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Full text of "Geographie von Griechenland"

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GEOGRAPHIE 


VON 


GRIECHENLAND. 


ZWEITER  BAND. 


GEOGRAPHIE 


VON 


GRIECHENLAND 


VON 


CONRAD  BURSIAN. 


ZWEITER  BAND 
PELOPONNESOS    UND    INSELN, 


MIT    8    LlTHOGRArHIRTEN    TAFELN 
UND    EINER   VON    H.    LANGE    GEZEICHNETEN    KARTE. 


LEIPZIG, 

DRUCK  UND  VERLAG  VON  B.  G.  TEUBNER. 

1872. 


GEOGRAPHIE 


VON 


GRIECHENLAND 


VON 


CONRAD  BURSIAN. 


ZWEITER  BAND 
PELOPONNESOS    UND    INSELN. 

ERSTE   ABTHEILUNG 

DIE   LANDSCHAHflVjIiARGOLIS   LAKONIEN  MESSENIEN. 
MIT    5    I.ITHOORAPHIKRTKN    TAFKLN. 


lir 


LKIPZKi, 

DRUCK  UNI)  VERLA(i  VON  |{.  (i.  TKUHNEH. 
1868. 


Die  Uebersetzung  in  fremde  Sprachen  wird  vorbehalten. 


IL    Peloponnesos. ') 


Die  südlichere  Hälfte  des  griechischen  Festlandes  ist  eine 
Halbinsel  von  392  Quadratmeilen  Umfang,  die  von  allen  Seiten 
vom  Meere  bespült,  nur  im  Nordosten  durch  ein  im  Verhältniss 
zur  Breite  der  Halbinsel  sehr  schmales  Band,  die  Landenge  von 
Korinth,  gewöhnlich  schlechthin  ''die  Landenge'  (6  'löd^^og)  ge- 
nannt,   mit  dem   übrigen  griechischen  Festlande  zusammenhängt 


*)  Von  der  zahlreichen  Litteratur  ist  vor  allem  das  eine  Hauptwerk 
zu  nennen:  ^Peloponnesos.  Eine  historisch-geographische  Beschreibung 
der  Halbinsel  von  E.  Curtius'.  H  Bände,  Gotha  1851  u.  52.  Das  Ma- 
terial zu  diesem  trefflichen  Werke  lieferten,  ausser  den  wissenschaft- 
lichen Reisebeschreibungen,  unter  denen  namentlich  die  von  W.  Gell 
( Itinerary  of  the  Morea,  1827),  von  W.  M.  Leake  (Travels  in  the  Morea, 
HI  Vols.  1830,  und  Peloponnesiaca,  1846)  und  von  Ross  (Reisen  im  Pe- 
loponnes,  L  1841)  hervorzuheben  sind,  besonders  die  Untersuchungen 
der  französischen  Expedition  scientifique  de  Mor^e  (1829 — 31),  deren 
geographische  Resultate  auf  den  betreffenden  Blättern  der 'Carte  de  la 
Grece  redigde  et  gravde  au  de'pöt  de  la  guerre  d'apres  la  triangulation 
et  les  lev^s  exe'cut^s  par  les  officiers  du  corps  d'dtat-major  ä  l'dchelle 
de  iTniVuir'  (B^-  7,  8,  12,  13,  17  und  18)  und  in  Pouillon-Boblaye's  'Re- 
clierches  gt^ographiques  sur  les  ruines  de  la  Mor^e',  1836,  niedergelegt 
sind;  ausser  diesen  hat  Curtius  (s.  Pel.  I,  S.  145  f.)  auch  eine  Anzahl 
der  die  Küsten  des  Peloponnes  darstellenden  englischen  Admiralitäts- 
karten, die  mir  leider  nicht  zu  Gebote  stehn,  benutzen  können.  Von 
den  nach  dem  Werke  von  Curtius  veröffentlichten  Arbeiten  sind  E. 
IUmiI^'s  'i^^tudes  sur  le  Peloponn^so*  (Paris  1855)  für  die  Geographie 
l^'anz  unerheblich;  wichtiger  W.  O.  Clark's  'Peloponnesus,  Notes  of 
Htudy  and  traveP  (London  1858)  und  der  betreffende  Abschnitt  in  W. 
Vischers  'Erinnerungen  und  ?^.indrücke  aus  Griechenland*  (8.  217 — 514). 

BURSlAlf,    OKOOR.    II.  1 


2  H.  Peloponnesos. 

und  daher  auch  von  den  Alten  selbst  als  Insel  und  zwar  als  die 
Insel  des  Pelops  (ij  Uiloitog  vrjaog,  rj  nsXoTtovvrjöog)  be- 
zeichnet wird.  Dieser  Name,  der  uns  zuerst  um  den  Anfang  des 
7ten  Jahrh.  v.  Chr.  in  der  Litteratur  entgegentritt,^)  wird  von 
der  Tradition  mit  dem  Pelops  und  dem  von  ihm  sich  herleiten- 
den Fürstengeschlechte  der  Atriden,  das  in  der  achäischen  Zeit 
bei  weitem  das  mächtigste  und  angesehenste  auf  der  ganzen  Halb- 
insel war,  in  Verbindung  gebracht,  wobei  es  freilich  auffällig 
bleibt,  dass  die  Homerischen  Gedichte,  die  uns  ja  eben  jene 
achäische  Zeit  schildern,  ihn  nicht  kennen,  sondern  dass  er  erst 
nach  der  Einwanderung  der  Dorier,  die  zwar  überall  an  die  alt- 
achäische  Tradition  anknöpften,  aber  doch  gerade  die  Pelopiden 
als  ein  aus  der  Fremde,  aus  Phrygien  oder  Lydien,  eingewan- 
dertes Geschlecht,  das  die  den  Herakliden  oder  Perseiden  gebüh- 
rende Herrschaft  nur  usurpirt  habe,  darstellten,  zur  allgemeinen 
Geltung  kam.  Wahrscheinlich  ist  er  zuerst  im  Westen  der  Halb- 
insel, bei  den  Epeiern,  einem  ursprünglich  wohl  lelegischen 
Stamme,  den  wir  auch  als  den  eigentlichen  Träger  der  Pelopssage 
betrachten  dürfen ,  aufgekommen  und  in  Folge  des  freundlichen 
Verhältnisses,  in  welches  dieser  Stamm  zu  den  dorischen  Erobe- 
rern trat,  sowie  durch  das  steigende  Ansehen  des  Olympischen 
Heihgtums  und  Festes  von  den  Doriern  adoptirt  und  gleichsam 
sanctionirt  worden.  2)  In  der  Zeit  als  der  Achäisc^|e  Bund,  nament- 
lich unter  der  Führung  des  Aratos,  eine  hervorragende  Rolle 
spielte  und  einen  grossen  Theil  der  Halbinsel  umfasste,  bildeJe 
sich  .der  Sprachgebrauch,  den  Namen  der  Achäer   auf  alle  Pe- 


^)  Zuerst  in  den  etwa  um  690  v.  Chr.  gedichteten  KvnQia  87trj:  s. 
schol.  Pind.  Nem.  X,  114;  dann  im  hymn.  in  Apoll.  Pyth.  72  und  bei 
Tyrtaios  fr.  2,  4.  Die  homerischen  Gedichte  kennen  noch  keinen  Ge- 
sammtnamen  der  Halbinsel,  denn  Aristarch's  Behauptung  (schol.  II.  z/, 
171)  "jQyog  oXrjv  tr^v  UsXoTtovvrjGov  XsyBi,  ist  unrichtig.  Die  bei  den 
attischen  Tragikern  und  späteren  Dichtern  vorkommende  Bezeichnung 
'Änta  oder  'Änlg  yfj,  welche  von  einem  alten  König  von  Argos  oder 
Sikyon,  Apis,  hergeleitet  wird  und  mit  dem  homerischen  Ausdrucke- 
ctnLCC  yri  {A,  270;  P,  49;  tc,  18)  durchaus  nichts  zu  thun  hat,  scheint 
wenigstens  nie  volkstümlich  gewesen  zu  sein. 

2)  Vgl.  darüber  auch  A.  Passow  Beiträge  zur  ältesten  Geschichte 
von  Hellas  (aus  dem  Jahrbuche  des  Klosters  U.  L.  Fr.  in  Magdeburg 
1861)  S.  1  ff. 


II.  Peloponnesos.  3 

loponnesier  auszudehnen  J)  was  dann  durch  die  Römer  noch  da- 
liin erweitert  wurde ,  dass  sie  das  ganze  griechische  Festland  vom 
Cap  Taenaron  bis  zu  den  Gränzen  von  Illyrien  und  Makedonien 
als  provincia  Ächaia  bezeichneten.  Seit  den  byzantinischen 
Zeiten,  als  nicht  nur  die  östlicheren  sondern  auch  die  westlicheren 
Hellenen  ihren  alten  Namen,  dessen  sie  nicht  mehr  würdig  waren, 
mit  dem  noch  jetzt  im  Volksmunde  aliein  lebenden  der  Rho- 
mäer,  d.  1.  Römer  (Pco^atoi,  vulgär 'Po/itfot)  vertauschten,  kam 
auch  für  die  Halbinsel  insbesondere,  die  nach  den  verheerenden 
aber  schnell  vorübergehenden  Einfällen  der  Gothen  und  Vandalen 
über  zwei  Jahrhunderte  lang  (vom  Ende  des  6ten  bis  zum  Reginne 
des  9ten  Jahrhunderts)  im  Resitze  südslavischer  Stämme,  der 
Avaren  und  Rulgaren,  blieb  und  erst  von  Ryzanz  aus  wieder  er- 
obert werden  musste,  der  Name  Rhomaea  auf,  der  dann,  viel- 
leicht durch  den  Einfluss  der  fränkischen  Eroberer,  die  seit  dem 
Reginne  des  13ten  Jahrhunderts  einen  Staat  in  den  Formen  des 
abendländischen  Feudalwesens  auf  der  Halbinsel  begründet  hatten, 
durch  eine  Metathesis  in  den  noch  jetzt  beim  Volke  allein  ge- 
bräuchlichen Namen  Morea  (6  McoQsag,  gewöhnlich  6  McoQsäg 
gesprochen),  umgewandelt  wurde. 2) 

Durch  ihr  völlig  selbständiges,  von  dem  des  nördlichen  Grie- 
chenlands unabhängiges  Gebirgssystem  (vgl.  Rand  I,  S.  6)  wird  die 
Halbinsel  naturgemäss  in  6  grössere  Landschaften  geschieden:  in 
der  Mitte  Arkadien,  das  man  mit  Recht  als  das  Alpenland  des 
Peloponnes  und  seinen  naturlichen  Mittelpunkt,  in  demselben  Sinne 
wie  es  die  Schweiz  für  Europa  ist,  bezeichnet  hat;  zwei  Stufen- 
länder, deren  Rergzüge  sich  von  den  arkadischen  Randgebirgen 
terrassenförmig  nach  einem  Ilachen,  durch  Alluvion  gebildeten 
Köstensaume  absenken:  Elis  im  Westen  und  Achaia  im  Norden; 

•)  Polyb.  II,  38  (vgl.  Curtius  Fei.  I,  S.  111);  daher  nennt  Ptolem. 
III,  16,  5  die  alto  Landschaft  Achaia  r^v  ISicag  yiaXovfiivrjv  *A%atav. 

»)  Vgl.  Hopf  in  den  Monatsbcr.  der  Berl.  Akad.  1862,  S.  487,  wo- 
durch die  früheren  Erklärungsversuche,  wie  die  Herleitung  von  fio^^or, 
Maulbeerbaum,  oder  vom  slavischen  more,  Meer,  definitiv  beseitigt 
sind.  Ueber  die  (Jescliichte  der  Halbinsel  seit  den  byzantinischen  Zeiten 
vgl.  Fallmerayer  Geschichte  der  Halliinsel  Morea  während  des  Mittel- 
alters, 2  Bände,  1830  u.  86;  ßuchon  liecherches  historiques  sur  la  Prin- 
cipautd  Fran<;ai8e  de  Mortie  et  ses  hautes  Haronies,  1845;  Leake  Pe- 
loponnesiaca  p.  135  ss.  und  die  Ucbersicht  bei  Curtius  Peloponnesos  I, 
S.  84  fr. 

1* 


4  II.  Peloponnesos. 

endlich  drei  Halbinseliv,  die  von  selbständigen,  in  ihren  Wurzeln 
aber  mit  den  arkadischen  Gebirgen  zusammentreffenden,  an  Mäch- 
tigkeit denselben  theils  ebenbürtigen,  theils  sie  id)erjagenden  Berg- 
zögen, an  die  sich  dann  breite,  offene  Köstebenen  anschliessen, 
durchzogen  werden:  die  Argolische  Halbinsel  im  Osten,  die 
Lakonische  mit  zwei  mächtigen,  ganz  aus  krystallinisch-körnigem 
Kalkgestein  bestehenden,  nur  durch  eine  vom  Eurotas  durchflos- 
sene  Alluvionsebene  getrennten,  in  zwei  lange  Felszungen  auslaufen- 
den Gebirgszügen  im  Süden,  und  die  Messenische  im  Süd- 
westen. So  haben  alle  diese  Landschaften  den  Vorzug,  Küsten- 
länder zu  sein,  das  heisst  an  einer  oder  an  mehreren  Seiten  vom 
Meere  bespült  zu  werden,  mit  Ausnahme  des  einzigen  Arkadiens; 
und  auch  dieses  besass  wenigstens  eine  Zeit  lang  eine  Küsten- 
strecke von  100  Stadien  im  südlichen  Elis  (Triphylien),  so  dass 
Dikaearchos ^)  mit  Recht  sagen  konnte,  alle  Staaten  des  Pelopon- 
nes  seien  am  Meere  gelegen.  Freilich  sind  die  Vorzüge  dieser 
Lage  unter  die  einzelnen  Landschaften  ungleichmässig  vertheilt, 
da  die  schon  im  nördlicheren  Hellas  deutlich  ausgeprägte  Bevor- 
zugung^ der  Ostseite  gegen  die  W^estseite  durch  eine  ungleich 
reichere  Küstenentwickelung  (vgl.  Bd.  I,  S.  5)  sich  auch  im  Pelo- 
ponnes  an  der  Ost-  und  Südseite  gegenüber  der  West-  und  Nord- 
seite wiederholt. 

Die  sechs  oben  aufgezählten,  durch  die  natürliche  Gestaltung 
des  Landes  selbst  abgegränzten  Landschaften  haben  kaum  jemals 
im  Alterthum  sechs  selbständige  Staaten  gebildet,  sondern  in  der 
Regel  hat,  insbesondere  in  Folge  des  Uebergreifens  des  einen 
oder  andern  in  das  Gebiet  eines  schwächeren  Nachbars,  die  poli- 
lische  Eintheilung  nicht  ganz  jener  landschaftlichen  Gliederung 
entsprochen.  2)     In  der  achäischen  Zeit,   der  ersten  Blütezeit  der 


')  Bei  Cic.  ad  Att.  VI,  2;  vgl.  Scyl.  per.  44  mit  C.  Müllers  Note. 
Die  politische  Verbindung  zwischen  Elis  und  Arkadien  ist  auch  der 
Grund,  weshalb  manche  alte  Schriftsteller  nur  5  Landschaften  des  Pe- 
loponnes  anerkannten,  indem  sie  Elis  und  Arkadien  als  eine  rechneten: 
vgl.  Thuk.  I,  10;  Paus.  V,  1,  1. 

*)  Vgl.  Niebuhr  Vorträge  über  alte  Länder-  und  Völkerkunde,  S  31  ff, ; 
Dr.  L.  Schiller,  Stämme  und  Staaten  Griechenlands  nach  ihren  Terri- 
torialverhältnissen bis  auf  Alexander,  3  Programme  der  Studienanstalten 
zu  Erlangen  (1855)  und  Ansbach  (1858  u.  1861),  die  alle  drei  nur  den 
Peloponnes  betreffen. 


II.  Peloponnesos.  5 

Halbinsel,  finden  wir  nach  den  Schilderungen  des  Homerischen 
Schiffscatalogs  zwar  sechs  selbständige  Staaten  auf  derselben,  deren 
Begränzung  aber  in  mehr  als  einer  Hinsicht  von  jener  oben  an- 
gegebenen abweicht:  das  Reich  des  Diomedes,  welches  nur  aus 
der  südlicheren  Hälfte  von  Argolis  besteht;  das  des  Agamemnon, 
welches  das  nördlichere  Argolis,  vom  Nordrande  der  argivischen 
Ebene  an,  und  fast  ganz  Achaia  (oder  wie  es  damals  hiess  Aegia- 
leia)  umfasst;^)  Lakedaemon  und  das  östliche  Messenien  unter 
Menelaos,  eine  Art  Lehnsfürstenlhum  des  Agamemnon;  das  west- 
liche Messenien  und  Triphylien  unter  Nestor;  Arkadien  unter 
Agapenor;  Elis  mit  dem  westlichsten  Theile  Achaia's,  das 
Land  der  Epeier,  die  unter  verschiedenen  Heerfürsten  stehen. 
Gewaltsam  umgestaltet  wurde  dieses  achäische  Staatensystem 
durch  die  Einwanderung  der  Dorier,  die  zwar  nur  drei  Land- 
schaften ganz  in  ihre  Gewalt  brachten,  aber  doch  mittelbar 
durch  Verdrängung  früherer  Einwohner,  wie  der  Achäer,  die 
nun  von  der  alten  Aegialeia  Besitz  nahmen  und  sie  zur  Achaia 
machten,  auch  auf  die  übrigen  Landschaften  einwirkten  und  über- 
haupt der  ganzen  Halbinsel  für  alle  Folgezeit  einen  wesentlich 
dorischen  Charakter  aufprägten.  Die  Ueberlieferung  lässt  aller- 
dings die  drei  von  den  Doriern  in  Besitz  genommenen  Landschaften, 
Argolis,  Lakonien  und  Messenien,  als  drei  selbständige  König- 
reiche durchs  Loos  unter  die  dorischen  Heerfürsten  vertheilt  wer- 
den; allein  deutliche  Spuren  der  Sage  zeigen,  dass  der  Argivische 
Antheil,  der  dem  Temenos  zugefallen  sein  soll,  nicht  die  ganze 
Landschaft  Argolis  umfasste,  sondern  dass  wenigstens  das  Gebiet 
vonKorinlh,  das  nach  der  Tradition  durch  eine  besondere  Schaar 
von  Doriern  unter  Führung  des  Aletes  erobert  wurde,  davon  aus- 
geschlossen war;  ja  es  ist  im  hohen  Grade  wahrscheinlich,  dass 
die  Herrschaft  der  Temeniden  sicU  ursprünglich  nur  über  die 
argivische  Ebene  und  etwa  die  zunächst  westlich  und  nordwest- 
lich davon  gelegenen  engen  Gebirgsthäler  erstreckte  und  erst  all- 
mälig  über  andere  Theile  der  Landschaft  sich  ausbreitete,  bis  es 
dem  Pheidon  gelang,  die  ganze  Landschaft  unter  seinem  Scepter 


*)  Dies  ist  freilich  vielleicht  ebenso  wie  die  Erwähnung  der  Boioter  in 
Boiotien  (vgl.  Bd.  I,  8.201,  Anm.  4)  als  eine  Uebertragung  späterer 
VerliUltnisse  (der  Occupation  der  Aegialeia  durch  die  Achäer  in  Folge 
des  Eindringens  der  Dorier  in  den  Peloponnes)  auf  die  achäische  Zeit 
zu  betrachten. 


6  n.  Peloponnesos. 

zu  einem  politischen  Ganzen  zu  vereinigen  und  derselben  die 
Führerschaft  in  den  gemeinsamen  Angelegenheiten  der  Halbinsel 
zu  erwerbend)  Allein  schon  unter  seinem  Nachfolger  fiel  dieses 
Reich  wieder  auseinander;  nicht  nur  die  grössern  Ortschaften, 
wie  Korinth,  Sikyon  und  Phlius,  gewannen  ihre  Selbständigkeit, 
die  sie  dann  bis  zur  Zeit  der  Römerherrschaft  behauptet  haben, 
wieder,  sondern  auch  kleinere  lösten  sich  von  der  Souveränität 
von  Argos  los  und  wurden  von  diesem  erst  in  verhältnissmässig 
später  Zeit  wieder  unterworfen;  endlich  wurde  ein  nicht  unbe- 
deutender Theil  des  altargivischen  Landes,  die  Kynuria,  nach 
langen  und  harten  Kämpfen  den  Argivern  durch  die  Lakedämo- 
nier  entrissen.  Der  dritte  der  dorischen  Staaten,  Messenien,  hat 
bekanntlich  frühzeitig  seine  selbständige  politische  Existenz  ein- 
gebüsst  und  dieselbe  erst  in  den  späteren  Zeiten  der  griechischen 
Geschichte  wiedererlangt.  Ferner  hat  der  südlichste  Canton  von 
Elis,  die  Landschaft  Triphylien,  sich  immer  und  immer  wieder 
gegen  das  Verhältniss  der  Unterthänigkeit  zu  Elis  gesträubt  und 
wenigstens  zum  Theil,  wie  schon  bemerkt,  eine  Zeit  lang  an 
Arkadien  sich  angeschlossen.  Diese  Landschaft  selbst  endlich  hat 
in  der  historischen  Zeit  niemals  eine  politische  Einheit  gebildet, 
sondern  ist  stets  in  eine  Anzahl  einzelner,  von  politisch  selbstän- 
digen Stämmen  bewohnter  Cantone  zersplittert  gewesen:  auch  die 
durch  Epameinondas  veranlasste,  in  ziemlich  gewaltsamer  Weise 
durchgeführte  Concentration  der  Cantone  Südarkadiens  zu  einem 
Einheitsstaate  war  nur  von  kurzer  Dauer. 

Diese  Schwankungen  der  politischen  Verhältnisse  dürfen  uns 
indess  natürlich  nicht  hindern,  unserer  Schilderung  der  Halbinsel 
die  Eintheilung  in  die  oben  genannten  sechs  Landschaften  zu  Grunde 
zu  legen.  Mit  Rücksicht  auf  die  Chorographie  würde  dabei  am 
naturgemässesten  von  Arkadien  als  von  dem  natürlichen  Mittel- 
puncte  auszugehen  sein ;  allein  sowie  wir  im  ersten  Theile  unseres 
Buches  hauptsächlich  aus  Rücksicht  auf  die  Uebersichtlichkeit  der 


1)  Vgl.  besonders  Weissenborn  Hellen  S.  IfF. ,  dem  in  der  Zeit- 
bestimmung des  Pheidon  (01.28  statt  8)  Curtius  (gr.  Geschichte  I,  S. 207), 
Schiller  (a.  a.  O.  III,  S.  9  f.)  u.  a.  beigetreten  sind,  während  Grote  (Ge- 
schichte Griechenlands  I,  S.  640flf.  d.  d.  Ueb.),  Duncker  (Gesch.  d.  Grie- 
chen I,  S.  389  ff.) ,  Hertzberg  (Allgemeine  Encyclopädie  d.  Wiss.  und 
Künste  I,  Bd.  80,  S.  304)  u.  a.  gegen  ihn  die  überlieferte  Chronologie 
in  Schutz  nehmen. 


1.  Argolis.  7 

Darstellung  die  periegetische  Anordnung  festgehalten  haben,  so 
wollen  wir  dies  auch  hier  wenigstens  für  die  geographisch  selb- 
ständigen Landschaften  thun  und  demnach  mit  Argolis  beginnen, 
was  es  uns  möglich  macht,  den  am  Schlüsse  des  ersten  Bandes 
unterbrochenen  Faden  unmittelbar  wieder  aufzunehmen. 


1.   Argolis. 

Der  Name  Argolis  (rj  'AQyoUg^  nämlich  %(6Qa)  bezeichnet 
eigentlich  ebenso  wie  Argeia  (t]  ^Agyna)  nur  einen  von  den 
drei  Theilen,  in  welche  die  ganze  hier  im  freieren  geographischen 
Sinne  so  benannte  Landschaft  ihrer  natürlichen  Gliederung  nach 
zerfällt:  das  unter  der  unmittelbaren  Herrschaft  der  Stadt  Argos 
stehende  Gebiet,  das  heisst  die  weite,  im  Süden  vom  Argoli- 
schen  Meerbusen  bespülte  Küstenebene  in  der  Mitte  der  Land- 
schaft, in  der  Argos  selbst  liegt,  und  das  dieselbe  zunächst  von 
drei  Seiten  umschliessende  Bergland,  im  Westen  bis  zu  den  die 
Gränze  gegen  Arkadien  und  Lakonien  bildenden  Bergzügen  des 
Artemision,  Parthenion  und  Parnon,  im  Norden  bis  an  die  die 
Parallelthäler  von  Phlius,  Nemea  und  Kleonae  sowie  den  nach 
Korinth  hin  sich  öffnenden  Engpass  im  Süden  abschliessenden 
Berge,  im  Osten  endlich  bis  zu  der  weit  nach  Südosten  sich 
verzweigenden  selbständigen  Gebirgsmasse,  welche  eine  beson- 
dere, den  Städten  Epidauros,  Troizen  und  Hermione  zugehörige 
Halbinsel,  die  gewöhnhch  mit  dem  Namen  des  Gestades  (^ 
'ATixrj)'^)  bezeichnet  wurde,  bildet.  In  Folge  des  bedeutenden 
Uebergewichts  aber  welches  Argos,  das  als  Ausgangspunkt  der 
Dorisirung  der  meisten  übrigen  Städte  der  Landschaft  gewisser- 
massen  als  Mutterstadt  derselben  betrachtet  werden  konnte,  er- 
langte, bildete  sich  allmälig,  freilich  mit  mannigfachen  Schwan- 
kungen, der  Sprachgebrauch  aus,  das  ganze  von  Arkadien,  Lako- 
nien, dem  Argolischen  und  dem  Saronischen  Meerbusen  begränzte 
Land,  entweder  bis  zu  den  die  nördliche  Strandebene,  das  Gebiet 
von  Korinth  und  Sikyon,  im  Süden  abschliessenden  Bergen,^)  oder 


<)  Strab.  Vni,  p.389;  (Scymn.)  orbis  descr.  523;  638;  Diod.  Xn,68; 
Polyb.  V,  91;  Plnt.  Demetr.  26;  Arat.  40;  Paus.  II,  8,  6. 

»)  Strab.  VIII,  p.  336  (vgl.  p.  376);  Ptol.  III,  16,  11  u.  a. 


8  11.  Peloponnesos. 

auch  bis  zum  korinthischen  Meerbusen   und  dem  Isthmos,^)   mit 
dem  Namen  Argolis  oder  Argeia  zu  bezeichnen. 

Die  älteste  Bevölkerung  wenigstens  eines  grossen  Theiles  der 
Landschaft,  namentlich  der  Ebene  von  Argos  und  der  nördlichen 
Strandebene,  war  eine  pelasgisch-ionische;^}  neben  derselben  hat- 
ten sich  aber  frühzeitig,  besonders  im  östlichen  Theile  der  Land- 
schaft (Epidauros,  Hermione)  karische  und  wohl  auch  lykische^) 
Einwanderer  festgesetzt,  die  zum  grösseren  Theile  wieder  durch 
die  Dryoper,  welche  den  südöstlicheren  Theil  der  Landschaft  in 
Besitz  nahmen,  vertrieben  wurden.  Eine  feste  staatliche  Ord- 
nung gewann  die  Landschaft  durch  die  offenbar  von  Thessalien 
her  eingewanderten  Achäer,  denen  sich  Angehörige  anderer  Thes- 
salischer  Stämme,  namentlich  der  Minyer  (als  deren  Hauptsitze 
Korinth  uiid  Epidauros  zu  betrachten  sind),  angeschlossen  hatten: 
zwei  mächtige  achäische  Königreiche,  von  denen  das  nördlichere 
unter  dem  Fürstenhause  der  Atriden  seine  Gränzen  weit  über  die 
Naturgränzen  der  Landschaft  hinaus  erweitert  hatte  (s.  oben  S.  5) 
bestanden  neben  einander  und  machten  sie  zur  unbestrittenen  Füh- 
rerin der  ganzen  Halbinsel.  Und  auch  als  die  Dorier  von  zwei  Kü- 
stenplätzen aus,  an  denen  sie  sich  zuerst  festgesetzt  hatten  (dem 
Temenion  am  südlichen  Rande  der  Argivischen  Ebene  und  dem 
Hügel  Solygeios  an  der  Ostküste  der  Korinthia),  allmälig,  anfangs 
durch  Gewalt,  dann  durch  freiwillige  Unterwerfung  der  alten  Be- 
wohner, die  ganze  Landschaft  in  Besitz  genommen  und  dorisirt 
hatten,  behauptete  Argos,  das  nun  der  unzweifelhafte  Mittelpunkt 
derselben  geworden  war,  noch  Jahrhunderte  lang  die  Hegemonie 
über  die  Halbinsel  und  dehnte  seine  Herrschaft  zeitweise  weit 
nach  Süden ,  bis  zum  Vorgebirge  Malea  hinab  (Herod.  I,  83)  aus, 
bis  das  Emporkommen  des  am  vollständigsten   von  dorischer  Art 


1)  Pomp.  Mela  II,  39;  Eustath.  ad  Dion,  Per.  419;  vgl.  schol.  Eiirip. 
Orest.  1239.  So  bezeichnet  Paus.  III,  1,  1  die  Korinthia,  c.  7,  1  die  Si- 
kyonia  als  (loiQCi  rrjg  'jQysiag  und  VIII,  1,  2  nennt  er  die  Sikyonier 
k'öxatOL  fJLOiQUs  trjg  'AqyoXCdog,  während  er  anderwärts  (vgl.  11,  26,  1) 
unter  der  Argeia  nur  das  Stadtgebiet  von  Argos  versteht. 

2)  Gegenüber  den  Erklärungen  des  Herodot  (I,  56;  VII,  94)  scheint 
es  uns  unmöglich,  die  Peloponnesischen  lonier  bestimmter  von  den 
Pelasgern  zu  unterscheiden. 

3)  Darauf  führt  für  Korinth  die  hier  heimische  Sage  vom  Bellero- 
phon, für  Tiryns  die  von  den  lykischen  Kyklopen. 


1.   Argolis:   Korinlhia.  9 

durchdrungenen  Staates,  Lakoniens,  ihm  die  factische  Hegemonie 
über  die  Halbinsel,  wie  auch  einen  nicht  geringen  Theil  seines 
ehemaligen  Landes  entriss  und  nur  die  mit  einer  Zähigkeit,  welche 
der  argivischen  Politik  gerade  in  den  entscheidungsvollsten  Zei- 
ten der  griechischen  Geschichte  einen  schwankenden,  ja  geradezu 
antinationalen  Charakter  aufprägt,  fest  gehaltenen  Ansprüche  darauf 
übrig  Hess. 

Die  nordöstlichste  Ecke  der  Landschaft  und  zugleich  eine  Korinthia. 
Art  Vorhof  der  ganzen  Halbinsel  bildet  die  Korinthia,  das  Ge- 
biet der  Stadt  Korinthos,  welches  die  natürliche  Brücke  zwischen 
dem  nördlicheren  und  südlicheren  Hellas,  den  Isthmos,  sowie  eine 
schon  früher  (Bd.  L  S.  382  ff.)  geschilderte  nicht  unbeträchtliche 
Strecke  altmegarischen  Landes,  die  sogenannte  Peraea,  ferner 
die  östlichere  Hälfte  der  zunächst  im  Südwesten  an  den  Isthmos 
sich  anschliessenden  Strandebene,  in  welcher  der  kleine  Bach 
Nemea  die  Gränze  gegen  die  Sikyonia  bildete,  endlich  das  südlich 
davon  sich  hinziehende  dürre  und  unfruchtbare,  von  zahlreichen 
Schluchten  durchzogene  Bergland  umfasste,  das  durch  ein  enges, 
von  einem  Giessbache  durchflossenes  Thal,  in  welchem  der  kür- 
zeste aber  steile  Weg  von  Argos  nach  Korinth,  die  sogenannte 
Kontoporia  hinführte,^)  in  zwei  Theile  geschieden  wird:  einen  west- 
licheren, von  den  Alten  mit  keinem  Sondernamen  bezeichneten 
(wahrscheinlich  rechneten  sie  diese  Berge  zu  dem  das  Thal  von 
Kleonae  im  Süden  begränzenden  Treton),  aus  welchem  ein  ein- 
zelner 575  Meter  hoher  Felskegel  gegen  Norden  vortritt,  der  die 
Burg  von  Korinth  {'AxQOTcoQcv&og)  trug,  und  einen  östlicheren, 
der  den  Namen  des  Oneion  oder  der  Oneiaberge^)  ('Ovsta 
OQf})  führte.  Die  östlichen  Abhänge  dieses  letzteren  treten  fast 
überall  ohne  Küstensaum  unmittelbar  an  das  Meer  hinan,  die 
südlichen  werden  nur  durch  schmale  Schluchten  von  anderen 
zum  Theil  höheren,  viel  weiter  nach  Osten  streichenden  Berg- 
massen geschieden,  die  zu  dem  Epidaurischen  Gebirgssystem  ge- 
hören, auf  deren  Rücken  wahrscheinlich  die  Gränzlinie  zwischen 
der  Korinthia  und  der  Epidauria  hinlief.    Die  BodenbeschafTenheit 


')  Athen.  II,  p.  43«;  Polyb.  XVI,  16;  vgl.  Ross,  Reisen  und  Reise- 
routen in  Griechenland  I,  8.  26. 

«)  Thuk.  IV,  44:  Xen.  hell.  VI,  6,  61;  Polyb.  II,  62;  Plut.  Cleom.  20. 
Da88  Strahon  (p.  380  u.  39.3)  das  Oneiongebirgo  mit  der  Gcrania  ver- 
wechselt hat,  ist  schon  Bd.  I,  S.  367,  Anm.  1  bemerkt  worden. 


10  n.  Pcloponnesos, 

dieses  ganzen  Gebietes  ist  keineswegs  eine  zur  Ansiedelung  ein- 
ladende, denn  abgesehn  von  der  balb  zur  Korinthia,  balb  zur 
Sikyonia  gehörigen  Strandebene  westlich  vom  Isthmos,  die  durch 
ihre  Fruchtbarkeit  sprüchwörtlich  geworden  war,^)  ist  das  übrige 
meist  dürres  Bergland  mit  wenigem,  steinigem  Ackerboden,^') 
auch  für  den  Weinbau  schlecht  geeignet,^)  höchstens  der  Vieh- 
zucht durch  Weiden  an  einigen  besser  bewässerten  Berghängen 
dienend.'')  Allein  dieser  Mangel  wird  völlig  aufgewogen  durch 
die  für  Handel  und  Schifffahrt  wahrhaft  unvergleichliche  Beschaf- 
fenheit des  Isthmos,  der  nicht  nur  die  einzige  Strasse  für  den 
Verkehr  zu  Lande  zwischen  der  südlichen  und  nördhchen  Hälfte 
von  Griechenland  bildet,  sondern  auch  zu  beiden  Seiten  die  herr- 
lichsten Häfen  hat,  die  dem  Seeverkehr  nach  Osten  wie  nach 
Westen  gleich  günstig  sind.  ^)  Daher  finden  wir  denn  auch  schon 
in  frühen  Zeiten  Angehörige  desjenigen  griechischen  Stammes, 
der  zuerst  der  griechischen  Schifffahrt  ihre  Bahnen  eröffnet  hat, 
Thessalische  Minyer  (vgl.  Bd.  I,  S.  102)  hier  angesiedelt:  ihre 
mit  dem  in  der  ältesten  griechischen  Geschichte  so  häufigen  Na- 
men 'Eq)VQa  (II.  Z,  152;  210)  bezeichnete  Niederlassung  lag  wahr- 
scheinlich an  derselben  Stelle  wie  die  spätere  KÖQLvd'og ,  auf 
einer  tafelförmigen  Fläche  am  nördlichen  Fusse  des  schon  er- 
wähnten steilen  Felskegels,  dessen  breiter  Gipfel  zugleich  als 
Zufluchtsort  für  die  Bewohner  der  Unterstadt  und  ihre  Beichtü- 
mer  und  als  Heiligtum  ihres  Stammgottes  Poseidon  diente:  weit 
genug  von  der  Küste  um  vor  plötzlichen  Ueberfällen  von  Piraten 
sicher  zu  sein  (vgl.  Thuk.  1, 7),  aber  auch  nahe  genug  dem  Isthmos 


*)  Athen.  V,  p.  219*;  vgl.  Luc.  Icaromen.  18;  id,  navig.  20;  schol. 
Ar.  aveS  968;  Zenob.  III,  57;  Liv.  XXVII,  31;  Cic.  de  lege  agraria 
I,  2,  5. 

2)  Ygi  Theophrast.  de  causis  pl.  III,  20,  5  ,  wonach  die  Aecker  in 
der  Korinthia  erst  durch  sytlid-oloyELV  ertragfähig  gemacht  wurden. 

3)  Alexis  bei  Athen.  I,  p.  30^ 

^)  Dass  namentlich  die  Pferdezucht  in  Korinth  blühte  ist  aus  der 
Bezeichnung  edler  Rosse  als  -Aonnaxiai  oder  KonnacpOQOL  (Lucian.  adv. 
^nd.  5)  zu  schliessen,  welche  doch  wohl  von  einer  den  in  den  korinthi- 
schen Staatsgestüten  gezüchteten  Rossen  eingebrannten  Marke  herzu- 
leiten ist,  wie  wohl  auch  die  Gcc^cpogaL  von  Sikyon  (vgl.  unten  S.  25). 

^)  Sehr  bezeichnend  für  die  Lage  Korinths  sind  die  Ausdrücke  des 
Dion  Chrysostomos:  rj  noXig  aGTCSQ  sv  tQi6d(p  r^g  'EXXaöog  k'yiELto  (or. 
VIII,  5)  und  Ev  KoQLvQ'cp  Iv  zw  TiEQLTtdta)  trjg  'ElXddog  (or.  XXXVII,  7). 


1.   Argolis:  Korinthia.  11 

um  die  von  ihm  gebotenen  Verkehrsmittel  auszubeuten  und  zu 
beherrschen.  Ganz  natürlich  ist  es  ferner,  dass  eine  solche  Nieder- 
lassung auch  Ansiedler  von  Osten  her,  arischen  wie  semitischen 
Stammes,  anziehen  musste,  welche  die  Künste  und  Fertigkeiten 
des  Ostens  wie  auch  ihre  heimischen  Sagen  und  Culte  mitbrach- 
ten, daher  wir  in  Korinth  manche  Industriezweige,  wie  die  Kunst- 
weberei und  Färberei,  die  Bearbeitung  des  Erzes,  die  Töpferei 
und  Thonplastik,  früher  und  höher  als  in  anderen  Theilen  Grie- 
chenlands entwickelt  und  ausländische  Culte  in  grösserer  Anzahl 
und  höherem  Ansehn  als  sonst  finden:  der  phönikische  Sonnen- 
gott Baal-Melkarth  verdrängte  sogar  den  Poseidon  von  der  Burg, 
die  jenem  nun  als  dem  Helios  in  Verein  mit  der  Aphrodite  (der 
phönikischen  Astarte)  geweiht  wurde,  während  Poseidons  Heilig- 
tum auf  den  Isthmos  verlegt,^)  ihm  aber  auch  dort  der  Melkarth 
als  Melikertes-Palaemon  beigesellt  und  in  die  Sagengeschichte  des 
Minyischen  Königshauses  eingereiht  wurde;  der  lykische  Bellero- 
phontes,  seiner  ursprünglichen  Bedeutung  nach  der  gegen  Gewitter- 
wolken und  andere  feindliche  Naturkräfte  kämpfende  Sonnengott, 
erhielt  ein  Heiligtum  vor  der  Stadt  und  wurde  auch  mit  der 
Athene  verbunden,  ^j  Auch  Stammgenossen  der  ägialeischen  lo- 
nier  haben  sich,  wahrscheinlich  von  der  Tetrapolis  im  nördlichen 
Atlika  aus,  in  der  Stadt  niedergelassen  und  eine  Zeit  lang  die 
Herrschaft  darin  behauptet;  von  ihnen  scheint  die  Umänderung 
des  älteren  Namens  Ephyra  in  Korinthos  (die  Höhenstadt,  ur- 
sprünglich wohl  nur  Bezeichnung  der  später  zum  Unterschied  von 
der  Unterstadt  'JjcQoxoQivd'os  genannten  Burg)  herzurühren;^) 
unter  ihrem  Einfluss  sind  wohl  auch  die  Festversammlungen  und 
Kampfspiele  im  Heiligtum  des  Poseidon  auf  dem  Isthmos  zu  grös- 
serer Bedeutung  gelangt  durch  die  Betheiligung  anderer  ionischer 
Staaten,  vor  allen  Athens,  an  denselben.'*)    Endlich  kam  noch  ein 


0  Dies  ist  offenbar  die  f actische  Grundlage  der  korinthischen  8age 
vom  Streit  des  Poseidon  nnd  Helios  um  das  korinthische  Land  und  die 
Beilegung  desselben  durch  Briareos  (Paus.  II,  1,  6;  Dio  Chrysost.  er. 
XXXVII,  11).     Aphrodite  nebst  Helios  auf  Akrokorinthos :  Pans.  II,  5,  l. 

«)  Paus.  II,  2,  4;  4,  1. 

')  Nach  korinthischer  Localsagc  sind  Korinthos  und  Sikyon  Brüder, 
Söhne  des  Marathon;  s.  Paus.  II,  1,  1;  3,  10.  Der  Name  Kogiv&og 
hängt  jedenfalls  mit  noQd'vg,  wohl  auch  mit  noQV(prj  üusammen. 

*)  Darauf  führt  die  Sago  von  der  Gründung  oder  Umgestaltung  der 


12  II.  Peloponnesos. 

neues  Element  der  Bevölkerung  hinzu  durch  die  dorische  Erober- 
ung, welche,  ähnlich  wie  die  von  Argos,  von  der  Seeseite  her 
erfolgte,  indem  ein  Haufe  dorischer  Abenteurer,  dessen  Anführer 
bezeichnend  genug  Aletes  (der  Umherschweifende)  genannt  wird, 
an  einer  3  Stunden  von  der  Stadt  entfernten  Stelle  der  Ostküste, 
südlich  von  dem  Vorgebirge  Che rson es os,  dem  östlichsten  Vor- 
sprunge des  Oneion,  landete,  den  12  Stadien  von  der  Küste  ge- 
legenen Hügel  Solygeios,  der  später  ein  Dorf  Solygeia  trug, 
occupirte^)  und  von  dort  aus  durch  unausgesetzte  Angriffe  die 
Bewohner  der  Stadt  nöthigte,  die  Eindringlinge  als  Herren  in  die 
Stadt  aufzunehmen.  So  trat  Korinth,  Anfangs  von  Königen,  die 
sich  zum  Geschlecht  des  Herakles  rechneten,  dann  von  Prytanen 
aus  der  gleichen  Familie  beherrscht,  in  die  Reihe  der  dorischen 
Staaten  der  Halbinsel  ein,  ohne  doch  einen  eigentlich  dorischen 
Charakter  anzunehmen;  vielmehr  blieb,  der  Natur  des  Lan- 
des gemäss,  Handel,  Schifffahrt  und  Industrie  die  eigentliche 
Beschäftigung  der  in  8  Phylen,  welchen  ebenso  viele  Bezirke 
des  ganzen  Gebietes  entsprachen,  getheilten  Bevölkerung,^)  deren 
Wohlstand  einen  neuen  Aufschw^ung  nahm  seitdem  durch  einen 
wenigstens    väterlicher    Seits    einem    äolischen    Geschlechte    an- 


Isthmien  durch  Theseus:  s.  Plut.  Thes.  25;  schol.  Pind.  Isthm.  arg.; 
vgl.  Krause,  Die  Pythien,  Nemeen  und  Isthmien  S.  175  ff.  Vielleicht  ist 
die  Begründung  der  .Isthmien  geradezu  als  eine  Art  Opposition  gegen 
die  maritime  Amphiktyonie  von  Kalaurea,  zu  der  Korinth  nicht  ge- 
hörte ,  aufzufassen. 

^)  Thuk.  IV,  42,  wo  eine  von  den  Athenern  im  achten  Jahre  des 
Peloponnesischen  Krieges  unternommene  Landung  an  demselben  Platze 
erzählt  wird.  Die  dort  als  'PsLtog  oderJ^PsLtog  (vgl.  Bd.  I,  S.327,  Anm.  3) 
bezeichnete  Oertlichkeit,  welche  Curtius  (Pelop.  II,  S.  549)  als  den  Vor- 
sprung der  Küste,  welcher  gegen  Westen  die  Bucht  schliesst,  betrachtet, 
dürfte  dem  Namen  nach  eher  für  den  bei  dem  Dorfe  Galata  vorüber- 
fliessenden  und  in  den  Winkel  der  Bucht  mündenden  Bach  zu  hal- 
ten sein. 

^)  Vgl.  Suid.  u.  nävxa  o-atco,  wonach  Aletes  die  Bürger  in  8  Phy- 
len und  die  Stadt  in  8  Theile  getheilt  hätte :  demnach  sind  diese  Phylen 
(oder  Demen?)  jedenfalls  als  topische,  die  aber  gewiss  nicht  bloss  die 
Stadt  sondern  das  ganze  Gebiet  umfassten,  anzusehn;  als  eine  dersel- 
ben darf  man  wohl  Petra,  die  Heimat  des  Eetion,  des  Vaters  des 
Kypselos  (Herod.  V,  92,  2)  betrachten.  Charakteristisch  für  Korinth  ist 
auch  dass  dort  nach  Herod.  II,  167  die  Handwerker  am  wenigsten  ver- 
achtet waren. 


1.  Argolis:  Korinthia.  13 

gehörigen  Mann,  Kypselos,  die  Oligarchie  der  dorischen  Ge- 
schlechter gestürzt,  die  Familie  der  Bakchiaden,  in  deren  Hän- 
den bisher  die  Regierung  gewesen  war,  vertrieben  und  eine 
Monarchie  aufgerichtet  worden  war,  deren  Hauptbestreben  dahin 
gieng,  der  Stadt  durch  Anlage  einer  Reihe  von  Handelsstationen 
an  den  Küsten  des  westlichen  Hellas  die  Alleinherrschaft  im  west- 
lichen Meere,  zugleich  aber  auch  durch  Colonisation  auf  der  thra- 
kischen  Halbinsel  Pallene  und  durch  Anknüpfung  von  Verbindun- 
gen mit  griechischen  Städten  Kleinasiens,  wie  mit  Miletos  und 
Mitylene,  ja  sogar  mit  den  Herrschern  von  Lydien  und  Aegypten, 
einen*  Einfluss  im  Osten  zu  sichern.  ^)  Diese  Politik  wurde  auch 
im  Wesentlichen  festgehalten  als  nach  dem  Sturze  der  Kypseliden 
eine  gemässigt  aristokratische  Verfassung  eingerichtet  worden  war, 
und  ihr  verdankte  es  Korinth,  dass  es,  wenn  auch  als  eigentliche 
Seemacht  erst  von  Aegina,  dann  von  Athen  überflügelt,  doch  unstrei- 
tig die  erste  Handelsstadt  von  Hellas  blieb,  mit  der  sich  an  Volks- 
zahl, an  Reichtum  und  Pracht,  freilich  aber  auch  an  Verlockungen 
zu  Ausschweifung  und  Verschwendung,  namentlich  durch  die  grosse 
Anzahl  von  Hetären,  die  ihr  Gewerbe  zum  Theil  geradezu  im 
Dienste  der  Aphrodite  betrieben,  keine  andere  Stadt  messen 
konnte. 2)  Auch  der  Umfang  der  Stadt  war  bedeutend:  die  Ring- 
mauer, welche  die  tafelförmige  Fläche  der  Unterstadt  mit  Aus- 
nahme der  durch  den  steil  ansteigenden  Berg  geschützten  Süd- 
seite umgab,  hatte  eine  Ausdehnung  von  40  Stadien  und  zog  sich 
dann  mit  einigen  durch  die  Schroffheit  der  Abhänge  bedingten 
Unterbrechungen  bis  auf  den  Gipfel  des  Berges,   der  dadurch  in 

*)  Vgl.  Barth  Corintluomm  coinraercii  et  mercaturae  historia,  Berlin 
1844;  über  Kypselos  Abstammimg  auch  Schubring  De  Cypselo  Coriu- 
thiorum  tyranno,  Göttingen  1862. 

*)  Nach  Timaeos  bei  Athen.  VI,  p.  272»»  betrug  die  Zahl  der  S.kla. 
ven  in  Korinth  640,000,  eine  Zahl  die  sich  nur  erklären  lässt,  wenn 
man  darunter  alle  von  den  Korinthern  besessenen  Sklaven ,  d.  h.  nicht 
nur  <lie  in  der  Stadt  und  ihrem  Gebiete  in  Fabriken,  mit  Feldarbeit 
u.  dgl.  beschäftigten,  sondern  auch  die  als  Ruderknechtc  auf  den  Schif- 
fen dienenden  und  in  den  auswärtigen  Handelsniederlassungen  korinthi- 
scher Kaufleute  arbeitenden  versteht,  die  also  zur  Berechnung  der  von 
Clinton  (Fasti  Hellenici  ed.  Krüger  p.4298.)  auf  etwa  40,000 Seelen  ver- 
anschlajjtcn  freien  Bevölkerung  keinen  Anhalt  giebt.  TJebor  die  He- 
tären bes.  Athen.  XIH,  p.  573«=  ff.;  Strabo  VHl,  p.  378;  Sotion  bei  Gell. 
N.  A.  1,8;  Zenob.  V,  37. 


14  II.  Peloponnesos. 

die  Befestigung  der  Stadt  aufgenommen  war,  hinauf,  so  dass  der 
gesammte  Umfang  gegen  85  Stadien  betrug  (Strab.  VIII,  p.  379). 
Dieser  Glanz  fand  freilich  ein  jähes  Ende  durch  die  barba- 
rische Zerstörung  der  Stadt  durch  Mummius  im  Jahre  146  v.  Chr., 
welche  Mommsen  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  aus  der  mer- 
kantilen Eifersucht  der  römischen  Grosshändler  erklärt  hat:  die 
Stadt  verschwand  dadurch  gänzlich  aus  der  Reihe  der  bewohnten 
Orte;  der  Boden  worauf  sie  gestanden  hatte  wurde  mit  einem 
Fluche  belegt,  ihr  Gebiet  theils  zu  römischem  Gemeindeland  ge- 
macht, theils  mit  der  Leitung  der  Isthmischen  Spiele  an  Sikyon 
gegeben.  Erst  100  Jahre  später  (im  Jahre  44  v.  Chr.)  wurde  der 
Fluch  aufgehoben  und  eine  römische  Colonie  unter  dem  Namen 
Colonia  Laus  Julia  Corinthus  durch  Cäsar  auf  der  Stalte 
der  alten  Stadt,  aber  mit  geringerem  Umfang,  begründet,  die  in 
der  römischen  Raiserzeit,  wie  wir  aus  der  Beschreibung  des  Pau- 
sanias  (II,  2,  4 ff.)  ersehen,  wenigstens  einen  Schimmer  ihres  alten 
Glanzes  wieder  erlangt  hatte. ^)  Auch  diesem  w urde  durch  die 
Einfälle  barbarischer  Völker,  wie  der  Gothen  und  Slaven,  denen 
Korinth  mit  seiner  gewaltigen  Feste  als  der  Schlüssel  der  ganzen 
Halbinsel  immer  zuerst  erliegen  musste,  ein  Ende  gemacht;  doch 
hat  sich  trotz  der  wiederholten  Zerstörungen  von  Menschenhänden 
wie  durch  Naturereignisse,  namentlich  Erdbeben  die  noch  in 
den  letzten  Jahren  wiederholt  den  Isthmos  und  seine  Umgebungen 
heimgesucht  haben,  bis  auf  den  heutigen  Tag  ein  freilich  sehr 
unscheinbares  und  ärmliches  Städtchen  mit  dem  alten  Namen  und 
einigen  wenn  auch  geringen  Trümmern  der  alten  Bauwerke  auf 
der  alten  Stätte  erhalten.  Freilich  reichen  diese  Trümmer,  unter 
denen  7  hoch  alterthümliche  bis  zum  Capital  monolithe  dorische 
Säulen  aus  mit  röthlichem  Stuck  überzogenem  Kalkstein^)  das 
Bedeutendste  sind,  bei  Weitem  nicht  aus  zur  Feststellung  der 
Topographie  der  Stadt,  sondern  wir  müssen  uns  dabei  fast  ganz 


1)  Nach  Dio  Chrysost.  or,  XXXVII,  36  war  Korinth  noch  zu  dessen 
Zeit  die  bedeutendste  Stadt  in  Hellas.  Eine  Bibliothek  in  der  Stadt 
erwähnt  ders.  ebds.  §  8. 

2)  Stuart  undRevett  (Alterthümer  von  Athen  III,  Lief.  12,  Tfl.lOf.) 
sahen  noch  12  Säulen,  aber  schon  30  Jahre  später  waren  nur  noch  7 
vorhanden,  die  noch  heut  zu  Tage  stehen.  Vgl.  den  Plan  und  die  Ab- 
bildungen in  der  Expe'dition  de  Moree  III,  pl.  77  ss. 


1.  ArgoJis:  Korinthia.  15 

an  die  nicht  allzu  klare  Schilderung  des  Pausanias  halten.  Der- 
selbe durchschreitet,  von  Kenchreae,  also  von  Osten  her,  kom- 
mend zuerst  einen  to  Kgccvetov  genannten  Kypressenhain ,  in 
welchem  er  das  Heiligthum  des  Bellerophontes,  einen  Tempel  der 
Aphrodite  Melaenis  und  das  Grabdenkmal  der  Hetäre  Lais  (eine 
Löwin  welche  einen  Widder  zwischen  den  Vordertatzen  hielt) 
erwähnt;^)  unmittelbar  am  Stadtthore  lag  das  durch  das  Marmor- 
bild eines  Hundes  bezeichnete  Grab  des  Diogenes  von  Sinope,  zu 
dessen  Zeit  sich  hier  ein  viel  besuchtes  Gymnasion  befand,  um 
welches  herum  elegante  und  wegen  der  Reinheit  der  Luft  in  die- 
ser Gegend  besonders  gesuchte  Wohnungen  sich  ausbreiteten; 
auch  die  Hökerinnen  mit  Brod,  Gemüse  und  Früchten  pflegten 
hier  feilzuhalten.-]  Etwas  nördlich  davon  ist  für  die  römische 
Colonie  eine  in  Griechenland  sehr  seltene  Anlage,  ein  Amphi- 
theater, ganz  in  eine  künstliche  erweiterte  Vertiefung  des  Fels- 
bodens hineingearbeitet,  so  dass  man  erst  wenn  man  unmittelbar 
am  oberen  Rande  der  Sitzreihen  steht  desselben  ansichtig  wird.  ^) 
In  der  Stadt  beschreibt  Pausanias  (c.  2,  6  ff.)  zuerst  die  im  Süden 
wahrscheinlich  bis  an  den  Fuss  des  Berges  hinanreichende  Agora, 
an  welcher  die  meisten  Heiligthümer  und  Götterbilder  standen: 
die  Mitte  derselben  nahm  eine  Erzstatue  der  Athene  mit  Bildern 
der  Musen  am  Piedestal  ein.  Durch  eine  reiche  Thorhalle  trat 
man  von  der  Nordseite  der  Agora  in  eine  nach  dem  Hafen  Le- 
chaon  führende  Strasse,  an  welcher  ausser  mehreren  Götterstatuen 
ein  von  dem  bekannten  Günstlinge  des  Augustus  und  Regenten 
von  Lakonien,  C.  Julius  Eurykles,^)  gestiftetes  kostbares  Bad  lag 
eine  ostwärts  von  ihr  abzweigende  Seitengasse  führte  zu  der 
besten  und  bedeutendsten  unter  den  zahlreichen  aus  dem  Stadt- 
boden aufsprudelnden  Quellen,  die  als  ein  Ausfluss  der  auf  Akro- 


')  Paus.  c.  2,  4.  Das  Grabdenkmal  der  Lais,  das  nur  ein  Kenota- 
phion  «gewesen  zu  sein  scheint  (vgl.  Athen.  XIII,  p.  589*'),  ist  gewiss 
nicht  auf  das  Gewerbe  derselben  zu  beziehen,  sondern  als  ein  Symbol 
der  Macht  des  Todes  zu  fassen. 

*)  Diog.  Laert.  VI,  2,  77;  Plut.  de  exilio  6.  Theophr.  de  caus.  pl. 
V,  14,  2;  Alcii)hr.  cpist.  I]I,  00;  vgl.  Ruhnken  ad  Tim.  p.  167. 

3)  Expedition  de  Moree  HI,  pl.  77,  3;  Vischer  Erinnerungen  S.  2G4  f.: 
vgl.  Dio  Chrysost.  or.  XXXI,  121;  lunioris  philos.  orbis  dcscr.  c.  28 
(Bode  Scriptores  rerum  niyth.  II,  p.  ^V). 

*)  Vgl.  über  ihn  Strab.  VIII,  p.  363;  366  und  Keinesius  bei  Böckh 
ad  C.  I.  gr.  n.  1389. 


16  n.  Peloponnesos. 

korintbos  entspringenden  Peirenc  (vgl.  S.  17)  betrachtet  wurde: 
das  Wasser  kam  in  mehreren  künstlicli  angelegten  Grotten  zum 
Vorschein  und  floss  aus  diesen  in  einen  Marmorbrunnen,  bei 
welchem  ein  heiliger  Bezirk  mit  einer  Bildsäule  des  Apollon  an- 
gelegt war.  Noch  heutzutage  quillt  am  nördlichen  Bande  der 
Fläche ,  auf  welcher  die  alte  Stadt  lag,  eine  reiche  Fülle  köst- 
lichen Trinkwassers  unter  den  grottenartig  überhängenden  Felsen 
hervor  und  erzeugt  eine  üppig  wuchernde  Vegetation,  welche  die 
in  Rorinth  residirenden  türkischen  Woiwoden,  namentlich  den 
letzten,  den  prachtliebenden  Kiamil  Bei,  veranlasst  hatte,  hier 
schöne  Gärten  und  ein  prachtvolles  Serail  anzulegen,  von  dem 
nur  noch  einige  unscheinbare  Trümmer  oberhalb  der  Quellen 
übrig  sind.^)  Endlich  führte  eine  andere  Hauptstrasse  von  der 
Agora  westwärts  in  der  Bichtung  nach  Sikyon,  an  welcher  zur 
Bechten  ein  Tempel  des  Apollon,  etwas  weiter  hin  oberhalb  eines 
Brunnens  ein  bedecktes  Theater  (Odeion)  und  bei  demselben 
das  Grabdenkmal  der  Kinder  der  Medeia  standen  ;2)  in  der  Nähe 
derselben  war  der  Tempel  der  Athene  Chalinitis  mit  einem  akrolithen 
CuUbilde  der  Göttin,  aufweichen  man  mit  Wahrscheinlichkeit  die 
schon  erwähnte  hochalterthümliche  Tempelruine  beziehen  kann;  nahe 
dabei  das  nicht  mehr  nachweisbare,  also  wohl  ganz  auf  künstlichem 
Unterbau  ruhende  Theater,  oberhalb  dessen  in  der  römischen  Zeit 
ein  Tempel  des  Capitolinischen  Juppiter  lag,  endlich  nicht  weit  davon 
das  alte  Gymnasion  mit  einer  Lerna  genannten  Quelle  vortrefflichen 
Trinkwassers^),  die  in  der  römischen  Zeit  von  einer  mit  Buhebänken 


j 

^)  Es  wurde  Ende  April  1821  durch  den  Archimandriten  Dikaeos, 
nachdem  er  vergeblich  die  Griechen  in  Korinth  zum  Widerstand  gegen 
die  heranrückenden  Türken  ermuntert  hatte,  in  "Brand  gesteckt;  s. 
Brandis  Mittheilungen  über  Griechenland  II.  S.118;  Gervinus  Geschichte 
des  19ten  Jahrhunderts  V,  S.  192  f. 

2)  Curtius  Pel.  II,  S.  531  f.  setzt  nur  den  ApoUontempel  an  die 
rechte,  die  übrigen  von  Paus.  (c.  3,  6  ff.)  erwähnten  Oertlichkeiten  an 
die  linke  südliche  Seite  der  Strasse  'wo  sie  sich  an  den  Fuss  der  Burg 
anlehnen  konnten' :  allein  da  Paus,  von  dem  ApoUontempel  mit  einem 
olCyov  UTtariQOJ  zu  der  ■iiQi]vr}  der  Glauke,  dem  Odeion  u.  s.  w.  über- 
geht, so  scheinen  vielmehr  alle  diese  Anlagen  an  derselben,  nördlichen 
Seite  der  Strasse  gesucht  werden  zu  müssen;  an  der  Südseite  war  ver- 
muthlich  eben  wegen  des  Fusses  der  Burg  kein  Raum  für  grössere 
Baulichkeiten. 

3)  Vgl.  Athen.  IV  p.  156*';  Lucian.  De  bist,  conscr.  29. 


1.  Arf?oJis:  Koiinlhia.  17 


versehenen  Säulenhalle  umgeben  war,  und  Tempeln  des  Zeus  und 
des  Asklepios.  Unmittelbar  vor  dem  Thore,  welches  das  westliche 
Ende  dieser  Strasse  abschloss,  stand  ein  Tempel  der  Hera.  ^)  Von 
der  Südseite  jener  Strasse  aus  führte  eine  Seitenstrasse  nach 
dem  Gipfel  der  Burg  empor,  welcher,  eine  gute  halbe  Stimde 
im  Umfang,  nicht  eine  ebene  Fläche  sondern  verschiedene  kleine 
Plateaus  und  Erhöhungen  bildet;  auf  der  höchsten  Spitze  stand 
der  Tempel  der  Aphrodite,  etwas  östlich  unterhalb  desselben  be- 
merkt man  noch  jetzt  das  alte  Brunnenhaus  der  Quelle  Peirene, 
zu  dessen  tempelähnlicher  Facade  ein  mit  polygouen  Steinen  aus- 
gemauerter, jetzt  mit  einem  modernen  Gewölbe  bedeckter  Gang, 
in  welchen  man  ursprünglich  auf  einer  Felstreppe  hinabstieg, 
führt.  -)  Ausserdem  finden  sich  noch  mehrere  andere  Quellen  auf 
der  Höhe,  ein  Umstand,  der  nebst  der  Steilheit  des  Zuganges 
und  dem  grossen  Umfange  des  Gipfels  viel  dazu  beigetragen  hat, 
Akrokorinthos  zu  einer  der  wichtigsten  Festungen,  einer  'Fessel 
von  Hellas',  wie  es  Philipp  von  Makedonien  nannte,  ^)  zu  machen. 
Diese  Bedeutung  behielt  es  auch  unter  der  byzantinischen, 
fränkischen,  venetianischen  und  türkischen  Herrschaft,  wie  noch 
jetzt  die  fast  überall  auf  antiken  Fundamenten  ruhenden  Mauern, 
welche  den  ganzen  Gipfel  umgeben,  zahlreiche,  allerdings  meist 
unbrauchbare  Geschütze  auf  den  Brüstungen  derselben  und 
eine  Menge  in  Trümmern  liegender  Häuser  innerhalb  der  Mauern 
bezeugen.  Jetzt  freiUch  ist  alles  im  Verfall  und  die  ganze  Be- 
satzung der  Feste  besteht  aus  einigen  Invaliden,  welche  den  durch 
die  herrliche  Aussicht  angelockten  Besucher  durch  das  Labyrinth 
von  Trümmern  führen. 

Das    Befestigungssystem    von    Korinth    schloss   aber   in    der 


')  Dass  das  Heraeon  ausserhalb  des  Thores  lag  zeigt  Phit.  Arat. 
c.  22  (vgl.  C.21);  dieses  Thor  für  ein  anderes  als  das  Sikyonische  (Liv. 
XXXII,  23)  zu  halten  (mit  welehem  übrigens  die  von  Xen,  Hell.  VII,  1, 
18  erwähnten  nvXai  cci  Inl  ^Xiovvta  lovti  wohl  identisch  sind)  sehe 
ich  keinen  Grund  <'in.  Ob  das  von  Paus.  c.  4,  7  am  Aufgange  nach 
Akrokorinthos  erwähnte  tsqov  der  Hera  IJunaea  mit  jenem  Heraeon  (das 
dann  oberhalb  der  Strasse  gestanden  haben  müsste)  identisch  ist  oder 
nicht,  wage  ich  nicht,  zu  entscheiden. 

2)  Vgl.    Oöttling   archäol.    Zeitung   1844,    N.  20,   S.  326  ff.    Die   Fei 
iie    galt   als   Tochter   des   Asopos,    daher  *>4(yco7r^ff  Anth.    Pal.  IX,  225. 

3)  Strab.  IX,  p.  428;  Liv.  XXXII,  87;  vgl.  Strab.  VJII,  p.  301. 

ÜURSIAN,    GKOGR.    II.  2 


18  II.  i*eloponnesos. 

Blütezeit  der  Stadt  nicht  nur  die  Burg  ein,  sondern  auch  der 
der  Stadt  zunächst  gelegene  von  den  Isthmischen  Häfen,  das  Le- 
chaeon,  war  durch  12  Stadien  lange,  durch  einen  weilen  Zwi- 
schenraum von  einander  getrennte  'Schenkehnauern'  [öxtXrj,  ^a- 
XQcc  TSLXV)'  ^"  denen  sich  mehrere  Thore  hefanden,  mit  der 
nördlichen  Ringmauer  der  Stadt  verhundcnj).  Endlich  ist  als  ein 
zu  demselben  Befestigungssystem  gehöriges  Aussenwerk  die  40 
Stadien  lange  Quermauer  zu  betrachten,  welche  zur  Verhinderung 
von  Invasionen  von  Norden  her  an  der  schmälsten  Stelle  des 
Isthmos  zuerst,  soviel  wir  wissen,  bei  dem  Zuge  des  Xerxes  gegen 
Hellas  aufgeführt,  beim  Einbruch  der  GalUer  in  Griechenland 
(Ol.  125,  1)  wahrscheinlich  erneuert  und  später  noch  von  den 
byzantinischen  Kaisern  und  von  den  Venetianern  wiederhergestellt 
wurde: 2)  die  noch  erhaltenen  Fundamente,  welche  ohne  Zweifel 
dem  ursprünglichen  Baue  angehören,  zeigen,  dass  dieselbe  nicht 
eine  gerade  Linie  bildete,  sondern  den  Grundsätzen  der  griechi- 
schen Befestigungskunst  gemäss  durchaus  der  natürlichen  Gestalt 
des  Terrains  (grossen  Theils  dem  Rande  einer  ziemlich  tiefen 
Schlucht)  folgte  und  durch  zahlreiche  Thürme,  hie  und  da  wohl 
auch  durch  besondere  kleine  Castelle  geschützt  war. 

Von  den  Häfen  war  das  schon  erwähnte  Lechaeon  an  der 
Westseite  des  Isthmos,  durch  diese  seine  Lage  der  Ausgangspunkt 
für  den  Verkehr  mit  dem  Westen,  in  Folge  seines  Anschlusses 
an  die  städtische  Befestigung  die  Ilauptstation  für  die  Kriegsflotte, 
durch  starke  Molos  gegen  die  Versandung,  welche  es  jetzt  für 
den  Verkehr  völlig  unbrauchbar  gemacht  hat,^)  geschützt:  noch 
jetzt  erkennt  man  drei  ins  Meer  hinausgeworfene  Schenkelmauern 
und  bei  der  nördlichsten  derselben  fand  ich  eine  Marmorbasis, 
welche   laut   der  Inschrift  (s.  Bulletino   1854,   p.  34)   die   Statue 


1)  Xenoph.  Hell.  IV,  4,  7  ss.;  18;  Strab.  VIII,  p.  380;  vgl.  Leake 
Travels  in  the  Morea  III,  p.  251  ss. 

2)  Herod.  VIII,  71;  IX,  7  ss.;  Diod.  XI,  16;  Paus.  VII,  6,  7:  vgl. 
Curtius  Pel.  I,  S.  14;  II,  S.  546  f.;  596;  Vischer  Erinnerungen  S.  232  f. 

3)  An  seine  Stelle  ist  jetzt  das  weiter  nördlich  am  Fusse  der  Ge- 
raneia  gelegene  Lutraki  getreten,  das  seinen  Namen  von  einigen 
warmen  Quellen  erhalten  hat,  die  nahe  an  der  Küste  wenige  Zoll  über 
dem  Niveau  des  Meeres  hervorsprudeln  (s.  Fiedler  Reise  durch  alle 
Theile  des  Königreichs  Griechenland  I,  S.  229  f.):  jedenfalls  sind  dies 
die  bei  Xen.  Hell.  IV,  5,  8  erwähnten  &SQ(id. 


1.  Argolis:  Korinthia.  19 

eines  Römischen  Proconsuls  Flavius  Herrn (oge)nes  trug,  den  Rath 
und  Volk  der  Rorinther  als  ^Wohllhäter  und  Wiederhersteller  des 
Hafens'  geehrt  hatten.  In  der  früheren  Zeit  lag  auch  hier  eine 
offenbar  befestigte  ansehnliche  Ortschaft,  die  unter  anderem  ein 
Heiligtum  der  Aphrodite  mit  einem  geräumigen  Saal  für  Opfer- 
schmäuse  (aCxiatoqiov)  enthielt;  zur  Zeit  der  Römischen  Herr- 
schaft waren  nur  noch  wenige  Häuser  und  ein  Heiligtum  des  Po- 
seidon davon  übrigj)  Eine  breite  Fahrbahn,  auf  welcher  nicht 
nur  Waaren  sondern  auch  kleinere  Schiffe  über  den  niedrigen 
Rücken  des  Isthmos  transportirt  wurden,  der  sogenannte  Diol- 
kos,2)  verband  die  Westküste  des  Isthmos  mit  der  Ostküste,  an 
welcher  die  geräumige  gegen  Südosten  geöffnete  Rucht  Schoinus 
lag,  die  ihren  von  den  zahlreich  hier  wachsenden  Rinsen  herge- 
nommenen Namen  noch  jetzt,  wenn  auch  in  neugriechischer 
Uebertragung  (Kalamaki)  bewahrt  und  neuerdings  als  Hauptstation 
der  Dampfschiffahrt  eine  Redeutung  gewonnen  hat,  die  sie  im 
Alterthume  jedenfalls  nicht  besass,  indem  der  eigentliche  östliche 
Hafen  von  Korinth  die  zwei  Stunden  von  der  Stadt  zwischen  einem 
den  Isthmos  im  Süden  abschUessenden  felsigen  Höhenzuge  und 
dem  östlichsten  Theile  des  Oneion  sich  öffnende,  auch  grösseren 
Schiffen  einen  sicheren  Ankerplatz  darbietende  Rucht  von  Keuch- 
reae  war,  an  deren  Ufer  sich  eine  ähnliche  Ortschaft  wie  am 
Lechaeon  ausbreitete:  am  nördlichen  Ende  des  Hafens  stand  ein 
Tempel  der  Aphrodite,  am  südlichen  Heiligtümer  des  Asklepios 
und  der  Isis,  dazwischen  auf  dem  Molo,  dessen  Fundamente  noch 
erhalten  sind,  eine  Erzstatue  des  Poseidon.  Ausserhalb  der  Ort- 
schaft lag  an  der  nach  dem  Isthmos  führenden  Strasse  ein  Tempel 


^)  Dies  zeigt  ausser  der  Angabe  des  Dionys.  Calliph.  v.  108  von 
einer  nöXig  As%aLOv  die  Erzählung  der  Ereignisse  des  sog.  Korinthischen 
Krieges  bei  Xen.  Hellen.  IV,  c.  4  s.  (vgl.  dazu  Grote  Geschichte  Grie- 
chenlands V,  S.  266  ff.  d.  d.  Uebers.).  S.  auch  Plut.  VII  sap.  conv.  2 
und  für  die  spätere  Zeit  Ötrab.  p.  380;  Paus.  c.  2,  3. 

«)  Strab.  VIII,  p.  335;  380;  Aristoph.  Thesmoph.  648  s.  c.  schol.; 
vgl.  Curtius  Fei.  I,  S.  28  und  II,  S.  596.  Hesych.  u.  SCoX%og  lässt 
denselben  vom  Lechaeon  nach  Konchreae  sich  erstrecken,  was  schon 
wegen  des  Höhenzuges,  der  diesen  Hafen  von  dem  eigentlüihen  Isthmos 
trennt,  unmöglich  ist.  ~  lieber  den  zu  vordchiedonen  Malen  im  Alter- 
tliiiiii  .1 II t tauchenden,  vom  Kaiser  Nero  ernstlich  in  Angriff  genonunenen 
Plan,  den  Diolkos  durch  einen  Durchstich  dos  Isthmos  zu  ersetzen, 
8.  Fiedler  Reise  I,  S.  236  ff.;  Curtius  Pel.  I,  8.  12  ff. 

2* 


20  il.  i'eioponnesoS. 

der  Artemis ;  südwestlich,  gegen  das  die  Bucht  im  Süden  abschlies- 
sende Vorgebirge  Chersonesos  (vgl.  S.  12)  zu,  quillt  schwach  salz- 
haltiges Wasser  in  solcher  Stärke,  dass  es  nach  ganz  kurzem 
Lauf  eine  Mühle  treibt,  hervor,  das  im  Alterthume  unter  dem 
Namen  des  Bades  der  Helena  bekannt  war  und  wahrschein- 
lich, wie  auch  jetzt  noch  bei  den  Umwohnern,  als  heilkräftig  galtj) 
Der  jetzt  ganz  verödete,  nur  mit  Gestrüpp  und  einzelnen 
Strandkiefern  bewachsene  Rücken  des  Isthmos  war  im  Alter- 
thume wenigstens  zu  einem  bedeutenden  Theile  mit  Baulichkeiten 
geschmückt,  welche  alle  für  den  Cult  des  Poseidon  und  des  ihm 
beigesellten  MeHkertes-Palaemon,  insbesondere  für  die  Feier  der 
Islhmischen  Spiele  und  zur  Aufnahme  der  ungeheuren  Menge  von 
Fremden,  welche  zu  denselben  aus  allen  Gegenden,  in  welche 
die  griechische  Cultur  nur  je  einen  Fuss  gesetzt  hatte,  zusammen- 
strömten, bestimmt  waren.  Den  Mittelpunkt  derselben  bildete  der 
auf  einer  Hochfläche  172  Stunden  östlich  von  der  Stadt  gelegene 
Tempel  des  Poseidon,  von  nicht  eben  bedeutender  Grösse,  wahr- 
scheinlich im  dorischen  Stile  erbaut,  mit  ehernen  Tritonen  als 
Akroterien  auf  dfm  Firste:  zu  Pausanias  Zeit  (s.  c.  1,  7  f.;  vgl. 
Philostr.  V.  Soph.  II,  1,  5)  standen  mehrere  ältere  Erzbilder  im  Pro- 
naos,  in  der  Cella  eine  von  Herodes  Attikos  geweihte  Gruppe  aus  Gold 
und  Elfenbein  (Poseidon  und  Aphrodite  auf  einem  von  vier  Rossen 
aus  vergoldetem  Erz  gezogenen  Wagen,  daneben  Tritonen  und 
Palaemon  auf  einem  Delphin),  wohl  das  letzte  bedeutende  Werk 
der  chryselephantinen  Skulptur,  auf  einer  mit  Reliefs  geschmück- 
ten Basis.  Zur  Linken  des  Tempels  lag  ein  Heiligtum  des  Pa- 
laemon, ein  Rundtempel  mit  einer  von  vier  dorischen  Säulen  ge- 
tragenen, mit  Delphinen  als  Akroterien  verzierten  Kuppel,  aus 
welchem  ein  bedekter  Gang  zu  dem  Adyton,  einer  unterirdischen 
Opfer-  und  Schmausstätte  derselben  Gottheit,  führte.  ^)    Von  keinem 


^)  Paus.  c.  2,  3;  Apul.  met.  X,  35;  vgl.  die  Korinthische  Münze  bei 
Millingen  Me'dailles  grecq.  ine'dites  pl.  "2,  19;  über  die  Quelle  s.  Fiedler 
Reise  I,  S.  245  f.  Die  von  Plinius  (n.  h.  IV,  19,  57)  als  Kenchreae 
gegenüber  liegend  genannte  Insel  Aspis  (vgl.  Steph.  Byz.  u.  'AanCg) 
ist  entweder  das  kleine  flache  Inselchen  gerade  östlich  von  dem  Vor- 
gebirge Chersonesos,  das  nach  der  französischen  Karte  jetzt  Platu- 
rada  oder  Prasura  heisst,  oder  das  weiter  südlich  gelegene  etwas 
grössere  Ebraeonisi. 

2)  Paus.  c.  2,  1;  vgl.  C.  I.  Gr.  n.  1104  und  die  Korinthische 
Münze  bei  Miliin  Gal.  mythol.  CX,  402. 


1.  Argolis:  Koriulliia.  21 

der  beiden  Tempel  hat  man  bisher  auf  der  mit  Trümmerhaufen 
verschiedener  Art,  zwischen  denen  eine  kleine  verfallene  Capelle 
steht,  bedeckten  Hochfläche  eine  sichere  Spur  entdecken  können; 
wohl  aber  erkennt  man  noch  in  seinem  ganzen  Umfange  den  Pe~ 
ribolos  derselben,  der  mit  seinen  starken,  durch  Thürme  ver- 
theidigten  Mauern  ein  mit  der  Befestigungsmauer  des  Isthmos  (die 
hier  zugleich  die  Nordmauer  des  Peribolos  bildete),  zusammen- 
hängendes Festungswerk  ausmachte.  ^)  Es  umschloss  dieser  Peri- 
bolos noch  eine  nicht  geringe  Anzahl  anderer  Heiligtümer,  wie 
Tempel  des  Helios,  der  Demeter  und  Kora,  des  Dionysos,  der 
Artemis,  der  Eueteria  (Abundantia),  der  Kora,  des  Pluton;  ferner 
Altäre,  Heroengräber,  Wohnungen  und  Uebungsräume  für  die 
Athleten  u.  dgl.  mehr;  auch  Statuen  Isthmischcr  Sieger  waren 
darin  aufgestellt  und  Alleen  hochstämmiger  Pinien  bildeten  einen 
würdigen  Eingang  zu  dem  Tempel  des  mit  Kränzen  von  den 
Zweigen  dieses  Baumes  die  Sieger  in  seinen  Festspielen  lohnen- 
den Poseidon.  Die  eigentlichen  Anlagen  für  die  Spiele  lagen 
ausserhalb  des  ummauerten  Bezirkes:  etwas  gegen  Süden,  zur 
Rechten  der  von  der  Stadt  herkommenden  Strasse,  das  wenigstens 
zur  Zeit  des  Pausanias  mit  Silzen  aus  weissem  Marmor  geschmückte, 
noch  später  von  einer  Säulenhalle  mit  gewölbten  Gemächern  um- 
gebene Stadion,  dessen  Form  noch  deutlich  im  Boden  erkennbar 
ist;  westlich  vom  Peribolos,  fast  ganz  in  einer  schmalen  Schlucht 
versteckt,  das  Theater,  dessen  noch  erhaltener  Unterbau  einer 
Erneucnmg  in  der  Römischen  Zeit  angehört;  in  derselben  Gegend 
wird  wohl  auch  das  von  Herodes  Attikos  erbaute  bedeckte  Theater 
(Odeion)  gestanden  haben,  ^j  Material  zu  allen  diesen  sowie  zu 
den  städtischen  Bauten  lieferte  der  Isthmos  selbst  in  Fülle:  die 
am  meisten  ausgebeuteten  Steinbrüche  finden  sich  zwischen  dem 
Heiligtum  und   der   Stadt,    in   der  Nähe   des  Dorfes  Hexamilia.  ^) 


')  Vgl,  besonders  Clark  Peloponnesus  p.  47  ss.  mit  Plan  auf  pl.  2 
(wiederholt  auf  unserer  Tfl.  I,  1). 

*)  S.  ausser  Paus.  c.  1,  7;  c.  2,  1  f.  und  Pbilostr.  vit.  Soph.  II,  1, 
5  besonders  die  Inschrift  C.  I.  Gr.  n.  1104,  welche  ein  Verzeichniss  der 
von  P.  Licinius  Priscus  Juventianus  etwa  um  den  Beginn  dos  3ten  Jahr- 
hunderts n.  Chr.  auf  dem  Isthmos  neu  errichteten  un(i.  wiederherge- 
stellten Baulichkeiten  enthält. 

»  ^')  Sollte  etwa  auf  diese  Gegend  der  freilich  von  Neueren  mehrfach 
angezweifelte  Name  Lcukopctra,  womit  Aurol.  Vict.  de  vir.  ill.  c.  60 


22  H.   PelüjMjiitiesüs. 

Endlich  liiidet  man  auf  dem  ganzen  Räume  zwischen  der  Stadt, 
ihren  llälcn  und  dem  lleiligtume  wie  auch  auf  dem  Isthmos  jen- 
seits des  Heiligtums  zahllose  alte  Gräber,  welche,  obschon  bereits 
von  den  Römischen  Colonisten  nach  der  Wiederherstellung  der 
Stadt  vielfach  ausgebeutet,')  doch  bis  auf  den  heutigen  Tag  an 
bemallen  Thongefässen,  namentlich  des  ältesten  Stils,  ergiebig  sind. 
Von  der  Rückseite  Akrokorinlhs  aus  führte  durch  das  Te- 
neatische  Thor  an  einem  lleiligtume  der  Eileilhyia  vorüber  ein 
Rergpfad,  der  dann  in  die  schon  oben  (S.  9)  erwähnte  Konto- 
poria  einmündete,  in  3  Stunden  nach  Tenea,  einer  in  einem 
baumreichen  Ilochthale  in  der  Gegend  des  jetzigen  Chiliomodi 
gelegenen  Ortschaft,  deren  kräftige,  hauptsächlich  wohl  von  Vieh- 
zucht lebende  Revölkerung  einen  auffallenden  Gegensatz  zu  den 
verweichlichten  Stadtbewohnern  bilden  mochte  und  zu  kühnen 
auswärtigen  Unternehmungen,  wie  zum  Beispiel  zur  Gründung 
von  Syrakus,  die  tüchtigsten  Leute  stellte:  sie  betrachteten  sich 
als  Abkömmlinge  der  alten  Troianer  und  Stammverwandte  der 
Bewohner  der  Insel  Tenedos  und  verehrten  als  Ilauptgottheit  den 
Apollon/^)  Der  ganze  Landstrich  östlich  davon,  der  ganz  von 
dem  Oneion  und  den  nördlichsten  Verzweigungen  der  Epidaii- 
rischen  Gebirge  eingenommen  nur  wenig  anbaufähiges  Land  be- 
sitzt, bildete  wohl  den  schon  oben  (S.  12,  Anm.  2)  erwähnten 
Gau  Petra,  zu  dem  jedenfalls  auch  die  ebenfalls  (S.  12)  bereits 


die  Oertlichkeit  der  der  Zerstörung  Korinths  vorhergehenden  Schlacht 
zwischen  Mummius  und  Diaios  bezeichnet,  zu  beziehen  sein? 

0  S.  Strab.  VIII,  p.  381  s.,  dazu  O.  Jahn  Einleitung  in  die  Vasen- 
kunde S.  XXIV,  der  aber  schwerlich  mit  Recht  die  oorgccyiivcc  TOQSV{iatci 
auf  Gefässe  mit  Reliefs  oder  Thonreliefs  deutet.  Die  von  ihm  selbst 
angeführten  Stellen  des  Martialis  (ep.  IV,  46,  16  und  XIV,  102),  in 
denen  ein  Thongefäss  rotae  toreuma  genannt  wird,  zeigen,  dass  man 
allerdings  das  Wort  toqeviicc  auch  von  den  auf  der  Töpferscheibe  ge- 
formten Gefässen  gebraucht  hat,  ein  Sprachgebrauch,  der  aus  einer 
Verwechselsung  von  toqsvblv  und  toqvsvslv  entstanden  zu  sein  scheint. 

2)  Strab.  p.  380;  Paus.  c.  5,  4;  Xen.  Hell.  IV,  4,  19:  vgl.  Curtius 
Pel.  II,  S.  597;  Ross  archäol.  Aufsätze  II,  S.  344  ff.  Die  Stammver- 
wandtschaft mit  den  Tenediern  könnte  man  geneigt  sein  aus  einer 
etymologischen  Spielerei  zu  erklären;  doch  führen  die  Notizen  von  einer 
Stadt  Tenedos  in  Lykien  od.  Pamphylien  (Steph.  B.  u.  Tsvsdog) 
und  in  Troia  (schol.  Pind.  Nem.  XI  argum.)  in  Verbindung  mit  dem 
Apolloncult  auf  troisch-lykischen  Ursprung  der  Bevölkerung  beider  Ge- 
genden. 


1.  Argolis:  Sikyonia.  23 

erwähnte  Ortschaft  Solygeia  und  die  weiter  südöstlich  zunächst 
der  Gränze  des  Epidaurischen  Gebietes  gelegene,  von  den  Korin- 
thern wegen  der  weiten  Entfernung  von  der  Stadt  und  der  Schwie- 
rigkeit der  Communication  nicht  benutzte  Hafenbucht  Peiraeos^) 
gehörten. 

Gerade  westwärts  von  der  Stadt,  links  an  der  nach  Sikyon 
führenden  Strasse,  lag  ein  Tempel  des  Olympischen  Zeus,  der 
zur  Zeit  als  Agesilaos  nach  Asien  zog  plötzlich  von  Feuer  ver- 
zehrt wurde  —  was  die  Korinther  als  eine  Warnung  vor  der 
Thellnahme  an  diesem  Zuge  ausdeuteten  —  und  seitdem  in  Trüm- 
mern liegen  blieb.  2)  Weiterhin  in  der  von  mehreren  Bächen 
durchflossenen,  äusserst  fruchtbaren  Strandebene,  die  eine  durch- 
schnittliche Breite  von  V2  — %  Stunden  hat  und  deren  süd- 
lichen Band  die  allmälig  ansteigenden  nördlichen  Vorberge  des 
Treton  und  Apesas  bilden,  mögen  etwa  die  als  grosse  und  volk- 
reiche Komen  der  Korinthia  bezeichneten  Ortschaften  Asae  und 
Mausos^)  gelegen  haben.  Unter  den  Bächen  ist  der  bedeutendste 
der  jetzt  Longopotamos  genannte,  der  aus  dem  Thale  von 
Kleonae  herkommend  eine  Stunde  westlich  von  Korinth  die  Ebene 
durchfliesst;  nach  diesem,  noch  eine  Stunde  weiter  westlich,  der 
Giessbach  Nemea^)  (jetzt  Bach  von  Kutzomati  genannt),  dessen 
Wasser  gewöhnlich  das  Meer  nicht  erreicht.  Jenseits  desselben 
beginnt  die  Sikyonia,  das  Gebiet  von  Sikyon,  einer  der  alte-  sikyonia. 
sten  griechischen  Ortschaften,  die  von  den  ägialeischen  loniern 
begründet  zuerst  den  Namen  Mrjxcovrj  ('die  Mohnstadt')  geführt 
haben  soll,  der  dann,  offenbar  in  Folge  des  bedeutenden  Gemüse- 
baues in  den   die   Stadt   umgebenden   Gärten,   in   Zsxvcjv  oder 


*)  Thuk.  VIII,  10  f.;  vgl.  Steph.  u.  TleLQdLog.  Die  Bucht,  welche 
wahrscheinlich  dem  jetzigen  Porto  Franco  entspricht,  scheint  mit  dem 
von  Plili.  n.  h.  IV,  9,  18  und  Ptol.  III,  16,  12  erwähnten  Hafen  Bu- 
kcphalos  (vgl.  Steph.  Byz.  p.  181,  15  ed.  Mein.,  wo  vielleicht  'Amris 
für  'ATtm^e  zu  schreiben  ist)  identisch  zu  sein. 

2)  Paus.  II,  6,  6;  III,  9,  2:  vgl.  Theophr.  de  caus.  plant.  V,   14,  2. 

')  Theopomp,  bei  öteph.  Byz.  u.  'Aaai  und  Mccvöog:  der  letztere 
Name  scheint  karischen  Ursprunges  zu  sein,  der  crstere,  wohl  wie 
Asea  und  Asopos  von  ccaig  abzuleiten  (vgl.  Etym.  M.  p.  161,  44),  eine 
Niederung  mit  fruchtbarem  Schlamm-  oder  Lehmboden  zu  bezeichnen. 

<)  Strab.  VIII,  p.  382;  Diod.  XIV,  83;  Aeschin.  de  falsa  leg.  §  168; 
Liv.  XXXIII,  15.  Nach  ötat.  Theb.  IV,  717  ss.  (vgl.  v.  51;  Nikandr. 
alexiph.  105)  mutts  der  Bach  auch  den  Namen  Langeia  geführt  haben. 


24  ,  II.  Peloponncsos. 

Zlxvcov  ('Gurken-Land')  umgewandelt  wurde,  welcher  Name  nur 
vorübergehend  durch  Demetrios  Poliorketes  mit  zlrj^irjTQLccg  ver- 
tauscht worden  ist.  ^)  Trotz  der  geringen  Ausdehnung  des  im 
Süden  an  die  Phliasia,  im  Westen  an  Arkadien  und  Achaia 
gränzenden  Gebietes  spielt  Sikyon  doch  in  der  Geschichte  der 
Kunst  und  Industrie  eine  bedeutende  Rolle  und  wetteifert  nicht 
ohne  Glück  mit  Korinth.  Diese  Bedeutung  verdankt  es  haupt- 
sächlich der  Tyrannis  der  Orthagoriden,  welche  gestützt  auf  das 
ionische  Element  der  Bevölkerung,  das  auch  nach  der  von  Argos 
aus  erfolgten  Dorisirung  der  Stadt  sich  erhalten  und  in  der  den 
drei  dorischen  coordinirten  Phyle  der  AlyiaXsig  concentrirt  hatte, 
ein  volles  Jahrhundert  hindurch  (etwa  666—566)  in  ebenso  kluger 
als  milder  Weise  die  Stadt  beherrschten,  Kunst,  Handel  und  Gewerb- 
fleiss  begünstigten  und  vielleicht  auch  ihr  Gebiet  durch  Unterwerfung 
benachbarter  Orte  erweiterten.  2)  Nach  dem  Sturz  dieser  Dynastie 
durch  Sparta  verlor  Sikyon  zwar  fast  alle  pohtische  Bedeutung, 
indem  es  im  Wesentlichen  als  Werkzeug  der  spartanischen  Po- 
litik dienen  musste,  aber  es  blieb  angesehen  und  blühend  als  ein 
Ilauptsitz  der  Bildnerei  in  Marmor  und  Erz  und  der  Malerei, 
durch  seine  Industrie,  als  deren  Erzeugnisse  besonders  zierliche 
Schuhe  genannt  werden,^)  und  durch  seinen  bedeutenden  Binnen- 
handel, wofür  noch  die  grosse  Anzahl  Sikyonischer  Münzen,  welche 
man  in  den  verschiedenen  Theilen  des  Peloponnes  findet,  Zeug- 
niss  geben.     Ausserdem  war   auch  bei  der  Fruchtbarkeit  der  zu 


*)  Hesiod.  Theogon.  536;  Strab.  p.  382;  Steph.  Byz.  u.  Siv,v(6v: 
vgl.  Etym.  M.  p.  583,  55.  Die  E^rm  Zehvcov  ,  welche  nach  Apollonios 
(bei  Bekker  anecd.  p.  555,  5)  die  einheimische  war,  wird  durch  die  älteren 
Münzen,  welche  gewöhnlich  die  Buchstaben  2E  zeigen,  und  durch  die 
Inschrift  der  Delphischen  Schlangensäule  {EEKFONlOl)  bestätigt; 
doch  giebt  eine  von  Cyriacus  beim  Theater  copirte  Inschrift  (C.  I.  Gr. 
n.  1108),  falls  die  Copie  zuverlässig  ist,  Sl'kv(ov{l)(ov.  —  JrjßrjtQLds: 
Diod.  XX,  102;  Plut.  Demetr.  25.  --  Vgl.  über  das  Gebiet  und  die  Ge- 
schichte der  Stadt  auch  Gompf  Sicyonica,  Berlin  1832  und  im  Pro- 
gramm des  Gymnasiums  zu  Torgau  1834,  und  Bobrik  De  Sicyoniae  topo- 
graphia,  Königsb.  1839. 

2)  Aristot.  pol.  V,  12  (p.  161,  11  Bekk.  ed.  min.);  vgl.  O.  Müller  Dorier 
I,  S.  162  fif.;  Grote  Geschichte  Griechenlands  II,  S.  27  ff.  d.  d.  Ueb.;  Ur^ 
lichs  Skopas  Leben  und  Werke  S.  221  ff.,  dessen  Schluss  auf  eine  Ero- 
berung von  Kleonae  durch  Sikyon  aus  Plut.  de  sera  num.  vind.  7  freilich 
keineswegs  zwingend  ist. 

3)  Athen.  IV,  p.  155  <=;  Lucian  dial.  mer.  14,  2;  Poll.  VII,  93. 


1.   Argolis:  Sikyotiia.  25 

seinem  Gebiete  gehörigen  Strandebene  (vgl.  S.  10,  Anni.  1)  der 
Land-  und  Gartenbau,  insbesondere  der  Oelbau,  von  nicbt  geringer 
Bedeutung;  die  Abhänge  der  Berge  boten  treffliche  Weiden  fiir 
die  Züchtung  edler  Bosse,  das  Meer  endlich  lieferte  eine  Fülle 
wohlschmeckender  Fische. ')  —  Die  Bevölkerung,  deren  Gesammt- 
zalil  man  auf  etwa  40  —  50,000  Seelen  veranschlagen  kann,  -) 
zerfiel,  wie  schon  bemerkt,  in  vier  Phylen:  die  drei  dorischen  der 
Hylleer,  Dymaner  und  Pamphyler  und  die  das  altionische  Element 
repräsentirende  der  Aegialeer.  Unter  Kleisthenes,  dem  bedeuten- 
sten  und  machtigsten  der  Orthagoriden,  wurden  nach  dem  Be- 
richte des  Herodotos  (V,  68)  in  offener  Verhöhnung  des  dorischen 
Elementes  den  dorischen  Phylen  die  Spottnamen  der  'Tärai^ 
'Oveätai  und  XoLQsätcct  als  officielle  Benennungen  octroyiert, 
der  Name  der  Aegialeer,  zu  welcher  Phyle  die  herrschende  Dy- 
nastie gehörte,  in  ^AQxilaoi  umgewandelt,  Veränderungen,  die 
natürlich  mit  dem  Sturze  der  Tyrannis  wieder  aufhörten,  da  seit- 
dem das  dorische  Element  wenigstens  in  politischer  Hinsicht  wieder 
die  Oberhand  gewann.  Ausserhalb  dieser  Phylen  sland,  wie  es 
scheint,  eine  Klasse  von  Hörigen,  welche  nach  den  grossen  Stöcken, 
die  sie  zu  tragen  pflegten,  KogvvritpoQOi^  nach  ihrer  mit  Schaaf- 
fellen  besetzten  Kleidung  xatcovaxocpoQOL  genannt  wurden^)  und 
im  Kriege  jedenfalls  nur  als  Lcichlbewafl'nete,  in  Friedenszeiten 
als  Ackerbauer  und  Hirten  dienten;  daneben  muss  noch  eine  ge- 
wiss nicht  sehr  beträchtliche  Zahl  von  Sklaven  als  Hausdiener- 
schaft, Arbeiter  in  den  Werkstätten  und  Buderknechte  auf  den 
Schiffen  vorhanden  gewesen  sein. 

Die  Stadt  selbst  lag  auf  einer  breiten,  terrassenartigen  Hoch- 
fläche oberhalb  der  Strandebene,  welche  im  Osten  durch  das  Bett 
des  in  den  Gebirgen  oberhalb  Phlius  entspringenden  Asopos, 
nach  welchem  die  Ebene  unterhalb  der  Stadt  Asopia  genannt 
wurde*),   im  Westen   durch   das  eines  kleineren  von  den  Gränz- 


')  Vgl.  Gorapf  Sicyonica  p.  14  s;  Curtius  Peloponnesos  II,  S.  583 
Antn,  58. 

')  Vgl.  Clinton  Fasti  Ilellenici  ed.  Kriigor  p.  429. 

^)  PoU.  III.  83;  Steph.  Byz.  p.  694,  5  ed.  Mein.;  Athen.  VI,  p.  271  «»; 
die  Zurückführung  des  Namens  der  xarcai'rtxoqpd^oi  auf  die  Tyrannen 
bei  Poll.  VII,  68  scheint  auf  einem  Irrthume  zu  beruhen. 

•)  Strab.  VIII,  p.  382;  IX,  p.  408. 


26  II.  Peluponnesos. 

gebirgen  Arkadiens  herkommenden  Baches,  des  llelisson,')  ab- 
gegränzt  ist;  die  Ufer  beider  Bäche  fallen  steil  ab  und  sind 
wegen  des  lockeren,  erdigen  Bodens  vielfach  zerklüftet.  Diese 
Ilochnäche,  die  gegen  Süden  hin  immer  schmäler  wird  und  nur 
durch  eine  Art  Isthmos  mit  dem  dahinter  liegenden  hohen  Berge 
zusammenhängt,  bildete  bis  zur  Unterwerfung  der  Stadt  durch 
Demetrios  Poliorketes  (Ol.  119,  2)  bloss  die  Oberstadt  oder  Burg, 
an  welche  sich  noch  eine  am  Abhänge  und  auf  der  letzten  nie- 
drigen Abdachung  der  Berge  gegen  die  Strandebene  gelegene 
Unterstadt  anschloss;  Demetrios  aber  zwang  die  Bewohner  diese 
zu  verlassen  und  sich  auf  die  Hochfläche  zurückzuziehen,  wo  er 
eine  neue  Stadt  nach  regelmässigem  Plane  anlegte,  der  er  sogar 
seinen  Namen  octroyierte. ^)  Diese  neue  Stadt,  welche  durch 
Aratos  wieder  zu  politischer  Bedeutung  gelangte  und  durch  die 
Bömer  zunächst  nach  der  Zerstörung  von  Korinth  begünstigt, 
dann  aber  durch  M.  Scaurus  ihrer  besten  Kunstschätze,  nament- 
lich der  theils  in  den  Tempeln,  theils  in  einer  öfl'entlichcn  Ge- 
mäldegalerie (der  sogenannten  Tioimlri  örocc)  aufgestellten  Gemälde 
beraubt,  im  Beginn  der  Kaiserzeit  (wahrscheinlich  unter  Tiberius 
im  Jahre  23  n.  Chr.)^)  durch  ein  heftiges  Erdbeben  heimgesucht 
wurde,  ist  von  Pausanias  (li,  c.  7 — 11)   beschrieben  worden  und 


^)'EUoO(6v  Paus.  II,  12,  2;  Elissos  Stat.  Theb.  IV,  52,  nach 
welcher  Stelle  ein  Heiligtum  der  Eumeniden  an  diesem  Bache  gewesen 
sein  muss,  während  Pausanias  II,  11,  4  einen  Tempel  dieser  Göttinnen 
in  einem  Haine  von  Stecheichen  nahe  dem  rechten  Ufer  des  Asopos 
erwähnt:  sind  beide  Heiligthümer  verschieden  oder  hat  Statius  (der 
sonst  in  der  Geographie  Griechenlands  sehr  gut  Bescheid  weiss)  den 
Helisson  mit  dem  Asopos  verwechselt? 

2)  Paus.  II,  7,  1;  vgl.  S.  24,  Anm.  1.  Die  Stadt  heisst  noch  bei 
Hierokles  Synekd.     10  Nsa  SiHVcov. 

^)  Paus.  c.  7,  1,  wo  die  Zeit  dieses  Erdbebens  nicht  bestimmt,  aber 
erwähnt  ist,  dass  durch  dasselbe  auch  die  Städte  Kariens  und  Lykiens 
und  die  Insel  Rhodos  heimgesucht  worden  seien;  darnach  könnte  man 
an  das  Erdbeben  im  Jahre  17  n.  Chr.  denken  (Tac.  ann.  II,  47;  vgl. 
Strab.  XII,  p.  579;  Plin.  n.  h.  II,  86,  200),  allein  da  nirgends  von  einer 
Erstreckung  desselben  auf  die  Küsten  des  Peloponnes  die  Rede  ist, 
halte  ich  es  für  wahrscheinlicher,  dass  Paus,  das  vom  Jahre  23,  durch 
welches  nach  Tac.  ann,  IV,  13  auch  Aegion  in  Achaia  geschädigt  wurde, 
gemeint  hat.  Noch  jetzt  geben  zahlreiche  herabgestürzte  Felsblöcke 
auf  der  Stelle  der  alten  Stadt  von  den  Wirkungen  dieses  oder  noch 
späterer  Erdbeben  Zeugniss. 


1.  Argolis:  Sikyönia.  27 

von  ihr  sind  noch  jetzt  ausgedehnte  wenn  auch  nicht  eben  an- 
sehnliche Trümmer  bei  dem  Dorfe  Vasililia,  das  nur  einen  Theil 
der  Ostseite  der  Hochfläche  einnimmt,  erhalten,^)  während  von 
der  unteren  Stadt  nur  einige  ganz  geringe  Spuren  vorhanden 
sind,  wie  einige  Hausplätze,  die  ich  an  dem  Wege  bemerkte,  der 
sich  von  Osten  her,  nachdem  man  den  Asopos  auf  einer  hohen 
türkischen  Brücke  überschritten  hat,  neben  welcher  ich  noch 
einige  Resle  einer  antiken  Brücke  erkannte,  den  Abhang  nacli 
dem  Dorfe  VasiHka  hinaufzieht;  doch  können  dies  auch  die  Stellen 
alter  Grabmäler  sein,  deren  mehrere  nach  Tansanias  (c.  7,  2  fg.) 
an  der  von  Korinth  herkommenden  Strasse  jenseits  wie  diesseits 
des  Asopos  angelegt  waren,  meist  in  Form  kleiner  Tempelfaraden, 
indem  auf  einem  steinernen  Unterbau  zwei  Säulen  sich  erhoben, 
welche  einen  giebelförmigen  Aufsatz  mit  dem  Namen  des  Ver- 
storbenen und  dem  Abschiedsgrusse  (xcctQs)  trugen.  Auch  ein 
Heiligtum  des  Olympischen  Zeus  (Olympion)  stand  rechts  von 
der  Strasse  diesseits  des  Asopos.  Zunächst  an  dem  Thore,  durch 
welches  Tansanias  die  Stadt  betrat,  war  eine  Grotte,  von  deren 
Decke  Quellwasser  herabtropfte,  die  sogenannte  Tropfquelle,  deren 
Stelle  wohl  in  Folge  der  Erdbeben,  die  den  Boden  der  Stadt 
heimgesucht  haben,  sich  nicht  mehr  mit  Sicherheit  nachweisen 
lässt.  2)  Für  die  Topographie  der  Stadt  selbst  bietet  den  sicher- 
sten Anhaltspunkt  das  Theater,  welches  westlich  vom  Dorfe 
Vasilika  in  die  Nordostseite  einer  kleineren  höheren  Felsterrasse, 
auf  welcher  nach  Tansanias  (c.  7,  5)  die  Akropolis  der  neueren 
Stadt  mit  Hciligthümern  der  Tyche  Akraea  und  der  Dioskuren 
stand,  hineingebaut  ist:  sowohl  die  Sitzreihen,  mit  Ausnahme  der 
aus  grossen  Quadern  construirten  beiden  Enden  des  Halbkreises, 
t 

')  Vgl.  den  Plan  der  Ruinen  in  der  Exped.  de  Morde  III,  pl.  81 
(wiederholt  bei  Aldenhoven  Itineraire  descriptif  de  l'Attrque  et  du  Pc'- 
loponnfese  zu  p.  93  und  bei  Curtius  Pel.  II,  Tfl.  XIX)  und  die  Beschrei- 
bungen bei  Curtius  a.  a.  O.,  S.  489  f.  und  bei  Vischer  Erinnerungen 
«.  274  ff. 

*)  In  der  kleinen  unmittelbar  westlich  vom  Dorfe  Vasilika  sich 
hinziehenden  Schlucht,  in  der  sich  noch  mehrere  Mauorreste  aus  Sand- 
steinquadern, wohl  Unterbauten,  finden,  quillt  weiter  abwärts  gegen 
Nordosten  Wasser  aus  dem  Felsen  hervor  und  bildet  herabfallend  einen 
kleinen  Bach:  war  hier  die  azd^ovacc  nriyjj  dos  Pausanias  (c.  7,  4),  so 
musste  die  Strasse  von  Korinth  nördlich  um  den  Voraprung  der  Torrasso, 
auf  dem  das  jetzige  Dorf  liegt,  sich  herumziehen. 


28  II.   Peloponiiesüs. 

als  auch  die  Fundamente  des  Skenengehäudes  sind  aus  dem 
natürlichen  Felsen  gearbeilet;  ausser  den  gewöhnlichen  Eingängen 
zu  beiden  Seiten  der  Orchestra  gewähren  noch  zwei  gewölbte  Gänge 
unter  den  Sitzreihen  hindurch  den  Zuschauern  Zugang  zur  Cavea.  ^) 
Ein  längerer  Felsgang,  in  welchen  man  durch  eine  Grotte  mit 
doppeltem  Eingang  gelangt,  führt  hinter  dem  Zuschauerräume 
des  Theaters  eine  Strecke  weit  in  den  Berg  hinein  und  setzt  sich 
dann  in  einem  engern  Canale  fort,  der  wahrscheinlich  zur  Her- 
beiführung von  Trinkwasser  für  die  Stadt  bestimmt  war;  ähnliche 
Canäle  zogen  sich  als  Cloaken  unter  dem  Stadtboden  nach -der 
Ebene  hinab,  ^j  Nordwestlich  neben  dem  Theater  erkennt  man 
noch  das  von  Pausanias  nicht  erwähnte  Stadion  in  der  Einsenk- 
ung  zwischen  der  Akropolis  und  einer  zweiten  Anhöhe:  die 
Langseiten  waren  an  den  vorderen  Enden  durch  Mauerwerk  ge- 
stützt, die  nordöstliche  Schmalseite  ruhte  auf  einem  noch  wohl 
erhaltenen  Unterbau  von  grossen  polygonen  Werkstücken.  Das 
Theater  gehörte  wie  in  so  vielen  griechischen  Städten  zum  heiligen 
Bezirke  des  Dionysos,  dessen  ein  Goldelfenbeinbild  des  Gottes 
und  Marmorstatucn  von  Bakchantinnen  enthaltender  Tempel,  von 
dem  jetzt  keine  Spur  mehr  vorhanden  ist,  hinter  dem  Skenen- 
gebäude  gestanden  zu  haben  scheint;  zwei  andere  Bilder  des 
Gottes  wurden  in  einem  besonderen,  doch  wohl  auch  innerhalb 
des  heiligen  Bezirkes  gelegenen  Gebäude,  dem  Kosmeterion,  auf- 
bewahrt und  nur  einmal  jährlich  zur  Nachtzeit  in  festlichem  Zuge 
in  den  Tempel  geführt.^)  —  Die  ebene  Fläche  östlich  und  nord- 
östlich vom  Theater  ist  jetzt  noch  auf  eine  Länge  von  etwa  einer 
Viertelstunde  mit  zahlreichen  Grundmauern  alter  Gebäude,  zwi- 
schen denen  man  noch  die  Linien  der  sehr  regelmässig  angelegten 
alten  Strassen  erkennen  kann,   bedec||t.    Die  bedeutendste  dieser 


*)  Vgl.  den  Plan  in  der  Expe'dition  de  More'e  III,  pl.  82. 

2)  Plut.  Arat.  9;   vgl.  Ross  Reisen  im  Peloponnes  I,  S.  48. 

3)  Paus.  c.  7,  5.  Der  alteinheimische  Name  des  Gottes  scheint 
Adrastos  gewesen  zu  sein,  da  nach  Herod.  V,  67  (dessen  Darstellung 
aber  wenigstens  in  Bezug  auf  das  Verhältniss  des  Kleisthenes  zu  diesem 
Culte  nicht  recht  klar  ist)  die  Sikyonier  von  Alters  her  diesen  mit  ''tra- 
gischen' d.  i.  Satyrchören,  deren  Gesänge  seine  leidensvollen  Schick- 
sale behandelten,  ehrten.  Vgl,  Welcker  zu  Schwencks  Etymologisch- 
mythologischen Andeutungen  S.  302  f.  Anders,  aber  schwerlich  rich- 
tiger, fasst  den  Adrastos  Baumeister  De  Atye  et  Adrasto  (Lipsiae  1860) 
p.  9  SS. 


1.  Argolis:  Sikyoniy.  29 

Strassen  scheint  diejenige  gewesen  zu  sein,  welche  wahrscheinlich 
in  der  Richtung  von  Südwest  nach  ^Nordost  an  einem  Tempel  der 
Artemis  Limnaea  vorüher  nach  der  Agora  führte,  in  welche  sie 
bei  einem  Heligthume  der  Peitho  einmündete,  das  schon  zu  der 
Zeit,  wo  die  eigentliche  Stadt  noch  in  der  Strandehene  lag,  inner- 
halb der  damaligen  Akropolis  bestanden  hatte;  neben  demselben 
stand  ein  Ileiligthum  der  römischen  Kaiser,  früher  das  Ilaus  des 
Tyrannen  Kleon,^)  vor  welchem  man  dem  Befreier  Sikyons  von 
der  Tyrannenherrschaft,  dem  Ära  tos,  ein  Heroon  errichtet  hatte. 
Ferner  befanden  sich,  um  die  blossen  Altäre  und  Götterbilder 
zu  übergehen,  2)  an  der  Agora  das  ßuleuterion,  eine  vom  Tyrannen 
Kleisthenes  aus  der  ßeute  des  heiligen  Krieges  gegen  Kirrha  er- 
baute, also  >\ieder  noch  von  der  alten  Akropolis  herstammende 
Halle  und  ein  sehr  alterthümliches,  zur  Zeit  des  Pausanias  (s.  c. 
9,  7;  vgl.  Polyb.  XVII,  16)  schon  völlig  verfallenes  Heiligtum 
des  Apollon  Lykios.  Nicht  weit  vom  Markte  lag  das  dem  Hera- 
kles geweihte  Gymnasion,  ein  hauptsächlich  für  die  Uebungen  der 
Knaben  bestimmter^)  umschlossener  Raum  mit  einem  Heiligtum 
des  Herakles  in  der  Mitte,  in  welchem  derselbe  zugleich  als  Gott 
und  als  Heros  verehrt  vvurde.  Eine  Strasse,  deren  Richtung  uns 
nicht  angegeben  wird,  führte  von  hier  nach  dem  Heiligtume  des 
Asklepios,  dessen  geräumiger  Peribolos  neben  dem  Tempel  dieses 
Gottes  eine  Halle  und  eine  Doppelcapelle  des  Hypnos  und  des 
Apollon  Karneios  enthielt;  ein  anderer  Peribolos  lag  nahe  dabei, 
der  Aphrodite  geweiht,  mit  dem  chryselephantinen  Sitzbilde  der 
Göttin  von  Kanachos;  um  den  Tempel  herum  wuchs  eine  angeb- 
lich sonst  nirgend  vorkommende  Pflanze,  der  jtaiösQCog,  deren 
Hlätler  nach  der  Beschreibung  des  Pausanias  (c.  10,  6j  an  Form 
denen  der  Eiche,  an  Farbe  denen  der  Silberpappel  glichen.^) 
Stieg  man  von  diesem  ofl'cnbar  schon   am  Abhänge   der  Terrasse 


')  Vgl.  über  diesen  Plass  Die  Tyrannis  bei  den  Griechen  II,  8,  15G. 

*)  Vgl.  darüber  Paus.  c.  7,  7  ff.  Eine  sitzende  Statue  auf  der 
Agora  der  älteren  Stadt  erwähnt  Aristot.  pol.  V,  12,  p.  161,  18  Bekk. 
ed.  min. 

3)  Dies  ist  zu  schlicssen  aus  dem  von  Paus.  c.  10,  1  angegebenen 
Namen  TLaiöi^r]^  dessen  grammatische  Form  freilich  sehr  zweifelhaft  ist. 

^)  Nach  Plin.  n.  h.  XXII,  ,'M,  70  eine  Art  Acanthus.  Die  lilättcr 
wurden  auch  als  Färbemittel  gebraucht  (Atlien.  XII  p.  5-42  «•;  XIII,  p. 
r.(;8  *=);  die  Sikyonischen  Phalloplunrii  banden  sio  statt  der  Masken 
vora  Gesicht  (ibid.  XIV,  i^.  G22  '^). 


30  n.  Pelopoiinesos. 

gegen  die  Strandebene  zu  gelegenen  Peribolos  wieder  auf  die 
Ilochfläclie  empor,  so  liam  man  bei  dem  IleiligLume  der  Artemis 
IMieräa  vorüber  zu  einem  zweiten  Gymnasion,  das  von  Kleinias, 
dem  Vater  des  Aratos,  erbaut  für  die  Uebungen  der  Epbeben 
benutzt  wurde.  Eine  Seitenstrasse  führte  von  diesem  nach  dem 
heiligen  Thore,  welches  seinen  Namen  einem  hochaltertüm- 
lichen,  angeblich  von  dem  mythischen  Epopeus  gegründeten  llei- 
ligtume  der  Athena  verdankte,  von  welchem  zur  Zeit  des  Tan- 
sanias (c.  11,  1)  nur  der  Altar  der  Göttin  und  davor  das  Grab 
des  Epopeus  übrig  war;  in  der  Nähe  stand  ein  Tempel  des  ApoUon 
und  der  Artemis,  den  derselbe  Epopeus,-  und  einer  der  Hera,  den 
Adrastos  gegründet  haben  sollte,  also  lauter  alte  Heiligtümer,  die 
schon  der  früheren  Akropolis  angehört  hatten.  Hinter  dem  Heräon 
standen  Tempel  des  ApoUon  Karneios  und  der  Hera  Prodromia, 
von  denen  Tansanias  (c.  11,  2)  nur  noch  Säulen  ohne  Cellamauern 
und  Dach  vorfand;  unterhalb  desselben  nach  der  Strandebene  zu 
endlich  ein  Tempel  der  Demeter  Epopis.  ^) 

Der  Hafenort  von  Sikyon,  der  schlechtweg  6  udiiirjv  genannt 
wurde,  lag  ^/^  Stunden  unterhalb  der  Oberstadt,  ein  künstüch 
ausgegrabenes  Becken,  das  jetzt  vollständig  versandet  ist.  An  der 
Strasse  nach  demselben  stand  zur  Linken  ein  Tempel  der  Hera; 
zwischen  dem  Hafen  und  dem  Helisson,  etwas  links  oberhalb  der 
an  der  Küste  hin  nach  Aristonautae,  dem  Hafen  der  an  die  Sikyonia 
gränzenden  achäischen  Stadt  Pellene,  führenden  Heerstrasse,  ein 
HeiUgtum  des  Poseidon.  2)  Zum  Gebiete  der  Stadt  gehörte  ausser  der 
Strandebene  zwischen  dem  Bache  Nemea  im  Osten  und  dem  von  den 
Nordabhängen  der  arkadischen  Kyllene  herabfliessenden  Sys  oder 
Sythas  im  Westen  das  Bergland  südwärts. von  der  Stadt  in  einer 
Länge  von  etwas  über  3  Stunden,  durch  welches  in  gerader  süd- 
licher Richtung  im  engen  Thale  des  Asopos  die  Strasse  nach 
Phlius,  der  südlichen  Gränznächbarin  von  Sikyon,  hinlief.  Westlich 
von  dieser  Strasse  führte  über  die  fast  ganz  aus  weichem  Sand- 
stein und  weisslichem  Thon  bestehenden,  daher  meist  kahlen 
und  vom  Wasser  zerklüfteten  Berge  ein  Fusspfad  nach  Titane, 
der  einzigen  bedeutenderen  Ortschaft  der  Sikyonia  ausser  der 
Hauptstadt,  welche  60  Stadien  südwestlich  von  Sikyon  auf  einem 


^)  Paus.  a.  a.  O.;  vgl.  Hesyeh.  u.  'Enconig. 

2)  Paus.  c.  12,  2;  vgl.  Xenoph.  Hell.  VII,  3,  2;  Polyaen.   V,  16,  S. 


1.  Arj(olis:  Sikvonia.     ~  31 


flachen,  im  Westen  von  liöheren  Gipfeln  überragten  Hügelriiclien 
bei  dem  jetzigen  Dorfe  Voivonda  oberhalb  des  linken  Ufers  des 
Asopos  lag  und  ihre  Bedeutung  wesentlich  einem  hochalterthüm- 
lichen,  von  Heilung  Begehrenden  viel  besuchten  Heiligtume  des 
Asklepios  verdankte.  Der  periptere  Tempel  war  von  einem 
geräumigen  Peribolos  umgeben,  welcher  Wohnungen,  besonders  für 
die  Curgäste,  und  eine  Anzahl  alter  Kypressenbäume  enthielt.  In 
der  Cella  des  Tempels  standen  altertümliche  Bilder  des  Askle- 
pios und  der  Hygieia,  vollständig  bekleidet  mit  Ausnahme  des 
Gesichts,  der  Hände  und  Füsse,  ferner  Statuen  des  Alexanor, 
welcher  für  einen  Enkel  des  Asklepios  und  Stifter  des  Tempels 
galt,  und  des  Euamerion,  eines  mit  göttlichen  Ehren  gefeierten 
Dämon  des  körperlichen  Wohlseins;  in  einem  besonderen  Gemache, 
einer  Art  Adyton,  wurden  heilige  Tempelschlangen  gehalten.  Auf 
dem  etwas  höheren  östlichsten  Theile  des  Hügels,  welcher  wahr- 
scheinlich als  Akropolis  diente,  lag  ein  kleinerer  im  dorischen 
Stile  erbauter  Tempel  der  Athena,  dessen  Stelle  jetzt  eine  Ka- 
pelle des  heiligen  Tryphon  einnimmt,  am  Fusse  des  Hügels  ein  Altar 
der  Winde,  auf  welchem  nur  einmal  jährlich  zur  Nachtzeit  geopfert 
wurde.  ^)  —  Ausserdem  gab  es,  abgesehen  von  einigen  nur  beiläufig 
erwähnten  kleinen  Ortschaften,  wie  Ephyra  an  einem  Bache  Sel- 
leis,  Platää  der  Heimat  eines  Dichters  Mnasalkes,  und  dem 
ziemlich  zweifelhaften  Buphia,^)  in  der  Sikyonia  noch  mehrere 
Castelle  zum  Schulze  der  Gränzen:  so  Thyamia,  ein  von  den 
Sikyoniern  Ol.  103,  1  befestigter  Gränzort  gegen  die  Phliasia, 
auf  einem  jetzt  Spiria  genannten  Gipfel  oberhalb  des  rechten 
Asoposufers^),  und  ein  ähnliches  Castell  auf  einem  Bergvorsprunge 
oberhalb  des  linken  Ufers  in  der  Nähe  des  jetzigen  Dorfes  Lio- 
pesi,  von  welchem  uns  nur  noch  Mauerreste  aber  nicht  der  antike 


*)  Paus.  c.  11,  5  ff.;  vgl.  Ross  Reisen  im  Peloponnes  S.  50  ff. 

2)  Strab.  VIII,  p.  338;  IX,  p.  412;  Steph.  Byz.  li.  BovcpCu:  die  Vermu- 
thung  von  Ross  (a.  a.  O.  S.  40),  dass  Buphia  mit  dem  gleich  zu  erwUh- 
ncnden  Phoibia  identisch  sei,  lindet  auch  in  dem  Umstände  eine  Stütze, 
dass  Stephanos  als  Quelle  für  diesen  Ortsnamen  das  23ste  Buch  des 
Ephoros  anführt,  in  welchem  höchst  wahrscheinlich  der  Zug  des  Epa- 
meinondas  in  den  Peloponnes,  bei  welcliom  er  auch  Phoibia  einnahm 
(Paus.  TX,  ir>,  4),  erzählt  war. 

3)  X.  II.  II (dl.  VII,  2,  1  und  23;  4,  1  und  11:  vgl.  Ro8s  a.  a.  O. 
S.  41    11. 


32  II.   ^cloI)on^csos. 

Name   erhalten    sind^);    dann   gegen   das  Thal   des  Nemeabaches 
hin,   also   als   Gränzwehren   gegen    die   Kleonäer   und   Korinther, 
Phoibia,   Epieikia   und   Derae,   deren   Stellen   freilich    nicht 
mehr  genauer  zu  bestimmen  sind,  ^j 
phiiasia.  Die  Phliasia,   die   südliche   Gränznachbarin   der    Sikyonia, 

mit  welcher  sie  durch  das  enge  Thal  des  Asopos  verbunden  wird, 
ist  ihrem  Ilauptbestandtheile  nach  ein  rings  von  Bergen  umschlos- 
senes Thal  von  der  Form  eines  mit  der  Spitze  nach  Norden  ge- 
kehrten Dreiecks,  das  jetzt  nach  seinem  Ilauptorte,  dem  oberhalb 
seines  Südostrandes  gelegenen  grossen  Dorfe  Hagios  Georgios, 
benannt  wird.  Den  westlichen  Rand  desselben  bilden  die.  Abhänge 
des  jetzt  Gavrias  genannten  Gebirges,  das  mit  dem  zum  Gebiete 
des  arkadischen  Stymphalos  gehörigen  Apelauron'^)  zusammen- 
hängt, den  südlichen  das  jetzt  Megalovuno,  in  seinem  nord- 
östlichsten Theile  Polyphengo  genannte  Gebirge,  die  Kelossa 
der  Alten, ^)  die  aus  zwei  mächtigen,  schroffen  und  höhlenreichen 
Felsmassen,  zwischen  denen  ein  Engpass  nach  der  Argivischen 
Ebene  hindurchführt,  besteht:  von  der  östlicheren,  die  den  Son- 
dernamen Karneates  führte,  kommt  der  eine  Hauptarm  des 
Asopos  herab,  der  sich  in  der  Mitte  des  Thaies  mit  einem  zweiten 
von  Südosten  her  kommenden  vereinigt.  Im  Osten  wird  das  Thal 
durch  den  Bergrücken  des  von  drei  stumpfen  Gipfeln  gekrönten 
Trikaranon,  auf  welchem  ein  Ol.  103,  1  von  den  Argivern 
errichtetes  Castell  gleichen  Namens  stand -^j,  von  dem  schmalen 
Thale  des  Nemeabaches  geschieden;  ein  niedriger  Hügelrücken, 
über   welchen   die  Verbindungsstrasse    zwischen    beiden   Thälern 


^)  Vgl,  Koss  a.  a.  O.  S,  49  f.  Vielleicht  ist  dies  rovovcaa  j}  vtiIq 
^LKVcävog  (Paus.  II,  4,  4;  V,  18,  7),  das  Curtius  (Pelop.  I,  S.  485;  II,  S.  498) 
schwerlieh  mit  Recht  mit  dem  von  Paus.  VII,  26,  13  erwähnten  Jovovaaa, 
einem  von  den  Sikyoniern  zerstörten  achäischen  Städtchen  zwisclien 
Aegeira  und  Pellene,  identificirt. 

2)  Paus.  IX,  15,  4;  Xen.  Hell.  IV,  2,  14;  4,  13;  VII,  1,  22:  vgl. 
Ross  a.  a.  O.  S.  40  und  S.  45.  f. 

3)  Polyb.  IV,  69  ro  'AnslavQOv.  vgl.  Liv.  XXXIII,  14. 

^)  KrjXa66a  geben  die  Hdsr.  bei  Strab.  VIII,  p.  382,  KrjXovoa  bei 
Xenoph.  Hell.  IV,  7,  7,  was  auch  bei  Paus.  II,  12,  4  von  [Dindorf  herge- 
stellt worden  ist. 

5)  Xen.  Hell.  VII,  2,  1;  5;  11,  13;  Demosth.  pro  Megalopol.  p.  206; 
Harpocr.  und  Steph.  Byz.  u.  Tgi^dgarov.  Vgl.  Ross  Reisen  im  Pelop. 
I,  S.  25  ff. 


1.  Argolis:  Phliasia.  33 

hinüberläuft,  verknüpft  diesen  Bergzug  im  Südosten  mit  der  Kelossa. 
Der  Boden  des  so  umschlossenen  Thaies  ist  das  beste  Ackerland, 
daher  auch  die  einheimische  Sage  den  Autochthonen  Aras  als  den 
ersten  Gründer  einer  städtischen  Niederlassung  Arantia  (später 
in  Araethyrea  umgetauft)  auf  dem  Hügel  Arantinos,  einem 
nördlichen  Vorsprunge  der  Kelossa,  bezeichnete;^)  die  Abhänge 
der  Berg^  liefern  noch  jetzt  wie  im  Alterthum  einen  trefflichen, 
feurigen  Wein  ,  daher  der  Eponymos  der  späteren  Hauptstadt, 
Phlias  oder  Phlius,  als  Sohn  des  Dionysos  galt. 2)  Die  alt- 
ionische Bevölkerung  unterwarf  sich  ohne  Widerstand  den  von 
zwei  Seiten,  von  Argos  und  von  Sikyon  her,  eindringenden  Doriern ; 
nur  ein  Theil  der  alten  Bewohner,  wohl  hauptsächlich  die  Aristo- 
kratie (daher  ihr  Anführer  Hippasos  genannt  wird)  zog  es  vor,  die 
Heimat  zu  verlassen  und  zu  ihren  ionischen  Stammgenossen  nach 
Asien  überzusiedeln;^)  die  Zurückbleibenden  bildeten  wahrschein- 
lich wie  in  Sikyon  eine  vierte  Pliyle  neben  den  drei  dorischen,  die 
aber  niemals  jene  Bedeutung  wie  in  Sikyon  erlangte;  vielmehr 
war  die  Verfassung  von  Phlius  mit  nur  kurzen  Unterbrechungen 
eine  aristokratische,  daher  auch  der  kleine  aber  seine  Unabhängig- 
keit gegen  seine  mächtigern  Nachbarn  immer  tapfer  wahrende 
Staat  stets  ein  treuer  Bundesgenosse  Sparta's  büeb.^) 

Die  Stadt  Phlius^)   lag  30  Stadien  nördlich   von  der  Stelle 


1)  Paus.  II,  12,  4  f.;  14,  4;  vgl.  Strab.  VIII,  p.  382;  Steph.  Byz. 
u.  'Agccid'VQScc  und  ^jQccvTia. 

2)  Paus.  c.  12,  6;  Pliiletas  frg.  8  Bergk;  Apoll.  Rhod.  Argon.  A, 
115  SS.;  Hygin.  fab.  14  (p.  41,  12  ed.  Bunte);  Steph.  Byz.  u.  ^Xiovg\ 
über  den  Wein   Athen.  I,  p.  27  ••. 

3)  Paus.  c.  12,  1  f. 

'*)  Vgl.  O.  Müller  Dorier  II,  S.  160  f.  Die  Vermutung  desselben 
Gelehrten  (ebds.  S.  54,  Anm.  6)  dass  die  vierte  Phyle  den  Namen  Xd^ovo- 
q)vXr]  geführt  habe,  scheint  mir  ziemlich  unsiclier.  Dass  die  Zahl  der 
Bevölkerung  eine  verhältnissmässig  bedeutende  war  sieht  man  daraus, 
dass  die  Landschaft  zur  Schlacht  bei  Plataeae  lüOO  Mann  stellte  (Herod. 
IX,  28)  und  zur  Zeit  des  Agesilaos  über  5000  (waffenfähige)  Bürger 
hatte  (Xen.  Hell.  V,  8,  16). 

'")  Die  ältere  Namensform  muss  ^Isiovg  j^'ewesen  sein,  da  das  Eth- 
nikon  in  der  Inschrift~der  SchlangensUule  (s.  Detliier  und  Mordtmann 
Epigraphik  von  Byzantion  und  ConstaMtinoi»olis  I,  Tfl.  II)  und  noch  in 
einer  späteren  Inschrift  (lioss  Reisen  im  Pelop.  S.  42)  fPXficiaiog 
lautet.  Die  Annahme  einer  Nebenform  at  '^Xiai  beruht  nur  auf  einer 
falschen  Lesart  l)ei  Diod.  XIV,  91,  wo  schon  Wosseling  richtig  *At«- 
aCav  (für  (pXiag  der  Ildsr.)  hergestellt  hat. 

BUB8IAN,    OEOOU.    II.  3 


34  H.  Peloponnesüs. 

der  ältesten  Ansiedelung  am  Nordostrande  des  Thaies  auf  und 
an  einem  mit  der  Kette  des  Trikaranon  zusammenhängenden  Hü- 
gel, der  in  zwei  grösseren  Terrassen  von  Norden  nach  Süden  gegen 
die  Ebene  abfällt.  Die  obere  derselben  bildete  die  Akropolis  der 
Stadt,  deren  starke  durch  Thiirme  geschützte  Mauern  auch  das 
älteste  und  ehrwürdigste  Heiligtum  des  Landes,  die  von  einem 
Kypressenbain  umgebene  Opferslättc  der  Ganymeda  (spflter  Hebe 
genannt),  ferner  Tempel  der  Demeter  und  der  Hera  sowie  grös- 
sere Strecken  Ackerlandes,  auf  welchem  in  Zeiten  der  Noth  das 
für  die  Besatzung  nöthige  Getreide  erbaut  werden  konnte,  ein- 
schlössen. Die  gleichfalls  geräumige  Untersladt  erstreckte  sich 
über  die  zweite  Terrasse,  auf  welcher  ein  Tempel  des  jugendlichen 
Asklepios  gerade  oberhalb  des  Theaters  und  nahe  dabei  ein  zweites 
Heiligtum  der  Demeter  standen,  in  die  Ebene  hinab  bis  zu  einem 
vom  Trikaranon  her  in  den  Asopos  fallenden  Bache,  dessen  tiefes 
aber  den  grössten  Theil  des  Jahres  hindurch  wasserloses  Bett  an 
beiden  Seiten  mit  Mauern  eingefasst  war,  um  die  Stadt  gegen 
einen  Angriff  von  der  Ebene  aus  zu  schützen.  Von  den  Tempeln 
der  Unterstadt  war  der  älteste  und  angesehenste  der  des  Dio- 
nysos: zwischen  diesem  und  der  Agora  stand  der  sogenannte 
Nabelstein  (öfx-^aAo'g),  welchen  die  Fremdenführer  von  Phlius  mit 
naiver  Unverschämtheit  als  den  Mittelpunkt  der  ganzen  Halb- 
insel zeigten,  ursprünglich  jedenfalls  das  Symbol  irgend  einer  nicht 
anthropomorphisch  dargestellten  Gottheil.  ^) 

Eine  Viertelstunde  südlich  von  der  Stadt  lag  der  kleine  Flecken 
Keleae  mit  einem  Tempel  {dvccKZOQOv)  der  Demeter,  deren  alle 
vier  Jahre  gefeiertes  Hochfest  die  grösste  Aehnlichkeit  mit  den  Eleu- 
sinischen  Weihen  hatte;  der  Göttin  waren  zwei  alte  Dämonen  des 
Ackerbaues,  die  dann  in  die  genealogische  Landessage  aufge- 
nommen wurden,  Aras  und  Dysaules,  beigegeben,  deren  Gräber 
man   in   Keleae   aufzeigte.^)     Ausserdem    kennen   wir    noch    zwei 


1)  Paus.  c.  13,  3  ff.;  Strab.  VIII,  p.  382;  Xenopli.  Hell.  VII,  2, 
5  ff.;  Ael.  h.  an.  XVII,  46;  Athen.  V,  p.  210  ^:  vgl.  besonders  Ross 
a.  a.  O.  S.  32  ff.  Dass  Plinius  (n.  h.  IV,  5,  13)  Phlius,  das  er  ebenso 
wie  den  nördlichsten  Theil  von  Elis  zu  Aehaia  rechnet,  nur  als  ca-- 
stellum  bezeichnet,  verdient  weiter  keine  Beachtung", 

2)  Paus.  c.  12,  4;  15,  1  ff.  Der  Name  des  Dysaules  scheint  ursprüng- 
lich JLOavlrjs  (Zweifurcher)  gelautet  zu  haben;  vgl.  den  Elensinischen 
Triptolcmos  und  den  Pheneatischen  Trisaules  (Paus.  VIII,  15,  4). 


1.   Ar^olis:  Nemea.  35 

wie  es  scheint  vereinzelt  stehende  Cultstätten  der  Phliasier:  einen 
Tempel  der  Hera,  der  am  Abhänge  des  Trikaranon  unterhalb 
des  oben  (S.  32)  erwähnten  Castells ,  und  einen  der  Dioskuren, 
der  im  westlichen  Theile  des  Cantons  an  der  Strasse  nach  dem 
arkadischen  Stymphalos  lag.  ^)  Auch  finden  sich  noch  die  Spuren 
einiger  Gränzbefestigungen,  deren  Namen  wir  nicht  kennen:  so 
oberhalb-  des  Dioskurion  gegen  Stymphalos  und  auf  dem  nörd- 
licheren Theile  des  Trikaranon  gegen  Korinlh  (Palaeokastron  von 
Kutzi).2) 

Im  Osten  der  Phliasia  zieht  sich  von  Süd  nach  Nord  ein 
schmales,  gegen  Norden  zu  einer  blossen  Schlucht  sich  veren- 
gendes Längethal,  das  nach  den  reichen  Weiden,  welche  die  Thal- 
sohle und  einen  Theil  der  Abhänge  der  es  begränzenden  Berge 
bedecken,  Nemea  genannt  wurde,  ein  Name  der  dann  auch  auf  Nemea. 
den  am  südlichen  Rande  des  Thaies  entspringenden  und  es  in 
nördlicher  Richtung  durchfliessenden  Bach  (s.  S.  23,  Anm.  4) 
übergieng.  Wie  vom  Trikaranon  im  Westen  wird  das  Thal  im 
Osten  durch  den  Apesas  (jetzt  Phuka)  begränzt,  der  in  seinem 
nördlichen  Theile  sich  zu  einem  oben  abgeplatteten,  wie  künst- 
lich abgeschnitten  erscheinenden  Gipfel  von  873  Meter  Höhe  er- 
hebt; gegen  Süden  slossen  seine  Wurzeln  mit  den  nördlichen 
Abhängen  eines  von  West  nach  Ost  streichenden  felsigen  Gebirges 
zusammen,  das  von  den  vielen  Höhlen,  die  sich  in  seinen  Wänden 
Hnden,  den  Namen  Tretos  oder  Treton  (der  durchbohrte  Berg) 
erhalten  hatte:  eine  dieser  Höhlen  galt  als  Lagerstätte  des  von 
Herakles  erwürgten  Löwen,  der  ursprünglich  wohl  nur  ein  Sym- 
bol dos  in  ungeregeltem  Laufe  das  enge  Thal  verwüstenden  Giess- 
baclies  war.^) 

Das   jetzt    ganz    unbewohnte  Thal,    dessen   älteste    Bewohner 
zum  Stamme  der  Hryoper  gehört  haben  sollen,  hat  nie  eine  släd- 


')  Xcnoph.  ITell.  VII,  2,  1;  11;  Polyb.  IV,  G7  f. ;  73:  vgl.  Ross 
a.  a.  ü.  S.  32  und  S.  38. 

2)  8.  Curtius  II  S.  480  f. 

3)  Paus.  c.  15,  2;  Diod.  IV,  11;  vf,'l.  Ilosiod.  tlioog.  331,  wo  Trotos 
und  Apesas  als  öcliauplut/  der  Verheerungen  des  Löwen  bczeiehnot 
werden.  Die  (trotte  .s(dl  nneh  Nigidius  lieiui  .sehol.  German.  Arat.  118 
(vpl.  Curtius  II,  8.  587)  den  Namen  'A^rpiSvaov ,  der  uueli  Ixi  Hygin. 
fah.  30  licrzustellen  ist,  geführt  haben. 

3* 


36  If.  Peloponiicsos. 

tische  Ansiedelung,  daher  auch  keine  seihständige  politische  Exi- 
stenz gehaht  —  nur  eine  Kome  Bern  hi  na  oder  Bern  hin os  wird 
als  in  deniselhen  gelegen  erwähnt^)  —  seine  Bedeutung  war 
durchaus  eine  sacrale.  Zunächst  nämlich  war  der  flache,  gleich- 
sam wie  ein  natürlicher  Felsaltar  sich  erhehende  Gipfel  des  Apesas 
-eine  uralte  Cultstälte  des  Zeus,  dem  man  hier  als  dem  Gewitter- 
und  Regengotte  opferte  ^j;  danehen  wurde  in  dem  feuchten  Thal- 
grunde offenhar  ehenfalls  seit  sehr  alter  Zeit  ein  dem  Dionysos 
entsprechender  Gott  unter  dem  Namen  A(h-astos  wie  in  Sikyon 
(vgl.  S.  28,  Anm.  3)  verehrt,  wovon  noch  die  Quelle  Adrasteia 
und  die  Sagen  vom  König  Lykurgos  und  dem  durch  eine  Schlange 
getödteten  Knaben  Ophelias,  deren  Gräher  man  hier  aufzeigte,^) 
Zeugniss  geben.  Aus  einer  Vereinigung  dieser  beiden  Culte,  bei 
welcher  der  des  Zeus  naturgemäss  überwog,  ist  wahrscheinlich 
der  Nemeische  Agon  hervorgegangen,  der  zu  Ehren  des  Zeus, 
aber  zugleich  zum  Andenken  an  den  Tod  des  Ophelias  gefeiert 
wurde  und  von  Adrastos  gesliftet  sein  sollte.  Die  regelmässige 
trieterische  Feier  wurde  erst  Ol.  51,  4  durch  die  Argiver,  welche 
damals  das  Thal  den  Kleonäern,  zu  deren  Gebiete  es  gehörte, 
abgenommen  hatten,  begründet  und  diese  behielten  auch  mit  we- 
nigen und  kurzen  Unterbrechungen  die  Leitung  derselben,  obgleich 
nicht  bloss  die  Kleonäer,  sondern  auch  die  Mykenäer  und  Korinther 
darauf  Anspruch  machten.^)  Die  Cultstätte  des  Zeus  wurde  nun 
in  das  Thal  selbst  in  einen  Kypressenhain  verlegt,  der  auch  die 
Quelle  Adrasteia,  das  durch  Altäre  innerhalb  eines  Steingeheges 
bezeichnete  Grab  des  Opheltas  und  den  Grabhügel  des  Lykurgos 
umfasste:  ein  Tempel  wurde  vielleicht  erst  um  die  Zeit  der  Ma- 
kedonischen Herrschaft  hier  erbaut,  wenigstens  ist  derjenige,  von 
welchem  noch  jetzt  drei  Säulen  (zwei  vom  Pronaos,  eine  von  der 
Ostfronte)  aufrecht  stehen,  nach  dem  ganzen  Charakter  seiner  Archi- 
tektur, insbesondere  der  dem  Wesen  des  dorischen  Stiles  durchaus 
nicht   entsprechenden    Schlankheit   der  weitläufig  gestellten  Säu- 


1)  Steph.  B.  11.  Ns^sa  und  BifißLva;  Strab.  Vlll,   p.  377. 

^)  Steph.  Byz.  ii.  'JnsGag;  Paus.  c.  15,  3;  vgl.  Etym.  M.  p.  176, 
32.  Dass  Perseus  hier  dem  Zeus  zuerst  geopfert  haben  soll  ist  bedeut- 
ungsvoll, da  dieser  Heros  ursprünglich  ein  Gewitterdämon  ist. 

3)  Paus.  c.  15,  3. 

'')  Vgl.  die  Stellen  bei  Krause  Die  Pythien,  Nemeen  und  Isthmien 
S.  107  ff.  und  C.  Fr.  Hermann  Gottesd.  Alterthümer  §.  49. 


1.    ArgoJis:  Kleouaea.  37 

Jen,  sclivverlicli  in  einer  früheren  Zeit  errichtet  worden.^)  Zum 
Heiligtum  gehörte  auch  ein  Theater  und  ein  Stadion,  welche  weiter 
östlich  am  Abhänge  des  Apesas  lagen,  wo  man  die  Form  wenig- 
stens des  ersteren  noch  deutüch  erkennt.  Auch  ein  Heiligtum 
der  Demeter  scheint  in  dem  Thale  bestanden  zu  haben.  2) 

An  der  Ostseite  des  Apesasgebirges  öffnet  sich  ein  drittes 
Parallelthal,  das  weiter  ist  als  das  Nemeische,  hinter  dem  von  Kieonaea. 
Pidius  aber  sowohl  an  Breite  als  an  Fruchtbarkeit  des  Dodens 
zurücksteht.  Im  Süden  wird  es  von  dem  Ilauptzuge  des  Tretos, 
im  Osten  von  einem  durch  niedrigere  Hügel  mit  diesem  zusam- 
menhängenden Gebirge  (in  seiner  bis  zur  Höhe  von  703  Meter 
aufsteigenden  Flauplmasse  jetzt  Skona  genannt)  umschlossen,  das 
nur  durch  eine  enge  Schlucht  vom  Oneion  getrennt  wird,  von 
den  Alten  aber  wahrscheinlich  als  ein  Theil  des  Tretos  betrachtet 
wurde  (vgl.  oben  S.  9).  Eine  bedeutende  Anzahl  kleiner  Bäche 
vereinigt  sich  von  verschiedenen  Seiten  her  ungefähr  in  der  Mitte 
des  Thaies  zu  einem  grösseren,  jetzt  Longopotamos  genannten, 
welcher  der  Nemea  und  dem  Asopos  parallel  durch  die  das  Thal 
im  Norden  abschliessende  enge  Schlucht  der  Strandebene  zufliesst. 
Schon  der  Schiffscatalog  (II.  B.  570)  gedenkt  einer  städtischen 
Ansiedelung  in  diesem  Thale,  des  ^vohlgebauten  Kleonae',  deren 
Stelle  auf  einem  an  der  Westseite  des  Thaies  gelegenen  Hügel 
noch  durch  ihre  Ruinen  kenntlich  ist:  der  .etwas  höhere  süd- 
westliche Theil  desselben  bildete  die  Akropolis,  der  breitere  nord- 
östliche, auf  welchem  sich  noch  die  Grundmauern  mehrerer  Ge- 
bäude sowie  Triglyphen  und  andere  Baustücke  von  einem  oder 
zwei  dorischen  Tempeln  vorfinden,  die  eigentliche  nicht  sehr  aus- 
gedehnte aber  stark  befestigte  Stadt,  in  welcher  ein  Tempel  der 
Athene  mit  einem  von  Dipoinos  und  Skyllis  gefertigten  Cultbilde 
und  CHI  Heiligtum  des  Herakles  mit  den  Gräbern  des  Eurytos 
und  Kteatos,  die  er  hier  auf  dem  Wege  nach  dem  Isthmos  ge- 
tödt^'t  haben  sollte,  erwähnt  werden.    Die  Haupterworbscjuelle  der 


*)  8.  über  den  Tempel,  einen  dorischen  Poripteros  mit  6  X  13  Säu- 
len, Paus.  c.  16,  2  und  die  PlUne  in  den  Alterthümern  von  lonien  C.  6, 
Tfl,  15  flf.  und  Kxpddition  de  Mor»fo  HI,  pl.  71  ss.;  vgl.  Welcker  Tnge- 
l)nch  einer  griechischen  Reise  (Berlin  1866)  Bd.  I,  S.  176  f.  Das  Theater 
erwähnt  Plut.  Philopoem.  11. 

2)  ä.  das  Testament  des  Aristoteles  bei  Diog.  L.  V,  16. 


38  ~  H.   Pcloponnesos. 

Bevvolirier  scheint  ViM-  und  Gartenbau  gewesen  zu  sein;  unter 
anderem  wurden  hier  besonders  grosse  Reitige  gezogen.^)  Die 
Lage  der  Stadt  an  der  Hauptstrasse  von  Argos  nach  Korinlh,  wo- 
durch sie  die  nach  beiden  Seiten  hin  rührenden  Pässe  beherrsclite, 
musste  nalürlicli  diese  ihre  beiden  mächtigen  Nachbarn  schon 
früh  zu  Versuchen  der  Annexion  reizen.  Zunächst  war  es  Korinth, 
das  sie,  aber  wie  es  scheint  nur  für  kurze  Zeit,  mit  Gewalt  in 
Besitz  nahm; 2)  dann  entrissen  ihr  die  Argiver  das  Thal  von 
Nemea  und  gewannen  allmälig  mehr  und  mehr  Gewalt  über  sie, 
so  dass  sie  ihnen  zunächst  Heeresfolge  leisten  musste  (wie  Ol. 
79,  1  bei  der  Zerstörung  von  Mykenae),  dann  aber  ganz  ihre 
politische  Selbständigkeit  verlor,  welche  sie  erst  durch  ihren  Ein- 
tritt in  den  Achäischen  Bund  wieder  erlangte.^)  Seit  der  Auf- 
lösung des  Bundes  behielt  sie  nur  als  Station  an  einer  Hauptver- 
kehrsstrasse  eine  gewisse  Bedeutung,  und  noch  heut  zu  Tage  steht 
Vj  Stunde  südöstlich  von  ihrer  Stelle  ein  Khan  (der  Khan  von 
Kurtesa  genannt)  und  eine  Caserne  daneben  zur  Erleichterung 
und  Sicherung  des  Verkehrs,  während  im  Uebrigen  das  Thal 
selbst  verödet  ist.  Erst  am  nördlichen  Abhänge  des  Tretos  liegt 
ein  Dorf,  Hagios  Basilios  genannt,  bei  welchem  der  kürzeste,  nur 
für  Fussgänger  und  Saumthiere  gangbare  Pfad  aus  dem  Thale 
nach  der  Ebene  von  Argos  vorüberführt;  in  der  Nähe  des  Dorfes 
finden  sich  auch  Ueberreste  einer  alten  Wasserleitung,  die  jedenfalls 
zu  dem  grossartigen  Werke  des  Hadrian,  durch  welches  er  Wasser 
aus  deuj  Thale  von  Stymphalos  nach  der  Stadt  Korinth  führte,^) 
gehören.  Die  Fahrstrasse  zog  sich  vom  Thale  aus  südwestwärts 
nach  dem  westlicTisten  Theile  des  Tretos  und  durchschnitt  den- 
selben, allmälig  aufsteigend,  in  einem  Engpasse  in,  welchem  man 
noch   an   einigen   Stellen   die   in    den  Felsboden   eingeschnittenen 


1)  Strab.  VIII,  p.  377;  Paus.  c.  15,  1;  Diod.  IV,  33.  Für  eifrigen 
Feldbau  zeugen  die  Nachrichten  von  besonderen  ;u«Z«^oqpvAaxss  und 
Opfern  zur  Abwendung  des  Hagels  (Sen.  q.  nat.  IV,  6;  Clem.  Alex, 
ström.  VI,  p.  268  Sylb.);  für   die  Rettige  s.  Theophr.    last,  plant.   VII, 

4,  2,   Hesych.   u.  Klsoavaia.    Ueber  die   Ruinen   Vischer  Erinnerungen 

5.  286  f. 

2)  Dies  ist  zu  folgern  aus  Plut.  Cim.  17.  Ob  KI.  auch  eine  Zeit 
lang  den  Sikyoniern  gehört  hat  ist  unsicher:  vgl.  S.  24,  Anm.  2. 

3)  Vgl.  Strab.  a.  a.  O.;  Plut.  Arat.  28. 

4)  Paus.  c.  3,  5. 


1.  Argolis:  Argeia.  39 

Falirgeleise  erkennt;  ungefähr  in  der  Mitte  des  Passes,  doch  schon 
jenseits  der  Wasserscheide,  findet  man  hart  am  VV^ege  die  Grund- 
mauern eines  alten  Thurmes,  der  offenbar  von. den  Argivern  zur 
Vertheidigung  dieses  Hauptzuganges  zu  ihrem  Gebiet  angelegt  war 
und,  vielleicht  nach  seinem  Erbauer,  der  ^Thurm  des  Polygnotos' 
genannt  wurde.  ^) 

Die  Ebene  von  Argos,  in  deren  zunächst  sehr  schmalen  nörd-  Ar^na. 
liehen  Winkel  dieser  Pass  einmündet,  war  in  uralten  Zeiten 
offenbar  eine  tief  ins  Land  eingreifende  Bucht,  welche  durch  die 
Ablagerungen  der  zahlreichen  von  den  sie  umschliessenden  Ge- 
birgen herabkomnunden  J]äche  allmälig  ausgefüllt  worden  ist; 
einige  kleine  Felshügel  und  der  grössere  von  Nauplia  bis  zum 
Hafen  Tolon  sich  erstreckende  Felsrücken  im  östlichen  und  süd- 
östlichsten Theile  der  Ebene  ragten  ursprünglich  als  Felsinselu 
aus  dieser  Bucht  hervor.  Begränzt  wird  die  Ebene  von  lauter 
kahlen  und  dürren  Felsbergen,  die  im  Westen  am  mächtigsten 
und  wildesten  sind:  hier  bildet  das  bis  1772  Meter  hoch  auf- 
steigende Artemision  (jetzt  Malevo),  der  natürliche  Grenz- 
wall zwischen  Arkadien  und  Argolis,  den  Knotenpunkt,  welcher 
sich  in  einer  nicht  viel  niedrigeren  Kette  (jetzt  Ktenia,  ^Kamm- 
berg',  genannt,  vielleicht  das  Kqslov  oQog  der  Alten-)  gegen  Süd- 
osten fortselzt,  an  welche  sich  dann  im  Südwesten  das  wieder 
etwas  niedrigere  Parthenion  (jetzt  Bhoino)  in  nordsüdlicber 
Richtung  anschliesst.  Von  dem  Hauptzuge  treten  mehrere  parallele 
nur  durch  enge  Schluchten  geschiedene  Bergrücken  weit  gegen  Osten 
vor:  der  nördlichste  das  Lyrkeion,  an  dessen  nordwestlichen 
Abhängen  der  Inachos  (jetzt  Panitza)  entspringt^)  und  um 
den   nördlichen  Fuss  des  Gebirges  herum   in   die  Ebene   fliesst; 


1)  Plut.  Arat.  6  f.:  vgl.  über  die  jetzt  'EXl^voav  XlQ^uql  ge- 
nannte Ruine  iind  den  Pass  überhaupt  Curtius  II,  S.  512;  Vischcr 
S.  289  f. 

')  Callim.  Lav.  Pall.  40,  vgl.  Meineke  Diatribe  p.  248.  Der  nur 
bei  Strab.  VIII,  p.  ::J76  vorkommende  Name  ÄQSonoiXov  ist  von  Kramer 
und  Meineke  mit  Recht  als  Zusatz  eines  Interpolators  ausgeschieden 
worden. 

^)  Strab.  VIII,  p.  H70;  Stepli.  Byz.  u.  Avq)ibiov.  Manche  rech- 
neten diesen  ganzen  IJergzug  noch  zum  Artemision,  daher  Pausanias 
(II,  26,  3  und  VIII,  6,  6)  die  Quellen  des  Inachos  auf  dieses  Gebirge 
verlegt. 


40  H.  Peloponnesos. 

dann  das  Chaongebirge  mit  der  gegen  Osten  vorgeschobenen, 
im  Alterthiim  wenigstens  theilweise  mit  Rypressen  bewaldeten 
Lykone,  an  deren  östlichen  Fuss  sich  der  Felskegel  der  La- 
risa  anschliesst;  weiter  südlich  endlich  der  PontinosJ)  dessen 
nur  durch  einen  schmalen  Küstensaum  vom  Meere  getrennter 
Fuss  den  südwestlichen  Endpunkt  der  eigentlichen  Ebene  be- 
zeichnet: doch  erweitert  sich  dieser  schmale  Saum  südlich  vom 
Pontinos  noch  einmal  zu  einer  kleinen  Strandebene,  die  erst  durch 
das  wie  ein  mächtiger  Felsriegel  bis  ans  Meer  vorgeschobene  Za- 
vitzagebirge,  eine  östliche  Verzweigung  des  Parthenion,  ihren 
Abschluss  erhält.  Im  Norden  bilden  die  Kelossa  und  der  Tre- 
tos,  deren  südliche  Verzweigungen  nur  durch  ein  schmales 
Thal,  die  nördlichste  Fortsetzung  der  Ebene,  getrennt  sind,  im 
Osten  die  westlichsten  Ausläufer  der  Epidaurischen  Gebirge  den 
mehrfach  ausgezackten  Rand  der  Ebene,  die  im  Süden  durch 
einen  seit  dem  Alterthume  nicht  unbedeutend  verbreiterten  Streifen 
sumpfiger  Niederung,  gewissermassen  die  Eierschale,  die  ihr  noch 
von  ihrer  Entstehung  her  anklebt,  gegen  das  Meer  abgegränzt 
wird.  Auch  im  nordöstlichen  Theile  der  Ebene,  in  der  Nähe 
der  Dörfer  Merbaka  und  Chonika,  finden  sich  jetzt  grössere 
Strecken  versumpften  Bodens,  der  nur  zum  Bau  von  Baumwolle 
und  Reis  benutzt  wird,  jedoch  durch  eine  sorgfältige  Drainage 
leicht  trocken  gelegt  werden  könnte,  während  am  südwestlichen 
^nde  der  Ebene  am  Fusse  des  Pontinos  durch  zahlreiche  Quellen 
ein  Teich  von  bedeutender  Tiefe  —  der  unten  weiter  zu  besprech- 
ende Sumpf  von  Lerna  —  gebildet  wird.  Im  Uebrigen  leidet 
aber  die  Ebene  (das  7toXvÖL^Lov"AQyog)'^)  sehr  an  Wassermangel, 
da  auch  ihre  beiden  bedeutendsten  Bäche  —  der  Inachos  und 
der  etwas  weiter  südlich  durch  die  Schlucht  zwischen  Lyrkeion 
und  Lykone  vom  Artemision  herkommende  Charadros,  jetzt 
Xerias  genannt  —  einen  grossen  Theil  des  Jahres  hindurch  nur 
sehr  wenig  oder  gar  kein  Wasser  in  ihren  mit  Steingeröll  an- 
gefüllten Betten  führen,  ein  Mangel  dem  im  Altertum  durch 
zahlreiche  gegrabene  Brunnen  und  Cisternen,  deren  Anlage  auf 
die  ältesten   Landesheroen,   besonders  auf  Danaos  zurückgeführt 


1)  Paus.   II,  24,  5  f.;    36,   8:   vgl.  Curtius  II,  S.  337  und  über  die 
Lykone  Conze  und  Michaelis  Annali  XXXIII,  p.  22. 

2)  II.  z/,  171  c.  schol.;  vgl.  Eurip.  Alcest.  560;   dazu  Curtius  Pel.  II, 
p,  558. 


1.   Argolis:   Argeia.  41 

wurde,  ^)  noch  besser  abgeholfen  war  als  heut  zu  Tage:  ausge- 
dehnte Getreidefeklcr  und  Vieliweiden,  besonders  für  Rossheerden, 
bedeckten  damals  die  Ebene  2),  die  jetzt,  abgesehen  von  den  ver- 
sumpften Stellen,  fast  ganz  von  den  den  Boden  mehr  und  mehr 
aussaugenden  Tabaksfeldern  eingenommen  ist. 

Die  ältesten  Bewohner  der  ursprünglich  mit  dem  Appellativ- 
namen t6  ccgyog  benannten  Ebene  waren  ohne  Zvveifel  Pelasger,  die 
sich  als  Ureingeborene  des  Landes  betrachteten;  an  der  Spitze  ihrer 
Sagengeschichte  stand  Phoroneus,  der  Sohn  des  Flusses  Inachos 
und  der  Nymphe  Melia,  ebenso  wie  seine  Tochter  Niobe  eine 
alte  Göttergestalt,  die  dann  zum  Begründer  des  geselligen  und 
staatüchen  Lebens  gemacht  wurde:  er  sollte  die  bis  dahin  zer- 
streut lebenden  Menschen  zuerst  zu  einer  gemeinsamen  Ansie- 
delung, dem  ^OQavixov  adzv  am  Fusse  der  bei  feindlichen  An- 
griffen einen  sichern  Zufluchtsort  darbietenden  Felsburg  Larisa, 
vereinigt  haben,  aus  welchem  sich  allmälig  die  Stadt  Argos  ent- 
wickelte. 3)  Zu  diesen  Pelasgern  kamen  theils  zum  vorübergehenden 
Handelsverkehr,  theils  zu  bleibender  Ansiedelung  Männer  des 
Ostens,  Phöniker,  lelegische  Karer  und  Lykier,  welche  ihnen 
neben  den  Waaren  auch  die  fortgeschrittenere  Technik  des  Orients 
brachten,  und  so  entstand  die  erste  durch  Kunst  stark  befestigte 
Stadt  in  der  Ebene,  das  der  Sage  nach  von  den  lykischen  Ky- 
klopen  im  Auftrage  des  Königs  Proitos  ummauerte  Tiryns  (Strab. 
Vllf,  p.  372),  welches  zugleich  wohl  als  Bollwerk  gegen  die  von 
fremden  Ansiedlern  auf  dem   nordwestlichen  Vorsprunge  des  die 


»)  Hesiod.  Frg.  XCVII  Göttling;  Strab.  I,  p.  23;  VIII,  p.  371.  Wie 
Danae  das  von  Zeus  befruchtete,  daher  Frucht  'gebende'  (vgl.  ro  Sd- 
vog  und  altlat.  dauere)  Land,  so  scheint  Danaos  der  Kepräsentant 
der  Bevölkerung,  durch  welche  der  Boden  fruchtbar  gemacht  wurde,  zu 
sein.  Auch  auf  Agamemonon  scheint  man  die  Anlage  von  Brunnen 
zurückgeführt  zu  haben;  vgl.  Hesych.  u.  'Aycc^Sfivovsia  (pQEcctcc. 

2)  "Agyoq  noXvnvQOv  II.  O,  372;  "A.  tnnoßorov  ß,  287  und  ö.:  vgl. 
Strab.  VIII,  p.  388;  Ilor.  carm.  I,  7,  9.  Nach  Aristot.  meteor.  I,  14 
(p,  31.  10  Bekk.  ed.  min.)  war  in  den  ältesten  Zeiten  die  eigentliche 
Argeia  versumpft,  das  Gebiet  von  Mykenae  dagegen  fruchtbar,  während 
später  das  letztere  durch  allzu  grosse  Dürre  unfruchtbar,  die  Argeia 
zum  Anbau  wohl  geeignet  war.     Vgl.  auch  Varro  de  re  rust.  I,  2,  6. 

3)  Paus.  II,  15,  5;  vgl.  Stark  Niobe  und  die  Niobiden  S.  337  flf. 
Uebrigcns  wird  eine  Stadt  Argos  nur  an  drei  Stellen  der  homcr.  Ge- 
dichte mit  Sicherheit  erkannt:  B,  659;  J,  52;  qp,  108. 


42  II.   l'olüponncsüs. 

Ebene  im  Südosten  ahgränzenilen  Felsrückens  gegründete  See- 
stadt Nauplia  dienen  sollte.  Als  dann  das  ritterliche  Volk  der 
Acliäer  die  l*ciasgische  Bevölkerung  sich  untcrwirlt  und  sie  mit 
Ausnahme  der  Bewohner  des  südwestlichen  Berglandes,  der  Ky- 
nurier,  die  noch  nach  der  Dorisirnng  den  pelasgisch- ionischen 
Charkter  erkennen  liessen,  ^)  zu  einer  achäischen  umgestaltet,  wird 
der  politische  iMittelpunkt,  der  Ilerrschersitz  des  achäischen  Kö- 
nigshauses, an  den  äussersten  Nordrand  der  Ebene  verlegt,  wo, 
den  Zugang  zu  derselben  von  Norden  her  beherrschend,  in  einem 
jjergwinkel  das  'goldreiche  xMykenae'  sich  erhebt  als  Hauptstadt 
eines  umfassenden  Beiches;  die  Ebene,  in  der  nun  Argos  den 
Vorrang  vor  Tiryns  gewinnt,  bildet  mit  dem  östlichsten  Theile 
der  Landschaft  einen  besondern,  aber  unter  der  Lehnsherrlichkeit 
der  Atriden  stehenden  Staat.  Aber  auch  Mykenae's  Blüte  ist  von 
kurzer  Dauer,  denn  als  die  Schaaren  der  Dorier  sich  auf  einem 
leicht  zu  vertheidigenden  und  zum  Angriffe  wohl  gewählten  Punkte 
der  Küste,  dem  sogenannten  Temenion,  festsetzen,  ist  Argos  be- 
reits die  bedeutendste  Stadt,  deren  Eroberung  über  den  Besitz 
der  Ebene  entscheidet;  Ton  ihr  aus  werden  zunächst  die  kleineren 
umliegenden  Ortschaften  theils  unterworfen  und  ihre  Einwohner, 
ähnlich  wie  in  Lakonien,  entweder  zu  Leibeigenen  {'yv^vij0toi) 
oder  zu  Periöken  (minder  berechtigten  Bürgern)  gemacht,  theils 
auf  gütlichem  Wege  zur  Unterordnung  unter  die  Hauptstadt  — 
in  Form  einer  öv^^axlcc,  an  deren  Spitze  Argos  steht  —  ge- 
bracht; 2)   von   ihr   aus   endlich    werden    dorische    Fürstenthümer 


^)  Herod.  VIII,  73.  Das  Gebiet  der  Kynurier  enthielt  nach  Thuk. 
V,  41  (vgl.  IV,  56)  die  Städte  Thyrea  und  Anthene,  erstreckte  sich  also 
vom  Zavitzagebirge  im  Norden  bis  zu  den  östlichsten  Vorbergen  des 
Parnon,  wenigstens  bis  zu  dem  jetzt  y.dßo  xov  Tvqov  genannten  Vor- 
gebirge im  Süden:  eine  grössere  Ausdehnung  desselben  gegen  Norden 
ist  weder  aus  Herodot  a.  a.  O.  (vgl.  die  folgende  Anmerkung)  noch  aus 
Strab.  VIII,  p.  370  (wo  die  AVorte  xov  ytaxa  xrjv  KvvovQLCiv  OQOvg  Trjg 
'AQ-AadCag  von  Kramer  und  Meineke  als  Glosse  ausgemerzt  worden  sind) 
zu  erweisen. 

2)  Die  Frage  nach  dem  politischen  Verhältnisse  der  kleineren  Städte 
und  Komen  der  Argeia  zur  Hauptstadt,  über  welche  früher  besonders 
O.  Müller  (Dorier  I,  S.  154  ff.;  175  f.;  II,  S.  50  ff.),  zuletzt  aber  keines- 
wegs abschliessend  W.  Lilie  gehandelt  hat  (Quae  ratio  interces- 
serit  inter  singulas  Argolidis  civitates,  Breslau  1862,  c.  I), 
bietet  manche  Schwierigkeiten   dar.     Zunächst  werden  Leibeigene    er- 


1.   Arf^olis:    Arffeia.  43 


in  den  übrigen  Städten  der  Landschaft,  in  Sikyon  und  Phlins,  in 
Epidauros  und  Troizen  begründet.  Bald  nach  den  Perserkriegen 
aber  wurde  die  Symmachie  auf  gewaltsamem  Wege,  durch  Unter- 
werfung von  Tiryns  und  Mykenae,  endlich  auch  von  Kleonae,  in 
ein  völliges  Unterthänigkeitsverhältniss  verwandelt,  so  dass  sich 
nun  das  Stadigebiet  von  Argos,  die  Argeia,  von  den  Gränzen  der 
Phliasia  und  Korinihia  im  Norden  und  der  Epidauria  im  Osten 
bis  zur  arkadischen  Gränze  im  Westen  und  bis  zum  Zavilzage- 
birgc  im  Süden  erstreckte.  Die  südlich  von  diesem  gelegene 
Landschaft  Kynurla  (vgl.  S.  42,  Anm.  1)  hatte  ursprünglich  eben- 
falls zur  Argeia  gehört,  war  aber  nach  langen  Kämpfen  seit  der 
Mitte  des  6ten  Jahrhunderts  v.  Chr.  definitiv  in  den  Besiiz  der 
Spartaner  gelangt,  die  sich  länger  als  zwei  Jahrhunderte  hindurch 
darin  behaupteten,  bis  sie  zuerst  durch  Philipp  von  Makedonien, 
dann  durch  eine  schiedsrichterliche  Entscheidung  der  Römer  den 
Argivern  wieder  zugetheilt  wurde.  ^) 


wähnt,  yv(ivT]6iOL  od.  yvfivr]TSg  (Hesycli.  u.  yv^vi^oioi',  Steph.  13.  ii. 
Xiog;  PoII.  III,  83),  die  mit  den  Lakonischen  Heiuten  verglichen  wer- 
den, also  jedenfalls  als  rechtlose  Nachkommen  der  von  den  Doriern 
nach  längerem  Widerstände  mit  Gewalt  unterworfenen  alten  Ijcwohuer 
zu  betrachten  sind;  dann  tibqCoiy.ol,  offenbar  die  Bewohner  der  Ort- 
schaften, welche  früher  oder  später  unter  gewissen  Bedingungen  die 
Herrschaft  der  Dorier  anerkannt  hatten,  aus  denen  in  Zeiten  der  Noth, 
wie  nach  der  schweren  Niederlage  durch  Kleomenes,  die  gelichteten 
Reihen  der  Vollbürger  ergänzt  wurden  (Aristot.  pol.  V,  2  p.  129,  31  ed. 
Bekker;  vgl.  Paus.  VIII,  27,  1).  Da  nun  nach  Herod.  VIII,  73  die  Ky- 
nurier,  so  lange  ihr  Gebiet  zu  Argos  gehörte,  'Oqvsritcii  v.cd  nsQt'oLyioi- 
waren,  so  muss  man,  wenn  man  nicht  etwa  das  Wort  Ogve^zcci  in 
yviivrJTsg  ändern  will,  annehmen,  dass  der  Name  der  Bewohner  von 
Orneae,  die  nicht  zu  den  argivischen  Periöken,  sondern  zu  den  av(i- 
(laxot  gehörten  (vgl.  Thuk.  V,  67  und  Paus.  X,  18,  5)  zur  allgemeinen 
Benennung  der  argivischen  avuiiccxoL  geworden  war.  Nicht  zu  den 
Periöken  gehörten  ferner  die  Bewohner  von  Mykenae  und  Tiryns,  die 
sich  eine  gewisse  Selbständigkeit  bewalirt  hatten,  der  erst  nach  den 
Perserkriegen  die  Argiver  mit  Gewalt  ein  Ende  machten:  auch  sie  waren 
bis  dahin  wohl  avfifiaxoi  von  Argos  ebenso  wie  Kleonae.  Dass  auch 
Epidauros  Mitglied  dieser  Symmachie  gewesen,  ist  aus  Thuk.  V,  63 
schwerlich  zu  folgern:  für  die  Annahme  einer  argivischen  Amphiktyonie 
bietet  diese  Stelle  ebenso  wenig  als  irgend  eine  andere  eines  alten 
Schriftstellers  einen  sicheren  Anhaltspunkt. 

•)  Paus.   II,   38,  6;   vgl.  c.  20,    1;   VII,  11,  1  f.;  Polyb.  IX,  28,  7; 
XVII,    14,   6.     Dass   bei   Polyb.  IV,  36  das  Argivische  Gebiet  sich  bis 


44  II.  Peloponiiesos. 

Das  altdorisclie  Königtum  hat  sich  in  Argos  liiiige,  wenig- 
stens bis  zur  Zeit  der  Perserkriege,  erhalten;  <Iocli  war  die  Macht 
des  Königs  schon  frühzeitig  durch  die  Volksgemeinde  so  beschränkt 
worden,  dass  ihm  wenig  mehr  als  der  Name  ßaötXevg  übrig  ge- 
blieben war.  ^)  Nach  Abschaffung  desselben  ist  wahrscheinlich 
gleich  jene  demokratische  Verfassung  eingeführt  worden,  wie  wir 
sie  zur  Zeit  des  Peloponnesischen  Krieges  finden  und  wie  sie  sich 
trolz  mehrfacher,  zum  Theil  sehr  blutiger  aristokratischer  Re- 
actionen  bis  zur  Zeit  der  römischen  Herrschaft  erhalten  hat:  die 
oberste  Entscheidung  über  alle  Staatsangelegenheiten  lag  in  der 
Hand  der  Volksversammlung,  d.  h.  der  gesammten  in  vier  Phylen 
(die  drei  altdorischen  und  eine  vierte,  Hyrnethia)  getheilten  Bürger- 
schaft, welche  auch  in  dem  Ostrakismos  ein  Prävenlivmittel  gegen 
oligarchische  Bestrebungen  hatte;  die  Verwaltung  wurde  von  der 
Bule  und  ihren  Ausschüssen,  dem  Collegium  der  Achtzig  und  dem 
der  Artynen,  geführt,  ^j  Der  Privatcharakter  der  Argiver  wird 
uns  von  den  alten  Schriftstellern  ebenso  wenig  als  ihre  in  Folge 
der  kleinlichen  Eifersucht  gegen  Sparta  meist  antinationale  aus- 
wärtige Politik  in  einem  günstigen  Lichte  dargestellt:  sie  gelten 
als  streitsüchtig  und  anmassend,  als  geneigt  zur  Dieberei  und  als 
unmässig  im  Trinken^)  —  letzteres  scheint  ein  durch  die  Natur  der 
Landschaft  selbst  hervorgerufener  oder  doch  begünstigter  Fehler  zu 
sein,  da  noch  die  heutigen  Argiver  die  besten  Trinker  wenigstens 
unter   den  eingebornen  Bewohnern   des   Königreichs  Hellas   sind. 

Wenden    wir    uns    nun    zur     topographischen    Betrachtung 


nach  Zarax  hinab  erstreckt,  kann  sich  nur  auf  vorübergehende  Ver- 
hältnisse beziehen. 

1)  Herod.  VIT,  149:  bei  Paus.  II,  19,  2  ist  nur  von  Absetzung  eines 
Königs,  nicht  von  gänzlicher  Abschaffung  des  Königtums  die  Rede; 
vgl.  Flut,  de  Alex,  virt,  II,  8;  de  Pyth.  orac.  5. 

2j  Thuk.  V,  47;  Aristot.  pol.  V,  3  (p.  129,  3  ed.  Bekk.);  schol.  Arist. 
equit.  855.  Ueber  die  Fhjle-'TQvrjd'LCi  oder  "TQvaQ'Ca  vgl.  die  Inschr. 
C.  I.  G.  n.  1130;  1131;  BuUett.  1854  p.  XXXIV  ^  und  Steph.  Byz.  u. 
dv^ävBg.  Neben  den  auf  Gemeinsamkeit  der  Abstammung  beruhenden 
Phylen  gab  es  in  Argos  auch  topische  Phylen;  denn  als  solche  fasse 
ich  mit  Ahrens  Philologus  Bd.  XXIII,  S.  16  die  Namen  TloöCdocov  und 
TLsdiov  in  der  Inschrift  Revue  arche'ol.  1855  p.  577  ff.  (=  Philologus 
IX,  S.  588). 

^)  Diogenian.  II,  79  c.  not.;  App.  prov.  III,  35;  Suid.  u.  'AgyeiOL 
cpagss.  —  Athen.  X,  p.  442  ^i;  Aelian.  v.  h.  III,  15, 


1.   Argolis:  Argeia.  45 

der  Argeia  und  kehren  zu  diesem  Behufe  nach  dem  Passe 
durch  das  Tretosgehirge,  in  welchem  die  Wege  aus  dem  Thale 
von  INemea  und  von  Kleonae  her  zusammentreffen,  zurück.  Nach- 
dem man  aus  dem  Passe  in  den  noch  sehr  sclunalen  nördlichen 
Winkel  der  Ehene  eingetreten  ist,  sieht  man  zur  Linken  auf  einem 
vom  Tretos  gegen  Westen  vortretenden,  in  mehreren  Ahsätzen 
zur  Ehene  absteigenden  Felsriicken,  an  dessen  südwestlichem 
Fusse  jetzt  das  Dorf  Charvati  liegt,  die  noch  jetzt,  nach  mehr 
als  2000jähriger  Verödung,  stattlichen,  ja  imposanten  Ruinen  von 
Mykenae,  der  'wohlgebauten',  'breitstrassigen' ,  'goldreichen' 
Stadt  der  Ilias,  die  noch  in  den  ]*erserkriegen,  während  ihre 
mächtigere  Nachbarin  Argos  eine  schimpfliche  Neutralität  beob- 
achtete, einen  Theil  ihrer  wohl  schon  sehr  zusammengeschmol- 
zenen Bürgerschaft  gegen  den  Nalionalfeind  aussandte,  ^)  aber 
schon  im  Jahre  463  v.  Chr.^)  von  den  Argivern  nach  längerer 
Belagerung  durch  Hunger  zur  Unterwerfung  gezwungen  und  in 
Folge  dessen  von  ihren  Bewohnern,  die  zum  grössern  Theile  nach 
Makedonien  auswanderten,  zum  Theil  in  dem  benachbarten  Kleo- 
nae, das  offenbar  nur  widerwillig  zu  ihrer  Unterwerfung  mitge- 
wirkt hatte,  und  in  dem  achäischen  Keryneia  Zuflucht  fanden, 
gänzlich  verlassen  und  seitdem  so  vergessen  wurde,  dass  ein  Geo- 
graph wie  Strabon  (VIIl,  p.  372)  schreiben  konnte,  es  seien  auch 
keine  Spuren  davon  mehr  erhalten.  Dieser  schon  von  Pausanias 
durch  eine  kurze  Beschreibung  der  von  ihm  besuchten  Buinen- 
slätte  (c.  16,  5  ff.)  belichtigte  Irrtum  wird  durch  den  Augen- 
schein aufs  glänzendste  widerlegt;  denn  noch  jetzt  ziehen  sich 
rings  um  den  oberen  Absatz  des  Felshügels,  mit  Ausnahme  einer 
Strecke  der  Südseite,  an  welcher  die  schroff  abfallenden  Felsen  eine 
künstliche  Befestigung  enlbclirlich  machten,  zum  Theil  in  bedeut- 


')  Ilcrod.  VII,  202;  IX,  28;  vgl.  die  Inschr.  der  delphischen  Schlan- 
gensHulc  (Dethier  und  Mordtmaiin  Epigr.  von  liyzantion  I,  TH.  11}  Ge- 
winde 7:  MT^ANEZ  d.  i.  Mv-viavstg  wie  auch  Steph.  JJyz.  u.  Mv- 
HTJvaL  das  Ethnikon  Mvyirjvfvg  neben  MvyirjvKiog  anführt. 

')  Nach  Diod.  XI,  6ft  schon  Ol.  78,  1  (468):  docli  muss  dies,  wie  schon 
Grote  (Gesch.  Griech.  III,  S.  248  d.  d.  Uob.)  bemerkt  liat,  ein  Irrtum 
sei,  da  Diodor  selbst  beifügt,  die  Lakedämonicr  Ijätteii  den  MykenUorn 
nicht  helfen  können  'wegen  ihrer  eigenen  Kriege  und  des  in  Folge  des 
llrdbebcns  erlittenen  Schadens».  Vgl.  auch  Strab.  VIII,  p.  ;{77;  l'aus 
MI,  25,  5. 


46  II.  Peloponnesos. 

ender  Höhe  die  meist  ans  grossen  polygonen  Werlistücken  erbau- 
ten Ringmauern  der  Oberstadt  mit  dem  berülunlen  Löwentbor 
(von  den  Eingebornen  tö  IsovtaQL  Vier  Löwe'  genannt)  im  We- 
sten und  einem  kleineren  Tbor  an  der  Nordseite;  noch  jetzt 
erkennt  man  auf  dem  Ilacheren  Absätze  westlicb  von  der  Ober- 
stadt die  Spuren  einer  von  Nord  nach  Süd  gerichteten  Mauer, 
die  wohl  als  eine  Art  Landwehr  zum  Schutz  gegen  einen  Angrifl' 
von  der  Ebene  her  zu  betrachten  ist;  noch  erheben  sich  östlich 
von  dieser  Mauer  zwei  künstlich  aufgeschüttete  Erdhügel,  vvelc,he 
unterirdische  Kuppelgebäude  von  bienenkorbähnlicher  Form  — 
wahrscheinlich  alte  Königsgräber  aus  der  Atridenzeit  —  bergen, 
von  denen  das  südlichere,  von  den  Gelehrten  gewöhnlich  *das 
Schalzhaus  des  Atreus',  von  den  ' Jmwohnern  treffender  Mas  Grab 
des  Agamemnon'  genannt,  seit  dem  Anfang  dieses  Jahrhunderts 
ausgeräumt  und  dem  Bescliauer  zugänglich,  leider  aber  sowohl 
seiner  aus  Halbsäulen  und  Tafeln  von  buntem  Marmor  bestehen- 
den Thürverkleidung  als  auch  seines  Schmuckes  von  Erzplatten 
im  Innern  entkleidet  ist,  während  das  nördlichere,  von  dem  nur 
in  Folge  des  Einsturzes  der  obersten  Spitze  einige  der  nach  Oben 
sich  verengenden  concentrischen  Steinkreise  sichtbar  sind,  noch 
immer  der  Aufräumung  harrt;  noch  jetzt  sieht  man  über  dem 
Erdboden  westlich  und  östlich  von  dem  Mauerzuge  zwei  aus  grossen 
unbehauenen  Steinen,  über  welche  noch  mächtigere  als  Decksteine 
gelegt  sind,  construirte  Eingänge  (von  den  Bauern  (povQvot,  Mie 
Oefen'  genannt),  die  wahrscheinlich  zu  jetzt  verschwundenen  unler- 
irdischen  Grabkammern  geführt  haben;  noch  jetzt  endlich  erkennt 
man  in  dem  meist  trockenen  Bette  eines  südwestlich  unter  der 
Burg  hinfliessenden  Giessbaches  die  Beste  eines  alten  Brücken- 
pfeilers und  südlich  davon  die  Spuren  der  zu  dieser  Brücke  füh- 
renden FahrstrasseJ)    Nur  die  von  Pausanias  (c.  16,  6)  innerhalb 


^)  Vgl.  die  Pläne  und  Ansichten  in  der  Expe'd.  de  Moree  II,  pl.  63  ss. 
(darnach  der  Plan  der  Kuinen  bei  Curtius  II,  Tfl.  XVI  nnd  auf  unserer 
Tfl.  I,  n.  2)  und  die  Beschreibungen  bei  Curtius  S.  400  ff.  und  bei 
Vischer  Erinnerungen  S.  304  ff.  Von  dem  Cliirakter  des  Reliefs  über 
dem  Lövventhore,  das  ein  entschiedenes  Streben  nach  scharfer  Natur- 
wahrheit mit  grosser  Unbehülflichkeit  in  der  Bildung  mancher  Körper- 
theile  verbindet,  giebt  die  nach  dem  Gips;ibguss  in  Berlin  gefertigte 
Abbildung  in  der  arch.  Zeitung  XXIII  (18G5)  Tfl.  193  die  beste  An- 
schauung.   Ueber  die  Bestimmung  der  unterirdischen  Kuppelgebäude  zu 


1.    Argolis:  Argeia.  47 

der  Ruinen  erwähnte  Quelle  Perseia  ist  nicht  mehr  nachzu- 
weisen; ebenso  wenig  sind  wir  im  Stande  die  von  demselben 
(a.  a.  0.)  aufgeführten  Grabmäler  zu  identificiren  (doch  könnte 
eine  umfassende  Aufräumung  des  Bodens  besonders  östlicli  von  der 
unteren  Mauer  noch  manches  Verborgene  zu  Tage  fördern)  oder 
den  Emeia  genannten  Platz  aufzuzeigen,  auf  welchem  der  Sage 
nach  Thyestes  die  Reste  der  furchtbaren  Mahlzeit,  von  deren 
Anblick  der  Sonnengott  sich  abwandte,  wieder  von  sich  gegeben 
halte.  1)  ^ 

Südostwärts  von  Mykenae  zieht  sich  ein  hoher,  jetzt  ganz 
kahler  Felsberg,  der  südlichste  Ausläufer  des  Tretos  gegen  die 
Ebene,  hin,  der,  nach  seinem  alten  Namen  Euboia  zu  urtheilen, 
im  Alterthum  noch  wenigstens  theilweise  mit  Weideland  bedeckt 
gewesen  zu  sein  scheint.  Gegen  Süden  fällt  er  in  zwei  Terrassen 
ab,  welche  im  Nordwesten  und  im  Südosten  von  zwei  tiefeingeschnit- 
tenen Flussbetten,  in  denen  einst  die  Bäche  Eleutherios  und 
Asterion  flössen,  eingefasst  sind;  jenseits  des  letzteren  erhebt 
sieb  ein  isolirter  runder  Felshügel,  im  Alterthum  Akraea  genannt; 
die  allmälig  nach  der  Ebene  absteigende  Gegend  unterhalb  der 
unleren  Terrasse  führte  den  Namen  Prosymna,  der  ursprünglich 
eine  Ortschaft,  von  der  sich  freilich  im  Alterlhume  selbst  nur  eine 
dunkele  Erinnerung  erhalten  hatte,  ^)  bezeichnet  haben  soll.  Die 
obere  der  beiden  Terrassen,  deren  Südseite  noch  jetzt  von  einer 
Substruction  aus  mächtigen ,  fast  ganz  rohen  Conglomeratblöcken 
gestützt  wird,  trug  den  alten  Tempel  der  Hera,  das  lleraeon, 
welches  urs|)rünglich  den  Mykenäern  gehörig,  dann  eine  Zeit  lang 
von  ihnen  mit  den  Argivern  gemeinsam  verwaltet,  seit  der  Ver- 
ödung von  Mykenae  in  den  Alleinbesitz  der  Argiver  übergegangen 
war.  Nachdem  der  ältere  Tempel  Ol.  89,  2  abgebrannt,  \\urde 
durch  den  Baumeister  Eu[)olemos,  wahrscheinlich  unter  der  Ober- 
leitung des  Polykleitos,  welcher  die  berühmte  chryselephantine 
Kolossalstatue  dafür  arbeitete,  ein  neuer  auf  der  unteren  rings 
von  einer  Peribolosmauer  umschlossenen  Terrasse  erbaut,  der  nach 


Gräbern  vgl.  Mure  im  Rhein,  Mus.  VI,  S.  240  IT.;  Weleker  Kleine 
Hchriften  III,  S.  353  ff. 

«)  Eustath.  ad.  Iliad.  p.  184,  12;  Etym.  M.  p.  .'$34,  19:  Vf,M.  G.  Her- 
mann ad  Acscli,  Agam.  v.  15G7. 

2)  Htrab.  VIII,  p.  373;  Stat.  Theb,  I,  383;  IV,  43;  Stcpli.  Uyz. 
n.   TlQoavfiva. 


48  11.  Peloponnesos. 

(Jen  Resultaten  einer  im  Herbst  1854  unternommenen  Ausgrabung 
gerade  in  der  Mitte  des  Pcribolos  in  der  Ricbtung  von  OSO  nach 
WNW  aus  mit  Stuek  überzogenem  TufTstein  (nur  die  Cellamauern 
aus  weisslich-grauem  Kalkstein)  in  dorischem  Stil,  wahrscheinlich 
als  Hexastylos  peripteros,  erbaut  und  mit  reichem  Sculpturschmuck 
aus  Parischem  Marmor  (aus  welchem  Material  auch  das  Dach 
nebst  dem  Traufbord  bestand)  in  den  Metopen  und  Giebelfeldern 
verziert  warJ)  Nordöstlich  vom  lieräon  in  einem  kleinen  rings 
von  Bergen  umschlossenen  Thc4e,  das  mit  der  Ebene  von  Argos 
durch  eine  enge,  von  steilen  und  höhlenreichen  Felsbergen  be- 
grünzte  Schlucht  (Klisura)  zusammenhängt,  findet  man  10  Minuten 
westlich  von  dem  Dörfchen  Birbati  die  Reste  eines  kleinen  helle- 
nischen Thurmes,  nahe  dabei  eine  zerstörte  Kirche,  welche,  wie 
Säulenreste  und  die  noch  erhaltene  antike  marmorne  Thürschwelle 
zeigen,  an  der  Stelle  eines  kleinen  in  ionischem  Stil  erbauten 
Tempels  steht;  5  Minuten  weiter  westlich  die  Ruinen  mehrerer 
grosser  römischer  Ziegelgebäude  mit  gewölbten  Gemächern,  deren 
Wände  mit  buntem  Stuck  bekleidet  und  zum  Theil  mit  Reliefs 
in  Stuck  (eines,  einen  Pfau  mit  ausgebreiteten  Flügeln  und  Schwanz 
vorstellend,  fand  ich  noch  wohl  erhalten  am  Platze)  geschmückt 
waren:  das  eine  derselben,  ein  Saal  von  85  Fuss  Länge,  mit  Strebe- 
pfeilern, die  die  gewölbte  Decke  slüzten,  an  den  Wänden,  muss 
wohl  als  Ilauptsaal  eines  römischen  Thermengebäudes  betrachtet 
werden.  Der  hellenische  Thurm  diente  jedenfalls  zur  Bewachung 
des  durch  dieses  Thal  führenden  directen  Verbindungsweges  zwi- 
schen Argos  und  Korinlh,  aber  den  Namen  der  noch  in  Römischer 
Zeit  blühenden   Ansiedelung  kennen   wir   ebenso   wenig  als    den 


1)  Paus.  c.  17;  Strab.  VIII,  p.  368;  372;  Herod.  I,  31;  Thuk.  IV, 
133.  Die  angebliche  Gründung  des  Tempels  durch  Doros  (Vitruv. 
IV,  1)  kann  schwerlich  als  ein  ächter  Zug  der  Sage  betrachtet  wer- 
den, da  seine  Gründung  jedenfalls  der  Zeit  vor  der  dorischen  Einwan- 
derung angehört,  wie  auch  Soph.  Electra  8  ihn  schon  in  der  Pelopiden- 
zeit  vorhanden  sein  lässt.  Ueber  die  Ausgrabung  vgl.  meinen  Bericht 
im  Bulletino  1854,  II,  p.  XIII  ss.  und  Rangabc  Ausgrabung  beim  Tempel 
der  Hera  unweit  Argos,  Halle  1855,  dazu  den  Plan  auf  unserer  Tfl.-I, 
n.  3.  Der  Tempel  nebst  dem  Peribolos  war  für  gewöhnlich  ver- 
schlossen und  wurde  wohl  nur  an  den  Festen  der  (xöttin  geöffnet: 
p.  Plut.  Oleomen.  26.  Plünderung  desselben  durch  die  Aetolier  unter 
Führung  des  Pharykos:  Polyb.  IX,  34. 


'  1.  Argolis:  Argela.  49 

der  Gottheit,    welcher  der  Tempel   neben   dem   Wartthurme    ge- 
weiht war.  ^j 

Die  etwas  über  zwei  Stunden  lange  Strasse  von  Mykenae  nach 
Argos  führt  in  gerader  südlicher  Richtung  durch  die  jetzt  ganz 
baumlose  Ebene.  Pausanias  (11,  c.  18)  sah  auf  diesem  Wege  zu- 
nächst hinter  Mykenae  zur  Linken  ein  Heroon  des  Perseus,  dann 
etwas  weiter  hin  zur  Rechten  das  angebliche  Grab  des  Thyestes 
mit  dem  Steinbilde  eines  Widders  (die  Renennung  ot  Kqlol,  Mic 
Widder',  welche  er  als  die  volkstümliche  dafür  giebt,  lässt  ver- 
muten, dass  früher  noch  mehrere  solche  Rilder  dort  gestanden 
hatten),  noch  etwas  weiter  hin  zur  Linken  einen  Mysia  genann- 
ten Platz  mit  einem  verfallenen  Tempel  der  Demeter  Mysia,  in 
welchen  eine  kleine  Kapelle  aus  Ziegeln,  die  Schnitzbilder  der 
Kora,  des  Pluton  und  der  Demeter  enthielt,  hineingebaut  war. 
Nachdem  er  dann  den  Inachos  überschritteji  hatte  und  bei  einem 
Altar  des  Helios  vorübergegangen  war,  trat  er  durch  das  nach 
einem  benachbarten  Tempel  der  Eileithyia  benannte  Thor 2)  in 
die  Stadt  Argos  ein,  welche  damals  den  Raum  zwischen  dem 
Felskegel  der  Larisa  im  Westen,  einem  durch  eine  Einsattelung 
[zfstQas)  mit  dem  nordöstlichen  Fusse  derselben  zusammenhän- 
genden flachen  Felshfigel  im  Norden  (der  noch  ebenso  wie  der 
Rücken  der  Larisa  innerhalb  der  Mauerlinie  lag)  und  dem  trocke- 
nen Rache  Charadros  im  Osten  einnahm^)  —  gegen  Süden  ist 
ihre  Ausdehnung,  da  sich  hier  keine  sicheren  Spuren  der  Ring- 
mauer nachweisen  lassen,  nicht  mehr  zu  bestimmen,  doch  scheint 
sie  nicht  weil  über  den  südlichen  Fuss  der  Larisa  hinausgegangen 
zu  sein   —    einen   Raum,   welcher   von   dem  jetzigen  Städtchen 


*)  Man  könnte  auf  diese  von  mir  im  .1.  1854  untersuchten  Ruinen 
den  nur  von  Thuk.  V,  58  erwähnten  Namen  Saminthos  beziehen; 
doch  scheint  diese  Ortschaft  in  der  Ebene  selbst  und  zwar  im  nord- 
westlichen Theil  derselben  (schwerlich  bei  Phiklia,  Mykenae  gegenüber, 
wie  Koss  Reisen  I,  S.  27  annimmt,  eher  im  Inachosthale,  bei  dem  jetzigen 
Skala,  oberhalb  dessen  ein  mittelalterliches  Castell  auf  hellenischen 
Fundamenten  steht)  gelegen  zu  haben.  Lag  bei  Birbati  vielleicht  Me- 
li na  mit  dem  Tempel  der  Aphrodite  MelinUa  (Steph.  u.  MsXiva)? 

')  Dies  ist,  wie  schon  Curtius  (Pel.  II,  S.  368)  vermuthet  hat,  je- 
denfalls identisch  mit  dem  von  Hesych.  u.  N^iisid^sg  nvXai  crwähnien 
Nemeischen  Thore. 

3)  Dasa  der  Charadros  ausserhalb  der  Stadtmauer  war,  zeigt  Thuk. 
V,  CO. 

RUR8IAN,    GEOOR.   II.  4 


50  II.  Peloponncsos. 

Argos,  trotz  seiner  weitläufigen  ganz  dorfartigen  Bauart,  kaum 
zur  Hälfte  ausgefüllt  wird.  Von  den  ßefestigungswerken  der 
alten  Stadt  sind  noch  auf  dem  höchsten  nördlichen  Theile  der 
Larisa,  welcher  die  eigentliche  Akropolis  hildete,  in  der  noch 
Pausanias  (c.  24,  3)  einen  verfallenen  Tempel  des  Zeus  Larisaeos 
und  einen  wohlerhaltenen  der  Athene  sah,  bedeutende  Reste  der 
meist  aus  schön  bearbeiteten  polygonen  Werkstücken  gefügten 
Ringmauer  mit  den  Fundamenten  einiger  Thürme  erhalten,^) 
deren  Linie  sich  dann  gegen  Süden  fast  den  ganzen  Rücken  der 
Larisa  entlang,  gegen  Nordosten  an  dem  Abhänge  durch  die  Ein- 
sattelung (in  der  man  noch  die  Stelle  eines  alten  Thores  erkennt)'^) 
hindurch  nach  dem  kleineren  nordöstlichen  Hügel  verfolgen  lässt: 
dieser  bildete  eine  besondere  zweite  Akropolis,  welche,  wie  die 
noch  erhaltenen  Reste  zeigen,  ringsum  von  einer  Mauer  aus 
grossen  fast  ganz  regelmässigen  Quadern,  die  durch  Thürme  ver- 
stärkt war  (ein  grosser  Rundthurm  ist  noch  an  der  Nordostseite 
erkennbar)  umschlossen  wurde  und  zu  welcher  man  von  der  Un- 
terstadt auf  einer  Felstreppe  von  13  Stufen  emporstieg.  Ausser 
diesen  Resten  der  Befestigungswerke  findet  man  noch  am  südöst- 
lichen Abhang  des  kleineren  Hügels  einen  aus  grossen  fast  ganz 
unbehauenen   Werkstücken    erbauten    unterirdischen    Gang,    der 


1)  Vgl.  Curtius  Fei.  II,  S.  350  f.;  Annali  XXXIII,  p.  15. 

2)  Dies  war  offenbar  das  von  Paus.  c.  25,  4  als  nvlcct  ui  Ttgog  tfi 
dsiQccÖL  bezeichnete  Thor;  denn  nur  dieser  Einsattelung,  nicht,  wie 
Leake  (Morea  II,  p,  400)  und  Curtius  meinen,  dem  kleineren  Hügel  kann 
derNarae^fi^ag  zukommen,  wie,  abgesehen  von  der  eigentlichen  Bedeutung 
desselben  (Hals,  Nacken),  schon  die  Angabe  des  Paus.  c.  24,  1,  wornach 
man  über  die  Deiras  zur  Akropolis  emporstieg,  zeigt.  Dass  auch  der  kleine 
Hügel  eine  besondere  Akropolis  bildete,  beweisen  die  von  mir  genauer 
untersuchten  Reste  der  rings  um  ihn  sich  herumziehenden  Ringmauer; 
es  wird  bestätigt  durch  die  ausdrückliche  Angabe  des  Livius  XXXIV, 
25:  ""utrasque  arces  —  nam  duas  habent  Argi'.  Den  wirklichen  alten 
Namen  des  Hügels  können  wir  nicht  mehr  feststellen;  am  passendsten 
für  die  Form  desselben  wäre  der  Name  'Agtcls  (Plut.  Oleomen.  17;  21. 
Pyrrh.  32):  allein  da  nach  der  zuerst  angeführten  Stelle  dieser  Name 
einen  Platz  vtcsq  tov  Q'sdxQOv  bezeichnete,  so  müsste  man  dann  anneh- 
men, dass  Plutarch  das  Theater  mit  dem  Stadion,  welches  nach  Paus, 
c.  24,  2  in  der  Einsattelung  zwischen  der  Larisa  und  dem  kleineren 
Hügel  gelegen  zu  haben  scheint,  verwechselt  habe.  Der  von  Anderen 
für  den  Hügel  vorgeschlagene  Name  'AQ'rivaiov  hat,  da  er  nur  bei  Pseu- 
doplut.  De  fluv..  (18,  12)  erscheint,  gar  keine  Gewähr. 


1.  Argolis:  Argeiii,  51 


jetzt   auf  eine  Länge   von   65  Fuss   offen  liegt  und  am  siUlliclien 
Ende  von  einer  Art  kreisf 
wird,  in  folgender  Weise: 


Ende  von  einer  Art  kreisförmiger  kleiner  Kammer  abgeschlossen 


o 


Die  mit  starkem  bräunlichen  Cement  bekleideten  Seitenwände 
treten  nach  oben  allmälig  gegen  einander  vor,  doch  stehen  sie 
oben  noch  über  einen  Fuss  weit  von  einander  ab;  die  Tiefe  des 
Ganges  konnte  ich,  da  der  Boden  mit  Wasser  bedeckt  ist,  nicht 
bestimmen.  Wahrscheinlich  haben  wir  in  der  ganzen  Anlage  eines 
jener  alten  Wasserreservoirs,  deren  Errichtung  die  Sage  auf  Danaos 
zurückführte  (vgl.  S.  41,  Anm.  1),  zu  erkennen:  vielleicht  ist  sie 
identisch  mit  dem  von  Pausänias  (c.  23,  7)  unter  den  Sehens- 
würdigkeiten von  Argos  erwähnten  unterirdischen  Bauwerke,  auf 
welchem  der  vom  Tyrannen  Perilaos  zerstörte  eherne  Thalamos 
der  Danae  gestanden  hatte.  Ist  diese  Vermutung  richtig,  so  haben 
wir  auch  die  anderen  von  Pausänias  a.  a.  0.  erwähnten  Gebäude: 
das  Denkmal  des  alten  Königs  Krotopos,  Sohnes  des  Agenor,  den 
Tempel  des  Dionysos  Kresios  und  den  der  Aphrodite  Urania  auf 
dem  kleineren  Hügel  zu  suchen.  ^) 

Ferner  zieht  sich  am  östlichen  Fusse  der  Larisa  eine  gegen 
100  Fuss  lange  Mauer  aus  grossen  polygonen  Werkstücken  von 
bedeutender  Höhe,  mit  einem  einfachen  Thore  in  der  Mitte,  hin, 
welche  eine  künstlich  geebnete  Fläche  am  Abhänge  des  Berges 
stützt,  auf  der  noch  die  Reste  eines  römischen  Bauwerkes  aus 
Ziegeln  stehn.  In  die  felsige  Rückwand  dieser  Fläche  ist  in 
gleicher  Linie  mit  dem  Thore  der  Terrassenmauer  ein  recht- 
winkeliger Raum  hineingearbeitet,  der  sich  stufenweise  verengt 
und  von  einer  halbrunden  Nische,  in  welche  ein  Canal  aus  dem 
Innern  des  Felsens  einmündet,  abgeschlossen  wird:  eine  ziemlich 
räthselhafte  Anlage,  die  ich  wenigstens  für  nichts  Anderes  halten 
kann  als  für  ein  Brunnenhaus,  das  von  einer  jetzt  versiegten 
Ouelle  im  Innern  des  Burgfelsens  gespeist  wurde. ''^)  Auch  die 
römische  Ruine  scheint  von  einem  damit  in  Verbindung  gesetzten 


*)  So  schon  Curtius  (Fei.  II,  S.  361),  der  nur  nicht  an  Bekleidung 
•  l(>r  Wände  des  Ganges  mit  Erzplattcn  liilttc  denken  sollen,  wogegen 
ilcr  Cemontüberzug  spricht. 

2)  S.  den  l*hin  Expt(d.  de  MorJe  H,  pl.  CO.  Der  Ansicht  von  Curtins 
(a.  a.  O.  S.  :^ü7),    welcher    in -der  Terrasse  das  von  Paus.  c.  20,  7  er- 

4* 


52  II.  Peloponnesos. 

Thermengebäude  herzurühren.  Weiter  südlich  ist  in  den  Fuss 
der  Larisa  das  Theater  hineingearbeitet,  von  dessen  aus  dem 
Felsen  des  Berges  selbst  geschnittenen  Sitzreihen  noch  67  über 
dem  Boden  sichtbar  sind ;  bloss  die  beiden  Enden  des  Halbkreises 
waren  durch  Mauerwerk  gestützt,  welches  ebenso  wie  das  Bühnen- 
gebäude jetzt  verschwunden  istJ)  Neben  dem  südlichen  Ende 
des  Halbkreises  sind  noch  gegen  20  Sitzstufen  in  Form  eines 
flachen  Kreissegmentes  über  einander  in  den  Fels  gearbeitet, 
deren  Bestimmung  durchaus  unklar  ist.  '^)  Oberhalb  des  Theaters 
stand  nach  Pausanias  (c.  20,  8)  ein  Tempel  der  Aphrodite,  vor 
dem  Cultbilde  desselben  eine  Stele,  auf  welcher  die  Dichterin  und 
heldenmüthige  Vertheidigerin  ihrer  Vaterstadt,  Telesilla,  mit  einem 
Helm  in  der  Hand  dargestellt  war:  die  Stelle  desselben  bezeich- 
net wahrscheinlich  die  Capelle  des  h.  Georgios  auf  dem  südlich- 
sten Theile  des  Rückens  der  Larisa,  der  den  Sondernamen  Aspis 
geführt  zu  haben  scheint.^)  Unterhalb  des  Theaters  endlich  fin- 
det man  noch  die  Reste  eines  umfangreichen  länglich -viereckten 
Bauwerkes  aus  Ziegeln  mit  einem  kleinen  Anbau   an  der  Rück- 


wähnte Kqlttjqlov^  die  Gerichtsstätte  von  Argos,  erkennt,  scheint  mir 
die  obere  Felsanlage,  sowie  die  Notiz  der  Schol.  zu  Eur.  Orest.  859, 
dass  jene  Gerichtsstätte  auf  einem  IJqwv  genannten  Gipfel  oder  Vor- 
sprunge des  Berges  lag,  entschieden  zu  widersprechen. 

1)  Vgl.  Expe'd.  de  More'e  II,  pl.  57  s.;  Strack  Gr.  Theatergeb.  Tfl. 
IV,  2.  Die  von  Paus.  c.  20,  7  erwähnte  Gruppe  (der  Argiver  Perilaos 
den  Spartiaten  Othryadas  tödtend)  bildete  wahrscheinlich  mit  mehreren 
anderen  Sculpturwerken  den  Schmuck  der  Vorderseite  der  Bühne. 

2)  Gegen  die  an  sich  nahe  liegende  Annahme,  dass  hier  das  Kriterion 
(S.  51  Anm.  2)  zu  suchen  sei,  hat  Vischer  (Erinnerungen  S.  321)  richtig 
bemerkt,  dass  der  Weg,  den  Pausanias  machte,  sie  nicht  zu  gestatten 
scheine.  Wollte  man  nun  auch  annehmen,  Pausanias  sei  von  dem  Hei- 
ligtume  des  Zeus  Soter  an  der  Südwestseite  der  Agora  aus  eine  Seiten- 
strasse gegangen,  die  ihn  gerade  auf  jene  Steinsitze  zu  geführt  habe, 
so  bliebe  doch  immer  bei  der  unmittelbaren  Nähe  derselben  und  des 
Theaters  der  Ausdruck  xovxov  ds  tativ  ov  tcoqqco  &s(Xtqov  (c,  20,  7) 
sehr  bedenklich. 

^)  Vgl.  S.  50,  Anm.  2.  Dass  das  kleine  Relief  auf  dem  Felsen 
nördlich  vom  Theater,  welches  einen  auf  eine  Amphora  zu  reitende« 
Krieger  mit  dem  Schild  am  Arm,  dazwischen  eine  sich  aufrichtende 
Schlange  darstellt,  mit  jener  Benennung  nichts  zu  thun  hat,  sondern 
eine  gewöhnliche  sepulcrale  Darstellung  ist,  haben  schon  Conze  und 
Michaelis  (Annali  vol.  XXXIII  p.  15  s.)  richtig  bemerkt. 


1.  Argolis:  Argcia.  53 

Seite,  der  nach  Innen  eine   halbkreisförmige  Nische    bildet:   viei- 
leicht  eine  Basilica  aus  der  Römischen  Kaiserzeit. 

Von  der  eigentlichen  Stadt  sind  wegen  der  bedeutenden 
Erhöhung  des  Bodens  in  Folge  der  ununterbrochenen  Bewohnung, 
abgesehen  von  einigen  für  die  Topographie  unwesentlichen  Bild- 
werken und  Inschriften,  gar  keine  Reste  erhalten,  so  dass  wir 
uns  nur  aus  der  zwar  ausführlichen  aber  keineswegs  sehr  klaren 
Beschreibung  des  Pausanias  (c.  19,  3  —  c.  24,  2)  eine  ungefähre 
Vorstellung  von  der  Würde  und  Stattlichkeit  der  Heiligtümer  und 
öifentlichen  Gebäude  wie  von  der  Fülle  von  Kunstwerken,  die  sie 
schmückten*),  machen,  aber  kein  genaueres  topographisches  Bild 
derselben  entwerfen  können.  Den  Mittelpunct,  um  welchen  die 
meisten  und  bedeutendsten  Heiligtümer  herum  lagen,  bildete  die 
umfangreiche,  mit  zahlreichen  Statuen  und  Heroengräbern  be- 
setzte Agora,  die  sich  unterhalb  der  Burg  (Liv.  XXXII,  25),  d.  h. 
offenbar  nahe  dem  östUchen  Fusse  der  Larisa,  doch  nicht  un- 
mittelbar an  demselben  —  vielmehr  führten  Seitengassen  von  der 
Westseite  der  Agora  nach  dem  Fusse  des  Berges  (vgl.  weiter 
unten)  —  hinzog.  Das  angesehenste  jener  Heiligtümer  war  der 
angeblich  schon  von  Danaos  gegründete  Tempel  des  Apoll on 
Lykios,  der  mit  seinem  ausgedehnten  Temenos,  in  welchem  noch 
verschiedene  Götterbilder,  Altäre,  Heroengräber  und  sonstige  Bild- 
werke vereinigt  waren,  einen  bedeutenden  Theil  der  Nordseite 
der  Agora  eingenommen  zu  haben  scheint;  ihm  gegenüber,  d.  h. 
wohl  durch  eine  Strasse  davon  getrennt,  lag  das  Heiligtum  des 
Zeus  Nemeios;  in  dieser  Strasse  zur  Rechten  das  Grab  des 
Phoroneus,  zur  Linken,  hinter  dem  Zeusheiligtum,  ein  alter  Tem- 
pel der  Tyche,  ein  Grabdenkmal  der  Maenade  Chorcia  und  etwas 
weiter  ab  vom  Markte  ein  Heiligtum  der  Hören. ^)  An  der  West- 
seite der  Agora  standen  dann  Statuengruppen :  die  sieben  Heerführer 


*)  Aemilius  Paullus  bewunderte  x6  ßccgos  trjs  tcov  'AqyuoiV  noXstos 
nach  Polyb.  XXX,  fr.  15,  1. 

*)  Paus.  c.  19,  3  8H.,  vgl.  8chol.  Soph.  El.  6.  Meiner  Ansicht  nach 
ist  alles,  was  Paus,  von  c.  19,  3  bis  c.  20,  3  beschreibt,  im  Temenos  des 
Apollon  Lykeios  zu  suchen;  dann  geht  er  nach  Erwähnung  des  Heilig- 
tums des  Zeus  Nemeios  die  Strasse,  welche  dieses  von  jenem  Temenos 
trennt,  und  kehrt  mit  §  6  {Inaviovti  S'syifCQ'Sv,  missverstanden  von  Cur- 
tius  a>.  561,  .\nm.  13)  auf  die  Agora  zurück.  Da  mehrere  Weihungen 
an  Apollon  enthaltende  Inschriften  (C.  I.  0.  n.lU2;   1143;   1152)  bei 


54  '  11.  Peloponncsos. 

gegen  Theben  und  die  sogenannten  Epigonen ;  vor  denselben,  gegen 
die  Mitte  des  Marktes  zu,  zeigte  man  ein  Denkmal  des  Danaos  und 
ein  Kenolapliioii  der  vor  llion  und  auf  der  Ki'ickfahrt  gefallenen 
Argiver.  ^)  Von  einem  ebenfalls  noch  an  der  Westseite  der  Agora 
gelegenen  Heiligtum  des  Zeus  Soter  führte  dann  eine  Seitenstrasse 
nach  dem  Fusse  der  Larisa  in  die  Nähe  des  Theaters,  in  welcher 
Tansanias  (c.  20,  6  f.)  ein  Gebäude,  in  welchem  die  Argivischen 
Frauen  die  Adonisklage  hielten,  ein  Heiligtum  des  Flussgottes 
Kephisos,  ein  steinernes  Medusenhaupt,  das  als  Werk  der  Kyklopen 
galt,  und  dahinter,  auf  einem  Vorsprunge  der  Larisa  (Prön),  das 
Kriterien,  d.  h.  den  Platz,  wo  Danaos  über  Hypermnestra  Ge- 
richt gehalten  haben  sollte'^),  erwähnt. 

Wenn  man  vom  Theater  aus  nach  der  Agora  zurückkehrte, 
fand  man  —  also  jedenfalls  an  der  Südseite  derselben  —  ausser 
mehreren  Heroengrabmälern  einen  Tempel  des  Asklepios,  ein 
Heihgtum  der  Artemis  Peilho,  einen  Delta  genannten  Platz  mit 
Altar  des  Zeus  Phyxios  davor,  und  einen  Tempel  der  Athena 
Salpinx.  Ungefähr  in  der  Mitte  der  ganzen  Agora  stand  ein  mit 
Reliefs  verziertes  Marmordenkmal,  welches  den  Platz  bezeichnete, 
auf  dem  der  Leichnam  des  bei  seinem  verunglückten  Versuche 
der  Ueberrumpelung  der  Stadt  (Ol.  127 ,  1)  gefallenen  Pyrrhos 
verbrannt  worden  war;  nahe  dabei  erhob  sich  ein  einfacher  Erd- 
hügel, unter  welchem  das  Haupt  der  Gorgo  Medusa  liegen  sollte, 
daneben  das  Grab  der  Gorgophone,  Tochter  des  Perseus,  und 
vor  diesem  ein  Tropaeon  zur  Erinnerung  an  die  Vertreibung  eines 
Tyrannen  Laphaes.  Nicht  weit  davon,  jedenfalls  noch  an  der 
Südseite  der  Agora,  standen  die  Tempel  der  Leto  und  der  Hera 
Antheia,  vor  dem  letzteren  das  gemeinsame  Grab  der  Frauen,  die 
mit  Dionysos  nach  Argos  gekommen  sein  und  hier  ihren  Tod 
gefunden  haben   sollten.     Diesem   Grabe  gegenüber,    d.  h.  wohl 


einer  Kirche  des  h.  Nikolaos  (deren  Stelle  ich  leider  nicht  genauer  an- 
geben kann)  gefunden  worden  sind,  so  scheint  diese  ungefähr  die  Stelle 
des  Apollontempels  einzunehmen. 

•)  Paus.  c.  20,  5  f.,  vgl.  Strab.  VIII,  p.  371,  in  welcher  Stelle  un- 
möglich, wie  Curtius  (a.  a.  O.)  will,  ^ara  (isarjv  rriv  rav  'Agysicov  ayo- 
QKV  bloss  'die  Richtung  auf  die  Mitte  des  Marktes'  bezeichnen  kann. 
Deinias  beim  Schol.  Eur.  Or.  859  spricht  nicht  vom  Grabe  des  Danaos, 
sondern  von  dem  eines  Melanchros. 

2)  Vgl.  S.  51,  Anm.  2  und  S.  52,  Anm.  2. 


1.  Aigolis:  Argeia.  55 

am  südlichen  Ende  der  Ostseile  der  Agora,  lag  das  Heiligtum  der 
Demeter  Pelasgis,  in  dessen  Nähe  das  Grab  des  Pelasgos  und 
eine  eherne  Basis,  auf  welcher  altertümliche  Bilder  der  Artemis, 
des  Zeus  und  der  Athene  standen,  sowie  das  Heiligtum  des 
l'oseidon  Prosklystios ,  welches  die  (jränze  einer  durch  den 
Zorn  des  Poseidon  verursachten  Ueberschwemmung  eines  grossen 
Theiles  der  Ebene  bezeichnen  sollte;  nicht  weit  davon  waren 
das  Grab  des  Argos,  ein  Tempel  der  Dioskuren,  ^)  ein  Heiligtum 
der  Eileilhyia  (das  jedenfalls  von  dem  in  der  Nähe  des  nach 
iMykenae  führenden  Thores  gelegenen  verschieden  ist)  und  ein 
Tempel  der  Hekate.  Zvvisclien  diesem  und  dem  vorhergenannten 
Heiligtume  jnündete,  wie  es  scheint,  auf  den  Markt  eine  gerade 
Strasse  aus,  welche  in  östlicher  oder  südöstlicher  Richtung  nach 
dem  Diamperes  genannten  Thore  führte,  vor  welchem,  nicht 
ganz  300  Schritt  von  der  Stadtmauer  entfernt,  das  grössle  und 
hekaimteste  Gymnasion  der  Stadt  lag,  welches  nach  dem  Sohne 
des  Sthenelos,  Kylarabis,  benannt  wurde. ^)  An  einer  anderen, 
ri  Koilri  (der  Hohlweg)  genannten  Strasse,  deren  Richtung  nicht 
ganz  sicher  ist  (doch  scheint  sie  ebenfalls  von  der  Ostseite  der 
Agora,  etwas  weiter  nördlich  als  die  nach  dem  Thore  Diamperes 
führende,  nach  der  östlichen  Stadtmauer  gegangen  zu  sein)^),  lag 
ein  Tempel  des  Dionysos  und  unmittelbar  neben  demselben  die 
Ruinen  des  Hauses  des  Adrastos  (der  auch  hier  wie  in  Sikyon 
wohl  ursprünglich  mit  Dionysos  identisch  war),  weiterhin  ein 
Heiligtum  des  Anjphiaraos,  das  Grab  der  Eriphyle,  ein  Temenos 
des  Asklepios  und  ein  Heiligtum  des  Baton;  an  der  andern  Seile 

^)  Nach  Pliit.  Q.  Gr.  23  wurde  Polydoiikcs  als  Gott,  Kastor,  dessen 
Grab  man  aufzeigte,  unter  dem  Namen  Mi^ciQxayhng  als  Heros  verehrt. 

■^)  Paus.  c.  22,  8;  vgl.  J.iv.  XXXIV,  26;  IMiit.  l'.vnli.  :V2  (die  einzige 
stelle,  wo  der  Name  des  Thores,  jLUimsQBSj  angegeben  wird);  Cleomen. 
17;  26;  Lucian.  Apol.  pro  merc.  cond.  11.  Dass  es  wenigstens  in 
der  röm.  Kaiserzeit  noch  mehrere  Gymnasien  in  Argos  gab,  zeigt  die  in 
einigen  Ehrendecretcn  (C.  I.  G.  n.  1122;  1123;  lUillettino  1854,  p.  XXXIV«) 
wiederkehrende  Formel  d-tvtcc  l'lcaov  ev  nccvtl  yvfivccaLfp. 

^)  Der  Ausdruck  ivrsvdsv  bei  Paus.  c.  23,  1  kann  unmöglich  auf 
da»  zuletzt  beschriebene  Gymnasion  bezogen  werden,  da  die  Koile  gewiss 
innerhalb  der  8tadt  lag,  sondern  entweder  auf  die  zum  Thore  Diamperes 
tiihrende  Strasse  oder  (wie  Curtius  S.  361  wohl  mit  Recht  annimmt) 
wieder  auf  die  Agora.     Bei  Paus.  a.  a.  O.  schreibe  uh  dann  4j  2:    otniag 


56  II.  Pelopoimesos. 

der  Strasse  wieder  näher  dem  Markte  zu  das  Grab  der  llyrnetlio, 
sodass  wohl  von  den  vier  nach  den  vier  Phyien  benannten  Stadt- 
quartieren, in  welche  die  Stadt  getheilt  war,^)  das  Ilyrnetliische 
hier  östlich  von  der  Agora  anzusetzen  ist.  Am  nördlichsten  Theile 
der  Ostseite  der  Agora  lagen  dann  noch  das  bedeutendste  Heilig- 
tum des  Asklepios,  der  Tempel  der  Artemis  Pheraea,  die  Denk- 
mäler der  Deianeira  und  des  Helenos,  und  ein  Gebäude,  worin 
nach  der  Behauptung  der  Argiver  das  troische  Palladion  aufbe- 
wahrt wurde.  In  der  Deiras  endlich,  durch  welche  die  Strasse 
nach  der  Burg  hinauf  führte,  lagen  die  Tempel  der  Hera  Akraea, 
des  Apollon  Pythaeus  (auch  Apollon  Deiradiotes  genannt)  und  der 
Athena  Oxyderko  sowie  das  Stadion,  in  welchem  der  von  den 
Argivern  in  die  Stadt  verlegte  Nemeische  Agon  und  auch  die  IJeraeen 
begangen  wurden;  höher  hinauf  war  dann  zur  Linken  der  Strasse 
noch  das  Grabdenkmal  der  von  den  Danaiden  ermordeten  Söhne 
des  Aegyptos  bemerkenswerth.  2) 

Eine  nur  vorübergehende  Anlage  waren  die  langen  Mauern, 
durch  welche  die  Argiver  Ol.  90,  4  nach  dem  Muster  von  Athen 
und  mit  Unterstützung  der  Athener  ihre  Stadt  mit  dem  Meere  in 
Verbindung  setzten,  die  aber  schon  im  folgenden  Winter  noch 
vor  ihrer  Vollendung  von  den  Lakedaemoniern  zerstört  wurden. ') 
Dieselben  gingen  wahrscheinlich  von  der  südlichen  Stadtmauer 
nach  dem  nächsten  Punkte  der  Küste,  welcher  zwar  keinen  eigent- 
lichen Hafen  —  als  solcher  diente  den  Argivern  die  frühzeitig 
von  ihnen  unterworfene  Stadt  Nauplia  —  aber  doch  einen  durch" 
einen  Hafendamm  gesicherten  Landungsplatz  darbot:  einer  etwas 
erhöhten,  festen  Stelle  in  dem  sumpfigen  Küstensaume,  26  Sta- 
dien von  der  Stadt,  welche  als  der  erste  Landungsplatz  der  dori- 


^)  Dies  ergiebt  sich  aus  Plut.  De  mul.  virt.  4  (p.  245),  wo  ein  Stadt- 
theil  ro  77a/Ltqp'üA,ta>toV  erwähnt  wird.  Zwei  von  der  Hyrnethischen 
Phyle  gesetzte  Ehreninschriften  (C.  I,  G.  n.  1131  und  Bullettino  1854, 
p.  XXXIV  ^)  sind  vor  der  jetzt  verlassenen  Kirche  des  h.  Petros,  bei 
welcher  auch  viele  alte  Baureste  liegen,  gefunden  worden. 

2)  Paus.  c.  24,  1  f. :  über  die  c.  23,  7  f.  erwähnten  Anlagen  vgl. 
oben  S.  51.  Ueber  die  Feier  der  Nemeien  in  Argos  s.  Krause  Die  Py- 
thien,  N-emeen  und  Isthmien  S.  110  f.;  über  die  Heraeen  C.  Fr.  Hermann 
Gottesd.  Alt.  §.52,  1  f.  Von  Pausanias  nicht  erwähnte  Localitäten 
sind  das  Prytaneion  (Diod.  XIX,  63)  und  ein  Temenos  des  Agenor 
(Plut.  Q.  Gr.  50). 

3)  Thuk.  V,  82  f.  5  Diod.  XII,  81;  Plut.  Alcib.  15. 


1.   Argolis:  Argeia.  57 

sehen  Eroberer  und  als  Grabstätte  ihres  Anführers  Temenos  den 
Namen  Temenion  führte:  auf  demselben  waren  dem  Poseidon 
und  der  Aphrodite  (als  Euploia)  Heiligtümer  errichtet.  ^)  Weiter 
östlich,  gegen  Tiryns  hin,  lag  an  der  Küste  ein  Platz  Sepeia,  der 
schon  durch  seinen  Namen  als  eine  feuchte,  versumpfte  Niederung 
bezeichnet  wird;  hier  wurden  Ol.  71,  3  die  Argiver  von  dem 
lakedämonischen  Könige  Kleomenes  geschlagen  und  flüchteten  in 
den  offenbar  weiter  nördüch  auf  festem,  etwas  erhöhten  Terrain 
gelegenen  dichten  Hain  des  Heros  Argos,  welchen  Kleomenes  in 
Brand  stecken  Hess.  2) 

Vom  Thor  Diamperes  (s.  S.  55)  aus  führte  eine  jetzt  wieder 
fahrbar  gemachte  Strasse  südostwärts  nach  Tiryns,  dessen  der 
Sage  nach  von  den  lykischen  Kyklopen  im  Auftrag  des  Königs 
Proitos  ummauerte,  mit  dem  Sondernamen  Likymna  bezeichnete 
Burg  auf  dem  westlichsten  der  aus  dem  östlichen  Theile  der 
Ebene  sich  erhebenden  Felshügel,  etwas  über  eine  Stunde  von 
Argos  entfernt  lag.  Die  kaum  50  Fuss  über  die  Ebene  empor- 
ragende obere  Fläche  des  Hügels  hat  von  Nord  nach  Süd  eine 
Länge  von  ungefähr  900  Fuss;  der  südliche  Theil  ist  etwas  höher 
und  breiter  als  der  nördliche.  Mauern  von  gewaltiger  Dicke, 
ans  ganz  unbearbeiteten  colossalen  Steinblöcken,  zwischen  welche 
kleine  Steinhröckel  zum  Ausfüllen  der  Lücken  eingeschoben  sind, 
construirt,  ziehen  sich  noch  jetzt  in  verschiedener  Höhe  um  den 
Hügel  herum,  so  dass  die  innere  Seite  derselben  hart  an  dem 
oberen  Rande,  die  äussere  etwas  tiefer  am  Abhänge  steht.  Die- 
selben sind  an  der  Südostseile  von  zwei  langen,  durch  das  Gegen- 
einandertreten  der  Steinblöcke  oben  in  Form  eines  rohen  Spitz- 
bogens bedeckten  Gängen  durchbrochen,  deren  äusserer  sechs 
grosse   bis   auf  den   Boden   herabgehende  OelTnungen,    die   nach 


1)  Paus.  c.  38,  1;  Strab.  VIII,  p.  368.  Nach  Steph.  u.  Trjfiiviov 
scheint  auch  eine  wohl  hauptsächlich  von  Fischern  und  Schiffleuten 
bewohnte  Ortschaft  hier  gestanden  zu  haben.  Vgl.  Ross  Reisen  I, 
S.  149. 

«)  Herod.  VI,  77  ff.;  vgl.  Paus.  III,  4,  1.  Auf  den  Hain  ist  wahr- 
scheinlich auch  das  Sprüchwort  "Agyovs  (oder  "ylgyov)  X6q}og  (Diogon. 
HI,  10)  zu  beziehen.  In  der  NHhe  des  Ilainps  ist  woIjI  auch  der  Liby- 
ens carapus  und  das  auf  Argos  zurückgeführte  Heiligtum  der  Demeter 
Libyssa  iv  XagdS^a  ovrco  yiaXovfiivco  zoncp  (s.  Preller  Polemonis  fragra. 
p.  44)  zu  suchen. 


58  II.  rclüpüiiucsos. 

oben  wie  die  (iäiige  selbst  spitzbogenförmig  abgeschlossen  sind, 
in  der  Aussenwand  hat  und  darnach  wohl  als  eine  Art  VV^jchlocal 
lür  einen  Tlicil  der  Besatzung  diente.  Auch  mehrere  Thore, 
durch  vorspringende  Mauerecken  verlheidigt,  sind  noch  erkenn- 
bar, sowie  im  Innern  eine  von  West  nach  Ost  gehende  Quer- 
mauer, welche  den  südlichen  Theil  der  Burg  von  dem  nördlichen 
schied.^)  Wie  die  Gründung,  so  gehört  auch  die  Bedeutung  der 
Stadt  der  mythischen  Zeit  an.  Der  Schiffscatalog  [B,  559)  führt 
unter  den  von  Diomedes  beherrschten  Städten  die  'wohlummauerte 
Tiryns'  an  zweiter  Stelle,  neben  Argos,  auf;  seit  der  dorischen 
Eroberung  trat  sie  wahrscheinlich  in  ein  gezwungenes  Bundes- 
genossenverhältniss  zu  Argos;  das  letzte  Zeichen  selbständigen 
Geistes  gab  sie  in  den  Perserkriegen,  indem  ein  Theil  ihrer 
Bürger  bei  Plataeae  mitkämpfte;  nicht  lange  nachher  wurde  sie 
von  Argos  erobert,  die  Burg  mit  dem  Tempel  der  Hera  (aus  dem 
die  Argiver  das  alte  Schnitzbild  der  Göttin  nach  ihrem  Ileraeon 
schafften)  zerstört,  die  Bewohner,  soweit  sie  nicht  in  Epidauros 
und  in  der  zum  Gebiet  von  Hermione  gehörigen  Ortschaft  Halieis 
eine  Zuflucht  suchten,  zur  Uebersiedelung  nach  Argos  genöthigt. 
Seitdem  scheint  die  Burg  wüste  gelegen  zu  haben  vvie  Mykenae; 
aber  unterhalb  derselben  wurde  eine  neue  Ansiedelung  unter  dem 
alten  Namen  gegründet,  die  in  der  Zeit  nach  dem  peloponnesischen 
Kriege  so  blühend  war,  dass  sie  eigene  Münzen  prägte;  jedoch 
war  dieselbe  wenigstens  zur  Zeit  des  Pausanias  wieder  völlig  ver- 
schwunden, ^j 


^)  Vgl.  den  Plan  Exped.  de  Moree  II,  pl.  72  s.  und  darnach  bei 
Curtius  II,  Tfl.  15  und  auf  unserer  Tfl.  II,  1.  Ansichten  der  Gänge  bei 
Dodwell  Views  and  descriptions  of  Cyclopian  or  Pelasgic  remains  in 
Greece  and  Italy  pl.  2  ss.  und  Göttling  Arch.  Zeitung  1845,  N.  26: 
letzterer  will  darin  die  von  Paus.  c.  25,  9  erwähnten  Q-dlcc{iov  xmv 
IlQOizov  &vyarsQ(ov  erkennen,  mit  Unrecht,  da  diese  nach  Pausanias 
7iataßavT(ov  ü)g  ini  d'ccXaooav,  also  unterhalb  der  Burg  nach  der  Küste 
zu,  lagen. 

2)  Herod.  IX,  28  (vgl.  die  Delphische  Schlangensäule,  wo  Gewinde  8 
TIRYN0IOI);  Paus.  c.  25,  7  (vgl.  II(,  17,  5;  VIII,  46,  2);  Strab.  VIII, 
p.  373>  Ueber  die  neuerdings  gefundenen,  sicher  nach  der  Zerstörung 
der  Stadt  durch  die  Argiver  geprägten  Münzen  mit  den  Inschriften  Tl, 
TIRV,  TIRVN,  TIPVN©lßN  s.  A.  de  Courtois  in  der  Revue  numismatique 
1864,  p.  178  ss.  und  1866  p.  153  ss.  (der  sie  gewiss  mit  Unrecht  ^comme 
simple  Souvenir  historique'  betrachten  will).     Auf  die  Bewohner  dieser 


1.   Argolis:  Argeia.  59 

Kaum  drei  Viertelstunden  südlich  von  Tiryns  lag  und  liegt 
rjocli  jetzt  auf  einer  kleinen  gegen  Westen  in  die  Bucht  vortre- 
tenden felsigen  Halbinsel,  welche  durch  einen  Isthmos  mit  dem 
die  Argivische  Ebene  im  Südosten  abschliessenden  Bergzuge  zu- 
sammenhängt, die  Stadt  Nauplia  (ieizt  t6  Navjthov)  mit  einem 
trefflichen  Ilafenbassin  an  der  Nordseite,  offenbar  die  Gründung 
eines  seefahrenden  Volkes,  vielleicht  von  den  Dryopern,  welche  die 
Küste  von  hier  aus  bis  zur  $üdostspitze  der  argolischen  Halbinsel 
in  Besitz  genommen  hatten,  als  Vorwerk  gegen  die  Bewohner 
der  Ebene  angelegt,^)  früher,  so  lange  sie  ihre  Selbständigkeit 
gegen  die  feindliche  Nachbarin  Argos  bewahren  konnte,  Mitglied 
des  Seebundes  ionischer  Staaten,  welcher  im  Tempel  des  Poseidon 
auf  Kalaurea  seinen  Mittelpunkt  hatte,  später,  nachdem  sie  wäh- 
rend des  zweiten  Messenischen  Krieges  von  dem  Argivischen 
Könige  Damokratidas  erobert  und  die  alten  Bewohner  vertrieben 
worden  waren  (denen  die  Spartaner  das  Messenische  Mothone  zur 
Wohiistätte  anwiesen),  blosse  Hafenstadt  von  Argos,  das  auch  ihre 
Stelle  in  der  Kalaureatischen  Amphiktyonie  einnahm/^)  Je  mehr 
die  Macht  und  der  Wohlstand  von  Argos  sank,  desto  mehr  kam 
auch  Nauplia  herunter:  Pausanias  (II,  38,  2)  fand  es  ganz  ver- 
ödet, nur  Beste  der  Befestigungsmauern  (hauptsächlich  wohl  der 
Akropolis,  von  der  noch  jetzt  in  den  Mauern  des  türkischen  F'orts 
Itsch-kaleh  auf  einer  felsigen  Anhöhe  mitten  in  der  Stadt  schöne 
Polygonreste  erhalten  sind),  zwei  Häfen  (zu  beiden  Seiten  der  Land- 
enge), ein  Heiligtum  des  Poseidon  und  eine  Quelle,  Kanathos 
genannt,  von  welcher  Aehnliches  wie  von  dem  Jungbrunnen  (Queck- 
brunnen)  der  deutschen   Sage    erzählt    wurde:    die   Göttin   Hera 


jüngeren  Stadt  ist  wohl  der  Vorwurf  der  Trunksucht  (lilphippos  bei 
Athen.  X,  p.  442  •*)  sowie  die  Geschichte  von  ihrer  unbezähmbaren 
Lachhist  (Theoplirast.  bei  Athen.  VI,  p.  261  ^)  zu  beziehen. 

*)  Dafür  spricht  besonders  auch,  dass  die  Heroen  Nauplios  und 
Palamedes  (dessen  Name  sich  noch  in  dem  des  steilen,  von  einem  star- 
ken Fort  gekrönten  Berges  Palamidi,  der  den  Zugang  zum  Isthmos 
von  Südost  her  beherrscht,  erhalten  hat)  auch  in  dem  von  Dryopern 
bewohnten  südlichen  Euboia  localisirt  sind:  vgl.  meine  Quaostiones 
Euboicae  p.  23. 

2)  Strab.  VIII,  p.  ;^68;  374;  Paus.  IV,  24,  4;  35,  2.  Die  Steine  mit 
Inschriften  aus  der  Kaiserzeit,  die  in  Nauplia  gefunden  worden  sind 
(C.  I.  Gr.  n.  1162 — 66),  sind  wohl  thcils  aus  Argos,  thoils  von  anderen 
Orten  (n.  1166  von  Ilcrmione)  dorthin  verschleppt  worden. 


60  II.  Pcloponncsos. 

sollte  alljälirlicli  durch  ein  Bad  in  derselben  ihre  Jungfrauschaft 
wieder  gewinnen,  eine  Legende,  welche  ofl'enbar  aus  dem  mit 
mystischen  Gebräuchen  verbundenen  Doppelcult  der  Hera  als  Braut 
('Hqu  Nvficpsvo^svri)  und  als  Ehefrau  ('HQa  TbIeio)  entstanden 
ist.  In  der  Nähe  der  Stadt  waren  Grotten  mit  verschlungenen 
Gängen  [kaßvQLv%^oi) ,  welche  man  als  Werke  der  Kyklopen  be- 
zeichnete: wahrscheinlich  alte,  in  bergmännischer  Weise  betrie- 
bene Steinbrüche,  die  bis  jetzt  noch  nicht  wieder  aufgefunden 
worden  sind.  ^)  Erst  im  Mittelalter  und  der  Neuzeit  ist  die  Stadt 
durch  ihren  guten  Hafen  wieder,  namentlich  als  Stützpunkt  für 
maritime  Eroberung,  bedeutend  geworden,  besonders  während  sie 
sich  im  Besitz  der  Venetianer  befand,  die  den  Hafen  sowie  den 
Zugang  zur  Stadt  von  der  Landseite  her  neu  befestigt  und  auf  dem 
diesen  Zugang  beherrschenden  Felskegel,  dem  Palamidi  (vgl.  S.  59, 
Anm.  1)  eine  ausgedehnte  Befestigung  angelegt  haben,  die  jetzt, 
durch  eine  Felstreppe  von  875  Stufen  bequemer  zugänglich  ge- 
macht, die  einzige  in  vertheidigungsfähigem  Zustande  befindliche 
Festung  des  Königreiches  Hellas  (dessen  Haupt-  und  Residenzstadt 
Nauplia,  das  auch  früher  der  Sitz  des  Präsidenten  Kapodistrias 
gewesen,  während  der  Jahre  1833  und  1834  war)  ist.  Jetzt  zählt 
die  Stadt  mit  Einschluss  der  östlich  von  dem  Isthmos  sich  aus- 
breitenden Vorstadt  Pronia,  des  Sitzes  der  hellenischen  Natio- 
nalversammlung im  Jahre  1832,  in  deren  Nähe  ein  in  hohem 
Relief  aus  einer  Felswand  herausgearbeiteter  Löwe,  ein  AVerk 
des  deutschen  Bildhauers  Siegel,  das  Andenken  der  in  Griechen- 
land gestorbenen  baierischen  Soldaten  verherrlicht,  etwa  6000 
Einwohner. 

Ein  ganz  ähnliches  Schicksal  wie  NaupUa  hatte  im  Altertum 
dessen  Nachbarstadt  Asine,  die  ebenfalls  von  Dryopern  bewohnt, 
von  den  Argivern  frühzeitig  (angeblich  schon  um  den  Anbeginn  des 
achten  Jahrhunderts  v.  Chr.)  erobert  und  gänzlich  zerstört  wurde: 
nur  das  Heiligtum  des  Apollon  Pythaeus  verschonten  sie,  welches 


»)  Strafe.  Vni,  p.  369 ;  373.  Die  Ansicht  von  Curtius  (Pel.  II,  S.  391), 
dass  einige  Grotten  in  der  Schlucht  hinter  der  östlichen  Vorstadt  Nau- 
plions,  Pronia,  die  von  Strabon  erwähnten  GmjXaia  y,ai  sv  uvrotg  olyw- 
dofiTjxol  laßvQLV&OL  seien,  kann  ich  durchaus  nicht  theilen,  da  diese 
Grotten ,  wenigstens  soweit  ich  sie  gefunden  und  besucht  habe ,  ganz 
gewöhnliche  Erdhöhlen  von  geringer  Tiefe  und  ohne  irgend  welche 
Spuren  von  in  das  Innere  des  Berges  führenden  Höhlengängen  sind. 


1.  Argolis:  Argeia.  61 

sie  später,  wie  es  scheint,  gemeinsam  mit  den  Epidauriern  ver- 
walteten,^) und  welches  noch  Pausanias,  der  auch  von  der  Ort- 
schaft noch  Trümmer  am  Strande  vorfand,  sah;  die  vertriebenen 
Asinaeer  waren  von  den  Lakedaemoniern  freundlich  aufgenommen 
und  in  Messenien  angesiedelt  worden.  Selbst  die  Stelle  des  ar- 
givischen  Asine  ist  nicht  mehr  mit  voller  Sicherheit  nachzuweisen, 
da  sowohl  an  dem  zunächst  südöstlich  von  Nauplia  gelegenen 
Hafen  Tolon,  von  welchem  aus  eine  schmale  Ebene  sich  nach 
dem  südöstlichen  Ende  der  grossen  argivischen  Ebene  hinaufzieht, 
auf  einem  Vorsprunge  des  Gebirges  die  Reste  einer  alten  Burg, 
als  auch  in  der  weiter  östlich  gelegenen  kleinen  Strandebene  von 
Kandia,  zu  welcher  wahrscheinlich  die  durch  zwei  Vorsprünge 
des  felsigen  Ufers  umschlossene  Bucht  von  Chaidari  gehörte, 
^/o  Stunde  vom  Ufer  die  Ruinen  einer  befestigten  Ortschaft  und 
nahe  am  Strande  zwischen  zwei  Lagunen  von  geringer  Ausdehnung 
die  Trümmer  eines  nicht  unbedeutenden  Tempels  sich  vorfinden. 2) 
Vor  der  Küste  vom  Hafen  Tolon  bis  zum  westlichen  Vorsprunge 
des  Bergzuges  Avgo,  welcher  die  Bucht  von  Vurlia  umschliesst, 
liegen  drei  jetzt  ganz  unbewohnte  Felsinseln,  Makronisi  (die  lange 
Insel),  Platia  (die  breite)  und  Hypsili  (die  hohe)  genannt:  da  dies 
die  einzigen  Inseln  innerhalb  des  Argolischen  Meerbusens  sind, 
so  scheinen  ihnen  die  von  Plinius  (N.  h.  IV,  12,  56)  aufbewahr- 
ten Namen  Pityusa,  Irine  (wohl  Eirene)^)  und  Ephyre  zu 
gehören;  doch  waren  sie  schwerlich  jemals  dauernd  bewohnt. 


')  Ich  schliesse  dies  aus  Thuk.  V,  53,  wo  unter  den  IlaQCinoTcciiioi. 
(falls  diese  Lesart  richtig  ist)  wohl  die  Anwohner  des  aus  der  Epi- 
dauria  nach  dem  Argolischen  Meerbusen  fliessenden  Baches  von  Bedeni 
zu  verstehen  sind,  in  Verbindung  mit  der  Notiz  bei  Scyl.  Per.  50,  dass 
Epidauros  eine  Küstenstrecke  von  30  Stadien  Länge  mitten  zwischen 
dem  Gebiete  von  Argos  und  dem  von  I [alieis  besass. 

2)  Paus.  II,  36,  4  f.;  IV,  34,  9  SS.;  Strab.  p.  373;  Diod.  IV,  37. 
IJeber  die  Ruinen  vgl.  Curtius  S.  465  f.,  der  Asine  beim  Hafen  Tolon 
ansetzt  und  die  Ruinen  in  der  Ebene  von  Kandia  auf  Eion  {'Hiovsg 
11.  B,  561;  8trab.  p.  373;  7/iwv  Diod.  IV,  37)  bezieht;  doch  dürften  von 
letztcrem ,  von  dem  schon  zu  Strabons  Zeit  keine  Spur,  zu  Pausanias 
Zeit,  wie  es  scheint,  nicht  einmal  eine  Erinnerung  melir  vorhanden  war, 
schwerlich  noch  Reste  erhalten  sein. 

')  Da  nach  Harpokr.  und  Steph.  J)yz.  u.  KuXavgeia  (vgl.  Plut. 
Q.  Or.  19)  Eirene  der  Ultere  Name  der  Insel  Kalaureia  war,  so 
könnte,  besonders  da  auch  Pityusa   als  Name  eitior  Tiisol  bei  der  argo- 


62  II.  Peloponnesos. 

Mit  der  von  Argos  nach  Tiryns  und  Nanplia  führenden 
Strasse  fiel  wohl  eine  kurze  Strasse  die  von  Argos  nach  Epidauros 
zusammen,  an  welcher  Pausanias  (c.  25,  7)  ein  jetzt  verschwim- 
denes  pyramidenförmiges,  mit  Schilden  in  Relief  verziertes  Bau- 
werk als  Denkmal  des  Kampfes  zwischen  den  mythischen  Herr- 
schern Akrisios  und  Proitos  und  der  darin  Gefallenen,  und  dann 
eine  bereits  an  der  Gränze  des  argivischen  und  epidaurischen 
Gebietes,  am  Fusse  des  Arachnaeongebirges,  gelegene  Ortschaft 
Lessa  mit  einem  Tempel  der  Athene  erwähnt,  von  der  noch  einige 
Reste  bei  dem  Dorfe  Ligurio  erhalten  sind^);  übergangen  hat 
er  zwei  offenbar  zur  Sicherung  der  Strasse  angelegte  Castelle, 
von  denen  noch  Ruinen  vorhanden  sind:  eines  etwas  seitwärts 
rechts  (südlich)  von  der  Strasse,  in  der  Nähe  des  Dorfes  Katzingri, 
da  wo  die  Strasse  die  Ebene  verlässt  und  zwischen  die  west- 
lichsten Ausläufer  der  Epidaurischen  Berge  eintritt;  ein  zweites 
272  Stunden  weiter  östlich  unmittelbar  rechts  über  der  Strasse. 
Von  einer  dritten  umfangreicheren  und  stärker  befestigten  Burg, 
an  deren  Fusse  auch  eine  Unterstadt  lag,  finden  sich  die  sehr 
wohl  erhaltenen  Ruinen  ^/^  Stunde  südwestlich  von  diesem  Castell, 
zwei  Stunden  von  Ligurio,  links  über  der  von  NaujiHa  nach  Epi- 
dauros führenden  Strasse,  die  sich  weiterhin  mit  der  von  Argos 
kommenden  vereinigt,  oberhalb  der  kleinen  jetzt  Sulinari  ge- 
nannten Ebene;  2)  von  einer  vierten  wiederum  kleineren  endlich, 
welche  den  Weg  aus  der  argivischen  Ebene  nach  der  Hafenbucht 
von  Tolon  beherrschte,  sind  über  dem  östlichen  Rande  der  süd- 
östlichen Fortsetzung  der  Ebene,  bei  Spaitziko,  noch  einige  Reste 
erhalten.  Gegen  V/^  Stunde  nördlich  von  der  epidaurischen 
Strasse  findet  man  am  östlichen  Rande  der  Ebene,  südöstlich  von 
dem  Dorfe  Dendra,  auf  einem  nach  allen  Seiten  ausser  gegen 
Nordwesten  steil  abfallenden  Felshügel  die  Ruinen  einer  offenbar 
sehr  alten  befestigten  Ortschaft:  Mauern  aus  grossen  rohen  Stein- 

lischen  Akte  bezeugt  ist  (Paus.  c.  34,  8),  die  ganz»  Angabe  des  Plinius 
leicht  auf  einer  diesem  Schriftftsteller  wohl  zuzutrauenden  Gedanken- 
losigkeit beruhen. 

1)  Vgl.  Curtius  S.  418.  Die  dort  erwähnte,  Exped.  de  Moree  II, 
pl.  76  abgebildete  Pyramide  halte  ich  für  einen  Wartthurm. 

2)  Vgl.  den  Plan  bei  Lebas  Voyage  arche'ologique ,  Itineraire  pl. 
31  s.  (wiederholt  bei  Curtius  II,  Tfl.  XVIII)  und  die  sorgfältige  Beschreib- 
ung bei  Vischer  Erinnerungen  S.  503  f. ,  mit  welcher  meine  eigenen 
Notizen  ganz  übereinstimmen. 


1.  Argolis:  Argeia.  63 

blocken,  deren  Lücken  durch  kleine  Steine  ausgefüllt  sind,  erbaut 
ziehen  sich  um  den  Rand  der  oberen  Fläche  herum,  mit  Aus- 
nahme der  Südost-  und  Südwestseite,  wo  der  schroffe  Absturz 
der  Felsen  als  ausreichende  natürliche  Schutzwehr  diente.  Dies 
sind  die  Reste  von  Midea,  einer  an  Alter  Tirynth  kaum  nach- 
stehenden Ortschaft,  welche  die  Sage  als  Herrschersitz  desElektryon, 
des  Vaters  der  Alkmene,  bezeichnete;  sie  wurde  frühzeitig  von 
den  Argivern  zerstört,  worauf  die  alten  Rewohner  nach  Halieis 
übersiedelten;  doch  entstand  am  Fusse  des  Hügels,  ganz  wie  bei 
Tiryns,  wiederum  eine  kleine  Ortschaft  unter  dem  alten  Namen, 
die  auch  Münzen  geprägt  zu  haben  scheint.^) 

Von  dem  an  der  Nordwestseite  der  Stadt  Argos ,  in  der 
Deiras,  befindlichen  Thore  gieng  eine  Hauptverkehrstrasse  zwischen 
Argolis  und  Arkadien,  die  Mantineische,  aus,  welche  sich  nicht 
weit  vom  Thore  in  zwei  Strassen  spaltete,  die  nach  den  Pässen, 
durch  welche  sie  das  Gränzgebirge  zwischen  beiden  Landschaften 
überschritten,  ^die  Strasse  durch  den  Stacheleichenwald'  (dia 
TIqlvov)  und  ^die  Treppenstrasse'  [did  TcXi^axog)  genannt  wur- 
den. 2)  Die  letztere,  die  weitere  und  bequemere,  trat  ungefähr 
zwei  Stunden  nordwestlich  vom  Thore,  bei  dem  jetzigen  Skala, 
wo  noch  [{este  einer  alten  Refestigung  erhalten  sind  (vgl.  S.  49, 
Anm.  1),  in  das  bald  sich  verengende  Thal  des  Inachos  ein  und 
folgte  dem  linken  Ufer  des  Raches,  an  welchem  60  Stadien  von 
Argos  die  zur  Zeit  des  Tansanias  (c.  25,  4)  längst  verödete  Ort- 
schaft Lyrkeia  lag,  aufwärts  bis  zur  arkadischen  Gränze,  welche 
sich  auf  dem  jetzt  Portäs  fdie  Thore')  genannten,  von  kahlen 
Telszacken  bekrönten  Rücken  des  Lyrkeion  hinzog,  von  dem  ein 
theil weise  durch  in  den  Fels  gehauene  Stufen  gebildeter  Pfad  in 
den  nordöstlichsten  Winkel  des  Mantineischen  Gebietes,  das  soge- 
nannte Argon  Pedion,  hinabführte.  Wenige  Minuten  westlich 
von  der  Stelle  von  Lyrkeia  mündet  ein  kleiner  Seitenbach  von 
Norden  her  in  den  Inachos:  wenn  man  diesen  eine  Strecke  auf- 
wärts verfolgt   und  sich  dann  durch  eine  Rergschlucht  nordwest- 


^)  Strab.  p.  373  (der  ausdrücklich  die  Form  Mi9ia  im  Qegensat« 
zum  Boiotiöchen  MiSsia  bezeugt);  Paus.  c.  25,  9;  Steph.  liyz.  u.  Mi- 
(Iffta:  vgl.  Curtius  S.  395  und  569  und  Annali  XXXHI,  p.  19  mit  Plan 
auf  der  Tav.  d'agg.  F  (wiederholt  auf  unserer  Tfl.  II,  2). 

2)  Paus.  c.  25,   1  und  4;   VIII,  ß,  4;    vgl.  Koss  Hoisen  I,  S.  129  ff. 


64  n.  Peloponnesos. 

lieh  wendet,  gelangt  man  in  das  enge  Thal  eines  bereits  dem 
Asopos  zufliessenden  Baches,  des  Orneas,  an  welchem  60  Stadien 
von  Lyrkeia,  in  der  Gegend  des  jetzigen  Palaeo-Leonti,  Orneac 
lag,  in  alten  Zeiten  eine  nicht  unbedeutende  Stadt,  die  sich  lange 
als  Bundesgenossin  von  Argos  eine  gewisse  Selbständigkeit  be- 
wahrte und  zwar  Ol.  91,  1  wegen  der  unter  dem  Einflüsse  Spartas 
erfolgten  Aufnahme  argivischer  Verbannter  von  den  verbündeten 
Argivern  und  Athenern  nach  kurzer  Belagerung  geschleift,  aber 
jedenfalls  bald  wiederhergestellt  wurde,  da  sie  noch  in  den 
Kämpfen  der  Spartaner  gegen  die  Argiver  und  gegen  die  Mega- 
lepoliten  und  ihre  Verbündete  Ol.  106,  4  und  107,  1  eine  Rolle 
spielt.  Um  den  Beginn  unserer  Zeitrechnung  aber  war  sie  be- 
reits verödet  und  nur  einzelne  Heiligtumer  standen,  wahrschein- 
lich unter  dem  Schutze  und  der  Verwaltung  der  Argiver,  noch 
aufrecht.  ^) 

Die  andere  Strasse  nach  Mantineia  wandte  sich  westwärts 
an  einem  Doppeltempel  der  Aphrodite  und  des  Ares  vorüber  und 
trat  eine  Stunde  von  Argos  in  die  enge  Schlucht,  aus  welcher 
das  Bett  des  Charadros  hervorkommt,  ein,  wo  sie  durch  einen 
Vy^artthurm,  dessen  Unterbau  noch  erhalten  ist,  geschützt  war. 
Ungefähr  1'^/^  Stunde  lang  gieng  die  Strasse  in  dieser  Schlucht 
hin,  bis  sich  dieselbe  zu  einer  kleinen  anbaufähigen  Ebene  er- 
weitert, in  der  mehrere  kleine  Bäche  von  verschiedenen  Seiten 
her  zusammenkommen;  zwischen  denselben  scheint  an  einem  jetzt 
Palaeochora  genannten  Platze,  auf  welchem  öfter  alte  Münzen  ge- 
funden werden,  der  argivische  Flecken  Oinoe  (oder  Oine)  ge- 
legen zu  haben.  Von  hier  aus  stieg  man  an  den  steilen  nordöst- 
lichen Abhängen  des  Artemision  empor  zu  dem  Heiligtume  der 
Artemis  Oinoatis,  dessen  Stelle  wahrscheinlich  eine  zerstörte 
Kapelle  des  heiligen  Elias,  die  von  einer  schönen  Gruppe  von 
Stacheleichen«  umgeben  ist,  bezeichnet.  Nur  wenig  höher  hinauf 
gelangte  man  zu  den  auf  dem  eigentlichen  Rücken  des  Gebirges 
mit  reicher  Wasserfülle  hervorsprudelnden  Quellen  des  Inachos, 
von  denen  aus  ein  steiler  Pfad  in  das  Argon  Pedion  hinabführte,  ^j 


1)  IL  ß,  571;  Thuk.  VI,  7;  Aristoph.  Av.  399;  Diod.  XII,  81;  XVI, 
34;  39,  Strab.  VIII,  p.  382;  Paus.  c.  25,  5  f.;  Stepli.  Byz.  p.  496  Mein.; 
vgl.  oben  S.  42,  Anm.  2. 

2)Paus.  c.  25,  1  flp.  ;  Steph.  Byz.  u.  Oi'vri:  vgl*  Clark  Peloponnesus 
p.  114  s.;  125  s.;  Annali  XXXIII,  p.  21  ss. 


1.   Argolis:  Argcia.  65 

Eine  zweite  Hauptverbindungsstrasse  zwischen  Argolis  und 
Arkadien,  die  von  Argos  nach  Tegea,  gieng  von  einem  Thore  in 
der  Nähe  des  Theaters  aus  südwestwärts.  Zunächst  hatte  man  zm* 
Flechten  den  Berg  Lykone,  auf  dessen  Gipfel  ein  Heiligtum  der 
Artemis  Orthia  stand,  dann  zur  Linken  ein  anderes  Artemisheilig- 
tum, weiterhin  wieder  zur  Rechten  den  Berg  Chaon,  an  dessen 
östlichem  Fuss  eine  von  den  Alten  als  Ahfluss  des  Stymphalischen 
Sees  betrachtete  mächtige  Quelle  {xscpaXccQi)  hervorbricht,  welche 
sogleich  als  wasserreicher  Bach  (von  den  Alten  Erasinos  ge- 
nannt) mehrere  der  Stadt  Argos  gehörige  Mühlen  treibt.  In  der 
Bergwand  über  der  Quelle  öffnen  sich  zwei  geräumige  Grotten, 
wahrscheinlich  dem  Pan  und  dem  Dionysos,  denen  man  als  Segens- 
spendern hier  an  der  Quelle  opferte,  gev^eiht;  in  der  nördlicheren 
findet  sich  noch  jetzt  eine  Kapelle  mit  einigen  alten  Werkstücken.  ^) 
Die  Strasse  gieng  östlich  in  einiger  Entfernung  an  den  Quellen 
vorüber  und  wandte  sich  dann  gegen  Westen  dem  Eingange  der 
das  Chaon  vom  I*ontinos  trennenden  Schlucht  zu,  aus  welcher  ein 
von  den  Alten  mit  dem  allgemeinen  Namen  6  Xfi^aQQog  be- 
nannter Giessbach  hervorkommt.  Noch  bevor  man  in  diese  ein- 
tritt, bemerkt -man  zur  Rechten  unterhalb  des  Chaon  geringe 
Reste  einer  alten  Ortschaft  und  darüber  auf  einem  vom  Chaon 
voitretenden  Hügel  ein  aus  grossen  polygonen  mit  Mörtel  ver- 
bundenen Werkslücken  zusannnengesetztes  Bauwerk  von  vierecktcr 
Grundform  mit  pyramidal  abgeschrägten  Aussenseiten,  dessen 
Bestimmung  und  Alter  gleich  unsicher  sind.  2)  Innerhalb  der  Schlucht 


*)  Paus.  c.  24,  6  f.;  Ötrab.  VI,  p.  275;  VIII,  p.  371;  Herod.  VI,  7G. 
Der  von  Pau8.  c.  36,  6  und  c.  38,  1  erwähnte  Fluss  Phrixos,  in  welchen 
'1er  Erasinos  sich  ergiesse,  ist  heut  zu  Tage  nicht  rneliv  nachweisbar, 
<la  (las  Wasser  des  Kephalari  in  mehreren  Canäli  ii  dinct  dem  Meere 
ziifliesst.  Allerdings  sammelt  sich  in  einer  Schlucht  des  Chaon  nördlich 
vom  Kephalari  bei  Ilegengüssen  Wasser,  das  sich  dann  beim  P^intritt  in 
die  Ebene  verliert;  allein  wenn  man  auch  annehmen  wollte,  dass  hier 
einst  ein  wirklicher  IJach  geflossen  sei,  der  sich  mit  dem  ursprünglich 
mehr  gegen  Nordost  laufenden  Erasinos  vereingt  habe,  so  würde  doch 
die  Strasse  von  Argos  nach  Lcrna  entweder  zuerst  über  diesen  Bach 
und  dann  erst  über  den  Erasinos,  oder  über  den  bereits  aus  der  Ver- 
linigung  beider  entstandenen  Bach,  der  nach  Paus,  den  Namen  Phrixos 
trug,  geführt  haben,  was  beides  mit  Paus.  c.  36,  6  im  Widerspruch  steht. 

'')  Vgl.  die  Beschreibungen  bei  Ross  Ueison  I,  S.  141  tf.  (mit  Ansicht 
(K;s  Einganges  auf  T(l.  4)   und  Clark    Pcloponnesus  S.  98  f.;  auch  Ex- 

BUR8IAN,    OEOOIt.    U.  5 


ß6  II.  Peloponnesos. 

wandte  sicli  die  Strasse  in  vielfachen  Windungen  westwärts  an  den 
Bergen  liinan,  dann  auf  der  den  Pontinos  mit  dem  jetzt  Ktenia  ge- 
nannten ßergzuge  verbindenden  Höhe  gegen  Süden  an  dem  kleinen 
Gebirgsflecken  Kenchreae,  den  sie  zur  Rechten  Hess,  vorüber,  wo 
Tansanias  mehrere  Polyandria  der  in  einem  Kampfe  bei  Hysiae  gegen 
die  Lakedaemonier  (wahrscheinlich  Ol.  64,  4)  gefallenen  Argiver  fand, 
nach  Hysiae,  der  letzten  argi vischen  Ortschaft  gegen  die  arka- 
dische Gränze  hin,  die  als  Gränzfestung  für  die  Argiver  von 
Wichtigkeit,  Ol.  90,  4  von  den  Lakedämoniern  zerstört,  wahr- 
scheinlich aber  von  den  Argivern  wieder  hergestellt  wurde,  zu 
Pausanias  Zeit  jedoch  in  Trümmern  lag.  ^)  Noch  jetzt  sind  an- 
sehnliche Trümmer  der  Akropolis  derselben  erhalten  oberhalb 
eines  kleinen  rings  von  steilen  Bergen  umschlossenen  Hochthaies, 
das  jetzt  zu  dem  grossen  Dorfe  Achladokampos  gehört  und  aus 
welchem  ein  doppelter  Weg  nach  der  Ebene  von  Tripolitza  führt: 
ein  beschwerlicher  Saumpfad  über  die  Höhe  des  Gränzgebirges 
Parthenion  hinweg,  und  eine  jetzt  wieder  fahrbar  gemachte  Strasse 
um  den  nördlichen  Fuss  desselben  herum.  Eine  Stunde  nordöstlich 
oberhalb  des  Thaies  von  Hysiae  finden  sich  auf  der  Höhe  neben 
mehreren  Quellen,  nach  welchen  der  Platz  gewöhnlich  die  Wässer 
(td  VBQd)  genannt  wird,  Spuren  einer  alten  Ortschaft,  wahrschein- 
lich von  Kenchreae;  der  daran  vorüberführende  Theil  der  Strasse 
wurde  im  Altertum,  wahrscheinlich  wegen  seiner  vielen  Windun- 
gen, 6   Tqo%6s  genannt. 

