrechung von 138 Jahren (823 — 961), während
deren sie unter der Herrschaft der Sarazenen, die sich der Insel
Kreta bemächtigt hatten,"*) standen, ein Theil des byzantinischen
Beiches — und zwar bildete die Mehrzahl der Kykladen und Spo-
raden nebst den Inseln Chios, Lesbos, Lemnos und Skyros und
einigen Strichen der Westküste Kleinasiens ein besonderes, Al-
yaiov TteXccyog genanntes Thema, während Euboia, Aegina und
einige Kykladen zum Thema Hellas, Skiathos, Skopelos und Pe-
*) Vgl. die athenischen Tributlisten bei Böckh Staatshaushaltnng II,
S. .369 fr. (bes. S. ßOS) und jetzt bei U. Köhler Urkunden und Unter-
suchungen zur (rcschichte des delisch -attischen liundes, Berlin 1870
(Philolog. u. histor. Abhandlungen der kön. Akad. d. Wiss. zu Berlin
.1. d, J. 1869, 2. Abtheilung); ferner die Urkunde des neuen Bundes in
den 'E.niyQa(pc(l avtv.doTOt avci-nalvq}d'8tOcict yiccl ^■udod'SLaai vno top
«pjjaio/loyixou ovXXoyov^ (pvXX. ß' (Athen 1852) S. 2 ff. = Rangnbi' Aii-
tifjuites Helleniqucs N. aSl»»'» (Vol. II p. 373).
») Soxti Ruß Breviar. c. 10; vgl. Sueton Vespas. 8; dazu WesscHn^j:
id Hieroclis Synccd. p. 480 s. ed. Bekker.
') Vgl. Hopf in Ersch und Gruber's allgom. Kncycl. S. I, Bd. 85,
S. 96.
*) Vgl. Hopf a. a. O. S. 121 f.
354 III. T>ie Inselwelt.
parethos zum Thema Makedonien gehörten^) — bis zur Eroberung
von Conslantinopel durcli die fränkischen Kreuzfahrer (1204),
nach welcher sie bei der Tlieilung der Beule unter die Abend-
länder der Republik Venedig zufielen. Diese aber überliess die
Eroberung der damals zum Theil von Piraten besetzten Inseln,
welche dem Staate unverhältnissmässig grosse Opfer auferlegt
haben wiirde, venezianischen Privatleuten. Der kühne Marco Sanudo
stellte sich zu diesem Zweck an die Spitze einer Gesellschaft von
Rittern, mit denen er die bedeutenderen Kykladen und Sporaden
nach kurzem Widerstand eroberte; die eroberten vertheilte er als
Lehen unter seine Genossen und behielt sich selbst Naxos vor,
das er als Lehensträger des fränkisch-byzantinischen Kaisers Hein-
rich L mit dem Titel eines Herzogs der Dodekanesos beherrschte.
Auch nach der Wiederherstellung des byzantinischen Reiches durch
die Paläologen behaupteten sich seine Nachkommen, beziehend-
lich nach der Ermordung des letzten derselben, des Nicolo IL
dalle Carceri, durch Francesco Crispo (1383) die Familie der
Crispi, in der Herrschaft, bis im Jahre 1566 der letzte Herzog,
Jacopo IV., vom Sultan Selim IL abgesetzt, das Herzogthum einem
Liebling des SuUans, dem aus Antwerpen nach Konstantinopel
geflüchteten portugiesischen Juden Don Josef Nasi übergeben
wurde, nach dessen Tode (2. August 1579) die Inseln des ägäi-
schen Meeres (mit Ausnahme von Kreta, das erst im Jahre 1669
den Venezianern definitiv entrissen wurde) unter die unmittelbare
Herrschaft der Pforte fielen.'*)
1. Die westgriechischen Inseln/)
Die ungefähr zwischen dem 40sten und dem 37sten Grade nörd-
licher Breite vor der Westküste des nördlichen Griechenlands und
^) S. des Konstantinos Porphyrogenetos Schrift tisqI rav d-e^cctcov
I, 17 (p. 43 s.); vgl. II, 2 (p. 50) und 5 (p. 51).
2) Vgl. die 'Partitio Romaniae' bei Tafel und Thomas Urkunden I,
S. 464 ff.; dazu Hopf a. a. O. S. 222 f.; Bd. 86, S. 29 f. u. S. 171 f.; Dr.
M. A. Levy Don Joseph Nasi, Herzog von Naxos, seine Familie und
zwei jüdische Diplomaten seiner Zeit. Eine Biographie nach neuen Quel-
len dargestellt. Breslau 1859.
^) Von der reichen neueren Litteratur über die sogenannten ionischen
Inseln habe ich, abgesehen von den Specialarbeiten über einzelne der-
selben, folgende Werke benutzt: H.Holland, Travels in the lonian isles,
1. Die westgriechischeu Inseln: Korkyra. 355
des Peloponnes gelegenen Inseln erscheinen ihrem landschaft-
lichen Charakter nach im Allgemeinen als gewaltige, durch das
Eindringen des Meeres vielfach zerklüftete Massen von Kalkstein-
felsen, die vielfach mit steilen Wänden aus dem Meere empor-
steigen und sich bald zu theils kahlen, tlieils fruchtbaren Hoch-
ebenen, bald zu schmalen, hie und da seltsam gezackten Berg-
gipfeln erheben. Aber zwischen den Gebirgsmassen ziehen sich,
wenigstens auf den drei grösseren Inseln Korkyra, Kephallenia
und Zakynthos, breite Thäler hin, die in ihrer üppigen Frucht-
barkeit iiebÜche Contraste zu den wilden, zerrissenen Felsmassen
bilden. Namentlich sind es Oelwälder und Wein- und Korinthen-
pflanzungen, welche die Ebenen und die mit einer zwar nur
wenige Fuss dicken, aber fruchtbaren Erdkruste überzogenen
ßerghänge bedecken und die wichtigsten Ausfuhrartikel aus den
trefflichen Häfen, mit welchen die Natur selbst diese Inseln reich-
lich beschenkt hat, liefern. Ausserdem werden Citronen und
Orangen, Baumv^olle und Getreide — letzteres freilich nur in
einem für den Bedarf der Inseln selbst nicht ganz ausreichen-
den Maaöse — gebaut. Schifffahrt und Handel nebst Fischerei
bilden noch jetzt wie im Alterthum die Haupterwerbsquellen der
Bevölkerung; daneben spielt jetzt der Seidenbau eine nicht un-
bedeutende Bolle. Die Bevölkerungszahl ist eine relativ stärkere
als in sämmtlichen übrigen Theiien des Königreichs Hellas; denn
die Bevölkerung der sogenannten ionischen Inseln (der oben S. 347
genannten 7 Hauptinseln nebst den Nebeninseln Maslera, Fano,
Salmastraki, Antipaxo, Calamo, Meganisi und Cerigotlo) belief sich
im Jahre 1864 bei einem Flächenraum von 1041 englischen
Ouadratmeilen auf 228,531 Seelen.
Die nördlichste und nächst Kephallenia grösste Insel dieser Korkyra.
Gruppe, im Alterthum, abgesehen von den mythischen Benennungen
Drepane und Makris, welche von ihrer Gestalt herzuleiten sind,
Korkyra, \^ im Mittel- und Neugriechischen nach zwei zusam-
Albania, ITiessaly, Macodonia etc. London 1816. W. Goodisson A histo-
rical and topoprai>liical es»ay upon the Islands of Corfii, Leucadia, Cepha-
lonia, Ithaca and Zunte, London 1822. F. Liobotrut Koise nach den ioni-
schen Inseln der nördlichen und der mittleren Gruppe, Korfu, Zante,
Cephalonia und Ithaka, Hamburg 1850. Anstod The lonian islands in
the ycar 1863, London 18Ü3.
') Vgl. über die Insel Dodwell Claas. u. topogr. Reise I, 1, S. 43 Ü".
356 III. Die Inselwelt.
nienhäiigciideii, jetzt mit Forts gekrönten Felsklippen, welche sich
(licht vor der Hauptstadt steil aus dem Meere erheben, Koryplio,
Koryphi oder Korphi, darnach jetzt von den Westeuropäern Corlu
(aus der Accusativform KoQg)ovg) genannt, erstreckt sich, unge-
fähr gleich weit (700 Stadien nach Polybios bei Strabon II, p. 105)
von dem keraunischen Gebirge wie von Leukas enlfernt, in einer
Länge von gegen 9 Meilen bei einem Flächeninhalte von 10,69 Qua-
dralmeilen vor der Küste des niillleren Epeiros hin, von welcher
der nordöstlichste, dem Gap Poseidion (vgl. Bd. I, S. 16) gegenüber-
liegende Punkt der Insel (das jetzige Gap S. Stefano) nur durch
einen nicht ganz eine Stunde breiten Sund getrennt ist. Die
Insel wird durch zwei Bergzüge gebildet: einen nördlicheren, von
West nach Ost streichenden, der in seinem östlichsten Theile,
dem von zwei kegelförmigen Spitzen gekrönten, gegen Süden und
Osten in schroifen Wänden nach dem Meere abfallenden Berge
Pantokratoras oder S. Salvatore, die bedeutendste Ilölie (946 Me-
ter) erreicht, und einen südlicheren, der von der Südwestseite
des ersteren ausgehend eine nord-südliche Richtung hat; er fällt
im Westen fast überall steil nach dem Meere ab, während er sich
gegen Osten allmälig nach der meist flachen Küste abdacht. Ein
in der Nähe der Hauptstadt, also ungefähr in der Mitte der Länge
der Insel, gelegener Berg dieser Kette (etwa der jetzt 'Hagioi
Deka' d. i. die heiligen Zehn genannte, südwestlich von der Stadt,
der eine Höhe von 580 Meter erreicht) scheint im Alterthum den
d. d. Ueb.; A. Mustoxidi Illustrazioni Corciresi, 2 Bände, Mailand 1811
11. 1814; derselbe Delle cose Corciresi, Vol. I, Corfu 1848; G. C. A. Mül-
ler De Corcyraeorum republica, Göttingen 1835; Jos, Janske De rebus
Corcyraeorum p. I, im Jahresbericht des kathol. Gymnasiums zu Breslau
1849. Kartographische Darstellung der Insel bei H. Kiepert Carte de
l'Epire et de la Thessalie, Berlin 1871. Der Name lautet auf den Mün-
zen (vgl. über diese Ach. Postolakas Xatccloyog tmv aQxaCcov vo^lg^cc-
T(ov xcov vrjoav KsQ'>ivQccg^ Asv^ccdog , Id'(xy,r]s, KscpccXlrivCag, Zciv-vv-
^ov yicil KvQ'r'iQOiv, Athen 1868, p. 1 — 5.^) und Inschriften (C. I. gr. n.
1838 SS.; Mustoxidi Delle cose Corc. p. 161 ss.; W. Visclier Archäolog.
u. epigr. Beiträge aus Griech. S. 1 ff. ; ders. Rhein. Mus. XXII, S. 615 ff.)
durchgängig KoQyivQa, was also als die einheimische Namensform zu be-
trachten ist, während in unseren griechischen Handschriften die offenbar
vulgärgriechische Form KsQTivQa überwiegt (vgl. Eustath. ad Dionys.
Perieg. V. 492). Für den Namen jQSTtccvrj vgl. schol.Apollon. Rhod. z/, 983;
Stephan, Byz. u. $ata| ; für ManQtg schol. Apoll. Rhod. z/, 540; für die
neueren Namen Mustoxidi Delle cose Corc. p. 9 s.
1. Die westgriechischen Inseln: Korkjra. 357
Namen Istone geführt zu haben; der nördhcheren Kette darf
man vielleicht den Namen des meliteischen Gebirges zuwei-
sen.^) Mit meJir Sicherheit lassen sich noch die antiken Namen
der Vorgebirge, vvelclie die Insel nach verschiedenen Seiten ins
Meer vorstreckt, bestimmen: der nördliche Vorsprung der Sud-
ostfront der Insel, der noch jetzt Levkimo oder Alevkimo heisst,
ist das Cap Leukimma, der ihm im Süden entsprechende, jetzt
Asprokavö oder Capo Bianco genannte, das Cap Amphipagos,
der westlichste Punkt der ganzen Insel (das jetzige Cap Kephali)
das Phalakron der Alten; die Landzunge an der Nordoslseite,
auf welcher die Stadt Kassiope stand, wurde mit dem gleichen
Namen, als Vorgebirge Kassiope, ein Vorsprung der Oslköste
(vielleicbt das jetzige Cap Hagios Stephanos) als Kynoskephale
(Hundskopf) bezeichnet. 2)
Einen eigentlichen Fluss besitzt die Insel nicht, obgleich einer
der zablreichen Bäche, welche von dem nördlichen Gebirgszuge
in nördlicher, von den) südlicheren in östlicher Richtung dem
Meere ihr freilich während des Sommers regelmässig versiegen-
des Wasser zuführen — der etwa eine Stunde nordwestlich von
der Hauptstadt mündende — jetzt mit dem Namen Potamos be-
zeichnet wird: ob ihm der antike Name Aegäos^) zukomme, ist
nicht auszumachen. Doch sprudeln zahlreiche Quellen am Fusse
der Hügel hervor; überhaupt ist die Insel, abgesehen von dem
süilliclisten Theile, wo der Boden sandig und wenig ergiebig ist,
äusserst fruchtbar und wohl angebaut; besonders der mittlere
Theil macht den Eindruck eines grossen Obst- und Gemüse-
>) "JatavT] Thuk. III, 85; IV, 46; Polyaen. Strat. VI, 20; Steph.
Byz. u. (1. \V.; C. I. gr. n. 1874 (wornach auf dem Berge ein Heiligtum
der JJioskuren gestanden zu haben sclieint) und 1875. Berg h. Deka: Ansted
The lonian Islands p. 103 ss. "Ogog MbXitjjiov Apollon. Rhod. J, 1150 c.
schol. Auch MoXo-itag (C. I. gr. n. 1840, 4) scheint der Name eines
Berges oder Hügels auf der Insel gewesen zu sein.
^) Ptolem. III, 14, 11; für AEVTiififia vgl. Strab. VII p. 324; Thuk.
I, 30; 47; 51; III, 79; für ^aXayiQov Strab. a. a. O. u. Plin. N. h. IV,
II, 53; nach letzterem lag in der Nähe des Vorgebirges eine Klippe, in
welche das Sehift* des Odyssetis verwandelt worden sein sollte: offeubar
die noch jetzt Kafydßt (Schiffj genannte kloine Folsinsel südlich von dem
Cap Kephali. Kvvog %d(pc<Xr] I'rfunp. De beil.. (ioth III, 27 (p. 394, 10
Dindorf).
«) Apollon. Hhod. ^, 542; 1147; Stcpli. Hvz. n.'TXXHg.
358 111. Hie Inselwelt.
gartens. Noch besser scheint der Zustand des Landes im Alter-
thum bis zur Diadochenzeit gewesen zu sein, wo stattliche Land-
häuser mit wolilgcfüllten Weinkellern , zahlreichen Sclaven und
Viehheerden überall zu finden waren. ^] Den wichtigsten Ausfuhr-
artikel bildete der Wein, der sich im Alterthum eines grössern
Hufes erfreute als der jetzt auf der Insel producirte.^) Die je-
denfalls besser als heut zu Tage bewaldeten Berge lieferten Holz
für den Schiffbau, das Meer gab den Fischern reiche Beute. ^)
Auch die Salzwerke, welche sich jetzt an mehreren Stellen der
Insel finden, und die Marmorbrüche unterhalb des westlichen
(iipfels des Pantokratoras, welche einen feinkörnigen weissen
Marmor vermischt mit Alabaster liefern, sind wahrscheinlich schon
im Alterthum ausgebeutet worden."^)
Unter den Griechen war schon frühzeitig und allgemein die
Ansicht verbreitet, dass Korkyra die homerische Scheria, die Kor-
kyräer also die Nachkommen der von Alkinoos beherrschten Phäa-
ken seien, eine Ansicht, die, obgleich sie auch unter den Neue-
ren zahlreiche Anhänger zählt, doch als entschieden irrig bezeich-
net werden muss. Denn eine vorurtheiisfreie Betrachtung der
homerischen Schilderung des Phäakenreiches lehrt, dass derselben
keineswegs die wenn auch fabelhaft ausgeschmückte Kunde einer
^) Xenopli. Hell. VI, 2, 6; vgl. Dionys. Per. 494 linaQrj Ksquvqcc;
Apollon. Rhod. z/, 981 7tL£LQa.
2) Athen. I p. 33 ^ schol. Nicand. Ther. 622. Die bei (Aristot.) Mir.
ausc. 104 erwähnten KsQ'HVQcc'Cyiol cc^cpoQSig wurdeii wahrscheinlich nicht
auf dieser Insel, sondern in Adria fabricirt: vgi. Hesych. u. KsQTiVQCCLOt
afitpoQSLs; O. Jahn Ber. d. sächs. Ges. d. Wiss. 1854, S. 34 f. Aller-
dings kommt ein cc^(poQ8vs auf zahlreichen korkyräischen Münzen vor,
doch ist derselbe wohl ebenso wie die gleichfalls häufig erscheinende
Traube nur auf den Weinbau und Weinhandel zu beziehen. Ein leichter
feiner Thon findet sich bei Kastrades, einer Vorstadt von Corfu: s. Ansted
The lonian Islands p. 27.
3) Für den jedenfalls von Korinth aus eingeführten Schiffbau zeugt
der Umstand, dass Korkyra neben Korinth zuerst eine Kriegsflotte hatte
(Thuk. 1 , 13). Die Herleitung der y.tQ-KOVQOs genannten Gattung von
Fahrzeugen (einer Erfindung der Kyprier nach Plin. N. h. VII, 56, 208)
von Kerkyra (schol. Aristoph. Pac. 143) scheint eine etymologische Spie-
lerei zu sein. Fischfang: Paus. X, 9, 3; Archestrat. bei Athen. VII,
p. 318 f.
^) Salinen: Ansted The lonian islands p. 97; Marmor: Goodisson
Essay p. 26; Ansted" p. 85.
1. Die westgriechischen Inseln: Korkyra, 359
bestimmten Oerlliclikeit, sondern die märchenliafre Vorstellung
eines paradiesischen Landes und^ Volkes zu Grunde liegt. Ver-
anlassung zur Localisirung dieses Utopiens auf Kbrkyra gab wobl
theils die Fruchtbarkeit des Landes, theils der frühe Ruhm seiner
Bewohner als trefflicher Seefahrer J) Vielmehr müssen als älteste
Bewohner des Landes die Liburner, ein Volk illyrischen Stammes,
betrachtet werden. Die unvergleichliche Lage der Insel für den
Verkehr nach Westen, besonders nach Italien und Sicilien, musste
frühzeitig die Blicke griechischer Seefahrer auf sie lenken. Zu-
erst Hessen sich Eretrier aus Euboia hier nieder, eine Nieder-
lassung, die wahrscheinlich mit der gleichfalls von Euboia ausge-
gangenen Gründung der ältesten hellenischen Ansiedelung in Ita-
lien, Kymc's, im Zusammenhang steht. Aber sie wurden wohl
schon nach kurzer Zeit durch korinthische Auswanderer vertrie-
ben, einen Theil der von dem Bakchiaden Archias geführten Ex-
pedition nach Sicilien, welcher unter Führung des Bakchiaden
Chcrsikrates hier zurückblieb und sich die ganze Insel unterwarf
(734 v. Chr.).'^j Diese Korinther, welche ihre heimischen Culte,
insbesondere den der Hera, und Sagen, wie die von lason und
Medeia, mitbrachten,^) gründeten die wie die Insel selbst Kor-
kyra genannte Stadt auf einer ungefähr in der Mitte der Ost-
küste etwas südlich von der modernen Stadt in südlicher Rich-
tung vortretenden, etwa eine Stunde langen und verhältnissmässig
schmalen Landzunge, einer Reihe von gegen Westen steil abfal-
lenden, gegen Osten sanft sich abdachenden Hügeln,' welche jetzt
fast ganz mit Oelbäumen, zwischen denen einzelne Landhäuser
liegen, bedeckt sind. Zu beiden Seiten derselben ziehen sich
*) Vgl. Hellanik. hei Steph. Byz. u. $ata|; Thuk. 1,25 u. a. Von
Neueren hat besonders Mivstoxidi eifrig den mythischen Ruhm seiner Ilei-
math vertheidigt (Ilhistraz. I, p. 28 ss.; Delle cose Gore. p. 10 ss.); da-
gegen besonders Welcker 'Die homerischen Phäaken und die Inseln der
Seligen' im Rhein. Mus. herausg. v. Welcker u. Näke I, S. 2G2 ff.
2) Strab. VI p. 269; Plut. Quaest. gr. 11; Timäos bei schol. Apoll.
Khod. z/, 1216: vgl, Mustoxidi Delle cose Corc. p. 40 ss. Auf die Krc-
trier ist jedenfalls der von Strab. X, p. 449 erwähnte Ortsname Evßoia
zurückzuführen.
^) Ueber den Tempel der Hera in der Stadt vgl. unten S. 361, Anm. 1.
Localisirung der Sage von der Vermählung des Jason mit der Medeia
(vgl. I, 8. 383) auf der Insel: Timäos beim Schol. Apollon. Khod. .J,
1163 und 1217.
360 in. Die Inselwelt.
Buchten ins Land hinein, welche der alten Stadt den grossen
Vorzug des Besitzes zweier unmittelbar im Bereich ihrer Be-
festigungen gelegener Häfen gewährten. Der an der Ostseite der
Halbinsel gegen die epeirotische Küste hin gelegene, der noch
jetzt als Hafen benutzt wird, scheint der Handelshafen, das Em-
porion der alten Stadt gewesen zu sein, da unmittelbar an den-
selben die Agora und der von den reichen Handelsherren be-
wohnte Stadttheil stiess. Der an der Westseite, im Alterthum
Hyllaikos genannt (ohne Zweifel nach der Phyle der Hylleis,
die wie in allen dorischen Staaten auch auf Korkyra seit der
Ansiedelung der Korinther bestand), dessen ohnehin schmaler
Eingang noch durch eine kleine jetzt Pontikonisi (Mäuseinsel) ge-
nannte Felsinsel geschützt ist, war wahrscheinlich der Kriegs-
hafen mit dem Arsenal und der Schiffswerfte, der durch die auf
dem höchsten westlichen Theile der Landzunge erbaute Obersladt
vertheidigt wurde: heut zu Tage ist er in Folge starker Versan-
dung eine fischreiche, aber durch ihre Ausdünstungen wenigstens
während des Sommers gesundheitsgefährliche Lagune, Chalikio-
pulo oder auch Salina genannt.^) Sowohl in der auf dem nied-
rigen Landrücken zwischen den beiden Buchten gelegenen Vor-
stadt Garitza oder Kastrades, als auf der ganzen noch jetzt Paläo-
polis (Altstadt) genannten Landzunge finden sich zahlreiche, aber
meist sehr unansehnliche Reste der alten Stadt — Säulentroncs,
Ziegeltrümmer und Scherben von Thongefässen — zerstreut: das
Bedeutendste sind die auf einem jetzt Cardacchio genannten Platze
an der Ostküste in der Nähe einer reichen Quelle gelegenen
Ruinen eines dorischen Tempels (Hexastylos Peripteros) mit alter-
thümlichen, sehr weit gestellten Säulen und einem eigenthümHchen
Einbau im Innern der Cella, der vielleicht zu Bädern bestimmt
war. '^) Welcher Gottheit dieser Tempel geweiht war, ist nicht
1) Thiik. III, 72; 81; vgl. Ansted p. 38 ss. ; Vischer Erinnerungen
S. 21 f. Der östliche Hafen scheint nach Eustath. ad Dionys. Per. 492
den Namen 'AX-aivoov Xl(17]v geführt zu haben. Ncccoqlov und oyi80&i]K(x
C. I. gr. n. 1838, b, 11 f.
2) Vgl, W. Kailton 'The newly discovered temple at Cadachio'^ im
vierten (Supplement-) Bande der Antiquities of Athens and other places
in Greece, Sicily etc. (London 1830); Dr. P. F. Krell Geschichte des do-
rischen Styls (Stuttgart 1870) S. 27 ff. Die Vermuthung, dass der Tem-
pel dem Apollon oder Asklepios geweiht gewesen sei, stützt sich auf die
durchaus unerwiesene Voraussetzung, dass die Inschrift C. I. gr. n. 1838
1. Die'westgriecliischen Inseln: Korkyra. 3G1
ZU ermitteln. Aus Thukydides kennen wir als Cultgebaude in
der Stadt das Heräon, vor welcliem eine Insel lag (darnach sclieint
es auf dem südwestlichsten Punkte der Landzunge gegen Ponti-
konisi hin gestanden zu haben), Heiligthümer der Dioskuren und
des Dionysos (dessen Cult besonders durch die Münzen bezeugt
ist), ein Temenos des Zeus und eins des Alkinoos. ^)
Ausser den zwei Hafen zu beiden Seiten der Landzunge besass
die Stadt noch einen dritten etwas weiter nördlich gelegenen, den
Ilaupthafen der jetzigen Stadt, der durch die im Norden davor
liegende, im Alterthum befestigte kleine Insel Ptychia (jetzt Vido)
geschützt wird. 2)
Der gesammte Grund und ßoden der Insel war theils Eigen-
Ihum des Staates, also eine Art Domaine, ^) theils reicher Privat-
leute, welche, wie oben bemerkt, in allen Theilen der Insel ihre
Landhäuser mit den zur Bebauung des Landes nöthigen Sclaven-
schaaren hatten. Eine städtische Ansiedelung hat es ausser der
Hauptstadt wenigstens in der älteren Zeit auf der Insel nicht ge-
geben; erst in der römischen Zeit wird eine Stadt Kassiope
erwähnt, welche 120 Sladien von der Hauptstadt auf dem gleich-
namigen Vorsprunge der Nordostküste (auf welchem sich bis jetzt
Mauerreste, Fundamente von Gebäuden und Säulentrümmer er-
halten haben) gelegen , einen Hafen und ein Heiligthum des Zeus
Kasios besass/). Da wir nun in Epeiros im Gebiete der Molosser
(über (leren Fundort nichts bekannt ist) sich auf den Bau oder die Her-
stellung dieses Tempels beziehe.
0 Thukyd. I, 24; III, 70; 75; 79; 81; vgl. Diod. XHI, 48. 'Hgatg
als Name einer Oertlichkeit (jedenfalls des Stadttheils, in welchem das
Heräon lag) C. I. gr. n. 1840, 16, Dieselbe Inschrift enthält noch fol-
gende Ortsnamen, die wir nicht mehr fixircn können: MoXoy,ccg (vgl. oben
S. 357, Anm. 1); Mivcolw, a vaaog (nach Mustoxidi Delle cose Gore. p. 187
die Halbinsel, auf welcher die jetzige Stadt liegt); Amdga; cc Kco^imov;
ZxivovQLg; 'AlXavls y-cJ/xa. Nach C. I. gr. n. 1845, 53 führte ein Platz
oder eine Strasse in der Stadt den Namen zcc ccQ^cita.
') Drei Häfen nara ttjv noXiv erwähnt ausdrücklich Scyl. Per. 29.
ntvxia: Thukyd. IV, 46; Ptol. IH, 14, 11; Steph. u. d. W.; Plin. IV,
12, 63.
•) Da8 Vorhandensein solcher bezeugte die Inschrift C. I. gr. n. 1840,
nach welcher beträchtliche Strecken Weinland, Saatland und einige Häu-
ser vom Staate an seine ngo^evoi, verpachtet werden.
*) Strab. VH, p. 324; Cic. Kpist. ad fam. XVI, 9, ;; Suot. Noro 22;
Jlin. IV, 12, 62; Ptol. III, 14, 11; Gell. N. a. XIX, 1,1; Ulpian. in
BUB8IAN, GEOGR. II. -ö
362 nr. Die Inselwelt.
einen Volksstanim der Kassopäer und eine Sladt Kassopia kennen
(s. Bd. I, S. 29 f.), so können wir vermuthen, dass die Gründung
der korkyräischen Stadt in die Zeit gehört, wo die schon ziem-
lich herabgekommene und entvölkerte Insel unter der Herrschaft
des Pyrrhos, Königs von Epeiros, stand, dem sie seine Gemahlin
Lanassa, die Tochter des syracusanischen Tyrannen Agathocles,
der nach Vernichtung der Korkyra blokirenden Flotte des Kassan-
der die Insel als gute Prise betrachtete (299 v. Chr.), als Mitgift
zugebracht hatte. ^) Der Hauptgrund für das Sinken des Wohl-
standes und der Bevölkerungszahl der Insel, die schon als Depen-
denz von Korinlh in Gemeinschaft mit der Mutterstadt blühende
Colonien (Epidamnos und Apollonia in lllyrien, Leukas und Anakto-
rion in Akarnanien) gegründet hatte, dann nach der Lostrennung
von Korinth mit diesem als einer der ersten Handels- und See-
staaten Griechenlands wetteiferte, waren die blutigen Fehden,
welche bald nach Ausbruch des peloponnesischen Krieges (beson-
ders im Jahre 427 v. Chr.), dann wieder im Jahre 361 v. Chr.
zwischen den Aristokraten und der Volkspartei geführt wurden, ^j
Ferner wurde die Insel schwer geschädigt durch die Plünderungen
der illyrischen Piraten, welche unter ihrer Königin Teuta sich
derselben bemächtigten und den Demetrios von Pharos als Statt-
halter einsetzten, der die Insel im Einverständniss mit den Bewoh-
nern dem römischen Consul Cn. Fulvius Centumalus überlieferte
Digest. XIV, 1, 1, 12: vgl. Mustoxidi Delle cose Corcir. p. 146 ss. Das
Bild des Zsvs Kccdog oder KccoGLog erscheint auf Münzen der Insel aus
der römischen Kaiserzeit (Postolakas KaxdXoyog p. 36, n. 460 ss.) ; zwei
Weihinschriften 'lovi Casio' bei Mustoxidi Delle cose Gore. p. 240 s.
Noch Procop. De hello Goth. IV, 22 (p. 576 ed. Dindorf) erwähnt in der
Stadt ein aus Steinen zusammengesetztes Schiff, das Weihgeschenk eines
Kaufmanns an den Zsvg KccOLog.
1) Diodor. XXI, fr. 6 ed. Bekker; Plut. Pyrrh. 9; vgl. Paus. I, 11, 6;
Justin. XXV, 4, 8.
2) Thuk. III, 70 if.; IV, 46 ff.;. Aeneas Comm. poliorcet. 11, 13 f.;
Diod. XV, 95. Auf die zügellose Demokratie , welche in Folge des Sie-
ges der Volkspartei im Jahre 427 herrschte, geht wahrscheinlich das
Sprüchwort iXsvd'SQa KoQyiVQcCj xb^^ otcov ^slsig, welches Strabon (VII,
p. 329, fr. 8) auf die Verödung der Insel zur Zeit der Römer bezieht.
Unklar ist der Ursprung des sprüchwörtlichen Ausdrucks KoQ^vQUia
jt«GTt|: schol. Aristoph. Aves 1463; Strab. VII, p. 329, fr. 3; Zenob. IV,
49; Diogenian. V, 50 u. ö.
1. Die westgrieckischen Inseln: Korkyra. 363
(229 V. Clir.)^). Von den Römern als Freistaat erklärt und mit
ihnen im Kampfe gegen Philipp V. von Makedonien und gegen
die Aetoler verbündet, als Station für eine Kriegsflotte sowie für
den Verkehr mit Griechenland von grosser Bedeutung, erholte sie
sich allmälig wieder und hesass, obschon durch verheerende Ein-
fälle der Vandalen und Gothen, später der Sarazenen wiederholt
heimgesucht, noch unter der byzantinischen Herrschaft eine nicht
unbeträchtüche Seemacht. Nachdem sie im 1.1. und 12. Jahrhun-
dert zweimal vorübergehend in die Hände der Normannen ge-
rathen, bei der Theilung des byzantinischen Reiches unter die
Franken im Jahre 1204 den Venezianern, die sie aber nur no-
minell in Besitz nahmen, zugewiesen worden war, kam sie im
Jahre 1267 in die Hände Karl's von Anjou und wurde Anfangs
durch Generalvicare, dann als Lehnsfürstenthum durch neapolita-
nische Prinzen regiert, bis sie sich im Jahre 1386 den Venezianern
übergab. 2) Im Besitz derselben blieb sie bis zum Untergang der
Republik im Jahre 1797, worauf sie die Schicksale der übrigen so-
genannten ionischen Inseln theilte (vgl. oben S. 347). Heutzutage hat
sie gegen 74,000 Einwohner, von denen etwa 25,000 in der Haupt-
stadt, die übrigen in zahlreichen Dörfern, die über alle Theile der
Insel zerstreut sind (man zählt deren ungefähr 40), wohnen.^)
Zum Gebiet von Korkyra gehört ausser der schon erwähnten
Insel Ptychia (Vido) eine kleine Inselgruppe nahe der Nordwest-
köste, welche wenigstens im späteren Alterlhum den Namen
Othonoi, im Mittelalter den Namen Tetranisia führte. "*) Die
grössle Insel der Gruppe ist die westlichste, jetzt Fano oder Otho-
nus (sig To^ff ^Od-covovg), im Alterthum wahrscheinlich 0 thro-
ne s genannt, heutzutage von etwa 1000 Menschen I)ewohnt, die
sich ausser mit Fischfang besonders mit der Jagd auf die im
«) Polyb. II, 9 — 11; vgl. Appian. lUyr. 7; Zonar. VIII, 19 (Vol. II,
p. 170 ed. Pinder).
2) Vgl. für die Geschichte der Insel im Alterthum Müller De Corcyraeo-
rum repablica p. 9 bs. und Mustoxidi Delle cose Gore. p. 40 ss., für die
mittelalterliche Geschichte denselb. ebda. p. 385 ss.
^) Vgl. dieUehersicht im'E^vixov rififgoloyLOv rov ^tovg 1871p. 60788.
*) 'O^ovoi l'rocop. De hello Gotli. IV, 22 (p. 575 Dind.), der aus-
drücklich 3 Inseln erwähnt und ungiebt, dass sie zu seiner Zeit weder
von Menschen noch von Thieren bewohnt waren, TetQavrjaiu im Leben
des Erzbischofrf Arsenios bei Mustoxidi Delle cose Gore. p. 409; vier In-
jjchi urwiLlint uiich ]{oger von Howeden ebds. p. 144.
364 TTI. Die Inselwelt.
Frühling in grossen Massen liier niederfallenden Wachteln be-
schäftigen: in der Westküste der Insel öffnet sich eine geräumige,
nur vom Meere aus zugängliche Grotte, die früher oft Seeräubern
zur Zuflucht diente.^) Oestlich von Othonus liegt Erikusi (von
den italienischen Schiffern Maslera genannt), die alte Erikusa,
mit einer Bevölkerung von etwa 600 Seelen. Ohne stehende Be-
wohner sind die beiden südlicher gelegenen Salmastraki und Diaplo,
deren antike Namen nicht mit Sicherheit zu bestimmen sind. ^)
paxos. Etwas über eine Meile südlich von der Südspitze Korkyra's
liegt die Vl^ Quadratmeilen umfassende Insel Paxos, welche im
Alterthum gewöhnlich mit ihrer weit kleineren südlichen Schwe-
sterinsel (jetzt Antipaxos, im spätem Alterthum Propaxos genannt)
unter dem Namen ot Ila^ol zusammengefasst w urde. ^) Im Alter-
thum gehörten beide Inseln ohne Zweifel zu Korkyra, dessen
Schicksale sie auch später theilten; bei der Constituirung der
Republik der sieben Inseln wurde aber Paxos als selbständiges
Glied derselben anerkannt. Die Insel ist durchaus gebirgig, hat
einen einzigen, jetzt Potamo genannten Bach, und fast gar keine
Quellen trinkbaren Wassers, dagegen einige Schwefelquellen; sie
bringt besonders Oliven in reicher Fülle und vorzüglicher Qua-
lität hervor. In den steil nach dem Meere abfallenden Felswän-
den der West- und Südweslküste finden sich mehrere nur durch
Boote zugängliche geräumige und sehr malerische Grotten. Spu-
ren einer antiken Ortschaft sind bis jetzt wenigstens noch nicht
entdeckt worden. Heutzutage wohnt die etwa 6000 Seelen be-
tragende Bevölkerung theils in dem nahe der Ostküste gelegenen
Städtchen Gaion (mit einem bei stürmischen Wetter schwer zu-
gänglichen Hafen), theils in einigen Dörfern. Antipaxos, dessen
felsiger Boden an einigen Stellen Asphalt in flüssigem Zustande
^) 'OQ'QCOvog Lycophr. Alex. 1027 und 1034; Steph. Byz. und Hesych. u.
d. W.; Plin. IV, 12, 52 (y. /. Thoronos). Vgl. Ansted p. 121.
2) 'EQiv.ov6a (nach dem Haidekraut, SQSLTtr] od. SQL-iii], benannt) Ptol.
ni, 14, 12; Plin. IV, 12, 53. Salmastraki heisst (nach Mustoxidi Delle
cose Gore. p. 145) in einem Diplom König Kail's III. von Neapel vom
Jahre 1383 Mathrace, ein Name, welchem unter den von Plin. a. a. O.
aufgeführten Malthace am nächsten kommt; doch könnte man auch an
Marathe denken.
3) Polyb. II, 10; Dio Cass. L, 12; Plut. De def. orac. 17; Plin. IV,
12, 52; Hesych. u. JTa|og. Propaxos: Itiner. Anton, mar. p. 519 ed.
Wesseling. Vgl. über die Inseln Ansted p. 117 ss.
1. Die westgriechisclien Inseln : Paxos. Inseln der Taphier. 365
ausscbvvitzt, wird jetzt von kaum 100 Menschen, meist Schäfern
und Fischern, bewohnt.
Zwischen der als naUirliches Anhängsel Akarnaniens schon i^^seiu der
Band I, S. 115 ff. geschilderten, erst durch Menschenhand zur ^^ ^^^'
Insel gemachten Leukas und dem Festlande Hegt eine nicht un-
beträchtliche Inselgruppe, welche im Alterthum mit dem Namen
der Inseln der Taphier bezeichnet und zu Akarnanien (das
in vorhisloVischer Zeit von den Bewohnern dieser Inseln beherrscht
worden sein soll, während in den historischen Zeiten das Verhält-
niss umgekehrt war) gerechnet, ^) in neueren Zeiten dagegen als
ein Bestandtheil des Staates der sieben Inseln und zwar mit Aus-
nahme der eine Dependenz von Leukas bildenden Hauptinscl Me-
ganisi als zu Ithaka gehörig betrachtet wurde. Diese Ilauptinsel,
von den Alten Taphos oder Taphias genannt, nur durch einen
etwa 72 Stunde breiten Canal von der Südoslküste von Leukas
getrennt, mit welcher sie, wie die Schichtung des Gesteins lehrt,
ursprünglich zusammenhing, hat ungefähr die Form einer Mond-
sichel oder eines gespannten Bogens, dessen Krümmung gegen
Westen gerichtet ist; doch ist der nördlichere Theil bedeutend
breiter als der südlichere und bietet an der Nordküste in einigen
tief ausgezackten Buchten den SchilTern trefl'liche Häfen dar.
Daher war die Insel, der Wohnsitz der ^rnderliebenden Taphier',
schon in den ältesten Zeiten ein nicht unwichtiger Stapelplatz
und ein Ilauptsitz der Seeräuberei; letzteres ist sie bis in die
neuere Zeit geblieben. Der Boden der Insel ist ziemlich frucht-
bar: sie producirt namentlich trefflichen Weizen, auch Flachs,
und liefert ausgezeichnete Bausteine. Die Einwohner, etwa 600
Seelen, treiben jetzt meist Viehzucht und exportiren eine nicht
unbeträchtliche Quantität von Käse. 2) Oestlich von Meganisi liegt
die an Grösse ihr wenig nachstehende Insel Kalamo, von den
Alten Karnos genannt,') mit einem guten Hafen an der Südost-
') /It x(ov Tci(pi(av v^aoi tiqotsqov dt TrjXeßowv Ötrab. X, p. 459, vgl,
|). 461. Tcleboidc8 eacderaquc Taphiao Plin. IV, 12, 53. Daraus,
(1h88 Steph. Byz. Tatpos als noXii KetpaXXriviag bezeiclinot, darf mau
wohl Hchliessen, dass diese Insel und mit ihr die ganze Gruppe zeitweise
zu Kephallenia gehört hat; vgl. Apollodor. II, 4, 5 und 7.
«) Od. a, 181; 417 88.; |, 452; o, 427; w, 42G; Strab. X, p. 456;
450; 461; Tlin. a. a. O. u. XXXVI, 21, 151; vgl. Goodissou Kwsay p. 82 s.;
Ansted p. 197.
8) Scyl. Per. 34; ötcph. liyz. u. KaQVOi. Vgl. Austcd p. 288 8.
366 ni. Die Inselwelt.
Seite und einem mittelalterlichen Kaslell, Xylokastro, oberhalb der
Nordostspitze, jetzt von etwa 100 Familien bewohnt, die meist
Ackerbau treiben. Auf einer dieser beiden Inseln wird die als
Stadt der Taphier genannte Ortschaft Aspalatheia anzusetzen
sein.^) Für die übrigen Inseln der Gruppe (Kastus südöstlich von
Kalamo, mit einem Dorfe und zwei Häfen, Atako südwestlich von
Kaslus und Arkudi südwestlich von Meganisi, die beiden letzteren
unbewohnt ebenso wie eine Anzahl ganz kleiner theils zwischen
den bisher genannten, theils nördlich von Meganisi gelegener
Inselchen) sind uns keine antiken Namen überliefert,^)
Südöstlich von dieser Gruppe liegen nahe der Küste Akar-
naniens die von den Alten als Oxeiä und Echinades bezeich-
neten Gruppen kleiner Felsinseln (s. Bd. I, S. 119), südwestHch
die beiden an Grösse sehr ungleichen, aber von Natur zusammen-
gehörigen Schwesterinseln ^) Ithake und Kephallenia.
ithake. Ithake,^) vom Volke heutzutage mit leichter Metalhesis
*) Nikandros bei Steph. Byz. u. ^AanaXad'ELa: das der Stadt beigelegte
Epitheton ßorjQOtog passt auf Karnos so gut als auf Taphos, da beide Inseln
gutes Ackerland haben; der Strsiuch. aanccla&og (Spartium villosum, eine
Art Binsenpfrieme), nach welchem die Stadt offenbar benannt ist, kommt
in allen Theilen Griechenlands häufig vor.
2) Vgl. Dodweli Class. u. topogr. Reise I, 1, S. 83. Kiepert hat ver-
muthungsweise die im Schiffscatalog (B, 633) zwischen Ithake und Neri-
tos einerseits, Zakynthos und Samos anderseits aufgeführten Ortsnamen
Krokyleia und Aegilips, deren Beziehung schon den Alten ganz un-
klar war, auf die Inseln Arkudi und Atako (von denen es mir sehr zwei-
felhaft ist, ob sie im Alterthum bewohnt waren), bezogen. Strab. X,
p. 452 (vgl. VIII, p. 376) sucht beide Orte auf Leukas, und ebenso ist
wohl der etwas unklare Ausdruck bei Steph. Byz. u. AlyCUip' nXrjaLOV
KqohvXsicov trjg yjtisl'qov zu verstehn (mit Bezug auf Leukas als a-nvr]
TjTtBLQOio); der Grammatiker Herakleon aus Ephesos dagegen (bei Steph.
Byz. u. Kqo'hvXslov) betrachtet beide als Theile von Ithaka, was auch
mir als das Wahrscheinlichste erscheint. Crocylea neben dem (fälsch-
lich von Cephallenia unterschiedenen) Same bei Plin. IV, 12, 54. Die
Ansicht Spon's (Voyage d'Italie, de Dalmatie, de Gr^ce et du Levant,
Lyon 1678, I, p. 132), dass Atako das homerische Ithaka sei, mag nur
der Curiosität halber angeführt werden.
3) Dionys. Call. Descr. Gr. 50 ss. bezeichnet beide als rrjaoi KEcpaX-
Xtjvcov.
*) Vgl. W. Gell The geography and antiquities of Ithaca, London
1807 ; C. Chr. E. Schreiber Ithaca oder Versuch einer geographisch-antiqua-
rischen Darstellung der Insel Ithaca nach Homer und den neuern Reisenden,
1. Die westgriechischen Inseln: Ithake. 367
Thiaki {@Lccxrj) genannt, mit einem Umfang von etwas über 3
Quadratmeilen, besteht aus zwei Bergmassen, welche nur durch
einen schmalen Isthmos, eine ziemlich unfruchtbare Hügelkette,
im Westen verknöpft sind, während von Osten her das Meer in
einer weiten Bucht zwischen sie eindringt. An der Südseite
dieser, jetzt ^Golf von Molo' genannten Bucht zieht sich eine
schmälere tief ins Land hinein, welche einen trefflichen Hafen
auch für grosse Schiffe bildet; am südlichen Ende derselben lie-
gen im Halbkreise die weissen Häuser des nach der tiefen Bucht
benannten Städtchens Vathy, des jetzigen Hauptortes der Insel, über
welchem der südliche Bergstock (jetzt Hagios Stephanos genannt)
bis zu einer Höhe von 671 Meter emporsteigt. Höher, bis zu
807 Meter, erhebt sicli der nördliche Bergzug jenseits des Isthmos
in seinem südlicheren Theile (dem jetzigen Berge von Anoi),
während ein zweiter Gipfel desselben, der gegen Nordwesten ins
Meer vortretende Berg von Oxoi, nur die Höhe von 525 Metern
erreicht. 1) Zwischen der Ostseite dieses Berges und dem noch
Leipzig 1829; Leake Travels in northern Greece III, p. 24 ss.; E. Gandar
De Ulyssis Ithaca. Quae sit Homero locos describenti fides adhibenda,
Paris 1854; Ansted p. 231 ss.; R. Hercher *Homer und das Ithaka der
Wirklichkeit' im Hermes I, S. 263 ff.; H. Schliemann, Ithaka, der Pelo-
ponnes und Troia, Leipzig 1869. G. F. Bowens Ithaka (Corfu 1850) ist
mir ebensowenig zugänglich als N. Karavias Grivas ^latoqCa r^g vrjaov
'id-ccTiT^g ccno tav ccQxaiotdt(ov XQOvtov tisxQt tov 1849, Athen 1849.
Dass es im Alterthum mehrere nEQLrjyjjat ig der Insel gab, zeigt Porphyr.
De antro nymph. 2.
*) Dass die homerischen Bergnamen NtJqltov und Nri'Cov in den
historischen Zeiten auf der Insel nicht in Gebrauch waren, scheint
mir aus der Art, wie die griechischen Schriftsteller (besonders Strab. X,
p. 454) darüber sprechen, mit Sicherheit hervorzugehen. Das Ntjqltov
(II. B, 632; Od. t, 21 f. ; v, 351) wurde ziemlich allgemein in dem höch-
sten Berge der Insel, dem von Anoi, wiedererkannt (nur Herakleon bei
Steph. Byz. u. ÄQoyivltiov scheint den Namen auf den südlichen Berg,
den Stephanos, bezogen zu haben); über die Lage des Njj'Cov aber, an
dessen Fusse der Hafen 'Pei&qov lag (Od. «, 186; vgl. schol. zu d. St. und
zti £, 22: ob i^ 'id'ayiTjg vnovrjtov y, 81 auf die Stadt oder auf die ganze
Insel zu beziehen sei, ist unsicher), giengen die Ansichten der Alten ebenso
auseinander als die der Neueron. Meiner Ansiclit nach ist die Frage
ebensowenig zu entscheiden als andere Punkte der homerischen Topo-
graphie, da der Dichter der Odyssee die Oertlichkeiten nicht nach Aut-
opsie, sondern nur nach einer ziemlich unbestimmten und unklaren Vor-
stt'llung schildert.
368 III. Die Inselwelt.
weiter gegen Norden vorgeschobenen Hugelziige, welclier in dem
(^iip Marmaka, dem nördlichsten Punkte der Insel, endet, öflnet
sich die jetzt Aphales genannte Bucht; an der Sudwestseite dieses
Ilögelzugs liegt die besser geschützte Bucht Phrikiäs mit einem
kleinen Dorfe gleichen Namens, in welche ein kleiner, nach dem
schwarzen Niederschlage seines leicht versiegenden Wassers Me-
lanydros genannter Bach mündet. Abgesehen von diesen Buch-
ten, welche die Bewohner der Insel frühzeitig auf die SchiflTahrt
als Haupterwerbsquelle hinweisen mussten, fällt die Küste meist
in steilen, hie und da von Grotten unterhöhlten Wänden zum
Meere ab. Die Berge und Hügel, welche die ganze Insel erfül-
len (eine Ebene hat dieselbe gar nicht, sondern nur einige schmale
Thäler), sind jetzt ganz ohne Bewaldung, die Gipfel und Bücken
sind kahl, nur hie und da mit Strauchwerk bewachsen; die mit
einer dünnen Humusschicht bedeckten Abhänge sind für die Cul-
tur des Weinstocks und der Korinthenrebe, welche jetzt die Ilaupt-
producte der Insel bilden, trefllich geeignet. Auch Olivenöl wird
ausgeführt, Getreide dagegen nur in geringer, für die etwa auf
12,0()0 Seelen sich belaufende Bevölkerung bei weitem nicht aus-
reichender Quantität gebaut; die Viehzucht beschränkt sich auf
das Halten zahlreicher Ziegenheerden. Das Meer bietet ausser
Fischen auch Schwämme und Korallen zur Ausbeutung dar. ^)
Der Name der Insel scheint ebenso wie der ältere Name ihrer
grösseren Schwesterinsel, Same, semitischen Ursprungs zu sein
und von einer alten Handelsniederlassung der Phöniker, an welche
sich bei den Griechen freilich nicht einmal eine mythische Er-
innerung erhalten hatte, Zeugniss abzulegen, ^j Im hellsten Glänze
mythischen und dichterischen Buhmes aber erscheint die Insel
in der griechischen Heroenzeit als Mittelpunkt des von Odysseus
beherrschten Beiches der Kephallenen, als Schauplatz der Sagen
von der Heimkehr des Odysseus, seiner treuen Gattin Penelopeia
und ihrem Sohne Telemachos, den ^göttUchen Sauhirten' Eumäos
und andere mehr untergeordnete Persönlichkeiten nicht zu ver-
gessen. Von diesem mythischen Glänze her haftet an der in der
*) Vgl. Ansted p. 254 s. Nach dem Glauben der Alten konnten auf
Ithake keine Hasen leben: Aristot. Hist. an. VIH, 27, 2; Antigen. Caryst.
Histor. mir. 11.
2) 'id-ccKT] =^Itvyirj (Utica) = p'Sni* '■colonla": vgl. Olshausen Rhein.
Mus. n. F. Vlir, S. 329.
1. Die westgriechischen Inseln: Ithake. 369
historischen Zeit durchaus unbedeutenden und fast nur als An-
hängsel der weit grössern Nachbarinsel Kephallenia erscheinenden
Insel ein romantisclier Schimmer, welcher die Augen alter und
neuer Geographen geblendet hat, so dass sie die homerischen
Schilderungen, Erzeugnisse der dichterischen Phantasie, in allen
Einzelheiten wiederzuerkennen geglaubt und nachzuweisen ver-
sucht haben, ein Bestreben, das bei den für den Ruhm ihrer
Ileimath und die Befriedigung der Neugier der Touristen besorg-
ten Einwohnern leichter zu entschuldigen ist als bei anderen.
Dass der Dichter sich die Stadt mit dem Hause des Odysseus
und mit dem tiefen Hafen unterhalb an der Nordwestseite der
Insel gelegen gedacht hat, zeigt die Erzählung von den Freiern,
welche dem von Süden her heimkehrenden Telemachos in dem
Sunde zwischen Ithake und Samos (Kephallenia) bei der kleinen
Insel Asteris auflauern, womit nur das kleine im spätem Alter-
thum Asteria, jetzt Daskalio genannte Felseiland, das einzige,
welches zwischen beiden Inseln liegt, gemeint sein kann. Frei-
lich verräth der Dichter gleich seinen Mangel an Ortskenntniss
durch die Schilderung dieses Eilandes als mehrere Häfen mit
doppeltem Eingange enthaltend, während es nur eine grössere
Felsklippe ohne Hafenbucht ist. ^) Schon daraus ergiebt es sich,
wie thöricht es ist, in den auf dem jetzt Aeto genannten Rücken
des Isthmos, also südwärts von jenem Eiland, erhaltenen Resten
einer alterthümlichen Befestigung, von welchen W. Gell eine rein
phantastische, völlig unwahre Restauration gegeben hat, den Palast
des Odysseus wiedererkennen zu wollen : dieselben gehören einem
kleinen Kastell an, welches den Namen Alkomenä oder Alal-
komenä führte.^) Die der Insel selbst gleichnamige Stadt der
0 Od S, 814 ff.; Strub. I, p. 59; X, p. 456; Stepli. Byz. u. 'AatfQiK.
Die Aniiulime alter Oeographon , rlasH die Insel im Laufe der Jalirhuii-
derte bedeutende Veränderungen erlitten habe, ist willkürlich, die Krji-
so'g (Hellas II, 2, S. 453 ff.), dass die jetzt Erisso genannte nördlichste
If/ilbinsel von Kephallenia einst eine besondere Insel, eben die homerische
Asteris gewesen sei, physisch unmöglich.
2) IstroH bei IMutarch. Quaest. gr. 43; Stepb. Uy/.. n. 'AXxofLSvai;
vgl. Apollodor. bei Strab. X, p. 467, der den Ort auf die Insel Astoria
versetzt (wenn dem nicht, wie die Worte to in uvuo xm ia&(im xBi(tE-
vov vcrmuthen lassen, ein Missvcrstilndniss Strabons zu («runde liegt),
lieber die Uuinon s. Goodisson Essay p. 122 ss.; Ansted p. 278 ss.; LeaKo
370 III. Die Inselwelt.
liistorischcii Zeit lag im nördlichen Tlieile der Insel unterhalb des
Berges von Oxoi auf dem Plateau zwischen der Bucht Phrikiäs
und der noch jetzt Polis genannten Bucht am südwestlichen Fasse
jenes Berges: hier finden sich noch Beste von Mauern und Thür-
men aus verschiedenen Epochen, Gräber, Vasenscherben, Ziegel-
slücke und einige spätere Inschriften, welche das Fortbestehen
der Stadt bis in die römische Zeit bezeugen. ') Der Dichter der
Odyssee scheint nun zwar von der Existenz und Lage dieser Stadt
eine freilich ziemlich unsichere Kunde gehabt, im Uebrigen aber
seine Schilderungen sowohl einzelner Theile der Stadt, wie na-
mentlich des Hauses des Odysseus, als auch anderer Oertlichkei-
ten auf der Insel, \^ie des Hafens des Phorkys mit der Nymphen-
grolte (die man in der kleinen gerade westlich von Valhy gelegenen
Bucht von Dexia v^iederfinden will) und der Quelle Arethusa nebst
dem Fels des Rorax (welche die einen an der Südostküste, die
anderen im Norden der Insel in der Nähe der Bucht von Phri-
kiäs suchen), frei nach Analogien anderer ihm bekannter grie-
chischer Gegenden erfunden zu haben. 2). Auch die angebliche
Northern Greece III, p. 34; Fr. Thiersch's Leben, herausgeg. von H. W.
J. Thiersch, Bd. II, S. 336; Hercher im Hermes I, S. 276.
^) Stadt und Hafen erwähnt auf Ithake Scyl. Per. 34; drei Häfen
Dionys. Calliph. Descr. Gr. 52; die der Insel gleichnamige Stadt Ptolem.
III, 14, 13; Cic. De orat. I, 44, 196. Inschriften C. I. gr. n. 1925 ff.;
vgl. Addenda Vol. II, p. 988 (von n. 1926, einer Stele des Museum Nania-
num, auf welcher die von Xenoph. Anab. V, 3, 13 mitgetheilte Inschrift
wörtlich wiederholt ist, ist mir nicht nur die Provenienz, sondern auch
die Aechtheit sehr zweifelhaft). Ueber die antiken Reste bei und ober-
halb der Bucht Polis Leake a. a. O. p. 46 ss. und Ansted p. 246; über
die näher nach der Bucht von Phrikiäs zu, oberhalb der Bucht Aphales
gelegenen, jetzt mit dem seltsamen Namen der ^Schule des Homer' be-
zeichneten Mauerreste (eher von einem Wartthurm als von einem Tempel)
Ansted p. 238 ss. (mit Grundplan und Skizzen einiger Mauerstücke).
^) ^OQTivvog Xl(17]v und avxQOv Nv(i(pcc(ov Od. v, 96 ff. und 345 ff.,
vgl. schol. zu V. 96, woraus man sieht, dass Oertlichkeiten an verschie-
denen griechischen Küsten nach Phorkys benannt wurden, wie ja auch
Nymphengrotten fast überall in Griechenland vorkommen. Ueber die Bucht
von Dexia mit der angeblichen Grotte s. Ansted p. 260 ss. ; Hercher Her-
mes I, S. 277 ff. KoQdyiog nstQT] und ngrjvrj 'Agsd^ovaa Od. v, 408 (bei-
des öfter wiederkehrende Berg- und Quellnamen) : über die dafür gehal-
tenen Oertlichkeiten s. Ansted p. 245 s. und p. 265 ss. Die Tradition,
nach welcher Schliemann einige Weinberge am Meeresufer in der Nähe des
Dorfes Hagios loannis, l*/? Stunde von Levki als ctyqog Äcceqtov bezeieb-
1. Die westgriechischen Inseln: Kephallenia. 371
Ortschaft Polyktorion ist jedenfalls nur eine Erfindung antiker
Grammatiker aus der Stelle der Odyssee, in welcher Ithakos,
Neritos und Polyktor als Erbauer des Stadtbrunnens von Ithake
genannt werden. ^)
Die westliche Nachbarinsel Ithake* s, in der ältesten Zeit mit ^^v^\^^-
dem orientalischen Namen Samos oder Same, spater nach dem
Volksstamme der Kephallenen, welche schon die homerischen Ge-
sänge als ihre Bewohner kennen, Kephallenia (italiänisch Ce-
falonia) benannt, ^j an Umfang (16,39 Quadratmeilen) die bedeu-
tendste unter den sogenannten ionischen Inseln, besteht aus einer
compacten Masse meist gebirgigen Landes, an welche zwei schmä-
lere, ebenfalls bergige Landzungen angehängt sind: die eine gegen
Norden gerichtet, jetzt Halbinsel von Erissos genannt, deren vielfach
ausgezackte Ostküste der Westküste von Ithake parallel läuft; die
andere von der Nordwestecke der Insel gegen Süden vorgeschoben,
noch jetzt nach der antiken Stadt Pale, deren Gebiet sie bildete,
Paliki genannt. Zwischen der Ostküste dieser letzteren und der
Hauptmasse der Insel zieht sich der tiefe Golf von Argostoli hin,
welcher an seiner Südostseite bei der Stadt, der er seinen Namen
verdankt (der jetzigen Hauptstadt der Insel), einen trefflichen Hafen
darbietet. Eine weitere, aber weniger tiefe Bucht, die Bucht von
Samos (nach dem nahe bei den Ruinen der alten Stadt Same gelege-
nen Dörfchen Samos benannt) , öffnet' sich gegen Nordosten an der
net wurden (Tthaka S. 37), dürfte wohl ziemlich neuen Ursprungs sein.
Einen schlagenden Beweis dafür, wie bis in die neueste Zeit auf Ithaka
angebliche Traditionen erfunden werden, giebt was Ansted p. 276 berichtet:
das Stück eines von französischen Ingenieuren auf dem Gipfel des Neritos
errichteten kleinen Thurmes (Steinpyramide?) wurde ihm als der Platz
gezeigt, wo die Mutter des Odysseus plötzlich ihres Sohnes genesen sei.
*) Od. Q, 207 c. schol.; Etym. M. p. 681, 44.
*) Zdfiog II. B, 634; Od. S, 671 u. ö.; Zufirj Od. a, 246 u. ö.; vgl.
Strab. X, p. 453, über die Bedeutung des Namens dens. VIII, p. 346.
Anderer alter Name Melaena nach PHn. IV, 12, 54. Für KfcpaXXrivfct
(lateinisch Cephallenia; für die Schreibung mit XX vgl. P'ustath. ad
Dionys. Per. 431) geben bei Procop. De hello Goth. TU, 40 p. 452 ed.
Dindorf die besten Codd. KsrpaXtovCa. Vgl. über die Insel Boeskow Die
Insel Cephalonia, Berlin 1860; Ooodisson Essay p. 130 ss.: Leako Northern
Greece III, p. 55 88.; Ansted p. 293 ss. Die Schrift von El. Zervos Ja-
kovato« £vXXoyrj dQXcn-oXQyinav Xsitlxxvojv r^f vjjoov KupalXrivCctf:,
Kephallenia 1861, ist mir nicht zugänglich.
372 lir. Die Inselwelt.
Oslseite der Insel; eine noch belrächllich weitere an der Nord-
s»'ite, jetzt nach dem auf einem Vorsprung der Westküste der
Halbinsel erbauten Kastell Assos (dessen Name vielleicht aus dem
Alterthum stammt, wie auch Erissös auf ein antikes Eresos zu-
rückweist) der Golf von Assos genannt. Die vielfach von frucht-
baren Thälern und Hochebenen unterbrochenen Gebirge erheben
sich am mächtigsten im südöstlichen Theile der Insel in der von
Nord nach Süd fast zwei Meilen langen, im Osten durch das Thal
von Rakli (dessen Name wohl auf ein antikes Ilerakleia oder
Ilerakleion zurückzuführen ist), ^) von dem weit niedrigeren Berg-
zuge der Südostküste getrennten Kette des Aenos, jetzt Elato-
vuno oder von den Italienern Monte nero genannt nach den jetzt
freilich durch Abholzung und durch Waldbrände sehr gelichteten
Tannenwäldern, welche besonders die Westseite des Gebirges be-
decken, dessen höchster Gipfel eine Höhe von 1620 Meter er-
reicht. Auf einer nur wenige Fuss niedrigeren, etwas weiter
östlich gelegenen Kuppe findet man noch einige Trümmer von
dem Altar des Zeus Aenesios und zahlreiche Fragmente calcinirler
Knochen von den dem Gotte hier dargebrachten Opfern. 2) Ein
niedrigerer Höhenzug, über welchen die Strasse von Argostoli
nach der Bucht von Samos hinüberführt, verbindet den nördlich-
sten Theil dieser Kette mit dem ungefähr in der Mitte der Insel
gelegenen 1133 Meter hohen Berge Hagia Dynati, der durch ein
ziemlich breites Thal von dem gegen Südwesten gelegenen Berge
Xerakia (1067 Meter hoch) und den gegen Nordwesten vorge-
schobenen Bergen Kardakata (996 Meter) und Aterra (520 Meter:
denselben Namen trägt das nordwestlichste Vorgebirge der Insel)
getrennt wird. ^) Unbedeutender sind die Höhen an der Süd-
westküste der Insel und auf den Halbinseln Erissos und Paliki.
Die Abhänge aller dieser Berge sind wohl angebaut, hauptsäch-
*) Auf Münzen der Stadt Pronnoi, zu deren Gebiet dieses Thal ge-
hörte, ist auf dem Revers eine Keule in einem Lorbeerkranze, auf dem
Avers ein jugendlicher männlicher Kopf mit kurzem Haar (vielleicht des
Herakles) abgebildet: s. Postolakas KatdXoyog p. 97, n. 953 und 958.
2) Strab. X, p. 456; schol. Apoll. Rhod. B, 297; vgl. Austed p. 341 ss.
Der lorbeerbekränzte Kopf des Zeus erscheint auf Münzen von Pronnoi,
deren Revers einen Tannenzapfen zeigt: Postolakas a. a. O. n. 954 fF. jj
^) Welchem dieser Berge der von Steph. Byz.- u. Bccicc überlieferte,
ebenso wie der des italischen Baiae auf einen Steuermann des Odysseus,
Batog, zurückgeführte Name Bäa zukommt, ist nicht zu bestimmen.
1. Die westgriechischen Inseln: Kephallenia. 373
lieh mit Wein- und Korinthenpflanznngen, welche die wichtigsten
Ausfuhrartikel liefern; ausserdem wird Oel, Südfrüchte, Getreide
(jedoch nicht ausreichend für den Verbrauch der Bevölkerung),
Baumwolle und Seide gebaut; auch Ziegen- und Schafheerden
sind in ziemlicher Anzahl vorhanden.^) Flüsse hat die Insel gar
nicht, sondern nur eine Anzahl Bache, deren Wasser während
der Sommermonate fast völlig versiegt. Im südöstlichen Theile
der Insel, nicht weit von den Ruinen der Stadt Pronnoi, befindet
sich ein jetzt Avathos genannter kleiner Bergsee von sehr ge-
ringem Umfang, aber beträchtlicher Tiefe; ein kleiner Bach, der
eine beträchtliche Anzahl Mühlen treibt, fliesst aus demselben dem
Meere zu. Auf der Halbinsel Paliki entspringen nördlich und
südlich von dem Städtchen Lixuri starke Schwefelquellen, wahr-
scheinlich Ueberreste alter vulkanischer Thätigkeit, auf welche
wohl auch die Erdbeben, von welchen die Insel häufig heimge-
sucht wird (eins der verheerendsten war das vom Jahre 1867)
zurückzuführen sind.^)
In politischer Beziehung bildete die Insel im Alterthum, ab-
gesehen von der mythischen Zeit, wo sie als von Lehensfürsten
unter der Oberhoheit des Odysseus beherrscht erscheint,^) eine
Tetrapolis, d. h. sie war unter vier Städte (Same, Pronnoi, Krane
und Pale) getheilt, von denen jede ihr eigenes Gebiet hatte, ihre
eigenen Münzen prägte und ihre eigene auswärtige Politik verfolgte,
wie zum Beispiel nur die Paleer am Kampfe gegen die Perser
Antheil nahmen:^) ob dieselben trotzdem durch ein politisches
') Getreide wurde im Alterthum besonders in der Gegend von Pale
(auf der Halbinsel Paliki) gebaut : Polyb. V, 3. Von den Ziegen der Insel
gieng die Sage, dass sie 6 Monate hindurch nicht saufen: Aelian. De anim.
lil, 32.
*) Der Bach, auf dessen einer Seite es nach Aristot. Hist. an. VIII,
27, 1 (vgl. Antigon. Hist. mir. 3; Aelian. De an. V, 9) Cicaden gab, auf
der andern nicht, ist wahrscheinlicli der ungefähr in der Mitte der Insel
in die Bucht von Saraos fiicssende. See "Aßad^og: Goodisson ICssay j). 147 s.
(der aß^ai)^og schreibt); Ansted p. 352 Schwefelquellen: Ansted p. 363 ».
Erdbeben: derselbe p. 3G8 s.; über das vom Jahre 18G7 besonders FouquiJ
in den Archives des missions scientifiques, II. s(^rie, t. IV, p. 445 ss.
") 11. ß, 634; Od. a, 246; über die .sonstigen die Insel betreffenden
Sagen vgl. Heeskow 8. 25 f.
■•) Ilcrod. IX, 28; rftganoUi Thiik. II, 30; Strab. X, p. 463; die
Namen der 4 Städte wurden nach htepli. Wyz. u. Kgavioi (vgl. Etym. M.
p. 507, 20 ff.) von 4 Söhnen des Kcphalos (Pronos, Suinos, Peleus >m4
374 111. Die Inselwelt.
oder wenigstens durch ein religiöses Band mit einander verbun-
den waren, wissen wir nicht. Daher hat auch die Insel im Al-
terthum niemals eine irgend bedeutende politische Rolle gespielt.
Im zweiten Jahre des peloponnesischen Krieges genügte das Er-
scheinen einer athenischen Flotte, sie zum Anschluss an Athen zu
bewegen, dem sie wenigstens bis zum Ende der syrakusanischen
Expedition treu zur Seite stand. Dem neuen athenischen See-
bunde vom Jahre 378 v. Chr. trat von den vier Städten nur
Pronnoi bei; die übrigen waren wenigstens im Jahre 373 den
Athenern feindhch. ^) Als Mitglied des ätolischen Bundes war die
Insel sowohl wegen ihrer Lage als wegen der Schiffe, welche sie
stellen konnte, für die Aetoler von grosser Wichtigkeit, daher
Philipp V. von Makedonien im Jahre 218 v. Chr. einen freiUch
misslungenen Versuch machte, sich derselben zu bemächtigen. ^j
Beim Friedensschluss der Aetoler mit den Römern im Jahre 189
wurde die Insel vom Frieden ausgeschlossen, unterwarf sich aber
ohne Kampf dem M. Fulvius Nobilior, als er mit einem Heere
landete; nur die Bewohner von Same zogen, aus Furcht von den
Römern aus ihrer Stadt vertrieben zu werden, ihre Unterwerfung
alsbald zurück und leisteten dem Fulvius vier Monate lang einen
hartnäckigen Widerstand, den sie mit Plünderung ihrer Stadt und
Verkauf in die Sclaverei büssen mussten. ^) Die Insel wurde
von den Römern für frei erklärt, war aber durch die Kriegs-
zeiten so heruntergekommen, dass G. Antonius M. f., der Col-
lege Cicero's im Consulat, welcher als Verbannter in den Jahren
59 — 55 V. Chr. daselbst lebte, wie in seinem Privateigenthum
schalten und walten könnte.^) Hadrian schenkte die Insel den
Kranios ) hergeleitet. Dass bei Demosth. in Zenothemin p. 884 ( vgl.
p. 886 u. 888) OL ccQXOVzsg ot iv KscpcxXlrjvicc, also gemeinsame (richter-
liche) Beamte für die ganze Insel erwähnt werden, beruht wohl auf einer
Ungenauigkeit des Redners, der den Namen der Insel statt den einer ein-
zelnen Stadt derselben nennt.
1) Thuk. II, 30; 33; III, 94; VII, 57. Inschr. bei ßangabe Ant.
Hell. n. 381 bi« (Vol. II, p. 373). Xenoph. Hell. VI, 2, 33 und 38.
2) Pülyb. IV, 6; V, 3. Aufschrift AITSlASiN auf einer Münze von
Krane: Postolakas KccraXoyog p. 93, n. 924.
3) Polyb. XXII, 13; 15; 28; Liv. XXXVIII, 11 und 28 f.
4jCephalenialibera Plin, IV, 12, 54. Ueber G. Antonius Strab. X,
p. 455. Eine ähnliche dominirende Stellung scheint G. Proculeius, der
Freund des Augustus, in der Stadt Krane eingenommen zu haben, da sein
1. Die westgriechischen Inseln: Kephallenia. 375
Athenern. ^) Im spätem Alterthum, dem Mittelalter und der neue-
ren Zeit hat dieselbe im Wesentlichen dieselben Schicksale gehabt
wie die übrigen ionischen Inseln.
Unter den vier Städten war in der älteren Zeit die bedeutendste
die mit dem ursprünglichen Namen der Insel selbst Same benannte,
an der Südostseite der Einbuchtung in der Mitte der Ostköste (der
jetzigen Bucht von Samos) gelegene, deren Gebiet die nördlichere
Hälfte des östlicheren Theils der Insel umfasste. Die Oberstadt oder
Akropolis nahm zwei kegelförmige, durch eine tiefe Schlucht ge-
trennte Hügel ein, auf denen sich noch jetzt sehr stattliche Mauer-
reste erhalten haben, bestand also aus zwei Burgen, von denen die
kleinere (südwestlichere) den Sondernamen Kyathis führte; die
Unterstadt zog sich von da westwärts bis unmittelbar ans Meer
(das, da man noch verschiedene antike Reste unter dem Wasser
bemerkt, seit dem Alterthum etwas weiter ins Land eingedrungen
sein muss) hin. Als Hauptgöttin wurde, wie die Münzen zeigen,
Athene verehrt. Die Angabe Slrabon's, dass die Stadt zu seiner
Zeit nicht mehr bestehe, sondern nur Spuren von ihr erhalten
seien, muss entweder auf einem Irrthum (Verwechselung der da-
mals wahrscheinlich nicht mehr benutzten Oberstadt mit der Unter-
stadt) beruhen, oder wir müssen eine Erneuerung der Stadt nach
dieser Zeit annehmen, da die noch erhaltenen Reste der Unterstadt
(Gebäudefundamente, Mosaiken, Ziegel und dergleichen) fast durch-
gängig der römischen Zeit angehören: vielleicht ist die Stadt da-
mals auch nicht mehr mit ihrem alten Namen, sondern mit dem
der Insel, Kephallenia, bezeichnet worden. 2)
Zum Gebiete der Stadt gehörte jedenfalls auch der Ilhake
Name auf Münzen derselben erscheint: Postolakas KaTccXoyog p. 93 s.
n. 925 SS.
') Cass. Dio LXIX , 16. Da in der Inschrift einer von den Bewoh-
nern von Pale dem Hadrian in Atlien errichteten Khrenstatue (C. I. gr.
n. 340) diese Stadt sich als iXsvd-SQa xal avtovo^og l)czcichnet, so war
die Schenkung entweder eine blosse Formalität oder, was mir wahrschein-
licher ist, die Halbinsel Paliko davon ausgenommen.
') Liv. XXXVIII, '29; über die Ruinen Lenke j). fiö s. ; Goodisson
Kssay p. 149 SS. ; Ansted p. 296 ss. Münzen: Postolakas KardXoyog p. 98 ss.;
darnach hicssen die Bewohner £a[iaCoij wie auch Thuk. II, 40 u. Strab. X,
p. 455 angeben. KBcpaXrivia vrjOog mit o^tovv^iog noXig: Ptol. III,
14, 12. Plin. IV, 12, 57 sagt von der Insel: 'Same diruta a Romanis
adhuc taiiien oppida tria habet'.
376 in. Die Inselwelt.
gegenüber, also am nördliclieren Tlieile der Ostki'iste, gelegene
Hafen Panorrnos: wahrscheinlich der zunächst unter der Nordost-
spitze der Insel, welcher nach dem Normannen Robert Guiscard,
der am 17. Juli 1085 hier seinen Tod fand, Porto Viscardo ge-
nannt wird. ^)
Die südlichen Nachbarn der Samäer waren die Pronnoi, de-
ren Gebiet sich wahrscheinlich vom nördlichen Ende der Aenos-
kette bis zur Sudostspitze der Insel erstreckte. Die an Umfang
unbedeutende, aber von Natur sehr feste Stadt, von welcher noch
einige alterthümliche Mauerreste erhalten sind, lag auf einem
Hügel östlich über dem Thale Rakli, zwischen den jetzt Porös
(nach einem engen Bergspalt, durch welchen das Wasser aus dem
Thale Rakli dem Meere zufliesst) und Limenia genannten kleinen
Buchten. 2) Ruinen einer anderen alten Stadt (Beste eines kleinen
Tempels aus Tuffstein von später Bauart, römischer Bäder, Mo-
saikfussböden u. dgl.) finden sich im südlichsten Theile des Ge-
biets von Pronnoi bei dem Dörfchen Skala nahe der Südostspitze
der Insel: wahrscheinlich Beste der Stadt, welche G. Antonius
während seines Aufenthalts auf der Insel (s. oben S. 374) anlegte,
die aber nie bewohnt worden zu sein scheint, da er nach Bom
zurückkehrte, bevor der von ihm behufs der Bevölkerung seiner
neuen Gründung beabsichtigte Synoikismos zu Stande kam.^)
^) Porphyr. De antro nymph. 4; Anthol. Pal. X, 25. lieber Robert
Guiscard Hopf Allg. Encycl. S. I, Bd. 85, S. 144.
2) Dass UgawoL die officielle Schreibung war, zeigen die Münzen
mit der Inschrift TIPSINNSIN (Postolakas KcczaXoyog p. 97) und die
Inschrift bei Rangabe' Ant. Hell. n. 381 '''^ Bei Schriftstellern variirt
die Schreibung zwischen TIqovvol (Polyb. V, 3), Ugowatoi (Thukyd. 11,
30), nqavLoi (Lycophr. Alex. 791), TIqovooi (Etym. M. p. 507, 30) und
UQCovrjüog (Strab. X, p. 455). Liv. XXXVHf, 28 nennt neben den Gra-
nu, Palenses und Samaei statt der Pronni die Nesiotae, welche
manche neuere Geographen für die Bewohner der kleinen Halbinsel As-
.'■os (vgl. oben S. 372) halten; allein die Zusammenstellung derselben mit
den drei übrigen Städten der Tetrapolis nöthigt uns, darin nur eine wahr-
scheinlich auf einen Irrthum des Schriftstellers zurückzuführende Variante
für Pronesiotae (von der Form UgcovriGog) zu sehen. Ueber die Reste
der Stadt vgl. Goodisson p. 146 ss.; Ansted p. 370.
') Strab. X, p. 455; über die Ruinen Goodisson p. 141 ss., der pl. VIII,
fig. 3 das jetzt als Altar in einer kleinen in der Nähe der Ruinen lie-
genden Capelle benutzte Stück einer Säule mit ionischer Canelirung, do-
rischem Capital und achteckigem Abacus abgebildet hat; vgl. den Be-
1. T)ie westgriechisclien Inseln : Kephallenia. 377
Die westliclio Flälftc der Insel war zwischen die Städte Krane
und Pale in der Weise gellieilt, dass erstere den westlicheren
Theil des Ilanptkörpers der Insel (vom westlichen Ahhange des
Aenosgehirges und seiner nördlichen Forlsetzung his zum Golf
von Argosloli), letztere die noch jetzt nach ihr benannte Halbinsel
Paliki besass. Die Ruinen von Krane oder, wie die Stadt ge-
wöhnlich genannt wird, Kranioi^) liegen ungefähr eine Stunde öst-
lich von Argostoli auf zwei steilen, durcli einen Einschnitt, in
welchem man noch einen wohlvertheidigten Eingang der Stadt
erkennt, getrennten Hügeln. Die zum grössten Theil aus mäch-
tigen länglich-viereckigen, an einigen Stellen aus polygonen Werk-
stücken erbaute Ringmauer ist noch in ihrem ganzen Umfang
von etwa einer Stunde zu verfolgen. In dem Thale nordöstlich
von der Stadt, durch welches der Weg nach Same führte, finden
sich noch Reste einer langen, durch zahlreiche viereckige Thürme
verstärkten Mauer, welche olTenbar zum Scliutze der Stadt und
ihres Gebiets gegen feindliche Einfälle von Same her bestimmt
war. Die ziemlich unbedeutenden Ruinen von Pale'-) liegen etwa
72 Stunde nördlich von der durch das Erdbeben vom Jahre 1867
schwer heimgesuchten Stadt Lixuri auf einem Hügel nahe der
Ostküste der Halbinsel PaUki. Die im Jahre 218 v. Chr. von
Philipp V. von Makedonien vergeblich belagerte und berannte
Stadt, in weicher nach den Münzen besonders Demeter und der
rieht über die Entdeckung des Tempels durch Major Du Bosset aus einer
zakynthischen Zeitschrift bei Holland Travels p. 533 s.
1) Die Münzen (Postolakas Karocloyog p. 91 ss.) tragen die Auf-
schriften KRAN oder KPA (letzteres bisweilen in einem Monogramm),
bisweilen aber auch die (verschieden zusammengestellten) Buchstaben
K und H, welche auf die Form Kgarrj führen. Kquvloi.: Thuk. II, 30
und 33; V, 35; Strab. X, p. 455 f. Cranii Liv. XXXVIII, 28. Ueber die
Kuinen Goodisson p. 161 ss. ; Leake p. GOss.; Anstcl ]). 328 ss.
') Für die Form Udlr] (schol. Thuk. I, 27) zeugt d;is Kthuikon TIcc-
Xfig {UalBLg), womit die Stadt gewöhnlich bezeichnet wird; Herod. IX,
28; Thuk. I, 27; II, 30; Paus. VI, 15, 7; Strab. X, p. 456 (nach diesen
beiden Stellen identificirte Pherekydes das Gebiet der Stadt mit dem ho-
merischen Dulichion); C. I. gr. n. 340. 'H ßovXij xofl o Srifiog Tla-
XiCiov C. I. gr. n. 1929. '/f rcov TlaXcciitov noXig Polyb. V, 3 u. ö.
Palenses Liv. XXXVIII, 28. Münzen: Poutolakas KazdXoyog p. 94 ss.
Kuinen: Lenke p. 64 s. — lieber den von Antonin. Lib. Transfonn. 40
(vgl. Herakleid. Pol. 17) erwähnten Cult der Artemis Laphria auf Kephal-
lenia iat nichts weiter bekjinut.
BÜBSUN, GEüOB. IL 20
r>78 TIT. Die Inselwelt.
II(iros Keplialos vereint wunleii, erslreckle sich gegen Osten l)is
ans Meer, südwärts iiher den Fnss des gegen Norden nnd Westen
steil abfallenden Hiigels hinaus in die Ebene.
Die Anführung einer Stadt Taphos auf Kephallenia^) scheint
auf einer blossen Verwechselung dieser Insel mit der Insel Taphos
zu beruhen.
Nahe der Südküsle der Insel liegen einige ganz kleine un-
bewohnle Inseln, unter denen die jetzt (luardiana genannte, süd-
westlich vom Eingang des Golfs von Argostoli gelegene die be-
deutendste ist; südwestlich von dieser, westlich vom Cap Liaka
liegt eine kleinere, Panagia ston Dia oder auch Dias genannt, welche
ein Kloster und Reste eines alten Bauwerkes trägt; nordöstlich
von dem genannten Cap die noch kleinere S. Danista. Ob einer
dieser Inseln der von Plinius überlieferte Name Letoia zu-
kommt, 2) ist bei der Unzuverlässigkeit der geographischen An-
gaben dieses Schriftstellers nicht zu entscheiden.
zakynthos. Dic südUchstc der grösseren westgriechischen Inseln, Za-
kynthos^) (von den Italiänern in Zante entstellt), drei Stunden
südlich von Kephallenia (die Entfernung vom Gap Skala, dem
südlichsten Punkte dieser Insel, nach dem Cap Schinari, dem
nöi'dlichsten Punkte von Zakynthos, gerechnet)/) gegen fünf Stun-
^) Steph. Byz. u. Tcccpog.
2) ^Ante Cephaleniam Letoia' Plin. IV, 12, 55. Kiepert hat diesen
Namen der jetzt Guardiana genannten Insel beigelegt.
^) Vgl. über die Insel Dodwell Class. n. topogr. Reise I, 1, S. 104 ft\
Holland Travels p. 11 ss.; Goodisson p. 168 ss.; Ansted p. 379 ss.; über
die Geschiclite der Insel TT. Xicoti^g '^Igzoql'acc ccTroiivr^fiovsviiccrcc r^g
vrjaov Za^vvd-ov, 2 Bände, Corfu 1849 und 1858. Die Schrift von B. M.
Remondini De Zacynthi antiquitatibus et fortuna, Venedig 1716, steht
mir nicht zu Gebote. Der von den Alten von Zakynthos einem Sohne
des Dardanos abgeleitete Name (vgl. Dionys. Hai. A. r. I, 50; Paus.
VIII, 24, 3; Steph. Byz. u. Zdyivv&og) wird von G. Curtius (Grundzüge
der griech. Etymol. II, S. 189 d. 1. Aufl.) als = diccy,civd-og (reich an
Acanthus) erklärt, schwerlich mit Recht, da diese Pflanze durchaus nicht
für die Vegetation der Insel charakteristisch ist. Jedenfalls ist der Name
mit den Bergnamen Kvvd'og und 'ÄQCcyivvd'og zusammenzustellen, deren
Bedeutung uns unklar ist. Aeltester Name Hyrie nach Plin. IV, 12, 54.
Der Name Zante findet sich meines Wissens zuerst in den ^ludicum
Venetorum in causis piraticis contra Graecos decisiones' vom Jahre 1278
(Tafel und Thomas Urkunden III p. 242: ^super Zanto').
"*) Strab. Xjvp. 458 giebt die Entfernung richtig ^ auf 60 Stadien an;
1. Die westgriechisclien Inseln : Zakynthos. 379
den westlich vom eleischen Vorgebirge Chelonatas gelegen, liat
bei einer Lange von ungefähr 872 ^^"t^ einer durchsclmittlichen
Breite von etwa 4 Stunden einen Flächeninhalt von ö'/a Q. -Meilen
und etwa 45,000 Einwohner. Der westUchere und nördlichste
Theil der Insel wird von einer fortlaufenden Gebirgskette einge-
nommen, welche in ihrem nördlicheren Theile in dem jetzt Vra-
chiona (oder auch Ilieri) genannten Berge die bedeutendste Höhe
(760 Meter) erreicht und gegen Nordosten in dem spitzen Cap
Schinari endet. Oestlich von dieser Kette öffnet sich eine weite
Ebene, welche im Osten durch eine Reihe niedriger Hügel vom
Meere getrennt, im Sudosten durch eine vereinzelte, jetzt Skopos
(Warte) genannte Bergmasse, welche sich bis zur Höhe von 458
Meter erhebt, begränzt wird: ob diesem Berge oder der west-
licheren Kette der antike Name Elatos zukommt, ist nicht mit
Sicherheit zu bestimmen. ') Zwischen dem südlichsten Ausläufer
des Skopos (jetzt Cap Hieraka) und dem südlichen Ende der
westlichen Bergkette (jetzt Cap Chieri) tritt die Küstenlinie be-
trächtlich gegen Norden zurück und bildet eine halbmondförmige
Bucht (jetzt Bucht von Chieri genannt), in welcher zwei kleine
unbewohnte Inseln, deren antike Namen wir nicht kennen — die
etwas grössere westlichere wird jetzt Marathonisi, die östlichere
Peluso genannt — liegen: diese Bucht könnte einen trefflichen,
sehr geräumigen Hafen abgeben, während sonst die Küsten der
Insel, abgesehen von der kleinen Bucht an der Nordseite des Berges
Skopos, an welcher die Hauptstadt liegt, fast ganz hafenlos sind.
Die im Alterthum bewaldeten Berge 2) sind jetzt ziemlich kahl
die Angabe des Plin. a. a. O. 'Cephaleniae a meridiana parte XXV m.
;ilj(;st' trifft ungefähr auf die Lage der Stadt Zakyntlios zu.
') Plin. a. a. O. : 'Mons Elatus ibi nobilis': die meisten neueren Geo-
graphen beziehen den Namen auf den Berg Skopos, weil dieser durcli
seine isolirte Lage bedeutender erscheint als die Berge der westliclieu
Kette; allein dies ist kein entscheidender Grund. Nach Chiotis I, p. 17G s.
wären in einer Capellc der Skopiotissa auf dem Skopos Steine mit der
Inschrift 'AQtt^idi. eingemauert und bei einer benachbarten Capellc des
li. Nicolaos Säulen und andere Architckturfragmente erhalten, was, wenn
CS richtig ist, allerdings auf das Vorhandensein eines Tempels der Arte-
mi« schliessen lässt. Auch NriXXos oder NfiXXov (Inschr. bei Kangabc
Antiq, hellen, n. 381'''") scheint der Name eines Berges auf der Insel
zu sein.
•) ZccHvv&og vXrjsig und vXrJ8aac( Od. a, 216; t, 24; jr, 123; darn.u li
26*
380 III. Die Inselwelt.
und an ilnen westlichen Abhängen tlieils ohne (^ullnr, tlieils mit
(•etreido hel);uit, für dessen Anhau das rauhere Klima des west-
lichen Theiles der Insel sich besonders eignet; die östlichen Ab-
hänge dagegen, die äusserst fruchtbare Ebene, und die Hügel der
Ostküste machen durch die sorgfältige Cultur, die zahlreichen
Dörfer und Landhäuser, welche sie bedecken, einen sehr an-
muthlgen und reichen Eindruck, welcher in der bekannten Be-
zeichnung der Insel als der lUüthe des Ostens (Zante fior di Le-
vante) sich widerspiegcilt. Die wichtigsten Ausfuhrartikel sind
Wein,') Korinthen, Oel und Südfrüchte; ausserdem wird auch
Seide, Seife und Salz für den Export bereitet. Eine besondere
Merkwürdigkeit der Insel sind die ganz nahe der Südweslküste,
nordöstlich von dem Cap Chieri befindlichen Quellen flüssigen
Erdpechs, welche im Alterthum mehrere Teiche bildeten, darun-
ter einen von 70 Fuss Umfang und 2 Klaftern Tiefe, 4 Stadien
vom Meere, aus welchem man das Pech Vermittels eines an eine
Stange gebundenen Myrthenbüschels herausfischte und in eine in
der Nähe gegrabene Grube sammelte. Heutzutage findet man in
der sumpfigen, von zahlreichen A*bzugsgräben durchzogenen Nie-
derung mehrere kleine Brunnen, von denen der grösste, aus
welchem* das in grossen Blasen unter der Obei-fläche des Wassers
aufquellende Erdpech mit Eimern herausgeschöpft wird, einen
Durchmesser von ungefähr 8 Fuss und eine Tiefe von 3 Fuss
hat; in der Nähe bemerkt man einen von den Ucberresten einer
antiken Mauer umgebenen kreisförmigen Platz von bedeutenderem
Umfang, der zwar mit Erde ausgefüllt ist, aber noch mehrere
Löcher von beträchtlicher Tiefe zeigt, also wahrscheinlich die
Stelle des Sees, aus welchem im Alterthum das Erdpech gewon-
nen wurde, einnimmt. Ein ähnliches Phänomen findet sich am
nördlicheren Theile der Ostküste der Insel : in einer nur von der
See her zugänglichen, bis zu beträchtlicher Tiefe von Wasser er-
füllten Grotte quillt ein eigenthümliches mineralisches -Oel oder
^nemorosa Zacynthos' Vergil. Aen. I, 270; vXcodrjg [isv sv-nagnog Si Strab.
X, p. 458; der Name Elatiis weist deutlich auf Tannenwaldungen hin.
0 Nach Athen. T, p. 33^ wurde der Wein im Alterthum auf Zak3^n-
thos und Leukas mit Gips versetzt, jedenfalls zum Behuf des Exports.
Nach Plutarch. Quaest. nat. 10 wurde auch anderwärts zakynthischer
Gips zu diesem Zwecke benutzt. — Von officinellen Pflanzen wuchs be-
sonders Eisenhut {cc'novt.rov) auf der Insel: Theophrast, Hist. pl. IX, 16, 4,
1. Die westgriechischen Inseln: Zakynthos. 381
Fett empor. Beide Erscheinungen mögen auf vulkanische Kräfte
zurückzuführen sein, mit welchen auch jedenfalls die häufigen
Erdbeben, von welchen die Insel heimgesucht wird, zusammen-
hängen. ^)
Die ältesten Bewohner der Insel scheinen Arkader vom Stamme
der Azanen gewesen zu sein. Sodann wurde die Insel von den
peloponnesischen Achäern, offenbar als Station für ihre Coloni-
salioiisfahrten nach ünteritalien, in Besitz genommen und colo-
nisirt,^) hat sich aber wohl bald vom Mutterlande unabhängig
gemacht. Von der bedeutenden Entwickelurig ihres Handels zeugt
die Anlage einer Colonie in Kydonia auf Kreta, aus deren Besitz
sie freilich durch die Samier vertrieben wurde. ^) Im Jahre 456
v. Chr. wurde die Insel durch Tolmides zum Anschluss an Athen
genölhlgt, unter dessen (nicht tributpflichtigen) Bundesgenossen
wir sie auch während des peloponnesischen Krieges finden. '^j
Nach dem Ende des Krieges kam durch Sparta's Einfluss die oli-
garchische Partei ans Buder und vertrieb die Demokraten; als
aber Athen wieder erstarkt war, kehrten diese mit Hülfe Athens,
dessen neuem Seehunde sie beitraten, zurück, setzten sich in
einem festen Platze nahe der Küste am Berge Nellos, welchen
sie Arkadia nannten, fest und befehdeten von da aus die in
der Hauptstadt herrschende, von den Spartanern untei*stützte Par-
*) lieber die Erdpechquellen im Alterthum s. Herod. IIF, 195; vgl.
Vitruv. VIII, 3, 8; Antigon. Hist. mir. 153; Dioscor. De mat med. I, 99;
Plin. XXXV, 15, 178; über die jetzigen Quellen Dodwell Chiss. u. top.
Keise I, 1, S. 109 f.; Goodisson p. 172 8.; Chiotes I, p. 18 ss.; Holland
p. 18 8.; Ansted p. 407 ss.; über die Mineralölquelle in der Grotte Dr. Davy
bei Ansted p. 390 ss. Erdbeben: Goodisson p. 176 s.; Ansted p. 415 ss.;
Chiotes p. 24 ss.
2) Für arkadische Bevölkerung (aus Psophis) sprechen ausser der von
Paus. VIII, 24, 3 berichteten Sage die Ortsnamen P.sophis und Arkadia.
II. B, 631 wird die Insel zu den von den Kephallcnon bewohnton, von
Odysseus beherrschten Landschaften gezählt. Die Angabe des Bocchus
bei Plin. XVI, 40, 216, das« Sagiintuin in Ilispanien (griechisch Zuhvv-
d-og) 200 Jahre vor der Zerstörung Troia's von der Insel Zakynthos aus
},'('.gründet worden »ei (vgl. Strab. 111, p. 169; Liv. XXI, 7,\ ist eine leere
etymologisch genealogische Klügelei. Colonisafion von Achaia aus:
Thukyd. II, 66.
») Mcrod. III, 59.
*) Diod. XI, 81; Thukyd. II, 66; VII, 67; Arlstoph. Lys. 894 c. schol.
382 in. Die Inselwelt.
leiJ) Spiilcr kam die Insel in die Gewalt König Philipps V. von
Makedonien, der sie, nachdem ein Versuch der Römer unter M.
Valerius Lacvinus, sie zu erobern, an der Festigkeit der Sladt-
burg gescheitert war, dem Fürsten Amynandros von Athamanien
abtrat, welcher zuerst seinen Schwager Philippos von Megalepolis,
dann den Ilierokles aus Agrigent als Regenten derselben einsetzte;
letzterer verkaufte sie im Jahre 191 an die Achäer, die aber durch
T. Quinctius Flamininus genöthigt wurden sie den Rönjcin zu
überlassen, welche ihr die Autonomie gewährten. Im Jahre 86
V. Chr. landete Archelaos der Feldherr des Mithridates auf der
Insel, wurde aber schleunigst zum Rückziig genöthigt. 2) Nach-
dem sie in der römischen Kaiserzeit wieder zu Wohlstand und
Blülhe gelangt war, litt sie furchtbar durch einen verheerenden
Einfall der Vandalen unter Genserich, welche 500 angesehene
Einwohner fortschleppten und ermordeten (um das Jahr 466 n.
Chr.)^) Im Mittelalter und der neueren Zeit theilte sie im We-
sentlichen die Schicksale ihrer Nachbarinseln, besonders Kephal-
lenia's. ^)
Die Insel enthielt im Alterthum ebenso wie heutzutage nur
eine, gleichfalls Zakynthos genannte Stadt, welche an der Ost-
küste, in der Nähe der als Hafen benutzten Bucht nördlich vom
Berge Skopos lag. Die sehr feste, mit dem Sondernamen Pso-
phis bezeichnete Akropolis nahm den westlich über der Unter-
stadt sich in einer Höhe von etwa 350 Fuss erhebenden Hügel,
der noch jetzt das Castell trägt, ein; in der Unterstadt befanden
sich Heiligthümer des Apollon (der durch die Münzen als Haupt-
gott der Stadt bezeugt wird) und der Aphrodite und ein Stadion. ^)
In Folge der fortwährenden Bewohnung des Platzes sind ausser
1) Xen. Hell. VI, 2, 2 f.; Diod. XV, 45 f. In der Urkunde des athe-
nischen Seebundes vom Jahre 378 (Kangabe' Ant. hell. n. 381^'*) erscheint
unter den dem Bunde später beigetretenen Staaten Zav.vvQ'Ccov 6 diifios
6 iv x(p N'^XXco.
2) Polyb. V, 102; Liv. XXVI, 24; XXXVI, 31 f.; Plut. Tit. 17; Plin.
IV, 12, 54; Appian. Mithr. 45.
3) Procop. De hello Vand. I, 5 (Vol. I, p. 335 ed. Dindorf.).
'*) Vgl. die sehr ausführliche, aber unkritische Darstellung der mii-
telalterlichen Geschichte der Insel (bis 1517) bei Chiotis II, p. 67 — 357.
5) Scyl. Per. 43; Liv. XXVI, 24; Paus. VIII, 24, 3; Heliod. Aeth.
V, 18; Plut. Dion 23; Dionys. Hai. A. r. I, 50. Münzen: Postolakas Katu-
loyog p. 102 ss.
1. Die westgriechischcn Inseln: Zakynthos. 383
einigen Säulenstücken gar keine Ueberrestc von der alten Stadt
erhalten. Eine grössere Anzahl von Säulen und anderen archi-
tektonischen Bruchstücken sowie Gräber finden sich in den un-
gefähr 3 Stunden westlich von der Stadt nahe hei einander ge-
legenijn Dörfern Bujato und Mehnades, in letzterem auch ein
Stein mit einer Weihinschrift für die Artemis Opitais , die dem-
nach ein Heiligthum in dieser Gegend gehabt hat, an welches
sich jedenfalls eine offene Ortschaft, wie es deren ohne Zweifel
mehrere in der Ebene gab, anschloss. ^) Die Stelle des schon
oben (S. 381) erwähnten, nahe der Küste an einem Berge Nellos
gelegenen Castells Arkadia ist nicht näher zu bestimmen.
Als zu Zakynthos gehörig betrachtet man jetzt die etwa 6
deutsche Meilen südlich vom Cap Chieri (unter 37" 15' 20" n.
Br. 18" 39' 35" östl. L. von Paris) gelegene kleine Inselgruppe
der Strophades (jetzt Strivah genannt), welche im Alterthum
den Bewohnern der messenischen Stadt Kyparissia (s. oben S. 178)
gehörte. Die Gruppe besteht aus einer Anzahl Felsklippen,
welche für die Schiffer gefährlich sind, und zwei niedrigen In-
seln, von denen die nördlichere, etwa 1^/^ itaUänische Miglien in
Umfang, unbewohnt ist; die südliche, ungefähr 5 italiänische
Miglien gross, jetzt Stamphano genannt, hat gute Quellen und
bringt Wein und etwas Getreide und Südfrüchte hervor: sie be-
sitzt einen freilich nur bei ganz ruhiger See zugänglichen Lan-
dungsplatz mit einem Leuchtlhurm und ein Kloster. Die Sage
betrachtete diese Inseln, welche ursprünglich Plotä (*die Schwim-
menden') geheissen haben sollen, als Wohnsitz der Harpyien
(offenbar wegen der in ihrer Nähe den Schiffern drohenden Ge-
fahren) und leitete den Namen Strophades ('Kehrinseln') davon
ab, dass die Boreaden Zetes und Kaiais die von ihnen ver-
*) S. Chiotis I, p. 171 SS., der die vier in der Capelle des h. Dimi-
irios in Melinades befindHchen, gegen 15 Fiiss hohen Säulen ebenso wie
«lio in Bujato erhaltenen ausdrücklich als dorische bezeichnet, wäh-
rend Goodisson p. 187 von vier ionischen Säulen ohne Capitäle aber
mit ihren Basen, II. Holland p. 17 von einigen Stücken von Granit-
süulen mit ionischen Capitälen spricht. Die Inschrift auch C. I. gr.
n. 1934: der Beiname der Artemis 'Onitat'g ist wohl eine Nebenform zu
Ounig. Die angebliche Grabschrift des M. TuUius Cicero, welche ein
Miiiich Angclo aus Apulien im Jahre 1611 beim Bau de? Fundamente des
katholischen Marienklosters in «ler Nillic der St.idt gefunden lml)cn wollte
(s. Chiotis I, p. 182 SS.), halte ich für eine Fälschung.
384 ni. Die Inselwelt.
scheuchten Flarpyien bis hierher verfolgt haben, hier aber auf
Zeus' Befehl umgekehrt sein sollen. ^)
lieber die weiter südlich nahe der Küste Messeniens liegen-
den Inseln Prote und Sphakteria ist schon oben S. 175 IT.,
über die Gruppe der Oinussä und die Insel Theganusa ebds.
S. 158 das Nöthige mitgetheilt worden.
2. Die ostgriechischen Inseln.
a) Die Inseln vor Magnesia. 2)
An den südöstlichen Bug der Halbinsel Magnesia, die Akte
Sepias (vgl. Bd. I, S. 100), schliesst sich zunächst in östlicher, dann
in nordöstlicher Richtung eine Inselkette an, welche durch die
jetzt Skiathos, Skopelos, Chelidromia, Sarakino (oder Xeronisi),
Pelagonisi, Giura, Psathura und Piperi genannten Inseln gebildet
wird. Ungefähr von der Mitte dieser Kette, den Inseln Cheli-
dromia und Xeronisi, zweigt sich eine schwächere ab, welche
vermittels der kleinen Inseln Adelphi, Skanzura, Skyropulo und
Chamilonisi die^ weit gegen Südosten vorgeschobene grössere Insel
Skyros mit der Hauptkette verknüpft. Ihrem landschaftlichen Cha-
rakter nach haben diese Inseln grosse Aehnlichkeit mit der Halb-
insel Magnesia und dem nördlichsten Theile der Insel Euboia:
sie sind durchaus gebirgig, aber noch jetzt wohl bewaldet, theils
mit Kiefern, theils mit Laubwaldung. In der Geschichte spielen
dieselben mit Ausnahme von Skyros so gut wie gar keine Rolle:
zur Zeit der Blüthe der athenischen Seemacht gehörten sie zur
athenischen Symmachie als tributpflichtige Bundesgenossen; die
drei bedeutendsten, Skiathos, Peparethos und Ikos, traten auch
dem neuen athenischen Seebunde vom Jahre 378 v. Chr. bei:
*) Strab. VIII, p. 359; Harpocr. p. 170, 26 ed. Bekk.; Apoll. Rhod.
E, 285 und 296 f.; Apollod. I, 9, 21, 7 f. (wo die Inseln irrig zu den 'Exi~
vddsg gerechnet werden); Verg. Aen. III, 209 ff.; Pomp. Mela II, 110;
Plin. IV, 12, 55; Ptol. III, 16, 23; Steph. Byz. u. ZrQ0(pcid8g (wo das
Etlinikon 2^rQ0cpadsvg angeführt wird, was auf regelmässige Bewohnung
wenigstens der grösseren schliessen lässt). Vgl. auch Chiotis I, p. 36 s.
Das Kloster erwähnt schon Bondelmonte Lib. ins. Archip p. 61 s. ; vgl.
auch Prokesch A^on Osten Denkwürdigkeiten II, S. 522 f.
2) Vgl. über diese Inseln Fiedler Keise II, S. 2 ff. und Ross Wan-
derungen II, S. 32 ff.
2. Die ostgriechischen Inseln: Skiathos. 38o
dann gerielhen sie in die Hände der Makedonien, von diesen ka-
men sie an die Römer, die, wie es scheint, wenig Werlli auf
iliren Besitz legten, so dass Antonius die drei oben genannten
den Athenern schenkte. Im byzantinischen Reiche gehörten sie
zur Eparchie Thessalien, welche einen Theil des Thema Makedo-
nien bildete, während Skyros zur Eparchie von Hellas gerechnet
wurde. ^) Heutzutage gehören sie sämmtlich zum Königreich Hel-
las und bilden eine besondere Eparchie des Nomos von Euboia,
welche nach dem jetzigen Namen der bevölkertsten unter den-
selben die Eparchie von Skopelos genannt Avird.
Die dem Festlande zunächst gelegene dieser Inseln, jetzt wie «kiatin
im Alterlhum Skiathos genannt, 2) im Umfang von etwa 1 Qua-
dratmeile, besteht aus einem von Westen nach Nordosten strei-
chenden, in seinem höchsten Punkte 438 Meter hohen und grössten-
theils wohl bewaldeten Bergzuge, welcher zwei scheerenartige
Ausläufer gegen Süden entsendet, so dass an der Ostseite der
Insel eine weite Bucht entsteht, die einen sehr geräumigen und
sichern Hafen darbietet. An der Westseite dieser Bucht lag im
Alterthum die der Insel gleichnamige Hauptstadt, auf demselben
Platze, welchen auch das nenere, gewöhnlich schlechtweg Mer
Ort* (yj xcSqcc) genannte Städtchen seit dem Jahre 1829 einnimmt,
während im Mittelalter und unter der türkischen Herrschaft die
Bevölkerung sich aus Furcht vor den in diesen Gewässern sehr
zahlreichen Seeräubern auf einen nur von einer Seite her zu-
gänglichen Vorsprung der Nordküste der Insel, in das jetzt ver-
lassene sogenannte Kastro zurückgezogen hatte. Von der alten
Hauptstadt sind neuerdings bei der Anlage neuer Häuser manche
Ueberreste zum Vorschein gekommen, während von einer zwei-
ten Stadt der Insel, deren Existenz nur durch den Periplus des
sogenannten Skviax bezeugt wird, der Name sowie jede Spur ver-
•) Tributlisteii und Inschrift bei Kangabc Ant. boll. n. 381'''"*: v^l
Diod. XV, 30; Demosth. Phil. I, p. 49; De Cherson. i). 1»0. — Aj.pian. De
boll. civ. V, 7. Constant. Porph. De thcm. II, 2, p. 50 cd. J)ckk.; Ilicrocl.
Synecd. 9 f. (p. 9 und p. 11 ed. G. Parthey).
') Per Name Z%lct%^oq scheint ebenso wie der des arkadischen Her-
pes Z-Kia^ig (s. oben S. 199) die schattip^o, d. i. wohlbewaldeto Insel zti
be/oichnen. Mittellateinische und italiänischc Corruptclcn des Namens sind
Scati (ludicum Venctorum dccisiones piraticae bei Tafel und Thomas
Irkunden III, p. 161) und Schiati (IJondehnonte Lib. ins. Arch. p. IM)).
Tür die Lage der Insel vgl. Herod. VII, 179; 182 f.; Apoll. Rhod. A, 683.
386 III. Die Ini^dwelt.
schwuiiden ist. ^) Die ältesten Bewohner der Insel sollen aus
Thrakien herühcrgekomniene Pülasgioten, dann, nachdem diese
abgezogen seien und die Insel eine Zeit lang wüste gelegen habe,
Chalkidier gewesen sein.^) Die Jlaupterwerbszweige der Bevöl-
kerung waren im Alterthum, wi«i heutzutage, Schifferei, Fischerei
und Weinbau.^) Im mithridatisrchen Kriege" diente die Insel der
Flotte des Mithridales als Niederlage für die bei ihren Raubzügen
gemachte Beute und wurde des'ialb von dem römischen Legaten
Bruttius Sura besetzt. ^) Antonius schenkte sie, w ie oben (S. 385)
bemerkt, den Athenern, in deren Besitze sie noch unter Kaiser
Iladrian war, während sie bald darauf ihre Autonomie wieder ge-
wonnen haben muss, da in einem Ehrendecret für Septimius Se-
verus Bath und Volk der Skisthier und ein Archon eponymos
derselben figuriren. ^)
Peparethos Etwas übcr ciuc Mcilc östlicii von Skialhos, von diesem durch
einen mit zahlreichen kleinen, durchaus unbewohnten Inseln, de-
ren antike Namen wir nicht kennen, gleichsam besäten Canal ge-
trennt, liegt eine grössere jetzt Skopelos genannte Insel von etwa
172 Quadratmeilen Umfang, ^'^'^'^^ durch zwei Bergzüge gebildet
wird: einen längeren und höheren, jetzt Megalovuno, die höchste
Kuppe Delphi (wie ein Berg auf Euboia, der im Allerthum den
Namen Dirphys führte) genanrit, der von Nordwesten nach Süd-
osten, und einen im Süden an Jiesen sich anschliessenden unbe-
deutenderen, der von Westen räch Nordosten streicht. Da, wo
beide Bergzüge aneinanderstossen, findet sich an der West- wie
*) Scyl. Per. 58 Uniad-og ccvtrj dCnolig, v,al Xl^tjv; nur eine Stadt
erwähnen Liv. XXXI, 28; Strab. IX, p. 436; Ptol. III, 13, 47.
2) (Scymn. Ch.) Orb. descr. 584 ff.: die Insel war also wohl eine Zeit
lang Eigenthum von Chalkis auf E iboia, woraus vielleicht die Notiz bei
Stepli, Byz. u. S-AtaQ-oq' vrJGog Evß'uccg (wenn nicht dafür tüv iyyvg Ev-
ßoLccg zu schreiben) zu erklären ist.
^) KsGTQEig von Skiathos: Athen. I, p. 4<=; Wein; ebds. p. 30^ —
Nach Athen. IX, p. 390"^ frassen die Kebhühner auf der Insel Schnecken.
4) Appian. Mithrid. 29.
^) C. I. gr. n. 2153, Inschrift einer Ehrenstatue des Hadrian, er-
richtet von dem uQXi-SQ^vg Philippos Azenieus (aus dem attischen Demos
Azenia); dagegen C. I. gr. n. 2154 (von n. 2154^ Add. vol. II p. 1020
nicht verschieden) Inschrift einer Elirenstatue für Septimius Severus,
deren Stifter t} ßovlrj xat o drjiiog Z'alccQ-lcov , ETtLfjLslTjaaiiEvov TLiotov
Tov 'TccTiivd^ov civd"' rig riQ^sv sncorv^ov oLQX^i?-
2. Die ostgriechischen Inseln: Peparethos. 387
an der Ostköste eine Einbuchtung, welche einen natürlichen Ha-
fen bildet: die kleinere westliche iwird jetzt Panermos genannt,
die grössere östliche, in welche sich durch eine wohlangebaute
Ebene der bedeutendste Bach der Insel ergiesst, bildet den Hafen
des an ihrer Nordseite gelegenen Städtchens Skopelos. Eine dritte,
ebenfalls als Hafen benutzte Bucht, jetzt Agnontas genannt (ein
olfenbar aus einenn antiken Agnus oder Hagnus entstandener
Name), liegt an der Südküste der Insel, ein grösseres Dorf, Glossa,
im nordwestlichen Theile derselben nahe der Küste.