Wendet  man  sich  von  den  Quellen  des  Erasinos  südwärts, 
so  gelangt  man  nach  einer  Stunde  Weges  an  den  ziemlich  weit 
gegen  Osten  vorgeschobenen  Fuss  des  Pontinos,  der  nur  durch 
einen  schmalen,  durch  Wasserfülle  und  reiche  Vegetation  ausge- 
zeichneten Landstreifen  vom  Meere  getrennt  wird.  Die  grösste 
Wassermenge  concentrirt  sich  in  einem  kleinen  See  oder  viel- 
mehr Teiche  mit  schilfbewachsenen  Ufern  (Akxvovia  IC^vri),  ^^^ 
schon   im  Altertum   wie   noch   heut  zu  Tage   in  dem  Rufe  uner- 

ped.  de  Moree  TI,  pl.  55.  Die  Beziehung  der  Reste  unterhalb  auf 
Kenchreä  und  der  Pyramide  auf  eins  der  von  Pausanias  daselbst  er- 
wähnten Polyandria  hat  Curtius  (S.  366)  mit  Recht  zurükgevviesen.  __ 
')  Paus.  e.  24,  7;  Strab.  VIII,  p.  376;  Thuk.  V,  83;  Steph.  w/Taia: 
für  KeyxQScci  ist  bei  Aeschyl.  Prometh.  676  die  Form  Ksqxvsicc  hand- 
schriftlich bezeugt.  Vgl.  Ross  S.  145  ff.  und  den  Plan  der  Akropolis  von 
Hysiae  bei  Lebas  Voyage  arche'ologique,  Itine'raire  pl,  30. 


1.  Argolis:  Argeia.  67 

gründlicher  Tiefe  stand  und  daher  wie  manche  ähnhche  Oerllich- 
keit  als  Eingang  zur  Unterwelt  galt.  Das  Wasser,  das  ohne  das 
Eingreifen  der  Menschenhände  die  ganze  Küstenstrecke  in  einen 
Sumpf  verwandeln  würde,  ist  durch  Eindämmung  der  Ufer  des 
Teiches  und  durch  Ableitung  vermittelst  eines  Canals  geregelt 
und  nutzbar  gemacht.  Etwas  südUch  von  dem  Teiche  sprudelt 
am  Fusse  des  Berges  eine  starke  Quelle  hervor,  deren  eigent- 
licher Name  Amymone  gewesen  zu  sein  scheint;  doch  wird  ihr 
häufig  der  der  ganzen  Gegend  zukommende  Name  Lerna  bei- 
gelegt. Eine  zweite  wasserreiche  Quelle  entspringt  einige  Hundert 
Schritt  nördlich  vom  Teiche  und  bildet  ebenso  wie  die  Amymone 
einen  kleinen  direkt  dem  Meere  zufliessenden  Bach,  den  die  Alten 
mit  demselben  Namen  bezeichneten,  ^wie  den  Berg,  aus  dessen 
Wurzeln  er  hervorquillt,  Pontinos:  zwischen  den  beiden 
Bächen  zog  sich  vom  Fusse  des  Berges  bis  zur  Küste  ein 
Platanenhain  hin,  welcher  ausser  dem  Teiche  und  einer  jetzt 
nicht  mehr  nachweisbaren,  nach  Amphiaraos  benannten  Quelle 
Tempel  der  Demeter  Prosymne  (auch  Demeter  Mysia  genannt)  und 
des  Dionysos  Saotes  einschloss,  zweier  Gottheiten,  welche  die 
reiche  Vegetation  der  Gegend,  die  auf  der  durch  Menschenhände 
geregelten  Wasserfülle  beruht,  bezeichnen,  während  die  schäd- 
lichen Wirkungen  des  ungeregelten  Wassers  durch  die  Sage  von 
der  Hydra  mit  zahlreichen  immer  sich  erneuernden  Köpfen  aus- 
gedrückt werden.  Auf  dem  Gipfel  des  Berges,  der  jetzt  die 
Trümmer,  eines  mittelalterhchen  Schlosses  trägt,  stand  ein  zur 
Zeit  des  Pausanias  bereits  verfallener  Tempel  der  Athene  Saitis; 
daneben  wurden  dem  alten  Reisenden  die  Fundamente  eines  Ge- 
bäudes als  die  des  Hauses  des  Hippomedon  gezeigt.^) 

Südlich  von  Lerna  verbreitert  sich  die  Küste  wieder  zu  einer 
kleinen    Ebene,   die    im  Süden    durch    das  Zavilzagebirge    abge- 
schlossen  wird:    in   derselben   lag   eine   kleine   Ortschaft  Gene- 
ion  und  hart  am   Strande  ein    Heiligtum  des  Poseidon  Genesios, 
(»wie  ein  Apobalhmoi  genaimter  IMatz,  an  welchem  Danaos  mit 


')  Paus.  c.  36,  6  ff.;  Strah.  VIII,  p.  368  und  371;  vgl.  Ross  Reisen 
S.  148  ff.;  Annali  XXXIII,  j).  20  mit  der  Plunskizze  auf  Tay.  (l'ngg.  F 
(darnacli  auf  unserer  TH.  II,  3).  Ueber  die  Demeter  Mysia  h.  Osann 
Arcli.  Zeitung  1855,  N.  82,  8.  142  ff.;  über  die  Athene  Saitis,  deren 
üeiname  dem  des  Dionysos  Saotes  entspricht,  Gerhard  Gr.  Mythol. 
i.  249,  4. 

5» 


68  n.  Peloponnesos. 

seinen  Töchtern  gelandet  sein  sollte.  ^)  In  einem  nach  der  Ebene 
zu  sicii  öffnenden  P'lussthale  finden  sich,  gegen  172  Stunden  von 
Lerne  entfernt,  ausgedehnte  Reste  einer  alten  Ansiedelung,  die 
vielleicht  dem  frühzeitig  verschollenen  Elaeus  angehören. ^j  Vom 
südlichen  Ende  der  Ebene  führt  ein  über  ly^  Stunde  langer 
Küstenpass  an  den  unmittelbar  ans  Meer  hinantretenden  Abhängen 
des  Zavilzagebirges  hin,  dieAnigraea,  welche  die  Argeia  im 
engern  Sinne  mit  der  Thyreatis,  dem  nördlicheren  Theile  der 
Kynuria,  verbindet:  nahe  dem  südlichen  Ende  derselben  bemerkt 
man  im  Meere  ein  eigenthümliches  Phänomen,  eine  etwa  1000 
Fuss  weit  von  der  Rüste  aufsprudelnde  Quelle  süssen  Wassers,  die 
Dine  (jetzt  r]  'Avdßolog),  in  welche  die  Argiver  in  alter  Zeit 
aufgezäumte  Rosse  als  Opfer  für  Poseidon  versenkten.^) 

Der  wichtigste  Theil  der  Kynuria  (vgl.  oben  S.  42  f.)  ist  eine 
gegen  zwei  Stunden  lange,  aber  nirgends  über  eine  Stunde  breite 
fruchtbare  Ebene,  die  von  zwei  auf  dem  Parnongebirge  entsprin- 
genden Bächen  durchflössen  wird:  dem  Tanos  (jetzt  Bach  von 
Luku  genannt)  im  Norden  und  einem  ähnlichen,  dessen  alten  Na- 
men wir  nicht  kennen  (jetzt  Bach  von  Hagios  Andreas)  im  Süden.  ^) 
Die  Mündung  des  nördlicheren,  der  seinen  unteren  Lauf  verändert 
hat,  ist  jetzt  ganz  verschlammt  und  von  Sümpfen  umgeben,  wie 
auch  in  der  Mitte  zwischen  beiden  Bächen  ein  Theil  der  Rüste, 
da  wo  sie  am  schmälsten  ist,  von  einem  ausgedehnten  Sumpf  mit 
salzhaltigem  Wasser  (6  Movötog  genannt),  dessen  Trockenlegung 
man  ohne  Erfolg  versucht  hat,   eingenommen  ist.     Die. Ebene  ist 


1)  Paus.  c.  38,  4.  Plut.  Pyrr.  32  nennt  als  Landungsplatz  des  Da- 
naos  xcc  TcvQafiia  ttjs  ©VQSccridog,  was  allerdings  wohl  auf  dieselbe 
Stelle  zu  beziehen  ist,  obgleich  diese  sicher  noch  nicht  zur  Thyreatis 
gehörte. 

2)  Apollod,  II,  5,  2;  Steph.  ii.'EXaLOvg:  vgl.  Ross  Reisen  S.  155  f.; 
doch  ist  die  Beziehung  nicht  sicher  und  könnte  Elaeus  auch  weiter 
südlich  in  der  Thyreatis  gelegen  haben. 

3)  Paus.  c.  38,  4;  VIII,  7,  2. 

^)  Paus.  c.  38,  7,  nach  welcher  Stelle  man  allerdings  ebenso  gut 
den  südlicheren  Bach  für  den  Tanos  halten  könnte;  allein  da  nach  Eur. 
Electra  410  der  Tcoxaaog  Tccvaog  die  Gränze  zwischen  Argos  und  Sparta 
bildete,  so  muss  der  Name  wohl  auf  den  nördlicheren  Bach  bezogen 
werden.  Ob  der  südlichere  der  von  Stat.  Theb.  IV,  46  erwähnte  Cha- 
radros  sei,  wage  ich  wegen  der  Unsicherheit  der  Lage  von  Neris  nicht 
zu  entscheiden. 


1.   Argolis:   Argeia.  69 

ohne  Zweifel  die  alte  Tliyreatis,  der  Schauplatz  vieler  hliitiger 
Kämpfe  zwischen  Argivern  und  Spartanern,  unter  denen  keiner 
berühmter  ist  als  der  sagenhaft  ausgeschniückte  zwischen  je  300 
auserwählten  Kämpen  beider  Staaten,  in  welchem  der  factische 
Sieg  der  Argiver  durch  die  Geistesgegenwart  des  Spartaners  Othrya- 
das  ungiiltig  gemacht  worden  sein  soll;  noch  dem  Pausanias  wur- 
den der  Platz  des  Kampfes  und  die  Gräber  der  Gefallenen  im 
westlichsten  Theile  der  Ebene  gezeigtJ)  Die  Stadt  Thyrea,  von 
welcher  nicht  nur  die  Ebene,  sondern  auch  das  dieselbe  bespü- 
lende Meer  seinen  Namen  (o  SvQsatrjg  xoXTtog)  hatte,  scheint 
zur  Zeit  des  Pausanias  schon  völlig  verschwunden  gewesen  zu 
sein,^)  daher  es  nicht  zu  verwundern  ist,  dass  ihre  Stelle  jetzt 
nicht  mehr  nachzuweisen  ist,  obgleich  sich  noch  an  mehreren 
Stellen  sowohl  in  der  Ebene  als  oberhalb  der  Ränder  derselben 
Reste  alter  Ansiedelungen  erhalten  haben.  Zunächst  nämlich  findet 
man  auf  einem  vom  Nordostrande  der  Ebene  ins  Meer  vortreten- 
den felsigen  Vorgebirge,  auf  welchem  seit  dem  Refreiungskriege  ein 
Städtchen  Astros  sich  erhebt,  •^)  Reste  einer  aus  ganz  unbehauenen 
Werkstücken  errichteten  Refestigungsmauer,  welche  das  Vorgebirge 
gegen  das  Festland  abschloss;  dann  etwas  über  eine  halbe  Stunde 


')  Paus.  c.  38,  5,  wo  wohl  zu  lesen  ist:  iovri  Sh  av(o  ngog  ri^v 
rjneiQOV  [ccn]  ccvr^s  xagiov  iariv  xrA.  (die  Vulgata  Gvqek  x^ogtov  ist 
eine  Interpolation  des  Musurus,  durch  welche  sich  sowohl  Ross  als 
Curtius  haben  irre  führen  lassen).  Als  Name  der  Oertlichkeit,  wo  der 
Kampf  ytatt  fand,  giebt  Choeroboskos  bei  Bekker  anecd.  p.  1408  (vgl. 
\rcad.  p.  125,  10)  TIccq  an.  lieber  Othryadas  vgl.  Herod.  I,  82;  Seneca 
.Suasor.  2,  16;  Lucian.  Char,  24;  (Plut.)  parall.  3;  Unger  im  Philologus 
XXm,  S.  28  ff. 

2)  Vgl.  Anm  1.  Dass  man  auch  zu  Ötrabons  Zeit  über  die  Lage 
der  Stadt  keine  nähere  Kunde  mehr  hatte,  darf  man  wohl  daraus  fol- 
;,'ern,  dass  dieser  (VIII,  p,  376)  nur  die  Angabe  des  Thukydides  darüber 
wiederholt,  wie  auch  Pliu.  IV,  8,  16  nur  einen  'locus  Thyrea'  neben 
dem  oppidum  .\nthane  anführt. 

•^)  Der  Umstand,  dass  auch  früher  schon  der  Laudungsplatz  am  Fasse 
fies  Vorgebirges  diesen  Namen  führte,  berechtigt  uns  nicht,  denselben 
als  eine  Ueberlieferung  aus  dem  Alterthume  zu  betrachten.  Die  An- 
führung eines  Ortes  "^dtpov  bei  Ptol.  III,  16,  11  beruht,  wie  Curtius 
(II,  S.  567)  richtig  bemerkt,  auf  einer  Glosse,  wie  schon  der  Umstand 
beweist,  dass  die  diesem  Orte  gegebeneu  Positionen  mit  denen  der  zu- 
nächst darauf  folgenden  Oertlichkeit  {*Jvoexov  notufiov  inßoXai)  ganz 
identisch   sind. 


70  n.  Peluponnesos. 

• 
weiter   südlich   in   der    hier  ziemlich   schmalen  Ebene   unterhalb 

eines  Ilagia  Triada  genannten  Rlosterhofes  geringe  Spuren  einer 
alten  Ortschaft,  die  früher  bedeutender  gewesen  sein  sollen,  und 
noch  eine  Stunde  weiter  südlich,  am  südlichen  Rande  der  Ebene 
auf  einem  Felshügel  unmittelbar  an  der  Küste,  an  dessen  Fusse 
ein  Landungsplatz  für  Schiffe  sich  befindet,  die  ziemlich  wohl  er- 
haltenen Ruinen  einer  befestigten  Stadt  (jetzt  nach  einem  benach- 
barten Dorfe  das  Paläokastron  des  heiligen  Andreas  genannt). 
Ferner  liegt  am  südÜchen  Abhänge  des  Zavitzagebirges  oberhalb 
des  Thaies  des  Tanos  die  Ruine  einer  alten  Festung,  unterhalb 
deren  noch  eine  kleine  Ortschaft  gestanden  zu  haben  scheint; 
auf  der  Südseite  des  Flusses  unterhalb  des  Klosters  Luku  sind 
Rruchstücke  von  Granitsäulen,  zahlreiche  Säulencapitäle  (meist 
korinthischer  Ordnung)  und  Sculpturwerke  aus  der  Zeit  der  grie- 
chisch-römischen Kunst,  sowie  Spuren  eines  umfänglichen  Heilig- 
tumes  und  anderer  Rauten  endeckt  worden,  welche  das  Vorhan- 
handensein  einer  noch  in  der  Zeit  der  Römischen  Flerrschaft 
blühenden  Niederlassung  bezeugen.  Endlich  sind  noch  ansehn- 
liche Reste  alter  Refestigungsmauern  mit  runden  und  viereckigen 
Thürmen  (jetzt  t6  'E^^tjvlxo  genannt)  erhalten  auf  einem  637 
Meter  hohen  Rergrücken  eine  Stunde  südlich  von  Luku,  welcher 
einerseits  ein  gegen  Osten  nach  der  Strandebene  sich  öffnendes 
kleines  Thal,  andrerseits  eine  enge  nach  Norden  gerichtete  Schlucht, 
durch  welche  ein  kleiner  Rergbach  dem  Tanos  zufliesst,  be- 
herrscht. ^)  Keine  dieser  Ruinenstätten  kann  für  das  alte  Thyrea 
gehalten  werden;  denn  dieses  lag  nach  der  einzigen  uns  erhal- 
tenen genaueren  Angabe  (bei  Thuk.  IV,  56  f.)  an  der  Gränze  des 
Argivis(J:ien  und  Lakonischen  Gebietes,  10  Stadien  von  einem 
Platze  an  der  Küste,  auf  welchem  die  von  ihrer  Insel  vertriebenen 
Aegineten,  denen  die  Lakedämonier  diese  Stadt  zur  Ansiedelung 
angewiesen  hatten,  Ol.  88,  4  eben  ein  Castell  erbauten,  als  eine 
athenische  Hecresabtheilung  landete  und  die  Stadt,  in  welche  die 
Aegineten  sich  zurückgezogen  hatten,  eroberte  und  verbrannte. 
Wahrscheinlich  ist  das  Vorgebirge  von  Astros  die  Stelle,  an  wel- 
cher die  Aegineten  ihre  Küstenbefestigung  (der  das  noch  erhaltene 


*)  Vgl.  die  eingehenderen  Beschreibungen  dieser  Ruinenstätten  bei 
Ross  S.  161  ff.  und  Curtius  S.  377  ff.  sowie  die  Abbildungen  der  Sculp- 
turwerke von  Luku  in  der  Exped.  de  Moree  III,  pl.  88—91. 


1.  Argolis:  Argeia.  71 

Mauerstück  angeliöreii  mag)  anlegten -J)  die  Stadt  Thyrea  lag 
dann  Yj  Stunde  landeinwärts  davon,  also  etwa  am  Eingange  in 
das  Thal  des  Tanos;  sie  wurde  jedenfalls  nach  der  Zerstörung 
durch  die  Athener,  wobei  die  Bewohner  theils  umkamen,  tlieils 
als  Gefangene  fortgeführt  wurden,  nicht  wieder  aufgebaut  und  der 
Name  auf  die  ganze  Kästenebene  übertragen,  ^j  Der  zweiten 
Sladt  der  Kynuria,  Anthene  (auch  Anthana  und  Athene  ge- 
schrieben)^), gehören  wahrscheinlich  die  Ruinen  von  Hagios  An- 
dreas an,  so  dass  sie  den  südhchen  Zugang  zur  Ebene,  wie 
Thyrea  den  nördlichen,  beherrschte.  Westlich  oberhalb  der  Ebene 
lagen  noch  zwei  Komen:  Neris,  wahrscheinUch  an  der  Stelle 
des  Hellenikon,    und  die  grössere  Eua   mit  dem  Heiligtum  eines 


')  Darauf  ist  wohl  auch  die  von  Zenob.  I,  57  zur  Erklärung  des 
Sprüchworts  atiQOV  Xccßs  xal  ^e6ov  s^sig  erzählte  Geschichte  zu  be- 
ziehen. 

2)  Aus  dieser  Annahme  erklärt  es  sich  erstens,  warum  Thukydides 
an  einer  späteren  Stelle  (V,  41)  von  der  Kynuria  sagt:  s'xsi^  S  iv  avtrj 
0VQsav  v-dl  'Avd'r]vr}v  nöliv  (nicht  nolsiq)^  wei^  als  er  dies  schrieb,  nur 
Anthene,  nicht  mehr  Thyrea  eine  bewohnte  Stadt  war;  zweitens  wie 
Pausanias  (c,  38,  6),  der  von  einer  Stadt  Thyrea  keine  Spur  mehr  vor- 
fand, dazu  kam,  Anthene  als  die  von  den  Aegineten  bewohnte  Ort-- 
Schaft  anzuführen.  Gegen  die  Beziehung  der  Ruinen  bei  H.  Triada 
auf  Thyrea  spricht,  wie  Ross  (S.  163)  richtig  bemerkt,  der  von  Thuk. 
(IV,  57)  für  Th.  gebrauchte  Ausdruck  rr/v  avto  nöXiv. 

3)  Thuk.  V, 41;  Steph.  B.u.'^v^aVa;  IIarpokr.p.21,12  ed.Bekk.  Wenn, 
was  ich  für  unzweifelhaft  halte,  bei  Scyl.  Per.  46  Gail  richtig  'Jv&dvcc 
(für  Mid^civcc  des  Codex)  emendirt  hat,  so  bietet  uns  diese  Stelle  einen 
Beweis  für  die  Lage  der  Stadt  an  der  Küste,  welche  auch  mit  der  kur- 
zen Notiz  des  Pausanias  (c.  38,  6)  über  seine  Route  nicht  im  Wider- 
spruch steht.  Derselbe  geht  nämlich,  wie  ich  glaube,  von  den  Polyan- 
drien zunächst  südwärts  durch  die  Ebene  bis  zum  südlichen  Rande  der- 
selben; dann  kehrt  er  zurück,  verfolgt  das  kurze  Seitenthal  bis  zum 
Ifellenikon  und  steigt  von  diesem  nach  Luku  hinab;  von  hier  aus  ver- 
folgt er  dann  den  Weg  über  das  Plateau  des  Gebirges,  der  noch  jetzt 
die  directeste  Verbindungsstrasse  zwischen  Argos  und  Sparta  bildet  (über 
Hagios  loanniß  und  Hagios  Petros  nach  Arachova)  und  gelangt  so  auf 
den  Rücken  des  Parnon,  an  dessen  östlichen  Abhäugen  der  Tanos  (den  er 
daher  erst  hier  erwähnt)  entspringt.  —  Ganz  unsicher  ist  die  Lage  des 
nur  von  Steph.  Byz.  (u.  Evvai)  als  noXig  "Agyovg  rjv  roHOW  Kvvovgiot 
erwähnten  Eunaea;  und  wenn  der»,  (u.  Kvvovga)  mit  Berufung  auf 
I'ausunias  (HI,  2,  2)  Kyuura  ;i\a  noXig  "Agyovg  anführt,  so  hat  er  wohl 
das  Vorliandensoin  einer  solchen  Stadt  nur  aus  dem  Namen  der  Land 
Schaft  gefolgert. 


72  *        n.  Poloponnesos. 

den  Kranken  Heilung  gewälnenden  asklepiadisclien  Heros,  Pole- 
niokrates,  bei  dem  Kloster  Lnku.  Obcrlialb  dieser  Konien,  anl 
dem  di(;  Wasserscheide  zwisclien  dem  Tanos  und  dem  Lakoniscln^n 
Enrotas  bildenden  Rücken  des  Parnongebirges,  lief  zur  Zeit  der 
Römischen  Herrschaft  die  durch  Hermen  l)ezeichnetc  G ranze  zwi- 
schen den  Gebieten  von  Argos,  Tegea  und  Lakonien  liin. 
Epidamia.  D'^   östUche   Nachbaciu    von   Argos   ist   Epidauros,    deren 

Gelnet  im  Norden  durch  das  von  Korinth,  im  Südosten  durch 
das  von  Troizen  und  Hermione  begränzt,  im  Süden  mit  einem 
mn*  30  Stadien  breiten  Streifen  an  den  Argolischen  Meerbusen 
hinabreichend,  durchaus  von  Gebirgen  eingenon)men  >vird,  unter 
denen  das  bis  zur  Höhe  von  1199  Metern  aufsteigende,  in  seinen 
westlichen  Verzweigungen  bis  in  die  Argivische  Ebene  hineinreichende 
Arachnaeon^)  (jetzt  Arna,  in  seinem  westHcheren  Theilc  auch 
Hagios  Ilias  genannt)  das  bedeutendste  ist.  Gegen  Norden 
sind  demselben  zwei  andere  an  Höhe  ihm  ziendich  nahe  stehende 
Bergzüge  (die  Trapezona  von  1137  und  der  Tschernidolo  von 
1048  Meter  Höhe)  vilrgelagert;  gegen  Südosten  setzt  es  sich 
zunächst  in  mehreren  niedrigeren  Bergen  (dem  Titthion,  Ko- 
ryphaeon  und  Rynortion  der  Alten)  fort,  erhebt  sich  aber 
wieder  bis  zu  einer  "Höhe  von  1102  Meter  in  dem  steilen  bis 
an  die  Küste  vortretenden  Ortholithi,  welcher  die  Gränze  des 
Epidaurischen  Gebietes  gegen  die  Troizenia,  und  in  dem  im  Süd- 
westen damit  zusammenhängenden  1076  Meter  hohen  Didyma- 
gebirge  (dessen  Name  wahrscheinlich  antik  ist),  welches  n)it  seiner 
westlichen  Forlsetzung,  dem  bis  zum  argolischen  Meerbusen  sich 
hinziehenden  Avgogebirge,  die  Gränze  gegen  das  Gebiet  von 
Hermione  bildete.  —  Die  ältesten  Bewohner  dieses  Gebietes,  we- 
nigstens der  Ostküste,  waren  Karer,  zu  denen  dann  lonier  aus 
der  athenischen  Tetrapolis  gekommen  sein  sollen;  daneben  dürfen 
wir  wohl  auch  aus  Thessalien  eingewanderte  Phlegytr,  welche  den 


1)  Aeschyl.  Agam.  309;  Paus.  c.  25,  10  (wo  der  angebliche  älteste 
Name  HanvGiläraiV  jedenfalls  corrupt  ist;  auch  die  von  Hesychios  ge- 
gebene Form  'TggsXlvov,  womit  'TöaiXsiov  bei  Theognost.  Can.  p.  24,  9 
und 'Tut 8 IX siov  bei  Suidas  u.  d.  "W  zu  vergleichen  sind,  scheint  unsicher); 
Steph.  Byz.  u.  'jQaxvuiov.  Alterthümliche  Mauern  in  der  Einsenkung 
zwischen  dem  östlicheren  und  westlicheren  Gipfel  scheinen  die  Stelle  der 
von  Paus,  erwähnten  Altäre  des  Zeus  und  der  Hera,  auf  welchen  man 
bei  anhaltender  Dürre  opferte,  zu  bezeichnen  (s.  Curtius  S.  418). 


1.    Argolis:   Epidaiiiia.  73 

Cult  des  Asklepios  und  die  Tradition  von  seiner  Geburt  niit- 
braciiten  und  in  dem  heiligen  Waldthale  am  Fusse  des  Titthionberges 
localisirten,  als  einen  Hauptbeslandtheil  der  ältesten  Bevölkerung 
betrachten. ')  Dorisirt  wurde  sie  von  Argos  aus,  der  Sage  nach 
durch  Deiphontes,  den  Gemahl  der  Hyrnelho,  der  Tochter  des  Teme- 
nos,  dem  der  letzte  ionische  König,  Pityreus,  ohne  Kampf  die  Herr- 
erhaft  abgetreten  haben  soll.  Wie  in  Korinth  so  sahen  sich  auch 
hier  die  Dorier  durch  die  Natur  des  Landes  selbst  auf  den  Ver- 
kehr zur  See  angewiesen;  sie  besetzten  daher  die  zahlreichen  vor 
ihrer  Küste  liegenden  Inseln,  insbesondere  die  bedeutendste  der- 
selben, Aegina,  und  entsandten  in  Gemeinschaft  mit  ihren  Nach- 
barn, den  Argivern  und  Troizeniern,  Ansiedler  nach  dei-  Küste 
und  den  Inseln  des  südlichen  Kleinasiens;  ja  sogar  an  den  ioni- 
schen Städtegründungen  in  Kleinasien  betheiligten  sich  Dorier  aus 
Epidauros. -)  Aber  freilich  vermochten  sie  nicht  mit  Korinth  zu 
concurriren,  und  als  Aegina  im  Vollgefühle  der  eigenen  Kraft 
sich  von  der  3futterstadt  losgerissen  hatte,  da  sank  die  Seemacht 
und  damit  die  poütischc  Bedeutung  der  letzteren ,  die  nun  nur 
durch  engen  Anschluss  an  Sparta,  dem  sie  im  pelopoimesischen 
wie  im  korinthischen  und  thebanischen  Kriege  unwandelbar  treu 
blieb,  sich  ihre  Unabhängigkeit  gegen  die  mächtigeren  Nachbarn 
bewahren  konnte.,  von  der  sie  zuletzt  noch  durch  den  Anschluss 
an  den  achäischen  Bund  Zeugniss  gab.  ^)  Ein  wesentliches  Mo- 
ment für  diese  Richtung  der  äusseren  Politik  war  auch  die  streng 
aristokratische  Form  der  Staatsverfassung:  alle  Gewalt  war  in  den 
Händen  von  180  jedenfalls  bestimmten  städtischen  Familien  an- 
gehörigen  Männern,  welche  für  die  Executive;  einen  Ausschuss, 
dessen  Mitglieder  Artynen  (wie*  in  Argos)  hiessen,  ernannten; 
die  Bewohner  der  übrigen  Landschaft  ausserhalb  der  Hauptstadt 
wurden  mit  dem  Spitznamen  der  'Staubfüssler'  {xovLTtoöec;)  be- 
zeichnet.'*) 


')  Aristot.  bei  Strab.  p.  374;  Paus.  c.  26,  1  ff. 

»)  Herod.  I,  146;  VII,  99:  vgl.  O.  Müller  Aeginet.  p.  41  s». 

•^)  Vgl.  Schiller  Stämme  und  Staaten  Griech.  III,  S.  20.  Das  Pro- 
gramm von  Weclewski  De  rebus  Epidauriorum  (Posen  1864)  steht  mir 
nicht  zu  Gebote. 

*)  Plut.  Q.  Or.  1;  vgl.  Hesych.  u.  xovCnoÖeg.  I>as8  es  auch  in  Epi- 
dauros vier  Phylen  wie  in  Argos  (die  drei  dorischen  und  die  Hyrnethia) 
gegeben  habe,  wie  O.  Müller  (Dorier  II,  8.  53  und  72)  behauptet,  ist 
wenigstens  nicht  zu  beweisen. 


74  11.  Pcloponncsos. 

Epidaiiros,  die  einzige  uns  bekannte  sLädtisclie  Niederlassung 
in  dem  ganzen  Gebiet,  lag  auf  einer  kleinen  felsigen  Halbinsel 
der  Ostküste,  welche  durch  einen  niedrigen  Isthmos  mit  einer 
schmalen  aber  fruchtbaren,  auf  drei  Seiten  von  Bergen  umschlos- 
senen Strandebene  zusammenhängt;  an  der  Nordseite  der- 
selben ist  ein  natürlicher  Flafen,  an  der  Südseite  eine  grös- 
sere offene  Bucht,  die  ebenfalls  als  Hafen  benutzt  wurde,  da- 
her die  Stadt  auch  den  Beinamen  der  ^doppelmündigen'  [öl- 
0to^og)  führte.  Pausanias  (c.  29,  1)  erwähnt  als  Sehenswür- 
digkeiten derselben  ein  Schnitzbild  der  Athene  Rissaea  auf  der 
Akropolis,  Tempel  des  Dionysos  und  der  Artemis,  ein  Heiligtum 
der  Aphrodite,  einen  heiligen  Bezirk  des  Asklepios  mit  Marmor- 
statuen des  Gottes  und  seiner  GemahUn  Epione  im  Freien,  und 
einen  Tempel  der  Hera  auf  einem  Vorsprunge  der  Küste  am 
Hafen:  die  Stelle  des  letztgenannten  nimmt  jetzt  eine  Kapelle  des 
heiligen  Nikolaos  ein,  welche  auf  einem  felsigen  Vorsprunge  der 
Strandebene  an  der  Nordseite  des  Hafens  steht.  An  die  eigenlHche 
Stadt,  von  welcher  nur  ein  Theil  der  Bingmauer  (an  der  Süd- 
seite der  Halbinsel)  erhalten  ist,  schloss  sich  eine  offene  Vorstadt  an, 
welche  sich  in  der  Strandebene  zunächst  am  Hafen  hinzog,  wie 
auch  jetzt  wieder  im  nördlichen  Theile  der  Strandebene  ein  Dörf- 
chen, Nea-Epidavros  genannt,  steht.  ^) 

2'/2  Stunden  von  der  Stadt  lag  in  einem  anmuthigen,  rings 
von  Bergen  umschlossenen  Thale,  das  noch  jetzt  vom  Volke  das 
Heiligtum  (t6  'Ieqo)  genannt  wird,  die  berühmteste  Cultstätte  des 
Asklepios,  zugleich  ein  von  Kranken  aus  allen  Gegenden  besuchler 
und  daher  mit  Logierhäusern  für  diese  und  Wohnungen  für  die 
die  Cur  leitende  Priesterschaft,  aber  auch  mit  Anlagen  zur  Er- 
heiterung der  Fremden  durch  gymnastische  und  dramatische  Spiele 
wohl  ausgestatteter  Curort,  dem  Epidauros  seit  dem  Verfalle  seiner 
Seemacht  hauptsächlich  seine  Bedeutung  verdankte.  Der  Weg 
dahin  führt  aus  der  Strandebene  westwärts  in  einer  engen,  reich 
mit  wilden  Oelbäumen   bewachsenen   Schlucht,    in  welcher  Pau- 


1)  Strab.  p.  374;  Thuk.  V,  75;  Hesych.  u.  dLOTOfios:  vgl.  den  Plaji 
(nach  der  englischen  Seekarte)  bei  Curtius  II,  Tfl.  XVII.  Für  alten 
Weinbau,  der  auch  die  Hauptervverbsquelle  der  Neuepidaurier  ist,  zeugt 
das  Beiwort  afiTtsloELg  II.  B,  561.  Als  Hauptsitz  des  Asklepioscultes 
wird  die  Stadt  auch  zum  Unterschiede  von  der  Lakonischen  Epidauros 
Limera   -rj  lsqcc  'EnidccvQOs  genannt:  Plut.  Per.  35. 


1.  Argolis:  Epidauria.  75 

sanias  (c.  28,  3)  einen  Hyrnethion  genannten  Platz,  auf  wel- 
chem die  Hyrnetho,  Gattin  des  Deiphontes  begraben  sein  sollte, 
erwähnt,  auf  den  Rücken  des  das  Thal  im  Norden  begränzenden 
Titthionberges^)  und  von  diesem  südwestvvärts  in  das  noch  jetzt 
mit  zahlreichen,  meist  von  dichtem  Gebüsch  bedeckten  Ruinen 
erfüllte  Thal',  in  dessen  westlicherem  Theile  der  eigentliche  hei- 
lige Rezirk,  das  lsqov  älaog,  mit  dem  Tempel  des  Asklepios, 
dem  daran  stossenden  Gemache  für  Incubationen,  und  anderen 
Heihgtümern  und  Raulichkeiten  aller  Art,  rings  von  Gränzsteinen 
umgeben,  innerhalb  deren  weder  Geburt  noch  Tod  eines  Menschen 
gestaltet  war,  ausserhalb  derselben  noch  mehrfache  andere  An- 
lagen, darunter  auch  ein  von  dem  späteren  Kaiser  Antoninus  Pius 
als  Senator  errichtetes  Gebär-  und  Sterbehaus  für  die  Rewohner 
des  heiligen  Haines,  lagen.  Die  Fülle  kostbarer  Weihgeschenke, 
mit  welchen  die  Dankbarkeit  der  durch  die  Hülfe  des  Gottes  und 
seiner  Priester  Genesenen  (deren  Namen  unter  Reifügung  der 
Krankheit,  an  der  sie  gelitten,  und  der  Heilmethode  auf  Stein- 
pfeilern verzeichnet  wurden)  das  Heiligtum  geschmückt  hatte,  gab 
mehrfach  Veranlassung  zu  Plünderungen  desselben,  wie  solche 
von  Sulla  und  den  kilikischen  Piraten  berichtet  werden; 2)  aber 
die  Nachrichten  des  Pausanias  (c.  27,  6)  von  den  durch  An- 
toninus hier  ausgeführten  Neubauten  und  Erneuerungen  älterer 
Rauwerke,  Mie  auch  die  zahlreichen  Trümmer  gewölbter  römischer 
Gebäude  und  Inschriften  der  späteren  Kaiserzeit,  die  man  noch 
jetzt  daselbst  findet,  beweisen,  dass  es  bis  in  die  letzten  Zeiten 
des  Heidentums  seinen  Ruhm  sich  bewahrt  hat.  Leider  lassen  sich 
nur  wenige  der  alten  Gebäude  noch  mit  Restimmtheit  fixiren:  so 
die  von  Polykleitos  aus  weissem  Marmor  erbaute  Tholos  —  ein 
Rundgebäude  von  etwa  20  Fuss  Durchmesser,  im  Innern  mit  Ge- 
mälden des  Pausias  geschmückt,  das  wahrscheinlich  als  Lokal  für 
gemeinsame  Mahlzeiten  der  Priesterschaft  diente  —  deren  Funda- 
mente nicht  weit  von  dem  westlichen  Eingange  des  Thaies,  zur 
Rechten  des  von  Ligurio  her  kommenden  Weges,  im  Gebüsch  ver- 


'J  Nach  der  von  Paiisan.  c.  26,  4  berichteten  Legende  soll  der  ur- 
sprünglich MvQyiov  (so  codd.)  genannte  Berg  den  Namen  Tird-iov  er- 
halten haben,  weil  der  von  seiner  Mutter  darauf  ausgesetzte  Asklepios 
von  einer  Ziege  gesäugt  worden  sei. 

')  Paus.  IX,  7,  5;   Plut.  Sulla  12;    Ponipei.  24;  vgl.  Liv.  XLV,  28. 


76  II.  l'elupoiiiiesus. 

steckt  sind;  südwestlich  davon  das  durch  künstliche  Aufschüttung 
des  Bodens  gehildele  Stadion,  und  am  Abhänge  des  Kynor- 
tion,  des  das  Thai  im  Südosten  abschliessenden  Berges,  das 
wiederum  von  Polykleitos  errichtete  Theater,  dessen  marmorne 
Sitzstufen,  55  an  Zahl,  leider  jetzt  so  mit  dichtem  Buschwerk 
überwachsen  sind,  dass  es  unmöglich  ist  auf  denselben  zu  circu- 
liren.  Von  den  übrigen  BauUchkeiten  stand  der  Tempel  des  Asklepios 
in  der  Nähe  der  Tholos,  wahrscheinlich  westlich  von  derselben; 
die  Stellen  des  Tempels  der  Artemis  und  des  Heiligtums  der 
Aphrodite  sind  nicht  zu  bestimmen.  ^)  Am  Kynorlion,  über  welches 
der  Weg  aus  dem  heiUgen  Thale  nach  Troizen  führt,  stand  ein 
alter  Tempel  des  Apollon  Maleatas,  bei  welchem  wiederum  Anto- 
iiinus  Pius  verschiedene  Anlagen,  darunter  eine  grosse  Cisterne 
zur  Sammlung  des  Regenwassers,  errichtet  hatte;  auf  dem  Gipfel 
des  das  Thal  im  Südwesten  abschliessenden  Berges,  des  Kory- 
phon,  an  dessen  nördlichem  Abhänge  man  einen  alten  krumm 
gewachsenen  Oelbaum  zeigte,  den  Herakles  als  Gränzmal  für  das 
Gebiet  der  Asinäer  in  diese  Form  gebogen  haben  sollte,  ^rhpb 
sich  ein  Heiligtum  der  Artemis  Koryphaea.^) 

Südöstlich  vom  Hieron  zieht  sich  das  enge  Thal  eines  Flusses 
hin,  der  in  mehreren  Armen  von  Kynortion  und  Koryphon  herab- 
kommt und  anfangs  genau  südwärts,  dann  fast  ganz  westlich  fliesst 
und  durch  eine  dreieckige  Mündungsebene,  die  zunächst  der  Küsle 
eine  Breite  von  einer  Stunde  hat,  sich  in  den  Argolischen  Meer- 
busen ergiesst.  Das  ganze  Flussthal  mit  seinen  Rändern  gehörte 
zum  Gebiet  von  Epidauros;  an  drei  Stellen  finden  sich  noch  Spu- 
ren alter  Ansiedelungen  in,  beziehendlich  an  demselben:  oberhalb 
des  linken  Ufers  des  oberen  Laufes,  nördlich  von  dem  Dorfe  Be- 
deni,  nach  welchem  der  Fluss  jetzt  benannt  wird;  weiter  süd- 
westlich auf  einem  640  Meter  hohen  Bergrücken  oberhalb  des 
rechten  Ufers,  und  am  nördlichen  Rande  der  Mündungsebene  bei 
dem  Dörfchen  Iri.     Von   keinem  dieser  Plätze  ist  uns  der  antike 


^)  Vgl.  den  Plan  in  der  Expe'd.  de  Moree  II,  pl.  77  (das  Theater 
pl.  78  u.  79),  wiederholt  bei  Curtius  II,  Tfl.  XVII  (vgl.  S.  418  flf.);  Lyans 
in  den  Transactions  of  the  royal  soc.  of  litt.,  2  series,  vol.  II,  p.  229  ss. 
und  Annali  XXXIII,  p.  12.  Inschriften  bezeugen  den  Cult  der  Artemis  (C.  I. 
G.  n.  1172  f.;  Lyons  a.a.O.  p.  231),  des  Apollon  (C.  I.  G.  n.  1174—76; 
Lyons  a.  a.  O.)  und  des  Dionysos  (C.  I.  G.  n,  1177). 

2)  Paus.  II,  c,  27,  7;  28,  2;  Steph.  Byz.  u.  KoQVcpcciov. 


1.  Argolis:  Epidauria.  77 

Name  bekannt;  die  Anwohner  des  ganzen  Flussgebietes  scheinen 
mit  dem  Namen  TTaQaTtotd^iot  bezeichnet  worden  zu  sein.  ^) 

Vor  der  Küste  des  nördlichsten  Theiles  der  Epidauria  liegen 
zahlreiche  felsige  Inseln,  welche  in  zwei  Hauptgruppen  zerfallen. 
Die  nördlichere  besteht  aus  mehr  als  einem  Dutzend  meist  ganz 
kleiner  Inselchen,  die  sich  von  dem  Cap  Spiri  (dem  alten  Spei- 
raeon,  das  wahrscheinlich  die  Gränze  der  Korinthia  und  Epidauria 
bildete)  gegen  Osten  bis  auf  die  Höhe  von  Salamis  hinziehen: 
die  westlicheren  derselben  werden  jetzt  mit  dem  Gesammtna- 
men  Diaporia  [diaitogem^  Durchfahrt)  oder  Pentenisia  (Fünf  In- 
seln) bezeichnet,  führen  aber  auch  besondere  Namen,  die  drei 
östlichsten  heissen  Lagusae  (Haseninseln);  die  alten  Namen  der 
wichtigeren  derselben  führt  Plinius  (n.  h.  IV,  19,  57),  jedenfalls 
in  der  Richtung  von  Osten  nach  Westen,  auf:  Elaeusa  (wohl 
Elaeusae,  die  jetzigen  Lagusae),  Adendros,  Kraugiae,Raekiae 
und  Seiachusa.  Die  südlichere  Gruppe,  die  sich  von  dem  die 
Bucht  von  Sophiko  im  Süden  umschliessenden  CapTrachili  ebenfalls 
gegen  Osten  bis  zur  Höhe  von  Salamis  hinzieht,  enthält  ausser 
einigen  ganz  kleinen  drei  bedeutendere:  die  jetzt  unbewohnte 
Kyra,  mit  Ruinen  einer  alten  Befestigung  auf  der  nordöstlichen 
Berghöhe,  bei  den  Alten  Pityonnesos  genannt;  östlich  davon 
die  grössere  noch  jetzt  bewohnte  Ankistri  mit  dem  Hauptorte 
Megalochorio  an  der  Nordküste,  die  alle  Kekryphalos  oder 
Kekryphaleia,  bei  welcher  die  Athener  Ol.  80,  3  einen  Sieg 
über  die  vereinigte  Flotte  der  Korinther,  Epidaurier  und  Aegineten 
gewannen 2);  endlich  noch  weiter  östlich  Aegina,  eine  [nsel  von 

^)  Thuk.  V,  53:  vgl,  oben  S.  61,  Anna.  1.  Ueber  die  Ruinen  s.  Pouil- 
lon-Boblaye  Kecherches  p.  55  und  Curtius  S.  429,  der  vermuthungs- 
weise  das  von  Strab.  p.  375  als  xonog  ng  r^g  'Emdavgiccg  erwähnte 
Aegina  bei  Bedeni  ansetzt. 

2)  Plin.  N.  h.  IV,  19,  57;  Steph.  Byz.  u.  KsKQV(pccXsLcc;  Thuk.  I, 
105;  Diod,  XI,  78.  Da  bei  Plinius  die  Reihenfolge  ist:  Cecryphalos, 
Pityonesos,  Aegina,  so  könnte  man  geneigt  sein,  die  Kyra  für  Kekryphalos 
und  das  Cap  Trachili  für  die  von  Steph.  erwähnte  ax^a  Kekryphaleia  zu 
halten;  allein  die  Entfernung  von  VI  milia  passuum  vom  J^estlande, 
die  er  für  Pityonesos  angiebt,  passt  nur  auf  die  Kyra.  Wahrscheinlich 
ist  auf  diese  zwischen  Cap  Trachili  und  Aegina  gelegenen  Inseln  der 
von  Paus.  c.  34,  3  gegebene  Name  TliXonoq  vijaoi.  zu  beziehen;  denn 
obgleich  die  von  Paus,  angegebene  Zahl  9  der  Wirklichkeit  nicht  ent- 
Hpriclit,  so  wüsste  ich  doch  sonst  durchaus  keine  Inselgruppe,  für  welche 
die    IJ«!zeiohnung    vriaiSeg    a't    nQomivtui    Trjg    (tcov    Me^)-(xv(ov)   x^Q^S 


78  H.  Peloponnesos. 

wenig  über  zwei  Qiiadratmeilen  (gegen  83  D  Kilomeier)  Flachenin- 
halt, ganz  gebirgig,  jetzt  ganz  ohne  Bewaldung  und  fast  ohne  fliessen- 
des  Wasser,  die  aber  über  ein  Jahrhundert  lang  die  erste  See- 
macht in  den  hellenischen  Ge\>ässern  war.  ^)  Der  Boden  ist 
durchweg  steinig  und  ziemlich  mager,  jedoch  keineswegs  un- 
fruchtbar, sondern  bei  sorgfältigem  Anbau  für  Gerste,  Wein, 
Mandeln,  Feigen  und  Oel  wohl  geeignet;  der  fruchtbarste  Theil, 
besonders  für  den  Getreidebau,  ist  eine  breite  Ebene  an  der 
Westseite  der  Insel  um  die  Hauptstadt  herum,  deren  Boden  fast 
ganz  aus  Kalkmergel  besteht.  Kalkstein  bildet  auch  die  Haupt- 
masse der  Gebirge;  an  einigen  Stellen  tritt  vulkanisches  Gestein 
(Trachyt)  auf,  besonders  im  südöstlicheren  Theile  der  Insel,  wo 
man  unterhalb  der  zerstörten  mittelalterlichen  Stadt  eine  Anzahl 
in  senkrechten  Wänden  aufsteigender  Felskuppen  trifft,  welche 
jetzt  *der  geborstene  Berg'  (ro  öJtccö^evo  ßovvo)  genannt  werden. 
An  verschiedenen  Punkten  findet  man  einen  vortrefTlichen  Töpfer- 
thon,  daher  die  Töpferei  schon  frühzeitig  auf  der  Insel  zur  Blüte 
gelangte  und  Thonwaaren  einen  nicht  unbedeutenden  Ausfuhr- 
artikel bildeten.  Die  Berge  im  Norden  liefern  gute  Bausteine  -) 
Obgleich  nun  die  natürliche  Beschaffenheit  der  Insel  nicht  eben 
günstig  ist  für  die  Schiffahrt  (denn  abgesehen  davon,  dass  sie  von 
zahlreichen  Klippen  umgeben  ist,  ^)  ist  die  Ostküste  mit  Ausnahme 
der  kleinen  jetzt  Ilagia  Marina  genannten  Bucht  ganz  unzugäng- 
lich; die  Westküste  bietet  zwar  einige  offene  Bheden  dar,  die 
aber  erst  durch  Kunst  in  sichere  Häfen  verwandelt  werden 
mussten),  so  musste  doch  schon  ihre  Lage,  die  sie  zur  natür- 
lichen   Vermittlerin    des    Verkehrs    zwischen    dem    nordösthchen 


passte,   da   östlich  von   Methana   auf   der   französ.   Karte   (Bl.   13)   nur 
zwei  kleine  Inselchen,  Petrokaravo  und  Platurada,  verzeichnet  sind. 

^)  Vgl.  über  die  Insel:  Aegineticorum  liber  scripsit  Car.  Mueller, 
Berlin  1817;  About  Me'moire  sur  Tile  d'Egine,  in  den  Archives  des  niis- 
sions  scientifiques  et  litte'raires,  t.  III,  p.  481 — 667.  Im  Alterthum  hatte 
Pythaenetos  ein  Werk  tisqI  Atyivrjg  in  wenigstens  drei  Büchern  (Athen. 
XIII,  p.  589  ^)  und  Theagenes  ein  Buch  unter  gleichem  Titel  geschrieben 
(Schol.  Find.  Nera.  III,  21). 

2)  Vgl.  über  die  geognostischen  Verhältnisse  der  Insel  übcrhaivjit 
Fiedler  Reise  I,  S.  272  ff.  und  über  die  vulkanischen  Bildungen  insbe- 
sondere W,  Reiss  und  A.  Stübel  Ausflug  nach  den  vulkanischen  Gebir- 
gen von  Aegina  und  Methana  im  Jahre  1866  nebst  mineralogischen 
Beiträgen  von  K.  v.  Fritsch,  Heidelberg  1867. 

3)  Vgl.  Paus.  II,  29,  6. 


1.  Argolis:  Epidauria.  79 

Griechenland  und  dem  Pelojionnes  machte,  die  Bewohner  früh- 
zeitig auf  den  Verkehr  zur  See  hinweisen;  und  in  der  That  wird 
schon  von  der  ältesten,  dem  achäischen  Stamme  der  Myrmidonen 
angehörigen  Bevölkerung,  welche  Zeus  seinem  Sohne  Aeakos,  den 
er  mit  der  Asopostochter  Aegina  erzeugt  und  auf  die  bis  dahin 
menschenleere,  Oinone  oder  Oinopia  genannte  Insel  gebracht  hatte, 
zu  Liebe  aus  Ameisen  erschuf,  gerühmt,  dass  sie  zuerst  Schiffe 
gezimmert  und  mit  Segeln  versehen  habe;^)  auch  finden  wir  die 
Aegineten  unter  den  Mitgliedern  der  alten  ionisch-achäischen  Am- 
phiktyonie  von  Kalaurea  (Strab.  VIII,  p.  374).  Dieser  Bichtung 
auf  Schiffahrt  und  Handel  konnten  auch  die  Dorier,  welche,  an- 
geblich unter  Führung  eines  Triakon,  die  Insel  von  Epidauros 
aus  besetzten  und  colonisirten,  sich  nicht  entziehen:  die  Tochter- 
stadt wetteiferte  mit  der  Muttersladt,  ja  sie  überflügelte  dieselbe 
bald  an  Macht  und  Beichthum  und  löste  endlich  das  Verhältniss 
einer  immer  drückender  empfundenen  Abhängigkeit  von  derselben 
ganz  auf  (etwa  um  Ol.  50).  ~)  Von  diesem  Zeitpunkte  an  bis  zur 
Unterwerfung  durch  ihre  mächtigere  Nebenbuhlerin,  Athen  (Ol. 
81,  1)  gelangte  die  Insel  an  Bevölkerungszahl,  Macht  und  Beich- 
tum  zu  einer  fast  beispiellosen  Blüte.  Wenn  wir  auch  das 
Zeugniss  des  Aristoteles  (bei  Athen.  VI,  p.  272*^.  und  Schol.  Find. 
Ol.  VIII,  30),  dass  die  Aegineten  470,000  Sclaven  besassen,  auf 
die  Gesammtzahl  der  den  Bewohnern  der  Insel  gehörigen  Sclaven, 
mit  Einrechnung  der  auf  den  Schiffen  und  in  auswärtigen  Etablisse- 
ments beschäftigten,  beziehen  (vgl.  oben  S.  13,  Anm.  2),  so  wer- 
den wir  doch  die  Gesammtzahl  der  Bevölkerung  nicht  wohl  unter 
500,00^)  Seelen   ansetzen   dürfen.^*)     Der  Handel  war  ebensowohl 

')  Hesiod.  frg.  93  Göttling.  Achäische  Bevölkerung  kennt  auf  Ae- 
gina auch  der  »Schiffscatalog  (II.  B,  562),  welcher  die  Insel  ebenso  wie 
Epidauros  zum  argivischen  Reiche  des  Diomedes  reclmet. 

*)  llerod.  V,  82  flf. ;  vgl.  Müller  Aegin.  p.  68  ss.;  Duncker  Gesch. 
.1.  Alt.  IV,  S.  .311  f. 

')  Wallon  (Histoire  de  Tesclavage  I,  p.  281)  läugnet  die  Richtigkeit 
der  Angabe  des  Aristoteles,  weil,  wenn  man  neben  der  von  jenem  ge- 
frebenen  Sclavenzahl  eine  freie  Bevölkerung  von  130,000  Seelen  an- 
nehme, man  7230  Einwohner  auf  den  QKilometer  erhalte,  zweimal  so- 
viel als  im  Departement  de  la  Seine  und  nur  dreimal  weniger  als  in 
Paris.  About  stimmt  ihm  bei  und  schützt  dann  willkürlich  die  bürger- 
liche Bevölkerung  auf  etwa  20,000  Seelen,  die  Metöken  (V)  auf  ebenso 
viele,  die  Sclaven  auf  120—130,000  Köpfe.  —  Heut  zu  Tage  ztthlt  die 
Insel  etwa  5000  Einwohner. 


80  II.  Peloponnesos. 

Zwischen-  und  Binnenhandel,  hesonders  nach  dem  Peloponnes 
(vgl.  Paus.  VIII,  5,  8),  als  ein  grossartiger  P^xport-  und  Iniporl- 
liandel  nach  den  ferneren  Küsten  des  Ostens  und  Weslens:  zum 
Schutze  des  letzteren  halten  die  Aegineten  Colonien  nach  Kydonia 
auf  Kreta  und  nach  ümhrien  entsandt  und  wahrscheinlich  auch 
am  Pontos,  von  wo  sie  hauptsächlich  ihren  Getreidehedarf  hezo- 
gen  (vgl.  Herod.  VII,  147),  eine  befestigte  Handelsstation  ange- 
legt.^) Als  Exportartikel  lieferte  die  einheimische,  wahrscheinlich 
durch  ein  strenges  Prohibitivsystem  geschätzte  Industrie  haupt- 
sächlich Thonwaaren  und  Salben,  dann  überhaupt  allerhand  Kurz- 
und  Galanteriewaaren,  die  man  daher  geradezu  mit  dem  Namen 
Ai/yivaCcx  i^TtoX}]  bezeichnete.  2)  Von  der  Bedeutung  dieses 
Handels  legt  besonders  der  Umstand  Zeugniss  ab,  dass  der  ägi- 
näische  Münzfuss  wie  auch  das  äginäische  Maass-  und  Gewichts- 
system in  der  älteren  Zeit  fast  durch  ganz  Griechenland  verbreitet 
war  und  insbesondere  im  Peloponnes  die  äginäischen  Münzen, 
die  nach  ihrem  Gepräge  sogenannten  'Schildkröten'  {xsXcjvai), 
das  gewöhnliche  Courant  waren.  ^)  Bei  dieser  lebhaften  Ent- 
wickelung  des  Handelsgeistes  kann  es  nicht  Wunder  nehmen,  dass 
die  aller  Orten  und  mit  allen  möglichen  Waaren  handelnden  Aegi- 
neten, ähnlich  wie  die  Juden  im  Mittelalter  und  in  neueren 
Zeiten,  nicht  nur  für  sehr  gewandte  und  schlaue,  sondern  auch 
für  betrügerische  Handelsleute  galten.^)  Doch  waren  sie  keines- 
wegs ein  blosses  Krämervolk,  bei  welchem  das  Streben  nach 
Handelsgewinn  alle  höheren  Interessen  in  den  Hintergrund  drängte, 
sondern  auch  auf  anderen  Gebieten  standen  sie  in  den  vordersten 
Reihen:  äginäische  Bürger  fochten  mit  rühmlicher  Tapferkeit 
in  den  Schlachten  gegen  die  Perser,  die  edelsten  Geschlechter 
der  Insel   lieferten  zahlreiche  Sieger   in  den  gymnischen  Agonen 


^)  Herod.  III,  59;  Strab.  VIII,  p.  376.  Ein  ifinoQLOV  Alyivr'ixriq  zwi- 
schen 'Aßcovov  X8LX0C;  und  KCvioXus  erwähnen  Arrian.  Peripl.  Pont.  Eux. 
§  20;  Anon.  Per.  P.  Eux.  §  20;  Marcian.  Epit.  peripli  Menippei  §  9  und 
Steph.  Byz,  u.  Aiyivi^Trjg:  vgl.  Müller  Aegin.  p.  83  s. 

2)  Steph.  u.  Atyiva-,  Athen.  XV,  p.  689  d;  Ephor.  bei  Strab.  VIII, 
p.  376 ;  auf  Prohibitivsystem  lässt  das  Verbot  gegen  attische  Waaiien 
(Herod.  V,  88),  das  gewiss  nicht  aus  blossem  Nationalhass  zu  erklären 
ist,  schliessen. 

3)  Vgl.  Fr.  Hultsch  Griech.  und  röm.  Metrologie  S.  131  ff. 
^)  S.  Diogenian.  Prov.  V,  92;  vgl.  Herod.  IX,  79, 


1.  Argolis;  Epidauria.  81 

der  grossen  Festspiele  ^),' und  die  bildende  Kunst,  besonders  die 
Erzbildnerei,  gelangte  durch  die  aeginäische  Bildnerschule  zu 
einer  Blüte,  die  nur  durch  den  Verlust  der  Selbständigkeit  ge- 
brochen wurde.  Von  diesem  Schlage  hat  sich  überhaupt  die 
Insel  nie  \vieder  erholt:  auch  nachdem  Ly^ander  den  Ueberbleib- 
seln  der  von  den  Athenern  vertriebenen  Bevölkerung  den  Be- 
sitz derselben  zurückgegeben  hatte,  konnte  sie  nicht  einmal 
einen  Schatten  ihrer  früheren  Macht  vviedergewinnen,  sondern 
verzehrte  sich  in  unfruchtbaren  Feindseligkeiten  gegen  Athen 2) 
und  war  häufig  ein  blosses  Werkzeug  in  den  Händen  der  Feinde 
desselben. 

Die  der  Insel  selbst  gleichnamige  Hauptstadt  lag  im  Alter- 
tum ungefähr  an  derselben  Stelle  wie  die  jetzige,  an  der  West- 
küste (Strab.  VHI,  p.  375),  nur  dass  sie,  wie  die  Spuren  der 
Bingmauern  zeigen,'^)  von  weit  bedeutenderem  Umfang,  besonders 
nach  Norden  zu,  war.  Sie  besass  ausser  einer  am  weitesten 
gegen  Norden  gelegenen,  durch  einen  Damm  gegen  den  Nord- 
wind geschützten  offenen  Bhede  zwei  künstliche  Häfen,  deren 
Molen  noch  jetzt  ziemlich  gut  erhalten  sind :  der  kleinere  nörd- 
lichere, dessen  schmaler  Eingang  durch  zwei  Thürme  geschützt 
und  mit  Ketten  verschliessbar  war,  diente  wahrscheinlich  zur 
Zeit  der  Unabhängigkeit  der  Insel  als  Kriegshafen,  der  etwa  zwei- 
mal grössere  südlichere,  welcher  durch  eine  Fortsetzung  der 
Stadtmauer  auf  dem  südlichen  Molo  auch  in  die  Befestigung  der 
Stadt  aufgenommen  war,    als   Handelshafen.     Neuerdings  ist   nur 


')  Vgl.  Krause  Die  Gymnastik  und  Agonistik  der  Hellenen  H,  S. 
740  SS. 

*)  Den  stärksten  Ausdruck  fand  dieser  Hass  in  der  Bestimmung,  dass 
Jeder  Athener,  der  die  Insel  betrete,  dem  Tode  verfallen  sein  solle  (Plut. 
Dion  ()]  Diog.  Laort.  III,  19);  Proben  von  der  Aengstlichkeit  gegen 
plötzliche  Ueberriimpelung  von  Seiten  Athens  sind  die  Anbringung 
schwerer  eiserner  Hämmer  an  den  Stadtthoren  (Aen.  Poliorcet.  20)  und 
ilas  Polizciverl)ot  bei  Nachtauf  den  Strassen  zu  circuliren  (Plat.  Cratyl. 
I».  433  *).  Vgl.  über  die  spätere  Geschichte  der  Insel  Müller  Aegin. 
p.  189  88.;  About  Mt'moire  eh.  VII. 

^)  Leake  (Travels  in  the  Morea  II,  p.  48G  s.)  konnte  die  gegen  10  F. 
dicken,  mit  Thürmen  in  nicht  ganz  regelmässigen  Zwischenräumen  ver- 
sehenen Mauern  an  der  Landscite  noch  in  ihrer  ganzen  Ausdehnung 
verfolgen,  während  heut  zu  Tage  wenigstens  über  dem  Boden  nur  noch 
geringe  Spuren  davon  sichtbar  sind. 

ItUItHIAN,    ÜUdUK.    II.  G 


82  II.  Peloponnesos. 

der  südlichere,  an  welchem  der  Präsident  Kapodistrias  einen 
neuen  Molo  angelegt  hat,  im  Gebrauch.  Auf  einem  flachen  Vor- 
sprunge des  Ufers  am  nördlichen  Hafen  steht  auf  hohem,  aus 
mächtigen  Quadern  gebildeten  Unterbau  (dessen Steine  zum  grössten 
Theile  zum  Bau  des  eben  erwähnten  Molo  verwendet  worden  sind) 
eine  dorische  Säule  ohne  Capital  aus  gelblichem  Kalktufl",  der 
Rest  eines  Tempels,  von  welchem  frühere  Reisende,  wie  Dodwell 
und  Leake,  noch  zwei  Säulen  vorfanden,  deren  eine  mit  dem 
Capital  eine  Flöhe  von  25  Fuss,  an  der  Basis  einen  Durchmesser 
von  3  Fuss  9  Zoll  hatte.  Unter  der  Voraussetzung,  dass  der 
nördlichere  Hafen  der  zur  Zeit  des  Pausanias  gewöhnlich  ge- 
brauchte gewesen,  hat  man  diesen  Tempel  für  den  der  Aphro- 
dite (vgl.  Paus,  ü,  29',  6)  gehalten;^)  indess  ist  jene  Voraus- 
setzung ziemlich  unsicher,  da  Pausanias  (a.  a.  0.  §  10  f.)  ausser 
dem  Hafen,  in  dem  er  gelandet  ist,  noch  einen  anderen,  den 
KQVJtrög  kt^fjv  (ein  Name,  der  für  den  grösseren  südliche4i 
Hafen  sehr  wenig  passend  erscheint)  erwähnt,  in  dessen  Nähe 
das  Theater  und  hinter  demselben  das  Stadion,  dessen  eine  Seite 
als  Unterbau  des  Theaters  diente,  lagen.  In  der  Nähe  jenes 
Tempels  und  des  kleineren  Hafens  scheint  ein  dem  Attalos  Phi- 
ladelphos,  König  von  Pergamos  geweihter  heiliger  Bezirk  (ro 
^AtxdleLOv)  gewesen  zu  sein.  2)  Weiter  gegen  Norden  erhebt 
sich  ein  grosser  künstlicher  Erdhügel,  welcher  dem  vom  Peiraeeus 
her  kommenden  Reisenden  schon  bevor  er  landet  in  die  Augen 
fällt;  am  Fusse  desselben  ist  eine  grosse  Fläche  von  nicht  ganz 
regelmässiger  viereckter  Form  (eine  Seite  ist  ungefähr  100  Meter 
lang)  in  den  Felsboden  eingeschnitten.  Der  Zweck  dieser  ganzen 
Anlage  ist  ziemlich  unklar;  denn  obgleich  es  sehr  nahe  liegt,  in 
dem  Hügel  das  Grab  des  Phokos  —  einen  Erdhügel  mit  einem 
runden  steinernen  Unterbau  —  zu  erkennen,  so  passt  doch  jene 
Vertiefung  im  Felsboden  keineswegs  auf  das  neben  diesem  Grab- 
hügel am    ansehnUchsten  Platze   der  Stadt  gelegene  Aeakeion, 


1)  Vgl.  Alterth.  von  lonien  C.  VI,  Tfl.  1;  Exped.  de  Moree  III, 
pl.  38  s.;  Leake  Travels  in  the  Morea  II,  p.  435  s. ;  Klenze  Aphori- 
stische Bemerkungen  auf  einer  Reise  in  Griechenland  S.  159  IF. ,  Tfl. 
I,  1.  Ein  Fest  Aphrodisia  als  Nachfeier  eines  IGtagigen  Poseidonfestes 
erwähnt  Plut.  Q.  gr.  44. 

2)  Vgl.  die  dort  gefundene  Inschrift  C.  I.  gr.  n.  2139  *^  (=  'E(pr](i. 
ciQX.  1839,  n.  343  und  Rangabis  Ant.  hell.  n.  688),  Z.  46. 


1.  Argolis:  Epidauria.  83 

(Jas  als  ein  viereckter  Peribolos,  von  Marmormauern  umschlossen, 
beschrieben  wird,  mit  einer  Eingangshalle,  in  welcher  die  der 
Sage  nach  einst  an  Aeakos  von  den  Hellenen  abgeordneten  Ge- 
sandten dargestellt  waren,  mit  alten  Oelbäumen  im  Inneren  und 
einem  niedrigen  Altare,  den  eine  Geheimsage  als  Grabmal  des 
Aeakos  bezeichnete:  aeginäische  Sieger  in  den  Festspielen  brach- 
ten hier  ihre  Siegeskränze  als  Weihgeschenke  dar  und  Verfolgte 
fanden  hier .  ein  schützendes  AsyU)  Müssen  wir  also  die  Stelle 
dieses  Denkmals  unbestimmt  lassen,  so  gilt  dasselbe  auch  von 
den  sonstigen  Tempeln  der  Stadt,  wie  von  den  nahe  bei  einander 
stehenden  des  Apollon,  der  Artemis  und  des  Dionysos,  ^j  dem  der 
Ilekate,  welcher  alljährhch  ein  hochheiliges  Fest  mit  geheimniss- 
vollen Cultbräuchen  gefeiert  wurde, ^)  und  dem  der  Demeter 
Thesmophoros.'')  Jetzt  sind  auf  dem  Boden  der  alten  Stadt 
ausser  den  schon  erwähnten  Resten  nur  noch  ein  antiker  Mosaik- 
fussboden,  eine  Fülle  von  Scherben  alter  Thongefässe  und  sehr 
zahlreiche  in  den  felsigen  Boden  brunnenartig  eingesenkte  Gräber 
mit  je  einer  oder  mehreren  unterirdischen  Grabkammern  erhalten.  ^) 
Wendet  man  sich  ostwärts  von  der  Stadt  durch  die  noch 
jetzt  ziemlich  gut  angebaute,  besonders  mit  Oel-  und  Feigenbäumen 
bepflanzte,  hie  und  da  von  Gärten,  in  denen  viele  Kypressen  er- 
scheinen, unterbrochene  Ebene,  so'  gelangt  man  nach  ungefähr 
einer  halben  Stunde  an  den  Fuss  des  Gebirges,  welches  man  auf 
ziemlich  steilen  und  unwegsamen  Pfaden  ersteigt.  Eine  Stunde 
von  der  Stadt  findet  man  auf  der  oberen  Fläche  eines  kahlen 
Felsens  die  verfallenen  und  jetzt  ganz  verlassenen  Häuser  der  Pa- 
laeachora,  d.  h.  der  Ortschaft,  in  welche  die  Bewohner  der  Insel 


'  <)  Paus,  c.  29,  0;  Find.  Nem.  V.  96  c.  schol.;  Olymp.  XIII,  154; 
Schol.  Apoll.  Rhofl.  IV,  1770;  Plut.  Demosih.  28.  Festspiele  AidyiSLa: 
8chol.  Find.  Olymp.  VII,  156.  Ueber  den  Tumuliis  und  die  Felsfläclie 
8.  About  Memoire  \>.  .546  8,,  der  hier,  schwerlich  mit  Recht,  das  Aea- 
keion  ansetzt, 

')  Paus.  (  io,  1;  der  Tempel  des  Apollon  wird  als  am  Inicpavi- 
GtuTog  tonog  rrys  noXsiüg  gelegen  erwähnt  in  der  Inschr.  C.  I.  gr.  n. 
2140,  Z.  35  f. 

')  Paus.  a.  a.  O.  §  2;  vgl.  Luc.  Navig.  15. 

*)  Herod.  VI,  91. 

^)  Vgl.  über  diese  Koss  Arcimol.  Aufstltzc  *I,  S.  45  ff.,  TH.  II  und 
III;  Erinnerungen  und  Mittlicilungon  aus  UriecbenUnd  (herausgegeben 
von  O,  Jahn,  Berlin  1868)  8.  139  f. 

6* 


84  n.  Peloponnesos. 

unter  der  türkischen  Herrschaft  aus  Furcht  vor  Seeräubern  sich 
zurückgezogen  hatten:  obgleich  sich  keine  antiken  Reste  hier 
nachweisen  lassen,  kann  man  doch  mit  Sicherheit  die  alte  Oie 
mit  dem  HeiUgtume  der  aus  Epidauros  eingeführten  Gottheiten 
Damia  und  Auxesia  (Ilerod.  V,  83)  hier  ansetzen,  da  die  auf  20 
Stadien  angegebene  Entfernung  von  der  Hauptstadt  gerade  auf 
diesen  Platz  passt.  Am  südlichen  Fusse  der  Felshöhe  fliesst  der 
bedeutendste  unter  den  Bächen  der  Insel,  der  freilich  den  grös- 
seren Theil  des  Jahres  hindurch  wasserlos  ist:  derselbe  scheint 
im  Altertum  den  Namen  Asopos  geführt  zu  haben. ^)  Etwas 
über  eine  Stunde  östlich  von  hier,  auf  einem  190  Meier  hohen 
Hügel  oberhalb  der  Bucht  der  heiligen  Marina,  steht  die  berühmte 
Ruine  des  Tempels  der  Athene,  eines  dorischen  Hexastylos  perip- 
teros  (mit  6  X  12  Säulen  und  doppelter  Säulenstellung  im  Innern 
der  Cella)  aus  gelblichem,  durchgängig  mit  farbigem  Stuck  über- 
zogenen Kalkstein  (das  Dach  und  die  Sculpturen  aus  parischem 
Marmor),  dessen  Giebelgruppen  allein  uns  ein  Bild  von  der  Blüte 
der  bildenden  Kunst  auf  Aegina  in  der  Zeit  seiner  Selbständig- 
keit zu  geben  vermögen.^)  Südöstlich  vom  Tempel  erkennt  man 
noch  den  Unterbau  eines  antiken  Gebäudes,  das  wahrscheinlich 
zu  Wohnungen  für  die  Tempeldienerschaft  bestimmt  war.^) 

Ein  etwas  längerier  und  beschwerlicherer  Weg,  als  nach  dem 
Tempel  der  Athene,  führt  von  der  Stadt  nach  dem  im  südöstlichsten 
Theile  der  Insel  sich  erhebenden  Gros,  wie  es  jetzt  als  einziger 
wirklicher  Berg  der  Insel  von  den  Umwohnern  schlechtweg  ge- 
nannt wird,  dem  alten  Panhellenion.  Am  nördlichen  Abhänge 
des  Berges  erhebt  sich  in  einem  rauhen,  einsamen  Thale,  das 
noch  in  neueren  Zeiten  bewaldet  war,  eine  von  Mauern  aus  gros- 
sen Trachytblöcken  gestützte  Terrasse,  auf  der  jetzt  eine  ganz  aus 
schönen  antiken  Werkstücken  erbaute,  aber  wieder  verfallene  Kirche 


*)  Einen  Bach  Asopos  auf  Aegina  nimmt  Didymos,  eine  Quelle  Kai- 
listratos  in  den  Scliol.  Pind.  Nem.  III,  1,  freilich  im  Widerspruch  mit 
Aristarchos,  an. 

2)  Vgl.  über  den  Tempel  Alterth  von  lonien  C.  VI,  Tfl.  2  ff.;  Ex- 
pe'dition  de  More'e  III,  pl,  47  ss. ;  Garnier  Revue  archeologique  XI  (1854) 
p,  193  SS.;  343  ss. ;  423  ss. ,  und  über  Athene  als  Eigentümerin  des 
Tempels  (vgl.  Herod.  III,  59)  Ross  Arch.  Aufs.  I,  S.  241  ff.;  A.  Mi- 
chaelis N.  Schweizer.  Mus.  III,  S.  213  ff. 

^)  Das  diicpLnolsLOV  der  Inschrift  C.  I.  gr.  n.  2139,  Z,  13. 


1.  Argolis:  .Kpidauria.  85 

des  Erzengels  Michael  (rov  aytov  döa^drov)  steht ;  in  der  Mitte 
der  Terrasse  findet  man  noch  antikes  Steinpflaster,  auf  dem  eine 
Anzahl  grosser  platter  Steine  in  gleicher  Entfernung  von  einander 
liegt,  wie  wenn  sie  als  Basen  von  Pfeilern  gedient  hätten.  Das 
Ganze  bildete  jedenfalls  einen  von  Mauern  (von  denen  noch  meh- 
rere Bruchstücke  erhalten  sind)  umgebenen  Peribolos,  etwa  mit 
einer  kleinen  Kapelle  in  der  Mitte,  welcher  der  Aphaea  —  einer 
der  Artemis  verwandten ,  von  den  Alten  selbst  mit  der  kre- 
tischen Britomartis-Diktynna  identificirten  Göttin  —  geweiht  war.  ^) 
Ein  sehr  steiler  Pfad  führt  von  hier  auf  den  531  Meter  hohen 
Gipfel  des  Berges,  der  jetzt  eine  Kapelle  des  heiligen  Elias  trägt; 
diese  ist  an  die  Stelle  des  Heiligtums  des  Zeus  Hellanios  oder 
I^anhellenios  getreten,  einer  Stiftung  des  Aeakos,  der  hier  einst 
den  lang  ersehnten  Regen  von  Zeus  erfleht  haben  soll:  eine  Sage, 
die  wesentlich  meteorologischen  Ursprungs  zu  sein  scheint;  denn 
für  die  Athener  waren  >Volken,  welche  sich  auf  dem  Gipfel  dieses 
Berges  lagerten,  ein  sidieres  Zeichen  kommenden  Regens,  wie  sie 
es  noch  jetzt  für  die  Bewohner  der  Insel  selbst  und  für  die  Megarer 
sind.  Das  Heilig]um  bestand  einfach  aus  einem  von  einer  halbkreisför- 
migen Mauer  aus  grossen  unregelmässigcn  Steinen  umgebenen  Altar.  ^) 
Nicht  sicher  zu  bestimmen  ist  die  Lage  des  von  Xen.  Hell.  V, 
1 ,  10  bei  Gelegenheit  eines  Ol.  98,  1  von  Chabrias  gegen  die 
[iwtl  ausgeführten  -  Handstreiches  erwähnten  Heiligtumes  des  He- 
rakles (Herakicion)  und  des  16  Stadien  (doch  wohl  landeinwärts) 
davon  gelegenen  Ortes  Tripyrgia:  da  aber  als  Landungsplatz 
des  Chabrias  mit  Wahrscheinlichkeit  die  olfene  Rhede  nördlich 
von  der  Stadt  betrachtet  werden  kann,  so  darf  man  vermuten, 
dass  die  im  nördlichsten  Theile  der  Ebene  auf  geglättetem  Fels- 
boden stehende  Kirche  des  heiligen  Nikolaos,  in  welcher  sich 
einige  alte  Werkstücke  vorfinden,  die  Stelle  des  Herakleion  be- 
zeichne^).    An   der   entgegengesetzten  Seite   der  Westküste,   süd- 


')  Pau8.  c.  30,  3;  Antonin.  Lib.  40:  vgl.  Müller  Aegin.  p.  163  ss. 
und  über  den  Platz  Ko8«  Krinnerungen  und  Mittheilungen  aus  Gricch. 
S.  1,43;  About  Memoire  p.  552  »8.;  Expe'd.  de  Morce  III,  pl.  46. 

«)  Paus.  c.  30,  4;  Pind.  Nem.  V,  10;  Ißocr.  Euag.  §  14  f.;.Theo- 
phraHt.  De  signi»  pl.  I,  24.  Vgl.  A.  M(u8toxidi)  in  der  Zeitschrift 
fl  Aiyivaia.  'E(pr}(ieQlg  (pt.XoXoYi.nf},  iTciarrjuoviyiiq  %ai  TfxvoXoyiyifj  1831, 
s.  158  ff. 

»)  8.  About  Mdmoire  p.  548. 


8H  11.  I*(;Iü|ionncsüs. 

licli  von  der  Stadt  in  der  Nähe  der  jetzt  Perdikas  (nach  den  auf 
der  Insel  überhaupt  sehr  zahlreichen  Rebhöhnern)  genannten 
Bucht,  befand  sich  nach  einer  daselbst  gefundenen  Inschrift') 
ein  Temenos  des  Apollon  (Delphinios)  und  des  Poseidon. 

An  das  festländische  Gebiet  von  Epidauros  slösst  im  Süd- 
osten die  Troizenia,  welche  gegen  Süden  durch  eine  vom 
Ortholithi  (vgl.  oben  S.  12)  nach  Osten  ziehende  Bergkette  be- 
gränzt  wird,  die  in  ihrem  höheren  westlichen  Theile  (bis  720 
Meter  Höhe)  Aderes,'-)  in  dem  östlicheren  (der  eine  Höhe 
von  537  Meter  erreicht)  Darditza  genannnt  wird:  der  öst- 
lichste Vorsprung  der  ganzen  Bergkette,  das  Cap  Skyli,  vor 
welchem  zwei  kleine  Inseln  und  eine  KÜppe  liegen,  scheint  das 
Sky Ilaeon  der  Alten  zu  sein,  welches  mit  dem  attischen  Cap 
Sunion  die  beiden  Endpunkte  des  Eingangs  des  Saronischen  Meer- 
busens bezeichnete.^)   Die  Troezenier  griffen  hier  über  ihre  natür- 


1)  Ö.  Wordsworth  Athens  und  Attica  p.  231;  A.  Michaelis  im  N. 
Schweiz.  Mus.  III,  S.  217. 

2)  Ob  diesen  der  Namen  ^OQßdvTLOv  zukommt,  welchen  Steph.  Byz. 
u.  d.  W.  für  ein  uqos  TQOL^rjvog  überliefert,  wie  lo.  Nie.  los.  Schell  (De 
agro  Troezenis,  Tergesti  1856,  p.  3)  vermutet,  dürfte  nicht  sicher  zu 
entscheiden  sein. 

3)  Scyl.  Per.  51  (wo  avQvzatog  statt  evd^vzatos  zu  schreiben  ist); 
vgl.  Thuk.  V,  53;  Strab.  VIII,  p.  368;  373;  Plin.  N.  h.  IV,  5,  17*s.; 
Ptol.  III,  16,  11;  Steph,  Byz.  u.  S-avXXaiov.  Pausanias  freilich  (c. 
34,  7  f.)  nennt  nach  dem  Skyllaeon  in  der  Richtung  nach  Hermione 
zu  ein  zweites  Vorgebirge,  Bovv,Ecpcila^  und  nach  diesem  drei  Inseln: 
Haliussa  (mit  einem  Hafen),  Pityussa  und  Aristerae.  Daher  hat  Curtius 
(Pel.  II,  S.  452  if.)  das  jetzige  Cap  Skyli  für  das  alte  Bukephala  ge- 
halten und  das  Skyllaeon  etwas  weiter  nordwestlich,  zunächst  südlich 
von  dem  Citronenwalde  der  Porioten,  angesetzt.  Allein  abgesehen 
davon,  dass  doch  das  jetzige  Cap  Skyli  den  natürlichen  Abschluss  des 
Saronischen  Meerbusens  im  Südwesten  bildet,  ist  auch  die  weitere  An- 
setzung  der  von  Paus,  zwischen  Bukephala  und  der  Stadt  Hermione 
aufgeführten  Oertlichkeiten  bei  Curtius  höchst  unwahrscheinlich,  nament- 
lich entspricht  die  Annahme,  dass  das  jetzige  Cap  Thermisi  das  Vor- 
gebirge Buporthmos  sei,  gar  nicht  der  Angabe  des  Pausanias:  vor 
diesem  liege  die  Insel  Aperopia  (Doko),  nicht  weit  von  dieser  Hydrea, 
und  nach  dieser  der  mondsichelförmige  Küstenstrich,  der  bis  zur  Stelle 
der  alten  Stadt  Hermione  reiche.  Die  Bezeichnung  von  Buporthmos 
als  6qo£  ig  d'dXccGGav  dno  tov  UEloTCOvvTJaov  nQoßsßlrjfisvov  in  Ver- 
bindung mit  der  weiteren:  tzqü-hsitki,  Ss  BovnoQd'fiov  v^Gog  'ATtsqonCa 
zcclovfisvrj  macht  es  im  höchsten  Grade  wahrscheinlich,   dass  Buporth- 


1.   Arijrolis:   Troizenia.  87 


liehen  Gräiizeii  zum  Schaden  ihrer  südwestlichen  Nachbarn,  der 
llermioneer,  über,  indem  sie  auch  die  freiUch  nur  wenig  anbaufähigen 
südlichen  Abhänge  des  Darditzagebirges,  an  welche  sich  nur  ein 
ganz  schmaler  Streifen  flachen  Landes  angesetzt  hat,  der  noch 
dazu  von  zahlreichen  kleinen  Seen  oder  ,  Teichen  voll  salzigen 
Wassers  unterbrochen  wird,  .sich  annectirt  hatten,  offenbar  um 
auch  am  Ilermionischen  Golfe  wenigstens  einen  Landungsplatz  zu 
haben.  Die  Gränze  zwischen  den  Gebieten  von  Troizen  und  Iler- 
mione  bezeichnete  hier  wenigstens  zur  Zeit  des  Tansanias^)  ein 
den  Ilermioneern  gehöriges  Heiligtum  der  Demeter  Thermasia  80 
Stadien  westlich  vonj  Skyllaeon,  also  in  dem  flachen  Küstensaume 
zwischen  einem  dem  Kloster  des  Propheten  Elias  auf  Hydra  zu- 
gehörigen Metochi  (Nebenkloster)  und  dem  breiten  felsigen  Cap 
Thermisi. 

Den  Mittelpunkt  der  Troizenia  bildete  eine  den  nördlichen 
Kuss  der  Aderesberge  berührende,  von  West  nach  Ost  etwa  drei 
Viertelstunden  breite  Strandebene,  welche  jetzt  von  dem  an  ihrem 
südwestlichen  Rande  gelegenen  Dorfe  Damalas  den  Namen  trägt. 
Sie  wird  von  mehreren  Bächen  bewässert,  unter  denen  der  aus 
einer  romantischen  Schlucht  westlich  von  Damalas  hervorkommende 
Kremastos,  von  den  Alten  Ilyllikos  genannt,*)  der  bedeutendste 


mos  der  ganz  halbinselartige  Felsvorsprung  der  Küste  südlich  vom 
Hafen  Kuverta  ist,  welcher  der  Insel  Doko  gegenüber  in  dem  Cap  Mu- 
saki  endet.  Ist  dies  richtig,  so  kann  freilich  Pausanias  bei  seiner  See- 
fahrt nicht  vom  Cap  Skyllaeon,  sondern  muss  von  Südwesten  her  nach 
llermione  gekommen  sein  und  wir  müssen  annehmen,  dass  er  bei  der 
Kedaction  seiner  Keiseaufzeichnungen  sich  geirrt  und  aus  einer  Fahrt 
etwa  von  llalike  (dem  jetzigen  Hafen  Cheli)  oder  von  Mases  (Porto 
Kiladia)  nach  Hermione  eine  solche  vom  Skyllaeon  (wo  gar  kein  Lan- 
dungsplatz ist)  aus  gemacht  hat.  Unklar  und  ohne  bestimmtes  Re- 
sultat behandelt  diese  Frage  lo.  Nie.  los.  Schell,  De  agro  Troezenis 
p.   11   8. 

')  Paus.  c.  34,  6  und  11.  Die  Ansetzung  des  Heiligtums  am  Cap 
Thermisi  selbst,  dessen  Namen  wohl  auf  warme  Quellen  zurückzuführen 
ist,  steht  mit  der  Kntfcrnunosangabe  bei  Paus,  im  Widerspruch.  Strab. 
VllI,  p.  373  rechnet  das  Skyllaeon  noch  zum  Gebiete  von  Hermione, 
aber  auch  Scyl.  Peripl.  51  sagt  ausdrücklich:  l'art  de  ro  £kvIXcciov  rrjs 
TQOitrjviccg. 

*)  Paus.  c.  32,  7  führt  als  den  ttltcstcn  Namen  des  Flusses  Tau- 
rio»  oder  Tauros  (vgl.  Athen.  III,  p.  122  0  »»»  welcher  wie  ähnliche 
Namen  {Zvg,  AptOff,  Kccngog  u.  a.)  den  wilden,   ungestümen  Charakter 


88  n.   Poloponncsos. 

ist;  zahlreiche  Quellen  erhöhen  die  Fmchtharkeit  der  Ebene,  die 
für  Wein')  und  Gelreidebau  wohl  geeignet,  jetzt  aber  nur  zum 
Theil  mit  Bäumen  und  Weinpllanzungen  bedeckt,  zum  Theil  mit 
der  baumartigen  Wolfsmilch  (Euphorbia  dendroides),  deren  Aus- 
dünstung die  Gegend  ungesund  macht,  bewachsen  ist.  Die  alte 
Stadt  nahm  einen  ziemlich  ausgedehnten  Raum  nordwestlich  vom 
Dorfe  Damalas  ein,  wo  man  zunächst  einen  bis  zu  bedeutender 
Höhe  erhaltenen  viereckten  Thurm  (an  der  Nordseite  44  Fuss 
lang)  mit  einem  daran  stossenden  Stück  der  südöstlichen  Stadt- 
mauer, eine  Viertelstunde  weiter  westlich  die  sogenannte  Episkopi 
(den  Sitz  der  ehemaligen  Bischöfe  von  Damalas)  mit  mehreren  ganz 
aus  antiken  Werkstücken  erbauten  Kirchen  und  Trümmern  ionischer 
Säulen  darin,  davor  die  Unterbauten  von  zwei  alten  Tempelge- 
bäuden findet:  wahrscheinlich  standen  hier  die  von  einem  ge- 
meinschaftlichen Peribolos  umschlossenen  Tempel  des  Ilippolytos 
und  des  Apollon  Epibaterios  (Paus.  c.  32,  1  f.).  An  der  Östseite 
dieses  Peribolos  lag  das  Stadion,  dessen  oberes  Ende  noch  jetzt 
im  Boden  sichtbar  ist,  und  oberhalb  desselben  ein  Tempel  der 
Aphrodite  Kataskopia,  in  dessen  Temenos  die  Gräber  der  Phaedra 
imd  des  Hippolytos  (der  Mondgöltin  und  des  Sonnengottes  des 
ältesten  Cultus,  die  dann  in  die  Ileroensage  verflochten  und  zu 
Ileroengestalten  herabgezogen  worden  sind)  in  der  Nähe  eines 
ebenfalls  in  die  Sage  von  Phaedra  und  Ilippolytos  verflochtenen 
Myrlenbaumes  mit  durchlöcherten  Blättern  (jedenfalls  eines  alten 
Cultsymboles  der  Aphrodite)  gezeigt  wurden  (Paus.  a.  a.  0.  §  3). 
Ausserdem  finden  sich  zahlreiche  antike  Reste,  darunter  mehrere 
anscheinend   noch   am  Platze  stehende  Säulenstümpfe,')  nördfich 


eines  Giessbaches  bezeichnet.  Auf  die  reiche  Bewässerung  ist  jeden- 
falls der  Cult  der  Movacci  'AgdaXiösg  oder  'Agdaltai  (Paus.  c.  31,  3; 
Plut.  VII  sap.  conv.  4;  Steph.  B.  u.  'AQdalCdBg)  zurückzuführen.  Nach 
Plin.  N.  h.  XXXI,  2,  11  und  Vitruv.  VIII,  3  sollte  das  Wasser  der 
Brunnen  in  Troizen  das  Podagra  hervorrufen. 

^)  Ueber  den  Weinbau  in  Troizen  vgl.  besonders  Aristot.  bei  Athen. 
I,  p.  31  <=.  NachTheophr.  Hist.  pl.  IX,  18,  11  (vgl.  Plin.  N.  h.  XIV,  18, 
116)  machte  das  Trinken  des  Troizenischen  Weines  zeugungsunfähig. 

2)  Von  besonderem  Interesse  darunter  sind  die  Säulentroncs  aus 
roth-grauem  granitähnlichen  Steine  mit  8  flachen  Seiten,  von  denen  ich 
im  J.  1854  nur  noch  einen  in  der  bezeichneten  Niederung  vorfand:  die 
Abschrägung  der  Seiten  anstatt  der  Canelirung,  welche  W.  Gell  (Argolis 
p.  121)   als   ein  Zeichen  des  höchsten  Altertums   erschien   und  ihn  ver- 


1.   Argolis:  Troizenia.  89 

und  in  der  Niederung  östlich  von  der  Episkopi:  an  dem  letzteren 
[Matze  lag  wahrscheinlich  die  Agora,  an  welcher  mehrere  Tempel, 
wie  der  der  Artemis  Soteira,  der  Artemis  Lykeia,  des  Apollon 
Thearios  (vor  welchem  noch  das  Zelt,  in  dem  Orestes  vom  Mut- 
termorde gesühnt  worden,  gezeigt  wurde)  und  des  Zeus  Sotei', 
Altäre  und  Hallen  (darunter  eine  mit  Statuen  von  athenischen 
Frauen  und  Kindern,  die  während  des  Perserkrieges  in  Troizen 
Zuflucht  gefunden  hatten)  standen;  auch  das  Theater  lag  an  oder 
doch  nicht  weit  von  der  Agora,  in  der  Nähe  des  Tempels  der 
Artemis  Lykeia  (Paus.  c.  31).  Die  Akropolis  endlich  mit  einem 
Tempel  der  Athene  Sthenias  stand  auf  einem  steilen  Berggipfel 
südwestlich  oberhalb  der  Ebene,  wo  man  noch  Reste  einer  mit- 
telalterlichen Befestigung  auf  antiken  Fundamenten  vorfindet;- beim 
Herabsteigen  von  da  nach  der  Ebene  kam  man  an  einem  Heihg- 
tume  des  Pan  Lyterios  vorüber  (Paus.  c.  32,  5  f.). 

Die  Bevölkerung  der  Stadt  sowie  iles  Gebietes  derselben 
war,  wie  man  aus  den  ältesten  Cullen  und  aus  zahlreichen  Spuren 
der  Sagen,  welche  die  Vorzeit  der  Stadt  mit  einem  glänzenden 
Lichte  umstrahlen,  schliessen  kann,  ionischen  Stammes  und  ins- 
besondeie  mit  den  loniern  Attikas  nahe  verwandt,  wie  denn  enge 
Beziehungen  zwischen  Troizen  und  Altika  bis  weit  in  die  histo- 
rische Zeit  hereinreichen.  Doch  scheint  die  ionische  Bevölkerung 
frühzeitig  unter  die  Herrschaft  eines  achäischen  Fürstenhauses 
gekommen  zu  sein,  welches  in  der  Sage  durch  den  Pelopssohn 
Pittheus  repräsentirt  wird:  er  erscheint  als  der  eigentliche  Grün- 
der der  Stadt,  .die  er  durch  Zusammensiedelung  der  Bewohner 
aus  zwei  älteren  Ortschaften,  Antheia  und  Hypereia,  gebildet  haben 
>oll. ')  An  die  Stelle  der  achäischen  Fürsten  traten  nach  der 
(lorischen  Wanderung  dorische,  wohl  ein  Zweig  des  argivischen 
Königshauses;  wahrscheinlich  wanderte  in  Folge  dieses  Wechsels 
•  in  Theil  der   alten  Geschlechter  nach  der  Küste  Klcinasiens  aus 


anlasstc,  die  Säulen  auf  den  von  Paus.  c.  31 ,  6  erwähnten  uralten 
Tempel  des  Apollon  Thearios  zu  beziehen,  dürfte  wohl  aus  der  Be- 
schaffenheit des  Materials  zu  erklären  sein. 

')  Paus.  c.  30,  8  f.;  vpl.  über  die  Sagengeschichte  der  Stadt  über 
JiHupt  Nie.  Scholl  De  Troezenis  urbis  historia.   Cap.  I.    Do  antiquisKimu 
historia  usquo  ad  Pittheum  urbis  qui  dicitur  conditorein  (Krakau  1868); 
Cap,  II.     De  Thesei  origino,  oducatione,  itinerc  Athenas  suscepto  (Ofen 
1860);  auch  L.  Schiller,  Stämme  und  Staaten  Griechenlands,  III,  S.  23  IX. 


90  II.  Pclopoiinesos. 

und  gründete  dort,  vereint  mit  argiviscben  Auswandeiern,  die 
Stadt  HalikarnasosJ)  Die  Zurückbleibenden  bewabrten  sieb  trotz 
der  doriseben  Herrscbaft,  die,  wir  wissen  nicbt  wann,  statt  der 
nionarcbiscben  die  aristokratische  Form  annabm,'^)  im  Wesent- 
licben  den  ionischen  Charakter,  und  die  enge  Verbindung  der  Stadt 
mit  Sparta,  wie  sie  besonders  im  Peloponnesisclien  Kriege  her- 
vortritt, ist  jedenfalls  aus  politischen  Gründen,  nicbt  aus  dem 
Gefühle  der  Stammesgenossenschaft  herzuleiten. 

Den  Hafen  der  Stadt  bildete  eine  ungefälir  74  Stunde  gegen 
Osten  entfernte  Einbuchtung  der  Küste,  welche  nach  ihrer  Form 
IJcdycDV  (der  Bart)  genannt  wurde.  ^)  Auf  dem  Wege  dabin  kam 
man  an  einem  Genethlion  genannten  Platze,  der  angeblichen 
Gebm-tsstätte  des  Theseus,  vor  welchem  ein  Tempel  des  Ares 
stand,  vorüber ;  an  der  Bucht  selbst  (w  ahrscheinlicb  an  der  Nord- 
vvestseite)  lag  eine  kleine  Ortschaft  Kelenderis,  etwas  weiter 
östlich  eine  andere,  Psipha,  nach  welcher  der  anliegende  Theil 
des  Meeres '^  WicpaCa  ^dla(5öa  genannt  wurde;  von  einer  dritten 
Ortschaft,  Saron,  aufweiche  man  den  Namen  des  Sa  ronischen 
Meerbusens,  d.  h.  des  zwischen  der  Ostküste  von  Argolis  und 
der  Westküste  Attikas  gelegenen  Meeresarmes  (vgl.  S.  86)  her- 
leitete, war  in  der  späteren  Zeit  nur  noch  ein  Heiligtum  der 
Artemis  Saronia  übrig.  4) 


1)  Vgl.  Strab.  VIII,  p.  374;  XIV,  p.  616;  Vitruv.  II,  8;  Steph.  Byz. 
u.  "Aliv.cLQVctGGos.  Auch  das  um  Ol.  15  gegründete  Sybaris  war  eine 
gemeinsame  Colonie  der  Troizenier  und  Achäer:  Aristot.  pol.  V,  3  (p. 
130,  22  ed.  Bekk.  min.). 

*)  Ueber  die  Verfassung  von  Troizen  sind  wir  leider  nicht  näher 
unterrichtet.  In  einer  zu  Ehren  des  Caracalla  gesetzten  Inschrift  (C.  I.  gr. 
n.  1185)  wird  ein  atQocrrjyog  T'^g  TtöXsog  (sie)  als  eponymer  Beamter 
genannt;  in  zwei  Inschriften  (C.  I.  gr.  n.  1186  und  Bullett.  1854 
p.  XXXIV  ^)  wird  die  ßovlr]  erwähnt,  in  der  letzteren  auch  ein  a.QXLCc- 
zQog  f^g  TCoXecog,  der  zugleich  das  Amt  eines  Agoranomen  verwaltet. 
In  der  älteren  Zeit  standen  vielleicht  monatlich  wechselnde  Prytanen 
wie  in  Halikarnasos  (vgl.  die  Inschr.  C.  I.  gr.  n.  2656  und  bei  Newton 
A  history  of  discoveries  at  Halicarnassus  etc.  Vol.  I  pl.  LXXXV,  Vol. 
II  p.  671  SS.)  an  der  Spitze  der  Staatsverwaltung. 

3)  Strab.  VIII  p.  373;  Herod.  VIII,  42:  vgl.  Suid.  u.  stg  TqoL^ijva 
und  Ucoycov;  Paroeraiogr.  gr.  edd.  Schneidewin  et  Leutsch  II,  36  s. 

*)  Paus.  c.  32,  9  f.;  vgl.  die  von  mir  im  Rhein.  Mus.  n.  F.  XI, 
S.  321  ff.  behandelte  Inschrift  aus  Troizen:  auch  bei  Paus.  c.  30,  7  ist 
wohl  Wicpaia  (für  ^OLßaCa)  Xi^vrj  herzustellen.   Einen  Ort  (oder  Fluss) 


1.  Aifiolis:  Troizenia.  91 


Die  Ebene  von  Troizen  wird  im  Norden  durch  einen  felsigen 
Höhenzug  begränzt,  mit  welchem  durch  einen  schmalen  Isthmos 
eine  mächtige,  gegen  Norden  sich  mehr  und  mehr  verbreiternde, 
durchaus  inselartig  ins  Meer  vorgeschobene  Bergmasse,  zum  gröss- 
ten  Theil  aus  vulkanischem  Gesteine  (rothbraunem  Trachyt)  be- 
stehend, zusammenhängt,  die  noch  jetzt  wie  im  Altertum  Methana^) 
genannt  wird.  Der  Boden  der  Halbinsel  ist,  abgesehen  von  eini- 
gen kleinen  Strandebenen,  durchaus  felsig;  doch  hat  der  Fleiss 
der  Bewohner  bis  hoch  an  den  Gebirgsabhängen  hinauf  sorg- 
fältig die  wenige  Erde  sammelnd  Terrassen  angelegt,  auf  denen 
besonders  Wein  und  Gel  gebaut  wird.  Schon  aa  der  Südoßtseite, 
wo  das  Gebirge  noch  aus  dichtem  Kalkstein  besteht,  findet  sich 
eine  kleine  landseeartig  abgeschlossene  Bucht,  deren  Wasser  einen 
starken  Geruch  von  Schwefelwasserstoffgas  verbreitet  (daher  jetzt, 
ebenso  wie  eine  in  der  Nähe  liegende  kleine  Ortschaft,  ßQo^o- 
U^vfj,  'der  Stinksee',  genannt) ;  in  der  Mitte  der  Nordküste  dringt 
unter  herabgestürzten  Trachytblöcken  (nach  Paus.  c.  32,  1  erst 
seit  den  Zeiten  des  Makedonischen  Königs  Antigonos  Gonatas) 
eine  warme  Ouelle  stark  salzigen  und  schwefelhaltigen  Wassers 
hervor,  das  offenbar  im  Altertum  zu  Heilbädern  benutzt  wurde. 

Der  mit  der  Halbinsel  selbst  gleichnamige  Hauptort  lag 
an  der  Westseite  V2  Stunde  südwestlich  von  dem  jetzigen  Orte 
Megalochorio ,  auf  einer  steil  aus  einer  kleinen  Strandebene  auf- 
steigenden Anhöhe,  deren  Bänder  noch  jetzt  rings  um  mit  den 
Resten  der  aus  rothen  Trachytblöcken  erbauten  Ringmauer  be- 
setzt sind ;  die  kleine  an  die  Strandebene  sich  anschliessende 
Bucht  war  durch  einen  Hafendamm  geschützt.  Ausserdem  findet 
man    noch   an  zwei  Punkten   der  Ostküste  (östlich   von  H.  Theo- 

Edgmv  erwähnen  nur  Öteph.  Byz.  u.  d.  W.  und  Eustath.  ad  Dionys.  Per. 
V.  420:  vgl.  Vibius  Sequester  p.  9,  9  meiner  Ausgabe  (im  Zürcher  Uni 
versitätsprogramm  1867). 

<)  Mi^civa  Strab.  p.  374;  Paus.  c.  34,  1;  Msd-jjvrj  Ptol.  HI,  16, 
12;  bei  Thuk.  IV,  45  (u.  Diod.  XII,  66)  geben  die  Codd.  Med-avrj,  was 
schon  Strab.  (a.  a.  O.)  Iv  naiv  ccvriygcccpoig  fand:  der  Name  hängt  wohl 
mit  tii&v  (vgl.  über  den  Weinbau  auf  der  Halbinsel  Paus.  a.  a.  O.  §  2) 
zusammen.  Ueber  die  geognostischen  Verhältnisse  vgl.  Fiedler  Reise 
I,  8.  267  ff.;  Landcror  im  Ausland  1861,  N.  52  und  die  S.  78,  Aum.  2 
angeführte  Schrift  von  Keiss  und  Stübei;  über  die  von  Strab.  I,  p.  69 
u.  Ovid.  Metam.  XV,  v.  296  ff.  geschilderten  vulkunischen  Erhebungen 
auch  Curtius  Pclop.  I,  S.  40  ff. 


92  II.  Peloponncsos. 

doros  und  südlich  von  BronioÜmni)  Kuinen  kleiner  befestigter 
Ortschaften,  beide  mit  sicheren  Ankerplätzen,  und  auf  dem  Isth- 
mos  Ueberreste  der  Ol.  88,  4  von  den  Athenern,  welche  die 
Halbinsel  den  Troizeniern  entrissen  hatten,  angelegten  Befestigung, 
welche  nicht  nur  im  Mittelalter,  sondern  auch  während  des  grie- 
chischen Befreiungskrieges  wenigstens  theilweise  wiederhergestellt 
worden  ist.  ^) 

Vor  der  Ostküste  des  Troizenischen  Gebietes  liegt,  nur  durch 
einen  schmalen  Meeressund  davon  getrennt,  eine  grössere  jetzt  Po- 
rös genannte  Insel,  ein  Kalksteingebirge,  das  offenbar  ursprünglich 
die  Fyrtsetzung  des  die  Ebene  von  Troizen  im  Norden  begrän- 
zenden  Höhenzuges  bildete:  mit  der  Südwestseite  desselben  hängt 
durch  einen  ganz  schmalen  sandigen  Isthmos  eine  kleine  aus  vul- 
kanischem Gestein  (Trachyt)  bestehende  Halbinsel  zusammen,  auf 
welcher  jetzt  das  durch  mehrere  Ereignisse  des  griechischen  Be- 
freiungskampfes bekannte  Städtchen  Porös  liegt.  Die  ganze  Insel 
ist  ohne  Zweifel  die  alte  Kalaureia,  berühmt  durch  das  Heihg- 
tum  des  Poseidon,  welches  seit  den  ältesten  Zeiten  der  griechischen 
Geschichte  den  Mittelpunkt  eines  Bundes  (Amphiklyonie)  von  sieben 
seefahrenden  Staaten  (Hermione,  Epidauros,  Aegina,  Athen,  Prasiä, 
Nauplia  und  Orchomenos  in  Boiotieu)  bildete, ^j  dessen  Vorort 
wenigstens  ursprünglich  wohl  Hermione  war,  woraus  auch  die 
Nichtbetheiligung  von  Troizen  an  demselben  zu  erklären  sein 
dürfte:  vielleicht  hatte  die  naturgemäss  zum  Gebiete  von  Troizen 
gehörige  Insel  einstmals  den  Gegenstand  längerer  Kämpfe  zwischen 
den  Nachbarstädten  Troizen  und  Hermione  (ähnlich  wie  Salamis 
zwischen  Athen  und  Megara)  gebildet,  welche  dann  durch  die 
Vermittelung  befreundeter  Seestaaten  dahin  beigelegt  wurden, 
dass  der  Gegenstand  des  Streites  eine  Art  neutrale  Stellung  er- 
hielt. Die  politische  Bedeutung  des  Bundes  wurde  jedenfalls  durch 
den  Eintritt  der  beiden  mächtigsten  dorischen  Staaten,  Argos  und 


1)  Vgl.  die  französ.  Karte  Bl.  13  und  Curtiiis  Pel.  II,  S.  440  f.  - 
Ueber  die  von  Paus  c.  34,  3  erwähnten  Inselchen  des  Pelops  vgl.  oben 
S.  77,  Anm.  2. 

2)  Strab.  VIII,  p.  369  und  373  s.  (dessen  von  öteph.  Byz.  u.  Ka- 
XccvQSia  nachgeschriebene  Bezeichnung  von  Kai.  als  vrjaLdiov  oaov 
tqidv,ovTK  Gzadicov  s'xov  xov  y.vy.Xov  einfach  auf  einen  Irrtum  in  seinen 
Aufzeichnungen  zurückzuführen  ist);  Paus.  c.  33,  2;  Scyl.  Per.  52;  Har- 
pokr.  p.  105,  19  ed.  Bekk.  (vgl.  oben  S.  59,  Anm.  2). 


1.  Argolis:   Hermionia.  93 

Spartas,  welche  die  durch  ihre  Schuld  leer  gewordenen  Stellen 
von  Nauplia  und  Prasiä  einnahmen,  aufgehohen,  aber  das  Heiligtum 
bestand  in  hohem  Ansehen,  besonders  durch  das  selbst  von  den 
Makedonischen  Gewalthabern  wenigstens  formell  respectirte  Asyl- 
recht (das  freilich  die  kilikischen  Seeräuber  nicht  abhielt,  es  zu 
verwüsten) '),  und  noch  jetzt  findet  man,  nachdem  die  Ruinen  des- 
selben Jahrhunderte  lang  den  Bewohnern  von  Porös,  Hydra  und 
andern  Nachbarorten  als  Steinbruch  gedient  haben,  ausgedehnte, 
wenn  auch  unscheinbare  Reste  desselben  (einige  Mauerzöge  und 
Unterbauten)  ^)  auf  einer  breiten  Hochfläche  ungefähr  in  der  Mitte 
der  Insel,  eine  Stunde  oberhalb  der  Küste.  Die  Stadt  Kalaurea,^) 
welche  wahrscheinlich  an  der  Stelle  des  jetzigen  Städtchens  Porös 
lag,  scheint  bis  zu  den  Zeiten  der  römischen  Herrschaft,  ähnlich 
wie  Delphoi,  unter  dem  Schutze  der  Poseidonischen  Amphiktyonie 
autonom  geblieben  zu  sein;  später  wurde  die  Insel  Eigentum 
der  Troizenier.  Diesen  gehörten  jedenfalls  zu  allen  Zeiten  die 
beiden  ganz  kleinen  Inselchen  südlich  von  Kalaureia,  deren  öst- 
lichere jetzt  ein  Fort,  die  westlichere  ein  Lazareth  trägt:  da  auf 
der  letzteren  sich  Reste  einer  alten  Tempelanlage  gefunden  ha- 
ben, so  ist  dieselbe  für  die  ursprünglich  2J(pttLQLa,  dann  'Isqcc 
genannte  Insel,  auf  welcher  ein  Tempel  der  Athena  Apaturia 
stand,  zu  halten.^) 

Der  südöstlichste  Theil  der  Argolischen  Akte  bildet  eine  be-  "' 
sondere,    vielfach   ausgezackte   und   in    mehreren   grösseren  Kels- 
inseln    nach    Osten    und   Süden    sich    fortsetzende   Halbinsel,    als 


<)  Paus.  I,  8,  2  f.;  Strab.  p,  ,S74;  Plut.  Demosth.  29;  Pomp.  25. 
(Jrab  des  Demosthenes  im  Peribolos  des  Tempels:  Paus.  II,  33,^3. 

2)  Frühere  Reisende  haben  noch  Architekturstücke  gefunden,  aus 
denen  siel»  ergiebt,  dass  der  Tempel  in  dorischem  Stile  erbaut  war. 
j'lan  der  Ruinen  bei  Lebas  Voyage  archeologiquc  Itineraire  pl.  15, 
wiederholt  bei  Curtius  Pelop.  II,  Tfl.  XVIII. 

•'')  Die  Angabe  von  Cjirtius  (l*el.  II,  S.  448):  'die  Stadt  der  Kalau- 
reaten  wird  von  den  alten  Schriftstellern  nicht  erwähnt',  ist  unrichtig, 
H.  Scyl.  Per.  52:  vrjaog  iati  KaXavqCa  Y.a\  nolig  nal  Ufir'iv.  Für  die 
Autonomie  der  öt;idt  zeugen  die  Inschriften  Annali  1829,  p.  165  (Ste- 
))hani  Parerga  archaeol.  IV:  darin  erscheint  ein  taftt'as  als  eponymer 
ficamter);  C.  I.  gr.  n.  1188  und  Rangabis  Antiq.  hell.  n.  821  •'  (letztere 
■hr  verderbt;  Z.  9  wird  darin  ein  *j4Qrt(ii'tiov  erwähnt). 

*)  Paus.  c.  33,  1:  vgl.  Pouillon-Boblayo  Kecherches  p.  59;  Curtius 
S.  446  f. 


94  II.  Peloponnesos. 

(leren  Basis  das  nicht  sehr  hohe  Aspro -Vuno,  eine  südliche 
Verzweigung  des  Didymagebirges,  zwischen  der  Bucht  von  Kastri 
im  Osten  und  der  Bucht  Kiladia  im  Westen,  betrachtet  werden 
kann.  Die  ältesten  Bewohner  derselben,  von  denen  wir  Kunde 
haben,  waren  Karer,  die  sich  wohl  theils  als  Seeräuber,  theils  als 
Fischer,  besonders  von  Purpurschnecken,  ^)  auf  diesen  Felsküsten 
angesiedelt  hatten ;  sie  wurden  verdrängt  durch  die  Dryoper,  welche 
entweder  aus  dem  Spercheiosthale  oder  vom  Parnass  her  aus 
der  Gegend  von  Delphoi  kamen  und  die  ganze  Küste  vom  Skyl- 
laeon  bis  nach  Nauplia  hin  in  Besitz  nahmen:  wahrscheinlich 
bildeten  sie  eine  Tripolis,  d.  h.  einen  Bund  von  drei  selbständigen 
Städten  (Hermione,  Eiones  und  Asine),  deren  jede  einige  unter- 
thänige  Ortschaften  besass,  mit  Asine  als  Vorort.  ^)  Als  nun  Asine 
durch  die  Dorier  von  Argos  zerstört  und  die  Bewohner  ausge- 
trieben worden  waren  (vgl.  oben  S.  60  f.)  und  als  aucli  Eiones 
ein  gleiches  Schicksal,  angeblich  durch  die  Mykenäer,  welche  den 
Ort  eine  Zeit  lang  als  Stapelplatz  benutzten  (Strab.  VIII  p,  373), 
erlitten  hatte.,  erhielt  sich  Hermione  allein  als  selbständige  Ort- 
schaft und  bewahrte,  wenn  es  auch  in  manchen  Beziehungen, 
wie  namentlich  in  Hinsicht  der  Sprache,  dem  dorischen  Einflüsse 
sich  nicht  entziehen  konnte,  doch  namentlich  in  religiöser  Hinsicht 
treu  den  alten  dryopischen  Charakter,  knüpfte  auch  mit  den 
nach  Messenien  übergesiedelten  Asinäern  eine  durch  gemeinsame 
Opfer  unterhaltene  Verbindung  wieder  an.^)     Sein  Gebiet  bildete 


1)  Hermionischen  Purpur  erwähnt  Plut.  Alex.  36. 

2)  Strab.  VIII,  p.  373;  Diod.  IV,  37;  vgl.  Paus.  IV,  34,  9.  Uebri- 
gens  kann  auch  eine  Dryopische  Tetrapolis  hier  wie  am  Oeta  (vgl. 
Strab.  IX  p.  434)  bestanden  haben,  wenn  ausser  den  drei  genannten 
noch  Mases,  das  II.  B,  562  neben  denselben  genannt  wird,  eine  selb- 
ständige Stadtgemeinde  war:  oder  gehörte  etwa  Nauplia,  das  sicher 
ursprünglich  dryopisch  war,  zu  diesem  Bunde? 

3)  Vgl.  die  Inschr.  C.  I.  gr.  n.  1193.  —  Aus  dem  Schiffscatal(^  (ß, 
■559  if.),  wo  die  Dryoperstädte  neben  Argos,  Tiryns,  Troizen,  Epidauros 
und  Aegina  als  unter  der  Führung  des  Diomedes  stehend  erscheinen, 
darf  man  vielleicht  schliessen,  dass  sie  nach  der  Dorisirung  von  Argos 
eine  Zeit  lang  im  Abhängigkeitsverhältnisse  zu  diesem  gestanden  haben; 
doch  könnte  v.  567  wohl  eine  argivische  Interpolation  zum  Behuf  der 
Unterstüzung  der  Ansprüche  der  Argiver  auf  die  Herrschaft  über  ganz 
Argolis  sein.  Jedenfalls  war  Hermione  sowohl  zur  Zeit  des  Polykrates 
(Herod.  III,  59),   als  zur  Zeit  des  Perserkrieges  (Herod.  VIII,  43;    IX, 


1.  Argolis:  Hermionia.  95 

die  alte  Dryopis  mit  Ausnahme  der  von  den  Argivern  und  Epi- 
danriern  oecupirten  Partien,  d.  b.  die  Halbinsel  südlich  von  der 
Bergkette  des  Avgo-,  Didymo-  und  Aderesgebirges,  auf  deren 
niicken  jedenfalls  die  G ranzen  gegen  Argos,  Epidauros  und  Troi- 
zen  hinliefen,  und  die  in  der  Nähe  der  Küste  liegenden  Felsinseln, 
von  denen  es  freilich  Hydrea  an  Samische  Piraten  abtreten 
musste,  die  es  ihrerseits  den  Troizeniern  übergaben  (Herod. 
III,  59),  welche,  wie  schon  oben  bemerkt  (S.  86  f.),  auch  auf 
dem  Festlande  ein  Stück  althermionischen  Gebietes  sich  annectirten. 
Von  Damalas  (Troizen)  aus  steigt  man  in  6 — 7  Stunden  über 
den  jetzt  ganz  kahlen  Kamm  des  Aderesgebirges  nach  dem  gegen 
drei  Stunden  östlich  von  Kranidi,  dem  jetzigen  Hauptorte  der 
Halbinsel,  gelegenen  Dorfe  Kastri,  das  die  Stelle  der  Stadt  Her- 
mion^)  oder  Hermion e  einnimmt.  Pausanias  (c.  34,  6)  kam  auf 
diesem  Weg  zunächst  noch  in  der  Troizenischen  Ebene  an  dem 
'Steine  des  Theseus'  (ursprünglich  Altar  des  Zeus  Sthenios),  dann 
auf  dem  Gebirge  an  einem  Tempel  des  Apollon  Plalanistios  und 
an  einem  Oertchen  Eileoi  mit  Heiligtümern  der  Demeter  und 
der  Kora  vorüber:  ob  dieser  jedenfalls  schon  zum  Gebiet  von 
Hermione  gehörige  Ort  an  dem  jetzt  llia  genannten  Platze  (einer 
Hochebene  am  südlichen  Abhänge  der  Aderes)  lag,  ist  bei  der 
öfteren  Wiederkehr  dieses  Ortsnamens  in  Griechenland  nicht  zu 
entscheiden.  Die  Stadt  Hermione  soll  nach  Pausanias  (eb.  §  9  f.) 
ursprünglich  auf  der  sieben  Stadien  langen  und  höchstens  2 — 3 
Stadien   breiten  Landzunge   (jetzt   mit  dem   albanesischen   Namen 


"28:  vgl.  die  Inschr.  des  Platäischen  Weihgeschenks,  Gewinde  9),  des 
Peloponnesisclien  Krieges,  wo  es  auf  Seiten  Spartas  stand  (Thuk.  II, 
5G;  VIII,  3)  nnd  später  von  Argos  unabhängig.  Paus.  c.  34,  5  spriclit 
von  einer  tnotmcc  der  argivischen  Dorier  in,  Hermione  oiFenbar  nur  aus 
Vermutung.  Aus  der  Zeit  des  Pelop.  Krieges  stammt  wahrsclieinlich  die 
von  Baumeister  im  Philol.  IX,  S.  180  und  von  mir  im  Bullcttiiio  1854 
|).  XXXIII  •*  veröffentlichte  Inschrift,  welche  Kccliininoin  iii,,)-  ver- 
schiedene öffentliclie  Ausgaben  (Hauten  und  Gesandtschaften)  enthält. 
Xenon  Tyrann  von  H(  imione  legt  Ol.  136,  3  die  Tyrannis  nieder  und 
ir.  tritt  dem  achäischcn   Bunde  bei:  Polyb.  II,  44. 

')  Die  ältesten  Zeugnisse  (II.  ß,  5G0  und  Herod.  VIII,  73)  geben  als 
Form  des  Ortsnamens '£pjittoj';^;  bei  den  folgenden  Schriftstellern  wech- 
selt diese  mit  ^Egfiicitv  und  zwar  scheint  im  Nominativ  die  längere,  in 
den  Casus  obliqui  die  kürzere  Form  vorwiegend  gewesen  zu  sein.  Die 
Inschriften  geben  nur  das  Kthnikon  'EiffiiovBvg.  Steph.  Byz.  u.  '£9- 
^iiciv  führt  als  alten  Namen  der  Htadt  auch  AuxiffBia  un. 


96  II.  Peloponnesos. 

])isti,  d.  i.  der  Schwanz,  benannt)  gelegen  haben,  welche  sich 
östlich  von  Kastri  zwischen  zwei  Buchten  (einer  kleineren  nörd- 
lichen und  einer  grösseren  südlichen,  dem  jetzigen  Hafen  Kappari) 
ins  Meer  hinausstreckt,  und  erst  spater  etwas  weiter  landeinwärts 
an  den  Fuss  und  Abhang  des  Berges  Pron,  der  im  Westen  durch 
eine  Einsattelung  von  einem  längeren  Bergrücken,  dem  Thornax 
oder  ^Kukuksberge'  (KoKxvycov:  s.  Paus.  c.  36,  2)  der  Alten, 
getrennt  ist,  verlegt  worden  sein;  doch  ist  dies  schon  deshalb 
unglaublich,  weil  mehrere  der  bedeutendsten  Heiligtümer,  darunter 
das  der  Demeter  Chthonia  mit  dem  zur  Unterwelt  hinabführenden 
Erdschlunde,  am  Berge  Pron  lagen.  Man  wird  also  vielmehr  anzu- 
nehmen haben,  dass  die  Stadt  zur  Zeit  ihrer  höchsten  Blüte  sich 
vom  Abhänge  des  Pron,  der  die  Akropolis  bildete,  bis  zur  äus- 
sersten  Spitze  der  Landzunge  erstreckte,  allmälig  aber  bei  Ab- 
nahme der  Bevölkerung  die  Bewohner  sich  von  der  Landzunge 
nach  der  Küste  zurückzogen,  so  dass  auf  jener  nur  einige  Hei- 
ligtümer und  die  Befestigungsmauern  und  Hafenbauten  übrig 
blieben.  Noch  jetzt  findet  man  zu  beiden  Seiten  derselben  Reste 
der  alten  Hafenbauten,  an  der  Ostspitze  die  Ruinen  eines  runden, 
an  der  Nordseite  die  eines  viereckigen  Thurmes,  auf  dem  östHcheren 
Plateau  den  über  100  Fuss  langen  und  38  Fuss  breiten  Unter- 
bau eines  Tempels  aus  graublauem  von  weissen  Adern  durch- 
zogenen Kalkstein  (jedenfalls  des  von  Paus.  a.  a.  0.  §  10  er- 
wähnten Tempels  des  Poseidon)^)  und  weiter  westlich  zahlreiche 
andere  antike  Bautrümmer,  unter  denen  man  noch  an  der  Süd- 
seite die  Reste  eines  Theaters  aus  römischer  Zeit  erkennt.  Pau- 
sanias  fand  auf  diesem  Theile  der  Landzunge  noch  verschiedene 
Tempel  (zwei  der  Athena,  an  deren  einem  das  Dach  eingestürzt 
war,  einen  des  Helios,  einen  der  Chariten,  und  einen  des  Serapis 
luid  der  Isis  —  letzterer  ein  Beweis,  dass  diese  untere  Stadt  noch 
in  der  alexandrinischen  Zeit  bewohnt  war),  die  Fundamente  eines 
Stadion  und  mehrere  von  Mauern  aus  rohen  Steinen  umschlossene 
Räume,  in  welchen  der  Demeter  geheimnissvolle  Opfer  gebracht 
wurden.  Die  obere  Stadt  begann  höchstens  vier  Stadien  von  dei* 
Küste  und  zog  sich  von  da,  wie  das  jetzige  Kastri,  aber  offenbar 
in  weiterem  Umfang,  am  Abhang  des  Pron  empor,  rings  von  einer 


^)  Ein  LSQSvg  &80v  Tloasidavog   erscheint  in  der  späteren  Inschrift 
I.  gr.  n.  1223. 


1.  Arpfolis:  Ilermionia.  97 


Mauer  (von  welcher  vielleicht  die  50  Fiiss  lang  offen  liegende 
hellenische  Mauer,  welche  den  Unterbau  des  jetzigen  Schulhauses 
bildet,  ein  Rest  ist)  umgeben,  mit  zahlreichen  Tempeln :  so  stan- 
den im  unteren  Theile  die  Tempel  der  Aphrodite  (Pontia  und 
Limenia  als  Hafengöttin  genannt),  der  Demeter  Thermasia,  des 
Dionysos  Melanaegis,  der  Artemis  Iphigeneia,  der  Hestia,  drei  Tempel 
des  Apollon  und  ein  Tempel  der  Tyche;  höher  hinauf  am  Pron 
das  mit  Asylrecht  ausgestattete  Hauptheihgtum  der  Stadt,  der 
Tempel  der  Demeter  Chthonia,  mit  welchem  ein  ihm  gegenüber 
liegender  Tempel  des  Klymenos  und  eine  zur  Rechten  angebaute 
Halle  (der  Echo)  verbunden  waren:  hinter  dem  Haupttempel  waren 
drei  mit  Steinmauern  umgebene  Plätze,  der  eine  dem  Klymenos 
(mit  einem  Erdschlunde,  durch  welchen  Herakles  den  Kerheros 
nach  Hermionischer  Sage  emporgeführt  haben  sollte),  der  zweite 
dem  Pluton  geweiht,  der  dritte  ^Acherusischer  See'  genannt.  Die 
Stelle  dieser  ganzen  Gruppe  von  Heihgtümern  bezeichnet  wohl 
ungefähr  die  jetzige  Hauptkirche  von  Kastri  {tc5v  xalLdQ%(ov, 
d.  i.  der  Erzengel),  bei  welcher  zwei  alte  Säulen,  einige  Sculp- 
turfragmente  und  zahlreiche  alte  Werkstücke,  auch  zwei  Steine 
mit  Weihinschriften  für  Demeter,  Klymenos  und  Kora  liegen;^) 
bestimmter  würde  dieselbe  wohl  nur  festzustellen  sein  durch  Auf- 
findung jenes  Erdschlundes,  der  offenbar  nach  dem  Volksglauben 
der  Hermioneer  eine  directe  Verbindung  zwischen  der  Stadt 
und  der  Unterwelt  bildete  und  als  solche  die  Hermionischen  Tod- 
ten  der  Zahlung  des  Fährgeldes  an  Charon  überhob.^) 

Aus  der  westlichen  Ringmauer  der  Stadt  führte  ein  Thor, 
in  dessen  Nähe  innerhalb  der  Mauer  ein  Heiligtum  der  Eileithyia 
mit  einem  nur  für  die  Priesterinnen  schaubaren  Cultbilde  stand,  ') 
nach  Mases,  einer  alten  Ortschaft,  die  zur  Zeit  des  Pausanias 
(s.  c.  36,  1  IT.)  zu  einem  blossen  Hafenplatze  von  Hermione  herab- 


1)  S.  Annali  XXXIII  p.  10;  andere  Weihinschriften,  theils  für  De- 
meter Chthonia  allein,  tlicils  für  Demeter,  Klymenos  und  Kora  C.  I.  gr. 
n.  1193 — 1200;  ein  if^tug  rov  KXv^svov  ebd.  n.  1220,  Verwüstung  des 
IJemctertempels  durch  die  Kilikischen  Seeräuber:  Plut.  Poujpei.  24.  Hc- 
S(;hreibung  der  siimmtlichcn  im  Texte  erwähnten  Tempel  l»oi  Paus, 
c.  .'U,  11— :^5,  10.  Auf  das  Asylrecht  des  Demctertempels  ist  duH  Sprüch- 
wort uv^^  'EQ(ii6vos  (s.  Said.  u.  d.  W.;  Zcnob.  11,  22)  /Jiriuk/Jiführcn. 

2)  Strab.  Vin,  p.  373. 

3)  Pnn';.  c  ?.r.,  11:  v?!.  (Vir  fnschril't  Annali  XXX 111.   \>    11. 

IIUKSFAN,    '.i.'i..i:.     II.  7 


98  n.  Poloponnesos. 

gesunken  wav.  Wjuulte  man  sicli  sieben  Stadien  von  llermione 
von  dieser  Strasse  ab  zur  Linken,  d.  li.  gegen  Süden,  so  gelangte 
man  an  die  Stelle  einer  anderen  alten  Ortsebaft,  Ilalieis  oder 
Ilalike,  ursprimglicb  einer  Niederlassung  Ilerniioniscber  Fischer 
und  Salzsieder,  die  dann  durcb  die  Zu^vanderuug  eines  Tbeiles 
der  vertriebenen  Tiryntbier  (vgl.  oben  S.  58)  verstärkt  wurde,  ^) 
zur  Zeit  des  Pausanias  aber  völlig  verlassen  war.  Da  sie  als  am 
Eingang  des  Argolischen  Meerbusens  gelegen  bezeicbnet  wird 
(Scyl.  Peripl.  50),  so  kann  man  sie  mit  ziemlicher  Sicherheit  an 
der  jetzt  Porto  Cbeli  genannten  Bucht,  an  der  Westseite  der 
südlichsten  Spitze  der  Halbinsel  ansetzen,  an  deren  südlichem 
Ufer  sich  noch  Grundmauern  alter  Gebäude  finden;  ein  nördlich 
von  der  Bucht  sich  hinziehender  ausgedehnter  Salzsee  (jetzt  Ver- 
veronda  genannt)  gab  den  Anwohnern  Gelegenheit  zur  Salzge- 
winnung. Die  dieser  Bucht  im  Norden  entsprechende  Bucht  Ki- 
ladia,  bei  welcher  sicli  ebenfalls  einige  antike  Beste  vorfinden, 
wird  dann  als  der  Hafen  von  Mases  und  der  diese  Bucht  im 
Nordwesten  begränzende  Felsvorsprung  als  das  Vorgebirge  Stru- 
thüs  (Paus.  c.  36,  3)  zu  betrachten  sein.  Nicht  zu  bestimmen 
sind  die  Philanorion  und  Boleoi  genannten  Plätze,  zu  welchen 
Pausanias  (a.  a.  0.)  von  Strulhus  aus,  auf  dem  Bücken  der  Berge 
hingehend,  gelangt,-)  während  die  Ortschaft  Didymoi,  in  welcher 
er  Heiligtümer  des  Apollon,  des  Poseidon  und  der  Demeter  er- 
wähnt, mit  Sicherheit  in  dem  in  einem  kleinen  Hochthale  am 
südwestlichen  Fusse  des  gleichnamigen  Berges  gelegenen  Dorfe 
Didyma  wiederzuerkennen  ist,  in  welchem  man  noch  einen  liefen 


3)  So  ist  offenbar  der  Ausdruck  des  Herod.  VII,  137  'JXisag  rovg 
£>t  TiQvv&og  zu  verstehen;  vgl.  Ephoros  bei  Steph.  u.  'AXistg.  Nach 
Strab.  p.  373  (vgl.  Meineke  Viudic.  Strab.  p.  120)  wären  vielmehr  die 
vertriebenen  Mideer  nach  Halieis  gezogen.  Die  Angabe  bei  Steph.  u. 
TiQVvg,  Tiryns  sei  früher  Halieis  genannt  worden,  beruht  offenbar  auf 
Verwechselung.  Schon  zur  Zeit  des  Strabon  (s.  p.  373)  scheint  keine 
eigentliche  Ortschaft  Halieis  mehr  bestanden  zu  haben,  sondern  die 
vereinzelten  Bewohner  der  Küsten  des  Hermionischen  Gebietes  mit 
diesem  Namen  bezeichnet  worden  zu  sein.  Die  gewöhnliche  Form  des 
Namens  ist  'AXiSLg,  bei  Scyl.  Per.  50  'Alia  (vgl.  Hesych.  u.  'AXicc), 
bei  Thuk.  II,  56  yi]  'AXicig ,  bei  Paus.  c.  36,  1  'AXiTirj,  bei  Kallimachos 
"AXvyiog  (s.  Steph.  u.  d.  W.) 

2)  Die  Entfernungsangabe  auf  250  Stadien  bei  Paus,  ist,  wie  schon 
Curtius  (Pel.  II,  S.  464)  bemerkt  hat,  gewiss  irrig. 


1.   Argolis:  Ilcrniioni.i.  99 

wasserreichen  Brunnen  mit  antiker  Fassung,  Nvie  auch  in  einer 
Kirche  der  lieiligen  Marina  östlich  vom  Dorfe  eine  Weihinschrift 
an  Demeter  findet.^) 

Den  am  weitesten  ins  Meer  vorspringenden  Zacken  der  ller- 
mionischen  Küste  entsprechen  im  Osten  und  Süden  mehrere  Jn- 
schi,  welche,  wie  sclion  hemerkt,  wohl  als  submarine  Fortsetzinigen 
derselben  zu  betrachten  sind.  Zunäclist  südlich  vom  Hafen  Kap- 
pari  (s.  0.  S.  96)  greifen  gegen  Osten  gleichsam  zwei  Felssclieeren 
vor,  die  in  den  Caps  Steno  und  Musaki  enden  und  eine  kleine 
Ducht  (jetzt  Porto  Kuverta  genannt)  umschliessen.  Das  Cap  Musaki 
wird  durch  einen  kaum  eine  Viertelstunde  breiten  Canal  (Strasse 
von  Doko)  von  der  fast  ganz  kahlen  felsigen  Insel  Doko  ge- 
trennt, die  gegen  zwei  Stunden  lang,  an  der  breitesten  Stelle 
gegen  drei  Viertelstunden  breit,  jetzt  ohne  regelmässige  Bewohn- 
ung  ist,  obwohl  eine  tiefe  Bucht  an  ihrer  Nordseite  den  Schiffen 
einen  sichern  Ankerplatz  bietet.  Die  Strasse  von  Petasi  (benannt 
nach  zwei  kleinen  Inseln  gleichen  Namens,  welche  darin  liegen) 
trennt  diese  Insel  von  der  etwas  über  fünf  Stunden  langen,  durch- 
schnittlich etwa  eine  Stunde  breiten  Insel  Hydra,  deren  alba- 
nesische  Bewohner,  als  die  tüchtigsten  und  kühnsten  Seeleute 
Griechenlands  bekannt,  vor  der  griechischen  Revolution  durch 
den  von  ihnen  und  den  Bewohnern  ihrer  Schwesterinsel  Spezzia^) 
fast  ausschliesslich  betriebenen  Getreidehandel  mit  dem  südlichen 
Uussland  zu  bedeutendem  Reichtum  gelangt  waren,  der  freilich 
durch  die  während  des  Befreiungskampfes  von  ihnen  gebrachten 
(Jpfer  fast  ganz  erschöpft  worden  ist.  Die  Insel  besteht  aus  einem 
von  Südwest  nach  Nordost  streichenden  Bergzuge,  der  fast  überall 
entweder  den  nackten  Fels  zeigt  oder  mit  unfruchtbarem  alles 
Anbaues  spottenden  Geröll  bedeckt,  daher  grösstentheils  ganz 
baumlos  ist;  nur  im  westlichen  Thcile  findet  sich  eine  etwas 
fruchtbarere  Strecke  bei  der  sogenannten  Episkopi,  einem  Metochi 
des  auf  der  höchsten  Spitze  der  Insel  gelegenen  Klosters  des 
Propheten  Elias:  dort  sollen  auch  von  Zeit  zu  Zeit  einige  alte 
Reste,  wie  Gefässscherben  und  Säulenstücke,  zum  Vorschein  kom- 
men.    Die  gegen  15,000  Einwohner  zählende  Stadt,    in  welcher 

>)  S.  Animli  XXXIII,  p.  11  8. 

*)  Heide  zusuuimeu  werden  gewöhnlich  mit  cmiumm  der  im  Ncugriecii- 
isclien  hnufigen  copulativen  (Dvandva-)  Composita  ot  'TSQUioanBrai^atcct 
genannt, 

7* 


100  II.  I*eloponnesos. 

sich  keine  sichere  Spur  einer  alten  Ansiedelung  vorfindet,^)  liegt 
ziemlich  in  der  Mitte  der  Nordküste  auf  drei  Hügeln  und  in  den 
zwischen  denselben  nach  dem  Meere  sich  herabziehenden  Thal- 
schluchten: die  Strassen  sind  ausser  dem  unmittelbar  am  Meere 
gelegenen  Marktplatz  durchaus  uneben,  durch  kahlen  Felsboden 
oder  trockene  Betten  von  Giessbächen  gebildet,  das  Ganze  aber 
bietet,  namentlich  von  der  See  aus,  einen  sehr  malerischen  An- 
blick dar.  Sie  hat  ausser  ihrem  Ilaupthafen  noch  etwas  weiter 
westlich  einen  Nebenhafen,  Porto  Mandri;  ausserdem  bietet  die 
Nordküste  der  Insel  noch  zwei  Häfen  dar,  Porto  Molo  weiter  gegen 
Westen  und  Porto  Panagia  östlich  von  der  Sladt,  während  die 
Südküste  ganz  hafenlos  ist.  Der  Name  Hydra  lässt  uns  nicht 
zweifeln,  dass  die  Insel  die  alte  Hydrea  ist,  welche  den  Hermio- 
neern  von  Samischen  Piraten  entrissen  und  von  diesen  den  Troi- 
zeniern  übergeben  wurde;  sonst  schwebt  über  ihrer  Geschichte  im 
Altertum  ein  tiefes  Dunkel  und  es  ist  uns  nur  der  Name  eines 
einzigen  Hydreaten  überliefert,  des  Euages,  eines  gänzlich  unge- 
bildeten Hirten,  aber  guten  Komödiendichters.-)  Die  Insel  Doko 
wird  für  die  alte  Aperopia,  der  im  Gap  Musaki  endende  Vor- 
sprung der  Küste  für  das  Vorgebirge  Buporthmos,  auf  welchem 
Heiligtümer  der  Demeter  und  Kora  und  der  Athena  Promachorma 
standen,  zu  halten  sein.^) 

Wie  Doko  und  Hydra  dem  Gap  Musaki,  so  entspricht  der 
mehrfach  ausgezackten  Südspitze  des  Festlandes  die  durch 
einen  fast  drei  Viertelstunden  breiten  Ganal  davon  getrennte 
Insel  Spezzia  mit  der  südlich  davon  gelegenen  kleinen  und 
jetzt   ganz   unbewohnten,    auch   hafenloscn  Nachbarinsel  Spezzia- 


^)  Ich  fand  nur  bei  der  am  östlichen  Ende  der  Stadt  gelegenen 
Kirche  der  Analipsis  ein  ionisches  Säulencapitäl  von  später  Arbeit,  den 
Stumpf  einer  uncanelirten  Säule  und  eine  Basis,  endlich  im  Hause  des 
Lehrers  der  hellenischen  Schule  eine  mit  einem  Anthemion  bekrönte 
Marmorstele  mit  der  Inschrift  AsovTLXog  EvßoLOV  'EXaLOVGios.  Alle 
diese  Stücke  scheinen  von  anderswo  hergeschafft  zu  sein,  die  Stele 
wahrscheinlich  aus  Attika. 

2)  Herod.  III,  59;  Steph.  u.  'Töqecc.  Die  jetzt  gebräuchliche  Form 
Toga  giebt  schon  Hesych.  u,  d.  W. ,  wo  für  dolorccov  {vrjoog  svts- 
Xrjg   J.)  wohl  jQvoncov  zu  schreiben  ist. 

^)  Paus,  c.  34,  8  f.,  vgl.  oben  S.  86,  Anm.  3.  Aperopia  Avird  sonst 
nur  in  der  confusen  "Stelle  bei  Plin.  X.  h.  IV,  12,  50  erwähnt. 


1.   ArL'oIis;    Heiinioni.i.  101 


pulo. ')  Die  'y^o  ^^^^^^  lange  ^"'^^  0^0^^  eine  halbe  Meile  breite 
Spezzia  besteht  ebenfalls  aus  einem  Bergzuge,  der  aber,  der  Küste 
des  Festlandes  entsprechend,  die  Richtung  von  Nordwest  nach 
Südost  hat;  sie  ist  weit  ebener  und  anbaufähiger  als  Hydra,  na- 
mentlich ist  die  Nordseite,  in  deren  östlichstem  Theile  die  von 
etwa  12,000  Menschen  bewohnte  Stadt  liegt,  fast  ganz  mit  Bäu- 
men, Sträuchern  und  Getreidefeldern  bedeckt.  Von  einer  alten 
Ansiedelung  ist,  soviel  mir  bekannt,  keine  Spur  auf  der  Insel  ge- 
funden worden,  so  dass  zu  vermuthen  steht,  dass  sie,  wie  die 
gegenüber  liegende  Küste,  nur  mit  zerstreuten  Fischerhütten  besetzt 
war.  Selbst  ihr  antiker  Name  ist  nicht  mit  Sicherheit  zu  be- 
stimmen ;  doch  glaube  ich,  unter  der  oben  S.  86,  Anm.  3  erör- 
terten Voraussetzung,  dass  Tansanias  die  von  ihm  c.  34,  8  f.  be- 
schriebene Küstenfahrt  nach  Hermione  nicht  vom  Skyllaeon,  wie 
er  wohl  in  Folge  einer  Verwirrung  in  seinen  Reisenotizen  angiebt, 
sondern  von  einem  Hafen  der  Westküste  {Mases  oder  Halike)  aus 
gemacht  hat,  mit  Wahrscheinlichkeit  in  Spezzia  die  mit  einem 
Hafen  versehene  Insel  Haliussa,  in  Spezziapulo  Pityussa,  und 
in  drei  kleinen  östlich  von  dieser  gelegenen,  jetzt  namenlosen 
Inselchen  Aristerae  (wobei  auch  die  Pluralform  des  Namens 
zu  beachten  ist)  erkennen  zu  dürfen.'^)  Die  vom  Festland  vor- 
tretende Spitze  Kolyergia,  welche  Pausanias  nach  diesen  Inseln 
nennt,  ist  dann  die  Südostspitze  des  Festlandes,  das  jetzige  Cap 
Mylonas,  und  die  darauf  folgende  Insel  Trikrana  die  jetzt  Tri- 
keri  genannte,  aus  zwei  durch  einen  Isthmus  verbundenen  Ber- 
gen bestehende  unbewohnte  Insel,  welche  gerade  in  der  Mitte 
zwischen  Spezzia  und  Hydra  liegt.  Zwischen  Trikeri  endlich  und 
der   Südwestspitze    von   Hydra    liegen    noch   mehrere   kleine   In- 


')  Jieide  zusamuM  n  heisseii  at  Zititaaig,  mit  welchem  Namen  über 
gewöhnlich  auch  di'-  llaiiptinsel  allein  benannt  wird. 

2)  Für  die  Beziehung  des  Namens  'AXiovoon  nuf  Spezzia  spricht 
auch  die  Uoberein.stimmung  desselben  mit  dem  (h  1  -(-ciuiberliegcnden 
Küste  (AXiccg  yri)^  während  die  Annahme,  Spezzia  sei  das  von  Plinius 
(a.  a.  O.)  neben  Aperopia,  Colon  is  und  Aristera  erwähnte  Ti- 
l)areno8,  oder  das  von  demselben  unmittelbar  vorher  genannte  Ephyre, 
ganz  ohne  Anhalt  ist.  Die  axp«  Bov%B(paXu  des  Pausanias  ist  entweder 
das  zunächst  südüstlich  von  Porto  Cheli  vortretende  Vorgebirge,  oder, 
wenn  er  von  Mases  aus  fuhr,  das  jotzigr  Cap  Kf»raka  nordwestlich  vom 
.Salzsee  Ververondii. 


102  II.   l'f'lopomicsüs. 

sclclieii,  die  jetzt  gewöhnlich  mit  dem  GcsyinintiHiiiieii  J'^rimo- 
iiisia  (EQr]^ov7]atK,  wüsie  luselcheii)  hczeiclinct  >veideij,  zer- 
streut: für  sie  stehen  uns  ebenso  weni^^  als  für  die  weiter  öst- 
lich, 17,  Seemeile  von  der  Südküsle  von  llydia  gelegene  4(reuz- 
insel'  {ZravQovrjai)  antike  Namen  zu  Gebote. 


2.  Lakonien. 

Lakonike  oder  Lakcdacmon  nannten  die  Alten  die  J^undscliall, 
welche  sich  im  Norden  in  einer  Breite  von  beinahe  acht  Meilen 
an  Argolis  und  Arkadien,  im  Westen  in  einer  Länge  von  fünf 
Meilen  an  Arkadien  und  Messenien  anlehnt  und  an  den  übrigen 
Seiten  vom  Meere  bespült  wird,  in  welches  sie  gegen  Süden  zwei 
mächtige  lange  Gebirgszüge  gleich  gewaltigen  Armen  hinausstreckt, 
Avodurch  zwei  von  Nord  nach  Süd  allmälig  sclimäler  werdende 
Halbinseln  entstehen,  zwischen  welchen  sich  eine  weite  Bucht 
(6  AaxavLxos  ^öXTtog)  ^)  bis  zum  Südrande  des  mittleren  Theilcs 
der  Landschaft  nach  Norden  hineinzieht.  Die  beiden  Gebirgszüge, 
welche  in  ihrer  nördlicheren  Hälfte  durch  ein  einziges  Flussthal 
geschieden  sind,  erstrecken  sich  ziemlich  parallel  vom  äussersten 
Nordrande  der  Landschaft  an  in  einer  Länge  von  nahe  an  15 
deutschen  Meilen.  Der  östlichere  bildet  nur  in  seinem  nördlichsten 
Theile  eine  compacte  Masse,  die  Fortsetzung  des  argivisch-arka- 
dischen  Gränzgebirges,  deren  Gipfel  sich  bis  zu  der  Höhe  von 
1937  und  weiter  südlich  von  1840  Meter  erheben  und  die  sich 
in  bedeutender  Breite  mit  stattlichen  Vorbergen  nach  Osten  und 
Westen  abdacht:  sie  wird  im  Altertum  mit  dem  an  phokische  und 
attische  Gebirgsnamen  anklingenden  Namen  Parnon,-)  heut  zu 
Tage  mit  dem   slavischen   Namen   Malevos   bezeichnet.     Sowohl 


1)  Strab.  VIII,  p.  362;  Ptol.  III,  16,  9  u.  a.;  sinus  Gytheates 
bei  Plin.  N.  h.  IV,  5,  16,  wie  die  Bucht  noch  heut  zu  Tage  •" Golf  von 
Marathonisi'  (nach  dem  an  die  Stelle  von  Gytheion  getretenen  neueren 
Hafenplatze)  heisst. 

^)  Paus.  II,  38,  7.  Was  die  Etymologie  der  Namen  TldQVKaog, 
ndgvrjg,  TLccgvcov  anlangt,  so  steht  darin,  worauf  mich  mein  Freund 
H.  Schweizer  aufmerksam  macht,  77  wahrscheinlich  für  K,  so  dass  die 
Namen  eigentlich  'Hörn,  Hörnli'  bedeuten  und  mit  dem  der  'AnaQVKveg 
(vgl.  Bd.  I,  S.  107)  zusammengehören. 


2.    Liikoiiicii.  lOo 

an  llölic  als  an  MasscnliaHigkcit  stehen  die  südliclieicn  Foil- 
setzungcn,  für  welche  wir  aus  dem  Allerluin  keinen  Gesaniint- 
namen  kennen,  wie  auch  heut  zu  Tage  ein  solclier  niclit  ühlicii 
ist,  dahinter  zuriick:  der  Hauplzug  nimmt  eine  mehr  südösthchc 
Richtung,  spaltet  sich  aber  ungefähr  auf  gleicher  Höhe  mit  dem 
>'ordrande  des  Lakonischen  Meerbusens  gabelförmig  in  zwei  Acste, 
deren  östlicher  in  das  Cap  Limenaria  (nordöstlich  von  der  alten 
E])idauros  Limera),  der  westliche  in  die  felsige  Hall)insel  Xyli 
(die  Stelle  des  alten  Kyparissiae)  ausläuft;  zwischen  beiden  zieht 
sich  eine  ganz  flache  fruchtbare  Ebene  (Leuke)  hin.  An  die  Süd- 
westseite des  östlichen  Astes  schliesst  sich  eine  neue  Fortsetzung 
an,  die  Anfangs,  von  zahlreichen  Engthälern  durchbrochen,  die 
ganze  Breite  der  Halbinsel  einnimmt,  dann  aber  sich  wiederum 
in  zwei  durch  die  Bucht  von  Vatika  (im  Altertum  Busen  von 
iJoiac  genannt)  getrennte  Zweige  gabelt:  der  östlichere,  dessen 
höchster  Gipfel  (der  jetzige  Berg  Krithina)  die  Höhe  von  793 
Meter  erreicht,  endet  im  Südosten  in  dem  berüchtigten  steil 
gegen  das  Meer  abfallenden  Cap  Malea,  der  westHchere,  kürzere 
und  niedrigere,  bildet  die  in  ihrem  südlichsten  Theile  dieselbe 
gabelförmige  Formation  wiederholende  Halbinsel  Elaphonisi  (alt 
Onu  gnathos),  welche  jetzt  durch  Ueberflutung  des  schmalen 
Isthmos,  durch  den  sie  mit  der  grösseren  Halbinsel  zusammen- 
hängt, zur  Insel  geworden  ist.  Eine  submarine  Fortsetzung  dieses 
westlicheren  Zweiges  scheint  die  Insel  Cerigo  (Kylhera)  zu  sein, 
welche  durch  eine  40  Stadien  breite  Meerenge  (von  den  ilaliäni- 
j-chen  Schiffern  'la  strada  di  Cervi'  nach  dem  italiänischen  Namen 
von  Elaphonisi  benannt)  von  Elaphonisi  getrennt  ist.  Ebenso  er- 
kennen wir  in  einer  Anzahl  kleiner  Inselchen  südlich  von  Cerigo, 
unter  denen  Cerigollo  (das  alte  Aegila)')  die  bedeutendste  ist, 
einzelne  Glieder  einer  fortlaufenden  Kette,  welche  die  Südostspitze 
i^akoniens  und  dadurch  den  Peloponnes  überhaupt  mit  der  Insel 
Krela  verl)indet. 

Weit  mächtiger,   massenhafter    und    grossartiger    als    dieser 
»istliche  ist  der  den  westlichen  Theil  der  Landschaft  ciimehmende 

')  Ai'yiXa,  8.  Meincke  ad  Stcpli.  Byz.  p.  41,  6  und  C.  Müller  ad 
Dionyö.  Perieg.  v.  499.  Ob  dcraelben  Insel  der  von  Steph.  p.  7ü6,  3 
erwähnte  Name  "SlyvXoq  (vgl.  Meineko  zu  d.  St.)  zukomme,  wie  Kiepert 
(Topogr.-hist.  Aila»  von  Hellas  IJl.  XXI j  aiinininit,  i»t  mir  sehr  zwei- 
felhaft. 


101  II.  Pelopoiiiicsus. 

(Jebirgsziij,',  von  den  Alten  Taygeton  (auch  Taygetos), ')  von  den 
Byzantinern  und  Neugriechen  nach  der  Form  der  Gipfel  seines 
niittlercn  Theiles  Pentedaktylon  (Fünffingergebirge)  genannt,  der 
vom  südlichen  Rande  der  Ebene  des  arkadischen  Megalcpolis 
(bei  dem  jetzigen  Leondari)  bis  zum  Cap  Taenaron  hinab  eine 
ununterbrochene  Kette  bildet,  durch  welche  nur  ein  einziger  sehr 
beschwerlicher  Pass,  die  sogenannte  Langada,  der  direcleste, 
freilich  nur  für  Fussgänger  und  Maulthiere  passierbare  Weg  von 
Sparta  nach  dem  Messenischen  Kalamata  (9—10  Stunden),  hin- 
durchführt. Dieser  Weg  tritt  gerade  westwärts  von  Sparta,  bei 
dem  Dorfe  Trypi,  zwischen  den  von  reichen  Quellen  bewässer- 
ten und  in  Folge  dessen  mit  Grün  überkleideten,  mit  Obstbäumen, 
Oliven  und  Weinpflanzungen ^j  bedeckten  Vorbergen  in  eine  bald 
sich  verengende  Schlucht  ein  und  führt  in  dieser  als  schmaler, 
zum  Theil  gefährlicher  Pfad  zwischen  hohen  Felswänden  und  steil 
abfallenden  Betten  von  Giessbächen  aufwärts  in  die  höhere  Re- 
gion des  Gebirges,  die  noch  mit  mehreren  Arten  von  Laubholz 
(besonders  mit  Nuss-  und  Kirschbäumen)  und  mit  zum  Theil  sehr 
mächtigen  Kypressen  bewachsen  ist  und  in  welcher  noch,  abseits 
von  dem  Wege,  nicht  wenige  von  Getreidefeldern  umgebene 
Dörfer  Hegen.  Aus  dieser  gelangt  man  in  die  Region  der  Tannen, 
über  welcher  sich  noch  grüne  Matten,  in  denen  hie  und  da  ein 
Quell  wunderbar  frischen  Wassers  emporsprudelt,  hinziehen,  über- 
ragt von  zahlreichen  kahlen  Felskuppen,  unter  denen  der  ziemlich 
weit  südlich  von  diesem  Passe,  oberhalb  des  jetzigen  Xerokampo 
gelegene  Gipfel  des  heiligen  Elias  ^)  die  bedeutendste  Höhe  (2409 

^)  Vgl.  Steph.  Byz.  p.  607,  10,  der  die  Formen  x6  Tavystov  (ionisch 
Trjvysrov)  und  6  und  t]  Tavysrog  bezeugt:  die  Neutralform  ist  bei  den 
Historikern  und  Geographen  weitaus  die  überwiegende.  Die  Plural  form 
Taygeta  scheint,  abgesehen  von  Flut.  De  mul.  virt.  8  (wo  wohl  nach 
dem  sonstigen  Gebrauche  des  Plut.  ro  Tavystov  herzustellen  ist,  wie 
dies  Wölfflin  bei  Polyaen.  VII,  49  nach  den  Spuren  der  Codd.  gethan 
hat),  nur  bei  röm.  Dichtern  (vgl.  Verg.  Georg.  II,  488;  Stat.  Achill.  I, 
427;  iSilv.  IV,  8,  53)  vorzukommen. 

2)  Von  diesen  Vorbergen  stammte  offenbar  auch  der  bei  Theogn. 
879  erwähnte  Wein  tov  yiOQvcp-^g  vno  (so  richtig  Hecker  für  zogvcprjg 
ano  der  Codd.)  TrjvyizoLO  "A^tcsXol  rjvsyyiav,  da  höher  hinauf  am  Ge- 
birge kein  Wein  mehr  gedeiht.  Verschiedene  Lakedämonische  Wein- 
sorten erwähnt,  nach  Alkman,  Athen.  I,  p.  31*^. 

^)  Der  antike  Name  dieses  Gipfels  ist  nicht  sicher  festzustellen. 
Paus.  III,   20,   4    erwähnt    eine    äyiQcn   tov  Tavystov    TaXstöv ,    welche 


2.    Lakoiiicn.  105 

iMetcr)  erreicht.  Der  Pass  führt  nördlich  von  diesen  höchsten 
Kuppen  über  den  Kamm  des  Gebirges  in  einer  Einsattelung  des- 
selben hinweg  und  steigt  dann  weniger  steil  als  beim  Aufstieg 
über  die  terrassenförmigen  Absätze,  in  welchen  sich  der  westlichste 
Theil  des  Gebirges  nach  der  Ebene  Messeniens  zu  abstuft,  hinab.  ^) 
Südlich  von  der  durch  die  höchsten  Gipfel  gekrönten  Partie 
tritt  ein  Theil  des  Gebirges  —  meist  anmuthige,  mit  Gebüsch 
und  Wald  bedeckte  Hügel,  auf  denen  die  sogenannten  Barduno- 
Choria  liegen  —  weit  nach  Nordost  vor  und  schliesst  dadurch 
die  Ebene  von  Sparta  im  Südosten  bis  auf  einen  schmalen  Spalt, 
durch  welchen  der  Fluss  ausströmt,  ab.  Die  Hauptmasse  des  Ge- 
birges zieht  sich  gleichmässig  in  nordsüdlicher  Richtung  fort  und 
bildet  ostwärts  in  steilen,  unwirthlichen  Felszacken,  westwärts  in 
breiteren,  durch  kleine  Buchten  getrennten  Felsstirnen,  über  wel- 
chen sich  meist  kleine  anbaufähige  Hochebenen  hinziehen,  gegen 
das  Meer  abfallend,  eine  durchschnittlich  2 — 3  Stunden  breite 
felsige  Halbinsel  i^die  Mdvrj,  auch  xßx«  ßovvcd,  'die  bösen  Berge' 
genannt),  an  welche  dann  durch  einen  schmalen  felsigen  Isthmos 
eine  kleinere,  mehrfach  ausgezackte  Halbinsel  angehängt  ist, 
welche  in  dem  Cap  Matapan  (Taenaron),  der  södüchsten  Spitze 
der  griechischen  Halbinsel  und  einem  der  südlichsten  Punkte  des 
europäischen  Festlandes  überhaupt,  endet.  Der  südlichere  Theil  des 
Gebirges  ist  reich  an  verschiedenen  Marmorarten,  die  zum  grössten 
Theile  schon  im  Altertum  ausgebeutet  worden  sind.  Zunächst 
findet  sich   nahe   dem    eigentlichen  Vorgebirge   nördlich   von  der 


dem  Helios  geweiht  war,  dem  man  daselbst  unter  Anderem  auch  Pferde 
opferte,  und  eine  zweite  nicht  weit  davon  entfernte  EvoQag,  wo  viel 
Wild,  besonders  wilde  Ziegen,  vorkamen.  Gegen  die  sonst  nahe  lie- 
gende Identificirung  des  Taleton  mit  dem  Gipfel  des  heiligen  Elias 
spricht  die  Angabe  des  Paus.,  dass  jenes  'oberhalb  Bryseac'  (das  mehr 
als  zwei  Stunden  nordwärts  von  Xerokampi  lag)  sicli  erhebe;  der  Name 
Euoras  aber  scheint  nach  der  Schilderung  des  Paus,  nicht  bloss  einem 
einzelnen  Gipfel,  sondern  einem  grösseren  Thcile  des  (»ebirgcs  zuzu- 
kommen. 

')  Ich  habe  bei  njeiner  Durchwanderung  der  Langad.i  die  sichere 
Ueberzeugung  gewonnen,  dass  die  von  einigen  neueren  Gelehrten  auf 
Grund  von  Odyss.  y,  491  ss.  und  o,  182  ss.  aufgestellte  Ansicht,  es  habe 
in  der  Zeit  der  achäischen  Herrschaft  hier  eine  fahrbare  Strasse  von 
Phcrae  (Kalamata)  nach  Sparta  durch  das  Taygeton  gefülirt,  durchaus 
unmöglich  ist. 


K)()  II.     l'(3i(»jK>lltU'S(»S. 

Jhic.lil,  Kistciiiiics  eine  starke  Ablagerung  scliwarzen  Marmors,  der, 
wenn  er  pollrt  wird,  seliwarzgrau  erscheint;  weiter  nördlich  an 
zwei  Stellen  treten  mächtige  Bänke  eines  roth,  grün  und  weiss 
gefärbten  Marmors  (mit  gewellten  Adern)  zu  Tage;  endlicli  einige 
Stunden  weiter  nördlich  oberhalb  des  Dorfes  Damarislika  sind 
sehr  ausgedehnte  Brüche  des  schönsten  rothen  Marmors  (Bosso 
antico),  die  neuerdings  durch  Prof.  Siegel  in  Athen  wieder  in  Be- 
trieb gesetzt  worden  sind. ')  Eine  andere,  gleichfalls  schon  von 
den  Alten  benutzte  edle  Steinart  findet  sich  in  dem  gegen  Nord- 
ost vorgeschobenen  Theile  des  Taygeton,  südwestlich  von  dem 
Dorfe  Levetzova  (dem  alten  Krokeae):  ein  schöner  Porphyr  von 
dunkellauchgrüner  Grundfarbe,  dessen  Schichten  nur  leider  jetzt 
so  zerklüftet  sind,  dass  es  schwer  hält  ganze  Stücke  von  einem  Fuss 
Breite  und  einigen  Zollen  Dicke  zu  gewinnen,  wie  er  auch  schon 
im  Altertum  nicht  in  grösseren  Blöcken,  sondern  in  einzelnen, 
an  Form  den  Flusskieseln  ähnlichen  Stücken  zu  Tage  gefördert 
wurde. ")  Ausserdem  enthält  das  Gebirge  an  verschiedenen  Stel- 
len Ablagerungen  von  Eisenocker,  welche,  wie  die  Eisenschlacken, 
die  man  noch  an  einigen  Punkten  bemerkt,  sowie  die  Nachrichten 
der  Alten  von  der  Lakonischen  Eisenfabrication^)  beweisen,  eben- 
falls von  den  Alten  ausgebeutet  worden  sind.  Endlich  waren  die 
Wälder,  welche  die  höheren  Partien  des  mittleren  Gebirgsstockes 
oberhalb  der  Ebene  von  Sparta  bekleiden,  im  Altertum  sehr  reich 
an  ^Yild  und  boten  dadurch  den  Spartiaten  die  beste  Gelegenheit, 
ihrer  Lieblingsbeschäftigung,  der  Jagd,  obzuHegen.'*) 

Die  beiden  bisher  geschilderten  Gebirgszüge  umschliessen  in 
ihrer   nördlichen   Hälfte,    von    den  Gränzen  Arkadiens    und   der 


')  Vgl.  meine  Abhandlung  'Ueber  das  Vorgebirg  Taenaron'  in  den 
Abhandlungen  der  k.  bayer.  Akad.  d.  W.  I  Cl.  VII  Bd.  III  Abth.  S. 
773  ff.,  bes.  S.  782  f.  und  789  ff. 

2)  Paus.  III,  21,  4.  Plin.  N.  h.  XXXVI,  7,  55  rechnet  das  Gestein 
fälschlich  zu  den  Marmorn.     Vgl.  Fiedler  Reise  I,  S.  326  ft\ 

^)  S.  bes.  Steph.  Byz.  p.  407,  19  ff.,  wozu  Meineke  auf  Schneider 
Histor.  rei  metall.  p.  26  ss.  verweist, 

*)  Vgl.  Paus.  III,  20,  4,  nach  welchem  die  Strecken  zwischen  den 
Kuppen  Taleton  und  Euoras  (vgl.  S.  104,  Anm.  3)  cct  ©rJQCit  genannt 
wurde.  Die  Lakonischen  Jagdhunde  waren  berühmt:  vgl.  Aristot.  Hist. 
anim.  VI,  20;  De  gener.  animal.  V,  2;  Pindar.  frg.  73  Bergk;  Xenoph. 
Cyneg.  9,1;  PoU.  V,  37;  Verg.  Georg.  III,  345;  405;  Hör.  Epod.  6,  5; 
Lucan.  Phars.  IV,  441. 


2.    Lakonicn.  107 

argiv'isclicn  Kyiiuria  bis  zum  Lakonischen  Meerbusen  hinab,  das 
Thal  eines  bedeutonderen  Fhisses,  der  nichtigsten  Lebensader 
der  Landschaft,  dessen  Lauf  im  Wesentlichen  derselben  Richtung 
folgt  wie  jene  beiden  Gebirgszüge.  Dies  ist  der  Eurotas,  jetzt 
Iri  genannt,  der  an  den  südUchen  Abhängen  der  Randgebirge 
des  sudöstlichen  Arkadiens  —  wie  die  Alten  behaupteten,  aus 
denselben  Quellen  wie  der  Alpheios,  der  Hauptfluss  des  südlichen 
Arkadiens  ^)  —  aus  mehreren  unscheinbaren  Rächlein  sich  bildet 
und  zunächst  etwa  vier  Meilen  weit  als  ächter  Sohn  des  Gebirges 
in  schmalem  Engthale  rasch  dahinströmt,  bis  er  seinen  bedeu- 
tendsten Zufluss,  den  Oinus  (jetzt  Kelephina)  von  Osten  her 
aufnimmt.  Von  da  an  durchströmt  er,  immer  noch  in  raschem 
Lauf,  aber  in  breiterem,  mit  Oleandergebösch  umsäumten  Reit 
und  in  mannigfaltigeren  Windungen,  eine  fünf  Stunden  lange, 
zwei  Stunden  breite  fruchtbare  Ebene,  die  den  natüdichen  Mit- 
telpunkt der  ganzen  Landschaft  und  daher  auch  zu  allen  Zeiten  das 
Centrum  ihres  politischen  Lebens  bildet,  tritt  dann  in  eine  ganz 
enge  Schlucht  zwischen  dem  früher  erwähnten  breiten  Vorsprung 
des  Taygeton  und  den  südwestlichsten  Vorhöhen  des  Parnon  im 
weiteren  Sinne  ein,  den  Aulon,'^)  durch  welchen  im  Altertum 
eine  zum  Theil  in  die  Felsen,  welche  die  Ufer  des  Flusses  über- 
ragen, eingeschnittene  Fahrstrasse  führte,  endlich  nach  fast  fünf- 
stündigem, vielfach  gewundenem  Lauf  in  die  ganz  durch  den  Fluss 
geschalfenc  und  fortwährend  im  Lauf  der  Jahrhunderte  sich  er- 
weiternde Alluvialebene,  durch  die  er  in  den  Lakonischen  Meer- 
busen einmündet.  Kaum  l'^  Stunde  westlich  von  seiner  Münd- 
ung ergiesst  sich  ein  Fluss,  der  sich  erst  in  der  Mündungsebene 

')  8.  Strab.  VI,  p.  275;  VIII,  p.  343;  Paus.  VIII,  44,  3.  Der  Name 
EvQcoTag  wird  von  den  Neuern  (vgl.  Curtius  Griech.  Etymol.  I,  S.  '319) 
wobl  mit  Kccht  auf  die  Wurzel  PT  (gtco)  zurückgeführt.  Die  Sage 
machte  ihn  zum  Sohne  der  Tnygete  (Steph.  liyz.  p.  607,  12),  weil  er 
ja  auch  vom  Taygeton  zahlreiche  Zuflüs.se  erhält,  oder  des  Myles  (Paus. 
III,  1,  1)  nach  den  Mühlen,  die  er  treibt,  oder  auch  des  Lelcx,  des 
iuitochthonen  Ahnherrn  der  ältesten  Bevölkerung  des  Landes,  und  zum 
Vater  der  Sparte  (Apollod.  III,  10,  3).  Der  Name  BmiiVTicce,  den  er 
nach  Etym.  M.  p.  218,  19  in  älterer  Zeit  geführt  haben  soll,  nuQU  ro 
ßooe  nvyir}d'(i6v  7CttQCcnXi]aiov  ^x^lv^  ist  gewiss  nur  ein  dichterischcH 
Moiwort. 

*)  Polyaen.  II,  14,  1  :  eine  lakonische  Stadt  dieses  Namens  uiimt 
Öteph.  Ryz.  u.  AvX(üv.  L'eber  die  Spuren  der  alten  Strasse  s.  Leako 
Travels  in  Moreu  I,  p.   194. 


lOS  II.     Pcl<»l)üUllCSOS. 

seihst  bildet  und  iiucli  der  Fülle  klaren  Wassers,  die  er  iiaeli 
kurzem  Lauf  dem  Meere  zuführt,  von  den  Anwohnern  'der  könig- 
liche Fluss'  (Basilopotamos)  genaimt  wird.  Einige  andere  vom 
Wassersystem  des  Eurotas  unabhängige  Flüsse  findet  man  im  öst- 
licheren Theile  der  Ebene,  die  sich  aber,  bevor  sie  das  Meer  er- 
reichen, in  den  Sümpfen  der  Küstenstrecke  (in  der  Gegend,  wo 
das  alte  Helos  lag)  verlieren:  der  bedeutendste  darunter  und 
überhaupt  in  Bezug  auf  die  Länge  seines  Laufes  der  bedeutendste 
Fluss  der  ganzen  Landscliaft  nächst  dem  Eurotas  ist  das  vom 
Parnon  herkommende  Mariorrheuma,  welches  in  diesem  seinem 
modernen  Namen  (den  antiken  kennen  wir  nicht)  den  Namen 
der  alten  Ortschaft  Marios,  in  deren  Nähe  es  entspringt,  bewahrt 
hat.  Fast  zahllos  endlich  ist  die  Menge  der  ausserhalb  des 
Stromgebietes  des  Eurotas  liegenden  kleinen  Bäche,  besonders 
auf  den  beiden  Halbinseln,  deren  meist  sehr  kurze  Betten  einen 
nicht  unbeträchtlichen  Theil  des  Jahres  hindurch  wasserlos  bleiben. 
So  klar  und  bestimmt  auch,  abgesehen  von  der  Nordseite, 
^lacli  den  andern  Seiten  hin  die  Gränzen  der  Landschaft  von  der 
Natur  vorgezeichnet  sind,  so  war  doch  die  politische  Begränzung 
derselben  zu  verschiedenen  Zeiten  sehr  verschieden  und  schwank- 
end. Nach  der  einheimischen  Tradition,  welche  den  Autochthonen 
Lelex  als  den  ersten  Herrscher  des  Landes  nannte  und  mit  ihm 
die  verschiedenen  topischen  Benennungen  wie  Eurotas,  Taygeton, 
Lakedaemon,  Sparta,  Amyklae,  Therapne  genealogisch  verknüpfte, 
müssen  wir  Leleger  als  die  ältesten  Bewohner  des  Landes  be- 
trachten. 1)  Schon  damals  aber  bildete  der  Bücken  des  Taygeton 
keine  Völkerscheide,  sondern  dieselbe  Bevölkerung  nahm  die 
östlichen  wie  die  westlichen  Abhänge  des  Gebirges  und  die  beiden 
unterhalb  desselben  gelegenen  fruchtbaren  Ebenen,  die  Spartanische 
sowohl  als  die  Messenische,  ein,  während  der  östlichere  Theil  der 
Landschaft,  die  Parnonhalbinsel  bis  zum  Cap  Malea  hinab,  im  Be- 
sitz einer  den  ältesten  Bewohnern  von  Argolis  und  Arkadien  ver- 
wandten pelasgisch-ionischen  Bevölkerung  gewesen  zu  sein  scheint, 
mit  welcher  wahrscheinlich  auch  Minyische  Elemente  sich  ver- 
mischt haben.  2)  Auch  die  Phoiniker,  welche  frühzeitig  die  Insel 
Kythera,   behufs   Ausbeutung   der   dort   sehr   ergiebigen    Purpiir- 

')  Paus.  III,  1,  1  ff.,  dazu  besonders  Deimling  Die  Leleger  S.  117  ff. 

2)  Darauf  führen  mehrfache  Spuren  der  alten  Ortsnamen,  wie  Aso- 

pos,    Kyparissos,   Delion   (Epidelion) ,   Epidauros   u.  a.     Die   P^rzähhing 


2.    Lakonien,  109 

fischerei,  in  Besitz  genommen  haben,  scheinen  von  dort  aus  Nieder- 
lassungen an  einzelnen  Küstenpunkten,  besonders  wohl  der  öst- 
lichen Halbinsel,  gegründet  zu  haben.  Dann  unterwarfen  sich  die 
Achäer,  jedenfalls  von  Argolis  aus,  die  ganze  Landschaft,  die  nun, 
wie  bisher  mit  dem  westlicheren  Theile  Messeniens  politisch  ver- 
bunden, eine  Art  Lehensfürstentum  des  Reiches  der  Atriden  bil- 
dete.^) Als  dann  die  Dorier,  offenbar  vom  südlichen  Arkadien 
aus,  ^^o  sie  der  Widerstand  der  tapferen  Bergbewohner  vom  Vor- 
dringen in  das  Innere  dieser  Landschaft  zurückgehalten  hatte, 
dem  Laufe  des  Eurotas  folgend  in  Lakonien  eingedrungen  waren 
und  sich  im  nördlichsten  Theile  der  mittleren  Ebene  festgesetzt 
hatten,  unterwarfen  sie  sich  allmählig  und  nach  harten  Kämpfen 
die  Landschaft  von  der  arkadischen  Gränze  bis  zum  Lakonischen 
Meerbusen,  beziehentlich  bis  zum  Vorgebirge  Taenaron  hinab  in 
der  Weise,  dass,  mit  Ausnahme  des  unmittelbaren  Gebietes  von 
Sparta,  die  altachäische,  beziehentlich  lelegische  Bevölkerung 
nicht  nur  im  Besitz  ihres  Grundeigentums,  sondern  auch  unter 
der  unmittelbaren  Regierung  ihrer  einheimischen  Fürsten  gegen 
Zahlung  eines  bestimmten  Tributs  und  Leistung  der  Ileeresfolge 
an  die  Eroberer  verblieb.  So  waren  innerhalb  der  eben  bezeich- 
nelcn  Gränzen  neben  dem  dorischen  Staate  Sparta  fünf  unter 
der  Oberhoheit  desselben  stehende  lakedämonische  (Periöken-) 
Staaten  vorhanden,   als   deren  Mittelpunkte  wir    durch  Ephoros^) 


von  der  Ansiedelung  der  Minyer  am  Taygeton  bei  Herod.  IV,  145  ff. 
darf  gewiss  nicht  als  historisch  betrachtet  werden,  sondern  ist  hervor- 
gerufen durch  das  Bestreben ,  die  Lakonischen  Minyer  mit  denen  von 
Lemnos  und  Thera  zu  verknüpfen, 

')  Von  den  Städten,  deren  Bewohner  der  Schiffscatalog  (11.  B,  581  ff.) 
als  unter  der  Führung  des  Menelaos  stehend  aufführt,  ist  allerdings 
Oitylos  die  westlichste;  allein  die  sieben  Städte,  welche  Agamemnon 
dem  Achilles  als  Ileiratsgut  verspricht  (II.  f,  150  ft'.),  liegen  sämmtlich 
weiter  nach  Nordwesten,  so  dass  also  wenigstens  nach  der  Vorstellung 
des  Dichters  dieser  Partie  der  IHas  noch  das  ganze  östliche,  ja  wenn 
die  alte  Identificirung  der  Namen  Aepeia  und  Pedasos  mit  den  späteren 
Korone  und  Methone  richtig  ist,  auch  das  südwestliche  Messenion  bis 
"gen  Pylos  hin  unter  der  Herrschaft  des  Agamemnon  stand. 

«)  Bei  Strab.  VIII,  p.  364,  vgl.  Curtins  Pelop.  II,  S.  309  und  Schäfer 
itr.  cphoris  Lacedaemoniis  (Loipz.  1863),  p.  5,  welchem  letzteren  ich  in 
rler  Bestimmung  der  fünften  Ortschaft  (Geronthrae  statt  Boiae,  wie 
C'urtius  wollte:  vgl.  Paus.  c.  2,  ß  und  c.  22,  C)  gefolgt  bin  und  aucli 
durin  bi-istimmo,  dass  er  die  fünf  Kphoren,  ihrer  ursprünglichen  Bedeut- 


1 10  II.  Peloponnesos. 

lolgciule  Orte  kennen:  Aegys,  Amyldae,  Pharis,  Las  und  Ge- 
ronthrac.  Es  ist  natiirlicli,  besonders  bei  der  Ilerrscbsnclit  und 
dem  Streben  nacli  politischer  Centralisation,  welche  im  dorischen 
(Iharakter  liegen,  dass  dieser  Zustand  nicht  von  langer  Daner 
sein  konnte,  und  so  hören  wir  denn,  dass  die  Spartiaten  eins 
nacli  dem  anderen  dieser  Lehensfiirstentumer ,  zum  Theil  wieder 
nach  harten  Känij)ren,  durch  welche  ein  Theil  der  alten  Bevölk- 
erung zu  Hörigen  (EtXcorsg)^)  herabgedrückt  wurde,  während 
die  Uebrigen  als  TtsQLOLxot  freie,  wenn  auch  aller  eigentlichen 
])olitischen  Rechte  entbehrende  Leute  blieben,  ihrer  unmittelbaren 
Herrschaft  unterwarfen.  Bald  drangen  sie  nun  auch  erobernd 
weiter  gegen  Osten  wie  gegen  Westen  vor:  sie  nahmen  die  ganze 
Parnonhalbinsel  sammt  der  Insel  Kythera,  die  bisher  unter  der 
Herrschaft  der  Argiver  gestanden  hatten,-)  in  Besitz  und  entrissen 
denselben  unter  blutigen  Kämpfen  sogar  die  Kynuria;  sie  über- 
schritten das  Taygeton  und  machten  die  ganze  blühende  Land- 
schaft Messenien  zu  Spartiatischem  Zehentlande.  Auch  nordwärts 
suchten  sie  auf  Kosten  der  Arkader  ihre  Gränzen  zu  erweitern, 
konnten  aber  hier  in  Folge  des  energischen  Widerstandes,  wel- 
chen namentlich  die  Tegeaten  leisteten,  nichts  Beträchtliches 
gewinnen.  Immerhin  aber  erstreckte  sich  in  der  Blütezeit  der 
Spartanischen  Macht,  in  der  Zeit  vom  Ende  des  achten  bis  zum 
zweiten  Drittel  des  vierten  Jahrhunderts  v.  Chr.,  das  Gebiet 
Spartas  vom  Argolischen  bis  zum  Kyparissischen  Meerbusen  und 
umfasste  zwei  Fünftel  des  ganzen  Peloponnes,  so  dass  es  nicht  zum 
Verwundern  ist,  wenn  die  Spartiaten  im  stolzen  Selbstgefühl  sich 
als  die  natürlichen  Führer  nicht  nur  der  Halbinsel,  sondern 
auch  von  ganz  Hellas  betrachteten  und  wenn  die  übrigen 
griechischen  Staaten,  selbst  Athen  nicht  ausgenommen,  vom 
Glänze  des  spartiatischen  Namens  geblendet,  nur  schwer  sich  ent- 
schliessen  konnten,  ihnen  im  offenen  Kampfe  gegenüber  zu  tre- 
ten.   Dieser  Glanz  verbleichte  aber  schnell,   als  zum  ersten  Male 


ung  nach,  als  Gehülfen  der  spart.  Könige  zur  Beaufsichtigung  und 
Verwaltung  eben  dieser  Bezirke,  die  früher  unter  achäischen  Fürsten 
gestanden  hatten,  betrachtet, 

^)  Die  Alten  selbst  leiten  diesen  Namen  durchaus  von  der  Ortschaft 
"EXog  her,  während  manche  neuere  Gelehrte  die  Ableitung  von  siXov, 
^XsLV  vorziehen.  Wofür  man  sich  auch  entscheiden  mag,  jedenfalls  ist 
der  Na«ie  aus  einem  ursprünglichen  '"'Eljorss  entstanden. 

2)  Herod.  1,  82. 


2.   Lakonien.  111 

ein  feindlicljes  Heer,  von  Epameinondas  geführt,  in  Lakonien  ein- 
gedrungen war  und  es  bis  zum  Lakonischen  Meerbusen  liinah 
durclizogen  hatte  (Ol.  102,  3),  ein  Zug,  der  den  Spartanern  nicht 
nur  den  schon  bei  Leuktra  zerstörten  Nimbus  ihrer  Unbesieg- 
barkeit, sondern  auch  die  kleinere  Hälfte  ihres  Gebietes  kostete: 
Messenien  wurde  ihnen  entrissen  und  als  unahhängiger  Staat  neu 
constituirt,  und  wenn  auch  Sparla  niemals  die  Rechlsbeständigkeit 
dieser  etwas  schwächlichen  Constitution  anerkannt  hat,  so  ist  es 
ihm  doch  nicht  gelungen,  das  Verlorne  wiederzugewinnen. 
Weitere  Verluste  brachte  ihm  der  unbeugsame,  eines  bessern  Ge- 
schickes würdige  Stolz ,  mit  welchem  es  nach  der  Schlacht  bei 
Chaeroneia  Philipp  IL  von  Makedonien,  als  Alles  sich  vor  ihm 
beugte,  entgegenzutreten  wagte,  indem  durch  dessen  Machtspruch 
die  Kynuria  sammt  einem  Theile  der  Ostküste  Lakoniens  den  Ar- 
givern,  die  Gränzdistricte  gegen  Arkadien  (Belminatis  und  Skiritis) 
den  Megalepoliten  und  Tegeaten,  und  eine  beträchtliche  Strecke 
Landes  am  westlichen  Abhänge  des  Taygeton  (der  Bezirk  von 
Denthalioi  und  der  Küstenstrich  bis  zu  dem  Bache  Pamisos  hinab) 
den  Messeniern  zugetheilt  wurden J)  Zwar  gelang  es  den  Spar- 
tanern bald,  einen  Theil  des  Verlornen  wiederzugewinnen;  aber 
als  dem  kurzen  Aufschwünge  des  durch  Kleomenes  IIL  verjüngten 
Staates  die  Schlacht  bei  Sellasia  ein  rasches  Ende  gemacht  hatte 
und  als  Philopoimen,  der  unermüdliche  und  unversöhnliche  Ge- 
gner Sparlas,  2)  an  die  Spitze  des  achäischen  Bundes  getreten  wai-, 
wurde  ihnen  nicht  nur  die  Belminatis  wieder  entrissen  (die  ihnen 
indess  später  durch  die  Römer  zurückgegeben  ward),  sondern 
auch  die  sämmtlichen  Küstenstädte  der  Landschaft,  deren  Be- 
wohner bisher  Periöken  gewesen  und  durch  die  von  den  Spar- 
tiaten  verschmähten  Erwerbszweige  (Handel  und  Industrie)  zum 
Wohlstand  gelangt  waren,  wurden  für  unabhängig  erklärt  und 
diese  ihre  Unabhängigkeit  durch  den  achäischen  Bund ,  dessen 
gezwungenes  Mitglied  Sparta  selbst  eine  Zeit  lang  war,  garanlirt. 
Nach  der  Auflösung  des  Bundes  erhielt  es  zwar  durch  die  Homer 
seine  Autonomie,  soweit  von  einer  solchen  in  dieser  Zeit  über- 
haupt die  Bede  sein  kann,  zurück,  aber  die  Periökenstädte  lilieben 


^)  Vgl.  A.  Schufer  Demostlicncs  und  seine  Zeit  III,  1,  S.  38  IV. 

')  'Pliilopoemen  —  anctor  seniper  Acliaeis  niinuendi  opes  et  uucto- 
ritatcm  Lacedaeinoniorum'  Liv.  XXXVIII,  31.  Uebor  die  I5(  Iminatis  vgl. 
ebda.  c.  34. 


1 12  11.  Pcloponnesos. 

selbsläiulig  und  vereinigten  sich,  nachdem  die  Wiederlierstellung 
der  landschaftlichen  Staatcnvereinc  von  Rom  aus  gestattet  worden 
war,  zu  einem  Bunde,  der  ^Gemeinschaft  der  freien  Lakonen' 
(to  xolvov  tav  'EXevd'SQokaxcjvcDv),  welcher  durch  Auguslus 
förmlich  anerkannt  w  urde  und  noch  im  zweiten  Jahrhundert  n.  Chr., 
wenn  auch  mit  verminderter  Mitgliederzahl  (18  statt  24),  bestand.  *) 
Die  Spartaner  erhielten  von  Augustus,  wahrscheinlich  durch  die 
Vcrmittelung  von  dessen  Günstling  C.  Julius  Eurykles,  der  eine 
Zeit  lang  als  eine  Art  Tyrann  in  Sparta  regierte,  ein  Stück  des 
östlichen  Messeniens  mit  den  Städten  Thuria  und  Pharae  zum 
Geschenk,  allein  Tiberius  sprach  nicht  nur  diese,  sondern  auch 
den  östlich  davon  gelegenen  Bezirk  von  Denthalioi  den  Mcsseniern 
wieder  zu  und  setzte  die  Wasserscheide  des  Taygeton,  weiter 
südlich  eine  enge  von  einem  Giessbach  durchflossene  Schlucht 
(die  xoLQiog  vccTtr})  zwischen  den  Städten  Gerenia  und  Abiae  als 
Gränzscheide  zwischen  Messenien  und  Lakonien  fest,  ^j 

im  dritten  und  vierten  Jahrhundert  wurde  Lakonien,  insbe- 
sondere das  Eurotasthai,  durch  verheerende  Einbrüche  der  Go- 
then  (267  und  395),  seit  dem  achten  Jahrhundert  durch  slavischc 
Stämme,  die  sich  namentlich  am  Taygeton  dauernd  ansiedelten, 
heimgesucht,  später  wechselte  sein  Besitz  zwischen  Byzantinern, 
Franken,  Türken  und  Venezianern  bis  zur  Stiftung  des  König- 
reichs Griechenland.^) 
F.ii.oiasiimi.  Die  topographische  Schilderung  Lakoniens  beginnen  wir  mit 
dem  Flussgebiet  des  Eurotas,  d.  h.  der  von  diesem  Flusse  und 
seinen  Nebenflüssen  (unter  denen  freilich  nur  der  Oinus  ein 
eigenes  zur  Anlage  einer  Stadt  brauchbares  Flussthal  besitzt) 
durchströmten  Land-,  beziehentlich  Gebirgsstriche.  Das  obere  Eu- 
rotasthal,    welches  gegen  Osten  durch   meist    unmittelbar  an  das 


1)  Paus.  IIP,  21,  G  f.  (zu  dessen  Zeit  folgende  Orte  selbständige 
Bnndesglieder  waren:  Gytheion,  Teuthrone,  Las,  Pyrrhichos,  Kaenepolis, 
Oitylos,  Leuktra,  Thalamae,  Alagonia,  Gerenia,  Asopos,  Akriae,  Boiae, 
Zarax,  Epidauros  Limera,  Brasiae,  Geronthrae,  Marios);  vgl.  Strab.  VIII, 
p,  .^6G;  C.  I.  gr.  n.  1389;  H.  Sauppe  in  den  Nachrichten  von  der  G.  A. 
Universität  und  der  Göttinger  Gesellschaft  d.  Wiss.  1865,  N.  17,  S.  461  ff. 
Dasselbe  ist  to  v.olv6v  tüv  AccyisSaLuovLcov  C.  I.  gr.  n.  1335. 

2)  Paus.  IV,  1,  1;  30,  2;  31,  1;  Tac.  Annal.  IV,  43;  vgl.  Ross  Rei- 
sen I,  S.  3  ff. 

3)  Vgl.  die  I^ebersicht  bei  Curtiiis  Pelop.  I,  S.  84  ff.  und  II, 
S.  214  f. 


2.  Lakonieii:  Eurolasthal.  113 

Flussufer  hinantretende  rauhe  Berge  hegränzt  wird,  während  von 
Westen  her  die  durcli  kleine  Bäche  getrennten  Vorhöhen  des 
Taygeton  allmäHg  gegen  den  Fluss  ahsteigen  und  Raum  für  eine 
Heerstrasse  am  rechten  Ufer  lassen,  bildete  das  Gebiet  von  drei 
für  die  Vertheidigung  des  Zuganges  zum  Herzen  der  Landschaft 
sehr  wichtigen  Periökenstädten  und  wurde  daher  mit  dem  Na- 
men Tripolis  bezeichnet^)  Die  nördlichste  derselben  war  Be- 
lemina  (auch  Belmina  oder  Belbina  geschrieben),  deren  Ge- 
biet, die  wasserreichste  Gegend  von  ganz  Lakonien,  von  den  Ar- 
kadern, als  ursprünglich  arkadisches,  von  den  Lakedaemoniern  in 
alter  Zeit  widerrechtlich  annectirtes  Land  reclamirt  und  auch 
zeitweise  occupirt  wurde  (vgl.  oben  S.  111):  der  natürlichen 
Gränzscheide  nach  mit  Unrecht,  da  es  zum  Stromgebiet  des  Eu- 
rotas,  nicht  des  Alpheios  gehört.  2)  Der  Ortschaft  selbst,  in  deren 
Nähe  ein  Heiligtum  des  Hermes  ('E^^acov)  stand,  gehören  wahr- 
scheinlich die  Ruinen  südlich  von  dein  Dorfe  Petrina,  westlich 
von  dem  quellenreichen,  von  mehreren  sich  vereinigenden  Bächen 
umflossenen  Berge  Chelmos  an;  ein  mittelalterliches  Caslell, 
dessen  Mauern  theilweise  auf  hellenischen  Fundamenten  ruhen, 
auf  dem  Gipfel  dieses  Berges  scheint  die  Stelle  einer  alten  Be- 
festigung zum  Schutze  der  an  der  Südseite  des  Berges  hinfüh- 
renden Heerstrasse  von  Megalepolis  nach  Sparta  einzunehmen.  ^) 
Diese  Strasse  zieht  sich  zunächst  etwa  2y.^  Stunden  lang  ober- 
halb des  rechten  Flussufers  auf  den  Vorhöhen  des  Taygeton  hin, 
bis  sie   eine   nicht   unbedeutende   Kbone,    die   grösste   des   obern 


')  'Tripolin  Laconici  agri  qui  proximus  finem  Megalopolitarum  est' 
Liv.  XXXV,  27:  da  nun  nach  Polyb.  IV,  81  auch  Pellene  zur  TqltioIk; 
gehörte,  so  scheint  dieselbe  von  der  Gränzc  von  Megalepolis  bis  in  die 
Nähe  der  Einmündung  des  Oinus  sich  erstreckt  zu  haben. 

*)  BsXffiivii  l'.'iiis.  TU,  21,  .'{;  VITf,  .'55,  .*?;  HsXaivärig  x^^Q^  Polyb. 
II,  .54,  was  wohl  uucli  hei  Stral..  VIII,  ]..  .".I.".  mid  Ptol.  111,  KI,  -»i»  (für 
/i;.t|ii.)  herznsteli<ii  i~t  :  /;.''A(in/aPliit.Cleoin.4;  llesydi.  und  Stepii.  u.  d.W.; 
agcr  r.clbinut.  .  l,u.  WXVJII,  M.  Ob  auch  mit  (Kmii  von  Paus. 
Vlir,  27,  4  erwUhnton  BXtviva  dieselbe  Ortschaft  gemeint  ist  (vgl.  Cur 
tius  I*elop.  I,  S.  .'W7),  ist  ganz  unsicher. 

')  Man  könnte  an  das  'A&r'jvuiov  denken,  das  nach  Plut.  Cleomen. 
4  Ttfgl  T/Jv  BiXßivuv  —  tfißoXr)  tTJg  Aaniovi-n^g  war;  allein  aus  Polyb. 
II,  40;  IV,  37;  60;  81  verglichen  mit  I*ausanias  VIII,  44,  2  sieht  man, 
dass  dies  nördlich  vom  Chelmos  am  Wege  von  Megalepolis  nach  Asea, 
also  auf  arkadis<'hem  Gebiet  lag. 

RURSIAN,    OKOCic.    tl.  8 


114  11.  Peloponnesos. 

Eurotastliales,  erreicht,  die  sich  in  verschiedener  Breite  auf  beiden 
Ul'ern  des  Flusses  über  eine  Stunde  weit  von  Nord  nacli  Süd 
erstreckt.  Den  nördlichen  Absclduss  derselben  bildet  ein  vom 
Taygeton  nach  dem  Eurotas  sich  hinziehender  niedriger  Ilügel- 
rücken  zwischen  den  Dörfern  Georgitzi  und  Pardali,  auf  welchem 
die  Ruinen  eines  mittelalterlichen  Schlosses  auf  hellenischem  Un- 
terbau stehen  und  unterhalb  dessen  man  auch  in  der  Ebene  Reste 
einer  alten  Ortschaft  findet.  Ohne  Zweifel  war  dies  die  zweite 
Ortschaft  der  Tripolis,  wahrscheinlich  das  alte  Aegys,  das  sehr 
frühzeitig  durch  die  Spartiatischen  Könige  Archelaos  und  Charillos 
zerstört,  dessen  Name  aber  (Aegytis)  der  ganzen  Gegend  zu 
beiden  Seiten  des  oberen  Taygeton,  die  halb  zu  Arkadien  halb 
zu  Lakonien  gehörte,  geblieben  war:  an  die  Stelle  des  alten 
Ilauptortes  scheint  später  Karystos,  eine  durch  ihren  Weinbau 
bekannte  Ortschaft,  getreten  zu  sein.  ^)  Im  Süden  wird  jene  Ebene 
abgeschlossen  durch  den  breiten  nach  Westen  vortretenden  Fierg 
von  Vurlia,  dessen  westlicher  Fuss  fast  unmittelbar  vom  Eurotas 
bespült  wird,  während  die  Strasse  nahe  dem  rechten  Ufer  zwi- 
schen diesem  und  den  Vorhügeln  des  Taygeton  hinläuft.  Auf 
zwei  gegen  Nordwest  vorgeschobenen  Höhen  des  Rerges  von 
Vurlia  liegen  zwei  einzelne  Kapellen  (des  heiligen  loannis  und 
des  heiligen  Dimitrios),  östlich  davon  in  einer  Schlucht  Reste  eines 
mittelalterlichen  Castells;  am  westlichen  Fusse  jener  Höhen  ent- 
springen zwei  sehr  wasserreiche  Quellen,  welche  zusammen  einen 
kleinen  Teich  bilden  und  dann  in  den  Eurotas  abfliessen.  Eine 
halbe  Stunde  weiter  südlich  findet  man  Spuren  alter  Mauern,  die 
sich  quer  über  den  Weg  ziehen,  also  olFenbar  einer  auf  förm- 
lichen Verschluss  der  Strasse  abzielenden  Befestigung  angehören; 
Reste  einer  zweiten  Befestigung  von  geringerer  Ausdehnung  (wohl 
eines  blossen  Wartthurmes)  finden  sich  wieder  eine  halbe  Stunde 
weiter  südlich  in  der  Nähe  der  noch  eine  starke  Stunde  von 
Sparta  entfernten  neueren  Eurotas-Brücke  (roi)  Koitdvov  xo  ys- 
(pvQi),  über  welche  jetzt  der  Hauptweg  aus  dem  Eurotas-  nach 
dem  Oinusthale  j(über  den  südlichsten  Theil  des  Berges  von 
Vurlia)  und  weiter  nach  dem  südöstlichen  Arkadien  führt  und  die 
füglich   als    der   Abschluss    des    oberen   Eurotasthaies    betrachtet 


1)  Paus.  Iir,  2,  5;  VIII,  34,  5;  Strab.  VIII,  364;  X,  44G;  Poljb. 
II,  54  (wo  (\.ie  AiyvTig  u.  BslfiLvccrig  xaga  verbunden  sind);  Stepli  ^jz. 
u.  Alyvg:  vgl,  Vischer  Erinnerungen  S.  401  f. 


2.  Lakonien:  Eurotastiial.  115 

werden  kann.  Jene  Mauerspuren  gehören  vvalu'scheinlich  dem 
von  Pausanias  (ÜI,  21,  2)  erwähnten  xa^axaiiu  an,  einem  Bollwerke 
zum  Schutze  der  Ebene  von  Sparta  gegen  Einfälle  von  Norden 
her,  und  auf  dem  nordwestlichsten  Theile  des  Berges  von 
Vurlia  wird  Pellana  oder  Pellene  zu  suchen  sein,  die  dritte 
Stadt  der  Tripolis,  von  welcher  Pausanias  (a.  a.  0.)  nur  noch  ein 
Heiligtum  des  Asklepios  und  zwei  Quellen,  Pellanis  und  Lankeia 
genannt,  der  Erwähnung  werth  findet.*)  Ungefähr  gegenüber  der 
vorauszusetzenden  Stelle  der  Stadt  findet  man  in  der  Nähe  des 
rechten  Fiussufers  Reste  einer  auf  Bogen  ruhenden  Wasserleitung, 
welche  in  der  römischen  Zeit  von  den  Vorbergen  des  Taygeton 
Wasser  nach  Sparta  führte.  Da  wo  der  Eurotas  mit  einer  plötz- 
lichen Wendung  gegen  Osten  den  südlichen  Fuss  des  Berges  von 
Vurlia  umfliesst,  um  sich  dann  bald  wieder  gegen  Süden  zu 
wenden,  bemerkt  man  in  einer  hart  an  das  rechte  Ufer  des  Flusses 
liinantretenden  Felswand  eine  natürliche  Höhle  und  darunter  eine 
künstlich  ausgehauene  Nische,  in  welcher  Neuere  das  Grab  des 
Schnellläufers  Ladas,  der,  nachdem  er  zu  Olympia  im  Dauerlauf 
gesiegt  hatte,  auf  der  Heimreise  starb  und  auf  dem  Platze,  wo 
der  Tod  ihn  ereilte,  bestattet  wurde,  haben  erkennen  wollen: 
allein  da  die  Entfernung  von  hier  nach  Sparta  höchstens  IV2 
Stunde  beträgt,  das  Ladasgrab  aber  nach  Pausanias  (HI,  21,  1) 
50  Stadien  von  der  Stadt  entfernt  war,  so  ist  dies  wohl  weiter 
nördlich  auf  einer  der  Vorhöhen  des  Taygeton  westlich  über  der 
Strasse  zu  suchen;  in  jener  Felsnische  stand  vielleicht  das  Bild 
der  Aedo,  welches  die  Tradition  als  vom  Ikarios  beim  Abschied 
von  seiner  Tochter  Penelope  gestiftet  bezeichnete.  2) 

Der  Oinus^)  (jetzt  Kelephina),  durch  dessen  Zutritt  die  Was- 
sermasse  des  Eurotas   beträchtlich   vermehrt   und  sein    Belt  ver- 


*)  Vgl.  über  Pellene  (das  Strub.  VHI,  p.  38G  durch  die  Form  xa 
ritXlava  von  der  Hcliiüschen  Studt  unterscheidet)  ausser  Paus.  a.  a.  O. 
l'olyb.  IV,  81;  XVI,  37;  Xenoph.  Hell.  VIT,  5,  f).  Der  von  Plut.  Agis  8 
ttrwühntc  x^Qfi^QOg  v.atcc  ThXXrjvriv  ist  wahrscheinlich  ^ler  um  den  nörd- 
lichen FusH  des  Berges  von  Vurlia  herum  dem  Eurotas  zufliossende  Hach. 

*)  Paus.  c.  20,  10.  Gegen  die  von  Leakc,  Koss  und  Curtius  be- 
folgte Ansetzung  des  Ladasgrabos  erklart  sich  auch  Vischer  Erinne- 
rungen S.  401,  Anm,  **♦ 

3)  Nach  Plut.  Lycurg.  6  (vgl.  Pclopid.  17)  hatte  er  früher  den  Namen 
KvaniMV  (vgl.lfcrodian.  TtfQl  ^lov.  Xt^.  p.  17,22)  geführt;  vgl.  jedoch  unten 
8.  ItiO.    Uiisiclicr  ist  die  Lage  des  durch  seinen  Weinbau  bekannten  Stadt 

8* 


IIG  II.  Pelüponnesos. 

lireitert  wird,  bat  seine  Haiiptquellen  am  nordwestlichen  Abliange 
des  Parnon,  wo  in  der  Römischen  Zeit  die  Gränzen  von  Lakonien, 
Arkadien  und  ArgoHs,  durch  Hermen  bezeichnet,  zusammensliessen. 
Die  noch  jetzt  mit  dichtem  Eichengebüsch  l)edeckte  Gegend  war 
im  Altertum  von  einem  ausgedehnten  Eichenwakl  eingenommen 
und  führte  darnach  den  Namen  Skotitas:  ein  IleiUgtum  des 
Zeus  Skotitas  stand  eine  halbe  Stunde  östHch  seitwärts  von  der 
im  engen  Flussthal  hinführenden  Strasse  aus  der  argivischen 
Kynuria  nach  Sparta J)  Ungefähr  drei  Stunden  von  der  Gränze 
erweitert  sich  das  Thal  zu  einer  nur  zehn  Minuten  breiten  und 
eine  Viertelstunde  langen,  rings  von  Bergen  umschlossenen  Ebene, 
durch  welche  ein  kleiner  Seitenbach,  der  Gorgylos,  von  Westen 
lier  dem  Oinus  zufliesst:  hier  trifft  die  gerade  von  Norden  her 
kommende  Strasse  von  Tegea  nach  Sparta  mit  der  argivischen 
zusammen,  so  dass  die  Sicherung  der  kleinen  Ebene  für  Sparta 
von  höchster  Wichtigkeit  sein  musste.  Diese  Aufgabe  erfüllte  bis 
zum  Untergange  der  Selbständigkeit  Spartas  die  stark  befestigte 
Stadt  Sellasia,  von  deren  Ringmauern  sich  noch  jetzt  bedeu- 
tende Resle  auf  dem  umfangreichen  831  Meter  hohen  Plateau  des 
unmittelbar  über  dem  rechten  Ufer  des  Oinus  aufsteigenden,  die 
kleine  Ebene  im  Süden  abschliessenden  Berges  finden:  der  etwas 
höhere  nördliche  Theil  des  nach  Süden  zu  sich  etwas  absenkenden 
Plateaus  bildete  die  AkropoHs.  Die  Stadt  ist  wahrscheihhch  in 
Trümmern  liegen  geblieben  seit  dem  Jahre  221  v.  Chr.  (Ol. 
139,  4),  wo  sie  von  König  Antigonos  Doson  von  Makedonien  zer- 
stört wurde,  nachdem  sie  schon  50  Jahre  früher  (Ol.  102,  3)  von 
den  Thebanern  und  vier  Jahre  darauf  (Ol.  103,  3)  von  den  La- 
kedaemoniern'zur  Strafe  für  ihren  Abfall  von  Sparta  verheert  wor- 
den war.  Die  vorher  erwähnte  kleine  Ebene  nebst  den  Abhängen 
der  sie  begränzenden  Berge  (desEuas  im  Südwesten,  des  Olym- 
pos  im  Osten)  war  der  Schauplatz  der  für  Spartas  Selbständig- 
keit verhängnissvollen  Schlacht  zwischen  Antigonos  Doson  und 
Rleomenes  lil  von  Sparta,  deren  nächste  Folge  eben  die  Zerstör- 


chens  Oinus  (Stepli.  Byz.  ii.  Otvovg-,  Alkman  bei  Athen.  I,  p.  31*=),  da  die 
Worte  des  Athen,  a.  a.  O.:  %(OQia  ät  xavxa  nlrjaiov  JliTäviq?  sich  jeden- 
falls nur  auf  die  zuletzt  genannten  Orte  Onogla  und  Stathmoi  beziehen. 
1)  Paus.  c.  1,  1;  10,  6;  Polyb.  XVI,  37;  vgl.  Ross  Reisen  I,  S. 
173  ff.  Steph.  Byz.  u.  Zv-orivd  giebt,  mit  Berufung  auf  t*ausanias,  als 
Namen  des  Ortes  Zyionvä  und  Zsvg  ÜTiotLVccg. 


2.  Lakonien:  Eiirotasllial.  117 

ung  Sellasias  durch  Antigonos  war.  ^)  Die  alte  Strasse  nach 
Sparta  fülirte  wahrscheinlich  nicht  wie  die  jetzige  westüch  von 
Sellasia  üher  den  Berg  von  Vurlia,  sondern  folgte  wohl  von  der 
kleinen  Ebene  aus  noch  eine  beträchtliche  Strecke  dem  rechten 
Ufer  des  Oinus  in  dem  engen  Thale,  gieng  dann  da,  wo  derselbe 
einen  nicht  unbedeutenden  Nebenfluss  von  Osten  her  aufnimmt, 
auf  das  linke  Ufer  hinüber  und  stieg  nun  über  den  herg  Thor- 
nax,  auf  dessen  südlichstem  Vorsprunge  ein  Heiligtum  des  Apol- 
lon  Pythaeus  lag,  zu  welchem  ein  geräumiges  Temenos  in  der 
Ebene  gehörte,  nach  dem  Eurotasthaie  hinab,  ^j 

Zwischen  den  Engthälern  des  obern  Eurotas  und  des  Oinus 
zieht  sich  ein  rauhes  und  kahles  Hochland  hin,  von  zahlreichen 
Schluchten  durchschnitten,  ohne  irgend  welche  grössere  Ebene: 
die  Sk Iritis,  bewohnt  von  dem  kriegerischen,  ursprünglich  arka- 
dischen Stamme  der  Skiriten,  der  offenbar  erst  nach  langem 
Widerstände  und  unter  besseren  Bedingungen  als  die  übrigen 
I'eriöken  —  die  Skiriten  bildeten  eine  besondere  Heeresablheilung, 
welche  in  der  Schlacht  jederzeit  den  Unken  Flügel,  auf  dem 
Marsche  die  Vorhut  ausmachte  —  der  Herrschaft    der  Spartaner 


')  Polyb.  II,  65  ff.,  dazu  Ross  Reisen  I,  S.  181  ff.  und  Vischer  Er- 
innerungen S.  360  ff.  Dass  der  Name  der  Stadt  sowohl  HsXccöicc^ 
als  auch  Sslkaaia  geschrieben  wurde,  sieht  man  daraus,  dass  Steph. 
Byz.  diese  beiden  Formen  als  zwei  verschiedene  Artikel  in  sein 
Lexikon  aufgenommen  hat.  Ob  der  Beiname  der  Artemis  Selasia  mit 
dem  Namen  der  Stadt  zusammenhängt,  wie  Hesych.  u.  ZlsXaaici  an- 
giebt,  möchte  ich  nicht  entscheiden,  ebenso  wenig  ob  unter  dem  bei 
Liv.  XXXV,  27  und  30  erwähnten  Berge  Barbosthenes  (Barnosthenes 
will  Cartius  Pelop.  II,  ö.  321)  die  östliche  Fortsetzung  des  Olympos, 
der  jetzige  Berg  von  Vresthena,  zu  verstehen  sei. 

2)  Polyb.  II,  65;  Paus.  c.  10,  8;  Steph.  Byz.  u.  Goqvcc^',  Xen.  Hell. 
VI,  5,  27.  Da  auch  ich  in  den  Marmorfundamenten  auf  dem  Vorspränge 
des  Hügels  oberhalb  Pavle'ika  (s.  Curtius  Pel.  II,  S.  321)  Reste  des 
Apollonhciligtums  erkenne,  so  kann  ich  den  Thornax,  auf  welchem 
nach  Paus,  a.  a.  O.  und  Herod.  I,  69  das  altertümliche  Cultbild  des  Gottes 
stand,  nicht,  wie  gewöhnlich  geschieht,  für  den  auf  dem  rechton,  son- 
dern nur  für  den  über  dem  linken  Ufer  des  Flusses  sich  erhebenden 
Berg  halten.  Die  topographischen  Angaben  des  Zenon  bei  Polyb.  XVI, 
16  waren  offenbar  schon  dem  Polybios  selbst  unklar:  man  könnte  den 
Hoplites  für  den  von  Osten  her  in  den  Oinus  mündenden  Bach  hal- 
ten, allein  die  Strasse  kann  nie  längs  dieses  hingeführt  haben;  die 
OTBv^  oSog  naga  to  lloXiäaiov  dagegen  kann  wohl  die  Strasse  in  dem 
engen  Thal  des  Oinus  sein. 


118  H.  Pcloponncsos. 

sich  gel)eiigt  halte  und  gleich  beim  ersten  Einfall  der  Thehancr 
in  Lakonien  sich  wie  seine  alten  Stammgenossen,  die  südlichen 
Arkader,  diesen  anschloss,  freilich  ohne  Erfolg  für  seine  politische 
Selbständigkeit.  Die  Wichtigkeit  dieses  Districts  für  Sparta  be- 
ruht darauf,  dass  durch  denselben  die  von  der  Natur  vorgezeich- 
nete, daher  noch  heut  zu  Tage  übhche,  wenn  auch  wie  die 
meisten  Strassen  in  Hellas  nur  für  Saumthierc  gangbare  Strasse 
von  Tegea  nach  dem  mittleren  Eurotasthaie  führt.  Von  dem 
noch  auf  arkadischem  Gebiete  (in  der  Gegend  des  alten  Phylakae) 
gelegenen  Khan  von  Krya  Vrysis  geht  der  noch  jetzt  den  stolzen 
Namen  einer  ^drj^oöLa'  (Eleerstrasse)  tragende  Weg  an  einem  der 
den  Alpheios  bildenden  Bächlein  aufwärts  in  die  Berge,  wo  man 
noch  auf  eine  ziemliche  Strecke  die  alten  in  den  Felsboden  ein- 
geschnittenen Wagengeleise  erkennt,  bis  zur  Wasserscheide  und 
von  da  durch  den  engen  und  rauhen  Pass  Rlisura  abwärts 
bis  zu  der  vier  Stunden  von  Krya  Vrysis  entfernten  kleinen  Ebene 
von  Sellasia,  in  welcher  er  mit  dem  aus  der  Thyreatis  kommenden 
Wege  zusammentrifft.  Wahrscheinlich  am  südlichen  Ausgang 
der  Klisura,  gerade  halbwegs  zwischen  Krya  Vrysis  und  Sel- 
lasia, lag  das  Castell  Oion,  die  einzige  uns  bekannte  Ortschaft  der 
Skiritis,  die  wohl  erst  von  den  Spartanern  zur  Sicherung  des 
Passes  angelegt  worden  war,  während  die  Skiriten  ursprünglich 
in  offenen  Weilern  wohnten.  ^)  Bedeutender  als  Oion,  aber  aus- 
serhalb der  eigentlichen  Skiritis,  war  die  auf  einem  flachen  Hügel 
zwischen  zwei  zu  einem  Nebenflusse  des  Oinus  sich  vereinigenden 
Bächen  (eine  Stunde  westlich  von  dem  grossen  Dorfe  Arachova) 
gelegene  Periökenstadt  Karyae,  ebenfalls  ursprünglich  zu  Arka- 
dien gehörig,  dann  ein  wichtiger  Gränzposten  Lakoniens,  indem 
sie  die  auch  für  Heere  gangbare  Strasse  von  den  Quellen  des 
Alpheios,  d.  h.  aus  der  Tegeatis,  nach  dem  Oinusthale  bewachte. 
Je  bedeutungsvoller  so  der  Besitz  dieser  Stadt  für  Sparta  war, 
desto  härter  strafte  es  ihren  Abfall  beim  Einbruch  der  Thebaner: 
der  König  Archidamos  eroberte  (Ol.  103,  2)  dieselbe  mit  Gewalt 
wieder  und  Hess  alle  die,  welche  dabei  lebendig  in  seine  Hände 
fielen,   tödten.     Ausser  seiner   strategischen   hatte  der  Ort    auch 


<)  Xenoph.  Hell.  VI,  5,  24  f.;  VII,  4,  21:  vgl.  Ross  Reisen  I,  S. 
178  fF.;  Welcker  Tagebuch  einer  griecli.  Reise  I,  S.  203.  Die  Exi- 
stenz einer  Ortschaft  Skiros  ist  aus  Steph.  Byz.  u.  2aiQog  nicht  zu 
folgern. 


2.Lakonicii:  Eurotaslhal.  119 

eine  sacrale  Bedeutung  durch  ein  berühmtes  Heiligtum  der  Ar- 
temis und  der  Nymphen,  in  welchem  alljährlich  eine  hauptsächlich 
von  Jungfrauen,  welche  besondere  Tänze  dabei  aufführten,  be- 
suchte Panegyris  gefeiert  wurde.  ^) 

Kurz  nach  der  Aufnahme  des  Oinus  durch  den  Eurotas  hören 
die  Vor  berge  des  Taygeton,  die  sich  bisher  bis  hart  an  das  rechte 
Ufer  dieses  Flusses  erstreckten,  auf,  und  es  bleibt  zwischen  den 
wie  eine  lange  Mauer  sich  hinziehenden  Abhängen  des  Gebirges 
und  dem  Flusse  eine  durchschnittlich  V/^  Stunde  breite,  äusserst 
fruchtbare  Ebene,  die  durch  zahlreiche,  vom  Taygeton  her  dem 
Eurotas  zufliessende  Bäche  bewässert  wird,  während  auf  dem  lin- 
ken Ufer  niedrige,  meist  kahle  Anhöhen  zum  Theil  bis  unmittelbar 
an  das  Wasser  hinantreten.  Im  nördlichen  Theile  dieser  Ebene, 
die  gleichsam  der  milde  Kern  in  der  rauhen  Schale  Lakoniens  ist, 
halten  die  Dorier  zuerst  festen  Fuss  gefasst  und  sich  in  mehreren 
offenen  Weilern  [xa^ca]  angesiedelt,  die  zunächst  durch  ein  reli- 
giöses Band  —  den  gemeinsamen  Cultus  der  Artemis  Orthia,  den 
sie  jedenfalls  von  den  achäischen  Bewohnern  überkommen  hatten 
—  zusammengehalten,  allmälig  zu  einer  Stadt  zusammenwuchsen, 
welche  schon  in  ihrem  Namen  [ZTCccgta,  d.  i.  die  Zerstreute) 
ihren  von  dem  aller  anderen  griechischen  Städte  wesentlich 
verschiedenen  Charakter  zur  Schau  trug.  Das  IJaupterforderniss 
für  eine  griechische  Stadt  nämlich,  eine  schützende,  die  verschie- 
denen Gruppen  von  Gebäuden  zu  einem  Ganzen  verbindende  und 
jiach  Aussen  hhi  abschliessende  Bingmauer  mit  Zinnen,  Thürmcn 
und  Thoren,  fehlte  Sparta  bis  zum  Untergange  der  Selbständigkeit 
des  Lakonischen  Staates  gänzlich  und  die  Spartiaten  prahlten  an- 
deren Hellenen  gegenüber  gern  damit,  dass  Spartas  Männer  seine 
Mauern  seien,  ^j  Erst  unter  der  Herrschaft  des  Tyrannen  Nabis 
winde,  nachdem  man  früher  sich  mit  Anlegung  von  Pfahl  werken 
und  tiefen  Gräben  und  Erbauung  einiger  gemauerter  Schanzen  an 
den  gefährlichsten  Stellen  zur  Abwehr  der  Angriffe  des  Demetrios 


0  Thuk.  V,  55;  Xciioph.  Hell.  VI,  5,  25;  27;  Vll,  1,  28;  Polyaen. 
I,  41,  6;  Liv.  XXXIV,  26;  XXXV,  27;  Paus.  c.  10,  7  (vgl.  IV,  16,  9; 
Lucian.  De  saltat.  10);  Stcph.  Byz.  u.  KuQva:  vgl.  Rosa  a.  a.  O.  S.  176  f. 
und  über  die  verwirrte  Erzählung  bei  Vitruv.  I,  1,  5  auch  ProUer  Aus- 
gewählte Aufsätze  aus  dem  Gebiet  der  classischcn  Altcrtumswisson- 
achaft  S.  136  ff. 

')  Vgl.  Flut.  Apophtliogm.  Lac.  Agesil.  29;  Boneca  Suas.  2,  3. 


120  II.  Peloponncsos. 

Poliorketes  und  des  Pyrrhos  begnügt  hatte,  der  grösste  Tlieil  der 
Stadt  mit  einer  festen  Mauer  umgeben,  die  zwar  bald  von  den 
Achäern  zerstört,  aber  auf  Geheiss  der  Römer  wiederhergestellt 
und,  wie  die  noch  erhaltenen  bedeutenden  Reste  derselben  zei- 
gen, auch  in  der  byzantinischen  Zeit  erneuert  worden  ist.  ^)  Erst 
die  Anlage  der  Stadt  Mistra  auf  einem  Vorhiigel  des  Taygeton  eine 
Stunde  westlich  von  Sparta  durch  Guillaume  Viliehardouin  (1250) 
veranlasste  die  Verödung  der  Stadt  ^^akedämon'  oder  *Lakedä- 
monia',  wie  sie  seit  früher  byzantinischer  Zeit  genannt  wurde,'-) 
eine  Schuld,  die  heut  zu  Tage  Mistra  büssen  muss,  da  es  seiner- 
seits in  Folge  der  Erbauung  von  Neu -Sparta  im  südlicheren 
Theile  des  alten  Stadtgebietes  der  Verödung  entgegen  geht. 

Als  die  Gränzen  des  städtischen  Weichbildes,  des  Mittel- 
])unktes  für  das  politische  Leben  des  ganzen  Staates,  sind  wahr- 
scheinlich die  beiden  Oertlichkeiten  Babyka  und  Knakion  zu 
betrachten,  welche  eine  alte  von  Plutarch  (Lycurg.  6)  erhaltene 
Rhelra  als  die  Gränzen,  innerhalb  deren  die  Volksversammlungen 
{ccTtelXai)  gehalten  werden  sollen,  bezeichnet.  Ist  auch  eine 
sichere  Fixirung  dieser  Oertlichkeiten  bei  dem  Schwanken  der 
Ansichten  der  Alten  selbst  unmöglich,  so  kann  man  doch  mit 
ziemlicher  Wahrscheinlichkeit  in  der  Babyka  die  Brücke  über  den 
Eurotas,  von  welcher  sich  noch  jetzt  ziemlich  in  der  Mitte  zwi- 
schen der  Einmündung  des  Oinus  und  der  jetzigen  Stadt  Sparta 
Reste  vorfinden,  als  die  Nordgränze,  in  dem  Knakion  einen  der 
südlich  von  der  jetzigen  Stadt  von  Westen  her  in  den  Eurotas 
lliessenden  Bäche  —  entweder  den  jetzt  Panteleimon  genannten 
oder   die   etwas  weiter   nördlich   fliessende   Magula'^)   —  als    die 


1)  Vgl.  Paus.  I,  13,  6;  VII,  8,  5;  9,  5;  Liv.  XXXIV,  38;  XXXVIII, 
34;  XXXIX,  37. 

*)  AccKS^aificov  (n^TQonolig  r%  AcfnoaVL-Krjg  rj  TtQiv  ZnaQtrj  Hierokles 
Synekd.  10. 

3)  Diese  betrachten  die  neueren  Topographen  als  den  von  Paus. 
III,  18,  6  Tiaoa,  von  Athen.  IV,  p.  139''  TiaaGog  genannten  Bach, 
ohne  Grund,  da  ja  noch  verschiedene  Bäche  auf  dem  Wege  von  Sparta 
nach  Amyklä  fliessen;  dass  einem  der  südlicheren  (wahrscheinlich  dem 
Panteleimon)  der  Name  zukomme,  dafür  spricht  der  Ausdruck  bei  Athen. 
^oiii^ovGi  xci  nccidia  Big  ctyQOV.  —  Vgl.  den  Plan  von  Sparta  und  Um- 
gebung in  der  Expe'd.  de  More'e  II,  pl.  45  (grösserer  Plan  des  Terrains 
und  der  Ruinen  von  Sparta  ebds.  pl.  46),  darnach  bei  Curtius  Pel.  II, 
Tfl.  X.  und  auf  unserer  Tfl.  III. 


2.  Lakonien:  Eurolaslhal.  121 

Südgränze  erkennen.  Innerhalb  dieser  Gränzen  lagen  jedenfalls 
die  vier  alten  Komen,  aus  denen  die  Stadt  erwachsen  ist:  Linmae, 
Kynosureis  (lakonisch  KovoovQstg),  Mesoa  und  Pitana,  von  denen 
Limnae  mit  dem  alten  Heiligtum  der  Artemis  Orthia  ohne  Zweifel 
unmittelbar  am  rechten  Ufer  des  Flusses,  das  noch  jetzt  an  meh- 
reren Stellen  sumpfig  ist,  lag  und  bei  der  Ummauerung  der  Stadt 
zum  Theil  ausserhalb  der  Stadtmauern  blieb ;  ^)  Mesoa  scheint 
seinem  Namen  nach  den  mittleren  Raum,  also  hauptsächlich  wohl 
den  3Iarkt  mit  seinen  Umgebungen,  Pilana,  das  als  der  zum 
Wohnen  behaglichste  Stadttheil  bezeichnet  wird,'-^)  den  westlicheren 
und  nordwestlichen,  Kynosureis  endlich  den  südlichsten  Theil  des 
Stadtgebietes  umfasst  zu  haben.  Der  nördlichere  Theil  dieses 
Gebietes  wird  von  mehreren  ziemlich  niedrigen  Hügeln  einge- 
nommen, deren  westlichster  durch  die  Ruine  eines  an  seinen  süd- 
westlichen Abhang  angelehnten  Theaters,  welche  fast  den  einzigen 
sicheren  Anhaltspunkt  für  die  Topographie  der  alten  Stadt  bildet, 
ausgezeichnet  ist.  Die  beiden  Flügel  des  sehr  umfangreichen 
Zuschauerraumes  werden  durch  mächtige  Stützmauern  aus  Tulf- 
quadern  gebildet;  der  auf  dem  Hügel  selbst  ruhende  innere  Raum 
des  Halbkreises  ist  jetzt  ganz  mit  Erde  bedeckt,  nur  einige  grosse 
Marmorblöcke  liegen  umher,  die  einzigen  Ueberreste  der  alten 
Silzstufen,  denen  entsprechend  wohl  auch  die  Orchestra  und  der 
Unterbau  der  Bühne  sammt  dem  Scenengebäude  mit  Marmor  übcr- 
kleidet    waren, ^j    eine  Ausstattung,    die    freilich    schwerlich    der 

')  Paus.  III,  16,  9;  Strab.  VIII,  p.  363  und  ,364.  Curtius  setzt  Lim- 
nae am  weitesten  gegen  Norden,  zwischen  der  Babyka-Brücke  und  der 
Einmündung  des  Oinus,  nach  Meinekes  Ergänzung  der  lückenhaften 
Stelle  bei  Strab.  p.  364  'xara  tov  Ooqvwkcc''  (s.  Vindic.  Strabon.  p.  115): 
allein  selbst  wenn  diese  Ergänzung  sicher  wäre,  was  sie  keineswegs 
ist,  würden  diese  Worte  sich  vielmehr  auf  Mesoa,  von  welchem  Stra- 
bon dort  handelt,  als  auf  Limnaeon  beziehen.  Dass  ein  so  wichtiger 
Stadttheil  wie  Limnae  so  weit  ab  von  der  eigentlichen  Stadt  gelegen 
habe,  scheint  mir  unwahrscheinlich  und  mit  Pausanias  Schilderung  nicht 
wohl  vereinbar, 

')  Vgl.  Plut.  De  cxil  c,  Für  die  Lage  von  Pitana  westlich  vom 
Markte  zeugt  Paus.  c.  11,  J;  die  Ansotzung  desselben  im  Norden  'im 
Flussthale  aufwärts  bis  in  die  Nähe  des  Oinus'  (Curtius  Pelop.  11,  S. 
231)  beruht  nur  auf  einem  Missverständniss  der  Stelle  des  Athen.  I, 
|.    31«=;  vgl.  oben.  8.  116,  Anm.  3. 

^)  Dass  der  ganze  Bau  mit  Marmor  bekleidet  war,  zeigt  der  Aus- 
druck de«  Paus.  c.  14,  1:   ro  ^iargov   Xi^ov  Xivv.ov  ^f'crg  (v^tov;  das» 


122  II.  Pcloponnesos. 

älteren  Zeit  angehört,  wo  das  Theater  mehr  zu  den  VVcttkampfen 
der  Chöre  an  den  Gymnopädien  und  Ilyakinthien  als  zu  diama- 
tischen  Auflührungen,  welche  der  altspartanischen  Zucht  und  Sitte 
widerstrehten ,  benutzt  wurde.  ^)  Unmittelbar  neben  und  über 
dem  Theater,  ja  selbst  innerhalb  desselben  findet  man  zahlreiche 
Ruinen  mittelalterlicher  Gebäude,  Ueberreste  der  mittelalter- 
lichen Stadt  Lakedämonia,  welche  auf  diesen  Hügel  und  die  zu- 
nächst östlich  davon  gelegene  Fläche  beschränkt  gewesen  zu  sein 
scheint.  Derselben  gehört  auch  wenigstens  zum  weitaus  grössten 
Theile  die  Mauer  an,  welche  man  mit  einigen  Unterbrechungen 
rings  um  den  Hügel  verfolgen  kann;  nur  einige  Stücke  derselben 
scheinen  noch  aus  dem  Altertum  zu  stammen,  d.  h.  aus  der  Zeit, 
wo  die  früher  offene  Stadt  mit  einer  Ringmauer  versehen  und 
wahrsclieinlich  zugleich  die  bis  dahin  nur  sacralen  Zwecken  die- 
nende Akropolis  befestigt  wurde.  Die  geräumige,  terrassenförmig 
absteigende  obere  Fläche  dieses  Hügels  nämlich,  welche  jetzt  ganz 
mit  hohem  Schutt  bedeckt  ist,  aus  dem  nur  einzelne  alte  Bau- 
trümmer, wie  namentlich  die  durch  einen  grossen  Steinbalken 
gebildete  Oberschv\elle  einer  Thüre  mit  den  obersten  Theilen  der 
Seitenpfosten  hervorragen,^)  wurde  im  Altertum  von  den  Heilig- 
tümern der  Gottheiten,  unter  deren  besonderem  Schutze  die  Stadt 
stand,  eingenommen  und  wohl  nur  aus  diesem  Grunde  —  denn 
eine  fortificatorisdie  Bedeutung  hat  der  Hügel  wenigstens  in  den 
älteren  Zeiten  nicht  gehabt^)  —  der  von  der  Ebene  aus  keines- 
wegs ansehnliche  Hügel  als  Akropolis  der  Stadt  bezeichnet  (Paus, 
c.  17,  1).  Das  angesehenste  unter  diesen  Heiligtümern  war  das 
der  Athene  Poliuchos  oder,  wie  die  Göttin  gewöhnlich  nach  dem 


das  erhaltene  Mauerwerk  aber  nicht  aus  Marmor,  sondern  aus  Tuffstein 
aufgeführt  ist,  kann  ich  aus  eigener  Anschauung  bestätigen.  Plan  des 
Theaters  Exped.  de  More'e  II,  pl.  47;  Wieseler  Theatergebäude  Tfl.  I, 
19  und  Tfl.  III,  k. 

1)  Vgl.  Herod.  VI,  67  (wo  freilich  die  Erwähnung  des  Theaters  in 
der  ersten  Zeit  der  Regierung  des  Königs  Leotychides,  um  490,  ein 
Anachronismus  ist);  Plut.  Ages.  29;  Athen.  IV,  p.  139«';  Luc.  Anach.  38. 

2)  Wie  Vischer  (Erinnerungen  S.  376)  habe  auch  ich  nur  e~ine 
solche  Thüre  bemerkt,  während  Leake  (Travels  in  Morea  I,  p.  156) 
und  Gell  (Journey  p.  330)  zwei  gesehen  haben, 

3)  Später  befand  sich  die  Burg  des  Nabis  auf  demselben:  s.  Liv. 
XXXV,  36. 


2.  Lakonicn:  Eurotasllial.  123 

Erzschmuck,  mit  welchem  die  inneren  Wände  ihres  Tempelhauses 
hekleidet  waren,  genannt  wird,  Chalkioikos,  dessen  erste  Stiftung, 
von  der  Tradition  dem  Tyndareos  beigelegt,  jedenfalls  noch  in 
die  achäische  Zeit  zurück  reicht;  der  Tempel  wie  ihn  noch  Pau- 
sanias  (c.  17,  2  f.)  sah,  mit  dem  altertümlichen  Erzbild  der  Göttin 
und  den  die  Cellawände  bedeckenden  Erzplatten  mit  zahlreichen 
Reliefdarstellungen,  war  ein  Werk  des  alten  lakedämonischen  Erz- 
bildners Gitiadas.  Wahrscheinlich  innerhalb  desselben  Peribolos 
lag  ein  zweites  Heiligtum,  in  welchem  Athene  als  Ergane  verehrt 
wurde;  die  Umfriedigung  des  ganzen  Bezirkes  wurde  durch  Hallen 
gebildet,  von  denen  die  an  der  Südseite  mit  einem  Heiligtum 
des  Zeus  Kosmetas  in  Verbindung  stand,  während  die  an  der 
Westseite  Weihgeschenke  zur  Erinnerung  an  die  .Seesiege  des 
Lysandros  enthielt.  Neben  dem  Altare  der  Chalkioikos  standen 
zwei  Statuen  des  Pausanias,  der  bekanntlich  in  diesem  Hei- 
ligtume  seinen  Tod  gefunden  hatte,  in  der  Nähe  derselben 
Bilder  der  Aphrodite  Ambologera,  des  Hypnos  und  Thanatos. 
Zur  Rechten  des  Tempels  sah  man  eine  Erzstatue  des  Zeus  Hy- 
patos  neben  einem  wohl  zeltartigen  Gebäude  (dem  sogenannten 
Skenoma),  dessen  Bestimmung  wir  nicht  kennen,  zur  Linken  ein 
Heiligtum  der  Musen,  hinter  dem  Tempel  (der  Chalkioikos)  einen 
Tempel  der  Aphrodite  Areia  mit  sehr  altertümlichen  Schnitz- 
bildern. ^)  Diese  Gruppe  von  Heiligtümern  scheint  den  mittleren 
und  westlicheren  Theil  der  oberen  Fläche  des  Hügels  eingenommen 
zu  haben;  an  der  Ostseite,  wo  der  Weg  nach  dem  sogenannten 
Alpion  (wahrscheinlich  dem  im  Nordosten  an  den  Burghügel  sich 
anschliessenden  Hügel)  führte,  lag  das  angeblich  von  Lykurgos 
gestiftete  Heiligtum  der  Athena  Optilitis  (oder  Ophthalmitis),  weiter 
gegefi  Norden  Heiligtümer  des  Annnon  und  der  Artemis  Knagia.*^) 


')  Paus.  c.  17,  4  ff.  Eine  Darstellung  des  Cultbildcs  der  Athena 
Poliuchos  geben  Münzen  von  Sparta:  s.  O.  Jahn  De  anti<|uissiini8  Mi- 
uervao  siraulacris  atticis  (ßonn  186G).t.  IH,  n.  6. 

*)  Paus,  et  18,  2  88,;  Plut.  Lycurg.  11;  Apophthegm.  Lac.  Lycurg. 
7  (wo  x6  zfjg  XctlxiOLiiOv  rifievog  wohl  den  ganzen  Burghiigel  bezeiclinet: 
vgl.  unten  hJ.  126,  Anm.  2).  Die  Gründungslegcnde  des  Heiligtiuns  der 
'J&rjvci  'OmiXttis  (denn  so,  nicht  'OntiXitig^  ist  der  IJeinamo  mit  Lo- 
beck Pathol.  8.  Gr.  p.  119  zu  schreiben)  oder  'Oqp-O^aZfttTtg  ist  oflV^nbur 
eben  nichts  als  eine  Legende  und  bezeichnet  der  lieiname  die  Göttin 
einfach  als  die  'scharfblickende',  der  '^-U.  Vl^üdf^xco  in  Argos  (vgl. 
oben  Ö.  66)  entsprqcheud.  ;Der  Beiname  der  Artemis  Äfayta.ist  wohl 


124  II.  Peloponiiesos. 

Am  östlichen  Fusse  des  Burghiigels  zog  sich  die  Agora  hin,  ein 
umfangreicher  PlaJz,  dessen  schönsten  Schmuck  die  aus  der  Beute 
der  Perserkriege  erbaute,  später  erweiterte  und  verschönerte 
persische  Halle  bildete,  an  welcher  Marmorstatuen  persischer 
Heerführer  an  oder  über  den  Säulen  als  Träger  des  Gebälkes 
angebracht  waren J)  Ferner  lag  am  Markte  das  Rathhaus,  worin 
der  Rath  der  Alten  (die  Gerusia)  seine  Sitzungen  hielt,  die  Amts- 
locale  der  Ephoren  (ein  älteres,  die  sogenannten  d^x^^^^  e(poQ£tc)c, 
mit  Grabmälern  des  Epimenides  und  Aphareus,  und  ein  neueres), 
der  Nomophylakes  und  der  Bidiäer,  Tempel  des  Julius  Caesar  und 
des  Augustus  und  Heiligtümer  (wohl  blosse  Altäre,  höchstens  mit 
kleinen  Capellen  für  die  Cultbilder)  der  Ge  und  des  Zeus  Agoraeos, 
der  Athena  Agoraea  und  des  Poseidon  Asphaüos,  des  Apollon  und 
der  Hera,  der  Moiren  mit  dem  Grabe  des  Orestes.  Der  freie 
Raum  zwischen  diesen  Gebäuden  war  hauptsächlich  für  den  Markl- 
verkehr,  ein  Theil  (der  mit  den  Statuen  der  delphischen  Gottheiten 
geschmückte  Choros)  zur  Aufstellung  der  Chöre  der  Jünglinge 
an  den  Gymnopädien  bestimmt.-) 

Vom  Markte  aus  führte  eine  breite  Strasse,  die  Aphetais 
(Corso),  in  südlicher  Richtung  bis  zum  südlichen  Ende  der  Stadt, 
wo  sich  als  Fortsetzung  an  sie  die  nach  Amyklae  führende  Hya- 
kinlhische  Strasse  anschloss.  Die  eine  Ecke  des  Marktes  und  der 
Aphetais  bildete  das  Amtshaus  der  Bidiäer,  die  andere  (westliche) 
wahrscheinlich  ein  Booneta  genanntes  Gebäude,  hinter  welchem, 
von  der  Strasse  seilab  gegen  Westen,  ein  Heiligtum  des  Asklepios, 
weiter  gegen  das  Theater  hin  ein  Heiligtum  des  Poseidon  Gene- 
thlios  lag. -^j     Auf  das  Amtshaus  der  Bidiäer  folgte  das  Heiligtum 

ebenso  wie  die  derselben  Göttin  zukommenden  Beinamen  Kvccnsarig  (in 
der  Tegeatis  nahe  der  Lakonischen  Gränze:  Paus.  VIII,  53,  11)  und  Kva- 
yialrjOta  (vom  Berge  Knakalos  bei  Kaphyä  in  Arkadien;  Paus.  ebd. 
23,  3)  von  yiv^yiog  (Saflor)  herzuleiten  und  auf  die  fahle  Farbe  des 
Mondliehts  zu  beziehen. 

•)  Paus.  c.  11,  3;  Vitruv.  I,  1,  6:  ob  die  Halle  ein-  oder  zweistöckig- 
war,  ist  aus  beiden  Stellen  nicht  sicher  zu  erkennen.     • 

2)  Vgl.  über  die  Spartanische  Agora  Paus.  c.  11 ,  2  ff.  und  Xenoph. 
Hellen.  III,  3,  5  ff. 

3)  Paus.  c.  12,  1  if. ;  c.  15,  10.  Der  'Name  BocSvrjta,  welchen  Paus, 
von  den  als  Kaufpreis  für  das  Haus  gegebenen  Rindern  herleitet  "(vgl. 
Hesych.  u.  d.  W.),  dürfte  wohl  eher  das  Amtslocal  der  ßomvKi,  d.  h.  der 
Beamten,  welche  die  Opferthiere  für  die  Staatsopfer  einzukaufen  hat- 
ten, bezeichen,  — 'OSos'Tccmvd^cg  Athen.  IV  p.  173 f. 


2.  Lakonien  :  Eurotasthai.  125 

der  Alhena  Keleutheia,  dann  zu  beiden  Seiten  der  Strasse,  die 
durch  einen  freien  Platz,  das  sogenannte  Ilelienion,  unter- 
brochen wurde,  verschiedene  Heroengräber  und  Heiligtümer,  unter 
denen  das  der  Diktynna  das  südlichste,  liart  an  der  späteren 
Stadtmauer  gelegen  war:  nach  demselben  wurde  die  von  der 
jetzigen  Stadt  Sparta  eingenommene  Anhöhe  Diktynnaeon  ge- 
nannt. ^) 

Eine  andere  Strasse  gieng  wahrscheinlich  in  östlicher  Richt- 
ung vom  Markte  ab  bei  der  sogenannten  Skias,  einem  von 
Theodoros  von  Samos  wohl  bald  nach  Olympiade  26  erbauten, 
ursprünglich  für  musikalische  Aufführungen  bestimmten,  später 
zu  Volksversammlungen  benutzten  Gebäude  mit  schirmförmigem 
Dache;-)  in  der  Nähe  desselben  stand  ausser  einigen  Heroen- 
gräbern ein  Rundgebäude  mit  Statuen  des  Zeus  Olympios  und 
der  Aphrodite  Olympia,  diesem  gegenüber  ein  Tempel  der  Kora 
Soleira;  dann  folgte  das  Heiligtum  einer  der  Hauptgottheiten 
Spartas,  des  Apollon  Karneios,  der  durcli  den  Reinamen  Oiketas 
als  der  Schutzgott  jedes  Sparlialischen  Hauses  bezeichnet  wurde. ^) 
Den  Abschluss  der  Strasse  bildete  ein  viereckiger  von  Hallen 
umgebener  Platz  mit  Altären  des  Zeus,  der  Athene  und  der  Dios- 
kuren,  die  sämmtlich  unter  dem  Beinamen  'Ambulioi',  also  als 
Schutzgötter  von  Berathungen  (wahrscheinlich  der  (ierusia),  die 
vor  Errichtung  eines  besonderen  Gebäudes  dafür  hier  stattgefun- 
den haben  mögen,  verehrt  wurden;  in  den  Hallen  wurden  in 
alterer  Zeit  Quincailleriewaaren  und  allerhand  Kleinkram  verkauft. 
In  der  Nähe  dieses  Marktes  stand  auf  einem  Kolona  genannten 
Platze  ein  Tempel    des  Dionysos  Kolonatas   und  nicht  weit  davon 


1)  Paus.  c.  12,  4  ff.;  Liv.  XXXIV,  ;^>8.  Das  'En7]viov  war  wohl 
dei*  Versaniinlungsplatzi  für  die  Abgeordneten  der  zur  Spartanischen 
Symmachie  gehörigen  Staaten.  Zu  dem  von  Paus.  e.  l'i,  5  erwähnten 
Heiligtum  des  Poseidon  Taenarios  gehörte  jedenfalls  das  aus  Inschriften 
bekannte  Collegium  der  Tuivuqioi:  s.  Annali  dell'  Jnstit,  vol.  XXXIII, 
p.  41   88. 

«)  Paus.  c.  12,  10;  Etym.  M.  p.  717,  ;)G.  Die  Heliauptung  Pyls  (Die 
griechischen  Kundbauten  im  Zusammenliang  mit  dem  Götter-  und  He- 
roen<;ultus  erläutert,  Greifswald  1861,  S.  92  rt'.),  dass  die  Skias  ein 
Tempel  der  Hestia  gewesen  sei,  stützt  sich  auf  keine  irgend  ausreich- 
enden Gründe. 

3)  Paus.  c.  i:i,  :\  f.;  vgl.  C.   I.  pr.  n.   1440. 


12G  II.  Peloponnesos. 

oin  Ileiligtiim  des  Zeus  Euanemos,  rechts  davon  auf  einem  Hügel 
ein  Tempel  der  Argivisclien  Hera  und  ein  Heiligtum  derselben 
Göttin  mit  dem  Beinamen  Hypercheiria ,  der  von  dem  Schutze, 
welchen  sie  der  Stadt  hei  einer  Ueherschvvemmung  hatte  ange- 
deihen  lassen,  hergeleitet  wurde.  Wahrscheinlich  ist  Kolona  die 
östlich  vom  Burghügel  bis  nahe  an  den  Eurotas  sich  hinziehende 
Anhöhe,  auf  deren  östlichstem  Vorsprunge  jetzt  die  Ruine  eines 
kreisförmigen  Bauwerkes  aus  Backsteinen,  also  jedenfalls  aus 
römischer  Zeit,  steht,  das  wegen  seines  geringen  Umfanges  eher 
fOr  ein  zum  Temenos  des  Dionysos  (dessen  zum  Bezirk  Limnae 
gehöriger  Tempel  am  östlichen  Fusse  der  Anhöhe  gelegen  zu 
haben  scheint)  gehöriges  Odeion  als  für  ein  Amphitheater  zu  hal- 
ten ist;  der  Hügel  der  Hera  wird  in  der  südlich  von  da,  unge- 
fähr dem  Eurotas  parallel  laufenden  Anhöhe  zu  erkennen  sein.  ^) 
Eine  dritte  Strasse  führte  vom  Markte  westwärts  zunächst 
nach  dem  Theater,  in  dessen  Nähe  sich  Grabdenkmäler  des  Bra- 
sidas,  des  Pausanias  und  des  Leonidas  befanden,  dann  zu  einem 
^Theomelida'  (woM  nach  einem  frühern  Eigentümer  des  später 
vom  Staate  acquirirten  Grundstückes)  genannten  Platze,  welcher 
als  Begräbnissstätte  für  die  Könige  aus  der  Familie  der  Agiaden 
diente,  während  die  Eurypontiden  ihren  Begräbnissplatz  am  süd- 
lichen Ende  der  Aphetais  in  der  Nähe  des  Heiligtums  der  Dik- 
tynna  hatten.  ^)  Dieser  Platz,  in  dessen  Nähe  ausser  verschiedenen 
Heiligtümern  dasVersainmlungshaus(die  Lesche)  der  Krotanen,  einer 
Unterabtheilung  der  PHanatischen  Phyle  lag,  erstreckte  steh  wahr- 
scheinlich westlich  oder  nordwestlich  vom  Theater  bis  zur  Gränze 
der   Stadt,   also  in   der  späteren  Zeit   bis  zur  Bingmmier;  das  in 


^)  Paus.  c.  13,  6  iF.  Das  Jiovvaiov  auf  der  Kolona  erwähnt  nebst 
dem  in  der  Nähe  desselben  gelegenen  Hause  der  Hetäre  Kottina  auch 
Polemon  bei  Athen.  XHI,  p.  574'':  to  tov  zliovvoov  tsgöv  fv  ÄLfivccig 
Strab.  Vni,  p.  363.  Plan  der  Ruine  des  röm.  Rundgebäudes  Expe'd.  de 
Moree  H  pl.  48,  1. 

2)  Paus.  c.  14,  2  (für  den  Namen  vgl.  Keil  Analecta  epigr.  p.  236) 
und  c.  12,  8;  vgl.  Hesych.:  'Ayiccdai  xoTcog  sv  AccnsSatfiovL  und  C.  Wachs- 
muth  in  den  Jahrb.  f.  Philol.  Bd.  97  (1868)  S.  3.  Da  nach  Thukyd.  I, 
134  das  Grab  des  Pausanias  (das  von  dem  bei  Paus,  erwähnten  (ivrjfiu 
doch  wohl  nicht  zu  trennen  ist)  im  7tQ0t8fi8vi6(icc  der  Chalkioikos  ~sich 
befand,  so  muss  auch  das  Theater  mit  dem  zunächst  südlich  davon  ge- 
legenen Räume  zum  Temenos  der  Chalkioikos  im  weiteren  Sinne  ge- 
hört haben. 


2.  Lakonien:  Eurotasthai.  127 

der  Nähe  jener  Lesche,  aber  schon  ausserhalb  des  Stadtviertels 
Pitana  gelegene  Issorion  mit  dem  Tempel  der  Artemis  Issoria 
(oder,  wie  sie  auch  genannt  wurde,  Limnaea)  muss  einer  der 
westlich  oberhalb  des  Hohlweges,  durch  welchen  der  Weg  von 
der  Brücke  über  den  Eurolas  nach  dem  Dörfchen  Magula  führt, 
sich  erhebenden  Hügel  sein,  i)  Durch  diesen  Hohlweg  geht  offen- 
bar Pausanias,  dessen  Führung  wir  bisher  für  die  Topographie 
der  alten  Stadt  gefolgt  sind,  von  der  Begräbnissstätte  der  Agiaden 
nach  dem  Dromos,  einem  geräumigen  für  die  Uebungen  der 
Jugend  im  Wettlauf  bestimmten  Platze,  auf  welchem  zwei  Gym- 
nasien lagen:  ein  älteres,  und  ein  neueres,  welches  C.  Julius  Eu- 
rykles  (vgl.  oben  S.  15)  der  Stadt  zum  Geschenk  gemacht  hatte. 
Der  Platz  dieser  Bennbahn  kann  nur  in  der  Niederung  zwischen 
dem  Eurotas  und  den  nördlich  vom  Burghügel  nach  diesem  sich 
hinziehenden  Anhöhen  (wahrscheinlich  nördlich  von  dem  Vor- 
sprung, auf  welchem  die  Buine  des  römischen  Odeion  steht)  ge- 
wesen sein,  so  dass  dieselbe  zu  dem  Stadtviertel  Limnae  gehörte.-) 
Bis  zum  Flusse  hin  kann  sich  der  Dromos  nicht  erstreckt  haben, 
da  Pausanias  (c.  15,  6)  eine  von  demselben  nach  Osten  sich  hin- 
ziehende Strasse,  von  welcher  rechts  ab  ein  Seitenweg  zu  einem 
Tempel  der  Athene  Axiopoinos  führte,  erwähnt.  Südlich,  wie  es 
scheint,  vom  Dromos  lag  ein  von  Platanen  umgebener,  daher  P la- 
ta nistas  genannter  Platz,  der  inselartig  ringsum  von  einem  brei- 
ten Wassergraben,  über  welchen  zwei  Brücken  führten,  umschlossen 
war:  hier  hielten  die  Spartanischen  Jünglinge,  in  zwei  Bolten 
gelheilt,  nachdem  sie  Tags  vorher  in  dem  ausserhalb  der  Stadt 
in  der  Nähe  von  Therapne  (aber  wohl  auf  dem  rechten  Ufer  des 
Eurotas)  gelegenen  Phoibaeon  geopfert  hatten,  grossartige  Katz- 
balgereien, wobei  sie  mit  Händen,  Füssen  und  Zähnen  übereinander 


*)  Paus.  c.  14,  2  f.;  Plut.  Agcs.  32;  Polyaen.  Hr  1,   U;  Steph.  Byz. 

'')  Wenn  Curtius  (S.  2.^5)  den  Dromos  zu  Pitune  rechnet,  weil  Mo- 
nelaos,  dessen  Haus  Pausanias  (c.  14,  6)  in  der  Nähe ,  aber  ausserliulb 
des  Dromos,  gegen  die  an  dem  einen  Einpano;  zum  Platanistas  aufg-o- 
stellte  Statue  des  Herakles  hin  erwähnt,  nacli  Hesych.  u.  TliTCivcctrjs 
ein  Pitanate  gewesen  sei  und  weil  Hesych.  ebds.  von  einem  in  Pitanc 
abgelialtenen  gymnischen  Agon  spreche,  so  sclieint  mir  der  erstcre 
G'nind  nichts  zu  beweisen,  der  Agon  aber  auf  das  zu  Pitnne  gehörig^ 
Tlicator  liezogon  wordfMi  zn   niiissen. 


128  n.  Peloponnesos. 

herfielen J)  Längs  des  Grabens  zog  sich  an  einer  Seite  (wabr- 
scbeinlicli  der  südlichen)  eine  Säulenhalle  hin,  hinler  welcher  ver- 
schiedene Gräber  von  Männern,  welche  Heroencult  genossen,  ein 
Grabdenkmal  des  Dichters  Alkman  und  Heiligtümer  der  Helena 
und  des  Herakles  (letzteres  nahe  an  der  südlichen  Stadtmauer) 
lagen. 

Ausser  den  bisher  erwähnten  führt  uns  Pausanias  (c.  15, 
8  ff.)  noch  zu  einer  beträchtlichen  Anzahl  denkwürdiger  Gebäude 
innerhalb  der  Ringmauern  Spartas,  deren  Standort  nicht  näher 
zu  bestimmen  ist.  Solche  sind,  um  nur  die  wichtigeren  hervor- 
zuheben, die  'bunte  Halle'  {^eöxrj  itoLmkri)',  das  Heiligtum  der 
Hera  Aegophagos;  ein  auf  einem  Hügel  gelegener  altertümlicher 
Doppeltempel  der  Aphrodite,  in  dessen  unterem  Stockwerk  ein 
Holzbiid  stand,  welches  die  Göttin  bewaffnet  darstellte,  während 
in  dem  oberen  ein  ebenfalls  hölzernes  Bild  dieselbe  unter  dem 
Beinamen  Morpho  sitzend,  einen  Spiegel  in  der  Hand  und  Fes- 
seln an  den  Füssen  zeigte;  ein  Heiligtum  der  Leukippiden;'*) 
endlich  im  Bezirk  Limnae  das  Heiligtum  der  Artemis  Orthia  und 
in  dessen  Nähe  ein  Heiligtum  der  Eileithyia. 

Die  nördlich  von  der  eigentlichen  Stadt  über  den  Eurotas 
führende  Brücke,  zu  welcher  man  an  einem  Heiligtume  der 
Athena  Alea^)  und  weiterhin  an  einem  HeiUgtume  des  Zeus  Plu- 
sios  vorübergieng,  verband  Sparta  im  engeren  Sinne  mit  der  auf 
einer  steilen  Anhöhe  über  dem  linken  Fiussufer  gelegenen,  öfter 
auch  mit  zu  Sparta  gerechneten  Ortschaft  Tlierapne,  welche 
durch  die  Sage   berühmt  war   als   Wohnsitz   der  Dioskuren,    der 


^)  Paus.  c.  14,  8  SS.;  vgl.  Lucian.  Anacb.  38;  Cic.  Tusc.  V,  27,  77. 
Dass  das  auch  bei  Paus.  c.  20,  2;  Herod.  VI,  61  und  Liv.  XXXI V,  38 
erwähnte  Phoibaeon  noch  auf  dem  rechten  Ufer  des  Flusses  gelegen 
habe,  ist  daraus  zu  folgern,  dass  dasselbe  nach  Paus.  a.  a.  O.  nicht 
weit  vom  Heiligtum  des  Poseidon  Gaeaochos  entfernt  war,  das  nach 
Xen.  Hell.  VI,  5,  .30  (wo  der  dazu  gehörige  Hippodrom  erwähnt  wird) 
auf  dem  rechten  Ufer  angesetzt  werden  niuss.  Ob  der  von  Liv.  a.  a.  O. 
erwähnte  Platz  Heptagonias  {tmcc  ycoviai)  an  der  Südwestseite  der 
Stadt  zu  suchen  sei,  wie  Curtius  annimmt,  ist  nicht  wohl  zu  entscheiden. 

2)  Vgl.  Plut.  Q.  gr.  48,  nach  welcher  Stelle  daneben  eine  Capelle 
des  Odysseus  stand. 

^)  Paus.  c.  19,  7  spricht  nur  von  einem  Xoanon  der  Göttin;  aber 
aus  Xen.  Hell.  VI,  5,  27  ergiebt  sich,  dass  es  ein  Heiligtum  mit  einem 
geräumigen  Temenos  war. 


2.  Lakonien:  Eurotasllial.  129 

Helena  und  des  Menelaos:  von  dem  Heiligtum  der  beiden  letzteren, 
nach  welcliem  öfter  der  ganze  Hügelzug  Menelaion  benannt 
wurde,  haben  sich  auf  dem  nordöstlichsten  Theile  der  Anhöhe 
noch  Spuren  gefunden.  ^) 

Die  schöne  Ebene  südlich  von  Sparta,  deren  westlichster 
Theil  zunächst  dem  Fusse  des  Taygeton  jetzt  bis  nach  Xerokampi 
hinab  mit  Oel-  und  Maulbeerbaumpflanzungen  bedeckt  ist,  war 
in  der  altachäischen  Zeit  von  mehreren  wohlbefestigten  und  blii- 
lienden  Städten  eingenommen,  die  durch  die  dorischen  Eroberer 
gebrochen,  später  theils  ganz  verschwunden  waren,  theils  als  offene 
Dörfer  fortbestanden.  Die  bed(!utendste  darunter  war  das  nur 
20  Stadien  südlich  von  Sparta  anmutig  zwischen  Baumpilanzungen 
und  Fruchtfeldern  gelegene  Amyklae,*)  das  nach  der  Gründung 
Spartas  noch  etwa  zwei  Jahrhunderte  lang  als  Hauptsitz  der 
achäisch-minyischen  Bevölkerung  mit  einer  gewissen  Selbständig- 
keit fortbestand,  dann,  als  es  durch  den  spartanischen  König  Ta- 
ieklos  und  den  Aegidcn  Timomachos  erobert  und  seine  Mauern 
geschleift  worden  waren,  durch  seinen  von  den  Spartanern  zu 
einer  Art  Nationalheiligtum  erhobenen  Apollontempel,  wohl  auch 
durch  den  Gewerbfleiss  seiner  Bewohner,  eine  über  die  Gränzen 
Lakoniens  hinausreichende  Berühmtheit  sich  bewahrte.^)  Seine 
Stelle  ist  ohne  Zweifel  ein  ^/^  Stunden  südlich  von  Sparta,    etwa 


')  Paus.  c.  19,  9;  Polyb.  V,  18  fF.  u.  a.;  vgl.  Ross  Archaeolog.  Aufs. 
II,  S.  Ji41  ff.  Das  Cultbild  der  Helena  scheint  nacligebildet  auf  einigen 
lleliefs  zwischen  den  Diosknren:  s.  Annali  deir  inst.  XXXIII,  tav. 
(Pagg.  D. 

2)  Polyb.  V,  19.  Der  Name  würde  als  'die  Anmutige'  zu  doutuii 
sein,  wenn  auf  die  Glosse  des  Ilcsych.:  (x^vv.Xig'  ykvnvg,  rjöug  Ver- 
lass  wäre. 

8)  Paus.  c.  2,  6;  Schol.  Pind.  Isthm.  VII,  18.  Das  bei  den  röm. 
])ichtern  sprichwörtliche  ^schweigende  Amyclae'  (vgl.  Serv.  ad  Verg. 
Aen.  X,  664;  llertzberg  Rhein.  Mus.  XIII,  S.  039  f.)  hat  nichts  mit  der 
lakon.  Stadt  zu  thun,  «ondern  betrifft  das  altlatinischc  Amunclae. 
—  Für  Züchtung  trefflicher  Jagdhunde  in  Am.  zeugt  Simonid.  fr.  29 
liergk;  ob  aus  Ovid.  Rem.  amor.  707  auf  Wollfürbereien  in  Am.  zu 
schliesscn  aei,  ist  wegen  «hrs  freieren  Gebrauches  geographischer  Namen 
lici  röm.  Dichtern  (Amyclacus  für  Laconicus)  unsicher;  ebenso  ab  die 
i?enonnung  einer  Art  feiner  Schuhe  dfiVKlatäss  {VnW.  VII,  88;  llesych. 
M.  d.  \V.)  oder  «ftvxXat  (Thcocr.  X,  35  c.  scliol.)  V(»u  der  Stadt  als  dem 
N'crfertigungsorte  derselben  herzuleiten  sei. 

UL'ftSIAN,    (;K0UU.    II.  9 


130  II.  Peloponnesos. 

10  Minuten  wcstlicli  vom  Eurotas  enlfernter  Hügel,  auf  dessen  Gipfel 
eine  Capelle  der  Ilagia  Kyriaki,  am  nordöstlichen  Fusse  ein  kleines 
Dörfchen  Tschausi  steht;  am  östlichen  Rande  des  Gipfels  sind  noch 
Uehcrreste  einer  aus  mächtigen  Werkstücken  erhauten  Ringmauer 
—  jedenfalls  der  durch  Taleklos  geschleiften  Rurgmauern  —  er- 
halten. ^)  Aher  nicht  nur  die  Rurg  von  Amyklae  lag  auf  diesem 
Hügel,  sondern  meiner  üeberzeugung  nach  auch  das  Heiligtum 
des  Apollon,  dessen  Tempelhaus  mit  dem  etwa  45  Fuss  hohen 
auf  dem  Grabe  des  Hyakinthos  stehenden  altertümlichen  Erz- 
hilde und  der  von  Rathykles  aus  Magnesia  in  P'orm  eines  Thron- 
sessels erbauten  Capelle  um  dasselbe  wohl  die  etwas  niedrigere  nord- 
westliche Fläche  des  Gipfels  des  Hügels  einnahm,  von  welcher 
das  Temenos  des  Gottes  sich  wahrscheinlich  am  nördlichen  Ab- 
hänge des  Hügels  hinabzog,  wahrend  das  Dorf  Amyklae,  dessen 
Tansanias  erst  nach  der  Schilderung  des  Heiligtums  gedenkt 
(c.  19,  6),  am  südlichen  Fusse  des  Hügels  sich  ausbreitete."^)  Mit 
der  Stadt  verband  das  Heiligtum  die  über  die  Räche  Tiasa  (vgl. 
oben  S.  120,  Anm.  3)  und  Phellias  (wohl  den  Räch  von  Rivlo- 
tissa :  vgl.  Paus.  c.  20,  3)  hinwegführende  Hyakinthische  Strasse 
(S.  124,  Anm.  3),  auf  welcher  alljährlich  am  Feste  der  Hyakin- 
Ihien  im  lakonischen  Monat  Hekatombäeus  (Julius)  fast  ganz 
Sparta  in  festlichem  Zuge  zur  Theilnahme  an  dem  im  Temenos 
des  Heiligtums  gefeierten  Agon  strömte.  ^)  An  der  südlichen  Fort- 
setzung dieser  Strasse,  der  Hauptverbindung  des  mittleren  Euro- 
tasthales  mit  dem  Meere,  lag  die  altachäische  Stadt  Pharis  oder 
Pharae,  die  in  den  ersten  Zeiten  nach  der  dorischen  Erober- 
ung  der   Sitz    eines   der   fünf  Periökenkönige  (vgl.  oben  S.  110), 


^)  Vgl.  besonders  Vischer  Erinnerungen  S.  381  f.  und  Michaelis 
Annali  XXXIII,  p.  48  s. 

2)  Gegen  die  Ansetzung  des  Amyklaeon  bei  dem  durch  die  slavi- 
schen  Eroberer  des  Peloponnes  aus  den  Trümmern  alter  Ortschaften  der 
Umgegend,  besonders  wohl  Bryseaes,  gegründeten,  eine  halbe  Stunde  süd- 
östlich von  h.  Kyriaki  gelegenen  Slavochori  spricht,  dass  Pausanias,  der 
doch  von  Sparta  herkommt,  erst  das  Heiligtum  und  dann  erst  die  Kome 
Amyklae  erwähnt,  sowie  dass  Polyb,  V,  19  das  Temenos  des  Apollon 
ausdrücklich  in  dem  20  Stadien  von  Sparta  entfernten  Amyklae  ansetzt. 
Die  neuere  Literatur  über  den  von  Paus.  c.  18,  9  ff.  ausführlich  be- 
schriebenen Thron  s.  in  Paulys  Realencycl.  d.  cl.  Altert.  I,  1,  S.  927 
der  2.  Auflage. 

3)  Vgl.  Strab.  VI,  p.  278;  Athen.  IV,  p.  139  ^ 


2.  Lakonien;  Eiirotasllial.  131 

dann,  nachdem  die  alte  Bevölkerung  ausgewandert,  verlallen  und 
zu  Pausanias  Zeit  ganz  unbewohnt  war.  ^)  Ihre  Stelle  ist  wenig- 
stens mit  Wahrscheinlichkeit  bestimmt  durch  die  Entdeckung  eines 
unterirdischen  Kuppelbaues  in  einem  Hügel  bei  dem  verödeten 
Dörfchen  Vaphio^),  der  ohne  Zweifel  ebenso  wie  die  analogen 
Bauten  in  Mykenae,  Orchomenos  und  Pharsalos  als  ein  altachäi- 
sches  Königsgrab  zu  betrachten  ist  und  die  Existenz  einer  alt- 
achäischen  Stadt  in  dieser  Gegend  ausser  Zweifel  stellt,  die  frei- 
lich dem  nur  etwa  ^/^  Stunde  von  hier  entfernten  Amyklae, 
das  ja  auch  der  Sitz  eines  besonderen  achäischen  Königs  war, 
sehr  nahe  lag.  Die  ebenfalls  zu  Pausanias  Zeit  bis  auf  einen 
Tempel  des  Dionysos  verödete  Ortschaft  Bryseae  lag  offenbar 
in  der  quellenreichen  Gegend  westlich  von  dem  zum  Theil  wohl  aus 
ihren  Trümmern  erbauten  Slavochori,  in  der  Nähe  der  Dörfer 
Katzaru  und  Sinanbei,  wo  sich  noch  Reste  eines  antiken  Tempel- 
gebäudes erhalten  haben;  nordwestlich  davon,  wahrscheinlich  bei 
dem  von  üppigem  ßaumwuchs  umschatteten  Dorfe  Hagios  loannis 
am  Fusse  des  Taygeton,  stand  ein  Heiligtum  des  Zeus  Messapeeus, 
der  einzige  Rest  einer  alten  Ortschaft  Messapeae;  weiter  nörd- 
lich, etwa  bei  Parori  oder  bei  Mistra,  ein  Oertchen  Alesiae, 
das  der  Sage  nach  von  der  Erfindung  des  Mahlens  des  Getreides 
durch  Myles  den  Sohn  des  Lelex,  in  Wahrheit  wohl  von  den 
mehrfach  an  dieser  Seite  des  Taygeton  vorkommenden  Mühlsteinen 
benannt  war.  ^)  Oberhalb  der  Ebene  nennt  uns  Pausanias  (c.20,4  fl'.), 
nachdem  er  zwei  Gipfel  des  Taygeton,  T aleton  und  Euoras 
(vgl.  oben  S.  104,  Änm.  3)  nebst  der  zwischen  ihnen  liegenden, 
an  Gemsen,  Wildschweinen,  Hirschen  und  Bären  reichen  Strecke 
Therae  erwähnt  hat,  ein  Heiligtum  der  Demeter  Eleusinia,  in 
welches  alljährlich  an  bestimmten  Tagen  ein  Xoanon  der  Kora 
von  Helos  aus  geschafll  wurde ;  15  Stadien  von  diesem  Eleusinion 
auf  dem  Taygeton  das  Lapithaeon,    in   der  Nähe   desselben   das 


')  Paus.  c.  2,  6;  c.  20,  3;  IV,  16,  8.  Doch  kommt  dio  Stadt  *a- 
QaC  noch  bei  Ilierokl.  Synekd.  10  vor,  wo  wegen  der  Keihenfolge  der 
Aufzählung  nicht  an  das  Messeniscliu  Pherae  (Kahimata)  gedacht  wer- 
den kann. 

2)  S.  Mure  Rhein.  Mus.  1838  S.  247  ff.;  Vischer  Erinnerungen  S. 
384  f;  Michaelis  Annali  XXXIII,  p.  49. 

')  PauH.  c.  20,  2  f.;  Steph.  Byz.  u.  M«a<ia«£ai;  vgl.  Pouillon-Boblaye 
Jiecherchc«  g<'ogr.  siir  lea  ruines  de  la  Moree  p.  83. 

9* 


132  II.  Peloponnesos. 

Dereion  mit  einem  im  Freien  aufgestellten  Bilde  der  Artemis  De- 
reatis  und  einer  Anonos  genannten  Ouelle,  endlich  20  Stadien 
von  da  das  bis  in  die  Ebene  berabreicliende  Ilarpleia.  Keine 
dieser  Oertlichkeiten  lässt  sich  mit  irgend  welcher  Sicherheit 
fixiren,  da  wir  weder  für  den  Ausgangspunkt  noch  für  die  Richtung 
dieser  Wanderung  des  Pausanias  bestimmte  Anhaltspunkte  haben.  ^) 

Am  südwestlichen  Ende  der  fruchtbaren  Ebene  liegt  am 
Ausgange  einer  von  steil  abfallenden  Felswänden  umschlossenen 
Schlucht  des  Taygeton  das  Dorf  Xerokampi,  bei  welchem  eine 
durch  ihre  Wölbung  merkwürdige  antike  Brücke  über  den  aus 
jener  Schlucht  hervorkommenden,  jetzt  Rasina  (wohl  verstümmelt 
aus  Erasinos)  genannten  Seitenbach  des  Eurotas  führt.-)  Die 
Existenz  dieser  Brücke  macht  es  höchst  wahrscheinlich ,  dass  im 
Altertum  von  diesem  Winkel  der  Ebene  aus  eine  Strasse  über 
die  oben  (S.  105)  erwähnten  Vorberge  des  Taygeton,  welche  bis 
zur  Losreissung  Griechenlands  von  der  Türkei  von  einem  wilden 
und  räuberischen  Stamme  muhamedanischer  Albanesen,  den  Bar- 
dunioten,  bewohnt  wurden,  hinweg  nach  Gytheion  führte:  die 
Richtung  derselben  wird  etwa  durch  die  jetzigen  Dörfer  Potamia, 
Vigla  (bei  welchem  sich  eine  fast  ganz  aus  den  Resten  eines 
alten  Tempels  erbaute  Kirche  findet) ,  Levetzova  (in  dessen  Nähe 
der  durch  seine  Porphyrbrüche  bekannte  Flecken  Krokeae,  dessen 
Bewohner  den  Zeus  Krokeatas  und  die  Dioskuren  verehrten,  zu 
suchen  ist)^)  und  Lagio  bezeichnet. 

Die  von  Nord  nach  Süd  jetzt  etwa  zwei  Stunden  (im  Alter- 
tum wohl  nur  die  Hälfte),  von  West  nach  Ost  über  vier  Stunden 
breite  Mündungsebene  des  Eurotas  übertrifft  an  Ergiebigkeit  des 
Bodens  für  den  Getreidebau  und  an  Ueppigkeit  der  Wiesen  noch 
die  Spartanische  Ebene.    Nur  der  südöstlichste  Theil  ist  von  lang- 


*)  Die  Ansicht  von  Curtius  (S,  251  f.),  dass  das  Eleusinion  bei 
Anavryti,  Harpleia  bei  Parori  und  Mistra  zu  suchen  sei,  Pausanias  also 
vom  Eleusinion  aus  die  Richtung-  nach  Norden  eingeschlagen  habe,  hat 
sehr  wenig  Wahrscheinlichkeit.  Ueber  die  Spuren  antiker  Bewohnung 
auf  den  Anhöhen  des  Taygeton  oberhalb  der  Ebene  s.  Ross  Wander- 
ungen II,  S.  203  ff. 

2)  Vgl.  Mure  Annali  X.  p.  140  ss. ;  Mon.  delP  Tust.  11,  tv.  .57;  Cur- 
tius S.  265  f.;  Clark  Peloponnesus  p.  177  ss. 

•^)  Vgl.  oben  S.  106;  Paus.  c.  21,  4;  Ro.s.s  Wanderimo-en  II,  8. 
238  ff. 


2.  Lnkonien:    Parnonhalbinsel.  13o 

gestreckten  Lagunen  eingenommen,  die  im  frühen  Altertum 
entweder  gar  nicht  oder  doch  in  heträchtlich  geringerem  Um- 
fange vorhanden  waren,  da  die  alte  in  dieser  Gegend  gelegene 
Ortschaft  Helos  (nach  welcher  die  ganze  Ebene  ?J  'EXoa  ge- 
nannt wurde)  ^)  im  SchlfTscatalog  (II.  B,  584)  ausdrucklich  als 
eine  Seestadt  [scpccXov  7ttoXi£d-Qov)  bezeichnet  wird.  Die  zunehm- 
ende Versumpfung  der  Küste,  in  Folge  welcher  Helos  nicht 
mehr  als  Landungsplatz  für  grössere  Schiffe  benutzt  werden  konnte, 
sondern  durch  die  künstliche  Hafenanlage  bei  Gytheion  ersetzt 
werden  musste,  veranlasste  offenbar  den  Verfall  der  Stadt,  die  um 
den  Beginn  unserer  Zeitrechnung  noch  als  Dorf  bestand,  im  zwei- 
ten Jahrhundert  n.  Chr.  aber  in  Trümmern  lag; 2)  der  Name  (der 
(U'sprünglich  jede  feuchte  Niederung  bezeichnete)  hat  sich  noch 
jetzt  im  Volksmunde  für  die  ganze  Ebene  erhalten. 

Der  östliche  Theil  Lakoniens  wird  durchaus  von  Gebirgen, 
dem  Parnon  und  seinen  südlichen  Verzweigungen  (s.  oben  S.  102  f.), 
eingenommen,  die  besonders  gegen  Osten  in  breiten,  durch  Giess- 
bächc  vielfach  zerklüfteten  Hochflächen  vortreten  und  eine  zwar 
mannigfach  ausgezackte,  aber  nur  wenige  sichere  Ankerplätze  für 
grössere  Schiffe  darbietende,  selten  durch  eine  kleine  Strandebene 
unterbrochene  Steilküste  bilden.  Der  nördlichste  Theil  dieses 
Gebietes,  der  von  den  Alten  mit  dem  allgemeinen  Namen  Oreia 
(Bergland)  bezeichnet  worden  zu  sein  scheint,'^)  bildet  jetzt  den 
District  Tzakonia,  der  von  dem  kräftigen,  eine  eigentündich  alter- 
lüudiche,  aber  auch  mit  uiigriechischen  Elementen  versetzte  Mund- 
art redenden  Stamme  der  Tzakonen  bewohnt  wird,  die  wohl  als 
die  Hut  slavischen  Elementen  vermischten  Abkömmlinge  der  alten, 
ja  auch  in  manchen  Beziehungen  von  ihren  Nachbarn  sich  unter- 
scheidenden Kvnuricr  zu  betrachten  sind.  ^) 


1)  Polyb.  V,  19  f. 

2)  Vgl.  Strab.  VIII,  p.  363;  Paus.  r.  22,  H. 

)  Die«  schliessc  ich  aus  der  von  Paus.  c.  24,  I  mitgetlieiiten  Tra 
'litiüu  der  Bewolmcr  vom  I'rasiae,  dass  ihre  Stadt  t'riilier  'Oq^iciTcd  «rc; 
li. 188611  habe. 

'*)  Vgl.  Thierach  Uebcr  die  Muudart  der  Tzakonen,  in  den  Abhand- 
liingeu  d.  Bayer.  Akad.  d.  W.,  philol,  hi.st.  Kl.  I,  8.  611  ff.  (Auszug 
darauH  bei  Leake  PeloponncHiaca  p.  301— .'{38).  Ross  (Wanderungen  in 
(Jr.  II,  .S.  19)  llerloitung  des  Namen»  Tfaxcöveg  von  Adyicovfg  ist  ety- 
mologisch schwerlich  zu  rechtfertigen:  vielleicht  ist  der  Name;  eher  von 
T2;rtxos  (italiän.  giaco)  'Panzerhemd'  herzuleiten. 


l'arnon- 
lialbinsel 


134  II.  Peloponnesos. 

Der  Ilauptort  dkses  Dislricts  ist  das  am  westliclien  Ende 
einer  fruchtbaren  Strandebenc  gelegene  Städtchen  Leonidi  mit 
einem  kleinen,  durch  einen  Bergvorsprung  am  südliehen  Ende  der 
Ebene  geschützten  Hafen ,  oberhalb  dessen  auf  dem  Rücken  des 
die  Ebene  im  Süden  überragenden  Berges  sich  die  Reste  einer 
alten  Stadt,  von  einem  auf  hellenischen  Fundamenten  stehenden 
mittelalterlichen  Castell,  Ilagios  Alhanasios  genannt,  beherrschl, 
hinziehen.  Wahrscheinlich  gehören  sie  der  alten  Seestadt  Prasiae 
an,  die  einst  Mitglied  der  Amphiktyonie  von  Kalaurea,  dann  von 
den  Spartanern  unterworfen,  zu  Tansanias  Zeit  die  nordöstlichste 
der  Eleutherolakonischen  Städte  und  der  Sitz  einer  eigentüm- 
lichen, wohl  auf  einer  Verschmelzung  der  Mythen  von  Dionysos 
und  von  Perseus  beruhenden  Tradition  über  die  Erziehung  des 
Dionysos  —  offenbar  der  Hauptgotlheit  der  Stadt,  der  zu  Ehren  die 
Ebene  unterhalb  derselben  'der  Garten  des  Dionysos'  genannt  wurde 
—  war.  Auch  Asklepios  und  Achilles,  dem  man  alljährlich  ein  Fest 
feierte,  hatten  hier  Heiligtümer;  auf  dem  Bergvorsprunge  über 
dem  Hafen  standen  drei  kleine  Erzbilder  von  Schifffahrtsgöttern 
(Kabiren?),  denen  die  Athena  beigesellt  war. ^)  Von  Leonidi  aus 
geht  ein  Bergweg  in  nordnordwestlicher  Richtung  über  die  öst- 
lichsten Theile  des  Parnon  nach  der  Thyreatis,  der  den  Wanderer 


1)  Paus.  c.  24,  3,  bei  welchem  die  Schreibung  BQuaiccC  offenbar  nur 
der  mythischen  Etymologie  zu  Liebe  gewählt  ist;  sonst  schwankt  die 
Ueberlieferung  nur  zwischen  den  Formen  UgccGLCtC  und  UgaGta,  vgl. 
Thukyd.  II,  56;  VI,  105;  VII,  18;  Aristoph.  Pac.  242;  Polyb.  IV,  36; 
Scyl.  Per.  46;  Strab.  VIII,  p.  368;  374;  Ptol.  III,  16,  10;  Steph.  Byz.  u. 
TlQocGiat.  Was  die  Lage  der  Stadt  anlangt,  so  ist  dieselbe  auf  der 
französ.  Karte  und  bei  Curtius  beträchtlich  weiter  nördlich,  auf  dem 
Cap  Tyru,  angesetzt,  weil  nur  diese  Stelle  der  von  Pausanias  auf  200 
Stadien  angegebenen  Entfernung  zwischen  dem  bei  Kyparissi  anzusetzen- 
den Kyphanta  (s.  unten  S.  137)  und  Prasiae  entspreche.  Allein  Pausanias 
spricht  nicht  von  der  directen  Entfernung  zu  Lande,  sondern  ausdrücklich 
von  einem  nlovq  oxadLcov  8ia%oci(ov ^  einer  Seefahrt,  deren  Länge  er 
offenbar  nur  nach  der  darauf  verwandten  Zeit  (etwa  fünf  Stunden,  da  ein 
Schiff  von  Kyparissi  nach  Leonidi  wegen  der  starken  Vorsprünge  der 
Küste  einen  Bogen  aufs  hohe  Meer  hinaus  beschreiben  muss)  unter 
Zugrundelegung  der  Berechnung  einer  Tagfahrt  auf  500  Stadien  be- 
stimmt hat.  Die  Höhle ,  in  welcher  Ino  den  Dionysos  genährt  haben 
soll,  ist  vielleicht  dieselbe,  in  welche  jetzt  das  dem  heiligen  Nikolaus 
geweihte  Kloster  Zinka  (westlich  oberhalb  Leonidi,  vgl.  Finlay  bei 
Leake  Peloponn.  p.  304)  hineingebaut  ist. 


2.  Lakonien:   Parnonhalbinsel.  135 

nach  etwa  drei  Stunden  über  das  hinter  Leonidi  aufsteigende 
breite  Hochplateau  hinweg  in  eine  rings  von  Bergen  umsclilossene 
Ebene  führt,  deren  Gewässer  durch  eine  Katabothre  am  Fusse 
des  im  Norden  sie  begränzenden  Berges  ihren  Abfluss  haben; 
westUch  oberhalb  der  Ebene  finden  sich  die  Ruinen  einer  mittel- 
alterlichen Stadt,  Rheonta  (nach  denen  die  Ebene  selbst  'die  der 
Palaeochora'  benannt  wird),  die  wahrscheinlich  die  Stelle  einer 
alten  zur  Bewachung  des  Bergwegs  bestimmten  Ortschaft  (viel- 
leicht des  von  Polyb.  IV,  36  erwähnten  Po  lieh  na)  einnimmt. 
Ein  ähnlicher,  aber  noch  schwierigerer  Pfad  führt  von  Leonidi 
aus  westlich  in  einer  engen  Schlucht,  durch  welche  ein  Giess- 
bach  vom  Rücken  des  Malevo  herabkommt,  aufwärts  und  über  den 
Kamm  des  Gebirges  nach  dem  Dorfe  Tzinzina,  von  welchem  man 
nordwärts  nach  den  im  obern  Oinusthale  gelegenen  Ortschaften 
Vamvaku  und  Arachova  gelangt;  am  obern  (westlichen)  Ende  jener 
Schlucht,  in  der  Nähe  des  Dorfes  Hagios  Vasilios,  findet  sich  eine 
offenbar  zum  Schutz  dieses  Pfades  bestimmte  alte  Befestigung, 
deren  Name  (Lympiada)  in  Verbindung  mit  dem  Namen  Olympo- 
choria,  womit  der  ganze  District  südwärts  von  hier  bis  gegen 
das  Eurotasthai  hin  bezeichnet  wird,  schliessen  lässt,  dass  dieser 
Theil  der  Parnonkette  im  Altertume  den  Namen  Olympos  ge- 
fübrt  hat.  Der  alte  Name  des  Palaeokastron  von  Lympiada  lässt 
sich  nicht  bestimmen,  da  die  von  neueren  Geographen  hier  an- 
gesetzte Ortschaft  Glympeis  oder  Glyppia  weit  näher  an  Ma- 
rios, d.  h.  beträchtlich  weiter  südlich  (vielleicht  bei  dem  jetzigen 
Dorfe  Kosmas  oder  bei  Kremasti  südlich  über  der  Ebene  von 
Mari)  gelegen  zu  haben  scheint. ')  Dieses  nämlich,  eine  Stadt  der 
Elcutherolakonen  mit  einem  gemeinsamen  Heiligtum  aller  Götter 
und  einem  Heiligtum  der  Artemis,  lag  nach  Pausanias  (c.  22,  8), 
dem  wir  allein  die  Kunde  von  seiner  Existenz  verdanken,  1(X) 
Stadien  von  Gerontbrae  in  einer  besonders  wasserreichen  Gegend 
oberhalb  der  Mündungsebene  des  Eurotas,  Angaben,  die  in  Ver- 
bindung mit  dem  Namen  uns  mit  Bestimmtheit  nach  dem  in  einer 
anmutigen  und  wasserreichen    Hochebene,  einer  wahren  Oase  in 

')  Vgl.  Pau8.  c.  22,  8;  Polyb.  IV,  36;  V,  20:  dass  au  letzterer  Stelle 
rXvfinsig  als  tisqI  tovs  ogovg  Trjg  ^Agy^Cag  v.ccl  AayKovi-urjg  gelegen  be- 
Äeichnet  wird,  giebt  für  die  Aiisetzung  bei  Lynipiadn  keinen  Anhalt, 
fla  in  der  Zeit,  in  welche  das  von  Polybios  berichtete  Ereigniss  fallt, 
die  lakonische   Ostküste  bis  nach  Zarax  liinab  zur  Argeia  gehörte. 


loG  H.  Peloponnesos. 

(It'iii  riniheii  licrgdistnct  der  'Mückendörfer'  (Kunupoclioria;,  der 
sieli  ostwärts  von  den  Olympochoria  l)is  zur  Küste  liinziclit,  ge- 
legenen Dorfe  Mari  weisen,  das  auch  dem  sclion  oben  (S.  108) 
erwäluUen  Haclie  Mariorrlieuma  den  Namen  gegel)en  bat:  die  Ruinen 
der  Akropolis  der  alten  Stadt  finden  sich  westlich  über  der  Ebene, 
eine  halbe  Stunde  südlich  von  Mari.  Vier  Stunden  westlich  von 
diesem  liegt  am  nordöstlichen  llande  eines  von  zwei  Giessbächen 
begränzten,  nach  dem  Eurotasthaie  zu  alimälig  absteigenden  Pla- 
teaus die  im  Mittelalter  bedeutende  Ortschaft  Geraki,  die  Nach- 
folgerin der  altachäischen,  dann  von  Sparta  aus  mit  Doriern  be- 
setzten Stadt  Geronthrae,  *)  die  noch  in  der  späteren  römischen 
Kaiserzeit  als  Stadt  der  Eleutberolakonen  von  Bedeutung  war: 
Pausanias  (c.  22,  6)  findet  darin  einen  von  einem  Haine  umge- 
benen Tempel  des  Ares,  die  am  Markte  befindlichen  Brunnen 
mit  Trinkwasser  und  einen  Tempel  des  Apollon  auf  der  Akropolis 
der  Erwähnung  werth.  Von  demselben  Schriftsteller  erhalten  wir 
auch  Notiz  von  zwei  in  der  Nähe  von  Geronthrae  gelegenen  Kö- 
rnen: Selinus,  20  Stadien  von  der  Stadt  (wir  wissen  nicht  nach 
welcher  Richtung) 2)  und  Palaeakome  (Altorf),  südlich  von  Ge- 
ronthrae an  der  Strasse  nach  dem  südöstlich  über  der  Mündungs- 
ebene des  Eurotas  gelegenen  Akriae. 

Kehren  wir  von  dieser  Abschweifung  nach  der  Nordostküste 
Lakoniens  zurück,  so  finden  wir  nordwärts  von  der  Ebene  von 
Leonidi  bis  nach  IJagios  Andreas,  dem  südlichen  Endpunkte  der 
Thyreatis  (vgl.  S  71)  zahlreiche  felsige  Küsten vorsprünge,  zwischen 
denen  sich  sichelförmige  Buchten  ins  Land  hineinziehen.  Die 
beträchtlichste  darunter  ist  die  vom  Gap  Trikeri  im  Norden,  dem 
Gap  Tyru  im  Süden  begränzte,  2'/2  Stunden  nördlich  von  Le(>- 
nidi,  an  welche  sich  eine  kleine  Strandebene  anschliesst,  an  deren 
westlichem  Ende  ein  Dorf  Tyros  liegt:    der  Name   desselben  wie 


1)  Paus.  c.  2,  6;  21,  7;  22,  6;  Steph.  Byz.  u.  rsQäv^Qca;  Hierocl. 
Syuekd.  c.  10.  Die  Form  mit  o  wird  durch  die  Inscliriften  (C.  I,  gr.  ii. 
1334;  Lebas  Inscriptions  n.  226  ss.)  bestätigt;  unter  diesen  befinden  sich 
vier  Fragmente  der  griechischen  Uebersetzung  des  Edicts  des  Diocle- 
tian  'de  pretiis  rerum  venaliura'  vom  J.  301,  das  jetzt  am  vollständig- 
sten herausgegeben  ist  von  W.  H.  Waddington  'Edit  de  Diocletien  e'tJL- 
blissant  le  maximum  dans  l'empire  Romain',  Paris  4864. 

'^)  Eine  sehr  unsichere  Vermutung  darüber  s.  bei  Leake  Morea 
III  p.  11  s. 


2.  Lakonicn:    Parnouhalbinsel.  137 

des  nach  ihm  benannten  Caps  scheint  antik  zu  sein,  da  auf  dem 
letzteren  Reste  einer  befestigten  alten  Ortschaft  erhalten  sind  und 
Stephanos  von  Byzanz  (u.  TvQog)  ein  lakonisches  Tyros  erwähnt. 
Eine  Stunde  südlich  von  der  Ebene  von  Leonidi  öffnet  sich  wie- 
der eine  kleine,  jetzt  zum  Dorfe  Pulitra  gehörige  Strandebene, 
die  im  Osten  durch  eine  felsige  Anhöhe  mit  Ruinen  von  einer 
unbekannten  allen  Ortschaft  abgeschlossen  wird;  dann  tritt  die 
Küste  in  einer  breiten,  jetzt  Saphlaurus  genannten  Bergmasse,  die 
gegen  Südosten  im  Cap  TurkovigHa  ausläuft,  gegen  Osten  vor  und 
zieht  sich  dann  südwärts  von  dem  Hafen  Phokianos,  dessen  öst- 
liche Flanke  dieses  Vorgebirge  deckt,  etwa  11  Stunden  lang  bis 
zum  Vorgebirge  Limenaria  in  einer  durch  manche  kleinere  Buch- 
ten und  Vorsprünge  unterbrochenen  Linie  mit  gleichmässig  fel- 
sigem Charakter  hin.  Reste  alter  Ortschaften  findet  man  hier  nur 
an  der  Bucht  von  Kyparissi,  fünf  Stunden  südlich  von  Leonidi, 
wo  das  schon  zu  Pausanias  ^)  Zeit  zerstörte  Kyphanta,  und  dann 
wieder  fünf  Stunden  weiter  südlich  an  dem  durch  zwei  felsige 
Vorsprünge  der  Küste  trefflich  geschützten  Hafen  Hieraka,  wo 
Zarax  lag,  eine  alte  Seestadt,  später  Mitglied  des  Bundes 
der  Eleutherolakonen,  die  sich  von  der  Zerstörung,  welche  sie 
durch  den  mit  Pyrrhos  verbündeten  Kleonymos,  den  Sohn  des 
Königs  Klcomenes  H  von  Sparta,  erlitten  (272  v.  Chr.),  nie  wieder 
hatte  erholen  können.'^)  Der  Name,  welcheu  die  Alten  von  einem 
von  Apollon,  dem  Hauptgottc  der  Stadt,  in  der  Musik  unterrich- 
teten Heros  Zarex  herleiteten,  kam  ursprünglich  wohl  dem  jetzt 
Kolokera  genannten  Cebirgc  zu,  das  sich  westlich  und  südlich 
von  der  Stadt  hinzieht  und  in  den  beiden  mächtigen  Caps  Hie- 
raka und  Limenaria  endet. 

Südlich  von  dem  letztgenamiten  Vorgebirge,  dem  ein  ähnlicher 
felsiger  Kiistenvorsprung  an  der  Westküste  der  Halbinsel  (die 
jetzige  Halbinsel  Xyli)  entspricht,  vermindert  sich  die  Breite  der- 


•;  Paus.  c.  24,  2,  wo  für  e^  nov  GzciÖLU  mit  t'ouillüii-Hobhiyc  (Kc- 
chcichos  p.  102)  syiatov  axadia  (die»  leichter,  als  was  Curtiiis  II  S. 
;i.'U  vorzieht  ^' ?')  zu  le><oii  ist.  V;^l.  IN.ly}..  TV,  '^(\■.  V\n\vw.  Ut,  l'V  K»- 
FMin.  N.  ]i.  IV,  6,   17. 

'-')  Paus.  C.  24,  1  (vgl.  I,  l;},  \  s.  iiiul  ;IH,  Xy,  ViAyh  IN,  ;J0;  Mopii. 
1.  />.  II.  ZttQr}^;  Ptol.  III,  16,  10;  14.  Ucber  <lic  selir  altcrtündichcii,  au 
ilii;  von  Tiryiis  (.riimenMlcn  Iviiinoii  8.  Pouinon-noblayc  Kcchorche.s 
1».   101;    rian  (nach  der  «;ngl.  .Scokarte)  hei  Cnrtins  II,  TU.   Xlll. 


138  II.   Peloponiiesos. 

selben  beträchtlich  und  es  entsteht  so  an  der  Ostküste  eine  weite 
gegen  Südosten  geölTnete  Bucht,  an  deren  Westseite  im  Altertum 
Epidauros  Limera  lag,  eine  Pflanzstadt  der  argivischen  Epi- 
daurier,  welche  auf  einer  Fahrt  nach  Kos  hier  landeten  und 
durch  Träume  und  andere  Zeichen  bewogen,  dem  Culte  des 
Asklepios  sowie  ihrem  Seehandel  eine  neue  Stätte  bereiteten.  ^) 
Von  der  Stadt  selbst,  die  100  Stadien  von  Zarax  entfernt  war, 
sind  noch  ziemlich  ausgedehnte  Mauerreste  auf  und  um  einen 
Hügel  in  geringer  Entfernung  vom  Meere  erhalten,  innerhalb 
deren  man  auch  noch  die  Plätze  der  beiden  Ilaupttempel  der 
Unterstadt  (des  Asklepios  und  der  Aphrodite)  sowie  des  Tempels 
der  Athene  auf  der  Burg  erkennt.  Einige  Minuten  nordöstlich  von 
der  Stadt  findet  man  einen  kleinen  aber  sehr  tiefen  Teich  mit 
frischem  Wasser,  der  im  Altertum  der  Ino  geweiht  war,  noch 
etwas  weiter  östlich  mehrere  Felsgrotten,  die  wahrscheinlich  auch 
zu  sacralen  Zwecken  benutzt  worden  sind.  Südlich  von  dem  dem 
Zeus  Soter  geweihten  Hafen  liegt,  eine  Stunde  von  Epidauros,  un- 
mittelbar vor  der  Küste  eine  kleine  Felsinsel,  deren  steiler  nur 
durch  einen  in  den  Felsen  gehauenen  Zickzackpfad  zugänglicher 
Kamm  im  Altertum  ein  Castell  trug,  das,  wie  der  Name  Minoa 
vermuten  lässt,  ursprünglich  wohl  von  karischen  oder  phönikischen 
Piraten  begründet,  dann  nach  der  Gründung  von  Epidauros  von 
diesem  besetzt  und  zum  Küstenschutz  benutzt  wurde:  wahrschein- 
lich war  schon  damals  wie  wiederum  seit  dem  Mittelalter,  wo 
hier  ein  Hauptstapelplatz  des  Levantinischen  Handels  und  eine 
der  stärksten  Küslenfestungen  Moreas  unter  dem  Namen  Monem- 
vasia  (im  Abendlande  Malvasia)  angelegt  wurde,  die  Insel  durch 
eine  steinerne  Brücke  oder  einen  Damm  mit  dem  Festlande  ver- 
bunden, so  dass  sie  vom  Meere  aus  ganz  wie  eine  Halbinsel  er- 
schien.^) 


^)  Paus.  c.  23,  6  ff.  Der  Beiname  AiiirjQcc  wird  von  Apollod.  bei 
Strab.  VIII,  p.  368  (vgl.  Meineke  ad  Steph.  Byz.  p.  273,  9)  als  Xi(is- 
vrjQCc  'die  hafenreiche'  erklärt;  doch  scheint  aus  sprachlichen  Gründen 
die  Deutung  'die  hungrige'  (Schol.  Thucyd.  VII,  26;  vgl.  Lobeck  Pathol. 
p.  279)  vorzuziehen,  so  dass  es  eigentlich  ein  Spitzname  ist,  den  die 
Stadt  wegen  der  geringen  Fruchtbarkeit  ihres  Gebiets  erhalten  hat. 

2)  So  erklärt  sich  am  leichtesten  die  Bezeichnung  von  Minoa  als 
a^ga  bei  Paus.  c.  23,  11  (vgl.  Schol.  zu  Ptol.  IIF,  16,  10).  Das  (pQOv- 
QLOV  erwähnt  Strab.  VIII,  p.  368.  lieber  Monemvasia  vgl.  die  Nach- 
weisungen bei   Curtius  II,   S.  328   f.     Der  Malvasierwein,  der  im  Mit- 


2.  Lakoiiicn:    Parnonhalbinsel.  139 

An  das  Gebiet  von  Epidauros  gränzte  im  Süden  das  von 
Boiae  oder  Boia,  einer  durch  Zusammensiedelung  von  drei 
älteren  Ortschaften  (Etis,  Aphrodisias  und  Side)  gegründeten 
Stadt  an  der  Nordostseite  der  weiten,  zwischen  ^en  beiden  süd- 
lichsten Verästungen  der  Parnonhalbinsel  (vgl.  S.  103)  sich  öff- 
nenden Bucht,  welche  nach  ihr  der  BoLCcrcTcog  ^oXjcog  genannt 
wurde  (jetzt  Bucht  von  Vatika).  An  der  Agora  der  Stadt,  von 
welcher  nur  ziemlich  unscheinbare  Beste  südwestlich  vom  Dorfe 
Pharaklo  sich  erhalten  haben,  stand  ein  Tempel  des  ApoUon; 
ausser  diesem  wurde  Artemis  Soteira  in  einem  alten  Myrtenbaum, 
an  welchen  sich  die  Legende  von  der  Gründung  der  Stadt  durch 
den  Herakliden  Boios  knüpfte,  ferner  Asklepios  und  in  der  römi- 
schen Zeit  auch  Sarapis  und  Isis  verehrt.  Zahlreiche  ausgeschmol- 
zene Eisenschlacken  und  Bruchstücke  von  Eisenerz,  welche  man 
in  der  Nähe  findet,  lassen  vermuten,  dass  hier  ein  Hauptsitz  der 
lakonischen  Eisenindustrie  war.  ^)  Zum  Gebiete  der  Sladt  gehörte 
an  der  Ostküste  der  Halbinsel  das  Vorgebirge  Delion  oder  Epi- 
delion  (jetzt  Kamilo)  mit  einem  Heiligtum  des  Apollon,  ferner 
die  Südostspitze  der  Halbinsel,  das  berüchtigte  Cap  Malea  oder 
Maleae,  auf  welchem  Apollon  (unter  dem  Beinamen  Lithesios) 
und  Fan  und  wahrscheinlich  auch  Zeus  verehrt  wurden  —  jetzt 
haust  dort  ein  Einsiedler,  der  von  vorüberfahrendon  Barken  einen 
Tribut  an  Brot  und  Taback  heischt  —  und  ein  westlich  davon 
gelegenes  Heiligtum  der  Nymphen  [Nv^cpaiov) ,  bei  welchem 
eine  volkreiche  Ortschaft  und  ein  Hafen  bestand,^)  endlich  jeden- 


telalter  einen  so  berühmten  Namen  hatte,  ist  weder  auf  der  Insel 
selbst  noch  auf  der  benachbarten  Küste  gebaut  worden,  sondern  kam 
von  den  Kykladen,  besonders  von  Tenos,  und  wurde  nur  nach  dem  Orte, 
von  welchem  aus  er  nach  dem  Abendlande  versandt  wurde,  benannt. 

')  Paus.  c.  22,  11  f.;  Strab.  VIII,  p.  364;  Scyl.  Peripl.  46;  Polyb. 
V,  19;  Ptolem.  III,  16,  9;  Plin.  N.  h.  IV,  5,  17:  vgl.  Ross  Wanderungen 
II,  S.  246;  über  die  Ei.senglanzlager  an  der  Westseite  der  Halbinsel, 
ungefähr  zwei  StuiKirn  nördlich  von  Onugnathos,  beim  (aj)  Kulendiani 
PMedler  Rei.se  I,  S.  i  i '.  t. ,  iil)er  die  Gründungslegeiidc  der  ^)tadt  Bot- 
ticher  Der  BauirK  nitn.  (h^r  Hellenen  S.  241  ff. 

*)  Paus.  c.  2:i,  2  t. ;  Htrab.  VIII,  p.  .368.  lieber  die  Namonsformen 
MaUa,  Mdisici,  MdXtiov  und  MaXiai  vgl.  die  Nachweisungen  in  Pape- 
Benselers  Wörterbuch  der  griech.  Eigennamen  u.  d.  W.;  über  den  Cult 
des  Apollen  Lithesios  8teph.  Byz.  u.  Aid-rjaiog  und  Paus.  III,  12,  8; 
iil)er  Pan  Meineke  ad  Hteph.  p.  42,  15.  Pen  Zeus  MccXntaiog  orwUhnt 
Steph.  u.  Malta. 


140  II.  Pcloponnesos. 

f;ULs  auch  die  den  Meerbusen  im  AA^esten  unischliessende  felsi{;e 
Halbinsel,  die  von  den  Alten  nach  ihrer  Form,  besonders  nach 
der  Einbuchtung  der. Südküste  zwischen  den  Caps  Xyli  und  Santa 
Maria,  Onugnathos  (Eselskinnbacken)  genannt,  heut  zu  Tage, 
da  sie  durch  Ueberflutung  des  flachen  und  schmalen  Isthmos, 
der  sie  mit  der  grösseren  Halbinsel  verknüpft,  zur  wirklichen 
Insel  geworden  ist,  Elaphonisi  (Hirschinsel)  heisst.  Dieselbe  hat, 
obgleich  sie  in  dem  sogenannten  Porto  Franco,  an  der  Westseite 
des  Cap  Xyli,  einen  ziemlich  guten  Hafen  besitzt,  doch  jetzt  keine 
regelmassigen  Bewohner,  sondern  wird  nur  während  der  Sonmier- 
monate  von  einigen  in  Kalyvien  (Sommerdörfern)  hausenden  Hir- 
ten und  Ackerbauern  besucht,  hat  auch  keine  Spuren  einer  an- 
tiken Ansiedelung  aufzuweisen;  doch  miiss  eine  solche,  wenn  auch 
keine  eigentliche  Sladt,  in  älteren  Zeiten  bestanden  haben,  da 
noch  Pausanias  einen  angeblich  von  Agamemnon  gegründeten, 
verfallenen  Tempel  der  Athene  und  das  Grab  des  Kinados,  eines 
Steuermanns  des  Menelaos,  hier  vorfand.  ^) 

Die  40  Stadien  breite  Strada  di  Cervi  trennt,  wie  oben  (S. 
103)  bemerkt,  Onugnathos  von  dem  Cap  Platanistüs  (jetzt  Cap 
Spathi),  der  nördlichsten  Spitze  der  von  Nord  nach  Süd  vier  Mei- 
len langen,  an  der  breitesten  Stelle  etwas  über  zwei  Meilen  breiten 
felsigen  Insel  Kythera  (jetzt  Cerigo),  die  weniger  um  ihrer 
eigenen  Erzeugnisse  willen  —  sie  lieferte,  wie  noch  jetzt,  haupt- 
sächlich Wein  und  Honig  —  als  wegen  der  Producte  des  sie  be- 
s[)ülenden  3Ieeres,  besonders  der  Purpurschnecken,  2)  von  Phöni- 
kischen  Kaufleuten  besetzt  wurde ,  deren  Göttin  —  die  Astarte  oder 
Astoret  von  Askalon  —  von  hier  aus  als  Aphrodite  Urania  oder 
Kythereia  ihren  Triumphzug  durch  Hellas  hielt.  Als  Argos  seine 
Herrschaft  über  die  ganze  Ostküste  der  Parnonhalbinsel  bis  zum 
Cap  Malea  hinab  ausbreitete,  unterwarf  es  sich  auch  Kythera, 
das  ihm  aber  durch  die  Spartaner  wieder  entrissen  wurde,  für 
welche  es  sowohl  als  Station  für  den  Seeverkehr  mit  Aegypten 
und  Libyen   wie  als  Vorposten  zum  Schutze  ihres  Gebiets  gegen 


0  Paus.  c.  22,  10;  Strab.  VIII,  p.  363;  Ptol.  III,  16,  9. 

2)  Daher  auch  UoqcpvQOVGci  genannt:  Steph.  Byz.  u.  Kvd-rjgcc,  wo 
auch  ein  eponymcr  Heros  Kytheros,  Sohn  des  Phoinix,  genannt  wirU. 
Ueber  die  Formen  des  Namens  (gew.  ra  Kvd'qQCi,  auch  Küd-sgr]  und 
Kvd'rjQicc)  s,  Pape-Benselers Wörterbuch  der  griech.  Eigennamen  u.  d.  W. ; 
über  den   Aphroditecult  Herod.  I,  105;  Paus.  I,  14,  7. 


2.  Lakofiien:   Parnonhalbinsel.  141 

die  Angriffe  von  Seeräubern  von  grosser  Wiclitigkeit  war:  sie 
Hessen  die  Insel,  deren  Bewohner  in  die  Stellung  lakonischer 
Periöken  eintraten,  durch  einen  besonderen,  jährlich  wechselnden 
Beamten  [Kv^rjQodcxrjg),  dem  ein  Iloplitencorps  als  Besatzung  bei- 
gegeben war,  verwalten.  Die  Athener  richteten  mehrfach  ihre 
Angriffe  gegen  dieses  Aussenwerk  Spartas:  im  Jahre  455  ero- 
berte Tolmides,  nachdem  er  das  Arsenal  von  Gytheion  in  Brand 
gesteckt,  die  Insel  nebst  der  Stadt  Boia;  im  Jahre  424  unter- 
warf Nikias,  unterstützt  durch  eine  den  Spartanern  feindliche 
Partei  unter  den  Bewohnern,  sie  wieder  den  Athenern,  die  sie 
zwar  im  Frieden  des  Nikias  den  Spartanern  zurückzugeben  ver- 
sprachen, dieses  Versprechen  aber  offenbar  nicht  erfüllten,  da 
bei  der  Sikelischen  Expedition  ein  Kytherisches  Hülfscorps  unter 
den  athenischen  Bundesgenossen  erscheint;  im  Jahre  393  endlich 
wurde  sie  wieder  durch  Konon  erobert  und  unter  die  Aufsicht 
eines  athenischen  Statthalters  gestellt;  doch  war  auch  diese  Be- 
sitznahme jedenfalls  nur  von  kurzer  Dauer,  lieber  ihre  späteren 
Schicksale  wissen  wir  nur,  dass  sie  um  den  Beginn  unserer  Zeit- 
rechnung Privateigentum  des  C.  Julius  Eurykles  war.  ^)  Nach 
dem  Falle  von  Byzanz  kam  sie  in  die  Hände  der  Venezianer  und 
theilte  dann  das  Schicksal  der  sogenannten  sieben  ionischen  In- 
seln, mit  welchen  sie  im  Jahre  1863  dem  Königreich  Hellas  ein- 
verleibt wurde. 

Der  an  der  Südküste  in  der  Nähe  des  Cap  Trachili  gelegene 
jetzige  Ilauptort  der  Insel,  das  ungefähr  1500  Einwohner  zählende 
Städtchen  Kapsaü,  bietet  keine  Spuren  einer  antiken  Niederlassung 
dar;  wohl  aber  finden  sich  solche  ziemlich  in  der  Mitte  der  Ost- 
l<üstc  bei  der  durch  das  Vortreten  der  Küste  gegen  Osten  gebil- 
deten Bucht  Avlemona  (wahrscheinlich  dem  Phoiniküs  der  Alten), 
wo  auf  einer  Anhohe,  nördlich  oberhalb  des  jetzigen  Ilafenstädt- 
chens  Hagios  Nikolaos,  Beste  der  Mauern  einer  befestigten  Sladt 
erhalten  sind,  ohne  Zweifel  von  i\vv  mit  der  Insel  gleichnamigen 
Stadt  K  ythera,  deren  llafenplatz,  Skandeia  genannt  ((un  Name, 
der  wohl  wie  die  jetzt  in  (iriechenland  häufige  Benennung  Skala 
überhaupt  einen  Platz  /um  Aussteigen,  Landungsplatz  bezeichnet). 


82    v^^'-    V'll,   '«i^iüy ;    i)io  Chrys«»«!.   »n.   .W»,   JO;   I'aiis,   I. 
27,  5;  Thucyd.  IV,  53;  57;   V,   18:  VII.  67;    Xeii.   Holl.   IV.  S,  7;  Stnib. 

VI  11,  p.  :•.(;:;. 


142  II.  Peloponnesos. 

(iine  halbe  Stunde  weiter  südlich  in  der  Strandehene  lag.  ^)  Auf 
einer  anderen  Anhöhe  weiter  westlich,  nalie  der  Mitte  der  Insel, 
ist  noch  der  Unterbau  und  einige  Siuilenreste  von  dem  Tempel 
der  Aplirodite  Urania  erhalten. 

An  der  Westküste  der  Parnonhalbinsel  finden  sich,  abgesehen 
von  alten  Steinbrüchen  und  Grotten  in  dem  zunächst  nördlich 
von  Onugnathos  sich  hinziehenden  Alikigebirge  (ein  Name,  der 
ebenso  wie  der  des  zwei  Stunden  nördlich  vom  nördlichen  Ende 
dieses  Bergzuges  gelegenen  Dorfes  Alika  auf  einen  alten  Namen 
'^liTiri  für  diese  ganze  Gegend  schliessen  lässt),  keine  Spuren 
einer  alten  Ansiedelung  bis  zu  der  sichelförmigen,  durch  das  Gap 
Archangelo  im  Südosten  und  durch  die  von  Nord  nach  Süd  eine 
Stunde  lange  felsige  Halbinsel  Xyli  im  Nordwesten  abgeschlossenen 
Bai  von  Xyli.  Hier  sind  etwas  über  eine  halbe  Stunde  nördlich  vom 
Gap  Archangelo,  wenige  Minuten  südlich  von  der  Mündung  des 
von  Nordosten  her  kommenden  'Rabenbaches'  (Korakia-potami) 
Reste  einer  alten  Tempelanlage  erhalten,  die  ohne  Zweifel  dem 
Ileiligtume  des  Asklepios  angehören,  dessen  Platz  Pausanias  (c.  22, 
10)  mit  dem  unklaren  Namen  Hyperteleaton  bezeichnet.  Die 
Halbinsel  Xyli  trug  wahrscheinlich  den  im  Altertum  für  ähnliche 
Vorgebirge  nicht  seltenen  Namen  Kyparissia  oder  Kyparissos 
und  diente  mit  einem  Heiligtum  der  Athene  Kyparissia  als  Akro- 
polis  einer  noch  in  den  Zeiten  der  achäischen  Herrschaft  ange- 
legten Stadt,  die  nach  ihrer  Lage  in  der  Nähe  des  Vorgebirges 
Mie  Stadt  der  Parakyparissischen  Achäer'  hiess.  Diese  Stadt 
scheint    frühzeitig  in   Verfall   gerathen   und   durch  eine  neu  auf- 


1)  Paus.  c.  23,  1.  Bei  Thucyd,  IV,  54,  wo  man  seit  Sehneider  (Add. 
ad  Xenoph.  bist.  gr.  p.  106)  drei  Ortschaften  unterscheidet  (^  inl  Q'a- 
XccGGT]  Ttolig  Zv.ävdsia  ytaXov^svrj,  ri  sitl  ^uXccGGr)  noXtq  xoiv  Kv&j]- 
QLCov  und  v  ävoa  noXig),  ist  jedenfalls  zu  schreiben:  excoQOvv  iitl  x^v 
TtöXiv  x(ov  Kvd'TjQLCov  (mit  Streichung  der  durch  das  Versehen  eines 
Abschreibers  aus  dem  Vorhergehenden  wiederholten  Worte  stcI  ^^uXucarj) 
und  darunter  dieselbe  Oertlichkeit,  die  dann  als  ^  avco  noXig  bezeichnet 
wird,  zu  verstehen:  Nikias  lässt  durch  ein  Detachement  seiner  Flotte 
den  wahrscheinlich  offenen  Hafenplatz  Skandeia  wegnehmen,  mit  der 
Hauptmacht  landet  er  nördlich  von  Kythera,  um  die  Stadt  von  dieser 
Seite,  wo  die  Befestigungswerke  wahrscheinlich  weniger  stark  waren  als 
an  der  Seite  gegen  den  Hafen,  anzugreifen.  Der  Name  ÜKccrdsia  (vgl. 
Gv-ccvöccXop  oder  G-acKvöaXrj&QOV ,  Stellholz)  hängt  jedenfalls  mit  lat. 
Scan  der  e  zusammen.     ^OLviv.ovg  Xen.  Hell.  IV,  8,  7. 


2.  Lakonien:   Taygetonhalbinsel.  143 

blühende  ersetzt  worden  zu  sein,  welche  sich  zu  beiden  Seiten 
der  Ausmündung  eines  von  Norden  her  kommenden  nicht  unbe- 
deutenden Baches  nalie  dem  nordösthchen  Fusse  der  Halbinsel 
erhob  und  mit  dem  ursprünglich  jedenfalls  dem  Bache  angehö- 
rigen  Namen  Asopos  benannt  wurde:  ausgedehnte  Ruinen,  be- 
sonders von  den  Hafendämmen,  zeugen  noch  jetzt  von  ihrer  Be- 
deutung. Endlich  wurde  um  den  Beginn  des  Mittelalters  auch 
Asopos,  wahrscheinlich  in  Folge  der  Versumpfung  der  Ebene,  an 
deren  Ausgang  es  lag,  verlassen  und  eine  neue  Ansiedelung  auf 
der  Stelle  der  alten  achäischen  Stadt,  am  nördlichen  Fusse  des 
Vorgebirges,  begründet,  von  welcher  ebenfalls  noch  Ruinen  — 
darunter  die  einer  stattlichen  christlichen  Kirche  —  erhalten 
sindJ)  Die  eben  erwähnte,  jetzt  grösstentheils  unbebaute  und 
theilweise  versumpfte  Ebene,  welche  sich  in  einer  Länge  von 
472  Stunden  nordostwärts  vom  Vorgebirge  Xyli  bis  zum  westlichen 
Fusse  des  Kolokeragebirges  (vgl.  S.  137)  hinzieht,  trug  im  Alter- 
tum nach  der  weisslichen  Farbe  des  Bodens  den  Namen  Leuke 
oder  Leukae:  eine  Ortschaft  gleichen  Namens  lag  in  ihrem  nörd- 
lichsten Theile  (wahrscheinlich  östlich  von  dem  Dorfe  Mylaos,  wo 
Ruinen  auf  der  französischen  Karte  verzeichnet  sind);  westlich 
oberhalb  derselben  auf  dem  Rücken  des  Kurkulaberges,  welcher 
den  nördlicheren  Theil  dieser  Ebene  von  der  von  Helos  scheidet, 
befand  sich  eine  der  Artemis  geweihte  Oertlichkeit  Pleiae;  am 
westlichen  Fusse  jenes  Berges  endlich,  l'/.^  Stunden  südlich  von 
Helos  (beim  jetzigen  Hafen  Kokkinio)  lag  die  noch  zu  Tansanias 
Zeit  ansehnliche  Hafenstadt  Akriae.^) 

Die   schon  früher  (S.  132  f.)  geschilderte  Mündungsebene  des  Taygreiou 
Eurotas  wird   im  Westen   durch    die  felsigen  Höhenzüge,    welche 


1)  Paus.  c.  22,  9;  Strab.  p.  363:  vgl.  Koss  Wanderungen  H,  S. 
247  flf.,  dessen  Ansicht  über  die  Lage  von  As.  und  Parak.  ich  {gegen 
Curtius  Pelop.  II,  S.  290  f.)  gefolgt  bin.  Eine  Inschrift  aus  der  im 
Text  erwähnten  Kirchenruino  s.  C.  I.  gr.  n.  88G4.  Ganz  unsicher  bleibt 
<lio  Lage  der  von  Ptol.  III,  16,  9  zwischen  Akreia  und  Asopos  ange- 
setzen  Ortschaft  BiavÖLVcc  oder  ßidvövva ,  für  die  auch  «aus  der  In- 
schrift C.  I.  gr.  n.  1336  nichts  zu  gewinnen  ist. 

2}  ötrab.  p.  :i63;  Polyb.  IV,  36;  V,  19;  Liv.  XXXV,  27;  C.  I.  gr.  n. 
1444,  Z.  11  f.;  Paus.  c.  22,  4.  lieber  die  wechselnden  Namensfornion 
'Av.qial,  'AHQtUL,  "jlriffSia  und  *AxQairci  oder  ^JnQata  vgl.  (hntius  P«I.  H, 
S.  327. 


144  n.  Peloponnesos. 

das  Taygctou  in  seiner  grössten  Breite  gegen  Oslen  vorschiebt, 
um  sich  dann  gegen  Süden  mehr  und  mehr  zur  Ilalhinselform 
zusammenzuziehen,  hegränzt.  Die  KüstenUnie  bildet  zunächst  süd- 
westHch  von  der  Ebene  eine  weite  Bucht,  die  im  Nordosten  durch 
einen  felsigen  Vorsprung,  vor  weichem  drei  liieine  Felsinseln  lie- 
gen, abgeschlossen  wird:  derseljje  trug  im  Altertum  ein  Casteli 
Trinasos,^)  das  nach  dem  Untergänge  der  Selbständigkeit  La- 
koniens  verfiel,  während  der  durch  die  drei  Inselchen  geschützte 
kleine  Hafen  mit  einem  Dorfe  Tiinisa  bis  in  die  neuere  Zeit  als 
gewöhnlicher  Landungsplatz  für  die  Ortschaften  im  Eurotasthaie 
diente.  Ein  ziemlich  beschwerlicher  Weg  von  1\\,  Stunden  führt 
von  hier  an  der  felsigen  Küste  hin  nach  einer  kleinen  Strandebene, 
die  im  Norden  und  Westen  von  kleineren  Hügeln,  im  Süden 
von  einem  bedeutenderen,  die  Bucht  gegen  Süden  abschliessen- 
den Bergzug  (dem  Larysion  der  Alten)  umgeben  ist:  über  die 
Ebene  wie  an  den  Abhängen  der  Hügel  sind  die  Ruinen  von  Gy- 
theion  zerstreut,  einer  Gründung  phönikischer  Purpurfischer,  die 
noch  in  der  achäischen  Zeit  ohne  Bedeutung,  später,  als  die  Spar- 
(aner  anfingen  eine  Flotte  zu  bauen,  als  Haupt-  und  Kriegshafen 
des  Landes  die  grösste  Wichtigkeit  erhielt  und  trotz  mehrfacher 
Zerstörungen  ihrer  Seearsenale  und  Befestigungswerke  noch  in 
den  Zeilen  der  Römischen  Herrschaft  als  Hauptstapelplatz  des 
Lakonischen  Handels  unter  den  Eleutheroiakonischen  Städten  eine 
hervorragende  Rolle  spielte.  ^)  Dieser  Zeit  der  Nachblüte  der 
Stadt  gehören  auch  zum  grössten  Theile  die  jetzt  mit  dem  Namen 
Palaeopolis  bezeichneten  Ruinen  an,  unter  denen  das  an  den  Ab- 
hang des  die  Ebene  im  Westen  begränzenden  Hügels  (dessen 
Höhe  die  Akropolis  der  Stadt  trug)  angelehnte,  mit  Marmorsitzen 
geschmückte  Theater,  ein  an  der  Rückseite  des  nördlichen  Flügels 


')  Paus.  c.  22,  3;  Ptol.  III,  16,  9. 

2)  Vgl.  G.  Weber  De  Gytheo  et  Lacedaemoniorum  rebus  navalibus, 
Heidelberg  1883;  dazu  die  Nachweisungen  bei  Curtius  Pel.  II,  S.  323 
und  in  Pape-Benselers  Wörterbuch  d,  gi\  Eigenamon  u.  Fv^siov;  ferner 
II.  Sauppe  ^Eine  Inschrift  aus  Gjtheion'  in  den  Nachrichten  Aon  der 
Götting.  Ges.  d.  Wiss.  1865,  N.  17,  S.  461  ff.  und  über  den  von  Paus.  c.  21, 
9  erwähnten  Meergott,  den  die  Gytheaten  unter  dem  Namen  ysQtov  ver- 
ehrten, Gaedechens  ^(xlaukos  der  Meergott'  S.  190  f.  Plan  der  Ruinen 
bei  Lebas  Voyage  arche'ologiqnc,  Itinernire,  pl.  26,  darnach  bei  Cur- 
tius Pel.  11,  Tfl.  Xn. 


2.  Lnkonien:  Taygetonlialbinsel.  145 

desselben  stehendes  kreisförmiges  Gebäude  mit  gewölbter  Decke 
(entweder  ein  kleines  Odeion  oder  das  Versammlungs-  und  Speise- 
local  für  die  Beamten  der  Stadt)  und  mehrere  geräumige  Bade- 
anlagen hart  am  Meeresufer  hervorzuheben  sind.  Etwa  10  Mi- 
nuten südlich  von  der  Stadt  zeigte  man  noch  zur  Zeit  des  Pau- 
sanias  einen  rohen  Stein,  auf  welchem  Orestes  Ruhe  von  seiner 
Raserei  gefunden  haben  sollte:  die  Bezeichnung  desselben  als 
^Zeus  Kappotas'  lässt  uns  in  demselben  ein  Cultsymbol  einer  die 
Stürme  beruhigenden  Gottheit  vermuten.  Der  östliche  Abhang 
des  dem  Dionysos  geweihten  Larysionberges,  auf  dessen  Höhe 
jedes  Frühjahr  eine  geheimnissvolle  Feier  zu  Ehren  dieses  Gottes 
begangen  wurde,  führte  den  Namen  Migonion:  hier  stand  ein 
Tempel  der  Aphrodite  Migonitis,  jedenfalls  eine  uralte  Gründung 
der  hier  angesiedelten  Phöniker,  dessen  Stiftung  die  Sage  dem 
Paris  zuschrieb,  der  auf  der  unmittelbar  vor  der  Küste  gelegenen 
kleinen  Felsinsel  Kranae  (jetzt  Marathonisi,  d.  i.  FencheHnsel  ge- 
nannt, welchen  Namen  auch  ein  seit  dem  Anfang  dieses  Jahrhunderts 
auf  der  Küste,  der  Insel  gerade  gegenüber,  begründetes  Städtchen 
trägt)  sein  Beilager  mit  der  Helena  gefeiert  haben  sollte.^) 

Gegen  V/^  Stunden  landeinwärts  von  Gytheion  (bei  Limni) 
lag  Aegiae,  wahrscheinlich  eine  Gründung  der  von  den  Phöni- 
kischen  Ansiedlern  hier  von  der  Küste  zurückgedrängten  Minyer, 
mit  einem  Tempel  des  Poseidon,  zu  dessen  Bezirk  ein  dem  Gotte 
geweihter  Teich  gehörte,  nach  der,  freilich  ziemlich  vagen,  Be- 
hauptung der  Bewohner  des  Ortes  das  im  SchiffsCatalog  (II.  ß, 
583)  erwähnte  Augeiae.^) 

Südlich  von  Marathonisi  beginnt  die  Landschaft  Mani,  deren 
raidien  und  wilden  Charakter  wir  schon  oben  (S.  105)  kurz  ge- 
schildert haben.  Die  Ostküsle  derselben  ist  in  ihrem  nördlicheren 
Tlieile  noch  in  mehrere  Buchten  gegliedert;  von  dem  Rückeo  des 
(iebirges,  das  hier  noch  an  mehreren  Stellen  mit  Eichenwaldung 
l)eslanden  ist,  herab  strömen  diesen  eine  Anzahl  Bäche  zu,  in 
deren  wenn  auch  schmalen  Thälcrn  noch  einige  Plätze  für  kleine 


')  Paus.  c.  22,  l  f.;  Stopli.  JJyz.  u.  Kgavari.  Die  von  einigen  Goltz- 
schen  Miinjcen  uiisgcliendo  Ahlumdlnng  L.  IJegers  'Cranae  insula  Luco- 
nlvA  cuilem  et  ITelcnH  «licta  et  Minyaruni  postoris  linbitatu'  ((Jolon. 
nnindenb.  lf)90)  enthält.  nielilH  UrauelibareH. 

')  Paus.  c.  21,  5;  Stral».  p.  .'JOI ;  lihiir  die  Kuinen  Uoss  Wanderungen 
II.  S.  229   f. 

nURSIAN,    OKOÜK.    II.  10 


14G  H.  Peloponnesos. 

Stätlteanlagen  sicli  finden;  aber  sfidlicli  vom  Cap  Slavri  bildet  die 
etwas  nacli  Westen  zurücktretende  Küste  eine  fast  ununterbrocbene 
Felsmauer,  die  erst  im  südlichsten  Theile  der  Halbinsel  durch 
einige  schöne  Buchten  durchbrochen  wird.  Im  Innern  des  Landes 
erheben  sich  überall  schrolTe  Bergzacken,  mit  steinigen  Hoch- 
ebenen abwechselnd;  nirgends  findet  man  eine  grössere  Strecke 
anbaufähigen  Bodens,  nur  hie  und  da  kleine  Terrassen,  auf  denen 
man  mühsam  die  Erde  zusammengetragen  hat,  um  etwas  Hafer  oder 
Gerste  zu  gewinnen.  Baumwuchs  fehlt  hier  fast  gänzlich:  nur  selten 
entdeckt  das  Auge  einen  vereinzelten  Oelbaum  oder  Feigenbaum;  die 
Felsen  sind  entweder  ganz  kahl  oder  mit  ganz  niedrigen  Sträuchern 
(besonders  wildem  Salbei)  bewachsen,  mit  denen  die  Bewohner 
ihr  Feuer  beim  Kochen  zu  unterhalten  genöthigt  sind;  Brod  wird 
in  Form  grosser  Brezeln  ein-  bis  zweimal  im  Jahre  auf  Vorrath 
mit  Hülfe  der  Planken  eines  zerfallenen  Kahns  oder  des  knor- 
rigen Stammes  eines  abgestorbenen  Oelbaumes  gebacken.  Dass 
trotz  dieses  wenig  einladenden  Charakters  diese  Landschaft  im 
Altertum  wie  noch  heut  zu  Tage  eine  verhältnissmässig  zahlreiche 
Bevölkerung  besass,  zeigen  die  Beste  alter  Ansiedelungen,  die  an 
vielen  Stellen  bald  in  der  Nähe  der  Küste,  bald  im  Binnenlande 
sich  vorfinden.  Die  nördUchste  derselben  lag  etwas  über  eine 
Stunde  südwestlich  von  Gytheion,  ziemlich  eihe  Stunde  oberhalb 
der  Mündung  des  auf  dem  östlichen  Theile  des  Taygeton  bei 
Arna  in  der  Landschaft  Bardunia  entspringenden  Arniotiko-Flusses, 
in  dessen  engem  oberen  Thale  sich  bedeutende  Ueberreste  einer 
alten  Wasserleitung  finden,  die  jedenfalls  sein  Wasser  nach  Gy- 
theion führte :  ^)  die  Ortschaft,  von  der  einige  unbedeutende  Beste 
in  der  Nähe  einer  Petrovuni  genannten  Felshöhe  erhalten  sind, 
scheint  das  alte  Asine  gewesen  zu  sein,  das  früher  eine  stark 
befestigte  Stadt,  zu  Pausanias  Zeit  aber  wohl  fast  ganz  ver- 
schwunden war. 2)     Ein  niedriger  Bergzug,  das  Knakadion  der 


1)  S.  Ross  Wanderungen  II,  S.  216  und  S.  221  f.,  der  dem  Flusse 
den  antiken  Namen  2^a^vog  beilegt:  dass  dies  irrig  sei,  zeigt  die  An- 
gabe des  Paus.  c.  24,  9,  wornach  dieser  Fluss  nur  fünf  Stadien  von 
Las  entfernt  war. 

2)  Thucyd.  IV,  53;  Xenoph.  Hellen.  VII,  1,  25;  Polyb.  V,  19;  Strab. 
p.  363;  Steph.  Byz.  u.  "AcLv-rj.  Die  von  Ourtius  (Fei.  II,  S.  274)  als. 
'nicht  zweifelhaft'  bezeichnete  Identität  von  Asine  und  Las  scheint 
mir  doch  sehr  zweifelhaft,    da   sie  auf  keiner  antiken  Autorität  beruht 


2.  Lakonien:  Tavffelonlialbinsel.  147 


Alten,  an  welchem  ein  Heiligtum  des  Apollon  Karneios  (Karneion) 
lag,  trennt  das  Thal  des  Arniotiko  von  dem  des  unhedeutenderen 
Flusses  Turkovrysis,  des  alten  Smenos,  das  im  Westen  und  Sü- 
den von  zwei  anderen  Bergen  (von  den  Alten  Asia  und  Ilion 
genannt,  letzterer  mit  einem  Tempel  des  Dionysos  am  Ahhange 
und  einem  des  Asklepios  auf  dem  Gipfel)  umschlossen  wird.  Auf 
dem  Vorsprnnge  des  Asiaberges,  der  jetzt  die  auf  antiken  Funda- 
menten ruhenden  Ruinen  der  mittelalterlichen  Burg  Passava  tragt, 
stand  die  alte  Burgstadt  Las  mit  einem  angeblich  von  den  Dios- 
kuren  (deren  Beinamen  Lapersae  auf  eine  Eroberung  dieser 
Stadt  bei  ihrer  Rückkehr  vom  Argonautonzuge  zurückgeführt  wird) 
gegründeten  Tempel  der  Athene  Asia,  einst  wegen  des  guten  Ha- 
fens, welchen  die  durch  zwei  Vorsprünge  der  Küste  geschützte 
Bucht  Valhy  darbietet,  der  wichtigste  Seeplatz  Lakoniens,  dann 
als  es  durch  die  steigende  Blüte  Gytheions  diese  seine  Stellung 
verlor,  verfallen,  bis  die  Einwohner  eine  neue  ofTene  Ortschaft 
in  der  Ebene,  eine  halbe  Stunde  vom  Meere,  eine  Viertelstunde 
vom  Smenosflusse  entfernt,  gründeten,  die  als  Mitglied  des  Bundes 
der  Eleutherolakonen  wieder  eine  gewisse  Bedeutung  erhielt J) 
Landeinwärts  erstreckte  sich  ihr  Gebiet  gegen  ly.,  Stunden  weit 
bis  zu  dem  kleinen  Orte  Hypsoi  (oder  Hypsa),  der  auf  der 
Gränze  desselben  gegen  das  Gebiet  von  Sparta  lag;  gegen  Süden 
gehörte  dazu  wahrscheinlich  noch  die  jenseits  des  Berges  Ilion, 
auf  dessen  östlichstem  die  Bucht  Vathy  im  Süden  abschli(!ssendeu 
Vorsprunge  ein  Tempel  der  Artemis  Diktynna  stand,  gelegene 
kleine  Ebene,  in  welcher  hart  am  Meere  sich  einige  salzige 
Quellen  und  Reste  römischer  Badeanlagen  finden;  in  derselben 
scheint  der  kleine  Ort  Arainon  (oder  Arainos),  in  welchem 
man  das  Grab  des  Las  zeigte,  gestanden  zu  haben,  ^j  Weiler 
südlich  öffnet  sich  eine  weite,  durch  zwei  mächtige  Felsvorsprünge 


und  beide  Städte  bei  Strabon  und  Steph.  Byz.  gesondert  aufgeführt  wer- 
den: Pausanias,  der  von  der  Existenz  von  Asine  keine  Kunde  mehr 
gehabt  zu  haben  seheint,  übertrug  ein  auf  diese  Stadt  bezügliclies  Er- 
»igniss  auf  die  Nachbarstadt  Las  (c.  24,  6,  vgl.  Polyl).  a.  a.  O.).  Uebor 
<lie  Reste  bei  l*etrovuni  s.  Leake  Morea  I,  p.  259  s. 

')  Der  Name  lautet  bald  Ada  oder  Aä,  bald  A&g.  Vgl.  11.  ß,  585  c. 
schol.;  Thucyd.  VIII,  91  s.;  Scyl.  Peripl.  40;  Strab.  p.  MA;  Paus.  c. 
21,  7  und  c.  24,  C  f.;  Ptol.  IH,  16,  9;  Steph.  Dys.  n.Aä;  Liv.  XXXVIII,  30. 

»)  Paus.  c.  24,  8  flf. 

10* 


148  II.  Pcloponnesos. 

der  Küste  —  Cap  Pagania  im  Nordosten,  Cap  Stavri  im  Süden  —  ge- 
deckte Bucht,  die  jetzt  nach  einem  an  ihrer  Nordvvestseite  gelegenen 
Dorfe  die  Bucht  von  Skutari  genannt  wird;  in  dieselhe  mündet 
ein  aus  mehreren  Armen  gebildeter  Bach,  dessen  antiker  Name 
Skyras  von  der  Tradition  auf  eine  Landung  des  Pyrrhos,  Sohnes 
des  Achilles,  von  der  Insel  Skyros  her  zurückgeführt  wird. 
Die  felsigen  Gestade  der  Bucht  bieten  nirgends  Raum  für  eine 
städtische  Ansiedelung;  die  Stadt,  zu  deren  Gebiete  sie  gehörte, 
Pyrrhichos,  lag  vielmehr  zwei  Stunden  landeinwärts  auf  dem 
kahlen  Bergrücken  in  der  Nähe  des  jetzigen  Dorfes  Kavalos.  ^) 
An  ihr  Gebiet  gränzte  im  Süden  das  einer  anderen  eleutherola- 
konischen  Stadt,  Teuthrone,  die  an  der  Nordseite  der  westlich 
vom  Cap  Stavri  sich  ößnenden  Bucht  von  Kolokyntha  bei  dem 
jetzigen  Dorfe.  Kotronäs  lag  und  sich,  wie  die  erhaltenen  Mauer- 
reste zeigen,  auch  auf  eine  von  der  Küste  vorspringende,  jetzt 
Skopä  (Warte)  genannte  kleine  Halbinsel  erstreckte.  2) 

Von  der  Bucht  von  Kolokyntha  an  zieht  sich  die  etwas  gegen 
Westen  zurücktretende  Küste  in  ziemlich  gerader  Linie  südwärts 
und  schiebt  sich  erst  in  der  Gegend  des  grossen  Dorfes  Lagia 
wieder  mit  einer  breiten  Felsmasse  etwas  gegen  Osten  vor,  bis  sie 
durch  eine  tiefe  Einbuchtung  unterbrochen  wird,  die  jetzt  nach 
der  Menge  der  im  Herbst  hier  gefangenen  Wachteln,  welche  ein- 
gesalzen ein  Hauptnahrungsmittel  der  Bewohner  für  den  Winter 
bilden,  Porto  Quaglio  (der  Wachtelhafen)  genannt  wird.  Auf 
dieser   ganzen,   etwas   über  sechs   Stunden    langen   Strecke  wird 


*)  Paus.  c.  25,  1  f.:  vgl.  über  die  römischer  Zeit  angehürigen  Reste  der 
Stadt  Pouillon-Boblaye  Recherclies  p.  88.  Der  JJvqqov  x^^QC^^  l^ei  Polyb. 
V,  19  kann  nicht  mit  Pyrrhichos  identisch  sein,  sondern  muss,  da  Phi- 
lipp in  einem  Tagemarsche,  unter  Verwüstung  des  Landes,  von  Amy- 
klae  aus  dahin  gelangt,  noch  im  Eurotasthaie  (etwa  in  der  Gegend  des 
Aulon)  gelegen  haben.  Wieder  ein  anderer  Ort  (nordwärts  von  Sparta) 
sind  die  Pyrrhi  castra  bei  Liv.  XXXV,  27.  ^  Den  Fluss  Skyras 
setzt  Curtius  weiter  nördlich,  was  mir  weder  zu  der  Schilderung  des 
Pausanias  noch  zu  der  Sage,  welche  diesen  Namen  zugleich  mit  dem  der 
Stadt  Pyrrhichos  auf  Pyrrhos,  den  Sohn  des  Achill,  zurückführte,  zu 
passen  scheint.  Die  Beziehung  des  sinus  Aegilodes  (Plin.  N.  h. 
IV,  5,  16)  auf  die  Bucht  von  Skutari  entbehrt  jeden  Anhalts. 

2)  Paus.  c.  21,  7;  c.  25,  4;  Ptol.  III,  16,  9.  Eine  leider  fragmen- 
tarische Inschrift  von  Skopa  giebt  Leake  Morea  III  Inscr.  n.  42.  Vgl. 
Pouillon-Boblaye  Recherches  p.  80. 


2.  Lakonicn:  Tay^elonhalhlnscl.  149 

uns  keine  einzige  antike  Ortschaft  genannt,  da  der  einzige  Reis- 
ende, auf  dessen  Berichten  unsere  topographische  Kenntniss  der 
Taenaronhalbinsel  beruht,  Tansanias ,  offenbar  die  Beschwerlich- 
keit des  Landwegs  —  die  nach  der  rauhen  Felsnatur  dieser  Ge- 
gend iui  Altertum 'kaum  geringer  sein  konnte  als  heut  zu  Tage 
—  scheuend  seine  Beise  von  Teuthrone  aus  zu  Schiff  fortgesetzt 
hat.  Eine  grössere  städtische  Ansiedelung  ist  auch  gewiss  hier 
nie  vorhanden  gewesen,  wohl  aber  zahlreiche  kleine  Weiler,  deren 
Bewohner  wenigstens  seit  der  römischen  Zeit  wohl  hauptsächlich 
mit  der  Ausbeulung  der  schon  früher  (S.  105  f.)  besprochenen  Mar- 
morbrüche  sich  abgaben :  Zeugniss  von  ihrer  Existenz  geben  noch 
einzelne  antike  Werkstücke,  in  den  Fels  gehauene  Hausplätzc  und 
Gräber  mit  schmucklosen  Gefässen,  die  sich  in  oder  bei  den 
meisten  der  zahlreichen,  fast  durchgängig  in  einiger  Entfernung 
oberhalb  der  Küste  gelegenen  Dörfer  vorfindend)  Die  ansehn- 
lichsten Beste  des  Altertums  aber  findet  man  ziemlich  in  der 
Mitte  der  ganzen  Strecke,  einige  Minuten  südlich  von  dem  zwi- 
schen fruchtbaren  Abhängen  wie  auf  einer  Oase  in  der  grossen 
Felswüsle  gelegenen  Kloster  Kurnos.  Hier  liegen  in  einer  kleinen 
von  schrolTen  P'elszacken  überragten  Hochfläche  die  Grundmauern 
und  Buinen  von  zwei  unmittelbar  nebeneinander  gebauten  dorischen 
Tempeln  aus  grauweissem  Marmor,  wie  er  in  dieser  Gegend  in 
grossen  Massen  bricht,  deren  bauliche  Formen  (besonders  bei  dem 
grösseren)  auf  die  Zeit  des  Verfalls  der  griechischen  Architekliu- 
hinweisen;  daneben  ausgedehnte  Beste  polygoner  Mauern  und 
einiger  castellähnlicher  Befestigungsanlagen  sowie  einige  alte 
Gräbei*.^) 

Der  Irefllich  geschützte  Hafen ,  welchen  die  von  mehreren 
Punkten  aus  wie  ein  Landsee  erscheinende  Bucht  von  Porto  Qua- 
glio  bildet,  führte  im  Altertum  den  Namen  Psam albus;  eine 
kleine  Ortschaft  gleichen  Namens  lag  an  der  Südseite  des  Hafens 
in  einer  jetzt  zu  Getreidefeldern  benutzten  schmalen  Strandebene. 
Ein  kahler,  iww  \  ,  Slimd«!  breiter  Bergrücken  trennt  dies«;  Bucht 
von  der  ihr  westlich  gerade  gcigemiber  gelegemii,  weniger  tief 
ins  Land  einschneidenden  und  daher  weniger  sicheren  Jhu  hl  Mari- 


^)  8.  meine  AbhniuUung  'lieber  das  Vorpcbirp:  Tuciuiron*  (vgl. 
oben  8.  106,  Anin.  1)  S.  789  ff. 

«)  Vgl.  a.  a.  O.  8.  792  ft*.  (wo  8.  793,  Z.  7  v.  u.  für  0,  55  zu  lesen 
ist  'J,  55). 


150  II-   l'cloponnesüs. 

nari,  die  von  den  Allen  ^der  Acliillesliafen'  (6  ^A%CklaLoq  Xi^rjv) 
genannt  wurde. ')  Südlich  von  beiden  Uuchten  zieht  sich  das 
Gebirge,  an  Höhe  und  Breite  jenen  schmalen  isthmosarligen 
Röcken  überragend,  nocli  in  einer  Länge  von  fünf  Viertelstunden 
fort,  bis  es  in  dem  Cap  Matapan,  der  südlichsten  Spitze  des 
griechischen  Festlandes,  ausläuft.  Die  Westküste  dieser  von  den 
Alten  *das  Taenaron'  im  weiteren  Sinn  (im  engern  bezeichnete 
dieser  Name  das  Cap  Matapan)  genannten,  gleichsam  ein  Aidiängsel 
der  grossen  Taygetonhalbinsel  bildenden  kleinen  Halbinsel  ist  ganz 
hafenlos  und  unwirthlich,  an  der  Ostküste  aber  finden  sich  zwei 
tiefe  Einbuchtungen:  die  nördlichere,  die  sich  wie  ein  schmaler 
Kanal  zwischen  die  Felsen  hineinzieht  und  daher  jetzt  ^die  tiefe 
Furche'  (ro  ßad^v  avlaKi)  genannt  wird,  ohne  Spuren  antiker 
Ansiedelung,  aber  überragt  von  schon  im  Altertum  ausgebeuteten 
Brüchen  grün-roth-weissen  Marmors;  die  südlichere,  jetzt  'Kisler- 
näs'  ('die  Cisternen')  genannt,  im  Altertum  weit  berühmt  durch 
das  an  ihrer  Nordseite  am  Ausgange  einer  noch  jetzt  mit  Ge- 
sträuch bewachsenen  Schlucht  gelegene  Heiligtum  des  Poseidon 
Asphaleios,  dessen  Cultbild  im  Freien,  in  einem  flüchtigen  Ver- 
brechern als  Asyl  dienenden  Haine  vor  einer  als  Eingang  zur 
Unterwelt  betrachteten  Grotte  aufgestellt  war,  während  das  lange 
und  schmale  Gebäude,  dessen  Grundmauern  noch  erhalten  sind, 
für  die  Gebräuche  der  Todtenbeschwörung  (als  ein  sogenanntes 
tjjvxoTto^Ttetov)  gedient  zu  haben  scheint.  Zahlreiche  in  den 
Fels  gearbeitete  Hausplätze  und  Cisternen  rings  um  die  Bucht 
beweisen,  dass  sich  an  das  Heiligtum  im  Altertum  eine  olTene 
Ortschaft,  die  wahrscheinlich  den  Namen  Taenaron  führte,  an- 
schloss.  2)  Die  äusserst  günstige  Lage  des  Hafens  für  den  Ver- 
kehr, besonders  mit  Kreta,  Nordafrika  und  dem  südlichen  Italien, 
erklärt  uns  leicht  sowohl  das  durch  zahlreiche  VVeihgeschenke  be- 
zeugte Ansehen,  welches  das  Heiligtum  auch  ausserhalb  Lakoniens 
genoss,  als  auch  die  Erscheinuug,  dass  Dienste  suchende  Söldner- 
schaaren,  wie  wir  sie  seit  der  Makedonischen  Zeit   so  vielfach  in 


O'Scyl.  Per.  46;  Strab.  p.  363;  Paus.  e.  25,  4;  Steph.  Byz.  u. '^;Ka- 
XsLog  und  Waiiccd'ovg;  vgl.  meine  Abhandlung  über  Taenaron  S.  773  ff. 

2)  Paus.  c.  25,  4  ff.;  Strab.  p.  363;  Thuc.  I,  128;  Plut.  Cleom.  22^ 
u.  a. ;  vgl.  meine  Abhandlung  über  Taenaron  S.  776  ff.  Auf  Cult  des 
Helios  auf  Taenaron  führt  Hymn.  in  Apoll.  Pyth.  233  ff.  lieber  den 
Cult  des  Poseidon  Taenarios  in  Sparta  vgl.  oben  S.  125,  Anm.  1. 


2.  Lakonien:  Taygelonlujlljiiisel.  151 

Griechenland  finden,  mit  Vorliebe  hier  ihre  interimistischen  Quar- 
tiere nahmen  J) 

Geht  man  an  der  Westküste  von  der  Bucht  Marinari  aus 
•nordwärts,  so  stösst  man  nach  et\Ya  einer  halben  Stunde  in  der 
Nähe  des  kleinen  Dorfes  Rastraki  (in  welchem  ich  ein  Paar  alte 
Grabdenkmäler  fand)  auf  ein  grossartig  wildes  Naturschauspiel: 
auf  eine  Strecke  von  fast  einer  halben  Stunde  längs  der  Küste  hin 
sind  alle  Kuppen  des  Gebirges  herabgestürzt,  offenbar  in  Folge 
eines  der  heftigen  Erdbeben,  durch  welche  Lakonien  im  Allcr- 
lume  öfter  heimgesucht  wurde, ^j  und  bedecken  in  der  wildesten 
Verwirrung,  grosse  und  kleine  Blöcke  durcheinander,  den  Abhang 
bis  zum  Meere  hinab.  Weiter  nördlich  liegt  oberhalb  der  Rüste 
auf  einem  fruchtbaren,  mit  Feldern  und  Gärten  überkleideten 
Hügel  das  Dorf  Vathia,  in  dem  ich  wiederum  einige  Reste  aus 
dem  späteren  Altertum  vorfand.  Von  da  steigt  man  in  etwas  mehr 
als  einer  halben  Stunde  nach  einer  kleinen  Bucht  hinab,  an  wel- 
cher das  Dörfchen  Kyparissos  mit  zahlreichen  alten  Rirchen  und 
wenigen  zwischen  Feldern  und  Weingärten  zerstreuten  Häusern 
liegt,  welches,  wie  zahlreiche  Inschriften  zeigen,  die  Stelle  einer 
elcutherolakonischen  Stadt  einninnnt,  die  officiell  'die  Stadt  der 
Taenarier'  («  TtoXigtav  TaivagCcov),  im  Volksmunde  aber,  offen- 
bar zur  Unterscheidung  von  der  älteren  Ortschaft  beim  Ueiligtume 
des  Poseidon,  Kaenepolis  (Neustadt)  genannt  wurde.  In  der 
oberen  Stadt  stand  ein  Heiligtum  (Megaron)  der  Demeter,  das, 
wie  die  Reste  zeigcn*(unter  denen  namentlich  vier  mächtige 
Säulen  von  rothgrauem  ägyptischen  Granit  bemerkenswerth  sind),  in 
ionischem  Style  und  sehr  grossen  Verhältnissen,  vielleicht  durch 
C.  Julius  Lakon,  den  Sohn  des  Eurykles,  nach  dem  Muster  des 
Weihetempels  in  Eleusis  errichtet  war;  am  Meeresufer  ein  kleinerer, 
% 

')  VrI.  Diod.  XVII,  108;  XVIII,  9;  Vit.  X  orat.  p.  848«.  Unter  den 
Weihgeschenken  ist  besonders  die  kleine  Erzgruppe  eines  auf  einem 
Delphin  sitzenden  Mannes  (Arion)  von  Interesse:  s.  Ilerod.  I,  24;  Dio 
("lirysost.  or.  37,  4;  Ael.  lt.  an.  XII,  45.  Das  Heiligtum  wurde  geplündert 
durch  den  Actoler  Timaeos  (Polyb.  IX,  34)  und  durch  die  Kilikischen 
Piraten  (Plut.  Pomp.  24). 

2)  Vgl.  Strab.  VIII,  p.  367.  Ob  gerade  an  das  Erdbeben  von  Ol. 
7i),  1  (Plut.  Cira.  16;  Diod.  XI,  63)  zu  denken  ist,  wie  ich  in  der  Ab- 
handlung über  Taonaron  Ö.  784  vormutet  habe,  ist  mir  doch  zwei- 
felhaft. 


152  H.  Pelopounesos. 

ebeiiialls  in  ionischem  Style  erbauter  Tempel  der  ApliroditeJ) 
Etwa  fünl"  Viertelstunden  nördlich  von  Kyparissos  tritt  eine  mäch- 
tige, etwas  gegen  Westen  ausgebauchte  Gebirgsmassc  auf  eine 
Länge  von  beinahe  zwei  Stunden  von  Süden  nach  Norden  weit  ins 
Meer  vor,  deren  fast  senkrecht  aufsteigende,  von  zahlreichen  Lö- 
chern und  Höhlen  zerrissene  Felswände,  nach  denen  sie  im  Alter- 
tum Thyrides  (Mie  Fenster')  genannt  wurde  —  jetzt  lieisst  sie 
bei  den  Schillern  Cavo  Grosso,  'das  massige  Vorgebirge'  —  vom 
Meere  aus  einen  grossartigen  Anblick  gewähren.  In  mehreren 
der  zahlreichen  auf  der  Höhe  des  Vorgebirges  bis  zum  Ramme 
des  Taygeton  gelegenen  Dörfer  sind  vereinzelte  antike  Reste  ge- 
funden, doch  ist  die  Stelle  der  in  dieser  Gegend  gelegenen,  schon  in 
der  römischen  Raiserzeit  verfallenen  Ortschaft  Ilippola  noch  nicht 
mit  Sicherheit  nachgewiesen  worden. ^)  Nördlich  vom  Vorgebirge 
bietet  die  durch  die  weit  gegen  Norden  vortretende  schmale  Halb- 
insel Tigani  gegen  Westen  geschützte  Bucht  von  Mezapo  einen 
sehr  guten  Hafen,  welcher  im  Altertum  zu  einem  frühzeitig  ver- 
fallenen, aber  in  der  römischen  Raiserzeit  w  iederhergestellten  Städt- 
chen Messa  gehörte.^)  Breite  Hochflächen  mit  dürrem,  steinigem 
Boden,  aber  ganz  mit  sorgfältig  durch  lose  Steingehege  abgegränzten 
Feldern,  auf  denen  Weizen,  Gerste  und  Bohnen  gebaut  werden, 
und  dazwischen  zahlreichen  Ortschaften  (unter  denen  Pyrgos  und 
Tzimova  die  bedeutendsten  sind)  bedeckt,  ziehen  sich  von  hier 
unmittelbar  über  der  durch  mehrfache  Einbuchtungen  unterbro- 
chenen Rüste  hin  bis  zu  der  fünf  Stunden  von  Mezapo  entfernten 
Bucht  von  Limeni,  die  wieder  einen  guten,  jetzt  zu  dem  Städtchen 
Tzimova  (officiell  Areupolis)  gehörigen  Hafen  bildet.  Eine  halbe 
Stunde  nordwärts  von  dem  innersten  Winkel  der  Bucht  liegt  das 
Dörfchen  Vitylo,  das  noch  den  Namen  und  eine  Anzahl  baulicher 


1)  Paus.  c.  25,  9;  Ptol.  III,  16,  9  (wo  die  Reihenfolge  der  Orts- 
namen gestört  ist);  Inschr.  im  C.  I.  gr.  n.  1317;  1321  f.;  1389;  1393  f. 
und  bei  Leake  Morea  III  n.  31  ff. ;  vgl.  meine  Abhandlung  über  Tae- 
naron  S.  785  ff.  und  Schillbach  im  Archäolog.  Anz.  1857,  N.  106.  107, 
S.  99*  f. 

'^)  Strab.  p.  335;  p.  360  (nach  welcher  Stelle,  vgl.  mit  Dionys.  Hai. 
A.  R.  1 ,  50,  Curtius  der  Südspitze  des  Vorgebirges  den  Namen  Kivai- 
Q^LOv  giebt);  p.  362;  Paus.  c.  25,  9.  Die  Ansetzung  yon^Imtöla  bei 
dem  jetzigen  Dorfe  Krjitovla  beruht  nur  auf  der  wohl  täuschenden 
Namensähnliehkeit. 

3)  Paus.  a.  a.  O.,  vgl.  II.  ß,   582  und  Strab.  p.  364. 


2.  Lakoiiien:  Taygcloiilialljinsel.  153 

Reste  der  alten,  iiocli  in  später  Zeit  als  Mitglied  des  Bundes  der 
Eleutlierolakonen  blühenden  Stadt  Oitylos  (nach  einheimischer 
Schreibung  Bitylos)  bewahrt,  in  welcher  Pausanias  ein,  nach 
den  Resten  zu  schliessen,  in  ionischem  Style  erbautes  Heiligtum 
des  Sarapis  und  ein  an  der  Agora  stehendes  Schnitzbild  des  Apol- 
lon  Karneios  als  sehenswerth  erwähnt.  ^) 

Die  Gegend  nördlich  von  Limeni  bewahrt  denselben  Charakter 
eines  unwirlhchen  und  unfruchtbaren  Berglandes  bis  zu  dem  vier 
Stunden  nördlich  von  Vitylo  vom  Rücken  des  Gebirges  herab  dem 
Meere  zufliessenden  Bache  von  Milia,  der  im  Altertum  den  Namen 
Pamisos  geführt  und  in  den  Zeiten  der  Selbständigkeit  Messe- 
niens  die  freihch  vielbestrittene  Gränze  dieser  Landschaft  gegen 
Lakonien  gebildet  zu  haben  scheint.-)  An  diesem  Bache  lag, 
eine  Stunde  von  der  Küste  entfernt,  die  offenbar  nach  ihrer  ge- 
schlossenen, schwer  zugänglichen  Lage  benannte  Ortschaft  Tlia- 
lamae,  später  eine  Stadt  der  Eleutherolakonen,  zu  deren  Gebiete 
auch  ein  an  der  Strasse  von  Oitylos  her  gelegenes  Ileiligtunj  der 
Ino  (öder,  wie  der  eigentliche  Cullname  lautete,  der  Pasiphaa) 
gehörte  mit  einem  Traumorakel,  welches  von  Zeit  zu  Zeit  officiell 
durch  die  spartanischen  Ephoren  befragt  ^^urde.  ^^)  An  der  Münd- 
ung des  Baches  stand  ein  Städtchen  Pephnos  (oder  Pephnon), 


»)  Paus.  c.  21,  7;  c.  25,  10;  Strab.  p.  360;  II.  ß,  585  c.  scbol. ; 
Ptol.  IIP,  16,  22;  C.  I.  gr.  n.  1323;  vgl.  Leake  Morea  I,  p.  313.  Die 
Entfeinungsangabe  von  150  Stadien  von  Messa  bis  Oitylos  bei  Paus, 
a.  a.  O.  ist  wolil  daraus  zu  erklären,  dass  Paus,  den  Weg  nicht  zu 
Lande,  sondern  zu  Schiff  gemacht  hat. 

2)  Strab.  p.  361,  vgl.  Paus.  c.  1,  4  und  c.  26.  3.  Auch  in  der  von 
Polybios  als  unverständlich  bezeichneten  Schilderung  des  Zenon  vom 
Marsche  des  Nabis  (Polyb.  XVI,  16)  ist  wohl  dieser  Pamisos  gemeint. 

3)  Ptol.  III,  16,  22;  Steph.  u.  (S)aAa/i«t;  Strab.  p.  360  (dessen  An- 
gabe, Thalamae  habe  zu  seinerzeit  Boiaytoi  geheisaen,  auf  einer  Corruptel 
des  Textes  zu  beruhen  scheint);  Paus.  c.  21,  7;  c.  26,  1;  Plut.  Agis  9; 
Cleom.  7;  Cic.  De  div.  I,  43,  96.  Der  Vermutung  von  Curtius  (Pel.  II, 
S.  284),  dass  das  Heiligtum  auf  dem  jetzt  Trachela  genannten  felsigen 
Vorsprunge  der  Küste,  zwei  Stunden  nördlicli  von  der  I3ucht  von  Li- 
meni, gelegen  habe,  kann  ich  nicht  beistimmen,  theils  wegen  der  be- 
trächtlichen Entfernung  dieses  Platzes  von  Thalamae,  während  das 
Heiligtum  nach  Plutareh  iv  f)c(Xci(ic(ig  lag,  tlitils  weil  die  Strasse  von 
Ditylos  nach  Thalamae  ,  <  liwi  i  lieh  hart  an  '!■  andern  jedenfalls 
weiter  östlich  hinlief. 


154  II.  Peloponnesos. 

jedenfalls  der  Jlal'eiiplatz  von  Tlialainae,  wenn  auch  ein  eigent- 
licher Hafen  hier  nicht  vorhanden  ist,  sondern  nur  eine  offene 
Rhede,  die  durch  eine  kleine,  gleichfalls  Pephnos  genannte  Fels- 
insel (oder  vielmehr  eine  grössere  Felsklippe),  welche  die  Sage 
als  Gehurtsstütte  der  Dioskuren  hezeichnete,  nur  sehr  ungenügend 
geschützt  ist.  ^)  Nördlich  vom  Bache  von  Milia  nimmt  das  Land 
zunächst  einen  milderen  und  fruchtharercn  Charakter  an,  der 
aber  schon  nach  et\>a  drei  Stunden  wieder  durch  eine  rauhe 
Felsmasse,  die  sich  in  einer  Breite  von  V/^  Stunden  südvvestwärts 
ins  Meer  vorschiebt  (jetzt  Cap  Kephali  genaimt),  unterbrochen 
wird.  Der  südlichere  Theil  jener  Landstrecke  bildete  das  Gebiet 
von  Leuktra  (oder  Leuktron),  einer  ursprünglich  wohl  von 
Minyern  gegründeten  eleutherolakonischen  Stadt,  deren  Name  und 
Ueberreste  in  dem  eine  Stunde  nördlich  von  der  Mündung  des 
Baches  von  Milia  gelegenen  Dorfe  Leftro  erhalten  sind;^j  der 
nördlichere  gehörte  seit  dem  Beginn  der  römischen  Kaiserzeit  den 
Bewohnern  von  Sparta,  denen  Augustus  die  alte,  gegen  zwei 
Stunden  nördlich  von  Leuktra,  20  Minuten  oberhalb  der  Küste 
auf  einer  steilen  Felshöhe  gelegene  Stadt  Kardamyle  (in  der 
local- dialektischen,  noch  im  Namen  des  Dorfes  Skardamula  er- 
haltenen Form  Skardamyla),  welche  bis  dahin,  wahrscheinlich 
seit  Philipp  von  Makedonien,  im  Besitz  der  Messenier  gewesen 
war,  geschenkt  hatte. '^j  Nördlich  vom  Cap  Kephali  lagen  noch  zwei 
eleutherolakonische  Städte,  beide  altmessenische  Gründungen,  die 
auch  seit  Philipp  von  Makedonien  wieder  im  Besitze  der  Mes- 
senier gewesen,  durch  Augustus  ihnen  wieder  entzogen  und 
auch  bei  der  Grenzrcgulirung  durch  Tiberius,  welcher  die  enge 
Schlucht  des  Choiros  [Xolqlos  vccTtr}),  des  jetzigen  Baches  von 
Sandava,  als  Gränzscheide  zwischen  Lakonien  und  Messenien  fest- 
setzte,   zu  Lakonien   geschlagen  worden  waren:    Gerenia   (oder 


1)  Paus.  c.  26,  2  f.;  Steph.  Byz.   u.  Ilicpvov. 

2)  Paus.  c.  21,  7  und  c.  26,  4  ff.;  Plut.  Pelop.  20;  Strab.  p.  360  f.; 
Ptol,  III,  16,  9.  Für  minyischen  Ursprung  der  Stadt  sprechen  be- 
sonders die  von  Paus,  erwähnten  Culte  des  Asklepios,  der  Ino  und 
des  Eros. 

3)  Paus.  c.  26,  7;  vgl.  II.  /,  150;  292;  Herod.  VIII,  73;  Strab.  p. 
360;  Ptol.  III,  16,  22;  Steph.  Byz.  u.  KagSaiivlrj.  Paus.  Angabe  "der 
Entfernung  zwischen  Kardamyle  und  Leuktra  auf  60  Stadien  beruht  auf 
einem  Irrtum  oder  auf  einer  falschen  Berechnung  nach  der  Dauer  der 
Küstenfahrt. 


3.  Messenien.  155 

Gere  na)  uiul  AlagoniaJ)  Die  eistere,  nach  der  Tradition 
das  homerische  Enope  und  durch  eine  alte  aber  wahrscheinlich 
falsche  Deutung  des  bekannten  homerischen  Beinamens  des  Nestor 
zum  Geburtsorte  oder  zur  Zufluchtsstätte  dieses  Heros  gestempelt, 
mit  einem  Rhodon  genannten  und  als  Curort  dienenden  Heilig- 
tum des  Machaon,  des  Sohnes  des  Askiepios,  lag  wahrscheinlich 
nahe  bei  der  kleinen  Bucht  Kitriäs  in  dem  kleinen  Thale,  an 
dessen  Ende  man  noch  jetzt  eine  bedeutende  Grotte  bemerkt,  die 
ohne  Zweifel  der  von  Pausanias  erwähnten  Grotte  der  Klaia  (?) 
im  Gebirge  Kalathion  entspricht;  Alagonia  aber  stand  V/.^ 
Stunden  landeinwärts  auf  der  Berghöhe, welche  jetzt  die  Ruinen 
der  fränkischen  Burg  Zarnala  einnehmen. 


3.   Messenien. 

Messene  oder,  seit  Erbauung  einer  Stadt  dieses  Namens,  auch 
Messenia ')  nennen  die  Griechen  die  Landschaft,  welche  im  Osten 
durch  das  Taygeton  von  Lakonien,  im  Norden  durch  die  süd- 
westlichen Vcrzweigiimgen  des  Lykaion  (die  jetzt  Tetrasi  und 
Hagios  Ilias  genannten  Bergzüge)  sowie  durch  den  Fluss  Neda 
von  Arkadien  und  Triphylien  getrennt,  an  den  übrigen  Seiten 
vom    Meere   bespült    wird,   das   von  Süden    her  tief  in  das  Land 


<)  Paus.  c.  21,  7;  c.  26,  8  ff.;  vgl.  Hom.  II.  J,  150;  292;  Hesiod.  bei 
Stepli.  Byz.  u.  rtgrjvLa;  Strab.  p.  340;  p.  360.  In  der  Ansetzung  der 
beiden  Ortschaften  bin  ich  dtr  Ansicht  von  Leake  (Morea  I,  p.  323; 
Peloponnesiaca  p.  180)  gegen  die  französ.  Karte  und  Curtius  (Pel.  II, 
S.  280),  die  Gercnia  an  der  Stelle  von  Zarnata  ansetzen,  gefolgt,  weil 
mir  aus  Paus,  hervorzugehen  scheint,  dass  die  von  Leake  unzweifelhaft 
richtig  erkannte  Grotte  zwischen  Gerenia  und  Alagonia  lag,  und  weil 
die  Entfernung  von  30  Stadien  landeinwärts  d.  h.  ostwärts  von  Zarnata 
uns  auf  die  Hüben  gerade  unter  den  höchsten  Kuppen  des  Taygeton 
fiiliit,  <li'  •iiiicliHus  keinen  Platz  für  eine  städtische  Anlage  darbieten. 
JjHöb  rtol.  111,  10,  22  (an  einer  überdies  sehr  confuscn  Stelle)  Gercnia 
unter  den  noXsig  (iBOoyfiOL  Lakonicns  anführt,  erklärt  sieh,  wenn  wir 
annehmen,  dass  die  Stadt  einige  Minuten    von  der  Küste  entfernt  war. 

*)  rj  MtaorivCcc  als  Substantiv  ohne  den  Heisatz  von  yfi  oder  irnq«. 
Hndet  sich  zuerst  bei  Polybios  und  bei  dem  sogenannten  Scymnus  Chius 
Orb.  descr.  530. 


156  II.  Pcloponncsos. 

eindrinjj'end  den  *Mcsseniscli  en  Meerbusen")  bildet.  Die 
Etymologie  des  Namens,  der  eigentlicb  'MiUeliand'  bedeutet,  zeigt, 
dass  derselbe  ursprünglich  nicht  der  ganzen  Landschaft,  sondern 
nur  einem  Theile  derselben  zukam,  der  nicht  nur  in  geographi- 
scher, sondern  auch  in  politischer  Beziehung  den  Mittelpunkt 
des  Landes  bildete.  Ohne  Zweifel  war  dies  die  fruchtbare,  von 
mehreren  zu  einem  Strome  sich  vereinigenden  Bächen  durch- 
llossene  Ebene  im  nördlicheren  Theile  des  Landes,  ein  alles  See- 
becken, das,  abgesehen  von  einem  schmalen  Spalt  im  Süden,  von 
allen  Seiten  von  Gebirgen  umschlossen  ist:  im  Norden  durch  die 
schon  erwähnten  Gränzgebirge  gegen  Arkadien,  im  Nordweslen 
durch  einen  mit  diesen  zusammenhängenden,  jetzt  Kutra  ge- 
nannten Gebirgszug,'^)  im  Südwesten  durch  ein  jetzt  mit  dem 
Gesammtnamen  Kontovunia  (^die  kurzen  Berge')  bezeichnetes 
Mittelgebirge,  das  zwei  durch  eine  Einsattelung  verbundene  Gipfel 
(jetzt  Vurkano  und  Hagios  Basilios,  von  den  Alten  Ithome  und 
Euan  genannt)  gegen  Südosten  vorschiebt,  im  Osten  endlich  durch 
die  westlichen  Vorberge  des  in  grossen  Terrassen  nach  der  Ebene 
zu  absteigenden  Taygeton.  Ein  Engpass,  durch  welchen  die  ver- 
einigten Gewässer  abflicsscn ,  verbindet  diese  nördlichere  Ebene, 
die  nicht  nur  in  der  ältesten,  sondern  aucfl  in  späteren  Zeiten 
einer  selbständigen  staatlichen  Existenz  der  Landschaft  den  poli- 
tischen Mittelpunkt  derselben  bildete,  mit  einer  zweiten,  an  Frucht- 
barkeit ihr  nicht  nachstehenden  Ebene,  die,  gegen  Süden  sich  be- 
deutend verbreiternd,  von  dem  Strome  durchflössen  wird,  der, 
nachdem   er   noch  einen   bedeutenden  Zufluss   von  Nordosten  her 


')  Ms66riviKyi6g  ycolnog  bei  Strabon  u.  a. :  nach  demselben  VIII,  p. 
359  biess  der  nördlichere  Theil  des  Busens  6  Msaorjviaytog  mXnog,  der 
südlichere  6  'Aaivatog  hoAttos  [doch  werden  weiterhin  beide  Bezeich- 
nungen als  synonym  behandelt];  dieselben  beiden  Theile  werden  bei 
Plin.  N.  h,  IV,  5,  15  als  'sinus  Coronaeus'  und  'sinus  Asinaeus'  unter- 
schieden. Endlich  finden  wir  auch  die  Bezeichnung  QovQiccTrjg  ytolnog 
für  den  ganzen  Meerbusen  bei  Strab.  p.  860.  Heut  zu  Tage  Golf  von 
Koron. 

2)  Curtius  Pel.  II,  S.  130  scheint  den  Namen  'ElaCov,  den  er  dem 
H.  Ilias  giebt,  auch  auf  dieses  Gebirge  zu  beziehen;  doch  sind  wir 
durch  die  dürftigen  Angaben  des  Tansanias  (VIII,  41,  7  und  42,  1,  ^gl. 
Rhianos  bei  dems.  IV,  1,  6)  überhaupt  nicht  berechtigt,  den  Namen 
Elaion  auf  die  am  linken  Ufer  der  Neda  gelegenen  Ciebirge  auszudehnen. 
Vgl.  Conze  und  Michaelis  Annali  XXXIII,  p.  57  ss. 


3.  Messenien.  157 

aufgenommen  hat,  den  Namen  Pamisos  (jetzt  Pirnatza)  empfängt^) 
und  der  durch  die  Menge  von  Sand  und  Schlamm,  die  er  mit 
sich  führt,  fortwahrend  an  der  Erweiterung  dieser  seiner  Münd- 
ungsebene, die  zum  grössern  Theile  als  seine  Schöpfung  zu  be- 
trachten ist,  arbeitet.  Darin  unterstützen  ihn  ein  von  dem  Rücken 
des  Taygeton  herabkommender  wasserreicher  Giessbach,  der  Ne- 
don,  der  zwei  Stunden  östlich  vom  Pamisos  bei  dem  jetzigen 
Kalamata  ins  Meer  fällt,  sowie  zahlreiche  den  grössten  Theil  des 
Jahres  hindurch  wasserlose  Bäche,  welche  von  den  südlichen  Ab- 
hängen der  Kontovunia  aus  den  westlichen  Theil  der  Ebene  durch- 
furchen. Diese  südliche  Ebene,  die  wegen  ihrer  Fruchtbarkeit 
im  Altertume  Makaria  ('die  gesegnete')  genannt  wurde, ^)  wird 
im  Südosten  durch  die  wie  eine  mächtige  Barre  bis  unmittelbar 
ans  Meer  vorgeschobenen  felsigen  Abhänge  des  Taygeton  begränzt, 
mit  denen  die  zum  weitaus  grössten  Theile  schon  im  vorigen  Ab- 
schnitt geschilderte  Taygetonhalbinsel  beginnt.  Ihr  entspricht  im 
Westen  eine  zwar  etwas  breitere  aber  weit  kürzere  Halbinsel,  die 
wir  die  messenische  nennen  können,*^)  da  sie  ganz  dieser  Land- 
schaft angehört.  Sie  wird  nicht  wie  die  beiden  Lakonischen  Halb- 
inseln von  einem  langen  Gebirgszuge  eingenommen,  sondern  be- 
steht aus  mehreren  durchaus  anbaufähigen  Gebirgen  von  massiger 
Erhebung,  unter  denen  das  jetzt  Lykodimo,  von  den  Allen  Ma- 
thia  genannte,  dessen  Gipfel  die  Höhe  von  957  Meter  erreicht, 
das  bedeutendste  und  in  gewissem  Sinne  der  Kern  der  ganzen 
Halbinsel  ist,  da  die  westlicheren,  jetzt  Zernaura  und  Mandila  ge- 
nniniten  Berge,  sowie  der  die  Westküste  von  Modon  bis  Navaiin 
einnehmende  Bergrücken  des  heiligen  INikolaos  als  Verzweigungen 

*)  Aus  Paus.  IV,  31,  4  sieht  man,  dass  die  Alten  die  V/^  Stunde 
)i«)rdlich  von  Thuria,  etwas  über  zwei  Stunden  östlich  von  der  Stadt 
Messene  am  Fusse  eines  Vor])erges  des  Taygeton  entspringenden,  jetzt 
nach  dem  heiligen  Floros  benannten  Quellen  als  die  des  Pamisos  be- 
trachteten; dies  wird  bestätigt  durch  die  Angabe  des  Strabon  p.  .'JGl, 
dasH  die  Länge  des  Laufes  des  Pamisos  von  seinen  Quellen  an  nicht 
nulir  als  100  Stadien  betrage. 

2)  Strab.  p.  301. 

^)  Die  von  Curtius  beliebte  Bezeichnung  derselben  als  Rhion  ist 
durchaus  unbezeugt,  da  die  Alten  nur  von  einer  Ortschaft  Uhion  wissen 
(Strab.  p.  300  und  301;  Stepli.  Hyz.  u.  'Piov),  die,  wie  Curtius  selbst 
richtig  erkannt  hat  (l*el.  II,  S.  Iß8),  die  Stolle  dos  spätem  Asine  (dos 
jetzigen  Koron)  einnahm. 


158  II.  Pcloponnesos. 

desselben  betrachtet  vverden  können.  Den  südlichsten  Theii  der 
Halbinsel  aber  bildet  ein  besonderes  Gebirge,  der  Akritas  der 
Alten,  niedriger  (der  jetzt  nach  dem  heiligen  Demctrios  benannte 
höchste  Gipfel  erreicht  nur  die  Höhe  von  516  Meter),  aber  rauher 
und  steiler  als  die  Mathia,  in  Gestalt  eines  mit  i\er  Spitze  (dem 
Akritas  im  engeren  Sinne,  jetzt  Cap  Gallo)  nach  Süden  gekehrten 
Dreiecks,  dessen  Basis  nach  Westen  bis  nahe  an  das  südliche  Ende 
des  Bergrückens  des  heiligen  Nikolaos  verlängert  ist.  Als  Fort- 
setzungen oder  weitere,  durch  Zerstörung  der  Verbindungsglieder 
vom  Stamm  losgelöste  Verzweigungen  dieses  Gebirges  sind  wohl 
auch  die  nahe  der  Südküste  der  Halbinsel  liegenden,  durchaus 
felsigen  und  jetzt  ganz  unbewohnten  Inseln  zu  betrachten:  die 
nach  ihrer  an  einen  Wetzstein  erinnernden  Gestalt  von  den  Alten 
Theganusa  (jetzt  Venetiko)  genannte  gerade  südlich  vom  Cap 
Akritas,  und  die  westlichere  Gruppe  der  Oinussae,  die  aus  zwei 
grösseren,  jetzt  Sapienza  und  Cabrera  genannten  und  einer  in 
dem  Canal  zwischen  beiden  gelegenen  kleinen  (Prasonisi  oder 
Santa  Maria)  besteht,  i) 

Der  westliche  Theil  der  oberen  Landschaft  endlich  wird 
von  einem  mit  dem  Mittelgebirge  der  Kontovunia  zusammen- 
hängenden, von  Nord  nach  Süd  streichenden  Bergzuge,  dem 
Aegaleon^)  der  Alten,  eingenommen,  der  in  drei  Gipfeln  von 
annähernd  gleicher  Höhe  (dem  Psychro  im  Norden  von  1115,  dem 
Gipfel  der  heiligen  Barbara  in  der  Mitte  der  Kette  von  1220  und 
dem  der  heiligen  Kyriaki  im  Süden  von  1066  Meter)  aufsteigt 
und  in  breiten,  durchschnittlich  noch  etwa  100  Fuss  über  die 
Meeresfläche  sich  erhebenden,  mit  fruchtbarem  Erdreich  bedeckten 


1)  Der  nur  von  Paus.  IV,  34,  4  erhaltene  antike  Name  des  Lyko- 
dimo  ist  von  Bekker  nach  den  Spuren  der  Handschriften  richtig  als 
tJ  MaQ'Ca  erkannt  worden;  vgl.  Sehubart  Bruchstücke  zu  einer  Metho- 
dologie der  diplomatischen  Kritik  S.  24,  Dem  Bergzug  des  heiligen 
Nikolaos  giebt  Curtius  (II,  S.  180,  vgl.  S.  198)  vermutungsweise  den 
Namen  Tomaeon  oder  Tomeus  nach  Thucyd.  IV,  118  und  Steph.  Byz. 
u.  ToiiFvg,  schwerlich  mit  Recht,  da,  wie  schon  Leake  (Morea  I,  S.  416) 
erkannt  hat,  bei  Thucyd.  nach  dem  Zusammenhange  vielmehr  an  Oert- 
lichkeiten  östlich  d.  h.  landeinwärts  von  Pylos  zu  denken  ist.  lieber  den 
Akritas  und  die  südlich  davon  gelegenen  Inseln  s.  Paus.  c.  34,  12;  Strab. 
p.  359;  Ptoh  III,  16,  7. 

2)  Strab.  p.  359. 


3.  Messenien.  159 

Hochflächen. gegen  Westen  vortritt.  Durch  die  zahh-eichen  Giess- 
baclie,  weh'he  durch  dieselben  dem  Meere  zufliessen,  hat  sich  am 
Fusse  derselben  ein  durchschnittlich  etwa  ^/^  Stunde  breiter  sand- 
iger Küstensauni  angesetzt,  der  zwisclien  den  Städten  Pylos  und 
Kyparissia  eine  Ausbauchung  gegen  Westen  zeigt,  weiter  nördlich 
dann  sich  wieder  gegen  Osten  zurückzieht  und  dadurch  den  An- 
satz zu  dem  im  Norden  durch  das  Gap  Ichthys  (jetzt  Kalakolo) 
in  Elis  abgeschlossenen  weiten  Meerbusen  von  Kyparissia  ^)  {jetzt 
Golf  von  Arkadia)  bildet. 

Die  idteste  Bevölkerung  der  Landschaft  scheint  aus  lele- 
gischen  (hauptsachlich  im  östlichen  Theile) ,  pelasgischen  (gegen 
die  Gränzen  Arkadiens  hin)  und  aeolisch  -  minyischen  Elemen- 
ten (an  der  Westküste)  gemischt  und  in  Folge  der  Stammes- 
verschiedenheit auch  zu  keiner  politischen  Einheit  verbunden  ge- 
wesen zu  sein:  wenigstens  erscheint  in  den  Homerischen  Ge- 
dichten der  grössere  Theil  des  Landes  mit  Lakonien  unter  der 
Herrschaft  der  Atriden  vereinigt,  während  die  Westküste  mit  Tri- 
phylien  ein  besonderes  Reich  unter  dem  Scepter  der  Neliden 
bildet.  Als  die  Dorier  von  Arkadien  aus  eingedrungen  waren 
und  sich  in  der  nördlichen  Ebene  festgesetzt  hatten,  unterwarfen 
sie  sich,  wie  es  scheint,  fast  ohne  Kampf  die  ganze  Landschaft; 
nur  einige  der  mächtigsten  Adelsgeschlechter  wie  die  Neliden, 
die  Medontiden,  die  Paeoniden  und  die  Alkmaeoniden  wanderten 
nach  Atlika,  beziehungsweise  nach  Kleinasien  aus;  die  übrige  Be- 
völkerung, meist  friedliche  Ackerbauer,  blieb  im  Wesentlichen  im 
Besitz  ihres  Grundeigentums  und  ihrer  politischen  Rechte  und 
wurde,  mit  Ausnahme  der  unmittelbar  unter  dem  dorischen  Kö- 
nig stehenden  nördlichen  Ebene,  von  vier  Unterkönigen  oder 
Lehnsfürsten    beherrscht,  ^j      Zwar    wurde    diese   Einrichtung    in 


*)  Cy  parissius  sinus  Plin.  N.  h.  IV,  5,  15;  Pomp.  Mela  II,  50.  Von 
den  Giessbächen  der  Küste  wird  uns  ausser  dem  bei  Kyparissia  fliessenden 
KvTcaQioar'iBig  (Strab.  VIII,  p.  349)  nur  der  2;"«^«$  genannt  (Ptolem.  III, 
10,  7);  welchem  Bach  dieser  Name  geliört,  ist  nicht  mehr  festzustellen. 

»)  8.  Ephoros  bei  Strab.  VIII,  p.  .361  (dazu  Curtius  Pel.  11,  S.  125  f. 
und  ßchiller  .Stämme  und  Staaten  Griechenlands,  II,  Ansbach  1858,  S. 
7  f.),  wo  als  die  Sitze  der  vier  Unterkönige  genannt  werden:  Pylos  nn 
der  Westküste;  Rhion  an  der  Ostküste  der  westlichen  Halbinsel 
(s.  oben  S.  1.57,  Anm.  3);  Mesola,  was  wohl  von  dem  Lakonischen  Mossa  an 
der  Westküste  der  Taygetonhalbinsel  nicht  verschieden  ist,  so  dass  Mes- 
senien damals  bis  zum  Cap  Thyrides  hinabreichte  (vgl.  Strab.  p.  360,  wo 


160  II.  Peloponnesos. 

Folge  der  Unznfrictlenbcit  des  dorischen  Adels  n])er  die  Begünst- 
igung der  alten  Landesbewohner  hahl  wieder  aufgehoben  und 
die  Regierung  der  ganzen  Landschaft  in  Stenyklaros,  dem  Sitze 
der  dorischen  Herrscher,  concentrirt;  allein  diese  Herrschaft  trug 
keineswegs  einen  ausgeprägt  dorischen  Ciiarakter,  vielmehr  ver- 
schmolzen die  Dorier  mehr  und  mehr  mit  der  alten  Bevölkerung; 
an  die  Stelle  des  alten  dorischen  Stammesbewusstseins  trat  allmälig 
ein  messenisches  Nationalbewusstsein,  für  dessen  Stärke  das  Fest- 
halten der  unglücklichen  Messenier  an  ihrer  messenischen  Natio- 
nalität während  jahrhundertelanger  Knechtschaft  und  Verbannung, 
wodurch  sie  den  Polen  der  Gegenwart  ähnlich  erscheinen,  das 
beste  Zeugniss  ablegt.  Die  Entwickelung  dieses  nationalen  Be- 
wusstseins  musste  natürlich  zu  einem  Gegensatze  gegen  die  alten 
Stammesgenossen  jenseits  des  Taygeton  führen,  der  durch  die 
Verbindung  der  messenischen  Herrscher  mit  den  den  Spartanern 
feindlichen  Stämmen  des  südlichen  Arkadiens,  sowie  durch  Gränz- 
slreitigkeiten,  wie  sie  zwischen  Nachbarn  nicht  ausbleiben,  immer 
mehr  verschärft,  endlich  in  Folge  eines  Actes  der  Gewaltthälig- 
keit,  an  welchem  jede  der  beiden  Parteien  der  anderen  die  Schuld 
zuschob,  in  offenen  Krieg  —  den  sogenannten  ersten  Messenischen 
Krieg  —  ausbraeh.  Das  Resultat  dieses  20jährigen  Kampfes, 
dessen  Einzelheiten  ganz  in  das  Gewand  der  Sage  gehüllt  sind, 
war  die  Vernichlung  der  nationalen  Selbständigkeit  Messeniens, 
das  von  den  Spartanern  ganz  als  erobertes  Land  behandelt  wurde : 
die  Bewohner,  soweit  sie  es  nicht  vorzogen,  ihre  Heimat  zu  ver- 
lassen,  blieben  zwar  im  Besitz  ihres  Grundeigentums,  mussten 
aber  die  Hälfte  des  Ertrages  an  die  Spartaner  abliefern  und  wur- 
den von  Sparta  aus  regiert.  Nach  etwa  80  Jahren  brach  der 
Hass  der  Unterdrückten  gegen  ihre  Unterdrücker  wieder  in  helle 
Flammen  aus:  unter  Führung  des  heldenmüthigen  Aristomenes, 
dessen  Thaten  noch  bis  in  späte  Zeiten  in  Volksliedern  fortlebten, 
erhob  sich  die  ganze  Bevölkerung,  von  ihren  arkadischen  Nach- 
barn untertsüzt,  zum  heiligen  Kriege  (dem  zweiten  messenischen 
Kriege);  aber  nach  ITjährigem  Kampfe,  als  der  letzte  Zufluchtsort 


6  fista^v  ■noXrcog  rov  Tavysxov  v.cu  tfjg  MsGcrjviag  nach  meinem  Verständ- 
nisse die  weite  Einbuchtung  zwischen  Cap  Thyrides  und  dem  jetzigen 
Cap  Kephali  bezeichnet),  und  Hjameitis  oder  Hyameia  (vgl.  Paus.  IV, 
14,  3  und  Steph.  Byz.  u.  'Taasicc),  das  jedenfalls  in  der  unteren  Ebene 
zu  suchen  ist. 


3.  Messenien.  161 

der  Natioualpartei,  die  Bergfeste  Eira  an  der  Gränze  Arkadiens, 
durch  Verralli  in  die  Hände  der  Feinde  gefallen  war,  musstc  sie 
den  Widersland  aufgeben:  ein  grosser  Theil  der  Kämpfer  wan- 
derte aus,  was  zurückblieb,  wurde  zu  Hörigen  (Heloten)  gemacht, 
die  das  nun  nicht  mehr  ihnen  gehörige  Land  für  die  spartiatischen 
Herren,  deren  eiserne  Hand  noch  schwerer  als  früher  auf  ihnen 
lastete,  bebauen  mnsstenJ)  Seitdem  bot  Messenien,  von  Natur 
die  fruchtbarste  und  gesegnetste  Landschaft  der  Halbinsel,  ein 
trauriges  ßild  der  Verödung  und  des  Verfalls  dar:  das  Land  war 
dünn  bevölkert  und  schlecht  angebaut,  zu  einem  grossen  TJieil  als 
Weiden  für  die  Heerden  der  Spartaner  benutzt;  ~)  die  Städte,  mit  Aus- 
nahme des  von  Dryopern  bewohnten,  von  Sparta  begünstigten  Asine 
und  von  Thuria,  dessen  Bewohner  lakonische  Periöken  waren, '^) 
ohne  Bedeutung,  weil  Industrie  wie  Handel  unter  dem  Drucke  der 
Fremdherrschaft  darnieder  lagen.  Der  hauptsächlich  von  Messe- 
nien ausgegangene  und  daher  gewöhnlich  als  dritter  messenischer 
Krieg  bezeichnete  Helotenaufstand  brachte  neue  Verwüstung  und 
neue  Entvölkerung  über  das  unglückliche  Land;  denn  als  die  iiuf 
der  Ithome  verschanzten  Aufständischen  im  zehnten  Jahre  des 
Krieges  (Ol.  81,  2=455)  capitulirten,  wurde  ihnen  mit  Weibern 
und  Kindern  freier  Abzug  unter  der  Bedingung  der  Auswanderung 
aus  dem  Peloponnes  bewilligt  und  sie  von  den  Athenern  in  Nau- 
l)aktos  angesiedelt.  ^)  Seitdcun  herrschte  in  Messenien  die  Buhe 
eines  Kirchhofs,  die  nur  durch  die  Besetzung  von  Pylos  durch 
die  Athener  im  siel)ent(?n  Jahre  des  pcloponnesischen  Kriegs  (Ol. 
88,  3  =  425)  vorübergehend  unterbrochen  wurde.  Aber  zu  einem 
neuen  Leben  erwachte  Volk  und  Land  durch  den  Weckruf  des 
Epameinondas,  der  bei  seinem  ersten  Einfall  in  den  Peloponnes 
(Ol.  102,  3  =  3G1))  Messenien  wieder  als  unabhängigen  Staat  her- 
stellte und  demselben  durch  die  Gründung  der  Stadt  Messene, 
zu  deren  Bevölkerung  er  die  Nachkonunen  der  ausgewanderten 
Messenier  in  die  alte  Heimat  zurückberief,  einen  politischen  Mittel- 
punkt gab.'')    Trotz  der  Weigerung  Sparlas,  den  neuen  Staat  an- 


')  Vgl.  über  die  beiden  messeniKchen  Kriege  (Mirtius  Gr.  (loschiclite 
S.  172  fF.;  Ph.  Kohlmaiin  Quaestiones  Messcnisujjie,  Jionn  1866. 
*)  Pl.it.  Alcib.  1,  p.   122''. 
'')  Tliukyd.  I,   101. 
<)  Tbukyd.   1,   KKi. 
••)  V-1.  I'.uis.  IV,  2(5,  r,  fl.;   l)io<l.  XV,  06. 

11 


162  II.  Peloponnesos. 

zuerkennen,  bestand  derselbe  fort,  freilich  als  ein  in  jeder  Hin- 
sicht schwächlicher  Körper,  der  sich  nie  zu  einer  selbständigen 
und  wahrhaft  nationalen  Politik  zu  erheben  vermochte.  Die  Grän- 
zen  gegen  Lakonien  blieben,  wie  schon  früher  bemerkt,  mannig- 
fachen Schwankungen  unterworfen,  bis  sie  durch  einen  Schieds- 
spruch des  Kaisers  Tiberius  im  Jahre  25  n.  Chr.  definitiv  gere- 
gelt wurden. ') 
Die  nörd-  Di^   chorographischc  Schilderung   der   Landschaft   hat  natur- 

uche  Ebene,  gejjjäss  auszugehcu  vou  der  nördlichen  Ebene,  die,  wie  oben  be- 
merkt,  ursprünglich  Messene,  nach  Ausdehnung  dieses  Namens 
auf  die  ganze  Landschaft  gewöhnlich  die  stenyklarische  Ebene 
(nach  der  alten  Königsstadt  Stenyklaros,  deren  Stelle  schon  den 
alten  Geographen  unbekannt  war)  genannt  wurde.  ^)  Die  Berge, 
welche  sie  gegen  Norden  umschliessen,  tragen  schon  einen  ganz 
arkadischen  Charakter:  wild  und  grossartig,  nur  auf  beschwer- 
lichen, kaum  für  Saumthiere  gangbaren  Pfaden  zugänglich,  erfreuen 
sie  doch  das  Auge  durch  den  Reichthum  an  Laubwald,  nament- 
lich an  prächtigen  Eichen,  deren  mächtige  Stämme  hie  und  da 
wegen  Mangel  an  Communicationsmitteln  unbenutzt  verfaulen. 
Der  höchste  Gipfel  und  zugleich  der  Knotenpunkt,  für  die  weitere 
Verzweigung  des  Gebirges  gegen  Südosten  (die  arkadischen  Nomia- 
Berge)  ist  der  bis  zur  Höhe  von  1388  Meter  sich  erhebende  Te- 
trasi,  von  den  Messeniern  Eira  oder  Ira  genannt,  von  welchem 
gegen  Nordwesten,  zwischen  den  kleinen  Dörfern  Kakaletri  und 
Stasimi,  ein  von  tiefen  Schluchten,  in  denen  zwei  Arnje  der  Neda 
fliessen,  umgebener  Felsrücken  vorspringt,  der  die  Reste  einer 
aus  unregelmässigen  Steinen  aufgeführten  Befestigung,  auf  seinem 
niedrigeren  westlichen  Ende  die  einer  kleinen  regelmässig  um- 
mauerten Ortschaft  trägt:  jene  die  üeberbleibsel  der  Bergfestung 
Eira,  in  und  bei  welcher  die  Hauptscenen  des  Dramas  des  zweiten 
messenischen  Krieges  spielen,  letztere  wohl  von  einer  nach  der 
WiederherstelUung   Messeniens    errichteten   Gränzbefestigung   her- 

1)  S.  Tac.  Ann.  IV,  43  und  dazu  Ross  Reisen  I,  S.  15  ff.  —  Strab. 
p.  362  nennt  Messenien  eine  zum  grössten  Theile  verlassene  Landschaft. 

2)  Herod.  IX,  64;  Paus.  IV,  3,  7;  c.  15,  8;  c.  33,  4.  Curtius  (Fei. 
11,  S.  136)  setzt  die  Stadt  nach  Pouillon-Boblayes  Vorgang-  auf  einer 
von  Südosten  her  in  die  Ebene  vortretenden  Anhöhe  östlich  oberhalb 
des  Dorfes  Meligala  an,  eine  Annahme,  für  welche  es  an  jedem  lite- 
rarischen und  monumentalen  Zeugnisse  fehlt;  vgl.  Annali  XXXIII, 
p.  56. 


3.  Messenien:  die  nördliche  Ebene.  163 

rührend J)  Von  den  südwestlichen  Abhängen  des  Tetrasi  kommt 
ein  von  den  Alten  wahrscheinlich  Leukasia  genannter  Bach 
herab,  der  sich  im  südlichsten  Theile  der  Ebene,  nachdem  er 
ein  einen  nördlichen  Winkel  derselben  bildendes  schmales  Thal 
durchflössen,  mit  einem  anderen  von  den  westlichen  Abhängen 
der  Nomiaberge  herabkommenden  Bache,  dem  Amphitos,  nach- 
dem dieser  einen  kleinen  Seitenbach,  den  Charadros,  aufge- 
nommen hat,  vereinigt:  die  vereinigten  Gewässer  ergiessen  sich 
nach  ganz  kurzem  Laufe  in  den  von  dem  südlichen  Abhänge 
des  heiligen  Iliasberges  her  durch  ein  nordwestliches  Seitenthal 
in  die  Ebene  einfliessenden  Bach,  der  jetzt  Mavrozumenos,  von 
den  Alten  Balyra  genannt  wird.^)  Dieser  ist  gerade  an  dem 
Vereinigungspunkte  durch  eine  in  ihren  Fundamenten  antike  Brücke 
überbrückt,  deren  drei  Schenkel  (einer  nach  Süden,  einer  nach 
Nordost  und  einer  nach  Nordwest  gerichtet)  die  Richtung  der 
antiken  Strasse  bezeichnen  welche  von  der  Stadt  Messene  her- 
kommend sich  hier  gabelte,  um  rechts  nach  der  arkadiscTien  Me- 
galepolis,  links  nach  Kyparissia  auf  der  messenischen  Westküste  hin- 
zuführen. Folgte  man  der  letzteren,  so  gelangte  man  zunächst 
nach  einer  kleinen  Ortschaft  Polichne,  die  am  südlichen  Ende 
des  vom  obern  Laufe  der  Balyra  durchströmten,  durch  einen 
niedrigen  Bergzug  vom  Thale  der  Leukasia  getrennten  Thaies, 
in  der  Gegend  des  jetzigen  Khans  von  Kokla  zu  suchen  ist;  in 
der  Nähe  derselben  flössen  zwei  Bäche,  Elektra  und  Koios 
genannt,  jedenfall  ein  Paar  westliche  Seitenarme  der  Balyra.  Nach 
Ueberschreitung  des  ersteren  kam  man  an  eine  Quelle  A  chaia,  in 
deren  Nähe  sich  Reste  einer  alten  Ortschaft  fanden,  die  dem  Pau- 
sanias  als  die  der  alten  Stadt  Dorion  (ein  Name,  der  von  Anderen 
freilich  auf  einen  Berg  oder  auch  auf  die  ganze  Ebene  der  oberen 
lialyra  bezogen  ward)  bezeichnet  wurden.^) 

*)  Paus.  c.  17,  10  u.  ü.;  Steph.  Hyz.  u.  'Iqcc:  vgl.  Ross  Reisen  I, 
S.  95  fr.;  Curtius  Pcl.  II,  S.  152  f.;  Vischer  Erinnerungen  S.  451  ff. 
Die  von  Clark  (Peloponnesus  p.  248  ss.)  gegen  die  Beziehung  jener 
Reste  auf  Eira  erhobenen  Zweifel  scheinen  mir  durchaus  nicht  erheb- 
lich zu  sein. 

2)  Paus.  c.  33,  4;  vgl.  Expedition  ^e  Mort^e  I,  pl.  48  und  Curttos 
11,  S.  150  f.  Der  Name  Balvga,,  den  die  Legende  von  der  weggewor- 
fenen Leier  des  Thamyris  herleitete,  gehört  wahrscheinlich  zur  Wurzel 
J-t/l,  J^ak  'winden,  krümmen'. 

3)  Paus.  c.  33,  6  f.:  vgl.  »trab.  p.  360;  Steph.  Byz.  u.  JtoQiov. 

11* 


164  II.  Peloponncsos. 

Folgte  man  dagegen  tler  nach  Megalepolis  füln'enden  Strasse, 
so  fand  man  nalie  dem  östliclien  Hände  der  Stenyklarischen  Ebene 
am  linken  Ufer  des  Charadros  (in  der  Nähe  des  jetzigen  Dorfes 
Philia)  einen  geräumigen  Kypressenhain,  Karnasion  genannt, 
in  welchem  den  grossen  Göttinen  (Demetör  und  Rora)  nebst  Apol- 
lon  Karneios,  dem  widdertragenden  Hermes  und  den  Rabeiren 
Mysterien,  in  ihren  Bräuchen  wie  an  Ansehen  und  Huf  an  die 
eleusinischen  erinnernd,  gefeiert  wurdenJ)  Dieses  Heiligtum, 
dessen  erste  Gründung  jedenfalls  in  die  Zeit  vor  der  dorischen 
Einwanderung  zurückgeht,  gehörte  zum  Gebiete  von  Andania, 
dem  Sitze  der  alten  lelegischen  Könige  und  der  Heimat  des  Ari- 
stomenes,  dessen  Ruinen  20  Minuten  nördlich  von  der  Stelle  des 
Hains  auf  einem  Bergvorsprunge  oberhalb  des  Dorfes  Trypha 
unter  dem  Namen  'Helleniko'  erhalten  sind.  Die  eigentliche  Burg 
scheint,  ähnlich  wie  Eira,  seit  dem  zweiten  messenischen  Kriege 
in  Trümmern  geblieben  zuxsein,  während  unterhalb  derselben 
nach  der  Wiederherstellung  Messeniens  ein  Städtchen,  dem  man 
den  alten  Namen  beilegte,  begründet  wurde.  Auf  die  alte  Burg- 
stadt bezogen  einige  den  Namen  Oichalia,  der  auch  in  den 
messenischen  Sagen  eine  Rolle  spielt,  während  andere  diesen  Ort 
an  die  Stelle  des  Haines  Karnasion  versetzten.^)  Reste  einer 
anderen  befestigten  Ortschaft  finden  sich  gegen  zwei  Stunden  süd- 
östlich von  den  Ruinen  Andanias,  auf  der  westlichen  Spitze  eines 
steil  abfallenden,  bereits  zu  dem  Gebirgssystem  des  Taygeton  ge- 
hörigen Bergrückens,  der  auch  im  Mittelalter  eine  Burg  getragen 


*)  S.  Paus.  c.  33,  4  und  die  grosse  in  der  Nähe  des  Dorfes  Hagios 
Konstantinos  g-efandene  Inschrift  bei  Sauppe  Die  Mysterieninschrift  aus 
Andania,  Göttingen  1860;  dazu  die  Bemerkungen  von  Couze  und  Mi- 
chaelis in  den  Annali  XXXIII,  p.  51  ss. 

2)  Paus.  c.  33,  4  f.,  vgl.  c.  1,  2;  c.  2,  2;  c.  3,  10;  c.  14,  7;  c.  2G, 
6;  Strab.  p.  339;  p.  350;  p.  360;  Pherekyd.  fr.  34  Müller  (zu  welcher  Stelle 
auch  der  neueste  Verbesscrungsvorschlag  von  Sauppe  a.  a.  0.,  S.  8, 
Anm.  3,  sv  MsgoXt]  für  iv  Govlrj  zu  schreiben,  verfehlt  ist,  da  das  Ge- 
biet von  Mesola  sich  nach  der  von  S.  angezogenen  Stelle  des  Strab. 
p.  360  [vgl.  oben 'S.  159,  Anm.  2j  bis  ans  Meer  erstreckt  haben  muss: 
vielleicht  ist  sv  äXasi  %7]g  'Av§avLccg  zu  schreiben);  Liv.  XXXVI,  31; 
Steph.  Byz.  u.  'AvdavCa:  nach  der  letzteren  Stelle  hätte  einstmals  die 
ganze  Landschaft  (d.  h.,  wie  Curtius  Pel.  II,  S.  189  erkannt  hat,  die 
nördliche  Ebene)  den  Namen  Andania  geführt.  lieber  die  Kuinen  von 
Andania  vgl.  Curtius  Pel.  II,  S.  132  f. 


3.  Mcs'senicn:  die  nördliche  Ebene.  165 

hat  (Palaeokastron  von  Kokia) ;  wahrscheinlicli  gehören  dieselhen 
Ampheia,  einer  Gränzfestung  Messeniens  gegen  Lakonien,  durcli 
deren  Ueherrunipelung  die  Lakedaenionicr  den  ersten  niesseni- 
schen  Krieg  eröli'net  haben  sollen.  ^) 

Anf  der  von  der  ßalyrabrücke  südwärts  führenden  Strasse 
erreichte  man  in  V/^  Stnnden  den  Fuss  der  Ithonie  und  die 
westlich  von  ihr  und  dem  sie  mit  dem  Euan  verbindenden  Sattel 
gelegene  Stadt  Messene.  Der  802  Meter  hohe  Gipfel  des  Berges, 
zu  dem  man  vom  Sattel  aus  eine  Stunde  lang  emporsteigt,  war 
dem  Zeus  Ithomatas,  dem  Landesgotte  Messeniens,  dem  Spender 
fruchtbaren  Regens,  geweiht,  der,  ahnlich  wie  Zeus  Lykaeos  auf 
dem  benachbarten  arkadischen  Gebirge,  hier  ohne  Tempel  und 
Bild  (ein  später  für  die  in  Naupaktos  angesiedelten  Messenier  von 
Ageladas  angefertigtes  liild  des  Gottes  wurde  nicht  auf  der  Cuit- 
stätte,  sondern  im  Hause  des  je  auf  ein  Jahr  gewählten  Priesters 
bewahrt)  mit  Opfern  und  musischen  Wettkämpfen  verehrt  wurde; 
zugleich  diente  die  mit  starken  Mauern  umgebene  obere  Fläche, 
auf  d«r  jetzt  ein  verlassenes  Kloster  der  Panagia  steht,  als  die 
IJaup*Ji^tung  des  Landes,  deren  Fall  den  Ausgang  des  ersten  so- 
wie des  dritten  messenischen  Krieges  entschied.  In  letzterer 
Ilinsi^^t  erhielt  der  Berg  neue  Bedeutung  durch  die  Gründung 
der  Stadt  3Iessene,  indem  er,  ähnlich  wie  Akrokorinthos,  als 
Akropolis  der  unteren  Stadt  benutzt  und  in  das  Befestigungssystem 
derselben  aufgenommen  wurde:  seitdem  galten  Ithome  und  Akro- 
korinthos als  die  beiden  stärksten  Festungen  der  ganzen  Halb- 
insel, oder,  wie  Demelrios  von  Pharos  es  ausdrückte,  als  die  beiden 
Ilörner,  an  denen  man  den  Stier  Peloponnesos  festhalten  müsse.  -) 
Die  unter  der  Leitung  des  argivischen  Strategen  Epiteles  ange- 
legte Stadt  hatte  mit  Einschluss  der  Burg  einen  Umfang  von  un- 
gefähr  zwei  deutschen  Meilen,  ein  Raum,   der  freilich  nicht  ganz 


•)  Paus.  c.  .5,  9;  vgl.  Vischer  Erinnerungen  S.  419  ff.  Freilich  liegen 
die  Kiiincn  niclit  unmittelbar  an  der  lakonischen,  sondern  zunächst  an 
der  arkadischen  Grunze;  allein  der  Besitz  dieses  sclimalen  südlichen 
Zipfels  von  Arkadien  war  nach  der  Annexion  der  lielminatis  an  Lako- 
nien jedenfalls  mannigfachen  Schwankungen  unterworfen. 

2)  Polyh.  VII,  11;  «trab.  p.  3GI;  Paus.  c.  9,  1  f.;  c.  33,  1  f.  Die 
Mncannelirten  »Saiden,  von  denen  aucli  ich  Stücke  im  llofo  des  Klosters 
fand,  stammen  gewiss  nicht  von  irgend  einem  CultgcbUudo,  sondern 
dienten  wohl  als  Träger  von  Weihgeschcukeu. 


166  11.  Peloponnesos. 

von  den  Privatwohnungen,  Tempeln  und  sonstigen  ölTentliclien 
Anlagen  eingenommen,  sondern  zum  Tlieil,  wie  die  innerhalb  der 
Ringmauer  liegenden  westlichen  und  südlichen  Abhänge  der  Ithome, 
unbebaut  war;  nur  am  südlichen  Abhänge,  an  weichem  der 
Zickzackpfad  zum  Gipfel  hinaufführt,  findet  man  einige  durch 
Mauern  gestützte  Terrassen  und  auf  einer  derselben  die  Trümmer 
eines  kleinen  Tempels  der  Artemis  Limnatis  (nach  Lebas  Herstel- 
lung ein  korinthischer  Tempel  in  anlis)  mit  dem  Opferplatz,  in 
dessen  Mitte  der  Altar  stand,  vor  dem  Eingange.  ^)  Die  Ringmauer, 
welche  mit  ihren  Zinnen  und  Thürmen  von  Pausanias  ((V,  31,  5) 
als  das  schönste  ihm  bekannte  Reispiel  städtischer  Refestigungs- 
anlagen  gerühmt  wird,  ist  am  besten  erhalten  an  der  Nordseite 
und  Nord  Westseite  der  Stadt,  wo  sie  sich  noch  mehrfach  bis  zu 
12  Lagen  von  regelmässigen,  ohne  Mörtel  sorgfältig  aneinander- 
gefügten Parallelepipeden,  die  Thürme,  denen  nur  das  hölzerne 
Dach  und  der  aus  Holzbalken  gefügte  Zwischenboden  zwischen 
dem  ersten  und  zweiten  Stockwerk  fehlt,  bis  zu  einer  Höhe  von 
über  30  Fuss  erheben.  Ziemlich  in  der  Mitte  der  Nordmauer 
öffnet  sich  ein  Thor,  der  Ausgangspunkt  der  Strasse  naciJ^Mega- 
lepolis,  an  welches  sich  nach  Innen  ein  kreisrunder  Hofraum  von 
62  Fuss  Durchmesser  anschliesst,  aus  dem  man  durch  ein  rveites, 
in  gleicher  Richtung  mit  dem  äusseren  liegendes  Thor  eine  nach 
dem  Innern  der  Stadt  führende,  mit  viereckten  Steinen  sorgfältig 
gepflasterte  Strasse  betritt,  die  man  jetzt  nur  eine  kurze  Strecke 
weit   verfolgen   kann."^)     Wahrscheinlich   führte   dieselbe   als  eine 


*)  S.  Lebas  Revue  archeologique  1844,  p.  425  ss.  und  dessen  Voyage 
archeologique  en  Grece  Architecture,  Livr.  3  —  5,  pl.  1  —  9.  Für  die 
Ruinen  der  Stadt  überhaupt  vgl.  die  Pläne  und  Ansichten  in  der  Expe'- 
dition  de  More'e  I,  pl.  22  ss.,  wornach  der  Plan  bei  Aldenhoven  Itine'- 
raire  descriptif  de  l'Attique  et  du  Peloponnese  (Athen  1841)  zu  p.  196, 
bei  Curtius  Pel.  II,  Tfl.  VI  und  auf  unserer  Tfl.  IV. 

2)  S.  die  Abdildungen  bei  Leake  Morea  I,  p.  372,  in  der  Expe'dition 
de  More'e  I,  pl.  42—47,  bei  Fiedler  Reise  I,  Tfl.  IV  und  bei  Curtius  Pel. 
II,  S.  141.  Ob  die  durch  die  Inschrift  C.  I.  gr.  n.  1460  bezeugte  Wie- 
derherstellung durch  Q.  Plotius  Euphemion  die  ganze  Thoranlage  oder 
nur  ein  in  der  Nische,  über  der  die  Inschrift  angebracht  ist,  aufgestell- 
tes Bildwerk  (die  von  Paus.  c.  33,  3  erwähnte  Herme  ?)  betroffen  hat^ 
ist  nicht  sicher  zu  entscheiden,  letzteres  aber  wegen  der  Stelle  der 
Inschrift  wahrscheinlicher.  —  Eine  Tsysätig  nvXrj  von  unsicherer  Lage 
erwähnt  Polyb.  XVI,  17. 


3.  Messenien:  die  nördliche  Ebene.  167 

Art   Corso   nach   der    Agora,    auf   welcher  Pausanias  (c.  31,  6) 
ausser   einigen   Götterbildern   und  Heiligtümern   besonders    einen 
Arsinoe  genannten  Brunnen  erwähnenswerth  fand,   der  von  einer 
am   Aufstieg   zur   Burg   entspringenden    Qu^^He  Klepsydra   (vgl.  c. 
33,    1)   gespeist  wurde.     Dies  kann   keine   andere   sein   als   die, 
welche  noch  jetzt  mitten  in  dem  nach  ihr   benannten  Dorfe  Ma- 
vromati  (Schwarzauge,  bildlich  für  eine  tiefklare  Quelle)  aus  einer 
an   den   südlichen    Fuss   der   Ithome    angelehnten  Mauer   hervor- 
sprudelt und  als  ein  ziemlich  starker  Bach  durch  den  südlicheren 
Theil  des  alten  Stadtgebiets  fliesst.  ^)     Da  nun  nicht  anzunehmen 
ist,    dass   man   im  Altertum    das  Wasser  dieser  Quelle  nach  dem 
höher  gelegenen  nördlichen  Theile  der  Stadt,  der  selbst  mehrere 
Quellen  hat,  geleitet  habe,  so  wird  man  die  Agora  südlich  davon, 
auf  der  ebenen  Fläche  am  linken  Ufer  des  Baches  zu  suchen  ha- 
ben,  auf    welcher   neben   verschiedenen   Grundmauern   alter   Ge- 
bäude auch  die  Reste  eines   in  dorischem  Styl  erbauten  Tempels 
erkennbar  sind.     Etwas   weiter  gegen  Südwesten  finden  sich  die 
Ueberreste   des   an    drei  Seiten  von  Säulenhallen  umgebenen,  an 
der  Südseite  durch  die  Stadtmauer  abgeschlossenen  Stadions,  des- 
sen Sitzreihen  besonders  an   dem  oberen  einen  durch  Tangenten 
verlängerten  Halbkreis  bildenden  Ende  wohl  erhalten  sind.  ^)    Unter 
den  übrigen  Ruinen,  die  in  grosser  Menge,  vielfach  von  Gebüsch 
überwachsen,  den  inneren  Stadtraum  erfüllen,  ist  die  ansehnlichste 
die   eines   kleinen  Theaters    von   ungefähr  60  Fuss  Durchmesser, 
das  auf  einem  viereckten  steinernen  Unterbau  ruht,  gerade  west- 
lich  von    dem  Dorfe  Mavromati.     In   der  Nähe   desselben,    wahr- 
scheinlich gegen  Osten,  stand  ein  Heiligtum  des  Sarapis  und  der 
Isis;  auch  zwei  andere  ölfentliche  Gebäude,  das  Gymnasion  und 
das  mit  den  Statuen  aller  von  den  Hellenen  verehrten  Gottheiten 
und  einem  Erzbilde   des  Epameinondas   geschmückte  Hierothy- 
sion,^)    sind    wahrscheinlich   in    dieser  Gegend   anzusetzen:  letz- 
teres etwa  unmittelbar  nordwestlich  vom  Theater,   wo  noch  eine 


«)  8.  Expedition  de  Morde  I,  pl.  35,  1.  Dass  die  von  Lebas  Revue 
archdol.  1844  p.  431  s.  beschriebene  Felskammer  unterhalb  des  Tempels 
der  Lirnnatis  nicht,  wie  Curtius  ö.  147  vermutet,  das  Brunnenhaus  der 
Klepsydra  sein  kann,  iiat  Vischcr  Erinnerungen  S.  448  riclitig  bemerkt. 

«)  S.  Expedition  de  Morde  I,  pl.  24—29;  Curtius  S.  144. 

')  Paus.  c.  32,  1  ff. :  v|Erl.  für  die  Ruinen  des  Theaters  Expdd.  de 
Morde  I,  pl.  37. 


168  11.  relüponnesüs. 

stattliclie  Mauer  erhalten  ist  mit  einer  Tliiire,  durch  welche  man 
auf  einer  Tre])pe  von  neun  Stufen  zu  einer  Terrasse  em[)orsteigt, 
ersteres  wohl  hinter  dem  Scenengebäuile ,  d.  h.  südUch  vom 
Theater. 
i»io  süiiiicho  Von  den  Ruinen  Messenes  aus  gelangt  nian  in  etwas  mehr 
Ebene  und  yjg  ^ii-gi  StundcH  auf  einem  Wege,  welcher  den  Pamisos  auf  einer 
Halbinsel.  ^^^  autikcu  Fundamenten  ruhenden  Brücke  überschreitet,  nach 
den  Ruinen  Thurias,  der  bedeutendsten  Stadt  der  südlichen 
Ebene,  in  welcher  einige  alte  Geographen  das  homerische  An- 
theia,  andere  das  homerische  Aepeia  wieder  fanden.  Die  Be- 
wohner hatten  sich,  obgleich  sie  als  lakonische  Periöken  den 
Druck  der  spartanischen  Herrschaft  weniger  schwer  empfanden, 
dem  im  Jahre  464  v.  Chr.  ausgebrochenen  Aufstande  angeschlossen, 
nach  Beendigung  desselben  also  jedenfalls  mit  den  übrigen  Theil- 
nehmern  ihre  Heimat  verlassen  müssen.  Ob  die  Stadt  nun  leer 
gestanden  oder  von  Lakonien  aus  neue  Bewohner  erhallen  hat, 
wissen  wir  nicht,  da  uns  keine  Erwähnung  derselben  aus  dieser 
Zeit  erhalten  ist;  nur  das  ist  sicher,  dass  sie  nach  der  Wieder- 
herstellung Messeniens  wieder  als  eine  der  angesehensten  Städte 
der  Landschaft  bestanden  hat.  Im  Jahre  182  v.  Chr.,  als  die 
Messenier  zum  Wiedereintritt  in  den  achäischen  Bund  genöthigt 
wurden,  trennte  sie  sich  zugleich  mit  Abia  und  Pharae  von 
der  politischen  Gemeinschaft  mit  dem  übrigen  Messenien  und  trat 
als  selbständiges  Glied  dem  Bunde  bei.  Augustus  gab  die  Stadt, 
um  die  Messenier  für  ihre  Parteinahme  für  Antonius  zu  strafen, 
den  Spartanern;  doch  wurde  sie  schon  durch  Tiberius  wieder 
mit  Messenien  vereinigt.  Im  zweiten  Jahrhundert  n.  Chr.  war 
die  alte  Stadt  zum  grossen  Theile  verödet,  da  die  Mehrzahl  der 
Bewohner  sich  unterhalb  derselben  in  der  Ebene  am  linken  Ufer 
des  Flüsschens  Aris  (eines  östlichen  Nebenflusses  des  Pamisos, 
der  aus  einigen  reichen  Quellen  bei  dem  jetzigen  Dorfe  Pidima 
entspringt)  angesiedelt  hatten.^)     Von  dieser   unteren  Ansiedelung 


1)  Thukyd.  I,  101;  Polyb.  XXV,  1;  Strab.  p.  360  f.;  Paus.  c.  31, 
1  f.  Aus  der  Zeit,  als  die  Stadt  ein  selbständiges  Glied  des  achäischen 
Bundes  war,  stammt  wahrscheinlich  die  Inschrift  bei  Viseher  Epigra- 
phische und  archäologische  Beiträge  aus  Griechenland  S.  307.  In  an- 
dern Inschriften  (Lebas  Voyage  arche'ol.  en  Grece,  Partie  II,  sect.  4, 
n.  301 — 303)  erscheint  ein  Priester  der  Athene  als  Eponymos.  Für  die 
Ruinen  vgl.  Leake  Morea  I,  p.  354  ss.  und  den  freilich  nicht  ganz  ge- 


3.  Messenien:  die  südliche  Ebene  und  die  vvcslliclie  Halbinsel.     169 

ist  nur  noch  die  Ruine  eines  grossen  Ziegelgebüudes  (jedenfalls 
einer  römischen  Villa)  vorhanden;  von  der  oberen  Stadt  dagegen, 
die  ein  geräumiges  Felsplateau  einnahm,  an  dessen  nordöstlichem 
Ende  jetzt  ein  Dörfchen  Palaeokastro  liegt,  sind  noch  bedeutende 
Reste  der  Ringmauer,  welche  genau  dem  Rande  des  Plateaus 
folgte,  und  innerhalb  derselben  zahlreiche  Fundamente  grosser 
Gebäude  erhalten,  darunter  auch  die  zweier  dorischer  Tempel, 
deren  einer  der  Athene,  der  Ilauplgöltin  der  Stadt,  der  andere 
der  Syrischen  Göttin  geweiht  gewesen  zu  sein  scheint.  Der  ge- 
gen Osten  gelegene  höchste  Theil  des  Plateaus  war  durch  eine 
besondere  Mauer  umschlossen  und  bildete  also  wohl  die  Akropolis 
der  Stadt;  an  dieselbe  lehnte  sich  die  gegen  Westen  geöffnete 
Cavea  eines  Theaters,  deren  Form  wenigstens  noch  kenntlich  ist, 
wenn  auch  die  Sifzstufen  verschwunden  sind.  Zur  Versorgung 
der  Stadt  mit  Wasser  diente  eine  grösstentheils  in  den  Felsen 
gearbeitete,  durch  Querwände  in  drei  Abtheilungen  getheilte  Ci- 
sterne  von  85  Fuss  Länge,  50  Fuss  Breite  und  gegen  12  Fuss 
Tiefe  im  sudlichsten  Theile  des  Stadtraumes. 

Oestlich  von  Thuria  erstreckt  sich  his  zum  Rücken  des  Tay- 
geton  ein  4 — 6  Stunden  breites,  rauhes  und  unwegsames  Rerg- 
land  mit  zahlreichen  tiefen  Schluchten  und  einigen  kleinen  kessel- 
fönnigcn  Thälern,  von  einem  etwas  unterhalb  der  Wasserscheide 
entspringenden,  durch  mehrfache  Zuflüsse  verstärkten  Flusse,  dem 
Nedon,  durchströmt.  Diese  Gegend,  von  den  Alten  nach  einer 
alten  Gränzbefestigung  Namens  Denthalioi  das  Den  thalische 
oder  Denthelische  Gebiet  genannt,  war  von  den  ältesten  bis 
in  die  spätesten  Zeiten,  solange  es  überhaupt  ein  selbständiges 
Messenien  gab,  ein  Gegenstand  des  Streites  mit  dem  östlichen 
Nachbariande :  durch  Tiberius  wurde  sie  schliesslich  den  Messeniern 


nauen  Plan  bei  Lebas  Itineraire  pl.  29  (wiederholt  bei  Curtius  II,  TU. 
VII).  Ich  erkannte  deutlich  die  Fundamente  zweier  Tempel:  eines 
kleineren  in  der  Nähe  der  grossen  Cisterne,  von  dem  ich  noch  zwei 
Tronc8  halbcannelirter  dorischer  Säulen  vorfand,  und  eines  grössern  auf 
einem  besonderen,  theils  durch  Glättung  des  Felsbodens,  tlieils  durch 
Untermauerung  gebildeten  Plateau  im  nördlichen  Theile  der  Stadt,  mit 
einer  Häulenweite  von  vier  Fuss  und  unterem  Durchmesser  der  Säulen 
von  ungefähr  zwei  Fuss  (zwei  Fuss  zwei  Zoll  engl,  nach  Leake):  nach 
dem,  was  nocli  von  dem  Grundplanc  zu  erkennen  ist,  zu  schliossen,  ein 
dorischer  Peripteros  hexastylos. 


170  II.  Peloponnesos. 

zugesprochen,  die  nun  auf  dem  Kücken  des  Taygeton  Gränzsteine 
errichteten,  von  denen  zwei  mit  der  Inschrift  *Gränze  Lakedae- 
mons  gegen  Messene'  sich  his  in  die  neueste  Zeit  erhalten  haben. 
Zu  diesem  Denthalischen  Bezirk  gehörte  auch  das  Heiligtum  der 
Artemis  Limnatis,  das  als  gemeinsamer  Besitz  der  lakonischen 
und  messenischen  Dorier  in  den  Traditionen  vom  Ausbruch  des 
ersten  messenischen  Krieges  eine  Rolle  spielt  und  noch  bis  in 
die  späte  römische  Kaiserzeit  mit  einer  kleinen  Ortschaft  Lim- 
nae  bestand:  seine  Stelle  nimmt  jetzt  eine  kleine  verfallene  Ca- 
pelle  der  Panagia  von  Volimnos  ein.  die  am  nördlichen  Abhänge 
eines  jetzt  Volimnos  genannten  engen  Thalkessels  steht,  der  sich 
am  südlichen  Fusse  des  Berges  Gomovuno  östlich  über  dem  Bette 
eines  von  Norden  her  dem  Nedon  zufliessenden  Bergbaches 
hinzieht.  ^) 

In  der  ziemlich  schmalen  aber,  abgesehen  von  dem  äusser- 
sten  Rande,  sehr  fruchtbaren  Mündungsebene  des  Nedon  liegt 
jetzt,  ungefähr  20  Minuten  vom  Meere  entfernt,  von  Orangengär- 
ten umgeben  das  Städtchen  Kalamata,  das  eine  verfallene  mittel- 
alterliche Festung,  aber  durchaus  keine  antiken  Reste  aufzuweisen 
hat.  Dennoch  kann  nicht  bezweifelt  werden,  dass  es  die  Stelle 
des  alten  Pherae  oder  Pharae  einnimmt,  da  dies  nach  den 
Angaben  der  Alten  an  der  Mündung  des  Nedon  in  geringer  Ent- 
fernung vom  Meere  (die  seit  dem  Altertume  um  2 — 3  Stadien 
gewachsen  ist)  lag.  Die  schon  in  den  Homerischen  Gedichten 
erwähnte  Stadt  bestand  auch  unter  der  lakedaemonischen  Herr- 
schaft fort,  trennte  sich  im  Jahre  182  v.  Chr.  zugleich  mit  ihren 
beiden  Nachbarstädten  gegen  Nord  und  Süd,  Thuria  und  Abia, 
vom  übrigen  Messenien,  vvurde  durch  Augustus  zu  Lakonien  ge- 
schlagen, aber  durch  Tiberius  wieder  mit  Messenien  vereinigt. ^j" 
Die  südliche  Nachbarstadt,  die  diese  Schicksale  theilte,  Abia  oder 
Abea  (angeblich  das  Homerische  Ire  oder  Hire),  lag  gegen  drei 
Stunden   südlich   von  Pherae,   ziemlich  eine  Stunde  nördlich  von 


0  Paus.  c.  4,  2;  c.  31,  3;  Strab.  p.  362;  Tac.  Ann.  IV,  43;  Steph. 
Byz.  u.  ^svO-aUoi:  vgl.  Ross  Reisen  I,  S.  1  ff.  Ob  der  bei  Athen.  I, 
p.  31''  erwähnte  olvog  ^bvQ'ks^  der  nach  einem  Castell  ^Bvd^idSsg  be- 
nannt sein  soll,  hierher  gehört,  ist  mir  zweifelhaft,  da  in  dieser  Gegend 
jedenfalls  nie  Wein  gewachsen  ist. 

2)  II.  E,  543;  I,  151;  293;  Od.  y,  488;  o,  186;  Xen.  Hell.  IV,  8,  7 
wo  ^sqccl);  Polyb.  XVI,  16;  XXV,  1;  Strab.  p.  360;   Paus.  c.  30,  2  if. 


3.  Messenien:  die  südliche  Ebene  und  die  weslliche  Halbinsel.     171 

der  Landesgränze,  der  Schlucht  des  Choiros  (vgl.  oben  S.  154), 
auf  einer  Anhöhe  hart  am  Meere,  welche  einige  mit  Rücksicht 
auf  die  zwei  etwas  weiter  östlich  gelegenen  Dörfer  'Gross-'  und 
'Kiein-Mantineia'  jetzt  'Alt-Mantineia'  genannte  antike  Mauerreste 
und  einige  Inschriften  mit  dem  Namen  der  Abeaten  trägt. ')  Drei 
Viertelstunden  nördlich  davon,  am  Wege  nach  Kalamata,  liegt  das 
nach  einem  starken  Bach  mit  salzhaltigem  Wasser  benannte  Dorf 
Armyro,2)  dessen  kleiner  Hafen  der  Ankerplatz  für  die  Schiffe 
der  Bewohner  von  Kalamata,  das  eine  offene  Rhede  hat,  während 
der  stürmischen  Jahreszeit  ist.  Ungefähr  eine  Viertelstunde  von 
der  Küste  ist  eine  sehr  beschränkte  Stelle  des  Felsbodens  von 
paläontologischem  Interesse,  indem  man  dort  versteinerte  Knochen 
und  Gehirne  einer  Anlilopenart  in  ziemlicher  Menge  findet. 

Eine  halbe  Stunde  nordöstlich  von  Kalamata  trifft  man  zur 
Linken  des  directen  Weges  von  Kalamata  nach  Sparta  (vgl.  oben 
S.  104)  einen  Hügel,  dessen  obere  Fläche  mit  antiken  Mauer- 
resten umgeben  ist;  Reste  einer  zweiten  Mauer  ziehen  sich  etvTas 
weiter  abwärts  um  die  Abhänge  des  Hügels  herum;  in  der  Ebene 
rechts  vom  Wege  erkennt  man  noch  antike  Hausplätze  auf  dem 
künstlich  geebneten  Felsboden.  Wahrscheinlich  gehören  diese 
unscheinbaren,  von  früheren  Reisenden  übersehenen  Reste  dem 
alten  Kalamae  an,  das  zur  Zeit  des  achäisch-ätolischen  Krieges 
eine  befestigte  Ortschaft,  in  der  römischen  Kaiserzeit  eine  blosse 
Kome  war.^) 

An  die  Mündungsebene  des  Nedon  schliesst  sich  im  Westen 
die  des  Pamisos  an,  die  eigentliche  Makaria  der  Alten,  die  zwar 
jetzt  in  Folge  der  Vernachlässigung  an  manchen  Stellen  versumpft, 
im  Ganzen  aber  immer  noch  von  ausserordentlicher  Fruchtbarkeit 
ist:  ausser  Citronen,  Orangen,  Feigen  und  Oel  wird  besonders 
bei  dem  auf  dem  rechten  Flussufer  gelegenen  Dorfe  Nisi  trefflicher 
rother  Wein  gebaut;  die  in  Menge  wild  wachsende  Cactus  Opuntia 
und  Agave  Americana  erhöhen  noch  den  Eindruck  acht  südlicher 


')  Paus.  c.  30,  1  (vgl  11.  i,  150);  Polyb.  XXV,  1;  Ptol.  III,  16,  8; 
C.  I.  gr.  n.  1307;  1457;  1463;  vgl.  die  Inschrift  bei  Ross  Reisen  I,  S.  8. 

')  'y^^jLtvpd  =  ccXfivQov:  ein  vdatQ  aXfiVQOv  am  Wege  von  Abia  nach 
Pharae  erwähnt  Paus,  c,  30,  2.  —  Auch  Pharae  hatte,  wie  das  jetzige 
Kalamata,  nur  einen  vcpOQ^og  d-SQivog  nach  Strab.  p.  361. 

')  Polyb.  V,  92;  Paus,  c,  31,  3;  Steph.  Byz,  u.  Kakdfim. 


172  '  II.  l'cloponncsos. 

Vegetation,  den  man  bei  Durcliwandcrung  dieser  Gegend  empfängt J) 
Itesle  antiker  Ortseliaflen  tindet  man  liier  ebenso  wenig  als  in  dem 
weslliebsten  Tbeile  der  Ebene,  dessen  wellenförmiges,  durch  zabl- 
reiclie  Hügel  unterbrochenes,  von  Giessbächen^)  zerklüftetes  Ter- 
rain der  Pamisosebene  an  Fruchtbarkeit  nachsteht.  Jedenfalls 
war  die  ganze  Ebene  im  Altertum  weit  schlechter  bewohnt  als 
heut  zu  Tage,  wo  man  wenigstens  zahlreiche  kleine  Dörfer  und 
Weiler  darin  antriift:  unter  der  spartanischen  Herrschaft  wohnten 
wohl  nur  einige  Uelotenfamilien  in  ärmlichen  Hütten  in  der  Mitte 
der  Grundstücke,  die  sie  unwillig  und  daher  schlecht  für  ihre 
Unterdrücker  bestellten;  nach  der  Befreiung  vom  spartanischen 
Joche  führte  das  Bestreben,  die  schwachen  Kräfte  des  jungen 
Staates  durch  Concentration  in  wohlbefestigten  Städten  zu  stärken, 
zur  Vernachlässigung  und  Verödung  des  flachen  Landes.  Eine 
solche  wesentUch  zum  Schutz  der  die  Ebene  im  Südwesten  ab- 
schliessenden Halbinsel  (vgl.  oben  S.  157)  bestimmte  Anlage  war 
das  gleichzeitig  mit  Messene  unter  der  Leitung  des  Epimelides 
aus  Koroneia  in  Boiotien  erbaute  Korone  am  südöstlichen 
Fusse  der  Mathia,  oberhalb  eines  flachen  jetzt  Petalidi  genannten 
Küstenvorsprungs.  der  dem  Cap  Koryphasion  an  der  Westküste 
gerade  gegenüber  liegt,  so  dass  eine  zwischen  beiden  gezogene 
Linie  den  nördlichen  Abschluss  der  messenischen  Halbinsel  be- 
zeichnen würde.  Die  Oberstadt,  von  welcher  noch  beträchtliche 
Mauerstücke  und  sonstige  Baureste  erhalten  sind,  lag  auf  einer 
Hochfläche,  die  in  alter  Zeit  wahrscheinüch  von  der  früh  verfal- 
lenen Stadt  Aep  ei  a  eingenommen  wurde:  sie  enthielt  ausser  der 
Akropolis,  auf  welcher  mit  Anspielung  auf  den  Namen  der  Stadt 
eine  Erzstatue  der  Athene  mit  einer  Krähe  in  der  Hand  aufge- 
stellt war,  jedenfalls  auch  die  mit  einem  Erzbilde  des  Zeus  Soter 
geschmückte  Agora  und  die  Tempel  der  Artemis  Paedotrophos, 
des  Dionysos  und  des  Asklepios;   das  Trinkwasser  wurde  ihr  von 


*)  Auf  diese  Gegend  pässt  besonders  die  schöne  Schilderung  in  einem 
Fragment  des  Euripides  (wohl  aus  dem  Kresphontes,  wie  schon  Mus- 
grave  vermutete)  bei  Strab.  VIII,  p.  366. 

2)  Ob  der  von  Paus.  c.  34,  4  genannte  Fluss  Bias  einer  dieser 
Bäohe  der  Ebene  oder  der  schon  der  südlichen  Halbinsel  angehörige 
Dschanebach  ist,  ist  ebenso  wenig  sicher  zu  bestimmen  als  der  -von 
Paus,  vor  der  Mündung  desselben  erwähnte  der  Ino  geweihte  Platz  an 
der  Küste. 


3.  Messenien:  die  südliche  Ebene  und  die  weslliclie  Halbinsel.      173 

einer  eine  Stunde  weiter  gegen  Westen  im  Innern  des  Iioblen 
Stammes  einer  Platane  entspringenden,  daher  Plataniston  genann- 
ten Quelle  her  zugeführt.  An  dem  durch  Steindämme  geschützten 
Hafen,  der  aus  einem  uns  unbekannten  Grunde  'der  Hafen  der 
Achäer'  (Axaiav  ?.L^rjv)  genannt  wurde,  bildete  sich,  wahrschein- 
lich in  Folge  des  regen  Verkehrs  in  demselben,  eine  offene  Un- 
terstadt, von  welcher  auch  noch  einige  Reste  erhalten  sind.  ^) 
Südlich  von  Korone  zieht  sich  in  einer  Länge  von  öYj  Stunden 
eine  ziemlich  einförmige,  von  zahlreichen  Giessbächen  durchfurchte, 
durch  kleine  dreieckige  Vorsprünge  unterbrochene  Küste  hin  bis 
zu  dem  ziemlich  weit  nach  Osten  vorspringenden  Vorgebirge,  des- 
sen Gipfel  durch  die  von  aussen  noch  jetzt  stattliche,  im  Innern 
freilich  verfallene  Festung  von  Koron  gekrönt  wird.  Im  Altertum 
lag  nur  eine  Ortschaft  auf  dieser  ganzen  Strecke,  Kolonides, 
angeblich  von  einem  Attiker  Kolaenos,  einem  Nachkommen  des 
Hermes,  gegründet,  welche  nach  den  überlieferten  Enlfernungs- 
angaben  in  der  Gegend  des  jetzigen  Dorfes  Kastelia,  wo  auch 
einige  alte  Reste  sich  finden,  zu  suchen  ist;  in  derselben  Gegend, 
wold  nur  etwas  weiter  nördlich,  stand  ein  angesehenes,  mit  einer 
Heilanstalt  verbundenes  Heiligtum  des  Apollon.^) 

Das  schon  erwähnte  Vorgebirge,  welches  die  Festung  Koron 
trägt,  die  mit  ihrer  Zwillingsschwester,  dem  ihr  gegenüber  auf  der 
Westküste  der  messenischen  Halbinsel  gelegenen  Modon  (das  Volk 
bezeichnet  beide  zusammen  gewöhnlich  mit  dem  copulativen  Com- 
positum xd  ModcjvoTcoQOva) ,  einst  ein  Ilauptobject  der  Kämpfe 
zwischen  Venetianern  und  Türken  war,  ist  seit  den  frühesten 
Zeiten   der  messenischen   Geschichte   der  Platz    einer   städtischen 


1)  Paus.  c.  34,  4  f.;  Strab.  VllI,  p.  3G0  f.  (vgl.  II.  /,  152;  294); 
Liv.  XXXIX,  49;  Ptol.  III,  16,  8;  Steph.  Byz.  u.  Kogavri:  über  die 
Kuinen  E.  Curtius  Bulletino  1841,  p.  43  ss.  und  Wclckcr  Tagebuch  einer 
griecliischen  Heise  I,  8.  234. 

2)  Paus.  c.  34,  7  giebt  die  Entfernung  von  Korone  nach  dem  Apollon- 
heiligtume  auf  80  Stadien,  ebds.  §  12  die  von  Kolonides  nach  Asino 
auf  40  Stadien  an;  die  nicht  angegebene  Entfernung  zwischen  dem 
Ifeiligtumo  und  Kolonides  muss,  da  die  ganze  directc  Entfernung  von 
Pc'talidi  nacli  Koron  höchtens  120  Stadien  beträgt  und  da  das  Ifeiligtum 
hart  am  Meere,  Kolonides  in  geringem  Abstände  von  der  Küste  lag, 
sehr  unbedeutend  gewesen  sein.  Vgl.  Loake  Peloponnesiaca  p.  195  s. 
Die  Ortschaft  heisst  yKo^irj  KoXioviq  bei  IMiit.  IMdlopocm.  18,  KoXojvrj 
bei  Ptolem.  IH,  IG,  7. 


174  n.  Peloponnesos.  ' 

Ansiedelung  gewesen,  hat  aber  ausser  einigen  Cisternen,  zahl- 
reichen Thonscherben  und  den  von  den  Wogen  angefressenen 
Steinen  eines  alten  Hafendamms  keine  antiken  Reste  aufzuweisen. 
In  den  Zeiten  des  messenischen  Königtumes  stand  liier  jedenfalls 
einer  der  Hauptorte  des  Landes,  nach  seiner  Lage  *Rhion'  d.  i. 
Vorgebirge  genannt  (s.  oben  S.  157,  Anm.  3  und  S.  159,  Anm. 
2);  nach  der  Unterwerfung  Messenieiis  durch  die  Spartaner  wiesen 
diese  den  zeitweise  verödeten  Platz  den  durch  die  Argiver  ver- 
triebenen dryopischen  Bewohnern  des  argivischen  Asine  (s.  oben 
S.  60)  als  Zufluchtsstätte  an,  die  hier  ein  neues  Asine  gründeten 
und  auch  bei  der  Wiederherstellung  Messeniens  im  Besitz  dieser 
ihrer  Gründung  belassen,  den  Namen  und  die  Culte  des  allen 
Dryoperstammes  bis  in  die  spätesten  Zeiten  des  Altertums  be- 
wahrten. ^) 

Die  felsige  Südspitze  der  messenischen  Halbinsel,  der  Akritas 
der  Alten  (s.  oben  S.  158),  scheint  nur  in  ihrem  nördlichsten 
Theile,  bei  dem  westlich  von  Koron  gelegenen  Dorfe  Saratschä, 
einige  Spuren  einer  uns  unbekannten  antiken  Ortschaft  darzu- 
bieten;^) auch  konnten  weder  die  unwegsamen  Höhen  des  Berg- 
rückens, noch  die  hafenlosen  Küsten  zur  Ansiedelung  einladen. 
Erst  nordwestlich  davon,  da  wo  sich  der  Akritas  an  die  breite 
Hauptmasse  der  messenischen  Halbinsel  anschliesst,  öfl'net  sich 
eine  geräumige  Bucht,  die  ausser  bei  heftigem  Südwinde  den 
Schiffen  einen  sichern  Ankerplatz  gewährt,  von  den  Alten  Phoi- 
nikus  genannt,  an  welcher  sich  die  Ruinen  eines  römischen 
Ziegelgebäudes  und  einer  mittelalterlichen  Kirche,  auch  einige 
Mauerreste  und  zahlreiche  Gefässscherben,  also  sichere  Spuren 
einer  alten  Niederlassung,  die  wohl  den  Namen  der  Bucht  geführt 
hat,  finden.  ^)  Drei  Stunden  westwärts  von  hier,  sechs  Stunden  von 
Koron  entfernt,  hegt  auf  einem  gegen  Süden  nach  der  Nordspitze 
der   Insel    Sapienza  zu   vorspringenden  Vorgebirge   die   befestigte 


1)  Paus.  c.  34,  9  ff.;  vgl.  Herod.  VIII,  73  (welche  Stelle  nur  auf 
dieses  Asine  bezogen  werden  kann);  Thuk.  IV,  13;  Polyb.  XVIII,  25; 
Strab.  VIII,  p.  359  s. ;  Ptol.  III,  16,  8,  In  einer  Inschrift  aus  Hermione 
(C.  I.  gr.  n.  1193)  ist  uns  das  Fragment  einer  Urkunde  über  die  Er- 
neuerung der  alten  Verbindung  zwischen  dieser  Stadt  und  Asine  er- 
halten (vgl.  oben  S.  94). 

2)  S.  Leake  Morea  I,  p.  439. 

3)  Paus.  c.  34,  12;  vgl.  Aldenhoven  Itine'raire   p.  170. 


3.  Messenien:  die  südliche  Ebene  und  die  westliche  Halbinsel.     175 

Stadt  Modon,  die  Nachfolgerin  des  alten  Mothone  oder  Me- 
thone, von  weicher  freilich  nur  geringe  Reste  (Fundamente  des 
Hafendammes  und  an  einigen  Stellen  der  Stadtmauer)  sich  er- 
halten haben.  Die  von  den  Alten  mit  dem  homerischen  Pedasos 
identificirte  Stadt,  deren  Name  mythisch  von  einer  Tochter  des 
Oineus  (mit  Bezug  auf  den  von  den  Bewohnern  eifrig  betriebenen 
Weinbau),  richtiger  von  einer  Mothon  genannten  submarinen  Klippe 
am  Eingang  des  Hafens,  auf  welcher  jetzt  ein  Leuchtthurm  er- 
richtet ist,  hergeleitet  wird,  hatte  schon  im  Altertum,  ebenso  wie 
im  Mittelalter,  ein  ganz  ähnliches  Schicksal  wie  ihre  östliche 
Nachbarin  Asine:  wie  diese  wurde  sie  von  den  Spartanern  argi- 
vischen  Flüchtlingen  —  den  von  den  Argivern  vertriebenen  Be- 
wohnern von  Nauplia  —  zur  Wohnstätte  angewiesen,  die  jeden- 
falls ihre  Culte,  besonders  den  angeblich  von  Uiomedes  gestifteten 
der  Athena  Anemotis  (Herrin  der  Winde)  mitgebracht  haben; 
ebenso  wie  die  Asinäer  blieben  diese  bei  der  messenischen  Restau- 
ration in  ihrem  Besitz  unbehelligt  und  wurden,  nachdem  die  Stadt 
in  Folge  eines  Handstreiches  illyrischer  Seeräuber  eine  Zeit  lang 
fast  verödet  gewesen  war,  noch  von  Traian  durch  Verleihung 
der  Autonomie  begünstigt.  ^)  Nordwärts  von  Modon  wird  die 
Küste  ganz  von  dem  jetzt  nach  dem  heiligen  Nikolaos  benannten 
Gebirgszuge  (vgl.  oben  S.  157  f.)  eingenommen,  auf  dessen 
nördlichstem  Vorsprunge,  2^1^  Stunden  von  Modon,  ein  am  An- 
fang des  14.  Jahrhunderts  von  Nicolas  de  Saint-Omer  gegründetes, 
von  den  Griechen  NsÖKaatQov,  von  den  Abendländern  Navarino 
(aus  röv  'AßaQivov)  genanntes  Städtchen  liegt,  welches  den  Ein" 
gang  zu  der  sichersten  und  geräumigsten  Bucht  des  Peloponnes, 
ja  Griechenlands  überhaupt  beherrscht,  der  Bucht,  welche  der 
Schauplatz  des  für  das  Schicksal  des  neuen  Hellas  entscheiden- 
den Vernichtungskampfes  der  vereinigten  englisch-französisch- rus- 
sischen gegen  die  türkische  Flotte  am  20.  October  1827  war.  Die 
westliche  Flanke  der  von  Nord  nach  Süd  eine  Stunde  langen, 
halbmondförmigen  Bucht  wird  gedeckt  durch  eine  von  den  Alten 
Sphakteria  oder  Sphagia  (letzterer  Name   lebt  noch  jetzt  im 

^)  Paus.  c.  /{5,  wo  der  Name  der  Stadt  ebenso  wie  bei  Scyl.  Per. 
46,  bei  Plut.  Arat.  12  und  auf  einer  von  Curtius  Pelop.  11,  190  ange- 
zogenen Münze  Caracallas  Mod-Cüvr}  lautet,  während  andere  Quellen, 
wie  Thuk.  H,  2ö;  Stral).  VIII,  p.  859  f.  u.  a.  Med'covrj  geb^en.  Ilr'idaaog 
ufiTCBXöeaaa  II.  /,  162  und  294. 


176  II.  PeIoj)onnesos. 

Volksmunde)  genannte  lange  nnd  sclnnalc  Insel,  die  aus  einem  un- 
rrnclitbaren  liergrüeken  besteht,  der,  in  der  Mitte  durch  eine  Ein- 
sattelung unterbrochen,  im  nördlichsten  Theile  sich  am  höchsten 
erhebt.  Das  nördliche  Ende  der  Insel  wird  nur  durch  einen 
schmalen,  jetzt  in  Folge  der  Versandung  nur  für  kleine  Boote 
passirbaren  Canal  (Canal  von  Sikia)  von  dem  südlichen  Ende 
eines  felsigen  Vorgebirges  getrennt,  das  sich  olfenbar  einstmals 
ebenso  wie  Sphakteria  als  Insel  aus  dem  Meere  erhob,  aber  schon 
seit  der  Zeit,  in  welche  die  ältesten  historischen  Erinnerungen 
zurückreichen,  durch  schmale,  dammartige  Streifen  sandigen  Bo- 
dens, welche  eine  weite  Lagune  (jetzt  der  Teich  des  Osman-Aga 
genannt)  nmschliessen,  gegen  Osten  an  das  P'estland  angeknüpft 
ist.  Gegen  Norden  wird  es  durch  eine  jetzt  vom  Volke  Boidokilia 
{ßoVdoTcoLlLcc  d.  i.  Ochsenbauch)  genannte,  fast  ganz  versandete 
Bucht  von  einem  ähnlichen,  aber  weniger  steil,  namentlich  gegen 
Osten,  abfallenden  Küstenberge  geschieden,  der  als  drittes  Glied 
jener  alten  Inselkette  zu  belrachten  ist,  von  welcher  ausser  eini- 
gen kleineren  Trümmern,  wie  der  kleinen  Insel  Pylos*)  vor  der 
Südspitze  von  Sphakteria  und  einigen  Felsklippen  im  Eingange 
der  Bucht  Boidokilia,  nur  Sphakteria  als  Insel  übrig  geblieben 
ist.  Das  von  dieser  durch  den  Sikiacanal  getrennte  Vorgebirge, 
auf  dessen  Bücken  die  Buinen  einer  mittelalterlichen  Festung 
(von  den  Griechen  Palacokastron  oder  Palaeo-Avarino  genannt) 
erhalten  sind,  ist  ohne  allen  Zweifel  die  von  den  Lakedämoniern 
Koryphasion,  von  den  Messeniern  Pylos  genannte  Oertlich- 
keit,  welche  der  athenische  Feldherr  Demostlienes  im  Frühling 
des  Jahres  425  v.  Chr.  (Ol.  88,  3)  besetzte,  eine  Besetzung, 
die  in  ihrert  Folgen,  namentlich  durch  die  Gefangennehmung  der 
auf  Sphakteria  abgeschnittenen  Spartiaten,  einen  so  bedeutenden 
Einfluss  auf  den  Gang  des  Krieges  ausübte.^)    Dass  aber  auch  schon 


^).  Dieses  Inselclien  scheint  im  Altertum  keinen  Sondernamen  ge- 
habt zu  haben,  sondern  mit  zu  Sphakteria  (Sphagia)  gerechnet  Ayorden 
zu  sein,  daher  der  Plural  at  ScpayiciL  bei  Xenoph,  Hellen.  VI,  2,  31; 
bei  Plinius  N.  h.  IV,  12,  55,  wo  Ures  Sphagiae  ante  Pylum'  aufgeführt 
sind,  ist  Avahrscheinlich  noch  die  kleine  jetzt  Kuloneski  genannte  Insel 
im  Innern  der  Bucht  von  Navarin  mit  einbegriffen. 

2)  Thukyd.  IV,  ^  ff.;  vgl.  Strab.  VIII,  p.  859;  Paus.  c.  3G  und -den 
Plan  auf  unserer  Tfl.  V.  Die  von  dem  Erklärer  des  Thukydides,  Dr. 
Arnold,  gegen  die  besonders  durch  Leake  (Morea  I,  p.  401  ss.)  begrün- 


o.  iMossenlen:  die  südliche  Ebene  und  die  weslliclie  llalliiiisol.       177 

in  weit  älterer  Zeit,  vor  der  spartanischen  Eroberung,  hier  eine  städ- 
tische Ansiedelung  bestand  und  dass  diese  eben  jenes  Pylos  war, 
welches  die  homerische  Dichtung  als  Herrschersitz  und  Mittel- 
punkt des  Reiches  des  Nestor  kennt,  das  wird  durch  die  Reste 
sehr  allertümlicher  Rcfestigungsmauern,  die  sich  nebst  Felsstufen 
und  Cisternen  an  mehreren  Stellen  des  Vorgebirges  finden,  und 
durch  das  Fortleben  des  ofTenbar  den  Spartanern  als  Erinnerung 
an  eine  glorreiche  Vorzeit  des  von  ihnen  geknechteten  Landes 
verhassten  Namens  Pylos  im  Munde  der  Messenier  sehr  wahr- 
scheinlich und  es  findet  eine  erwünschte  Bestätigung  durch  die 
Existenz  einer  geräumigen,  jetzt  vom  Volke  Boidokilia  genannten 
Tropfsteinhöhle  am  nördlichen  Abhänge  des  Burgberges,  oberhalb 
der  gleichnamigen  Bucht,  in  welcher  man  die  Grotte  wiederer- 
kannt hat,  in  der  nach  der  alten  pylischen  Sage  Hermes  die  dem 
Apollon  geraubten  Rinder  versteckt  und  zwei  derselben  geschlachtet 
hatte. ')  Noch  in  der  römischen  Kaiserzeit,  wo  ein  offenbar  nach 
der  Befreiung  Messeniens  vom  spartanischen  Joche  gegründetes 
Städtchen  Pylos  mit  einem  Heiligtume  der  Athene  Koryphasia  auf 
der  alten  Stätte  bestand,  zeigte  man  innerhalb  der  Stadt  nicht 
nur  das  Haus  und  das  Grabmal  des  Nestor,    sondern  auch    diese 


dete  Identificirung  der  Oertlichkeit  erhobenen  Zweifel  sind  von  Grote 
(Geschichte  Griechenlands  III,  S.  559  f.  d.  d.  Ueb.),  Curtius  (Pelop.  II, 
S.  179  f.),  Clark  (Pelop.  p.  218  ss.)  ausreichend  widerleg:t  worden. 
Die  einzige  Schwierigkeit  liegt  in  den  Angaben  des  Thukyd.  (c.  8), 
dass  die  Insel  Sphakteria  gegen  15  Stadien  lang  sei  (während  die  wirk- 
liche Länge  gegen  24  Stadien  beträgt)  und  dass  die  Einfahrt  in  die 
Bucht  nördlich  von  der  Insel  für  zwei,  die  südliche  für  acht  bis  neun  Schifte 
Kaum  habe,  während  jene  (der  Sikiacanal)  jetzt  nur  für  kleine  Boote 
passirbar  ist,  die  südliche  dagegen  eine  Breite  von  ungefähr  4000  Fuss 
hat.  Für  die  nördliche  Einfahrt  ist  nun  allerdings  eine  Veränderung 
der  Oertlichkeit  seit  dem  Altertum  durch  Versandung  des  Canals  anzu- 
nehmen; dagegen  ist  die  Annahme  einer  allmäligen  Erweiterung  der 
südlichen  Einfahrt  sehr  unwahrscheinlich  und  diese  Ditferenz  zwischen 
der  Oarstellung  des  Thukydides  und  der  Wirklichkeit  ebenso  wie  die 
in  IJetretf  der  Lange  der  Insel  auf  einen  Irrtum  des  Berichterstatters, 
von  dem  Thukydides.,  der  hier  nicht  als  Augenzeuge  schildert,  seine 
N'achrichlen  erhalten  liat,  zurückzuführen. 

')  S.  Ilymn.  in  Mercur.  v.  108  ff.  und  399  ff.;  vgl.  über  die  von 
Strabon  p.  349  ss.  bestrittene  IdenditUt  des  homerischen  mit  dem  mes- 
senischen Pylos  Curtiua  Pol.  II,  8.  174  ff.  und  Vischcr  Erinnerungen 
-    436  f. 

IJUKSIAN,    (lEOUU.    11.  12 


178  il.   Peloponnesos. 

Grotte,  tlie  damals  beim  Volke  als  der  Stall    der  Rinder  des  He- 
lens lind  des  Nestor  galt.  ^) 

Die  schon  oben  (S.  158  f.)  geschilderte  einförmige  Küstenstrecke 
nördlich  von  Pylos  bis  zur  Gränze  von  Elis  war  offenbar  im  Al- 
tertum sehr  wenig  bewohnt,  vielmehr  wohl  hauptsächlich  mit  Oel- 
baumpflanzungen,  die  höheren  Terrassen  des  Aegaleongebirgcs  mit 
Weiden  und  Wald  bedeckt.  Der  erste  topographisch  sichere  Tunkt 
ist  der  100  Stadien  nördlich  von  Pylos  entfernte  Küstenvorsprung 
Platamodes,  vor  welchem  eine  kleine  jetzt  Protano  genannte 
Felsinsel  liegt,  die  bei  den  Alten  Prote  hiess  und  ein  Städtchen 
gleichen  Namens  enthielt,  ^j  Nördlich  davon  lag  ein  jedenfalls 
unbedeutender  Ort  Erana,  dem  wahrscheinlich  die  auf  der  fran- 
zösischen Karte  verzeichneten  hellenischen  Reste  an  der  Mündung 
des  Longobardobaches,  halbwegs  zwischen  Platamodes  und  dem 
neueren  Städtchen  Philiatra,  angehören.^}  Die  einzige  namhafte 
Stadt  auf  dieser  ganzen  Strecke  und  im  nordwestlichen  Messenien 
überhaupt  war  Kyparissia  (auch  Kyparissiae  und  Kyparis- 
seeis  genannt),  die  sich  bis  zum  heutigen  Tage  an  ihrer  alten 
Stelle,  einige  Minuten  oberhalb  der  Küste,  erhalten,  aber  freilich 
vom  frühen  Mittelalter  an  bis  zur  Gründung  des  Königreichs  Hellas 
ihren  alten  Namen  mit  dem  Namen  Arkadia  vertauscht  hat. 
Die  auf  einem  Vorberge  des  Berges  Psychro,  des  nördlichsten 
Theiles  der  Aegaleonkette,  stehende  Citadelle  zeigt  in  dem  unteren 
Theile  ihrer  Mauern  noch  beträchtliche  Reste  antiken  Mauerwerks, 
das  theils  der  Zeit  der  Wiederherstellung  Messeniens,  theils  einer 


^)  Paus.  c.  36,  2.  Diese  spätere  Stadt  wird  mehrfach  erwähnt  bei 
Polybius  (IV,  16;  25;  IX,  38;  XVIII,  25);  vgl.  Liv.  XXVII,  30;  Plin. 
N.  h.  IV,  5,  15. 

2)  Strab.  p.  348;  vgl.  Thuk.  IV,  13;  Ptol.  III,  16,  23;  Steph.  Byz. 
u.  Zl^törrf.  Der  Name  ist  wegen  der  von  Steph.  bezeugten  Betonung 
TIqcotiJ  nicht  mit  Curtius  (Fei.  II,  S.  183)  als  ""die  Erste'  zu  erklären, 
sondern  als  Nebenform  für  IIXcotT]  aufzufassen.  In  der  Ansetzung  der 
äyiQcc  nXata^adrjg  weiche  ich  von  Curtius  ab,  der  sie  viel  zu  weit  nörd- 
lich setzt,  während  sie  nach  Strabon  südlich  von  Erana  in  der  Nähe  der 
Insel  Prote  zu  suchen  ist:  die  100  Stadien  Strabons  kommen  bei  meiner 
Ansetzung  heraus,  wenn  man  die  Krümmungen  der  Küste  (längs  welcher 
jedenfalls  Strabon  hinfuhr)  in  Kechung  bringt. 

3)  Strab.  p.  348  und  361.  Steph.  Byz.  u.  KvTtccQiaGia  identificirt 
jedenfalls  irrig  "Epavi/a  (so  codd.;  bei  Strabon  "E^ai/a)  mit  dem  triphy- 
lischen  Kyparissia. 


3.  Mt'ssenicn :  die  südliclie  Eljtne  uiul  die  weslliche  Halbinsel.      179 

\veit  früheren  Periode  angehört,  also  Ueberbleibsel  sowohl  der 
alt-  als  der  neumessenischen  Stadt.  Die  letztere  besass  Heilig- 
tümer des  Apollon  und  der  Athene  Kyparissia;  von  einem  der- 
selben mögen  einige  bei  einer  verfallenen  Kapelle  des  heiligen 
Georg  liegende  Säulentroncs  herrühren.  Geht  man  von  der  Stadt 
nach  der  Küste  herab,  so  findet  man  mitten  zwischen  Gärten 
eine  sehr  reiche  Quelle,  deren  Wasser  jetzt  als  wunderthätig  be- 
trachtet wird,  mit  einem  antiken  dicht  mit  Schilfrohr  umwach- 
senen Bassin,  offenbar  die  Quelle  Dionysias,  die  nach  antiker 
Sage  Dionysos  durch  einen  Stoss  mit  dem  Thyrsos  dem  Boden 
entlockt  haben  soll.  ^)  Gegen  Norden  erstreckte  sich  das  Gebiet  der 
Stadt  bis  zu  dem  die  Gränze  zwischen  Messenien,  Triphylien  und 
Arkadien  bildenden,  gewöhnlich  schlechtweg  Au  Ion  (d.  i.  Thal- 
schlucbt)  genannten  Englhale  des  Nedaflusses,  in  welchem  wahr- 
scheinlich an  der  Stelle,  wo  es  sich  zu  einer  fruchtbaren,  flachen 
Strandebene  erweitert,  ein  Tempel  des  Asklepios  Aulonios  stand; 
weiter  östlich  lag,  wahrscheinlich  über  dem  rechten  Ufer  des 
Flusses,  eine  zum  Schutz  der  Gränze  gegen  die  arkadischen  Phi- 
galeer  bestimmte  befestigte  Ortschaft,  die  früher  ebenfalls  Aulon, 
später  Oluris  oder  Olura  genannt  worden  zu  sein  scheint.^) 


')  Paus.  c.  36,  7;  vgl.  Scyl.  Per.  45  (wo  die  Worte  TtQcoTrj  Meßatjvr} 
nul  XLfn]v  mit  C.  Müller  in  Tlgar^  v^aog  x.  l.  zu  ändern  und  nach 
der  Erwähnung  von  Kyparissos,  wie  die  Stadt  dort  genannt  ist,  zu 
stellen  sind);  Strab.  p.  348  flf.;  Polyb.  V,  92;  Diod.  XV,  77  (nach  welcher 
Stelle  die  Stadt  Ol.  103,  4  zu  Elis  gehörte);  Plin.  N.  h.  IV,  5,  15;  Ptol. 
III,  16,  7;  Steph.  Byz.  u.  KvnccQiGGijeLg]  vgl.  über  die  antiken  Reste 
Leake  Morea  1,  p.  68  ss.  und  Aldenhoven  Itine'raire  p.  138  ss. 

2)  Paus.  a.  a.  O.;  Xen.  Hell.  III,  2,  25;  3,  8;  Strab.  p.  350.  Die 
ven  Curtius  (Pel.  II,  S.  185  f.)  beliebte  Unterscheidung  des  Aulon  als 
des  Thaies  des  zunächst  nördlich  von  Kyparissia  mündenden  Baches 
(des  Kyparisseeis)  von  dem  Thale  der  Neda  kann  ich  nicht  billigen, 
da  sie  mit  den  Worten  des  Paus,  in  entschiedenem  Widerspruch  steht. 


Nachträge  und  Berichtigungen. 

S.  3,  Z.  12  lies:  finnischer  und  südslavischer. 

Ö.  64,   Anm.  1   füge  hinzu:    Ueber    die  jetzt   Sampyrgo   genannten 
Mauerreste  von  Orneä  vgl.  Forchhamraer  Halcyonia  S.  8. 


MYKENAI. 


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SPARTA 

r.  1).   MITTLERE    E  URO  TA,S  THAL. 


Taf.M. 


li7S^00. 


t,.  o/v 


MESSENE 


Taf.JV. 


I.ith..  //,../  /../(.,  hiuA./.rifjtuf. 


Bif.lthonu 


N  AVAR  IN   (PYLOS) 


Taf.V 


l^f  m^A  Um»,  fl»t^ 


GEOGRAPHIE 


VON 


GRIECHENLAND 


VON 


CONRAD  BURSIAN. 


ZWEITER  BAND 
PELOPONNESOS    UND    INSELN. 

ZWEITE  ABTHEILUNG 

DIE   LANDSCHAFTEN  ARKADIEN  ELIS   ACHAIA. 
MIT   3   LITHOGEAPHIEBTEN  TAFELN. 


LEIPZIG, 

DRÜCK  UND  VERLAG  VON  B.  G.  TEUBNER. 
1871. 


Die  Uebersetzung  iu  fremde  Sprachen  wird  vorbehalten. 


4.  Arkadien.^) 


Arkadien  d.  i.  Bärenland  ^j  —  eine  Benennung,  die  offenbar 
aus  einer  Zeit  herrührt,  wo  der  jetzt  aus  Griechenland  überhaupt 
verschwundene  Bär  noch  zahlreich  auf  den  waldbedeckten  und 
höhlenreichen  Gebirgen  dieser  Landschaft  hauste  —  hiess  im 
Alterthum  und  heisst  noch  jetzt  die  mittelste  Landschaft  des  Pe- 
loponnes,  ein  weites  Gebirgs-  und  Hochland  von  9372  D  Meilen 
Umfang,^)  das  von  den  sämmtlichen  fünf  übrigen  Landschaften  der 


1)  Vgl.  Chr.  Th.  Schwab  Arkadien,  Stuttgart  1852;  A.  Rangabt' 
Souvenirs  d'une  excursion  d' Äthanes  en  Arcadie,  aus  den  Memoires  de 
Tacade'mie  des  Inscriptions  t.  V.  Aus  dem  Alterthum  kennen  wir,  ab- 
gesehen von  einigen  Specialscbriften  über  einzelne  Cantone  oder  Städte, 
ausser  Pausanias  1.  VIII  folgende  Schriften  über  Arkadien :  die  */^pxatfixa 
des  Ariaithos  (Dionys.  Hai.  Ant.  r.  I,  49;  vgl.  C.  Müller  Frgt.  bist, 
gr.  IV,  p.  318  s.),  des  Aristippos  (schol.  Theoer.  Id.  I,  3;  Clem.  Alex. 
Strom.  I,  p.  139;  vgl.  C.  Müller  Frgt.  bist.  gr.  IV,  p.  327),  des  Archi- 
timos  (Plut.  Quaest.  gr.  39);  des  Demaratos  (C.Müller  Frg.  bist.  gr. 
IV,  p.  379),  u.  des  Nikias  (Athen.  XIII,  p.  609^);  Hellanikos 
7C£qI  'Ag-Audiag  (schol.  Apoll.  Rhod.  I,  162;  vgl.  C.  Müller  Frgt.  b.  gr. 
I,  p.  53)  und  Stapbylos  aus  Naukratis  tcsqI  'AqhccScov  (C.  Müller  Frg. 
h.  gr.  IV,  p.  506). 

')  Dass  der  Name  der  Landschaft  'Aq-kccSlu  der  ursprünglichere  und 
;iii8  diesem  erst  der  eines  eponymen  Heros  "Agyiag  abstrahirt  ist,  Bchciiit 
mir  wegen  der  klaren  Etymologie  des  Namens  unzweifelhaft.  Bären  in 
den  Wäldern  Arkadiens  erwähnt  noch  Pausanias  (VIII,  23,  9),  wie  auch 
auf  dem  Taygeton  (III,  20,  4)  und  dem  attischen  Farnes  (I,  32,  1). 

'')  Nach  Curtius  Peloponnosos  I.  S.  148.  Nach  der  jetzigen  Eiu- 
theilung  des  Königreichs  Hellas  enthält  der  vofiog  'Agyiadiag  nur  79,62 
□  Meilen,  indem  der  nördlichste  Theil  des  alten  Arkadiens  als  Eparchie 
Kalavryta  zum  vofiog  '^j^afag  >ic(l  'UliSog,  ein  Stück  im  Südwostcn  (die 


JJLMSIAN,    «»KOOR.    II 


i;; 


182  II.  Peloponncsos. 

Halbinsel  iimgräiizt  und  so  gänzlich  vom  Meere  abgeschlossen  isl, 
zu  dem  es  sich  nur  vorübergehend  durch  Annexion  eines  Theiles 
von  Triphylien  einen  unmittelbaren  Zugang  verschallte ').  Die 
natürliche  Begränzung  der  Landschaft  wird  im  Osten,  Norden  und 
Nordwesten  durch  mächtige  Ilandgebirge  gebildet,  zwischen  denen 
nur  wenige  und  für  grössere  Heeresmassen  kaum  gangbare  Pässe 
hindurch  führen:  im  Osten  durch  die  schon  früher  erwähn- 
ten Gränzgehirge  gegen  Argolis,  das  Apelauron  (das  fast  ganz 
auf  arkadischem  Gebiete  liegt),  Artemision  und  Parthenion, 
im  Norden  und  Nordwesten  durch  eine  gewaltige  aus  mehreren 
mächtigen  Gliedern  bestehende  Bergkette,  deren  wichtigstes  Glied 
die  noch  jetzt  mit  reichen  Fichten-  und  Tannenwaldungen  be- 
deckte Ryllene  (jetzt  Ziria)  ist,  ein  fast  kreisrundes  Massen- 
gebirge, dessen  höchster  Gipfel  eine  absolute  Höhe  von  2374 
Meter  erreicht,  der  Hauptsitz  des  arkadischen  Cultus  des  Hermes, 
welcher  Gott  in  einer  der^zahlreichen  Höhlen,  denen  das  Gebirge 
wahrscheinlich  seinen  Namen  verdankt  [Kvllrivri  von  %vXk6s,  ver- 
wandt mit  Kotkog) ,  gezeugt  und  geboren  sein  sollte  und  auf  dem 
Gipfel  des  Berges  als  Hermes  Kyllenios  einen  Tempel  mit  einem 
colossalen  Schnitzbilde  aus  dem  Holze  des  Sadebaums  (%vov,  Juni- 
perus Sabina)  halte. 2)     Ein   gegen   Norden  vorgeschobener  Theil 


Gebiete  von  Phig-alia  und  Aliphera)  zur  Eparchie  Olympia  des  voiiog 
MsöGTjviccg  gehören.  Die  Bevölkerung  des  vo^og  'Jgyiadiccg  betrug  im 
Jabre  1861  nur  96,546  Seelen.  Im  Alterthum  war  Arkadien  neben  La- 
konien  wie  die  grösste  so  auch  die  bevölkertste  Landschaft  der  Halb- 
insel und  der  arkadische  Stamm  einer  der  zahlreichsten  griechischen 
Stämme  überhaupt;  vgl.  Polyb.  II,  38;  IV,  32;  Xenoph.  Hellen.  VH,  1,  23. 
Die  Gesammtzahl  der  Bevölkerung  mit  Einschluss  der  trotz  Philostr.  Vit. 
Apoll.  VIII  7,  12  schwerlich  sehr  zahlreichen  Sclaven  wird  von  Clinton 
(Fasti  Hellenici  II  p.  427  ed.  Krüger)  auf  161,750.  Seelen  angeschlagen, 
jedenfalls  eher  zu  niedrig  als  zu  hoch. 

*)  Vgl.  oben  S.  4,  Anm.  1  u.  über  die  missbräuchliche  Ausdehnung 
des  Namens  Arcadia  besonders  bei  den  Römischen  Dichtern  Unger  Sinis 
p.  173  SS. 

2)  Paus.  VIII,  17,  1,  der  als  Heros  eponymos  des  Gebirges  einen 
Kyllen  Sohn  des  Elatos  (wegen  der  Tannenwaldungen)  anführt  (vgl.  c. 
4,  4).  Auf  der  Kyllene  und  nur  hier  gab  es  ganz  weisse  Drosseln 
{'KOßavcpoL:  Paus.  c.  17,  3;  Aristot.  H.  an.  IX, ^9);  hier  wuchs  das  [icoXn 
(eine  Lauchart:  Theophr.  H.  plant.  IX,  15,  7),  wie  überhaupt  das  ganze  Ge- 
birge sehr  reich  war  und  ist  an  Pflanzen  der  verschiedensten  Arten  (ebds.  III, 
2j  5).     Antike  Höhenmessungen  des  Gebirges:  Strab.  VIII,  p.  388;  Stcph. 


4.   Arkadien.  183 

der  Kyllene  ist  die  von  den  Allen  mid  Neueren  gewöhnlicli  als 
selbständiges  Gebirge  betrachtete  1759  Meter  hohe  Chelydorea 
(jetzt  Sclnvarzberg,  Mavron-Oros,  genannt),  Avelcbe  den  im  Alter- 
tlium  hier  besonders  zahlreichen  Landschildkröten,  deren  eine 
die  Sage  dem  Hermes  zur  Erfindung  der  Leier  dienen  lässt,  ihren 
Namen  verdankt;  sie  gehörte  zum  grössern  Theile  nicht  mehr  zu 
Arkadien ,  sondern  zum  Gebiet  des  achäischen  Pellene^).  Sie  wird 
im  Südwesten  durch  den  Gebirgszug  der  Krathis  (1875  Meter 
hoch),  an  dessen  Nordwestseite  (oberhalb  des  jetzigen  Zarukla) 
der  gleichnamige  achäische  Fluss  entspringt  2),  mit  einer  der  Kyl- 
lene an  Höhe  (2355  Meter)  Avenig  nachstehenden,  in  Hinsicht  auf 
die  Ausdehnung  ihrer  Verzweigungen  gegen  Norden  und  Süden 
diese  übertrefTenden  Gebirgsmasse  verknüpft,  dem  Aroaniage- 
birge^)  (jetzt  Chelmos),  von  dem  ein  gleichnamiger  Fluss  (Aroa- 
nios)  in  südlicher  Richtung  herabströmt.  Nur  das  enge  Thal 
eines  gegen  Norden  fliessenden  Baches  (des  jetzigen  Baches  von 
Kalavryta)  scheidet  den  jetzt  mit  dem  Sondernamen  Velia  bezeich- 
neten westlichsten  Theil  dieses  Gebirges  von  einer  andern  gegen 
Westen  streichenden  Gebirgskette,  deren  zwei  Hauptmassen,  jetzt 
Kalliphoni  (1998  Meter  hoch)  und  Olonos  (2224  Meter)  genannt, 
im  Alterthum  die  Namen  L  a  m  p  e  i  a  und  E  r  y m  a  n  t h  o s  führten ; 
dass  aber  der  letztere  Name  auch  der  ganzen  Kette  zukommt, 
ergiebt  sich  schon  daraus,  dass  der  Fluss  Erymanthos  nicht  auf 
dem  im  engern  Sinne  so  genannten  Theile  des  Gebirges,  sondern 
auf  der  dem  Pan  geheiligten  Lampeia  entspringt^).  Von  der  Haupt- 
ketle  des  Erymanthos  verzweigt  sich  nach  Süden  ein  Gebirgszug, 
der  bis  nahe  an  das  rechte  Ufer  des  Alpheios  hinabreichend  die 
grössere  Hälfte  des  westlichen  Bandes  der  Landschaft  und  zu- 
gleich ihre   Begränzung  gegen  i|jr  Vorland  Elis  bihlet:    den  jetzt 


liyz.  11.  KvXXrivrj.,  Diküsircli  in  C.  Miillcr's  Frgt.  hist.  Gr.  II,  p.  253. 
Schrift  des  rhilo.stcplianos  rcfgl  KvXXr]vrig:  scliol.  Pind,  Ol.  VI,   144. 

•)  Pau-s.  VIII,  17,  5.  Auch  das  Parthenion  war  reich  an  Schild- 
kröten: cbds.  c.  54,  7. 

«)  Paus.  VII,  25,  11;  VIII,  15,  8  t. 

•'')  Paus.  VIII,  Ift,  7.  TJoi  IMin.  N.  h.  iV,  (;,  21  heisst  (bis  Gebirge 
X  onacris. 

<)  Paus.  VIII,  21,  4;  vgl.  V,  7,  I  ,•  Strab.  VIII,  p.  341;  ApoUon.  Khod. 
Arg.  /},  127  c.  Hchol.;  Steph.  liy/..  u.  'E(fV(iavd'og  und  Accfinfia',  Plin.  N. 
h.    |\'     C,    '2\. 

13* 


184  n.  Peloponnesos. 

Astras  genannten  nördlicheren  Theil  desselben  scheinen  die  Alten 
noch  mit  dem  Namen  des  Erymanthos  bezeichnet  zu  haben,  wäh- 
rend sie  dessen  niedrigere  südliche  Fortsetzung,  ein  breites,  noch 
jetzt  wie  im  Alterthum  reichbewaldetes  Hochplateau  ohne  her- 
vorragende Gipfel,  als  ein  besonderes,  von  ihnen  Pholoe  ge- 
nanntes Gebirge  betrachteten^).  Jenseits  des  Alpheios,  dessen 
von  massigen,  mit  reicher  Vegetation  bekleideten  Hügeln  um- 
säumtes  Thal  eine  Lücke  in  dem  westlichen  Gebirgsrande  Arka- 
diens bildet,  beginnt  eine  neue  Gebirgsgruppe ,  die  des  Lykäon 
(jetzt  Diaphorti),  dessen  heiÜger  Gipfel,  die  älteste  und  ehrwür- 
digste Stätte  des  arkadischen  Zeuscultus  (1420  Meter  hoch),  von 
den  Arkadern  auch  mit  dem  Namen  Olympos  bezeichnet  wurde^). 
Die  westliche  Fortsetzung  des  Lykäon  ist  ein  über  die  politi- 
schen Gränzen  Arkadiens  hinaus  bis  in  das  Innere  von  Triphy- 
lien  reichender  Gebirgszug,  das  Kerausion  (jetzt  Paläokastro) 
und  !w eiter  westlich  die  Minthe  (jetzt  Alvena),  von  welchem  sich 
zwei  Arme  in  südwestlicher  Richtung  bis  zum  Ufer  der  die  Gränze 
gegen  Messenien  bildenden  Neda  hinziehen:  das  Kotilion  und 
etwas  weiter  westlich  das  Elaion. ^)  Südlich  endüch  vom  Ly- 
käon zieht  sich  ein  ausgedehntes,  von  den  Arkadern  mit  dem 
Gesammtnamen  Nomia  (Weideberge)  bezeichnetes  Gebirge  hin, 
dessen   Knotenpunkt  der  genau   südlich  vom   Diaphorti   gelegene, 


1)  Strab.  VIII,  p.  336;  338;  357;  IX,  p.  388;  Paus.  VIII,  24,4;  Xen. 
Anab,  V,  3,  10;  Ptolem.  III,  16,  14  (mit  dem  Scholion  aus  cod.  Paris. 
1401:  ^oXorj  OQOg  x6  vvv  "Aotqov,  wo  jedenfalls  zu  lesen  "Actgag);  Plin. 
N.  h,  IV,  6,  21 :  letzterer  erwähnt  ebenso  wie  Steph.  Byz.  u.  ^olorj  auch 
eine  Stadt  dieses  Namens,  von  der  sich  sonst  keine  Spur  findet;  ver- 
muthlich  bezeichneten  die  Anwohner  verschiedene  auf  den  Abhängen  des 
Gebirges,  besonders  gegen  Westen,  wo  es  terrassenförmig*  nach  dem  Tief- 
lande von  Elis  absteigt,  zerstreute  Niederlassungen  mit  diesem  Gesammt- 
namen. 

2)  Paus.  VIII,  .38,  2;  Strab.  VIII,  p.  348;  388;  Plin.  N.  h.  IV,  6,  21. 

3)  Paus.  VIII,  41,  3  u.  7  ff.;  Strab.  VIII,  p.  344;  Ptol.  III,  16,  14; 
vgl.  Conze  u.  Michaelis  Annali  XXXIII,  p.  57  ss.  Da  die  Quellen  der 
Neda,  welche  nach  Paus.  a.  a.  O.  dem  Ksgavaiov  ogog  genannten  Theile 
des  Lykäon  angehören,  bei  Hagios  Sostis,  am  Südabhange  des  den 
Diaphorti  mit  dem  1346  Meter  hohen  Paläokastro  verbindenden  Berges 
Hegen,  so  glaube  ich  diesen  Namen  dem  letzteren  Gebirge,  das  von  den 
Alten  gewiss  eher  als  ein  Theil  des  Lykäon  als  der  Minthe  betrachtet 
worden  ist,  beilegen  zu  müssen. 


4.  Arkadien.  185 

jetzt  Tetrasi  genannte  Gipfel  biklet^);  von  diesem  zieht  sicli  eine 
zum  messenisclien  Gebiet  geliörige  Kette  in  gerader  westlicher  Rich- 
tung längs  des  linken  Ufers  der  Neda  hin,  eine  andere  in  süd- 
östlicher Richtung,  deren  östliche  Ausläufer  sich  mit  den  Wurzeln 
des  Taygeton  und  mit  den  nordwestlichen  Vorbergen  des  Parnon 
berühren  und  so  den  mannichfach  ausgezackten,  aber  nirgends 
durchbrochenen  südlichen  Rand  Arkadiens,  die  Gränze  gegen  das 
östlichere  Messenien  und  gegen  Lakonien  bilden. 

Auch  das  Innere  der  so  von  Gebirgen  gleichsam  um- 
mauerten Landschaft  ist  grössten  Theils  von  zahlreichen,  zum 
Theil  bedeutenden  und  meist  noch  jetzt  mit  Eichen  -  und 
Tannenwäldern  bedeckten  Bergzügen  eingenommen,  die  in  dem 
weitaus  grösseren  westlicheren  Theile  der  Landschaft  von 
engen,  schluchtenförmigen  Thälern  durchschnitten  sind  und 
nur  eine  bis  an  die  südlichen  Bergränder  hinabreichende 
grössere  Ebene  umschliessen,  die  allein  in  diesem  Theile  der 
Landschaft  Raum  für  eine  grössere  städtische  Ansiedelung  dar- 
bietet und  daher  bei  dem  Versuche  der  Centrahsation  zum  poli- 
tischen Mittelpunkte  des  sonst  mehr  dorfartig  bewohnten  west- 
lichen Arkadiens  gewählt  wurde.  In  dem  durch  eine  von  den 
Aroanien  bis  zum  südlichen  Rande  herabreichende  Bergkette  von 
dem  westlicheren  geschiedenen  östlicheren  Theile  der  Landschaft 
finden  wir  dagegen  neben  und  nach  einander  mehrere  rings 
von  Bergen  umschlossene  kessel-  oder  muldenförmige  Ebenen,  die, 
da  das  Wasser  durch  die  unterirdischen,  von  natürlichen  Berg- 
spalten gebildeten  Abzugskanälc^)  keinen  genügenden  Abfluss findet, 
in  ihren  tiefsten  Partien  versumpft  oder  geradezu  von  einem  See 
bedeckt  sind.  Solche  geschlossene  Bassins,  nach  denen  man  diesen 
östlicheren  Theil  der  Landschaft  nicht  unpassend  als  das  'ver- 
schlossene Arkadien'  bezeichnet  hat,  sind  in  der  Richtung  von 
Nord  nach  Sud  die  Thäler  von  Pheneos  und  Stymphalos,  die  von 
Kaphyä  und  Orchomenos  und  die  durch  zwei  nahe  gegeneinander 


')  Die  schon  Th,  I,  S.  21  erwähnte  arkadische  Benennunj^  ^SQsd^g« 
(für  ßegsd-QU,  ßccgccd'QCc)  dieser  von  den  jetzigen  Griechen  ytatccßo&Qai 
genannten  Bergspalten  giebt  Strab.  VIII,  p.  389;  vgl.  ^Ulsiv  für  ßdllsiv 
Etym.  M.  p.  408,  42;  Hesych.  u.  ^sXXsiv.  Eine  vielleicht  speciell  tegea- 
tische  Nebenform  ist  dige&QOv  (Hesych.  u.  d.  W.):  s.  Gelbke  in  G.  Cur- 
tius  Stadien  zur  griech.  n.  latein.  Grammatik  Bd.  II,  8.  28  f. 


18B  il.   l'elopuimcijus. 

vorU'ctemle  Ilü^^el  in  zwei  Tlieile  gescliiedeiie  grosse  iiuuiliiieiscli- 
legeatisclie  Hochebene. 

Während  dieses  östliche  Arkadien  in  Folge  seiner  eigenthüni- 
liclien  Bodengestaltnng   sein   eigenes  Bewässerungssystem  hat  — 
lauter  kleine  Bäche,    die  nach   kurzem   Laufe  sich  in   Seen  oder 
Bergspalten  verlieren  —  finden  wir  im  westlicheren  Theile  der 
Landschaft  zwei  grössere,   an  Länge  des  Laufes  und  an  Wasser- 
fülle einander  ziemlich  gleich  stehende  Flüsse,  die  sich  nahe  der 
westlichen  Gränze   zu   einem   Strome   vereinigen,    der   im   Alter- 
thum  den  Namen  des  südlicheren  (des  Alpheios),  hei  den  Neueren 
den   des  nördlicheren    Flusses  (Buphia,    des  Ladon   der  Alten) 
behält   und   unmittelbar   vor  seinem   Austritt   durch  die  oben  er- 
wähnte Lücke  im  Westrande  der  Landschaft  noch  zwei  arkadische 
Gewässer  (den  Fluss  Erymanthos  von  Norden   und   den   Bach 
Diagon  von  Süden  her)  aufnimmt.    Abgesehen  von  diesen  gehören 
sämmtliche  Gewässer  der  nördlicheren   Hälfte  des  westlichen  Ar- 
kadiens, mit  Ausnahme  der  an  der  Nordseite  des  Aroaniagebirgs, 
wo  die  politische  Gränze  der  Landschaft  über  die  Wasserscheide 
hinausgreift,  entspringenden,  welche  durch  Achaia  dem  korinthi- 
schen Meerbusen  zufliessen,  zum  Stromsystem  des  Ladon,  die  des 
südlicheren,  mit  Ausnahme  der  selbständig  dem  Meere  zufliessen- 
den  Neda,  zu  dem  des  Alpheios  im  engeren  Sinne.    Beide  Flüsse 
stehen  aber  auch  mit  den  Gewässern  des  östlichen  oder  verschlos- 
senen  Arkadiens  in  unterirdischem  Zusammenhange,  so  dass  schliess- 
lich auch  die  Wasserschätze  dieses  Theiles  der  Landschaft  in  der 
Hauptsache  ^)  dem  Alpheios,  als  dem  Vereinigungspunkt  aller  arkadi- 
schen Gewässer,    zu   Gute   kommen,    der   sie   durch  das  mittlere 
Elis  hindurch   dem   westlichen  (sikelischen)   Meere  zuführt.     Der 
Ladon   nämlich   entspringt   aus   einer   sehr  wasserreichen    Quelle 
am   westlichen   Fusse  der   den   Thalkessel   von   Pheneos   in   Süd- 
westen umschliessenden   Berge,    die  ohne  Zweifel  durch  unterir- 
sche  Zuflüsse  aus  dem  See  von  Pheneos  gespeist  wird ,  und  auch 
die  unterirdischen   Abflüsse  des   Thaies  von   Kaphyä  werden  ihm 
durch    den    Tragosbach    zugeführt^),   während   er   allerdings   die 


1)  Eine  Ausnahme  bildet  der  See  von  Stymphalos,  als  dessen  Aus- 
fluss  die  Altenden  argivischeu  Erasinos  (vgl.  oben  S.  65)  betrachteten: 
Paus.  II,  24,  6;  VIII,  22,  3. 

2)  Paus.  c.  20,  1;  23,  2. 


4.  Aikailieii.  187 

bedeutendste  Wassermenge  von  Norden  her  durch  den  vom  Aroa- 
niagebirge  herabkommenden  Aroanios  erhält.  Als  obersten  Lauf 
des  Alpheios  betrachteten  die  Alten  den  Bach,  welcher  bei  Phy- 
lake,  auf  der  Gränze  der  Tegeatis  und  Lakoniens,  entspringt  und 
alsbald  durch  das  Wasser  mehrerer  Quellen  (von  deren  Zusam- 
mentrelTen  die  Oertlichkeit  bei  den  Alten  Symbola  hiess)  ver- 
stärkt in  zahlreichen  Krümmungen,  die  ihm  den  modernen 
Namen  Sarantapotamos  eingetragen  haben,  in  die  Ebene  von 
Tegea  hinablliesst,  in  welcher  er  jetzt  sich  nordöstlich  wendet 
und  nachdem  er  einen  östlichen  Seitenbach,  den  Garates  der 
Alten,  aufgenommen  hat,  in  einer  Katabothre  am  südlichen  Fusse 
des  Parlhenion  verschwindet,  während  er  im  Alterthum  und  wahr- 
scheinlich noch  bis  zum  ersten  oder  zweiten  Decennium  des  vorigen 
Jahrhunderts  gleich  nach  seinem  Eintritt  in  die  Ebene  eine  west- 
liche Richtung  nahm  und  in  eine  Katabothre  am  östlichen  Fusse 
des  die  Ebene  im  Südwesten  abschliessenden  Gebirges,  des  Bo- 
reion, einströmte.  Durch  die  auch  jetzt  noch  durch  diese  Kata- 
bothre ablaufenden  Gewässer,  zu  denen  freilich  der  Sarantapotamos 
jetzt  keinen  Beitrag  mehr  liefert,  wird  wahrscheinlich  eine  am 
westlichen  Fusse  des  Boreion  in  der  kleinen  Ebene  von  Asea  auf- 
sprudelnde starke  Quelle  (jetzt  ^QayxoßQvöig  d.  i.  Frankenquellc 
genannt)  gespeist,  welche  sogleich  einen,  von  den  Alten  als  Fort- 
setzung des  obern  Alpheioslaufes  betrachteten  Bach  bildet,  der 
>ich  aber  bahl  wieder  in  den  jetzt  ziemlich  sumpfigen  Boden 
verliert.  Die  Alten  glaubten,  schwerlich  mit  Recht,  dass  hier 
ein  unterirdischer  Zusammenhang  zwischen  diesem  obern  Alpheios 
und  den  am  südöstHchen  Fuss  des  jetzt  Tzimbaru  genannten 
Berges  hervorbrechenden  Quellen  des  Eurotas  bestehe.  Am  süd- 
westlichen Rande  der  Ebene  von  Asea,  an  einer  von  den  Arka- 
dern ^die  Quellen'  {TlriyaC)  genannten  Stelle  (bei  dem  jetzigen 
Marmaria)  bricht  das  Wasser  wiederum  in  reicher  Fülle  aus  dem 
Boden  hervor  und  bildet  von  hier  ab  einen  nicht  mehr  unter- 
brochenen Strom,  der  sich  zunächst  südvvestwärts  nach  dem 
südlichsten  Theile  der  Ebene  von  Megalepolis  wendet,  die  er, 
durch  zahlreiche  Zuflüsse  von  beiden  Seiten  her  (unter  denen  der 
von  Nordosten  kommende  Ilelisson  der  bedeutendste  ist)  gespeist 
in  nordwestnördlicher  Richtung  durchflicsst,  worauf  er  bis  zu  seiner 
Vereinigung  mit  dem    I.adon  eine   vorherrschend    westliche  Ricli- 


188  H.  Pelopoiiuesos. 

tung  einschlägt,  der  er  dann  auch  in  seinem  unteren  Laufe  durch 
Elis  treu   bleibt J) 

Die  Bewohner  der  Landschaft  bezeichneten  sich  mit  dem 
Gesammtnamen  der  Arkader  {^jQXccdeg)  und  leiteten  sich  von 
einem  Stammvater,  dem  Arkas,  dem  Sohne  des  Zeus  und  der 
Kallisto  (der  arkadischen  Artemis)  ab ;  eine  Sage  von  verhältniss- 
mässig  jüngerem  Ursprung,  da  der  Volksname  Arkader  offenbar 
erst  aus  dem  Nameji  des  Landes  sich  gebildet  hat.  Die  ethno- 
graphisch richtigere  Bezeichnung  für  die  Gesammtbevölkerung 
Arkadiens  ist' jQTcadsg  Ilekaayol,  'Arkadische  Pelasger',  analog 
dem  Namen  der  alten  Bevölkerung  der  später  Achaia,  früher 
Aegialos  genannten  Landschaft  'IJslaöyol  Ji'yialE8g\  'strandbe- 
wohnende Pelasger'; 2)  denn  als  Pelasgisches  Volk  wurden  die 
Arkader  allgemein  von  den  übrigen  Hellenen  betrachtet  und  nach 
ihrer  eigenen  Sage  war  Pelasgos  in  ihrem  Lande  als  erster  Mensch 
von  der  Erde  selbst  geboren  worden,  hatte  zuerst  als  König  da- 
selbst geherrscht  und  seine  ünterthanen,  Autochthonen  gleich  ihm 
selbst,  die  ersten  Elemente  menschlicher  Gesittung  —  den  Bau 
von  Hütten,  die  Benutzung  von  Thierfellen,  besonders  Schweins- 
häuten ,  zu  Kleidern  und  der  Eicheln  der  Knoppereiche  (Quercus 
Aegilops)  zur  Nahrung  —  gelehrt.^)  An  ihn  knüpft  dann  die  Sage 
durch  seinen  Sohn  Lykaon,  den  Bepräsentanten  der  ältesten  und 
rohesten  Form  des  arkadischen  Zeuscultes,  die  eponymen  Heroen 
der  verschiedensten   arkadischen   Oertlichkeiten    an^);    auch   den 


')  Paus.  VIII,  54,  1  ff.  u.  über  die  Seitenbäche  V,  7,  1;  vgl.  Ross 
Reisen  I,  S.  70  f.;  Curtiiis  Pelop.  I,  S.  248  f.  Der  jetzt  Sarantapota- 
mos  genannte  Flusslauf  scheint  nach  einem  Fragment  des  Deinias  (C. 
Müller  Frgt.  hist.  gr.  III,  p.  26,  8)  im  Alterthum  auch  den  Namen 
Äaxäg  geführt  zu  haben. 

2)  Herod.  I,  146;  vgl.  Schiller  Stämme  und  Staaten  Griechenlands  I 
(Erlangen  1855)  S.  14  ff.,  dessen  Widerspruch  gegen  Curtius  (Pel.  I,  S. 
159  ff.)  Scheidung  der  Arkader  als  Eingewanderter  von  den  Pelasgern  als 
Eingebornen  ich  vollständig  beistimme. 

3)  Paus.  VIII,  1,  4  ff.;  vgl.  Ephor.  bei  Strab.  V,  p.  221.  Andere, 
wie  Charax  (Müller  Frgt.  hist.  gr.  III,  p.  642),  Hessen  den  Pelasgos  von 
Argos  her  nach  Arkadien  einwandern,  lieber  die  älteste  Sagengeschichte 
Arkadiens  überhaupt  vgl.  A.  Bertrand  De  fabulis  Arcadiae  antiquissimis, 
Paris  1859. 

*)  Verzeichnisse  der  Söhne  des  Lykaon  geben  Apollod.  III,  8,  1  u. 
Paus.  VIII,  3,  1  ff.     Nach  Dionys.  Hai.  A.  r.  I,  11  wären  es  22  gewesen. 


4.  Arkadien.  189 

Arkas  inacht  sie  als  Sohn  der  Kallisto,  der  Tochter  des  Lykaon, 
zu  seinem  Ahkömmling  (Urenkel)  und  giebt  ihm  drei  Söhne :  den 
Azan  (eponymen  Heros  des  im  Norden  Arkadiens,  insbesondere 
in  den  Cantonen  Kleitoria  und  Psophidia  sesshaften  Stammes  der 
Azanes,  daher  er  Vater  des  Kleitor  heisst);  den  Apheidas  (epony- 
men Heros  des  in  der  Tegeatis  wohnenden  Stammes  der  Aphei- 
dantes,  Vater  des  Aleos)  und  den  Elatos  (Repräsentanten  der  mit 
Tannenwaldung  bedeckten  Gebirge,  insbesondere  der  Kyllene,  Vater 
von  fünf  Söhnen:  Aepytos,  Pereus,  Kyllen,  Ischys,  Stymphalos) ^) ; 
eine  Tradition,  aus  der  man  wohl  schliessen  darf,  dass  der  Name 
Arkadia  ursprünglich  speciell  den  östlichen  und  nördUchsten  Theil 
der  Landschaft  (die  Tegeatis,  Mantinike,  Stymphalia,  Pheneatis» 
Kleitoria  und  Psophidia)  bezeichnet  hat,  deren  Bevölkerung  zuerst 
anstatt  in  offenen,  zerstreuten  Weilern  mit  roh  befestigten  Zu- 
fluchtstätten  für  Zeiten  der  Gefahr  (ähnlich  den  Refugien  der 
keltischen  Bevölkerung  Galliens  und  Helvetiens),  wie  sie  im  süd- 
westlichen Arkadien  zum  Theil  bis  in  spätere  Zeiten  bestanden, 
in  grösseren  wolilummauerten  Städten  sich  ansiedelte  und  anstatt 
der  patriarchalischen  Stammverfassung  eine  festere  staatliche 
Ordnung  begründete,  ein  gesetzUch  geregeltes  Königthum,  das 
alhnälig  einer  zwischen  Aristokratie  und  Demokratie  schwanken- 
den republikanischen  Verfassung  weichen  musste.^) 

Von  den  gewaltigen  Erschütterungen,  durch  welche  die 
übrigen  Landschaften  der  Halbinsel  in  Folge  des  Eindringens  der 
Dorier  heimgesucht  wurden ,  blieb  Arkadien  fast  ganz  unberührt. 


von  denen  2  (Oenotros  u.  Peuketios)  ihre  Heimath  verlassen,  die  übrigen 
20  die  Landschaft  unter  sich  getheilt  hätten;  eine  Tradition,  aus  der 
man  wohl  schliessen  darf,  dass  zeitweise  20  einzelne  arkadische  Cantone 
1)0 standen  haben. 

')  Paus.  VIIT,  4,  1  flf.;  vgl.  X,  9,  5;  llerod.  VI,  127;  Stcph.  Byz.  u. 
'Alavtct.  Psophis  zur  *A^avig  gehörig  nach  Polyb.  IV,  70.  Selbst  das 
achUische  Pellene  mnss  zeitweise  zur  Azanls  }:rehört  hHl)cn,  da  der 
Olympische  Sieger  Philippos  (um  Ol.  80)  auf  seiner  Siegerstatue  als  ^A^av 
i'x  risU dvag  bezeichnet  war  (Paus.  VI,  8,  5).  Sprüchwort  'A^dvtn  x«x«: 
Zenob.  II,  54;  Diogenian.  I,  24. 

')  Die  Annahme,  dass  in  Orchonienos  noch  zur  Zeit  des  Poloponne- 
sischen  Krieges  das  Kimigthum  bestanden  habe,  beruht  nur  auf  der  sehr 
verdächtigen  Autorität  des  Theophilos  iv  SsvtBQO)  Tlekonowi^atcdimv  in 
der  Pseudoplutarchi sehen  Schrift  nsgl  naQalXr]Xmv  ellrjvLnmv  yinl  qco- 
fiaixcov  c.  32. 


190  II.   iVluponnesus. 

Allerdings  scheiiil  die  Hauptmacht  der  Kroherer  vom  iiiillleren 
Elis  durch  das  südwestliche  Aikadieu  im  Thale  des  Alpheios  auf- 
wärts gezogen  zu  sein,  allein  der  tapfere  Widerstand  der  kräf- 
tigen und  streitbaren  Bevölkerung,  besonders  der  Mänalier  und 
Tegeaten,^)  hat  sie  jedenfalls  am  weiteren  Vordringen  nach  dem 
Innern  oder  nach  dem  Osten  des  Landes  gehindert  und  sie  ge- 
nöthigt,  sich  in  zwei  Heerhaufen  aufzulösen,  von  denen  der  eine 
südwestwärts  nach  Messenien,  der  andere  südostwärts  nach  La- 
konien  sich  wandte.  Und  obgleich  später  das  mächtige  Sparta 
einige  jenseits  des  Südrandes  von  Arkadien  gelegene _,  aber  poli- 
tisch und  ethnographisch  zu  Arkadien  gehörige  Districte  (die  Ski- 
ritis  und  den  grössten  Theil  der  Aegytis)  sich  annectirte  und  auch 
die  Tegeaten  nöthigte  seiner  Symniachie  beizutreten,  so  ist  es 
doch  nie  den  Doriern  oder  andern  fremden  Eroberern  gelungen 
innerhalb  der  natürlichen  Grenzen  Arkadiens  Fuss  zu  fassen  und 
es  hat  sich  so  die  Bevölkerung  dieses  Landes  allezeit  unvermischt, 
als  eine  rein  pelasgische-  erhalten ,  die  auf  den  Buhm  der  Autoch- 
thonie  den  vollgültigsten  Anspruch  hatte  und  diesen  Buhm  durch 
den  stolzen  Beinamen  der  ' Vorniondlichen'  {IlQOösXrjvoi  oder 
ngoaeXrivatoC)  d.  h.  derer  die  schon  vor  Erschaffung  des  Mondes 
existirten,^)  zur  Schau  trug.  Auch  ihr  eigenthümlicher  Dialect, 
ein  Aeolismus,  der  dem  weichen  lonismus  näher  steht  als  dem 
harten  Dorismus,  beweist,  dass  sie  weniger  als  andere  peloponne- 
sische  Völkerschaften  von  den  dorischen  Eroberern  beeinflusst 
woi'den  sind.^)  Dieses  Autochthonenthum  hatte  freilich,  da  es 
bei  den  Arkadern  in  Folge  der  Naturverhältnisse  ihres  Landes 
nicht  Avie  bei  den  Athenern  durch  einen  regen  Verkehr  mit  dem 


^)  Eine  Erinnerung  an  diese  Kämpfe  ist  erhalten  in  der  Sage  vom 
Zweikampf  des  Tegeaten  Ecbemos  mit  dem  Herakliden  Hyllos  (Paus. 
VIII,  5,  1  u.  ö.),  der  freilich,  der  ganzen  Gestaltung  der  Sage  gemäss, 
auf  den  Isthmos  verlegt  worden  ist. 

2)  Hippys  Kheg.  bei  Steph.  Byz.  u.  'Ag-nadia  (p.  120,  9  ed.  Meineke); 
Frgm.  adesp.  (Pindar.)  bei  Bergk  Poetae  lyr.  gr.  n.  84,  8  (p.  1340); 
schol.  Apoll.  Khod.  Arg.  J,  264;  Ovid.  Fast.  II,  290;  (Lucian.)  de  astrol. 
26;  Hesych.  u.  ngoosli^vidss;  über  die  Autochthonie  Herod,  VIII,  73; 
Xeu.  Hell.  VII,  1,  23;  Demosth.  de  falsa  leg.  p.  424;  vgl.  Preller  Aus- 
gewählte Aufsätze  S.  157  ff.,  bes.  S.  192  f. 

^)  Vgl.  über  den  arkadischen  Dialect  M.  A.  Gelbke  De  dialecto  Ar- 
cadica  in  G.  Curtius  Studien  zur  griech.  u.  lat.  Grammatik ,  Bd.  II, 
S.  1  ff. 


4.   Arkadien.  191 

Auslände  aufge\Aogen  wurde,  seine  Schattenseiten:  es  bewirkte, 
dass  die  Bevölkerung  in  Hinsicht  ihrer  geistigen  Entwickelung,  in 
Litteratur  und  Kunst  wie  in  Verfeinerung  der  Sitten  des  socialen 
^ebens,  hinter  den  meisten  übrigen  hellenischen  Stämmen  zu- 
riickblieb,  so  dass  sich  an  den  Namen 'Arkader' der  Begriff  eines 
altvaterischen,  beschrankten,  ja  rohen  Menschen  knüpfte.^)  Schon 
die  klimatischen  Verhältnisse,  besonders  des  östlicheren  Theiles 
des  Landes  —  die  drückende  Hitze  des  verhältnissmässig  kurzen 
Sommers  und  die  Rauhheit  des  Winters  —  mussten  ähnlich  wie 
in  Boiotien  mehr  die  Abhärtung  und  Kräftigung  des  Körpers  als 
die  Entwickelung  der  geistigen  Fähigkeiten  begünstigen. 2)  Dazu 
kamen  dann  die  Beschäftigungen,  denen  sich  die  Mehrzahl  der 
Bewohner,  der  Natur  ihres  Landes  gemäss,  widmete:  Ackerbau 
in  den  grössern  Ebenen,  auch  Weinbau  (heut  zu  Tage  auch 
Tabacksbau);  Viehzucht  aller  Art,  von  Pferden  und  Eseln,  Schwei- 
nen, Schafen  und  Ziegen,  in  den  Thälern,  an  den  grasigen  Ab- 
hängen und  auf  den  herrlichen  Alpweiden  der  auch  an  Heilkräu- 
tern reichen  Gebirge;  Jagd  in  den  ausgedehnten  Wäldern,  die 
im  Alterthum  Wild  in  Fülle,  selbst  Eber  und  Bären  darboten. 
Handel  und  Industrie  fehlten  ganz;  ausser  der  Wolle  der  zahl- 
reichen Schafheerden,  die  gewiss  nur  zum  Theil  im  Lande  selbst 
verarbeitet  wurde,  lieferte  höchstens  der  Holzreichthum  der 
Berge  einen  Ausfuhrartikel,  der  wohl  hauptsächlich  den  holz- 
ärmeren Nachbarländern  Argolis  und  Lakonien  zu  Gute  kam, 
während  der  Import  früher  durch  die  Aegineten,  später  wohl 
hauptsächlich   durch  die   Sikyonier   besorgt   wurde ^).     Damit  die 

*)  Joseph,  c.  Apion.  I,  4;  Philostr.  Vit.  Apoll.  VllI,  7,  12;  luven. 
8at.  VII,  IGO.  Für  die  Elinfjicliheit  der  Sitten  sind  characteristisch  die 
.Schilderungen  eines  '^QHudiyidv  ösinvov  bei  Athen.  IV,  p.  148  f  ss.,  bes. 
uich  der  Zug-,  dass  Herren  und  Sklaven  an  demselben  Tische  sasscn  und 
'lie  gleichen  Speisen,  den  gleichen  Wein  genossen.  Gastlichkeit  und 
l'Vöramigkeit  der  Arkader:  Polyb.  IV,  20. 

*)  Polyb.  IV,  21.  Auf  klimatische  P^infiüssc  ist  .uicli  «lie  Arka<li.sclu' 
noXv(payia  (Athen.  IV,  p.  149'=)  zurück/uführen. 

^)  Vgl.  bes.  Pliilostr.  a.  a.  O.  Ackerbau:  Flut.  Philopoem.  4;  Wein: 
Aristot.  Meteor.  IV,  10,  7;  Kuben  {yoyyvkai)  aus  Mantineia:  Poll.  VI, 
r,:{;  Pferdezucht:  Strab.  VIII,  p.  388;  Dio  Chrysost.  Or.  XV,  30;  Esel: 
l'Iaut.  Asin.  333;  Varro  de  re  rust.  II,  1,  14;  Pers.  Sat.  III,  1);  Plin.  N. 
h.  VIII,  43,  107.  Jagd:  Paus.  VIII,  23,  O.Heilkräuter:  Theo ph rast.  Ilist. 
\.\.  IX,  15,  4.  Import  von  Aegiua:  Pnii^  ••  '  «  Arkas  n.-niindcr  (1(  - 
Weberei  ia  Arkadien:  Paus.  c.  4,  1. 


192  II.   IN'loponnesos. 

Bevölkerung  mm  nicht  ganz  verwildere  —  wofür  die  Bewoimer 
des  an  den  nördlichen  Abhängen  der  Aroania  gelegenen  Canlons 
Kynätha  ein  abschreckendes  Beispiel  lieferten  —  war  es  seit 
alten  Zeiten  Gesetz  bei  den  Arkadern,  dass  Knaben  und  Jüng- 
linge bis  zum  30.  Jahre  eifrig  Musik  trieben  und  jährlich  am 
Feste  des  Dionysos  im  Kunstgesang  wetteiferten^).  Auch  die 
Gymnastik  wurde  bei  den  Arkadern  eifrig  gepflegt,  wofür  beson- 
ders die  grosse  Anzahl  arkadischer  Sieger  in  den  hellenischen 
Nationalspielen  Zeugniss  giebt^);  sie  trug  neben  den  Einflüssen 
des  Klimas  und  der  Lebensweise  hauptsächlich  bei  zur  Ausbil- 
dung jener  Tapferkeit  und  Kriegstüchtigkeit,  welche  die  Arkader, 
auch  darin  den  Schweizern  des  Mittelalters  und  der  Neuzeit  ähnlich, 
in  der  Vertheidigung  der  Unabhängigkeit  ihres  Vaterlandes  gegen 
begehrliche  Nachbarn,  noch  häufiger  aber  in  Folge  der  politi- 
schen Verhältnisse  ihres  Heimatlandes  als  Soldtruppen  im  Dienste 
auswärtiger  Staaten  oder  Fürsten  bewährten.^)  Die  Zersplitterung 
des  Landes  nämhch  in  eine  Menge  selbständiger  kleiner  Cantone, 
die  zum  Theil  achte  Bauernrepubliken  ohne  städtischen  Mittel- 
punkt, zum  Theil  städtische  Gemeinwesen  mit  Unterthanenland 
waren  und  unter  einander  nur  durch  ein  ganz  loses  Band,  das 
sie  von  inneren  Kriegen  nicht  zurückhielt,  zusammengehalten 
wurden,'*)  verhinderte  dasselbe  eine  irgend  wie  bedeutende  poli- 
tische Rolle  unter  den  griechischen  Staaten  zu  spielen.  Allerdings 
gab  es  besonders  in  den  grössern  Städten  des  östlichen  Arkadiens 


*)  Polyb.  IV,  20.  Der  namhafteste  arkadische  Musiker  ist  Echem- 
brotos,  der  in  der  ersten  Pythiade  (Ol.  48,  3)  als  Aulöde  siegte:  Paus. 
X,  7,  4;  vgl.  Krause  Die  Gymnastik  u.  Agonistik  der  Hellenen  S.  740. 
In  Arkadien  sollte  Hermes  die  Leier,  Pan  die  Syrinx  erfunden  haben. 
Arkadischer  Tanz  yicSagig:  Athen.  XIV,  p.  631*'. 

2)  Krause  a.  a.  O.  S.  733  ff. 

3)  S.  Xenoph.  Hell.  VII,  1,  23;  Hermippos  bei  Athen.  I,  p.  27  ^  u. 
den  sprüchwörtlichen  Ausdruck  'Ag-ndSccg  fiLfiovfisvoL  für  Leute,  die  sich 
immer  nur  für  Andere  abmühen  (Suid.  u.  d.  W.;  Zenob.  II,  59;  Dioge- 
nian.  I,  29).  lieber  die  Streitkräfte  Arkadiens  u.  ihre  Organisation  vgl. 
Ol.  Chr.  Kellermann  De  re  militari  Arcadum,  München  1831. 

^)  Vgl.  Curtius  Pel.  I,  S.  171  ff.  u.  über  die  alterthümlichen  Münzen 
mit  dem  Bilde  des  Zeus  Lykäos  u.  der  Aufschrift  APKJ  u.  APKAJIKON 
denselben  Monatsberichte  der  Berliner  Akademie  1869  S.  472  f.  Andere 
Spuren  einer  vrenn  auch  sehr  losen  Gemeinschaft  sind  die  Vereidigun'g 
der  ngosexatsg  rmv  'AqkccScov  durch  Kleomenes  in  Nonakris  (Herod.  VI, 
74)  u.  die  sgzlcc  *Aqh.cc$cov  kolvt]'  in  Tegea  (Paus.  VIII,  53,  9). 


4.  Arkadien.  193 

eine  nationale  Partei,  welche  die  Einigkeit  des  Vaterlandes  auf 
ihre  Fahne  geschrieben  hatte,  aber  sie  konnte  nicht  aufkommen 
gegenüber  Sparta,  das  allen  seinen  Einfluss  anwandte,  um  die 
Zersplitterung  des  zahlreichen  und  kriegstüchtigen  Nachbarvolkes 
aufrecht  zu  erhalten,  und  gegenüber  der  Macht  der  Kirchthurms- 
interessen,  dem  'Cantönligeist',  von  dem  namentlich  die  kleinen 
Bauernrepubliken  des  westlichen  Arkadiens  beherrscht  waren.  Erst 
in  Folge  der  Demöthigung  Sparta's  durch  die  Schlacht  bei  Leuktra 
gelangte  die  Nationalpartei,  Dank  der  Tüchtigkeit  einzelner  ihrer 
Führer  und  der  Unterstützung  des  Epameinondas,  ans  Ruder  und 
versuchte  nun  einen  arkadischen  Einheitsstaat  nach  streng  cen- 
tralistischem  Princip  herzustellen,  für  welchen  sie  in  Megalepolis 
vermittels  eines  zum  Theil  auf  gewaltsamem  Wege  durchgeführten 
Synoikismos  von  40  kleinen,  meist  ländlichen  Ortschaften  einen 
neuen  Mittelpunkt  schuf,  den  Sitz  der  Centralregierung,  welcher 
eine  auf  breitester  demokratischer  Grundlage  gewählte  Volksre- 
präsentation, der  grosse  Rath  der  10,000  {oC  ^vqloi),  zur  Seite 
und  ein  wohl  geübtes  stehendes  Heer  {ou  indgitoi  oder  ijtaQttat) 
zu  Gebote  stand  ^).  Aber  die  neue  Gründung  hatte  nicht  nur  mit 
dem  tödtlichen  Hass  der  Spartaner,  sondern  auch  mit  der  Theil- 
nahmlosigkeit,  ja  sogar  mit  der  offenen  Feindseligkeit  verschie- 
dener arkadischer  Cantone  (besonders  von  Heräa  und  Orchomenos), 
die  nicht  das  geringste  Opfer  von  ihrer  Selbständigkeit  bringen 
wollten,  zu  kämpfen  und  konnte  daher  zu  keinem  rechten  Ge- 
deihen gelangen.  Langwierige  und  erbitterte  Kämpfe  gegen  Sparta 
und  gegen  Elis  förderten  die  schon  durch  die  Zusammensiedelung 
der  ländlichen  Bevölkerung  in  der  neuen  Grossstadt  begonnene 
Verödung  der  Landschaft,  die  in  den  ersten  Jahrhunderten  unserer 
Zeitrechnung  eine  betrübende  Höhe  erreicht  hatte  2).  Dies  bes- 
serte sich  natürlich  nicht  in  den  folgenden  Jahrhunderten,  Jahr- 


1)  Diod.  XV,  59,  72;  Paus.  VIII,  27;  Xen.  Hell.  VII,  1,  38;  c.  4,  2; 
33  f.;  über  die  indgiroi  auch  ebds.  c.  4,  22;  c.  6,  3;  Steph.  Byz.  u. 
'Enagizai;  Ilesycb.  u.  'EnaQorjroi.  Vgl.  Lacbmann  Geschichte  Griechen- 
lands von  dem  Ende  des  Pelo]».  Krieges  bis  zum  Regierungsantritte 
Alexanders  d.  Gr.  I,  S.  340  ff.;  Schiller  Stämme  u.  Staaten  Griechen- 
lands I,  ö.  21  ff.;  Ciirtius  Griech.  Geschichte  III,  S.  320  ff. 

»)  Strab.  Vni,  p.  388;  Dio  Chrysost.  Or.  XXXIII,  25  u.  die  Erwäh- 
nung zahlreicher  'wüster  Marken'  (Plätze  verödeter  Ortschaften)  bei  Pau- 
anias.  —  Einige  arkadische  Ortschaften  gehörten  zu  Pansanias  Zeit  poli- 
lisch  zu  Argolis:  Paus.   VI,   12,  «J. 


Stym- 
plialia. 


194  II.  Peloponnesos. 

liundcrtc'ii  dos  allgemeinen  Verfalls  für  Gricclienland,  in  denen 
auch  Arkadien,  obschon  durcli  seine  Natur  mehr  geschützt,  als 
andere  Landschaften,  von  den  Verheerungen  der  Gothen  nnter 
Alarich  zu  leiden  hatte  ^).  Etwa  350  Jahre  spater  wurde  ein 
grosser  Theil  des  damals  in  Folge  der  fnrchtbaren  Pest,  die  in  den 
Jahren  746 — 47  in  ganz  Hellas  wüthete,  gewiss  sehr  dünn  bevölker- 
ten Landes  von  Slaven  besetzt,  die  zwar  auch  hier,  w ie  in  andern  Ge- 
genden Griechenlands,  allmälig  vollständig  gräcisirt  wurden,  aber 
noch  in  zahlreichen  slavischen  Ortsnamen  ihre  Spuren  hinter- 
lassen haben.  An  die  fränkische  Herrschaft,  nnter  welcher  die 
Landschaft  in  eine  Anzahl  grösserer  Baronicn  getheilt  war,  cr- 
iiniern  jetzt  nur  noch  einige  Burgruinen  (unter  denen  die  von 
Karytena  am  Alpheios  die  stattlichste  ist),  während  die  Nach- 
kommen der  seit  dem  14.  Jahrhundert  eingewanderten  Albanesen 
noch  jetzt  einen  nicht  geringen  Bruchtheil  der  Bevölkerung  bilden. 
Die  topographische  Schilderung  der  Landschaft  beginnen  wir 
am  Besten  mit  dem  östlichen  oder  ^verschlossenen'  Arkadien, 
dessen  nördlichster  Theil  von  zwei  am  südlichen  und  südwest- 
lichen Fusse  der  Kyllene  gelegenen,  nur  durch  einen  von  dieser 
ge^en  Süden  streichenden  Bergzug  getrennten  Thalbecken  und 
den  sie  rings  umschliessenden  Bergen  eingenommen  wird.  Das 
östHchere  dieser  Becken  ist  der  Mittelpunkt  der  Stymphalia,  des 
nordöstlichsten  arkadischen  Cantons,  der  in  Norden  durch  die 
Kyllene  von  Achaia,  im  Osten  durch  das  Apelauron  (vgl. 
oben  S.  32,  Anm.  3)  von  der  Sikyonia  und  Phliasia  getrennt 
wird;  im  Westen  bildet  das  Geronteion  die  Gränzscheide  gegen 
die  Pheneatis,  im  Süden  der  Oligyrtos  die  Gränze  gegen  die 
Gebiete  von  Orchomenos  und  Kaphyä-).  Durch  die  drei  zuletzt 
genannten  Gebirge  führen  Pässe  in  die  Ebene  herab,  den  be- 
quemsten Zugang  aber  hat  sie  von  Nordosten  her,  wo  sie  sich 
in  einer  Länge  von  mehreren  Stunden  als  ein  mehr  und  mehr 
sich  verengendes  Thal  hinzieht,  dessen  oberes  Ende  durch  eine 
eine  Wasserscheide  bildende  Anhöhe  von  einem  kürzeren,  noch 
engeren  Thale  getrennt  wird,  an  dessen  südwestlichem  Endesich 


1)  Vgl.  Claudian.  in  Rufin.  II,  189;  Zosim.  Hist.  V,  6  u.  7. 

2)  rsQOVTSiovTauü.  c.  16,  1;  c.  22,  1.     6  'OkiyvQxos  Polyb.  IV,  iT; 
,70;  Plut.  Oleomen.  26.     Das  Geronteion  bildet  jetzt    eine  Sprachgrenze, 

indem  vom  Isthmos   bis  an  seinen  östlichen  Fuss  die  Bevölkerung  alba- 
ncsiscli,  von  da  an  westwärts  dagegen  griocliiscli  ist. 


4.  Arl%a(lien:   Slymplialia.  195 

ein  kleiner  sumpfiger  See  befindet.  Durch  dieses  von  der  nöid- 
lichen  Fortsetzung  der  Kyllene  (an  deren  ösllicheni  Abhänge  die 
Dörfer  RIementi  und  Käsari  liegen,  nach  denen  das  Thal  gewöhn- 
lich benannt  wird)  und  dem  jetzt  Vesina  genannten,  im  Alter- 
thum  zur  sikyonischen  Ortschaft  Titane  gehörigen  Gebirge  um- 
schlossene Thal,  welches  in  kleineren  Verhältnissen  ganz  die 
Formalion  der  Stymphalischen  Ebene  wiederholt,  führte  jedenfalls 
die  Hauptstrasse  von  Sikyon  nach  Stymphalos,  die  von  Sikyon  aus 
bis  nach  dem  zwei  Stunden  davon  entfernten  Dorfe  Suli  eine  genau 
westliche  Richtung  halte,  von  da  an  sich  südwestlich  wandte; 
der  jetzt  von  Suli  nach  dem  Thale  von  Klementi -Käsari  führende 
Weg  läuft  eine  bedeutende  Strecke  weit  auf  den  Resten  einer 
gepflasterten  antiken  Strasse  hin. 

Der  am  niedrigsten  gelegene  Theil  des  Stymphalischen  Thal- 
beckens ist  jetzt  von  einem  See  bedeckt,  dessen  Wasserstand 
zwar  zu  verschiedenen  Jahreszeiten  verschieden  ist,  der  aber  das 
ganze  Jahr  hindurch  als  wirklicher  See,  niemals  als  blosse  sum- 
pfige Niederung  erscheint.  Das  Wasser,  welches  demselben  durch 
zwei  grössere,  die  von  den  Rergen  herabfliessenden  Gewässer  auf- 
nehmende Bäche  von  Nordosten  und  von  Westen,  sowie  von  einer 
starken  in  der  Ebene  selbst  unterhalb  des  jetzigen  Dorfes  Zaraka 
(nach  welchem  jetzt  der  See  benannt  wird)  entspringenden  Quelle 
von  Norden  her  zugeführt  wird,  hat  nur  einen  unterirdischen 
Abfluss  gegen  Süden  durch  eine  Katabothre  am  westlichen  Fusse 
des  Apelauron.  Dass  im  frühesten  Alterthum  der  Zustand  der 
Ebene  ein  ebenso  schlimmer,  die  Gesundheit  der  Bewohner  in 
hohem  Grade  gefährdender  war,  beweist  der  Mythos  von  den 
Stymphalischen  Vögeln,  welche  olfenbar  die  aus  stagnirenden  Ge- 
wässern aufsteigenden  verderblichen  Dünste  repräsentiren,  die, 
solange  nicht  Menschenhände  ordnend  und  hemmend  eingreifen, 
nur  durch  die  wohlthätigen  Wirkungen  der  Sonnenstrahlen  (die 
Pfeile  des  Herakles)  beseitigt  werden  konnten.  Auch  hatte  sich 
noch  zur  Zeit  des  Pausanias  im  Volksmunde  eine  dunkle  Tradition 
ti  halten,  dass  die  älteste,  von  Stymphalos,  einem  Enkel  des 
Arkas  gegründete  Stadt,  in  welcher  auch  Temenos,  ein  Sohn  des 
Pelasgos  gewohnt  und  drei  Heiligthümer  der  Hera  als  der  Reprä- 
iitantin  der  Erde  in  den  drei  verschiedenen  Jahreszeiten  (im 
Frühling  als  Jungfrau,  im  Sommer  als  Gattin,  im  Winter  als 
Wittwe)  i^^cLMüiidct  h.'ilx'u  sollt«',  an  einem  anderen  IMatze  als  die 


19G  II.  Peloponnesos. 

Stadt  der  hislorischeii  Zeit  gelegen  hahe^].  Aber  durch  Anlegung 
von  Dämmen  (von  denen  noch  jetzt  im  westlichsten  Theile  der 
Ebene  Reste  erhalten  sind)  und  Ableitung  der  Gewässer,  wahr- 
scheinlich vermittels  eines  gegrabenen  F'lussbettes,  in  die  zu 
diesem  Behuf  jedenfalls  künstlich  erweiterte  OelYnung  der  Kata- 
bothre  am  Fuss  des  Apelauron  gelang  es  die  Ebene  ganz  trocken 
zu  legen,  so  dass  während  der  Sonnnermonate  weder  ein  See 
noch  Sumpf,  sondern  ein  aus  der  von  den  Alten  wahrscheinlich 
Metopa  genannten  Quelle  entspringender  Bach,  der  Stympha- 
los,  vorhanden  war,  der  nach  kurzem,  geregeltem  Laufe  in  der 
Katabothre  verschwand,  wie  die  Alten  meinten,  um  am  östlichen 
Fusse  des  Berges  Chaon  in  der  Argeia  (s.  oben  S.  65)  als 
Erasinos  wieder  aufzutauchen ;  nur  während  der  Regenzeit  bildete 
sich  in  unmittelbarer  Nähe  der  Quelle  ein  kleiner  See,  aus  wel- 
chem der  Bach  ausfloss.  Von  Zeit  zu  Zeit  mochte  allerdings  in  Folge 
einer  durch  Anhäufung  von  Baumstämmen,  Felsblöcken  und  der- 
gleichen an  der  Mündung  der  Katabothre  herbeigeführten  Stauung 
plötzHch  die  Ebene  ganz  unter  Wasser  gesetzt  werden  (wie  Tan- 
sanias eine  solche  bei  seinen  Lebzeiten  eingetretene  Ueber- 
schwemmung  erwähnt,  welche  der  Aberglaube  des  Volks  dem 
durch  Vernachlässigung  der  Feier  ihres  Festes  erregten  Zorne  der 
Artemis  zuschrieb) ;  doch  war  eine  solche  Calamität  (die  Iphi- 
krates  bei  Belagerung  der  Stadt  im  Jahre  369  v.  Chr.  vergeblich 
durch  Verstopfung  der  Mündung  mit  Schwämmen  herbeizuführen 
versucht  hatte)  gewiss  selten  und  nur  vorübergehend  und  die 
jetzt  wiederum  durch  die  gefürchteten  Stymphalischen  Vögel  des 
Sumpffiebers  völlig  verödete  Ebene  war  nicht  nur  bis  in 
die  spätesten  Jahrhunderte  des  Alterthums,  sondern  auch  noch 
im  früheren  Mittelalter  wohl  angebaut  und  bewohnt,  wie  ausser 
den  Ueberresten  der  alten  Stadt  die  nordöstlich  davon  erhaltenen, 
jetzt  'Kionia'  (*die  Säulen')  genannten  Trümmer  einer  grossen 
christlichen  Kirche  mit  Halbsäulen  aus  Sandstein  an  den  Seiten- 
wänden und  eines  mittelalterlichen  Befestigungsthurmes  zeigen^). 

*)  Paus.  c.  22^  1  f.  Der  Name  IJtviicpakog ,  der  auch  als  Bergname 
vorkommt  (Ptol.  III,  Iß,  14  anstatt  KvXkrjvrj:  vgl.  Hesych.  s.  v.  2tv'/i- 
q)rjXog;  Stat,  Silv.  IV,  6,  100)  scheint  mit  den  Bergnamen  Tvjicprj 
{Exv^Lcpri)  und  TvficpgrjGTOS ,  vielleicht  auch  mit  Grvq)co,  GTvcp^Xog  zu- 
sammenzuhängen. 

2)  Paus.   c.  22,   3   ss.     Strab.  p.  389.     Den    N"amen    MftioTta   (Pind. 


4.  Arliadien:  Stymphalia.  197 

Die  Oberstadt  des  alten  Stymphalos  (die  zur  Zeit  des  Paiisanias 
politisch  nicht  zu  Arkadien,  sondern  zu  Argolis,  mit  welcher 
Landschaft  sie  wohl  hauptsächlich  durch  Verkehrsinteressen  ver- 
knüpft war,  gehörte)  stand  auf  einem  vom  Fusse  der  Kyllene 
gegen  Osten  sich  erstreckenden  und  in  mehreren  Terrassen  all- 
mälig  gegen  die  Niederung  sich  absenkenden,  heut  zu  Tage 
halbinselförmig  in  den  See  hineinragenden  Felsrücken ,  auf  dessen 
höchstem  Punkte  (im  Westen)  ein  viereckiger  Thurm  sich  erhob, 
von  dem  aus  sich  die  besonders  an  der  Südwestseite  wohl  erhal- 
tenen, 3,20  Meter  dicken  und  mit  runden  Thürmen  geschützten 
Ringmauern  auf  den  Rändern  der  Anhöhe  hinziehen;  doch  scheint 
dieselbe  nicht  von  allen  Seiten  von  Mauern  umschlossen,  sondern 
gegen  Nordosten,  wo  wahrscheinlich  eine  in  der  Niederung  ge- 
legene Unterstadt  sich  anschloss,  offen  gewesen  zu  sein.  Auf 
dem  Felsboden  erkennt  man  noch  die  Linien  einiger  Strassen, 
im  westlicheren  Theile  die  Fundamente  eines  kleinen  Tempels  in 
antis  (vielleicht  des  von  Paus.  VIII,  22,  7  erwähnten  alten  Tem- 
pels der  Artemis  Stymphalia,  die  als  Hauptgöttin  der  Stadt  jeden- 
falls in  der  Oberstadt  ihr  Heiligthum  hatte)  und  besonders  an  der 
Südostseite,  gegen  den  See  zu,  wo  sich  ebenfalls  keine  Spuren 
einer  Ringmauer  finden ,  lange  aus  dem  Felsen  selbst  geschnittene 
Sitzstufen  und  einen  etwa  30  Personen  fassenden  halbkreisför- 
migen Sitz  (eine  sogenannte  Exedra)  von  gleicher  Ausführung, 
Anlagen,  die  etwa  zu  einem  in  der  jetzt  mit  Wasser  bedeckten 
Niederung  gelegenen  Stadion  und  einem  Hippodrom  gehört  haben 
mögen  ^). 