Die Insel, von den Alten Peparethos genannt, i) soll ebenso
wie die benachbarte Ikos zuerst von Kretern aus Knossos unter
Führung des Staphylos (des Sohnes des Dionysos und der Ariadne)
l)esiedilt worden sein, eine Sage, welche offenbar aus dem Wein-
hau herzuleiten ist, der im Alterthum wie noch jetzt die Ilaupt-
erwerbsquelle der Bewohner bildet; daneben standen und stehen
die Cultur des Oelbaums und der Getreidebau in zweiter Linie. '^)
In der historischen Zeit theilte sie meist die Schicksale der Nach-
barinseln Skiathos und Ikos. Im Jahre 340 v. Chr. wurde sie,
weil die Peparethier unter Führung eines gewissen Sostratos die
*) Dies beweist, wie Ross Wanderungen II, S. 42 ff. erkannt hat,
tlieils der Umstand, dass Münzen mit der Aufschrift HEPA und die Grab-
schrift einer 'AqjgodeiGta Msvavdgov TTsnaQrjd'La (C. I. gr. n. 2154' Add.
vol. II p. 1021) auf der Insel gefunden worden sind, theils die häufige
Verbindung der Inseln Skiathos und Peparethos bei den alten Schrift-
stellern. Der moderne Name S-aonaXog (latinisirt Scopulus: s. Tafel
und Thomas Urkunden III, p. 161; 175; 203 und Bondelmonte p. 130)
hat frühere Geographen veranlasst, darin die von Ptol. III, 13, 47, Hierocl,
Synecd. 9 (p. 9 ed. Parthey) und Constant. Porphyrog. De them. II, 2
(p. 50 ed. Bekk.) neben Skiathos und Peparethos aufgeführte Insel U-no-
Ttelog {Zv.enCXa bei Constant.) zu erkennen: allein da diese von keinem
der älteren Geographen oder Historiker erwähnt wird, muss sie eine der
kleineren Inseln (li;r fJnippe sein,
2) (Scymn. (hj <»,ij. deser. 580 ff.; Diod. V, 79 (wo ZrarpvXco
init Heyne für HafKpvXoi zu schreiben ist). Heraklcid. Pol. 13: avtr}
t) vrJGog svoivog latt (darnach Plin. IV, 12, 72; 'Peparethum cum op-
pido quondam Euoenum dictam) xai svÖtvÖQog xccl aCxov cpSQSi. Für
den Wein vgl. Athen. I, p. 29* und ^ Soph. Philokt. 548 f.; Demosth. in
Lacrit. p. 935; Plin. XIV, 7, 76; Poll. VI, 16. Oliven: Ovid. Met. VIT,
470. Die Münzen geben Zcugniss vom Cult des Dionysos (auf welchen
auch der nach Athen. XHI, p. 605'' von den l'eparothiorn nach Delphi
gestiftete goldene Eplieiikranz ziirückzufUhrcu ist) und der Athene: 8.
Eckhol D. N. I, 2, p. 161.
388 nr. Die Inselwelt.
kleine Insel Halonesos genommen und die makedonische Besatzung
derselben weggeführt hatten, durch ein von Alkimos hefeldigtes
Geschwader Philipp's II. von Makedonien verwüstet.^) Wie volk-
reich die Insel war sieht man daraus, dass drei Städte auf der-
selben bestanden. Die bedeutendste derselben, wie die Insel selbst
Pepa rethos genannt, nahm ungefähr die Stelle der jetzigen
Stadt Skopelos ein. Sic wurde im Jahre 427 v. Chr. von einem
Erdbeben heimgesucht, das einen Theil der Stadtmauer, das Pry-
taneion und einige Wohnhäuser zerstörte, im Jahre 361 von einer
Söldnerschaar des Tyrannen Alexandros von Pherä belagert, aber
durch die Athener entsetzt, im Jahre 209 durch Philipp V. von
Makedonien gegen den Angrifl" eines Geschwaders des Königs At-
talos von Pergamos, welches die Umgebung der Stadt plünderte,
geschützt, im Jahre 200 aber von demselben Philipp ebenso wie
Skiathos zerstört, damit sie nicht in die Hände der Römer falle, ^j
Jedenfalls ist sie aber bald wieder hergestellt worden und besteht
noch heutzutage, wenn auch unter verändertem Namen: ein Um-
stand, der es erklärt, dass fast gar keine Reste der alten Stadt,
ausser einigen Gräbern an der gegenüberliegenden Seite der
Ducht, erhalten sind. Die zweite Stadt, Panormos, bekannt
durch die Niederlage, welche hier im Jahre 361 v. Chr. eine
athenische Flottenabtheilung unter Leosthenes durch Schiffe des
Alexandros von Pherä erlitt, lag ohne Zweifel an der Bucht Pa-
ncrmos (s. oben S. 387), die dritte, Selinus, ebenfalls an der
Westküste aber weiter nördlich, unterhalb des Dorfes Glossa, wo
noch jetzt Säulentrümmer, Fundamente von Gebäuden, Gräber
und ein Inschriftstein, durch welchen allein der Name der Stadt
uns erhalten ist, sich vorfinden.^)
1) Demosth. De cor. p. 248, vgl.^ Epist. Phil. p. 162; Schäfer De-
mosthenes II, S. 460 f.
2) Scyl. Per. 58: neTtccQrjd-og , avtiq TQLTtolig •akI lifi^v. Dionys,
Calliph. Descr. Gr. 150 vrjGog IJEiiaQrjd'og tJ zQiicolig iKxXovfisvr]. Stadt
Peparethos: Thuk. III, 89; Diod. XV, 95; Polyb. X, 42; Liv. XXVIII, 5;
XXXI, 28; Strab. IX, p. 436; Ptol. III, 13, 47; Steph. Byz. ii. nsnd-
QTj&og. Die Stadt, beziehendlich die Insel Peparethos hat auch einen
Historiker hervorgebracht, Diokles mit Namen; s. C. Müller Fragmenta
bist. gr. III, p. 74.
^) UdvoQfiog Diod. XV, 95; Polyän. Strat. VI, 2. Ein aqxtSQSvg
Trjs EtXsLvovGiOiv Ttolscog in der am Landungsplatze unterhalb Glossa
gefundenen Inschr. C. I. gr. n. 2154 '^ (Add. vol. II, p. 1021). Das dem
2. Die ostgriechischen Inseln: Tkos. 389
Ein Canaf, in wekliem zwei kleine Felsinseln liegen (die et- ikt
was grössere siidlichere heisst jetzt Ilagios Georgios nach einem
diesem Heiligen gewidmeten Kloster), trennt den östlichsten Theil
der Ins<d Skopelos von der Südwestliüste der etwa 2'/.2 Meihin
langen, (hn*chschnittlich etwa !'/_, Stnnde breiten, aus einem
von Südwest nach Nordost streichenden, theilweise mit Fichlen
bewaldeten Gebirgsrücken bestehenden Insel Chelidromia, der
allen Ikos, deren Geschichte (die von Phanodemos in einem be-
sonderen, 'Ixiaxd betitelten Werke behandelt worden war) ganz
mit der dvr Nachbarinseln Skialhos und Peparethos zusammen-
frdlt. Während sie heutzutage nur ein oberhalb einer kleinen
Bucht der Südkuste gelegenes, von etwa 50 Familien bewohntes
Dorf enthalt, besass sie im Alterthum zwei Städte, deren eine
den Namen der Insel, Ikos, trug. Die Stelle der einen Stadt
auf dem südlichen Theile der Ostküste, östlich von dem jetzigen
Dürfe, wird noch durch einige Mauerresle und zahlreiche alte
Gräber bezeichnet; von der anderen ist noch keine Spur gefun-
den worden; ebensowenig von dem Grabe des Peleus, das man
im Alterthum auf der Insel zeigte.^)
Sämmtliche übrige Inseln der Gruppe, mit Ausnahme von
Skyros, sind jetzt entweder ganz unbewohnt oder mit einzelnen
Klöstern, in denen je ein Mönch oder ein Paar Mönche hausen,
besetzt. Die meisten haben etwas Kiefernwaldung, gutes Trink-
Namen dieses Mannes beigefügte Demotikon Scpi^zzLos zeigt, dass die
Insel damals (unter Hadrian) noch den Athenern gehörte, denen sie An-
tonius gßsclienkt hatte (vgl. oben S. 385): aus einem Missverständniss
dieses Verhältnisses ist wahrscheinlich die Notiz in schol. Soph. Phllokt.
548 über Peparethos als einen drj^os rrjg 'AtTLyirjg hervorgegangen. (Bei
Seneca Troad. 852 hat Delrio mit Recht 'arctioa [statt attica] pendens
Peparethos ora' hergestellt). Dass die Insel aber später ebenso wie Skia
thos (vgl. S. 386, Anm. 5) wieder autonom war, ist aus der der spätem
Inschrift n. 2154" angefügten Formel W. B. J. (7pr)(pLa(iaTL ßovX^g Stj-
(lov) zu schliessen. lieber die Reste unterhalb Gloasa s. Fiedler Reise
II, S. 21 flf,; der angebliche alte Ofen, von welchem derselbe Tafel I,
Fig. 2 und '.i Ansicht und Grundriss gicbt, ist ein Grab mit mehreren
^eitenkammcrn aus riMnischcr Zeit.
1) "/xos avrri hirrnliq Scyl. Per. 58; für die L ige der Insel vgl.
(Scyran.) Orb. deter. Gsj^ Liv. XXXI, 45. Stadt Ikos Strab. IX y, 43G.
Alte Gräber; Fiedler Reise II, 8. 61 ff. Grab des Peleus Antipater Öidou.
in Anthol. Pal. VII, 2, 9 f. '/xiaxa des Phanodemos Stoi)h. I3yz. u.*'/xoff.
— Bondclmouto p. 129 8. nennt die Inacl Dromos.
390 ITT. Die Inselwelt.
Wasser und gute Hafen, welche früher den in diesen Gewässern
sehr zahlreichen Seerauhern willkonnmene ZulluchtsslaUen dar-
boten, jetzt fast nur von Fischerbarken besucht werden. Da
noch auf keiner derselben Reste antiker Ansiedelungen gefunden
worden sind, so ist es unmöglich, die antiken Namen der ein-
zelnen Inseln mit annähernder Sicherheit zu l)estimmen ; denn die
Vertheilung der von Pomponius Mela und Plinius überlieferten
Namen unter die einzelnen Inseln nach zum Theil ziemlich
schwachen Anklängen an die modernen Namen , wie sie manche
neuere Geographen versucht haben, wobei Skanzura Skandile,
Pelagonisi Polyaegos, Giura Gerontia, Psathura Irrhesia
getauft worden sind, kann auf keine höhere Geltung als die einer
schwach begründeten Hypothese Anspruch machen, i) Nur das
glauben wir als sicher hinstellen zu dürfen, dass eine der be-
deutenderen dieser Inseln — wie mir am wahrscheinlichsten dünkt
Skanzura, eine ungefähr in der Mitte zwischen Chelidromia und
Skyros gelegene flache und öde Insel mit einem kleinen aber
guten Hafen — die durch die Verhandlungen zwischen Philipp H
von Makedonien und Athen über ihren Besitz historisch bekannte
Halonesos ist, welche eine gleichnamige Stadt besass.^)
Skyros. Die durch Sage und Geschichte bekannteste unter allen In-
seln dieser Gruppe, welche ihren antiken Namen Skyros^) be-
^) Scandile und Polyaegos nennt Pomp. Mela II, 106 zwischen Sa-
mothrace und Sciathos; Gerontia und Scandila als vor dem Pagasicus
sinus, Irrhesia, Solymnia (oder Elymnia), Eudemia und Nea quae Minervae
Sacra est als vor dem Thermaeus sinus gelegen Plin. IV, 12, 72.
2) (Demosth.) nsgl 'AXovvt]Gov p. 77; Epist. Phil. p. 162; Demosth.
De cor. p. 248; Aeschin. in Ctes. § 83; Harpocr. p. 13, 1 ss. ed. Bekk,;
Strab. IX, p. 436 (wo die Insel zwischen Ikos und Skyros genannt ist);
Steph. Byz. u. 'AXovvrjaos; Pomp. Mela II, 106. Die Angabe des Plinius
IV, 12, 74 ^inter Cherronesum et Samothracen utrinque fere XV m. Ha-
lonesos', auf welche Ross Wanderungen II, S. 48 f. besonderes Gewicht
legt und durch welche wohl Kiepert veranlasst worden ist, die südlich
von Lemnos gelegene jetzt Hagios Stratis genannte Insel als Halonesos zu
bezeichnen, würde höchstens auf Imbros passen und erweist sich daher
als ganz unbrauchbar. Vgl. auch Schäfer Demosthenes II, S. 26.
3) Der Name wird von den Alten (s. Etym. m. p. 720, 24; Hesych.
u. H-nvQog; Eustath. ad Dionys. Per. 520) wohl richtig von dem festen,
tlion- und gipshaltigen Boden hergeleitet. Vgl. über die Insel Tourne-
fort Voyage I, p. 171 ss.; Leake Travels in northern Greece III, p. 106 ss.;
Prokesch von Osten Denkwürdigkeiten und Erinnerungen aus dem Orient
2. Die ostgriecliischen Inseln: Skyros. 391
walirl hat, liegt auf hohem Meere ungefähr 5 Meilen nordöstlich
vom Cap Kumi (dem östlichsten A'orsprung der Ostkuste Euhoia's)
und hat einen Umfang von etwa 3 Quadratmeilen, Sie hesteht
aus zwei nahezu gleichen Hälften, einer nordwestlichen und einer
südöstlichen, welche durch einen ungefähr V2 Stunde breiten,
von zwei tiefen Buchten (der Bucht Kalamitza im Westen und der
Bucht Achill, dem antiken Achill eion, im Osten) ^) umrahmten
Isthmos verbunden sind. Die südöstliche Hälfte wird ganz von
rauhen Bergen eingenommen, deren Abhänge fast ganz kahl sind,
während die Gipfel (unter denen der des ungefähr in der Mitte
dieses Theiles der Insel gelegenen Berges Kokkila die Höhe von
782 Meter erreicht) ziemlich gut mit Eichen, Buchen und Kie-
fern bewaldet sind. In der etwas grösseren Nordwesthälfte sind
die Berge niedriger und milder und wechseln mit fruchtbaren
Hügeln und kleinen Ebenen, auf welchen Wein, Oel und Ge-
treide gebaut wird. Die ganze Insel ist reich an Wasser und
hat zahlreiche kleine Bäche, derer einer (wahrscheinlich der durch
die kleine Ebene an der Ostkuste nördlich von der Stadt Skyros
fliessende) im Alterthum den Njimen Kephissos trug. ^) Die
Kosten sind besonders an der West- und Südseite vielfach aus-
gezackt und bilden zahlreiche Buchten, unter denen ausser den
schon erwähnten zu beiden Seiten des die nördliche und süd-
liche Hälfte der Insel verbindend sn Isthmos die an der Siidküste
(Stuttgart 1836) II, S. 182 ff.; Fiedler Reise 11, S. 66 ff.; Ross Wande-
rungen II, S. 32 ff.; Graves 'The isle of Skyros' im .Journal of the r.
geograpliical society XIX, p. 152 ss.
^) Schol. II. T, 326 nennt zwei Eäfen auf Skyros, den '/4;i;t/lXfiOff und
ÄQTjatog: ob letzterer (der bei Plnt. Cim. 8 t6 Kt^ciov heisst; aber der
Name KqriGLOv erklärt sich durch die in schol. IL /, 668 berichtete Sage
von einer Einwanderung von Kretern unter Enyes, dem Sohne des Dio-
nysos) die Bucht Knlainil/a oder die IJucht Tribukkäs sei, ist nicht nilher
zu bestimmen, do. li (ist eres wahrsc leinliclier, weil sich an der Bucht.
Kalamitza einige Siiulenrestc und cino Anzahl antiker Sarkaphage linden:
vgl. Prokesch v, Osten a. a. O. S. 1S3 f.; Graves a. a. O. p. 158 s.
«J Strab. IX, p. 424. Mit Bezug auf den Oel- und Weinbau der
Insel trägt die Heroine Skyros auf dem von Philostr. iun. Imag. 1 l)c-
Bchrlebencn Gemälde einen Oclzweig und eine Weinrebe in den Händen.
Die Schilderung der Insel bei Aelinn. De an. IV, 69 als ayav Ivu^ct
xal uyovoq xal uvhi^omwv xriqtvovGoi wg ta noXXa (vgl. die Erklärung
des Sprüchworts ccQxri S-kvqCu bei Zcnob. I, 32 und Diogenian. I, 30) passt
höchstens auf die südlichere Hälfte.
392 III. Die Inselwelt.
sich öfTiieude Ducht von Tiihnkkäs die bodeutendstc ist: dieselbe
bihlet einen sehr jj^erii innigen, aber gegen Südwinde nicht aus-
reichend geschülzlcn Hafen, dessen Einfahrt dnrcli die zwei vor-
Hegenden unbewolniten Eilande Plalia und Sarakino, denen die
BucliL ilnen aus dem itaiiänischen 'le Ire bocche' (die drei MiUi-
dungen) entstandenen Namen verdanlit, erschwert wird. Nahe
der INordseite der Bucht findet man ausgedehnte Brüche weissen
Marmors mit rothen Streifen, der in der ersten römischen Kai-
serzeit zu architektonischen Zwecken in Rom sehr behebt war:
sie wurden, wie anderwärts, auf Rechnung des Fiscus betrieben.
Die Ilaupterwerbsquelie für die ziemlicli armen Bewohner der
Insel bildete die Viehzucht, besonders die Ziegenzucht. ')
Als älteste Bewohner der Insel werden tyrrhenische Pelasger
und Karer genannt, Stämme, welche in den ältesten Zeiten der
griechischen Geschichte das Piratenhandwerk, für welches die
Insel nach ihrer Lage und Beschaffenheit wie gemacht erscheint,
mit besonderem Eifer betrieben.-) In den homerischen Gedich-
ten erscheint die Insel als ein Bestandtheil des Reiches des Achil-
les, der sie dem Könige Enyes mit Gewalt abgenommen hat und
dessen Sohn Neoptolemos hier erzogen wird. ^) Erst spätere
Epiker und attische Tragiker haben die bekannte 'Sage von der
Verbergung des Achilles unter den Töchtern des Lykomcdes be-
handelt.'^) Attischen Ursprungs ist jedenfalls die Sage von der
1) Strab. IX, p. 437; vgl. Fiedler Reise II, S. 74 ff.; L. Bruzza An-
nali deir inst. t. XLII, p. 151 s, ; über die durch ihren Milchreichthum
berühmten skyrischen Ziegen (die noch jetzt in grosser Zahl hauptsäch-
lich in dem fast ganz unbebauten südlichen Theile der Insel weiden)
Athen. I, p. 28« und XII, p. 540 <»; Aelian. De an. III, 34; Zenob. I, 18.
^) UsXaayoL und K&gsg werden als alte Bewohner der Insel genannt
von Nikolaos Pamasc. bei Steph. Byz. u. I^-nvQog , UslaGyLcöxaL s-n
©Quyirjg diocßccvtsg bei (Scymn.) Orb. descr. 583 if., Tvqqtjvol bei Porphyr.
Vit. Pythag. 10: vgl. O. Müller Orchomenos und die Minyer S. 432.
3) II. I, 668; r, 326; Od. X, 509. Nach den Kyprien und der klei-
nen Ilias wurde Achilles von Mysien aus nach dem Kampfe mit Tele-
phos durch ein^n Sturm nach Skyros verschlagen und heirathete dort
die Deidamia, mit der er den Neoptoiemos zeugte: s. Prodi Chrestom.
p. 235 ed. Westphal (Scriptor. metr. gr. Vol. I); Schol. II. T, 326.
Aehnliche Sagen in Schol. IL I, 668; Philostr. Heroic. 19, 3 (p, 320 ed.
Kays er).
^) Vgl. über die Behandlung dieser Sage in der Poesie und Kunst
0. Jahn Archäologische Beiträge S. 352 ff.
2. Die ostgriechischen Insehi: Skyros. 393
Ermordung des Theseus durch den König Lykomedes^), welche
den Athenern einen erwünschten Vorwand für ihre Ansprüche
auf den Besitz der Insel gewährte. Die Veranlassung zur Geltend-
machung dieser Ansprüche gaben die Räubereien, welche die
Doloper, die Bewohner der Insel in der historischen Zeit, an
griechischen Schiffen verübten: thessalische Kaufleute führten
darüber beim amphiktyonischen Gericht Klage und wandten sich,
da die Doloper der Entscheidung der Amphiktyonen , welche sie
zum Schadenersatz verurtheilte, nicht Folge leisteten, an Athen
mit der Bitte, dem Treiben der Piraten ein Ende zu machen.
Die Athener sandten alsbald (Ol. 77, 4 = 469/68 v. Chr.) eine
Flotte unter Führung des Kimon ab, welcher die Insel eroberte
und nach Austreibung der Doloper mit athenischen Kleruchen be-
setzte.-) Sie blieb nun im Besitz der Athener und wurde ihnen
auch im sogenannten antalkidischen Frieden ausdrücklich als Eigen-
thum zugesprochen ^), von Philipp 11. von Makedonien aber ihnen
abgenommen und dem makedonischen Reiche einverleibt;"*) erst
im Jahre 196 v. Chr. wurde Philipp V. von den Römern ge-
nöthigt, sie zugleich mit den Inseln Lemnos, Imbros und Delos
den Athenern zurückzugeben. '') Im byzantinischen Reiche gehörte
sie zur Eparchie von Hellas,'*) wurde nach der Eroberung Kon-
stantinopels durch die Kreuzfahrer vertragsmässig dem byzanti-
nischen Kaiser zugetheilt, aber zugleich mit den Nachbarinseln
Skialhos und Skopelos von den Brüdern Andrea und Geremia
Ghisi, Verwandten des venezianischen Dogen Dandolo, in Besitz
genommen. Filippo Ghisi verlor sie im Jahre 1276 an den Ritter
>) Pliit. Thes. 35; Heraclid. pe reb. publ. I, 2; Paus. I, 17, 6;
Philostr. Her. a. a. O.: vgl. J. Meursü Theseus (Utrecht 1684) p. 126 ss.
2) Plut. Clm. 8; Thuk. I, 98; Diod. XI, 60: für die Chronologie vgl.
A. Schäfer De rerum post belhiui Persicuin usque ad tricennale foedus
in Graecia gestarum temporibus (Leipzig 1865) p. 10 s.
3) Xen. Hell. IV, 8, 15; V, 1, 31.
"*) Strnb. IX, j). 437: dies muss um 340 geschehen sein, da die Insel
noch in den Pscudodemosthenischen Heden negl 'AXovvjjaov (p. 77) und
y.atd NeaiQug (j). l.'UG) als athenisches Besitzthunj erwähnt wird.
") Liv. XXXIII, 30.
") Ilierocl. Synecd. 10 (p. 11 ed. Parthey); vgl. Constant. Porphyrog.
\hi theniat. I, 17 (p. 43 ed. Hckk.), wonach Skyros zu den Kykladcn
,' «rechnet wurde und unter dem aT(fatfiyog xov Alyaiov nt-Xayovg staud.
HUU8IAN, GK(XiU. II. 27
394 ni. Die Inselwelt.
Licario, der vom byzantinischen Kaiser niit der Eroberung Eu-
boia's und der anderen Inseln beauftragt war. Nach der Er-
oberung Konstanlinopels durch die Türken suchte die Insel den
Schutz der Venezianer nach, die sie auch noch im Jahre 1453
besetzten, aber bald von den Türken vertrieben wurden, in deren
Händen sie bis zur Stiftung des Königreichs Hellas blieb. ^)
Die Insel hatte im Alterlhum nur eine, ebenfalls Skyros
genannte Stadt, ^j welche auf derselben Stelle wie das jetzige
Städtchen Skyros lag: auf der Ostküste des nördlicheren Theiles
der Insel, eine Stunde nördlich vom Hafen Achilleion, an der
Nord- und Oslseite eines steilen Felskegels (605 Fuss über dem
Meeresspiegel), dessen von einem verfallenen mittelalterlichen
Schloss gekrönter Gipfel die Akropolis der alten Stadt trug; in
der unteren Stadt lag unmittelbar am Gestade ein Heiliglhum der
Athene. 3) Jetzt sind noch stattliche Mauerreste der Akropolis und
der Unterstadt, einige Architekturslücke und ein Paar plastische
Werke (die Statue eines liegenden Löwen und eine mit dem
linken Arme auf eine Säule gestützte Frauengestalt ohne Kopf,
beide aus weissem Marmor) erhalten."^)
Die Bucht von Kalamitza, wahrscheinlich, wie oben S. 391
Anm. 1 bemerkt, der Miretische Hafen' der Alten, wird
gegen Westen durch eine unfruchtbare, ziemUch lange aber
schmale Insel, Valaxa genannt, geschützt. Westlich von dieser
liegt das ganz kleine und schmale Eiland Erinia, noch weiter
westlich die etwas grössere felsige Insel Skyropulo, deren Rücken
sich bis zur Höhe von 617 Fuss übers Meer erhebt. Alle drei
Inseln sind ebenso wie eine Anzahl ganz kleiner Eilande, die in
der Nähe der Nordweslküste von Skyros liegen, unbewohnt und
ohne Spuren antiker Bewohnung; ihre antiken Namen kennen
wir nicht.
1) S. die Partitio regni Graeci in Tafel und Thomas Urkunden I,
S. 477; Hopf in der Allg. Encycl. S. I, Bd. 85, S. 223; 309; Bd. 86,
S. 142.
2) Scyl. Per. 58; Strab. IX, p. 436; Ptol. III, 13, 47. Bondelnionte
p. 131 sagt von der Insel: 'in qua IV erant oppida habitata et nunc
duo restant'.
3) Stat. Achill. I, 285; 11, 22.
4) S. Leake a. a. O. p. 108 s.; Prokescli von Osten S. 193 ff.
2. Die ostgriechischen Insehi: Euboia. 395
b) Euboia. 1)
Die östliche Flanke des mittleren Hellas wird vom malischen
Meerbusen an bis gegen das altische Cap Sunion hin durch eine
lange und verbältnissmässig schmale Insel gedeckt, welche nach
der Bescbafl'enheit und der Richtung ihrer den Gebirgszügen des
Festlandes parallel von Nordwesten nach Südosten laufenden Ge-
birge als ein durch gewaltige Erdbeben, wie sie auch in histo-
rischer Zeit besonders die Westküste des mittleren und nörd-
licheren Theiles der Insel zugleich mit der gegenüberliegenden
Ostküste des Festlandes wiederhoU heimgesucht haben, losgeris-
senes Stück des Continehts von Hellas erscheint.^) Di»ese Insel,
welche ihrer Grösse nach (sie hat bei einer Länge von etwa 25
und einer durchschnittlichen Breite von etwa 3 Meilen einen Flä-
cheninhalt von 76 Quadratmeilen) 3) die zweite Stelle unter den
*) EvßoHcc (in wenigstens vier Büchern) hatte Archemachos ge-
schrieben (s. Müller Fragra. bist. gr. IV, p. 314 s.), tcsql Evßoiag Ari-
stoteles aus Chalkis (Harpocr. p. 33, 2 Bekk.; schol. ApoUon. Rhod. A,
558). Von Neueren haben über die Insel speciell gehandelt A. J. E.
Pflugk Rerum Euboicarum specialen, Berlin 1829; Lucas Topographicae
descriptionis P]uboeae insülae specimen, im Programm des Gymnasiums
zu Hii'schberg 1845; Ulrichs Reisen und Forschungen in Griechenland
II, S. 215 ff.; J. Girard Memoire sur l'ile d'Eubee, in den Archives des
missions scientifiques et litte'raires t. II (Paris 1851) p. 635 ss.; Rangabe'
Memoire sur la partie me'ridionale de l'ile d'Eube'e, Paris 1852 (aus den
Me'moires presente's par divers savans a l'academie des inscriptions et
belies lettres, I'"^ sc'rie, t. III) ; C. Bursinn Quaestionum Euboicarum ca-
pita selecta, Leipzig J856; derselbe Mittlrcilungen zur Topographie von
Boiotien und Euboia, in den Berichten der sächs. Ges. d. Wiss. hist.-
phil. Gl. 1859, S. 109 flf.; A. Baumeister Topographische Skizze der In-
sel Euboia, Lübeck 1864 (aus dem Programm des Katliavineums); J. F.
.1. Schmidt Reisestudien in Griechenland, in Petermamr- Mittheilungen
1862, S. 201 flf. und S. 329 flf.
2) Die Ansicht, dass Euboia ursprünglich mit dem Festlande zusam-
mengehangen habe, war schon im Alterthum verbreitet: vgl. Ion bei
Strab. I, p. 60; Pliu. II, 88, -.'04; IV, 12, 63; Procop, De nedificiis IV,
.'}, p. 275 ed. Dind. Erdbeben: Thuk. III, 89; Strub. I, p. 68; 60; X,
p. 447; SenecA Nat. quacst. VI, 17, 3; 25, 4. Vgl. Baumeister a. n. O.
S. 40.
^) Vgl. BaumeiHter a. a. O. S. 2 und S. 41 Anra. 9, der aber den
Flilchcninhalt jedenfalls zu niedrig auf nur 60 Quadratmeilen achJltzt;
die Angabe von 76 (^iiadratineilcn entnehme ich aus Uittor's goographiBch-
statiBtiscliciu Lexicon.
27«
396 in. Die Inselwelt.
griechischen Inseln im geographisclien Sinne, nach Kreta, ein-
nimmt, wurde im Alterthum, abgesehen von dichterischen Be-
zeichnungen nach ihrer Gestalt, wie Makris und DoHche, oder
nach einem der sie bewohnenden Volksslämme, wie Abantis und
Ellopia, mit dem ofl'enbar von iln-em Reichthum an Rindern licr-
genommenen Namen Euboia benannt, wornach auch der die
Insel vom Festlande trennende Meeresarm als der euboische Golf
bezeichnet wurde: der engste Theil desselben, der durchschnitt-
lich eine halbe Stunde breite Canal zwischen der am weitesten
gegen Westen vorgeschobenen Küste des mittleren Theiles der
Insel und der Küste Boiotiens, über dessen schmälste Stelle seit
dem Jahr'e 410 v. Chr. eine 200 Fuss lange Brücke hinweg-
führte, wurde gewöhnlich schlechtweg der Euripos (Sund), ge-
nauer zur Unterscheidung von anderen ähnlichen Meerengen der
chaikidische Euripos genannt. Dieser Name, in der vulgär-
griechischen Form Egripos, ist seit der byzantinischen Zeit auf
die Insel übertragen worden und hat den alten Namen derselben
gänzlich verdrängt; die Abendländer, speciell die Venezianer,
haben sich denselben mit Rücksicht auf die auch im Mittelalter
und in der Neuzeit fortbestehende Brücke durch Umwandlung in
Negroponte (lateinisch insula Nigripontis oder Nigropontis) ac-
commodirt. *)
Die Gebirge der Insel gliedern sich in drei Gru4)pen, wo-
durch die ganze Insel in drei ziemlich bestimmt von einander
abgegränzte Theile — Nord-, Mittel- und Süd-Euboia — gescliie-
*) Vgl. über die alten Namen meine Quaest. Eub. p, 3 ss. und Bau-
meister S. 39 (für den Namen MaHQig auch Olshausen Rhein. Mus. n.
F. VIII, S. 329 f.) ; den an beiden Stellen übersehenen Namen JoXlxtj
giebt das Etym. M. p. 389, 2. 'H rmv Evßosoav d-ccXcczta Anonym.
Descr. Gr. 29 (C. Müller Geogr. gr. min. I, p. 105); Evßo'i-nög TioXnog
Anthol. Pal. IX, 73, 1; Euboici sinus Propert, V, 1, 114. Ueber den
Euripos und die von den Alten viel besprochene häufig (angeblich sieben-
mal im Laufe jedes Tages und ebenso oft im Laufe jeder Nacht) wech-
selnde Strömung in demselben s. Ulrichs a. a. O. S. 219 ff.; Baumeister
S. 7 f. und S. 46 f. EvQiTiog sprüchwörtlich von veränderlichen Menschen
oder Dingen: Diogenian. III, 39 mit Leutsch's Anm. Ueber EvQinog
(vulgär ^'EyQinog) als Name der Insel (die nach Constant. Porphyrog. De
them. II, 5, p. 51 ed. Dind. in byzantinischer Zeit auch XdXig oder
XccXtilg genannt worden sein soll) vgl. Meineke ad Steph. Byz. p. 708,
20; Tafel Thessalonica p. 487 s.
2. Die ostgriechischen Inseln : Euboia. 397
den wird. Der 31ittelpunkt des ganzen Gebirgssystems ist der
von den Alten Dirphys, jetzt Delphis (Delph) genannte Gebirgs-
zug, welcher sich ungefähr in der Mitte der Längenausdehnung
der Insel nahe der Ostköste derselben hinzieht. Nur der Kamm
dieses grösstentheils aus Thonschiefer bestehenden Gebirges, des-
sen höchste Kuppe die Höhe von 1745 Meter (nach. Jul. Schmidt's
Messung 896 Toisen = 5376 Par. Fuss) erreicht, ist kahl, die
Abhänge sind noch jetzt reich mit Kiefern und Tannen (unter
denen eine besondere Species, von den Botanikern 'Apollotanne',
Abies Apollinis genannt, erscheint) sowie mit Laubholz, nament-
lich Kastanien und Platanen bewaldet. ^) Gegen Süden ziehen
sich von der Hauptkette zwei Verzweigungen durch die ganze
Breite der Insel bis zur Westküste herab, deren östlichere östlich'
von dem stattlichen Dorfe Vathia hinlaufende (höchster Gipfel
774 Meter) im Alterthum den Namen Kotyläon führte; 2) die
westliche höhere (höchster Gipfel im Norden 1173 Meter), welche
westlich von Erelria die Küste erreicht, scheint nach ihrer jetzi-
gen Benennung Elymbos im Alterthum den Namen Olympos ge-
führt zu haben. Zwei andere noch mächtigere Verzweigungen
ziehen sich vom südlichen Theile der Ilauptkette der Dirphys
gegen Nordosten: das Xerovuni (Höhe 1365 Meter) und das Mavro-
vuni (Höhe 1122 Meter), für welche wir keine Sondernamen aus
dem Alterthum kennen; die östlichsten Ausläufer des letzteren
oberhalb des Städtchens Kumi enthalten ausser anderen geologisch
interessanten Erscheinungen bedeutende Lager von Braunkohlen. ^)
Die am weitesten gegen Südosten vorgeschobene Partie der Dir-
physkette ist ein nur durch eine Reihe niedrigerer Hügel längs
*) Steph. Byz. u. digcpvg (nach welchem die Hera als JiQ(pva verehrt
wurde, das Gebirge also dieser Göttin geweiht war), vgl. Simonid. Epigr.
89 (Bergk Poet. lyr. gr. p. 1U7); Eur. Herc. für. 185. Lycophr. Ale«.
;)75 hat JiQ(p(oaa6g. Ueber die Kastanien vgl. Athen. II, p. 54 ^' und '';
Theophrast. llist. pl. IV, 5, 4 u. ö.; Hesych. u. EvßoYna; Etyra. M.
p. 389, 1; über die Tannen Unger Wissenschaftliche Ergebnisse einer
Heise in Giiechenland und in den ionischen Inseln (Wien 1862) S. 68 ff.
*) Aeschin. in Ctes. 80; Harpocr. p. 115, 3 ed. I3ekk.; Steph. Byz.
u. KoTvXaiov (nach dieser Stelle war das Gebirge der Artemis geweiht);
vgl. Nonn. Dionys. XIII, 103.
*) 8. Fiedler Reise I, 8. 419 ff.; J. Russeggcr Reisen in Europa,
Asien und Afrika Bd. IV, S. 68 ff.; Unger Wissenschaftliche Ergebnisse
einer Reise in Griechenland 8. 143 ff.
398 Iir. Die Inselwelt.
der Oslküsle mit der übiigeii jMass(5 des Gebirges y.usamiiien-
hängeiider Bergkegel, jetzt Ochtlioiiia genannt (Höhe 763 Meter),
von dessen Ostseitc das Cap Cliersonesos (noch jetzt Cherso-
nisi genannt) ins Meer vortritt:^) dasselbe bildet die Gränze zwi-
schen Mittel- und Südeuboia, indem die Küstenlinie von hier an
eine entschieden südliche Richtung nimmt und der Körper der
Insel bedeutend schmäler wird.
Im südlichen Euboia zieht sich eine lange Kette meist kah-
ler Berge von nur massiger Erhebung (durchschnittlich 500 —
600 Meter) hin, welche aus Glimmerschiefer, auf dem theils dich-
ter Uebergangskalk, theils Marmor auflagert, bestehen. Sie neh-
men meist die ganze, freilich ziemlich geringe Breite der Insel
ein und entsenden nach beiden Seiten schroffe Vorsprünge ins
Meer, zwischen denen zahlreiche, aber fast nirgends den Schiffen
einen sichern Ankerplatz darbietende Einbuchlungen sich finden,
nach welchen dieser ganze, besonders an der Ostküste wegen di^s
schroffen Abfalls des Ufers von den Seeleuten gefürchtete Theil
der Insel ^die Höhlungen von Euboia' [rd xoUa rrjg Evßolag)
genannt wurde, ^j Erst im südlichsten Theile der Insel tritt wie-
der ein bedeutendes Massengebirge auf, die Oc ha, deren Gipfel
(jetzt Hagios Elias) die Höhe von 1404 Meter erreicht. Der nord-
östlich von der Stadt Karystos sich erhebende ganz kahle Haupt-
stock des durchaus aus Glimmerschiefer bestehenden Gebirges
enthält in seinen höheren Partien sehr ausgedehnte Lager eines
weissen, mit grünlichen Streifen durchzogenen Marmors, der im
Alterthum unter dem Namen des karystischen Marmors bekannt
und zu architektonischen Werken besonders in der römischen
Kaiserzeit, wo die Brüche dem Fiscus gehörten, sehr beliebt war.
Der von den Alten hauptsächlich ausgebeutete Bruch befindet
sich gerade östlich über dem Castell von Karystos (der Akropolis
der alten Stadt), wo noch sieben mächtige, von antiken Werk-
leuten behauene SäulencyUnder liegen. Andere ebenfalls schon
von den Alten benutzte Brüche desselben Materials findet man
am westlichen Abhänge des östlich von dem Städtchen Stura
*) XsQCOvriGoq ccKQCi Ptolem. III, 15, 25. Der Name Ox^covicc (von
ox^os, ox^T^) könnte antik sein.
2) Herod. VIII, 13; Strab. X, p. 445; Dio Clirysost. Or. VII, 2 und 7;
Philostr. Her. 10, 11; Ptol. III, 15, 25; Liv. XXXI, 47; Valer. Max. I,
8, 10; vgl. meine Quaest. Eub. p. 43 und Baumeister S. 69, Anm. 91.
2. Die ostgriecliischen Inseln: Euboia. 399
(dem alten Styra) sich erhebenden Berges Kliosi. Ein anderes
jetzt, wie es scheint, fast ganz erschöpftes mineralisches Product
der Ocha war der Asbest (Amiant), welcher von den Alten zur
Fabrikation von Handtüchern, Netzen, Dochten und andern Dingen
benutzt wurde. ^)
Von dem Hauptslock des Gebirges gelien zwei Verzweigungen
gegen Süden und Südwesten aus, welche in den Caps Mantelo
(dem alten Gerästos) und Paximadi (von den Alten entweder
nach der hellen Färbung des Gesteins oder nach dem Schaume
der Brandung Leuke Akte ^das weisse Gestade' benannt) endend,
die weite gegen Süden offene Bucht von Karystos umschliessen.
Gegen Osten entsendet die Ocha eine Anzahl paralleler Berg-
rücken, die durch tiefe und schmale Schluchten, in welchen
wasserreiche, meist mit Platanen bewachsene Bäche dem Meere
zufliessen, getrennt sind; die Abhänge sind theils mit Laubholz
(meist Eichen und Platanen) und in der Nähe der einzelnen an
ihnen liegenden Dörfchen mit Baumgärten , theils mit Viehweiden
bedeckt. Getreide wird in diesen Engthälern, die schwer zu-
gänglich und daher im Alterthum wie in der Neuzeit von der
Welt abgeschieden, von Fremden äusserst seilen betreten wur-
den, fast gar nicht gebaut, nur hier und da sieht man einige
magere Gersten-, Roggen- und Haferfelder; die Bewohner leben
meist von Viehzucht, treiben daneben Seidenbau und bauen auch
etwas Tabak und Obst, besonders Birnen, xVepfel und Kirschen.
Im Alterthum bildete neben Viehzucht und Jagd die Purpur-
fischerei die Hauptbeschäftigung der Bewohner dieser Gegenden;
auch ist, wie noch vorhandene Schlackenhalden zeigen, Bergbau
auf Eisen und Kupfer getrieben worden. 2) Von dem nördlichsten
') Oxv Strab. X, p. 445; rj "Ox^i "nd 6 ''0%r^q nach Steph. I3yz. ti.
KöcQvaxog. Karystischcr Marmor: ►Strab. IX, p. 437; X, 446 (wo die
Brüche irrig an die Bucht Marmarion nordwestlich von Karystos ver-
legt werden); l'lin. IV, 12, 64; XXXVI, 6, 48; Scncca Trojwl. 846 u. a. Vj,M.
über den Betrieb der Brüche in der römischen Kaiserzeit L. Bnizza An-
nali dcir inst. t. 42, p. 140 ss. Ueber den von den Alten gewöhnlich
KagvOTiog XC^oq genannten Asbest s. Apollon. Ilist. mir. 36; Siral». \,
p. 446; Plut. De def. orac. 43. Vgl. Fiedler Keiso I, S. 428 i).
') Vgl. besonders die von O. lahn (Aus der AlterthumswisMiiM ImiL
8. 68 ff.) mit Recht als 'antike Dorfgeschichte' bozeichneto Schilderung
des Die Chryso.st. Gr. VII, 2 ff.; dazu die wohl spcciell auf diesen Tlicil
der Insel bezügliche Notiz des Paus. VIII, 1,6, dass noch zu seiner Zeit
4()0 111. Die Inselwelt.
joner parallelen Ik'rgrücken tritt ein miiclitiges Felscaj), wie ein
gewaltiger Scliirfssciinabel gestaltet, weit gegen Nordosten vor,
(las von den Alten Kaphereus (Verschlinger), im Mittelalter
Xylophagos (Schiffsfrcsser) , heutzutage Cavo d'oro (Goldcap, an-
gebhch weil das Meer hier bisweilen byzantinische Goldmünzen
ausspült) genannt, seit alten Zeiten als einer der für die Schi/Te
gefährlichsten Punkte der griechischen Küsten berüchtigt istJj
Die hauptsächlich aus Glimmerschiefer bestehenden Berge
des nördlichen Theiles der Insel sind, abgesehen von dem nord-
westlichsten Vorsprung (der Halbinsel Lithada), ganz mit statt-
lichen Waldungen von Laubholz (besonders Eichen) und Nadel-
holz bedeckt; in den Ebenen wechseln Oelbaumpflanzungen mit
wohlbebauten Saatfeldern, in den Thälern und Schluchten fliessen
wasserreiche Bäche, deren Ufer von Platanen und Oleander-
büschen beschattet sind. Während die jetzt mit dem Sonder-
namen Gerakovuni, Pyxaria und Mavrovuni bezeichneten Berge
der Ostküste bis gegen die Ebene von Manduti (das Gebiet des
alten Kerinthos) hin von den Alten offenbar als noch zum Ge-
birgssystem der Dirphis, von deren Hauptstock sie nur durch
eine enge Thalschlucht getrennt sind, gehörig betrachtet wurden,
scheint das längs der Westküste sich hinziehende, meist steil
gegen das Meer abfallende, durch einen niedrigeren Querzug,
welcher die natürliche Gränze zwischen Nord- und Mitteleuboia
bildet, mit den Bergen der Ostküste in Verbindung stehende Kan-
diligebirge, dessen höchster, jetzt Kurublia genannter Gipfel , nahe
dem südlichen Ende des Bergzuges, die Höhe von 1209 Meter
erreicht, bei den Alten den Namen Makistos geführt zu haben. ''^)
An dasselbe schliesst sich im Norden das 985 Meter hohe Xeron-
Oros, dessen bis zur Nord- und Ostküste reichende Verzweigungen
die ärmeren Leute auf Euboia Kleider aus Schweinshäuten trugen, und
meine Quaest. Eub. p. 42 s. Purpurschnecken im Euripos erwähnt Aristot.
Hist. an. V, 13, 3. Die von Hermippos bei Athen. I, p. 27'' gerühmten
Birnen von Euboia stammten wohl aus dieser Gegend.
1) Herod. VIII, 7; Strab. VIII, p. 368; Paus. IV, 36, 6; Dio Chrys.
Gr. VII, 31 f.; Eurip. Hei. 1129; Troad. 90; Ptol. III. 15, 25; Steph.
Byz. u. Kaq)r}QEvs'- vgl. meine Quaest. Eub. p. 44 s.
2) Vgl. Aeschyl. Agam. 289 fF.; dazu Baumeister Jahrb. f. Philol.
Bd. 75, S. 351, wogegen allerdings W. Vischer in den Göttinger gelehr-
ten Anzeigen 1864, St. 35, S. 1382 Zweifel äussert.
2. Die ostgriechischen liiselu: Euboia. 401
den DOi'döstliclien Theil der Insel ausfüllen, im Nordwesten das
970 Meter hohe, gegen das Meer steil abfallende Küstengebirge
Galzades an; beide zusammen bilden das durch seinen Reichlhum
an Arzneipflanzen berühmte Telethrion der AltenJ) Mit die-
sem hängt im Nordwesten durch einen schmalen Hügelrücken
(das sogenannte Bastardovuno) eine ganz von dürren und rauhen,
nur mit Lentiscus und ähnlichen Gesträuchen bewachsenen Kalk-
bergen eingenommene Halbinsel zusammen, welche im Alterlhum
mit dem speciell dem flachen Vorgebirge, in welches sie gegen
Südwesten ausläuft, zukommenden Namen Kenäon, heutzutage
mit dem aus der antiken Benennung der vor diesem Vorgebirge
liegenden Gruppe kleiner Klippeninseln Lichades corrumpirten
Namen Lithada bezeichnet wird.^)
Unter den Ebenen der Insel ist die bedeutendste die, welche
sich längs der Westküste vom südlichen Fusse des Kandili bis
zum Olympos hinzieht. Das fruchtbarste und breiteste Stück
derselben, von dem Dorfe Ampelakia (ziemlich eine Stunde süd-
östlich von Chalkis) bis über das Dorf Vasiliko hinaus, ist das
Lei an ton -Gefilde der Alten, das im Alterthum wie noch jetzt
ganz mit Weingärten, Feigen- und Oelbaumpflanzungen und Ge-
treidefeldern bedeckt war und wegen des durch sorgfältige Be-
wässerung mit Hülfe eines bedeutenden, von der Dirphis herab-
kommenden, in der Nähe von Vasiliko mündenden Baches unter-
stützten Reichthumes seines Bodens den Gegenstand langwieriger
Kämpfe zwischen den Nachbarstädten Chalkis und Eretria bildete.'^)
1) Strab. X, p. 445; Theophr, Ilist. pl. IV, 5, 2; IX, 15, 4; 20, 5:
Plin. XXV, 8, 94; Steph, Byz. u. TElsd-giov. Vgl. meine Mittheilungeu
in den IJer. d. sächs. Ges. d. Wiss. 1859, S. 146 und S. 149 ff.
*) Strab. I, p. 60; IX, p. 426; 429; 435; X, p. 44*4 und 446; Scyl.
Per. 58; Plin. IV, 12, 63; ITom. Hymn. in Apoll. Pyth. 41; Thukyd. III,
93; Diod. IV, 37; Apoliod. II, 7, 7; Liv. XXXVI, 20 u. a. Die Glosse
dos Hesych. yn]Vfov' nad'UQüVy welche E. Curtius (Nachrichten von der
Ges. d. Wiss. zu Göttingen 1860, S. 156) zur Erklärung des Namens
Kt^vaiov benutzt, ist jedenfalls corrupt. Der neuere Name Aid-dScc (aus
Aixddeg) erscheint in lateinischen Urkunden des 13ten Jahrhunderts als
'Ponta (Punta) Litadi» oder 'Litaldi'.
') JriXavTOV ubSCov Hom. Hymn. in Apoll. Pyth. 42; Theogn. 892;
Theophr. Hist. pl. VIII, 8, 6; 10,4; Calliin. Hymn in Del. 289; Ötrab. I,
p. 58; X, p. 447 s. und 465: was letzterer von warmen Quellen und an-
deren vulkanischen Erscheimiugen sowie von Erz- und Eiseugruben im
402 III. Die Inselwelt.
Kine zweite, ebenfalls wenigstens für den Getreidebau sehr er-
giebige Ebene (indet sich an der Ostküste von Nordeuboia, vom
Dorfe Manduti bis zur Bucht Peleki, in welche der wasserreichste
Fluss der ganzen Insel, der durch zwei in der Ebene selbst sich
vereinigende Bäche, deren einer von Norden, vom Xeron-Oros,
der andere von Süden, vom Pyxariabergc herkommt (vielleicht die
Bäche Kereus und Neleus, welchen man im AUerthum wun-
derbaren Einlluss auf die Farbe der Wolle der Schafe zuschrieb),
gebildete Budoros mündet.^) Noch ausgedehnter als diese im
Alterthum der Stadt Kerinthos gehörige Ebene ist die von Oreos
an der Nordküste der Insel in der Gegend des jetzigen Xerochori,
durch welche ebenfalls ein nicht unbedeutender Bach, der Kal-
las der Alten ~j (jetzt Xerias), dem Meere zulliesst. Von ge-
ringerem Umfang endlich, aber von grosser Fruchtbarkeit, be-
sonders an Wein und Südfrüchten, ist die Strandebene von Ka-
rystos im südlichsten Theile der Insel, welche von einem grösseren
und mehreren kleineren Bächen (deren antike Namen wir ebenso-
wenig kennen als die^der übrigen Wasserläufe der Insel ausser
den bisher erwähnten) bewässert wird.
Die älteste Bevölkerung der Insel war verschieden nach den
drei Haupttheilen, in welche die Natur selbst die Insel geschie-
den hat. Nordeuboia war im Besitz der Hestiäer und Elloper,
thessalischer Stämme, die jedenfalls von Norden, wahrscheinlich
vom pagasäisciien Golf aus, in die Insel eingewandert waren. In
lelautischen Gefilde berichtet, ist sehr zweifelhaft; vgl. Berichte der
Sachs. Ges. d. Wiss. 1859, S. 124 ff. Ob der Bach Lelantos (fflumine
Lelanto' Plin. IV, 12, 64) oder, wie Baumeister (Topog-r. Skizze Ö. 9)
nach Lycophr, Alex. 1035 vermuthet, KoayivvQ-oc; geheissen hat, wage
ich nicht zu bestimmen.
^) BovSoiQog Strab. X, p. 446 (nur zwei weniger gute Codd. und die
Epitome geben Bovdoqog)-^ Ptol. III, 15. -25. Ktjqsvs und NrjXsvg als
Evßo'CrccL TtorafioL Strab. X, p. 449; Ceron und Neleus als 'fontes duo
in Hestiaeotide' Plin. XXXI, 2, 13; K£Qßi]g und NrjXsvg als dvo no-
zcc^ol iv EvßoLcc (Aristot.) Mir. au^c. 170; Ksqcov v.al NrjXsvg dvo no-
tccfiol iv zfj EvßoLcc -Kazcc ttjv 'ixaliv.riv (?) xriv avvoQL^ovoav rf] XocX-
-aidi Antig. Hist. mir. 78.
2) Strab. X, p. 446. Die Ebene bringt ausser Getreide besonders
auch Wein hervor, daher nolvGzacpvlog "larCaia II. ß, 537; vgl. die
Münztypen von Histiäa bei Eckhel D. N. p. I, vol. II, p. 325. Evßo'C-
Tiog olvog Athen. I, p. 30 ^
2. Die ostgriccbisclieu Jusoin: Euboiii. 403
Milteleuboia sassen die Kureten und die Abanten, beide wahr-
scbeinlich Zweige des grossen lelegischen Volksstammes, die vom
Festlande des mittleren Flellas aus über den Euripos vorgedrungen
waren: die Kureten sind frübzeitig verschollen, die Abanten da-
gegen, durch die Zuwanderung altischer lonier verstärkt und
allmälig ganz ionisirt, haben sich bald zu einer bedeutenden
Machtstellung erhoben und schon in aber Zeit eine Art Supre-
matie auch iiber Nord- und Südenboia ausgeübt, so dass sie in
den ältesten Denkmälern der griechischen Dichtung als die Herren
der ganzen Insel .erscheinen;^) ihre beiden Hauptstädte, Chalkis
und Eretria, an deren um den Besitz des lelantischcn Gefildes
geführten Kriegen sich zahlreiche andere griechische Staaten als
Bundesgenossen der einen oder der anderen der kriegführenden
Parteien beiheiligten,-) haben im Laufe des 8ten und 7ten Jahr-
hunderts V. Chr. eine grosse Anzahl blühender Pflanzstädle im
Westen (in Unteritalien und auf Sicilien) und im Osten (auf der
thrakischen Halbinsel Clialkidike) gegründet und dadurch zuerst
dem griechischen Handel neue Bahnen eröffnet, der griechischen
Cultur neue Stalten bereitet.^) Die Bewohner des südlichen
Theiles der Insel waren Dryoper, welche, von den aus Thessalien
vordringenden Doriern aus ihren alten Wohnsitzen zwischen Par-
nasos und Olle vertrieben (vgl, Bd. I, S. 153), sich zur See theils
nach Südeuboia, wo sie die drei Städte Karystos, Styra und
Dystos gründeten, theils nach der südöstlichen Halbinsel von Ar-
golis (vgl. oben S. 94) zurückgezogen halten. ^)
*) II. B, 536-545; Archiloch. bei Plut. Thes. 5; vgl. Stepli. Byz. u.
'AßavTLg.
*) Vgl. über die sogenannten lelantischen Kriege C. Fr. Hermann
Oesammelte Abhandlungen S. 190 ff.; H. Dondorff De rebus Chalciden-
sium (Halle 1855) p. 5 8.s. Ob die Verse bei Tlieogn. 891 — 94 auf diese
Kämpfe zu beziehen sind, wie nach C. Fr. Ileruianns Vorgange W. Yi-
.sclicr annimmt (Götting. gel. Anz. 1864, N. :^5, S. 1373 ff.), ist mir «ehr
zweifelhaft.
') Vgl. Strab. X, p. 447. Ein Zcugniss lür dio ausgedehnten Han-
delsbeziehungen Kuboia's giebt auch der Umstand, dass die aus Pcrsicu
stammende Goldwährung von den Griechen als die euböische bezeich-
net wurde: vgl. F. Ilultsch Gricch. und rüm. Metrologie ö. 145.
*) Vgl. über dio ältesten Uewohner der Insel meine Quaestiones Ku-
b-.icao p. 6-31; H. Dondorff Dio lonior auf Euboia. Ein Beitrag zui
Geschichte der gricchisdien Stämme. (Aus dem Programm dea Joachims-
thalschen Gymnasiums zu Berlin 1860.)
404 III. Die Inselwelt.
Die Stamnicsvcrscliiedenheil dieser ältesten Bevölkerung,
welche wahrscheinlich schon durch die Hegemonie der Ahanten be-
einträchtigt worden war, wurde fast gänzlich verwischt durch die
Herrschaft Athens, welche den Bewohnern der ganzen Insel we-
nigstens in Hinsicht der Sprache ein wesentlich attisches Gepräge
gab. Die Athener waren im Jahre 506 nach Niederwerfung eines
höotischen Heeres über den Euripos gezogen, hatten die Chalki-
dier, welche zu der vom spartanischen Könige Kleomenes gegen
Athen zusammengebrachten Liga gehörten, aufs Haupt geschlagen
und die Ländereien des in Chalkis herrschenden Adels, der so-
genannten Hippoboten, mit 4000 attischen Kleruchen besetzt.
Schon damals scheint ausser Chalkis auch das übrige Euboia in
Abhängigkeit von Athen gerathen zu sein. Der Versuch der Eu-
boier, sich von dieser Abhängigkeit zu befreien (im Jahre 446
V. Chr.), endigte mit der Unterwerfung der ganzen Insel durch
Perikles und der Vertreibung der Hestiäer, in deren Gebiet
2000 attische Kleruchen angesiedelt wurden. ^) Seitdem gehörten
alle bedeutenderen Ortschaften der Insel, deren Besitz den Athe-
nern für die Verproviantirung ihres Landes mit Getreide und
Schlachtvieh von der höchsten Wichtigkeit war, als tributpflich-
tige Glieder dem athenischen Seebunde an, bis es im 21sten Jahre
des peloponnesischen Krieges (411 v. Chr.) den Peloponnesiern
gelang, sie mit Ausnahme von Histiäa (Oreos) zum Abfall von
Athen zu bewegen. 2) Im sogenannten korinthischen Kriege (394
— 387) stand Euboia auf Seiten Thebens und Athens gegen Sparta;
alle bedeutenderen Ortschaften i]er Insel (Chalkis, Eretria, Ka-
rystos, Athenä Diades und Histiäa) traten sodann dem im Jahre
378 begründeten athenischen Seebunde bei. ^) Ein Versuch der
Thebaner, sich in die inneren Angelegenheiten der Insel einzu-
mischen, wurde von den Athenern im Jahre 357 v. Chr. glück-
lich zurückgewiesen und darauf das Bündniss der euböischen
Städte mit Athen erneuert; dasselbe bestand auch nach dem so-
1) Herod. V, 74; Aelian. Var. hist. VI, 1; Thuk. I, 114; Theopomp,
bei Strab. X, p. 445; Plut. Pericl. 23.
2) Thuk. VIII, 95 f.; für die in den Tributlisten erscheinenden eu-
böischen Ortschaften s. Böckh Staatsh. II, S. 608.
3) Xen. Hell. IV, 2, 17; 3, 15; Diod. XIV, 82. Inschr. bei Rangabe
Ant. hell. n. 381 ^^'^j vgl. A. Schäfer Demosthenes und seine Zeit I,
S. 33 f.
2. Die ostgriechischen Inseln: Euboia. 405
genannten Biindcsgenossenkriege fort, Iiis die Intriguen Philipps
von Makedonien und der unglückliche Feldzug, welchen die Athe-
ner im Jahre 350 auf das Iliilfsgesuch des Tyrannen Plutarchos
von Eretria nach der Insel unternahmen, dieselbe den Athenern
abwendig machten und zum Anschluss an Philipp bewogen, der
in den Jahren 343 und 342 den Städten Eretria und Oreos ma-
kedonische Parteigänger zu Tyrannen aufnöthigle. Dies veran-
lasste die Bewohner von Chalkis ein Schutz- und Trutzbündniss
mit Athen abzuschliessen, dem bald auch die von ihren Tyran-
nen Philislides und Kleitarchos befreiten Städte Oreos und Ere-
tria beitraten.^) Aber nach der Schlacht bei Chäroneia musste
die ganze Insel sich Philipp unterwerfen und blieb seitdem den
Makedoniern unterthänig bis zum zweiten makedonischen Kriege,
nach welchem sie ihre Unabhängigkeit als Geschenk der Römer
zuriickerhielt. Nachdem sie dieselbe im Jahre 192 v. Chr. gegen
einen Angriff der Aetoler gewahrt hatte, verlor sie sie gegen
Ende desselben Jahres an Antiochos von Syrien, der Chalkis be-
setzte; doch räumte dieser die Stadt wieder beim Heranrücken
des römischen Heeres unter dem Consul M'. Acilius Glabrio (191
v. Chr.), worauf alle Städte der Insel sich den Römern über-
gaben. 2) Chalkis büsste seine Theilnahme am Kriege der Achäer
gegen Rom im Jahre 146 v. Chr. durch (freilich wohl nur theil-
weise) Zerstörung;^) im mithridatischen Kriege bildete es den
wichtigsten Waffenplatz des Archelaos, des Feldherrn des Mithri-
dates.'*) Seitdem genoss die Insel unter der römischen Herr-
schaft als Restandtheil der Provinz Makedonien Jahrhunderte des
Friedens und der Ruhe, die aber die Spuren der früheren ver-
heerenden Kriege nicht zu verwischen vermochten: in der Kai-
serzeit war wenigstens der südlichere Theil der Insel so dünn
bevölkert, dass zwei Drittel des Landes selbst in den Ebenen
unbebaut lagen.'') Eine bedeutendere Rolle spielt die Insel erst
1) Vgl. A. Schäfer Demosthenes und seine Zeit II, S. 73 ff. und
S. 391 ff.
2) Polyb. XVIII, 29 f.; Liv. XXXV, 37 f.; 60f.; XXXVI, 11; 21;
Appian. Syr. 12; 16; 20.
«) Liv. Perioch. LH; vgl. Polyb. XL, 11.
*) Appian. Mithrid. 29; 31 u. ö.; Plut. Sulla 11.
•') Dio Chryaost. Or. VII, 34. Dass Euboia zur Provinz Makedo-
nien geliürtc, zeigt der Senutsbeschluss C. I. gr. u. 5879.
406 ni. Die Inselwelt.
wieder im späteren Mittelalter seit der Eroberung Konslantinopels
durch die Franken (1204), wobei sie vom Markgrafen Bonifacio
von Montferrat dem Jacques d'Avesnes, dem Fuhrer eines loni-
bardiscben Ilülfscorps, überlassen, bald aber, da dieser mit dem
Kriege gegen den Peloponnes bescliäftigt war, in drei 'grosse
Lehen getheilt wurde, welche an drei getreue Anhänger ßonifa-
cio's verliehen wurden (August 1205). Der mächtigste dieser
'Dreiherren' (Terzieri), Ravano dalie Carceri aus Verona, machte
sich nach einigen Jahren zum alleinigen Herren der Insel und
stellte sich, um sich diesen Besitz zu sichern, als Vasall unter
den Schutz der Bepublik Venedig, die seitdem, allerdings unter
vielfachen Streitigkeiten mit den Fürsten von Achaia, denen Boni-
facio die Lehensoberhoheit über die Insel übertragen hatte, die
factische Herrschaft über dieselbe durch ihre Vertreter (Baili)
ausübte, unter deren Aufsicht die 'Dreiherren', die Begenten der
nach Bavano's Tode wieder hergestellten drei Herrschaften, stan-
den. Die Eroberung der Insel durch Mohammed IL (12. Juli
1470) war ein schwerer Schlag, für Venedig, der Anfang des
Endes seiner Seeherrschaft in den griechischen Gewässern J)
Seitdem verschwindet die Insel als Theil des türkischen Beiches
wieder aus der Geschichte bis zum griechischen Befreiungskriege,
während dessen die beiden Städte Chalkis und Karystos Haupt-
stützpunkte der türkischen Macht bildeten, an welchen alle Er-
oberungsversuche der Griechen scheiterten; erst das Londoner
Protokoll vom 3. Februar 1830 entriss die Insel den Händen
der Türken. Jetzt bildet sie zusammen mit den sogenannten
nördlichen Sporaden einen Nomos (Kreis) des Königreichs Hellas,
der in die vier Eparchien (Bezirke) Chalkis, Xerochori, Karystia
und Skopelos getheilt ist: die Bevölkerung des ganzen Nomos
betrug bei der Zählung im Jahre 1861 72,368 Seelen, wovon
etwa 60,000 auf die drei Eparchien Euboia's kommen.
^Nord- Nordeuboia — nach der jetzigen Eintheilung die Eparchie
Xerochori und ein Theil der Eparchie Chalkis — ist jetzt. Dank
den Bemühungen einiger aus dem westlichen Europa eingewan-
*) C. Hopf Grieclüsehe Geschichte , Allg. Encycl. d. W. u. K. Sr I,
Bd. 85, S. 225 f.; 240 f. u. ö.; Bd. 86, S. 157 f.; derselbe ' Geschichtlicher
Ueberblick über die Schicksale von Karystos auf Euboea in dem Zeiträume
von 1205—1470' in den Sitzungsberichten der Wiener Akademie, philos.-
histor. Classe, Bd. XI, S. 555 fif.
2. Die ostgriechisclien Inseln : Euboia, 407
derter grosser Grundbesitzer, welche eine rationelle Landwirth-
schaft und eine rationelle Forstcultur eingeführt haben, der am
besten angebaute Theil der Insel. Die wichtigste Ortschaft des-
selben war im Alterthuni Hisliäa (oder Hestiäa),^) dessen Ge-
biet die weite, zunächst der Rüste jetzt an manchen Stellen ver-
sumpfte, im Ucbrigen aber fruchtbare Ebene am nördlichen Fusse
des Galzadesgebirges, westlich vom Flusse Kallas (Xerias) und
dem Xeronoros (s. oben) und die im Süden und Osten sie um-
schliessenden Berge bildeten. Der jetzige Hauptort der Ebene
ist das wenige Minuten vom linken Ufer des Kallas entfernte,
nach dem Mangel an Quellwasser benannte Städtchen Xerochori,
in welchem -sich keine Spuren alter Bewohnung finden. Drei
Viertelstunden westlich von da liegt nahe der Küste das kleine
Dorf Oräi, welches, wie der Name und beträchtliche antike Reste
zeigen, die Erbschaft des alten Oreos angetreten hat, eines De-
mos im Gebiete der Histiäer, der im Jahre 445 v. Chr. bei der
Ansiedelung athenischer Kleruchen mit dem von seinen Bewoh-
nern verlassenen Ilistiäa zu einer Ortschaft vereinigt wurde, die.
im Volksmunde allgemein Oreos genannt, in ihren öirentlichen
Urkunden den Namen Ilistiäa sowie auf ihren Münzen das alte
Gepräge beibehielt, während das Nebeneinanderbestehen zweiej*
Akropolen, die man noch jetzt in zwei Hügeln (dem nördlich vom
Dorfe gelegenen, künstlich aufgeschütteten Kastro und dem west-
lich davon gelegenen Hügel, auf welchem die Kirche des Dorfes
steht) wiedererkennt, und die Trennung der Stadt durch eine
Zwischenmauer in zwei Hälften bis in späte Zeiten die Zusam-
mensiedelung des vom Tyrannen Philistides noch durch den er-
zwungenen Zuzug der Bewohner von Ellopia, einer kleinen
Ortschaft der Histiäotis, erweiterten Ortes aus zwei Gemeinden
kenntlich machte.*^) Ob übrigens auf der Stelle der ebensowohl
) Die schon II. B, 637, llerod. VIII, 23 u. a. vorkommendo
1 Ulm IgtCuiu (vgl. Stoph. Byz. u. d. W.) wird durch die Aufschriften
der Münzen {I2TI, IZTIAIESIN) bezeugt. Die Tributlisten dagegen
und die Inschr. C. I. gr. n. 73«= haben HEZTIA1E2, HEZTIAIA. [Das
abgekürzte Ethnikon I2TIA in der Inschr. 'Aqx- 'Etprjfi. lleQ. IJ. II. 13,
N. 404 ß ist wohl nicht auf diese Stadt, sondern auf eine Ortschaft im
Gebiete von Erotria zu beziehen.] Nach schol. II. ß, 537 und Ilesych.
II. 'Eaziaiu wäre der älteste Name des Ortes TaXavtCu gewesen.
*y \)<cv Naine 'Ä^fdff ( Kthuikon 'Äpsrrat, lateinisch Oritani) or-
408 ni. Die Inselwelt.
als starke Befestigung wie als Ilafenplatz wichtigen Stadt Ilistiaa-
Oreos, deren Gebiet zu Demoslhenes' Zeit ein Viertel der ganzen
Insel nmfasste^), ursprünglich, d. h. vor dem Jahre 445 v. Chr.,
die Stadt Histiäa oder das Dorf Oreos gelegen hat, ist nicht mit
Sicherheit zu entscheiden, doch scheint mir das letztere wegen
des Ueberwiegens des Namens Oreos für die neue Stadt wahr-
scheinlicher; das seit der Gründung derselben verlassene Histiäa
wird weiter östlich, am Fusse oder am Abhänge des Telethrion,
die Ortschaft Ellopia im Gebiete desselben oder des Galzades-
Gebirges zu suchen sein.
Zum Gebiet von Ilistiäa-Oreos gehörte ein an der Nordküste
der Insel, wahrscheinlich etwas unterhalb des Dörfchens Kastri
gelegenes Ileiligthum der Artemis Proseoa, ein kleiner von Bäu-
men umgebener Tempel, nach welchem die ganze durch die See-
schlacht zwischen der hellenischen Flotte und der Flotte des
Xerxes berühmte Rüstenstrecke Artemision genannt wurde.
Das Andenken an die Seeschlacht war durch eine Inschrift auf
einer der um den Tempel herum aufgestellten Marmorstelen
(deren Gestein, mit der Hand gerieben, angeblich safranähnliche
Farbe und Geruch annahm) verewigt. 2) Von Oreos gelangt man
in 272 Stunden über die westlichen Ausläufer des Galzades-
scheint zuerst bei Aristoph. Pac. 1125 und Thuk. VIII, 95; dann häufig
bei vielen Schriftstellern, auch in einer athenischen Inschrift in den
Verhandl. der philol. Ges. zu Würzburg S. 100, Z. 14; 'Eorrtata, 'Effriati^g
In der Inschr. C. I. gr. n. 73^, in der Urkunde des Bundesvertrags von
Ol. 100, 3 (Rangabe Ant. hell. n. 381 ^is, IJ, 17) und in einer Inschrift
aus der Zeit des Gordian bei Vischer Archäol. und epigr. Beiträge N. 59;
'EaTLccLSLS und 'Slgsixca neben einander in einer von Athen. I, p. 19 •'
erhaltenen Urkunde. Ueber die Lage und das den Alten selbst unklare
Verhältniss der beiden Orte zu einander vgl. Strab. X, p. 445 s.; Liv.
XXVIII, 57; XXXI, 46; Ulrichs Reisen und Forschungen II, S. 230 fr.;
Bu^ian Ber. d. sächs. Ges. d. W. 1859 , S. 147 f. ; Baumeister Skizze
S. 17 f. und S. 58 f. Ortschaft 'EXKonici: C. I. gr. n. 73^; Strab. a. a. O.;
Steph. Byz. u. 'ElXonLcc.
*) Demosth. in Aristocr. p. 691.
2) Plut. Them. 8; De Herod. mal. 34; Herod. VII, 175 f. u. ö.; PHn.
IV, 12, 64; Ptolem. III, 15, 25; Steph. Byz. u. 'AgtSfiLCiov: vgl. Ulrichs
Reisen und Forschungen II, S. 229. Die nur von Ptolem. a. a. O. er-
wähnte ^aXaaCu aagcc ist nicht sicher zu fixiren: nach den überlieferten
Längen- und Breitenzahlen müsste sie nordwestlich vom Artemision an-
gesetzt werden.
2. Die ostgriechischen Inseln: Euboia. 409
gebirges nach dem in einem schmalen, von einem kleinen Bache
dnrchflossenen TJiale eine Viertelstunde vom Meere gelegenen
Dorfe Lipso, das, wie sein Name, einige antike Architekturfrag-
mente und eine hier gefundene metrische Inschrift lehren, die
Stelle von Aedepsos, einem Städtchen im Gebiete von Oreos-
Histiäa, einnimmt. Seine Bedeutung verdankte dasselbe allein
den ^/4 Stunden südlich davon hart am Meere aufsprudelnden
warmen schwefelhaltigen Quellen, welche im Alterthum ebenso
wie die in den Thermopylen dem Herakles geweiht waren und
von Einheimischen wie von Fremden, die für Hautkrankheiten,
Gicht und ähnliche Uebel Heilung suchten, viel benutzt wurden.
Von den stattlichen Anlagen — Badebassins, Säulenhallen, Wohn-
häusern, Speise- und Gesellschaftssälen — welche Aedepsos seit
dem Beginn der römischen Herrschaft über Griechenland zu einem
eleganten Luxusbade, einem Bendez-vous der Freunde behaglichen
Genusses machten, ist jetzt keine Spur mehr vorhanden ; was sich
noch von Besten älterer baulicher Anlagen über den mit einer
dichten Kruste von Kalksinter überzogenen Boden erhebt, gehört
durchaus der spätesten römischen und der byzantinischen Zeit
an; die jetzigen Anlagen für die Benutzung der Quellen sind
mehr als einfach und selbst für die bescheidensten Ansprüche
ungenügend. ^)
Die Halbinsel Lilhada, welche jetzt die Dörfer Gialutra (d. i.
vyLCc XovzQcc, gesunde Bäder, ein Name, der, da sich hier keine
Spur von Bädern und Mineralquellen findet, vielleicht von den
gegenüberliegenden Bädern von Aedepsos hierher übertragen ist)
und Lithada enthält, trug im Alterthum zwei Städte, Dion und
Athenä Diades, die trotz ihrer räumlichen Nähe und Namens-
verwandtschaft von einander wie auch von Histiäa unabhängig
waren. ^) Die ältere der beiden, das schon im SchifTscatalog
') Aristüt. M.tr.,,. II, 8; Strub. I, p. 00; IX, p. IJä; X , p. 445;
J'hit. Sulhi 2G; Syinpo.s. quHCbt, IV, 4, 1; De frat. amon; 17; Atlion. III,
p. 73<=; Plin. XXXI, 2, 29; Ptol. III, 15, 2.S; Steph. Byz. u. Atdritpos:
vgl. Fiedler KcIho J, 8. 487 ff.; Ulrichs Reisen II, S. 233 ff.; meine 'Mit-
theilungen' in den IJer. d. säclia. Och. d. W. 1859 S, 149 f.; über die
Heilquellen auch X. Landerer nsf/iyQatpi] t(6v h 'Tndrrf, AtÖi.tl>m xal
GfQfionvXatg ^fQfiwv vdccTcav (Athen 1836, 8") p. t) ff.
'; Dies crgiebt sich daraus, dnss sowohl in den Tribntliston als in
• 1(1 iJundesurkunde von Ol. 100, 3 die *A%'rjVitut (in cin'-ni Fr:i "-1110111 muh
WJKHIAN, (iK(XiR. II.
410 III. Die Inselwelt.
(II. B, 538) erwähnte Dion, muss in der Gegend des hoch gele-
genen, hainn- und wasserreichen Dorfes Lithada, in dessen Nähe
sich ein mittelalterlicher Thurm mit antiken Werkstücken findet,
etwa 1 Stunde nordöstlich von dem (iigenl liehen Vorgehirge ge-
standen hahen; zu seinem Gebiet gehörte der aul" dem Vorgebirge
stehende Altar des Zeus Kenäos, an welchem Herakles der Sage
nach das Siegesopfer nach der Einnahme von Oichalia darge-
bracht und den unglücklichen Lichas, den üeberbringer des ver-
gifteten Gewandes, ins Meer geschleudert haben sollte. Die Stelle
von Athenä Diades, das ursprünglich wohl nur der Ilafenplatz
von Dion war, dann durch Colonisalion von Athen aus zu grösse-
rer Bedeutung gelangte, bezeichnet wahrscheinlich ein etwa
27^ Stunden gegen Osten von Lithada entfernter, jetzt Turla ge-
nannter Hügel an der Südküste der Halbiusel, der ganz mit Sub-
structionen, Ziegelresten und Scherben überdeckt ist und in des-
sen Nähe man auch Reste eines antiken Hafendammes im Meere
bemerkt. ^)
Der südlich vom Telethrion gelegene Theil Nordeuboia's
bildete das Gebiet der Städte Kerinthos, Orobiä und Aegä, die
indess, da sie schon in den attischen Tributlisten nicht mehr er-
scheinen,'-) frühzeitig ihre Selbstständigkeit, wahrscheinUch an
Ilistiäa-Oreos, eingebüsst haben müssen. Das nach der Tradition
von dem Athener Kothos gegründete, schon im Schiffscatalog als
Seestadt erwähnte Kerinthos, das seinen Namen offenbar der
gleichnamigen Pflanze (Bienenbrot) verdankt, lag auf einem niedri-
gen, lang gestreckten Hügel am rechten Ufer des Budoros, un-
01. 82, 4 bei U. Köhler S. 19 auch 'Ad'rjvccLoi) oder 'A&rivcci Jiddsg uucl
die JiTjs oder Jirjg aito Krjvaiov, sowie die 'EGTLccLjjg gesondert aufge-
führt sind. Vgl. Böckh Staatsh. II, S. 666.
1) Strab. X, p. 446; Aeschyl. frg. 29 und 30 Nauck; Soph. Trachin.
237 f.; 752 ff.; Ovid. Met. IX, 136; Seneca Herc. Oet. 102 und 787;
Steph. Byz. u, 'Ad'rjvai (p. 34, 19 ss. ed. Mein.) und zJlov; Nonn. Dionys.
XIII, 161. — Ptol. III, 15, 23 SS. unterscheidet zwischen Kiqvcctov av.QOV
und Jiov ccKQOv. Vgl. Ulrichs Reisen II, S. 236 f. ; Vischer Erinnerungen
S. 660 f.
2) Unter dem in der Schätzungsurkunde aus Ol. 88, 4 erwähnten
noOLÖEiov iv Evßotcc (U. Köhler Urkunden S. 70) ist, wie ich glaube,
nicht der zu Aegä gehörige Tempel, sondern das Heiligthum von Gerä-
stos, um welches sich eine kleine Ortschaft gebildet hatte (s. u.) zu ver-
stehen.
2. Die ostgriecliischen Inseln: Euboia. 411
mittelbar vor der Mündung desselben in die kleine, jetzt Peleki
genannte Bliebt der Ostküste, welcber noch bedeutende Reste
der Ringmauern und Tbürme sowie zahlreiche Fundamente grösse-
rer und kleinerer Gebäude innerhalb derselben trägt. Der von
einem alten Dichter in Verbindung mit der Verwüstung des lelan-
tischen Gefildes erwähnte Untergang der Stadt, dessen Zeit und
Veranlassung sich nicht mit Sicherheit bestimmen lässt, hat
jedenfalls der Selbständigkeit derselben ein Ende gemacht; doch
bestand sie noch in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrech-
ming wenn auch als unbedeutendes Städtchen fortJ) Das nur
durch ein als besonders wahrhaft geltendes Orakel des selinun-
tischen Apollon bekannte Orobiä (auch Orope genannt) lag an
der Westküste in einer fi uchtbaren, von einem Bache (der wahr-
scheinlich den Namen Selinus führte) durchflossenen Ebene, in
welcher noch jetzt in dem Dörfchen Roviäs der Name und einige
Bausteine und Säulenfragmente von der alten Stadt, die im Jahre
426 V. Chr. durch ein furchtbares Erdbeben schwer geschädigt
worden war, erhalten sind. 2)
Zwei Stunden südöstlich von Roviäs liegt zwischen in Ter-
rassen aufsteigenden Gärten und Weinbergen an einer als Lan-
dungsplatz für kleinere SchifTe benutzten Bucht das Städtchen
Limni, in welchem ausser vereinzelten antiken Werkstücken neuer-
djngs die Fundamente eines grösseren Gebäudes mit einem Mo-
saikfussboden, kleinen Säulen, Ziegeln und Röhren (also wahr-
scheinlich einer Bäderanlage aus römischer Zeit) gefunden wor-
den sind. Dies sind Ueberreste des alten Aegä, einer Stadt,
die, wie alle dieses Namens, eine alte Stätte des Poseidoncults
war.. Doch lag der Tempel des Gottes, der noch im ersten Jahr-
') 11. B, 538; Theogn. 891; (Scymn.) Orb. descr. 576; Strab. X,
p. 445 8.; Ptol. III, 16, 25; Theophr. Eist. pl. VIII, 11, 7; Plin. IV, 12,
04; Prob, ad Verg. Georg. IV, 63: vgl. Ulrichs Reisen II, S. 227; Ber.
(1. Sachs. Ges. d. W. 1859, S. 143 f. ; \V. Viselier Göttinger gel. Anzeigen
1 Kft4, N. 35, S. 1373 ff. .
2) Thuk. III, 89; Strab. IX, p. 405; X, p. 445: vgl. Ber. der sächs.
«M'R. d. Wiss. 1859, 8. 151. Der Name 'Ogoßiat stammt offenbar von
uifoßog, lat. ervnm, einer in Grieclionland häufig wild wachsenden
Wicken- oder ICrbscnart. Die Form 'ÖQOTtrj bczengt Stejdi. liyz. n. Ko-
ifonrj. Da 2^sXivovg <'ln .sehr hUuligcr gri<*clii8<hci- Flussname ist, so
glaube ich den Apolh»n l^hXtvovvziog von <l»!m bt'i Koviiis vorüborfliesscu-
dcn fiachc hcTI«Mtcii /.ii dürfen.
28*
412 III. Die Inselwelt.
hundert unserer Zeitrechnung "bestand, als die Stadt schon sehr
herahgekommen oder ganz verlassen war, nicht in oder unmittel-
bar bei der Stadt, sondern V/^ Stunde weiter gegen Südosten
hocli über dem Meere auf einem Vorsprunge des Kandiligcbirges,
welcher jetzt ein Kloster des Hagios Nikolaos Galatas trägt J)
Ausser den bisher genannten gab es im Alterthum noch eine
beträchtliche Anzahl kleinerer Ortschaften im nördlichen Euboia,
theils im Innern des Landes, theils nahe der Ostküste, von denen
noch freilich meist sehr geringfügige Ueberreste erhalten sind,
ohne dass es uns möglich wäre , die ihnen zukommenden Namen
aus der grossen Zahl der ohne nähere topographische Angaben
uns überlieferten euböischen Ortsnamen herauszufinden, ^j
Sofa. Diß Hauptverbindung zwischen Nord- und Mitteleuboia bildet
die von der Natur selbst vorgezeichnete Strasse, welche aus der
Strandebene von Kerinthos (vom jetzigen Dorfe Manduti aus) im
Thale des Budoros aufwärts nach dem in einem breiten von
prächtigen Platanen beschatteten Thale gelegenen Dorfe Achmet-
Aga, von da immer längs des Fiüsschens, dessen Thal sich all-
mälig zu einer engen, von hohen, aber mit reicher Vegetation
1) Strab. VIII, p. 386; IX, p. 405; Steph. Byz. u. AlyaC-, Stat Theb.
VII, .371; Nonn. Dionys. XIII, 164: vgl. W. Vischer Göttinger gel. Anz.
1864, N. 35, S. 1379 ff. Ob die homerischen Stellen iV, 21 und s 381
auf das euböische oder auf das achäische Aegä zu beziehen sind, dürfte
kaum zu entscheiden sein. Bei Aegä suchte man auch das mythische
Nysa mit den sogenannten 8q)7]}iSQOL cc^ntXov, die am Morgen Augen,
um Mittag reife Trauben trugen, von denen am Abend die Dionysos-
dienerinnen Wein tranken: s. schol. IL iV, 21; Steph. Byz. u. Nvo(XL\
Soph. frg. 235 Nauck; schol. Soph. Antig. 1133.
2) Solche Ueberreste fand ich im Dorfe Hagia Anna oberhalb der
Ostküste und etwa drei Stunden westlich über demselben auf dem Rücken
des Xeronoros (s. Ber. d. sächs. Ges. d. W. 1859, S. 146); Ulrichs (Rei-
sen II, S. 226 und 228) in der Nähe von Pyli (östlich von Achmet-Aga,
nicht weit von der Ostküste) und bei Vasiliko (ebenfalls oberhalb der
Ostküste, aber beträchtlich weiter nördlich); W, Vischer in der Nähe
des Klosters des Hagios Elias (Ilia) am Südabhq,nge des Galzadesgebirges
(Erinnerungen S. 662 f.; vgl. Ber. d. sächs. Ges. d. W. a. a. O. S. 151)
und an vier Stellen in der Nähe von Achmet-Aga (Göttinger gel. Anz.
a. a. O. S. 1383), Zahlreiche nicht zu fixirende euböische Ortsnamen
giebt besonders Steph. Byz.; vgl. Meineke's Index u. EvßoLcc. Vielleicht
gehören in diese Gegend die in den athenischen Tributlisten aufgeführ-
ten zJLdü^iis ccno XaX-iiidacov und JiccyigtoL h Evßoicc (vgl. Lycophr.
AI. 375), über welche Böckh Staatshaush. II, S. 680 f. zu vergleichen ist.
2. Die ostgriechischen Inseln: Euboia. 413
bedeckten Felswänden begränzten Schlucht verengt, auf den
Rücken des den Kandili mit den nördUchen Verzweigungen des
Dirphis verbindenden Bergzuges empor und von diesem durch
spärliche Kiefern- und Fichten waldung allmälig hinab in die
weite, von zahlreichen Hügeln unterbrochene Küstenebene führt,')
welche das Gebiet von Chalkis bildete. Diese wahrscheinlich
aus einer Ansiedelung phönikischer Purpurfischer hervorgegangene
Stadt ^) wetteiferte in den ältesten Zeiten der griechischen Ge-
schichte mit ihrer Nachbarin, der nur einen kleinen Tagemarsch
(5 Stunden) von ihr entlegenen Eretria, um das Principat über
die Insel j seit der Verheerung Eretria's durch die Perser (490
V. Chr.) war sie die mächtigste und reichste Stadt der Insel
und behielt auch unter der makedonischen und römischen Herr-
schaft sowohl als starke Festung — als eine der drei 'Fesseln'
oder 'Schlüssel' von Hellas^) — wie als Handelsplatz eine hohe
Bedeutung, von welcher freilich in Folge der ununterbrochenen
Bewohnung des Platzes bis zur Gegenwart herab nur äusserst
geringe monumentale Spuren noch Zeugniss geben. Der Umfang
der alten Stadt scheint bis auf die Zeit Alexanders des Grossen
nicht viel grösser gewesen zu sein als der der mittelalterlichen
und neueren, welche aus zwei Theilen besteht: dem auf einer
niedrigen felsigen Erhöhung unmittelbar am Euripos im engeren
Sinne gelegenen Kastell, welches seine jetzige Gestalt wesentlich
') Vgl. über den Weg Ber. d. säehs. Ges. d. W. 1859, S. 141 ff.;
Oirard Memoire p. 699 s.; Vischer Erinnerungen S. 670 ff.
2) Die Alten leiten den Namen Xalntg von der Erzbereitung, also
von ;^aA>to'? her (Strab. X, p, 472; Steph. Byz. u. XaX-Kig; Plin. IV, 12,
64); doch scheint mir aus sachlichen Gründen die Herleitung von x'xl^rj
= yidXxri ' Purpurschnecke ' vorzuziehen. Auf orientalischen Ursprung
der Stadt weist der Name der angeblichen Stammmuttcr der Chalkidier
Kofißt] (Zenob. Prov. VI, 50; Steph. Byz. a. a. O.; vgl. Nonn. Dionys. XIII,
148; Hesych. u, Ko^ßi] , dazu Dondorft' Die lonier auf Euboia S. 23)
hin. Ob das Halten heiliger Fische in dem Becken der Arethusa (Athen.
VIII, p. 331"; Plut. De soll. an. 23) der Kest eines alten orientalischen
Cultus, wie Dondorff (Die lonier auf Euboia 8. 34) und Baumeister
(Skizze 8. 7) annehmen, oder ein erst in der Diadochenzeit aus dem
Orient eingeführter Brauch war, wage ich nicht z»i entscheiden, doch
ist mir das letztere wahrscheinlicher. •— lieber die angeblichen Namen
der Stadt ZivfirpriXogy 'AXUccQva und 'TnnxaXuig vgl. Mcineke ad Steph.
|.. 683, 14.
3) Vgl. Bd. I, S. 102, Aum. 2; dazu l'lut. Tit. 10.
414 in. Die Inselwelt.
den Venezianern verdiUiM, und ik'i nördlicli (hivon sicli hinziehen-
den sogenannten Vorstadt; das erstere entspricht der antilien
Akropolis oder Oberstadt, die letztere der wohl noch etwas wei-
ter gegen Norden sich erstreckenden Unterstadt, welche den von
besonderen Mauern umschlossenen Handelshafen (das Eniporion),
die durch ein Thor damit in Verbindung stehende, auf drei Sei-
ten von Säulenhallen umschlossene Agora, mehrere Gymnasien,
Hallen, Theater und lleiligthümcr, sowie zahlreiche Kunstwerke
enthielt. Eine bedeutende Erweiterung des llmfangs der Ober-
stadt fand slatt im Jahre 334 v. Chr., indem damals sowohl der
Euripos, über welchen die Boiotcr schon im Jahre 410 eine an
beiden Seiten durch Thürme, in der Mitte durch einen Brücken-
kopf vcrthcidigte Brücke geschlagen hatten, als auch der am
westlicben (böotischen) Ufer gelegene Felshügel Kanethos zu .den
Befestigungen der Stadt hinzugezogen wurde: auf letzterem, der
schon früher Eigenthum der Chalkidier gewesen und von diesen
als Gräberslätte benutzt worden war, wurde ein Castell errichtet
und dieses durch zu beiden Seiten der in einen bedeckten Gang
verwandelten Brücke hinlaufende Mauern mit der Hauptfeslung
auf der Ostseite des Euripos in Verbindung gesetzt. Der Um-
fang der so erweiterten Stadt betrug über 70 Stadien; doch war
dieser weite Baum nicht gleichmässig dicht bewohnt, sondern ein
Theil der Stadt (wahrscheinlich der südliche oder südöstliche)
fast ganz öde.^) Von einzelnen Denkmälern in der Stadt kennen
wir nur das durch eine hohe Sanle bezeichnete Grab des Kleo-
machos aus Pharsalos, der als Führer eines thessalischen Beiler-
corps im Kriege der Chalkidier gegen Eretria fiel, auf der Agora
und das sogenannte 'Grab des Knaben' an dem vom (Pastell nach
dem Euripos hinabführenden Wege; ferner zwei räthselhafte
') Anonym. Descr. Gr. I, 27 ss. (C. Müller Geogr. gr. min. I, p. 105);
Strab. IX, p. 403; X, p. 447; Liv. XXVIII, 6; XXXI, 21; Aeneas Comment.
pol. 4; vgl. Ber. d. Sachs. Ges. d. W. 1859, S. 118 ff.; Ulrichs Reisen
II, S. 215 ö'.; Baumeister Skizze S. 4 ff.; Vischer Göttinger gel. Anz.
1864, N. 35, S. 1370. Das Gymnasion und das Delphinion (Heiligthum
des Apollon Delphinios) erwähnt Plut. Tit. 16. Die Münzen (s. Eckhel
Doct. n. I, 2, p. 323 s.) lassen auf den Galt des Apollon, des Poseidon
und der Hera schliessen; den Cult des Zeus, der Roma und des Titus
Flamininus bezeugt das Fragment eines Päan bei Plut. a. a. O. Eine
Phyle Abantis in Chalkis in der Inschrift bei Ulrichs Reisen II,
S. 223 f.
2. Die ostgriechischen Inseln: Euboia. 415
Oertlichkeiteu : das Tyrsophion' und den dassell)e urugebeiiden,
die Lesche der Akmäer' genannten Platz J)
Bei grossen natürlichen Vorzügen liatte Chalkis, dessen Be-
wohner bei ihn übrigen Griechen im besten Rufe standen, 2)
einen entschiedenen Nachtheil: den Mangel an gutem Trinkwas-
ser. Alle gegrabenen Brunnen in der Stadt geben schlechtes,
brackiges Wasser, und auch das Wasser der berühmten, von den
alten Chalkidiern göttlicher Ehren gewürdigten Quelle Are-
thusa, welche im Alterthum die ganze Stadt mit Trinkwasser
versorgte — erst die Venezianer haben unter Benutzung antiker
Vorrichtungen zur Bewässerung der lelantischen Ebene eine zum
grössten Theil auf gemauerten Bogen ruherule Wasserleitung an-
gelegt, welche das Trinkwasser sechs Stunden weit vom Abhänge
der Dirphys herbeiführt — ist nicht von ganz leinem Geschmack.
Diese Quelle oder richtiger diese Quellen — denn es sind meh-
rere, welche sich zu einem kleinen nach dem Meere abüiesscn-
den Teiche vereinigen, in welchem noch jetzt wie im Alterthum
Aale leben — entspringen 20 Minuten südöstlich von der Stadt,
zur Bechten des auf den Spuren der antiken, theils aufgemauer-
ten, theils in den Fels gearbeiteten Strasse hiidaufcnden Weges
nach Erctria. Von den Quellen an sieht man in den die Strasse
zur Linken überragenden Felswänden etwa eine Viertelstunde
weit zahlreiche viereckige Sarkophage, zu denen hie und da Stu-
fen emporführen , und kleine Nischen in den Fels gehauen , so
dass wir hier eine der auf dem Hügel Kanethos ganz ähnliche
und ungefähr gleichzeitige Begrähnissslätle der alten Chalkidier
vor uns haben; eine dritte, jüngeren Ursprungs, mit in den
*) Pli^t. Amator. 17; Quaest. gr. 22 und 33. Für UvQGorpiov ist
vielleicht nvQaorpoQStov zu lesen und darunter ein Leuclittlmnii oder
Wartthurm zu verstehen.
*) Vgl. Anonym, Descr, Gr. I, 30 und das von Strab. X, p. 449,
M hol. Theoer. Id. XIV, 47 u. a. erhaltene Orakel. Der Vorwurf der
Habsucht, welcher den Clialkidiern von attischen Komikern gemacht
wurde, scheint auf einer falschen Deutung des Wortes XttXY.i&l^(iv zn
hrnihen: vgl. Paroemiogr. gr. I, p. 333, 81. Die in Chulkis herrschende
[•Hdorastie (vgl. Plut. Amnt. 17; Athen. XIII, p. ßOl»; ITesych. n. xaX-
y.tbi'Qfiv) scheint ähnlich wie in Elis (vgl. oben S 276) ursprünglich eine
politische Einrichtung aus der Zeit der Herrschaft der ritterlichen Oe-
fichlechter, der sogenannten tnnnßnrr'f Mforod. V, 77; Plut. Pericl. 23),
gewesen zu »ein.
4lf) in. Die lufeelwelt.
erdigen Boden eingesenkten Gräbern findet sich in den Feldern
eine halbe Stunde östlich von der Stadt J) Auf der Höhe über
den zu Gräbern eingerichteten Felswänden finden sich Ruinen
aus der venezianischen und einige Reste aus der hellenischen
Zeit, so dass hier vielleicht die Ortschaft Arethusa zu suchen
ist, deren Bewohner als selbständige Gemeinde in der Urkunde
des attischen Seebundes vom Jahre 378 neben den Chalkidiern,
Eretriern und Karystiern erscheinen, 2) obgleich dies bei der
grossen Nähe von Chalkis nicht ohne Bedenken ist.
Folgt man der von Chalkis nach dem nördlichen Euboia füh-
renden Strasse, so gelangt man eine halbe Stunde von der jetzigen
Stadt an einen jetzt Korrenti genannten Platz, auf welchem antike
Bausteine und Marmorstücke gefunden worden sind, Reste entweder
von dem nördlichsten Theile der alten Stadt, die bei ihrem be-
deutenden Umfange sich wohl bis hierher erstreckt haben kann,
oder von einer Art Vorstadt derselben. Eine halbe Stunde wei-
ter'bemerkt man auf der Strasse selbst und links von derselben
bis zur Küste ausgedehnte, aber unscheinbare Fundamente von
Gebäuden und Mauern, welche die Stelle einer alten Ortschaft
bezeichnen: vielleicht von Argura, einer Stadt im Gebiete von
Chalkis, bei welcher im euböischen Kriege (349 v. Chr.) ein
athenisches Reitercorps sein Lager aufschlug; doch kann dieselbe
auch einige Stunden weiter nördlich, bei dem nahe dem nörd-
lichen Rande der Ebene gelegenen Dorfe Kastelläs, wo sich Mar-
morreste eines antiken ionischen Tempels finden, gestanden haben. ^)
*) Anonym, a. a. O, § 27; Plut. Comment. in Hesiod. fr. 34; Strab.
I, p. 58; Eurip. Iphig. Aul. 168 ss.; Athen. VIII, p. 331«'; Plut. De soll,
an. 23: vgl. Ulrichs Reisen II, S. 216 f.; über die Wasserleitung ebds.
S. 241 f.; über die Gräber Ber. d. sächs. Ges. d. W. 1859, S. 123; Ran-
gabe Me'moire p. 6 ss. Quellen in der Gegend von Chalkis, deren oberes
Wasser trinkbar war, während das untere Nitrum enthielt , erwähnt Plin.
XXXI, 10, 110.
2) Inschrift hei Rangabe Antiq. hell. II, n. 381 •'•^ 82 (Agsd-oaioi) ;
vgl. Steph, Byz. u. 'Ags^ovaa.
3) Dem. in Mid. p. 558 und 567; Harpocr. p. 33, 1; Steph. Byz. u.
"yiQyovQcc; Bekker Anecd, I, p. 443, 18 (wo "AQyovaa wohl nur Schreib-
fehler). Gegen die von mir Ber. d. sächs. Ges. d. W. 1859, S. 142 aus-
gesprochene Vermuthung, dass Argura auf der Ostküste der Insel gelegen
habe, weil nach Steph. Byz. a. a. O. daselbst die Sage von der Tödtung
des Argos Panoptes localisirt war, Strabon aber (X, p. 445) auf der dem
2. Die ostgriechischen Inseln: Euboia. 417
Jedenfalls gehörte die ganze Ebene mit der schmäleren nord-
westlichen Fortsetzung bis zum Fusse des Kandiii, in weicher
jetzt das Dorf Politika liegt, nebst den Abhängen des den Kan-
dili mit der Dirphys verbindenden Bergzuges zum Gebiete von
Chalkis, das gegen Osten mindestens bis auf den Kamm der Dir-
phys, wahrscheinlich aber schon frühzeitig seit dem Untergange
von Kyme bis zur Ostküste reichte. Gegen Südosten, wo etwa
eine Stunde jenseits der Stadt die fruchtbare ielan tische
Ebene (vgl. oben S. 401) beginnt, war die Gränze in älteren
Zeiten schwankend, da sowohl Chalkis als Eretria Anspruch auf
den Besitz der Ebene erhoben und diesen Anspruch wiederholt
unter wechselndem Glück mit den Waffen gegen einander geltend
machten, bis endlich die Chalkidier das Uebergewicht erlangten:
dies muss vor dem Jahre 506 v. Chr. geschehen sein, da die
Athener damals, als sie durch einen kühnen Handstreich Chalkis
unterwarfen, die Ebene im Besitz chalkidischer Ritter fanden.^)
Seitdem bildete wahrscheinlich der Bergzug des Olympos (vgl.
oben S. 397) die Gränze zvvischen Chalkis und Eretria; das Ge-
biet der letzteren Stadt aber, welche in den Zeiten ihrer höch-
sten Macht, d. h. etwa im siebenten Jahrhundert v. Chr., sogar
Andros, Tenos, Keos und andere Inseln beherrschte, hatte auch
nach dieser Einbusse gegen Nordwesten noch eine bedeutende
Ausdehnung gegen Nordosten (wo es wahrscheinlich bis zur Ost-
küsle reichte) und gegen Südosten: in letzterer Richtung dehnte
sie es nach dem sogenannten lamischen Kriege (323/22) noch
bedeutend weiter aus, indem sie das Gebiet der durch den athe-
ägUischen Meere zugewandten Küste der Insel, d. h. auf der Ostküste,
eine Boog ccvXt] genannte Grotte, in welcher lo den Epaplios geboren
habe, ansetzt, bemerkt Baumeister (Skizze S. 49) mit Recht, dass an der
ganzen Ostküste kaum ein geeigneter Platz für ein Reiterlager zu tinden
sein möchte und dass eine solche Position für den Schutz von Chalkis
und Eretria ganz unbrauchbar gewesen wäre. — Ob das dichte Myrten-
gebüsch, welches in der Nähe von Kastelläs einen grossen Raum bis zum
Meere hin bedeckt, uns berechtigt, dort mit Ulrichs (Reisen II, S. 224)
das 'jgndyiov anzusetzen, einen mit besonders stattlichen Myrtenbäu-
raen bewachsenen Platz, an welchem nach chalkidischer Sage Ganymedes
vom Zeus geraubt worden sein sollte (Athen. XIII, p. 601 % ist mir
zweifelhaft, da auch an anderen Stellen des Gebiets von Chalkis statt-
liche Myrtensträuche wachsen.
•) Vgl. Hcrod. V, 77 mit Aelian. Var. bist. VI, 1.
418 , ' in. Die Inselwelt.
iiisdieii Fcldherni Phädros zerstörten Stadt Styra in Besitz
nainn, so dass seitdem alles zwischen den Gränzen des Gebiets
von Chalkis und des Gebiets von Karystos gelegene Land den
Eretriensern gehörte und die darin belegenen Ortschaften als
Deinen oder Komen von Eretria betrachtet wurdenJ)
Der Weg von Chalkis nach Eretria, den wir schon oben (S.415f.)
eine Strecke über die Arelhusa hinaus verfolgt haben, führt, nach-
dem er die lelantische Ebene, in welcher man keine sichern Spu-
ren einer alten Ansiedelung bemerkt, ihrer ganzen Länge nach
durchlaufen hat, durch eine schmälere steinige, jetzt ganz, uuan-
gebaute und nur mit Strauchwerk bewachsene Küstenebene, in
welcher sich eine Stunde jenseits des Dorfes Vasiliko zu beiden
Seiten des Weges öuf eine •längere Strecke Steine von alten Ge-
bäuden und beinahe eine Stunde näher gegen Eretria hin in und
neben einer verfallenen Kirche die Ueberreste eines allen Hei-
ligthums finden: an einer dieser beiden Stellen lag vielleicht die
kleine Ortschaft Aethopion oder Aethiopion, welche offen-
bar ihren Ursprung einem Ileiligthume der Artemis Aethopia
(einer Nebenform der Artemis Amarynthia, der Ilauptgötlin von
Eretria) verdankte. 2)
Eretria, wahrscheinlich eine Gründung von Minyern aus
*) Strab. X, p. 446 und 448: vgl. besonders die Inschrift in der 'Aq-
XaioXoyiyiT] scprj^SQtg TIsq. B', H. 13, N. 404^, ein Verzeicliniss von Na-
men von Bürgern und Eplieben von Eretria, welche einen von der Stadt
mit einem gewissen Chärephanes abgeschlossenen Vertrag beschworen
haben, mit beigesetzten abgekürzten Demoticis, unter denen ZixvQO und
/JvGto am häufigsten vorkommen: das ebendaselbst erscheinenende löti«
ist wohl nicht auf die Stadt Histiäa im nördlichen Euboia, sondern auf
eine gleichnamige Ortschaft im Gebiete von Eretria zu beziehen (vgl.
oben S. 407, Anm. 1). Dass das Gebiet von Eretria bis zur Ostküste
reichte, ist zwar aus den Worten des Skyl. Per. 58 ^ Y,ax* 'EiQSXQiav
S-üVQOQ xat TTo'Afcg' nicht mit Sicherheit zu folgern, aber an sich höchst
wahrscheinlich: vgl. auch Plat. Menex. p. 240*'.
'^) Atd-voniov Harpocr, p. 8, 13; Bekker Anecd. I, p. 33.5, 32; At-
^oTiiov Steph, Byz. u. d. W. ; die cbds. erwähnte Artemis AlQ^oniu nennt
auch Sapph. Epigr. 118 Bergk. Die Annahme Spratt's (Transactions of
the royal society of litterature, II series, Vol. II, p. 243 s.), dass die
aus der Ebene von Vasiliko nach Eretria führende Strasse von Mauern
mit Thürmen und Thoren, ähnlich den langen Mauern zwischen Athen
und dem Peiräeus, eingeschlossen gewesen sei, ist mir höcht unwahr-
scheinlich.
2. Die ostgriechisclien Inseln: Euboia. 419
Thessalien oder aus Tripliylien, welche durcli den Ilhizulrill
attischer Ansiedler frühzeitig einen hohen Aufschwung nahm, ^)
dann längere Zeit die ebenhürtige Nebenbuhlerin von Chalkis,
im Jalu'e 490 von den persischen Feldherren Datis und Arta-
pherncs erobert und zerstört, wobei auf ausdrücklichen Befehl
des Königs Dareios die Ileiligthümer in Brand gesteckt, die Be-
wohner zu Sclaven gemacht und nach Susa geschleppt, vom Kö-
nige aber, dessen Zorn durch den Anblick der hülflosen Gefange-
nen besänftigt ward, in Ardericca im Lande der Kissier ange-
siedelt wurden, bald nach der Schlacht bei Marathon, wahrschein-
Hch mit Hülfe Athens, wiederhergestellt, so dass es im zweiten
Perserkriege zu den Seeschlacliten bei Artemision und Salamis
sieben Schifle, zu der Schlacht bei Platää in Vcrbhidung mit
Styra 600 Ilopliten stellen konnte,"^) dann bis in die römische
Kaiserzeit die zweite Stadt der Insel, deren Bevölkerung Iheils
vom Ackerbau, theils von Fischfang und Schifffahrt lebte, ^j seit
dem frühen Mittelalter ganz verschollen, ist jetzt ein neues, aber
') 'Eqezqik, homerisch Etgstgia (II. B, 537), ist jedenfalls wie Eqs-
00?, EiQf-otaL u. ä. von igeooo) herzuleiten, — Schrift des Lysanias von
Mallos TtBQL 'EQSTQLas: [Phit.] De malign. Ilerod. 24. — Strab. X, p. 447
giebt die doppelte Tradition einer Gründung vom triphylischen Makistos
und von Athen aus, nachdem er vorher angegeben hat, dass die Stadt
von Athenern vor dem troischen Kriege gegründet, nach dem troischen
Kriege von Athenern unter Führung des Aiklos (den auch [Skymn.]
Orb. descr. 575 als Gründer nennt) besiedelt worden sei; p. 448 erklärt
er den übermässigen Gebrauch des Buchstabens P bei den Eretriern
(vgl. Diogenian. IV, 57) durch den Zutritt von Ansiedlern aus Elis,
Nach Steph. Byz. u. 'Eqbtqik wäre die Stadt nach Molaneus, dem Vater
des Eurytos, MeXccvrj'ig (was auch Strab. p. 447 als älteren Namen neben
'j4q6tqik anführt), nach Eretrieus, dem Sohne des Phaethon, 'Eqstqicc
])enannt worden. Auf Ihessalischen Ursprung führt der dort wiederkeh-
rende Name (vgl. Bd. I, S. 80) und einige Spuren der Sagen, wie die
von Admetos und von Ijirytos und Oichalia (vgl. Steph. u. 'Eqstqicc und
OlxccXicc; Strab. p 117). Vgl. II. iteinze De rebus Eretricusium, Göt-
tingen 1869.
') Herod. VI, Ol) fV.; 110; VIII, 1; 46; IX, 28; vgl. Philostr. Vit.
Apoll. I, 24 f.; Shili. x\q, p. 747; Curtius IV, 12, 11. Die 'Epft^t^g
.stehen zwischen Nü^ioi und XalytiSrig auf der Schlangcnsäido Gew. 6.
") Fischfang: Athen. VII, p. 284''; Paus. V, 13, 5; besonders waren
die q)(xyQOL von Eretria beliebt: Athen. VII, p. 205'' und p. .'}27'i. Fei-
nes Brod: Athen, IV, p. 160\ Vgl. II. Blümner Die go werbliche Thätig-
keit der Völker des clasa. Alterthuraa ö. 88.