Olymp.  VI,  84  [144]  c.  scliol.;  Callimach.  H.  in  lov.  2G  c.  schol.;  o  Ms- 
twTtrjg  Aelian.  V.  bist.  II,  33)  kann  ich  weder  mit  Ross  (Reisen  im  Pe- 
loponiies  »S.  38,  Anm.  30)  auf  die  Felswand  des  Apelauron  über  der  Ka- 
tabotlire,  noch  mit  Curtius  (Pelop.  I,  S.  216)  auf  den  Fluss  des  nlJrd- 
licbstcn  Tbales  der  Stympbalier,  sondern  nur  mit  Leake  (Peloponnes. 
1».  384)  auf  die  jetzt  nfcpaXoßgvaig  genannte  Quelle  des  Bacbes  Stym- 
pbalos,  deren  Wasser  Iladrian  nacb  Korintb  leitete,  bezieben.  Dass 
Stepb.  Byz.  u.  £Ti)(ifpalog  (nicbt  l'ausanias,  der  für  die  Quelle  keinen 
Namen  angiebt)  dieselbe  mit  dem  Namen  des  aus  ibr  entspringenden 
Baelies  benennt,  ist  eine  leicbt  erklärlicbe  Ungenauigkeit. 

')  Vgl.  Dodwell  Classiscbe  u.  topograpb.  Reise  II,  2,  S.  320  ff.  d.  d. 
l'cb.;  Leake  Morea  III,  p.  108  ss.;  Ross  Reisen  im  Peloponnes  S.  54  f.; 
<  iirtius  Pelop.  I,  S.  204  f.  (mit  Plan  auf  Taf.  IV);  Vischer  Erinnerungen 
S,  497  f.     Die  von  Letzterem  niclit  Ix-nuTlitc  b.illikreisrormige  Fxedra  mit 

fiUKSIAN,    UKO»R.    II.  11 


198  II.  Peloponnesos. 

Das  Gebiet  von  Stymphalos  scheint  sich  gegen  Süden  in 
einer  Länge  von  mehreren  Stunden  hei  geringer  Breite  zwischen 
der  Orchomenia  und  der  Argeia  bis  zum  Nordrande  der  Manti- 
nike  hin  erstreckt  zu  haben.  Den  Kern  dieses  engen  Berglandes 
bildet  ein  kleiner  Thalkessel  bei  dem  jetzigen  Dorfe  Bugiati,  an 
dessen  Nordrande  auf  einem  den  einzigen  von  Norden  her  kom- 
menden Zugang  zu  demselben  beherrschenden  Hügel  sich  noch 
ansehnliche  Reste  der  alterthümlichen  Befestigungsmauern  und 
Thürme  von  Alea  erhalten  haben,  einer  Stadt,  deren  Gründungs- 
sage —  sie  betrachtete  den  Aleos,  Sohn  des  Apheidas  als  ihren 
Gründer  —  ebenso  wie  der  Cult  der  Athena  Alea  auf  alten  Zu- 
sammenhang mit  Tegea  hinweist,  "die  sich  aber  wahrscheinlich 
schon  frühzeitig  an  Stymphalos  angeschlossen  hatte  und  in  der 
römischen  Kaiserzeit  wie  dieses  sich  zu  Argolis  hielt.  Ausser 
dem  Tempel  der  Athena  Alea,  offenbar  der  eigentlichen  Stadt- 
göttin, besass  sie  noch  einen  Tempel  des  Dionysos,  dem  alljähr- 
lich ein  Fest,  Skiereia,  mit  Cultbräuchen,  welche  an  alte  Men- 
schenopfer erinnerten  (Geisselungen  von  Frauen  im  Tempel  des 
Gottes)  gefeiert  wurde,  und  ein  Heiligthura  der  Ephesischen 
Artemis.  *) 

Das  Geronteion  scheidet,  wie  bemerkt,  von  der  Stymphalia 
ein  ähnliches,  aber  geräumigeres  Thalbecken,  zu  welchem  man 
von  Norden  her  durch  ein  langes  Engthal  zwischen  Kyllene, 
Krathis  und  Aroania  gelangt,  durch  welches  ein  von  den  Ab- 
hängen der  Chelydorea  herkommender  Bach  in  die  Ebene  ein- 
strömt: die  Bewohner  des  Thaies  nannten  ihn  01b ios,  offenbar 
weil  er  bei  gehöriger  Regelung  seines  Laufes  die  Hauptursache 
pheneatis.  der  Fruchtbarkeit  des  Thaies  war,  bei  den  übrigen  Arkadern 
führte  er  den  Namen  Aroanios,   der  wahrscheinlich   eigentlich 


einer  Seitenlehne  an  jedem  Ende  habe  ich  noch  Anfang:  Mai  1854 ,  als 
ich  die  Euinen  besuchte,  vorgefunden.  —  Die  Aehnlichkeit  des  Terrains 
von  Stymphalos  mit  dem  von  Lebadeia  in  Böotien  erklärt  es,  dass  eine 
Tradition  (Charax  beim  schol.  Aristoph.  Nub.  508)  den  Trophonios  in 
Stymphalos  geboren  sein  lässt, 

^)  Paus.  c.  23,  1 ;  Steph.  Byz.  u.  'AXia.  Die  Annahme,  dass  die  Be- 
wohner von  Alea  zur  Gründung  von  Megalepolis  hinzugezogen  worden 
seien,  beruht  meiner  Ansicht  nach  nur  auf  einem  Schreibfehler  bei  Paus, 
c.  27,  3,  wo  für  ^AXäa  mit  Rücksicht  auf  die  unmittelbar  folgenden  Orts- 
namen *AG£a.  herzustellen  ist.  Ueber  die  Reste  s.  Pouillon-Boblaye 
Recherches  p,  147. 


4.  Arkadien:  Pheneatis.  199 

einem  von  Nordwesten,  vom  Aroaniagebirge  her  kommenden,  in 
der  Ebene  mit  jenem  sich  vereinigenden  Seitenbache  zukam ^). 
Den  westlichen  Rand  des  Thalkessels  bildet  eine  sudliche  Ver- 
zweigung des  Aroaniagebirges,  jetzt  Turtovana ,  von  den  Alten 
Pen  tele  ia  genannt,  an  deren  westlichen  Abhängen  der  Ladon- 
fluss  entspringt;^)  im  Süden  und  Südosten  schliessen  sich  daran 
die  jetzt  Saeta  und  Skipiesa  genannten  Berge,  bei  den  Alten 
Oryxis  und  Skiathis,  in  deren  Nord-,  beziehendlich  Westseite 
sich  zwei  unterirdische  Abzugscanäle  für  die  Gewässer  des  Thaies 
öffnen,  deren  Anlage  ebenso  wie  die  Regelung  des  Laufes  des 
Aroanios  durch  einen  bis  30  Fuss  tiefen,  im  spätem  Alterthum 
verfallenen  Canal  die  Tradition  dem  Herakles  beilegte :  eine  ganz 
ähnliche,  nur,  so  zu  sagen,  rationalistischer  gefärbte  Sage  wie 
die  des  Nachbarthaies,  der  Stymphalia^).  Sind  auch  jene  Ab- 
zugscanäle von  der  Natur  selbst  durch  Erdbeben  oder  ähnliche 
Revolutionen  geschaffen ,  so  konnte  doch  nur  durch  Nachhülfe  von 
Menschenhand  das  Thal  zur  Anlage  einer  Stadt  —  des  schon  im 
Schiffscatalog  (II.  B,  605)  erwähnten  Phen-eos  —  geeignet  und 
für  Viehzucht  und  Ackerbau  —  deren  Bedeutung  für  die  alten 
Bewohner  durch  die  Culte  des  Hermes,  des  Poseidon  Hippios  und 
der  Eleusinischen  Demeter  bezeugt  wird  —  ergiebig  gemacht 
werden.  Wenn  aber  schon  im  Alterthum  trotz  der  Sorgfalt, 
welche  auf  die  Regelung  des  Abflusses  der  Gewässer  verwandt 
wurde,  der  Thalkessel  zu  wiederholten  Malen  von' üeberschwem- 
mungen  —  deren  eine  die  Stadt  selbst  zerstört  haben  soll  — 
heim  gesucht  und  zeitweise  in  einen  grossen  See  verwandelt 
wurde"*),  so  ist  es  nicht  zu  verwundern,  wenn  heut  zu  Tage,  wo 
fast  Alles  in  dieser  Beziehung  der  Natur  selbst  überlassen  bleibt, 

•)  Paus.  c.  14,  3;  vgl.  Strab.  VIII,  p.  389  (wo  mit  Leake  Morea  III, 
p.  145  'AQoaviov  iür  *AvCav  herzustellen  ist);  Athen.  VIII,  p.  331^  (wo 
Casaubon.  richtig  'Aqoccvüo  für  'Jogvcp  emendirt  hat). 

*)  Phot.  u.  Hesych.  u.  UsvrsXsia.  Die  von  Plut.  Cleomen.  17  u. 
Arat.  39  erwähnte  Ortschaft  TJsvttXsLOV  war  wahrscheinlich  eine  auf 
•liesem  Gel)irge  gelegene  Gränzfestung  der  Pheneaten  gegen  die  Kleitoria; 
Leake  (Morea  III,  156)  setzt  sie,  jedenfalls  irrig,  bei  Tharso  im  Thale 
'It'H  Aroanios,  nordöstlich  von  Phonia  an. 

')  Paus.  c.  14,  1  f.:  vgl.  Curtius  Pel.  I,  S.   186  ff. 

*)  Paus.  c.  14,  1;  Strab.  VIII,  p.  389;  Theophrast.  Hist.  plant.  III, 
1,  2;  V,  4,  6;  Plin.  N.  h.  XXXI,  5,  54;  Plutarch.  de  seru  niini. 
viud.  c.  12. 

14-^ 


200  II.  Peloponuesos. 

dieser  Zustand  des  Thaies  die  Regel,  die  Beschränkung  der  Ge- 
wässer auf  kleine  Sumpfe  in  der  Nähe  des  Einganges  der  Kata- 
hothren  die  Ausnahme  bildet,  daher  auch  die  Bevölkerung  sich 
ganz  aus  dem,  von  einem  175  Meile  langen  und  in  der  grössten 
Breite  gegen  1  Meile  breiten,  klaren  See  bedeckten  Thale  zu- 
rückgezogen und  an  dem  nördlichen  Bergabhange  angesiedelt  hat, 
wo  das  jetzige  Dorf  Phonia,  in  zwei  Häusergruppen  getheilt,  an- 
muthig  aber  ohne  alle  Reste  des  Alterthums^)  zwischen  Bäumen 
liegt.  Im  Alt€rthum  dagegen  und  noch  im  Mittelalter  lag  Pheneos 
etwa  10  Minuten  südwestlich  davon,  wo  jetzt  eine  Landzunge  von 
Norden  her  in  den  See  vortritt;  in  der  Mitte  derselben  erhebt 
sich  ein  nicht  unbedeutender,  aber  von  allen  Seiten  leicht  zu- 
gänglicher Hügel,  an  dessen  Nordwestseite  man  ungefähr  in  der 
Mitte  seines  Abhanges  den  Zug  einer  Polygonmaucr  verfolgen 
kann,  die  an  einer  Stelle,  wo  sie  eine  Ecke  bildet,  noch  fast 
mannshoch  erhalten  ist;  auf  dem  Gipfel  erkennt  man  noch  die 
Grundmauern  eines  mittelalterlichen  Thurmes,  welche,  in  Verbin- 
dung damit,  dass  in  der  Umgebung  häufig  dünne  venezianische 
Silbermünzen  mit  dem  Typus  Christi  als  Königs  auf  der  einen, 
des  Löwen  von  S.  Marco  auf  der  andern  Seite  gefunden  werden, 
beweisen,  dass  der  Flügel,  der  ohne  Zweifel  die  Akropolis  der 
alten  Stadt  mit  dem  Tempel  der  Athena  Tritonia  (den  schon  Pau- 
sanias  in  Trümmern  fand)  und  dem  Erzbilde  des  Poseidon  Hippios 
trug 2),  noch  im  Mittelalter  bewohnt  war.  Um  den  Fuss  des 
Hügels  erstreckte  sich  im  Alterthum  eine  wahrscheinlich  ziemlicli 
ausgedehnte  Unterstadt,  in  welcher  Pausanias  zunächst  dem  Ab- 
hänge der  Burg  das  Stadion  mit  dem  auf  einer  Anhöhe  gelegenen 


1)  Ich  fand  zwar  im  J.  1854  bei  der  Ilauptkirclie  des  Ortes  ein  do- 
risches Capital  aus  Sandstein,  aber  dies  war  offenbar  von  einem  andern 
Platze  hierher  verschleppt. 

2)  Paus.  c.  14,  4  ff.,  dessen  Schilderung  der  Akropolis  als  an  fast 
allen  Seiten  steil  abfallend,  daher  nur  zu  einem  geringen  Theil  (offenbar 
an  der  Nordwestseite,  wo  noch  die  Mauerreste  erhalten  sind)  befestigt 
sich  mit  dem  jetzigen  Zustande  des  Terrains  nur  durch  die  Annahme  be- 
trächtlicher Anschwemmungen  an  den  3  Seiten  der  Landzunge,  die  jetzt 
von  Wasser  umgeben  sind,  vereinigen  lässt.  Das  von  Dodwell  (Class.  u. 
topogr.  Reise  II,  2,  S.  326  f.)  beschriebene  Paläokastro  auf  einem  hohen 
Felskegel  oberhalb  Phonia  kann,  wenn  überhaupt  antik,  nur  eine  be- 
festigte Zufluchtsstätte  für  die  Heerden  und  Hirten  der  Pheneaten  ge- 
wesen sein. 


4.  Arliadicn:  Plicnealis.  201 

Grabdenkmal  des  Ipliilos,  weiterhin  den  Tempel  des  Flermes 
(des  Hauptgottes  der  Stadt,  dem  zu  Ehren  Wettspiele,  Hermäa, 
gefeiert  wurden)  mit  dem  Grabe  des  Myrtilos  (der  hier  Heroen- 
cult  genoss)  dahinter,  endlich  das  Heiligthum  der  Eleusinischen 
Demeter  und  daneben  das  sogenannte  Petroma,  einen  zur  Aufbe- 
wahrung der  heiligen  Urkunden  dienenden  Rasten  aus  zwei  grossen 
Steinplatten  mit  einem  runden  Deckel,  an  dessen  innerer  Seite 
eine  von  dem  Priester  bei  feierlichen  Gelegenheiten  aufzusetzende 
Maske  der  Demeter  Kidaria  angebracht  war,  erwähnt.  Ein  zweites 
Heiligthum  der  Demeter  mit  dem  Beinamen  Thesmia  (der  Urhe- 
berin eines  geordneten  Rechtszustandes,  gleich  der  athenischen 
Thesmophoros) ,  dessen  Stiftung  dem  Trisaules  und  Damithales, 
welche  die  Göttin  selbst  gastlich  aufgenommen  haben  sollten 
(offenbar  Heroen  des  Ackerbaus),  zugeschrieben  wurde,  lag  15 
Stadien  nordöstlich  von  der  Stadt  am  Fusse  der  Ryllene.  In 
gleicher  Entfernung  von  der  Stadt,  an  der  nach  Aegira  und 
Pellene  führenden  Strasse,  also  nordwärts,  fand  Pausanias  einen 
damals  in  Trümmern  liegenden  Tempel  des  Apollon  Pythios,  der 
von  Herakles  bei  der  Rückkehr  von  seinem  Zuge  gegen  Elis  ge- 
stiftet sein  sollte;  in  der  Nähe  des  Tempels  zeigte  man  auch  die 
Gräber  zweier  Gefährten  des  Herakles,  die  nach  Pheneatischer  Sage 
auf  diesem  Zuge  den  Tod  gefunden  hatten:  das  des  Telamon  am 
Flusse  Aroanios  und  das  des  Chalkodon  bei  einer  Quelle  Oinoe. 
Weiter  nordwärts,  wahrscheinlich  in  der  Gegend  des  jetzigen 
Dörfchens  Tharso,  theilte  sich  die  Strasse;  rechts,  d.  h.  nordost- 
wärls  führte  sie  nach  Pellene,  gegen  welches  eine  Porinas  ge- 
nannte OertHchkeit  am  Chelydoreagebirge  —  wahrscheinlich  eine 
Höhe  oberhalb  des  jetzigen  Dorfes  Karya  —  die  Gränze  bildete, 
links,  d.  h.  gerade  nordwärts,  ging  sie  über  das  Joch  des  Kra- 
iliisgebirges,  auf  welchem  die  Grenze  durch  ein  Heiligthum  der 
\ilemis  Pyronia  bezeichnet  wurde,  nach  Aegira^).  An  der  Ost- 
rite  des  Thaies  schliessen  sich  an  das  mehrfach  erwähnte  Geron- 
teion  gegen  Norden  einige  andere  Vorberge  der  Kyllene  an:  zu- 
nächst der  Dreiiiuellenbcrg  {TQLxgrjva),  an  welchen  sich  die  Sage 
von  der  Pllege  des  kleinen  Hermes  durch  die  Nymphen  knüpfte, 


')  Paus.  c.  16,  8  f.;  c.  17,  5.  Den  TlcaQivag  hält  Leake  (Morea  HI, 
1>.  138  u.  142)  für  einen  Bach,  wozu  der  doch  jedenfalls  von  n^gog  her- 
zuleitende Name  nicht  recht  passt. 


202  n.  Peloponnesos. 

weiterhin  die  von  giftigen  Schlangen  hewohnte  Sepia,  auf 
welcher  man  einen  auf  einem  runden  steinernen  unterbau  ruhen- 
den Erdhügel  als  das  Grab  des  alten  Landesheros  Aepytos,  des 
Sohnes  des  Elatos,  zeigte J) 

Gegen  Westen  gingen  zwei  Strassen  von  Pheneos  aus:  die 
eine,  nach  Kleitor  führende,  folgte  in  nordwestlicher  Richtung 
dem  Canale  des  Aroanios  bis  nach  Lykuria,  dem  Grenzorte  der 
Pheneatis  gegen  die  Kleitoria^);  die  andere  führte  über  den 
Rücken  des  Aroaniagebirges  nach  dem  schon  etwas  nördlich  unter- 
halb des  höchsten  Gipfels  dieses  Gebirges  in  einsamer  Felswildniss 
von  einer  senkrechten,  hohen  Wand  herabgleitenden  Wasserfall  der 
Styx  (jetzt  Mavronero  d.  i.  Schwarzwasser),  deren  Wasser  bei  den 
Alten  nicht  nur,  wie^ioch  heut  zu  Tage,  als  tödtlich  für  die  Menschen 
(daher  die  furchtbarsten  Eide  dabei  geschworen  wurden),  sondern 
auch  als  alle  Metalle  auflösend  galt,  und  nach  der  nordöstlich  davon 
in  dem  engen  Hochthale  des  nach  Achaia  hinabfliessenden  Baches 
Krathis  (jetzt  Akrata) ,  in  der  jelzt  Klukkinäs  genannten  Gegend 
liegenden  uralten  Ortschaft  Nonakris,  von  der  schon  Pausanias 
nur  noch  geringe  Ueberreste  vorfand,  die  heut  zu  Tage  gänzlich 
verschwunden  zu  sein  scheinen^).    In  alten  Zeiten  war  dieser  Ort 


0  Paus.  c.  16;  vgl.  Leake  Morea  III,  p.  116;  Curtius  Pel.  I,  S.  215. 

*)  Paus.  c.  19,  4.  Das  jetzige  in  beträchtlicher  Höhe  am  südlichen 
Abhang  der  Turtovana  gelegene  Dorf  Lykuria  kann  nicht  an  der  Stelle 
der  alten  Ortschaft  liegen,  theils  weil,  wie  schon  Leake  (Morea  III,  p.  143) 
bemerkt  hat,  die  Entfernung  desselben  von  den  Quellen  des  Ladon  am 
westlichen  Fusse  der  Saeta  bei  weitem  nicht  50  Stadien  (was  Paus.  c. 
20,  1  als  Entfernung  von  dem  alten  Lykuria  nach  den  Ladonquellen  an- 
giebt)  beträgt,  theils,  wie  Curtius  bemerkt,  weil  zu  dieser  Lage  der  Aus- 
druck des  Paus.  'ndtsiaLV  nicht  passt.  Jedenfalls  lag  die  alte  Ortschaft 
noch  an  der  Ostseite  der  Turtovana  und  wurde  in  Folge  von  Ueber- 
schwemmungen  höher  hinauf  und  westwärts  verlegt, 

3)  Paus.  c.  17,  6  ff.;  Herod.  VI,  74;  Theophrast.  bei  Antigon.  Ilist. 
mir.  158;  Strab.  VIII,  p.  389;  Hesych.  u.  NcovayiQLg;  Plutarch  de  primo 
frig.  c.  20;  Vit.  Alex.  c.  77;  Vitruv.  de  archit.  VIII,  3;  Plin.  N.  h.  II, 
106,  231;  XXX,  53,  149;  Seneca  Nat.  quaest.  III,  25,  1.  Von  Neueren  ist 
der  Styxfall  sehr  häufig  beschrieben  worden;  vgl.  Leake  Morea  lU,  p,  160 
SS.;  Fiedler  Keise  I,  S.  398  ff.  (mit  Abbildung  auf  Tfl.  V);  Schwab  Ar- 
kadien S.  54  ff.;  Stackeiberg  in  Gerhards  Hyperboreisch :  röm.  Studien 
II,  S.  296  ff.;  Curtius  Pel.  I,  S.  195  f.;  BeuM  Etudes  sur  le  P^loponnlsse 
p.  195  SS.;  Vischer  Erinnerungen  S.  490  f.;  Panag.  Dimitropulos  To  vdcoQ 
rrjg  Sxvyog  (Athen  1855);   ti.  Sehillbach  Zwei  Reisebilder  aus  Arkadien 


4.  Arkadien:  Orchomenia.  203 

—  der  wohl  nie  eine  eigentliche  Stadt  hildete ,  sondern  aus  einer 
Anzahl  zerstreuter  Ansiedehuigen ,  ähnlich  den  jetzigen  Dörfern 
dieser  Gegend,  mit  einem  befestigten  Mittelpunkt  als  Zufluchts- 
stätte in  Zeiten  der  Gefahr  bestand  —  jedenfalls  nicht  nur  selb- 
ständig, sondern  auch  nicht  ohne  politische  Bedeutung;  aber  er 
inuss  frühzeitig  verfallen  und  dann  mit  dem  grössten  Theile  des 
Aroaniagebirges  in  den  Besitz  von  Pheneos  gekommen  seinJ) 

Südwärts  von  Pheneos  führte  im  Alterthura  eine  Strasse  zu- 
nächst durch  die  Ebene,  dann  durch  einen  schmalen  Pass,  an 
dessen  Eingange  eine  Ortschaft  Karyä  lag,  nach  dem  südlichen 
Nachbarcanton  der  Pheneatis,  der  Orchomenia,  zwei  nur  durch  me°^a. 
eine  enge  Schlucht  unter  einander  verbundenen  Thalkesseln,  deren 
nördlicherer  tiefer  liegt  als  der  südlichere.  Heut  zu  Tage  gelangt 
man  auf  einem  beschwerlichen,  immer  am  Abhänge  der  Berge 
sich  hinziehenden  Pfade  um  die  Ost-  und  Südostseite  des  Sees 
von  Pheneos  herum  in  3y2  Stunden  nach  dem  Dorfs  Gioza,  von 
welchem  aus  man  längs  eines  Giessbaches  auf  einer  theilweise 
gepflasterten  mittelalterlichen  Strasse  auf  den  die  Berge  Saeta 
und  Skipiesa  verbindenden  Kamm  empor  und  von  da  hinabsteigt 
in  ein  geräumiges  Thal,  das  in  seiner  südlicheren  Hälfte  von 
Wasser  bedeckt  ist,  ein  Zustand  in  welchem  es  schon  zur  Zeit 
des  Pausanias  sich  befand.  Dieser  fand  die  grössere  Orchome- 
nische  Ebene  zum  grössern  Theile  von  einem  See  bedeckt  und 
am  nördlichen  Ende  desselben  eine  kleine*  Ortschaft  Amilos, 
bei  welcher  die  aus  der  Pheneatis  und  aus  der  Stymphalia  kom- 
menden Strassen  zusammentrafen  ^j.  Der  Südrand  des  Thaies 
wird  durch  zwei  von  Westen  und  Osten  her  gegen  einander  vor- 
tretende Berge  gebildet,  zwischen  denen  hindurch  eine  enge 
Schlucht  nach  dem  südlicheren  Thale  führt;  der  östlichere  dieser 
Berge  hiess  bei  den  Alten  Trachy,  der  westlichere,  an  dessen 
Sudabhang  jetzt  das  Dorf  Kalpaki  liegt,  trug  die  alte  Burgstadt 
Orchomenos  oder,  nach  einheimischer  Form,  Erchomenos, 
(leren  Hcerdenreichthum  schon  der  Schiffscatalog  (II.  B,  605)  er- 
wähnt,   die   nicht  nur  die   beiden   ThähT   beherrschte,    sondern 


(Jena  1866)  S.  10  ff.;  endlich  die  Abbildung  bei  Löffler  u.  Busch  Bilder 
ans  Griechenland  Tfl.  17  (zu  8.  116). 

')  Das  von  Paus.  c.  27,  4  erwähnte  NmvaHQis  ist  jedenfalls  ein  an- 
deres, worüber  später. 

«)  Pau».  c.  13,  4  f.;  vgl.  Steph.  Byz.  u.  "Afiilos. 


204'  II.  Pelüpuniiesüs. 

aucli  erobernd  bis  in  das  Herz  Arkadiens  vordrang,  wo  die  Ort- 
schaften Theisoa,  Methydrion  und  Teuthis  im  Verhrdtniss  der 
Syntelie  zu  ihr  standen,  bis  sie  zur  Gründung  von  Megalepolis 
hinzugezogen  wurden^).  An  den  oberen  Abhängen  des  Berges 
findet  man  noch  bedeutende  Ueberreste  von  drei  verschiedenen, 
theils  aus  polygonen  thejls  aus  viereckten  Werkstücken  erbauten, 
durch  viereckte  Thürme  verstärkten  Mauerringen,  welche  die  alte 
Oberstadt  umschlossen.  Diese  spielt  wegen  dieser  ihrer  starken 
Befestigung,  sowie  wegen  ihrer  Lage  in  der  antiken  Kriegsge- 
schichte eine  nicht  unbedeutende  Bolle, ^j  bis  nach  Verlust  der 
Selbständigkeit  Griechenlands  die  Bewohner,  wahrscheinlich  aus 
Bequemlichkeitsrücksichten,  die  alte  Oberstadt  (von  der  Pausanias 
nur  Beste  der  Mauern  und  der  Agora  vorfand)  ganz  verliessen 
und  sich  unterhalb  derselben  nach  der  südlichen  Ebene  zu  ansie- 
delten. Dieser  neueren  Stadt,  in  welcher  Pausanias  (c.  13,  2) 
Heiligthümer  des  Poseidon  und  der  Aphrodite  und  eine  sehens- 
werthe  Quelle  (die  noch  jetzt  an  ihrer  antiken  Einfassung  erkenn- 
bar ist)  erwähnt,  gehören  einige  Terrassen  mit  dorischen  Capitälen 
und  Säulentrümmern,  sowie  andere  Gebäudereste  an,  welche  sich 
um  das  Dorf  Kalpaki  herum  finden^).    Ausserhalb  der  Stadt  stand 


*)  Paus.  c.  27,  4.  Die  Schreibung  'Egxofisvog  wird  durch  Münzen 
mit  der  Legende  EP  bezeugt:  s.  Curtius  Pel.  I,  S.  228;  L.  Müller  Archäolog. 
Zeitg.  XVI  (1858)  N.  114,  S.  176.  Der  Berg,  auf  welchem  die  alte  Stadt 
lag,  scheint  nach  Dionys.  Hai.  A.  r.  I,  49  auch  den  Namen  N^aog  geführt  zu 
haben.  Zum  Gebiete  des  arkadischen  Orchomenos  gehörte  höchst  wahr- 
scheinlich auch  das  von  Steph.  Byz.  u.  Evaifioov  als  TtoXig  'OgxofisvLcov 
bezeichnete  Euämon,  dessen  Lage  nicht  näher  zu  bestimmen  ist. 

2)  Vgl.  Thuk.  V,  61  ff.;  Xenoph.  Hell.  V,  1,  29',  VI,  5,  13;  Diod. 
XV,  62;  XIX,  63;  XX,  103;  Polyb.  II,  46;  54;  IV,  6;  Plut.  Oleom.  23; 
Arat.  45;  Liv.  XXXII,  5.  —  Rubine  im  Gebiet  von  Orchomenos  gefun- 
den nach  Theophrast.  bei  Plin.  N.  h.  XXXVII,  7,  97. 

3)  Vgl.  über  die  Kuinen  Leake  Morea  III,  p.  100  s.;  Dodwell  Class.  u. 
topogr.  Reise  II,  2,  S.  311  f.  d.  d.  Ueb.;  Curtius  Pel.  I,  S.  220 f.  u.  S.  229.  Ich 
fand  auf  einer  jetzt  als  Dreschtenne  benutzten  Terrasse  westlich  vom  Dorfe, 
in  gleicher  Höhe  mit  den  obersten  Häusern  desselben,  3  dorische  Capitäle  von 
verschiedener  Grösse  (wohl  die  von  Dodwell  ausgegrabenen);  am  Südwestab- 
hange  des  Berges  die  Ruinen  eines  länglich-viereckten  antiken  Gebäudes  mit 
Eingang  in  der  Mitte  der  östlichen  Langseite;  weiter  westlich,  dem  Dorfe 
Rusia  gegenüber,  die  Ruinen  eines  Gebäudes  aus  schönen  Quadern  und 
südlich  davon  die  mit  antiken  Steinen  eingefasste  Quelle.  Auf  dem 
höchsten  Gipfel  des  Berges,   von  welchem  aus  man  beide  Thäler  über- 


4.  Arkadien:  Orchomenia.  205 

eine  grosse  Ceder ,  in  deren  Stamm  oder  zwischen  deren  Zweigen 
ein  Holzbild  der  Artemis  Kedreatis  aufgestellt  war;  in  der  Ebene 
bemerkt  man  noch  jetzt  verschiedene  Steinhaufen,  welche  dem 
Pausanias  als  Gräber  im  Kriege  gefallener  Männer  gezeigt  wurden. 
Am  nördlichen  Abhänge  des  die  Ebene  im  Süden  begränzenden, 
von  den  Alten  Anchisia  oder  Anchisiä  genannten  Bergzuges, 
auf  dessen  Rücken  die  Gränze  zwischen  Orchomenos  und  Man- 
tineia  hinlief,  lag  ein  Heiligthum  der  Artemis  Hyrania,  das,  ob- 
gleich zum  Gebiete  der  Orchomenier  gehörig,  doch  unter  gemein- 
samer Verwaltung  dieser  und  der  Mantineer  stand,  ein  Verhältniss, 
das  wohl  als  Ueberrest  einer  centralen  Bedeutung,  welche  das 
Heiligthum  dieser  von  allen  Arkadern  verehrten  alten  Naturgöttin 
in  früheren  Zeiten  für  alle  oder  doch  für  die  meisten  arkadischen 
Cantone  gehabt  hat,  zu  betrachten  ist^j.  Die  Stelle  des  Heilig- 
thums  bezeichnet  wahrscheinlich  eine  Capelle  der  Panagia  östlich 
von  dem  jetzigen  Dorfe  Levidi;  einige  Reste  antiker  Bauhchkeiten 
nördlich  unterhalb  dieses  Dorfes  mögen  der  alten  Ortschaft 
Elymia  angehören ^j. 

Durch  die  die  obere  Stadt  Orchomenos  vom  Berge  Trachy 
trennende  Schlucht,  durch  welche  das  Wasser  in  Form  eines 
Giessbaches  aus  der  südlicheren  in  die  nördlichere  Ebene  abfloss, 
fährte  eine  doppelte  Strasse:  die  eine  jenseits  des  Baches,  am 
Fusse  des  Trachy  hinlaufende,  ging  an  dem  Grabmal  des  Arislo- 
krates  und  weiterhin  an  einigen  Teneiä  genannten  Quellen 
vorüber  nach    dem    schon    erwähnten,    nur   7   Stadien   von   den 


sieht,  bemerkte  ich  neben  den  Grundmauern  eines  runden  antiken  Thur- 
mes  die  Ueberreste  eines  grossentheils  aus  antiken  Werkstücken  errich- 
teten mittelalterlichen  Thurmes:  ein  Beweis,  dass  im  Mittelalter  die  im 
spätem  Alterthum  verlassene  Höhe  wieder  befestigt  war. 

•)  Paus.  c.  12,  8  f.  u.  c.  13,  1,  wo  der  Name  des  Berges  zweimal 
rj  Ayxi'Oia,  zweimal  at  'AyxioiaL  geschrieben  ist;  über  die  Artemis  Hyni- 
iiia  (deren  Beiname  gewiss  nicht  vom  Gesang,  sondern  aus  der  Vor- 
stellung der  Mondgöttin  als  einer  webenden  [Wurzel  v(p]  herzuleiten 
ist)  vgl.  auch  Paus.  c.  5,  11. 

*)  Xenoph.  Hellen.  VI,  5,  13.  Der  Name  hängt  nach  antiker  An- 
schauungsweise jedenfalls  mit  dem  des  Berges  Anchisia  zusanmien,  da 
Elyrrros,  der  eponyme  Heros  der  sikelischen  l'lymer  ,  als  Sohn  des  An- 
chises  galt  (P^tym.  M.  p.  3.33,  31;  Serv.  ad  Aon.  V,  72);  in  Wahrheit  ist 
derselbe  vielleicht  von  der  Pflanze  i'Xv(ios  (panicum  Italicum,  welscher 
Fenchel),  deren  Samen  von  den  Alten  gegossen  wurde  (vgl.  Etym.  M. 
1.  1.  31),  herzuleiten. 


206  H.  Peloponnesos. 

Quellen  entfernten  Amilos;  die  andere  führte  am  linken  Ufer 
des  Baches  hin,  dann  längs  der  Sudseite  des  in  der  nördliche- 
ren Ebene  sich  ausbreitenden  Sees  westwärts  nach  Kaphyä, 
einer  im  westlichen  Theile  dieser  Ebene  gelegenen  Stadt,  deren 
nach  einheimischer  Tradition  aus  Attika  eingewanderte,  nach  einer 
andern  Sage  (oder  vielmehr  etymologischen  Klügelei)  aus  Troja 
stammende  Bewohner  sich  von  der  mächtigeren  östlichen  Nach- 
barstadt unabhängig  zu  erhalten  gewusst  hatten^).  Um  das  Ein- 
dringen des  im  orchomenischen  Gebiete  sieh  stauenden  Wassers 
in  den  ihnen  gehörigen  w^estlicheren  Theil  der  Ebene  zu  ver- 
hindern, hatten  sie  einen  Damm  aufgeworfen,  der  zugleich  die 
Ostgränze  ihres  Gebietes  bildete;  die  westlich  von  diesem  Damme 
aus  dem  Boden  hervordringenden  Gewässer  hatten  sie  in  ein 
offenbar  künstliches  Flussbett  geleitet,  welches  sie  in  einen  am 
südlichen  Rande  der  Ebene  befindlichen  Erdspalt  abführte;  als 
Ausfluss  dieser  Katabothre  betrachteten  die  Alten  die  im  west- 
lichen Theile  der  Kaphyatis  jenseits  des  die  Ebene  im  Westen 
begränzenden,  jetzt  Kastaniä,  von  den  Alten  wahrscheinlich  Kna- 
kalos  genannten  Berges  entspringenden  Quellen  eines  dem  Ladon 
zufliessenden  Baches,  der,  offenbar  wegen  des  Ungestüms,  mit 
welchem  er  in  der  Regenzeit  dahin  strömte,  den  Namen  Tragos 
(Bock)  führte;  die  Quelle  selbst  wurde  Rheunos,  die  ganze  Ge- 
gend Nasoi  ('die  Inseln')  genannt 2).  Die  Stadt  Kaphyä,  in 
welcher  Pausanias  Heiligthümer  des  Poseidon  und  der  Artemis  Kna- 
kalesia  erwähnt,  lag  wahrscheinlich  auf  und  um  einen  im  süd- 
westlichen Winkel  der  Ebene  sich  erhebenden  isolirten  Felshügel, 
dessen  Gipfel  mit  Resten  alterthümlicher  Mauern  umgeben  ist; 
die  etwa  10  Minuten  nördlich  davon  in  der  Ebene  sich  findenden 
Mauerreste  und  Marmortrümmer  gehören  wohl  der  nach  Pausanias 
nur  ein  Stadion  von  der  Stadt  entfernten  Ortschaft  Kondylea 
und  dem  in  einem  Haine  gelegenen  Tempel  der  Artemis  Kondy- 
leatis  an.  Nicht  mehr  mit  Sicherheit  nachzuweisen  ist  die  Quelle 
Menelais,  welche  etwas  oberhalb  der  Stadt  bei  einer  mit  dem 
gleichen  Namen  benannten  uralten  Platane  entsprangt). 


1)  Paus.   c.  13,   4  f.;    c.  23 ,   2  ff.;    Dionys.  Hai.  A.  r.  I,  49;    Strab. 
XIII,  p.  608;  Steph.  Byz.  u.  Kacpvai-,  vgl.  Polyb.  IV,  11  f.  u.  ö. 

2)  Paus.  c.  23,  2  u.  7:  vgl.  Leake  Morea  III,  p.  122. 

3)  Paus.  c.  23,  3  ff.;  über  die  Platane  auch  Theophr.  Hist.  plant.  IV, 
13,  2  u.  Plin.  N.  h.  XVI,  44,  238. 


4.  Arkadien:  Mantinike.  207 

Aus  der  südlicheren  Ebene  der  Orchomenier  steigt  man  über 
das  Anchisiagebirge,  an  dessen  südlichem  Fusse  neben  einem  zur 
Zeit  des  Pausanias  (c.  12,  8  f.)  verfallenen  Aphroditetempel  das 
Grabmal  des  Anchises  gezeigt  wurde ,  in  die  grosse  südostarka- 
dische Hochebene,  die  bei  einer  durchschnittlichen  Breite  von 
einer  Meile  zwischen  den  argolischen  Gränzgebirgen  im  Osten 
und  einer  mit  verschiedenen  Namen  (Ostrakina,  Mänalion,  Bo- 
reion) ^)  bezeichneten  Bergkette  im  Westen  sich  in  einer  Länge 
von  fast  4  Meilen  bis  an  den  südlichen  Band  Arkadiens  erstreckt. 
Ungefähr  in  der  Mitte  der  Länge  verengert  sich  die  Breite  der 
Ebene  durch  zwei  gegen  einander  vortretende  Ausläufer  der  Band- 
gebirge bis  auf  eine  halbe  Stundö  Wegs  und  so  entsteht  ein  Pass, 
welcher  die  ganze  Ebene  in  zwei  Hälften  scheidet,  die  im  Alter- 
thum  auch  politisch  von  einander  getrennt  waren:  eine  etwas 
höher  gelegene, ^j  daher  trocknere  und  gesündere  südlichere  —  die 
jetzige  Hochebene  von  Tripoliza,  die  alte  Tegeatis  —  und  eine 
niedrigere,  in  Folge  mangelnder  Begulierung  des  Wasserlaufes 
jetzt  zu  einem  Theile  versumpfte,  daher  ungesunde  und  fast  un- 
bewohnte nördlichere,  die  Mantinike  der  Alten.  In  diese  treten  Mantinike. 
zunächst  von  Norden  her  zwei  ziemlich  parallele  Bergzüge  ein, 
die  man  als  südliche  Ausläufer  der  Anchisia  betrachten  kann,  und 
bilden  östlich  und  westlich  von  der  Ebene  zwei  enge  Seiten- 
thäler,  von  denen  das  westliche,  im  Alterthum  nach  einem  Heros 
Alkimedon  benannte,  das  durch  eine  Lücke  in  dem  der  Ostra- 
kina parallel  gehenden,  jetzt  wie  im  Alterthum  namenlosen  Berg- 
zuge  n)it  der  Ebene  zusammenhängt,  keine  sicheren  Spuren  einer 
HJten    Ansiedelung  ,  zeigt ^).     Das   östlichere,  im    Osten  vom   Arte- 


*)  Paus.  c.  12,  2;  c.  36,  7  f.;  c.  44,  4.  Die  Ostrakina  (jetzt  H.  Elias) 
erreicht  eine  Höhe  von  1981  M.,  das  Mänalion  (jetzt  Apano-Krepa)  von 
1559  M.,  (las  Boreion  (jetzt  Kravatä)  von  1088  M.  Zu  der  folgenden 
Keschreibung  vgl.  man  das  (nach  Curtius  Pel.  I,  Tfl.  ITI)  gezeichnete 
Kärtchen  auf  unserer  Tfl.  VI. 

')  Das  jetzige  Tripoliza  liegt  nach  der  französischen  Karte  663  Meter, 
das  alte  Mantineia  nur  600  Meter  über  der  Meeresfläche. 

")  Paus.  c.  12,  2.  Curtius  (Pel.  I,  S.  243)  setzt  vermutungsweise 
die  von  PolyK  XI,  11  erwähnton  Elisphasier  in  dieses  Seitenthal;  allein 
da  diese,  wie  eine  Münze  mit  der  Umschrift  EAIZ^AZlSlN  AXAlSK^N) 
lehrt  (s.  Pinder  Monatsberichte  der  Berliner  Akademie  1855,  S.  351),  ein 
Mf'lbständiges  Glied  des  achäischen  Bundes  waren,  so  können  wir  diesel- 
l'Cii    mnnüglich    in    diesen    Winkel    der   Mantinike    verweisen,    sondern 


208  II.   Pi'lo|)unnc.sos. 

nüsioii,  im  Westen  vom  Alesionberf^e  begränzte  Seitcnthal,  das 
wegen  seiner  tiefen  Lage  und  weil  das  Wasser  durch  einen  ein- 
zigen Spalt  im  Fusse  des  Artemision  nur  ungenügenden  Ablluss 
findet,  schon  im  Alterthum  versumpft  war  und  daher  das  Faul- 
feld  (^AQyov  nsdlov)  genannt  wurde,  war  für  die  Mantineer  von 
grosser  Wichtigkeit,  weil  die  beiden  von  Argos  her  führenden 
Pässe,  die  Strasse  durch  den  Stacheleichenwakl  und  die  Treppen- 
strasse  (vgl.  oben  S.  63)  in  dasselbe  einmündeten,  daher  die 
Mantineer  auf  einem  vom  Fusse  des  Artemision  in  das  Thal 
vortretenden  Hügel  eine  befestigte  Ortschaft,  Nestane,  angelegt 
hatten,  welche  den  Zugang  zur  Hauptebene  bewachte.  Dem  Pau- 
sanias,  der  von  dieser  Ortschaft  nur  noch  Trümmer  vorfand, 
wurden  noch  Reste  von  dem  Zelte  des  Königs  Philipp  H.  von 
Makedonien,  der  Ol.  110,  3  hier  ein  Lager  aufgeschlagen  hatte, 
gezeigt,  wie  auch  die  auf  dem  den  Hügel  von  Nestane  mit  dem 
Artemision  verbindenden  Sattel  entspringende  Quelle  den  Namen 
Philippion  behalten  hatte.  Unterhalb  des  Hügels,  auf  dem  sich 
noch  jetzt  nicht  unbedeutende  Mauerreste  finden,  stand  ein  Hei- 
ligthum  der  Demeter,  worin  alljährlich  von  den  Mantineern  ein 
Fest  begangen  wurde ;  ein  noch  zum  Argon  pedion  gehöriger  Platz 
in  der  Nähe  desselben,  wurde  Mer  Tanzplatz  der  Mära'  genannt, 
einer  von  den  Mantineern  und  Tegeaten  verehrten  Heroine,  Tochter 
des  Atlas,  deren  Namen  auch  ein  Weiler  in  der  nordöstlichen 
Ecke  der  Mantineischen  Ebene  trug^). 


müssen  Elisphasion,  falls  es  eine  Stadt  dieses  Namens  gab,  westlich  von 
der  Ostrakina,  etwa  in  der  Gegend  von  Alonistenon  ansetzen. 

')  Paus.  c.  7,  1  ff.,  nach  welchem  die  Süsswasserqiielle  Dine,  welche 
im  Meere  ohnweit  des  aus  der  Argeia  nach  der  Thyreatis  führenden 
Küstenpasses  Anigräa  aufsprudelt  (s.  oben  S.  68),  der  Abfluss  der 
Gewässer  dieser  Niederung  war.  Als  tov  oniaQ'ev  v-olnov  f^g  Mavzivi- 
■nrjs  bezeichnet  dieses  Seiten thal  Xen.  Hell.  VI,  5,  17.  Ueber  die  Ruinen 
von  Nestane  {NoctLU  nach  Theopomp  bei  Steph.  Byz.  u.  d.  W.)  vgl. 
Clark  Peloponnesus  p.  127  ss.  (mit  Planskizze  auf  pl.  3);  Conze  u.  Mi- 
chaelis Annali  XXXHI,  p.  25  ss.  Ueber  die  KCüfirj  Matga  Paus.  c.  12, 
7 ;  vgl.  Pouillon-Boblaye  ßecherches  p.  149  Eine  avvoSoq  tccv  isqsiocv  rccg 
JdfiaTQog  erscheint  in  einer  Inschrift  aus  Mantineia  (Bulletin  de  Fe'cole 
fran9aise  d'Athenes  n.  1,  Juli  1868,  p.  6  s.),  welche  nach  Z.  41  im  KoQccyioy 
(ob  Theil  des  Heiligtums  bei  Nestane  oder  des  von  Paus.  c.  9,  2  er- 
wähnten Heiligtums  der  Demeter  u.  Kora  in  der  Stadt  Mantineia?)  auf- 
gestellt war. 


4.  Arkadien:   Mantinike.  209 

Diese  Ebene,  die  jetzt  in  ihrem  nördlicheren  Theile  bis 
nahe  an  die  Mauern  der  Stadt  heran  See  und  Sumpf,  dazu  völlig 
baumlos  ist,  muss  im  Alterthum,  wo  die  von  Osten  und  Süden 
her  in  sie  einströmenden  Gewässer  sorgfältig  canalisirt  und  in 
die  am  Fusse  der  westlichen  Berge  sich  öffnenden  natürlichen 
Abzugscanäle  (Katabothren)  abgeleitet  waren,^)  einen  weit  freund- 
licheren und  fruchtbareren  Anblick  gewährt  haben.  Schon  der 
Schiflfscatalog  (II.  B,  607)  erwähnt  '"die  liebliche  Mantineia',  die 
bis  ins  5.  Jahrb.  v.  Chr.  keine  Stadt  im  strengen  Sinne  des 
Wortes  bildete,  sondern  aus  fünf  in  verschiedenen  Theilen  der 
Ebene  gelegenen  Flecken  bestand,  die  in  einem  Castell  auf  einem  aus 
dem  nördlicheren  Theile  der  Ebene  inselartig  aufsteigenden  Hügel, 
an  dem  noch  im  spätem  Alterthum  der  Name  Polis  haftete  (jetzt 
Gurzuli  genannt),  einen  gemeinsamen  befestigten  Zufluchtsort 
hatten.^)  Bald  nach  den  Perserkriegen,  zu  welchen  auch  die 
Mantineer  ihr  Contingent  gestellt  hatten,^)  verliessen  die  Bewoh- 
ner, von  den  Argivern  veranlasst,  ihre  ländlichen  Wohnsitze  und 
gründeten  eine  Viertelstunde  südlich  von  jenem  Castell  an  der 
tiefsten  Stelle  der  Ebene  eine  neue  Stadt,  welche  den  Mangel 
natürlicher  Festigkeit  durch  die  Begclmässigkeit  ihrer  Form,  die 
Stärke  ihrer  Mauern  und  Thore  und  zahlreiche  Befestigungs- 
thürme  ersetzte;  die  Erinnerung  im  die  fünf  Gemeinden,  aus  denen 
die  Bevölkerung  der  Stadt  sich  zusammensetzte,  wurde  durch  die 
Theilung  derselben  in  fünf  Phylen  (Epaleas,  Enyalias,  Hoplodmias, 
Posoidlias  und  Vanakisias)  erhalten.'*)    Die  durch  diese  Zusammen- 


*)  Einen  mitten  durch  die  Ebene  gehenden  Wassergraben  erwähnt 
Polyb.  XI,  11.  Die  Regulirung  des  aus  der  Tegeatis  nach  der  Mantinike 
zu  fliessenden  Wassers  war  nach  Thukyd.  V,  65  ein  Gegenstand  des 
>>treites  und  Kampfes  zwischen  beiden  Nachbareantonen. 

^)  Paus.  c.  8,  4  (wo  mir  die  Erzähhing  von  der  Gründung  der  neuen 
Stadt  durch  Antinoe,  Tochter  des  Kepheus,  auf  einem  Irrthum  zu  be- 
ruhen scheint)  u.  c.  12,  7;  Strab.  VIII,  p.  337. 

3)  llerod.  VII,  202;  IX,  77;  Paus.  X,  20,  1. 

*)  Von  diesen  durch  eine  Insdirift  (Bulletin  de  l'e'cole  fran^aise 
d'Athenes  n,  1,  p.  5  s.)  ])ezeugten  Phylennainen  sind  'Evvaliag,  Uo- 
aoidUag  und  fava%iaCaq  offenliar  von  den  Gottheiten  Enyalios,  Posei- 
don und  den  Dioscuren  (Anakes)  herzuleiten;  auch  der  Name  'EnaXiaq 
{Sn'  *AXias'0  i'**t  wohl  auf  die  Athena  Alea  zurückzuführen;  nur  der 
Name  'OnXoÖfiiag  scheint  einen  besonderen  .Stand  (<lie  Kriegerkaste)  zu 
l^zeichnen;  doch  könnte  num  dabei  allenfalls  an  die  Hqu  onloofiicc 
(I>ycophr.  Alex.  614  u.  Tzetz.  ad  v.  858)  denken. 


210  II.  Peluponnesos. 

siedelung  erstarkte  Bnrgerscliaft  emaneipirte  sich  nyn  l)al(l  von 
dem  Einflüsse  Sparta's,  unter  dem  sie  bis  dahin  gestanden  hatte, 
und  schloss  im  Jahre  420  v.  Chr.,  nachdem  sie  ihr  Gebiet  durch . 
Unterwerfung  der  Parrhasier  erweitert  hatte,  in  Verbindung  mit 
Argos  und  Elis  ein  Schutz-  und  Trutzbündniss  mit  Athen,  weil 
sie  voraussah,  dass  sie  nach  dem  Grundsatze  der  PoUtik  Sparta's, 
Gebietserweiterungen  auf  Kosten  schwächerer  Nachbarn  nur  sich 
selbst,  aber  nicht  den  übrigen  peloponnesischen  Staaten  zu  ge- 
statten, den  Besitz  des  eroberten  Gebietes  gegen  Sparta  mit  den 
Waffen  in  der  Hand  werde  vertheidigen  müssen.  Freilich  musste 
sie,  nachdem  das  Bündniss  in  Folge  der  im  Jahre  418  in  der 
Ebene  von  Mantineia  selbst,  einem  ächten  ^  Tanzplatz  des  Ares'^), 
gelieferten,  für  die  Verbündeten  verlornen  Schlacht  sich  gelöst 
hatte,  unter  Verzicht  auf  ihre  früheren  Eroberungen  wieder  in 
die  spartanische  Symmachie  eintreten,  aber  sie  blieb  doch  nur 
gezwungen  und  mit  schlecht  verhehltem  Widerwillen  in  derselben 
und  Sparta  benutzte  daher  die  Gelegenheit,  welche  ihm  seine 
Interpretation  des  sogenannten  Antalkidischen  Friedensvertrages 
darbot,  um  im  Jahre  385  an  die  Mantineer  die  Forderung  zu 
stellen,  ihre  Stadtmauer  zu  schleifen,  damit  die  wohlbefestigte 
Stadt  nicht  der  Stützpunkt  eines  bewaffneten  Widerstandes  gegen 
des  Oberhaupt  des  Bundes  wefden  könne.  Da  die  Mantineer 
diese  Forderung  natürlich  ablehnten,  fiel  der  König  Agesipolis 
mit  einem  Heere  in  ihr  Gebiet  ein  und  begann  eine  regelmäs- 
sige Belagerung  der  Stadt;  als  diese  wegen  der  guten  Verpro- 
viantirung  der  Belagerten  sich  in  die  Länge  zog,  nahm  Agesipolis 
den  natürlichen  Feind  der  Mantineischen  Ebene,  dem  sie  auch 
in  der  neueren  Zeit  unterlegen  ist,  das  Wasser  zur  Hülfe:  er 
dämmte  den  von  Südosten  her  durch  die  Stadt  fliessenden  Bach 
Ophis  gleich  unterhalb  der  Stadt  ab,  so  dass  derselbe  innerhalb 
der  Mauern  über  seine  Ufer  trat  und  das  Wasser  bald  zu  solcher 
Höhe  stieg,  dass  die  mit  Ausnahme  der  Fundamente  aus  Lehm- 
ziegeln erbauten  Stadtmauern  und  Thürme  Bisse  bekamen  und 
den  Einsturz  drohten.  Die  Mantineer  sahen  sich  also  genöthigt 
zu  capituliren ,  wobei   der   übermüthige  Sieger   zu   der   früheren 


*)  Vgl.  über  die  verschiedenen  bei  Mantineia  geschlagenen  Schlach- 
ten Leake  Morea  III,  p.  57  ss.;  Vischer  Erinnerungen  S.  348  flf.;  über 
die  vom  Jahre  362  besonders  A.  Schäfer  Demosthenes  III,  2,  S.  3  flf, 


4.   Arkadien:  Mantiiiike.  211 

Forderung  der  Schleifung  der  Mauer  noch  die  weitere  hinzufugte, 
dass  die  Bevölkerung  sich  wieder  in  die  alten,  hei  der  Gründung 
der  Stadt  verlassenen  offenen  Weiler  vertheile,  eine  Massregel, 
durch  deren  Ausführung  der  Mantineische  Staat  aus  einer  demo- 
kratischen Stadtgemeinde  in  eine  Conföderation  oligarchischer, 
von  lakedämonischen  Statthaltern  regierter  Bauerngemeinden  ver- 
wandelt wurde. ^)  15  Jahre  lang  blieb  nun  die  Stätte  Mantineia's 
verödet,  das  politische  Leben  der  Bevölkerung  unter  dem  Drucke 
Sparta's  ertödtet;  aber  als  durch  die  Schlacht  bei  Leuktra  Spar- 
ta's  Uebermacht  gebrochen  war,  traten  die  gewaltsam  auseinander- 
gerissenen Bestandtheile  der  Gemeinde  wieder  zusammen  und 
beschlossen  die  Stadt  wiederherzustellen,  ein  Beschluss,  den  Kö- 
nig Agesilaos  vergeblich  durch  Versprechungen  und  Drohungen 
rückgängig  zu  machen  suchte.^)  Die  Mauern  wurden  mit  Bei- 
hülfe einiger  arkadischen  Städte  und  mit  einer  Geldunterstützung 
von  Seiten  der  Eleer  in  dem  alten  Umfang  von  etwas  über 
15  Stadien  mit  mehr  als  100  viereckten  Thürmen  und  8  meist 
durch  doppelte,  theils  viereckte  theils  runde  Thürme  vertheidig- 
ten  Thoren  wiederaufgebaut  und  zwar  in  ähnlicher  Weise  wie 
früher,  so  dass  nur  die  Fundamente  und  ein  Sockel  von  2  —  4 
Steinlagen  Höhe,  je  nach  der  Hebung  oder  Senkung  des  Terrains, 
aus  grossen  Werkstücken,  die  oberen  Theile  der  Mauern  sowohl 
als  der  Thürme  aus  Lehmziegeln  (wahrscheinlich  mit  mehrfachen 
Lagen  starker  Holzbalken  dazwischen)  aufgeführt  wurden;  der 
Bach  Ophis  wurde  nun  unmittelbar  oberhalb  der  Stadt  in  zwei 
Arme  getheilt,  die  in  der  Art  eines  Festungsgrabens  die  Ellipse 
des  Mauerringes  umflossen  und   unterhalb  der  Stadt  sich  wieder 


<)  Thukyd.  V,  29;  33,  81;  Xen.  Hell.  V,  2,  1  ff.;  Paus.  c.  8,  6  ff. 
iJen  Widerspruch  zwischen  den  Angaben  des  Xen.  (1.  l.  §  7):  dtöjx^ff'9'ry 
6'  T]  MavrCvua.  texQaxfj  und  des  Ephoros  (bei  Harpokr.  p.  123,  17  ed. 
liekk.):  sig  s'  yicofiag  z^v  Mavrivicov  dioj'niaav  noXiv  Aayisdaifiovioi 
[Vgl.  Diod.  XV,  5)  hat  man  durch  Hinweisung  auf  die  Bemerkung  des 
Paus.  (§  9):  wg  dl  dls  x^v  Mocvxivsluv,  oXCyov  fiiv  xi  yiaxiXmfv  ol- 
yiBLa%-ai  zu  heben  gesucht,  wornach  ein  kleiner  Theil  der  Bewohner  in 
der  Stadt  zurückgeblieben,  die  übrigen  in  4  von  den  alten  5  Komen 
vertheilt  worden  seien:  ob  mit  Kecht,  ist  mir  zweifelhaft,  da  die  Nach- 
richt des  Ephoros  von  der  Vertheilung  in  6  Komen  vielleicht  nur  auf 
lischer  Folgerung  aus  der  Geschichte  der  QrUndung  der  Stadt  beruht, 

«)  Xen.  Hell.  Vf,  5,  3  ff;  Paus.  c.  8,  10. 


212  II.  Peloponncsos. 

in  einem  Belle  vereinigten.')  Audi  die  Heiliglümer  und  öffent- 
lichen Gebäude,  die  jedenfalls  bei  der  Auflösung  der  Stadigemeinde 
nicht  zerstört  worden,  sondern  nur  in  Folge  der  Verödung  der 
Stadt  in  Verfall  geralhen  waren,  wurden  natürlich  wiederherge- 
stellt und  verschönert  und  Mantineia  nahm  bald  wieder  an  Glanz 
und  Reichtum  eine  der  ersten  Stellen  unter  den  Städten  Arka- 
diens ein;  aber  der  alle  politische  Geist  zog  nicht  wieder  ein 
in  die  erneuerten  Mauern:  die  Bürgerschaft  schloss  sich  aus  eng- 
herziger Abneigung  gegen  die  Thebaner  und  ihre  Gründung,  den 
neuen  arkadischen  Einheitsstaat,  wieder  an  Sparta  an  und  der 
Held,  dessen  Siegen  Mantineia  die  Erneuerung  seiner  politischen 
Existenz  verdankte,  hauchte  vor  den  Mauern  der  Stadt  als  Feind 
sein  Leben  aus  (362  v.  Chr.).  Eine  zweideutige,  ja  treulose  Po- 
litik verfolgte  Mantineia  dann  während  der  Kämpfe  zwischen 
Achäern,  Aetolern  und  Sparta:  anfangs  Mitglied  des  achäischen 
Bundes  trat  sie  zu  den  Aetolern  über  und  Hess  sich  dann  von 
Kleomenes  III.  als  Glied  des  lakedämonischen  Staates  aufnehmen. 
Im  Jahre  22ß  von  den  Achäern  unter  Aratos  Führung  erobert 
und  mit  der  grössten  Schonung  behandelt  trat  sie  wieder  in  den 
achäischen  Bund  und  erbat  sich  sogar  eine  achäische  Besatzung 
zum  Schutz  gegen  etwaige  Angriffe  von  Seiten  des  Kleomenes 
oder  der  Aetoler;  aber  bald  nach  dem  Eintreffen  derselben  ge- 
wann die  lakonische  Partei  wieder  die  Oberhand;  die  Besatzung 
wurde  ermordet  und  die  Stadt  wieder  den  Spartanern  übergeben. 
Dafür  traf  sie  im  Jahre  222  ein  schweres,  aber  verdientes  Straf- 
gericht: sie  wurde  von  den  von  Aratos  zur  Hülfe  gerufenen  Ma- 
kedonern  erobert,  geplündert  und  die  Bewohner  als  Sclaven 
verkauft;  die  Stadt  blieb  zwar  bestehen,  aber  sie  wurde  von  den 
Achäern  neu  bevölkert  und  musste  ihren  allen  Namen  mit  dem 
von  Antigoneia  (zu  Ehren  des  makedonischen  Königs  Antigo- 
nos  Doson)  vertauschen,  der  ihr  wenigstens  im  officielien  Stil 
blieb,  bis  Kaiser  Hadrian  ihr  den  alten  zurückgab.^) 


^)  Vgl.  über  die  noch  fast  in  ihrem  ganzen  Umfange  in  durchaus 
gleichmässiger  Höhe  erhaltene  Ringmauer  von  Mantineia,  ihre  Thürme 
und  Thore  Leake  Morea  I,  p.  100  ss.;  Peloponnesiaca  p.  112  ss.;  ßoss 
Reisen  im  Peloponnes  S.  124  f.;  Vischer  Erinnerungen  S.  346  f.;  Conze 
u.  Michaelis  Annali  XXXIII,  p.  28  s  ;  dazu  den  Plan  des  südöstlichen 
(teffeatischen)  Thores  und  des  Theaters  in  der  Expe'd.  de  More'e  II  pl.  5P.. 

2)  Polyb.  II,  57  f.;  62;  Plut.  Cleoni.   14;  Arat.  45;  Paus.  c.  8,  11  f.; 


4.  Arkadien:  Mantinike.  213 

Für  die  Topographie  der  Stadt  bildet  den  einzigen  sichern 
Anhalt  das  von  Tansanias  (c.  9,  3  f.)  erwähnte  Theater,  von 
dessen  gegen  Osten  geöffneter  Cavea  nocli  der  polygone  Unter- 
bau und  ein  Theil  der  Sitzstufen  ungefähr  in  der  Mitte  des 
Stadtraumes,  etwas  mehr  gegen  Norden,  erhalten  ist;  daneben 
Hegen  formlose  Trümmer  eines  grossen  Gebäudes,  welche  ent- 
weder dem  zum  Andenken  an  die  Schlacht  bei  Aktion,  in  welcher 
die  Mantineer  allein  von  allen  Arkadern  auf  der  Seite  des  Octa- 
vianus  fochten,  erbauten  Tempel  der  Aphrodite  Symmachia,  oder 
dem  mit  Cultbildern  von  der  Hand  des  Praxiteles  (Hera  thronend, 
ihr  zur  Seite  Athene  und  Hebe  stehend)  geschmückten  Tempel 
der  Hera  angehören.')  Die  Lage  der  übrigen  von  Tansanias  er- 
wähnten Heiligtümer  (unter  denen  namentlich  ein  Doppeltempel 
des  Asklepios  mit  einem  Cultbilde  von  Alkamenes  uud  der  Leto 
nebst  Kindern  mit  Statuen  derselben  von  Praxiteles  zu  nennen 
ist)  lässt  sich  ebensowenig  bestimmen  als  die  der  Agora  oder 
sonstiger  öffentlicher  Anlagen  und  Gebäude.^) 


Ptol.  III,  16,  19.  ^A  TtoXig  taiv  'AvTiyovstov  auf  einer  Inschr.  aus  rÖm. 
Zeit:  BiiUett.  1854,  p.  XXXV.  'Avxiyovicov  'Axaimv  auf  Münzen:  Eckhel 
Doct.  numra.  II,  p.  232.  —  Eine  Schrift  des  Aristoxenos  tu  MavTivstov 
^'^"7]  erwähnt  Philodem,  nsql  svoeßetag  p.  85,  13  ed.  Gomperz. 

*)  Paus.  c.  9,  3  f.,  der  die  Lage  des  Tempels  der  Hera  durch  ngog 
Zip  d-£uxQcpj  die  des  Tempels  der  Aphrodite  durch  tov  d^sccxQOv  oniad^sv 
bezeichnet. 

2)  Die  Meinung  von  Curtius  (Pelop.  I,  S.  237)  und  anderen:  dass 
Paus,  durch  das  südöstliche  (tegeatische)  Thor  in  die  Stadt  eingetreten 
sei,  dass  also  jener  von  ihm  an  erster  Stelle  genannte  Doppeltempel  des 
Asklepios  und  der  Leto  in  der  Nähe  dieses  Thores  gelegen  haben  müsse, 
kann  ich  nicht  theilen.  Paus,  steigt  (c.  8,  1)  aus  dem  Argon  Pedion 
über  die  südlichen  Abhänge  des  Alesion  in  die  Mantineische  Ebene  und 
erwähnt  dort  zuerst  eine  Quelle  Arne  (die  ich  trotz  des  Widerspruches 
von  Conze  u.  Michaelis  Annali  XXXIII,  p.  27  s.  nur  für  die  am  süd- 
lichen Abhänge  des  Alesion  entspringende,  jetzt  Ko^o%£ql(x.  genannte 
Quelle  halten  kann)  neben  der  Heerstrasse  (Tra^a  Tr)v  Xeoifpoqov),  Dass 
nun  diese  Heerstrasse,  auf  welcher  offenbar  Paus,  in  die  Stadt  eintritt, 
identisch  sei  mit  der  später  (c.  10,  1  f.)  von  Paus,  ausführlich  beschrie- 
benen Stra«8e  nach  Tegea,  dafür  findet  sich  bei  Paus,  durchaiis  keine 
Andeutung;  ich  lialte  sie  also  für  davon  verschieden  und  zwar  für  die 
Fortsetzung  der  von  Argos  durch  den  Stacheleichenwald  kommenden 
Strasse.  Sie  lief  jedenfalls  in  geringer  Entfernung  östlich  von  der  Te- 
gcatischcn  Strasse  und  mündete  durch  <ia.s  in  der  östlichen  Ringmauer 
noch  erkennbare  Thor  in  die  Stadt  ein. 

liURSIAN,    OEOOR.    II.  15 


214  II.   Poloponnesos. 

Das  Trinkwasser  wurde  der  Stadt  von  Nordosten  iier  durch 
eine  Wasserleitung  zugeführt,  als  deren  Ausgangspunkt  Pausanias 
(c.  6,  4)  eine  Melange ia  genannte  Oertlichkeit  hezeichnet, 
welche  jedenfalls  dem  ^4  Stunden  nordöstlich  von  den  Ruinen 
Mantineia's  am  nordwestlichen  P'usse  des  Alesion  gelegenen  jetzi- 
gen Dorfe  Pikerni  entspricht,  in  welchem  mehrere  nie  versie- 
gende Quellen  entspringen.  Die  Strasse  von  hier,  die  Fortsetzung 
der  argivisch-mantineischen  ^Treppenstrasse',  führte  nach  einer 
halhen  Stunde  zu  einer  7  Stadien  von  der  Stadt  entfernten,  'die 
Quelle  der  Meliastcn'  (einer  geistlichen  Genossenschaft  im  Dienste 
des  Dionysos)  genannten  Quelle,  hei  welcher  Heiligtümer  des 
Dionysos  und  der  Aphrodite  Melaenis  standen:  die  Quelle  spru- 
delt noch  jetzt  am  westlichen  Fusse  des  Alesion,  ostlich  vom 
Hügel  Gurzuli,  hervor  und  danehen  findet  man  die  Fundamente 
eines  grossen  antiken  Gebäudes.') 

Den  noch  heute  erkennbaren  8  Thoren  in  der  Ringmauer 
der  Stadt  enisprachen  ebensoviele  Strassen,  durch  welche  der 
Verkehr  der  Stadt  nach  allen  Richtungen  der  Windrose  hin  ver- 
mittelt wurde.  Zwei  derselben  führten  in  östlicher  und  nord- 
östlicher Richtung  die  eine  durch  das  Argon  Pedion,  die  andere 
über  Melangeia  nach  den  mehrfach  erwähnten  beiden  argivischen 
Pässen;  zwei  giengen  nordwärts  über  das  Anchisiagebirge  nach 
der  Ebene  von  Orchomenos  und  zwar  die  eine  etwas  östlichere 
am  Stadion  des  Ladas,  einem  Heiligtum  der  Artemis,  einem  als 
Grab  der  Penelope  bezeichneten  Erdhügel,  den  Ruinen  der  alten 
Stadt  und  einer  Quelle  Alalkomeneia  vorüber  nach  dem  Flecken 
Mära  (vgl.  oben  S.  208),  die  westlichere  direct  nach  dem  Grabe 
des  Anchises  (vgl.  S.  207).^)  Von  den  beiden  westlichen  Thoren 
giengen  zwei  Strassen  aus,  die  eine  mehr  gegen  Norden  durch  den 
Einschnitt  in  der  Mitte  des  in  die  Ebene  hereintretenden  west- 
licheren Bergzuges  (bei  dem  jetzigen  Dorfe  Simiades),  die  an- 
dere etwas  weiter  südlich  um  das  südliche  Ende  dieses  Bergzuges 
herum  (bei  dem  jetzigen  Dorfe  Kapsa)  nach  der  Ebene  Alkimedon 
(vgl.  oben  S.  207),  wo  beide  zusammentrafen  und  die  Heerstrasse 
nach  Methydrion  bildeten,  welche  über  das  Ostrakinagebirge  (wo 
man  die  Grotte,  in  der  Alkimedon  gewohnt  haben  sollte  und  eine 


')  S.  Ross  Reisen  im  Peloponnes  S.  136. 
2)  Paus.  c.  12,  5  fF. 


4.  Arkadien:  Manlinike.  215 

Quelle  Kissa,  die  Häherquelle,  zeigte)  nach  dem  Gräiizorte  zwi- 
schen den  Gehieten  von  Manlineia  und  Megalepolis,  Petrosaka, 
föhrteJ)  Gegen  Süden  endlich  liefen  einander  ziemlich  parallel 
zwei  Strassen  nach  dem  tegeatischen  Gehiete,  heide  den  V/.^ 
Stunden  südlich  von  der  Stadt,  also  in  dem  Passe  durch  welchen 
man  aus  der  mantineischen  in  die  tegeatische  Ehene  eintritt, 
gelegenen  Eichwald  Pelagos  durchschneidend:  die  westlichere, 
die  Strasse  nach  Pallantion,  herührte  kurz  vor  jenem  Walde  das 
durch  eine  Säule  und  einen  Schild  mit  dem  Zeichen  einer  Schlange 
darauf  hezeichnete  Grab  des  Epameinondas,  das  auf  derselben 
Stelle,  auf  welcher  der  Held  sein  Leben  beschlossen  hatte  — 
einem  Vorsprunge  des  mänalischen  Gebirges  ^gegen  die  manti- 
neische  Ebene  hin,  der  sogenannten  Skope  (Warte)  —  errichtet 
^^ar,  und  einen  nur  wenige  Minuten  davon  gelegenen  Tempel  des 
Zeus  Charmon.2)  d\q  tegeatische  Strasse  endlich,  welche,  wohl 
als  die  wichtigste  Verkehrsstrasse,  den  Namen  Xenis  führte,^) 
gieng  von  dem  östlicheren  Thore  der  südlichen  Ringmauer  aus 
an  dem  Hippodrom  und  dem  an  den  westlichen  Fuss  des  Alesion 
sich  anlehnenden  Stadion  vorüber  nach  dem  7  Stadien  von  der 
Stadt  am  südlichen  Fusse  des  Alesion  gelegenen  Tempel  des  Po- 
seidon Hippios,  dem  ältesten  und  ehrwürdigsten  aller  mantinei- 
schen Heiligthümer,  der  von  Agamedes  und  Trophonios  aus  Balken 
von  Eichenholz,  ohne  Thüre,  nur  mit  einem  rothen  Wollenfaden 
als  Verschluss  des  Eingangs,  errichtet  sein  sollte,  später  von  einer 
Schaar  Aetoler  unter  Führung  des  Polykritos  geplündert,  endlich 
von  Hadrian  unter  ängstlicher  Schonung  der  Reste  des  alten 
Baues  erneuert  wurde.  '*)    In  unmittelbarer  Nähe  des  Heiligthums 


^)  Paus.  c.  12,  2  ff.,  der  von  den  beiden  durch  die  Thore  indicirtcn 
wcstliclien  Strassen  wolil  nur  die  südlichere  als  die  bedeutendere  ver- 
lolf^'t  hat  und  daher  die  andcn;  <:;ir  nicht  erwähnt.  Vgl.  Steph.  Byz.  u. 
ll8ZQ00ci)ia. 

2)  Paus.  c.  11,  5;  8;  c.  12,  1. 

^)  Polyb.  XI,  11,  wo  deutlich  drei  ebensoviel  Thoren  entsprechende 
Htrasßen  unterschieden  werden:  ij  ig  ro  Iloasidcävog  tsgov  (pegovaa 
(weiterhin  i}  odog  7]  ^fvig)  d.  i.  die  tegeatische,  ri  e^^g  cög  ngog  Tccg 
dvasig  d.  i.  die  pallantische,  und  q  IxoiiBvr]  d.  i.  die  (südlichere)  uiau- 
tliyrcische.  Die  Bezeichnung  a  o8bg  a  %ivCg  findet  sidi  auch  auf  einer 
luschr.  aus  Alaesa  in  Sicilien:  C.  I.  gr.  n.  051)1,  15. 

*)  Polyb.  IX,  8  (vgl.  XI,  11  u.  14);  c.  .34;  Paus.  c.  10,  1  f.,  wo  statt 
ov  nQoaoj  otafiiov  entwedcn-  mit  ScliUfer  (Demosthenos  III,  2,  S.  12  f.) 

15* 


216  II.  Peloponncsos. 

stand  ein  steinernes  Siegcsdenknial  zur  Erinnerung  an  einen 
Sieg,  welchen  ein  Heer  des  achäischen  Bundes  (zu  dem  damals 
Mantineia  gehörte)  über  die  von  König  Agis  IV.  geführten  Lake- 
dämonier  gewonnen  hatte.^)  Von  dem  Heiligthume  aus  führte  eine 
gegen  25  Stadien  lange  Seitenstrasse,  an  der  man  die  Grüber 
der  Töchter  des  Pelias  zeigte,  in  südöstlicher  Richtung  nach  einem 
noch  zum  Gebiete  von  Mantineia  gehörigen  Orte  Phoizon,  wo 
ein  Hügel  mit  rundem  steinernen  Unterbau,  angeblich  das  Grab- 
mal des  mythischen  Königs  Areithoos,  'des  Keulenschwingers', 
stand.  Auf  der  Hauptstrasse  bezeichnete  ein  runder  Altar  die 
Tegeatis.  Gränze  zwischen  der  Mantinike  und  der  Tegeatis,^)  welche  die 
Hochebene  von  Tripolitza  (vgl.  S.  207)  nebst  dem  dieselbe  im 
Süden  begränzenden  Berglande,  dem  Quellgebiet  des  Alpheios 
'  (vgl.  S.  187),  umfasste.  V^ie  die  Mantinike  so  war  auch  die  Te- 
geatis in  der  ältesten  Zeit  ohne  städtischen  Mittelpunkt,  in  eine 
Anzahl  Gaue  getheilt,  die  wohl  hauptsächlich  durch  ein  religiöses 
Band ,  den  Cult  der  Athene  Alea  in  einem  gemeinsamen ,  unge- 
fähr in  der  Mitte  der  dorfartigen  Ansiedelungen  gelegenen  Hei- 
ligthume, zusammengehalten  wurden.  Die  Namen  dieser  Gaue 
waren  nach  Pausanias  (c.  45,  1)  folgende:  Gareatae,  die  An- 
wohner des  in  einem  östlichen  Seitenthal  der  Ebene,  durch  wel- 
ches die  Strasse  nach  der  Thyreatis  führte,  entspringenden  Baches 
Garatis  oder  Gareatis  (vgl.  Paus.  c.  54,  4);  Phylakeis,  die  Be- 
wohner des  Berglandes  oberhalb  der  Ebene,  an  den  Quellen  des 
Alpheios,  wo  noch  später  eine  Gränzfestung  gegen  Lakonien  Na- 
mens Phylake  stand  (Paus.  c.  54,  1);  Karyatae  und  Oiatae, 
die  Bewohner  der  südlich  von  da  gelegenen,  später  von  Sparta 
annectirten    Landschaft  Skiritis;^)    Korytheis,    die    nördlichen 

ov  TtQOGco  g'  6tu8l(üv,  oder  ov  ngooco  entuGTccSiov  zu  schreiben  ist.  'Eni 
LSQSog  rtö  Tlooidävog  als  Präscript  in  Inschriften:  Bulletin  de  Te'cole 
fran^aise  d'Athenes  n.  1  (Juli  1868)  p.  8  s.;  Eoss  Inscr.  gr.  in.  I,  n.  9; 
Vischer  Epigraphische  u.  archäologische  Beiträge  aus  Griechenland  S.  38. 
^3  Paus.  c.  10,  5  ff.,  der  freilich  ganz  irrig  (vielleicht  aus  Verwech- 
selung mit  Agis  III.)  den  König  in  dieser  Schlacht  seinen  Tod  finden 
lässt:  vgl.  Schömann  Prolegg.  ad  Plutarch.  Agid.  et  Cleom.  p.  XXXIII; 
Plass  Die  Tyrannis  bei  den  Griechen  II,  S.  163  ff. 

2)  Paus.  c.  11,  1  ff.:  vgl.  Curtius  Pelop.  I,  S.  246  f. 

3)  Vgl.  oben  S.  118,  dazu  Steph.  Byz.  Oloq ,  noU%vLOv  Tsysccg. 
Alßxvlog  MvaoLg,  wornach  aber  keineswegs ,  wie  dies  Curtius  (Pel.  II, 
S.  322)  für  Karyä  zu  thun   scheint,    ein    zweites   Oion    in    der  Tegeatis 


4.  Arkadien:  Tegeatis.  217 

Nachbarn  der  Gareaten,  Bewohner  des  grössern  östlichen  Seiten- 
thals am  Fusse  des  Parthenion,  durch  welches  die  Hauptstrasse 
von  Tegea  nach  Argos  führte;^)  die  Manthyreis  (oder  Man- 
thureis),  die  Bewohner  des  jetzt  grossen  Theils  von  Wasser, 
unter  welchem  man  noch  deutlich  einen  mächtigen  alten  Stein- 
dämm,  das  sogenannte  Choma,  wahrnimmt,  bedeckten  südöst- 
lichen Winkels  der  Ebene  am  östlichen  Fusse  des  Boreion,  wo 
sich  noch  grosse  Steinhaufen  von  der  alten  Ortschaft  Manthyrea 
und  in  einer  benachbarten  Capelle  der  Panagia  Fragmente  ca- 
nelirter  Säulen  von  16  Zoll  Durchmesser,  Stöcke  von  dünneren 
glatten  Säulen,  das  Fragment  eines  dorischen  Capitäls  und  an- 
dere Architekturstücke,  wahrscheinlich  von  dem  Tempel  der 
Athene  Hippia,  finden;^)  die  Potachidä  (oder  Botachidä)^), 
Echeuelheis  und  Apheidantes  (letzterer  nach  Pausanias  erst 
unter  König  Apheidas  zu  den  acht  älteren  Gauen  hinzugekommen), 
deren  wahrscheinlich  in  der  Mitte  und  im  nördlichen  Theile  der 
Ebene  gelegene  Wohnsitze  nicht  näher  zu  bestimmen  sind.  Die 
hartnäckigen  und  langwierigen  Kämpfe,  welche  die  Tegeaten  nach 
der  Eroberung  Lakoniens  durch  die  Dorier  gegen  diese  begehr- 
lichen Gränznachbarn  zu  führen  hatten,  Kämpfe  welche  den  Te- 
geaten ein  Stück  ihres  Gebietes  kosteten,  endUch  aber  durch 
einen  denselben  ihre  Unabhängigkeit  und  eine  bevorzugte  Stel- 
lung in  der  spartanischen  Symmachie  sichernden  Friedens-  und 
Freundschaftsvertrag,    der   auf  einem   am   Alpheios  aufgestellten 


neben  dem  lakonischen  anzunehmen  ist:  Aeschylos  hatte,  den  Verhält- 
nissen vor  der  dorischen  Wanderung  gemäss,  das  später  lakonische  Oion 
als  zur  Tegeatis  gehörig  bezeichnet. 

')  Dies  zeigt  die  Erwähnung  eines  in  einem  Eichenhain  gelegenen 
Tempels  der  Demeter  hv  KoQvd'svai  in  dieser  Gegend  bei  Paus.  c.  54,  5. 

2)  Paus.  c.  44,  7;  c.  47,  1;  Steph.  Byz.  u.  Mavd^vQia;  vgl.  Conze  u. 
Michaelis  Annali  XXXIII,  p.  32.  Ich  fand  ausser  den  im  Texte  erwähn- 
ten Bruchstücken  in  der  Capelle  der  Panagia  weder  in  der  Ebene  noch 
auf  den  Anhflhen  antike  Reste,  sondern  nur  ;iuf  einer  schroflf  ansteigen- 
den Felskuppe,  der  höchsten  Spitze  eines  etwa  V^  Stunde  westlich  von 
Kapareli  gelegenen  auf-chnlichcn  Berges,  die  Itulnc  eines  mittelalterlichen 
Thurmes,  dessen  unterste,  unmittelbar  auf  dem  Fclsboden  ruhende  Stein- 
lage antik  ist:  dies  sind  wohl  die  'Ruinös  helk^niqiies',  von  denen  die 
Bewohner  Pouillon  Boblaye  (s.  Kechercbes  p.  145)  berichteten. 

')  Steph.  Byz.  u.  RmtaxiSai.  —  Die  Zahl  von  D  Domen  giebt  .'uich 
Strab.  Vm,  p.  '.V.M. 


218  H.  Pcloponnesos. 

Pfeilor  eingegraben  war,  beendigt  wurden,')  gaben  ohne  Zweifel 
Veranlassung,  dass  durch  einen  dem  mythischen  König  Aleos  zu- 
geschriebenen Synoikismos  der  Bewohner  der  neun  Gaue  eine 
Stadt  gegründet  wurde,  die  schon  durch  ihren  Namen  Tegea, 
d.i.  'die  Schützende,  Deckende' 2)  ihre  Bestimmung,  als  Schutz - 
wehr  des  ganzen  Cantons  zu  dienen,  ausspracli.  Zu  ihrer  An- 
lage wählte  man  einige  zu  einer  Kette,  die  sich  vom  Mänaios 
nach  einem  südwestUchen  Vorsprunge  des  Parthenion  hinzieht, 
gehörige  Hügel,  unter  denen  der  nördlichste,  auf  welchem  jetzt 
das  Dörfchen  Hagios  Sostis  liegt,  der  höchste  ist  und  eine  schöne 
Aussicht  über  die  ganze  Ebene  gewährt.  Obgleich  sich  auf  dem- 
selben noch  keine  Spuren  antiker  Mauern,  sondern  nur  zahlreiche 
Bruchstücke  von  Terracottafiguren  und  Thongefässen  sowie  einige 
kleine  Bronzefiguren  gefunden  haben, ^)  so  kann  es  doch  nach 
der  ganzen  Beschaffenheit  des  Terrains  nicht  zweifelhaft  sein, 
dass  derselbe  in  die  Bingmauer  der  Stadt  eingeschlossen  war, 
die  sich  von  hier  gegen  Süden  bis  an  die  Stelle  des  20  Minuten 
von  H.  Sostis  entfernten  Dorfes  Piali  erstreckte,  dessen  dem 
heiligen  Nikolaos  geweihte  Kirche  auf  den  Grundmauern  des 
Tempels  der  Athene  Alea  steht,  welcher,  da  der  von  Süden  her 
die  Stadt  betretende  Pausanias  ihn  zuerst  unter  allen  Bauwerken 
derselben  erwähnt,  in  dem  südlichsten  der  vier  zugleich  als 
Phylen  geltenden  Stadtquartiere,  in  welche  die  ganze  offenbar 
sehr  umfangreiche  Stadt  getheilt  war,  der  nach  eben  diesem 
Tempel    benannten   Athaneatis,^)    gelegen   haben   muss.     Der 


1)  Herod.  IX,  28;  Flut.  Q.  gr.  5. 

2)  Tsyscc  hängt  ohne  Zweifel  mit  atiyr],  otsyog,  otäyto,  lat.  tego 
zusammen. 

3)  Vgl.  'JQxaLoXoyLTir}  icprjfiSQig,  Ueg.  ß',  stog  oc  (1862),  tsvxog  -ö-', 
p.  241  SS.;    Pervanoglu    in    den  Meraorie  clell'  instituto  Vol.  II,  p.  72  ss. 

*)  Paus.  c.  53,  6,  wo  die  vier  Phylen  KXccQSmvig,  'innod-oitig, 
'AnoXloiviäxig  und  ^A^avsäxig  genannt  werden;  vgl.  die  Inschrift  C.  I. 
gr.  n.  1513  (genauer  bei  Leake  Morea  Vol.  III,  Inscr.  N.  1  zu 
Vol.  I,  p.  89  und  bei  Bröndsted  Graeske  og  Latinske  Indskrifter  af 
J.  L.  Ussing,  Kopenhagen  1854,  S.  26,  N.  7),  wo  wir  folgende  Bezeich- 
nungen finden:  'Ejt'  'AQ-avuCav  {noXixai  und  iistoi-noi),  KQccQLarcci, 
'innod'OLXcLL  und  'AnoXXoividxai.  Sonstige  Inschriften  aus  Tegea  s.  C.  I. 
gr.  n.  1511  SS.;  Koss  Inscr.  g.  ined.  I,  n.  1—7;  Archäolog.  Intelligenz- 
blatt der  allgem.  Litteraturzeitg.  1838,  S.  43  f.;  Bergk  Commentatio  de 
titulo  Arcadico  (Ind.  schol.  Hai.  1860/61)  =  A.  Michaelis  Jahrb.  f.  Philol. 
Bd.  83,  S.  585  fif.;  'Aqx.  scprjfi.  Usq.  ß',  x.  13  (1869),  n.  410. 


4.  Arkadien:  Tegealis.  219 

uralte  Tempel,  dessen  Gründung  dem  mythischen  Könige  Aleos 
zugeschrieben  wurde,  brannte  Ol.  95,  2  ab,  worauf  die  offenbar 
sehr  wohlhabende  Stadt  durch  Skopas  von  Paros  einen  Neubau 
errichten  Hess,  der  an  Grösse  wie  Schönheit  der  Ausführung  alle 
übrigen  peloponnesischen  Tempel  übertraf:  einen  ionischen  Pe- 
ripteros,  wahrscheinlich  mit  8x17  Säulen,  mit  einer  doppelten, 
unten  dorischen,  oben  korinthischen  Säulenstellung  im  Innern 
der  Cella,  und  mit  figurenreichen  Statuengruppen  in  den  Giebel- 
feldern ;  an  der  Ostfronte  war  die  Jagd  des  Kalydonischen  Ebers 
(dessen  Hauer  als  ehrwürdige  Reliquien  im  Tempel  gezeigt,  aber 
von  Augustus  sammt  dem  alten,  von  Endoios  aus  Elfenbein  ge- 
arbeiteten Cultbilde  nach  Rom  entführt  wurden),  an  der  West- 
fronte der  Kampf  des  Telephos  (des  tegeatischen  Nationalhelden) 
gegen  Achilles  am  Kaikos  in  Mysien  dargestellt.^)  In  der  Nähe 
des  Tempels,  der  ausser  zahlreichen,  theils  durch  Curiosität, 
theils  durch  Kunstwerth  bemerkenswerthen  Weihgeschenken  auch 
Statuen  des  Asklepios  und  der  Hygieia  aus  Pentelischem  Marmor 
von  der  Hand  des  Skopas  enthielt,  befand  sich  das  bloss  durch 
Erdaufschüttung  gebildete  Stadion,  in  welchem  der  Agon  der 
Aleäa  zu  Ehren  der  Athene  und  der  der  Ilalotia  zum  Gedächt- 
niss  des ,  siegreichen  Kampfes  der  Tegeaten  gegen  die  Lakedä- 
monier,  in  welchem  viele  der  letzteren  zu  Gefangenen  gemacht 
worden  waren  (um  600  v.  Chr.),  gefeiert  wurden. 2)  Nördlich 
vom  Tempel  zeigte  man  den  Brunnen,  an  welchem  Herakles  der 
Priesterin  Auge  Gewalt  angethan  haben  sollte;  3  Stadien  weiter 
(gegen  Norden  oder  Nordosten)  stand  ein  Tempel  des  Hermes 
Aepytos.3) 

Nach   dieser   Gruppe   von   Baulichkeiten    erwähnt  Pausanias 


0  Paus.  c.  45,  4  ff.;  vgl.  Leake  Morea  I,  p.  91  s.;  Ross  Reisen 
►S.  67  ff.;  Ulrichs  ökopas  Leben  und  Werke  S.  9  ff.  und  meinen  Artikel 
'  Griechische  Kunst'  in  der  Allgem.  Encyclop.  S.  I,  Bd.  82,  S.  450. 
Icli  fand  in  der  Kirche,  deren  Fussboden  ganz  mit  grossen  alten  Marmor- 
stücken belegt  ist,  2  Marmorplatten  von  etwa  1*/«  Meter  Höhe  u.  2  Meter 
Breite,  auf  denen  je  ein  Rad  im  Relief  dargestellt  ist. 

*)  Paus,  c,  47,  4:  die  'Alfctia  werden  auch  in  den  Schol.  Pind.  Olymp. 
VII,  153  und  öfter  in  den  Inschriften  erwähnt. 

^)  Paus.  a.  a.  O.:  Al'nvzoq  als  Beiname  des  Hermes  könnte  nur  durcli 
eine  Idcntificirung  des  Gottes  mit  dem  alten  Landosheros  Aepytos,  dem 
Sohne  dos  Elatos  erklärt  werden;  doch  ist  vielleicht  Alyvxov  (von  der 
Landschaft  Aegytis)  zu  lesen.    Nahe   bei  der  Kirche  bemerkte  ich  einen 


220  H.  Peloponnesos. 

(c.  47,  5  f.)  zunächst  das  Heiligthum  der  Athene  Polias,  das  nur 
einmal  jährlich  von  dem  Priester  der  Göttin  betreten  werden 
durfte,  und  das  der  Artemis  Hegemone,  sodann  die  Agora,  einen 
geräumigen  Platz  von  länglich-viereckter  Form  mit  verschiedenen 
lleiligthümern,  Altären,  Heroengräbern  und  anderen  Denkmälern, 
und  in  der  Nähe  derselben  das  Theater:  ein  Theil  des  Unter- 
baues der  gegen  Nordwesten  geöffneten  Cavea  desselben  ist  noch 
erhalten  in  den  Fundamenten  des  Chors  einer  grossen  zerstörten 
Kirche,  in  welcher  man  sehr  viele  antike  Marmorstücke  (darunter 
auch  das  Stück  einer  canelirten  Säule)  findet,  der  etwa  20  Mi- 
nuten nordöstlich  von  Piali  gelegenen  sogenannten  Paläa-Epis- 
kopi;^)  also  haben  wir  die  Agora  südwestlich  von  hier,  noch 
weiter  südlich,  d.  h.  gegen  Piali  hin  die  Heiligthümer  der  Athene 
Polias  und  der  Artemis  Hegemone  zu  suchen.  Dieser  Theil  der 
Stadt  bildete  wahrscheinlich  das  Quartier  Hippothoitis  (vgl.  S.  218, 
Anm.  4).  Nördlich  oder  nordwestlich  vom  Theater  stand  ein 
Tempel  der  Demeter  und  Kora,  die  unter  dem  Beinamen  der 
fruchtbringenden  Göttinnen  {KaQitofpoQOi)  verehrt  wurden,  ein 
Heiligthum  der  Aphrodite  Paphia,  zwei  Heiligthümer  des  Dionysos, 
ein  Altar  der  Kora  und  ein  Tempel  des  Apollon  mit  einem  von 
Cheirisophos  geschnitzten  vergoldeten  Holzbilde  des  Gottes,  neben 
welchem  Cheirisophos  sein  eigenes  Bild  aus  Stein  aufgestellt 
hatte: 2)  also  haben  wir  hier  jedenfalls  das  Stadtviertel  Apollo- 
niatis  anzusetzen.  Den  nordwestlichsten  Theil  endlich  des  gan- 
zen Stadtraumes,  d.  h.  den  Hügel  von  Hagios  Sostis  und  die 
Niederung  am  südlichen  Fusse  desselben,  nahm  das  Stadtviertel 
Krariotis  (oder  Klareotis)  ein;  denn  die  obere  Fläche  des  Hügels, 
auf  welcher  eine  grosse  Anzahl  von  Altären  standen  (also  eine 
xoivoßcD^ta  nach  antikem  Ausdruck)  war  dem  Zeus  Klarios  ge- 
weiht; am  Fusse  des  Hügels  stand  neben  einem  Bilde  des  Hera- 


Brimnen,  der  nach  der  Angabe  der  Dorfbewohner  in  einer  Tiefe  von 
li  Metern  eine  Marmor fassung  haben  soll. 

')  S.  Ross  Reisen  im  Peloponnes  S.  68.  Der  Bau  des  von  Paus.  c. 
19,  1  nur  kurz  erwähnten  Theaters  scheint  nach  Liv.  XLI,  20  erst  von 
Antiochos  IV  Epiphanes,  um  175  v.  Chr.,  begonnen  worden  zu  sein. 

^)  Paus,  c,  53,  7  f.:  die  vier  ebds.  §  1  ff.  erwähnten  Bilder  des 
Apollon  Agyieus,  welche  von  den  4  Phylen  errichtet  waren,  standen 
schwerlich  unmittelbar  neben  einander,  sondern  bezeichneten  wohl  die 
Gränzen  der  vier  Stadtquartiere. 


4.  Arkadien:  Tegeatis.  221 

kies  der  'gemeinsame  Heerd  der  Arkader '.^)  Ob  auch  die  von 
Pausanias  nur  beiläufig  unter  dem  Namen  des  '  Wachthügels' 
{(pvXaxTQLg)  erwähnte  Akropolis  der  Stadt  ^j  auf  dem  Hügel  von 
H.  Sostis  oder  auf  einer  der  anderen  auf  dem  allen  Stadtraume 
sich  erhebenden  Anhöhen  zu  suchen  ist,  lässt  sich  nicht  mit 
Sicherheit  bestimmen. 

Die  Zerstörung  der  alten  Stadt,  deren  weitläufige,  vielleicht, 
wie  in  Mantineia,  nur  in  ihren  Fundamenten  aus  Quadern,  in 
den  oberen  Theilen  aus  Lehmziegeln  erbaute  Ringmauern  jeden- 
falls schon  im  spätem  Alterthum  verfallen  waren,  scheint  durch 
den  Einbruch  slavischer  Völker  im  8.  Jahrhundert  unserer  Zeit- 
rechnung herbeigeführt  worden  zu  sein;  aber  in  Folge  der  Wie- 
derherstellung der  Byzantinischen  Herrschaft  über  die  Halbinsel 
und  der  Bekehrung  der  Slaven  zum  Christenthum  wurde  auf 
einem  Theile  des  alten  Stadtraums  aus  den  Trümmern  der  alten 
Stadt  eine  neue  Ortschaft,  zu  Ehren  des  heiligen  Nikolaos  Nikli 
genannt,  erbaut,  von  welcher  jetzt  die  Paläa-Episkopi  der  einzige 
Ueberrest  ist.  In  der  neueren  Zeit  erstand  ungefähr  eine  Stunde 
nordwestlich  von  der  Stätte  des  alten  Tegea,  dessen  Trümmer 
als  Steinbruch  dafür  ausgebeutet  wurden,  die  Stadt  Tripolitza,^) 
im  vorigen  und  im  Anfange  dieses  Jahrhunderts  eine  der  blühend- 
sten Städte  des  Peloponnes,  jetzt  unter  dem  officiellen  Namen 
Tripolis  Hauptstadt  des  Kreises  (Nomos)  Arkadia  und  Sitz  eines 
Gymnasions;  auf  dem  alten  Stadtraume  sind  ausser  den  schon 
genannten,  Hagios  Sostis  und  Piali,  noch  zwei  andere  Dörfer: 
Ibrahim  Effendi  (zwischen  H.  Sostis  und  Piali)  und  Achuria  (zwi- 
schen Piali  und  der  Paläa-Episkopi) ,  in  welch  letzterem  eine  An- 
zahl meist  fragmentirter  Sculpturen  aus  dem  alten  Tegea  zusam- 
mengebracht sind,^)  erbaut. 

')  Paus.  c.  53,  9. 

*)  Paus.  c.  48,  4.  Die  cckqcc  der  Stadt  erwähnt  Polyb.  V,  17.  Auf 
derselben  befand  sich  vielleicht  das  von  Xenoph.  Hell.  VII,  4,  36  er- 
wähnte Gefängnisa  (^fö/xüorry^iov),  von  welchem  die  dfjpLOGi'a  olv.iot 
(Prytaneion?  Gerichtslocal?)  unterschieden  wird. 

•')  Vielleicht  liegt  (wie  auch  Ross  Reisen  im  Pelop.  S.  121  annimmt) 
in  dem  Namen  eine  Erinnerung  an  die  drei  alten  Städte  Mantineia,  Te- 
gea und  I'allantion. 

*)  Vgl.  meine  Notizen  im  archäolog.  Anzeiger  XH  (1854)  S.  478  f.; 
Vischer  Epigraphische  und  archäologischa  Beiträge  aus  Griechenland 
8.  39  f.;  Conzc  u.  Michaelis  Annali  XXXIII,  p.  30  s. 


222  II.  l*eIoponnesos. 

Die  bis  auf  die  letzten  Spuren  verschwundene  Hingmauer 
der  alten  Stadt  muss  wenigstens  5  Tliore,  denen  eben  so  viele 
Strassen  entsprachen,  gehabt  haben:  eins  an  der  Nordseite,  aus 
welchem  die  Strasse  nach  dem  Eichwald  Pelagos  und  weiterhin 
nach  Mantineia  führte;^)  zwei  an  der  Ostseite:  ein  nördlicheres, 
von  welchem  die  über  das  Partheniongebirge  zunächst  nach  llysiä 
lührende  Hauptstrasse  nach  Argos,  und  ein  südlicheres,  von  wel- 
chem der  directe  Weg  nach  der  Thyreatis  ausging;  eins  an  der 
Südseite,  der  Ausgangspunkt  der  Strasse  nach  Lakonien,  dessen 
Gränze  gegen  die  Tegeatis  durch  den  obersten  Lauf  des  Alpheios 
bezeichnet  wurde ;  ^)  endlich  eins  an  der  Südwestseite,  von  welchem 
aus  eine  Strasse  nach  dem  die  Gränze  zwischen  den  Stadtgebieten 
von  Tegea,  Pallantion  und  Megalepolis  bildenden  ^Damm'  (Choma)^) 
führte.  An  den  meisten  dieser  Strassen  standen  innerhalb  des 
tegeatischen  Gebiets  vereinzelte  Heiligthümer:  an  der  argivischen 
ein  Tempel  des  Asklepios,  dann,  einige  Minuten  nördlich  von 
der  Strasse,  ein  zu  Pausanias  Zeit  in  Trümmern  liegendes  Hei- 
ligthum  des  Pythischen  Apollon;  weiterhin  durchschnitt  die 
Strasse  einen  heiligen  Eichenhain  der  Demeter  im  Gau  der  Rory- 
theer,  in  dessen  Nähe  noch  ein  Heiligthum  des  Dionysos  Mystes 
lag,  und  erstieg  das  Parlhenion,  an  dessen  westlichen  Abhängen, 
noch  diesseits  der  argivischen  Gränze,  man  den  durch  ein  Te- 
menos  des  Telephos  bezeichneten  Platz,  wo  dieser  als  ausgesetztes 
Kind  von  einer  Hindin  gesäugt  worden,  und  bei  einem  Heilig- 
thum des  Pan  die  Stelle  zeigte,  wo  dieser  Gott  dem  von  den 
Athenern  kurz  vor  der  Schlacht  bei  Marathon  nach  Sparta  ge- 
sandten Courier  Pheidippides  erschienen  sein  sollte.^)  Ein  Hei- 
ligthum desselben  Gottes,  von  einer  ihm  geweihten  Eiche  beschattet, 
lag  an  der  nach  der  Thyreatis  führenden  Strasse ,  10  Stadien  jen- 
seits des  Baches  Garates;  in  der  Nähe  der  Stadt  zeigte  man  an 
derselben  Strasse  das  Grab  des  Orestes,  dessen  Gebeine  die  Spar- 


1)  Xen.  Hellen.  VI,  5,  8;  vgl.  oben  S.  215. 

2)  Paus.  c.  54,  1;  vgl.  oben  S.   187. 

3)  Paus.  c.  44,  5;  vgl.  oben  S.  217.  Das  nach  Pallantion  führende 
Thor  erwähnt  Xen.  Hell.  VI,  5,  9. 

'')  Paus.  c.  54,  5  f.;  vgl.  Herod.  VI,  105.  Von  dem  Heiligthume  des 
Pan  stammen  v^rahr scheinlich  die  von  Eoss  (Reisen  im  Pelop.  S.  148)  in 
einer  Schlucht  an  der  Südseite  der  Kuinen  des  byzantin.  Kastells  Paläo- 
Muchli  gefundenen  Gesimsstücke  aus  weissem  Marmor. 


4.  Arkadien:  Tegeatis.  223 

taner  den  Tegeaten  auf  trügerische  Weise  entführt  hatten.*)  An 
der  Strasse  nach  Lakonien  sah  man  nur  2  Stadien  von  der  Stadt- 
mauer zur  Linken  zur  Zeit  des  Pausanias  Altäre  des  Pan  und 
des  Zeus  Lykäos  nebst  den  Fundamenten  der  dazu  gehörigen 
Heiligthtimer,  7  Stadien  weiter  ein  Heiligthum  d«r  Artemis  Lim- 
natis  mit  einem  im  äginelischen  Styl  gearbeiteten  Cultbikle  aus 
Ebenholz  und  wieder  10  Stadien  weiter  Trümmer  eines  Tempels 
der  Arterais  Knakealis.^)  An  der  Strasse  nach  dem  Choma  end- 
lich traf  man  nahe  bei  der  Stadt  das  Grabmal  der  Leukone,  der 
Tochter  des  Apheidas,  nach  welcher  eine  bei  dem  jetzigen  Dorfe 
Kerasitza  (etwa  20  Minuten  westlich  von  Piali)  entspringende 
Quelle  benannt  ward;  ungefähr  eine  halbe  Stunde  weiter  erhebt 
sich  südlich  von  der  Strasse  ein  massiger,  isoliter  Hügel  aus 
dem  manthyreischen  Gefdde,  jetzt  nebst  einem  darauf  liegenden 
Dörfchen  Bunö,  von  den  Alten  Kresion  genannt,  welcher  ein 
Heiligthum  des  Aphneios,  d.  h.  des  als  Fruchtbarkeit  spendender 
Gott  aufgefassten  Ares  trug.  ^)  * 

Das  vom  östlichen  Fuss  des  Boreion  bis  zu  einigen  aus  der 
Ebene  (in  der  Gegend  des  jetzigen  Dorfes  Birbati)  aufsteigenden 
Hügeln  reichende  Choma  trennte  das  noch  zum  Gebiete  von  Tegea 
gehörige  manthyreische  Gefdde  von  einem  nordwestlich  davon 
gelegenen  Winkel  der  Ebene,  der  das  Gebiet  einer  Stadt  bildete, 
deren  mythischer  Ruhm  ihr  in  den  Spätzeiten  des  Alterthums 
eine  wenigstens  äusserlich  glänzende  Stellung  verschafft  hat:  Pal- 
lantions,  einer  Gründung  des  Pallas,  Sohnes  des  Lykaon,  der 
Heimath  des  Euandros  und  daher,  als  die  Sage  von  der  Ein- 
wanderung des  letzteren  in  Latium  und  seiner  Ansiedelung  am 
Palatinischen  Berge  bei  den  Römern  allgemeine  Verbreitung  ge- 
funden hatte,  nach  römischer  Anschauung  der  Mutterstadt  Roms. 
Nachdem  dieselbe  den  grössten  Theii  ihrer  Bewohner  zur  Grün- 
dung von  Megalepolis  hatte  abgeben  müssen  und  in  Folge  dessen 


')  Paii.s.  c.  5t,  1;  v^'I.  Horud.  I,  07  f.,  aus  welcher  Stelle  Paus, 
«chwerlich  mit  Recht  f()If,'ert,  dass  das  Grab  in  alter  Zeit  innerhalb  dos 
Thores  gewesen  sein  iiiiisse,  während  die  Schmiede,  in  deren  Hof  es 
nach  Herodot  gefunden  wurde,  ebensogut  ausserhalb  des  Thores,  im 
Gauo  der  Oaroatae,  gostanden  haben  kann. 

*)  Paus.  c.  53,  11.  Der  Tempel  der  Knakeatis  ist  wahrscheinlich 
zu  verstehen  bei  Xcn.  Hellen.  VI,  5,  9. 

')  Paus.  c.  44,  7  f.;  vgl.  Uoss  lieison  im  l'clop.  8.  59. 


224  II.  Peloponnesos. 

allmälig  zu  einem  unbedeutenden  Dorfe  herabgesunken  war,  wurde 
sie  von  Antoninus  Pius  wieder  zu  einer  Stadt  mit  selbständigem 
Gebiet  erhoben  und  mit  dem  Rechte  der  Abgabenfreiheit  be- 
schenkt. Doch  vermochte  dieser  äusserliche  Glanz,  wie  es  scheint, 
den  Verfall  der  Stadt  nicht  aufzuhalten,  denn  Pausanias  fand  auf 
dem  Rücken  des  von  Westen  her  in  die  Ebene  vortretenden 
Hügels,  welchen  in  älterer  Zeit  die  Akropolis  eingenommen  hatte, 
nur  noch  ein  Heiligthum  der  ''reinen  Götter',  in  welchem  beson- 
ders wichtige  Eidschwüre  geleistet  wurden,  vor,  dessen  Grund- 
mauern noch  jetzt  sichtbar  sind,  und  in  der  unteren  Stadt  — 
welche,  wie  die  fast  nur  aus  Steinhaufen,  Ziegelstücken  und 
Scherben  bestehenden  Trümmer  zeigen,  die  Abhänge  des  Hügels 
und  ein  Stück  der  Ebene  am  nördlichen  und  östliclien  Fusse  des- 
selben einnahm  —  schienen  ihm  nur  ein  Tempel  mit  Statuen 
des  Pallas  und  Euandros,  ein  Heiligthum  der  Kora  und  eine 
Statue  des  Polybios  der  Erwähnung  werth^). 

Nachdem  wir-  so  das  östliche  Arkadien  von  Norden  nach 
Süden  durchwandert  haben,  steigen  wir  auf  einem  schmalen  Passe 
über  den  Rücken  des  Boreion,  wo  man  bis  zum  Jahre  1837  auf 
dem  höchsten  Punkte  des  Wegs  in  einer  natürlichen  Oeffnung 
zwischen  den  Felsen  Säulentrommeln  und  andere  Architektur- 
stücke aus  weissem  Marmor,  sowie  die  Fundamente  von  einem 
der  Sage  nach  von  Odysseus  der  Athene  Soteira  und  dem  Poseidon' 
errichteten  Tempel  vorfand,^)  nach  dem  südlichsten  Theile  des 
mittleren  Arkadiens  hinüber,  dessen  Mittelpunkt  eine  geräumige 
und  fruchtbare,  vom  Alpheios  durchflossene  Ebene  ausmacht, 
dessen  zahlreiche  hauptsächlich  von  Nordosten  und  von  Süden 
her  kommende  Nebenflüsse  ebensoviele  Engthäler  in  den  die 
Ebene  umrahmenden  Gebirgen  bilden.  Dieses  ganze  Gebiet  war 
bis  ins  4.  Jahrhundert  vor  unserer  Zeitrechnung  im  Besitz  ein- 
zelner  Stämme,    die   durchaus   selbständig  und    unabhängig   von 


1)  Paus.  c.  3,  1;  c.  27,  3  u.  7;  c.  43,  1  f.;  c.  44,  5  f.:  vgl.  Xen. 
Hell.  VII,  5,  5;  Plut.  Cleoraen.  4;  Arat.  35;  Dionys.  Hai.  A.  r.  I,  31  s. ;  Liv. 
XLV,  28;  Plin.  N.  h.  IV,  6,  20;  Serv.  ad  Yerg.  Aen.  VIII,  51;  Steph. 
Byz.  u.  IJaXlavTLOv.  über  die  Lage  u.  Reste  der  Stadt  Ross  Reisen  im 
Pelop.  S.  62  f. 

2)  Paus.  c.  44,  4;  vgl.  Leake  Morea  III,  p.  34;  Ross  Reisen  im 
Pelop.  S.  63  f. 


4.  Arkadien:  Tegeatis.  225 

einander,  ohne  einen  politischen  Mittelpunkt,  in  zahlreichen 
kleinen  Ortschaften,  deren  Gründung  zum  Theil  bis  ins  höchste 
Alterthum  zurückreichte,  die  aber  trotz  ihrer  Befestigungen  durch- 
gängig einen  mehr  dörflichen  als  städtischen  Charakter  trugen, 
zerstreut  wohnten,  fast  ausschliesslich  mit  Ackerbau,  Viehzucht 
und  Jagd  beschäftigt,  von  Künsten  nur  die  Gymnastik  eifrig  be- 
treibend;  wem  die  kleinen -und  ärmlichen  Verhältnisse  der  Hei- 
math nicht  genügten ,  der  ging  in  auswärtige  Kriegsdienste,  wobei 
es  wohl  mancher,  wie  der  Mänalier  Phormis  am  Hofe  des  Gelon 
und  Hieron,  zu  hohen  Ehren  und  grossem  Reichthum  brachte. 
In  politischer  Beziehung  herrschte  wahrscheinlich  eine  ähnliche 
Mischung  von  reiner  Demokratie  und  patriarchalischer  Aristo- 
kratie, wie  wir  sie  in  den  schweizerischen  Urkantonen  finden. 
Die  volkreichsten  dieser  Stämme  waren  der  der  Mänalier, 
welcher  die  östliche  Hälfte  der  Ebene  und  das  östlich  und  nord- 
östlich davon  gelegene  Bergland  bis  zum  Mänalos,  der  die  Gränze 
ihres  Gebiets  gegen  Mantineia  bezeichnete,  inne  hatte,  ^)  und 
der  der  Parrhasier,  welcher  den  westlicheren  und  südlichsten 
Theil  der  Ebene,  das  im  Westen  sie  abschliessende  Hochgebirge 
Lykäon  und  das  im  Südwesten  sie  umgebende  niedrigere  und  offenere 
Bergland  besass;^)  zunächst  südlich  von  letzteren  sassen  die 
Aegyten  an  beiden  Abhängen  des  nördlichsten  Theiles  des  Tay- 
geton,  deren  Gebiet  zum  Theil  frühzeitig  von  den  Spartanern 
erobert  worden,  zum  Theil  aber  arkadisch  gebliehen,  beziehendlich 
bei  der  Demüthigung  Sparta's  durch  die  Thebaner  den  Arkadern 
zurückgegeben  worden  war.^)  ^'ördlich  oberhalb  der  Ebene  lagen 
ferner  eine  Anzahl  kleine  Ortschaften  der  Eutresier,  welche 
sich  von  Norden  her  zwischen  die  Mänalier  und  Parrhasier  ein- 


»)  Paus.  c.  27,  3;  vgl.  c.  3,  4;  c.  9,  4;  Thiikyd.  V,  64;  67;  77; 
Steph.  Byz.  u.  MaCvaXoQ. 

«)  Paus.  c.  27,  4;  Thukyd.  V,  33;  Xenoph.  Hellen.  VII,  1,  28;  Strab. 
VIII,  p.  388;  Steph.  Byz.  u.  UaggaOLU.  Münzen  der  Parrhasier:  s.  L.  Müller 
Archäol.  Zeit.  XVI  (1858)  N.  114,  S.  177. 

')  Paus.  e.  27,  4;  c.  34,  5:  an  ersterer  Stelle  wird  unter  den  Ort- 
schaften der  arkadlBchen  ACyvzai,  die  zur  Gründung  von  Megalepolis 
beitragen  mussten,  Leiiktron  genannt,  das  auch  Plut.  Clcoinen.  G  als 
XcoQ^ov  Tr}?  MByaXonoliTi^og  erwähnt  (vgl.  Pelopid.  20),  wiilnend  die8ell)e 
Ortschaft  bei  Thukyd.  V,  ',i  ii.  Xen.  Hell.  VI,  5,  24  als  zu  Lakonien 
gehörig  erscheint. 


226  II.  Peloponnesos. 

j-edrängt  halten;')  westlich  von  den  letzteren  endlich  zogen  sich 
his  zur  Gränze  Tiiphyliens  die  Städte  der  Rynuräer,  in  denen 
wir  mit  Sicherheit  Slammgenossen  der  argivischen  Kynnrier  er- 
kennen können,  hin.^')  Dem  nur  zeitweilig  durch  UehergrilTe 
mächtigerer  Nachharn,  wie  der  Mantineer  (vgl.  ohen  S.  210),  ge- 
störten ländlichen  Stilllehen  dieser  Stämme  wurde  ein  Ende  ge- 
macht durch  die  Gründung  von  Megalepolis^)  in  der  Mitte  der 
Ehene,  am  Einfluss  des  Ilelisson ,  des  hedeutendsten  unter  den 
Nehenflüssen  des  oberen  Alpheios,  in  diesen,  auf  der  Gränze  der 
Gebiete  der  Mänalier  und  Parrhasier,  zu  welcher  sämmtliche 
Ortschaften  der  genannten  Stämme  ihr  Contingent  an  ßewohnern 
stellen  musstcn,  eine  Leistung,  die  für  viele  dieser  Ortschaften 
völlige  Verödung  herbeiführte,  während  andere  noch  im  2.  Jahr- 
hundert n.  Chr.  als  Dorfschaften  (Tca^ai)  von  Megalepolis  eine 
wenn  auch  nur  kümmerliche  Existenz  fristeten. 

Unsere  Wanderung  durch  die  umfängliche,  aber  freilich 
ziemlich  dünn  bevölkerte  Landschaft,'')  welche  seit  Ol.  102,  2 
"llofiS.  das  Gebiet  von  Megalepolis,  die  Megalepolitis  bildete,  beginnen 
wir  am  westlichen  Fusse  des  Boreion ^  von  welchem  sich  in  süd- 
westlicher Richtung  bis  zum  Fusse  des  jetzt  Tzimbaru  genannten 
Berges,  dessen  antiken  Namen  wir  nicht  kennen,  eine  kleine 
Ebene  (jetzt  die  Ebene  von  Frankobrysis  genannt)  hinzieht,  welche 
mit  mehr  Recht  als  das  Engthal  des  tegeatischen  Sarantapotamos 
als  das  Quellgebiet  des  Alpheios  betrachtet  werden  kann  (vgl. 
oben  S.187).  Diese  Ebene  war  im  Alterthum  das  Gebiet  von  Asea, 
einer  Stadt  der  Mänalier,  die  ihre  Gründung  auf  einen  Sohn  des 
Lykaon,  Aseatas,  zurückführte  und  auch  nach  der  Gründung  von 
Megalepolis,  zu  welcher  sie  beigetragen  hatte,  noch  eine  Zeit  lang 
als  selbständige  Stadt,    dann  als  Kome  der   Megalepolitis   fortbe- 


1)  Paus.  c.  27,  3;  vgl.  Xen.  Hellen.  VII,  1,  29;  Hesych.  u.  Evxqt}' 
Lovg;  Steph.  Byz.  n.  Evtqyjols;  Etym.  M.  p.  399,  18. 

2)  Paus.  c.  27,  4. 

3)  Vgl.  oben  S.  193. 

*)  Die  grösste  Länge  der  Megalepolitis  von  Süd  nach  Nord  betragt 
etwas  über  12  Meilen,  die  freilich  an  verschiedenen  Stellen  sehr  ver- 
schiedene Breite  durchschnittlich  etwa  4  Meilen.  Da  die  Gesammtzahl 
der  waffenfähigen  Mannschaft,  mit  Einschluss  der  angesiedelten  Fremden 
und  Sclaven,  im  Jahre  318  v.  Chr.  nur  15,000  Mann  betrug  (Diodor. 
XVIII,  70),  so  wird  man  die  Gesammtzahl  der  Bevölkerung  nicht  höher 
als  auf  60 — 70,000  Seelen  veranschlagen  können. 


4.   Arkadien:  Megalepolitis.  227 

stand,  im  2.  Jahrhundert  nacli  Chr.  aber  bis  auf  einige  Trümmer, 
wie  sie  sich  noch  jetzt  auf  dem  flaclien  Rucken  und  unteren  Ab- 
hängen eines  niedrigen  Hügels  eine  Viertelstunde  südwestlich  von 
der  Hauptquelle  des  Alpheios  (der  Frankobrysis),  an  welcher  im 
Alterthum  ein  Heiligthum  der  Göttermutter  stand,  vorfinden,  ver- 
schwunden war. ')  An  der  von  hier  nach  Megaiepolis  führenden 
Strasse  lag  20  Stadien  westlich  von  Asea  ein  Platz  Athenäon 
(wahrscheinlich  eine  ehemals  bewohnte  Ortschaft  oder  ein  Castell), 
welcher  seinen  Namen  einem  etwas  nördlich  abseits  der  Strasse 
stehenden  Tempel  der  Athene  verdankte,  und  weiter  v estlich 
eine  ähnliche  Oertlichkeit  Aphrodision.^)  Der  nächste  Ort  an 
der  Strasse  war  Hämoniä,  zu  Pausanias  Zeit  eine  wüste  Mark, 
die  nur  noch  den  Namen  einer  alten,  der  Sage  nach  von  Hämon, 
einem  Sohne  des  Lykaon,  gegründeten  Stadt  bewahrt  hatte,  wäh- 
rend von  einer  andern  alten  Stadt,  die  ihre  Gründung  ebenfalls 
auf  einen  Lykaoniden  zurückführte,  dem  südlich  von  der  Strasse, 
wahrscheinlich  am  nordwestlichen  Fusse  des  Tzimbaruberges, 
gelegenen  Oresthasion  (in  kürzerer  Namensform  Orestheion 
oder  auch  Oresteion  genannt)  ausser  anderen  Resten  noch 
einige  Säulen  des  Tempels  der  Artemis  Hiereia  übrig  waren. '^) 
Westlich  von  Hämoniä,  in  unmittelbarer  Nähe  von  Megaiepolis, 
zeugte  noch  der  Name  Ladokeia  von  dem  Vorhandensein  einer 
alten  Stadt.'') 


^)  Paus.  c.  3,  4;  c.  27,  3  (wo  j^aecc  für  AXia  zu  schreiben  ist);  c. 
44,  3;  Strab.  VIII,  p.  343;  Xen.  Hellen.  VI,  5,  11;  VII,  5,  5;  Stepli. 
Byz.  u.  'Aascc;  vgl.  Leake  Morea  I,  p.  83  s.  und  den  Plan  in  den  Annali 
XXXIII,  tav.  d'agg.  F,  3.  Münzen  mit  ACEATSIN  AXAISIN:  Eckhcl 
Doctr.  numm.  II,  p.  232. 

«)  Paus.  c.  44,  2;  Polyb.  II,  40;  IV,  37;  c.  60;  c.  81;  die  Bezeich- 
nung t6  nsgl  tiiv  Bskßivav  ^A^rjvcciov  bei  Plut.  Cleom.  4  scheint  nur  eine 
üngenauigkeit  des  Ausdrucks. 

3)  Paus.  c.  44,  1  f.;  vgl.  c.  3,  2;  Steph.  Byz.  u.  Aifiovicc^  'OQSßd-daiov 
u.  'Opfor/a;  Herod.  IX,  11;  Thukyd.  IV,  134  (wo  die  ganze  Gegend,  bis 
zu  der  Stelle,  auf  welcher  später  Megaiepolis  gegründet  wurde  hin,  als 
OQsa&ig  bezeichnet  wird);  V,  64;  Eurip.  Orest.  1647  (vgl.  Electra  1273  ff.); 
vgl.  über  die  Bedeutung  dos  Orestes  in  diesen  Sagen  meine  Qiine.stione« 
Huboicac  p.  29  s.  Dass  die  alte  Stadt  nicht,  wie  Leako  ( Moroa  II,  p. 
MH  8.)  annimmt,  auf  dem  Gipfel  dos  Tzimharu,  sondern  in  der  Ebene 
l;ig,  scheint  mir  daraus  hervorzugehen,  dass  sie  melirfach  als  an  einer 
grossen  Hecrstrasso  gelogen  erscheint. 

<)  Paus.  c.  44,  1;   Polyb.  II,  öl;  65;   Thiik.  IV,   l.U  (wo  wol.l  .iao- 


228  n.  Peloponnesos. 

Die  übrigen  Ortschaften  der  Mänalier  lagen  sämmtlich  in 
dem  engen  Thale  des  Helisson,  der  bei  einer  Ortschaft  gleichen 
Namens  am  westlichen  Abhang  des  Ostrakinaberges  (bei  dem 
jetzigen  Alonistena)  entspringt,^)  und  in  dessen  nächster  Umgebung 
zerstreut  zwischen  Bergen,  die  von  den  Alten  jedenfalls  noch  zum 
Mänalos  in  weiterem  Sinne  gerechnet  wurden.  Gieng  man  am 
linken  Ufer  des  Flusses  von  der  Ebene  aus  aufwärts,  so  kam 
man  35  Stadien  von  Megalepolis  an  die  Stelle  einer  alten  Ort- 
schaft Paliskios;  20  Stadien  ostwärts  von  da,  über  dem  linken 
Ufer  des  Elaphos,  eines  in  der  Nähe  von  PaUskios  in  den 
Helisson  mündenden  Giessbaches,  lag  Perätheis  mit  einem 
Heiligthum  des  Pan,  der  Hauptgottheit  der  Mänalier.^)  Ein  an- 
derer Weg  führte  von  Paliskios  aus  durch  das  Bett  des  Elaphos 
an  der  Westseite  des  jetzt  Bhezeniko  genannten  Berges  hin  nach 
einer  am  westlichen  Fusse  der  Hauptkette  des  Mänalos  sich  hin- 
ziehenden Ebene,  dem  MaivccXiov  itsdCov  der  Alten;  über  dem 
nördlichen  Ende  derselben  liegt  jetzt  das  Dorf  Plana  mit  einem 
mittelalterlichen  Castell,  unterhalb  dessen  sich  noch  einige  Spuren 
einer  alten  Ortschaft  vorfinden ;  östlich  über  der  Ebene  das  Dorf 
Dabia,  welchem  gegenüber,  auf  dem  rechten  Ufer  des  Helisson, 
sich  ein  einzelner  Felshügel  erhebt,  dessen  flacher  Gipfel  mit 
Resten  polygoner  Mauern  umgeben  ist.  Ob  dies  die  Reste  von 
Mänalos,  der  alten  Hauptstadt  der  Mänalier,  von  welcher  zu 
Pausanias  Zeit  noch  Spuren  eines  Tempels  der  Athene,  ein  Sta- 
dion und  ein  Hippodrom  übrig  waren,  oder  von  Dipäa,  bei 
welcher  Ortschaft  Ol.  77,  4  eine  Schlacht  zwischen  Lakedämo- 
niern  und  Arkadern  geliefert  wurde,  sind,  ist  schwer  zu  ent- 
scheiden; trifTt  die  erstere  Annahme  das  Richtige,  so  werden 
wir  Dipäa  bei  Plana  anzusetzen  haben.  Südöstlich  von  Dabia, 
am  Fusse  des  Gebirges  zwischen  den  Dörfern  Rarteroli  und  Za- 


SoHSicp  für  Aaodiyitco  herzustellen  ist);  die  ebds.  genannte,  sonst  nur  bei 
Plin.  (N.  h.  IV,  6,  20:  Bucolium)  erwähnte  Ortschaft  BovyioXiav  muss 
in  einiger  Entfernung  östlich  oder  nordöstlich  von  Ladokeia  gelegen 
haben. 

^)  Paus.  c.  30,  1;  vgl.  c.  3,  3.  Sollte  nicht  diese  Gegend  die  'EIl- 
6(pccGLcov  xoiQa  des  Polyb.  XI,  11  (vgl.  oben  S.  207,  Anm.  3)  sein,  so  dass 
diese  nur  einen  Bruchtheil  des  Stammes  der  Mänalier  bildeten? 

2)  Paus,  c,  36,  7;  vgl.  c.  3,  4  u.  c.  27,  3  (wo  naXiaHLog  für  'fccGnioc 
herzustellen  ist). 


4.   Arkadien:  Megalepolitis.  229 

rakova,  scheint  Lykoa  mit  einem  Heiligthum  der  Artemis  Lykoatis, 
südlich  von  Karteroli  auf  einem  hohen  Berggipfel,  der  eine  kleine 
jetzt  nach  einem  benachbarten  Dorfe  Paläa-Selimna  genannte 
hellenische  Ruine  trägt,  Sumetia  (oder  Sumation)  gestanden 
zu  haben;  der  südöstlichste  Winkel  der  Ebene  endlich,  aus  wel- 
chem Wege  nach  dem  nördlicheren  und  dem  südlicheren  Theil 
der  Ebene  von  Tripolitza  führen,  scheint  der  von  den  Alten  'der 
Dreiweg'  {TqIoöol)  genannte  Platz  zu  sein,  an  welchem  die  von 
den  Mantineern  nach  ihrer  Stadt  geschafften  Gebeine  des  Arkas 
gefunden  sein  sollten.^) 

Im  südlichsten  Theil  des  mänalischen  Gebietes,  nahe  der 
lakonischen  Gränze,  lag  Eutäa,  dessen  theilweise  verfallene 
Mauer  König  Agesilaos  Ol.  97,  2  bei  einer  vorübergehenden  Be- 
setzung der  Stadt  ausbessern  Hess,  das  aber  seit  der  Gründung 
von  Megalepolis  ganz  verschollen  ist.  2) 

Nordwestlich  vom  Gebiet  der  Mänalier  lag  in  einem  engen 
Thale  zwischen  der  Ostrakina  und  dem  ihr  parallelen  westlicheren 
Bergzuge  (dem  Thaumasion  Oros  der  Alten,  jetzt  Madara  ge- 
nannt), recht  eigentlich  im  Herzen  Arkadiens,  auf  einem  von 
zwei  kleinen,  nach  Norden  zu  fliessenden  Bächen,  die  sich  bald 
zu  einem  vereinigen,  dem  Maloitas  und  Mylaon  umflossenen 
Hügel  die  alte  Stadt  Methydrion,  nach  einer  offenbar  erst  dann, 
als  die  einst  selbständige  Stadt  in  das  Verhältniss  der  Unter- 
thänigkeit  zu  Orchomenos  getreten  war,  enstandenen  Sage  von 
dem  Lykaoniden  Orchomenos  gegründet,  mit  einem  Tempel  des 
Poseidon  Hippios  an  dem  östlicheren  der  beiden  Bäche,  dem 
Mylaon;  auf  dem  Thaumasion  war  in  der  Nähe  des  Gipfels  eine 
der  Rhea  geweihte  Grotte,  in  welche  die  einheimische  Tradition 


^)  Paus.  c.  36,  7  (wo  statt  der  jedenfalls  verderbten  Worte  ticct* 
svd^v  nsvts  (ihv  axaSCoiq  v,ccl  Si-nu  ccTtootsgco  tov  norufiov  vielleicht  zu 
schreiben  ist  ■kcct  svd'v  tibvts  [lev  atccSioLg  y.al  nsvxriv.ovxa  anoaTiQU) 
TOV  TlaliGyiiov)]  vgl.  c.  3,  4;  c.  27,  3;  c.  30,  1;  dcazu  Ross  Reisen  im 
Pelop.  S.  117  ff.;  über  Dipäa  und  die  dort  gelieferte  Schlacht  Herod.  IX, 
35;  Isokrat.  Archid.  99;  Paus.  III,  11,  7;  Steph.  Byz.  u.  dCnuLcc.  Ver- 
schieden von  dem  mänalischen  ist  das  von  Polyb.  XVI,  17  erwähnte 
Lykoa,  das  wohl  mit  dem  von  Steph.  Byz.  u.  Avuaia  aus  Theopomp 
anj^eführten  Lykäa  (bei  Menelaos  Lykätha)  identisch  ist. 

*)  Xen.  Hellen.  VI,  6,  12  u.  21;  Paus.  c.  27,  3;  Steph.  Byz.  u. 
Evxaia. 

ÜURSIAN,    GEOQR.   II.  IG 


230  11.  Peloponnesos. 

die  Täuschung  des  Kronos  durch  seine  Gattin  vermittels  des 
Steines,  den  sie  ihm  statt  des  Zeuskindes  zu  verschhngen  gab, 
versetzte.  Dreissig  Stadien  nordöstlich  von  der  seit  der  Grün- 
dung von  Megalepolis  zu  einem  ärmlichen  Dorfe  herabgesunkenen 
Stadt,  von  der  noch  einige  Reste  der  Ringmauern  und  ein  Paar 
Säulen  zwischen  den  Dörfern  Nemnitza  und  Vytina  erhalten  sind, 
entspringt  die  Quelle  Nymphasia,  von  welcher  der  Punkt,  wo 
die  Gränzen  der  Gebiete  von  Megalepolis,  Orchomenos  und  Kaphyä 
zusammenstiessen ,  wiederum  30  Stadien  entfernt  ist.  ^)  Südlich 
von  Methydrion  an  der  Strasse  nach  Megalepolis  lag  eine  kleine 
Ortschaft  Schoinus,  bei  welcher  man  die  Rennbahn  der  Atalante 
zeigte,  sodann  eine  kleine  Ebene,  die  des  Polos  genannt;  über 
derselben  erhob  sich  das  Phalanthongebirge  (wahrscheinlich  die 
ganze  Gebirgsgruppe  zwischen  den  Ortschaften  Dimitzana  und 
Stemnitza  im  Westen,  Alonistena  und  Plana  im  Osten,  deren  jetzt 
mit  verschiedenen  Namen  bezeichnete  Gipfel  sich  bis  zur  Höhe 
von  1646,  1552  und  1546  Meter  erheben)  mit  den  Resten  einer 
gleichnamigen  Ortschaft;  am  östlichen  Abhang  desselben  am  Flusse 
Helisson  lag  (etwa  in  der  Gegend  des  jetzigen  Oertchens  Arku- 
dorrheuma)  Anemosa,  von  wo  aus  die  Strasse  in  einer  Länge 
von  100  Stadien  über  die  südlichen  Abhänge  des  Phalanthon  und 
in  dem  engen  Thale  eines  jetzt  Langadia  genannten  Nebenflusses, 
des  Alpheios  nach  dem  bereits  am  nördlichen  Rande  der  Ebene 
33  Stadien  nördlich  von  Megalepolis  gelegenen  Trikolonoi 
führte,  einer  alten  Stadt  der  Eutresier,  von  welcher  zu  Pau- 
sanias  Zeit  noch  ein  in  einem  Haine  auf  einem  Hügel  gelegenes 
Heiligthum   des    Poseidon    übrig   war.  2)     Ein  östlich   von   dieser 

1)  Paus.  c.  36,  1  ff.;  Strab.  VIII,  p.  388;  Theopomp,  (richtiger 
Theophrast  nach  Ruhnken)  bei  Porphyr,  de  abstin.  II,  16;  Thukyd.  V, 
58;  Polyb.  IV,  10  f.  u.  13;  Plut.  Oleomen.  4;  Plin.  N.  h.  IV,  6,  21;  Steph. 
Byz.  u.  Msd^vÖQiov;  vgl.  über  die  Ruinen  Leake  Morea  II,  p.  57  s.; 
Pelop.  p.  202  s.;  Ross  Reisen  im  Pelop.  S.  116;  über  die  der  Nymphasia 
entsprechende  Quelle  1  Kilometer  östlich  von  Vytina  Pouillon  -  Boblaye 
Recherches  p.   151. 

2)  Paus.  c.  35,  5  f.  u.  §  9  f.;  vgl.  c.  27,  3;  Steph.  Byz.  u.  Zxoivovg, 
^dXavd-og  u.  TqitioXcovoi.  Ob  das  IIcoXov  nsSiov  nach  dem  Polos  be- 
nannt war,  welcher  nach  Paus.  c.  31,  7  mit  Kallignotos,  Mentas  u.  ^o- 
sigenes  den  Dienst  der  grossen  Göttinnen  in  Megalepolis  eingerichtet 
hatte,  ist  nicht  zu  ermitteln;  der  Deutung  des  Namens  als  Tohlenebene' 
steht  der  Singularis  {nmXov  statt  tcojXcov)  entgegen. 


4.  Arkadien:  MegJiIepolitis.  231 

Strasse  über  den  Rücken  des  die  Thäler  der  Langadia  und  des 
Helisson  scheidenden,  1546  Meter  hohen  Gebirges  Rhenissa  gehen- 
der Saumpfad  führte  nach  einer  Quelle  Krunoi,  von  der  man 
auf  einem  30  Stadien  langen  Wege  nach  dem  25  Stadien  von 
Anemosa  entfernten  Grabe  der  Kallisto  herabstieg,  einem  mit 
Räumen  bewachsenen  künstlichen  Hügel,  auf  dessen  Spitze  ein 
Heiligthum  der  Artemis  Kalliste  (der  arkadischen  Mondgöttin,  die 
dann  als  Kallisto  in  die  Stammsage  des  Landes  verflochten  worden 
ist)  stand.  ^) 

Wie  Trikolonoi  so  lagen  auch  die  übrigen,  nach  der  Grün- 
dung von  Megalepolis  sämmtlich  verfallenen  und  zu  Pausanias 
Zeit  bis  auf  wenige  Spuren  verschwundenen  Ortschaften  der 
Eutresier  theiis  im  nördlichsten  Theile  der  Ebene ,  theils  an  oder 
über  dem  nördlichen  Rande  derselben:  10  Stadien  südlich  von 
Trikolonoi,  an  der  Hauptstrasse  nach  Megalepolis,  Charisiä 
(oder  Charisiä),  15  Stadien  westlich  von  Trikolonoi  Zoitia 
(oder  Zoiteion),  10  Stadien  nördlich  von  letzterem  Paroria. 
Auch  die  beiden  schon  im  Gebirge  gelegenen  Ortschaften  Thyräon 
(15  Stadien  von  Paroria)  und  Hypsus  auf  einem  Rerge  gleichen 
Namens  (wohl  dem  jetzt  Klinitza  genannten,  der  sich  nördlich 
von  dem  Dorfe  Stemnitza  bis  zur  Höhe  von  1548  Meter  erhebt) 
gehörten  wahrscheinlich  noch  zu  dem  alten  Gebiet  der  Eutresier,^) 
das  möglicher  Weise  auch  in  alter  Zeit,  vor  der  Machtentwicke- 
lung von  Orchomenos,  Methydrion  und  seine  beiden  westlichen 
Nachbarstädte,  welche  sein  Schicksal  theilten,  Theisoa  und 
Teuthis,  umfasst  hatte.  Erstere  lag  an  den  Quellen  eines  nörd- 
lichen Nebenflusses  des  Alpheios,  der  in  zwei  Armen  von  dem 
Thaumasion-(Madara-)  Gebirge  und  der  nordwestlich  davon  sich 
erhebenden  nur  wenig  niedrigeren  Korphoxylia^)  herabkommt, 
die  sich  in  einer  kleinen  Hochebene  1  Yj  Stunde  nördlich  von 
dem  Städtchen  Dimitzana  zu  einem  Flusse  vereinigen,  der  von 
den  Alten  in  seinem  oberen  Laufe  Lusios  ('der  Radefluss'  nach 


*)  Paus.  c.  35,  8. 

•)  Paus.  c.  35,  6  ff. ;  vgl.  c.  3,  3  f.  u.  c.  27,  3  [die  nur  an  letzterem 
Orte  genannten  eutresischen  Ortschaften  TJroXtSFQfia  (?)  u.  Kvavaov  (?) 
waren  wohl  schon  zu  Paus.  Zeit  bis  auf  die  letzte  Spur  verschwunden]; 
Steph.  Hyz.  u.  Xagiaiai,   7,oitsiov,  TTorpco^fm,  f>vQaiov  u.  'T^ovg. 

^)  Die  französ.  Karte  giebt  den  Gipfel  dieses  Oebirges  zu  1510  Meter, 
den  der  Mndara  zu  1686  Meter  Höhe  an. 

IG* 


232  II-  Peloponnesos. 

der  Sage,  dass  der  neugeborne  Zeus  darin  gebadet  worden  sei), 
in  seinem  unteren  nach  der  bedeutendsten  Ortschaft,  an  der  er 
vorüberfloss,  Gortynios  genannt  wurde:  also  wahrscheinlich 
in  jener  kleinen,  jetzt  einem  an  ihrem  südwestlichen  Rande  ge- 
legenen Kloster  Karkalii  gehörigen  Ebene,  während  Dimitzana, 
das  zwei  hübsche  in  neuitaliänischem  Styl  erbaute  Kirchen  und 
ein  grosses  Schulgebäude,  worin  die  Ueberreste  einer  einstmals 
bedeutenderen  Bibliothek  (ein  Theil  der  Bücher  ist  während  der 
Revolution  znr  Anfertigung  von  Patronen  verwendet  worden)  und 
die  Gebeine  des  von  hier  gebürtigen  Erzbischofes  Germanos  von 
Patras,  der  am  4.  April  1821  zuerst  die  Fahne  des  Aufstandes 
in  Kalavryta  aufpflanzte,  aufbewahrt  werden,  in  seinem  höchst 
gelegenen  Theile  auch  Reste  polygoner  Mauern  aufzuweisen  hat, 
die  Stelle  von  Teuthis  einnimmt,  wo  Pausanias  das  Cultbild 
einer  am  Schenkel  verwundeten  Athene,  an  welches  sich  eine 
Localsage  anknüpfte,  und  Heiligthümer  der  Aphrodite  und  der 
Artemis  vorfand.^) 

Das  rauhe  Gebirgsland  nördlich  und  nordwestlich  von  den 
Quellen  des  Lusios  nach  den  Gränzen  der  Cantone  Kaphyatis, 
Kleitoria  und  Thelpusäa  hin,  in  welchem  sich  an  mehreren  Stellen 
—  bei  Valteseniko  am  nördlichen  Abhänge  der  Korphoxylia,  nord- 
westlich von  da  bei  Glanitza  und  westlich  bei  Galatäs  in  den\ 
jetzt  nach  einem  zur  Zeit  der  fränkischen  Herrschaft  in  Morea 
bedeutendem  Kastell  Akoväs  genannten  Districte  —  antike  Reste 
finden,  bildete  vielleicht  das  Gebiet  der  aus  den  Orten  Kalliä, 
Dipoina  und  Nonakris  bestehenden  Tripolis,  des  abgelegen- 
sten Di^trictes,  der  zur  Gründung  von  Megalepolis  beigezogen  und 
ihrem  Gebiet  einverleibt  wurde.  2) 


<)  Paus.  c.  27,  4;  c.  28,  2  ff.;  Steph.  Byz.  u.  Ssiaoa  u.  Tsv^tg; 
vgl.  Leake  Morea  II,  p.  59  ss.  (dem  ich  in  der  Ansetzung-  von  Teuthis 
bei  Dimitzana,  wo  Ross  u.  a.  Theisoa  suchen,  beistimme,  da  dieselbe  der 
Darstellung  des  Pausanias  besser  entspricht,  der  offenbar  Theisoa  und 
Teuthis  nur  bei  Gelegenheit  eines  Abstechers  nach  den  Quellen  des 
Gortynios  erwähnt);  Ross  Reisen  im  Pelop.  S.  114  f.  Die  Münzen  mit 
&EI2JOAISIN  AXAISiN  und  AXAISIN  QIZOAIESIN  gehören  wahr- 
scheinlich dieser  Stadt,  nicht  der  gleichnamigen  am  Lykäon;  s.  Curtius 
Pelop.  I,  S.  393,  Anm.  10. 

2)  Paus.  c.  27,  4  u.  7;  Steph.  Byz.  u.  KaXXiai;  vgl.  oben  S.  203, 
Anm.  1:  über  die  hellen.  Ruinen   bei  Galatas  u.  die  fränk.  Veste  Akova 


4.  Arkadien:  Megalepolilis.  233 

Folgt  man  dem  Laufe  des  Lusios  (Gortynios)  südwärts,  so 
gelangt  man  etwas  über  zwei  Stunden  von  Dimitzana  an  einen 
vom  rechten  Ufer  des  Flusses  aus  sehr  steil  aufsteigenden  Hügel, 
dessen  ziemlich  geräumige  Oberfläche  die  ansehnlichen  Reste  von 
Gortys  oder  Gortyna  (auch  Kortys  geschrieben),  einer  alten 
Stadt  der  Kynuräer,  dann  Kome  der  Megalepolitis,  trägt.  Die 
aus  grossen  polygonen  Steinen  gefügte  Ringmauer  zieht  sich  noch 
in  einer  Dicke  von  13  Fuss  mit  ihren  Thürmen  um  die  ganze 
Nordseite  des  Hügels,  in  deren  Mitte  sich  ein  vier  Fuss  weites 
Thor  findet,  herum;  ein  ähnUches  Thor  bemerkt  man  in  einem 
bedeutenden  Mauerstück  an  der  Westseite,  ein  grösseres,  von 
stattlichen  Mauerresten  umgebenes  an  der  Ostseite;  innerhalb  des 
letzteren  ist  der  Felsboden  zu  einer  Fläche  geebnet,  auf  welcher 
noch  die  Fundamente  eines  grossen  Gebäudes  erkennbar  sind. 
Ausserhalb  der  Rihgmauer  am  südwestlichen  Fusse  des  Hügels 
liegen  die  Fundamente  des  aus  pentelischem  Marmor  erbauten, 
einst  von  einem  Haine  umgebenen  Tempels  des  Asklepios,  in 
welchem  dieser  Gott  als  Jüngling  neben  der  Hygieia  von  Skopas 
Hand  gebildet  war.  ^) 

Von  Gortys  erstreckte  sich  das  Gebiet  der  Kynuräer  gegen 
Westen  bis  zur  Gränze  Triphyliens,  die  durch  einen  südlichen 
Ncbenfluss  des  Alpheios,  den  Diagon  (jetzt  Tzemberula),  markirt 
wurde, 2)  gegen  Süden  bis  zu  den  nördlichen  Abhängen  des 
Lykäongebirges  (Diaphorti)  und  seiner  westlichen  Fortsetzung  des 
Kerausion  (jetzt  Paläokastro:  vgl.  oben  S.  184,  Anm.  3).  In  diesem 
durchaus  gebirgigen  Distrikt  lagen  ausser  ein  Paar  Ortschaften, 
die  schon  vor  der  Gründung  von  Megalepolis  verfallen  oder  doch 
nicht  bedeutend  genug  waren,  um  zum  Synoikismos  hinzugezogen 


ö.  Koss  Reisen  im  Pel.  112  ff.,  der  hier  mit  der  französ.  Karte  Teuthis 
ansetzt:  Pausanias  ist  jedenfalls  in  diese  Gegend  gar  nicht  gekommen. 

0  Paus.  c.  27,  4  u.  7;  c.  28,  1;  vgl.  V,  7,  1;  Polyb.  IV,  60  (wo  der 
Ort  zum  Gebiete  von  Thelpusa  gerechnet  wird);  Plin.  N.  h.  IV,  6,  20; 
llesych.  u.  Koqtvvlol;  Cic.  de  nat.  deor.  III,  22,  67;  vgl.  über  die  von 
mir  selbst  genau  untersuchten  Kuinon  auch  Leake  Morea  II,  p.  24  s.  u. 
die  Planskizze  in  der  Expedition  de  More'e  II,  pl.  31  (darnach  bei  Cur- 
tius  Pcl.  I,  Tfl.  V),  auf  welcher  die  Stelle  des  Asklepiostempels  unrichtig 
angegeben  ißt.  Ansicht  dos  Hauptthores  bei  Dodwcll  Views  und  descrip- 
tions  of  Cyclopian  or  Pelasgic  romains  in  Greece  und  Italy  pl.  19. 

*)  Paus.  VI,  21,  4. 


234  H.  Peloponnesos. 

zu  werden,  wie  Maratha  westlich  von  Gortys  an  der  Strasse 
nach  Ileräa  und  Rhäteä  südlich  von  Gortys  am  Einfluss  des 
Gortynios  in  den  Alpheios,*)  drei  Städte,  unter  denen  die  west- 
lichste, Aliphera  (auch  Aliphcira  geschrieben),  von  welcher 
sich  noch  auf  dem  Rücken  und  am  Fusse  eines  ansehnlichen 
Hügels  am  linken  Ufer  eines  südlichen  Seitenbaches  des  Alpheios 
(des  jetzigen  Baches  von  Phanari)  ansehnliche  Ruinen  der  Ring- 
mauer der  Unter-  und  Oberstadt,  sowie  die  Grundmauern  und 
Säulentrümmer  zweier  Tempel  erhalten  haben  (jetzt  das  Kastron 
von  Nerovitza  genannt),  am  längten  eine  gewisse  Bedeutung  be 
wahrte.  Diese  verdankte  sie  theils  ihrer  Lage ,  in  Folge  der  sie 
nach  der  Gründung  von  Megalepolis ,  wozu  sie  die  Mehrzahl  ihrer 
Bewohner  gestellt  hatte,  als  Gränzfestung  desselben  gegen  das 
der  neuen  Gründung  feindliche  Heräa,  sowie  gegen  die  Eleer, 
denen  sie  um  240  v.  Chr.  von  Lydiadas,  dem  Tyrannen  von  Me- 
galepolis, überliefert  und  erst  219  durch  Philipp  V.  von  Make- 
donien wieder  entrissen  wurde,  diente,  theils  einem  berühmten, 
auf  dem  höchsten  (südöstlichen)  Theile  der  Oberstadt  gelegenen 
Heiligthum  der  Athene,  welche  nach  einheimischer  Sage  hier 
geboren  und  erzogen  war,  wofür  man  als  Beweise  einen  Altar 
des  'Wöchners  Zeus'  (Zeus  Lecheatas)  und  eine  Quelle  Tritonis 
(jedenfalls  die  am  nördlichen  Fusse  des  Hügels  hervorsprudelnde^ 
aufzeigte.  Bei  der  zu  Ehren  der  Göttin  gefeierten  Panegyris 
wurde  ein  Voropfer  dem  Heros  Myiagros  (Fliegenfänger)  darge- 
bracht, welcher,  wie  man  glaubte,  die  Bewohner  vor  der  Plage 
der  Fliegen  schützte.  Im  westlicheren  Theile  der  Oberstadt  stand 
ein  Tempel  des  Asklepios,  dessen  Cultus  wahrscheinlich  von  Gortys 
hierher  verpflanzt  worden  war.  2)  Von  den  beiden  anderen  Ky- 
nurischen  Städten  lag  Theisoa,  zum  Unterschied  von  der  an 
den  Quellen  des  Gortynios  gelegenen  gleichnamigen  Stadt  Theisoa 
am  Lykäon  genannt,  am  nördlichen  Fusse  dieses  Gebirges,  wahr- 
scheinlich nordwestlich  von  dem  im   Mittelalter   als  Festung  be- 


1)  Paus.  c.  28,  1  u.  3;  vgl.  Curtius  Pel.  I,  S.  355. 

2)  Paus.  c.  26,  5;  c.  27,  4;  Poljb.  IV,  77  f.;  Liv.  XXVIII,  8;  XXXII, 
5;  Steph.  Byz.  u.  'AlitprjQCc;  über  die  Ruinen  vgl.  Leake  Morea  II,  p. 
72  ff.  (mit  einer  bei  Curtius  Pel.  I,  Tfl.  VII  wiederholten  Planskizze); 
Ross  Reisen  im  Pelop.  S.  102  f.  Den  Myiagros  erwähnt  als  einen  von 
den  Eleern  (denen  ja  Aliphera  eine  Zeit  lang  gehörte)  verehrten  Gott 
Plin.  N.  h.  X,  28,  75. 


4.  Arkadien:  Megalepolitis.  235 

deutenden  Städtchen  Karytäna  auf  dem  Gipfel  und  den  terrassen- 
förmigen Abhängen  eines  Hügels,  der  noch  Mauerreste  mit  Thürmen 
und  Thoren  und  die  Fundamente  eines  dorischen  Tempels  trägt 
(jetzt  Paläokastron  von  Lavda  oder  auch  der  heiligen  Helena  ge- 
nannt); durch  sein  Gebiet,  das  zeitweise  im  Besitz  der  Parrhasier 
gewesen  zu  sein  scheint  (falls  wir  nicht  die  Kynuräer  als  einen 
blossen  Clan  dieses  einstmals  sehr  volkreichen  Stammes  betrach- 
ten dürfen),  floss  eine  ganze  Anzahl  kleiner  Bäche  (Mylaon,  Nus, 
Acheloos,  Kelados  und  Naliphos)  nordwärts  dem  Alpheios  zu. 
Lykäa  (auch  Lykoa  genannt,  wie  die  mänalische  Ortschaft,  s.  oben 
S.  229,  Anm.  1)  endlich,  das  wahrscheinlich  schon  zu  Pausanias 
Zeit  spurlos  verschwunden  war,  scheint  nördlich  oder  nordwest- 
lich von  da  am  Alpheios  gelegen  zu  habenJ) 

Am  Lykäon  berührte  sich  das  Gebiet  der  Kynurier  mit  dem 
der  Parrhasier,  welche  auf  dem  'heiligen  Gipfel'  dieses  Ge- 
birges ihr  altes  Stammheiligthum ,  die  Cultstätte  des  Lykäischen 
Zeus  hatten.  Der  jetzt  Diaphorti  genannte  Hauptstock  dieses  gegen 
Westen  und  Süden  sich  weithin  verzweigenden  Gebirges  erhebt 
sich  nämlich  in  zwei  Kuppen,  von  denen  die  südlichere,  jetzt 
nach  dem  heiligen  Elias,  im  Alterthum  auch  Olympos  benannte, 
obwohl  um  einige  Fuss  niedriger  als  die  nördlichere  (jetzt  to  öte- 
(pccvL  genannt),  wegen  ihrer  freieren  und  dominirenden  Lage  als 
Hauptgipfel  des  Berges  betrachtet  und  daher  schon  in  den  älte- 
sten Zeiten  von  den  Umwohnern  zur  Cultstätte  des  lichten  Him- 
melsgottes auserwählt  ward,  dem  auf  einem  die  Stelle  des  Altars 
vertretenden  einfachen  Erdaufwurf  blutige  Opfer,  nicht  selten 
und  bis  in  späte  Zeit  hinab  auch  Menschen,  geschlachtet  wurden. 
Vor  dem  Altar  gegen  Osten  standen  zwei  Säulen,  welche  ver- 
goldete Adler  trugen,  die  Symbole  des  ohne  Bild  und  Tempel- 
gebäude verehrten  Gottes ,  welchem  noch  in  der  Nähe  der  Opfer- 
stätte ein  Jür  jedes  Menschen  Fuss  unbetretbarer  heiliger  Bezirk 
geweiht  war:  wer  aus  Versehen  oder  aus  Frevelmuth  das  strenge 
Verbot  übertrat,  der  konnte  nach  allgemeinem  Volksglauben  nicht 
länger  als  ein  Jahr  mehr  leben;  auch  behauptete  man,  dass  kein 


1)  Paus.  c.  27,  4  f.;  c.  38,  3  ti.  9;  Polyb.  XVI,  17;  über  die  Ruinen 
bei  Lavda  (t^q  ay(ccq  'FAivriq  x6  Hdargo)  8.  Leake  Morea  II,  p.  18  s.,  mit 
welchem  (p.  316)  ich  darin  die  Eeste  von  TheiHoa  erkenne,  gegen  Curtius 
(Pelop.  I,  8.  3.58  f.),  der  hier  Lykoa,  Theisoa  bei  Andritzena,  dem  jetzi- 
gen Hauptorte  der  Eparcbie  Olympia,  ansetzt. 


236  II.  Peloponnesos. 

lebendes  Wesen  innerhalb  des  Bezirks  einen  Schatten  würfe,  eine 
Behauptung,  deren  Richtigkeit  Jäger,  welche  ein  flüchtiges  Wild 
bis  an  die  Gränze  des  heiligen  Raumes  verfolgt  hatten,  durch 
iügene  Erfahrung  bestätigt  wissen  wollten.  Neben  dem  heiligen 
Bezirk  stand  ein  Haus,  das  wahrscheinlich  als  Wohnung  für  den 
Priester  des  Gottes  bestimmt  war,  zeitweise  aber  auch  Flücht- 
lingen, wie  dem  spartanischen  Könige  Pleistoanax,  als  Zufluchts- 
stätte diente.^)  Nicht  weit  davon,  wahrscheinlich  am  südlichen 
Fusse  des  Gipfels,  zeigte  man  einen  Kretea  genannten  Platz 
als  die  Stätte,  an  welcher  das  Zeuskind  von  den  Nymphen  Thei- 
soa,  Neda  und  Hagno  —  jedenfalls  drei  Queflnymphen:  die  Quelle 
Theisoa  wird  an  der  Nordseite,  die  Neda  an  der  Südwestseite, 
die  Hagno,  in  welche  bei  anhaltender  Dürre  der  Priester  des 
Zeus  unter  bestimmten  Gebeten  und  Opfern  einen  Eichenzweig 
eintauchte,  um  Regen  herbeizuführen,  an  der  Südseite  des  Berges 
zu  suchen  sein  —  genährt  worden  sei.  Oestlich  von  diesem 
Platze  stand  ein  Heiligthum  des  neben  Zeus  als  Stammgott  der 
Parrhasier  verehrten  Apollon,  das  Pythion,  nach  welchem  seit 
der  Gründung  von  Megalepolis  alljährlich  eine  vom  Markte  dieser 
Stadt  ausgehende  Procession  heraufstieg.-) 

Am  nördlichen  Fusse  der  Kuppe  des  h.  Elias  lag  in  einem 
Haine  ein  Tempel  des  Pan,  von  welchem  noch  eine  Anzahl  grosse 


1)  Paus.  c.  38,  2  u.  6  f. ;  Eratosth.  Catast.  1  =  Hygin.  Astron.  II,  1 ; 
Thukyd.  V,  16;  Polyb.  IV,  33;  Strab.  VIII,  p.  388;  vgl.  Ross  Reisen 
im  Pel.  S.  92  f.;  für  die  Menschenopfer  s.  (Plat.)  Minos  p.  315*=;  Theo- 
phrast.  bei  Porphyr,  de  abstin.  II,  27.  Der  Verlust  des  Schattens  be- 
deutet offenbar,  dass  das  Wesen,  zu  dem  er  gehört,  dem  Gotte  verfallen 
ist.  Nach  Plutarch.  Q.  gr.  39  wurden  diejenigen,  welche  den  heiligen  Be- 
zirk absichtlich  betreten  hatten,  gesteinigt,  die  es  aus  Versehen  gethan 
hatten,  nach  Eleutherä  verwiesen. 

2)  Paus.  c.  38,  2  ff.  u.  8;  C.  I.  gr.  n.  1534,  wo  das  Heiligtum  x6 
Ilvtvov  heisst:  ob  die  ebds.  erwähnte  'lyietSLCc  das  als  Asyl  benutzte 
Haus  am  Temenos  des  Zeus,  wie  Curtius  (Pel.  I,  S.  339,  Anm.  15)  ver- 
muthet,  oder  die  Quelle  Hagno,  bei  welcher  um  Regen  gefleht  wurde,  oder 
eine  andere  Oertlichkeit  bezeichne,  vermag  ich  nicht  zu  entscheiden. 
Curtius  Annahme  (Pel.  I,  S.  300),  dass  die  drei  Quellen  sämmtlich  auf 
dem  Platze  Kretea  entspringen,  halte  ich  für  durchaus  falsch;  ebenso 
muss  ich  seine  Bezeichnung  des  südlich  unterhalb  des  Gipfels  gelegenen 
Dorfes  Karyäs  als  'das  an Nussbäumen  reiche'  (ebds.)  für  irrig  erklärerrf 
da  ich  in  dem  ganzen  Orte  keinen  Nussbaum,  sondern  nur  Eichen  be- 
merkt habe. 


4.  Arkadien:  Megalepolitis.  237 

Werkstücke  aus  weisslichem  marmorähnlichen  Kalkstein  (jetzt  ro 
'ElXrjvLXÖ  genannt)  erhalten  sind;  in  der  Hochebene,  welche 
sich  von  da  nordwärts  nach  dem  Stephanigipfel  hinzieht,  befan- 
den sich  die  Anlagen  für  die  gymnischen  und  hippischen  Agonen 
des  Festes  der  Lykäa:  ein  Stadion  und  ein  Hippodrom,  von 
welchem  letzteren  noch  eine  beträchtliche  Anzahl  von  Sitzstufen 
am  oberen  Ende  und  den  diesem  zunächst  liegenden  Theilen  der 
Langseiten,  sowie  am  unteren  Ende  die  Reste  eines  grossen 
Wasserbehälters  erhalten  sind;  ein  Fragment  einer  dorischen 
Säule,  das  ich  hier  fand,  gehört  wahrscheinlich  dem  Pans- 
tempel  an.*) 

Die  älteste  der  parrhasischen  Ortschaften,  ja  nach  der  Tra- 
dition sogar  die  älteste  aller  griechischen  Städte  des  Festlandes 
wie  der  Inseln,. die  zuerst  von  der  Sonne  geschaut  worden  war, 
Lykosura,  lag  am  südlichen  Fusse  des  Lykäon  auf  einem  gegen 
Westen  schroff  abfallenden  Hügel,  an  dessen  nördlichem  Fusse 
vorüber  ein  von  Westen,  von  den  "INomiagebirgen  (vgl.  oben 
S.  184)  herabkommender -Bach,  der  Plataniston^)  (jetzt  Gastritzi 
genannt)  in  nordöstlicher  Richtung  dem  Alpheios  zufliesst.  Die 
aus  fast  regelmässig  viereckten,  aber  an  der  Vorderseite  nicht 
geglätteten  Steinen  erbaute  Ringmauer  folgte  genau  dem  meist 
durch  zackige  Felsen  gebildeten  Rande  der  oberen  Fläche  des 
Hügels  ausser  an  einigen  Stellen,  wo  die  ganz  schroff  aufsteigen- 
den Felszacken  selbst  die  Stelle  einer  Mauer  vertraten  und  also 
eine  künstliche  Befestigung  überflüssig  machten;  innerhalb  der- 
selben steht  eine  verfallene  Kapelle  des  h.  Georg,  in  welcher  sich 
verschiedene  antike  Reste,  darunter  der  Stumpf  einer  dorischen 
Säule  und  ein  Anthemion  vorfinden,  die  offenbar  ebenso  wie  dib 
aus  ganz  regelmässigen  Steinen  gefügten  Mauern ,  von  denen  man 


*)  Paus.  c.  38,  5;  vgl.  Ross  Reisen  im  Pel.  S.  91  f.;  Beuld  Etudes 
sur  le  P(^loponn^se  p.  126  ss.  u.  den  Plan  des  Hippodroms  in  der  Ex- 
pedition de  Morde  II,  pl.  33  s.  (darnach  Curtius  Pel.  I,  Tfl.  VI).  Der 
Agon  der  Avuaia,  für  dessen  hohes  Alter  die  von  Plin.  N.  h.  VII,  56, 
205  erwähnte  Tradition,  dass  Lykaon  Mudos  gymnicos'  begründet  habe, 
spricht  (vgl.  Paus.  c.  2,  1  u,  Murm.  Par.  Ep.  17,  Z.  31)  wird  erwähnt  von 
Pind.  Ol.  IX,  95  es.;  XIII,  107  s.;  Nem.  X,  48  (vgl.  die  Scholien  zu  die- 
sen Stellen);  Simonid.  Epigr.  155,  8  (Bergk);  Plut.  Caes.  61;  C.  I.  gr.  n. 
1515  u.  auf  Münzen  von  Megalepolis  (s.  Bullettino  1868,  p.  190  s.) ;  vgl. 
Xonoph,  Anab.  I,  2,  10. 

«)  Paus.  c.  39,  1. 


238  II-  Peloponnesos. 

auf  den  niedereren  Terrassen  des  Hügels  Reste  bemerkt,  einer 
spätem  Periode  der  wider  ihren  Willen  zur  Theilnahme  am  Sy- 
noikismos  von  Megalepolis  gezwungenen,  aber  noch  zu  Pausanias 
Zeit  wenn  auch  nur  dünn  bewohnten  Stadt  angehören.  ^)  Ost- 
wärts von  diesem  Hügel  erstreckt  sich  ein  niederer  Rücken, 
welcher  ihn  mit  einem  andern  Hügel,  auf  welchem  eine  ver- 
fallene Kapelle  des  h.  Elias  steht,  verbindet:  hier  findet  man 
zunächst  dem  Rurghügel  ausser  einer  grossen  Cisterne  die 
Grundmauern  eines  ausgedehnten  Gebäudes,  dann  weiter  öst- 
lich in  einer  verfallenen  Capelle  Säulenreste  und  sonstige  Bau- 
irümmer,  die  sich  auch  am  nördlichen  Abhänge  des  Rückens  und 
in  den  Feldern  nordwärts  davon  in  grösserer  Zahl  zerstreut  vor- 
finden. In  der  Eliascapelle  konnte  ich  ausser  drei  uncanelirten 
Säulenschäften  nichts  Antikes  entdecken.  Diese  unscheinbaren 
Trümmer  bezeichnen  die  Stätte  eines  der  ehrwürdigsten  arka- 
dischen Heiligthümer,  des  der  Despoina,  d.  h.  der  als  Herrin 
der  Unterirdischen  in  Verbindung  mit  ihrer  Mutter  Demeter  und 
andern  Gottheiten  der  Fruchtbarkeit  der  Erde,  dem  Hermes 
Akakesios  und  dem  Pan,  verehrten  Kora.  Der  heilige  Bezirk, 
welcher  ohne  Zweifel  den  ganzen  Rücken  östlich  unterhalb  des 
Hügels  von  Lykosura  einnahm,  war  von  Mauern  umgeben;  vor^ 
dem  Eingaug,  d.  h.  am  östlichen  Ende  des  Rückens,  stand  ein 
Tempel  der  Artemis,  die  hier  als  'Hegemone',  d.  i.  Führerin 
(ins  Reich  der  Schatten)  verehrt  wurde  und  der  Hekate  ähnlich 
mit  Fackeln  dargestellt  war.  Beim  Eintritt  in  den  Peribolos 
hatte  man  zur  Rechten  eine  Halle,  auf  deren  Wand  Reliefs  und 
Inschriften  angebracht  waren.  In  der  Cella  des  Tempels,  vor 
dessen  Eingang  drei  Altäre  (der  Demeter,  der  Despoina  und  der 
grossen  Mutter  der  Götter)  standen,  befand  sich  das  von  dem 
Messenier  Damophon,    wahrscheinlich  bald  nach  der  Gründung 


*)  Paus.  c.  2,  1;  c.  4,  5;  c.  10,  10;  c.  27,  4  ss.;  c.  38,  1;  Steph. 
Byz.  u.  AvuoaovQcc;  cc  686g  a  inl  Avkoüovqccv  C.  I.  gr.  n.  1534.  Vgl. 
über  die  jetzt  Paläokastron  von  Stala  (nach  einem  westlich  von  dem 
Hügel  gelegenen  Dorfe)  oder  Paläokrambavo  (nach  dem  Dorfe  Krambavo 
eine  Stunde  nördlich  von  dem  Hügel)  genannten  Ruinen  Ross  Reisen  im 
Pel.  S.  85  ff.  u.  den  Plan  in  der  Expe'dition  de  More'e  II,  pl.  35,  n.  2 
(wiederholt  bei  Curtius  Pel.  I,  Tfl.  IV)  nebst  der  Ansicht  bei  Dodwell 
Views  and  descriptions  of  Cyclopian  or  Pelasgic  remains  pl.  1;  auch 
meine  Bemerkungen  in  den  Jahrb.  f.  Philol.  Bd.  73,  S.  428  f. 


4.  Arkadien:  Megalepolitis.  239 

von  Megalepolis,  aus  einem  angeblich  innerhalb  des  Peribolos 
ausgegrabenen  Steinblock  (Granitfündling?)  gearbeitete  Doppel- 
sitzbild  der  beiden  Göttinnen:  links  (vom  Beschauer)  sass  Demeter, 
eine  Fackel  in  der  Rechten,  die  Linke  um  den  Nacken  der 
Tochter  gelegt,  die  mit  der  Rechten  die  auf  ihrem  Schosse 
stehende  mystische  Kiste ,  mit  der  Linken  ein  Scepter  hielt.  Zu 
beiden  Seiten  des  Doppelbildes  standen  noch  Einzelstatuen:  neben 
Demeter  Artemis  mit  Hirschhaut  und  Köcher,  in  der  einen  Hand 
eine  Fackel,  in  der  anderen  zwei  Schlangen  haltend,  einen  Jagd- 
hund neben  sich;  zur  Seite  der  Despoina  Anytos,  nach  der  Local- 
tradition  ein  Titane,  von  dem  die  Despoina  erzogen  worden  war. 
Als  weitere  Nebenwerke  waren  unter  dem  Sitz  der  Göttinnen  die 
Kureten,  am  Fussgestell  die  Korybanten  dargestellt.  In  die  Wand 
zur  Linken  des  Eingangs  war  ein  Spiegel  eingefugt,  in  welchem 
der  Beschauer  die  Bilder  der  Göttinnen  deutlich,  sich  selbst  gar 
nicht  oder  nur  sehr  undeutlich  sah.  Etwas  höher  als  der  Tempel 
stand  zur  Rechten  des  durch  den  Peribolos  führenden  Weges  das 
sogenannte  Megaron,  ein  zu  Opfern  und  Weihungen  bestimmtes 
Gebäude,  dem  w^ohl  die  oben  erwähnten  Grundmauern  am  öst- 
lichen Fusse  des  Burghügels  angehören;  oberhalb  desselben,  also 
am  Ostabhange  dieses  Hügels,  zog  sich  ein  von  einem  Steingehege 
umschlossener  Hain  hin,  über  welchem  Altäre  des  Poseidon  Hip- 
pios  (der  hier  als  Vater  der  Despoina  verehrt  wurde)  und  anderer 
Götter  standen.  Auf  einer  noch  höheren  Terrasse,  zu  welcher 
man  auf  einer  Treppe  emporstieg,  war  eine  ganze  Gruppe  von 
Heiligthümern ,  die  offenbar  alle  von  sehr  geringem  Umfang  waren, 
vereinigt:  eine  Capelle  des  Pan,  zu  welcher  eine  Halle  den  Zu- 
gang bildete,  ein  Altar  des  Ares,  ein  Tempel  der  Aphrodite  mit 
zwei  Bildern  der  Göttin ,  einem  hölzernen  und  einem  marmornen, 
ein  Schnitzbild  des  Apollon  und  ein  Heiligthum  der  Athene  mit 
einem  gleichfalls  hölzernen  Bilde. 

Auf  dem  Gipfel  des  östlicheren  Hügels,  der  jetzt  die  Elias- 
kapelle trägt,  stand  eine  Statue  des  Hermes  Akakesios  (welchen 
Beinamen  die  Legende  von  einem  Lykaoniden  Akakos  herleitete, 
der  den  Knaben  Hermes  hier  aufgezogen  habe),  wie  auch  der 
Hügel  selbst  'AxaKrjoLog  ^6g)og  und  eine  an  seinem  östlichen 
Fusse,  vier  Stadien  vom  Heiligthum  der  Despoina  gelegene  Ort- 
schaft Akakesion  genannt  wurden.  Sieben  Stadien  östlich  von 
da  an  der  Strasse  nach  Megalepolis,  also  in  der  Gegend  des  jetzi- 


240  n.  Peloponnesos. 

gen  Dorfes  Deli-IIassan,  lag  Daseä,  in  gleicher  Entfernung  öst- 
lich von  da,  zwei  Stadien  vom  linken  Ufer  des  Alpheios,  Ma- 
kareä,  beide  zu  Tansanias  Zeit  in  Trümmern.^) 

Ueberschreitet  man  von  hier  den  Alpheios  und  folgt  dem 
rechten  Ufer  desselben,  so  gelangt  man  nach  einer  halben 
Stunde  zu  dem  wenige  Minuten  nördlich  von  der  Einmündung 
des  Helisson  in  den  Alpheios  auf  einer  Anhöhe  gelegenen  Dorfe 
Bromosella,  wo  ich  an  der  Kirche  einige  Stücke  von  uncanelir- 
ten  Säulen,  eine  ionische  Basis  und  sonstige  antike  Baureste  fand : 
das  Dorf  nimmt  jedenfalls  die  Stelle  des  schon  zu  Pausanias  Zeit 
verödeten  Thoknia  ein,  der  etwas  weiter  östlich  von  Nordosten 
her  in  den  Helisson  mündende  Bach  ist  der  A mini  es  der  Al- 
ten. Ungefähr  drei  Viertelstunden  flussabwärts  lag  nahe  dem 
linken  Ufer  des  Alpheios  Basilis,  der  Sage  nach  eine  Grün- 
dung des  Kypselos,  des  Königs  der  Arkader  zur  Zeit  der  dori- 
schen Wanderung,  in  dessen  Trümmern  (von  denen  noch  jetzt 
einige  Ueberreste  östlich  von  dem  Dorfe  Kyparissia  in  den  Wein- 
bergen zerstreut  sind)  Pausanias  ein  Heihgthum  der  Demeter 
Eleusinia  fand.^)  Etwas  weiter  nördUch  zwischen  den  Dörfern 
Kyparissia  und  Mavria  zieht  sich  eine  tiefe  Schlucht  von  den 
östlichen  Abhängen  des  Diaphorti  nach  dem  Alpheios  hin,  das 
Bathos  der  Alten,  in  welches  die  arkadische  Sage  den  Kampf 
der  Götter  und  Giganten  versetzte,  offenbar  in  Erinnerung  vul- 
kanischer Erscheinungen,  die  hier  in  alten  Zeiten  beobachtet 
worden  waren,  wie  noch  am  Anfang  unseres  Jahrhunderts  hier 
ein  mit  starkem  Schwefelgeruch  verbundener  Erdbrand  stattge- 
funden hat;  ebendamit  hieng  offenbar  eine  (jetzt  wie  es  scheint 
verschwundene)  ein  Jahr  um  das  andere  versiegende  Quelle 
Olymp ias  zusammen,  in  deren  Nähe  Pausanias  Feuer  aus  dem 
Boden  aufsteigen  sah.  Nördlich  von  der  Schlucht,  in  welcher 
alle  zwei  Jahre  ein  Fest  der  "^grossen  Göttinnen'  gefeiert  wurde, 
erstreckt  sich  vom  Lykäon  nach  dem  Alpheios  hin  eine  tafel- 
förmige Hochfläche,  die  Trapezuntia,  der  Schauplatz  der  Ly- 
kaonsage,  das  Gebiet  der  Stadt  Trapezus,   die  sich,  auf  ihren 


1)  Paus.  c.  36j  9  f.  u.  c.  37  (vgl.  c.  3,  3  u.  c.  27,  4) ;  Steph.  Byz.  u. 
^AytayiTjatov,  JaaEcit  u.  Mwnugsai,;  schol.  Iliad.  11,  185;  vgl.  Ross  a.a.O. 

^)  In  diesem  Heiligthum  fanden  in  älteren  Zeiten  Schönheitswett- 
kämpfe  der  Frauen  nach  einer  Stiftung  des  Kypselos  statt:  Nikias  bei 
Athen.  XIII,  p.  609  ^ 


4.  Arkadien:  Megalepolitis.  241 

mythischen  Ruhm  pochend,  am  entschiedensten  der  Gründung 
von  Megalepolis  widersetzte ;  in  Folge  dieses  Widerstandes  wurde 
ein  Theil  der  Bewohner  durch  die  centralistische  Partei  getödtet, 
die  übrigen  wanderten  nach  Trapezus  am  schwarzen  Meere,  das 
als  eine  Tochterstadt  der  altarkadischen  Stadt  galt,  aus,  so  dass 
Pausanias  nur  noch  Trümmer  von  der  letzteren  vorfand;  ebenso 
von  Brenthe,  einer  an  der  Ouelle  des  Brentheates,  eines  öst- 
lichen Seitenbaches  des  Alpheios,  der  nach  nur  fünf  Stadien 
langem  Laufe  in  diesen  mündet,  etwa  20  Minuten  östlich  von 
dem  Städtchen  Karytäna  (dessen  mittelalterliche  Festung  zu  einem 
beträchtlichen  Theile  aus  antiken  Werkstücken  erbaut  ist)  ge- 
legenen Ortschaft.  Etwas  weiter  östlich,  an  der  Strasse  von 
Gortys  nach  Megalepolis,  stand  ein  Grabmal  der  in  einer  Schlacht 
gegen  König  Kleomenes  III.  von  Sparta  gefallenen  Arkader,  wel- 
ches zur  Erinnerung  an  die  Verletzung  der  Waffenruhe  durch 
Kleomenes  Paräbasion  (die  Stätte  der  Uebertretung)  genannt 
wurde. ') 

Das  Bergland  südlich  über  der  Ebene,  in  welchem  die  Wur- 
zeln des  mächtigsten  aller  peloponnesischen  Gebirge,  des  Tay- 
geton,  liegen,  gehörte  dem  Stamme  der  Aegyten,  der  aber  früh- 
zeitig, nachdem  ein  Theil  seines  Gebietes  von  den  Spartanern 
erobert  worden  war,  seine  selbständige  politische  Existenz  ein- 
gebüsst  zu  haben  und  als  ein  Theil  des  parrhasischen  Stammes 
betrachtet  worden  zu  sein  scheint.  2)  Durch  diesen  Landstrich, 
aus  welchem  eine  Anzahl  wasserreicher  Bäche  dem  Alpheios  zu- 
fliessen,  führten  im  Alterthuni  drei  Strassen,  unter  denen  die  von 


*)  Paus.  c.  28,  7  u.  c.  29;  vgl.  c.  3,  3;  c.  5,  4  u,  c.  27,  4  fF.:  die 
beiden  an  der  letzteren  Stelle  genannten  parrhasischen  Gemeinden 
'AyiovTLOv  (vgl.  Steph.  u.  d.  W.)  u.  Tlgoattg  (vielleicht  IJQOGVfivcCj  vgl.  C.  I. 
gr.  n.  1535)  lassen  sich  ebensowenig  nachweisen  als  die  Stadt  Parrhasia, 
die  trotz  der  von  Steph.  Byz.  u,  TLccQQCiaCa  citirten  Autoritäten  wohl  nur 
einem  Missverstandniss  von  II.  B,  608  ihre  Existenz  verdankt.  Trapezus 
erwähnen  auch  Herod.  VI,  127  u.  Steph.  Byz.  u.  T^ajrf^ovg;  ©ayivCa 
(oder  f>(6y.vsLa),  BdaiXig  u.  Bgsv&'r}  Steph.  Byz.  u.  d.  W.  lieber  die  Oert- 
lichkeiten  vgl.  Leake  Morea  II,  p.  292  s.;  Ross  Reisen  im  Pol.  S.  89  f. 

')  Dies  ist  daraus  zu  schliessen,  dass  Thuk.  V,  33  das  von  den 
Mantineern  in  Kypsela  nahe  der  lakonischen  Skiritis  (also  im  östlicheren 
Theilo  der  arkadischen  Aegytis)  erbaute,  von  den  Lakedämoniern  im 
•Jahre  421  v.  Chr.  zerstörte  Castell  als  iv  xfj  nuQQuaLiiij  ■KSi'iisvov  he- 
/-e  lehnet. 


242  II.  Peloponnesos. 

Megalepolis  nach  Messene,  jedenfalls  die  bedeutendste,  ohne 
Zweifel  ebenso  wie  die  jetzige  freilich  nur  für  Saumthiere  gang- 
bare Strasse  aus  der  Ebene  von  Megalepolis  nach  der  nördlichen 
messenischen  Ebene  über  den  sogenannten  Makriplagi-Pass  gieng, 
d.  h.  über  den  massig  hohen  Gebirgsrücken,  welcher  den  Tetrasi 
mit  dem  südwestlich  von  dem  Städtchen  Leondari  bis  zur  Höhe 
von  1297  Meter  sich  erhebenden  Hellenitza  verbindet.  Die 
Strasse  überschritt  den  Alpheios  etwa  zwischen  den  jetzigen 
Dörfern  Agias-bei  und  Dede-bei  in  der  Nähe  der  Einmündung 
des  Gatheatas,  welcher  vorher  einen  Seitenfluss,  den  Kar- 
nion,  aufgenommen  hat:  der  letztere  ist  ohne  Zweifel  der  jetzige 
Xerilopotamos ,  der  an  den  nördlichsten  Abhängen  des  Taygeton 
entspringt  (im  Alterthum  stand  oberhalb  seiner  Quellen  ein  Hei- 
ligthum  des  Apollon  Kereatas)  und  in  einem  engen  aber  langen 
Thale  am  östlichen  Fusse  des  Hellenitza  und  westhch  von  Leon- 
dari vorüber  der  Ebene  zufliesst,  der  Gatheatas  der  weit 
kürzere  westlichere  Nebenfluss  desselben,  der  an  der  Westseite 
des  Hellenitza  in  der  Nähe  des  Dorfes  Ryrades  (wo  also  die  alle 
Ortschaft  Gatheä  zu  suchen  ist)  entspringt.  Ungefähr  40  Sta- 
dien vom  Alpheios  lag  an  der  Strasse  Kromoi  (auch  Kromnos 
oder  Kromna  genannt),  zu  dessen  Gebiet,  der  Kromitis,  auch 
Gatheä,  also  wohl  überhaupt  der  ganze  District  westlich  vom 
Hellenitza  gehörte,  zu  Pausanias  Zeit  in  Ruinen,  von  denen  noch 
einige  Ueberreste  bei  dem  Dörfchen  Panagiti  zur  Linken  der 
Strasse  sich  erhalten  haben;  20  Stadien  weiter,  an  den  quellen- 
reichen, noch  jetzt  wohl  bewaldeten  Höhen  des  Makriplagi,  war 
ein  wohlbewässerter,  mit  Bäumen  bestandener  Platz  Nymphas, 
offenbar  nach  einem  Heiligthum  der  Nymphen  benannt;  nach  wei- 
teren 20  Stadien  bezeichnete  eine  kleine  Capelle  des  Hermes 
(Hermäon)  mit  einem  Reliefbilde  des  Gottes  die  Gränze  der  Me- 
galepolitis  gegen  Messenien.^) 

Die  zweite  durch  die  Aegytis  führende  Strasse,  die  von  Me- 
galepolis nach  dem  Messenischen  Karnasion  (vgl.  oben  S.  164) 
—  wohl   nur   ein  hauptsächlich   für   die  gewiss  sehr  zahlreichen 


')  Paus.  c.  34,  5  f.,  vgl.  c.  3,  4  u.  c.  27,  4;  Steph.  Byz.  u.  Fa^Balj 
Kgmiiva  n.  NvfKpocg]  6  Kgmiivog  Xen.  Hell.  VII,  4,  20  ss.;  ^  KQ(o(ivog 
Kallisthenes  bei  Athen.  X,  p.  452 »  u.  ''.  Die  Ruinen  bei  Panagiti  er- 
wähnt Vischer  Erinnerungen  S.  414. 


4.  Arkadien:  Megalepolitis.  243 

Wallfahrer  nach  diesem  Heiligtum  bestimmter  Saumpfad  —  über- 
schritt den  Alpheios  etwas  weiter  nordwestlich,  etwa  in  der  Ge- 
gend von  Choremi  nahe  der  Einmündung  des  Flusses  Malus, 
der  vorher  einen  Seitenbach,  den  Skyros,  aufgenommen  hat, 
gieng  30  Stadien  weit  auf  dem  Unken  Ufer  des  Malus  hin,  dann 
über  denselben  und  ziemlich  steil  aufwärts  nach  einem  Phädrias 
genannten  Platze  (etwa  oberhalb  des  jetzigen  Neochori),  von  wel- 
chem die  wiederum  durch  ein  Hermäon  mit  Statuen  der  Despoina 
und  Demeter,  des  Hermes  und  Herakles  bezeichnete  messenische 
Gränze  nur  15  Stadien  entfernt  warJ) 

Die  dritte  Strasse,  die  von  Megalepolis  nach  Lakonien,  führte 
30  Stadien  südlich  von  der  Stadt  über  den  Alpheios,  dann  nahe 
dem  linken  Ufer  des  Theius,  eines  südlichen  Nebenflusses  des- 
selben (jetzt  Kutupharina),  aufwärts  nach  der  40  Stadien  vom 
Alpheios  gelegenen  Ortschaft  Phaläsiä,  von  welcher  das  als 
Gränzmal  gegen  Lakonien  dienende  Hermäon  bei  Belemina  (vgl. 
oben  S.  113)  20  Stadien  entfernt  war.  2)  In  derselben  Ge- 
gend wird  auch  Kypsela,  wo  die  Mantineer  eine  im  Jahr  421 
wieder  zerstörte  Gränzfestung  gegen  die  lakedämonische  Skiritis 
anlegten,^)  und  vielleicht  auch  die  Ortschaft  Skirtonion  zu 
suchen  sein.*)  Leuktron  oder  Leuktra,  eine  befestigte  Ort- 
schaft, welche  bis  zur  Demüthigung  Sparta's  durch  Epameinondas 
im  Besitze  der  Spartaner  gewesen,  dann  aber  zur  Gründung  von 
Megalepolis  und  zu  dessen  Gebiet  gezogen  worden  war,  scheint 
im  sudwestlichen  Theile  der  Aegytis  gelegen  zu  haben ;  ganz  un- 
sicher ist  die  Lage  von  Blenina.^) 


*}  Paus.  c.  35,  1  f.  Am  Flusse  Malus  lag  wahrscheinlich  die  von 
Paus.  c.  27,  4  erwähnte  Ortschaft  des  Aegyten  MaXaia  oder  MalCa 
(vgl.  Xen.  Hell.  VI,  5,  24),  deren  Namen  Curtius  Pel.  I,  S.  336  auch  bei 
Xen.  Hell.  VH,  1,  28  u.  29  für  Mrjdiag  der  Codd.  herstellen  will. 

*)  Paus.  c.  35,  3;  Steph.  Byz.  u.  ^akaiciai. 

»)  Thuk.  V,  33,  vgl.  oben  S.  241,  Anm.  2.  Das  von  Curtius  Pel.  I, 
S.  290  hier  angesetzte  Castell  Athenäon  halte  ich  für  identisch  mit  dem 
bei  Asea  gelegenen;  s.  oben  S.  227,  Anm.  2. 

*)  Paus.  c.  27,  4;  Steph.  Byz.  u.  £-Ki.Qtc6viov:  der  Name  scheint  mir 
mit  dem  der  Skiritis  zusammenzuhängen. 

'•>)  Paus.  c.  27,  4;  Thuk.  V,  64;  Xen.  Hell.  VI,  5,  24;  Plut.  Oleomen. 
6;  Pelop.  20.  Die  Ansetzung  von  Leuktron  bei  Leondari  (wo  weder 
Leake  Morea  II,  p.  44  noch  Vischer  Erinnerungen  S.  404  antikes  Mauer- 
werk finden  konnten;   Leake   fand  solches  bei  Samara,   •/,  Stunde  west- 


244  II.  Peloponnesos. 

Nachdem  wir  so  das  ganze  Gebiet  von  Megalepolis  durch- 
wandert haben,  müssen  wir  noch  einen  Blick  auf  diese  Stadt 
selbst  werfen,  die  wenigstens  durch  ihren  Umfang  (50  Stadien) 
den  stolzen  Namen  der  *  grossen  Stadt',  den  man  ihr  bei  der 
Gründung  im  Jahre  371  v.  Chr.  beigelegt  hatte,  rechtfertigte. 
Aehnlich  wie  Mantineia  verdankte  sie  ihre  Sicherheit  nicht  der 
natürlichen  Beschaffenheit  des  zu  ihrer  Anlage  erwählten  Ter- 
rains —  eines  muldenförmigen  Thalbeckens  zu  beiden  Seiten  des 
Helisson,  20  Stadien  östlich  von  der  Einmündung  desselben  in 
den  Alpheios,  auf  dessen  niedrigen  Bändern  die  jetzt  fast  spur- 
los verschwundene  Bingmauer  hinlief  —  sondern  der  Stärke  und 
Festigkeit  ihrer  Mauern,  die,  obgleich  wahrscheinlich  mit  Aus- 
nahme der  Fundamente  nur  aus  Lehmziegeln  mit  eingezogenen 
Holzbalken  hergestellt,  doch  nach  allen  Begeln  der  entwickelten 
griechischen  Befestigungskunst,  wie  wir  sie  noch  an  den  Mauern 
Messene's  erkennen,  erbaut  und  mit  zahlreichen  hohen  Thürmen 
versehen  waren. ^)  Die  Stadt  leistete  auch  sowohl  einer  Belage-^ 
rung  durch  König  Agis  III.  von  Sparta  im  Jahre  330  als  einer 
zweiten  durch  Polysperchon  im  Jahre  318  (bei  welcher  die  Ma- 
kedonier  schon  eine  gewaltige  Bresche  in  die  Mauer  gebrochen 
hatten,  aber  durch  die  Tapferkeit  der  Vertheidiger  und  die  Klug- 
heit ihres  Commandanten  Damis  zurückgeworfen  wurden)  hart- 
näckigen Widerstand.^)  Doch  war  wohl  schon  in  dieser  relativ 
glänzendsten  Epoche  der  Geschichte  der  Stadt,  während  welcher 
dieselbe  mehrfach  durch  energische  Männer  mit  monarchischer 
Gewalt  (sogenannte  Tyrannen)  wie  Aristodemos  und  Lydiadas  re- 
giert wurde,  der  von  den  Bingraauern  umschlossene  Baum  zu 
gross  für  die  Bevölkerung,    die   wahrscheinlich  durch  den  Weg- 


lich von  Leondari)  durch  Curtius  Pel.  I,  S.  293  ist  sehr  problematisch; 
man  würde  dann  bei  Xen.  1.  1.  vtisq  Trjg  Fccd'sccTLdos  anstatt  vnsg  rrjs 
MalscctLdog  (vgl.  oben  Anm.  1)  erwarten. 

')  Vgl.  die  Pläne  Expe'dition  de  More'e  II,  pl.  36—38  (darnach  Cur- 
tius Pel.  I,  Tfl.  V),  dazu  Ross  Reisen  im  Pel.  S.  74  ff.;  Curtius  Pel.  I, 
S.  281  ff.;  Vischer  Erinnerungen  S.  407  ff.;  Annali  XXXIII,  p.  32;  über 
den  Umfang  Polyb.  IX,  21. 

2)  Aeschin.  in  Ctesiph.  §  165;  Diod.  XVIII,  70f.  Die  Erzählung  hß^ 
Pausanias  c.  27,  13  f.  von  einem  misslungenen  Angriffe  König  Agis  IV. 
auf  die  Stadt  scheint  auf  einer  Verwechslung  dieses  Königs  mit  Agis  III. 
zu  beruhen;  vgl.  oben  S.  216,  Anm.  1. 


4.  Arkadien:  Megalepolitis.  245 

zug  vieler  bei  der  Gründung  unfreiwillig  hierher  versetzter  Fa- 
milien nach  ihrer  allen  Heimath,  der  durch  keinen  neuen  Zuzug 
ersetzt  wurde,  von  Jahr  zu  Jahr  abnahm,  so  dass  die  Vertheidig- 
ung  der  ausgedehnten  Befestigungswerke  immer  schwieriger 
wurde.  Als  nun  noch  dazu  ein  grosser  Theil  der  kriegstüchtigen 
Jugend  in  den  Schlachten  der  Achäer  gegen  König  Kleomenes  III. 
von  Sparta  am  Berge  Lykäon  und  bei  Ladokeia  fast  vor  den 
Mauern  der  Stadt  (im  Jahre  22ß  v.  Chr.)  gefallen  war,  gelang  es 
dem  Kleomenes,  nachdem  ein  drei  Monate  früher  unternommener 
Versuch  der  Ueberrumpelung  der  Stadt  misslungen  war,  im  Win- 
ter des  Jahres  222  mit  Hülfe  von  Verräthern  innerhalb  der 
Ringmauer  sich  derselben  durch  einen  Handstreich  zu  bemäch- 
tigen. Etwa  zwei  Drittel  der  waffenfähigen  Bevölkerung  rettete 
sich  nach  vergeblichem  Widerstände  unter  Philopoimens  Führung 
mit  Weib  und  Kind  nach  Messenien ;  die  Zurückgebliebenen  wur- 
den gctödtet,  die  Stadt  geplündert,  die  Mauern  niedergerissen 
und  die  Gebäude  zum  grossen  Theile  in  Brand  gesteckt.  *)  Als 
der  Rest  der  Bevölkerung  nach  der  Schlacht  bei  Sellasia  (221) 
heimgekehrt  war  und  sich,  wahrscheinlich  mit  Unterstützung  des 
Antigonos,  der  ihnen  auch  einen  Peripatetiker  Prytanis  als  Ge- 
setzgeber gesandt  hatttc,  auf  der  verödeten  Stätte  wieder  noth- 
dürftig  angesiedelt  hatte,  entstanden  heftige  Zvvistigkeiten  unter 
ihnen:  die  eine  Partei  verlangte  im  Hinblick  auf  die  numerische 
Schwäche  und  die  schlimme  Finanzlage,  dass  der  Umfang  der 
Ringmauer  beträchtlich  verengert  würde  und  dass  alle  Grund- 
besitzer den  dritten  Theil  ihres  (irundeigcnthums  abtreten  sollten, 
um  damit  neu  heranzuziehende  Ansiedler  auszustatten;  die  an- 
dere, jedenfalls  hauptsächlich  aus  den  Grundbesitzern  bestehende 
Partei  verweigerte  in  blindem  Eigennutz  jede  Abtretung  von 
Grund  und  Boden  und  hielt  in  kindischem  Stolze  an  dem  alten 
Umfange  der  Stadt  fest.  Aratos,  der  zur  Schlichtung  det  rcitcs 
Im  rixiigerufen  wurde,  brachte  einen  Vergleich  zu  Stande,  der  auf 
(;iner  im  Homarion  (zu  Aegion  in  Achaia)  neben  dem  Altar  der  Ilestia 
aufgestellten  Stele  eingegraben  wurde.  Den  Inhalt  dieses  Vertrages 
kennen  wir  nicht,  müssen  aber,  da  die  Angabe  des  Umfanges  auf  50 
Stadien  durch  Polybios  (s.  S.  244,  Anm.  1)  sicli  offenbar  auf  den 


V)  r<)ly1).  ir,  äf)  (v^H.   1\,    IS);    IMiif.  Clc.in.  25;    IMiilop.  5;    Puiis.  c. 
27,  15  f. 

lU  »SIAN,    OKOtSIt.    II.  17 


246  n.  Peloponnesos. 

Zustand  der  Stadt  zur  Zeit  dieses  Schriftstellers  bezieht,  anneh- 
men, dass  die  Ringmauer,  wahrscheinlich  mit  Unterstützung  aus 
der  achäischen  Bundeskasse,  in  ihrem  vollen  Umfang  wiederher- 
gestellt worden  ist.  Wahrscheinlich  hoffte  man,  dass  die  sehr 
zusammengeschmolzene  Bevölkerung,  die  sich  in  den  weiten 
Mauern  unbehaglich  fühlen  musste,  wie  eine  magere  Person  in 
einem  für  einen  corpulenten  Körper  zugeschnittenen  Gewände, 
durch  Zuzug  von  Aussen  sicli  heben  werde;  aber  vergeblich: 
die  grosse  Stadt  blieb  eine  grosse  Einöde,  was  wenigstens  den 
Vortheil  hatte,  dass  die  Bürger,  als  sie  mehrere  Jahre  hindurch 
wegen  der  Feindseligkeiten  des  Spartanischen  Herrschers  Nabis 
ihre  ausserhalb  der  Ringmauern  belegenen  Fluren  nicht  zu  be- 
stellen wagten,  in  den  Strassen  der  Stadt  selbst  Getreide  säen 
konnten.  Was  noch  gebaut  wurde,  geschah  mit  fremdem  Geld<% 
wie  im  Jahre  189  v.  Chr.  eine  der  von  Kleomenes  zerstörten 
Säulenhallen  von  einer  durch  die  Achäer  der  Stadt  zugewamlten 
Summe  wiederhergestellt  wurde  und  wie  einige  Zeit  darauf  Kö- 
nig Antiochos  IV.  Epiphanes  von  Syrien  den  grösseren  Theil  des 
zum  Neubau  der  oiTeabar  schon  wieder  eingestürzten  Ringmauer 
der  Stadt  nöthigen  Geldes  schenkte;  aber  auch  solche  Zuwen- 
dungen vermochten  den  Verfall  der  Stadt  nicht  aufzuhallen,  die 
indess  bis  in  die  spätere  römische  Kaiserzeit  ihre  Existenz 
fristete.*) 

Der  von  den  Ringmauern  umschlossene  Raum  wurde  durch 
den  Helisson  in  zwei  Hälften  getheilt,  die  ohne  Zweifel  durch 
mehrere  Brücken  mit  einander  in  Verbindung  standen.  In  der 
auf  dem  rechten  Flussufer  gelegenen  nördlichen  Hälfte,  wo  wir 
noch  die  Saatfelder,  zu  denen  jetzt  der  grösste  Theil  des  Ter- 
rains der  alten  Stadt  von  den  Bewohnern  des  benachbarten  Dorfes 
Sinano  benutzt  wird,  weithin  mit  Säulen-  und  Mauerresten  be- 
deckt sehen,  lag  nicht  weit  vom  Flusse  der  geräumige,  von 
stattlichen  Hallen  umschlossene  Marktplatz,  dessen  Mittelpunkt 
ein  unbetretbarer  heiliger  Bezirk  des  Zeus  Lykäos  bildete,  wo- 


<)  Polyb.  V,  93;  Plut.  Philop.  13;  Liv.  XXXVIII,  34;  XLI,  20;  Strab. 
VIII,  p.  388;  Paus.  c.  33,  1.  Dass' noch  am  Ende  des  3ten  oder  Anfang 
des  4ten  Jahrh.  n.  Chr.  einzelne  Bauten  in  der  Stadt,  wenn  auch  nur 
aus  Trümmern  älterer,  ausgeführt  worden  sind,  zeigt  die  von  Ross  (Rei- 
sen im  Pel.  S.  81  ff.)  theilweise  ausgegrabene  Säulenhalle. 


4.  Arkadien  :  Megalepolilis.  247 

rin  man  Altäre,  Opfertisclie  und  Adlerbilder,  sowie  eine  Statue 
des  Pan  mit  dem  Beinamen  Oinoeis  sali.  Vor  dem  Eingange  des 
Bezirks  stand  ein  zwölf  Fuss  hohes  Erzbild  des  Apollon,  das  von 
den  Phigaleern  als  Beitrag  zum  Schmuck  der  neubegründeten 
Stadt  geliefert  worden  war;  zur  Bechten  des  Bildes  hatte  früher 
ein  Tempel  der  Göttermutter  gestanden,  von  dem  Pausanias  nur 
noch  die  Säulen  und  das  Cultbild,  sowie  von  einer  Anzahl  Sta- 
tuen, die  vor  seinem  Eingange  aufgestellt  gewesen  waren,  die 
Fussgestelle  vorfand  J)  Hinter  dem  Bezirk  stand  eine  Stele  mit 
dem  Beliefbilde  des  Historikers  Polybios. 

Unter  den  Hallen  war  eine  zu  Ehren  König  Philipps  H. 
von  Makedonien  Philippeios  Sloa  benannt,  welche  sich  fast  der 
ganzen  Nordseite  der  Agora  entlang  hinzog  am  Fusse  zweier 
niedriger  Anhöhen,  deren  westlichere  einen  Tempel  der  Athene 
Polias,  die  östlichere,  von  der  eine  Quelle  Bathyllos  ihr  Wasser 
dem  Helisson  zusandte,  einen  Tempel  der  Hera  Teleia,  beide  zu 
Pausanias  Zeit  in  Trümmern  Hegend,  trug.  Neben  der  Halle, 
wahrscheinlich  westlich,  hatte  früher  ein  Tempel  des  Hermes 
Akakesios  gestanden,  von  welchem  zu  Pausanias  Zeit  nur  eine 
jedenfalls  zum  Cultbilde  des  Gottes  gehörige  marmorne  Schild- 
kröte übrig  war;  an  die  Ostseite  der  Halle  stiess  eine  kleinere, 
welche  sechs  Bureaux  für  Begierungsbeamte  enthielt;  hinter  ihr 
stand  ein  Tempel  der  Tyche.  An  der  Ostseite  des  Marktes,  wahr- 
scheinlich am  westlichen  Fusse  einer  bis  nahe  ans  Ufer  des 
Flusses  sich  hinziehenden  niedrigen  Anhöhe,  welche  im  Alterthum 
den  Namen  Skoleitas  geführt  zu  haben  scheint,  stand  eine  haupt- 
sächlich für  den  Verkauf  von  Parfümeriewaaren  bestimmte,  daher 
Myropolis  genannte  Halle,  welche  aus  der  Beute  einer  siegreichen 
Schlacht  gegen  die  Spartaner  erbaut  worden  war.  Die  Südseite 
des  Marktes  wurde  durch  eine  nach  ihrem  Erbauer  Aristandros 
Aristandreios  Stoa  genannte  Halle  und  zwei  geräumige  Heilig- 
thümer  abgeschlossen:  dem  östlich  von  der  Halle  gelegenen, 
ringsum  von  Säulen  umgebenen  Heiligthum  des  Zeus  Soter  und 
dem  an  das  westliche  Ende  der  Halle  sich  anschliessenden  hei- 
ligen  Bezirke  der   'grossen   (iöltiinirn ',    d,   i.  der   Demeter   und 


')  Paus.  c.  30,  2  —  5.  ÜasH  unter  diesen  Statmii  aiicli  die  des  Phi- 
lopoimcn  gewesen  sei,  ist  eine  Hcharfsinnige  Vermutnuf^  von  C.  Keil 
Analeeta  epigrapluca  p.   16  ss. 

17* 


248  H.  Peloponnesos. 

Kora,  welcher  ausser  dem  Tempel  dieser  Göttinnen  selbst  solche 
des  Zeus  Philios  (mit  einem  kleinen  Ilain  dahinter),  der  Aphro- 
dite und  der  Kora,  sowie  zahlreiche  Bildwerke  enthielt.  An  die 
Westseite  des  Marktes  endlich  stiess  das  Gymnasion.-) 

In  dem  Stadttheile  südlich  vom  Flusse,  welcher  den  beson- 
deren Namen  Orestia  führte, 2)  war  das  bedeutendste  Bauwerk 
das  Theater,  das  grösste  aller  Theater  in  ganz  Hellas,  dessen 
nur  zu  einem  kleinen  Tlieile  auf  einer  natürlichen  Anhöhe  ruhen- 
des, zum  grössten  Theile  durch  Erdaufschüttung  und  starkos 
Mauerwerk  an  beiden  Flügeln  gebildetes,  gegen  Norden  geöff- 
netes Halbrund  auch  jetzt  noch,  obgleich  keine  einzige  Sitzstufe 
mehr  sichtbar  ist,  einen  stattlichen  Eindruck  macht.  In  dem 
der  untersten  Sitzreihe  zunächst  gelegenen  Theile  der  ßrcheslra 
sprudelte  eine  wasserreiche  Quelle,  die  noch  jetzt,  obgleich  ver- 
schüttet, den  Umwohnern  bekannt  ist.  ^)  In  der  Nähe  des  Theaters 
stand  das  nach  seinem  Stifter  Thersilion  genannte  Ralhhaus, 
das  Versammlungslocal  für  die  Volksvertretung,  den  Rath  der 
Zehntausend,  von  dem  Pausanias  nur  noch  die  Fundamente  vor- 
fand; daneben  ein  für  Alexander  den  Grossen  errichtetes,  mit 
einer  Herme  des  Ammon  geschmücktes  Haus,  das  später  in  Privat- 
besitz übergegangen  war.  Verschiedene  Heiligthümer,  sämmtlich 
zu  Pausanias  Zeit  verfallen ,  waren  in  der  Nähe  des  Theaters  ver- 
einigt: ein  gemeinsames  der  Musen,  des  Apollon  und  des  Hermes, 
eins  des  Ares,  eins  der  Aphrodite;  oberhalb  des  letzeren,  das 
also  nordöstlich  vom  Theater  nach  dem  Flusse  zu  gelegen  haben 


^)  Paus.  c.  30,  6—31,  9;  dazu  Ross  Reisen  im  Pel.  S.  76  ff.;  Curtius 
Pel.  I,  S.  285  ff.  Der  Fluss  scheint  übrigens  seinen  Lauf  etwas  geän- 
dert zu  haben ,  da  ich  an  zwei  Stellen  im  jetzigen  Flussbett  antike 
Mauerreste,  die  nicht  von  einer  Brücke  herrühren  können,  bemerkte. 

2)  Steph.  Byz.  u.  Msydlr]  noXig  sagt  nur:  fxa^stTO  8s  -Katcc  x6  ^aicv 
fiSQog  'OgsGria  anb  r^g  zov  "^Oqsoxov  nagovoiccg:  dass  damit  der  südlichere 
Stadttheil  gemeint  ist,  zeigt  die  an  der  Strasse  nach  Messene  gelegene 
Gruppe  von  auf  Orestes  bezüglichen  ITeiligthümern  und  Denkmälern  (Paus. 
c.  34,  1  SS.).  Die  Bevölkerung  der  Stadt,  respective  des  Staates,  war  in 
eine  Anzahl  Phylen  getheilt,  von  denen  wir  nur  noch  eine,  die  der  Av- 
KasLtaij  mit  Namen  kennen:  s.  die  Insclir.  Annali  XXXIII,  p.  33  ss. 

^  Paus.  c.  32,  1;  vgl.  den  Plan  Exped.  de  Moree  II,  pl.  39;  Wiese- 
ler Theatergebäude  S.  6,  Tfl.  I,  20.  Beispiele  von  Quellen,  Brunnen  und 
Cisternen  in  antiken  Theatern  giebt  Wieseler  ^ Griechisches  Theater'  in 
der  Allgem,  Encycl.  d.  Wiss.  u.  Künste  Sect.  I,  Bd.  83,  S.  238. 


4.  Arkadien:  Megalepolitis.  249 

muss,  zog  sich  das  Stadion  hin,  das  mit  seinem  westlichen 
Ende  an  den  östlichen  Flügel  des  Theaters  stiess;  auch  in  ihm 
entsprang  eine  Quelle,  dem  Dionysos  geweiht,  dessen  zwei  Gene- 
rationen vor  Pausanias  vom  Blitz  zerstörter  Tempel  das  Ostende 
des  Stadions  ahschloss.  In  der  Nähe  des  Stadions  stand  auch 
ein  gemeinsamer  Tempel  des  Herakles  und  des  Hermes,  an  dessen 
Stelle  später  ein  blosser  Altar  beider  Götter  getreten  war.  Weiter 
östlich  lagen  auf  einem  Hügel  von  geringer  Erhebung  ein  von 
Aristodemos  gestifteter  Tempel  der  Artemis  Agrotera  und  zur 
Hechten  desselben  ein  heiliger  Bezirk  mit  einem  Heiligthum 
des  Asklepios  und  der  Ilygieia  und  einer  Anzahl  etwas  weiter 
abwärts  am  Abhang  des  Hügels  aufgestellter  Hermenbilder  der 
sogenannten  ^arbeitenden  Götter'  ('E^ydrai):  der  Athene  Ergane, 
des  ApoUon  Agyieus,  des  Hermes,  des  Herakles  und  der  Eilcilhyia. 
Am  Fusse  des  Hügels  endlich  lag  ein  Heiligthum  des  in  Knaben- 
gestalt verehrten  Asklepios,  in  dessen  Nähe  wieder  eine  Quelle 
entsprang,  deren  Wasser  nach  dem  Helisson  abfloss.  ^) 

In  der  nähern  Umgebung  der  Stadt  fand  sich  an  den  von 
den  Hauptthoren  derselben  aus  nach  verschiedenen  Bichtungen 
führenden  Strassen,  von  denen  schon  oben  bei  der  Schilderung 
des  Landgebictes  der  Stadt  die  Bede  war,  eine  Anzahl  von  Heilig- 
thümern  und  sonstigen  Denkmälern,  die  zum  grössten  Theile 
noch  aus  der  Zeit  vor  der  Gründung  der  Stadt  datirten.  So  lag 
zur  Linken  der  Strasse  nach  Messene  sieben  Stadien  vom  Tliore 
ein  Platz,  Maniai  genannt  nach  einem  Heiligthum  der  unter  dem- 
selben Namen  (als  Furien)  verehrten  Göttinnen,  die  an  einem 
nicht  weit  von  da  entfernten,  Ake  (Heilungen)  genannten  Platze 
in  einem  zweiten  Heiligthum  als  Eumenides  zugleich  mit  den 
Chariten  verehrt  wurden;  zwischen  beiden  Ileiligthümern,  an 
welche  die  Legende  vom  Orestes,  der  am  erstem  Platze  von  der 
llaserei  ergriffen,  am  zweiten  davon  geheilt  worden  sein  sollte, 
sich  knüpfte,  erhob  sich  ein  niedriger  Erdhügel  mit  einem  aus 
Stein  gearbeiletim  Finger  auf  der  Spitze,  das  sogenannte  Finger- 
mal,    das     nach     der    Legende     ebenfalls     das    Andenken    des 


*)  Paus.  c.  32;  vgl.  Rohs  Kelscn  im  Pelop.  8.  74  f.  Ein  nicht  näher 
zu  bestimmender  Theil  der  Stadt,  der  his  an  die  Ringmauer  reichte,  hiess 
6  *ü)X«off  nacli  Polyb.  IX,  18;  vgl.  H,  65,  wo  derselbe  Namo  (statt  Äo)- 
Xaiov)  herzustellen  ist. 


250  II.  Peloponnesos. 


1 


Orestes,  der  sich  liier  in  einem  Anfall  von  Uaserei  einen  Finger 
abgebissen  habe,  verewigte,  wie  man  auch  noch  in  der  Nähe 
der  Ake  genannten  Oertlichkeit  'den  Scheerplatz'  (Knreion)  zeigte, 
an  ^veh'hem  Orestes,  nachdem  er  wieder  znr  Besinnung  gekom- 
men, sich  die  Ilaare  habe  scheeren  lassen J) 

An  der  Strasse  nach  Methydrion  lag  dreizehn  Stadien  vom 
Thore  auf  einem  Skiadis  genannten  Platze  ein  von  Aristodemos 
errichtetes,  zu  Pausanias  Zeit  verfallenes  Heiligtlium  der  Artemis 
Skiaditis.  -) 

Auf  der  Strasse,  welche  vom  ' Sumpfthor'  an  der  Osts(^ite 
der  Stadt  aus  längs  des  llelisson  nach  den  Dörfern  der  Mänalier 
führte,  hatte  man  zur  Linken  einen  Tempel  des  'guten  Gottes', 
weiterhin  den  Grabhügel  des  Aristodemos  und  ein  Ileiligthum  der 
Athena  Machanitis;  zur  Rechten  ein  Temenos  des  von  den  Mega- 
lepoliten  durch  ein  jährliches  Opferfest  gefeierten  Boreas,  das 
angebliche  Grabdenkmal  des  Oikles,  des  Vaters  des  Amphiaraos, 
und  fünf  Stadien  vom  Thore  den  Tempel  und  Ilain  der  'De- 
meter  im   Sumpfe',    welcher  nur  für   Weiber   zugänglich   war. ^) 

Während  die  Megalepolitis  im  Westen  sich  mit  einem  schmalen 
Strich,    dem   alten   Gebiete   der  Kynuräer,    bis   zur   Gränze   von 
Elis  (Triphylien)  erstreckte  (vgl.  oben  S.  233),  ward  sie  im  Süd- 
westen von  einem  arkadischen  Cantone  begränzt,  dessen  Bewoh- 
i'higaiia.  ner,  die  Phigaleis,  obwohl  sie  der  Gründung  von  Megalepolis 


^)  Paus.  c.  34,  1  ff. :  in  §  3  nehme  ich  nicht,  wie  Schubart,  Curtius 
u.  a.,  eine  Lücke,  sondern  eine  Corruptel  des  Wortes  vsqov  an  und 
schreibe:  tzqos  ds  tw  xoiQLOi  rotg  "J^saiv  stsgov  ianv  ovoaa^ousvov 
KovQSLOV.  In  dem  /day.tvXov  iivrj^cc  vermutet  F.  Liebrecht  (Heidelber- 
ger Jahrbücher  1869,  S.  805)  wohl  mit  Recht  das  Grabmal  eines  Mutter- 
mörders nach  der  noch  jetzt  im  Volksglauben  erhaltenen  Anschauung, 
dass  einem  Muttermörder  (oder  einem  Kinde,  das  seine  Mutter  schlägt) 
die  Hand  zum  Grabe  herauswachse,  eine  Erklärung,  die  mir  berechtigter 
scheint  als  die  zweite  von  demselben  Gelehrten  ausgesprochene  Vermuth- 
ung,  dass  der  steinerne  Finger  vielmehr  ein  Phallos  gewesen  sei.  Die 
von  Dodwell  (Class.  u.  topogr.  Reise  II,  2,  S.  242  f.)  in  einer  Kirche 
20  Minuten  südöstlich  von  Sinano  gefundenen,  auf  das  Ileiligthum  der 
Maniä  bezogenen  Reste  eines  kleinen  dorischen  Tempels  liegen  nicht  in 
der  Richtung  der  Strasse  nach  Messene,  sondern  der  nach  Pallantion, 
könnten  also  eher  von  Oresthasion  (s.  oben  S.  227)  herrühren. 

2)  Paus.  c.  35,  5;    vgl.   Steph.   Byz.    u.   ZyiLccg,    wo   der  Platz  Smccg 
(Ethnikon  SKtUTrjg)  genannt  wird. 

3)  Paus.  c.  36,  5  f. 


4.  Arkadien  :  Phiffalia.  251 


in  keiner  Weisse  feindlich  gegenüber  traten,  doch  auch  nach  der- 
selben ilire  cantonale  Selbständigkeit  bewahrten.  Dieser  Canton, 
ein  ranhes  Bergland  ohne  Ebenen,  daher  fast  ausschliesslich  für 
Viehzucht  geeignet,  wird  in  seiner  ganzen  Lange  von  etwa  fünf 
Stunden  von  der  Neda  durchflössen,  die  vom  Kerausion  herab- 
kommend ,  in  einer  engen  ziemlich  genau  von  Osten  nach  Westen 
gerichteten  Schlucht,  wenn  auch  mit  mannigfachen  Krümmungen, 
zwischen  den  Abhängen  der  das  Lykäon  wie  die  Nomia  gegen 
Westen  hin  fortsetzenden  Gebirgszüge,  von  denen  sie  namentlich 
von  Norden  her  mehrere  Zuflüsse  erhält,  dahin  fliesst.  Die 
Hauptstadt  des  Cantons,  Phigalia  oder  Phialia,^)  lag  auf  einer 
halbkreisförmig  von  Bergen  (dem  Kotilion  im  Nordosten  und 
dem  Elaion  im  Nordwesten)  umschlossenen,  nach  Süden  gegen 
die  Neda  hin  sleil  abfallenden  Hochfläche  über  dem  nördlichen 
Ufer  der  Neda,  in  welche  ein  nahe  an  der  Ostseite  der  Stadt 
vorüberfliessender  Giessbach,  der  Lymax,  einmündet.^)  Die 
noch  in  ihrer  ganzen  Ausdehnung  von  etwas  über  eine  Stunde 
erkennbare,  durch  thcils  runde,  theils  viereckte  Thürme  ver- 
stärkte Bingmauer  folgt  genau  den  Bändern  des  Plateaus,  dessen 
höchster,  im  Nordosten  gelegener  Theil  eine  kleine  von  beson- 
deren Mauern  umschlossene  Akropohs  von  elliptischer  Form 
bildet;^)  innerhalb  derselben  lag  wahrscheinlich  das  Heiligthum 
der  Artemis  Soteira,   der  Ausgangspunkt  der  festlichen   Aufzüge 


1)  Paus.  c.  3,  1  ff.  u.  c.  39,  2  giebt  die  mythische  Tradition,  dass 
die  Stadt  zuerst  nach  ihrem  Gründer  Phigalos,  einem  Sohne  des  Lykaon 
(oder,  wie  Andere  behaupteten,  einem  Autochthonen)  ^lyaXtu  (welcher 
Name  auch  zu  Paus.  Zeit  wieder  im  Gebrauch  war),  später  nach  Phialos, 
dem  Sohne  des  Bukolion,  ^idXBia  genannt  worden  sei  (vgl.  Steph.  Byz. 
u.  ^LydlsLo).  Für  ^loiXsia  (Ethnikon  ^LCiXEvq)  zeugen  eine  in  Pavlitza 
gefundene,  einen  Vertrag  zwischen  den  Phialeern,  Messcniern  und  Aeto- 
lern  enthaltende  Inschrift  (Archäol.  Anzeiger  1859  S.  111*  f.;  vgl.  An- 
nali XXXIII,  p.  56  8.),  eine  Inschrift  aus  Mavromati  bei  Leake  Morea  III, 
Inscr.  n.  46  u.  Münzen  mit  der  Legende  ^lAAESlN.  Die  Ueberlieferung 
der  Handschriften  ist  ziemlich  scliwankond  (besonders  bei  Polybius,  der 
die  Stadt  öfter  erwähnt).     Vgl,  Lobeck  Pathol.  p.  104. 

«)  Paus.  c.  39,  5;  40,  2  u.  7;  vgl.  Conze  u.  Michaelis  Annali  XXXIII, 

I).    57    88. 

3)  Vgl.  Leake  Morea  I,  p.  494  ßs.;  Ross  Reisen  im  Pelop.  S.  98  und 
den  I'lan  in  der  Kxped.  de  Morec  II,  pl.  1,  wiederholt  bei  Curtius  Pelop. 
I,  Tfl.  VL 


252  H.  Pcloponncsos. 

der  Phigaleer.  Ausser  diesem  notirt  Pausanias  in  der  Stadt  ein 
Gymnasien,  einen  Tempel  des  Dionysos  Akratophoros  (in  dessen 
Nähe  wahrscheinlich  das  von  Diodor  XV,  40  erwähnte,  zu  Pau- 
sanias Zeit  wohl  gänzlich  verfallene  Theater  lag)  und  die  Agora 
mit  einem  sehr  alterthömlichen  Steinbilde  des  Arrhachion,  der 
bei  der  54.  Olympiadenfeicr  sterbend  im  Pankration  gesiegt  hatte, 
und  einem  gemeinsamen  Grabmale  für  hundert  Männer  aus  Ore- 
sthasion ,  welche  die  Ol.  30,  2  durch  die  Lakedämonier  aus  ihrer 
Ileimath  vertriebenen  Phigaleer  bei  der  Wiecjpreroberung  der 
Stadt  mit  Aufopferung  ihres  Lebens  unterstützt  hatten  und  in 
dankbarer  Erinnerung  daran  jährlich  ein  Heroenopfer  erhielten ; 
ausserhalb  der  Stadt  das  auf  einem  steilen  Felsvorsprung  östlich 
über  dem  Vereinigungspunkte  des  Lymax  mit  der  Neda  in  einem 
Cypressenhain  gelegene  Heiliglhum  der  Eurynome,  einer  vom 
Volksglauben  mit  der  Artemis  identificirten  Göttin  des  feuchten 
Elements,  deren  Cultbild,  halb  Weib,  halb  Fisch,  nur  einmal 
im  Jahre,  am  Feste  der  Göttin,  wo  das  sonst  streng  verschlossene 
Heiliglhum  geöffnet  und  Opfer  von  Staatswegen  und  von  Privat- 
leuten darin  dargebracht  wurden,  dem  Volke  sichtbar  war;  endlich 
noch  etwas  weiter  östlich,  zwölf  Stadien  von  der  Stadt,  warme 
Bäder.  ^)  Ausserdem  lagen  im  Gebiete  der  Stadt  zwei  Heilig- 
thümer,  von  denen  das  eine  den  Besuchern  durch  die  eigen- 
thümlichen  Legenden  und  Cultgcbräuche,  die  sich  daran  knüpften, 
heilige  Scheu  und  Ehrfurcht,  das  andere  durch  die  künstlerische 
Vollendung  seines  architektonischen  und  plastischen  Schmuckes 
Bewunderung  einflösste.  Das  erstere  war  die  in  einer  grossartigen 
Felswildniss  dreissig  Stadien  westlich  von  Phigalia,  im  Fusse  des 
Elaion  (des  jetzigen  Berges  von  Smarlina)  über  dem  rechten  Ufer 
der  Neda,  deren  Wasser  hier  auf  eine  Strecke  von  100  —  150 
Schritt  durch  grosse  eine  natürliche  Brücke  über  den  Fluss  bil- 
dende Felsraassen  den  Blicken  des  Wanderers  verdeckt  wird,  be- 
findliche Grotte  der  schwarzen  Demeter,  worin  diese  Göttin, 


*)  Paus.  c.  39,  3  ff. ;  c.  40  n.  c.  41,  1 — 6.  Die  kleine  Akropolis  ist 
wahrscheinlich  das  von  Polyb,  IV,  79  erwähnte  noXsficcQXSiov.  Dass  die 
Feste  des  Dionysos  mit  Chören  und  reichlichen  Mahlzeiten  gefeiert  wur- 
den, überhaupt  Essen  und  Trinken  bei  den  Phigaleern  eine  grosse  Eolle 
spielten,  zeigen  die  Notizen  aus  Harmodios  von  Lepreon  Schrift  nsgl  x&v 
%axa  ^LyaXsLCiv  (oder  nccgä  ^lyccXsvoi)  vo^ii^av  bei  Athen.  IV,  p.  148  ^ 
SS.;  X,  p.  442b;  xi,  p.  465«  u.  p.  479 ^ 


4.  Arkadien:  Phisalia.  253 


von  Zorn  und  Trauer  erfüllt,  lange  Zeit  sich  verborgen  und  den 
Menschen  ihre  Gaben  vorenthalten  haben  soll,  bis  Pan  sie  ent- 
deckte und  dem  Zeus  ihren  Aufenthaltsort  anzeigte,  der  die 
Moiren  zu  ihr  sandte,  welche  sie  bewogen  diesen  ihren  düstern 
Schmollwinkel  zu  verlassen.  Die  Grotte  wurde  dann  von  den 
Phigaleern  als  Ileiligthum  der  Göttin  eingerichtet  und  mit  einem 
Schnitzbilde  versehen,  welches  dieselbe  sitzend  in  langem  Ge- 
wände mit  einem  Pferdekopf  und  Pferdemähne  anstatt  mensch- 
lichen Hauptes,  mit  Schlangen  und  anderem  Gethier  daran,  einen 
Delphin  in  der  einen,  eine  Taube  in  der  anderen  Hand  haltend, 
darstellte.  Dieses  seltsame  Bild  war  bald  nach  den  Perserkriegen 
von  Feuer  verzehrt  und  in  Folge  dessen  der  Cult  der  Göttin  von 
den  Phigaleern  vernachlässigt  worden.  Da  kam  eine  schwere 
Hungersnoth  über  das  Land  und  das  Delphische  Orakel  verkün- 
dete den  es  um  Rath  und  Hülfe  angehenden  Bewohnern,  dass 
dieselbe  nur  dann  aufhören  werde,  wenn  sie  den  Zorn  der  De- 
meter durch  Wiederherstellung  ihres  Heiligthums  und  ihres  Cultus 
besänftigt  haben  würden,  worauf  diese  durch  den  äginetischen 
Meister  Onatas  eine  Nachbildung  des  alten  Xoanon  in  Erz  an- 
fertigen Hessen.  Auch  dieses  Erzbild  war  zur  Zeit  des  Pausanias 
spurlos  verschwunden  —  wie  ein  Greis  dem  Reisenden  erzählte, 
wären  drei  Generationen  vor  seiner  Zeit  Felsblöcke  von  der  Decke 
der  Grotte  herabgestürzt  und  hätten  es  völlig  zerstört  —  aber  der 
öffentliche  sowie  Privat- Cultus  der  Göttin  war  dadurch  nicht  be- 
einträchtigt: alljährlich  brachte  eine  Priesterin  im  Verein  mit 
dem  jüngsten  Mitgliede  des  aus  drei  Bürgern  von  Phigalia  be- 
stehenden Collegiums  der  Hierolhytä  auf  dem  vor  dem  Eingang 
der  von  einem  Eichenhain  umgebenen  Grotte  errichteten  Allare 
ein  aus  Obst,  Weintrauben,  Honigwaben  und  frischgeschorner 
Wolle,  worüber  Oel  ausgegossen  wurde,  bestehendes  Opfer.  Und 
wie  wir  öfter,  namentlich  an  Plätzen,  wo  die  Natur  selbst  das 
menschliche  Gemülh  zur  Andacht  und  ehrfurchtsvollen  Sehen  vor 
(ii'r  Gottheit  stimmt,  eine  ununterbrochene  Tradition  des  Giilliis 
von  der  ältesten  Zeit  bis  zur  Gegenwart  finden,  so  ist  dies  auch 
hier  der  Fall:  noch  heut  zu  Tage  versammeln  sich  am  Feste  der 
Mutter  Gottes  die  Bewohner  des  auf  einem  kleinen  Tlicil  des 
Terrains  des  alten  Phigalia  gelegenen  Dorfrs  Pavlitza  und  be- 
nachbarter Ortschaften  unter  den  hohen  Eich  bäumen  um  die 
Grotte,  deren  durch  eine  kleine  Mauer,  unter  welcher  noch  jetzt 


254  II-  Peloponnesos. 

die  von  Pausaiiias  cr>viiliiitc  Quelle  liervorsprudell,  verschlossenes 
Innere  eine  ärmliche  Capelle  der  Panagia  (Madonna)  bildet,  um 
derselben  ihre  Verehrung  zu  bezeugen. ') 

Das  zweite  Ileiliglhuni  im  Gebiete  von  Phigalia  Mar  der 
oberhalb  der  zwei  Stunden  nordostwärts  von  der  Stadt  entlernten 
kleinen  Ortschaft  Bassä  auf  einem  kleinen,  an  der  Nordseile 
durcli  den  Gipfel  des  Kolilion  überragten  Hochplateau,  welches 
eine  herrliche  Aussicht  nach  Westen,  Süden  und  Osten  hin  ge- 
währt, 1131  Meter  über  dem  Meere  gelegene  Tempel  des  Apollon 
Epi kurios,  ein  mit  der  P'ront  gegen  Norden  gerichteter  dori- 
rischer  Peripteros  hexastylos  (mit  6  X  15  Säulen)  aus  einem 
feinen  gelblich-weissen  Kalkstein,  das  Dach  und  der  plastische 
Schmuck  aus  Marmor,  welcher  von  dem  berühmten  attischen 
Baumeister  Iktinos  um  den  Beginn  des  Peloponnesischen  Krieges 
erbaut  worden  war,  noch  heut  zu  Tage  eine  der  schönsten  und 
best  erhaltenen  Tempelruinen  Griechenlands.  Das  Innere  der 
Cella,  deren  jedenfalls  hypäthrales  Dach  durch  eine  Doppelreihe 
von  je  fünf  durch  Wandpfeiler  mit  den  Seitenwänden  verbundenen 
ionischen  Halbsäulen  getragen  wurde,  war  mit  einem  100  engl. 
Fuss  langen ,  2  Fuss  1  Y2  Zoll  hohen,  aus  23  Platten  zusammen- 
gesetzten Fries,  wahrscheinlich  einem  nach  attischen  Vorbildern 
von  peloponnesischen  Künstlern  gearbeiteten  Werke,  geschmückt, 
der  im  Jahre  1811  durch  eine  Gesellschaft  von  Archäologen  und 
Architekten  verschiedener  Nationen  aus  dem  Schosse  der  Erde, 
die  ihn  vor  gänzlicher  Zerstörung  bewahrt  hat,  wieder  ans  Tages- 
licht gefördert  wurde  und  jetzt  im  britischen  Museum  aufbewahrt 
ist;  auch  die  Metopen  des  Hauptfrieses  waren  mit  Sculpturen, 
von  denen  nur  wenige  Bruchstücke  erhalten  sind,  versehen.  Das 
zwölf  Fuss  hohe  Erzbild  des  Gottes  war  von  den  Phigaleern  nach 
der  Gründung  von  Megalepolis  als  ein  Beitrag  zum  Schmuck  der 
neugegründeten  Stadt  geschenkt  und  dort  auf  der  Agora  vor  dem 
Temenos  des  Zeus  Lykäos  aufgestellt  worden  (s.  oben  S.  247) ;  in  dem 
Tempel  scheint  dasselbe  (obwohl  Pausanias  kein  Cultbild  darin  er- 
wähnt) durch  ein  Akrolith  (Holzstatue  mit  Kopf,  Händen  und  Füssen 
aus  Marmor)  ersetzt  worden  zu  sein,  da  sich  im  Innern  der  Cella 


^)  Paus.  c.  42;    dazu   Beule   Etudes    sur    le  Peloponnfese  p,  154 
Annali  Vol.  XXXIII,  p.  58  ss. 


4.  Arkadien:  Heräilis.  255 

Bruchstücke  colossalcr  Hände  und   Füsse  aus   parischem   Marmor 
gefunden  haben.  ^) 

Oberhalb  des  Apollontempels  stand  in  einer  kh^inen  gegen 
Süden  geöffneten  Einsenkung  nahe  dem  höchsten  Gipfel  des  Berges 
ein  Tempel  der  Aphrodite,  der  noch  zu  Tansanias  Zeit,  obgleicli 
das  Dach  eingestürzt  war,  ein  Cultbild  enthielt;  einige  Minuten 
südwestlich  unterhalb  des  Apollontempels  entspringt  eine  Quelle, 
deren  Wasser  sich  nach  kurzem  Laufe  im  Boden  verhert.  ^j 

Wie  durch  das  Gebiet  der  Phigaleer  im  Südwesten,  wird  Heräitis. 
die  Megalepolitis  im  Nordwesten  durch  einen  selbständigen  Canton 
begränzt,  welcher  durch  seine  die  längs  des  Alpheios  hinführende 
Hauptstrasse  aus  Arkadien  nach  Olympia  beherrschende  Lage  ein 
nicht  gleichgültiger,  durch  seine  aus  Eifersucht  auf  seine  canto- 
nale  Selbständigkeit  entsprungene  Feindseligkeit  gegen  die  Be- 
strebungen der  arkadischen  Einheitspartei  ein  gefährlicher  Nachbar 
für  Megalepolis  war:  die  Heräitis,  das  Gebiet  der  nach  der 
einheimischen  Tradition  von  Heräeus,  einem  Sohne  des  Lykaon, 
wie  ihr  alter  Name  Sologor gos  vermuthen  lässt  vielmehr  wohl 
von  semitischen  Ansiedlern  aus  Kypros,  die  von  der  eleischen 
Küste  aus  bis  hierher  vorgedrungen  sein  mögen,  gegründeten 
Stadt   Heräa.^)     Ihr  Gebiet,    dessen   G ranzen   gegen   Elis  durch 


0  Paus.  c.  41,  7  f.,  vgl.  c.  30,  3  f.  lieber  den  Tempel  s.  «"Der 
Apollotempel  zu  Bassä  in  Arkadien  und  die  daselbst  ausgegrabenen  Bild- 
werke, dargestellt  und  erläutert  durch  O.  M.  Baron  von  Stackeiberg', 
Frankfurt  1826;  'The  temple  of  Apollo  Epicurius  at  Bassae  near  Phi- 
galia  and  other  antiquities  in  the  Peloponnesus,  illustrated  by  Thomas 
Leverton  Donaldson,  Architect',  in  'Antiquities  of  Athens  and  other 
places  in  Greece,  ßicily  etc.  Vol.  IV '  (London  1830);  Expe'dition  de  Mo- 
rde Vol.  II,  pl.  4—30;  Ivanoff  in  den  Annali  Vol.  XXXVIt  (1865)  p.  29  ss. 

*)  Paus.  c.  41,  10,  wo  die  Worte  Kaztkov  filv  inUlrjOLv,  'AcpQtrSLtri 
8b  Icxiv  iv  KoaxiXa}  jedenfalls,  wie  auch  Scliubart  annimmt,  verderbt  und 
vielleicht  so  zu  verbessern  sind:  "Egxi,  8s  VTthg  to  lsqov  xov  'AnoXXcovog 
xov  'EniytovQLOv  Kaxilco  {KcazCXca  die  besten  codd.)  ßtv  lniv.lriai,v, 
'AcpQodixrj  8s  tGXLV  j]  KcuxlIcu  (iv  KcoxlXo)  codd.).  Uebcr  die  Keste  des 
Tempels  s.  Koss  Keisen  im  l*clop.  S.  100  f. 

')  Paus.  c.  26,  1;  Steph.  I3yz.  w/'Hqcliu:  hitztorcr  f^iobt  den  deutlich 
an  die  Kyprischen  Ortsnamen  EoXol  und  VoXyot  erinnernden  Namen 
ZoXoyoQyoq.  Vermutlilidi  w.n  di''  St.nlt,  ursprünj^^lifli  tinc  l'llan/.stiltto 
de»  Cultus  der  kyprischen  Aj»luodile,  welche  Göttin  uucli  der  Holleni- 
sirung  der  Bevölkerung  mit  der  hellenischen   Hera  identiticirt  und  dar 


256  n.  Pcloponncsos. 

den  Lauf  zweier  Seitciiflüssc  des  Alpheios,  des  von  Norden  her 
von  dem  gleichnamigen  Gebirge  kommenden  Erymanthos^) 
(jetzt  Doana)  und  des  von  Süden  her  einströmenden  Diagon  (vgl. 
oben  S.  233),  gegen  die  Megalepolitis  durch  die  Quellen  des  von 
Nordosten  dem  Alpheios  zufliessenden  Baches  IJuphagos,^)  im 
Norden  gegen  die  Thelpusia  durch  die  Tuthoa,  einen  \vest- 
lichen  Nehenfluss  des  Ladon^)  bezeichnet  waren,  wird  ausser  dem 
Alpheios  von  einem  zweiten,  an  Länge  des  Laufes  demselben  fast 
ebenbürtigen,  an  Wasserreichthum  ihm  überlegenen  Flusse  durch- 
strömt, dem  Ladon  (vgl.  oben  S.  186),  der  15  Stadien  westlich 
von  der  Stadt  Ileräa  von  Norden  her  in  den  Alpheios  einmündet; 
unmittelbar  vor  der  Einmündung  theilt  er  sich  in  mehrere  Arme, 
welche  ein  flaches,  mit  Platanen  bewachsenes  Delta,  die  Raben- 
insel {KoQccKcov  väöog)  der  Alten,'*)  umschliessen. 

Der  beste  Theil  des  Gebiets  ist  die  fruchtbare,  für  Wein- ■'^) 


nach  die  Stadt  in  "llQccia  umgetauft  wurde.  ^  'IlQautKS  %(OQa  Paus. 
V,  7,  1. 

^)  Paus.  c.  26,  3,  nach  welchem  die  Arkader  den  Erymanthos,  die 
Eleer  dagegen  den  Grabhügel  des  KoriJbos,  des  Siegers  im  Wettlauf  bei 
der  ersten  gezählten  Olympienfeier ,  als  Gränze  bezeichneten:  da  nun  die 
Eleer  gewiss  nicht  zu  ihrem  Schaden  die  Gränze  regulirt  haben  werden, 
so  kann,  wie  schon  Curtius  (Pelop.  I,  S.  367)  u.  Vischer  (Erinnerungen 
S,  462  f.)  richtig  bemerkt  haben,  jener  Grabhügel  nicht  auf  dem  rechten 
Ufer  des  Erymanthos,  wo  sich  allerdings  ein  stattlicher,  im  December  1845 
durch  den  Architekten  Schaubert  auf  Kosten  der  preussischen  Regierung 
theilweise  geöffneter  Tumulus  befindet  (vgl.  Ross  Reisen  im  Pelop.  S.  107 
u.  Wanderungen  in  Griechenland  I,  S.  192  ff.),  sondern  nur  in  einiger 
Entfernung  vom  linken  Ufer  des  Flusses  gesucht  werden. 

2)  Paus.  V,  7,  1;  VIII,  26,  8;  27,  17. 

^)  Paus.  c.  25,  12;  das  von  den  Arkadern  so  genannte  UsSlov  ist 
offenbar  das  zwischen  der  Tuthoa  und  einem  weiter  südlich  fliessenden 
Bache  über  dem  linken  Ufer  des  Ladon  aufsteigende,  von  zwei  kleinen 
Schluchten  durchschnittene  Plateau,  in  dessen  nördlichstem  Theile  jetzt 
das  Dörfchen  Vlächi  liegt. 

*)  Paus.  c.  25,  12  f.;  vgl.'  Leake  Morea  II,  p.  90;  Ross  Reisen  im 
Pel.  S.  107;  Curtius  Pel.  I,  S.  369,  die  nur  von  zwei  Armen  des  Flusses 
sprechen,  während  Vischer  (Erinnerungen  S.  462),  offenbar  in  Folge  einer 
Veränderung  des  Flussbettes,  drei  Arme  vorfand. 

^)  Von  dem  Wein  von  Heräa,  wo  noch  jetzt  ein  trefflicher  starker 
Rothweiu  gebaut  wird,  glaubte  man  im  Alterthum,  dass  er  die  Männer 
rasend,  die  Frauen  fruchtbar  mache:  s.  Theophrast.  Hist.  plant.  IX,  18, 
10,    welche  Stelle  von  den   älteren  Herausgebern   aus  Athen.  I,  p.  31  f., 


4.  Arkadien:  Heraitis.  257 

und  Getreidebau  gleich  gut  geeignete  Ebene,  welche  sich  am 
rechten  Ufer  des  Alpheios  hinzieht;  in  dieser  lag  auch  auf  einem 
gegen  den  Fluss  allmalig  abfallenden,  im  Osten  und  Westen  von 
einer  unbedeutenden  Schlucht  begränzten  Hügel  (südwestlich  von 
den  jetzigen  Dörfern  Hagios  loannis  und  Anembduri)  die  Stadt 
Heräa,  von  welcher  noch  ziemlich  ausgedehnte,  aber  unansehn- 
liche Ueberreste  vorhanden  sind.  Zeugniss  für  ihre  politische 
Bedeutung  in  der  älteren  Zeit  giebt  eine  etwa  um  Ol.  50  abge- 
fasste  Urkunde  (C.  I.  gr.  n.  11),  welche  einen  Bundesvertrag 
auf  100  Jahre  zwischen  den  Eleern(/ßAfrot)undrieräern('H^/«oro6) 
enthält.  Die  Stadt  selbst  hatte  damals  und  lange  nachher  noch 
bei  weitem  nicht  den  Umfang,  von  welchem  noch  die  Buinen 
jetzt  Zeugniss  geben,  sondern  war  jedenfalls  auf  die  obere  Fläche 
des  Hügels,  die  spätere  Oberstadt,  beschränkt,  indem  der  grösste 
Theil  der  Bevölkerung  in  Dörfern  oder  auf  einzelnen  Landgütern 
wohnte;  erst  um  die  Zeit  der  Gründung  von  Megalepolis  wurde 
durch  die  Spartaner,  offenbar  um  den  Bestrebungen  der  arkadi- 
schen Einheitspartei  ein  Paroli  zu  biegen,  ein  Synoikismos  ver- 
anstaltet, wodurch  die  Bewohner  von  neun  ländlichen  Orlschaften 
der  Heraitis  nach  der  jedenfalls  in  Folge  dessen  belrächllich 
erweiterten  und  neu  befestigten  Stadt  übersiedelten.^)  Diese  trat 
später  dem  achäischen  Bunde  bei,  übergab  sich  im  Jahre  224 
V.  Chr.  dem  Antigonos  Doson,  gerieth  dann  für  einige  Zeit  in 
die  Hände  der  Aetoler  und  wurde  endlich  nach  mehrfachem  Be- 


Aelian.  Var.  hist.  XIII,  G  u.  Plin.  N.  h.  XIV,  18,  116  richtig  hergestellt 
worden  ist. 

*)  Strabon.  VIII,  p.  337,  nach  welchem  der  Synoikismos  durch 
Klcombrotos  (König  von  Sparta  380  —  371)  oder  durch  Kleomenes  (so 
richtig  Böckh  C.  I.  gr.  I,  p.  27  für  KXscovv^ov  der  Codd.;  gemeint  ist 
Kleomenes  II.,  Kimig  von  370—309)  geschah:  vgl.  Curtius  Pel.  I,  S.  394. 
Der  von  Xenoph.  Hell.  VI,  5,  22  erwähnte  Einfall  des  arkadischen  Bun- 
desheeres ins  Gebiet  von  IlerUa  (369  v.  Chr.)  hat  wahrscheinlich  kurz 
vor  dem  Synoikismos  stattgefunden,  da  Xenophon  nur  vom  Anzünden 
der  Häuser  und  Abhauen  der  Häume,'aber  von  keinem  Angriff  auf  die 
Stadt  spricht.  Auf  die  Stadt  vor  dem  Synoikismos,  die  jedenfalls  im 
Wesentlichen  nur  ein  befestigter  Zufluchtsort  für  die  Bewohner  der  Land- 
gemeinden war,  glaube  ich  auch,  trotz  des  "Widerspruchs  von  Curtius 
Tel.  I,  8.  346,  die  Erwähnung  von  llcril.i  als  cinos  latQiov  oxvqov  boi 
Diodor.  XV,  40  beziehen  zu  müssen. 


258 


II.  Peloponnesos. 


Sitzeswechsel  durcli  die  Römer  im  Jahre  196  v.  Chr.  definitiv  den 
Achäern  zurückgegchenJ) 

Durch  diese  mannichfacheii  Wechselfälle  hatte  die  Stadt 
olfeiibar  schwer  gelitten,  aber  in  den  friedlichen  Zeiten  der  beiden 
ersten  Jahrhunderte  unserer  Zeitrechnung  sich  einigermassen 
wieder  erholt,  so  dass  sie  noch  Pausanias  in  leidlichem  Zustande 
vorfand.  Zwar  von  dem  alten,  offenbar  in  der  Oberstadt  gele- 
genen Ilaupttempel,  dem  der  Hera,  waren  nur  noch  die  Säulen 
und  andere  Trümmer  vorhanden,  aber  zwei  Tempel  des  Dionysos, 
in  welchen  der  Gott  unter  den  Beinamen  Polites  und  Auxites 
verehrt  wurde,  ein  Gebäude  zur  Feier  der  Orgien  des  Dionysos 
und  ein  Tempel  des  Fan  standen  noch  aufrecht  und  längs  des 
Alpheios  zogen  sich  von  Myrthengebüsch  und  Bäumen  eingefasste 
Promenaden  mit  Anlagen  zu  Bädern  hin.  ^) 

Den  Verkehr  der  Stadt  mit  der  Gegend  südlich  vom  Alpheios 
vermittelte  eine  jetzt  nicht  mehr  nachweisbare  Brücke  über  diesen 
Fluss,  über  welche  die  Strasse  nach  Aliphera  gieng.^)  Die  wich- 
tigsten Verkehrsstrassen  aber  waren  die  westwärts  über  den  gewiss 
ebenfalls  überbrückten  Ladon  nach  Olympia,  und  die  in  südöst- 
licher Richtung  nach  Megalepolis  führende;  an  letzterer  lag  un- 
gefähr zw  ei  Stunden  von  Heräa  in  einer  waldigen  und  wasserreichen 
Gegend  die  zu  Pausanias  Zeit  verlassene  alte  Ortschaft  Melä- 
neä,  welcher  einige  Ruinen  von  Bädern  und  dergleichen  in  der 
Nähe  des  Dorfes  Kakuraika  anzugehören  scheinen,  und  40 
Stadien  weiter  hart  an  der  Gränze  der  Megalepolitis,  bei  dem 
jetzigen  Dorfe  Trypäs,  die  Ortschaft  Buphagion.'*) 

Nördlich  von  der  Heräitis  erstreckte  sich  zwischen  Elis 
im  Westen,  der  Psophidia  (gegen  welche  die  Gränze  zu  Pausanias 


1)  Polyb.  II,  54;  XVIII,  25;  30;  Liv.  XXVIII,  8;  XXXIT,  5; 
XXXIII,  34. 

2)  Paus.  c.  26,  1  f.  Dass  Strab.  VIII,  p.  388  Heräa  unter  die  Städte 
rechnet,  'welche  entweder  gar  nicht  mehr  vorhanden  oder  von  denen 
kaum  noch  Spuren  und  Wahrzeichen  sichtbar  sind',  ist  offenbar  eine 
aus  mangelnder  Autopsie  entsprungene  Uebertreibung.  Dass  auch  der 
Alpheios  ein  Heiligthum  in  der  Stadt  hatte,  ist  aus  Aelian.  Var.  bist.  II, 
33  zu  schliessen. 

3)  Polyb.  IV,  77  f. 

4)  Paus.  c.  26,  8,  vgl.  c.  3,  3  u.  V,  7,  1;  Plin.  N.  h.  IV,  6,  20; 
Steph.  Byz.  u.  MBlaivai]  Pouillon-Boblaj^e  Recherches  p.  159;  Curtius 
Pelop.  I,  S.  356  f. 


4.  Arkadien:  Thelpusia.  259 

Zeit  durch  eine  südlich  vom  Eichvvahl  Aphiodision,  wahrscheinlich  Theipusia. 
auf  dem  Rücken  des  jetzt  nach  dem  heil.  Petros  benannten  Ge- 
birges aufgestellte  Stele  mit  alterthümlicher  Inschrift  bezeichnet 
war)  im  Norden,  der  Kleitoria  und  Megalepolitis  im  Osten  die 
Thelpusia  oder  Telphusia,^)  ein  durchaus  gebirgiger,  aber 
von  mehreren  bedeutenden  Wasseradern  —  dem  Ladon,  einem 
von  den  Alten  Arsen  genannten,  vom  Aphrodisionwalde  herkom- 
menden nordwestlichen  Nebentlusse  desselben,  und  dem  Ery- 
manthos  —  durchzogener  Canton,  dessen  Hauptort,  Thelpusa 
oder  Telphusa,  an  und  auf  einer  von  zwei  kleinen  Bächen  im 
Norden  und  Süden  umflossenen  Anhöhe  über  dem  linken  Ufer 
des  Ladon  (etwas  nordwestlich  von  dem  jetzigen  Dörfchen  Vanäna) 
lag.  Die  schon  zu  Pausauias  Zeit  zum  grössten  Theil  verödete 
Stadt,  von  der  jetzt  nur  noch  einige  Spuren  der  Ringmauer, 
Säulenstücke  und  Trümmer  eines  grossen  Wasserbassins,  sowie 
eines  wahrscheinlich  zu  Badeanlagen  bestimmten  Backsteinge- 
bäudes mit  gewölbter  Decke  übrig  sind,  verdankte  ihren  Namen 
imd  wohl  auch  ihre  Entstehung  einer  nach  dem  Ladon  abflies- 
senden  Quelle,  deren  wahrscheinlich  als  heilkräftig  geltendes 
Wasser  zur  Errichtung  eines  Tempels  des  Asklepios,  mit  wel- 
chem, wie  so  häufig,  eine  Curanstalt  verbunden  sein  mochte, 
Veranlassung  gab.  2) 

Südlich  von  der  Stadt  standen  auf  einem  Onkeion  genannten 
Platze  am  linken  Ufer  des  Ladon,  angeblich  der  Stätte  einer 
alten  Stadt  Onkä,  Ileiligthümer  der  Demeter  Erinnys  und, 
etwas  weiter  stromabwärts,  des  Apollon  Onkäatas,  letzterem  gegen- 
über auf  dem  rechten  Flussufer  ein  Ileiligthum  des  Asklepios  als 
Knabe   mit   dem   Grabmale   seiner   angeblichen   Amme  Trygon.  ^) 


*)  Der  Name  lautet  Gslnovoa,  ©sXnovaia  bei  Paus.  c.  26,  1  ff.  und , 
auf  Münzen  (©EA);  Sdlnovaa  bei  Steph.  Byz.  u.  d.W.;  ©ugnovacc  bei 
Hierocl.  Synecd.  10  (p.  392,  13  ed.  Bekk.);  TäXtpovaa,  TsXipovaCu  bei 
Polyb.  II,  54;  IV,  60;  73;  77;  Diod.  XVI,  39;  Lycophr.  Alex.  1040;  Steph. 
Byz.  u.  d.  W.;  Hesych.  u s  Aovaia.  Der  Name  ist,  da  er  ursprüng- 
lich eine  Quelle  bezeichnete  (Paus.  c.  25,  2),  wohl  von  Q-dlnoo  herzuleiten. 

*)  Paus.  c.  25,  2  f.,  der  ausser  dem  Tempel  des  Asklepios  nur  noch 
ein  verfallenes  Ileiligthum  der  12  Götter  und  die  zu  seiner  Zeit  am  Ende 
der  Stadt  gelegene  Agora  erwähnt.  Ueber  die  Ruinen  s.  Ross  Reisen  im 
Pel.  8.  111  f.;  Leake  Moroa  II,  p.  97  ss. 

»)  Paus.  c.  25,  4  ff,;  vgl.  Etym.  M.  p.  613,  42;  Steph.  Byz.  u.  "Oy 
nsiov,    Lycophr.  AI.  1225  c.  schol.     Die    Uebcrcinstimmung  der  Namcu 


260  II.  Poloponnesos. 

Flussaufwärts  vo^i  Thclpusa,  an  der  Gränzc  gegen  die  Kleitoria, 
lag  ein  Ileiligtliiim  der  Demeter  Eleusinia  mit  sieben  Fiiss  hohen 
Steinbildern  der  Demeter,  der  Kora  und  des  Dionysos;  ferner 
40  Stadien  nördlich  von  der  Stadt,  25  Stadien  südlich  von  der 
Stelle,  wo  die  durch  den  Aphrodisionwald  kommende  Strasse  von 
Psophis  her  den  Arsenbach  in  seinem  obersten  Laufe  über- 
schritt, an  dieser  Strasse  zwischen  den  Trümmern  einer  Kome 
Iva  US  ein  Heiligthum  des  Asklepios  Kausios.  ^)  Endlich  eine 
Stunde  westwärts  von  Thelpusa,  wo  sich  in  betrachtlicher  Höhe 
über  dem  rechten  Ufer  des  Arsen  zwischen  den  Dörfern  Rhachäs 
und  Stavri  Reste  einer  alten  Ortschaft  finden,  lag  wahrschein- 
lich Stratos,  ein  befestigter  Ort,  welcher  während  des  Bundes- 
genossenkrieges von  den  Eleern  occupirt,  im  Jahre  218  durch 
Philipp  V.  von  Makedonien  den  Thelpusiern  zurückgegeben  wurde. 2) 
Die  über  Thelpusa  und  Kaus  führende  Strasse  von  Heräa 
nach  Psophis  und  Klcitor  durchschnitt  gleich  jenseits  der  Gränze 
psorhidia.  (]ßp  Thelpusia  den  schon  mehrfach  erwähnten,  bereits  zur  Pso- 
phidia,  dem  nordwestlichsten  Canton  Arkadiens,  gehörigen  Eich- 
wald Aphrodision,  der  sich  am  nördlichen  Abhänge  des  h. 
Petrosgebirges  hinzog,  und  stieg  dann  über  Tropäa,  einen  Platz, 
der  seinen  Namen  jedenfalls  einem  siegreichen  Kampfe  der  Pso- 
phidier  gegen  einen  Feind,  der  in  ihr  Gebiet  eingedrungen  war, 
verdankte,^}  in  das  Thal  des  Erymanthos  hinab,  über  dessen 
rechtem  Ufer,  gerade  in  dem  Winkel,  welcher  durch  die  Ein- 
mündung eines  von  Norden  her  kommenden  Giessbaches,  des 
Aroanios,  gebildet  wird,  auf  einem  langgestreckten  Hügel  die 
Stadt  Psophis,  durch  Natur  und  Kunst  eine  der  festesten  Städte 


'OyyiaL  und  TikcpovGa  mit  denen  böotischer  Oertlichkeiten  (vgl.  Bd.  I, 
S.  227  u.  S:  234)  lässt  auf  alten  Zusammenhang  der  Bewohner  der  Thel- 
pusia mit  denen  des  innern  Böotiens  schliessen. 

^)  Paus.  c.  25,  1 ;  Steph.  Byz.  u.  Kaovg. 

2)  Polyb.  IV,  73  (auch  c.  60  ist  jedenfalls  für  Fogyov  oder  ToQxvvav 
ZxQiixov  herzustellen) ;  vgl.  Curtius  Pel.  I,  S.  373.  Die  Identität  des 
Ortes  mit  dem  homerischen  Ztgutir]  (II.  B,  606;  vgl.  Strab.  VIII,  p.  388; 
Paus.  c.  25,  12;  Steph.  u.  ETQaxCcc)  ist  ganz  unsicher. 

^)  Paus.  c.  25,  1.  Dem  Waldreichthum  seines  Gebietes  verdankte 
Psophis  offenbar  den  Namen  ^T^yfior,  welchen  es  nach  Paus,  c,  24,  2:_u. 
Steph.  Byz.  u.  ^riybia.  in  der  ältesten  Zeit  geführt  haben  soll.  Auf  dem 
felsigen  Boden  in  der  Nähe  der  Stadt  wuchs  das  Heilkraut  nccva-nsLa  in 
besonderer  Fülle  und  Trefflichkeit;  Theophr.  Hist.  pl.  IX,  15,  7. 


4.  Arkadien:  Psophidia.  261 

Arkadiens,  sich  ausbreitete.  Der  Rücken  des  Hügels  erscheint 
als  ein  von  Süden  schroff  aufsteigender  zackiger  Felskamm,  von 
dem  sich  im  Nordosten  und  Südwesten  mehrere  Ausläufer  gegen 
den  Erymanthos  und  den  Aroanios  hinziehen;  der  nordöstlichste 
dieser  Ausläufer,  die  höchste  und  schroffste  Partie  des  ganzen 
Terrains,  bildete  wahrscheinlich  die  Akropolis  der  alten  Stadt. 
Die  aus  ziemlich  regelmässigen  Steinen  erbaute,  durch  Thürme 
von  meist  viereckter  Grundform  (nur  an  der  Südwestecke  be- 
merkte ich  die  Reste  eines  Rundthurmes)  geschützte  Stadtmauer, 
die  noch  in  ihrer  ganzen  Ausdehnung  zu  verfolgen,  wenn  auch 
nur  an  wenigen  Stellen  in  beträchtlicher  Höhe  erhalten  ist,  zog 
sich  an  der  Nordseite  des  felsigen  Kammes  hin,  stieg  dann  auf 
den  höchsten  Gipfel,  auf  welchem  man  die  Ruinen  eines  mittel- 
alterlichen Thurmes  und  zahlreicher  moderner  Häuser  bemerkt, 
hinan,  von  hier,  sowie  an  der  Westseite,  wo  sie  ungefähr  dem 
Rette  des  Aroanios  parallel  gieng,  nach  dem  rechten  Ufer  des 
Erymanthos  hinab,  auf  welchem  sie  in  geringer  Höhe  über  dem 
Flusse  hinlief.  Innerhalb  der  Stadtmauer  bemerkt  man  am  west- 
lichen Abhänge  des  südwestlichen  Ausläufers  des  Hügels  die  gegen 
Westen  geöffnete  Cavea  eines  kleinen  Theaters,  von  der  noch 
einige  sehr  zerstörte  Sitzstufen  umherliegen,  weiter  östlich  die 
Fundamente  mehrerer  antiker  Gebäude  von  verschiedenen  Dimen- 
sionen; nahe  dem  Ufer  des  Erymanthos  den  Unterbau  eines 
Tempels  nebst  Grundmauern  der  Cella  von  bedeutender  Grösse 
(wahrscheinlich  des  Tempels  des  Erymanthos,  in  welchem  noch 
Pausanias  eine  Statue  dieses  Flussgoltes  aus  w  eissem  Marmor  sah) ; 
endlich  in  der  Kirche  und  im  Hofe  des  jetzt  aufgehobenen  und 
als  Domäne  verpachteten  Klosters  des  hagios  Pateras,  welches  im 
östlicheren  Theile  des  alten  Stadtgebietes  steht,  einige  nur  an 
der  unteren  Hälfte  des  Schaftes  canelirte  dorische  Säulen  nebst 
zahlreichen  Fragmenten  solcher,  mehreren  dorischen  und  ioni- 
schen Säulencapitälen  und  einer  Anzahl  antiker  Werkstücke,  wahr- 
scheinlich Ueberreste  des  Hauplheiliglhums  der  Stadt,  des  Tempels 
der  Aphrodite  Erykine,  der  schon  zu  Pausanias  Zeit  in  Trümmern 
lug,  wie  auch  die  Heroa  des  Promachos  und  des  Echephron,  der 
Söhne  des  Herakies  von  der  Nymphe  Psophis,  bereits  verschwun- 
den waren.  Ausserhalb  der  alten  Sladtmauer,  zunächst  dem  Ver- 
(^inigungspunkte  des  Aroanios  und  Krymanthos,  steht  jetzt  eine 
stattliche   Eiche   mit  einem   Madonnenbilde,    daneben   liegen   die 

IiUIISIA,N,    OEOOR.    II.  19 


262  II.  I^eloponiiesos. 

Trümmer  einer  auf  antiken  Fundamenten  und  aus  antiken  Werk- 
stücken erbauten  Capelle,  welche  wahrscheinlich  an  die  Stelle 
des  Grabmals  des  Alkmäon,  eines  kleinen  und  schmucklosen  Ge- 
bäudes, das  zu  Tansanias  Zeit  von  mächtigen  Cypressen  beschattet 
wurde,  getreten  ist. ^) 

Psophis  hatte  ausser  seiner  militärischen  Bedeutung,  die 
besonders  im  Bundesgenossenkriege  hervortrat,  wo  es  von  den 
Eleern  und  Aetolern  besetzt  war,  von  Philipp  V.  aber  im  Sturm 
genommen  und  den  Achäern  übergeben  wurde  (im  Jahre  219 
V.  Chr.),  auch  grosse  Wichtigkeit  als  Knotenpunkt  mehrerer  grosser 
Verkehrsstrassen.  Ausser  der  schon  geschilderten  Strasse  nach 
Thelpusa  und  Heräa  (und  Olympia),  welche  den  Erymanthos, 
wahrscheinlich  an  derselben  Stelle  wie  der  jetzige  Beitweg,  etwa 
400  Fuss  oberhalb  der  Einmündung  des  Aroanios,  auf  einer 
Brücke  überschritt,  beherrschte  die  Stadt  nicht  nur  die  Strasse  nach 
Kleitor  und  Pheneos,  welche  am  rechten  Ufer  des  Erymanthos 
aufwärts,  dann,  nachdem  sie  diesen  an  der  Stelle,  wo  er  seine 
nord-südliche  Richtung  in  eine  südöstliche  verwandelt,  über- 
schritten hat,  am  rechten  Ufer  eines  Nebenflusses  desselben  (jetzt 
Fluss  von  Sopoto  genannt)  hin  und  über  den  steilen  Tartariberg 
in  das  Thal  von  Kleitor  führt,  sondern  auch  die  Strasse  nach 
Kaphyä  und  Orchomenos.  Diese  letztere  zweigt  sich  von  der 
Strasse  nach  Thelpusa  bald  nachdem  dieselbe  die  Erymanthos- 
brücke  überschritten  hat  in  südöstlicher  Richtung  ab  und  folgt 
dem  rechten  Ufer  eines  Baches  (jetzt  Bach  von  Liopesi,  auch 
Bach  von  Skupi  genannt),  der  etwa  300  Fuss  unterhalb  der  Ein- 
mündung des  Aroanios  sich  in  den  Erymanthos  ergiesst.  ^)  Auf 
dieser  Strasse  kam  man  30  Stadien  von  Psophis  an  einen  Seirä 
genannten  Platz,  welcher  die  Gränze  der  Psophidia  gegen  den 
Kieitoria.  grösscreu  Nachbarkautou,   die   Kleitoria,   bildete,    bald   darauf 


1)  Polyb.  IV,  70  ff.;  Paus.  c.  24;  Ptol.  III,  16,  19;  Stepli.  Byz.  u. 
WcocpLs;  Plin.  N.  h.  IV,  6,  20;  Pomp.  Mela  II,  43.  Vgl.  die,  freilich 
nicht  ganz  genaue,  Planskizze  bei  Leake  Morea  II,  pl.  1,  wiederholt  bei 
Curtius  Pel.  I,  Tfl,  VIII;  dazu  auch  Th.  Wyse  An  excursion  in  the 
Peloponnesus  IT,  p.  159  ss. 

2)  Dieser  Vereinigung  von  drei  Flüssen  verdankt  die  Gegend  ihren 
jetzigen  Namen  Tginozcc^o ,  mit  welchem  speciell  ein  nahe  dem  rechten 
Ufer  des  Baches  von  Liopesi  stehender,  zu  dem  etwa  ^4  Stunden  weiter 
westlich  gelegenen  Dorfe  Mostinitza  gehöriger  Khan  bezeichnet  wird. 


4,  Arkadien:  Kleiloria.  263 

zu  einer  Ortschaft  Paoii  oder  Paon,  die  in  alten  Zeiten  eine 
nicht  unbedeutende  Stadt,  später  eine  blosse  Korne  von  Rleitor 
war  und  zu  Tansanias  Zeit  bereits  im  Trümmern  lag.  ^)  Gleich 
darauf  führte  die  Strasse  durch  den  wildreichen  Wald  Soron, 
sodann  über  die  Ortschaften  Skotane,  Lykunta  und  Argeathä 
(zu  Pausanias  Zeit  jedenfalls  blosse  wüste  Marken)  an  den  Ladon, 
den  sie  wahrscheinlich  an  derselben  Stelle,  wo  noch  jetzt  eine 
Brücke  sich  befindet  (bei  einem  Khan  unterhalb  der  Kalybien  von 
Philia)  überschritt,  um  dann  am  Tragosbache  (s.  oben  S.  206) 
aufwärts  in  die  Ebene  von  Kaphyä  zu  gelangen.^) 

Eine  grössere  Wassermenge  als  der  Tragos  führt  dem  Ladon 
der  ungefähr  eine  halbe  Stunde  weiter  östlich  von  Norden  her 
einmündende  fischreiche  Bach  von  Sudena  zu,  der  von  den  Alten 
nach  dem  Aroaniagebirge,  an  dem  er  entspringt,  Aroanios 
genannt  wurde.  Zwei  Stunden  oberhalb  seiner  Einmündung  in 
den  Ladon  dehnt  sich  von  seinem  rechten  Ufer  gegen  Westen 
eine  zwei  Stunden  lange,  durchschnittlich  kaum  eine  halbe  Stunde 
breite  Ebene  mit  fruchtbarem  Ackerland  aus,  von  einem  kleinen 
in  den  Aroanios  mündenden  Bache  durchflössen,  welcher  ebenso 
wie  die  an  seinem  linken  Ufer,  etwas  über  eine  halbe  Stunde 
westlich  vom  Aroanios  gelegene  Stadt  den  Namen  Kleitor  führte, 
der  jetzt  in  der  Vulgarform  Klituras  auf  ein  IV2  Stunde  weiter 
westlich  am  östlichen  Abhang  des  Tartariberges  gelegenes  Dörf- 
chen übergegangen  ist.  Auf  der  jetzt  Paläopolis  genannten  Stätte 
der  alten  Stadt  finden  sich  noch  zwischen  den  Feldern  Beste  der 
alten  Stadtmauer,  besonders  von  der  West-  und  Südwestseite, 
an  welcher  auf  einem  niedrigen  Hügel  die  mit  15  Fuss  starken, 
durch  Bundthürme  vertheidigten  Mauern  umgebene  Akropolis  lag. 

^)  Paus.  c.  23,  9;  Herod.  VI,  127.  Die  Beziehung  der  nordöstlich 
vom  Dorfe  Besini  oberhalb  des  rechten  Flussufers  gelegenen  nicht  unbe- 
deutenden Ruinen  einer  alten  Stadt  auf  Paon  (Französ.  Karte  Bl.  7; 
Pouillon-Boblaye  Recherches  p.  157)  scheint  mir  wegen  der  Entfernung 
dieses  Platzes  von  Psophis  (3  Stunden)  unwahrscheinlich. 

*)  Paus.  c.  23,  8.  Zoqchv  ist  wahrscheinlich  arkadische  Form  für 
ZccQcov:  vgl.  Hesych.  aogcovi'g'  iXdrr)  nuXctCUy  u.  ders.  aagavidsg'  —  at 
did  naXaiOTTjta  v,£%rivvtai  ÖQVsg.  Bei  den  Kalybien  von  Philia  mag 
eine  der  Ortschaften  zu  suchen  sein,  an  welchen  nach  Paus.  c.  26,  2  der 
Ladon  bei  scinein  Laufe  innerhalb  der  Kleitoria  von  seinen  Quellen  an 
bis  zur  Gränze  der  Thclpusia  voriiberflosg:  Asv>idoi.ov,  Msaoßoa,  Näaot, 
"Oqv^.  '/tXovg  und   f)(xliudaL:  vgl.   Lenke  Peloponnosinca  j).  228. 

18  "-^^ 


264  H.  Peloponnesos. 

Am  Weslabliang  dieses  Hügels  erkennt  man  noch  innerhalb  der 
Ringmauer  die  Form  der  gegen  Westen  geöffneten  Cavea  eines 
kleinen  Theaters.  Nördlich  und  östlich  unterhalb  des  Hügels  sind 
zahlreiche  Säulenreste  und  sonstige  Bautrümmer  in  den  Feldern 
zerstreut,  die  bedeutendsten  (darunter  ein  dorisches  Capital^ 
mehrere  Troncs  canelirter  Säulen  und  Architravstücke)  am  wei- 
testen östlich  unter  einer  mächtigen  Eiche,  wo  früher  eine  Ca- 
pelle  der  Panagia  stand,  vielleicht  an  der  Stelle  des  Heiligthums 
der  Eileithyia,  welches  Pausanias  mit  den  Heiligthümern  der 
Demeter  und  des  Asklepios  zu  den  stattlichsten  Bauwerken  der 
alten  Stadt  rechnet.  Die  westlich  ausserhalb  der  Stadtmauer  ge- 
legenen Fundamente  eines  grossen  Gebäudes  mit  Säulenrestcn 
gehören  wahrscheinlich  dem  Heiligthume  der  Dioskuren,  die  hier 
unter  dem  Namen  der  ^grossen  Götter'  verehrt  wurden,  an.  Dreissig 
Stadien  von  der  Stadt,  wahrscheinlich  nordwärts,  lag  auf  einem 
Berggipfel  ein  Heiligthum  der  Athene  Koria.') 

Die  Stadt,  deren  Bürger  Polybius  (II,  55)  als  tapfer  und 
freiheitsliebend  rühmt,  nahm  wahrscheinlich  frühzeitig  eine  x\rt 
vorörtlicher  Stellung  unter  den  azanischen  Ortschaften  (vgl. 
oben  S.  189,  Anm.  1)  ein  und  benutzte  diese  Stellung 
dazu ,  allmälig  die  schwächeren  Nachbarstädte  zu  unterwerfen 
und  so  ihr  Gebiet  gegen  Süden  bis  über  den  Ladon,  gegen 
Norden  bis  zum  Aroaniagebirge  auszudehnen.  Durch  diese 
Gebietserweiterungen  kam  sie  wohl  in  Conflict  mit  dem 
die   gleiche   Tendenz    verfolgenden    Orchomenos,    gegen   welches 


*)  Paus.  c.  21;  vgl.  die  Pläne  bei  Leake  Morea  11,  p.  258  ii.  Lebas 
Voyage  arche'ologique  en  Grece  etc.,  Itine'rairo  pl.  34  (wiederholt  bei 
Curtius  Pel,  I,  Tfl.  VIII)  u.  die  Ansicht  bei  Dodwell  Views  pl.  64,  dazu 
Vischer  Erinnerungen  S.  478  f.,  mit  dessen  Schilderung  meine  eigenen 
Aufzeichnungen  ganz  übereinstimmen.  Ein  hübsches  ionisches  Capital 
und  zwei  canelirte  Säulentroncs  von  verschiedenem  Durchmesser,  die  ich 
in  dem  Vg  Stunde  östlich  von  der  Paläopolis  am  Aroanios  gelegenen  Dorfe 
Mazeika  Kalybia  neben  der  neuerbauten  Kirche  fend,  sind  wahrschein- 
lich aus  der  Paläopolis  dorthin  verschleppt  worden;  doch  erwähnt  Dodwell 
(Class.  u.  topogr.  Reise  II,  2,  S.  334)  nicht  weit  von  dem  Dorfe  Ueber- 
reste  eines  kleinen  Tempels  von  dorischer  Ordnung.  Der  Name  KXeCxcoq 
(auf  Münzen  auch  KXvtcoq,  bei  Grammatikern  ÄhTOQiov)  bezeichnet  wohl 
die  rings  von  Bergen  umschlossene  Ebene.  Die  singenden  Fische,  die 
nach  dem  Gewährsmanne  des  Pausanias  im  Aroanios  leben  sollten,  ver- 
setzt Mnaseas  bei  Athen.  VIII,  p.  331''  in  den  Fluss  Klcitor. 


4.  Arkadien:  Kleitoria.  265 

sie  im  Jahre  378  v.  Chr.  mit  Söldnertruppen  Krieg  führte. ')  Im 
Gegensatz  zu  dieser  Stadt  und  in  Uebereinstimmung  mit  Manti- 
iieia  und  Tegea  förderte  sie  die  arkadischen  Einheitsbestrehungen : 
zwei  ihrer  Bürger,  Kleoiaos  und  Akriphios,  gehörten  zu  der  von  den 
Vrkadern  für  die  Gründung  von  Megalepolis  erwählten  Commission.^) 
Als  Mitglied  des  achäischen  Bundes,  dem  sie  sich  wahrscheinlich 
gleichzeitig  mit  Megalepolis  (um  das  Jahr  235)  angeschlossen  hatte, 
leistete  sie  im  Jahre  220  den  Aetolern  tapferen  Widerstand ;  in 
ihren  Mauern  tagte  im  Jahre  184  die  achäischc  Landsgemeinde,  bei 
welcher  eine  römische  Gesandtschaft  unter  Führung  des  Appius 
Claudius  erschien.^) 

Geht  man  aus  der  Ebene  von  Kleitor  am  Aroanios  aufwärts, 
so  gelangt  man  nach  2  7^  Stunden  in  eine  gegen  Norden  durch 
(las  Veliagebirge  (s.  oben  S.  183)  abgeschlossene  Ebene,  die  sich 
gegen  Südwesten  in  einem  gegen  eine  deutsche  Meile  langen 
schmalen  Thale  fortsetzt.  Im  nördlicheren  Theile  dieses  Thaies 
sammeln  sich  die  von  den  es  umschliessenden  Bergen  herab- 
kommenden Gewässer  und  bilden,  da  einige  Katabothren  am 
Fusse  des  westlichen  und  östlichen  Gebirges  ihnen  keinen  aus- 
i'oichenden  Abfluss  gewähren,  einen  langen,  schmalen  See,  der 
im  Alterthum  in  Folge  besserer  Begulirung  der  Gewässer  nicht 
vorhanden  gewesen  zu  sein  scheint.  '*)  In  der  obern  Ebene, 
die  jetzt  zu  dem  Dorfe  Sudena  gehört,  lag  Lusoi,  noch  Ol. 
58,  3  eine  selbständige  Stadt  der  Azanen,  später  eine  Kome 
der  Kleitorier,  die  bloss  noch  sacrale  Bedeutung  hatte 
durch  den  alten,  mit  Asylrecht  begabten  Tempel  der  ^milden' 
Artemis  {'H^SQa  oder  'H^EQaöCa),  der  von  einem  Ilaine  um- 
geben  war,"   in    welchem   heilige   Thiere    der  Göttin  (hauptsäch- 


^)  Xen.  Hell.  V,  4,  36  f.  Eine  colossale  Erzstatue  des  Zeus  hatten 
die  Kleitorier  als  Wcilige.sclienk  von  der  Beute  aus  vielen  eroberten 
Städten  nach  Olympia  geweiht:  Paus.  V,  23,  7. 

2)  Paus.  c.  27,  2. 

■•)  l»olyb.  IV,  18  f.j  XXUI,  5;  Liv.  XXXIX,  35.  —  Die  Angabe  über 
«Iru  Verfall  der  Stadt  bei  Strab.  VIII,  p.  388  ist  jedenfalls  stark  über- 
trieben. 

*)  Allerdings  spriclit  l'lin.  N.  h.  XXXI,  2,  IG  von  einem  Clitorius 
lacus,  allein  die  Berufung  auf  Eudoxos  und  die  Vcrgleichung  der  von 
Stcph.  JJyz.  u,  ^A^avia  erlialtcnon  Worte  desselben  beweist,  dasa  darunter 
'•  Quelle  hei   Lusoi  (s.  u.)  zu  verstehen  ist. 


266  11.  Peloponnesos. 

lieh  wohl  Hirsche  und  Rehe)  gehegt  wurden.  Innerhalh  dieses 
Haines  strömte  aus  einer  Grotte  eine  Quelle  hervor,  an  welcher 
einst  Melampus  die  von  Wahnsinn  erfassten  Töchter  des  Proitos 
gereinigt  und  geheilt  haben  sollte ;  nach  einem  allgemein  ver- 
breiteten, durch  eine  an  der  Quelle  selbst  angebrachte  Inschrift 
bestätigten  Glauben  flösste  das  Wasser  dieser  Quelle  denen,  die 
es  tranken,  eine  unüberwindliche  Abneigung  gegen  den  Genuss 
des  Weines  ein.  Auch  fabelte  man  von  Mäusen,  die  in  dieser 
Quelle  leben  sollten.  Der  Tempel,  welcher  im  Bundesgenossen- 
kriege von  einem  ätolischen  Heerhaufen  unter  Führung  des 
Timäos  geplündert  wurde,  lag  wahrscheinlich  am  nordöstlichen 
Rande  der  Ebene  unmittelbar  unterhalb  des  Aroaniagebirges,  wo 
man  noch  Spuren  einer  alten  Tempelcella  bemerkt  hat;  auf  dem 
Gebirge,  am  Wege  von  Lusoi  nach  Nonakris,  zeigte  man  noch 
zur  Zeit  des  Pausanias,  der  von  der  Ortschaft  Lusoi  nicht  einmal 
Trümmer  mehr  vorfand,  die  Grotte,  in  welche  die  Töchter  des 
Proitos  in  ihrem  Wahnsinn  sich  geflüchtet  haben  sollten.  ^) 
Kynätheis.  Am  nördlichen   Fusse   des   Veliagebirges   erstreckt   sich  von 

Westen  nach  Osten  eine  etwa  V/.^  Stunden  lange  fruchtbare  Ebene, 
die  von  einem  in  der  Kleitoria  entspringenden ,  durch  einen  Spalt 
zwischen  dem  westlichen  Ende  der  Aroania-  und  dem  östlichen 
der  Erymanthoskette  in  die  Ebene  eintretenden  Flusse  durch- 
strömt wird,  der  von  den  Alten  Erasinos,^)  jetzt  nach  dem  am 
östlichen  Ende  der  Ebene  anmuthig  zwischen  Gärten  gelegenen, 
von  den  Ruinen  einer  fränkischen  Burg  überragten  Städtchen 
Kalavryta  (d.  i.  Schönbrunn)  der  Fluss  von  Kalavryta  genannt 
wird.  Die  Ebene  und  die  Abhänge  der  sie  umschliessenden  Ge- 
birge bildeten  das  Gebiet  der  Kynätheis  oder  Kynäthaeis, 
eines  arkadischen  Völkchens,  das  theils  durch  den  Einfluss  des 
rauhen  Klimas,  theils  in  Folge  seiner  aus  einem  übermässigen 
ünabhängigkeitstriebe  entsprungenen  Absonderung  von  seinen 
Stammgenossen   verwildert  und    durch   lange  und    blutige  Partei- 


»)  Paus.  c.  18,  7  f.;  Polyb.  IV,  18  f.;  IX,  34;  (Aristot.)  Mir.  ausc. 
125;  Sotion  de  fluviis  etc.  12  u.  24  (Westermann  IlaQaSo^oyQcccpoi  p. 
184  u.  186);  Vitruv.  VIII,  3,  21;  Callimach.  H.  in  Dian.  235  f.;  Steph. 
Byz.  II.  Aovgol:  über  die  Tempelreste  Dodwell  Class.  u.  topogr.  Reise  II,  2, 
S.339.  In  der  Umgegend  wuchs  besonders  Schierling:  Theophr.  Hist.  pl.JX, 
15,8  (wo  Aovaa  statt  2;'ou(7a  mit  den  älteren  Herausgebern  zu  schreiben  ist). 

2)  Strab.  VIII,  p.  371. 


5.  Elis.  267 

kämpfe,  die  das  kleine,  von  einer  Behörde,  deren  Mitglieder  den 
Titel  Polemarchen  führten,  regierte  Gemeinwesen  zerrütteten,  bei 
den  übrigen  Arkadern  in  den  Ruf  der  äussersten  Rohheit  und 
Gottlosigkeit  gekommen  war,  so  dass,  als  es  einst  eine  Gesandt- 
schaft nach  Sparta  abschickte,  die  Abgesandten  aus  allen  arka- 
dischen Städten,  die  sie  auf  der  Reise  berührten,  ausgewiesen 
wurden  und  die  Mantineer  es  sogar  für  nothwendig  erachteten, 
ihre  Stadt  und  ihr  Gebiet  nach  dem  Abzug  der  Gesandten  durch 
Suhnopfer  zu  reinigen  —  ein  Hass,  der  schwerlich  bloss  auf 
sittliche,  sondern  hauptsächlich  wohl  auf  politische  Motive  zurück- 
zuführen ist.  Die  Stadt  Kynätha,  welche  wahrscheinlich  an 
der  Stelle  von  Ralavryta  lag  (doch  sind  noch  keine  sicheren 
Spuren  derselben  gefunden  worden) ,  wurde  im  Jahre  220  v.  Chr., 
nachdem  sie  sich  einige  Zeit  vorher  den  Achäern  angeschlossen 
hatte,  von  den  Aetolern  durch  Verrath  eingenommen,  geplündert, 
in  Brand  gesteckt  und  nachdem  sie  sie  vergeblich  den  Eleern 
angeboten  hatten,  besetzt  gehallen;  ein  Versuch  des  Aratos,  sie 
zu  entsetzen,  schlug  fehl  und  brachte  nur  den  in  der  Stadt 
zurückgebliebenen  Anhängern  der  achäischen  Partei  Verderben. 
Nach  dem  Ende  des  Bundesgenossenkrieges  scheint  sich  die  Stadt 
allmälig  wieder  erholt  zu  haben  und  später  von  Hadrian  unter- 
stützt w  orden  zu  sein ,  da  Pausanias  auf  der  Agora  ausser  Götter- 
altären eine  Statue  dieses  Kaisers  sah;  ausserdem  erwähnt  er  ein 
Heiligthum  des  Dionysos  und  eine  zwei  Stadien  von  der  Stadt 
unter  einer  Platane  aufsprudelnde  Quelle,  welche  Alyssos  ge- 
nannt wurde,  weil  ihr  Wasser  als  heilkräftig  für  den  Biss  toller 
Hunde  galt.^) 


5.    Elis. 

Die  gegen  Osten  ihrer  ganzen  Länge  nach  von  Arkadien,  im 
Süden  und  Norden  von  schmalen  Stücken  messenischen  und 
achäischen    Gebietes    begränzte,    gegen    Westen    dem    ionischen 


«)  Polyb.  IV,  c.  10—21;  IX,  17;  38;  Strab.  VIII,  p.  388;  Paus.  c.  19; 
Steph.  Byz.  u.  Kvvai^a.  Für  Zeuscult  in  der  Stadt  spricht  der  Beiname 
dcB  Zeus  Kvvai&svg  (Lycophr.  Alex.  400  c.  schol.)  und  der  von  den  Ky- 
nathern  in  Olympia  geweihte  Zeuscoloss  (Paus.  V,  22,  1).  Ueber  die 
Quelle  vgl.  Dodwell  Class.  u.  topogr.  Reise  11,  2,  8.  345  f. 


268  n.  Peloponnesos. 

(oder  sikclischcn)  Meere  eine  melirfacli  ausgebauehte,  mit  Aus- 
nahme dreier  felsiger  Vorsprünge,  die  offenbar  ehemals  Inseln 
waren,  ganz  Hache  Küste  von  zwanzig  Meilen  Länge  darbie- 
tende Landschaft,  welche  die  Alten  mit  dem  eigentlich  nur  ihrem 
nordwestlicheren  Theile  zukommenden,  in  Folge  der  politischen 
Gestaltung  aber  auf  die  ganze  Landschaft  ausgedehnten  Namen 
Elis  oder  Eleia  (nach  einheimischem  Dialect  Valis,  Valeia)^) 
d.  i.  Tiefland  bezeichneten,  ist  ihrem  Flächeninhalt  nach  nächst 
Achaia  die  kleinste,^)  in  chorographischer  Beziehung  die  am 
wenigsten  selbständige  und  in  ihrer  jetzigen  Gestalt  jüngste  unter 
den  Landschaften  des  Peloponnes.  Sie  hat  kein  selbständiges 
Gebirgssystem,  sondern  die  Gebirge,  welche  den  südlichsten  Theil 
zwischen  der  messenischen  Gränze  und  dem  Alpheios  bis  auf 
einen  schmalen  Küstensaum  ganz,  von  dem  mittleren  und  nörd- 
licheren Theile  die  grössere  östliche  Hälfte  einnehmen,  sind  blosse 
Fortsetzungen  der  Gebirge  des  westlichen  Arkadiens,  wenn  sie 
auch  im  Alterthum  wie  heut  zu  Tage  mit  Sondernamen  bezeichnet 
werden:  die  bis  zur  Höhe  von  1222  Meter  aufsteigende  Minthe 
(jetzt  Alvena)  im  Süden  mit  ihrer  nordwestlichen  Forlsetzung,  dem 
Lapithos  (den  jetzigen  Bergen  Kaiapha  und  Smerna)  gehört  zum 
Gebirgszuge  des  Lykäon;^)  die  breiten,  terrassenförmigen  Hoch- 
l)lateaus  des  mittleren  Theiles  sind  die  westlichen  Abdachungen 
des  arkadischen  Gränzgebirges,  der  Pholoe  (vgl.  oben  S.  183f.) ;  der 


^)  faXsLOL  in  der  Inschr.  C,  I.  gr.  n.  11  u.  auf  Münzen;  vgl.  über 
die  Ableitung  G.  Curtius  Grundzüge  der  griech.  Etym.  I,  S.  327  der 
1.  Aufl.  'HXlcoiu  hatten  ausser  Pausanias  (Buch  V  u.  VI)  geschrieben 
Istros  (Steph.  Byz.  u.  ^vtslov;  schol.  Plat.  Phaed.  p.  89%  t.  VI,  p.  233 
ed.  C.  Fr.  Hermann)  und  TevnaXos  (?  Steph.  Byz.  u.  'AvögCa). 

2)  Der  Flächeninhalt  der  Landschaft  nach  ihrer  alten  Begränzung  be- 
trägt nach  Pouillon-Boblaye  (Recherches  p.  119)  2572  Myriameter  =  255 
Kilometer.  Ueber  die  antiken  Angaben  in  Betreff  der  Länge  der  Küste 
s.  Curtius  Pelop.  II,  S.  93  f.  Die  Bevölkerung,  welche  verhältnissmässig 
stärker  war,  als  in  den  übrigen  peloponnesischen  Landschaften  (Polyb. 
IV,  73;  vgl.  Diodor.  VIII,  fr.  1;  Strab.  VIII,  p.  358),  schlägt  Clinton 
(Fasti  Hellenici  p.  438  ed.  Krüger)  nach  einer  freilich  sehr  unsicheren 
Berechnung  auf  etwa  186,000  Seelen  an.  Heutzutage  gehört  der  Theil 
der  Landschaft  südlich  vom  Alpheios  zwm.  voaos  MsoarivCaq,  das  Uebrige 
bildet  mit  Achaia  den  vo^og  ^A%aLag  xat  'HUdog,  der  einen  Flächen- 
inhalt von  94,31  □  Meilen  und  (nach  der  Zählung  von  1861)  eine  Bevöl- 
kerung von  113,719  Seelen  hat. 

3)  Strab.  VIII,  p.  341;  Ptol.  III,  16,  14;  Paus.  V,  5,  8:  vgl.  oben  S.  184. 


5.  Elis.  269 

Gebirgszug  endlich,  dessen  Rucken  die  Nordgränze  der  Land- 
schaft gegen  Achaia  bildet  und  der  mit  seinen  südHchen  Verzwei- 
gungen bis  zum  Peneiosflusse  herabreicht  (von  den  Alten  in  seiner 
Gesammtheit  SkoIIis,  jetzt  in  seinen  beiden  Hauptmassen  Mavri 
und  Santameri  genannt)^),  ist  eine  directe  Fortsetzung  der  arka- 
dischen Erymanthoskette.  Doch  tragen  alle  diese  Gebirge  nicht 
mehr  den  wilden  und  grossartigen  Charakter  der  arkadischen 
Gebirge,  sondern  machen  mit  der  reichen  Vegetation ,  welche  sie 
dem  Einflüsse  der  Seeluft  verdanken,  mit  den  Wäldern  und 
Triften,  welche  ihre  Abhänge  bis  zu  den  Gipfeln  hinauf  be- 
decken, einen  vorherrschend   milden  und   anmuthigen  Eindruck. 

Auch  von  den  Flüssen  der  Landschaft  gehört  der  bedeu- 
tendste, der  Alp  hei  OS,  mit  dem  weitaus  grössten  Theile  seines 
Laufes  Arkadien  an;  doch  erhält  er  auf  eleischem  Gebiet,  das 
er  in  der  Hauptrichtung  von  Ost  nach  West,  aber  mit  zahlreichen 
Krümmungen  durchfliesst,  noch  von  beiden  Seiten,  besonders 
aber  von  Norden  her,  beträchtlichen  Zufluss  durch  eine  grosse 
Anzahl  von  Seitenbächen,  so  dass  er  bis  über  eine  Meile  auf- 
wärts von  seiner  Mündung  schiffbar  ist. '^) 

Der  zweite  grössere  FIuss  der  Landschaft,  der  Peneios,  ent- 
springt hart  an  der  arkadischen  Gränzc  am  südwestlichen  Fusse 
des  Erymanthos,  fliesst  zuerst  in  südwestlicher  Richtung  durch 
die  enge  Schlucht  von  Verveni  (nach  welcher  er  in  seinem  oberen 
Laufe  jetzt  Fluss  von  Verveni  genannt  wird),  dann  nordwestwärts 
am  südlichen  Fusse  des  Skollisgebirges,  von  dem  er  mehrere 
nicht  unbedeutende  Zuflüsse  erhält,  hin  und  vereinigt  sich  darauf 
ungefähr  in  der  Mitte  seines  Laufes  und  der  Landschaft  mit  dem 
an  Wassermenge  ihm  ungefähr  gleichen  Ladon,  der  in  ziemlich 
paralleler    Richtung  von   der  Pholoe    herkommt;    der    vereinigte 


1)  Strab.  VIII,  p.  341  u.  p.  387;  auch  p.  339,  wo  die  Codd.  tov 
Zv,6XXiv  geben  (to  SnoXXiov  Kramer),  ist  jedenfalls  derselbe  Name  ge- 
meint, der  vielleicht  bald  als  Femininum,  bald  als  Masculinum  (vgl.  das 
wohl  auch  etymologisch  damit  zusammenhängende  Wo»t  6  cv.6lkvg)  ge- 
braucht wurde.  Ciirtius'  (Pel.  II,  S.  38  u.  S.  105,  Anm.  39)  Unterschei- 
dung zwischen  ßkollis  als  Bezeichnung  des  Hauptgebirges  und  Z-^oXkiov 
als  Name  des  von  Nord  nach  Süd  streichenden,  eine  absolute  Höhe  von 
1016  Meter  erreichenden,  jetzt  Santameri  (d.  i.  St.  Oraer)  genannten 
Bergrückens  scheint  mir  ganz  unbegründet. 

^)  VI  railia  passuura  nach  Tun.  N.  h.  IV,  5,   U. 


270  H.   Peloponnesos. 

Strom,  dem  im  Altcrthum  der  Name  Peneios  verblieb  (jetzt  wird  er 
Fluss  von  Gastuni  genannt)  nimmt  eine  vorherrschend  westliche 
Richtung,  bis  er  sich  bei  dem  jetzigen  Bartholomiu  plötzlich 
gegen  Süden  wendet  und  nach  zahlreichen  Windungen  sudöstlich 
vom  Vorgebirge  Chelonatas  (dem  jetzigen  Chlemutzi)  mündet.  Da 
nun  nach  dem  bestimmten  Zeugnisse  mehrerer  alten  Geographen 
die  Mündung  des  Peneios  nördlich  von  diesem  Vorgebirge  liegt, 
so  muss  der  Fluss  im  Alterthum  auch  in  seiner  Mündungsebene 
die  westliche  Richtung  mit  allmäliger  Abweichung  nach  Norden 
beibehalten  und  erst  im  Mittelalter  oder  der  neueren  Zeit  seinen 
Lauf,  wie  dies  bei  dem  flachen  Alluvialboden  sehr  leicht  geschehen 
konnte,  geändert  haben,  i) 

Ausser  diesen  beiden  Flüssen  und  ihren  Nebenflüssen  be- 
sitzt die  Landschaft  noch  eine  sehr  beträchtliche  Anzahl  von 
Bächen,  die  nur  einen  Theil  des  Jahres  hindurch  Wasser  ent- 
halten, welches  sie  nach  meist  ziemlich  kurzem  Laufe  dem  Meere 
zuführen.  Einer  der  bedeutendsten  derselben,  der  vom  nordwest- 
lichsten Theile  des  Skollisgebirges  herabkommende,  unmittelbar 
südlich  vom  Vorgebirge  Araxos  mündende  Larisos,  galt  als 
Gränzscheide  gegen  Achaia ,  wie  im  Süden  die  (arkadische)  Neda 
gegen  Messenien.  ^) 

Diesen  Flüssen  und  Bächen,  welche  besonders  während  der 
Regenzeit  eine  Masse  von  Geröll,  Sand  und  Schlamm  mit  sich 
führen  und  an  ihren  Mündungen  ablagern,  verdankt  der  einer 
verhältnissmässig  jungen  geologischen  Periode  angehörige  west- 
lichere Theil  der  Landschaft  seine  Entsehung,  wie  die  südlichsten 
Strecken  Akarnaniens  und  Aetoliens  Schöpfungen  des  Acheloos 
und  des  Euenos  sind.  An  den  westlichen  Fuss  der  Gebirge 
schliessen  sich  zunächst  sandige,  grossen  Theils  mit  Kiefernwald 
bedeckte  Hügel,  an  diese  flache  Strandebenen  mit  fruchtbarem, 
meist   auf  Sand-    und    Geröllschichten   auflagerndem,    mit  vielen 


1)  Strab.  VIJI,  p.  338;  Ptolem.  III,  16,  6;  vgl.  Curtius  Pelop.  II, 
S.  33  f.  Der  JdScov  (Paus.  VI,  22,  5)  führte  auch  den  Namen  SsUrjsis 
nach  Strab.  VIII,  p.  339,  vgl.  VII,  p.  328  u.  schol.  II.  0,  531. 

2)  Paus.  VI,  26,  10;  VHI,  49,  7;  Strab.  VIII,  p.  387;  IX,  p.  440; 
Xen.  Hellen.  III,  2,  23  u.  a.  Nach  Steph.  Byz.  u.  Bovrcgdaiov  hätte  -der 
Larisos  (der  jetzt  Mana  genannt  wird)  auch  nach  der  benachbarten  Ort- 
schaft Buprasion  den  Namen  BovJtQuoiog  geführt. 


5.  Elis.  271 

Meeresproducteii,  besonders  halb  verkalkten  Austersdialen  durch- 
setztem Boden,  der  für  Getreide-  und  Wehibau,  an  den  nasseren 
Stellen  für  die  Cultur  der  Baumwollenst aude,  die  schon  im  Alter- 
Ihum  in  Elis  und  zwar  nur  in  dieser  von  allen  griechischen 
Landschaften  gebaut  wurde ,  ^)  trefflich  geeignet  ist.  Nur  an  drei 
Punkten  wird  diese,  im  südlichsten  Theil  der  Landschaft  sehr 
schmale  und  fast  ganz  von  Lagunen  bedeckte,  im  mittlem  und 
nördlichen  Theil  breite  Strandebene  von  felsigen  Vorsprüngen, 
die  offenbar  in  alter  Zeit  kleine  Inseln  waren  und  erst  allmälig 
durch  Anschwemmung  mit  dem  Lande  verbunden  und  zu  Halb- 
inseln oder  Vorgebirgen  geworden  sind,  abgeschlossen.  Das  mäch- 
tigste dieser  Vorgebirge,  zugleich  der  westlichste  Vorsprung  nicht 
nur  der  Landschaft  Elis,  sondern  des  ganzen  Peloponnes,  wird 
von  den  Alten  wegen  seines  breiten,  der  Schale  einer  Schild- 
kröte vergleicbbaren  Rückens  Chelonatas,^)  jetzt  nach  einem 
mittelalterUchen  Castell,  dessen  Ruinen  gerade  westlich  unter  dem 
226  Meter  hohen  Gipfel  liegen,  Chlemutzi  genannt.  Südlich 
davon  tritt  die  Küs^e  beträchtlich  nach  Osten  zurück  und  bildet 
so  eine  weite  Bucht,  die  im  Süden  durch  eine  von  Nord  nach 
Süd  gestreckte,  von  den  Alten  nach  ihrer  Gestalt  Ichthys 
(Fisch)  genannte  schmale  Halbinsel  (jetzt  Ratakolo)  ^)  abgeschlossen 
und  von  dem  Elis  und  3Iessenien  gemeinsamen  Kyparissischen 
Meerbusen  (s.  oben  S.  159)  getrennt  wird.  Eine  ähnliche, 
aber  weniger  tief  eingeschnittene  Bucht,  von  den  Alten  der  Kylie - 
nische  Meerbusen  (nach  Kyllene,  der  Hafenstadt  von  Elis)  ge- 
nannt, erstreckt  sich  nordwärts  vom  Chelonatas  bis  zu  dem  nord- 


1)  Paus.  V,  5,  2;  VI,  26,  6;  VII,  21,  14;  vgl.  über  die  ßvaaog  und 
ihre  Bedeutung  Becker  Charikles  III,  S.  185  ff.  (2.  Aufl.);  Curtius  Pel.  II, 
S.  10  f.  u.  S.  95,  Anm.  10;  H.  Ritter  Ueber  die  geographische  Verbrei- 
tung der  Baumwolle,  Abhandl.  d.  Berlin.  Akad.  1851,  Philol.-hist.  Cl.  S. 
.315  ff.  —  Eine  mythische  Erinnerung  an  die  Gewinnung  des  ange- 
schwemmten Landes  für  die  Cultur  durch  Regulirung  des  Laufes  der  Ge- 
wässer scheint  mir  der  Sage  von  den  Rinderställen  des  Augeias  u.  ihrer 
Reinigung  durch  Herakles  zu  Grunde  zu  liegen. 

2)  6  Xilojvätug  Strab.  VIII,  p.  335;  337  s.;  342;  Chelonates  Pomp. 
Mela  II,  49;  Plin.  N.  h.  IV,  5,  13;  XeXcavizig  axpa  Ptol.  III,  16,  6;  der- 
selbe giebt  für  die  Bucht  den  Namen  XslaivCtrig  y(.6Xno{. 

3)  Strab.  XVII,  p.  837  (auch  VIII,  p.  343  ist' jedenfalls  mit  Palme- 
rius  'ix^vq  statt  Bv&vg  herzustellen);  Pomp.  Mela  u.  Ptol.  11,  11.;  vgl. 
Thukyd.  U,  26;  Xenoph.  Hell.  VI,  2,  31. 


272  II.  Pcloponnesos. 

westlichsten  Punkte  des   Peloponries,    dein  von   den   Alten   meist 
zu  Acliaia  gereclineten    Felscap  AraxosJ) 

Die  ganze  Landseliaft  ist,  wie  schon  aus  dem  bisher  Ge- 
sagten erhellt,  von  der  Natur  selbst  in  drei  Theile  gegliedert, 
die  im  Alterthum  auch  durch  die  Stammeszugehörigkeit  ihrer 
Bewohner  gesondert,  nur  durch  ein  häufig  gelockertes,  zeitweise 
ganz  zerrissenes  politisches  Band  —  die  Suprematie  der  Be- 
wohner des  nördlichen  über  die  der  beiden  anderen  Theile  — 
zusammen  gehalten  wurden.  Der  südlichste  Theil,  das  Land 
zwischen  Neda  und  Alpheios,  war,  wie  es  seinem  ganzen  land- 
schaftlichen Charakter  nach  aufs  Engste  mit  Arkadien  verbunden 
ist,  auch  ursprünglich  von  zwei  Völkern  arkadischen  Stammes, 
den  Kaukones  und  Paroreatae,  bewohnt,  von  denen  die 
ersteren  nach  einigen  alten  Historikern  auch  im  nördlichsten 
Theile  der  Landschaft,  an  der  Gränze  Achaias,  sesshaft,  nach 
anderen  die  älteste  Bevölkerung  der  ganzen  Landschaft  waren.  ^) 
Auch  phönikische  Seefahrer  scheinen  sich  frühzeitig  an  einigen 
Küstenpunkten  angesiedelt  und  in  ein  Paar  Ortsnamen  wie  Same 
und  lardanos,  sowie  in  dem  Anbau  der  Byssospflanze  ihre  Spuren 
hinterlassen  zu  haben.  3)  Zu  den  Kaukonen  und  Paroreaten  kamen 
thessalische  Minyer,  die  jedenfalls  von  Süden,  von  der  Westküste 
Messeniens  her,  vordringend  das  Land  unterwarfen,  das  nun 
nach  dem  Zusammenwohnen  dreier  Stämme  Triphylia  (das 
Land  der  drei  Stämme)  genannt  und  in  sechs  Bezirke  getheilt 
ein  Bestandtheil  des  vom  Akritas  bis  zur  Mündung  des  Alpheios 
sich  erstreckenden  Beiches  der  Neliden  von  Pylos  wurde.*)  Audi 
nordwärts  über  den   Alpheios  hinaus,   ja  bis  zur  Gränze  Achaias 


1)  Paus.  VI,  26,  10;  Strab.  VIII,  p.  335  u.  ö. ;  Ptol.  III,  16,  5  u.  a. 
Cyllenes  sinus  Plin.  N.  h.  IV,  5,  13.  Mit  dem  offenbar  vom  Schlagen 
der  Wogen  (agdoGO})  benannten  Cap  "^ga^og  scheint  das  ^jQVfiviov  Xs- 
yofiEvov  OQog  Tjjg  'Axcciag  mit  der  ^ogv-vvog  ßrjaca  (schol.  Odyss.  v,  96) 
identisch  zu  sein. 

^)  Odyss.  y,  366  c  schol.;  Strab.  VIII,  p.  345;  Steph. Byz.  u.  KavucovsLa. 
Der  Stanimheros  KavKcov  wird  ein  Sohn  des  (arkadischen)  Lykaon  ge- 
nannt: Apollod.  III,  8,  1,  2;  denselben  Sinn  hat  es,  wenn  Triphylos,  der 
aus  dem  spätem  Landesnamen  abstrahirte  Heros  eponymos,  ein  Sohn  des 
Arkas  heisst:  Polyb.  IV,  77;  Paus.  X,  9,  5.  Ueber  die  TJagoiQBätoci  s.  Herod. 
IV,  148;  Strab.  VIII,  p.  346;  vgl.  Deimling  Die  Leleger  S.  136  f. 

3)  Vgl.  Curtius  Pel.  II,  S.  10. 

^)  Herod.  IV,  148;  Strab.  VIII,  p.  336  s.;  vgl.  11.  ß,  591  ff. 


5.  Elis.  273 

hin  scheinen  die  Minyer  ihre  Herrschaft,  wenn  auch  nur  vor- 
■-übergehend ,  ausgedehnt  und  zahlreiche  Ansiedelungen  gegründet 
zu  haben,  wie  aus  der  üebereinstimmung  vieler  dortiger  Orts- 
namen mit  denen  thessalischer  Oertlichkeiten  (man  vergleiche  die 
Bergnamen  Olympos  und  Ossa,  die  Flussnamen  Peneios,  Enipeus 
und  Larisos,  die  Städtenamen  Salmone,  Ephyra  und  Ormina,  die 
gewiss  nur  zu  einem  kleinen  Theile  achälschen  Ursprunges  sind) 
zu  schliessen  ist.  Gerade  umgekehrt  gestaltete  sich  das  Ver- 
hältniss  nach  der  dorischen  Wanderung,  als  die  Bewohner  des 
nördlichsten  Theiles  der  Landschaft,  die  Epeier  oder,  wie  sie 
sich  nunmehr  nannten,  die  Eleier,  allmälig  nach  Süden  vor- 
drangen und  die  Bewohner  nicht  nur  des  mittleren  Theiles,  son- 
dern auch  der  Triphylia  zuerst  zu  ihren  Bundesgenossen,  dann, 
nach  dem  Ende  des  zweiten  messenischen  Krieges,  zu  ihren  Unter- 
thanen  (Periöken)  machten.  Nur  der  südlichste  District  Triphy- 
liens,  das  Gebiet  von  Lepreon,  bewahrte  sich  bis  nach  den  Per- 
serkriegen seine  Selbständigkeit;  und  auch  nachdem  die  Lepreaten 
die  Suprematie  der  Eleer  hatten  anerkennen  und  sich  die  offi- 
cielle  Benennung  'Eleer  aus  Lepreon'  gefallen  lassen  müssen, 
benutzten  sie  jede  Gelegenheit,  um  bald  mit  Hülfe  der  Spartaner, 
bald  mit  Hülfe  der  Arkader,  bald  des  achäischen  Bundes  das 
verhasste  Joch  abzuschütteln  und  entweder  als  selbständiges  Ge- 
meinwesen oder  als  Mitglied  des  arkadischen  oder  des  achäischen 
Bundesstaates  aufzutreten.  Daher  erscheint  bei  manchen  Geo- 
graphen theils  ganz  Triphylien,  theils  das  Gebiet  von  Lepreon 
als  zu  Arkadien  gehörig  und  noch  Pausanias  unterscheidet  das 
Gebiet  der  Lepreaten  als  Triphylia  von  der  Eleia.^) 

Der  mittlere  Theil  der  Landschaft,  vom  Alpheios  bis  zum 
Ladon  und  einem  der  zunächst  südlich  vom  Chelonatas  mündenden 
Küstenbäche, ^)  von  den  Alten  Pisäa  oder  Pisatis  genannt,  war 


«)  Scjl.  Peripl.  44;   Dikäarch.  bei  Cic.  ad  Att.  VI,  2,  3;    Polyb.  TV, 
77;  Paus.  V,  5,  3.     Vgl.  unten  S,  277,  Anm.  4  u.  die  historischen  ^.uh 
Weisungen    bei   O.  Müller  Orchomenos   S.  367  ff.  u.  bei   Schiller  iStUnuue 
und    Staaten  Griechenlands  I,  S.  11  ff. 

')  Die  Begränzung  der  Tisatis  ist,  da  dieselbe  frühzeitig  ihre  poli- 
tiHche  Existenz  verloren  hat,  schwer  festzustellen.  Im  Süden  bildet  der 
Alpheios  die  natürliche  Gränze,  der  ja  auch  im  Schiffscatalog  (II.  B,  691) 
als  Nordgrünze  des  Pylischen  Jlciches  erscheint;  doch  besassen  die  Pi- 
satcn  später  um  unteren  Laufe  des  Flusses  beide  Ufer,  daher  Strab.  VUI, 


274  II.  Peloponnesos. 

vielleicht  schon  vor  der  dorischen  Wanderung  oder  doch  unmittel- 
bar nach  derselben  von  Achäern  occupirt  worden,  welche  ihrem 
Stammgotte,  dem  Zeus  Olympios,  am  nördlichen  Ufer  des  Alpheios 
ein  Heiligthum  errichteten  und  ihm  zu  Ehren  Festspiele  feierten. 
Diese  Festspiele,  Olympia  genannt,  wurden  seit  dem  Jahre  776 
V.  Chr.  in  Folge  des  wohl  nicht  ganz  freiwilligen  Bundesver- 
hältnisses zwischen  den  pisatischen  Achäern  und  Eleern  von  beiden 
Staaten  gemeinsam  alle  vier  Jahre  am  ersten  Vollmond  nach  der 
Sommersonnenwende  unter  Theilnahme  zuerst  der  Lakedämonier 
und  Messenier,  dann  der  übrigen  Peloponnesier,  endlich  auch 
der  ausserpeloponnesischen  Hellenen  (zuerst  der  Megarer  und 
Athener,  dann  der  kleinasiatischen  lonier  u.  s.  w.)  gefeiert;  all- 
mälig  aber  nahmen  die  Eleer,  indem  sie  das  Bundesverhältniss 
der  Pisaten  in  ein  Unterthanenverhältniss  verwandelten,  die  Lei- 
tung des  Festes  für  sich  allein  in  Anspruch  und  nur  vorüber- 
gehend gelang  es  den  Pisaten,  sich  entweder  die  Mitleitung  der 
Feier  zu  erringen  oder  auch  die  Eleer  ganz  von  der  Leitung 
auszuschliessen :  in  den  ersteren  Fällen  wurde  die  Theilnahme 
der  Pisaten  an  der  Leitung  von  den  Eleern  in  ihren  officiellen 
Verzeichnissen  der  Olympiaden  einfach  ignorirt,  in  den  letzteren 
dagegen  die  Feier  als  gar  nicht  abgehalten  betrachtet  und  die 
betreffende  Olympiade  als  Anolympias  bezeichnet.  ^) 


p.  343  den  Bergzug  am  linken  Alpheiosufer  (von  Curtius  Pel.  II,  S.  90 
nach  Strab.  a.  a.  O.  ^sXXav  genannt,  ein  Wort,  das  wohl  wie  (pslXsvg 
jede  steinige  Berggegend  bezeichnet)  als  Gränze  zwischen  Pisatis  und 
Triphylien  anführt.  Schwankender  war  die  Begränznng  der  Pisatis  im 
Norden:  einige  dehnten  dieselbe  bis  zum  Cap  Chelonatas  aus  und  setz- 
ten entweder  eine  kleine,  vor  der  Westseite  des  Cap  liegende,  von  Un- 
tiefen umgebene  Insel  (jetzt  S.  Giovanni)  oder  einen  Küstenbach  Elison 
oder  Elisa  (schwerlich  den  kleinen  hart  an  der  Ostseite  des  Chelonatas 
von  Nord  nach  Süd  fliessenden  Bach,  wie  Curtius  vermuthet,  sondern 
einen  der  südlich  vom  Chelonatas  in  der  Richtung  von  Ost  nach  West 
fliessenden  Bäche,  entweder  den  zunächst  südlich  von  Gastuni,  der  jetzt 
in  den  Alpheios  mündet,  oder  den  etwas  weiter  südlich  fliessenden  jetzt 
Purleska  genannten)  als  Gränzmark  an  (Strab.  VIII,  p.  338;  vgl.  Theoer. 
Id.  XXV,  9);  andere  betrachteten  das  zunächst  nördlich  vom  Cap  Ichthys 
gelegene  Cap  Pheia  (beim  jetzigen  Hafen  Chortäs)  als  den  nördlichsten 
Punkt  der  Pisatis  (Strab.  VIII,  p.  343).  Dass  die  Quelle  Piera  (Paus. 
V,  16,  8)  die  Gränze  bezeichnet  habe,  wie  Curtius  (Pel.  11,  S.  35  u.  45) 
annimmt,  ist  weder  nachweisbar  noch  wahrscheinlich. 

1)  Strabon  VIII,  p.  355  u.  358;  Paus.  VI,  22,  2  f.;  vgl.  Weissenborn 


5.  Elis.  275 

Der  nördlichste  Theil  der  Landschaft,  wegen  der  beträcht- 
lichen Ausdehnung  seiner  Köstenebenen  Elis  im  engern  Sinne 
oder  auch  'die  hohle  Elis'  genannt J)  war  seit  alter  Zeit  von 
einem  zum  Stamme  der  Leleger  gehörigen  Volke,  den  Epeiern 
bewohnt,  die  im  Schiffscatalog  nicht  zu  einem  Gesammtstaate 
verbunden,  sondern  in  vier  von  besonderen  Fürsten  beherrschte 
Gruppen  gesondert  erscheinen,  ^j  Zu  politischer  Einheit  und  in 
Folge  davon  zu  grösserer  Machtentvvickelung  gelangten  sie  erst 
durch  das  Eindringen  einer  stammverwandten  Heerschaar  aus 
dem  südlichen  Aetolien,  welches  von  der  Tradition  mit  der  do- 
rischen Wanderung  in  engen  Zusammenhang  gebracht  wird:  die 
Eroberer  verschmolzen  bald  aufs  Engste  mit  der  alten  Bevölke- 
rung, die  sich  nun  nicht  mehr  Epeier,  sondern  nach  dem  Namen 
des  Landes  Eleier  nannte  und  mit  ihrer  Herrschaft  den  Namen 
Eleia  auch  über  die  Gebiete  ihrer  Periöken,  die  Pisatis  und 
Triphylia  (vgl.  Anm.  1),  ausbreitete.  Die  Regierung  des  so  ge- 
schaffenen Einheitsstaates  war  eine  oligarchische :  ein  Senat  von 
90  lebenslänglichen  Mitgliedern,  aus  einer  Anzahl  vornehmer, 
in  kleinen  Städten  oder  einzelnen  Burgen  sesshafter  Geschlechter 
entnommen,  hatte  alle  politische  Macht  und  insbesondere  wohl 
die  Leitung  des  olympischen  Festes,  dessen  steigende  Bedeutung 
Elis  mehr  und  mehr  mit  einem  Nimbus  von  Heiligkeit  und  Un- 
verletzlichkeit umgab  und  ähnlich  wie  Delphi  zu  einer  Art  von 
antikem  Kirchenstaat  machte,  in  seinen  Händen,  während  die 
grosse  Mehrzahl  der  Bevölkerung  in  ländlicher  Zurückgezogenheit 
dem  Ackerbau  oblag.  ^) 


Hellen  S.  8  ff.  und  Schiller  Stämme  u.  Staaten  Griechenlands  I,  S.  9  f. 
Curtius  (Fei.  II,  47)  lässt  die  Achäer  aus  der  Landschaft  Achaia  als 
Bundesgenossen  der  Eleer  in  die  Pisatis  einwandern;  allein  es  ist  doch 
viel  wahrscheinlicher,  dass  sie  vom  nördlichen  Lakonien  her,  dem  Laufe 
des  Alpheios  folgend,  hier  eingedi-ungen  sind.  Doch  lässt  sich  auch  eine 
directe  Einwanderung  der  Achäer  aus  Thessalien  (gleichzeitig  mit  den 
Minyem)  annehmen. 

')  r;  yioari  ''HXig  Strab.  VIII,  p.  336  u.  ö.;  Paus.  V,  16,  6;  Thukyd. 
II,  25  (wo  ihr  i)  jrfpiotxig  'HXbCüov  entgegengesetzt  ist). 

2)  11.  B,  (515  88.;  Strab.  VUI,  p.  3408.;  X,  p.  463;  vgl.  über  die  'EnnoC 
bes.  Deinding  Die  Leleger  S.  144  f. 

•)  Vgl.  bes.  Aristot.  Pol.  V,  6.  Die  Leitung  der  Olympien  hatte 
nach  Paus.  V,  9,  4  (vgl.  Harpocr.  p.  70,  24  ed.  Bekker)  ursprünglich 
ein  dem  Geschlechte  des   Oxylos  angchöriger  ^EXXavodC-^rig ,    seit  Ol.  50 


276  II.  Peloponnesos. 

Eine  Umgestaltung  der  Verfassung  in  mehr  demokratischem 
Sinne  scheint  kurz  nach  den  Perserkriegen  stattgefunden  zu 
hahen;  wenigstens  weist  auf  eine  solche  die  Ol.  77,  2  (471)  ge- 
schehene Erweiterung  der  his  dahin  unbedeutenden  Stadt  Elis 
durch  einen  Synoikisraos  zahlreicher  kleiner  Ortschaften  hin; 
auch  hängt  damit  wohl  die  (freilich  chronologisch  sehr  unsichere) 
Vermehrung  der  Zajil  der  Festordner  der  Olympien,  der  soge- 
nannten Hellanodiken ,  auf  neun  und  in  der  nächsten  Olympiade 
auf  zehn,  welche  auf  einer  Einthcilung  der  gesammten  Bevöl- 
kerung der  Landschaft  in  neun,  beziehendlich  zehn  Phylen  zu  be- 
ruhen scheint,  zusammen.  Sicher  bezeugt  ist  diese  üeberein- 
stimmung  der  Zahl  der  Hellanodiken  mit  der  der  Phylen  seit  Ol. 
103,  wo  die  Zahl  heider  auf  zwölf  erhöht  wurde;  in  Folge  der 
Losreissung  Triphyliens  von  Elis  durch  die  Arkader  wurde  diese 
Zahl  Ol.  104  auf  acht  vermindert,  Ol.  108  aber  auf  zehn  nor- 
mirt,  und  diese  Einrichtung  bestand  bis  zu  Pausanias  Zeit  fort.  ^) 

Im  Allgemeinen  standen  die  Eleer  bei  den  übrigen  Hellenen 
nicht  im  besten  Rufe,  sondern  waren  als  trunksüchtig  und  lüg- 
nerisch verschrieen;  auch  ihre  kriegerische  Tüchtigkeit  wurde 
von  ihren  Nachbarn  gering  angeschlagen;^)  besonders  aber  waren 
sie  verrufen  wegen  der  Knabenliebe,  die,  ursprünglich  jedenfalls 


aber  wurde  sie  (vielleicht  in  Folge  der  gemeinsamen  Prostasie  der  Eleer 
und  Pisaten)  zwei  i |  ccnccvtcov  'HXelcov  durchs  Loos  erwählten  Männern 
übertragen;  gewiss  geschah  dies  nicht  ohne  wesentliche  Einschränkung 
der  Befugnisse  dieser  Hellanodiken  durch  die  Gerusie.  —  Ueber  die  Nei- 
gung der  Eleer  zum  Landleben  s.  Polyb.  IV,  73.  Kämpfe  zwischen  der 
oligarchischen  und  demokratischen  Partei  im  J.  366  v.  Chr.:  Xen.  Hell. 
VII,  4,  15. 

^)  Diod.  XI,  54;  Strab.  p.  336  s. ;  über  die  Zahl  der  Hellanodiken 
und  Phylen  Paus.  V,  9,  5;  Harpokr.  a.  a.  O.;  schol.  Pind.  Olymp.  III, 
22;  Philostr.  Vita  Apoll.  III,  30;  dazu  0.  Müller  'über  die  Phylen  von 
Elis  und  Pisa'  Ehein.  Mus.  1834  S.  167  ff.  (dessen  Verbesserung  bei 
Paus.  a.  a.  O.  ns^ntr]  d'  olvfnaccdi  ■nal  sßdojjurj'KOGTfj  [für  slytoazfj  der 
Codd.]  freilich  ebenso  unsicher  ist,  als  die  übrigen  Heilungsversuche 
dieser  verderbten  Stelle)  und  Meier  Allg.  Encycl.  d.  W,  u.  K.  Sect.  III, 
Bd.  3,  S.  310. 

2)  Polemo  bei  Athen.  X,  p.  442  ß;  Xen.  Hell.  VII,  4,  30.  Für  eifrige 
Pflege  der  Kochkunst  zeugt  das  Lob  der  eleischen  Köche  (Antiphan. 
bei  Athen.  I,  p.  27*^)  u.  der  Cult  des  'Anollcov  otpocpdcyog  (Polemon.  frg. 
p.  109  Preller).  Ein  besonderer  Industriezweig  war  die  Bereitung  von 
Salben:  Athen.  XV,  p.  688^;  690«;  Plin.  N.  h.  XXI,  7,  42. 


5.  Elis:  Triphylien.  277 

eine  politische  Institution ,  um  die  adelige  Jugend  zur  Tapferkeit 
und  allen  ritterlichen  Tugenden  heranzubilden,  wie  in  Kreta  und 
Sparta,  bei  den  Eleern  frühzeitig  das  Gepräge  grober  Sinnlich- 
keit angenommen  hatteJ) 

Triphylien, 2)  ein  reines  Gebirgsland  mit  ein€m  durch- Triphyiien. 
schnittlich  etwa  V2  Stunde  breiten  Küstensaum,  der  im  nörd- 
licheren Theile  der  Landschaft  heut  zu  Tage  fast  ganz  von  zwei 
fischreichen  Lagunen,  der  von  Kaiapha  und  der  von  Agulenitza, 
eingenommen  wird,  war  zur  Zeit  der  Nelidenherrschaft  in  sechs 
Bezirke  getheilt  mit  den  Städten  Lepreos,  Makistos,  Phrixä, 
Pyrgos,  Epion  und  Nudion.  Die  Mehrzahl  dieser  Städte  wurde 
von  den  Eleern  kurz  nach  den  Perserkriegen  zerstört,  und  wenn 
sie  auch  im  Laufe  der  Zeit  alle,  etwa  mit  Ausnahme  von  Nudion, 
wiederhergestellt  wurden  —  noch  zu  Polybios  Zeit  gab  es  in 
Triphylien  neun  Ortschaften,  welche  auf  den  Namen  '^Städte'  An- 
spruch machten:  Samikon,  Lepreos,  Hypana,  Typaneä,  Pyrgos, 
Aepion,  Bolax,  Stylangion,  Phrixä  —  so  blieben  sie  doch  schwach 
und  unbedeutend  mit  Ausnahme  von  Lepreos  und  Makistos,  welche 
allmälig  die  ganze  Landschaft  in  der  Weise  unter  sich  theilten, 
dass  der  südlichere  Theil,  von  der  Neda  bis  an  den  Fuss  des 
Lapilhosgebirges,  die  Lepreatis,  der  nördlichere,  vom  Lapithos 
bis  zum  Alpheios,  die  Makistia  bildete;^)  war  die  letztere  auch 
an  Umfang  bedeutender,  so  hatte  die  erstere  die  Vorzüge  grös- 
serer Fruchtbarkeit  des  Bodens  und  stärkeren  Unabhängigkeits- 
sinnes ihrer  Bevölkerung:  Lepreos  war  der  Mittelpunkt  der 
national-triphylischen  (arkadischen)  Partei,  die  jede  politische 
Conjunctur  benutzte,  sich  von  Elis  zu  emancipiren."*)     Die  Stadt, 


1)  Plat.  Sympos.  p.  182'';  Xenoph.  Conv.  8,  34;  Plut.  de  puer.  ed. 
15;  Cie.  de  rep.  IV,  4. 

2)  Vgl.  Boutan  Mc'moire  sur  la  Triphylie,  in  den  Archives  des  mis- 
slons  scientifiques  et  littc'raires,  TI  se'rie,  t,  I,  p.  193 — 248. 

3)  Iferod.  IV,  148;  Polyb.  IV,  77;  Strab.  VIII,  p.  343  s.,  vgl.  auch 
Steph.  Byz.  u.  Mccy-iarog. 

*)  Die  Lepreaten  nahmen  als  selbständiges  Corps  Antheil  an  der 
Schlacht  bei  Platäa  (Inschr.  des  platäisch.  Weihgeschenks  Gew.  3;  He- 
rod.  IX,  28;  Paus.  V,  23,  2):  dies  schliesst  nicht  aus,  dass  sie  damals 
schon  den  jährlichen  Tribut  von  einem  Talent  an  den  Olympischen  Zeus 
zahlten,  den  sie  nach  Thukyd.  V,  31  für  Hülfe,  welche  ihnen  einst  die 
Eleer  in  einem  Kriege  gegon  dir  Arkndor  geleistet  hatten,  bis  zum  Be- 
ginn des   peloponnes.  Kricr  iilnichten,    dann    aber    ver- 

DLR.HIAN,    (iKnan.    II.  19 


278  11.  P(3lo])ünnesos. 

deren  bald  Lepreos,  bald  Lepreon  lautender  Name  wahr- 
scheinlich von  dem  rauhen  Felsboden  herzuleiten  ist,  auf  wel- 
chem die  Burg  stand,  ^)  von  deren  Hingniauern  noch  beträchtliche 
Reste  vorhanden  sind,  lag  40  Stadien  vom  Meere  auf  einem 
Vorsprunge  des  Minthegebirges  (oberhalb  des  jetzigen  Dorfes 
Strovitzi),  von  dessen  südwestlichem  Fusse  aus  sich  eine  frucht- 
bare Ebene,  von  den  Alten  Aepasion  oder  Aepasia  genannt, 
nach  der  Küste  hinabzieht.  Zu  Pausanias  Zeit  war  die  Stadt  schon 
so  verfallen,  dass  sie  nur  noch  ein  aus  ungebrannten  Ziegeln  er- 
bautes Heiligthum  der  Demeter,  ohne  Cultbild,  aufzuweisen  hatte ; 
von  dem  Tempel  des  Zeus  Lykäos  und  den  Heroengräbern  des 
Lykurgos  und  des  Kaukon,  deren  Existenz  noch  in  der  Erinne- 
rung der  Bewohner  fortlebte,  war  keine  Spur  mehr  zu  finden. 
Ausserhalb  der  Stadtmauern  floss  gegen  die  Ebene  hin  eine 
Quelle  Arene. 

Im  südlichsten  Theile  der  Ebene  zunächst  der  messenischen 
Gränze  lagPyrgos  (oder  Pyrgoi),  ursprünglich,  wie  der  Name 
lehrt,  nur  ein  zum  Zufluchtsort  für  die  Bewohner  der  Ebene  be- 
stimmtes Castell,  später  ein  zur  Lepreatis  gehöriges  Städtchen.  2) 


weigerten.  In  Folge  dieser  Weigerung  legten  die  Eleer  Execution  gegen 
Lepreos  ein;  dieses  wandte  sich  an  Sparta,  das  ihm  die  Autonomie  zu- 
sprach, und  da  die  Eleer  sich  seinem  Spruche  nicht  fügen  wollten,  sie 
durch  eine  Truppensendung  zwang,  ihre  Executionstruppen  aus  der  Le- 
preatis zurückzuziehen  (im  J.  421:  s.  Thukyd.  a.  a.  O.)«  Bald  darauf 
müssen  abör  die  Eleer  die  Stadt  wieder  besetzt  haben,  da  dieselbe  in  den 
im  März  des  J.  414  v.  Chr.  aufgeführten  Vögeln  des  Aristophanes  (v.  149) 
als  6  'HXstog  Asrcgsog  bezeichnet  wird.  Bei  dem  Feldzuge  des  Königs 
Agis  gegen  Elis  im  J.  401  fielen  die  Lepreaten  ebenso  wie  die  Makistier 
und  Epitaleer  und  mehrere  Städte  der  Pisatis  von  Elis  ab  und  erlangten 
bei  dem  Friedensschlüsse  im  J.  399  ihre  Unabhängigkeit  (Xen.  Hell.  III, 
2,  25  u.  30).     Für  die  spätere  Zeit  vgl.  oben  S.  273,  Anm.  1. 

1)  So  Didymos  beim  schol.  Ar.  Aves  149  u.  Suid.  u.  Aingsov;  andere 
Ableitungen  (von  Lepreos,  dem  Sohne  des  Pyrgeus,  der  den  Herakles  im 
Essen  besiegte,  oder  von  Leprea,  einer  Tochter  des  Pyrgeus,  oder  vom 
Aussatze,  an  welchem  die  ersten  Bewohner  der  Gegend  gelitten  haben 
sollten)  bei  Paus.  V,  5,  4  f.  Lage  der  Stadt:  Strab.  p.  344  s.  Alnccaia 
oder  AinocGiov  Strab.  p.  347  s.  Für  ABvv,aiov  Jios  bei  Paus.  §  5  ist 
jedenfalls  mit  Palmerius  Avv.aCov  d.  zu  lesen.  Plane  und  Ansicht  der 
Euinen  Expedition  de  Möre'e  I,  pl.  50 — 62 ,  darnach  Curtius  Pel.  II,  Tfl. 
IV,  vgl.  S.  84  f.  u.  besonders  Boutan  a.  a.  O.  p.  202  ss. 

2)  Strab.  p.  348;   vgl.  Herod.  IV,  148;    Polyb.  IV,  77;    Liv.  XXVH, 


5.   Elis:  Triphylien.  279 

Nördlich  von  Lepreos  lag  am  westlichen  Fusse  eines  andern 
Vorsprunges  des  Minlhegebirges,  nicht  ganz  30  Stadien  vom 
Meere  entfernt,  nahe  dem  südlichen  Ufer  eines  Pamisos  ge- 
nannten Baches  (etwa  in  der  Gegend  des  jetzigen  Piskini)  das 
Städtchen  Pyios  (zum  Unterschied  von  der  messenischen  Stadt 
IlvXog  6  TQL(pvkiay.6g  oder  auch  6  AsTtQaati'nog  genannt),  in 
welchem  einige  griechische  Alterthumsforscher  irriger  Weise  den 
Königssitz  des  Nestor  und  Mittelpunkt  des  Reiches  der  Neliden  er- 
kennen wollten,  wahrscheinlich  eine  von  Flüchtlingen  aus  dem 
messenischen  Pylos  nach  dem  Sturze  des  Nelidenreiches  gegrün- 
dete Ortschaft,  die  frühzeitig  von  den  Lepreaten  unterworfen 
wurde,  welche  mit  Zustimmung  der  Lakedämonier  die  Bewohner 
zur  üehersiedelung  nach  Lepreos  nöthigten ;  seitdem  scheint  der 
Ort  verödet  und  nur  der  Name  Pylos  der  Ebene  bis  an  den 
Berg  von  Kaiapha  hin  verblieben  zu  sein.  Oberhalb  der  Ebene 
lag  ein  heiliger  Hain  der  Demeter  und  wahrscheinlich  etwas  wei- 
ter östlich,  an  dem  Hauptstock  des  Minthegebirges,  ein  Temenos 
des  Hades,  das  nach  dem  Untergange  von  Pylos  von  den  Le- 
preaten und  Makistiern  gemeinsam  unterhalten  wurde.  ^) 

In)  nördlicheren  Theile  der  Strandebene  zieht  sich  jetzt  von 
Nord  nach  Süd    ein   zwei  Stunden   langer,   schmaler   aber   tiefer 


32;  Steph.  Byz.  \\.  IlvQyoq.  Die  von  Pausanias  nicht  erwähnte  Ortschaft 
kommt  noch  auf  der  Tab.  Peuting.,  im  Itiner,  Antonini  u.  beim  Geogr. 
Kav.  vor.  Die  von  Leake  (Morea  I,  p.  56  s.)  erwähnten,  jetzt  ver- 
schwundenen Reste  (grosse  viereckte  Werkstücke  und  ein  Architrav- 
fragment  aus  weissem  Marmor)  gehörten  einein  einzelnen  Gebäude  an. 

')  Strab.  p.  344,  wo  ich  (p.  489,  14  ed.  Mein.)  schreibe:  og  vvv  Tld- 
fiioog  6  'AQUccSi-Kog  -naXiLtai'.  vgl.  p.  336;  p.  339;  p,  361  und  über  die 
Erobcruiif?  der  Stadt  p.  355,  Der  Name  ^ApLcc^oq  sclieint  nie  im  Volks- 
iiiundc  f,'ebräuchlich,  sondern  nur  eine  Fiction  etymologisirender  Gelehr- 
ten gewesen  zu  sein.  Dieser  Pamisos  ist  aber  gewiss  nicht,  wie  Curtius 
annimmt,  der  südlich  von  Piskini  fliessende  Bach,  sondern  der  nächste 
weiter  nijrdlich,  den  Curtius  nacli  Pouillon-Boblaye  (Kecherches  p.  134  s.) 
u  Ross  (Reisen  Im  Pol.  S.  105)  irrig  Anigros  nennt,  der  in  seinem  Haupt- 
arme bei  Trupäs  entspringt  und  bei  dem  einsamen  Khan  des  Hagios 
Isidoros  (im  Volksmunde  Aisidoro)  mündet;  diese  Mündung  ist  nicht,  wie 
Curtius  Pelop.  II,  S.  81  angiebt,  acht  bis  neun  Stadien,  sondern  eine 
starke  deutsclie  Meile  von  dem  Passe  von  Kaiapha  entfernt,  und  nach 
der  Beschaffenheit  des  Terrains  ist  es  geradezu  undenkbar,  dass  der  Lauf 
dieses  Flusses,  der  jetzt  eine  entschieden  südwestliche  Richtung  hat,  im 
.MtcTthum  eine  nordwestliche  Riclitung  gehabt  habe. 

19* 


280  II.   Peloponnesos. 

See  hin,  der  diircli  einen  sandigen,  mit  hohem,  düslercni  Kiefern- 
wald bewachsenen  Küstenslreifen  vom  Meere  gelrennt,  im  Norden 
durch  einen  gegen  Westen  vortretenden  steilen  Felsberg,  den 
westlichslen  Vorsprung  des  Smernagebirges-.,  überragt  wird,  dessen 
nordwestlicher  breiter  Gipfel  mit  den  Ruinen  einer  hochalter- 
thümlichen  Befestigung  gekrönt  ist.  Vor  dem  westlichen  Fusse 
des  Berges  erheben  sich  zwei  kleine  Felshügel,  zwischen  denen 
die  Strasse  hindurchführt,  nachdem  sie  den  hier  sehr  schmalen, 
zum  Theil  versumpften  Sandstreifen,  der  das  nördliche  Ende  des 
Sees  mit  dem  südlichen  der  grossen  Lagune  von  Agulenitza  ver- 
bindet, auf  einer  steinernen  Brücke  überschritten  hat.  Der 
westlichere  dieser  Hügel  trägt  ein  kleines  Wachthaus  zum  Schutze 
des  in  mehrfacher  Hinsicht  den  Thermopylen  ähnlichen  Passes, 
welcher  nach  dem  Namen  des  Berges  und  Sees  der  Pass  von 
Kaiapha  genannt  wird.  In  den  schrofT  abfallenden  Felsen  ander 
Südseite  des  Berges  finden  sich  unmittelbar  über  dem  Wasser- 
spiegel des  Sees  zwei  nur  vermittels  eines  Bootes  zugängliche 
Höhlen,  deren  Inneres  mit  mephitischen  Dünsten  erfüllt  ist. 
Weiter  östlich  fliesst  in  den  See  ein  vom  Kaiaphaberge  herab- 
kommender, jetzt  Mavropotamo  genannter  Bach,  der  noch  am  An- 
fang unseres  Jahrhunderts  —  heut  zu  Tage  steht  der  See  in 
keiner  sichtbaren  Verbindung  mehr  mit  dem  Meere  —  an  der 
Westseite  des  Sees  ungefähr  eine  halbe  Stunde  südlich  vom  Eng- 
pass  wieder  aus-  und  dem  Meere  zufloss,  bei  heftigerem  Winde 
aber  dasselbe  nicht  erreichte,  da  die  Brandung  und  der  durch 
dieselbe  aufgeworfene  Sand  sein  Wasser  nach  dem  See  zurück- 
trieb. ^)  Da  diese  Erscheinung  von  Pausanias  (V,  5,  7)  in  Bezug 
auf  den  Anigros,  einen  vom  Lapithosgebirge  herabkommenden 
Bach  mit  übelriechendem  Wasser,  in  welchem  gar  keine  oder 
doch  keine  essbaren  Fische  vorkamen,  berichtet  wird,  so  kann 
man  nicht  zweifeln,  dass  dieser  jetzt  in  den  See  einmündende 
Bach  der  Anigros  der  Alten  ist  (der  auch  den  Namen  Min yeios 
geführt  haben  soll),  wie  man  auch  in  den  beiden  Höhlen  über 
dem  See  leicht  die  Grotte  der  Nymphen  des  Anigros  (Nv^cpav 
'AvcyQiddeg  oder  ^AviyQCösg),   in   welcher   Kranke   für  Flechten 


1)  S.  Leake  Morea  I,  p.  51  ss.;  Beule  Etudes  p.  217  ss.;  Boutan 
Memoire  p.  215  ss.:  dazu  die  Pläne  u.  Ansicht  Expe'd.  de  Moree  Vol.  I, 
p.  53—55  (darnach  Curtius  Pel.  II,  Tfl.  III). 


5.   Elis:   Triphylien.  281. 

und  ähnliche  Haulkiankheiten  Heilung  suchten,  und  die  der  At- 
lantiden  (Töchter  des  Atlas),  in  welcher  Dardanos  (Sohn  des  Zeus 
und  der  Eleklra)   gehören  sein  sollte,  erkennt.    Im  Uebrigen  aber 
hat   das  Terrain    seit    dem  AUerthum   seine   Gestalt   nicht   unbe- 
trächtlich verändert,  indem  der  ganze  See  von  Kaiapha  im  AUer- 
thum nicht  vorhanden  war,  sondern  erst  seit  dem  frühen  Mittel- 
alter,  jedenfalls   in   Folge    der   gänzlichen   Vernachlässigung   der 
RegnUrung  der  vom  Kalaphaberge  herabkommenden  und  aus  dem 
Boden    der  Ebene  selbst  empordringenden  Gewässer,    entstanden 
ist.     Anstatt   desselben   fanden   sich   im   Alterlhum  nur  an   zwei 
Stellen  Sümpfe  oder  Tümpel  vor,  deren  stagnirendes  Wasser  auf 
beträchtliche  Entfernungen   hin   einen  Übeln  Geruch  verbreitete: 
unterhalb  der  Grotte   der  Anigriaden,   wo    eine  Quelle    (offenbar 
schwefelhaltigen  Wassers,   wie   solches   noch  jetzt   an    mehreren 
Stellen   aus   der  Felswand   hervordringt)   nach   dem  Anigros   hin 
abfloss  und  mit  demselben  einen  stinkenden  Sumpf  bildete,  durch 
welchen  ein  Dammweg,   dessen  Reste   noch  jetzt   sichtbar   sind, 
nach  den  Grotten  hinführte,    und    an  der  Mündung  des  Anigros, 
wo,   wie  bemerkt,    das  Wasser   in  Folge   des  Gegenschlages  der 
Meereswogen  sich  staute.     Ferner    nahm   im  AUerthum  der  Ani- 
gros noch  einen  Nebenfluss  auf,  denAkidas  oder  Akidon,  der 
auch  den  Namen  Jardanos  geführt  haben  soll;  an  seinem  Ufer 
zeigte   man   das  Grab   und   die  Wiese   des  Jardanos   und    setzten 
einige  Alterthumsforscher  eine  gänzlich  verschollene  Stadt  Chaa 
an;  auch  ein  Fleiligthum  des  makistischen  Herakles  stand  in  sei- 
ner Nähe.    Darnach  kann  der  Akidas  nur  ein  Bach  sein,  welcher 
südöstlich  vom  Anigros  vom  Raiaphaberge  herabkommt  und  jetzt 
in  den  Kaiaphasee  mündet.^) 


')  Paus.  V,  5,  3  (wo  trotz  des  Widerspruchs  von  Curtius  Pel.  II, 
S.  115,  Anm.  80  eine  Lücke  anzunehmen  und  entweder  mit  Schäfer 
lovTt.  de  dno  zrig  Msoarjviag  inl  Tf^g  'lllsiag  oder  mit  Palmerius  ein- 
fach l.  8.  dno  TTJg  Msaorjviag  zu  schreiben  ist,  da  Pausanias  nur  wenn 
er  von  Süden  her  kam,  Lepreos  zur  Rechten  haben  konnte:  unter 
üdfiiHOv  versteht  er  hier  wie  §  7  die  ganze  von  Strab.  p.  344  als  J2v- 
Xiayiov  ntSiov  bezeiclinete  Ebene);  §  7  ff.;  Strab.  p.  346  ss.:  aus  beiden 
geht  mit  Sicherheit  liervor,  dass  der  Anigros  in  der  Nähe  der  Grotte  der 
Nvficpai 'AviyQid^Bg  lloss,  also  unmöglich  der  von  Curtius  (vgl.  oben 
S.  279,  Anni.  1)  so  genannte  Tluss,  der  beim  Khan  vom  H.  Isidoros  mün- 
det, sein  kann.     Diesen    nennt   die   französische  Karte   Akidas,   wahr- 


282  II.   Peloponucsos. 

Die  lUiineii  niiC  dem  Gipfel  des  Küiaphabergcs  sind  ohne 
Zweifel  die  Ueberreste  der  alten  Stadt  Sa  mos,  welche  noch  in 
späten  Zeiten  unter  dem  Namen  Samikon  als  die  wichtigste 
Festung  der  Makistia  fortbestand.  Zu  ihrem  Gebiet  gehörte  das 
hochangesehene  Ileiligthum  des  Poseidon  Samios,  das  unter 
der  Verwaltung  der  Makislier  stand,  aber  von  allen  Triphyliern 
gemeinsam  unterhalten  wurde :  ein  Hain  wilder  Oelbäume,  wahr- 
scheinlich am  nördlichen  Fusse  des  Kaiaphaberges  gelegen,  in 
welchem  nach  verkündigtem  Gottesfrieden  Festversammlungen 
unter  Theilnahme  aller  triphylischeii  Ortschaften  gehalten  wurden. 
Da  also  Samos,  das  unter  den  sechs  minyischen  Burgstädten  nicht 
aufgeführt  wird,  als  wichtigste  Oertlichkeit  der  Makistia  in  forti- 
ficatorischer,  wie  in  religiöser  Hinsicht  erscheint,  so  ist  es  sehr 
wahrscheinlich,  dass  Makistos,  welches  in  dem  Herodotischen 
Catalog  der  Minyerstädte  und  sonst  vereinzelt  als  Stadt  aufgeführt 
wird,  von  Samos  nicht  verschieden,  sondern  der  auf  die  Burg 
und  die  Bewohner  des  von  ihr  beherrschten  Gebietes  übertragene 
Name  des  ganzen  jetzt  Kaiapha  genannten  Bergzuges  ist.  Da- 
gegen hat  die  Ansicht  einiger  griechischen  Alterthumsforscher, 
welche  in  Samos  die  Akropolis  der  Homerischen  Stadt  Arenc 
(II.  B,  591 ;  A,  723)  erkennen  wollten,  ebensowenig  Wahrschein- 
lichkeit, als  ihre  Identificirung  des  triphylischen  Pylos  mit  dem 
Herrschersitze  des  Nestor.^) 


scheinlich  nach  Strab.  p.  351,  wo  der  *Av.i8(ov,  der  doch  kaum  vom  l^xt- 
8ag  verschieden  sein  kann,  als  ein  in  der  Mitte  zwischen  Neda  und  Al- 
pheios  ins  Meer  sich  ergiessender  Fluss  angeführt  wird;  allein  Paus.  c. 
5,  8  bezeugt  ausdrücklich  die  Verbindung  des  Akidas  mit  dem  Anigros, 
so  dass  wohl  anzunehmen  ist,  dass  Strabon  a.  a.  O.  aus  Versehen  den 
Akidon  statt  des  Pamisos  oder  Anigros  genannt  hat.  Die  nur  von  Stra- 
bon (p.  346)  erwähnten  ccXori  'icovalov  (dicovaCov  will  Curtius  nach  Xy- 
lander;  eher  dürfte  'EvdvfiLcovcctov  mit  Corais  zu  schreiben  sein,  da  Eu- 
rykyda  nach  Paus.  V,  1,  4  die  Tochter  des  Endymion  ist)  und  Evqvkv- 
dsiov  müssen  in  der  jetzt  vom  Kaiaphasee  bedeckten  Niederung  unter 
den  beiden  Grotten  gestanden  haben.  Die  Vermuthung  Boutans  (Me'moire 
p.  212  SS.),  dass  ein  von  ihm  V/^  Stunde  nordwestlich  von  Lepreon, 
etwas  südlich  vom  Dorfe  Sartena  entdecktes  alterthümliches  kleines  Pa- 
läokastron  das  alte.Chaa   sei,  hat  gar  keine  "Wahrscheinlichkeit. 

1)  Herod.  IV,  148;  Xenoph.  Hell.  III,  2,  30;  Heraclid.  Pont.  Pol.  25; 
Polyb.  IV,  77  u.  80;  Strab.  VI,  p.  257;  VIII,  p.  343  s.  (der  allerdings  p.  345 
xov  MccKLGTOv  ov  xivsq  TLXaxuvioxovvxa,  -naXavüiv  vom  Samikon  zu  unter- 


5.  Elis:  Tripliylieii.  283 

Die  ganze  gegen  zwei  deulsche  Meilen  lange  Küstenstrecke 
vom  nordvvestliclien  Fusse  des  Kaiapliaberges  bis  zur  Mündung 
des  Alpheios  wird  jetzt  von  der  Lagune  von  Agulenitza  ein- 
genommen, welche  durch  einen  schmalen,  ganz  mit  diclitem 
Kiefernwald  bedeckten  Sandstreifen  vom  Meere  getrennt  wird, 
mit  welchem  sie  jedoch  durch  einen  das  Wasser  nach  der 
Mündung  des  Alpheios  ableitenden  natürlichen  Abzugscanal  in 
Verbindung  steht.  Mehrere  flache,  ebenfalls  bewaldete  Inseln  er- 
heben sich  längs  der  Mitte  der  Lagune  wenig  über  die  beson- 
ders im  südlicheren  Theile  mehr  der  eines  Morastes  als  eines 
Sees  gleichende  Wasserfläche;  längs  der  Ostseite  läuft  durch 
den  schmalen  Saum  flachen  Landes,  welcher  hier  sich  zwischen 
der  Lagune  und  einer  Reihe  theils  mit  Waldung,  theils  mit  Fel- 
dern bedeckter  Hügel  hinzieht,  die  Strasse  nach  Agulenitza,  jetzt 
der  bedeutendsten  Ortschaft  dieser  Gegend,  deren  Bewohner  aus- 
schliesslich von  dem  sehr  reichen  Ertrage  der  Fischerei  in 
der  Lagune  (die  einen  grossen  Theil  des  Peloponnes  mit 
Fischen  versorgt)  leben.  Wahrscheinlich  nimmt  diese  Ortschaft  die 
Stelle  von  Epitalion  ein,  der  durch  ihre  Lage  als  Hüterin  der 
Fürth  durch  den  Alpheios,  d.  h.  der  wichtigsten  Verbindungsstrasse 
zwischen  Triphylien  und  dem  mittlem  Elis  bedeutsamen  nord- 
Avesllichstcn  Stadt  Triphyliens,  welche  ihrerseits  an  die  Stelle 
einer  älteren  Ortschaft,  Thryon  oder  Thryoessa,  getreten 
warJ)  Zwischen  Epitalion  und  Samikon  scheint  keine  weitere 
Ortschaft  gelegen  zu  haben,  wahrscheinlich  weil  die  ganze  Strecke 
schon  im  Älterthum,  wenn  auch  nicht  eine  zusammenhängende 
Lagune  wie  heutzutage,  so  doch  an  mehreren  Stellen  versumpft 
und  daher  ungesund  vvar.^) 


scheiden  scheint);  346  8.;  349;  351  s.;  Paus.  V,  6,  1  ff.;  Hin.  N.  h.  IV,  6,  21; 
Stepli.  liyz.  u.  MccKiCTog  (wo  die  Worte  in'  OQOvg  vtprjKov  "neifisvi] 
TtQog  t(o  trjg  AsngeuTLyirjg  nicht  mit  Curtius  Pel.  II,  S.  116,  Anni.  84  niif 
MakistoH,  sondern  auf  l'hrixa  zu  beziehen  sind). 

»)  Xenopli.  Hell.  III,  2,  29  f.;  Polyb.  IV,  80;  Strab.  p.  349;  Stoph. 
n.  'EnizdXiov;  vgl.  II.  JB,  592;  A,  711;    Quint.  Smyrn.  B,  241;  Steph.  u. 

(^QVOV. 

2)  Der  Versuch  Strabons  (VIII,  p.  343  u.  p.  350  s.),  die  nur  im 
Hymn.  Apoll.  Pyth.  247  (welchen  Vers  Strabon  entweder  durch  ein  Ver- 
sehen odtr  nach  einem  intorpolirten  Texte  in  das  Buch  o  der  Odyssee 
vor  V.  296  einschiebt)  erwähnteu  Ortsnamen  Krunoi  und  Chalkis  hier 


284  II.    IN'lo|unmosos. 

Dagegen  lagen  in.  der  ganz  von  Hügeln  und  Bergen  von 
massiger  Erhebung  eingenommenen  Gegend  östlich  von  der  Lagune 
bis  zur  arkadischen  Grunze  verschiedene  Ortschaften,  unter  denen 
Epion  (das  homerische,' Aepy),^)  die  östlichste  der  sechs  Minyer- 
städte,  zwischen  Makistos  (Samikon)  und  dem  arkadischen  Heräa 
gelegen,  zwar  nicht  an  Umfang,  aber  an  Starke  vermöge  ihrer 
natürlichen  Lage  und  künstlichen  Befestigung  die  bedeutendste 
war,  wie  die  auf  einem  steilen  Hügel  oberhalb  des  Dorfes  Pla- 
tiana  gelegenen ,  durch  ihre  treffliche  Erhaltung  ausgezeichneten 
Ruinen  (vom  Volke  Helleniko  genannt)  beweisen,  die  höchst  wahr- 
scheinlich dieser  Ortschaft  angehören.  Der  lange  und  schmale 
Rücken  des  nach  allen  Seiten  steil  abfallenden  Hügels  ist  ganz 
(mit  Ausnahme  der  südwestlichen  Ecke,  wo  die  Schroflheit  der 
Felsen  eine  künstliche  Befestigung  entbehrlich  machte)  mit  der 
nur  zwei  Meter  dicken,  meist  aus  grossen  polygonen  Blöcken 
construirten  Ringmauer  umzogen,  welche  an  der  Süd-  und  West- 
seite durch  eine  Anzahl  viereckiger  Thürme  verstärkt  ist.  Der 
nördlichere  Theil  des  von  dieser  Ringmauer  umschlossenen  Raumes, 
der  eigentliche  Kamm  des  Hügels,  ist  durch  eine  besondere  Um- 
fassungsmauer gegen  Osten,  Süden  und  Westen  von  dem  übrigen, 
gegen  Süden  allmälig  abfallenden  Terrain  der  Stadt,  auf  welchem 
man  noch  die  Fundamente  zahlreicher  Privathäuser  und,  am 
weitesten  gegen  Osten,  zweier  Tempel  erkennt,  abgesondert  und 
bildet  so  eine  415  Meter  lange,  20  —  40  Meter  breite  Oberstadt, 
innerhalb  welcher  man  fünf  Plateaus  von  verschiedener  Höhe, 
welche  durch  Queermauern  von  einander  gesondert  waren,  unter- 
scheidet; das  am  höchsten  gelegene  westliche  Plateau  bildete 
jedenfalls  die  Citadelle;  in  dem  nächsten  erkennt  man  die  Ruinen 


zu  fixiren,  ist  eine  ganz  w^illkürliclie  Hypothese  und  verdient  nicht  die 
Aufmerksamkeit,  welche  ihm  Curtius  (Pelop.  II,  S.  87)  geschenkt  hat; 
doch  hat  letzterer  (S.  117,  Anm,  90)  aus  Strahons  (p.  351)  Bezeichnung 
von  KqovvoI,  XaX-nlg  und  ^ecc  als  ddo^av  nota^äv  ovoiiccra  (lallov  dh 
6%Bxu)V  richtig  geschlossen,  ^  dass  man  durch  künstliche  "Wasserabzüge 
den  Küstenstrich  entsumpfte '. 

»)  II.  5,  592  (=  Hymn.  in  Apoll.  Pyth.  245);  vgl.  Stat.  Theb.  IV, 
180;  Strab.  p.  349  u.  Steph.  u.  Alnv.  Der  historische  Name  der  Ort- 
schaft w^ird  verschieden  geschrieben:  "Eniov  Herod.  IV,  148;  "Hnsiov 
Xen.  Hell.  III,  2,  30;  AUiov  Polyb.  IV,  77  u.  80;  "Hmov  Steph.  Byz. 
u.  d.  W.  Ueber  die  Ruinen  s.  Boutan  Me'moire  p.  240  ss.  mit  Plan 
(wiederholt  auf  unserer  Tfl.  VII). 


5.  Elis:  Tripliylien.  285 

eines  Theaters,  von  welchem  noch  neun  Sitzreihen  und  der  Unter- 
bau des  10  Meter  langen,  4,40  Meter  tiefen  Scenengebäudes  er- 
halten sind;  das  folgende  Plateau  scheint  von  der  Agora  und  mehre- 
ren öffentlichen  Gebäuden  eingenommen  worden  zu  sein;  in  den 
beiden  östlichsten  findet  man  die  Fundamente  von  Privathäusern, 
mehreren  Tempeln  und  anderen   öffentlichen  Gebäuden. 

Nördlich  von  diesem  Hügel  fliesst  ein  aus  mehreren  Armen 
sich  bildender  Bach  (wahrscheinlich  der  Acheron  der  Alten), 
dem  Diagon,  dem  Gränzflusse  gegen  Arkadien  parallel,  dem  Al- 
pheios  zu  und  einen  ähnlichen  Bach  von  ungefähr  gleicher  Rich- 
tung finden  wir  IV4  Stunden  weiter  westlich.  In  dieser  Gegend 
standen  noch  zur  Zeit  des  sogenannten  Bundesgenossenkrieges 
(Ol.  140)  vier  Städte:  Hypana,  weiches  dann  in  Folge  der 
Uebersiedelung  seiner  Bewohner  nach  Elis  verfiel,  Tympaneä, 
das  noch  zu  Strabons  Zeit  bestand,  und  die  später  ganz  verschol- 
lenen Bolax  und  Stylangion:  einer  dieser  Ortschaften  mögen 
einige  bei  Mundritza,  auf  einem  zum  nördlichen  Theile  des 
Smernagebirges  gehörigen  Plateau,  erhaltene  antike  Reste  ange- 
hören.') Zwei  Stunden  nordwestlich  von  da  lag  an  einem  von 
Südosten  her  dem  Alpheios  zufliessenden  fischreichen  Bache,  dem 
Selinus  der  Alten,  zwischen  bewaldeten,  an  Wild  reichen  Hügeln, 
20  Stadien  von  Olympia  entfernt  (bei  dem  jetzigen  Dorfe  Ma- 
krysia)  Skillus,  eine  alle  triphylische  Ortschaft  mit  einem  Hei- 
ligthume  der  Athene  Skillunlia,  welche  von  den  Eleern  wegen 
ihrer  Theilnahme  an  dem  Unabhängigkeitskampfe  der  Pisaten  zer- 
stört, später  abet  unter  dem  Schulze  der  Lakedämonier,  welche 
einen  grossen  Theil  des  Gebiets  der  Stadt  dem  aus  Athen  ver- 
bannten Xenophon  schenkten ,  wieder  bew ohnt  w urde.  Xenophon 
weihte  das  ihm  geschenkte  Terrain,  in  dessen  Besitz  er  auch 
von  den  Eleern  nicht  gestört  wurde,  der  ephesischen  Artemis 
und  errichtete  derselben  in  einem  Hain  vqu  Fruchtbäumen  einen 
Tempel,  eine  Nachbildung  des  ephesischen  Tempels  im  Kleinen, 
in  dessen  Nähe  man  noch  ^lem  Tansanias ,  der  von  der  Ortschaft 
Skillus   nur    Trünuner   vorfand,    das   mit   einem    Reliefbilde    aus 


')  Strab.  p.  344  (wo  für  JaXioav  mit  Ross  RoiHen  im  Pel.  S.  104  Jiaycav 
z.i  gchroibon  ist);  Polyb.  IV,  77—80;  Ptol.  HI,  16,  18;  Steph.  11.  Tvna- 
vfai,  "Titotvtt  u.  ZrvXläyiov:  vgl.  Ponillon-Boblaye  Uucherches  p.  133; 
DüdWell  Class.-topogr.  Reise  II,  2,  8.  193  d.  d.  Ueb. 


286  II.   Pcl()j)onncsos. 

pcntelisclieni  Maniior  geschmückte  Grab  des  Xenophon  zeigte.') 
(iieiig  man  von  hier  nach  Olympia,  so  kam  man  an  einem  schroff 
nach  dem  linken  Ufer  des  Alpheios  abfallenden  Berge,  dem  Ty- 
päon,  vorüber,  von  dessen  Gipfel  nach  einem  alten,  aber  nie- 
mals in  Anwendung  gebrachten  Gesetze  Frauen ,  welche  sich  dem 
ausdrücklichen  Verbot  zuwider  unter  die  Zuschauer  beim  olym- 
pischen Agon  eindrängen  würden,  herabgestürzt  werden  sollten. ^j 
Ein  ähnlicher,  nur  beträchtlich  steilerer  Berg  erhebt  sich 
zwei  Stunden  weiter  östlich  am  linken  Ufer  des  Alpheios,  da  wo 
der  Lauf  dieses  Flusses  aus  der  nordwestlichen  in  die  rein  west- 
liche Richtung  übergeht,  bei  dem  jetzigen  Dorfe  Paläo-Phanari ; 
der  Gipfel  dieses  Berges,  auf  welchem  frühere  Reisende  noch 
einige  jetzt  bis  auf  eine  Cisterne  verschwundene  antike  Reste  ge- 
funden haben,  trug  einst  die  Akropolis  von  Phrixä  (oder  Phrixa), 
der  nordöstlichsten  Stadt  Triphyliens,  die  schon  zur  Zeit  des  Pau- 
sanias  bis  auf  einen  Altar  der  Athene  Kydonia  in  Trümmern  lag.^) 
Pisatis.  Der  mittlere  Tlieil   der  Landschaft,   die   Pisatis,    umfasste 

das  vom  rechten  Ufer  des  Alpheios  bis  gegen  den  Ladon  hin  sich 
erstreckende,  zum  Bergsystem  der  Pholoe  gehörige  Hügelland, 
sowie  die  Küstenstrecke  von  der  Mündung  des  Alpheios  bis  in 
die  Nähe  des  Cap  Chelonatas  (vgl.  oben  S.  273,  Anm.  2).  Der 
südlichste  Vorsprung  dieses  Hügellandes,  welcher  hart  an  der 
arkadischen  Gränze  den  durch  die  Einmündung  des  Erymanthos 
in  den  Alpheios  gebildeten  Winkel  einnimmt,  wurde  von  den 
Alten   als   der    Bergrücken   des   Sauros,^)    zwei    andere   weiter 


«)  Paus.  V,  6,  4  ff.  .(vgl.  VI,  22,  4);  Xenoph.  Anab.  V,  3,  7  ff., 
Hellen.  VI,  5,  2;  Strab.  p.  343;  Steph.  u.  llyiLXXovg  \  vgl.  Boutan  Me'moire 
p.  228  SS.  Da  der  Name  ein  Terrain,  wo  die  Meerzwiebel  (ayiiXXa)  in 
Meng-e  wächst,  also  ein  sandiges  Terrain  in  der  Nähe  des  Meeres,  be- 
zeichnet, so  stand  vielleicht  das  älteste  Skillus  an  der  Küste  auf  einer 
jetzt  von  der  grossen  Lagune  bedeckten  Stelle  und  wurde  erst  in  Folge 
der  Versumpfung  der  Küste  weiter  ins  Innere  der  Landschaft  verlegt. 

2)  Paus.  V,  6,  7;  Steph.  u.  Tvnaiov.  Der  Name  bedeutet  vielleicht 
'  ßichtstätte ' ;  vgl.  xvfiTtccvL^eiv  u.  cc7torv(i7tavL^£iv.  Die  Stadt  Typaneä 
muss  trotz  der  Uebereinstimmung  der  Namen  wegen  Strab.  p.  344  von 
dem  Berge  geschieden  werden. 

3)  Herod.  IV,  148;  Xen.  Hell.  III,  2,  30;  Polyb.  IV,  77  u.  80;  Strab. 
p.  343;  Paus.  VI,  21,  6;  Steph.  u.  Md-ALGtog  u.  $pt|a:  ders.  (u.  ^atGtog) 
giebt  an,  dass  die  Stadt  später  (aber  wann?)  ^aiOTog  genannt  worden 
sei.     Vgl.  Leake  Morea  IT,  p.  209  s.;  Boutan  Memoire  p.  232  ss. 

^)  Paus.  VI,  21,  3,  wornach  auf  dem  Bergr-ücken  das  Grab  des  Räu- 


5.  Elis:  Pisatis.  287 

westlich  in  der  Nälie  des  Olympisclieii  lleiligtliunis  gegen  den 
Alpheios  vortretende  Hügel  mit  den  wahrsclieinlicli  von  den 
Achäern  aus  ihren  thessalischen  Wohnsitzen  mitgehrachten  Na- 
men Olympos  und  Ossa  bezeichnet J)  Zahlreiche  Bäche  fliessen 
aus  diesem  Hügellande  dem  Alpheios  zu :  der  östlichste  derselben 
ist  der  alte  Leukyanias,  an  welchem  ein  Heiligthum  des  Dio- 
nysos Leukyanites  stand  ;2)  es  folgt  der  ungefähr  dem  triphyli- 
schen  Phrixä  gegenüber  in  den  Alpheios  mündende  Parthenias, 
an  welchem  man  einen  Grabhügel  der  Rosse  des  Marmax,  des 
ersten  Freiers  um  des  Oinomaos  Tochter  Hippodameia  zeigte  ;3) 
sodann  der  Harpinates,  an  dessen  westlichem  Ufer  die  zu  Pau- 
sanias  Zeit  zerstörte  Stadt  Harpina  und  in  deren  Nähe  ein 
hoher  Erdhügel ,  welcher  als  Grab  der  von  Oinomaos  getödteten 
Freier  der  Hippodameia  betrachtet  wurde,  ein  Stadion  weiter 
ein  Heiligthum  der  Artemis  Kordaka  und  in  dessen  Nähe  ein 
kleines  Gebäude  mit  einem  ehernen  Kasten,  der  die  Gebeine  des 
Pelops  enthalten  sollte,  lag.^)  Zwanzig  Stadien  westlich  von  Har- 
pina mündet  in  den  Alpheios  wieder  ein  bedeutenderer  Bach,  der 
die  Gränze  des  Olympischen  Heiligthums  gegen  Westen  bezeichnende 
Kladeos.  "^j     Bald  darauf  treten  die  Hügel  vom  rechten  Ufer  des 


bers  Sauros,  der  hier  von  Herakles  getödtet  worden  sein  sollte,  und  ein 
zu  Paus.  Zeit  in  Trümmern  liegendes  Heiligthum   des  Herakles  standen. 

1)  Strab.  p.  356;  schol.  Apoll.  Rhod.  A,  599;  Eustath.  ad  Dionys. 
Per.  409.  Curtius  (Pel.  II,  S.  51)  setzt  den  Ossa  auf  das  linke  Ufer  des 
Alpheios  wegen  Strabons  Angabe,  dass  Pisa  zwischen  den  beiden  Ber- 
gen gelegen  habe;  doch  ist  diese  Angabe  auch  dann  richtig,  wenn  wir 
im  Olympos  den  östlich,  im  Ossa  den  westlich  von  dem  kleinen  Bache 
von  Miraka  sich  erhebenden  Bergrücken  erkennen, 

*)  Paus.  VI,  21,  4  f.,  wo  auch  ein  etwas  weiter  östlich,  40  Stadien 
vom  Saurosberge  auf  einer  Anhöhe  am  Alpheios  gelegener,  von  einem 
gewissen  Demänetos  gegründeter,  zu  Paus.  Zeit  verfallener  Tempel  des 
Asklepios  erwähnt  wird. 

')  Paus.  a.  a.  O.  §  7;  Strab.  }).  357;  Steph.  u.  (Vcogiafioi :  nach  der 
letzteren  Stelle  lag  in  der  Nähe  des  Flusses,  wahrscheinlich  zwischen 
ihm  und  dem  Leukyanias,  eine  ^cagiafioi,  d.  i.  'Kiste,  Kasten',  genannte 
Oertlichkeit,  wahrscheinlich  eine  enge  und  tiefe  Schlucht. 

*)  Paus.  a.  a.  O.  §  8  ff.  u.  c.  22,  1 ;  für  die  Stadt  Harpina  vgl.  auch 
Strab.  p.  357;  Lucian.  de  morte  Peregr.  36  (nach  welcher  Stelle  sie  20 
Stadien  ostwärts  von  Olympia  entfernt  war)  u.  Steph.  u.   'Aquivu. 

&)  Paus.  V,  7,  1  u.  ö.:  bei  Xen.  Hell.  VH,  4,  29  ist  der  Name  KXa- 
daog  geschrieben. 


288  II,    P(;Ioj)onii(3S()s. 

Alplicios  belräditliclj  gegen  Norden  znriick  uii«l  es  ciitstelil,  so 
eine  geräumige  Ebene,  durcli  welebc  wieder  mehrere  Bäche  nach 
dem  Alpheios  fliessen:  der  bedeutendste  westlichste  derselben 
scheint  im  Alterthum  den  wieder  aus  Thessalien  hierher  ver- 
])nanzten  Namen  Enipeus,  der  nächst  östlichere  den  Namen 
Kytherios  geführt  zu  habenJ)  Längs  des  rechten  Ufer  des 
Enipeus  zieht  sich  ein  Ilögelriirken  bis  zum  Alpheios  herab  und 
bildet  so  ein  letztes  kurzes  Engthal,  aus  welchem  dieser  Fluss 
in  seine  breite,  ganz  aus  angeschwemmtem  Lande  bestehende 
Mundnngsebene  eintritt.  Unmittelbar  an  der  Mündung  stand  in 
einem  Ilaine  ein  Tempel  der  Artemis  Alpheionia  oder  Alpheiusa, 
nach  der  alten  Landessage  der  Geliebten  des  Flussgottes  Alpheios, 
an  deren  Stelle  in  einer  Jüngern  Form  der  Sage  die  Quellnymphe 
Arethnsa  getreten  ist.  ^j 

Die  Pisatis  zerfiel  zur  Zeit  ihrer  politischen  Selbständigkeit 
in  acht  Bezirke,  von  denen  jeder  das  Gebiet  einer  einzelnen 
Stadt  ausmachte.  Als  solche  alte  Bezirkshauptstädte  kennen  wir 
durch  das  ausdrückliche  Zeugniss  des  Strabon  (VlII  p.  356  s.) 
Salmone  (bei  einer  gleichnamigen  Quelle,  aus  welcher  der 
Enipeus  entspringt),  Herakleia  (40  —  50  Stadien  nordwestlich 
von  Olympia  an  der  von  da  durchs  Gebirge  nach  Elis  führenden 
Strasse  am  Flusse  Kytherios,  also  in  der  Gegend  des  jetzigen 
Bruma  gelegen,  mit  einer  heilkräftigen  Quelle  und  einem  Heilig- 
thum  der  ionidischen  Nymphen),^)  Harpina  (vgl.  oben  S.  287, 
Anm.  4),  Kikysion  (nach  Strabon  die  grösste  unter  allen), 
und  Dyspontion  (an  der  durch  die  Ebene  führenden  Strasse  von 
Olympia  nach  Elis  gelegen,  von  seinen  Bewohnern  nach  dem  un- 
glücklichen   Ausgange    des    Unabhängigkeitskampfes    der    Pisaten 


1)  Strab.  p.  356:  der  Kvd-7]Qiog  heisst  bei  Paus.  VI,  22,  7  Kvd^rjgog. 
Meineke  Diatr.  in  Callimaehi  H.  in  lov.  22  (p.  125)  vermuthet,  dass  er 
auch  den  Namen  'icccov  geführt  habe. 

2)  Strab.  p.  343;  Athen.  VIII,  p.  346 »';  dazu  über  die  alten  Wand- 
gemälde im  Tempel  Panofka  ^Zur  Erklärung  des  Plinius',  Berlin  1858, 
S.  4  ff.  Ueber  die  ältere  Gestalt  der  Sage,  für  welche  auch  der  gemein- 
same Altar  des  Alpheios  und  der  Artemis  in  Olympia  (Paus.  V,  14,  6) 
Zeugniss  giebt,  vgl.  Paus.  VI,  22,  8  f.;  schol.  Pind.  Pyth.  IT,  12;  Nem. 
I,  3;  über  eine  Quelle  Arethusa  in  der  Pisatis  E.  Curtius  in  Pinder  und 
Friedländers  Beiträgen  zur  älteren  Münzkunde  I,  S.  234  ff. 

2)  Vgl.  Paus.  VI,  22,  7,-  zu  dessen  Zeit  Herakleia  eine  Kome  der 
Eleier  war, 


5.   Elis:  Pisalis.  289 

gegen  Elis,  an  welchem  sie  Theil  genommen  hatten,  um  Ol.  50 
verlassen).')  Die  drei  übrigen  waren  wahrscheinlich  Aleision, 
in  älteren  Zeiten  eine  Stadt  an  der  Gebirgsstrasse  von  Olympia 
nach  Elis,  zu  Strabons  Zeit  nur  noch  ein  Platz  in  der  Amphi- 
dolis  oder  Amphidolia  genannten  Gegend,  an  welchem  die 
Umwohner  monatlich  einen  Markt  abhielten  (wahrscheinlich  iden- 
tisch mit  der  von  anderen  Schriftstellern  erwähnten  Ortschaft  der 
Amphidoloi);^)  Margala  oder  Margana,  eine  ebenfalls  im 
District  Amphidolia  gelegene  Stadt, ^)  und  Letrinol  an  der  Haupl- 
strasse  von  Olympia  nach  Elis,  120  Stadien  von  ersterem,  180 
von  letzterem  Orte  entfernt,  in  der  Nähe  eines  kleinen  Sees, 
also  jedenfalls  in  der  jetzt  zu  dem  Städtchen  Pyrgos  gehörigen 
Strandebene,  wahrscheinlich  bei  dem  Dörfchen  Hagios  loannis 
oberhalb  der  Lagune  von  Muria  (die  ebenso  wie  die  südlicheren 
Lagunen  gewiss  neueren  Ursprungs  ist)  gelegen,  zu  Pausanias  Zeit 
bis  auf  wenige  Wohnhäuser  und  den  Tempel  der  Artemis  Al- 
pheiäa  zerstört.'*) 

Der  ausdrücklich  bezeugte  Umstand,  dass  Pisa  nicht  zu 
diesen  acht  Städten  gehörte,  giebt  der  Ansicht  derjenigen  grie- 
chischen Alterthumsforscher  einiges  Gewicht,  welche  läugneten, 
dass  es  überhaupt  jemals  eine  Stadt  dieses  Namens  gegeben  habe 
und  den  Namen  der  Landschaft  von  einer  Quelle  Pisa  (später 
Bisa  genannt)  in   der   Nähe   der   Stadt   Kikysion  (die   also  un- 


^)  Vgl.  mit  Strab.  a.  a.  O.  Paus.  VI,  22,  4;  Steph.  u.  Jvgtcovzlov. 
Die  Namen  der  acht  Städte  der  Pisatis  standen  jedenfalls  neben  acht  der 
-koiXt]  ^HXig  in  der  Lücke  bei  Paus.  V,  16,  6. 

2)  Strab.  p.  341,  vgl.  II.  ß,  617  u.  A,  757;  Steph.  u.  'AX^iglov.  Die 
'AfKfLdoXoL  (nach  dem  Zeiigniss  des  Steph.  ii.  d.  W.  zugleich  Name  der  Ort- 
schaft und  ihrer  Bewohner)  Xenoph.  Hell.  III,  2,  25  u.  30;  IV,  2,  10. 
Diejenigen,  welche  von  einem  Flusse  'JXsioLog  sprachen  (s.  Strab.  p.  342), 
verstanden  darunter  wohl  einen  Seitenarm  dos  Enipcus. 

^)  Strab.  p.  349  (wo  MagyccXai  u.  MagyccXa);  MuQyavSLg  Xenoph. 
Hell.  III,  2,  25  u.  30;  IV,  2,  16  (an  diesen  drei  Stellen  neben  den  'Jfi- 
fpCdoXoi  genannt,  also  von  diesen  verschieden);  VI,  5,  2;  VII,  4,  14  u. 
26;  Mdqyava  Diodor.  XV,  77;  Maqyuia  Steph.  Byz.  u.  d.  W. 

*)  Paus.   VI,   22,  8  ff.;    Xenoph.   Hell.    HI,  2,  25   u.  30:    IV,  2,  16; 

Lycophr.  AI.  64  u.  158  (was  unter  der  ebds.  erwilhnten  MöXnidoq  nizqa 

gemeint    sei,    wissen  wir  nicht):    vgl.  Leake  Morca  II,  p.  186  ss.     Auch 

])ei  Ptol.   III,    16,   18  ist  vielleicht  (mit  Pouillon  Boblaye  Kecherches  p. 

!  1  für  KoQijvri  (oder  KoQvvrj)  AexQivoi  herznstellen. 


290  H.  l'eloponnesos. 

gefähr  auf  derselben  Stelle  anzusetzen  sein  wird,  welche  andere 
für  Pisa  in  Anspruch  nahmen)  herleiteten.  Andere  dagegen  be- 
zeichneten einen  zur  Zeit  des  Pausanias  mit  Weinhergen  bedeckten 
Hügel  6  Stadien  östlich  von  dem  Olympischen  lleiligthume  als 
den  Platz  der  alten  Stadt  Pisa.^)  Jedenfalls  beruhte  die  ganze 
Bedeutung  der  Ortschaft  auf  dem  Ileiligthum  des  Zeus  Olympios, 
dessen  Platz,  jetzt  eine  ungesunde,  feuchte  Niederung,  grössten- 
theils  mit  Gebüsch  und  Weideland  bedeckt,  von  bewaldeten  An- 
höhen umgeben ,  ohne  eine  Spur  menschlicher  Ansiedelungen,  im 
Alterthum  eine  mit  zahlreichen  Bau-  und  Bildwerken,  darunter 
Kunstwerken  ersten  Banges  geschmückte  Stätte  regelmässiger, 
täglicher  Opfer,  während  der  Tage  des  Festes  ein  Sammelplatz 
vieler  Tausende  von  Besuchern  selbst  aus  den  fernsten  Gegenden, 
in  welche  griechische  Sprache  und  griechische  Cultur  gedrungen, 
war.  Olympia  —  mit  diesem  Namen  wurde  der  ganze  im 
Westen  vom  Kladeos,  im  Süden  durch  das  im  Alterthum  besser 
als  jetzt  regulirte  Bett  des  Alpheios,  im  Norden  und  Osten  durch 
Hügel  begränzte  Baum  bezeichnet  —  bestand  aus  dem  geräu- 
vmigen  Peribolos  des  Zeustempels  —  der  sogenannten  Altis  — , 
den  Anlagen  für  die  gymnischen  und  hippischen  Agonen  und 
allerhand  Bäumllchkeiten  für  das  Cultpersonal,  für  das  Unter- 
kommen und  die  Bewirthung  der  Fremden  und  für  geselligen 
und  geschäftlichen  Verkehr.  2)  Die  Altis  war  rings  von  einer 
Mauer  umschlossen,  die  sich  an  der  Nordseite  hart  am  Fusse 
eines  in  die  Ebene  vortretenden  Hügels,  des  Krön ion,- und  um 
die  südwestliche  Ecke  desselben  herum  bis  zum  Kladeos  hinzog, 


1)  Strab.  p.  356;  Paus.  VI,  22,  1  f.;  schol.  Find.  Ol.  I,  28;  XI,  51; 
Steph.  Byz.  u.  TLCgu. 

2)  Vgl.  für  die  Topographie  von  Olympia,  welche  von  Agaklytos  in 
einer  besonderen  Schrift  nsgl  'OXv[i7ttag  behandelt  worden  war  (s.  C. 
Müller  Fragm.  bist.  gr.  IV,  p.  288),  die  flüchtige  Skizze  bei  Strab.  Vin, 
p.  353  s.  und  die  sehr  detaillirte ,  aber  leider  sehr  wenig  übersichtliche 
Schilderung  bei  Paus.  V,  7  —  VI,  21;  dazu  John  Spencer  Stanhope 
Olympia  or  topography  illustrative  of  the  actual  state  of  the  piain  of 
Olympia,  London  1824  [mir  nicht  zugänglich];  Expedition  de  More'e  I, 
pl.  56—73;  Leake  Peloponnesiaca  p.  4—108;  E.  Curtius  Olympia.  Ein 
Vortrag.  Berlin  1852  und  Peloponnesus  II,  S.  52  ff.  (dazu  Pläne  auf 
Tfl.  II);  Beule'  Etudes  sur  le  Peloponnese  p.  245  ss.;  Vischer  Erinnerun- 
gen S.  465  ff.;  Th.  Wyse  An  excursion  in  the  Peloponnesus  in  the  year 
1858,  London  1865,  Vol.  II,  p.  81  ss. 


5.  Elis:  Pisatts.  ^  291 

am  linken  Ufer  dieses  Flusses,  wo  man  noch  Spuren  einer  Ufer- 
mauer bemerkt,  gegen  Süden,  dann  dem  rechten  Ufer  des  AI- 
pheios  parallel,  aber  in  beträchtlichem  Abstand  von  demselben 
gegen  Osten,  endlich  in  gerader  Linie  gegen  Norden  nach  der 
Südostecke  des  Kronion  hinlief J)  Der  Haupteingang,  durch 
welchen  die  Processionen  in  die  Altis  einzogen,  befand  sich  an 
der  Südseite ;  ausserdem  gab  es  mehrere  Nebenpforten ,  wie  eine 
an  der  Nordwestseite  in  der  Gegend  des  Gymnasions  und  zwei 
an  der  Nordostseite,  welche  direct  in  das  Stadion  (die  eine 
für  die  Kampfrichter  und  Athleten,  die  andere  für  das  übrige 
Publikum  bestimmt)  führten.-)  Den  Mittelpunkt  der  Altis  bildete 
sowohl  in  räumlicher  Beziehung  als  in  Hinsicht  auf  seine  religiöse 
Bedeutung  der  grosse  Altar  des  Zeus  Olympios,  welcher  auf  einem 
steinernen  Unterbau  von  125  Fuss  Umfang  (der  sogenannten  Pro- 
thysis,  auf  welcher  die  Opferthiere  geschlachtet  wurden)  aus  der 
mit  Wasser  aus  dem  Alpheios  vermischten  Asche  der  verbrannten 
Schenkelknochen  der  Opferthiere  errichtet  war.  Auf  demselben 
w urden ,  abgesehen  von  den  grossen  Opfern  während  der  Fest- 
feier, täglich  von  den  Eleern  und  häufig  von  Privatleuten  Opfer 
gebracht;  jährlich  um  die  Frühlingsnachtgleiche  (am  19.  des 
Monats  Eiaphios  nach  eleischem  Kalender)  wurde  eine  neue  Lage 
von  der  während  des  Jahres  im  Prytaneion  angesammelten  Opfer- 
asche aufgestrichen ,  so  dass  die  Höhe  des  Altars,  welche  zu  Pau- 
sanias  Zeit  (mit  Einschluss  des  Unterbaus)  22  Fuss  betrug,  immer 
zunahm. 3)     In  der  Nähe  dieses  Altars,  gegen  Westen  in  gleicher 


*)  Die  Ausdehnung  der  Altis  ist  auf  dem  Plane  bei  Curtius  gegen 
Süden  zu  gross,  auch  die  Stelle  des  Zeustempels  nicht  richtig  angegeben: 
derselbe  liegt  der  südwestlichen  Spitze  des  Kronion  beträchtlich  näher; 
vgl.  Wyse  a,  a.  O.  p.  148  s.  Das  r^rj^off  der  Altis  erwähnen  Paus.  V, 
24,  8;  26,  5  u.  7;  Xenoph.  Hell.  VII,  4,  32. 

2)  nofinmii  (l'godog  Paus.  V,  15,  2;  VI,  20,  7;  rj  k'^oSog  ?J  xov 
yvfivaaLOv  nigav  V,  1.5,  8;  rj  i'goSog  ij  ig  td  ataSiov  V,  14,  9;  21,  15; 
22,  1 ;  KQvntrj  sl'godog  für  die  'EXlavoStHUi  und  aycoviGTCcc  VI,  20,  8. 

')  Paus.  V,  13,  8  flf.  vgl.  VI,  17,  1.  Der  Altar  heisst  o  ßcofiog 
schlechtweg  bei  Xen.  Hell.  VII,  4,  31;  Philostr.  de  gymn.  5  u.  6.  An 
denselben  knüpfte  sich  ohne  Zweifel  das  (lavTSiov  rov  'Olvfinvov  diog 
(Strab.  VIII,  p.  353),  d.  h.  die  Weissagung  aus  den  Opfern,  besonders 
aus  der  Opferflamrac  {Sl'  i(invQ(ov),  welche  bis  in  diu  letzten  Zeiten  des 
Heidenthums  durch  fiuvreig  aus  den  Familien  der  7a/i(dat  und  KXvtid- 
Sui  besorgt  wurde:  vgl.  Find.  Olymp.  VI,  7  n.  VIII,  3  c.  schol.;  Herod, 


292  n.  Peloponnesos.  ' 

KnlR'rmmy  von  ileiiisclbeii,  staiulen  zwei  alte  und  angesehene 
Heiligthümer:  ein  dorischer  Tempel  (Peripleros)  der  Hera,  der 
aller  vier  Jahre  ein  Fest  Heräa  mit  Darbringung  eines  von  IG 
Frauen  gewebten  Peplos  und  Wettläufen  von  Mädchen  verschie- 
dener Altersstufen  im  Olympischen  Stadion  gefeiert  wurde,  mit 
zahlreichen  Iheils  durch  ihren  Kunstwerlh,  theils  durch  Aller- 
thümlichkeit  (wie  der  bekannte  Kasten  des  Kypselos)  bedeutsamen 
VVeihgeschenken,  und  südlich  davon  ein  Temenos  des  Pelops  (Pe- 
lopion),  ein  mit  Bäumen,  zwischen  denen  Statuen  aufgestellt 
waren,  bepflanzter,  von  einer  Mauer  umschlossener  Raum  mit 
Eingang  an  der  Westseite.  ^)  Südlich  von  diesem  Temenos,  durch 
einen  mit  Statuen  und  Weihgeschenken  aller  Art  angefüllten 
Raum  davon  getrennt,  erhob  sich  der  grosse  Tempel  des  Zeus, 
ein  Denkmal  des  Sieges  der  Eleer  über  die  Unabhängigkeilsbe- 
strebungen der  Pisaten,  dessen  wahrscheinlich  noch  in  den  50er 
Olympiaden  unter  Leitung  des  Architekten  Libon  begonnener  Bau 
erst  Olympiade  85  —  86  seinen  völligen  Abschluss  erhielt.  Es 
war  ein  dorischer  Peripteros  mit  6  X  13  Säulen  aus  mit  feinem 
Stuck  überzogenem  Muschelkalk,  der  Unterbau  aus  feinkörnigem, 
dem  phigalischen  ähnlichem  Kalkstein,  das  Dach,  die  Architektur 
im  Innern  der  Cella,  sowie  der  plastische  Schmuck  der  beiden 
Giebelfelder  (im  östlichen  die  Vorbereitungen  zum  Wettkampfe 
zwischen  Pelops  und  Oinomaos  von  Päonios  aus  Mende  in  Thra- 
kien ,  im  westlichen  der  Kampf  der  Lapithen  und  Kentauren  von 
Alkamenes  aus  Athen)  und  der  je  sechs  Metopen  über  dem  Ein- 
gange zum  Pronaos  und  Opisthodom  (Thaten  des  Herakles;  die  Me- 
topen des  äusseren  Hauptfrieses  waren  ohne  plastischen  Schmuck) 
aus  weissem  Marmor.  Das  in  der  Mitte  ofTene  Dach  der  Cella, 
an  deren  westlicher,  sie  von  der  Nachcella  (Opisthodomos)  tren- 
nenden Wand  die  Colossalstatue  des  Gottes,  das  Werk  des  Phei- 
dias,  in  einer  besonderen  Capelle  aufgestellt  war,  wurde  von 
einer  doppelten  Säulenstellung,  zwei  unteren  und  zwei  oberen, 
eine  Art  von  Emporen    bildenden   Säulenreihen   längs   der  Lang- 


VIII,  134;  Xen.  Hell.  IV,  7,  2  und  die  am  Fiisse  des  Kronlonhügels  ge- 
fundenen Inschriften  bei  Beule  Etudes  sur  le  Pel.  p.  268  ss.  (auch  in 
Goettlings  Opuscula  academica  p.  306  ss.). 

1}  Tempel  der  Hera:  Paus.  V,  16;  VI,  1,  3;  c.  19,  8  u.  12;  Athen. 
XI,  p.  480^;  Dio  Chrysost.  Gr.  XI,  45.  nsloTtiOv:  Paus.  V,  13,  1  flf.; 
24,  5;  27,  1. 


5.  filis:  Pisalis.  2Ö3 

seilen  der  Cella,  gestützt.  Dass  der  Tempel  nicht  sowohl  zu  den 
Zwecken  des  Cultus,  als  zur  Erhöhung  des  Glanzes  der  Festfeier, 
hei  welcher  den  Siegern  in  den  Agonen  innerhalh  des  Tempels 
vor  der  Statue  des  Gottes  die  Siegeskränze  überreicht  wurden, 
errichtet  war,  zeigt  schon  der  Umstand,  dass  auch  nach  Er- 
bauung desselben  die  regelmässigen  Opfer  auf  dem  grossen  Aschen- 
allar,  der  in  keinem  unmittelbaren  Zusammenhang  mit  dem  Tempel 
stand,  dargebracht  wurden.  Doch  ist  auch  von  einem  Altar,  auf 
welchem  Opfer  (jedenfalls  nur  feuerlose)  gebracht  wurden ,  inner- 
halb des  Tempels  die  Rede,  und  eine  durch  ein  ehernes  Gefäss 
bezeichnete  Stelle  auf  dem  Boden  der  Cella,  an  welcher  einst 
ein  Blitz  eingeschlagen  haben  sollte,  war  gewiss,  wie  alle  der- 
artige Blitzmale  bei  den  Alten,  auch  eine  Stätte  des  Cultus.^) 
In  der  Gegend  des  Opisthodoms ,  welcher  während  des  Festes  der 
gewöhnliche  Versammlungsort  eines  kleineren  gewählten  Publikums 
zum   Behuf  des  Anhörens   litterarischer  Vorträge   oder  sonstiger 


1)  Vgl.  über  den  Tempel  Paus.  V,  10,  2  flf.,  dessen  Maassangaben 
(230  F.  Länge,  95  F.  Breite,  68  F,  Höhe)  mit  den  von  der  französischen 
Commission  ermittelten  Maassen  (Länge  205,  Breite  93  Par.  Fuss)  ziem- 
lich übereinstimmen;  den  ßcofiog  svros  tov  vccov  (wofür  Bötticher 
Tektonik  der  Hellenen  Bnch  IV,  S.  352  unrichtig  ivrog  trjg  "AXtecos 
schreiben  wollte)  erwähnt  Paus.  ebds.  c.  14,  4.  Von  Neueren  s.  Expe'- 
dition  de  Moree  I,  pl.  02  ss.;  Rathgeber  'Olympieion'  in  der  Allgem. 
Encycl.  d.  AV.  u.  K.  S.  III,  Bd.  3,  S.  179  ff.;  Bötticher  Zeitschrift  für 
Bauwesen  III  (1853)  S.  38  ff.  u.  138  ff.;  Reber  Geschichte  der  Baukunst 
im  Alterthum  S.  299  f.  Eine  andere  Ansiclit  über  die  Erbauungszeit  des 
Temi)els  hat  Urlichs  ausgesprochen  in  den  Verhandlungen  der  25sten  Philo- 
logenver.sammlung  zu  Halle  S.  70  ff.:  er  bezieht  die  von  Paus.  a.  a.  O.  er- 
wähnten Xccq)VQcc  auf  einen  späteren,  Ol.  77,  2  stattgehabten  Aufstands- 
versuch der  cleischen  Periöken  und  lässt  den  Bau  Ol.  77,  3 — 4  beginnen 
u.  Ol.  80,  3 — 4  im  Wesentlichen,  bis  auf  die  Gruppe  des  westlichen  Giebels 
und  die  Zeusstatue,  vollendet  sein.  Allein  dass  Pausanias  nur  den  von 
den  Pisaten  unter  Führung  des  Pyrrhos,  Sohnes  des  Pantaleon,  gegen 
die  Eleer  begonnenen  Krieg,  der  (wahrscheinlich  Ol.  51:  vgl.  Julius 
Africanus  ad  Olyni]).  XXX  und  die  Thatsache,  dass  Ol.  52  wieder  ein 
Eleer  als  Sieger  cr.schciut;  mit  der  Unterwerfung  und  Austreibung  der 
Pisaten  und  ihrer  Bundesgenosaen  endete,  gemeint  haben  kann,  lehrt  die 
Vcrgleichung  der  historischen  Notizen  VI,  22,  4.  Heutzutage  sieht  man 
nur  zwischen  Schutthaufen  und  zum  grossen  Theil  wieder  mit  Erde  und 
Strauchwerk  bedeckt,  aus  welchem  einige  Säulentroncs  herausragen,  die 
von  der  französischen  Commission  im  Mai  und  Juni  1829  blossgelegten 
I'imdamento  des  Tempels. 

UUKSIAN,    UKOUK.    II.  20 


294  II.  Peloponiiesos. 

wissenschaftlicher  Unterhaltung  oder  der  Betrachtung  ausgestellter 
Kunstwerke  gewesen  zu  sein  scheint,^)  stand  ein  uralter,  angeh- 
lich  von  Herakles  seihst  gepflanzter  wilder  Oelhaum,  von  dessen 
Zweigen  ein  Knabe,  dessen  beide  Eltern  noch  lebten,  mit  goldnem 
Messer  die  Kränze  für  die  Sieger  in  den  Karnpfspielen  abschnitt; 
in  seiner  Nähe  war  den  ""Nymphen  der  schönen  Kränze'  (Nymphä 
Kallistephanoi)  ein  Altar  errichtet,  ^j  Zwischen  dem  Tempel  und 
dem  grossen  Altar  stand,  südlich  vom  Wege,  unter  einem  von 
vier  Säulen  getragenen  Dache  eine  uralte,  durch  zahlreiche  Heft- 
bänder zusammengehaltene  hölzerne  Säule,  welche  von  der  Tra- 
dition als  der  einzige  Ueberrest  des  vom  Blitz  zerstörten  Hauses 
des  Oinomaos  bezeichnet  wurde,  zwischen  Altären  des  Zeus  Her- 
keios  und  des  Zeus  Keraunios.  ^)  Von  anderen  Baulichkeiten 
innerhalb  der  Altis  kennen  wir,  abgesehen  von  den  sehr  zahl- 
reichen Altären,^)  das  in  der  Nähe  des  Processionsthores,  also 
im  südlichsten  Theile  der  Altis,  gelegene  Hippodameion, 
einen  mit  einer  Mauer  umhegten  Platz  von  einem  Plethron 
(10,000  DFuss  =  9648  preuss.  DFuss)  Flächenraum,  welcher 
nur  einmal  im  Jahre  von  den  Frauen,  welche  der  Hippodameia 
opferten,  betreten  werden  durfte,^)  sowie  eine  grössere  Gruppe 
von  Gebäuden  im  nördlichsten  Theile  der  Altis  am  südlichen  Fusse 
des  Kronionhügels.  Zunächst  dem  Ausgange,  welcher  nach  dem 
ausserhalb  der  Altis,  zwischen  dem  westlichen  Fusse  des  Kronion 
und   dem    Kladeos    gelegenen   Gymnasion,    an   dessen  östliche 


1)  Vgl.  E.  H.  Meier  Allg.  Encycl.  d.  W.  u.  K.  S.  III,  Bd.  3,  S.  307; 
Krause  Olympia  (Wien  1838)  S.  183  ff. 

2)  Paus.  V,  15,  3:  vgl.  Theophr.  Hist.  pl.  IV,  13,  2;  Plin.  N.  h.  XVI, 
44,  240.  Die  auch  von  Curtius  (Pelop.  II,  S.  .53)  wiederholte  Angabe, 
dass  der  Baum  in  einem  Ildvd'Siov  genannten  Gehege  gestanden  habe, 
beruht  auf  einem  freilich  alten  (vgl.  schol.  Pind.  Olymp.  III,  60  u.  VIII, 
12)  Missverständniss  der  vom  schol.  Aristoph.  Plut.  586,  schol. 
Theoer.  IV,  7  u.  Suid.  u.  "hotlvov  crscpdvcp  ausgeschriebenen  Stelle  des 
(Aristot.)  Mir.  ausc.  51,  wo  von  dem  Oelbaume,  von  welchem  Herakles 
den  Absenker  entnahm,  den  er  in  Olympia  pflanzte,  gesagt  ist,  dass  er 
im  Pantheion,  in  der  Nähe  des  Ilissos  (also  doch  wohl  in  Athen?)  stehe. 

3)  Paus.  V,  14,  7;  c.  20,  6  ff.;  VI,  18,  7. 

"*)  Ein  leider  nicht  nach  den  Standorten,  sondern  nach  der  Reihen- 
folge, in  welcher  auf  ihnen  geopfert  wurde,  geordnetes  Verzeichniss  der- 
selben giebt  Paus.  V,  14,  4  ff". 

'■>)  Paus.  VI,  20,  7,  vgl.  V,  22,  2. 


5.  Elis:  Pisatis.  295 

Mauer  Wohnungen  für  die  Athleten  angehaut  waren, ^)  führte, 
stand  zur  Rechten  des  vom  Heräon  her  Kommenden  das  Pryta- 
neion,  welches  zwei  Gemärher  enthielt:  das  Heiligthum  der 
llestia  mit  dem  gleich  dem  grossen  Zeusaltar  aus  Asche  errich- 
teten Altar,  dem  Staatsheerde  der  Eleer,  auf  welchem  Tag  und 
Nacht  ein  ewiges  Feuer  hrannte,  nehst  einem  Altar  des  Fan,  und 
den  Speisesaal  (Hestiatorion) ,  worin  den  Siegern  in  den  Spielen 
ein  Festmahl  gegeben  wurde. ^)  Dem  Prytaneion  gegenüber  zur 
andern  Seite  des  Ausgangs  stand  ein  Rundgebäude  aus  Ziegeln, 
von  Säulen  umgeben,  mit  einem  ehernen  Mohnkopfe  auf  der  Spitze 
des  Daches,  von  Philipp  II.  von  Makedonien  nach  der  Schlacht  hei 
Chäroneia  erbaut  und  daher  Philippeion  genannt;  das  Innere 
enthielt  Statuen  des  Philippos,  seines  Vaters  Amyntas,  des 
Alexandros,  der  Olympias  und  der  Eurydike,  sämmtlich  Werke 
des  Leochares  aus  Elfenbein  und  Gold.  In  der  Nähe  dieses  Rund- 
baus (westlich  oder  südlich  davon)  sland  ein  grosser,  der  Götter- 
mutter geweihter  dorischer  Tempel,  das  Metroon,  in  welchem 
a))er  wenigstens  zu  Pausanias  Zeit  kein  Götterbild,  sondern  Statuen 
römischer  Kaiser  aufgestellt  waren. -^j  Diesem  ungefähr  gegen- 
über, südlich  vom  Prytaneion,  lag  das  Ruleuterion,  das  Sitzungs- 
local  des  olympischen  Rathes,  welcher  die  höchste  Instanz  für 
alle  das  Fest  oder  das  heilige  Gebiet  betreffenden  Streitigkeiten 
bildete;  darin  stand  eine   Statue  des  Zeus  Horkios  (Schwurgott), 


1)  Paus.  V,  15,  8;  VI,  6,  3;  c.  21,  2:  die  Lage  ausserhalb  der  Altis 
ergiebt  sich  deutlich  aus  der  ersten  und  letzten  Stelle. 

2)  Paus.  V,  15,  8  flf:;  Xen.  Plell.  VII,  4,  31;  vgl.  Preuner  Hestia- 
Vesta  S.  127.  Mit  dem  Prytaneion  stand  auch  offenbar  in  enger  Ver- 
bindung der  d'STj-KoXsmv,  die  "Wohnung  der  ^srjvioXoi,  welche,  3  au 
Zahl,  abwechselnd  je  einen  Monat  lang  unter  Assistenz  der  anovdocpo- 
QOt,  jLtat/Tftff,  ^^riyriraL,  vnoanovSorpOQOi  (auch  vnoGitovdoQxriGTCtC  und 
InianovdoQXTjGTai  genannt)  und  des  ^vlsvg  (auch  ■iicc9'rj(iEQod^vti]g)  die 
täglichen  Opfer  besorgten:  Paus.  V,  15,  8—10;  Inschr.  bei  BeuM  Ktudes 
p.  208  SS. 

^)  Paus.  c.  20,  9,  nach  welcher  Stelle  ich  trotz  der  etwas  unklaren 
Wegbezeichnung  c.  21,  2  mit  Wyse  (An  cxcursion  in  the  Peloponnesus 
II,  p.  138  8.)  das  Metroon  (welchem  vielleicht  die  von  Beule'  a.  a.  O.  p. 
250  erwähnten,  zum  Theil  im  Bette  des  Kladeos  liegenden  IJeste  eines 
dorischen  Tempels  angehören)  neben  dem  Philippeion,  nicht  mit  Curtius 
<*stiich  vom  lleräon  ansetzen  zu  müssen  glaube.  Das  Pliilippeion  war 
offenbar  seiner  Bestimmung  nach  den  sogleich  zu  erwähncudeM  Tht.sau- 
n  .'inalog. 

20* 


29G  II.  Pcloponnesos. 


A  •■ 


vor  welcher  die  Athleten  mit  ihren  Angehörigen  und  Lclirern 
auf  die  strenge  Beohachtung  der  Kampfgesetze,  die  Kampfrichter, 
welche  über  die  Kämpfe  der  Knaben  und  der  Fohlen  zu  ent- 
scheiden hatten,  auf  Unparteilichkeit  und  Wahrung  des  Amtsge- 
heimnisses vereidigt  wurden.  ^)  In  der  Nähe  des  Prytaneion 
scheint  in  älterer  Zeit  ein  Theater,  dessen  Sitzstufen  für  die 
Zuschauer  wahrscheinlich  auf  dem  Abhänge  des  Kronion  ruhten, 
errichtet ,  aber  wenigstens  im  2.  Jahrhundert  unserer  Zeitrechnung 
wieder  verschwunden  gewesen  zu  sein.^) 

Wenn  man  vom  Metroon  nach  dem  Stadion,  also  in  west- 
östlicher Richtung,  durch  den  nördlichsten  Theil  der  Altis  ging, 
so  hatte  man  zur  Linken  am  südlichen  Fusse  des  Kronion  einen 
aus  einer  Anzahl  von  langen  Treppenstufen  bestehenden  Unterbau, 
von  dessen  östlichem  Ende  man  durch  den  sogenannten  *  verbor- 
genen Eingang',  offenbar  ein  Seitenpförtchen  in  der  Mauer  der 
Altis,  unmittelbar  in  das  Stadion  gelangen  konnte.  Auf  den  Stufen 
standen  eine  Anzahl  (zu  Pausanias  Zeit  17)  Erzstatuen  des  Zeus, 
von  den  Eleern  Z  a  n  e  s  genannt,  errichtet  aus  Strafgeldern,  welche 
einzelnen  Athleten  wegen  Vergehen  gegen  die  Kampfordnung 
auferlegt  worden  waren.  ^)  DitJ  oberste  Stufe  führte  zu  einer 
Terrasse,  welche  zehn  Thesauren  (Schatzhäuser)  d.  h.  tempel- 
artige Gebäude,  die  von  verschiedenen,  meist  aussergriechischen 
Städten  zur  Aufbewahrung  kostbarer  Weihgeschenke  errichtet 
worden  waren,  in  folgender  Reihenfolge  von  Westen  nach  Osten 
trug:  das  der  Sikyonier  (errichtet  durch  den  Tyrannen  Myron, 
der  Olymp.  33  einen  Wagensieg  in  Olympia  gewann,  mit  zwei 
Gemächern,  einem  im  dorischen,  einem  im  ionischen  Styl,  deren 
Wände  mit  Erzplatten  bekleidet  waren) ,  der  Karthager  (jedenfalls 
nicht  von  diesen  selbst,  sondern  von  Gelon  und  den  Syracusanern 


1)  Paus.  V,  23,  1;  c.  24,  1  u.  9  f.;  Xen.  Hell.  VII,  4,  31. 

2)  Xen.  Hell.  VII,  4,  31:  wenn  dort  das  Wort  ^sccrgov  nicht  eine 
blosse  Corruptel  (etwa  für  sGZLaTOQiov?)  ist,  so  bleibt  nur  die  im  Texte 
ausgeführte  Annahme  übrig,  da  nicht  nur  Pausanias  das  Theater  nicht 
erwähnt,  sondern  auch  Philostrat.  Vita  Apoll.  V,  7  (p.  88,  2  Kayser)  in 
Bezug  auf  Olympia  sagt:  otg  firJTS  d-sargov  saxL  firjrs  OHrjvi]  ngog  rcc 
xoiavxa  (sc.  xQctyaSiccv  xat  ■niQ'UQCpdiav)^  Gxddiov  8s  avzocpvlq  xat 
yviiva  Tidvxcc ,  eine  Stelle,  mit  welcher  Curtius  (Pel.  II,  S.  112,  Anm.~68) 
sich  allzu  leicht  abfindet. 

3)  Paus.  V,  21,  2  ff.;  VI,  20,  8. 


5.  Elis:   Pisatis.  297 

zur  Erinnerung  an  den  Sieg  bei  Himera  gestiftet) ,  der  Epi- 
(lamnier,  der  Byzantier,  der  Sybariten,  der  Kyrenäer,  der  Seli- 
nuntier,  der  Metapontiner,  der  Megarer  (in  Hellas)  und  der 
GeloerJ)  Die  Terrasse  wurde  im  Norden  jedenfalls  durch  die 
nördliche  Umfassungsmauer  der  Altis  abgeschlossen;  zwischen 
dieser  und  dem  Cipfel  des  Kronion,  also  höher  hinauf  am  süd- 
lichen Abhänge  dieses  Hügels,  stand  ein  Heiligthum  der  Eileithyia 
Olympia  mit  einer  Kapelle  für  den  specifisch  eleischen  Dämon 
Sosipolis  und  ein  zu  Pausanias  Zeit  verfallenes  Fleiligthum  der 
Aphrodite  Urania.  Der  von  den  Arkadern  während  ihres  Krieges 
mit  den  Eleern  im  Jahre  365  v.  Chr.  befestigte  Gipfel  des  Hügels 
war  eine  alte  Cultstätte,  auf  welcher  die  Basilen  —  jedenfalls 
ein  altachäisches  oder  eleisches  Priestergeschlecht  —  jährlich  um 
die   Frühjahrsnachtgleiche   dem   Kronos   opferten.'^) 

Kehren  wir  noch  einen  Augenblick  in  die  Altis  zurück,  so  haben 
wir  darin  ausser  den  schon  erwähnten  Gebäuden  und  Altären  noch 
mehrere  Hallen  für  Spaziergänge,  gesellige  und  wissenschaftliche 
Unterhaltungen  anzusetzen ,  deren  Plätze  nicht  mehr  zu  bestimmen 
sind;  eine  derselben  wurde,  weil  ihre  Wände  in  älteren  Zeiten 
mit  Gemälden  geschmückt  gewesen  waren,  die  bunte  (Polkile), 
oder  auch,  wegen  eines  siebenfachen  Echos,  das  man  darin  ver- 
nahm, die  Halle  der  Echo  oder  die  siebenstimmige  Halle  genannt.^) 


')  Paus.  VI,  19;  die  Thesauren  der  Metapontiner  und  Byzantier 
erwähnt  auch  Polemon.  bei  Athen.  XI,  p.  479^  der  sie  als  vaot  bezeich- 
net; für  ihre  tempelähnliche  Kauart  zeugt  auch  die  Erwähnung  eines 
Sculpturschmuckes  im  Giebelfelde  des  Tliesauros  der  Megarer  bei  Paus. 
§  18;  daher  ist  es  fraglich,  ob  die  von  Vischer  Erinnerungen  S,  470, 
Anm.  *  erwähnten  Reste  eines  Rundbaues  an  der  Südostseite  des  Kro- 
iiion  von  einem  Tliesauros  herrühren. 

*)  Paus.  VI,  20,  1  f.,  wo  §  2  zu  schreiben  ist:  iv  de  TOig  nigccGi 
Tov  Kqovlov  xara  xo  nqbq  riqv  agntov  [tsixog]  saxlv  ^v  (liam  zdiv 
&r}aavQWV  nal  tov  ogovg  isqov  EClsid'VLag,  weil -nur  dadurch  die  topo- 
graphische Angabe  h  iifacp  xtX.  einen  Sinn  erhält,  die  bei  der  Ansetzung 
des  Ileiligthums  am  Nordabhange  des  Hügels  auch  unter  der  Voraus- 
setzung, dass  der  Weg  gewunden  war  (Curtius  Pel.  II,  S.  112,  Anm.  65), 
unbogreiflicli  bleibt.  Die  von  Xenoph.  Hell.  VII,  4,  14  erwähnte  Be- 
festigung des  Kronion  hat  wahrscheinlich  Veranlassung  gegeben  zu  dem 
Irrthume  Diodors,  der  XV,  77  von  einer  Stadt  Kronion  spricht. 

^)  Paus.  V,  21,  17;  vgl.  Lucian.  de  morte  Peregr.  40;  Plut.  de 
garrulit.  1 ;  Plin.  N.  h.  XXXVI,  15,  100.  Mehrere  atoa£  erwähnt  Xen, 
Tr.ll.  VII,  4,  31. 


29(S  II.   I'clopünnesos. 

Der  Jlaiim  zwisclieii  allen  diesen  Gebäuden  und  Altären  wm-  Llieils 
mit  liäunien,  die  in  den  älteren  Zeiten  jedenfalls  den  grössten 
Theil  der  Altis  eingenommen  hatten ,  aber  mehr  und  mehr  durch 
die  Werke  der  Menschenhand  verdrängt  worden  waren,  bepflanzt, 
theils  mit  einer  fast  zahllosen  Menge  von  Statuen  (meist  Erz- 
bildern) bedeckt:  theils  Weihgeschenken  von  Städten  und  Privat- 
leuten, theils  Ehrenstatuen  der  Sieger  in  den  Kampfspielen,  deren 
Errichtung  seit  etwa  Ol.  60  Brauch  geworden  war.  ^) 

An  die  nordöstliche  Ecke  der  Altis  schloss  sich,  durch  zwei 
Eingänge,  wie  oben  bemerkt,  mit  ihr  verbunden,  das  Stadion 
an,  die  von  Nord  nach  Süd  600  Fuss  lange  Rennbahn  für  den 
Wettlauf  und  die  übrigen  zu  diesem  ältesten  und  urspi'ünglich 
einzigen  Agon  allmälig  hinzugefügten  gymnischen  Wettkämpfe, 
die  sich  zwischen  künstlich  aufgeschütteten  Erdwällen,  welche 
dem  zuschauenden  Publikum  Raum  zum  Sitzen  darboten,  in  der 
Niederung  am  östlichen  Fusse  des  Kronion  hinzog.  Am  nördlichen 
Ende  waren  die  Sitze  für  die  Kampfrichter  (Ilcllanodiken)  und 
diesen  gegenüber  ein  Marmorsitz  in  Form  eines  Altars  für  die 
Priesterin  der  Demeter  Chamyne,  die  einzige  Frau,  welche  den 
olympischen  Spielen  zuschauen  durfte,  errichtet;  nahe  dem  süd- 
lichen Ende,  dem  Ablauf  der  Wettläufer,  zeigte  man  das  Grab 
des  Endymion.  Oestlich  vom  Stadion  erstreckte  sich,  wahrschein- 
lich ebenfalls  in  nord-südücher  Richtung,  aber  in  weit  beträcht- 
licherer Länge  als  dieses,  der  Hippo^lrom,  die  kurz  vor  Ol.  25 
(wo  zuerst  Wagenrennen  in  Olympia  abgehalten  wurden)  errichtete 
Anlage  für  Wettrennen  und  Wettfahrten  mit  Rossen  und  Wagen. 
Die  etwas  längere  westlichere  Langseite  bestand  aus  einer  künst- 
lich aufgeschütteten  Erhöhung,  welche  den  Hippodrom  vom  Stadion 
trennte;  für  die  östliche  benutzte  man  einen  natürlichen  Hügel, 
einen  einer  Landzunge  ähnlichen  Vorsprung  des-  olympischen  Ge- 
birges gegen  die  Ebene.  Am  südlichen  Ende  der  Bahn  war  die 
von  Kleoitas  mit  besonderer  Kunstfertigkeit  ausgeführte  Aphesis 
angebracht,  die  Anlage  für  den  Ablauf  der  Wagen,  welche  von 
den  Alten  ihrer   Form  nach  mit  dem  Vordertheil  eines  Schiffes 


*)  Paus.  VI,  18,  7.  Die  Aufzählung  der  Statuen,  welche  derselbe 
VI,  c.  1  fF.  giebt,  ist  in  der  Weise  angeordnet,  dass  c.  1  — 16  die  im 
nördlicheren,  c.  17  u.  18  die  im  südlicheren  Theile  der  Altis  aufgestell- 
ten beschrieben  werden. 


5.  Elis;  Pisalis.  299 

veryliclieii  wird:  jedenfalls  ein  mit  der  Spitze  nacli  der  Balni 
gerichtetes  gleiclisclienkeligos  Dreieck,  an  dessen  je  über  400  P'uss 
langen  Schenkeln  Schnppen  für  die  Wagen,  in  dem  innern  un- 
bedeckten Räume  zahlreiche  Altäre  sich  befanden;  an  die  Basis 
war  als  Abschluss  des  Hippodroms  gegen  die  Ebene  hin  eine 
Halle  angebaut,  welche  nach  ihrem  Erbauer  die  Halle  des  Agna- 
])los  genannt  wurde.  An  der  westlichen  Langseite,  durch  welche 
ein  Eingang  in  die  Bahn  führte,  stand  am  Bande  der  Bahn  der 
sogenannte  Taraxippos,  ein  runder  Altar,  durch  dessen  Anblick 
die  Pferde  scheu  zu  werden  pflegten,  eine  Erscheinung,  zu  deren 
Erklärung  verschiedene  Legenden  erzählt  wurden.  Am  südlichen 
Ende  der  Anhöhe,  welche  die  östliche  Seite. des  Hippodrom  bil- 
dete, erhob  sich  ein  Tempel  der  Demeter  Chamyne,  der  jeden- 
falls schon  vor  der  Errichtung  des  Hippodroms  vorhanden  war 
und  daher  bei  Anlage  desselben  geschont  werden  inusste:  daraus 
erklärt  es  sich  am  leichtesten,  warum  diese  östliche  Seite  etwas 
kürzer  war  als  die  westliche.') 

Der  Baum  zwischen  der  Südmauer  der  Altis  und  dem  durch 
Ufermauern  in  ein  geregeltes  Bett  eiiigedämmten  Alpheios  war 
lijuiptsächlich  für  die  äusserst  zahlreichen  fremden  Besucher  be- 


<)  Paus.  VI,  20,  8  ff.,  vgl.  V,  15,  5  f.  und  über  den  Tagcc^inno^ 
auch  Dio  Clirysost.  Or.  XXXII,  76.  Das  Stadion  setzt  Wyse  a.  a.  O. 
p.  144  s.  (welchem  »lie  Zeichnung  der  Anhöhen  in  meiner  Skizze  auf  Tfl. 
VIII  entnommen  ist)  nicht  unmittelbar  östlich  vom  Kronion,  sondern 
weiter  gegen  Osten  in  die  Vertiefung,  in  welcher  ich  den  Hippodrom 
angesetzt  habe;  allein  dann  müsste  die  Altis  sich  gegen  Osten  beträcht- 
lich über  den  Fuss  des  Kronion  hinaus  erstreckt  haben,  was  mit  der 
Be.schreibung  des  Pausanias  nicht  wohl  zu  vereinigen  ist.  In  der  An- 
setzung  des  Hippodroms  (über  dessen  Anlage  auch  G.  Hermanns  Pro- 
gramm de  Ilippodromo  Olympiaco,  Lipsiae  1839,  zu  vergleichen  ist) 
weiche  ich  von  den  meisten  neueren  Topographen,  die  ihn  südlich  vom 
Stadion  in  der  Richtung  von  Westen  nach  Osten  sich  erstrecken  lassen, 
ab,  indem  ich  ihn  mit  Leake  östlich  vom  Stadion,  diesem  parallel,  sich 
hinziehen  lasse;  meine  Gründe  dafür  sind  1)  die  Ijoschatfenheit  des  Ter- 
rains, da  nur  hier  eine  natürliche  Anhöhe  sich  findet,  welche  als  die  eine 
Langseitc  der  Bahn  benutzt  werden  konnte;  2)  der  Ausdruck  des  Paus, 
VI,  20,  10  vnsgßaXovzL  Si  in  tou  axccdi'ov,  welcher  l)Cwoist,  dass  zwi- 
schen dem  Stadion  und  dem  Hippodrom  eine  Anhöhe  sich  befand.  Die 
Angabc  bei  Lucian.  de  morte  Peregr.  35,  Ilarpiua  liege  20  Stadien  von 
Olympia  xata  rov  tnnodQOfiov  dniovxav  ngos  tca  ist  auch  bei  unserer 
Ansetzung  völlig  richtig,  wie  ein  Blick  auf  unsere  Skizze  lehrt. 


300  H.  Peloponnesos. 

stimmt,  wciclie  ^vahrcnd  der  Fcslzcit  tlieils  aus  Scliaulusl,  tlieils 
von  llaudelsintercssen —  denn  wie  in  Dclphoi,  auf  dem  Istlimos 
und  auf  Delos  war  auch  in  Olympia  mit  den  Opfern  und  Spielen 
eine  Art  Jahrmarkt  oder   Messe    verhunden  —  geleitel  von  allen 
Seiten   zusammenströmten.      Ausser    den    Verkaufsbuden,    Zelten 
und  sonstigen  provisorischen   Anlagen  gab  es  hier  mehrere  steh- 
ende Gasthäuser,    unter   welchen  das   nur  durch  eine   Gasse  von 
dem   Haupteingange    der   Altis    getrennte   Leonidaon   (benannt - 
nach  seinem  Gründer  Leonidas)  zu  Pausanias  Zeit  das  vornehmste 
war.     Diesem  gegenüber  wurde  noch  dem   Pausanias  die   Werk- 
stätte des  Pheidias  gezeigt,  das  Gebäude,  in  welchem  dieser  Meister 
die  einzelnen  Bestandtheile  des  Zeuscolosses  gearbeitet,   welches 
durch  die  Errichtung  eines  allen  Göttern  zugleich  geweihten  Altars 
eine  rehgiöse  Weihe  erhalten  hatte. ')   In  derselben  Gegend  wird 
wohl  auch  das  Reservoir  der  Wasserleitung  zu  suchen  sein,  welche 
im  2.  Jahrhundert  n.  Chr.  durch  Herodes  Attikos  angelegt  wurde, 
um  dem  bei  der  heissen  Jahreszeit  der  Feier  doppelt  drückenden 
Mangel  an  Trinkwasser  abzuhelfen.  ^)  —  Wenn  man  vom  Gymna- 
sien (vgl.  oben  S.  294)  aus  über  den  Kladeos  gieng,  so  kam  man 
an  einen  Erdhügel  mit  steinernem  Unterbau,   der  als  Grabhügel 
des  Oinomaos  gezeigt  wurde ;  Trümmer  eines  Bauwerkes  oberhalb 
dieses  Hügels  wurden  als  Reste   der  Ställe  desselben  Herrschers 
bezeichnet.     Auf  demselben  Flussufer  war  auf  einem  Hügel  den 
Arkadern,    welche  im   Jahre  364  v.  Chr.  in  der   Altis   selbst  im 
Kampfe  gegen  die  Eleer  gefallen  waren,  ein  Denkmal  errichtet.'^) 
Nach  Elis   führten   von   Olympia   zwei   Strassen:    eine  etwas 
kürzere    aber    beschwerlichere,    die    sogenannte    Bergstrasse, 
welche  in  nordwestlicher  Richtung  über  Herakleia  (s.  oben  S.  288) 
an  den  Ladon  und  an  diesem  entlang  bis  zur  Vereinigung  desselben 
mit  dem  Peneios  (beim  eleischen  Pylos)  gieng, ^)  und  eine  brei- 
tere und  bequemere,  die  sogenannte  heilige  Strasse,^)  welche 
von  der  Altis  aus  eine  vorherrschend  westliche  Richtung  bis  Le- 


1)  Paus.  V,  15,  1  f.;  VI,  17,  1. 

2)  Philostr.  Vit.  soph.  II,  5;  Lncian.  de  morte  Per.  19  f. 

3)  Paus.  VI,  21,  3;  c.  20,  6. 

■*)  ri  OQSivfi    6S6g    Paus.   VI,  22,  5;    vgl.    Theoplir.    n^gl    Itd^cov    16, 
wornach  Kohlen  sich  fanden  iv  xrj  'HX^Ca  ßadi^ovTcov  'Olviinia^s  zrjv 
ÖL^OQOvg  (vgl.  Fiedler  Reise  I,  S.  376  ff.).' 
^'-^  tSQcc  ödög  Paus.  V,  25,  7;  vgl.  VI,  22,  8. 


5.  Elis:  Koile  Elis.  301 

trinoi  (s.  oben  S.  289)  hatte,  von  da  sich  gerade  nordwärts  nach 
Elis  wandte.  Von  Letrinoi  gieng  jedenfalls  in  westlicher  Rich- 
tung eine  Seilenstrasse  ab  nach  Pheia,  einem  befestigten  Hafen- 
])latze  nördlich  von  der  Landzunge  Ichthys  (entweder  der  jetzigen 
Bucht  von  Pontikokastro  oder  der  etwas  weiter  gegen  Norden  ge- 
legenen von  Chortäs),  welcher  in  der  Ilias  als  an  einem  Flusse 
lardanos  gelegen,  der  in  der  historischen  Zeit  nicht  mehr  mit 
Sicherheit  nachzuweisen  war,  erscheint^)  Sonst  wird  ausser  den 
S.  288  f.  aufgezählten  Oertlichkeiten  nur  noch  eine  Ortschaft 
der  Pisaten  Lenos  genannt,  über  deren  Lage  durchaus  nichts 
bekannt  ist.^) 

Die  'hohle  Elis'  (vgl.  S.  275,  Anm.  1)  zerfällt  der  natürlichen koüc  eüs. 
Beschaffenheit  ihres  Bodens  nach  in  zwei  an  Ausdehnung  ziemlich 
gleiche  Theile:  die  breite  Küstenebene  zu  beiden  Seiten  des 
unteren  Peneios,  welche  ausser  diesem  Flusse  von  einer  sehr  be- 
trächtlichen Zahl  kleiner,  den  grössten  Theil  des  Jahres  hindurch 
wasserloser  Küstenbäche  durchfurcht  ist,  und  das  östlich  über 
derselben  bis  zur  Gränze  Arkadiens  sich  hinziehende  Hochland, 
die  Akroreia,^)  deren  Anhöhen  bis  zum  Peneios  herab  zum 
Skollisgebir^'e,  südlich  von  diesem  zur  Pholoe  gehören.  Gerade 
auf  der  Gränze  dieser  beiden  Theile,  da  wo  die  Hügel  der  Akro- 


*)  II.  H,  135:  ^SLccg  nag  rstxsaaiv,  'iccgSdvov  cc(i(pl  gssd^gcc,  wozu 
schol.  A:  cclXa  xal  77  ^sia  TtaQcc&alocGoiog  iatt,  ytal'lccQSavog  ovx  ogarat 
Ttorccfiog  ccvrod^i ,  während  Strab.  VIII,  p.  342  bemerkt:  fWi  yag  x«l 
Tiotdutnv  nlrjOLOv,  womit  er  aber  gewiss  nicht,  wie  Curtius  Pel.  II,  S. 
45  annimmt,  flen  anselmlichen  bei  Skaphidion  mündenden  Küstenfluss 
gemeint  hat,  da  dieser  theils  zu  bedeutend,  theils  zu  weit  gegen  Norden 
von  der  jedenfalls  an  der  Nordostseite  der  Landzunge  Ichthys  gelegenen 
Ortschaft  entfernt  ist:  man  muss  also  entweder  einen  Irrthum  des  Dich- 
ters, beziehendlich  der  Ueberlieferung  (Verwechselung  mit  einer  am  tri- 
jihylisclien  Flusse  Jardanos  gelegenen  Stadt  Chaa)  oder,  was  weniger 
wahrscheinlich  ist,  eine  Veränderung  der  Küste  annehmen.  lieber  den 
Hafen  Pheia  s.  Od.  o,  297  (wo  $f«l);  Thukyd.  II,  25;  Xen.  Hell.  III, 
2,  30  (wo  Dindorf  richtig  ^tag  für  arpeag  der  Codd.  hergestellt  hat); 
Polyb.  IV,  Ü  (wo  slg  tj]v  ^sidSa  y.alovafvrjv  vrjaov  wohl  nicht  auf  ein»' 
vor  dem  Hafen  liegende  kleine  Felsinsel  zu  beziehen,  sondern  vfioog  im 
Sinne  von  'Küstenplatz'  zu  fassen  ist,  vgl.  Meineke  ad  Steph.  Byz.  p. 
83,  17);  Steph.  u.  *fia. 

•)  Steph.  Byz.  u.  A^vos;  vgl.  J.  Kutgors  zu  Sexti  lulii  Africani 
'Olvfiniddiov  dvaygafpri  p.  18. 


)  Xen.  Hell.  HI,  2,  30;  IV,  2,  16;  VII,  4,  17;  Diod.  XIV,  17. 


302  II.   r(!l(»j»uiiiieso.s. 

reia  tieni  siulliclicii  Ulcr  des  Pciieios  entlang  am  weilesteii  nach 
Westen  gegen  die  Ebene  voitretch,  lag  die  Hauptstadt  der  Land- 
schaft, Eiis,  die  nach  einheimischer,  durch  eine  Inschrift  auf 
der  am  Markte  der  Stadt  aufgestellten  Statue  des  Oxylos  beur- 
kundeter Tradition  von  diesem  gegründet  war.  Ijis  zum  Jahre 
471  V.  Chr.  (Ol.  77,  2)  war  sie  auf  den  Rücken  des  jetzt  Kaia- 
skoj)i  genannten,  am  linken  Ufer  des  Peneios  gelegenen  Hügels 
beschränkt  und  nur  als  Sitz  der  regierenden  MifgUeder  der  Ari- 
stokratie und  politischer  Mittelpuidit  des  Landes  von  Bedeutung; 
im  genannten  Jahre  aber  fand  in  Folge  der  Umgestaltung  der 
Verfassung  in  demokratischem  Sinne  eine  beträchtliche  Erweite- 
rung der  Stadt,  welche  fast  einer  Neugründung  gleich  kam,  in 
Form  eines  Synoikismos,  der  Zusammensiedelung  der  Bewohner 
einer  belrächtUchen  Anzahl  kleiner  Orlschaften,  stattJ)  Die  Stadt 
dehnte  sich  nun  in  beträchtlichem  Umfang  unterhalb  der  alten 
Burg,  zum  grössern  Theile  am  linken,  zu  einem  kleineren  am 
rechten  Flussufer  aus,  der  Neigung  der  Eleer  für  das  Landleben 
entsprechend  mehr  in  Form  weitläufiger  Vorstädte  oder  zusammen- 
hängender Dörfer,  ähnlich  wie  das  alte  Sparta,  als  einer  geschlos- 
senen Stadt,  wie  ihr  denn  auch  das  Haupterforderniss  einer 
solchen,  eine  Befestigungsmauer  selbst  um  den  enger  zusammen- 
gebauten Theil  der  Stadt,  noch  im  Jahre  399  v.  Chr.,  wo  der 
spartanische  König  Agis  das  Land  verheerend  bis  zur  Hauptstadt 
durchzog,  fehlte.^)  Auch  in  der  folgenden  Zeit  fand  nur  ganz 
vorübergehend,  durch  Telesphoros,  den  Admiral  des  Königs 
Antigonos,  der  sich  im  Jahre  312  v.  Chr.  zum  Herrn  der  Stadt 
machte,  eine  Ummauerung  der  Akropolis  statt;  aber  bald  wurde 
durch  Ptolemäos,  einen  andern  Feldherrn  des  Antigonos,  diese 
Befestigung  wieder  niedergerissen  und  der  Stadt  ihre  Freiheit 
zurückgegeben.^)     Noch  Pausanias,   der   Elis  als  eine  wohlerhal- 


1)  Strab.  X,  p.  463;  Paus.  V,  4,  3;  Diod.  XI,  54;  Strab.  VIII,  p.  336  s.; 
Scyl.  Per.  43. 

2)  Vgl.  !Xen.  Hell.  III,  2,  27,  wo  die  ngodatsLCi  und  yvfivccGia  von 
der  TioXiSy  die  drsixiatog  war  (vgl.  ebds.  VII,  4,  14),  unterschieden  wer- 
den, u.  Diod.  XIV,  17.  Dass  die  Stadt  sich  auch  auf  das  nördliche  Ufer 
des  Peneios  erstreckte,  zeigt  Strab.  VIII,  p.  337:  gsi  ds  diu  r^g  jroAaw? 
6  IlrjvsLog  noza^üg  naga  x6  yv^vdoLOv  ccvrijg;  den  Namen  des  nr]v8i6g 
in  den  des  M^viog  (vgl.  unten  S.  305,  Anm.  3)  zu  ändern,  wäre  eine 
zwar  leichte,  aber  schwerlich  gerechtfertigte  Conjectur. 

3)  Diod.  XIX,  87. 


5.  Elis:  Kuilü  Elis.  303 

tene  und  reich  bevölkerte  Stadt  vorfand,  gedenkt  zwar  der  Akro- 
polis  mit  einem  Heiligtlium  der  Athene,  das  eine  dem  Pheidias 
zugeschriebene  chryselcphantine  Statue  der  Göttin  enthielt,^)  und 
eines  Thores,  welche?  nach  dem  olympischen  Ilciligthum  führte,  2) 
also  den  Abschluss  der  'heiligen  Strasse'  bildete,  aber  keiner 
eigentlichen  Befestigungswerke.  Vielmehr  wurde  die  Stadt  nach 
aussen  durch  einen  Kranz  von  jedenfalls  hauptsächlich  aus  Land- 
häusern bestehenden  Vorstädten  eingerahmt.  Sodann  bildeten 
einen  besonderen  Stadttheil  die  am  linken  Ufer  des  Peneios  sich 
hinziehenden,  von  Mauern  umschlossenen  Anlagen  für  die  gym- 
nastischen und  athletischen  Uebungen,  die  für  Elis,  wo  jeder,  der 
im  olympischen  Agon  als  Kämpfer  auftreten  wollte,  mindestens 
einen  Monat  hindurch,  viele  aber  die  ganze  gesetzliche  Vorbe- 
reitungszeit, zehn  Monate  lang,  solchen  Uebungen  oblagen,  von 
grösster  Wichtigkeit  waren.  Die  bedeutendste  derselben  war  der 
sogenaimte  Xystos  (offenbar  nach  Säulengängen,  welche  an  den 
Innenseiten  der  die  ganze  Anlage  umschliessenden  Mauern  herum- 
liefen, benannt),  der  eigentliche  Uebungsplatz  für  die  Kämpfer, 
welche  in  Olympia  auftreten  wollten,  mit  mehreren  durch  Alleen 
hoher  Platanen  getrennten  Rennbahnen ,  einem  zum  Ringkampfe 
bestimmten,  Plethrion  genannten  Platze,  und  Allären  des  Herakles 
Paraslates,  des  Eros  und  Anteros,  der  Demeter  und  Kora  und 
einem  Kcnotaphion  des  Achilles.  An  dieses  'alte'  Gynmasion  stiess 
ein  zweites  kleineres,  nach  seiner  Form  'Tetragonon'  (das  Vier- 
eck) benannt,  mit  Uebungsplätzen  für  die  leichtern  Vorübungen  der 
Athleten,  mit  einer  Statue  des  Zeus  geschmückt;  an  dieses  wieder 
ein  drittes,  die  sogenannte  Maltho,  welches  den  Epheben  die 
ganze  Feslzeit  hindurch  offen  stand;  in  einer  Ecke  desselben  war 
eine  Rüste  des  Herakles,  an  einem  der  Uebungsplätze  ein  Relief 
mit  der  Darstellung  des  Eros,  welchem  Anteros  den  Palmzweig 
zu  entreissen  sucht,  zu  beiden  Seiten  des  Eingangs  die  Statue 
«'iiies  Knaben  in  der  Stellung  eines  Eauslkämpfers  aufgestellt. 
Innerhalb  der  Maltho  lag  auch  das  an  der  Aussenseite  mit  Schilden 
geschmückte*  Rathhaus,    nach  seinem  Erbauer  Laliclimion  ge- 


«)  Paus.  VI,  26,  3;  vgl.  Xen.  Hell.  VII,  4,  15. 

')  Paus.  V,  4,  4.  Das  von  Paus.  VI,  28,  8  crwübiito  rtCxog  bezieht 
<h  auf  (lio  vorhistorische  Zeit,  die  Stadt  vor  der  Eroberung  durch  Oxy- 
s,  deren  g  inzc  Existenz,  als  mit  der  oben  erwähnten  Tradition  in  Wi- 
r.spruch  stehend,  sebr  bedenklich  ist. 


304  II.   Pcloponnosos. 

nannt,    das   auch  zu    Vorträgen  von   Roden  und  Vorlesungen  von 
Schriftwerken  aller  Art  ])enutzt  vvurdeJ) 

Von  diesem  Gyninasion  aus  führte  eine  Strasse,  die  Strasse 
des  Schweigens  (Siope)  genannt  —  wahrscheinlich  weil  sie  von 
dem  Verkehr  entfernt,  sehr  still  und  ruhig  war  —  an  dem  Hei- 
ligthum  der  Artemis  Philomeirax  vorüber  nach  den  Bädern,  die 
Avir  uns  jedenfalls  als  am  Ufer  des  Peneios  gelegen  zn  denken 
haben. ^)  Eine  andere  Strasse  führte  von  dem  grossen  Gymnasion, 
oberhalb  des  Achillesgrabes,  wahrscheinlich  in  östlicher  Richtung 
auf  die  nach  der  älteren  Weise  des  griechischen  Städtebaus  an- 
gelegte, d.  h.  von  einzelnen  Hallen,  zwischen  denen  Strassen 
ausmündeten,  umgebene  Agora,  welche  zu  Pausanias  Zeit  zum 
Zureiten  der  Rosse  benutzt  und  daher  gewohnlich  'der  Hippo- 
drom' genannt  wurde,  und  zwar  zunächst  an  dem  zur  Linken 
der  Strasse  liegenden,  nur  durch  eine  Querstrasse  vom  Markte 
getrennten  Hellanodikeon,  der  Amtswohnung  der  Hellanodiken, 
vorüber  nach  einer  gegen  Süden  gewandten,  durch  Säulen  in 
drei  Theile  geschiedenen  dorischen  Halle,  in  welcher  die  Hella- 
nodiken den  grössten  Theil  des  Tages  hindurch  sich  aufhielten 
(also  etwa  dem  Bureau  derselben).  Eine  Strasse  trennte  diese 
Halle  von  einer  zweiten,  der  sogenannten  korkyräischen  (weil 
aus  dem  Zehnten  der  Beute  eines  gegen  Korkyra  von  den  Eleern 
geführten  Krieges  errichtet),  welche,  ebenfalls  in  dorischem  Style 
erbaut,  eine  doppelte  Facade,  die  eine  gegen  die  Agora,  die  an- 
dere gegen  eine  der  betreffenden  Seite  der  Agora  parallel  lau- 
fende Strasse  gerichtet,  besass;  die  beiden  Facaden  waren  durch 
eine  einfache,  das  Dach  der  Doppelhalle  tragende  Wand,  an 
deren  beiden  Seiten  Statuen  standen,  getrennt.  Auf  dem  freien 
Räume  der  Agora  stand  ein  Tempel  des  Apollon  Akesios,  Stein- 
bilder des  Helios  und  der  Selene,  ein  Heiligthum  der  Chariten, 
mit  denen  zusammen  Eros  verehrt  wurde,  ein  Tempel  des  Silen, 
ein    tempelähnliches   Gebäude    ohne    Mauern,    dessen    Dach    von 

*)  Paus.  VI,  23,  1 — 7.  Die  von  dem  Philosophen  Pyrrhon  gemalten 
Fackelträger  (Antigon.  bei  Diog.  Laert.  IX,  62)  befanden  sich  wahr- 
scheinlich in  einem  der  Säulengänge  des  Xystos.  Die  Lage  des  Gymna- 
sion am  Flusse  bezeugt  die  oben  S.  302,  Anm.  2  angeführte  Stelle  des 
Strabon. 

2)  Paus.  a.  a.  O.  §  8,  wo  eine  Legende  zur  Erklärung  des  Strassen- 
namens  Zirnnr]  erzählt  wird. 


5.  Elis:  Küile  Ells.  305 

Säulen  aus  Eichenholz  getragen  wuixle  (angeblich  das  Grab  des 
Oxylos,  dessen  Statue  ebenfalls,  wenigstens  in  älterer  Zeit,  auf 
der  Agora  stand)  und  ein  Gebäude,  in  welchem  sechszehn  elei- 
sche  Frauen  ein  Gewand  für  die  Hera  in  Olympia  webten.  Un- 
mittelbar am  Markte  stand  ferner  ein  alter,  rings  von  Säulen- 
hallen umgebener  Tempel,  dessen  Dach  zu  Pausanias  Zeit,  wo  er 
den  römischen  Kaisern  geweiht  war,  eingestürzt  war;  hinter  der 
korkyräischen  Halle  ein  Doppelheiligthum  der  Aphrodite,  die  in 
einem  Tempel  als  Urania,  in  einem  Temenos  als  Pandemos  ver- 
ehrt wurde. ^)  Weiter  führt  Pausanias  ohne  nähere  Ortsbestim- 
mung einen  Tempel  und  Peribolos  des  Hades,  der  nur  einmal 
im  Jahre  geöffnet  wurde,  und  ein  Heiligthum  der  Tyche,  worin 
in  einem  besonderen  Gemache  auch  der  Dämon  Sosipolis  verehrt 
wurde,  an;  sodann  Mn  der  belebtesten  Gegend  der  Stadt'  eine 
Erzstatue  von  der  Grösse  eines  stattlichen  Mannes,  die  in  älterer 
Zeit  in  Samikon  als  Bild  des  Poseidon,  dann,  nach  Elis  geschafft, 
unter  dem  einem  der  Korybanten  zukommenden  Namen  Satrapes 
Cult  genoss.2)  Zwischen  der  Agora  endlich  und  dem  Menios, 
einem  kleinen  durch  die  Stadt  dem  Peneios  zufliessenden  Bache, 
den  Herakles  zur  Beinigung  der  Ställe  des  Aiigeas  benutzt  haben 
sollte,  stand  das  Theater  nebst  dem  Heiligthum  des  von  den 
Eleern  vor  allen  anderen  Gottheiten  verehrten  Dionysos,  dessen 
Fest,  Thyia  genannt,  alljährlich  an  einem  acht  Stadien  von  der 
Stadt  entfernten  Platze  gefeiert  wurde.  ^)  An  einem  anderen 
Platze  in  der  Nähe   der  Stadt,    der    vor    dem   Synoikismos   eine 


»)  Paus.  VI,  24,  1  —  25,  1.  Die  von  Ephoros  bei  Strab.  X,  p.  463  er- 
wähnte Statue  des  Oxylos  war  wohl  zu  Pausanias  Zeit  fortgeschafft.  Der 
später  den  römischen  Kaisern  geweihte  Tempel  ist  vielleicht  das  von 
Plut.  de  mul.  virt.    15  erwähnte  tegov  xov  dioq. 

2)  Paus.  c.  25,  2—6. 

3)  Paus.  c.  26,  1  f.:  über  den  Mrjviog  (wofür  manche  UrjVELOS  her- 
stellen möchten)  vgl.  Paus.  V,  1,  10;  Theoer.  Id.  XXV,  15.  Jl  nsgl  xov 
Jlovvgov  LBQul  ywaCiisg  äg  tHuaiösyici  yiaXovaLV  Plutarch.  de  mul.  virt.  15. 
Die  Vermuthung  von  Curtius  (Pel.  II,  S.  .32  u.  S.  102),  dass  der  Festort 
der  Thyia  zum  Demos  Orthia  (vgl.  Paus.  V,  16,  6)  gehört  habe,  ist  des- 
halb unwahrscheinlich,  weil  die  von  Curtius  a.  a.  O.  angeführten  Mün- 
zen mit  der  Aufschrift  OPGIEISIN  (falls  dieselben  wirklich  nach  Elis 
und  nicht  etwa  nach  Tliessalien  gehören:  vgl.  öteph.  Byz.  u.  "ügd-f])  be- 
weisen, dass  dieser  Gau  auch  nach  dem  Synoikismos  von  Elis  als  selb- 
ständige Ortsclmff  fortbestand. 


306  II.  Peloponncsos. 

selbstündigc  Ortschaft  mit  dem  Namen  Petra  gewesen  war, 
zeigte  man  das  Grabmal  des  Pliilosophen  Pyrrhon.  ^) 

Heutzutage  sind  auf  dem  Boden  der  alten  Stadt,  am  linken 
Ufer  des  Peneios  zwischen  den  Dörfern  Kalyvia  und  Paläopolis, 
unansehnliche  Reste  von  Ziegelbauten,  die  durchaus  der  römischen 
Zeit  angehören,  zerstreut;  nur  der  Gipfel  des  zwischen  Paläopolis 
und  dem  Flusse  gelegenen  Hügels  Kalaskopi  tragt  die  Ruinen 
eines  fränkischen  Schlosses,  dessen  Fundamente  aus  grossen  vier- 
eckten Werkstücken,  die  jedenfalls  von  der  alten  Burg  herrühren, 
erbaut  sind.^J 

Achtzig  Stadien  flussaufwärts  von  Elis  am  Vereinigungspunkte 
des  Peneios  mit  dem  Ladon  (also  in  der  Gegend  des  jetzigen 
Dorfes  Agrapidochori)  lag,  zu  Pausanias  Zeit  in  Ruinen,  das  elei- 
sche  Pylos,  das  ebenso  wie  seine  triphylische  und  messenische 
Namensgenossin,  aber  freilich  mit  viel  weniger  Schein,  auf  die 
Ehre,  die  Heimat  des  Nestor  zu  sein,  Anspruch  machte:  patrio- 
tische Bürger  führten  als  Beweismittel  dafür  einen  Platz  Gere- 
nos,  einen  Bach  Geron  und  einen  anderen  Namens  Geranios  an. 
Die  Bedeutung  der  Stadt  war  eine  wesentlich  strategische :  sie 
beherrschte  durch  ihre  Lage  nicht  nur  das  obere  Peneiosthal, 
sondern  auch  die  durch  das  Thal  des  Ladon  führende  Haupt- 
strasse aus  Arkadien  nach  Elis,  war  also  recht  eigentlich  für 
Elis  das  Thor  der  Akroreia.^)  Der  zweite  strategisch  wichtige 
Punkt  an  dieser  Strasse  war  Lasion,  nahe  der  arkadischen 
Gränze  an  einem  gleichnamigen  Berge,  von  welchem  die  Quellen 
des  Ladonflusses  herabkommen,  gelegen,  ursprünglich  von  den 
Eleern  als  Gränzfestung  gegen  Arkadien  angelegt,  später  von  den 
Arkadern  annectirt.  Von  der  Stärke  der  Befestigung  sowie  der 
nicht  unbedeutenden  Ausdehnung  der  Stadt  legen  noch  die  unter 


^)  Paus.  VI,  24,  5.  Ob  auch  ^AyQLocSsg  ein  solcher  in  die  Hauptstadt, 
hineingezogener  Gauort  war,  ist  aus  der  lückenhaften  Stelle  des  Strab. 
VIII,  p.  337  nicht  ganz  klar.  Uebrigens  sind  diese  Demoi  wohl  zu  un- 
terscheiden von  den  8  Tcölsis,  Bezirkshauptorten,  in  welche  nach  Paus,  V, 
16,  5  fF.  die  Eleia  ebenso  wie  die  Pisatis  getheilt  war. 

2)  Vgl.  Dodwell  Class.  u.  topogr.  Reise  II,  2,  S.  157  f.  d.  d.  Ueb. 

3}  Paus.  VI,  22,  5  f.;  Strab.  VlIF,  p.  339  (vgl.  p.  352);  Xen.  Hell. 
VIT,  4,  16  u.  26;  Diod.  XIV,  17.  Peytier  sah  ziemlich  ausgedehnte  alte 
Reste  unterhalb  Agrapidochori:  s.  Pouillon-Boblaye  Recherches  p.  123. 


5.  Elis^  Koile  Elis.  307 

dem    Namen    Kiiti   in   der    Nähe   des  Dorfes  Kumani   erhaltenen 
Ruinen  derselben  ein  glänzendes  Zeugniss  ab.^) 

Zwischen  Lasion  und  Pylos,  in  der  eigenüichen  Akroreia, 
lagen  noch  vier  befestigte  Ortschaften,  deren  Plätze  bisher  nicht 
mit  Sicherheit  nachgewiesen  sind:  Thrästos  (oder  Thraustos), 
Alion,  Eupagion  und  Opus. 2)  Auch  das  homerische  Ephyra 
am  Selleeis  wies  man  in  einer  Ortschaft  Oinoe  (oder  nach  eli- 
scher  Aussprache  Voinoa)  nach,  die  120  Stadien  von  Elis  am 
Wege  nach  Lasion  gelegen  war,  also  zwei  Stunden  südlich  von 
Pylos  am  linken  Ufer  des  Ladon,  wo  sich  noch  nordöstlich  von 
dem  Dorfe  Kulogli  die  Reste  einer  alten  Akropolis  und  Stadt  er- 
halten haben. ^)  Endlich  muss  auch  Thalamä,  eine  durch  ihre 
natürliche  Lage  sehr  feste,  schwer  zugängliche  Ortschaft,  auf 
welche  die  aus  Elis  vertriebenen,  mit  den  Arkadern  verbündeten 
eleischen  Demokraten  im  Jahre  364  v.  Chr.  von  Pylos  aus  einen 
vergeblichen  Angriff  gemacht  und  in  welche  sich  die  Eleer  im 
Bundesgenossenkriege  (217  v.  Chr.)  beim  Einfall  König  Phi- 
lipps V.  von  Makedonien  in  ihr  Land  mit  Viehheerden  und  son- 
stigen Habseligkeiten,  allerdings  vergeblich,  geflüchtet  hatten,  in 
der  Akroreia  —  sei  es  im  nördlichsten  Theile  derselben,  am 
Skollisgebirge,  in  der  Gegend  des  jetzigen  Santameri,  sei  es  süd- 


1)  Strab.  VIII,  p.  338;  Xen.  Hell.  III,  2,  30;  IV,  2,  16;  VII,  4,  12; 
Polyb.  IV,  72  ff.;  V,  102;  Diod.  XIV,  17;  XV,  77;  Nonn.  Dionys.  XIII, 
288;  Anthol.  Pal.  VI,  111,  3.  AugCcov  oqog  als  Ausgangspunkt  des 
Flusses  Zsll^si.g:  schol.  II.  O,  531.  Die  von  Welcker  entdeckten  Rui- 
nen sind  am  genauesten  beschrieben  von  Vischer  Erinnerungen  S.  473  ff. 

2)  Diod.  XIV,  17;  ©QuvGtog  Xen.  Hell.  VII,  4,  14;  'Onovg  als  nö- 
Xig  'HXsiag  Steph.  Byz.  u.  'Onosig  (vgl.  Strab.  IX,  p.  425),  als  nota^og 
iv  'HIlöl  (wenn  dies  nicht  verschrieben  für  AoytQLÖi:  vgl.  schol.  Apoll. 
Rhod.  rV,  1780)  schol.  Find.  Olymp.  IX,  64.  Der  Capitän  Peytier  fand 
rine  ausgedehnte  Akropolis,  von  den  Ruinen  einer  Stadt  umgeben,  auf 
I  iiiem  .544  Meter  hohen  Hügel  über  dem  rechten  Ufer  des  Peneios,  1500 
Meter  südwestlich  von  dem  Dorfe  Skiada  (von  Curtius  ohne  Grund  auf 
Opus  bezogen);  südöstlich  von  da,  in  sehr  malerischer  Lage  oberhall) 
des  Klosters  von  Notdna,  die  Ruinen  eines  antiken  Tempels,  endlich  nord- 
östlich von  da,  auf  dem  Gipfel  eines  spitzen  Hügels  über  dem  reclitou 
Ufer  des  Peneios,  2  Kilometer  von  Kakotari,  die  Reste  eines  Paläokastron, 
das  ihm  antik  zu  sein  schien.  Vgl.  Pouillon-noblayo  Rechcrclies  j).  125 
lind  dazu  die  französ.  Karte  Bl.  7. 

■')  Strnb,  Vlir,  p.  .338,  vgl.  schol.  II.  O,  631;  schol.  Pin.]    X.in.  VII, 
,  Stoph.  u.  'Eqpt»^»a;  über  die  Ruinen  l'unillon-Boblayi'  .1,  ,1    <>.  j).   123. 


308  i^   Peloponnesos. 

lieh  von  Pylos,  in  dem  e-ngen  Tliale  eines  südliehen  Nehenflusses 
des  Pencios,  in  der  Gegend  von  Ano-Lnl(avitza  oder  Klisura  — 
gelegen  hahen.  ^) 

Im  Untcriande  war  die  hedentendste  Ortsciiaft  Kylie ne, 
der  Seehafen  von  Elis,  offenbar  nach  der  Krümmung  der  Küsten- 
linie zwischen  den  felsigen  Vorge])irgen  Chelonatas  und  Araxos, 
welche  von  ihr  den  Namen  des  kyllenischen  Golfs  erhalten  hat, 
benannt.  Der  Platz  des  Hafens  ist  wegen  der  durch  Versumpf- 
ung und  Anschwemmung  bewirkten  Veränderung  dieser  ganzen 
Küstenstrecke  nicht  mehr  mit  Sicherheit  nachzuweisen;  doch 
machen  die  von  alten  Geographen  überlieferten  Entfernungs- 
angaben, wornach  Kyllene  320  Stadien  von  Elis,  14  römische 
Milien  von  dem  achäischen  Dyme  lag,  es  sehr  wahrscheinlich, 
dass  es  nördlich  von  der  Lagune  von  Kotiki,  in  den  allerdings 
heutzutage  durch  einen  breiten  Streifen  sandigen  mit  Pinien  be- 
wachsenen Landes  vom  offenen  Meere  getrennten  Sümpfen  von 
Manolada  anzusetzen  ist.  Die  Stadt  galt  für  eine  arkadische 
Gründung  und  die  Bewohner  verehrten  als  Hauptgotlheit  den 
Hermes  unter  dem  alterthümUchen  Cultsymbol  eines  aufrecht 
stehenden  männlichen  Gliedes;  ausserdem  hatten  sie  Heiligthümer 
des  Asklepios  und  der  Aphrodite.'^)  In  der  Nähe  von  Kyllene 
lag  Hyrmine  oder  Hormina,  in  älterer  Zeit  ein  Städtchen 
(mit  einem  Ankerplatz,  wie  der  Name  lehrt),  zu  Strabons  Zeit 
nur  noch  ein  Küstenvorsprung  (wahrscheinlich  der  an  der  Süd- 
seite der  Bucht  von  Kunupeli,  auf  welchem  Reste  einer  sehr 
alterthümUchen  Befestigung  erhalten  sind),"^) 


1)  Xen.  Hell.  VII,  4,  26;  Polyb.  IV,  75  u.  84.  Bei  Santameri  setzt 
den  Ort  Curtius  an  (Pel.  II,  S,  38  f.);  doch  lässt  die  Schilderung  des 
Polybios  auch  an  die  andere  von  mir  angegebene  Oertlichkeit  denken. 

2)  Paus.  VI,  26,  4  f.;  Strab.  VIII,  p.  337  s.;  Ptol.  III,  16,  6;  Tab. 
Peuting. :  bei  Plin.  N.  h.  IV,  5,  13  ist  für  V  mil.  passuum  mit  Curtius 
Pel,  II,  S.  102  f.  (dem  ich  in  der  Ansetzung  des  Ortes  gefolgt  bin)  XV 
mil.  passuum  zu  schreiben.  Anzündung  des  Orts  durch  die  Korkyräer  im 
J.  435  V.  Chr.  Thuk.  I,  30;  Niederreissung  der  Befestigungsmauer  beim 
Friedensschluss  zwischen  Elis  und  Sparta  im  J.  399  Xen.  Hell.  III,  2, 
30;  Neubefestigung  durch  die  Eleer  gegen  Philipp  von  Makedonien  217 
V.  Chr.  Polyb.  V,  3.  Für  die  sonstigen  sehr  häufigen  Erwähnungen  des  Orts 
vgl.  Pape-Benseler  Wörterbuch  der  griechischen  Eigennamen  u.  KvXX^vrj. 

3)  Strab.  VIII,  p.  341;  Steph.  'TQfiivrj:  vgl.  Pouillon-Roblaye  Re- 
cherches  p.^119  s. 


6.  Achaia.  309 

An  der  Strasse,  welche  von  Elis  durch  die  Ehene  nach  dem 
achäischen  Dyme  führte,  lag  70  Stadien  von  der  Hauptstadt 
Myrtuntion,  früher  Myrsinos  genannt,  eine  offene  Ortschaft, 
deren  Häuser  sich  bis  an  die  Meeresküste  (die  im  Alterthum  sicli 
offenbar  weiter  östlich  als  jetzt  hinzog)  erstrecktenJ)  157  Stadien 
nördlich  von  Elis  überschritt  die  Strasse  den  Gränzfluss  zwischen 
Elis  und  Achaia,  den  Larisos,  den  jetzigen  Fluss  Mana,  der 
durch  den  langen,  von  Manolada  bis  in  die  Gegend  des  alten 
Dyme  reichenden  Wald  von  Ali-Tschelebi  und  durch  die  jetzt 
ganz  versumpfte  Niederung  südlich  von  dem  mächtigen  Felscap 
Araxos  (das  in  älteren  Zeiten  die  Gränze  zwischen  Eleern  und 
Arhäern  gebildet  hatte)  dem  Meere  zufliesst.  Nahe  seinem  linken 
Ufer  muss  das  ^  waizenreiche  Buprasion'  der  Ilias  gelegen  haben, 
wohl  nie  eine  geschlossene  Ortschaft,  sondern  eine  im  früheren 
Alterthum  wohlbebaute  und  reich  bevölkerte,  im  spätem  Alter- 
thum, wie  heutzutage,  fast  ganz  unbewohnte  Gegend. 2) 


6.   A  c  h  a  i  a. 

Die  nördlichste,  in  Hinsicht  ihres  Flächeninhalts^)  unbedeu- 
tendste Landschaft  des  Peloponnes,  zwischen  der  fortlaufenden 
Kette  der  nordarkadischen  Randgebirge  und  dem  schmalen  Meeres- 


•)  II.  ß,  616;  Strab.  VIII,  p.  341;  Steph.  u.  MvQaivog.  Pouillon- 
13oI)laye  Rechcrches  p.  120  bezieht  auf  den  Ort  mit  Recht  einige  von 
W.  Gell  zwischen  Knlotikos  und  Kapeleti  geseliene  Ruinen. 

2)  IL  B,  615;  A,  756;  760;  ^,  631;  Strab.  VIII,  p.  340;  Theoer.  Id. 
XXV,  11;  nach  Steph.  Byz.  u.  BovTtgccaiov  u.  Etym.  M.  p.  209,  22  kommt  der 
Name  auch  einem  Flusse  (jedenfalls  dem  Larisos)  zu;  derselbe  scheint 
nach  Echephyllidas  bei  Schol.  Plat.  Phaed.  p.  89 <=  (Plat.  ed.  Hermann 
t.  VI,  p.  233)  vgl.  mit  Paus.  V,  3,  2  auch  den  Namen  Badv  vScoq  {=i^dv 
vdcog)  geführt  zu  haben.  —  Eine  befestigte  Ort.schaft  der  Eleer  an  der 
firjlnze  der  Dymäer  scheint  auch  das  nur  bei  Plut.  Cleomen.  14  erwälinte 
Aäyycav  (für  welchen  Namen  Manso  ohne  alle  topographische  Wahr- 
»cheinlichkeit  AaoLoiv  herstellen  wollte)  zu  sein.  Ob  das  von  Plut.  de 
mul.  virt.  15  erwähnte  Castell  Amymone,  welches  zur  Zeit  des  Ty- 
rannen AristotimoH  (um  270  v.  Chr.)  von  eleischen  Flüchtlingen  besetzt 
wurde,  in  dieser  Gegend  oder  in  der  Akroreia  lag,  ist  nicht  zu  be- 
Htinimcn. 

^)  Der  Flächeninhalt  beträgt  nach  roiiillon  Hoblaye  Rechcrches  p.  19 
21  Myriamcter  =  210  □Kilometer.  '^xuCyicc  vorfassto  ausser  Pausanias 
(lib.  VII)  Autokrates  (Athen.  IX,  j).  395*  u.  XI,  p.  460<'). 

Ul  ItSIAN,    OK(KiIC.    IT.  21 


310  11    Peloponnesos. 

arm,  welcher  das  nördlichere  oder  ausseristhmisclie  Griechen- 
land von  der  ^ Insel  des  Pelops'  trennt,  ist,  obgleich  ihr  alter 
Name  Aegia los  oder  Aegialeia  sie  als  'Gestadeland'  bezeich- 
net ^)  doch  nicht  in  dem  Sinne,  wie  das  mittlere  und  nördliche 
EHs,  eine  Küstenlandschaft,  denn  sie  besitzt  nur  eine  grössere 
Strandebene  zwischen  dem  Cap  Araxos  und  den  nördlichsten  Ver 
zweigungen  des  Skollisgebirges,  eine  Fortsetzung  der  grossen 
Ebene  des  nördlichen  Elis,  welche  vom  rechten  Ufer  des  Flusses 
Larisos,  an  welchem  die  Achaer  einen  Tempel  der  Athene  La- 
risäa  errichtet  hatten, ^j  an  das  Gebiet  der  achäischen  Stadt  Dyme 
bildete;  im  übrigen  ist  sie  ganz  von  Gebirgen  eingenommen, 
theils  den  nördlichen  Vorbergen  der  nordarkadischen_Kette,  theils, 
ungefähr  in  der  Mitte  der  Landschaft,  von  einem  selbständigen, 
wenn  auch  gegen  Süden  mit  den  nördlichen  Wurzeln  des  Ery- 
manthos  zusammenhängenden  Massengebirge,  dem  bis  zur  Höhe 
von  1927  Metern  sich  erhebenden  Panachaikon^)  (jetzt  Voidia 
genannt) ,  das  seine  Abhänge  fächerförmig  gegen  Norden  aus- 
breitet und  so  eine  beträchtliche  Ausbuchtung  der  Küste^liervor- 
bringt.  Diese  Gebirge  waren  im  Alterthum  zum  grössten  Theil 
mit  dichten,  jetzt  freilich  sehr  gelichteten  Waldungen  bewachsen, 
die  durch  ihren  Reichthum  an  Wild  der  Jagdlust  der  Bewohner 
des  Landes  reiche  Befriedigung  gewährten ;  die  unteren  Abhänge, 
sowie  der  schmale  Küstensaum  waren  mit  Früchtfeldern  und 
Weingärten  bedeckt,  an  deren  Stelle  heut  zu  Tage  längs  der 
Küste  meist  Korinthenpflanzungen  getreten  sind,  welche  um  den 
Beginn  der  fünfziger  Jahre  unserers  Jahrhunderts  fast  den  Ge- 
treidebau ganz  verdrängt  hatten ;  als  aber  in  Folge  der  Trauben- 
krankheit diese  Pflanzungen  mehrere  Jahre  hindurch  ganz  ohne 
Ertrag  geblieben  waren,  trat  wieder  eine  Reaction  zu  Gunsten 
des  Getreidebaues  ein;  doch  hat  in  den  letzten  zehn  Jahren  wieder 
der  Korinthenbau  an  Terrain  gewonnen  und  bilden  die  Korinthen 
jetzt  den  weitaus  wichtigsten  Exportartikel  der   Landschaft,   wie 


1)  Strab.  Vlir,  p.  383;  Paus.  V,  1,  1;  VII,  1,  1;  Steph.  Byz.  u. 
AtyiaXog:  Plin.  N.  h.  IV,  5,  12. 

2)  Paus.  Vir,  17,  5;  vgl.  oben  S.  272  u.  S.  309. 

3)  Polyb.  V,  30.  Dass  der  von  Plin.  N.  h.  IV,  5,  13  erwähnte  Name 
Scioessa  dasselbe  Gebirge  bezeichne,  ist  eine  ansprechende,  aber  frei- 
lich unsichere  Vermuthung  Pouillon-Boblaye's  Kecherches  p.  22. 


6.  Achaia.  311 

auch  des  Königreichs  Hellas  überhaupt.  ^)  Von  den  nördlichen 
Abhängen  der  Gebirge  ziehen  sich  zahlreiche,  meist  nur  wäh- 
rend der  Regenzeit  Wasser  führende  Bäche  nach  der  Küste,  wo 
sie  einen  schmalen  Saum  weisslichen  Thonbodens  angesetzt  haben, 
hinab:  dieser  Saum  erweitert  sich  an  der  Mündung  der  Mehrzahl 
derselben  zu  einem  kleinen,  mit  der  Spitze  nach  Norden  gerich- 
teten Delta,  wodurch  die  übrigens  fast  ganz  hafenlose  Küste  ein 
eigenthümlich  ausgezacktes  Aussehn  erhält.  Von  diesen  Bächen 
gehören  die  drei  bedeutendsten  dem  Wassergebiet  des  Eryman- 
thos  und  seiner  Fortsetzung,  der  Lampeia,  an:  der  an  der  Nord- 
seite des  Hauptgipfcls  des  Erymanthos  (des  jetzigen  Olonos)  ent- 
springende, gegen  Nordwest  fliessende  Pieros  oder  Peiros 
(jetzt  Kamenilza) ,  welcher  in  der  römischen  Kaiserzeit  die  Gränze 
der  Gebiete  von  Dyme  und  Paträ  bildete;  2)  der  aus  zwei  vom 
Kalliphonigebirge  (Lampeia)  herabkommenden  Armen  sich  bil- 
dende, in  der  Richtung  von  Nordnordost  fliessende  Selinus  (jetzt 
Fluss  von  Vostitza),^)  und  der  von  der  Südseite  des  Kalliphoni 
her  kommende,  zunächst  eine  Strecke  durch  arkadisches  Gebiet 
(den  Canton  der  Kynätheis:  vgl.  oben  S.  266)  fliessende  Burai- 
kos,  in  seinem  obern  Laufe  Erasinos  genannt  (jetzt  Fluss  von 


<)  Nach  der  'lE'nd'SGig  tnl  tov  ysvi-nov  nivatiog  tov  i^coT^giTiov  ^/t- 
noQLOV  rijs  EXXccSog  für  das  Jahr  1863  (im  'E^vi-kov  rjfiSQoXoyiOV  für 
das  Jahr  1867,  S.  313  S.)  betrug  die  Ausfuhr  von  Korinthen  im  Jalire 
1863  76,676,547  venetianische  Litren  (2,425,771  weniger  als  im  Jahre 
1862)  im  Werthe  von  12,305,697  Drachmen.  Vgl.  über  den  jetzigen  Ko- 
rinthenbau auch  Wyse  An  excursion  in  tlie  Peloponnesus  II,  p.  262  ss. 
u,  p.  338  s. 

2)  Paus.  VII,  22,  1,  wornach  der  Fluss  in  seinem  obern  Laufe  Uls- 
905,  von  den  Anwohnern  seiner  Mündung  Tlftgog  genannt  wurde:  den 
letzteren  Namen  geben  ihm  Paus.  c.  18,  1;  Ilerod.  I,  145  u.  Hesiod.  bei 
Strab.  VIII,  p.  342  (an  welcher  Stelle  manche  Kritiker  Flagog  schrieben). 
Nach  Strab.  a.  a.  O.  führte  er  auch  den  Namen  Acheloos  (vgl.  Strab. 
X,  p.  450)  und  nahm  den  Bach  Teutheas  auf,  nachdem  dieser  den  IJach 
Kaukon  aufgenommen  hatte.  Sehr  unwahrscheinlich  aber  ist  es,  dass 
derselbe  Fluss  auch  noch  den  Namen  ikff'Aag  geführt  habe;  daher  ist  bei 
Strab.  VIII,  p.  386  dieser  Name  als  Dittographie  von  fityag  zu  beseiti- 
gen und  der  Narao  TJsigog  nach  nag*  ov  einzufügen  (nach  Korais),  der 
von  Callim.  H.  in  lov.  22  u.  Dionys.  Per.  416  erwähnte  MtXag  aber  für 
einen  Fluss  Arkadiens  zu  halten. 

3)  Stral).  VIII,  p.  387;  Paus.  VII,  Jl,  r.. 

21* 


312  II.  Peloponnesos. 

Kalavryta).  ^)  Zwischen  dem  Pieros  und  Sciinus  senden  die  Ab- 
hänge des  Panachaikon  eine  beträchtliche  Anzahl  theils  grösserer, 
theils  kleinerer  Bäche  nach  oft  sehr  kurzem  Laufe  (wenn  sie 
überhaupt  Wasser  führen)  dem  Meere  zu,  deren  Namen  uns  nur 
durch  Pausanias  überliefert  sind :  der  westlichste  derselben  ist 
der  die  Ebene  südlich  von  Paträ  durchfliessende  Glaukos  (jetzt 
Lcvka);^)  sodann  der  gerade  nördlich  von  Paträ  fliessende  Mei- 
1  ich  OS,  an  dessen  Ufer  ein  Heiligthum  der  Artemis  Triklaria, 
der  Schauplatz  von  Menschenopfern  in  alten  Zeiten,  stand ;^) 
nächst  diesem  die  fast  genau  parallel  laufenden  Charadrosund 
Selemnos,  zwischen  denen  die  alte  zu  Pausanias  Zeit  bis  auf 
einige  unansehnliche  Reste  verschwundene  Stadt  Argyra  in  der 
Nähe  einer  gleichnamigen  Quelle  lag:  zwischen  ihren  Mündungen 
tritt  ein  flacher  dreieckiger  Küstenvorsprung,  das  Rhion  der 
Alten,  welches  einen  Tempel  des  Poseidon  trüg,  gegen  das  lo- 
krische  Antirrhion  vor  (vgl.  Bd.  I,  S.  146).^)  Weiter  östlich  fliesst 
der  nach  einer  zu  Pausanias  Zeit  verschwundenen  Stadt  Bolina 
benannte  Bolin äos  (der  jetzige  Bach  von  Platiana),  der  in  eine 
im  Alterthum  als  Ankerplatz  benutzte  und  daher  Panormos  ge- 
nannte Bucht,  fünfzehn  Stadien  östlich  vom  Rhion,  mündet,  deren 
östliche  Flanke  durch  4en  nördlichsten  Vorsprung  der  achäischen 
Küste,  das  von  seiner  Form  oder,  wie  der  Mythus  erzählte,  von 
der  durch  Kronos  nach  der  Entmannung  des  Uranos  hier  weg- 
geworfenen Sichel  sogenannte  Drepanon,  gedeckt  wird;  an  der 
Ostseite  desselben,  fünfzehn  Stadien  vom  Panormos,  stand  ein 
wahrscheinlich  zum  Küstenschutz  bestimmtes  Fort,  das  Fort 
der    Athene    genannt.^)     Nach    einer    Strecke    von    etwa   272 


*)  Paus.  VII,  25,  10;  vgl.  Strab.  VIII,  p.  371. 

2)  Paus.  c.  18,  2. 

3)  Paus.  c.  19,  4  ff. ;  c.  20,  1 ;  c.  22,  11. 

^)  Paus.  c.  22,  10  f.;  c.  23,  1  (vgl.  c.  18,  6);  Strab.  VIII,  p.  335  s. 
Die  Annahme,  dass  auf  dem  Rhion  auch  ein  Heilig-thum  der  Eileithyia 
gestanden  habe,  beruht  auf  einem  Irrthum  in  Betreff  der  Provenienz  der 
Inschrift  C.  I.  gr.  n.  1564,  die  vielmehr  nach  Hermione  gehört  (vgl.  Conze 
U.Michaelis  Annali  t.  XXXIII,  p.  11).  Die  von  Pouillon  -  Boblaye  Re- 
cherches  p.  23  erwähnten  Reste  eines  monumentalen  Thores  1200  Meter 
südlich  von  dem  türkischen  Castell  auf  Rhion  gehören  wahrscheinlicli 
dem  alten  Argyra  an. 

5)  Paus.  c.  22,  10;   c.  23,  4;    Thuk.   II,  86;    Polyb.  V,  102;    Polyän. 


6.   Achaia.  313 

Stundeil,  auf  welche  der  Fuss  des  Gebirges  unmittelbar,  ohne 
Küstensaurn,  in  das  Meer  vortritt  und  so  einen  engen  Küstenpass 
bildet,  öffnet  sich  wiederum  eine  im  Alterthum  als  Hafenplatz 
benutzte  und  (wahrscheinlich  nach  zahlreich  am  Strande  wachsen- 
den wilden  Feigenbäumen)  Erineos  benannte  Bucht,  die  im 
Osten  durch  das  flache  Mündungsdelta  eines  grösseren  Flusses, 
des  Phoinix  der  Alten  (jetzt  Salmeniko)  begränzt  wird.  Zwischen 
diesem  und  dem  Selinus  münden  noch  zwei  kleinere  Bache  (der 
jetzt  Tholopotamos  genannte  unmittelbar  westlich  von  der  Stätte 
des  alten  Rbypes  und  ein  namenloser  weiter  östlich)  und  ein 
grösserer,  der  sogenannte  Gaidaropniktes  (Eselswürger):  letzterer, 
der  östlichste  der  zum  Wassergebiet  des  Panachaikon  gehörigen 
Bäche,  ist  der  Meiganitas  der  Alten J)  Zwischen  dem  Selinus 
und  dem  Buraikos  kommt  von  den  als  nordöstlichste  Ausläufer 
der  Lampeia  zu  betrachtenden  Bergen  vonKerpini,  die  im  Alter- 
Ibum  den  Namen  Keryneia  geführt  und  theilweise  zu  Arkadien 
gehört  zu  haben  scheinen,  der  Kerynites  (jetzt  Buphusia  ge- 
nannt) herab.  2)  Oestlich  vom  Buraikos  fliesst  zunächst  der  vom 
arkadischen  Aroaniagebirge  (Chelmos)  her  kommende  Bach  von 
Diakophto,  dessen  antiken  Namen  wir  nicht  kennen,  sodann  der 
Krathis  (jetzt  Akrata),  der  an  dem  gleichnamigen  arkadischen 
Gebirge  entspringt  und  auf  einem  spitzen  Küstenvorsprunge  un- 
weit der  Stadt  Aegä  mündet.^)  Ebenfalls  dem  Wassergebiet  des 
Krathisgebirges  gehört  der  jetzt  Vlogokitikos  (nach  einem  über 
seinem  rechten   Ufer  gelegenen   Dorfe  Vlogoka)   genannte,    >>est- 


VI,  23;  Plin.  N.  h.  IV,  5,  13;  Stepli.  Byz.  u.  BoXCvri.  Strab.  p.  336  u.  Ptol. 
III,  16,  5  identificiren  irriger  Weise  jQEnavov  mit  'Pi'ov. 

')  Phus.  e.  23,  5.  Ciirtius  (Fei.  I,  Ö.  459  u.  487)  hält  den  Thulopo- 
tamos  für  den  Phoinix,  weil  dieser  Fluss  nach  Pausanias  östlich  von 
Rhypes  gesucht  werden  müsse;  allein  dies  geht  aus  Pausanias,  der  un- 
mittelbar vor  der  Heschreibung  der  Stadt  Aegion  die  beiden  namhafteren 
Gewässer  ihres  Gebietes  nennt,  keineswegs  hervor;  überdies  fliesst  auch 
der  Tholopotamos  westlich,  nicht  östlich  von  den  Ruinen  von  Rhyj)e«. 
Für  'EQLvsog  s.  Paus.  c.  22,  10;  Thuk.  VII,  34;  Ptol.  III,  16,  5;  Steph. 
Byz.  u.  'Eqivsos. 

*)  Paus.  c.  25,  5.  nnyog  K&QvvBiog  Callim.  H.  in  Dian.  109.  Der 
Mythos  von  der  von  Herakles  gefangenen  Hirschkuli  scheint  aus  einem 
etymologischen  Grunde  (Anklang  an  -ni^ag)  hier  localisirt  zu  sein. 

')  Paus.  26,  11  f.;  vgl.  VIII,  15,  8  f.;  Strab  VIII.  p.  386;  Hcrod. 
I,  U6. 


314  II.   Peloponncsos. 

lieh  von  dein  alten  Aegira  mündende  Bach,  dem  der  Chelydurea 
die  Bäche  von  Zakoli,  von  Gelini  und  von  Mazi  an:  der  letztere, 
auch  Phönissa  genannt,  welcher  in  einiger  Entfernung  westlich 
von  Pcllene  vorüberfloss,  führte  im  Alterthum,  olTcnbar  wegen 
des  Ungestüms,  mit  welchem  er  zu  Zeiten  strömte,  den  Namen 
Krios  (Widder),  wie  aus  dem  gleichen  Grunde  der  von  der  Kyl- 
Icne  herabkommende,  östlich  unterhalb  Pellenes  vorüberfliessende 
bedeutendere  Fluss  von  Trikkala  (oder  von  Xylokastro)  Sythas 
(=  Sys  d.  i.  Eber)  genannt  wurde J)  Letzterer  bildete  im 
Alterthum  die  östliche  Gränze  der  Landschaft  Achaia,  eine  Gränz- 
bestimmung,  die  freilich  als  eine  rein  politische  bezeichnet  werden 
muss,  da  als  natürliche  Gränze  des  Aegialos  im  Osten  nur  der 
Isthmos  betrachtet  werden  kann.  Auch  in  ethnographischer  Be- 
ziehung gehörte  wenigstens  das  Gebiet  von  Sikyon  ursprünglich 
zum  Aegialos,  da  es  ebenso  wie  die  später  Achaia  genannte  Land- 
schaft in  der  ältesten  Zeit  von  den  'strandbewohnenden  Pelasgern' 
oder,  wie  sie  später  genannt  wurden,  'strandbewohnenden  lo- 
niern'  bewohnt  und  durch  die  Sage  sogar  als  Herrschersitz  des 
Aegialeus  bezeichnet  wurde.  ^)  Zwar  trennte  es  sich  in  Folge  der 
dorischen  Wanderung,  durch  welche  hier  die  üorier  zur  Herr- 
schaft kamen,  von  der  übrigen  Landschaft,  die  in  den  aus  Argos 
und  Lakonien  vertriebenen  Achäern  neue  Herren  erhielt,  welchen 
die  alte  ionische  Bevölkerung  theils  sich  unterordnen,  theils  durch 
Auswanderung  nach  Attika  und  von  da  nach  Rleinasien  Platz 
machen  musste;  allein  das  Bewusstsein  der  Zusammengehörigkeit 
mit  der  westlicheren  Landschaft  war  in  den  Sikyoniern  nie  ganz 
erstorben  und  kam  in  dem  durch  Aratos  bewirkten  Anschlüsse 
der  Stadt  an  den  neu  begründeten  achäischen  Bund  im  Jahre 
251  V.  Chr.  zum  praktischen  Ausdruck.  Während  nun  das  Achaia 
der  historischen  Zeit  gegen  Osten  in  engere  Gränzen  eingeschlossen 
ist  als  der  alte  Aegialos,  hat  es  gegen  Westen  seine  Gränzen  nicht 
unbeträchtlich  erweitert;  denn  der  westlichste  Theil  Achaias,  das 
Gebiet  von  Dyme,  das  auch  chorographisch  betrachtet  zum  nörd- 
lichen Elis  gehört  (vgl.  oben  S.  310),  wurde  in  den  alten  Zeiten 


')  Paus.  c.  27,  11  f.;  vgl.  II,  7,  8;  c.  12,  2;  Ptol.  III,  16,  4.  Der 
Name  Uyd-ccg  ist  offenbar  gleiclibedeutend  mit  dem  des  von  Paus.  IX, 
30,  11  erwähnten  2vg  am  Olympos. 

2)  Paus.  c.  1,  1  ff.;  Strab.  VIII,  j).  382  s.  Die  Tlslccoyol  AiyiaXhg 
unter  Ion  "l(t)VBg  genannt  nach  Herod.  VII,  94. 


6.   Achaia.  315 

von  Kaiikoneii  bewohnt  und  kam  dann  in  den  Besitz  der  Epeier, 
welche  ihre  Herrschaft  bis  zum  westlichen  Fusse  des  Panachaikon 
ausgedehnt  zu  haben  scheinen,  ^j 

Die  ionische  Bevölkerung  zerfiel  nach  bestimmter  üeber- 
lieferung  in  zwölf  offenbar  den  attischen  Phratrieli  (Geschlechts- 
genossenschaften) entsprechende  Abtheilungen ;  daneben  bestand 
jedenfalls  die  in  allen  ionischen  Staaten  uns  begegnende  Einthei- 
lung  in  die,  vier  Phylen  der  Geleontes,  Hopletes,  Aegikoreis  und 
Argadeis  (vgl.  Bd.  I,  S.  262).  Jede  dieser  zwölf  Abtheilungen 
mag  einen  besondern  Bezirk  eingenommen  haben,  der  eine  An- 
zahl offene  Ortschaften,  etwa  mit  einem  befestigten  Zufluchtsort 
für  die  Zeiten  der  Gefahr,  enthielt;  den  religiösen  Mittelpunkt 
des  ganzen  Landes  bildete  das  Heiliglhum  des  Poseidon  Heliko- 
nios,  im  Bezirk  Helike  an  der  Küste  zwischen  der  Mündung  der 
Flüsse  Selinus  und  Kerynites  gelegen,  desselben  Gottes,  dessen 
Tempel  auch  den  kleinasiatischen  loniern  als  Bundesheiligthum 
galt.  Wenn  aber  die  Ueberlieferung  diese  zwölf  Bezirke  als 
identisch  bezeichnet  mit  den  zwölf  Stadtgemeinden,  in  welche  die 
Landschaft  nach  der  Besitzergreifung  derselben  durch  die  Achäer 
getheilt  war,  so  ist  dies  schon  deshalb  nicht  wohl  anzunehmen, 
weil,  wie  bemerkt,  die  Gränzen  der  Landschaft  nach  Osten  wie 
nach  Westen  hin  in  der  ionischen  Zeit  andere  waren,  als  in  der 
achäischen.2)  Die  zwölf  von  den  olfenbar  von  Osten  her  in  das 
Land  eingedrungenen  Achäern  gegründeten,  d.  h.  durch  Be- 
festigung oder  Zusammcnsiedelung  aus  Roma  zu  Poleis  gemachten 
Städte,  welche,  jede  mit  einem  besonderen  Gebiet  von  7  —  8 
Demen,  und  wahrscheinlich  auch  mit  einem  besonderen  Dynasten, 
unter  der  Herrschaft  eines   Oberkönigs  aus  dem   Geschlechte  des 


>)  Strab.  VIII,  p.  341  s.;.345;  387;  aus  der  Darstellung  des  Schiffs- 
cataloges  (s.  II.  ß,  569  ff.  u.  616  flf.)  darf  man  folgern,  dass  der  zur 
Herrschaft  des  Agamemnon  gehörige  Aegialos  sieh  gegen  Westen  nicht 
weiter  als  bis  Aegion,  also  bis  zum  Panachaikon  erstreckte,  das  Land 
westlich  von  diesem  Gebirge  zum  Herrschergebiete  der  Epeier  gehörte. 

2)  Herod.  I,  145;  Paus.  c.  6,  1;  vgl.  Strab.  p.  383  u.  385  s.,  der 
p.  341  in  Bezug  auf  Dyjtic  (das  von  Herod.  u.  Pausan.  zu  den  12  ioni- 
schen Bezirken  gezählt  wird)  richtig  bemerkt:  6  (ilv  yag  notrjri^g  ot)x 
(ovofiay.B  xriv  Jv(n]V,  ovx  dnsiyioe  d'  iatl  rote  {ihv  avri^v  vno  rotg 
*En£ioCg  vnctQ^ai,  vgxbqov  dh  xoCg  "[(oaiv,  ^  j^»?^*  i-nf^voig  dkXa  roCg 
zriv  iyiSLvoiv  x^Q^^  %ataaxovoiv  *A%aioig. 


316  H.  Pcloponucsos. 

der  Sage  nach  bei  der  Eroberung  des  Landes  im  Kample  gegen  die 
lonier  gefallenen  Tisamenos,  Sohnes  des  Orestes,  vereinigt  waren, 
waren  Pellene,  Hyperasia  (Aegira),  Aegä,  Bura,  Ilelike,  Aegion, 
Rhypes,  Paträ,  Pharä,  Olenos,  Dyme  und  Triteia;  da  Aegä 
und  Uhypes  frühzeitig  aus  der  Zahl  der  bewohnten  Orte  ver- 
schwanden, so  traten  statt  ihrer  Reryneia  und  Leontion,  früher 
blosse  Demen,  in  die  Reihe  der  Poleis  ein;  die  Stelle  des  eben- 
falls frühzeitig  verschollenen  Olenos  dagegen,  dessen  Gebiet  an 
Dyme  fiel,  scheint  durch  keine  andere  Ortschaft  besetzt  worden 
zu  sein.  *)  Der  Sitz  des  Oberkönigs  und  somit  die  politische 
Hauptstadt  des  Landes  war  wahrscheinlich  Aegion  mit  seinem 
Heiligthum  des  Zeus,  des  achäischen  Stammgottes;  daneben  be- 
hielt Ilelike  mit  seinem  Heiligthum  des  Poseidon  bei  den  im  Lande 
zurückgebliebenen  loniern  und  in  Folge  der  allmäligen  Verschmel- 
zung derselben  mit  den  Eroberern  auch  bei  diesen  eine  nicht 
geringe  Bedeutung,  die  in  Folge  des  traurigen  Schicksals  der 
Ol.  101,  4  bei  einem  Erdbeben  vom  Meere  verschlungenen  Stadt 
durch  die  Tradition  wohl  noch  grösser  dargestellt  wurde,  als  sie 
in  Wirklichkeit  gewesen  war.  2) 

Nachdem  das  Königthum  in  Folge  des  despotischen  Auftre- 
tens der  Söhne  des  letzten  Nachkommen  des  Tisamenos,  des 
Ogyges ,  abgcschalTt  und  durch  eine  gemässigt  demokratische  Ver- 
fassung, welche  dem  Staate  der  Achäer  den  Ruhm  eines  Muster- 
staates bei  den  andern  Griechen  eintrug,  ersetzt  worden  war, 
bildeten  die  zwölf,  beziehendlich  nach  Verfall  von  Olenos. elf  Städte 
als  ebenso  viele  selbständige  Kantone  einen  Bund  mit  einer  in 
Aegion  zusammentretenden  Bundesversammlung  als  beschliessender 
und  wahi*scheinlich,  wie  in  den  ersten  Zeiten  des  neuen  Bundes, 
zwei  Strategen  nebst   einem   Staatsschreiber  als  ausübender  ße- 


1)  Herod.  I,  145;  Strab.  p.  385  s.;  Polyb.  II,  41.  Dass  Paus.  c.  6,  1 
Paträ  aus  der  Reihe  der  12  Städte  weglässt  und  dafür  Keryneia  auf- 
führt, hat  darin  seinen  Grund,  dass  er  die  12  noXsig  als  schon  zur  Zeit 
der  lonier  bestehend  betrachtet,  von  Paträ  dagegen  weiterhin  ausdrück- 
lich angiebt,  dass  es  erst  von  den  Achäern  aus  8  Kernen  begründet  wor- 
den sei. 

2)  Vgl.  Strab.  p.  385  u.  387;  Paus.  c.  7,  2;  c.  24,  4;  Liv.  XXXVHI, 
30.  Dass  die  Bundesversammlungen  in  älterer  Zeit  in  Helike  stattge- 
funden haben,  wie  manche  aus  Paus,  c,  7,  2  schliessen,  ist  aus  inneren 
Gründen  höchst  unwahrscheinlich. 


6.  Achaia.  317 

hördeJ)  Die  höclistcn  Beamten  in  den  einzelnen  Städten  scheinen 
den  Titel  'Damiorgen'  geführt  zu  haben,  ^j  Nach  aussen  verhielt 
sich  der  Bund  durchaus  neutral,  hauptsächlich  aus  Abneigung 
gegen  die  Hegemonie  der  Spartaner,  ähnlich  wie  Argos;  doch 
hinderte  dies  nicht,  dass  einzelne  Städte  in  den  Kämpfen  zwi- 
schen Athen  und  Sparta  theils  für  dieses,  theils  für  jenes  Partei 
ergriffen.  Seit  dem  Jahre  418  v.  Chr.  aber,  wo  es  den  Spar- 
tanern gelungen  war,  die  Bundesverfassung  in  einem  ihnen  gün- 
stigen, d.  h.  mehr  oligarchischen  Sinne  abzuändern,  verfiel  die 
Landschaft  mehr  und  mehr  dem  Einflüsse  Spartas,  dem  sie  in 
allen  Kämpfen  bis  zur  Schlacht  bei  Leuktra  treu  zur  Seite  stand. 
Nach  dieser  von  Sparta  und  Theben  zu  Schiedsrichtern  erwählt, 
wurden  die  Achäer  von  Epameinondas,  unter  Schonung  der  unter 
Spartas  Einfluss  gegebenen  Verfassung,  zum  Anschluss  an  Theben 
genöthigt;  nachdem  aber  die  Thebaner  Ilarmosten  in  die  achäischen 
Städte  gesandt  und  durch  diese  die  spartanisch  Gesinnten  ver- 
trieben ,  die  Verfassung  in  demokratischem  Sinne  umgestaltet 
hatten,  erlangte  die  spartanische  Partei  bald  wieder  die  Ober- 
hand und  setzte  es  durch,  dass  Achaia  wieder  offen  auf  Spartas 
Seite  trat.  Durch  die  Verluste  in  der  Schlacht  bei  Chaeroneia 
und  in  dem  Kampfe  König  Agis  III.  gegen  Antipater  bedeutend 
geschwächt,  gerieih  Achaia  seit  dem  Ende  des  vierten  Jahrhun- 
derts V.  Chr.  ganz  in  die  Gewalt  der  Makedonier,  unter  deren 
Schutze  sich  in  den  meisten  Städten  Tyrannen  erhoben,  durch 
deren  Willkürherrschaft  eine  völlige  Verwirrung  der  alten  staat- 
lichen Ordnung  eintrat.  Eine  nationale  Beaction  dagegen  gieng 
von  den  Städten  im  Westen  der  Landschaft,  Dyme,  Paträ,  Pharä 
und  Triteia,  aus,  die  im  Jahre  281  vor  Chr.  zu  einem  neuen 
Bunde  zusammentraten,  welcher  fünf  Jahre  darauf  durch  den  Bei- 
tritt von  Aegion,    Bura  und  Keryneia   erweitert,   sich   bald  über 


1)  Polyb.  II,  38  u.  41.  Str.vh.  p.  384  s.  Die  Zeit  der  Aufliebuiig  des 
Könij^thiims  ist  leider  auch  nicht  einmal  annähernd  zu  bestimmen;  doch 
ist  es  wahrscheinlich,  dass  die  Gründung  der  achäischen  Colonien  in  Unter- 
italien, wie  Kroton,  Sybaris,  Kaulonia,  noch  zur  Zeit  der  Königsherrschaft 
erfolgt  ist,  da  diese  Städte  ja  erst  in  späteren  Zeiten  die  demokratische 
Verfassung  des  Mutterlandes  annahmen  (Polyb.  c.  39). 

')  Dies  kann  man  daraus  schliesscn,  dass  in  den  Zeiten  des  neuen 
IJundes  zehn  Damiorgon  {dafiioQyoi  =  drifiiovQyoi)  als  ein  dem  Strategen 
beigeordnetes  Collegium  erscheinen:  s.  Liv.  XXXII,  22;  XXXVIII,  30; 
Polyb.  XXIV,  5;  Plut.  Arat.  43;  C.  I.  gr.  n.  1512  und  1543. 


318  n.  Peloponnesos. 

den  grössten  Tlicil  des  Peloponnes  ausdehnte  und  (Iricclienland 
noch  kurz  vor  dem  Erlöschen  seiner  politischen  Existenz  das 
Muster  eines  die  Selhständigkeit  seiner  Glieder  mit  weiser  Mäs- 
sigung  zum  Besten  einer  starken  Centralgewalt  beschränkenden 
Bundesstaates  gab.  An  der  Spitze  der  Executive  standen  die 
ersten  fünfundzwanzig  Jahre  nach  der  Erneuerung  des  Bundes 
neben  dem  Staatsschreiber  zwei  Strategen;  da  aber  das  Bedurf- 
niss  nach  einer  einheitlichen  Leitung  sich  immer  mehr  geltend 
machte,  wurde  seit  dem  Jahre  256  immer  nur  ein  Strateg  auf 
ein  Jahr  gewählt,  der  ein  Jahr  nach  dem  Ablauf  seiner  Amtszeit 
wieder  wählbar  war.  Er  war  zugleich  Bundesfeldherr  und  Bun- 
despräsident; in  ersterer  Eigenschaft  waren  ihm  ein  oder  mehrere 
llypostrategen  (Unterfeldherrn)  und  ein  Hipparch  (Commandant 
der  Reiterei)  untergeordnet,  in  letzterer  ausser  dem  Staats- 
schreiber das  Collegium  der  zehn  Damiorgen,  dessen  Mehrheits- 
beschlüssen er  sich  zu  fügen  hatte,  beigeordnet.  Die  Wahl  dieser 
Bundesbehörden,  sowie  die  Bundesgesetzgebung  und  die  Ent- 
scheidung über  Krieg  und  Frieden  und  über  die  Abschliessung  von 
Verträgen  mit  auswärtigen  Staaten  kam  der  Landsgemeinde  zu, 
die  sich  regelmässig  zweimal  im  Jahre  in  der  früheren  Zeit  in 
Aegion,  später  auch  in  anderen  Bundesstädten  versammelte.  Jeder 
Bürger  einer  Bundesstadt,  der  das  30.  Jahr  zurückgelegt  hatte, 
vi^ar  zur  Theilnahme  an  derselben  berechtigt;  abgestimmt  wurde 
nach  Städten,  so  dass  die  Mehrzahl  der  anwesenden  Bürger  einer 
Stadt  für  die  Abstimmung  derselben  den  Ausschlag  gab.  Zwischen 
den  Behörden  und  der  Landsgemeinde  stand  ein  Rath  (Bule), 
welcher  wahrscheinlich  die  der  Landsgemeinde  vorzulegenden  An- 
gelegenheiten vorzuberathen,  minder  wichtige  auch  endgültig  zu 
entscheiden  hatte:  über  seine  Mitgliederzahl  und  Organisation 
lässt  sich  nichts  Sicheres  ermitteln.^) 


^)  Vgl.  C.  F.  Merleker  De  Achaieis  rebus  antiquissimis  dissertatio, 
Königsberg  1831  (desselben  Verfassers  Schrift  Achaicorum  libri  III,  Darm- 
stadt 1837,  steht  mir  nicht  zu  Gebote);  A.  Matthiae  'Geschichte  des 
achäischen  Bundes'  in  dessen  ^Vermischten  Schriften'  (Altenburg  1833) 
S.  239  ff.;  Krafft  und  Hertzberg  Art.  ''Achaia'  (Geschichte)'  in  Pauly's 
Realencyclopädie  d.  cl.  Altws.  2te  Aufl.  I,  S.  56  ff.;  E.  A.  Freeman 
History  of  federal  government,  from  the  foundation  of  the  Achaian  league 
to  the  disruption  of  the  United  states,  Vol.  I  (London  1863)  p.  236  ss.; 
dazu  W.  Vischer  im  N.  Schweiz.  Museum  1868,  S.  29  ff. 


6.  Acliaia,  319 

Mit  der  gewaltsamen  Auflösung  des  Bundes  durch  die  Römer 
endet  die  selbständige  Bedeutung  der  Landschaft,  deren  west- 
lichster Theil  in  Folge  der  Gründung  römischer  Golonien  durch 
Augustus  fast  ganz  romanisirt  wurde,  während  im  östlicheren 
Theil  sich  die  griechische  Bevölkerung  bis  zum  Eindringen  der 
nordischen  Barbaren  ziemlich  rein  erhielt. 

Die  westlichste  der  achäischen  Städte,  Dyme,  lag  nahe  der 
hafenloscn  Küste,  ungefähr  in  der  Mitte  zwischen  den  Flüssen 
Larisos  und  Peiros,  60  Stadien  vom  Cap  Araxos  (vgl.  oben  S.  309). 
In  der  ältesten  Zeit,  als  noch  die  Kaukonen  in  Besitz  dieser 
(iegend  waren,  soll  der  Ort  den  wohl  von  der  lehmigen  BeschalTen- 
heit  des  Bodens  entnommenen  Namen  Paleia  (vgl.  TtrjXög  und 
lat.  palus)  geführt  haben;  Stratos,  was  ebenfalls  als  alter  Name 
der  Stadt  angeführt  wird,  bezeichnete  wohl  eine  sei  es  von  den 
Epeiern,  sei  es  von  den  Achäern,  welche  die  Gegend  als  das 
Westende  ihres  Gebiets  Dyme  (==  dvöp.7])  nannten,  angelegte 
Befestigung.  Erst  später,  jedenfalls  nach  der  6.  Olympiade,  wurde 
durch  Zusammensiedelung  von  acht  kleineren  Ortschaften  (Demen) 
eine  grössere  Stadt  gegründet,  welche  den  Namen  Dyme  er- 
liiclt.  ^)  Im  Jahre  314  v.  Chr.  versuchten  die  Bürger  die  in 
ihrer  Akropolis  liegende  makedonische  Besatzung  zu  vertreiben, 
wurden  zwar  von  Alexander,  dem  Sohne  Polysperchons,  hart  da- 
liir  gezüchtigt,  bemächtigten  sich  aber  trotzdem  nach  dessen  Ab- 
/iii,^e  mit  Hülfe  von  Söldnerschaaren  der  Akropolis  und  befreiten 


')  Paus.  c.  17,  5  f.;  Strab.  p.  337;  Steph.  Byz.  u.  Jv^ri-  Dass  der 
Uauptort  der  Gegend  noch  Ol.  6  den  Namen  TLciXsia.  führte,  zeigt  das 
Ton  Pausanias  erhaltene  Epigramm  der  Statue  des  Oibotas,  des  Siegers 
flcr  6ten  Olympiade,  in  welchem  Paleia  als  Heimath  desselben  genannt 
i-t:  wenn  auch  diese  Statue  erst  beträchtlich  später  (nach  Paus,  um 
Olymp.  80)  errichtet  wurde,  so  kann  man  doch  bei  dem  Gewicht,  welches 
jede  griechische  Stadt  darauf  legte,  einen  olympischen  Sieger  unter  ihren 
Bürgern  zu  haben,  nicht  zweifeln,  dass  man  sich  bei  Abfassung  des  Epi- 
gramms genau  an  die  officielle  olympische  Aufzeichnung  hielt.  Was  Paus. 
())<].  §.  13  von  einem  Fluche  des  Oibotas  berichtet,  in  Folge  dessen  bis 
Ol.  80  kein  Achäer  einen  olympischen  Sieg  davon  getragen  habe,  ist  eine 
II II historische  Legende;  denn  Ol.  23  siegte  im  Stadion  Ikarios  aus  der 
acliäischen  Stadt  Ilyperasia  (Paus.  IV,  15,  1 ;  Phlegon  bei  Steph.  Byz.  u. 
'TnBQao(a)  u.  Ol.  67  im  Stadion,  Dianlos  und  WafFenlauf  Phanas  aus 
Pallene  (Scxti  Julii  Africani  'OlvuniäStov  dvaygacpTJ  rce.  I.  Jlutgers 
p.  -27). 


320  11.  Peloponnesos. 

sich  so  vom  makedonischen  Joche.  ^)  Im  Jahre  281  ergriflen  sie, 
wie  schon  erzählt,  mil  den  drei  anderen  Städten  des  westliclien 
Acliaia  die  Initiative  zur  Erneuerung  des  achäisclien  Bundes  und 
hatten  dann  in  den  Kämpfen  zwischen  den  Achäern  und  Aetolern 
öfter  von  ieindlichen  Einfällen  ihrer  Nachbarn,  der  Eleer,  zu 
leiden.  Im  ersten  makedonischen  Kriege  wurde  die  Stadt  zur 
Strafe  dafür,  dass  sie  eine  Besatzung  des  Königs  Philipp  aufge- 
nommen hatte,  von  einem  römischen  Heere  unter  dem  Prätor 
P.  Sulpicius  geplündert  und  die  Bürger  als  Sclaven  verkauf! : 
Philipp  kaufte  aber  alle,  die  er  ausfindig  machen  konnte,  los 
und  führte  sie  in  ihre  Vaterstadt  zurück ;  zum  Dank  dafür  stimm- 
ten die  Dymäer  auf  der  Landsgemeinde  zu  Sikyon  im  Jahre 
189  V.  Chr.  allein  von  allen  Städten  des  eigentlichen  Achaia  mit 
(law  Megalepoliten  und  Argivern  gegen  den  Anschluss  des  achäischen 
Bundes  an  Rom.^)  Auch  in  der  ersten  Zeit  nach  dem  Verlust 
der  Selbständigkeit  war  der  Geist  der  Opposition  gegen  Rom  in 
der  Bürgerschaft  von  Dyme  noch  nicht  erloschen,  wie  der  Auf- 
standsversuch  eines  gewissen  Sosos  beweist,  welcher  das  Stadt- 
haus mit  dem  Archiv  in  Brand  steckte  und  statt  der  von  den 
Römern  octroyierten  oligarchischen  eine  demokratische  Verfassung 
einrichtete,  dafür  aber  mit  einem  der  Daraiorgen,  der  ihm  dabei 
geholfen  hatte,  durch  den  römischen  Statthalter  von  Makedonien, 
den  Proconsul  Q.  Fabius  Q.  f.  Maximus,  zuui  Tode  verurtheilt 
wurde. ^)  Im  Jahre  66  v.  Chr.  erhielt  die  offenbar  sehr  zusannnen- 
geschmolzene  Bevölkerung  der  Stadt  einen  den  alten  Bewohnern 
jedenfalls  nicht  eben  erwünschten  Zuwachs  durch  einen  Theil  der 


1)  Diod.  XIX,  66. 

2)  Paus.  c.  17,  5;  vgl.  Liv.  XXXII,  22;  Polyb.  V,  3. 

^)  C.  I.  g.  n.  1543,  eine  diesen  Aufstandsversuch  betreffende  Ver- 
ordnung des  Proconsuls  an  die  Dymäer:  da,  wie  Böckh  bemerkt  hat, 
Consuln  des  Namens  Q.  Fabius  Q.  f.  Maximus  in  den  Fasten  in  den 
Jahren  145,  142,  121  und  116  erscheinen,  so  ist  das  Jahr,  in  welches 
diese  Begebenheit  fällt,  nicht  sicher  zu  bestimmen;  da  aber  die  Consuln 
der  Jahre  145  u.  142  nach  Ablauf  ihrer  Amtszeit  in  Hispanien  kämpften, 
so  wird  man  sie  entweder  ins  Jahr  120  oder  ins  Jahr  115  v.  Chr.  zu  setzen 
haben.  Aus  der  Inschrift  ergiebt  sich  auch,  dass  damals  ausser  dem  Col- 
legium  der  Damiorgen  ein  cwiSgLOV,  dessen  yga^^ccrsvg  nebst  einem 
priesterlichen  Beamten  {d^^onoXog)  als  eponyme  Beamte  an  der  Spitze  der 
öffentlichen  Urkunden  genannt  wurden,  die  Angelegenheiten  der  Stadt 
verwaltete. 


6.  Achaia.  321 

von  Pompeius  überwundenen  und  verschonten  Piraten,  welche 
der  Sieger  hier  ansiedelte.  ^)  Die  Maassregel  scheint  nicht  viel 
gefruchtet  zu  haben,  denn  Augustus  führte,  offenbar  um  dem 
Mangel  an  Bewohnern  abzuhelfen,  eine  römische  Colonie  dahin, 
fügte  aber  diese  Colonia  lulia  Augusta  Dumaeorum  mit 
ihrem  Gebiete  dem  Gebiete  des  ebenfalls  von  ihm  colonisirten 
Paträ  bei. 2)  Pausanias  erwähnt  in  der  Stadt  einen  alten  Tempel 
der  Athene  und  ein  Heiligthum  der  Kybele  und  des  Attis,  ausser- 
halb der  Stadt  zur  Rechten  der  von  Elis  her  führenden  Strasse 
das  Grab  des  Sostratos,  eines  von  den  Dymäern  als  Heros  ver- 
ehrten Lieblings  des  Herakles,  an  einer  anderen  Stelle  das  Grab 
des  olympischen  Siegers  Oibotas.  ^)  Heutzutage  sind  von  der  Stadt 
nur  noch  geringe,  meist  der  römischen  Zeit  angehörige  Reste  er- 
halten bei  einer  Kapelle  des  heiligen  Konstantinos  östlich  von 
dem  in  einer  öden,  zum  Theil  versumpften  Niederung  zwischen 
Wäldern  gelegenen  Gehöft  Karavostasion,  das  seinen  Namen 
f  Schiffsstation ')  einer  zwischen  der  an  der  Ostseite  des  Vorge- 
birges Araxos  sich  hinziehenden  Lagune  Kalogria  und  einem 
flachen  Küstenvorsprunge  sich  öffnenden,  jetzt  durch  ein  Zoll- 
haus bewachten  Bucht  verdankt,  die  auch  im  Alterthum  als  Rhede 
benutzt  wurde;  der  Hügel,  auf  welchem  die  Kapelle  steht,  trug 
jedenfalls  die  Akropolis  von  Dyme.  Zur  Sicherung  der  Gränze 
gegen  Elis  war  auf  dem  südöstlichsten  Vorsprunge  des  Araxos, 
nahe  dem  rechten  tffer  des  Gränzflusses  Larisos,  eine  Festung 
jerbaut,  die  gewöhnlich  schlechtweg  'das  Castell'  (Teichos)  ge- 
nannt wurde,  eigentlich  aber  den  Namen  Larisa  geführt  zu 
haben  scheint.  Der  Umfang  dieser  von  der  Sage  auf  Herakles 
zurückgeführten    Festung    betrug   nur  V/^  Stadion,   die  Mauern 


0  Strab.  VIII  p.  378  s.;  XIV,  p.  665. 

*)  Da  von  den  beiden  in  Anm.  1  angeführten  Stellen  des  Strabon  sich 
nur  an  der  letzteren  der  Beisatz  ^V  vvv\  'Poiiica'cav  dnoL-nia  vsfiSTai 
findet,  so  kann  man  schliessen,  dass  die  Colonisation  in  der  zwischen 
der  Abfassung  des  8ten  und  des  14ten  Buches  der  Geographie  des  Strabon 
verflossenen  Zeit  erfolgt  ist.  Die  Existenz  der  Colonie  bezeugen  auch 
Plin.  N.  h.  IV,  5,  13  und  die  von  Curtius  Pel.  I  S.  450  angeführten 
Münzen;  ihre  Unterordnung  unter  Pnträ  Paus.  c.  17,  5. 

')  Paus.  c.  17,  8  ff.  Dass  das  Grab  dos  Oibotas  'vor  demselben 
lliore'  gelegen  habe  als  das  des  Sostratos,  wie  Curtius  (Pel.  I,  S,  425) 
Annimmt,  ist  mir  n-wU  der  Anordnung  der  Beschreibung  des  Pausanias 
undenkb;ir. 


P>22  H.  Peloponnesos. 

aber  (deren  noch  erhaltene  Resle  eine  Dicke  von  12  — 15 
zeigen)  hatten  durchgängig  eine  Ilöiie  von  45  Fuss.')  Im  sü( 
östlichsten  Theile  der  Dymäa  lag  eine  Ortschaft  Hekatomhäon 
offenbar  nach  einem  Ileiligthum  (vielleicht  des  Zeus,  der  mehi 
lach  unter  dem  Beinamen  Hekatombäos  verehrt  wurde)  benannl 
bei  welcher  die  Achäer  im  Jahre  225  durch  König  Kleomenes  Hl 
von  Sparta  geschlagen  wurden.  2)  In  derselben  Gegend  muss  aucj 
Teuthea  gelegen  haben,  ein  durch  ein  Ileiligthum  der  Artemi 
Nemydia  (?)  bemerkenswerthes  Städtchen,  dessen  Bewohner  b( 
einem  zur  Hebung  von  Dyme  veranstalteten  Synoikismos  nac| 
dieser  Stadt  übergesiedelt  worden  waren.  ^) 

Die  östliche  Nachbarstadt  von  Dyme,  das  auf  dem  letztei 
Vorsprung  des  eleischen  SkoUisgebirges  gegen  die  Küste  hin  nahe 
dem  Unken  Ufer  des  Peiros  gelegene  Olenos,  wahrscheinlich 
eine  von  den  Epeiern  begründete  Filiale  der  gleichnamigen  ätc»- 
lischen  Stadt  (vgl.  Band  I,  S.  131),  erscheint  Anfangs  als  eine 
der  zwölf  achäischen  Bundesstädte,  gerieth  aber  frühzeitig  aus 
unbekannten  Ursachen  so  in  Verfall,  dass  es  nicht  mehr  an  der 
Erneuerung  des  Bundes  sich  betheiligen  konnte:  wahrscheinlich 
war  es  schon  damals  von  seinen  Bewohnern  verlassen ,  die  theils 
nach  Peirä  und  Euryteiä  (wahrscheinlich  Demen  der  Olenia),  theils 
nach  Dyme  übergesiedelt  waren.  Strabon  fand  zwischen  den 
Trümmern  der  Stadt  noch  ein  Heiligthum  des  Asklepios,  das  40 
Stadien  von  Dyme,  80  Stadien  von  Paträ  entfernt  war;  zur  Zeit  des 
Pausanias  scheint  auch  dieses  verfallen  gewesen  zu  sein,  da  er  des- 


1)  Polyb.  IV,  59  u.  83,  vergl.  Steph.  Byz.  u.  TsLXog:  eine  Stadt 
AccQLoa  auf  der  Gränze  der  Eleer  u.  Dymäer  citirt  aus  Theopompos  Strab. 
IX  p.  440.    Ueber  den  Tempel  der  Athene  Larisäa  s.  oben  S.  310. 

2)  Plut.  Oleomen.  14  (über  das  ebend.  genannte  Aayycov  vgl.  oben 
S.  309,  Anm.  2),  wo  ausdrücklich  angegeben  wird,  dass  Kleomenes  durch  Ar- 
kadien nach  dem  achäischen  Pherä  (=  Pharai)  zog  und  dann  zwischen 
Dyme  und  dem  Hekatombäon,  wo  die  Achäer  lagerten,  sein  Lager  auf- 
schlug (irrig  Curtius  Pel.  I  S.  427);  vgl.  Plut.  Arat.  39;  Polyb.  II,  51. 
Zeus  Hekatombäos:  s.  Hesych.  u.  'Eyiaro^ßatog. 

^)  Strab.  p.  342:  für  das  jedenfalls  corrupte  Nsfivdiag  will  Müller 
Dorier  I  S.  373  NsfiLÖLCcg,  lioheck  ad  Phrynich.  p.  557  Ns^sccLag  lesen.  Ob 
die  von  Pouqueville  entdeckten  Tempelreste  bei  Kolonäs  am  Fusse  des 
Berges  Movri,  Ya  Stunde  südöstlich  von  Epano-Achaia,  diesem  Heilig- 
thum angehören  (vgl.  Curtius  Pel.  I,  S.  427),  ist  mir  zweifelhaft,  da  nach 
den  Worten  des  Strabon  Teuthea  nicht  unmittelbar  am  Bache  Teutlieas 
gelegen  u,  zur  Dymäa,  nicht  zur  Olenia  gehört  zu  haben  sheint. 


6.  Achaia.  323 

selben  mit  keinem  Worte  gedenkt ;  doch  haben  sich  einige  Reste 
der  alten  Stadt  bis  zum  heutigen  Tage  in  der  Nälie  des  Dörf- 
cliens  Kato-Achaia  erhalten,  darunter  die  Basis  einer  von  der 
Stadt  Pharä  errichteten  Ehreiistatue,  woraus  man  wohl  schliessen 
darf,  dass  das  Gebiet  von  Olenos,  das  zu  Strabons  Zeit  den  Dy- 
mäern  gehörte,  früher  eine  Zeit  lang  in  Besitz  von  Pharä  war.^) 
Diese  Stadt,  deren  das  obere  Thal  des  Peiros  umfassendes  Ge- 
biet im  Westen  durch  die  Dymäa,  im  Nordwesten  durch  die 
Olenia  von  der  Verbindung  mit  dem  Meere  abgeschnitten  war, 
lag  an  der  Hauptstrasse  aus  Arkadien  nach  dem  westlichen  Achaia, 
70  Stadien  von  der  Küste,  150  Stadien  (auf  der  im  Peirosthale 
und  dann  längs  der  Küste  hin  gehenden  Strasse)  von  Paträ ,  nahe 
dem  linken  Ufer  des  hier  Pieros  genannten  Flusses,  also  ungefähr 
in  der  Mitte  zwischen  den  jetzigen  Dörfern  Isari  und  Prevetos, 
wo  ihre  Stelle  noch  durch  ausgedehnte  aber  unansehnliche  Ruinen 
bezeichnet  wird.  Dem  Flusse  zunächst  stand  ein  Hain  uralter 
Platanen,  deren  hohle  Stämme  von  den  Bewohnern  der  Stadt 
bisweilen,  natürlich  nur  scherzweise,  zu  Speise-  und  Schlafräu- 
men benutzt  wurden.  Mitten  auf  dem  geräumigen,  nach  dem 
älteren  Systeme  angelegten  Marktplatze  stand  ein  Hermenbild  des 
Hermes  Agoräos  mit  einem  steinernen  Altar,  bei  welchem  man 
sich  in  eigenthümlicher,  ziemlich  primitiver  Weise  Orakel  holte; 
nahe  dabei  standen  30  viereckige  Steine,  von  denen  jeder  als 
Symbol  oder  Repräsentant  einer  Gottheit  Gegenstand  des  Cultus 
war.  Dem  Hermes  war  auch  eine  Dirke  genannte  Quelle  in  der 
Stadt  heilig,  in  deren  Abfluss  Fische  lebten,  die  als  dem  Gotte 
geweiht  nicht  gefangen  werden  durften.  15  Stadien  von  der 
Stadt  lag  ein  hauptsächlich  aus  Lorbeerbäumen  bestehender  Hain 
der  Dioskuren,  in  welchem  Pausanias  einen  Altar  aus  Feldsteinen, 
aber  weder  ein  Cultgebäude  noch  Cultbilder  (diese  sollten  nach 
Rom  geschafft  worden  sein)  fand.     Wie  Dyme  nahm  auch*  Pharä 


*)  Strab.  p.  386  ii.  388;  Paus.  c.  18,  1  u.  c.  22,  1;  Steph.  Byz.  n. 
"ßAfvog;  C.  I.  gr.  n.  1644.  Dass  unter  der  nitgrj  'SlXsviri  II.  ß,  617  das 
Gebiet  des  später  achäisclien  Olenos  zu  verstehn  ist,  lehrt  die  Verglei- 
chung  der  von  Strab.  p.  342  erhaltenen  Verse  des  Hesiodos  (fr.  216  Gött- 
ling).  Ueber  die  Keste  von  Olenos  s.  Leake  Morea  II  p.  165  s.;  Dodwell 
(!bi8s.  u.  topogr.  Reise  II,  2,  S.  149  d.  d.  Ueb.;  Pouillon-Hoblaye  Re- 
«berches  p.  20.  Flüclitlinf?«'  ans  Olenos  in  Aegion  internirt:  Aelian.  de 
au,  V,  29. 


324  n.  Peloponnesos. 

Theil  an  der  Neugründiing  des  Bundes,  litt  dann  mehrfach  durch 
Einfälle  der  Aetoler  und  Eleer,  und  wurde  durch  Augustus  den 
l*alräern  unterthänig  gemacht J) 

Ganz  dieselben  Schicksale  wie  Pharä  halle  dessen  Nachbarin, 
die  unter  allen  achäischen  Städten  am  weiteslen  von  der  Kösle 
entfernte  Bundesstadt  Tritäa  (auch  Triteia  geschrieben),  die 
in  Folge  ihrer  Lage  sich  eine  Zeit  lang  (wahrscheiidich  vor  der 
Neubegründung  des  achäischen  Bundes,  an  welcher  auch  sie  An- 
theil  nahm)  an  Arkadien  angeschlossen  hatte.  Die  Stadt,  in  welcher 
Pausanias  ein  Heiliglhum  der  'Grösslen  Götter'  mit  Cultbildern 
aus  Thon  und  einen  Tempel  der  Athena,  ausserdem  vor  der 
Stadt  ein  Grabmal  mit  Gemälden  von  der  Hand  des  Nikias  der 
Erwähnung  werth  findet,  war  120  Stadien  von  Pharä  entfernt: 
also  gehören  ihr  wahrscheinlich  die  jetzt  Kastritza  genannten 
Mauerreste  eine  Stunde  nördlich  unterhalb  des  grossen  Dorfes 
h.  Blasis,  nahe  den  Quellen  des  Flusses  Selinus.^') 

Die  nordöstlichste  unter  den  Städten  des  westlichen  Achaia, 
seit  Augustus  die  Beherrscherin  dieses  ganzen  Theiles  der  Land- 
schaft, war  Paträ,  das  am  nördlichen  Ende  der  breiten  und 
fruchtbaren  Mündungsebene  des  Glaukos,  die  in  ihrem  nördlichen 
Theile  noch  von  einigen  kleineren  Bächen  durchflössen  wird,  unter 
und  auf  einem  mit  dem  Panachaikon  zusammenhängenden  Hügel - 
rücken  (jetzt  Skatovuni  genannt)  lag.  Die  Fruchtbarkeit  des 
Landes  für  Viehzucht,  Ackerbau,  Garten-  und  Weinqultur  spiegelt 
sich  schon  in  den  Namen  der  alten  pelasgisch- ionischen  Ansie- 
delungen, aus  welchen  die  Stadt  erwuchs,  und  den  Sagen  von 
der  Gründung   derselben   wieder.     Zu  Eumelos,   dem   'Heerden- 


1)  Strab.  p.  388;  Paus.  c.  22,  1  ff.  (wo  §.  4  zu  lesen  ist:  vöcag  isqov 
tßtiv  "Eqiiov'  jLQ-aa  ['"'Aiici  codd. ]  (isv  r^  ^VVV  "^o  ovofia)]  Polyb,  IV, 
6  f.;  59  f.;  V,  94.;  Plut.  Oleom.  14  (vgl.  S.  322,  Anm.  2);  Ptol.  III,  16, 
15;  Steph.  Byz.  u.  ^ccqai',  über  die  Ruinen  Pouillon-Boblaye  p.  21. 

2)  Paus.  c.  22,  6  ff.;  Strab.  p.  341;  vgl.  Polyb.  IV,  6  u.  ö.;  Plut. 
Cleom.  16  u.  Arat.  11 ;  Steph.  Byz.  u.  TQixaCa  u.  TgCzsia.  Dass  Triteia  eine 
Zeit  lang  zu  Arkadien  gehörte ,  beweist  das  von  Paus.  VI,  12,  8  erwähnte 
Epigramm  auf  der  Statue  des  Faustkämpfers  Agesarchos:  dies  geschah 
wahrscheinlich  zur  Zeit  der  höchsten  Macht  Arkadiens,  bald  nach  der 
Gründung  von  Megalepolis  (vgl.  Cic.  ad  Att.  VI,  2,  3,  wornach  Dikäarch 
Triteia  zu  Arkadien  gerechnet  zu  haben  scheint) ,  nicht  erst  durch  die 
Römer,  wie  Brunn  Geschichte  der  griech.  Künstler  I  S.  538  annimmt. 
Ruinen  von  Kastritza  Leake  Morea  II  p.  117. 


6.   Acliaia.  325 

'eiclien',  dem  eingebornen  ältesten  Herrscher  des  Landes,  kam, 
wie  die  Sage  berichtet,  Triptolemos  und  lehrte  ihm  den  Getreide- 
bau, worauf  er  eine  Ortschaft  Aroe  ('Ackerland')  und  in  Ge- 
meinschaft mit  Triptolemos  eine  zweite,  Antheia  ('die  Blüthen- 
reiche')  griindete;  zwischen  beiden  wurde  dann  noch  eine  dritte, 
die  Mesatis  ('die  Mittlere')  angelegt,  deren  Bewohner,  wie  die 
hier  localisirten  Sagen  von  der  Erziehung  des  Dionysos  und  seiner 
Gefährdung  durch  die  Titanen  zeigen,  sich  hauptsächlich  dem 
Weinbau  widmeten.  Die  drei  Ortschaften  waren  durch  ein  reli- 
giöses Band,  den  gemeinsamen  Cultus  der  Artemis  Triklaria  in 
dem  Heiligthum  am  Flusse  Meilichos  (s.  oben  S.  312),  verbunden; 
auch  der  Cult  des  Dionysos  Aesymnetes,  welchen  die  Sage  mit 
der  Abschaffung  der  Menschenopfer  im  Dienst  "jener  Göttin  in 
Verbindung  setzte,  war  offenbar  den  drei  Orten  gemeinsam,  wie 
man  schon  aus  der  Zahl  von  neun  Männern  und  neun  Frauen, 
welchen  die  Hauptverrichtungen  im  Cult  dieses  Gottes  oblagen, 
schliessen  kann.  Die  Achäer  machten  Aroe  durch  Erweiterung 
und  Befestigung  zu  einer  Stadt,  welche  als  ausschliesslicher  Sitz 
der  herrschenden  Familien  den  Namen  Paträ  erhielt;  zu  ihrem 
Gebiete  gehörten  ausser  Mesatis  und  Antheia  noch  wenigstens 
vier  ländliche  Ortschaften  (Demen),  von  denen  wir  Arba  (von 
unsicherer  Lage),  Argyra  (vgl.  oben  S.  312)  und  Bolina  (vgl. 
ebendaselbst)  mit  Namen  kennen. ')  Der  Umfang  der  Stadt  war 
damals  geringer  als  zur  Zeit  des  Augustus  und  in  der  Gegenwart, 
denn  sie  beschränkte  sich  auf  den  westlichen  Abhang  des  Hügel- 
rückens (auf  welchem  ungefähr  auf  der  Stelle  des  jetzigen'Castells 
die  Akropolis  lag)  und  den  zunächst  unter  demselben  gelegenen 
Theil  der  Strandebene  und  war  durch  unbewohntes  Terrain  von 
ihrem  auf  künstlichem  Wege  durch  Dämme  aus  grossen  Stein- 
blöcken hergestellten  Hafen  getrennt;  erst  im  Jahre  419  v.  Chr. 
wurde  derselbe  auf  Anrathen  des  Alkibiades  durch  lange  Mauern 


')  Paus.  c.  18,  2—5,  c.  19  ii.  c.  20,  1;  vgl.  Etym.  M.  p.  147,  35;  für 
die  Bedeutung  des  Namens  ndtQut  vgl.  Steph.  Byz.  ii.  ndtga.  In  An- 
theia {-auTcc  zr]v  'Jvd'toav  %(uQav)  wurde  Demeter  als  norrjQiocpoQog  ver- 
ehrt: Athen.  XI  p.  460 «J.  Die  Angabe  des  Strabon  p.  337  TLuxqcci  d^  i^ 
tnta  [di]^(ov  avvsnoUod'rjauv]  beziehe  ich  auf  die  ursprüngliclie  Grün- 
dung »'nicht  wie  Curtius  (Pel.  I  S.  437)  auf  eine  'zweite  P]rweiterung[etwa 
um  die  Zeit  der  Perserkriege',  von  der  sich  in  der  Ueberlieferung  keine 
Spur  findet. 

«URSrAN,   (JKOUU.    II.  22 


326  n.  Peloponiiesos, 

nach  dem  Muster  des  atheiilsclien  mit  der  Ringmauer  der  Stadt 
verbunden.  *)  Als  Ilafenplatz  spielte  diese  auch  in  den  Kämpfen 
des  neuen  achäischen  Bundes,  zu  dessen  Begründern  sie  gehörte, 
gegen  die  Aetoler  eine  nicht  unbedeutende  Rolle;  im  Todeskampfe 
des  Bundes  gegen  Rom  erlitt  sie  noch  vor  dem  letzten  Acte  dieses 
blutigen  Dramas  einen  schweren  Schlag,  indem  ihre  ganze  Mann- 
schaft auf  dem  Rückzuge  nach  der  Niederlage  der  Achäer  bei 
Skarpheia  in  Phokis  durch  Metellus  aufgerieben  wurde,  ein  Schlag, 
welcher  den  Ueberrest  der  Bevölkerung  in  solche  Verzweifeln ng 
stürzte,  dass  die  meisten  Bewohner  die  Stadt  verhessen  und  sich 
in  die  ländlichen  Ortschaften  ihres  Gebietes  zurückzogen.^) 

Die  Wichtigkeit,  welche  die  Stadt  trotzdem  als  Handels-  und 
Hafenplatz  hatte,  war  die  Ursache,  dass  Augustus  nach  der  Schlacht 
bei  Aktion  eine  römische  Militärcolonie  dahin  führte  und  die 
Bewohner  anderer  achäischer  Ortschaften  veranlasste,  dort  ihren 
Wohnsitz  zu  nehmen.  Die  von  den  Römern  mit  Abgabenfreiheit 
und  bedeutendem  Grundbesitz  nicht  nur  im  westlichen  Achaia, 
sondern  auch  im  südlichen  Aetolien  und  im  Gebiet  der  ozolischen 
Lokrer  beschenkte  Colonia  Augusta  Aroe  Patrensis  wurde 
nun  eine  der  blühendsten  und  bevölkertsten  Städte  Griechenlands. 
In  der  Bevölkerung  überwog  das  weibhche  Element  bedeutend 
und  nicht  eben  zum  Vortheil  der  Sittlichkeit,  indem  zahlreiche 
Frauenzimmer,  welche  von  der  Verarbeitung  des  aus  Elis  her- 
beigeschaflften  Byssos  zu  Gewändern  und  Haarnetzen  lebten,  auch 
einen  leichteren  aber  weniger  ehrenvollen  Nebenverdienst  nicht 
verschmähten.^)    Die  damalige  Stadt,  von  welcher  uns  durch  Pau- 


0  Thuk.  V,  52  (vgl.,  II,  83  f.);  Plut.  Alcib.  15;  über  die  Reste  dieser 
Mauern  und  der  Hafendämme  vgl.  Dodwell  Class.  u.  topogr.  Reise  I,  1, 
S.  161  f.  d.  d.  Ueb. 

«)  Polyb.  XL,  3,  vgl.  c.  6;  dagegen  lässt  Paus.  c.  18,  6  (vgl.  X,  22,  6) 
die  Paträer  den  Aetolern  beim  Einfalle  der  Kelten  279  v.  Chr.  zu  Hülfe 
eilen  und  dabei  so  schwere  Verluste  erleiden,  dass  die  Mehrzahl  der  Be- 
wohner die  Stadt  verlässt;  allein  dem  widerspricht  nicht  nur  die  bestimmte 
Angabe  des  Polybius,  dass  die  Niederlage  der  Paträer  in  Phokis  ßgctxH 
XQOvm  TtQÖrsQOv  (vor  der  Katastrophe)  erfolgt  sei,  sondern  auch  die  häu- 
fige Erwähung  von  Paträ  in  der  Geschichte  des  sog.  Bundesgenossenkrieges 
bei  Polybius,  welche  uns  nicht  gestattet,  die  Nachrichten  des  Pausanias 
und  des  Polybius  auf  zwei  verschiedene  Begebenheiten  zu  beziehen. 