420 III. Die Inselwelt.
wegen des ungesunden Kiima's — eine Folge der Versumplung
der Meeresküste — fast schon wieder verödetes Städtchen mit
breiten, regelmässigen Strassen, welches die griechische Regierung
für die von ihrer Heimathinsel vertriebenen Psarioten auf einem
Theile des Terrains der alten Stadt hat anlegen lassen. Ober-
halb desselben sind auf einem felsigen Hügel, welcher gegen
Nordosten nur durch ein schmales Thal von den letzten Aus-
läufern des Olympos getrennt wird, noch stattliche Reste der
theils aus polygonen, theils aus viereckigen Werkstücken erbauten,
durch starke viereckige Thürme geschützten Mauern der Akro-
polis erhalten; in der Ebene bis zum Meere hin findet man noch
an verschiedenen Stellen die Fundamente der Ringmauer der Un-
terstadt, an welche sich ein langer, den von Natur wenig ge-
schützten Hafen gegen Westen abschliessender Steindamm an-
schloss, und sehr zahlreiche Substructionen antiker Gebäude, zum
Theil von beträchtli(!hem Umfange, unter denen noch das einige
hundert Schritt vom Meere entfernte Gymnasion durch eine In-
schrift, das am nordwestlichen Fusse des ßurghügels ganz auf
künstlichem Unterbau ruhende Theater (die nach dem Meere zu
geöffnete Cavea nebst Bühnengebäude) durch die Form der Ruinen
und einige noch erhaltene Sitzstufen kenntlich sind. Ein aus
Meerkieseln zusammengesetzter Mosaikfussboden von 4,073 Meter
Länge, 4,068 Meter Breite, welcher den auf einem Panther rei-
tenden Dionysos, darunter eine Sirene, darstellt, gehörte vielleicht
zu dem Heiligthume des Dionysos, welchem regelmässige fest-
liche Aufzüge gefeiert wurden und dessen Priester an der Spitze
einiger Decrete (neben drei Polemarchen, die jedenfalls die fest-
lichen Aufzüge zu leiten hatten) genannt wird. Unbekannt sind
die Stellen der Heiligthümer der Demeter Thesmophoros , wel-
cher die Frauen ähnlich wie in Athen das Thesmophorienfest
feierten, des Apollon Daphnephoros und der Artemis.*) Das an-
') Vgl. Ulrichs Reisen 11, S. 249 ff.; Rangabe Me'moire p. 10 ss. (mit
einer Abbildung der Mosaik auf pl. II); Girard Me'moire p. 669 ss.; Ber.
d. Sachs. Ges. d. W. 1859, S. 127 ff. t)ie dort von mir wie auch von
Baumeister (Skizze S. 11 und S. 50 f.) nach Strab. IX, p. 403 (nach wel-
cher Stelle rj naXccia 'Eqszqiu dem Hafen Delphinion, ?) vvv 'Eqstqi-cc
Oropos gegenüber lag) angenommene locale Verschiedenheit zwischen
der älteren (vorpersischen) und neueren Stadt scheint mir jetzt doch aus
inneren Gründen sehr unwahrscheinlich. Da nämlich nach dem Berichte
2. Die ostgriechischeu Tnselu: Euboia. 421
gesehenste und wohl älteste aller Heiligthijmor Eretria's aher, das
der Artemis Amarysia, lag nicht in der Stadt selbst, sondern in dem
sieben Stadien von der Stadtmauer enllernten Flecken Amaryn-
thos: hierher bewegte sich an dem Jahresfest der Göttin in den
Zeiten des höchsten Glanzes Eretria's von der Stadt aus ein Fest-
zug von 3000 Ilopliten, 600 Reitern und 60 Wagen, und noch
im zweiten Jahrhundert v. Chr. nahmen an der Feier nicht nur
die Bewohner des ganzen Gebiets von Eretria, sondern auch die
Karyslier Theil; hier wurden Exemplare aller wichtigen ölTent-
lichen Urkunden zur allgemeinen Kenntnissnahme aufgestellt. ^)
Die Stelle des Heiligthums bezeichnen wahrscheinlich die Funda-
des Herocl. (VI, 101) nur die Heiligthümer von den Persern in Brand
gesteckt wurden, die sonstigen öffentlichen und Privatgebäude also, so-
wie die Befestigungswerke jedenfalls zum grossen Theil erhalten blieben,
so lässt sich durchaus nicht absehen, was den den Persern entgangenen
Rest der Bevölkerung veranlasst haben sollte, statt der Wiederherstel-
lung der nur theilweise zerstörten Stadt eine ganz neue an einer andern
Stelle aufzubauen. Dai;u kommt, dass Strabon selbst bei der Beschrei-
bung der neueren Stadt (X, p. 448) die noch sichtbaren Fundamente der
Mauern der älteren erwähnt und von jener den Ausdruck BTciv-tiOTat
gebraucht, der doch kaum anders als von unmittelbarer räumlicher Nähe
verstanden werden kann. Ich möchte also vermuthen, dass Strabon's
Angabe an der frühern Stelle auf einem Irrthum bendit, indem er eine
in der Nähe des jetzigen Vathia gelegene Ortschaft (etwa Aegilia oder
Choireä, s. u.) fälschlich für das alte Eretria gehalten und in den Auf-
zeichnungen über seine Küstenfahrt als solches verzeichnet hat, später
aber bei einem Besuch in Eretria selbst eines Besseren belehrt worden
ist. — Die Burg (arx) sowie der Reich thum der Stadt an Statuen
und Gemälden der älteren Kunst wird erwähnt bei Liv, XXXII, 16; das
Gymnasion in der Inschrift bei Rangabd Ant. hell. n. 669, Z. 36; das
Fest diovvaia mit der 7to(inrj und der [sgsvg tov diovvGov ebds. Z. 44 f.;
C. I. gr. n. 2144; Rhein. Mus. Bd. XXI, S. 533, N. 400; die Thesmo-
phorien Plut. Quaest. gr. 31; das Heiligthum dos Apollon daq}vrjq)6Qog
*AqxocioX. ^(pri^. nsQ. ß, H. 13, N. 404a, Z. 10 u. ö. (vgl. Plut. de Pyth.
or. 16); das Heiligthum der Artemis C. I. gr. n. 2144** (von welcher In-
schrift die von Rhusopulos in der *Aqx. ^qp. UeQ. ß', IL 12, S. 311 cdirte
gewiss nicht verschieden ist).
«) Strab. X, p. 448; Liv. XXXV, 38; Paus. I, 31, 5; Aulian. De aat.
an. XII, 3i; schol. Pind. Olymp. XIII, 169; Ptol. III, 15, 24; Steph. Byz.
u. *AnaQVv^og'y Rangabc Ant. hell. n. 689, 34 (ebds. Z. 45 f. wird ein
Fest 'AffTtfiiaiu mit dem ayav rrjg nvQQixug erwähnt); 'A(fX- ^qp^/ft.
liQ. ß', N. 404«, Z, 67. Der Kopf der Artemis Amarysia auf Mün/.cn
-n Eretria: Eckhel Doct. n. v. I, 2, p. 324.
422 III. Die Inselwelt.
niente einij^er antiken Gebäude, welclie man eine halbe Stunde
östlicli von Erctria in der Nähe des an der Küste hin führenden
Weges nacli Valhia findet.
Wie Challiis so litt auch Eretria Mangel an gutem Trink-
wasser,^) obwohl ein tief in den Felsen gebohrter Brunnen am
Fusse des Berghügels und mehrere in den Felsboden eingeschnit-
tene Wasserleitungen noch jetzt von der Sorgfalt Zeugniss giebt,
welche die Bewohner der alten Stadt auf die Versorgung der-
selben mit Wasser verwandten. Der ausgedehnte Sumpf, wel-
cher sich jetzt gerade östlich von der Stadt bis zu den Sub-
structionen der alten Stadtmauer hinzieht und die Luft mit Fieber
erzeugenden Dünsten schwängert, war jedenfalls im Alterthum
nicht vorhanden; dass aber an einem andern Theile des Gebiets
von Eretria (vielleicht nordöstlich oder nordwestlich von der Stadt,
wo mehrere kleine Giessbäche von den Abhängen des Olympos
herabkommen) eine weite Strecke sonst anbaufähigen Landes mit
Wasser bedeckt war, zeigt eine Inschrift, die Urkunde eines von
der Stadt Eretria mit einem gewissen Chärephanes geschlossenen
Vertrags, wodurch dieser sich verpflichtet, den See in Ptechä
(einer sonst nirgends erwähnten Oertlichkeit) binnen vier Jahren
auszutrocknen, wogegen er das Recht erhält, das dadurch ge-
wonnene Land 10 Jahre lang gegen einen Pachtzins von 30 Ta-
lenten zu bebauen. 2)
Der Weg von Eretria nach dem öy^ Stunden weiter östlich
jenseits des Kotyläongebirges gelegenen stattlichen Dorfe Aliveri
folgt längs der Küste fast durchgängig den Spuren einer alten
Heerstrasse, welche zum grössten Theil durch Unterbauten aus
grossen Quadern gestützt, an einigen Stellen in den natürlichen
Felsen gearbeitet war. Etwa ly^ Stunden jenseits Eretria findet
man auf einer kleinen Anhöhe ein Stück einer antiken Umfas-
sungsmauer, nahe dabei Fundamente alter Gebäude und eine ver-
') Athen. II, p, 46^8.
2) 'Aqx- siprj^. TIsQ. B', H. 13, N. 404. Dass fler Vertrag sich nicht
auf den See von Dystos, den einzigen, den wir jetzt innerhalb des da-
maligen Gebiets von Eretria nachweisen können, bezieht, zeigt die
Bezeichnung des See's als r} Xi^vrj i] iv IIti%at<s^ welcher Ortsname
noch zweimal in dem fragmentirten Namensverzeichniss der 3ten Columne
der Inschrift (Z. 14 und 35) in der abgekürzten Form Tlxsxri und IIxsx
erscheint.
2. Die ostgriecliisclieu Inseln: Euboia. 423
fallene Kirche, welche nach einer darin gefundenen Inschrift^)
die Stelle eines Heiliglhums der Arleniis, des Apollon und der
Leto einnimmt, üeber niedrige Hügel steigt man dann in eine
fruchtbare, durch einen BaCli, der im Alterthum vielleicht den
Namen Erasinos führte, bewässerte Ebene hinab, in welcher
in einiger Entfernung zur Linken des Weges das Dorf Valhia
liegt; nahe dem östlichen Ende des Thaies finden sich zu beiden
Seiten des Weges in und neben mehreren verfallenen Kirchen
Reste einer alten, wie es scheint nur durch zwei Thürme ge-
schützten Ortschaft, jetzt von den Umwohnern Paläa chora genannt.
Die beiden Ruinenstätten entsprechen wahrscheinlich den alten
Ortschaften Aegilia und Choireä, Rüstenplätzen des eretri-
schen Gebiets, bei welchen Tm Jahre 490 Theile des persischen
Heeres landeten. -)
Jenseits der die Ebene im Osten begränzenden Hügel fülirt
der Weg über drei Stunden lang als 'Kaki Skala' (böse Stiege)
über einzelne, theils kahle, theils mit Strauchwerk bewachsene
Felscaps nach einer zweiten, ebenfalls von einem Bache bewäs-
serten Ebene, in welcher etwas über eine halbe Stunde landein-
wärts das Dorf Aliveri liegt. Da, wo der Weg sich nach links
vom Meere abwendet, findet sich der Unterbau eines viereckigen
antiken Thurmes und nahe dabei die Reste der Ringmauer einer
befestigten Ortschaft: jedenfalls von Porthmos, einem wohl all-
mälig aus einer blossen Fährstelle zur Ueberfahrt nach Attika
*) Ulrichs Reisen II, S. 249: eine fast gleichlautende, wahrschein-
lich von demselben Platze aus verschleppte Inschrift fand derselbe (a. a. O.
»S, 224) in Chalkis, eine dritte, wiederum ganz ähnliche, Spratt (Trans-
actions of the royal society of litt. 11 ser. Vol. II, p. 245 s.) IV2 engl.
Meile landeinwärts von der jetzt Paläa Chora genannten Ruinenstätte
östlich von Vathia.
2) Herod. VI , 101 : l>eide Orte erscheinen auch als Demen der Eretrior
in den Abkürzungen Aty {Ai) und Xolq in der S. 422 Anm. 2 erwähnten
Inschrift, Dass <s .in. n I^Iuhs 'E^jaarvos im Gebiete von Erctria gab,
bezeugt Strab. VIII, j». '{71: Jruilicii ist die IJeziehung des Namens auf
den Fluss bei Vatlii.i iii( lit sicher, sondern es kann derselbe auch auf
den Fluss des Thaies von Aliveri, den Kiepert (Neuer Athis von Hellas
\»\. V) nach Baumeisti-rs (Skizze S. 10) wie mir scheint sehr unsicherer
Vcrmuthung (denn im schol. Find. Olymp. VI, 149 ist wahrscheinlich
nur durch ein Verseheu Euboia statt Hamos genannt) luibrasos nennt,
bezogen werden. — Ueber die KuinenstUttcn s. KangabJ Memoire p. 15 ss.;
Ber. d. sächs. Ges. d. W. 1859, 8. 131.
424 111. Die Inselwelt.
erwachsenen Ilafenstädtclien, das trotz der Zerstörung seiner Be-
festigungswerke durcli Philipp II. von Makedonien (342 v. Chr.)
bis ins späteste Alterlhuni fortbestand. ^) Es war der I.andungs-
platz für die an der Stelle des jetzigen Aliveri, welches noch
zahlreiche architektonische Fragmente und ein Paar Inschriften
bewahrt hat, gelegene Stadt Taniynä, deren Flur im Jahre 350
V. Chr. der Schauplatz eines für die Athener und besonders ihren
Feldherrn Phokion ruhmvollen Kampfes war. Sie besass ein an-
gesehenes Heiligthum des Apollon, welchem zu Ehren Festspiele
(Tamynäa) mit musischen, gymnischen und jedenfalls auch hippi-
schen Agonen — denn es wird auch ein Hippodrom zu Tamynä
erwähnt — gefeiert wurden, sowie auch ein IJeiligthum des Zeus
Tamynäos.2)
Nordwärts von Aliveri erstrecken sich bis zur Ostküste hin
mehrere hauptsächlich mit Lentiscussträuchern und K nopper-
eichen (Quercus aegilops) bewachsene Bergzüge von massiger Er-
hebung, dazwischen fruchtbare Thäler, von oleanderumsäumten
oder platanenbeschatteten Bächen durchflössen, mit zahlreichen,
wohlgebauten Dörfern, die meist anmuthig zwischen Weingärten
oder Fruchtbäumen gelegen sind. Diese Gegend ist jetzt die be-
völkertste und wohlhabendste Strecke der ganzen Insel; von ihrer
Blüthe während des Mittelalters geben zahlreiche Reste fränkischer
Ritterburgen und stattliche byzantinische Kirchen Zeugniss; auch
Reste antiker Heiligthümer, Wartthürme und Ortschaften fehlen
nicht, nur ist es uns in den meisten Fällen unmöglich, die Na-
men derselben auch nur mit annähernder Sicherheit zu bestimmen.
So bezeichnet eine fast ganz aus antiken Architekturfragmenten
erbaute, jetzt verfallene Kirche bei dem Dorfe Hagios Lukas
etwas über eine Stunde nördlich von Aliveri deutlich die Stelle
eines im ionisch-attischen Style erbauten antiken Heiligthums;^)
1) Dem. Phil. III, p. 119; 125; IV, p. 133; De cor. p. 248; Strab.
p. 447; Harpoer. p. 155, 23; Plin. IV, 12, 64; Hierocl. Synekd. p. 10
Parthey; vgl. Ber. d. sächs. Ges. d. W. 1859, S. 132; Baumeister Skizze
S. 12.
2) Herod. VI, 101; Aeschin. De falsa leg. § 169; in Ctes. § 86 und
88; Dem. in Mid. p. 567; Plut. Pliok. 12; Strab. p. 447; Harpoer.
p. 174, 15; Inschrift bei Rangabe' Ant. hell. n. 957 mid'jQX- ig). HsQrB'j
H. 13, N. 412. Den Zeus TafivvccLog erwähnt nur Steph. Byz. u. Ta-
(jLVva. Vgl. Baumeister Skizze S. 53 ff.
3) Baumeister Jahrb. f. Philol. Bd. 75, S. 352 f.: die dort mitge-
2. Die ostgriechischen Inseln: Euboia. 425
die untersten Steinlagen der Cellamauer eines anderen Heilig-
lliums findet nian zwei Stunden nordwestlich von da auf dem
Rucken des Kotyläon oberhalb des zwischen njehreren Bächen,
die sich dann zu dem Flusse von Alivcri vereinigen, gelegenen
Dorfes Partheni, das wahrscheinlich an die Stelle einer alten
Ortschaft Parlhenion getreten istJ) Ferner ist hinter dem
Dorfe I^ea, zwei Stunden nordöstlich von Aliveri, der Unterbau
eines viereckigen antiken Thurmes erhalten; ungefähr zwei Stun-
den weiter nördlich, unterhalb des grossen Dorfes Avlonari, steht
neben einem Chan unter riesigen Platanen eine stattliche Kirche
der heiligen Thekla, wo am Tage dieser Heiligen (24. September
alten Slyls) ein mit Jahrmarkt verbundenes P^est abgehalten wird,
mit zahlreichen Resten eines antiken ionischen Tempels; ähnliche
Reste enthält eine Y2 Stunde nordwestlich von da gelegene jetzt
verfallene Kirche; ausserdem sind in und bei verschiedenen Dörfern
einzelne alte Werkstücke und Substruciionen einzelner antiker
Gebäude gefunden worden.^) Der bedeutendste Rest des Alter-
thums aber in dieser ganzen Gegend sind die Ruinen einer durch
ihre naturliche Lage ebensosehr als durch ihre Befestigungs-
werke geschlitzten Ortschaft auf einem steilen Felshügel südwest-
lich von dem Dörfchen Neochori, ungefähr zwei Stunden nord-
westlich von Avlonari. Der nach allen Seiten schroff abfallende,
gegen Norden durch einen mächtigen Spalt von einem jetzt Dia-
kophti genannten felsigen Bergzuge (dem südöstlichsten Vor-
sprunge des iMavrovuni) getrennte Hügel ist nur von der Ost-
seite mit Hülfe von in den Fels gehauenen Stufen zugänglich;
die obere Fläche, welche gegen Nordwesten von einer Kuppe,
die olTenbar die Akropolis der alten Stadt trug (jetzt trägt sie
theilte, leider sehr fragmentirte Insclirift enthält Bestimmungen über die
Abhaltung einer nofinr] zu Ehren der Gottheit, welcher das Heiligthum
geweiht war. '
*) Steph. Byz. u. Flccgd-iviov' noXig Evßoiag. Vgl. Girard Me'moire
p. 680, dessen Vermuthung, dass der Tempel ebenso wie das ganze Ko-
tylUongebirge (vgl. oben S. 397, Anm. 2) der Artemis geweiht war, mir
weit wahrselieinUcher sclicint als die Annahme liaumeister's (Skizze
S. 16), der den Tempel der Hera Parthenos und daher dem Flusse von
Aliveri den Namen Parthenius oder Imbrasos vindicirt: vgl. obeu 8. 423,
Anm. 2.
«) Vgl. IJer. d. Sachs. Ges. d. W. 1869, 8. Vi2 f. und 8. 136; Hau-
.... i.ster Skizze 8. 15 f. ^
RURSIAN, 0E(X1R. II. 29
426 IIT. Die Inselwelt.
einen Thurm aus der fränkischen Zeit, wie auch andere Fieste
die JJenutzung der Ruinen zur Anlage einer fränkischen Ritter-
hurg hcweisen) überragt wird, ist von starken Ringmauern von
ziemlich unregelmässiger Rauart umgeben; innerhalb derselben
findet man eine mit Wasser (jedenfalls dem Ausfluss einer Quelle)
gefüllte Grotte, einen zum Opferheerd (Eschara) bearbeiteten Fels-
block und in zwei verfallenen Kapellen Säulenreste nebst einigen
ionischen Kapitalen. Vielleicht sind dies die Ruinen von Gryn-
chä (auch Rrynchä, Rhynchä und Trychä geschrieben),
einer in den athenischen Tributlisten neben Eretria als Mitglied
des Seebundes aufgeführten Stadt, die später zum Gebiete von
Eretria gehörte.^)
*) Der Name lautet in den Tributlisten meist rgvyxrjS {rQvvxrjQ),
ein- oder zweimal BQvyxEtrjg; vgl. U. Köhler Urkunden S. 197. In der
Inschrift 'Aqx. i(p. TIfq. B', N. 404^ steht fünfmal das abgekürzte De-
motikon TQvyx {FQvy). Schon Böckh (Staatshaush. II, S. G78) hat rich-
tig erkannt, dass der Ort identisch ist mit dem von Steph. J3yz. als
XCOQLOV Evßoiccg bezeichnetem ^Pvyxca^ sowie mit dem von demselben
als Ttohg Evßoiag angeführten TQvxcct (vgl. Lykophr. AI. 374). Viel-
leicht endlich ist auch das von Steph. Byz. u. Tvx^ erwähnte Tvxociov
OQog (ista^v 'EQStQLccg Kai BoKorCag (KuQVGticcg?) auf dieselbe Oert-
lichkeit zu beziehen. Ueber die Ruinen \g]. Ulrichs Eeisen II, S. 244 f.;
Ber. d. sächs. Ges. d. W. 1859, S. 134 f.; Baumeister Skizze S. 14. —
Als sonstige Ortschaften im Gebiete von Eretria werden angeführt die
Kome Oichalia, angeblich der Ueberrest der von Herakles zerstörten
Stadt dieses Namens (Strab. X, p. 448; Steph. Byz. u. Oixccltcc; Plin.
IV, 12, 64), die nach Hekatäos bei Paus. IV, 2, 3 Iv Z-hlw ^olqoc xrlg
'EQETQLyiTig (vgl. Steph. Byz. u. Zmug- egtl yial Zv,ia noXt'xviov Ev-
ßoLag) gelegen war; ferner "Ojtco^ov, ZuccßaXa und ^dqßiqkog (Steph.
Byz. u. d. WW.), welche manche, schwerlich mit Recht (denn die beiden
erstgenannten werden aus dem 24sten Buche des Theopomp angeführt,
worin die Kämpfe der Athener auf Euboia im Jahre 350 behandelt wa-
ren), nach Thrakien verlegen wollen. Vgl. auch Baumeister Skizze
S. 52 f. Von den abgekürzten Ortsnamen der Inschrift 'AqX' ^qp. H^Q. B'
n. 404 sind ausser den bisher besprochenen nur /Jvaxog, Stvqu und Zä-
QjjTQoc (alle drei in dem zum südlichen Euboia gehörigen Theile des
Gebiets von Eretria gelegen; s. unten) sicher: MivQ^o {Mivd') lässt
auf eine Ortschaft MCvQ'og oder Miv^r] (vgl. Zfiiv&og oder I^fiiv^rj in
Troas und den Berg Mivd'r] in Triphylien), ^r^gai, (^tj) auf ^TjQcct ~oder
^riqala (vgl. ^tjqkl, ^f^ort', ^agai in Messenien, Lakonien, Achaia,
Thessalien), Ictia {Jgxl) auf "loxCaia (vgl. oben S. 407, Anm, 1) schliessen;
die übrigen sind ganz unsicher. ^
2. Die ostgriechischen Inseln: Eiiboia. 427
An der Osfküste des mittleren Euboia treten zwei felsige
Vorgebirge ins Meer hinaus : das Cap Ochthonia oder Chersonisi
(das alte Chersonesos: vgl. oben S. 398) im Süden und das
Cap von Kunn (auch Kili genannt nach einer nordwestlich davon
gelegenen kleinen Insel dieses Namens) im Norden: zwischen
beiden bildet die zurücktretende Küste eine weite Bucht, die
unterhalb des Städtchens Kumi einen freilich nur wenig geschütz-
ten Ankerplatz darbietet. Weder dieser Landungsplatz, noch das
ungefähr eine Stunde oberhalb desselben am Berghange zwischen
Weingärten gelegene Städtchen, dessen Bewohner hauptsächlich
vom Wein- und Oeibau, auch von der Arbeit in den eine Stunde
westlich von der Stadt in einem Thale gelegenen Braunkohlen-
gruben (vgl. oben S. 397) leben, enthält antike Beste; doch fand
ich 10 Minuten nordöstlich vom Orte einen in den natürlichen
Felsen gearbeiteten Sarkophag, und etwas weiter nach dem Cap
zu sind in den Weingärten viele alte Gräber, welche etwa dem
dritten oder vierten Jahrhundert v. Chr. ang4?hören mögen,
zum Vorschein gekommen. Aber auch ohne diese Beste würde
der jetzige Name der Ortschaft hinreichen, uns darin die Nach-
folgerin des alten Kyme erkennen zu lassen, einer Stadt, deren
Bedeutung durchaus den ältesten Zeiten der griechischen Ge-
schichte anzugehören scheint: von ihr ist jedenfalls die älteste
griechische Ansiedelung auf italischem Boden, Kyme in Campa-
nien, von ihr wahrscheinlich auch das kleinasialische Kyme ge-
gründet worden; aber sie hat frühzeitig, wahrscheinlich in Folge
unglücklicher Kämpfe gegen Chalkis, ihre Selbständigkeit einge-
büsst und ist zu so völliger Unbedeutendheit herabgesunken, dass
die italische Tochterstadt, welche einer Stütze im Mutterlande
bedurfte, diese in Chalkis, als der damaligen Besitzerin der Mut-
terstadt, und in der kleinasiatischeh Schwesterstadt suchte und
fand, wodurch dos ursprüngliche Verhältniss dieser Städte zu
einander ganz in Vergessenheit gerielh.^)
*) Das euboische Kyme erwähnt nur Stoph. Byz. u. Kvfirj. Vgl.
meine Qiiaest. Euboic. p. 15; Her. d. sächs. Ges. d. W. 1850, S. 133 f.;
Ulrichs Reisen II, S, 240 f.: die von letzterem erwUlinto Grabplatte mit
der 'gnt geschriebenen' Inschrift TTPHEß l)ewei8t, dass die Stadt noch
etwa im dritten oder vierten Jahrliundert v. Chr. bewohnt war; die Er-
haltung des alten Namens Ijlsst schliessen, dass .sit« iiborhuiipt nie ganz
vcrlWlct w;ir.
29*
Euboia.
428 in. Die Inselwelt.
Süd- Die Strasse von Kumi nach dem südlichen Euboia geht
zunächst eine Strecke an der Kiisle hin, dann an dem nach
seiner pyramidenühnlichen i''orm Oxylilhos genaniilen Berge (an
dessen nördUchem Fusse sicli antike Mauerreste finden) vorüber
und in dem gegen Osten von der Oclilhonia genannten Bergmasse
begränzten, von einem ansehnliclien Bache durcliflossenen Tiiaie,
über dessen östlichem Rande das Dorf Avlonari liegt (vgl. oben
S. 425), aufwärts und steigt dann über einen quer durch die Insel
streichenden Bergzug in ein tiefes Kesselthal hinab , das auf drei
Seiten von Bergen, im Osten gegen das Meer hin durch eine
Reihe niedrigerer Hügel begränzt und in seinem südwestlichen
Theile ganz von einem nicht unbeträchtlichen See, der nur bei
ungewöhnlich lange anhaltender Dürre austrocknet, eingenommen
wird. An der Südseite des Sees erhebt sich ein isolirter Hügel
aus weissgrauem körnigem Kalkstein, an dessen Abhängen sich
stattliche Reste der aus dem Gestein des Hügels selbst in eigen-
thümlicher Mischung grosser Blöcke und dünner länglicher Plat-
ten erbauten Ringmauern einer alten Stadt hinziehen; innerhalb
derselben bemerkt man noch zahlreiche Fundamente antiker Ge-
bäude; den Gipfel des Hügels, der einst ohne Zweifel die Akro-
polis der ^Iten Stadt trug, krönt ein Thurm aus der fränkischen
Periode, wie auch andere zwischen den antiken Ruinen zerstreute
Bautrümmer aus dieser Zeit von der forlgesetzten Bewohnung
des Orts bis ins spätere Mittelalter Zeugniss geben. Der Name
der alten Stadt haftet noch an dem am östlichen Fuss des Hü-
gels gelegenen, jetzt in Folge der fortschreitenden Versumpfung
der Ebene von seinen Bewohnern, ^ die sich eine halbe Stunde
weiter nördlich auf einem Vorhügel des die Ebene im Norden
begränzenden Bergzuges angesiedelt haben, verlassenen Dorfe
Dysto: es war Dys tos, eine ursprünglich jedenfalls dryopische
Stadt, die später (entweder seit der Zeit Philipps von Makedonien
oder seit dem sogenannten lamischen Kriege) zum Gebiete von
Eretria gehörte J)
^) Steph. Byz. u. JvGtog; Inschrift in der 'Aqx- ig)- Usq. B' N". 404 ß,
wo sehr häufig das abgekürzte Ethnikon Jvgto, Jvgt, ^vg, Jv. Uebri-
gens scheint die Stadt, da sie weder in den athenischen Tributlisten noch
in der Bundesurkunde von Ol. 100, 3 erscheint (denn die in der letzte-
ren zwischen 'EgszQLTjg und KagvGtiOL aufgeführten 'jQsd'ovGiot mit den
^vGTioi zu identificiren sind wir durch nichts berechtigt), schon früher
2. Die ostgriechischen Inseln: Euboia. 429
Die die Ebene im Westen begränzende Bergmasse, auf deren
südöslliclistem Vorsprung sich die Ruinen eines allen Kastells
finden, das offenbar zum Schutz der an der Westseite des Sees
hinführenden Strasse diente, streckt im Südwesten eine lange
Felsnase (jetzt Cap von Aliveri genannt) ins Meer vor. Zwei ähn-
liche, nur noch weit mächtigere Vorsprünge entsendet gegen Süd-
westen das die Ebene im Süden begränzende, die ganze, hier
wenig beträchtliche Breite der Insel einnehmende Gebirge; zwi-
schen beiden oHnet sich eine tiefe Bucht (jetzt nach einem in
der Mitte der Breite der Insel auf dem Grat des Gebirges ge-
legenen Dorl'e die Bucht von Almyropotamos genannt), vor deren
Eingang eine unbewohnte felsige Insel (jetzt Kavaliani genannt)
liegt. Eins dieser Vorgebirge mag im Allerthum den Namen
Leon geführt haben. ^) Im Innern der Insel liegt eine halbe
Stunde östlich von dem aus der Ebene von Dystos nach Almyro-
potamos führenden Wege das Dorf Zarka, in dessen Nähe sich
in einer die Strasse beherrschenden Position die Ruine eines
grossen hellenischen Befestigungstliurmes und etwas weiter hin
zu beiden Seiten des Wegs Fundamente anliker Gehäude finden:
wahrscheinlich Ueberreste der Ortschaft Zaretra, deren Kastell
Phokion im Jahre 350 einnahm.'^) Etwas über vier Stunden
südlich von da liegt südöstlich über einer kleinen, von einem im
Sommer versiegenden Bache durchflossenen Strandebene der
in ein Verhältniss der Abhängigkeit zu Eretria getreten zu sein. Ueber
die Ruinen s. Spratt Transactions of the royal society of litt. II ser.
Vol. II, p. 247 SS.; Kangabe Me'moire p. 24 s.; Girard Me'moire p. 726 ss.;
Bursian Archäol, Zeitung 1855, N. 82, S. 139 und Ber. d. sächs. Ges.
d. W. ia59, S. 136 fr.
1) Ptol. III, 15, 24; die Insel ist vielleicht die von Plin. IV, 12, 65
neben Aegilia erwähnte Glauconnesos.
*) Plut. Phok. 13: dass neben dem dort erwähnten (pqovqiov auch
eine nicht unbedeutende Ortschaft lag, beweist das häufige Vorkommen
des abgekürzten Ethnikon Zagr] (Za^, Za) in der Inschrift '^qx- i(p.
UfQ. B\ N. 404. .\us dem jetzigen Ortsnauien Z«pxrt, sowie aus der
Erwähnung eines Berges Zcigag auf Euboia (Lykophr. AI. 373 c. schol.)
und eines Iferos Zarax, Sohnes des Peträos des Sohnes des Karystos
(Etym. M. p. 408, 9) ist zu schliessen, dass der Ort (und wohl auch das
Gtebirgc, auf welchem er lag) auch Zaga^ oder Zcigr]^ gleich der Stadt
auf der Ostküste Lakoniens (vgl, oben S. 137) genannt wurde. Ueber
die Ruinen s. Rangabc^ Memoire p. 25 s.; Ber. d. sächs. Ges. d. W. 1850,
S. 140.
430 III. Die Inselwelt.
Flecken Stura, welcher ein Paar alte Inschriften (deren eine den
Cult des Asklepios bezeugt) und den Namen von der alten Stadt
Styra bewahrt hat, die, wie die noch erhaltenen Reste (Spuren
der Hingmauer, in\len Felsboden geschnittetie Ilausplätze u. a. m.)
zeigen, eine halbe Stunde weiter westlich auf einem hart an der
Küste sich erhebenden Felshügel und am nördHchen Fusse des-
selben bis zu dem Bache hin lag. Ursprünglich wohl eine Nie-
derlassung phönikischer Purpurfischer wurde sie frühzeitig von
den Dryopern in Besitz genommen, die aber, wahrscheinlich
durch Zuwanderung aus Attika, allmälig ganz ionisirt wurden und
daher später sich des Dryopernamens schämten. Im Perserkriege
stellten sie zwei Schifle zur griechischen Flotte und in Gemein-
schaft mit den Eretriern 600 llopliten zum Landheere und tra-
ten daim dem attischen Seebunde bei. Im sogenannten lamischen
Kriege (323) wurde die Stadt durch den athenischen Feldherrn
Phädros zerstört; nach ihier Wiederherstellung war sie offenbar
zu schwach, um als selbständiges Gemeinwesen ferner zu existi-
ren und wurde daher, sei es freiwillig, sei es durch Zwang, dem
Gebiete von Eretria einverleibt.^)
Südlich und östlich von Stura zieht sich ein fast ganz
kahler, jetzt Kliosi genannter Bergzug hin, dessen 685 Meter
hoher Gli)fel die Ruine eines fränkischen Kastells trägt; etwas
unterhalb derselben am westlichen Abhang finden sich ausgedehnte
Brüche eines dem karystischen völlig gleichen Marmors, von,
deren Ausbeutung im Alterthum die gewaltigen senkrecht abge-
schnittenen Felswände sowie einige zwischen dem Ilaldensturz
liegende sorgfältig bearbeitete Säulenschäfte und viereckige Blöcke
Zeugniss geben. Diesen Brüchen gerade gegenüber auf einer
1) Iliad. B, 539; Herod. VIII, 1; 46; IX, 28 (vgl. die Schlangen-
säule Gewinde 5 ITYI^EI); Thuk. VII, 57 (vgl. die athenischen Tribiit-
listen); Dem. in Mid. p. 568; Strab. X, p. 446; Paus. IV, 34, 11; Nonn.
Dionys. XIII, 160; Steph. Byz. u. Ezvqa. In der Inschrift 'Aqx- i(p.
TIsQ. B\ N. 404 ist ZtvQO, Zzvq, Ztv (wovon das viermal, stets nach
einem Z vorkommende Tvqo, Tvq, Tv nicht verschieden ist) das am
häufigsten vorkommende Ethnikon. Den Namen bringt Olshausen Rhein.
Mus. n. F. VIII, S. 327 wohl richtig mit dem phönikischen "/^(jrv^a in
Verbindung. Auf Purpurfischerei deutet die auf Münzen der Stadt (s.
Eckhel Doctr. n. I, 2, p. 325) vorkommende Muschel, lieber die Ruinen
s. meine Quaestiones Euboic. p. 48 ss.; Ber. d. sächs. Ges. d. W. 1859,
S. 140 f.; Baumeister Skizze S. 24 f.
2. Die ostgriechischen Inseln: Eiiboia. 431
kleinen Terrasse am Abhang einer der niedrigeren Kuppen des
Gebirges stehen drei hochalterthümliche, von den jetzigen Be-
wohnern Stura's 'die Drachenhäuser' {tä öTtCxia xov öqkkov)
genannte Gebäude: zwei einander gegenüber in der Richtung von
Nord nach Süd stehende, von längHch viereckiger Form, mit einer
OefTnung in der Mitte des Daches und einer niedrigen Th'üre
an der dem gegenüberliegenden Gebäude zugewandten Langseile,
das dritte, wehhes in rechtem Winkel an die Nordostecke des
westlicheren Landhauses stösst, von quadratischem Grundplan,
mit einem kuppellörmigen, ebenfalls in der Mitte offenen Dache
und einer Thüre an der Südseite. Der offene Hofraum zwischen
den drei Häusern war gegen Süden durch eine Mauer, von wel-
cher noch ein belrächlliches Stück erhalten ist, abgeschlossen
und wahrscheinlich nur von Nordosten her durch die f.ücke zwi-
schen dem quadratischen Hause und dem östlicheren Langhause
zugänglich: die ganze Anlage wird man als ein primitives, von
den Dryoj)ern erbautes Ileiligthum für drei zusammen verehrte
Gottheiten betrachten müssen. ^) V^oni Hafen des alten Styra hat
sich noch unmittelbar westlich von dem Felshügel, auf welchem
die Oberstadt lag, ein Stück des Molo und Reste eines im ioni-
schen Styl erbauten Tempels erhallen. Andere Spuren einer an-
tiken Ansiedelung finden sich etwa Yj Stunden nördlich von da
am Strande an einer jetzt Emporio genannten Stelle: der Name
lässt vermuthen, dass hier ein Fmporion, ein Stapelplatz des alten
Styra bestand. 2) Es bezeichnet dieser Punkt ungefähr die Mitte
einer weiten Rucht, in welcher, ziemlich eine Stunde von der
Küste, eine grössere, jetzt Stura genannte Felsinsel, von einer
Anzahl kleinerer umgeben, liegt, die Aegileia der Alten. ^) Eine
ähnliche, noch tiefere Rucht öffnet sich weiter südlich zwischen
den westlichsten Theilen des Kliosigebirges {beziehendlich seiner
•) Vgl. Rangabd Memoire p. 28 S8.; Bursian 'Die dryopische Bau-
weise in Bautrüinmern Euboia's' in der Archäolog. Zeitung 1855, N. 82,
8. 120 ff.; Baumeister Skizze S. 25 f. Als Gottheiten, denen dieses Ilei-
ligthum geweiht war, linbe ich a. a. O. S, 135 Demeter, Klymenos und
Kora vermuthet; doch kann man auch an ApoUon, A rtomis und Leto
denken.
2) Vgl. Baumeister ökizzc ö. 25.
3) Ilerod. VI, 107; Plin. IV, 12, 65 (wo die«. Insel allerdings unrich-
tig in das myrtoischc Meer versetzt wird).
432 III. Die Inselwelt.
jetzt Diakophti geuaniiteii südwestlichen Fortsetzung) und der
Ocha: das Mar marlon der Alten (noch jetzt Marmari genannt),
der gewöhnliche üeberfahrtsplalz nach Ilalä Araphenides an der
Ostküste Attika's, mit einer Ortschaft gleichen Namens und einem
Tempel des ApoUon Marmarios, benannt nach den Marmorbrüchen,
welche die Alten auf dem Rücken des Gebirges oberhalb der
Bucht betrieben. Südwestlich vor der Bucht liegt eine Gruppe
felsiger Inseln (zwei grössere, zwei kleinere und sechs ganz kleine),
die Petaliä der Alten (noch jetzt Petali), die ebenso wie die
Bucht von Marmarion zum Gebiete von Karystos gehörten.')
Diese Stadt, die bedeutendste unter den Dryoperstädten Euboia's,
lag ungefähr auf demselben Platze, welchen jetzt das aus fünf
räumlich von einander getrennten und mit besonderen Namen
bezeichneten Weilern bestehende Städtchen Karysto einnimmt:
am innersten Winkel der nach ihr benannten Bucht, welche sich
von den mächtigen Vorgebirgen Leuke Akte und Gerästos
in einer Tiefe von etwa zwei Stunden landeinwärts erstreckt.
Die Akropolis der alten Stadt nahm ohne Zweifel den ziemlich
^/^ Stunden vom Meere entfernten Felshügel ein, welcher jetzt
ein mittelalterliches Kastell trägt; die Unterstadt erstreckte sich
vom südlichen Fusse desselben, an welchem jetzt der Weiler
Paläochora liegt, südwärts und südwestwärts bis zu einem jetzt
Megalorheuma genannten Bache, dessen Wasser zur Bewässerung
der die Ebene bedeckenden Gärten und Weinpflanzungen benutzt
wird: jenseits desselben bemerkt man lange Reihen antiker Grä-
ber und die Reste einer in den Felsboden geschnittenen Strasse,
welche beweisen, dass dieser dem Meere nächste Theil der Ebene
ausserhalb der Stadtmauern lag. Am Strande sind aoch einige
Reste von dem Damme des alten Hafens, der wahrscheinlich
*) Strab. X, p. 446; Steph. Byz. u. Magfidgiov, Phot. p. 247, 25;
der Ausdruck M(xq^ccqlov tb xsvovtcc bei Nonn. Dionys. XIII, 164 zeigt,
dass auch der Bergrücken über der Bucht den gleichen Namen führte.
Vgl. Girard Me'moire p. 723; Rangabe' Me'moire p. 32. TlBtalCai Stadiasm.
mar. magni § 283 (C. Müller Geogr. gr. min. I, p. 500); Plin. IV, 12,
71: aus Strab. X, p. 444 muss man, wenn die Stelle nicht corrupt ist,
folgern, dass auch das jetzt Paximadi genannte Vorgebirge Euboia's öst-
lich von dieser Inselgruppe, das nach Strab. IX, p. 399 den Namen ÄhVATi
cc-ntTj führte (wovon die bei Ptol. III, 15, 24 erwähnte Kali] «xrif nicht
verschieden zu sein scheint), ÜBtccXCa genannt wurde. Vgl. auch S. 434,
Anm. 1.
2. Die ostgriechischen Inseln: Euboia. 433
durch Mauerschenkel mit der Ringmauer der Stadt verbunden
war, erhalten. Die älteste Stadt, welche im Jahre 490 v. Chr.
von Datis und Artaphernes durch eine Belagerung und durch
Verwüstung ihres Gebiets zur Unterwerfung genöthigt wurde, im
Jahre 480 vor der Schlacht bei Salamis ihre Schiffe zur Flotte
des Xerxes stossen Hess und dafür von den Hellenen durch Geld-
bussen und Verwüstung ihres Gebiets bestraft wurde, nahm wahr-
scheinhch ausser dem Burghügel nur den Raum zunächst am
südlichen Fusse desselben, also etwa den Platz der jetzigen Paläo-
chora ein, und auch in den ersten Jahrzehnten nach dem Perser-
kriege wird sie, da sie im Jahre 467 von Athen, jedenfalls wegen
Verweigerung der Bundespflicht, mit Krieg überzogen wurde und
ohne Zweifel auch an dem Abfall ganz Euboia's vom attischen
Seebunde im Jahre 446 sich betheiligte, sich kaum wesentlich
vergrössert haben; nach dieser Zeit aber dürfen wir wohl eine
allmäligc Erweiterung der Stadt durch Anlage von Vorstädten
gegen Süden nach dem Meere zu annehmen, die schliesslich da-
hin führte, dass der der Burg (die noch in den Kämpfen zwi-
schen Makcdoniern und Römetn eine Rolle spielte) zunächst ge-
legene Theil des Stadtraumes fast ganz verlassen wurde und die
bjs in die späte römische Kaiserzeit als Handelsplatz bedeutende
Stadt im Wesentlichen den Raum der jetzigen Gärten einnahm:
hier sind noch jetzt zahlreiche architektonische Fragmente und
Inschriften, aus denen man die Existenz von Heiligthümern des
Apollon, des Dionysos und der Persephone folgern kann, erhalten,
während von dem Theater und dem mit Bildsäulen des Herakles
und anderer Götter und Heroen geschmückten Gymnasion noch
k<'ine sichern Spuren gefunden worden sind. ') Den Karystiern
«) II. ß, 539; Herod. VI, 99; VIII, 66; 112; 121; IX, 105; Thuk. I,
08; Liv. XXXI, 45; XXXII, 16 f.; XXXIII, 34; Polyb. XVIII, 30. Die
von Hteph. Byz. u. Kagvorog angeführten Namen Xsigcovicc und Alyaia
sind jerlenfalls nur dichterische Bezeichnungen der Stadt. Der Akropo-
lishügel führte vielleicht den Namen ^AxaiCa: vgl. 8teph. Byz. u. d. W.
Für die Topographie und Inschriften vgl. meine Quaest. Eub. p. 31 ss.
und die von Lenormaut im Rhein, Muh. XXI, ö. 528 ff. publicirten In-
schriften (sUmmtlich Ehrendccrete, die Iv reo tov '/InoXlcovog [fga auf-
gestellt waren). Den Hafen erwähnt Dio Chrysost. Or. VII, 22 (wo un-
ter der nicht genannten Stadt nur Karystos vorstanden werden kann): in
zwei Inschriften (Ilaase MisccUanea philologica Ind. lect. Vratislav.
1856/57 p. 7 und Archäolog. Anzeiger 1856, N. 94, 95, S. 267*f.) erschei-
434 III. Die Inselwelt.
gehörte ohne Zweifel ein hochalterthüniliclies Ileiligthum, das
noch jetzl auf einer kleinen, nur von Westen zugänglichen, gegen
Osten steil abstürzenden, im Norden und Süden durch Felskuppen
begränzten Fläche nnniiltelbar unter dem höchsten Gipfel der
Ocha sich erhalten hat. Grundplan und Ausführung des Bau-
werks stimmen im Wesentlichen mit dem der ^Drachenhäuser'
bei Stura üherein (wie denn das Volk auch dieses ehrwürdige
Denkmal dryopischen Göttercultes als 'Drachenhaus' bezeichnet),
nur dass das Gebäude auf der Ocha, worin man einen Tempel
der Hera oder des Zeus und der Hera vermuthen darf, in allen
Einzelheiten einen entschiedenen Fortschritt der band werksmässi-
gen sowohl als der künstlerischen Thätigkeit erkennen lässt, also
jedenfalls einer etwas späteren Zeit angehört als die Tempelgruppe
über Styra. ')
Drei Viertelstunden nördlich vom Cap Gerästos (jetzt Mantelo),^
der südlichsten Spitze des die Bucht von Karystos gegen Osten
umschliessenden Bergzuges, öffnet sich eine kleine, aber sehr
sichere Bucht, an welcher sich die Buinen eines mittelalterlichen
Kastells (daher die Bucht jetzt Kastri oder Paläokastri genannt
wird) und vielfache Spuren einer antiken Ortschaft finden. Olfen-
bar lag hier in der kleinen Strandebene Gerästos, eine zum
Gebiet von Karystos gehörige Korne, welche einen trefflichen
nen XifisvorpvXa^sg. Theater: Dio Chrysost. 1. 1. § 24; Gymnasion
ebds. § 38; nach letzterer Stelle waren damals viele Plätze sowohl inner-
halb der Ringmauern als in den Vorstädten unbewohnt.
^) Vgl. Ulrichs Annali XIV, p. 5 ss. (= Reisen und Forschungen II,
S. 252 ff.) mit den Zeichnungen in den Monumenti I, tav. 37; Girard
Memoire p. 708 ss.; Archäolog. Zeitung 1855, N. 82, S. 132 ff.; Baumei,
ster Skizze S. 29 f. und S. 68. Die Beziehung des Tempels auf Zeus
und Hera stützt sich darauf, dass nach Steph. Byz. u. KccQvotog die
Sage vom tsgog ydfios, der Vermählung des Zeus mit der Hera, auf der
Ocha localisirt war. Dieselbe Sage knüpfte sich nach Schol. Aristoph.
Pac. 1126 an das 'Elv^viov^ eine auch in Sophokles' Nauplios erwähnte
und deshalb in der Gegend des Kaphereus oder doch der Südspitze Eu-
boia's anzusetzende Oertlichkeit, nach Steph. Byz. u. 'EIvijlviov (vgl.
Hesych. u. 'Elvfivios) eine zu Euboia gehörige Insel mit einer Stadt
gleichen Namens. Da nun die vor dem Cap Mantelo (Gerästos) liegende
gleichnamige Insel zu unbedeutend ist, als dass je darauf eine Ortschaft
hätte stehen können, so wird wohl eine der petalischen Inseln (vgl. S. 432,
Anm. 1) darunter zu verstehen sein. Nach Heraclid. Pol. 31 war die
Insel eine Zeit lang von den Chalkidiern in Besitz genommen.
2. Die ostgriechischen Inseln: Euboia. 435
Ilafrn und ein altberühmles Ileiligthum des Poseidon besass.
Anch Artemis wurde hier, sei es innerhalb des Temenos des Po-
seidon, sei es in einem besonderen Ueiligthume, unter dem Bei-
namen Dolosia verehrt: noch im sechsten Jahrhundert nach Christo
zeigte man daselbst ein aus Steinen hergestelltes colossales Schiff
mit einer nur noch zum Theil lesbaren Inschrift, laut welcher
dasselbe von Agamemnon dieser Göttin geweiht sein sollte. Da
man bei Kastri selbst keine Spur von einem Ileiligthum, wohl
aber fünf Viertelstunden weiter nördlich, eine Viertelstunde öst-
lich von dem Dorfe Platanislos eine sorgfältig aufgemauerte Ter-
rasse von bedeutender Länge (jetzt ro ^Elkriwao genannt) nebst
Spuren von Umfassungsmauern und innerhalb derselben Reste
eines aus weissem Marmor in dryopischer Bauweise errichteten
Tempels findet, so darf nian vermuthen, dass hier das Posideion
stand, d. h. der Tenjpel des Poseidon mit seinem Temenos und einer
kleinen Ortschaft, die sich in Folge der Bedürfnisse theils des
regelmässigen Cultus, theils der von Zeit zu Zeit wiederkehren-
den Festversammlungen [navriyvQHg) an dasselbe angeschlossen
hatte J)
In der Nähe von Gerästos scheint auch eine kleine Ortschaft
(oder Insel?) Kyrnos gelegen zu haben, bei welcher im Jahre
467 ein Kampf zwischen Athenern und Karystiern stattfand.'^)
») Od. y, 177; Herod. VIII, 7; Thuk. III, 3; Xen. Hell. III, 4, 4;
V, 4, 61; Demosth. Phil. I, p. 49; Liv. XXXI, 45; Strab. X, p. 446;
Steph. Byz. u. r^QKLGzog'. vgl. Eur. Cycl. 2%; Orest. 993; Apollon.
Rhod. Argon, F, 1243; Callimacli. Hymn. in Del. 199; Nonn. Dionys.
XIII, 162. Poseidon rsgaiGziog Aristoph. Equit. 561; Statue des Gottes
mit Dreizack Lucian. lupp. trag. 25; angebliches Weihgeschenk des Aga-
memnon Procop. De hello Goth. IV, 22, p. 576 ed. Dind. TloGidsiov
tv Evßoicc in den athenischen Tributlisten, vgl. oben S. 410, Anm. 2.
lieber das 'EXXriviv.6 mit einer leider räthselhaften Inschrift vgl. Ran-
gabe Memoire p, 45 s.; meine Quaest. Euboic. p. 36 ss. (die dort mit-
gethcilte, in dem Dorfe Platanistos gefundene alterthümliche Inschrift
stammt wahrscheinlich aucli vom Posideion); Baumeister Skizze S. 84
und S. 71 f.: die an letzterer Stelle erwälinten Grabsteine in dem Dörf-
chen Aselina, halbwegs zwischen Platanistos und Porto Kastri, sind wohl
von einem dieser beiden Orte verschleppt. Die Lage des Ileiligthums im
Verhältniss zum eigentlichen Vorgebirge Gerästos ist ganz ahnlich wie
beim Ileiligthum des Poseidon auf Tänaron: vgl. oben S. 150.
*) Herod. IX, 105 Iv Kvqv(o xth KctQvaxCrig xf^QVS- da das Gefecht,
ia welchem der inl Fsquiotm bestattete llüruiolykos fiel, recht wohl ein
436 III. Dio Inselwelt.
Von dem Dorfe Platanistos, das mit seiner anmnlhigen Vege-
tation, seinen zahlreichen Häusern und seinen griechisch redenden
Bewohnern als eine Art Oase in dieser sonst durchaus rauhen
und wilden Gehirgswelt mit ihren von Alhanescn hewoiinten ärm-
lichen Dörfchen erscheint, wandert man auf äusserst heschwer-
lichem Pfade über mehrere der nur durch tiefe und schmale
ParalleÜhäler getrennten östlichen Ausläufer des Ochagehirges
(vgl. S. 399) hinweg nach einer eine halbe Stunde nordöstlich
von dem Dörfchen Dramisi gelegenen tiefen , von nacklen steilen
Felswänden umschlossenen, von einem Bache durchllossenen
Schlucht von wildestem Charakter, welche sich östlich nach dem
Meere zu öffnet. Steigt man am Nordabhange des die Schlucht
gegen Süden begränzenden Bergrückens hinab, so gelangt man
zunächst zu einer steilen Felswand, in deren Fuss eine Höhle
von Menschenhänden gearbeitet ist, aus welcher zahlreiche Löcher,
meist von geringer Weite und Tiefe, in das Innere des Berges
führen. Da sich nahe dem östlichen Ende der Schlucht grosse
Massen von Schlacken finden , so wird man in dieser Anlage ein
primitives Eisen- oder Kupferbergwerk erkennen dürfen, zu dessen
Schutz und Ausbeutung die weiteren baulichen Anlagen in dieser
weder für Ackerbauer, noch für Hirten, noch für Schifler zur
Ansiedelung geeigneten Schlucht bestimmt waren. Unterhalb je-
ner Felsw^and nämlich findet man bis zur Tiefe der Schlucht
hinab antike Mauern, die offenbar eine Art von Dammweg bilde-
ten, in der Schlucht selbst auf einem niedrigen Felshügel am
rechten Ufer des Baches den Unterbau eines antiken Thurmes,
der den Zugang zur Schlucht von Westen her beherrschte, end-
lich weiter östlich am Südabhange eines steilen kegelförmigen
Felshügels über dem linken Ufer des Baches, der nur gegen
Norden durch eine niedrige, wie es scheint künstlich abgearbeitete
Felszunge mit dem nördlicheren Bergzuge zusammenhängt, die
Beste einer Bingmauer, die sich auch an der Ostseite des Hügels
fortsetzte (an den übrigen Seiten fällt derselbe so steil ab, dass
eine künstliche Befestigung ganz überflüssig war) und zahlreicher
Gebäude von verschiedener Grösse, die so an den Abhang des
Hügels gleichsam angeklebt sind, dass der natürliche Fels den
Seegefecht gewesen sein kann, darf man wohl unter Kvqvog die gerade
vor dem Cap Gerästos gelegene kleine Insel Mantelo verstehen.
2. Die ostgriechischen Inseln : Euboia. . 437
unteren Tlieil der Rückwand ersetzte: da sich in den aus einem
Gemisch von grösseren und kleinen Steinen ausgeführten Mauern
nirgends die Spur eines Eingangs findet, so muss man annehmen,
dass dieser hei allen diesen Gebäuden an der Rückseite sicli be-
fand, die erhaltenen Mauern also nur den Unterbau mit einem
kellerartigen Souterrain bildeten. Die Bewohner von Dramisi
nennen diese Ruinen Arcbampolis, d. i. ^alte Stadt' (aQ%aia no-
lug) : ein antiker Name dafür ist uns nicht überliefert, was um
so weniger zu verwundern ist, da die ganze Anlage olTenbar aus
den frühesten Zeiten des Alterthums, aus derselben Periode,
welcher die Tempel bei Styra und auf dem Ocha angehören,
stammt und nach Erschöpfung der Metalladern, zu deren Aus-
beutung sie bestimmt war, frühzeitig verlassen worden ist.^)
Ruinen einer ausgedehnleren befestigten Ortschaft von ganz
gleichem Charakter finden sich auf dem jetzt mit dem wahrschein-
lich antiken Namen Philagra benannten Cap der Ostküste,
welches zunächst westhch vom Kaphereus (Cavo d'Oro) gegen
Nordosten ins Meer vorspringt. Dasselbe ist an allen Seiten,
ausser gegen Norden und gegen Südwesten, wo der steile Abfall
der Felsen eine fortlaufende Befesligungsmauer überflüssig njachte,
von Ringmauern aus ganz rohen, langen und dünnen Platten von
Schiefergestein, zwischen welche zur Ausgleichung der Lagen
kleine Steinbrocken eingeschoben sind, umgeben: an denselben
bemerkt man mehrere nach Aussen vorspringende Bastionen und
einen nach Innen vorspringenden Thurm von viereckter Form.
Innerhalb der Mauern finden sich auf dem ganz unebenen Fels-
boden die Ruinen mehrerer Gebäude, die ebenso wie die in
Arcbampolis mit dem Rücken an den natürlichen Fels angelehnt
waren; ferner zwei wohl von der Natur ge^chadene, aber durch
Mensclienhand erweiterte ^Felsspalten , die nach unten zu sich
allmälig verengernd tief (nach der Angabe der Umwohner bis
zum Meere) hinab fübreii und von den Rewohnern der alten Ort-
schaft vielleicht benutzt wurden, um in Zeiten der Gefahr unbe-
merkt zur See zu entschlüpfen. Der am höchsten aufsteigende
^) Die Kuinen sind zuerst bescliriebcn von Oirurd Memoire p. 718 s.
lind von Kungnbe Memoire p. 35 ss.; genauer von mir in der ArchUolog.
Zeitung 1855, N. 82, S. 1:^6 ff. und in meinen Quacationes Euboic. p. 39 ss.,
sowie voll I*.;illiiirlHtt'r SUi/'/c S. '^^ (T.
438 III. Die Inselwelt.
westlichste Tlieil des Vorgebirges bildet ein kleines Felsplateau,
auf welchem jetzt zwei kleine, ganz ans Trinnmern der allen
Mauern errichtete christliche Kirchen stehen: diese wie andere
Spuren zeigen, dass der Platz auch im Mittelaller — wahrschein-
lich von Piraten — bewohnt worden ist. Da sich in geringer
Entfernung — östlich oberhalb des drei Viertelstunden südlich
vom Cap gelegenen Dorfes Janilzi — ein antikes Kupferbergwerk
befindet, so ist zu vermuthen, dass die alte Ortschaft (deren Na-
men wir nicht kennen) ebenso wie Archampolis hauptsächlich von
Bergleuten bewohnt und zur Sicherung der Ausbeutung jener
Erzgruben angelegt worden ist. ^)
c) Die Kykladen.
Die von den Alten mit dem Namen der Kykladen bezeich-
nete Inselgruppe, über deren Ausdehnung und Gliederung wir
schon oben (S. 348 IT.) gesprochen haben, bietet, vom Meere aus
gesehen, in fast allen ihren Gliedern einen mehr wilden und öden
als anmuthigen und heitern Anblick da?. Schroff abfallende Fels-
wände, nackte Klippen, kegelförmige von fast aller Vegetation
entblösste Berge sind die durchaus vorherrsclienden Züge des
Bildes, welches sich vor den Augen des Seefahrers aufrollt, wenn
er in den heiligen Kreis der 'Ringinseln' eintritt. Aber die Klar-
heit der Luft, welche die Contouren jedes Eilandes aufs Schärfste
hervortreten lässt, und die Intensivität der Beleuchtung, welche
') Vgl. über die meines Wissens nur von mir besuchten Ruinen, die
auf der französischen Karte Bl. 9 irrig als ^Palaeocastron Ve'nitien' be-
zeichnet sind, Archäolog. Zeitung a. a. O. S. 135 f. und Quaest. Eub.
p. 45 SS. Vermuthungsweise könnte man auf diese Ruinen oder auf
die Archampolis den Namen Orchomenos (Strab. IX, p. 416: y.ccl Tcsqi
KccgvaTov d' tjv TLg'Ogxofisvog) beziehen. Auch 'O q 8 g t rj (vgl. Hesjch.
und Steph. Byz. u. d. W.) ist, da Orestes mit dem Sagenkreise der Dryo-
per verknüpft ist, wahrscheinlich in dem von den Dryopern bewohnten
südlichsten Theile Euboia's zu suchen. Andere euboische Ortschaften
von ganz unsicherer Lage, die nur von Steph. Byz. unter den betreffen-
den Artikeln angeführt werden, sind: 'AY.6vxiov."A)iQcc.'Ay.Qdyag. 'AXonrj.
M8&(6vrj. MrjtQonolLS' ^cprjyisia. Xiog. Ferner nennt Plin. IV, 12, 64
als angebliche alte Städte Euboia's Pyrrha, Nesos und Ocha, Fei
Lykophron Alex. 373 erscheinen als euboische Bergnamen 'OcpiXtccg und
NsScov und v. 376 ^oQnvvog olyirjrijQtov , endlich bei Nonn. Dionys..
XIII, 163 die räthselhaften Ortsnamen Htv^ CExiiya) und EiQiSog stiQOC,
2. Di^ostgriechischen Inseln: Kykladen: Andros. 439
die kahlen Borge mit den scliönsten Tinten färbt, breiten einen
eigenthümlichen Zauber über dieses Bild aus. Nähert man sich
aber dem Gestade, so bemerkt man überall, wo die Berge nicht
allzu steil abfallen, dinch Steinmauern gestützte Terrassen für
Weinberge, und dringt man in das Innere ein, so findet man
wenigstens auf den meisten der grösseren Inseln fruchtbare und
anmuthige Thäler, welche ausser trefflichen Weinen Südfrüchte
aller Art hervorbringen. Die Gebirge der Inseln bestehen zum
weitaus grössten Theile aus Glimmerschiefer und krystallinisch-
körnigem Kalk (Marmor) von verschiedener Färbung und bieten
daher trefl'liche Materialien für Bau- und Bildkunst dar: beson-
ders auf den Inseln Tenos, Faros und Naxos findet man ausge-
dehnte und schon von den Alten stark ausgebeutete Marmor-
brüche. Neben diesen Gebirgsarten treten hie und da Granit
und Gneis in grösseren Massen auf: so im südlicheren Theil von
Tenos und im nördlicheren von Naxos; die dazwischen liegende
Gruppe der Inseln Mykonos, Bheneia und Delos besteht ganz aus
solchem Urgebirge. An mineralischen Produkten liefern ferner
einzelne Inseln Serpentin (Andros und Tenos), Schmirgel (Naxos)
und Eisenerze (Keos , Kythnos und Seriphos). Dagegen sind die
Gold- und Silberadern der Insel Siphnos schon im Alterthum
ziemlich frühzeitig erschöpft worden.
Die nördlichste und an Umfang (gegen G D Meilen) nächst Andros.
Naxos bedeutendste unter den Kykladen, Andros, ^) besteht aus
einem etwa 5V2 Meilen langen, von Nordwest nach Südost streichen-
den Bergrücken, der durch zahlreiche Querthäler und Schluchten in
der Bichtung von West nach Ost durchbrochen ist. Diese Quer-
thäler sind durchgängig wohl bewässert, reich mit Feigenbäumen,
Maulbeerbäumen, Oelbäumen, Orangen- und Citronenbäumen,
') Vgl. Tournefort Voyage du Levant I, p. 133 ss.; lo. Ev. Rivola
JJe situ et antiquitatibus insulae Andri commentatio , Freiburg 1844;
Koss Reisen auf den griechischen Inseln 11, S. 12 ff,; Brandis Mitthei-
lungen über Griechenland I, S. 292 ff.; Fiedler Reise II, S. 213 ff.; Meys-
sonier 'Notice sur Andros' im Uulletin de la socie'tc^ de gcographic 1870,
j). irtS 88. Den Namen leiten die Alten von einem Heros "Avdgog oder
'AvSfftvg (Conon Narr. 41; Serv. ad Verg. Aen. III, 80; Ovid. Met. XIII,
648».; Diod. V, 79; Paus. X, 13,4; Steph, Byz. u.^AvSqos) her. Dich-
terische Bezeichnungen der Insel führt als Eigennamen derselben auf
Plin. IV, 12, 65. In mittelalterlichen lateinischen Urkunden wird der
Nam<! auch Andra und Andre p^cschriolx'n.
440 in. Die Inselwelt.
auch mit Cypressen bewachsen. Die Höhen sind durchaus kahl,
aber die unteren Abhänge der Berge überall mit terrassenförmig
angelegten Weingärten bedeckt. Die Nordwest küste der Insel
wird durch einen etwa l'/j Mt'ile breiten Canal von dem sud-
lichen Euboia, die Südostspitze durch einen ganz schmalen, durch
Klippen gefährlichen Sund (von den Alten Aulon, jetzt Steno,
Mie Enge' genannt) von der Nordspitze der Insel Tenos getrennt.
Der höchste Gipfel der ganzen Insel ist der 975 Meter hohe
Berg Kuvari ^) nahe der Westküste, gerade über der Stelle der
alten Stadt Andros: von hier geht ein Querzug in nordöstlicher
Richtung, v^elcher in dem Vorgebirge Gerias, dem östlichsten
Punkt der Insel endet; zwei ähnliche, aber etwas kürzere Quer-
züge laufen diesem parallel im südlicheren Theile der Insel und
enden in den Caps Athinati und Kosmos, zwischen denen sich die
tiefe, einen ziemlich guten Hafen darbietende Bucht von Korthion
öffnet, während der in der Mitte der weilen und flachen Bucht
zwischen den Caps Athinati und Gerias gelegene Hafen des Apano-
Kastron oder schlecbtweg Chora (rj xciga 'der Ort'), officiell
Andros genannten jetzigen Hauptortes den Schiffen namentlich
beim Nordostwinde nur sehr ungenügenden oder gar keinen
Schutz gewährt. An diese beiden Buchten schliessen sich land-
einwärts die beiden fruchtbarsten und am besten angebauten
und bevölkerten Thäler der Insel, das von Korthion und die
Messaria. Weniger fruchtbar und weniger gut angebaut als die
grössere, von Griechen bewohnte südlichere Hälfte ist der von
Albanesen bevölkerte nördliche Dislrict der Insel, nördlich vom
Cap Gerias, in welchem hauptsächlich Viehzucht und Ackerbau
betrieben wird.^)
*) Weder für diese Kuppe des Gebirges, noch auch für einen der
zahlreichen Bäche, welche besonders die Thäler und Schluchten des öst-
licheren Theiles der Insel bewässern, ist uns ein antiker Name überlie-
fert. Den Namen Aulon für den Sund zwischen Andros und Tenos giebt
das zJicccpQccyficc etc. in C. Müllers Geogr. gr. min. I, p. 95; ebds. wird
der dem euböischen Cap Gerästos zunächst gelegene Punkt der Insel
(also das Cap Peristeri an der Nord Westseite) TlaKoviov genannt: vgl.
Stadiasmus mar. m, § 283 (C. Müller 1. 1. p. 500, 3). Noch scheinen unter
den auf der französischen Karte verzeichneten Namen der Vorgebirge
einige wie Artemisia (Nordostseite) und Athinati (Mitte der Ostküste)
aus antiken (Aqxf-^iaiov und 'Ad'^vcciov) entstanden zu sein.
*) Ueber die Zahl der Gesammtbevölkerung der Insel lauten die An-
2. Die ostgriechischen Inseln: die Kykladen: Aiidros. 441
Wie die meisten Kykladen war auch Andros in alter Zeit
von karisclien Seeräubern besetzt und wurde nach deren Ver-
treibung von Pelasgern (oder auch von thessalischen Minyern) in
Besitz genonniien, welche durch eine von Atlien ausgegangene
Ansiedeknig unter Führung des Kynaihos und Eurylochos ionisirt
wurden. 1) Frühzeitig, wahrscheinlich sclion um den Beginn des
siebenten Jalirhunderts v. Chr. , kam Andros mit den beiden
Nachbarinsehi Tenos und Keos in Abhängigkeit von dem damals
übermächtigen euboischen Eretria: dieses Verhältniss gab, wie es
scheint, den Andriern Veranlassung, um die Milte des siebenten
Jahrhunderts (Ol. 31) dem Beispiele des führenden Staates zu
folgen und auf der Halbinsel Chalkidike, speciell an der Ostküste
derselben, eine Anzahl Colonien (Akanlhos, Stageiros, Argilos,
Sane) zu gründen. ^) Als Erelrla's Macht durch die lelantischen
Kriege geschwächt war, erlangte statt seiner die Insel Naxos die
Flegemonie über Andros, sowie über die übrigen Kykladen. Die
Ankunft der Herolde des Königs Darcios machte dieser Hegemonie
ein Ende: die Andrier unterwarfen sich, wie die meisten Insel-
bewohner, freiwillig den Persern und stellten beim Ileerzuge des
Xerxes Schiffe zur persischen Flotte, wofür ihnen gleich nach
der Schlacht bei Salamis von Themistokles eine Geldbusse auf-
erlegt und, da sie dieselbe unter dem Vorwand grosser Ohnmacht
und Armuth nicht zahlten, ihre Hauptstadt, allerdings vergeblich,
belagert wurde. ^) Nachdem sie dem athenischen Seebunde bei-
getreten waren, mussten sie sich, wahrscheinlich wogen Unbot-
gaben sehr verschieden: Meyssonier (a. a. O. p. 158} giebt sie 'd'apres
les autorites du pays' auf 28,000 an, Ross (a. a. O. S. 23) auf 15,000,
r>randl8 (a. a. O. S. 513) auf 15—10,000, darunter über 11,000 Griechen,
Ritters geographiscli-statistisclies Lexikon (fünfte Auflage 1864) auf nur
12,000, die franzüsisclie Karte Bl. 10 auf 47,585, wovon auf den den
nlbanesischen Theil der Insel enthaltenden Demos Gavrion 6483 kounnen.
') Pelasger Konon Narr. 47 : für minyische Bevölkerung spricht be-
sonders, dass der eponynic Heros Andreus auch in die Sagen der böoti-
schen Minyer verflochten ist (Paus. IX, 34, 6 und 9). Athenische Colo-
nisation Scliol. Dionys. Poricg. 526 (t. I, j). 350 ed. I5crnliar(ly); Vcllcl.
Pat. I, 4, 3.
2) Strab. X, p. 448; Thuk. IV, 84; 88; 103; 109; (Scymn. Cli.) Orb.
descr. 647; Plut. Quaest. gr. 30; Kuseb. Cliron. «d Ol. XXXI, 2 (p. 87
ed. Schöne).
3) Ilcrod. V, 31; VIII, 00; IM; 121.
BUR8IAN, GR(K>R. II. •i*^
442 ITI. Die Inselwelt.
niassigkcit, gefallen lassen, dass Perikles 250 Athener als Kle-
ruchen auf ihrer Insel ansiedelle (wohl 445 n. Chr.). Im Jahre
408 fielen sie von Athen ah, wurden aher durch Alkihlades für
diesen Ahfall gezüchtigt und die Insel seitdem his zum Ende des
peloponnesischen Krieges fortwährend von athenisciien Kriegs-
schiffen hesetzt gehalten. ^) Dem neuen attischen Seehunde vom
Jahre 378 trat auch Andros bei, aber aus dem Bundesverhaltniss
wurde für diese Insel bald, wir wissen nicht aus welcher Veran-
lassung, ein Unterthänigkeitsverhältniss-: sie wurde von atheni-
schen Amtleuten, keineswegs immer in musterhafter Weise, ver-
waltet und erhielt wieder, wie in den letzten Jahren des pelo-
ponnesischen Krieges, eine stehende athenische Besatzung.'^)
Durch die Schlacht bei Chäroneia gieng für Athen natürlich auch
der Besitz von Andros verloren: es wandte sich jetzt, freilich
vergeblich, an seine ehemaligen Unterthanen mit einem Ilüifs-
gesuche.^) Andros blieb nun eine Zeit lang frei, erhielt aber
später (etwa ums Jahr 314 v. Chr.) makedonische Besatzung,
von der es im Jahre 308 von Ptolemäos nur vorübergehend be-
freit wurde. Im Jahre 200 wurde es von den mit König At-
talos verbündeten Römern für diesen erobert und blieb nun ein
Bestandtheil des pergamenischon Reiches, mit welchem es im
Jahre 133 an Rom kam. Antonius schenkte es im Jahre 43
V. Chr. zugleich mit Tenos und Naxos den Rhodiern, denen aber
diese Inseln wegen Missbrauchs ihrer Herrschaft bald wieder ab-
genommen wurden.^) Unter der römischen und byzantinischen
Herrschaft verschwindet die Insel fast ganz aus der Geschichle:
sie taucht erst wieder auf nach der Eroberung Constantinopels
durch die Franken, als sie im Jahre 1207 durch Marino Dandolo
erobert wurdö, der sich in ihrem Besitze bis zu seinem Tode
(1233) behauptete. Nachdem sie dann eine Zeit lang von Geremia
Ghisi, Herrn von Skyros und Skiathos, occupirt gewesen, kam
sie in Besitz der Sanudi, Flerrscher von Naxos, und war ein
1) Plut. Pericl. 11; Xen. Hell. I, 4, 21 f. (vgl. Plut. Alcib. 35; Dlod.
XIII, 69); c. 5, 18.
2) Aeschin. in Tim. § 107; Inschrift ans Ol. 105, 4 bei Rangabe'
Antiq. hell. II, n. 393.
^) Lycurg. in Leoer. 42.
4) Diod. XX, 37; Trog. Pomp. Hist. prol. XXVII; Liv. XXXI, 15;
45; Appian. Bell, civ. V, 7.
2. Die ostgriechischen Inseln: die Kykladen: Andros. 443
Theii des Ilerzoglhunis des Archipels, von welchem sie aher im
Jahre 1371 wieder ahgetrennl und als besonderer Slaal consti-
luirt wurde, der Anfangs unter der Herrschaft der Maria Sanudo,
von 1384—1437 unter Herzögen aus der Familie Zeno, 1437 —
1440 unler venezianischen Statlhallern stand, dann in Besitz der
Familie Sommaripa gelangte, welche die Herrschaft über die In-
sel, mit einer Unterbrechung von wenigen Jahren, während deren
sie von venezianischen Statthaltern regiert wurde (1507 — 1514), bis
zur Besetzung derselben durch die Türken (1566) behaupteteJ)
Die der Insel gleichnamige Stadt lag im Alterthum ziemlich
in der Milte der Westl\üste an einer kleinen, nur gegen Norden
durch das Vorgebirge Diakopliti (oder Thiaki) einigermassen
geschützten Bucht unterhalb des Kuvariberges, dessen südwest-
licher Abhang die von Natur feste Burg der alten Stadt trug.
Die jetzt Paläopoli genannte Stätte, von dieser Anhöhe bis zum
Meere hinab, zeigt noch ausser Mauerresten von der Akropolis,
antiken Substructionen und Gräbern eine grosse Menge archi-
tektonischer und plastisclier Fragmente, auch Inschriften, welche
die Existenz eines Prytaneion und den Cult des Dionysos (der
Hauptgottheit der Insel, wie besonders die Münzen lehren) und
der Isis (der natürlich erst seit den Zeilen der Ptolemäer hier
Eingang gefunden hat) bezeugen; sonst wird noch ein Heiligthum
der Athena Taurobolos (oder Tauropolos), das in der Nähe des
Meeres gestanden zu haben scheint, erwähnt. 2) Im Heiligthum
des Dionysos spriTdelte eine Quelle, deren Wasser, wie behauptet
wurde, im Januar jedes Jahres am Feste Theodäsia den Ge-
schmack von Wein annahm und denselben sieben Tage lang, soweit
es innerhalb des Gesichtskreises des Heillgthums floss, bewahrte.^)
') Vgl. C. Hopf 'Geschichte der Insel Andros und ihrer Beherrscher
in dem Zeiträume von 1207 — 1566' in den Sitzungsber. d. Wiener Aka-
demie, philos.-liistor. Classe, Bd. XVI, S. 23 ff., und 'Urkunden und Zu-
sätze zur Geschichte der Insel Andros' u. s. w. ebds. Bd. XXI, S. 221 flf.
2) StadfAndros: Herod. VIII, 111; Liv XXXI, 45; Plin. IV, 12, 65;
Ptol. III, 15, 30. Ueber die Ruinen s. Fiedter a. a. O. S. 220 ff. und
lioüs a. a. O. S. 16 ff. Inschriften: C. I. gr. n. 2348 f. und Add. Vol. II,
1>. 1063 ff.; Ross Inscr. gr. ined. II, n. 87 ff. (die meisten auch bei
Rivohi p. 66 88,). Münzen : Rivohi p. 64 s. ^AQ^rivcc Tavgoßokog (rich-
tif^er TavQonoXog) Suid, und l^hot. u. TavQOTCokov, vgl. schol. Aristoplu
Lysistr. 447.
») riin. II, lO.J, 2.;l , \\\1, ■^, li>, riiihihli. Imng. I, 25; Paus. VI,
30*
444 III. Die -Inselwelt.
Obgleich die ofTene Rhede unterhalb der Sladt, wie die
Ueberreste eines alten Hafendammes zeigen, als Landungsplatz
benutzt wurde, so war doch der eigentliche Hafen der Stadt das
2y2 Stunden nordwestlich von ihr gelegene Gaurion, das die-
sen Namen bis auf den heutigen Tag bewahrt hat : ein schmaler,
aber tiefer, von allen Seiten geschützter Hafen am nordwest-
lichen Ende der weiten, durch das Vorgebirge Diakophti von der
Bucht von Paläopolis getrennten Bucht von Gavrion, in welcher,
südlich vom Eingange des Hafens, mehrere kleine Felsinsehi
(Gavrionisia) liegen. In der kleinen Ebene östlich vom Hafen
finden sich noch einige Reste der alten Ortschaft Gaurion; eine
halbe Stunde nordöstlich von da, bei dem Dörfchen Hagios l'etros,
steht ein noch sehr gut erhaltener runder hellenischer Thurm
von ungefähr 20 Meter Höhe, der wahrscheinlich zum Schulz eines
in der Nähe gelegenen Bergwerkes, in welchem die Alten Eisenerze
zu Tage förderten, bestimmt war. ^)
Das jetzige Städtchen Andros, das wenig über 2000 Einwoh-
ner zählt, liegt ungefähr gegenüber der alten Stadt auf einem
von der Mitte der Ostküste in eine weite und offene Bucht vor-
springenden Hügel, am Ausgange des V/^ Stunden langen, mit
Fruchlbäumen aller Art und Cypressen reich geschmückten Tha-
ies von Messaria. Eine kleine Felsinsel gerade vor der Stadt,
die durch eine jetzt zerstörte Brücke mit ihr verbunden war,
trägt ein stark befestigtes mittelalterliches Schloss. Ein ähnliches
mittelalterliches Paläokastron steht auf einer in zwei Gipfeln auf-
steigenden Felshöhe oberhalb der Weiter südlich gelegenen Bucht
von Korthion. Spuren antiker Ortschaften finden sich weder an
diesen beiden Plätzen noch anderwärts auf der Insel mit Aus-
nahme der Paläopolis und der Bucht von Gavrion — nur an der
Nordküste soll noch ein antiker Befestigungsthurm stehen — so-
26, 2. Die heutigen Bewohner von Andros beziehen dies auf eine in
einer Kirche der Panagia im Dorfe Menides am westlichen Ende der
Ebene von Messaria entspringende Quelle (s. Ross a. a. O. S. 22 f.):
allein nichts beweist, dass dort ein Tempel des Dionysos stand,
1) FavQiov Xen. Hell. I, 4, 22>; Diod. XIII, 69; Anonym. Stadiasm.
maris magni § 283 (C. Müller Geogr. gr. min. I, p. 500). Gaurelon
Liv. XXXI, 45. "AvÖQog zal Xifitjv Scyl. Per. 58. A-'gl. Fiedler a. a. O.
S. 217 und S. 233 ff. (mit Ansicht des Thurmes auf Tafel IV, 1); Koss
S. 12 ff.
2. üie ostgriechischen Inseln: die Kykladen: Tenos. 445
dass ofl'enbar im Alterthum die Insel ausser jenen beiden Orten nur
kleine Weiler oder einzelne Gehöfte enthielt, deren Bewohner dem
Wein- und Obstbau, dem Ackerbau und der Viehzucht oblagen.
Tenos') (nach heutiger Aussprache Tinos), die südöstliche Tenos.
Fortsetzung von Andros, dem es an Umfang (vier Quadratmeilen)
wenig nachsteht, ist eine gegen Südosten allmälig sich verbrei-.
ternde Bergmasse von massiger Erhebung (der höchste Punkt,
der Gipfel des Berges Kyknias^) im Osten der Insel, ist 713 Me-
ter hoch), deren Kern im südlicheren Theile der Insel Granit bil-
det, während sie im Uebrigen aus Glimmerschiefer besteht. An
mehreren Stellen der Westküste, besonders des nördlicheren
Theils, fnulen sich ausgedehnte Lager von theils ganz weissem,
theils mit bläulich-grauen Streifen durchzogenem Marmor, welcher
einen Ilauplausfuhrarlikel der Insel liefert und Veranlassung ge-
worden ist, dass sich seit Jahrhunderlen hier eine Schule von
Steinmetzen gebildet hat, aus der neuerdings einige Bildhauer
hervorgegangen sind. Im Alterthum scheinen diese Marmorlager
wenig ausgebeutet worden zu sein; etwas mehr der im Nord-
westen der Insel auftretende, theils lauchgrüne, theils schwärzlich-
grüne Serpentin, in welchem man den Ophites der Alten wieder-
erkannt hat. ^) Obgleich die Insel keine eigentlichen Thäler be-
sitzt, sondern nur einige schmale Strandebenen und eine Anzahl
mehr oder weniger enge Schluchten, durch welche kleine Bäche
dem Meere zufliessen , '*) gehört sie doch. Dank der Betriebsani-
') Tr]viccv,cc des Aenesidamos erwähnt schol. Apoll. Khod. Arg". A,
1300. Vgl. Tournefort Voyage du Levant I, p. 136 ss. ; Fiedler Reise II,
!S. 241 ff.; Uoss Reisen auf den griechischen Inseln I, S. 11 ff.; Moscha-
tüs De insula Teno eiusque historia, Göttiugen 1855; A. de Valon L'ile
de Tine, Revue des deux mondes 1843, T. II, p. 787 ss. Die Schrift von
Markaky Zallony Voyajre k Tine, Paris 1809, ist mir nicht zugänglich.
— Die Insel soll auch wegen ihres Wasserrcichthums 'TSgovaCK gc-
hcissen haben, wegen ihres Keichthums an giftigen Schlangen '0(ptot5(T(T«:
riin. IV, 12, r,5; Str|,li. r.vz. II. Trjvos] vgl. schol. Ar. Plut. 718; Hesych.
II. Trjvia.
') Der von d» n In ( Ihewohnern Tschiknia ausgesprochene Name,
welcher auch dem siidüstliciisten, nach Mykonos zu schauenden Vorge-
birge der Insel gcge})en wird, scheint dem alten Fv^ccl oder Fvgdg zu
entsprechen: vgl. llcsych. u. rvgccg] schol. Lykophr. Alex. 390.
^) Vgl. Fiedler a. a. O. 8. 250 ff.
*) Unter den zahlreichen Quellen der Insel soll eine gewesen sein,
deren Wasser »ich nicht mit Wein vermischte: Athenr II, p. 43<=.
446 lll. Die Inselwelt.
kcit ihrer eUva 25,000 Siu^lcn I)elrageiKlen Bevölkerung J) zu den
bestangebautcn unter den Kykladen: die Berge sind bis zu den
Gipfeln hinan mit Terrassen bedeckt, auf denen Wein (der unter
dem Namen Malvasier ausgeführt wird). Feigen, Getreide und
Gemüse, namentlicli Boluien — im Alterllmm war der Knoblauch
von Tenos berühmt^) — gebaut werden. Exportartikel sind
ausser Marmor und Wein Seide, Wachs und Honig. Das Klima
der Insel gilt für besonders gesund, ein Vorzug, welchen sie
hauptsächlich dem während der Sommermonate regelmässig herr-
schenden Nordwinde, der freilich der Schifffahrt vielfache Hinder-
nisse bereitet, verdankt. Im Alterthume zeigte man einen mit
zwei Säulen, .von denen die eine angeblich beim Wehen des Nord-
windes sich bewegte, geschmückten Hügel als das Grab der Söhne
des Boreas, die hier von Herakles getödtet worden sein sollten;
heutzutage bezeichnen die Tenioten eine Höhle am östlichen
Fusse des Berges Kyknias mit dem Namen der Grotte des Aeolos.^)
Tenos theilte meist die Schicksale der Nachbarinsel Andros,
erlangte aber, da eine tenische Triere unmittelbar vor der Schlacht
bei Salamis zu der griechischen Flotte übergegangen war, die
Ehre unter den griechischen Staaten, welche gegen die Perser
gekämpft hatten, auf den Siegesdenkmälern zu Delphi und Olym-
pia aufgeführt zu werden.^) Im Jahre 362 v. Chr. wurde die
Insel von der Flotte des Alexandros von Pherä erobert und die
Einwohner zu Sclaven gemacht. ^) Nach der Zertrümmerung des
byzantinischen Reiches durch die Franken kam sie 1207 mit der
Nachbarinsel Mykonos in die Hände der Brüder Andrea und Ge-
remia Ghisi und blieb Eigenthum der Familie Ghisi bis zum
Jahre 1390, wo Venedig sie in Besitz nahm. Im Jahre 1537
1) Vgl. Moschatos 1. I. p. 46, nach welchem sich die Bevölkerung
folgenderraassen unter die vier Demen der Insel vertheilt: Tinos 7580,
Sosthenion 4370, Peräa 6150, Panormos 6610 Seelen.
2) Aristoph. Plut. 718 c. schol.; Eustath. ad Dionys. Per. 525.
3) Apoll. Khod. Arg. A, 1304 ss, c. schol.; Apollod. III, 15, 2; ITygin.
Fab. 14 (p. 43, 11 ed. Bunte), lieber die Aeolosgrotte vgl. Fiedler a. a. O.
S. 256 ff. Pasch van Krienen (Breve descrizione dell'Arcipelago p. 92)
fabelt von Ruinen eines prächtigen Tempels des Aeolos.
4) Herod. VIII, 81 f.; Inschrift der Schlangensäule Gew. 7; Paus. V,
23, 2.
=) Demosth. in Polycl. p. 1207; vgl. Diod. XV, 95.
2. Die Oijtgriechischen Inseln: die Kykladen: Tenos. 447
wurde sie zwar durch die von Khaireddln Barbarossa geführte
türkische Flotte erobert, aber bahl durch Hülfe von Kreta aus
wieder befreit und verblieb den Venezianern bis zum Frieden
von Passarowitz (21. Juli 1718).
Die an Umfang wenig bedeutende Stadt Tenos lag an der
Südküste auf der Stelle des jetzigen Städtchens Hagios Nikolaos,
das seit dem Befreiungskriege wieder der Hauptort der Insel ge-
worden ist, während bis dahin das V/^ Stunden nordwärts auf
einem schwer zugänglichen Berggipfel gelegene, stark befestigte,
jetzt ganz verlassene Exoburgo als Residenz des venezianischen
Proveditore diese Stellung einnahm. Der heilige Nikolaos, nach
welchem das Städtchen benannt ist, ist hier wie öfter in Grie-
chenland an die Stelle fies Poseidon getreten , des Hauptgottes
der Insel im Alterthum, welcher zugleich mit seiner Gattin Am-
phitrite in einem Haine nahe bei der Stadt einen stattlichen
Tempel mit Speisehallen und ähnlichen Anlagen für die zu den
Panegyreis am Feste Posideia zahlreich herbeiströmenden Fremden
besass. Ausser ihm wurde besonders Dionysos verehrt und diesem
ein Fest Dionysia mit dramatischen Aufführungen im Theater (das
ebenso wie das Gymnasion ohne Zweifel in der Stadt selbst gelegen
war) gefeiert. ') Der Landungsplatz bei der Stadt ist nur eine offene
Rhede, die den SchilTen durchaus keinen genügenden Schutz dar-
bietet; dagegen findet sich ein ziemlich guter, durch eine kleine
jetzt Planiti genannte Felsinsel geschützter Hafen am nördlichen
Theil der Ostküste, südlich von dem nordöstlichsten Vorsprung
der Insel, dem Cap Echinos: der Name l*anormos, mit welchem
derselbe jetzt benannt wird, rührt jedenfalls aus dem Alterthum
') Strab. X, p. 487; Pluloch. frg. 184 und 185 (Frgt. bist. gr. ed.
C. Müller r, p. 414); Tue. Ann. III, 68; Inschriften im C. I. gr. n. 2829 ff.
und n. 2336^' (wo inifisXrjaKfisvov rmv zov ^lovvGov otxwv); Philolo-
gU8 zweiter Supplementband 8. 570. Die Münzen (vgl. Eckhel Doct.
n. V. I, 2, p. 337 s.) zeigen die Typen des Poseidon, des Zeus Ammon
und des Dionysos. Als Stelle des Poseidontempels betrachtet Moschatos
p. 7 SS. den zehn Minuten nördlich von der jetzigen Stadt belogenen
Hügel, auf welchem jetzt die berühmte, am Feste Maria Verkündigung
(25. März) von zahlreichen IMlgern besuchte Wallfalirtskirche der Panagia
Evangelistria stellt; Koss (a. a. O. S. 14) setzt ihn, weniger wahrschein-
lich, in die V/^ Stunden nordwestlich von der Stadt gelegene kleine
Strandcbcue Kiouia.
448 in. Die Inselwelt.
her. ^) Die Beuoluier der Stallt sowohl als der iihiigcn Insel wa-
ren in eine Anzahl IMiylen getheilt, welche, "analog' den attischen
Demen, locale Bedeutung halten. Eine dieser IMiylen bildete die
Stadt, welche wiederum in mehrere (mindestens sieben) Quartiere
(tovoi d. i. Züge genannt) getheilt \\ar; die Namen der übrigen,
soweit wir sie durch Inschriften kennen, sind FvQKetg (nach dem
Berge FvQccg, vgl. S. 445, Anm. 2), zfovaxelg (mit einer Ort-
schaft z/oVa|), 'ElsiovXsig (mit einer Ortschaft 'EXelovXlov),
'E<5%aTL(Dxav, 'HQaxXstdaf,, ©sönccdai, KXvfisvetg, 'OQVtjöLOL
und 'TccHLvd-Lg (mit den Ortschaften 'Tdxivd-og und Olov 'TaxLv-
&Lx6v).^] Ausserdem werden noch in den Inschriften eine An-
zahl Ortschaften genannt, die keine besondere Phyle bildeten und
von denen wir nicht wissen, zu welcher Phyle sie gehörten: so
Eriston (wahrscheinlich bei dem Dorfe Komi, ungefähr in der
Mitte der Insel, in einer sehr wasserreichen Gegend gelegen),
Kestreon, El aus u. a.*^) Alle Ortschaften mit Ausnahme der
Stadt waren jedenfalls nur offene Weiler ohne Befestigungsanlagen:
nur einzelne Wartthürme (wie sich die üebcrreste eines solchen
noch an der Westküste bei dem Dörfchen Avdo erhalten haben) ^)
dienten zum Schutz namentlich gegen plötzliche AngrifTe von See-
räubern.
Mykouos. Südöstlich von Tenos liegt die Insel Mykonos,^) eine ganz
aus Granit bestehende dürre und kahle Bergmasse von 2y,Q Qua-
dratmeilen Umfang und geringer Erhebung; denn die höchste
Kuppe, der Hagios Elias im Norden der Insel (wahrscheinlich der
•) Auf diesen Hafen bezieht sich wohl die Angabe bei Scyl. Per, 58:
T^vog >tal Ufirjv.
2) Vgl. die Inschrift C. I. gr. n. 2338 und Ross Inscr. gr. ined. II,
n, 102 und 103.
3) 'Ev ^HgCotcp C, I. gr. n. 2336, 8 (diese Inschrift befindet sich nach
Ross Inselr. I, S. 14 in der Hauptkirche des Dorfes Komi) und n. 2338,
99; £.y KsGTQSoi Ross Inscr. gr. ined. II, n. 102; iv 'Elaiovvn C. I. gr.
n. 2338, 18; 42, 61; dieselbe Inschrift giebt noch folgende theils unvoll-
ständige, theils zweifelhafte Ortsnamen: sv Aloilsi (Z. 56; 81 f.; 89); Iv
'Alo . . . (Z. 46); h 'Aa^Evsto) (Z. 88 f.); iv Kifiinm (Z. 49); iv Kvaifi . . .
(Z. 66); iv'NoziaSmv (Z. 112); iv na^rjGa . .' . (Z. 14 und 19); iv
Sa.7]d-a) (Z. 71), Die jetzigen Ortschaften der Insel führt einzeln auf
Moschatos 1, 1. p. 40 ss.
4) S. Ross Inselr. I, S. 16:
^) Vgl. Tournefort Voyage I, p. 106 ss.; Fiedler Reise U, S. 259 ff,;
Ross Inselreisen II, S. 28 ff.
2. Die ostgriecliischen Inseln: die Kykladen: Mykonos. 449
Dimastos der Alten) J) hat mir 364, die nächslliöchste ober-
halb des Klosters der Panagia Turliani im Osten nur 350 Meter
Höhe. Gewaltige Felsblöcke, welche alle höheren Punkte der
Insel in wilder Unordnung bedecken, geben Zeugniss von mäch-
tigen Erschütterungen, denen sie in alten Zeiten unterworfen ge-
wesen ist: im Alterthum haben sie Veranlassung gegeben, die
Sage vom Gigantenkampf hier zu localisiren und die ganze Insel
als das Grab der von Herakles getödteten Giganten zu bezeich-
nen. Auch das Grab des lokrischen Aias wurde auf der Insel
gezeigt.-) Trotz ihrer Kahlheit und des Mangels an genügender
Bewässerung ist sie nicht ganz unfruchtbar, sondern bringt ziem-
lich viel Feigen, Wein und Gerste hervor; die Hauptbeschäf-
tigung der Einwohner (gegen 6000 Seelen) aber ist die SchifT-
fahrt, wie die Insel auch im Alterthum nur als Station für die
Seefahrer von Bedeutung gewesen ist und nie eine selbständige
Bolle in der Geschichte gespielt hat. Sie soll durch eine athe-
nische Colonie unter Führung des Hippoklcs ionisirt worden sein^)
und gehörte sowohl dem älteren als dem neueren athenischen
Seebunde an. Im späteren Mittelalter war sie meist ein Anhängsel
der grösseren Nachbarinsel Tenos. Die Bewohner standen im
Alterthum bei den übrigen Griechen in übelem Bufe: ein Myko-
nier oder ein mykonischer Nachbar waren sprüchwörtliche Aus-
drücke zur Bezeichnung eines kleitdichcn, habsüchtigen und gei-
zigen Menschen; auch behauptete man, dass den Mykoniern das
Erbübel der Kahlköpfigkeit anhafte.*)
<) Plin. IV, 12. 66. Ob die von Ptol. III, 15, 21) angeführte ^oqßicc
änga der nordwestliche Vorsprang dieses Jicrges (jetzt Cap Turin) oder
das Cap Akrotiri der Ostküste ist, wage ich nicht zu entscheiden.
2) Strab. X, p. 487; Aristot. Pepl. epigr. 16 (Bergk P. 1. gr. p. 652).
— Aus dem Mangel an Vegetation ist wohl die von Aclian. Do anim. V,
42 gegebene Notiz, dass keine liicnen auf Mykonos leben können, zu er-
klaren. Für Wein- und Getreidebau zeugen die Münztypen: Traube,
Gerstenkorn unil Arlncn neben den Köpfen des Dionysos und des Zeus;
8. Eckhcl D. n. v I, J, ]>, :i:i2 ». Den Wein von Mykonos lobt Plin.
XIV, 7, 75.
') Zenob. Prov, V, 17; Schol. Dionys. Per. 525. Die (jcnculogie des
Heros eponymos Mykonos als Sohnes des Anios bei Steph. Byz. u. Mv-
xoroff iHsst auf Zusammenhang der Hltcsten Bevölkerung mit der der
Insel Andros schliessen.
^) AIvHOViog yeCxoiv: Zenob. V, 21 ; Suid. u. d. W. : vgl. Athen. I, p. 7^;
VIII, p. 346''. Ein anderes Sprüchwort war ftta iV/uxoi'Og oder ÄftvO"'
450 III. Die Inselwelt.
Von den beiden Slädten, welche die [nsel im Aiterlhurn be-
sass, lag die eine, jedenfalls auch Mykonos genannte, auf der
Stelle des jetzigen Städtchens Mykonos in der Mitte einer weiten
und offenen Bucht der Westküste: einige Reste des Ilafendam-
nies, ein Paar antike Marmorstückc und eine halbe Stunde süd-
lich von der Stadt die Ruine eines runden hellenischen Wart-
thurmes nebst zwei kaum leserlichen Inschriften in einer benach-
barten Capelle der [lagia Marina sind jetzt die einzigen Ueberreste
derselben. Die zweite Stadt lag vielleicht an der tief in die
Nordküste der Insel eindringenden Bucht von Panormos, deren
Name aus dem Alterthum zu stammen scheint. ^)
Gerade östlich von Mykonos liegt eine kleine unbewohnte
Felsinsel, jetzt Drakonisi genannt, südöstlich von dieser eine zweite
ähnliche, Stapodia: beide zusammen wurden von den alten Geo-
graphen, denen sie als eine Art Merkzeichen für die von Osten
her nach den Kykladen segelnden Schiifer wichtig erschienen, als
die nielan tischen Klippen bezeichnet, eine Name, der allerdings
von späteren Dichtern, welche die Argonautensage behandelt ha-
ben, auf ein Paar in der Nähe der Inseln Anaphe und Thera
gelegene Klippeninseln bezogen worden ist.'^)
vito (iLav Mvyiovov ('Alles ein Schwamm', ""ein Trödel') zur Bezeichnung
verschiedenartiger Dinge die unter eine Rubrik gebracht werden : Zenob.
V, 17; Append. prov. IV, 52; Strab. X, p, 487; Eustath. ad Dionys.
Per. 525; Plutarch. Symp. I, 2, 2; Themist. Or. 31, p. 250. Kahlköpfig-
keit: Strab. und Eustath. 11. 11.; Plin. XI, 37, 130.
1) MvKOVog, avtr} dtnolis Scyl, Per. 58: Ptol. III, 15, 29 kennt nur
eine Stadt {Mvaovov t] noliq). Inschrift (.worin Fest IJoGLÖeia er-
wähnt, was vielleicht auf die Feier auf Tenos zu beziehen ist) bei Ross
Inscr. gr. ined. II, n. 145 = Rangabe Antiq. hell. n. 899.
2) Dass die MsXavtioi oder MsXdvtsiOt ghotieIol östlich von My-
konos zu suchen sind, beweist das /iicccpQayiia. hinter Skylax Periplus
(Geogr. gr. min. ed. C. Müller I, p. 95); Anonym. Stadiasm. mar. m.
§ 280 (a. a. O. p. 498) und § 284 (ebds. p. 500) und Strab. XIV, p. 636.
In der Nähe von Anaphe setzen sie Apollon. Rhod. Argon, z/, 1707
(schol. ad h. 1. bei Thera); Orph, Argon. 1363 und Apollod. I, 9, 26,
wornach Ross Inselreisen I, S. 80 den Namen auf die beiden hohen, jetzt
xa ÄQtatiavd genannten Klippen südlich von Thera bezogen hatte, ein
Irrthum, den er selbst ebds. II, S. 166 berichtigt hat. Der Irrthum der
Dichter ist veranlasst durch das Bestreben, die Sage von der Erschei-
nung des Apollon auf den MsXkvtslol a-aoTthlov und die etymologische
Legende über die Insel Anaphe und den dortigen Cult des Apollon Al-
yl^zrjg zu vereinigen.
2. Die ostgriechischen Insehi : die Kykladen: Delos. 451
Der südwestlichste Theil von Mykonos wird durch einen ^^^^^^
ziemhch schmalen Canal von einem Inselpaare getrennt, welches ^^''^neia.
heutzutage ohne feste Bewohner, nur von Hirten und SchilTern
zeitweise besucht und gewöhnlich mit dem gemeinsamen Namen
Diu oder Diläs {^rjXot oder z/»fA«tg) benannt wird: die west-
lichere kleinere der beiden Schwesterinseln, jetzt mit dem Ein-
zelnamen ^die kleine Delos', ist die antike Delos, ^) die welt-
bekannte Stätte des Apolloncultes, die sagenberöhnite Geburts-
stätte der göttlichen Zwillinge Apollon und Artemis; die grössere
westlichere, jetzt die grosse Delos, hiess im Alterthum Rheneia
oder Rhenäa^) und diente als eine Art profaner Vorhof für die
heilige Nachbarinsel, auf welcher, seitdem sie im Jahre 426 v. Chr.
von den Athenern einer gründlichen Reinigung durch Entfernung
aller Gräber unterzogen worden war, weder Geburten noch To-
desfälle — Ereignisse, welche nach antiker Anschauung die Oert-
lichkeiten, an welchen sie vor sich giengen, verunreinigten —
stattfinden durflen. ^) Beide Inseln bestehen ganz aus Granit und
') J7]liciy.K hatten geschrieben Philoehoros (Siiid. u. ^iXoxoQog),
Antikleides (Schol. Apollon. Rhod. Arg. A, 1289), Paläphatos von Aby-
dos (Siiid. u. TlaXaLfpaTog 'j4ßv8r}v6g) und Phanodikos (C. Müller Frgt.
Inst. gr. IV, p. 473), eine Jrjhäg in 8 Büchern Semos von Delos (C. Mül-
ler a. a. O. p. 492 SS.), einen JrjXiayiog Deinarchos (a. a. O. p. 391),
nsgl /JrjXov Kai trjg ytvs6S(og zcSv Arjtovg nca'Soiv Demades (Suid. u.
JrjfidSrjg). Von Neueren vgl. Tournefort Voyage I, p. 110 ss.; 'Histoire
de risle de Delos par M. TAbbe Salier' in den Memoircs de litterature
tirez des regires de Tacademie royale des inscriptions et helles Icttres
depuis 1711 jusqu'A, 1718, t. IV (ä la Haye 1724) p. 523 ss.; Leake Tra-
vels in northern Greece III, p. 95 ss.; Ross Inselreisen I, S. 30 ff.; 11,
S. 167 ff.; Fiedler Reise II, S. 269 ff.; Ch. Benoit Fragment d'un voyage
entrepris dans Tarchipel grec en 1847, III Delos, in den Archives dos
missions scientifiques, t. II (1851), p. 386 ss.
') Vgl. über die selbst in Inschriften wechselnden Formen 'Pi/vfirv
und 'Pt]vaicc Böckh Staatsliansli. II, S. 721 und Pape-Bcnseler WJIrterJ).
'1. <^riech. Eigennamen n. d. W.
•♦) Thuk, III, 104 und Diod. XII, 58, die ausdrücklich diese Mass-
legel (die jedenfalls einen politischen Zweck hatte, die Verhinderung
der städtischen Kntwickehing von Delos, in welchem Athen eine Rivalin
fürchtete) an die zweite totale Reinigung der Insel anknüpfen, nicht an
die erste partielle durch Peisistratos, bei welcher ntir die innerhalb des
Gesichtskreises des Ileiligthuins gelegenen Orälier entfernt wurden: also
ist die von Phit. Apophth. Lacou. Pausan. CIcoml>r. 1 erzählte Anekdote
ein Anachronismus, wenn man sie nicht mit Dorville und Böckh auf
452 111. Die Inselwelt.
sirnl lieutzulage völlig bauniios, nur liie niul da mit niedrigem
Gestrüpp bewaclisen, das zwiselieii den Tiümmerhaiifeii, welclie
ganz Delos und den südlichsten Tlieil von Rliencia bedecken und
in dem Besucher den Eindruck der trostlosesten Verödung und
völliger Abgestorbenheit erwecken, emporwuchert. Delos ist ein
schmaler, etwa fünf Kilometer langer Felsrücken, dessen höchste
Kuppe, ein ziemlich in der Mitte der Insel etwas nfdier der Oslf
küste gelegener Hügel von 106 Meter Höhe, von den Alten als
der Berg Kynthos bezeichnet wird; ein fast das ganze Jahr
hindurch trockener Giessbach, dessen zum Theil mit Marmor-
quadern eingefasstes Bett sich von dem Hügel in südwestlicher
Bichtung herabzieht, hies Inopos: die antike Legende Hess ihn
in geheimnissvoller Weise mit dem Nil in Verbindung stehen J)
Dem Mangel an Wasser hatte man durch sehr zahlreiche Cister-
nen und mehrere gegrabene Bassins oder kleine Teiche abgehol-
fen. Bhencia besteht aus zwei etwas breiteren und mehrfach
ausgezackten Bergmassen, gleichfalls von geringer Erhebung (der
höchste Punkt in der nördlicheren Hälfte hat 150 Meter Höhe),
welche durch einen schmalen Isthmos mit einander verbunden
sind: sie ist eben so dürr und noch öder und kahler als Delos.
In dem Canal zwischen beiden liegen zwei kleine Felsinselchen,
welche jetzt die grosse und kleine Bevmatiari genannt werden:
die erstere hiess bei den Alten die Insel der Hekate oder
auch Psammetiche. -) Sie wurde wahrscheinlich als eine Art
natürlicher Brückenpfeiler von Nikias benutzt, der als Führer
einer athenischen Festgesandtschaft mit dem Chor und den Opfer-
thieren auf Bheneia landete, während der Nacht eine Brücke, die
Pausanias den Sohn des Pleistoanax (König- von Sparta 408 — 394 v. Chr.)
beziehen will. Eine Heimsuchung der Delier durch Krankheit in Folge
einer Uebertretung des Verbots erwähnt (Aeschin.) Epist. 1.,
'3 Hymn. in Apoll. Del. 17 s ; 26; 141; Strab. VI, p. 271; X, p, 485;
Paus. II, 6, 3; Callimach. Hymn. in Dian. 171; in Del. 206 u. ö.; Plin,
II, 103, 229; Steph. Byz. u. Kvv&og. Vgl. über den von mir für den
Inopos (welchen Andere fälschlich in einem noch jetzt Wasser enthal-
tenden Brunnen in nördlichsten Theile der Insel erkennen wollen) gehal-
tenen Bach Leake Northern Greece III, p. 102; Ross Inselr. I, S. 31.
2) 'E-UKtrjg vrjoog, s. Athen. XIV, p, 645'' (wornach die Delier da-
selbst der Iris opferten); Harpocr. p. 67, 11: statt Wcc^ifirjTLxrjj was die-
ser als andern Namen giebt, steht bei Suid. u. 'E-ncitrjs vrjaog Wa(i[iLtrj.
2. Die ostgriechischen Insehi: die Kykladen: Delos. 453
er fertig von Athen aus mitgebracht hatte, von hier nach Delos
schlagen Hess und über dieselbe am nächsten Tage in feierlicher
Procession zum Heiligthum zog; und schon früher wird sie wohl
zu einem ähnlichen Zwecke gedient haben, als Polykrates von
Samos, nachdem er Rheneia erobert hatte, diese Insel dem deli-
schen Apollon weihte und zum äussern Zeichen dieser VVeihung,
durch welche die grössere Hheneia zu einem blossen Anhängsel
der kleineren Delos wurde, beide durch eine Kette verband J)
So wenig einladend auch ihrer natürlichen Beschaffenheit
nach die beiden Inseln für Ansiedler, die dem Boden etwas an-
deres als blosse Bausteine abgewinnen wollen, sind, so bieten sie
doch für eine seefahrende Bevölkerung einen nicht gering anzu-
schlagenden Vortheil dar: der Canal zwischen beiden gewährt
einen guten Ankerplatz für eine grosse Anzahl von Schiffen —
im Frühling des Jahres 479 v. Chr. lag hier die ganze helle-
nische Flotte, 110 Schiffe stark, vor Anker 2) — und an der
Westküste von Delos, sowie an der Ostküste und Südküste von
Bheneia finden sich mehrere gute natürliche Häfen. Dieser Vor-
theil, sowie die günstige Lage für den Verkehr zwischen den
Inseln des ägäischen Meeres und der Westküste Kleinasiens war
offenbar die Ursache, dass sich nicht nur sehr frühzeitig karische
Seefahrer, beziehendlich Seeräuber, hier wie auf den meisten
Kykladen festsetzten, sondern dass auch nach Vertreibung der-
selben das kleine und unfruchtbare Eiland Delos zur Stätte des
glänzendsten Heiligthums des gemeinsamen ionischen National-
gottes, des Apollon, und damit nicht nur zum religiösen, sondern
auch zum politischen Mittelpunkte der ionischen Seestaaten des
europäischen und asiatischen Hellas gemacht wurde, deren An-
gehörige zu den Festen des Gottes in grosser Anzahl, von ihren
Weibern und Töchtern begleitet, zusannnenkamen und dabei auch
die gemeinsamen politischen und commerciellen Interessen be-
rielhen.^) Die politisrhc Bedeutung dieser delischen Amjdiiktyouie
») Plut. Niltias 3. — Thuk. HI, 104.
') TIerod, VIII, 132 f.; Diod. XI, 31: letzterer gicbt die Starke der
Flotte, entschieden irrig, auf 260 Trleren an. Die günstige Lage und
die Siclierheit des Hafens von Delos heben Strab. X, p. 486, Zenob. Prov.
II,* .37 und Vergil. Aen. III, 78 liervor. Vjjfl. lllriclis Keison und For-
Hohungen II, ». 203 ff.
3) Thuk. I, 8; III, KM; Strab. X, p. 485: vgl. liir die Geschichte
454 III. Die Inselwelt.
wurde freilich frühzeili},' durch das Uehergewicht einzcjhier Staa-
ten und Fürsten, wie des Peisislratos von Athen und des Poly-
krates von Samos, die einer nach dem anderen eine Art Patronat
über das IleiHgthum und die Insel ausiihten, ^) vernichtet und in
Folge dessen giengen die Festversanimlungen und der Agon, der
mit denselben verbunden war, ein; aber das Ansehen un^J der
Ruhm des Heiligthums stieg immer mehr. Als im Jahre 490 die
Delier beim Herannahen der Perserflotte sich nach Tenos ge-
flüchtet hatten, Hess sie der persische Heerführer Datis zur Rück-
kehr auffordern, weil er weder ein Land, das die Geburtsstätte
zweier Gottheiten sei, noch die Bewohner desselben irgendwie
schädigen werde: als Beweis für seine Verehrung für die heilige
Insel Hess er seine Schiffe nicht in Delos, sondern in Rheneia
anlegen und opferte 300 Talente Weihrauch auf dem grossen
Altar. 2) Bei Begründung des attischen Seebundes im Frühjahr
476 wurde, offenbar in Anknüpfung an die alte delische Am-
phiktyonie, Delos zum Mittelpunkte des Bundes gewählt, indem
hierher die Versammlungen der Abgeordneten sämmllicher Bun-
der Insel besonders Böckh Erklärung einer attischen Urkunde über das
Vermögen des apollinischen Heiligthums auf Delos in den Abhandlungen
der histor.-philos. Classe der Berliner Akademie der Wiss. aus dem Jahre
1834, S. 1 fF. (jetzt in A. Böekh's Gesammelten kleinen Schriften Bd. V,
S. 430 ff.). Die Stiftung der mit der Panegyris verbundenen musischen
und gymnischen Agonen wurde dem Theseus zugeschrieben: Plut. Thes.