3)  Paus.  c.  18,  7;  c.  19,  14;  X,  38,  9;  Strab.  p.  387  u.  p.  460;  Plin^ 
N.  h.  IV,  4,   11.     Colonialmünzen:  Eckhel  D.  N.  V.  II,  1,  p.  256.     Dass 


6.  Achaia.  327 

saiiias  eine  ziemlich  detaillirte  Beschreibung,  aber  nur  wenige 
architektonische  und  plastisclie  Ueberreste  erhalten  sind^)  —  eine 
Folge  der  ununterbrochenen  Bewohnung  des  Platzes,  durch  welche 
die  Fundamente  der  älteren  Gebäude  durch  die  neueren  verdeckt, 
die  Trümmer  jener  zur  Herstellung  dieser  verbraucht  worden 
sind  — ,  erstreckte  sich  von  der  die  Ebene  beherrschenden  An- 
höhe ,  dem  westlichsten  Vorsprunge  des  mehrfach  erwähnten 
Ilugelruckens,  welche  die  Akropolis  trug,  bis  unmittelbar  ans 
Meer.  Die  Akropolis  enthielt  ein  Heiligthum  der  Artemis  La- 
phria,  deren  Cult  wohl  erst  mit  dem  chryselephantinen  Cultbilde, 
welches  die  Göttin  als  Jägerin  darstellte,  aus  Kalydon  durch 
Augustus  hierher  verpflanzt  wurde:  die  Burggöttin  der  älteren 
griechischen  Stadt  war  jedenfalls  die  Athene  Panachais,  welcher 
auch  in  der  römischen  Zeit  ein  innerhalb  des  Peribolos  des  Ar- 
temisheiligthums  stehender  Tempel  geweiht  war.  2)  .  Die  Strasse 
von  der  Akropolis  nach  dem  Marktplatze  führte  an  einem  Ileilig- 
Ihume  der  Kybele  ('der  Dindymenischen  Mutter'),  in  welchem 
auch  Attis  verehrt  wurde,  vorüber.  An  der  Ostseite  des  Markt- 
platzes, dessen  Mittelpunkt  wahrscheinlich  das  Grab  des  mythi- 
schen Stadigründers  Patreus  und  eine  Statue  der  Athene  be- 
zeichnete, stand  das  Olympion,  ein  mit  Ausnahme  der  steinernen 
Säulen  und  Architrave  aus  Ziegeln  erbauter  Tempel  des  Zeus 
Olympios,  in  dessen  Cella  der  Gott  auf  einem  Thronsessel  sitzend, 
daneben  Athene  stehend  dargestellt  war;  gegenüber,  wahrschein- 
lich durch  die  von  der  Burg  her  führende  Strasse  davon  getrennt, 
eine  Statue  der  Hera  Olympia  und  ein  Heiligthum  des  Apollon 
mit  einem  Erzbilde  des  Gottes,  welches  denselben  nackt,  aber 
mit  Schuhen  an  den  Füssen,  einen  Fuss  auf  einen  Stierschädel 
setzend,    darstellte. 3)     Ein  mit  vergoldeten   Statuen  des  Patreus, 


schon  vor  der  Gründung  der  Colonie  römische  Kaufleute  in  Paträ  ansässig 
waren,  zeigt  Cic.  Ep.  ad  fam.  XIII,  17,  1  u.  50,  1.  Fortdauer  der  We- 
berei bis  ins  12 te  Jahrh.  n.  Chr.:  vgl.  Constantin.  Vita  Basilii  Maced. 
l>.  142  ed.  Venet. 

*)  Vgl.  über  diese  Dodwell  a.  a.  O.  S.  158  ff.;  Leake  Morea  II  p.  131 
öS.;  Archäol.  Anzeig.  1854,  N.  67.  68.  S.  479. 

*)  Paus.  c.  18,  8  ff.;  c.  20,  2;  dass  der  Cult  der  Laphria  aus  Kalydon 
stammt,  bezeugt  Paus,  auch  IV,  31,  7,  also  ist  auch  der  von  Paus,  be- 
schriebene tQonog  int-xcogiog  Q^vaCaq  als  ursprünglich  kalydonischer 
J'raucli  zu  betrachten. 

=')  I'huh.  c.  20,  3  ff.;  I'lin.  N.  h.  XXXV,  14,  172;  der  letztere  orwUhnt 

22* 


328  H.  Peloponnesos. 

Preiigenes  und  Atlierion  gesclimückles  Thor,  das  offenbar  den 
Ilaupteingang  der  Agora  bezeichnete,  [trennte  dieses  Apollonhei- 
ligthum  von  dem  geräumigen  Temenos  der  Artemis  Limnatis, 
welches  ausser  dem  Tempel  dieser  Göttin  noch  andere  Heilig- 
thümer,  zu  denen  man  durch  die  offenbar  das  Temenos  an  allen 
vier  Seiten  umschliessenden  Säulenhallen  gelangte,  enthielt:  so 
ein  Heiligthum  des  Asklepios  und  eins  der  Athene ;  vor  letzterem 
zeigte  man  das  Grab  des  Preugenes,  dem  ebenso,  wie  seinem 
Sohne  Patreus,  alljährlich  beim  Feste  der  Limnatis  Todtenopfer 
dargebracht  wurden.  Unmittelbar  an  die  Agora  stiess  ferner  das 
besonders  reich  geschmückte  Odeion ;  in  geringer  Entfernung  von 
dem  Platze  stand  auch  das  jedenfalls  nach  römischer  Weise  ganz 
auf  einem  künstlichen  Unterbau  ruhende  Theater ,  in  dessen  Nähe 
Tempel  der  Nemesis  und  der  Aphrodite,  ein  Heiligthum  des^'Dio- 
nysos  Kalydonios  (so  genannt,  weil  das  Cultbild  aus  Kalydon  her- 
übergeschafft worden^war)  und  ein  Temenos  einer  einheimischen 
Frau  (den  Namen  derselben  hat  uns  Pausanias  leider  verschwiegen; 
wahrscheinlich  galt  sie  als  Amme  und  Pflegerin  des  Dionysos)  mit 
drei  Dionysosbildern,  die  nach  den  drei  alten  Gauorten  benannt 
waren  (Aroeus,  Antheus,  Mesateus),  sich  befanden.  An  der  vom 
Marktplatze  nach  dem  Meere  führenden  Strasse  lag  rechts  ein 
Heiligthum  des  Dionysos  Aesymnetes,  weiter  abwärts  ein  Heilig- 
thum der  Soteria  (wahrscheinlich  der  römischen  Salus);  am  Hafen, 
dem  zunächst  Erzbilder  des  Ares  und  des  Apollon  und  ein  Akro- 
lith  der  Aphrodite  aufgestellt  waren,  ein  Tempel  des  Poseidon 
und  zwei  Heiligthümer  der  Aphrodite.  Ferner  zog  sich  am  Meere 
ein  Hain  mit  anmuthigen  Spaziergängen  und  Tempeln  (des  Apollon 
und  der  Aphrodite)  hin,  an  welchen  ein  Heiligthum  der  Demeter 
stiess ;  vor  dem  Eingang  zum  Tempel  derselben  war  eine  heilige 
Quelle,  gegen  den  Tempel  hin  von  einer  Mauer  umschlossen ,  von 
der  andern  Seite  durch  Stufen  zugänglich,  an  welcher  sich  Kranke 
vermittels  eines  Spiegels  Orakel  über  den  Ausgang  ihrer  Krank- 
heit holten :  offenbar  die  noch  jetzt  mit  einer  gewissen  Ehrfurcht 
betrachtete  Quelle  bei  der  verfallenen  Kirche  des  heiligen  Andreas 
südlich  von  der  jetzigen  Stadt,  welche  in  ein  überwölbtes  Bassin, 


neben  der  aedes  lovis  auch  die  des  Herakles  als  in  gleicher  Technik  er- 
baut: die  Lage  dieses  Herakleion,  das  nach  Plut.  Anton.  60  vom  Blitze 
getroffen  wurde,  während  Antonius  sich  in  Paträ  aufhielt,  ist,  da  Pau- 
sanias desselben  nicht  gedenkt,  nicht  zu  bestimmmeu. 


6.  Achaia.  329 

zu  dem  man  auf  vier  Stufen  hinabsteigt,  gefasst  ist.  Auch  zwei 
Heiligthümer  des  Sarapis  standen  in  der  Nähe  jenes  Haines. 
Endlich  wird  noch  ein  *  oberhalb',  d.  h.  wohl  nördhch  von  der 
Akropolis  in  der  Nähe  des  nach  Mesatis  führenden  Thores  ge- 
legenes Heiligthum  des  Asklepios  erwähnt.^) 

Als  Pausanias  Paträ  besuchte,  bestand  in  der  Stadt  jeden^ 
falls  schon  eine  christliche  Gemeinde ;  denn  wenn  auch  die  Legende, 
welche  den  Apostel  Andreas,  den  Schutzheiligen  der  Stadt,  hier 
unter  dem  Proconsul  Aegeates,  nachdem  er  eine  zahlreiche  christ- 
liche Gemeinde  gestiftet,  den  Märtyrertod  am  Kreuz  erleiden 
lässt,2)  als  unhistorisch  bezeichnet  werden  muss,  so  ist  es  doch 
unzweifelhaft,  dass  die  Stadt  neben  Korinth  einer  der  ersten  Aus- 
gangspunkte der  Christianisirung  der  Halbinsel  gewesen  ist,  eine 
Mission,  die  sie  zum  zweiten  Male  im  9.  Jahrhundert  an  den  in 
den  Peloponnes  eingedrungenen  Slaven  erfüllte.  Obschon  im  Jahre 
551  durch  ein  Erdbeben  schwer  heimgesucht,^)  blieb  sie  doch 
das  ganze  Mittelalter  hindurch  und  in  der  neueren  Zeit,  unter  der 
Herrschaft  der  Byzantiner  wie  der  P'ranken,  der  Venetianer  wie  der 
Türken,  eine  der  festesten,  volkreichsten  und  gewerbfleissigsten 
Städte  Griechenlands.  Im  griechischen  Befreiungskampfe  pflanzte 
sie  als  eine  der  ersten,  am  4.  April  1821,  das  Kreuz  als  Zeichen 
der  Unabhängigkeit  auf,  wofür  sie  nach  wenigen  Tagen  durch 
völlige  Einäscherung  und  Plünderung  durch  Jussuf,  den  Pascha 
vonEuboia,  büssen  musste  (15.  —  20.  April)."*)  Aber  sie  erhob 
sich  wieder  aus  ihrer  Asche  und  ist  jetzt  der  wichtigste  Handels- 


')  Paus.  c.  20,  6  ff.  Meine  topographische  Ansetzung  der  Gebäude 
am  und  in  der  Nähe  des  Marktes  weicht  von  der  von  Curtius  (Pel.  I,  S. 
443  f.)  angenommenen  besonders  darin  ab,  dass  ich  die  von  Paus.  c.  20, 
7  erwähnte  ^'^odog  od.  dtf|o^os' für  verschieden  halte  von  der  odog  ig  tu 
inl  %'aXdaari  rrjg  nolscag  c.  21,  6.  Dass  die  Stadt  sich  ostwärts  über 
die  Akropolis  hinaus  erstreckt  habe,  scheint  mir  nach  der  Beschaffenheit 
des  Terrains  kaum  denkbar:  ich  fasse  daher  vnsQ  tiqv  d-ngonoXiv  bei 
Paus.  c.  21,  14  im  Sinne  von  'jenseit  der  Akropolis'  auf.  Darstellung 
des  Hafens  der  Stadt  auf  römischen  Kaisermünzen:  vgl.  Eckhel  D.  N.  V. 
II,  1,  p.  257. 

*)  Vgl.  Uqu^sig  xat  (iuqtvqiov  tov  äyCov  dnoaxolov  *Av8qiov  in 
Acta  apostojorum  apocrypha  ed.  Tischendorf  (Lips.  1861)  p.  106  ss. 

>)  Procop.  de  hello  Goth.  IV,  26  p.  596  ed.  Dindorf. 

*)  Vgl.  Gervinus  Geschichte  des  19ten  Jahrhunderts  V,  S.  187  u. 
190;  Mendelssohn  Bartholdy  Geschichte  Griechenlands  von  der  Eroberung 
Konstantinopels  bis  auf  unsere  Tage  I,  S.  191  f.  u.  ö.  197. 


330  n.  Peloponncsos. 

platz  des  westlichen  Griechcnlantls,  neben  Athen,  Korfu  undllermupo- 
lis  auf  Syra  die  volkreichste  und  bedeutendste  Stadt  des  Königreichs. 
Die  östliche  Gränze  des  Gebiets  von  Paträ  war  in  älterer 
Zeit  der  Kamm  des  Panachaikon,  an  der  Küste  die  Landspitze 
Drepanon;  die  östlichen  Abhänge  des  Gebirges  und  der  Kusten- 
saum  vom  Drepanon  bis  zur  Mundung  des  Meganitas  bildeten  die 
Rh y pike,  das  Gebiet  der  Stadt  Rhypes  (auch  Rhypä  und 
Arype  geschrieben),^)  das  sich  gegen  Süden  weit  landeinwärts 
bis  zum  Gebiet  von  Tritäa  erstreckte.  Die  Stadt,  deren  Rürger 
Myskellos  als  Gründer  von  Kroton  in  Unteritalien  galt,  gerieth 
frühzeitig  in  Verfall,  vielleicht  zum  Theil  in  Folge  von  verhee- 
renden Naturereignissen,^)  hauptsächlich  aber  wohl,  weil  weder 
die  Bodenbeschaffenheit  ihres  Gebietes  für  den  Ackerbau,  noch 
die  Küstengestaltung  —  die  als  Hafenplatz  benutzte  Bucht  Eri- 
neos  (vgl.  oben  S.  313)  war  I72  Stunden  gegen  Nordwesten  von 
der  Stadt  entfernt  —  für  den  Seeverkehr  günstige  Chancen  dar- 
bot. In  Folge  dieses  Verfalls  bemächtigte  sich  wahrscheinlich 
die  Nachbarstadt  Aegion  der  Küstenstrecke  derRhypike;  im  süd- 
lichsten Theile  derselben  aber  behauptete  sich  Leontion,  eine 
mitten  im  Gebirgslande  an  einem  Seitenarme  des  oberen  Selinus 
gelegene  befestigte  Ortschaft  (von  welcher  noch  Ruinen  südlich 
vom  Dorfe  Guzumistra  erhalten  sind)  als  selbständiges  Glied  des 
Rundes,  in  welchem  es  die  Stelle  von  Rhypes  einnahm.^)  Doch 
scheint  dieser  letztere  Ort,  dessen  Stelle ,  nahe  dem  rechten  Ufer 
des  Tholopotamos  genannten  Raches,  jetzt  noch  durch  wirr  durch- 
einanderliegende Steine  bezeichnet  wird ,  erst  zur  Zeit  des 
Augustus  gänzlich  verödet  zu  sein,  welcher  die  Reste  der  Re- 
wohner  nach    Paträ    versetzte  nnd   den   südlicheren   Theil   ihres 


*)  'Pvnsg  Herod.  T,  145;  Aeschyl.  frg.  326  DincL;  Strab.  p.  386  s.; 
Paus.  c.  6,  1  u.  ö.;  'Pvnca  od.  'PvTtciLr]  nach  Steph,  Byz.  u.  d.  W.;  ^Aqv-nri 
nach  Steph.  Byz.  p.  129,  11  Mein.;  vgl.  Meinekes  Note  u.  Etym.  M,  p. 
150,  55. 

2)  Auf  solche  scheint  mir  die  Bezeichnung  yiEQa.vviag  '^Pvnccq  in 
dem  Anm.  1  angeführten  Fragmente  des  Aeschylos  hinzudeuten. 

3)  Polyb.  II,  41;  für  die  Lage  des  Ortes  vgl.  dens.  V,  94,  dazu  Leake 
Morea  III  p.  419  s.;  Dodwell  class.  u.  topogr.  Reise  II,  2,  S.  347  d.  d. 
Ueb.  Der  Name  Aeovxiov  ist  wahrscheinlich  auch  bei  Strab.  p.  387  für 
Asv-AXQOV  (dessen  Identität  mit  Leontion  schon  Pouillon-Boblaye  Recher- 
ches  p.  22  vermuthet  hat)  herzustellen.  Ethnikon  Asovriccvog  Apollo- 
nios  bei  Steph.  Byz.  p.  507,    16  ed.  Mein.;  AeovtrjoLoe  Polyb.  XXVI,  1. 


6.  Achaia.  331 

Gebiets  ebenso  wie  die  Nachbarorte  Tritäa  und  Pharä  zum  Ge- 
biete dieser  Stadt  zog,  während  die  Küstenstrecke  im  Besitz  von 
Aegion  blieb.')  » 

Diese  gegen  30  Stadien  östlich  von  l^hypes  auf  der  Stelle 
des  jetzigen  Vostiza  gelegene  Stadt  war  ursprünglich  auf  ein  sehr 
unbedeutendes  Gebiet  —  den  schmalen  Streifen  zwischen  den 
Flüssen  Meiganitas  und  Selinus  von  der  Küste  bis  zu  dem  1613 
Meter  hohen  Berge  Barbas,  einer  südöstlichen  Verzweigung  des 
Panachaikon  —  beschränkt,  das  sie  allmälig  in  Folge  des  Ver- 
falles beziehendlich  Unterganges  ihrer  beiden  Nachbarstädte  Rhypes 
und  Helike  gegen  Westen  wie  gegen  Osten  beträchtlich  erwei- 
terte. Doch  hatte  sie  frühzeitig  trotz  ihres^  beschränkten  Ge- 
bietes eine  grosse- Bedeutung  erlangt  als  religiöser  und  politischer 
Mittelpunkt  des  achäischen  Bundes  (vgl.  oben  S.  316),  eine  Stel- 
lung, die  sie  theils  ihrer  centralen  Lage,  theils  dem  in  ihr  be- 
sonders eifrig  gepflegten  Zeuscult  verdankte.  Die  alte  Stadt 
zerfiel  ebenso  wie  das  jetzige  Vostiza  in  zwei  Hälften :  eine  obere, 
auf  einer  ganz  aus  bröckeligem  Sandconglomerat  bestehenden 
Anhöhe  gelegene,  und  eine  untere  unmittelbar  an  der  jetzt  wie 
im  Alterthum  als  Hafen  dienenden  Meeresbucht,  welche  gegen 
Osten  wie  gegen  Westen  durch  dreieckige  flache  Landspitzen  ge- 
schützt wird.  Die  Communication  zwischen  beiden  Stadttheilen 
wird  durch  einen  hohen  gewölbten  Gang  vermittelt,  der  innerhalb 
des  lockeren  Terrains  des  Hügels  auf  die  obere  Fläche  desselben 
emporführt,  eine  Anlage,  für  welche  wahrscheinlich  die  Natur 
selbst  durch  eines  der  heftigen  Erdbeben,  welche  in  alter  und 
neuerer  Zeit  die  Stadt  heimgesucht  haben, ^j  der  Menschenhand 
vorgearbeitet  hat.  Diese  Erdbeben  sind  auch  die  Ursache,  dass, 
abgesehn  von  einigen  plastischen  Werken,  welche  von  der  Blüthc 
der  Stadt  in  römischer  Zeit  Zeugniss  geben,  sich  nur  sehr  wenige 


^)  Paus.  c.  18,  7;  c.  23,  4;  Strab.  p.  387,  wo  zu  schreiben  ist:  rrjv 
8s  ;|rwpav  '  Pvnidce  nalovfievrjv  h'G%ov  Alyistg  x«l  Hargsig  (statt  0a- 
Qietg).     Bei  Scyl.  Per.  42  wird  'Pvnsg  noch  als  Stadt  erwähnt. 

')  Die  bedeutendsten,  welche  speciell  in  Aegion  (Vostiza)  zerstörend 
wirkton,  waren  das  vom  Jahre  23  n.  Chr.  (Tac.  Ann.  IV,  13;  Sen.  Quaest. 
nat.  VI,  25),  das  vom  23.  Aug.  1817  und  das  vom  2ö.  Dec.  1861:  vgl.  1. 
Schmidt  bei  Wygo  An  excursion  in  the  Peloponnesus  II,  p.  339  ss.  —  Lu- 
cret. VI,  .585  verwechselt  wahrscheinlich  Aegiuni  mit  liura. 


332  11.  Pcloponncsos. 

und  sehr  unscheinbare  Reste  des  alten  Aegion  erhalten  haben, ^) 
so  dass  wir  für  die  Topographie  desselben  fast  ausschliesslich  auf 
die  Beschreibung  des  Pausanias  angewiesen  sind.  Dieser  erwähnt, 
von  Westen  her  kommend,  zunächst  eine  noch  ausserhalb  der 
Stadt  zu  Ehren  des  Athleten  Stralon  aus  Alexandreia,  der  Olymp. 
178  (68  V.  Chr.)  in  Olympia  am  gleichen  Tage  im  Pankralion 
und  im  Ringkampfe  gesiegt  hatte,  errichtete  Halle ;2)  sodann, 
olfenbar  innerhalb  der  oberen  Stadt,  ein  altes  Heiligthum  der 
Eileithyia  und  nicht  weit  davon  ein  Temenos  des  Asklepios;  ferner 
Tempel  der  Athene  und  der  Hera ,  das  Theater  mit  einem  be- 
nachbarten Heiligthum  des  Dionysos,  und  die  Agora,  an  welcher 
ein  Temenos  des  Zeus  Soter,  ein  gemeinsamer  Tempel  des  Apollon 
und  der  Artemis,  ein  der  Artemis  allein  geweihtes  Heiligthum  und 
das  Grab  des  Herolds  Talthybios  lagen.  Am  Strande,  also  in  der 
unteren  Stadt,  lagen  nach  seiner  Angabe  neben  einander  (jeden- 
falls in  der  Richtung  von  Westen  nach  Osten)  die  Heiligthümer 
der  Aphrodite,  des  Poseidon,  der  Kora,  des  Zeus  Homagyrios 
und  der  Demeter  Panachäa,  ausserhalb  der  Reihe,  wahrscheinlich 
etwas  w^eiter  landeinwärts,  ein  Heiligthum  der  Soteria,  deren 
Bild  nur  für  das  Cultpersonal   sichtbar  war.  ^)     Von   allen  diesen 


*)  Vgl.  Leake  Morea  III,  p.  185  ss.;  Curtius  Peloponnes  I,  S/461  f.; 
über  einige  neuerdings  gefundene  plastische  Werke  Conze  u.  Michaelis 
Annali  XXXIII,  p.  62  s.;  Wyse  a.  a.  O.  p.  243  s.  Von  den  bei  Curtius 
erwähnten  Grundmauern  eines  Gebäudes  auf  einem  östlich  von  der  jetzigen 
Stadt  gelegenen  Hügel,  unter  welchem  sich  mannshohe  Gänge  erstrecken 
von  3  Fuss  Breite ,*  theils  im  Quaderbau  ausgeführt,  theils  in  den  Felsen 
gegraben,  an  den  Seiten  mit  festem  Stuck  bekleidet,  nebst  flaschenför- 
migen  Cisternen,  durch  welche  sie  mit  dem  oberenj,  Gebäude  in  Verbin- 
dung gestanden  haben,  habe  ich  bei  meinem  Besuch  der  Stadt  im  Mai 
1854  keine  Spur  entdecken  können.  Ich  fand  auf  einem  in  die  Strandebene 
vorspringenden  mit  Korinthen  bepflanzten  Hügel  östlich  von  der  unteren, 
nördlich  von  der  oberen  Stadt  ein  einziges  antikes  Werkstück,  das  noch 
an  seinem  Platze  zu  stehn  schien,  und  das  Fragment  einer  uncanelirten 
Säule,  aber  keine  Spur  von  unterirdischen  Gängen;  ausserdem  bemerkte 
ich  nur  einen  ganz  niedrigen  Hügel  östlich  von  der  oberen  Stadt,  auf 
welchem  der  Gottesacker  und  eine  Kirche  liegen,  von  antiken  Eesten  aber 
sich  gar  Nichts  vorfindet. 

2)  Paus.  c.  23,  5;  vgl,  Sexti  Julii  Africani  'OXv^tclccScov  dvccyQucpT] 
rec.  I.  Eutgers  (Leyden  1862)  p.  81  s. 

3)  Paus.  c.  23,  5  u.  c.  24,  3.  Die  ebd.  §.  4  erwähnten  Erzbilder  des 
jugendlichen  Zeus  und    des  jugendlichen  Herakles,  Werke  des  Ageladas, 


6.  Achaia.  333 

lleiligthümern  ist  keine  Spur  erhalten;  ;iur  das  reicliiicli  dem 
Strande  entquellende  Wasser,  das  Pausanias  als  'ebenso  lieblich 
anzuschauen  wie  zu  trinken'  bezeichnet,  ist  der  Unterstadt  als 
unvergängliches  Erbtheil  geblieben:  ein  neben  einer  mächtigen 
uralten  Platane,  die  sich  unmittelbar  am  Meeresufer  wie  eine 
ehrwürdige  Reliquie  des  Alterthums  erhalten  hat,  errichteter 
Brunnen,  aus  dessen  16  Röhren  eine  Fülle  des  frischesten,  rein- 
sten Wassers  hervorströmt,  bildet  den  Mittelpunkt  des  öffentlichen 
Lebens  der  Bewohner  des  heutigen  Vostiza.  Im  Meere  sieht 
man  noch  dem  Ufer  entlang  Steinblöcke  von  dem  antiken  Molo. 
Oestlich  von  der  Unterstadt  zog  sich  das  Homarion  oder  Ha- 
marion  hin,  ein  dem  Zeus  Homarios  (offenbar  Nebenform  zu 
Ilomagyrios)  geweihter  Hain  mit  einem  Altar  der  Hestia  als  Mittel- 
punkt, worin  nach  altem  Brauche  die  achäische  Bundesversamm- 
lung zusammentrat.  ^) 

Der  Fluss  Selinus  trennte  in  älteren  Zeiten  das  Gebiet  von 
Aegion  von  dem  von  Helike,  einer  vierzig  Stadien  östlich  von 
Aegion,  zwölf  Stadien  von  der  Rüste  entfernten  Stadt,  welche 
mit  ihrem  in  einem  Hain  unmittelbar  am  Meere  gelegenen  Hei- 
ligthum  des  Poseidon  Helikonios  den  religiösen  und  politischen 
Mittelpunkt  des  Aegialos  bildete,  solange  derselbe  im  Besitz  der 
lonier  war,  und  diesen,  nachdem  sie  von  den  als  Eroberer  in  ihr 
Land  eingedrungenen  Achäern  besiegt  worden  waren,  als  letzte 
Zufluchtsstätte  und  Ausgangspunkt  für  diejenigen,  welche  die  Aus- 
wanderung der  Unterwerfung  unter  die  Herrschaft  der  Eroberer 
vorzogen,    diente.     Die   Stadt    bestand   dann   fort   als    Glied   des 


lassen  sich,  da  sie  in  den  Häusern  der  je  auf  ein  Jahr  gewählten  Priester 
aufbewahrt  wurden,  topographisch  nicht  fixiren.  Auch  die  Sage  von  der 
Ernährung  des  Zeuskindes  durch  eine  Ziege  war  in  Aegion  localisirt: 
Strab.  p.  387;  desgleichen  die  offenbar  aus  Thessalien  stammende  Sage 
von  einer  Jungfrau  Phthia,  welcher  Zeus  in  Gestalt  einer  Taube  beige- 
wohnt habe:  Athen.  IX,  p.  395»;  Aclian.  Var.  bist.  I,  15.  —  Berühmt 
waren  die  Flötenspielerinnen  von  Aegion  nach  Antiphanes  bei  Athen.  I, 
\>.  27<*.  —  Spottverse  auf  die  Aegieer,  von  anderen  auf  die  Megarer  an- 
gewandt: Suid.  I,  2  p.  11  u.  n,^2  p.  1305  ed.  Bernhardy;  Zenob.  Prov. 
I,  48  u.  a. 

*)'0(iccQiov  Polyb.  V,  932(vgl.  II,  39);  'j^fiägiov  Strab.  p.  385  u. 
387.  Dass  der  Hain  ausserhalb  der  Stadt  nach  Helike  zu  lag,  also  nicht 
mit  dem  Hciligthum  des  Zeus  Homagyrios  identisch  war,  geht  aus  der 
zuletzt  angeführten  Stelle  hervor. 


334  H-  Peloponnesos. 

älteren  achäischen  Bundes  und  das  Heiligthum  genoss  auch  ferner- 
hin Verehrung,  besonders  von  Seiten  der  lonier  Kleinasiens, 
welche  ihr  Heiligthum  des  Poseidon  Ilelikonios  auf  dem  Vorge- 
birge Mykale,  das  sogenannte  Panionion,  als  ein  Filial  desselben 
betrachteten.  Aber  im  Jahre  373  v.  Chr.  (Ol.  101,  4)  wurde 
in  Folge  eines  furchtbaren  Erbebens,  das  auch  die  Nachbarstadt 
Bura  zerstörte,  das  Heiligthum  und  die  Stadt  selbst  mit  allen 
ihren  Bewohnern  —  die  Katastrophe  trat  ganz  plötzlich,  zur 
Nachtzeit  ein  —  von  den  wild  empörten  Meereswogen,  die  ein 
breites  Stück  des  flachen  Uferlandes  wegrissen,  verschlungen  und 
verschwand  so  spurlos  von  der  Erde;  nur  bei  ruhigem  Wetter 
glaubte  man  noch  nach  Jahrhunderten  unter  der  Wasserfläche  die 
Trümmer  der  Stadt  zu  erkennen  und  die  Fischer  behaupteten, 
dass  ihre  Netze  bisweilen  an  der  auf  dem  Meeresboden  aufrecht 
stehenden  Erzstatue  des  Poseidon,  die  einen  Hippokampen  in  der 
Hand  trug,  hängen  blieben.  Der  fromme  Glaube  der  Hellenen 
betrachtete  dieses  Unglück  als  eine  Offenbarung  des  Zornes  der 
Gottheit  über  einen  Frevel  der  Bewohner  der  Stadt,  die  nach 
der  einen  Tradition  Schutzflehende  aus  dem  Heiligthum  vertrieben 
und  getödtet,  nach  einer  anderen  Version  das  Gesuch  der  klein- 
asiatischen lonier  um  die  Auslieferung  des  Cultbildes  odec  wenig- 
stens um  die  Erlaubniss,  ein  getreues  Abbild  davon  Behufs  der 
Weihung  desselben  im  Panionion  zu  nehmen,  trotz  der  Bewil- 
ligung von  Seiten  der  achäischen  Bunde^ersammlung,  abge- 
schlagen hatten.^)  Von  dem  Gebiete  der  Stadt  wurde  die  auch 
fernerhin  mit  dem  Namen  Helike  bezeichnete  Küstenstrecke  ebenso 
wie  das  Küstenland  der  ehemaligen  Rhypike  von  den  Aegieern  in 
Besitz  genommen, 2)  das  Hochland  aber  bis  zur  arkadischen  Gränze 
blieb  im  Besitz  von  Keryneia,  einer  Stadt,  die  ursprünglich 
nur  eine  Bergfeste  der  Helikeer,  doch  frühzeitig,  wahrschein- 
lich in  Folge  der  Aufnahme  eines  Theiles  der  vertriebenen  My- 
kenäer,  zu  solcher  Bedeutung  gelangte,  dass  sie  als  selbständiges 
Bundesglied  an  die  Stelle  des  von  seinen  Bewohnern  verlassenen 
Aegä  trat.     Zur  Zeit  der   Stiftung  des  neuen   achäischen   Bundes 


1)  II.  B,  575;  0,  203;  Theoer.  Id.  XXV,  165;  Herod.  I,  145;  Strab. 
p.  384  s.;  Paus.  c.  24,  5  ff.;  Diod.  XV,  48  f.;  Aelian.  de  an.  XI,  19; 
Seneca  Quaest.  nat.  VI,  23;-26;  VIT,  5;  16;  Ovid.  Met.  XV,  293  ff.;  Plin, 
N.  h.  II,  92,  206. 

2)  Strab.  p.  387;  Paus.  c.  25,  4. 


6.  Achaia.  335 

wurde  sie  von  einem  Tyrannen  Iseas  beherrscht,  der  nach  dem 
Anschluss  der  Nachbarstädte  Aegion  und  Bura  an  den  Bund  (im 
Jahre  276)  seine  Herrschaft  freiwillig  niederlegte  und  die  Stadt 
dem  Bunde  zuführte,  an  dessen  Spitze  20  Jahre  später  einer 
ihrer  Bürger,  der  den  römischen  Namen  Marcus  führte,  als  erster 
Einzelstratege  trat.  Noch  Pausanias  besuchte  die  Stadt,  indem 
er  von  der  in  der  Strandebene  hin  führenden  Heerstrasse  nach 
rechts,  d.  h.  in  südlicher  Richtung  auf  die  Berge  stieg,  und  fand 
dort  ein  der  Sage  nach  von  Orestes  gegründetes  Heiligthum  der 
Eumeniden,  welches  nicht  jedermann  ohne  Weiteres  betreten 
durfte,  da  schuldbelleckte  und  gottlose  Leute  nach  der  Legende 
beim  Eintritt  in  dasselbe  von  Raserei  ergriffen  w^urden.  In  der 
Umgebung  der  Stadt,  von  welcher  noch  jetzt  Ruinen  oberhalb 
des  Dorfes  Rhizomylo,  eine  starke  Stunde  von  der  Küste,  vor- 
handen sind,  wurde  eine  besondere  Sorte  Wein  gebaut,  dessen 
r.enuss  Fehlgeburten  verursachen  sollte.^) 

Oestlich  vom  Kerynitbs  erstreckte  sich  bis  zu  dem  jetzt  Dia- 
kophto  genannten  Bache  das  Gebiet  von  Bura,  das  ungefähr  in 
der  Mitte  seiner  west-östlichen  Breite  seiner  ganzen  Länge  nach 
von  dem  Buraikos  durchflössen  wird.  Mit  Ausnahme  einer  ziem- 
lich schmalen  Strandebene  zu  beiden  Seiten  der  Mündung  dieses 
Baches  ist  es  reines  Bergland,  das  durchgängig  einen  an  arka- 
dische Landschaften  erinnernden  grossartigen,  zum  Theil  wilden 
Charakter  trägt.  Der  Bach  fliesst  vom  nordöstlichen  Ausgange 
der  Ebene  von  Kalavryta  an  in  einer  engen,  tief  eingeschnittenen 
Schlucht,  aus  welcher  man  2^1^  Stunden  nördlich  von  Kalavryta 
auf  vielfach  gewundenem  Pfade  ostwärts  emporsteigt  zu  einer 
mächtigen,  von  einer  steilen  gegen  600  Fuss  hohen  Felsenwand 
überragten  Höhle,  in  welche  das  grösste  und  reichste  Kloster  des 
Königreichs  Hellas,  Megaspiläon  [yiiya  ötctjXcclov  'die  grosse 
Höhle'),  in  der  Weise  eingebaut  ist,  dass  die  drei  untersten 
Stockwerke  den  Raum  bis  zur  Decke  der  Höhle  einnehmen,  die 
höheren  darüber  wie  Schwalbennester  an  die  glatte  Felswand 
angeheftet  sind.  Das  untei'stc  Stockwerk,  dessen  colossal  dicke 
Aussenwand  den  ganzen  Bau  stützt,  dient  zu  Kelhsrn  und  Nieder- 
lagen;   im  zweiten,   welches  aber  dem   zum  rechten  Seitenthorc 


')  Polyb.   II,   41   n.  43;    Strab.   p.  387;    Paus.   c.  6,  1;    c.  25,  5  ff.; 
Tlieophrast,  Ilist.  pl.  IX,  18,  11 ;  über  die  Kuiqen  Pouillon-Boblaye  p.  25  s. 


336  ii.  pniapüiiiiyyiii  i 

in  das  Kloster  Eintretenden  als  Erdgeschoss  erscheint,  steht  die 
Kirche  mit  einem  hochverehrten,  sehr  roh  gearbeiteten  Marien- 
bilde (wie  es  scheint  einem  bemalten  Holzschnitzwerke) ,  welches 
als  ein  Werk  des  Evangelisten  Lukas  gilt;  daneben  sprudelt  eine 
frische  Quelle,  bei  welcher  dieses  Muttergottesbild  durch  eine 
Jungfrau  Euphrosyne  gefunden  worden  sein  soll.  An  der  glatten 
Felswand  über  dem  Kloster,  auf  deren  Höhe  eine  Kapelle  mit 
Wohnungen  für  Mönche,  die  ein  Anachoretenleben  führen  wollen, 
und  eine  Art  Wartthurm  stehen,  zeigen  die  Mönche  drei  Kreuze; 
aber  es  gehört  viel  Phantasie  und  guter  Wille  dazu,  um  solche 
in  einigen  formlosen  Rissen  des  Felsens  zu  erkennen.  Der  ganze 
Bergabhang  unterhalb  des  Klosters  ist  durch  die  Thätigkeit  der 
Mönche  in  reichlich  grünende,  terrassenförmige  Gärtchen  umge- 
wandelt worden.^) 

Steigt  man  von  dem  Kloster,  nachdem  man  den  Buraikos 
überschritten ,  in  nördlicher  Richtung  auf  den  das  linke  Ufer  des 
Baches  überragenden  Bergrücken,  von  welchem  man  eine  herr- 
liche Aussicht  auf  den  korinthischen  Golf  und  das  ihn  im  Norden 
begränzende  Festland  geniesst,  empor,  so  gelangt  man  nach  etwa 
drei  Stunden  an  einen  gegen  Westen  in  ganz  schroffen  Fels- 
wänden, unter  welchen  Wasser  in  reicher  Fülle  hervorquillt,  ab- 
fallenden Berg,  welcher  von  den  Anwohnern  Idra  (d.  i.  wohl 
'"'Toga)  genannt  wird.  An  der  Südseite  und  einem  Theile  der 
Westseite  des  Berges,  bis  zu  den  Quellen,  ziehen  sich  um  eine 
Kirche  des  h.  Konstantinos,  welche  die  Stelle  eines  alten  Heilig- 
thums  einzunehmen  scheint,  unscheinbare  aber  ausgedehnte  Mauer- 
reste und  Fundamente  antiker  Gebäude  hin,  untermengt  mit 
grossen  Felsblöcken,  welche  jedenfalls  in  Folge  von  Erdbeben 
von  der  Höhe  des  Berges  herabgestürzt  sind,  wie  überhaupt  die 
ganze  Gegend  ein  eigenthümlich  zerrissenes  und  zerklüftetes  Aus- 
sehn hat.  Offenbar  ist  dies  die  Stätte  von  Bura,  welches  gleich- 
zeitig mit  Hehke  durch  Erdbeben  völlig  zerstört,  aber  von  dem 
der  Zerstörung  entgangenen  Theile  seiner  Bewohner  wieder  auf- 
gebaut ,  im  Jahre  275  nach  Ermordung  seines  Tyrannen  sich  dem 
neuen  achäischen   Bunde  anschloss  und   noch  von  Pausanias  be- 


')  Vgl.  über  das  wohl  von  jedem  Reisenden  in  Griechenland  besuchte 
Kloster  besonders  Vischer  Erinnerungen  S.  481  ff.;  E.  Schillbach  Zwei 
Reisebilder  aus  Arkadien  S.  25  ff.  u.  Wyse  An  excursion  in  the  Pelöpon- 
nesus  II  p.  188  ss, 


6.  Achaia.  337 

sucht  wurde,  der  darin  einen  Tempel  der  Demeter,  einen  ge- 
meinsamen Tempel  der  Aphrodite  und  des  Dionysos,  einen  Tempel 
dev  Eileithyia  und  ein  Heiligthum  der  Isis  erwähnt.  Da  die  unter 
der  Felswand  hervordringende  Quelle  im  Alterthum  den  Namen 
Sybaris  führte,  so  werden  wir  annehmen  dürfen,  dass  haupt- 
sächlich Buräer  die  Gründer  der  gleichnamigen  Stadt  Unteritaliens 
gewesen  sind.  ^) 

Ungefähr  eine  halbe  Stunde  nordwestlich  von  Bura  an  dem 
nach  der  Strandebene  hinabführenden  Wege,  nahe  dem  rechten 
Ufer  des  Kerynites,  finden  sich  zwischen  einigen  neuern  Häusern 
wiederum  Ueberreste  einer  antiken  Ortschaft,  besonders  eine 
Mauer,  die  man  noch  gegen  100  Schritt  weit  in  der  Höhe  von 
ein  bis  zwei  Steinlagen  verfolgen  kann:  wahrscheinlich  Ueberreste 
eines  zur  Zeit  des  Pausanias  (der  auf  dem  Wege  von  Helike  nach 
Bura  hier  vorübergekommen  sein  muss)  bereits  zerstörten  Demos 
der  Buräer.  ^j  In  gleicher  Entfernung  gegen  Nordosten  von  Bura 
in  der  Nähe  eines  jetzt  Trupäs  ('die  Löcher')  genannten,  dem 
Kloster  Megaspiläon  gehörigen  Gehöftes  bemerkt  man  in  einer 
P'elswand  neben  einander  drei  Grotten  von  massigem  Umfang  mit 
Nischen  zur  Aufstellung  von  Weihgeschenken  im  Innern  und  einem 
aus  dem  Felsen  gearbeiteten  Kopfe  über  dem  Eingange  der  mitt- 
leren; einige  Vertiefungen  in  der  Felswand,  die  offenbar  als 
Widerlager  für  Balken  dienten,  zeigen,  dass  vor  den  Grotten 
sich  ein  Vorbau  erhob,  der  als  eine  Art  Eingangshalle  zu  be- 
trachten ist.  Die  ganze  Anlage  war  ein  Heiligthum  des  Herakles, 
dessen  Statue,  unter  Lebensgrösse,  in  der  mittleren  Grotte  auf- 
gestellt war ;  daneben  lagen  Knöchel ,  von  denen  man  vier  nach 
einem  Gebet  an  Herakles  auf  einen  bereitstehenden  Tisch  warf 
und  so  mit  Hülfe  einer  erklärenden  Tafel,  welche  die  Bedeutung 
jedes  einzelnen  Wurfes  angab,  sich  Orakel  holte. ^) 

Die  östliche  Nachbarin  Buras,  die  am  Krathisflusse  nahe  der 
Mündung  desselben  —  etwa  bei  dem  jetzigen  Khan  von  Akrata; 


0  Polyb.  II,  41;  Strab.  I,  p.  54;  VIII  p.  385  s.;  Paus.  c.  25,  8  f.; 
Ptol.  III,  16,  15;  Steph.  Byz.  u.  Bovga. 

')  Die  modernen  Häuser  wurden  mir  ta  xa/lvßta  xi]q  Mafiovaiäg 
genannt;  sie  liegen  aber  nicht  an  der  auf  der  französischen  Karte  mit 
diesem  Namen  bezeiclineten  Stelle,   sondern  beträchtlich  weiter  nördlich. 

')  Paus.  c.  25,  10;  vgl.  die  Abbildung  der  Felsfa^ade  Expe'd.  de  Mor<?e 
ill  jd.  84,  1. 


338  H.  Peloponnesos. 

Ruinon  sind  freilich  nicht  mehr  zu  erkennen  —  gelegene  Stadl 
Aega  oder  Aegä  war  zur  ionischen  Zeit  hedeutend  als  zweite 
Ilauptstätle  des  Poseidoncultus  neben  Ilelike;  unter  achäischerl 
Herrschaft  kam  sie  mehr  und  mehr  zurück,  so  dass  endlich] 
—  etwa  in  der  Zeit  Alexanders  des  Grossen  —  der  schwache  * 
Ueberrest  der  Bevölkerung  nach  Aegira,  der  östlichen  Nach- 
harstadt,  übersiedelte  und  die  Stätte  von  Aegä  seitdem  verödet] 
lag;  das  Gebiet  war  um  den  Beginn  unserer  Zeitrechnung  im] 
Besitz  von  Aegion.*) 

Etwa  30  Stadien  östlich  vom  Krathis,  also  in  der  Nähe  des 
Baches  Vlogokitikos,  fand  Pausanias  ein  von  den  Umwohnern  Gäos 
(richtiger  wohl  Gäon)  genanntes  Ileiligthum  der  'breitbrustigen 
Erdgöttin'.*)  Etwas  weiter  östlich,  an  der  jetzt  Mavra  Litharia 
(^ die  schwarzen  Steine']  genannten  Bucht,  lag  der  Ilafenplatz  von 
Aegira,  der  weder  bemerkenswerthe  Gebäude  aufzuweisen  hatte, 
noch  mit  einem  besonderen  Namen  bezeichnet  wurde;  doch  darf 
man  vermuthen,  dass  ihm  ursprünglich  der  wahrscheinlich  von 
der  Schwarzpappel  {al'yeLQog)  herzuleitende  Name  Aegira  zukam, 
während  die  nicht  ganz  eine  halbe  Stunde  oberhalb  der  Küste 
auf  einer  steilen  Anhöhe,  dem  nördlichsten  Vorsprunge  des  jetzt 
Evrostina  genannten  Bergzuges  (höchster  Gipfel  1164  Meter),  ge- 
legene Stadt  wegen  dieser  ihrer  Lage  von  den  loniern  Hype- 
resia,,von  den  Achäern  Ilyperasia  genannt  wurde,  ein  Name, 
den  sie  erst  nach  Olympiade  23  mit  Aegira  vertauschte.^)  Sie 
nahm  zwei  terrassenförmige  Absätze  der  Anhöhe  ein:  einen  vor- 


1)  II.  ©,  203;  Herod.  I,  145;  Strab.  p.  385  ss.;  Paus.  c.  25,  12;  VIII, 
15,  9.  Für  die  Zeit  der  Verödung  der  Stadt  ist  beachtenswerth,  dass 
dieselbe  noch  in  dem  um  338  v.  Chr.  verfassten  Periplus  des  sog.  Skylax 
(§.  42)  erwähnt  wird. 

2)  Paus.  c.  25,  13,  wo  die  Codd.  6  Faiog  geben:  vgl.  V,  14,  10. 

^)  Dies  geht  daraus  hervor,  dass  im  Verzeichniss  der  Olympioniken 
Ol.  23  ^I-KKQLog  "  TnsQccGLSvg  als  Sieger  im  Stadion  aufgeführt  wird:  s. 
S.  lulii  Africani  'Oivfiniccöcov  avccyQcccpT]  rec.  I.  Rutgers  p.  8;  vgl.  Steph. 
Byz.  u.  Al'ySLQcc^  "Ttcsquoiu  u.  "TnsgrjGLa',  Paus.  c.  26,  1  £F.  Die  von 
diesem  mitgetheilte  Tradition  über  die  Entstehung  des  Namens  Aegeira 
ist  eine  an  den  Cult  der  Artemis  Agrotera  sieh  knüpfende  Legende.  Die 
Entfernung  der  Stadt  vom  Meere  wird  von  Poljb,  IV,  57  richtig  auf  7 
Stadien  (1200  Meter  nach  Pouillon-Boblaye  Recherches  p.  27)  angegeben: 
da  nach  Paus.  a.  a.  O.  der  Weg  vom  BnCvsLOv  nach  der  Oberstadt  12 
Stadien  betrug,    so  scheint  der  Landungsplatz  nicht  direct  nördlich  von 


6.   Achaia.  339 

(leren,  unmittelbar  über  der  Strandebene  gelegenen,  und  einen 
höheren,  durch  einen  unbedeutenden  Abhangs  aber  keine  Zwi- 
schenmauer von  jenem  getrennten,  welcher  die  Akropolis  und  ein 
Ileiiigthum  des  Zeus  mit  einem  Sitzbilde  dieses  Gottes  aus  pen- 
telischem  Marmor  (einem  Werke  des  Atheners  Eukleides)  und 
einem  Goklelfenbeinbilde  der  Athene  trug.  Ausserdem  erwähnt 
Pausanias  einen  Tempel  der  Artemis  mit  einem  neueren  Bilde 
dieser  Göttin  und  einem  alterlhümlichen  der  Iphigeneia  (d.  h. 
der  Artemis  Iphigeneia);  einen  sehr  alten  Tempel  des  Apollon 
mit  alterthümlichen  Sculpturen  in  den  Giebelfeldern  und  einem 
desgleichen  Colossalbilde  des  Gottes,  welches  er  für  ein  Werk 
eines  phliasischen  Künstlers  Laphaes  hält;  ferner  Tempel  des 
Asklepios,  des  Sarapis  und  der  Isis,  der  (Aphrodite)  Urania,  der 
Syrischen  Göttin;  endlich  eine  Capelle,  worin  Statuen  der  Tyche 
und  des  Eros  und  eine  Familiengruppe  —  Vater,  Schwestern]  und 
Brüder  um  einen  im  Kampfe  gefallenen  Jüngling  klagend  —  standen. 
Von  den  meisten  dieser  Gebäude  mögen  in  dem  ausgedehnten,  aber 
noch  nicht  ausreichend  untersuchten  Buinencomplex,  welcher 
jetzt  den  Namen  Paläokastro  trägt,  Ueberreste  vorhanden  sein.') 
Von  der  Akropolis  aus  führte  ein  40  Stadien  langer,  steiler 
Bergpfad  nach  Phelloe,  einem  zum  Gebiet  von  Aegira  gehörigen 
Städtchen,  welches  in  einer  äusserst  wasserreichen  Gegend  zwi- 
schen Weingärten,  von  wildreichen  Eichwaldungen  umgeben,  lag 
und  Heiligthümer  des  Dionysos  und  der  Artemis  besass.  In  der 
Strandebene  stand  zur  Bechten  der  vom  Ilafenplatze  ostwärts 
führenden  Strasse  ein  ebenfalls  noch  den  Aegiraten  gehöriges  Hei- 
ligthum  der  Artemis  Agrotera.  ^) 


der  Stadt,  sondern  etwas  weiter  östlich,  an  dem  speciell  tcc  iiavQa  Xi- 
^aqia  genannten  Platze,  wo  Leake  (Morea  III  p.  386  s.)  einige  antike 
Reste  vorfand,  gelegen  zu  haben.  Die  Münzen  mit  der  Aufschrift 
AiriPATAN  (Eckhel  D.  N.  V.  II,  1,  p.  534)  bezeugen  Al'yiQU  als  officielle 
^direibung:  vgl.  Etym.  M.  p.  28,  39. 

*)  Paus.  c.  26,  4  ff.;  dazu  Polyb.  II,  57  f.,  wo  die  Lage  der  Stadt 
in  prägnanten  Zügen  angegeben,  von  einzelnen  Oertlichkeiten  das  von 
Aegion  her  führende  Stadtthor,  die  jedenfalls  auf  dem  unteren  Absätze 
gelegene  dyOQCt  u.  die  ax^a,  welche  azBCxiatoq  war  (natürlich  nur  an 
der  Seite  gegen  die  übrige  Stadt)  erwähnt  sind,  lieber  die  Ruinen  vgl. 
Pouillon-Boblaye  Recherches  p.  27;   Curtius  Pel.  I,  S.  475. 

')  Paus.  c.  26,  10  f.  Nach  Leake  Morea  III  p.  389  sollen  einige 
lü!ste   von   Phelloe  am   Wege  von   Vlogok«    nach  dem  über  dem  rechten 


340  H.  Peloponuesos. 

Die  Ostgränze  der  Aegiratis  bildete  vvahrscheinUch  der  Bach 
von  Zakoli;  denn  das  über  dem  rechten  Ufer  desselben  aufstei- 
gende Chelydoreagebirge  gehörte  zu  seinem  grössten  Thcile  be- 
reits zum  Gebiete  von  Pelle ne  oder  Pellana,  dessen  Gränzcn 
hier  mit  denen  der  arkadischen  Pheneatis  zusammenstiessen.  ^) 
Seit  der  politischen  Sonderung  Sikyons  vom  Aegialos  die  öst- 
lichste Stadt  der  Landschaft,  bewohnt  von  einer  kräftigen,  tapferen 
Bevölkerung,  die  ausser  Viehzucht  einen  besonderen  Industrie- 
zweig, die  Fabrikation  dichter  Wollenzeuge  zu  Mänteln,  mit 
Erfolg  betrieb ,  fand  Pellene  in  seiner  Lage  wie  in  seinem  Selbst- 
gefühl Veranlassung,  sich  von  den  übrigen  Achäern,  als  dieselben 
mehr  und  mehr  in  politische  Ohnmacht  versanken ,  zu  trennen 
und  sich  an  seine  arkadischen  Nachbarn  anzuschliessen,  mit 
welchen  es  gleich  bei  Beginn  des  peloponnesischen  Krieges,  als 
die  Acliäer  noch  neutral  blieben,  auf  die  Seite  Spartas  trat,  dem 
es  auch  im  korinthischen  nnd  thebanischen  Kriege  ein  treuer 
Bundesgenosse  blieb.  ^)  Mit  Hülfe  Alexanders  des  Grossen  be- 
mächtigte sich  der  Bingkämpfer  Chäron,  der  viermal  in  Olympia 
gesiegt  hatte,  der  Herrschaft  über  die  Stadt,  weshalb  sein  Name 
bei  den  Bürgern  derselben  für  alle  Zeiten  geächtet  war.  Als  Glied 
des  neuen  achäischen  Bundes  wurde  sie  im  Jahre  224  vom  König 
Kleomenes  durch  einen  Handstreich  erobert,  im  Jahre  22]  ebenso 
von  den  Aetolern,  die  aber  durch  Aratos  sogleich  wieder  aus  der 


Ufer  des  nach  ihm  benannten  Baches  liegenden  stattlichen  Dorfes  Zakoli 
erhalten  sein. 

1)  Paus.  VIII,  17,  5:  vgl.  ebd.  c,  15,  8  u.  oben  S.  183  u.  201.  nsXX/ivr} 
ist  jedenfalls  die  ionische,  TLsXXava,  was  auch  auf  älteren  Münzen  er- 
scheint (vgl.  Curtius  Pel.  I,  S.  493),  die  achäische  Form.  Steph.  Byz.  u. 
nslXjjvri  bezeugt  auch  die  Form  TlsXXCva.  Schrift  des  Dikäarchos  IIbX- 
XrjvccLODV  TtoXitBiw.  Cic.  ad  Att.  II,  2,  2. 

2)  Thuk.  II,  9  (über  den  Anschluss  an  Arkadien  s.  oben  S.  189,  Anm.  1); 
Xen.  Hell.  IV,  2,  20;  VI,  5,  29;  VII,  1,  15  u.  ö.  Für  die  nsXXriVL-aal 
%Xttivai  s.  die  Zeugnisse  bei  H.  Blümner  Die  gewerbliche  Thätigkeit  der 
Völker  des  klassischen  Alterthums  S.  84  f.  u.  bei  B.  Büchsenschütz  Die 
Hauptstätten  des  Gewerbfleisses  im  klassischen  Alterthum  S,  72  f.  Nach 
Strabon  p.  386  war  dieser  von  Pausanias  nicht  mehr  erwähnte  Industrie- 
zweig zu  seiner  Zeit  aus  der  Stadt  verschwunden,  blühte  aber  noch  in 
einer  ebenfalls  Pellene  genannten,  zwischen  der  Stadt  und  Aegion  (richtiger 
wohl  Aegira)  gelegenen  -nayuri'.  diese  ist  nach  Leakes  Vermuthung  (Morea 
III  p.  389  s.)  identisch  mit  dem  von  Pausanias  erwähnten  Phelloe. 


6.  Acliaia.  341 

Stadt  hinausgeworfen  wurden,   ein  Ereigniss,   welches  durch  ein 
Gemälde  des  jüngeren  Timanthes  verewigt  war.  ^) 

Die  Stadt  lag  60  Stadien  oherhalb  der  Küste  auf  einer  nach 
dem  rechten  Ufer  des  Baches  Krios  steil  abfallenden  Hochfläche, 
in  deren  Mitte  sich  ein  kahler  und  schroffer  Felsrücken  in  der 
Richtung  von  Norden  nach  Süden  hinzieht:  dieser,  selbst  unbe- 
wohnt (nur  auf  dem  höchsten  Punkte  desselben  finden  sich  noch 
Reste  einer  Befestigung  von  geringem  Umfang  und  ein  Stück 
einer  canelirten  dorischen  Säule,  welches  auf  das  Vorhandensein 
eines  Tempels  an  dieser  Stelje  schliessen  lässt),  trennte  die  Stadt 
in  zwei  Hälften,  welche,  an  Umfang  verschieden,  wahrscheinlich 
jede  von  einer  hesonderen  Mauer,  die  sich  bis  zu  dem  Fels- 
rücken hinzog,  umgeben  waren.  An  beide  Hälften  schlössen  sich 
Vorstädte  an:  die  östliche  scheint  bis  an  die  Stelle  des  gerade 
über  dem  Abhänge  der  Hochfläche  nach  dem  Thale  des  Trikkala- 
flusses  (des  Sythas)  gelegenen  jetzigen  Dorfes  Zugra  gereicht  zu 
haben.  Noch  unterhalb  dieses  Dorfes,  an  dem  aus  dem  Fluss- 
thale  nach  der  Stadt  emporführenden  Wege,  stand  ein  Tempel 
der  Athena ,  deren  Goldelfenbeinbild  als  ein  Jugendwerk  des  Phei- 
dias  galt;  oberhalb  desselben,  wahrscheinlich  in  der  östlichen 
Vorstadt,  ein  mit  einer  Mauer  umgebener  Hain  der  Artemis  So- 
teira,  der  nur  von  den  aus  den  vornehmsten  Familien  der  Stadt 
gewählten  Priestern  betreten  werden  durfte,  wie  auch  der  An- 
blick des  Cultbildes  der  Göttin  nicht  nur  die  Menschen  mit  Ent- 
setzen erfüllen,  sondern  sogar  für  das  Leben  der  Pflanzenwelt 
tödtlich  sein  sollte.  Diesem  Hain  gegenüber  stand  ein  Heilig- 
thum  des  Dionysos  Lampter,  welchem  ein  Fest  Lampteria  mit 
einem  Fackelzuge  in  das  Heiligthum  und  Trinkgelagen  in  der 
ganzen  Stadt  gefeiert  wurde.  In  dem  östlichen  Stadttheile,  auf 
dessen  Stelle  noch  Reste  canelirter  dorischer  Säulen  und  eines 
dorischen  Frieses  erhalten  sind,  müssen  wir  die  von  Pausanias 
erwähnten  Tempel  des  Apollon  Theoxenios  (dem  zu  Ehren  Theo- 
xenia  genannte  Wettkämpfe  abgehalten  wurden)  und  der  Artemis, 
so  wie  die  Agora  mit  einem  von  einer  Gisterne  gespeisten  Brunnen 
—   das  Trinkwasser  wurde  aus  den  unterhalb  der  Stadt  entsprin- 


')  Paus.  c.  27,  7;  Demoath.  nFgl  tcov  ngog  *AIb^ccvSqov  avvd-rjxmv 
p.  214.  —  Polyb.  II,  52;  IV,  8;  I'lut.  Cleomcn.  17;  Arnt.  31  f.;  39; 
Polyän.  VIII,  59. 

BUBSIAN,    OEOUR.    li.  23 


342  II.  Peloponnesos. 

genden,  'Glykeiä'  d.  i.  die  Süssen  genannten  Quellen  geholt  —, 
in  dem  kleineren  westlichen  das  lleiligthuni  der  Eileithyia  suchen. 
Das  hauptsächlich  für  die  IJehungen  der  Kpliehen  hestininite 
Gyninasion  scheint  zwischen  heiden  Stadttheilen  gelegen  zu  haben, 
sei  es  nordlich  von  der  Akro[)olis,  wo  sich  zwischen  anderen 
antiken  Resten  die  Ruine  eines  Rundgehäudes  von  32  engl.  Fuss 
Durchmesser  findet,  sei  es  südlich,  wo  man  noch  Fundamente  von 
Gebäuden  und  glatte;  Säulenstümpfe  bemerkt.  Unterhalb  des  Gyni- 
nasions  lag  das  Poseidion,  in  älteren  Zeiten  eine  Aussengemeinde 
der  Pelleneer,  die  sich  offenbar  uni  ein  Ileiligthum  des  Poseidon 
herum  angesiedelt  hatte,  zu  Pausanias  Zeit  ein  öder  Platz,  der 
aber  immer  noch  als  dem  Poseidon  heilig   betrachtet  wurde. ') 

Der  Ilafenort  von  Pellene,  Aristonautä  {oder  wohl  rich- 
tiger Argonautä,  da  die  Tradition  den  Namen  mit  der  Argo- 
nautenfahrt in  Verbindung  brachte),  lag  120  Stadien  von  Aegira, 
also  an  der  Mündung  des  Sythas,  des  Gränzflusses  gegen  Sikyon, 
in  der  Gegend  des  jetzigen  Xylokastro.  Zum  Schutz  desselben 
und  der  von  da  im  engen  Thale  des  Sythas  nach  Pellene  hinauf 
führenden  Strasse  diente  wahrscheinlich  das  Castell  Oluros,  das 
im  Jahre  365  v.  Chr.,  während  die  Truppen  der  Pelleneer  in 
Elis  standen,  von  den  Arkadern  besetzt,  von  den  schleunigst 
heimgekehrten  Pelleneern  aber  nach  hartem  Kampfe  wieder  ge- 
nommen wurde;  später  scheint  es  bis  auf  den  Grund  zerstört 
worden  zu  sein,  da  Pausanias  es  nicht  erwähnt.  Statt  dessen 
nennt  derselbe  an  der  Strasse  von  Aegira  nach  Pellene  ein  den 
Sikyoniern   unterthäniges ,   von   diesen   zerstörtes   Städtchen   Do- 


')  Paus.  c.  27,  1  —  8  (wo  leider  der  Eintritt  aus  der  östlichen  Vor- 
stadt in  die  Stadt  selbst  nicht  bestimmt  markirt  ist);  dazu  die  Beschrei- 
bung der  Ruinen  bei  Leake  Morea  III,  p.  214  ss.  Die  ngodaTsia  und  das 
Ileiligthum  der  Artemis  [Soteira]  erwähnt  Plut.  Arat.  31  f.  Mit  den 
@8oh,Evia  ,  an  welchen  nach  Pausanias  nur  Einbeimische  Theil  nahmen 
und  bei  welchen  Geldpreise  ausgesetzt  wurden,  werden  von  anderen  Bericht- 
erstattern (s.  schol.  Pind.  Olymp.  VII,  156;  Olymp.  IX,  143  u.  146;  Nem. 
X,  82)  die  "Eq^ccia,  bei  welchen  UsXlrjvi'Kal  xlcctvai  als  Siegespreise 
für  Einheimische  wie  Fremde  dienten,  in  Verbindung  gesetzt.  Wahr- 
scheinlich war  also  dieser  schon  um  den  Beginn  unserer  Zeitrechnung 
nicht  mehr  gebräuchliche  Agon  (Strab.  p.  386  sagt:  ai  IlsXlrjVL'iial  %laL- 
vdi,  «S  Kcd  a&Xa  itid'eoav  iv  rotg  dymGi)  nur  ein  einzelner  Bestand- 
theil  des  grossen  Theoxenienfestes ,  von  dem  zu  Pausanias  Zeit  nur  noch 
verkümmerte  Reste  fortbestanden. 


Acliai...  34;^ 

nussa,  das  er,  schwerlich  mit  Recht,  mit  dem  homerischen 
Gonoessa  identificirt:  als  Stätte  desselben  betrachtet  man  mit 
•grosser  Wahrscheinlichkeit  den  jetzt  Koryphi  (d.  i.  Gipfel)  genann- 
ten vereinzelten  Berg  am  rechten  Ufer  des  Krios,  dessen  732 
Meter  hoher  Gipfel  eine  verfallene  Kirche  der  Panagia  Spilio- 
tissa  trägt.') 

Ungefähr  60  Stadien  von  Pellene' —  offenbar  südwärts,  an 
den  Wasser-  nnd  banmreiclien  Abhängen  des  Kyllenegebirges  in 
der  Gegend  des  jetzigen  in  drei  Quartieren  nach  einander  auf- 
steigenden Städtchens  Trikkala  —  lag  das  Mysäon,  ein  Ileilig- 
thum  der  Demeter  Mysia  mit  einem  IIa  in  von  Bäumen  aller  Art 
und  reichen  Quellen,  und  nicht  weit  davon  ein  Kyros  genannter 
Kurort,  ein  Ileiligthum  des  Asklepios,  dessen  Bild  an  der  stärk- 
sten der  hier  emporsprudelnden  Quellen  aufgestellt  war.^) 

Noch  höher  hinauf  am  Kyllene,  dessen  Rücken  wahrschein- 
lich die  Gränzscheide  zwischen  der  Pellenis  und  der  arkadischen 
Stymphalia  bildete,  lag  vielleicht  Tromileia,  eine  achäische 
Stadt,  in  welcher  ein  nach  ihr  benannter  vortrefflicher  Ziegen- 
käse bereitet  wurde.  ^) 


*)  'jQictovavtaL  (wofür  Schubert  Bruchstücke  zu  eiuer  Methodologie 
der  diplomatischen  Kritik  S.  56  f.  mit  Wahrscheinlichkeit  ^AQyovavrca 
vermuthet)  Paus.  II,  12,  2  u.  VII,  26,  14.  "OXovQog  Xen.  Hell.  VII,  4, 
17  f.;  Pompon.  Mela  II,  53;  Plin.  N.  h.  IV,  5,  12;  Steph.  Byz.  u.  "OlovQog. 
In  der  Ansetzung  des  Ortes  bin  ich  Leake  (Morea  III  p.  224)  gefolgt; 
doch  ist  es  möglich,  dass  derselbe  mit  dem  nur  von  Paus.  VII,  26,  13 
erwähnten  Jovovaaa  (vgl.  oben  Ö.  32,  Anm.  1)  identisch,  also  vielmehr 
auf  dem  Berge  Koryphi  gelegen  war. 

2)  Paus.  c.  27,  9  ff.  lieber  die  Demeter  Mysia  vgl.  oben  S.  67; 
über  Trikkala  (aus  dessen  Namen  Curtius  Pel,  I,  8.  484  nicht  ohne 
Wahrscheinlichkeit  auf  ein  antikes  Trikka  schliesst)  Leake  Morea  III, 
p.  221  8. 

3)  Athen.  XIV  p.  658  b. 


mt.  EBENE  VON 

MAIVTENEIAiTND  TRIPOLITZA. 


TafM. 


i^^':- 


I     2AOOOO 


'JhlK.yJuMnI, 


'  OUjinii  Sliiilion 


li 


GEOGRAPHIE 


VON 


GRIECHENLAND 


VON 


CONRAD  BURSIAN. 


ZWEITER  BAND 
PELOPONNESOS    UND    INSELN 

DRITTE  ABTHEIL  ÜNG 

DIE  INSELWELT. 
MIT    EINEU    VUN    U.    LANGE    GE^SEICUNETEN    KARTE. 


LEIPZIG, 

DRUCK  UND  VERLAG  VON  B.  G.  TEUBNER. 

1872. 


Nachwort. 


So  wie  ich  vor  mehr  als  10  Jahren  den  ersten  Band 
dieses  Werkes  ohne  Vorwort  in  die  Welt  gesandt  habe,  in 
der  Hoffnung,  dass  dasselbe  durch  sich  selbst  sich  und  seinem 
Verfasser  Freunde  unter  den  Fachgenossen  erwerben  werde, 
so  würde  ich  auch  dieser  letzten  Abtheilung,  mit  welcher 
das  Werk  in  der  von  Anfang  an  beabsichtigten  und  mir 
trotz  mehrfachen  Widerspruchs  auch  jetzt  noch  völlig  berech- 
tigt erscheinenden  Ausdehnung  beziehendlich  Beschränkung 
auf  das  jetzige  Königreich  Hellas  nebst  den  Landschaften  Epirus 
und  Thessalien  und  der  Insel  Kreta  vollendet  vorliegt,  keinen 
besonderen  Reisepass  mit  auf  den  Weg  geben,  wenn  nicht 
an  ihrem  unscheinbaren  aber  nothwendigen  Begleiter,  dem 
Namenregister,  ein  besonderes  Kennzeichen  zu  signalisiren 
wäre.  Dasselbe  enthält  nämlich  nicht  nur  sämmtliche  in 
dem  Buche  erwähnte  Ortsnamen,  antike  wie  moderne,  sondern 
auch  einige  die  in  dem  Buche  selbst  nicht  vorkommen:  theils 
solche  die  bei  Abfassung  der  früheren  Theile  übersehen  wurden, 
theils  solche  die  erst  nach  Vollendung  desselben  durch  neu 
entdeckte  Inschriften  (besonders  Wescher  und  Foucart's  In- 
scriptions  recueillies  a  Delphes)  bekannt  geworden  sind.  Und 
da  ich  nun  einmal  das  Wort  habe,  um  parlamentarisch  zu 
reden,  will  ich  auch  noch  eine  kurze  persönliche  Bemerkung 
hinzufügen.  Es  wird  wohl  mancher  Leser  geneigt  sein,  mir 
einen  Vorwurf  daraus  zu  machen,  dass  ich  in  der  letzten 
Abtheilung  des  zweiten  Bandes,  in  welcher  die  antiken  Münzen 


VI  Nachwort. 

in  weiterem  Umfange  berücksichtigt  worden  sind  als  dies  leider 
im  ersten  Bande  und  in  den  beiden  ersten  Abtheilungen  des 
zweiten  geschehen  ist,  dafür  nur  Eckhel's  Doctrina  nummo- 
rum  veterum,  nirgends  Mionnet's  Description  des  medailles 
citire:  ich  muss  dies  einfach  damit  entschuldigen,  dass  mir 
letzteres  Werk  hier  nicht  zugänglich  ist. 

Jena,  den  4.  Aiigu&t  1872. 

Conrad  Bursian. 


III.    Die  Inselwelt.') 


Einen  besonderen  Vorzug  der  Gliederung  des  griechischen 
Landes  bilden  die  zahlreichen  Inseln,  welche  längs  der  Westküste 
als  eine  Anzahl  wahrscheinlich  auf  vulkanischem  Wege  entstan- 
dener Aussenwerke  des  Festlandes,  auf  der  Ostseite  als  die  Pfei- 
ler einer  gewaltigen  Brücke  erscheinen,  die  einst  in  uralten  Zei- 
ten in  südösthcher  Richtung  vom  europäischen  Griechenland  nach 


*)  Von  umfassenderen  Werken  über  die  griechischen  Inseln  (die 
Schriften  über  einzelne  derselben  werden  an  den  betreffenden  Stellen 
erwähnt  werden)  aus  dem  Alterthum  kennen  wir  eine  Schrift  nsgl  vr\~ 
Gcov ,  welche  von  einigen  dem  Herakleides,  von  anderen  dem  Philoste- 
phanos  beigelegt  wurde  (Harpocr.  u.  Ztqv^t]  p.  171,  2  Bekker;  vgl.  C. 
Müller  Fragm.  bist.  Gr.  II,  p,  197  u.  III,  p.  30  s.);  eine  Schrift  des  Xe- 
nagoras  unter  gleichem  Titel  (C.  Müller  Fr.  h.  Gr.  IV,  p.  527);  des 
Ilermogenes  vrjaoov  -azCoBig  (ibid.  III,  p.  523);  von  Semos  wird  eine  Nri~ 
Gidg  citirt  (Schol.  Apoll.  Rhod.  A,  1165;  Athen.  III,  p.  123 <i).  Zweifel- 
haft, weil  nur  bei  (Plutarch.)  Parall.  min.  27  erwähnt,  sind  des  Aretades 
von  Knidos  Bücher  Nr}ai.(OTLv.cc.  Unsere  Quellen  für  die  Kenntniss  der 
griechischen  Inseln  bilden  die  betreffenden  Abschnitte  des  nSQi'nXovg  des 
sogenannten  Skylax  (dem  als  §  113  zwei  ÖLacpgccy^UTU,  kurze  Itinerarien 
für  Schiffer  vom  Euripos  nach  Mykale  und  vom  Gap  Mälea  nach  der 
Südwestküste  von  Asien,  als  §  114  ein  Verzeichniss  von  20  Inseln  unter 
dem  Titel  ^syid^i]  vrjacov  angehängt  sind),  der  geographischen  Werke 
des  Strabon,  Ptolemäos,  Pomponius  Mela,  der  Naturalis  historia  des  Pli- 
nius  und  der  Collectanea  des  Solinus.  Von  neueren  Werken  ist  das  um- 
fassendste das  freilich  besonders  in  geographischer  Hinsicht  sehr  unge- 
nügende Buch  von  Louis  Lacroix  lies  de  la  Grece  Paris  1853  (ein  Band 
des  grossen  Sammelwerkes  L'Univers'.  Histoire  et  description  de  tous  los 
peuples).  Für  die  Inseln  des  ägäisclion  Meeres  ist  das  Hauptwerk  L.  Uoss 
Jieisen  auf  den  griecliischen  Inseln  des  ägäisdien  Meeres,  Bd.  I  —  III, 
Stuttgart  u.  Tübingen  1810—1845  (der  vierte  Band  liegt  seinem  ganzen 
Inhalte  nach  ausserhalb  der  Grilnzon  unserer  Darstellung).    Von  älteren 

BÜRSIAN,  OE(iGR.    If.  -  t 


34r)  ITT.    Die  Inselwelt. 

dem  südlichen  Kleinasien  liinübergefülirt  hat.  Zum  weitaus  gröss- 
ten  Theile  nämlich  sind  diese  Inseln,  wie  die  Richtung  ihrer 
Gebirge  zeigt,  Fortsetzungen  der  Gebirgszüge  des  Continents, 
welche  durch  gewallige  Erderschütterungen  theils  als  grössere 
zusammenhängende  Massen,  theils  in  kleinere  Bruchstücke  zer- 
rissen von  demselben  abgelöst  worden  sind;  nur  zu  einem  klei- 
nen Theile  sind  sie  Producte  submariner  Vulkane,  die  wenigstens 
an  einem  Punkte  ihre  Thätigkeit  noch  jetzt  nicht  eingestellt 
haben.  Auf  den  ersten  Blick  scheiden  sich  die  sämmtlichen 
griechischen  Inseln  in  zwei  Gruppen:  eine  westUche  und  eine 
östliche.  Die  westliche  umfasst  die  der  Westküste  des  griechi- 
schen Festlandes  von  den  Akrokeraunien  bis  zum  Cap  Akritas 
hinab  vorgelagerten  Inseln:  vier  grössere  —  Korkyra ,  Kephalle- 
nia  mit  seiner  Schwesterinsel  Ithake  und  Zakynthos  —  denen  ge- 
wöhnlich als  fünfte  die  erst  durch  Menschenhand,  durch  Durch- 
stechung des  Islhmos,  der  sie  an  die  Nordwestküste  Akarnaniens 
knüpfte,  aus  einer  Halbinsel  zur  Insel  gemachte  Leukas  (vgl. 
Bd.  1,  S.  115  f.)  beigezählt  wird,  ufld  zahlreiche  kleinere,  welche, 
soweit  sie  nicht  schon  bei  der  Beschreibung  des  Festlandes  be- 
rührt wurden,^)  als  Anhängsel  der  grösseren  zu  schildern  sind. 
Diese  Inseln  wurden  imAlterthum,  da  sie  politisch  voneinander 
getrennt  und  von  Angehörigen  verschiedener  griechischer  Stämme 
bewohnt  waren,  mit  keinem  Gesammtnamen  bezeichnet.  Unter 
der  byzantinischen  Herrschaft  bildeten  sie  seit  etwa  dem  Jahre 
887  eine  eigene    Statthalterschaft; 2)    nach   der   Eroberung   Kon- 


Reisewerken  geben  Bondelmonte's  Liber  insularum  Archipelagi  (ed.  Sin- 
ner, Berlin  1824)  und  des  Herrn  van  Kinsbergen  Beschreibung  vom  Ar- 
chipelagus  (aus  dem  HoUändischen  übersetzt  von  Kurt  Sprengel,  Rostock 
u.  Leipzig  1792)  wenig  Ausbeute:  etwas  mehr  des  Grafen  Pasch  van 
Krienen  Breve  descrizione  dell'  arcipelago  e  particolarmente  delle  di- 
ciotto  isole  sottomesse  l'anno  1771  al  dominio  russo  (Livorno  1773,  neu 
herausgegeben  von  L.  Ross,  Halle  1860);  bedeutender  ist  des  Botanikers 
Jos.  Pitton  de  Tournefort  fJelation  d'im  voyage  du  Levant  (Amsterdam 
1718,  II). 

*)  Erwähnt  wurden  an  der  Küste  von  Epeiros  Sason  (Bd.  I,  S.  14) 
und  Sybota  (ebds.  S.  28);  bei  Akarnanien,  ausser  Leukas,  Karnos, 
die  Oxeiä  und  Echinades  (ebds.  S.  118  f.);  bei  Messenien  Prot~e 
(Bd.  II,  S.  178),  Sphakteria  (ebds.  S.  175  f.),  Theganusa  und  die 
Oinussä  (ebds.  S.  158). 

2)  Constantin.  Porphyrog.  De  administr.  imp.  c.  50  p.  224  ed.  Bekker; 
nach  demselben  De  themat.  II,  7  p.  54  bildeten  sie,  obschon  in  der  lieber- 


III.    Die  Inselwelt.  347 

slanüiiopels  durch  die  Franken  (1204)  kamen  sie  zugleich  mit 
den  benachharten  Küsten  des  Festlandes  in  den  Besitz  der  Rc- 
pubhk  Venedig;  seitdem  kam  der  von  der  antiken  Bezeichnung 
des  westgriechischen  Meeres  als  '' ionisches  Meer'  entnommene 
Name  der  ionischen  Inseln'  für  sie  auf,  eine  Benennung,  welche 
aus  politischen  Gründen  auch  auf  die  geographisch  betrachtet 
zur  östlichen  Gruppe  gehörige  Insel  Kythera  (Cerigo)  ausge- 
dehnt, wurde.  Da  man  nun  mit  Einschluss  dieser,  abgesehen  von 
den  kleinen  Nebeninseln,  sieben  Ilauptinseln  zählte  (Corfu,  Paxo, 
Hagia  Mavra,  Thiaki,  Cephalonia,  Zante  und  Cerigo),  so  wurde 
bei  der  durch  einen  am  21.  März  18(X)  in  Constantinopel  zwi- 
schen Russland  und  der  F*forte  abgeschlossenen  Vertrag  erfolgten 
Constituirung  derselben  zu  einem  politischen  Körper  diesem  der 
Name  der  'Republik  der  sieben  Inseln'  oder,  nach  griechischem 
Ausdruck,  des  'Siebeninselstaates'  [rj  ETtrdvrjöog  oder  nach  vul- 
gärgriechischer Aussprache  ''Eq)Tdvrjöog,  die  Bewohner  Oi  'Eitta- 
vriöLcSrai)  gegeben.  Dieser  Staat  bestand  anfangs  als  Vasallen- 
staat der  Pforte,  dann  unter  dem  Schutze  Russlands,  in  Folge 
des  Friedens  von  Tilsit  (7.  Juli  1807)  unter  der  Herrschaft  Frank- 
reichs, seit  dem  Pariser  Vertrage  vom  5.  November  1815  unter  dem 
Protectorat  Englands  fort,  bis  die  Inseln  in  Folge  der  Thron- 
besteigung des  Königs  Georgios  mit  Genehmigung  der  Garantie- 
mächte jenes  Pariser  Vertrags  (Vertrag  von  London  vom  14  No- 
vember 18G3)  dem  Königreich  Hellas  einverleibt  wurden. 

Weit  zahlreicher  und  mannigfaltiger  in  ihrer  Gliederung  als 
die  westliche  ist  die  östliche  Gruppe  von  Inseln:  sie  erstreckt 
sich  gegen  Süden  und  Osten  über  die  politischen  Gränzen  des 
jetzigen  Königreichs  Hellas,  gegen  Osten  auch  über  die  von  alten 
und  neueren  Geographen  willkürlich  festgesetzten  Gränzen  unse- 
res Erdlheils  hinaus.  M     Es  tritt  also   auch   in   dieser  Beziehung 


«chrift  als   tßdoiiov   ^hiu   KfcpaXXrjVLa    bezeichnet,    doch    kein  eigenes 
Thema,  sondern  ^^ehiii  tcn  zu  dem  des  Peloponncsos. 

^)  Ueber  die  Gränzlinie  zwischen  Kuropa  und  Asien  im  ägüischen 
Meere  waren  die  Ansichten  der  alten  Geographen  sehr  schwankend. 
Während  Hekatäos  offenbar  alle  Inseln  des  ägUischen  Moores  bis  zur 
Westküste  Asiens  zu  Europa  rechnet  (vgl.  Steph.  liyz.  u.  MvrtX^vrjy 
Olvovaaai  und  Xiog^  wornacli  Hokatilos  Lesbos,  die  Ginussen  und  Chios 
in  dem  KvQionri  betitelten  Theil  seiner  Fru  nsQMog  behandelt  hatte), 
Skylax  Per.  48  und  58  wenigstens  AstypalUa,  Amorgos  und  Ikaros  unter 
(!»n  Inseln  Europa's  aufführt,  rechnet  Ptolem.  V,  2,  30  f.  auch  diese  In- 

24* 


348  "         in.    Die  Inselwelt. 

wie  in  Hinsicht  der  Küstenenlwickelung  die  natürliche  Bevor- 
zugung der  östlichen  vor  der  westlichen  Seite  Griechenlands  zu 
Tage.  Die  ganze  Gruppe  gliedert  sich  nach  der  Richtung  der 
Gebirge  und  der  geognostisclien  Beschaffenheit  der  Inseln  in  nneh- 
rere  kleinere  Gruppen,  unter  denen  die  von  den  Alten  als  'Ring- 
inseln'  {KvxXddsg}  bezeichnete  als  die  Centralgruppe  erscheint.^) 


sein  zu  Asien.  Dionys.  Perieg.  517  ss.  rechnet  alle  Inseln,  welche  man 
auf  der  Fahrt  vom  Cap  Sunion  nach  dem  Hellespont  zur  Linken  hat, 
zu  Europa,  die  zur  Rechten  liegenden,  welche  er  in  die  Gruppen  der 
KvyiXccdsg,  ZnoQccdsg,  'Icovidsg  und  ALoXidsg  theilt,  zu  Asien.  Strabon 
(X  p,  488)  scheint  eine  zwischen  den  Inseln  Amorgos  und  AstypalUa 
hindurch  gehende  Linie,  die  etwa  der  jetzigen  Gränzlinie  zwischen  dem 
Königreich  Hellas  und  der  Türkei  entspricht,  als  Gränze  zwischen  Eu- 
ropa und  Asien  betrachtet  zu  haben.  Die  vom  Königreich  Hellas  aus- 
geschlossene Insel  Kreta  wird  von  den  alten  und  neueren  Geographen 
übereinstimmend  zu  Europa  gerechnet. 

*)  Der  Name  KvytXadsg,  welcher  für  uns  zuerst  bei  Herod.  V,  30  f. 
erscheint,  höchst  wahrscheinlich  aber  schon  von  Hekatäos  gebraucht 
worden  war,  da  nach  Steph.  Byz.  u.  Tsvsdog  bei  diesem  die  offenbar 
im  Gegensatz  zu  KvnXadsg  gebildete  Benennung  UnoQadsg  vorkam,  ist 
gewiss  nicht  auf  gelehrtem  Wege,  durch  Betrachtung  einer  Landkarte, 
entstanden,  sondern  acht  volksthümlich,  ein  Ausdruck  der  Schiffer,  wel- 
che beobachtet  hatten,  dass  sie,  wenn  sie  von  Insel  zu  Insel  die  Runde 
machten,  schliesslich  wieder  in  der  Nähe  des  Ausgangspunktes  ihrer  Fahrt 
anlangten,  also  einen  Kreis  oder  doch  eine  ungefähr  kreisförmige  Linie 
besehrieben.  Die  Auffassung,  dass  die  nahe  der  östlichen  Peripherie 
liegende  Insel  Delos  den  Mittelpunkt  dieses  Kreises  bilde  (vgl.  Strab.  X 
p.  485),  ist  eine  freilich  alte  Verwechselung  des  religiösen  mit  dem  geo- 
graphischen Centralpunkte.  Die  Ausdehnung  des  Namens  KvaXddsg  war 
im  Alterthum  eine  sehr  schwankende.  Im  Periplus  des  sog.  Skylax  wer- 
den zwei  Gruppen  dieses  Namens  unterschieden :  §  48  werden  als  Kv)i?M- 
dsg  •accxa  ttjv  AccKsdaLfiovLccv  x^Q^^  ol%oviisvai  verzeichnet  Melos, 
Kimolos,  Oliaros  (cod.  v(ü%CoQog:  es  ist  entweder  HoXvaLyog  oder  $o- 
XiyavdQog  zu  lesen),  Sikinos,  Thera,  Anaphe  und  Astypaläa  (also  die 
gewöhnlich  UnoQadsg  genannte  Gruppe),  §  58  als  KvnXddsg  %atcc  trjv 
'Atti'urjv  Keos,  Helene  (von  anderen  Geographen  zu  Attika  oder  zu  den 
Sporaden  gerechnet),  Kythnos,  Seriphos,  Siphnos,  Faros,  Naxos,  Delos, 
Rhene,  Syros,  Mykonos,  Tenos,  Andres.  Dionysios  Calliph.  Descr.  Gr. 
130  ff.  führt  folgende  9  als  KvnXccdEg  auf:  Keos,  Kythnos,  Seriphos, 
Siphnos,  Kimolos,  Delos,  Mykonos,  Tenos,  Andros.  Strabon  X  p.  485 
giebt  an,  dass  Artemidoros  15  zählte:  Keos,  Kythnos,  Seriphos,  Melos, 
Siphnos,  Kimolos,  Prepesinthos,  Oliaros,  Faros,  Naxos,  Syros,  Mykonos, 
Tenos,  Andros,  Gyaros;  er  selbst  hält  die  Zahl  von  12  (mit  AVeglassung 
von  Prepesinthos,  Oliaros  und  Gyaros)  für  die  ursprüngliche;  bei  beiden 


Iir.    Die  Inselwelt.  349 

Dieselbe  besteht  aus  zwei  ungefähr  parallelen  Inselreihen,  welche 
durch  eine  dritte  gewissermassen  verknüpft  werden.  Die  süd- 
lichste Reihe,  eine  Fortsetzung  des  Gebirgszuges  des  südöstlichen 
Attika,  wird  durch  die  Inseln  Keos,  Kythnos,  Seriphos  und  Siph- 
nos  gebildet;  die  nördliche,  deren  Glieder  die  Inseln  Andros, 
Tenos  und  Mykonos  (mit  ihren  Anhängseln,  den  kleinen  Inseln 
Delos  und  Rheneia)  sind,  ist  eine  Fortsetzung  der  langgestreckten, 
gewiss  erst  in  verhältnissniässig  später  Zeit  von  der  Ostseite  des 
mittelgriechischen  Festlandes  losgerissenen  Insel  Euboia.  Mit  der 
Südspitze  derselben  [nsel  schemt  auch,  der  Richtung  der  Gebirge 
nach,  die  mittlere  Reihe  zusammenzuhängen,  deren  ZN^ei  nörd- 
lichste Glieder,  die  kleinen  Inseln  Gyaros  und  Syros,  gleichsam 
als  Drückenpfeiler  zwischen  den  Inseln  Keos  und  Kythnos  einer- 
seits und  Andros,  Tenos  und  Mykonos  anderseits  dienen,  wäh- 
rend die  südlicheren  Glieder,  Faros  (mit  seinen  westlichen  An- 
hängseln Oliaros  und  Prepesinthos)  und  Naxos  den  Ring  der 
Kykladen  im  Südosten  schliessen.  Eine  zweite  Gruppe,  welche 
durch  den  vulkanischen-  Ursprung  ihrer  Glieder  characterisirt 
wird,  bilden  die  Inseln  Thera,  Melos,  Kimolos  und  Polyägos. 
Einige  ganz  kleine  Inselchen,   gleichfalls  vulkanischen  Ursprungs, 


Zählungen  ist  offenbar  Delos  nebst  Kheneia  als  Mittelpunkt  des  Ringes 
nicht  mitgezählt.  Porapon.  Mela  Do  chorogr.  II,  111  führt  nur  11  auf: 
.Sicinos,  Siphnos,  Seriphos,  Rhenea,  Faros,  Mycon,  Syros,  Tenos,  Naxos, 
Delos,  Andros  (das  Fehlen  von  Keos  und  Kythnos  ist  vielleicht  auf  eine 
Lücke  der  handschriftlichen  Ueberlieferung  zurückzuführen),  Plin.  N.  h. 
IV,  12,  65  SS.  13:  Andros,  Tenos,  Myconos,  Siphnus,  Seriphus,  Prepesin- 
thus,  Cythnos ,  Delos,  Khene,  Syros,  Oliaros,  Paros,  Naxus;  ebensovielo 
Eustath.  ad  Dionys.  Pereg.  525,  nämlich  Kythnos,  Paros,  Amorgos,  De- 
los, Tenos,  los,  Seriphos,  Mykonos,  Nisyros  (mit  der  Pemerkung,  dass 
diese  von  anderen  zu  den  Snogccdes  gerechnet  werde),  Syros,  Siphnos, 
Andros,  Naxos.  Im  weitesten  Umfange  endlich  wird  der  Name  von  Steph. 
liyz.  gebraucht,  der  u.  a.  Aegina,  Ikos,  Kasos,  Melos,  Poparethos,  Tc- 
los  zu  den  Kv^Xccdtg  rechnet:  s.  Mcinekc's  Index  rerum  u.  Kv^Xccdss- 
Aehnlich  ist  es,  dass  in  den  scliol.  II.  I,  G68  Skyros  als  eine  der  Ky- 
kladen bezeichnet  wird.  Dass  aber  in  der  Anschauung  des  Volkes  die 
Zwölfzahl  allmälig  die  Geltung  als  Normalzahl  der  Kykladen  erlangte, 
lehrt  der  Collectivnanu;  für  die  ganze  Gruppe  ri  Jiodtxccvrjaosy  welclicr 
zuerst  im  Jahre  780  in  dem  Titel  des  Theophylakto«,  Sohnes  des  Rhangabes, 
als  des  Grossadmirals  der  zwölf  Inseln  {ÖQOvyyuQioi  tfjg  Jcodtyiavqaov) 
erscheint  und  später  allgemein  gebräuchlich  ist  ( vgl.  C.  Hopf  in  Ersch 
und  Grubers  allgem.  Encycl.  8.  I,  Bd.  85,  8.  lOÖ). 


350  III.    Die  Inselwelt. 

jetzt  Anlirnilo  (oder  Erimomilo),  Falconera  iiinl  ßelopulo  (oder 
Kaimeni)  genannt,  setzen  diese  vulkanische  Reihe  gegen  Westen 
fort  und.  weisen  auf  einen  Zusammenhang  derselben  mit  den  vulka- 
nischen Erscheinungen  der  argolischen  Akte,  besonders  der  Halb- 
insel Methana  (vgl.  oben  S.  91)  hin.  Die  alten  Geographen  haben 
keine  besondere  Benennung  für  diese  Gruppe,  sondern  zählen  sie 
zu  den  ^zerstreuten  Inseln'  (ZTtOQccösg),  unter  welchem  Namen 
sie  ausserdem  die  zwischen  dieser  vulkanischen  Ueihe  und  den 
südlichsten  Kykladen  sich  hinziehende  Kette  der  Inseln  Pholegan- 
dros,  Sikinos,  los  und  Amorgos  (mit  mehreren  Nebeninseln),  so- 
wie die  östlich  von  Thera  gelegene  Insel  Anaphe,  endlich  auch 
die  Mehrzahl  der  östlich  von  den  Gränzen  des  jetzigen  Hellas, 
zwischen  der  Gruppe  der  Kykladen  und  den  südlicheren  Reihen 
einerseits  und  der  Westküste  des  südlicheren  Kleinasiens  ander- 
seits, gelegenen  Inseln  und  Inselchen  zusammenfassen.  ^)  Ja  manche 
Geographen  dehnen  diese  Benennung  sogar  auf  die  im  nördlich- 
sten Theile  des  ägäischen  Meeres  zwischen  der  Ostküste  der  Insel 
Euboia  und  der  Halbinsel  Magnesia,  der  Südküste  Thrakiens  und 
der  Westküste  des  nördlichen  Kleinasiens  gelegenen  Inseln  aus,  2) 
welche  wiederum  in  zwei  Gruppen  zerfallen:  eine  südlichere,  aus 
den  Inseln  Skiathos,  Peparethos,  Ikos  nebst  einigen  kleineren, 
und   Skyros   bestehende,    heutzutage  gewöhnlich   mit    dem    (un- 


*)  Strabon  X  p.  484  rechnet  zn  den  SnoQccdeg  von  der  von  ihm  als 
vriGoi  TtSQi  trjv  Kqi^ttjv  bezeichneten  Gruppe  die  Inseln  Thera,  Anaphe, 
los,  Sikinos,  Lagusa  und  Pholegandros  (die  ferner  dazu  gehörigen  Kimo- 
los,  Siphnos  und  Melos  zählt  er  zu  den  Kykladen;  s.  oben),  sodann 
(p.  487  f.)  Amorgos,  Lebinthos,  Leros,  Patmos,  die  Korassiä,  Ikaria  und 
die  Inseln  im  karpathischen  Meere  mit  Ausnahme  von  Kos  und  Rhodos. 
Eustath.  ad  Dionys.  Per.  530  zählt  als  Sporaden  auf  Nikasia,  Thera, 
Melos,  Patmos,  Astypaläa,  Kimolos,  Leros,  Donusia;  manche,  fügt  er  bei, 
rechnen  dazu  auch  Tenos,  Prokonnesos  und  die  Kalydnä.  Reichhaltiger, 
aber  ohne  klare  Ordnung  und  zum  Theil  verderbt  sind  die  Verzeichnisse 
der  Sporades  bei  Pomp.  Mela  De  chor.  II,  111  und  bei  Plin.  N.  h. 
IV,  12,    68  —  71.     Für  Steph.  Byz.  vgl.  Meineke's  Index    u.   ZnoQccdeg 

VTjOOL. 

2)  So  ausser  Hekatäos,  welcher  Tenedos  zu  den  Sporaden  rechnete 
(s.  S.  348,  Anm.  1),  Dionysios  des  Kalliphon  Sohn,  der  Descr.  Graec.  v.  145  ss. 
als  '^TCOQccdsg  aufführt:  Melos,  Thera,  los,  Naxos,  Skyros,  Peparethos 
(hier  bricht  das  Gedicht  für  uns  ab).  Vgl.  Constantin.  Porphyrog.  De 
themat.  I,  17  p.  43,  wo  Mitylene  (Lesbos),  Chios  und  Leranos  zu  den 
Sporaden  gerechnet  werden. 


m.    Die  Inselwelt.  351 

antiken)  Namen  der  nördlichen  Sporaden  bezeichnete,^) 
welche  als  Fortsetzung  der  thessalischen  Halbinsel  Magnesia,  be- 
ziehendlich  der  Ostküste  der  Insel  Euboia  zu  betrachten  ist,  und 
eine  nördlicliere,  die  Inseln  Lemnos,  Thasos,  Sambthrake,  Imbros 
und  Tenedos  umfassende,  welche  jenseits  der  Nordgränze  von 
Hellas  und  daher  ausserhalb  der  Gränzen  unserer  Darstellung 
liegt. 

Gegen  Süden  endlich  wird  die  oslgriechische  Inselwelt  ab- 
geschlossen durch  die  gleichsam  auf  dem  Kreuzwege  zwischen 
Europa,  Asien  und  Afrika  gelegene  Insel  Kreta,  die  zu  keiner  der 
bisher  betrathteten  Gruppe  gehört,  sondern  den  Mittelpunct  und 
das  bedeutendste  Glied  einer  besonderen  Inselreihe  bildet,  welche, 
wenn  man  sich  die  Lücken  zwischen  den  einzelnen  Gliedern  und 
den  entsprechenden  Vorsprüngen  der  Continente  ausgefüllt  denkt, 
als  ein  gewaltiger,  von  der  Südostspitze  Lakoniens  bis  zur  Süd- 
westspitze Kleinasiens  reichender  halbkreisförmiger  Damm  zwi- 
schen dem  mit  Inseln  gleichsam  besäten  ägäischen  Meere  ^j  oder, 
wie  wir  mit  einem  trotz  seiner  griechischen  Form  den  classischen 
Sprachen  ganz  fremden  Ausdrucke  zu  sagen  pflegen,  dem  grie- 
chischen   Archipel,    und    dem   inselfreien    Mittelmeerc   erscheint. 


*)  Die  alten  Geographen  kennen  keinen  Collectivnamcn  für  diese 
Inseln,  sondern  nur  umschreibende  Bezeichnungen  nach  ihrer  Lage:  v^- 
Gov  iv  reo  AlyaCm  TisXccysL  Scyl.  Per.  58;  cci  tcqo  rrjg  Mayvi^aiag  vfj- 
aoi  Strab.  IX  p.  436  s.  (vgl.  II  p.  124);  vrjoidsg  nXrjOLOv  EvßoLcig 
(Scyran.  Chii)  Orb.  descr.  579  (vgl.  Steph.  Byz.  u.  Z-niad-og'  vqoog  Ev- 
ßotag);  vrjooi  nccQWAECasvai  rf]  MccyisSovicc  iv  r«  Alyaico  TCsXdysi  Ptolem. 
III,  13,  47;  insulae  in  Aegaeo  mari  prope  Thraciain  Ponipon.  Mela  De 
chorogr.  II,  106  (beide  Gruppen);  insulae  ante  Athon  Plin.  IV,  12,  72. 

*)  Alyaiov  nslayog  oder  AtyuLog  novrog:  vgl.  über  diese  Benennung 
sowie  über  die  einzelner  Abtheilungen  dieses  Meeres  als  ©Qrjt'-nLov  ns- 
Xayog,  MvQzmav  nsXayog,  Kgritiv-ov  neXccyog  und  'Itkxqlov  niXayog 
die  Nachwei.sungen  bei  Forbiger  Handbuch  der  alten  Geographie  II, 
S.  19  ff.  Aus  Alycdov  niXayog  ist  durch  allmälige  Corruption  (Aegeopc- 
lago,  Agiox)elago,  Azopelago)  der  jetzt  als  wissonschaftlicher  Torminus 
in  der  Geographie  eingebürgerte  Name  Archipel  entstanden,  der  in  der 
Form  Arcipelago  zuerst  in  der  Urkunde  eines  am  30.  Juni  1268  zwi- 
schen dem  byzantinischen  Kaiser  Michael  Paläologos  und  der  liepublik 
Venedig  geschlossenen  Vertrags  (bei  Tafel  und  Thomas  Urkunden  zur 
älteren  Handels-  und  Ötaatsgeschichte  der  Republik  Venedig,  Wien  1866 
.')7,  Bd.  III,  ö.  96)  erscheint:  vgl.  C.  Hopf  in  Ersch  u.  (iruber's  allgem. 
liicyclop.  ö.  I,  Bd.  85,  ö.  263. 


352  in.    Die  Inselwelt. 

Zu  derselben  Reihe  geliören  noch  nordvvesllich  von  Kreta  die 
Iiischi  Kylhcra  (Cerigo:  vgl.  über  diese  oben  S.  140  11,),  Ae- 
gila  (Cerigotto:  s.  oben  S.  103)  und  einige  ganz  kleine  namen- 
lose, welche  die  Nordwestspitze  Kreta's  mit  der  lakonischen  Parnon- 
halbinsel  verbinden,  gegen  Nordosten  die  (ausserhalb  der  Gränzeu 
unserer  Darstellung  liegenden)  Inseln  Kasos,  Rarpathos  und  Rho- 
dos, welche  eine  Verbindung  zwischen  der  Nordostspitze  Kreta's 
und  der  südwestlichen  Halbinsel  Kariens,  der  sogenannten  rlio- 
dischen  Chersonesos,  herstellen. 

Der  Uebersichtlichkeit  halber  werden  wir  die  ostgriechischen 
Inseln,  soweit  sie  innerhalb  der  Gränzen  unserer  Datstellung  lie- 
gen, in  folgende  5  Gruppen  ordnen:  a)  die  Inseln  vor  Magnesia; 
b)  Euboia;  c)  die  Kykladen;  d)  die  Sporaden;   e)  Kreta. 

Politisch  sind  diese  Gruppen,  abgesehen  von  den  Zeiten  der 
römischen,  byzantinischen  und  türkischen  Herrschaft,  unter  der 
sie  wenigstens  verschiedenen  Provinzen,  Thematen  oder  Sandschaks 
angehörten,  niemals  zu  einem  einheitlichen  Ganzen  verbunden  ge- 
wesen. Die  südlicheren  standen  in  der  frühesten  Periode  der 
griechischen  Geschichte,  welche  die  Tradition  als  die  der  kreti- 
schen Thalassokratie  bezeichnet  und  an  die  mythische  Persönlich- 
keit des  Minos  knüpft,  unter  der  Herrschaft  von  Kreta,  dessen 
Flotte  die  karischen  Seeräuber,  welche  sich  auf  den  meisten  dieser 
Inseln  eingenistet  hatten,  verjagte  und  dieselben  dadurch  zuerst 
für  hellenische  Niederlassungen  zugänglich  machte.  Die  Mehrzahl 
der  Inseln  (ausgenommen  Kreta  und  einige  Sporaden,  wo  das 
dorische  Element  zur  Herrschaft  gelangte)  wurde  dann  von  Be- 
völkerungen ionischen  Stammes  in  Besitz  genommen  und  schloss 
sich  daher  der  alten,  Ol.  88,  3  (426)  von  den  Athenern  erneuer- 
ten Amphiktyonie,  deren  Mittelpunkt  die  heilige  Delos  bildete,  an, 
als  deren  Mitglieder  wir  durch  eine  Urkunde  aus  Ol.  101,  2 
und  3  (375  und  374)^)  folgende  Inselstaaten  ausser  Delos  selbst 
und  dem  damaligen  Vorort  Athen  kennen:  Mykonos,  Syros,  Te- 
nos,  Keos,  Seriphos,  Siphnos,  los,  Paros,  Ikaros,  Naxos,  Andros 
und  die  Stadt  Karystos   auf  Euboia.     In  älteren   Zeiten   war   der 


*)  C.  I.  gr.  n.  158;  vgl.  dazu  Böckli  Staatshaushaltung  der  Athener 
II,  S.  78  ff.  Dass  in  alter  Zeit  auch  die  'lavidsg  vtjgol  (wie  sie  Dionys. 
Perieg.  533  nennt)  zu  der  delischen  Amphiktyonie  gehörten,  ist  schon 
aus  dem  Homerischen  Hymn.  in  Apoll.  Del.  v.  147  ff.  und  v.  172  zu 
schliessen. 


III.    Die  Inselwelt.  353 

Kreis  der  Theilnehmer  jedenfalls  ein  viel  weiterer  und  umfasste 
namentlich  auch  die  an  der  Westküste  Kleinasiens  gelegenen  io- 
nischen Inseln.  Zur  Zeit  der  athenischen  Seeherrschaft  gehörten 
fast  sämmtliche  ostgriechische  Inseln,  die  meisten  aus  freiem  Ent- 
schluss,  einige,  wie  namentlich  IVIelos,  durch  Zv^ang  der  atheni- 
schen Symmachie  an;  eine  nicht  geringe  Anzahl  derselben  trat 
auch  dem  Ol.  100,  3  (378)  erneuerten  Bunde  von  Seestaaten 
unter  der  Leitung  Athens  bei.^)  Nach  der  Auflösung  auch  die- 
ses Bundes  kamen  die  Inseln  unter  die  Herrschaft  theils  der  ma- 
kedonischen, theils  der  ägyptischen  Könige,  wurden  dann  durch 
die  Böraer  befreit  und  grösstentheils  für  autonom  erklärt,  bis 
Vespasian  sie  als  römische  Provinz  mit  Bhodos  als  Hauptort  con- 
stituirte.^)  Bei  der  Theilung  des  römischen  Beiches  wurden  die 
kurz  vorher  durch  Baubzüge  der  Golhen  heimgesuchten  Inseln 
der  östlichen  Beichshälfte  zugelheilt.  Im  Jahre  727  erhoben  sich 
die  Kykladen  im  Verein  mit  dem  eigentlichen  Hellas  gegen  den 
byzantinischen  Kaiser  Leo  III.  den  Isaurier;  aber  der  Aufstand 
wurde  von  diesem  schnell  unterdrückt^)  und  die  Inseln  blieben 
mit  einer  Unterbrechung  von  138  Jahren  (823 — 961),  während 
deren  sie  unter  der  Herrschaft  der  Sarazenen,  die  sich  der  Insel 
Kreta  bemächtigt  hatten,"*)  standen,  ein  Theil  des  byzantinischen 
Beiches  —  und  zwar  bildete  die  Mehrzahl  der  Kykladen  und  Spo- 
raden nebst  den  Inseln  Chios,  Lesbos,  Lemnos  und  Skyros  und 
einigen  Strichen  der  Westküste  Kleinasiens  ein  besonderes,  Al- 
yaiov  TteXccyog  genanntes  Thema,  während  Euboia,  Aegina  und 
einige  Kykladen  zum  Thema  Hellas,  Skiathos,   Skopelos  und  Pe- 


*)  Vgl.  die  athenischen  Tributlisten  bei  Böckh  Staatshaushaltnng  II, 
S.  .369  fr.  (bes.  S.  ßOS)  und  jetzt  bei  U.  Köhler  Urkunden  und  Unter- 
suchungen zur  (rcschichte  des  delisch -attischen  liundes,  Berlin  1870 
(Philolog.  u.  histor.  Abhandlungen  der  kön.  Akad.  d.  Wiss.  zu  Berlin 
.1.  d,  J.  1869,  2.  Abtheilung);  ferner  die  Urkunde  des  neuen  Bundes  in 
den  'E.niyQa(pc(l  avtv.doTOt  avci-nalvq}d'8tOcict  yiccl  ^■udod'SLaai  vno  top 
«pjjaio/loyixou  ovXXoyov^  (pvXX.  ß'  (Athen  1852)  S.  2  ff.  =  Rangnbi'  Aii- 
tifjuites  Helleniqucs  N.  aSl»»'»  (Vol.  II  p.  373). 

»)  Soxti  Ruß  Breviar.  c.  10;  vgl.  Sueton  Vespas.  8;  dazu  WesscHn^j: 
id  Hieroclis  Synccd.  p.  480  s.  ed.  Bekker. 

')  Vgl.  Hopf  in  Ersch  und  Gruber's  allgom.  Kncycl.  S.  I,  Bd.  85, 
S.  96. 

*)  Vgl.  Hopf  a.  a.  O.  S.  121  f. 


354  III.    T>ie  Inselwelt. 

parethos  zum  Thema  Makedonien  gehörten^)  —  bis  zur  Eroberung 
von  Conslantinopel  durcli  die  fränkischen  Kreuzfahrer  (1204), 
nach  welcher  sie  bei  der  Tlieilung  der  Beule  unter  die  Abend- 
länder der  Republik  Venedig  zufielen.  Diese  aber  überliess  die 
Eroberung  der  damals  zum  Theil  von  Piraten  besetzten  Inseln, 
welche  dem  Staate  unverhältnissmässig  grosse  Opfer  auferlegt 
haben  wiirde,  venezianischen  Privatleuten.  Der  kühne  Marco  Sanudo 
stellte  sich  zu  diesem  Zweck  an  die  Spitze  einer  Gesellschaft  von 
Rittern,  mit  denen  er  die  bedeutenderen  Kykladen  und  Sporaden 
nach  kurzem  Widerstand  eroberte;  die  eroberten  vertheilte  er  als 
Lehen  unter  seine  Genossen  und  behielt  sich  selbst  Naxos  vor, 
das  er  als  Lehensträger  des  fränkisch-byzantinischen  Kaisers  Hein- 
rich L  mit  dem  Titel  eines  Herzogs  der  Dodekanesos  beherrschte. 
Auch  nach  der  Wiederherstellung  des  byzantinischen  Reiches  durch 
die  Paläologen  behaupteten  sich  seine  Nachkommen,  beziehend- 
lich nach  der  Ermordung  des  letzten  derselben,  des  Nicolo  IL 
dalle  Carceri,  durch  Francesco  Crispo  (1383)  die  Familie  der 
Crispi,  in  der  Herrschaft,  bis  im  Jahre  1566  der  letzte  Herzog, 
Jacopo  IV.,  vom  Sultan  Selim  IL  abgesetzt,  das  Herzogthum  einem 
Liebling  des  SuUans,  dem  aus  Antwerpen  nach  Konstantinopel 
geflüchteten  portugiesischen  Juden  Don  Josef  Nasi  übergeben 
wurde,  nach  dessen  Tode  (2.  August  1579)  die  Inseln  des  ägäi- 
schen  Meeres  (mit  Ausnahme  von  Kreta,  das  erst  im  Jahre  1669 
den  Venezianern  definitiv  entrissen  wurde)  unter  die  unmittelbare 
Herrschaft  der  Pforte  fielen.'*) 

1.    Die  westgriechischen  Inseln/) 

Die  ungefähr  zwischen  dem  40sten  und  dem  37sten  Grade  nörd- 
licher Breite  vor  der  Westküste  des  nördlichen  Griechenlands  und 


^)  S.  des  Konstantinos  Porphyrogenetos  Schrift  tisqI  rav  d-e^cctcov 
I,  17  (p.  43  s.);  vgl.  II,  2  (p.  50)  und  5  (p.  51). 

2)  Vgl.  die  'Partitio  Romaniae'  bei  Tafel  und  Thomas  Urkunden  I, 
S.  464  ff.;  dazu  Hopf  a.  a.  O.  S.  222  f.;  Bd.  86,  S.  29  f.  u.  S.  171  f.;  Dr. 
M.  A.  Levy  Don  Joseph  Nasi,  Herzog  von  Naxos,  seine  Familie  und 
zwei  jüdische  Diplomaten  seiner  Zeit.  Eine  Biographie  nach  neuen  Quel- 
len dargestellt.    Breslau  1859. 

^)  Von  der  reichen  neueren  Litteratur  über  die  sogenannten  ionischen 
Inseln  habe  ich,  abgesehen  von  den  Specialarbeiten  über  einzelne  der- 
selben, folgende  Werke  benutzt:  H.Holland,  Travels  in  the  lonian  isles, 


1.   Die  westgriechischeu  Inseln:  Korkyra.  355 

des  Peloponnes  gelegenen  Inseln  erscheinen  ihrem  landschaft- 
lichen Charakter  nach  im  Allgemeinen  als  gewaltige,  durch  das 
Eindringen  des  Meeres  vielfach  zerklüftete  Massen  von  Kalkstein- 
felsen, die  vielfach  mit  steilen  Wänden  aus  dem  Meere  empor- 
steigen und  sich  bald  zu  theils  kahlen,  tlieils  fruchtbaren  Hoch- 
ebenen, bald  zu  schmalen,  hie  und  da  seltsam  gezackten  Berg- 
gipfeln erheben.  Aber  zwischen  den  Gebirgsmassen  ziehen  sich, 
wenigstens  auf  den  drei  grösseren  Inseln  Korkyra,  Kephallenia 
und  Zakynthos,  breite  Thäler  hin,  die  in  ihrer  üppigen  Frucht- 
barkeit iiebÜche  Contraste  zu  den  wilden,  zerrissenen  Felsmassen 
bilden.  Namentlich  sind  es  Oelwälder  und  Wein-  und  Korinthen- 
pflanzungen, welche  die  Ebenen  und  die  mit  einer  zwar  nur 
wenige  Fuss  dicken,  aber  fruchtbaren  Erdkruste  überzogenen 
ßerghänge  bedecken  und  die  wichtigsten  Ausfuhrartikel  aus  den 
trefflichen  Häfen,  mit  welchen  die  Natur  selbst  diese  Inseln  reich- 
lich beschenkt  hat,  liefern.  Ausserdem  werden  Citronen  und 
Orangen,  Baumv^olle  und  Getreide  —  letzteres  freilich  nur  in 
einem  für  den  Bedarf  der  Inseln  selbst  nicht  ganz  ausreichen- 
den Maaöse  —  gebaut.  Schifffahrt  und  Handel  nebst  Fischerei 
bilden  noch  jetzt  wie  im  Alterthum  die  Haupterwerbsquellen  der 
Bevölkerung;  daneben  spielt  jetzt  der  Seidenbau  eine  nicht  un- 
bedeutende Bolle.  Die  Bevölkerungszahl  ist  eine  relativ  stärkere 
als  in  sämmtlichen  übrigen  Theiien  des  Königreichs  Hellas;  denn 
die  Bevölkerung  der  sogenannten  ionischen  Inseln  (der  oben  S.  347 
genannten  7  Hauptinseln  nebst  den  Nebeninseln  Maslera,  Fano, 
Salmastraki,  Antipaxo,  Calamo,  Meganisi  und  Cerigotlo)  belief  sich 
im  Jahre  1864  bei  einem  Flächenraum  von  1041  englischen 
Ouadratmeilen  auf  228,531  Seelen. 

Die  nördlichste   und   nächst  Kephallenia  grösste  Insel  dieser  Korkyra. 
Gruppe,  im  Alterthum,  abgesehen  von  den  mythischen  Benennungen 
Drepane  und  Makris,   welche  von  ihrer  Gestalt  herzuleiten  sind, 
Korkyra, \^   im  Mittel-   und  Neugriechischen   nach   zwei  zusam- 

Albania,  ITiessaly,  Macodonia  etc.  London  1816.  W.  Goodisson  A  histo- 
rical  and  topoprai>liical  es»ay  upon  the  Islands  of  Corfii,  Leucadia,  Cepha- 
lonia,  Ithaca  and  Zunte,  London  1822.  F.  Liobotrut  Koise  nach  den  ioni- 
schen Inseln  der  nördlichen  und  der  mittleren  Gruppe,  Korfu,  Zante, 
Cephalonia  und  Ithaka,  Hamburg  1850.  Anstod  The  lonian  islands  in 
the  ycar  1863,  London  18Ü3. 

')  Vgl.  über  die  Insel  Dodwell  Claas.  u.  topogr.  Reise  I,  1,  S.  43  Ü". 


356  III.    Die  Inselwelt. 

nienhäiigciideii,  jetzt  mit  Forts  gekrönten  Felsklippen,  welche  sich 
(licht  vor  der  Hauptstadt  steil  aus  dem  Meere  erheben,  Koryplio, 
Koryphi  oder  Korphi,  darnach  jetzt  von  den  Westeuropäern  Corlu 
(aus  der  Accusativform  KoQg)ovg)  genannt,  erstreckt  sich,  unge- 
fähr gleich  weit  (700  Stadien  nach  Polybios  bei  Strabon  II,  p.  105) 
von  dem  keraunischen  Gebirge  wie  von  Leukas  enlfernt,  in  einer 
Länge  von  gegen  9  Meilen  bei  einem  Flächeninhalte  von  10,69  Qua- 
dralmeilen  vor  der  Küste  des  niillleren  Epeiros  hin,  von  welcher 
der  nordöstlichste,  dem  Gap  Poseidion  (vgl.  Bd.  I,  S.  16)  gegenüber- 
liegende Punkt  der  Insel  (das  jetzige  Gap  S.  Stefano)  nur  durch 
einen  nicht  ganz  eine  Stunde  breiten  Sund  getrennt  ist.  Die 
Insel  wird  durch  zwei  Bergzüge  gebildet:  einen  nördlicheren,  von 
West  nach  Ost  streichenden,  der  in  seinem  östlichsten  Theile, 
dem  von  zwei  kegelförmigen  Spitzen  gekrönten,  gegen  Süden  und 
Osten  in  schroifen  Wänden  nach  dem  Meere  abfallenden  Berge 
Pantokratoras  oder  S.  Salvatore,  die  bedeutendste  Ilölie  (946  Me- 
ter) erreicht,  und  einen  südlicheren,  der  von  der  Südwestseite 
des  ersteren  ausgehend  eine  nord-südliche  Richtung  hat;  er  fällt 
im  Westen  fast  überall  steil  nach  dem  Meere  ab,  während  er  sich 
gegen  Osten  allmälig  nach  der  meist  flachen  Küste  abdacht.  Ein 
in  der  Nähe  der  Hauptstadt,  also  ungefähr  in  der  Mitte  der  Länge 
der  Insel,  gelegener  Berg  dieser  Kette  (etwa  der  jetzt  'Hagioi 
Deka'  d.  i.  die  heiligen  Zehn  genannte,  südwestlich  von  der  Stadt, 
der  eine  Höhe  von  580  Meter  erreicht)  scheint  im  Alterthum  den 


d.  d.  Ueb.;  A.  Mustoxidi  Illustrazioni  Corciresi,  2  Bände,  Mailand  1811 
11.  1814;  derselbe  Delle  cose  Corciresi,  Vol.  I,  Corfu  1848;  G.  C.  A.  Mül- 
ler De  Corcyraeorum  republica,  Göttingen  1835;  Jos,  Janske  De  rebus 
Corcyraeorum  p.  I,  im  Jahresbericht  des  kathol.  Gymnasiums  zu  Breslau 
1849.  Kartographische  Darstellung  der  Insel  bei  H.  Kiepert  Carte  de 
l'Epire  et  de  la  Thessalie,  Berlin  1871.  Der  Name  lautet  auf  den  Mün- 
zen (vgl.  über  diese  Ach.  Postolakas  Xatccloyog  tmv  aQxaCcov  vo^lg^cc- 
T(ov  xcov  vrjoav  KsQ'>ivQccg^  Asv^ccdog ,  Id'(xy,r]s,  KscpccXlrivCag,  Zciv-vv- 
^ov  yicil  KvQ'r'iQOiv,  Athen  1868,  p.  1  —  5.^)  und  Inschriften  (C.  I.  gr.  n. 
1838  SS.;  Mustoxidi  Delle  cose  Corc.  p.  161  ss.;  W.  Visclier  Archäolog. 
u.  epigr.  Beiträge  aus  Griech.  S.  1  ff. ;  ders.  Rhein.  Mus.  XXII,  S.  615  ff.) 
durchgängig  KoQyivQa,  was  also  als  die  einheimische  Namensform  zu  be- 
trachten ist,  während  in  unseren  griechischen  Handschriften  die  offenbar 
vulgärgriechische  Form  KsQTivQa  überwiegt  (vgl.  Eustath.  ad  Dionys. 
Perieg.  V.  492).  Für  den  Namen  jQSTtccvrj  vgl.  schol.Apollon.  Rhod.  z/,  983; 
Stephan,  Byz.  u.  $ata| ;  für  ManQtg  schol.  Apoll.  Rhod.  z/,  540;  für  die 
neueren  Namen  Mustoxidi  Delle  cose  Corc.  p.  9  s. 


1.   Die  westgriechischen  Inseln:  Korkjra.  357 

Namen  Istone  geführt  zu  haben;  der  nördhcheren  Kette  darf 
man  vielleicht  den  Namen  des  meliteischen  Gebirges  zuwei- 
sen.^) Mit  meJir  Sicherheit  lassen  sich  noch  die  antiken  Namen 
der  Vorgebirge,  vvelclie  die  Insel  nach  verschiedenen  Seiten  ins 
Meer  vorstreckt,  bestimmen:  der  nördliche  Vorsprung  der  Sud- 
ostfront der  Insel,  der  noch  jetzt  Levkimo  oder  Alevkimo  heisst, 
ist  das  Cap  Leukimma,  der  ihm  im  Süden  entsprechende,  jetzt 
Asprokavö  oder  Capo  Bianco  genannte,  das  Cap  Amphipagos, 
der  westlichste  Punkt  der  ganzen  Insel  (das  jetzige  Cap  Kephali) 
das  Phalakron  der  Alten;  die  Landzunge  an  der  Nordoslseite, 
auf  welcher  die  Stadt  Kassiope  stand,  wurde  mit  dem  gleichen 
Namen,  als  Vorgebirge  Kassiope,  ein  Vorsprung  der  Oslköste 
(vielleicbt  das  jetzige  Cap  Hagios  Stephanos)  als  Kynoskephale 
(Hundskopf)  bezeichnet.  2) 

Einen  eigentlichen  Fluss  besitzt  die  Insel  nicht,  obgleich  einer 
der  zablreichen  Bäche,  welche  von  dem  nördlichen  Gebirgszuge 
in  nördlicher,  von  den)  südlicheren  in  östlicher  Richtung  dem 
Meere  ihr  freilich  während  des  Sommers  regelmässig  versiegen- 
des Wasser  zuführen  —  der  etwa  eine  Stunde  nordwestlich  von 
der  Hauptstadt  mündende  —  jetzt  mit  dem  Namen  Potamos  be- 
zeichnet wird:  ob  ihm  der  antike  Name  Aegäos^)  zukomme,  ist 
nicht  auszumachen.  Doch  sprudeln  zahlreiche  Quellen  am  Fusse 
der  Hügel  hervor;  überhaupt  ist  die  Insel,  abgesehen  von  dem 
süilliclisten  Theile,  wo  der  Boden  sandig  und  wenig  ergiebig  ist, 
äusserst  fruchtbar  und  wohl  angebaut;  besonders  der  mittlere 
Theil   macht  den   Eindruck   eines   grossen    Obst-   und    Gemüse- 


>)  "JatavT]  Thuk.  III,  85;  IV,  46;  Polyaen.  Strat.  VI,  20;  Steph. 
Byz.  u.  (1.  \V.;  C.  I.  gr.  n.  1874  (wornach  auf  dem  Berge  ein  Heiligtum 
der  JJioskuren  gestanden  zu  haben  sclieint)  und  1875.  Berg h.  Deka:  Ansted 
The  lonian  Islands  p.  103  ss.  "Ogog  MbXitjjiov  Apollon.  Rhod.  J,  1150  c. 
schol.  Auch  MoXo-itag  (C.  I.  gr.  n.  1840,  4)  scheint  der  Name  eines 
Berges  oder  Hügels  auf  der  Insel  gewesen  zu  sein. 

^)  Ptolem.  III,  14,  11;  für  AEVTiififia  vgl.  Strab.  VII  p.  324;   Thuk. 

I,  30;   47;  51;   III,  79;   für  ^aXayiQov  Strab.  a.  a.  O.  u.    Plin.  N.  h.  IV, 

II,  53;  nach  letzterem  lag  in  der  Nähe  des  Vorgebirges  eine  Klippe,  in 
welche  das  Sehift*  des  Odyssetis  verwandelt  worden  sein  sollte:  offeubar 
die  noch  jetzt  Kafydßt  (Schiffj  genannte  kloine  Folsinsel  südlich  von  dem 
Cap  Kephali.  Kvvog  %d(pc<Xr]  I'rfunp.  De  beil..  (ioth  III,  27  (p.  394,  10 
Dindorf). 

«)  Apollon.  Hhod.  ^,  542;   1147;  Stcpli.  Hvz.  n.'TXXHg. 


358  111.    Hie  Inselwelt. 

gartens.  Noch  besser  scheint  der  Zustand  des  Landes  im  Alter- 
thum  bis  zur  Diadochenzeit  gewesen  zu  sein,  wo  stattliche  Land- 
häuser mit  wolilgcfüllten  Weinkellern ,  zahlreichen  Sclaven  und 
Viehheerden  überall  zu  finden  waren.  ^]  Den  wichtigsten  Ausfuhr- 
artikel bildete  der  Wein,  der  sich  im  Alterthum  eines  grössern 
Hufes  erfreute  als  der  jetzt  auf  der  Insel  producirte.^)  Die  je- 
denfalls besser  als  heut  zu  Tage  bewaldeten  Berge  lieferten  Holz 
für  den  Schiffbau,  das  Meer  gab  den  Fischern  reiche  Beute. ^) 
Auch  die  Salzwerke,  welche  sich  jetzt  an  mehreren  Stellen  der 
Insel  finden,  und  die  Marmorbrüche  unterhalb  des  westlichen 
(iipfels  des  Pantokratoras,  welche  einen  feinkörnigen  weissen 
Marmor  vermischt  mit  Alabaster  liefern,  sind  wahrscheinlich  schon 
im  Alterthum  ausgebeutet  worden."^) 

Unter  den  Griechen  war  schon  frühzeitig  und  allgemein  die 
Ansicht  verbreitet,  dass  Korkyra  die  homerische  Scheria,  die  Kor- 
kyräer  also  die  Nachkommen  der  von  Alkinoos  beherrschten  Phäa- 
ken  seien,  eine  Ansicht,  die,  obgleich  sie  auch  unter  den  Neue- 
ren zahlreiche  Anhänger  zählt,  doch  als  entschieden  irrig  bezeich- 
net werden  muss.  Denn  eine  vorurtheiisfreie  Betrachtung  der 
homerischen  Schilderung  des  Phäakenreiches  lehrt,  dass  derselben 
keineswegs  die  wenn  auch  fabelhaft  ausgeschmückte  Kunde  einer 


^)  Xenopli.  Hell.  VI,  2,  6;  vgl.  Dionys.  Per.  494  linaQrj  Ksquvqcc; 
Apollon.  Rhod.  z/,  981  7tL£LQa. 

2)  Athen.  I  p.  33  ^  schol.  Nicand.  Ther.  622.  Die  bei  (Aristot.)  Mir. 
ausc.  104  erwähnten  KsQ'HVQcc'Cyiol  cc^cpoQSig  wurdeii  wahrscheinlich  nicht 
auf  dieser  Insel,  sondern  in  Adria  fabricirt:  vgi.  Hesych.  u.  KsQTiVQCCLOt 
afitpoQSLs;  O.  Jahn  Ber.  d.  sächs.  Ges.  d.  Wiss.  1854,  S.  34  f.  Aller- 
dings kommt  ein  cc^(poQ8vs  auf  zahlreichen  korkyräischen  Münzen  vor, 
doch  ist  derselbe  wohl  ebenso  wie  die  gleichfalls  häufig  erscheinende 
Traube  nur  auf  den  Weinbau  und  Weinhandel  zu  beziehen.  Ein  leichter 
feiner  Thon  findet  sich  bei  Kastrades,  einer  Vorstadt  von  Corfu:  s.  Ansted 
The  lonian  Islands  p.  27. 

3)  Für  den  jedenfalls  von  Korinth  aus  eingeführten  Schiffbau  zeugt 
der  Umstand,  dass  Korkyra  neben  Korinth  zuerst  eine  Kriegsflotte  hatte 
(Thuk.  1 ,  13).  Die  Herleitung  der  y.tQ-KOVQOs  genannten  Gattung  von 
Fahrzeugen  (einer  Erfindung  der  Kyprier  nach  Plin.  N.  h.  VII,  56,  208) 
von  Kerkyra  (schol.  Aristoph.  Pac.  143)  scheint  eine  etymologische  Spie- 
lerei zu  sein.  Fischfang:  Paus.  X,  9,  3;  Archestrat.  bei  Athen.  VII, 
p.  318  f. 

^)  Salinen:  Ansted  The  lonian  islands  p.  97;  Marmor:  Goodisson 
Essay  p.  26;  Ansted"  p.  85. 


1.    Die  westgriechischen  Inseln:  Korkyra,  359 

bestimmten  Oerlliclikeit,  sondern  die  märchenliafre  Vorstellung 
eines  paradiesischen  Landes  und^  Volkes  zu  Grunde  liegt.  Ver- 
anlassung zur  Localisirung  dieses  Utopiens  auf  Kbrkyra  gab  wobl 
theils  die  Fruchtbarkeit  des  Landes,  theils  der  frühe  Ruhm  seiner 
Bewohner  als  trefflicher  Seefahrer  J)  Vielmehr  müssen  als  älteste 
Bewohner  des  Landes  die  Liburner,  ein  Volk  illyrischen  Stammes, 
betrachtet  werden.  Die  unvergleichliche  Lage  der  Insel  für  den 
Verkehr  nach  Westen,  besonders  nach  Italien  und  Sicilien,  musste 
frühzeitig  die  Blicke  griechischer  Seefahrer  auf  sie  lenken.  Zu- 
erst Hessen  sich  Eretrier  aus  Euboia  hier  nieder,  eine  Nieder- 
lassung, die  wahrscheinlich  mit  der  gleichfalls  von  Euboia  ausge- 
gangenen Gründung  der  ältesten  hellenischen  Ansiedelung  in  Ita- 
lien, Kymc's,  im  Zusammenhang  steht.  Aber  sie  wurden  wohl 
schon  nach  kurzer  Zeit  durch  korinthische  Auswanderer  vertrie- 
ben, einen  Theil  der  von  dem  Bakchiaden  Archias  geführten  Ex- 
pedition nach  Sicilien,  welcher  unter  Führung  des  Bakchiaden 
Chcrsikrates  hier  zurückblieb  und  sich  die  ganze  Insel  unterwarf 
(734  v.  Chr.).'^j  Diese  Korinther,  welche  ihre  heimischen  Culte, 
insbesondere  den  der  Hera,  und  Sagen,  wie  die  von  lason  und 
Medeia,  mitbrachten,^)  gründeten  die  wie  die  Insel  selbst  Kor- 
kyra genannte  Stadt  auf  einer  ungefähr  in  der  Mitte  der  Ost- 
küste etwas  südlich  von  der  modernen  Stadt  in  südlicher  Rich- 
tung vortretenden,  etwa  eine  Stunde  langen  und  verhältnissmässig 
schmalen  Landzunge,  einer  Reihe  von  gegen  Westen  steil  abfal- 
lenden, gegen  Osten  sanft  sich  abdachenden  Hügeln,'  welche  jetzt 
fast  ganz  mit  Oelbäumen,  zwischen  denen  einzelne  Landhäuser 
liegen,    bedeckt  sind.      Zu   beiden   Seiten   derselben   ziehen   sich 


*)  Vgl.  Hellanik.  hei  Steph.  Byz.  u.  $ata|;  Thuk.  1,25  u.  a.  Von 
Neueren  hat  besonders  Mivstoxidi  eifrig  den  mythischen  Ruhm  seiner  Ilei- 
math  vertheidigt  (Ilhistraz.  I,  p.  28  ss.;  Delle  cose  Gore.  p.  10  ss.);  da- 
gegen besonders  Welcker  'Die  homerischen  Phäaken  und  die  Inseln  der 
Seligen'  im  Rhein.  Mus.  herausg.  v.  Welcker  u.  Näke  I,  S.  2G2  ff. 

2)  Strab.  VI  p.  269;  Plut.  Quaest.  gr.  11;  Timäos  bei  schol.  Apoll. 
Khod.  z/,  1216:  vgl,  Mustoxidi  Delle  cose  Corc.  p.  40  ss.  Auf  die  Krc- 
trier  ist  jedenfalls  der  von  Strab.  X,  p.  449  erwähnte  Ortsname  Evßoia 
zurückzuführen. 

^)  Ueber  den  Tempel  der  Hera  in  der  Stadt  vgl.  unten  S.  361,  Anm.  1. 
Localisirung  der  Sage  von  der  Vermählung  des  Jason  mit  der  Medeia 
(vgl.  I,  8.  383)  auf  der  Insel:  Timäos  beim  Schol.  Apollon.  Khod.  .J, 
1163  und  1217. 


360  in.    Die  Inselwelt. 

Buchten  ins  Land  hinein,  welche  der  alten  Stadt  den  grossen 
Vorzug  des  Besitzes  zweier  unmittelbar  im  Bereich  ihrer  Be- 
festigungen gelegener  Häfen  gewährten.  Der  an  der  Ostseite  der 
Halbinsel  gegen  die  epeirotische  Küste  hin  gelegene,  der  noch 
jetzt  als  Hafen  benutzt  wird,  scheint  der  Handelshafen,  das  Em- 
porion  der  alten  Stadt  gewesen  zu  sein,  da  unmittelbar  an  den- 
selben die  Agora  und  der  von  den  reichen  Handelsherren  be- 
wohnte Stadttheil  stiess.  Der  an  der  Westseite,  im  Alterthum 
Hyllaikos  genannt  (ohne  Zweifel  nach  der  Phyle  der  Hylleis, 
die  wie  in  allen  dorischen  Staaten  auch  auf  Korkyra  seit  der 
Ansiedelung  der  Korinther  bestand),  dessen  ohnehin  schmaler 
Eingang  noch  durch  eine  kleine  jetzt  Pontikonisi  (Mäuseinsel)  ge- 
nannte Felsinsel  geschützt  ist,  war  wahrscheinlich  der  Kriegs- 
hafen mit  dem  Arsenal  und  der  Schiffswerfte,  der  durch  die  auf 
dem  höchsten  westlichen  Theile  der  Landzunge  erbaute  Obersladt 
vertheidigt  wurde:  heut  zu  Tage  ist  er  in  Folge  starker  Versan- 
dung eine  fischreiche,  aber  durch  ihre  Ausdünstungen  wenigstens 
während  des  Sommers  gesundheitsgefährliche  Lagune,  Chalikio- 
pulo  oder  auch  Salina  genannt.^)  Sowohl  in  der  auf  dem  nied- 
rigen Landrücken  zwischen  den  beiden  Buchten  gelegenen  Vor- 
stadt Garitza  oder  Kastrades,  als  auf  der  ganzen  noch  jetzt  Paläo- 
polis  (Altstadt)  genannten  Landzunge  finden  sich  zahlreiche,  aber 
meist  sehr  unansehnliche  Reste  der  alten  Stadt  —  Säulentroncs, 
Ziegeltrümmer  und  Scherben  von  Thongefässen  —  zerstreut:  das 
Bedeutendste  sind  die  auf  einem  jetzt  Cardacchio  genannten  Platze 
an  der  Ostküste  in  der  Nähe  einer  reichen  Quelle  gelegenen 
Ruinen  eines  dorischen  Tempels  (Hexastylos  Peripteros)  mit  alter- 
thümlichen,  sehr  weit  gestellten  Säulen  und  einem  eigenthümHchen 
Einbau  im  Innern  der  Cella,  der  vielleicht  zu  Bädern  bestimmt 
war. '^)     Welcher  Gottheit  dieser  Tempel   geweiht   war,   ist   nicht 


1)  Thiik.  III,  72;  81;  vgl.  Ansted  p.  38  ss. ;  Vischer  Erinnerungen 
S.  21  f.  Der  östliche  Hafen  scheint  nach  Eustath.  ad  Dionys.  Per.  492 
den  Namen  'AX-aivoov  Xl(17]v  geführt  zu  haben.  Ncccoqlov  und  oyi80&i]K(x 
C.  I.  gr.  n.  1838,  b,  11  f. 

2)  Vgl,  W.  Kailton  'The  newly  discovered  temple  at  Cadachio'^  im 
vierten  (Supplement-)  Bande  der  Antiquities  of  Athens  and  other  places 
in  Greece,  Sicily  etc.  (London  1830);  Dr.  P.  F.  Krell  Geschichte  des  do- 
rischen Styls  (Stuttgart  1870)  S.  27  ff.  Die  Vermuthung,  dass  der  Tem- 
pel dem  Apollon  oder  Asklepios  geweiht  gewesen  sei,  stützt  sich  auf  die 
durchaus  unerwiesene  Voraussetzung,  dass  die  Inschrift  C.  I.  gr.  n.  1838 


1.    Die'westgriecliischen  Inseln:  Korkyra.  3G1 

ZU  ermitteln.  Aus  Thukydides  kennen  wir  als  Cultgebaude  in 
der  Stadt  das  Heräon,  vor  welcliem  eine  Insel  lag  (darnach  sclieint 
es  auf  dem  südwestlichsten  Punkte  der  Landzunge  gegen  Ponti- 
konisi  hin  gestanden  zu  haben),  Heiligthümer  der  Dioskuren  und 
des  Dionysos  (dessen  Cult  besonders  durch  die  Münzen  bezeugt 
ist),  ein  Temenos  des  Zeus  und  eins  des  Alkinoos.  ^) 

Ausser  den  zwei  Hafen  zu  beiden  Seiten  der  Landzunge  besass 
die  Stadt  noch  einen  dritten  etwas  weiter  nördlich  gelegenen,  den 
Ilaupthafen  der  jetzigen  Stadt,  der  durch  die  im  Norden  davor 
liegende,  im  Alterthum  befestigte  kleine  Insel  Ptychia  (jetzt  Vido) 
geschützt  wird.  2) 

Der  gesammte  Grund  und  ßoden  der  Insel  war  theils  Eigen- 
Ihum  des  Staates,  also  eine  Art  Domaine,  ^)  theils  reicher  Privat- 
leute, welche,  wie  oben  bemerkt,  in  allen  Theilen  der  Insel  ihre 
Landhäuser  mit  den  zur  Bebauung  des  Landes  nöthigen  Sclaven- 
schaaren  hatten.  Eine  städtische  Ansiedelung  hat  es  ausser  der 
Hauptstadt  wenigstens  in  der  älteren  Zeit  auf  der  Insel  nicht  ge- 
geben;  erst  in  der  römischen  Zeit  wird  eine  Stadt  Kassiope 
erwähnt,  welche  120  Sladien  von  der  Hauptstadt  auf  dem  gleich- 
namigen Vorsprunge  der  Nordostküste  (auf  welchem  sich  bis  jetzt 
Mauerreste,  Fundamente  von  Gebäuden  und  Säulentrümmer  er- 
halten haben)  gelegen ,  einen  Hafen  und  ein  Heiligthum  des  Zeus 
Kasios  besass/).     Da  wir  nun  in  Epeiros  im  Gebiete  der  Molosser 


(über  (leren  Fundort  nichts  bekannt  ist)  sich  auf  den  Bau  oder  die  Her- 
stellung dieses  Tempels  beziehe. 

0  Thukyd.  I,  24;  III,  70;  75;  79;  81;  vgl.  Diod.  XHI,  48.  'Hgatg 
als  Name  einer  Oertlichkeit  (jedenfalls  des  Stadttheils,  in  welchem  das 
Heräon  lag)  C.  I.  gr.  n.  1840,  16,  Dieselbe  Inschrift  enthält  noch  fol- 
gende Ortsnamen,  die  wir  nicht  mehr  fixircn  können:  MoXoy,ccg  (vgl.  oben 
S.  357,  Anm.  1);  Mivcolw,  a  vaaog  (nach  Mustoxidi  Delle  cose  Gore.  p.  187 
die  Halbinsel,  auf  welcher  die  jetzige  Stadt  liegt);  Amdga;  cc  Kco^imov; 
ZxivovQLg;  'AlXavls  y-cJ/xa.  Nach  C.  I.  gr.  n.  1845,  53  führte  ein  Platz 
oder  eine  Strasse  in  der  Stadt  den  Namen  zcc  ccQ^cita. 

')  Drei  Häfen  nara  ttjv  noXiv  erwähnt  ausdrücklich  Scyl.  Per.  29. 
ntvxia:  Thukyd.  IV,  46;  Ptol.  IH,  14,  11;  Steph.  u.  d.  W.;  Plin.  IV, 
12,  63. 

•)  Da8  Vorhandensein  solcher  bezeugte  die  Inschrift  C.  I.  gr.  n.  1840, 
nach  welcher  beträchtliche  Strecken  Weinland,  Saatland  und  einige  Häu- 
ser vom  Staate  an  seine  ngo^evoi,  verpachtet  werden. 

*)  Strab.  VH,  p.  324;  Cic.  Kpist.  ad  fam.  XVI,  9,  ;;  Suot.  Noro  22; 
Jlin.  IV,  12,  62;    Ptol.  III,  14,  11;    Gell.  N.  a.  XIX,  1,1;    Ulpian.  in 

BUB8IAN,  GEOGR.     II.  -ö 


362  nr.    Die  Inselwelt. 

einen  Volksstanim  der  Kassopäer  und  eine  Sladt  Kassopia  kennen 
(s.  Bd.  I,  S.  29  f.),  so  können  wir  vermuthen,  dass  die  Gründung 
der  korkyräischen  Stadt  in  die  Zeit  gehört,  wo  die  schon  ziem- 
lich herabgekommene  und  entvölkerte  Insel  unter  der  Herrschaft 
des  Pyrrhos,  Königs  von  Epeiros,  stand,  dem  sie  seine  Gemahlin 
Lanassa,  die  Tochter  des  syracusanischen  Tyrannen  Agathocles, 
der  nach  Vernichtung  der  Korkyra  blokirenden  Flotte  des  Kassan- 
der die  Insel  als  gute  Prise  betrachtete  (299  v.  Chr.),  als  Mitgift 
zugebracht  hatte.  ^)  Der  Hauptgrund  für  das  Sinken  des  Wohl- 
standes und  der  Bevölkerungszahl  der  Insel,  die  schon  als  Depen- 
denz  von  Korinlh  in  Gemeinschaft  mit  der  Mutterstadt  blühende 
Colonien  (Epidamnos  und  Apollonia  in  lllyrien,  Leukas  und  Anakto- 
rion  in  Akarnanien)  gegründet  hatte,  dann  nach  der  Lostrennung 
von  Korinth  mit  diesem  als  einer  der  ersten  Handels-  und  See- 
staaten Griechenlands  wetteiferte,  waren  die  blutigen  Fehden, 
welche  bald  nach  Ausbruch  des  peloponnesischen  Krieges  (beson- 
ders im  Jahre  427  v.  Chr.),  dann  wieder  im  Jahre  361  v.  Chr. 
zwischen  den  Aristokraten  und  der  Volkspartei  geführt  wurden,  ^j 
Ferner  wurde  die  Insel  schwer  geschädigt  durch  die  Plünderungen 
der  illyrischen  Piraten,  welche  unter  ihrer  Königin  Teuta  sich 
derselben  bemächtigten  und  den  Demetrios  von  Pharos  als  Statt- 
halter einsetzten,  der  die  Insel  im  Einverständniss  mit  den  Bewoh- 
nern dem  römischen  Consul   Cn.  Fulvius  Centumalus   überlieferte 


Digest.  XIV,  1,  1,  12:  vgl.  Mustoxidi  Delle  cose  Corcir.  p.  146  ss.  Das 
Bild  des  Zsvs  Kccdog  oder  KccoGLog  erscheint  auf  Münzen  der  Insel  aus 
der  römischen  Kaiserzeit  (Postolakas  KaxdXoyog  p.  36,  n.  460  ss.) ;  zwei 
Weihinschriften  'lovi  Casio'  bei  Mustoxidi  Delle  cose  Gore.  p.  240  s. 
Noch  Procop.  De  hello  Goth.  IV,  22  (p.  576  ed.  Dindorf)  erwähnt  in  der 
Stadt  ein  aus  Steinen  zusammengesetztes  Schiff,  das  Weihgeschenk  eines 
Kaufmanns  an  den  Zsvg  KccOLog. 

1)  Diodor.  XXI,  fr.  6  ed.  Bekker;  Plut.  Pyrrh.  9;  vgl.  Paus.  I,  11,  6; 
Justin.  XXV,  4,  8. 

2)  Thuk.  III,  70  if.;  IV,  46  ff.;.  Aeneas  Comm.  poliorcet.  11,  13  f.; 
Diod.  XV,  95.  Auf  die  zügellose  Demokratie ,  welche  in  Folge  des  Sie- 
ges der  Volkspartei  im  Jahre  427  herrschte,  geht  wahrscheinlich  das 
Sprüchwort  iXsvd'SQa  KoQyiVQcCj  xb^^  otcov  ^slsig,  welches  Strabon  (VII, 
p.  329,  fr.  8)  auf  die  Verödung  der  Insel  zur  Zeit  der  Römer  bezieht. 
Unklar  ist  der  Ursprung  des  sprüchwörtlichen  Ausdrucks  KoQ^vQUia 
jt«GTt|:  schol.  Aristoph.  Aves  1463;  Strab.  VII,  p.  329,  fr.  3;  Zenob.  IV, 
49;  Diogenian.  V,  50  u.  ö. 


1.   Die  westgrieckischen  Inseln:  Korkyra.  363 

(229  V.  Clir.)^).  Von  den  Römern  als  Freistaat  erklärt  und  mit 
ihnen  im  Kampfe  gegen  Philipp  V.  von  Makedonien  und  gegen 
die  Aetoler  verbündet,  als  Station  für  eine  Kriegsflotte  sowie  für 
den  Verkehr  mit  Griechenland  von  grosser  Bedeutung,  erholte  sie 
sich  allmälig  wieder  und  hesass,  obschon  durch  verheerende  Ein- 
fälle der  Vandalen  und  Gothen,  später  der  Sarazenen  wiederholt 
heimgesucht,  noch  unter  der  byzantinischen  Herrschaft  eine  nicht 
unbeträchtüche  Seemacht.  Nachdem  sie  im  1.1.  und  12.  Jahrhun- 
dert zweimal  vorübergehend  in  die  Hände  der  Normannen  ge- 
rathen,  bei  der  Theilung  des  byzantinischen  Reiches  unter  die 
Franken  im  Jahre  1204  den  Venezianern,  die  sie  aber  nur  no- 
minell in  Besitz  nahmen,  zugewiesen  worden  war,  kam  sie  im 
Jahre  1267  in  die  Hände  Karl's  von  Anjou  und  wurde  Anfangs 
durch  Generalvicare,  dann  als  Lehnsfürstenthum  durch  neapolita- 
nische Prinzen  regiert,  bis  sie  sich  im  Jahre  1386  den  Venezianern 
übergab.  2)  Im  Besitz  derselben  blieb  sie  bis  zum  Untergang  der 
Republik  im  Jahre  1797,  worauf  sie  die  Schicksale  der  übrigen  so- 
genannten ionischen  Inseln  theilte  (vgl.  oben  S.  347).  Heutzutage  hat 
sie  gegen  74,000  Einwohner,  von  denen  etwa  25,000  in  der  Haupt- 
stadt, die  übrigen  in  zahlreichen  Dörfern,  die  über  alle  Theile  der 
Insel  zerstreut  sind  (man  zählt  deren  ungefähr  40),  wohnen.^) 

Zum  Gebiet  von  Korkyra  gehört  ausser  der  schon  erwähnten 
Insel  Ptychia  (Vido)  eine  kleine  Inselgruppe  nahe  der  Nordwest- 
köste,  welche  wenigstens  im  späteren  Alterlhum  den  Namen 
Othonoi,  im  Mittelalter  den  Namen  Tetranisia  führte.  "*)  Die 
grössle  Insel  der  Gruppe  ist  die  westlichste,  jetzt  Fano  oder  Otho- 
nus  (sig  To^ff  ^Od-covovg),  im  Alterthum  wahrscheinlich  0 thro- 
ne s  genannt,  heutzutage  von  etwa  1000  Menschen  I)ewohnt,  die 
sich   ausser  mit  Fischfang  besonders   mit   der  Jagd   auf  die   im 


«)  Polyb.  II,  9  — 11;  vgl.  Appian.  lUyr.  7;  Zonar.  VIII,  19  (Vol.  II, 
p.  170  ed.  Pinder). 

2)  Vgl.  für  die  Geschichte  der  Insel  im  Alterthum  Müller  De  Corcyraeo- 
rum  repablica  p.  9  bs.  und  Mustoxidi  Delle  cose  Gore.  p.  40  ss.,  für  die 
mittelalterliche  Geschichte  denselb.  ebda.  p.  385  ss. 

^)  Vgl.  dieUehersicht  im'E^vixov  rififgoloyLOv  rov  ^tovg  1871p. 60788. 

*)  'O^ovoi  l'rocop.  De  hello  Gotli.  IV,  22  (p.  575  Dind.),  der  aus- 
drücklich 3  Inseln  erwähnt  und  ungiebt,  dass  sie  zu  seiner  Zeit  weder 
von  Menschen  noch  von  Thieren  bewohnt  waren,  TetQavrjaiu  im  Leben 
des  Erzbischofrf  Arsenios  bei  Mustoxidi  Delle  cose  Gore.  p.  409;  vier  In- 
jjchi  urwiLlint  uiich  ]{oger  von  Howeden  ebds.  p.   144. 


364  TTI.    Die  Inselwelt. 

Frühling  in  grossen  Massen  liier  niederfallenden  Wachteln  be- 
schäftigen: in  der  Westküste  der  Insel  öffnet  sich  eine  geräumige, 
nur  vom  Meere  aus  zugängliche  Grotte,  die  früher  oft  Seeräubern 
zur  Zuflucht  diente.^)  Oestlich  von  Othonus  liegt  Erikusi  (von 
den  italienischen  Schiffern  Maslera  genannt),  die  alte  Erikusa, 
mit  einer  Bevölkerung  von  etwa  600  Seelen.  Ohne  stehende  Be- 
wohner sind  die  beiden  südlicher  gelegenen  Salmastraki  und  Diaplo, 
deren  antike  Namen  nicht  mit  Sicherheit  zu  bestimmen  sind.  ^) 
paxos.  Etwas  über  eine  Meile  südlich   von   der  Südspitze  Korkyra's 

liegt  die  Vl^  Quadratmeilen  umfassende  Insel  Paxos,  welche  im 
Alterthum  gewöhnlich  mit  ihrer  weit  kleineren  südlichen  Schwe- 
sterinsel (jetzt  Antipaxos,  im  spätem  Alterthum  Propaxos  genannt) 
unter  dem  Namen  ot  Ila^ol  zusammengefasst  w  urde.  ^)  Im  Alter- 
thum gehörten  beide  Inseln  ohne  Zweifel  zu  Korkyra,  dessen 
Schicksale  sie  auch  später  theilten;  bei  der  Constituirung  der 
Republik  der  sieben  Inseln  wurde  aber  Paxos  als  selbständiges 
Glied  derselben  anerkannt.  Die  Insel  ist  durchaus  gebirgig,  hat 
einen  einzigen,  jetzt  Potamo  genannten  Bach,  und  fast  gar  keine 
Quellen  trinkbaren  Wassers,  dagegen  einige  Schwefelquellen;  sie 
bringt  besonders  Oliven  in  reicher  Fülle  und  vorzüglicher  Qua- 
lität hervor.  In  den  steil  nach  dem  Meere  abfallenden  Felswän- 
den der  West-  und  Südweslküste  finden  sich  mehrere  nur  durch 
Boote  zugängliche  geräumige  und  sehr  malerische  Grotten.  Spu- 
ren einer  antiken  Ortschaft  sind  bis  jetzt  wenigstens  noch  nicht 
entdeckt  worden.  Heutzutage  wohnt  die  etwa  6000  Seelen  be- 
tragende Bevölkerung  theils  in  dem  nahe  der  Ostküste  gelegenen 
Städtchen  Gaion  (mit  einem  bei  stürmischen  Wetter  schwer  zu- 
gänglichen Hafen),  theils  in  einigen  Dörfern.  Antipaxos,  dessen 
felsiger  Boden  an   einigen  Stellen  Asphalt   in   flüssigem  Zustande 


^)  'OQ'QCOvog  Lycophr.  Alex.  1027  und  1034;  Steph.  Byz.  und  Hesych.  u. 
d.  W.;  Plin.  IV,  12,  52  (y.  /.  Thoronos).     Vgl.  Ansted  p.  121. 

2)  'EQiv.ov6a  (nach  dem  Haidekraut,  SQSLTtr]  od.  SQL-iii],  benannt)  Ptol. 
ni,  14,  12;  Plin.  IV,  12,  53.  Salmastraki  heisst  (nach  Mustoxidi  Delle 
cose  Gore.  p.  145)  in  einem  Diplom  König  Kail's  III.  von  Neapel  vom 
Jahre  1383  Mathrace,  ein  Name,  welchem  unter  den  von  Plin.  a.  a.  O. 
aufgeführten  Malthace  am  nächsten  kommt;  doch  könnte  man  auch  an 
Marathe  denken. 

3)  Polyb.  II,  10;  Dio  Cass.  L,  12;  Plut.  De  def.  orac.  17;  Plin.  IV, 
12,  52;  Hesych.  u.  JTa|og.  Propaxos:  Itiner.  Anton,  mar.  p.  519  ed. 
Wesseling.     Vgl.  über  die  Inseln  Ansted  p.  117  ss. 


1.  Die  westgriechisclien  Inseln :  Paxos.   Inseln  der  Taphier.    365 

ausscbvvitzt,  wird  jetzt  von  kaum  100  Menschen,  meist  Schäfern 
und  Fischern,  bewohnt. 

Zwischen  der  als  naUirliches  Anhängsel  Akarnaniens  schon  i^^seiu  der 
Band  I,  S.  115  ff.  geschilderten,  erst  durch  Menschenhand  zur  ^^  ^^^' 
Insel  gemachten  Leukas  und  dem  Festlande  Hegt  eine  nicht  un- 
beträchtliche Inselgruppe,  welche  im  Alterthum  mit  dem  Namen 
der  Inseln  der  Taphier  bezeichnet  und  zu  Akarnanien  (das 
in  vorhisloVischer  Zeit  von  den  Bewohnern  dieser  Inseln  beherrscht 
worden  sein  soll,  während  in  den  historischen  Zeiten  das  Verhält- 
niss  umgekehrt  war)  gerechnet,  ^)  in  neueren  Zeiten  dagegen  als 
ein  Bestandtheil  des  Staates  der  sieben  Inseln  und  zwar  mit  Aus- 
nahme der  eine  Dependenz  von  Leukas  bildenden  Hauptinscl  Me- 
ganisi  als  zu  Ithaka  gehörig  betrachtet  wurde.  Diese  Ilauptinsel, 
von  den  Alten  Taphos  oder  Taphias  genannt,  nur  durch  einen 
etwa  72  Stunde  breiten  Canal  von  der  Südoslküste  von  Leukas 
getrennt,  mit  welcher  sie,  wie  die  Schichtung  des  Gesteins  lehrt, 
ursprünglich  zusammenhing,  hat  ungefähr  die  Form  einer  Mond- 
sichel oder  eines  gespannten  Bogens,  dessen  Krümmung  gegen 
Westen  gerichtet  ist;  doch  ist  der  nördlichere  Theil  bedeutend 
breiter  als  der  südlichere  und  bietet  an  der  Nordküste  in  einigen 
tief  ausgezackten  Buchten  den  SchilTern  trefl'liche  Häfen  dar. 
Daher  war  die  Insel,  der  Wohnsitz  der  ^rnderliebenden  Taphier', 
schon  in  den  ältesten  Zeiten  ein  nicht  unwichtiger  Stapelplatz 
und  ein  Ilauptsitz  der  Seeräuberei;  letzteres  ist  sie  bis  in  die 
neuere  Zeit  geblieben.  Der  Boden  der  Insel  ist  ziemlich  frucht- 
bar: sie  producirt  namentlich  trefflichen  Weizen,  auch  Flachs, 
und  liefert  ausgezeichnete  Bausteine.  Die  Einwohner,  etwa  600 
Seelen,  treiben  jetzt  meist  Viehzucht  und  exportiren  eine  nicht 
unbeträchtliche  Quantität  von  Käse.  2)  Oestlich  von  Meganisi  liegt 
die  an  Grösse  ihr  wenig  nachstehende  Insel  Kalamo,  von  den 
Alten  Karnos  genannt,')  mit  einem  guten  Hafen  an  der  Südost- 

')  /It  x(ov  Tci(pi(av  v^aoi  tiqotsqov  dt  TrjXeßowv  Ötrab.  X,  p.  459,  vgl, 
|).  461.  Tcleboidc8  eacderaquc  Taphiao  Plin.  IV,  12,  53.  Daraus, 
(1h88  Steph.  Byz.  Tatpos  als  noXii  KetpaXXriviag  bezeiclinot,  darf  mau 
wohl  Hchliessen,  dass  diese  Insel  und  mit  ihr  die  ganze  Gruppe  zeitweise 
zu  Kephallenia  gehört  hat;  vgl.  Apollodor.  II,  4,  5  und  7. 

«)  Od.  a,  181;  417  88.;  |,  452;  o,  427;  w,  42G;  Strab.  X,  p.  456; 
450;  461;  Tlin.  a.  a.  O.  u.  XXXVI,  21,  151;  vgl.  Goodissou  Kwsay  p.  82  s.; 
Ansted  p.  197. 

8)  Scyl.  Per.  34;  ötcph.  liyz.  u.  KaQVOi.     Vgl.  Austcd  p.  288  8. 


366  ni.    Die  Inselwelt. 

Seite  und  einem  mittelalterlichen  Kaslell,  Xylokastro,  oberhalb  der 
Nordostspitze,  jetzt  von  etwa  100  Familien  bewohnt,  die  meist 
Ackerbau  treiben.  Auf  einer  dieser  beiden  Inseln  wird  die  als 
Stadt  der  Taphier  genannte  Ortschaft  Aspalatheia  anzusetzen 
sein.^)  Für  die  übrigen  Inseln  der  Gruppe  (Kastus  südöstlich  von 
Kalamo,  mit  einem  Dorfe  und  zwei  Häfen,  Atako  südwestlich  von 
Kaslus  und  Arkudi  südwestlich  von  Meganisi,  die  beiden  letzteren 
unbewohnt  ebenso  wie  eine  Anzahl  ganz  kleiner  theils  zwischen 
den  bisher  genannten,  theils  nördlich  von  Meganisi  gelegener 
Inselchen)  sind  uns  keine  antiken  Namen  überliefert,^) 

Südöstlich  von  dieser  Gruppe  liegen  nahe  der  Küste  Akar- 
naniens  die  von  den  Alten  als  Oxeiä  und  Echinades  bezeich- 
neten Gruppen  kleiner  Felsinseln  (s.  Bd.  I,  S.  119),  südwestHch 
die  beiden  an  Grösse  sehr  ungleichen,  aber  von  Natur  zusammen- 
gehörigen Schwesterinseln  ^)  Ithake  und  Kephallenia. 
ithake.  Ithake,^)    vom    Volke    heutzutage    mit    leichter   Metalhesis 


*)  Nikandros  bei  Steph.  Byz.  u.  ^AanaXad'ELa:  das  der  Stadt  beigelegte 
Epitheton  ßorjQOtog  passt  auf  Karnos  so  gut  als  auf  Taphos,  da  beide  Inseln 
gutes  Ackerland  haben;  der  Strsiuch.  aanccla&og  (Spartium  villosum,  eine 
Art  Binsenpfrieme),  nach  welchem  die  Stadt  offenbar  benannt  ist,  kommt 
in  allen  Theilen  Griechenlands  häufig  vor. 

2)  Vgl.  Dodweli  Class.  u.  topogr.  Reise  I,  1,  S.  83.  Kiepert  hat  ver- 
muthungsweise  die  im  Schiffscatalog  (B,  633)  zwischen  Ithake  und  Neri- 
tos  einerseits,  Zakynthos  und  Samos  anderseits  aufgeführten  Ortsnamen 
Krokyleia  und  Aegilips,  deren  Beziehung  schon  den  Alten  ganz  un- 
klar war,  auf  die  Inseln  Arkudi  und  Atako  (von  denen  es  mir  sehr  zwei- 
felhaft ist,  ob  sie  im  Alterthum  bewohnt  waren),  bezogen.  Strab.  X, 
p.  452  (vgl.  VIII,  p.  376)  sucht  beide  Orte  auf  Leukas,  und  ebenso  ist 
wohl  der  etwas  unklare  Ausdruck  bei  Steph.  Byz.  u.  AlyCUip'  nXrjaLOV 
KqohvXsicov  trjg  yjtisl'qov  zu  verstehn  (mit  Bezug  auf  Leukas  als  a-nvr] 
TjTtBLQOio);  der  Grammatiker  Herakleon  aus  Ephesos  dagegen  (bei  Steph. 
Byz.  u.  Kqo'hvXslov)  betrachtet  beide  als  Theile  von  Ithaka,  was  auch 
mir  als  das  Wahrscheinlichste  erscheint.  Crocylea  neben  dem  (fälsch- 
lich von  Cephallenia  unterschiedenen)  Same  bei  Plin.  IV,  12,  54.  Die 
Ansicht  Spon's  (Voyage  d'Italie,  de  Dalmatie,  de  Gr^ce  et  du  Levant, 
Lyon  1678,  I,  p.  132),  dass  Atako  das  homerische  Ithaka  sei,  mag  nur 
der  Curiosität  halber  angeführt  werden. 

3)  Dionys.  Call.  Descr.  Gr.  50  ss.  bezeichnet  beide  als  rrjaoi  KEcpaX- 
Xtjvcov. 

*)  Vgl.  W.  Gell  The  geography  and  antiquities  of  Ithaca,  London 
1807  ;  C.  Chr.  E.  Schreiber  Ithaca  oder  Versuch  einer  geographisch-antiqua- 
rischen Darstellung  der  Insel  Ithaca  nach  Homer  und  den  neuern  Reisenden, 


1.   Die  westgriechischen  Inseln:  Ithake.  367 

Thiaki  {@Lccxrj)  genannt,  mit  einem  Umfang  von  etwas  über  3 
Quadratmeilen,  besteht  aus  zwei  Bergmassen,  welche  nur  durch 
einen  schmalen  Isthmos,  eine  ziemlich  unfruchtbare  Hügelkette, 
im  Westen  verknöpft  sind,  während  von  Osten  her  das  Meer  in 
einer  weiten  Bucht  zwischen  sie  eindringt.  An  der  Südseite 
dieser,  jetzt  ^Golf  von  Molo'  genannten  Bucht  zieht  sich  eine 
schmälere  tief  ins  Land  hinein,  welche  einen  trefflichen  Hafen 
auch  für  grosse  Schiffe  bildet;  am  südlichen  Ende  derselben  lie- 
gen im  Halbkreise  die  weissen  Häuser  des  nach  der  tiefen  Bucht 
benannten  Städtchens  Vathy,  des  jetzigen  Hauptortes  der  Insel,  über 
welchem  der  südliche  Bergstock  (jetzt  Hagios  Stephanos  genannt) 
bis  zu  einer  Höhe  von  671  Meter  emporsteigt.  Höher,  bis  zu 
807  Meter,  erhebt  sicli  der  nördliche  Bergzug  jenseits  des  Isthmos 
in  seinem  südlicheren  Theile  (dem  jetzigen  Berge  von  Anoi), 
während  ein  zweiter  Gipfel  desselben,  der  gegen  Nordwesten  ins 
Meer  vortretende  Berg  von  Oxoi,  nur  die  Höhe  von  525  Metern 
erreicht.  1)     Zwischen  der   Ostseite   dieses  Berges  und   dem  noch 


Leipzig  1829;  Leake  Travels  in  northern  Greece  III,  p.  24  ss.;  E.  Gandar 
De  Ulyssis  Ithaca.  Quae  sit  Homero  locos  describenti  fides  adhibenda, 
Paris  1854;  Ansted  p.  231  ss.;  R.  Hercher  *Homer  und  das  Ithaka  der 
Wirklichkeit'  im  Hermes  I,  S.  263  ff.;  H.  Schliemann,  Ithaka,  der  Pelo- 
ponnes  und  Troia,  Leipzig  1869.  G.  F.  Bowens  Ithaka  (Corfu  1850)  ist 
mir  ebensowenig  zugänglich  als  N.  Karavias  Grivas  ^latoqCa  r^g  vrjaov 
'id-ccTiT^g  ccno  tav  ccQxaiotdt(ov  XQOvtov  tisxQt  tov  1849,  Athen  1849. 
Dass  es  im  Alterthum  mehrere  nEQLrjyjjat ig  der  Insel  gab,  zeigt  Porphyr. 
De  antro  nymph.  2. 

*)  Dass  die  homerischen  Bergnamen  NtJqltov  und  Nri'Cov  in  den 
historischen  Zeiten  auf  der  Insel  nicht  in  Gebrauch  waren,  scheint 
mir  aus  der  Art,  wie  die  griechischen  Schriftsteller  (besonders  Strab.  X, 
p.  454)  darüber  sprechen,  mit  Sicherheit  hervorzugehen.  Das  Ntjqltov 
(II.  B,  632;  Od.  t,  21  f. ;  v,  351)  wurde  ziemlich  allgemein  in  dem  höch- 
sten Berge  der  Insel,  dem  von  Anoi,  wiedererkannt  (nur  Herakleon  bei 
Steph.  Byz.  u.  ÄQoyivltiov  scheint  den  Namen  auf  den  südlichen  Berg, 
den  Stephanos,  bezogen  zu  haben);  über  die  Lage  des  Njj'Cov  aber,  an 
dessen  Fusse  der  Hafen  'Pei&qov  lag  (Od.  «,  186;  vgl.  schol.  zu  d.  St.  und 
zti  £,  22:  ob  i^  'id'ayiTjg  vnovrjtov  y,  81  auf  die  Stadt  oder  auf  die  ganze 
Insel  zu  beziehen  sei,  ist  unsicher),  giengen  die  Ansichten  der  Alten  ebenso 
auseinander  als  die  der  Neueron.  Meiner  Ansiclit  nach  ist  die  Frage 
ebensowenig  zu  entscheiden  als  andere  Punkte  der  homerischen  Topo- 
graphie, da  der  Dichter  der  Odyssee  die  Oertlichkeiten  nicht  nach  Aut- 
opsie, sondern  nur  nach  einer  ziemlich  unbestimmten  und  unklaren  Vor- 
stt'llung  schildert. 


368  III.    Die  Inselwelt. 

weiter  gegen  Norden  vorgeschobenen  Hugelziige,  welclier  in  dem 
(^iip  Marmaka,  dem  nördlichsten  Punkte  der  Insel,  endet,  öflnet 
sich  die  jetzt  Aphales  genannte  Bucht;  an  der  Sudwestseite  dieses 
Ilögelzugs  liegt  die  besser  geschützte  Bucht  Phrikiäs  mit  einem 
kleinen  Dorfe  gleichen  Namens,  in  welche  ein  kleiner,  nach  dem 
schwarzen  Niederschlage  seines  leicht  versiegenden  Wassers  Me- 
lanydros  genannter  Bach  mündet.  Abgesehen  von  diesen  Buch- 
ten, welche  die  Bewohner  der  Insel  frühzeitig  auf  die  SchiflTahrt 
als  Haupterwerbsquelle  hinweisen  mussten,  fällt  die  Küste  meist 
in  steilen,  hie  und  da  von  Grotten  unterhöhlten  Wänden  zum 
Meere  ab.  Die  Berge  und  Hügel,  welche  die  ganze  Insel  erfül- 
len (eine  Ebene  hat  dieselbe  gar  nicht,  sondern  nur  einige  schmale 
Thäler),  sind  jetzt  ganz  ohne  Bewaldung,  die  Gipfel  und  Bücken 
sind  kahl,  nur  hie  und  da  mit  Strauchwerk  bewachsen;  die  mit 
einer  dünnen  Humusschicht  bedeckten  Abhänge  sind  für  die  Cul- 
tur  des  Weinstocks  und  der  Korinthenrebe,  welche  jetzt  die  Ilaupt- 
producte  der  Insel  bilden,  trefllich  geeignet.  Auch  Olivenöl  wird 
ausgeführt,  Getreide  dagegen  nur  in  geringer,  für  die  etwa  auf 
12,0()0  Seelen  sich  belaufende  Bevölkerung  bei  weitem  nicht  aus- 
reichender Quantität  gebaut;  die  Viehzucht  beschränkt  sich  auf 
das  Halten  zahlreicher  Ziegenheerden.  Das  Meer  bietet  ausser 
Fischen  auch  Schwämme  und  Korallen  zur  Ausbeutung  dar.  ^) 

Der  Name  der  Insel  scheint  ebenso  wie  der  ältere  Name  ihrer 
grösseren  Schwesterinsel,  Same,  semitischen  Ursprungs  zu  sein 
und  von  einer  alten  Handelsniederlassung  der  Phöniker,  an  welche 
sich  bei  den  Griechen  freilich  nicht  einmal  eine  mythische  Er- 
innerung erhalten  hatte,  Zeugniss  abzulegen,  ^j  Im  hellsten  Glänze 
mythischen  und  dichterischen  Buhmes  aber  erscheint  die  Insel 
in  der  griechischen  Heroenzeit  als  Mittelpunkt  des  von  Odysseus 
beherrschten  Beiches  der  Kephallenen,  als  Schauplatz  der  Sagen 
von  der  Heimkehr  des  Odysseus,  seiner  treuen  Gattin  Penelopeia 
und  ihrem  Sohne  Telemachos,  den  ^göttUchen  Sauhirten'  Eumäos 
und  andere  mehr  untergeordnete  Persönlichkeiten  nicht  zu  ver- 
gessen.    Von  diesem  mythischen  Glänze  her  haftet  an  der  in  der 


*)  Vgl.  Ansted  p.  254  s.  Nach  dem  Glauben  der  Alten  konnten  auf 
Ithake  keine  Hasen  leben:  Aristot.  Hist.  an.  VIH,  27,  2;  Antigen.  Caryst. 
Histor.  mir.  11. 

2)  'id-ccKT]  =^Itvyirj  (Utica)  =  p'Sni*  '■colonla":  vgl.  Olshausen  Rhein. 
Mus.  n.  F.  Vlir,  S.  329. 


1.  Die  westgriechischen  Inseln:  Ithake.  369 

historischen  Zeit  durchaus  unbedeutenden  und  fast  nur  als  An- 
hängsel der  weit  grössern  Nachbarinsel  Kephallenia  erscheinenden 
Insel  ein  romantisclier  Schimmer,  welcher  die  Augen  alter  und 
neuer  Geographen  geblendet  hat,  so  dass  sie  die  homerischen 
Schilderungen,  Erzeugnisse  der  dichterischen  Phantasie,  in  allen 
Einzelheiten  wiederzuerkennen  geglaubt  und  nachzuweisen  ver- 
sucht haben,  ein  Bestreben,  das  bei  den  für  den  Ruhm  ihrer 
Ileimath  und  die  Befriedigung  der  Neugier  der  Touristen  besorg- 
ten Einwohnern  leichter  zu  entschuldigen  ist  als  bei  anderen. 

Dass  der  Dichter  sich  die  Stadt  mit  dem  Hause  des  Odysseus 
und  mit  dem  tiefen  Hafen  unterhalb  an  der  Nordwestseite  der 
Insel  gelegen  gedacht  hat,  zeigt  die  Erzählung  von  den  Freiern, 
welche  dem  von  Süden  her  heimkehrenden  Telemachos  in  dem 
Sunde  zwischen  Ithake  und  Samos  (Kephallenia)  bei  der  kleinen 
Insel  Asteris  auflauern,  womit  nur  das  kleine  im  spätem  Alter- 
thum  Asteria,  jetzt  Daskalio  genannte  Felseiland,  das  einzige, 
welches  zwischen  beiden  Inseln  liegt,  gemeint  sein  kann.  Frei- 
lich verräth  der  Dichter  gleich  seinen  Mangel  an  Ortskenntniss 
durch  die  Schilderung  dieses  Eilandes  als  mehrere  Häfen  mit 
doppeltem  Eingange  enthaltend,  während  es  nur  eine  grössere 
Felsklippe  ohne  Hafenbucht  ist.  ^)  Schon  daraus  ergiebt  es  sich, 
wie  thöricht  es  ist,  in  den  auf  dem  jetzt  Aeto  genannten  Rücken 
des  Isthmos,  also  südwärts  von  jenem  Eiland,  erhaltenen  Resten 
einer  alterthümlichen  Befestigung,  von  welchen  W.  Gell  eine  rein 
phantastische,  völlig  unwahre  Restauration  gegeben  hat,  den  Palast 
des  Odysseus  wiedererkennen  zu  wollen :  dieselben  gehören  einem 
kleinen  Kastell  an,  welches  den  Namen  Alkomenä  oder  Alal- 
komenä  führte.^)     Die   der  Insel  selbst  gleichnamige  Stadt   der 


0  Od  S,  814  ff.;  Strub.  I,  p.  59;  X,  p.  456;  Stepli.  Byz.  u.  'AatfQiK. 
Die  Aniiulime  alter  Oeographon ,  rlasH  die  Insel  im  Laufe  der  Jalirhuii- 
derte  bedeutende  Veränderungen  erlitten  habe,  ist  willkürlich,  die  Krji- 
so'g  (Hellas  II,  2,  S.  453  ff.),  dass  die  jetzt  Erisso  genannte  nördlichste 
If/ilbinsel  von  Kephallenia  einst  eine  besondere  Insel,  eben  die  homerische 
Asteris  gewesen  sei,  physisch  unmöglich. 

2)  IstroH  bei  IMutarch.  Quaest.  gr.  43;  Stepb.  Uy/..  n.  'AXxofLSvai; 
vgl.  Apollodor.  bei  Strab.  X,  p.  467,  der  den  Ort  auf  die  Insel  Astoria 
versetzt  (wenn  dem  nicht,  wie  die  Worte  to  in  uvuo  xm  ia&(im  xBi(tE- 
vov  vcrmuthen  lassen,  ein  Missvcrstilndniss  Strabons  zu  («runde  liegt), 
lieber  die  Uuinon  s.  Goodisson  Essay  p.  122  ss.;  Ansted  p.  278  ss.;  LeaKo 


370  III.  Die  Inselwelt. 

liistorischcii  Zeit  lag  im  nördlichen  Tlieile  der  Insel  unterhalb  des 
Berges  von  Oxoi  auf  dem  Plateau  zwischen  der  Bucht  Phrikiäs 
und  der  noch  jetzt  Polis  genannten  Bucht  am  südwestlichen  Fasse 
jenes  Berges:  hier  finden  sich  noch  Beste  von  Mauern  und  Thür- 
men  aus  verschiedenen  Epochen,  Gräber,  Vasenscherben,  Ziegel- 
slücke und  einige  spätere  Inschriften,  welche  das  Fortbestehen 
der  Stadt  bis  in  die  römische  Zeit  bezeugen. ')  Der  Dichter  der 
Odyssee  scheint  nun  zwar  von  der  Existenz  und  Lage  dieser  Stadt 
eine  freilich  ziemlich  unsichere  Kunde  gehabt,  im  Uebrigen  aber 
seine  Schilderungen  sowohl  einzelner  Theile  der  Stadt,  wie  na- 
mentlich des  Hauses  des  Odysseus,  als  auch  anderer  Oertlichkei- 
ten  auf  der  Insel,  \^ie  des  Hafens  des  Phorkys  mit  der  Nymphen- 
grolte  (die  man  in  der  kleinen  gerade  westlich  von  Valhy  gelegenen 
Bucht  von  Dexia  v^iederfinden  will)  und  der  Quelle  Arethusa  nebst 
dem  Fels  des  Rorax  (welche  die  einen  an  der  Südostküste,  die 
anderen  im  Norden  der  Insel  in  der  Nähe  der  Bucht  von  Phri- 
kiäs suchen),  frei  nach  Analogien  anderer  ihm  bekannter  grie- 
chischer  Gegenden   erfunden   zu  haben.  2).     Auch   die  angebliche 


Northern  Greece  III,  p.  34;  Fr.  Thiersch's  Leben,  herausgeg.  von  H.  W. 
J.  Thiersch,  Bd.  II,  S.  336;  Hercher  im  Hermes  I,  S.  276. 

^)  Stadt  und  Hafen  erwähnt  auf  Ithake  Scyl.  Per.  34;  drei  Häfen 
Dionys.  Calliph.  Descr.  Gr.  52;  die  der  Insel  gleichnamige  Stadt  Ptolem. 
III,  14,  13;  Cic.  De  orat.  I,  44,  196.  Inschriften  C.  I.  gr.  n.  1925  ff.; 
vgl.  Addenda  Vol.  II,  p.  988  (von  n.  1926,  einer  Stele  des  Museum  Nania- 
num,  auf  welcher  die  von  Xenoph.  Anab.  V,  3,  13  mitgetheilte  Inschrift 
wörtlich  wiederholt  ist,  ist  mir  nicht  nur  die  Provenienz,  sondern  auch 
die  Aechtheit  sehr  zweifelhaft).  Ueber  die  antiken  Reste  bei  und  ober- 
halb der  Bucht  Polis  Leake  a.  a.  O.  p.  46  ss.  und  Ansted  p.  246;  über 
die  näher  nach  der  Bucht  von  Phrikiäs  zu,  oberhalb  der  Bucht  Aphales 
gelegenen,  jetzt  mit  dem  seltsamen  Namen  der  ^Schule  des  Homer'  be- 
zeichneten Mauerreste  (eher  von  einem  Wartthurm  als  von  einem  Tempel) 
Ansted  p.  238  ss.  (mit  Grundplan  und  Skizzen  einiger  Mauerstücke). 

^)  ^OQTivvog  Xl(17]v  und  avxQOv  Nv(i(pcc(ov  Od.  v,  96  ff.  und  345  ff., 
vgl.  schol.  zu  V.  96,  woraus  man  sieht,  dass  Oertlichkeiten  an  verschie- 
denen griechischen  Küsten  nach  Phorkys  benannt  wurden,  wie  ja  auch 
Nymphengrotten  fast  überall  in  Griechenland  vorkommen.  Ueber  die  Bucht 
von  Dexia  mit  der  angeblichen  Grotte  s.  Ansted  p.  260  ss. ;  Hercher  Her- 
mes I,  S.  277  ff.  KoQdyiog  nstQT]  und  ngrjvrj  'Agsd^ovaa  Od.  v,  408  (bei- 
des öfter  wiederkehrende  Berg-  und  Quellnamen) :  über  die  dafür  gehal- 
tenen Oertlichkeiten  s.  Ansted  p.  245  s.  und  p.  265  ss.  Die  Tradition, 
nach  welcher  Schliemann  einige  Weinberge  am  Meeresufer  in  der  Nähe  des 
Dorfes  Hagios  loannis,  l*/?  Stunde  von  Levki  als  ctyqog  Äcceqtov  bezeieb- 


1.    Die  westgriechischen  Inseln:  Kephallenia.  371 

Ortschaft  Polyktorion  ist  jedenfalls  nur  eine  Erfindung  antiker 
Grammatiker  aus  der  Stelle  der  Odyssee,  in  welcher  Ithakos, 
Neritos  und  Polyktor  als  Erbauer  des  Stadtbrunnens  von  Ithake 
genannt  werden.  ^) 

Die  westliche  Nachbarinsel  Ithake* s,  in  der  ältesten  Zeit  mit  ^^v^\^^- 
dem  orientalischen  Namen  Samos  oder  Same,  spater  nach  dem 
Volksstamme  der  Kephallenen,  welche  schon  die  homerischen  Ge- 
sänge als  ihre  Bewohner  kennen,  Kephallenia  (italiänisch  Ce- 
falonia)  benannt,  ^j  an  Umfang  (16,39  Quadratmeilen)  die  bedeu- 
tendste unter  den  sogenannten  ionischen  Inseln,  besteht  aus  einer 
compacten  Masse  meist  gebirgigen  Landes,  an  welche  zwei  schmä- 
lere, ebenfalls  bergige  Landzungen  angehängt  sind:  die  eine  gegen 
Norden  gerichtet,  jetzt  Halbinsel  von  Erissos  genannt,  deren  vielfach 
ausgezackte  Ostküste  der  Westküste  von  Ithake  parallel  läuft;  die 
andere  von  der  Nordwestecke  der  Insel  gegen  Süden  vorgeschoben, 
noch  jetzt  nach  der  antiken  Stadt  Pale,  deren  Gebiet  sie  bildete, 
Paliki  genannt.  Zwischen  der  Ostküste  dieser  letzteren  und  der 
Hauptmasse  der  Insel  zieht  sich  der  tiefe  Golf  von  Argostoli  hin, 
welcher  an  seiner  Südostseite  bei  der  Stadt,  der  er  seinen  Namen 
verdankt  (der  jetzigen  Hauptstadt  der  Insel),  einen  trefflichen  Hafen 
darbietet.  Eine  weitere,  aber  weniger  tiefe  Bucht,  die  Bucht  von 
Samos  (nach  dem  nahe  bei  den  Ruinen  der  alten  Stadt  Same  gelege- 
nen Dörfchen  Samos  benannt) ,  öffnet'  sich  gegen  Nordosten  an  der 


net  wurden  (Tthaka  S.  37),  dürfte  wohl  ziemlich  neuen  Ursprungs  sein. 
Einen  schlagenden  Beweis  dafür,  wie  bis  in  die  neueste  Zeit  auf  Ithaka 
angebliche  Traditionen  erfunden  werden,  giebt  was  Ansted  p.  276  berichtet: 
das  Stück  eines  von  französischen  Ingenieuren  auf  dem  Gipfel  des  Neritos 
errichteten  kleinen  Thurmes  (Steinpyramide?)  wurde  ihm  als  der  Platz 
gezeigt,  wo  die  Mutter  des  Odysseus  plötzlich  ihres  Sohnes  genesen  sei. 

*)   Od.  Q,  207  c.  schol.;  Etym.  M.  p.  681,  44. 

*)  Zdfiog  II.  B,  634;  Od.  S,  671  u.  ö.;  Zufirj  Od.  a,  246  u.  ö.;  vgl. 
Strab.  X,  p.  453,  über  die  Bedeutung  des  Namens  dens.  VIII,  p.  346. 
Anderer  alter  Name  Melaena  nach  PHn.  IV,  12,  54.  Für  KfcpaXXrivfct 
(lateinisch  Cephallenia;  für  die  Schreibung  mit  XX  vgl.  P'ustath.  ad 
Dionys.  Per.  431)  geben  bei  Procop.  De  hello  Goth.  TU,  40  p.  452  ed. 
Dindorf  die  besten  Codd.  KsrpaXtovCa.  Vgl.  über  die  Insel  Boeskow  Die 
Insel  Cephalonia,  Berlin  1860;  Ooodisson  Essay  p.  130  ss.:  Leako  Northern 
Greece  III,  p.  55  88.;  Ansted  p.  293  ss.  Die  Schrift  von  El.  Zervos  Ja- 
kovato«  £vXXoyrj  dQXcn-oXQyinav  Xsitlxxvojv  r^f  vjjoov  KupalXrivCctf:, 
Kephallenia  1861,  ist  mir  nicht  zugänglich. 


372  lir.    Die  Inselwelt. 

Oslseite  der  Insel;  eine  noch  belrächllich  weitere  an  der  Nord- 
s»'ite,  jetzt  nach  dem  auf  einem  Vorsprung  der  Westküste  der 
Halbinsel  erbauten  Kastell  Assos  (dessen  Name  vielleicht  aus  dem 
Alterthum  stammt,  wie  auch  Erissös  auf  ein  antikes  Eresos  zu- 
rückweist) der  Golf  von  Assos  genannt.  Die  vielfach  von  frucht- 
baren Thälern  und  Hochebenen  unterbrochenen  Gebirge  erheben 
sich  am  mächtigsten  im  südöstlichen  Theile  der  Insel  in  der  von 
Nord  nach  Süd  fast  zwei  Meilen  langen,  im  Osten  durch  das  Thal 
von  Rakli  (dessen  Name  wohl  auf  ein  antikes  Ilerakleia  oder 
Ilerakleion  zurückzuführen  ist),  ^)  von  dem  weit  niedrigeren  Berg- 
zuge der  Südostküste  getrennten  Kette  des  Aenos,  jetzt  Elato- 
vuno  oder  von  den  Italienern  Monte  nero  genannt  nach  den  jetzt 
freilich  durch  Abholzung  und  durch  Waldbrände  sehr  gelichteten 
Tannenwäldern,  welche  besonders  die  Westseite  des  Gebirges  be- 
decken, dessen  höchster  Gipfel  eine  Höhe  von  1620  Meter  er- 
reicht. Auf  einer  nur  wenige  Fuss  niedrigeren,  etwas  weiter 
östlich  gelegenen  Kuppe  findet  man  noch  einige  Trümmer  von 
dem  Altar  des  Zeus  Aenesios  und  zahlreiche  Fragmente  calcinirler 
Knochen  von  den  dem  Gotte  hier  dargebrachten  Opfern.  2)  Ein 
niedrigerer  Höhenzug,  über  welchen  die  Strasse  von  Argostoli 
nach  der  Bucht  von  Samos  hinüberführt,  verbindet  den  nördlich- 
sten Theil  dieser  Kette  mit  dem  ungefähr  in  der  Mitte  der  Insel 
gelegenen  1133  Meter  hohen  Berge  Hagia  Dynati,  der  durch  ein 
ziemlich  breites  Thal  von  dem  gegen  Südwesten  gelegenen  Berge 
Xerakia  (1067  Meter  hoch)  und  den  gegen  Nordwesten  vorge- 
schobenen Bergen  Kardakata  (996  Meter)  und  Aterra  (520  Meter: 
denselben  Namen  trägt  das  nordwestlichste  Vorgebirge  der  Insel) 
getrennt  wird.  ^)  Unbedeutender  sind  die  Höhen  an  der  Süd- 
westküste der  Insel  und  auf  den  Halbinseln  Erissos  und  Paliki. 
Die  Abhänge  aller  dieser  Berge   sind  wohl  angebaut,   hauptsäch- 


*)  Auf  Münzen  der  Stadt  Pronnoi,  zu  deren  Gebiet  dieses  Thal  ge- 
hörte, ist  auf  dem  Revers  eine  Keule  in  einem  Lorbeerkranze,  auf  dem 
Avers  ein  jugendlicher  männlicher  Kopf  mit  kurzem  Haar  (vielleicht  des 
Herakles)  abgebildet:  s.  Postolakas  KatdXoyog  p.  97,  n.  953  und  958. 

2)  Strab.  X,  p.  456;  schol.  Apoll.  Rhod.  B,  297;  vgl.  Austed  p.  341  ss. 
Der  lorbeerbekränzte  Kopf  des  Zeus  erscheint  auf  Münzen  von  Pronnoi, 
deren  Revers  einen  Tannenzapfen  zeigt:  Postolakas  a.  a.  O.  n.  954  fF.  jj 

^)  Welchem  dieser  Berge  der  von  Steph.  Byz.-  u.  Bccicc  überlieferte, 
ebenso  wie  der  des  italischen  Baiae  auf  einen  Steuermann  des  Odysseus, 
Batog,  zurückgeführte  Name  Bäa  zukommt,  ist  nicht  zu  bestimmen. 


1.  Die  westgriechischen  Inseln:  Kephallenia.  373 

lieh  mit  Wein-  und  Korinthenpflanznngen,  welche  die  wichtigsten 
Ausfuhrartikel  liefern;  ausserdem  wird  Oel,  Südfrüchte,  Getreide 
(jedoch  nicht  ausreichend  für  den  Verbrauch  der  Bevölkerung), 
Baumwolle  und  Seide  gebaut;  auch  Ziegen-  und  Schafheerden 
sind  in  ziemlicher  Anzahl  vorhanden.^)  Flüsse  hat  die  Insel  gar 
nicht,  sondern  nur  eine  Anzahl  Bache,  deren  Wasser  während 
der  Sommermonate  fast  völlig  versiegt.  Im  südöstlichen  Theile 
der  Insel,  nicht  weit  von  den  Ruinen  der  Stadt  Pronnoi,  befindet 
sich  ein  jetzt  Avathos  genannter  kleiner  Bergsee  von  sehr  ge- 
ringem Umfang,  aber  beträchtlicher  Tiefe;  ein  kleiner  Bach,  der 
eine  beträchtliche  Anzahl  Mühlen  treibt,  fliesst  aus  demselben  dem 
Meere  zu.  Auf  der  Halbinsel  Paliki  entspringen  nördlich  und 
südlich  von  dem  Städtchen  Lixuri  starke  Schwefelquellen,  wahr- 
scheinlich Ueberreste  alter  vulkanischer  Thätigkeit,  auf  welche 
wohl  auch  die  Erdbeben,  von  welchen  die  Insel  häufig  heimge- 
sucht wird  (eins  der  verheerendsten  war  das  vom  Jahre  1867) 
zurückzuführen  sind.^) 

In  politischer  Beziehung  bildete  die  Insel  im  Alterthum,  ab- 
gesehen von  der  mythischen  Zeit,  wo  sie  als  von  Lehensfürsten 
unter  der  Oberhoheit  des  Odysseus  beherrscht  erscheint,^)  eine 
Tetrapolis,  d.  h.  sie  war  unter  vier  Städte  (Same,  Pronnoi,  Krane 
und  Pale)  getheilt,  von  denen  jede  ihr  eigenes  Gebiet  hatte,  ihre 
eigenen  Münzen  prägte  und  ihre  eigene  auswärtige  Politik  verfolgte, 
wie  zum  Beispiel  nur  die  Paleer  am  Kampfe  gegen  die  Perser 
Antheil   nahmen:^)    ob   dieselben   trotzdem   durch   ein   politisches 


')  Getreide  wurde  im  Alterthum  besonders  in  der  Gegend  von  Pale 
(auf  der  Halbinsel  Paliki)  gebaut :  Polyb.  V,  3.  Von  den  Ziegen  der  Insel 
gieng  die  Sage,  dass  sie  6  Monate  hindurch  nicht  saufen:  Aelian.  De  anim. 
lil,  32. 

*)  Der  Bach,  auf  dessen  einer  Seite  es  nach  Aristot.  Hist.  an.  VIII, 
27,  1  (vgl.  Antigon.  Hist.  mir.  3;  Aelian.  De  an.  V,  9)  Cicaden  gab,  auf 
der  andern  nicht,  ist  wahrscheinlicli  der  ungefähr  in  der  Mitte  der  Insel 
in  die  Bucht  von  Saraos  fiicssende.  See  "Aßad^og:  Goodisson  ICssay  j).  147  s. 
(der  aß^ai)^og  schreibt);  Ansted  p.  352  Schwefelquellen:  Ansted  p.  363  ». 
Erdbeben:  derselbe  p.  3G8  s.;  über  das  vom  Jahre  18G7  besonders  FouquiJ 
in  den  Archives  des  missions  scientifiques,  II.  s(^rie,  t.  IV,  p.  445  ss. 

")  11.  ß,  634;  Od.  a,  246;  über  die  .sonstigen  die  Insel  betreffenden 
Sagen  vgl.  Heeskow  8.  25  f. 

■•)  Ilcrod.  IX,  28;  rftganoUi  Thiik.  II,  30;  Strab.  X,  p.  463;  die 
Namen  der  4  Städte  wurden  nach  htepli.  Wyz.  u.  Kgavioi  (vgl.  Etym.  M. 
p.  507,  20  ff.)    von   4   Söhnen  des   Kcphalos    (Pronos,  Suinos,  Peleus  >m4 


374  111.    Die  Inselwelt. 

oder  wenigstens  durch  ein  religiöses  Band  mit  einander  verbun- 
den waren,  wissen  wir  nicht.  Daher  hat  auch  die  Insel  im  Al- 
terthum  niemals  eine  irgend  bedeutende  politische  Rolle  gespielt. 
Im  zweiten  Jahre  des  peloponnesischen  Krieges  genügte  das  Er- 
scheinen einer  athenischen  Flotte,  sie  zum  Anschluss  an  Athen  zu 
bewegen,  dem  sie  wenigstens  bis  zum  Ende  der  syrakusanischen 
Expedition  treu  zur  Seite  stand.  Dem  neuen  athenischen  See- 
bunde vom  Jahre  378  v.  Chr.  trat  von  den  vier  Städten  nur 
Pronnoi  bei;  die  übrigen  waren  wenigstens  im  Jahre  373  den 
Athenern  feindhch.  ^)  Als  Mitglied  des  ätolischen  Bundes  war  die 
Insel  sowohl  wegen  ihrer  Lage  als  wegen  der  Schiffe,  welche  sie 
stellen  konnte,  für  die  Aetoler  von  grosser  Wichtigkeit,  daher 
Philipp  V.  von  Makedonien  im  Jahre  218  v.  Chr.  einen  freiUch 
misslungenen  Versuch  machte,  sich  derselben  zu  bemächtigen. ^j 
Beim  Friedensschluss  der  Aetoler  mit  den  Römern  im  Jahre  189 
wurde  die  Insel  vom  Frieden  ausgeschlossen,  unterwarf  sich  aber 
ohne  Kampf  dem  M.  Fulvius  Nobilior,  als  er  mit  einem  Heere 
landete;  nur  die  Bewohner  von  Same  zogen,  aus  Furcht  von  den 
Römern  aus  ihrer  Stadt  vertrieben  zu  werden,  ihre  Unterwerfung 
alsbald  zurück  und  leisteten  dem  Fulvius  vier  Monate  lang  einen 
hartnäckigen  Widerstand,  den  sie  mit  Plünderung  ihrer  Stadt  und 
Verkauf  in  die  Sclaverei  büssen  mussten.  ^)  Die  Insel  wurde 
von  den  Römern  für  frei  erklärt,  war  aber  durch  die  Kriegs- 
zeiten so  heruntergekommen,  dass  G.  Antonius  M.  f.,  der  Col- 
lege Cicero's  im  Consulat,  welcher  als  Verbannter  in  den  Jahren 
59  —  55  V.  Chr.  daselbst  lebte,  wie  in  seinem  Privateigenthum 
schalten   und  walten   könnte.^)     Hadrian   schenkte   die  Insel   den 


Kranios )  hergeleitet.  Dass  bei  Demosth.  in  Zenothemin  p.  884  ( vgl. 
p.  886  u.  888)  OL  ccQXOVzsg  ot  iv  KscpcxXlrjvicc,  also  gemeinsame  (richter- 
liche) Beamte  für  die  ganze  Insel  erwähnt  werden,  beruht  wohl  auf  einer 
Ungenauigkeit  des  Redners,  der  den  Namen  der  Insel  statt  den  einer  ein- 
zelnen Stadt  derselben  nennt. 

1)  Thuk.   II,   30;   33;   III,   94;   VII,   57.    Inschr.  bei  ßangabe  Ant. 
Hell.  n.  381  bi«  (Vol.  II,  p.  373).    Xenoph.  Hell.  VI,  2,  33  und  38. 

2)  Pülyb.  IV,  6;  V,  3.    Aufschrift  AITSlASiN  auf  einer  Münze  von 
Krane:  Postolakas  KccraXoyog  p.  93,  n.  924. 

3)  Polyb.  XXII,  13;  15;  28;  Liv.  XXXVIII,  11  und  28  f. 
4jCephalenialibera  Plin,  IV,  12,  54.   Ueber  G.  Antonius  Strab.  X, 

p.  455.  Eine  ähnliche  dominirende  Stellung  scheint  G.  Proculeius,  der 
Freund  des  Augustus,  in  der  Stadt  Krane  eingenommen  zu  haben,  da  sein 


1.  Die  westgriechischen  Inseln:  Kephallenia.  375 

Athenern.  ^)  Im  spätem  Alterthum,  dem  Mittelalter  und  der  neue- 
ren Zeit  hat  dieselbe  im  Wesentlichen  dieselben  Schicksale  gehabt 
wie   die  übrigen   ionischen   Inseln. 

Unter  den  vier  Städten  war  in  der  älteren  Zeit  die  bedeutendste 
die  mit  dem  ursprünglichen  Namen  der  Insel  selbst  Same  benannte, 
an  der  Südostseite  der  Einbuchtung  in  der  Mitte  der  Ostköste  (der 
jetzigen  Bucht  von  Samos)  gelegene,  deren  Gebiet  die  nördlichere 
Hälfte  des  östlicheren  Theils  der  Insel  umfasste.  Die  Oberstadt  oder 
Akropolis  nahm  zwei  kegelförmige,  durch  eine  tiefe  Schlucht  ge- 
trennte Hügel  ein,  auf  denen  sich  noch  jetzt  sehr  stattliche  Mauer- 
reste erhalten  haben,  bestand  also  aus  zwei  Burgen,  von  denen  die 
kleinere  (südwestlichere)  den  Sondernamen  Kyathis  führte;  die 
Unterstadt  zog  sich  von  da  westwärts  bis  unmittelbar  ans  Meer 
(das,  da  man  noch  verschiedene  antike  Reste  unter  dem  Wasser 
bemerkt,  seit  dem  Alterthum  etwas  weiter  ins  Land  eingedrungen 
sein  muss)  hin.  Als  Hauptgöttin  wurde,  wie  die  Münzen  zeigen, 
Athene  verehrt.  Die  Angabe  Slrabon's,  dass  die  Stadt  zu  seiner 
Zeit  nicht  mehr  bestehe,  sondern  nur  Spuren  von  ihr  erhalten 
seien,  muss  entweder  auf  einem  Irrthum  (Verwechselung  der  da- 
mals wahrscheinlich  nicht  mehr  benutzten  Oberstadt  mit  der  Unter- 
stadt) beruhen,  oder  wir  müssen  eine  Erneuerung  der  Stadt  nach 
dieser  Zeit  annehmen,  da  die  noch  erhaltenen  Reste  der  Unterstadt 
(Gebäudefundamente,  Mosaiken,  Ziegel  und  dergleichen)  fast  durch- 
gängig der  römischen  Zeit  angehören:  vielleicht  ist  die  Stadt  da- 
mals auch  nicht  mehr  mit  ihrem  alten  Namen,  sondern  mit  dem 
der  Insel,    Kephallenia,  bezeichnet  worden. 2) 

Zum   Gebiete   der   Stadt  gehörte  jedenfalls   auch  der  Ilhake 


Name  auf  Münzen  derselben  erscheint:  Postolakas  KaTccXoyog  p.  93  s. 
n.  925  SS. 

')  Cass.  Dio  LXIX ,  16.  Da  in  der  Inschrift  einer  von  den  Bewoh- 
nern von  Pale  dem  Hadrian  in  Atlien  errichteten  Khrenstatue  (C.  I.  gr. 
n.  340)  diese  Stadt  sich  als  iXsvd-SQa  xal  avtovo^og  l)czcichnet,  so  war 
die  Schenkung  entweder  eine  blosse  Formalität  oder,  was  mir  wahrschein- 
licher ist,  die  Halbinsel  Paliko  davon  ausgenommen. 

')  Liv.  XXXVIII,  '29;  über  die  Ruinen  Lenke  j).  fiö  s. ;  Goodisson 
Kssay  p.  149 SS. ;  Ansted  p.  296  ss.  Münzen:  Postolakas  KardXoyog  p.  98 ss.; 
darnach  hicssen  die  Bewohner  £a[iaCoij  wie  auch  Thuk.  II,  40  u.  Strab.  X, 
p.  455  angeben.  KBcpaXrivia  vrjOog  mit  o^tovv^iog  noXig:  Ptol.  III, 
14,  12.  Plin.  IV,  12,  57  sagt  von  der  Insel:  'Same  diruta  a  Romanis 
adhuc  taiiien  oppida  tria  habet'. 


376  in.    Die  Inselwelt. 

gegenüber,  also  am  nördliclieren  Tlieile  der  Ostki'iste,  gelegene 
Hafen  Panorrnos:  wahrscheinlich  der  zunächst  unter  der  Nordost- 
spitze der  Insel,  welcher  nach  dem  Normannen  Robert  Guiscard, 
der  am  17.  Juli  1085  hier  seinen  Tod  fand,  Porto  Viscardo  ge- 
nannt wird.  ^) 

Die  südlichen  Nachbarn  der  Samäer  waren  die  Pronnoi,  de- 
ren Gebiet  sich  wahrscheinlich  vom  nördlichen  Ende  der  Aenos- 
kette  bis  zur  Sudostspitze  der  Insel  erstreckte.  Die  an  Umfang 
unbedeutende,  aber  von  Natur  sehr  feste  Stadt,  von  welcher  noch 
einige  alterthümliche  Mauerreste  erhalten  sind,  lag  auf  einem 
Hügel  östlich  über  dem  Thale  Rakli,  zwischen  den  jetzt  Porös 
(nach  einem  engen  Bergspalt,  durch  welchen  das  Wasser  aus  dem 
Thale  Rakli  dem  Meere  zufliesst)  und  Limenia  genannten  kleinen 
Buchten.  2)  Ruinen  einer  anderen  alten  Stadt  (Beste  eines  kleinen 
Tempels  aus  Tuffstein  von  später  Bauart,  römischer  Bäder,  Mo- 
saikfussböden  u.  dgl.)  finden  sich  im  südlichsten  Theile  des  Ge- 
biets von  Pronnoi  bei  dem  Dörfchen  Skala  nahe  der  Südostspitze 
der  Insel:  wahrscheinlich  Beste  der  Stadt,  welche  G.  Antonius 
während  seines  Aufenthalts  auf  der  Insel  (s.  oben  S.  374)  anlegte, 
die  aber  nie  bewohnt  worden  zu  sein  scheint,  da  er  nach  Bom 
zurückkehrte,  bevor  der  von  ihm  behufs  der  Bevölkerung  seiner 
neuen  Gründung  beabsichtigte  Synoikismos  zu  Stande  kam.^) 


^)  Porphyr.  De  antro  nymph.  4;  Anthol.  Pal.  X,  25.  lieber  Robert 
Guiscard  Hopf  Allg.  Encycl.  S.  I,  Bd.  85,  S.  144. 

2)  Dass  UgawoL  die  officielle  Schreibung  war,  zeigen  die  Münzen 
mit  der  Inschrift  TIPSINNSIN  (Postolakas  KcczaXoyog  p.  97)  und  die 
Inschrift  bei  Rangabe'  Ant.  Hell.  n.  381 '''^  Bei  Schriftstellern  variirt 
die  Schreibung  zwischen  TIqovvol  (Polyb.  V,  3),  Ugowatoi  (Thukyd.  11, 
30),  nqavLoi  (Lycophr.  Alex.  791),  TIqovooi  (Etym.  M.  p.  507,  30)  und 
UQCovrjüog  (Strab.  X,  p.  455).  Liv.  XXXVHf,  28  nennt  neben  den  Gra- 
nu, Palenses  und  Samaei  statt  der  Pronni  die  Nesiotae,  welche 
manche  neuere  Geographen  für  die  Bewohner  der  kleinen  Halbinsel  As- 
.'■os  (vgl.  oben  S.  372)  halten;  allein  die  Zusammenstellung  derselben  mit 
den  drei  übrigen  Städten  der  Tetrapolis  nöthigt  uns,  darin  nur  eine  wahr- 
scheinlich auf  einen  Irrthum  des  Schriftstellers  zurückzuführende  Variante 
für  Pronesiotae  (von  der  Form  UgcovriGog)  zu  sehen.  Ueber  die  Reste 
der  Stadt  vgl.  Goodisson  p.  146  ss.;  Ansted  p.  370. 

')  Strab.  X,  p.  455;  über  die  Ruinen  Goodisson  p.  141  ss.,  der  pl.  VIII, 
fig.  3  das  jetzt  als  Altar  in  einer  kleinen  in  der  Nähe  der  Ruinen  lie- 
genden Capelle  benutzte  Stück  einer  Säule  mit  ionischer  Canelirung,  do- 
rischem Capital   und  achteckigem  Abacus  abgebildet  hat;   vgl.   den  Be- 


1.  T)ie  westgriechisclien  Inseln  :  Kephallenia.  377 

Die  westliclio  Flälftc  der  Insel  war  zwischen  die  Städte  Krane 
und  Pale  in  der  Weise  gellieilt,  dass  erstere  den  westlicheren 
Theil  des  Ilanptkörpers  der  Insel  (vom  westlichen  Ahhange  des 
Aenosgehirges  und  seiner  nördlichen  Forlsetzung  his  zum  Golf 
von  Argosloli),  letztere  die  noch  jetzt  nach  ihr  benannte  Halbinsel 
Paliki  besass.  Die  Ruinen  von  Krane  oder,  wie  die  Stadt  ge- 
wöhnlich genannt  wird,  Kranioi^)  liegen  ungefähr  eine  Stunde  öst- 
lich von  Argostoli  auf  zwei  steilen,  durcli  einen  Einschnitt,  in 
welchem  man  noch  einen  wohlvertheidigten  Eingang  der  Stadt 
erkennt,  getrennten  Hügeln.  Die  zum  grössten  Theil  aus  mäch- 
tigen länglich-viereckigen,  an  einigen  Stellen  aus  polygonen  Werk- 
stücken erbaute  Ringmauer  ist  noch  in  ihrem  ganzen  Umfang 
von  etwa  einer  Stunde  zu  verfolgen.  In  dem  Thale  nordöstlich 
von  der  Stadt,  durch  welches  der  Weg  nach  Same  führte,  finden 
sich  noch  Reste  einer  langen,  durch  zahlreiche  viereckige  Thürme 
verstärkten  Mauer,  welche  olTenbar  zum  Scliutze  der  Stadt  und 
ihres  Gebiets  gegen  feindliche  Einfälle  von  Same  her  bestimmt 
war.  Die  ziemlich  unbedeutenden  Ruinen  von  Pale'-)  liegen  etwa 
72  Stunde  nördlich  von  der  durch  das  Erdbeben  vom  Jahre  1867 
schwer  heimgesuchten  Stadt  Lixuri  auf  einem  Hügel  nahe  der 
Ostküste  der  Halbinsel  PaUki.  Die  im  Jahre  218  v.  Chr.  von 
Philipp  V.  von  Makedonien  vergeblich  belagerte  und  berannte 
Stadt,    in  weicher  nach  den  Münzen  besonders  Demeter  und  der 


rieht  über  die  Entdeckung  des  Tempels  durch  Major  Du  Bosset  aus  einer 
zakynthischen  Zeitschrift  bei  Holland  Travels  p.  533  s. 

1)  Die  Münzen  (Postolakas  Karocloyog  p.  91  ss.)  tragen  die  Auf- 
schriften KRAN  oder  KPA  (letzteres  bisweilen  in  einem  Monogramm), 
bisweilen  aber  auch  die  (verschieden  zusammengestellten)  Buchstaben 
K  und  H,  welche  auf  die  Form  Kgarrj  führen.  Kquvloi.:  Thuk.  II,  30 
und  33;  V,  35;  Strab.  X,  p.  455  f.  Cranii  Liv.  XXXVIII,  28.  Ueber  die 
Kuinen  Goodisson  p.  161  ss. ;  Leake  p.  GOss.;  Anstcl  ]).  328  ss. 

')  Für  die  Form  Udlr]  (schol.  Thuk.  I,  27)  zeugt  d;is  Kthuikon  TIcc- 
Xfig  {UalBLg),  womit  die  Stadt  gewöhnlich  bezeichnet  wird;  Herod.  IX, 
28;  Thuk.  I,  27;  II,  30;  Paus.  VI,  15,  7;  Strab.  X,  p.  456  (nach  diesen 
beiden  Stellen  identificirte  Pherekydes  das  Gebiet  der  Stadt  mit  dem  ho- 
merischen Dulichion);  C.  I.  gr.  n.  340.  'H  ßovXij  xofl  o  Srifiog  Tla- 
XiCiov  C.  I.  gr.  n.  1929.  '/f  rcov  TlaXcciitov  noXig  Polyb.  V,  3  u.  ö. 
Palenses  Liv.  XXXVIII,  28.  Münzen:  Poutolakas  KazdXoyog  p.  94  ss. 
Kuinen:  Lenke  p.  64  s.  —  lieber  den  von  Antonin.  Lib.  Transfonn.  40 
(vgl.  Herakleid.  Pol.  17)  erwähnten  Cult  der  Artemis  Laphria  auf  Kephal- 
lenia iat  nichts  weiter  bekjinut. 

BÜBSUN,  GEüOB.    IL  20 


r>78  TIT.  Die  Inselwelt. 

II(iros  Keplialos  vereint  wunleii,  erslreckle  sich  gegen  Osten  l)is 
ans  Meer,  südwärts  iiher  den  Fnss  des  gegen  Norden  nnd  Westen 
steil  abfallenden  Hiigels  hinaus  in  die  Ebene. 

Die  Anführung  einer  Stadt  Taphos  auf  Kephallenia^)  scheint 
auf  einer  blossen  Verwechselung  dieser  Insel  mit  der  Insel  Taphos 
zu  beruhen. 

Nahe  der  Südküsle  der  Insel  liegen  einige  ganz  kleine  un- 
bewohnle  Inseln,  unter  denen  die  jetzt  (luardiana  genannte,  süd- 
westlich vom  Eingang  des  Golfs  von  Argostoli  gelegene  die  be- 
deutendste ist;  südwestlich  von  dieser,  westlich  vom  Cap  Liaka 
liegt  eine  kleinere,  Panagia  ston  Dia  oder  auch  Dias  genannt,  welche 
ein  Kloster  und  Reste  eines  alten  Bauwerkes  trägt;  nordöstlich 
von  dem  genannten  Cap  die  noch  kleinere  S.  Danista.  Ob  einer 
dieser  Inseln  der  von  Plinius  überlieferte  Name  Letoia  zu- 
kommt, 2)  ist  bei  der  Unzuverlässigkeit  der  geographischen  An- 
gaben dieses  Schriftstellers  nicht  zu  entscheiden. 
zakynthos.  Dic   südUchstc   der  grösseren   westgriechischen   Inseln,  Za- 

kynthos^)  (von  den  Italiänern  in  Zante  entstellt),  drei  Stunden 
südlich  von  Kephallenia  (die  Entfernung  vom  Gap  Skala,  dem 
südlichsten  Punkte  dieser  Insel,  nach  dem  Cap  Schinari,  dem 
nöi'dlichsten  Punkte  von  Zakynthos,  gerechnet)/)  gegen  fünf  Stun- 


^)  Steph.  Byz.  u.  Tcccpog. 

2)  ^Ante  Cephaleniam  Letoia'   Plin.  IV,  12,  55.     Kiepert   hat  diesen 
Namen  der  jetzt  Guardiana  genannten  Insel  beigelegt. 

^)  Vgl.  über  die  Insel  Dodwell  Class.  n.  topogr.  Reise  I,  1,  S.  104  ft\ 
Holland  Travels  p.  11  ss.;  Goodisson  p.  168  ss.;  Ansted  p.  379  ss.;  über 
die  Geschiclite  der  Insel  TT.  Xicoti^g  '^Igzoql'acc  ccTroiivr^fiovsviiccrcc  r^g 
vrjaov  Za^vvd-ov,  2  Bände,  Corfu  1849  und  1858.  Die  Schrift  von  B.  M. 
Remondini  De  Zacynthi  antiquitatibus  et  fortuna,  Venedig  1716,  steht 
mir  nicht  zu  Gebote.  Der  von  den  Alten  von  Zakynthos  einem  Sohne 
des  Dardanos  abgeleitete  Name  (vgl.  Dionys.  Hai.  A.  r.  I,  50;  Paus. 
VIII,  24,  3;  Steph.  Byz.  u.  Zdyivv&og)  wird  von  G.  Curtius  (Grundzüge 
der  griech.  Etymol.  II,  S.  189  d.  1.  Aufl.)  als  =  diccy,civd-og  (reich  an 
Acanthus)  erklärt,  schwerlich  mit  Recht,  da  diese  Pflanze  durchaus  nicht 
für  die  Vegetation  der  Insel  charakteristisch  ist.  Jedenfalls  ist  der  Name 
mit  den  Bergnamen  Kvvd'og  und  'ÄQCcyivvd'og  zusammenzustellen,  deren 
Bedeutung  uns  unklar  ist.  Aeltester  Name  Hyrie  nach  Plin.  IV,  12,  54. 
Der  Name  Zante  findet  sich  meines  Wissens  zuerst  in  den  ^ludicum 
Venetorum  in  causis  piraticis  contra  Graecos  decisiones'  vom  Jahre  1278 
(Tafel  und  Thomas  Urkunden  III  p.  242:  ^super  Zanto'). 

"*)  Strab.  Xjvp.  458  giebt  die  Entfernung  richtig  ^ auf  60  Stadien  an; 


1.  Die  westgriechisclien  Inseln :  Zakynthos.  379 

den  westlich  vom  eleischen  Vorgebirge  Chelonatas  gelegen,  liat 
bei  einer  Lange  von  ungefähr  872  ^^"t^  einer  durchsclmittlichen 
Breite  von  etwa  4  Stunden  einen  Flächeninhalt  von  ö'/a  Q. -Meilen 
und  etwa  45,000  Einwohner.  Der  westUchere  und  nördlichste 
Theil  der  Insel  wird  von  einer  fortlaufenden  Gebirgskette  einge- 
nommen, welche  in  ihrem  nördlicheren  Theile  in  dem  jetzt  Vra- 
chiona  (oder  auch  Ilieri)  genannten  Berge  die  bedeutendste  Höhe 
(760  Meter)  erreicht  und  gegen  Nordosten  in  dem  spitzen  Cap 
Schinari  endet.  Oestlich  von  dieser  Kette  öffnet  sich  eine  weite 
Ebene,  welche  im  Osten  durch  eine  Reihe  niedriger  Hügel  vom 
Meere  getrennt,  im  Sudosten  durch  eine  vereinzelte,  jetzt  Skopos 
(Warte)  genannte  Bergmasse,  welche  sich  bis  zur  Höhe  von  458 
Meter  erhebt,  begränzt  wird:  ob  diesem  Berge  oder  der  west- 
licheren Kette  der  antike  Name  Elatos  zukommt,  ist  nicht  mit 
Sicherheit  zu  bestimmen. ')  Zwischen  dem  südlichsten  Ausläufer 
des  Skopos  (jetzt  Cap  Hieraka)  und  dem  südlichen  Ende  der 
westlichen  Bergkette  (jetzt  Cap  Chieri)  tritt  die  Küstenlinie  be- 
trächtlich gegen  Norden  zurück  und  bildet  eine  halbmondförmige 
Bucht  (jetzt  Bucht  von  Chieri  genannt),  in  welcher  zwei  kleine 
unbewohnte  Inseln,  deren  antike  Namen  wir  nicht  kennen  —  die 
etwas  grössere  westlichere  wird  jetzt  Marathonisi,  die  östlichere 
Peluso  genannt  —  liegen:  diese  Bucht  könnte  einen  trefflichen, 
sehr  geräumigen  Hafen  abgeben,  während  sonst  die  Küsten  der 
Insel,  abgesehen  von  der  kleinen  Bucht  an  der  Nordseite  des  Berges 
Skopos,  an  welcher  die  Hauptstadt  liegt,  fast  ganz  hafenlos  sind. 
Die   im   Alterthum   bewaldeten    Berge  2)    sind  jetzt  ziemlich   kahl 


die  Angabe  des  Plin.  a.  a.  O.  'Cephaleniae  a  meridiana  parte  XXV  m. 
;ilj(;st'  trifft  ungefähr  auf  die  Lage  der  Stadt  Zakyntlios  zu. 

')  Plin.  a.  a.  O. :  'Mons  Elatus  ibi  nobilis':  die  meisten  neueren  Geo- 
graphen beziehen  den  Namen  auf  den  Berg  Skopos,  weil  dieser  durcli 
seine  isolirte  Lage  bedeutender  erscheint  als  die  Berge  der  westliclieu 
Kette;  allein  dies  ist  kein  entscheidender  Grund.  Nach  Chiotis  I,  p.  17G  s. 
wären  in  einer  Capellc  der  Skopiotissa  auf  dem  Skopos  Steine  mit  der 
Inschrift  'AQtt^idi.  eingemauert  und  bei  einer  benachbarten  Capellc  des 
li.  Nicolaos  Säulen  und  andere  Architckturfragmente  erhalten,  was,  wenn 
CS  richtig  ist,  allerdings  auf  das  Vorhandensein  eines  Tempels  der  Arte- 
mi« schliessen  lässt.  Auch  NriXXos  oder  NfiXXov  (Inschr.  bei  Kangabc 
Antiq,  hellen,  n.  381'''")  scheint  der  Name  eines  Berges  auf  der  Insel 
zu  sein. 

•)  ZccHvv&og  vXrjsig  und  vXrJ8aac(  Od.  a,  216;  t,  24;  jr,  123;  darn.u  li 

26* 


380  III.    Die  Inselwelt. 

und  an  ilnen  westlichen  Abhängen  tlieils  ohne  (^ullnr,  tlieils  mit 
(•etreido  hel);uit,  für  dessen  Anhau  das  rauhere  Klima  des  west- 
lichen Theiles  der  Insel  sich  besonders  eignet;  die  östlichen  Ab- 
hänge dagegen,  die  äusserst  fruchtbare  Ebene,  und  die  Hügel  der 
Ostküste  machen  durch  die  sorgfältige  Cultur,  die  zahlreichen 
Dörfer  und  Landhäuser,  welche  sie  bedecken,  einen  sehr  an- 
muthlgen  und  reichen  Eindruck,  welcher  in  der  bekannten  Be- 
zeichnung der  Insel  als  der  lUüthe  des  Ostens  (Zante  fior  di  Le- 
vante) sich  widerspiegcilt.  Die  wichtigsten  Ausfuhrartikel  sind 
Wein,')  Korinthen,  Oel  und  Südfrüchte;  ausserdem  wird  auch 
Seide,  Seife  und  Salz  für  den  Export  bereitet.  Eine  besondere 
Merkwürdigkeit  der  Insel  sind  die  ganz  nahe  der  Südweslküste, 
nordöstlich  von  dem  Cap  Chieri  befindlichen  Quellen  flüssigen 
Erdpechs,  welche  im  Alterthum  mehrere  Teiche  bildeten,  darun- 
ter einen  von  70  Fuss  Umfang  und  2  Klaftern  Tiefe,  4  Stadien 
vom  Meere,  aus  welchem  man  das  Pech  Vermittels  eines  an  eine 
Stange  gebundenen  Myrthenbüschels  herausfischte  und  in  eine  in 
der  Nähe  gegrabene  Grube  sammelte.  Heutzutage  findet  man  in 
der  sumpfigen,  von  zahlreichen  A*bzugsgräben  durchzogenen  Nie- 
derung mehrere  kleine  Brunnen,  von  denen  der  grösste,  aus 
welchem*  das  in  grossen  Blasen  unter  der  Obei-fläche  des  Wassers 
aufquellende  Erdpech  mit  Eimern  herausgeschöpft  wird,  einen 
Durchmesser  von  ungefähr  8  Fuss  und  eine  Tiefe  von  3  Fuss 
hat;  in  der  Nähe  bemerkt  man  einen  von  den  Ucberresten  einer 
antiken  Mauer  umgebenen  kreisförmigen  Platz  von  bedeutenderem 
Umfang,  der  zwar  mit  Erde  ausgefüllt  ist,  aber  noch  mehrere 
Löcher  von  beträchtlicher  Tiefe  zeigt,  also  wahrscheinlich  die 
Stelle  des  Sees,  aus  welchem  im  Alterthum  das  Erdpech  gewon- 
nen wurde,  einnimmt.  Ein  ähnliches  Phänomen  findet  sich  am 
nördlicheren  Theile  der  Ostküste  der  Insel :  in  einer  nur  von  der 
See  her  zugänglichen,  bis  zu  beträchtlicher  Tiefe  von  Wasser  er- 
füllten Grotte   quillt   ein    eigenthümliches   mineralisches  -Oel  oder 


^nemorosa  Zacynthos'  Vergil.  Aen.  I,  270;  vXcodrjg  [isv  sv-nagnog  Si  Strab. 
X,  p.  458;  der  Name  Elatiis  weist  deutlich  auf  Tannenwaldungen  hin. 
0  Nach  Athen.  T,  p.  33^  wurde  der  Wein  im  Alterthum  auf  Zak3^n- 
thos  und  Leukas  mit  Gips  versetzt,  jedenfalls  zum  Behuf  des  Exports. 
Nach  Plutarch.  Quaest.  nat.  10  wurde  auch  anderwärts  zakynthischer 
Gips  zu  diesem  Zwecke  benutzt.  —  Von  officinellen  Pflanzen  wuchs  be- 
sonders Eisenhut  {cc'novt.rov)  auf  der  Insel:  Theophrast,  Hist.  pl.  IX,  16,  4, 


1.   Die  westgriechischen  Inseln:  Zakynthos.  381 

Fett  empor.  Beide  Erscheinungen  mögen  auf  vulkanische  Kräfte 
zurückzuführen  sein,  mit  welchen  auch  jedenfalls  die  häufigen 
Erdbeben,  von  welchen  die  Insel  heimgesucht  wird,  zusammen- 
hängen. ^) 

Die  ältesten  Bewohner  der  Insel  scheinen  Arkader  vom  Stamme 
der  Azanen  gewesen  zu  sein.  Sodann  wurde  die  Insel  von  den 
peloponnesischen  Achäern,  offenbar  als  Station  für  ihre  Coloni- 
salioiisfahrten  nach  ünteritalien,  in  Besitz  genommen  und  colo- 
nisirt,^)  hat  sich  aber  wohl  bald  vom  Mutterlande  unabhängig 
gemacht.  Von  der  bedeutenden  Entwickelurig  ihres  Handels  zeugt 
die  Anlage  einer  Colonie  in  Kydonia  auf  Kreta,  aus  deren  Besitz 
sie  freilich  durch  die  Samier  vertrieben  wurde.  ^)  Im  Jahre  456 
v.  Chr.  wurde  die  Insel  durch  Tolmides  zum  Anschluss  an  Athen 
genölhlgt,  unter  dessen  (nicht  tributpflichtigen)  Bundesgenossen 
wir  sie  auch  während  des  peloponnesischen  Krieges  finden. '^j 
Nach  dem  Ende  des  Krieges  kam  durch  Sparta's  Einfluss  die  oli- 
garchische  Partei  ans  Buder  und  vertrieb  die  Demokraten;  als 
aber  Athen  wieder  erstarkt  war,  kehrten  diese  mit  Hülfe  Athens, 
dessen  neuem  Seehunde  sie  beitraten,  zurück,  setzten  sich  in 
einem  festen  Platze  nahe  der  Küste  am  Berge  Nellos,  welchen 
sie  Arkadia  nannten,  fest  und  befehdeten  von  da  aus  die  in 
der  Hauptstadt  herrschende,  von  den  Spartanern  untei*stützte  Par- 


*)  lieber  die  Erdpechquellen  im  Alterthum  s.  Herod.  IIF,  195;  vgl. 
Vitruv.  VIII,  3,  8;  Antigon.  Hist.  mir.  153;  Dioscor.  De  mat  med.  I,  99; 
Plin.  XXXV,  15,  178;  über  die  jetzigen  Quellen  Dodwell  Chiss.  u.  top. 
Keise  I,  1,  S.  109  f.;  Goodisson  p.  172  8.;  Chiotes  I,  p.  18  ss.;  Holland 
p.  18  8.;  Ansted  p.  407  ss.;  über  die  Mineralölquelle  in  der  Grotte  Dr.  Davy 
bei  Ansted  p.  390  ss.  Erdbeben:  Goodisson  p.  176  s.;  Ansted  p.  415  ss.; 
Chiotes  p.  24  ss. 

2)  Für  arkadische  Bevölkerung  (aus  Psophis)  sprechen  ausser  der  von 
Paus.  VIII,  24,  3  berichteten  Sage  die  Ortsnamen  P.sophis  und  Arkadia. 
II.  B,  631  wird  die  Insel  zu  den  von  den  Kephallcnon  bewohnton,  von 
Odysseus  beherrschten  Landschaften  gezählt.  Die  Angabe  des  Bocchus 
bei  Plin.  XVI,  40,  216,  das«  Sagiintuin  in  Ilispanien  (griechisch  Zuhvv- 
d-og)  200  Jahre  vor  der  Zerstörung  Troia's  von  der  Insel  Zakynthos  aus 
},'('.gründet  worden  »ei  (vgl.  Strab.  111,  p.  169;  Liv.  XXI,  7,\  ist  eine  leere 
etymologisch  genealogische  Klügelei.  Colonisafion  von  Achaia  aus: 
Thukyd.  II,  66. 

»)  Mcrod.  III,  59. 

*)  Diod.  XI,  81;  Thukyd.  II,  66;  VII,  67;  Arlstoph.  Lys.  894  c.  schol. 


382  in.    Die  Inselwelt. 

leiJ)  Spiilcr  kam  die  Insel  in  die  Gewalt  König  Philipps  V.  von 
Makedonien,  der  sie,  nachdem  ein  Versuch  der  Römer  unter  M. 
Valerius  Lacvinus,  sie  zu  erobern,  an  der  Festigkeit  der  Sladt- 
burg  gescheitert  war,  dem  Fürsten  Amynandros  von  Athamanien 
abtrat,  welcher  zuerst  seinen  Schwager  Philippos  von  Megalepolis, 
dann  den  Ilierokles  aus  Agrigent  als  Regenten  derselben  einsetzte; 
letzterer  verkaufte  sie  im  Jahre  191  an  die  Achäer,  die  aber  durch 
T.  Quinctius  Flamininus  genöthigt  wurden  sie  den  Rönjcin  zu 
überlassen,  welche  ihr  die  Autonomie  gewährten.  Im  Jahre  86 
V.  Chr.  landete  Archelaos  der  Feldherr  des  Mithridates  auf  der 
Insel,  wurde  aber  schleunigst  zum  Rückziig  genöthigt. 2)  Nach- 
dem sie  in  der  römischen  Kaiserzeit  wieder  zu  Wohlstand  und 
Blülhe  gelangt  war,  litt  sie  furchtbar  durch  einen  verheerenden 
Einfall  der  Vandalen  unter  Genserich,  welche  500  angesehene 
Einwohner  fortschleppten  und  ermordeten  (um  das  Jahr  466  n. 
Chr.)^)  Im  Mittelalter  und  der  neueren  Zeit  theilte  sie  im  We- 
sentlichen die  Schicksale  ihrer  Nachbarinseln,  besonders  Kephal- 
lenia's.  ^) 

Die  Insel  enthielt  im  Alterthum  ebenso  wie  heutzutage  nur 
eine,  gleichfalls  Zakynthos  genannte  Stadt,  welche  an  der  Ost- 
küste, in  der  Nähe  der  als  Hafen  benutzten  Bucht  nördlich  vom 
Berge  Skopos  lag.  Die  sehr  feste,  mit  dem  Sondernamen  Pso- 
phis  bezeichnete  Akropolis  nahm  den  westlich  über  der  Unter- 
stadt sich  in  einer  Höhe  von  etwa  350  Fuss  erhebenden  Hügel, 
der  noch  jetzt  das  Castell  trägt,  ein;  in  der  Unterstadt  befanden 
sich  Heiligthümer  des  Apollon  (der  durch  die  Münzen  als  Haupt- 
gott der  Stadt  bezeugt  wird)  und  der  Aphrodite  und  ein  Stadion.  ^) 
In  Folge  der  fortwährenden  Bewohnung   des  Platzes  sind   ausser 


1)  Xen.  Hell.  VI,  2,  2  f.;  Diod.  XV,  45  f.  In  der  Urkunde  des  athe- 
nischen Seebundes  vom  Jahre  378  (Kangabe'  Ant.  hell.  n.  381^'*)  erscheint 
unter  den  dem  Bunde  später  beigetretenen  Staaten  Zav.vvQ'Ccov  6  diifios 
6  iv  x(p  N'^XXco. 

2)  Polyb.  V,  102;  Liv.  XXVI,  24;  XXXVI,  31  f.;  Plut.  Tit.  17;  Plin. 

IV,  12,  54;  Appian.  Mithr.  45. 

3)  Procop.  De  hello  Vand.  I,  5  (Vol.  I,  p.  335  ed.  Dindorf.). 

'*)  Vgl.  die  sehr  ausführliche,  aber  unkritische  Darstellung  der  mii- 

telalterlichen  Geschichte  der  Insel  (bis  1517)  bei  Chiotis  II,  p.  67 — 357. 

5)  Scyl.  Per.  43;   Liv.  XXVI,  24;   Paus.  VIII,  24,  3;   Heliod.    Aeth. 

V,  18;  Plut.  Dion  23;  Dionys.  Hai.  A.  r.  I,  50.    Münzen:  Postolakas  Katu- 
loyog  p.  102  ss. 


1.  Die  westgriechischcn  Inseln:  Zakynthos.  383 

einigen  Säulenstücken  gar  keine  Ueberrestc  von  der  alten  Stadt 
erhalten.  Eine  grössere  Anzahl  von  Säulen  und  anderen  archi- 
tektonischen Bruchstücken  sowie  Gräber  finden  sich  in  den  un- 
gefähr 3  Stunden  westlich  von  der  Stadt  nahe  hei  einander  ge- 
legenijn  Dörfern  Bujato  und  Mehnades,  in  letzterem  auch  ein 
Stein  mit  einer  Weihinschrift  für  die  Artemis  Opitais ,  die  dem- 
nach ein  Heiligthum  in  dieser  Gegend  gehabt  hat,  an  welches 
sich  jedenfalls  eine  offene  Ortschaft,  wie  es  deren  ohne  Zweifel 
mehrere  in  der  Ebene  gab,  anschloss.  ^)  Die  Stelle  des  schon 
oben  (S.  381)  erwähnten,  nahe  der  Küste  an  einem  Berge  Nellos 
gelegenen  Castells  Arkadia  ist  nicht  näher  zu  bestimmen. 

Als  zu  Zakynthos  gehörig  betrachtet  man  jetzt  die  etwa  6 
deutsche  Meilen  südlich  vom  Cap  Chieri  (unter  37"  15'  20"  n. 
Br.  18"  39'  35"  östl.  L.  von  Paris)  gelegene  kleine  Inselgruppe 
der  Strophades  (jetzt  Strivah  genannt),  welche  im  Alterthum 
den  Bewohnern  der  messenischen  Stadt  Kyparissia  (s.  oben  S.  178) 
gehörte.  Die  Gruppe  besteht  aus  einer  Anzahl  Felsklippen, 
welche  für  die  Schiffer  gefährlich  sind,  und  zwei  niedrigen  In- 
seln, von  denen  die  nördlichere,  etwa  1^/^  itaUänische  Miglien  in 
Umfang,  unbewohnt  ist;  die  südliche,  ungefähr  5  italiänische 
Miglien  gross,  jetzt  Stamphano  genannt,  hat  gute  Quellen  und 
bringt  Wein  und  etwas  Getreide  und  Südfrüchte  hervor:  sie  be- 
sitzt einen  freilich  nur  bei  ganz  ruhiger  See  zugänglichen  Lan- 
dungsplatz mit  einem  Leuchtlhurm  und  ein  Kloster.  Die  Sage 
betrachtete  diese  Inseln,  welche  ursprünglich  Plotä  (*die  Schwim- 
menden') geheissen  haben  sollen,  als  Wohnsitz  der  Harpyien 
(offenbar  wegen  der  in  ihrer  Nähe  den  Schiffern  drohenden  Ge- 
fahren) und  leitete  den  Namen  Strophades  ('Kehrinseln')  davon 
ab,    dass    die    Boreaden   Zetes    und   Kaiais    die   von    ihnen    ver- 


*)  S.  Chiotis  I,  p.  171  SS.,  der  die  vier  in  der  Capelle  des  h.  Dimi- 
irios  in  Melinades  befindHchen,  gegen  15  Fiiss  hohen  Säulen  ebenso  wie 
«lio  in  Bujato  erhaltenen  ausdrücklich  als  dorische  bezeichnet,  wäh- 
rend Goodisson  p.  187  von  vier  ionischen  Säulen  ohne  Capitäle  aber 
mit  ihren  Basen,  II.  Holland  p.  17  von  einigen  Stücken  von  Granit- 
süulen  mit  ionischen  Capitälen  spricht.  Die  Inschrift  auch  C.  I.  gr. 
n.  1934:  der  Beiname  der  Artemis  'Onitat'g  ist  wohl  eine  Nebenform  zu 
Ounig.  Die  angebliche  Grabschrift  des  M.  TuUius  Cicero,  welche  ein 
Miiiich  Angclo  aus  Apulien  im  Jahre  1611  beim  Bau  de?  Fundamente  des 
katholischen  Marienklosters  in  «ler  Nillic  der  St.idt  gefunden  lml)cn  wollte 
(s.  Chiotis  I,  p.  182  SS.),  halte  ich  für  eine  Fälschung. 


384  ni.   Die  Inselwelt. 

scheuchten   Flarpyien    bis   hierher   verfolgt   haben,   hier  aber  auf 
Zeus'  Befehl  umgekehrt  sein  sollen.  ^) 

lieber  die  weiter  südlich  nahe  der  Küste  Messeniens  liegen- 
den Inseln  Prote  und  Sphakteria  ist  schon  oben  S.  175  IT., 
über  die  Gruppe  der  Oinussä  und  die  Insel  Theganusa  ebds. 
S.  158  das  Nöthige  mitgetheilt  worden. 

2.    Die  ostgriechischen  Inseln. 

a)    Die  Inseln  vor  Magnesia.  2) 

An  den  südöstlichen  Bug  der  Halbinsel  Magnesia,  die  Akte 
Sepias  (vgl.  Bd.  I,  S.  100),  schliesst  sich  zunächst  in  östlicher,  dann 
in  nordöstlicher  Richtung  eine  Inselkette  an,  welche  durch  die 
jetzt  Skiathos,  Skopelos,  Chelidromia,  Sarakino  (oder  Xeronisi), 
Pelagonisi,  Giura,  Psathura  und  Piperi  genannten  Inseln  gebildet 
wird.  Ungefähr  von  der  Mitte  dieser  Kette,  den  Inseln  Cheli- 
dromia und  Xeronisi,  zweigt  sich  eine  schwächere  ab,  welche 
vermittels  der  kleinen  Inseln  Adelphi,  Skanzura,  Skyropulo  und 
Chamilonisi  die^  weit  gegen  Südosten  vorgeschobene  grössere  Insel 
Skyros  mit  der  Hauptkette  verknüpft.  Ihrem  landschaftlichen  Cha- 
rakter nach  haben  diese  Inseln  grosse  Aehnlichkeit  mit  der  Halb- 
insel Magnesia  und  dem  nördlichsten  Theile  der  Insel  Euboia: 
sie  sind  durchaus  gebirgig,  aber  noch  jetzt  wohl  bewaldet,  theils 
mit  Kiefern,  theils  mit  Laubwaldung.  In  der  Geschichte  spielen 
dieselben  mit  Ausnahme  von  Skyros  so  gut  wie  gar  keine  Rolle: 
zur  Zeit  der  Blüthe  der  athenischen  Seemacht  gehörten  sie  zur 
athenischen  Symmachie  als  tributpflichtige  Bundesgenossen;  die 
drei  bedeutendsten,  Skiathos,  Peparethos  und  Ikos,  traten  auch 
dem   neuen   athenischen   Seebunde   vom    Jahre  378   v.  Chr.  bei: 


*)  Strab.  VIII,  p.  359;  Harpocr.  p.  170,  26  ed.  Bekk.;  Apoll.  Rhod. 
E,  285  und  296  f.;  Apollod.  I,  9,  21,  7  f.  (wo  die  Inseln  irrig  zu  den  'Exi~ 
vddsg  gerechnet  werden);  Verg.  Aen.  III,  209  ff.;  Pomp.  Mela  II,  110; 
Plin.  IV,  12,  55;  Ptol.  III,  16,  23;  Steph.  Byz.  u.  ZrQ0(pcid8g  (wo  das 
Etlinikon  2^rQ0cpadsvg  angeführt  wird,  was  auf  regelmässige  Bewohnung 
wenigstens  der  grösseren  schliessen  lässt).  Vgl.  auch  Chiotis  I,  p.  36  s. 
Das  Kloster  erwähnt  schon  Bondelmonte  Lib.  ins.  Archip  p.  61  s. ;  vgl. 
auch  Prokesch  A^on  Osten  Denkwürdigkeiten  II,  S.  522  f. 

2)  Vgl.  über  diese  Inseln  Fiedler  Keise  II,  S.  2  ff.  und  Ross  Wan- 
derungen II,  S.  32  ff. 


2.  Die  ostgriechischen  Inseln:  Skiathos.  38o 

dann  gerielhen  sie  in  die  Hände  der  Makedonien,  von  diesen  ka- 
men sie  an  die  Römer,  die,  wie  es  scheint,  wenig  Werlli  auf 
iliren  Besitz  legten,  so  dass  Antonius  die  drei  oben  genannten 
den  Athenern  schenkte.  Im  byzantinischen  Reiche  gehörten  sie 
zur  Eparchie  Thessalien,  welche  einen  Theil  des  Thema  Makedo- 
nien bildete,  während  Skyros  zur  Eparchie  von  Hellas  gerechnet 
wurde.  ^)  Heutzutage  gehören  sie  sämmtlich  zum  Königreich  Hel- 
las und  bilden  eine  besondere  Eparchie  des  Nomos  von  Euboia, 
welche  nach  dem  jetzigen  Namen  der  bevölkertsten  unter  den- 
selben die  Eparchie  von  Skopelos  genannt  Avird. 

Die  dem  Festlande  zunächst  gelegene  dieser  Inseln,  jetzt  wie  «kiatin 
im  Alterlhum  Skiathos  genannt, 2)  im  Umfang  von  etwa  1  Qua- 
dratmeile, besteht  aus  einem  von  Westen  nach  Nordosten  strei- 
chenden, in  seinem  höchsten  Punkte  438  Meter  hohen  und  grössten- 
theils  wohl  bewaldeten  Bergzuge,  welcher  zwei  scheerenartige 
Ausläufer  gegen  Süden  entsendet,  so  dass  an  der  Ostseite  der 
Insel  eine  weite  Bucht  entsteht,  die  einen  sehr  geräumigen  und 
sichern  Hafen  darbietet.  An  der  Westseite  dieser  Bucht  lag  im 
Alterthum  die  der  Insel  gleichnamige  Hauptstadt,  auf  demselben 
Platze,  welchen  auch  das  nenere,  gewöhnlich  schlechtweg  Mer 
Ort*  (yj  xcSqcc)  genannte  Städtchen  seit  dem  Jahre  1829  einnimmt, 
während  im  Mittelalter  und  unter  der  türkischen  Herrschaft  die 
Bevölkerung  sich  aus  Furcht  vor  den  in  diesen  Gewässern  sehr 
zahlreichen  Seeräubern  auf  einen  nur  von  einer  Seite  her  zu- 
gänglichen Vorsprung  der  Nordküste  der  Insel,  in  das  jetzt  ver- 
lassene sogenannte  Kastro  zurückgezogen  hatte.  Von  der  alten 
Hauptstadt  sind  neuerdings  bei  der  Anlage  neuer  Häuser  manche 
Ueberreste  zum  Vorschein  gekommen,  während  von  einer  zwei- 
ten Stadt  der  Insel,  deren  Existenz  nur  durch  den  Periplus  des 
sogenannten  Skviax  bezeugt  wird,  der  Name  sowie  jede  Spur  ver- 


•)  Tributlisteii  und  Inschrift  bei  Kangabc  Ant.  boll.  n.  381'''"*:  v^l 
Diod.  XV,  30;  Demosth.  Phil.  I,  p.  49;  De  Cherson.  i).  1»0.  —  Aj.pian.  De 
boll.  civ.  V,  7.  Constant.  Porph.  De  thcm.  II,  2,  p.  50  cd.  J)ckk.;  Ilicrocl. 
Synecd.  9  f.  (p.  9  und  p.  11  ed.  G.  Parthey). 

')  Per  Name  Z%lct%^oq  scheint  ebenso  wie  der  des  arkadischen  Her- 
pes Z-Kia^ig  (s.  oben  S.  199)  die  schattip^o,  d.  i.  wohlbewaldeto  Insel  zti 
be/oichnen.  Mittellateinische  und  italiänischc  Corruptclcn  des  Namens  sind 
Scati  (ludicum  Venctorum  dccisiones  piraticae  bei  Tafel  und  Thomas 
Irkunden  III,  p.  161)  und  Schiati  (IJondehnonte  Lib.  ins.  Arch.  p.  IM)). 
Tür  die  Lage  der  Insel  vgl.  Herod.  VII,  179;  182  f.;  Apoll.  Rhod.  A,  683. 


386  III.  Die  Ini^dwelt. 

schwuiiden  ist.  ^)  Die  ältesten  Bewohner  der  Insel  sollen  aus 
Thrakien  herühcrgekomniene  Pülasgioten,  dann,  nachdem  diese 
abgezogen  seien  und  die  Insel  eine  Zeit  lang  wüste  gelegen  habe, 
Chalkidier  gewesen  sein.^)  Die  Jlaupterwerbszweige  der  Bevöl- 
kerung waren  im  Alterthum,  wi«i  heutzutage,  Schifferei,  Fischerei 
und  Weinbau.^)  Im  mithridatisrchen  Kriege"  diente  die  Insel  der 
Flotte  des  Mithridales  als  Niederlage  für  die  bei  ihren  Raubzügen 
gemachte  Beute  und  wurde  des'ialb  von  dem  römischen  Legaten 
Bruttius  Sura  besetzt.  ^)  Antonius  schenkte  sie,  w  ie  oben  (S.  385) 
bemerkt,  den  Athenern,  in  deren  Besitze  sie  noch  unter  Kaiser 
Iladrian  war,  während  sie  bald  darauf  ihre  Autonomie  wieder  ge- 
wonnen haben  muss,  da  in  einem  Ehrendecret  für  Septimius  Se- 
verus  Bath  und  Volk  der  Skisthier  und  ein  Archon  eponymos 
derselben  figuriren.  ^) 
Peparethos  Etwas  übcr  ciuc  Mcilc  östlicii  von  Skialhos,  von  diesem  durch 

einen  mit  zahlreichen  kleinen,  durchaus  unbewohnten  Inseln,  de- 
ren antike  Namen  wir  nicht  kennen,  gleichsam  besäten  Canal  ge- 
trennt, liegt  eine  grössere  jetzt  Skopelos  genannte  Insel  von  etwa 
172  Quadratmeilen  Umfang,  ^'^'^'^^  durch  zwei  Bergzüge  gebildet 
wird:  einen  längeren  und  höheren,  jetzt  Megalovuno,  die  höchste 
Kuppe  Delphi  (wie  ein  Berg  auf  Euboia,  der  im  Allerthum  den 
Namen  Dirphys  führte)  genanrit,  der  von  Nordwesten  nach  Süd- 
osten, und  einen  im  Süden  an  Jiesen  sich  anschliessenden  unbe- 
deutenderen, der  von  Westen  räch  Nordosten  streicht.  Da,  wo 
beide  Bergzüge  aneinanderstossen,  findet  sich  an  der  West-  wie 


*)  Scyl.  Per.  58  Uniad-og  ccvtrj  dCnolig,  v,al  Xl^tjv;  nur  eine  Stadt 
erwähnen  Liv.  XXXI,  28;  Strab.  IX,  p.  436;  Ptol.  III,  13,  47. 

2)  (Scymn.  Ch.)  Orb.  descr.  584  ff.:  die  Insel  war  also  wohl  eine  Zeit 
lang  Eigenthum  von  Chalkis  auf  E  iboia,  woraus  vielleicht  die  Notiz  bei 
Stepli,  Byz.  u.  S-AtaQ-oq'  vrJGog  Evß'uccg  (wenn  nicht  dafür  tüv  iyyvg  Ev- 
ßoLccg  zu  schreiben)  zu  erklären  ist. 

^)  KsGTQEig  von  Skiathos:  Athen.  I,  p.  4<=;  Wein;  ebds.  p.  30^  — 
Nach  Athen.  IX,  p.  390"^  frassen  die  Kebhühner  auf  der  Insel  Schnecken. 

4)   Appian.  Mithrid.  29. 

^)  C.  I.  gr.  n.  2153,  Inschrift  einer  Ehrenstatue  des  Hadrian,  er- 
richtet von  dem  uQXi-SQ^vg  Philippos  Azenieus  (aus  dem  attischen  Demos 
Azenia);  dagegen  C.  I.  gr.  n.  2154  (von  n.  2154^  Add.  vol.  II  p.  1020 
nicht  verschieden)  Inschrift  einer  Elirenstatue  für  Septimius  Severus, 
deren  Stifter  t}  ßovlrj  xat  o  drjiiog  Z'alccQ-lcov ,  ETtLfjLslTjaaiiEvov  TLiotov 
Tov  'TccTiivd^ov  civd"'  rig  riQ^sv  sncorv^ov  oLQX^i?- 


2.   Die  ostgriechischen  Inseln:  Peparethos.  387 

an  der  Ostköste  eine  Einbuchtung,  welche  einen  natürlichen  Ha- 
fen bildet:  die  kleinere  westliche  iwird  jetzt  Panermos  genannt, 
die  grössere  östliche,  in  welche  sich  durch  eine  wohlangebaute 
Ebene  der  bedeutendste  Bach  der  Insel  ergiesst,  bildet  den  Hafen 
des  an  ihrer  Nordseite  gelegenen  Städtchens  Skopelos.  Eine  dritte, 
ebenfalls  als  Hafen  benutzte  Bucht,  jetzt  Agnontas  genannt  (ein 
olfenbar  aus  einenn  antiken  Agnus  oder  Hagnus  entstandener 
Name),  liegt  an  der  Südküste  der  Insel,  ein  grösseres  Dorf,  Glossa, 
im  nordwestlichen  Theile  derselben  nahe  der  Küste. 

Die  Insel,  von  den  Alten  Peparethos  genannt,  i)  soll  ebenso 
wie  die  benachbarte  Ikos  zuerst  von  Kretern  aus  Knossos  unter 
Führung  des  Staphylos  (des  Sohnes  des  Dionysos  und  der  Ariadne) 
l)esiedilt  worden  sein,  eine  Sage,  welche  offenbar  aus  dem  Wein- 
hau herzuleiten  ist,  der  im  Alterthum  wie  noch  jetzt  die  Ilaupt- 
erwerbsquelle  der  Bewohner  bildet;  daneben  standen  und  stehen 
die  Cultur  des  Oelbaums  und  der  Getreidebau  in  zweiter  Linie.  '^) 
In  der  historischen  Zeit  theilte  sie  meist  die  Schicksale  der  Nach- 
barinseln Skiathos  und  Ikos.  Im  Jahre  340  v.  Chr.  wurde  sie, 
weil  die  Peparethier  unter  Führung   eines  gewissen  Sostratos  die 


*)  Dies  beweist,  wie  Ross  Wanderungen  II,  S.  42  ff.  erkannt  hat, 
tlieils  der  Umstand,  dass  Münzen  mit  der  Aufschrift  HEPA  und  die  Grab- 
schrift einer  'AqjgodeiGta  Msvavdgov  TTsnaQrjd'La  (C.  I.  gr.  n.  2154'  Add. 
vol.  II  p.  1021)  auf  der  Insel  gefunden  worden  sind,  theils  die  häufige 
Verbindung  der  Inseln  Skiathos  und  Peparethos  bei  den  alten  Schrift- 
stellern. Der  moderne  Name  S-aonaXog  (latinisirt  Scopulus:  s.  Tafel 
und  Thomas  Urkunden  III,  p.  161;  175;  203  und  Bondelmonte  p.  130) 
hat  frühere  Geographen  veranlasst,  darin  die  von  Ptol.  III,  13,  47,  Hierocl, 
Synecd.  9  (p.  9  ed.  Parthey)  und  Constant.  Porphyrog.  De  them.  II,  2 
(p.  50  ed.  Bekk.)  neben  Skiathos  und  Peparethos  aufgeführte  Insel  U-no- 
Ttelog  {Zv.enCXa  bei  Constant.)  zu  erkennen:  allein  da  diese  von  keinem 
der  älteren  Geographen  oder  Historiker  erwähnt  wird,  muss  sie  eine  der 
kleineren  Inseln  (li;r  fJnippe  sein, 

2)  (Scymn.  (hj  <»,ij.  deser.  580  ff.;  Diod.  V,  79  (wo  ZrarpvXco 
init  Heyne  für  HafKpvXoi  zu  schreiben  ist).  Heraklcid.  Pol.  13:  avtr} 
t)  vrJGog  svoivog  latt  (darnach  Plin.  IV,  12,  72;  'Peparethum  cum  op- 
pido  quondam  Euoenum  dictam)  xai  svÖtvÖQog  xccl  aCxov  cpSQSi.  Für 
den  Wein  vgl.  Athen.  I,  p.  29*  und  ^  Soph.  Philokt.  548  f.;  Demosth.  in 
Lacrit.  p.  935;  Plin.  XIV,  7,  76;  Poll.  VI,  16.  Oliven:  Ovid.  Met.  VIT, 
470.  Die  Münzen  geben  Zcugniss  vom  Cult  des  Dionysos  (auf  welchen 
auch  der  nach  Athen.  XHI,  p.  605''  von  den  l'eparothiorn  nach  Delphi 
gestiftete  goldene  Eplieiikranz  ziirückzufUhrcu  ist)  und  der  Athene:  8. 
Eckhol  D.  N.  I,  2,  p.  161. 


388  nr.   Die  Inselwelt. 

kleine  Insel  Halonesos  genommen  und  die  makedonische  Besatzung 
derselben  weggeführt  hatten,  durch  ein  von  Alkimos  hefeldigtes 
Geschwader  Philipp's  II.  von  Makedonien  verwüstet.^)  Wie  volk- 
reich die  Insel  war  sieht  man  daraus,  dass  drei  Städte  auf  der- 
selben bestanden.  Die  bedeutendste  derselben,  wie  die  Insel  selbst 
Pepa rethos  genannt,  nahm  ungefähr  die  Stelle  der  jetzigen 
Stadt  Skopelos  ein.  Sic  wurde  im  Jahre  427  v.  Chr.  von  einem 
Erdbeben  heimgesucht,  das  einen  Theil  der  Stadtmauer,  das  Pry- 
taneion  und  einige  Wohnhäuser  zerstörte,  im  Jahre  361  von  einer 
Söldnerschaar  des  Tyrannen  Alexandros  von  Pherä  belagert,  aber 
durch  die  Athener  entsetzt,  im  Jahre  209  durch  Philipp  V.  von 
Makedonien  gegen  den  Angrifl"  eines  Geschwaders  des  Königs  At- 
talos von  Pergamos,  welches  die  Umgebung  der  Stadt  plünderte, 
geschützt,  im  Jahre  200  aber  von  demselben  Philipp  ebenso  wie 
Skiathos  zerstört,  damit  sie  nicht  in  die  Hände  der  Römer  falle,  ^j 
Jedenfalls  ist  sie  aber  bald  wieder  hergestellt  worden  und  besteht 
noch  heutzutage,  wenn  auch  unter  verändertem  Namen:  ein  Um- 
stand, der  es  erklärt,  dass  fast  gar  keine  Reste  der  alten  Stadt, 
ausser  einigen  Gräbern  an  der  gegenüberliegenden  Seite  der 
Ducht,  erhalten  sind.  Die  zweite  Stadt,  Panormos,  bekannt 
durch  die  Niederlage,  welche  hier  im  Jahre  361  v.  Chr.  eine 
athenische  Flottenabtheilung  unter  Leosthenes  durch  Schiffe  des 
Alexandros  von  Pherä  erlitt,  lag  ohne  Zweifel  an  der  Bucht  Pa- 
ncrmos  (s.  oben  S.  387),  die  dritte,  Selinus,  ebenfalls  an  der 
Westküste  aber  weiter  nördlich,  unterhalb  des  Dorfes  Glossa,  wo 
noch  jetzt  Säulentrümmer,  Fundamente  von  Gebäuden,  Gräber 
und  ein  Inschriftstein,  durch  welchen  allein  der  Name  der  Stadt 
uns  erhalten  ist,  sich  vorfinden.^) 


1)  Demosth.  De  cor.  p.  248,  vgl.^  Epist.  Phil.  p.  162;  Schäfer  De- 
mosthenes  II,  S.  460  f. 

2)  Scyl.  Per.  58:  neTtccQrjd-og ,  avtiq  TQLTtolig  •akI  lifi^v.  Dionys, 
Calliph.  Descr.  Gr.  150  vrjGog  IJEiiaQrjd'og  tJ  zQiicolig  iKxXovfisvr].  Stadt 
Peparethos:  Thuk.  III,  89;  Diod.  XV,  95;  Polyb.  X,  42;  Liv.  XXVIII,  5; 
XXXI,  28;  Strab.  IX,  p.  436;  Ptol.  III,  13,  47;  Steph.  Byz.  ii.  nsnd- 
QTj&og.  Die  Stadt,  beziehendlich  die  Insel  Peparethos  hat  auch  einen 
Historiker  hervorgebracht,  Diokles  mit  Namen;  s.  C.  Müller  Fragmenta 
bist.  gr.  III,  p.  74. 

^)  UdvoQfiog  Diod.  XV,  95;  Polyän.  Strat.  VI,  2.  Ein  aqxtSQSvg 
Trjs  EtXsLvovGiOiv  Ttolscog  in  der  am  Landungsplatze  unterhalb  Glossa 
gefundenen  Inschr.  C.  I.  gr.   n.  2154 '^  (Add.  vol.  II,  p.  1021).     Das  dem 


2.    Die  ostgriechischen  Inseln:  Tkos.  389 

Ein  Canaf,  in  wekliem  zwei  kleine  Felsinseln  liegen  (die  et-  ikt 
was  grössere  siidlichere  heisst  jetzt  Ilagios  Georgios  nach  einem 
diesem  Heiligen  gewidmeten  Kloster),  trennt  den  östlichsten  Theil 
der  Ins<d  Skopelos  von  der  Südwestliüste  der  etwa  2'/.2  Meihin 
langen,  (hn*chschnittlich  etwa  !'/_,  Stnnde  breiten,  aus  einem 
von  Südwest  nach  Nordost  streichenden,  theilweise  mit  Fichlen 
bewaldeten  Gebirgsrücken  bestehenden  Insel  Chelidromia,  der 
allen  Ikos,  deren  Geschichte  (die  von  Phanodemos  in  einem  be- 
sonderen, 'Ixiaxd  betitelten  Werke  behandelt  worden  war)  ganz 
mit  der  dvr  Nachbarinseln  Skialhos  und  Peparethos  zusammen- 
frdlt.  Während  sie  heutzutage  nur  ein  oberhalb  einer  kleinen 
Bucht  der  Südkuste  gelegenes,  von  etwa  50  Familien  bewohntes 
Dorf  enthalt,  besass  sie  im  Alterthum  zwei  Städte,  deren  eine 
den  Namen  der  Insel,  Ikos,  trug.  Die  Stelle  der  einen  Stadt 
auf  dem  südlichen  Theile  der  Ostküste,  östlich  von  dem  jetzigen 
Dürfe,  wird  noch  durch  einige  Mauerresle  und  zahlreiche  alte 
Gräber  bezeichnet;  von  der  anderen  ist  noch  keine  Spur  gefun- 
den worden;  ebensowenig  von  dem  Grabe  des  Peleus,  das  man 
im  Alterthum  auf  der  Insel  zeigte.^) 

Sämmtliche  übrige  Inseln  der  Gruppe,  mit  Ausnahme  von 
Skyros,  sind  jetzt  entweder  ganz  unbewohnt  oder  mit  einzelnen 
Klöstern,  in  denen  je  ein  Mönch  oder  ein  Paar  Mönche  hausen, 
besetzt.     Die  meisten  haben  etwas  Kiefernwaldung,  gutes  Trink- 


Namen  dieses  Mannes  beigefügte  Demotikon  Scpi^zzLos  zeigt,  dass  die 
Insel  damals  (unter  Hadrian)  noch  den  Athenern  gehörte,  denen  sie  An- 
tonius gßsclienkt  hatte  (vgl.  oben  S.  385):  aus  einem  Missverständniss 
dieses  Verhältnisses  ist  wahrscheinlich  die  Notiz  in  schol.  Soph.  Phllokt. 
548  über  Peparethos  als  einen  drj^os  rrjg  'AtTLyirjg  hervorgegangen.  (Bei 
Seneca  Troad.  852  hat  Delrio  mit  Recht  'arctioa  [statt  attica]  pendens 
Peparethos  ora'  hergestellt).  Dass  die  Insel  aber  später  ebenso  wie  Skia 
thos  (vgl.  S.  386,  Anm.  5)  wieder  autonom  war,  ist  aus  der  der  spätem 
Inschrift  n.  2154"  angefügten  Formel  W.  B.  J.  (7pr)(pLa(iaTL  ßovX^g  Stj- 
(lov)  zu  schliessen.  lieber  die  Reste  unterhalb  Gloasa  s.  Fiedler  Reise 
II,  S.  21  flf,;  der  angebliche  alte  Ofen,  von  welchem  derselbe  Tafel  I, 
Fig.  2  und  '.i  Ansicht  und  Grundriss  gicbt,  ist  ein  Grab  mit  mehreren 
^eitenkammcrn  aus  riMnischcr  Zeit. 

1)  "/xos  avrri  hirrnliq  Scyl.  Per.  58;  für  die  L  ige  der  Insel  vgl. 
(Scyran.)  Orb.  deter.  Gsj^  Liv.  XXXI,  45.  Stadt  Ikos  Strab.  IX  y,  43G. 
Alte  Gräber;  Fiedler  Reise  II,  8.  61  ff.  Grab  des  Peleus  Antipater  Öidou. 
in  Anthol.  Pal.  VII,  2,  9  f.  '/xiaxa  des  Phanodemos  Stoi)h.  I3yz.  u.*'/xoff. 
—  Bondclmouto  p.  129  8.  nennt  die  Inacl  Dromos. 


390  ITT.    Die  Inselwelt. 

Wasser  und  gute  Hafen,  welche  früher  den  in  diesen  Gewässern 
sehr  zahlreichen  Seerauhern  willkonnmene  ZulluchtsslaUen  dar- 
boten, jetzt  fast  nur  von  Fischerbarken  besucht  werden.  Da 
noch  auf  keiner  derselben  Reste  antiker  Ansiedelungen  gefunden 
worden  sind,  so  ist  es  unmöglich,  die  antiken  Namen  der  ein- 
zelnen Inseln  mit  annähernder  Sicherheit  zu  l)estimmen ;  denn  die 
Vertheilung  der  von  Pomponius  Mela  und  Plinius  überlieferten 
Namen  unter  die  einzelnen  Inseln  nach  zum  Theil  ziemlich 
schwachen  Anklängen  an  die  modernen  Namen ,  wie  sie  manche 
neuere  Geographen  versucht  haben,  wobei  Skanzura  Skandile, 
Pelagonisi  Polyaegos,  Giura  Gerontia,  Psathura  Irrhesia 
getauft  worden  sind,  kann  auf  keine  höhere  Geltung  als  die  einer 
schwach  begründeten  Hypothese  Anspruch  machen,  i)  Nur  das 
glauben  wir  als  sicher  hinstellen  zu  dürfen,  dass  eine  der  be- 
deutenderen dieser  Inseln  —  wie  mir  am  wahrscheinlichsten  dünkt 
Skanzura,  eine  ungefähr  in  der  Mitte  zwischen  Chelidromia  und 
Skyros  gelegene  flache  und  öde  Insel  mit  einem  kleinen  aber 
guten  Hafen  —  die  durch  die  Verhandlungen  zwischen  Philipp  H 
von  Makedonien  und  Athen  über  ihren  Besitz  historisch  bekannte 
Halonesos  ist,  welche  eine  gleichnamige  Stadt  besass.^) 
Skyros.  Die  durch  Sage  und  Geschichte   bekannteste   unter  allen  In- 

seln dieser  Gruppe,   welche  ihren  antiken  Namen  Skyros^)  be- 


^)  Scandile  und  Polyaegos  nennt  Pomp.  Mela  II,  106  zwischen  Sa- 
mothrace  und  Sciathos;  Gerontia  und  Scandila  als  vor  dem  Pagasicus 
sinus,  Irrhesia,  Solymnia  (oder  Elymnia),  Eudemia  und  Nea  quae  Minervae 
Sacra  est  als  vor  dem  Thermaeus  sinus  gelegen  Plin.  IV,  12,  72. 

2)  (Demosth.)  nsgl  'AXovvt]Gov  p.  77;  Epist.  Phil.  p.  162;  Demosth. 
De  cor.  p.  248;  Aeschin.  in  Ctes.  §  83;  Harpocr.  p.  13,  1  ss.  ed.  Bekk,; 
Strab.  IX,  p.  436  (wo  die  Insel  zwischen  Ikos  und  Skyros  genannt  ist); 
Steph.  Byz.  u.  'AXovvrjaos;  Pomp.  Mela  II,  106.  Die  Angabe  des  Plinius 
IV,  12,  74  ^inter  Cherronesum  et  Samothracen  utrinque  fere  XV  m.  Ha- 
lonesos', auf  welche  Ross  Wanderungen  II,  S.  48  f.  besonderes  Gewicht 
legt  und  durch  welche  wohl  Kiepert  veranlasst  worden  ist,  die  südlich 
von  Lemnos  gelegene  jetzt  Hagios  Stratis  genannte  Insel  als  Halonesos  zu 
bezeichnen,  würde  höchstens  auf  Imbros  passen  und  erweist  sich  daher 
als  ganz  unbrauchbar.     Vgl.  auch  Schäfer  Demosthenes  II,  S.  26. 

3)  Der  Name  wird  von  den  Alten  (s.  Etym.  m.  p.  720,  24;  Hesych. 
u.  H-nvQog;  Eustath.  ad  Dionys.  Per.  520)  wohl  richtig  von  dem  festen, 
tlion-  und  gipshaltigen  Boden  hergeleitet.  Vgl.  über  die  Insel  Tourne- 
fort  Voyage  I,  p.  171  ss.;  Leake  Travels  in  northern  Greece  III,  p.  106  ss.; 
Prokesch  von  Osten  Denkwürdigkeiten  und  Erinnerungen  aus  dem  Orient 


2.  Die  ostgriecliischen  Inseln:  Skyros.  391 

walirl  hat,  liegt  auf  hohem  Meere  ungefähr  5  Meilen  nordöstlich 
vom  Cap  Kumi  (dem  östlichsten  A'orsprung  der  Ostkuste  Euhoia's) 
und  hat  einen  Umfang  von  etwa  3  Quadratmeilen,  Sie  hesteht 
aus  zwei  nahezu  gleichen  Hälften,  einer  nordwestlichen  und  einer 
südöstlichen,  welche  durch  einen  ungefähr  V2  Stunde  breiten, 
von  zwei  tiefen  Buchten  (der  Bucht  Kalamitza  im  Westen  und  der 
Bucht  Achill,  dem  antiken  Achill  eion,  im  Osten)  ^)  umrahmten 
Isthmos  verbunden  sind.  Die  südöstliche  Hälfte  wird  ganz  von 
rauhen  Bergen  eingenommen,  deren  Abhänge  fast  ganz  kahl  sind, 
während  die  Gipfel  (unter  denen  der  des  ungefähr  in  der  Mitte 
dieses  Theiles  der  Insel  gelegenen  Berges  Kokkila  die  Höhe  von 
782  Meter  erreicht)  ziemlich  gut  mit  Eichen,  Buchen  und  Kie- 
fern bewaldet  sind.  In  der  etwas  grösseren  Nordwesthälfte  sind 
die  Berge  niedriger  und  milder  und  wechseln  mit  fruchtbaren 
Hügeln  und  kleinen  Ebenen,  auf  welchen  Wein,  Oel  und  Ge- 
treide gebaut  wird.  Die  ganze  Insel  ist  reich  an  Wasser  und 
hat  zahlreiche  kleine  Bäche,  derer  einer  (wahrscheinlich  der  durch 
die  kleine  Ebene  an  der  Ostkuste  nördlich  von  der  Stadt  Skyros 
fliessende)  im  Alterthum  den  Njimen  Kephissos  trug. ^)  Die 
Kosten  sind  besonders  an  der  West-  und  Südseite  vielfach  aus- 
gezackt und  bilden  zahlreiche  Buchten,  unter  denen  ausser  den 
schon  erwähnten  zu  beiden  Seiten  des  die  nördliche  und  süd- 
liche Hälfte  der  Insel  verbindend  sn  Isthmos  die  an  der  Siidküste 


(Stuttgart  1836)  II,  S.  182  ff.;  Fiedler  Reise  11,  S.  66  ff.;  Ross  Wande- 
rungen II,  S.  32  ff.;  Graves  'The  isle  of  Skyros'  im  .Journal  of  the  r. 
geograpliical  society  XIX,  p.  152  ss. 

^)  Schol.  II.  T,  326  nennt  zwei  Eäfen  auf  Skyros,  den  '/4;i;t/lXfiOff  und 
ÄQTjatog:  ob  letzterer  (der  bei  Plnt.  Cim.  8  t6  Kt^ciov  heisst;  aber  der 
Name  KqriGLOv  erklärt  sich  durch  die  in  schol.  IL  /,  668  berichtete  Sage 
von  einer  Einwanderung  von  Kretern  unter  Enyes,  dem  Sohne  des  Dio- 
nysos) die  Bucht  Knlainil/a  oder  die  IJucht  Tribukkäs  sei,  ist  nicht  nilher 
zu  bestimmen,  do.  li  (ist  eres  wahrsc  leinliclier,  weil  sich  an  der  Bucht. 
Kalamitza  einige  Siiulenrestc  und  cino  Anzahl  antiker  Sarkaphage  linden: 
vgl.   Prokesch  v,  Osten  a.  a.  O.  S.  1S3  f.;  Graves  a.  a.  O.  p.  158  s. 

«J  Strab.  IX,  p.  424.  Mit  Bezug  auf  den  Oel-  und  Weinbau  der 
Insel  trägt  die  Heroine  Skyros  auf  dem  von  Philostr.  iun.  Imag.  1  l)c- 
Bchrlebencn  Gemälde  einen  Oclzweig  und  eine  Weinrebe  in  den  Händen. 
Die  Schilderung  der  Insel  bei  Aelinn.  De  an.  IV,  69  als  ayav  Ivu^ct 
xal  uyovoq  xal  uvhi^omwv  xriqtvovGoi  wg  ta  noXXa  (vgl.  die  Erklärung 
des  Sprüchworts  ccQxri  S-kvqCu  bei  Zcnob.  I,  32  und  Diogenian.  I,  30)  passt 
höchstens  auf  die  südlichere  Hälfte. 


392  III.    Die  Inselwelt. 

sich  öfTiieude  Ducht  von  Tiihnkkäs  die  bodeutendstc  ist:  dieselbe 
bihlet  einen  sehr  jj^erii innigen,  aber  gegen  Südwinde  nicht  aus- 
reichend geschülzlcn  Hafen,  dessen  Einfahrt  dnrcli  die  zwei  vor- 
Hegenden  unbewolniten  Eilande  Plalia  und  Sarakino,  denen  die 
BucliL  ilnen  aus  dem  itaiiänischen  'le  Ire  bocche'  (die  drei  MiUi- 
dungen)  entstandenen  Namen  verdanlit,  erschwert  wird.  Nahe 
der  INordseite  der  Bucht  findet  man  ausgedehnte  Brüche  weissen 
Marmors  mit  rothen  Streifen,  der  in  der  ersten  römischen  Kai- 
serzeit zu  architektonischen  Zwecken  in  Rom  sehr  behebt  war: 
sie  wurden,  wie  anderwärts,  auf  Rechnung  des  Fiscus  betrieben. 
Die  Ilaupterwerbsquelie  für  die  ziemlicli  armen  Bewohner  der 
Insel  bildete  die  Viehzucht,  besonders  die  Ziegenzucht. ') 

Als  älteste  Bewohner  der  Insel  werden  tyrrhenische  Pelasger 
und  Karer  genannt,  Stämme,  welche  in  den  ältesten  Zeiten  der 
griechischen  Geschichte  das  Piratenhandwerk,  für  welches  die 
Insel  nach  ihrer  Lage  und  Beschaffenheit  wie  gemacht  erscheint, 
mit  besonderem  Eifer  betrieben.-)  In  den  homerischen  Gedich- 
ten erscheint  die  Insel  als  ein  Bestandtheil  des  Reiches  des  Achil- 
les, der  sie  dem  Könige  Enyes  mit  Gewalt  abgenommen  hat  und 
dessen  Sohn  Neoptolemos  hier  erzogen  wird.  ^)  Erst  spätere 
Epiker  und  attische  Tragiker  haben  die  bekannte  'Sage  von  der 
Verbergung  des  Achilles  unter  den  Töchtern  des  Lykomcdes  be- 
handelt.'^)    Attischen   Ursprungs  ist  jedenfalls  die  Sage  von  der 


1)  Strab.  IX,  p.  437;  vgl.  Fiedler  Reise  II,  S.  74  ff.;  L.  Bruzza  An- 
nali deir  inst.  t.  XLII,  p.  151  s, ;  über  die  durch  ihren  Milchreichthum 
berühmten  skyrischen  Ziegen  (die  noch  jetzt  in  grosser  Zahl  hauptsäch- 
lich in  dem  fast  ganz  unbebauten  südlichen  Theile  der  Insel  weiden) 
Athen.  I,  p.  28«  und  XII,  p.  540 <»;  Aelian.  De  an.  III,  34;  Zenob.  I,  18. 

^)  UsXaayoL  und  K&gsg  werden  als  alte  Bewohner  der  Insel  genannt 
von  Nikolaos  Pamasc.  bei  Steph.  Byz.  u.  I^-nvQog ,  UslaGyLcöxaL  s-n 
©Quyirjg  diocßccvtsg  bei  (Scymn.)  Orb.  descr.  583  if.,  Tvqqtjvol  bei  Porphyr. 
Vit.  Pythag.  10:  vgl.  O.  Müller  Orchomenos  und  die  Minyer  S.  432. 

3)  II.  I,  668;  r,  326;  Od.  X,  509.  Nach  den  Kyprien  und  der  klei- 
nen Ilias  wurde  Achilles  von  Mysien  aus  nach  dem  Kampfe  mit  Tele- 
phos  durch  ein^n  Sturm  nach  Skyros  verschlagen  und  heirathete  dort 
die  Deidamia,  mit  der  er  den  Neoptoiemos  zeugte:  s.  Prodi  Chrestom. 
p.  235  ed.  Westphal  (Scriptor.  metr.  gr.  Vol.  I);  Schol.  II.  T,  326. 
Aehnliche  Sagen  in  Schol.  IL  I,  668;  Philostr.  Heroic.  19,  3  (p,  320  ed. 
Kays  er). 

^)  Vgl.  über  die  Behandlung  dieser  Sage  in  der  Poesie  und  Kunst 
0.  Jahn  Archäologische  Beiträge  S.  352  ff. 


2.  Die  ostgriechischen  Insehi:  Skyros.  393 

Ermordung  des  Theseus  durch  den  König  Lykomedes^),  welche 
den  Athenern  einen  erwünschten  Vorwand  für  ihre  Ansprüche 
auf  den  Besitz  der  Insel  gewährte.  Die  Veranlassung  zur  Geltend- 
machung dieser  Ansprüche  gaben  die  Räubereien,  welche  die 
Doloper,  die  Bewohner  der  Insel  in  der  historischen  Zeit,  an 
griechischen  Schiffen  verübten:  thessalische  Kaufleute  führten 
darüber  beim  amphiktyonischen  Gericht  Klage  und  wandten  sich, 
da  die  Doloper  der  Entscheidung  der  Amphiktyonen ,  welche  sie 
zum  Schadenersatz  verurtheilte,  nicht  Folge  leisteten,  an  Athen 
mit  der  Bitte,  dem  Treiben  der  Piraten  ein  Ende  zu  machen. 
Die  Athener  sandten  alsbald  (Ol.  77,  4  =  469/68  v.  Chr.)  eine 
Flotte  unter  Führung  des  Kimon  ab,  welcher  die  Insel  eroberte 
und  nach  Austreibung  der  Doloper  mit  athenischen  Kleruchen  be- 
setzte.-) Sie  blieb  nun  im  Besitz  der  Athener  und  wurde  ihnen 
auch  im  sogenannten  antalkidischen  Frieden  ausdrücklich  als  Eigen- 
thum  zugesprochen  ^),  von  Philipp  11.  von  Makedonien  aber  ihnen 
abgenommen  und  dem  makedonischen  Reiche  einverleibt;"*)  erst 
im  Jahre  196  v.  Chr.  wurde  Philipp  V.  von  den  Römern  ge- 
nöthigt,  sie  zugleich  mit  den  Inseln  Lemnos,  Imbros  und  Delos 
den  Athenern  zurückzugeben. '')  Im  byzantinischen  Reiche  gehörte 
sie  zur  Eparchie  von  Hellas,'*)  wurde  nach  der  Eroberung  Kon- 
stantinopels durch  die  Kreuzfahrer  vertragsmässig  dem  byzanti- 
nischen Kaiser  zugetheilt,  aber  zugleich  mit  den  Nachbarinseln 
Skialhos  und  Skopelos  von  den  Brüdern  Andrea  und  Geremia 
Ghisi,  Verwandten  des  venezianischen  Dogen  Dandolo,  in  Besitz 
genommen.     Filippo  Ghisi  verlor  sie  im  Jahre  1276  an  den  Ritter 


>)  Pliit.  Thes.  35;  Heraclid.  pe  reb.  publ.  I,  2;  Paus.  I,  17,  6; 
Philostr.  Her.  a.  a.  O.:  vgl.  J.  Meursü  Theseus  (Utrecht  1684)  p.  126  ss. 

2)  Plut.  Clm.  8;  Thuk.  I,  98;  Diod.  XI,  60:  für  die  Chronologie  vgl. 
A.  Schäfer  De  rerum  post  belhiui  Persicuin  usque  ad  tricennale  foedus 
in  Graecia  gestarum  temporibus  (Leipzig  1865)  p.  10  s. 

3)  Xen.  Hell.  IV,  8,  15;  V,  1,  31. 

"*)  Strnb.  IX,  j).  437:  dies  muss  um  340  geschehen  sein,  da  die  Insel 
noch  in  den  Pscudodemosthenischen  Heden  negl  'AXovvjjaov  (p.  77)  und 
y.atd  NeaiQug  (j).  l.'UG)  als  athenisches  Besitzthunj  erwähnt  wird. 

")  Liv.  XXXIII,  30. 

")  Ilierocl.  Synecd.  10  (p.  11  ed.  Parthey);  vgl.  Constant.  Porphyrog. 
\hi  theniat.  I,  17  (p.  43  ed.  Hckk.),  wonach  Skyros  zu  den  Kykladcn 
,' «rechnet  wurde  und  unter  dem  aT(fatfiyog  xov  Alyaiov  nt-Xayovg  staud. 

HUU8IAN,  GK(XiU.     II.  27 


394  ni.    Die  Inselwelt. 

Licario,  der  vom  byzantinischen  Kaiser  niit  der  Eroberung  Eu- 
boia's  und  der  anderen  Inseln  beauftragt  war.  Nach  der  Er- 
oberung Konstanlinopels  durch  die  Türken  suchte  die  Insel  den 
Schutz  der  Venezianer  nach,  die  sie  auch  noch  im  Jahre  1453 
besetzten,  aber  bald  von  den  Türken  vertrieben  wurden,  in  deren 
Händen  sie  bis  zur  Stiftung  des  Königreichs  Hellas  blieb.  ^) 

Die  Insel  hatte  im  Alterlhum  nur  eine,  ebenfalls  Skyros 
genannte  Stadt, ^j  welche  auf  derselben  Stelle  wie  das  jetzige 
Städtchen  Skyros  lag:  auf  der  Ostküste  des  nördlicheren  Theiles 
der  Insel,  eine  Stunde  nördlich  vom  Hafen  Achilleion,  an  der 
Nord-  und  Oslseite  eines  steilen  Felskegels  (605  Fuss  über  dem 
Meeresspiegel),  dessen  von  einem  verfallenen  mittelalterlichen 
Schloss  gekrönter  Gipfel  die  Akropolis  der  alten  Stadt  trug;  in 
der  unteren  Stadt  lag  unmittelbar  am  Gestade  ein  Heiliglhum  der 
Athene.  3)  Jetzt  sind  noch  stattliche  Mauerreste  der  Akropolis  und 
der  Unterstadt,  einige  Architekturslücke  und  ein  Paar  plastische 
Werke  (die  Statue  eines  liegenden  Löwen  und  eine  mit  dem 
linken  Arme  auf  eine  Säule  gestützte  Frauengestalt  ohne  Kopf, 
beide  aus  weissem  Marmor)  erhalten."^) 

Die  Bucht  von  Kalamitza,  wahrscheinlich,  wie  oben  S.  391 
Anm.  1  bemerkt,  der  Miretische  Hafen'  der  Alten,  wird 
gegen  Westen  durch  eine  unfruchtbare,  ziemUch  lange  aber 
schmale  Insel,  Valaxa  genannt,  geschützt.  Westlich  von  dieser 
liegt  das  ganz  kleine  und  schmale  Eiland  Erinia,  noch  weiter 
westlich  die  etwas  grössere  felsige  Insel  Skyropulo,  deren  Rücken 
sich  bis  zur  Höhe  von  617  Fuss  übers  Meer  erhebt.  Alle  drei 
Inseln  sind  ebenso  wie  eine  Anzahl  ganz  kleiner  Eilande,  die  in 
der  Nähe  der  Nordweslküste  von  Skyros  liegen,  unbewohnt  und 
ohne  Spuren  antiker  Bewohnung;  ihre  antiken  Namen  kennen 
wir  nicht. 

1)  S.  die  Partitio  regni  Graeci  in  Tafel  und  Thomas  Urkunden  I, 
S.  477;  Hopf  in  der  Allg.  Encycl.  S.  I,  Bd.  85,  S.  223;  309;  Bd.  86, 
S.  142. 

2)  Scyl.  Per.  58;  Strab.  IX,  p.  436;  Ptol.  III,  13,  47.  Bondelnionte 
p.  131  sagt  von  der  Insel:  'in  qua  IV  erant  oppida  habitata  et  nunc 
duo  restant'. 

3)  Stat.  Achill.  I,  285;  11,  22. 

4)  S.  Leake  a.  a.  O.  p.  108  s.;  Prokescli  von  Osten  S.  193  ff. 


2.   Die  ostgriechischen  Insehi:    Euboia.  395 

b)    Euboia.  1) 

Die  östliche  Flanke  des  mittleren  Hellas  wird  vom  malischen 
Meerbusen  an  bis  gegen  das  altische  Cap  Sunion  hin  durch  eine 
lange  und  verbältnissmässig  schmale  Insel  gedeckt,  welche  nach 
der  Bescbafl'enheit  und  der  Richtung  ihrer  den  Gebirgszügen  des 
Festlandes  parallel  von  Nordwesten  nach  Südosten  laufenden  Ge- 
birge als  ein  durch  gewaltige  Erdbeben,  wie  sie  auch  in  histo- 
rischer Zeit  besonders  die  Westküste  des  mittleren  und  nörd- 
licheren Theiles  der  Insel  zugleich  mit  der  gegenüberliegenden 
Ostküste  des  Festlandes  wiederhoU  heimgesucht  haben,  losgeris- 
senes Stück  des  Continehts  von  Hellas  erscheint.^)  Di»ese  Insel, 
welche  ihrer  Grösse  nach  (sie  hat  bei  einer  Länge  von  etwa  25 
und  einer  durchschnittlichen  Breite  von  etwa  3  Meilen  einen  Flä- 
cheninhalt von  76  Quadratmeilen)  3)    die   zweite  Stelle   unter   den 


*)  EvßoHcc  (in  wenigstens  vier  Büchern)  hatte  Archemachos  ge- 
schrieben (s.  Müller  Fragra.  bist.  gr.  IV,  p.  314  s.),  tcsql  Evßoiag  Ari- 
stoteles aus  Chalkis  (Harpocr.  p.  33,  2  Bekk.;  schol.  ApoUon.  Rhod.  A, 
558).  Von  Neueren  haben  über  die  Insel  speciell  gehandelt  A.  J.  E. 
Pflugk  Rerum  Euboicarum  specialen,  Berlin  1829;  Lucas  Topographicae 
descriptionis  P]uboeae  insülae  specimen,  im  Programm  des  Gymnasiums 
zu  Hii'schberg  1845;  Ulrichs  Reisen  und  Forschungen  in  Griechenland 
II,  S.  215  ff.;  J.  Girard  Memoire  sur  l'ile  d'Eubee,  in  den  Archives  des 
missions  scientifiques  et  litte'raires  t.  II  (Paris  1851)  p.  635  ss.;  Rangabe' 
Memoire  sur  la  partie  me'ridionale  de  l'ile  d'Eube'e,  Paris  1852  (aus  den 
Me'moires  presente's  par  divers  savans  a  l'academie  des  inscriptions  et 
belies  lettres,  I'"^  sc'rie,  t.  III) ;  C.  Bursinn  Quaestionum  Euboicarum  ca- 
pita  selecta,  Leipzig  J856;  derselbe  Mittlrcilungen  zur  Topographie  von 
Boiotien  und  Euboia,  in  den  Berichten  der  sächs.  Ges.  d.  Wiss.  hist.- 
phil.  Gl.  1859,  S.  109  flf.;  A.  Baumeister  Topographische  Skizze  der  In- 
sel Euboia,  Lübeck  1864  (aus  dem  Programm  des  Katliavineums);  J.  F. 
.1.  Schmidt  Reisestudien  in  Griechenland,  in  Petermamr-  Mittheilungen 
1862,  S.  201  flf.  und  S.  329  flf. 

2)  Die  Ansicht,  dass  Euboia  ursprünglich  mit  dem  Festlande  zusam- 
mengehangen habe,  war  schon  im  Alterthum  verbreitet:  vgl.  Ion  bei 
Strab.  I,  p.  60;  Pliu.  II,  88,  -.'04;  IV,  12,  63;  Procop,  De  nedificiis  IV, 
.'},  p.  275  ed.  Dind.  Erdbeben:  Thuk.  III,  89;  Strub.  I,  p.  68;  60;  X, 
p.  447;  SenecA  Nat.  quacst.  VI,  17,  3;  25,  4.  Vgl.  Baumeister  a.  n.  O. 
S.  40. 

^)  Vgl.  BaumeiHter  a.  a.  O.  S.  2  und  S.  41  Anra.  9,  der  aber  den 
Flilchcninhalt  jedenfalls  zu  niedrig  auf  nur  60  Quadratmeilen  achJltzt; 
die  Angabe  von  76  (^iiadratineilcn  entnehme  ich  aus  Uittor's  goographiBch- 
statiBtiscliciu  Lexicon. 

27« 


396  in.  Die  Inselwelt. 

griechischen  Inseln  im  geographisclien  Sinne,  nach  Kreta,  ein- 
nimmt, wurde  im  Alterthum,  abgesehen  von  dichterischen  Be- 
zeichnungen nach  ihrer  Gestalt,  wie  Makris  und  DoHche,  oder 
nach  einem  der  sie  bewohnenden  Volksslämme,  wie  Abantis  und 
Ellopia,  mit  dem  ofl'enbar  von  iln-em  Reichthum  an  Rindern  licr- 
genommenen  Namen  Euboia  benannt,  wornach  auch  der  die 
Insel  vom  Festlande  trennende  Meeresarm  als  der  euboische  Golf 
bezeichnet  wurde:  der  engste  Theil  desselben,  der  durchschnitt- 
lich eine  halbe  Stunde  breite  Canal  zwischen  der  am  weitesten 
gegen  Westen  vorgeschobenen  Küste  des  mittleren  Theiles  der 
Insel  und  der  Küste  Boiotiens,  über  dessen  schmälste  Stelle  seit 
dem  Jahr'e  410  v.  Chr.  eine  200  Fuss  lange  Brücke  hinweg- 
führte, wurde  gewöhnlich  schlechtweg  der  Euripos  (Sund),  ge- 
nauer zur  Unterscheidung  von  anderen  ähnlichen  Meerengen  der 
chaikidische  Euripos  genannt.  Dieser  Name,  in  der  vulgär- 
griechischen  Form  Egripos,  ist  seit  der  byzantinischen  Zeit  auf 
die  Insel  übertragen  worden  und  hat  den  alten  Namen  derselben 
gänzlich  verdrängt;  die  Abendländer,  speciell  die  Venezianer, 
haben  sich  denselben  mit  Rücksicht  auf  die  auch  im  Mittelalter 
und  in  der  Neuzeit  fortbestehende  Brücke  durch  Umwandlung  in 
Negroponte  (lateinisch  insula  Nigripontis  oder  Nigropontis)  ac- 
commodirt.  *) 

Die  Gebirge  der  Insel  gliedern  sich  in  drei  Gru4)pen,  wo- 
durch die  ganze  Insel  in  drei  ziemlich  bestimmt  von  einander 
abgegränzte  Theile  —  Nord-,  Mittel-  und  Süd-Euboia  —  gescliie- 


*)  Vgl.  über  die  alten  Namen  meine  Quaest.  Eub.  p,  3  ss.  und  Bau- 
meister S.  39  (für  den  Namen  MaHQig  auch  Olshausen  Rhein.  Mus.  n. 
F.  VIII,  S.  329  f.) ;  den  an  beiden  Stellen  übersehenen  Namen  JoXlxtj 
giebt  das  Etym.  M.  p.  389,  2.  'H  rmv  Evßosoav  d-ccXcczta  Anonym. 
Descr.  Gr.  29  (C.  Müller  Geogr.  gr.  min.  I,  p.  105);  Evßo'i-nög  TioXnog 
Anthol.  Pal.  IX,  73,  1;  Euboici  sinus  Propert,  V,  1,  114.  Ueber  den 
Euripos  und  die  von  den  Alten  viel  besprochene  häufig  (angeblich  sieben- 
mal im  Laufe  jedes  Tages  und  ebenso  oft  im  Laufe  jeder  Nacht)  wech- 
selnde Strömung  in  demselben  s.  Ulrichs  a.  a.  O.  S.  219  ff.;  Baumeister 
S.  7  f.  und  S.  46  f.  EvQiTiog  sprüchwörtlich  von  veränderlichen  Menschen 
oder  Dingen:  Diogenian.  III,  39  mit  Leutsch's  Anm.  Ueber  EvQinog 
(vulgär  ^'EyQinog)  als  Name  der  Insel  (die  nach  Constant.  Porphyrog.  De 
them.  II,  5,  p.  51  ed.  Dind.  in  byzantinischer  Zeit  auch  XdXig  oder 
XccXtilg  genannt  worden  sein  soll)  vgl.  Meineke  ad  Steph.  Byz.  p.  708, 
20;  Tafel  Thessalonica  p.  487  s. 


2.  Die  ostgriechischen  Inseln :  Euboia.  397 

den  wird.  Der  31ittelpunkt  des  ganzen  Gebirgssystems  ist  der 
von  den  Alten  Dirphys,  jetzt  Delphis  (Delph)  genannte  Gebirgs- 
zug, welcher  sich  ungefähr  in  der  Mitte  der  Längenausdehnung 
der  Insel  nahe  der  Ostköste  derselben  hinzieht.  Nur  der  Kamm 
dieses  grösstentheils  aus  Thonschiefer  bestehenden  Gebirges,  des- 
sen höchste  Kuppe  die  Höhe  von  1745  Meter  (nach.  Jul.  Schmidt's 
Messung  896  Toisen  =  5376  Par.  Fuss)  erreicht,  ist  kahl,  die 
Abhänge  sind  noch  jetzt  reich  mit  Kiefern  und  Tannen  (unter 
denen  eine  besondere  Species,  von  den  Botanikern  'Apollotanne', 
Abies  Apollinis  genannt,  erscheint)  sowie  mit  Laubholz,  nament- 
lich Kastanien  und  Platanen  bewaldet.  ^)  Gegen  Süden  ziehen 
sich  von  der  Hauptkette  zwei  Verzweigungen  durch  die  ganze 
Breite  der  Insel  bis  zur  Westküste  herab,  deren  östlichere  östlich' 
von  dem  stattlichen  Dorfe  Vathia  hinlaufende  (höchster  Gipfel 
774  Meter)  im  Alterthum  den  Namen  Kotyläon  führte; 2)  die 
westliche  höhere  (höchster  Gipfel  im  Norden  1173  Meter),  welche 
westlich  von  Erelria  die  Küste  erreicht,  scheint  nach  ihrer  jetzi- 
gen Benennung  Elymbos  im  Alterthum  den  Namen  Olympos  ge- 
führt zu  haben.  Zwei  andere  noch  mächtigere  Verzweigungen 
ziehen  sich  vom  südlichen  Theile  der  Ilauptkette  der  Dirphys 
gegen  Nordosten:  das  Xerovuni  (Höhe  1365  Meter)  und  das  Mavro- 
vuni  (Höhe  1122  Meter),  für  welche  wir  keine  Sondernamen  aus 
dem  Alterthum  kennen;  die  östlichsten  Ausläufer  des  letzteren 
oberhalb  des  Städtchens  Kumi  enthalten  ausser  anderen  geologisch 
interessanten  Erscheinungen  bedeutende  Lager  von  Braunkohlen.  ^) 
Die  am  weitesten  gegen  Südosten  vorgeschobene  Partie  der  Dir- 
physkette  ist  ein  nur  durch   eine  Reihe   niedrigerer  Hügel  längs 


*)  Steph.  Byz.  u.  digcpvg  (nach  welchem  die  Hera  als  JiQ(pva  verehrt 
wurde,  das  Gebirge  also  dieser  Göttin  geweiht  war),  vgl.  Simonid.  Epigr. 
89  (Bergk  Poet.  lyr.  gr.  p.  1U7);  Eur.  Herc.  für.  185.  Lycophr.  Ale«. 
;)75  hat  JiQ(p(oaa6g.  Ueber  die  Kastanien  vgl.  Athen.  II,  p.  54  ^'  und  ''; 
Theophrast.  llist.  pl.  IV,  5,  4  u.  ö.;  Hesych.  u.  EvßoYna;  Etyra.  M. 
p.  389,  1;  über  die  Tannen  Unger  Wissenschaftliche  Ergebnisse  einer 
Heise  in  Giiechenland  und  in  den  ionischen  Inseln  (Wien  1862)  S.  68  ff. 

*)  Aeschin.  in  Ctes.  80;  Harpocr.  p.  115,  3  ed.  I3ekk.;  Steph.  Byz. 
u.  KoTvXaiov  (nach  dieser  Stelle  war  das  Gebirge  der  Artemis  geweiht); 
vgl.  Nonn.  Dionys.  XIII,  103. 

*)  8.  Fiedler  Reise  I,  8.  419  ff.;  J.  Russeggcr  Reisen  in  Europa, 
Asien  und  Afrika  Bd.  IV,  S.  68  ff.;  Unger  Wissenschaftliche  Ergebnisse 
einer  Reise  in  Griechenland  8.  143  ff. 


398  Iir.    Die  Inselwelt. 

der  Oslküsle  mit  der  übiigeii  jMass(5  des  Gebirges  y.usamiiien- 
hängeiider  Bergkegel,  jetzt  Ochtlioiiia  genannt  (Höhe  763  Meter), 
von  dessen  Ostseitc  das  Cap  Cliersonesos  (noch  jetzt  Cherso- 
nisi  genannt)  ins  Meer  vortritt:^)  dasselbe  bildet  die  Gränze  zwi- 
schen Mittel-  und  Südeuboia,  indem  die  Küstenlinie  von  hier  an 
eine  entschieden  südliche  Richtung  nimmt  und  der  Körper  der 
Insel  bedeutend  schmäler  wird. 

Im  südlichen  Euboia  zieht  sich  eine  lange  Kette  meist  kah- 
ler Berge  von  nur  massiger  Erhebung  (durchschnittlich  500  — 
600  Meter)  hin,  welche  aus  Glimmerschiefer,  auf  dem  theils  dich- 
ter Uebergangskalk,  theils  Marmor  auflagert,  bestehen.  Sie  neh- 
men meist  die  ganze,  freilich  ziemlich  geringe  Breite  der  Insel 
ein  und  entsenden  nach  beiden  Seiten  schroffe  Vorsprünge  ins 
Meer,  zwischen  denen  zahlreiche,  aber  fast  nirgends  den  Schiffen 
einen  sichern  Ankerplatz  darbietende  Einbuchlungen  sich  finden, 
nach  welchen  dieser  ganze,  besonders  an  der  Ostküste  wegen  di^s 
schroffen  Abfalls  des  Ufers  von  den  Seeleuten  gefürchtete  Theil 
der  Insel  ^die  Höhlungen  von  Euboia'  [rd  xoUa  rrjg  Evßolag) 
genannt  wurde,  ^j  Erst  im  südlichsten  Theile  der  Insel  tritt  wie- 
der ein  bedeutendes  Massengebirge  auf,  die  Oc ha,  deren  Gipfel 
(jetzt  Hagios  Elias)  die  Höhe  von  1404  Meter  erreicht.  Der  nord- 
östlich von  der  Stadt  Karystos  sich  erhebende  ganz  kahle  Haupt- 
stock des  durchaus  aus  Glimmerschiefer  bestehenden  Gebirges 
enthält  in  seinen  höheren  Partien  sehr  ausgedehnte  Lager  eines 
weissen,  mit  grünlichen  Streifen  durchzogenen  Marmors,  der  im 
Alterthum  unter  dem  Namen  des  karystischen  Marmors  bekannt 
und  zu  architektonischen  Werken  besonders  in  der  römischen 
Kaiserzeit,  wo  die  Brüche  dem  Fiscus  gehörten,  sehr  beliebt  war. 
Der  von  den  Alten  hauptsächlich  ausgebeutete  Bruch  befindet 
sich  gerade  östlich  über  dem  Castell  von  Karystos  (der  Akropolis 
der  alten  Stadt),  wo  noch  sieben  mächtige,  von  antiken  Werk- 
leuten behauene  SäulencyUnder  liegen.  Andere  ebenfalls  schon 
von  den  Alten  benutzte  Brüche  desselben  Materials  findet  man 
am   westlichen    Abhänge    des    östlich    von   dem   Städtchen   Stura 


*)  XsQCOvriGoq  ccKQCi  Ptolem.  III,  15,  25.  Der  Name  Ox^covicc  (von 
ox^os,  ox^T^)  könnte  antik  sein. 

2)  Herod.  VIII,  13;  Strab.  X,  p.  445;  Dio  Clirysost.  Or.  VII,  2  und  7; 
Philostr.  Her.  10,  11;  Ptol.  III,  15,  25;  Liv.  XXXI,  47;  Valer.  Max.  I, 
8,  10;  vgl.  meine  Quaest.  Eub.  p.  43  und  Baumeister  S.  69,  Anm.  91. 


2.   Die  ostgriecliischen  Inseln:  Euboia.  399 

(dem  alten  Styra)  sich  erhebenden  Berges  Kliosi.  Ein  anderes 
jetzt,  wie  es  scheint,  fast  ganz  erschöpftes  mineralisches  Product 
der  Ocha  war  der  Asbest  (Amiant),  welcher  von  den  Alten  zur 
Fabrikation  von  Handtüchern,  Netzen,  Dochten  und  andern  Dingen 
benutzt  wurde.  ^) 

Von  dem  Hauptslock  des  Gebirges  gelien  zwei  Verzweigungen 
gegen  Süden  und  Südwesten  aus,  welche  in  den  Caps  Mantelo 
(dem  alten  Gerästos)  und  Paximadi  (von  den  Alten  entweder 
nach  der  hellen  Färbung  des  Gesteins  oder  nach  dem  Schaume 
der  Brandung  Leuke  Akte  ^das  weisse  Gestade'  benannt)  endend, 
die  weite  gegen  Süden  offene  Bucht  von  Karystos  umschliessen. 
Gegen  Osten  entsendet  die  Ocha  eine  Anzahl  paralleler  Berg- 
rücken, die  durch  tiefe  und  schmale  Schluchten,  in  welchen 
wasserreiche,  meist  mit  Platanen  bewachsene  Bäche  dem  Meere 
zufliessen,  getrennt  sind;  die  Abhänge  sind  theils  mit  Laubholz 
(meist  Eichen  und  Platanen)  und  in  der  Nähe  der  einzelnen  an 
ihnen  liegenden  Dörfchen  mit  Baumgärten ,  theils  mit  Viehweiden 
bedeckt.  Getreide  wird  in  diesen  Engthälern,  die  schwer  zu- 
gänglich und  daher  im  Alterthum  wie  in  der  Neuzeit  von  der 
Welt  abgeschieden,  von  Fremden  äusserst  seilen  betreten  wur- 
den, fast  gar  nicht  gebaut,  nur  hier  und  da  sieht  man  einige 
magere  Gersten-,  Roggen-  und  Haferfelder;  die  Bewohner  leben 
meist  von  Viehzucht,  treiben  daneben  Seidenbau  und  bauen  auch 
etwas  Tabak  und  Obst,  besonders  Birnen,  xVepfel  und  Kirschen. 
Im  Alterthum  bildete  neben  Viehzucht  und  Jagd  die  Purpur- 
fischerei die  Hauptbeschäftigung  der  Bewohner  dieser  Gegenden; 
auch  ist,  wie  noch  vorhandene  Schlackenhalden  zeigen,  Bergbau 
auf  Eisen  und  Kupfer  getrieben  worden. 2)     Von  dem  nördlichsten 


')  Oxv  Strab.  X,  p.  445;  rj  "Ox^i  "nd  6  ''0%r^q  nach  Steph.  I3yz.  ti. 
KöcQvaxog.  Karystischcr  Marmor:  ►Strab.  IX,  p.  437;  X,  446  (wo  die 
Brüche  irrig  an  die  Bucht  Marmarion  nordwestlich  von  Karystos  ver- 
legt werden);  l'lin.  IV,  12,  64;  XXXVI,  6,  48;  Scncca  Trojwl.  846  u.  a.  Vj,M. 
über  den  Betrieb  der  Brüche  in  der  römischen  Kaiserzeit  L.  Bnizza  An- 
nali dcir  inst.  t.  42,  p.  140  ss.  Ueber  den  von  den  Alten  gewöhnlich 
KagvOTiog  XC^oq  genannten  Asbest  s.  Apollon.  Ilist.  mir.  36;  Siral».  \, 
p.  446;  Plut.  De  def.  orac.  43.     Vgl.  Fiedler  Keiso  I,  S.  428  i). 

')  Vgl.  besonders  die  von  O.  lahn  (Aus  der  AlterthumswisMiiM  ImiL 
8.  68  ff.)  mit  Recht  als  'antike  Dorfgeschichte'  bozeichneto  Schilderung 
des  Die  Chryso.st.  Gr.  VII,  2  ff.;  dazu  die  wohl  spcciell  auf  diesen  Tlicil 
der  Insel  bezügliche  Notiz  des  Paus.  VIII,  1,6,  dass  noch  zu  seiner  Zeit 


4()0  111.    Die  Inselwelt. 

joner  parallelen  Ik'rgrücken  tritt  ein  miiclitiges  Felscaj),  wie  ein 
gewaltiger  Scliirfssciinabel  gestaltet,  weit  gegen  Nordosten  vor, 
(las  von  den  Alten  Kaphereus  (Verschlinger),  im  Mittelalter 
Xylophagos  (Schiffsfrcsser) ,  heutzutage  Cavo  d'oro  (Goldcap,  an- 
gebhch  weil  das  Meer  hier  bisweilen  byzantinische  Goldmünzen 
ausspült)  genannt,  seit  alten  Zeiten  als  einer  der  für  die  Schi/Te 
gefährlichsten  Punkte  der  griechischen  Küsten  berüchtigt  istJj 

Die  hauptsächlich  aus  Glimmerschiefer  bestehenden  Berge 
des  nördlichen  Theiles  der  Insel  sind,  abgesehen  von  dem  nord- 
westlichsten Vorsprung  (der  Halbinsel  Lithada),  ganz  mit  statt- 
lichen Waldungen  von  Laubholz  (besonders  Eichen)  und  Nadel- 
holz bedeckt;  in  den  Ebenen  wechseln  Oelbaumpflanzungen  mit 
wohlbebauten  Saatfeldern,  in  den  Thälern  und  Schluchten  fliessen 
wasserreiche  Bäche,  deren  Ufer  von  Platanen  und  Oleander- 
büschen beschattet  sind.  Während  die  jetzt  mit  dem  Sonder- 
namen Gerakovuni,  Pyxaria  und  Mavrovuni  bezeichneten  Berge 
der  Ostküste  bis  gegen  die  Ebene  von  Manduti  (das  Gebiet  des 
alten  Kerinthos)  hin  von  den  Alten  offenbar  als  noch  zum  Ge- 
birgssystem  der  Dirphis,  von  deren  Hauptstock  sie  nur  durch 
eine  enge  Thalschlucht  getrennt  sind,  gehörig  betrachtet  wurden, 
scheint  das  längs  der  Westküste  sich  hinziehende,  meist  steil 
gegen  das  Meer  abfallende,  durch  einen  niedrigeren  Querzug, 
welcher  die  natürliche  Gränze  zwischen  Nord-  und  Mitteleuboia 
bildet,  mit  den  Bergen  der  Ostküste  in  Verbindung  stehende  Kan- 
diligebirge,  dessen  höchster,  jetzt  Kurublia  genannter  Gipfel ,  nahe 
dem  südlichen  Ende  des  Bergzuges,  die  Höhe  von  1209  Meter 
erreicht,  bei  den  Alten  den  Namen  Makistos  geführt  zu  haben. ''^) 
An  dasselbe  schliesst  sich  im  Norden  das  985  Meter  hohe  Xeron- 
Oros,  dessen  bis  zur  Nord-  und  Ostküste  reichende  Verzweigungen 


die  ärmeren  Leute  auf  Euboia  Kleider  aus  Schweinshäuten  trugen,  und 
meine  Quaest.  Eub.  p.  42  s.  Purpurschnecken  im  Euripos  erwähnt  Aristot. 
Hist.  an.  V,  13,  3.  Die  von  Hermippos  bei  Athen.  I,  p.  27''  gerühmten 
Birnen  von  Euboia  stammten  wohl  aus  dieser  Gegend. 

1)  Herod.  VIII,  7;  Strab.  VIII,  p.  368;  Paus.  IV,  36,  6;  Dio  Chrys. 
Gr.  VII,  31  f.;  Eurip.  Hei.  1129;  Troad.  90;  Ptol.  III.  15,  25;  Steph. 
Byz.  u.  Kaq)r}QEvs'-  vgl.  meine  Quaest.  Eub.  p.  44  s. 

2)  Vgl.  Aeschyl.  Agam.  289  fF.;  dazu  Baumeister  Jahrb.  f.  Philol. 
Bd.  75,  S.  351,  wogegen  allerdings  W.  Vischer  in  den  Göttinger  gelehr- 
ten Anzeigen  1864,  St.  35,  S.  1382  Zweifel  äussert. 


2.    Die  ostgriechischen  liiselu:  Euboia.  401 

den  DOi'döstliclien  Theil  der  Insel  ausfüllen,  im  Nordwesten  das 
970  Meter  hohe,  gegen  das  Meer  steil  abfallende  Küstengebirge 
Galzades  an;  beide  zusammen  bilden  das  durch  seinen  Reichlhum 
an  Arzneipflanzen  berühmte  Telethrion  der  AltenJ)  Mit  die- 
sem hängt  im  Nordwesten  durch  einen  schmalen  Hügelrücken 
(das  sogenannte  Bastardovuno)  eine  ganz  von  dürren  und  rauhen, 
nur  mit  Lentiscus  und  ähnlichen  Gesträuchen  bewachsenen  Kalk- 
bergen eingenommene  Halbinsel  zusammen,  welche  im  Alterlhum 
mit  dem  speciell  dem  flachen  Vorgebirge,  in  welches  sie  gegen 
Südwesten  ausläuft,  zukommenden  Namen  Kenäon,  heutzutage 
mit  dem  aus  der  antiken  Benennung  der  vor  diesem  Vorgebirge 
liegenden  Gruppe  kleiner  Klippeninseln  Lichades  corrumpirten 
Namen  Lithada  bezeichnet  wird.^) 

Unter  den  Ebenen  der  Insel  ist  die  bedeutendste  die,  welche 
sich  längs  der  Westküste  vom  südlichen  Fusse  des  Kandili  bis 
zum  Olympos  hinzieht.  Das  fruchtbarste  und  breiteste  Stück 
derselben,  von  dem  Dorfe  Ampelakia  (ziemlich  eine  Stunde  süd- 
östlich von  Chalkis)  bis  über  das  Dorf  Vasiliko  hinaus,  ist  das 
Lei  an  ton -Gefilde  der  Alten,  das  im  Alterthum  wie  noch  jetzt 
ganz  mit  Weingärten,  Feigen-  und  Oelbaumpflanzungen  und  Ge- 
treidefeldern bedeckt  war  und  wegen  des  durch  sorgfältige  Be- 
wässerung mit  Hülfe  eines  bedeutenden,  von  der  Dirphis  herab- 
kommenden, in  der  Nähe  von  Vasiliko  mündenden  Baches  unter- 
stützten Reichthumes  seines  Bodens  den  Gegenstand  langwieriger 
Kämpfe  zwischen  den  Nachbarstädten  Chalkis  und  Eretria  bildete.'^) 

1)  Strab.  X,  p.  445;  Theophr,  Ilist.  pl.  IV,  5,  2;  IX,  15,  4;  20,  5: 
Plin.  XXV,  8,  94;  Steph,  Byz.  u.  TElsd-giov.  Vgl.  meine  Mittheilungeu 
in  den  IJer.  d.  sächs.  Ges.  d.  Wiss.  1859,  S.  146  und  S.  149  ff. 

*)  Strab.  I,  p.  60;  IX,  p.  426;  429;  435;  X,  p.  44*4  und  446;  Scyl. 
Per.  58;  Plin.  IV,  12,  63;  ITom.  Hymn.  in  Apoll.  Pyth.  41;  Thukyd.  III, 
93;  Diod.  IV,  37;  Apoliod.  II,  7,  7;  Liv.  XXXVI,  20  u.  a.  Die  Glosse 
dos  Hesych.  yn]Vfov'  nad'UQüVy  welche  E.  Curtius  (Nachrichten  von  der 
Ges.  d.  Wiss.  zu  Göttingen  1860,  S.  156)  zur  Erklärung  des  Namens 
Kt^vaiov  benutzt,  ist  jedenfalls  corrupt.  Der  neuere  Name  Aid-dScc  (aus 
Aixddeg)  erscheint  in  lateinischen  Urkunden  des  13ten  Jahrhunderts  als 
'Ponta  (Punta)  Litadi»  oder  'Litaldi'. 

')  JriXavTOV  ubSCov  Hom.  Hymn.  in  Apoll.  Pyth.  42;  Theogn.  892; 
Theophr.  Hist.  pl.  VIII,  8,  6;  10,4;  Calliin.  Hymn  in  Del.  289;  Ötrab.  I, 
p.  58;  X,  p.  447  s.  und  465:  was  letzterer  von  warmen  Quellen  und  an- 
deren vulkanischen  Erscheimiugen  sowie  von  Erz-  und  Eiseugruben  im 


402  III.    Die  Inselwelt. 

Kine  zweite,  ebenfalls  wenigstens  für  den  Getreidebau  sehr  er- 
giebige Ebene  (indet  sich  an  der  Ostküste  von  Nordeuboia,  vom 
Dorfe  Manduti  bis  zur  Bucht  Peleki,  in  welche  der  wasserreichste 
Fluss  der  ganzen  Insel,  der  durch  zwei  in  der  Ebene  selbst  sich 
vereinigende  Bäche,  deren  einer  von  Norden,  vom  Xeron-Oros, 
der  andere  von  Süden,  vom  Pyxariabergc  herkommt  (vielleicht  die 
Bäche  Kereus  und  Neleus,  welchen  man  im  AUerthum  wun- 
derbaren Einlluss  auf  die  Farbe  der  Wolle  der  Schafe  zuschrieb), 
gebildete  Budoros  mündet.^)  Noch  ausgedehnter  als  diese  im 
Alterthum  der  Stadt  Kerinthos  gehörige  Ebene  ist  die  von  Oreos 
an  der  Nordküste  der  Insel  in  der  Gegend  des  jetzigen  Xerochori, 
durch  welche  ebenfalls  ein  nicht  unbedeutender  Bach,  der  Kal- 
las der  Alten  ~j  (jetzt  Xerias),  dem  Meere  zulliesst.  Von  ge- 
ringerem Umfang  endlich,  aber  von  grosser  Fruchtbarkeit,  be- 
sonders an  Wein  und  Südfrüchten,  ist  die  Strandebene  von  Ka- 
rystos  im  südlichsten  Theile  der  Insel,  welche  von  einem  grösseren 
und  mehreren  kleineren  Bächen  (deren  antike  Namen  wir  ebenso- 
wenig kennen  als  die^der  übrigen  Wasserläufe  der  Insel  ausser 
den  bisher  erwähnten)  bewässert  wird. 

Die  älteste  Bevölkerung  der  Insel  war  verschieden  nach  den 
drei  Haupttheilen,  in  welche  die  Natur  selbst  die  Insel  geschie- 
den hat.  Nordeuboia  war  im  Besitz  der  Hestiäer  und  Elloper, 
thessalischer  Stämme,  die  jedenfalls  von  Norden,  wahrscheinlich 
vom  pagasäisciien  Golf  aus,  in  die  Insel  eingewandert  waren.     In 


lelautischen  Gefilde  berichtet,  ist  sehr  zweifelhaft;  vgl.  Berichte  der 
Sachs.  Ges.  d.  Wiss.  1859,  S.  124  ff.  Ob  der  Bach  Lelantos  (fflumine 
Lelanto'  Plin.  IV,  12,  64)  oder,  wie  Baumeister  (Topog-r.  Skizze  Ö.  9) 
nach  Lycophr,  Alex.  1035  vermuthet,  KoayivvQ-oc;  geheissen  hat,  wage 
ich  nicht  zu  bestimmen. 

^)  BovSoiQog  Strab.  X,  p.  446  (nur  zwei  weniger  gute  Codd.  und  die 
Epitome  geben  Bovdoqog)-^  Ptol.  III,  15.  -25.  Ktjqsvs  und  NrjXsvg  als 
Evßo'CrccL  TtorafioL  Strab.  X,  p.  449;  Ceron  und  Neleus  als  'fontes  duo 
in  Hestiaeotide'  Plin.  XXXI,  2,  13;  K£Qßi]g  und  NrjXsvg  als  dvo  no- 
zcc^ol  iv  EvßoLcc  (Aristot.)  Mir.  au^c.  170;  Ksqcov  v.al  NrjXsvg  dvo  no- 
tccfiol  iv  zfj  EvßoLcc  -Kazcc  ttjv  'ixaliv.riv  (?)  xriv  avvoQL^ovoav  rf]  XocX- 
-aidi  Antig.  Hist.  mir.  78. 

2)  Strab.  X,  p.  446.  Die  Ebene  bringt  ausser  Getreide  besonders 
auch  Wein  hervor,  daher  nolvGzacpvlog  "larCaia  II.  ß,  537;  vgl.  die 
Münztypen  von  Histiäa  bei  Eckhel  D.  N.  p.  I,  vol.  II,  p.  325.  Evßo'C- 
Tiog  olvog  Athen.  I,  p.  30  ^ 


2.    Die  ostgriccbisclieu  Jusoin:  Euboiii.  403 

Milteleuboia  sassen  die  Kureten  und  die  Abanten,  beide  wahr- 
scbeinlich  Zweige  des  grossen  lelegischen  Volksstammes,  die  vom 
Festlande  des  mittleren  Flellas  aus  über  den  Euripos  vorgedrungen 
waren:  die  Kureten  sind  frübzeitig  verschollen,  die  Abanten  da- 
gegen, durch  die  Zuwanderung  altischer  lonier  verstärkt  und 
allmälig  ganz  ionisirt,  haben  sich  bald  zu  einer  bedeutenden 
Machtstellung  erhoben  und  schon  in  aber  Zeit  eine  Art  Supre- 
matie auch  iiber  Nord-  und  Südenboia  ausgeübt,  so  dass  sie  in 
den  ältesten  Denkmälern  der  griechischen  Dichtung  als  die  Herren 
der  ganzen  Insel  .erscheinen;^)  ihre  beiden  Hauptstädte,  Chalkis 
und  Eretria,  an  deren  um  den  Besitz  des  lelantischcn  Gefildes 
geführten  Kriegen  sich  zahlreiche  andere  griechische  Staaten  als 
Bundesgenossen  der  einen  oder  der  anderen  der  kriegführenden 
Parteien  beiheiligten,-)  haben  im  Laufe  des  8ten  und  7ten  Jahr- 
hunderts V.  Chr.  eine  grosse  Anzahl  blühender  Pflanzstädle  im 
Westen  (in  Unteritalien  und  auf  Sicilien)  und  im  Osten  (auf  der 
thrakischen  Halbinsel  Clialkidike)  gegründet  und  dadurch  zuerst 
dem  griechischen  Handel  neue  Bahnen  eröffnet,  der  griechischen 
Cultur  neue  Stalten  bereitet.^)  Die  Bewohner  des  südlichen 
Theiles  der  Insel  waren  Dryoper,  welche,  von  den  aus  Thessalien 
vordringenden  Doriern  aus  ihren  alten  Wohnsitzen  zwischen  Par- 
nasos  und  Olle  vertrieben  (vgl,  Bd.  I,  S.  153),  sich  zur  See  theils 
nach  Südeuboia,  wo  sie  die  drei  Städte  Karystos,  Styra  und 
Dystos  gründeten,  theils  nach  der  südöstlichen  Halbinsel  von  Ar- 
golis  (vgl.  oben  S.  94)  zurückgezogen  halten.  ^) 


*)  II.  B,  536-545;  Archiloch.  bei  Plut.  Thes.  5;  vgl.  Stepli.  Byz.  u. 
'AßavTLg. 

*)  Vgl.  über  die  sogenannten  lelantischen  Kriege  C.  Fr.  Hermann 
Oesammelte  Abhandlungen  S.  190  ff.;  H.  Dondorff  De  rebus  Chalciden- 
sium  (Halle  1855)  p.  5  8.s.  Ob  die  Verse  bei  Tlieogn.  891  —  94  auf  diese 
Kämpfe  zu  beziehen  sind,  wie  nach  C.  Fr.  Ileruianns  Vorgange  W.  Yi- 
.sclicr  annimmt  (Götting.  gel.  Anz.  1864,  N.  :^5,  S.  1373  ff.),  ist  mir  «ehr 
zweifelhaft. 

')  Vgl.  Strab.  X,  p.  447.  Ein  Zcugniss  lür  dio  ausgedehnten  Han- 
delsbeziehungen Kuboia's  giebt  auch  der  Umstand,  dass  die  aus  Pcrsicu 
stammende  Goldwährung  von  den  Griechen  als  die  euböische  bezeich- 
net wurde:  vgl.  F.  Ilultsch  Gricch.  und  rüm.  Metrologie  ö.  145. 

*)  Vgl.  über  dio  ältesten  Uewohner  der  Insel  meine  Quaestiones  Ku- 
b-.icao  p.  6-31;  H.  Dondorff  Dio  lonior  auf  Euboia.  Ein  Beitrag  zui 
Geschichte  der  gricchisdien  Stämme.  (Aus  dem  Programm  dea  Joachims- 
thalschen  Gymnasiums  zu  Berlin  1860.) 


404  III.    Die  Inselwelt. 

Die  Stamnicsvcrscliiedenheil  dieser  ältesten  Bevölkerung, 
welche  wahrscheinlich  schon  durch  die  Hegemonie  der  Ahanten  be- 
einträchtigt worden  war,  wurde  fast  gänzlich  verwischt  durch  die 
Herrschaft  Athens,  welche  den  Bewohnern  der  ganzen  Insel  we- 
nigstens in  Hinsicht  der  Sprache  ein  wesentlich  attisches  Gepräge 
gab.  Die  Athener  waren  im  Jahre  506  nach  Niederwerfung  eines 
höotischen  Heeres  über  den  Euripos  gezogen,  hatten  die  Chalki- 
dier,  welche  zu  der  vom  spartanischen  Könige  Kleomenes  gegen 
Athen  zusammengebrachten  Liga  gehörten,  aufs  Haupt  geschlagen 
und  die  Ländereien  des  in  Chalkis  herrschenden  Adels,  der  so- 
genannten Hippoboten,  mit  4000  attischen  Kleruchen  besetzt. 
Schon  damals  scheint  ausser  Chalkis  auch  das  übrige  Euboia  in 
Abhängigkeit  von  Athen  gerathen  zu  sein.  Der  Versuch  der  Eu- 
boier,  sich  von  dieser  Abhängigkeit  zu  befreien  (im  Jahre  446 
V.  Chr.),  endigte  mit  der  Unterwerfung  der  ganzen  Insel  durch 
Perikles  und  der  Vertreibung  der  Hestiäer,  in  deren  Gebiet 
2000  attische  Kleruchen  angesiedelt  wurden.  ^)  Seitdem  gehörten 
alle  bedeutenderen  Ortschaften  der  Insel,  deren  Besitz  den  Athe- 
nern für  die  Verproviantirung  ihres  Landes  mit  Getreide  und 
Schlachtvieh  von  der  höchsten  Wichtigkeit  war,  als  tributpflich- 
tige Glieder  dem  athenischen  Seebunde  an,  bis  es  im  21sten  Jahre 
des  peloponnesischen  Krieges  (411  v.  Chr.)  den  Peloponnesiern 
gelang,  sie  mit  Ausnahme  von  Histiäa  (Oreos)  zum  Abfall  von 
Athen  zu  bewegen.  2)  Im  sogenannten  korinthischen  Kriege  (394 
— 387)  stand  Euboia  auf  Seiten  Thebens  und  Athens  gegen  Sparta; 
alle  bedeutenderen  Ortschaften  i]er  Insel  (Chalkis,  Eretria,  Ka- 
rystos,  Athenä  Diades  und  Histiäa)  traten  sodann  dem  im  Jahre 
378  begründeten  athenischen  Seebunde  bei.  ^)  Ein  Versuch  der 
Thebaner,  sich  in  die  inneren  Angelegenheiten  der  Insel  einzu- 
mischen, wurde  von  den  Athenern  im  Jahre  357  v.  Chr.  glück- 
lich zurückgewiesen  und  darauf  das  Bündniss  der  euböischen 
Städte  mit  Athen  erneuert;   dasselbe  bestand  auch  nach  dem  so- 


1)  Herod.  V,  74;  Aelian.  Var.  hist.  VI,  1;  Thuk.  I,  114;  Theopomp, 
bei  Strab.  X,  p.  445;  Plut.  Pericl.  23. 

2)  Thuk.  VIII,  95  f.;  für  die  in  den  Tributlisten  erscheinenden  eu- 
böischen Ortschaften  s.  Böckh  Staatsh.  II,  S.  608. 

3)  Xen.  Hell.  IV,  2,  17;  3,  15;  Diod.  XIV,  82.  Inschr.  bei  Rangabe 
Ant.  hell.  n.  381  ^^'^j  vgl.  A.  Schäfer  Demosthenes  und  seine  Zeit  I, 
S.  33  f. 


2.  Die  ostgriechischen  Inseln:  Euboia.  405 

genannten  Biindcsgenossenkriege  fort,  Iiis  die  Intriguen  Philipps 
von  Makedonien  und  der  unglückliche  Feldzug,  welchen  die  Athe- 
ner im  Jahre  350  auf  das  Iliilfsgesuch  des  Tyrannen  Plutarchos 
von  Eretria  nach  der  Insel  unternahmen,  dieselbe  den  Athenern 
abwendig  machten  und  zum  Anschluss  an  Philipp  bewogen,  der 
in  den  Jahren  343  und  342  den  Städten  Eretria  und  Oreos  ma- 
kedonische Parteigänger  zu  Tyrannen  aufnöthigle.  Dies  veran- 
lasste die  Bewohner  von  Chalkis  ein  Schutz-  und  Trutzbündniss 
mit  Athen  abzuschliessen,  dem  bald  auch  die  von  ihren  Tyran- 
nen Philislides  und  Kleitarchos  befreiten  Städte  Oreos  und  Ere- 
tria beitraten.^)  Aber  nach  der  Schlacht  bei  Chäroneia  musste 
die  ganze  Insel  sich  Philipp  unterwerfen  und  blieb  seitdem  den 
Makedoniern  unterthänig  bis  zum  zweiten  makedonischen  Kriege, 
nach  welchem  sie  ihre  Unabhängigkeit  als  Geschenk  der  Römer 
zuriickerhielt.  Nachdem  sie  dieselbe  im  Jahre  192  v.  Chr.  gegen 
einen  Angriff  der  Aetoler  gewahrt  hatte,  verlor  sie  sie  gegen 
Ende  desselben  Jahres  an  Antiochos  von  Syrien,  der  Chalkis  be- 
setzte; doch  räumte  dieser  die  Stadt  wieder  beim  Heranrücken 
des  römischen  Heeres  unter  dem  Consul  M'.  Acilius  Glabrio  (191 
v.  Chr.),  worauf  alle  Städte  der  Insel  sich  den  Römern  über- 
gaben. 2)  Chalkis  büsste  seine  Theilnahme  am  Kriege  der  Achäer 
gegen  Rom  im  Jahre  146  v.  Chr.  durch  (freilich  wohl  nur  theil- 
weise)  Zerstörung;^)  im  mithridatischen  Kriege  bildete  es  den 
wichtigsten  Waffenplatz  des  Archelaos,  des  Feldherrn  des  Mithri- 
dates.'*)  Seitdem  genoss  die  Insel  unter  der  römischen  Herr- 
schaft als  Restandtheil  der  Provinz  Makedonien  Jahrhunderte  des 
Friedens  und  der  Ruhe,  die  aber  die  Spuren  der  früheren  ver- 
heerenden Kriege  nicht  zu  verwischen  vermochten:  in  der  Kai- 
serzeit war  wenigstens  der  südlichere  Theil  der  Insel  so  dünn 
bevölkert,  dass  zwei  Drittel  des  Landes  selbst  in  den  Ebenen 
unbebaut  lagen.'')     Eine  bedeutendere  Rolle   spielt  die  Insel  erst 


1)  Vgl.  A.  Schäfer  Demosthenes    und    seine    Zeit  II,  S.   73  ff.   und 
S.  391  ff. 

2)  Polyb.  XVIII,  29  f.;   Liv.  XXXV,  37  f.;  60f.;    XXXVI,  11;   21; 
Appian.  Syr.  12;  16;  20. 

«)  Liv.  Perioch.  LH;  vgl.  Polyb.  XL,  11. 
*)  Appian.  Mithrid.  29;  31  u.  ö.;  Plut.  Sulla  11. 
•')  Dio  Chryaost.  Or.   VII,  34.     Dass   Euboia  zur  Provinz   Makedo- 
nien geliürtc,  zeigt  der  Senutsbeschluss  C.  I.  gr.  u.  5879. 


406  ni.    Die  Inselwelt. 

wieder  im  späteren  Mittelalter  seit  der  Eroberung  Konslantinopels 
durch  die  Franken  (1204),  wobei  sie  vom  Markgrafen  Bonifacio 
von  Montferrat  dem  Jacques  d'Avesnes,  dem  Fuhrer  eines  loni- 
bardiscben  Ilülfscorps,  überlassen,  bald  aber,  da  dieser  mit  dem 
Kriege  gegen  den  Peloponnes  bescliäftigt  war,  in  drei  'grosse 
Lehen  getheilt  wurde,  welche  an  drei  getreue  Anhänger  ßonifa- 
cio's  verliehen  wurden  (August  1205).  Der  mächtigste  dieser 
'Dreiherren'  (Terzieri),  Ravano  dalie  Carceri  aus  Verona,  machte 
sich  nach  einigen  Jahren  zum  alleinigen  Herren  der  Insel  und 
stellte  sich,  um  sich  diesen  Besitz  zu  sichern,  als  Vasall  unter 
den  Schutz  der  Bepublik  Venedig,  die  seitdem,  allerdings  unter 
vielfachen  Streitigkeiten  mit  den  Fürsten  von  Achaia,  denen  Boni- 
facio die  Lehensoberhoheit  über  die  Insel  übertragen  hatte,  die 
factische  Herrschaft  über  dieselbe  durch  ihre  Vertreter  (Baili) 
ausübte,  unter  deren  Aufsicht  die  'Dreiherren',  die  Begenten  der 
nach  Bavano's  Tode  wieder  hergestellten  drei  Herrschaften,  stan- 
den. Die  Eroberung  der  Insel  durch  Mohammed  IL  (12.  Juli 
1470)  war  ein  schwerer  Schlag,  für  Venedig,  der  Anfang  des 
Endes  seiner  Seeherrschaft  in  den  griechischen  Gewässern J) 
Seitdem  verschwindet  die  Insel  als  Theil  des  türkischen  Beiches 
wieder  aus  der  Geschichte  bis  zum  griechischen  Befreiungskriege, 
während  dessen  die  beiden  Städte  Chalkis  und  Karystos  Haupt- 
stützpunkte der  türkischen  Macht  bildeten,  an  welchen  alle  Er- 
oberungsversuche der  Griechen  scheiterten;  erst  das  Londoner 
Protokoll  vom  3.  Februar  1830  entriss  die  Insel  den  Händen 
der  Türken.  Jetzt  bildet  sie  zusammen  mit  den  sogenannten 
nördlichen  Sporaden  einen  Nomos  (Kreis)  des  Königreichs  Hellas, 
der  in  die  vier  Eparchien  (Bezirke)  Chalkis,  Xerochori,  Karystia 
und  Skopelos  getheilt  ist:  die  Bevölkerung  des  ganzen  Nomos 
betrug  bei  der  Zählung  im  Jahre  1861  72,368  Seelen,  wovon 
etwa  60,000  auf  die  drei  Eparchien  Euboia's  kommen. 
^Nord-  Nordeuboia  —  nach   der  jetzigen  Eintheilung   die  Eparchie 

Xerochori  und  ein  Theil  der  Eparchie  Chalkis  —  ist  jetzt.  Dank 
den  Bemühungen  einiger   aus   dem  westlichen  Europa  eingewan- 


*)  C.  Hopf  Grieclüsehe  Geschichte ,  Allg.  Encycl.  d.  W.  u.  K.  Sr  I, 
Bd.  85,  S.  225  f.;  240  f.  u.  ö.;  Bd.  86,  S.  157  f.;  derselbe  ' Geschichtlicher 
Ueberblick  über  die  Schicksale  von  Karystos  auf  Euboea  in  dem  Zeiträume 
von  1205—1470'  in  den  Sitzungsberichten  der  Wiener  Akademie,  philos.- 
histor.  Classe,  Bd.  XI,  S.  555  fif. 


2.  Die  ostgriechisclien  Inseln :  Euboia,  407 

derter  grosser  Grundbesitzer,  welche  eine  rationelle  Landwirth- 
schaft  und  eine  rationelle  Forstcultur  eingeführt  haben,  der  am 
besten  angebaute  Theil  der  Insel.  Die  wichtigste  Ortschaft  des- 
selben war  im  Alterthuni  Hisliäa  (oder  Hestiäa),^)  dessen  Ge- 
biet die  weite,  zunächst  der  Rüste  jetzt  an  manchen  Stellen  ver- 
sumpfte, im  Ucbrigen  aber  fruchtbare  Ebene  am  nördlichen  Fusse 
des  Galzadesgebirges,  westlich  vom  Flusse  Kallas  (Xerias)  und 
dem  Xeronoros  (s.  oben)  und  die  im  Süden  und  Osten  sie  um- 
schliessenden  Berge  bildeten.  Der  jetzige  Hauptort  der  Ebene 
ist  das  wenige  Minuten  vom  linken  Ufer  des  Kallas  entfernte, 
nach  dem  Mangel  an  Quellwasser  benannte  Städtchen  Xerochori, 
in  welchem  -sich  keine  Spuren  alter  Bewohnung  finden.  Drei 
Viertelstunden  westlich  von  da  liegt  nahe  der  Küste  das  kleine 
Dorf  Oräi,  welches,  wie  der  Name  und  beträchtliche  antike  Reste 
zeigen,  die  Erbschaft  des  alten  Oreos  angetreten  hat,  eines  De- 
mos im  Gebiete  der  Histiäer,  der  im  Jahre  445  v.  Chr.  bei  der 
Ansiedelung  athenischer  Kleruchen  mit  dem  von  seinen  Bewoh- 
nern verlassenen  Ilistiäa  zu  einer  Ortschaft  vereinigt  wurde,  die. 
im  Volksmunde  allgemein  Oreos  genannt,  in  ihren  öirentlichen 
Urkunden  den  Namen  Ilistiäa  sowie  auf  ihren  Münzen  das  alte 
Gepräge  beibehielt,  während  das  Nebeneinanderbestehen  zweiej* 
Akropolen,  die  man  noch  jetzt  in  zwei  Hügeln  (dem  nördlich  vom 
Dorfe  gelegenen,  künstlich  aufgeschütteten  Kastro  und  dem  west- 
lich davon  gelegenen  Hügel,  auf  welchem  die  Kirche  des  Dorfes 
steht)  wiedererkennt,  und  die  Trennung  der  Stadt  durch  eine 
Zwischenmauer  in  zwei  Hälften  bis  in  späte  Zeiten  die  Zusam- 
mensiedelung  des  vom  Tyrannen  Philistides  noch  durch  den  er- 
zwungenen Zuzug  der  Bewohner  von  Ellopia,  einer  kleinen 
Ortschaft  der  Histiäotis,  erweiterten  Ortes  aus  zwei  Gemeinden 
kenntlich  machte.*^)     Ob  übrigens  auf  der  Stelle  der  ebensowohl 


)  Die  schon  II.  B,  637,  llerod.  VIII,  23  u.  a.  vorkommendo 
1  Ulm  IgtCuiu  (vgl.  Stoph.  Byz.  u.  d.  W.)  wird  durch  die  Aufschriften 
der  Münzen  {I2TI,  IZTIAIESIN)  bezeugt.  Die  Tributlisten  dagegen 
und  die  Inschr.  C.  I.  gr.  n.  73«=  haben  HEZTIA1E2,  HEZTIAIA.  [Das 
abgekürzte  Ethnikon  I2TIA  in  der  Inschr.  'Aqx-  'Etprjfi.  lleQ.  IJ.  II.  13, 
N.  404 ß  ist  wohl  nicht  auf  diese  Stadt,  sondern  auf  eine  Ortschaft  im 
Gebiete  von  Erotria  zu  beziehen.]  Nach  schol.  II.  ß,  537  und  Ilesych. 
II.  'Eaziaiu  wäre  der  älteste  Name  des  Ortes  TaXavtCu  gewesen. 

*y   \)<cv  Naine  'Ä^fdff   ( Kthuikon 'Äpsrrat,   lateinisch   Oritani)  or- 


408  ni.   Die  Inselwelt. 

als  starke  Befestigung  wie  als  Ilafenplatz  wichtigen  Stadt  Ilistiaa- 
Oreos,  deren  Gebiet  zu  Demoslhenes'  Zeit  ein  Viertel  der  ganzen 
Insel  nmfasste^),  ursprünglich,  d.  h.  vor  dem  Jahre  445  v.  Chr., 
die  Stadt  Histiäa  oder  das  Dorf  Oreos  gelegen  hat,  ist  nicht  mit 
Sicherheit  zu  entscheiden,  doch  scheint  mir  das  letztere  wegen 
des  Ueberwiegens  des  Namens  Oreos  für  die  neue  Stadt  wahr- 
scheinlicher; das  seit  der  Gründung  derselben  verlassene  Histiäa 
wird  weiter  östlich,  am  Fusse  oder  am  Abhänge  des  Telethrion, 
die  Ortschaft  Ellopia  im  Gebiete  desselben  oder  des  Galzades- 
Gebirges  zu  suchen  sein. 

Zum  Gebiet  von  Ilistiäa-Oreos  gehörte  ein  an  der  Nordküste 
der  Insel,  wahrscheinlich  etwas  unterhalb  des  Dörfchens  Kastri 
gelegenes  Ileiligthum  der  Artemis  Proseoa,  ein  kleiner  von  Bäu- 
men umgebener  Tempel,  nach  welchem  die  ganze  durch  die  See- 
schlacht zwischen  der  hellenischen  Flotte  und  der  Flotte  des 
Xerxes  berühmte  Rüstenstrecke  Artemision  genannt  wurde. 
Das  Andenken  an  die  Seeschlacht  war  durch  eine  Inschrift  auf 
einer  der  um  den  Tempel  herum  aufgestellten  Marmorstelen 
(deren  Gestein,  mit  der  Hand  gerieben,  angeblich  safranähnliche 
Farbe  und  Geruch  annahm)  verewigt.  2)  Von  Oreos  gelangt  man 
in   272   Stunden    über    die    westlichen  Ausläufer    des   Galzades- 


scheint  zuerst  bei  Aristoph.  Pac.  1125  und  Thuk.  VIII,  95;  dann  häufig 
bei  vielen  Schriftstellern,  auch  in  einer  athenischen  Inschrift  in  den 
Verhandl.  der  philol.  Ges.  zu  Würzburg  S.  100,  Z.  14;  'Eorrtata, 'Effriati^g 
In  der  Inschr.  C.  I.  gr.  n.  73^,  in  der  Urkunde  des  Bundesvertrags  von 
Ol.  100,  3  (Rangabe  Ant.  hell.  n.  381  ^is,  IJ,  17)  und  in  einer  Inschrift 
aus  der  Zeit  des  Gordian  bei  Vischer  Archäol.  und  epigr.  Beiträge  N.  59; 
'EaTLccLSLS  und  'Slgsixca  neben  einander  in  einer  von  Athen.  I,  p.  19 •' 
erhaltenen  Urkunde.  Ueber  die  Lage  und  das  den  Alten  selbst  unklare 
Verhältniss  der  beiden  Orte  zu  einander  vgl.  Strab.  X,  p.  445  s.;  Liv. 
XXVIII,  57;  XXXI,  46;  Ulrichs  Reisen  und  Forschungen  II,  S.  230  fr.; 
Bu^ian  Ber.  d.  sächs.  Ges.  d.  W.  1859 ,  S.  147  f. ;  Baumeister  Skizze 
S.  17  f.  und  S.  58  f.  Ortschaft  'EXKonici:  C.  I.  gr.  n.  73^;  Strab.  a.  a.  O.; 
Steph.  Byz.  u.  'ElXonLcc. 

*)  Demosth.  in  Aristocr.  p.  691. 

2)  Plut.  Them.  8;  De  Herod.  mal.  34;  Herod.  VII,  175  f.  u.  ö.;  PHn. 
IV,  12,  64;  Ptolem.  III,  15,  25;  Steph.  Byz.  u.  'AgtSfiLCiov:  vgl.  Ulrichs 
Reisen  und  Forschungen  II,  S.  229.  Die  nur  von  Ptolem.  a.  a.  O.  er- 
wähnte ^aXaaCu  aagcc  ist  nicht  sicher  zu  fixiren:  nach  den  überlieferten 
Längen-  und  Breitenzahlen  müsste  sie  nordwestlich  vom  Artemision  an- 
gesetzt werden. 


2.    Die  ostgriechischen  Inseln:  Euboia.  409 

gebirges  nach  dem  in  einem  schmalen,  von  einem  kleinen  Bache 
dnrchflossenen  TJiale  eine  Viertelstunde  vom  Meere  gelegenen 
Dorfe  Lipso,  das,  wie  sein  Name,  einige  antike  Architekturfrag- 
mente und  eine  hier  gefundene  metrische  Inschrift  lehren,  die 
Stelle  von  Aedepsos,  einem  Städtchen  im  Gebiete  von  Oreos- 
Histiäa,  einnimmt.  Seine  Bedeutung  verdankte  dasselbe  allein 
den  ^/4  Stunden  südlich  davon  hart  am  Meere  aufsprudelnden 
warmen  schwefelhaltigen  Quellen,  welche  im  Alterthum  ebenso 
wie  die  in  den  Thermopylen  dem  Herakles  geweiht  waren  und 
von  Einheimischen  wie  von  Fremden,  die  für  Hautkrankheiten, 
Gicht  und  ähnliche  Uebel  Heilung  suchten,  viel  benutzt  wurden. 
Von  den  stattlichen  Anlagen  —  Badebassins,  Säulenhallen,  Wohn- 
häusern, Speise-  und  Gesellschaftssälen  —  welche  Aedepsos  seit 
dem  Beginn  der  römischen  Herrschaft  über  Griechenland  zu  einem 
eleganten  Luxusbade,  einem  Bendez-vous  der  Freunde  behaglichen 
Genusses  machten,  ist  jetzt  keine  Spur  mehr  vorhanden ;  was  sich 
noch  von  Besten  älterer  baulicher  Anlagen  über  den  mit  einer 
dichten  Kruste  von  Kalksinter  überzogenen  Boden  erhebt,  gehört 
durchaus  der  spätesten  römischen  und  der  byzantinischen  Zeit 
an;  die  jetzigen  Anlagen  für  die  Benutzung  der  Quellen  sind 
mehr  als  einfach  und  selbst  für  die  bescheidensten  Ansprüche 
ungenügend.  ^) 

Die  Halbinsel  Lilhada,  welche  jetzt  die  Dörfer  Gialutra  (d.  i. 
vyLCc  XovzQcc,  gesunde  Bäder,  ein  Name,  der,  da  sich  hier  keine 
Spur  von  Bädern  und  Mineralquellen  findet,  vielleicht  von  den 
gegenüberliegenden  Bädern  von  Aedepsos  hierher  übertragen  ist) 
und  Lithada  enthält,  trug  im  Alterthum  zwei  Städte,  Dion  und 
Athenä  Diades,  die  trotz  ihrer  räumlichen  Nähe  und  Namens- 
verwandtschaft von  einander  wie  auch  von  Histiäa  unabhängig 
waren.  ^)      Die   ältere   der   beiden,    das    schon    im   SchifTscatalog 


')  Aristüt.  M.tr.,,.  II,  8;  Strub.  I,  p.  00;  IX,  p.  IJä;  X  ,  p.  445; 
J'hit.  Sulhi  2G;  Syinpo.s.  quHCbt,  IV,  4,  1;  De  frat.  amon;  17;  Atlion.  III, 
p.  73<=;  Plin.  XXXI,  2,  29;  Ptol.  III,  15,  2.S;  Steph.  Byz.  u.  Atdritpos: 
vgl.  Fiedler  KcIho  J,  8.  487  ff.;  Ulrichs  Reisen  II,  S.  233  ff.;  meine  'Mit- 
theilungen' in  den  IJer.  d.  säclia.  Och.  d.  W.  1859  S,  149  f.;  über  die 
Heilquellen  auch  X.  Landerer  nsf/iyQatpi]  t(6v  h  'Tndrrf,  AtÖi.tl>m  xal 
GfQfionvXatg  ^fQfiwv  vdccTcav  (Athen  1836,  8")  p.  t)  ff. 

';  Dies  crgiebt  sich  daraus,  dnss  sowohl  in  den  Tribntliston  als  in 
•  1(1    iJundesurkunde  von  Ol.  100,  3  die  *A%'rjVitut  (in  cin'-ni  Fr:i "-1110111  muh 

WJKHIAN,  (iK(XiR.     II. 


410  III.    Die  Inselwelt. 

(II.  B,  538)  erwähnte  Dion,  muss  in  der  Gegend  des  hoch  gele- 
genen, hainn-  und  wasserreichen  Dorfes  Lithada,  in  dessen  Nähe 
sich  ein  mittelalterlicher  Thurm  mit  antiken  Werkstücken  findet, 
etwa  1  Stunde  nordöstlich  von  dem  (iigenl liehen  Vorgehirge  ge- 
standen hahen;  zu  seinem  Gebiet  gehörte  der  aul"  dem  Vorgebirge 
stehende  Altar  des  Zeus  Kenäos,  an  welchem  Herakles  der  Sage 
nach  das  Siegesopfer  nach  der  Einnahme  von  Oichalia  darge- 
bracht und  den  unglücklichen  Lichas,  den  üeberbringer  des  ver- 
gifteten Gewandes,  ins  Meer  geschleudert  haben  sollte.  Die  Stelle 
von  Athenä  Diades,  das  ursprünglich  wohl  nur  der  Ilafenplatz 
von  Dion  war,  dann  durch  Colonisalion  von  Athen  aus  zu  grösse- 
rer Bedeutung  gelangte,  bezeichnet  wahrscheinlich  ein  etwa 
27^  Stunden  gegen  Osten  von  Lithada  entfernter,  jetzt  Turla  ge- 
nannter Hügel  an  der  Südküste  der  Halbiusel,  der  ganz  mit  Sub- 
structionen,  Ziegelresten  und  Scherben  überdeckt  ist  und  in  des- 
sen Nähe  man  auch  Reste  eines  antiken  Hafendammes  im  Meere 
bemerkt.  ^) 

Der  südlich  vom  Telethrion  gelegene  Theil  Nordeuboia's 
bildete  das  Gebiet  der  Städte  Kerinthos,  Orobiä  und  Aegä,  die 
indess,  da  sie  schon  in  den  attischen  Tributlisten  nicht  mehr  er- 
scheinen,'-) frühzeitig  ihre  Selbstständigkeit,  wahrscheinUch  an 
Ilistiäa-Oreos,  eingebüsst  haben  müssen.  Das  nach  der  Tradition 
von  dem  Athener  Kothos  gegründete,  schon  im  Schiffscatalog  als 
Seestadt  erwähnte  Kerinthos,  das  seinen  Namen  offenbar  der 
gleichnamigen  Pflanze  (Bienenbrot)  verdankt,  lag  auf  einem  niedri- 
gen, lang  gestreckten  Hügel    am    rechten    Ufer  des  Budoros,   un- 


01.  82,  4  bei  U.  Köhler  S.  19  auch  'Ad'rjvccLoi)  oder  'A&rivcci  Jiddsg  uucl 
die  JiTjs  oder  Jirjg  aito  Krjvaiov,  sowie  die  'EGTLccLjjg  gesondert  aufge- 
führt sind.     Vgl.  Böckh  Staatsh.  II,  S.  666. 

1)  Strab.  X,  p.  446;  Aeschyl.  frg.  29  und  30  Nauck;  Soph.  Trachin. 
237  f.;  752  ff.;  Ovid.  Met.  IX,  136;  Seneca  Herc.  Oet.  102  und  787; 
Steph.  Byz.  u,  'Ad'rjvai  (p.  34,  19  ss.  ed.  Mein.)  und  zJlov;  Nonn.  Dionys. 
XIII,  161.  —  Ptol.  III,  15,  23  SS.  unterscheidet  zwischen  Kiqvcctov  av.QOV 
und  Jiov  ccKQOv.  Vgl.  Ulrichs  Reisen  II,  S.  236  f. ;  Vischer  Erinnerungen 
S.  660  f. 

2)  Unter  dem  in  der  Schätzungsurkunde  aus  Ol.  88,  4  erwähnten 
noOLÖEiov  iv  Evßotcc  (U.  Köhler  Urkunden  S.  70)  ist,  wie  ich  glaube, 
nicht  der  zu  Aegä  gehörige  Tempel,  sondern  das  Heiligthum  von  Gerä- 
stos,  um  welches  sich  eine  kleine  Ortschaft  gebildet  hatte  (s.  u.)  zu  ver- 
stehen. 


2.  Die  ostgriecliischen  Inseln:  Euboia.  411 

mittelbar  vor  der  Mündung  desselben  in  die  kleine,  jetzt  Peleki 
genannte  Bliebt  der  Ostküste,  welcber  noch  bedeutende  Reste 
der  Ringmauern  und  Tbürme  sowie  zahlreiche  Fundamente  grösse- 
rer und  kleinerer  Gebäude  innerhalb  derselben  trägt.  Der  von 
einem  alten  Dichter  in  Verbindung  mit  der  Verwüstung  des  lelan- 
tischen  Gefildes  erwähnte  Untergang  der  Stadt,  dessen  Zeit  und 
Veranlassung  sich  nicht  mit  Sicherheit  bestimmen  lässt,  hat 
jedenfalls  der  Selbständigkeit  derselben  ein  Ende  gemacht;  doch 
bestand  sie  noch  in  den  ersten  Jahrhunderten  unserer  Zeitrech- 
ming  wenn  auch  als  unbedeutendes  Städtchen  fortJ)  Das  nur 
durch  ein  als  besonders  wahrhaft  geltendes  Orakel  des  selinun- 
tischen  Apollon  bekannte  Orobiä  (auch  Orope  genannt)  lag  an 
der  Westküste  in  einer  fi  uchtbaren,  von  einem  Bache  (der  wahr- 
scheinlich den  Namen  Selinus  führte)  durchflossenen  Ebene,  in 
welcher  noch  jetzt  in  dem  Dörfchen  Roviäs  der  Name  und  einige 
Bausteine  und  Säulenfragmente  von  der  alten  Stadt,  die  im  Jahre 
426  V.  Chr.  durch  ein  furchtbares  Erdbeben  schwer  geschädigt 
worden  war,  erhalten  sind. 2) 

Zwei  Stunden  südöstlich  von  Roviäs  liegt  zwischen  in  Ter- 
rassen aufsteigenden  Gärten  und  Weinbergen  an  einer  als  Lan- 
dungsplatz für  kleinere  SchifTe  benutzten  Bucht  das  Städtchen 
Limni,  in  welchem  ausser  vereinzelten  antiken  Werkstücken  neuer- 
djngs  die  Fundamente  eines  grösseren  Gebäudes  mit  einem  Mo- 
saikfussboden,  kleinen  Säulen,  Ziegeln  und  Röhren  (also  wahr- 
scheinlich einer  Bäderanlage  aus  römischer  Zeit)  gefunden  wor- 
den sind.  Dies  sind  Ueberreste  des  alten  Aegä,  einer  Stadt, 
die,  wie  alle  dieses  Namens,  eine  alte  Stätte  des  Poseidoncults 
war..    Doch  lag  der  Tempel  des  Gottes,  der  noch  im  ersten  Jahr- 


')  11.  B,  538;  Theogn.  891;  (Scymn.)  Orb.  descr.  576;  Strab.  X, 
p.  445  8.;  Ptol.  III,  16,  25;  Theophr.  Eist.  pl.  VIII,  11,  7;  Plin.  IV,  12, 
04;  Prob,  ad  Verg.  Georg.  IV,  63:  vgl.  Ulrichs  Reisen  II,  S.  227;  Ber. 
(1.  Sachs.  Ges.  d.  W.  1859,  S.  143  f. ;  \V.  Viselier  Göttinger  gel.  Anzeigen 
1  Kft4,  N.  35,  S.  1373  ff.   . 

2)  Thuk.  III,  89;  Strab.  IX,  p.  405;  X,  p.  445:  vgl.  Ber.  der  sächs. 
«M'R.  d.  Wiss.  1859,  8.  151.  Der  Name  'Ogoßiat  stammt  offenbar  von 
uifoßog,  lat.  ervnm,  einer  in  Grieclionland  häufig  wild  wachsenden 
Wicken-  oder  ICrbscnart.  Die  Form  'ÖQOTtrj  bczengt  Stejdi.  liyz.  n.  Ko- 
ifonrj.  Da  2^sXivovg  <'ln  .sehr  hUuligcr  gri<*clii8<hci-  Flussname  ist,  so 
glaube  ich  den  Apolh»n  l^hXtvovvziog  von  <l»!m  bt'i  Koviiis  vorüborfliesscu- 
dcn   fiachc  hcTI«Mtcii   /.ii  dürfen. 

28* 


412  III.    Die  Inselwelt. 

hundert  unserer  Zeitrechnung  "bestand,  als  die  Stadt  schon  sehr 
herahgekommen  oder  ganz  verlassen  war,  nicht  in  oder  unmittel- 
bar bei  der  Stadt,  sondern  V/^  Stunde  weiter  gegen  Südosten 
hocli  über  dem  Meere  auf  einem  Vorsprunge  des  Kandiligcbirges, 
welcher  jetzt  ein  Kloster  des  Hagios  Nikolaos  Galatas  trägt J) 

Ausser  den  bisher  genannten  gab  es  im  Alterthum  noch  eine 
beträchtliche  Anzahl  kleinerer  Ortschaften  im  nördlichen  Euboia, 
theils  im  Innern  des  Landes,  theils  nahe  der  Ostküste,  von  denen 
noch  freilich  meist  sehr  geringfügige  Ueberreste  erhalten  sind, 
ohne  dass  es  uns  möglich  wäre ,  die  ihnen  zukommenden  Namen 
aus  der  grossen  Zahl  der  ohne  nähere  topographische  Angaben 
uns  überlieferten  euböischen  Ortsnamen  herauszufinden,  ^j 
Sofa.  Diß  Hauptverbindung  zwischen  Nord-  und  Mitteleuboia  bildet 

die  von  der  Natur  selbst  vorgezeichnete  Strasse,  welche  aus  der 
Strandebene  von  Kerinthos  (vom  jetzigen  Dorfe  Manduti  aus)  im 
Thale  des  Budoros  aufwärts  nach  dem  in  einem  breiten  von 
prächtigen  Platanen  beschatteten  Thale  gelegenen  Dorfe  Achmet- 
Aga,  von  da  immer  längs  des  Fiüsschens,  dessen  Thal  sich  all- 
mälig  zu  einer  engen,   von   hohen,   aber   mit   reicher  Vegetation 


1)  Strab.  VIII,  p.  386;  IX,  p.  405;  Steph.  Byz.  u.  AlyaC-,  Stat  Theb. 
VII,  .371;  Nonn.  Dionys.  XIII,  164:  vgl.  W.  Vischer  Göttinger  gel.  Anz. 
1864,  N.  35,  S.  1379  ff.  Ob  die  homerischen  Stellen  iV,  21  und  s  381 
auf  das  euböische  oder  auf  das  achäische  Aegä  zu  beziehen  sind,  dürfte 
kaum  zu  entscheiden  sein.  Bei  Aegä  suchte  man  auch  das  mythische 
Nysa  mit  den  sogenannten  8q)7]}iSQOL  cc^ntXov,  die  am  Morgen  Augen, 
um  Mittag  reife  Trauben  trugen,  von  denen  am  Abend  die  Dionysos- 
dienerinnen Wein  tranken:  s.  schol.  IL  iV,  21;  Steph.  Byz.  u.  Nvo(XL\ 
Soph.  frg.  235  Nauck;  schol.  Soph.  Antig.  1133. 

2)  Solche  Ueberreste  fand  ich  im  Dorfe  Hagia  Anna  oberhalb  der 
Ostküste  und  etwa  drei  Stunden  westlich  über  demselben  auf  dem  Rücken 
des  Xeronoros  (s.  Ber.  d.  sächs.  Ges.  d.  W.  1859,  S.  146);  Ulrichs  (Rei- 
sen II,  S.  226  und  228)  in  der  Nähe  von  Pyli  (östlich  von  Achmet-Aga, 
nicht  weit  von  der  Ostküste)  und  bei  Vasiliko  (ebenfalls  oberhalb  der 
Ostküste,  aber  beträchtlich  weiter  nördlich);  W,  Vischer  in  der  Nähe 
des  Klosters  des  Hagios  Elias  (Ilia)  am  Südabhq,nge  des  Galzadesgebirges 
(Erinnerungen  S.  662  f.;  vgl.  Ber.  d.  sächs.  Ges.  d.  W.  a.  a.  O.  S.  151) 
und  an  vier  Stellen  in  der  Nähe  von  Achmet-Aga  (Göttinger  gel.  Anz. 
a.  a.  O.  S.  1383),  Zahlreiche  nicht  zu  fixirende  euböische  Ortsnamen 
giebt  besonders  Steph.  Byz.;  vgl.  Meineke's  Index  u.  EvßoLcc.  Vielleicht 
gehören  in  diese  Gegend  die  in  den  athenischen  Tributlisten  aufgeführ- 
ten zJLdü^iis  ccno  XaX-iiidacov  und  JiccyigtoL  h  Evßoicc  (vgl.  Lycophr. 
AI.  375),  über  welche  Böckh  Staatshaush.  II,  S.  680  f.  zu  vergleichen  ist. 


2.  Die  ostgriechischen  Inseln:  Euboia.  413 

bedeckten  Felswänden  begränzten  Schlucht  verengt,  auf  den 
Rücken  des  den  Kandili  mit  den  nördUchen  Verzweigungen  des 
Dirphis  verbindenden  Bergzuges  empor  und  von  diesem  durch 
spärliche  Kiefern-  und  Fichten waldung  allmälig  hinab  in  die 
weite,  von  zahlreichen  Hügeln  unterbrochene  Küstenebene  führt,') 
welche  das  Gebiet  von  Chalkis  bildete.  Diese  wahrscheinlich 
aus  einer  Ansiedelung  phönikischer  Purpurfischer  hervorgegangene 
Stadt ^)  wetteiferte  in  den  ältesten  Zeiten  der  griechischen  Ge- 
schichte mit  ihrer  Nachbarin,  der  nur  einen  kleinen  Tagemarsch 
(5  Stunden)  von  ihr  entlegenen  Eretria,  um  das  Principat  über 
die  Insel j  seit  der  Verheerung  Eretria's  durch  die  Perser  (490 
V.  Chr.)  war  sie  die  mächtigste  und  reichste  Stadt  der  Insel 
und  behielt  auch  unter  der  makedonischen  und  römischen  Herr- 
schaft sowohl  als  starke  Festung  —  als  eine  der  drei  'Fesseln' 
oder  'Schlüssel'  von  Hellas^)  —  wie  als  Handelsplatz  eine  hohe 
Bedeutung,  von  welcher  freilich  in  Folge  der  ununterbrochenen 
Bewohnung  des  Platzes  bis  zur  Gegenwart  herab  nur  äusserst 
geringe  monumentale  Spuren  noch  Zeugniss  geben.  Der  Umfang 
der  alten  Stadt  scheint  bis  auf  die  Zeit  Alexanders  des  Grossen 
nicht  viel  grösser  gewesen  zu  sein  als  der  der  mittelalterlichen 
und  neueren,  welche  aus  zwei  Theilen  besteht:  dem  auf  einer 
niedrigen  felsigen  Erhöhung  unmittelbar  am  Euripos  im  engeren 
Sinne  gelegenen  Kastell,   welches  seine  jetzige  Gestalt  wesentlich 

')  Vgl.  über  den  Weg  Ber.  d.  säehs.  Ges.  d.  W.  1859,  S.  141  ff.; 
Oirard  Memoire  p.  699  s.;  Vischer  Erinnerungen  S.  670  ff. 

2)  Die  Alten  leiten  den  Namen  Xalntg  von  der  Erzbereitung,  also 
von  ;^aA>to'?  her  (Strab.  X,  p,  472;  Steph.  Byz.  u.  XaX-Kig;  Plin.  IV,  12, 
64);  doch  scheint  mir  aus  sachlichen  Gründen  die  Herleitung  von  x'xl^rj 
=  yidXxri  '  Purpurschnecke '  vorzuziehen.  Auf  orientalischen  Ursprung 
der  Stadt  weist  der  Name  der  angeblichen  Stammmuttcr  der  Chalkidier 
Kofißt]  (Zenob.  Prov.  VI,  50;  Steph.  Byz.  a.  a.  O.;  vgl.  Nonn.  Dionys.  XIII, 
148;  Hesych.  u,  Ko^ßi] ,  dazu  Dondorft'  Die  lonier  auf  Euboia  S.  23) 
hin.  Ob  das  Halten  heiliger  Fische  in  dem  Becken  der  Arethusa  (Athen. 
VIII,  p.  331";  Plut.  De  soll.  an.  23)  der  Kest  eines  alten  orientalischen 
Cultus,  wie  Dondorff  (Die  lonier  auf  Euboia  8.  34)  und  Baumeister 
(Skizze  8.  7)  annehmen,  oder  ein  erst  in  der  Diadochenzeit  aus  dem 
Orient  eingeführter  Brauch  war,  wage  ich  nicht  z»i  entscheiden,  doch 
ist  mir  das  letztere  wahrscheinlicher.  •—  lieber  die  angeblichen  Namen 
der  Stadt  ZivfirpriXogy  'AXUccQva  und  'TnnxaXuig  vgl.  Mcineke  ad  Steph. 
|..  683,  14. 

3)  Vgl.  Bd.  I,  S.  102,  Aum.  2;  dazu  l'lut.  Tit.   10. 


414  in.    Die  Inselwelt. 

den  Venezianern  verdiUiM,  und  ik'i  nördlicli  (hivon  sicli  hinziehen- 
den sogenannten  Vorstadt;  das  erstere  entspricht  der  antilien 
Akropolis  oder  Oberstadt,  die  letztere  der  wohl  noch  etwas  wei- 
ter gegen  Norden  sich  erstreckenden  Unterstadt,  welche  den  von 
besonderen  Mauern  umschlossenen  Handelshafen  (das  Eniporion), 
die  durch  ein  Thor  damit  in  Verbindung  stehende,  auf  drei  Sei- 
ten von  Säulenhallen  umschlossene  Agora,  mehrere  Gymnasien, 
Hallen,  Theater  und  lleiligthümcr,  sowie  zahlreiche  Kunstwerke 
enthielt.  Eine  bedeutende  Erweiterung  des  llmfangs  der  Ober- 
stadt fand  slatt  im  Jahre  334  v.  Chr.,  indem  damals  sowohl  der 
Euripos,  über  welchen  die  Boiotcr  schon  im  Jahre  410  eine  an 
beiden  Seiten  durch  Thürme,  in  der  Mitte  durch  einen  Brücken- 
kopf vcrthcidigte  Brücke  geschlagen  hatten,  als  auch  der  am 
westlicben  (böotischen)  Ufer  gelegene  Felshügel  Kanethos  zu  .den 
Befestigungen  der  Stadt  hinzugezogen  wurde:  auf  letzterem,  der 
schon  früher  Eigenthum  der  Chalkidier  gewesen  und  von  diesen 
als  Gräberslätte  benutzt  worden  war,  wurde  ein  Castell  errichtet 
und  dieses  durch  zu  beiden  Seiten  der  in  einen  bedeckten  Gang 
verwandelten  Brücke  hinlaufende  Mauern  mit  der  Hauptfeslung 
auf  der  Ostseite  des  Euripos  in  Verbindung  gesetzt.  Der  Um- 
fang der  so  erweiterten  Stadt  betrug  über  70  Stadien;  doch  war 
dieser  weite  Baum  nicht  gleichmässig  dicht  bewohnt,  sondern  ein 
Theil  der  Stadt  (wahrscheinlich  der  südliche  oder  südöstliche) 
fast  ganz  öde.^)  Von  einzelnen  Denkmälern  in  der  Stadt  kennen 
wir  nur  das  durch  eine  hohe  Sanle  bezeichnete  Grab  des  Kleo- 
machos  aus  Pharsalos,  der  als  Führer  eines  thessalischen  Beiler- 
corps im  Kriege  der  Chalkidier  gegen  Eretria  fiel,  auf  der  Agora 
und  das  sogenannte  'Grab  des  Knaben'  an  dem  vom  (Pastell  nach 
dem    Euripos    hinabführenden    Wege;    ferner    zwei    räthselhafte 


')  Anonym.  Descr.  Gr.  I,  27  ss.  (C.  Müller  Geogr.  gr.  min.  I,  p.  105); 
Strab.  IX,  p.  403;  X,  p.  447;  Liv.  XXVIII,  6;  XXXI,  21;  Aeneas  Comment. 
pol.  4;  vgl.  Ber.  d.  Sachs.  Ges.  d.  W.  1859,  S.  118  ff.;  Ulrichs  Reisen 
II,  S.  215  ö'.;  Baumeister  Skizze  S.  4  ff.;  Vischer  Göttinger  gel.  Anz. 
1864,  N.  35,  S.  1370.  Das  Gymnasion  und  das  Delphinion  (Heiligthum 
des  Apollon  Delphinios)  erwähnt  Plut.  Tit.  16.  Die  Münzen  (s.  Eckhel 
Doct.  n.  I,  2,  p.  323  s.)  lassen  auf  den  Galt  des  Apollon,  des  Poseidon 
und  der  Hera  schliessen;  den  Cult  des  Zeus,  der  Roma  und  des  Titus 
Flamininus  bezeugt  das  Fragment  eines  Päan  bei  Plut.  a.  a.  O.  Eine 
Phyle  Abantis  in  Chalkis  in  der  Inschrift  bei  Ulrichs  Reisen  II, 
S.  223  f. 


2.    Die  ostgriechischen  Inseln:  Euboia.  415 

Oertlichkeiteu :    das  Tyrsophion'   und    den  dassell)e  urugebeiiden, 
die  Lesche  der  Akmäer'  genannten  Platz J) 

Bei  grossen  natürlichen  Vorzügen  liatte  Chalkis,  dessen  Be- 
wohner bei  ihn  übrigen  Griechen  im  besten  Rufe  standen, 2) 
einen  entschiedenen  Nachtheil:  den  Mangel  an  gutem  Trinkwas- 
ser. Alle  gegrabenen  Brunnen  in  der  Stadt  geben  schlechtes, 
brackiges  Wasser,  und  auch  das  Wasser  der  berühmten,  von  den 
alten  Chalkidiern  göttlicher  Ehren  gewürdigten  Quelle  Are- 
thusa,  welche  im  Alterthum  die  ganze  Stadt  mit  Trinkwasser 
versorgte  —  erst  die  Venezianer  haben  unter  Benutzung  antiker 
Vorrichtungen  zur  Bewässerung  der  lelantischen  Ebene  eine  zum 
grössten  Theil  auf  gemauerten  Bogen  ruherule  Wasserleitung  an- 
gelegt, welche  das  Trinkwasser  sechs  Stunden  weit  vom  Abhänge 
der  Dirphys  herbeiführt  —  ist  nicht  von  ganz  leinem  Geschmack. 
Diese  Quelle  oder  richtiger  diese  Quellen  —  denn  es  sind  meh- 
rere, welche  sich  zu  einem  kleinen  nach  dem  Meere  abüiesscn- 
den  Teiche  vereinigen,  in  welchem  noch  jetzt  wie  im  Alterthum 
Aale  leben  —  entspringen  20  Minuten  südöstlich  von  der  Stadt, 
zur  Bechten  des  auf  den  Spuren  der  antiken,  theils  aufgemauer- 
ten, theils  in  den  Fels  gearbeiteten  Strasse  hiidaufcnden  Weges 
nach  Erctria.  Von  den  Quellen  an  sieht  man  in  den  die  Strasse 
zur  Linken  überragenden  Felswänden  etwa  eine  Viertelstunde 
weit  zahlreiche  viereckige  Sarkophage,  zu  denen  hie  und  da  Stu- 
fen emporführen ,  und  kleine  Nischen  in  den  Fels  gehauen ,  so 
dass  wir  hier  eine  der  auf  dem  Hügel  Kanethos  ganz  ähnliche 
und  ungefähr  gleichzeitige  Begrähnissslätle  der  alten  Chalkidier 
vor   uns   haben;    eine   dritte,    jüngeren    Ursprungs,    mit    in    den 


*)  Pli^t.  Amator.  17;  Quaest.  gr.  22  und  33.  Für  UvQGorpiov  ist 
vielleicht  nvQaorpoQStov  zu  lesen  und  darunter  ein  Leuclittlmnii  oder 
Wartthurm  zu  verstehen. 

*)  Vgl.  Anonym,  Descr,  Gr.  I,  30  und  das  von  Strab.  X,  p.  449, 
M  hol.  Theoer.  Id.  XIV,  47  u.  a.  erhaltene  Orakel.  Der  Vorwurf  der 
Habsucht,  welcher  den  Clialkidiern  von  attischen  Komikern  gemacht 
wurde,  scheint  auf  einer  falschen  Deutung  des  Wortes  XttXY.i&l^(iv  zn 
hrnihen:  vgl.  Paroemiogr.  gr.  I,  p.  333,  81.  Die  in  Chulkis  herrschende 
[•Hdorastie  (vgl.  Plut.  Amnt.  17;  Athen.  XIII,  p.  ßOl»;  ITesych.  n.  xaX- 
y.tbi'Qfiv)  scheint  ähnlich  wie  in  Elis  (vgl.  oben  S  276)  ursprünglich  eine 
politische  Einrichtung  aus  der  Zeit  der  Herrschaft  der  ritterlichen  Oe- 
fichlechter,  der  sogenannten  tnnnßnrr'f  Mforod.  V,  77;  Plut.  Pericl.  23), 
gewesen  zu  »ein. 


4lf)  in.    Die  lufeelwelt. 

erdigen  Boden  eingesenkten  Gräbern  findet  sich  in  den  Feldern 
eine  halbe  Stunde  östlich  von  der  Stadt J)  Auf  der  Höhe  über 
den  zu  Gräbern  eingerichteten  Felswänden  finden  sich  Ruinen 
aus  der  venezianischen  und  einige  Reste  aus  der  hellenischen 
Zeit,  so  dass  hier  vielleicht  die  Ortschaft  Arethusa  zu  suchen 
ist,  deren  Bewohner  als  selbständige  Gemeinde  in  der  Urkunde 
des  attischen  Seebundes  vom  Jahre  378  neben  den  Chalkidiern, 
Eretriern  und  Karystiern  erscheinen, 2)  obgleich  dies  bei  der 
grossen  Nähe  von  Chalkis  nicht  ohne  Bedenken  ist. 

Folgt  man  der  von  Chalkis  nach  dem  nördlichen  Euboia  füh- 
renden Strasse,  so  gelangt  man  eine  halbe  Stunde  von  der  jetzigen 
Stadt  an  einen  jetzt  Korrenti  genannten  Platz,  auf  welchem  antike 
Bausteine  und  Marmorstücke  gefunden  worden  sind,  Reste  entweder 
von  dem  nördlichsten  Theile  der  alten  Stadt,  die  bei  ihrem  be- 
deutenden Umfange  sich  wohl  bis  hierher  erstreckt  haben  kann, 
oder  von  einer  Art  Vorstadt  derselben.  Eine  halbe  Stunde  wei- 
ter'bemerkt  man  auf  der  Strasse  selbst  und  links  von  derselben 
bis  zur  Küste  ausgedehnte,  aber  unscheinbare  Fundamente  von 
Gebäuden  und  Mauern,  welche  die  Stelle  einer  alten  Ortschaft 
bezeichnen:  vielleicht  von  Argura,  einer  Stadt  im  Gebiete  von 
Chalkis,  bei  welcher  im  euböischen  Kriege  (349  v.  Chr.)  ein 
athenisches  Reitercorps  sein  Lager  aufschlug;  doch  kann  dieselbe 
auch  einige  Stunden  weiter  nördlich,  bei  dem  nahe  dem  nörd- 
lichen Rande  der  Ebene  gelegenen  Dorfe  Kastelläs,  wo  sich  Mar- 
morreste eines  antiken  ionischen  Tempels  finden,  gestanden  haben. ^) 


*)  Anonym,  a.  a.  O,  §  27;  Plut.  Comment.  in  Hesiod.  fr.  34;  Strab. 
I,  p.  58;  Eurip.  Iphig.  Aul.  168  ss.;  Athen.  VIII,  p.  331«';  Plut.  De  soll, 
an.  23:  vgl.  Ulrichs  Reisen  II,  S.  216  f.;  über  die  Wasserleitung  ebds. 
S.  241  f.;  über  die  Gräber  Ber.  d.  sächs.  Ges.  d.  W.  1859,  S.  123;  Ran- 
gabe Me'moire  p.  6  ss.  Quellen  in  der  Gegend  von  Chalkis,  deren  oberes 
Wasser  trinkbar  war,  während  das  untere  Nitrum  enthielt ,  erwähnt  Plin. 
XXXI,  10,  110. 

2)  Inschrift  hei  Rangabe  Antiq.  hell.  II,  n.  381  •'•^  82  (Agsd-oaioi) ; 
vgl.  Steph,  Byz.  u.  'Ags^ovaa. 

3)  Dem.  in  Mid.  p.  558  und  567;  Harpocr.  p.  33,  1;  Steph.  Byz.  u. 
"yiQyovQcc;  Bekker  Anecd,  I,  p.  443,  18  (wo  "AQyovaa  wohl  nur  Schreib- 
fehler). Gegen  die  von  mir  Ber.  d.  sächs.  Ges.  d.  W.  1859,  S.  142  aus- 
gesprochene Vermuthung,  dass  Argura  auf  der  Ostküste  der  Insel  gelegen 
habe,  weil  nach  Steph.  Byz.  a.  a.  O.  daselbst  die  Sage  von  der  Tödtung 
des  Argos  Panoptes  localisirt  war,  Strabon  aber  (X,  p.  445)  auf  der  dem 


2.  Die  ostgriechischen  Inseln:  Euboia.  417 

Jedenfalls  gehörte  die  ganze  Ebene  mit  der  schmäleren  nord- 
westlichen Fortsetzung  bis  zum  Fusse  des  Kandiii,  in  weicher 
jetzt  das  Dorf  Politika  liegt,  nebst  den  Abhängen  des  den  Kan- 
dili  mit  der  Dirphys  verbindenden  Bergzuges  zum  Gebiete  von 
Chalkis,  das  gegen  Osten  mindestens  bis  auf  den  Kamm  der  Dir- 
phys, wahrscheinlich  aber  schon  frühzeitig  seit  dem  Untergange 
von  Kyme  bis  zur  Ostküste  reichte.  Gegen  Südosten,  wo  etwa 
eine  Stunde  jenseits  der  Stadt  die  fruchtbare  ielan tische 
Ebene  (vgl.  oben  S.  401)  beginnt,  war  die  Gränze  in  älteren 
Zeiten  schwankend,  da  sowohl  Chalkis  als  Eretria  Anspruch  auf 
den  Besitz  der  Ebene  erhoben  und  diesen  Anspruch  wiederholt 
unter  wechselndem  Glück  mit  den  Waffen  gegen  einander  geltend 
machten,  bis  endlich  die  Chalkidier  das  Uebergewicht  erlangten: 
dies  muss  vor  dem  Jahre  506  v.  Chr.  geschehen  sein,  da  die 
Athener  damals,  als  sie  durch  einen  kühnen  Handstreich  Chalkis 
unterwarfen,  die  Ebene  im  Besitz  chalkidischer  Ritter  fanden.^) 
Seitdem  bildete  wahrscheinlich  der  Bergzug  des  Olympos  (vgl. 
oben  S.  397)  die  Gränze  zvvischen  Chalkis  und  Eretria;  das  Ge- 
biet der  letzteren  Stadt  aber,  welche  in  den  Zeiten  ihrer  höch- 
sten Macht,  d.  h.  etwa  im  siebenten  Jahrhundert  v.  Chr.,  sogar 
Andros,  Tenos,  Keos  und  andere  Inseln  beherrschte,  hatte  auch 
nach  dieser  Einbusse  gegen  Nordwesten  noch  eine  bedeutende 
Ausdehnung  gegen  Nordosten  (wo  es  wahrscheinlich  bis  zur  Ost- 
küsle  reichte)  und  gegen  Südosten:  in  letzterer  Richtung  dehnte 
sie  es  nach  dem  sogenannten  lamischen  Kriege  (323/22)  noch 
bedeutend  weiter  aus,  indem  sie  das  Gebiet  der  durch  den  athe- 


ägUischen  Meere  zugewandten  Küste  der  Insel,  d.  h.  auf  der  Ostküste, 
eine  Boog  ccvXt]  genannte  Grotte,  in  welcher  lo  den  Epaplios  geboren 
habe,  ansetzt,  bemerkt  Baumeister  (Skizze  S.  49)  mit  Recht,  dass  an  der 
ganzen  Ostküste  kaum  ein  geeigneter  Platz  für  ein  Reiterlager  zu  tinden 
sein  möchte  und  dass  eine  solche  Position  für  den  Schutz  von  Chalkis 
und  Eretria  ganz  unbrauchbar  gewesen  wäre.  —  Ob  das  dichte  Myrten- 
gebüsch, welches  in  der  Nähe  von  Kastelläs  einen  grossen  Raum  bis  zum 
Meere  hin  bedeckt,  uns  berechtigt,  dort  mit  Ulrichs  (Reisen  II,  S.  224) 
das  'jgndyiov  anzusetzen,  einen  mit  besonders  stattlichen  Myrtenbäu- 
raen  bewachsenen  Platz,  an  welchem  nach  chalkidischer  Sage  Ganymedes 
vom  Zeus  geraubt  worden  sein  sollte  (Athen.  XIII,  p.  601  %  ist  mir 
zweifelhaft,  da  auch  an  anderen  Stellen  des  Gebiets  von  Chalkis  statt- 
liche Myrtensträuche  wachsen. 

•)  Vgl.  Hcrod.  V,  77  mit  Aelian.  Var.  bist.  VI,  1. 


418         ,  '       in.   Die  Inselwelt. 

iiisdieii  Fcldherni  Phädros  zerstörten  Stadt  Styra  in  Besitz 
nainn,  so  dass  seitdem  alles  zwischen  den  Gränzen  des  Gebiets 
von  Chalkis  und  des  Gebiets  von  Karystos  gelegene  Land  den 
Eretriensern  gehörte  und  die  darin  belegenen  Ortschaften  als 
Deinen  oder  Komen  von  Eretria  betrachtet  wurdenJ) 

Der  Weg  von  Chalkis  nach  Eretria,  den  wir  schon  oben  (S.415f.) 
eine  Strecke  über  die  Arelhusa  hinaus  verfolgt  haben,  führt,  nach- 
dem er  die  lelantische  Ebene,  in  welcher  man  keine  sichern  Spu- 
ren einer  alten  Ansiedelung  bemerkt,  ihrer  ganzen  Länge  nach 
durchlaufen  hat,  durch  eine  schmälere  steinige,  jetzt  ganz,  uuan- 
gebaute  und  nur  mit  Strauchwerk  bewachsene  Küstenebene,  in 
welcher  sich  eine  Stunde  jenseits  des  Dorfes  Vasiliko  zu  beiden 
Seiten  des  Weges  öuf  eine  •längere  Strecke  Steine  von  alten  Ge- 
bäuden und  beinahe  eine  Stunde  näher  gegen  Eretria  hin  in  und 
neben  einer  verfallenen  Kirche  die  Ueberreste  eines  allen  Hei- 
ligthums  finden:  an  einer  dieser  beiden  Stellen  lag  vielleicht  die 
kleine  Ortschaft  Aethopion  oder  Aethiopion,  welche  offen- 
bar ihren  Ursprung  einem  Ileiligthume  der  Artemis  Aethopia 
(einer  Nebenform  der  Artemis  Amarynthia,  der  Ilauptgötlin  von 
Eretria)  verdankte.  2) 

Eretria,   wahrscheinlich   eine   Gründung   von   Minyern   aus 


*)  Strab.  X,  p.  446  und  448:  vgl.  besonders  die  Inschrift  in  der  'Aq- 
XaioXoyiyiT]  scprj^SQtg  TIsq.  B',  H.  13,  N.  404^,  ein  Verzeicliniss  von  Na- 
men von  Bürgern  und  Eplieben  von  Eretria,  welche  einen  von  der  Stadt 
mit  einem  gewissen  Chärephanes  abgeschlossenen  Vertrag  beschworen 
haben,  mit  beigesetzten  abgekürzten  Demoticis,  unter  denen  ZixvQO  und 
/JvGto  am  häufigsten  vorkommen:  das  ebendaselbst  erscheinenende  löti« 
ist  wohl  nicht  auf  die  Stadt  Histiäa  im  nördlichen  Euboia,  sondern  auf 
eine  gleichnamige  Ortschaft  im  Gebiete  von  Eretria  zu  beziehen  (vgl. 
oben  S.  407,  Anm.  1).  Dass  das  Gebiet  von  Eretria  bis  zur  Ostküste 
reichte,  ist  zwar  aus  den  Worten  des  Skyl.  Per.  58  ^ Y,ax*  'EiQSXQiav 
S-üVQOQ  xat  TTo'Afcg'  nicht  mit  Sicherheit  zu  folgern,  aber  an  sich  höchst 
wahrscheinlich:  vgl.  auch  Plat.  Menex.  p.  240*'. 

'^)  Atd-voniov  Harpocr,  p.  8,  13;  Bekker  Anecd.  I,  p.  33.5,  32;  At- 
^oTiiov  Steph,  Byz.  u.  d.  W. ;  die  cbds.  erwähnte  Artemis  AlQ^oniu  nennt 
auch  Sapph.  Epigr.  118  Bergk.  Die  Annahme  Spratt's  (Transactions  of 
the  royal  society  of  litterature,  II  series,  Vol.  II,  p.  243  s.),  dass  die 
aus  der  Ebene  von  Vasiliko  nach  Eretria  führende  Strasse  von  Mauern 
mit  Thürmen  und  Thoren,  ähnlich  den  langen  Mauern  zwischen  Athen 
und  dem  Peiräeus,  eingeschlossen  gewesen  sei,  ist  mir  höcht  unwahr- 
scheinlich. 


2.   Die  ostgriechisclien  Inseln:  Euboia.  419 

Thessalien  oder  aus  Tripliylien,  welche  durcli  den  Ilhizulrill 
attischer  Ansiedler  frühzeitig  einen  hohen  Aufschwung  nahm, ^) 
dann  längere  Zeit  die  ebenhürtige  Nebenbuhlerin  von  Chalkis, 
im  Jalu'e  490  von  den  persischen  Feldherren  Datis  und  Arta- 
pherncs  erobert  und  zerstört,  wobei  auf  ausdrücklichen  Befehl 
des  Königs  Dareios  die  Ileiligthümer  in  Brand  gesteckt,  die  Be- 
wohner zu  Sclaven  gemacht  und  nach  Susa  geschleppt,  vom  Kö- 
nige aber,  dessen  Zorn  durch  den  Anblick  der  hülflosen  Gefange- 
nen besänftigt  ward,  in  Ardericca  im  Lande  der  Kissier  ange- 
siedelt wurden,  bald  nach  der  Schlacht  bei  Marathon,  wahrschein- 
Hch  mit  Hülfe  Athens,  wiederhergestellt,  so  dass  es  im  zweiten 
Perserkriege  zu  den  Seeschlacliten  bei  Artemision  und  Salamis 
sieben  Schifle,  zu  der  Schlacht  bei  Platää  in  Vcrbhidung  mit 
Styra  600  Ilopliten  stellen  konnte,"^)  dann  bis  in  die  römische 
Kaiserzeit  die  zweite  Stadt  der  Insel,  deren  Bevölkerung  Iheils 
vom  Ackerbau,  theils  von  Fischfang  und  Schifffahrt  lebte, ^j  seit 
dem  frühen  Mittelalter  ganz  verschollen,  ist  jetzt  ein  neues,  aber 


')  'Eqezqik,  homerisch  Etgstgia  (II.  B,  537),  ist  jedenfalls  wie  Eqs- 
00?,  EiQf-otaL  u.  ä.  von  igeooo)  herzuleiten,  —  Schrift  des  Lysanias  von 
Mallos  TtBQL  'EQSTQLas:  [Phit.]  De  malign.  Ilerod.  24.  —  Strab.  X,  p.  447 
giebt  die  doppelte  Tradition  einer  Gründung  vom  triphylischen  Makistos 
und  von  Athen  aus,  nachdem  er  vorher  angegeben  hat,  dass  die  Stadt 
von  Athenern  vor  dem  troischen  Kriege  gegründet,  nach  dem  troischen 
Kriege  von  Athenern  unter  Führung  des  Aiklos  (den  auch  [Skymn.] 
Orb.  descr.  575  als  Gründer  nennt)  besiedelt  worden  sei;  p.  448  erklärt 
er  den  übermässigen  Gebrauch  des  Buchstabens  P  bei  den  Eretriern 
(vgl.  Diogenian.  IV,  57)  durch  den  Zutritt  von  Ansiedlern  aus  Elis, 
Nach  Steph.  Byz.  u.  'Eqbtqik  wäre  die  Stadt  nach  Molaneus,  dem  Vater 
des  Eurytos,  MeXccvrj'ig  (was  auch  Strab.  p.  447  als  älteren  Namen  neben 
'j4q6tqik  anführt),  nach  Eretrieus,  dem  Sohne  des  Phaethon,  'Eqstqicc 
])enannt  worden.  Auf  Ihessalischen  Ursprung  führt  der  dort  wiederkeh- 
rende Name  (vgl.  Bd.  I,  S.  80)  und  einige  Spuren  der  Sagen,  wie  die 
von  Admetos  und  von  Ijirytos  und  Oichalia  (vgl.  Steph.  u.  'Eqstqicc  und 
OlxccXicc;  Strab.  p  117).  Vgl.  II.  iteinze  De  rebus  Eretricusium,  Göt- 
tingen 1869. 

')  Herod.  VI,  Ol)  fV.;  110;  VIII,  1;  46;  IX,  28;  vgl.  Philostr.  Vit. 
Apoll.  I,  24  f.;  Shili.  x\q,  p.  747;  Curtius  IV,  12,  11.  Die  'Epft^t^g 
.stehen  zwischen  Nü^ioi  und  XalytiSrig  auf  der   Schlangcnsäido  Gew.  6. 

")  Fischfang:  Athen.  VII,  p.  284'';  Paus.  V,  13,  5;  besonders  waren 
die  q)(xyQOL  von  Eretria  beliebt:  Athen.  VII,  p.  205''  und  p.  .'}27'i.  Fei- 
nes Brod:  Athen,  IV,  p.  160\  Vgl.  II.  Blümner  Die  go werbliche  Thätig- 
keit  der  Völker  des  clasa.  Alterthuraa  ö.  88. 


420  III.    Die  Inselwelt. 

wegen  des  ungesunden  Kiima's  —  eine  Folge  der  Versumplung 
der  Meeresküste  —  fast  schon  wieder  verödetes  Städtchen  mit 
breiten,  regelmässigen  Strassen,  welches  die  griechische  Regierung 
für  die  von  ihrer  Heimathinsel  vertriebenen  Psarioten  auf  einem 
Theile  des  Terrains  der  alten  Stadt  hat  anlegen  lassen.  Ober- 
halb desselben  sind  auf  einem  felsigen  Hügel,  welcher  gegen 
Nordosten  nur  durch  ein  schmales  Thal  von  den  letzten  Aus- 
läufern des  Olympos  getrennt  wird,  noch  stattliche  Reste  der 
theils  aus  polygonen,  theils  aus  viereckigen  Werkstücken  erbauten, 
durch  starke  viereckige  Thürme  geschützten  Mauern  der  Akro- 
polis  erhalten;  in  der  Ebene  bis  zum  Meere  hin  findet  man  noch 
an  verschiedenen  Stellen  die  Fundamente  der  Ringmauer  der  Un- 
terstadt, an  welche  sich  ein  langer,  den  von  Natur  wenig  ge- 
schützten Hafen  gegen  Westen  abschliessender  Steindamm  an- 
schloss,  und  sehr  zahlreiche  Substructionen  antiker  Gebäude,  zum 
Theil  von  beträchtli(!hem  Umfange,  unter  denen  noch  das  einige 
hundert  Schritt  vom  Meere  entfernte  Gymnasion  durch  eine  In- 
schrift, das  am  nordwestlichen  Fusse  des  ßurghügels  ganz  auf 
künstlichem  Unterbau  ruhende  Theater  (die  nach  dem  Meere  zu 
geöffnete  Cavea  nebst  Bühnengebäude)  durch  die  Form  der  Ruinen 
und  einige  noch  erhaltene  Sitzstufen  kenntlich  sind.  Ein  aus 
Meerkieseln  zusammengesetzter  Mosaikfussboden  von  4,073  Meter 
Länge,  4,068  Meter  Breite,  welcher  den  auf  einem  Panther  rei- 
tenden Dionysos,  darunter  eine  Sirene,  darstellt,  gehörte  vielleicht 
zu  dem  Heiligthume  des  Dionysos,  welchem  regelmässige  fest- 
liche Aufzüge  gefeiert  wurden  und  dessen  Priester  an  der  Spitze 
einiger  Decrete  (neben  drei  Polemarchen,  die  jedenfalls  die  fest- 
lichen Aufzüge  zu  leiten  hatten)  genannt  wird.  Unbekannt  sind 
die  Stellen  der  Heiligthümer  der  Demeter  Thesmophoros ,  wel- 
cher die  Frauen  ähnlich  wie  in  Athen  das  Thesmophorienfest 
feierten,  des  Apollon  Daphnephoros  und  der  Artemis.*)     Das  an- 


')  Vgl.  Ulrichs  Reisen  11,  S.  249  ff.;  Rangabe  Me'moire  p.  10  ss.  (mit 
einer  Abbildung  der  Mosaik  auf  pl.  II);  Girard  Me'moire  p.  669  ss.;  Ber. 
d.  Sachs.  Ges.  d.  W.  1859,  S.  127  ff.  t)ie  dort  von  mir  wie  auch  von 
Baumeister  (Skizze  S.  11  und  S.  50  f.)  nach  Strab.  IX,  p.  403  (nach  wel- 
cher Stelle  rj  naXccia  'Eqszqiu  dem  Hafen  Delphinion,  ?)  vvv  'Eqstqi-cc 
Oropos  gegenüber  lag)  angenommene  locale  Verschiedenheit  zwischen 
der  älteren  (vorpersischen)  und  neueren  Stadt  scheint  mir  jetzt  doch  aus 
inneren  Gründen  sehr  unwahrscheinlich.     Da  nämlich  nach  dem  Berichte 


2.  Die  ostgriechischeu  Tnselu:  Euboia.  421 

gesehenste  und  wohl  älteste  aller  Heiligthijmor  Eretria's  aher,  das 
der  Artemis  Amarysia,  lag  nicht  in  der  Stadt  selbst,  sondern  in  dem 
sieben  Stadien  von  der  Stadtmauer  enllernten  Flecken  Amaryn- 
thos:  hierher  bewegte  sich  an  dem  Jahresfest  der  Göttin  in  den 
Zeiten  des  höchsten  Glanzes  Eretria's  von  der  Stadt  aus  ein  Fest- 
zug von  3000  Ilopliten,  600  Reitern  und  60  Wagen,  und  noch 
im  zweiten  Jahrhundert  v.  Chr.  nahmen  an  der  Feier  nicht  nur 
die  Bewohner  des  ganzen  Gebiets  von  Eretria,  sondern  auch  die 
Karyslier  Theil;  hier  wurden  Exemplare  aller  wichtigen  ölTent- 
lichen  Urkunden  zur  allgemeinen  Kenntnissnahme  aufgestellt.  ^) 
Die  Stelle  des  Heiligthums  bezeichnen  wahrscheinlich  die  Funda- 


des Herocl.  (VI,  101)  nur  die  Heiligthümer  von  den  Persern  in  Brand 
gesteckt  wurden,  die  sonstigen  öffentlichen  und  Privatgebäude  also,  so- 
wie die  Befestigungswerke  jedenfalls  zum  grossen  Theil  erhalten  blieben, 
so  lässt  sich  durchaus  nicht  absehen,  was  den  den  Persern  entgangenen 
Rest  der  Bevölkerung  veranlasst  haben  sollte,  statt  der  Wiederherstel- 
lung der  nur  theilweise  zerstörten  Stadt  eine  ganz  neue  an  einer  andern 
Stelle  aufzubauen.  Dai;u  kommt,  dass  Strabon  selbst  bei  der  Beschrei- 
bung der  neueren  Stadt  (X,  p.  448)  die  noch  sichtbaren  Fundamente  der 
Mauern  der  älteren  erwähnt  und  von  jener  den  Ausdruck  BTciv-tiOTat 
gebraucht,  der  doch  kaum  anders  als  von  unmittelbarer  räumlicher  Nähe 
verstanden  werden  kann.  Ich  möchte  also  vermuthen,  dass  Strabon's 
Angabe  an  der  frühern  Stelle  auf  einem  Irrthum  bendit,  indem  er  eine 
in  der  Nähe  des  jetzigen  Vathia  gelegene  Ortschaft  (etwa  Aegilia  oder 
Choireä,  s.  u.)  fälschlich  für  das  alte  Eretria  gehalten  und  in  den  Auf- 
zeichnungen über  seine  Küstenfahrt  als  solches  verzeichnet  hat,  später 
aber  bei  einem  Besuch  in  Eretria  selbst  eines  Besseren  belehrt  worden 
ist.  —  Die  Burg  (arx)  sowie  der  Reich thum  der  Stadt  an  Statuen 
und  Gemälden  der  älteren  Kunst  wird  erwähnt  bei  Liv,  XXXII,  16;  das 
Gymnasion  in  der  Inschrift  bei  Rangabd  Ant.  hell.  n.  669,  Z.  36;  das 
Fest  diovvaia  mit  der  7to(inrj  und  der  [sgsvg  tov  diovvGov  ebds.  Z.  44  f.; 
C.  I.  gr.  n.  2144;  Rhein.  Mus.  Bd.  XXI,  S.  533,  N.  400;  die  Thesmo- 
phorien  Plut.  Quaest.  gr.  31;  das  Heiligthum  dos  Apollon  daq}vrjq)6Qog 
*AqxocioX.  ^(pri^.  nsQ.  ß,  H.  13,  N.  404a,  Z.  10  u.  ö.  (vgl.  Plut.  de  Pyth. 
or.  16);  das  Heiligthum  der  Artemis  C.  I.  gr.  n.  2144**  (von  welcher  In- 
schrift die  von  Rhusopulos  in  der  *Aqx.  ^qp.  UeQ.  ß',  IL  12,  S.  311  cdirte 
gewiss  nicht  verschieden  ist). 

«)  Strab.  X,  p.  448;  Liv.  XXXV,  38;  Paus.  I,  31,  5;  Aulian.  De  aat. 
an.  XII,  3i;  schol.  Pind.  Olymp.  XIII,  169;  Ptol.  III,  15,  24;  Steph.  Byz. 
u.  *AnaQVv^og'y  Rangabc  Ant.  hell.  n.  689,  34  (ebds.  Z.  45  f.  wird  ein 
Fest  'AffTtfiiaiu   mit   dem    ayav    rrjg    nvQQixug    erwähnt);   'A(fX-    ^qp^/ft. 

liQ.  ß',  N.  404«,    Z,  67.     Der  Kopf  der  Artemis  Amarysia  auf  Mün/.cn 

-n  Eretria:  Eckhel  Doct.  n.  v.  I,  2,  p.  324. 


422  III.   Die  Inselwelt. 

niente  einij^er  antiken  Gebäude,  welclie  man  eine  halbe  Stunde 
östlicli  von  Erctria  in  der  Nähe  des  an  der  Küste  hin  führenden 
Weges  nacli  Valhia  findet. 

Wie  Challiis  so  litt  auch  Eretria  Mangel  an  gutem  Trink- 
wasser,^) obwohl  ein  tief  in  den  Felsen  gebohrter  Brunnen  am 
Fusse  des  Berghügels  und  mehrere  in  den  Felsboden  eingeschnit- 
tene Wasserleitungen  noch  jetzt  von  der  Sorgfalt  Zeugniss  giebt, 
welche  die  Bewohner  der  alten  Stadt  auf  die  Versorgung  der- 
selben mit  Wasser  verwandten.  Der  ausgedehnte  Sumpf,  wel- 
cher sich  jetzt  gerade  östlich  von  der  Stadt  bis  zu  den  Sub- 
structionen  der  alten  Stadtmauer  hinzieht  und  die  Luft  mit  Fieber 
erzeugenden  Dünsten  schwängert,  war  jedenfalls  im  Alterthum 
nicht  vorhanden;  dass  aber  an  einem  andern  Theile  des  Gebiets 
von  Eretria  (vielleicht  nordöstlich  oder  nordwestlich  von  der  Stadt, 
wo  mehrere  kleine  Giessbäche  von  den  Abhängen  des  Olympos 
herabkommen)  eine  weite  Strecke  sonst  anbaufähigen  Landes  mit 
Wasser  bedeckt  war,  zeigt  eine  Inschrift,  die  Urkunde  eines  von 
der  Stadt  Eretria  mit  einem  gewissen  Chärephanes  geschlossenen 
Vertrags,  wodurch  dieser  sich  verpflichtet,  den  See  in  Ptechä 
(einer  sonst  nirgends  erwähnten  Oertlichkeit)  binnen  vier  Jahren 
auszutrocknen,  wogegen  er  das  Recht  erhält,  das  dadurch  ge- 
wonnene Land  10  Jahre  lang  gegen  einen  Pachtzins  von  30  Ta- 
lenten zu  bebauen.  2) 

Der  Weg  von  Eretria  nach  dem  öy^  Stunden  weiter  östlich 
jenseits  des  Kotyläongebirges  gelegenen  stattlichen  Dorfe  Aliveri 
folgt  längs  der  Küste  fast  durchgängig  den  Spuren  einer  alten 
Heerstrasse,  welche  zum  grössten  Theil  durch  Unterbauten  aus 
grossen  Quadern  gestützt,  an  einigen  Stellen  in  den  natürlichen 
Felsen  gearbeitet  war.  Etwa  ly^  Stunden  jenseits  Eretria  findet 
man  auf  einer  kleinen  Anhöhe  ein  Stück  einer  antiken  Umfas- 
sungsmauer, nahe  dabei  Fundamente  alter  Gebäude  und  eine  ver- 


')  Athen.  II,  p,  46^8. 

2)  'Aqx-  siprj^.  TIsQ.  B',  H.  13,  N.  404.  Dass  fler  Vertrag  sich  nicht 
auf  den  See  von  Dystos,  den  einzigen,  den  wir  jetzt  innerhalb  des  da- 
maligen Gebiets  von  Eretria  nachweisen  können,  bezieht,  zeigt  die 
Bezeichnung  des  See's  als  r}  Xi^vrj  i]  iv  IIti%at<s^  welcher  Ortsname 
noch  zweimal  in  dem  fragmentirten  Namensverzeichniss  der  3ten  Columne 
der  Inschrift  (Z.  14  und  35)  in  der  abgekürzten  Form  Tlxsxri  und  IIxsx 
erscheint. 


2.  Die  ostgriecliisclieu  Inseln:  Euboia.  423 

fallene  Kirche,  welche  nach  einer  darin  gefundenen  Inschrift^) 
die  Stelle  eines  Heiliglhums  der  Arleniis,  des  Apollon  und  der 
Leto  einnimmt,  üeber  niedrige  Hügel  steigt  man  dann  in  eine 
fruchtbare,  durch  einen  BaCli,  der  im  Alterthum  vielleicht  den 
Namen  Erasinos  führte,  bewässerte  Ebene  hinab,  in  welcher 
in  einiger  Entfernung  zur  Linken  des  Weges  das  Dorf  Valhia 
liegt;  nahe  dem  östlichen  Ende  des  Thaies  finden  sich  zu  beiden 
Seiten  des  Weges  in  und  neben  mehreren  verfallenen  Kirchen 
Reste  einer  alten,  wie  es  scheint  nur  durch  zwei  Thürme  ge- 
schützten Ortschaft,  jetzt  von  den  Umwohnern  Paläa  chora  genannt. 
Die  beiden  Ruinenstätten  entsprechen  wahrscheinlich  den  alten 
Ortschaften  Aegilia  und  Choireä,  Rüstenplätzen  des  eretri- 
schen  Gebiets,  bei  welchen  Tm  Jahre  490  Theile  des  persischen 
Heeres  landeten.  -) 

Jenseits  der  die  Ebene  im  Osten  begränzenden  Hügel  fülirt 
der  Weg  über  drei  Stunden  lang  als  'Kaki  Skala'  (böse  Stiege) 
über  einzelne,  theils  kahle,  theils  mit  Strauchwerk  bewachsene 
Felscaps  nach  einer  zweiten,  ebenfalls  von  einem  Bache  bewäs- 
serten Ebene,  in  welcher  etwas  über  eine  halbe  Stunde  landein- 
wärts das  Dorf  Aliveri  liegt.  Da,  wo  der  Weg  sich  nach  links 
vom  Meere  abwendet,  findet  sich  der  Unterbau  eines  viereckigen 
antiken  Thurmes  und  nahe  dabei  die  Reste  der  Ringmauer  einer 
befestigten  Ortschaft:  jedenfalls  von  Porthmos,  einem  wohl  all- 
mälig   aus   einer    blossen   Fährstelle   zur   Ueberfahrt    nach   Attika 


*)  Ulrichs  Reisen  II,  S.  249:  eine  fast  gleichlautende,  wahrschein- 
lich von  demselben  Platze  aus  verschleppte  Inschrift  fand  derselbe  (a.  a.  O. 
»S,  224)  in  Chalkis,  eine  dritte,  wiederum  ganz  ähnliche,  Spratt  (Trans- 
actions  of  the  royal  society  of  litt.  11  ser.  Vol.  II,  p.  245  s.)  IV2  engl. 
Meile  landeinwärts  von  der  jetzt  Paläa  Chora  genannten  Ruinenstätte 
östlich  von  Vathia. 

2)  Herod.  VI ,  101  :  l>eide  Orte  erscheinen  auch  als  Demen  der  Eretrior 
in  den  Abkürzungen  Aty  {Ai)  und  Xolq  in  der  S.  422  Anm.  2  erwähnten 
Inschrift,  Dass  <s  .in.  n  I^Iuhs  'E^jaarvos  im  Gebiete  von  Erctria  gab, 
bezeugt  Strab.  VIII,  j».  '{71:  Jruilicii  ist  die  IJeziehung  des  Namens  auf 
den  Fluss  bei  Vatlii.i  iii(  lit  sicher,  sondern  es  kann  derselbe  auch  auf 
den  Fluss  des  Thaies  von  Aliveri,  den  Kiepert  (Neuer  Athis  von  Hellas 
\»\.  V)  nach  Baumeisti-rs  (Skizze  S.  10)  wie  mir  scheint  sehr  unsicherer 
Vcrmuthung  (denn  im  schol.  Find.  Olymp.  VI,  149  ist  wahrscheinlich 
nur  durch  ein  Verseheu  Euboia  statt  Hamos  genannt)  luibrasos  nennt, 
bezogen  werden.  —  Ueber  die  KuinenstUttcn  s.  KangabJ  Memoire  p.  15  ss.; 
Ber.  d.  sächs.  Ges.  d.  W.  1859,  8.  131. 


424  111.    Die  Inselwelt. 

erwachsenen  Ilafenstädtclien,  das  trotz  der  Zerstörung  seiner  Be- 
festigungswerke durcli  Philipp  II.  von  Makedonien  (342  v.  Chr.) 
bis  ins  späteste  Alterlhuni  fortbestand.  ^)  Es  war  der  I.andungs- 
platz  für  die  an  der  Stelle  des  jetzigen  Aliveri,  welches  noch 
zahlreiche  architektonische  Fragmente  und  ein  Paar  Inschriften 
bewahrt  hat,  gelegene  Stadt  Taniynä,  deren  Flur  im  Jahre  350 
V.  Chr.  der  Schauplatz  eines  für  die  Athener  und  besonders  ihren 
Feldherrn  Phokion  ruhmvollen  Kampfes  war.  Sie  besass  ein  an- 
gesehenes Heiligthum  des  Apollon,  welchem  zu  Ehren  Festspiele 
(Tamynäa)  mit  musischen,  gymnischen  und  jedenfalls  auch  hippi- 
schen Agonen  —  denn  es  wird  auch  ein  Hippodrom  zu  Tamynä 
erwähnt  —  gefeiert  wurden,  sowie  auch  ein  IJeiligthum  des  Zeus 
Tamynäos.2) 

Nordwärts  von  Aliveri  erstrecken  sich  bis  zur  Ostküste  hin 
mehrere  hauptsächlich  mit  Lentiscussträuchern  und  K nopper- 
eichen (Quercus  aegilops)  bewachsene  Bergzüge  von  massiger  Er- 
hebung, dazwischen  fruchtbare  Thäler,  von  oleanderumsäumten 
oder  platanenbeschatteten  Bächen  durchflössen,  mit  zahlreichen, 
wohlgebauten  Dörfern,  die  meist  anmuthig  zwischen  Weingärten 
oder  Fruchtbäumen  gelegen  sind.  Diese  Gegend  ist  jetzt  die  be- 
völkertste  und  wohlhabendste  Strecke  der  ganzen  Insel;  von  ihrer 
Blüthe  während  des  Mittelalters  geben  zahlreiche  Reste  fränkischer 
Ritterburgen  und  stattliche  byzantinische  Kirchen  Zeugniss;  auch 
Reste  antiker  Heiligthümer,  Wartthürme  und  Ortschaften  fehlen 
nicht,  nur  ist  es  uns  in  den  meisten  Fällen  unmöglich,  die  Na- 
men derselben  auch  nur  mit  annähernder  Sicherheit  zu  bestimmen. 
So  bezeichnet  eine  fast  ganz  aus  antiken  Architekturfragmenten 
erbaute,  jetzt  verfallene  Kirche  bei  dem  Dorfe  Hagios  Lukas 
etwas  über  eine  Stunde  nördlich  von  Aliveri  deutlich  die  Stelle 
eines  im  ionisch-attischen  Style   erbauten   antiken  Heiligthums;^) 


1)  Dem.  Phil.  III,  p.  119;  125;  IV,  p.  133;  De  cor.  p.  248;  Strab. 
p.  447;  Harpoer.  p.  155,  23;  Plin.  IV,  12,  64;  Hierocl.  Synekd.  p.  10 
Parthey;  vgl.  Ber.  d.  sächs.  Ges.  d.  W.  1859,  S.  132;  Baumeister  Skizze 
S.  12. 

2)  Herod.  VI,  101;  Aeschin.  De  falsa  leg.  §  169;  in  Ctes.  §  86  und 
88;  Dem.  in  Mid.  p.  567;  Plut.  Pliok.  12;  Strab.  p.  447;  Harpoer. 
p.  174,  15;  Inschrift  bei  Rangabe'  Ant.  hell.  n.  957  mid'jQX-  ig).  HsQrB'j 
H.  13,  N.  412.  Den  Zeus  TafivvccLog  erwähnt  nur  Steph.  Byz.  u.  Ta- 
(jLVva.    Vgl.  Baumeister  Skizze  S.  53  ff. 

3)  Baumeister   Jahrb.    f.    Philol.   Bd.  75,   S.   352  f.:   die  dort  mitge- 


2.    Die  ostgriechischen  Inseln:  Euboia.  425 

die  untersten  Steinlagen  der  Cellamauer  eines  anderen  Heilig- 
lliums  findet  nian  zwei  Stunden  nordwestlich  von  da  auf  dem 
Rucken  des  Kotyläon  oberhalb  des  zwischen  njehreren  Bächen, 
die  sich  dann  zu  dem  Flusse  von  Alivcri  vereinigen,  gelegenen 
Dorfes  Partheni,  das  wahrscheinlich  an  die  Stelle  einer  alten 
Ortschaft  Parlhenion  getreten  istJ)  Ferner  ist  hinter  dem 
Dorfe  I^ea,  zwei  Stunden  nordöstlich  von  Aliveri,  der  Unterbau 
eines  viereckigen  antiken  Thurmes  erhalten;  ungefähr  zwei  Stun- 
den weiter  nördlich,  unterhalb  des  grossen  Dorfes  Avlonari,  steht 
neben  einem  Chan  unter  riesigen  Platanen  eine  stattliche  Kirche 
der  heiligen  Thekla,  wo  am  Tage  dieser  Heiligen  (24.  September 
alten  Slyls)  ein  mit  Jahrmarkt  verbundenes  P^est  abgehalten  wird, 
mit  zahlreichen  Resten  eines  antiken  ionischen  Tempels;  ähnliche 
Reste  enthält  eine  Y2  Stunde  nordwestlich  von  da  gelegene  jetzt 
verfallene  Kirche;  ausserdem  sind  in  und  bei  verschiedenen  Dörfern 
einzelne  alte  Werkstücke  und  Substruciionen  einzelner  antiker 
Gebäude  gefunden  worden.^)  Der  bedeutendste  Rest  des  Alter- 
thums  aber  in  dieser  ganzen  Gegend  sind  die  Ruinen  einer  durch 
ihre  naturliche  Lage  ebensosehr  als  durch  ihre  Befestigungs- 
werke geschlitzten  Ortschaft  auf  einem  steilen  Felshügel  südwest- 
lich von  dem  Dörfchen  Neochori,  ungefähr  zwei  Stunden  nord- 
westlich von  Avlonari.  Der  nach  allen  Seiten  schroff  abfallende, 
gegen  Norden  durch  einen  mächtigen  Spalt  von  einem  jetzt  Dia- 
kophti  genannten  felsigen  Bergzuge  (dem  südöstlichsten  Vor- 
sprunge des  iMavrovuni)  getrennte  Hügel  ist  nur  von  der  Ost- 
seite mit  Hülfe  von  in  den  Fels  gehauenen  Stufen  zugänglich; 
die  obere  Fläche,  welche  gegen  Nordwesten  von  einer  Kuppe, 
die  olTenbar  die  Akropolis   der   alten   Stadt  trug   (jetzt  trägt  sie 


theilte,  leider  sehr  fragmentirte  Insclirift  enthält  Bestimmungen  über  die 
Abhaltung  einer  nofinr]  zu  Ehren  der  Gottheit,  welcher  das  Heiligthum 
geweiht  war.    ' 

*)  Steph.  Byz.  u.  Flccgd-iviov'  noXig  Evßoiag.  Vgl.  Girard  Me'moire 
p.  680,  dessen  Vermuthung,  dass  der  Tempel  ebenso  wie  das  ganze  Ko- 
tylUongebirge  (vgl.  oben  S.  397,  Anm.  2)  der  Artemis  geweiht  war,  mir 
weit  wahrselieinUcher  sclicint  als  die  Annahme  liaumeister's  (Skizze 
S.  16),  der  den  Tempel  der  Hera  Parthenos  und  daher  dem  Flusse  von 
Aliveri  den  Namen  Parthenius  oder  Imbrasos  vindicirt:  vgl.  obeu  8.  423, 
Anm.  2. 

«)  Vgl.  IJer.  d.  Sachs.  Ges.  d.  W.  1869,  8.  Vi2  f.  und  8.  136;  Hau- 
....  i.ster  Skizze  8.  15  f.       ^ 

RURSIAN,  0E(X1R.    II.  29 


426  IIT.    Die  Inselwelt. 

einen  Thurm  aus  der  fränkischen  Zeit,  wie  auch  andere  Fieste 
die  JJenutzung  der  Ruinen  zur  Anlage  einer  fränkischen  Ritter- 
hurg  hcweisen)  überragt  wird,  ist  von  starken  Ringmauern  von 
ziemlich  unregelmässiger  Rauart  umgeben;  innerhalb  derselben 
findet  man  eine  mit  Wasser  (jedenfalls  dem  Ausfluss  einer  Quelle) 
gefüllte  Grotte,  einen  zum  Opferheerd  (Eschara)  bearbeiteten  Fels- 
block und  in  zwei  verfallenen  Kapellen  Säulenreste  nebst  einigen 
ionischen  Kapitalen.  Vielleicht  sind  dies  die  Ruinen  von  Gryn- 
chä  (auch  Rrynchä,  Rhynchä  und  Trychä  geschrieben), 
einer  in  den  athenischen  Tributlisten  neben  Eretria  als  Mitglied 
des  Seebundes  aufgeführten  Stadt,  die  später  zum  Gebiete  von 
Eretria  gehörte.^) 


*)  Der  Name  lautet  in  den  Tributlisten  meist  rgvyxrjS  {rQvvxrjQ), 
ein-  oder  zweimal  BQvyxEtrjg;  vgl.  U.  Köhler  Urkunden  S.  197.  In  der 
Inschrift  'Aqx.  i(p.  TIfq.  B',  N.  404^  steht  fünfmal  das  abgekürzte  De- 
motikon  TQvyx  {FQvy).  Schon  Böckh  (Staatshaush.  II,  S.  G78)  hat  rich- 
tig erkannt,  dass  der  Ort  identisch  ist  mit  dem  von  Steph.  J3yz.  als 
XCOQLOV  Evßoiccg  bezeichnetem  ^Pvyxca^  sowie  mit  dem  von  demselben 
als  Ttohg  Evßoiag  angeführten  TQvxcct  (vgl.  Lykophr.  AI.  374).  Viel- 
leicht endlich  ist  auch  das  von  Steph.  Byz.  u.  Tvx^  erwähnte  Tvxociov 
OQog  (ista^v  'EQStQLccg  Kai  BoKorCag  (KuQVGticcg?)  auf  dieselbe  Oert- 
lichkeit  zu  beziehen.  Ueber  die  Ruinen  \g].  Ulrichs  Eeisen  II,  S.  244  f.; 
Ber.  d.  sächs.  Ges.  d.  W.  1859,  S.  134  f.;  Baumeister  Skizze  S.  14.  — 
Als  sonstige  Ortschaften  im  Gebiete  von  Eretria  werden  angeführt  die 
Kome  Oichalia,  angeblich  der  Ueberrest  der  von  Herakles  zerstörten 
Stadt  dieses  Namens  (Strab.  X,  p.  448;  Steph.  Byz.  u.  Oixccltcc;  Plin. 
IV,  12,  64),  die  nach  Hekatäos  bei  Paus.  IV,  2,  3  Iv  Z-hlw  ^olqoc  xrlg 
'EQETQLyiTig  (vgl.  Steph.  Byz.  u.  Zmug-  egtl  yial  Zv,ia  noXt'xviov  Ev- 
ßoLag)  gelegen  war;  ferner  "Ojtco^ov,  ZuccßaXa  und  ^dqßiqkog  (Steph. 
Byz.  u.  d.  WW.),  welche  manche,  schwerlich  mit  Recht  (denn  die  beiden 
erstgenannten  werden  aus  dem  24sten  Buche  des  Theopomp  angeführt, 
worin  die  Kämpfe  der  Athener  auf  Euboia  im  Jahre  350  behandelt  wa- 
ren), nach  Thrakien  verlegen  wollen.  Vgl.  auch  Baumeister  Skizze 
S.  52  f.  Von  den  abgekürzten  Ortsnamen  der  Inschrift  'AqX'  ^qp.  H^Q.  B' 
n.  404  sind  ausser  den  bisher  besprochenen  nur  /Jvaxog,  Stvqu  und  Zä- 
QjjTQoc  (alle  drei  in  dem  zum  südlichen  Euboia  gehörigen  Theile  des 
Gebiets  von  Eretria  gelegen;  s.  unten)  sicher:  MivQ^o  {Mivd')  lässt 
auf  eine  Ortschaft  MCvQ'og  oder  Miv^r]  (vgl.  Zfiiv&og  oder  I^fiiv^rj  in 
Troas  und  den  Berg  Mivd'r]  in  Triphylien),  ^r^gai,  (^tj)  auf  ^TjQcct  ~oder 
^riqala  (vgl.  ^tjqkl,  ^f^ort',  ^agai  in  Messenien,  Lakonien,  Achaia, 
Thessalien),  Ictia  {Jgxl)  auf  "loxCaia  (vgl.  oben  S.  407,  Anm,  1)  schliessen; 
die  übrigen  sind  ganz  unsicher.  ^ 


2.   Die  ostgriechischen  Inseln:  Eiiboia.  427 

An  der  Osfküste  des  mittleren  Euboia  treten  zwei  felsige 
Vorgebirge  ins  Meer  hinaus :  das  Cap  Ochthonia  oder  Chersonisi 
(das  alte  Chersonesos:  vgl.  oben  S.  398)  im  Süden  und  das 
Cap  von  Kunn  (auch  Kili  genannt  nach  einer  nordwestlich  davon 
gelegenen  kleinen  Insel  dieses  Namens)  im  Norden:  zwischen 
beiden  bildet  die  zurücktretende  Küste  eine  weite  Bucht,  die 
unterhalb  des  Städtchens  Kumi  einen  freilich  nur  wenig  geschütz- 
ten Ankerplatz  darbietet.  Weder  dieser  Landungsplatz,  noch  das 
ungefähr  eine  Stunde  oberhalb  desselben  am  Berghange  zwischen 
Weingärten  gelegene  Städtchen,  dessen  Bewohner  hauptsächlich 
vom  Wein-  und  Oeibau,  auch  von  der  Arbeit  in  den  eine  Stunde 
westlich  von  der  Stadt  in  einem  Thale  gelegenen  Braunkohlen- 
gruben (vgl.  oben  S.  397)  leben,  enthält  antike  Beste;  doch  fand 
ich  10  Minuten  nordöstlich  vom  Orte  einen  in  den  natürlichen 
Felsen  gearbeiteten  Sarkophag,  und  etwas  weiter  nach  dem  Cap 
zu  sind  in  den  Weingärten  viele  alte  Gräber,  welche  etwa  dem 
dritten  oder  vierten  Jahrhundert  v.  Chr.  ang4?hören  mögen, 
zum  Vorschein  gekommen.  Aber  auch  ohne  diese  Beste  würde 
der  jetzige  Name  der  Ortschaft  hinreichen,  uns  darin  die  Nach- 
folgerin des  alten  Kyme  erkennen  zu  lassen,  einer  Stadt,  deren 
Bedeutung  durchaus  den  ältesten  Zeiten  der  griechischen  Ge- 
schichte anzugehören  scheint:  von  ihr  ist  jedenfalls  die  älteste 
griechische  Ansiedelung  auf  italischem  Boden,  Kyme  in  Campa- 
nien,  von  ihr  wahrscheinlich  auch  das  kleinasialische  Kyme  ge- 
gründet worden;  aber  sie  hat  frühzeitig,  wahrscheinlich  in  Folge 
unglücklicher  Kämpfe  gegen  Chalkis,  ihre  Selbständigkeit  einge- 
büsst  und  ist  zu  so  völliger  Unbedeutendheit  herabgesunken,  dass 
die  italische  Tochterstadt,  welche  einer  Stütze  im  Mutterlande 
bedurfte,  diese  in  Chalkis,  als  der  damaligen  Besitzerin  der  Mut- 
terstadt, und  in  der  kleinasiatischeh  Schwesterstadt  suchte  und 
fand,  wodurch  dos  ursprüngliche  Verhältniss  dieser  Städte  zu 
einander  ganz  in  Vergessenheit  gerielh.^) 


*)  Das  euboische  Kyme  erwähnt  nur  Stoph.  Byz.  u.  Kvfirj.  Vgl. 
meine  Qiiaest.  Euboic.  p.  15;  Her.  d.  sächs.  Ges.  d.  W.  1850,  S.  133  f.; 
Ulrichs  Reisen  II,  S,  240  f.:  die  von  letzterem  erwUlinto  Grabplatte  mit 
der  'gnt  geschriebenen'  Inschrift  TTPHEß  l)ewei8t,  dass  die  Stadt  noch 
etwa  im  dritten  oder  vierten  Jahrliundert  v.  Chr.  bewohnt  war;  die  Er- 
haltung des  alten  Namens  Ijlsst  schliessen,  dass  .sit«  iiborhuiipt  nie  ganz 
vcrlWlct  w;ir. 

29* 


Euboia. 


428  in.    Die  Inselwelt. 

Süd-  Die   Strasse  von  Kumi  nach  dem  südlichen  Euboia  geht 

zunächst  eine  Strecke  an  der  Kiisle  hin,  dann  an  dem  nach 
seiner  pyramidenühnlichen  i''orm  Oxylilhos  genaniilen  Berge  (an 
dessen  nördUchem  Fusse  sicli  antike  Mauerreste  finden)  vorüber 
und  in  dem  gegen  Osten  von  der  Oclilhonia  genannten  Bergmasse 
begränzten,  von  einem  ansehnliclien  Bache  durcliflossenen  Tiiaie, 
über  dessen  östlichem  Rande  das  Dorf  Avlonari  liegt  (vgl.  oben 
S.  425),  aufwärts  und  steigt  dann  über  einen  quer  durch  die  Insel 
streichenden  Bergzug  in  ein  tiefes  Kesselthal  hinab ,  das  auf  drei 
Seiten  von  Bergen,  im  Osten  gegen  das  Meer  hin  durch  eine 
Reihe  niedrigerer  Hügel  begränzt  und  in  seinem  südwestlichen 
Theile  ganz  von  einem  nicht  unbeträchtlichen  See,  der  nur  bei 
ungewöhnlich  lange  anhaltender  Dürre  austrocknet,  eingenommen 
wird.  An  der  Südseite  des  Sees  erhebt  sich  ein  isolirter  Hügel 
aus  weissgrauem  körnigem  Kalkstein,  an  dessen  Abhängen  sich 
stattliche  Reste  der  aus  dem  Gestein  des  Hügels  selbst  in  eigen- 
thümlicher  Mischung  grosser  Blöcke  und  dünner  länglicher  Plat- 
ten erbauten  Ringmauern  einer  alten  Stadt  hinziehen;  innerhalb 
derselben  bemerkt  man  noch  zahlreiche  Fundamente  antiker  Ge- 
bäude; den  Gipfel  des  Hügels,  der  einst  ohne  Zweifel  die  Akro- 
polis  der  ^Iten  Stadt  trug,  krönt  ein  Thurm  aus  der  fränkischen 
Periode,  wie  auch  andere  zwischen  den  antiken  Ruinen  zerstreute 
Bautrümmer  aus  dieser  Zeit  von  der  forlgesetzten  Bewohnung 
des  Orts  bis  ins  spätere  Mittelalter  Zeugniss  geben.  Der  Name 
der  alten  Stadt  haftet  noch  an  dem  am  östlichen  Fuss  des  Hü- 
gels gelegenen,  jetzt  in  Folge  der  fortschreitenden  Versumpfung 
der  Ebene  von  seinen  Bewohnern, ^  die  sich  eine  halbe  Stunde 
weiter  nördlich  auf  einem  Vorhügel  des  die  Ebene  im  Norden 
begränzenden  Bergzuges  angesiedelt  haben,  verlassenen  Dorfe 
Dysto:  es  war  Dys  tos,  eine  ursprünglich  jedenfalls  dryopische 
Stadt,  die  später  (entweder  seit  der  Zeit  Philipps  von  Makedonien 
oder  seit  dem  sogenannten  lamischen  Kriege)  zum  Gebiete  von 
Eretria  gehörte J) 


^)  Steph.  Byz.  u.  JvGtog;  Inschrift  in  der  'Aqx-  ig)-  Usq.  B'  N".  404  ß, 
wo  sehr  häufig  das  abgekürzte  Ethnikon  Jvgto,  Jvgt,  ^vg,  Jv.  Uebri- 
gens  scheint  die  Stadt,  da  sie  weder  in  den  athenischen  Tributlisten  noch 
in  der  Bundesurkunde  von  Ol.  100,  3  erscheint  (denn  die  in  der  letzte- 
ren zwischen  'EgszQLTjg  und  KagvGtiOL  aufgeführten  'jQsd'ovGiot  mit  den 
^vGTioi  zu  identificiren  sind  wir  durch  nichts  berechtigt),   schon  früher 


2.    Die  ostgriechischen  Inseln:  Euboia.  429 

Die  die  Ebene  im  Westen  begränzende  Bergmasse,  auf  deren 
südöslliclistem  Vorsprung  sich  die  Ruinen  eines  allen  Kastells 
finden,  das  offenbar  zum  Schutz  der  an  der  Westseite  des  Sees 
hinführenden  Strasse  diente,  streckt  im  Südwesten  eine  lange 
Felsnase  (jetzt  Cap  von  Aliveri  genannt)  ins  Meer  vor.  Zwei  ähn- 
liche, nur  noch  weit  mächtigere  Vorsprünge  entsendet  gegen  Süd- 
westen das  die  Ebene  im  Süden  begränzende,  die  ganze,  hier 
wenig  beträchtliche  Breite  der  Insel  einnehmende  Gebirge;  zwi- 
schen beiden  oHnet  sich  eine  tiefe  Bucht  (jetzt  nach  einem  in 
der  Mitte  der  Breite  der  Insel  auf  dem  Grat  des  Gebirges  ge- 
legenen Dorl'e  die  Bucht  von  Almyropotamos  genannt),  vor  deren 
Eingang  eine  unbewohnte  felsige  Insel  (jetzt  Kavaliani  genannt) 
liegt.  Eins  dieser  Vorgebirge  mag  im  Allerthum  den  Namen 
Leon  geführt  haben.  ^)  Im  Innern  der  Insel  liegt  eine  halbe 
Stunde  östlich  von  dem  aus  der  Ebene  von  Dystos  nach  Almyro- 
potamos führenden  Wege  das  Dorf  Zarka,  in  dessen  Nähe  sich 
in  einer  die  Strasse  beherrschenden  Position  die  Ruine  eines 
grossen  hellenischen  Befestigungstliurmes  und  etwas  weiter  hin 
zu  beiden  Seiten  des  Wegs  Fundamente  anliker  Gehäude  finden: 
wahrscheinlich  Ueberreste  der  Ortschaft  Zaretra,  deren  Kastell 
Phokion  im  Jahre  350  einnahm.'^)  Etwas  über  vier  Stunden 
südlich  von  da  liegt  südöstlich  über  einer  kleinen,  von  einem  im 
Sommer    versiegenden    Bache     durchflossenen    Strandebene     der 

in  ein  Verhältniss  der  Abhängigkeit  zu  Eretria  getreten  zu  sein.  Ueber 
die  Ruinen  s.  Spratt  Transactions  of  the  royal  society  of  litt.  II  ser. 
Vol.  II,  p.  247  SS.;  Kangabe  Me'moire  p.  24  s.;  Girard  Me'moire  p.  726  ss.; 
Bursian  Archäol,  Zeitung  1855,  N.  82,  S.  139  und  Ber.  d.  sächs.  Ges. 
d.  W.  ia59,  S.  136  fr. 

1)  Ptol.  III,  15,  24;  die  Insel  ist  vielleicht  die  von  Plin.  IV,  12,  65 
neben  Aegilia  erwähnte  Glauconnesos. 

*)  Plut.  Phok.  13:  dass  neben  dem  dort  erwähnten  (pqovqiov  auch 
eine  nicht  unbedeutende  Ortschaft  lag,  beweist  das  häufige  Vorkommen 
des  abgekürzten  Ethnikon  Zagr]  (Za^,  Za)  in  der  Inschrift  '^qx-  i(p. 
UfQ.  B\  N.  404.  .\us  dem  jetzigen  Ortsnauien  Z«pxrt,  sowie  aus  der 
Erwähnung  eines  Berges  Zcigag  auf  Euboia  (Lykophr.  AI.  373  c.  schol.) 
und  eines  Iferos  Zarax,  Sohnes  des  Peträos  des  Sohnes  des  Karystos 
(Etym.  M.  p.  408,  9)  ist  zu  schliessen,  dass  der  Ort  (und  wohl  auch  das 
Gtebirgc,  auf  welchem  er  lag)  auch  Zaga^  oder  Zcigr]^  gleich  der  Stadt 
auf  der  Ostküste  Lakoniens  (vgl,  oben  S.  137)  genannt  wurde.  Ueber 
die  Ruinen  s.  Rangabc^  Memoire  p.  25  s.;  Ber.  d.  sächs.  Ges.  d.  W.  1850, 
S.  140. 


430  III.    Die  Inselwelt. 

Flecken  Stura,  welcher  ein  Paar  alte  Inschriften  (deren  eine  den 
Cult  des  Asklepios  bezeugt)  und  den  Namen  von  der  alten  Stadt 
Styra  bewahrt  hat,  die,  wie  die  noch  erhaltenen  Reste  (Spuren 
der  Hingmauer,  in\len  Felsboden  geschnittetie  Ilausplätze  u.  a.  m.) 
zeigen,  eine  halbe  Stunde  weiter  westlich  auf  einem  hart  an  der 
Küste  sich  erhebenden  Felshügel  und  am  nördHchen  Fusse  des- 
selben bis  zu  dem  Bache  hin  lag.  Ursprünglich  wohl  eine  Nie- 
derlassung phönikischer  Purpurfischer  wurde  sie  frühzeitig  von 
den  Dryopern  in  Besitz  genommen,  die  aber,  wahrscheinlich 
durch  Zuwanderung  aus  Attika,  allmälig  ganz  ionisirt  wurden  und 
daher  später  sich  des  Dryopernamens  schämten.  Im  Perserkriege 
stellten  sie  zwei  Schifle  zur  griechischen  Flotte  und  in  Gemein- 
schaft mit  den  Eretriern  600  llopliten  zum  Landheere  und  tra- 
ten daim  dem  attischen  Seebunde  bei.  Im  sogenannten  lamischen 
Kriege  (323)  wurde  die  Stadt  durch  den  athenischen  Feldherrn 
Phädros  zerstört;  nach  ihier  Wiederherstellung  war  sie  offenbar 
zu  schwach,  um  als  selbständiges  Gemeinwesen  ferner  zu  existi- 
ren  und  wurde  daher,  sei  es  freiwillig,  sei  es  durch  Zwang,  dem 
Gebiete  von  Eretria  einverleibt.^) 

Südlich  und  östlich  von  Stura  zieht  sich  ein  fast  ganz 
kahler,  jetzt  Kliosi  genannter  Bergzug  hin,  dessen  685  Meter 
hoher  Gli)fel  die  Ruine  eines  fränkischen  Kastells  trägt;  etwas 
unterhalb  derselben  am  westlichen  Abhang  finden  sich  ausgedehnte 
Brüche  eines  dem  karystischen  völlig  gleichen  Marmors,  von, 
deren  Ausbeutung  im  Alterthum  die  gewaltigen  senkrecht  abge- 
schnittenen Felswände  sowie  einige  zwischen  dem  Ilaldensturz 
liegende  sorgfältig  bearbeitete  Säulenschäfte  und  viereckige  Blöcke 
Zeugniss   geben.     Diesen    Brüchen    gerade    gegenüber   auf   einer 


1)  Iliad.  B,  539;  Herod.  VIII,  1;  46;  IX,  28  (vgl.  die  Schlangen- 
säule  Gewinde  5  ITYI^EI);  Thuk.  VII,  57  (vgl.  die  athenischen  Tribiit- 
listen);  Dem.  in  Mid.  p.  568;  Strab.  X,  p.  446;  Paus.  IV,  34,  11;  Nonn. 
Dionys.  XIII,  160;  Steph.  Byz.  u.  Ezvqa.  In  der  Inschrift  'Aqx-  i(p. 
TIsQ.  B\  N.  404  ist  ZtvQO,  Zzvq,  Ztv  (wovon  das  viermal,  stets  nach 
einem  Z  vorkommende  Tvqo,  Tvq,  Tv  nicht  verschieden  ist)  das  am 
häufigsten  vorkommende  Ethnikon.  Den  Namen  bringt  Olshausen  Rhein. 
Mus.  n.  F.  VIII,  S.  327  wohl  richtig  mit  dem  phönikischen  "/^(jrv^a  in 
Verbindung.  Auf  Purpurfischerei  deutet  die  auf  Münzen  der  Stadt  (s. 
Eckhel  Doctr.  n.  I,  2,  p.  325)  vorkommende  Muschel,  lieber  die  Ruinen 
s.  meine  Quaestiones  Euboic.  p.  48  ss.;  Ber.  d.  sächs.  Ges.  d.  W.  1859, 
S.  140  f.;  Baumeister  Skizze  S.  24  f. 


2.  Die  ostgriechischen  Inseln:  Eiiboia.  431 

kleinen  Terrasse  am  Abhang  einer  der  niedrigeren  Kuppen  des 
Gebirges  stehen  drei  hochalterthümliche,  von  den  jetzigen  Be- 
wohnern Stura's  'die  Drachenhäuser'  {tä  öTtCxia  xov  öqkkov) 
genannte  Gebäude:  zwei  einander  gegenüber  in  der  Richtung  von 
Nord  nach  Süd  stehende,  von  längHch  viereckiger  Form,  mit  einer 
OefTnung  in  der  Mitte  des  Daches  und  einer  niedrigen  Th'üre 
an  der  dem  gegenüberliegenden  Gebäude  zugewandten  Langseile, 
das  dritte,  wehhes  in  rechtem  Winkel  an  die  Nordostecke  des 
westlicheren  Landhauses  stösst,  von  quadratischem  Grundplan, 
mit  einem  kuppellörmigen,  ebenfalls  in  der  Mitte  offenen  Dache 
und  einer  Thüre  an  der  Südseite.  Der  offene  Hofraum  zwischen 
den  drei  Häusern  war  gegen  Süden  durch  eine  Mauer,  von  wel- 
cher noch  ein  belrächlliches  Stück  erhalten  ist,  abgeschlossen 
und  wahrscheinlich  nur  von  Nordosten  her  durch  die  f.ücke  zwi- 
schen dem  quadratischen  Hause  und  dem  östlicheren  Langhause 
zugänglich:  die  ganze  Anlage  wird  man  als  ein  primitives,  von 
den  Dryoj)ern  erbautes  Ileiligthum  für  drei  zusammen  verehrte 
Gottheiten  betrachten  müssen.  ^)  V^oni  Hafen  des  alten  Styra  hat 
sich  noch  unmittelbar  westlich  von  dem  Felshügel,  auf  welchem 
die  Oberstadt  lag,  ein  Stück  des  Molo  und  Reste  eines  im  ioni- 
schen Styl  erbauten  Tempels  erhallen.  Andere  Spuren  einer  an- 
tiken Ansiedelung  finden  sich  etwa  Yj  Stunden  nördlich  von  da 
am  Strande  an  einer  jetzt  Emporio  genannten  Stelle:  der  Name 
lässt  vermuthen,  dass  hier  ein  Fmporion,  ein  Stapelplatz  des  alten 
Styra  bestand.  2)  Es  bezeichnet  dieser  Punkt  ungefähr  die  Mitte 
einer  weiten  Rucht,  in  welcher,  ziemlich  eine  Stunde  von  der 
Küste,  eine  grössere,  jetzt  Stura  genannte  Felsinsel,  von  einer 
Anzahl  kleinerer  umgeben,  liegt,  die  Aegileia  der  Alten. ^)  Eine 
ähnliche,  noch  tiefere  Rucht  öffnet  sich  weiter  südlich  zwischen 
den  westlichsten  Theilen    des  Kliosigebirges  {beziehendlich  seiner 


•)  Vgl.  Rangabd  Memoire  p.  28  S8.;  Bursian  'Die  dryopische  Bau- 
weise in  Bautrüinmern  Euboia's'  in  der  Archäolog.  Zeitung  1855,  N.  82, 
8.  120  ff.;  Baumeister  Skizze  S.  25  f.  Als  Gottheiten,  denen  dieses  Ilei- 
ligthum geweiht  war,  linbe  ich  a.  a.  O.  S,  135  Demeter,  Klymenos  und 
Kora  vermuthet;  doch  kann  man  auch  an  ApoUon,  A  rtomis  und  Leto 
denken. 

2)  Vgl.  Baumeister  ökizzc  ö.  25. 

3)  Ilerod.  VI,  107;  Plin.  IV,  12,  65  (wo  die«.  Insel  allerdings  unrich- 
tig  in  das  myrtoischc  Meer  versetzt  wird). 


432  III.    Die  Inselwelt. 

jetzt  Diakophti  geuaniiteii  südwestlichen  Fortsetzung)  und  der 
Ocha:  das  Mar  marlon  der  Alten  (noch  jetzt  Marmari  genannt), 
der  gewöhnliche  üeberfahrtsplalz  nach  Ilalä  Araphenides  an  der 
Ostküste  Attika's,  mit  einer  Ortschaft  gleichen  Namens  und  einem 
Tempel  des  ApoUon  Marmarios,  benannt  nach  den  Marmorbrüchen, 
welche  die  Alten  auf  dem  Rücken  des  Gebirges  oberhalb  der 
Bucht  betrieben.  Südwestlich  vor  der  Bucht  liegt  eine  Gruppe 
felsiger  Inseln  (zwei  grössere,  zwei  kleinere  und  sechs  ganz  kleine), 
die  Petaliä  der  Alten  (noch  jetzt  Petali),  die  ebenso  wie  die 
Bucht  von  Marmarion  zum  Gebiete  von  Karystos  gehörten.') 
Diese  Stadt,  die  bedeutendste  unter  den  Dryoperstädten  Euboia's, 
lag  ungefähr  auf  demselben  Platze,  welchen  jetzt  das  aus  fünf 
räumlich  von  einander  getrennten  und  mit  besonderen  Namen 
bezeichneten  Weilern  bestehende  Städtchen  Karysto  einnimmt: 
am  innersten  Winkel  der  nach  ihr  benannten  Bucht,  welche  sich 
von  den  mächtigen  Vorgebirgen  Leuke  Akte  und  Gerästos 
in  einer  Tiefe  von  etwa  zwei  Stunden  landeinwärts  erstreckt. 
Die  Akropolis  der  alten  Stadt  nahm  ohne  Zweifel  den  ziemlich 
^/^  Stunden  vom  Meere  entfernten  Felshügel  ein,  welcher  jetzt 
ein  mittelalterliches  Kastell  trägt;  die  Unterstadt  erstreckte  sich 
vom  südlichen  Fusse  desselben,  an  welchem  jetzt  der  Weiler 
Paläochora  liegt,  südwärts  und  südwestwärts  bis  zu  einem  jetzt 
Megalorheuma  genannten  Bache,  dessen  Wasser  zur  Bewässerung 
der  die  Ebene  bedeckenden  Gärten  und  Weinpflanzungen  benutzt 
wird:  jenseits  desselben  bemerkt  man  lange  Reihen  antiker  Grä- 
ber und  die  Reste  einer  in  den  Felsboden  geschnittenen  Strasse, 
welche  beweisen,  dass  dieser  dem  Meere  nächste  Theil  der  Ebene 
ausserhalb  der  Stadtmauern  lag.  Am  Strande  sind  aoch  einige 
Reste   von   dem    Damme    des    alten   Hafens,    der    wahrscheinlich 

*)  Strab.  X,  p.  446;  Steph.  Byz.  u.  Magfidgiov,  Phot.  p.  247,  25; 
der  Ausdruck  M(xq^ccqlov  tb  xsvovtcc  bei  Nonn.  Dionys.  XIII,  164  zeigt, 
dass  auch  der  Bergrücken  über  der  Bucht  den  gleichen  Namen  führte. 
Vgl.  Girard  Me'moire  p.  723;  Rangabe'  Me'moire  p.  32.  TlBtalCai  Stadiasm. 
mar.  magni  §  283  (C.  Müller  Geogr.  gr.  min.  I,  p.  500);  Plin.  IV,  12, 
71:  aus  Strab.  X,  p.  444  muss  man,  wenn  die  Stelle  nicht  corrupt  ist, 
folgern,  dass  auch  das  jetzt  Paximadi  genannte  Vorgebirge  Euboia's  öst- 
lich von  dieser  Inselgruppe,  das  nach  Strab.  IX,  p.  399  den  Namen  ÄhVATi 
cc-ntTj  führte  (wovon  die  bei  Ptol.  III,  15,  24  erwähnte  Kali]  «xrif  nicht 
verschieden  zu  sein  scheint),  ÜBtccXCa  genannt  wurde.  Vgl.  auch  S.  434, 
Anm.  1. 


2.  Die  ostgriechischen  Inseln:  Euboia.  433 

durch  Mauerschenkel  mit  der  Ringmauer  der  Stadt  verbunden 
war,  erhalten.  Die  älteste  Stadt,  welche  im  Jahre  490  v.  Chr. 
von  Datis  und  Artaphernes  durch  eine  Belagerung  und  durch 
Verwüstung  ihres  Gebiets  zur  Unterwerfung  genöthigt  wurde,  im 
Jahre  480  vor  der  Schlacht  bei  Salamis  ihre  Schiffe  zur  Flotte 
des  Xerxes  stossen  Hess  und  dafür  von  den  Hellenen  durch  Geld- 
bussen und  Verwüstung  ihres  Gebiets  bestraft  wurde,  nahm  wahr- 
scheinhch  ausser  dem  Burghügel  nur  den  Raum  zunächst  am 
südlichen  Fusse  desselben,  also  etwa  den  Platz  der  jetzigen  Paläo- 
chora  ein,  und  auch  in  den  ersten  Jahrzehnten  nach  dem  Perser- 
kriege wird  sie,  da  sie  im  Jahre  467  von  Athen,  jedenfalls  wegen 
Verweigerung  der  Bundespflicht,  mit  Krieg  überzogen  wurde  und 
ohne  Zweifel  auch  an  dem  Abfall  ganz  Euboia's  vom  attischen 
Seebunde  im  Jahre  446  sich  betheiligte,  sich  kaum  wesentlich 
vergrössert  haben;  nach  dieser  Zeit  aber  dürfen  wir  wohl  eine 
allmäligc  Erweiterung  der  Stadt  durch  Anlage  von  Vorstädten 
gegen  Süden  nach  dem  Meere  zu  annehmen,  die  schliesslich  da- 
hin führte,  dass  der  der  Burg  (die  noch  in  den  Kämpfen  zwi- 
schen Makcdoniern  und  Römetn  eine  Rolle  spielte)  zunächst  ge- 
legene Theil  des  Stadtraumes  fast  ganz  verlassen  wurde  und  die 
bjs  in  die  späte  römische  Kaiserzeit  als  Handelsplatz  bedeutende 
Stadt  im  Wesentlichen  den  Raum  der  jetzigen  Gärten  einnahm: 
hier  sind  noch  jetzt  zahlreiche  architektonische  Fragmente  und 
Inschriften,  aus  denen  man  die  Existenz  von  Heiligthümern  des 
Apollon,  des  Dionysos  und  der  Persephone  folgern  kann,  erhalten, 
während  von  dem  Theater  und  dem  mit  Bildsäulen  des  Herakles 
und  anderer  Götter  und  Heroen  geschmückten  Gymnasion  noch 
k<'ine   sichern   Spuren   gefunden   worden  sind. ')     Den  Karystiern 


«)  II.  ß,  539;  Herod.  VI,  99;  VIII,  66;  112;  121;  IX,  105;  Thuk.  I, 
08;  Liv.  XXXI,  45;  XXXII,  16  f.;  XXXIII,  34;  Polyb.  XVIII,  30.  Die 
von  Hteph.  Byz.  u.  Kagvorog  angeführten  Namen  Xsigcovicc  und  Alyaia 
sind  jerlenfalls  nur  dichterische  Bezeichnungen  der  Stadt.  Der  Akropo- 
lishügel  führte  vielleicht  den  Namen  ^AxaiCa:  vgl.  8teph.  Byz.  u.  d.  W. 
Für  die  Topographie  und  Inschriften  vgl.  meine  Quaest.  Eub.  p.  31  ss. 
und  die  von  Lenormaut  im  Rhein,  Muh.  XXI,  ö.  528  ff.  publicirten  In- 
schriften (sUmmtlich  Ehrendccrete,  die  Iv  reo  tov  '/InoXlcovog  [fga  auf- 
gestellt waren).  Den  Hafen  erwähnt  Dio  Chrysost.  Or.  VII,  22  (wo  un- 
ter der  nicht  genannten  Stadt  nur  Karystos  vorstanden  werden  kann):  in 
zwei  Inschriften  (Ilaase  MisccUanea  philologica  Ind.  lect.  Vratislav. 
1856/57  p.  7  und  Archäolog.  Anzeiger  1856,  N.  94,  95,  S.  267*f.)  erschei- 


434  III.    Die  Inselwelt. 

gehörte  ohne  Zweifel  ein  hochalterthüniliclies  Ileiligthum,  das 
noch  jetzl  auf  einer  kleinen,  nur  von  Westen  zugänglichen,  gegen 
Osten  steil  abstürzenden,  im  Norden  und  Süden  durch  Felskuppen 
begränzten  Fläche  nnniiltelbar  unter  dem  höchsten  Gipfel  der 
Ocha  sich  erhalten  hat.  Grundplan  und  Ausführung  des  Bau- 
werks stimmen  im  Wesentlichen  mit  dem  der  ^Drachenhäuser' 
bei  Stura  üherein  (wie  denn  das  Volk  auch  dieses  ehrwürdige 
Denkmal  dryopischen  Göttercultes  als  'Drachenhaus'  bezeichnet), 
nur  dass  das  Gebäude  auf  der  Ocha,  worin  man  einen  Tempel 
der  Hera  oder  des  Zeus  und  der  Hera  vermuthen  darf,  in  allen 
Einzelheiten  einen  entschiedenen  Fortschritt  der  band werksmässi- 
gen  sowohl  als  der  künstlerischen  Thätigkeit  erkennen  lässt,  also 
jedenfalls  einer  etwas  späteren  Zeit  angehört  als  die  Tempelgruppe 
über  Styra. ') 

Drei  Viertelstunden  nördlich  vom  Cap  Gerästos  (jetzt  Mantelo),^ 
der  südlichsten  Spitze  des  die  Bucht  von  Karystos  gegen  Osten 
umschliessenden  Bergzuges,  öffnet  sich  eine  kleine,  aber  sehr 
sichere  Bucht,  an  welcher  sich  die  Buinen  eines  mittelalterlichen 
Kastells  (daher  die  Bucht  jetzt  Kastri  oder  Paläokastri  genannt 
wird)  und  vielfache  Spuren  einer  antiken  Ortschaft  finden.  Olfen- 
bar  lag  hier  in  der  kleinen  Strandebene  Gerästos,  eine  zum 
Gebiet   von   Karystos  gehörige    Korne,    welche    einen    trefflichen 


nen  XifisvorpvXa^sg.  Theater:  Dio  Chrysost.  1.  1.  §  24;  Gymnasion 
ebds.  §  38;  nach  letzterer  Stelle  waren  damals  viele  Plätze  sowohl  inner- 
halb der  Ringmauern  als  in  den  Vorstädten  unbewohnt. 

^)  Vgl.  Ulrichs  Annali  XIV,  p.  5  ss.  (=  Reisen  und  Forschungen  II, 
S.  252  ff.)  mit  den  Zeichnungen  in  den  Monumenti  I,  tav.  37;  Girard 
Memoire  p.  708  ss.;  Archäolog.  Zeitung  1855,  N.  82,  S.  132  ff.;  Baumei, 
ster  Skizze  S.  29  f.  und  S.  68.  Die  Beziehung  des  Tempels  auf  Zeus 
und  Hera  stützt  sich  darauf,  dass  nach  Steph.  Byz.  u.  KccQvotog  die 
Sage  vom  tsgog  ydfios,  der  Vermählung  des  Zeus  mit  der  Hera,  auf  der 
Ocha  localisirt  war.  Dieselbe  Sage  knüpfte  sich  nach  Schol.  Aristoph. 
Pac.  1126  an  das  'Elv^viov^  eine  auch  in  Sophokles'  Nauplios  erwähnte 
und  deshalb  in  der  Gegend  des  Kaphereus  oder  doch  der  Südspitze  Eu- 
boia's  anzusetzende  Oertlichkeit,  nach  Steph.  Byz.  u.  'EIvijlviov  (vgl. 
Hesych.  u.  'Elvfivios)  eine  zu  Euboia  gehörige  Insel  mit  einer  Stadt 
gleichen  Namens.  Da  nun  die  vor  dem  Cap  Mantelo  (Gerästos)  liegende 
gleichnamige  Insel  zu  unbedeutend  ist,  als  dass  je  darauf  eine  Ortschaft 
hätte  stehen  können,  so  wird  wohl  eine  der  petalischen  Inseln  (vgl.  S.  432, 
Anm.  1)  darunter  zu  verstehen  sein.  Nach  Heraclid.  Pol.  31  war  die 
Insel  eine  Zeit  lang  von  den  Chalkidiern  in  Besitz  genommen. 


2.  Die  ostgriechischen  Inseln:  Euboia.  435 

Ilafrn  und  ein  altberühmles  Ileiligthum  des  Poseidon  besass. 
Anch  Artemis  wurde  hier,  sei  es  innerhalb  des  Temenos  des  Po- 
seidon, sei  es  in  einem  besonderen  Ueiligthume,  unter  dem  Bei- 
namen Dolosia  verehrt:  noch  im  sechsten  Jahrhundert  nach  Christo 
zeigte  man  daselbst  ein  aus  Steinen  hergestelltes  colossales  Schiff 
mit  einer  nur  noch  zum  Theil  lesbaren  Inschrift,  laut  welcher 
dasselbe  von  Agamemnon  dieser  Göttin  geweiht  sein  sollte.  Da 
man  bei  Kastri  selbst  keine  Spur  von  einem  Ileiligthum,  wohl 
aber  fünf  Viertelstunden  weiter  nördlich,  eine  Viertelstunde  öst- 
lich von  dem  Dorfe  Platanislos  eine  sorgfältig  aufgemauerte  Ter- 
rasse von  bedeutender  Länge  (jetzt  ro  ^Elkriwao  genannt)  nebst 
Spuren  von  Umfassungsmauern  und  innerhalb  derselben  Reste 
eines  aus  weissem  Marmor  in  dryopischer  Bauweise  errichteten 
Tempels  findet,  so  darf  nian  vermuthen,  dass  hier  das  Posideion 
stand,  d.  h.  der  Tenjpel  des  Poseidon  mit  seinem  Temenos  und  einer 
kleinen  Ortschaft,  die  sich  in  Folge  der  Bedürfnisse  theils  des 
regelmässigen  Cultus,  theils  der  von  Zeit  zu  Zeit  wiederkehren- 
den Festversammlungen  [navriyvQHg)  an  dasselbe  angeschlossen 
hatte  J) 

In  der  Nähe  von  Gerästos  scheint  auch  eine  kleine  Ortschaft 
(oder  Insel?)  Kyrnos  gelegen  zu  haben,  bei  welcher  im  Jahre 
467  ein  Kampf  zwischen  Athenern  und  Karystiern  stattfand.'^) 


»)  Od.  y,  177;  Herod.  VIII,  7;  Thuk.  III,  3;  Xen.  Hell.  III,  4,  4; 
V,  4,  61;  Demosth.  Phil.  I,  p.  49;  Liv.  XXXI,  45;  Strab.  X,  p.  446; 
Steph.  Byz.  u.  r^QKLGzog'.  vgl.  Eur.  Cycl.  2%;  Orest.  993;  Apollon. 
Rhod.  Argon,  F,  1243;  Callimacli.  Hymn.  in  Del.  199;  Nonn.  Dionys. 
XIII,  162.  Poseidon  rsgaiGziog  Aristoph.  Equit.  561;  Statue  des  Gottes 
mit  Dreizack  Lucian.  lupp.  trag.  25;  angebliches  Weihgeschenk  des  Aga- 
memnon Procop.  De  hello  Goth.  IV,  22,  p.  576  ed.  Dind.  TloGidsiov 
tv  Evßoicc  in  den  athenischen  Tributlisten,  vgl.  oben  S.  410,  Anm.  2. 
lieber  das  'EXXriviv.6  mit  einer  leider  räthselhaften  Inschrift  vgl.  Ran- 
gabe Memoire  p,  45  s.;  meine  Quaest.  Euboic.  p.  36  ss.  (die  dort  mit- 
gethcilte,  in  dem  Dorfe  Platanistos  gefundene  alterthümliche  Inschrift 
stammt  wahrscheinlich  aucli  vom  Posideion);  Baumeister  Skizze  S.  84 
und  S.  71  f.:  die  an  letzterer  Stelle  erwälinten  Grabsteine  in  dem  Dörf- 
chen Aselina,  halbwegs  zwischen  Platanistos  und  Porto  Kastri,  sind  wohl 
von  einem  dieser  beiden  Orte  verschleppt.  Die  Lage  des  Ileiligthums  im 
Verhältniss  zum  eigentlichen  Vorgebirge  Gerästos  ist  ganz  ahnlich  wie 
beim  Ileiligthum  des  Poseidon  auf  Tänaron:  vgl.  oben  S.  150. 

*)  Herod.  IX,  105  Iv  Kvqv(o  xth  KctQvaxCrig  xf^QVS-  da  das  Gefecht, 
ia  welchem  der  inl  Fsquiotm  bestattete  llüruiolykos  fiel,  recht  wohl  ein 


436  III.   Dio  Inselwelt. 

Von  dem  Dorfe  Platanistos,  das  mit  seiner  anmnlhigen  Vege- 
tation, seinen  zahlreichen  Häusern  und  seinen  griechisch  redenden 
Bewohnern  als  eine  Art  Oase  in  dieser  sonst  durchaus  rauhen 
und  wilden  Gehirgswelt  mit  ihren  von  Alhanescn  hewoiinten  ärm- 
lichen Dörfchen  erscheint,  wandert  man  auf  äusserst  heschwer- 
lichem  Pfade  über  mehrere  der  nur  durch  tiefe  und  schmale 
ParalleÜhäler  getrennten  östlichen  Ausläufer  des  Ochagehirges 
(vgl.  S.  399)  hinweg  nach  einer  eine  halbe  Stunde  nordöstlich 
von  dem  Dörfchen  Dramisi  gelegenen  tiefen ,  von  nacklen  steilen 
Felswänden  umschlossenen,  von  einem  Bache  durchllossenen 
Schlucht  von  wildestem  Charakter,  welche  sich  östlich  nach  dem 
Meere  zu  öffnet.  Steigt  man  am  Nordabhange  des  die  Schlucht 
gegen  Süden  begränzenden  Bergrückens  hinab,  so  gelangt  man 
zunächst  zu  einer  steilen  Felswand,  in  deren  Fuss  eine  Höhle 
von  Menschenhänden  gearbeitet  ist,  aus  welcher  zahlreiche  Löcher, 
meist  von  geringer  Weite  und  Tiefe,  in  das  Innere  des  Berges 
führen.  Da  sich  nahe  dem  östlichen  Ende  der  Schlucht  grosse 
Massen  von  Schlacken  finden ,  so  wird  man  in  dieser  Anlage  ein 
primitives  Eisen-  oder  Kupferbergwerk  erkennen  dürfen,  zu  dessen 
Schutz  und  Ausbeutung  die  weiteren  baulichen  Anlagen  in  dieser 
weder  für  Ackerbauer,  noch  für  Hirten,  noch  für  Schifler  zur 
Ansiedelung  geeigneten  Schlucht  bestimmt  waren.  Unterhalb  je- 
ner Felsw^and  nämlich  findet  man  bis  zur  Tiefe  der  Schlucht 
hinab  antike  Mauern,  die  offenbar  eine  Art  von  Dammweg  bilde- 
ten, in  der  Schlucht  selbst  auf  einem  niedrigen  Felshügel  am 
rechten  Ufer  des  Baches  den  Unterbau  eines  antiken  Thurmes, 
der  den  Zugang  zur  Schlucht  von  Westen  her  beherrschte,  end- 
lich weiter  östlich  am  Südabhange  eines  steilen  kegelförmigen 
Felshügels  über  dem  linken  Ufer  des  Baches,  der  nur  gegen 
Norden  durch  eine  niedrige,  wie  es  scheint  künstlich  abgearbeitete 
Felszunge  mit  dem  nördlicheren  Bergzuge  zusammenhängt,  die 
Beste  einer  Bingmauer,  die  sich  auch  an  der  Ostseite  des  Hügels 
fortsetzte  (an  den  übrigen  Seiten  fällt  derselbe  so  steil  ab,  dass 
eine  künstliche  Befestigung  ganz  überflüssig  war)  und  zahlreicher 
Gebäude  von  verschiedener  Grösse,  die  so  an  den  Abhang  des 
Hügels  gleichsam  angeklebt  sind,   dass   der   natürliche   Fels   den 


Seegefecht  gewesen  sein  kann,   darf  man  wohl  unter  Kvqvog  die  gerade 
vor  dem  Cap  Gerästos  gelegene  kleine  Insel  Mantelo  verstehen. 


2.  Die  ostgriechischen  Inseln :  Euboia.  .    437 

unteren  Tlieil  der  Rückwand  ersetzte:  da  sich  in  den  aus  einem 
Gemisch  von  grösseren  und  kleinen  Steinen  ausgeführten  Mauern 
nirgends  die  Spur  eines  Eingangs  findet,  so  muss  man  annehmen, 
dass  dieser  hei  allen  diesen  Gebäuden  an  der  Rückseite  sicli  be- 
fand, die  erhaltenen  Mauern  also  nur  den  Unterbau  mit  einem 
kellerartigen  Souterrain  bildeten.  Die  Bewohner  von  Dramisi 
nennen  diese  Ruinen  Arcbampolis,  d.  i.  ^alte  Stadt'  (aQ%aia  no- 
lug) :  ein  antiker  Name  dafür  ist  uns  nicht  überliefert,  was  um 
so  weniger  zu  verwundern  ist,  da  die  ganze  Anlage  olTenbar  aus 
den  frühesten  Zeiten  des  Alterthums,  aus  derselben  Periode, 
welcher  die  Tempel  bei  Styra  und  auf  dem  Ocha  angehören, 
stammt  und  nach  Erschöpfung  der  Metalladern,  zu  deren  Aus- 
beutung sie  bestimmt  war,  frühzeitig  verlassen  worden  ist.^) 

Ruinen  einer  ausgedehnleren  befestigten  Ortschaft  von  ganz 
gleichem  Charakter  finden  sich  auf  dem  jetzt  mit  dem  wahrschein- 
lich antiken  Namen  Philagra  benannten  Cap  der  Ostküste, 
welches  zunächst  westhch  vom  Kaphereus  (Cavo  d'Oro)  gegen 
Nordosten  ins  Meer  vorspringt.  Dasselbe  ist  an  allen  Seiten, 
ausser  gegen  Norden  und  gegen  Südwesten,  wo  der  steile  Abfall 
der  Felsen  eine  fortlaufende  Befesligungsmauer  überflüssig  njachte, 
von  Ringmauern  aus  ganz  rohen,  langen  und  dünnen  Platten  von 
Schiefergestein,  zwischen  welche  zur  Ausgleichung  der  Lagen 
kleine  Steinbrocken  eingeschoben  sind,  umgeben:  an  denselben 
bemerkt  man  mehrere  nach  Aussen  vorspringende  Bastionen  und 
einen  nach  Innen  vorspringenden  Thurm  von  viereckter  Form. 
Innerhalb  der  Mauern  finden  sich  auf  dem  ganz  unebenen  Fels- 
boden die  Ruinen  mehrerer  Gebäude,  die  ebenso  wie  die  in 
Arcbampolis  mit  dem  Rücken  an  den  natürlichen  Fels  angelehnt 
waren;  ferner  zwei  wohl  von  der  Natur  ge^chadene,  aber  durch 
Mensclienhand  erweiterte  ^Felsspalten ,  die  nach  unten  zu  sich 
allmälig  verengernd  tief  (nach  der  Angabe  der  Umwohner  bis 
zum  Meere)  hinab  fübreii  und  von  den  Rewohnern  der  alten  Ort- 
schaft vielleicht  benutzt  wurden,  um  in  Zeiten  der  Gefahr  unbe- 
merkt zur  See   zu   entschlüpfen.     Der   am   höchsten  aufsteigende 


^)  Die  Kuinen  sind  zuerst  bescliriebcn  von  Oirurd  Memoire  p.  718  s. 
lind  von  Kungnbe  Memoire  p.  35  ss.;  genauer  von  mir  in  der  ArchUolog. 
Zeitung  1855,  N.  82,  S.  1:^6  ff.  und  in  meinen  Quacationes  Euboic.  p.  39  ss., 

sowie    voll    I*.;illiiirlHtt'r    SUi/'/c    S.    '^^   (T. 


438  III.  Die  Inselwelt. 

westlichste  Tlieil  des  Vorgebirges  bildet  ein  kleines  Felsplateau, 
auf  welchem  jetzt  zwei  kleine,  ganz  ans  Trinnmern  der  allen 
Mauern  errichtete  christliche  Kirchen  stehen:  diese  wie  andere 
Spuren  zeigen,  dass  der  Platz  auch  im  Mittelaller  —  wahrschein- 
lich von  Piraten  —  bewohnt  worden  ist.  Da  sich  in  geringer 
Entfernung  —  östlich  oberhalb  des  drei  Viertelstunden  südlich 
vom  Cap  gelegenen  Dorfes  Janilzi  —  ein  antikes  Kupferbergwerk 
befindet,  so  ist  zu  vermuthen,  dass  die  alte  Ortschaft  (deren  Na- 
men wir  nicht  kennen)  ebenso  wie  Archampolis  hauptsächlich  von 
Bergleuten  bewohnt  und  zur  Sicherung  der  Ausbeutung  jener 
Erzgruben  angelegt  worden  ist.  ^) 

c)   Die  Kykladen. 

Die  von  den  Alten  mit  dem  Namen  der  Kykladen  bezeich- 
nete Inselgruppe,  über  deren  Ausdehnung  und  Gliederung  wir 
schon  oben  (S.  348  IT.)  gesprochen  haben,  bietet,  vom  Meere  aus 
gesehen,  in  fast  allen  ihren  Gliedern  einen  mehr  wilden  und  öden 
als  anmuthigen  und  heitern  Anblick  da?.  Schroff  abfallende  Fels- 
wände, nackte  Klippen,  kegelförmige  von  fast  aller  Vegetation 
entblösste  Berge  sind  die  durchaus  vorherrsclienden  Züge  des 
Bildes,  welches  sich  vor  den  Augen  des  Seefahrers  aufrollt,  wenn 
er  in  den  heiligen  Kreis  der  'Ringinseln'  eintritt.  Aber  die  Klar- 
heit der  Luft,  welche  die  Contouren  jedes  Eilandes  aufs  Schärfste 
hervortreten  lässt,   und  die  Intensivität  der  Beleuchtung,   welche 


')  Vgl.  über  die  meines  Wissens  nur  von  mir  besuchten  Ruinen,  die 
auf  der  französischen  Karte  Bl.  9  irrig  als  ^Palaeocastron  Ve'nitien'  be- 
zeichnet sind,  Archäolog.  Zeitung  a.  a.  O.  S.  135  f.  und  Quaest.  Eub. 
p.  45  SS.  Vermuthungsweise  könnte  man  auf  diese  Ruinen  oder  auf 
die  Archampolis  den  Namen  Orchomenos  (Strab.  IX,  p.  416:  y.ccl  Tcsqi 
KccgvaTov  d'  tjv  TLg'Ogxofisvog)  beziehen.  Auch 'O q  8  g t rj  (vgl.  Hesjch. 
und  Steph.  Byz.  u.  d.  W.)  ist,  da  Orestes  mit  dem  Sagenkreise  der  Dryo- 
per  verknüpft  ist,  wahrscheinlich  in  dem  von  den  Dryopern  bewohnten 
südlichsten  Theile  Euboia's  zu  suchen.  Andere  euboische  Ortschaften 
von  ganz  unsicherer  Lage,  die  nur  von  Steph.  Byz.  unter  den  betreffen- 
den Artikeln  angeführt  werden,  sind:  'AY.6vxiov."A)iQcc.'Ay.Qdyag.  'AXonrj. 
M8&(6vrj.  MrjtQonolLS'  ^cprjyisia.  Xiog.  Ferner  nennt  Plin.  IV,  12,  64 
als  angebliche  alte  Städte  Euboia's  Pyrrha,  Nesos  und  Ocha,  Fei 
Lykophron  Alex.  373  erscheinen  als  euboische  Bergnamen  'OcpiXtccg  und 
NsScov  und  v.  376  ^oQnvvog  olyirjrijQtov ,  endlich  bei  Nonn.  Dionys.. 
XIII,  163  die  räthselhaften  Ortsnamen  Htv^  CExiiya)  und  EiQiSog  stiQOC, 


2.  Di^ostgriechischen  Inseln:  Kykladen:  Andros.  439 

die  kahlen  Borge  mit  den  scliönsten  Tinten  färbt,  breiten  einen 
eigenthümlichen  Zauber  über  dieses  Bild  aus.  Nähert  man  sich 
aber  dem  Gestade,  so  bemerkt  man  überall,  wo  die  Berge  nicht 
allzu  steil  abfallen,  dinch  Steinmauern  gestützte  Terrassen  für 
Weinberge,  und  dringt  man  in  das  Innere  ein,  so  findet  man 
wenigstens  auf  den  meisten  der  grösseren  Inseln  fruchtbare  und 
anmuthige  Thäler,  welche  ausser  trefflichen  Weinen  Südfrüchte 
aller  Art  hervorbringen.  Die  Gebirge  der  Inseln  bestehen  zum 
weitaus  grössten  Theile  aus  Glimmerschiefer  und  krystallinisch- 
körnigem  Kalk  (Marmor)  von  verschiedener  Färbung  und  bieten 
daher  trefl'liche  Materialien  für  Bau-  und  Bildkunst  dar:  beson- 
ders auf  den  Inseln  Tenos,  Faros  und  Naxos  findet  man  ausge- 
dehnte und  schon  von  den  Alten  stark  ausgebeutete  Marmor- 
brüche. Neben  diesen  Gebirgsarten  treten  hie  und  da  Granit 
und  Gneis  in  grösseren  Massen  auf:  so  im  südlicheren  Theil  von 
Tenos  und  im  nördlicheren  von  Naxos;  die  dazwischen  liegende 
Gruppe  der  Inseln  Mykonos,  Bheneia  und  Delos  besteht  ganz  aus 
solchem  Urgebirge.  An  mineralischen  Produkten  liefern  ferner 
einzelne  Inseln  Serpentin  (Andros  und  Tenos),  Schmirgel  (Naxos) 
und  Eisenerze  (Keos ,  Kythnos  und  Seriphos).  Dagegen  sind  die 
Gold-  und  Silberadern  der  Insel  Siphnos  schon  im  Alterthum 
ziemlich  frühzeitig  erschöpft  worden. 

Die  nördlichste  und  an  Umfang  (gegen  G  D Meilen)  nächst  Andros. 
Naxos  bedeutendste  unter  den  Kykladen,  Andros,  ^)  besteht  aus 
einem  etwa  5V2  Meilen  langen,  von  Nordwest  nach  Südost  streichen- 
den Bergrücken,  der  durch  zahlreiche  Querthäler  und  Schluchten  in 
der  Bichtung  von  West  nach  Ost  durchbrochen  ist.  Diese  Quer- 
thäler sind  durchgängig  wohl  bewässert,  reich  mit  Feigenbäumen, 
Maulbeerbäumen,    Oelbäumen,    Orangen-    und    Citronenbäumen, 


')  Vgl.  Tournefort  Voyage  du  Levant  I,  p.  133  ss.;  lo.  Ev.  Rivola 
JJe  situ  et  antiquitatibus  insulae  Andri  commentatio ,  Freiburg  1844; 
Koss  Reisen  auf  den  griechischen  Inseln  11,  S.  12  ff,;  Brandis  Mitthei- 
lungen über  Griechenland  I,  S.  292  ff.;  Fiedler  Reise  II,  S.  213  ff.;  Meys- 
sonier  'Notice  sur  Andros'  im  Uulletin  de  la  socie'tc^  de  gcographic  1870, 
j).  irtS  88.  Den  Namen  leiten  die  Alten  von  einem  Heros  "Avdgog  oder 
'AvSfftvg  (Conon  Narr.  41;  Serv.  ad  Verg.  Aen.  III,  80;  Ovid.  Met.  XIII, 
648».;  Diod.  V,  79;  Paus.  X,  13,4;  Steph,  Byz.  u.^AvSqos)  her.  Dich- 
terische Bezeichnungen  der  Insel  führt  als  Eigennamen  derselben  auf 
Plin.  IV,  12,  65.  In  mittelalterlichen  lateinischen  Urkunden  wird  der 
Nam<!  auch  Andra  und  Andre  p^cschriolx'n. 


440  in.   Die  Inselwelt. 

auch  mit  Cypressen  bewachsen.  Die  Höhen  sind  durchaus  kahl, 
aber  die  unteren  Abhänge  der  Berge  überall  mit  terrassenförmig 
angelegten  Weingärten  bedeckt.  Die  Nordwest küste  der  Insel 
wird  durch  einen  etwa  l'/j  Mt'ile  breiten  Canal  von  dem  sud- 
lichen Euboia,  die  Südostspitze  durch  einen  ganz  schmalen,  durch 
Klippen  gefährlichen  Sund  (von  den  Alten  Aulon,  jetzt  Steno, 
Mie  Enge'  genannt)  von  der  Nordspitze  der  Insel  Tenos  getrennt. 
Der  höchste  Gipfel  der  ganzen  Insel  ist  der  975  Meter  hohe 
Berg  Kuvari  ^)  nahe  der  Westküste,  gerade  über  der  Stelle  der 
alten  Stadt  Andros:  von  hier  geht  ein  Querzug  in  nordöstlicher 
Richtung,  v^elcher  in  dem  Vorgebirge  Gerias,  dem  östlichsten 
Punkt  der  Insel  endet;  zwei  ähnliche,  aber  etwas  kürzere  Quer- 
züge  laufen  diesem  parallel  im  südlicheren  Theile  der  Insel  und 
enden  in  den  Caps  Athinati  und  Kosmos,  zwischen  denen  sich  die 
tiefe,  einen  ziemlich  guten  Hafen  darbietende  Bucht  von  Korthion 
öffnet,  während  der  in  der  Mitte  der  weilen  und  flachen  Bucht 
zwischen  den  Caps  Athinati  und  Gerias  gelegene  Hafen  des  Apano- 
Kastron  oder  schlecbtweg  Chora  (rj  xciga  'der  Ort'),  officiell 
Andros  genannten  jetzigen  Hauptortes  den  Schiffen  namentlich 
beim  Nordostwinde  nur  sehr  ungenügenden  oder  gar  keinen 
Schutz  gewährt.  An  diese  beiden  Buchten  schliessen  sich  land- 
einwärts die  beiden  fruchtbarsten  und  am  besten  angebauten 
und  bevölkerten  Thäler  der  Insel,  das  von  Korthion  und  die 
Messaria.  Weniger  fruchtbar  und  weniger  gut  angebaut  als  die 
grössere,  von  Griechen  bewohnte  südlichere  Hälfte  ist  der  von 
Albanesen  bevölkerte  nördliche  Dislrict  der  Insel,  nördlich  vom 
Cap  Gerias,  in  welchem  hauptsächlich  Viehzucht  und  Ackerbau 
betrieben  wird.^) 


*)  Weder  für  diese  Kuppe  des  Gebirges,  noch  auch  für  einen  der 
zahlreichen  Bäche,  welche  besonders  die  Thäler  und  Schluchten  des  öst- 
licheren Theiles  der  Insel  bewässern,  ist  uns  ein  antiker  Name  überlie- 
fert. Den  Namen  Aulon  für  den  Sund  zwischen  Andros  und  Tenos  giebt 
das  zJicccpQccyficc  etc.  in  C.  Müllers  Geogr.  gr.  min.  I,  p.  95;  ebds.  wird 
der  dem  euböischen  Cap  Gerästos  zunächst  gelegene  Punkt  der  Insel 
(also  das  Cap  Peristeri  an  der  Nord  Westseite)  TlaKoviov  genannt:  vgl. 
Stadiasmus  mar.  m,  §  283  (C.  Müller  1.  1.  p.  500,  3).  Noch  scheinen  unter 
den  auf  der  französischen  Karte  verzeichneten  Namen  der  Vorgebirge 
einige  wie  Artemisia  (Nordostseite)  und  Athinati  (Mitte  der  Ostküste) 
aus  antiken  (Aqxf-^iaiov  und  'Ad'^vcciov)  entstanden  zu  sein. 

*)  Ueber  die  Zahl  der  Gesammtbevölkerung  der  Insel  lauten  die  An- 


2.   Die  ostgriechischen  Inseln:  die  Kykladen:  Aiidros.  441 

Wie  die  meisten  Kykladen  war  auch  Andros  in  alter  Zeit 
von  karisclien  Seeräubern  besetzt  und  wurde  nach  deren  Ver- 
treibung von  Pelasgern  (oder  auch  von  thessalischen  Minyern)  in 
Besitz  genonniien,  welche  durch  eine  von  Atlien  ausgegangene 
Ansiedeknig  unter  Führung  des  Kynaihos  und  Eurylochos  ionisirt 
wurden.  1)  Frühzeitig,  wahrscheinlich  sclion  um  den  Beginn  des 
siebenten  Jalirhunderts  v.  Chr. ,  kam  Andros  mit  den  beiden 
Nachbarinsehi  Tenos  und  Keos  in  Abhängigkeit  von  dem  damals 
übermächtigen  euboischen  Eretria:  dieses  Verhältniss  gab,  wie  es 
scheint,  den  Andriern  Veranlassung,  um  die  Milte  des  siebenten 
Jahrhunderts  (Ol.  31)  dem  Beispiele  des  führenden  Staates  zu 
folgen  und  auf  der  Halbinsel  Chalkidike,  speciell  an  der  Ostküste 
derselben,  eine  Anzahl  Colonien  (Akanlhos,  Stageiros,  Argilos, 
Sane)  zu  gründen.  ^)  Als  Erelrla's  Macht  durch  die  lelantischen 
Kriege  geschwächt  war,  erlangte  statt  seiner  die  Insel  Naxos  die 
Flegemonie  über  Andros,  sowie  über  die  übrigen  Kykladen.  Die 
Ankunft  der  Herolde  des  Königs  Darcios  machte  dieser  Hegemonie 
ein  Ende:  die  Andrier  unterwarfen  sich,  wie  die  meisten  Insel- 
bewohner, freiwillig  den  Persern  und  stellten  beim  Ileerzuge  des 
Xerxes  Schiffe  zur  persischen  Flotte,  wofür  ihnen  gleich  nach 
der  Schlacht  bei  Salamis  von  Themistokles  eine  Geldbusse  auf- 
erlegt und,  da  sie  dieselbe  unter  dem  Vorwand  grosser  Ohnmacht 
und  Armuth  nicht  zahlten,  ihre  Hauptstadt,  allerdings  vergeblich, 
belagert  wurde.  ^)  Nachdem  sie  dem  athenischen  Seebunde  bei- 
getreten waren,    mussten   sie  sich,    wahrscheinlich   wogen  Unbot- 


gaben  sehr  verschieden:  Meyssonier  (a.  a.  O.  p.  158}  giebt  sie  'd'apres 
les  autorites  du  pays'  auf  28,000  an,  Ross  (a.  a.  O.  S.  23)  auf  15,000, 
r>randl8  (a.  a.  O.  S.  513)  auf  15—10,000,  darunter  über  11,000  Griechen, 
Ritters  geographiscli-statistisclies  Lexikon  (fünfte  Auflage  1864)  auf  nur 
12,000,  die  franzüsisclie  Karte  Bl.  10  auf  47,585,  wovon  auf  den  den 
nlbanesischen  Theil  der  Insel  enthaltenden  Demos  Gavrion  6483  kounnen. 
')  Pelasger  Konon  Narr.  47 :  für  minyische  Bevölkerung  spricht  be- 
sonders, dass  der  eponynic  Heros  Andreus  auch  in  die  Sagen  der  böoti- 
schen  Minyer  verflochten  ist  (Paus.  IX,  34,  6  und  9).  Athenische  Colo- 
nisation  Scliol.  Dionys.  Poricg.  526  (t.  I,  j).  350  ed.  I5crnliar(ly);  Vcllcl. 
Pat.  I,  4,  3. 

2)  Strab.  X,  p.  448;  Thuk.  IV,  84;  88;  103;  109;  (Scymn.  Cli.)  Orb. 
descr.  647;  Plut.  Quaest.  gr.  30;  Kuseb.  Cliron.  «d  Ol.  XXXI,  2  (p.  87 
ed.  Schöne). 

3)  Ilcrod.  V,  31;  VIII,  00;  IM;  121. 

BUR8IAN,  GR(K>R.    II.  •i*^ 


442  ITI.    Die  Inselwelt. 

niassigkcit,  gefallen  lassen,  dass  Perikles  250  Athener  als  Kle- 
ruchen  auf  ihrer  Insel  ansiedelle  (wohl  445  n.  Chr.).  Im  Jahre 
408  fielen  sie  von  Athen  ah,  wurden  aher  durch  Alkihlades  für 
diesen  Ahfall  gezüchtigt  und  die  Insel  seitdem  his  zum  Ende  des 
peloponnesischen  Krieges  fortwährend  von  athenisciien  Kriegs- 
schiffen hesetzt  gehalten.  ^)  Dem  neuen  attischen  Seehunde  vom 
Jahre  378  trat  auch  Andros  bei,  aber  aus  dem  Bundesverhaltniss 
wurde  für  diese  Insel  bald,  wir  wissen  nicht  aus  welcher  Veran- 
lassung, ein  Unterthänigkeitsverhältniss-:  sie  wurde  von  atheni- 
schen Amtleuten,  keineswegs  immer  in  musterhafter  Weise,  ver- 
waltet und  erhielt  wieder,  wie  in  den  letzten  Jahren  des  pelo- 
ponnesischen Krieges,  eine  stehende  athenische  Besatzung.'^) 
Durch  die  Schlacht  bei  Chäroneia  gieng  für  Athen  natürlich  auch 
der  Besitz  von  Andros  verloren:  es  wandte  sich  jetzt,  freilich 
vergeblich,  an  seine  ehemaligen  Unterthanen  mit  einem  Ilüifs- 
gesuche.^)  Andros  blieb  nun  eine  Zeit  lang  frei,  erhielt  aber 
später  (etwa  ums  Jahr  314  v.  Chr.)  makedonische  Besatzung, 
von  der  es  im  Jahre  308  von  Ptolemäos  nur  vorübergehend  be- 
freit wurde.  Im  Jahre  200  wurde  es  von  den  mit  König  At- 
talos verbündeten  Römern  für  diesen  erobert  und  blieb  nun  ein 
Bestandtheil  des  pergamenischon  Reiches,  mit  welchem  es  im 
Jahre  133  an  Rom  kam.  Antonius  schenkte  es  im  Jahre  43 
V.  Chr.  zugleich  mit  Tenos  und  Naxos  den  Rhodiern,  denen  aber 
diese  Inseln  wegen  Missbrauchs  ihrer  Herrschaft  bald  wieder  ab- 
genommen wurden.^)  Unter  der  römischen  und  byzantinischen 
Herrschaft  verschwindet  die  Insel  fast  ganz  aus  der  Geschichle: 
sie  taucht  erst  wieder  auf  nach  der  Eroberung  Constantinopels 
durch  die  Franken,  als  sie  im  Jahre  1207  durch  Marino  Dandolo 
erobert  wurdö,  der  sich  in  ihrem  Besitze  bis  zu  seinem  Tode 
(1233)  behauptete.  Nachdem  sie  dann  eine  Zeit  lang  von  Geremia 
Ghisi,  Herrn  von  Skyros  und  Skiathos,  occupirt  gewesen,  kam 
sie   in   Besitz   der   Sanudi,   Flerrscher    von   Naxos,    und    war   ein 


1)  Plut.  Pericl.  11;  Xen.  Hell.  I,  4,  21  f.  (vgl.  Plut.  Alcib.  35;  Dlod. 
XIII,  69);  c.  5,  18. 

2)  Aeschin.   in   Tim.   §    107;    Inschrift  ans   Ol.    105,  4   bei  Rangabe' 
Antiq.  hell.  II,  n.  393. 

^)  Lycurg.  in  Leoer.  42. 

4)  Diod.  XX,  37;   Trog.  Pomp.   Hist.  prol.  XXVII;    Liv.  XXXI,  15; 
45;   Appian.  Bell,  civ.  V,  7. 


2.  Die  ostgriechischen  Inseln:  die  Kykladen:  Andros.  443 

Theii  des  Ilerzoglhunis  des  Archipels,  von  welchem  sie  aher  im 
Jahre  1371  wieder  ahgetrennl  und  als  besonderer  Slaal  consti- 
luirt  wurde,  der  Anfangs  unter  der  Herrschaft  der  Maria  Sanudo, 
von  1384—1437  unter  Herzögen  aus  der  Familie  Zeno,  1437  — 
1440  unler  venezianischen  Statlhallern  stand,  dann  in  Besitz  der 
Familie  Sommaripa  gelangte,  welche  die  Herrschaft  über  die  In- 
sel, mit  einer  Unterbrechung  von  wenigen  Jahren,  während  deren 
sie  von  venezianischen  Statthaltern  regiert  wurde  (1507 — 1514),  bis 
zur  Besetzung  derselben  durch  die  Türken  (1566)  behaupteteJ) 
Die  der  Insel  gleichnamige  Stadt  lag  im  Alterthum  ziemlich 
in  der  Milte  der  Westl\üste  an  einer  kleinen,  nur  gegen  Norden 
durch  das  Vorgebirge  Diakopliti  (oder  Thiaki)  einigermassen 
geschützten  Bucht  unterhalb  des  Kuvariberges,  dessen  südwest- 
licher Abhang  die  von  Natur  feste  Burg  der  alten  Stadt  trug. 
Die  jetzt  Paläopoli  genannte  Stätte,  von  dieser  Anhöhe  bis  zum 
Meere  hinab,  zeigt  noch  ausser  Mauerresten  von  der  Akropolis, 
antiken  Substructionen  und  Gräbern  eine  grosse  Menge  archi- 
tektonischer und  plastisclier  Fragmente,  auch  Inschriften,  welche 
die  Existenz  eines  Prytaneion  und  den  Cult  des  Dionysos  (der 
Hauptgottheit  der  Insel,  wie  besonders  die  Münzen  lehren)  und 
der  Isis  (der  natürlich  erst  seit  den  Zeilen  der  Ptolemäer  hier 
Eingang  gefunden  hat)  bezeugen;  sonst  wird  noch  ein  Heiligthum 
der  Athena  Taurobolos  (oder  Tauropolos),  das  in  der  Nähe  des 
Meeres  gestanden  zu  haben  scheint,  erwähnt. 2)  Im  Heiligthum 
des  Dionysos  spriTdelte  eine  Quelle,  deren  Wasser,  wie  behauptet 
wurde,  im  Januar  jedes  Jahres  am  Feste  Theodäsia  den  Ge- 
schmack von  Wein  annahm  und  denselben  sieben  Tage  lang,  soweit 
es  innerhalb  des  Gesichtskreises  des  Heillgthums  floss,  bewahrte.^) 


')  Vgl.  C.  Hopf  'Geschichte  der  Insel  Andros  und  ihrer  Beherrscher 
in  dem  Zeiträume  von  1207 — 1566'  in  den  Sitzungsber.  d.  Wiener  Aka- 
demie, philos.-liistor.  Classe,  Bd.  XVI,  S.  23  ff.,  und  'Urkunden  und  Zu- 
sätze zur  Geschichte  der  Insel  Andros'  u.  s.  w.  ebds.  Bd.  XXI,  S.  221  flf. 

2)  StadfAndros:  Herod.  VIII,  111;  Liv  XXXI,  45;  Plin.  IV,  12,  65; 
Ptol.  III,  15,  30.  Ueber  die  Ruinen  s.  Fiedter  a.  a.  O.  S.  220  ff.  und 
lioüs  a.  a.  O.  S.  16  ff.  Inschriften:  C.  I.  gr.  n.  2348  f.  und  Add.  Vol.  II, 
1>.  1063  ff.;  Ross  Inscr.  gr.  ined.  II,  n.  87  ff.  (die  meisten  auch  bei 
Rivohi  p.  66  88,).  Münzen :  Rivohi  p.  64  s.  ^AQ^rivcc  Tavgoßokog  (rich- 
tif^er  TavQonoXog)  Suid,  und  l^hot.  u.  TavQOTCokov,  vgl.  schol.  Aristoplu 
Lysistr.  447. 

»)  riin.  II,   lO.J,  2.;l  ,   \\\1,  ■^,   li>,  riiihihli.  Imng.  I,  25;  Paus.  VI, 

30* 


444  III.    Die -Inselwelt. 

Obgleich  die  ofTene  Rhede  unterhalb  der  Sladt,  wie  die 
Ueberreste  eines  alten  Hafendammes  zeigen,  als  Landungsplatz 
benutzt  wurde,  so  war  doch  der  eigentliche  Hafen  der  Stadt  das 
2y2  Stunden  nordwestlich  von  ihr  gelegene  Gaurion,  das  die- 
sen Namen  bis  auf  den  heutigen  Tag  bewahrt  hat :  ein  schmaler, 
aber  tiefer,  von  allen  Seiten  geschützter  Hafen  am  nordwest- 
lichen Ende  der  weiten,  durch  das  Vorgebirge  Diakophti  von  der 
Bucht  von  Paläopolis  getrennten  Bucht  von  Gavrion,  in  welcher, 
südlich  vom  Eingange  des  Hafens,  mehrere  kleine  Felsinsehi 
(Gavrionisia)  liegen.  In  der  kleinen  Ebene  östlich  vom  Hafen 
finden  sich  noch  einige  Reste  der  alten  Ortschaft  Gaurion;  eine 
halbe  Stunde  nordöstlich  von  da,  bei  dem  Dörfchen  Hagios  l'etros, 
steht  ein  noch  sehr  gut  erhaltener  runder  hellenischer  Thurm 
von  ungefähr  20  Meter  Höhe,  der  wahrscheinlich  zum  Schulz  eines 
in  der  Nähe  gelegenen  Bergwerkes,  in  welchem  die  Alten  Eisenerze 
zu  Tage  förderten,  bestimmt  war.  ^) 

Das  jetzige  Städtchen  Andros,  das  wenig  über  2000  Einwoh- 
ner zählt,  liegt  ungefähr  gegenüber  der  alten  Stadt  auf  einem 
von  der  Mitte  der  Ostküste  in  eine  weite  und  offene  Bucht  vor- 
springenden Hügel,  am  Ausgange  des  V/^  Stunden  langen,  mit 
Fruchlbäumen  aller  Art  und  Cypressen  reich  geschmückten  Tha- 
ies von  Messaria.  Eine  kleine  Felsinsel  gerade  vor  der  Stadt, 
die  durch  eine  jetzt  zerstörte  Brücke  mit  ihr  verbunden  war, 
trägt  ein  stark  befestigtes  mittelalterliches  Schloss.  Ein  ähnliches 
mittelalterliches  Paläokastron  steht  auf  einer  in  zwei  Gipfeln  auf- 
steigenden Felshöhe  oberhalb  der  Weiter  südlich  gelegenen  Bucht 
von  Korthion.  Spuren  antiker  Ortschaften  finden  sich  weder  an 
diesen  beiden  Plätzen  noch  anderwärts  auf  der  Insel  mit  Aus- 
nahme der  Paläopolis  und  der  Bucht  von  Gavrion  —  nur  an  der 
Nordküste  soll  noch  ein  antiker  Befestigungsthurm  stehen  —  so- 


26,  2.  Die  heutigen  Bewohner  von  Andros  beziehen  dies  auf  eine  in 
einer  Kirche  der  Panagia  im  Dorfe  Menides  am  westlichen  Ende  der 
Ebene  von  Messaria  entspringende  Quelle  (s.  Ross  a.  a.  O.  S.  22  f.): 
allein  nichts  beweist,  dass  dort  ein  Tempel  des  Dionysos  stand, 

1)  FavQiov  Xen.  Hell.  I,  4,  22>;  Diod.  XIII,  69;  Anonym.  Stadiasm. 
maris  magni  §  283  (C.  Müller  Geogr.  gr.  min.  I,  p.  500).  Gaurelon 
Liv.  XXXI,  45.  "AvÖQog  zal  Xifitjv  Scyl.  Per.  58.  A-'gl.  Fiedler  a.  a.  O. 
S.  217  und  S.  233  ff.  (mit  Ansicht  des  Thurmes  auf  Tafel  IV,  1);  Koss 
S.  12  ff. 


2.   üie  ostgriechischen  Inseln:  die  Kykladen:  Tenos.  445 

dass  ofl'enbar  im  Alterthum  die  Insel  ausser  jenen  beiden  Orten  nur 
kleine  Weiler  oder  einzelne  Gehöfte  enthielt,  deren  Bewohner  dem 
Wein-  und  Obstbau,  dem  Ackerbau  und  der  Viehzucht  oblagen. 

Tenos')  (nach  heutiger  Aussprache  Tinos),  die  südöstliche  Tenos. 
Fortsetzung  von  Andros,  dem  es  an  Umfang  (vier  Quadratmeilen) 
wenig  nachsteht,  ist  eine  gegen  Südosten  allmälig  sich  verbrei-. 
ternde  Bergmasse  von  massiger  Erhebung  (der  höchste  Punkt, 
der  Gipfel  des  Berges  Kyknias^)  im  Osten  der  Insel,  ist  713  Me- 
ter hoch),  deren  Kern  im  südlicheren  Theile  der  Insel  Granit  bil- 
det, während  sie  im  Uebrigen  aus  Glimmerschiefer  besteht.  An 
mehreren  Stellen  der  Westküste,  besonders  des  nördlicheren 
Theils,  fnulen  sich  ausgedehnte  Lager  von  theils  ganz  weissem, 
theils  mit  bläulich-grauen  Streifen  durchzogenem  Marmor,  welcher 
einen  Ilauplausfuhrarlikel  der  Insel  liefert  und  Veranlassung  ge- 
worden ist,  dass  sich  seit  Jahrhunderlen  hier  eine  Schule  von 
Steinmetzen  gebildet  hat,  aus  der  neuerdings  einige  Bildhauer 
hervorgegangen  sind.  Im  Alterthum  scheinen  diese  Marmorlager 
wenig  ausgebeutet  worden  zu  sein;  etwas  mehr  der  im  Nord- 
westen der  Insel  auftretende,  theils  lauchgrüne,  theils  schwärzlich- 
grüne Serpentin,  in  welchem  man  den  Ophites  der  Alten  wieder- 
erkannt hat.  ^)  Obgleich  die  Insel  keine  eigentlichen  Thäler  be- 
sitzt, sondern  nur  einige  schmale  Strandebenen  und  eine  Anzahl 
mehr  oder  weniger  enge  Schluchten,  durch  welche  kleine  Bäche 
dem  Meere  zufliessen , '*)   gehört  sie  doch.   Dank  der  Betriebsani- 


')  Tr]viccv,cc  des  Aenesidamos  erwähnt  schol.  Apoll.  Khod.  Arg".  A, 
1300.  Vgl.  Tournefort  Voyage  du  Levant  I,  p.  136  ss. ;  Fiedler  Reise  II, 
!S.  241  ff.;  Uoss  Reisen  auf  den  griechischen  Inseln  I,  S.  11  ff.;  Moscha- 
tüs  De  insula  Teno  eiusque  historia,  Göttiugen  1855;  A.  de  Valon  L'ile 
de  Tine,  Revue  des  deux  mondes  1843,  T.  II,  p.  787  ss.  Die  Schrift  von 
Markaky  Zallony  Voyajre  k  Tine,  Paris  1809,  ist  mir  nicht  zugänglich. 
—  Die  Insel  soll  auch  wegen  ihres  Wasserrcichthums  'TSgovaCK  gc- 
hcissen  haben,  wegen  ihres  Keichthums  an  giftigen  Schlangen '0(ptot5(T(T«: 
riin.  IV,  12,  r,5;  Str|,li.  r.vz.  II.  Trjvos]  vgl.  schol.  Ar.  Plut.  718;  Hesych. 
II.   Trjvia. 

')  Der  von  d»  n  In  (  Ihewohnern  Tschiknia  ausgesprochene  Name, 
welcher  auch  dem  siidüstliciisten,  nach  Mykonos  zu  schauenden  Vorge- 
birge der  Insel  gcge})en  wird,  scheint  dem  alten  Fv^ccl  oder  Fvgdg  zu 
entsprechen:  vgl.  llcsych.  u.  rvgccg]  schol.  Lykophr.  Alex.  390. 

^)  Vgl.  Fiedler  a.  a.  O.  8.  250  ff. 

*)  Unter  den  zahlreichen  Quellen  der  Insel  soll  eine  gewesen  sein, 
deren  Wasser  »ich  nicht  mit  Wein  vermischte:  Athenr  II,  p.  43<=. 


446  lll.   Die  Inselwelt. 

kcit  ihrer  eUva  25,000  Siu^lcn  I)elrageiKlen  Bevölkerung J)  zu  den 
bestangebautcn  unter  den  Kykladen:  die  Berge  sind  bis  zu  den 
Gipfeln  hinan  mit  Terrassen  bedeckt,  auf  denen  Wein  (der  unter 
dem  Namen  Malvasier  ausgeführt  wird).  Feigen,  Getreide  und 
Gemüse,  namentlicli  Boluien  —  im  Alterllmm  war  der  Knoblauch 
von  Tenos  berühmt^)  —  gebaut  werden.  Exportartikel  sind 
ausser  Marmor  und  Wein  Seide,  Wachs  und  Honig.  Das  Klima 
der  Insel  gilt  für  besonders  gesund,  ein  Vorzug,  welchen  sie 
hauptsächlich  dem  während  der  Sommermonate  regelmässig  herr- 
schenden Nordwinde,  der  freilich  der  Schifffahrt  vielfache  Hinder- 
nisse bereitet,  verdankt.  Im  Alterthume  zeigte  man  einen  mit 
zwei  Säulen,  .von  denen  die  eine  angeblich  beim  Wehen  des  Nord- 
windes sich  bewegte,  geschmückten  Hügel  als  das  Grab  der  Söhne 
des  Boreas,  die  hier  von  Herakles  getödtet  worden  sein  sollten; 
heutzutage  bezeichnen  die  Tenioten  eine  Höhle  am  östlichen 
Fusse  des  Berges  Kyknias  mit  dem  Namen  der  Grotte  des  Aeolos.^) 
Tenos  theilte  meist  die  Schicksale  der  Nachbarinsel  Andros, 
erlangte  aber,  da  eine  tenische  Triere  unmittelbar  vor  der  Schlacht 
bei  Salamis  zu  der  griechischen  Flotte  übergegangen  war,  die 
Ehre  unter  den  griechischen  Staaten,  welche  gegen  die  Perser 
gekämpft  hatten,  auf  den  Siegesdenkmälern  zu  Delphi  und  Olym- 
pia aufgeführt  zu  werden.^)  Im  Jahre  362  v.  Chr.  wurde  die 
Insel  von  der  Flotte  des  Alexandros  von  Pherä  erobert  und  die 
Einwohner  zu  Sclaven  gemacht.  ^)  Nach  der  Zertrümmerung  des 
byzantinischen  Reiches  durch  die  Franken  kam  sie  1207  mit  der 
Nachbarinsel  Mykonos  in  die  Hände  der  Brüder  Andrea  und  Ge- 
remia  Ghisi  und  blieb  Eigenthum  der  Familie  Ghisi  bis  zum 
Jahre  1390,    wo   Venedig   sie   in   Besitz   nahm.     Im   Jahre  1537 


1)  Vgl.  Moschatos  1.  I.  p.  46,  nach  welchem  sich  die  Bevölkerung 
folgenderraassen  unter  die  vier  Demen  der  Insel  vertheilt:  Tinos  7580, 
Sosthenion  4370,  Peräa  6150,  Panormos  6610  Seelen. 

2)  Aristoph.  Plut.  718  c.  schol.;  Eustath.  ad  Dionys.  Per.  525. 

3)  Apoll.  Khod.  Arg.  A,  1304  ss,  c.  schol.;  Apollod.  III,  15,  2;  ITygin. 
Fab.  14  (p.  43,  11  ed.  Bunte),  lieber  die  Aeolosgrotte  vgl.  Fiedler  a.  a.  O. 
S.  256  ff.  Pasch  van  Krienen  (Breve  descrizione  dell'Arcipelago  p.  92) 
fabelt  von  Ruinen  eines  prächtigen  Tempels  des  Aeolos. 

4)  Herod.  VIII,  81  f.;  Inschrift  der  Schlangensäule  Gew.  7;  Paus.  V, 
23,  2. 

=)  Demosth.  in  Polycl.  p.  1207;  vgl.  Diod.  XV,  95. 


2.    Die  Oijtgriechischen  Inseln:  die  Kykladen:  Tenos.  447 

wurde  sie  zwar  durch  die  von  Khaireddln  Barbarossa  geführte 
türkische  Flotte  erobert,  aber  bahl  durch  Hülfe  von  Kreta  aus 
wieder  befreit  und  verblieb  den  Venezianern  bis  zum  Frieden 
von  Passarowitz  (21.  Juli  1718). 

Die  an  Umfang  wenig  bedeutende  Stadt  Tenos  lag  an  der 
Südküste  auf  der  Stelle  des  jetzigen  Städtchens  Hagios  Nikolaos, 
das  seit  dem  Befreiungskriege  wieder  der  Hauptort  der  Insel  ge- 
worden ist,  während  bis  dahin  das  V/^  Stunden  nordwärts  auf 
einem  schwer  zugänglichen  Berggipfel  gelegene,  stark  befestigte, 
jetzt  ganz  verlassene  Exoburgo  als  Residenz  des  venezianischen 
Proveditore  diese  Stellung  einnahm.  Der  heilige  Nikolaos,  nach 
welchem  das  Städtchen  benannt  ist,  ist  hier  wie  öfter  in  Grie- 
chenland an  die  Stelle  fies  Poseidon  getreten ,  des  Hauptgottes 
der  Insel  im  Alterthum,  welcher  zugleich  mit  seiner  Gattin  Am- 
phitrite  in  einem  Haine  nahe  bei  der  Stadt  einen  stattlichen 
Tempel  mit  Speisehallen  und  ähnlichen  Anlagen  für  die  zu  den 
Panegyreis  am  Feste  Posideia  zahlreich  herbeiströmenden  Fremden 
besass.  Ausser  ihm  wurde  besonders  Dionysos  verehrt  und  diesem 
ein  Fest  Dionysia  mit  dramatischen  Aufführungen  im  Theater  (das 
ebenso  wie  das  Gymnasion  ohne  Zweifel  in  der  Stadt  selbst  gelegen 
war)  gefeiert. ')  Der  Landungsplatz  bei  der  Stadt  ist  nur  eine  offene 
Rhede,  die  den  SchilTen  durchaus  keinen  genügenden  Schutz  dar- 
bietet; dagegen  findet  sich  ein  ziemlich  guter,  durch  eine  kleine 
jetzt  Planiti  genannte  Felsinsel  geschützter  Hafen  am  nördlichen 
Theil  der  Ostküste,  südlich  von  dem  nordöstlichsten  Vorsprung 
der  Insel,  dem  Cap  Echinos:  der  Name  l*anormos,  mit  welchem 
derselbe  jetzt  benannt  wird,   rührt  jedenfalls  aus  dem  Alterthum 


')  Strab.  X,  p.  487;  Pluloch.  frg.  184  und  185  (Frgt.  bist.  gr.  ed. 
C.  Müller  r,  p.  414);  Tue.  Ann.  III,  68;  Inschriften  im  C.  I.  gr.  n.  2829  ff. 
und  n.  2336^'  (wo  inifisXrjaKfisvov  rmv  zov  ^lovvGov  otxwv);  Philolo- 
gU8  zweiter  Supplementband  8.  570.  Die  Münzen  (vgl.  Eckhel  Doct. 
n.  V.  I,  2,  p.  337  s.)  zeigen  die  Typen  des  Poseidon,  des  Zeus  Ammon 
und  des  Dionysos.  Als  Stelle  des  Poseidontempels  betrachtet  Moschatos 
p.  7  SS.  den  zehn  Minuten  nördlich  von  der  jetzigen  Stadt  belogenen 
Hügel,  auf  welchem  jetzt  die  berühmte,  am  Feste  Maria  Verkündigung 
(25.  März)  von  zahlreichen  IMlgern  besuchte  Wallfalirtskirche  der  Panagia 
Evangelistria  stellt;  Koss  (a.  a.  O.  S.  14)  setzt  ihn,  weniger  wahrschein- 
lich, in  die  V/^  Stunden  nordwestlich  von  der  Stadt  gelegene  kleine 
Strandcbcue  Kiouia. 


448  in.    Die  Inselwelt. 

her.  ^)  Die  Beuoluier  der  Stallt  sowohl  als  der  iihiigcn  Insel  wa- 
ren in  eine  Anzahl  IMiylen  getheilt,  welche,  "analog'  den  attischen 
Demen,  locale  Bedeutung  halten.  Eine  dieser  IMiylen  bildete  die 
Stadt,  welche  wiederum  in  mehrere  (mindestens  sieben)  Quartiere 
(tovoi  d.  i.  Züge  genannt)  getheilt  \\ar;  die  Namen  der  übrigen, 
soweit  wir  sie  durch  Inschriften  kennen,  sind  FvQKetg  (nach  dem 
Berge  FvQccg,  vgl.  S.  445,  Anm.  2),  zfovaxelg  (mit  einer  Ort- 
schaft z/oVa|),  'ElsiovXsig  (mit  einer  Ortschaft  'EXelovXlov), 
'E<5%aTL(Dxav,  'HQaxXstdaf,,  ©sönccdai,  KXvfisvetg,  'OQVtjöLOL 
und  'TccHLvd-Lg  (mit  den  Ortschaften  'Tdxivd-og  und  Olov  'TaxLv- 
&Lx6v).^]  Ausserdem  werden  noch  in  den  Inschriften  eine  An- 
zahl Ortschaften  genannt,  die  keine  besondere  Phyle  bildeten  und 
von  denen  wir  nicht  wissen,  zu  welcher  Phyle  sie  gehörten:  so 
Eriston  (wahrscheinlich  bei  dem  Dorfe  Komi,  ungefähr  in  der 
Mitte  der  Insel,  in  einer  sehr  wasserreichen  Gegend  gelegen), 
Kestreon,  El  aus  u.  a.*^)  Alle  Ortschaften  mit  Ausnahme  der 
Stadt  waren  jedenfalls  nur  offene  Weiler  ohne  Befestigungsanlagen: 
nur  einzelne  Wartthürme  (wie  sich  die  üebcrreste  eines  solchen 
noch  an  der  Westküste  bei  dem  Dörfchen  Avdo  erhalten  haben)  ^) 
dienten  zum  Schutz  namentlich  gegen  plötzliche  AngrifTe  von  See- 
räubern. 
Mykouos.  Südöstlich  von  Tenos  liegt  die  Insel  Mykonos,^)  eine  ganz 

aus  Granit  bestehende  dürre  und  kahle  Bergmasse  von  2y,Q  Qua- 
dratmeilen Umfang  und  geringer  Erhebung;  denn  die  höchste 
Kuppe,  der  Hagios  Elias  im  Norden  der  Insel  (wahrscheinlich  der 


•)  Auf  diesen  Hafen  bezieht  sich  wohl  die  Angabe  bei  Scyl.  Per,  58: 
T^vog  >tal  Ufirjv. 

2)  Vgl.  die  Inschrift  C.  I.  gr.  n.  2338  und  Ross  Inscr.  gr.  ined.  II, 
n,  102  und  103. 

3)  'Ev  ^HgCotcp  C,  I.  gr.  n.  2336,  8  (diese  Inschrift  befindet  sich  nach 
Ross  Inselr.  I,  S.  14  in  der  Hauptkirche  des  Dorfes  Komi)  und  n.  2338, 
99;  £.y  KsGTQSoi  Ross  Inscr.  gr.  ined.  II,  n.  102;  iv  'Elaiovvn  C.  I.  gr. 
n.  2338,  18;  42,  61;  dieselbe  Inschrift  giebt  noch  folgende  theils  unvoll- 
ständige, theils  zweifelhafte  Ortsnamen:  sv  Aloilsi  (Z.  56;  81  f.;  89);  Iv 
'Alo  .  .  .  (Z.  46);  h  'Aa^Evsto)  (Z.  88  f.);  iv  Kifiinm  (Z.  49);  iv  Kvaifi . .  . 
(Z.  66);  iv'NoziaSmv  (Z.  112);  iv  na^rjGa  .  .' .  (Z.  14  und  19);  iv 
Sa.7]d-a)  (Z.  71),  Die  jetzigen  Ortschaften  der  Insel  führt  einzeln  auf 
Moschatos  1,  1.  p.  40  ss. 

4)  S.  Ross  Inselr.  I,  S.  16: 

^)  Vgl.  Tournefort  Voyage  I,  p.  106  ss.;  Fiedler  Reise  U,  S.  259  ff,; 
Ross  Inselreisen  II,  S.  28  ff. 


2.   Die  ostgriecliischen  Inseln:  die  Kykladen:  Mykonos.        449 

Dimastos  der  Alten)  J)  hat  mir  364,  die  nächslliöchste  ober- 
halb des  Klosters  der  Panagia  Turliani  im  Osten  nur  350  Meter 
Höhe.  Gewaltige  Felsblöcke,  welche  alle  höheren  Punkte  der 
Insel  in  wilder  Unordnung  bedecken,  geben  Zeugniss  von  mäch- 
tigen Erschütterungen,  denen  sie  in  alten  Zeiten  unterworfen  ge- 
wesen ist:  im  Alterthum  haben  sie  Veranlassung  gegeben,  die 
Sage  vom  Gigantenkampf  hier  zu  localisiren  und  die  ganze  Insel 
als  das  Grab  der  von  Herakles  getödteten  Giganten  zu  bezeich- 
nen. Auch  das  Grab  des  lokrischen  Aias  wurde  auf  der  Insel 
gezeigt.-)  Trotz  ihrer  Kahlheit  und  des  Mangels  an  genügender 
Bewässerung  ist  sie  nicht  ganz  unfruchtbar,  sondern  bringt  ziem- 
lich viel  Feigen,  Wein  und  Gerste  hervor;  die  Hauptbeschäf- 
tigung der  Einwohner  (gegen  6000  Seelen)  aber  ist  die  SchifT- 
fahrt,  wie  die  Insel  auch  im  Alterthum  nur  als  Station  für  die 
Seefahrer  von  Bedeutung  gewesen  ist  und  nie  eine  selbständige 
Bolle  in  der  Geschichte  gespielt  hat.  Sie  soll  durch  eine  athe- 
nische Colonie  unter  Führung  des  Hippoklcs  ionisirt  worden  sein^) 
und  gehörte  sowohl  dem  älteren  als  dem  neueren  athenischen 
Seebunde  an.  Im  späteren  Mittelalter  war  sie  meist  ein  Anhängsel 
der  grösseren  Nachbarinsel  Tenos.  Die  Bewohner  standen  im 
Alterthum  bei  den  übrigen  Griechen  in  übelem  Bufe:  ein  Myko- 
nier  oder  ein  mykonischer  Nachbar  waren  sprüchwörtliche  Aus- 
drücke zur  Bezeichnung  eines  kleitdichcn,  habsüchtigen  und  gei- 
zigen Menschen;  auch  behauptete  man,  dass  den  Mykoniern  das 
Erbübel  der  Kahlköpfigkeit  anhafte.*) 


<)  Plin.  IV,  12.  66.  Ob  die  von  Ptol.  III,  15,  21)  angeführte  ^oqßicc 
änga  der  nordwestliche  Vorsprang  dieses  Jicrges  (jetzt  Cap  Turin)  oder 
das  Cap  Akrotiri  der  Ostküste  ist,  wage  ich  nicht  zu  entscheiden. 

2)  Strab.  X,  p.  487;  Aristot.  Pepl.  epigr.  16  (Bergk  P.  1.  gr.  p.  652). 
—  Aus  dem  Mangel  an  Vegetation  ist  wohl  die  von  Aclian.  Do  anim.  V, 
42  gegebene  Notiz,  dass  keine  liicnen  auf  Mykonos  leben  können,  zu  er- 
klaren. Für  Wein-  und  Getreidebau  zeugen  die  Münztypen:  Traube, 
Gerstenkorn  unil  Arlncn  neben  den  Köpfen  des  Dionysos  und  des  Zeus; 
8.  Eckhcl  D.  n.  v  I,  J,  ]>,  :i:i2  ».  Den  Wein  von  Mykonos  lobt  Plin. 
XIV,  7,  75. 

')  Zenob.  Prov,  V,  17;  Schol.  Dionys.  Per.  525.  Die  (jcnculogie  des 
Heros  eponymos  Mykonos  als  Sohnes  des  Anios  bei  Steph.  Byz.  u.  Mv- 
xoroff  iHsst  auf  Zusammenhang  der  Hltcsten  Bevölkerung  mit  der  der 
Insel  Andros  schliessen. 

^)  AIvHOViog  yeCxoiv:  Zenob.  V,  21 ;  Suid.  u.  d.  W. :  vgl.  Athen.  I,  p.  7^; 
VIII,  p.  346''.     Ein  anderes  Sprüchwort  war  ftta  iV/uxoi'Og  oder  ÄftvO"' 


450  III.    Die  Inselwelt. 

Von  den  beiden  Slädten,  welche  die  [nsel  im  Aiterlhurn  be- 
sass,  lag  die  eine,  jedenfalls  auch  Mykonos  genannte,  auf  der 
Stelle  des  jetzigen  Städtchens  Mykonos  in  der  Mitte  einer  weiten 
und  offenen  Bucht  der  Westküste:  einige  Reste  des  Ilafendam- 
nies,  ein  Paar  antike  Marmorstückc  und  eine  halbe  Stunde  süd- 
lich von  der  Stadt  die  Ruine  eines  runden  hellenischen  Wart- 
thurmes  nebst  zwei  kaum  leserlichen  Inschriften  in  einer  benach- 
barten Capelle  der  [lagia  Marina  sind  jetzt  die  einzigen  Ueberreste 
derselben.  Die  zweite  Stadt  lag  vielleicht  an  der  tief  in  die 
Nordküste  der  Insel  eindringenden  Bucht  von  Panormos,  deren 
Name  aus  dem  Alterthum  zu  stammen  scheint.  ^) 

Gerade  östlich  von  Mykonos  liegt  eine  kleine  unbewohnte 
Felsinsel,  jetzt  Drakonisi  genannt,  südöstlich  von  dieser  eine  zweite 
ähnliche,  Stapodia:  beide  zusammen  wurden  von  den  alten  Geo- 
graphen, denen  sie  als  eine  Art  Merkzeichen  für  die  von  Osten 
her  nach  den  Kykladen  segelnden  Schiifer  wichtig  erschienen,  als 
die  nielan tischen  Klippen  bezeichnet,  eine  Name,  der  allerdings 
von  späteren  Dichtern,  welche  die  Argonautensage  behandelt  ha- 
ben, auf  ein  Paar  in  der  Nähe  der  Inseln  Anaphe  und  Thera 
gelegene  Klippeninseln  bezogen  worden  ist.'^) 


vito  (iLav  Mvyiovov  ('Alles  ein  Schwamm',  ""ein  Trödel')  zur  Bezeichnung 
verschiedenartiger  Dinge  die  unter  eine  Rubrik  gebracht  werden :  Zenob. 
V,  17;  Append.  prov.  IV,  52;  Strab.  X,  p,  487;  Eustath.  ad  Dionys. 
Per.  525;  Plutarch.  Symp.  I,  2,  2;  Themist.  Or.  31,  p.  250.  Kahlköpfig- 
keit: Strab.  und  Eustath.  11.  11.;  Plin.  XI,  37,  130. 

1)  MvKOVog,  avtr}  dtnolis  Scyl,  Per.  58:  Ptol.  III,  15,  29  kennt  nur 
eine  Stadt  {Mvaovov  t]  noliq).  Inschrift  (.worin  Fest  IJoGLÖeia  er- 
wähnt, was  vielleicht  auf  die  Feier  auf  Tenos  zu  beziehen  ist)  bei  Ross 
Inscr.  gr.   ined.  II,  n.  145  =  Rangabe  Antiq.  hell.  n.  899. 

2)  Dass  die  MsXavtioi  oder  MsXdvtsiOt  ghotieIol  östlich  von  My- 
konos zu  suchen  sind,  beweist  das  /iicccpQayiia.  hinter  Skylax  Periplus 
(Geogr.  gr.  min.  ed.  C.  Müller  I,  p.  95);  Anonym.  Stadiasm.  mar.  m. 
§  280  (a.  a.  O.  p.  498)  und  §  284  (ebds.  p.  500)  und  Strab.  XIV,  p.  636. 
In  der  Nähe  von  Anaphe  setzen  sie  Apollon.  Rhod.  Argon,  z/,  1707 
(schol.  ad  h.  1.  bei  Thera);  Orph,  Argon.  1363  und  Apollod.  I,  9,  26, 
wornach  Ross  Inselreisen  I,  S.  80  den  Namen  auf  die  beiden  hohen,  jetzt 
xa  ÄQtatiavd  genannten  Klippen  südlich  von  Thera  bezogen  hatte,  ein 
Irrthum,  den  er  selbst  ebds.  II,  S.  166  berichtigt  hat.  Der  Irrthum  der 
Dichter  ist  veranlasst  durch  das  Bestreben,  die  Sage  von  der  Erschei- 
nung des  Apollon  auf  den  MsXkvtslol  a-aoTthlov  und  die  etymologische 
Legende  über  die  Insel  Anaphe  und  den  dortigen  Cult  des  Apollon  Al- 
yl^zrjg  zu  vereinigen. 


2.  Die  ostgriechischen  Insehi :  die  Kykladen:  Delos.  451 

Der  südwestlichste  Theil  von  Mykonos  wird  durch  einen  ^^^^^^ 
ziemhch  schmalen  Canal  von  einem  Inselpaare  getrennt,  welches  ^^''^neia. 
heutzutage  ohne  feste  Bewohner,  nur  von  Hirten  und  SchilTern 
zeitweise  besucht  und  gewöhnlich  mit  dem  gemeinsamen  Namen 
Diu  oder  Diläs  {^rjXot  oder  z/»fA«tg)  benannt  wird:  die  west- 
lichere kleinere  der  beiden  Schwesterinseln,  jetzt  mit  dem  Ein- 
zelnamen ^die  kleine  Delos',  ist  die  antike  Delos, ^)  die  welt- 
bekannte Stätte  des  Apolloncultes,  die  sagenberöhnite  Geburts- 
stätte der  göttlichen  Zwillinge  Apollon  und  Artemis;  die  grössere 
westlichere,  jetzt  die  grosse  Delos,  hiess  im  Alterthum  Rheneia 
oder  Rhenäa^)  und  diente  als  eine  Art  profaner  Vorhof  für  die 
heilige  Nachbarinsel,  auf  welcher,  seitdem  sie  im  Jahre  426  v.  Chr. 
von  den  Athenern  einer  gründlichen  Reinigung  durch  Entfernung 
aller  Gräber  unterzogen  worden  war,  weder  Geburten  noch  To- 
desfälle —  Ereignisse,  welche  nach  antiker  Anschauung  die  Oert- 
lichkeiten,  an  welchen  sie  vor  sich  giengen,  verunreinigten  — 
stattfinden  durflen.  ^)    Beide  Inseln  bestehen  ganz  aus  Granit  und 


')  J7]liciy.K  hatten  geschrieben  Philoehoros  (Siiid.  u.  ^iXoxoQog), 
Antikleides  (Schol.  Apollon.  Rhod.  Arg.  A,  1289),  Paläphatos  von  Aby- 
dos  (Siiid.  u.  TlaXaLfpaTog  'j4ßv8r}v6g)  und  Phanodikos  (C.  Müller  Frgt. 
Inst.  gr.  IV,  p.  473),  eine  Jrjhäg  in  8  Büchern  Semos  von  Delos  (C.  Mül- 
ler a.  a.  O.  p.  492  SS.),  einen  JrjXiayiog  Deinarchos  (a.  a.  O.  p.  391), 
nsgl  /JrjXov  Kai  trjg  ytvs6S(og  zcSv  Arjtovg  nca'Soiv  Demades  (Suid.  u. 
JrjfidSrjg).  Von  Neueren  vgl.  Tournefort  Voyage  I,  p.  110  ss.;  'Histoire 
de  risle  de  Delos  par  M.  TAbbe  Salier'  in  den  Memoircs  de  litterature 
tirez  des  regires  de  Tacademie  royale  des  inscriptions  et  helles  Icttres 
depuis  1711  jusqu'A,  1718,  t.  IV  (ä  la  Haye  1724)  p.  523  ss.;  Leake  Tra- 
vels in  northern  Greece  III,  p.  95  ss.;  Ross  Inselreisen  I,  S.  30  ff.;  11, 
S.  167  ff.;  Fiedler  Reise  II,  S.  269  ff.;  Ch.  Benoit  Fragment  d'un  voyage 
entrepris  dans  Tarchipel  grec  en  1847,  III  Delos,  in  den  Archives  dos 
missions  scientifiques,  t.  II  (1851),  p.  386  ss. 

')  Vgl.  über  die  selbst  in  Inschriften  wechselnden  Formen  'Pi/vfirv 
und  'Pt]vaicc  Böckh  Staatsliansli.  II,  S.  721  und  Pape-Bcnseler  WJIrterJ). 
'1.  <^riech.  Eigennamen  n.  d.  W. 