21. Die erste Begründung des Ap»lloncultes auf Delos ist nach der hier
besonders heimischen Hyperboreersage (vgl. Herod. IV, 32 ff.) wohl von
Thessalien (den Minyern am pagasäischen oder den Achäern am mali-
schen Meerbusen) ausgegangen; gewiss hat aber auch das kretische Knos-
sos, dessen Apolloncult wieder auf Lykien zurückweist (man vgl. die
Sage vom Lykier Ölen auf Delos bei Herod. IV, 35), bedeutenden Ein-
fluss auf denselben ausgeübt. Die Tradition, welche sämmtliche Kykla-
den von Athen aus colonisirt werden lässt, kennt auch eine athenische
Ansiedelung auf Delos unter Führung des Antiochos und auf Rheneia unter
Führung des Delon: schob Dionys. Perieg. 525, vgl. Vellei. Pat. I, 4. —
Mythische und poetische Namen für Delos, wie 'OqxvyCcx, 'y^ctSQi'cc, IIs-
Xccoyta, 2yiv&ig, Kvv%tu^ Xlcc^vdia, IIvQTtoXog, geben Plin IV, 12, 66
und Steph. Byz. u. /JrjXog.
') Dies beweist für Peisistratos die Thatsache, dass auf seinen Be-
fehl alle im Gesichtskreis des Heiligthums liegenden Gräber entfei-nt
wurden, für Polykrates die Eroberung von Rheneia und die Weihüng
dieser Insel an den delischen Gott: Herod. I, 64; Thuk. III, 104.
2) Herod. VI, 97 f.
2. Die ostgriechischen Inseln: die Kykladen: Delos. 455
desstaaten berufen und hier im Heiligthunie die Bundeskasse auf-
bewahrt wurde. ') Als in Folge der veränderten Stelhing Athens
zu den Bundesgliedern jene Versaninikuigen aufhörten und die
Bundeskasse nach Athen übergesiedelt wurde (walirscheinlich Ol.
81, 3 = 454/53 v. Chr.), blieb das Ileiliglhmn und die als
blosses Annex desselben betrachtete Stadt Delos unter der un-
mittelbaren ßotmässigkeit und Verwaltung Athens ;2) daraus ist
es zu erklären, dass die Delier in den attischen Tributlisten nicht
erscheinen, während die Bewohner von Rheneia als Iributpflichtig
aufgeführt werden. Ol. 88, 3, im Winter des Jahres 426/25 v.
Chr., fand eine neue vollständige Säuberung der Insel von allen
noch darauf vorhandenen Gräbern Statt, woran sich die Wieder-
herstellung und Erweiterung der alten Festfeier anschloss, die
von nun an aller vier Jahre, wahrscheinlich am sechsten und
siebenten Thargelion (gegen Ende Mai) als den Geburtslagen der
Artemis und des Apollon nach delischer Legende, in jedem drit-
ten Olympiadenjahre mit musischen, gymnischen und hippischen
Agonen gefeiert wurde. ^) Zur Bestreitung der Kosten dieser
Feier und überhaupt zur Vermehrung der regelmässigen Einkünfte
des Heiligthums wurde die alte delische Amphiktyonie erneuert,
freilich in beschränkterem Umfange, denn sie umfasste ausser
Athen als dem Vorort die Inseln Andros, Tenos, Mykonos, Syros,
Keos, Seriphos, Siphnos, los, Faros, Naxos und Ikaros und die
Stadt Karystos auf Euboia. Jedes Bundesglied (ausser Athen)
zahlte einen jäbrlichen ^Zins' [toxo^) an die Kasse des Heilig-
thums, welche ausserdiem sehr bedeutende Einkünfte als Zinsen
von ausgeliehenen Capitalien, als Pachtgelder und Mietbzinsen für
dem Gölte gehörige Ländereien und Häuser, endlich aus Straf-
geldern und dem Verkauf eingezogener Güter hatte. Zur Ver-
•) Thuk. I, 9G, dazu U. Köhler Urkunden und Untersuchungen zur
Geschichte des delisch-attischen Hundes S. 91 f.; über die Verlegung nach
Athen Plut. Aristid. 25; Pericl. 12; lustin. III, 6, 4; dazu U. Köhler
a, a. O. ö. 99 flf.
«) Dies beweist die von Böckh a. a. O. S. 22 ff. (S. 453 ff.) behan-
I leite Inschrift, welche lehrt, dass das Ileiligthuiu schon Ol. 80, 3 und 4,
also vor der Wiederheratellung der Festfeier, unter der Verwaltung
Athens stand.
>)'Thuk. III, 104; Diod. XII, 68; Poll. I, 37; VIII, 107; Inschr.
bei Kangrabd Ant. hell. II, n. DOS und n. 1070; ül)er die Kalondcrzeit
v^I. A. Moiiim.sr.n Ifeortolo{jie S. ]]'> I,
456 in. Die Inselwelt.
Wallung des Vermögens und zur Leitung des Festes wurde eine
jährlich wechsehide Behörde, Amphiktyones genannt, deren Vor-
sitzender und Schreiber jederzeit Athener waren, ernannt; die
Delier selbst wurden zu untergeordneten Dienstleistungen beim
Feste, als Köche, Aufwärter und Tafeldiener verwendet.^) Die
Delier, über diese Unterdrückung empört, scheinen bald darauf
einen Versuch gemacht zu haben, mit Hülfe der Lakedämonier
das neue Joch abzuschütteln: zur Strafe dafür wurden sie Ol.
89, 3 (422) von den Athenern gezwungen, ihre Ileimath zu ver-
lassen und Hessen sich in Atramyttion in Mysien, wo ihnen der
persische Satrap Pharnakes Wohnsitze anwies, nieder; dort wur-
den die angesehensten Männer derselben von dem Perser Arsa-
kes hinterlistig ermordet, den übrigen wurde schon im Jahre 420
von den Athenern die Rückkehr in die Ileimath gestattet. ^) Na-
türlich dauerte der Widerwille der Delier gegen die ihnen octroyirte
fremde Behörde (neben welcher übrigens jährliche' delische Ar-
chonten bestanden) fort und machte sich von Zeit zu Zeit in Ge-
waltthätigkeiten gegen die Mitglieder derselben Luft; so werden
in der Rechnungsurkunde der Amphiktyonen von Ol. 100, 4 —
101, 3 eine Anzahl Delier aufgeführt, welche Ol. 101, 1 (376/75)
Iheils zu lebenslänglicher Verbannung, theils zu Geldstrafen von
je 10,000 Drachmen verurtheilt worden waren, weil sie die Am-
phiktyonen aus dem Heiliglhume vertrieben und geprügelt hatten.^)
Ol. 109, 1 (344/43) brachten die Delier, wahrscheinlich durch
Philipp von Makedonien aufgemuntert, eine Klage gegen die
Athener wegen des Besitzes des Heiligthumes bei den Amphiktyo-
nen in Delphi ein, wobei der Olynthier Euthykrates die An-
sprüche der Delier, Hyperides die Sache der Athener vertrat:
die Rede des letzteren machte auf die Amphiktyonen einen sol-
chen Eindruck, dass sie die Klage der Delier zurückwiesen.''}
<) S. die Inschr. C. Ugr. n. 158 = Böckli Staatsh. IF, n. VIT, S. 78 ff.;
ebds. n. VlIB, S. 108 f. (== Rangabe Ant. hell. 11, n. 856); n. XV,
S. 318 ff. (= C. I. gr. n. 159) und n. XV B, S. 326 ff. (= Rangabe Ant.
heli. n. 857); Athen. IV, p. 173»>.
2) Thuk. V, 1; 32; VIII, 108; Diod. XII, 73; 77; Paus. IV, 27, 9.
3) Bückh Staatsh. II, S. 104 ff.
■*) Demosth. De cor. p. 271; Orator. att. ed. Sauppe II, p. 285 ss.;
vgl. Bückh Abhandl. S. 11 ff. (S. 442 ff.); A. Scliäfer Demosthenes II,
S. 347 ft;
2. Die ostgriechischen Inseln: die Kykladen: Delos. 457
Doch verloren die Athener gegen Ende des vierten Jahrhunderts,
wahrscheinUch in Folge des lamischen Krieges (322), den Besitz
der Insel, die nun wenigstens der Form nach einen eigenen Staat
mit demokratischer Verfassung bildete; um sich gegen makedo-
nische Vergewaltigung zu schützen, stellte sie sich, wie die mei-
sten Kykladen, unter den Schutz des Plolemäos Philadelphos,
welchem von den Inselbewohnern gemeinsam eine Statue auf
Delos errichtet wurde. ') Dann hatte Philipp V. die^ Insel in Be-
sitz genommen, musste aber am Ende des zweiten makedonischen
Krieges (196 v. Chr.) sie den Athenern zurückgeben.-) Doch
gelangten diese erst nach der Niederlage des Perses bei Pydna
(168 V. Chr.) wieder definitiv in den Besitz derselben, indem der
römische Senat sie ihnen zum Eigenthum übergab und die De-
lier nöthigte, mit ihrer fahrenden Habe die Insel zu verlassen
nnd sich in Achaia, wo sie als Bürger aufgenommen wurden, an-
zusiedeln; statt ihrer wohnen nun athenische Kleruchen auf De-
los, die officiell als 'die Gemeinde der Athener auf Delos' be-
zeichnet und von ihrem .eigenen Archon, dem ein athenischer
Epimeletes zur Seite steht, regiert werden.^) Seitdehi und ins-
besondere seit der Zerstörung der alten Handelsmetropole Ko-
rinth wurde Delos einer der ersten Handelsplätze Griechenlands.
Kaufleute aus dem Osten und Westen, namentlich Tyrier (die
eine besondere unter dem Schutze des lyrischen Herakles
stehende Genossenschaft bildeten) und Römer Hessen sich, ange-
lockt durch die Vortheile, welche die unmittelbare Verbindung
des Emporion mit dem Ileiligthume darbot: Freiheit von Zöllen
und Abgaben und Sicherheit der Person und des Eigenthums,
hi(;r nieder, und während der mit der Festfeier verbundenen
Messe strömten Handelsleute aus allen Weltgegenden auf dem klei-
nen Eilande zusammen. Der bedeutendste Handelsartikel waren
Sclaven, wofür Delos damals geradezu der erste Markt der Welt
war; von Erzeugnissen der einheimischen Industrie wurde zum
Gusse von Statuen und Gerathen vorbereitetes Erz, in dessen Bc-
*) C. I. gr. n. 2273; vgl. ii. 2267, ein Ehrendecret der ßovXrj inul
•Ics Srj^og der Dclier (von denen auch die Beschlüsse n. 22C8 uITd 22G9
uuHgegangen sind) für Diküos aus Kyreno, einen Beamten dos rtolemäos.
2) Liv. XXXni, 30.
3) Polyb. XXX, 18; XXXI, 7; X.VXII, 17. O S?i(iog o'A^rjvaiiüv tiov
Iv JijXoi C. I. gr. n. 2270; ini(AtXriTi)^ J/ßon ildd. 22HG mit Höckh's Note.
BUItSIAN, OE<K}R. II. 31
458 Iir. Die Inselwelt.
reitung die Delier seit allen Zeiten Meister waren, und Salben
ausgeführt. ^) Ein schwerer Schlag, von dem sie sich nie wieder
erholt hat, traf die Insel im mithridatischen Kriege. Menophanes,
der Feldherr des Mithridates, landete mit einer Truppenabthei-
lung bei der offenen Stadt, ermordete, ohne Rücksicht auf das
Asylrechl des Heiligthums, die wehrlosen Delier sowie die hier
ansässigen und anwesenden Fremden, verkaufte Weiber und Kin-
der als Sclaven, plünderte und zerstörte die Stadt und das Hei-
ligthum mit seinen zahlreichen Kunstschätzen. Nach dem Frie-
densschlüsse (84 v. Chr.) kam die Insel in die Hände der Römer,
die sie später den Athenern zurückgaben, in deren Besitze sie bis
in die späte Kaiserzeit blieb; aber sie war seitdem arm und un-
bedeutend, eine von den Athenern zum Schutz des Heiligthums
gesandte Besatzung bildete fast die ganze Bevölkerung.^) Wäh-
rend des Mittelalters scheint Delos, wenn auch zu völliger Unbe-
deulendheit herabgesunken, doch noch bewohnt gewesen zu sein,
da sich auf dem Gipfel des Kynlhos Reste einer aus antiken
Trümmern erbauten fränkischen Burg finden.^)
1) Strab. X, p. 486; XVI, p. 668; Paus. IIT, 23, 3; VIII, 33, 2; Cic.
De imp. Cn. Pomp. 18, 55; Liv. XLIV, 29; Plin. XIII, 1,4; XXXIV,
2, 8 f.: vgl. Ulrichs Reisen und Forschungen II, S. 203 fF.; H. Blümner
Die gewerbliche Thätigkeit der Völker des classischen Alterthums S. 91 f.
Tu %oivov rcöv TvQLCov ^HgccKlsiGTav i^nogcov kuI vccvüXtjqcov C. I.
gr, ,n. 2271; "Pcoficcicov ot iv J^la SQya^ofisvoL (nccroiyiovvtss) ebds.
n. 2285 b u. ö.
2) Paus. 11. 11.; Strab. X, p. 486; Appian. Mithrid. 28; Anthol. Pal.
IX, 421; 550. Kurz vor Menophanes hatte Apellikon von Teos mit einer
athenischen Heerschaar Delos besetzt, war aber durch den römischen
Feldherrn Orbius geschlagen und vertrieben worden: Athen, V, p. 214 ^
Ol. 177, 4 (69 v. Chr.) wurde die Insel wieder durch den Piraten Athe-
nodoros überfallen, der manches verwüstete und die Einwohner als Scla-
ven fortschleppte; C. Valerius Triarius, der Befehlshaber eines Theiles
der römischen Flotte, stellte die beschädigten Baulichkeiten wieder her
und umgab die Stadt mit einer Mauer: Phlegon Olympiad. fr. 12 (C.
Müller Fragmenta bist. gr. III, p. 60&). Dass die Athener einmal zur
Zeit des Hadrian oder des Antoninus Pius die Absicht hatten, die ihnen
gehörigen Inseln, darunter auch Delos, zu verkaufen, zeigt Philostr. Vit.
Soph. I, 23, 2. Die Angabe von der Gründung eines neuen Atheur auf
Delos auf Kosten des Hadrian (Phlegon bei Steph. Byz. u. 'OXv^nisiov)
beruht, wie schon Dorville (Miscell. obs. 7, 1, p. -74) erkannt hat, auf
einem blossen Schreibfehler {iv JrjXoy statt iv *A&7]vaL£).
3) Ross Inselr. II, S. 168. Auf die Unbedeutendheit der Insel geht
2, Die ostgriechischen Inseln: die Kykladen: Delos. 459
Trotz der wahrhaft grausigen Zerstörung, welche jetzt die
Stätte des Heiligthunis sowie der Stadt als ein Lahyrinth form-
loser Trümmer erscheinen lässt, ist doch die Lage der wichtige-
ren antiken Monumente noch mit Sicherheit festzustellen. Wenn
man in dem Hafen an der Westseite der Insel, dessen antike
Quais, in Folge der Hinausschiehung der üferünie um etwa 50
Schritt, mit Erde bedeckt sind, landet, so stösst man nach we-
nigen Schritten auf die Ueberreste einer langen, offenbar zu
Ilandelszw ecken, ähnlich dem Deigma im athenischen Peiräeus
(vgl. Bd. I, S. 266), bestimmten Halle, deren dem Hafen zuge-
wandte Fa9ade durch auffallend schlanke dorische Säulen mit
ihrem Gebälk gebildet vvurdc; eine fragmentirte Inschrift auf dem
Architrav lehrt, dass sie aus Entschädigungsgeldern, welche König
Philipp V. am Ende des zweiten makedonischen Krieges halte
zahlen müssen, erbaut und dem Apollon geweiht war. i) Trüm-
mer zweier anderer, jedenfalls ähnlichen Zwecken dienender Hal-
len, deren Decken nicht von Säulen, sondern von viereckigen
Pfeilern getragen wurden, finden sich ebenfalls auf dem Quai
weiter südlich. Nördlich von der Säulenhalle liegen die Reste
eines im korinthischen Styl ausgeführten Bauwerkes aus weissem
Marmor — vielleicht der Eingangshalle zum Temenos des Apol-
lon — und etwas weiter östlich, ungefähr 100 Schritt vom Ha-
fen, ein gewaltiger, aus Säulenlrommeln, Capilälen, Basen und
Gebälkstücken bestehender Trümmerhaufe, welcher die Stelle des
Apollontempels bezeichnet. Dieser auf etwas erhöhtem Terrain
gelegene Tempel, dessen erste Gründung die attische Sage dem
Erysichthon, dem Sohne des Kekrops, zuschrieb, wurde während
der Zeit als die Insel von Athen unabhängig war, also am Ende
des vierten oder im Laufe des dritten Jahrhunderts v. Chr.,
ganz oder theilvveise neu hergestellt;^) dieser Herstellung gehö-
ren offenbar die noch erhaltenen Trümmer an, welche zeigen,
dass der Tempel aus parischem Marmor in dorischem Styl erbaut,
offenbar der Ausdruck JrjXog ccdriXog bei Hierocl. Synecd. p. 11 ed.
Parthey.
*) S. Ulrichft Reisen und Forachungen II, S. 204; über die Ruinen
Stuart und Revett The antiquities of Athens Vol. III, pl. LI, 2; LHI s.
') Dies lehrt die leider sehr fragmentirte Inschrift C. I. gr. n. 2266.
Ueber die Reste des Tempels vgl. besonders Tournefort I, p. llös. und
The antiquities of Athens III, pl. LI, 1 und LH.
31*
460 ni. Die Inselwelt.
aber nicht in allen Details vollendet war; die Säulen halten
nur am oberen und unteren Ende des Schaftes Ansätze von Ca-
nelüren, während im Uebrigen der Schaft noch vom Steinmantel
bedeckt war. Vor dem Eingange des Tempels stand eine Co-
iossalstatue des Apollon, ein Weihgeschenk der Naxier, welche
schon im Allerthum durch einen ungliicklichen Zufall — ein da-
neben stehender, von Nikias geweihter eherner Palmbaum war
vom Sturm umgeworfen auf sie gefallen und hatte sie zu Falle
gebracht — umgestürzt, wahrscheinlich jedoch wieder aufgerichtet
worden war; jetzt sind ausser der Basis noch zwei grosse Frag-
mente des nackten Körpers des Gottes erhalten. ^) Innerhalb des
Temenos des Apollontempels stand ferner ein Tempel der Leto
(Letoon) mit einer besonderen Eingangshalle (Propyläon), ein
Tempel der Artemis (Artemision) und in dessen Nähe ein Heilig-
thum der Aphrodite. 2) Hinter dem Artemision gegen Osten zeigte
man das Grabmal der hyperboreischen Jungfrauen Arge und
Opis, das als Heroengrab bei der Reinigung der Insel verschont
worden war; in unmittelbarer Nähe desselben stand eine von den
Bewohnern der Insel Keos errichtete Halle, welche den die Pane-
gyris besuchenden Keiern als Versammlungs- und Speiselocal
diente.^) Natürlich hatten auch andere Staaten ähnliche Ilestia-
toria für ihre Angehörigen errichtet: von einem derselben, etwa
einem von einem orientalischen Fürsten erbauten, stammen viel-
leicht die mit den Vorderkörpern je zweier Stiere geschmückten
Pfeilercapitäle und mit Stierköpfen verzierten Triglyphen, welche
östlich von den Ruinen des Tempels gefunden w^orden sind."*)
1) Plut. Nie. 3; vgl. Athen. XI, p. 502'', wo mit Ross (Inseln I,
S. 34, Anm. 11) ;fo;A,xovj' (poCwAa [^nccQu t6] Nuh,C(av avccd'rj^a zu
schreiben ist. Ueher die Reste des Colosses s. Tournefort I, p. 115 s.
und A. Michaelis Annali t. XXXVI (1864) p, 253; das jetzt im brittischen
Museum befindliche Fragment eines Fusses desselben ist abgebildet bei
W. Kinnard Antiquities at Athens and Dolos (in Stuart und Revetts An-
tiquities of Athens Vol. IV) pl. IV, 2.
2) (Aristot.) Etil. Eudem. I, 1 ; Athen. XIV, p. 614'»; Strab. X, p. 485.
— Herod. IV, 34; Aristän. Ep. I, 30; (Ovid.) Heroid. ep. 21, 105; vgl.
Dilthey De Callimachi Cydippe p. 63.
^) Herod. IV, 35.
4) S. Kinnard a. a. O. pl. V. Osann hält sie für Ueberreste eines
grossen Prachtaltars, der in späterer Zeit an die Stelle des alten, ganz
2. Die ostgriechischen Inselu: die Kykladen: Delöis. 461
Die Ausdehnung des heiligen Bezirks, der ausser den bisher
erwähnten Baulichkeiten und zahlreichen Weihgeschenken wahr-
scheinlich auch Heiligthümer oder doch Altäre anderer auf Delos
verehrter Gottheiten^) enthielt, gegen Norden bezeichnet ein
nordöstlich vom Tempel befindhches länglich-rundes, mit einer
niedrigen Mauer umgebenes Bassin von 289 Fuss Länge und
200 Fuss Breite, das im Innern mit Cement ausgefüllt und jetzt
ausser nach Begengüssen ganz trocken ist, im Alterlhum aber
mit Wasser gefüllt und unter dem Namen des runden Sees be-
kannt war; an seinem Ufer sollte nach einer Sage Leto ihre
göttlichen Kinder geboren haben. In der Nähe des Sees, zwi-
schen ihm und dem Tempel, stand ein ganz aus Hörnern von
Opferthieren errichteter Altar, dessen Stiftung die Sage dem Apol-
lon selbst zuschrieb, hinter demselben ein zweiter,, auf welchem
dem ApoUon Genetor feuerlose, unblutige Opfer dargebracht wur-
den. -) Unmittelbar nördlich von dem Bassin beginnen die Buinen
der Stadt Delos, welche den grössern Theil der Breite des nörd-
lichsten Theiles der Insel einnahm; sie war bis zum Jahre 69
V. Chr., wo der römische Feldherr C. Valerius Triarius sie zum
Schutz gegen Ueberfälle von Seeräubern mit einer Mauer umgab
(vgl. oben S. 458, Anm. 2), durchaus offen, d. h. ohne Bingmauern
und sonstige Verlheidigungsanlagen, und enthielt ausser sehr
zahlreichen, aus Granit erbauten und mit Granitsäulen um den
inneren Hof geschmückten Privathäusern, von denen noch massen-
hafte Trümmerhaufen erhalten sind, ein Prytaneion, ein Buleule-
aus Stierhörnern errichteten ^£Q(xtLvog ßco^og (s. unten Anm. 2) getre-
ten sei , was mir sehr unwahrscheinlich ist.
*) Als solche kennen wir aus den Inschriften (C. I. gr. n. 2270 ss.)
die Dioskuren (auch als fiByaXoL d-80i und KdßsigoL verehrt), Dionysos,
Asklepios, Herakles (ein 'HgccyiXsiov C. I. n. 2270, Z. 36; davon war je-
denfalls verschieden das in n. 2271 erwähnte rsixevog '^HgK-nXjovg tov
TvqCov) und die ägyptischen Gottheiten Sarapis, Isis (auch als "/atj
di-naioavvrj verehrt), Anubis und Harpokrates.
*) Ueber die TQOxoeiSrjg Xifivrj s. Horod. II, 170; Theogn. 7; Ijiri|t,
Iphig. Taur. 1103 ff.; Callim. H. in Del. 261; vgl. Tournefort I, p. 113;
über den xegätivog ßco^og Callim. 11. in Apoll. 58 ff.; Plutarch. Do soll,
an, 35; Plut. Thes. 21; Martial. Spect. I, 4; (Ovid.) Heroid. ep. 21, 99;
vgl. Osann in Schorns Kunstblatt (Beilage zum Morgenblatt) 1837, N. 11 f.,
S. 41 ff. und S. 46 ff.; über den Altar des ApoUon Genetor Diog. Laert. VIII,
' !*'»; nach Porphyr. De abstiu. II, 28 hiess derselbe evofßmv ßoo^og.
462 III. Die Inselwelt.
rion und ein Local für die Volksversammlungen (Ekklesiasterion)J)
Oestlich von der Stadt, nahe der Ostküste, finden sich die Reste
eines ausgedehnten Gebäudes, wahrscheinlich des Gymnasion,
welches, wie der architektonische Charakter (Rundbogen auf Säu-
len ruhend) zeigt, aus der römischen Zeit stammt; unmittelbar
daneben zieht sich von Nord nach Süd das Stadion hin, dessen
an eine Anhöhe sich anlehnende westliche Langseite fortlaufende
Reihen von Sitzstufen aus bläulichem Marmor hatte, während die
östliche Langseite nur in der Mitte eine künstliche Erhöhung
von 45 Schritt Länge zeigt, auf welcher drei bis vier Sitzreihen
angebracht sein konnten. 2)
Im Süden bildete den Abschluss des heiligen Bezirkes wahr-
scheinlich das Theater, dessen gegen Westen geöffnete, ein weit
über die Grösse eines Halbkreises hinausreichendes Kreissegment
von 187 Fuss Durchmesser bildende Cavea theils auf dem unter-
sten Abhang des Kynthos, theils auf thurmartigem, mit weissen
Marmorquadern bekleidetem Mauerwerk ruhte; die Sitzstufen be-
standen aus weissem Marmor. Quer vor der Oeffnung der Cavea
befindet sich eine etwa 100 Fuss lange und 23 Fuss breite, mit
Granit ausgemauerte Cisterne, über welcher das Bühnengebäude
gestanden haben muss. ^) Oestlich oberhalb des Theaters sind auf
einem kleinen Plateau Reste eines Gebäudes aus weissem Marmor
— nach einigen hier gefundenen Inschriften eines Tempels der Isis
— erhalten.^) Noch höher aufwärts am Abhänge des Kynthos
bemerkt man eine hochalterthümliche Anlage, deren Zweck räthsel-
haft ist: einen von Granitblöcken umschlossenen, 15 Fuss langen.
1) C. I. gr. n. 2266, 24; 2267, 28; 2268, 25; 2269, 8; 127Ö, 3. Ein
Theil der Stadt — jedenfalls der auf einem Hügel nahe der Nordwest-
küste gelegene — führte den Namen KoXcovog (s. C. I. gr. n. 158, B,
Z. 32 OLHLCC SV KoX(ova>), ein anderer hiess nsdiov (s. ebds. Z. 33 f. to
ßaXavsion to Aqiütcovog s^ nsdim).
2) S. Ross Inselreisen I, S. 32 f.
3) Vgl. Tournefort I, p. 117; Leake Northern Greece III, p. 100;
Fiedler II, S. 276 und den Plan in der Expe'dition scientifique de More'e
III, pl. 10 (wiederholt bei Wieseler Theatergebäude Tafel I, 17). Die
Annahme Wieselers (Allgem. Encycl. d. W. u. K. Sect. I, Bd. 83, S. 194),
dass es ausser diesem wenigstens noch ein anderes Theater in DeloiS
gegeben habe, beruht auf einem Irrthum: das in der Inschr. C. I. n. 2270,
Z. 14 erwähnte d'sazQOv sv uotsi ist das dionysische Theater in Athen.
4) Leake a. a. 0., vgl. C. I. gr. n. 2294 und 2302.
2. Die ostgriechischen Inseln : die Kykladen : Delos. 463
Gang, \^ elcher durch 10 mächtige, in spitzem Winkel gegen
einander gelehnte Steine (fünf auf jeder Seite) gleich den Sparren
eines Daches bedeckt ist; der vordere (untere) Eingang, zu wel-
chem früher Stufen emporführten, hat eine Weite von fünf Meter,
aber der Gang verengt sich nach Innen bis zu 2,60 Meter und
wird zuletzt so niedrig, dass man nur gebückt hindurchgehen
kann, so dass an eine Benutzung desselben als Eingang zum Peri-
bolos des Tempels nicht zu denken ist; vielleicht ist es ein Ueber-
rest einer der ältesten Zeit, als die Insel noch von karischen
Seeräubern bewohnt war, angehörigen Befestigung.^) Hinter
demselben beginnt eine Treppe, welche auf den Gipfel des Kyn-
thos — ein kleines, von einer Mauer aus grossen Quadern,
welche dem Mittelalter anzugehören scheint, umschlossenes Pla-
teau, welches im Alterthum einen kleinen, im ionischen Styl mit
uncanelirten Säulen erbauten Tempel trug — emporführt; eine
ähnliche Treppe führte von Norden her auf das Plateau. Der
südlichste Theil der Insel scheint, da sich hier fast gar keine
Reste alter Baulichkeiten finden, nur mit einigen Landhäusern
besetzt und im Uebrigen, soweit es die Natur des Bodens ge-
stattete, zu Feldern und Viehweiden benutzt worden zu sein.
Im südlichen Theile von Rheneia zieht sich längs der Delos
zugewandten Ostküste die ausgedehnte Nekropolis der alten Be-
wohner von Delos und Rheneia hin. Die ausserordentlich zahl-
reichen, in der untern Hälfte durch den natürlichen Felsboden,
in der obern durch Mauerwerk gebildeten Grabkammern, die in
der Regel je vier bis sechs Gräber enthielten, sind fast ohne
Ausnahme durch die Habsucht der Bewohner der Nachbarinseln,
besonders der Mykonier, geöffnet und geplündert worden; die
Grabdenkmäler, unter denen neben den gewöhnlichen Grabstelen
besonders runde, mit Blumen- und Fruchtgehängen und Stier-
köpfen verzierte Altäre stark vertreten sind, liegen, meist muth-
willig zerstört, in wilder Unordnung umher. Die Stadt Rheneia,
deren Bürger als tributpflichtige Mitglieder des älteren attischen
Seebundes in den athenischen Tributlisten aufgeführt werden, lag
30 Stadien von dem Ueberfahrtsplalze nach Delos entfernt, also
jedenfalls ijn nördlichsten Theile der Insel. Da die Delier in
*) 8. die Abbildungen bei Kinnnrd a. u. O. jW. IV, 1 und bei Fied-
ler II, 8. 279; vgl. Rosa Inselr. I, 8. 35 und II, 8. Km t
464 111. Die Inselwelt.
ihrer eiyeiicii Ueimalli weder ins Leben eintreten, noch aus dem-
selben scheiden durften, so müssen wir annehmen, dass zur Zeit
der Blüthe von Delos fast jede delische Familie auch ein Haus
in der Stadt Rheneia oder ein Landgut auf dieser Insel besass
oder doch ermiethet hatte. Von den ertragfähigen Ländereien
der Insel war ein bedeutender Theil Eigenthum des Tempels auf
Delos und wurde an Privatleute in Pacht gegeben. Der Verfall
von Delos war für Rheneia die Ursache gänzlicher Verödung; sie
war schon um den Beginn unserer Zeitrechnung nicht mehr be-
wohnt und diente nur noch als Begräbnissstätte für die Delier. ^)
syros. Etwas übcr drei deutsche Meilen (13 Seemeilen) westwärts
von Rheneia liegt die Insel Syros, in der Odyssee ^j Syrie,
heutzutage Syra genannt, eine mit einer geringen Ausbuchtung
gegen Osten von Nord nach Süd streichende, aus Glimmerschie-
fer, auf welchem weisser und grauer krystallinisch-körniger Kalk
auflagert, bestehende Bergmasse von etwa zwei Quadratmeilen
Umfang, deren höchste, jetzt Pyrgo genannte Kuppe, im nörd-
licheren Theile, sich 431 Meter über die Meeresfläche erhebt.
Die Insel ist, obwohl mit Ausnahme einiger von kleinen Bächen
bewässerter Thäler und kleiner Strandebenen fast baumlos, doch
nicht unfruchtbar; in der nördlicheren Hälfte wird hauptsächlich
Getreide, in der südlicheren Wein gebaut. Als Ausfuhrartikel
*) Hyperid. bei Sopatros zu Hermogenes UrccosLg (Rhetor. gr. ed.
Walz IV, p. 446). Strab. X, p. 486. Miod-coosig rsfisvcäv s^'Fr}V£Lccg
(Ertrag für zwei Jahre 2 Talente 1220 Drachmen) C. I. gr. n. 158, A, Z. 25 f.
Ueber die Nekropolis vgl. Tournefort I, p. 121; Ross Inselreisen I, S. 35 f.;
II, S. 169 f.
2) Odyss. 0, 403 ff. , welche Stelle allerdings zeigt, dass der Dichter
von der Lage {od'L xQOTtccl ^sXloio) und von der Bodenbeschaifenheit der
Insel (evßotog, sv[ir]Xogj otvonXrjd'rjg, TcolvnvQog) eine ziemlich unklare
Vorstellung gehabt hat; doch ist deshalb weder mit einigen neueren
Geographen der Name auf eine Insel bei Sicilien (Nasos, ein Theil von
Syracus) zu beziehen, noch mit Clarke (Peloponnesus p. 16 ss.) ganz der
Fabelwelt zuzuweisen. Die Namensform ri 2vQCi schon bei Hesychius
Miles. De viris erudit. dar, 69 und bei Suid. u. ^SQS-avdrjg, Vgl. über
die Insel Tournefort I, p. 122 ss.; Fiedler II, S. 164 if.; Ross Inselreisen
I, S. 5 ff,; II, S. 24 ff.; Prokesch Denkwürdigkeiten und Erinnerungen
aus dem Orient I, S. 53 ff. Die Schrift von Della Rocca ^Traite com-
plet sur les abeilles avec une me'thode nouvelle de les gouverner teile
qu'elle se pratique ä, Syra, pre'ce'de d'un pre'cis historique et e'conomique
de cette ile. Paris 1790, 3 Voll.' steht mir nicht zu Gebote.
2. Die ostgriechischen Inseln: die Kykladen: Syros. 465
wird nur eine von den antiken Malern zur Farbebereitung be-
nutzte gelbliche Erdart (sil) erwähnt J) Von den Alten wird die
Insel am häufigsten als Heimath des Philosophen Pherekydes ge-
nannt, während sonst ihre Geschichte fast ganz im Dunkel liegt;
sie soll durch athenische Einwanderer unter Führung des Hippo-
medon ionisirt, später durch den Verrath eines gewissen Killikon
in den Besitz der Samier gekommen sein. 2) Nach dem Zeugniss
der athenischen Tributlisten war sie ein Glied des älteren atti-
schen Seebundes ; dann verschwindet sie völlig aus der Geschichte,
doch beweisen einige erhaltene Inschriften, dass sie bis in die
spätere römische Kaiserzeit als ein verhältnissmässig blühendes
Gemeinwesen fortbestand. ^j Im späteren Mittelalter war sie Ei-
gentlium der Herzöge von Naxos.
Die Stadt Syros, deren geringe Ueberreste jetzt fast ganz
unter den Neubauten der rasch aufgeblühten neuen Stadt Hermu-
polis verschwunden sind — ausser einigen Sitzstufen des antiken
Theaters sind nur eine Anzahl Werkstücke von dem an der Süd-^
ostseite des Hafens gelegenen Heiligthum des Poseidon Aspha-
leios und der Amphitrite erhalten — lag in der Mitte der Ost-
küste an einer trefflichen, im Nordosten durch eine schmale von
Nord nach Süd gestreckte Felszunge geschützten Hafenbucht.
Ihr Umfang muss nach den von älteren Reisenden gesehenen
Spuren der Ringmauern ziemlich bedeutend gewesen sein.*) Sie
wurde wahrscheinlich in den früheren Jahrhunderten des Mittel-
alters in Folge wiederholter Ueberfäile durch Seeräuber von ihren
Bewohnern verlassen, die sich auf einer steilen, eine halbe Stunde
von der Küste entfernten Felshöhe ansiedelten, welche noch jetzt
die 'Alt-Syra' genannte, fast ausschliesslich von römischen Katho-
liken (deren es auf Syra eine grössere Zahl giebt als anderwärts
0 Plin. XXXIII, 12, 158.
*) Schol. Dionys. Per. 525. — Schol. Aristoph. Pac. 303.
3) C. I. gr. n. 2347«^ ff.; Add. vol. II, p. 1050 ff.; Ross Inscr.'gr.
itied. II, n. 106 ff.; Conze BuUettino 1859, N. VIII, p. 1G6 ff.
♦) Theater: Conze a. a. O., vgl. C. I. gr. n. 2347% Z. 48 f. Jiovv-
aio)v T« ayoiVL xiöv tQay(pd(ov; ebds. wird eine Pompe der TIerakleia
und ein Fackellaiif der Demetrioia erwähnt. Poseidon Asphaleios und
Amphitrite: Ross Inselreiwen I, S. 9; Inscr. gr. ined. II, p. 18, n. 107;
Athena Phra[tria?| Ross Inselreisen a. a. O.; C. I. gr. Vol. II, p. 1059;
Hestia Prytaneia Inschr. bei Conze a. a. O. 8. 168. Ueber die Mauer-
reste vgl. Prokesch a. a. O. I, 8. 61 ff.; II, S. 640 f.
466 III. Die Inselwelt.
in Griechenland) bewohnte Stadt tragt. Erst während des Be-
freiungskrieges, wo Syra namentlich den der türkischen Bhitgier
entgangenen Bewohnern von Chios, Psara und Aivali in Klein-
asien zur Zufluchtsstätte diente,* entstand am Hafen eine neue
Stadt, Hermupolis, die sich aus unscheinbaren Anfängen schnell
zur ersten Handelsstadt Griechenlands und zum Centralpunkte des
Verkehrs, insbesondere der Dampfschiffe, zwischen dem Orient
und Occident aufgeschwungen hat; ihre freundlichen Häuser und
breiten Strassen und Plätze bilden einen erfreulichen Contrast
zu den engen, zum Theil treppenartigen, schmutzigen Gassen der
oberen Stadt.
Einen zweiten durch eine schmale Felszunge gegen Süden
geschützten natürlichen Hafen hat die Insel an der Südwestseite
in der zwischen den weit gegen Südwesten vortretenden Caps
Asikono (im Norden) und Vilostasi (im Süden) gelegenen Bucht
Krasi (von den italiänischen Schifl"ern Porto della Grazia genannt).
Am nördlichen Ende derselben zieht sich eine kleine Ebene hin,
in welcher sich einige alte Mauerresle, zahlreiche Bruchstücke
von Ziegeln und Thongefässen und alte Gräber finden, deutliche
Spuren, dass im Alterthum hier eine kleine Ortschaft (nicht eine
Stadt, sondern nur eine Kome) stand, welche vielleicht den Na-
men Eschatia führte.')
Oestlich vom Hafen von Hermupolis liegt eine kleine unbe-
wohnte Felsinsel, jetzt * Eselsinsel' (Gaidaronisi) genannt, welche
durch einen schmalen Canal von einer etwas weiter östlich ge-
legenen, weit kleineren Insel getrennt ist; beide zusammen wur-
den im Alterthum Didyma (die Zwillinge) genannt. 2)
') C. I. gr. n. 2347 c, Z. 28 ccnb trjg KccXovfihrjg 'Ecj^artag: über
die Reste vgl. Ross Inselreisen II, S. 26 f , der dabei an die Schilderung
der Od. o, 412, dass zwei Städte auf Syrie existirten und alles zwischen
diesen getheilt sei (eine Schilderung , die schwerlich der Wirklichkeit ent-
spricht), erinnert und auf die angebliche zweite Stadt den Ortsnamen
Grynche (der vielmehr nach Euboia gehört; s. oben S. 426) beziehen
will. Die von Ross a. a. O. angeführten Oertlichkeiten, an welchen nach
Angaben Eingeborner noch hellenische Ruinen vorhanden sein sollen:
das obere Cnjp {'^Ttccvca Kaßog) bei Petzavläs im Norden der Insel und
Dili an der Ostküste, eine Stunde nördlich von Hermupolis, sind auf
keiner Karte verzeichnet.
2) Steph. Byz. u. Jidvficc und Jidv[i7].
2. Die ostgriechischen Inseln: die Kykladen: Gyaros. 467
Ungefähr zwei deutsche Meilen (acht Seemeilen) nordwestlich Gyarcs
vom Cap Strimessos, der Nordwestspitze von Syros, liegt die
wenig über eine deutsche Meile lange und an der breitesten
Stelle etwa Y^ Meile breite Insel Gyaros, jetzt Giura, ein von
Nordost nach West streichender Bergrücken, der besonders gegen
Süden in steilen Klippen nach dem Meere abfällt, ganz öde, mit
einigen wenigen Bäumen und Sträuchern, jetzt unbewohnt und
nur von einigen Hirten mit ihren Heerden zeitweise besucht. Im
Allerthum war sie zwar politisch ganz unbedeutend, aber doch
bewohnt und , soweit es der dürre Felsboden gestattete , angebaut.
Ein gegen Südost vortretendes schmales Vorgebirge, vor dessen
Spitze eine jetzt Glaronisi ('Möweninsel') genannte FelskHppe liegt,
zeigt an seiner östlichen Abdachung noch zahlreiche durch Stein-
mauern gestützte Terrassen, die offenbar für Wein- und Getreide-
bau bestimmt waren, und eine Stunde nördlich von da finden
sich in einer kleinen Strandebene nahe bei einer Ilafenbucht der
Ostküste die Ueberreste einer kleinen Ortschaft, deren Bewohner
sich von Fischfang und Pnrpurfischerei kümmerlich nährten: zur
Zeit des Augustus waren sie so arm, dass sie einen Gesandten
an den Kaiser schickten und um eine Milderung der 150 Drach-
men jährlich betragenden Steuern baten, da sie kaum 100 auf-
bringen könnten. Man erzählte im Alterthum als eine für die
Unfruchtbarkeit der Insel charakteristische Thalsache, dass die
Mäuse hier einst so überhand genommen hätten, dass sie Eisen
(oder eisenhaltige Erde) gefressen und die Bewohner genöthigt
hätten, vor ihnen das Feld zu räumen. In der römischen Kaiser-
zeit war sie einer der gefürchtetsten Verbannungsorte für Staats-
verbrecher. ^)
Drei deutsche Meilen (zwölf Seemeilen) westlich von Gyaros Kens.
liegt die grössere Insel Keos'') (jetzt Tzia oder Tschia gespro-
') Strab. X, p. 485 f.; Lucian. Toxar. 17 f.; Aelian. De nat. an. V,
14; Antigen. Hist. mir. 18; Plin. IV, 12, 69; VIII, 29, 104; 57, 222;
luven. 8at. I, 73; Tac. Ann. III, 68 f.; IV, 30; Plut. De exil. 8. Vgl.
Toiirnefort I, p. 132; Fiedler II, S. 158 ff.; Ross Inselreisen I, S. 5 und
II, S. 170 f.
') Der Name lautet im Alterthum Kf(oq (Kthnikon KfLoq)^ doch hat
Bihon Ptol. III, 16, 27 die Form Ki«, welche der jetzigen (italianisiren-
den) Aussprache zu Grunde liegt, lateinisch Cea: Plin. IV, 12, 62: Ceos
quam nostri quidam dixere Ceam; auch Cia: Liv. XXXI, 16. Von ihrem
468 111. J)iu luHclwelt.
clicii) von B'/a Quadraliiieileii Umfang, eine der rriiclilbarslen un-
ter den Kykladen, zwar ganz von Bergen eingenommen, uelclie
ungefähr in der Mitte der Insel in der Kuppe des Hagios Elias die
grösste Höhe (568 Meter) erreichen, aber mit zahlreichen Quel-
len und Bächen, welchen die Abhänge der Berge und die Eng-
thäler, welche sich nach den Küsten hinabziehen, eine verhält-
nissmässig reiche Vegetation verdanken. Im Innern wächst aul
den Bergen zahlreich, wenn auch nicht in dichten Gruppen son-
dern mehr vereinzelt, die Knoppereiche (Quercus aegilops), deren
gerbestoffreiche Eicheln jetzt den bedeutendsten Ausfuhrartikel
bilden; ausserdem producirt die Insel viel Wein, trefflichen Honig,
Feigen (nach Angaben alter Schriftsteller trugen die wilden Fei-
genbäume auf Keos dreimal im Jahre) und andere Siidfrüchte in
reicher Quantität und guter Qualität; auch der Seidenbau ist
nicht unbedeutend. Ganz verschwunden ist die Fabrication von
Böthel, der im Alterthum in so guter Qualität hier bereitet wurde,
dass die Athener, welche in ihren Thonwaarenfabriken starken
Gebrauch davon machten, durch besondere Verträge mit den
Städten von Keos sich das Monopol der Ausfuhr desselben
sicherten. Auch die Viehzucht wurde im Alterthum trotz des
Mangels an guter Weide mit grosser Sorgfalt getrieben : sie stand
unter der besondern Obhut des Aristäos, des in Keos als Gott
gleich Zeus und ApoUon verehrten Urhebers und Schützers der
Vieh- und Bienenzucht, des Landbaues und Obstbaues, der von
den Nymphen auf Keos erzogen worden und , als diese durch
einen Löwen (das Symbol der verheerenden Sonnenhitze) erschreckt
entflohen, durch sein Gebet zu Zeus Ikmäos kühlende Winde und
erfrischenden Thau der Insel verschafl"! haben soll. Sonst werden
noch essbare Sciiwämme von Keos erwähnt. M
Wasserreichthum stammt der angeblich älteste (vielmehr poetische) Name
'TdQ0v60a: Heraclid, De reb. publ. 9, 1; Plin. 1. 1.; Hesych. u.'^'TÖQOvaa.
Vgl. über die Insel Tournefort I, p. 126 ss.; Fiedler II, S. 87 ff.; Bran-
dig Mittheilungen I, S. 274 ff.; Ross Inselreisen I, S. 128 ff. ; besonders
aber ßröndsted Voyages et Recherches dans la Grece, I. Livraison, Paris
1826.
1) Feigen: Athen. III, p. 77 ^ Röthel (fiiXtog): Theophr. De lapid.
52; Inschrift bei Böckh Staatsh. II, S. 349 ff.; vgl. Fiedler a. a. O^
S. 90 f.; X. Lander er im Archiv für Pharmazie, zweite Reihe, Bd. 119,
S. 12 und S. 17 f. Viehzucht: Aelian. De nat. an. XVI, 32; Verg. Georg. I,
14 f. Schwämme: Athen. II, p. 61'*. Auf Weinbau auch im Alterthum
2. Die ostgriechi sehen Inseln: die Kykladen: Keos. 469
Die von einigen alten Geographen gehegte Vorstellung, dass
die Insel einst mit Euboia zusammengehangen und nach der Los-
reissung von diesem eine Länge von 500 Stadien besessen habe,
bis vier Fünftel ihres Gebiets vom Meere verschlungen worden
seien, ^) ist sicher eine irrige: die Richtung der Gebirge deutet
vielmehr auf einen ursprünglichen Zusammenhang mit Attika hin,
der durch die schmale Felsinsel Makronisi (Helena: vgl. Th. I,
S. 356) vermittelt worden sein mag; von einer irgend wesent-
lichen Verminderung des ümfangs der Insel in historischen Zei-
ten ist weder eine deutliche Spur noch eine glaubwürdige Nach-
richt erhalten. Die ersten griechischen Ansiedler auf der Insel
scheinen Lokrer aus Naupaktos gewesen zu sein, die dann durch
atiische Colonisten, als deren Anführer Thersidamas genannt wird,
ionisirt worden sind. Dann stand die Insel ebenso wie Andros
und Tenos eine Zeit lang unter der Herrschaft von Eretria.^) In
Folge des gesunden Khmas und der massigen, alle Ausschwei-
fungen vermeidenden Lebensweise der Bewohner wurde die Zahl
der Bevölkerung der Insel allmälig eine verhältnissmässig sehr
bedeutende; daher wurde, um (Jebervölkerung zu verhüten, die
Sitte eingeführt, dass hochbetagte Personen beiderlei Geschlechts,
die nichts mehr erwerben konnten, freiwillig ihrem Leben durch
Trinken von Schierlings- oder Mohnsaft ein Ende machten.^)
deutet die auf den Münzen mehrerer Städte der Insel (s. Bröndsted pl.
XXVII) vorkommende Ti-aube. Vg-l. Bröndsted Supple'ments n. 3 (p. 79 ss.);
über Aristäos ebds. p. 40 ss. und Preller Griech. Mythol. I, S. 356 ff.;
Welcker Griech. Götterl. I, S. 487 ff. Die Angaben über Fabrication
feiner Frauengewänder auf Keos (Plin. IV, 12, 62; Lucret. IV, 1130)
Ijeruhen jedenfalls nur auf einer Verwechselung zwischen Keos und Kos :
vgl. Lachmann ad Lucr. p. 269 s.
') Plin. II, 92, 206; IV, 12, 62: vielleiclit beruht die Angabe nur
auf einem Missverstündniss der aucb von Strabon (X, p. 486) bestätig-
ten Thatsacho, dass von den alten vier Städten der Insel damals nur
noch zwei existirten.
*) Heraclid. De rep. publ. 9, 1: Kiatq d' tn NccvnocyiTov Siaßug
(othob; dass dieser Tradition eine historische Thatsache zu Grun<le liogt,
beweist das noch in späteren Zeiten bestehende Freundschaftsverhältniss
zwischen den Keiern und Lokrern: s, Ilerod. VIII, 1; HJWikh ad C. I.
gr. n. 2350. — Ktioi - l'&vog ^lovinov an 'A^r\vli'^v Ilri.ul. N'III, 16;
vgl. schol. Dionys. Pcrieg. 525. — Stral), X, p. 44s.
») Heraclid. a. a. O., vgl. Strab. X, p. 486; Aelian. V. Inst. III, 37;
\ ,il. M.'ir. n, 6, «. V'\\\ ncwci.M fiir die Sittenstrenge der Mcvidkerung
470 in. Die Inselwelt.
Die Bevölkerung sowie das Gebiet der Insel war unter vier Städte
verlheilt: lulis, Koresia, Karthäa und Poiessa; jede derselben
bildete ein selbständiges Gemeinwesen, das seine eigenen Münzen
prägte und für sieb Verträge mit auswärtigen Staaten abscbloss.
Docb treten sie gegen Aussen meist als Gesammtbeit unter dem
Gesammtnamen der Keier auf, wie im Perserkriege, als Mitglieder
der delischen Ampbiktyonie und des älteren attiscben Seebundes
(während dem neueren Seebunde laut der Urkunde die vier
Städte als Einzelstaaten beigetreten sind) und später als Freunde
und Verbündete des ätoliscben Bundes; aucb wurden neben den
Münzen der einzelnen Städte Gesammtmünzen 'der Keier' ge-
prägt. ') Zwei von den vier Städten waren indess schon vor dem
Beginn unserer Zeitrechnung so heruntergekommen, dass sie auf-
gehört halten, selbständige Gemeinwesen zu bilden : die Poiessier
waren nach Karthäa, die Koresier nach lulis übergesiedelt. 2)
Antonius schenkte die Insel den Athenern, in deren Besitz sie
noch in den Zeiten des Hadrian und der Antonine gewesen zu
sein scheint.^) Dann verschwindet sie so gut wie ganz aus der
Geschichte und taucht erst wieder auf nach der Eroberung Kon-
stantinopels durch die Franken, wo sie (im Jahre 1207) zugleich
mit der Insel Seriphos von vier venezianischen Freibeutern, den
Brüdern Andrea und Geremia Ghisi, Pietro Giustiniani und Do-
minico Michieli, erobert und in der Weise unter sich vertheilt
wurde, dass jeder ein Viertheil jeder der beiden Inseln als selb-
ständiger Dynast unter dem Schutze der Republik Venedig besass
und seinen Nachkommen, beziehendlich Rechtsnachfolgern hinter-
liess. Im Jahre 1537 durch Khaireddin Barbarossa erobert und
ist es auch, dass nach Phylarchos bei Athen. XIII, p. 610"^ in den Städten
der Keier weder Hetären noch Flötenspielerinnen zu finden waren.
*) KEIOI auf der delphischen Schlangensäule Gew. 7; vgl. Herod.
VIII, 1; 46; Paus. V, 23, 2. Für Delos vgl. C. I. gr. n. 158 und das
oben S. 460 erwähnte Hestiatorion. In den Tributlisten erscheinen re-
gelmässig KsfoL, nur einm-dl Koq 7] gl ol (vgl U.Köhler Urkunden S.. 199);
in der Bundesurkunde von Ol. 100, 3 (Rangabe' n. 381*^'=*) dagegen finden
wir Col. A, Z. 22 ff. KsCtov 'lovXLrjrccL, KuQd-aiHg, Koqtjoloi, Col. B,
Z. 82 noLTjaoLOL. Spätere Verträge: C. I. gr. 2350-52. Münzen: Brönd-
stedt pl. XXVII. Vgl. auch Harpocr. p. 108, 27.
2) Strab. X, p. 486; vgl. Plin. IV, 12, 62. Ptol. III, 15, 27 führt
noch die drei Städte Koressos, lulis und Karthäa auf.
3) Appian. Bell. civ. V, 7; vgl. Bockh ad C. I. gr. n. 2371.
2. Die ostgriechischen Inseln: die Kykladen: Keos. 471
furchtbar verwüstet, wurde sie 1541 mit dem Herzogthume Naxos
vereinigt, mit welchem sie 1566 dauernd in die Hände der Tür-
ken fiel.')
Von den vier Städten der Insel hat sich lulis, dessen Name
von einer gleichnamigen Quelle hergeleitet wird, die Heimath der
Dichter Simonides und Bakchylides, des Arztes Erasistratos und
des Philosophen Ariston , wenn auch unter verändertem Namen
(jetzt als Hauptort der ganzen Insel wie diese seihst Tzia ge-
nannt) auf seiner alten Stelle ungefähr in der Mitte der Insel in
einer Art ßergkessel am nördlichen Fusse des hohen Elias-
herges erhalten. Die Stadt, deren enge Strassen terrassenförmig
an den Abhängen emporsteigen, wird gegen Norden durch einen
spitzen Felskegel überragt, der die Akropolis der alten Stadt mit
einem Tempel des ApoUon trug und noch jetzt mit Resten der
antiken wie der mittelalterlichen Befestigungen, mehreren Kirchen
und einer Anzahl Wohnhäusern bedeckt ist. An der Ostseite des-
selben befindet sich eine in den Felsen gehauene Kammer, deren
Decke durch eine ebenfalls aus dem Fels gearbeitete dorische Säule
gestützt wird; aus dem Boden der Kammer führt eine runde
Oeffnung in eine grosse, theils vor, theils unter derselben befind-
liche Cisterne. Eine Viertelstunde östlich von der Stadt in einem
Garten am Bergesabhang liegt das aus dem natürlichen Gestein
(Glimmerschiefer) ziemlich roh, aber ausdrucksvoll gearbeitete
Colossalbild eines Löwen, wahrscheinlich ein Grabdenkmal für in
irgend einem Kampfe gefallene Bürger von lulis. ^)
') S. C. Hopf f Veneto-byzantinische Analekten' in den Sitzungsbe-
richten der philos.-histor. Cl. d. Wiener Akad. Bd. XXXII, S. 426 ff.
und S. 441 ff.
*j Strab. X, p. 486; Steph. Byz. ii. 'lovXig -/Flut. Demosth. 1: vgl,
Jiründsted p. 27 ss.; Brandis S. 276 ff.; Ross S. 129 f. Cult des Apollon:
C. L gr. n. 2367; der Artemis: ibid. n. 2367'»; des Hermes (im Gymna-
sion): n. 2367<= und «*; des Dionysos: Athen. X, p. 456«i, vgl. die Traube
auf Münzeu der Stadt. Die auf zahlreichen Münzen erscheinende Biene
bezieht sich jedenfalls auf den Cult des Aristäos, welchen wahrschein-
lich der bärtige Kopf auf der Münze bei Bröndsted pl. XXVII, a, 9 dar-
stellt. Der bei Bröndsted pl. XI, allerdings wesentlich verschönert, ab-
gebildete Löwe wird von diesem mit der von HeracHd. De reb. publ. 9, 1 er-
zählten Sage in Verbindung gebracht, dass die Nymphen, welche die
Insel bewohnten, durch einen Löwen verscheucht nach Karystos geflohen
üen und deshalb ein ax^corifpiov von Keos Aitav genannt werde: allein
dieses ccH(f(OTi](ftov kann kein Berg im Innern der Insel, sondern nur ein
472 in. Die Inselwelt.
25 Stadien nordwestlich von lulis an der Südseite einer
durch von Norden und Süden her vortretende Felsvorsprünge
gegen Westen geschützten, noch jetzt 'der Hafen' (ro Xi^dvi)
genannten Buclit, in welche der in einem engen Thale von lulis
lierabkommende Bach Elixos (jetzt schlechtweg to jiorä^L, 'der
Fluss' genannt) mündet, lag Koresia, einst eine selbständige
Stadt mit einem Heiligthume des Apoilon Smintheus und einem
Gymnasion, schon zu Strabons Zeit nur noch der Landungsplatz
von lulis und unbewohnt, daher die Reste der alten Stadt jetzt
bis auf einige Mauerspuren und Säulentrümmer verschwunden
sind, während der Hafen noch jetzt als der beste der Insel der
gewöhnliche Landungsplatz der Schiffe ist. ^)
Von lulis führte eine etwas über zwei Stunden lange, sorgfältig
angelegte Strasse, deren Unterbauten man noch an mehreren Stel-
len erkennt, über die Berge hinweg in südsüdöstlicher Richtung
nach Karthäa. Diese nächst lulis bedeutendste Stadt der Insel,
deren Name auf phönikischen Ursprung hinweist, 2) lag an der
Südostküste oberhalb einer den Schiffen nur sehr geringen Schutz
darbietenden Bucht, am Abhänge eines allmälig gegen die Küste
absteigenden Berges, der gegen Norden und gegen Süden durch
zwei von Giessbächen durchflossene Schluchten begränzt wird.
Zunächst der Küste erhebt sich in zwei Terrassen ein isolirter
Feishügel, der auf seiner unteren dem Meere zugewandten Ter-
rasse einen dorischen Antentempel des Apoilon, der Hauptgottheit
der Karthäer, auf der oberen ein grosses Gebäude, wahrschein-
lich das zur Einübung der Chöre bestimmte Choregeion, trug.
Von der Tempelterrasse führte eine Treppe um die Nordseite der
oberen Terrasse herum nach der Oberstadt, von welcher noch
bedeutende Reste der Ringmauern und die Substructionen einiger
grossen Gebäude erhallen sind. Im südwestlicheren Theile der
Unterstadt erkennt man noch die gegen Süden geöffnete Cavea
eines kleinen Theaters.^)
Vorgebirge — walirsclieinlicli das jetzt Spanopulo genannte an der Nord-
küste — gewesen sein.
') Strab. X, p. 486 f.; vgl. die Inschrift C. I. gr. n. 2360, genauer bei
Kangabe' Ant. hell. n. 821; Steph. Byz u. KoQrjaaog. Coressos Valerius
Probus ad Verg. georg. I, 14 (p. 28 ed. Keil); Coressus Plin. IV, 12, 62-
2) Vgl. Olshausen Rhein. Mus. n. F. VIIl, S. 328.
^) Vgl. über die jetzt stg rafg nvXccig genannten Ruinen Bröndsled
2. Die ostgriechisclien Tnseln: die Kyldaden; Keos. 473
Die vierte Stadt, Poieessa oder Poiessa, lag ungefähr
172 Stunde westlich von Karthüa, etwas über zwei Stunden süd-
westlich von lulis, auf einer steilen Anhöhe oberhalb der jetzt
Kundura genannten Ducht der Westküste, wo sich noch Reste
der alten Ringmauer und innerhalb derselben eine Anzahl von
Substructionen alter Gebäude erhalten haben. Im Gebiet der
s('hon zu Strabons Zeil in Trümmern liegenden Stadt stand ein
Ileiligthum des Apollon Smintheus, zwischen diesem und der
Stadt ein angeblich von Nestor bei der' Heimkehr von Troia ge-
stiftetes Ileiligthum der Athena Nedusia. Ungefähr halbwegs zwi-
schen Poiessa und lulis liegt ein Kloster der Ilagia Marina, in dessen
Hofe ein wohlerhaltener, vier Stockwerke hoher, oben mit Zinnen,
unterhalb deren um die vierte Etage eine offene von Steinbalken
getragene Gallerie herumlief, bekrönter antiker Refestigungsthurm
steht. »)
Ein ungefähr V/^ deutsche Meile breiter Canal trennt die Kythuog
Südostküste von Keos von der Nordwestküste der Insel Kythnos,
welche jetzt nach ihren heilkräftigen warmen Quellen Thermia
genannt wird. 2) Sie ist gebildet durch einen von Nord nach Süd
2'/2 deutsche Meilen langen, aber ziemlich schmalen Rergrücken,
von welchem sich gegen Osten und Westen zahlreiche, von klei-
nen Dächen durchllossene enge Schluchten nach den vielfach aus-
gezackten Küsten hinabziehen. Der hauptsächlich aus Glimmer-
p. 13 SS. mit den Plänen auf pl. VI und VIII; dazu die Inschriften C. I.
gr. n. 2.350 — 59, 2.361— CG, 2368 s. Das Heiligthum des Apollon nebst
dem XoQtiysLOV erwähnt auch Athen. X, p. 456 f.
1) Iloiijaaa, TIoiriaGioi, C. I. gr. n. 23601» (Add. vol. II, p. 1071);
Uangabe Ant. hell. II, n. 381 '•'% 82. IIoirjsaGa Strab. X , p. 486 s. (für
das Ileiligthum der 'A^rjvcc Nsöovala vgl. auch VIII, p. 360); Steph.
Dyz. u. noirjeaaa; Probus ad Verg. Georg. I, 14; Plin. IV, 12, 62. Vgl.
über die Ruinen und den Thurm Bröndsted p, 25 s. ; Ross S. 132 f.
2) Vgl. über die Insel Tournefort I, p. 125 s.; Fiedler II, S. 95 ff.;
Russ I, S. 106 ff. -Der von einem Iferos Kythnos hergeleitete antike
Name Kv&vog (statt dessen die Insel auch 'Ocptovccc und jQvonig ge-
nannt worden sein soll: Steph. IJyz. u. Kvd'vog) scheint mit dem Berg-
namen Kvv&og identisch zu sein. Den Namen Thermia (der in latei-
nischen Urkunden des vierzehnten Jahrhunderts in der Corruptel Fer-
mentae erscheint: s. Hoi)f Wiener Sitzungsbcr. Bd. 32, S. 505) kennt
schon Niliis Doxopntriiis in seiner in der ersten Hälfte des zwölften
Jahrhunderts verfassten Td^ig tiÖv nutffiaifx^'mov d'ifovtav 276 (Iliero-
' lis Synecdemus ed. Parthoy p. 300).
lUJUSIAN, ÜKCKiU. 11. 32
474 in. Die Inselwelt.
schiefer bestehende Boden ist ziemlich fruchtbar: Getreide, be-
sonders Gerste, wird in für den Bedarf der Bevölkerung ausrei-
chendem Maasse, Wein so viel, dass etwa die Hälfte des Ertrags
ausgeführt wird, erbaut; auch die Viehzucht, die im Alterthum
bedeutend gewesen sein muss, da der kythnische Käse sich eines
besonderen Bufes erfreute,^) wird noch eifrig betrieben. Im süd-
licheren Theile der Insel finden sich ausgedehnte Lager von
Eisenerzen, die im Alterthum mehrfach ausgebeutet worden sind.
Dass auch die in einem kleinen Thale an der Nordseite der an
der Nordostküste gelegenen Bucht der heiligen Irene in geringer
Entfernung vom Meere aufsprudelnden, hauptsächlich salzsaure
Soda und Magnesia enthaltenden warmen Quellen, welche jetzt
von zahlreichen Heilung suchenden Kranken aus Griechenland
und der Türkei besucht werden, schon im Alterthum, wenn auch
vielleicht erst in der römischen Kaiserzeit, benutzt worden sind,
beweisen die üeberreste eines aus Steinen und Ziegeln erbauten
antiken Bassins, welches aus diesen Quellen gespeist wurde, so-
wie einige nördlich davon erhaltene Beste von Mauern und F'un-
damenten und antike Gräber, ^j
Die ältesten griechischen Bewohner der Insel waren Dryoper,
die wahrscheinlich vom südlichen Euboia sich hierher gezogen
hatten; ihnen folgten athenische Ansiedler, deren Ankunft viel-
leicht die Veranlassung dazu gab, dass ein Theil der älteren Be-
wohner der Insel nach Kypros übersiedelte.^) Die Kythnier
kämpften auf der Seite der Hellenen bei Salamis und traten dann
dem attischen Seebunde bei; in der Geschichte haben sie jedoch
1) Athen. XII, p. 516^; Poll. VI, 63; Stepli. Byz. u. Ryd-vog-, vgl.
Plin. XIII, 24, 134.
2) Vgl. Fiedler S. 96; Ross S. 108 ff.; über die Quellen X. Landerer
IIsqI tav iv Kv&v(a Q'SQ^av vdccToav, Athen 1835, 16". und desselben
Schrift IIeqI xcov rrjg 'EXladog la^axLv,wv vdcctcov, Athen 1840, 8°,
S. 33 f. und 8. 37 f.
^) Die KvQ^VLOL ^gvoTtsg: Herod. VIII, 46; daher jQVoni'g alter
Name der Insel: Steph. Byz. u. Kv^vog. Athenische Ansiedelung: Dio
Chrysost. Or. XXX, 26; die Anführer derselben werden in schol. Dionys.
Per, 525 Keox(oq und Ks(pccXrivog (?) genannt. Kythnier auf Kypros:
Herod. VII, 90; vielleicht ist mit dieser Wanderung die zur Erklärung
des sprüchwörtlichen Ausdrucks KvQ'väXrig Gv^cpoqoc CBzählte Sage von
einer Verheerung von Kythuos durch Amphitryon in Verbindung zu
setzen: Zenob. Prov. IV, 83; Hesych. u. Kvd-vcoXrig.
2. Die ostgriechischen Inseln : die Kykladen : Kythnos. 475
niemals, weder im Alterthum noch im Mittelalter (wo die Insel
nach der Eroberung von Konstantinopel durch die Franken zu-
erst den Herzögen von Naxos, dann kurze Zeit dem Gherardo dei
Castelli, sodann bis zur türkischen Eroberung der Familie Goz-
zadini gehörte) eine irgendwie bedeutende Rolle gespielt. ^)
Die Stadt Kythnos, deren fünf Viertelstunden gegen Westen
von Messaria, dem jetzigen Hauptorte der Insel, entfernte Ruinen
jetzt Ebräokastro oder Rigokastro (Judenschloss oder Königs-
schloss) genannt werden, lag am nördlicheren Theil der West-
küste oberhalb mehrerer Ruchten, die eine Anzahl guter Häfen
darboten. Die ausgedehnten Ringmauern umschlossen den Rücken
eines Rerges, dessen höchster Punkt gegen Süden die Akropolis
trug; der nördhchere Theil scheint die Agora gebildet zu haben.
Am westlichen Rande desselben sind noch zwei grosse Sub-
structionen, vielleicht von Tempeln, erhalten, zwischen denen man
mit Hülfe einer zum grössten Theile aus dem Felsen gearbeiteten
Treppe ans Meer, bis zu welchem sich auch die Ringmauern er-
streckten, herabsteigt. 2)
Eine Stunde südlich von Messaria liegt in einem anmuthigen
Rergkessel das dem Ilauptorte an Grösse ziemlich gleichkom-
mende Dorf Syllaka, an dessen Südseite sich eine 'Kataphygi' d. i.
'Zufluchtsstätte' benannte geräumige Höhle befindet, deren Haupt-
gang man bequem 3 — 400 Schritt weit verfolgen kann; Spuren
einer Renutzung derselben im Alterthum zu einem Heiligthum
oder «lergleichen bemerkt man darin nicht. Dagegen gehört dem
Alterlhinn an ein bis zur Höhe von 10 — 12 Fuss erhaltener run-
der Thurm, der 20 Minuten nördlich von den Ruinen der Stadt
Kythnos auf einem Hügel innerhalb eines von einem Rache durch-
flossenen Thaies steht, und eine in der Nähe der Ostküste
') Herod. VIII, 4G; vgl. die Schlangensäule Gew. 4 KV0NIOI und
Paus. V, 23, 2. ECcpvioi ri Kvd-VLOL als Beispiele von Kleinstaaten bei
(Domosth.) rifQl avvrd^stog p. 176 (vgl. Plut. Uo Herod. mal. 28). Make-
donisrlie Besatzung der Insel, vergeblicher Versuch des Attalus und der
Römer, die Stadt zu erobern: Liv. XXXI, 16 und 45. Im Jahre 70 n. Chr.
trat ein Betrüger auf Kythnos auf, der sich für den Kaiser Nero ausgab,
aber von Calpurnius Asprenas getödtet wurde: Tac. Mist. II, 8 f. Für
das Mittelalter vgl. C. Hopf Wiener Sitzungsberichte Bd. 21, S. 226;
Hd. :i2, S. .504 f.; Allgem. Encycl. d. W. u. K. S. I, Bd. 76, S. 415 ff.
2) Stadt Kv&vos: Scyl. Per. 58; Dionys. Call. Descr. Ur. l.'JG; Liv.
XXXI, 45; über die Ruinen lioss S. 113 ff.
476 III. Die Inselwelt.
10 Minuten südlich von der Ducht der heiHgen Irene am Ahhange
eines Hügels hefindliche, zur Hälfte in den natürliclien Fels ge-
arbeitete Anlage, die sogenannte Tholos, ursprünglich aus zwei
der Länge nach überwölbten Kammern bestehend. Mittelalterlichen
Ursprungs ist das etwas über eine Stunde nördlich von den war-
men Quellen auf einem schroffen Felsen der Nordwestküste ge-
legene Paläokastron , das im Volksmunde jetzt 'das Schloss der
Schönen' heisst. ^)
Beibina. Vier bis fünf deutsche Meilen westlich von Keos und Kythnos,
272 Meilen südlich vom attischen Cap Sunion liegt wie eine Art
Brückenpfeiler zwischen den westlichsten Kykladen und der süd-
lichen argivischen Inselgruppe die kleine Insel Ilagios Georgios (auch
S. Giorgio d'Arbora genannt), die alte ßelbina, ein schmaler
Bergrücken, der sich in der Länge einer Stunde von Nordwest
nach Südost erstreckt und dessen Abhänge noch überall mit an-
tiken Terrassen, den Beweisen sorgfältigen Anbaues des jetzt bis
auf ein einzelnes Gehöft an der Westseite unbewohnten Eilands,
bedeckt sind. Die von den Alten nicht zu den Kykladen, sondern
zur argivischen Inselgruppe gerechnete Insel besass ein Städtchen,
von welchem sich noch auf einer spitzen Felshöhe oberhalb jenes
Gehöftes einige Reste erhalten haben; die Bewohner gehörten
nach dem Zeugnisse der Tributlisten dem attischen Seebunde an.^)
seripiios. Kehren wir in den Kreis der Kykladen zurück , so finden wir
zunächst südlich von Kythnos die Insel Seriphos (noch jetzt
Serphos), eine etwa drei Stunden lange und ebenso breite Fels-
masse, die zum grösseren Theile aus Glimmerschiefer, in den
südlichsten Partien aus Granit besteht. In Folge der felsigen
Beschaffenheit des Bodens und des Mangels an genügender Be-
wässerung ist die Insel sehr wenig anbaufähig; sie bringt nur
Zwiebeln, etwas Wein und fast gar kein Getreide hervor; dafür
hat sie aber einen nicht unbedeutenden mineralischen Reichthum,
denn in ihrem südlicheren Theile finden sich an mehreren Stel-
len ausgedehnte Lager von Magneteisenstein und Rotheisenstein,
>) Vgl. über die Höhle Fiedler S. 102 f. und Ross S. 119 f.; über den
alten Thurm und die Tholos Ross S. 120 f. ; über das yiaatQO zrjg (OQicig
ebds. S. 111 f.
2) Scyl. Per. 51; Strab. VIII, p. 375; IX, p. 398; Plin. IV, 12, 56;
Steph. Byz. u. BsXßiva. Herod. VIII, 125 nennt die Insel als Beispiel
eines ganz kleinen Staates, Vgl. Ross Inselreisen II, S. 172 f.
2. Die ostgriechischen Inseln; die Kykladen: Seriphos. 477
(He im Alterthum, wie die noch erhaltenen Stollen und Schlacken-
berge beweisen, ausgebeutet worden sind, heutzutage aber unbe-
nutzt liegen. ') Ausser Bergbau scheint Fischerei der Haupt-
erwerhszweig der Bewohner im Alterthum gewesen zu sein;
schon die Sage lässt den Kasten, in welchem Danae mit dem
Knaben Perseirs dem Meere übergeben worden war, durch einen
sejipliischen Fisclier Diktys aufgefischt werden und knüplt daran
zur Erklärung der l'elsigen Beschaffenheit der Insel die Erzählung,
Perseus habe, als gr mit dem Haupte der Gorgo-Medusa nach
Seriphos zurückkehrte, den König der Insel, Polydektes, zur
Strafe für sein ungebührliches Benehmen gegen die Danae, mit
seinem ganzen Volke in Stein verwandelt. 2) Auch die von den
Allen häufig als Curiosität erwähnte Stummheit der Frösche auf
dieser Insel wurde von der einheimischen Tradition auf Perseus
zurückgeführt, während Theophrast sie auf natürlichem Wege aus
der Kälte des Wassers zu erklären versucht hatte, "^j
Die ältesten griechischen Bewohner der Insel scheinen nach
dei' Tradition, welche den Diktys und Polydektes zu Söhnen des
iMagnes, Sohnes des Aeolos macht, thessalische Aeoler (vielleicht
Minyer) gewesen zu sein, die dann von Athen aus ionisirt wor-
den sein niögen.'*) Die Seriphier waren nebst ihren Nachbarn,
den Siphniern und den Meliern, die einzigen Inselbewohner,
weiche den Abgesandten des Perserkönigs das symbolische Zeichen
^) Vgl. über diese von keinem alten Schriftsteller erwähnten Eisen-
bergwerke sowie über die Insel überhaupt Tournefort I, p. 68 s.; Fiedler
«, 8. 106 fr.; Ross I, S. 135 ff. — Nach der Insel war eine Art Absinth
(absinthium marinum sive Seriphium) benannt; vgl. Billerbeck Flora
classica p. 213 s.
«) Find. Pyth. X, 46flf.; XII, 17 ff.; Strab. X, p. 487; Apollod. II,
1, l ff.; Pherekyd. fr. 26 (C. Müller Fragm. bist. gr. I, p. 75). Cult des
l'-rseus auf Seriphos: Paus. IT, 18, 1; der Kopf desselben und die Ilarpe
' r.:icheint auf den Münzen der Insel: Eckhel Doctr. nuni. I, 2, p, 334.
') Aelian. De anim. III, 37; vgl. Antigen. Gary st. Uist. mir. 4 u. a.
und das Sprüchwort ßcitQaxog EsQicpiog bei Diogenian. III, 44 u. ö.
*) Apollod. I, 9, 6: riierckydes (fr. 13) machte die beiden Heroen zu
Söhnen des Peristhenes, des Enkels des Nauplios. Als Führer der athe-
nischen Ansiedler (vgl. ITerod. VIII, 48; Dio Chrys. Or. 30,26) wird in
gchol. Dionys. Per. 525 Etcoklos (ein dem Sagenkreise der Minyer von
Orchomenos angehöriger Name) genannt. Für dio ionische Nationalität
der licvülkerung der Insel zeugt auch ihre Zugehörigkeit zur delischon
Amphiktyonic: C. I. gr. n. 168.
478 III. Die Inselwelt.
der Unterwerfung, die Uebergahe von Erde und Wasser, ver-
sagten, und stellten auch ihr wenn auch schwaches Contingenl
zur griechischen Flotte hei Salamis.') Als Mitglied des altischen
Seehundes musste die Insel trotz ihrer seit den Zeiten der alten
attischen Komödie bis in die römische Kaiserzeit, wo sie ein ge-
lürchteter Verbannungsort für Staatsverbrecher war, viel ver-
spotteten Armuth und Unbedeutendheit 2) Anfangs einen Tribut
von zwei Talenten, der aber später auf die Hälfte herabgesetzt
wurde, zahlen, [m Jahre 1207 wurde sie von denselben vier
venezianischen Abenteurern, welche Keos eroberten, in Besitz
genommen und blieb bis zur türkischen Eroberung (im Jahre 1537)
in den Händen der Nachkommen derselben.'^)
Das Städtchen Seriphos^) lag auf derselben Stelle wie die
einzige Ortschaft, welche die Insel jetzt aufzuweisen hat: drei
Viertelstunden^ oberhalb eines geräumigen und sichern IJafens
(jetzt Porto Livadi) der Südostküste, an dem steilen Abhänge eines
felsigen Berges, dessen noch jetzt mit einem CastcU bekrönter
(iiplel ohne Zweifel die alte Akropolis trug. Ausser den sehr
unbedeutenden Ueberresten dieser Stadt lindet man auf der Insel
nur noch die Ruine eines aus weissen Marmorquadern erbauten
runden hellenischen Wartthurmes obei'halb des jetzt Porto Ka-
tena genannten Hafens an der Süd Westseite der Insel.
Zu Seriphos gehören drei jetzt völlig unbewohnte Inselchen:
die östlich vom Hafen Livadi gelegeae Klippe Boidi (auch Poloni
genannt), das Eiland Serphopula nordöstlich von Seriphos und
die zwischen, diesem und Kythnos gelegene Klippe Piperi. Auf
Serphopula, der grössten derselben, sollen sich die Ruinen eines
hellenischen Thurmes und eine antike Cisterne finden, Zeugnisse
dafür, dass das Eiland im Alterthum, wenn auch wohl nur von
einigen Hirten, bewohnt war.
1) Herod. VIII, 46 und 48.
2) Schon Kratinos hatte eine Komödie EaQirpiOL geschrieben: vgl.
Meineke Fragm. com. I, p. 45 ss. ed. min.; ferner s. Aristoph. Acharn.
542; Plat. Rep. I, p. 329"; Plut. Them. 18; De exilio 7; Cic. De nat.
deor. I, 31, 88; ßeneca Ad Helviam de consol. 6, 4. Verbannungsort:
Tac. Ann. II, 85; IV, 21; luvenal. Sat. VI, 564; X, 170.
3) Vgl. C. Hopf Wiener Sitzungsber. Bd. 21, S. 226; Bd. 32, S. 426 ff.
'») Isokrat. Aegin. 9; Scyl. Per. 58; Ptol. III, 15, 31; vgl. Ross
S. 135.
2. Die ostgriechiscihen Inseln: die Kykladen: Siphnos. 479
Von Seriphos ist dessen grössere südöstliche Nachbarin, siphuos.
Siphnos^) (jetzt Sipheno, von den Abendländern gewöhnlich Si-
fanto genannt), wesentlich verschieden. Ein bis zur Höhe von
664 Meter aufsteigender, ganz aus Kalkstein bestehender Berg-
rücken zieht sich von Nordwest gegen Südost längs der West-
küste der etwa I73 Quadratmeile an Umfang enthaltenden Insel
hin; seine östlichen Abhänge werden durch eine fruchtbare, noch
jetzt mit Getreidefeldern, Weinbergen, Oelbaumpflanzungen und
Gärten, zwischen denen mehrere wohlgebaute Dörfer liegen, be-
deckte Hochebene mit der sleil gegen das Meer abfallenden
Ostküste verbunden. Noch wichtiger als die durch ausrei-
chende Bewässerung unterstützte Fruchtbarkeit des Bodens war
für die Blüthe der Insel im frühen Alterthum ihr Metallreich-
Ihum: sie besass Bergwerke, aus welchen Gold (nach einer An-
gabe auch Silber) in solcher Fülle gewonnen wurde, dass die
Siphnier im sechsten Jahrhundert v. Chr., wo der Ertrag beson-
ders bedeutend gewesen zu sein scheint, die reichsten aller grie-
chischen Inselbewohner waren, ihre Hauptstadt mit kostbaren
öffentlichen Bauten schmücken konnten und für den Zehnten des
Ertrags, den sie dem delphischen Apollon darbrachten, ein eige-
nes reich gefülltes Schatzhaus in Delphoi erbaut hatten. Dieser
Heichthum der Insel veranlasste eine Schaar samischer Abenteurer,
welche vergeblich versucht hatten mit Hülfe der Lakedämonier
ihr Vaterland von der Herrschaft des Polykrates zu befreien, von
den Siphniern ein Darlehen von 10 Talenten zu verlangen und,
da ihnen dies verweigert wurde, die Insel zu verheeren und ihr
eine Contribulion von 100 Talenten aufzulegen (um 524 v. Chr.).^)
Auch auf Charakter und Sitten der Einwohner übte dieser Ueber-
lliiss an cdelem Metall, das zum grösslcn Theil in Privatbesitz
war (denn der Ertrag der Bergwerke wurde nach Abzug des
') Annalen von Siphnos {2i<pviiov wqol) von einem gewissen Mala-
koö citirt Athen. VI, p. 267*. Angebliche Ulterc N;imcn der Insel Mo-
rope (oder Meropia) und Akis: Plin. IV, 12,66; Öteph. Byz. u. Uicpvog.
Vgl. über die Insel Tournefort I, p. 66 ss.; Fiedler II, S. 123 flf.; Ross I,
S. 138 ff.
*) Herod. III, 57 f.; Paus. X, 11, 2. Wohnungen für die Berpleuto:
Suid, II. laovil)BLg. Die alten Gruben sind noch heutzutage auf einem
flachen Vorgebirge der Nordostküste bei einer Capello dos llagios Sostis
erhalten; s. Ross S. 141 f.; Fiedler S. 136 ff.
480 in. Die Inselwelt.
AIP llw'S ■
Zeheiilen für den Apollon unter die Einwohner vertheilt, >vie dies
aiicli in Athen vor Themistokles mit dem Ertrag der laurischen
Silbergruben der Fall war), einen schlinmien EinÜuss aus: er
verleitete sie zum üebermuth und zur Ue|»[)igkeit und brachte sie
in dieser Beziehung in übeln Rul bei den übrigen Hellenen.')
Diesem Ueberiluss und damit auch der Blülhe der Insel wurde
Ireilich ziendich Irühzeitig durch das Versiegen der Goldadern
(oder, wie die Legende berichtet, dadurch dass die Bergwerke?
vom Meere bedeckt wurden zur Strafe dafür, dass die Sjphnier
aus Habsucht die Zahlung des Zehenten an den delphischen Gott
unterlassen hatten) ein Ende gemacht. Länger andauernd, aber
freilich viel bescheidener war ein anderer Industriezweig der
Siphnier: die Verfertigung von Geschirren aus Topf- oder Lavez-
stein (lapis ollaris), einer Art weichen uiul leicht zu bearbeiten-
den, am Feuer sich verhärtenden Talkschiefers, welcher auf der
Insel gefunden wurde. 2)
Die Bewohner der Insel, nach dei' Tradition lonier aus At-
lika,^) nahmen, nachdem sie dem Dareios die Unterwerfung ver-
weigert hatten, an dem Kampfe gegen Xerxes Theil,'') gehörten
dann sowohl dem älteren athenischen Seebunde (zu dessen Gasse
sie anfangs drei, später neun Talente steuerten), als auch dem
neueren vom Jahre 378 an, traten dann, wie die Bewohner der
meisten Kykladen, ganz vom politischen Schauplatze ab und führ-
1) Vgl. Append. prov. IV, 73 (Paroemiogr. gr. I, p. 452) mit Leutsch's
Note; dazu Poll. IV, 65. Unklar ist die Bedeutung des von Strab. X, p. 484
angeführten Ausdrucks ECcpviog ixatgccyccXos-
2) Theophrast. De lapid. 7, 42 (wornach die Stelle, wo dieser Stein
gegraben wurde, etwa drei Stadien vom Meere entfernt war); Plin.
XXXVI, 22, 159; Steph. Byz. u. Sicpvos. Vgl. F. Keller ^Ueber den
frühesten Gebrauch des Lavezsteins (Topfsteins)' im Anzeiger für schwei-
zerische Alterthumskunde 1871, N. 1, S. 215 ff. Der Stein wird jetzt auf
Siphnos nicht mehr gefunden oder doch nicht mehr benutzt; dagegön
blüht noch die Fabrication von Thongeschirren.
2) Herod. VIII, 48: nach schol. Dionys. Per. 525 kam nach Siphnos
eine athenische Colonie unter Führung des Alkenor, nach Nikol. Dam.
bei Steph. Byz. u. 2icpvog war der Heros eponymos Siphnos ein Sohn
des Sunios. Unklar ist die von Ovid. Met. VII, 465 ff, berührte Sage
von einem Verrath der Insel durch die Arne; vgl. Lactantii Placidi Narrat.
fab. VII, 25.
■*) Herod. VIII, 46; Inschrift der delphischen Schlangensäule Gew. 4
IlcDNIOI.
2. Die ostgriechischen Inseln: die Kykladen: Siphnos. ' 481
ten das mir von Zeit zu Zeit durch Angrille von Piraten (wie
von einer Plünderung der Stadt durch kretische Seeräuber um
die Mitte des zweiten Jahrhunderts v. Chr. berichtet wird) un-
terbrochene Stillleben eines Kleinstaats, der sich sogar den Luxus
eigener 'Könige' (diesen Titel führten die obersten Beamten der
Insel) gestattete. ^) Als die Franken im Archipel herrschten, ge-
hörte die Insel Aid'angs zum Uerzogthum Naxos, wurde im Jahre
1269 von den Byzantinern, 1307 von dem Johanniterritter Januli
da Corogna erobeit, von dessen Familie sie im Jahre 1464 durch
Erbschaft in den Besitz der auch auf Kythnos herrschenden Fa-
milie Gozzadini gelangte.'^)
Die Stadt Siphnos lag auf einem steilen Vorsprung der
Ostküste, dessen Bücken jetzt das als Hauptort der Insel geltende
Städtchen Kastro einninnnt. Von dem Beichthum der Insel gaben
■die mit Hallen aus weissem Marmor umgebene Agora und das
aus demselben 31aterial erbaute Prytaneion Zeugniss; ausserdem
besass die Stadt eine Anzahl stattlicher Tempel (unter denen die
des Zeus Epibemios, des Apollon Enagros und der Artemis Ek-
bateria die bedeutendsten gewesen zu sein scheinen) und ein
Cymnasion.**) Einen Hafen besass die Statit nicht, sondern nur
eine olfene Bhede ; aber etwas über eine Stunde südlich, an der
Südostküste, ist ein geräunn'ger und sicherer Hafen, welcher jetzt
nach der Buine eines an der innersten Einbiegung der Küste ge-
legenen runden antiken VVartthurmes, der von der Tradition als
Leuchtthurm erklärt wird, Pharos genannt wird; an demselben
') Isokr. Aegin. 36. Kretische Piraten: Diodor. XXXI, fr. 56 Bekker;
vgl. die Inschrift C. I. gr. 2347. Zirpvioi neben Kv&viol zur Bezeich-
nung eines Kleinstaates bei (Demosth.) TIsqI Gvvta^soag p. 176. Als
Flottenstation in der Zeit Alexanders d. Gr. wird die Insel erwähnt bei
Arrian. Anab. II, 2, 4; 13, 4.
2) Vgl. Hopf Wiener Sitzungsber. Bd. 21, S. 226; Bd. 32, ö. 457 f.;
Allgem. Encycl. d. W. u. K. S. I, Bd. 68, ö. 306 f.; Bd. 76, S. 415 flf.
•^) Uerod. III, 57; Diod. XXXI, fr. 56; Ptol. III, 15, 31; Ilesych. u.
"Ei/«ypoff, 'EnißjjfiLog und 'Ey,ßcciiTrjQic<s {Wüh 'E-nßccrriQicc); C. I. gr. n.
2423*». Der Kopf des Zeus und des Apollon auf Minizen von Siphnos:
I'.ckhel Doct. n. I, 2, p. 336. Auch für den Cult der Artemis zeugen die
Münzen, denn der auf den ältesten Münzen geprägte weibliche Kopf stellt
ohne Zweifel diese Göttin dar. Daus aber der Name des Dorfes 'Aqte-
liayvag von einem Ileiligthum der Artemis herzuleiten sei, i.st eine jeden-
falls irrige Annahme von Kosb »5. 114.
482 III. Die Inselwelt.
lag wahrscheinlicli eine der beiden nur von Steplianos von By-
zanz ervvälinten Oilscliaftcn, Apollonia oder Minoa.^) Ruinen
älinliclier Warltlnirme wie beim Hafen Piiaros finden sich noch
an vielen Stellen der Insel, besonders auch längs der jetzt ganz
unbewohnten Westküste; ein Beweis, dass Siphnos mehr als an-
dere Inseln wegen seines Heichtliums Angriffe von Piraten zu
fürchten hatte. An einer Bucht am nördlicheren Theile der
Westküste, in welche ein in der Nähe des Dorfes Stavri ent-
springender Bach mündet, bemerkt man eine jetzt 'Kamarä' ('die
Kammern') genannte Höhle, welche nach der auf einer Wand
eingegrabenen Inschrift ein Heiligthum der Nymphen enthielt, ^j
Nahe der Südspitze von Siphnos liegt eine ganz kleine un-
bewohnte Insel, jetzt Kitriani genannt, welche im Alterlhum namen-
los und demnach auch ohne Bewohner gewesen zu sein scheint. ^)
Piepesiu- Ungefähr zwei deutsche Meilen östlich von Siphnos liegt eine
oiiaiüs. i>'*"'^ kleine wüste Insel, welche nach ihrer länglichrunden Gestalt
jetzt Strongylo heisst — einen antiken Namen für sie kennen
wir nicht und hat ein solcher wohl auch nicht existirt — , un-
mittelbar östlich von ihr eine etwas grössere, die jetzt ebenfalls
unbewohnt ist und nur während des Winters als Ziegenweide
benutzt wird. Während der von West nach Ost streichende Berg-
rücken, aus welchem sie besteht, gegen Süden steil abfällt, senkt
er sich gegen Norden allmälig nach dem Meere zu und bildet
eine kleine anbaufähige Ebene, in deren nordöstlichstem Theile,
nahe dem Meere, sich einige mächtige Marmorslücke finden,
wahrscheinlich Ueberreste eines antiken Ileiligtbums, welchen die
Insel ihren modernen Namen Despotiko, d. i. Bischofssitz, ver-
dankt; im Alterthum scheint sie den Namen Prepesinthos ge-
') Steph. Byz. u. 'AnoXlcovia und Mi'voycc. da der Name der letzte-
ren von einer Quelle Minoa hergeleitet wird, ist sie vielleicht bei dem
nach einer reichen und nie versiegenden Quelle benannten Kloster ftg
TYjv ßgvGiv südlich vom Dorfe Stavri am Wege nach dem Hafen Pharos
(s. Ross S. 141) anzusetzen.
2) C. I. gr. n. 2423 c (Vol. II, p. 1080) = Ross Inscr. gr. ined. fasc. III,
p, 5; vgl. denselben Inselreisen I, S. 143 f. und über die alten Wart-
thürme ebds. S. 145 f.
3) Dies ist zu schliessen aus der schon von Ross (a. a. O. S. 146)
richtig auf dieses Inselchen bezogenen Bezeichnung in der Inschrift C. I,
gr. n. 2347 <^, Z. 28 f.: inl xt^v E7tLv,£Li.iSV7]v ccnivcivti vrjcov r^g jjoj'^ag
zrjg Z,i(pvC(ov.
2. Die ostgriechischen Inseln: die Kykladen: Oliaros. 483
führt zu haben. ^) Der Nordostküste dieser Insel gegenüber ölhiet
sich eine einen trefflichen Hafen darbietende Bucht an der West-
küste einer grösseren, namentlich beträchtlich längeren Insel,
welche von den Alten Oliaros, heutzutage nach ihrer Lage
gegenüber von der weit umfangreicheren Nachbarinsel Faros
Antiparos genannt wird. Der Boden der Insel — Glimmerschie-
fer, auf welchem Uebergangskalk aufgelagert ist — ist ziemlich
fruchtbar, denn sie erzeugt die für die Bevölkerung von etwa
500 Seelen , die in dem ungefähr in der Mitte der Insel gelege-
nen Dorfe Kastro wohnen, nöthige Gerste, Wein und Baumwolle
zur Ausfuhr und bietet Nahrung für zahlreiche Ziegenheerden.
Die grösste Merkwürdigkeit der in alter Zeit von Phönikern aus
Sidon colonisirten, dann fast ganz aus der Geschichte verschwin-
denden, weil meist nur ein Anhängsel von Faros bildenden Insel
(nur 1439^1537 stand sie unter eigenen Herren aus den Fa-
milien Loredani und Fisani)'^) ist eine im nördlichen Tlieile in
der Süd Westseite eines kahlen Berges sich öffnende, mit schönen
Stalaktiten von den mannigfaltigsten Formen geschmückte Grotte,
in welche man mit Hülfe von Seilen durch ein Loch im Boden
einer nahe unter der Kuj)[)e des Berges befindlichen gewölbten
Höhle, gewissermassen der Vorhalle der schluchtenartig in die
Tiefe des Berges eindringenden Hauptgrotte, hinabsteigt. Einige
von neueren Beisenden in dieser Vorhalle entdeckte Inschriften
beweisen, dass die Grotte, von welcher uns bei keinem allen
Schriftsteller eine Noliz erhalten ist, schon im Alterthum von
Beisenden besucht worden ist, welche nach Touristenart ihre Na-
men auf den Wänden verewigten.^)
Ein ungefähr eine Stunde breiter Ganal, dessen Fassage für Paro8.
grössere Schiffe wegen Untiefen in der Mitte und einer Anzahl
0 Strab. X, p. 485; Plin. IV, 12, 66. Vgl. Fiedler Reise 11, 8. 201.
2) Vgl. C. Hopf Wiener Sitssungsberichte lid. 32, 8. 418 f.
•') C. 1. gr. n. 2309— 2401; vgl. Pasch van Krienen Breve doscri/aone
(Icirarcipelago p. 128 ss.; Tournefort I, p. 71 ss. ; Proke.scU von Osten Denk-
würdigkeiten II, S. 33 fr.; Fiedler II, Ö. 193 ff.; Globus I (1862) S. 272. Von
antiken Schriftstellern erwähnen Oliaros (oder wie es in lateinischen Hand-
schriften meist geschrieben wird Olearos) Scyl. Per. 48 (wo indess das
überlieferte vcox^nQog wohl eher in TJolvaiyos zu verbessern ist); Strab. X,
p. 485; Ptol. III, 15, 28; Steph. IJyz. u. 'SlU'KQog; Verg. Aon. III, 126;
Ovid. Met. VII, 469; Stat. Achill. II, 3; Pomp. Mola II, 111; Plin. IV,
12, 67.
484 III. Die Inselwelt.
niedriger Felsklippen am nördlichen nnd südlichen Ausgange ge-
lährlich ist, trennt die Noi dostküsle von Oliaros von der Süd-
westseile von ParosJ) einer der bedeutendsten unter den Kykla-
den, die heutzutage im Volksnmnde mit ihrer grösseren östlichen
Nachbarin, Naxos, durch den Collectivnamen Paronaxia (7} Tlago-
va^Ca) zusanunengelasst vviid. Die etwa liml' Quadratmeilen im
Umfang haltende Insel ist ein mächtiges Marmorgebirge, von den
Alten Marpessa genannt,^) das in der Kuppe des llagios llias im
südlicheren Tlieile die Höhe von 771 Meter erreicht und nach
allen Seiten allmälig gegen die Küste ablällt, wo sich im Nord-
osten und Südwesten etwas breitere fruchtbare Sirandebenen an
seinen Fuss anschliessen. Nur an wenigen Stellen, besonders an
der Nord Westseite in der Umgegend der Hauptstadt, tritt Gneis
und Glinmierschiefer auf. Die weisslichgrau erscheinende Ober-
tläche der Berge ist fast ganz kahl, so dass sie nicht einmal
Weide für Ziegen darbieten; aber in ihrem Inneren bergen sie
eine wie es scheint fast uncrschöplliche Fülle trelTiichen weissen
Marmors, der schon im Alterlhum den wichtigsten Ausfuhrartikel
und so lange die Ausbeutung derselben auf Rechnung der pari-
schen Gemeindekassc betrieben wurde, d. h. bis zur römischen
Kaiserzeit, wo die ßrüqhe als Eigenthum des Fiscus galten, die
Ilauptquelle des Reichthums der Insel bildete. Noch an mehreren
Punkten finden sich ausgedehnte von den Alten bearbeitete Mar-
morbrüche; die bedeutendsten, in welchen der edelste, ausschliess-
lich zu Bildwerken benutzte Marmor gebrochen wurde, liegen am
nördlichen Fusse des Marpessaberges, unterhalb eines ehemaligen
Klosters des llagios Minas, V/^ Stunden östlich von der Hauptstadt.
') Als ältere Namen dieser Insel führt Steph. Byz. 11. Tlagog (vgl.
Plin. IV, 12, 67) an: IJXciTSLa, ^rjpurjtQidg^ Zoc>ivvd'os, 'Tqiu, 'Tl^saoa,
Mivma und KaßtXQVLs (letzteres nach einem Heros Kabarnos, welcher
der Demeter den Kaub ihrer Tochter angezeigt haben soll und nach
welchem die Priester der Demeter auf Faros Kußaqvoi Messen; vgl.
llesych. u. d. W. und Böckh ad C. I. gr. n. 2884). Vgl. über die Insel
Tournefort I, p. 75 s.; Leake Travels in northern Greece Vol. III, p. 85 ss. ;
Thiersch ^lieber Faros und parische Inschriften' in den Abhandlungen
der philos.-philol. Classe der k. bayer. Akad. d. W. Bd. I, S. 583 fr.;
Frokesch Denkwürdigkeiten II, S. 20 ff. und S. 52 ff.; Fiedler II, S. 179 ffr;
Ross I, S. 44 ff.
2) Steph. Byz. u. MccQTtrjaoa; Serv. ad Verg. Aen. VI, 471; Vibius
Sequester p. 16, 10 ed. meae.
2. Die ostgriechischen Iiiselu : die Kykladen : Faros. 485
Der Marmor wurde hier in durchaus hergmännischer Weise, ver-
uiitlels unterirdischer, in das Innere des Berges hineingetriehener
Stollen, in welciien man nur mit Gruhenlichtern arbeiten konnte
(daher die Bezeichnung dieser edelsten Art des . parischen Mar-
mors als Lychnites oder Lychneus, die andere weniger wahr-
scheinlich von dem glänzenden Korn desselben herleiten), gewon-
nen.^) In den Thälern und an den untersten Abhangen der
Berge wird Getreide und besonders Wein, der jetzt einen nicht
unbedeutenden Ausfuhrartikel bildet, gebaut; im Alterlhum culti-
virte man auch eine besondere Art von Feigen, welche nach
ihrer blulrolhen Farbe 'Blutfeigen' genannt wurden. 2)
Als älteste Bewohner der Insel werden Kreter bezeichnet,
denen sich eine kleine Schaar von Arkadern angeschlossen habe;
doch beruht die letztere Angabe vielleicht nur auf einer etymo-
logischen Spielerei, welche den Namen Faros mit dem der arka-
dischen Farrhasier in Verbindung setzte. "^) Wie die meisten Ky-
kladen wurde sie dann von Alben aus mit ionischen Ansiedlern
besetzt^) und gelangte bald zu einer bedeutenden Seemacht, wo-
für die Gründung von Colonien, wie namentlich der auf der Insel
Thasos, welche unter der Führung des Telesikles, des Vaters des
Dichters Archilochos, Ol. 15 oder 18 erfolgte und an welcher
auch dieser Dichter, der berühmteste Sohn der Insel, als Jüng-
ling Theil nahm; Zeugniss giebt. ^) Die höhere Machtentwickelung
1) Varro bei Plin. XXXVI, 5, 14; (Fiat.) Eryxias p. 400«; Atlien. V,
p. 205^; Hesych. u. Avxvtag; vgl. über die Brüche besonders Fiedler
S. 184 ff.; über den Betrieb in der römischen Kaiserzeit Bruzza AnnaH
t, XLII, p. 158 88. (dazu die Inschrift bei llosß Inscr. gr. in. II, n. 149:
EQCog KaiGaqoq bQyiniGtdrrjg tov XaxoiitQV idQvGuvo^ in welcher Koss
irrig KuicuQog als den Namen des Vaters des Y.voa auffiisst); über ein
am Eingange des zweiten Stollens befindliches, von dem Odrysen Ada-
mas den Nymphen geweihtes Relief A. Michaelis Annali t. XXXV, p. 314 s.
') Atben. III, p. 70''.
^) lleraclid. De reb. publ. 8; Stepii. Uyz. u. TTapog; vgl. Apollod. II,
5. 9; III, 15, 7.
') öchol. Dionys. Per. 625, wo Klytios und Melas als Führer der-
hulben genannt worden.
•') Thuk. IV, 104; Strab. X, p. 487; Aelian. Var. bist. X, 1.3; Clemens
AI. Strom. I, p. .333; Steph. Hyz. ii, &aaog. Farion am Ilcllespont soll
von Fariern, Milesiern und Krytbrncrn gegründet worden sein (Strab.
XIII, p. 588; vgl. X, p. 487). Noch im Jabre 385 v. Cbr. gründeten die
Farior im Verein mit Dionysios von Syracus eine Niederlassung aui' der
486 HI. Die Inselwelt.
der Nachbarinsel Naxos brachte Faros wie andere Kykladen in
Abhängigkeit von dieser, ein Verhliltniss, das sie später mit dem
der Untertliänigkeil gegen die l^erser vertauschte. Nach der
Schlacht bei Marathon griff eine athenische Flotte unter Führung
des Milliades die Insel an , um sie für ihre active Theilnahme
am Kampfe auf der Seite der Perser zu bestrafen, und belagerte,
da die Parier sich weigerten eine Busse von 100 Talenten zu
bezahlen, 26 Tage lang die Hauptstadt, musste aber unverrichte-
ter Sache wieder heimkehren. Auch zur Flotte des Xerxes stell-
ten die Parier ihr Contingent, welches aber nach der Schlacht
bei Artemision bei Kythnos zurückblieb, um den weiteren Gang
des Krieges abzuwarten ; der Strafe für diese zweideutige Haltung
von Seiten der hellenischen Flotte entgiengen sie vermittels einer
an Themistokles gezahlten beträchtlichen Geldsumme. ^) Wie die
Bewohner der übrigen Kykladen traten sie dann dem attischen
Seebunde bei, und zwar zahlten sie unter allen Inselbewohnern
den höchsten Tribut (nach der Schätzung von Ol. 88, 4 dreissig
Talente jährlich) an die Bundeskasse, ein Steuerbetrag, dessen Höhe
jedenfalls aus den sehr bedeutenden Erträgnissen zu erklären ist,
welche damals, in der Zeit der eifrigsten Thätigkeit auf dem Ge-
biete der Plastik, die Marmorbrüche der Insel lieferten. Auch dem
neuen attischen Seebunde vom Jahre 378 traten die Parier bei,
sagten sich aber von demselben wahrscheinlich im Jahre 357
zugleich mit den Chiern, zu welchen sie damals und noch später
in nahen Beziehungen standen, ^j los. Seitdem verlor die Insel
alle politische Bedeutung und behielt für die verschiedenen aus-
wärtigen Herrscher, denen sie der Reihe nach gehorchte, nur
illyrischen Insel Pharos: Diod. XV, 13; vgl. Strab. VII, p. 315. Für
das hohe Ansehen, welches die Parier unter den ionischen Staaten ge-
nossen, zeugt das Schiedsrichteramt, welches Ihnen das von Parteiungen
zerrissene Milet übertrug: Herod. V, 28 f.
1) ITerod. V. 31; VI, 133 ff.; VIII, 67; 112. Von der vergeblichen
Expedition des Miltiades leiten die Alten das Verbum avaTtaQiä^niv im
Sinne von ^sich anders besinnen' her: s. Ephoros bei Steph. Byz. u.
TIccQog; Zenob. II, 21; Diogenian. II, 35. — lieber eine eigenmächtige
Aendernng der Verfassung von Paros durch Kimon ist nur bei Demosth.
in Aristocr. p. 688 eine Andeutung erhalten : vgl. W. Vischer Kimon
(Basel 1847) S. 53 ff.
^) Vgl. die Inschriften bei Ross Inscr. gr. in. II, n. 146—148 (= C. I.
gr. n. 2374 b_J, Add. Vol. II, p. 1072 s.).
2. Die ostgriechischen Inseln: die Kykladen: Faros. 487
noch wegen ihrer Marmorhrüclie ein nicht geringes Interesse.
Seit der Begründung fränkisclier Fürstenlhümer im Archipel hii-
dete sie his zum Jahre 1389 einen Beslandtlieil des Herzoglhums
Naxos, gelangle dann durch Heirath in den Besitz der Familie
Sommaripa, im Jahre 1516 auf gleichem Wege in den der Fa-
milie Venieri; 1531 erhielt sie als Mitgift der Cecilia Venier
Bernardo Sagredo, der si« im Jahre 1537 an Khaireddin Barba-
rossa verlort)
Die Stadt Faros, 2) auf deren Stelle und aus deren Trüm-
mern zu einem beträchtlichen Theiie der jetzige Ilauptort, Fari-
kia, erbaut ist, lag an der Südostseite einer durch einen felsigen
Vorsprung im Nordwesten (jetzt Cap Fhikasj geschützten, im
übrigen offenen Bucht der Nord Westküste, welche als Hafen be-
nutzt wurde. Das auf einem etwa 40 Fuss hohen Felshügel von
geringem Umfange hart am Meere stehende, fast ganz aus anti-
ken Trümmern errichtete mittelalterliche Schloss enthält noch
die Ueberresle zweier Tempel, eines im dorischen und eines im
ionischen Stil erbauten; einer derselben war, nach einer dort ge-
fundenen Inschrift; zu schliessen,^) den Dioskuren, der andere
vielleicht dem Dionysos geweiht. In der unteren Stadt gab es
Ileiligthümer des Apollon Delios und des ApoUon Fythios^) und
einen Tempel des Asklepios und der Ilygiela, von welchem eine
Viertelstunde südwestlich von der jetzigen Stadt nahe dem Meeres-
ufer bedeutende Marmortrümmer und ein Fragment der Colossal-
statue des Gottes gefunden worden sind.'') Ausserhalb der antiken
Stadtmauer (wahrscheinlich südöstlich von der Stadt) lag auf
einem Ilügel das Ileiligthum der Demeter Thesmophoros, das
*) Vgl. C. Hopf Wiener Sitzungsberichte Bd. 21, S. 235 f.
*) Archilochos bei Steph. Byz. u. IIccQog; Herod. VI, 133; Ptolem.
III, 15, 30; Plin. IV, 12, C7.
3) Thiersch ft. 597 flF. = C. I. gr. n. 2374« (Vol. II, j). 1074): in
dieser Inschrift wird <I;is /.u Mhren der Dioskur(;ii -^c f. it rtc l\ist der
Thcoxenia, ferner dir mit dramatischen Spielen gcleicrtcu grossen Dio-
nysien erwähnt. Im I )iony«08cult zeugen anph die Münzen: s. Eekhcl
Doct. n. V. I, 2, p. ;i;i.i.
*)''Oqo(; xtüQlov liQOv *An6XX(ovog JrjXi'ov ('. I. r. n. 2384" (Vol. II,
1». 1070); t6 riv^iov ib. n. 2374« (p. 1073).
'•') S. die Notiz hmh Cyriacus von Ancona im IJullotino ISGl, N. VIII,
188; vgl. C. I. gr. n. 231)0 97; Rohs Inscr. gr. inod. II, n. 150; Insel-
isen I, S. 46 f.
488 in. Die Inselwolt.
schon in der Geschichte der Belagerung der Stadt durch Miitia-
des eine |{ollc spielte. ^) Endlich liennen wir auch ein wahr-
scheiidich g<Mneinsames IleiligMunn d(!S Zeus ItasihMis und des Hera-
kles Kallinikos durcli eine in einer Capelle des Ilagios Diniitrios
nordöstlich von der jetzigen Stadt gefundene Inschrilt. "^j
Ein zweiter, gleichfalls schon im Alterlhuin henul/ler Hafen
hefnidet sich an der Nordküste der Insel, wo zwei von Westen
und von Osten her gegen einander vortretende felsige Vorgehirge
(deren eines im Alterlhum den Namen Sunion geführt zu hahen
schein!) eine ehenso geräumige als sichere Bucht — nächst der
von Navarin die schönste von ganz Griechenland — umschliessen.
Diese Bucht, heutzutage nach einem an der Si'idseite gelegenen
Flecken, der auch einige Beste antiker Gehäude aufzuweisen hat,
Naousa genannt, wurde von den alten Pariern jedenfalls als Kriegs-
hafen benutzt und war daher ein sogenannter ^geschlossener'
Hafen, d. h. der ungefähr eine haihe Stunde breite Eingang von
Norden her war durch mächtige Ketten oder sonstige Befestigungs-
anlagen gesperrt.^) Eine andere Ortschaft, deren Namen wir
nicht kennen, hat jedenfalls auch in der Ebene an der Ustküste
gelegen, welche jetzt von den drei an antiken Bauresten und
Säulentrümmern reichen Dörfern Tragulas, Marmara und Tschi-
pidi (Äi^jr/dt, d. i. Gärtchen) eingenommen wird, welche gewöhn-
lich nach dem ungefähr in der Mitte der Ostküste vorspringen-
den steilen Vorgebirge Kephalos 'die Dörfer von Kephalos' genannt
werden. Endlich scheint auch an dem jetzt Drios genannten
Hafen an der Südostseite der Insel, vor welchem einige kleine
Inselchen (Drionisia) liegen, eine wenn auch unbedeutende antike
Ortschaft, von welcher nur eine Anzahl Gräber Zeugniss geben,
gestanden zu haben. ^)
<) Herod. VI, 134; vgl. Hom. Hynin. in Cerer. 491; Paus. X, 28, .3;
C. I. gr. n. 2384; 2388; 2557, Z. 21; Ross Inselreisen T, S. 49.
2) C. I. gr. n. 2385 = Thiersch S. 637. — lieber -einige andere In-
schriften und Sculpturen aus Parikia s. A. Michaelis Annali t. XXXVI,
p. 267 SS.
^) Scyl. Per. 58: JIcxQog Xifisvag b'xovou dvo> av xov sva tiXsiatov;
vgl. über die Bucht besonders van Kinsbergen Beschreibung vom Archi-
pelagus, übersetzt von K. Sprengel S. 123 fF, Spuren alter Tempel und
Hallen daselbst erwähnt Thiersch S. 594, to a-nQOV Sqvvlov Ptolem, III,
15, 30.
•) Vgl. Thiersch S. 594 f.; Ross S. 51.
2. Die ostgriechischen Tiifieln : die Kykladen : Naxos. 489
NaxosJ) die grossere und sclinnere Sei« wester von Paros, Naxos.
ist iiiclit nur an Umfang, sondern auch an Fruclilliarkeit nnd ge-
schiclitlicher Bedeutung die erste unter allen Kykladcn, deren lange
Kette sie als letztes Glied gegen Sudosten abscldiesst. Die lieutzu-
tage im Volksmunde Naxia, im spätem Mittelalter auch Nixia, Ni-
chosia und Nisia^) genannte [nsel, welche nach ihrer ungefähr run-
den Geslalt im Allerlhum auch den (jedenfalls nur poetischen) Na-
men Strongyle (''die runde') geführt haben soll,'^) wird ihrer
ganzen Länge nach von Süden nach Norden von einer mächtigen
Bergkette durchzogen, deren Hauptmasse aus Granit besteht; die
Seilen des Gebirges sind mit Gneis undGlimmerschiefer, die Höhen
mit weissem Urkalk bedeckt. Diese Centralkette hat drei hervor-
ragende Culminalionspunkte: den 1003 Meter hohen Zia oder Dia,
wahrscheinlich den Drios der Alten, '^) in der südlicheren Hälfte,
den bedeutend niedrigeren Phanari ungefähr in der Mitte und das
991 Meter hohe Koronnn (ein vielleicht antiker Name) im Norden
der Insel. Gegen Osten fällt dieses Gebirge steil, an manchen Stellen
fast senkrecht zum Meere ab; seine westliche Abmachung dagegen
ist bedeutend sanfter und es schliesst sich hier an seinen Fuss eine
hügelige, sehr fruchtbare Ebene, die sich bis zum Meere er-
streckt, an. Diese Ebene sowie die unteren Abhänge des Ge-
birges bringen Wein (schon im Alterthum das berühmteste Pro-
duct der Insel), ^) Oel, Getreide und Südfrüchte in reicher Fülle
') Na^ia-nd schrieben Aglaosthenes (C. Müller Frgta. hist. gr. IV,
]). 29:Js.), Andriskos (ibid. p. 302 ss.) nnd Philteas (ibid. p. 478);
OL Na^icov coQO'yQaq)OL Phit, De mal. Her. 36. Von Neueren vgl. Tourne-
fort I, p. 79 .SS.; Rnssegger Reisen in Europa u. s. w. Bd. IV, S. 194 flf.;
Fiedler II, H. 290 flf.; Koss I, S. 22 fr. und S. 37 flf.; Fr. Grueter Dis.ser-
tatio de Xaxo insula, Halle 1833; W. Engel Quaestiones Naxiae, Göt-
tingen ISS.f); E. Curtius Naxos. Ein Vortrag. Berlin 1846.
*) Vgl. Tafel und Thomas Urkunden Bd. I, S. 467; Bd. ID. S. 178;
207; 252.
3) Diod. V, .^O; Parthen. Erot. 19; Plin. IV, 12, 67.
'•) Diod. V, 51. Am nördlichen Abhänge des Berges befand sich ein
Ktiligtbum des Zeus Melosio.s, wie die hier gefundene In.scli rift "O^o>j
lioi; Mr]K(oatov (C. I. gr. n. 2418; vgl. Ross S. 42 f.) zeigt.
•') J\tlien. I, p. 30^; 11, p. 52«'; Propert. IV, 16, 27 s.; Nonn. Dionys.
.\I.Vn, 266: besonder« wurde liior der nacb einer aus Tbrakien .stani-
iiHMiden Rebsortc benannte ßißXivog olvos gebaut: Scmos hol Stopb.
r.yz. u. BißXivT}: Etym. M. p. 1«)7, 32 s.s. |F)cr .•ingoblicbo Fliiss fWßXo^
PÜRSIAN, GEüGB. II. 33
490 ITI. Die Inselwelt.
und von besonderer Güte liervor, namenllich bieten die mit
Orangen-, Cedrat- und Cranatbaumen bepflanzten Gärten, deren
Producta einen wicbtigen Handelsartikel bilden, einen entzucken-
den Anblick dar. Aucb an mineraliscben Producten feblt es der
von der Natur in jeder Hinsicbt begünstigten Insel nicbt: ibre
Berge entbalten weissen Marmor, der dem parischen an Güte
wenig nachstellt, wenn auch die Brüche, wahrscheinlich wegen
geringerer Mächtigkeit und Beinheit der Bänke, weit weniger aus-
gebeutet worden sind ; dass er jedoch wenigstens von den Naxiern
selbst (bei denen die Technik der Marmorarbeit frühzeitig ausge-
bildet war) auch zu statuarischen Zwecken benutzt wurde, be-
weist eine am nordöstlichen Abhang des Korononberges 10 Mi-
nuten vom Meeresufer liegende, erst ganz aus dem Bohen gehauene
Colossalstatue aus einem dort an Ort und Stelle gebrochenen
mächtigen Block, der jedenfalls wegen mehrerer tiefer Bisse, die
eine sorgfältigere Ausarbeitung der Brust und des Gesichts hin-
derten, aufgegeben worden ist. ^) Wichtiger noch und heutzutage
geradezu der bedeutendste Ausfuhrartikel der Insel ist der
Schmirgel, von welchem mächtige Lager weiter südlich an
der Ostküste, eine Stunde unterhalb des Dorfes Volry, zu Tage
liegen, deren Ausbeutung jetzt durch die Begierung an Privat-
leute für eine bedeutende Summe verpachtet ist; dass sie auch
oder Bißlivrig auf Naxos ist jedenfalls nur eine etymologische Fiction.]
Audi die Korinthen (die jetzt auf Naxos gar nicht mehr gebaut werden)
sollen von hier stammen: s. V. Hehn Kulturpflanzen und Hausthiere in
ihrem Uebergange von Asien nach Griechenland und Italien sowie in das
übrige Europa (Berlin 1870) S. 37. Ferner brachte Naxos treffliche Man-
deln hervor (Athen. II, p. 52'' s.), desgleichen gutes Cypergras (Plin.
XXI, 18, 115), was wohl ein Hauptgrund war für den Ruhm der naxi-
schen Ziegen (Athen. XII, p. 540'*). Als Curiosität wird berichtet, dass
auf Naxos fast alle vierfüssigen Thiere eine ungewöhnliche grosse Galle
haben: Aristot. Hist. anim. I, 14. 6; De part. an. IV, 2; Aelian. De an.
XI, 29 u. a. Auf die Fruchtbarkeit der Insel überhaupt ist die Bezeich-
nung derselben als ^fHQCi Zi-aeXCa (Agathem. I, 5; Plin. IV, 12, 67) zu-
rückzuführen.
^) Ross S. 38 ff. Der Naxier Byzes hatte nach Paus. V, 10, 3 um
Ol. 50 die Kunst, den Marmor in dachziegelförmige Stücke zu schneiden,
erfunden. Der Naxier Thelxenor arbeitete eine in der Nähe von Orcho-
menos in Boiotien gefundene Grabstele (G. Hirschfeld Tituli statuariorum
sculptorumque graecorum p. 71).
2. Die ostgriechischen Insehi: die Kykladen: Naxos. 491
im Alterllium verweithet worden sind, beweist die mehrfache
Erwähnung der naxisclien Wetzsteine. ^)
Als älteste Bewohner der Insel bezeichnet die zwar ganz sagen-
haft ausgeschmückte, aber ohne Zweifel auf historischer Grundlage
ruhende Tradition Thraker, welche von hier aus bis nach Thessa-
lien Raubzüge unternommen hätten ; sie haben den VVeinstock und
den Cult des Dionysos, der auch in der historischen Zeit durch-
aus als Ilauptgott der Insel erscheint, sowie auch den Cult der
Heroen Otos und Ephialtes nach der Insel gebracht. Nachdem
sie, berichtet die Tradition, über 200 Jahre lang auf der Insel
gewohnt, dann aber dieselbe in Folge von Dürre verlassen hatten,
traten Karer an ihre Stelle, welche die bisher Dia benannte Insel
nach dem Namen ihres Anführers Naxos nannten.^) Die Karer,
die wie ihre Vorgänger hauptsächlich Seeraub trieben, wurden
wie von den andern Kykladen so auch von Naxos durch die see-
mächtigen Kreter verjagt; diese brachten wieder neue religiöse
Elemente, insbesondere den bald mit dem Cult des Dionysos eng
verknüpften Cult der Ariadne und wahrscheinlich auch den Zeus-
cult mit.^)
Der kretischen Herrschaft wurde durch eine von Athen aus-
gegangene ionische Ansiedelung ein Ende gemacht. 4) Mit der
^) Na^ia av.ova Find. Isthra. VI, 73; vgl. Steph. Byz. u. Nä^og\
Plin. XXXVI, 7, 54; 22, 164; XXXVII, 8, 109. Ueber die Lager vgl.
Kiissegger a. a. O. S. 196 flf.; Fiedler S. 300 flf.
2) Diod. V, 50 ff.; Partli. Erot. 19; Steph. Byz. u. Nugo?. Die Be-
deutung des Dionysoscultes (auf welchen die Benennungen der Insel als
JCa und zJiovvoiccg zurückzuführen sind) bezeugen die Münztypen (s.
Kckhel Doctr. n. v. I, 2, p. 333) und die Bezeichnung der Jahre nach
dein Priester des Dionysos (C. I. gr. n. 2265, 21): vgl. Athen. III, p. 78«;
Pdrphyr. De antro nymph. 20. Ein Temenos des Otos und Ephialtes
(die auch Pindar. Pyth. IV, 88 s. auf Naxos sterben liisst) bezeugt die
Inschrift C. I. gr. n. 2420.
3) Einen doppelten Cult der Ariadne, einen freudigen und einen trau-
rigen, bezeugt für Naxos Plut. Thes. 20: vgl, Engel 1. 1. p. 40 ss. Zeus-
cult: C. I. gr. n. 2417 s.; vgl. Aglaosthcn. bei Eratosth. Catast. 30; Etym.
M. p. 266, 43 88. Auf Zusammenhang mit Kreta führt auch die von schol.
Ai)ollon. Rhod. J, 1492 überlieferte Sage von Naxos, dem Sohne des Apol-
lon und der Tochter des Minos Akakallis, Halbbruder des Kydon.
*) Ilerod. VIII, 46: schol. Dionys. Per. 525 werden Archetlmos und
Teleklos (so richtig Bröndsted für das überlieferte Teuklos) als Führer
dieser Ansiedler genannt.
83*
492 in. Die Inselwelt.
loiiisirung der Insel beginnt die Entwickelung ihrer Seemacht,
welelio bald zu Conlliclen mit anderen ionischen Scestaaten führte;
so wird uns, allerdings mit romanhafter Ausschmückung, von
einem chronologisch leider nicht zu fixirenden Ileerzuge der ver-
i>ündeten Milesier und Krylhräer gegen Naxos berichtet, wobei
die Verbinideten, nachdem sie die Insel verheert und die Stadt
von einem befestigten Punkte aus belagert hatten, schliesslich mit
Verlust abziehen mussten. ^) Um die Mitte des sechsten Jahr-
hunderts V. Chr. kam es auf Naxos, wie in den meisten ionischen
Staaten, zu inneren Kämpfen zwischen den Adelsgeschlechtern,
in deren Händen die Regierungsgewalt lag, und dem Volke; das
Resultat dieser Kämpfe war hier wie anderwärts, dass ein ehr-
geiziger und gewandter Mann aus der Reihe der Oligarchen selbst,
Lygdamis, sich an die Spitze der Volkspartei stellte und sich mit
Hfdfe des Peisistratos, den er bei seiner zweiten Rückkehr nach
Athen mit Geld und Truppen unterstützt hatte, zum Herrscher
der Insel aufwarf. ^) Unter seiner Herrschaft hat die Insel die
höchste Stufe der Macht und des Reichthums erstiegen: Paros,
Andros und andere Kykladen standen im Verhältniss der Ab-
hängigkeit von ihr; sie konnte eine Macht von 8000 HopHten
und zahlreiche Kriegsschiffe stellen.^) Nachdem Lygdamis, wahr-
scheinlich etwa gleichzeitig mit dem Sturz der Herrschaft der
Peisistratiden in Athen, durch die Spartaner vertrieben worden
war, gelangten die Oligarchen zwar ohne Zweifel zunächst wieder
zur Herrschaft, aber schon nach wenigen Jahren wurde ihrem
Regimente durch die Volkspartei ein Ende gemacht. Einige ver-
bannte Mitglieder der oligarchischen Partei wandten sich deshalb
im Jahre 501 v. Chr. an den Milesier Aristagoras mit dem Ge-
suche, sie mit Gewalt in ihre Heimalh zurückzuführen; dieser,
der sich allein einem solchen Unternehmen nicht gewachsen fühlte,
wusste durch allerhand Vorspiegelungen den persischen Satrapen
1) Parthen. Erot. 18 und 9; Plut. De mul. virt. 17: Polyän. Strat.
VIII, 36.
2) Herod. I, 61 und 64; Aristot. Pol. V, 6; Oecon. 2, 2; Athen. VIII,
p. 348"^; Polyän. Strat. I, 23, 2. Der Beginn der Tyrannis des Lygda-
mis wird mit Grueter ]. 1. p. 32 in das .Jahr 536 oder 535 zu setzen sein.
Nach Plutarch. De mal. Herod. 21 wurde Lygdamis durch die Spartaner
vertrieben: vgl. denselben Apophthegm. Lac. var. 64.
•'') Herod. V, 28 und 30.
2. Die ostgriechiscben Inseln: die Kykladen: Naxos. 493
Artapliernes zu überreden, dass er inil Einwilligung des Königs
Dareios eine slaltliche, mit Persern und iileinasialisclien loniern
bemannte Flotte unler der Fübrung des Persers Megabates zur
Unterwerfung von Naxos aussandte. Die Naxier aber, in Folge eines
Zwistes zwischen Aristagoras und Megabates von letzterem selbst
rechtzeitig gewarnt, zogen sich in ihre wohl befestigte und wohl
verproviantirte Hauptstadt zurück und vertheidigten diese so tapfer
gegen die feindliche Flotte, dass diese nach viermonatlicher Belage-
rung oJme anderen Erfolg als die Errichtung einiger Castelle auf der
Insel für die verbannten Oligarchen abziehen mussteJ) Dafür
büssten die Naxier im Jahre 490 v. Chr., wo sie beim Herannahen
der von Datis und Artapliernes geführten persischen Armada in der
IJeberzeugung von der Nutzlosigkeit eines Widerstandes in die Berge
llüchtelen, so dass die Perser die Stadt, die ohne Schwertstreich
sich ihnen ergab, sammt den Heiligthümern in Brand stecken
und alle Bewohner, die in ihre Hände fielen, als Gefangene fort-
schleppen konnten.'^) Zehn Jahre später sandte Naxos wie die
meisten Inseln sein in vier Schiffen bestehendes Contingent zur
Flotte des Xer^ves; allein diese Schiffe stiessen. Dank der patrio-
tischen Haltung des Commandanten Demokritos, zur griechischen
anstatt zur persischen Flotte und kämpften mit Auszeichnung bei
Salamis. ^) Unter den Mitgliedern des delisch-attischen Seebundes
waren die Naxier die ersten , welche sich ihren Verpflichtungen
zu entziehen und dem Bunde abtrünnig zu werden versuchten,
ein Versucli, den sie durch den Verlust ihrer politischen Selb-
ständigkeit büssen nnissten; die Athener behandelten die erst
nach längerer Belagerung (im Jahre 466 v. Chr.) bezwungene
Insel ganz als erobertes Land und siedelten im Jahre 453 eine
Anzahl athenischer Kleruchen dort an, ein Umstand, welchem sie
NNohl ihre verhältnissmässig niedrige Besteuerung (15 Talente
nach der Schätzung von Ol. 8S, 4) verdankte. *) Nach dem pelo-
») Herod. V, 30 ff.; Tltit. De Hcrod. inul. 36.
«) Hcrod. VI, %; vp^l. Pliot. HiU. cod. 263, p. 361 cd. Hckk.; Plnt.
I >c Hcrod. mal. 36.
3) Hcrod. VIII, 46; riiit. De Hcrod. mal. 36; vgl. die delphische
Hcldangcnsäule Gew. 6 NAXIOI und Vium. V, 23, 2. N;>' i- l>l'.'l V. 52
hätten die Naxier anch bei Platää mitgekämpft.
*) Thiik. I, 98; 137; Aristoph. Vcsp. 355; IMiit,. I'ini. il; hi..d.
\I, 88; Paus. I, 27, 5; Plat. Euthyphr. p. 4«.
494 111. l>ie Inselwelt.
püimcsisclicii Krici^e liatte sie sich den Lakedaiuoniern ange-
schlossen und tial deshalb dem neuen attischen Seehunde vom
Jahre 378 nicht hei; die Athener sandten daher im Jahre 37()
eine Flotte unter Chahrias ah, welche die Stadt Naxos belagerte
und die zum Entsatz herbeigekommene lake{länu)nische Flotte in
einer in dem Canal zwischen Paros und Naxos gelieferten See-
schlacht l>esiegte, wodurch die Naxier genötbigt wurden, sich den
Athenern anzuschliesscn. ^) Nachdem die Insel dann unter Philii)[)
und Alexander den Makedoniern, in der Diadochenzeit den Herr-
schern Aegyptens unterthänig gewesen war, wurde sie durch An-
tonius den Uhodiern übergeben, aber durch die Homer bakl
wieder von dem drückenden Joch derselben befreit."'] Seitdem
verschwindet sie vom Schauplatz der Wehgeschichte bis zur Stif-
tung des lateinischen Kaiserthums in Konstanlinopel. Im Jahre
1207 von dem Venezianer Marco Sanudo erobert, welchem vom
Kaiser Heinrich auf dem Reichstage zu Uavennika 1210 die Ober-
hoheit über die Inseln des ägäischen Meeres, die sogenannte Do-
dekanesos, übertragen wurde, ward sie der Mittelpunkt eines
mächtig«Mi Inselreichs, das bis zum Jahre 1362 von Herzögen aus
dem Geschlecht der Sanudi, von 1362 bis 1383 von den dalle
Carceri, von 1383 bis 1566 von den Crispi regiert, dann vom
Sultan Selim II. dem Juden Don Joseph Nasi verliehen und nach
dessen Tode (1579) definitiv dem türkischen Reiche einverleibt
wurde.
Die im Aiterthum wie heutzutage gleichfalls Naxos ge-
nannte Stadt Hegt am nördlichen Theile der Westküste der Insel
und erstret kt sich vom Gipfel eines niedrigen Felshügels, der im
Aiterthum die Akropolis, in der fränkischen Zeit das befestigte
Scldoss der Herzöge nebst der Hauptkirche und zwei Klöstern
trug, bis zum Strande, wo die Reste eines antiken Molo die
Existenz eines durch Menschenhände geschützten Hafens bezeu-
gen. Gerade nördlich vom Hafen liegt ein kleines Eiland, wel-
ches den einzigen bemerkenswerthen Ueberrest der alten Stadt
1) Diod. XV, 34; Phit. Phok. 6; Camill. 19; Demostli. adv. Lcpt.
p. 480; Xenoph. Hell. V, 4, 61.
2) Appian. Bell. civ. V, 7. Aus der Zeit der rhodischen Herrschjtft
datirt die Inschrift C. I. gr. n. 2416'' (Vol. II, p. 1079), Acten über die
Feier des Sarapisfestes, worin ein SrjfiiovQyog und ein leqsvs ^^S P6-
dov als Eponymen erscheinen.
2. Die ostgriechischen Inseln: die Kykladen: Naxos. 495
trägt: ein 2172 ^"^^ hohes, 12 Fuss breites Thürgeriist aus
weissem Marmor, welches zur Cella eines Tempels (nach der Tra-
dition des Dionysos) gehört hat. ')
Ausser der Stadt enthält die Insel jetzt 42 zum Theil recht
stattliche Dörfer, von deren Namen viele (wie Tripodes, Melänäs,
Ano- und Kato-Potamia, Potamides, Panormos, Votry, Drymalia,
Philoti) einen ganz altgriechischen Klang haben, Panormos auch
als antike OertHchkeit bezeugt ist;'*') doch finden sich nur sehr
wenige und geringe Reste antiker Ansiedelungen, wie alte Gräber
in der Gegend von Drymalia in der Milte der Insel und ein
hellenischer Thurm, 'der Thurm des Giessbaches' (TtvQyog xov
XSificcQQOv) genannt, südlich vom Berge Dia in der Nähe der
Südküsle. •^) Alte Schriftsteller erwähnen eine Stadt Tragia oder
Trageä mit einem Ileiligthume des Apollon Tragios, und eine
Kome Lestadä.'*)
Oestlich von Naxos liegt zunächst, nur wenige Meilen vom
(iap Chondros, dem östlichsten Vorsprunge der Ostküste, entfernt,
eine jetzt Makaräs genannte Gruppe von drei öden Inselchen —
eine etwas grössere, welche lithographische Steine enthält, wohl
*) Abgebildet bei Tournefort I, p. 84 ; vgl. Leake Travels in northern
Greece III, p. 93 s.
') Stadiasm. m. m. § 282.
") S. Koss S. 43. Ganz rohe Figürchen von Kalkstein aus Gräbern
in der Gegend von Drymalia (wo auch die Inschrift C. I. gr. n. 2416^
gefunden worden ist) erwähnt Fiedler S. 314 f. Die französische Karte
verzeichnet 'Ruines helle'niques' l'/2 Stunden südlich von der Stadt Naxos
nahe der Westküste, 2V4 Stunden südlich von da auf dem Cap Kurupia
am südlichen Tlieile der Westküste, und etwa 272 Stunden östlich von
da (letztere vielleicht der von Ross beschriebene hellenische Thurm);
ausserdem werden noch an mehreren Stellen Paläokastra (wohl Ruinen
fränkischer Schlösser) angegeben.
*) Steph. liyz. u. TQayiUj wo die Stadt auf Naxos ausdrücklich von
der (von Thuk. I, 116 und Plut. Per. 25 erwähnten) Insel unterschieden
wird: Ross 8. 40 will beide identificiren und den Namen auf die kleine
lusel Makaräs östlich von Naxos beziehen; allein aus Strab. XIV, p. 635
und Plin. V, 31, 135 sieht man, das» jene Insel oder richtiger Gruppe
kleiner Inseln (TQctyutai bei Strabon, Tragiae bei Plinius), bei wel-
cher Perikles im Jahre 440 v, Chr. die samische Flotte schlug, in der
Nähe der Westküste Klcinasicns, zwischen Samos und Milet zu suchen
ist. — Ariatccöai, Äristot. bei Athen. VIII, p. 348»'.
496 HI. l^ie Inselwelt.
die alte NikasiaJ) und zwei ganz kleine — ; weiter östlich eine
etwas grössere, jetzt nur von einigen Hirten bewohnte, welche
Stenosa oder auch mit dem antiken Namen Donussa genannt
wird. 2).
(1) Die Sponulen.
Meios. Südlich von der westlichen Reihe der Kykladen li(!gt eine
Gruppe von Inseln vulkanischen Ursprungs, unter denen die drei
Quadratmeilen in Unilang haltende, gegen Norden durch eine tiel
ins Land eindringende Bucht (jetzt Porto Thalassa genannt, oll'en-
bar ein alter Krater, dessen Inneres nebst einem Theile des
llandes zusammengestürzt ist) gewissermassen ausgeschniltene Insel
Melos^^) {jetzt Milo gesprochen) die bedeutendste ist. Die Insel,
deren höchster Punkt, der Berg Ilagios Elias im Südwesten, sich
774 Meter über die Meeresfläche erhebt, erscheint gleichsam wie
ein mächtiger, ganz mit Meerwasser getränkter versteinerter
Schwamm: der dürre, von vulkanischem Feuer geröstete Boden
ist überall stark mit Salz versetzt und von zahlreichen Höhlen
durchlöchert. Eine dieser Höhlen an der Südküste der Insel
bietet interessante Phänomene eines noch in voller Thätigkeit
begrilFenen Vulkans dar: es herrscht darin eine solche Hitze,
dass man nur wenige Minuten darin verweilen kann; siedend
heisscs Schwefelwasser, das an mehreren Stellen zu Tage konmil,
1) Eiistath. iu\ Dion. Per. 536; Stepli. liyz. u. NiHCiöiu; Win. IV,
12,- 68.
2) JovovGK Stadiasm. m. m. § 281 und 284; scliol. Dion. Per. 132. '"Viri-
dcm Donusam' Verg. Aen. III, 125; Ciris 476; als Verbannungsort bei
Tae. Annal. IV, 30 erwähnt. Eustatli. ad Dionys. Per. 530 und Steph.
Byz. u. zJovovOLcc nennen Donusia eine kleine Insel bei Rhodos oder im
Besjitz von Rhodos {vrjoog (nv,QK'P6dov Steph., tiqos TJjPoda Eustath.),
auf welche Dionysos die Ariadne von Naxos aus gebracht habe, um sie
der Verfolgung des Minos zu entziehen: daraus ist zu schliessen, dass
die Rhodier auch nach dem Verlust von Naxos Donussa als Ankerplatz
in ihrem Besitz behalten haben. — Vgl. über die Insel Tournefort I,
p. 86 s.
^) Vgl. über die Insel Tournefort I, p. 57 ss.; Leake Travels in
northern Greece III, p. 77 ss.; Prokesch von Osten Denkwürdigkeiten I,
Ö. 532 ff.; II, S. 204 ff. ; Russegger Reisen in Europa u. s. w. Bd. IV,
Ö. 223 ff.; Fiedler Reise II, S. 369 ff.; Ross Inselreisen III, S. 3 ff. und
Ö. 145 ff.; Leycester im Journal of the royal geograph. society Vol. XXII,
p. 201 SS.
2. Die ostgriecbisehen Iiiseln: die Si)oraden: Melos. 497
erlüllt die Höhle mit starken Dämpfen, die Ritzen der F'elswände
sind theils mit krystallisirtem, tlieils mit flüssigen), bisweilen noch
brennendem Sclnvefei angefüllt, das Gewölbe der Grotte mit
veilchenblau, rölhlich und blau gefärbtem Federalaun bedeckt.
Etwa drei Viertelstunden westhch von dieser Höhle dringt heisse
Luft aus dem Boden durch fast armstarke Löcher hervor. Ein
Paar andere Höhlen dienen als natürUche Dampfschwitzbäder und
sind, wie man aus den darin befindlichen von Menschenhand be-
arbeiteten Steinsitzen schlicssen kann, schon im Alterthum als
solche benutzt worden. Endlich sprudeln an verschiedenen I\ink-
ten der an OutHen trinkbaren Wassers sehr armen Insel warme
Schwefel- und Stuhhiuellen empor. ')
Der Doden liefert vermöge seiner natürlichen Wärme bei
sorgfältigen) Anbau — an welchon es allerdings heutzutage in
Folge der dü))))en Bevölkerung fehlt — einen überraschend
schnellen, wenn auch nicht goade reichlichen Eilrag: nach der
Angabe des Theophiast war das Getreide binnen 30 — 40 Tagen
nach der Saat zur Ernte reif; ausserdem wurde ziemlich viel
Oel (dessen Ertrag jetzt kaum für die Bevölkeru)ig ausieicht)
und etwas Wein gebaut. -)' Wichtiger aber als die vegetabilischen
waren und sind die mineralischen Producte der Insel: Kochsalz,
Alaun, Schwefel, Thon, Gips, Porzellaneide, Bimstein und Mühl-
steine sind in Menge vorhanden und bildeten zun) Theil in) Alter-
thum nicht unwichtige Ausfuhrartikel.^) Auch finden sich hier
und auf der Nachbarinsel Kimolos ausgedehnte Lager von Ob-
') Vgl. X. Landcrcr flf-Qi t(ov tv M^lqy d-tQ/ion^ vricvrcov, Atlicii
18:^5, 16"; derselbe im ^\u^sl;lnd' 1856, N. 27, S. 640 1". Von alten Sehrift-
stelleru erwähnen die Thermen von Melos Ilippokrates Epid. V (t. III,
p. 519 ed. Kühn); Athen. II, p. 43^ Tlin. XXXI, 6, 61.
2) Theophrast. Hist. plant. VIII, 2, 8; De caus. pl. IV, 11, 8. Atieh
Honig' lieferte die Insel: (Aristot.) Mir. ause. 16. Kraniche von Melos
riwahnt als Delicatesse Varro bei (iaU. N. a. VI, 16, 5.
•■') Alaun: Plin. XXXV, 15, 181; 188; 190; Dioscorid. De niat. me<l.
V, 123; Diod. V, 10. Schwefel: Plin. ibid. § 171; Toll. VIJ, 99; Dioscor.
Vy 124. Bimstein: Plin. XXXVI, 21, 154. Molos lieferte auch eine von
den alten Malern viel gebrauchte weisse Farbe, die y?} Maltas ^ meli-
11 um (nach der gewöhnlichen Annahme Alaunerde, nach Donner bei
W. Ilelbig Wandgemälde der vom \'e8uv verschütteten fcjtudte Campaniens
S. XLVI, Anm. 121 ein natürlich vorkommendes HhMweiss): Thoophrast.
Do lapid. 62 s.; Dioscor. V, 180; Plut. De def. or. 47; Aclian. Var. h.
II, 2; Plin. XXXV, 6, 37; 7, 50; Vitruv. VII, 7, 3.
498 111. l>iu Inselwelt.
sidian, jener Steinalt, aus welcher die in GriechenlaiKl uml ander-
wärts in Menge vorkommenden, olTenbar vorhistorischen Zeilen
angehörigen Pfeilspitzen und Messerklingen gefertigt sind. ^) Ein
besonderer Inikistriezweig, wenigstens in den ältesten Zeiten, war
die Verfertigung bemalter Thongefässe nach orientalischen Mu-
stern; ausserdem wurde Ziegenzucht, namentlich aber Handel
und Schifl'fahrt betrieben.'^)
Die ältesten Bewohner waren Phöniker, welche, oline Zweifel
durch die gunstige Lage der Insel für den Verkehr nach Westen
und die treffliche Hafenbucht angelockt, daselbst eine Nieder-
lassung gründeten, welche die Namen Byblis, Memblis oder Mi-
mallis geführt haben soll. ^') Hellenisirt wurde sie nicht wie
die Kykladen durch lonier, sondern durch Minyer und Dorier,
die von Lakonien aus von der Insel Besitz ergriffen und ein
dorisches Staatswesen daselbst begründeten. '^) Der dorische
Charakter der Bevölkerung war die Ursache, dass die Insel,
welche dem Perserkönig die Unterwerfung verweigert und zur
hellenischen Flotte bei Salamis zwei Funfzigruderer gestellt hatte,
sich von der Theilnahme am athenischen Seebunde fern hielt
und beim Ausbruch des pelopoimesischen Krieges eine neutrale
Stellung einzunehmen suchte. Den Athenern aber war der Besitz
der Insel für die Sicherheit ihrer Herrschaft im ägäischen Meere
zu wichtig, als dass sie eine solche bei den nationalen Sympathien
der Melier natürlich nur für ihre Feinde wohlwollende Neutralität
hätten gestatten können; sie griffen sie also, nachdem sie schon
<) Vgl. Finlay UccQarrjQ^GSig snl zrjg iv 'EXßsTLcc %at ''ElXddt ngo-
l'OTOQL-Krjg ocQ%ccLoloyCag (Athen 1869) S. 17.
2) Vgl. A. Conze Melische Thongefässe, Leipzig 1862. — Zicklein
von Melos: Athen. I, p. 4^; Poll. VI, 63.
3) 8teph. Byz. u. Mr]Xog', Plin. IV, 12, 70; Hesych. u. MfjtißZts und
Mi^aXXig. Euseb. Chron. ad a. Abrah. 590 (p. 35 ed. Schöne): 'Melus
et Pafus et Thasiis et Callista urbes conditae'. Paulus p. 124, 11 ed.
Müller macht den Heros eponymos Melos (vgl. Pustath. ad Dionys. Per.
530) zu einem Phöniker. Der von Plin. und Ste})h. Byz. a. a. O. ange-
führte Name ZscpvQicc bezieht sich auf die Lage der Insel [als der vs^est-
lichsten aller Kykladen und Sporaden.
4) Conon. Narrat. 36; Thuk. V, 84; ebds. c. 112 wird^die Begrün-
dung des dorischen Staates 700 Jahre vor die Eroberung der Insel durch
die Athener (416 v. Chr., also um 1116 v. Chr.) gesetzt. In ziemlich
frühe Zeit gehört wohl auch die von Plutarch. De mul. virt. 7 und Polyän.
Strat. VIII, 64 erwähnte Niederlassung der Melier bei Kryassos in Karlen.
2. Die ostgriechischcn Inseln : die Sporaden : Melos. 499
im Jahre 426 einen erfolglosen Versuch gemacht hatten sie zu
unterwerfen, im Jahre 416 ernstlich an und nöthigten sie nach
hartnäckigem Widerstände sich auf Gnade und Ungnade zu ergehen,
worauf die watfenfähige Mannschaft getödtet, Weiber und Kinder
zu Sclaven gemacht und in der Stadt 50() attische Kleruchen an-
gesiedelt wurden. ') Nach dem Ende des peloponncsischen Krieges
wurden diese durch Lysandros vertrieben und die Insel den Re-
sten der alten Bevölkerung zurückgegeben, die nun wieder, wie
die Inschriften lehren, ein dorisches Gemeinwesen bildeten, an
dessen Spitze ein Archon stand; aber die Blüthc und politische
Bedeutung der Insel war für immer dahin.-) Im ersten Jahr-
hundert unserer Zeitrechnung hatten sich zahlreiche Juden, offen-
bar durch Ilandelsinleressen angelockt, daselbst niedergelassen;
unter ihnen fasste bald das Christenthum Wurzel und verbreitete
sich allmälig, so dass schon im dritten Jahrhundert eine zahl-
reiche Christengemeinde auf Melos bestand, deren unterirdische
Grabräume (Katakomben) in der Nähe der alten Stadt in einer jetzt
Klima genannten Schlucht (unterhalb des westlichen Endes des
Dorfes Trypiti, 3 — 4CX) Schritt östlich vom Theater) erhalten sind. '^)
Nach der Eroberung Konstantiuopels durch die FraiduMi
bildete Milos einen Theil des Ilerzogthums Naxos, von welchem
es 1341 als selbständiger Staat unter Herrschaft des Marco Sa-
uudo abgesondert wurde; nach dessen Abdankung (1376) erhielt
('S dessen einzige Tochter Fiorcnza, deren Gemahl, Francesco I.
Grispo, in Folge der Erwerbung des Herzogthums Naxos (1383)
es wieder mit diesem vereinigte.
0 Herod. VIII, 40 und 48; Thuk. III, 91; V, 84—116. Dio von den
Mcliern während der Belagerung ausgestandene Hungersnoth wurde als
iifiogMrjkiog sprüchwörtlich: Aristoph. Av. 186 c. schol.; Zenob. Prov.
IV, 04 u. a. ■
2) Plutarch. Lysandr. 14; Xonoph. Hell. II, 2, 9. Inschriften: C. I.
f?r. n. 2424—2441 und Add. Vol. II, p. 1081; ältore aus der Zeit vor der
athenischen Krobcruni'^ Im! A. Kirchlioff Studien /nr (Jcscliiclitc dos grie-
chischen Alphabets, /w^itc Aufl., S. 47 ff.; <lazu H. Koliln Hermes II,
S. 454. Auch die altiiu Münzen (Eckhel D. n. v. I, 2, p. M30 s.) geben
die dorische Narncuriloiiu MaXCiav. — Nach der um \\\0 gehaltenen Rede
des (Demosth.) in Theokrin. p. l.*}39 wollten die Athener damals eine
Gcldbusse von 10 Talenten von den Meliern eintreiben, weil diese See-
räubern eine Zuflucht bei sicdi gewährt hatten.
^) Juden: loseph. Ant. lud. XVII, 12; Bell. Itid. II, 7. Uebcr die
Katakomben s. Uoss Inselroisen lll, S. 146 ff.
5()<) III. i>io lii,selwcll.
Die Stiull Melüs') hig am iioitlösllichcii Kmle der grossen
von NoiMlen her lief in die Insel einschneidenden Bucht unter-
halb des aul einem steilen Felsgiplel ganz regellos angelegten
jetzigen lIau])torts Kastro. Ein niedriger Felshügel, dessen platter
(iipfel jetzt eine Ca[)elle des Ilagios Elias und ein verfallenes
Kloster trägt, bildete wahrscheinlich die Akropolis der allen Stadt,
deren in ihren jiniteren Theilen aus grossen jjolygonen Werk-
stücken erbaute Uingmauer sich, wie die, Reste zeigen,, bis zum
(ieslade herabzog. An der Südostseite des Hügels stehen in einer
llachen Bogenlinie eine Anzahl Sessel aus Tufstein mit Uückleh-
nen,'-') welche wahrscheinlich die oberste Sitzreihe eines kleinen
Theaters oder Odeions bildeten. Oestlich davon linden sich die
Keste eines stattlichen in korinthischem Stil erbauten Tempels
(vielleicht des Dionysos), etwas über 100 Schritt südwestlich un-
terhalb desselben ein grösseres Theater mit Sitzreihen aus weissem
Marmor, dessen Scenengebäude jedoch, nach den erhaltenen
Ueberreslen zu schliessen, erst der lömischen Zeit angehörte. '^)
Unterhalb des Thealers erstreckte sich wahrscheiidich die Agora
bis zum Hafen, einer kleinen Einbuchtung der Küste, welche,
durch starke Steindämme geschützt, von Schifl'shäusern und an-
deren Anlagen für Handel und SchilFfahrt umgeben war. Ausser-
halb der östlichen Stadtmauer ziehen sich besonders am nörd-
liclien und westlichen Abhänge der jetzt Klima genannten, mit
spärlichen Oelbäumen bewachsenen Thalschlucht zahlreiche antike
Gräber hin, in welchen ausser bemalten Vasen, Goldschmuck,
geschnittenen Steinen und bronzenen Geräthschaften auch einige
^) Tlmk. V, 115 (wo die Agora erwähnt wird); Diod. XII, 65; Ptol.
III, 17, 11; Eiistath. ad Dionys. Per. 530; Stepli. Byz. u. MqXog] Plin.
IV, 12, 70; über die Keste vgl. besonders Prokesch von Osten I, S. 536 ff.;
II, Ö. 204 ff.; Ross III, S. 6 ff.
2) Prokesch sah im Jahre 1825 noch 20 solche Sessel am Platze,
abgesehen von einigen bei der Ausgrabung von den Arbeitern herausge-
worfenen, Lenormant im Jahre 1829 und Ross im Jahre 1843 nur noch 4.
Die Deutung der Anlage als Odeion, welche durch die auf mehreren
Sesseln befindlichen Inschriften (C. I. gr. n. 2436) unterstützt wird, wird
Lenormant (Annali dell' inst. I, p. 343) verdankt.
^) S. den allerdings vor der im Jahre 1836 durch König Ludwig I. von
Baiern als Eigenthümer des Terrains veranstalteten Aufräumung ent-
worfenen Plan in der Expe'dition scieut. de Moree III, pl. 26, wiederholt
bei Wieseler Theatergeb. Tfl. I, 18; vgl. Ross S. 7 f.
2. Die ostgriechisclien Tiisoln: die Sporaden: Melos. 501
liochbedeutende statnarisclie Werke, die man olTenbar in der Zeil
des späteren Altertlninis vor der Gefahr der Zerstörung liier ge-
borgen bat, wie die berühmte Aphrodite des Loiivre und der
Irefl'Iiche Kopf des Asklepios (nacli anderen Zeus) des brilisclien
Museums (früher in der Sammhuig des Herzogs von Blacas), ge-
funden worden sind.*) Aehnliche, durrligängig in den Tulfboden
eingeschnittene antike Gräber sind an verschiedenen Stellen der
Insel in beträchtlicher Anzahl entdeckt worden und beweisen,
dass im Allerthum ausser der Stadt noch mehrere für uns
namenlose kleine Ortschaften existirt haben. Heutzutage giebt es
ausser dem südöstlich vom alten Hafen gelegenen kleinen Hafen-
orte Adamas ('<? rov ddcc(iavta) und den eine Art Vorstädte oder
Aussengemeinden des Kastro bildenden Dörfern Plaka, Trypiti und
Trion Vasallon noch eine zweite, zwei Stunden südöstlich von
Kastro gelegene Stadt, die von den fränkischen Herrschern des
spätem Mittelalters angelegte Paläa Chora, die bis zum Anfang
unseres Jahrhunderts als Hauptort der [nsel galt, jetzt aber in
Folge ihrer ungesunden Lage in der Nähe von Sümpfen fast ganz
verödet ist.
Zur Gruppe von Melos gehören ausser zwei jelzt Akrariäs
genannten Felsklippen am nördlichen Eingang der grossen Bucht
die Inseln Antimilo, Kimolos, Polybos (oder Polinos) und die zwi-
schen den heiklen letztgenannten und Melos gelegenen ganz klei-
nen Inselchen Ilagios Stathis und Hagios Georgios. Antimilo,
gewöhnlicher Erimomilo (das wüste Melos) genannt, ist eine etwas
über eine deutsche Meile nordwestlich von Melos gelegene baum-
lose und wasserlose Trachytmasse, auf welcher jetzt nur eine Menge
wilder Ziegen mit grossen knotigen Hörnern leben. Dieser Um-
stand legt es nahe, darin die Polyägos der Alten zuerkennen;
doch machen die Stellen der Alten, wo dieser Name erwähnt
wird, es wahrscheinlicher, dass derselbe der etwas grösseren und
') Vgl, für (lif Ajilir.Mlit.- W. I'r.diiior Notice de la scidptiirc ant.i((MO
du miisee du Louvrc Vol. I, p. 172 s., für den Asklepioskopf (ndt wel-
<diem zusammen die Weihinsidirlften an Asklepios und llygicia C. I.
gr. n. 2428 f. gefund«!n wurden) Lenorniant Annali I, p. .341 8. — Aul
«'ine niissverslandene Inschrift aus einer solchen Orahgrotte ist jedenfalls
die seltsame Notiz von dem Grabmal des attischen Königs Menestheus
Im! Bondelmonto (p. 81 e<l. Sinncr) und 1»'i I'nscli vnn Kriciicn (p. 23
1 <l. Ro8h) zurückzuführen.
502 ITT." Die Inselwelt.
anbyiifiiliigercn Insel Polybos (s. untoii) zukommt; auf Aiitimilo
luiiin man verniulliungsvveise den allen Namen Ephyra bezielicnJ)
Eine im Innern mit Mörtel ausgekleidete Cisterne, in welche einige
Slul'en hinabführen, ist das einzige Zeugniss für eine wahrschein-
lich nur vorübergehende Bewohnung der Insel im Alterthum.
Kimoios ^"^ ""^ ^^^'^ *^*"^ Viertelstunde breiter Canal trennt die
Nordoslspitze von Melos von der Süd Westseite der Insel Kimo-
ios (von den Griechen noch jetzt Kimoli, von den Westeuropäern
gewöhnlich Argentiera genannt). Grösstentheils kahl, ohne Quellen
trinkbaren Wassers und wenig angebaut, pioducirt diese jetzt an
Getreide, Wein, Oel, Feigen und Baumwolle kaum die für die
etwa 1200 Seelen betragende Bevölkerung nöthige Quantität.
Im Alterthum waren ihre getrockneten Feigen berühmt; den
Ilauptausfuhrartikel aber bildete die nach ihr benannte *kimo-
lische Erde', ein in ganz Griechenland nur hier vorkommender
Seifenthon, welcher von den Walkern zum Beinigen der Kleider,
von den Badern zum Baden und sogar von den Aerzten als
Heilmittel gebraucht wurde. Ausserdem liefert die Insel einen
trefflichen weissen Baustein, der vielfach ausgeführt wird. 2) Ueber
die Geschichte der Insel im Alterthum ist uns fast nichts be-
kannt; eine Inschrift, welche einen Schiedsspruch des argivischen
Volkes über den zwischen den Meliern und Kimoliern streitigen
Besitz einiger kleinen Inseln zu Gunsten der letzteren enthält,^)
beweist, dass sie zur Zeit der Selbständigkeit von Melos von
diesem unabhängig war; in der Scbätzungsliste der athenischen
Bundesgenossen von Ol. 88, 4 (in welcher freilich auch die da-
mals factisch nicht zum Bunde gehörigen Melier aufgeführt sind)
*) Ste^h. Byz. vL.'E(pvQa- vriaog ov ^cchqccv anb%ov6a Mr]lov. Viel-
leicht entsprechen die von Plin. IV, 12, 56 'in Argolico sinu' angesetz-
ten Inseln Pitynsa, Irine, Epliyre den jetzt Belopulo (oder Kaimeni),
Falconera und Antimilo genannten Inseln (vgl. oben S. 349 f.).
2) Scyl. Per. 48; Dionys. Calliph. Descr, Gr. 138; Strab. X, p. 484;
Athen. III, p. 123''; Stadiasm. in. m. § 284; Ptol. III, 17, 11; Plin. IV,
12, 70 (nach welchem die Insel auch Echinussa genannt wurde); Ovid.
Met. VII, 463; Steph. Byz. u. ZCdri. — 'laxddsg Ki^äXLcti Athen. I,
p. 30 b. Kificokicc yrj Aristoph. Ran. 713 c. scliol.; Theophr. De lapid.
02; Plin. XXXV, 17, 195 und 198; Colum. De re rust. VI, 17, 4; Veget.
Art. veter. II, 29; 32. Vgl. dazu Tournefort I, p. 55 ss. ; Fiedler II,
S. 344 fr.; Koss III, S. 22 ff.
3) Schneidewin (nach Lebas' Abschrift) Philol. IX, S. 588 ff.
2. Die ostgriechischen Inseln: die Sporaden: Kimolos. 503
ist sie mit einem Tribut von 1000 Drachmen angesetzt. Die alte
Stadt Kimolos lag auf einer jetzt nach dem heiligen Andreas be-
nannten Felskiippe, welche heutzutage nur durch ein niedriges,
kaum vom Wasser bespidtes Riff mit der Südwestküste der Insel
zusammenhängt, mit der sie im Altcrthum offenbar durch einen
im Lauf der Jahrhunderte von den Wellen weggespülten Islhmos
verbunden war. Die ganze Klippe ist noch mit Trümmern an-
tiker Gebäude (jetzt Daskalio, d. i. 8 18 aöKa l e lo v , 'Schule' ge-
nannt) bedeckt; die Bucht an ihrer Ostseite bildete, solange der
-Isthmos bestand, einen kleinen aber guten Hafen, längs dessen
sich an der Küste der Insel die Gräber der alten Kimolier hin-
ziehen. ^) In Folge der Zerstörung des Isthmos, welche die Com-
munication mit dem Lande sehr erschwerte, wurde die Stadt —
wahrscheinlich erst in der Zeit der fränkischen Herrschaft, wo
die Insel ein Anhängsel von Melos bildete — an die Stelle, welche
sie noch jetzt einnimmt, an die Südostküste der Insel verlegt.
Auf einem steilen, schwer zugängUchen Gipfel in der Mitte der
Westküste finden sich die Reste einer mittelalterlichen Refestigung,
auf einer Klippe vor der Südküste die Ruinen eines alten Thur-
mes; an der jetzt Prasa genannten Bucht am nördlichen Theile
der Ostküsle sollen noch alte Gräber vorhanden sein.
Die südöstlich von Kimolos gelegene, beträchtlich kleinere Poiyägc
Insel Polybos (auch Pohnos oder Kaimeni, von den Franzosen
und Italiänern Msle brulee, l5ola bruciata' genannt), wahrschein-
lich, wie oben bemerkt, die antike Polyaegos,^) besteht ganz
aus weissem zersetzten Feldspalgestein, das sich in der Mitte der
Insel zu einem 360 Meter hohen Rerge erhebt, an der Südwest-
*) Den Grundplan eines dieser Gräber glebt F. Lenormant in der
l'ovue arch(^ologique n. s. XIV, p. 56 s.
'^) Ptol. HI, 15, 28 (wo die als viiGoq l'^q^og bezeichnete Insel zwi-
schen Jos und Therasia angesetzt wird); Plin. IV, 12, 70; auch bei Scyl.
]*cr. 48 ist, wie schon oben (S. 348, Anm. 1) bemerkt, x«T,i öe tavTtjv
(Ki^toXov) Tlolvcciyog (für vaxtOQog des Cod.) herzustellen. Für die Lage
bei Kimolos zeugt besonders die oben S. 602, Anm. .3 erwähnte Inschrift,
in welcher Z. 9 ff, bestimmt wird KiyaoXCtov ri^tv IIoXvaLyccv^'EtrJQBiav (?),
Aißsiav: die beiden letzteren Namen sind auf die westlich von Polybos
gelegenen Inselchen Hagios Stathis und Hagios Ocorgios zu beziehen.
Vgl. iilicr Polybos liondeimonte p. 80 (welcher 'formae casarum* d. i.
wohl in den Fels gCBchnittene Fundamente von Häusern erwähnt); Pasch
van Krienen p. 21; Fiedler II, 8. 364 flf.; Rosa III, 8. 26.
Phnlpgan-
dros.
rj04 TIT. Di(; Inselwelt.
küstc steil iiarli den» Meere ahfjillt, wiilireml die Nordseile der
Fnsel .iiibaiifäliig isl. Etwas siidlicli iinterliall) des liöclisten Gipfels
ölTnet sich eine geräuiiiige, von der Natur gel)ild<'(e, aber an
einigen Stellen von Menschenhänden bearbeitete Höhle, in welcher
sich Opale in beträchtlicher Menge linden. Im Allerthnm mach-
ten sowohl die Melier als die Kimolier anf «len Uesitz der Insel
Ansprnch, ein Streit, welcher durch die zu Scbiedsri<-htein ge-
wählten Ai'giver zu Gunsten .der Kimolier entschieden wurde, die?
noch jelzt die eine Hallte der Insel besitzen, während die andere
den Meliern gehört. Schon zur Zeit des Ptolemäos war die Insel
unbewohnt; im Mittelalter stand eine Zeitlang ein Kloster darauf,
das aber auch bald wieder verlassen wurde, so dass ausser ver-
wilderten Ziegen nur einzelne Hirten darauf hausten; erst neuer-
dings haben sich einige Familien d.aselbst angesiedelt.
Oestlich von der bisher betrachteten Gruppe zieht sich eine
Reihe von Inseln hin, welche nicht, wie jene, aus vidkanischem
Gestein, sondern aus Glimmerschiefer (im östlichsten Thelle Thon-
schiefer) und krystallinisch-körnigem Kalk besteht. Die west-
lichste dieser Inseln, Pholegand ros^) (jetzt im Volksmuude
Polykandro), ist ein von Nordwest nach Südost V/^ ^hnitsche
Meile langer, durchschnittlich Vo Stunde breiter Gebirgsrücken,
welcher fast an allen Seiten in steilen und schrofTen , bisweilen
senkrechten Wänden gegen das Meer abstürzt; nm- an der Süd-
oslseite ist eine Einbuchtung, welche den einzigen nicht ej)en guten
Hafen der Insel bildet. Während die ganze Osthäifte aus dürren
Kalk- und Marmorfelsen besteht und daher völlig unfruchlbar
ist — weshalb ein alter Dichter die Insel als die ^eiserne' Iie-
zeichnet hat — , ist die aus Glimmerschiefer bestehende West-
hälfte in Folge der starken Verwitterung dieses Gesteins aus-
reichend mit Erde bedeckt und liefert einen für die Bedürfnisse
der et\^« 1500 Seelen J»etragenden, theils von Ackerbau, theils
von' Viehzucht lebenden Bevölkerung völlig ausreichenden Ertrag
an Getreide, Gel und Wein. Die alten Bewohner waren, wie die
1) Solon. frg. 2 Bergk; Strab. X, p. 484, 48^»; Antliol. Pal. IX, 421, 3;
schol. Dion. Per. 132; Ptol. III, 15, 32; Stepli. Byz. n. ^oUyccvÖQO?-,
Plin. IV, 12, 68: vgl. Tournefoit I, p. 99 s.; Fiedler II, S. 145 ff.; Ross F,
S. 146 ff. Pasch van Krienens Notiz von einem Tempel der Latona
(p. 24) scheint mir aus der missverstandenen Stelle iles Aratos hei Strab,
X, p. 486 fingirt zu sein.
2. Die ostgriechisclien Inseln : die Sporaden: Pholegandros. 505
Inschriften^) lehren, dorischer Nationalität, offenhar weil die Insel,
sei es von Lakonien, wie Melos und Thera, sei es von Kreta aus
(der Heros eponymos IMioIegandros galt als Sohn des Minos) co-
lonisirt worden war; doch gehörten sie, freilich Mohl nicht frei-
williger Weise, dem athenischen Seehunde an, wenigstens sind sie
in der Schätzungsliste von Ol. 88, 4 mit einem Trihut von
2000 Drachmen angesetzt. Ihre Stadt lag in der östlichen Hälfte
der Insel, eine Stunde nördlich von der Ilafenhucht, auf einer
spitzen Felshöhe, welche noch einige antike Mauerreste und die
Trümmer eines Schlosses aus dem Mittelalter (während dessen
die Insel die Schicksale von Siphnos und Sikinos theilte) trägt;
eine grosse zum Theil aus antiken Werkstücken erbaute Kirche
am Südahhange scheint auf der Stelle eines alten Heiliglhums
(vielleicht des der Artemis Selasphoros)^) zu stehen; unterhalb
derselben liegt das jetzige Städtchen. In der Nordostseite des-
selben Berges findet sich etwa 30 Fuss über dem Meeresspiegel
eine von der Landseite fast gar nicht, vom Meere her nicht ohne
Schwierigkeit zugängliche Grotte (jetzt Chrysospiläa ^die Gold-
grotte' genannt) mit schönen Tropfsteinhildungen, einigen für
Weihgeschenke bestimmten Nischen und einer theils griechischen,
theils lateinischen Inschrift, ^) welche die Namen antiker Besucher
der Grotte zu enthalten scheint.
Zwischen der Südostspitze von Pholegandros und der Süd-
westspitze von Sikinos liegt, von einigen ganz kleinen Eilanden
umgeben (zwei, Adelphia genannt, gegen Westen, vier, 'Mermingia',
gegen Osten), die kleine Insel Kardiotissa, die alte Lagussa,"^)
ein öder höhlenreicher Kalkfelsen, welcher von den Pholegan-
driern und Sikineten als Weideplatz für ihre Ziegenheerden be^
nutzt wird.
•) S. C. I. gr. n. 2442-45; Add. V^ol. II, p. 1082; PV. Lonorm.-int
Kevuc archeolog. n. s, XI, p. 124 ss.
2) Den Cult dieser Göttin bezeugt die von Lenormunt a. tx. O. p. 126,
ii. 5 veröffentlichte Inschrift.
3) C. I. gr. n. 2444«» (Vol. II, p. 1082). In der Nähe der Grotte
Hclieint ein Heiligtlinm des Apollon nQOCTarrjQiog gestanden /u liabcn
nach den Inschriften bei Lenormant a. a. O. p. 127, n. 7 — 1>.
*) Strab. X, p, 484; Steph. Byz, u. Aayovaa: vgl. Fiedler II, S. inO;
l.'r.ss I, S. 149.
BUR8IAN, OEOQR. II. M
506 ITI. Die Inselwelt.
Sikinos. Sikinos,^) (las noch jetzt seinen alten Namen bewahrt hat,
ist ein von Südwest nach Nordost streichender Gebirgszug von
ganz ähnlicher BeschalTenheit wie Pholegandros, aber etwas länger
und breiter. Die Küsten sind ganz hafenlos; nur an der Südost-
seite findet sich eine offene Bucht, die den Schiffen gegen Süd-
winde gar keinen Schutz gewährt. Das Ilauptproduct der Insel
ist Wein, daher sie im Alterlhum auch den Namen Oinoe ge-
führt haben soll, ausserdem wird etwas Oel, Feigen, Baumwolle,
und Getreide erbaut.
Die Sage, welche den Heros eponymos Sikinos zu einem
Sohne des Thoas, Königs von Lemnos, macht, lässt vermuthen,
dass in alten Zeiten Minyer aus Lemnos sich hier angesiedelt
haben. Von den alten Historikern wird die Insel gar nicht er-
wähnt; aus Steinurkunden ersehen wir, dass sie sowohl dem
älteren als dem neueren attischen Seebunde angehörte und demo-
kratische Verfassungsform hatte, ^j Während der Herrschaft der
Franken im Archipel theilte sie, wie Pholegandros, die Schicksale
von Siphnos (vgl. oben S. 481). Von der alten Stadt der Sikine-
ten, welche ungefähr eine halbe Stunde nordwestlich von dem
Landungsplatze auf einem hohen und sehr schroffen Berggipfel
lag — die neuere Stadt liegt gegen 172 Stunde weiter nordwest-
lich auf einem gegen Norden steil zum Meere abfallenden Berg-
rücken — sind ausser zahlreichen Marmorblöcken und Scherben
nur Reste der Ringmauer, Terrassenmauern, Gebäudefundamente,
Gisternen und Gräber erhalten; dagegen findet sich nordöstlich
von da in einer Einsenkung zwischen dem Berge, welcher
die Stadt trug, und dem höchsten Gipfel der Insel ein bis auf
1) Sol. frg. 2 ßergk; Scyl. Per. 48; Apollon. Rhod. A, 623 ss. c. schol.;
Strab. X,p. 484; Stadiasm. m. m. 273; Ptol. III, 15, 32; Etym. M. p.712, 48;
Steph. Byz. u. Zi'nLvog; Plin. IV, 12, 69. Auf Weincultur deutet ausser
dem Namen Oinoe auch die Traube als Typus der Münzen von Sikinos.
Vgl. Tournefort I, p. 98 s.; Fiedler II, S. 151 ff.; Ross Archäol. Aufs. II,
S, 480 ff.; Inselreisen I, S. 149 ff.; Reinganum Zeitschrift für die Alter-
thumswissenschaft 1838, N. 86 ff., S. 697 ff.
2) In der Schätzungsliste von Ol. 88, 4 sind die Ziyuvrjtai mit
1000 Drachmen angesetzt (U. Köhler Urkunden S. 70), in der Bundes-
urkunde von Ol. 100, 3 (Rangabe' Ant.^hell. II, p. 373 s.) erscheinen
Col. B, Z. 30 die Ziv,iVLXui; in den- Inschriften C. I. gr. n. 2447 b, <i
und e (Vol. II, p. 1083 s.) werden ?) ^ovXri vml 6 SijfioSj ccQXOvreg,
TtQocKTOQsg Und ayoQKvofioL aufgeführt.
2. i)ie ostgriechischen Inseln: die Sporaden: Sikinos. 507
das Dach und die Ostfront wohl erhaltener Tempel des ApoUon
Pythios, welcher seine Erhaltung der Verwandlung in eine christ-
liche Kirche (die sogenannte Episkopi, d. i. Bischofssitz) verdankt.
Der 10,40 Meter lange und 7,30 Meter hreite, aus einheimischem
hläuHchem Marmor erbaute Tempel stammt, wie die Mischung
verschiedenen Stilgattungen angehöriger Elemente sowie die plumpe
und rohe Ausführung der Details zeigt, aus der Zeit des Verfalls
der griechischen Architektur: die Westfront zeigt zwei uncane-
lirte Säulen mit Basen und dorischen Capitälen zwischen Anten,
der ausgehauchte Fries ist schmucklos, die untere Seile des Dach-
kranzes mit ionischen Zahnschnitten verziert. ^) Ausserdem sollen
noch auf dem jetzt Malta genannten nordöstlichen Cap der Insel
Reste einer alten Ansiedelung vorhanden sein.
Die östlich von Sikinos gelegene, zwei deutsche Meilen lange los.
und durchschnittlich eine Meile breite Insel los^) bildet eine
mächtige, theils aus Glimmerschiefer und krystallinisch-körnigem
Kalk, theils aus Granit und Gneis bestehende Gebirgsmasse,
welche in dem ungefähr in der Mitte ' der Insel aufsteigenden
*) Vgl. die Beschreibung (mit Abbildung) bei Ross Inselreisen I,
S. 150 ff.; dazu A. Michaelis Annali t. XXXVI, p. 264 ss. (mit Tav. d'agg.
K, 6). Ross giebt ausdrücklich an, an der Ostseite könne kein antiker
Eingang gewesen sein, weil diese Seite ganz schmucklos sei und der
Unterbau sich nicht über den Tempel hinaus erstrecke. Freilich ist eine
solche Orientirung nach Westen für den Tempel einer olympischen Gott-
heit (die Beziehung auf den Apollon Pythios giebt die Inschrift C. I. gr.
n. 2447'') höchst auffällig; doch wage ich ohne Autopsie nicht zu ent-
scheiden, ob nicht etwa bei der Umwandlung in eine christliche Kirche
die ganze Ostfront sammt ihrem Unterbau entfernt worden ist, so dass
der Tempel ursprünglich an beiden Fronten je eine durch zwei Säulen
zwischen Anten gebildete Vorhalle gehabt hätte, wie der Tempel der
Artemis Propyläa in Eleusis.
*j Der von Steph. Byz. u. "log von den ionischen Bewohnern her-
geleitete Name dürfte eher (mit Plut. Sertor. 1) von l'ov, Veilchen, her- .
zuleiten sein, wie auch der andere Name ^oiVLxrj, welchen nach Stoph.
Byz. a. a. O. und Plin. IV, 12, 69 die Insel in alten Zeiten führte, wohl
nicht auf phönikische Ansiedler, sondern auf Palmen, die im Alterthum
auf der Insel wuchsen (die Palme erscheint auch auf Münzen der Insel:
s. Eckhel D. n. v. I, 2, p. 329, und Ross fand wenigstens noch eine Palm©
(bwjelbst), zurückzuführen ist. Der von neueren (Geographen viel ge-
hrauchte Name Nio ist nur eine Entstellung aus dem griechischen Ac-
'usativ 's T^v 'l6. Vgl. über die Insel Tournefort I, p. 95 s.; Fiedler
II, S. 203 ff.; Ross Inselreisen I, 8. 164 ff.; III, 8. 162 ff.
34*
508 TIT. Die Inselwelt.
Gipfel des Ilagios Klias ihre grössle Ilölie (735 Meter) erreicht.
Der Boden ist ziemlich fruchtbar und verhältnissnuissig gut an-
gebaut: an Wein, Oel, Getreide und Baumwolle wird mehr pro-
ducirt als der Bedarf der Bevölkerung betragt; auch die Vieh-
zucht ist nicht unbedeutend. Als eine werthvolle Mitgift für den
Seeverkehr hat die Insel von der Natur einen treiriichen Hafen
(jetzt nach dem Hagios Nikolaos genannt) am nördlicheren Theile
ihrer Westküste erhalten. Dass sie frühzeitig von Bewohnern
ionischer Nationalität besetzt worden ist, beweist nicht nur ihre
Zugehörigkeit zu der Amphiktyonie von Delos, sondern auch die
Existenz einer alten homerischen Sängerschule, welche durch die
Sagen von den persönlichen Beziehungen des Homer zu der Insel
bezeugt wird. Nach der Tradition der leten nämlich wäre zur
Zeit der ionischen Wanderung ein ietisches Mädchen, Klymene
(oder Kritheis) mit Namen, von einem Dämon geschwängert und
als sie sich, um ihre Schande zu verbergen, an einen Aegina
genannten Platz zurückgezogen hatte, von Bäubern entführt, nach
Smyrna gebracht und dem Könige der Lyder, Mäon, zum Geschenk
gemacht worden; dieser hätte sie geheiralhet und als sie am Ufer
des Flusses Meles den Homer geboren, den Knaben wie sein
eigenes Kind auferzogen. In hohem Alter wäre der Dichter (des-
sen Bild die leten auch auf ihre Münzen setzten) auf einer Fahrt
nach Theben (oder nach Athen) begriffen auf los gelandet und
daselbst gestorben und begraben worden; noch im zweiten Jahr-
hundert n. Chr. zeigte man den Fremden sein Grab und an einer
anderen Stelle der Insel das seiner Mutter. ^)
Aus der historischen Zeit des Alterthums wissen wir nichts von
den Schicksalen der Insel, ausser dass sie dem älteren attischen
Seebunde angehörte. Nach der Eroberung von Konstantinopel durch
die Franken wurde sie zuerst von den Herzögen von Naxos be-
herrscht, aber im Jahre 1269 von den Byzantinern erobert, denen
*) Paus. X, 24, 2; Aristot. bei (Plut.) De vita et poesi Hom. 3 f.;
(Herod.) Vita Hom. 34flf.; vgl. Scyi. Per. 58; Strab. X, p. 484; Anthol.
Pal. VII, 1; 2; Plin. IV, 12, 69. An die angebliche Auffindung des Gra-
bes durch Pasch van Krienen (Breve descrizione der arcipelago p. 35 ss.)
wird wohl trotz der Vertheidigung von Ross (in seiner Ausgabe der
Reisebeschreibung Pasch van Krienen's S. 128 ff.; Inselreisen I, S. 156 ff.
und III, S. 152 ff.) Niemand mehr glauben; vgl. Welcker Kleine Schrif-
ten III, S. 284 ff.
2. Die Oir^tgriechischen Inseln: die Sx^oraden: Tos. 509
sie 1292 durch den Venezianer Dominico Schiavo entrissen ward;
nach dessen Tode (um 1322) wurde sie wieder mit dem Herzog-
Ihum Naxos vereinigt, im Jahre 1397 aber vom Herzog Fran-
cesco I. Crispo seinem fünften Sohne Marco übergeben, der sie
seinen Nachkommen vererbte; im Jahre 1508 kam sie als Erbe
der Adriana, der einzigen Tochter Marco's !![., in Besitz des
Gatten derselben, des Alessandro Pisani, der sie im Jahre 1537
an die Türken verlor.*)
Die alte Stadt der leten lag auf derselben Stelle wie die
heutige, eine Viertelstunde östlich vom Hafen (an dessen inner-
stem Ende ein kleiner Felshügel Spuren einer alten Niederlas-
sung, also einer kleinen Hafenstadt,^) bewahrt, wie auch halb-
wegs zur Stadt, zur Linken des Wegs, die Fundamente eines
grossen antiken Gebäudes erhalten sind), an einem steilen Berge,
dessen Gipfel, ohne Zweifel die antike Akropolis, die Trümmer
eines mittelalterlichen Schlosses trägt. Unter den Tempeln der
Stadt war wohl der bedeutendste der in zahlreichen Inschriften'"*)
erwähnte des Apollon Pythios, dessen Stelle die jetzige Kirche
Johannes des Täufers einzunehmen scheint; als Burggottheiten
wurden wahrscheinlich Zeus Polieus und Athene Polias verehrt.
Ausserdem finden sich noch an mehreren Punkten der Insel Spu-
ren hellenischer Ansiedelungen: in der Ebene nordöstlich von der
Stadt die Beste einer aus langen schmalen Schieferstücken er-
bauten Burg; nahe dem höchsten Gipfel des Gebirgs bei zwei
kleinen Kirchen Marmorblöcke, Säulenreste und Capitäle; auf
einem Hügel in der Nähe der kleinen Bucht Plakotos an der
Nordseite der Insel dje Ruine eines kleinen Wartlhurmes aus
bläulichen Marmorquadern (jetzt ^ Psaropyrgos ' d. i. Fischthurm
genannt) und zahlreiche alte Gräber; bei der Kirche der Hagia
Theodole nahe der Ostköste am Bande eines gegen Nordosten
sich öffnenden, von einem Bache durchflossenen anmuthigen Thaies
Marmorstücke und andere * Baureste und alte Gräber; endlich
<) S. Hopf Wiener Sitüungsber. IUI 32, S. 417 ff. und S. 502 f.
2) Vgl. Scyl. Per. 68: "io? x«l liiirtv.
^) Ko88 In.scr. gr. ined. Fase. H, n. 95 und 96; Fase. III, n, 317
und 318; Fr. Lenormant Rhein. Mus. n. F. Bd. XXU, S. 294 f., n. 293,
294 und 295. Zeus Polieus und Athene Polias: Ross a. a. O. Fase. II,
n. 93. Athene er chcint auch ;tuf Münzen von los: Kckhcl D. n. v. 1,2,
l». 329 s.
510 in. Die Inselwelt.
südösllich von da, in einem fruchtbaren jetzt Psatlii genannten
Tliale (südlich von einem steilen Vorgebirge, das eine ansehnliclie
Festung aus der Zeit der fränkischen Herrschaft trägt) die Reste
eines kleinen Heiligthums einer unter dem Beinamen IMiythalmios
verehrten Gottheit (des Dionysos oder des Poseidon). ')
iicrakieia. Zwisclieu der Nordostseite von los, der Südseite von Naxos
und ' der Westseite von Amorgos liegt eine Gruppe von fünf
grösseren und einer Anzahl ganz kleinen Eilanden, welche sämmt-
lich heutzutage keine feste Bevölkerung haben (daher Erimonisia
genannt), sondern nur zeilweise von Hirten und Ackerbauern von
Amorgos (zu welcher (nsel sie jetzt gehören) bewohnt werden. ''^)
Die südwestlichste derselben, welche ihren alten Namen Hera-
kleia mit Verlust des Anlauts (Raklia) bewahrt hat, hat an der
Südseite eine Bucht, welche den Schiffen Schutz vor Stürmen,
aber keinen Ankergrund bietet; auf einem steilen Felshügel ober-
halb derselben sind Reste von einer kleinen befestigten helleni-
schen Ortschaft erhalten, die nach inschriftlichen Zeugnissen
Heiligthümer der Tyche (Tychäon) und des Zeus Lopheites ent-
hielt. 3)
schinussa. Die östUch vou hier gelegene weit kleinere und niedrigere
Insel Schinussa, welche diesen ihren antiken und modernen
Namen ^) den Mastixsträuchern (Pislacia lentiscus, griechisch öxt-
^) Inschrift bei Ross Inscr. gr. ined. II, n. 97 (vgl. Inselreisen I,
S. 172 f.), der Jio[vvGcp] ^vrccXfito) ergänzt; doch können die Buchsta-
ben z/to auch, wie Böckh bemerkt (C. I. gr. Vol. II, p. 1084), Reste vom
Namen des Vaters des Weihenden sein, '^vralfiLog erscheint am häu-
figsten als Beiname des Poseidon (Paus. II, 32, 8; Plut. VII sap. conv. 15;
Quaest. symp. V, 3, 1), aber auch des Zeus (Hesych. u. ^vräl^Log Zav's);
bei Plut. De virt. mor. 12 wird Dionysos als o cpvxaX^iog d^sbg ■Kai '^fie-
Qidrjg bezeichnet.
2) Vgl. über diese Inseln Tournefort I, p. 92 ss.; Fiedler II, S. 318 ff.;
Ross I, S. 173; II, S. 34 ff.
^) Baumeister im Philologus Bd. IX , S. 392 f. Die Insel wird nur
von Steph. Byz. u. '^Hqo.v.Xho. und vielleicht von Plin. IV, 12, 70 (codd.
Hieracia und Cheratia) erwähnt.
■*) Plin. IV, 12, 68. — - Steph. Byz u. Zxivovooa und Hesych. u.
Sxivovvta erwähnen eine gleichnamige Insel bei Phokis: entweder die
jetzt Ampelonisi oder die Tzarukonisi genannte (beide im südlichsten
Theile des Golfs von Aspraspitia gelegen). Ob die Buchstaben ZXI auf
einem in Alexandria gefundenen Henkel eines Thongefässes (C. I, gr.
2. Die ostgriechischen Inseln: die Sporaden: Herakleia u. s. w. 511
vog) verdankt, mit welchen der Boden, soweit er nicht wieder
zum Feldbau urbar gemacht, bedeckt ist, trägt in zahlreichen
antiken Terrassen deutliche Spuren sorgfältigen Anbaues im Aller-
thum, während nur einige Quadern und Säulentrömmer in der
Capelle des Metochi (Nebenklosters) des Klosters der Panagia Cho-
zoviotissa auf Amorgos, welchem die Insel gehört, ein nicht ein-
mal ganz sicheres Zeugniss (denn die Trümmer können von
anderswo her verschleppt sein) von der Existenz einer alten Oxt-
schaft geben. Ruinen eines Dorfes aus dem Mittelalter liegen
an der Südvvestseite der Insel.
Nordöstlich von Schinussa liegen, nur durch einen schmalen Phacussä.
Canal, welcher einen guten Hafen bildet, von einander getrennt
zwei wegen ihres leichten, trockenen, aber nicht unfruchtbaren
Bodens jetzt Kuphonisia genannte Inselchen, jede mit einem Dörf-
chen von 20 — 30 Häusern besiedelt: vielleicht die Phacussä
der Alten J) Die südwestlichere flachere und kleinere (jetzt Rato-
Kuphonisi) enthält keine sicheren Spuren antiker Bewohnung; auf
der nördlicheren (Ano-Kuphonisi) dagegen finden sich hellenische
Gräber, ein antiker Sarkophag und mehrere Marmorstücke, sowie
Ruinen mittelalterlicher Bauten.
Südöstlich von den Kuphonisia, östlich von Schinussa erhebt Kena.
sich die Insel Keros, ein hoher und rauher Bergrücken, an dessen
Abhängen sich nur wenige zum Ackerbau geeignete Stellen finden;
sie dient jetzt als Weide für die Ziegenheerden des Klosters der
Panagia auf Amorgos, dessen Eigenthum sie ist. Offenbar ist sie
die alte Keria, welche in der Schätzungsliste der athenischen
Bundesgenossen von Ol. 88, 4 mit einer Steuer von 10y2 Drach-
men angesetzt ist. ^) Die Stelle der alten Ortschaft ist noch nicht
II. 8519*', Vol. IV, p. 263) sich auf eine Oertlichkeit Schinussa beziehen,
i^t selir zweifelhaft
') ^äyiovoai vrjGOi (ohne nähere Bezeichnung der Lage) Steph. Byz.
II. ^äyiovaa; Phacussä Plin. IV, 12, 68. Woher Bondelmonte (p. 98)
den Namen Podia für diese beiden Eilande hat, ist mir unklar.
') S. U. Köhler Urkunden S. 200. Der Name der Insel (die auch
beim Geographus Kavennas V, 21, p. 396, 9 ed. Pinder et Partlioy als
Cerus erscheint) ist von C. Müller (Geographi gr. min. I, p. 499) mit
Recht im Stadiasm. m. ra. § 282 {Ktgeia für KoQoia des Cod.) hergestellt
worden. Bondelmonte (p. 98) erwähnt ohne nähere Ortsangabe Spuren
alter Bewohnung auf liaklia und Koros.
512 III. Dio liisülwelt.
aurgcriiiulen: auf der kleinen Klippe Daskalio an der Westküste,
Sciiinnssa gegenüber, linden sich einige Ruinen, die aber dem
Mittelalter anzugehören scheinen.
Amorgos. OestHcli vou dcr Gruppe der Erimonisia, zu welcher ausser
den von uns geschilderten noch eine Anzahl ganz kleiner Eilande
gehört, für welche sich weder Spuren antiker Bewohnung noch
antike Benennungen nachweisen lassen, liegt die von Sudwest
nach Nordost vier deutsche Meilen lange und durchschnittlich etwa
eine Meile breite Insel Amorgos,^) die östlichste der zum König-
reich Hellas gehörigen Inseln. Sie wird in ihrer ganzen Länge
von einer Kette hoher, kahler Berge durchzogen, welche gegen
Osten überall steil nach dem Meere abfallen; gegen Westen sind
die Abhänge milder und wir finden hier einige fruchtbare Thäler
und ein Paar treffliche Ilafenbuchten; der südlichste Theil dagegen
besieht aus dürren Felsmassen und ist mit Ausnahme einiger wie
Oasen an sanften Einbuchtungen des Gebirges angelegten Gärten
gar nicht angebaut. Die Ilauptproducte der Insel waren im Alter-
thum Wein, Oel und Baumfrüchte, 2) der wichtigste Industriezweig
die Bereitung feiner, fast durchsichtiger Gewänder, die aus einer
besonderen Art feinen Flachses gewebt und vermittels einer noch
jetzt auf Amorgos häufig vorkommenden Flechte (wahrscheinlich
der Roccella tinctoria) roth gefärbt wurden.^) Die ältesten
*) Nach Stepli. Byz. u. 'Afiogyog soll sie auch P.mkale und Psy-
chia, nach Plin. IV, 12, 70 Patage oder Piatage genannt worden
sein. Vgl. über die Insel Tournefort I, p. 89 ss. ; Fiedler II, S. 325 ff.;
Eoss I, S. 173 ff. und II, S. 39 ff.; über die Münzen derselben P. Lam-
pros in der 'jQxaioloyL^f] 'Eq)7j(iSQlg Usq. B', H. 14, S. 352 ff. und
P. Becker ""Eine Studie über die Münzen von Amorgos' Wien 1871 (aus
der Numismatischen Zeitschrift von Huber und Karabacek I3d. II). Sehr
zahlreich sind die Inschriften: s. C. I. gr. n. 2264 und Add. Vol. II,
p. 1031 ss.; Ross Archäol. Aufs. II, S. 633 ff.; Inscr. gr. ined. II, n. 112
— 144; III, n. 314—316; Leontieff Monatsber. d. Berliner Akad. 1854,
S. 684 ff.; Baumeister Philol. IX, S. 388 ff.; Lenormant Rhein. Mus. n. F.
Bd. XXII, S. 290 f., n. 279 — 281; Henzen Annali t. XXXVI, p. 95 ss.;
'Eq)rj^fQlg tav ^iXo^ccd-cöv vom 24. Miirz 1866, S. 915 f., n, 592; 'Aq^kloXo)'.
'Eq)r]asQlg Usq. B', H. 4, n. 77.
2) Heraclid. De reb. publ. 19: für die Bedeutung des Weinbaus zeugt
auch der in allen drei Städten der Insel heimische Cult des Dionysos.
^) Aristoph. Lys. 150 c. schol.; Poll. VII, 74; vgl. Büchsenschütz
Die Hauptstätten des Gewerbfleisses im klassischen Alterthum S. 68 f.;
Blümner Die gewerbliche Thätigkeit der Völker des klassischen Alter-
2. Die ostgricchisclien Inseln; die Sx^oraileu: Amorgos. 513
Bewohner der Insel mögen, nach dem Namen der Stadt Minoa
zu schliessen, Kreter (oder vielleicht auch Phöniker) gewesen sein.
Ionische Einwanderer erhielt sie zuerst von Naxos;^) dann sandten
(um Olympiade 20) die Samier eine Colonie dorthin, welcher die
(Gründung (beziehendlich Neugründung) der drei Städte der Insel,
Minoa, Aegiale und Arkesine zugeschrieben wird.^) Später, wahr-
scheinhch nach der Zerstörung von Milet durch die Perser (495
V. Chr.), liess sich eine Schaar von Milesiern in Aegiale, der
nördlichsten von diesen drei Städten, nieder. ^^) Dass die drei
Städte trotz dieser verschiedenen Elemente der Bevölkerung bis
ins vierte Jahrhundert v. Chr. durch ein gemeinsames politisches
Band zu einem staatlichen Ganzen verbunden waren, geht daraus
hervor, dass sowohl in den athenischen Tributlisten als in der
Bimdesurkunde von Olympiade 100, 3 nur die Amorgier überhaupt,
nicht die Bewohner der einzelnen Städte aufgeführt werden; aber
vom dritten Jahrhundert v. Chr. an findet sich von einer solchen
Vereinigung keine Spur mehr, sondein die drei Slädtc erscheinen,
wie noch in der römischen Kaiserzeit (wo die Insel auch als Ver-
baimungsort benutzt wurde) als selbständige Staaten, '^j ja seitdem
zweiten Jahrhundert n. Chr. trat aus uns unbekannten Ursachen
thums S. 94 f.; für das Färbemittel Tournefort I, p. 89; Fiedler IT,
S. 330 f.
•) Steph. Hyz. ii. 'j4noQy6g; scliol. Dionys, Per. .525.
2) Suid. u. Zififitccg, der den lanibendichter Simonides als Führer
dieser Colonie nennt; da dieser aber sonst als Amorginer aus Minoa be-
zeiclinct wird ^Steph. Byz. u. 'A^ogyos', Strab. X, p. 487), so wird diese
Führerschaft eher seinem Vater Krines zuzusehreiben sein. Zäynot ot
'A(iOQy6v Mstvcoav yiazoiyiovvTsg Inschrift in Annali t. XXXVI, p. 96
(dieselben in derselben Inschrift Z. 35 f. als 6 d^fiog 6 MsivcorjTCÖv be-
zeichnet\
^) MeiXiJGtOL OL ^ApLoqyov AlytKlrjv yiuzotytovvTsg C. I. pr. n. 2264;
Leontieff S. 684 und 686; Ross Inscr. II, n. 120 und 121; Rhein. Mus.
Bd. XXII, S. 290, n. 279. Da keine dieser Inschriften älter zu sein
scheint als das zweite Jahrhundert n. Chr., nimmt P. lietker (Studio
S. 26) an, dass die Niederlassung der Milesier einer viel jüngeren Zeit
angehöre als die der Samier; doch wüsste ich keine passendere Veran-
lassung zu jener Niederlassung als dir im Texte angenommene. Dass
auch in Minoa eine mihisische Genx indt , \i.sfirt habe, ist aus der IJe-
zeichnung de« Karpos Sohnes des Ktesios 'MfiXriaiov xov v,nl'A^iOQyhi-
voi) Mtivoqtov' (H()S8 Inscr. II, n. 112) schwerlich zu folgern: der
Minn hatte wohl nur für sich das Bürgerrecht in Minoa erhalten.
*) ^Vgl. P. Becker Studie 8. 8. Vorbannungsort: Tac. Ann. IV, 13; 30.
514 in. Die Iiißelwelt.
(las Devvusstsein der verschiedenen Abstammung wieder so lebhaft
heror, dass die Bewohner von Minoa sicli officiell als 'Samier,
vveh;he Amorgos Minoa bewohnen', die von Aegiale als 'Milesier,
welche Amorgos Aegiale bewohnen' bezeichneten. ^)
Sehr vvechselvolle Schicksale hat Anjorgos in der Zeit von
der fränkischen Eroberung bis zin^ türkischen Occupation des
Archipels gehabt. Anfangs zum Herzoglhum Naxos gehörig, wurde
es bald von der Flotte des Kaisers Johannes Valatzes von Nikäa
erobert und von diesem dem ihm befreundeten Geremia Ghisi
überlassen, der die damals ganz verödete Insel — die Einwohner
waren nach Naxos ausgewandert — neu coionisirle und das jetzt
Apanokastro genannte feste Schloss auf einem steilen Felsen ober-
halb des jetzigen Städtchens Amorgos erbaute. 1269 wurde die
hisel von den Byzantinern erobert, aber 1296 von Giovanni I. Ghisi
in Besitz genommen und im Frieden mit Byzanz 1303 ihm und
seinen Nachkommen garantirt, jedoch nach seinem Tode (1309)
von dem Herzog Guglieimo I. von Naxos occupirt, der eine Hälfte
seinem Admiral Dominico Schiavo, dem Herren von los, und dessen
Bruder Marco, die andere Hälfte dem venezianischen Patricier
Marco Grimani, dem Besitzer eines Theiles der Insel Astypaläa,
übergab. Der Antheil der Schiavi wurde im Jahre 1352 von
den Enkeln Marco's I., Marco H. und Giovanni, den Nachkom-
men des Giovanni Ghisi zurückgegeben, aber schon 1365 theils
von (len Venezianern, theils von den Sanudi von Naxos occupirt
und endlich um 1421 dem Giovanni Quinni, Herrn von Astypaläa,
übertragen, der 1446 auch die bis dahin von den Grimani be-
sessene Hälfte erwarb, so dass von da an bis zur Eroberung durch
die Türken (1537) die ganze Insel im Besitz der Quirini blieb. '^)
Im Alterthum war die Insel unter die drei Städte^) in der
Weise verlheilt, dass der mittlere Theil das Gebiet von Minoa,
der nördlichste das von Aegiale, der südlichste das von Arkesine
bildete. Minoa, die älteste und jedenfalls bedeutendste derselben,
lag ungefähr in der Mitte der Westküste, an der Südostseite der
jetzt Porto Vathy oder Katapola genannten geräumigen und sichern
1) S. S. 513 Anm. 2 und 3.
2) S. Hopf Wiener Sitzungsber. Bd. 32, S. 452 ff. und S. 602 f.
3) S. Scyl. Per. 58; Ptol. V, 2, 31; Steph. %z. \i.'AiiOQy6g und 'Aq-
y,sGivri: dass an letzterer Stelle MblavCa statt AlyiaXr] als dritte Stadt
genannt "wird, halte ich für ein blosses Versehen des Excerptorg.
2. Die ostgriechischen Inseln: die Sporaden: Amorgos. 515
Bucht, die noch jetzt den Hafen des ziemlich eine Stunde weiter
östlich auf dem hohen Rücken der Insel gek'genen Städtchens
Amorgos bildet. Die alte Stadt zog sich, wie die noch erhaltenen
Reste der Ringmauern, zahlreiche gewölbte Grabkammern, Trüm-
mer von Tempeln und anderen Gebäuden, Felsterrassen mit Ge-
bäudefundamenten zeigen, vom Strande aus an den Abhängen
eines etwa 600 Fuss hohen Berges hinan, dessen grösslentlicils
aus wild zerklüfteten Felsmassen bestehender Gipfel, der nur eine
theilweise Ummauerung erforderte und gestattete, die Akropolis
bildete. In der unteren Stadt zunächst dem Hafen lagen mehrere
Tempel, wie die des Apollon Pythios und des Ai)ollon Delios;
an den unleren Abhang des Berges lehnte sich wahrscheinlich
das jetzt verschwundene Theater, in dessen Nähe der Tempel
des unter dem Beinamen Minoetes verehrten Dionysos zu suchen
sein wird; höher hinauf am östlichen Abhänge scheint das Gymna-
sion gestanden zu haben; für die Ansetzung des Buleuterion und
der Heiligthümer der Tyche und der Hera haben wir keinen
Anhaltspunkt.^)
Arkesine, wie es scheint die unbedeutendste der drei
Städte, lag gegen zwei Stunden südwestlich von Minoa auf dem
Rücken und an den gegen das Meer gerichteten Abhängen eines
hohen Hügels, der durch zwei tiefe Schluchten auf beiden Seiten
von ihn benachbarten Höhen getrennt ist und nur durch einen
ziemlich schmalen Rücken mit dem mittleren Gebirgszuge der
Insel zusammenhängt. Ein mitten in der Stadt schroff aufstei-
gender: nur von Süden her vermittels einer schmalen Treppe
zugänglicher Fels bildete die Akropolis, welche den Namen Aspis
geführt und einen Tempel der Aphrodite Urania enthalten zu
haben scheint. Ausserdem besass die Stadt, von welcher noch
bedeutende Reste der Befestigungsmauern, Terrassenmauern, Säu-
') Tempel des Apollon Ross Archäol. Aufs. If, S. 041, n. V; Apollon
I'.vthios ebds. S. 6.-J9, n. IV; Apollon Delios Kois Ins. i. II , n. 11.}; 'Ecprjfi.
T.öiv cpiXofia&wv 18G6, S, 916. Theuter, Temj)cl des Diuiiysus, Buleute-
rion RoBS Inscr. IH, n. 314; Archäol. Aufs. H, S. 637, n. III; 'Eq>. x.
cpiX. a. a. O. Gymnasion Ross Inscr. II, n. 114; ayaXfia trjg TvxtJS
Ross Archäol. Aufs. II, S. 637, n. III, Z. 7. Cult der Hera beweisen
(Ma'JlQuiu (I?088 Archäol. Aufs, II, 8. 641, n. V) oder 'Kxaro'r|3irt ('K(p.
T. tpiX. a. u. O.), sowie die Münzen, die auch für Cult dor Artemi» zeu-
gen, 8. I*. Recker Sttidie ö. 31 ff. Ueher die Ruinen vgl. Ross Insel-
reisen I, 8. 175; II, ö 40 ff.
516 • 111. Die Inselwelt.
k'ii, GebalksliUke und Ouailern aus Marmor und Gräber erhalten
sind, ein Ileiliylhuin des Dionysos Kissokoinas und wahrscheirdich
Ileiliglhümer der Hera, des Apollon Apotropiios und der Athene. ^)
Zum Gebiete der Sladt gehörte ein Cünt' Viertelstunden südlich
von ihr mitten in einer ziemlich geräumigen Ebene gelegener
VVartthurm mit einem von hohen, mit Schiessscharten versehenen
Älauern umgebenen Burghol', bei welchem Ueberreste von einer
kleinen Korne erhalten sind.^)
Auch die dritte Stadt, Aegiale, lag an der Westküste,
3V2 Stunde nordöstlich von Minoa, am Innern Winkel einer ge-
räumigen, einen guten Hafen bildenden Bucht, von welcher sich
ein eine halbe Stunde langes, von hohen Bergen umgebenes
fruchtbares Thal ins Innere der Insel hineinzieht. Ueber den
Bändern dieses Thaies liegen vier Dörfer, an welchen noch jetzt
der Name der 'Dörfer von Aegiale' (r^g AiyiäXrjg xä xoqCo)
haftet und in oder bei welchen sich Inschriftsteine, Gräber und
andere Beste des Alterthums finden ; doch dürfte daraus schwer-
lich zu folgern sein, dass schon die alte Aegiale aus drei oder
mehreren Ortschaften bestanden habe, ^) sondern die Stadt, welche
IJeiligthümer der Athene Polias und des Dionysos und ein Theater,
wahrscheinlich auch Heiligthümer des Zeus und des Pan enthielt,
lag, wie schon ihr Name besagt, unmittelbar am Strande des
Hafens, wo noch mehrere gewölbte Grabkammern und eine auf
den Buinen eines antiken Tempels stehende Capelle der Panagia
erhalten sind. Ungefähr eine Stunde nördlich von der Stadt
0 OvQccvCa 'AcpQoditr} sv 'Aenidi Ross Inscr. II, n. 126; Jiovv-
aog Kiaao-KOiiccs ib. n. 135; ''HgaClov] ib. n. 136; [*A7i6XXcov]og anoxQO-
Ttcccov ib. n. 137. Kopf der Athene auf Münzen F. Becker Studie S. 28 f.
Ruinen Ross Inselreisen II, S. 46 f.
2) Ross Inselreisen II, S. 43 ff,
3) So Ross Inselreisen II, S. 51 f., der die in einer Inschrift aus
Aegiale (Archäol. Aufs. II, S. 643, n. VIII; C. I. gr. Vol. II, p. 1032)
vorkommenden Demotika Koovllirrig {KoGvuLxrjg Böckli) und [Nrj]oL-
zr]g, sowie das von Steph. Byz. u. 'Aqksoivtj statt AtyiaXt} aufgeführte
MsXccvLa (s. oben S. 514, Anm. 3j auf diese zerstreuten Ortschaften be-
zieht. Vielleicht kommt der bei Tholaria gelegenen Ortschaft der Name
^vXiv%BLa (ÄQxaioX. 'Eqp. TLeq. B', H. 4, n. 77) zu. Heiligthum der
Athena Polias Ross Archäol. Aufs. II, S. 643 ff., n. VIII, Z. 42; des
Dionysos ebds. S. H348, n. X (vgl. ^lovvGioig iv reo dymvi täv xQayto-
d(üv ebds. n. VIII, Z. 35 f.). Die Münzen bezeugen den Cult des Pan,
des Zeus und der Athene: Becker Studie S. .12 ff.
2. Die ostgriechischen Tnseln: die Sporaden: Anaphe. 517
in der Nähe des jetzigen Dorfes Tholaria lag eine durch ein klei-
nes Kastell (jetzt Vigla, d. i. Warte genannt) geschützte Korne,
deren Namen wir nicht mehr sicher nachvveisen können; die an-
tiken Reste in den iihrigen Dörfern sind von einem dieser beiden
Plätze verschleppt.
Ein merkwürdiger Rest des Mittelalters ist das ähnlich dem
Kloster Megaspiläon im Peloponnes in eine natürliche Felshöhle
an steilem Rergeshang östlich über dem Städtchen Amorgos hinein-
gebaute Kloster der Panagia Chozoviotissa, das vom Kaiser Alexios I.
Komnenos im Jahre 1088 gestiftet, noch jetzt die besten Ländereien
der Insel sowie die bedeutenderen der oben S. 510 f. geschilder-
ten Erimonisia besitzt. ^)
Längs der Westküste von Amorgos liegen drei kleine Eilande,
Krambussa, Petalidi und Nikuria, für welche wir ebensowenig
einen antiken Namen kennen, als für die 272 deutsche Meilen
südlich von Amorgos, zwischen diesem und Thera, auf hoher See
gelegene wüste kleine Felsinsel Anydros ('die Wasserlose', auch
Amorgopula, d. i. Klein-Amorgos genannt); 2) ständige Bewohner
hat wohl keine derselben im Alterthum gehabt.
5Y2 deutsche Meilen südlich von Amorgos liegt die von West Anaphe.
nach Ost l'/j Meile lange, im Westen eine Meile breite, aber .
gegen Osten injmer schmäler werdende Insel Anaphe, deren
noch jetzt erhaltenen Namen die Sage auf die Argonauten zurück-
führt, welchen sie in finsterer Sturmesnacht auf ihr Flehen zu
ApoUon plötzlich als Zufluchtsort erschienen sei.^) Die Insel ist
1) Vgl. R0S8 Inselreisen I, S. 179; Hopf Wiener Sitzungsber. Bd. 32,
S. 453.
') Kiepert u. a. halten Anydros fiir die alte Hippuris (Apollon.
Rhod. J, 1712 c. schol.; Pomp. Mela IT, 111; Plin. IV, 12, 71): doch dürfte
diese (von welcher wohl die von Steph. Byz. als vrjaog KccQtag bezeich-
nete 'innovQ^ayiog nicht verschieden ist) eher südlich oder sü<löstlich von
Anaphe zu suchen sein, da die Argonauten sie auf der l'\'ilirt von Kreta
nach Anaphe zu Gesicht bekommen. Vgl. Ros.s Arcliäol. Aufs. II, >S. 493,
Anm. 18.
3) Apollon. Rhod. J, 1709 ff.: Apollod. I, 9, 26; Conon NaiT. 49;
Steph. Byz. u. 'Avdcpri; vgl. Plin. IT, 87, 202. Der auch mit Verlust des
Anlauts Ndfpr] ausgesprochene Name ist von den AbendlUmlern in
Namfio (lo Namfo Urkunde bei Tafel und Thomas Urkunden TU, 8. 179)
corrompirt worden. Bondclmontc p. 99 schreibt Anafios und leitet die-
sen Namen davon her, dass angeblich keine Schlangen auf der Intel
518 in. Die Inselwelt.
geologisch interessant wegen der verscliiedencn Gesleinsarten, aus
denen sie besteht: Schiefer, Syenit, Granit, Serpentin, Asbest,
Feldspat, Kalkstein und blaulich-weisser Marmer kommen neben,
hcziehendlich auf einander gelagert vor. Die die ganze Insel
durchziehenden Berge sind meist kahl, nur hie und da mit
niedrigem Gestrüpp bedeckt; zwischen ihnen ziehen sich liefe
und enge Schluchten, von kleinen Bächen durchflössen, nach dem
Meere hin, welche nur wenig Baum für den Hau von Getreide
und Wein darbieten. Bäume fehlen ganz, abgesehen von einigen
verkrüppelten Feigen-, Maulbeer- und Oelbäumen. Bebhühner,
die schon im Alterthum so zahlreich waren, dass sie die jeden-
falls auch damals dünne Bevölkerung fast zur Auswanderung
nölhigten,^) sind in grosser Menge vorhanden; in den steilen
Felsklüften am Ufer des Meeres nisten zahllose wilde Tauben.
Die ältesten Bewohner der Insel waren, wie man aus dem
Namen Membliaros, den sie von einem Gefährten des Kadmos
erhalten haben soll, schliessen darf, Phöniker; dann scheint sie,
wie fast alle Inseln des ägäischen Meeres, der Herrschaft der
Kreter unterworfen gewesen zu sein; später erhielt sie wahr-
scheinlich gleichzeitig mit Thera Einwanderer aus Lakonien, auf
welche der in den Inschriften bis um den Beginn unserer Zeit-
rechnung hervortretende dorische Charakter der Bevölkerung zu-
rückzuführen ist. 2) Dass die Athener sie rechtlich als tribut-
pflichtiges Mitglied ihres Seebundes betrachteten, geht daraus her-
vor, dass sie in der Schätzungsliste von Ol. 88, 4 mit einem
Tribut von 1000 Drachmen angesetzt ist; ob sie aber factisch
dem Bunde angehört hat, ist sehr zweifelhaft. Seitdem ist die
Insel in der Geschichte so gut wie verschollen; erst nach der
Eroberung Konstantinopels durch die Franken taucht sie wieder
auf als Eigenlluim des ersten Herzogs von Naxos, Marco's I. Sa-
nudo, der sie dem Venezianer Leonardo Foscolo überliess; dessen
leben können (was Antigon. Hist. mir. 11 von der nordöstlich von Anaphe
gelegenen Insel AstypalUa beriolitet). Vgl. über Anaphe Tournefort I,
p. 105 s.; Fiedler II, S. 333 ff.; Ross Inselreisen I, S. 75ff.; Archäol.
Aufs. II, S. 486 ff.
1) Athen. IX, p. 400 d.
^) Steph. Byz. u. 'Avcccprj und MsfißXtaQog. Annexion durch Minos
Ovid. Met. VII, 461 f. Inschriften: C. I. gr. n. 2477—81, Ross, Archäol.
Aufs. II, S. 495 ff.
2. Die ostgriechischen Inseln: die Sporaclen: Anaplie. 519
Enkel Giovanni verlor sie im Jahre 1269 an die Byzantiner, denen
sie im Jahre 1307 durch Janiili Gozzadini entrissen wurde. Sie
verblieb dann im Besitz der Gozzadini bis 1420, wo sie in den
Besitz der Crispi von Naxos ubergieng; nach dem Tode der Fio-
renza Crispo, die von 1469 — 1485 mit dem venezianischen Nobile
Luigi Barbaro vermählt gewesen war, kam sie an die Familie
Pisani (1528) , die sie im Jahre 1537 an die Türken verlor. ^)
Die Insel hat keinen Hafen, sondern nur einen wenig ge-
schützten Ankerplatz in einer kleinen Bucht nahe dem westlichen
Ende der Südküste, eine halbe Stunde unterhalb der auf einem
Berggipfel gelegenen , von den Buinen eines kleincMi mittelalter-
lichen Castells gekrönten jetzigen Ortschaft. Die alte Stadt
Anaphe lag fünf Viertelstunden weiter östlich ungefähr in der
Mitte der Insel auf einem Berggipfel, von dem sich ein Rücken
in südlicher Richtung ans Meer hinabzieht. Unter den unschein-
baren Ueberresten derselben sind die Trümmer eines im höch-
sten Theile gelegenen kleinen Tempels des Apollon Pythios und
der Artemis Soteira bemerkenswerth.^) Von der Stadt führte eine
gepflasterte Strasse in südöstlicher Richtung nach dem Strande
hinab, wo sich auf dem letzten Absätze des Berges einige stufen-
förmige schmale Terrassen mit Trümmern alter Gebäude (jetzt
Katalymakia, d. i. Herbergen genannt), die Reste des Hafenplatzes
der alten Stadt, sowie zahlreiche Gräber, mit denen auch die von
der Stadt nach dem Hafenplalze führende Strasse zu beiden Sei-
ten eingefasst ist, finden. Das bedeutendste HeiUgthum der Insel,
dessen Gründung von der Sage auf die Argonauten zurückgeführt
wurde, das des Apollon Aegletes (oder, wie der Beiname nach
Inschrifilichen Zeugnissen auch lautete, Asgelatas), lag beinahe
eine Stunde östlich vom Hafenplatze auf dem Rücken eines Isthmos,
welcher die Hauptmasse der Insel mit einem gegen Südost vor-
tretenden Vorgebirge verbindet, auf welchem Herzog Guglielmo II.
von Naxos eine Gibitroli genarnite Festung errichtet hatte. Der
geräumige Peribolos des Heiliglhums, in welchen jd/t ein Klo-
ster der Panagi.i liiiMiiigcbaut ist, enthielt ausser dein Tempel
des Apollon noch einen Tempel der Aphrodite, einen Altar des
«) S. C. Hopf Wiener Sitzungsber. Bd. 32, S. 404 ff. und S. 499 ff.
*) Vgl. die Inschriften C. I. gr. n. 2481; Rosa Arclulol. Aufs. II,
S. 608 f., n. 6 und 6.
520 ni. Die Inselwelt.
(Zeus) Ktesios und andere Bauliclikeiten. Unbekannt ist die Stelle
des in einer Inschrift erwähnten Ileihgtljums des AsldepiosJ)
Südlich von Anaphe Hegen vier wüste kleine Eilande, für die
wir keine antiken Namen haben: die beiden kleinsten nordwest-
lichsten werden jetzt Evthini, die beiden grösseren südöstlicheren
Pachia und Makri genannt.
Theia. Ein zweiter Ileerd vulkanischer Thatigkeit im südlichsten
Theile des griechischen Archipels ausser der [nselgruppe von
Melos ist die von Thera oder, wie die Hauptinsel seit dem Mit-
telalter von Abendländern und Griechen genannt wird, Sanlorini,
d. i, der Insel der heiligen Irene.-) Die halbmondlörmige, un-
gefähr 372 Quadratmeilen in Umfang haltende Insel umschliesst
von drei Seiten ein sechs Seemeilen langes und fast fünf See-
meilen breites ovales Meerwasserbecken von bedeutender Tiefe,
*) Vgl. ausser den S. 517 Anm. 3 citirten Stellen Strab. I, p. 4G und
X, p. 484; Inschriften C. I. gr. n. 2482; Rangabe Ant. hell, n^ 820 (der
Z. 8 und Z. 27 'AnoXlavog xov ^Acy eXara liest, während Koss Archäol.
Aufs. II, S. 495 f. 'AaTEÜlra gelesen hatte; in derselben Inschrift wird
Z. 9 und 27 f. der Tempel der Aphrodita erwähnt, Z. 12 der KvdaQ^ioq
und der MsiöiccaLog otyiog , Z. 13 o ßco^og rov Hrryffiov, Z. 29 das lsqov
xov ^Aov.l(xnCov) und n. 820 •\ Grundriss des Peribolos bei Ross Archäol.
Aufs. II, Tafel XVI; architektonische Details ebds. Tafel XVII; Grund-
riss eines Wohnhauses aus den Ruinen der Stadt, Malerei daraus und
Schmalseite eines Sarkophags Tafel XVIII.
2) Nach der Sage hiess die aus einer von Triton dem Argonauten
Euphemos geschenkten, von diesem ins Meer geworfenen Erdscholle ent-
standene Insel ursprünglich KaXXiGzrj und erliielt erst von Theras, dem
Führer der lakonischen Colonisten, den Namen Stjqo.: Pindar. Pyth. IV,
20 ff.; Apollon. Rhod. z/, 1753 if.; KalHmach. bei Strab. VIII, p. 347;
Herod. IV, 147; Paus. III, 1, 8. Der neuere Name (insula sancte
Reni Urkunde bei Tafel und Thomas Urkunden III, p. 185; bei Bondel-
monte p. 78 ed. Sinner Santellini oder nach cod Paris. A Santi-
line) stammt von der Schutzpatronin der Insel, der im Jahre 304 n. Chr.
als Märtyrin hingerichteten heiligen Irene von Thessalonich. Vgl. über
die Insel Tournefort I, p. 100 s.; Fiedler II, S. 453 ff.; Ross Inselreisen I,
S. 54 ff.; S. 81 ff.; S. 180 ff.; III, S. 27 ff.; Russegger Reisen in Europa
ü. s. w. Bd. IV, S. 205 ff.; E. Voswinckel De Theraeorum insulis, Ber-
lin 1856; Leycester im Journal of the royal geographical society Vol. XX,
p. 1 SS.; Santorin. Die Kaimeni-Inseln dargestellt nach Beobachtungen
von K. V. Fritsch, W. Reiss und A. Stübel. Heidelberg 1867. Nicht be-
nutzen konnte ich des Abbe Pegues Histoire et phenoraenes du yolcan
et des lies volcaniques de Santorin, suivie d'un coup d'oeil sur Te'tat
moral et re'ligieux de la Grece moderne, Paris 1842.
2. Die ostgriechischen Inseln: die Sporaden: Thera. 521
dessen Westseite nur zum kleineren Theile durch die von Nord
nach Sud eine Stunde lange Insel The ras ia ahgeschlossen wird;
zwischen der Nordküste dieser Insel und der Nordwestspitze von
Thera ist eine kaum eine englische Meile weite Lücke, eine be-
trächtlich grössere, in welcher noch eine ganz kleine, jetzt Aspro-
nisi (Weissinsel) genannte Insel liegt, zwischen der Südküste von
Therasia und der Südwestspitze von Thera. Die drei genannten
Inseln bestehen fast ausschliesslich aus vulkanischen Gebilden,
vorherrschend Trachyten, Laven, Bimstein und vulkanischer Asche;
nur im südöstlichsten Theile von Thera tritt auf Thonschiefer
lagernder Kalkstein und weissgrauer Marmor hervor, welcher den
jetzt nach dem Hagios Elias genannten höchsten Berg der Insel
(578 Meter Höhe) bildet. Die gegen das Bassin gerichteten
Wände von Thera fallen in einer Höhe von 800 — 1200 Fuss
schroff ab, während sich die Insel gegen Osten allmälig abdacht;
ganz analog ist der Bau von Therasia. Im Innern des Bassins
erheben sich aus dem Meere drei schwarze aus Trachyt und
glasartigen Laven bestehende Eilande (jetzt Kaimeni, d. i. 'die
verbrannten' genannt) , welche in den historischen Zeiten erfolg-
ten vulkanischen Ausbrüchen ihre Existenz verdanken. Das süd-
lichste derselben, die Paläa Kaimeni (alte verbrannte), erschien
im Jahre 199 v. Chr., nachdem vier Tage lang Flammen aus dem
Meere hervorgebrochen waren, auf der Oberfläche; die Hhodier,
welche es zuerst wagten sie zu betreten, errichteten darauf ein
Ileiligthum des Poseidon Asphaleios und nannten sie darnach
Ilicra, die heilige. Dieselbe wurde bei späteren Ausbrüchen
in den Jahren 19 und 726 n. Chr. durch neue Eruptionsgebilde
vergrösscrt, während im Jahre 1457 ein beträchtliches Stück der-
selben sich losriss und im Meere verschwand.^) Im Jahre 46
n. Chr. tauchte plölzlich eine neue, 30 Stadien yn Umfang hal-
') Strab. I, p. 57; Plin. IT, 87, 202 (vgl. IV, 23, 70); Seneca Quaest.
nat. II, 26, 4 f.; lustin. XXX, 4; Phit. De Pyth. or. 11; Kuseb Chron.
ad Olymp. CXLV, 2 (p. 125 ed. Schöne); Paus. VIII, 33, 4; Steph. Byz.
u. 'leQcc. Den Ausliriicli vom Jahre 726 erwähnen Theophancs Chronogr.
t. I, p. 621 s. ed. ClasHon und andere byzantinische Chronographen; den
vom Jahre 1457 (25. Nov.) eine hiteinische Inschrift aus einer Kirche in
Paläo-Skaros auf San tor in bei Pasch van Krienen Hreve descrizione
p. 53. Vgl. Ross I, S. 89 ff. und S. 187 flF.; Voswinckcl p. 15 ss.; beson-
ders aber W. Kciss und A. Stübel Geschichte und Beschreibung der vul-
kanischen Ausbrüche bei Santorin von der ältesten Zeit bis auf die Qcgcn-
BURSIAN, OE(J<iK. II 35
522 HT. Die Inselwelt.
lende Insel auf, die aber, da sie später nicht weiter erwähnt
wird, bald wieder versunken zu sein scheint, ähnlich wie im
Jahre 1650 ausserhalb des Deckens nordörstlich von Thera an
der Stelle, wo sich jetzt eine den Schiffern als Bank von Ko-
lumbos bekannte Untiefe befindet, eine Insel über dem Meeres-
spiegel erschien, aber bald wieder unter denselben zurücksank.^)
Die nördlichste, kleinste der drei jetzt vorhandenen Inseln, die
sogenannte Mikra Kaimeni (kleine verbrannte), verdankt einem
Ausbruche vom Jahre 1570 oder 1573 ihre Existenz. *) Die
mittlere grösste, die Nea Kaimeni (neue verbrannte), welche reich-
haltige, von den Bewohnern Thera's und der benachbarten insr'ln
zu Bädern benutzte Minerakpiellen besitzt,^) erhob sich zuerst
über die Oberfläche des Meeres am 23. Mai 1707 und wuchs
durch wiederholte Eruptionen noch in demselben Jahre sowie
in den folgenden bis zum 14. September 1711 an Umfang und
Höhe; neue nicht unbedeutende Vergrösserungen im Süden und
Siidosten verdankt sie der von Ende Januar 186G an wieder er-
Avachten vulkanischen Thätigkeit, welche erst seit Ende October
1870 sich völlig wieder beruhigt hat.'*) Darnach kann es nicht
zweifelhaft sein, dass wir in den Inseln Thera, Therasia und
Aspronisi Reste der Ränder eines mächtigen Kraters vor uns ha-
ben, durch dessen in vorhistorischer Zeit erfolgten Einsturz sich
das Wasserbecken bildete, welches bis auf die Gegenwart der
Schauplatz der vulkanischen Thätigkeit ist.
Das wichtigste, ja fast ausschliessliche Product von Thera und
Therasia (die übrigen Eilande der Gruppe sind nicht cultivirt) ist
Wein von ausgezeichneter Qualität. Bäume fehlen ganz, mit Aus-
wart. Nach vorliandenen Quellen und eigenen Beobachtungen dargestellt.
Heidelberg 1868.
1) Seneca Quaest. nat. II, 26, 6; Cass. Dio LX , 29; Enseb, Chron.
Ol. CCVI, 4 (p. 153 ed. Schöne); Oros. Bist. VII, 6; über den Aiisbrnch
von 1650 vgl. Reiss und Stübel a. a. O. S. .S5 f.
2) Vgl. Reiss und Stübel a a. O. S. 29 f.
3) Vgl. darüber sowie über die Mineralquellen auf der Insel Thera
X. Landerer UsqI rav iv SccvroQijvr] (sie) d-8Qfia)v vSdrcov, Athen. 1835,
lö**, und Derselbe TIsqI tcov trjg 'EXXdSog ta^ccrizav vddrav p. 39 s.
•<) S. Ross a. a. O. S. 95 ff. und S. 190 ff.; Reiss und Stübel a. a.^O.
S. 43 ff., und über die Eruptionen von 1866 Petermanns Mittheilungen
1866, S. 134 ff.; Reiss und Stübel a. a. O. S. 97 ff.; C. W. Fuchs im
Neuen Jahrbuche für Mineralogie 1871, Heff 2.
2. Die ostgriechischen Inseln: die Sporaden: Thera. 523
nähme von zwerghaften, auf dem Boden hinkriechenden Feigen-
häumen, daher wegen Mangels an Bauholz ein Theil der etwa 13,000
Seelen betragenden Bevölkerung in den natürlichen Fels gearbeitete
Grotten als Wohnungen benutzt. Gerste und Baumwolle werden
nur in geringer, für den Bedarf der Bevölkerung bei weitem
nicht ausreichender Quantität erbaut. ^) Neuerdings bildet auch
der die Oberfläclie der Inseln in Lagen bis zu 30 und 40 Meter
Dicke bedeckende, aus pulverisirten Bimsteinmassen bestehende
bröckliche Tuff (Pozzolana), welcher gesiebt und mit Kalk ver-
mengt einen sehr dauerhaften, besonders für Wasserbauten ge-
eigneten Cement ergiebt, einen bedeutenden Ausfuhrartikel. Die
Ausbeutung dieser Tufflagen hat sicliere Beweise dafür geliefert,
dass die Insehi schon in vorhistorischen, ja selbst jenseit der
mythischen Erinnerungen des klassischen Alterthums liegenden
Zeiten, noch bevor sie ihre jetzige Gestalt erhalten haben, von
Menschen, deren Nationalität festzustellen schwerlich gelingen
wird, bewohnt worden sind. Man hat nämlich an der Südseile
von Therasia unter jenen Tufliagen Reste menschlicher Woh-
nungen entdeckt, deren mit Thüren und Fenstern versehene
Wände aus unbearbeiteten, regellos über einander geschichteten
Lavablöcken, deren Zwischenräume mit röthlicher vulkanischer
Asche ausgefüllt sind, und dazwischen gelegten Od baumästen auf-
geführt waren; innerhalb derselben haben sich Geräthschaften
und Werkzeuge aus Feuerstein und Lava, zahlreiche auf der
Drehscheibe gearbeitete Thongefässe mit primitiven linearen Or-
namenten, Gerstenkörner, Stroh, Thierknochen und ein mensch-
liches Skelett gefunden. Bruchstücke ähnlicher Thongefässe, Mörser,
N\ ebegewichle , Pfeilspitzen und Messerklingen aus Obsidian und
') Dass auch im Alterthum die Production von Getreide unzureichend
war, zeigt die Notiz bei Athen, X, p. 432', duss man iv QriQccat raig
vr'jaoig statt Gerstenmehl einen Brei von Hülsenfrüchten in den, Wein
geschüttet habe, I><i \\ Cin von Thera scheint bei den Alton sonst nicht
erwähnt zu werden; ja im Testament der Epikteta ( C.^ I. gr. n. 2448,
IV, 33) wird ausdrücklich otvog ^svmog für die Festmahlzeiten verlangt.
Doch werden in der allerdings sehr späten Insclirift bei Ross Inscr. gr.
ined. II, n. 220 zahlreiche Weinberge (AMTTEA) wie auch Oelbaum-
pflanziingen (EAEßN) unfgeführt. Poll. VI, IG giebt an, man habe den
Wein von Kreta f^rJQuiog olvog genannt, was vielleicht dadurch zu er-
klären ist, dass Kreta den Hauptstapelplatz für den Export des theräischen
Weines bildete.
86*
524 IIT. Die Inselwelt.
zwei kleine Goldringe, welche zu einem Halsband gehört zu haben
scheinen, sind im südwestlichen Theile von Thera, in der Nähe des
Dorfes Akrotiri, gleichfalls unterhalb der Tuffmassen, innerhalb
einer schmalen Lage röthlicher mit verkohlten Pflanzenresten
vermischter vulkanischer Asche zum Vorschein gekommen. Ofl'en-
bar sind jene ältesten Bewohner mit sammt ihren Wohnungen
durch den heftigen vulkanischen Ausbruch, in Folge dessen die
Kuppe des Kraters einstürzte und die Ränder desselben an meh-
reren Stellen durchbrochen wurden, unter gewalligen Bimstein-
massen begraben und so jede Erinnerung an sie für mehrere
Jahrtausende der Nachwelt entzogen worden.^)
Ein sicher historisches, wenn auch in sagenhafter Einklei-
dung überliefertes und chronologisch nicht zu fixirendes Factum
ist die Ansiedelung von Phönikern auf Thera. Die griechische
Tradition berichtet, dass Kadmos, als er seine entführte Schwe-
ster Europa suchte, auf der damals Kailiste genannten Insel lan-
dete , dem Poseidon und der Athena ein Heiliglhum errichtete
und eine Anzahl seiner Begleiter unter Führung des Membliaros,
Sohnes des Poikiles, dort zurückliess.^) Diese Phöniker begrün-
deten, wie auch die Sage durch den Namen des Poikiles ('Bunt-
manns') anzudeuten scheint, einen Industriezweig, der noch später
auf Thera blühte: die Fabrication bunter Gewänder, welche von
den übrigen Griechen nach ihrem Fabricationsorte 'Theräa' ge-
nannt wurden.^) Acht Generationen nach Membliaros — so er-
zählten die Griechen weiter — führte der Kadmeer Theras, Sohn
des Autesion, eine Anzahl Minyer aus Lakonien nach der Insel,
deren Herrschaft ihm die Nachkommen des Membliaros über-
liessen und die er nach sich Thera benannte. Durch diese
•) S. F. Lenormant, ^Decouverte de constructions antehistoriques
dans File de The'rasia', in der Kevue arche'ologique n. s. XIV, p. 423 ss.
(dazu Vol. XVI, pl. XVI); F. Fouqiie 'Une Poiüpei antehistorique ' in
der Revue des deux mondes, t. LXXXIII, p. 923 ss. ; Revue arehe'ologique
n. s. XXIII, p. 271.
2) Herod. iV, 147; Theophrast. bei schol. Find. Pyth. IV, 11; schol.
ibid. 88; Paus. III, 1, 7; Steph. Byz. u. ©tJqcc. Euseb. (p. 35 ed. Schöne)
setzt die Gründung von Kallista gleichzeitig mit der von Melos, Paphos und
Thasos in das Jahr Abrahams 590. Vgl. Movers Phönizier II, 2, S. 266 ff.
3) Poll. VII, 48 und 77; Hcsych, u. QijQaiov niTtXov; Athen. X,
p. 424 f; vgl. H. Blümner Die gewerbliche Thätigkeit der Völker des
klassischen Alterthums S. 96.
2. Die ostgriechischen Inseln: die Sporaden: Thera. 525
lakonisch-minyische Einwanderung wurde auf Thera ebenso wie
auf Melos, Anaphe und Pholegandros ein dorisch -griechischer
Staat begründet, der unter der Herrschaft von Königen aus dem
Geschlechte der Aegeiden bald durch SchiflTahrt und Handel zu
solcher Blülhe gelangte, dass er gegen Ende der dreissiger Olympia-
den mit Unterstützung des delphischen Orakels die erste helle-
nische Niederlassung auf der Nordküste Afrika's, Kyrene, anlegte
und dadurch dem griechischen Handel neue Bahnen, der griechi-
schen Cultur einen neuen wichtigen Schauplatz eröffnete. ^) Seit
dieser Zeit scheint Thera, welches damals sieben bewohnte Ort-
schaften enthielt, ^J allmälig an Bedeutung verloren zu haben ; an
den Kämpfen gegen die Perser nahm es keinen Antheil; der athe-
nischen Bundesgenossenschaft, von der es sich anfangs als dori-
scher Staat ferngehalten halte, trat es im Laufe des peloponne-
sischen Krieges (Ol. 88, 2), jedenfalls mehr gezwungen als frei-
willig bei,^) riss sich aber ohne Zweifel wieder von ihr los,
sobald die Athener nicht mehr in der Lage waren, einen Zwang
gegen andere Staaten auszuüben. Die Verfassung war nach Auf-
hebung des Königthums eine oligarchische: an der Spitze des
Staates stand ein Collegium von Ephoren, dessen Mitglieder aus
wenigen alten Adelsfamilien genommen wurden. Später muss die
Verfassung einen mehr demokratischen Charakter erhalten haben,
da in jüngeren Inschriften *das Volk der Theräer' oder *der Rath
und das Volk' als Inhaber der Souveränität, soweit von einer
solchen namentlich unter der römischen Herrschaft die Rede sein
kann, und drei Archonlen als oberste Behörde erscheinen.'*)
*) Vgl. ausser den S. 524 Anra. 2 angeführten Stellen schol. Apoll. Rhod.
z/, 1750 (wo der Führer der lakonischen Colonie nach Thera Sesamos
genannt wird); Eiiseb. Chron. ad Ol. XXXVII, 2 (p. 89 ed. Schöne);
Solin, Coli. 27, 41; dazu A. F. Gottschick Geschichte der Gründung und
Blüthe des hellenischen Staates in Kyrenaika, Leipzig 1858, und A. Schä-
fer 'Solinus und das Jahr der Gründung von Kyrene* im Rhein. Mus.
Bd. XX, S. 293 ff.: letzterer betrachtet mit Recht Ol. 37, 2 als das Da-
tum der ersten Landung der Theräer auf der Insel Platea, von welchem
an die Herrschaft des Buttos und der Battiaden datirt wird, während
die Gründung von Kyrene selbst acht Jahre später, Ol. 39, 1 = 624/23
V. Chr. fällt.
2) Herod. IV, 163.
=») Thuk. II, 9; U. Köhler Urkunden S. 146 und 199.
*) Aristot. Pol. IV, 4. Ephoren: C. I. gr. n. 2448. 'O dctfios 6 Stj-
526 in. Die Inselwelt.
Neue Bedeutung erhielt die Insel erst seit dem Beginn des
dreizehnten Jahrhunderts unserer Zeitrechnung, 'naclideni der
Venezianer Jacopo Barozzi di S. Moise von dem Eroberer des
Arciiipels, Marco Sanudo, Santorini und Therasia als Lehen em-
piangen hatte, welches bis zum Jahre 1336 im Besitze der Nach-
kommen desselben blieb, von da an bis zur Eroberung durch die
Türken mit einer kurzen Unterbrechung (von 1479 — 1487, wo
es dem Venezianer Dominico Pisani gehörte) einen Theil des
llerzogthums Naxos bildete. Diese fränkischen Herrscher, welche
besonders den Weinbau förderten , auch die jetzt fast ganz wieder
verschwundene Baumwollencultur einführten, residirten in dem
auf einem steilen Felsen der Westküste (nahe bei dem jetzigen
Dorfe 3Ierovigli) erbauten Schlosse von Skaro, dessen Trfimmer
noch jetzt Paläo-Skaro genannt werden; ausser diesem besass die
Insel noch vier andere befestigte Ortschaften. ^)
Unter den sieben Ortschaften, weiche, wie oben bemerkt,
im Alterthum zur Zeit der höchsten ßlüthe von Tliera auf der
Insel (mit Einschluss von Therasia) bestanden , war jedenfalls die
bedeutendste die an der Südostseite der Insel, auf dem jetzt
nach dem Hagios Stephanos benannten östlichsten Vorsprunge des
Berges des Hagios Elias, welcher mit der Hauptkuppe durch einen
niedrigeren, jetzt Messavuno genannten Bergrücken verbunden ist,
gelegene, welche den Namen der Insel selbst, Thera oder *die
Stadt der Theräer' geführt zu haben scheint.*) Der ganze
QCCLCov ibid. n. 2451 (ungefähr aus dem Jahre 160 v. Chr.) u. ö.; u ßovXa
'Kcci 6 dcc^og ibid. n. 2459 u. ö. Archonten: C. I. gr. n. 2455 und 2457.
— Aus der Zeit der Oligarchie stammt wohl die in späterer Zeit in Thera
sehr verbreitete Sitte, die Verstorbenen, Männer sowohl als Frauen, als
Heroen zu verehren {acprjQOJL^SLv): vg-1. Voswinckel De Theraeorum in-
sulis p. 96 SS.
*) Vgl. C. Hopf Wiener Sitzungsber. Bd. 32, S. 378 f. , der S. 380
eine Stelle aus Martin Crusius' Turcograecia (p. 207) anführt, nach wel-
cher Santorin fünf -aüoxQa besass: Skaro, Hagios Nikolaos (südöst-
lich von dem jetzigen Hauptorte Phira), Känurio-pyrgos (denn so, Kai-
vovQyiofiTtvQyo ist statt xal vovQyiüfiTtvQyio zu lesen und darunter der
jetzige Ort Pyrgos nördlich vom Berge Hagios Elias zu verstehen), Akro-
tiri (im südwestlichsten Theile) und Nyburgo (wahrscheinlich Emporion.
das bei Tournefort I, p. 102 auch ^Nebrio' genannt wird).
3) @r]Q(xt(0(i TioXig C. I. gr. n. 2465'' (Vol. H, p. 1085), Epigr. \
Z. 1; dagegen ist ebds. Epigr. ^, Z. 3 statt ^vrjfioowov O/jQccg noleoig
nach F. Lenormant Philolog. Bd. 24, S. 330 zu lesen fivrj^LOOwov xs &v-
2. Die ostgriechischen Iiiüclii: die Sporaden: Thera. 527
Rücken des V^orgebirges ist mit Mauerresten, Unterbauten von
öffentlichen Gebäuden und Wohnhäusern, Säulenbruchstücken
u. dgl. ni., der niedrigere Rücken des Messavuno mit alten Grä-
bern überdeckt. Das angesehenste HeiUgthuni der Stadt sowie
der Insel überhaupt war, gemäss dem lakonischen Ursprünge des
heräischen Staates, das des ApoUon Jvarneios;^) ausser ihm wur-
den Artemis, Asklepios, Hermes und Herakles (die beiden letzte-
ren wahrscheinlich im Gymnasion) verehrt. Ausserhalb der Stadt
stand ein Heiligthum des Dionysos und Statuen der Hekate und
des Priapos.2)
Reste einer zweiten Ortschaft, welche im Alterthum den
Namen Oia führte, finden sich am nordöstlichen Fusse des Mes-
savuno auf einer Stelle der Küste, welche jetzt nach einigen in
den Felsen gehauenen Kammern Kamari genannt und als Lan-
dungsplatz für kleine Barken benutzt wird.^) Eine dritte Ort-
schaft, deren Namen nicht sicher zu bestimmen ist, lag südwest-
lich v.om Messavuno in der jetzt Perissa genannten Gegend in der
Nähe des Dorfes Emporion, eine vierte, wahrscheinlich Eleusis,
an der Südküste am Vorgebirge Exomyli, wo man noch alte Fels-
gräber und im Meere IJeberreste alter Hafendämme bemerkt.^)
Ausserdem finden • sich an verschiedenen Punkten der Insel alte
Qccis TCüktag. Ueber die Reste s. Ross Inselreisen I, S. 59 ff, , der hier
irrig Oea ansetzt; dagegen de Cigalla Bullettino 1856, p. 130 s. und
A. Michaelis Annali t. XXXVI, p. 255.
') Inschriften im C. I. gr. n. 2467 und 2467'»; in AnnaH t. XXXVI,
p. 107 und p. 258; vgl. Find. Pyth. V, 77 ff.; Callimacb. H, in Apoll. 73;
schul. Find. FytU- IV, 11.
2) Artemis Ross Inscr. gr. II, n. 215 (vgl. die Flagd-svos Aeqlci ib.
HI, n. 249). Asklepios ibid. II, n. 221. Hermes C. I. gr. n. 2466. Her-
mes und Herakles Annali t. XXXVI, p. 107. Dionysos C. I. gr. n. 2451 ;
•:162; 2465. Hekate und Friapos ibid. n. 2465'» (Vol. II, p. 1085).
3) Ross Inselreisen I, S. 68 f. und S. 193. Oi'a Ftol. III, 15, 26;
Inschriften im C. I. gr. n. 2463« (Vol. II, p. 1085) und im Bullettino 1856,
p. 132 s. {rj hv Ol'u Ttulcdarqu, to bv Oi'u yv^vaaiov).
*) Ross a. a. O. S. 69 f., S. 181 ff. und's. 193; Arch. Aufs. II, S. 424 f.
l'Atvalv ^ 'EXsvaig Ptolem. a. a. O. Ob die im Testament der Epikteta
(C. I. gr. n. 2448 II, 1; III, 6) erwähnte Oertlichkeit Mol an ä eine be-
wohnte Ortschaft war, ist unklar, die Existenz einher Ortscliaft Peräa
oder Peiräon, welche Böckh (Abhandl. d. Berlin. Akad. 1836, 8. 80 f.)
aus dem Vorkommen des Namens UeQaisvg in einer der alten FelsioBchrif-
ten von Hagios Stoplianos folgert, sehr unsicher.
528' HI. Die Inselwelt.
Gräber, Trümmer monumentaler Gebäude, Inschriftsteine u. dgl. m.
Am nordwestlichen F'usse des Berges des Ilagios Elias in der
Nähe des Dorfes Megalochorio steht ein in eine Capelle des Ha-
gios Nikolaos Marmarites verwandelter Marmorbau, welcher laut
einer Inschrift einer unter dem Namen Basileia verehrten Göttin
(wahrscheinlich der Kora) geweiht war.*) Nordöstlich von da,
in dem etwas östlich von Pyrgos gelegenen Dorfe Gonia, sind
zahlreiche Inschriften und sonstige Bruchstücke gefunden worden,
welche vielleicht wenigstens zum Theil einem von einer Dame
aus vornehmem Geschlecht, Epikteta, errichteten Heiligthum der
Musen (Museion) , das zugleich Anlagen für den Todtencult der
Angehörigen der Stifterin enthielt, angehören.'^) Das Dörfchen
Kontochori, fünf Minuten östlich von dem ungefähr in der Mitte
der Westküste gelegenen jetzigen Hauptorte der Insel, Phira, hat
einige Inschriften und kleine Sculpturwerke geliefert, welche die
Existenz eines Heiliglhums der Göttermutter daselbst bezeugen.^)
Endlich finden sich in der Nähe des Vorgebirges Kolumbos, der
Nordostspitze der Insel, zahlreiche in den Tuff eingeschnittene
Gräber, welche darauf schliessen lassen, dass auch hier an der
Nordküste eine antike Ortschaft gestanden hat. ^)
Therasia besass eine der Insel selbst gleichnamige Ort-
schaft, von welcher noch an einer halbkreisförmigen Bucht der
Nordostkäste, dem Orte Apanonieria auf Thera gegenüber , einige
Reste erhalten sind.^)
Südwestlich von Thera, unter 36^ 15' 20" nördlicher Breite
') Koss Inselreiseri I, S. 71 f.; Archäol. Aufs. 11, S. 421 ff.; Michae
lis Annali t. XXXVI, p. 257.
') Ich schliesse dies aus der in Gonia gefundenen Inschrift Ross
Inscr. gr. II, n. 198, welche mehrfache Analogien mit dem Testament der
Epikteta (C. I. gr. n. 2448), dessen Fundort unbekannt ist, darbietet.
Andere Inschriften aus Gonia Ross Inscr. gr. III, n. 248-259, vgl. Irisel-
reisen I, S. 72; III, S. 28. Fr. Lenormant Philologus Bd. XXIV," S. 33.3
schliesst aus der Inschrift n. 250, wo er Z. 8 liest EE I0YAIAOZ, dass
an der Stelle von Gonia eine Ortschaft Ithylis gelegen habe; aber
sollte nicht Yielmehr EE lOYAlAOZ zu lesen und an eine aus lulis auf
Keos stammende Persönlichkeit zu denken sein?
•^) C. I. gr. n. 2465*1, " und f (Vol. II, p. 1086); vgl. Ross Inselreisen
III, S. 27.
'') Ross Inselreisen I, S. 185 f.
'") Ptolem. III, 15, 28; vgl. Ross a. a. O. S. 88.
2. Die ostgriechischen Inseln: Kreta. 529
und 25^ 13' östlicher Lange (von Greenwich), liegt eine kleine
unbewohnte Insel, Christian!, mit ihrer noch kleineren südlicheren
Nachbarin Askani: beide, gewöhnlich unter dem Namen Christia-
näs zusammengefassl und zum türkischen Reiche gerechnet, er-
weisen sich durch die vulkanische Beschaffenheit ihres Bodens
als zur Inselgruppe von Thera gehörig. Der Name Askani, wel-
chen die südlichere führl, lässt uns darin die alte Askania, in
ihrer Nachbarin Chrisliani die alte Lea (Leia) erkennen.')
e) Kreta. 2)
Die grösste unter den zu Hellas in geographischem Sinne
gehörigen Inseln, welche von den Griechen und Türken noch jetzt
mit ihrem antiken Namen Krete (neugriechisch Krili, türkisch
Kirid gesprochen), von den Abendländern gewöhnlich mit dem
1) Plin. IV, 12, 71.
^) KgriTL-nd schrieben im Alterthum Alexander Polyhistor (schol. Apoll.
Khod. J, 1492); Antenor (Aelian. De an. XVII, 35); Charon der Karthager
oder der Naukratit (vgl. C. Müller Frgt. hist. gr. IV, p. 360; A. v. Gut-
schmid Philologus X, S. 523 f.); Dosiades (Müller Frgt. hist. gr. IV,
p. 399); Echemenes (ibid. p. 403); Laosthenidas (ibid. p. 438); Petellidas
aus Knossos (Hygin. De stellis II, 4, wo die codd. Pethellidas und Phe-
thellidas geben); Sosikrates (Müller Frgt. hist. gr. IV, p. 500 s.) und
Xenion (ibid. p. 528 s.); KQrjziyicc vo^i^a Pyrgion (Athen. IV, p. 143^).
Tag nsQt Kgijtrjv fivd-oXoyiag sammelte ein gewisser Deinarchos nach
Dionys. Hai. De Dinarcho 1. Eine owccycoy^ xmv KQrjttytmv d'vaimv
von Istros erwähnen Porphyr. De abstin. IF, 56 und Euseb. Praep. evang.
IV, 16. — Unter den erhaltenen Werken sind die wichtigsten Quellen
für die Geographie Kreta's Strab. X, p. 474— 484; Scyl. Per. 47; Dionys.
Call. Descr. Gr. v. 110—129; Stadiasmus maris magni § 318 — 355 (C.
Müller Geogr. gr. min. I, p. 505 ss.); Ptolem. III, 17; Plin. IV, 12, 58
— 61; Solin. Coli. 11, 3—14; Hierokles Synecd. 11. — Von Neueren sind
zu erwähnen Tournefort I, p. 6 ss.; F. W. Sieber Heise nach der Insel
Kreta, II I3de , Leipzig 1823; K. Hoeck, Kreta, III Bde., Göttingen 1823
— 1829; R. Pashley Travels in Crete, II Bde., Cambridge und London
1837; T. A. B. Spratt Travels and researches in Crete, II Bde., Lon-
don 1867; G. Perrot L'ile de Crete Souvenirs de voyage, Paris 1867;
E. Falkener 'On the antiquities of Candia. N. l: La descrizione delP
isola di Candia.' A ms. of the sixteenth Century' im Museum of classical
antiquities, Vol. II, p. 263 ss. ; ausserdem die Karten in Petermanns
Mittheilungen 1866, Tafel 16, und in der Zeitschrift der Gesellschaft
für Erdkunde zu Berlin Bd. I (1866), Tafel VH (dazu Kiepert ebds.
ö. 435 ff.).
530 in. Die Inselwelt. .
Namen der luittclaUcrlicheii Ilauptslaill Kaiidia beiiaiiiil wird, ^)
erstreckt sich unter dem 35slen (jradc nördlicher Breite (unter wel-
chen sie nur in ihrem südlichsten Theile um etwa 5' hinabreicht)
von 23^ 30' bis 26^ 20' östlicher Länge (von Greenwich), in
einer Länge von 35 deutschen Meilen bei einer in Folge tieler
Einbuchtungen und mächtiger Vorsprünge, besonders der Nord-
kiiste, sehr verschiedenen, zwischen 2 und Vy.^ Meilen wechseln-
den Breite mit einem Flächeninhalt von etwa 190 Quadratmeilen.
Die Insel wird in ihrer ganzen Ausdehnung von mächtigen, aus
vereinzelten Massen grauen oder schwärzlichen halbkrystallinischen
dichten Kalksteins, welcher von dünnen Lagen »von Schiefer-
gestein durchsetzt ist, bestehenden Gebirgen durchzogen, welche
nach allen Richtungen hin, hauptsächlich aber gegen Norden und
Süden, zahlreiche Flüsse und Bäche entsenden und mit den Reizen
landschaftlicher Schönheit im Alterthum einen grossen Reichlhum
an Futter- und Heilkräutern, sowie an herrlichen Waldungen
(besonders Kypressen, daneben Cedern, Schwarzpappeln, Eichen
und Platanen) verbanden. 2) An den unteren Abhängen der Ge-
birge w urde wie noch heutzutage hauptsächlich Wein gebaut, ^) in
den Ebenen ausser Getreide (dessen Production jetzt den Bedarf
der Bevölkerung nicht völlig deckt) besonders die von Griechen
*) Der von den Alten verscliiedenlich erklärte Name Kqtjzjj (vgl.
Steph. Byz. u. d. W.; Eustath. ad Dionys. Per. 498; Pliu. IV, 12, 58; Etym.
M. p. 537, 54) seheint, wenn überhaupt griechischen Ursprungs, entweder
auf '/.FQavvv^i (also KQrjtsg = 'Mischlinge') oder auf den Stamm -iiQcct
(also 'Höhenbewohner') zurückzuführen. Als sonstige Namen der Insel
werden angeführt Aeria, Chthonia, Idaea, Kuretis, Makaronne-
sos (Stepli. Byz. und Plin. a. a. O.; Solin. c. 11,5). lieber den Namen
Kandia wird weiter unten gehandelt werden.
2) Kräuter: Theophrast. Hist. pl. IX, 16, 1 if . Kypressen: ibid. II,
2, 2; III, 1, 6; 2, 6; IV, 1, 3; 5, 2; De caus. pl. I, 2, 2; Plut. Symp.
I, 2, 5; Plin. XVI, 33, 142; Ilermippos hei Athen. I, p. 27 ^ Cedern:
Vitruv. II, 9; Plin. XVI, 39, 137 (vgl. Sieber Keise II, S. 87). Schwarz-
pappeln: Theophr. Hist. pl. II, 2, 10; III, 3, "4; (Aristot.) Mir. ausc. 69.
Eichen: Theophr. Hist. pl. III, 3, 3; Dionys. Perieg. v. 503. Platanen:
Theophr. Hist. pl. I, 9, 5; III, 3, 3: vgl. Spratt Travels II, p. 40 ss. —
Der Reichthum an aromatischen Kräutern ist die Hauptursache der Treff-
lichkeit des kretischen Honigs: Geopon. XV, 7, 1; vgl. Diod. V, 70.^
3) KQ7]ri,y.6g olvog Athen. X, p. 440 f; vgl.. Aelian. Var. hist. XII,
31; Poll. VI, 82; luvenal. Sat. XIV, 270 s.; Martial. Epigr. XIII, 106;
Solin. Coli. 11, 12; Pashley Travels II, p. 51 ss.
2. Die ostgriechischen Insehi: Kreta. 531
»
und Körnern nach der kretischen Stadt Kydonia henannte Quitte,
Feigen, die jetzt nur noch in vereinzelten Exemplaren vorkom-
mende Pahne und der Oelbaum, dessen Product jetzt neben den
Südfrüchten (Mandeln, Orangen, Cilronen und Granaten) den
wichtigsten Ausfuhrartikel der Insel bildet J) Ueberhaupt ist die
Insel wenigstens zum grössten Tlieile, mit Ausnahme der Hoch-
gebirge, sehr fruchtbar, heutzutage freilich in Folge der dünnen
Bevölkerung und der türkischen Missregierung sehr ungenügend
angebaut. Die Alten rühmten von Kreta, ähnlich wie von Attika,
dass alle daselbst wachsenden Pflanzen in ihrer Art trefTlicher
seien als anderwärts — ein Vorzug, der hauptsächlich auf die
durch die Mischung von Gebirgsluft und Seeluft bedingte Schön-
heit des Klimas zurückzuführen ist'^} — und dass sie weder wilde
Thiere noch giftige Schlangen nähre. ^)
Das Gebirgssystem der Insel gliedert sich in drei Haupt-
gruppen, eine Gliederung, durch welche die ganze Insel natur-
gemäss in drei Tlieile, Mittel-, West- und Ostkreta, sich theilt.
Den Mittelpunkt bildet die Ide oder Ida, dessen 2460 Meter
hoher, jetzt Psiloriti'*) genannter Gipfel jetzt eine Capelle des
heiligen Kreuzes (Hagios Stavros) trägt. Im Alterthum war das
ganze Hochland des gegen Süden und Südwesten steil abstürzen-
den, gegen Norden und Nordosten in einer Reihe von niedrigeren
lUicken und Terrassen allmälig abfallenden Gebirges, die soge-
nannten Panakra, dem Zeus geweiht, der als Kind hier in einer
Grölte von den Nymphen und Kureten gepflegt und behütet wor-
') Quitten {fi'qXcc Kvdoovicc, mala Cotonea, kretiscli -nodvfiaXa) Atheu.
III, p. 81 s.; Nicand. Alexiph. 234 c. schol. ; Plin. XV, 11, 37. Feigen:
Theophrast. Hist. pl. IV, 2, 3; VI! , 4, 9; vgl. Athen. III, p. 76« ss.
I'almen: Theophrast. Hist. pl. II, 6, 9 und 11; vg-l. die Palme auf Müu-
'II von Hierapytna und Priausos.
2) Od. T, 173; Hcsiüd. Theog. 97Ü; Dionys. Per. 502; Strab. X,
l-. 475; Theophrast. Hist. pl. IX, 16, 3; Plin. XXV, 8, 93; Öoliu. Coli.
11, 12. ApoUodoros leitete den Namen KgTjxrj nccgn to sv v.BylQaa^^Kl
■nv TCEiil trjv vTjOov aegu (Etym. M. p. 537, 55).
^) (Aribtot.) Mir. ausc. 83; Antig. Hist. mir. 10; Aelian. De an. III,
32; V, 2; Plutarch. De eap. ex inim. utii. 1; Plin. VIII, 58, 227 f. Vgl.
Sieber Reise II, S. 98 f.; Pashley Travels II, p. 260 ö.; Spratt II, p. 6 s.
*) y.^f}Xo)Q8iTif offenbar verkürzt aus 'Ttfjrjlmgtitrig. Der alte Name
M<7, doriHch "/da, hattet noch in der Form Nida an einer vier bis fünf
iiglLschc Meilen östlich unterhalb dea Gipfels gelegenen Hochebene; vgl.
Spratt I, 1). 7 s».
532 in. Die Inselwelt.
den sein sollte; zwölf Stadien von dieser mit Weihgeschenken
angefüllten Grotte entsprang eine Quelle, die Quelle des Sauros
genannt. ^) Zur Gruppe der Ide gehört auch der südwestlich von der
Hauptmasse derselben gelegene, durch ein fruchtbares, von einem
Flusse (wahrscheinlich dem Elektras der Alten) durchströmtes
Thal getrennte Kindrios oder Kedrios (jetzt Kedros genannt),
dessen Gipfel eine Höhe von 1830 Meter hat.^)
Der jetzt Madara genannte Hauptgebirgszug des westlichen
Kreta, welcher die Ide noch um 10 Meter an Höhe überragt,
wurde von den Alten mit dem Namen der * weissen Berge'
(Jsvxa 0Q1]) bezeichnet, ^) ein Name, der nicht sowohl von dem
Schnee, welcher seine Gipfel bis zum Hochsommer bedeckt, als
vielmehr von dem hellen Schimmer der aus weisslich - grauem
Kalkstein bestehenden, bis auf einige niedrige Sträucher, beson-
ders eine Art sehr gewürzigen Salbeys, kahlen Kuppen herzulei-
ten ist. Die westliche Fortsetzung dieses Massengebirges bilden
mehrere aus sehr bröcklichem Schiefergestein von brauner und
rother Färbung bestehende Bergrücken, an welche sich an dei*
West- und Nordwestküste wieder Kalkgebirge anschliessen.
Die das östliche Kreta durchziehenden Gebirge werden von
den Alten mit dem Gesammtnamen Dikte bezeichnet, einem Na-
men, der eigentlich dem mächtigen, ungefähr hufeisenförmigen
Gebirgszuge zukommt, welcher sich südöstlich von Lyltos bis zur
Höhe von 1680 Metern erhebt (den jetzigen Lasithi oder Lasilhiotika-
Bergen) und im Alterthum von den Anwohnern als Geburtsstälte des
Zeus mit Ehrfurcht betrachtet wurde ; doch scheint die Benennung
auch auf den 200 Meter niedrigeren Bergrücken ausgedehnt wor-
den zu sein, welcher den jetzt die Halbinsel von Sitia genann-
ten östlichsten Theil der Insel von der schmälsten Stelle derselben,
dem Islhmos von Hierapytna, an bis zum Vorgebirge Itanos durch-
zieht, jetzt in seinem südwestlichen Theile Aphenti-vuno (Herren-
1) Theophrast. Hist. pl. III, 3, 4; Strab. X, p. 475; Diod. V, 70;
Callimach. H. in lov. 51; Steph. Byz. u. UavccyiQcc; Ptol, III, 17, 9.
2) 'Ev reo TtXrjGtov oqsl rrjs"l8rjg iv t(p Klvöqlo) (so codd.; KsdQim
ed. Aid.) TiaKotifibvo) Theophrast. Hist. pl. III, 3, 4; einen Fluss Ke-
ÖQiaog erwähnt Dionys. Call. Descr. Gr. 128. 'HlsnTQa norccpLov iyißos
XaC Ptol. Illjt 7, 4. Vgl. über den Berg Spratt Travels II, p. 272.
3) Strab. X, p. 475; Theophrast. Hist. pl. IV, 1, 3; Ptol. III, 17, 9;
Callim. H. in Dian. 41.
2. Die ostgriechischen Inseln: Kreta. 533
berg), im nordöstlichen Modi genannt. Der im Cap Zephyrion
endende nordöstliche Theil der Hauptmasse der Dikte führte den
Sondernamen Kadiston. ^)
Das Wassersystem Kreta's ist ein sehr reichhaltiges und
mannigfaltiges , indem die Mehrzahl der zahlreichen Flusse , wenn
auch durch die Vereinigung mehrerer kleinerer Wasserlüufe ge-
bildet, doch ihren selbständigen Lauf haben und ohne ihre Ge-
wässer unter einander zu vermischen dem Meere zuströmen. Da-
durch zerfällt die ganze Insel in eine grosse Anzahl einzelner,
durch niedrige Höhenzüge 'getrennter, meist schmaler Thäler,
eine Bodengestaltung, welche in Verbindung mit den Hochgebir-
gen die, wenn auch in vereinzelten Massen, so doch in ihren
Wurzeln sich berührend und so eine allerdings wellenförmig ver-
laufende Wasserscheide zwischen der Nord- und Sndküste bildend,
die Insel von Westen nach Osten durchziehen, einer politischen
Centralisation der Bewohner bedeutende Hindernisse entgegen-
stellte und vielmehr die Decentralisation, die Bildung zahlreicher
von einander unabhängiger Stadtstaaten, in hohem Grade be-
günstigte.
Die Lage der Insel in nahezu gleicher Entfernung von den
drei alten Welttheilen und die Configuration ihrer Küsten, be-
') Strab. X, p. 478 s. setzt allerdings die Jl-uti] in den östlichsten
Theil der Insel in die Nähe von Präsos, 1000 Stadien von der Ida und
nur 100 Stadien von dem (nordöstlichsten) Vorgebirge Samraonion; allein
wenn wir den Namen auf diesen Gebirgszug beschränken, so bleibt der
weit bedeutendere bei Lyttos namenlos, während doch Ptol. III, 17, 9
ausdrücklich als oqrj iniGTKia auf Kreta die drei Gruppen AsvHct oqtj,
ISrj und JtHTr} nennt. Dazu kommt, dass die an die Dikte sich knüpfende
Sage von der Geburt des Zeus dieses Ereigniss in die Gegend von Lyt-
tos und in die Nähe der Ide setzt: s. Hesiod. Theog. 477 fF.; Arat.
Phänom. 33 ff.; Diod. V, 70. Vgl. Ussing Kritiske Bidrag til Graeken-
lands gamle Geographie (Kopenhagen 1868) S. 5 ff., der nur darin zu weit
geht, dass er den Namen Ji-urri auf die Lasithiberge beschränken will:
dass auch die Präsier die Sage von der Geburt des Zeus auf der Dikte
in ihrem Gebiet localisirt hatten, zeigt Athen. IX, p. 375^ s. KuSiatov
Scyl. Per. 47; vgl. PHn. IV, 12, 60; 71; Sohn. Coli. c. 11, 6: Googr.
Rav. V, 21 (p. 397, 5 edd. Pinder et Partliey). ZstpvQiov uyiqov Ptol. III,
17, 6. Der schon den Alten unklare Ausdruck bei Hesiod. Theog. 484
.Alyalut iv oQei (vgl. schol. Arat. Phacnom. 33, wo aucli ein Tomenos des
Zeus Alysiüs und ein Uerg Alysis erwähnt werden) kann nur auf die
llauptmaHse der Dikte (»berh.ilh Lyttos bezogen werden.
534 TIT. Die InscTwelt.
sonders der Nordküste, welche in einer Anzalil weiter nnd tiefer
Buchten den Seefalu-ern sichere und geraumige Ankerplätze dar-
hietet, musste frühzeitig Einwanderer von verschiedenen Gegenden
her anlocken und zur Ansiedelung auf dieser natürlichen Brücke
zwischen Norden, Osten und Süden einladen. So führt uns denn
schon das älteste Zeugniss, welches wir Ober die ethnographisclien
Verhältnisse der Insel besitzen, das der Odyssee, fünf auch in sprach-
licher Hinsicht verschiedene Völkerstämme als Bewohner der mit
90 Städten bedeckten Krete auf: Eteokreter, Kydoner, Achäer,
Dorier und PelasgerJ) Als ältester Bestandtheil in diesem Völker-
gemisch sind nach ihrem offenbar erst später im Gegensatz zu
jüngeren Einwanderern, welche den Namen Kreter auch für sicli
in Anspruch nahmen, gebildeten Namen die Eteokreter (d. h.
wirkJiche, ächte Kreter) zu betrachten,' ein wahrscheinlich phry-
gischer Volksstamm, der aus seiner früheren Heimath den Namen
Ide und die Sagen von der Rhea, den idäischen Daktylen und
Kureten mitgebracht und in dem von ihm zuerst occupirten mitt-
leren Kreta localisirt hatte, später aber durch mächtigere Zuwan-
derer in den schmälsten östlichsten Theil der Insel zurückgedrängt
wurde.-) Die ältesten dieser EindringUnge waren die Kydoner,
ein jedenfalls semitischer (phönikischer oder karischer) Volks-
stamm, der den westlicheren Theil der Insel, wo die Stadt Ky-
donia und der Fluss lardanos sich finden, occupirte, von da aber
längs der Nordküste bis über die Mitte der Insel hinaus vordrang
und dort die später in Knossos umgetaufte Stadt Käratos an dem
gleichnamigen Flusse gründete;^) ihnen gehören die Culte des
Kronos und der Britomartis (oder Diktynna), sowie die Sagen
^) Od. T, 172 ff. , vgl. y, 292, wo die Kvdcovsg als Anwohner des
Flusses 'iccgSccvog erwähnt werden. Die llias weiss nichts von der
Stanimesverschiedenheit der Bewohner der sytocToiinoXig Kqyixt], welche
80 Schiffe unter Führung des Idomeneus und Meriones zum griechischen
Heere gestellt hat: II. E, 645 ff. u. a.
2) Diod. V, 64; (Scymn. Chii) Orb. descr. 542. Strabon bezeichnet
als Ortschaft der Eteokreter Prasos (Präsos), das er X, p. 475 (durch
Verwechselung mit Priansos) in den südlichsten, p. 478 richtiger in den
östlichsten Theil der Insel setzt.
^) Strab. X, p. 475 s.; über KaiQurog (das dem i^hönikischen kaft
entspricht, wie 'iccgdccvog dem lordan) vgl. Callim. H. in Dian. 44 c.
schol.; Hesych. u. KsgatLOi. Ueber andere semitische Namen auf Kreta,
wie FoQtvv, 'EXlcoticc, Asßr]v, fsl%avog, s. unten.
2. Die ostffriechischen Inseln : Kreta. 535
vom Minos, Minotauros, Asterios (oder Asterion), dem ehernen
Riesen Talos und ähnliche an. Die drei ührigen Stämme sollen
aus dem nördlichen Thessalien, der Hestiäolis, nach Kreta ein-
gewandert sein und zwar in einer der sogenannten dorischen
Wanderung w eit vorausliegenden Zeit, ^) eine Annahme, die jeden-
lulls nicht auf einer wirklichen Tradition beruht, sondern nur
aus dem die alten Historiker beherrschenden Respect vor der
Autorität der homerischen Gedichte und der Scheu, diesen einen
Anachronismus zuzuschreiben, hervorgegangen ist. Eine imhe-
l'angene Geschichtsbetrachtung wird nicht zweifeln, dass die Do-
rier und Achäcr — denn über die pelasgische Einwanderung ist
durchaus nichts sicheres zu ermitteln, sondern man kann nur
vermutlien, dass unter den Pelasgern Ansiedler griechischer Natio-
nalität zu verstehen sind, welche in frühen Zeiten aus Kleinasien
herüber gekommen waren — erst nach der Festsetzung der Do-
rier im Peloponnes und zwar von Lakonien aus nach Kreta ge-
wandert sind und dass ihre Niederlassung auf (Hcser Insel wie
auf den Nachbarinseln Thera, Melos u. a. räumlich und zeitlich
mit der Gründung der dorischen Colonien im südwestlichen Klcin-
asien zusammenhängt. 2)
Schon vor der dorisch -achäischen Einwanderung hatte sich
auf Kreta unter der Herrschaft des phönikischen Elements, das
in der griechischen Sage durch die Person des Minos repräsen-
tirt wird, ein wohlgeordneter und mächtiger Staat gebildet, wel-
rber als die erste Seemacht die karischen Seeräuber, die bis da-
hin das ägäische Meer beherrscht hatten, zu Paaren trieb und
die meisten Inseln dieses Meeres seiner Herrschaft unterwarf, ja
sogar an ein Paar Punkten in unmittelbarer Nähe des griechi-
-< hen Festlandes festen Fuss zu fassen suchte.^) Diesem vor-
*) Andron bei Strab. X, p. 475 und bei Stepli. Hyz. n. Jcoqiov
(p. 254, 8 cd. Mein.). Diod. IV, 00 und V, 80: an der letztgenannten
Stelle werden wenigstens die Achüer aus Lakonien hergeleitet und die
Gegend um das Cap Malea als Ausgangspunkt des genieinsumeu Znge.s
der Dorier und Achäer angenommen.
') Schon die Alten berichten von lakedämonischen Colonien auf
Ivreta (Strab. X, p. 481; vgl. Diod. V, 80; Scyl. Per. 49; Dionys. Call.
Deacr. Qr. v. 115 ff.); als solche werden bezeichnet Lyttos (Aristot.
Pol. ir, 10; Polyb. IV, 54) und Oortyna (Conon Narr. .% ; vgl. v, 47).
Vgl. Hück Kreta H, S. 417 ff.
') Man drnkc au die Miu(»a g«Miauut«!n kleineu rdHiu-^cdu vor dor
536 III. Die Inselwelt.
griechisclien Staatswesen, dessen Mittelpunkt die damals Käratos,
spater Knossos genannte Stadt bildete, wurde durch die dorisch-
achäische Einwanderung ein Ende gemacht, durch welche die Insel
hellenisirt und zwar, in Folge des Ueberwiegens des dorischen
Elements wenn nicht an Zahl so doch an Bedeutung, in Sitten
und Sprache dorisirt wurde. Dass die Niederlassung dieser Ein-
wanderer nicht auf dem Wege gütlicher Vereinbarung, sondern
durch gewaltsame Besitzergreifung erfolgte, ergiebt sich daraus,
dass in der historischen Zeit auf Kreta, ebenso wie in Lakonien
und anderen von den Doriern eroberten Landschaften, der herr-
schenden Klasse, den allein zur Theilnahme am Staatsleben be-
rechtigten Bürgern, abgesehen von den in den Städten gehaltenen,
für Geld erkauften Sclaven {xQvöcSvr^tOL) , zwei andere Klassen
gegenüberstanden: eine Klasse persönlich freier, aber pohtisch
rechtloser Unterthanen {neQioLxoi oder vTtrjxooi) und eine Klasse
von Hörigen oder Leibeigenen, welche, an der Scholle haftend,
die ausgedehnten Ländereien, welche theils der Gemeinde, theils
Privatleuten gehörten, gegen schwere Abgaben an die Besitzer
bebauten (die der Gemeinde gehörigen ^votcc oder ^vcoLxat, die
Privatleuten gehörigen dcpa^icSxai oder ocXccQcorccL genannt).^)
Seit der dorischen Eroberung hat Kreta bis zum Verlust
seiner Selbständigkeit niemals wieder einen Einheitsstaat gebildet,
sondern nur ein Aggregat von einzelnen, selbständig neben einan-
der stehenden Stadtstaaten, welche ihr eigenes Gebiet, ihre eigenen
Beamten, ja sogar ihren eigenen Kalender besassen, ihre eigenen
Münzen prägten, unter einander und mit dem Auslande Krieg
führten und Verträge abschlössen. Allerdings übten die beiden
mächtigsten dieser städtischen Gemeinwesen, Knossos und Gortyn,
wenn sie einträchtig zusammenstanden, factisch , eine Art Ober-
herrschaft über die ganze Insel aus und ihrem Einfluss ist wohl
Küste von Megaris (Bd. I, S. 378) und vor der Ostküste Lakoniens (oben
S. 138), sowie an die Sagen vom Kriegszuge des Minos gegen Athen und
Megara (Apollod. III, 15, 8 u. a.).
^) Vgl. Hock Kreta III, S. 1 fF. Die bei den Alten überwiegende
Anschauung, dass die lakonischen Staatseinrichtungen von Kreta herzu-
leiten seien, statt umgekehrt, ist zuletzt eingehend bekämpft worden von
C. Trieber Forschungen zur spartanischen Verfassungsgeschichte (Berlin
1871) S. 81 ff. lieber den kretischen Dialect vgl. Böckh C. I. gr. Vol. II,
p. 401 SS.; G. Hey De dialecto Cretica, Dessau 1869; H. Heibig Quae-
stiones de dialecto Cretica, Naumburg 1869.
2. Die ostgriecliischen Inseln: Kreta. 537
die Einsetzung eines gemeinsamen GericlilshoFes (der freilicli
niclit lange bestanden zu haben scheint) sowie das gelegentliche
gemeihsame Auftreten sämmilicher kretischer Staaten nach Aussen
hin zuzuschreiben; allein der Versuch, welchen die beiden Städte
im Jahre 220 v. Chr. machten, sich mit Hülfe der Aetoler durch
Waffengewalt die ganze Insel zu unterwerfen, scheiterte an dem
energischen Widerstände einiger Slädte besonders des westlichen
Kreta, welche ihrerseits die Achäer und den König Philipp V.
von Makedonien zu Hülfe riefen und dadurch dem letzteren eine
erwünschte Gelegenheit boten, sich in die inneren Angelegenhei-
ten der Insel einzumischen.^) Diesen fortwahrenden Fehden der
kretischen Städte unter einander, welche die Kreter nölhigten,
sich von dem Eingreifen in die gemeinsame hellenische Politik
fern zu halten und auf die Rolle von theilnahmlosen Zuschauern
oder von Mieihsoldaten (als solche waren besonders die kretischen
Bogenschützen und Schleuderer beliebt) zu beschränken und
welche in Verbindung mit dem stark entwickelten Handelsgeiste,
welcher den Kretern wohl zum Theil als Erbstück ihrer semiti-
schen Vorfahren eigen war, sowie mit der aus einer wohlgemein-
ten Erziehungsmassregel zur schmählichen Unsitte ausgearteten
Knabenliebe auch auf ihren Volkscharakler ein schlimmes Licht
•warfen und sie bei den übrigen Griechen in den Ruf der Treu-
losigkeit und Lügenhaftigkeit brachten, wurde erst durch die
römische Herrschaft ein Ende gemacht. 2) Es war 0- Caecilius
') Uebergewicht von Knossos und Gortyn Strab. X, p. 478. Kotvo-
8Cv.iov C. I. gr. n. 2556, Z. 58. Gemeinsame Gesandtschaft der Kreter
nach Delphi zur Zeit des zweiten Perser krieges Herod. VlI, 169; Ge-
sandtschaft der Rhodier nqog nccvrag KgrjrcciSLg nccl xar IdCav Ttgog
xccg TcolEig im Jahre 169 v. Chr. Polyb. XXIX, 4. Versuch von Knos-
sos und Gortyn, die übrigen htädte zu unterwerfen: Polyb. IV, 63 f.
Vgl. Hock Kreta III, S. 442 flf. und S. 464 ff.
^) Kretische Söldner bei der athenischen Expedition gegen Sicilien
Thuk. VII, 57; später sehr häufig erwähnt. Bogenschützen und Schleu-
derer: Liv. XXXVII, 41 ; XXXVIII, 21 ; XLIl, 35. Die Kreter von leich-
tem, zum Springen geschickten Körperbau: Aelian. De anim. III, 2. Von
dem Charakter der Kreter entwirft besonders Polybios ein sehr schlim-
mes Bild: vgl. IV, 8; VI, 46 u ö., dazu Diodor. XXXVIf, fr. 23 Bekk.;
Cornel. Nep. Hannib. 9; Plut. Philopoem. 13; den N'ers KQTJrsg asl tpev-
ütai Cnllimach. H. in lov, 8; Pauli Epist. ad Tit. I, 12; die sprüch-
wörtlichen Ausdrücke yiQrjti^etv ^Zenob. Prov. IV, 62), o Kgrjg xov Kq^tu
BÜB8IAN, GEOOR. II. 36
630 in. t>ie tnselwelt.
Mt'li;lhis, nach seinem Siege Crelicus genannt, welcher die mit
den kilikischen Seeräuhern verhündete Insel nach mehr als zwei-
jährigem Kampfe im Jahre 6G v. Chr. den Hörnern vollständig
unterwarf, die nun mit Kyrene vereinigt zu einer römischen
Provinz gemacht wurde. ^) Seitdem waren die kretischen Städte
zu einem Bunde (xotvov rcSv Kqtjtcov) vereinigt, in dessen Na-
men Münzen geprägt und ein pentaeterischer Agon gefeiert wurden.^)
Kaiser Konstantin trennte die Insel von Kyrene und constituirte
sie als hesondere Eparchie, welche von einem unter den Befeh-
len des Präfecten von Illyricum stehenden Consular verwaltet
wurde und mit Einschluss der Insel Klaudos 22 Städte enthielt,
unter welchen Gortyn den ersten Rang einnahm. '^) Im Jahre
823 selzten sich die Sarazenen auf Kreta fest und behaupteten
sich bis zum Jahre 961, wo die Insel durch Nikephoros Phokas
für das byzantinische Beich wieder erobert wurde.'*) Bei der
Theilung dieses Beiches unter die Abendländer wurde sie vom
Markgrafen Bonifazio von Montferrat, welchem Alexios, der Sohn
des Kaisers Isaak, sie gi^schenkt hatte, durch einen Vertrag vom
12. August 1204 im Austausch gegen andere Besitzungen der
Bepul)lik Venedig überlassen.^) Diese behauptete den für ihre
Machtstellung im Orient wie für ihren Handel äusserst wichtigen
Besitz des ^regno di Candia ' bis zum 18. September 1669, wo
sie sich genötbigt sah, nach hartnäckigem, aber vergeblichem
Widerstände die IIau|)tstadt Kandia und mit ihr die ganze Insel
mit Ausnahme der drei Häfen von Grabusa, Spina Longa und la
Suda, welche noch ungefähr 30 Jahre hindurch in ihrem Besitze
blieben, an die Türken abzutreten. Nur die tapferen, aber räu-
berischen Bergbewohner der südwestlichen Begion, der Höhen
und südlichen Abhänge der 'weissen Berge', die sogenannten
Sphakianer, die ihren nationalen Charakter am reinsten erhalten
(Diogenian. Prov. VII, 31), Kgrig TCQog AlyLvr]rriv (ibid. V, 92). Ueber
die Knabenliebe s. Hock Bd. III, S. 106 flf.
») Strab. XVII, p. 837 und 84Ö; C. I. gr. n. 2588; 2591; über die
Geschichte der Unterwerfung s. Hock Bd. III, S. 483 ff.
2) Eckhel Doct. n. v. T, 2, p. 300 s.; C. I. gr. n. 2583; 2595 — 97;
2561«= (Vol. II, p. 1104).
3) Zosim. II, 33; Hieroel. Synecd. p. 13 s. ed. Parthey; vgl, Böckh
ad C. I. gr. n. 2592.
4) Leon. Diac. Hist.or. I, 2 ~ II, 8.
^) S. Tafel und Thomas Urkunden I, S 512 ff., vgl. III, p. 68.
'2. t)ie ostgriecliisciien Inseln: Kreta. 5.^9
haben und auch von der venezianischen Regierung, welche im
Allgemeinen die griecliische Bevölkerung aufs Schmählichste aus-
beutete und unterdrückte, immer mit besonderer Rucksicht be-
handelt worden waren, bewahrten noch ein Jahrhundert ihre Un-
abhängigkeit, die erst im Jahre 1770 der durch die Verrälherei
ihrer eigenen Stammgenossen unterstützten türkischen Gewalt-
herrschaft in soweit zum Opfer fiel, dass sie sich zur Zahlung
eines jährlichen Tributs an den Sultan bequemen mussten. ') In
Folge der Eroberung nahmen eine Anzahl der griechischen Be-
wohner, besonders der Städte, theils gezwungen, theils um ma-
terieller Vortheile willen den Islam an, auch wanderten mit der
Zeit einige türkische Familien ein, »so dass sich allmälig ein nicht
unbeträchtliches türkisches Element der Bevölkerung bildete, das
jetzt etwa ein Drittheii der Gesammtbevölkerung beträgt; doch
spricht die Mehrzahl dieser hauptsäclilich in den Städten oder
als Grossgrundbesitzer auf dem Lande sesshaften Türken das
Griechische als ihre Muttersprache. Beim Ausbruch des griechi-
schen Befreiungskrieges im Jahre 1821 erhob sich auch die
griechische Bevölkerung zum Kampfe gegen die türkische Herr-
schaft, der hier in Folge des Zusammenwohnens der Griechen
und Türken mehr noch als anderwärts den Charakter eines Bacen-
kampfes annahm nnd alle Greuel eines solchen zur Erscheinung
brachte. Der Erfolg war Anfangs den Griechen günstig; als aber
Mehemet Ali von Aegypten im Juni 1822 5000 Mann albanesi-
scher Truppen nach Kreta gesandt hatte, gelang es diesen binnen
zwei Jahren die unter sich uneinigen, von aussen nicht genügend
unterstützten Aufständischen bis auf einige kleine Guerillabanden,
die sich in den unzugänglichen Gebirgen behaupteten, auseinander
zu sprengen oder zu vernichten. Vergeblich versuchten die Grie-
chen in den Jahren 1827 und 1828 die fast erloschene Flamme
des Widerstandes aufs Neue anzufachen: das Londoner Protokoll
vom 3. Februar 1830 trennte das Schicksal Kreta's ebenso wie
das der ionischen Inseln und der Landschaften Epirus und Thes-
salien von dem des übrigen Hellas und lieferte die Insel dem
Sultan aus, der sie dem Mehemet Ali als Lohn für die im Kampfe
') Vgl. über (liü »Splmkiiiner Sieber Reifte I, 8. 453 flf.; Pashley Tra-
vcIm IT, p. 191 8S ; 245 S8. ; H. Stthinidt Dum Volksleben der Netigriechen
nii'l iIms lM•ll••lli'^-(■b•' AlliMtliiiiii, S 10 inxl tl
M'
540 Hl. Die Inselwelt.
gegen die Grieclien geleisteten Dienst«; iiberliess. Dieser wurde
im Jalire 1840 durch die sogenannte Tripleallianz genotliigt, sie
den) Sultan zurückzugeben. Sclion im Jaiire 1858 konnte die
türkische Regierung einem (h'ohenden Aufstände der griecliischen
Bevölkerung nur durcli die Ahl)erufung des Gouverneurs Veli-
Püscha und durch Versprechung wesentliclier Heformen, beson-
ders im Steüerwesen , zuvorkommen; aber dieso Reformen blie-
ben, wie so oft in der Türkei, ein todter Biiciislabe, ja der Steuer-
druck wurde ärger als vorher. Da Beschwerden darüber bei der
türkischen Regierung nichts fruchteten, erklärte eine National-
versammlung der Griechen Kreta's im Mai 1866 den Anschluss
der Insel an das Königreich Hellas; die ganze griechische Bevöl-
kerung griff zu den Waffen und es entbrannte ein Kampf, der
an Heftigkeit und Wildheit dem in den Jahren 1821 — 24 geführ-
ten nicht nachstand und ebenso unglücklich für die Griechen
endete wie jener: von der Regierung und der Bevölkerung des
Königreichs Griechenland in Folge der diplomatischen Pression
der europäischen Cabinete nur schwach unterstützt und endli( b
ganz im Stiche gelassen, mussten die Aufständischen der türkischen
IJebermacht erliegen; die durch den Aufstand verwüstete und
entvölkerte Insel bildet nach wie vor ein türkisches Ejalet, wel-
ches in die drei Paschaliks Kandia, Rethimo und Kanea zerfällt. ')
Der mächtige Gebirgsstock der ^weissen Berge', welcher mit
seinen westlichen Fortsetzungen (vgl. oben S. 532) gleichsam das
Rückgrat des westlichen Theiles der Insel bildet, fällt gegen Nor-
tlen in zwei grossen terrassenartigen Stufen ab, auf denen meh-
rere Dörfer liegen und zahlreiche Räche entspringen. Vor der
nördlicheren Stufe läuft, durch ein Hochtbal von ihr getrennt,
ein ungefähr 2000 Fuss über die Küstenebene sich erhebender
ßergzug hin, jetzt Malaxa genannt, der Berekynthos der Alten. ^)
Am nördlichen Fusse desselben zieht sich eine von Wesl nach
Ost etwa IY2 Meilen lange, grösslentheiis mit Oliven bewachsene
Ebene hin, an deren Nordseite unmittelbar an der Küste das
jetzt als Hauptstadt der ganzen Insel geltende Städtchen Chania
*) Vgl. über die Geschichte der Kreter unter der türkischen Herrschaft
Perrot L'ile de Crete p. 135—276; Mendelssohn-Bartholdy in den Heidel-
berger Jahrbüchern der Litteratur 1868, N. 11 und 12, S. ICl — 185.
•2) Diod. V, 64;.vgl. Pashley I, p. 57s.
2. Die ostgriechischen Inseln: Kreta. 541
(oder Kanea) liegt. Dasselbe nimmt, obgleich es keine alten
Reste mehr aufzuweisen hat, doch unzweifelhaft die Stelle des
alten Kydonia ein, einer als Hafenplatz bedeutenden Stadt, deren
erste Gründung die Tradition dem Minos (oder dessen Enkel Ky-
don) zuschrieb, die aber in historischer Zeit von den Samiern
neu begründet und sechs Jahre nach dieser Neugründung von
den Aegincten in Besitz genommen worden war. Im Jahre 429
V. Chr. sandten die Athener auf Anstiften der Bewohner von Po-
lichna, einer Nachbarin Kydonia's, 20 SchifTe ab, welche im Ge-
biete von Kydonia landeten, aber nach Verheerung des Landes
ohne weiteren Erfolg wieder abzogen. Sowohl in den inneren
Kämpfen der kretischen Städte unter einander, als bei dem Wi-
derstände, welche die Insel dem Metellus leistete, spielte Kydonia
eine nicht unbedeutende Rolle.
Sein Gebiet erstreckte sich beträchtlich weit gegen Westen,
denn es gehörte dazu noch das auf dem Berge Tityros, dem
in einer Länge von fast drei Meilen von der Küste gegen Norden
vorspringenden, im Cap Spada, dem Psakon der Alten, enden
den Felsrücken , welcher die Bucht von Chania im Westen be-
gränzt, gelegene Heiligthum der Diktynna (Diktynnäon), von
welchem noch einige Marmortrümmer auf einem kleinen Plateau
südöstlich von der Nordspitze des Caps oberhalb einer schmalen
Bucht erhalten sind. Es gehörte also den Kydoniaten das ganze
die weite Bucht von Chania im Süden und im Westen begrän-
zende Küstenland und ohne Zweifel auch die kleine, ungefähr in
der Mitte der Bucht nahe der Küste gelegene jetzt unbewohnte,
aber in der Zeit der venezianischen Herrschaft befestigte Insel
Hagios Theodoros (von den Alten Koite oder Akoition genannt),
welche einen guten Ankerplatz für Schiffe darbietet.^) Der frucht-
«) Marm. Par. Z. 11; Diod. V, 78; Paus. VIII, 68, 4; Herod. III,
41 und 59; Paus. X, 2, 7; Thukyd. II, 85; Polyb. IV, 55; XXIII, 15;
XXVII, 16; XXVIII, 13; C. I. gr. n. 3055; Liv. XXXVII, 60; Appian.
öicul. 6; Cass. Dio XXXVI, 2; LI, 2; Flor. Epit. I, 41 (wo 'urbiwuviu-
frem Cydoneam^)\ Sc}!. Peripl. 47 (wo der Xifiijv xAfttfto'ff erwähnt); ^^trah.
X, p. 479; Stadiasm. mar. m. § 310 ss.; Ptol. III, 17, 8. Der Beiname
der Athena Kydonia, unter welchem diese im eleiscben Phrixn verehrt
wurde (Paus. VI, 21, 6), läswt auf Cult der Athena, deren Kopf auch auf
Münzen von Kydonia erscheint (vgl. Eckliel D. n. I, 2, p. 310), schlieasen.
- Vgl. Paahley I, p. 12 si.; Sprutt II. p. 137 8h. und 196 .ss.
542 lll. Die Inselwelt.
barste Tlieil dieses ansgedehiilen Gebietes ist das imr dmxb nie-
drige Hügel von der Ebene von Cbania getrennte breite Tbal,
welcbes der ans den liefen Sclilucbten westlicii von den böcbslen
lüippeii der weissen Berge berabkoniniende Eluss lardanos
(jetzt nach den seine Ufer beschattenden Platanen IMalanos oder
Plalanios genannt), der bedeutendste des westUchen Kreta, in
seinen» unteren Laufe durchströmt. In diesem Thale, wahrschein-
lich auf einem Hügel der Westseile desselben oberhalb des Dörf-
chens Vryses (sechs bis sieben englische Meilen westlich von Cha-
nia, zwei englische Meilen von der Küsle), der noch Spuren hel-
lenischer sowohl als mitlelallerlicher Mauern trägt, lag eine alte
Orlschaft Pergamon, welche ursprünglich selbständig den west-
licheren Theil des Gebietes der Kydonialen besessen zu haben,
aller frühzeitig von diesen ihrem Gebiete einverleibt worden zu
sein scheint. In diesem pcrgamischen District zeigte man an der
Landstrasse das angebliche Grab des Lykurgos. ') Der mittlere
und obere Lauf des lardanos gehörte wahrscheinlich zum Gebiete
von Polichna, der südlichen Nachbarin von Kydonia, deren
Lage ebenso wenig als die Ausdehnung ihres Gebiets mit Sicher-
heit zu bestimmen isl.^)
Die öslliche Flanke der Bucht von Chania deckt eine mit
breiler Stirne gegen Nordosten halbinselförmig ins Meer vortre-
tende Bergmasse, welche durch einen 1 — V/^ Stunde breiten
Isthmos östlich von Chania mit der Nordküste der Insel zusam-
menhängt. Oestlich von diesem Isthmos zieht sich zwischen der
Südküste der von den Alten Kyamon, heutzutage Akrotiri (d. i.
ccKQOTYiQLOV 'Vorgebirge') genaniilen Halbinsel und der Nordküste
der Insel eine tiefe, sehr wohl geschützte Bucht (jetzt Golf von
Suda genannt) hin, an deren nordöstlichem Eingange, hart an der
Südoslküste der Halbinsel, drei kleine Inselchen, die 'weissen
Inseln' (Leukä) der Alten, liegen; gegen Südosten wird sie durch
das von der Nordküsle Kreta's vorspringende Cap Drepanon
*) Fluss 'iccgdccvog Od. y, 292; Paus. VI, 21, 6. UsQyaiiov und Fleg-
yanict Scyl. Per. 47; Plat. Lycurg. 31; Plin. IV, 12, 69; Serv. ad Verg.
Aen. III, 133. Die Ruinen bei V^ryses (d. i. BqvosiQj Quellen) erwähnt
Spratt II, p. 140, der sie, gewiss mit Unrecht, auf ein älteres (homerp
sches) Kydonia bezieht.
«) Ilerod. VII, 170; Thuk. II, 85; Steph. Byz. u. TLoXCxva.
2. Die ostgriechischen Inseln: Kreta. 543
abgeschlossen. ') Sowohl die wegen ihrer leisigen Beschaflenheit
wenig angebaute Halbinsel als auch die zum grössten Theile sehr
iruchlbare, von einem durch Vereinigung mehrerer kleiner Bäche
gebildeten bedeutenderen Flusse (wahrscheinlich dem Pyknos
der Alten) 2) durchflossene Küslenstrecke im Süden der Bucht
(der jetzige Dislrict von Apokorona) gehörten im Alterthum zum
Gebiet von Aptara oder Aptera, einer Stadt, deren Namen
die Sage von einem Streit zwischen den Musen und Seirenen
herleitete, in welchem die letzteren unterlagen und deshalb sich
vor Verdruss die Flügel ausrissen; als Schauplatz des Streites
bezeichnete man ein zwischen der Stadt und der Meeresküste
gelegenes Ileiligthum der Musen (Museion). Von der Stadt selbst
sind noch ausgedehnte, jetzt Palnokaslro genannte Ruinen erhal-
ten auf einem steilen Hügel in geringer Entfernung von der
Küste. Innerhalb der theils aus grossen polygonen, theils aus
länglich-viereckten Werkstücken erbauten Ringmauern, die man
noch in ihrer ganzen Ausdehnung verfolgen kann, findet man die
Grundmauern mehrerer grosser Gebäude (eins derselben, dessen
Mauern zahlreiche Inschriften enthalten, gerade im Mittelpunkt der
Stadt gelegen, scheint das Prytaneion gewesen zu sein), die Reste
mehrerer Tempel (einer derselben war laut einer VVeihinschrift
der Eleuthyia, d. i. Fileilhyia, geweiht), mehrere grosse über-
wölbte (Zisternen, endlich im südlichsten Theile der Stadt ein
kleines, ziemlich wohl erhaltenes Theater.^)
*) Kvafiov ayiQOV Ptol, III, 17, 8. Äevyicct Stadiasm. m. m. § 344;
Steph. Byz. u. 'Amsgcc; auf dieselben bezieht sich jedenfalls die Angabe
des Plinius IV, 12, 61 'contra Cydoniam Leuce (dies ist wohl die nord-
östlichere, jetzt Paläa-Suda genannte) et duae Budrooe', obwohl der Zu-
satz 'dextra Cretam habcnti ' nicht sowohl auf diese Inseln, als auf die
Insel Hagios Theodoros (Akoition), welche Plinius übergangen zu haben
scheint, passt. ^gtnavnv cc-kqov (noch jetzt ^ganavo) Ptol. III, 17, 7.
») Ptol. III, 17, 8. Kiepert (Neuer Atlas von Hellas Bl. VIII) giebt
den Namen dem westlich von Kydonia mündenden Flusse, was mir we-
gen der Ansetziing bei Ptol. weniger wahrscheinlich ist. — Den moder-
nen Namen *Anoyi6g(ova hält Pashley I, p. 62 8., schwerlich mit Recht,
für eine Corruptel von 'innoriogaviov, was Strabon (X, p. 472) beiläufig
olinc njihere Ortsangabc als Name einer Ortschaft in Kreta anführt, und
setzt dieses bei Ilagio.s M;lmas, auf einem Hügel ungefähr zwei englische
Meilen westlich von Noochorio, wo alte Werkstücke und Marmorfrag-
niente erhalten sein sollen, an.
') Steph. Byz, u. "Amega (die Rlüuztu haI>on durchaus die Legende
544 III. Die Inselwelt.
Der ri;«ronnrt der Aptarärr. Miiion, la<r an der entgogen-
ge^^elzlen Srile diM* f}«i( lit von Suda, an der Sndkiiste der Halb-
insel Akroliri unleihall» des hör!( liens Slernäs, wo noch Reste
der niii^inanrr inid eines nnnlen TInunies erhalten sind; der
kleine. v(ui Nainr last «,'anz gi'schiossene Malen ist hmtzulage in
Fol«,M' der brlrächllji hen Krhehnng der Kii>te, welche im ganzen
v^eslli^ln•n Krria seit den Zeih'n des Alterthnms staltgelunden
hat, nur noch Inr kleine IJoote zugänglich. Ausserdem besassen
die Aptaraer noch «'inen z\\eilen llHlenplalz, Kisamos, der an
i]vr Slidseile der ßutlit, südwestlich vom Cap Drepanon gelegen
war.')
Vom Cap Drepanon an nimmt die vielfacli ausgezackte Kü-
stJ'ulinie i\\\{' eine Strecke von uiigelähr zwei Meilen die Richtung
nach Süden, lun daiui plötzlich nach Osten untzuhiegen; in den
so eiil>lan<lenen Winkel (jetzt na( h einen» darnn liegenden Slädt-
clicn die Bucht von Aruiyro genaimt) mundet ein aus zwei
IlaiipiarnuMi. einem von Westen und einem von Süden her kom-
menden, gi'bildeter Fluss, der Amphimelas (richtiger wohl
Aniphimales, wie auch die Biuht von den Alten genaiuit
windi), au d»ssen Mündung eine Ortschalt Amphimalla oder
Atuphimallion (xxahrscheinhch nur der nördliche (lafenplatz
von Lappa) lag. ^} Ein ähnlichi-r Küstenpialz war das etwa
'jntaQKi'oov , \yie die Stadt auch in den Inschriften cc ta>v *AnraQctC(ov
TTüil'g h< isst ; vgl. Scyl. Per. 47; fc^trab. X, p. 479; Dionys. Calliph.
Descr Gr. v. 122; Pau^. X, 5. 10; Stadiasm. m. m. § 341; Ptol. III, 17,
10; i lin. IV, 12, 59; HierocI. Synecd. p. 14 ed Parthey; Geogr. Ravenn.
V. 21 (p. :-i97 ed. Finder et Parthey). lieber die" Ruinen s. Pashley I,
p. 36 SS. (v^l. Vol. IL p. 1); xMuseura of class. ant. II, p. 296 (mit Plan);
C. Wes her in der Revue arche'olog. n s. X, p. 75 ss. und in den Archi-
ves des niissions scientifiques, IP serie, t. I, p. 439 ss.
M MlvcÖcc Ptol. III, 17, 7; vgl. Stadiasm. m. m § 344 8.; Plin. IV,
12, 59; dazu Spratt II, p. 130 s. Kioaaog wird ausdrücklich als iuL-
vBiov 'Amtgccc aufgefühit von >tral>. X, p. 479; damit stimmt, dass auf
der Pentingersciien Tai'l zwei Städte dieses Namen-* ange^^etzt sind, eine
8 Milien östlich von Kydonia, die andere 32 Milien westlich von dieser
Stadt vj;l. I'ashley I, p. 55.
2; 1 ionys. Call ph. l'escr. Gr. v. 128 (wo für ^AiKpi^slav wohl '^|Lt-
cpiuaXri ZM l sen; vgl. 'Aacpiualr}? v,6lnos; I'tol. III, 17, 7\ AiicpL^ccXlcc
strab. X, p. 47'>, \gl. stej)h. lyz, u. 'Aaq)i(iceJiiov; Plin IV, 12,59. Auf
den el!)en Fluss und die-elbe Ortschaft ist jedenalls zu beziehen die An-
2, Die ostgriechischen Inseln: Kreta. 545
fünf Stunden weiter östlich gelegene Hydramos oder Hydra-
mia. ^)
Ungefähr eine Stunde südlich von Amphimalla liegt zwischen
den nöidlirhen Vorhergen des östlichsten Tiieiles der Kette der
weissen Berge der jetzt Kurnas genannte einzige Landsee Kreta's,
der ungefähr eine haihe Stunde lang, von beträchtlicher Tiefe
und mit krystallhelleui , frischem Wasser gefiilit ist; die Alten
nannten ihn Koresia nach einem jedenfalls in der Nähe ge-
legen Orte Korion, welcher einen Tempel der Aihena Koresia
hesass.^) Der See gehöi'le ebenso wie die Küstenplätze Ainphi-
mnlla und Hydramia zum Gebiete von Lappa (auch Lanjpe ge-
schrieben), der ösllirhsien Stadt des vvestlirhen Kreta, welches
die ganze hier allenlings nicht sehr beträchtliche (nur 2V2 Mei-
len beiragende) Breite i\{)v Insel einnahm und an i\er Nordküste
sich walirsf heinlich vom Gap Drepanon bis zu dem jetzt Korakas
(oder auch Kakonoros) genannten Küstenvorsprunge, an der Süd-
küste vom Vorgebirge Psychion (der Südspitze des Kedrios-
gebirges, jetzt Melissa) bis zum Vorgebirge Hermäa (denn der
östlich von diesem gelegene Hafenort l*hoHiix wird ausdrücklich
als den Lappäern gehöiig bezeugt) erstreckte. Die Stadt Lappa,
deren Gründung die Sage auf Agamemnon zurückführte, während
der Name von einem gewissen i^anipos aus Tarrha hergeleitet
wurde, lag etwas über eine Meile südwärts von der Nordküste,
also nahezu in der Mitte der Breite der Insel, auf einem an-
sehnlichen Hügel zwischen zwei von dem bis zur Höhe von
1325 Meter aufsteigenden östlichsten Theile der Kette der weissen
Berge gegen Norden fliessenden Bächen, deren einer im Alter-
thum den Namen Messapios fühlte, bei der jetzigen Ortschaft
gäbe im Stadiasm. mar. m. § 345 von einem Flusse 'A(iipt(iccTQios mit
Winterhafen und Castell.
•) Stadiasm. mar. m. § .340; Steph. Hyz. u. 'TÖQafxia. Die I'^ntfernungs-
angal>e zwisclu'n AmphimMllon (Ampliimatrion) und Hydramos im Stadiasm.
{arddioi q) i~t MlhrdiUH^H unsicher, da die- er § des stadiasm. entscliieden
lückenhaft i.'^t; doch sehe ich Iteinen Grund, mit Kiepert Hydramos zum
Hafen von I'.leuthernä zu machen und sechs Meilen östlich von Amphi-
malla anzusetzen, wie ich andererseits auch Fa-hley's (I, p. 7.'i s.) nur
auf dem tHuschenden Anklang der Namen beruhende Ansetzung von Hy-
dramos bei dem jetzigen Dramia für unsicher halte.
») Steph. Byz. u. Koqiov; vgl. Spratt II, p 120 8.
546 III. Die Inselwelt.
I*olis (auch Argyropolis 'Silhcisladl' oder spöUisdi Ganliiropolis
'KselsladC ^«'iiaiinl) : die zi«'inluh ausged«'lintefi Ruinen gehören
zum grösslen Theile der römischen Zeil an, was sich daraus er-
iilarl, dass die von MeleHus in Slurni erobeiie und dabei jeden-
lalis schwer geschädigte Stadt von Cäsar wiech'r hergestellt wor-
tlen istJ) Der südliche Theil des Gebiets von Lappa wird ganz
von den südlichen Abhängen der weissen Berge eingenommen.
Diese sind im östlicheren Theile, dem jetzigen Bezirke Hagios
Vasilis, müder und mehrfach von fruchtbaren Thälern und klei-
nen Strandebenen unlerbroclien, während der westlichere Theil,
der jetzige Bezirk Sphakia, der unwirthlichste und wildeste Disirict
von ganz Kreta, ungefähr dasselbe was die Mani für Lakonien,
Kakosuli für Epirus ist. Tief eingeschnittene, düstere Schluch-
ten, in welchen kaum für Maulthiere und Fussgänger gangbare
[Made an Schwindel erregenden Abhängen hinführen, ziehen sich
zwischen den schroffen und steilen Felsrücken hin, in weichen
die Hauptmasse der weissen Berge nach der libyschen See zu
abfällt. Diese ganze Strecke ist fast ohne alle antike Reste: nur
aus alten Küstenbeschreibungen kennen wir die Namen einiger
Küstenpunkte, deren Bedeutung sich offenbar nie über die blosser
Ankerplätze fiH* die Handelsschifle der Lappäer erhoben hat. Die
östlichste dieser Oertlichkeiten ist das schon erwähnte, wahr-
scheinlich die Südostgränze des' lappäischen Gebietes bildende
Cap Psych ion oder Psycheus, bei welchem ein nur während
der Sommerzeit brauchbarer Hafen sich befand, ^j 150 Stadien
westlich von da, also an der halbmondförniigen gegen Südosten
dmxh ein vortretendes Felscap geschützten, aber gegen Südwesten
*) Scyl. Per. 47 (wo der Fluss Msaaniog erwähnt wird, dessen Name
auch bei Dionys. Call. Descr. Gr. v, 128 mit Meineke für MeüücctioXiv herzu-
stellen ist); Strab. X, p, 475; Steph. Byz. u. Acciint]; Ptol. III, 17, 10;
Hierocl. Syn. p. 14 ed. Parthey {AdfinaL), vgl. Notit. episc. 8,236 (ibid.
p. 170) und 9, 145 (ibid. p. 186); Theophr. Hist. pl. II, 6, 9; Polyb. IV,
53 — 55; Cass. Dio XXXVI, 1 s.; LI, 2. Vgl. über die Kuinen besonders
L. Thenon Revue arche'ol. n. s. XV, p. 265 ss. : die daselbst verötFent-
lichten Inschriften (vgl. C. I. gr. n. 2584 und n. 3056) geben ebenso wie
die Münzen durchgängig die Namensform Accnnccioi. Der Bischof der
drei Districte Sphakia, Hagios Vasilis und Amari führt noch jetzt offi-
ciell den Titel 6 Aafinrjg.
') Stadiasm. m. m. § 325 s.; Ptol. III, 17, 4; Steph, Byz. u.
WvxLov.
2. Die ostgriechischen Inseln: Kreta. 547
offenen Bucht von Plaka, stand ein Hafenstadt hen Lanion.^)
Zwischen hciden OerlUchkeiten mündet durch ein anmulhiges
Thal ein Fhiss, der Massalias der Allen, welcher durch zwei
Bäche, einen vom Kedrios, einen von den weissen Bergen her-
kommenden, die sich am oheren Ende des Thaies heim jetzigen
Kloster von Preveli vereinigen, gebildet wird.^) 30 Stadien wesl-
lich von Lamon lag Apolionia (oder A|)oll onias), wahrschein-
lich nach einem Heilig! hum des A|)ollon genannt,^) endlich 1(K)
Stadien westlich von da der Hafen Phoinix, auch Phoinikus
genannt, der jetzige Hafen Lutro, der einzige an der Südkiiste
der Insel, welcher den SchifTen zu jeder Jahreszeit eine sichere
Zufluchtstätte gewährt. 2000 Fuss über dem Hafen, an welcliem
sich noch Fundamente alter Gebäude und Gräber finden, die aber
durchgehends der römischen Zeit anzugehören scheinen, erhebt
sich ein steiles Felsplaleau, auf welchem jetzt acht kleine Weiler
liegen, die unter dem Gesammlnamen Anopolis zusammengefasst
werden; eine felsige Anhöhe am südlichen Ende dieses Plateaus,
bei dem Weiler Biza, trägt die üelierreste der Biugmauern einer
alten Stadt, die ungefähr eine halbe Stunde im Umfang hatte.
Gegen W^eslen fällt das Plateau senkrecht ab nach einer mehrere
100 Fuss tiefen, engen Schlucht, an deren Westseite das kleine
Dorf Aradena liegt, in welchem sich ebenfalls einige Beste aller
Gebäude und Gräber finden. Der Wame des Dorfes ist deutlich
entstanden aus Ära den, mit welchem Namen im Allerthum olTen-
bar die auf dem Plateau von Anopolis gelegene Stadt bezeichnet
wurde, die man wegen ihrer Lage zu dem Hafenplatze Phoinix
auch als 'Anopolis', d. i. 'Oberstadt' bezeichnete: beide, die
Oberstadt (auf welche dann auch der Name des Hafenplatzes
Phoinix übertragen wurde) sowie der llafenort sind ihrer Namen
wegen als Gründungen phönikischer SchifTer zu betrachten. ^)
') Stadia.sm. ni. m. § :VJß.
*> Maaoalin nnrrniov l-n^n).ui Ftol. 111, 17, .'{; vgl. iilier das Thal
von Trcveli Spratt 11, p. 'JfiO h.
') Stadiastn. m. m. § 327 s
*) Stadiasm. m. m. § 328; Actu apoHtol. c 27, Vl\ .Strah. X, p. 47ß;
l'tol. III, 17, 3 (wo <PoiVi%ovg Xt(iriv nnd fPoivi^ noXtg unterschieden);
Hteph. Hyz. u. (poivinovs und 'Agn/S/jv; llicrocl. Hynocd. p. It cd. Par-
they (vgl. Notit, episr. 8, 230 ibid. p. 17t» und 9, 139 ihid. p. 185). Vgl.
Wi^hU'.y II, p. 191; 241 «.; 2.00 g.; Spratt II, p. 249 bb.
548 III. Die Inselwelt.
Das Vorgebirge Hermäa (jetzt Cap Plaka) bildete die Gränze
zwischen der Lappäa und der Tarrhäa, dem Gebiete der po-
litisch ganz unbedeutenden , nur als Sitz des Culles des Apollon
Tarritäos und als Heimath des Grammatikers Lucillus bekannten
Stadt Tarrha, welche etwas über drei Stunden westlich vom
Hafen Phoinix lag, am Ausgang der Schlucht von Rumeli, der
wildesten und grossarligsten unttr den Schluchten des ganzen
Districls von Sphakia, die sich von der unmittelbar westlich von
den höchsten Kuppen der weissen Uerge gelegenen, ringsum von
natürlichen Felswällen umschlossenen riochebene von Omalo, aus
welcher das Regen- und Schneewasser nur unterirdisch durch
eine sogenannte Katabothre abfliessen kann (daher die während
der Sommermonate mit Hafer bebaute Ebene im Winter einen
grossen See bildet), bis zur Südküste hinabzieht. ^) Wahrschein-
lich bildete weder Tarrha noch ihre Nachbarin, die drei Stunden
weiter westlich am Ausgange der Schlucht von Trypiti gelegene
Stadt Poikilassos^), eine politisch selbständige Gemeinde, son-
dern beide gehorten wohl zum Gebiete von Elyros, der bedeu-
tendsten Stadt des südwestlichsten Kreta (des jetzigen Districts
von Selinos), von welclier noch bei dem Dorfe Rodovani, etwas
über eine Stunde oberhalb der Küste, über dem rechten Ufer
eines nicht unbedeutentlen Baches ausgedehnte, aber unschein-
bare Ruinen erhalten sind. An der Mündung dieses Baches lag
der Hafenplatz von Elyros, das Städtchen Syia, dessen Name
noch in dem eines zerstörten Dorfes Suia fortlebt, unter dessen
Trümmern aucfi manche antike Reste sich finden; der alte Ha-
fen aber ist in Folge der beträchtlichen Erhebung der Küste,
welche, wie schon bemerkt, seit dem Alterthum stattgefunden hat,
völlig verschwunden. 3)
*) Ptol. III, 17, 3; Stadiasm. m. m. § 329; Steph. Byz. u. Tccgga;
Theophr. Hist. pl. II, 2, 2; Paus. X, 16, 5; vgl. Pashley II, p. 263 ss.;
Spratt II, p. 247 ss. ; über die Hochebene von Omalo ebd. p. 174 ss.
') IIoLKLlciöGog Stadiasm. m. m. § 330; UoiyulccGLOv Ptol. III, 17,3;
über die Lage und die geringen Ueberreste der Ortschaft (darunter eine
Inschrift, welche die Existenz eines Tempels des Serapis daselbst be-
zeugt) Spratt II, p. 244 s.
^)"ElvQog Scyl. 47; Paus. X, 16, 5; Steph. Byz. u/'EXvqos; Hieroci.
Synecd. p. 14. Zv'i'a Steph. Byz, u. d. W.; Zv(io( Stadiasm. m. m. § 3317
Ueber die Ruinen beider Ortschaften vgl. Pashley II, p. 98 ss.; Spratt
II, p. 240 SS.; L. Thenon Revue archäol. n. s. XIV, p. 396 ss.
2. Die ostgriecliischen Inseln : Kreta. 549
Das Gebkt der Elyrier, zu deren Stadt von der Hochebene
von Onialo aus eine Kunslstrasse lölirte, von welcher noch
jelzt Reste erhallen sind, gränzte im Westen an das von Hyr-
takina, einer Stadt, die, ohyieicli nur V/^ Stunde südwestlich
von Elyros entfernt (ihre in Polygonniauern, Gräbern und Scher-
ben von Thongefässen bestehenden Rrste finden sich auf einem
steilen Hügel eine halbe Stunde südlich vom Dorfe Temenia),
doch eine selbständige politisclie Gemeinde gebildet haben muss,
da sie ihre eigenen Münzen prägte. ^) Dasselbe gilt von der süd-
lichen Nachbarstadt Hyrtakina's, von Lisos (auch Lissos und
Lissa geschrieben), der vvaht'scheinlich die in einer halbkreis-
förmigen kleinen Strandebene bei der Capelle des Hagios Kyria-
kos, ungefähr eine Stunde westlich von Suia erhaltenen Reste
angehören, unter denen namentlich ein kleines Theater von
78 Fuss Durchmesser bemerkenswerth isL^) Westlich von Hyr-
lakina zieht sich das Thal eines von der westlichen Fortsetzung
<ler weissen Rerge herabkommenden Flusses hin , der jetzt nach
einem an seinem linken Ufer gelegenen Dorfe der Fluss von
Vlithias genannt wird: im südlichsten Theile dieses Thaies finden
sich an zwei Stellen (bei dem Dorfe Anydrus und bei Vlithias)
Reste alter Refesligungen — blosser Thurme oder kleiner Ra-
.stelle — aus polygoncn Werkslücken, welche jedenfalls bestimmt
waren, eine von der Küste im Thale aufwärts führende Strasse
zu decken. Dieselben waren offenbar eine Art Vorposten- oder
Aussenwerke der kleinen Stadt Kantanos oder Kantania,
deren Reste auf einem ungefähr l'/j Stunden von der Küste
entfernten Hügel in der Nähe des Dorfes Chadros erhalten sind
und mit deren Namen noch jetzt die ganze Gegend, in welcher
diese Ruinen liegen, bezeichnet wird. 3) Drei Stunden westlich
') Scyl. Per. 47; Steph. Byz. u. 'Tpraxo?; Pto). III, 17, 10; über die
Münzen und Jvuinen Pashloy II, p. 111 ss.: L. Thenon Revue archdol.
n. 8, XVI, p. 107 88.; letzterer sieht daiin, Schwerlich mit Recht, die Keste
einer frühzeitig durch die Dorier zerstörten achäi sehen Htadt, etwa
..n 'Axulu fschol. Apoll. Rhod. J, 176: vgl. Hock Kreta I, S. 430).
'0 Scyl Per. 47; Stadiasm. m. m. § 333; Ptol. III, 17, 3; Ilierocl.
Synecd. p. 14; Geogr. Rav. V, 21 (p. 397, 16); vgl. Pashley II, p. 78
und p. 87 88.; Spratt II, p. 241. Kiepert setzt Lis:<o« weiter weltlich auf
den flachen Kürttenvorsprung, welcher die Ruinen des venezianischen
• HHtells Selino trägt; allein durt sind keine antiken Reetc vorhanden.
') Steph. Bya. u. Küvtavo^^ Ilierocl. Synecd. p. 14; Gteogr. Run.
550 ilT. Die Inselwelt.
von der Mündung jenes Klusses liilt ein hreites, die SiUhvest-
spilze Krela's bildendes Vorgebirge aus der Küsteniinie vor, das
in seinem modernen Namen Cap Krio nocb eine deutlicbe Re-
miniscenz an seine alle Benennung 'Kriu metopon' (Widder-
slirn) bewahrt bat; in der Mitte zwischen demselben und der
Mündung des Flusses von Vlilhias (also etwa bei dem jetzt Tra-
chili genannten Küstonvorsprunge) lag ein Küstenplatz Kala-
m y d e. \)
An der Westküste der Insel lag unmittelbar nördlich vom
Cap Kriu metopon an dem jetzt durch die Erhebung der Küste
sehr verkleinerten IlaCen Krio ein Hafenplatz Biennos oder
Bienna,^) weiter nördlich, wahrscheinlich am Ausgange des
fruchtbaren, von Nordosten her in einer Länge von ungefähr
zwei Stunden bis zur Küste sich hinabziehenden Thaies von
Ennea choria (das nicht bloss neun, wie sein Name besagt, son-
dern fünfzehn bis sechzehn kleine Dörfer und Weiler enthält,
p. 397, 14; vgl. Pashley II, p. 115 ss.; Tlienon Revue arclieol. n. s. XVI,
p. 104 SS.
1) Kqiov fitrtonov Scyl. 47; Strab. 11, p. IOC; X, p. 474; XVII,
p. 837; Dionys. Per. v. 87 ss.; Anthol. Pal. XIV, 129,3; Stadiasm. m. m.
§ 333 ff. (die einzige Stelle wo KaXcc^vörj erwähnt wird); Ptol. III, 17, 2;
f*lin. IV, 12, 58. Pashley's (II, p. 123 s ) Ansetzung von Kalain;)'de west-
lich vom Thale des Flusses von Vlithias, gerade nördlich von Selino-
kastelli, passt nicht zu der Entfernungsangabe im Stadiasm. m. m. § 334.
2) Stadiasm. m. m. § 335 f. Mit C. Müller zu d. St. nehme ich an,
dass bei Ptol. III, 17, 2 für 'Ivccxwqiov (welches Pashley II, p. 78 und Spratt
II, p. 236 s., durch die gewiss täuschende Namensähnlichkeit verführt,
in dem jetzt 'Evvscc %(OQt-ci^ d. i. 'die neun Dörfer' genannten Thale an-
setzen) Btsvva x(oq(ov zu schreiben und dieselbe Oertliehkeit zu ver-
stehen sei; dass derselbe Name noch einer zweiten Ortschaft Kreta's an-
gehört, spricht nicht gegen die Richtigkeit der Angabe im Stadiasmos,
da ja auch andere Namen, wie Kisamos, Minoa, Apollonia, auf Kreta dop-
pelt vorkommen. Spratt a. a. O. hält die etwas nördlich von Kriu me-
topon liegende Insel Elaphonisi für eine der drei Musagoroe (Pomp.
Mela II, 114; Plin. IV, 12, 61), die beiden anderen seien durch die Er-
hebung der Küste seit dem Alterthum mit dem Festlande verbunden
worden und entsprächen den jetzigen Küstenvorsprüngen Trachili und
Selino-kastelli, Allein dies widerspricht schon der Angabe des Plinius,
nach welcher man zu den Musagoroe gelangte, wenn man (von Südosten
her) um das Cap Kriu metopon herumgefahren war. Die Musagoroe sind
jedenfalls viel weiter nördlich, an der Nordwestecke Kreta's zu suchen;
für die jetzige Elaphonisi kennen wir keinen antiken Namen.
2. Die ostgriechisclien Inseln: Kreta. 551
jedoch keine Spuren alter Niederlassungen aufzuweisen hat) ein
Haien Rhamnus, noch weiter nordlich (wahrscheinlich auf dem
jetzigen Cap Karavulas südlich von der Bucht SphinariJ eine Ort-
schaft ChersonesosJ) Alle diese Ortschaften waren ohne Zwei-
fel ganz unbedeutend und politisch nicht selbständig, sondern zun)
Gebiete einer grössern Stadt gehörig, wahrscheinlich von Polyr-
rhenia (auch Polyrrhenion genannt). Diese Stadt, von
Achäern und Lakoniern durch Zusanuiiensiedelung der Bewohner
verschiedener offener Ortschaften begründet, später wohl die po-
litisch bedeutendste Stadt des nordwestlichen Kreta, die westliche
Nachbarin von Kydonia, lag zwei Stunden von der Westküste,
IV2 Stunden von der Nordküste entfernt, beim jetzigen Dorfe
Paläokastron, an einem hohen vereinzelten Hügt^l, dessen schwer
zugänglicher Gipfel die Akropolis bildete. Die Stadt selbst, welche
sich amphitheatralisch am südlichen Abhänge des Hügels ausbrei-
tete, wurde von einer am nördlichen Abhang entspringenden
Quelle aus vermittels zweier durch den Berg getriebener Stollen,
deren Ausgänge als Stadtbrunnen dienten, mit Wasser versorgt;
in ihrem obersten Theile, der sich zunächst an die Akropolis an-
schloss, stand ein wahrscheinlich der Artemis-Diktynna geweihter
Tempel, vor welchem auch eine Statue des Q. Caecilius Metellus,
des Eroberers von Kieta, als 'des Erretters und Wohlthäters der
Stadt' aufgestellt war.-) Der Hafenplatz der Stadt war das an
der Nordküste am Strande des tiefen , gegen Osten und Westen
von mächtigen, weit ins Meer vorspringenden Landzungen flankir-
len Golfes Myrlilos (jetzt Golf von Kisamo genannt) gelegene
Kisamos, dessen Name wie auch einige bauliche Reste in dem
jetzigen Dorfe Kisamo-Kasteli (den letzteren Namen hat es von
einem verfallenen venezianischen Kastell) erhalten sind.^) Reste
'j Ptol. HI, 17, 2: auf diese Chersonesos an der Westküste Ijezioht
sich Wühl ancli Strab. XVII, p. 838.
') Scyl. Per. 47; Stral). X, p. 479; Polyb. IV, r»3; fif); Ptul. III,
17, 10; Ste|>li. V.yy.. n. IloXvQQfivta; Zcnob. Prov. V, 50; Plin. IV, 12,
6*J; Inschrift im C. I. gr. n. 80r)4. Vgl. über die Ruinen Paahley II,
p. 46 .SS.; Sprutt II, i).*2Il s«.: Tbenon Uevue archi'«*]. n. s. XV, p. 4IG ss. ;
l'errot L'ile de Crete p. 42 ss.
3) Stadiasm. m. m. § 33» ss; 1M<.I. III, 17, h, Min. IV, 12, M);
Nunn. Dionys. XIII, 2:i'; Ilierocl, Syneed. p. 14; Uoogr. Uav. p. :{U7, 13;
vgl PashUy II, p. Ali «.; Spratt 11, p. 2iü s».
552 in. Die Inselwelt.
einer anderen allen Ortschaft, deren Nanne nicht mehr zu be-
stimmen ist, finden sich etwas u!)er eine Meile östlirh von Po-
lyrrhenia, eine Stunde südlich von der Küste der Bucht von Ki-
samos. über dem linken Ufer eines in einer tiefen Schlucht hin-
fliessenden, in den südöstlichen Winkel jener Bucht mündenden
Baches: ein kegelförmiger, nur durch Felsslufen von Süden her
zugänglicher Hügel zeigt zwar keine Mauerreste, aber drei alle
Cislernen, und auf dem südlich davon sich hinziehenden Berg-
rücken bemerkt man antike Terrassen mit Gebäudefundamenten
und MauerreslenJ) Die von der Nordwestecke Kreta's in einer
Länge von etwa l'/2 Meilen vorspringende, in dem spitzen Cap
Busa endende kahle, felsige Landzunge, welche den Golf von
Kisamos im Westen begränzl, wird von den alten Schriftstellern
mit verschiedenen Namen (Korykos oder Korykia, Rimaros
und Tretos) bezeichnet, welche ursprünglich wohl verschiedenen
Theiien der vielfach ausgezackten Felszunge zukamen; an der
Oslseite derselben war ein Hafenplatz Agneion mit einem Hei-
ligthum des Apollon.^) Nördlich. vom Cap Busa liegt ein rauhes
Felseiland, jetzt Agria Grabusa (oder Karabusa) genannt; süd-
westlich davon ein zweites, das auf seinem hohen Bücken das
Kastell Grabusa (Karabusa), eine der stärksten Befestigungen aus
der Zeit der venezianischen Herrschaft über Kreta, trägt und an
der Südseite eine kleine Bhede hat. Vj^ Meilen südwestlich da-
') Spratt II, p. 206 SS., der nach dem Vorgange , von Pashley (II,
p. 40 s.) hier eine Stadt Rhokka (welchen Namen noch jetzt ein Dorf
in der Nähe dieser Ruinen trägt) und nördlich davon an der Mündung
des Baches eine Korne Methymna ansetzt, beides nach Aelian. De anim.
XIV, 20: allein dort hat Hercher für Mrjd'vfivrig jedenfalls richtig 'Pt-
&vpLvrjs geschrieben, nach welcher Emendation das Heiligthum der Ar-
temis Rhokkäa (das nach Aelian. De anim. XII, 22 auf einem Küstenvor-
sprunge gelegen zu haben scheint) nach Rhithymna zu setzen ist. Von
einer alten Ortschaft 'Po^yia findet sich in unseren Quellen keine Spur;
das jetzige Dorf dieses Namens ist wahrscheinlich venezianischen Ur-
sprungs (Röcca). Die Ruinen gehören vielleicht der Stadt der KsQattcxL an:
Polyb. IV, 53;|Steph. Byz. u. Bijivr]] Suid. n/PLUVog; Münzen mit KfQUttar
Eckhel D. n. I, 2, p. 306 s.
2) KcoQvyiog ukqu ^al noUg Ptol. III, 17, 2; vgl. Strab. VIII, p. 363;
Steph. Byz. u. KcoQvnog', Plin. IV, 12, 60. Kificcgog (jedenfalls kretisch^
für XtfiaQog, ein Name, der merkwürdig übereinstimmt mit dem der öst-
licheren Landzunge TCzvQog) Strab. X, p. 474 s. TQrjrog und'Ayvsrov
Stadiasm. m, m. § 337 ss.
2. t)ie ostgriecliischen Inseln: Kreta. 553
von liegt ein drittes, jetzt Ponlikonisi (Mäuseinsel) genanntes Ei-
land, das sich von den beiden vorher erwähnten, aus kahlen
Kalkfelsen bestehenden,- durch den vulkanischen Charakter seines
Bodens unterscheidet. Im Alterlhum scheint dieses südwestlichste
Eiland Myle, das mittlere (Grabusa) Mese, das nordöstliche
Musagora (oder Musagoros) genannt worden zu sein, auch
scheinen alle drei mit dem Gesammtnamen Musagoroi, die
beiden nördlicheren mit dem Namen Korykoi (oder Korykiä)
bezeichnet worden zu sein. ^)
Auf einem steilen, von der sudlichen Wurzel der korykischen
Landzunge gegen Westen vortretenden Vorgebirge (dem jetzigen
Cap Kutri), das vom Meere aus gar nicht, von der Landseite her
nur auf einem ziemlich l)eschwerlichen Pfade zugänglich ist,
lag, 60 Stadien von Polyrrhenia entfernt, die nordwestlichste
Stadt Kreta's , Phalasarna, welche einen (jetzt durch die Er-
hebung der Küste unzugänglich gewordenen) befestigten Hafen
und ein Heiligthum der Artemis-Diktynna besass. '-)
Das mittlere Kreta, die Region der Ida, enthielt eine be-
trächtliche Anzahl bedeutender Städte, darunter die beiden mäch-
tigsten der ganzen Insel, Knossos und Gortyna, so dass dieser
District wie in localer, so auch in politischer Beziehung als Kern
und Mittelpunkt der ganzen Insel betrachtet werden kann. An
der Nordküste finden wir zunächst als östliche Nachbarin des
•) Ich folge in der Benennung dieser Inseln durchaus dem Stadiasni.
m. m. § 336, nur dass ich für das überlieferte 'lovadyovQCC nach Pomp.
Mela ir, 114 und Plin. IV, 12, 61 (vgl. S. 550 Anm. 2) MovadyoQcc (oder
MovGccyoQog) schreibe: ich nehme dabei an, dass Plinius a. a. O. irrig
die drei Musagoroe von den 'duae Corycae, totidem Mylae' (die jetzige
Pontilionisi wurde wohl auch pluralisch MvXcct genannt) unterschieden
hat. Allerdings liegen südlich vom Cap Kutri nahe der Westküste drei
ganz kleine Inseln; allein auf diese passt die Schilderung des Stadias-
nios durchaus nicht.
») Scyl. Per. 47; Dionys. Call. Descr. Gr. v. 119 ss.; Polyb. XXIII,
15; Strab. X, p. 474; 479; Stadiasm. m. m. § 336; Ptol. III, 17, 2;
Plin. IV, 12, 59; Steph. Byz. u. ^aXdauQva; über die Lage und Ruinen
vgl. Pasbley II, p. 62 88.; Spratt II, p. 227 83.; Perrot L'ile de Cr^e
p. 53 88. Von Phalasarna ist zu unterscheiden die nur von Steph, Byz.
u. ^dXavva und <PaXdvvaia erwähnte Stadt Phalanna oder Phalan-
näa, von welcher auch Münzen vorhanden zu sein scheinen (s. Eckhel
D. n« V. I, 2, p. 318), über deren Lage wir gar nichts wisaea.
BURSIAN, QEOOB. II. 37
554 in. Die Inselwelt.
Gebiets von Lappa, der östliclisten Stadt des westlichen Tlieiles
der Insel, die Stadt Rliitymna (oder Uliitliyinnia), deren
Stelle — ein kleines Vorgebirge der Nordköste — noch jetzt die
Stadt Ritymnos (oder Rethimo), eine der bedeutendsten des heutigen
Kreta, einnimmt, die aber in Folge der ununterbrochenen Rewoh-
nung ausser dem Namen keine weiteren Reste des Alterthums aufzu-
weisen hat. Die alte Stadt, welche nie bedeutend gewesen zu
sein scheint, besass einen wahrscheinlich auf der hohen Nord-
spitze des Vorgebirges, welche die Akropolis bildete, gelegenen
Tempel der Artemis Rhokkäa und ausserdem, nach den Münzen,
welche den Kopf der Athena zeigen, zu schliessen, ein Heiligthum
der Athena.^) Ihr Gebiet gränzte im Osten an das von Eleu-
therna, einer der bedeutenderen und mächtigeren Städte Kreta's,
welche auf einem von zwei Bächen, die sich an seinem nörd-
lichen Ende vereinigen, umflossenen Hügel am nordwestlichen
Fiisse der Ida lag. Das Plateau des Hügels, welches die Akro-
polis einnahm , zeigt noch Reste von alten Ringmauern, Funda-
mente von Gebäuden und zwei grosse in den Fels gehauene
Cisternen, deren Decken durch zwei Reihen massiver Pfeiler ge-
tragen wurden; an den Abhängen findet man noch zahlreiche
alte Terrassen, welche die Baulichkeiten der Unterstadt trugen,
darunter eine am Ostabhang, auf welcher offenbar ein Tempel
stand (wahrscheinlich des Apoilon, der nach den Münzen die
Ilauptgottheit der Stadt, die selbst auch den Namen ApoUonia
geführt haben soll, war). Gerade unterhalb dieses Tempels
führte eine Brücke, von welcher noch bedeutende Reste erhalten
sind, über den am östlichen Fusse des Hügels hinfliessenden
Bach; auf einer zweiten, ebenfalls zum grössten Theile erhalte-
nen überschritt man den Bach nach der Vereinigung beider
Arme einige Hundert Schritt jenseits des nördlichen Fusses des
Hügels.^) Obgleich die Stadt durch ihre Lage in einer der
fruchtbarsten Gegenden der Insel, V/^ Meile von der Küste ent-
*) Ptol. III, 17, 7; Steph. Byz. u. "Fl^v^vlci; Aelian. De an. XIV,
20 (vgl. S. 552 Anm. 1); Lycophr. AI. 76; Plin. IV, 12, 59; der Name
steckt wohl auch in dem corrupten 'Oa^iSccv bei Scyl. Per. 47 (Geogr.
gr. min. ed. C. Müller I, p. 43). Vgl. Pashley I, p. 101 s.
2) Scyl. Per. 47; Polyb. IV, 53 und 55; Flor. Epit. I, 41; Cass. Dio
XXXVI, 1; Ptol. III, 17, 10; Steph. Byz. u. 'EXev&SQVcc und 'AtioHg)-
vCa; Hierocl. Synecd. p. 14; Plin. IV, 12, 59; C. I. gr. n. 2566 (Cult
2. Die ostgriechischen Inseln: Kreta. 555
fernt, hauptsächlich auf die Cultur des Bodens (Getreide-, Wein-
und Oelhau) angewiesen war, hat sie doch offenbar, wie alle be-
deutenderen binnenländischen Städte Kreta's, auch einen Hafen-
platz besessen, der ihr jederzeit die Verbindung mit dem Aus-
lande zur See* offen hielt; wie hätte sie sonst Verträge mit
auswärtigen Städten, wie mit Teos, abschliessen und gar mit
einem der bedeutendsten griechischen Seestaaten, mit Rhodos,
Kri^g führen können (um Ol. 140)? Dieser Hafenplatz führte
wahrscheinUch den Namen Pantomatrion und lag an der Nord-
küste bei dem jetzigen Rumeli-kastello, wo sich noch Reste einer
kleinen mit Mauern und Thürmen befestigten antiken Ortschaft
finden, östlich von der Mündung eines nicht unbeträchtlichen
Flusses, des jetzigen MylOpotamos, der von den nordöstlichen
Ausläufern der Ida herabkommt und etwa Vl^ Stunden vor seiner
Ausmündung den durch zahlreiche Zuflüsse vergrösserten Bach
von Eleutherna aufnimmt. ^) Das Stromgebiet dieses Flusses ge-
hörte nur zu einem Theile, in seinem unteren Laufe, den Eleu-
ihernäern, zum andern Theile den Bewohnern der östlichen
Gränznachbarin von Eleutherna, der Stadt Oaxos (nach kreti-
scher Aussprache Vauxos oder Vaxos, auch ohne Digamma
Axos, in welcher Form der Name noch in dem jetzigen Dörf-
chen Axo fortlebt). Die Reste dieser Stadt liegen etwas über zwei
Meilen^ südöstlich von denen von Eleutherna, IV4 Meile von der
Nordküste entfernt, zwischen den nördlichen Vorbergen der Ida,
meist kahlen von schmalen Thalschluchten durchschnittenen Fels-
hügeln, die erst weiter gegen Norden einen anmuthigeren Cha-
rakter durch Bewaldung mit immergrünen Eichen, Johannisbrod-
bäumen -und Oelbäumen annehmen. Ein sattelförmiger Hügel
der Artemis) und n. 3047 (Vertrag mit Teos). Vgl. Spratt U, p. 89ss.;
Thenon Revue arch^ol. n. s. XVII, p. 293 ss.
') nccvtouaxQiov Ptol. III, 17, 7; Steph. Byz. u. d. W.; Plin. IV,
12, 60; der Name ist jedenfalls auch im Stadiasm. m. m. § 346 f. her-
zustellen {y,ciXsLtcii dt rj noXig 'Eltvd'SQva' ns^rj ds Kvaßrivai, ano tov
TlavTO^aTQiov otocdiot v': 50 Stadien entsprechen genau der directen
Entfernung von den Ruinen von Eleutherna bis zur Nordküste). Den
Mylopotamos nennt Kiepert Oaxes nach Vibius Sequester p. 8, 1 ed.
meao; aber Serv. ad Vcrg. Ecl. I, 66 läugnet bestimmt, dass es einen
Flu 88 dieses Namens auf Kreta gegeben habe. Auch die Vermuthung,
dass auf das Thal des Mylopotamos die Notiz des Steph. Byz. u. Av
X(av • noXie KQr]xrig ri xonos zu beziehen sei, ist ohne sichern Anhalt.
37*
556 III. Die Inselwelt.
östlich von dem jetzigen Dorfe Axo, welclier noc.li Reste polygo-
ncr Ringmauern trägt, bildete die Akropolis der alten Stadt,
welche sicli dann auf einer Anzahl Terrassen hauptsächlich am
östlichen Ahhange des Hügels bis ins Thal hinabzog J) Wie
Eleutherna so besass auch Oaxos ohne Zweifel einen Ilafenplatz
an der Nordküste, der wahrscheinlich den Namen Astale führte;
doch ist es unsicher, ob derselbe an der eine Meile östlich von
Rumeli-kastello gelegenen, von der Landseite her von hohen
Bergen umschlossenen und daher nicht leicht zugänglichen Bucht
von Vali, oder zwei Meilen weiter ösllich an der geräumigeren
und von der Landseile her weit besser zugänglichen Bucht von
Phodeles, welche gegen Nordosten durch das spitze Cap Stavro
abgeschlossen wird, stand: war, wie ich glaube, das Letztere der
Fall, so wird das zunächst ösllich vom Cap Stavro vortretende
Vorgebirge, das Cap Dion der Alten (noch jetzt Dia), als der
nordöstlichste Gränzpunkt des Gebietes von Oaxos zu betrachten
sein.-) — Zwischen der Bucht von Vali und dem rechten Ufer
des Mylopotamos, ungefähr eine Stunde oberhalb des letzteren,
eine halbe Stunde oberhalb des Dorfes Melidoni, also in einer
Gegend, von der es fraglich ist, ob sie im Alterthum zum Ge-
biet von Eleutherna oder von Oaxos gehörte, öffnet sich- in einer
von Menschenhand geglätteten Felswand nahe unterhalb des Gipfels
eines Hügels der Eingang in eine sehr geräumige Grotte,^ welche
durch ihren Reichthum an Stalaktiten mit der berühmten Grotte
von Antiparos wetteifern kann. Dieselbe war im Alterthum laut
einer am Eingange angebrachten Inschrift aus der Zeit der römi-
schen Herrschaft, aus welcher sich auch ergiebl, dass der Bergzug,
^) Der Name lautet fav^iojv C. I. gr. n. 3050, ßa^tcov auf Münzen
(auf späteren 'A^lcov) , "Occ^og bei Herod. IV, 154; Steph. Byz.. u. d. W.
und Hierocl. p. 14 (vgl. Scyl. Per. 47, wo cod. J7a|oj, und Apoll. Rhod.
A, 1131 ycctrjg Otcc^cSog), "A^og bei Steph. Byz. u. d. W. Ueber die
Kuinen vgl. Pasliley I, p. 146 ss.; Spratt II, p. 75 ss,; Thenon Revue
arche'ol. n. s. XVI, p. 409 ss.
2) ^Aaralri Stadiasm. m. m. § 347 f.; die dort angegebene Entfernung
des Platzes auf 100 Stadien von Herakleion passt höchsteris auf die
Bucht von Phodeles, gar nicht auf die von Vali; doch kann die Zahl
verderbt sein. Die Annahme Kiejierts, dass die Bucht von Vali dem alten
Panormos entspreche (Panhormura Plin. IV, 12, 59) passt nicht zu
der Ansetzung dieses Platzes bei Ptol. III, 17, C. Jtov av.qov Ptol.
». a. O. § 7.
2. Die ostgriechischen Inseln: Kreta. 557
in welchem die Grotte sich befindet, den Namen der talläi-
schen Berge führte, dem Hermes geweiht;') in neuerer Zeit
hat sie eine traurige Berühmtheit erlangt durch die Gräuelthat
eines türkischen Heerführers, Hussein Bey, welcher gegen Ende
August 1822 über 300 in diese Grotte geflüchtete Griechen, meist
Greise, Weiber und Kinder, nach mehrtägiger vergeblicher Be-
lagerung durch Feuer erstickte.
Das Gebiet von Oaxos stiess gegen Osten an das von Ty-
lissos, einer fast verschollenen Stadt, deren Name jedoch in
dem zweier am östUchen Fusse der im Cap Dion endenden nord-
östlichen F'ortsetzung der Ida gelegenen Dörfer, Apano- und Kato-
Tylisso, erhalten ist: bei dem ersteren, welches 272 Stunden
gegen Südwesten von der Stadt Kandia entfernt ist, finden sich
noch einige alte Griiber und Fundamente von Mauern , bei dem
letzteren, das eine halbe Stunde unterhalb jenes liegt, sind we-
nigstens wiederholt alte Münzen entdeckt worden. Die Stadt
muss, da sie eigene Münzen prägte, wenigstens in älteren Zeiten
politisch selbständig gewesen sein, ist aber wahrscheinlich ziem-
lich frühzeitig von ihrer südlichen Nachbarin Rh au kos (s. un-
ten S. 561 f.) unterworfen worden. 2)
Die Küstenlinie nimmt von dem oben erwähnten Cap Dion
an auf eine Strecke von IV2 Meilen eine südliche Richtung, bis
sie sich bei dem jetzigen Dörfchen Armyro wieder ostwärts wen-
det: auf dieser Sti;ecke von Armyro bis zum Cap Dion scheinen
noch zwei unbedeutende Küstenplätze Apollonia und Kytäon
gelegen zu haben, die wohl ursprünglich den Tylissiern, später
den Rhaukiern, endlich den Knossiern oder Gorlyniern gehörten.^*)
*) C. I. gr. n. 2569; vgl. über die Grotte Pashley I, p. 126 ss.; Per-
rot p. 85 SS. Mit dem Namen der TccXlaui OQrj hangt jedenfalls zusam-
men der Beiname Tallaioq, unter welchem Zeus in verschiedenen kreti-
schen Städten verehrt wurde: vgl. C. I. gr. n. 2554, Z. 95 und 178; In-
schrift in den Wiener Sitzungsberichten Bd. 30, Tafel Vin, Col. I, Z. 17 f.;
Iffsych. u. TaXaioq.
2) Münze mit TYAIIION (rückläufig) Pashley I, p. 161; vgl. Spratt
11, p. 61 SS. Von Schriftstellern erwähnt die Stadt nur Plin. IV, 12, 59
und aus ihm Solin. Coli. 11, 4 (bei beiden Schreibfehler Cylissou); ein
''Eqiiojv TvXiöing (schreibe TvXiaioq) erscheint als nQolivooi von Kor-
kyra in der koikyräischen Inschrift C. I. gr. n. 1840, Z. 7.
3) Ptol. III, 17, 6; Plin. IV, 12, 59; Steph, Byz. u. 'AnoXXiovia und
Kvta. Die uatea naXa Kvtatnv erwähnt Nonnos Dionys. XIII, 238. —
558 Hf. Die Ineehvelt.
Der Landstrich zwischen dem öslliclicn Fusse der Ida und
dem westlichen Fusse der Dikle, die jctzi'jien Districte Malevesi,
Temenos und Pediada, ist eine durch mehrere Berg- und Ilügel-
züge unterbrochene Ebene, welche gegen Süden durch eine fort-
laufende Bergkette, die Wasserscheide zwischen der Nord- und
Sudküste, abgeschlossen wird. Unter den die Ebene durchziehen-
den Bergen ist der bedeutendste der ziendich im Mittelpunkte
des ganzen Landstrichs in zwei kegelförmigen Gipfeln von an-
näliernd gleicher Höhe (820 Meter) aufsteigende lukta; der süd-
lichere Gipfel trägt eine christüche Capelle, auf dem nördlicheren
sind noch Reste hoch alterlhümlicher Polygonmauern erhalten,
welche im Volksmunde als das 'Grab des Zeus' bezeichnet wer-
den, eine Bezeichnung, die sich kaum anders als durch fortge-
setzte Tradition aus dem Alterthum (wo bekannilich die Kreter
ein Grab des Zeus auf ihrer Insel zeigten) ^) erklären lässt. Von
den bedeutenderen Bächen, welche diesen Landstrich in der
Richtung von Süden nach Norden durchfliessen, scheint der west-
lichste zunächst östlich von der Stelle von^ Tylissos fliessende im
Alterthum den Namen Pothereus, der ungefähr eine Meile
weiter östlich fliessende, jetzt Platyperama genannte den Namen
Theren geführt zu haben: an dem Ufer des letzteren sohle
nach kretischer Sage die heilige Hochzeit des Zeus und der Hera
stattgefunden haben, welche jährlich in einem Heiligthum durch
Opfer und Festlichkeiten gefeiert wurde, ^j Der Bach sodann, an
Pashley I, p. 259 ss. setzt Kytäon an der Stelle eines venezianischen
Paläokastron bei Rogdia, Apollonia bei Armyro an. Vielleicht waren aber,
da Ptolemäos genau dieselben Längen- und Breitengrade für Apollonia
und Kytäon giebt, beide Namen nur verschiedene Benennungen derselben
Oertlichkeit, die Plinius irrig geschieden hat; dann wird bei ßogdia
Panormos (vgl. S. 556, Änm. 2) anzusetzen sein.
1) Callimach. H. in lov. 8; Cic. De nat. d. IIT, 21, 53; Diod. III, 61;
Pomp. Mela II, 112; Solin. Coli. 11, 7; Lncian. De sacrif. 10; lupiter
trag. 45; Origenes c. Geis. III, 43; Minuc. Fei. Oct. c. 21, 8; Firmic.
Mat. De err. prof. rel. c. 7, 6. Vgl. Pashley I, p. 210 ss.; Spratt I,
p. 77 ss.
2) Nach Vitruv. De arch. I, 4, 10 bildete der Fluss Pothereus die
Gränze zwischen den Gebieten von Knossos und von Gortyn, was ganz
auf den im Texte erwähnten Fluss passt, wenn wir annehmen, dass da-
mals das Gebiet von Tylissos ganz oder zum Theil im Besitze der Gor-
tynier war. De« Fluss O^qtjv im Gebiete der Knossier erwähnt Diod,
2. Die ostgriechischen Inseln: Kreta. 559
welchem Knossos selbst lag, hicss Käratos (mit welchem wahr-
scheinlich semitischen Namen auch die Stadt selbst in den älte-
sten Zeiten benannt worden sein soll), der etwas weiter öst-
lich fliessende, welcher jetzt Bach von Kartero genannt wird,
A m n i s 0 s. ^) "*
Dieser Landstrich bildete, wenn auch nicht in seiner ganzen
Ausdehnung, so doch zum weitaus grössten Theile das Gebiet
von Knossos (oder Knosos),^) dem sagenberühmten Herrscher-
sitz des Minos, in der historischen Zeit der mächtigsten und be-
deutendsten unter den Städten Kreta's, ein Rang, welchen ihr
freilich zu wiederholten Malen Gortyn, eine Zeit lang auch Lyttos
mit Erfolg streitig machten. Die Stadt, deren alte Ringmauer
einen Umfang von 30 Stadien hatte — unter der römischen
Herrschaft wurde derselbe wahrscheinlich erweitert, da eine
römische Colonie dahin geführt wurde — lag in einer wellen-
förmigen Ebene zwischen den Betten zweier parallel gegen Nor-
den fliessenden Bäche, eine Stunde südlich von der modernen
Stadt Kandia, zu deren Anlage der grösste Theil der Trümmer
der alten Stadt verwendet worden zu sein scheint, so dass heut-
zutage von derselben nur noch Reste römischer, aus Ziegeln er-
bauter Mauern vorhanden sind, nach welchen der einen Theil
des Terrains, auf welchem die Stadt stand, einnehmende Weiler
Makroticho (d. i. ^a'HQOv tetxog, lange Mauer) benannt ist. Die
Hauptgöttin in der Stadt war Athena, welche nach der Sage der
Knossier in ihrem Gebiet am Bache Triton geboren sein sollte
V, 72; auf denselben bezieht sich jedenfalls Paus. T, 27, 9: inl Ttotdfim
TS&QLVI.
*) KuLQCczog Strab. X, p. 476; Callimach. H. in Dian. 44. lieber
den Fluss Amnisos (von dem Hafenplatze dieses Namens wird weiter
unten die Rede sein) s. Apoll. Rhod. F, 876; Nonn. Dionys. VIII, 115;
XIII, 251; Steph. Byz. u. 'Afiviaog. Ein Nebenfluss des Amnisos war
wohl der durch die Ebene Omphalion fliessende Triton, an dessen
Quellen ein Heiligthum der Athena, die dort geboren sein sollte, stand:
Diod. V, 70; 72. Auch die Stadt Knossos soll den Namen Trita ge-
führt haben: Ilesych. u. Tqltu.
') Die Handschriften geben meist Kvoaoaog, seltener Kvooaog^ latei-
niach Gnossos, Gnosius, die Münzen und Inschriften immer Kvmaioi
mit einem a. Vgl, über die seit den Homerischen Gedichten (B 646;
2 591; T 178) sehr häufig erwähnte Stadt besonders Strab. X, p. 476 s.;
Scyl. Pen 47; Stadtasm. m. m. § 348; Ptol. III, 17, 10; dazu Pashley I,
j). 204 88. ; Spratt I, p. 68 ss.
560 III. Die Inselwelt.
und von der sie ein angeblich von Dädalos gearbeitetes Ilolzbild
besassen; ausser ihr ^vurden besonders Zeus, Apollon (der als
Delphinios ein auch als Archiv benutztes HeiUglliuoi besass), Ar-
temis (Britoniartis) und Demeter verehrt; Ilcroencult genossen Ido-
meneus und Meriones, deren Gräber man in der Stadt zeigte.^)
Von dem Labyrinth, welches Dädalos als Beliausung für den Mi-
notauros errichtet haben sollte, war schon im Altcrthum keine
Spur zu finden, so dass dasselbe als ein blosses Phantasiegebilde
zu betrachten ist. 2)
Als Ilafenplatz von Knossos diente in der ältesten Zeit, welche
in der Sage die mythische Persönlichkeit des Minos repräsenlirt,
Amnisos, in der historischen Zelt Ilerakleion. Die erstere
Ortschaft, welche auch ein altberühmtes Ileiliglhum der Eileilhyia
besass und als Geburtsslätte dieser Göttin galt, lag offenbar nahe
der Mündung des gleichnamigen Flusses (des Flusses von Karlero),
wo ein kleiner Hügel etwas östlich von dem rechten Fiussufer
ihre Stelle andeutet. Ilerakleion, das auch den Namen Ma-
tion geführt zu haben scheint, muss also die Stelle von Kandia
eingenommen haben, der unter der Herrschaft der Sarazenen im
neunten oder zehnten Jahrhundert n. Chr. gegründeten modernen
Hauptstadt der Insel, deren Hafendämme noch zum Theil aus dem
Alterthum stammen. Gerade nördlich von hier liegt die offenbar
auch zum knossischen Gebiet gehörige Insel Dia, welche als der
ursprüngHche Sitz der Sage von Dionysos und Ariadne zu bQ-
trachten ist. 3)
») Solin. Coli. 11, 10; vgl. Paus. IX, 40, 3 und oben S. 559, Anm. 1.
Ueber die Münzen s. Eckhel D. n. v. I, 2, p. 308 s. und die Abbildungen
bei Pashley I, p. 202 und zu p. 208- und bei Spratt I, p. 5. dilcpCviov
C. I. gr. n. 2554, Z. 97 f.
2) Diod. I, 61; Plin. XXXVI, 13, 90: die entgegengesetzte Angabe
bei Philostr. Vit. Apoll. IV, 34 {tov IccßvQLvd-ov og shel S£Lv.vvtai)
beruht jedenfalls auf einem Irrthum. Vgl. Hock Kreta I, S. 56 ff.
3) 'Aiiviaoi Od. T, 188;.Strab. X, p. 476; Paus. I, 18, 5. 'Hgd-
v-Xbiov Strab. a. a. O. und p. 484 (wo ^Cav vrjaov xrjv ngog ^HQKTilaLm
TCO KvojaGia); Ptol. III, 17, 6 (z/m vriGog § 11); Stadiasm. m. m. §348
(wo die Insel z/t'oj genannt wird); Steph. I3yz. u. 'HgccKXsLa und z/m;
Plin. IV, 12, 59 (wo Matium, Ileraclea) und 61 (contra Matium
Dia). Kiepert setzt nach Plinius Matium an der Stelle von Kandia^
Herakleion weiter östlich an der Mündung des Amnisos an: allein dann
raüsste die Ortschaft Amnisos mit Herakleion identisch sein, was nach
IStrabon u. a. nicht anzunehmen ist; ich glaube also, dass Plinius auch
2. Die ostgriechischen Inseln: Kreta. 561
Im südlicheren Theile des knossischen Gebiets lagen zwei
Ortschaften, Lykastos oder Lykastion und Diatonion,
welche beide im Jahre 185 v. Chr. den Knossiern durch die Gor-
tynier entrissen und an den Knossiern feindlich gesinnte Nach-
barstädte — ersteres an Rhaukos, letzleres an Lyltos — über-
geben wurden. Diatonion, das nicht weiter erwähnt wird, muss
demnach im südöslHcheren Theile des knossischen Gebiets ge-
legen haben, wahrscheinlich am linken Ufer des obern Amnisos
bei dem Dorfe Astritzi (oder Kaslritzi) auf einem flachen Hügel,
dessen Ränder noch die Reste alter Mauern mit viereckigen Thür-
men zeigen. Lykastos, das im Schiflscatalog als selbständige Stadt
erscheint, wurde den Rhaukiern durch die Knossier wieder ent-
rissen und gänzlich zerstört und blieb seitdem in Trümmern lie-
gen: seine Stelle bezeichnen wahrscheinlich die zwischen den
beiden oberen Armen des Flusses Platyperama in der Nähe des
Dorfes Chani-Kastelli gelegenen Ruinen der nach der Vertreibung
der Sarazenen aus Kreta durch Nikephoros Phokas, den Feld-
herrn des Kaisers Romanos II. und spätem Kaiser von Byzanz,
im Jahre 961 gegründeten Festung Temenos, von welcher noch
jetzt dieser Dislrict den Namen trägt, i)
Die schon erwähnte Stadt Rhaukos, deren politische Selb-
ständigkeit auch durch die von ihr geprägten Münzen sowie durch
einen von ihr mit der ionischen Stadt Teos abgeschlossenen Ver-
trag bezeugt wird, lag wahrscheinlich bei dem jetzigen Dorfe
Ilagios Myron (dessen Schutzheiliger nach der Tradition in Rhau-
kos geboren war), ly^ Meile südlich von der Stelle von Tylissos:
sie wurde, nachdem sie früher durch die Annexion von Tylissos
ihr Gebiet bis an die Nordküste ausgedehnt hatte (vgl. oben
hier zwei dieselbe Oertlichkeit bezeichnende Namen irrig auf verschie-
dene Ortschaften bezogen hat. Der Name der von den Griechen auch
Megalokastro genannten Stadt Kandia (XccvSa>iov in einer Urkunde vom
Jahre 1185 bei Hopf Allgemeine Kncycl. S. I, Bd. 85, S. 17'i f.; latini-
sirt Candida bei Tafel und Thomas Urkunden III, S. tot und 163)
stammt von dem arabischen Worte chandnk, d. i. Graben. Vgl. Tashley
I, p. 189 8, Ueber Dia vgl. auch Schol. Theoer. Id. II, 45.
«) IL ß, 647; Polyb. XXIII, 15; Strab. X, p. 479; Nonn. Dionys.
XllI, 235; Stcph. Kyz. u. AvHaarng; Pomp. Mel. II, 113; Pliu. IV, 12,
59; Leo Diacou. llistor. II, 8. Vgl. 8pratt I, p. 84 ss., der bei Chani-
Kastelli (das auch den jedenfalls italiänischen Namen Rocca führt)
Rhaukos, bei Kaitritzi Lykastos an.'ietzt.
562 in. Die Inselwelt.
S. 557), im Jahre 166 v. Chr. von den vereinigten Knossiern und
Gortyniern erobert und ihr Gebiet jedenfalls zwischen diesen bei-
den Städten getheilt.*)
Zwischen Rhaukos, Gortys, Knossos und Lyttos, also recht
eigentlich im Herzen Kreta's, in einer quellenreichen Gegend,
muss auch die Stadt der Arkadcs (Arkadia) gelegen haben,
von welcher erzahlt wird, dass sie einst in Folge einer feind-
lichen Eroberung verödet war, worauf die in der Stadt ent-
springenden Quellen aufhörten zu fliessen ; als aber nach sechs
Jahren die Stadt wieder hergestellt und wieder bewohnt wurde,
kamen auch die Quellen wieder zum Vorschein. Im Jahre 221
V. Chr. fielen die Arkader zugleich mit mehreren anderen kre-
tischen Städten von den Knossiern, mit denen sie bis dahin im
Bündnisse gestanden hatten, ab und schlössen sich den Lyttiern
an; einige Zeit darauf schlössen sie, wie viele kretische Städte,
einen Freundschafts- und Büudnissvertrag mit der ionischen Stallt
Teos. Der Name Arkadi haftet noch jetzt an einem 2^/^ Stun-
den südlich von der Stelle von Lykastos gelegenen Dorfe; eine
Stunde südlich von da bei dem Dörfchen Melidochori finden sich
die jetzt Axi-Kephala genannten Ruinen einer wohlbefestigten
hellenischen Stadt, mit mehreren Quellen innerhalb der Mauern,
die man mit grosser Wahrscheinlichkeit auf die Stadt der Arkades
beziehen kann. 2) Diese lag also bereits am Südabhange des.
1) Polyb. XXXI, 1; Scyl. Per. 47; Aelüm. De an. XVII, 35; Steph.
Byz. u/Pavv.oq; Plin. IV, 12, 59 (wo Rhaucus statt Rhamnus zu
schreiben) ; C. I. gr. n. 3051 ; vgl. Pashley I , p. 234 s. Die Münzen
(Eckhel D. n. I, 2, p. 320) zeigen das Bild des Poseidon, ferner den
Dreizack oder ein Schiff , Typen die mit Sicherheit auf eine Verbindung der
Stadt mit dem Meere hinweisen: eine solche kann, da gegen Süden
Rhaukos an die Gortynia gränzte, nur gegen Norden durch Annexion
des Gebiets von Tylissos stattgehabt haben. — Mit Rhaukos ist viel-
leicht das bei Ptol. II I, 17, 10 zwischen Föqxvva und KvcoGGog aufge-
führte ndvvovcc zu identificiren.
2) Seneca Nat. quaest. III, 11, 5; Plin. XXXI, 4, 53; Polyb. IV, 53;
C. I. gr. n. 3052; Steph. Byz. u. 'jQytddsg; vgl. Spratt I, p. 311 ss. (mit
Plan der Ruinen auf p. 325). Die zwei Stunden nordwestlich von da
bei Hagios Thomas erhaltenen hellenischen Ruinen (vgl. Spratt II, p. 57 ss.),
auf deren Stelle Kiepert Arkadia angesetzt hat (was er selbst im Vor-
bericht zum neuen Atlas von Hellas S. 5 zurücknimmt), gehören vieb-
leicht der Ortschaft der "O^iot, welche bei Polyb. a. a. O. neben den
'Aq%ccSbs genannt werden, an.
2. \)ie ostgriechischen Inseln: Kreta. 563
wie oben bemerkt, die Wasserscheide zwischen der Nord- und
Sudköste bildenden Bergzuges und gehörte specieli dem Wasser-
gebiete des von den Alten Katarrhaktes,^) jetzt Anapodiaris
genannten Flusses an, der anfangs in südlicher, dann in östlicher
Richtung fliesst und, nachdem er während dieser Richtung seines
Laufes sehr zahlreiche Zuflüsse von Norden her empfangen hat,
an der Südküste östUch von der Bucht von Sudsuro mündet.
Das Wassergebiel dieses Flusses, in welchem wohl auch die Ort-
schaft Pyranthos (beim Dorfe Pirathi, 2^2 Stunden östlich von
der Stelle von Arkadia, zwischen zwei nördlichen Seitenbäch'en) ^)
zu suchen ist, bildete wahrscheinlich zu seinem grössten Theile
das Gebiet von Priansos oder Priansion, einer in der Nahe
der Dikte im Innern der Insel gelegenen Stadt, welche im Bunde
mit ihren beiden Nachbarstadtcn Gortyn und Hierapylna eine
nicht unbedeutende Stellung einnahm und auch mit auswärtigen
Städten, wie mit Teos, Verträge abschloss. Das Hauptheihgthum
der Stadt war das der Athena Polias; neben dieser wurde, wie
man aus den Münzen folgern kann, besonders auch Poseidon ver-
ehrt. Wahrscheinlich gehören der Stadt die am linken Ufer des
bedeutendsten unter den nördlichen Nebenflüssen des Katarrhaktes
zwischen den kleinen Dörfern Kasami und Ina-Kephali gelegenen
Ruinen an.^) Als Hafenplatz diente den Priansiern wahrschein-
^) Ptol. III, 17, 4. Spratt I, p. 305 giebt ihm, wie ich glaube mit
Unrecht, den Namen Pothereus: vgl. oben S. 558, Anm. 2.
*) Steph. Byz. u. nvgav&og (dessen Bezeichnung der Lage nEgl
rogtvvcc nicht beweist, dass der Ort zum Gebiete von Gortyn gehörte);
vgl. Pashley I, p. 291. Vielleicht ist auch bei Plin. IV, 12, 59 Pyran-
thos für Pyloros herzustellen. — Spratt I, p. 336 8. setzt im Thale
des Anapodiaris nahe dem linken Ufer des Flusses auf einem jetzt Kastelli
oder Kastelliana genannten mit mittelalterlichen Ruinen bedeckten Hügel
8telä an, das Steph. Byz. u. Er^Xcii als noXig Kg7]Tr]g nXrjGiov Tlagai-
oov Y.ul 'PLd-vfivrjg (Pvrinv ci. Ilöck Kreta I, S. 414) bezeichnet: aber
die Namensähnlichkeit ist entschieden trügerisch; die Worte des Steph.
Byz. sind corrupt, so dass sie eine sichere Ansetzung des Ortes unmög-
lich machen.
') C. I. gr. n. 2556 und 3057; R. Bergmann De inscriptione Cre-
tensi inedita qua continetur focdus a Gortyniis et Ilierapytniis cum
Priansiis factum, Berlin 1860; vgl. Eckhel D. n. I, 2, p. 319; Pashley
I, p. 297. Bei Strabon X, p. 478 (der ohne Zweifel die Städte Priansos
und Präsos vollständig mit einander vermengt) ist zu schreiben: ofiogot
d' fiolv ccvzoCf [toig roQTvvioig] ot Uffäoioi [sollte heissen. TlqCaV'
564 ni. Die Inselwelt. '
lieh Binatos (auch Einatos oder Inatos), eine an der Süd-
küste an der Strasse von Gortyn nach Ilierapytna 32 römische
Milien westlich von letzterer Stadt gelegene Ortschaft, in welcher
Eileilhyia unter dem Beinamen Binatia oder Einatia verehrt wurde:
ihre Stelle bezeichnen einige alte Beste an der Bucht von Sud-
suro, in welche der gleichnamige Bergbaeh mündet, etwas über
eine Stunde westlich von der Mündung des Katarrhaktes.^)
Westlich von der Stelle von Binatos zieht sich in einer
Länge von fast sechs Meilen längs der Südküste ein ansehnlicher
Bergzug. die Aster usia der Alten ^) hin, dessen nördliche Ab-
hänge den südlichen Band eines breiten und fruchtbaren Fluss-
thales (jetzt Messara genannt) bilden. Der dasselbe durchströ-
strömende Fluss, der Lethäos der Alten 3) (heutzutage Mitro-
polipolamos oder auch Hieropolamos genannt), steht dem Katar-
rhaktes an Länge des Laufes und an Wassermasse ungefähr
gleich, verfolgt aber eine dem Laufe jenes gerade entgegengesetzte
Bichtung von Osten nach Westen. Sein ganzes Stromgebiet bil-
dete im Alterthum das Gebiet der Stadt Gortyn oder Gor-
tyna, der bedeutendsten Nebenbuhlerin von Knossos im Kampfe
um das Principat unter den Städten Kreta's. Dieselbe lag eine
Stunde nördlich vom rechten Ufer des Lethäos an einem der
zahlreichen nördlichen Zuflüsse desselben, am südlichen Kusse
eines der das Flusslhal gegen Norden begränzenden Hügel, des-
sen schmaler Gipfel die Akropolis bildete. Die Unterstadt, welche,
fffcot], xfjg (isv d'CilccTZTjg ivv8v^yiovxci (o oder o codd. ), FoQTvvog Sa
öisxovrsg tyiatov "nccl 6y8oriy,ovxa. Bei Steph. Byz. p, 635, 1 ed. Mei-
neke ist für IlQicdGog der codd. UgLccvoog, bei Plin. IV, 12, 59 für
Dium Asum Priansium herzustellen. Ueber die Ruinen vgl. Spratt
I, p. 304 s., der sie auf Inatos bezieht; das Richtige sah Ussing Kritiske
Bidrag til Graekenlands gamle Geographie p. 7 und 27.
«) Ptol. m, 17, 4; Steph. Byz. u. Ei'varog; Etym. m. p. 302, 12;
Hesych. u. Elvatov; Hierocl. Synecd. p. 13; Geogr. Rav. V, 21 (p. 398, 2);
Tab. Peuting. 'llid^vt'a BivcctLci Inschrift bei R. Bergmann a. a. O. Z. 63
und 80. — Bei Plin. IV, 12, 59 ist wohl Inatos für Elatos herzustel-
len. Ueber die Ruinen vgl. Spratt I, p. 339 ss. , der fälschlich Priansos
hier ansetzt.
2) Steph. Byz. u. 'JöiSQOVGLa.
3) Strab. X, p. 478; Dionys. Call. Descr. Gr. v. 126; Quint. Smyrn.
X, 82; Ptol. III, 17, 4 (wo die Mündung falsch angesetzt ist); Solin. Coli.
II, 9; Vibius Seq. p. 7, 7 ed. meae.
2. Die ostgriecliisclien Inseln: Kreta. 565
wie die zwischen den Dörfern Mitropolis und Ilagii Deka er-
haltenen Ruinen beweisen, einen belrächllichen Umfang hatte,
war ohne Ringmauern: Ptolemaos Philopator hatte zwar begon-
nen sie zu ummauern, war aber damit nicht weit gekommen.
Unter den Ruinen ist die bedeutendste die des Tiieaters, welches
sich an den Södabhang des Burghügels nahe dem rechten Ufer
des die Stadt durchfliessenden Baches anlehnte, die Cavea gegen
Sudosten gerichtet; ihm gegenüber auf dem linken Ufer des Ba-
ches liegt eine aus grossen viereckten Werkstücken erbaute, in
ihrem östlichsten Theile wohl erhaltene alte Kirche in Kreuzes-
form, deren Gründung die Tradition auf den heiligen Titus, den
Gefährten des Apostel Paulus bei dessen Reise nach Kreta, zu-
rückführt. Südlich von da liegt die Hauptmasse der Ruinen,
grösstentheils römische Ziegelbauten, mit Marmor- und Granit-
säulen dazwischen; man erkennt noch die Reste eines Aquäducts
und einer Badeanlage, einer Gerichlshalle und anderer grosser
öUentlicher Gebäude, endlich im südlichsten Theile der Stadt eines
Amphitheaters.^) Unter den Heiligthümern der Stadt war das
bedeutendste das des Apollon Pythios, nach welchem der ganze
mittelste Stadttheil, in welchem es lag, Pylhlon genannt wurde ;'^)
ausserdem werden erwähnt Heiligthümer des Zeus Ilekatombäos, ^)
des Hermes, der unter dem (jedenfalls ungriechischen) Namen
Hedas verehrt wurde,'*) der Artemis (Brilomartis)-^), und des
Atymnos oder Atymnios. ^) Der Cult des letzteren, eines offen-
bar phönikischen Gottes, hängt eng zusammen mit der Verehrung
der Europa -llellotis, seiner Schwester nach gortynischer Sage,
<) II. B, 640; Od. y, 234; Scyl. Per. 47; Dionys. Call. D. Gr. v. 124;
Strah. X, p. 478; Ptol. IIF, 17, 10; Steph. Hyz. u. r6Qtvv (nach dessen
Angabe die Stadt früher die Naiijen 'EXlcozig, Aagicca und K^rjuvia
geführt haben soll). Die Namen Foqtvv sowolil als 'ElXcorig sind semi-
tischen Ursprungs: vgl. G. Hey De dialecto Cretica p. 15 s. Vgl. über
die Ruinen öpratt II, p. 26 ss. (mit Plan auf p. 28); Falkener Museum
of class. ant. II, p. '277 ss.; Thenon Kcvue archeol. n. s. XVIII, p. 126 ss.;
über die Geschichte der Stadt ebds. p. 192 ss.
*) Steph. Byz. u. nv9iov'j vgl. Antonin. I^l». Tran.sform. 25.
2) Ilesych. u. 'Exatoiißaios: vgl. Ptolcm. Hephäst. Nov. bist. p. 30
til. Koulez.
*) Etym. m. p. .315, 28.
'") Cornel. Ni-p. Hannib. 9.
•*) Solin. Coli. II, 9; vgl. Nenn. Dionys. XIX, 180.
566 III. Die Inselwelt.
der zu Ehren man ein Fest flellotia feierte, wie man auch im
Gebiet von Gortyn an einer Quelle unter einer Platane, die an-
geblich ihre Blätter niemals verlor, den Platz zeigte, wo Zeus
sich mit Europa vermählt habe. ')
Eine Stunde westlich von den Ruinen von Gortyn ist der
Eingang in das sogenannte Labyrinth, einen alten in bergmän-
nischer Weise betriebenen Steinbruch. Aus einer Grotte, einer
Art niedrigen Saales, dessen Decke durch einen natürlichen Stein-
pfeiler getragen wird, führen zwei unterirdische Gänge, die sich
öfter zu Kammern und geräumigeren Gemächern erweitern, in
vielfachen Windungen tief in das Innere eines aus Sandstein be-
stehenden Hügels hinein. Der Zweck der Anlage war offenbar
kein anderer, als Steine zu den Bauten von Gortyn zu gewinnen;
mit dem mythischen Labyrinth hat dieselbe durchaus nichts zu
thun.2)
Der Ilauplhafen für den Handelsverkehr der Gortynier war
Leben oder Leben a an der Südküste, dem Namen nach eine
altphönikische Ansiedelung, an der Nordostseite des jetzt Lida
oder Kephalas, im Alterthum Leon (griechische Uebersetzung
des phönikischen Namens Leben) genannten Vorgebirges, wo sich
noch einige Beste der alten Ortschaft finden, darunter einige
Säulen von dem ziemlich in der Mitte des Ortes gelegenen hoch-
berühmten, von Kranken aus allen Gegenden Kreta's besuchten
Tempel des Asklepios. 3) 2^1^ Stunden westlich von da bildet die
Küste eine ziemlich weite gegen Osten offene, gegen Südwesten
durch zwei vorliegende felsige Inseln geschützte Bucht, die w^e-
nigstens während der Sommermonate den Schiffern einen sichern
Ankerplatz darbietet und deshalb von den Alten 'die schönen
1) Hesych. u. 'EXXioxicc, Etym. M. p. 332, 40; Athen. XV, p. 678 b;
Theophr. Hist. pl. I, 9, 5; Varro De re rust. I, 7, 6; Plin. XII, 1, 1^
2) Vgl. Sieber Reise nach der Insel Kreta I, S. 510 fF.; Hock Kreta
I, S. 447 ff.; Spratt II, p. 43 ss.; Perrot L'ile de Crete p. 98 ss.; Revue
archeol. n. s. XVIII, p. 200 ss.
3) Strab. X, p. 478; Philostr. Vita ApoUon. IV, 34; Paus. 11, 26, 9;
Ptol. III, 17, 4; Stadiasm. m. m. § 321 f.; Agathem. I, 1; Plin. IV, 12,
59; Geogr, Rav. V, 21, p. 397, 16 s. (wo das vor Libe na aufgeführte
Ledonia auf das Cap Leon zu beziehen ist). Vgl. Spratt I, p. 348 ss.
und die Inschriften ebds. II, p. 423: aus letzteren ersieht man, dass
neben dem Asklepios Soter Hygleia Soteira und Kora verehrt wurden.
2. Die ostgriechischen Inseln: Kreta. 567
Häfen' [kkM ^.i^svsg, noch jetzt 'g rovg Kalovg XifiKovag) ge-
nannt wurde. Nordöstlich von der Bucht liegt hart an der Küste
ein ganz kleines, jetzt Traphos genanntes Eiland, welches einige
Spuren alter Bewohnung, jedenfalls Ueberreste der alten Ortschaft
Alassa (oder Lassäa), enthält.*) Westlich von Kaloi Lime-
n es tritt die Küste gegen Süden vor in dem jetzt Lithinos, von
den Alten Lissen oder Lisses genannten Vorgebirge, 2) dem
südlichsten Punkte der ganzen Insel, von welchem aus die Küsten-
linie wieder auf eine Strecke von drei Meilen eine nördliche
Richtung nimmt. An dieser Küstenstrecke lag zwei Stunden nörd-
lich vom Cap Lissen an einer kleinen Bucht, welche ausser dem
alten Namen auch noch Reste der alten Ortschaft und besonders
zahlreiche Felsgräber aufzuweisen hat, M ata Ion (auch Matala
und Matalia),^) der Hafenplatz der zwei Stunden nordöstlich
von da, eine Stunde in directer östlicher Entfernung von der
Küste, oberhalb des linken Ufers des Lethäos an einem jetzt
Hagia Photia genannten Platze gelegenen alten Stadt Phästos,
der Vaterstadt des theosophischen Dichters Epimenides, in wel-
cher Zeus unter dem ursprünglich semitischen Beinamen Velcha-
nos, Aphrodite Skolia, Leto und Herakles besonders verehrt wur-
den. Ursprünglich selbständig und, wie namentlich ihre Münzen
vermulhen lassen, von nicht geringer Bedeutung, wurde sie, wahr-
scheinlich im dritten Jahrhundert v. Chr., von den Gortyniern
zerstört und seitdem nicht wieder hergestellt; ihr gegen Süden
bis zum Cap Lissen sich erstreckendes Gebiet wurde der Gortynäa
einverleibt.'*) Dasselbe Schicksal traf die alle Stadt Rhytion,
*) Acta Apost. c. 27, 8; die dort genannte nokig ''AXacoa (so cod.
Alex.; cod. Sinait. AacaaCoc) ist jedenfalls identisch mit dem ^AXaC des
Stadiasm. m. m. § 322 und dem Alos oder Lasos bei Plin. IV, 12, 59.
') Strab. X, p. 479 (wo mit Korais 6 Aiaai]v zu lesen); vgl. Stepb.
IJyz, u. tPaiCTOs (wo 6 Aiaojjg) und schol. Od. y, 293 (wo die Formen
BUaar} oder BUoötjvtj und Aiaaiv angeführt werden); auf dieselbe Oert-
lichkeit ist Lisia der Tab. Peuting., Tissia des Geogr. Ravennas
(p. 398, 1) zu beziehen. Vgl. Hey De dialecto Cretica p. 42.
») Strab. X, p. 478 s.; Ptol. III, 17, 4; Stadiasm. m. m. § 323 f.;
vgl. Spratt II, p. 20 ss,
*) II. B, 648; Od. y, 296; Scyl. Per. 47; Strab. X, p. 479; Diod. V,
78; Polyb. IV, 55; Stepli. IJyz. u. ^Pataros; Plin. IV, 12, 59. Münzen,
auf welchen Zeus /fAjjaros (vgl. über den Namen G, Hey De dialecto
Cretica p. 39 s.) und llcruklcs dargestellt eiud, bei Eckhel D. n. I, 2,
568 ITT. Die Inselwelt.
von welcher heutznlage jede Spur verschwunden zu sein scheint,
ehenso wie von der gleichfalls zur Gortynäa gehörigen Ortschaft
lioebe.')
An die Gortynäa granzte im Nordwesten das Gebiet von
Sybrita, welches die westlichen Abhänge der Ida, die östlichen
des Kedrios und das Thal des zwischen beiden (liessenden Fhisses
Elektras (vgl. oben S. 532) umfasste. An der Mündung dieses
Flusses lag der Ilafenplatz der Sybrilier, Sulia oder Sulena;
die Stadt selbst, deren durch ihre künstlerische Ausführung aus-
gezeichneten Münzen die Culte des Hermes und des Dionysos be-
zeugen, lag drei Meilen landeinwärts zwischen den Quellen des
Flusses bei dem Dorfe Thronos, das nebst einigen Nachbardörfern
noch Reste der ausgedehnten Ringmauern, alte Terrassen und
kleinere Rruchstücke verschiedener Art enthält, ^j Eine Stunde
nordwestlich von da, bei dem Dorfe Veni, finden sich zwischen
den Trümmern einer mittelalterlichen Befestigung noch einige
Reste hellenischer Mauern, die man wegen der Namensähnlich-
keit auf das alte Rene, die Vaterstadt des Dichters Rhianos,
bezogen hat; ist dies richtig, so muss man annehmen, dass das
p. 317; vgl. Plnder Die antiken Münzen des königlichen Museums zu
Berlin S. 55. Heiligthum der Aphrodite Eyibtia YAym. M. p. 543, 49.
ITeiligthum der Leto, Fest 'Ev.8vGia Antonin. Lib. Transf. 17. Die Phä-
stier waren von Jugend auf Spassmacher: Atlien. VI, p. 261 ^
*) II. E, G48; Strab. X, p. 479; Steph. Byz. u. "Fvxiov, Plin. IV, 12,
59; Nonn. Dionys. XIII, 235. Spratt I, p. 333 s. und Kiepert setzen
Rhytion bei dem Dorfe Rotas oberhalb des rechten Ufers des Katar-
rhaktes an; allein die Gortynäa, zi^ welcher nach Strab. a. a. O. Rhy-
tion gehörte, hat sieh gewiss nie so weit ostwärts erstreckt. Vielleicht
gehören die Ruinen bei Rotas einer der nur von Pompon. Mela II, 113
und Plin. IV, 12, 59 genannten Städte Olopyxos oder Therapnae
(vgl. Solin. Coli. 11,4) an. Boißrj erwähnt ausser Steph. Byz. u. d. W.
nur Nonnos Dionys. XIII, 236: Pashley I, p. 299 setzt es vermuthungg-
wcise bei dem am südlichen Rande der Me>sara gelegenen Dorfe Bobia an.
^) ZIovXlcc und ZlovX/jvcc Stadiasm. m. m. § 324 f. IJvßgLTcc Scyl.
Per. 47; Ptol. III, 17, 10; C. I. gr. n. 3049. Münzen bei Eckhel D. n.
V. I, 2, p. 320 s. (vgl. Museum of class. ant. II, p. 292). 2ißvQtog
Steph. Byz. u. d. W.; Zlovßqixog Hierocl. Synecd. p. 14 (vgl. Notit.
episcop. 8, 225 ibid. p. 170 und 9, 134 ibid. p. 185); Sibrita Geogr.
Rav. p. 397, 8; Subrita Tab. Peuting. Der Name Sybrita ist wahr-
scheinlich auch bei Plin. IV, 12, 59 für Myrina herzustellen. Ueber
die Ruinen vgl. Spratt II, p. 102 ss.
"2. Die ostgriechisclieil lüseln: Kreta. 569
ganze Gebiet von Sybrila in späteren Zeiten von Gortyn occupirt
worden ist, da Bene als eine dieser unterthanige Stadt bezeichnet
wird.^) Zum Gebiet von Sybrita geborten wahrscheinlich auch
die beiden jetzt Paximadia genannten kleinen Felsinseln, welche
südwestlich von der Mündung des Elektras in der im Nordwesten
durch das Gap Psychion (Melissa), im Südosten durch das Gap
Lissen (Lithinos) begrenzten Bucht liegen: die grössere derselben
scheint im Alterthum den Namen Letoa geführt zu haben. 2)
Die bedeutendste unter den Städten Ostkreta's war Lyttos
oder Lyktos, welches gerade auf der Gränze zwischen dem mitt-
leren und dem östlichen Theile der Insel auf einem von der
Hauptmasse der Dikte gegen Westen vortretenden Bergrücken
oberhalb des Dorfes Xidia lag. Von diesem Bergrücken zweigen
sich zahlreiche schmälere gegen Süden, Westen und Norden ab,
so dass das Terrain der alten Stadt ein sehr unebenes und cou-
pirtes war, welches die Herstellung einer regelmässigen Ringmauer
erschwerte und die Anlegung von Terrassen als Stütze für die
Strassen und grösseren Gebäude nöthig machte. Die Stadt wurde
im Jahre 220 v. Chr. von 'ihren feindlichen Nachbarn, den Knos-
siern, zerstört, worauf die Lyttier in Lappa eine Zuflucht fanden,
aber offenbar bald darauf wieder hergestellt, freilich ohne je
ihre frühere Macht und Bedeutung wieder zu erlangen. Heut-
zutage sind ausser Resten der Terrassenmauern nur einige Piede-
stale von Statuen römischer Kaiser, eine Anzahl Marmor- und
Granitsäulen und an dem höchsten Punkte der alten Stadt bei
einer Capelle, weLche wahrscheinlich die Stelle des Tempels der
Athena einnimmt, zwei fragmentirte Marmorstaluen erhalten; von
dem Theater, welches noch zur Zeit der venezianischen Herr-
schaft über Kreta kenntlich war, und von den sonstigen Gebäu-
den (unter denen das Prytaneioii und ein Heiligthum des Apollon
erwähnt werden) ist jede Spur verschwunden.^)
*) Steph. Byz. u. BtJvtj; vgl. Suid. u. 'Ptavo's; Paus. IV, 6, 1; Spratt
II, p. 105 8.
') Ai^Tcocc vrjoog Ptol. III, 17, 11; davon ist wohl die Butoa des
Plin. IV, 12, 61 nicht verschieden.
') Die Münzen (Eckhel D. n. v. I, 2, p. 316) und Inschriften (C. I.
gr. n. 2672 SS.; Naber Mnemosyne 1, p. 105 s.; H. B. Voretzsch De in-
scriptione Cretensi qua continetur Lyttioruni et Boloentiorum foedus,
Halle 1862 -« Hermes Bd. IV, 8. 266 flf.) geben durchaus Avzxogy Avt-
BURSIAN, GEüOR. U. 38
570 III. Die Inselwelt.
Das an sich zur Anlage einer Stadt wenig günstige Terrain,
auf welclieni Lyttos erbaut war, gewahrte (l<'n Vorlheil, <lass die
Lyttier von ihrer Stadt aus die Verbindung zwisc hen ihrem Ober-
und Unterlande völlig beherrschten. Das Oberland war die zwei
Stunden lange und eine Stunde breite, 3000 Fuss über dem Meere
gelegene Hochebene von Lasilhi, zu welcher man nur vom öst-
lichen Ende des Bergrückens, auf dem Lyttos lag, auf einem
Zickzackpfade emporsteigen kann: ein rings von höhern Rändern
umschlossenes, gegen Süden von den höchsten Gipfeln der Dikle
überragtes Recken, aus welchem die Gewässer nur auf unter-
irdischem Wege durch eine am westlichen Rande befindliche
Katabothre abfliessen. An den Rändern der Hochebene liegen
zwischen Wein- und Obstgärten (die Aepfel und Rirnen des nörd-
licheren Europa gedeihen in diesem Hochland vortrefflich) zahl-
reiche Dörfer, deren Bewohner mit ihren Heerden während der
Wintermonate ins Unterland hinabsteigen. Auch im Alterthum
war die Hochebene wohl ausschliesslich von Hirten bewohnt, da
sich mit Ausnahme geringer Reste einer kleinen Befestigung keine
Spuren einer alten Ansiedelung daselbst gefunden haben, ') Das
Unterland der Lyttier war die gerade westlich unter ihrer Stadt
gelegene, von Ost nach West beinahe zwei Stunden lange Ebene
Omphalion, deren Resitz wohl die Hauptursache der häufigen
Kämpfe mit den Knossiern bildete, nebst dem nördlich von der-
selben bis zur Nordküste sich erstreckenden Hügellande, das von
mehreren Bächen, unter denen der jetzt Aposelemi genannte der
bedeutendste ist, durchflössen wird.^)
tioi, nur in der Inschrift in der Mnemosyne a. a. O. erscheint danehen
auch AvKTLOi; in den Handschriften überwiegt die Form Au-Kxog: vgl.
11. B, 647; Hesiod. Theog. 477 und 482; Aristo t. Pol. II, 10; Scyl. Per.
47; Polyb. IV, 53 f.; Strab. X, p. 476; Diod. XVI, 62; Liv. Perioch. 99;
Ptol. III, 17, 10; Steph. Byz. u. AvKtog u. a. Heiligthum des Apollon
und £/x TtoXst der Athena: Inschrift in der Mnemosyne a. a. O. Z. 11 f.
Hestia i(i U^vravaio} Inschrift bei Voretzsch a. a. O. Z. 5: wahrschein-
lich hatten auch die andern in derselben Inschrift als Schwurzengen an-
gerufenen Gottheiten Heiligthümer in der Stadt. lieber die Ruinen vgl.
Spratt I, p. 92 ss,
1) Vgl. Spratt I, p. 100 ss. Ein Hirt aus dieser Gegend war jeden*
falls der in dem Epigramm des Kallimachos Anthol. Pal. VII, 518 be-
sungene Astakides.
*) Diod. V, 70; Callimach. H. in lov. 44 8.; Steph. Eyz. u. 'Oficpcc-
2. Die ostgriechischen Inseln: Kreta. 571
Auf einem kleinen kegelförmigen Hügel am nördlichen Rande
der Ebene finden sich noch Reste anliker Ringmauern (jetzt Saba
oder Sapa genannt), wahrscheinlicli^ von der kleinen Ortschaft
ThenäJ) Als Hafenplatz diente den Lyttiern die Sy., Stunde
nördlich von ihrer Stadt an der Westseite der jetzt Bucht von
Malia genannten weiten Bucht der Nordküste gelegene Stadt
Chersonesos, deren Name noch an dem die Bucht im Nord-
westen abschliessenden Vorgebirge (Cap Chersoniso) haftet. Sie
muss, da sie eigene Münzen prägte, wenigstens in älteren Zeiten
selbsländi» gewesen sein; auch in der älteren christlichen Zeit
spielte sie, während Lyttos mehr und mehr verfiel, als Bischofs-
sitz eine nickt unbedeutende Rolle. Sie besass ein Heiligthum
der Britomartis, das vielleicht nicht in der Stadt selbst, sondern
gegen drei Stunden weiter östlich nahe der Küste auf einem
jetzt Heiliniko-Sivadi genannten Platze, auf welchem noch eine
Plalform von etwa 95 Fuss im Quadrat nebst einigen Fundamen-
ten alter Gebäude erhalten ist, lag. 2) Wahrscheinlich bezeichnete
dieses Heiligthum, mag es nun der Britomartis oder einer andern
Gottheit geweiht gewesen sein, die G ranze der Gebiete von Lyttos
und von Milatos, die demnach ungefähr mit der der jetzigen
Districte Pediada und Mirabella zusammenfiel. Diese östliclie
Nachbarin von Lyttos, eine alte Stadt, die aber schon lange vor
dem Beginn unserer Zeitrechnung von den Lyttiern, die ihr Ge-
biet occupirt hatten, zerstört und nicht wiederhergestellt worden
war, lag an der Ostseite der Bucht von Malia auf einem spitzi-
Xiov. lieber den in dieser Ebene fiiessenden Bach Triton vgl. o]>en
S. 559, Anm. 1.
*) Callimacb. 1. 1. v. 42 s.; Steph. Byz. u. Ssvai und 'OfiqxxUov.
«) Strab. X, p. 478 s.; Flut. De mul. vir. 8; Ptol. III, 17, 5; Stadiasm.
m. m. § 349 f.; Steph. Byz. u. XiQQOVi]Gog; Hierocl. Syneed. p. 14;
Notit. episcop. 3, 442 (p. 118); 8, 223 (p. 170) u. ö.; Geugr. Rav. p. 397, 3.
Münzen: p:ckhel D. n. v. I, 2, p. 307 s. Vgl. Pashley I, p. 2G8 8.; Spratt
[, p. 104 88. — Da Scyl. Per. 47 Ton Lyttos sagt: dtTJ-nsc avxrj ccfjL(po-
TiQ(od-8v, so müssen wir annehmen, dass die Lyttier zur Zeit ihrer höcli-
sten Machtentwickehing durch Annexion des Gebietes von Priansos ihr
Gebiet bis zur Südküste ausgedehnt hatten. Die Ausdehnung ihres Ge-
biets gegen Osten bis zum Golf von Mirabclla, die nur durch Unterwer-
fung der Nachbarstädte Mihitos, Dreros, Olus, Lato und Istron erfolgt
sein kann, bezeugt Strab. X, p. 475 {Mivtoag rr/s ylvntt'cav).
572 III. Die Inselwelt.
gen Hügel in der Nähe des jetzigen Dorfes Milalo, auf welclienn
man noch einige antike Cisternen und Terrassen erliennt. ^)
Der Rücken des Kadisiongebirges trennte das Gebiet von
Milalos von dem jedenfalls sehr beschränkten Gebiete von Dre-
ros, einer fast verschollenen Stadt, deren Andenken, abgesehen
von einer beiläufigen Erwähnung bei einem Grammatiker, nur
durch einige polygone Mauerreste auf einem jetzt Choräs geann-
len, von einer Kirche des heiligen Antonius gekrönten Hügel
westlich von dem Dorfe Elunta und eine innerhalb derselben ge-
fundene grosse Steinschrift (eidliche Verpflichtung der mit den
Knossiern verbündeten Drerier zu ewiger Feindschaft gegen die
Lyttier) uns erhalten ist: aus dieser Inschrift erfahren wir, dass
die Stadt ein Prytaneion und ein Heiligthum des Apollon Dei-
phinios, das zugleich als Archiv benutzt worden zu sein scheint,
besass. ^)
Der Name des eben erwähnten, aus einem oberen und einem
unteren Weiler (Apano- und Kato- Elunta) bestehenden Dorfes
Elunta ist offenbar ein Erbstück von der alten Stadt Olus (kre-
tisch auch Bolus oder Boloeis),^) die aber nicht an der Stelle
1) II. JS, 647; Strab. X, p. 479; XII, p. 573; XIV, p. 634; Pausan.
X, 30, 2; Nonn. Dionys. XIII, 233; Steph. Byz. u. MtlT^TOs; Plin. IV,
12, 59: vgl. Spratt I, p. 114 s. Die Milatier erscheinen noch als selb-
ständige, den Lyttiern feindselige Gemeinde in der jedenfalls vor dem
Jahre 220 v. Chr. abgefassten Inschrift der Drerier (s. die folgende Anm.)
Col. IV, Z. 16.
2) Die Inschrift, über deren Fundort Rangabe' Antiq. hell. II, p. 1030
zu vergleichen, ist zuletzt und am genauesten publicirt von Dethier
'Dreros und kretische Studien' in den Wiener Sitzungsberichten Bd. 30,
S. 431 fif. mit Facsimile auf Tafel 8. Das Prytaneion wird darin erwähnt
Col. I, Z. 15, das Delphinion Col, III, Z. 31, ausserdem besassen wohl
auch die übrigen Col. I, Z. 16 ff. als Schwurzeugen angerufenen Gott-
heiten Heiligthiimer in der Stadt oder ihrem Gebiete. Sonst nennt Dre-
ros nur Theognost. Can. 382 (in Cramers Anecd. Oxonien. Vol. II,
p. 69, 29).
3) Der Name lautet in der von Voretzsch (vgl. S. 569, Anm. 3 (be-
handelten Inschrift Boloivxioi, ig Bolosvra, in dem Bundesvertrage
zwischen Olus und Lato (C. I. gr. n. 2554) 'OIovxlol, ev 'OXovtl, auf
Münzen (Eckhel D. n. v. 1,2, p. 316) 'OXovtLoav', vgl. Scyl. Per. 47^;
Paus. IX, 40, 3; Ftol. III, 17, 5; Stadiasm. m. m. § 350; Steph. Byz. u.
"OXovg; in "AlXvyyog oder"AXvyyog corrumpirt bei Hierocl. Synecd. p. 13;
Notit. episc. 8, 232 (p. 170) und 9, 141 (p. 186). Ueber die Reste vgl.
2. Die ostgriechischen Inseln: Kreta. 573
*des modernen Dorfes lag, sondern weiter östlich auf dem schma-
len Isthmos, welcher die lange felsige Halbinsel Spina longa mit
der Küste, die vom Cap Zephyrion an auf eine lange Strecke
sich südwärts hinzieht und so die jetzt ^Golf von Mirahella' ge-
nannte weite und tiefe Einbuchtung bildet, verbindet. Der jetzt
nur etwa 300 Fuss breite und kaum mehr als drei Fuss über
die Meeresfläche sich erhebende Isthmos muss im Alterthum be-
trächtlich höher und breiter gewesen sein, denn ein bedeutender
Theil der Ruinen der alten Stadt (welche ein Heiliglhum des Zeus
Talläos und einen Tempel der Dritomartis mit einem angeblich
von Dädalos gearbeiteten Holzbilde dieser Göttin besass) zu beiden
Seiten des Isthmos ist jetzt mit Wasser bedeckt; die Abnahme
der Breite und Höhe ist eine Folge der durchgängigen Senkimg
des Landes, welche im östlichen Kreta, entsprechend der mehr-
fach erwähnten Hebung im westlichen Theile der Insel, seit dem
Alterthum stattgefunden hat.
Die südliche Nachbarstadt von Olus, Lato, lag auf und an
den Rändern einer kraterälinlichen Einsenkung zwischen den bei-
den Gipfeln eines ansehnlichen Hügels V/^ Stunde westlich von
der Küste. Wie die jetzt Gulus genannten Ruinen zeigen, waren
sowohl die Ringmauern als die durchgängig auf terrassenartigen
Unterbauten stehenden Fläuser aus grossen fast gar nicht be-
hauenen Steinblöcken von unregelmässiger Form erbaut; nur im
nordöstlichsten Theile der Stadt findet man auf einer ungefähr
300 Fuss langen Terrasse die Resle eines aus regelmässigen
viereckigen Werkstücken bestehenden Gebäudes, wahrscheinlich
eines Heiligthums, entweder des Poseidon (doch kann dies auch
in der Hafenstadt gelegen haben) oder der Eleulhya (Eileithyia).
Der Hafenplatz der Latier war Kamara, ein gerade östlich von
Lato an einer kleinen durch ein gegen Osten vorliegendes Eiland
(das jetzt nach dem heiligen Nikolaos benannt wird) geschützten
Bucht, in welche der Mirabellopotamos mündet, gelegenes Städt-
chen,, von welchem noch einige unbedeutende Reste erhalten
sind. M Ruinen einer anderen alten Ortschaft finden sich zwei
Spratt I, p. 121 88., der ganz irrig zwischen Olontion (was Niemand
kennt) und Olus unterscheidet.
*) C. I. gr. n. 2554 (Z, 92 f. Tempel des Poseidon) und n. 3058
(Z. 19 Heiliglhum der Eleuthya: auf diese Göttin ist wohl auch der Kopf
auf der von Eckhel D. n. v. I, 2, p. 316 beschriebenen Münze zu be-
574 in. Dio Inselwelt.
Stunden südlich von da in der Nähe des Dorfes Kato-chorio an
der Südwestecke des Golfs von Mirabella, in welche ein wasser-
reicher Bach einströmt. Der noch jetzt an dieser Ruinenstätte
haftende Name Istronas lässt uns darin die Reste der alten Stadt
Istron oder Istros erkennen, welche, wie aus der Urkunde
eines von ihr mit Teos abgeschlossenen Freundschaflsvertrags er-
hellt, ein Heihgthum der Athena Polias besass. Da nun aber
einige alte Schriftsteller mit Bestimmtheit eine Ortschaft Minoa
auf der Stelle dieser Ruinen ansetzen, so müssen wir annehmen,
dass entweder beide Namen dieselbe Ortschaft bezeichnen oder
dass die etwas weiter landeinwärts gelegene Stadt Istron schon
vor Beginn unserer Zeilrechnung verschwunden war und nur ihr
Ilafenplatz Minoa fortbestand, auf welchen dann im Volksmunde
der Name des untergegangenen Hauptortes übertragen worden
ist. *) Im Golf von Mirabella liegen ausser dem schon erwähnten
Eiland des Hagios Nikolaos noch zwei unbewohnte kleine Inseln,
für welche wir keine antiken Namen kennen: Kun)ilhia nahe dem
innersten Winkel und das etwas grössere Psyra nahe der Ost-
küste des Golfes. An der Ostküste stand wahrscheinlich auch die
uns fast nur durch Münzen und Inschriften bekannte Stadt Alla-
ria, welche ein Heiligthum des Apollon besass; doch sind wir
nicht im Stande ihre Stelle auch nur mit annähernder Sicherheit
nachzuw eisen. '')
ziehen); AazCiov tcov ttqos Kaybdqa. Lebas Inscriptions grecques et la-
tines pari. V, 74; über die Ruinen vgl. Spratt I, p. 129 ss. (mit Plan);
über die richtige Benennung derselben und das Verhältniss von Lato zu
dem von Ptol. III, 17, 5, Stadiasm. m. m. § 351, Steph. Byz. u. Ka-
(iccga und Hierocl. Syneed. p. 13 erwähnten Kamara Ussing Kritiske
Bidrag til Graekenlands gamle Geographie p. 4 s.
*) C. I. gr. n. 3048, vgl. Steph. Byz. u."lorQog: auch im Stadiasm.
Jii. m. § 352 f. liat C. Müller, freilich mit wenig paläograpischer Wahr-
scheinlichkeit, "latQOv und '^Iotqov für 'Exeqccv und ^Ettgccg des Codex
hergestellt. Mivaa Strab. X, p. 475 (nach welcher Stelle die Stadt da-
mals den Lyttiern gehörte) und Ptol. III, 17, 5. Ueber die Ruinen s.
Spratt I, p. 137 ss.
2) Freundschaftsvertrag zwischen Allaria und Paros C. I. gr. n. 2557
= Mnemosyne II, p. 30 ss.; desgleichen mit T€os Lebas Inscriptions gr.
et lat. part. V, 73. Münzen Eckhel D. n. v. I, 2, p. 303 = Museum oF
class. ant. II, p. 270. Vgl. Steph. Byz. u. 'AXXecQi'a. — An derselben
Küstenstrecke lag vielleicht die nur aus der Urkunde eines von ihr mit
2. Die ostgriechischen Inseln: Kreta. 575
Oestlich vom Golf von Mirabella ist die Nordküste wiederum
durch eine Buclit (jetzt Bucht von Sitia genannt) eingeschnitten,
welche gegen Westen durch das Cap Sitia (bei den Alten Eteia),
gegen Osten durch eine weit nach Norden zu vortretende, an
beiden Seiten mehrfach ausgezackte felsige Landzunge begränzt
wird, deren nördlichste Spitze, das mit einem Heiligthum deV
Athena bekrönte Cap Samonion (oder Salmonion, Salmo-
nis) der Alten (jetzt Cap Sidero), die Nordostecke Kreta's bildet.
Etwas über eine Meile westlich von diesem Cap liegt eine Gruppe
von vier unbewohnten, nur von Schwammfischern besuchten Fels-
inseln (zwei grössere und zwei kleinere), deren moderner Name
lannitzades eine leichte Corruptel des antiken Namens Diony-
siades ist. An der Südwestecke der Bucht, in welche ein nicht
unbeträchtlicher Fluss einmündet (von den Alten Didymoi oder
Didyma genannt, wie auch die Bucht), Onden sich die Ruinen
der befestigten venezianischen Ortschaft Sitia, offenbar der Nach-
folgerin der alten Hafenstadt Eteia (oder Etis), die aber nicht
ganz auf derselben Stelle, sondern etwas weiter gegen Osten
stand, wo noch in dem Dorfe F*etra und auf einem Hügel ober-
halb desselben Reste polygoner Mauern und alte Terrassen vor-
handen sind.^)
Eteia war jedenfalls keine selbständige Ortschaft, sondern
nur der Hafenplatz der 2'/2 Stunden landeinwärts gelegenen Stadt
Präsos, deren Gebiet sich wie bis zur Nordküste so auch bis
zur Südküste erstreckte. Die Stadt, deren auf einem Flöhen-
rücken zwischen den beiden obersten Armen des Didymoiflusses
gelegene, hauptsächlich aus alten Terrassenmauern und Haufen
von Steinen und Thonscherben bestehende Ruinen noch jetzt
Teos abgeschlossenen Vertrages (Lebas a. a. O. 76) bekannte Stadt der
^Eqccvvlol.
') Stadiasm. m. m. § 353 f. wird eine Kr]t£a axgcc erwähnt, wofür
ohne Zweifel "Hrsia herzustellen ist; vgl. Steph. Byz. u.^Hzig; Diog.
Lacrt. I, 9, 107; Etym. M. p. 248, 34. ZaficovLOV Strab. X, p. 472;
475 u. ö.; Stadiasm. m. m. § 318 und 355; Ptol. III, 17, 5; Pompon.
Mela II, 112; Plin. IV, 12, 58 und 71. Zalficoviov Strab. II, p. 106;
2al(i(ovig ApoUon. Khod. J, 1691; Dionys. Per. 110. £al^<6vi] Acta
Apost. 27, 7. 'A&avaCcc ZaXficov^a C. I. gr. n. 2655, Z. 13. JiovvaLoc-
isg vijaoi Diod. V, 75 (wo inl zav yialovfiivoav Jtdv(ia}v y.okncov);
Stadiasm. m. m. § 354 f. Fluss Ji6v(ioi oder JiSvfi«: Dionys. Call. D.
Gr. V. 127; Steph. Byz. u. Jidv^a.
576 III. Die Inselwelt.
den Namen Präsus fuhren, liatle durch V^ergewaltigung einer
schwächeren, jetzt, wie es scheint, his auf die letzte Spur ver-
schwundenen Nachbarstadt, Dragmos, ihre Gränzen gegen Osten
erweitert und bedrängte dann auch die durcli diese Gebiets-
erweiterung zu ihren unmittelbaren Nachbarn gewordenen fla-
nier, welche sich ihrer nur mit Hülfe des Königs von Aegyplen
Ptolemäos VI. Philometor erwehren konnten. Nach dem Tode
dieses Königs (146 v. Chr.) blieben die Besitzverhältnisse zunächst
unverändert; aber einige Zeit darauf wurde Präsos von seinen
westlichen Nachbarn, den Hierapytniern, zerstört, die seitdem im
Besitze seines Gebiets blieben. ^)
Die östliche Nachbarin von Präsos, Itanos, eine Griindung
der Phöniker, lag jedenfalls an der Ostküste und zwar wahr-
scheinlich am nördlicheren Theile derselben, an der weiten Bucht,
welche sich zwischen dem Gap Sidero im Norden und dem weit
gegen Osten vortretenden Gap Plaka (von manchen Schiffern,
wohl nur in falscher Anwendung eines antiken Namens, auch Gap
Salmone genannt) im Süllen öffnet. An der Westseite dieser jetzt
Grandes genannten Bucht finden sich an zwei Stellen alte Rui-
nen : gegen Norden am südlichen Ende der im Gap Sidero enden-
den Landzunge, gegenüber von der Insel Elasa die Ruinenstätte
Eremopoli; gegen Süden unmittelbar nordwestlich vom Gap Plaka,
gegenüber von zwei kleinen wie die Bucht Grandes genannten
Inseln ein kegelförmiger jetzt Paläokastro genannter Hügol mit
Resten einer alten Festung und Trümmern von Wohnungen am
Fusse desselben. Eremopoli halte ich nach einer dort gefunde-
*) S. die bei Toplu-Monastiri (nahe der Ostküste der Bucht von Sitia)
gefundene Inschrift bei Pashley I zu p. 290 = C. I. gr. n. 2561'' Vol. II
p. 1100 s. (Schiedspruch einer im Auftrag des römischen Senats von einer
Gemeinde ausserhalb Kreta's, entweder den Pariern oder den Magneten
am Mäander, ernannten Commission über Gränziegulirung zwischen den
Itaniern und Hierapytniern), besonders Z. .38 ff., Z. 45, Z. 57, Z. 60 f. und
Z. 67: vgl. Scyl. Per. 47; Strab. X, p. 475 und 478 s.; Herod. VII, 170 f.;
Theophr. Hist. pl. III, 3, 4; Athen. IX, p. 376^; Steph. Byz. u. IIqccl-
cog. Münzen bei Eckhel D. n. v. I, 2, p. 319 und Museum of class. ant.
II, p. 269. Die Stadt zlqay^og wird ausser in der Inschrift nur bei Steph.
Byz. u. d. W. erwähnt. lieber die Ruinen s. Spratt I, p. 164 ss. , der
das in der Inschrift und bei Strab. X , p. 475 erwähnte Heiligthum des
Zeus Diktäos bei Kopra-Kephali drei bis vier englische Meilen westlich^
von Präsos ansetzen will; allein aus der Inschrift ergiebt sich, dass es
an der Glänze des Gebiets der Itanier, also östlich von Präsos lag.
2. Die ostgriechischen Inseln: Kreta. 577
nen Inschrift^) für den Plalz des Heiligthums der Athena Sal-
nionia, an welches sich in späterer Zeit eine kleine Ortschaft,
deren Namen wir nicht kennen (vielleicht hiess sie Salmone)
angeschlossen hat: die Lage des Heiligthums an der Wurzel statt
auf dem Rücken oder der äussersten SpiTze des V^orgebirges, nach
welchem die Gottheit benannt ist, ist ganz analog der Lage der
Heiiiglhümer des Poseidon auf Tänaron und auf Gerästos. Paläo-
kastro bezeichnet wahrscheinlich die Steile dc^r Stadt Itanos,
deren Namen auch das benachbarte Vorgebirge (das jetzige Gap
Plaka) trug. 2) Das Gebiet der Stadt, welches sich gegen Süden
jedenfalls bis zum Cap Erythräon (dem jetzigen Cap Gutheru
an der Südküste) erstreckte, enthielt noch zwei kleinere Ort-
schaften an der Ostküste, von denen einige Reste erhalten sind:
die nördlichere, deren antiken Namen wir nicht kennen, lag in
einer kleinen, an drei Seiten von Anhöhen, an deren unteren Ab-
hängen man noch antike Terrassen erkennt, umschlossenen Strand-
ebene an der Bucht von Zakro; die zweite, Ampelos (welchen
Namen auch ein ihr benachbartes Vorgebirge trug), V/2 Stunden
weiter südlich an einer kleinen offenen Bucht, welche durch zwei
davor liegende kleine Felsinseln (jetzt Cavallos genannt) einigen
Schutz erhält. Auch diese sowie die vorher erwähnten Eilande
Elasa und Grandes gehörten den Raniern , ebenso die bedeuten-
*) Spratt II, pl. 1, n. 4, wo zu lesen ist: ig aT]cikav Xi^ivav v.cu.
%-iliBV ig t6 [t]aQ6v ta? *Ad-ava[Lag] (vgl. S. 575, Anm. 1); die ebenda-
selbst gefundenen Inschriften ibid. n. 16 — 19 sind Grabschriften aus spä-
terer Zeit, n. 20 das Bruchstück eines hoch alterthümlichen "Weihge-
schenkes (eines Schiffes aus Stein mit dem Zeichen eines Delphins, vgl.
oben S. .361 f., Anm. 4). Ueber die Ruinen s. Spratt I, p. 192 ss., der sie
auf eine alte Ortschaft Hetera (die nur einem Abschreiber des Stadiasm.
m. m. § 352 f. ihre Existenz verdankt) oder auch auf Arsinoe (die nach
Steph. Byz. p. 126, 1 ed. Mein, zu Lyktos gehörte; vgl. Eckhel D. n. v.
I, 2, p. 304) beziehen will. Kiepert setzt hier FQd^ynov (vgl. Steph. Byz.
II. d. W.) an, oflfenbar wegen Scyl. Per. 47: Fgavog dyiQGixrJQiov KQrjtrjg
ngog rjliov aviaxnvza: allein dort ist gewiss mit I. Voss "/rarog statt
Tgavog zu schreiben.
«) Herod. IV, 161; Ptol. III, 17, 4; Steph. Byz. n.''lxavog\ Inschrif-
ten C. I. gr. n. 2561»' und n. 2602. Münzen bei Eckhel D. n. v. I, 2,
p. 314, vgl, p. 321 (das von Steph. Byz. u. Tctvog aus Artemidor ange-
führte Tan 0 8 ist schwerlich verschieden von Itanos). Ueber die Ruinen
s. Spratt I, p. 207 ss., der hier Gramraion (vgl. die vorhergehende An-
merkung) ansetzt.
578 ITT. Die Inselwelt.
dere Insel Leuke (jedenfalls die jetzige Kuphonisi südlich vom
Cap Erylhräon, welche in einer kleinen Ebene nahe der nörd-
lichen Spitze noch Reste einer alten Ortschaft aus der römischen
Zeit enthält), auf deren Besitz auch die Hierapylnier Anspruch
machten. ^)
Hierapytna, die mächtigste Stadt der Südküste und seit
der Erweiterung ihres Gebiets durch die Annexion von Präsos
eine der bedeutendsten Städte der Insel überhaupt, die in den
Innern wie in den auswärtigen Angelegenheiten eine wichtige
Rolle spielte, lag an der Stelle des jetzigen Städtchens lerapetra,
ungefähr fünf Meilen westlich vom Cap Erylhräon, in einer klei-
nen Strandebene zwischen felsigen Hügeln, deren ein wenig ins
Meer vortretende Ausläufer zur Herstellung der Molen des jetzt
zum grössten Theile versandeten Hafens benutzt worden sind.
Im sechszehnten Jahrhundert waren noch sehr bedeutende Reste
der alten Stadt vorhanden: Ruinen mehrerer Tempel (unter denen
die der Athena Polias und des Apollon die bedeutendsten gewesen
zu sein scheinen), zweier Theater, eines Amphitheaters, von Bä-
dern und Wasserleitungen, sowie eine beträchtliche Anzahl von
Statuen. Heutzutage erkennt man noch das grössere Theater
und das Amphitheater (beide jetzt ohne Ueberreste der Sitzstufen),
Fundamente von öffentlichen und Privatgebäüden und eine An-
zahl Cisternen. 2)
*) 'Eqv&qklov ayiQOV Ptol. III, 17, 4; "A^nsXog cc-hqcc ebds.; Stadt
Ampelos Plin. IV, 12, 59. Insel Asv^irj Inschrift C. I. gr. u. 2561 b, Z. 38
u. ö.; Plin. a. a. O. § 61: den dort neben Leuke aufgeführten Namen
Onisia bezieht Kiepert auf die Insel Elasa; allein derselbe ist wohl je-
denfalls verderbt und vielleicht durch ein Missverständniss (aus dvo vrj-
OLcc der griechischen Quelle des Plinius) entstanden. Ueber die Ruinen
an der Bucht Zakro s. Spratt I, p. 232 ss. (der sie auf Itanos bezieht),
über die von Ampelos ebds. p. 238 s., über die auf Kuphonisi ebds.
p. 241 SS. Die C. I. gr. n. 2561 b, Z, 77 erwähnte 'ElsCa ist wohl die
zwischen den Ruinen von Präsos und der Bucht von Zakro gelegene,
durch einen hohen Bergrücken von der Ostküste getrennte sumpfige Ebene
von Katalioni.
2) ^IsQKTtVTVcc, bei Späteren auch 'isQccnvdvcc geschrieben, in den
ältesten Zeiten angeblich Kvqßa (nach dem mythischen Gründer Kyrbas),
TIvxvcc, Kd^LQog genannt: Strab. X, p. 472 und 475; Cass. Dio XXXVI, 2^
Ptol. III, 17, 4; Stadiasm. m. m. § 319; Steph. Byz. u. 'isQccTtvrva;
Hierocl. Synecd. p. 13; Plin. IV, 12, 59; Geogr. Rav. p. 396, 18. In-
schriften: C. I. gr. n. 2555; 2556; 2562 (= Mnemosyne II, p. 36 ss.);
2. Die ostgriechischen Inseln: Kreta. 579
Zum Gebiet von Hierapytna gehörte eine in ziemlicher Ent-
fernung von der Stadt auf einer Anhöhe gelegene Ortschaft
Ol er OS mit einem Heiligthum der Athena Oleria, der zu Ehren
die Hierapytnier ein Fest Oleria feierten ; ^) ferner eine alte Ort-
schaft Larisa, deren Bewohner schon vor dem Beginn unserer
Zeitrechnung nach Hierapytna übergesiedelt waren, so dass nur
noch der Name der unterhalb der Ortschaft gelegenen Ebene,
Larision Pedion, an dieselbe erinnerte; 2) endlich die gerade
sudlich von Hierapytna gelegene Insel Chrysea oder Chrysa
(jetzt Gaidaro-nisi , ' Eselsinsel ', genannt) mit einer ganz kleinen
östlichen Nachbarinsel, die keinen besonderen Namen trägt. ^)
Gegen Westen gränzte das Gebiet der Hierapytnier an das
von Biannos oder ßiennos, einer wenig bedeutenden Stadt,
die indess auch auf eigene Hand auswärtige Politik trieb, wie die
bruchstückweise erhaltene Urkunde eines von ihr mit Teos ab-
geschlossenen Freundschaftsvertrags beweist. Die Stadt lag gegen
zwei Stunden nordwärts von der Küste am nördlichen Rande einer
von einem Kreise von Bergen umschlossenen Hochebene unter
dem südlichsten Theile der Dikte: einige alte Terrassen, Mauer-
reste, Gräber und Cisternen oberhalb eines noch mit dem alten
Namen Viano genannten Dorfes sind die einzigen Ueberreste der-
selben. Das angesehenste Heiligthum der Stadt war das des
Ares, welchem bedeutende Opfer, Hekatomphonia genannt, dar-
gebracht wurden; auch die Sage von der Fesselung des Gottes
durch Otos und Ephialtes war daselbst localisirt.'*) Gerade süd-
2563—65; 2567 s.; 2581 s.; 2585; 2590; 26018.; 2561»'; Mnemosyne I,
p. 75 S8.; p. 105 88.; p. 114 ss. Münzen: Eckhel D. n. v. I, 2, p .S13 s.
Heihgthum der Athena Polias C. I. gr. n. 2555, Z. 5; n. 2556, Z. 78;
Mnemosyne I, p. 114, Z. 9 f.; des Apollon ebds. p. 106, Z. 12. Ruinen:
8pratt I, p. 253 ss.; Museum of classical antiq. II, p. 271 ss.
1) Stftiih. Byz, u. "SllsQog-^ Inschrift in der Mnemosyne I, p. 106,
Z. 11. Vielleicht bezeichnet die Stelle des Heiligthums die von Spratt I,
p. 268 s. erwähnte, auf einem über 3000 Fuss hohen Gipfel des die Ebene
von Hierapytna gegen Westen begrenzenden Bergrückens gelegene Ca-
pelle des heiligen Kreuzes (Hagios Stnvros).
2) Strab. IX, p. 440; vgl. Bteph. IJyz. u. Aägtoai.
3) Stadiasm. m. in. § 319; Pomp. Mela II, 114; I'lin. IV, 12, 61.
Mehrere Inseln werden als zum Gebiet von Hierapytna gehörig erwUhnt
in der Inschrift Mnemosyne I, p. 80, Z. 42.
*) Steph. Byz. u. Bievvos; Stadiasm. m. m. § 320; Ilierocl. Synecd.
580 TTT. Die Inselwelt.
lieh von Biannos erhebt sich unmiltelbar an der Küste ein ver-
einzelter Berg, welcher die Ruinen eines venezianischen Castells
Keraton tragt; an der Westseite desselben zieht sich eine kleine
mit Oelbänmen bewachsene Ebene hin, durch welche ein aus der
Hochebene von Biannos herabkommender Bach der kleinen offe-
nen Bucht, welche ebenfalls Keraton genannt wird, zufliesst.
Diese Bucht diente jedenfalls den Bianniern als Hafenplatz; der
benachbarte Berg ist vielleicht der alte Arbios, auf welchem
Zeus Arbios verehrt wurde (daher auch ^Hieron Oros' ^der hei-
lige Berg' genannt). Der Name des Berges haftet jetzt an dem
eine Stunde weiter östlich in einer kleinen Sirandebene, über
welcher eine steile durch einen mächtigen Spalt zerrissene Fels-
wand aufsteigt, gelegenen Dorfe Arvi, bei welchem sich einige
Spuren einer alten Ansiedelung finden, weshalb einige neuere
Forscher hier das Heiligthum des Zeus Arbios angesetzt haben ;
allein dasselbe hat jedenfalls nicht in der Ebene, sondern auf
dem Gipfel des Berges Arbios gelegen. ')
Als eine Art Anhängsel von Kreta betrachteten die Alten die
etwas über vier Meilen südlich vom v\ estlicheren Theile der Süd-
küste Kreta's gelegene Insel Gaudos oder Klaudos (heutzutage
Gavdo, von italiänischen Schiffern Gozzo genannt). Sie ist ganz
baumlos, nur mit einigen Wachholder- und Johannisbrodsträu-
ehern bewachsen, ohne Hafen (nur an der Ostseite hat sie einen
den Schiffen nur geringe Sicherheit darbietenden Ankerplatz) und
wird jetzt von etwa 70 in drei bis vier Weilern zerstreuten Fa-
milien bewohnt. Reste einer kleinen hellenischen Stadt finden
sich auf einer steilen, oben flachen Anhöhe unmittelbar über der
Nordkösle: dass diese Stadt, trotz der Armuth des Bodens der
Insel, des künstlerischen Schmuckes nicht entbehrte, zeigt eine
unter den Ruinen gefundene schöne bekleidete Frauenstatue (ohne
Kopf) aus parischem Marmor. Auch in den früheren christlichen
p. 13; Inschrift in der Mnemosyne I, p. 125; über die Reste Spratt I,
p. 301 SS. Der Name der Stadt ist auf der Tab. Peuting. in Blenna,
beim Geogr. Kav, p. 396, 19 in Blentia corrumpirt. Auf die Ebene be-
zieht sich wahrscheinlich der von Servius ad Verg. Aen. III, 578 aus
Sallustius angeführte Name '^Otiicampi'.
1) Steph. Byz. u. "AQßLs; Ptol. III, 17, 9 (wo 'ifpov OQog): vgl. Spratt
I, p. 292 SS., der das Heiligthum des Zeus bei Arvi, am Berge Keraton
die Stadt der KtQoctrcci (vgl. oben S. 552, Anni. 1) ansetzt.
2. Die ostgriechischen Tüseln ; Kreta. 581
Jahrhunderten muss die Insel nicht ohne Bedeutung gewesen
sein, da sie der Sitz eines Bischofs war. Nordwestlich von ihr
liegt eine kleine unbewohnte Insel, jetzt Gavdopulo genannt, für
die wir keinen antiken Namen mit einiger Sicherheit angeben
.können. ^1
1) Gaudos Pomp. Mela II, 114; Plin. IV, 12. 61. KXccvdog vrjaog
iv 7] TCoXig Ptol. III, 17, 11. NrjCi'ov ■naXovfisvov KXavdcc (Kavda cod.
Vat.) Acta apostol. c. 27, 16. KXccvdCa Stadiasm. m. m. § 328. N7]Oog
KXavSog Hierocl. Synecd. p. 14; vgl. Notit. episcop. 8, 240 (p. 170 o
VTJaov KavSov) und 9, 149 (p. 186: d vrjaov KXccvdov). Vgl. Spratt II,
p, 274 SS. — Gavdopulo nennt Kiepert Ophiussa nach Plin. a. a. O. ;
aber die Beziehung dieses Namens ist wie die der folgenden sehr proble-
matisch.
Verzeichniss der geographischen Namen.
Die modernen Namen, in welchen neugriechisches B durch V, EI, H
und Ol durch I, Mn durch B wiedergegeben sind, sind durch cursiven
Druck, die verderbten oder zweifelhaften durch ein Sternchen (*)
kenntlich gemacht.
Abä 158 ff. 164 ff.
Abantes 10. 158. 165. II 403 f.
Abantis II 396. 414.
Abia, Abea II 112. 168. 170 ff.
Achäa, Achäoi 44 f. 75. 77. 90. 145.
371. II 2 ff. 8. 24. 42. 79. 89 f. 108.
163. 186. 188. 194. 258. 262. 267.
269 f. 272. 274. 309 ff. 315 ff. 333.
338. 381. 534 fi\ 549. 551. Achäoi
Parakyparissioi II 142. Achaon
limen II 173.
Acbäia II 433.
Acharnä VII. 292. 334 f. Acharnikä
pylä 292 f. 300. 303.
Acharrä VII. 75.
Acheloos 12. 26. 39 f. 84. 87. 105 ff.
120 f. 123 f. 127 f. 140. II 235.
270. 311.
Acheron 27 ff. II 285. Acherusia
limne 27. 29. 31. II 97.
Achilleion, Achilleios limen 223.
II 150. 391. 394.
Achino 83.
Arhladokampoa II 66.
Achmet- Aga II 412.
Achnä 74.
Achuria II 221.
Adamas II 501.
Adelphi II 384.
Adelpkia II 505.
Adendros II 77.
Ader es II 86 f. 95.
Adrasteia II 36.
Adromni 149 f.
Aeakeion II 82 f.
Aeaneion, Aenanis 191.
Aeanteion, Aeantis 101. 221. 263.346.
Aedepsos 11 409.
Aegä II 313. 316. 334. 338. 410 ff.
Aegäa II 433.
Aegäisches Meer II 347. 350 f. 353 f.
Aegäon oros II 533.
Aegäos II 357.
Aegaleon II 158. 178.
Aegaleos 253. 264. 335.
Aegeiros, -roi 383.
Aegeirussa 372. 383.
Aegeis 263. 332. 346.
Aegestäoi 27.
Aegiä II 145.
Aegiale II 513 f. 516.
Aegialos, -aleia, -aleis II 5. 11.
23 ff. 188. 310. 314. 333. 340.
Aegikoreis 262. II 315.
Aegila, Aegileia, Aegilia 357. II
103. 352. 421. 423. 431.
Aegilips II 366.
Aegilodes II 148.
Aegina, -inetä 158. 363 f. II 70.
73. 77 ff. 92. 191. 349. 353. 508. 541.
Aeginion 14. 48 f.
Aegion II 313. 316 ff. 330 ff. 334 f.
338. 340.
Aegiplankton 383,
Aegira II 201. 314. 316. 338 ff. 342.
Aegition 142.
Aegoneia 96.
Aegosthena, -nä, -neia 232. 372.
381 f.
Aegypten II 13. 140.
Aegys, Aegytis, Aegytä II 110. 114.
190. 219. 225. 241 ff.
Verzeichniss der geographischen Namen.
583
Aemonia s. Hamonia.
Aenianen {vgl. Enienen) 42. 50. 86 ff.
155.
Aenios VII.
Aenos VIT. 152. II 372. 377.
Aeolideis 170.
Aeolides II 348.
Aeolis, -eis 73. 97. 126. 131. 201.
203. 209. II 159. 477.
Aepasia, -sion II 278,
Aepeia II 109. 168. 172.
Aepion s. Epion.
Aepy II 284.
Aeria II 530.
Aethikes 10. 48.
Aethopia 40.
Aethopion (Aethiopion) TI 418.
Aeto II 369.
Aetolia, -loi 32. 37. 87. 104 ff. 123 ff.
144 ff. 151. II 257. 262. 267. 270.
275. 326. 374.
Aetoliko 128.
Aexone 360 f.
Afrika II 150. 351.
Aganippe 233. 239.
Agelastos petra 325. 331.
Agia 99. 104.
Agias-Bei II 242.
Agneion II 552.
Agnontas II 387.
Agnus 345. II 387.
Agora von Athen 280 ff.
— von Klis II 304 f.
Agrä 319 f.
Agräer, -äa 10. 105. 140.
Agrapidochori II 306.
Agraulion 294.
Agriades II 306.
Agrilovuni 38.
Agrinion 138.
Agrippeion 292.
Agryle 319.
Aqulenitza II 277. 280. 283.
Aivfäi 81. II 466.
Akaderaia 323 f.
Akakesion, -es II 239.
Akamantis 263.
Akanthos, Akanthier 40. 173. II 441.
Akarnanes, -nania 31. 35. :{7. KM ff.
II 102. 270. 34r,. ;;<;j. ;;(;:..
Ake II 249 f.
Akidalia 211.
Akida», -don II 28i f.
Akidusa 223.
Aki.s II 479.
Akkitschc 79.
Akmiier II 415.
Akoition II 541.
Akontion 196. 210 f. II 241. 438.
Akoväs II 232.
Akra II 438.
Akra 138.
Akräa II 47.
Akräphia, -phion, -phnion, phnia
213.
Akragäs II 438.
Akrariäs II 501.
Akrata II 202. 313. 337.
Akriä II 112. 136. 143.
Akritas II 158. 174. 272. 346.
Akrokerauirien s. Keraunien.
Akrokorintho.s II 9. 11. 15 ff". 22.
165.
Akropoli.s 138. Akropolis (athen.)
272. 280. 304 ff.
Akroreia II 301. 306 f. .309.
Akrotiri II 449. 524. 526. 542. 544.
Akrurion 158. 186. 189.
Aktäa 251.
Akfäonos koite 247.
Akte 251. 263. II 7. 93. 350.
Aktia 32.
Aktike 251.
Aktion 31 f. 108. 114 f.
Akyphas 155.
Alagonia II 112. 155.
Alalkomenä, -neion, neia 48. 234 f.
II 214. 369.
Alassa II 567.
Alassona 55.
Alalas 101.
Albanien, Albanesen 11 f. 15. 132
II 132. 194. 436. 440.
Alea II 198.
Aleision, -sios II 289.
Alesiä II 131.
Alesion II 208. 213 ff.
Alevkimo s. Levkimo.
Alexandru klimax 59.
Alifagn 53. 68.
Aliki, -ka 360. II 142.
Alion II 307.
Aliphera, -eira II 234. 258.
Ali-Tschelehi II 309.
Aliveri II 422 ff. 425. 429.
Alkimedon II 207. 214.
Alkimos 265.
Alkinou limen II 360.
Alkomeiiä II 309.
Alkyonia II 66.
Allanis II 361.
Allaria II Ö74.
*Allyng08, Alyngos II 572.
*Alm«'no 26.
Almgropofamos II 429,
Aloion 61.
584
Verzeicliniss der geographischen Namen.
Alonistena, -on II 208. 228. 230.
Alope 83. 190. 331. II 438.
Alopeke 322.
Alopekos 234.
Alos .y. Halos.
Alos II 567.
Alpeuoi, -peuos, -ponos 94. 188.
Alpheios II 107. 113. 118. 183 f.
18G f. 190. 216 f. 222. 224. 226 f.
230 f. 233 ff. 240 ff. 255 ff. 268 f.
272 ff. 277. 282 f. 285 ff. 290 ff.
Alpion II 123.
Altis II 290 ff.
Alupochori 381.
Alvena II 184. 268.
Alykon 369.
Alysis II 533.
Alyssos II 267.
Alyzia 118.
Amantes, Ainantia 10. 20.
Amarbis 57.
Amari II 546.
Amarynthos 343. II 421.
Amathos II 278.
Ambrakia, Ambrakioten 11 f. 26.
32. 35 ff.
Ambrakia 110.
Ambrakischer Meerbusen 9. 24. 26.
29. 31. 37 f. 111. 114.
Arabrakos 36.
Ambrosos, -brysos, -phrysos 159.
169. 183.
Amilos II 203. 206.
Aminios II 240.
Amnisos II 559 ff.
Amorgopula II 517.
Amorgos II 347 ff. 510 f. 512 ff.
Anpelakia 61. 66. II 401.
Ampelokipi 321 f.
Ampelonisi It 510.
Ampelos II 577 f.
Amphanä, -näa, -näon 70. 156.
Ampheia II 165.
Ampheion 228.
Amphiale 271. 366.
Amphiaraeion 220 f.
Amphidolia, -lis, -loi II 289.
Amphigeneia Ortschaft derMakistia
in Triphylien: Strab. VIII p. 349;
Steph. Byz. u. 'J^cpiyEVSicc.
Amphikäa 162.
Amphikleia 159. 162.
Amphilochia, -choi 10. 37 ff. 105.
124. 140.
Araphimales, -melas II 544.
Amphimalla, -lion II 544 f.
*Amphimatrios II 545.
Amphipagos II 357.
Amphissa, -äer 143. 145. 150 ff. 180 f.
Amphitos II 163.
Amphitrope 352.
Amphrysos 78. (vgl. Ambrosos.)
Amunclae II 129.
Amyklä II 110. 120. 124. 129 f.
Amymnoi 10.
Amyraone II 67. 309.
Amyntä 27.
Amyron 20.
Amyros, -ikon 64. 99. 104.
Ana/los II 517.
Anagyrus 358.
Anakeion 294 f.
Anaklethra, -ris 377.
Anaktorion 32. 113 f. II 362.
Anaphe II 348. 350. 450. 517 ff. 525.
Anaphlystos 353. 357.
Anapodiaris II 563.
Anapos 109.
Anatoliko 128. 131.
Anauros 102.
Anavolos II 68.
Anavryti II 1S2.
Anavyso 357.
Anchesmos 255. 343.
Anchiasmos 16.
Anchisia, -iä II 205. 207. 214.
Anchoe 193. 196.
Andania II 164.
Andritzena II 235.
Andros II 348 f. 352. 417. 439 ff.
449. 455. 469. 492.
Anemoduri II 257.
Anemoreia, -oleia 159. 170.
Anemosa II 230 f.
Angeiä 74.
Angeloknstron 135.
Anigräa II 68. 208.
Anigros II 279 ff.
Ankistri 70. II 77.
Ankyle 322.
Anoi II 367.
Ano - Lukavitza II 308.
Anonos II 132.
Anopäa 95.
Anopolis II 547.
Ano-Suvala 161.
Antera 188.
'Anthedon 214 f.
Antheia II 89. 168. 325.
Anthele 92. 96.
Anthene, Anthana II 42. 69. 71.
Anthinon 331.
Antigoneia 20. II 212.
Antigonis 263.
Antikyra 77. 83. 91. 148. 159. 182 f.
AntimUo II 350. 501 f.
Verzeichniss der g-cographischen Namen, 5Ö5
Antiochis 263. Archajigelo II 141.
Antiparos II 483. Archelaoi II 25.
Antipaoco II 355. 364. Archipel II 351.
Antirrhion 145 f. II 312. Ardericca II 419.
Antron 81. Ardettos 320.
Anydros II 517. 549. Areia, Aretias 226.
Aones, Aonia, -ion pedion 24. 200. Arena II 278. 282.
202. 216. 224. Areopag 280. 284 f.
Aoos 12 ff. 19 f. 25. 27. Arethusa II 288. 370. 413. 415 f.
Apano- Kastron II 440. 514. 418. 428.
Apano -Kavos II 466. Areupolis II 152.
Apano- Krepa II 207. Argadeis 262. II 315.
Apanovieria II 528. Argaliki 337. 339.
Apano- Porta 40. Argaphia 247.
Apeiroten s. Epeiros. Argeathä II 263.
Apelauron II 32. 182. 194 ff. Argelasii 101.
Aperantoi, -tia 140 f. Argentiera II 502.
Aperopia II 86. 100 f. Argilos II 441.
Apesas II 23. 35 ff. Argiopion 247.
Aphales II 368. 370. Argissa 67.
Aphas'31. Argithea 40.
Apheidantes 24. II 189. 217. Argonautä II 342 f.
Aphend-vuno II 532. Argon pedion II 63 f. 208. 213 f.
Aphetä 101. Argos, Argeia, Argeioi, Argolis, ar-
Aphetais II 124. 126. golischerMeerbusen 166.216.371. II
Aphidnä 336. 2. 4 f. 7 ff. 24. 33. 36. 38 ff. 49 ff.
Aphorismos 337. 339 f. 61. 63 ff. 68 ff. 92. 94. 98. 102.
Aphormion 241. 108 ff. 116. 140. 175. 182. 191.
Aphrodisias II 139. 197 f. 222.
Aphrodision II 227. 259 f. Argos Amphilochikon 32. 37 f.
Apia, Apis II 2. Argostoli II 371 f. 377 f.
Apidanos 73 ff. 79. Argura, Argyra 67. 11 312. 325. 416.
Apobathmoi II 67. Argyrinoi 19.
Apodotoi 10. 132. 142. Argyrokastron 19.
Apokorona II 543. Argyropolis II 546.
Apokuro 135. Aris 382. II 168.
Apollonia, Apollonias 119. 142. 170. Aristandreios stoa II 247.
327. II 362. 482. 547. 554. 557 f. Aristerä II 86. 101.
Apolloniatis II 218. 220. Aristonautä II 30. 342 f.
Aposelemi II 570. Arkades, -dia 8. II 3 ff. 24. 26. 39.
ApoHtolia 153. 43. 63. 65. 102. 106 ff. 110 f. 113 ff
Aptara, Aptera II 543 f. 118. 155 f. 159 ff. 179. 181 ff. 272 f.
Arachnäon II 62. 72. 306. 311. 324. 340. 381. 383. 485.
Arachova 170. II 71. 118. 1.35. 562 f.
Arachthos, Arattlio.s 12 f. 20. 34. 30. Arkadi II 562.
Aradeii II 547. Arkadia II 178.
Aradena II 547. Arkcsine II 513 ff.
ArätliyrcH II 33. Arkopodi 240.
Arainon II 147. Arkudi II 366.
Arakynthos 124. 127. 129 ff. II 378. Arkudorrhevma II 230.
Arantia, -tinos II 33. Armenion 103.
Araplieu 349. Armyros 78. II 171. 544. 557 f.
Arapi .38. Arna, Arniotiko II 72. 140 f.
Araterion 345. Arne 45. 73. 198. 201. 213. II 213.
Araxüs II 270. 272. 308 ff. 319.321. Aroania II 183. 185 ff. 192. 198 f.
Arha II 325. 202 f. 203 f. 200. 313.
Ailiios II 580. Aroanios II 183. 180. 198 f. 201 f.
Arcitampolis II 437 f. 2C0 ff.
BUR8TAN, OK<KiR. II. 39
586
Verzelcbniss der geograplilschen Namen.
Aroe II 325,
Arotria II 419.
Arpedoni 366.
Arsen II 259 f.
Arsinoe, -noia 135. II 167. 577.
Arta 35.
Artemisia II 440.
Artemision 101. II 7. 39 f. 64. 182.
207 f. 408. 440.
Artemita 119. 127 f.
Arvi II 580.
Aryranion II 272.
Arype II 330.
Asä II 23.
Asea II 23. 113. 187. 198. 226 f.
Aselenon 143.
Aselina II 435.
Asia 261. II 147. 159. 347 f. 351.
Asikono II 466.
Asine II 60 f. 76. 94. 146. 156 f.
161. 174 f.
Askani II 529.
Askania II 529.
Askra 237.
Askuris 60.
Asmaki 62.
Asmeneion II 448.
Asopia II 25.
Asopos 92. 94 f. 200. 203. 219. 222 fif.
240. 244. 247 f. 252. 332. 336. II
17. 23. 25 fr. 32. 34. 37. 64. 84.
112. 143.
Aspalatheia II 366.
Aspis II 20. 50. 52. 515 f.
Aspledon 204. 209. 211.
Aspra Spilia 182. II 510.
Asprokampos 382.
Asprokavo II 357.
Aspronisi II 521 f.
Aftpropotamos 12.
Asprovuno II 94.
Assos 164 f.
Assos II 372. 376.
Astakos 119 f.
Astale II 556.
Asteria, -ris II 369. 454.
Asterion 74. II 47.
Asterusia II 564.
Astras II 184.
Astritzi II 561.
Astros II 69 f.
Astypaläa 357. II 347 f. 350. 518.
*Asum II 564.
Atako II 366.
Atalante 191. 366.
Aterra II 372.
Athamanes, Athaniania 10. 37. 39 f.
49. 53. 87.
Athamantion 78. 213.
Athamas 78.
Athaneatis 11 218.
Athenü, -er 145. 147. 168. 173. 198.
203. 219. 232. 250 f. 252 f. 256.
260 f. 264. 271 ff. II 92. 141 f.
330. 352 f. 386. 389. 393. 404 f.
410. 419. 441 f. 449. 455 ff. 405.
469 f. 474. 480. 485. 491. 498 f. 541.
Athenä Diades II 404. 409 f.
Athenäon 40. 54. II 50. 113. 227. 440.
Athenas Aethyias skopelos 380.
Athenas teichos II 312.
Athinati II 440.
Athmonon, -nia, -neis 343.
Atintanes 10. 20. 24.
Atramyttion II 456.
Atrax 66.
Attaleion II 82.
Attalis 263.
Attika 8. 168. 194. 201. 251 ff. II
159. 206.
Augeiä 189 f. II 145.
Aulis 200. 215. 218 f.
Aulon 353. II 107. 148. 179. 440.
Autariatä 27.
Avaritza 79. 85.
Avathos (Aviathos) II 373.
Avdo II 448.
Avgo II 61. 72. 95.
Avlaki 83.
Avlemona II 141.
Avlonari II 425. 428.
Axia 152.
Axi-Kephala II 562.
Axo II 555 f.
Axos II 555.
Azanes, -nia II 189. 264 f. 381.
Azenia 355. II 386.
Azoros 51. 57.
Baha 58. 61.
Babyka II 120 f.
Bady hydor II 309.
Bäa II 372.
Bäake 20.
Balamut 60.
Balyra II 163. 165.
Barbas II 331.
Barbosthenes II 117.
Bardana 169.
Bardunia, -duno-Choria 11 105. 132.
146.
Barlkolomiu II 270.
Basileios stoa 281 f. 286 f.
Basilis II 240.
Verzeicliniss der geographischen Namen.
58^
Bassä II 254.
ßastardoviino II 401.
Bäte 335.
Bathos II 240.
Bathyllos II 247.
Batiä 29 ff.
Bazaraki 46.
Bedeni II 61.
Belbina II 476 {vgl. Belmina).
Belesi 164.
Belelzi 336 f.
Belmina, Belbina, -natis II 111.
113. 243.
Belopulo II 350. 502.
Eembina, -nos II 36
Bene II 568.
Berekynthas II 540.
Berenike, Beronikis 34.
Bergandi 113.
Besini II 263.
Bessa, Besä 189 f. 352 f.
Bianco (Capo) II 357.
Biandiua II 143.
Biannos, Biennos II 579 f.
Bias II 172.
Biblos, -lines II 489 f.
Biennos, -na II 550.
Binatos II 564.
Birbati II 48. 223.
Bisa II 289.
Bitia 29.
Bitylos II 153.
Bjakos 140.
Blenina II 113. 243.
*ßlenna 11 580.
*Bleutia II 580.
Blisse, -sene II 567,
Bliuri 55.
Boagrios 188 ff.
Bohia II 568.
Bochori 133.
Bogaz 41.
Bogdana 165.
Boiä II 103. 109. 112. 139. 141.
Boibe, -beis, -bias 41. 62 f. 103 f.
II 568.
Boidi II 478.
Boion 155.
Boiotia, -toi 8. 24. 45. 73. 158. 186.
194 ff. 332 f. 335. 370. II 191.
Bokaros, Bokalia 363.
Bolax II 277. 285.
Büleoi II 98.
Bolina, -näos II 312. 325.
Boloeis, Bolus II 572.
Botnieis, Boiuoi 141 f.
Bomykas II 107.
Booneta II 124.
Boos aule II 417.
Boreion II 187. 207. 217. 223 f. 226.
Borrheiä pylä 226 f. 230 f.
Bosporos 370.
Botachidä II 217.
Brasiä II 112. 134.
Bratzi 224.
Brauron, -onia 264. 348 ff.
Brenthe, -eates II 241.
Brilettos, (-lessos) 253 f. 256 f. 259.
264. 337. 340. 342 ff.
Bruma II 288.
Brychon 97.
Brynchä II 426.
Bryseä II 105. 131.
Bucheta, -tion 29 f.
Budoron, -daron 365.
Budoros II 402. 412.
Budrooe II 543.
Bugiati II 198.
Bujaii 342.
Bvjato II 383.
Bukation Stadt in Aetolien: s. In-
schrift bei Bazin Memoire sur
I'Etolie (Archives des missions
scientif. II serie t. I.) p. 369, n.ll.
Bukephala II 86. 101.
Bukephalos II 23.
Bukerais Quelle bei Platää: E-tym.
M. p. 207, 40.
Bukolion II 228.
Buleuterion 282 f. II 295.
Bulgaren 46.
Bulis 158. 185.
Bumistos 118.
Buphagion II 258.
Buphagos II 256.
*Buphia II 31.
Buphnsia II 313.
Buporthmos II 86 f. 100.
Buprasion, -sios II 270, 309.
Bura, -raikos II 311. 313. 316 f.
331. 334 ff.
Busa II 552.
Buthroton 17 f.
*Butoa II 569.
Byblis II 498.
Byzantiner II 112. 221. 329.
Byzantion 370. II 297,
C.
Cabrera II 168.
Candida (Candiä) II 501.
Cardacchio II 360.
Cavallos II 577.
Cavo d'oro II 400. 437.
Cava flrosso H 162.
39*
588
Verzeicliniss der geographischen Namen.
Cephalonia II 347. 371.
Cerigo II 103. 140 f. 347. 352.
Cerigotlo II 103. 352. 355.
Cervi, Sirada di, II 103. 140.
Chaa II 281 f.
Chadros II 549.
Chäroneia 164. 168. 196. 205 f.
Chaidari II 61.
Chaläon, -leion 150. 215.
Chalia 215.
Chalia 215.
Clialikiopulo II 360.
Cfialis {Chalkis) II 396.
Chalkedon 370.
Chalkidike II 403. 441.
Chalkis, -idier 87. 125. 129. 132 ff.
214 f. 230. II 283 f. 386. 401. 403 ff.
413 ff. 427.
Chalkodonion 69.
Chalkus odos 325.
Chamilonisi II 384.
Chandakon II 561.
Chania II 540 ff.
Chani- kästeln II 561.
Chaon II 40. 65. 196.
Chaones, Chaonia 10 f. 15 ff. 24. 26 f.
Charadra 31. 36. 159. 161. 257. 336.
Charadros 31. 36. 162. II 40. 49.
64. 68. 163 f. 312.
Charaka 356.
Charakoma II 115.
Charax 61.
Charisiä, -sia II 231.
Charvati 345. II 45.
Ckassid 13. 51. 333 ff.
Chastieis 334.
Chaunoi 27.
Cheimarrhos II 65.
Cheimerion 28 f.
Cheironia II 433.
Cheironion 97.
Cheli 11 87. 98. 101.
Chelidonia 139.
Chelidromia II 384. 389 f.
Chelmos II 113. 183. 313.
Chelonatas II 270 f. 273 f. 286. 308.
379.
Chelone 367.
Chelydorea II 183. 198. 201. 314.
340.
Chenä 95.
Chersonesos II 12. 20. 398. 427.
551. 571.
Chersonisi II 398. 427.
Chersoniso II 571.
Chieri II 379 f. 383.
Chilia 207.
Chiliomodi II 22.
ChiraUra 15 f.
C/iiniara 15.
Chiüs H 347. 350. 353. 438. 466. 486.
Clilamydia II 454.
Chlemutzi II 270 f.
Clülvotzari 224.
Chlomos 186. 212.
Choireä II 421. 423.
Choireatä II 25.
Choiros, -rios nupe II 112. 154. 171.
ChoUeidä 334. 359.
Cholorrhevma 79.
Choma II 217. 222 f.
Chondros II 495.
Chones, Chonia 15.
Chonika II 40.
Chora II 440.
Chorus II 572.
Choremi II 243.
Chor las 11 274. 301.
Chortokastro 101.
Chosiia 243.
Chrisliana, -ju, -näs II 450. 529.
Chrysa, -sea 277. II 579.
Chryso 180.
Cbrysorrhoas 132.
Chrysospiläa II 505.
Chrysovitza 110.
Chrysus stenopos 323.
Chthonia II 530.
*Chthonophyle II 33.
Chiretiä s. Kyretiä.
Chytroi 197.
Colonia Actia Nicopolis 32.
Colonia Augusta Aroe Patrensis II
326.
Colonia Buthrotum 18.
Colonia Laus lulia Corinthus II 14.
Corfu II 347. 356 {s. Korfu).
Coronaeus sinus II 156.
*Cylisson II 557.
Dahia II 228.
Dadi 153. 161 f.
Daktylu mnema II 249 f.
Damalas II 87 f. 95.
Damaristika II 106.
Damasi 56.
Daphnephoreion 334.
üaphni 326, 335.
Daphnos 144.
Daphnus 156. 165. 187 ff.
Dardanelia ta mikra 146.
Darditza II 86 f.
Darimari 248,
Daseä II 240.
Verzeichniss der geographischen Namen.
589
Daskalio 3o2. II 369. 503. 512.
Daulis, .lia 159. 168 f.
Dede-Bei II 242.
Deiras II 49 f. 56. 63.
Dekeleia 335 f.
Deli- Hassan II 240.
Delion 218 f. 339. II 139.
Delos 211. II 300. 348 f. 352. 393.
439. 451 ff.
Delphinion 221. 302. 321. II 420.
Delphis II 386. 397.
Delphoi, -er 159 f. 168 ff. II 93 f.
275. 300. 479.
Delphiissa 178.
Demata 115.
Demetrias 79 f. 96. 101 ff. 263. II
24. 484.
Demetrion, -iacum 80.
Demiades pylä 290.
Dendra II 62.
Denthalioi II 111 f. 169 f.
Derä II 32.
T^ereion II 132.
Dereli 60.
Dervenosialesi 249. 251. 333.
Desphina 182.
Despotiko II 482.
Deukalion 70.
Dexaraenä 36.
Dexaroi 20.
Dexia II 370.
Dia II 491. 560.
Dia II 489. 495. 556.
Diagron II 186. 233. 256. 285.
Dia klimakos hodos II 63. 208. 214.
Diaknphli II 425. 432. 443 f.
Diakophlo II 313. 335.
Diakres, Diakrioi II 412.
Diakria, -rioi 263 f. 337. 350.
Diamperes II 55.
Diaphorti II 184. 233. 235. 240.
Diaplo II 364.
Diaporia II 77.
Dia prinn hodos II 63. 208. 213.
Pias II 378.
Diatonion II 561.
Didyma, -moi 64. II 72. 94 f. 98.
466. 575.
DiUte II .532 f. 558. 563.
Diktvnnäon 11 125. 541.
nm (Dil äs) II 451. 466.
Dilisi 218.
Dimastos 11 449.
nimilzana II 230. 232 f.
Dine II 68. 208.
Diochartis pylH 300. 303.
Diopeneion 295.
Dinkastro 382.
569 f. 579.
DIolko's II 19.
Diomeia 274 f. 303. 322.
Diomeis pvle 300. 303.
Dion 56. II 409 f. 556 f.
*Dionäon II 282.
Dionysias, -siades II 179. 491. 575.
Dioryktos 116. .
Dipäa II 228.
Dipoina II 232.
Dipylon 278. 289 f. 322 ff.
Dirke 225 ff. 2.30 f. II 323.
Dirphossos II 397.
Dirphys II 386. 397. 400 f. 413.
415. 417.
Tiistomo 183.
*Dium II 564.
Doana II 256.
Dobrena 243.
Dodekajiesos II 349. 354.
Dodona, Dodonäa 4. 11. 21 ff. 72
Doko II 86 f. 99 f.
Dolicha 119.
Doliche 51. 57, II 396.
Dolopia, -pes 12 f. 37. 42, 74 f. 86 f.
89. 124. 140. II 393.
Domeniko 56.
Domoko 85.
Donakön 242.
Donax, -akeis II 448.
Donettinoi 24.
Donnsia II 350.
Donussa II 32. 342 f. 496.
Dorion 155. II 163.
Doris, Dorieis 45. 51. 87 f 94 l'>4
143. 152 ff. 159. 161. 185."209 370.'
372. II 2. 5. 8. 12. 24. 33. 42 f. 73.
89. 94. 109. 119. 159 f. 189 f. 314.
403. 498. 534 ff.
Dotion 23. 63 f.
Drachenhäxiser II 431. 434,
Dragamesio 119 f.
Drag^mos II 576.
Dr agnner a 119.
Drakonera 337. 340.
Drakonisi II 450.
Dramia II 545.
Dramisi 219. II 436 f.
Dramisius 25.
Drapano II 543.
Dropane II 355 f.
Drepanon II 312. 330. 542 ff.
Dreros II 571 f.
Drionisia II 488.
Drios II 489.
DrioH II 488.
Driiza 217. 223 f.
Dromo« II 127.
Dromos II 389.
590
Verzeichniss der geographischen Namen.
Drymäa 154. 159. 162.
Drymalia II 495.
Drjmos 332.
Drynos 19.
Dryope 154 (vgl. Inschr. hei Wescher
und Foucart Inscriptions recueillies
ä Delphes n. 198. n. 362.
Dryopes, -pis 35. 87. 153. 159. II 8.
35. 59 f. 94 f. 161. 174. 403. 430 ö".
438. 473.
Dryos kephalä 168. 249 f.
Dschane II 172.
Dukato 116.
Dulichion 119. 128. II 377.
Dusaiküs 54.
Dymanes 154. II 25.
Dyme II 308 ff. 314. 316 f. 319 ff.
Dyras 91.
Dyspontion II 288.
Dysto II 428.
Dystos II 403. 422. 426. 428 f.
E.
Ebräokastro II 475.
Ebräonisi II 20.
Echedameia 159. 182.
Echelidä 271.
Echeuetheis II 21*7.
Echinades 119. 126 f. II 346. 366.
384.
Echinos 77. 83. 112.
Echinos II 447.
Echinussa II 502.
Eeria 44.
Eetioneia 265 f. 270.
Egripos II 396.
Eileoi II 95.
Eilesion 224.
Einatos II 564.
Eion, -ones II 61. 94.
Eira II 161 ff. 164.
Eirene II 61.
Eiresion 224.
Ektenes 202.
Eläa, Eläatis 29. 211.
Eläus 19. II 68. 448.
Eläiissa 357. II 77.
Elaion II 156. 184. 251 f.
Elaos 133.
Elaphonisi II 103. 140. 550.
Elaphos II 228.
Elasa II 576 ff.
Elassond 55.
Elassonitikos 42. 55.
Elaleas 194.
Elateia, -tikou pedion 29. 61. 159.
161. 163 f.
Elatos II 379 f.
*Elatos II 564.
Elatovuno 149. II 372.
Elatria 29 ff.
Elektra II 163.
Elekträ, -trides pylä 226 ff.
Elektras II 532. 568 f.
Eleön 223.
Eleusinion 296. II 131 f.
Eleusis 198. 253. 256 f. 261. 264.
290. 322. 326 ff. II 527.
Eleutherä 249 f. 252. 331 f. II 236.
Eleutherios II 47.
Eleutheriu Dios stoa 282.
Eleutherna II 545. 554 ff.
Eleutherolakones II 112. 134 ff. 144.
147 f. 153 f.
Elinoi 27.
Elipeus 76. 85.
Elis, Eleia, Eleioi 126. II 3 ff. 159.
183. 186. 188. 190. 255. 258. 262.
267 ff. 302 ff. 419.
Elisa, -son II 274.
Elisphasioi II 207 f. 228.
Elixos II 472.
Ellomenon 117.
EUopes II 402.
Ellopia 87. II 396. 407 f.
Ellotia II 534.
Elone 56.
Elunta II 572.
Elymhos 41. 357. II 397.
Elymia II 205.
Elymiotis 14.
Elymnia II 390.
Elymnion II 434.
Elyros II 548 f.
Emeia II 47.
Empedo 293.
Emporion II 431. 526 f.
Endymionäon II 282.
Encheleis 20.
Enienes 23. 50. {vql. Aenianes.)
Enipeus 73 f. 76. 79. 85. II 273. 288.
Enktenes 202.
Ennea choria II 550.
Enneakrunos 300.
Enneapylon 272. 304 ff.
Enope II 155.
Enyalias II 209.
Eoioi Lokroi 187.
Epakria, -rieis 263 f. 342.
Epaktos 146 f.
Epaleas II 209.
Epeioi 125 f. II 2. 5. 273. 275.315. ^
319. 322.
Epeiros, Apeiros, Epeirotä, Apeirotä
3 f. 9 ff. II 356. 361 f.
Verzeichniss der geographischen Namen.
591
Ephyra, -re 29. 140. II 10 f. 31. 61.
101. 273. 307. 502.
Epidamnos, Epidamnioi II 297. 362.
Epidauros, -ria II 7 tf. 40. 43. 60 flf.
72 fr. 92. 138.
Epidauros Limera II 103. 112. 138.
Epidelion II 139.
Epieikia II 32.
Epiknemidische Lokrer 156. 165.
187 ff.
Epion, Aepion II 277. 284 f.
Epitalion II 283.
Epi Thrasyllo 353.
Epizephyrische Lokrer 187.
Erana 11 178.
Erannioi II 575.
Erannos 170.
Erasinos 257. 349 f. II 65. 132. 186.
196. 266. 311. 423.
Erchomenos s. Orchomenos.
Erechtbeion 315 ff.
Erechtheis 263. 318. 343.
Eremopoli II 576.
Ereneia 382.
*Eresos II 372.
Eretria 80. 203. 280. 343. II 359.
397. 401. 403 ff. 413. 415. 417 ff.
426. 428. 430. 469.
Krgadeis 262.
Eriä pylä 278.
Ericho 20.
Eridanos 256.
Erikusa II 364.
Erikusi II 364.
Erimo 61 f.
Eriniokasiro 237 f.
Erimomilo II 350. 501.
Erimonisia II 102. 510. 512. 517.
Erineos 79. 155. 328. II 313. 330.
Erinia II 394.
Erissos II 371 f.
Eriston 11 448.
*Eritium 57.
Erochos 159. 162.
Erymanthos II 183 f. 186. 256. 269 ff.
266. 269. 286. 310 f.
Erymnä 98 f.
Erysichc 120.
Erythro 148. 248. II 485. 492.
Krythräon II 577 f.
Eschatia II 466.
Eschatiotä II 448.
Escbatiotis 383.
Eteia II 675.
Bteok reter II 534.
Eteonos 248.
Etis II 139. 576.
Kua II 71.
Euämon II 204.
Euan II 156. 165.
Euanthia s. Oiantheia.
Elias II 116.
Euboia, -iscbes Meer 125 f. 156. 165.
186 ff. 194. 199 f. 203. 214 ff. 336.
343. 348. 371. II 47. 349 ff. 359.
384 f. 386. 391. 395 ff. 469.
Eudeielos 211.
Eudemia II 390.
Euenos 123 f. 129. 132 ff. II 270.
Euhydrion 75.
Eunäa II 71.
Euoras II 105. 131.
Eupagion II 307.
Eupalion 148.
Eupyridä 335.
Euripos 194. 200. 214 ff. 221. II
396. 400. 403 f. 413 f.
Europa (Grämen von) II 347 f.
Europos 42. 48. 56 f. 58. 65. 67.
Eurotas II 71. 107 f. 112 ff. 132-
135. 143. 187.
Eurykydeion II 282.
Eurymenä 57. 98 f.
Eurysakeion 287.
Eurystbeos kepbale 340.
Eurytanes 141.
Euryteiä II 322.
Eutäa II 229.
Eutresis, -sioi 240. II 225. 230 f.
Evroslina II 338.
Evthini II 520.
Exoburgo II 447.
Exomyli II 527.
Falconera II 350. 502.
Fano II 355. 363.
Fermentae II 473.
Finnen II 180.
Fontana 186.
Franken II 112. 155. 194. 232. 329.
347. 406.
Frankovrysis II 187. 226 f.
G.
Gäos, Gäon II 338.
Gaidaronisi 191. 355. II 466. 579.
Gaidaropnikles II 313.
Gaiduropolis II 646.
Gaion II 364.
Galuta 129.
Galatas II 232.
Galatc 186.
Galaxidi 149. 182.
592
Verzeichniss der geographischen Namen.
Gallo II 158.
Galzades II 401. 407 f.
Garates II 187. 216. 222.
Gardiki 19. 22. 82.
Gardinitza 191.
Garditza 213.
Gareatä II 216 f.
Gargaphia 247.
Gargettos 345 f.
Garito 345.
Gariiza II 360.
Gasirilzi II 237.
Gastuni II 270. 274.
Gathea, Gatheatas II 242.
Galza 214
Gaudos II 580 f.
Gaurelon II 444.
Gaurion II 444.
Gavalu 136.
Gavdo II 580.
Gavdopulo II 581.
Gavrias II 32.
Gavrion II 441. 444.
Gavrionisia II 444.
Gelada 112.
Geleontes 262. II 315.
Gelini II 314.
Gelooi II 297.
Genesion II 67.
Genethlion II 90.
Genoäoi 24.
Georgitzi II 114.
Gephyräoi 203.
Gephyreis 326.
Gerästos II 399. 432. 434 f. 440. 577.
Geraki II 136.
Gerakovuni II 400.
Geraneia 367 fF. 373. 380. 382. 384.
II 9. 18.
Geranios II 306.
Gerenia, -na II 112. 154 f.
Gerenios II 306.
Gerias II 440.
Geron II 306.
Geronteion II 194. 198. 201.
Geronthrä II 109 f. 112. 135 f.
Geröntia II 390.
Ghidek 80.
Gialulra II 409.
Gibitroli II 519.
Gionas 143.
Giorgitza 49.
Gioza II 203.
Gitanä Stadt in Epeiros Liv. XLII, 38.
Giura II 384. 390. 467.
Glanitza II 232.
(rlaphyrä 103.
(Jlaronisi II 467.
Glaukia 223.
Glaukonuesüs II 429.
Glaukos II 312. 324.
Gligovo 58.
Glisas 216. 236.
Gtossa 14. II 387 f.
Glunista 162.
Glykeiä II 312.
Glykys limen 28.
Glympeis, Glyppia II 135.
Golgoi II 255.
Gomovuno II 170.
Gomphoi 49. 53 ff.
Gonia II 528.
Gonnos 48. 60 f.
Gonoessa, -nussa II 32. 343.
Gorgopis 383.
Gorgylos II 116.
Gorilza 102.
Gortyn, -tyna, -tys, -tynios II 232 ff.
241. 534 f. 553. 557 ff. 563 ff.
Gothen 46. U 14. 112. 194.- 353. 363.
Gotzo II 580.
Grabusa II 538. 552 f.
Gräa, Graes, Graike 219 f.
GrUkoi VIF. 2. 9.
Gvammatiko 342,
Granimion II 577.
Grandes II 576 f.
Granilza 207. 235 f.
*Granos II 577.
Gravia 152. 155.
Griechische Halbinsel 4 ft\
Grizani 53.
Grynchä II 426. 466.
Guardiana II 378.
Gulas II 573.
Gurgopotaiiios 91.
Gurzuli II 209. 214.
Gutheru II 577.
Guzumisira II 330.
Gyaros II 348 f. 467.
Gymnesioi, -netes II 42 f.
Gijnäkükastro 76. ^
GypJdokaslro 68. 130. 249.
Gyrä, -ras, -raeis II 445. 448.
*Gyron 133.
Gyrton 56. 61. 65.
Gytheiou II 112. 132 f. 144 ff.
Hadrianis 263. 346.
Hadrian's Gymnasion 291 f.
Hadriaiiupolis 19. 301 f.
Hadschilar 67.
Hadschohaschi 75.
Hadylion (Hed.) 157. 164. 167.
Verzeichniss der geographischen Namen.
593
Häraon 205.
Hämonia, -nes fAemoniH) 24. 44 f.
Ilämoniä II 227.
Hagia Anna II 412.
naqia Dynati II 372.
Hagia Helena II '235.
Hagia Irene II 474. 476.
Hagia Kyriaki II 130. 158.
Hagia Marina II 78. 84. 473.
Hagia Mavra 115. II 347.
Hagia Photia II 567.
Hagia Thekla II 425.
Hagia Theodote II 509.
Haqia Thgmia 149.
Hagia Triada 129. 273. 290. II 70 f.
Hagia Varvara 364. II 158.
Hagii Deka II 356 f. 565.
Hngii Saranta 16. 180.
Hagii Theodori 230.
Hagios Andreas II 68. 70 f. 136. 503.
Hagion Alhanasios II 134.
Hagios Dimitrins II 158. 488.
Hagios Elias (Hins) 207. II 72. 104 f.
155 f. 163. 207. 235 f. 398. 412.
448. 468. 471. 484. 496. 500. 508.
521. 526. 528.
Hagios Georgios 31. 255. 366. II 32.
389. 476. 501. 503.
/Ia(]ios Hias s. //. Elias.
Ilaqios loannis II 71. 131. 257. 289.
370.
Hagios loannis Theoloqos 192.
Hagios Isidoros II 279. 281.
Hagios Konstantinos II 164.
Hagios Kyriakos II 549.
Hagios Lukas IT 424.
Hagios Mamas II 543.
Hagios Minas II 484.
Hagios Myron II 561.
Haqios Nikolaos 82. 357. 367. 383.
II 141. 1.57 f. 175. 447. 508. 526.
573 f.
Hagios Nikolaos Galalas II 412.
Haqios Paschalis 149.
Hagios Pateras U 261.
/fagios Petras II 7t. 259 f. 444.
ffaaios Sostis 129. II 184. 218. 220 f.
479.
//agios Stalins II :<n\ . .^O.H.
Hagios Sfavrtis II "'T'.t
//agios Step/ianns II ,;:,7. .■;«'.7. 526 f.
//agios Siratis 11 .J'Ji».
Hagios T/ieodorns II 91 f. 5U.
!/ agios Tliowns II 562.
Ifngios VasHios 112. II 38. 135. 156.
',46.
Hagios yiasin (Hlasis) 168. 11 324.
Hagiio II 236.
Hagniis II 387.
Halä 192. 267. 349. II 567.
Halä Aexonides 359 ff.
Halä Araphenides 348 f. II 432.
Haliakmon 12.
Haliartis 195. 197.
Haliartos," -tia 232 ff.
Halieis II 58. 61. 98. 101.
Halikarna II 413.
Halikarnassos II 90.
Halike (vgl. Halieis) II 87. 142.
Halikyrna 133.
Halimus 361.
Halipodon 264. 267.
Haliussa II 86. 101.
Ilalkyonis 194. 366. 371. 383.
Halmon, -nia 51.
llalonesos IT 388. 390.
Halos 72. 78.
Hains II 263.
Hamavion s. Homarion.
Harma 200. 217. 252. 333.
Harmata II 361.
Harpagion II 417.
Harpina, -nates II 287 f.
Harplcia II 132.
Hedylion s. Hadylion.
Heilütes II HO. 161. 172.
TIekale 342.
Hekates nesos II 452.
Hekatorabäon II 322.
Hekatompedon 19.
Hekatompedos 310 f.
Heleia II 578.
Heleiulion, -uleis II 448.
Helene 356. II 348. 469.
Helenes lutron II 20.
Helike II 315 f. .331. 333 f.
Helikon 157 f. 167. 183. 194 ff. 204.
207. 225. 232 ff. 236 ff. 242 f. 321.
Helikranon 17.
Heliotropion 80.
Helisson II 26. .30. 187. 226. 228.
230 f. 240. 24 1. 246 ff.
Hellada 87.
Hellanodikpon II :?<>t.
Hellas, Hellenes 2 1'. S. 7<; f. II 353.
385. 393.
Hollenion II 125.
Hellenitza II 242.
Hellespontos II 318.
Helliniko II 70 f. 164. 237. 281. 435.
Hellinikn-Sivarli II ..Tl.
Hellinikuli 38.
Heilinon Lil/iari II 39.
Helloi 23.
Hellopia, Hollopes 21. 23.
llclloti» II 565.
504
Verzeichniss der ^geographischen Namen.
Helos, Helia II 108. 110. 133. 143.
Hephiisteion 287.
Hephästiadä 344,
Heptachalkon 290.
Heptagonias II 128.
Heptanisos (Hephtnnisos) II 347.
Hera Akräa (Vorgebirge der) 367 f.
383.
Heräa, -raitis II 193. 234. 255 ff.
262. 284.
Heraeis 372.
Heräon II 47 f.
Herais II 361.
Herakleia 40. 94 f. 111. 370. II 288.
300. 372. 510.
Herakleidä II 448.
Herakleion 229. 339. 344. II 85. 372.
560.
Herakleios 185.
Herkyna 207 f.
Hermäa II 545. 548.
Hermäon II 113.
Hermenhalle 286 f.
Hermioue 11 7 f. 58. 72. 86 f. 92. 94 ff.
Hermos 326.
Hermupolis II 330. 465 f.
Hessos, -sioi 152. {"lotoi in delphi-
schen Inschriften bei Wescher et
Foucart Inscr. n. 284. 328. 346.)
Hestiäa (Histiäa), -iäeis, -iäotis 14.
44 f. 47 ff. II 402. 404. 407 ff. 418.
426. 535.
*Hetera II 577.
*Hetereia II 503.
Hexamilia II 21,
Hiera II 93. 521.
Hiera hodos 290. 322 f. 329. II 300.
.303.
Hieraka 345. II 137. 379.
Hiera pyle 290. 11 30.
Hierapvtna (-pydna) II 531 f. 563 f.
576. 578 f.
Hiera Syke 326.
Hieres 90. 95.
Hieri II 379.
Hiero II 74.
Hieron oros II 580.
Hieropotamos II 564.
Hippades pylä 278.
Hippia 56. 197 f.
Hippodameion II 294.
Hippodameios agora 269.
Hippokoronion II 543.
Hippola II 152.
Hippotä 236.
Hippothoitis IE 218. 220.
Hippothoontis 250. 263. 332.
Hippukrene 240,
Hippuris, -riskos II 517.
Hire II 170.
Hispanien II 381.
Histiäa, -äeis, -äotis s. Hestiäa.
Homarion (Ham.) II 333.
Homole, -lion 96. 98. 204.
Homoloides pylä 226 f.
Hopletes 262. II 315.
Hoplias 235.
Hoplites 233. II 117.
Hoplodmias II 209.
Horkoraosion 288.
Hormina II 308.
*Horreum 25.
Hunnen 46.
Hyäoi 152.
Hyakinthis II 124. 130. 448.
Hyakinthos 336. II 448.
Hyameia, -meitis II 160.
Hyampeia 172.
Hyampolis, Hya 158 f. 164 f. 186
Hyantes 126. 158. 164. 202.
Hyatä II 25.
Hydramos, -mia II 545.
Hydrea, Hydra II 86 f. 93. 95. 99 ff.
Hydrussa 360. II 445. 468.
Hyettos 212.
Hyläthos 143.
Hyle, -lä 152. 213.
Hyleessa II 484.
Hylike 195. 199 ff. 213 f.
Hyllaikos II 360.
Hylleis 154. II 25. 360.
Hyllikos II 87.
Hymettos 254. 256. 259. 264. 319.
344 ff. 350. 358 ff. 362.
Hypälochioi 24.
Hypana II 277. 285.
Hypata 89.
Hypatos, -ton 199 f. 216 f. 222.
Hyperasia, -resia II 316. 319. 338.
Hypereia 69. II 89.
Hyperteleaton II 142.
Hyphanteion 157 f. 164. 167.
Hyphormos 357.
Hypochalkis 134. II 413.
Hypoknemidische Lokrer 187,
Hypsa, 'Soi II 147.
Hypsili II 61.
Hypsistä pylä 227.
Hypsus II 231.
Hyria 1.35. 215. 218. II 484. ,
Hyrie II 378.
Hyrmine II 308.
Hyrnethia, -ion II 44. 56. 75.
Hyrtakina II 549.
Hysanteion 157.
Hysiä 248. II 66. 222.
Verzeichniss der geographischen Namen.
595
I.
lakcheion 279.
lanitzi II 438.
lannina 20 fF.
lannitzades II 575.
laon II 288.
lapis 252. 369.
lardanos II 272. 281. 301. 534. 542.
Ibrahim E/fendi II 221.
Ichnä 74.
Ichthvs II 159. 271. 274. 301.
Ida, ide II 531 ff. 553 ff. 568.
Idäa II 530.
Idomene 39.
Jdra II 336.
levisckeher 64.
lera petra II 578.
Ikarion 251. 342.
Ikarisches Meer II 351.
Ikaros, -ria I[ 347. 350. 352. 455.
Ikos II 349 f. 384. 387. 389.
llia II 95. 412.
Ilion 187. II 147.
Ilissos 256. 272 f. 299. 319 ff. 325.
Illyrieum II 538.
niyrien, -er 11. 25. II 359. 362.
llhjrische Halbimel 5.
Imbrasos II 423. 425.
Imbros II 351. 390. 393.
*Inachorion II 550.
Inachos 12. 26. 37. 39 f. 90. II 39 f.
49. 63 f.
Ina-Kephali II 563.
Inatos II .564.
Inia 223.
Jnoi 339.
Inopos ir 452.
lolkos 102 f.
Ion 49.
*Ionäon II 282.
lonia, lonier 251. 261. 345. .370 f.
II 8. 33. 72. 89. 108. 314 ff. 333 f.
3.38. 352. 403. 453. 491.
lonides II 348. 352.
Ionische Inseln 116. H 141. 347. 355.
Ionisches Meer 9. II 267. 347.
Ionische Tetrapolis 339 f. 371. II
11. 72.
los II 349 f. 352. 455. 503. 507 ff.
Tphistiadä 344.
Ipneis, -nia, -nos 152.
Ipnoi 100.
Ira, Iriös 96 f. II 162.
/rakli 344.
Ire II 170.
Irosiä 75.
fri II 107.
Irine II 61. 502.
Irrhesia II 390.
Jsari II 323.
Isioi *. Hessos.
Isle brulee (Isola bruciata) II 503.
Ismene 214.
Ismenos, -nios 200. 225. 229 f.
Isomantos 235.
Isos 215.
Issorion II 127.
Istone II 357.
Istron, -ros II 571. 574.
Istronas II 574.
Italien II 150. 403.
*ltalike II 402.
Itanos II 532. 576 ff.
Ithake II 346. 366 ff.
Ithome 49. 52 f. 54 ff. 74. 147. II
156. 161. 165 ff.
Ithoria 120.
nthylis II 528.
Itoniä pylä 300. 325.
Itonos, iton 72. 79.
luden II 499.
lukta II 558.
lulis II 470 ff. 528.
♦lusagura II 553.
lustinianupolis 19.
Kabarnis II 484.
Kachales 166.
Kadiston II 533. 572.
Kadmeia, -meioi, -meiones 51. 202 f.
209. 225 ff.
Kadraos 18 f. 203.
Käkiä II 77.
Känepolis II 112. 151.
Känurio-chorio 80.
Känuriopijrqos II 526.
Käratos II 534. 536. 559.
Käsari II 195.
Käsarinni 256.
Kaiapha II 268. 277. 279 ff.
Kaimeni II 350. 502 f. 521 f.
Kajenilza 153. 155.
Kakale tri II 162.
Kaka Vunia II 105.
Kaki Skala 133 f. 368. II 423.
Kakonoros II 545.
Kakosi 242.
Kakosialesi 336.
KakosuH 11 546.
Kakotari II 307.
Kaknraikn II 258.
Kalama 18.
KaUmii II 171.
59G
Vcrzcichniss der geograpliisclien Namen.
Kalamaki 58. 66. 68. II 19.
Kalarnata II 104 f. 131. 157. 170 f.
Ka/amilza II 391.
Aatamo 118. 221. 251. 337. 342. II
355. 305 f.
Kalamyde II 550.
Kalancra 102.
Kulaskopi II 302. 306.
Kalathana 74.
Kalathion II 155.
Kalaureia II 61. 79. 92 f.
Kalavryla II 183. 266 f. 311. 335.
Kaie akte \l 432.
Kallas II 402. 407.
Kalliä II 232.
Kalliakuda 139.
Kalliaros 190. 192.
Kallichoron 331.
Kallidromon 95. 124. 132. 156 f. 186.
Kallieis 141 f.
Kallion od. Kallipolis 142.
Kalliphoiii II 183. 311.
Kallirrhoe 257. 300. 319.
Kalliste II 520. 524.
Kallithera 74.
Kalogria II 321.
Kaloi limenes II 567.
Kalpaki II 203 f.
Kalydnä II 350.
Kalydon, -donia 32. 125 f. 129. 132 f.
II 327 f.
Kalyvia II 306.
Kamara II 573 f.
Kamarä II 482.
Kamari II 527.
Kamarina 30 f.
Kamatero 334.
Kanibunische Berge 4. 42.47. 52. 57 f.
Kamenitza II 311.
Kamilo II 139.
Kamiros II 578.
Kammania 18.
Kampylos 141.
Kanada 63. 103.
Kanathos II 59.
Kandia II 61. 5,30. 538.540.557. 559 ff.
Kandila 118.
Kandili II 400 f. 412 f. 417.
Kanea II 540 f.
Kanethos 216. II 414 f.
Kaniani 155.
Kantanos, -nia II 549.
Kantharos 266.
Kapandriti 336.
Kapareli II 217.
Kaphereus II 400. 434. 437.
Kaphyä, -aus II 185 f. 191. 206. 230.
232. 262 f.
Kappari II 96. 99.
Kaprena 103.
Kapsa II 214.
Kapsali II 141.
Karahuha 216.
Karabusa II 552.
Karadagh 69 f.
Karadscholi 56.
Kara-tschair 62.
Karavassera 110 f.
Karavi 87. II 357.
Karavostasion II 321.
Karavutas II 551.
Kardakata II 372.
Kardamyle II 154.
Kardioiissa II 505.
Karela 347.
Kares, -ria 24. 203. 261. 370 f. II 8.
23. 41. 72. 94. 138. 352. 392. 441.
453. 491. 498. 534.
Karitza 98 f.
Karkalü II 232.
Karnasion II 164. 242.
Karneates II 32.
Karnion II 242.
Karnos 118. II 346. 365 f.
Karpathisches Meer II 350.
Karpathos II 352.
Karpenisi 141.
Kartero II 559 f.
Karteroli II 228 f. *
Karthi^a II 470. 472 f.
Karthager II 296.
Karvunaria 92.
Karya 189. II 201.
Karyä, -ryatä II 118. 203. 216.
Karyäs 362.
Karydi 381.
Karysto II 432.
Karystos, -stia II 114. 352. 398 f.
402 ff. 418. 421. 432 ff. 455.
Karyläna II 194. 235. 241.
Kasavii II 563.
Kasos II 340. 352.
Kassanaeis 99 f.
Kassiope II 357. 361.
Kassopia, -pe, Kassopäer, Kassopier
10 f. 26 f. 29 ff. 34. II 362.
Kassotis 177.
Kastalia 172. 179.
Kastania II 206.
Kasteli 155.
Kastelia It 173.
Kastelläs II 416 f.
Kästeln, KasteUiana II 563. .
Kasthanäa 99 f.
Kastrades l\ 358. 360.
Kastraki II 151.
Verzeichniss der geographischen Namen.
597
Kastri 29. 57. 67. 99. 104. 170 ff.
193. 217. II 94 ff. 408. 434 f.
Kastritza 21 ff. II 324.
Kastritzi II 561.
Kastro II 481. 483. 500 f.
Kaslro tis Orias II 476.
Kastus n 366.
Kutakolo II 159. 271.
Kalalioni II 578.
Katahjmakia II 519.
Katapfieki (Kataphygi'f) 356.
Kataphygi II 475.
Katapola II 514.
Katarrhaktes II 563 f. 568.
Kalo-Achaia II 323.
Kalo-chorio II 574.
Kato- Klima 148.
Kalomeros 120.
Katonakophoroi II 25.
Katopterios, -teuterios 170.
Katü-Suli 341.
Katramonisia 359.
Katuna 111.
Katzaru II 131. ^
Katzikopniktis . 143.
Kalzinyri II 62.
Kaizomyti 335.
Katzulu 248.
Kaukon II 311.
Kaukones II 272. 315. 319.
Kaus II 260.
Kavaliani II 429.
Kavalos II 148.
Kavurulimni 134.
Kechropula 115.
Kedrios II 532. 545. 547. 568.
Kedrisos II 532.
Kedros II 532."
Keiriadä 325 f.
Kekropis 263.
Kekryphalos, -leia II 77.
Kelados II 235.
KelUthoi 27.
Kelätlira 237.
Keleä II 34.
Kelenderis II 90.
Kdephina II 107. 115.
Kelossa II 32 f. 40.
KenUon 189. II 401. 410.
KenchreU II 15. 19. 06.
Kentauren 45.
Keos II 348 f. 352. 417. 439. 441.
467 ff.
Ki'phnlas II 506.
Kc'phale 351.
Kcpliali II 151. lOO. 357.
KephallenoH, nia II 346. 365. 366.
308 f. 371 ff.
Kephalos II 488.
Kephalus 78.
Kephisia 256. 343 f.
Kephisis 195. 199.
Kephisos 153. 161 ff. 192 f. 195 f.
198. 205. 210. 249. 256 f. 324. 326.
328. 342. 363. 11 391.
Kepoi 259. 321.
Keraines 24.
Keraitä II 552. 580.
Kerameikos 274 f. 278 ff. 289 f.
322 f. 325 f. 335.
Keramidi 99.
Keramoli 358.
Kerasifii 271.
Kerasilza II 223.
Kerata 251. 331. 367. 373.
Keratin 257. 344. 346 f. 351 f. 357.
Keroton II 580.
Keraunia (Akrokeraunia) 4 f. 14 f.
19 f. II 3-46. 356.
Kerausion II 184. 233. 251.
Kerchneia II 66.
Keressos 238.
Kereus, Keron, Kerbes II 402.
Keria II 511.
Kerinthos II 400. 402. 410. 412.
Kerketion 13. 39. 48 f. 53.
Kerkopon hedrä 94.
Kerna 179.
Keros II 511.
Kerpini II 313.
Kerykion 222. 224.
Keryneia, -nites II 45. 313. 315 ff.
334 f. 337.
Kestreon II 448.
Kestrine, Ke8tria"17 f.
♦Ketia 11 575.
Kichyros 29 f.
Kierion 45. 72 f.
Kikynethos 101.
Kikysion II 288 f.
Kiladia II 87. 94. 98.
Kili II 427.
Kimaros II 552.
♦Kimikon II 448.
Kimoli II 502.
Kimolia 369.
Kimolo.^ 6. II 348 ff. 497. 501 ff.
Kimonia mnemata 276.
Kinäthion U 152.
Kindrios II .532.
Kineta 384.
Kioniu II 190. 447.
Kiphisia 343.
Kipuln 11 152.
A'i7'iV/ II 529.
Kirphis 157. 1G9 f. 180. 182 f.
598
Verzeicljtiias der geograpliiselien Nameti.
Kirrha 150. 180 ff.
Kisamo- Kasteli II 551.
Kisamos II 544. 551 f.
Kiseli 149.
Kiserli 61.
Kissa II 215.
Kissavos 43. 99.
Kissier II 419.
Kissussa 233.
Kisternäs II 106. 150.
Kithäron 194. 222. 240 f. 244. 247 ff.
251 f. 257. 228. 332. 366 f. 373. 381.
Kitriäs II 155.
KUriani II 482.
Kladeos, -daosll 287. 290. 294f. 300.
Klarentza 30,
Klareotis, Krariotis II 218. 220.
Klaudos II 538. 580 f.
Klazomenier 173.
Kleinasien II 346. 350 f. 353. 535.
*Kleisas 236.
Kleitor, -ria II 189. 199. 202. 232.
259 f. 2«2 ff.
Klementi II 195.
Kleonä 165. II 7. 9. 23 f. 32. 36 ff
43. 45.
Klephiovuno 200. 216.
Klepsydra 293 f. II 167.
Klidi 335.
Klima II 499 f.
Klimeno 117.
Klinitza II 231.
Kliosi II 399. 430 f.
Klisura II 48. 118. 308.
Klihiras II 263.
Klokova 132.
Klukkinäs II 202.
Klymeneis II 448.
Klymenon 117.
Knakadion II 146.
Knakalos II 206.
Knakion II 115. 120.
*Knauson II 231.
Knemis, -mides 88. 156 f. 163 ff. 186.
188 f.
Knidier 173. 177.
Knopia 200.
Knopos 200.
Knossos, Knosos 11 387. 534. 536.
553. 557. 559 ff. 569 f. 572.
Koila Euboias II 398.
Koile 85. 276, II 55.
Koile Elis II 275. 301 ff.
Koios II 163.
Koite II 541.
Koizlar 79.
Kokla 247. II 163. 165.
Kukkiln II 391.
Kokkini 257.
Kokkinio II 143.
Kokkinopetra 47.
Kokkinopotamos 142.
Kokkygion II 96.
Kokytos 27. 29.
Kolakeia 96.
Kolias 259. 357. 361.
Kolokoto 53.
Kolokyntha II 148.
Kolona II 125 f.
Kolonides II 173.
Kolonis II 101.
Kolonnüs (Cap) 254. 354 f.
Kolonos II 462.
Kolonos Agoräos 275. 287.
Kolonos Hippios 324 f.
Kolumbos II 522. 528.
Kolyergia II 101.
Kolyttos 274 f. 289.
Komaros 32.
Komhoti 111.
Komerkis 52.
Ko7ni II 448.
Komiku II 361.
Kondylea II 206.
Kondylon 61.
Konipodes II 73.
Konomio 99.
Konope 135. 138.
Konoureis II 121.
Kontochori II 528.
Kontoporia II 9.
Kontovunia II 156 ff.
Kopä 195. 212.
Kopais 167. 193. 195 ff. 213. 231 ff.
Kopanu Gephyri II 114.
Kophos limen 270 f.
Kppra-Kephali II 576.
Kopsocheria II 213.
Koragion II 208.
Koraka II 101.
Korakä 102.
Korakas II 545.
Korakia-potami II 142.
Korakon nasos II 256.
Korakopyrgos 101.
Korakos petra II 370.
Korassiä II 350.
Korax 88. 132. 139. 142 f.
*Korene II 289.
Koresia II 470. 472. 545.
Korfu II 330,
Korintlios, -tliia, -tliisclier Meer-
busen, Istlimos 9. 107. 112 ff. 132.
134. 143. 145 f. 156 ff. 173. 181.
185. 194. 232. 240. 367. 371 ff. 384.
Verzeicliniss der geograpliisclien Kamen.
599
II 1.5 ff. 9 ff. 20 ff. 32. 36. 38. 43. 48.
72. 77. 186. 300. 329. 336. 359. 362.
Korion II 545.
Korkyra, -räoi 17. 113. 117. 11 304.
346. 355 ff.
Korkyräa stoa II 304.
Korobili 241 f.
Koron II 156 f. 173 f.
Korone II 109. 172 f.
Koroneia 36. 79. 201. 207. 235 f.
351. II 172.
Korono?i II 489 f.
Koronta 110.
Koropi 328. 344. 346 f.
Korphona 352 f.
Korphoxyiia II 231 f.
Korrenti II 416.
Korseia 192 f. 243.
Korsia 56.
Korsiä 243.
Korthion II 440. 444.
Kortiki 73.
Kortys II 233.
Koruni 351.
Korydallos 253. 271. 366.
Korykion 179.
Korykos, -kia, -koi, -kiä II 552 f.
Korynephoroi II 25.
Koryphäon II 72. 76.
Koryphasion II 172. 176.
Koryphi II 343.
Korytheis II 216. 222.
Kos II 350.
Koskynthos II 402.
Kosmus II 135.
Kosmos II 440.
Kosyllites (Kosyraites?) II 516.
Koliki II 308.
Kotilion II 184. 251. 254 f.
Kotronäs II 148.
Kotroni 336 ff.
Kotyläon II 397. 422. 425.
Krambavo II 238.
Krambussa II 517.
Kranae II 145.
Krane, -nioi II 373 f. 376 f.
Kraneia, -eion 34. 36. II 15.
Kranidi II 95.
Krannon 40. 45. 67 f.
Krariotis «. Klareotis.
Krosi II 466.
Krathis II 183. 198. 201 f. 313. 337 f.
Kraugiä II 77.
Krausindon 97.
Kravüld II 207.
Kreion II 39.
hrekiiki 248.
Kremasli II 135.
Kremastos II 87.
Kremmyon s. Kromrayon.
Kremnia II 565.
Krenä 38.
Krenää pylä 226 f. 231.
Kreopolon II 39.
Kresion II 223. 391. 394.
Kreta, -ter 158 f. 203. 233. 11 80.
103. 150. 277. 348. 351 ff. 381. 387.
391. 396. 485. 491. 505. 513. 518.
523. 529 ff.
Kretea II 236.
Kretisches Meer II 351.
Kreusis 241.
Krio II 550.
Krioi II 49.
Krios II 314. 341. 343.
Krissa, -säischer Meerbusen 143.146
149. 158 f. 180 f.
Kriterien II 52. 54.
Krithina II 103.
Krithote 118 ff.
Kriti II 529.
Kriu metopon II 550.
Krokeä II 106. 132.
Krokion, -koton 72. 74. 78 f.
Krokyleia II 366.
Krokyleion 142.
Krommyon, -onia 371. 384.
Kromoi, -mna, -mnos, -raitis II 242
Kronion II 290 f. 294. 296 ff.
Kropia, -pidä 335.
Krotanoi II 126.
Kroton II 330.
Krunoi II 231. 283 f.
Krya 207.
Kryassos II 498.
Krya vrijsis II 118.
Kryonero 22. 138.
Kryo pigadi 240.
Kryptos limen II 82.
Klenia II 39. 66.
♦Ktesion II 391.
Ktimenc 74. 87.
Klypas 215.
Kuarios 79. 202. 235.
Kulendiani II 139.
Kulogli II 307.
Kulilri 362. 364.
Kiimani II 307.
Kumi II 391. 397. 427 f.
Kumithia II 574.
Kundura 331 f. II 473.
Kiinupcli II 308.
Kunupoc/ioria II 136.
Kunuvinn 128.
Kupfionisi II 578.
Kuphonisia II 5U,
GOO
Verzelclinisa der geogrnphisclien Namen.
Knnilios 52. 72.
Kureion II 250.
Kureten 106 f. 125 f. 131. II 403.
Kuretis II 530.
Kurion 130.
Kurkula II 143.
Klimas II 545.
Kurnos II 149.
Kursala 328. 347.
Kurtesa II 38.
Kurtzolari 127 f.
Knruhlia II 400.
Kurupia II 495.
Kuti II 307.
Kutra II 156.
Kutri II 553.
Kuiupharina II 243.
Kutzi II 35.
Kutzomati II 23.
/i'Müön II 440. 443.
iCuwe/o 138.
Kuverta II 87. 99.
Kyamon II 542 f.
Kyathis II 375.
Kyathos 135.
Kychreia 362.
Kydathenäon 274 f. 302.
Kydones II 534.
Kydonia II 80. 381. 531. 534. 541 f.
551.
Kyklades 6. II 139. 348 ff. 438 ff.
Kykloboros 257. 336.
Kyknias II 445 f.
Kylarabis (Gymnasion des) II 55.
Kyllene II 30. 182 f. 194 f. 197 f.
201. 271. 308. 314. 343.
Kyllenischer Meerbusen II 271. 308.
Kyllu pera 256.
Kyloneion 284.
Kyme II 359. 417. 427.
Kymine 74. 87.
Kynätha, -theis,-thaII192.266f. 311.
Kynia 128 f.
Kynortion II 72. 76.
Kynos 190 f.
Kynosarges 275. 321 f.
Kynoskephalä 71.
Kynoskephale II 357.
Kynos.sema 133.
Kvnosiira, -ureis 337. 364 f. 372.
il 121.
Kynthia II 454.
Kynthos II 378. 452. 458. 462 f. 473.
Kynuräoi II 226. 233. 235. 250.
Kynuria II 6. 42 f. 68. 71. 107. 110 f.
116. 133.
Kynurier II 226.
Kyparisseeis II 159. 178 f.
Kijparissi II 134. 137.
Kyparissia, -sischer Meerbusen II
103. 110. 159. 163. 178 f. 270. 383.
Kyparissia II 240.
Kyparissos,-sus,-sia 159. 170. II 143.
Kijparissos II 151 f.
Kyphära (Kypära) 75, 89.
Kyphanta II 134. 137.
Kyphos 13. 47 f.
Kypros II 255. 474.
Kypsela II 241. 243.
Kyra (Kyräeus) lokrische Stadt nach
einer Inschr. bei Wescher et Fou-
cart Inscriptions recueillies ä Del-
phes n. m.
Kyra II 77.
Kyrades 366. II 242.
Kyrba II 578.
Kyrene, Kyrenäer II 297. 525. 538.
Kyretiä (Chyr.) 42. 46. 56.
Kyriaki 184.
Kyr~Irinis to kastron 130.
Kyrnos II 435.
Kyros II 343.
Kyrtone, -nes 212.
Kytäon II 557 f.
Kythera II 103. 108. 110. 140 f.
347. 352.
Kytherios, -ros II 288.
Kythnos II 348 f. 439. 473 ff.
Ky Union 155.
L.
Lachas II 188.
Ladasgrab II 115.
Ladokeia II 227. 245.
Ladon II 186 f. 199. 202. 206. 256.
258 f. 263 f. 269 f. 273. 286. 300
306 f.
Lagia II 148.
Lagio II 132.
Lagonisi 357.
Lagusa, -gussa II 350. 505.
Lagusä II 77.
Lakedämon, Lakones, -nike 114. 7. 9.
70. 72. 102 ff. 120. 155. 159. 162.
165. 170. 185. 187. 190 f. 222. 225.
243. 351. 498. 505. 518. 524 f. 535 f.
551.
Lakerei a 104.
LakiadU 326,
Lakmon, Lakmos 4. 12 ff. 39. 41 f.
Lala II 425.
Lalichmion II 303.
Lamia 43. 77. 83 f,
Lamon II 547,
*Lamos 233.
Verzeicimiss der geographischen Namen.
001
Lampe II 545 f.
Lampeia II 183. 811. 818.
Lampträ 358.
Langada II 104 f.
Langadia II 230 f.
Langon II 309.
Lankeia II 115.
Lapathus 61.
Lapliystiori 197. 207. 235 f.
Lapithä 45. 50 f. 87.
Lapithäon II 131.
Lapithos II 268. 277. 280.
Lappa II 544 ff. 554. 569.
Lapsista 20 f.
Laris 222.
Larisa, -rissa, -rision pedion 45 f.
58. 64 f. 11 40 f. 49 ff. 321 f. 565.
579.
Ijarisa kremaste 82.
Larisos II 270. 273. 309 f. 319. 321.
Larymna 192 f. 196.
Larysion II 144.
Las II 110. 112. 146 f.
Lasion II 306 f.
Lasithi, Lasilhiotika II 532 f. 570.
Lasos II 567.
Lassäa II 566.
Lato II 571. 573 f.
Laurion, -riotike 254 f. 257. 259.
352 ff.
Lavda II 235.
Lea, Leia II 529.
Lebadeia 197. 206 ff. 235. .
Leben, Lebena, Libena II 534. 566.
Lebinthos II 350.
Lechäon 366. II 15. 18 f.
Lechonia 96, 102.
Ledon 159. 163. 167.
Ledonia II 566.
Leibethrion (Lib.) 236.
Leimone 56.
Leipsydrion 334.
Lelanton II 401. 403. 411. 415. 417 f.
Lelantos II 402.
Leleger 86. 106. 126. 144. 153. 202.
261. 371. II 2. 41. 108. 159. 275.
403.
Lemnos II 350 f. 353. 390. 393. 506.
Lenäon 296 f. 299.
Lenos II 301.
Leokorion 287. 290.
Leon II 429. 471. 566.
Leondari II 104. 242 ff.
Leonidiion II 300.
Leonidi II 134 ff.
Leontarne 237.
Leontion II 316. 330,
Leontis 263. 334.
BUKSIAN, OKOÜU. II,
Lepa7ito 147.
Lepenu 109.
Lepreon, -preos II 273. 277 ff.
Lerna II 16. 40. 65. 67 f.
Leros II 350. •
Lesbos II 347. 350. 353.
Lessa II 62.
Lestadä II 495.
Letbäos 51 f. II 564. 567.
Letoa II 569.
Letoia II 378.
Letrinoi II 289. 300 f.
Leuka ore II 532 f. 540. 545 ff.
Leukas 32. 108. 115 ff. II 346. 356.
362. 365 f. 380.
Leukasia II 163.
Leukasion II 263.
Leukatas 116 f.
Lenke, Leukä II 103. 143. 542 f. 578.
Leuke akte II 399, 432.
Leukimma II 357.
Leukone II 223.
Leukonis 195.
Leukopetra II 21.
Leuktra, -tron 219. 240 f. 243 f II
112. 154. 225. 243.
Leukyanias II 287.
Levanatäs 190.
Levetzova II 106. 132.
Levidi II 205.
Levka II 312.
Levki II 370.
Levkimo (Alevkimo) II 357.
Levsina 328.
Levla 163.
Levtro II 154.
Liaka II 378.
Libeia II 503.
Libethrias 236.
Libochovo 19.
Liburner II 359.
Libyens campns II 57.
Libyen II 140.
Lichades II 401.
Lida II 566.
LiguHo II 62. 75.
Likymna II 57.
Liläa 151. 159. 161.
Limenaria II 103. 137.
Livieni II 152 f.
Limenia II 376.
Limnä 296. 299. II 121. 126 ff. 170.
Limnäa 110 f.
Limnäon 74.
Linmi II 146. 411.
Limodorieis 154.
Limu pedion 295.
Lingou 14'
40
G02
Verzeichniss der o^eographisclien Namen.
Lingueila 14.
Liopesi 344. 347. II 31. 262. ,
Lipara II 361.
JApso II 409.
Lipsokulali 365.
Lisia II 567.
Lisos, Lissos, Lissa II 549.
Lissen, -ses, -sin II 567. 569.
JÄlhada II 400 f. 409 f.
JAlhari lOO.
LUhinos II 567. 569.
Livadia 197. 207.
JAvadostro 241.
Lixuri II 373. 377.
Lognri 36.
Lokrer, -ris 94. 123. 126. 134. 143 ff.
X56. 186 ff. 214. II 469.
Lomharda 359.
Longaki 189.
Longobardo II 178.
Longopoiamoa II 23. 37.
Lophis 233.
Lossonos 55.
Luku II 68. 70 ff.
Luro 31.
Lusa 243.
Lusios II 231 ff.
Lnsoi II 265 f.
Lutraki 111. II 18.
Lidro II 547.
Lyder, Lydien 203. II 2. 13.
Lygovitzi 109.
Ly'kabettos 255. 322. 343.
Lykäa, -kUtha II 229. 235.
Lykaeitä II 248.
Lykäon II 155. 165. 184. 225. 233 ff.
240. 251. 268.
Lykastos, -stion II 561 f.
Lykeion 321 f.
Lykeri 157.
Lykier 261. II 8. 11. 22. 41.
Lykoa II 229. 235.
Lykochorio 142.
Lykodimo II 157 f.
Lykone II 40. 65.
Lykoreia 157. 180.
Lykormas 132.
Lykostomion 41.
Lykosura II 237 f.
Lyktos s. Lyttos.
Lykunta II 263.
Lykuria II 202.
Lymax II 251 f.
Lympiada II 135.
Lynkos 14.
Lyrkeia II 63 f.
Lyrkeion II 39. 63.
Lysimacheia 135.
Lyttos, Lyktos II 532 f. 535. 559.
561 ff. 569 ff. 577.
Lyzeia 118.
M.
Madnra II 229. 231. 532.
Mänalos, -lol, -lion II 190. 207. 215.
218. 225 f. 250.
Mäoner 98.
Mära II 208. 214.
Magnesia, -neten 3. 43 f. 63 f. 77.
79. 86. 96 ff. II 350 f. 384.
Magneten am Mäander II 576.
Magula 65. 328. 332. II 120.
Makar-äft II 495.
Makareä II 240.
Makaria 340. II 157. 171.
Makaronnesos II 530.
Makedonien, -ner 3 f. 25. 32. 44. 48.
56 f. 60. 80. 140. 363. II 45. 354.
385. 393. 405.
Makistos, -tia II 277.282.284.400.
419.
MakrU peträ 294.
Makra kome 89.
Mnkri II 520.
Makriamyü 111.
Makris 356. II 355 f. 396.
Makronisi 356. II 61. 469.
Makronoros 38 f.
Makroticho II 559.
Makry 54.
Makrychorio 61. 65.
Mnkryplagi 367. II 242.
Makry ^ia II 285.
Makryvoroa 139.
Makynia 134. 145.
Maläa, -lia II 243.
Mnhixa II 540.
Malea II 8. 103. 108. 139 f. 535.
Malevesi II 558.
Malevos II 39. 102. 135.
Malia II 571.
Malis, Malis, -Her, -lischerMeerbusen
77. 83. 87 ff. 90 ff. 142. 153. 188.
II 395.
Malloia 56.
Maloitas II 229.
Malta II 507.
Maltho II 303.
Malus II 243.
Malvasia II 138.
Mamusia II 337.
Mana II 270. 309.
Maiidila II 157.
Mandra 331 f.
Manduti II 400^ 402. 412.
"Verzeichnlss der geographischen Namen.
60ä
Man PS 188.
Mani II 105. 145 f. 546.
Maniä II 249 f.
Manolada II 308 f.
Mantelo II 399. 434. 436.
Manthyrea, -reis II 217. 223.
Mantineia, -nike II 63 f. 186. 189.
191. 198. 205. 207 ff. 221 f. 265.
Maritima II 171.
Maratha II 234.
Marathon 257. 336 ff. 350.
Maral hotias 338.
Maraihojiisi II 145. 379.
Margala, -gana II 289.
Mari II 135 f.
Marinari II 149. 151.
Mariolates 155.
Mariorrhevma II 108. 136.
Marios II 108. 112. 135.
Markopulo 344. 347.
Marmaka II 368.
Marmara 11 488.
Marmari II 432.
Marmaria II 187.
Marviariani 62,
Marmarion II 432.
Maroneia 353.
Marpessa II 484.
Martini 212.
Marusi 343.
Mases II 87. 97 f. 101.
Manier a 11 355. 364.
Massalias II 547.
Massalioten 173.
Matalon, -la, -lia II 567.
Matapan II 105. 150.
Malaraiiqa 73.
Mathia 11 157 f. 172.
Mation II 560.
Matzuki 118.
Mausos II 23.
Mavia lilharia II 338 f.
Mavri II 269.
Mnvria II 240.
MavroliT/ini 62.
Mavromati II 167.
Mavroncro 161. II 202.
Mavronoros II 183.
Mavropotanios 27. 91. 196. II 280.
Mavrovuni 43. 99 f. 103. II 397. 400.
425.
Mavroinmenos II 163.
Mazi 233. 332. II 314.
Medeon, -dion, -dionia 111. 159.
182.
Megalcpolis, -litis II 104. 111. 113.
163 f. 187. 103. 198. 204. 215. 222 f.
225 ff. 228 ff. 244 ff. 2GÖ.
Megali-Lniza 236.
Megalochorio II 77. 91. 528.
Megalokastro II 561.
Megalorhevma II 432.
Megalovuno II 32. 386.
Meganisi II 355. 365 f.
Megapotamos 139.
Megara, -ris, -rer 194. 245. 251. 261.
331. 363. 365 ff. 373 ff. II 297. 333.
Megara Hybläa 370.
Megaspihion II 335 ff. 517.
Megdova 12. 87. 140.
Meiganitas II 313. 330 f.
Meilichos II 312. 325.
Mekone II 23.
Melambion 71.
Melampygos lithos 93 f.
Meläna II 371.
MelänU 332. II 527.
Melänüs II 495. *
Meläneä II 258.
Melaneis II 419.
Melangeia II 214.
Melania II 514. 516.
Melanippeion 289.
Melantische Klippen II 450.
Melanydros II 368.
Melas 91. 94 f. 196. 210 f. II 311.
Meles n 508.
Melia 225. 229 f.
Meliboia 57. 99.
Melidochori II 562.
Melidoni 190. 11 556.
Meligala II 162.
Melina II 49.
Melinades II 383.
Melitisa II 545. 569.
Melite 122. 128 f. 274 f. 288 f. 325.
Meliteia, -Üla 79. 85.
Melitefon II 357.
Melitides pylä,276.
Mellenitza 193.
Melos 6. II 348 ff. 353. 477. 496 ff.
520. 525. 535.
* Melotis 25.
Membliaros II 518.
Memblis II 498.
Mendenitza 189.
Menelaion II 129.
Menelais 87. II 206.
Menides II 444.
Menidi 334.
Menios II 302. 305.
Mentcli 345.
Merbnka II 40.
Merenda 347.
Merknrin 350.
Mermingid II 505,
40*
G04
Verzeiclmiss dei" geograpliisehen Namen,
Merope, -pia II 479.
Merovigli II 526.
Mesatis II 325. 329.
Mesavuni 224.
Mese II 553.
Mesoa II 121.
Mesoboa II 263.
Mesogäa, -geioi 263 f.
Mesogia 344. 346. 350 ff. 357.
Mesola II 159. 164.
Messa II 152 f. 159.
Messapeä II 131.
Messapioi 152.
Messapion 215 f.
Messapios 11 545 f.
Messara II 564.
Messaria II 440. 444. 475.
Messavutio II 526 f.
Messene, -nia, -er 7. 147. 372. II 4 f.
60. 94. 102. 104 f. 108 f. 110 f.
153 f. 155 ff. 165 ff". 184 f. 190. 242.
249 f. 270. 272.
Messolongi 129 f.
Metachoion 235.
Metapa 136. 138.
Metapontiner II 297.
Meteora 49.
Methana 6. II 91 f. 350.
Methone 102. II 175. 438 (vgl. Mo-
thone).
Methurides 379.
Methydrion II 204. 214. 229 f. 231.
250.
* Methymna II 552.
Metopa II 196.
Metroon 282 f. 285. II 295 f.
Metropisi 352,
Metropolis 38. 49, 53 f. 67. 109 156.
II 438.
Metzovo 12.
Mezapo II 152.
Michalitzi 33.
Midea II 63.
Mideia 198. 209.
Migonion II 145.
Milatos II 571 f,
Miletos, -lesioi II 13. 485 f. 492.
495. 513.
Milia II 153 f.
Miliäs 102.
Milo II 496. 499.
Mimallis II 498.
Minoia II 361.
Minoa 371. 378 ff. II 138. 482. 484.
513 ff. 535. 544. 574.
Minthe II 184. 268. 278 f. 426.
* Minthos II 426.
Min^a 51.
Mlnyeios TI 280.
Minyer 45. 51. 78. 102. 198. 204.
209 ff. 218. II 8. 10. 108. 145. 154.
159. 272 f. 418. 441. 477. 498. 506.
524 f.
Mirobella II 571. 573 ff.
MirabeUopotamos II 573,
Miraka II 287.
Mistra II 120. I31 f.
Mitropolipotainos II 564.
Mitropolis II 565.
Mitylene II 13.
Mitzikeli 20.
Modi II 533.
Modon II 157. 173. 175.
Molo 188. II 367.
Moloeis 247.
Molokas II 357. 361.
Molos 167 f.
Molottis, Molotter 10 f. 24 f. 27.
II 361.
Molpidos petra II 289.
Molaris 368.
Molykreia 134. 145 ff.
Monemvasia II 138.
Monte nero II 372.
* Mopselum 62.
Mopsion 62.
Mopsopia 251.
Morea II 3.
tu Morea to kastron 146.
Morios 167.
Mornopotamos 139. 142 f. 146. 148.
Mostinitza II 262.
Mothon II 175.
Mothone (Methone) II 59. 109. 175.
Mundritza II 285.
Munichia (Munychia) 265. 267 ff.
Muria II 289.
Murlar 61.
Musagoroi, -ra, »ros II 550. 553.
Mnsaki II 87. 99 f.
Museion 272 f. 276. 325.
Musenhain 239 f.
Mustapha-Bey 94.
Mustos II 68.
Mychos 185.
*Myenon 139.
Mykale II 334.
Mykalessos 200. 217.
Mykenä, näer 210. II 36, 41 ff. 45 ff.
94. 334.
Mykonos II 348 f. 352, 439. 445 f.
448 ff. 455.
Mylä 56.
Mylaon II 229. 235.
Mylaos II 143.
Myle II 553.
Verzeichniss der geographischen Namen.
605
Mylonas II 101.
Mylopotamos II 555 f.
Myon, -onia, Myanes, -oneis 152.
Myonnesos 81.
Myrä 98.
Myrgion II 75.
* Myrina U 568.
Myrmekos atrapos 275.
Myrmex 100.
Myrmidonen 45. 77. II 79.
Myropolis stoa II 247.
Myrrhinus .347 f. 350.
Myrrhinutte 347.
Myrsinos II 309.
Myrtilos II 551.
Myrtoisches Meer II 351.
Myrtuntion 115. II 309.
Mysäon II 313.
Mysia II 49.
Mysien II 456.
Mytikas 32. 118.
N.
Naliphos II 235.
ISamfio II 517.
Naousa II 488.
Naphi II 517.
Narthakion 76. 79. 85.
Naryx, -ryke, -rykion 190.
Nasoi II 206. 203.
Nasos (Nesüö) 122. II 204. 361. 438.
464.
Naupaktos 139. 143. 145 ff. II 165.
469.
Nauplia 172. II 39. 42. 56. 59 flf.
92 flf. 175.
Nuvarino II 157. 175.
Navplion II 59.
^'axia II 489.
Naxos II 318 f. 352. 354. 439. 441 f.
455. 489 ff. 510. 513.
Nea II 390.
NeaEpidavros II 74.
Nebrio II 526.
Neda II 155 f. 162. 179 184 flF. 236.
251 f. 270. 272. 277 282.
Nedon II 157. 169 ff. 438.
yegroponle II 396.
Neiou II .367.
Neistä pylji 227. 231.
Neleia 1Ö2.
NeleuB II 402.
Nellos, -Ion II 379. 381. 383.
Nemea II 7. 9. 23. 30. 32. 35 ff. 45.
Nemeiade.s pylä II 49.
Nemnüza II 230.
Neochori 101. II 243. 426.
Neochorio II 543.
Neokastron II 175.
. Neon 159. 166 f.
Neopatra 89.
Nera 366.
Nerikos, -itos, -iton 117. II 366 f.
371.
ISerovilza II 234.
Nesiotä II 376.
Nesites II 516.
Nesos s. Nasos.
Nesson, -nis 41. 44. 62 f. 73.
Nestane II 208.
Nevropoli 87.
Nezero 60. 85.
Nichisia II 489.
Nida 11^31.
Nikäa 188.
Nikasia II 350. 496.
mkli II 221.
Nikopolis 32 f. 112 flF.
Nikuria II 517.
Nio II 507.
Nisäa 372. 378 flf.
Nisi II 171.
Nisia II 489.
Nisyros II 349.
Nixiu II 489.
Nomia II 162 f. 184. 237. 251.
Nonakris II 192. 202 f. 232. 266.
Normannen II 363.
Nostia II 208.
jSotena II 307.
Notiadä II 448.
Nudion II 277.
Nus II 235.
Nyburgo II 526.
Nymphades pylä 375. 378.
Nymphäon 333. II 139.
Nymphas II 242.
Nymphasia II 230.
Nymphengrotte 358 f. II 370.
Nymphenhügel 278.
Nysa, -säon 158. II 412.
O.
Öaxos II 555 ff.
Oeha II 398 f. 434. 436 f. 438.
Ochthonia II 398. 427 f.
Odeion (in Athen) 298 f. 304.
Oe, Oie 327. II 84.
Oeroe 241. 244. 247.
Ogygiä pylä 227.
Ogylos II 103.
Oia II 527.
Oianthcia (Euanthia) 149 f.
Oichalia 52. 141. II 164. 419. 426.
606
Verzeicliuiss der geographischen Namen.
Oidipodia 230.
Oie s. Oe.
Oine II 64.
Oineis 263. 333.
Oineön 148 (Oinoe m einer dejph.
Inschr. bei W escher et Foucart Inscr.
n. 410).
Oiniadä 89. 108. 120 ff.
Oinoe 250. 257. 332. 339 f. 382. II
64. 201. 307. 506.
Oinone II 79.
Oinophyta 223.
Oinopia II 79.
Oinus II 107. 112. 114 ff.
Oinussä II 158. 346 f. 384.
Oion, Oiatä 191. 327. II 118. 216 f.
Oion Dekeleikon 335 f.
Oion Hyakinthikon II 448.
Oion Kerameikon 335.
Oite, -täa, -täer 8.3. 88 f. 91 ff. 124.
139. 142. 153 ff. 156. 186. II 403.
Oitylos II 109. 112. 153.
Okalea, -leia 234.
Okolon II 426.
Olbios II 198.
Olenos 125. 131. II 316. 322 f.
Oleros II 579.
Oliaros II 348 f. 483.
Oligyrtos II 194.
Olizon 101.
Olmeios 233.
Olmiä 383.
Olmones 211 f.
Olonos II 183. 311.
Oloosson 42. 55.
Olopyxos II 568.
Olpä 35. 38. 108.
Olpäoi 152.
Oluris, -ra II 170.
Oliiros II 342 f.
Olus II 571 ff.
Olympia II 255. 258. 262. 285 f.
288 ff.
Olympias 61. II 240.
Olympieion 300 ff. 374 f.
Olympochoria II 135 f.
Olympos 5. 40 ff. 46 f. 51. 55 ff. 357.
II 116. 135. 184. 235. 273. 287. 397.
401. 417. 420. 422.
Olytzika 25.
Omalo II 548.
Omer-Effendi 148.
Omphalion 19. II 559. 570.
Onchesmos 15 f.
Onehestos 62. 227. 231 f. 382.
Oneatä II 25.
Oueia 367. II 9. 12. 19. 37.
^= Onisia II 578.
Onkä, -keion, -kää pylä 227. II 259.
Onochonos 74.
Onogla II 116.
Onthyrion 54.
Onu gnathos II 103. 139 f. 142.
Opheltas II 438.
Ophieis 141.
Ophioneis 132. 141 f.
Ophis II 210 f.
Ophiteia 162.
Ophiiissa II 445. 473. 581.
Opisthomarathos 185.
Opus, -untier, -untische Berge, -Lo-
krer 156. 165. 187 ff. 212. II 307.
Oräi II 407.
Orchalides 234.
Orchestra 285.
Orchomenos (Erchomenos) 51. 195 f.
198. 204 f. 209 ff. II 92. 185. 189.
193 f. 198. 203 ff. 22D. 262. 264.
438. 490.
Oreia, -atä II 133.
Oreine hodos II 300.
Oreos II 402. 404 f. 407 ff.
Orestä 10. 27.
Oreste II 438.
Oresthasion, Orestheion', Oresteion
II 227. 250.
Orestia II 248.
Orikos, -kon 16. 20.
Orioi II 562.
Ormenion 103.
Ormina II 273.
Orneä, -eatä II 43. 64. 180.
Orneas II 64.
Ornesioi II 448.
Orobiä IL 410 f.
Orope II 411.
Oropos, -pia 31. 34. 36. 219 ff. 242.
249. 335. 342. II 420.
Oros II 84.
Orphana 68.
Orthe 56. II 305.
Orthia II 305.
Orlholithi II 72. 86.
Orthopagos 206.
Ortygia 134. II 451.
Oryx II 263.
Oryxis II 199.
Osman-Aga II 176.
* Osraida II 554.
Ossa VII. 40 f. 43. 51. 58 f. 61. 66.
96. 98 f. II 273. 287.
Ostrakina II 207 f. 214. 228 f.
Othonoi II 363.
Ollionus II 363.
Othronos II 363.
Verzeichniss der geographischen Namen.
607
Othrys 13. 40. 42. 44. 76. 78. 82 ff.
88 f.
Otii campi II 580.
Oxeiä 119. II 346. 366.
Oxeia kampe 197.
Oxids 119.
Oxoi II 367. 370.
Oxylilhoa II 428.
Oxyneia 49.
Ozeros 108,
Ozülische Lokrer 124. 134. 143 ff.
II 326.
P.
Pachia II 520.
Päania 347.
Päanion 120.
Päones 51.
Päonia 334,
Päonidä 334.
Päonion II 440.
Pagä (Pegä) 381 f.
Pagania II 148.
Pagasä, -säischer Meerbusen 43 f.
69 f. 77 f. 96. 101 f. II 390. 402.
Paläa rhora II 423. 501.
Paläakome II 136.
Paläa Phiva 163. 167.
Paläa- Selimna II 229.
Paläo-Avarino II 176.
Paläo-Avli 38
Paläochora 184. II 64. 83. 135. 432 f.
PaläoGardiki 52.
Paläokaslri II 434.
Paläokastro 54. 57. 101. II 169. 176.
184. 223. 339. 543. 551. 576 f.
Pah'iokramhavo II 238.
Puläolarisa 67.
Paläo-Leonti II 64.
Paläomani 120.
Paläo-Mazi 236.
Pahitj-Muchli II 222.
Puläo-Panagia 237. 239.
Paläo-Phanari II 286.
PaJän Phtelio 81.
P(ilä(tplatan(>s 136.
Pnlänpolis II 144. 263. 306. 360. 443 f.
Puläo-Skavo II 526.
PaläolMva 234.
Paläovimi 236. 242 f. 367.
PalilpharHalos 76.
Paläros 115. {Auf Münzen Paleiros:
H. Annali XXXVllI p. 333.)
Paläste 16.
Palamidi II 59 f.
Pale, -leer II 371. 373. 376 f.
Paleia 11 319.
Palerinio 15.
Paliki II 371 ff. 377.
Paliskios II 228 f.
Palladion 296. 302.
Pallantion II 215. 221. 223 f. 250.
Pallene 345 f. II 13.
Palodes *. Pelodes.
Pambotis 21.
Pamisos 7. 52. 55. II 111. 153. 157.
168. 171 f. 279. 282.
Pamphia 136.
Pamphyloi, -liakon 154. II 25. 56.
Panachaikon II 310. 312 f. 315. 324.
330 f.
Panätolion 124. 132. 136. 138.
Panagia 113.
Panagia Chozoviotissa II 511. 517.
Panagia sion Dia II 378.
Panagia Turliani II 449.
Panagiti II 242.
Panakra II 531.
Panakton 250 f. 332.
Panathanaikou Stadion 320,
Pandionis 220. 263. 346,
Pandora 44.
Pandosia 29 ff.
Paneion 357.
Panermos II 387 f.
Panhellenion II 84 f.
Pani 352.
Panionion II 334.
Panitza II 39.
Pankale II 512.
♦Pannona II 562.
Panopeus 158 f. 168. 205.
Panopos krene 300.
Panormos 15. 354. II 312. 376, 388.
447. 450. 495.
Panormos II 556. 558.
Pansgrotte 294.
Pantele'imon 119. II 120.
Pantheion II 294.
Panlokratoras II 356, 358.
Pantomatrion II 555.
Paon, Päou II 263.
Pappadates 135.
Par II 69.
Paracheloitä 84.
Paracheloitis 120. 127 f.
Parilbasion II 241.
Paralia, -Her 90 f. 96. 263 f.
Paralimni 201.
Paramythia 27.
Parauäa 14.
Parauäoi 10. 27.
Paraporti 226 f.
pHrnpotamioi, -mia 159. 164. II 61,
77.
608
Verzeichniss der geographischen Namen.
Parapungia 240.
Parasopia 244. 248 f.
Parasopias 92.
Pardali II 114.
Parikia II 487.
Parion II 485.
Parnasos 13:^. 142 f. 150. 152 f. 157 flf.
166 f. 169 f. 178 ff. II 94. 102. 403.
Parnes 194. 219 f. 250. 252 ff. 256 f.
264. 328. 332 ff. 350. II 102.
Parnon II 7. 68. 72. 102 f. 407 f.
110. 115. 133 f. 139 ff. 185. 352.
Paronaxia 11 484.
Paroräoi 10.
Paroreatä II 272.
Parori 157. II 131 f.
Paroria II 231.
Faros II 348 f. 352. 439. 455. 483 ff.
492. 494. 574. 576.
Parrhasia, -sioi II 210. 225 f. 235 ff.
241. 485.
Parlheni II 425.
Parthenias II 287.
Parthenion 331. II 7. 39 f. 66. 182 f.
187. 217 f. 222. 425.
Parthenios II 425.
Parthenon VIII. 310 ff.
Passaron 24 f.
Passava II 147.
Patage II 512.
Patissia 325. 335.
Patmos II 550.
Paträ 129. 145. II 311 f. 316 f. 321 f.
324 ff.
Patroklu nesos, -charax 356.
Patronis 169.
Pavla 16 ff.
Pavleika II 117.
PavlUza II 253.
Paximadi II 399. 432.
Paximadia II 569.
Paxo II 347.
Paxos, -xoi II 364.
Pedasos II 109. 175.
Pediada II 558. 571.
Pedias, -dieis 163. 263 f.
Pedion 264. II 44. 256.
Pegä II 187.
Peirä II 322.
Peiräeus 265 ff. 365.
Peiraeis, Peiräa, Peräa, Peiräon
372 f. 382 f. II 9. 527.
Peiräos II 23.
Peiraike pyle 278. 281. 290. 325.
Peirene II 16 f.
Peiresia, -siä 74,
Peiros II 311. 319. 322 f.
Peläas alsos 97.
Pelagones 51.
Pelagofiisi II 384. 390.
Pelagos II 215. 222.
Pelasger 4. 9. 11. 45. 50. 203 f.
261. 272. II 8. 41 f. 108. 159. 188.
314. 392. 441. 534 f.
Pelasgia 44. II 454.
Pelasgikon 304 f.
l'elasgikon Argos 82. -pedion 65.
Pelasgiotä II 386. 392.
Pelasgiotis 23. 44 f. 48. 50 f. 58 ff.
87. 96.
Pelekania 197.
Pelekes 335.
Pel^ki II 402. 411.
Pelinna, -näon 52 f.
Pelion 40. 43. 47. 96 f. 99 f. 102 f.
Pellana (Pellene) II .30. 113. 115.
183. 189. 201. 314. 316. 319. 340 ff.
Pellanis II 115.
Pelodes (Pal.) 18.
Peloponnesos 6. 371. 373. II 1 ff.
Peluso II 379.
Peneios 12. 14. 41 f. 48 f. 51 ff. 55 f.
58 ff. 73 f. II 269 f. 273. 300 ff.
Pentedakhjlon II 104.
Pentele, -likon 253. 344 f.
Penteleia, -leion II 199.
Peniemylis 73.
Pentenisia II 77.
Peparethos II 349 f. 353. 384. 387 f.
Pephnos, -non II 153 f.
Perachora 382.
Peräa vql. Peiraeis.
Perätheis II 228.
Perama 365.
Perantia 141.
Peratia 350 f.
Perdikas II 86.
Perdikovrysis 212.
Pereia 85 f.
Pergamon II 542.
Perissa II 527.
Peiisteri II 440.
Permessos 233. 236.
Perranthes 34. 36.
Perrhäboi, -bia 10. 23. 45. 47 f. 50 f.
55 ff. 66. 87.
Perseia II 47.
Petala 128.
Petali II 432.
Petaliä II 432.
Petalidi II 172 f. 517.
Petasi II 99.
Peteön 214.
Petitaros 140.
Petra 57. II 12. 22. 306.
♦Petra 236.
Verzeiohniss der geographischen Kamen.
609
Petra 234. II 575.
Petrachos 205 f.
Petrina II 113.
Pelrino 74.
Petritis 170.
Peirochori 137.
Petrosaka II 215.
Pelrovuni II 146.
Petsa s. Spezzia.
Petzavläs II 466.
Phabra, -ris 860.
Phacussä II 511.
Phäaken II 358.
Phädriades 170 f. 179.
Phädrias II 243.
Phäka 54.
Phäston 149.
Phästos 68. II 286. 567 f.
Phagas 231.
Phakion 53. 68.
Phaläsiä II 243.
Phalakron II 357.
Phalanna, -non, -naa 56, II 553.
I^halanthon II 230.
Phalara 83.
Phalaros 235.
Phalasarna II 553.
Phalasia II 408.
Phaleron 265. 268. 271. 360 f.
Phaloreia 48 f.
l'halykou 369.
Phanari 28 f. 54. II 234. 489.
Phanote 19.
Phanoteus 168.
Phara HS.
IMiarä, Pherä 223. II 105. 112. 1.30.
168. 170 f. 316 f. 322 ff. 331. 426.
•Pharaklo II 139.
Pharbelos II 426.
Pharis II HO. 130 f.
Pharkadon 53.
Pharmakussä 366.
Pharos IT 486.
Pharos II 481 f.
Pharsalos, -lia, -Her 72. 74 ff. 79.
T'harygä 158. 185. 188 ff.
Pharygion 158.
Phegäa, -gus 346.
Pheia, Phea II 274. 284. 301.
Phellias II 130.
Phelloö II 339 f.
l'hellon II 274.
Pheneos, neatis II 185. 189. 194.
198 ff. 262. 310.
IMierii 69. 79. II 426 {vgl. Phara).
Pheräa II 426.
Pherephattion 287.
Phersala 75.
Phersalüikos 76.
Pbialeia s. Phigalia.
Phibalis 369.
Phidaris 132.
Phidukastro 36.
Phigalia(Phialeia),-lei8 II 179.250ff.
Phikas II 487.
I^hikion 231.
Philagra II 437.
Philaidä 348.
Philanorion II 98.
* Philaros 235.
Philia II 164. 263.
Phüiatra II 178.
Philippeion II 208. 295.
Philippeios stoa II 247.
Philippiipolis 80.
IMiiloboiotos 157. 164.
Philoti II 495.
Phira II 526. 528.
Phistyon Stadt in Aetolieu nördlich
von der Trichonis; s. Inschr. bei
Bazin Memoire sur TEtolie ( Ar-
chives des missions scient. II serie,
t. 1) p. 369, n. 11.
Phiva 199. 225.
Phlegyer 45. 50. 52. 65. 158. 163.
168. II 72.
Pldemhukon 172.
Phleväs 359.
Phliu.s, Phliasia II 6 f. 24. 30. 32 ff.
43. 194.
Phlya, Phlyeis 334. .348.
Phlygonion, -nia, -ne {in delphischen
Inschriften Plygonion) 159. 185.
Phodeles II 556.
*Phoibäa II 90.
Phoibäon II 127 f.
Phoibia II 31 f.
Phoinike 17. II 507.
Phoiniker 185. 202 f. II 11. 41. 108.
138. 140. 144 f. 272. 368. 413. 472.
483. 498. 513. 518. 524. 534 f. 576.
Phoinikion 199. 213.
Phoinikus II 141 f. 174. 547.
Phoini.x 92 f. 211. II 313. 545. 547 f.
Phoitiä, -tion, Phytia 111 {vgl. Phy-
täon).
Phoizon II 216.
Phokä 196. 214.
Phokasia 214.
Phoker, -kis 93. 143. 153. 156 ff. 188.
194. 242 f. II 610.
Phokianos II 137.
Pholcgandros 11318. 350. 504 f 525.
Pho'cos II 249.
l'holoe ir 184. 268 f. 286. 301.
Phonia II 199 f.
GIG
Verzeichniss der geographischen Namen.
Phonissa II 314.
Phorbanteion 289.
Phorbia II 449.
Phoriamoi II 287.
Phorkynos bessa II 272.
Phorkynos limen II 370.
Phorkynos oiketerion II 438.
Phoronikon asty II 41.
Phorön limen 271,
Phreattys 270.
Phrikiäs II 368. 370.
Phrikion 186.
Phrixa, -xä II 277. 283. 286 f. 541.
Phrixos II 65.
Phryger, -gien 203. II 2. 534.
Phrygia 88. 334.
Phtelio 81.
Phteri 98.
Phthia, -iotis, -iotä 44 f. 70. 72. 75.
77 flf. 90.
Phuka II 35.
Phurka 84.
Phustiani 136.
Phylakä II 118.
Phylake, -keis 25. 80. II 187. 216.
Phylaktris II 221.
Phyle 249. 252. 333.
Phylincheia II 516.
Phyllos, -leion 74.
Physkos 149.
Phytäon {inschriftlich Phoiteion) 136.
Phytia s. Phoitiä.
Pialeia 13. 48.
Piali II 218. 220 f. 223.
Piana II 228. 230.
Pidima II 168.
Piera II 274.
Pierion 73.
Pierisohe Thraker 238. 261. 264.
Pikermi 345. 349.
Pikerni II 214.
Pieros II 311 f. 323.
Pindos 12 f. 39 f. 42. 46 f. 54 f. 73 f.
86-f. 132. 140. 153. 155 f.
Piperi II 384. 478.
Pirathi II 563.
Pirnalza II 157.
Pisa, säa, -satis, -tä II 273 f. 286 ff.
Piskird II 279.
Pitana II 121. 126 f.
Pithos, Pitthos 345.
Pityonnesos II 77.
Pityussa II 61. 86. 101. 502.
Tlaka II 501. 547 f. 576 f.
Plakutos II 509.
Planiti II 447.
Platää 226. 240. 243 ff. II 31.
Piatage 11 512.
Platamodes II 178.
Pintania 169. 183.
Platanios 192.
Platanistas II 127.
Plataniston II 173. 237.
Platanistos II 435 f.
Platanistüs II 140. 282.
Platanos, -nios II 542.
Platea II 525.
Plateia II 484.
Platin II 61. 392.
Platiana II 284. 312.
Platurada II 20.
Platyperama II 558. 561.
Pleik II 143.
Pleistos 157. 169 ff. 179 ff.
Plessidi 43.
Plethrion II 303.
Pleuron, -onia 125. 129 f.
Plokapari 123. 138.
Plotä II 383.
Plotheia 342.
Pnyx VII. 272 f. 276 ff. 280.
* Poetneura 40.
Pogon II 90.
Poiessa II 470. 473.
Poikilassos, -lasion II 548.
Poikile stoa 286 f. II 26. 297.
Poikilon 253.
Poimandria, -ris 222.
Polcmarcheion II 252.
Poliasion II 117.
Polichna, -ne 372. II 135. 163.
541 f.
Polinos II 501. 503.
Polis 152. II 209. '
Polis II 370. 546.
PoHtika II 417.
Poloni II 478.
Polii pedion II 230.
Polyägos II 348 f. 390. 483. 501.
503 f.
Polybos II 501 f. 503.
Polygnotu pyrgos II 39.
Polykandro II 504.
Polyktorion II 371.
Polyphengo II 32.
Polyrrhenia, -nion II 551 ff.
Pompeion 279.
Pontikokastro II 301.
Pontikonisi II 360 f. 553.
Pontinos II 40. 65 ff.
Pontos 370. II 80.
Pori 99 f.
Porinas II 201.
Porös II 311.
Porös II 92 f. 376.
Porphyrusa II 140.
Verzeiclmiss der geographischen Nameu.
611
Porta 111.
Parias II 63.
Porthmos II 423.
Porto della Grazia II 466.
Porto Draco 265.
Porto Franco II 23. 140.
Porto Germano 381.
Porto Kastri II 435.
Porto Kaiena II 478.
Pqrlo Kuverla s. Kuverta.
Porto Leone 265.
Porto Livadi II 478.
Porto Mandri 353. H 100.
Porto Molo II 100.
Porto PanaQia II 100.
Porto Quaglio II 148 f.
Porto Haphti 257. 350 f.
Porto Thalassa II 496.
Porto Vathy II 514.
Porto Viscardo II 376.
Poseidion 16. 18. 81. II 342. 356.
Poseidonia 251.
Posidaon II 44.
Posideion II 410. 435.
Posoidlias II 209.
Potachidä II 217.
Potamia II 132. 495.
Potamides II 495.
Potamo II 357. 364.
Potamos 352.
Pothereus II 558. 563.
Potidäaten 173.
Potidania 142.
Potniä 230.
Präsos II 533 f. 563. 575 f. 578.
Präs 76.
Prasa II 503.
Prasiä 257. 350 f. II 92 f. 133 f.
Prasonisi 360. II 158.
Prassäboi 27.
Prasura II 20.
Prepesinthos II 348 f. 482.
Prevcli II 547.
Prevetos II 323.
Preveza 32.
Priansos, -ansion II 531. 531. 5G3 f.
571.
Probalinthos 340.
Probasie, -batia 197. 206 f. 209.
Prodromo 110.
I'roerna 76.
Proitidcs pylä 226 ff. 230.
Prokonnesos II 350.
Prokojmnisto 129.
Pron II 52. 5t, 96 f.
Pronastä 202.
Proniu II 60.
Pronnoi , Pronesos II 372 ff. 876 f.
Propaxos II 364.
Propyläen VII. 306 ff. 329.
Proschion 131.
Proselenoi, -näoi II 190.
Proseis II 241.
Prospalta 346 f.
Prosymna II 47. 241.
Protano II 178.
Prote II 178. 346. 384.
Prytaneion 295. II 295.
Psakon II 541.
Psamathus II 149.
Psammetiche II 452.
Psammite II 452.
Psaphis, -phidä 221.
Psara II 466.
Psaromyti 148.
Psaropyrgos II 509.
Psathi li 510.
Psnthnra II 384. 390.
Psilorili II 531.
Psipha, -phäa II 90.
Psophis, -phidia II 189. 258. 260 ff .
381 f.
Psychia II 512.
Psychion, Psychens II 545 f. 569.
Psychro II 158. 178.
Psyra II 574.
Psyttaleia 365.
Ptechä II 422.
Pteleon 81.
*Ptolederma II 231.
Ptolemäos' Gymnasion 290 f.
Ptoleraais 263.
Ptoon 200. 212 ff.
Ptychia II 361. 363.
Pulitra II 137.
Punta 114 f.
Purleska II 274.
Pyknos II 543.
Pylä 93.
Pyläa 179 f.
Pyläs II 472.
Pylene 125. 131.
Pyli II 412.
♦Pyloros II .563.
Pylos II 109. 158 f. 161. 176 ff. 279.
282. 300. 306 ff.
Pyra 88 f. 91.
Pyranthos II 563.
Pyrasos 80.
Pyrgo II 464.
Pyrgos, -goi .305 ff. II 277 f.
Pyrgos II 152. 289. 526. 628.
Pyri 227.
Pyrpolos II 454.
Pyrrha 70. 80. 185. II 438.
PyrrhJla 44.
612
Verzekhuiss der geographischen Namen.
Pyrrhi castra, Pyrrhu charax 25,
II 148.
Pyrrhichos II 112. 148.
* Pyrsophion II 415.
Pythion 51. 57. 302. 326. 339. II
236.
Pytho 170.
Pytna II 578.
Pyxaria II 400. 402.
R.
Rachäs 83. II 260.
liakli II 372. 376.
Raklia II 510 f.
Raphina 349.
Rapsani 61.
Rapsista 54.
Rasina II 132.
Renissa II 231.
Reonta II 135.
Rethimo II 540. 554.
Revühia 221.
Revmatiari 11 452.
Rezeniko II 228.
Rhäteä II 234.
Rhamnus 251. 341 f. II 551. 562.
Rharion 331.
Rhaukos II 557. 561 f.
Rheithron II 367.
Rheitoi 327.
Rheitos II 12.
Rhene, -noia II 348 f. 439. 451 ff.
Rheunos II 206. '
Rhion 146. II 157. 159. 174. 312.
Rhion Achaikon 146.
Rhion Molykrikon 146.
Rhion Oiniäon 382.
Rhithymna, -nia II 552. 554.
Rhizus 98 f.
Rhodon II 155.
Rhodos, -dier II 350. 352 f. 442. 494.
496.
Rhoduntia 95.
* Rhokka II 552.
Rhomboeides 376.
Rhus 376.
Rhynchä II 426.
Rhynchos 109.
Rhypes, -pike II 313. 316. 330 f.
Rhytion II 567 f.
Rigani 120. 139. 146 f.
Rigokastro II 475.
Rilhyrnnos II 554.
Riviolissa II 130.
Riza II 547.
Rizomylo II 335.
Rodini 172.
Rodovani II 548.
Römer II 457.
Rogdia II 558.
Rogus 31.
Roino II 39.
Rokka II 552. 561.
Romäüf Romäi II 3.
Rotas II 568.
Roviäs II 411.
Ruga 112.
Rumeli II 548.
Rumeli kastello II 555 f.
Rumelis to kastron 146.
Ruphia II 186.
S.
Saba (Sapa) II 571.
Saeta II 199. 202 f.
Saguntura II 381.
Salachora 36.
Salamis 271. 362 flf. II 92.
Salamvria 41.
Öalganeus 200. 215.
Salina II 360.
Salmasiraki II 355. 364.
Sabneniko II 313.
Salmon, -mone 51. II 273. 288.
Salmonion, -mone, -monis II 575 flf.
Salona 150. 152. 181.
Samara II 243.
Same, -mos, -mikon II 272. 277. 281 f.
284. 366. 368 f. 371. 373. 375 flf.
Samiuthos II 49.
Saminonion, Samonion II 533. 675.
Samos, -mier II 381. 465. 479. 495.
513. 541.
Samos II 371 flf.
Samothrake II 351. 390.
Sampyrgo II 180.
S. Danista II 378.
Sandava II 154.
Sane II 441.
S. Giorgio d'Arbora II 476.
*S. Giovanni II 274.
S. Salvatore II 356.
S. Stefano II 356.
Santa Maria II 140. 158.
Santameri II 269. 307 f.
Santorini (Santellini) II 520. 526.
Saphlaurus II 137.
Sapienza II 158. 174.
Sarakino II 384. 392.
Sarantaporos 57.
Sarantapotamos 'ibl. II 187 f. 226.
Saranti 243.
Saraischa II 174.
Sarazenen II 353. 363. 538.
Verzeiclmiss der geographischen Nameii.
ßn
Saromata 186.
Saron, -nikos kolpos 366. 117. 86.
90. 263.
Sartena 11 282.
Saruk aga 68.
Sason 14. II 346.
Saunion 185.
Sauros II 286 f. 532.
Savani-Knlyvia 332.
Scali II 385.
Schardagk 6.
Scheria II 358.
Schiati II 385.
Schinari II 378 f.
Schinuris II 361.
Schinussa II 510 f.
Schiste 169. 183.
Schoineus, -nus 200. 214. II 19.
230.
Schoinos 214.
Scodrus s. Skardos.
Scopulus II 387.
JScordus s. Skardos.
Seirä II 262.
Sekyon s. Sikyon.
Seiachusa II 77.
Selas II 159.
Selemnos II 312.
Selinos U 548 ff.
Selinus, -nuntier II 136. 285. 297.
311 ff. 315 324. 330 f. 333. 388. 411.
Sellasia II 116 ff.
Selleeis II 31. 270. 307.
Seiler 10. 23.
Selos 46. 57.
Semachidä 342.
Sepeia II 57.
Sepia II 202.
Sepias 96. 100. II 384.
Sepolia 325.
Serangion 269.
Seriphos II 348 f. 352. 439. 455.
470. 476 ff.
Serphopnla II 478.
Serphüs II 476.
Sibyrtos II 568.
Sidä 249.
8ide II 139.
Sidero II 575 f.
Sidirokavrhio 185.
Sidiropelikos 66.
Sidon II 483.
Bidus 384.
Sifanto II 479.
Sigela mnema 242.
Sikeler 9.
Sikelia 325. 370. II 403.
8ikelia mikra II 490.
SiHeliscbes Meer II 186. 268.
Sikia II 176 f.
Sikinos II 348 ff. 505 ff.
Sikyon (Sek.), -nier 173. II 6 f. 9 f.
14. 16. 23 ff. 191. 194 f. 296. 314.
320. 340. 342.
Silana 57.
Sileniä 364.
Simiades II 214.
Sinanbei II 131.
Sinano II 246. 250.
Siope II 304.
Siphä 241.
.Sipheno II 479.
Siphnos, Siphnier 173. II 348 ff. 352.
439. 455. 477. 479 ff.
Siridos hedra II 438.
SirtscM 216.
Sitia II 532. 575 f.
Siton 79.
Skabala II 426.
Skala II 49. 63. 376. 378.
Skambonidä 275.
Skandeia 11 141 f.
Skandile II 390.
Skanziirn II 384. 390.
Skaramonga 271. 366.
Skardnmula II 154.
Skardamyla II 154.
Skardos (Scordus, Scodrus) 6.
Skaro II 526.
Skarphe, -pheia 189. 249.
Skatovuni II 324.
Skeironides peträ 261. 368. 373.
384.
Skepila II 387.
Skia, Skion II 426.
Skiada II 307.
Skiadis II 250.
Skias II 125. 250.
Skiathis II 199. 385.
Skiathos 100. II 350. 353. 384 ft\
393.
Skiliiis II 285 f.
Skino 382.
Skioessa II 310.
Skipiexa II 199. 203.
Skiradion 365.
Ski ras 362.
Skiritis II 111. 117 f. 190. 216.241.
243.
Skiron 323.
Skiros II 118.
Skirtonion II 243.
Skia 99.
Skoleitas II 247.
Skollis, -lion II 269 f. 301. 807. 310.
G14
Verzeicliniss tler geograplilscheii Namen.
Skolos 248 f.
Skona II 37.
Skopa II 148.
Skope II 215.
Skopelos II 353. 384 f. 38G f. 393.
406.
Skopion 80.
Skopos II 379. 382.
Skortus 109.
Skotane II 263.
Skotitas II 116.
Skotussa, -San 70 f.
Skroponeri 196. 214.
Skumbos 49.
Skupi II 262.
Skiirta 249 f. 332.
Skutari II 148.
Skyli II 86.
Skylläon 366. II 86 f. 94. 101.
Skyras II 148.
Skyropulo II 384. 394.
Skyros 86. II 148. 243. 349 f. 353.
384 f. 390 ff.
Skythis II 454.
Slaven II 14. 112. 194. 221. 329.
Slavochori II 131.
Smarlina II 252.
Smenos II 147.
Smerna II 208. 280. 285.
Sminthos, -the II 426.
8myrna II 508.
8ollion 115.
Sologorgos II 255.
Soloi II 255.
Solygeios, -geia II 8. 12. 23.
Solymnia II 390.
Sophades, -dilikoa 46. 73 f.
Sophiko II 77.
Sopoto II 262.
8oron II 263.
SoroH 222. 224 f.
Spada n 541.
Spaitziko II 62.
Bpalatbra, -lauthra 101.
Spnnopulo II 472,
Sparta, -taner 8. 245 f. II 93. 104 ff.
108. 115 f. 119 ff. 154. 160 f. 168.
243. 277.
8partoi 203.
Sparlovuni 105.
Spasmeno viaio II 78.
Spata 346.
Speiräon II 77.
8percheia, -cheiä 89. 154.
Spercheios 42. 83 f. 87 ff. 188. II 94.
Spezzia [Petsa] II 99 ff.
Spezziapulo (Pelsapula) II 100 f.
SphUria II 93.
Sphaf^ia II 175 f.
Sphakia, -aner II 538. 546. 548.
Spliakteria II 175 ff. 346. 384.
Sphekeia II 438.
Hphendale 336.
Sphettos 346 f. 351. II 389.
Sphinari II 551.
Spina longa II 538. 573.
Spineten VII.
Spiri II 77.
Spiria II 31.
Spledon 211.
Sporaden, nördliche II 351. 406.
Sporades II 348 ff. 496 ff.
Stageiros II 441.
Stagiy -gus 14. 49.
Stala II 238.
Stamata 342.
Slamrthano II 383.
Slapbdia II 450.
Stasimi II 162,
Stathmoi II 116.
Stavri II 146. 148. 260. 482.
Stavro- Koroki 337 ff.
Slavronisi II 102.
Slavros, -ro 81. II 556.
Steiria 350.
Steiris 159. 183 f.
Stelae II 563.
Stemnilza II 230 f.
Steno II 99. 440.
Stenosa II 496.
Stenyklaros II 160. 162. 164.
Stephanepolis 19.
Stephani \l 235. 237.
Sternäs II 544.
Stratos, -tike 108 f. 111. 120 ff. II
260. 319.
Strimessos II 467.
Slrivali 11 383.
Strongyle II 489.
Slrongylo II 482.
Strophades II 383 f.
Strophie 226.
Strovitzi II 278.
Struthüs II '98.
Stura II 398. 430 f. 434.
Stylangion II 277. 285.
Stylida 83.
Stymphalos, -lia II 32. 35. 38.65.
185 f. 189. 194 ff. 343. ^
Stymphelos II 413.
Styra II 399. 403. 418. 426. 430 f.
434. 437.
Styx II 202. 438.
Suda II 538. 542. 544.
Sudena II 263. 265.
Sudsuro II 563.
Verzeiclmlss der geograpliisclien Namen.
615
Suia II 648 f.
Suli 27. II 195.
ISulia, Sulena II 568.
Sulinari II 62.
Sumetia, Suraation II 229.
Sunion 202. 254. 264. 354 flf. 366.
II 348. 395. 476. 488.
Supli 70.
Susa II 419.
Sybaris, -ritä 179. II 90. 297. 337.
Sybota 28. II 346.
Sybrita (Sub.) II 568 f.
Syia II 548.
Sykurion 62.
Syllaka II 475.
Symbola II 187.
Synobolon 289.
Syra II 330. 464 ff.
Syrakus, -sier 173. II 22. 296. 464.
Syrie II 464. 466.
Syrma Antigoncs 231.
Syros II 348 f. 352. 455. 464 ff.
Syr- Papas 52.
Sys, Sythas II 30. 314. 341 f.
T.
Tachy 230.
Tänaron II 104 f. 150 f. 435. 577.
Talanti 192.
Talantia II 407.
Talanlo 366.
Talantonisi 191.
Talare.s 24.
Taleton II 104 f. 131.
TallUa ore II 557.
Tamynä II 424.
Tanagra, -gräer 217 ff. 221 ff.
Tanos II 68. 70 ff. 577.
Taphiassos 132 ff. 145.
Taphos, -pliias, -pliicr 106. 126. 11
365 f 378.
Tarphe 164. 190.
Tarrha II ,545. 548.
Tarlari II 262 f.
Tatalzi 242.
Taloi 335.
Taurios, -ros II 87.
Taygeton II 104 ff. 112 ff. 144 ff.
155 ff. 164. 169 f. 185. 225. 241 f.
Tegea, -geatis II 65, 72. HO f. 116.
118. 186 f. 189 f. 192. 198. 207 f.
J15 ff. 265,
i egoatis pyle II 166. 21.*}.
Tegyra, -rü 211.
Toicliion 142.
I «'.ichos II 321.
Tckeli 68.
Tekmon 25.
Teleboer 106.
Telethrion II 401. 408. 410.
Telos II 349.
Telphusa s. Thelpusa.
Temenia II 549..
Tenienion II 8, 42. 56 f.
2'emenos II 558. 561.
Temmikes 202.
Tempe 41. 56. 58 ff.
Tenea II 22.
Tenedos II 22. 350 f.
Teneiä II 205.
Tenerikon 213 (vgl. 231).
Tengyra 249.
Tenos II 139. 348 ff. ,352. 417. 4.39 f.
441 f. 445 ff. 455 469.
Teos II 555. 561. 563. 574 f. 579.
Tepclen 20.
Termessos 233.
*Tethrin II 559.
Tetragonon II 303.
Telranisia II 363.
Tetrapliylia 40.
Tetrasi II 155. 162 f. 185. 242.
Teumessos 224.
Teuthea, -theas II 311. 322.
Teuthis II 204. 231 f.
Teuthrone II 112. 148 f.
Thalaniä II 112. 153 f. ,307
Thaliadä II 263.
Tharso II 199. 201.
Thasos II 351. 485.
Thaumakoi 85.
Thaumasion II 229. 231,
Theat«r (atlienische.s) 297 ff 303
315.
Thebä, -baner 173. 198. 200. 202. 204.
206. 209. 212 f. 218. 224 ff. 238
243. 245 f. 248. 333.
1'hebä Phthiotides 79 f.
Theganusa II 1.58. ,346. .384.
Theisoa II 204. 231 f. 2,34 ff
Theius II 243.
Thelpusa (Telphusa), -säa II 232 f
256. 259 f. 262.
Thenä II 571.
Theoduriana 40.
Theomelida II 126.
Thera 6. II 348 ff. 450. 517. 520 ff.
Therä II 106. 131.
Therapno, -im II 127 f. 568.
Therasia II 50,3. 521 ff. 528.
Theren II 558.
Thcriko 353.
ThermiliscluT Mc i hiis.ii |I 39(>.
Thrvmia II 17;.
Thcrmisi 1 1 80 1.
OlG
Verzeicliniss der {^eog-r.aplilsclion Namen.
Thormodon 222 f.
Therinon 127. 13G ff.
Therm opylü 91 ff. 15C. 18G. 188.
II 280. 409.
Theseion 288 f.
Thespiä 200. 223. 236 ff.
Thespios, -pieiis 200. 237.
Thesproter, tis 10 f. 18. 24 ff.
'i'hessalia, -1er 2 ff. 24. 32. 40 ff'. 93.
156. 209. 238. II 8. 72. 272 f. 333.
385. 403. 419. 477. 535.
Thessaliotis 44. 72 ff.
Thestiadä II 448.
Thestieis 138.
Thetideion 75.
Theudoria 40.
Theuma 74.
Thiaki II 347. 367. 443.
Thisbe 240. 242 f.
Thoknia II 240.
Tholaria II 516 f.
Tholopotamos II 313. 330.
Tholos 283.
Thorä 357.
Thorikos 352 ff.
Thornax II 96. 117.
Thrästos, Thraustos II 307.
Thrakia, -ker 158 f. 165. 168. 203 f.
238. II 350. 386. 392. 426. 489. 491.
Thrakisches Meer II 351.
Thria, Thriasion 264. 290. 327 f.
335.
Thriasiä pylä 290.
Thronion 188 ff.
Thronos II 568.
Thryon, Thryoessa II 283. •
Thuria II 1^2. 156. 161. 168 f.
Thurion 206.
Thiirm der Winde 293.
Thyamia II 31.
Thyamis 18 f. 21. 26 f.
Thyamos 105. 110. 124. 140.
Thymoitadä 271.
Thyräon II 231.
Thyrea, -reatis II 42. 68 ff. 118. 134.
136. 216.^22.
'Jhyreion, Thyrion, Thurion 32. 108,
112.
Thyrides II 152. 159.
Thystion 138.
Thyteion 179.
Tiasa, Tiassos II 120. 130.
Ticho 380.
Tigani II 152.
Tilphossion, -phossäon, -phusa 234.
236.
Tinos II 445.
Tiparenos II 101.
Tipha 241.
'I iryns II 41 ff. 57 ff. 98.
Tisäon 100 f.
*Tissia II 567.
Titakidä 336.
Titane II 30 f. 195.
Titaresios 23. 42. 50. .58.
Titarion 42. 47. 57.
Tithora, -rea 158. 166 f.
Tithronion 154. 159. 162.
Titthion II 72 f. 75.
Tityros II 541.
Tmaros *. Tomaros.
Tolon II 39. 61 f.
Tolophon (Tolphon, Tolphoüia nach
Inschr. bei Wescher et Foucart
Inscr. n. 80 u. n. 289) 143. 149.
Tomäon, Tomeus II 158,
Tomaros (Tmaros) 20 ff, 26. 39.
"Tophi- Monas tiri II 576.
Topolia 212.
Toryne 28.
Tosken 11.
Trachela II 153.
Trachili II 77, 141. 550.
Trachin, -chis, -chinier 90. 94 f. 159.
183.
Trachones 361.
Trachy II 203. 205.
Tragia, -geä II 495.
Tragos II 186. 206. 263.
Trogovuni 81.
Tragulas II 488.
Trapezona II 72.
Trapezus, -zuntia II 240 f.
Traphos II 567.
Treis kephalä 249.
Trephia 201,
Treton, -tos II 9. 23. 35. 37 f. 40.
45. 47. 552.
Trihukkäs II 391 f.
Trichonion 136.
Trichonis 135 ff.
Trigardokastro 121.
Trikaranon II 32. 34 f.
Trikeri 100. II 101. 136.
Trikka 47. 49. 51 f. II 343.
Trikkala 46. 51. II 314. 341. 343.
Trikkalinos 51.
Trikolonoi II 230 f.
Trikorpho 148.
Trikorythos 340 f.
Trikrana II 101. -
Trikrena II 201.
Trinasos II 144,
Trineraeia, -meis 342.
Trinisa II 144.
Triodoi II 229.
Verzeichnlss der geographischen Namen.
617
Irion Vasallon II 501
Triphylia 25. II 4. 6. 155. 159. 179.
182. 184. 233. 250. 272 f. 277 ff.
419.
Tripodes 295 f. 372.
Tripodes II 495.
Tripodiskos, -käoi 372. 380 f.
Tripolis 51. 57. II 113 flf.
Tripolis s. Tripolilza.
Tripolissioi 27.
Tripolitza II 66. 207. 216. 221. 229.
Tripotamo II 262.
Tripyrgia II 85.
Trisonia 148.
Tris pyrgi 265.
Trita II 559.
Tritäa, -teia 152. 163. II 316 f.
324. 330 f.
Triteeis 163.
Triton 198. II 559. 571.
Tritonis II 234.
Trochos II 66.
Troia, Troianer 18. 271. II 22. 206.
Troizen II 7. 72. 76. 86 flf. 95.
Troraileia II 343.
Tronis 169.
Tropäa II 260.
Tropäon 364.
Tropheia, Trapheia 201. 214.
Trychä II 426.
Trypäs, Trupäs II 258. 279. 337.
Trypha II 164.
Trijpi II 104.
Trypiti II 499. 501. 548.
Tschapka 42.
Tsc flaust II 130.
Tschernidolo II 72.
Tschia, Tzia II 467. 471.
'fschiknia s. Kyknias.
Tschipidi (Krjnidi) II 488.
Türken 46. II 112. 173. 329. 394.
406. 443. 471. 539.
Turkovilia 118. II 137.
Turkovrysis II 147.
Turkovüni 255. 343.
Tnrla II 410.
Turlo II 449.
Tnrnnvo 65.
Turlovana II 199. 202.
Tuthoa II 256.
TycliHon II 426.
Tylisso {Apano-T. und Kalo-T.) II
667.
Tylissos II 657 f. 561 f.
Tymphe, -phUa, -phüer 10. 13 f 21 f.
48 f. II 196.
Typüon II 286.
BUBSIAN. OEOOR. U.
Typaneä, Tympaneä II 277. 285.
Typhrestos 87 f. 139. 141. II 196.
Tyrier II 457.
Tyros II 137.
Tyrrhenische Pelasger 203. II 392.
Tyru II 42. 134. 136.
Tzakones, -nia II 133. .
Tzalitza 185.
Tzangli 80.
Tzarukonisi II 510.
Tzemherida II 233.
Tzimbaru II 187. 226 f.
Tzimova II 152.
Tzinzina II 135.
Tzumerka 26. 39 f.
Umbrien II
Uria 128 f.
80.
u.
V.
Valana 349.
Valaxa II 394.
Valeri 112.
Vali II 556.
Valis, Valeioi (= Ells) II 257. 268.
Valleseniko II 232.
Vallos 105. 110.
Vamvaku II 135.
Vanüna II 259.
Vanakisias II 209.
Vandalen II 363. 382.
Faphio II 131.
Varassova 132.
Vardusi 139.
Vari 358 f.
Varipompi 334.
Varnakova 142.
Varnava 332. 337. 342.
Vasiiadi 128.
Fasilika II 27.
Vasiliki 118.
Vasiliko II 401. 412. 418.
Vasilopotamns II 108.
Vasilospito 30.
Vathia II 151. 397. 421. 423.
(^athy 218. II 147. 367. 370.
Vathy AvUiki II 150.
Vatika II 103. 139.
Vauxos, Vaxos II 555.
Velestino 69.
Velin II 183. 265 f.
Felitza 166.
Velnchi 87.
41
G18
Verzeichniss der geograpliisclien Namen.
Venedig, Venezianerll 112. 141. 173.
200. ,329. 347. 354. 363. 394. 406.
414 f. 443. 446 f. 470. 538 f.
Veneliko II 158.
Veni II 568.
Vergutiani 247.
Verseniko 185.
Verveni II 269.
Ververonda II 98. 101.
Vesina II 195.
Vetolista 142.
Viano II 579.
Vido II 361. 363.
Vigla II 132. 517.
Vilostasi II 466.
Vislritza 16. 18. 90.
Vitrinitza 149.
Vitylo II 152 f.
Vlachi II 256.
Vlachia, Walachen 46.
Vlachojannis 56.
F/icÄa 38.
F/zcÄo« 117.
F/i7Äiß.9 II 549 f.
Vlochos 74. 136. 138.
Vlogoka, -kitikos II 313. 338 f.
Voidia II 310.
VoidokiUa II 176 f.
Voiiioa II 307.
Volimnos II 170.
Fo/o 69.
Volustana ( d. i. Balov ctevcc) 57
{vgl. Liv. XL IV, 2).
Vonilza 113.
Vorlovo 165.
Vostitza II 311. 331.
ro^r^/ II 490. 495.
Foüosr 27.
Vrachiona II 379.
Tröna 339.
Vraona 350.
Vresthena II 117.
Vromolimni II 91 f.
VromoseUa II 240.
Vrysaki 353.
Vryses II 542.
Vulgari 115.
Fuliasmeni 383.
F^^no II 223.
Vurgaris 42. 57.
Vurkano II 156.
Fi^Wj« II 61. 114 f. 117.
Vuvala 57.
F?/aVj« II 230.
Xenis II 215.
Xerakia II 372.
Xerias, Xeraki 42. II 402. 407.
Xerilopotumos II 242.
Xerochori II 402. 406 f.
Xerokampi II 104 f. 129. 132.
Xeromeros 105.
Xeronisi II 384.
Xeron-Oros II 400. 402. 407. 412.
Xeropotamos 157.
Xerovuni II 397.
Xtrfta II 569.
.Yv/t II 103. 137. 140. 142 f.
Xylokastro II 314. 342. 366.
Xylophagos II 400.
Xynias , Xynia 85 ff.
Xypete 271.
Xystos II 303.
Z.
Zo(7ora 195. 236.
Zagori 14.
Z«Ä:o/i II 314. 340. •
Ztf/cro II 577 f.
ZakynthosII 346. .355. 366. 378 ff. 484.
Zalongo 30.
Zante II 347. 378. 380.
Zaraka II 195.
Znrakova II 228 f.
Zarax II 44. 112. 135. 137 f. 429.
Zaretra II 426. 429.
7.arka II 429.
Zarko 58.
Zarnata II 155.
Zari'kla II 183.
Zastani 251. 337. 342.
Zaverda 112. 115. 118.
Zavitza II 40. 43. 67 f. 70.
Zea 267. 269 f.
Zephyria. II 498.
Zephyrion 145. II .533. 573.
Zeryiaura II 157.
Ma II 489.
Zinka II 134.
Ziorti 350.
Ziria II 182.
Zilunion 84.
Zoitia, -teion II 231.
Zoster 359 f.
Zugra II 341.
Zygos 12. 124. 135 f.
0
DF Bursian, Konrad
29 Geographie von Griechenland
B87
Bd. 2
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