•♦)  Thuk,  III,  104  und  Diod.  XII,  58,  die  ausdrücklich  diese  Mass- 
legel  (die  jedenfalls  einen  politischen  Zweck  hatte,  die  Verhinderung 
der  städtischen  Kntwickehing  von  Delos,  in  welchem  Athen  eine  Rivalin 
fürchtete)  an  die  zweite  totale  Reinigung  der  Insel  anknüpfen,  nicht  an 
die  erste  partielle  durch  Peisistratos,  bei  welcher  ntir  die  innerhalb  des 
Gesichtskreises  des  Ileiligthuins  gelegenen  Orälier  entfernt  wurden:  also 
ist  die  von  Phit.  Apophth.  Lacou.  Pausan.  CIcoml>r.  1  erzählte  Anekdote 
ein  Anachronismus,    wenn  man  sie   nicht   mit  Dorville  und  Böckh  auf 


452  111.  Die  Inselwelt. 

sirnl  lieutzulage  völlig  bauniios,  nur  liie  niul  da  mit  niedrigem 
Gestrüpp  bewaclisen,  das  zwiselieii  den  Tiümmerhaiifeii,  welclie 
ganz  Delos  und  den  südlichsten  Tlieil  von  Rliencia  bedecken  und 
in  dem  Besucher  den  Eindruck  der  trostlosesten  Verödung  und 
völliger  Abgestorbenheit  erwecken,  emporwuchert.  Delos  ist  ein 
schmaler,  etwa  fünf  Kilometer  langer  Felsrücken,  dessen  höchste 
Kuppe,  ein  ziemlich  in  der  Mitte  der  Insel  etwas  nfdier  der  Oslf 
küste  gelegener  Hügel  von  106  Meter  Höhe,  von  den  Alten  als 
der  Berg  Kynthos  bezeichnet  wird;  ein  fast  das  ganze  Jahr 
hindurch  trockener  Giessbach,  dessen  zum  Theil  mit  Marmor- 
quadern eingefasstes  Bett  sich  von  dem  Hügel  in  südwestlicher 
Bichtung  herabzieht,  hies  Inopos:  die  antike  Legende  Hess  ihn 
in  geheimnissvoller  Weise  mit  dem  Nil  in  Verbindung  stehen J) 
Dem  Mangel  an  Wasser  hatte  man  durch  sehr  zahlreiche  Cister- 
nen  und  mehrere  gegrabene  Bassins  oder  kleine  Teiche  abgehol- 
fen. Bhencia  besteht  aus  zwei  etwas  breiteren  und  mehrfach 
ausgezackten  Bergmassen,  gleichfalls  von  geringer  Erhebung  (der 
höchste  Punkt  in  der  nördlicheren  Hälfte  hat  150  Meter  Höhe), 
welche  durch  einen  schmalen  Isthmos  mit  einander  verbunden 
sind:  sie  ist  eben  so  dürr  und  noch  öder  und  kahler  als  Delos. 
In  dem  Canal  zwischen  beiden  liegen  zwei  kleine  Felsinselchen, 
welche  jetzt  die  grosse  und  kleine  Bevmatiari  genannt  werden: 
die  erstere  hiess  bei  den  Alten  die  Insel  der  Hekate  oder 
auch  Psammetiche. -)  Sie  wurde  wahrscheinlich  als  eine  Art 
natürlicher  Brückenpfeiler  von  Nikias  benutzt,  der  als  Führer 
einer  athenischen  Festgesandtschaft  mit  dem  Chor  und  den  Opfer- 
thieren  auf  Bheneia  landete,  während  der  Nacht  eine  Brücke,  die 


Pausanias  den  Sohn  des  Pleistoanax  (König-  von  Sparta  408 — 394  v.  Chr.) 
beziehen  will.  Eine  Heimsuchung  der  Delier  durch  Krankheit  in  Folge 
einer  Uebertretung  des  Verbots  erwähnt  (Aeschin.)  Epist.  1., 

'3  Hymn.  in  Apoll.  Del.  17  s  ;  26;  141;  Strab.  VI,  p.  271;  X,  p,  485; 
Paus.  II,  6,  3;  Callimach.  Hymn.  in  Dian.  171;  in  Del.  206  u.  ö.;  Plin, 
II,  103,  229;  Steph.  Byz.  u.  Kvv&og.  Vgl.  über  den  von  mir  für  den 
Inopos  (welchen  Andere  fälschlich  in  einem  noch  jetzt  Wasser  enthal- 
tenden Brunnen  in  nördlichsten  Theile  der  Insel  erkennen  wollen)  gehal- 
tenen Bach  Leake  Northern  Greece  III,  p.  102;  Ross  Inselr.  I,  S.  31. 

2)  'E-UKtrjg  vrjoog,  s.  Athen.  XIV,  p,  645''  (wornach  die  Delier  da- 
selbst der  Iris  opferten);  Harpocr.  p.  67,  11:  statt  Wcc^ifirjTLxrjj  was  die- 
ser als  andern  Namen  giebt,  steht  bei  Suid.  u.  'E-ncitrjs  vrjaog  Wa(i[iLtrj. 


2.  Die  ostgriechischen  Insehi:  die  Kykladen:  Delos.  453 

er  fertig  von  Athen  aus  mitgebracht  hatte,  von  hier  nach  Delos 
schlagen  Hess  und  über  dieselbe  am  nächsten  Tage  in  feierlicher 
Procession  zum  Heiligthum  zog;  und  schon  früher  wird  sie  wohl 
zu  einem  ähnlichen  Zwecke  gedient  haben,  als  Polykrates  von 
Samos,  nachdem  er  Rheneia  erobert  hatte,  diese  Insel  dem  deli- 
schen  Apollon  weihte  und  zum  äussern  Zeichen  dieser  VVeihung, 
durch  welche  die  grössere  Hheneia  zu  einem  blossen  Anhängsel 
der  kleineren  Delos  wurde,    beide  durch  eine  Kette  verband J) 

So  wenig  einladend  auch  ihrer  natürlichen  Beschaffenheit 
nach  die  beiden  Inseln  für  Ansiedler,  die  dem  Boden  etwas  an- 
deres als  blosse  Bausteine  abgewinnen  wollen,  sind,  so  bieten  sie 
doch  für  eine  seefahrende  Bevölkerung  einen  nicht  gering  anzu- 
schlagenden Vortheil  dar:  der  Canal  zwischen  beiden  gewährt 
einen  guten  Ankerplatz  für  eine  grosse  Anzahl  von  Schiffen  — 
im  Frühling  des  Jahres  479  v.  Chr.  lag  hier  die  ganze  helle- 
nische Flotte,  110  Schiffe  stark,  vor  Anker 2)  —  und  an  der 
Westküste  von  Delos,  sowie  an  der  Ostküste  und  Südküste  von 
Bheneia  finden  sich  mehrere  gute  natürliche  Häfen.  Dieser  Vor- 
theil, sowie  die  günstige  Lage  für  den  Verkehr  zwischen  den 
Inseln  des  ägäischen  Meeres  und  der  Westküste  Kleinasiens  war 
offenbar  die  Ursache,  dass  sich  nicht  nur  sehr  frühzeitig  karische 
Seefahrer,  beziehendlich  Seeräuber,  hier  wie  auf  den  meisten 
Kykladen  festsetzten,  sondern  dass  auch  nach  Vertreibung  der- 
selben das  kleine  und  unfruchtbare  Eiland  Delos  zur  Stätte  des 
glänzendsten  Heiligthums  des  gemeinsamen  ionischen  National- 
gottes, des  Apollon,  und  damit  nicht  nur  zum  religiösen,  sondern 
auch  zum  politischen  Mittelpunkte  der  ionischen  Seestaaten  des 
europäischen  und  asiatischen  Hellas  gemacht  wurde,  deren  An- 
gehörige zu  den  Festen  des  Gottes  in  grosser  Anzahl,  von  ihren 
Weibern  und  Töchtern  begleitet,  zusannnenkamen  und  dabei  auch 
die  gemeinsamen  politischen  und  commerciellen  Interessen  be- 
rielhen.^)    Die  politisrhc  Bedeutung  dieser  delischen  Amjdiiktyouie 


»)  Plut.  Niltias  3.  —  Thuk.  HI,  104. 

')  TIerod,  VIII,  132  f.;  Diod.  XI,  31:  letzterer  gicbt  die  Starke  der 
Flotte,  entschieden  irrig,  auf  260  Trleren  an.  Die  günstige  Lage  und 
die  Siclierheit  des  Hafens  von  Delos  heben  Strab.  X,  p.  486,  Zenob.  Prov. 
II,*  .37  und  Vergil.  Aen.  III,  78  liervor.  Vjjfl.  lllriclis  Keison  und  For- 
Hohungen  II,  ».  203  ff. 

3)  Thuk.  I,  8;   III,  KM;   Strab.  X,  p.  485:   vgl.    liir  die  Geschichte 


454  III.    Die  Inselwelt. 

wurde  freilich  frühzeili},'  durch  das  Uehergewicht  einzcjhier  Staa- 
ten und  Fürsten,  wie  des  Peisislratos  von  Athen  und  des  Poly- 
krates  von  Samos,  die  einer  nach  dem  anderen  eine  Art  Patronat 
über  das  IleiHgthum  und  die  Insel  ausiihten,  ^)  vernichtet  und  in 
Folge  dessen  giengen  die  Festversanimlungen  und  der  Agon,  der 
mit  denselben  verbunden  war,  ein;  aber  das  Ansehen  un^J  der 
Ruhm  des  Heiligthums  stieg  immer  mehr.  Als  im  Jahre  490  die 
Delier  beim  Herannahen  der  Perserflotte  sich  nach  Tenos  ge- 
flüchtet hatten,  Hess  sie  der  persische  Heerführer  Datis  zur  Rück- 
kehr auffordern,  weil  er  weder  ein  Land,  das  die  Geburtsstätte 
zweier  Gottheiten  sei,  noch  die  Bewohner  desselben  irgendwie 
schädigen  werde:  als  Beweis  für  seine  Verehrung  für  die  heilige 
Insel  Hess  er  seine  Schiffe  nicht  in  Delos,  sondern  in  Rheneia 
anlegen  und  opferte  300  Talente  Weihrauch  auf  dem  grossen 
Altar.  2)  Bei  Begründung  des  attischen  Seebundes  im  Frühjahr 
476  wurde,  offenbar  in  Anknüpfung  an  die  alte  delische  Am- 
phiktyonie,  Delos  zum  Mittelpunkte  des  Bundes  gewählt,  indem 
hierher  die  Versammlungen   der  Abgeordneten  sämmllicher  Bun- 


der Insel  besonders  Böckh  Erklärung  einer  attischen  Urkunde  über  das 
Vermögen  des  apollinischen  Heiligthums  auf  Delos  in  den  Abhandlungen 
der  histor.-philos.  Classe  der  Berliner  Akademie  der  Wiss.  aus  dem  Jahre 
1834,  S.  1  fF.  (jetzt  in  A.  Böekh's  Gesammelten  kleinen  Schriften  Bd.  V, 
S.  430  ff.).  Die  Stiftung  der  mit  der  Panegyris  verbundenen  musischen 
und  gymnischen  Agonen  wurde  dem  Theseus  zugeschrieben:  Plut.  Thes. 
21.  Die  erste  Begründung  des  Ap»lloncultes  auf  Delos  ist  nach  der  hier 
besonders  heimischen  Hyperboreersage  (vgl.  Herod.  IV,  32  ff.)  wohl  von 
Thessalien  (den  Minyern  am  pagasäischen  oder  den  Achäern  am  mali- 
schen Meerbusen)  ausgegangen;  gewiss  hat  aber  auch  das  kretische  Knos- 
sos,  dessen  Apolloncult  wieder  auf  Lykien  zurückweist  (man  vgl.  die 
Sage  vom  Lykier  Ölen  auf  Delos  bei  Herod.  IV,  35),  bedeutenden  Ein- 
fluss  auf  denselben  ausgeübt.  Die  Tradition,  welche  sämmtliche  Kykla- 
den  von  Athen  aus  colonisirt  werden  lässt,  kennt  auch  eine  athenische 
Ansiedelung  auf  Delos  unter  Führung  des  Antiochos  und  auf  Rheneia  unter 
Führung  des  Delon:  schob  Dionys.  Perieg.  525,  vgl.  Vellei.  Pat.  I,  4.  — 
Mythische  und  poetische  Namen  für  Delos,  wie  'OqxvyCcx,  'y^ctSQi'cc,  IIs- 
Xccoyta,  2yiv&ig,  Kvv%tu^  Xlcc^vdia,  IIvQTtoXog,  geben  Plin  IV,  12,  66 
und  Steph.  Byz.  u.  /JrjXog. 

')  Dies  beweist  für  Peisistratos  die  Thatsache,  dass  auf  seinen  Be- 
fehl alle  im  Gesichtskreis  des  Heiligthums  liegenden  Gräber  entfei-nt 
wurden,  für  Polykrates  die  Eroberung  von  Rheneia  und  die  Weihüng 
dieser  Insel  an  den  delischen  Gott:  Herod.  I,  64;  Thuk.  III,   104. 

2)  Herod.  VI,  97  f. 


2.   Die  ostgriechischen  Inseln:  die  Kykladen:  Delos.  455 

desstaaten  berufen  und  hier  im  Heiligthunie  die  Bundeskasse  auf- 
bewahrt wurde. ')  Als  in  Folge  der  veränderten  Stelhing  Athens 
zu  den  Bundesgliedern  jene  Versaninikuigen  aufhörten  und  die 
Bundeskasse  nach  Athen  übergesiedelt  wurde  (walirscheinlich  Ol. 
81,  3  =  454/53  v.  Chr.),  blieb  das  Ileiliglhmn  und  die  als 
blosses  Annex  desselben  betrachtete  Stadt  Delos  unter  der  un- 
mittelbaren ßotmässigkeit  und  Verwaltung  Athens  ;2)  daraus  ist 
es  zu  erklären,  dass  die  Delier  in  den  attischen  Tributlisten  nicht 
erscheinen,  während  die  Bewohner  von  Rheneia  als  Iributpflichtig 
aufgeführt  werden.  Ol.  88,  3,  im  Winter  des  Jahres  426/25  v. 
Chr.,  fand  eine  neue  vollständige  Säuberung  der  Insel  von  allen 
noch  darauf  vorhandenen  Gräbern  Statt,  woran  sich  die  Wieder- 
herstellung und  Erweiterung  der  alten  Festfeier  anschloss,  die 
von  nun  an  aller  vier  Jahre,  wahrscheinlich  am  sechsten  und 
siebenten  Thargelion  (gegen  Ende  Mai)  als  den  Geburtslagen  der 
Artemis  und  des  Apollon  nach  delischer  Legende,  in  jedem  drit- 
ten Olympiadenjahre  mit  musischen,  gymnischen  und  hippischen 
Agonen  gefeiert  wurde.  ^)  Zur  Bestreitung  der  Kosten  dieser 
Feier  und  überhaupt  zur  Vermehrung  der  regelmässigen  Einkünfte 
des  Heiligthums  wurde  die  alte  delische  Amphiktyonie  erneuert, 
freilich  in  beschränkterem  Umfange,  denn  sie  umfasste  ausser 
Athen  als  dem  Vorort  die  Inseln  Andros,  Tenos,  Mykonos,  Syros, 
Keos,  Seriphos,  Siphnos,  los,  Faros,  Naxos  und  Ikaros  und  die 
Stadt  Karystos  auf  Euboia.  Jedes  Bundesglied  (ausser  Athen) 
zahlte  einen  jäbrlichen  ^Zins'  [toxo^)  an  die  Kasse  des  Heilig- 
thums, welche  ausserdiem  sehr  bedeutende  Einkünfte  als  Zinsen 
von  ausgeliehenen  Capitalien,  als  Pachtgelder  und  Mietbzinsen  für 
dem  Gölte  gehörige  Ländereien  und  Häuser,  endlich  aus  Straf- 
geldern  und   dem  Verkauf   eingezogener   Güter   hatte.     Zur  Ver- 


•)  Thuk.  I,  9G,  dazu  U.  Köhler  Urkunden  und  Untersuchungen  zur 
Geschichte  des  delisch-attischen  Hundes  S.  91  f.;  über  die  Verlegung  nach 
Athen  Plut.  Aristid.  25;  Pericl.  12;  lustin.  III,  6,  4;  dazu  U.  Köhler 
a,  a.  O.  ö.  99  flf. 

«)  Dies  beweist  die  von  Böckh  a.  a.  O.  S.  22  ff.  (S.  453  ff.)  behan- 
I leite  Inschrift,  welche  lehrt,  dass  das  Ileiligthuiu  schon  Ol.  80,  3  und  4, 
also  vor  der  Wiederheratellung  der  Festfeier,  unter  der  Verwaltung 
Athens  stand. 

>)'Thuk.  III,  104;  Diod.  XII,  68;  Poll.  I,  37;  VIII,  107;  Inschr. 
bei  Kangrabd  Ant.  hell.  II,  n.  DOS  und  n.  1070;  ül)er  die  Kalondcrzeit 
v^I.  A.  Moiiim.sr.n  Ifeortolo{jie  S.    ]]'>  I, 


456  in.    Die  Inselwelt. 

Wallung  des  Vermögens  und  zur  Leitung  des  Festes  wurde  eine 
jährlich  wechsehide  Behörde,  Amphiktyones  genannt,  deren  Vor- 
sitzender und  Schreiber  jederzeit  Athener  waren,  ernannt;  die 
Delier  selbst  wurden  zu  untergeordneten  Dienstleistungen  beim 
Feste,  als  Köche,  Aufwärter  und  Tafeldiener  verwendet.^)  Die 
Delier,  über  diese  Unterdrückung  empört,  scheinen  bald  darauf 
einen  Versuch  gemacht  zu  haben,  mit  Hülfe  der  Lakedämonier 
das  neue  Joch  abzuschütteln:  zur  Strafe  dafür  wurden  sie  Ol. 
89,  3  (422)  von  den  Athenern  gezwungen,  ihre  Ileimath  zu  ver- 
lassen und  Hessen  sich  in  Atramyttion  in  Mysien,  wo  ihnen  der 
persische  Satrap  Pharnakes  Wohnsitze  anwies,  nieder;  dort  wur- 
den die  angesehensten  Männer  derselben  von  dem  Perser  Arsa- 
kes  hinterlistig  ermordet,  den  übrigen  wurde  schon  im  Jahre  420 
von  den  Athenern  die  Rückkehr  in  die  Ileimath  gestattet.  ^)  Na- 
türlich dauerte  der  Widerwille  der  Delier  gegen  die  ihnen  octroyirte 
fremde  Behörde  (neben  welcher  übrigens  jährliche'  delische  Ar- 
chonten  bestanden)  fort  und  machte  sich  von  Zeit  zu  Zeit  in  Ge- 
waltthätigkeiten  gegen  die  Mitglieder  derselben  Luft;  so  werden 
in  der  Rechnungsurkunde  der  Amphiktyonen  von  Ol.  100,  4  — 
101,  3  eine  Anzahl  Delier  aufgeführt,  welche  Ol.  101,  1  (376/75) 
Iheils  zu  lebenslänglicher  Verbannung,  theils  zu  Geldstrafen  von 
je  10,000  Drachmen  verurtheilt  worden  waren,  weil  sie  die  Am- 
phiktyonen aus  dem  Heiliglhume  vertrieben  und  geprügelt  hatten.^) 
Ol.  109,  1  (344/43)  brachten  die  Delier,  wahrscheinlich  durch 
Philipp  von  Makedonien  aufgemuntert,  eine  Klage  gegen  die 
Athener  wegen  des  Besitzes  des  Heiligthumes  bei  den  Amphiktyo- 
nen in  Delphi  ein,  wobei  der  Olynthier  Euthykrates  die  An- 
sprüche der  Delier,  Hyperides  die  Sache  der  Athener  vertrat: 
die  Rede  des  letzteren  machte  auf  die  Amphiktyonen  einen  sol- 
chen  Eindruck,    dass   sie  die   Klage    der   Delier   zurückwiesen.''} 


<)  S.  die  Inschr.  C.  Ugr.  n.  158  =  Böckli  Staatsh.  IF,  n.  VIT,  S.  78  ff.; 
ebds.  n.  VlIB,  S.  108  f.  (==  Rangabe  Ant.  hell.  11,  n.  856);  n.  XV, 
S.  318  ff.  (=  C.  I.  gr.  n.  159)  und  n.  XV  B,  S.  326  ff.  (=  Rangabe  Ant. 
heli.  n.  857);  Athen.  IV,  p.  173»>. 

2)  Thuk.  V,  1;  32;  VIII,  108;  Diod.  XII,  73;  77;  Paus.  IV,  27,  9. 

3)  Bückh  Staatsh.  II,  S.  104  ff. 

■*)  Demosth.  De  cor.  p.  271;  Orator.  att.  ed.  Sauppe  II,  p.  285  ss.; 
vgl.  Bückh  Abhandl.  S.  11  ff.  (S.  442  ff.);  A.  Scliäfer  Demosthenes  II, 
S.  347  ft; 


2.  Die  ostgriechischen  Inseln:  die  Kykladen:  Delos.  457 

Doch  verloren  die  Athener  gegen  Ende  des  vierten  Jahrhunderts, 
wahrscheinUch  in  Folge  des  lamischen  Krieges  (322),  den  Besitz 
der  Insel,  die  nun  wenigstens  der  Form  nach  einen  eigenen  Staat 
mit  demokratischer  Verfassung  bildete;  um  sich  gegen  makedo- 
nische Vergewaltigung  zu  schützen,  stellte  sie  sich,  wie  die  mei- 
sten Kykladen,  unter  den  Schutz  des  Plolemäos  Philadelphos, 
welchem  von  den  Inselbewohnern  gemeinsam  eine  Statue  auf 
Delos  errichtet  wurde. ')  Dann  hatte  Philipp  V.  die^ Insel  in  Be- 
sitz genommen,  musste  aber  am  Ende  des  zweiten  makedonischen 
Krieges  (196  v.  Chr.)  sie  den  Athenern  zurückgeben.-)  Doch 
gelangten  diese  erst  nach  der  Niederlage  des  Perses  bei  Pydna 
(168  V.  Chr.)  wieder  definitiv  in  den  Besitz  derselben,  indem  der 
römische  Senat  sie  ihnen  zum  Eigenthum  übergab  und  die  De- 
lier  nöthigte,  mit  ihrer  fahrenden  Habe  die  Insel  zu  verlassen 
nnd  sich  in  Achaia,  wo  sie  als  Bürger  aufgenommen  wurden,  an- 
zusiedeln; statt  ihrer  wohnen  nun  athenische  Kleruchen  auf  De- 
los, die  officiell  als  'die  Gemeinde  der  Athener  auf  Delos'  be- 
zeichnet und  von  ihrem  .eigenen  Archon,  dem  ein  athenischer 
Epimeletes  zur  Seite  steht,  regiert  werden.^)  Seitdehi  und  ins- 
besondere seit  der  Zerstörung  der  alten  Handelsmetropole  Ko- 
rinth  wurde  Delos  einer  der  ersten  Handelsplätze  Griechenlands. 
Kaufleute  aus  dem  Osten  und  Westen,  namentlich  Tyrier  (die 
eine  besondere  unter  dem  Schutze  des  lyrischen  Herakles 
stehende  Genossenschaft  bildeten)  und  Römer  Hessen  sich,  ange- 
lockt durch  die  Vortheile,  welche  die  unmittelbare  Verbindung 
des  Emporion  mit  dem  Ileiligthume  darbot:  Freiheit  von  Zöllen 
und  Abgaben  und  Sicherheit  der  Person  und  des  Eigenthums, 
hi(;r  nieder,  und  während  der  mit  der  Festfeier  verbundenen 
Messe  strömten  Handelsleute  aus  allen  Weltgegenden  auf  dem  klei- 
nen Eilande  zusammen.  Der  bedeutendste  Handelsartikel  waren 
Sclaven,  wofür  Delos  damals  geradezu  der  erste  Markt  der  Welt 
war;  von  Erzeugnissen  der  einheimischen  Industrie  wurde  zum 
Gusse  von  Statuen  und  Gerathen  vorbereitetes  Erz,  in  dessen  Bc- 


*)  C.  I.  gr.  n.  2273;  vgl.  ii.  2267,  ein  Ehrendecret  der  ßovXrj  inul 
•Ics  Srj^og  der  Dclier  (von  denen  auch  die  Beschlüsse  n.  22C8  uITd  22G9 
uuHgegangen  sind)  für  Diküos  aus  Kyreno,  einen  Beamten  dos  rtolemäos. 

2)  Liv.  XXXni,  30. 

3)  Polyb.  XXX,  18;  XXXI,  7;  X.VXII,  17.  O  S?i(iog  o'A^rjvaiiüv  tiov 
Iv  JijXoi  C.  I.  gr.  n.  2270;  ini(AtXriTi)^  J/ßon  ildd.  22HG  mit  Höckh's  Note. 

BUItSIAN,  OE<K}R.     II.  31 


458  Iir.    Die  Inselwelt. 

reitung  die  Delier  seit  allen  Zeiten  Meister  waren,  und  Salben 
ausgeführt.  ^)  Ein  schwerer  Schlag,  von  dem  sie  sich  nie  wieder 
erholt  hat,  traf  die  Insel  im  mithridatischen  Kriege.  Menophanes, 
der  Feldherr  des  Mithridates,  landete  mit  einer  Truppenabthei- 
lung  bei  der  offenen  Stadt,  ermordete,  ohne  Rücksicht  auf  das 
Asylrechl  des  Heiligthums,  die  wehrlosen  Delier  sowie  die  hier 
ansässigen  und  anwesenden  Fremden,  verkaufte  Weiber  und  Kin- 
der als  Sclaven,  plünderte  und  zerstörte  die  Stadt  und  das  Hei- 
ligthum  mit  seinen  zahlreichen  Kunstschätzen.  Nach  dem  Frie- 
densschlüsse (84  v.  Chr.)  kam  die  Insel  in  die  Hände  der  Römer, 
die  sie  später  den  Athenern  zurückgaben,  in  deren  Besitze  sie  bis 
in  die  späte  Kaiserzeit  blieb;  aber  sie  war  seitdem  arm  und  un- 
bedeutend, eine  von  den  Athenern  zum  Schutz  des  Heiligthums 
gesandte  Besatzung  bildete  fast  die  ganze  Bevölkerung.^)  Wäh- 
rend des  Mittelalters  scheint  Delos,  wenn  auch  zu  völliger  Unbe- 
deulendheit  herabgesunken,  doch  noch  bewohnt  gewesen  zu  sein, 
da  sich  auf  dem  Gipfel  des  Kynlhos  Reste  einer  aus  antiken 
Trümmern  erbauten  fränkischen  Burg  finden.^) 


1)  Strab.  X,  p.  486;  XVI,  p.  668;  Paus.  IIT,  23,  3;  VIII,  33,  2;  Cic. 
De  imp.  Cn.  Pomp.  18,  55;  Liv.  XLIV,  29;  Plin.  XIII,  1,4;  XXXIV, 
2,  8  f.:  vgl.  Ulrichs  Reisen  und  Forschungen  II,  S.  203  fF.;  H.  Blümner 
Die  gewerbliche  Thätigkeit  der  Völker  des  classischen  Alterthums  S.  91  f. 
Tu  %oivov  rcöv  TvQLCov  ^HgccKlsiGTav  i^nogcov  kuI  vccvüXtjqcov  C.  I. 
gr,  ,n.  2271;  "Pcoficcicov  ot  iv  J^la  SQya^ofisvoL  (nccroiyiovvtss)  ebds. 
n.  2285  b  u.  ö. 

2)  Paus.  11.  11.;  Strab.  X,  p.  486;  Appian.  Mithrid.  28;  Anthol.  Pal. 
IX,  421;  550.  Kurz  vor  Menophanes  hatte  Apellikon  von  Teos  mit  einer 
athenischen  Heerschaar  Delos  besetzt,  war  aber  durch  den  römischen 
Feldherrn  Orbius  geschlagen  und  vertrieben  worden:  Athen,  V,  p.  214 ^ 
Ol.  177,  4  (69  v.  Chr.)  wurde  die  Insel  wieder  durch  den  Piraten  Athe- 
nodoros  überfallen,  der  manches  verwüstete  und  die  Einwohner  als  Scla- 
ven fortschleppte;  C.  Valerius  Triarius,  der  Befehlshaber  eines  Theiles 
der  römischen  Flotte,  stellte  die  beschädigten  Baulichkeiten  wieder  her 
und  umgab  die  Stadt  mit  einer  Mauer:  Phlegon  Olympiad.  fr.  12  (C. 
Müller  Fragmenta  bist.  gr.  III,  p.  60&).  Dass  die  Athener  einmal  zur 
Zeit  des  Hadrian  oder  des  Antoninus  Pius  die  Absicht  hatten,  die  ihnen 
gehörigen  Inseln,  darunter  auch  Delos,  zu  verkaufen,  zeigt  Philostr.  Vit. 
Soph.  I,  23,  2.  Die  Angabe  von  der  Gründung  eines  neuen  Atheur  auf 
Delos  auf  Kosten  des  Hadrian  (Phlegon  bei  Steph.  Byz.  u.  'OXv^nisiov) 
beruht,  wie  schon  Dorville  (Miscell.  obs.  7,  1,  p.  -74)  erkannt  hat,  auf 
einem  blossen  Schreibfehler  {iv  JrjXoy  statt  iv  *A&7]vaL£). 

3)  Ross  Inselr.  II,    S.  168.     Auf  die  Unbedeutendheit  der  Insel  geht 


2,  Die  ostgriechischen  Inseln:  die  Kykladen:  Delos.  459 

Trotz  der  wahrhaft  grausigen  Zerstörung,  welche  jetzt  die 
Stätte  des  Heiligthunis  sowie  der  Stadt  als  ein  Lahyrinth  form- 
loser Trümmer  erscheinen  lässt,  ist  doch  die  Lage  der  wichtige- 
ren antiken  Monumente  noch  mit  Sicherheit  festzustellen.  Wenn 
man  in  dem  Hafen  an  der  Westseite  der  Insel,  dessen  antike 
Quais,  in  Folge  der  Hinausschiehung  der  üferünie  um  etwa  50 
Schritt,  mit  Erde  bedeckt  sind,  landet,  so  stösst  man  nach  we- 
nigen Schritten  auf  die  Ueberreste  einer  langen,  offenbar  zu 
Ilandelszw ecken,  ähnlich  dem  Deigma  im  athenischen  Peiräeus 
(vgl.  Bd.  I,  S.  266),  bestimmten  Halle,  deren  dem  Hafen  zuge- 
wandte Fa9ade  durch  auffallend  schlanke  dorische  Säulen  mit 
ihrem  Gebälk  gebildet  vvurdc;  eine  fragmentirte  Inschrift  auf  dem 
Architrav  lehrt,  dass  sie  aus  Entschädigungsgeldern,  welche  König 
Philipp  V.  am  Ende  des  zweiten  makedonischen  Krieges  halte 
zahlen  müssen,  erbaut  und  dem  Apollon  geweiht  war.  i)  Trüm- 
mer zweier  anderer,  jedenfalls  ähnlichen  Zwecken  dienender  Hal- 
len, deren  Decken  nicht  von  Säulen,  sondern  von  viereckigen 
Pfeilern  getragen  wurden,  finden  sich  ebenfalls  auf  dem  Quai 
weiter  südlich.  Nördlich  von  der  Säulenhalle  liegen  die  Reste 
eines  im  korinthischen  Styl  ausgeführten  Bauwerkes  aus  weissem 
Marmor  —  vielleicht  der  Eingangshalle  zum  Temenos  des  Apol- 
lon —  und  etwas  weiter  östlich,  ungefähr  100  Schritt  vom  Ha- 
fen, ein  gewaltiger,  aus  Säulenlrommeln,  Capilälen,  Basen  und 
Gebälkstücken  bestehender  Trümmerhaufe,  welcher  die  Stelle  des 
Apollontempels  bezeichnet.  Dieser  auf  etwas  erhöhtem  Terrain 
gelegene  Tempel,  dessen  erste  Gründung  die  attische  Sage  dem 
Erysichthon,  dem  Sohne  des  Kekrops,  zuschrieb,  wurde  während 
der  Zeit  als  die  Insel  von  Athen  unabhängig  war,  also  am  Ende 
des  vierten  oder  im  Laufe  des  dritten  Jahrhunderts  v.  Chr., 
ganz  oder  theilvveise  neu  hergestellt;^)  dieser  Herstellung  gehö- 
ren offenbar  die  noch  erhaltenen  Trümmer  an,  welche  zeigen, 
dass  der  Tempel  aus  parischem  Marmor  in  dorischem  Styl  erbaut, 

offenbar    der    Ausdruck   JrjXog    ccdriXog    bei  Hierocl.    Synecd.  p.    11    ed. 
Parthey. 

*)  S.  Ulrichft  Reisen  und  Forachungen  II,  S.  204;  über  die  Ruinen 
Stuart  und  Revett  The  antiquities  of  Athens  Vol.  III,  pl.  LI,  2;   LHI  s. 

')  Dies  lehrt  die  leider  sehr  fragmentirte  Inschrift  C.  I.  gr.  n.  2266. 
Ueber  die  Reste  des  Tempels  vgl.  besonders  Tournefort  I,  p.  llös.  und 
The  antiquities  of  Athens  III,  pl.  LI,  1  und  LH. 

31* 


460  ni.    Die  Inselwelt. 

aber  nicht  in  allen  Details  vollendet  war;  die  Säulen  halten 
nur  am  oberen  und  unteren  Ende  des  Schaftes  Ansätze  von  Ca- 
nelüren,  während  im  Uebrigen  der  Schaft  noch  vom  Steinmantel 
bedeckt  war.  Vor  dem  Eingange  des  Tempels  stand  eine  Co- 
iossalstatue  des  Apollon,  ein  Weihgeschenk  der  Naxier,  welche 
schon  im  Allerthum  durch  einen  ungliicklichen  Zufall  —  ein  da- 
neben stehender,  von  Nikias  geweihter  eherner  Palmbaum  war 
vom  Sturm  umgeworfen  auf  sie  gefallen  und  hatte  sie  zu  Falle 
gebracht  —  umgestürzt,  wahrscheinlich  jedoch  wieder  aufgerichtet 
worden  war;  jetzt  sind  ausser  der  Basis  noch  zwei  grosse  Frag- 
mente des  nackten  Körpers  des  Gottes  erhalten.  ^)  Innerhalb  des 
Temenos  des  Apollontempels  stand  ferner  ein  Tempel  der  Leto 
(Letoon)  mit  einer  besonderen  Eingangshalle  (Propyläon),  ein 
Tempel  der  Artemis  (Artemision)  und  in  dessen  Nähe  ein  Heilig- 
thum  der  Aphrodite.  2)  Hinter  dem  Artemision  gegen  Osten  zeigte 
man  das  Grabmal  der  hyperboreischen  Jungfrauen  Arge  und 
Opis,  das  als  Heroengrab  bei  der  Reinigung  der  Insel  verschont 
worden  war;  in  unmittelbarer  Nähe  desselben  stand  eine  von  den 
Bewohnern  der  Insel  Keos  errichtete  Halle,  welche  den  die  Pane- 
gyris  besuchenden  Keiern  als  Versammlungs-  und  Speiselocal 
diente.^)  Natürlich  hatten  auch  andere  Staaten  ähnliche  Ilestia- 
toria  für  ihre  Angehörigen  errichtet:  von  einem  derselben,  etwa 
einem  von  einem  orientalischen  Fürsten  erbauten,  stammen  viel- 
leicht die  mit  den  Vorderkörpern  je  zweier  Stiere  geschmückten 
Pfeilercapitäle  und  mit  Stierköpfen  verzierten  Triglyphen,  welche 
östlich  von  den  Ruinen  des  Tempels  gefunden  w^orden  sind."*) 


1)  Plut.  Nie.  3;  vgl.  Athen.  XI,  p.  502'',  wo  mit  Ross  (Inseln  I, 
S.  34,  Anm.  11)  ;fo;A,xovj'  (poCwAa  [^nccQu  t6]  Nuh,C(av  avccd'rj^a  zu 
schreiben  ist.  Ueher  die  Reste  des  Colosses  s.  Tournefort  I,  p.  115  s. 
und  A.  Michaelis  Annali  t.  XXXVI  (1864)  p,  253;  das  jetzt  im  brittischen 
Museum  befindliche  Fragment  eines  Fusses  desselben  ist  abgebildet  bei 
W.  Kinnard  Antiquities  at  Athens  and  Dolos  (in  Stuart  und  Revetts  An- 
tiquities  of  Athens  Vol.  IV)  pl.  IV,  2. 

2)  (Aristot.)  Etil.  Eudem.  I,  1 ;  Athen.  XIV,  p.  614'»;  Strab.  X,  p.  485. 
—  Herod.  IV,  34;  Aristän.  Ep.  I,  30;  (Ovid.)  Heroid.  ep.  21,  105;  vgl. 
Dilthey  De  Callimachi  Cydippe  p.  63. 

^)  Herod.  IV,  35. 

4)  S.  Kinnard  a.  a.  O.  pl.  V.  Osann  hält  sie  für  Ueberreste  eines 
grossen   Prachtaltars,   der  in  späterer  Zeit  an  die  Stelle  des  alten,  ganz 


2.    Die  ostgriechischen  Inselu:  die  Kykladen:  Delöis.  461 

Die  Ausdehnung  des  heiligen  Bezirks,  der  ausser  den  bisher 
erwähnten  Baulichkeiten  und  zahlreichen  Weihgeschenken  wahr- 
scheinlich auch  Heiligthümer  oder  doch  Altäre  anderer  auf  Delos 
verehrter  Gottheiten^)  enthielt,  gegen  Norden  bezeichnet  ein 
nordöstlich  vom  Tempel  befindhches  länglich-rundes,  mit  einer 
niedrigen  Mauer  umgebenes  Bassin  von  289  Fuss  Länge  und 
200  Fuss  Breite,  das  im  Innern  mit  Cement  ausgefüllt  und  jetzt 
ausser  nach  Begengüssen  ganz  trocken  ist,  im  Alterlhum  aber 
mit  Wasser  gefüllt  und  unter  dem  Namen  des  runden  Sees  be- 
kannt war;  an  seinem  Ufer  sollte  nach  einer  Sage  Leto  ihre 
göttlichen  Kinder  geboren  haben.  In  der  Nähe  des  Sees,  zwi- 
schen ihm  und  dem  Tempel,  stand  ein  ganz  aus  Hörnern  von 
Opferthieren  errichteter  Altar,  dessen  Stiftung  die  Sage  dem  Apol- 
lon  selbst  zuschrieb,  hinter  demselben  ein  zweiter,, auf  welchem 
dem  ApoUon  Genetor  feuerlose,  unblutige  Opfer  dargebracht  wur- 
den. -)  Unmittelbar  nördlich  von  dem  Bassin  beginnen  die  Buinen 
der  Stadt  Delos,  welche  den  grössern  Theil  der  Breite  des  nörd- 
lichsten Theiles  der  Insel  einnahm;  sie  war  bis  zum  Jahre  69 
V.  Chr.,  wo  der  römische  Feldherr  C.  Valerius  Triarius  sie  zum 
Schutz  gegen  Ueberfälle  von  Seeräubern  mit  einer  Mauer  umgab 
(vgl.  oben  S.  458,  Anm.  2),  durchaus  offen,  d.  h.  ohne  Bingmauern 
und  sonstige  Verlheidigungsanlagen,  und  enthielt  ausser  sehr 
zahlreichen,  aus  Granit  erbauten  und  mit  Granitsäulen  um  den 
inneren  Hof  geschmückten  Privathäusern,  von  denen  noch  massen- 
hafte Trümmerhaufen  erhalten  sind,  ein  Prytaneion,  ein  Buleule- 

aus  Stierhörnern   errichteten  ^£Q(xtLvog   ßco^og  (s.  unten  Anm.  2)   getre- 
ten sei ,  was  mir  sehr  unwahrscheinlich  ist. 

*)  Als  solche  kennen  wir  aus  den  Inschriften  (C.  I.  gr.  n.  2270  ss.) 
die  Dioskuren  (auch  als  fiByaXoL  d-80i  und  KdßsigoL  verehrt),  Dionysos, 
Asklepios,  Herakles  (ein  'HgccyiXsiov  C.  I.  n.  2270,  Z.  36;  davon  war  je- 
denfalls verschieden  das  in  n.  2271  erwähnte  rsixevog  '^HgK-nXjovg  tov 
TvqCov)  und  die  ägyptischen  Gottheiten  Sarapis,  Isis  (auch  als  "/atj 
di-naioavvrj  verehrt),  Anubis  und  Harpokrates. 

*)  Ueber  die  TQOxoeiSrjg  Xifivrj  s.  Horod.  II,  170;  Theogn.  7;  Ijiri|t, 
Iphig.  Taur.  1103  ff.;  Callim.  H.  in  Del.  261;  vgl.  Tournefort  I,  p.  113; 
über  den  xegätivog  ßco^og  Callim.  11.  in  Apoll.  58  ff.;  Plutarch.  Do  soll, 
an,  35;  Plut.  Thes.  21;  Martial.  Spect.  I,  4;  (Ovid.)  Heroid.  ep.  21,  99; 
vgl.  Osann  in  Schorns  Kunstblatt  (Beilage  zum  Morgenblatt)  1837,  N.  11  f., 
S.  41  ff.  und  S.  46  ff.;  über  den  Altar  des  ApoUon  Genetor  Diog.  Laert.  VIII, 
'     !*'»;  nach  Porphyr.  De  abstiu.  II,  28  hiess  derselbe  evofßmv  ßoo^og. 


462  III.   Die  Inselwelt. 

rion  und  ein  Local  für  die  Volksversammlungen  (Ekklesiasterion)J) 
Oestlich  von  der  Stadt,  nahe  der  Ostküste,  finden  sich  die  Reste 
eines  ausgedehnten  Gebäudes,  wahrscheinlich  des  Gymnasion, 
welches,  wie  der  architektonische  Charakter  (Rundbogen  auf  Säu- 
len ruhend)  zeigt,  aus  der  römischen  Zeit  stammt;  unmittelbar 
daneben  zieht  sich  von  Nord  nach  Süd  das  Stadion  hin,  dessen 
an  eine  Anhöhe  sich  anlehnende  westliche  Langseite  fortlaufende 
Reihen  von  Sitzstufen  aus  bläulichem  Marmor  hatte,  während  die 
östliche  Langseite  nur  in  der  Mitte  eine  künstliche  Erhöhung 
von  45  Schritt  Länge  zeigt,  auf  welcher  drei  bis  vier  Sitzreihen 
angebracht  sein  konnten.  2) 

Im  Süden  bildete  den  Abschluss  des  heiligen  Bezirkes  wahr- 
scheinlich das  Theater,  dessen  gegen  Westen  geöffnete,  ein  weit 
über  die  Grösse  eines  Halbkreises  hinausreichendes  Kreissegment 
von  187  Fuss  Durchmesser  bildende  Cavea  theils  auf  dem  unter- 
sten Abhang  des  Kynthos,  theils  auf  thurmartigem,  mit  weissen 
Marmorquadern  bekleidetem  Mauerwerk  ruhte;  die  Sitzstufen  be- 
standen aus  weissem  Marmor.  Quer  vor  der  Oeffnung  der  Cavea 
befindet  sich  eine  etwa  100  Fuss  lange  und  23  Fuss  breite,  mit 
Granit  ausgemauerte  Cisterne,  über  welcher  das  Bühnengebäude 
gestanden  haben  muss.  ^)  Oestlich  oberhalb  des  Theaters  sind  auf 
einem  kleinen  Plateau  Reste  eines  Gebäudes  aus  weissem  Marmor 

—  nach  einigen  hier  gefundenen  Inschriften  eines  Tempels  der  Isis 

—  erhalten.^)  Noch  höher  aufwärts  am  Abhänge  des  Kynthos 
bemerkt  man  eine  hochalterthümliche  Anlage,  deren  Zweck  räthsel- 
haft  ist:  einen  von  Granitblöcken  umschlossenen,  15  Fuss  langen. 


1)  C.  I.  gr.  n.  2266,  24;  2267,  28;  2268,  25;  2269,  8;  127Ö,  3.  Ein 
Theil  der  Stadt  —  jedenfalls  der  auf  einem  Hügel  nahe  der  Nordwest- 
küste gelegene  —  führte  den  Namen  KoXcovog  (s.  C.  I.  gr.  n.  158,  B, 
Z.  32  OLHLCC  SV  KoX(ova>),  ein  anderer  hiess  nsdiov  (s.  ebds.  Z.  33  f.  to 
ßaXavsion  to  Aqiütcovog  s^  nsdim). 

2)  S.  Ross  Inselreisen  I,  S.  32  f. 

3)  Vgl.  Tournefort  I,  p.  117;  Leake  Northern  Greece  III,  p.  100; 
Fiedler  II,  S.  276  und  den  Plan  in  der  Expe'dition  scientifique  de  More'e 
III,  pl.  10  (wiederholt  bei  Wieseler  Theatergebäude  Tafel  I,  17).  Die 
Annahme  Wieselers  (Allgem.  Encycl.  d.  W.  u.  K.  Sect.  I,  Bd.  83,  S.  194), 
dass  es  ausser  diesem  wenigstens  noch  ein  anderes  Theater  in  DeloiS 
gegeben  habe,  beruht  auf  einem  Irrthum:  das  in  der  Inschr.  C.  I.  n.  2270, 
Z.  14  erwähnte  d'sazQOv  sv  uotsi  ist  das  dionysische  Theater  in  Athen. 

4)  Leake  a.  a.  0.,  vgl.  C.  I.  gr.  n.  2294  und  2302. 


2.  Die  ostgriechischen  Inseln :  die  Kykladen :  Delos.  463 

Gang,  \^ elcher  durch  10  mächtige,  in  spitzem  Winkel  gegen 
einander  gelehnte  Steine  (fünf  auf  jeder  Seite)  gleich  den  Sparren 
eines  Daches  bedeckt  ist;  der  vordere  (untere)  Eingang,  zu  wel- 
chem früher  Stufen  emporführten,  hat  eine  Weite  von  fünf  Meter, 
aber  der  Gang  verengt  sich  nach  Innen  bis  zu  2,60  Meter  und 
wird  zuletzt  so  niedrig,  dass  man  nur  gebückt  hindurchgehen 
kann,  so  dass  an  eine  Benutzung  desselben  als  Eingang  zum  Peri- 
bolos  des  Tempels  nicht  zu  denken  ist;  vielleicht  ist  es  ein  Ueber- 
rest  einer  der  ältesten  Zeit,  als  die  Insel  noch  von  karischen 
Seeräubern  bewohnt  war,  angehörigen  Befestigung.^)  Hinter 
demselben  beginnt  eine  Treppe,  welche  auf  den  Gipfel  des  Kyn- 
thos  —  ein  kleines,  von  einer  Mauer  aus  grossen  Quadern, 
welche  dem  Mittelalter  anzugehören  scheint,  umschlossenes  Pla- 
teau, welches  im  Alterthum  einen  kleinen,  im  ionischen  Styl  mit 
uncanelirten  Säulen  erbauten  Tempel  trug  —  emporführt;  eine 
ähnliche  Treppe  führte  von  Norden  her  auf  das  Plateau.  Der 
südlichste  Theil  der  Insel  scheint,  da  sich  hier  fast  gar  keine 
Reste  alter  Baulichkeiten  finden,  nur  mit  einigen  Landhäusern 
besetzt  und  im  Uebrigen,  soweit  es  die  Natur  des  Bodens  ge- 
stattete, zu  Feldern  und  Viehweiden  benutzt  worden  zu  sein. 

Im  südlichen  Theile  von  Rheneia  zieht  sich  längs  der  Delos 
zugewandten  Ostküste  die  ausgedehnte  Nekropolis  der  alten  Be- 
wohner von  Delos  und  Rheneia  hin.  Die  ausserordentlich  zahl- 
reichen, in  der  untern  Hälfte  durch  den  natürlichen  Felsboden, 
in  der  obern  durch  Mauerwerk  gebildeten  Grabkammern,  die  in 
der  Regel  je  vier  bis  sechs  Gräber  enthielten,  sind  fast  ohne 
Ausnahme  durch  die  Habsucht  der  Bewohner  der  Nachbarinseln, 
besonders  der  Mykonier,  geöffnet  und  geplündert  worden;  die 
Grabdenkmäler,  unter  denen  neben  den  gewöhnlichen  Grabstelen 
besonders  runde,  mit  Blumen-  und  Fruchtgehängen  und  Stier- 
köpfen verzierte  Altäre  stark  vertreten  sind,  liegen,  meist  muth- 
willig  zerstört,  in  wilder  Unordnung  umher.  Die  Stadt  Rheneia, 
deren  Bürger  als  tributpflichtige  Mitglieder  des  älteren  attischen 
Seebundes  in  den  athenischen  Tributlisten  aufgeführt  werden,  lag 
30  Stadien  von  dem  Ueberfahrtsplalze  nach  Delos  entfernt,  also 
jedenfalls  ijn    nördlichsten   Theile    der   Insel.      Da   die   Delier   in 


*)  8.  die  Abbildungen  bei  Kinnnrd  a.  u.  O.  jW.  IV,  1    und  bei  Fied- 
ler II,  8.  279;  vgl.  Rosa  Inselr.  I,  8.  35  und  II,  8.  Km  t 


464  111.    Die  Inselwelt. 

ihrer  eiyeiicii  Ueimalli  weder  ins  Leben  eintreten,  noch  aus  dem- 
selben scheiden  durften,  so  müssen  wir  annehmen,  dass  zur  Zeit 
der  Blüthe  von  Delos  fast  jede  delische  Familie  auch  ein  Haus 
in  der  Stadt  Rheneia  oder  ein  Landgut  auf  dieser  Insel  besass 
oder  doch  ermiethet  hatte.  Von  den  ertragfähigen  Ländereien 
der  Insel  war  ein  bedeutender  Theil  Eigenthum  des  Tempels  auf 
Delos  und  wurde  an  Privatleute  in  Pacht  gegeben.  Der  Verfall 
von  Delos  war  für  Rheneia  die  Ursache  gänzlicher  Verödung;  sie 
war  schon  um  den  Beginn  unserer  Zeitrechnung  nicht  mehr  be- 
wohnt und  diente  nur  noch  als  Begräbnissstätte  für  die  Delier.  ^) 
syros.  Etwas   übcr   drei  deutsche  Meilen  (13  Seemeilen)    westwärts 

von  Rheneia  liegt  die  Insel  Syros,  in  der  Odyssee ^j  Syrie, 
heutzutage  Syra  genannt,  eine  mit  einer  geringen  Ausbuchtung 
gegen  Osten  von  Nord  nach  Süd  streichende,  aus  Glimmerschie- 
fer, auf  welchem  weisser  und  grauer  krystallinisch-körniger  Kalk 
auflagert,  bestehende  Bergmasse  von  etwa  zwei  Quadratmeilen 
Umfang,  deren  höchste,  jetzt  Pyrgo  genannte  Kuppe,  im  nörd- 
licheren Theile,  sich  431  Meter  über  die  Meeresfläche  erhebt. 
Die  Insel  ist,  obwohl  mit  Ausnahme  einiger  von  kleinen  Bächen 
bewässerter  Thäler  und  kleiner  Strandebenen  fast  baumlos,  doch 
nicht  unfruchtbar;  in  der  nördlicheren  Hälfte  wird  hauptsächlich 
Getreide,   in   der   südlicheren   Wein  gebaut.     Als   Ausfuhrartikel 


*)  Hyperid.  bei  Sopatros  zu  Hermogenes  UrccosLg  (Rhetor.  gr.  ed. 
Walz  IV,  p.  446).  Strab.  X,  p.  486.  Miod-coosig  rsfisvcäv  s^'Fr}V£Lccg 
(Ertrag  für  zwei  Jahre  2  Talente  1220  Drachmen)  C.  I.  gr.  n.  158,  A,  Z.  25  f. 
Ueber  die  Nekropolis  vgl.  Tournefort  I,  p.  121;  Ross  Inselreisen  I,  S.  35  f.; 
II,  S.  169  f. 

2)  Odyss.  0,  403  ff. ,  welche  Stelle  allerdings  zeigt,  dass  der  Dichter 
von  der  Lage  {od'L  xQOTtccl  ^sXloio)  und  von  der  Bodenbeschaifenheit  der 
Insel  (evßotog,  sv[ir]Xogj  otvonXrjd'rjg,  TcolvnvQog)  eine  ziemlich  unklare 
Vorstellung  gehabt  hat;  doch  ist  deshalb  weder  mit  einigen  neueren 
Geographen  der  Name  auf  eine  Insel  bei  Sicilien  (Nasos,  ein  Theil  von 
Syracus)  zu  beziehen,  noch  mit  Clarke  (Peloponnesus  p.  16  ss.)  ganz  der 
Fabelwelt  zuzuweisen.  Die  Namensform  ri  2vQCi  schon  bei  Hesychius 
Miles.  De  viris  erudit.  dar,  69  und  bei  Suid.  u.  ^SQS-avdrjg,  Vgl.  über 
die  Insel  Tournefort  I,  p.  122  ss.;  Fiedler  II,  S.  164  if.;  Ross  Inselreisen 
I,  S.  5  ff,;  II,  S.  24  ff.;  Prokesch  Denkwürdigkeiten  und  Erinnerungen 
aus  dem  Orient  I,  S.  53  ff.  Die  Schrift  von  Della  Rocca  ^Traite  com- 
plet  sur  les  abeilles  avec  une  me'thode  nouvelle  de  les  gouverner  teile 
qu'elle  se  pratique  ä,  Syra,  pre'ce'de  d'un  pre'cis  historique  et  e'conomique 
de  cette  ile.  Paris  1790,  3  Voll.'  steht  mir  nicht  zu  Gebote. 


2.  Die  ostgriechischen  Inseln:  die  Kykladen:  Syros.  465 

wird  nur  eine  von  den  antiken  Malern  zur  Farbebereitung  be- 
nutzte gelbliche  Erdart  (sil)  erwähnt J)  Von  den  Alten  wird  die 
Insel  am  häufigsten  als  Heimath  des  Philosophen  Pherekydes  ge- 
nannt, während  sonst  ihre  Geschichte  fast  ganz  im  Dunkel  liegt; 
sie  soll  durch  athenische  Einwanderer  unter  Führung  des  Hippo- 
medon  ionisirt,  später  durch  den  Verrath  eines  gewissen  Killikon 
in  den  Besitz  der  Samier  gekommen  sein.  2)  Nach  dem  Zeugniss 
der  athenischen  Tributlisten  war  sie  ein  Glied  des  älteren  atti- 
schen Seebundes ;  dann  verschwindet  sie  völlig  aus  der  Geschichte, 
doch  beweisen  einige  erhaltene  Inschriften,  dass  sie  bis  in  die 
spätere  römische  Kaiserzeit  als  ein  verhältnissmässig  blühendes 
Gemeinwesen  fortbestand. ^j  Im  späteren  Mittelalter  war  sie  Ei- 
gentlium  der  Herzöge  von  Naxos. 

Die  Stadt  Syros,  deren  geringe  Ueberreste  jetzt  fast  ganz 
unter  den  Neubauten  der  rasch  aufgeblühten  neuen  Stadt  Hermu- 
polis  verschwunden  sind  —  ausser  einigen  Sitzstufen  des  antiken 
Theaters  sind  nur  eine  Anzahl  Werkstücke  von  dem  an  der  Süd-^ 
ostseite  des  Hafens  gelegenen  Heiligthum  des  Poseidon  Aspha- 
leios  und  der  Amphitrite  erhalten  —  lag  in  der  Mitte  der  Ost- 
küste an  einer  trefflichen,  im  Nordosten  durch  eine  schmale  von 
Nord  nach  Süd  gestreckte  Felszunge  geschützten  Hafenbucht. 
Ihr  Umfang  muss  nach  den  von  älteren  Reisenden  gesehenen 
Spuren  der  Ringmauern  ziemlich  bedeutend  gewesen  sein.*)  Sie 
wurde  wahrscheinlich  in  den  früheren  Jahrhunderten  des  Mittel- 
alters in  Folge  wiederholter  Ueberfäile  durch  Seeräuber  von  ihren 
Bewohnern  verlassen,  die  sich  auf  einer  steilen,  eine  halbe  Stunde 
von  der  Küste  entfernten  Felshöhe  ansiedelten,  welche  noch  jetzt 
die  'Alt-Syra'  genannte,  fast  ausschliesslich  von  römischen  Katho- 
liken (deren  es  auf  Syra  eine  grössere  Zahl  giebt  als  anderwärts 


0  Plin.  XXXIII,  12,  158. 

*)  Schol.  Dionys.  Per.  525.  —  Schol.  Aristoph.  Pac.  303. 

3)  C.  I.  gr.  n.  2347«^  ff.;  Add.  vol.  II,  p.  1050  ff.;  Ross  Inscr.'gr. 
itied.  II,  n.  106  ff.;  Conze  BuUettino  1859,  N.  VIII,  p.  1G6  ff. 

♦)  Theater:  Conze  a.  a.  O.,  vgl.  C.  I.  gr.  n.  2347%  Z.  48  f.  Jiovv- 
aio)v  T«  ayoiVL  xiöv  tQay(pd(ov;  ebds.  wird  eine  Pompe  der  TIerakleia 
und  ein  Fackellaiif  der  Demetrioia  erwähnt.  Poseidon  Asphaleios  und 
Amphitrite:  Ross  Inselreiwen  I,  S.  9;  Inscr.  gr.  ined.  II,  p.  18,  n.  107; 
Athena  Phra[tria?|  Ross  Inselreisen  a.  a.  O.;  C.  I.  gr.  Vol.  II,  p.  1059; 
Hestia  Prytaneia  Inschr.  bei  Conze  a.  a.  O.  8.  168.  Ueber  die  Mauer- 
reste vgl.  Prokesch  a.  a.  O.  I,  8.  61  ff.;  II,  S.  640  f. 


466  III.    Die  Inselwelt. 

in  Griechenland)  bewohnte  Stadt  tragt.  Erst  während  des  Be- 
freiungskrieges, wo  Syra  namentlich  den  der  türkischen  Bhitgier 
entgangenen  Bewohnern  von  Chios,  Psara  und  Aivali  in  Klein- 
asien zur  Zufluchtsstätte  diente,*  entstand  am  Hafen  eine  neue 
Stadt,  Hermupolis,  die  sich  aus  unscheinbaren  Anfängen  schnell 
zur  ersten  Handelsstadt  Griechenlands  und  zum  Centralpunkte  des 
Verkehrs,  insbesondere  der  Dampfschiffe,  zwischen  dem  Orient 
und  Occident  aufgeschwungen  hat;  ihre  freundlichen  Häuser  und 
breiten  Strassen  und  Plätze  bilden  einen  erfreulichen  Contrast 
zu  den  engen,  zum  Theil  treppenartigen,  schmutzigen  Gassen  der 
oberen  Stadt. 

Einen  zweiten  durch  eine  schmale  Felszunge  gegen  Süden 
geschützten  natürlichen  Hafen  hat  die  Insel  an  der  Südwestseite 
in  der  zwischen  den  weit  gegen  Südwesten  vortretenden  Caps 
Asikono  (im  Norden)  und  Vilostasi  (im  Süden)  gelegenen  Bucht 
Krasi  (von  den  italiänischen  Schifl"ern  Porto  della  Grazia  genannt). 
Am  nördlichen  Ende  derselben  zieht  sich  eine  kleine  Ebene  hin, 
in  welcher  sich  einige  alte  Mauerresle,  zahlreiche  Bruchstücke 
von  Ziegeln  und  Thongefässen  und  alte  Gräber  finden,  deutliche 
Spuren,  dass  im  Alterthum  hier  eine  kleine  Ortschaft  (nicht  eine 
Stadt,  sondern  nur  eine  Kome)  stand,  welche  vielleicht  den  Na- 
men Eschatia  führte.') 

Oestlich  vom  Hafen  von  Hermupolis  liegt  eine  kleine  unbe- 
wohnte Felsinsel,  jetzt  *  Eselsinsel'  (Gaidaronisi)  genannt,  welche 
durch  einen  schmalen  Canal  von  einer  etwas  weiter  östlich  ge- 
legenen, weit  kleineren  Insel  getrennt  ist;  beide  zusammen  wur- 
den im  Alterthum  Didyma  (die  Zwillinge)  genannt. 2) 


')  C.  I.  gr.  n.  2347 c,  Z.  28  ccnb  trjg  KccXovfihrjg  'Ecj^artag:  über 
die  Reste  vgl.  Ross  Inselreisen  II,  S.  26  f  ,  der  dabei  an  die  Schilderung 
der  Od.  o,  412,  dass  zwei  Städte  auf  Syrie  existirten  und  alles  zwischen 
diesen  getheilt  sei  (eine  Schilderung ,  die  schwerlich  der  Wirklichkeit  ent- 
spricht), erinnert  und  auf  die  angebliche  zweite  Stadt  den  Ortsnamen 
Grynche  (der  vielmehr  nach  Euboia  gehört;  s.  oben  S.  426)  beziehen 
will.  Die  von  Ross  a.  a.  O.  angeführten  Oertlichkeiten,  an  welchen  nach 
Angaben  Eingeborner  noch  hellenische  Ruinen  vorhanden  sein  sollen: 
das  obere  Cnjp  {'^Ttccvca  Kaßog)  bei  Petzavläs  im  Norden  der  Insel  und 
Dili  an  der  Ostküste,  eine  Stunde  nördlich  von  Hermupolis,  sind  auf 
keiner  Karte  verzeichnet. 

2)  Steph.  Byz.  u.  Jidvficc  und  Jidv[i7]. 


2.  Die  ostgriechischen  Inseln:  die  Kykladen:  Gyaros.  467 

Ungefähr  zwei  deutsche  Meilen  (acht  Seemeilen)  nordwestlich  Gyarcs 
vom  Cap  Strimessos,  der  Nordwestspitze  von  Syros,  liegt  die 
wenig  über  eine  deutsche  Meile  lange  und  an  der  breitesten 
Stelle  etwa  Y^  Meile  breite  Insel  Gyaros,  jetzt  Giura,  ein  von 
Nordost  nach  West  streichender  Bergrücken,  der  besonders  gegen 
Süden  in  steilen  Klippen  nach  dem  Meere  abfällt,  ganz  öde,  mit 
einigen  wenigen  Bäumen  und  Sträuchern,  jetzt  unbewohnt  und 
nur  von  einigen  Hirten  mit  ihren  Heerden  zeitweise  besucht.  Im 
Allerthum  war  sie  zwar  politisch  ganz  unbedeutend,  aber  doch 
bewohnt  und ,  soweit  es  der  dürre  Felsboden  gestattete ,  angebaut. 
Ein  gegen  Südost  vortretendes  schmales  Vorgebirge,  vor  dessen 
Spitze  eine  jetzt  Glaronisi  ('Möweninsel')  genannte  FelskHppe  liegt, 
zeigt  an  seiner  östlichen  Abdachung  noch  zahlreiche  durch  Stein- 
mauern gestützte  Terrassen,  die  offenbar  für  Wein-  und  Getreide- 
bau bestimmt  waren,  und  eine  Stunde  nördlich  von  da  finden 
sich  in  einer  kleinen  Strandebene  nahe  bei  einer  Ilafenbucht  der 
Ostküste  die  Ueberreste  einer  kleinen  Ortschaft,  deren  Bewohner 
sich  von  Fischfang  und  Pnrpurfischerei  kümmerlich  nährten:  zur 
Zeit  des  Augustus  waren  sie  so  arm,  dass  sie  einen  Gesandten 
an  den  Kaiser  schickten  und  um  eine  Milderung  der  150  Drach- 
men jährlich  betragenden  Steuern  baten,  da  sie  kaum  100  auf- 
bringen könnten.  Man  erzählte  im  Alterthum  als  eine  für  die 
Unfruchtbarkeit  der  Insel  charakteristische  Thalsache,  dass  die 
Mäuse  hier  einst  so  überhand  genommen  hätten,  dass  sie  Eisen 
(oder  eisenhaltige  Erde)  gefressen  und  die  Bewohner  genöthigt 
hätten,  vor  ihnen  das  Feld  zu  räumen.  In  der  römischen  Kaiser- 
zeit war  sie  einer  der  gefürchtetsten  Verbannungsorte  für  Staats- 
verbrecher. ^) 

Drei  deutsche  Meilen  (zwölf  Seemeilen)    westlich  von  Gyaros  Kens. 
liegt  die   grössere  Insel  Keos'')    (jetzt  Tzia   oder   Tschia   gespro- 


')  Strab.  X,  p.  485  f.;  Lucian.  Toxar.  17  f.;  Aelian.  De  nat.  an.  V, 
14;  Antigen.  Hist.  mir.  18;  Plin.  IV,  12,  69;  VIII,  29,  104;  57,  222; 
luven.  8at.  I,  73;  Tac.  Ann.  III,  68  f.;  IV,  30;  Plut.  De  exil.  8.  Vgl. 
Toiirnefort  I,  p.  132;  Fiedler  II,  S.  158  ff.;  Ross  Inselreisen  I,  S.  5  und 
II,  S.  170  f. 

')  Der  Name  lautet  im  Alterthum  Kf(oq  (Kthnikon  KfLoq)^  doch  hat 
Bihon  Ptol.  III,  16,  27  die  Form  Ki«,  welche  der  jetzigen  (italianisiren- 
den)  Aussprache  zu  Grunde  liegt,  lateinisch  Cea:  Plin.  IV,  12,  62:  Ceos 
quam  nostri  quidam  dixere  Ceam;  auch  Cia:  Liv.  XXXI,  16.    Von  ihrem 


468  111.    J)iu  luHclwelt. 

clicii)  von  B'/a  Quadraliiieileii  Umfang,  eine  der  rriiclilbarslen  un- 
ter den  Kykladen,  zwar  ganz  von  Bergen  eingenommen,  uelclie 
ungefähr  in  der  Mitte  der  Insel  in  der  Kuppe  des  Hagios  Elias  die 
grösste  Höhe  (568  Meter)  erreichen,  aber  mit  zahlreichen  Quel- 
len und  Bächen,  welchen  die  Abhänge  der  Berge  und  die  Eng- 
thäler,  welche  sich  nach  den  Küsten  hinabziehen,  eine  verhält- 
nissmässig  reiche  Vegetation  verdanken.  Im  Innern  wächst  aul 
den  Bergen  zahlreich,  wenn  auch  nicht  in  dichten  Gruppen  son- 
dern mehr  vereinzelt,  die  Knoppereiche  (Quercus  aegilops),  deren 
gerbestoffreiche  Eicheln  jetzt  den  bedeutendsten  Ausfuhrartikel 
bilden;  ausserdem  producirt  die  Insel  viel  Wein,  trefflichen  Honig, 
Feigen  (nach  Angaben  alter  Schriftsteller  trugen  die  wilden  Fei- 
genbäume auf  Keos  dreimal  im  Jahre)  und  andere  Siidfrüchte  in 
reicher  Quantität  und  guter  Qualität;  auch  der  Seidenbau  ist 
nicht  unbedeutend.  Ganz  verschwunden  ist  die  Fabrication  von 
Böthel,  der  im  Alterthum  in  so  guter  Qualität  hier  bereitet  wurde, 
dass  die  Athener,  welche  in  ihren  Thonwaarenfabriken  starken 
Gebrauch  davon  machten,  durch  besondere  Verträge  mit  den 
Städten  von  Keos  sich  das  Monopol  der  Ausfuhr  desselben 
sicherten.  Auch  die  Viehzucht  wurde  im  Alterthum  trotz  des 
Mangels  an  guter  Weide  mit  grosser  Sorgfalt  getrieben :  sie  stand 
unter  der  besondern  Obhut  des  Aristäos,  des  in  Keos  als  Gott 
gleich  Zeus  und  ApoUon  verehrten  Urhebers  und  Schützers  der 
Vieh-  und  Bienenzucht,  des  Landbaues  und  Obstbaues,  der  von 
den  Nymphen  auf  Keos  erzogen  worden  und ,  als  diese  durch 
einen  Löwen  (das  Symbol  der  verheerenden  Sonnenhitze)  erschreckt 
entflohen,  durch  sein  Gebet  zu  Zeus  Ikmäos  kühlende  Winde  und 
erfrischenden  Thau  der  Insel  verschafl"!  haben  soll.  Sonst  werden 
noch  essbare  Sciiwämme  von  Keos  erwähnt.  M 


Wasserreichthum  stammt  der  angeblich  älteste  (vielmehr  poetische)  Name 
'TdQ0v60a:  Heraclid,  De  reb.  publ.  9,  1;  Plin.  1.  1.;  Hesych.  u.'^'TÖQOvaa. 
Vgl.  über  die  Insel  Tournefort  I,  p.  126  ss.;  Fiedler  II,  S.  87  ff.;  Bran- 
dig Mittheilungen  I,  S.  274  ff.;  Ross  Inselreisen  I,  S.  128  ff. ;  besonders 
aber  ßröndsted  Voyages  et  Recherches  dans  la  Grece,  I.  Livraison,  Paris 
1826. 

1)  Feigen:  Athen.  III,  p.  77 ^  Röthel  (fiiXtog):  Theophr.  De  lapid. 
52;  Inschrift  bei  Böckh  Staatsh.  II,  S.  349  ff.;  vgl.  Fiedler  a.  a.  O^ 
S.  90  f.;  X.  Lander  er  im  Archiv  für  Pharmazie,  zweite  Reihe,  Bd.  119, 
S.  12  und  S.  17  f.  Viehzucht:  Aelian.  De  nat.  an.  XVI,  32;  Verg.  Georg.  I, 
14  f.     Schwämme:  Athen.  II,  p.  61'*.     Auf  Weinbau  auch  im  Alterthum 


2.  Die  ostgriechi sehen  Inseln:  die  Kykladen:  Keos.  469 

Die  von  einigen  alten  Geographen  gehegte  Vorstellung,  dass 
die  Insel  einst  mit  Euboia  zusammengehangen  und  nach  der  Los- 
reissung  von  diesem  eine  Länge  von  500  Stadien  besessen  habe, 
bis  vier  Fünftel  ihres  Gebiets  vom  Meere  verschlungen  worden 
seien,  ^)  ist  sicher  eine  irrige:  die  Richtung  der  Gebirge  deutet 
vielmehr  auf  einen  ursprünglichen  Zusammenhang  mit  Attika  hin, 
der  durch  die  schmale  Felsinsel  Makronisi  (Helena:  vgl.  Th.  I, 
S.  356)  vermittelt  worden  sein  mag;  von  einer  irgend  wesent- 
lichen Verminderung  des  ümfangs  der  Insel  in  historischen  Zei- 
ten ist  weder  eine  deutliche  Spur  noch  eine  glaubwürdige  Nach- 
richt erhalten.  Die  ersten  griechischen  Ansiedler  auf  der  Insel 
scheinen  Lokrer  aus  Naupaktos  gewesen  zu  sein,  die  dann  durch 
atiische  Colonisten,  als  deren  Anführer  Thersidamas  genannt  wird, 
ionisirt  worden  sind.  Dann  stand  die  Insel  ebenso  wie  Andros 
und  Tenos  eine  Zeit  lang  unter  der  Herrschaft  von  Eretria.^)  In 
Folge  des  gesunden  Khmas  und  der  massigen,  alle  Ausschwei- 
fungen vermeidenden  Lebensweise  der  Bewohner  wurde  die  Zahl 
der  Bevölkerung  der  Insel  allmälig  eine  verhältnissmässig  sehr 
bedeutende;  daher  wurde,  um  (Jebervölkerung  zu  verhüten,  die 
Sitte  eingeführt,  dass  hochbetagte  Personen  beiderlei  Geschlechts, 
die  nichts  mehr  erwerben  konnten,  freiwillig  ihrem  Leben  durch 
Trinken   von    Schierlings-    oder  Mohnsaft    ein    Ende    machten.^) 


deutet  die  auf  den  Münzen  mehrerer  Städte  der  Insel  (s.  Bröndsted  pl. 
XXVII)  vorkommende  Ti-aube.  Vg-l.  Bröndsted  Supple'ments  n.  3  (p.  79  ss.); 
über  Aristäos  ebds.  p.  40  ss.  und  Preller  Griech.  Mythol.  I,  S.  356  ff.; 
Welcker  Griech.  Götterl.  I,  S.  487  ff.  Die  Angaben  über  Fabrication 
feiner  Frauengewänder  auf  Keos  (Plin.  IV,  12,  62;  Lucret.  IV,  1130) 
Ijeruhen  jedenfalls  nur  auf  einer  Verwechselung  zwischen  Keos  und  Kos : 
vgl.  Lachmann  ad  Lucr.  p.  269  s. 

')  Plin.  II,  92,  206;  IV,  12,  62:  vielleiclit  beruht  die  Angabe  nur 
auf  einem  Missverstündniss  der  aucb  von  Strabon  (X,  p.  486)  bestätig- 
ten Thatsacho,  dass  von  den  alten  vier  Städten  der  Insel  damals  nur 
noch  zwei  existirten. 

*)  Heraclid.  De  rep.  publ.  9,  1:  Kiatq  d'  tn  NccvnocyiTov  Siaßug 
(othob;  dass  dieser  Tradition  eine  historische  Thatsache  zu  Grun<le  liogt, 
beweist  das  noch  in  späteren  Zeiten  bestehende  Freundschaftsverhältniss 
zwischen  den  Keiern  und  Lokrern:  s,  Ilerod.  VIII,  1;  HJWikh  ad  C.  I. 
gr.  n.  2350.  —  Ktioi  -  l'&vog  ^lovinov  an  'A^r\vli'^v  Ilri.ul.  N'III,  16; 
vgl.  schol.  Dionys.  Pcrieg.  525.  —  Stral),  X,  p.  44s. 

»)  Heraclid.  a.  a.  O.,  vgl.  Strab.  X,  p.  486;  Aelian.  V.  Inst.  III,  37; 
\  ,il.  M.'ir.  n,  6,  «.     V'\\\    ncwci.M   fiir  die  Sittenstrenge  der  Mcvidkerung 


470  in.    Die  Inselwelt. 

Die  Bevölkerung  sowie  das  Gebiet  der  Insel  war  unter  vier  Städte 
verlheilt:  lulis,  Koresia,  Karthäa  und  Poiessa;  jede  derselben 
bildete  ein  selbständiges  Gemeinwesen,  das  seine  eigenen  Münzen 
prägte  und  für  sieb  Verträge  mit  auswärtigen  Staaten  abscbloss. 
Docb  treten  sie  gegen  Aussen  meist  als  Gesammtbeit  unter  dem 
Gesammtnamen  der  Keier  auf,  wie  im  Perserkriege,  als  Mitglieder 
der  delischen  Ampbiktyonie  und  des  älteren  attiscben  Seebundes 
(während  dem  neueren  Seebunde  laut  der  Urkunde  die  vier 
Städte  als  Einzelstaaten  beigetreten  sind)  und  später  als  Freunde 
und  Verbündete  des  ätoliscben  Bundes;  aucb  wurden  neben  den 
Münzen  der  einzelnen  Städte  Gesammtmünzen  'der  Keier'  ge- 
prägt. ')  Zwei  von  den  vier  Städten  waren  indess  schon  vor  dem 
Beginn  unserer  Zeitrechnung  so  heruntergekommen,  dass  sie  auf- 
gehört halten,  selbständige  Gemeinwesen  zu  bilden :  die  Poiessier 
waren  nach  Karthäa,  die  Koresier  nach  lulis  übergesiedelt. 2) 
Antonius  schenkte  die  Insel  den  Athenern,  in  deren  Besitz  sie 
noch  in  den  Zeiten  des  Hadrian  und  der  Antonine  gewesen  zu 
sein  scheint.^)  Dann  verschwindet  sie  so  gut  wie  ganz  aus  der 
Geschichte  und  taucht  erst  wieder  auf  nach  der  Eroberung  Kon- 
stantinopels durch  die  Franken,  wo  sie  (im  Jahre  1207)  zugleich 
mit  der  Insel  Seriphos  von  vier  venezianischen  Freibeutern,  den 
Brüdern  Andrea  und  Geremia  Ghisi,  Pietro  Giustiniani  und  Do- 
minico  Michieli,  erobert  und  in  der  Weise  unter  sich  vertheilt 
wurde,  dass  jeder  ein  Viertheil  jeder  der  beiden  Inseln  als  selb- 
ständiger Dynast  unter  dem  Schutze  der  Republik  Venedig  besass 
und  seinen  Nachkommen,  beziehendlich  Rechtsnachfolgern  hinter- 
liess.     Im   Jahre  1537  durch  Khaireddin  Barbarossa  erobert  und 


ist  es  auch,  dass  nach  Phylarchos  bei  Athen.  XIII,  p.  610"^  in  den  Städten 
der  Keier  weder  Hetären  noch  Flötenspielerinnen  zu  finden  waren. 

*)  KEIOI  auf  der  delphischen  Schlangensäule  Gew.  7;  vgl.  Herod. 
VIII,  1;  46;  Paus.  V,  23,  2.  Für  Delos  vgl.  C.  I.  gr.  n.  158  und  das 
oben  S.  460  erwähnte  Hestiatorion.  In  den  Tributlisten  erscheinen  re- 
gelmässig KsfoL,  nur  einm-dl  Koq  7]  gl  ol  (vgl  U.Köhler  Urkunden  S..  199); 
in  der  Bundesurkunde  von  Ol.  100,  3  (Rangabe' n.  381*^'=*)  dagegen  finden 
wir  Col.  A,  Z.  22  ff.  KsCtov  'lovXLrjrccL,  KuQd-aiHg,  Koqtjoloi,  Col.  B, 
Z.  82  noLTjaoLOL.  Spätere  Verträge:  C.  I.  gr.  2350-52.  Münzen:  Brönd- 
stedt  pl.  XXVII.     Vgl.  auch  Harpocr.  p.  108,  27. 

2)  Strab.  X,  p.  486;  vgl.  Plin.  IV,  12,  62.  Ptol.  III,  15,  27  führt 
noch  die  drei  Städte  Koressos,  lulis  und  Karthäa  auf. 

3)  Appian.  Bell.  civ.  V,  7;  vgl.  Bockh  ad  C.  I.  gr.  n.  2371. 


2.  Die  ostgriechischen  Inseln:  die  Kykladen:  Keos.  471 

furchtbar  verwüstet,  wurde  sie  1541  mit  dem  Herzogthume  Naxos 
vereinigt,  mit  welchem  sie  1566  dauernd  in  die  Hände  der  Tür- 
ken fiel.') 

Von  den  vier  Städten  der  Insel  hat  sich  lulis,  dessen  Name 
von  einer  gleichnamigen  Quelle  hergeleitet  wird,  die  Heimath  der 
Dichter  Simonides  und  Bakchylides,  des  Arztes  Erasistratos  und 
des  Philosophen  Ariston ,  wenn  auch  unter  verändertem  Namen 
(jetzt  als  Hauptort  der  ganzen  Insel  wie  diese  seihst  Tzia  ge- 
nannt) auf  seiner  alten  Stelle  ungefähr  in  der  Mitte  der  Insel  in 
einer  Art  ßergkessel  am  nördlichen  Fusse  des  hohen  Elias- 
herges  erhalten.  Die  Stadt,  deren  enge  Strassen  terrassenförmig 
an  den  Abhängen  emporsteigen,  wird  gegen  Norden  durch  einen 
spitzen  Felskegel  überragt,  der  die  Akropolis  der  alten  Stadt  mit 
einem  Tempel  des  ApoUon  trug  und  noch  jetzt  mit  Resten  der 
antiken  wie  der  mittelalterlichen  Befestigungen,  mehreren  Kirchen 
und  einer  Anzahl  Wohnhäusern  bedeckt  ist.  An  der  Ostseite  des- 
selben befindet  sich  eine  in  den  Felsen  gehauene  Kammer,  deren 
Decke  durch  eine  ebenfalls  aus  dem  Fels  gearbeitete  dorische  Säule 
gestützt  wird;  aus  dem  Boden  der  Kammer  führt  eine  runde 
Oeffnung  in  eine  grosse,  theils  vor,  theils  unter  derselben  befind- 
liche Cisterne.  Eine  Viertelstunde  östlich  von  der  Stadt  in  einem 
Garten  am  Bergesabhang  liegt  das  aus  dem  natürlichen  Gestein 
(Glimmerschiefer)  ziemlich  roh,  aber  ausdrucksvoll  gearbeitete 
Colossalbild  eines  Löwen,  wahrscheinlich  ein  Grabdenkmal  für  in 
irgend  einem  Kampfe  gefallene  Bürger  von  lulis.  ^) 


')  S.  C.  Hopf  f  Veneto-byzantinische  Analekten'  in  den  Sitzungsbe- 
richten der  philos.-histor.  Cl.  d.  Wiener  Akad.  Bd.  XXXII,  S.  426  ff. 
und  S.  441  ff. 

*j  Strab.  X,  p.  486;  Steph.  Byz.  ii. 'lovXig -/Flut.  Demosth.  1:  vgl, 
Jiründsted  p.  27  ss.;  Brandis  S.  276  ff.;  Ross  S.  129  f.  Cult  des  Apollon: 
C.  L  gr.  n.  2367;  der  Artemis:  ibid.  n.  2367'»;  des  Hermes  (im  Gymna- 
sion):  n.  2367<=  und  «*;  des  Dionysos:  Athen.  X,  p.  456«i,  vgl.  die  Traube 
auf  Münzeu  der  Stadt.  Die  auf  zahlreichen  Münzen  erscheinende  Biene 
bezieht  sich  jedenfalls  auf  den  Cult  des  Aristäos,  welchen  wahrschein- 
lich der  bärtige  Kopf  auf  der  Münze  bei  Bröndsted  pl.  XXVII,  a,  9  dar- 
stellt. Der  bei  Bröndsted  pl.  XI,  allerdings  wesentlich  verschönert,  ab- 
gebildete Löwe  wird  von  diesem  mit  der  von  HeracHd.  De  reb.  publ.  9,  1  er- 
zählten Sage  in  Verbindung  gebracht,  dass  die  Nymphen,  welche  die 
Insel  bewohnten,  durch  einen  Löwen  verscheucht  nach  Karystos  geflohen 
üen  und  deshalb  ein  ax^corifpiov  von  Keos  Aitav  genannt  werde:  allein 
dieses  ccH(f(OTi](ftov  kann  kein  Berg  im  Innern  der  Insel,  sondern  nur  ein 


472  in.  Die  Inselwelt. 

25  Stadien  nordwestlich  von  lulis  an  der  Südseite  einer 
durch  von  Norden  und  Süden  her  vortretende  Felsvorsprünge 
gegen  Westen  geschützten,  noch  jetzt  'der  Hafen'  (ro  Xi^dvi) 
genannten  Buclit,  in  welche  der  in  einem  engen  Thale  von  lulis 
lierabkommende  Bach  Elixos  (jetzt  schlechtweg  to  jiorä^L,  'der 
Fluss'  genannt)  mündet,  lag  Koresia,  einst  eine  selbständige 
Stadt  mit  einem  Heiligthume  des  Apoilon  Smintheus  und  einem 
Gymnasion,  schon  zu  Strabons  Zeit  nur  noch  der  Landungsplatz 
von  lulis  und  unbewohnt,  daher  die  Reste  der  alten  Stadt  jetzt 
bis  auf  einige  Mauerspuren  und  Säulentrümmer  verschwunden 
sind,  während  der  Hafen  noch  jetzt  als  der  beste  der  Insel  der 
gewöhnliche  Landungsplatz  der  Schiffe  ist.  ^) 

Von  lulis  führte  eine  etwas  über  zwei  Stunden  lange,  sorgfältig 
angelegte  Strasse,  deren  Unterbauten  man  noch  an  mehreren  Stel- 
len erkennt,  über  die  Berge  hinweg  in  südsüdöstlicher  Richtung 
nach  Karthäa.  Diese  nächst  lulis  bedeutendste  Stadt  der  Insel, 
deren  Name  auf  phönikischen  Ursprung  hinweist, 2)  lag  an  der 
Südostküste  oberhalb  einer  den  Schiffen  nur  sehr  geringen  Schutz 
darbietenden  Bucht,  am  Abhänge  eines  allmälig  gegen  die  Küste 
absteigenden  Berges,  der  gegen  Norden  und  gegen  Süden  durch 
zwei  von  Giessbächen  durchflossene  Schluchten  begränzt  wird. 
Zunächst  der  Küste  erhebt  sich  in  zwei  Terrassen  ein  isolirter 
Feishügel,  der  auf  seiner  unteren  dem  Meere  zugewandten  Ter- 
rasse einen  dorischen  Antentempel  des  Apoilon,  der  Hauptgottheit 
der  Karthäer,  auf  der  oberen  ein  grosses  Gebäude,  wahrschein- 
lich das  zur  Einübung  der  Chöre  bestimmte  Choregeion,  trug. 
Von  der  Tempelterrasse  führte  eine  Treppe  um  die  Nordseite  der 
oberen  Terrasse  herum  nach  der  Oberstadt,  von  welcher  noch 
bedeutende  Reste  der  Ringmauern  und  die  Substructionen  einiger 
grossen  Gebäude  erhallen  sind.  Im  südwestlicheren  Theile  der 
Unterstadt  erkennt  man  noch  die  gegen  Süden  geöffnete  Cavea 
eines  kleinen  Theaters.^) 


Vorgebirge  —  walirsclieinlicli  das  jetzt  Spanopulo  genannte  an  der  Nord- 
küste —  gewesen  sein. 

')  Strab.  X,  p.  486  f.;  vgl.  die  Inschrift  C.  I.  gr.  n.  2360,  genauer  bei 
Kangabe'  Ant.  hell.  n.  821;  Steph.  Byz  u.  KoQrjaaog.  Coressos  Valerius 
Probus  ad  Verg.  georg.  I,  14  (p.  28  ed.  Keil);  Coressus  Plin.  IV,  12,  62- 

2)  Vgl.  Olshausen  Rhein.  Mus.  n.  F.  VIIl,  S.  328. 

^)  Vgl.   über  die  jetzt  stg  rafg  nvXccig  genannten  Ruinen  Bröndsled 


2.  Die  ostgriechisclien  Tnseln:  die  Kyldaden;  Keos.  473 

Die  vierte  Stadt,  Poieessa  oder  Poiessa,  lag  ungefähr 
172  Stunde  westlich  von  Karthüa,  etwas  über  zwei  Stunden  süd- 
westlich von  lulis,  auf  einer  steilen  Anhöhe  oberhalb  der  jetzt 
Kundura  genannten  Ducht  der  Westküste,  wo  sich  noch  Reste 
der  alten  Ringmauer  und  innerhalb  derselben  eine  Anzahl  von 
Substructionen  alter  Gebäude  erhalten  haben.  Im  Gebiet  der 
s('hon  zu  Strabons  Zeil  in  Trümmern  liegenden  Stadt  stand  ein 
Ileiligthum  des  Apollon  Smintheus,  zwischen  diesem  und  der 
Stadt  ein  angeblich  von  Nestor  bei  der'  Heimkehr  von  Troia  ge- 
stiftetes Ileiligthum  der  Athena  Nedusia.  Ungefähr  halbwegs  zwi- 
schen Poiessa  und  lulis  liegt  ein  Kloster  der  Ilagia  Marina,  in  dessen 
Hofe  ein  wohlerhaltener,  vier  Stockwerke  hoher,  oben  mit  Zinnen, 
unterhalb  deren  um  die  vierte  Etage  eine  offene  von  Steinbalken 
getragene  Gallerie  herumlief,  bekrönter  antiker  Refestigungsthurm 
steht. ») 

Ein  ungefähr  V/^  deutsche  Meile  breiter  Canal  trennt  die  Kythuog 
Südostküste  von  Keos  von  der  Nordwestküste  der  Insel  Kythnos, 
welche  jetzt  nach  ihren  heilkräftigen  warmen  Quellen  Thermia 
genannt  wird.  2)  Sie  ist  gebildet  durch  einen  von  Nord  nach  Süd 
2'/2  deutsche  Meilen  langen,  aber  ziemlich  schmalen  Rergrücken, 
von  welchem  sich  gegen  Osten  und  Westen  zahlreiche,  von  klei- 
nen Dächen  durchllossene  enge  Schluchten  nach  den  vielfach  aus- 
gezackten Küsten  hinabziehen.     Der  hauptsächlich  aus  Glimmer- 


p.  13  SS.  mit  den  Plänen  auf  pl.  VI  und  VIII;  dazu  die  Inschriften  C.  I. 
gr.  n.  2.350  —  59,  2.361— CG,  2368  s.  Das  Heiligthum  des  Apollon  nebst 
dem  XoQtiysLOV  erwähnt  auch  Athen.  X,  p.  456  f. 

1)  Iloiijaaa,  TIoiriaGioi,  C.  I.  gr.  n.  23601»  (Add.  vol.  II,  p.  1071); 
Uangabe  Ant.  hell.  II,  n.  381  '•'%  82.  IIoirjsaGa  Strab.  X ,  p.  486  s.  (für 
das  Ileiligthum  der  'A^rjvcc  Nsöovala  vgl.  auch  VIII,  p.  360);  Steph. 
Dyz.  u.  noirjeaaa;  Probus  ad  Verg.  Georg.  I,  14;  Plin.  IV,  12,  62.  Vgl. 
über  die  Ruinen  und  den  Thurm  Bröndsted  p,  25  s. ;  Ross  S.  132  f. 

2)  Vgl.  über  die  Insel  Tournefort  I,  p.  125  s.;  Fiedler  II,  S.  95  ff.; 
Russ  I,  S.  106  ff.  -Der  von  einem  Iferos  Kythnos  hergeleitete  antike 
Name  Kv&vog  (statt  dessen  die  Insel  auch  'Ocptovccc  und  jQvonig  ge- 
nannt worden  sein  soll:  Steph.  IJyz.  u.  Kvd'vog)  scheint  mit  dem  Berg- 
namen Kvv&og  identisch  zu  sein.  Den  Namen  Thermia  (der  in  latei- 
nischen Urkunden  des  vierzehnten  Jahrhunderts  in  der  Corruptel  Fer- 
mentae  erscheint:  s.  Hoi)f  Wiener  Sitzungsbcr.  Bd.  32,  S.  505)  kennt 
schon  Niliis  Doxopntriiis  in  seiner  in  der  ersten  Hälfte  des  zwölften 
Jahrhunderts  verfassten  Td^ig  tiÖv  nutffiaifx^'mov  d'ifovtav  276  (Iliero- 
'  lis  Synecdemus  ed.  Parthoy  p.  300). 

lUJUSIAN,   ÜKCKiU.     11.  32 


474  in.    Die  Inselwelt. 

schiefer  bestehende  Boden  ist  ziemlich  fruchtbar:  Getreide,  be- 
sonders Gerste,  wird  in  für  den  Bedarf  der  Bevölkerung  ausrei- 
chendem Maasse,  Wein  so  viel,  dass  etwa  die  Hälfte  des  Ertrags 
ausgeführt  wird,  erbaut;  auch  die  Viehzucht,  die  im  Alterthum 
bedeutend  gewesen  sein  muss,  da  der  kythnische  Käse  sich  eines 
besonderen  Bufes  erfreute,^)  wird  noch  eifrig  betrieben.  Im  süd- 
licheren Theile  der  Insel  finden  sich  ausgedehnte  Lager  von 
Eisenerzen,  die  im  Alterthum  mehrfach  ausgebeutet  worden  sind. 
Dass  auch  die  in  einem  kleinen  Thale  an  der  Nordseite  der  an 
der  Nordostküste  gelegenen  Bucht  der  heiligen  Irene  in  geringer 
Entfernung  vom  Meere  aufsprudelnden,  hauptsächlich  salzsaure 
Soda  und  Magnesia  enthaltenden  warmen  Quellen,  welche  jetzt 
von  zahlreichen  Heilung  suchenden  Kranken  aus  Griechenland 
und  der  Türkei  besucht  werden,  schon  im  Alterthum,  wenn  auch 
vielleicht  erst  in  der  römischen  Kaiserzeit,  benutzt  worden  sind, 
beweisen  die  üeberreste  eines  aus  Steinen  und  Ziegeln  erbauten 
antiken  Bassins,  welches  aus  diesen  Quellen  gespeist  wurde,  so- 
wie einige  nördlich  davon  erhaltene  Beste  von  Mauern  und  F'un- 
damenten  und  antike  Gräber,  ^j 

Die  ältesten  griechischen  Bewohner  der  Insel  waren  Dryoper, 
die  wahrscheinlich  vom  südlichen  Euboia  sich  hierher  gezogen 
hatten;  ihnen  folgten  athenische  Ansiedler,  deren  Ankunft  viel- 
leicht die  Veranlassung  dazu  gab,  dass  ein  Theil  der  älteren  Be- 
wohner der  Insel  nach  Kypros  übersiedelte.^)  Die  Kythnier 
kämpften  auf  der  Seite  der  Hellenen  bei  Salamis  und  traten  dann 
dem  attischen  Seebunde  bei;  in  der  Geschichte  haben  sie  jedoch 


1)  Athen.  XII,  p.  516^;  Poll.  VI,  63;  Stepli.  Byz.  u.  Ryd-vog-,  vgl. 
Plin.  XIII,  24,  134. 

2)  Vgl.  Fiedler  S.  96;  Ross  S.  108  ff.;  über  die  Quellen  X.  Landerer 
IIsqI  tav  iv  Kv&v(a  Q'SQ^av  vdccToav,  Athen  1835,  16".  und  desselben 
Schrift  IIeqI  xcov  rrjg  'EXladog  la^axLv,wv  vdcctcov,  Athen  1840,  8°, 
S.  33  f.  und  8.  37  f. 

^)  Die  KvQ^VLOL  ^gvoTtsg:  Herod.  VIII,  46;  daher  jQVoni'g  alter 
Name  der  Insel:  Steph.  Byz.  u.  Kv^vog.  Athenische  Ansiedelung:  Dio 
Chrysost.  Or.  XXX,  26;  die  Anführer  derselben  werden  in  schol.  Dionys. 
Per,  525  Keox(oq  und  Ks(pccXrivog  (?)  genannt.  Kythnier  auf  Kypros: 
Herod.  VII,  90;  vielleicht  ist  mit  dieser  Wanderung  die  zur  Erklärung 
des  sprüchwörtlichen  Ausdrucks  KvQ'väXrig  Gv^cpoqoc  CBzählte  Sage  von 
einer  Verheerung  von  Kythuos  durch  Amphitryon  in  Verbindung  zu 
setzen:  Zenob.  Prov.  IV,  83;  Hesych.  u.  Kvd-vcoXrig. 


2.  Die  ostgriechischen  Inseln :  die  Kykladen :  Kythnos.        475 

niemals,  weder  im  Alterthum  noch  im  Mittelalter  (wo  die  Insel 
nach  der  Eroberung  von  Konstantinopel  durch  die  Franken  zu- 
erst den  Herzögen  von  Naxos,  dann  kurze  Zeit  dem  Gherardo  dei 
Castelli,  sodann  bis  zur  türkischen  Eroberung  der  Familie  Goz- 
zadini  gehörte)  eine  irgendwie  bedeutende  Rolle  gespielt.  ^) 

Die  Stadt  Kythnos,  deren  fünf  Viertelstunden  gegen  Westen 
von  Messaria,  dem  jetzigen  Hauptorte  der  Insel,  entfernte  Ruinen 
jetzt  Ebräokastro  oder  Rigokastro  (Judenschloss  oder  Königs- 
schloss)  genannt  werden,  lag  am  nördlicheren  Theil  der  West- 
küste oberhalb  mehrerer  Ruchten,  die  eine  Anzahl  guter  Häfen 
darboten.  Die  ausgedehnten  Ringmauern  umschlossen  den  Rücken 
eines  Rerges,  dessen  höchster  Punkt  gegen  Süden  die  Akropolis 
trug;  der  nördhchere  Theil  scheint  die  Agora  gebildet  zu  haben. 
Am  westlichen  Rande  desselben  sind  noch  zwei  grosse  Sub- 
structionen,  vielleicht  von  Tempeln,  erhalten,  zwischen  denen  man 
mit  Hülfe  einer  zum  grössten  Theile  aus  dem  Felsen  gearbeiteten 
Treppe  ans  Meer,  bis  zu  welchem  sich  auch  die  Ringmauern  er- 
streckten, herabsteigt.  2) 

Eine  Stunde  südlich  von  Messaria  liegt  in  einem  anmuthigen 
Rergkessel  das  dem  Ilauptorte  an  Grösse  ziemlich  gleichkom- 
mende Dorf  Syllaka,  an  dessen  Südseite  sich  eine  'Kataphygi'  d.  i. 
'Zufluchtsstätte'  benannte  geräumige  Höhle  befindet,  deren  Haupt- 
gang  man  bequem  3  —  400  Schritt  weit  verfolgen  kann;  Spuren 
einer  Renutzung  derselben  im  Alterthum  zu  einem  Heiligthum 
oder  «lergleichen  bemerkt  man  darin  nicht.  Dagegen  gehört  dem 
Alterlhinn  an  ein  bis  zur  Höhe  von  10 — 12  Fuss  erhaltener  run- 
der Thurm,  der  20  Minuten  nördlich  von  den  Ruinen  der  Stadt 
Kythnos  auf  einem  Hügel  innerhalb  eines  von  einem  Rache  durch- 
flossenen    Thaies    steht,    und    eine    in    der    Nähe    der    Ostküste 


')  Herod.  VIII,  4G;  vgl.  die  Schlangensäule  Gew.  4  KV0NIOI  und 
Paus.  V,  23,  2.  ECcpvioi  ri  Kvd-VLOL  als  Beispiele  von  Kleinstaaten  bei 
(Domosth.)  rifQl  avvrd^stog  p.  176  (vgl.  Plut.  Uo  Herod.  mal.  28).  Make- 
donisrlie  Besatzung  der  Insel,  vergeblicher  Versuch  des  Attalus  und  der 
Römer,  die  Stadt  zu  erobern:  Liv.  XXXI,  16  und  45.  Im  Jahre  70  n.  Chr. 
trat  ein  Betrüger  auf  Kythnos  auf,  der  sich  für  den  Kaiser  Nero  ausgab, 
aber  von  Calpurnius  Asprenas  getödtet  wurde:  Tac.  Mist.  II,  8  f.  Für 
das  Mittelalter  vgl.  C.  Hopf  Wiener  Sitzungsberichte  Bd.  21,  S.  226; 
Hd.  :i2,  S.  .504  f.;  Allgem.  Encycl.  d.  W.  u.  K.  S.  I,  Bd.  76,  S.  415  ff. 

2)  Stadt  Kv&vos:  Scyl.  Per.  58;  Dionys.  Call.  Descr.  Ur.  l.'JG;  Liv. 
XXXI,  45;  über  die  Ruinen  lioss  S.  113  ff. 


476  III.    Die  Inselwelt. 

10  Minuten  südlich  von  der  Ducht  der  heiHgen  Irene  am  Ahhange 
eines  Hügels  hefindliche,  zur  Hälfte  in  den  natürliclien  Fels  ge- 
arbeitete Anlage,  die  sogenannte  Tholos,  ursprünglich  aus  zwei 
der  Länge  nach  überwölbten  Kammern  bestehend.  Mittelalterlichen 
Ursprungs  ist  das  etwas  über  eine  Stunde  nördlich  von  den  war- 
men Quellen  auf  einem  schroffen  Felsen  der  Nordwestküste  ge- 
legene Paläokastron ,  das  im  Volksmunde  jetzt  'das  Schloss  der 
Schönen'  heisst.  ^) 

Beibina.  Vier  bis  fünf  deutsche  Meilen  westlich  von  Keos  und  Kythnos, 

272  Meilen  südlich  vom  attischen  Cap  Sunion  liegt  wie  eine  Art 
Brückenpfeiler  zwischen  den  westlichsten  Kykladen  und  der  süd- 
lichen argivischen  Inselgruppe  die  kleine  Insel  Ilagios  Georgios  (auch 
S.  Giorgio  d'Arbora  genannt),  die  alte  ßelbina,  ein  schmaler 
Bergrücken,  der  sich  in  der  Länge  einer  Stunde  von  Nordwest 
nach  Südost  erstreckt  und  dessen  Abhänge  noch  überall  mit  an- 
tiken Terrassen,  den  Beweisen  sorgfältigen  Anbaues  des  jetzt  bis 
auf  ein  einzelnes  Gehöft  an  der  Westseite  unbewohnten  Eilands, 
bedeckt  sind.  Die  von  den  Alten  nicht  zu  den  Kykladen,  sondern 
zur  argivischen  Inselgruppe  gerechnete  Insel  besass  ein  Städtchen, 
von  welchem  sich  noch  auf  einer  spitzen  Felshöhe  oberhalb  jenes 
Gehöftes  einige  Reste  erhalten  haben;  die  Bewohner  gehörten 
nach  dem  Zeugnisse  der  Tributlisten  dem  attischen  Seebunde  an.^) 

seripiios.  Kehren  wir  in  den  Kreis  der  Kykladen  zurück ,  so  finden  wir 

zunächst  südlich  von  Kythnos  die  Insel  Seriphos  (noch  jetzt 
Serphos),  eine  etwa  drei  Stunden  lange  und  ebenso  breite  Fels- 
masse, die  zum  grösseren  Theile  aus  Glimmerschiefer,  in  den 
südlichsten  Partien  aus  Granit  besteht.  In  Folge  der  felsigen 
Beschaffenheit  des  Bodens  und  des  Mangels  an  genügender  Be- 
wässerung ist  die  Insel  sehr  wenig  anbaufähig;  sie  bringt  nur 
Zwiebeln,  etwas  Wein  und  fast  gar  kein  Getreide  hervor;  dafür 
hat  sie  aber  einen  nicht  unbedeutenden  mineralischen  Reichthum, 
denn  in  ihrem  südlicheren  Theile  finden  sich  an  mehreren  Stel- 
len ausgedehnte  Lager   von  Magneteisenstein   und   Rotheisenstein, 


>)  Vgl.  über  die  Höhle  Fiedler  S.  102  f.  und  Ross  S.  119  f.;  über  den 
alten  Thurm  und  die  Tholos  Ross  S.  120  f. ;  über  das  yiaatQO  zrjg  (OQicig 
ebds.  S.  111  f. 

2)  Scyl.  Per.  51;  Strab.  VIII,  p.  375;  IX,  p.  398;  Plin.  IV,  12,  56; 
Steph.  Byz.  u.  BsXßiva.  Herod.  VIII,  125  nennt  die  Insel  als  Beispiel 
eines  ganz  kleinen  Staates,     Vgl.  Ross  Inselreisen  II,  S.  172  f. 


2.  Die  ostgriechischen  Inseln;  die  Kykladen:  Seriphos.         477 

(He  im  Alterthum,  wie  die  noch  erhaltenen  Stollen  und  Schlacken- 
berge beweisen,  ausgebeutet  worden  sind,  heutzutage  aber  unbe- 
nutzt liegen. ')  Ausser  Bergbau  scheint  Fischerei  der  Haupt- 
erwerhszweig  der  Bewohner  im  Alterthum  gewesen  zu  sein; 
schon  die  Sage  lässt  den  Kasten,  in  welchem  Danae  mit  dem 
Knaben  Perseirs  dem  Meere  übergeben  worden  war,  durch  einen 
sejipliischen  Fisclier  Diktys  aufgefischt  werden  und  knüplt  daran 
zur  Erklärung  der  l'elsigen  Beschaffenheit  der  Insel  die  Erzählung, 
Perseus  habe,  als  gr  mit  dem  Haupte  der  Gorgo-Medusa  nach 
Seriphos  zurückkehrte,  den  König  der  Insel,  Polydektes,  zur 
Strafe  für  sein  ungebührliches  Benehmen  gegen  die  Danae,  mit 
seinem  ganzen  Volke  in  Stein  verwandelt.  2)  Auch  die  von  den 
Allen  häufig  als  Curiosität  erwähnte  Stummheit  der  Frösche  auf 
dieser  Insel  wurde  von  der  einheimischen  Tradition  auf  Perseus 
zurückgeführt,  während  Theophrast  sie  auf  natürlichem  Wege  aus 
der  Kälte  des  Wassers  zu  erklären  versucht  hatte,  "^j 

Die  ältesten  griechischen  Bewohner  der  Insel  scheinen  nach 
dei'  Tradition,  welche  den  Diktys  und  Polydektes  zu  Söhnen  des 
iMagnes,  Sohnes  des  Aeolos  macht,  thessalische  Aeoler  (vielleicht 
Minyer)  gewesen  zu  sein,  die  dann  von  Athen  aus  ionisirt  wor- 
den sein  niögen.'*)  Die  Seriphier  waren  nebst  ihren  Nachbarn, 
den  Siphniern  und  den  Meliern,  die  einzigen  Inselbewohner, 
weiche  den  Abgesandten  des  Perserkönigs  das  symbolische  Zeichen 


^)  Vgl.  über  diese  von  keinem  alten  Schriftsteller  erwähnten  Eisen- 
bergwerke sowie  über  die  Insel  überhaupt  Tournefort  I,  p.  68  s.;  Fiedler 
«,  8.  106  fr.;  Ross  I,  S.  135  ff.  —  Nach  der  Insel  war  eine  Art  Absinth 
(absinthium  marinum  sive  Seriphium)  benannt;  vgl.  Billerbeck  Flora 
classica  p.  213  s. 

«)  Find.  Pyth.  X,  46flf.;  XII,  17  ff.;  Strab.  X,  p.  487;  Apollod.  II, 
1,  l  ff.;  Pherekyd.  fr.  26  (C.  Müller  Fragm.  bist.  gr.  I,  p.  75).  Cult  des 
l'-rseus  auf  Seriphos:  Paus.  IT,  18,  1;  der  Kopf  desselben  und  die  Ilarpe 
'  r.:icheint  auf  den  Münzen  der  Insel:  Eckhel  Doctr.  nuni.  I,  2,  p,  334. 

')  Aelian.  De  anim.  III,  37;  vgl.  Antigen.  Gary  st.  Uist.  mir.  4  u.  a. 
und  das  Sprüchwort  ßcitQaxog  EsQicpiog  bei  Diogenian.  III,  44  u.  ö. 

*)  Apollod.  I,  9,  6:  riierckydes  (fr.  13)  machte  die  beiden  Heroen  zu 
Söhnen  des  Peristhenes,  des  Enkels  des  Nauplios.  Als  Führer  der  athe- 
nischen Ansiedler  (vgl.  ITerod.  VIII,  48;  Dio  Chrys.  Or.  30,26)  wird  in 
gchol.  Dionys.  Per.  525  Etcoklos  (ein  dem  Sagenkreise  der  Minyer  von 
Orchomenos  angehöriger  Name)  genannt.  Für  dio  ionische  Nationalität 
der  licvülkerung  der  Insel  zeugt  auch  ihre  Zugehörigkeit  zur  delischon 
Amphiktyonic:  C.  I.  gr.  n.  168. 


478  III.    Die  Inselwelt. 

der  Unterwerfung,  die  Uebergahe  von  Erde  und  Wasser,  ver- 
sagten, und  stellten  auch  ihr  wenn  auch  schwaches  Contingenl 
zur  griechischen  Flotte  hei  Salamis.')  Als  Mitglied  des  altischen 
Seehundes  musste  die  Insel  trotz  ihrer  seit  den  Zeiten  der  alten 
attischen  Komödie  bis  in  die  römische  Kaiserzeit,  wo  sie  ein  ge- 
lürchteter  Verbannungsort  für  Staatsverbrecher  war,  viel  ver- 
spotteten Armuth  und  Unbedeutendheit 2)  Anfangs  einen  Tribut 
von  zwei  Talenten,  der  aber  später  auf  die  Hälfte  herabgesetzt 
wurde,  zahlen,  [m  Jahre  1207  wurde  sie  von  denselben  vier 
venezianischen  Abenteurern,  welche  Keos  eroberten,  in  Besitz 
genommen  und  blieb  bis  zur  türkischen  Eroberung  (im  Jahre  1537) 
in  den  Händen  der  Nachkommen  derselben.'^) 

Das  Städtchen  Seriphos^)  lag  auf  derselben  Stelle  wie  die 
einzige  Ortschaft,  welche  die  Insel  jetzt  aufzuweisen  hat:  drei 
Viertelstunden^  oberhalb  eines  geräumigen  und  sichern  IJafens 
(jetzt  Porto  Livadi)  der  Südostküste,  an  dem  steilen  Abhänge  eines 
felsigen  Berges,  dessen  noch  jetzt  mit  einem  CastcU  bekrönter 
(iiplel  ohne  Zweifel  die  alte  Akropolis  trug.  Ausser  den  sehr 
unbedeutenden  Ueberresten  dieser  Stadt  lindet  man  auf  der  Insel 
nur  noch  die  Ruine  eines  aus  weissen  Marmorquadern  erbauten 
runden  hellenischen  Wartthurmes  obei'halb  des  jetzt  Porto  Ka- 
tena  genannten  Hafens  an  der  Süd  Westseite  der  Insel. 

Zu  Seriphos  gehören  drei  jetzt  völlig  unbewohnte  Inselchen: 
die  östlich  vom  Hafen  Livadi  gelegeae  Klippe  Boidi  (auch  Poloni 
genannt),  das  Eiland  Serphopula  nordöstlich  von  Seriphos  und 
die  zwischen,  diesem  und  Kythnos  gelegene  Klippe  Piperi.  Auf 
Serphopula,  der  grössten  derselben,  sollen  sich  die  Ruinen  eines 
hellenischen  Thurmes  und  eine  antike  Cisterne  finden,  Zeugnisse 
dafür,  dass  das  Eiland  im  Alterthum,  wenn  auch  wohl  nur  von 
einigen  Hirten,  bewohnt  war. 


1)  Herod.  VIII,  46  und  48. 

2)  Schon  Kratinos  hatte  eine  Komödie  EaQirpiOL  geschrieben:  vgl. 
Meineke  Fragm.  com.  I,  p.  45  ss.  ed.  min.;  ferner  s.  Aristoph.  Acharn. 
542;  Plat.  Rep.  I,  p.  329";  Plut.  Them.  18;  De  exilio  7;  Cic.  De  nat. 
deor.  I,  31,  88;  ßeneca  Ad  Helviam  de  consol.  6,  4.  Verbannungsort: 
Tac.  Ann.  II,  85;  IV,  21;  luvenal.  Sat.  VI,  564;  X,  170. 

3)  Vgl.  C.  Hopf  Wiener  Sitzungsber.  Bd.  21,  S.  226;  Bd.  32,  S.  426  ff. 
'»)  Isokrat.  Aegin.   9;    Scyl.   Per.   58;    Ptol.   III,   15,   31;    vgl.   Ross 

S.  135. 


2.   Die  ostgriechiscihen  Inseln:  die  Kykladen:  Siphnos.        479 

Von  Seriphos  ist  dessen  grössere  südöstliche  Nachbarin,  siphuos. 
Siphnos^)  (jetzt  Sipheno,  von  den  Abendländern  gewöhnlich  Si- 
fanto  genannt),  wesentlich  verschieden.  Ein  bis  zur  Höhe  von 
664  Meter  aufsteigender,  ganz  aus  Kalkstein  bestehender  Berg- 
rücken zieht  sich  von  Nordwest  gegen  Südost  längs  der  West- 
küste der  etwa  I73  Quadratmeile  an  Umfang  enthaltenden  Insel 
hin;  seine  östlichen  Abhänge  werden  durch  eine  fruchtbare,  noch 
jetzt  mit  Getreidefeldern,  Weinbergen,  Oelbaumpflanzungen  und 
Gärten,  zwischen  denen  mehrere  wohlgebaute  Dörfer  liegen,  be- 
deckte Hochebene  mit  der  sleil  gegen  das  Meer  abfallenden 
Ostküste  verbunden.  Noch  wichtiger  als  die  durch  ausrei- 
chende Bewässerung  unterstützte  Fruchtbarkeit  des  Bodens  war 
für  die  Blüthe  der  Insel  im  frühen  Alterthum  ihr  Metallreich- 
Ihum:  sie  besass  Bergwerke,  aus  welchen  Gold  (nach  einer  An- 
gabe auch  Silber)  in  solcher  Fülle  gewonnen  wurde,  dass  die 
Siphnier  im  sechsten  Jahrhundert  v.  Chr.,  wo  der  Ertrag  beson- 
ders bedeutend  gewesen  zu  sein  scheint,  die  reichsten  aller  grie- 
chischen Inselbewohner  waren,  ihre  Hauptstadt  mit  kostbaren 
öffentlichen  Bauten  schmücken  konnten  und  für  den  Zehnten  des 
Ertrags,  den  sie  dem  delphischen  Apollon  darbrachten,  ein  eige- 
nes reich  gefülltes  Schatzhaus  in  Delphoi  erbaut  hatten.  Dieser 
Heichthum  der  Insel  veranlasste  eine  Schaar  samischer  Abenteurer, 
welche  vergeblich  versucht  hatten  mit  Hülfe  der  Lakedämonier 
ihr  Vaterland  von  der  Herrschaft  des  Polykrates  zu  befreien,  von 
den  Siphniern  ein  Darlehen  von  10  Talenten  zu  verlangen  und, 
da  ihnen  dies  verweigert  wurde,  die  Insel  zu  verheeren  und  ihr 
eine  Contribulion  von  100  Talenten  aufzulegen  (um  524  v.  Chr.).^) 
Auch  auf  Charakter  und  Sitten  der  Einwohner  übte  dieser  Ueber- 
lliiss  an  cdelem  Metall,  das  zum  grösslcn  Theil  in  Privatbesitz 
war   (denn   der   Ertrag   der   Bergwerke    wurde   nach   Abzug    des 


')  Annalen  von  Siphnos  {2i<pviiov  wqol)  von  einem  gewissen  Mala- 
koö  citirt  Athen.  VI,  p.  267*.  Angebliche  Ulterc  N;imcn  der  Insel  Mo- 
rope  (oder  Meropia)  und  Akis:  Plin.  IV,  12,66;  Öteph.  Byz.  u.  Uicpvog. 
Vgl.  über  die  Insel  Tournefort  I,  p.  66  ss.;  Fiedler  II,  S.  123  flf.;  Ross  I, 
S.  138  ff. 

*)  Herod.  III,  57  f.;  Paus.  X,  11,  2.  Wohnungen  für  die  Berpleuto: 
Suid,  II.  laovil)BLg.  Die  alten  Gruben  sind  noch  heutzutage  auf  einem 
flachen  Vorgebirge  der  Nordostküste  bei  einer  Capello  dos  llagios  Sostis 
erhalten;  s.  Ross  S.  141  f.;  Fiedler  S.  136  ff. 


480  in.    Die  Inselwelt. 


AIP    llw'S         ■ 


Zeheiilen  für  den  Apollon  unter  die  Einwohner  vertheilt,  >vie  dies 
aiicli  in  Athen  vor  Themistokles  mit  dem  Ertrag  der  laurischen 
Silbergruben  der  Fall  war),  einen  schlinmien  EinÜuss  aus:  er 
verleitete  sie  zum  üebermuth  und  zur  Ue|»[)igkeit  und  brachte  sie 
in  dieser  Beziehung  in  übeln  Rul  bei  den  übrigen  Hellenen.') 
Diesem  Ueberiluss  und  damit  auch  der  Blülhe  der  Insel  wurde 
Ireilich  ziendich  Irühzeitig  durch  das  Versiegen  der  Goldadern 
(oder,  wie  die  Legende  berichtet,  dadurch  dass  die  Bergwerke? 
vom  Meere  bedeckt  wurden  zur  Strafe  dafür,  dass  die  Sjphnier 
aus  Habsucht  die  Zahlung  des  Zehenten  an  den  delphischen  Gott 
unterlassen  hatten)  ein  Ende  gemacht.  Länger  andauernd,  aber 
freilich  viel  bescheidener  war  ein  anderer  Industriezweig  der 
Siphnier:  die  Verfertigung  von  Geschirren  aus  Topf-  oder  Lavez- 
stein  (lapis  ollaris),  einer  Art  weichen  uiul  leicht  zu  bearbeiten- 
den, am  Feuer  sich  verhärtenden  Talkschiefers,  welcher  auf  der 
Insel  gefunden  wurde.  2) 

Die  Bewohner  der  Insel,  nach  dei'  Tradition  lonier  aus  At- 
lika,^)  nahmen,  nachdem  sie  dem  Dareios  die  Unterwerfung  ver- 
weigert hatten,  an  dem  Kampfe  gegen  Xerxes  Theil,'')  gehörten 
dann  sowohl  dem  älteren  athenischen  Seebunde  (zu  dessen  Gasse 
sie  anfangs  drei,  später  neun  Talente  steuerten),  als  auch  dem 
neueren  vom  Jahre  378  an,  traten  dann,  wie  die  Bewohner  der 
meisten  Kykladen,  ganz  vom  politischen  Schauplatze  ab  und  führ- 


1)  Vgl.  Append.  prov.  IV,  73  (Paroemiogr.  gr.  I,  p.  452)  mit  Leutsch's 
Note;  dazu  Poll.  IV,  65.  Unklar  ist  die  Bedeutung  des  von  Strab.  X,  p.  484 
angeführten  Ausdrucks  ECcpviog  ixatgccyccXos- 

2)  Theophrast.  De  lapid.  7,  42  (wornach  die  Stelle,  wo  dieser  Stein 
gegraben  wurde,  etwa  drei  Stadien  vom  Meere  entfernt  war);  Plin. 
XXXVI,  22,  159;  Steph.  Byz.  u.  Sicpvos.  Vgl.  F.  Keller  ^Ueber  den 
frühesten  Gebrauch  des  Lavezsteins  (Topfsteins)'  im  Anzeiger  für  schwei- 
zerische Alterthumskunde  1871,  N.  1,  S.  215  ff.  Der  Stein  wird  jetzt  auf 
Siphnos  nicht  mehr  gefunden  oder  doch  nicht  mehr  benutzt;  dagegön 
blüht  noch  die  Fabrication  von  Thongeschirren. 

2)  Herod.  VIII,  48:  nach  schol.  Dionys.  Per.  525  kam  nach  Siphnos 
eine  athenische  Colonie  unter  Führung  des  Alkenor,  nach  Nikol.  Dam. 
bei  Steph.  Byz.  u.  2icpvog  war  der  Heros  eponymos  Siphnos  ein  Sohn 
des  Sunios.  Unklar  ist  die  von  Ovid.  Met.  VII,  465  ff,  berührte  Sage 
von  einem  Verrath  der  Insel  durch  die  Arne;  vgl.  Lactantii  Placidi  Narrat. 
fab.  VII,  25. 

■*)  Herod.  VIII,  46;  Inschrift  der  delphischen  Schlangensäule  Gew.  4 
IlcDNIOI. 


2.  Die  ostgriechischen  Inseln:  die  Kykladen:  Siphnos.  '       481 

ten  das  mir  von  Zeit  zu  Zeit  durch  Angrille  von  Piraten  (wie 
von  einer  Plünderung  der  Stadt  durch  kretische  Seeräuber  um 
die  Mitte  des  zweiten  Jahrhunderts  v.  Chr.  berichtet  wird)  un- 
terbrochene Stillleben  eines  Kleinstaats,  der  sich  sogar  den  Luxus 
eigener  'Könige'  (diesen  Titel  führten  die  obersten  Beamten  der 
Insel)  gestattete.  ^)  Als  die  Franken  im  Archipel  herrschten,  ge- 
hörte die  Insel  Aid'angs  zum  Uerzogthum  Naxos,  wurde  im  Jahre 
1269  von  den  Byzantinern,  1307  von  dem  Johanniterritter  Januli 
da  Corogna  erobeit,  von  dessen  Familie  sie  im  Jahre  1464  durch 
Erbschaft  in  den  Besitz  der  auch  auf  Kythnos  herrschenden  Fa- 
milie Gozzadini  gelangte.'^) 

Die  Stadt  Siphnos  lag  auf  einem  steilen  Vorsprung  der 
Ostküste,  dessen  Bücken  jetzt  das  als  Hauptort  der  Insel  geltende 
Städtchen  Kastro  einninnnt.  Von  dem  Beichthum  der  Insel  gaben 
■die  mit  Hallen  aus  weissem  Marmor  umgebene  Agora  und  das 
aus  demselben  31aterial  erbaute  Prytaneion  Zeugniss;  ausserdem 
besass  die  Stadt  eine  Anzahl  stattlicher  Tempel  (unter  denen  die 
des  Zeus  Epibemios,  des  Apollon  Enagros  und  der  Artemis  Ek- 
bateria  die  bedeutendsten  gewesen  zu  sein  scheinen)  und  ein 
Cymnasion.**)  Einen  Hafen  besass  die  Statit  nicht,  sondern  nur 
eine  olfene  Bhede ;  aber  etwas  über  eine  Stunde  südlich,  an  der 
Südostküste,  ist  ein  geräunn'ger  und  sicherer  Hafen,  welcher  jetzt 
nach  der  Buine  eines  an  der  innersten  Einbiegung  der  Küste  ge- 
legenen runden  antiken  VVartthurmes,  der  von  der  Tradition  als 
Leuchtthurm  erklärt  wird,    Pharos  genannt  wird;    an  demselben 


')  Isokr.  Aegin.  36.  Kretische  Piraten:  Diodor.  XXXI,  fr.  56  Bekker; 
vgl.  die  Inschrift  C.  I.  gr.  2347.  Zirpvioi  neben  Kv&viol  zur  Bezeich- 
nung eines  Kleinstaates  bei  (Demosth.)  TIsqI  Gvvta^soag  p.  176.  Als 
Flottenstation  in  der  Zeit  Alexanders  d.  Gr.  wird  die  Insel  erwähnt  bei 
Arrian.  Anab.  II,  2,  4;  13,  4. 

2)  Vgl.  Hopf  Wiener  Sitzungsber.  Bd.  21,  S.  226;  Bd.  32,  ö.  457  f.; 
Allgem.  Encycl.  d.  W.  u.  K.  S.  I,  Bd.  68,  ö.  306  f.;  Bd.  76,  S.  415  flf. 

•^)  Uerod.  III,  57;  Diod.  XXXI,  fr.  56;  Ptol.  III,  15,  31;  Ilesych.  u. 
"Ei/«ypoff,  'EnißjjfiLog  und  'Ey,ßcciiTrjQic<s  {Wüh  'E-nßccrriQicc);  C.  I.  gr.  n. 
2423*».  Der  Kopf  des  Zeus  und  des  Apollon  auf  Minizen  von  Siphnos: 
I'.ckhel  Doct.  n.  I,  2,  p.  336.  Auch  für  den  Cult  der  Artemis  zeugen  die 
Münzen,  denn  der  auf  den  ältesten  Münzen  geprägte  weibliche  Kopf  stellt 
ohne  Zweifel  diese  Göttin  dar.  Daus  aber  der  Name  des  Dorfes  'Aqte- 
liayvag  von  einem  Ileiligthum  der  Artemis  herzuleiten  sei,  i.st  eine  jeden- 
falls irrige  Annahme  von  Kosb  »5.  114. 


482  III.    Die  Inselwelt. 

lag  wahrscheinlicli  eine  der  beiden  nur  von  Steplianos  von  By- 
zanz  ervvälinten  Oilscliaftcn,  Apollonia  oder  Minoa.^)  Ruinen 
älinliclier  Warltlnirme  wie  beim  Hafen  Piiaros  finden  sich  noch 
an  vielen  Stellen  der  Insel,  besonders  auch  längs  der  jetzt  ganz 
unbewohnten  Westküste;  ein  Beweis,  dass  Siphnos  mehr  als  an- 
dere Inseln  wegen  seines  Heichtliums  Angriffe  von  Piraten  zu 
fürchten  hatte.  An  einer  Bucht  am  nördlicheren  Theile  der 
Westküste,  in  welche  ein  in  der  Nähe  des  Dorfes  Stavri  ent- 
springender Bach  mündet,  bemerkt  man  eine  jetzt  'Kamarä'  ('die 
Kammern')  genannte  Höhle,  welche  nach  der  auf  einer  Wand 
eingegrabenen  Inschrift  ein  Heiligthum  der  Nymphen  enthielt,  ^j 

Nahe  der  Südspitze  von  Siphnos  liegt  eine   ganz   kleine  un- 
bewohnte Insel,  jetzt  Kitriani  genannt,  welche  im  Alterlhum  namen- 
los und  demnach  auch  ohne  Bewohner  gewesen  zu  sein  scheint.  ^) 
Piepesiu-  Ungefähr  zwei  deutsche  Meilen  östlich  von  Siphnos  liegt  eine 

oiiaiüs.  i>'*"'^  kleine  wüste  Insel,  welche  nach  ihrer  länglichrunden  Gestalt 
jetzt  Strongylo  heisst  —  einen  antiken  Namen  für  sie  kennen 
wir  nicht  und  hat  ein  solcher  wohl  auch  nicht  existirt  — ,  un- 
mittelbar östlich  von  ihr  eine  etwas  grössere,  die  jetzt  ebenfalls 
unbewohnt  ist  und  nur  während  des  Winters  als  Ziegenweide 
benutzt  wird.  Während  der  von  West  nach  Ost  streichende  Berg- 
rücken, aus  welchem  sie  besteht,  gegen  Süden  steil  abfällt,  senkt 
er  sich  gegen  Norden  allmälig  nach  dem  Meere  zu  und  bildet 
eine  kleine  anbaufähige  Ebene,  in  deren  nordöstlichstem  Theile, 
nahe  dem  Meere,  sich  einige  mächtige  Marmorslücke  finden, 
wahrscheinlich  Ueberreste  eines  antiken  Ileiligtbums,  welchen  die 
Insel  ihren  modernen  Namen  Despotiko,  d.  i.  Bischofssitz,  ver- 
dankt; im  Alterthum  scheint  sie  den  Namen  Prepesinthos  ge- 


')  Steph.  Byz.  u.  'AnoXlcovia  und  Mi'voycc.  da  der  Name  der  letzte- 
ren von  einer  Quelle  Minoa  hergeleitet  wird,  ist  sie  vielleicht  bei  dem 
nach  einer  reichen  und  nie  versiegenden  Quelle  benannten  Kloster  ftg 
TYjv  ßgvGiv  südlich  vom  Dorfe  Stavri  am  Wege  nach  dem  Hafen  Pharos 
(s.  Ross  S.  141)  anzusetzen. 

2)  C.  I.  gr.  n.  2423 c  (Vol.  II,  p.  1080)  =  Ross  Inscr.  gr.  ined.  fasc.  III, 
p,  5;  vgl.  denselben  Inselreisen  I,  S.  143  f.  und  über  die  alten  Wart- 
thürme  ebds.  S.  145  f. 

3)  Dies  ist  zu  schliessen  aus  der  schon  von  Ross  (a.  a.  O.  S.  146) 
richtig  auf  dieses  Inselchen  bezogenen  Bezeichnung  in  der  Inschrift  C.  I, 
gr.  n.  2347 <^,  Z.  28  f.:  inl  xt^v  E7tLv,£Li.iSV7]v  ccnivcivti  vrjcov  r^g  jjoj'^ag 
zrjg  Z,i(pvC(ov. 


2.  Die  ostgriechischen  Inseln:  die  Kykladen:  Oliaros.  483 

führt  zu  haben.  ^)  Der  Nordostküste  dieser  Insel  gegenüber  ölhiet 
sich  eine  einen  trefflichen  Hafen  darbietende  Bucht  an  der  West- 
küste einer  grösseren,  namentlich  beträchtlich  längeren  Insel, 
welche  von  den  Alten  Oliaros,  heutzutage  nach  ihrer  Lage 
gegenüber  von  der  weit  umfangreicheren  Nachbarinsel  Faros 
Antiparos  genannt  wird.  Der  Boden  der  Insel  —  Glimmerschie- 
fer, auf  welchem  Uebergangskalk  aufgelagert  ist  —  ist  ziemlich 
fruchtbar,  denn  sie  erzeugt  die  für  die  Bevölkerung  von  etwa 
500  Seelen ,  die  in  dem  ungefähr  in  der  Mitte  der  Insel  gelege- 
nen Dorfe  Kastro  wohnen,  nöthige  Gerste,  Wein  und  Baumwolle 
zur  Ausfuhr  und  bietet  Nahrung  für  zahlreiche  Ziegenheerden. 
Die  grösste  Merkwürdigkeit  der  in  alter  Zeit  von  Phönikern  aus 
Sidon  colonisirten,  dann  fast  ganz  aus  der  Geschichte  verschwin- 
denden, weil  meist  nur  ein  Anhängsel  von  Faros  bildenden  Insel 
(nur  1439^1537  stand  sie  unter  eigenen  Herren  aus  den  Fa- 
milien Loredani  und  Fisani)'^)  ist  eine  im  nördlichen  Tlieile  in 
der  Süd  Westseite  eines  kahlen  Berges  sich  öffnende,  mit  schönen 
Stalaktiten  von  den  mannigfaltigsten  Formen  geschmückte  Grotte, 
in  welche  man  mit  Hülfe  von  Seilen  durch  ein  Loch  im  Boden 
einer  nahe  unter  der  Kuj)[)e  des  Berges  befindlichen  gewölbten 
Höhle,  gewissermassen  der  Vorhalle  der  schluchtenartig  in  die 
Tiefe  des  Berges  eindringenden  Hauptgrotte,  hinabsteigt.  Einige 
von  neueren  Beisenden  in  dieser  Vorhalle  entdeckte  Inschriften 
beweisen,  dass  die  Grotte,  von  welcher  uns  bei  keinem  allen 
Schriftsteller  eine  Noliz  erhalten  ist,  schon  im  Alterthum  von 
Beisenden  besucht  worden  ist,  welche  nach  Touristenart  ihre  Na- 
men auf  den  Wänden  verewigten.^) 

Ein  ungefähr  eine  Stunde  breiter  Ganal,  dessen  Fassage  für  Paro8. 
grössere  Schiffe   wegen   Untiefen   in    der  Mitte   und  einer  Anzahl 

0  Strab.  X,  p.  485;  Plin.  IV,  12,  66.     Vgl.  Fiedler  Reise  11,  8.  201. 

2)  Vgl.  C.  Hopf  Wiener  Sitssungsberichte  lid.  32,  8.  418  f. 

•')  C.  1.  gr.  n.  2309— 2401;  vgl.  Pasch  van  Krienen  Breve  doscri/aone 
(Icirarcipelago  p.  128  ss.;  Tournefort  I,  p.  71  ss. ;  Proke.scU  von  Osten  Denk- 
würdigkeiten II,  S.  33  fr.;  Fiedler  II,  Ö.  193  ff.;  Globus  I  (1862)  S.  272.  Von 
antiken  Schriftstellern  erwähnen  Oliaros  (oder  wie  es  in  lateinischen  Hand- 
schriften meist  geschrieben  wird  Olearos)  Scyl.  Per.  48  (wo  indess  das 
überlieferte  vcox^nQog  wohl  eher  in  TJolvaiyos  zu  verbessern  ist);  Strab.  X, 
p.  485;  Ptol.  III,  15,  28;  Steph.  IJyz.  u.  'SlU'KQog;  Verg.  Aon.  III,  126; 
Ovid.  Met.  VII,  469;  Stat.  Achill.  II,  3;  Pomp.  Mola  II,  111;  Plin.  IV, 
12,  67. 


484  III.    Die  Inselwelt. 

niedriger  Felsklippen  am  nördlichen  nnd  südlichen  Ausgange  ge- 
lährlich  ist,  trennt  die  Noi dostküsle  von  Oliaros  von  der  Süd- 
westseile von  ParosJ)  einer  der  bedeutendsten  unter  den  Kykla- 
den,  die  heutzutage  im  Volksnmnde  mit  ihrer  grösseren  östlichen 
Nachbarin,  Naxos,  durch  den  Collectivnamen  Paronaxia  (7}  Tlago- 
va^Ca)  zusanunengelasst  vviid.  Die  etwa  liml'  Quadratmeilen  im 
Umfang  haltende  Insel  ist  ein  mächtiges  Marmorgebirge,  von  den 
Alten  Marpessa  genannt,^)  das  in  der  Kuppe  des  llagios  llias  im 
südlicheren  Tlieile  die  Höhe  von  771  Meter  erreicht  und  nach 
allen  Seiten  allmälig  gegen  die  Küste  ablällt,  wo  sich  im  Nord- 
osten und  Südwesten  etwas  breitere  fruchtbare  Sirandebenen  an 
seinen  Fuss  anschliessen.  Nur  an  wenigen  Stellen,  besonders  an 
der  Nord  Westseite  in  der  Umgegend  der  Hauptstadt,  tritt  Gneis 
und  Glinmierschiefer  auf.  Die  weisslichgrau  erscheinende  Ober- 
tläche  der  Berge  ist  fast  ganz  kahl,  so  dass  sie  nicht  einmal 
Weide  für  Ziegen  darbieten;  aber  in  ihrem  Inneren  bergen  sie 
eine  wie  es  scheint  fast  uncrschöplliche  Fülle  trelTiichen  weissen 
Marmors,  der  schon  im  Alterlhum  den  wichtigsten  Ausfuhrartikel 
und  so  lange  die  Ausbeutung  derselben  auf  Rechnung  der  pari- 
schen Gemeindekassc  betrieben  wurde,  d.  h.  bis  zur  römischen 
Kaiserzeit,  wo  die  ßrüqhe  als  Eigenthum  des  Fiscus  galten,  die 
Ilauptquelle  des  Reichthums  der  Insel  bildete.  Noch  an  mehreren 
Punkten  finden  sich  ausgedehnte  von  den  Alten  bearbeitete  Mar- 
morbrüche; die  bedeutendsten,  in  welchen  der  edelste,  ausschliess- 
lich zu  Bildwerken  benutzte  Marmor  gebrochen  wurde,  liegen  am 
nördlichen  Fusse  des  Marpessaberges,  unterhalb  eines  ehemaligen 
Klosters  des  llagios  Minas,  V/^  Stunden  östlich  von  der  Hauptstadt. 


')  Als  ältere  Namen  dieser  Insel  führt  Steph.  Byz.  11.  Tlagog  (vgl. 
Plin.  IV,  12,  67)  an:  IJXciTSLa,  ^rjpurjtQidg^  Zoc>ivvd'os,  'Tqiu,  'Tl^saoa, 
Mivma  und  KaßtXQVLs  (letzteres  nach  einem  Heros  Kabarnos,  welcher 
der  Demeter  den  Kaub  ihrer  Tochter  angezeigt  haben  soll  und  nach 
welchem  die  Priester  der  Demeter  auf  Faros  Kußaqvoi  Messen;  vgl. 
llesych.  u.  d.  W.  und  Böckh  ad  C.  I.  gr.  n.  2884).  Vgl.  über  die  Insel 
Tournefort  I,  p.  75  s.;  Leake  Travels  in  northern  Greece  Vol.  III,  p.  85  ss. ; 
Thiersch  ^lieber  Faros  und  parische  Inschriften'  in  den  Abhandlungen 
der  philos.-philol.  Classe  der  k.  bayer.  Akad.  d.  W.  Bd.  I,  S.  583  fr.; 
Frokesch  Denkwürdigkeiten  II,  S.  20  ff.  und  S.  52  ff.;  Fiedler  II,  S.  179  ffr; 
Ross  I,  S.  44  ff. 

2)  Steph.  Byz.  u.  MccQTtrjaoa;  Serv.  ad  Verg.  Aen.  VI,  471;  Vibius 
Sequester  p.  16,  10  ed.  meae. 


2.  Die  ostgriechischen  Iiiselu :  die  Kykladen :  Faros.  485 

Der  Marmor  wurde  hier  in  durchaus  hergmännischer  Weise,  ver- 
uiitlels  unterirdischer,  in  das  Innere  des  Berges  hineingetriehener 
Stollen,  in  welciien  man  nur  mit  Gruhenlichtern  arbeiten  konnte 
(daher  die  Bezeichnung  dieser  edelsten  Art  des  .  parischen  Mar- 
mors als  Lychnites  oder  Lychneus,  die  andere  weniger  wahr- 
scheinlich von  dem  glänzenden  Korn  desselben  herleiten),  gewon- 
nen.^) In  den  Thälern  und  an  den  untersten  Abhangen  der 
Berge  wird  Getreide  und  besonders  Wein,  der  jetzt  einen  nicht 
unbedeutenden  Ausfuhrartikel  bildet,  gebaut;  im  Alterlhum  culti- 
virte  man  auch  eine  besondere  Art  von  Feigen,  welche  nach 
ihrer  blulrolhen  Farbe  'Blutfeigen'  genannt  wurden. 2) 

Als  älteste  Bewohner  der  Insel  werden  Kreter  bezeichnet, 
denen  sich  eine  kleine  Schaar  von  Arkadern  angeschlossen  habe; 
doch  beruht  die  letztere  Angabe  vielleicht  nur  auf  einer  etymo- 
logischen Spielerei,  welche  den  Namen  Faros  mit  dem  der  arka- 
dischen Farrhasier  in  Verbindung  setzte.  "^)  Wie  die  meisten  Ky- 
kladen wurde  sie  dann  von  Alben  aus  mit  ionischen  Ansiedlern 
besetzt^)  und  gelangte  bald  zu  einer  bedeutenden  Seemacht,  wo- 
für die  Gründung  von  Colonien,  wie  namentlich  der  auf  der  Insel 
Thasos,  welche  unter  der  Führung  des  Telesikles,  des  Vaters  des 
Dichters  Archilochos,  Ol.  15  oder  18  erfolgte  und  an  welcher 
auch  dieser  Dichter,  der  berühmteste  Sohn  der  Insel,  als  Jüng- 
ling Theil  nahm;  Zeugniss  giebt.  ^)     Die  höhere  Machtentwickelung 


1)  Varro  bei  Plin.  XXXVI,  5,  14;  (Fiat.)  Eryxias  p.  400«;  Atlien.  V, 
p.  205^;  Hesych.  u.  Avxvtag;  vgl.  über  die  Brüche  besonders  Fiedler 
S.  184  ff.;  über  den  Betrieb  in  der  römischen  Kaiserzeit  Bruzza  AnnaH 
t,  XLII,  p.  158  88.  (dazu  die  Inschrift  bei  llosß  Inscr.  gr.  in.  II,  n.  149: 
EQCog  KaiGaqoq  bQyiniGtdrrjg  tov  XaxoiitQV  idQvGuvo^  in  welcher  Koss 
irrig  KuicuQog  als  den  Namen  des  Vaters  des  Y.voa  auffiisst);  über  ein 
am  Eingange  des  zweiten  Stollens  befindliches,  von  dem  Odrysen  Ada- 
mas den  Nymphen  geweihtes  Relief  A.  Michaelis  Annali  t.  XXXV,  p.  314  s. 

')  Atben.  III,  p.  70''. 

^)  lleraclid.  De  reb.  publ.  8;  Stepii.  Uyz.  u.  TTapog;  vgl.  Apollod.  II, 
5.  9;   III,  15,  7. 

')  öchol.  Dionys.  Per.  625,  wo  Klytios  und  Melas  als  Führer  der- 
hulben  genannt  worden. 

•')  Thuk.  IV,  104;  Strab.  X,  p.  487;  Aelian.  Var.  bist.  X,  1.3;  Clemens 
AI.  Strom.  I,  p.  .333;  Steph.  Hyz.  ii,  &aaog.  Farion  am  Ilcllespont  soll 
von  Fariern,  Milesiern  und  Krytbrncrn  gegründet  worden  sein  (Strab. 
XIII,  p.  588;  vgl.  X,  p.  487).  Noch  im  Jabre  385  v.  Cbr.  gründeten  die 
Farior  im  Verein  mit  Dionysios  von  Syracus  eine  Niederlassung  aui'  der 


486  HI.    Die  Inselwelt. 

der  Nachbarinsel  Naxos  brachte  Faros  wie  andere  Kykladen  in 
Abhängigkeit  von  dieser,  ein  Verhliltniss,  das  sie  später  mit  dem 
der  Untertliänigkeil  gegen  die  l^erser  vertauschte.  Nach  der 
Schlacht  bei  Marathon  griff  eine  athenische  Flotte  unter  Führung 
des  Milliades  die  Insel  an  ,  um  sie  für  ihre  active  Theilnahme 
am  Kampfe  auf  der  Seite  der  Perser  zu  bestrafen,  und  belagerte, 
da  die  Parier  sich  weigerten  eine  Busse  von  100  Talenten  zu 
bezahlen,  26  Tage  lang  die  Hauptstadt,  musste  aber  unverrichte- 
ter  Sache  wieder  heimkehren.  Auch  zur  Flotte  des  Xerxes  stell- 
ten die  Parier  ihr  Contingent,  welches  aber  nach  der  Schlacht 
bei  Artemision  bei  Kythnos  zurückblieb,  um  den  weiteren  Gang 
des  Krieges  abzuwarten  ;  der  Strafe  für  diese  zweideutige  Haltung 
von  Seiten  der  hellenischen  Flotte  entgiengen  sie  vermittels  einer 
an  Themistokles  gezahlten  beträchtlichen  Geldsumme.  ^)  Wie  die 
Bewohner  der  übrigen  Kykladen  traten  sie  dann  dem  attischen 
Seebunde  bei,  und  zwar  zahlten  sie  unter  allen  Inselbewohnern 
den  höchsten  Tribut  (nach  der  Schätzung  von  Ol.  88,  4  dreissig 
Talente  jährlich)  an  die  Bundeskasse,  ein  Steuerbetrag,  dessen  Höhe 
jedenfalls  aus  den  sehr  bedeutenden  Erträgnissen  zu  erklären  ist, 
welche  damals,  in  der  Zeit  der  eifrigsten  Thätigkeit  auf  dem  Ge- 
biete der  Plastik,  die  Marmorbrüche  der  Insel  lieferten.  Auch  dem 
neuen  attischen  Seebunde  vom  Jahre  378  traten  die  Parier  bei, 
sagten  sich  aber  von  demselben  wahrscheinlich  im  Jahre  357 
zugleich  mit  den  Chiern,  zu  welchen  sie  damals  und  noch  später 
in  nahen  Beziehungen  standen,  ^j  los.  Seitdem  verlor  die  Insel 
alle  politische  Bedeutung  und  behielt  für  die  verschiedenen  aus- 
wärtigen  Herrscher,    denen   sie   der   Reihe  nach  gehorchte,   nur 


illyrischen  Insel  Pharos:  Diod.  XV,  13;  vgl.  Strab.  VII,  p.  315.  Für 
das  hohe  Ansehen,  welches  die  Parier  unter  den  ionischen  Staaten  ge- 
nossen, zeugt  das  Schiedsrichteramt,  welches  Ihnen  das  von  Parteiungen 
zerrissene  Milet  übertrug:  Herod.  V,  28  f. 

1)  ITerod.  V.  31;  VI,  133  ff.;  VIII,  67;  112.  Von  der  vergeblichen 
Expedition  des  Miltiades  leiten  die  Alten  das  Verbum  avaTtaQiä^niv  im 
Sinne  von  ^sich  anders  besinnen'  her:  s.  Ephoros  bei  Steph.  Byz.  u. 
TIccQog;  Zenob.  II,  21;  Diogenian.  II,  35.  —  lieber  eine  eigenmächtige 
Aendernng  der  Verfassung  von  Paros  durch  Kimon  ist  nur  bei  Demosth. 
in  Aristocr.  p.  688  eine  Andeutung  erhalten :  vgl.  W.  Vischer  Kimon 
(Basel  1847)  S.  53  ff. 

^)  Vgl.  die  Inschriften  bei  Ross  Inscr.  gr.  in.  II,  n.  146—148  (=  C.  I. 
gr.  n.  2374  b_J,  Add.  Vol.  II,  p.  1072  s.). 


2.  Die  ostgriechischen  Inseln:  die  Kykladen:  Faros.  487 

noch  wegen  ihrer  Marmorhrüclie  ein  nicht  geringes  Interesse. 
Seit  der  Begründung  fränkisclier  Fürstenlhümer  im  Archipel  hii- 
dete  sie  his  zum  Jahre  1389  einen  Beslandtlieil  des  Herzoglhums 
Naxos,  gelangle  dann  durch  Heirath  in  den  Besitz  der  Familie 
Sommaripa,  im  Jahre  1516  auf  gleichem  Wege  in  den  der  Fa- 
milie Venieri;  1531  erhielt  sie  als  Mitgift  der  Cecilia  Venier 
Bernardo  Sagredo,  der  si«  im  Jahre  1537  an  Khaireddin  Barba- 
rossa verlort) 

Die  Stadt  Faros, 2)  auf  deren  Stelle  und  aus  deren  Trüm- 
mern zu  einem  beträchtlichen  Theiie  der  jetzige  Ilauptort,  Fari- 
kia,  erbaut  ist,  lag  an  der  Südostseite  einer  durch  einen  felsigen 
Vorsprung  im  Nordwesten  (jetzt  Cap  Fhikasj  geschützten,  im 
übrigen  offenen  Bucht  der  Nord  Westküste,  welche  als  Hafen  be- 
nutzt wurde.  Das  auf  einem  etwa  40  Fuss  hohen  Felshügel  von 
geringem  Umfange  hart  am  Meere  stehende,  fast  ganz  aus  anti- 
ken Trümmern  errichtete  mittelalterliche  Schloss  enthält  noch 
die  Ueberresle  zweier  Tempel,  eines  im  dorischen  und  eines  im 
ionischen  Stil  erbauten;  einer  derselben  war,  nach  einer  dort  ge- 
fundenen Inschrift;  zu  schliessen,^)  den  Dioskuren,  der  andere 
vielleicht  dem  Dionysos  geweiht.  In  der  unteren  Stadt  gab  es 
Ileiligthümer  des  Apollon  Delios  und  des  ApoUon  Fythios^)  und 
einen  Tempel  des  Asklepios  und  der  Ilygiela,  von  welchem  eine 
Viertelstunde  südwestlich  von  der  jetzigen  Stadt  nahe  dem  Meeres- 
ufer bedeutende  Marmortrümmer  und  ein  Fragment  der  Colossal- 
statue  des  Gottes  gefunden  worden  sind.'')  Ausserhalb  der  antiken 
Stadtmauer  (wahrscheinlich  südöstlich  von  der  Stadt)  lag  auf 
einem   Ilügel    das   Ileiligthum    der   Demeter   Thesmophoros,    das 


*)  Vgl.  C.  Hopf  Wiener  Sitzungsberichte  Bd.  21,  S.  235  f. 

*)  Archilochos  bei  Steph.  Byz.  u.  IIccQog;  Herod.  VI,  133;  Ptolem. 
III,  15,  30;  Plin.  IV,  12,  C7. 

3)  Thiersch  ft.  597  flF.  =  C.  I.  gr.  n.  2374«  (Vol.  II,  j).  1074):  in 
dieser  Inschrift  wird  <I;is  /.u  Mhren  der  Dioskur(;ii  -^c  f.  it  rtc  l\ist  der 
Thcoxenia,  ferner  dir  mit  dramatischen  Spielen  gcleicrtcu  grossen  Dio- 
nysien  erwähnt.  Im  I  )iony«08cult  zeugen  anph  die  Münzen:  s.  Eekhcl 
Doct.  n.  V.  I,  2,  p.  ;i;i.i. 

*)''Oqo(;  xtüQlov  liQOv  *An6XX(ovog  JrjXi'ov  ('.  I.  r.  n.  2384"  (Vol.  II, 
1».  1070);  t6  riv^iov  ib.  n.  2374«  (p.  1073). 

'•')  S.  die  Notiz  hmh  Cyriacus  von  Ancona  im  IJullotino  ISGl,  N.  VIII, 
188;  vgl.  C.  I.  gr.  n.  231)0  97;  Rohs  Inscr.  gr.  inod.  II,  n.  150;  Insel- 
isen  I,  S.  46  f. 


488  in.    Die  Inselwolt. 

schon  in  der  Geschichte  der  Belagerung  der  Stadt  durch  Miitia- 
des  eine  |{ollc  spielte.  ^)  Endlich  liennen  wir  auch  ein  wahr- 
scheiidich  g<Mneinsames  IleiligMunn  d(!S  Zeus  ItasihMis  und  des  Hera- 
kles Kallinikos  durcli  eine  in  einer  Capelle  des  Ilagios  Diniitrios 
nordöstlich  von  der  jetzigen  Stadt  gefundene  Inschrilt. "^j 

Ein  zweiter,  gleichfalls  schon  im  Alterlhuin  henul/ler  Hafen 
hefnidet  sich  an  der  Nordküste  der  Insel,  wo  zwei  von  Westen 
und  von  Osten  her  gegen  einander  vortretende  felsige  Vorgehirge 
(deren  eines  im  Alterlhum  den  Namen  Sunion  geführt  zu  hahen 
schein!)  eine  ehenso  geräumige  als  sichere  Bucht  —  nächst  der 
von  Navarin  die  schönste  von  ganz  Griechenland  —  umschliessen. 
Diese  Bucht,  heutzutage  nach  einem  an  der  Si'idseite  gelegenen 
Flecken,  der  auch  einige  Beste  antiker  Gehäude  aufzuweisen  hat, 
Naousa  genannt,  wurde  von  den  alten  Pariern  jedenfalls  als  Kriegs- 
hafen benutzt  und  war  daher  ein  sogenannter  ^geschlossener' 
Hafen,  d.  h.  der  ungefähr  eine  haihe  Stunde  breite  Eingang  von 
Norden  her  war  durch  mächtige  Ketten  oder  sonstige  Befestigungs- 
anlagen gesperrt.^)  Eine  andere  Ortschaft,  deren  Namen  wir 
nicht  kennen,  hat  jedenfalls  auch  in  der  Ebene  an  der  Ustküste 
gelegen,  welche  jetzt  von  den  drei  an  antiken  Bauresten  und 
Säulentrümmern  reichen  Dörfern  Tragulas,  Marmara  und  Tschi- 
pidi  (Äi^jr/dt,  d.  i.  Gärtchen)  eingenommen  wird,  welche  gewöhn- 
lich nach  dem  ungefähr  in  der  Mitte  der  Ostküste  vorspringen- 
den steilen  Vorgebirge  Kephalos  'die  Dörfer  von  Kephalos'  genannt 
werden.  Endlich  scheint  auch  an  dem  jetzt  Drios  genannten 
Hafen  an  der  Südostseite  der  Insel,  vor  welchem  einige  kleine 
Inselchen  (Drionisia)  liegen,  eine  wenn  auch  unbedeutende  antike 
Ortschaft,  von  welcher  nur  eine  Anzahl  Gräber  Zeugniss  geben, 
gestanden  zu  haben. ^) 


<)  Herod.  VI,  134;  vgl.  Hom.  Hynin.  in  Cerer.  491;  Paus.  X,  28,  .3; 
C.  I.  gr.  n.  2384;  2388;  2557,  Z.  21;  Ross  Inselreisen  T,  S.  49. 

2)  C.  I.  gr.  n.  2385  =  Thiersch  S.  637.  —  lieber -einige  andere  In- 
schriften und  Sculpturen  aus  Parikia  s.  A.  Michaelis  Annali  t.  XXXVI, 
p.  267  SS. 

^)  Scyl.  Per.  58:  JIcxQog  Xifisvag  b'xovou  dvo>  av  xov  sva  tiXsiatov; 
vgl.  über  die  Bucht  besonders  van  Kinsbergen  Beschreibung  vom  Archi- 
pelagus,  übersetzt  von  K.  Sprengel  S.  123  fF,  Spuren  alter  Tempel  und 
Hallen  daselbst  erwähnt  Thiersch  S.  594,  to  a-nQOV  Sqvvlov  Ptolem,  III, 
15,  30. 

•)  Vgl.  Thiersch  S.  594  f.;  Ross  S.  51. 


2.    Die  ostgriechischen  Tiifieln :   die  Kykladen :  Naxos.  489 

NaxosJ)  die  grossere  und  sclinnere  Sei« wester  von  Paros,  Naxos. 
ist  iiiclit  nur  an  Umfang,  sondern  auch  an  Fruclilliarkeit  nnd  ge- 
schiclitlicher  Bedeutung  die  erste  unter  allen  Kykladcn,  deren  lange 
Kette  sie  als  letztes  Glied  gegen  Sudosten  abscldiesst.  Die  lieutzu- 
tage  im  Volksmunde  Naxia,  im  spätem  Mittelalter  auch  Nixia,  Ni- 
chosia  und  Nisia^)  genannte  [nsel,  welche  nach  ihrer  ungefähr  run- 
den Geslalt  im  Allerlhum  auch  den  (jedenfalls  nur  poetischen)  Na- 
men Strongyle  (''die  runde')  geführt  haben  soll,'^)  wird  ihrer 
ganzen  Länge  nach  von  Süden  nach  Norden  von  einer  mächtigen 
Bergkette  durchzogen,  deren  Hauptmasse  aus  Granit  besteht;  die 
Seilen  des  Gebirges  sind  mit  Gneis  undGlimmerschiefer,  die  Höhen 
mit  weissem  Urkalk  bedeckt.  Diese  Centralkette  hat  drei  hervor- 
ragende Culminalionspunkte:  den  1003  Meter  hohen  Zia  oder  Dia, 
wahrscheinlich  den  Drios  der  Alten, '^)  in  der  südlicheren  Hälfte, 
den  bedeutend  niedrigeren  Phanari  ungefähr  in  der  Mitte  und  das 
991  Meter  hohe  Koronnn  (ein  vielleicht  antiker  Name)  im  Norden 
der  Insel.  Gegen  Osten  fällt  dieses  Gebirge  steil,  an  manchen  Stellen 
fast  senkrecht  zum  Meere  ab;  seine  westliche  Abmachung  dagegen 
ist  bedeutend  sanfter  und  es  schliesst  sich  hier  an  seinen  Fuss  eine 
hügelige,  sehr  fruchtbare  Ebene,  die  sich  bis  zum  Meere  er- 
streckt, an.  Diese  Ebene  sowie  die  unteren  Abhänge  des  Ge- 
birges bringen  Wein  (schon  im  Alterthum  das  berühmteste  Pro- 
duct  der  Insel),  ^)  Oel,  Getreide  und  Südfrüchte  in  reicher  Fülle 


')  Na^ia-nd  schrieben  Aglaosthenes  (C.  Müller  Frgta.  hist.  gr.  IV, 
]).  29:Js.),  Andriskos  (ibid.  p.  302  ss.)  nnd  Philteas  (ibid.  p.  478); 
OL  Na^icov  coQO'yQaq)OL  Phit,  De  mal.  Her.  36.  Von  Neueren  vgl.  Tourne- 
fort  I,  p.  79  .SS.;  Rnssegger  Reisen  in  Europa  u.  s.  w.  Bd.  IV,  S.  194  flf.; 
Fiedler  II,  H.  290  flf.;  Koss  I,  S.  22  fr.  und  S.  37  flf.;  Fr.  Grueter  Dis.ser- 
tatio  de  Xaxo  insula,  Halle  1833;  W.  Engel  Quaestiones  Naxiae,  Göt- 
tingen ISS.f);  E.  Curtius  Naxos.  Ein  Vortrag.  Berlin  1846. 

*)  Vgl.  Tafel  und  Thomas  Urkunden  Bd.  I,  S.  467;  Bd.  ID.  S.  178; 
207;  252. 

3)  Diod.  V,  .^O;  Parthen.  Erot.  19;  Plin.  IV,  12,  67. 

'•)  Diod.  V,  51.  Am  nördlichen  Abhänge  des  Berges  befand  sich  ein 
Ktiligtbum  des  Zeus  Melosio.s,  wie  die  hier  gefundene  In.scli  rift  "O^o>j 
lioi;  Mr]K(oatov  (C.  I.  gr.  n.  2418;  vgl.  Ross  S.  42  f.)  zeigt. 

•')  J\tlien.  I,  p.  30^;  11,  p.  52«';  Propert.  IV,  16,  27  s.;  Nonn.  Dionys. 

.\I.Vn,  266:   besonder«   wurde   liior  der   nacb   einer  aus  Tbrakien  .stani- 

iiHMiden   Rebsortc    benannte    ßißXivog    olvos    gebaut:    Scmos    hol    Stopb. 

r.yz.  u.  BißXivT}:  Etym.  M.  p.   1«)7,  32  s.s.     |F)cr  .•ingoblicbo  Fliiss  fWßXo^ 

PÜRSIAN,  GEüGB.    II.  33 


490  ITI.    Die  Inselwelt. 

und  von  besonderer  Güte  liervor,  namenllich  bieten  die  mit 
Orangen-,  Cedrat-  und  Cranatbaumen  bepflanzten  Gärten,  deren 
Producta  einen  wicbtigen  Handelsartikel  bilden,  einen  entzucken- 
den Anblick  dar.  Aucb  an  mineraliscben  Producten  feblt  es  der 
von  der  Natur  in  jeder  Hinsicbt  begünstigten  Insel  nicbt:  ibre 
Berge  entbalten  weissen  Marmor,  der  dem  parischen  an  Güte 
wenig  nachstellt,  wenn  auch  die  Brüche,  wahrscheinlich  wegen 
geringerer  Mächtigkeit  und  Beinheit  der  Bänke,  weit  weniger  aus- 
gebeutet worden  sind ;  dass  er  jedoch  wenigstens  von  den  Naxiern 
selbst  (bei  denen  die  Technik  der  Marmorarbeit  frühzeitig  ausge- 
bildet war)  auch  zu  statuarischen  Zwecken  benutzt  wurde,  be- 
weist eine  am  nordöstlichen  Abhang  des  Korononberges  10  Mi- 
nuten vom  Meeresufer  liegende,  erst  ganz  aus  dem  Bohen  gehauene 
Colossalstatue  aus  einem  dort  an  Ort  und  Stelle  gebrochenen 
mächtigen  Block,  der  jedenfalls  wegen  mehrerer  tiefer  Bisse,  die 
eine  sorgfältigere  Ausarbeitung  der  Brust  und  des  Gesichts  hin- 
derten, aufgegeben  worden  ist. ^)  Wichtiger  noch  und  heutzutage 
geradezu  der  bedeutendste  Ausfuhrartikel  der  Insel  ist  der 
Schmirgel,  von  welchem  mächtige  Lager  weiter  südlich  an 
der  Ostküste,  eine  Stunde  unterhalb  des  Dorfes  Volry,  zu  Tage 
liegen,  deren  Ausbeutung  jetzt  durch  die  Begierung  an  Privat- 
leute für  eine  bedeutende  Summe    verpachtet   ist;   dass   sie   auch 


oder  Bißlivrig  auf  Naxos  ist  jedenfalls  nur  eine  etymologische  Fiction.] 
Audi  die  Korinthen  (die  jetzt  auf  Naxos  gar  nicht  mehr  gebaut  werden) 
sollen  von  hier  stammen:  s.  V.  Hehn  Kulturpflanzen  und  Hausthiere  in 
ihrem  Uebergange  von  Asien  nach  Griechenland  und  Italien  sowie  in  das 
übrige  Europa  (Berlin  1870)  S.  37.  Ferner  brachte  Naxos  treffliche  Man- 
deln hervor  (Athen.  II,  p.  52''  s.),  desgleichen  gutes  Cypergras  (Plin. 
XXI,  18,  115),  was  wohl  ein  Hauptgrund  war  für  den  Ruhm  der  naxi- 
schen  Ziegen  (Athen.  XII,  p.  540'*).  Als  Curiosität  wird  berichtet,  dass 
auf  Naxos  fast  alle  vierfüssigen  Thiere  eine  ungewöhnliche  grosse  Galle 
haben:  Aristot.  Hist.  anim.  I,  14.  6;  De  part.  an.  IV,  2;  Aelian.  De  an. 
XI,  29  u.  a.  Auf  die  Fruchtbarkeit  der  Insel  überhaupt  ist  die  Bezeich- 
nung derselben  als  ^fHQCi  Zi-aeXCa  (Agathem.  I,  5;  Plin.  IV,  12,  67)  zu- 
rückzuführen. 

^)  Ross  S.  38  ff.  Der  Naxier  Byzes  hatte  nach  Paus.  V,  10,  3  um 
Ol.  50  die  Kunst,  den  Marmor  in  dachziegelförmige  Stücke  zu  schneiden, 
erfunden.  Der  Naxier  Thelxenor  arbeitete  eine  in  der  Nähe  von  Orcho- 
menos  in  Boiotien  gefundene  Grabstele  (G.  Hirschfeld  Tituli  statuariorum 
sculptorumque  graecorum  p.  71). 


2.    Die  ostgriechischen  Insehi:  die  Kykladen:  Naxos.  491 

im  Alterllium  verweithet  worden  sind,  beweist  die  mehrfache 
Erwähnung  der  naxisclien  Wetzsteine.  ^) 

Als  älteste  Bewohner  der  Insel  bezeichnet  die  zwar  ganz  sagen- 
haft ausgeschmückte,  aber  ohne  Zweifel  auf  historischer  Grundlage 
ruhende  Tradition  Thraker,  welche  von  hier  aus  bis  nach  Thessa- 
lien Raubzüge  unternommen  hätten ;  sie  haben  den  VVeinstock  und 
den  Cult  des  Dionysos,  der  auch  in  der  historischen  Zeit  durch- 
aus als  Ilauptgott  der  Insel  erscheint,  sowie  auch  den  Cult  der 
Heroen  Otos  und  Ephialtes  nach  der  Insel  gebracht.  Nachdem 
sie,  berichtet  die  Tradition,  über  200  Jahre  lang  auf  der  Insel 
gewohnt,  dann  aber  dieselbe  in  Folge  von  Dürre  verlassen  hatten, 
traten  Karer  an  ihre  Stelle,  welche  die  bisher  Dia  benannte  Insel 
nach  dem  Namen  ihres  Anführers  Naxos  nannten.^)  Die  Karer, 
die  wie  ihre  Vorgänger  hauptsächlich  Seeraub  trieben,  wurden 
wie  von  den  andern  Kykladen  so  auch  von  Naxos  durch  die  see- 
mächtigen Kreter  verjagt;  diese  brachten  wieder  neue  religiöse 
Elemente,  insbesondere  den  bald  mit  dem  Cult  des  Dionysos  eng 
verknüpften  Cult  der  Ariadne  und  wahrscheinlich  auch  den  Zeus- 
cult  mit.^) 

Der  kretischen  Herrschaft  wurde  durch  eine  von  Athen  aus- 
gegangene  ionische   Ansiedelung  ein    Ende  gemacht.  4)     Mit  der 


^)  Na^ia  av.ova  Find.  Isthra.  VI,  73;  vgl.  Steph.  Byz.  u.  Nä^og\ 
Plin.  XXXVI,  7,  54;  22,  164;  XXXVII,  8,  109.  Ueber  die  Lager  vgl. 
Kiissegger  a.  a.  O.  S.  196  flf.;  Fiedler  S.  300  flf. 

2)  Diod.  V,  50  ff.;  Partli.  Erot.  19;  Steph.  Byz.  u.  Nugo?.  Die  Be- 
deutung des  Dionysoscultes  (auf  welchen  die  Benennungen  der  Insel  als 
JCa  und  zJiovvoiccg  zurückzuführen  sind)  bezeugen  die  Münztypen  (s. 
Kckhel  Doctr.  n.  v.  I,  2,  p.  333)  und  die  Bezeichnung  der  Jahre  nach 
dein  Priester  des  Dionysos  (C.  I.  gr.  n.  2265,  21):  vgl.  Athen.  III,  p.  78«; 
Pdrphyr.  De  antro  nymph.  20.  Ein  Temenos  des  Otos  und  Ephialtes 
(die  auch  Pindar.  Pyth.  IV,  88  s.  auf  Naxos  sterben  liisst)  bezeugt  die 
Inschrift  C.  I.  gr.  n.  2420. 

3)  Einen  doppelten  Cult  der  Ariadne,  einen  freudigen  und  einen  trau- 
rigen, bezeugt  für  Naxos  Plut.  Thes.  20:  vgl,  Engel  1.  1.  p.  40  ss.  Zeus- 
cult:  C.  I.  gr.  n.  2417  s.;  vgl.  Aglaosthcn.  bei  Eratosth.  Catast.  30;  Etym. 
M.  p.  266,  43  88.  Auf  Zusammenhang  mit  Kreta  führt  auch  die  von  schol. 
Ai)ollon.  Rhod.  J,  1492  überlieferte  Sage  von  Naxos,  dem  Sohne  des  Apol- 
lon  und  der  Tochter  des  Minos  Akakallis,  Halbbruder  des  Kydon. 

*)  Ilerod.  VIII,  46:  schol.  Dionys.  Per.  525  werden  Archetlmos  und 
Teleklos  (so  richtig  Bröndsted  für  das  überlieferte  Teuklos)  als  Führer 
dieser  Ansiedler  genannt. 

83* 


492  in.   Die  Inselwelt. 

loiiisirung  der  Insel  beginnt  die  Entwickelung  ihrer  Seemacht, 
welelio  bald  zu  Conlliclen  mit  anderen  ionischen  Scestaaten  führte; 
so  wird  uns,  allerdings  mit  romanhafter  Ausschmückung,  von 
einem  chronologisch  leider  nicht  zu  fixirenden  Ileerzuge  der  ver- 
i>ündeten  Milesier  und  Krylhräer  gegen  Naxos  berichtet,  wobei 
die  Verbinideten,  nachdem  sie  die  Insel  verheert  und  die  Stadt 
von  einem  befestigten  Punkte  aus  belagert  hatten,  schliesslich  mit 
Verlust  abziehen  mussten.  ^)  Um  die  Mitte  des  sechsten  Jahr- 
hunderts V.  Chr.  kam  es  auf  Naxos,  wie  in  den  meisten  ionischen 
Staaten,  zu  inneren  Kämpfen  zwischen  den  Adelsgeschlechtern, 
in  deren  Händen  die  Regierungsgewalt  lag,  und  dem  Volke;  das 
Resultat  dieser  Kämpfe  war  hier  wie  anderwärts,  dass  ein  ehr- 
geiziger und  gewandter  Mann  aus  der  Reihe  der  Oligarchen  selbst, 
Lygdamis,  sich  an  die  Spitze  der  Volkspartei  stellte  und  sich  mit 
Hfdfe  des  Peisistratos,  den  er  bei  seiner  zweiten  Rückkehr  nach 
Athen  mit  Geld  und  Truppen  unterstützt  hatte,  zum  Herrscher 
der  Insel  aufwarf.  ^)  Unter  seiner  Herrschaft  hat  die  Insel  die 
höchste  Stufe  der  Macht  und  des  Reichthums  erstiegen:  Paros, 
Andros  und  andere  Kykladen  standen  im  Verhältniss  der  Ab- 
hängigkeit von  ihr;  sie  konnte  eine  Macht  von  8000  HopHten 
und  zahlreiche  Kriegsschiffe  stellen.^)  Nachdem  Lygdamis,  wahr- 
scheinlich etwa  gleichzeitig  mit  dem  Sturz  der  Herrschaft  der 
Peisistratiden  in  Athen,  durch  die  Spartaner  vertrieben  worden 
war,  gelangten  die  Oligarchen  zwar  ohne  Zweifel  zunächst  wieder 
zur  Herrschaft,  aber  schon  nach  wenigen  Jahren  wurde  ihrem 
Regimente  durch  die  Volkspartei  ein  Ende  gemacht.  Einige  ver- 
bannte Mitglieder  der  oligarchischen  Partei  wandten  sich  deshalb 
im  Jahre  501  v.  Chr.  an  den  Milesier  Aristagoras  mit  dem  Ge- 
suche, sie  mit  Gewalt  in  ihre  Heimalh  zurückzuführen;  dieser, 
der  sich  allein  einem  solchen  Unternehmen  nicht  gewachsen  fühlte, 
wusste  durch  allerhand  Vorspiegelungen  den  persischen  Satrapen 


1)  Parthen.  Erot.  18  und  9;  Plut.  De  mul.  virt.  17:  Polyän.  Strat. 
VIII,  36. 

2)  Herod.  I,  61  und  64;  Aristot.  Pol.  V,  6;  Oecon.  2,  2;  Athen.  VIII, 
p.  348"^;  Polyän.  Strat.  I,  23,  2.  Der  Beginn  der  Tyrannis  des  Lygda- 
mis wird  mit  Grueter  ].  1.  p.  32  in  das  .Jahr  536  oder  535  zu  setzen  sein. 
Nach  Plutarch.  De  mal.  Herod.  21  wurde  Lygdamis  durch  die  Spartaner 
vertrieben:  vgl.  denselben  Apophthegm.  Lac.  var.  64. 

•'')  Herod.  V,  28  und  30. 


2.  Die  ostgriechiscben  Inseln:  die  Kykladen:  Naxos.  493 

Artapliernes  zu  überreden,  dass  er  inil  Einwilligung  des  Königs 
Dareios  eine  slaltliche,  mit  Persern  und  iileinasialisclien  loniern 
bemannte  Flotte  unler  der  Fübrung  des  Persers  Megabates  zur 
Unterwerfung  von  Naxos  aussandte.  Die  Naxier  aber,  in  Folge  eines 
Zwistes  zwischen  Aristagoras  und  Megabates  von  letzterem  selbst 
rechtzeitig  gewarnt,  zogen  sich  in  ihre  wohl  befestigte  und  wohl 
verproviantirte  Hauptstadt  zurück  und  vertheidigten  diese  so  tapfer 
gegen  die  feindliche  Flotte,  dass  diese  nach  viermonatlicher  Belage- 
rung oJme  anderen  Erfolg  als  die  Errichtung  einiger  Castelle  auf  der 
Insel  für  die  verbannten  Oligarchen  abziehen  mussteJ)  Dafür 
büssten  die  Naxier  im  Jahre  490  v.  Chr.,  wo  sie  beim  Herannahen 
der  von  Datis  und  Artapliernes  geführten  persischen  Armada  in  der 
IJeberzeugung  von  der  Nutzlosigkeit  eines  Widerstandes  in  die  Berge 
llüchtelen,  so  dass  die  Perser  die  Stadt,  die  ohne  Schwertstreich 
sich  ihnen  ergab,  sammt  den  Heiligthümern  in  Brand  stecken 
und  alle  Bewohner,  die  in  ihre  Hände  fielen,  als  Gefangene  fort- 
schleppen konnten.'^)  Zehn  Jahre  später  sandte  Naxos  wie  die 
meisten  Inseln  sein  in  vier  Schiffen  bestehendes  Contingent  zur 
Flotte  des  Xer^ves;  allein  diese  Schiffe  stiessen.  Dank  der  patrio- 
tischen Haltung  des  Commandanten  Demokritos,  zur  griechischen 
anstatt  zur  persischen  Flotte  und  kämpften  mit  Auszeichnung  bei 
Salamis.  ^)  Unter  den  Mitgliedern  des  delisch-attischen  Seebundes 
waren  die  Naxier  die  ersten ,  welche  sich  ihren  Verpflichtungen 
zu  entziehen  und  dem  Bunde  abtrünnig  zu  werden  versuchten, 
ein  Versucli,  den  sie  durch  den  Verlust  ihrer  politischen  Selb- 
ständigkeit büssen  nnissten;  die  Athener  behandelten  die  erst 
nach  längerer  Belagerung  (im  Jahre  466  v.  Chr.)  bezwungene 
Insel  ganz  als  erobertes  Land  und  siedelten  im  Jahre  453  eine 
Anzahl  athenischer  Kleruchen  dort  an,  ein  Umstand,  welchem  sie 
NNohl  ihre  verhältnissmässig  niedrige  Besteuerung  (15  Talente 
nach  der  Schätzung  von  Ol.  8S,  4)  verdankte.  *)     Nach  dem  pelo- 


»)  Herod.  V,  30  ff.;  Tltit.  De  Hcrod.  inul.  36. 

«)  Hcrod.  VI,  %;  vp^l.  Pliot.  HiU.  cod.  263,  p.  361  cd.  Hckk.;  Plnt. 
I  >c  Hcrod.   mal.  36. 

3)  Hcrod.  VIII,  46;  riiit.  De  Hcrod.  mal.  36;  vgl.  die  delphische 
Hcldangcnsäule  Gew.  6  NAXIOI  und  Vium.  V,  23,  2.  N;>'  i-  l>l'.'l  V.  52 
hätten  die  Naxier  anch  bei  Platää  mitgekämpft. 

*)  Thiik.  I,  98;  137;  Aristoph.  Vcsp.  355;  IMiit,.  I'ini.  il;  hi..d. 
\I,  88;  Paus.  I,  27,  5;  Plat.  Euthyphr.  p.  4«. 


494  111.    l>ie  Inselwelt. 

püimcsisclicii  Krici^e  liatte  sie  sich  den  Lakedaiuoniern  ange- 
schlossen und  tial  deshalb  dem  neuen  attischen  Seehunde  vom 
Jahre  378  nicht  hei;  die  Athener  sandten  daher  im  Jahre  37() 
eine  Flotte  unter  Chahrias  ah,  welche  die  Stadt  Naxos  belagerte 
und  die  zum  Entsatz  herbeigekommene  lake{länu)nische  Flotte  in 
einer  in  dem  Canal  zwischen  Paros  und  Naxos  gelieferten  See- 
schlacht l>esiegte,  wodurch  die  Naxier  genötbigt  wurden,  sich  den 
Athenern  anzuschliesscn.  ^)  Nachdem  die  Insel  dann  unter  Philii)[) 
und  Alexander  den  Makedoniern,  in  der  Diadochenzeit  den  Herr- 
schern Aegyptens  unterthänig  gewesen  war,  wurde  sie  durch  An- 
tonius den  Uhodiern  übergeben,  aber  durch  die  Homer  bakl 
wieder  von  dem  drückenden  Joch  derselben  befreit."']  Seitdem 
verschwindet  sie  vom  Schauplatz  der  Wehgeschichte  bis  zur  Stif- 
tung des  lateinischen  Kaiserthums  in  Konstanlinopel.  Im  Jahre 
1207  von  dem  Venezianer  Marco  Sanudo  erobert,  welchem  vom 
Kaiser  Heinrich  auf  dem  Reichstage  zu  Uavennika  1210  die  Ober- 
hoheit über  die  Inseln  des  ägäischen  Meeres,  die  sogenannte  Do- 
dekanesos,  übertragen  wurde,  ward  sie  der  Mittelpunkt  eines 
mächtig«Mi  Inselreichs,  das  bis  zum  Jahre  1362  von  Herzögen  aus 
dem  Geschlecht  der  Sanudi,  von  1362  bis  1383  von  den  dalle 
Carceri,  von  1383  bis  1566  von  den  Crispi  regiert,  dann  vom 
Sultan  Selim  II.  dem  Juden  Don  Joseph  Nasi  verliehen  und  nach 
dessen  Tode  (1579)  definitiv  dem  türkischen  Reiche  einverleibt 
wurde. 

Die  im  Aiterthum  wie  heutzutage  gleichfalls  Naxos  ge- 
nannte Stadt  Hegt  am  nördlichen  Theile  der  Westküste  der  Insel 
und  erstret  kt  sich  vom  Gipfel  eines  niedrigen  Felshügels,  der  im 
Aiterthum  die  Akropolis,  in  der  fränkischen  Zeit  das  befestigte 
Scldoss  der  Herzöge  nebst  der  Hauptkirche  und  zwei  Klöstern 
trug,  bis  zum  Strande,  wo  die  Reste  eines  antiken  Molo  die 
Existenz  eines  durch  Menschenhände  geschützten  Hafens  bezeu- 
gen. Gerade  nördlich  vom  Hafen  liegt  ein  kleines  Eiland,  wel- 
ches  den   einzigen   bemerkenswerthen  Ueberrest   der   alten    Stadt 


1)  Diod.  XV,  34;  Phit.  Phok.  6;  Camill.  19;  Demostli.  adv.  Lcpt. 
p.  480;    Xenoph.  Hell.  V,  4,  61. 

2)  Appian.  Bell.  civ.  V,  7.  Aus  der  Zeit  der  rhodischen  Herrschjtft 
datirt  die  Inschrift  C.  I.  gr.  n.  2416''  (Vol.  II,  p.  1079),  Acten  über  die 
Feier  des  Sarapisfestes,  worin  ein  SrjfiiovQyog  und  ein  leqsvs  ^^S  P6- 
dov  als  Eponymen  erscheinen. 


2.   Die  ostgriechischen  Inseln:  die  Kykladen:  Naxos.  495 

trägt:  ein  2172  ^"^^  hohes,  12  Fuss  breites  Thürgeriist  aus 
weissem  Marmor,  welches  zur  Cella  eines  Tempels  (nach  der  Tra- 
dition des  Dionysos)  gehört  hat. ') 

Ausser  der  Stadt  enthält  die  Insel  jetzt  42  zum  Theil  recht 
stattliche  Dörfer,  von  deren  Namen  viele  (wie  Tripodes,  Melänäs, 
Ano-  und  Kato-Potamia,  Potamides,  Panormos,  Votry,  Drymalia, 
Philoti)  einen  ganz  altgriechischen  Klang  haben,  Panormos  auch 
als  antike  OertHchkeit  bezeugt  ist;'*')  doch  finden  sich  nur  sehr 
wenige  und  geringe  Reste  antiker  Ansiedelungen,  wie  alte  Gräber 
in  der  Gegend  von  Drymalia  in  der  Milte  der  Insel  und  ein 
hellenischer  Thurm,  'der  Thurm  des  Giessbaches'  (TtvQyog  xov 
XSificcQQOv)  genannt,  südlich  vom  Berge  Dia  in  der  Nähe  der 
Südküsle. •^)  Alte  Schriftsteller  erwähnen  eine  Stadt  Tragia  oder 
Trageä  mit  einem  Ileiligthume  des  Apollon  Tragios,  und  eine 
Kome  Lestadä.'*) 

Oestlich  von  Naxos  liegt  zunächst,  nur  wenige  Meilen  vom 
(iap  Chondros,  dem  östlichsten  Vorsprunge  der  Ostküste,  entfernt, 
eine  jetzt  Makaräs  genannte  Gruppe  von  drei  öden  Inselchen  — 
eine  etwas  grössere,  welche  lithographische  Steine  enthält,   wohl 


*)  Abgebildet  bei  Tournefort  I,  p.  84 ;  vgl.  Leake  Travels  in  northern 
Greece  III,  p.  93  s. 

')  Stadiasm.  m.  m.  §  282. 

")  S.  Koss  S.  43.  Ganz  rohe  Figürchen  von  Kalkstein  aus  Gräbern 
in  der  Gegend  von  Drymalia  (wo  auch  die  Inschrift  C.  I.  gr.  n.  2416^ 
gefunden  worden  ist)  erwähnt  Fiedler  S.  314  f.  Die  französische  Karte 
verzeichnet  'Ruines  helle'niques'  l'/2  Stunden  südlich  von  der  Stadt  Naxos 
nahe  der  Westküste,  2V4  Stunden  südlich  von  da  auf  dem  Cap  Kurupia 
am  südlichen  Tlieile  der  Westküste,  und  etwa  272  Stunden  östlich  von 
da  (letztere  vielleicht  der  von  Ross  beschriebene  hellenische  Thurm); 
ausserdem  werden  noch  an  mehreren  Stellen  Paläokastra  (wohl  Ruinen 
fränkischer  Schlösser)  angegeben. 

*)  Steph.  liyz.  u.  TQayiUj  wo  die  Stadt  auf  Naxos  ausdrücklich  von 
der  (von  Thuk.  I,  116  und  Plut.  Per.  25  erwähnten)  Insel  unterschieden 
wird:  Ross  8.  40  will  beide  identificiren  und  den  Namen  auf  die  kleine 
lusel  Makaräs  östlich  von  Naxos  beziehen;  allein  aus  Strab.  XIV,  p.  635 
und  Plin.  V,  31,  135  sieht  man,  das»  jene  Insel  oder  richtiger  Gruppe 
kleiner  Inseln  (TQctyutai  bei  Strabon,  Tragiae  bei  Plinius),  bei  wel- 
cher Perikles  im  Jahre  440  v,  Chr.  die  samische  Flotte  schlug,  in  der 
Nähe  der  Westküste  Klcinasicns,  zwischen  Samos  und  Milet  zu  suchen 
ist.  —  Ariatccöai,  Äristot.  bei  Athen.  VIII,  p.  348»'. 


496  HI.    l^ie  Inselwelt. 

die  alte  NikasiaJ)  und  zwei  ganz  kleine  — ;  weiter  östlich  eine 
etwas  grössere,  jetzt  nur  von  einigen  Hirten  bewohnte,  welche 
Stenosa  oder  auch  mit  dem  antiken  Namen  Donussa  genannt 
wird.  2). 

(1)   Die  Sponulen. 

Meios.  Südlich    von   der   westlichen   Reihe   der  Kykladen    li(!gt  eine 

Gruppe  von  Inseln  vulkanischen  Ursprungs,  unter  denen  die  drei 
Quadratmeilen  in  Unilang  haltende,  gegen  Norden  durch  eine  tiel 
ins  Land  eindringende  Bucht  (jetzt  Porto  Thalassa  genannt,  oll'en- 
bar  ein  alter  Krater,  dessen  Inneres  nebst  einem  Theile  des 
llandes  zusammengestürzt  ist)  gewissermassen  ausgeschniltene  Insel 
Melos^^)  {jetzt  Milo  gesprochen)  die  bedeutendste  ist.  Die  Insel, 
deren  höchster  Punkt,  der  Berg  Ilagios  Elias  im  Südwesten,  sich 
774  Meter  über  die  Meeresfläche  erhebt,  erscheint  gleichsam  wie 
ein  mächtiger,  ganz  mit  Meerwasser  getränkter  versteinerter 
Schwamm:  der  dürre,  von  vulkanischem  Feuer  geröstete  Boden 
ist  überall  stark  mit  Salz  versetzt  und  von  zahlreichen  Höhlen 
durchlöchert.  Eine  dieser  Höhlen  an  der  Südküste  der  Insel 
bietet  interessante  Phänomene  eines  noch  in  voller  Thätigkeit 
begrilFenen  Vulkans  dar:  es  herrscht  darin  eine  solche  Hitze, 
dass  man  nur  wenige  Minuten  darin  verweilen  kann;  siedend 
heisscs  Schwefelwasser,  das  an  mehreren  Stellen  zu  Tage  konmil, 


1)  Eiistath.  iu\  Dion.  Per.  536;  Stepli.  liyz.  u.  NiHCiöiu;  Win.  IV, 
12,-  68. 

2)  JovovGK  Stadiasm.  m.  m.  §  281  und  284;  scliol.  Dion.  Per.  132.  '"Viri- 
dcm  Donusam'  Verg.  Aen.  III,  125;  Ciris  476;  als  Verbannungsort  bei 
Tae.  Annal.  IV,  30  erwähnt.  Eustatli.  ad  Dionys.  Per.  530  und  Steph. 
Byz.  u.  zJovovOLcc  nennen  Donusia  eine  kleine  Insel  bei  Rhodos  oder  im 
Besjitz  von  Rhodos  {vrjoog  (nv,QK'P6dov  Steph.,  tiqos  TJjPoda  Eustath.), 
auf  welche  Dionysos  die  Ariadne  von  Naxos  aus  gebracht  habe,  um  sie 
der  Verfolgung  des  Minos  zu  entziehen:  daraus  ist  zu  schliessen,  dass 
die  Rhodier  auch  nach  dem  Verlust  von  Naxos  Donussa  als  Ankerplatz 
in  ihrem  Besitz  behalten  haben.  —  Vgl.  über  die  Insel  Tournefort  I, 
p.  86  s. 

^)  Vgl.  über  die  Insel  Tournefort  I,  p.  57  ss.;  Leake  Travels  in 
northern  Greece  III,  p.  77  ss.;  Prokesch  von  Osten  Denkwürdigkeiten  I, 
Ö.  532  ff.;  II,  S.  204  ff. ;  Russegger  Reisen  in  Europa  u.  s.  w.  Bd.  IV, 
Ö.  223  ff.;  Fiedler  Reise  II,  S.  369  ff.;  Ross  Inselreisen  III,  S.  3  ff.  und 
Ö.  145  ff.;  Leycester  im  Journal  of  the  royal  geograph.  society  Vol.  XXII, 
p.  201  SS. 


2.  Die  ostgriecbisehen  Iiiseln:  die  Si)oraden:  Melos.  497 

erlüllt  die  Höhle  mit  starken  Dämpfen,  die  Ritzen  der  F'elswände 
sind  theils  mit  krystallisirtem,  tlieils  mit  flüssigen),  bisweilen  noch 
brennendem  Sclnvefei  angefüllt,  das  Gewölbe  der  Grotte  mit 
veilchenblau,  rölhlich  und  blau  gefärbtem  Federalaun  bedeckt. 
Etwa  drei  Viertelstunden  westhch  von  dieser  Höhle  dringt  heisse 
Luft  aus  dem  Boden  durch  fast  armstarke  Löcher  hervor.  Ein 
Paar  andere  Höhlen  dienen  als  natürUche  Dampfschwitzbäder  und 
sind,  wie  man  aus  den  darin  befindlichen  von  Menschenhand  be- 
arbeiteten Steinsitzen  schlicssen  kann,  schon  im  Alterthum  als 
solche  benutzt  worden.  Endlich  sprudeln  an  verschiedenen  I\ink- 
ten  der  an  OutHen  trinkbaren  Wassers  sehr  armen  Insel  warme 
Schwefel-  und  Stuhhiuellen  empor. ') 

Der  Doden  liefert  vermöge  seiner  natürlichen  Wärme  bei 
sorgfältigen)  Anbau  —  an  welchon  es  allerdings  heutzutage  in 
Folge  der  dü))))en  Bevölkerung  fehlt  —  einen  überraschend 
schnellen,  wenn  auch  nicht  goade  reichlichen  Eilrag:  nach  der 
Angabe  des  Theophiast  war  das  Getreide  binnen  30  —  40  Tagen 
nach  der  Saat  zur  Ernte  reif;  ausserdem  wurde  ziemlich  viel 
Oel  (dessen  Ertrag  jetzt  kaum  für  die  Bevölkeru)ig  ausieicht) 
und  etwas  Wein  gebaut. -)'  Wichtiger  aber  als  die  vegetabilischen 
waren  und  sind  die  mineralischen  Producte  der  Insel:  Kochsalz, 
Alaun,  Schwefel,  Thon,  Gips,  Porzellaneide,  Bimstein  und  Mühl- 
steine sind  in  Menge  vorhanden  und  bildeten  zun)  Theil  in)  Alter- 
thum nicht  unwichtige  Ausfuhrartikel.^)  Auch  finden  sich  hier 
und   auf  der  Nachbarinsel    Kimolos  ausgedehnte   Lager   von   Ob- 


')  Vgl.  X.  Landcrcr  flf-Qi  t(ov  tv  M^lqy  d-tQ/ion^  vricvrcov,  Atlicii 
18:^5,  16";  derselbe  im  ^\u^sl;lnd'  1856,  N.  27,  S.  640  1".  Von  alten  Sehrift- 
stelleru  erwähnen  die  Thermen  von  Melos  Ilippokrates  Epid.  V  (t.  III, 
p.  519  ed.  Kühn);  Athen.  II,  p.  43^  Tlin.  XXXI,  6,  61. 

2)  Theophrast.  Hist.  plant.  VIII,  2,  8;  De  caus.  pl.  IV,  11,  8.  Atieh 
Honig'  lieferte  die  Insel:  (Aristot.)  Mir.  ause.  16.  Kraniche  von  Melos 
riwahnt  als  Delicatesse  Varro  bei  (iaU.  N.  a.  VI,   16,  5. 

•■')  Alaun:  Plin.  XXXV,  15,  181;  188;  190;  Dioscorid.  De  niat.  me<l. 
V,  123;  Diod.  V,  10.  Schwefel:  Plin.  ibid.  §  171;  Toll.  VIJ,  99;  Dioscor. 
Vy  124.  Bimstein:  Plin.  XXXVI,  21,  154.  Molos  lieferte  auch  eine  von 
den  alten  Malern  viel  gebrauchte  weisse  Farbe,  die  y?}  Maltas ^  meli- 
11  um  (nach  der  gewöhnlichen  Annahme  Alaunerde,  nach  Donner  bei 
W.  Ilelbig  Wandgemälde  der  vom  \'e8uv  verschütteten  fcjtudte  Campaniens 
S.  XLVI,  Anm.  121  ein  natürlich  vorkommendes  HhMweiss):  Thoophrast. 
Do  lapid.  62  s.;  Dioscor.  V,  180;  Plut.  De  def.  or.  47;  Aclian.  Var.  h. 
II,  2;  Plin.  XXXV,  6,  37;  7,  50;  Vitruv.  VII,  7,  3. 


498  111.    l>iu  Inselwelt. 

sidian,  jener  Steinalt,  aus  welcher  die  in  GriechenlaiKl  uml  ander- 
wärts in  Menge  vorkommenden,  olTenbar  vorhistorischen  Zeilen 
angehörigen  Pfeilspitzen  und  Messerklingen  gefertigt  sind.  ^)  Ein 
besonderer  Inikistriezweig,  wenigstens  in  den  ältesten  Zeiten,  war 
die  Verfertigung  bemalter  Thongefässe  nach  orientalischen  Mu- 
stern; ausserdem  wurde  Ziegenzucht,  namentlich  aber  Handel 
und  Schifl'fahrt  betrieben.'^) 

Die  ältesten  Bewohner  waren  Phöniker,  welche,  oline  Zweifel 
durch  die  gunstige  Lage  der  Insel  für  den  Verkehr  nach  Westen 
und  die  treffliche  Hafenbucht  angelockt,  daselbst  eine  Nieder- 
lassung gründeten,  welche  die  Namen  Byblis,  Memblis  oder  Mi- 
mallis  geführt  haben  soll.  ^')  Hellenisirt  wurde  sie  nicht  wie 
die  Kykladen  durch  lonier,  sondern  durch  Minyer  und  Dorier, 
die  von  Lakonien  aus  von  der  Insel  Besitz  ergriffen  und  ein 
dorisches  Staatswesen  daselbst  begründeten.  '^)  Der  dorische 
Charakter  der  Bevölkerung  war  die  Ursache,  dass  die  Insel, 
welche  dem  Perserkönig  die  Unterwerfung  verweigert  und  zur 
hellenischen  Flotte  bei  Salamis  zwei  Funfzigruderer  gestellt  hatte, 
sich  von  der  Theilnahme  am  athenischen  Seebunde  fern  hielt 
und  beim  Ausbruch  des  pelopoimesischen  Krieges  eine  neutrale 
Stellung  einzunehmen  suchte.  Den  Athenern  aber  war  der  Besitz 
der  Insel  für  die  Sicherheit  ihrer  Herrschaft  im  ägäischen  Meere 
zu  wichtig,  als  dass  sie  eine  solche  bei  den  nationalen  Sympathien 
der  Melier  natürlich  nur  für  ihre  Feinde  wohlwollende  Neutralität 
hätten  gestatten  können;  sie  griffen  sie  also,  nachdem  sie  schon 


<)  Vgl.  Finlay  UccQarrjQ^GSig  snl  zrjg  iv  'EXßsTLcc  %at  ''ElXddt  ngo- 
l'OTOQL-Krjg  ocQ%ccLoloyCag  (Athen  1869)  S.  17. 

2)  Vgl.  A.  Conze  Melische  Thongefässe,  Leipzig  1862.  —  Zicklein 
von  Melos:  Athen.  I,  p.  4^;  Poll.  VI,  63. 

3)  8teph.  Byz.  u.  Mr]Xog',  Plin.  IV,  12,  70;  Hesych.  u.  MfjtißZts  und 
Mi^aXXig.  Euseb.  Chron.  ad  a.  Abrah.  590  (p.  35  ed.  Schöne):  'Melus 
et  Pafus  et  Thasiis  et  Callista  urbes  conditae'.  Paulus  p.  124,  11  ed. 
Müller  macht  den  Heros  eponymos  Melos  (vgl.  Pustath.  ad  Dionys.  Per. 
530)  zu  einem  Phöniker.  Der  von  Plin.  und  Ste})h.  Byz.  a.  a.  O.  ange- 
führte Name  ZscpvQicc  bezieht  sich  auf  die  Lage  der  Insel  [als  der  vs^est- 
lichsten  aller  Kykladen  und  Sporaden. 

4)  Conon.  Narrat.  36;  Thuk.  V,  84;  ebds.  c.  112  wird^die  Begrün- 
dung des  dorischen  Staates  700  Jahre  vor  die  Eroberung  der  Insel  durch 
die  Athener  (416  v.  Chr.,  also  um  1116  v.  Chr.)  gesetzt.  In  ziemlich 
frühe  Zeit  gehört  wohl  auch  die  von  Plutarch.  De  mul.  virt.  7  und  Polyän. 
Strat.  VIII,  64  erwähnte  Niederlassung  der  Melier  bei  Kryassos  in  Karlen. 


2.  Die  ostgriechischcn  Inseln :  die  Sporaden :  Melos.  499 

im  Jahre  426  einen  erfolglosen  Versuch  gemacht  hatten  sie  zu 
unterwerfen,  im  Jahre  416  ernstlich  an  und  nöthigten  sie  nach 
hartnäckigem  Widerstände  sich  auf  Gnade  und  Ungnade  zu  ergehen, 
worauf  die  watfenfähige  Mannschaft  getödtet,  Weiber  und  Kinder 
zu  Sclaven  gemacht  und  in  der  Stadt  50()  attische  Kleruchen  an- 
gesiedelt wurden. ')  Nach  dem  Ende  des  peloponncsischen  Krieges 
wurden  diese  durch  Lysandros  vertrieben  und  die  Insel  den  Re- 
sten der  alten  Bevölkerung  zurückgegeben,  die  nun  wieder,  wie 
die  Inschriften  lehren,  ein  dorisches  Gemeinwesen  bildeten,  an 
dessen  Spitze  ein  Archon  stand;  aber  die  Blüthc  und  politische 
Bedeutung  der  Insel  war  für  immer  dahin.-)  Im  ersten  Jahr- 
hundert unserer  Zeitrechnung  hatten  sich  zahlreiche  Juden,  offen- 
bar durch  Ilandelsinleressen  angelockt,  daselbst  niedergelassen; 
unter  ihnen  fasste  bald  das  Christenthum  Wurzel  und  verbreitete 
sich  allmälig,  so  dass  schon  im  dritten  Jahrhundert  eine  zahl- 
reiche Christengemeinde  auf  Melos  bestand,  deren  unterirdische 
Grabräume  (Katakomben)  in  der  Nähe  der  alten  Stadt  in  einer  jetzt 
Klima  genannten  Schlucht  (unterhalb  des  westlichen  Endes  des 
Dorfes  Trypiti,  3 — 4CX)  Schritt  östlich  vom  Theater)  erhalten  sind.  '^) 
Nach  der  Eroberung  Konstantiuopels  durch  die  FraiduMi 
bildete  Milos  einen  Theil  des  Ilerzogthums  Naxos,  von  welchem 
es  1341  als  selbständiger  Staat  unter  Herrschaft  des  Marco  Sa- 
uudo abgesondert  wurde;  nach  dessen  Abdankung  (1376)  erhielt 
('S  dessen  einzige  Tochter  Fiorcnza,  deren  Gemahl,  Francesco  I. 
Grispo,  in  Folge  der  Erwerbung  des  Herzogthums  Naxos  (1383) 
es  wieder  mit  diesem  vereinigte. 

0  Herod.  VIII,  40  und  48;  Thuk.  III,  91;  V,  84—116.  Dio  von  den 
Mcliern  während  der  Belagerung  ausgestandene  Hungersnoth  wurde  als 
iifiogMrjkiog  sprüchwörtlich:  Aristoph.  Av.  186  c.  schol.;  Zenob.  Prov. 
IV,  04  u.  a.  ■ 

2)  Plutarch.  Lysandr.  14;  Xonoph.  Hell.  II,  2,  9.  Inschriften:  C.  I. 
f?r.  n.  2424—2441  und  Add.  Vol.  II,  p.  1081;  ältore  aus  der  Zeit  vor  der 
athenischen  Krobcruni'^  Im!  A.  Kirchlioff  Studien  /nr  (Jcscliiclitc  dos  grie- 
chischen Alphabets,  /w^itc  Aufl.,  S.  47  ff.;  <lazu  H.  Koliln  Hermes  II, 
S.  454.  Auch  die  altiiu  Münzen  (Eckhel  D.  n.  v.  I,  2,  p.  M30  s.)  geben 
die  dorische  Narncuriloiiu  MaXCiav.  —  Nach  der  um  \\\0  gehaltenen  Rede 
des  (Demosth.)  in  Theokrin.  p.  l.*}39  wollten  die  Athener  damals  eine 
Gcldbusse  von  10  Talenten  von  den  Meliern  eintreiben,  weil  diese  See- 
räubern eine  Zuflucht  bei  sicdi  gewährt  hatten. 

^)  Juden:  loseph.  Ant.  lud.  XVII,  12;  Bell.  Itid.  II,  7.  Uebcr  die 
Katakomben  s.  Uoss  Inselroisen  lll,  S.  146  ff. 


5()<)  III.  i>io  lii,selwcll. 

Die  Stiull  Melüs')  hig  am  iioitlösllichcii  Kmle  der  grossen 
von  NoiMlen  her  lief  in  die  Insel  einschneidenden  Bucht  unter- 
halb des  aul  einem  steilen  Felsgiplel  ganz  regellos  angelegten 
jetzigen  lIau])torts  Kastro.  Ein  niedriger  Felshügel,  dessen  platter 
(iipfel  jetzt  eine  Ca[)elle  des  Ilagios  Elias  und  ein  verfallenes 
Kloster  trägt,  bildete  wahrscheinlich  die  Akropolis  der  allen  Stadt, 
deren  in  ihren  jiniteren  Theilen  aus  grossen  jjolygonen  Werk- 
stücken erbaute  Uingmauer  sich,  wie  die,  Reste  zeigen,,  bis  zum 
(ieslade  herabzog.  An  der  Südostseite  des  Hügels  stehen  in  einer 
llachen  Bogenlinie  eine  Anzahl  Sessel  aus  Tufstein  mit  Uückleh- 
nen,'-')  welche  wahrscheinlich  die  oberste  Sitzreihe  eines  kleinen 
Theaters  oder  Odeions  bildeten.  Oestlich  davon  linden  sich  die 
Keste  eines  stattlichen  in  korinthischem  Stil  erbauten  Tempels 
(vielleicht  des  Dionysos),  etwas  über  100  Schritt  südwestlich  un- 
terhalb desselben  ein  grösseres  Theater  mit  Sitzreihen  aus  weissem 
Marmor,  dessen  Scenengebäude  jedoch,  nach  den  erhaltenen 
Ueberreslen  zu  schliessen,  erst  der  lömischen  Zeit  angehörte. '^) 
Unterhalb  des  Thealers  erstreckte  sich  wahrscheiidich  die  Agora 
bis  zum  Hafen,  einer  kleinen  Einbuchtung  der  Küste,  welche, 
durch  starke  Steindämme  geschützt,  von  Schifl'shäusern  und  an- 
deren Anlagen  für  Handel  und  SchilFfahrt  umgeben  war.  Ausser- 
halb der  östlichen  Stadtmauer  ziehen  sich  besonders  am  nörd- 
liclien  und  westlichen  Abhänge  der  jetzt  Klima  genannten,  mit 
spärlichen  Oelbäumen  bewachsenen  Thalschlucht  zahlreiche  antike 
Gräber  hin,  in  welchen  ausser  bemalten  Vasen,  Goldschmuck, 
geschnittenen  Steinen  und  bronzenen  Geräthschaften  auch  einige 


^)  Tlmk.  V,  115  (wo  die  Agora  erwähnt  wird);   Diod.  XII,  65;  Ptol. 

III,  17,   11;  Eiistath.   ad  Dionys.  Per.  530;    Stepli.  Byz.  u.  MqXog]   Plin. 

IV,  12,  70;  über  die  Keste  vgl.  besonders  Prokesch  von  Osten  I,  S.  536  ff.; 
II,  Ö.  204  ff.;  Ross  III,  S.  6  ff. 

2)  Prokesch  sah  im  Jahre  1825  noch  20  solche  Sessel  am  Platze, 
abgesehen  von  einigen  bei  der  Ausgrabung  von  den  Arbeitern  herausge- 
worfenen, Lenormant  im  Jahre  1829  und  Ross  im  Jahre  1843  nur  noch  4. 
Die  Deutung  der  Anlage  als  Odeion,  welche  durch  die  auf  mehreren 
Sesseln  befindlichen  Inschriften  (C.  I.  gr.  n.  2436)  unterstützt  wird,  wird 
Lenormant  (Annali  dell' inst.  I,  p.  343)  verdankt. 

^)  S.  den  allerdings  vor  der  im  Jahre  1836  durch  König  Ludwig  I.  von 
Baiern  als  Eigenthümer  des  Terrains  veranstalteten  Aufräumung  ent- 
worfenen Plan  in  der  Expe'dition  scieut.  de  Moree  III,  pl.  26,  wiederholt 
bei  Wieseler  Theatergeb.  Tfl.  I,  18;   vgl.  Ross  S.  7  f. 


2.  Die  ostgriechisclien  Tiisoln:  die  Sporaden:  Melos.  501 

liochbedeutende  statnarisclie  Werke,  die  man  olTenbar  in  der  Zeil 
des  späteren  Altertlninis  vor  der  Gefahr  der  Zerstörung  liier  ge- 
borgen bat,  wie  die  berühmte  Aphrodite  des  Loiivre  und  der 
Irefl'Iiche  Kopf  des  Asklepios  (nacli  anderen  Zeus)  des  brilisclien 
Museums  (früher  in  der  Sammhuig  des  Herzogs  von  Blacas),  ge- 
funden worden  sind.*)  Aehnliche,  durrligängig  in  den  Tulfboden 
eingeschnittene  antike  Gräber  sind  an  verschiedenen  Stellen  der 
Insel  in  beträchtlicher  Anzahl  entdeckt  worden  und  beweisen, 
dass  im  Allerthum  ausser  der  Stadt  noch  mehrere  für  uns 
namenlose  kleine  Ortschaften  existirt  haben.  Heutzutage  giebt  es 
ausser  dem  südöstlich  vom  alten  Hafen  gelegenen  kleinen  Hafen- 
orte Adamas  ('<?  rov  ddcc(iavta)  und  den  eine  Art  Vorstädte  oder 
Aussengemeinden  des  Kastro  bildenden  Dörfern  Plaka,  Trypiti  und 
Trion  Vasallon  noch  eine  zweite,  zwei  Stunden  südöstlich  von 
Kastro  gelegene  Stadt,  die  von  den  fränkischen  Herrschern  des 
spätem  Mittelalters  angelegte  Paläa  Chora,  die  bis  zum  Anfang 
unseres  Jahrhunderts  als  Hauptort  der  [nsel  galt,  jetzt  aber  in 
Folge  ihrer  ungesunden  Lage  in  der  Nähe  von  Sümpfen  fast  ganz 
verödet  ist. 

Zur  Gruppe  von  Melos  gehören  ausser  zwei  jelzt  Akrariäs 
genannten  Felsklippen  am  nördlichen  Eingang  der  grossen  Bucht 
die  Inseln  Antimilo,  Kimolos,  Polybos  (oder  Polinos)  und  die  zwi- 
schen den  heiklen  letztgenannten  und  Melos  gelegenen  ganz  klei- 
nen Inselchen  Ilagios  Stathis  und  Hagios  Georgios.  Antimilo, 
gewöhnlicher  Erimomilo  (das  wüste  Melos)  genannt,  ist  eine  etwas 
über  eine  deutsche  Meile  nordwestlich  von  Melos  gelegene  baum- 
lose und  wasserlose  Trachytmasse,  auf  welcher  jetzt  nur  eine  Menge 
wilder  Ziegen  mit  grossen  knotigen  Hörnern  leben.  Dieser  Um- 
stand legt  es  nahe,  darin  die  Polyägos  der  Alten  zuerkennen; 
doch  machen  die  Stellen  der  Alten,  wo  dieser  Name  erwähnt 
wird,  es  wahrscheinlicher,  dass  derselbe  der  etwas  grösseren  und 


')  Vgl,  für  (lif  Ajilir.Mlit.-  W.  I'r.diiior  Notice  de  la  scidptiirc  ant.i((MO 
du  miisee  du  Louvrc  Vol.  I,  p.  172  s.,  für  den  Asklepioskopf  (ndt  wel- 
<diem  zusammen  die  Weihinsidirlften  an  Asklepios  und  llygicia  C.  I. 
gr.  n.  2428  f.  gefund«!n  wurden)  Lenorniant  Annali  I,  p.  .341  8.  —  Aul 
«'ine  niissverslandene  Inschrift  aus  einer  solchen  Orahgrotte  ist  jedenfalls 
die  seltsame  Notiz  von  dem  Grabmal  des  attischen  Königs  Menestheus 
Im!  Bondelmonto  (p.  81  e<l.  Sinncr)  und  1»'i  I'nscli  vnn  Kriciicn  (p.  23 
1  <l.  Ro8h)  zurückzuführen. 


502  ITT."  Die  Inselwelt. 

anbyiifiiliigercn  Insel  Polybos  (s.  untoii)  zukommt;  auf  Aiitimilo 
luiiin  man  verniulliungsvveise  den  allen  Namen  Ephyra  bezielicnJ) 
Eine  im  Innern  mit  Mörtel  ausgekleidete  Cisterne,  in  welche  einige 
Slul'en  hinabführen,  ist  das  einzige  Zeugniss  für  eine  wahrschein- 
lich nur  vorübergehende  Bewohnung  der  Insel  im  Alterthum. 
Kimoios  ^"^   ""^   ^^^'^    *^*"^    Viertelstunde    breiter    Canal   trennt   die 

Nordoslspitze  von  Melos  von  der  Süd  Westseite  der  Insel  Kimo- 
ios (von  den  Griechen  noch  jetzt  Kimoli,  von  den  Westeuropäern 
gewöhnlich  Argentiera  genannt).  Grösstentheils  kahl,  ohne  Quellen 
trinkbaren  Wassers  und  wenig  angebaut,  pioducirt  diese  jetzt  an 
Getreide,  Wein,  Oel,  Feigen  und  Baumwolle  kaum  die  für  die 
etwa  1200  Seelen  betragende  Bevölkerung  nöthige  Quantität. 
Im  Alterthum  waren  ihre  getrockneten  Feigen  berühmt;  den 
Ilauptausfuhrartikel  aber  bildete  die  nach  ihr  benannte  *kimo- 
lische  Erde',  ein  in  ganz  Griechenland  nur  hier  vorkommender 
Seifenthon,  welcher  von  den  Walkern  zum  Beinigen  der  Kleider, 
von  den  Badern  zum  Baden  und  sogar  von  den  Aerzten  als 
Heilmittel  gebraucht  wurde.  Ausserdem  liefert  die  Insel  einen 
trefflichen  weissen  Baustein,  der  vielfach  ausgeführt  wird.  2)  Ueber 
die  Geschichte  der  Insel  im  Alterthum  ist  uns  fast  nichts  be- 
kannt; eine  Inschrift,  welche  einen  Schiedsspruch  des  argivischen 
Volkes  über  den  zwischen  den  Meliern  und  Kimoliern  streitigen 
Besitz  einiger  kleinen  Inseln  zu  Gunsten  der  letzteren  enthält,^) 
beweist,  dass  sie  zur  Zeit  der  Selbständigkeit  von  Melos  von 
diesem  unabhängig  war;  in  der  Scbätzungsliste  der  athenischen 
Bundesgenossen  von  Ol.  88,  4  (in  welcher  freilich  auch  die  da- 
mals factisch  nicht  zum  Bunde  gehörigen  Melier  aufgeführt  sind) 


*)  Ste^h.  Byz.  vL.'E(pvQa-  vriaog  ov  ^cchqccv  anb%ov6a  Mr]lov.  Viel- 
leicht entsprechen  die  von  Plin.  IV,  12,  56  'in  Argolico  sinu'  angesetz- 
ten Inseln  Pitynsa,  Irine,  Epliyre  den  jetzt  Belopulo  (oder  Kaimeni), 
Falconera  und  Antimilo  genannten  Inseln  (vgl.  oben  S.  349  f.). 

2)  Scyl.  Per.  48;  Dionys.  Calliph.  Descr,  Gr.  138;  Strab.  X,  p.  484; 
Athen.  III,  p.  123'';  Stadiasm.  in.  m.  §  284;  Ptol.  III,  17,  11;  Plin.  IV, 
12,  70  (nach  welchem  die  Insel  auch  Echinussa  genannt  wurde);  Ovid. 
Met.  VII,  463;  Steph.  Byz.  u.  ZCdri.  —  'laxddsg  Ki^äXLcti  Athen.  I, 
p.  30  b.  Kificokicc  yrj  Aristoph.  Ran.  713  c.  scliol.;  Theophr.  De  lapid. 
02;  Plin.  XXXV,  17,  195  und  198;  Colum.  De  re  rust.  VI,  17,  4;  Veget. 
Art.  veter.  II,  29;  32.  Vgl.  dazu  Tournefort  I,  p.  55  ss. ;  Fiedler  II, 
S.  344  fr.;  Koss  III,  S.  22  ff. 

3)  Schneidewin  (nach  Lebas'  Abschrift)  Philol.  IX,  S.  588  ff. 


2.  Die  ostgriechischen  Inseln:  die  Sporaden:  Kimolos.  503 

ist  sie  mit  einem  Tribut  von  1000  Drachmen  angesetzt.  Die  alte 
Stadt  Kimolos  lag  auf  einer  jetzt  nach  dem  heiligen  Andreas  be- 
nannten Felskiippe,  welche  heutzutage  nur  durch  ein  niedriges, 
kaum  vom  Wasser  bespidtes  Riff  mit  der  Südwestküste  der  Insel 
zusammenhängt,  mit  der  sie  im  Altcrthum  offenbar  durch  einen 
im  Lauf  der  Jahrhunderte  von  den  Wellen  weggespülten  Islhmos 
verbunden  war.  Die  ganze  Klippe  ist  noch  mit  Trümmern  an- 
tiker Gebäude  (jetzt  Daskalio,  d.  i.  8 18 aöKa l e lo v ,  'Schule'  ge- 
nannt) bedeckt;  die  Bucht  an  ihrer  Ostseite  bildete,  solange  der 
-Isthmos  bestand,  einen  kleinen  aber  guten  Hafen,  längs  dessen 
sich  an  der  Küste  der  Insel  die  Gräber  der  alten  Kimolier  hin- 
ziehen. ^)  In  Folge  der  Zerstörung  des  Isthmos,  welche  die  Com- 
munication  mit  dem  Lande  sehr  erschwerte,  wurde  die  Stadt  — 
wahrscheinlich  erst  in  der  Zeit  der  fränkischen  Herrschaft,  wo 
die  Insel  ein  Anhängsel  von  Melos  bildete  —  an  die  Stelle,  welche 
sie  noch  jetzt  einnimmt,  an  die  Südostküste  der  Insel  verlegt. 
Auf  einem  steilen,  schwer  zugängUchen  Gipfel  in  der  Mitte  der 
Westküste  finden  sich  die  Reste  einer  mittelalterlichen  Refestigung, 
auf  einer  Klippe  vor  der  Südküste  die  Ruinen  eines  alten  Thur- 
mes;  an  der  jetzt  Prasa  genannten  Bucht  am  nördlichen  Theile 
der  Ostküsle  sollen  noch  alte  Gräber  vorhanden  sein. 

Die  südöstlich  von  Kimolos  gelegene,  beträchtlich  kleinere  Poiyägc 
Insel  Polybos  (auch  Pohnos  oder  Kaimeni,  von  den  Franzosen 
und  Italiänern  Msle  brulee,  l5ola  bruciata'  genannt),  wahrschein- 
lich, wie  oben  bemerkt,  die  antike  Polyaegos,^)  besteht  ganz 
aus  weissem  zersetzten  Feldspalgestein,  das  sich  in  der  Mitte  der 
Insel  zu  einem  360  Meter  hohen  Rerge  erhebt,  an  der  Südwest- 


*)  Den  Grundplan  eines  dieser  Gräber  glebt  F.  Lenormant  in  der 
l'ovue  arch(^ologique  n.  s.  XIV,  p.  56  s. 

'^)  Ptol.  HI,  15,  28  (wo  die  als  viiGoq  l'^q^og  bezeichnete  Insel  zwi- 
schen Jos  und  Therasia  angesetzt  wird);  Plin.  IV,  12,  70;  auch  bei  Scyl. 
]*cr.  48  ist,  wie  schon  oben  (S.  348,  Anm.  1)  bemerkt,  x«T,i  öe  tavTtjv 
(Ki^toXov)  Tlolvcciyog  (für  vaxtOQog  des  Cod.)  herzustellen.  Für  die  Lage 
bei  Kimolos  zeugt  besonders  die  oben  S.  602,  Anm.  .3  erwähnte  Inschrift, 
in  welcher  Z.  9  ff,  bestimmt  wird  KiyaoXCtov  ri^tv  IIoXvaLyccv^'EtrJQBiav  (?), 
Aißsiav:  die  beiden  letzteren  Namen  sind  auf  die  westlich  von  Polybos 
gelegenen  Inselchen  Hagios  Stathis  und  Hagios  Ocorgios  zu  beziehen. 
Vgl.  iilicr  Polybos  liondeimonte  p.  80  (welcher  'formae  casarum*  d.  i. 
wohl  in  den  Fels  gCBchnittene  Fundamente  von  Häusern  erwähnt);  Pasch 
van  Krienen  p.  21;  Fiedler  II,  8.  364  flf.;  Rosa  III,  8.  26. 


Phnlpgan- 
dros. 


rj04  TIT.    Di(;  Inselwelt. 

küstc  steil  iiarli  den»  Meere  ahfjillt,  wiilireml  die  Nordseile  der 
Fnsel  .iiibaiifäliig  isl.  Etwas  siidlicli  iinterliall)  des  liöclisten  Gipfels 
ölTnet  sich  eine  geräuiiiige,  von  der  Natur  gel)ild<'(e,  aber  an 
einigen  Stellen  von  Menschenhänden  bearbeitete  Höhle,  in  welcher 
sich  Opale  in  beträchtlicher  Menge  linden.  Im  Allerthnm  mach- 
ten sowohl  die  Melier  als  die  Kimolier  anf  «len  Uesitz  der  Insel 
Ansprnch,  ein  Streit,  welcher  durch  die  zu  Scbiedsri<-htein  ge- 
wählten Ai'giver  zu  Gunsten  .der  Kimolier  entschieden  wurde,  die? 
noch  jelzt  die  eine  Hallte  der  Insel  besitzen,  während  die  andere 
den  Meliern  gehört.  Schon  zur  Zeit  des  Ptolemäos  war  die  Insel 
unbewohnt;  im  Mittelalter  stand  eine  Zeitlang  ein  Kloster  darauf, 
das  aber  auch  bald  wieder  verlassen  wurde,  so  dass  ausser  ver- 
wilderten Ziegen  nur  einzelne  Hirten  darauf  hausten;  erst  neuer- 
dings haben  sich  einige  Familien  d.aselbst  angesiedelt. 

Oestlich  von  der  bisher  betrachteten  Gruppe  zieht  sich  eine 
Reihe  von  Inseln  hin,  welche  nicht,  wie  jene,  aus  vidkanischem 
Gestein,  sondern  aus  Glimmerschiefer  (im  östlichsten  Thelle  Thon- 
schiefer)  und  krystallinisch-körnigem  Kalk  besteht.  Die  west- 
lichste dieser  Inseln,  Pholegand  ros^)  (jetzt  im  Volksmuude 
Polykandro),  ist  ein  von  Nordwest  nach  Südost  V/^  ^hnitsche 
Meile  langer,  durchschnittlich  Vo  Stunde  breiter  Gebirgsrücken, 
welcher  fast  an  allen  Seiten  in  steilen  und  schrofTen ,  bisweilen 
senkrechten  Wänden  gegen  das  Meer  abstürzt;  nm-  an  der  Süd- 
oslseite  ist  eine  Einbuchtung,  welche  den  einzigen  nicht  ej)en  guten 
Hafen  der  Insel  bildet.  Während  die  ganze  Osthäifte  aus  dürren 
Kalk-  und  Marmorfelsen  besteht  und  daher  völlig  unfruchlbar 
ist  —  weshalb  ein  alter  Dichter  die  Insel  als  die  ^eiserne'  Iie- 
zeichnet  hat  — ,  ist  die  aus  Glimmerschiefer  bestehende  West- 
hälfte in  Folge  der  starken  Verwitterung  dieses  Gesteins  aus- 
reichend mit  Erde  bedeckt  und  liefert  einen  für  die  Bedürfnisse 
der  et\^«  1500  Seelen  J»etragenden,  theils  von  Ackerbau,  theils 
von'  Viehzucht  lebenden  Bevölkerung  völlig  ausreichenden  Ertrag 
an  Getreide,  Gel  und  Wein.     Die  alten  Bewohner  waren,  wie  die 


1)  Solon.  frg.  2  Bergk;  Strab.  X,  p.  484,  48^»;  Antliol.  Pal.  IX,  421,  3; 
schol.  Dion.  Per.  132;  Ptol.  III,  15,  32;  Stepli.  Byz.  n.  ^oUyccvÖQO?-, 
Plin.  IV,  12,  68:  vgl.  Tournefoit  I,  p.  99  s.;  Fiedler  II,  S.  145  ff.;  Ross  F, 
S.  146  ff.  Pasch  van  Krienens  Notiz  von  einem  Tempel  der  Latona 
(p.  24)  scheint  mir  aus  der  missverstandenen  Stelle  iles  Aratos  hei  Strab, 
X,  p.  486  fingirt  zu  sein. 


2.  Die  ostgriechisclien  Inseln :  die  Sporaden:  Pholegandros.     505 

Inschriften^)  lehren,  dorischer  Nationalität,  offenhar  weil  die  Insel, 
sei  es  von  Lakonien,  wie  Melos  und  Thera,  sei  es  von  Kreta  aus 
(der  Heros  eponymos  IMioIegandros  galt  als  Sohn  des  Minos)  co- 
lonisirt  worden  war;  doch  gehörten  sie,  freilich  Mohl  nicht  frei- 
williger Weise,  dem  athenischen  Seehunde  an,  wenigstens  sind  sie 
in  der  Schätzungsliste  von  Ol.  88,  4  mit  einem  Trihut  von 
2000  Drachmen  angesetzt.  Ihre  Stadt  lag  in  der  östlichen  Hälfte 
der  Insel,  eine  Stunde  nördlich  von  der  Ilafenhucht,  auf  einer 
spitzen  Felshöhe,  welche  noch  einige  antike  Mauerreste  und  die 
Trümmer  eines  Schlosses  aus  dem  Mittelalter  (während  dessen 
die  Insel  die  Schicksale  von  Siphnos  und  Sikinos  theilte)  trägt; 
eine  grosse  zum  Theil  aus  antiken  Werkstücken  erbaute  Kirche 
am  Südahhange  scheint  auf  der  Stelle  eines  alten  Heiliglhums 
(vielleicht  des  der  Artemis  Selasphoros)^)  zu  stehen;  unterhalb 
derselben  liegt  das  jetzige  Städtchen.  In  der  Nordostseite  des- 
selben Berges  findet  sich  etwa  30  Fuss  über  dem  Meeresspiegel 
eine  von  der  Landseite  fast  gar  nicht,  vom  Meere  her  nicht  ohne 
Schwierigkeit  zugängliche  Grotte  (jetzt  Chrysospiläa  ^die  Gold- 
grotte' genannt)  mit  schönen  Tropfsteinhildungen,  einigen  für 
Weihgeschenke  bestimmten  Nischen  und  einer  theils  griechischen, 
theils  lateinischen  Inschrift,  ^)  welche  die  Namen  antiker  Besucher 
der  Grotte  zu  enthalten  scheint. 

Zwischen  der  Südostspitze  von  Pholegandros  und  der  Süd- 
westspitze von  Sikinos  liegt,  von  einigen  ganz  kleinen  Eilanden 
umgeben  (zwei,  Adelphia  genannt,  gegen  Westen,  vier,  'Mermingia', 
gegen  Osten),  die  kleine  Insel  Kardiotissa,  die  alte  Lagussa,"^) 
ein  öder  höhlenreicher  Kalkfelsen,  welcher  von  den  Pholegan- 
driern  und  Sikineten  als  Weideplatz  für  ihre  Ziegenheerden  be^ 
nutzt  wird. 


•)  S.  C.  I.  gr.  n.  2442-45;  Add.  V^ol.  II,  p.  1082;  PV.  Lonorm.-int 
Kevuc  archeolog.  n.  s,  XI,  p.  124  ss. 

2)  Den  Cult  dieser  Göttin  bezeugt  die  von  Lenormunt  a.  tx.  O.  p.  126, 
ii.  5  veröffentlichte  Inschrift. 

3)  C.  I.  gr.  n.  2444«»  (Vol.  II,  p.  1082).  In  der  Nähe  der  Grotte 
Hclieint  ein  Heiligtlinm  des  Apollon  nQOCTarrjQiog  gestanden  /u  liabcn 
nach  den  Inschriften  bei  Lenormant  a.  a.  O.  p.  127,  n.  7 — 1>. 

*)  Strab.  X,  p,  484;  Steph.  Byz,  u.  Aayovaa:  vgl.  Fiedler  II,  S.  inO; 
l.'r.ss  I,  S.  149. 

BUR8IAN,  OEOQR.    II.  M 


506  ITI.    Die  Inselwelt. 

Sikinos.  Sikinos,^)  (las  noch  jetzt  seinen  alten  Namen  bewahrt  hat, 

ist  ein  von  Südwest  nach  Nordost  streichender  Gebirgszug  von 
ganz  ähnlicher  BeschalTenheit  wie  Pholegandros,  aber  etwas  länger 
und  breiter.  Die  Küsten  sind  ganz  hafenlos;  nur  an  der  Südost- 
seite findet  sich  eine  offene  Bucht,  die  den  Schiffen  gegen  Süd- 
winde gar  keinen  Schutz  gewährt.  Das  Ilauptproduct  der  Insel 
ist  Wein,  daher  sie  im  Alterlhum  auch  den  Namen  Oinoe  ge- 
führt haben  soll,  ausserdem  wird  etwas  Oel,  Feigen,  Baumwolle, 
und  Getreide  erbaut. 

Die  Sage,  welche  den  Heros  eponymos  Sikinos  zu  einem 
Sohne  des  Thoas,  Königs  von  Lemnos,  macht,  lässt  vermuthen, 
dass  in  alten  Zeiten  Minyer  aus  Lemnos  sich  hier  angesiedelt 
haben.  Von  den  alten  Historikern  wird  die  Insel  gar  nicht  er- 
wähnt; aus  Steinurkunden  ersehen  wir,  dass  sie  sowohl  dem 
älteren  als  dem  neueren  attischen  Seebunde  angehörte  und  demo- 
kratische Verfassungsform  hatte,  ^j  Während  der  Herrschaft  der 
Franken  im  Archipel  theilte  sie,  wie  Pholegandros,  die  Schicksale 
von  Siphnos  (vgl.  oben  S.  481).  Von  der  alten  Stadt  der  Sikine- 
ten,  welche  ungefähr  eine  halbe  Stunde  nordwestlich  von  dem 
Landungsplatze  auf  einem  hohen  und  sehr  schroffen  Berggipfel 
lag  —  die  neuere  Stadt  liegt  gegen  172  Stunde  weiter  nordwest- 
lich auf  einem  gegen  Norden  steil  zum  Meere  abfallenden  Berg- 
rücken —  sind  ausser  zahlreichen  Marmorblöcken  und  Scherben 
nur  Reste  der  Ringmauer,  Terrassenmauern,  Gebäudefundamente, 
Gisternen  und  Gräber  erhalten;  dagegen  findet  sich  nordöstlich 
von  da  in  einer  Einsenkung  zwischen  dem  Berge,  welcher 
die  Stadt  trug,    und    dem    höchsten  Gipfel    der  Insel   ein  bis  auf 


1)  Sol.  frg.  2  ßergk;  Scyl.  Per.  48;  Apollon.  Rhod.  A,  623  ss.  c.  schol.; 
Strab.  X,p.  484;  Stadiasm.  m.  m.  273;  Ptol.  III,  15,  32;  Etym.  M.  p.712,  48; 
Steph.  Byz.  u.  Zi'nLvog;  Plin.  IV,  12,  69.  Auf  Weincultur  deutet  ausser 
dem  Namen  Oinoe  auch  die  Traube  als  Typus  der  Münzen  von  Sikinos. 
Vgl.  Tournefort  I,  p.  98  s.;  Fiedler  II,  S.  151  ff.;  Ross  Archäol.  Aufs.  II, 
S,  480  ff.;  Inselreisen  I,  S.  149  ff.;  Reinganum  Zeitschrift  für  die  Alter- 
thumswissenschaft  1838,  N.  86  ff.,  S.  697  ff. 

2)  In  der  Schätzungsliste  von  Ol.  88,  4  sind  die  Ziyuvrjtai  mit 
1000  Drachmen  angesetzt  (U.  Köhler  Urkunden  S.  70),  in  der  Bundes- 
urkunde von  Ol.  100,  3  (Rangabe'  Ant.^hell.  II,  p.  373  s.)  erscheinen 
Col.  B,  Z.  30  die  Ziv,iVLXui;  in  den-  Inschriften  C.  I.  gr.  n.  2447 b,  <i 
und  e  (Vol.  II,  p.  1083  s.)  werden  ?)  ^ovXri  vml  6  SijfioSj  ccQXOvreg, 
TtQocKTOQsg  Und  ayoQKvofioL  aufgeführt. 


2.   i)ie  ostgriechischen  Inseln:  die  Sporaden:  Sikinos.         507 

das  Dach  und  die  Ostfront  wohl  erhaltener  Tempel  des  ApoUon 
Pythios,  welcher  seine  Erhaltung  der  Verwandlung  in  eine  christ- 
liche Kirche  (die  sogenannte  Episkopi,  d.  i.  Bischofssitz)  verdankt. 
Der  10,40  Meter  lange  und  7,30  Meter  hreite,  aus  einheimischem 
hläuHchem  Marmor  erbaute  Tempel  stammt,  wie  die  Mischung 
verschiedenen  Stilgattungen  angehöriger  Elemente  sowie  die  plumpe 
und  rohe  Ausführung  der  Details  zeigt,  aus  der  Zeit  des  Verfalls 
der  griechischen  Architektur:  die  Westfront  zeigt  zwei  uncane- 
lirte  Säulen  mit  Basen  und  dorischen  Capitälen  zwischen  Anten, 
der  ausgehauchte  Fries  ist  schmucklos,  die  untere  Seile  des  Dach- 
kranzes mit  ionischen  Zahnschnitten  verziert.  ^)  Ausserdem  sollen 
noch  auf  dem  jetzt  Malta  genannten  nordöstlichen  Cap  der  Insel 
Reste  einer  alten  Ansiedelung  vorhanden  sein. 

Die  östlich  von  Sikinos  gelegene,  zwei  deutsche  Meilen  lange  los. 
und   durchschnittlich    eine   Meile   breite   Insel   los^)    bildet    eine 
mächtige,  theils  aus  Glimmerschiefer  und  krystallinisch-körnigem 
Kalk,    theils    aus   Granit    und    Gneis    bestehende    Gebirgsmasse, 
welche   in   dem    ungefähr    in    der  Mitte '  der   Insel   aufsteigenden 


*)  Vgl.  die  Beschreibung  (mit  Abbildung)  bei  Ross  Inselreisen  I, 
S.  150  ff.;  dazu  A.  Michaelis  Annali  t.  XXXVI,  p.  264  ss.  (mit  Tav.  d'agg. 
K,  6).  Ross  giebt  ausdrücklich  an,  an  der  Ostseite  könne  kein  antiker 
Eingang  gewesen  sein,  weil  diese  Seite  ganz  schmucklos  sei  und  der 
Unterbau  sich  nicht  über  den  Tempel  hinaus  erstrecke.  Freilich  ist  eine 
solche  Orientirung  nach  Westen  für  den  Tempel  einer  olympischen  Gott- 
heit (die  Beziehung  auf  den  Apollon  Pythios  giebt  die  Inschrift  C.  I.  gr. 
n.  2447'')  höchst  auffällig;  doch  wage  ich  ohne  Autopsie  nicht  zu  ent- 
scheiden, ob  nicht  etwa  bei  der  Umwandlung  in  eine  christliche  Kirche 
die  ganze  Ostfront  sammt  ihrem  Unterbau  entfernt  worden  ist,  so  dass 
der  Tempel  ursprünglich  an  beiden  Fronten  je  eine  durch  zwei  Säulen 
zwischen  Anten  gebildete  Vorhalle  gehabt  hätte,  wie  der  Tempel  der 
Artemis  Propyläa  in  Eleusis. 

*j  Der  von  Steph.  Byz.  u.  "log  von  den  ionischen  Bewohnern  her- 
geleitete Name  dürfte  eher  (mit  Plut.  Sertor.  1)  von  l'ov,  Veilchen,  her-  . 
zuleiten  sein,  wie  auch  der  andere  Name  ^oiVLxrj,  welchen  nach  Stoph. 
Byz.  a.  a.  O.  und  Plin.  IV,  12,  69  die  Insel  in  alten  Zeiten  führte,  wohl 
nicht  auf  phönikische  Ansiedler,  sondern  auf  Palmen,  die  im  Alterthum 
auf  der  Insel  wuchsen  (die  Palme  erscheint  auch  auf  Münzen  der  Insel: 
s.  Eckhel  D.  n.  v.  I,  2,  p.  329,  und  Ross  fand  wenigstens  noch  eine  Palm© 
(bwjelbst),  zurückzuführen  ist.  Der  von  neueren  (Geographen  viel  ge- 
hrauchte Name  Nio  ist  nur  eine  Entstellung  aus  dem  griechischen  Ac- 
'usativ  's  T^v  'l6.  Vgl.  über  die  Insel  Tournefort  I,  p.  95  s.;  Fiedler 
II,  S.  203  ff.;  Ross  Inselreisen  I,  8.  164  ff.;  III,  8.  162  ff. 

34* 


508  TIT.    Die  Inselwelt. 

Gipfel  des  Ilagios  Klias  ihre  grössle  Ilölie  (735  Meter)  erreicht. 
Der  Boden  ist  ziemlich  fruchtbar  und  verhältnissnuissig  gut  an- 
gebaut: an  Wein,  Oel,  Getreide  und  Baumwolle  wird  mehr  pro- 
ducirt  als  der  Bedarf  der  Bevölkerung  betragt;  auch  die  Vieh- 
zucht ist  nicht  unbedeutend.  Als  eine  werthvolle  Mitgift  für  den 
Seeverkehr  hat  die  Insel  von  der  Natur  einen  treiriichen  Hafen 
(jetzt  nach  dem  Hagios  Nikolaos  genannt)  am  nördlicheren  Theile 
ihrer  Westküste  erhalten.  Dass  sie  frühzeitig  von  Bewohnern 
ionischer  Nationalität  besetzt  worden  ist,  beweist  nicht  nur  ihre 
Zugehörigkeit  zu  der  Amphiktyonie  von  Delos,  sondern  auch  die 
Existenz  einer  alten  homerischen  Sängerschule,  welche  durch  die 
Sagen  von  den  persönlichen  Beziehungen  des  Homer  zu  der  Insel 
bezeugt  wird.  Nach  der  Tradition  der  leten  nämlich  wäre  zur 
Zeit  der  ionischen  Wanderung  ein  ietisches  Mädchen,  Klymene 
(oder  Kritheis)  mit  Namen,  von  einem  Dämon  geschwängert  und 
als  sie  sich,  um  ihre  Schande  zu  verbergen,  an  einen  Aegina 
genannten  Platz  zurückgezogen  hatte,  von  Bäubern  entführt,  nach 
Smyrna  gebracht  und  dem  Könige  der  Lyder,  Mäon,  zum  Geschenk 
gemacht  worden;  dieser  hätte  sie  geheiralhet  und  als  sie  am  Ufer 
des  Flusses  Meles  den  Homer  geboren,  den  Knaben  wie  sein 
eigenes  Kind  auferzogen.  In  hohem  Alter  wäre  der  Dichter  (des- 
sen Bild  die  leten  auch  auf  ihre  Münzen  setzten)  auf  einer  Fahrt 
nach  Theben  (oder  nach  Athen)  begriffen  auf  los  gelandet  und 
daselbst  gestorben  und  begraben  worden;  noch  im  zweiten  Jahr- 
hundert n.  Chr.  zeigte  man  den  Fremden  sein  Grab  und  an  einer 
anderen  Stelle  der  Insel  das  seiner  Mutter.  ^) 

Aus  der  historischen  Zeit  des  Alterthums  wissen  wir  nichts  von 
den  Schicksalen  der  Insel,  ausser  dass  sie  dem  älteren  attischen 
Seebunde  angehörte.  Nach  der  Eroberung  von  Konstantinopel  durch 
die  Franken  wurde  sie  zuerst  von  den  Herzögen  von  Naxos  be- 
herrscht, aber  im  Jahre  1269  von  den  Byzantinern  erobert,  denen 


*)  Paus.  X,  24,  2;  Aristot.  bei  (Plut.)  De  vita  et  poesi  Hom.  3  f.; 
(Herod.)  Vita  Hom.  34flf.;  vgl.  Scyi.  Per.  58;  Strab.  X,  p.  484;  Anthol. 
Pal.  VII,  1;  2;  Plin.  IV,  12,  69.  An  die  angebliche  Auffindung  des  Gra- 
bes durch  Pasch  van  Krienen  (Breve  descrizione  der arcipelago  p.  35  ss.) 
wird  wohl  trotz  der  Vertheidigung  von  Ross  (in  seiner  Ausgabe  der 
Reisebeschreibung  Pasch  van  Krienen's  S.  128  ff.;  Inselreisen  I,  S.  156  ff. 
und  III,  S.  152  ff.)  Niemand  mehr  glauben;  vgl.  Welcker  Kleine  Schrif- 
ten III,  S.  284  ff. 


2.    Die  Oir^tgriechischen  Inseln:  die  Sx^oraden:  Tos.  509 

sie  1292  durch  den  Venezianer  Dominico  Schiavo  entrissen  ward; 
nach  dessen  Tode  (um  1322)  wurde  sie  wieder  mit  dem  Herzog- 
Ihum  Naxos  vereinigt,  im  Jahre  1397  aber  vom  Herzog  Fran- 
cesco I.  Crispo  seinem  fünften  Sohne  Marco  übergeben,  der  sie 
seinen  Nachkommen  vererbte;  im  Jahre  1508  kam  sie  als  Erbe 
der  Adriana,  der  einzigen  Tochter  Marco's  !![.,  in  Besitz  des 
Gatten  derselben,  des  Alessandro  Pisani,  der  sie  im  Jahre  1537 
an  die  Türken  verlor.*) 

Die  alte  Stadt  der  leten  lag  auf  derselben  Stelle  wie  die 
heutige,  eine  Viertelstunde  östlich  vom  Hafen  (an  dessen  inner- 
stem Ende  ein  kleiner  Felshügel  Spuren  einer  alten  Niederlas- 
sung, also  einer  kleinen  Hafenstadt,^)  bewahrt,  wie  auch  halb- 
wegs zur  Stadt,  zur  Linken  des  Wegs,  die  Fundamente  eines 
grossen  antiken  Gebäudes  erhalten  sind),  an  einem  steilen  Berge, 
dessen  Gipfel,  ohne  Zweifel  die  antike  Akropolis,  die  Trümmer 
eines  mittelalterlichen  Schlosses  trägt.  Unter  den  Tempeln  der 
Stadt  war  wohl  der  bedeutendste  der  in  zahlreichen  Inschriften'"*) 
erwähnte  des  Apollon  Pythios,  dessen  Stelle  die  jetzige  Kirche 
Johannes  des  Täufers  einzunehmen  scheint;  als  Burggottheiten 
wurden  wahrscheinlich  Zeus  Polieus  und  Athene  Polias  verehrt. 
Ausserdem  finden  sich  noch  an  mehreren  Punkten  der  Insel  Spu- 
ren hellenischer  Ansiedelungen:  in  der  Ebene  nordöstlich  von  der 
Stadt  die  Beste  einer  aus  langen  schmalen  Schieferstücken  er- 
bauten Burg;  nahe  dem  höchsten  Gipfel  des  Gebirgs  bei  zwei 
kleinen  Kirchen  Marmorblöcke,  Säulenreste  und  Capitäle;  auf 
einem  Hügel  in  der  Nähe  der  kleinen  Bucht  Plakotos  an  der 
Nordseite  der  Insel  dje  Ruine  eines  kleinen  Wartlhurmes  aus 
bläulichen  Marmorquadern  (jetzt  ^  Psaropyrgos '  d.  i.  Fischthurm 
genannt)  und  zahlreiche  alte  Gräber;  bei  der  Kirche  der  Hagia 
Theodole  nahe  der  Ostköste  am  Bande  eines  gegen  Nordosten 
sich  öffnenden,  von  einem  Bache  durchflossenen  anmuthigen  Thaies 
Marmorstücke   und    andere  *  Baureste    und    alte    Gräber;    endlich 


<)  S.  Hopf  Wiener  Sitüungsber.  IUI  32,  S.  417  ff.  und  S.  502  f. 

2)  Vgl.  Scyl.  Per.  68:  "io?  x«l  liiirtv. 

^)  Ko88  In.scr.  gr.  ined.  Fase.  H,  n.  95  und  96;  Fase.  III,  n,  317 
und  318;  Fr.  Lenormant  Rhein.  Mus.  n.  F.  Bd.  XXU,  S.  294  f.,  n.  293, 
294  und  295.  Zeus  Polieus  und  Athene  Polias:  Ross  a.  a.  O.  Fase.  II, 
n.  93.  Athene  er  chcint  auch  ;tuf  Münzen  von  los:  Kckhcl  D.  n.  v.  1,2, 
l».  329  s. 


510  in.    Die  Inselwelt. 

südösllich  von  da,  in  einem  fruchtbaren  jetzt  Psatlii  genannten 
Tliale  (südlich  von  einem  steilen  Vorgebirge,  das  eine  ansehnliclie 
Festung  aus  der  Zeit  der  fränkischen  Herrschaft  trägt)  die  Reste 
eines  kleinen  Heiligthums  einer  unter  dem  Beinamen  IMiythalmios 
verehrten  Gottheit  (des  Dionysos  oder  des  Poseidon). ') 

iicrakieia.  Zwisclieu  der  Nordostseite  von  los,  der  Südseite  von  Naxos 

und '  der  Westseite  von  Amorgos  liegt  eine  Gruppe  von  fünf 
grösseren  und  einer  Anzahl  ganz  kleinen  Eilanden,  welche  sämmt- 
lich  heutzutage  keine  feste  Bevölkerung  haben  (daher  Erimonisia 
genannt),  sondern  nur  zeilweise  von  Hirten  und  Ackerbauern  von 
Amorgos  (zu  welcher  (nsel  sie  jetzt  gehören)  bewohnt  werden. ''^) 
Die  südwestlichste  derselben,  welche  ihren  alten  Namen  Hera- 
kleia  mit  Verlust  des  Anlauts  (Raklia)  bewahrt  hat,  hat  an  der 
Südseite  eine  Bucht,  welche  den  Schiffen  Schutz  vor  Stürmen, 
aber  keinen  Ankergrund  bietet;  auf  einem  steilen  Felshügel  ober- 
halb derselben  sind  Reste  von  einer  kleinen  befestigten  helleni- 
schen Ortschaft  erhalten,  die  nach  inschriftlichen  Zeugnissen 
Heiligthümer  der  Tyche  (Tychäon)  und  des  Zeus  Lopheites  ent- 
hielt. 3) 

schinussa.  Die  östUch  vou  hier  gelegene   weit   kleinere   und   niedrigere 

Insel  Schinussa,  welche  diesen  ihren  antiken  und  modernen 
Namen  ^)  den  Mastixsträuchern  (Pislacia  lentiscus,  griechisch  öxt- 


^)  Inschrift  bei  Ross  Inscr.  gr.  ined.  II,  n.  97  (vgl.  Inselreisen  I, 
S.  172  f.),  der  Jio[vvGcp]  ^vrccXfito)  ergänzt;  doch  können  die  Buchsta- 
ben z/to  auch,  wie  Böckh  bemerkt  (C.  I.  gr.  Vol.  II,  p.  1084),  Reste  vom 
Namen  des  Vaters  des  Weihenden  sein,  '^vralfiLog  erscheint  am  häu- 
figsten als  Beiname  des  Poseidon  (Paus.  II,  32,  8;  Plut.  VII  sap.  conv.  15; 
Quaest.  symp.  V,  3,  1),  aber  auch  des  Zeus  (Hesych.  u.  ^vräl^Log  Zav's); 
bei  Plut.  De  virt.  mor.  12  wird  Dionysos  als  o  cpvxaX^iog  d^sbg  ■Kai  '^fie- 
Qidrjg  bezeichnet. 

2)  Vgl.  über  diese  Inseln  Tournefort  I,  p.  92  ss.;  Fiedler  II,  S.  318  ff.; 
Ross  I,  S.  173;   II,  S.  34  ff. 

^)  Baumeister  im  Philologus  Bd.  IX ,  S.  392  f.  Die  Insel  wird  nur 
von  Steph.  Byz.  u.  '^Hqo.v.Xho.  und  vielleicht  von  Plin.  IV,  12,  70  (codd. 
Hieracia  und  Cheratia)  erwähnt. 

■*)  Plin.  IV,  12,  68.  — -  Steph.  Byz  u.  Zxivovooa  und  Hesych.  u. 
Sxivovvta  erwähnen  eine  gleichnamige  Insel  bei  Phokis:  entweder  die 
jetzt  Ampelonisi  oder  die  Tzarukonisi  genannte  (beide  im  südlichsten 
Theile  des  Golfs  von  Aspraspitia  gelegen).  Ob  die  Buchstaben  ZXI  auf 
einem  in  Alexandria  gefundenen   Henkel  eines   Thongefässes   (C.   I,   gr. 


2.  Die  ostgriechischen  Inseln:  die  Sporaden:  Herakleia  u.  s.  w.  511 

vog)  verdankt,  mit  welchen  der  Boden,  soweit  er  nicht  wieder 
zum  Feldbau  urbar  gemacht,  bedeckt  ist,  trägt  in  zahlreichen 
antiken  Terrassen  deutliche  Spuren  sorgfältigen  Anbaues  im  Aller- 
thum,  während  nur  einige  Quadern  und  Säulentrömmer  in  der 
Capelle  des  Metochi  (Nebenklosters)  des  Klosters  der  Panagia  Cho- 
zoviotissa  auf  Amorgos,  welchem  die  Insel  gehört,  ein  nicht  ein- 
mal ganz  sicheres  Zeugniss  (denn  die  Trümmer  können  von 
anderswo  her  verschleppt  sein)  von  der  Existenz  einer  alten  Oxt- 
schaft  geben.  Ruinen  eines  Dorfes  aus  dem  Mittelalter  liegen 
an  der  Südvvestseite  der  Insel. 

Nordöstlich  von  Schinussa  liegen,  nur  durch  einen  schmalen  Phacussä. 
Canal,  welcher  einen  guten  Hafen  bildet,  von  einander  getrennt 
zwei  wegen  ihres  leichten,  trockenen,  aber  nicht  unfruchtbaren 
Bodens  jetzt  Kuphonisia  genannte  Inselchen,  jede  mit  einem  Dörf- 
chen von  20  —  30  Häusern  besiedelt:  vielleicht  die  Phacussä 
der  Alten J)  Die  südwestlichere  flachere  und  kleinere  (jetzt  Rato- 
Kuphonisi)  enthält  keine  sicheren  Spuren  antiker  Bewohnung;  auf 
der  nördlicheren  (Ano-Kuphonisi)  dagegen  finden  sich  hellenische 
Gräber,  ein  antiker  Sarkophag  und  mehrere  Marmorstücke,  sowie 
Ruinen  mittelalterlicher  Bauten. 

Südöstlich  von  den  Kuphonisia,  östlich  von  Schinussa  erhebt  Kena. 
sich  die  Insel  Keros,  ein  hoher  und  rauher  Bergrücken,  an  dessen 
Abhängen  sich  nur  wenige  zum  Ackerbau  geeignete  Stellen  finden; 
sie  dient  jetzt  als  Weide  für  die  Ziegenheerden  des  Klosters  der 
Panagia  auf  Amorgos,  dessen  Eigenthum  sie  ist.  Offenbar  ist  sie 
die  alte  Keria,  welche  in  der  Schätzungsliste  der  athenischen 
Bundesgenossen  von  Ol.  88,  4  mit  einer  Steuer  von  10y2  Drach- 
men angesetzt  ist.  ^)     Die  Stelle  der  alten  Ortschaft  ist  noch  nicht 


II.  8519*',  Vol.  IV,  p.  263)  sich  auf  eine  Oertlichkeit  Schinussa  beziehen, 
i^t  selir  zweifelhaft 

')  ^äyiovoai  vrjGOi  (ohne  nähere  Bezeichnung  der  Lage)  Steph.  Byz. 
II.  ^äyiovaa;  Phacussä  Plin.  IV,  12,  68.  Woher  Bondelmonte  (p.  98) 
den  Namen  Podia  für  diese  beiden  Eilande  hat,  ist  mir  unklar. 

')  S.  U.  Köhler  Urkunden  S.  200.  Der  Name  der  Insel  (die  auch 
beim  Geographus  Kavennas  V,  21,  p.  396,  9  ed.  Pinder  et  Partlioy  als 
Cerus  erscheint)  ist  von  C.  Müller  (Geographi  gr.  min.  I,  p.  499)  mit 
Recht  im  Stadiasm.  m.  ra.  §  282  {Ktgeia  für  KoQoia  des  Cod.)  hergestellt 
worden.  Bondelmonte  (p.  98)  erwähnt  ohne  nähere  Ortsangabe  Spuren 
alter  Bewohnung  auf  liaklia  und  Koros. 


512  III.    Dio  liisülwelt. 

aurgcriiiulen:    auf  der  kleinen  Klippe  Daskalio   an  der  Westküste, 
Sciiinnssa  gegenüber,   linden   sich  einige  Ruinen,    die   aber   dem 
Mittelalter  anzugehören  scheinen. 
Amorgos.  OestHcli  vou  dcr  Gruppe  der  Erimonisia,  zu  welcher  ausser 

den  von  uns  geschilderten  noch  eine  Anzahl  ganz  kleiner  Eilande 
gehört,  für  welche  sich  weder  Spuren  antiker  Bewohnung  noch 
antike  Benennungen  nachweisen  lassen,  liegt  die  von  Sudwest 
nach  Nordost  vier  deutsche  Meilen  lange  und  durchschnittlich  etwa 
eine  Meile  breite  Insel  Amorgos,^)  die  östlichste  der  zum  König- 
reich Hellas  gehörigen  Inseln.  Sie  wird  in  ihrer  ganzen  Länge 
von  einer  Kette  hoher,  kahler  Berge  durchzogen,  welche  gegen 
Osten  überall  steil  nach  dem  Meere  abfallen;  gegen  Westen  sind 
die  Abhänge  milder  und  wir  finden  hier  einige  fruchtbare  Thäler 
und  ein  Paar  treffliche  Ilafenbuchten;  der  südlichste  Theil  dagegen 
besieht  aus  dürren  Felsmassen  und  ist  mit  Ausnahme  einiger  wie 
Oasen  an  sanften  Einbuchtungen  des  Gebirges  angelegten  Gärten 
gar  nicht  angebaut.  Die  Ilauptproducte  der  Insel  waren  im  Alter- 
thum  Wein,  Oel  und  Baumfrüchte,  2)  der  wichtigste  Industriezweig 
die  Bereitung  feiner,  fast  durchsichtiger  Gewänder,  die  aus  einer 
besonderen  Art  feinen  Flachses  gewebt  und  vermittels  einer  noch 
jetzt  auf  Amorgos  häufig  vorkommenden  Flechte  (wahrscheinlich 
der  Roccella  tinctoria)  roth  gefärbt  wurden.^)     Die  ältesten 

*)  Nach  Stepli.  Byz.  u.  'Afiogyog  soll  sie  auch  P.mkale  und  Psy- 
chia,  nach  Plin.  IV,  12,  70  Patage  oder  Piatage  genannt  worden 
sein.  Vgl.  über  die  Insel  Tournefort  I,  p.  89  ss. ;  Fiedler  II,  S.  325  ff.; 
Eoss  I,  S.  173  ff.  und  II,  S.  39  ff.;  über  die  Münzen  derselben  P.  Lam- 
pros  in  der  'jQxaioloyL^f]  'Eq)7j(iSQlg  Usq.  B',  H.  14,  S.  352  ff.  und 
P.  Becker  ""Eine  Studie  über  die  Münzen  von  Amorgos'  Wien  1871  (aus 
der  Numismatischen  Zeitschrift  von  Huber  und  Karabacek  I3d.  II).  Sehr 
zahlreich  sind  die  Inschriften:  s.  C.  I.  gr.  n.  2264  und  Add.  Vol.  II, 
p.  1031  ss.;  Ross  Archäol.  Aufs.  II,  S.  633  ff.;  Inscr.  gr.  ined.  II,  n.  112 
—  144;  III,  n.  314—316;  Leontieff  Monatsber.  d.  Berliner  Akad.  1854, 
S.  684  ff.;  Baumeister  Philol.  IX,  S.  388  ff.;  Lenormant  Rhein.  Mus.  n.  F. 
Bd.  XXII,  S.  290  f.,  n.  279  —  281;  Henzen  Annali  t.  XXXVI,  p.  95  ss.; 
'Eq)rj^fQlg  tav  ^iXo^ccd-cöv  vom  24.  Miirz  1866,  S.  915  f.,  n,  592;  'Aq^kloXo)'. 
'Eq)r]asQlg  Usq.  B',  H.  4,  n.  77. 

2)  Heraclid.  De  reb.  publ.  19:  für  die  Bedeutung  des  Weinbaus  zeugt 
auch  der  in  allen  drei  Städten  der  Insel  heimische  Cult  des  Dionysos. 

^)  Aristoph.  Lys.  150  c.  schol.;  Poll.  VII,  74;  vgl.  Büchsenschütz 
Die  Hauptstätten  des  Gewerbfleisses  im  klassischen  Alterthum  S.  68  f.; 
Blümner  Die   gewerbliche  Thätigkeit  der  Völker  des  klassischen  Alter- 


2.    Die  ostgricchisclien  Inseln;  die  Sx^oraileu:  Amorgos.        513 

Bewohner  der  Insel  mögen,  nach  dem  Namen  der  Stadt  Minoa 
zu  schliessen,  Kreter  (oder  vielleicht  auch  Phöniker)  gewesen  sein. 
Ionische  Einwanderer  erhielt  sie  zuerst  von  Naxos;^)  dann  sandten 
(um  Olympiade  20)  die  Samier  eine  Colonie  dorthin,  welcher  die 
(Gründung  (beziehendlich  Neugründung)  der  drei  Städte  der  Insel, 
Minoa,  Aegiale  und  Arkesine  zugeschrieben  wird.^)  Später,  wahr- 
scheinhch  nach  der  Zerstörung  von  Milet  durch  die  Perser  (495 
V.  Chr.),  liess  sich  eine  Schaar  von  Milesiern  in  Aegiale,  der 
nördlichsten  von  diesen  drei  Städten,  nieder.  ^^)  Dass  die  drei 
Städte  trotz  dieser  verschiedenen  Elemente  der  Bevölkerung  bis 
ins  vierte  Jahrhundert  v.  Chr.  durch  ein  gemeinsames  politisches 
Band  zu  einem  staatlichen  Ganzen  verbunden  waren,  geht  daraus 
hervor,  dass  sowohl  in  den  athenischen  Tributlisten  als  in  der 
Bimdesurkunde  von  Olympiade  100,  3  nur  die  Amorgier  überhaupt, 
nicht  die  Bewohner  der  einzelnen  Städte  aufgeführt  werden;  aber 
vom  dritten  Jahrhundert  v.  Chr.  an  findet  sich  von  einer  solchen 
Vereinigung  keine  Spur  mehr,  sondein  die  drei  Slädtc  erscheinen, 
wie  noch  in  der  römischen  Kaiserzeit  (wo  die  Insel  auch  als  Ver- 
baimungsort  benutzt  wurde)  als  selbständige  Staaten, '^j  ja  seitdem 
zweiten  Jahrhundert  n.  Chr.  trat  aus  uns  unbekannten  Ursachen 


thums  S.  94  f.;  für  das  Färbemittel  Tournefort  I,  p.  89;  Fiedler  IT, 
S.  330  f. 

•)  Steph.  Hyz.  ii.  'j4noQy6g;  scliol.  Dionys,  Per.  .525. 

2)  Suid.  u.  Zififitccg,  der  den  lanibendichter  Simonides  als  Führer 
dieser  Colonie  nennt;  da  dieser  aber  sonst  als  Amorginer  aus  Minoa  be- 
zeiclinct  wird  ^Steph.  Byz.  u.  'A^ogyos',  Strab.  X,  p.  487),  so  wird  diese 
Führerschaft  eher  seinem  Vater  Krines  zuzusehreiben  sein.  Zäynot  ot 
'A(iOQy6v  Mstvcoav  yiazoiyiovvTsg  Inschrift  in  Annali  t.  XXXVI,  p.  96 
(dieselben  in  derselben  Inschrift  Z.  35  f.  als  6  d^fiog  6  MsivcorjTCÖv  be- 
zeichnet\ 

^)  MeiXiJGtOL  OL  ^ApLoqyov  AlytKlrjv  yiuzotytovvTsg  C.  I.  pr.  n.  2264; 
Leontieff  S.  684  und  686;  Ross  Inscr.  II,  n.  120  und  121;  Rhein.  Mus. 
Bd.  XXII,  S.  290,  n.  279.  Da  keine  dieser  Inschriften  älter  zu  sein 
scheint  als  das  zweite  Jahrhundert  n.  Chr.,  nimmt  P.  lietker  (Studio 
S.  26)  an,  dass  die  Niederlassung  der  Milesier  einer  viel  jüngeren  Zeit 
angehöre  als  die  der  Samier;  doch  wüsste  ich  keine  passendere  Veran- 
lassung zu  jener  Niederlassung  als  dir  im  Texte  angenommene.  Dass 
auch  in  Minoa  eine  mihisische  Genx  indt  ,  \i.sfirt  habe,  ist  aus  der  IJe- 
zeichnung  de«  Karpos  Sohnes  des  Ktesios  'MfiXriaiov  xov  v,nl'A^iOQyhi- 
voi)  Mtivoqtov'  (H()S8  Inscr.  II,  n.  112)  schwerlich  zu  folgern:  der 
Minn  hatte  wohl  nur  für  sich  das  Bürgerrecht  in  Minoa  erhalten. 

*)  ^Vgl.  P.  Becker  Studie  8.  8.    Vorbannungsort:  Tac.  Ann.  IV,  13;  30. 


514  in.    Die  Iiißelwelt. 

(las  Devvusstsein  der  verschiedenen  Abstammung  wieder  so  lebhaft 
heror,  dass  die  Bewohner  von  Minoa  sicli  officiell  als  'Samier, 
vveh;he  Amorgos  Minoa  bewohnen',  die  von  Aegiale  als  'Milesier, 
welche  Amorgos  Aegiale  bewohnen'  bezeichneten.  ^) 

Sehr  vvechselvolle  Schicksale  hat  Anjorgos  in  der  Zeit  von 
der  fränkischen  Eroberung  bis  zin^  türkischen  Occupation  des 
Archipels  gehabt.  Anfangs  zum  Herzoglhum  Naxos  gehörig,  wurde 
es  bald  von  der  Flotte  des  Kaisers  Johannes  Valatzes  von  Nikäa 
erobert  und  von  diesem  dem  ihm  befreundeten  Geremia  Ghisi 
überlassen,  der  die  damals  ganz  verödete  Insel  —  die  Einwohner 
waren  nach  Naxos  ausgewandert  —  neu  coionisirle  und  das  jetzt 
Apanokastro  genannte  feste  Schloss  auf  einem  steilen  Felsen  ober- 
halb des  jetzigen  Städtchens  Amorgos  erbaute.  1269  wurde  die 
hisel  von  den  Byzantinern  erobert,  aber  1296  von  Giovanni  I.  Ghisi 
in  Besitz  genommen  und  im  Frieden  mit  Byzanz  1303  ihm  und 
seinen  Nachkommen  garantirt,  jedoch  nach  seinem  Tode  (1309) 
von  dem  Herzog  Guglieimo  I.  von  Naxos  occupirt,  der  eine  Hälfte 
seinem  Admiral  Dominico  Schiavo,  dem  Herren  von  los,  und  dessen 
Bruder  Marco,  die  andere  Hälfte  dem  venezianischen  Patricier 
Marco  Grimani,  dem  Besitzer  eines  Theiles  der  Insel  Astypaläa, 
übergab.  Der  Antheil  der  Schiavi  wurde  im  Jahre  1352  von 
den  Enkeln  Marco's  I.,  Marco  H.  und  Giovanni,  den  Nachkom- 
men des  Giovanni  Ghisi  zurückgegeben,  aber  schon  1365  theils 
von  (len  Venezianern,  theils  von  den  Sanudi  von  Naxos  occupirt 
und  endlich  um  1421  dem  Giovanni  Quinni,  Herrn  von  Astypaläa, 
übertragen,  der  1446  auch  die  bis  dahin  von  den  Grimani  be- 
sessene  Hälfte  erwarb,  so  dass  von  da  an  bis  zur  Eroberung  durch 
die  Türken  (1537)  die  ganze  Insel  im  Besitz  der  Quirini  blieb. '^) 

Im  Alterthum  war  die  Insel  unter  die  drei  Städte^)  in  der 
Weise  verlheilt,  dass  der  mittlere  Theil  das  Gebiet  von  Minoa, 
der  nördlichste  das  von  Aegiale,  der  südlichste  das  von  Arkesine 
bildete.  Minoa,  die  älteste  und  jedenfalls  bedeutendste  derselben, 
lag  ungefähr  in  der  Mitte  der  Westküste,  an  der  Südostseite  der 
jetzt  Porto  Vathy  oder  Katapola  genannten  geräumigen  und  sichern 


1)  S.  S.  513  Anm.  2  und  3. 

2)  S.  Hopf  Wiener  Sitzungsber.  Bd.  32,  S.  452  ff.  und  S.  602  f. 

3)  S.  Scyl.  Per.  58;  Ptol.  V,  2,  31;  Steph.  %z.  \i.'AiiOQy6g  und  'Aq- 
y,sGivri:  dass  an  letzterer  Stelle  MblavCa  statt  AlyiaXr]  als  dritte  Stadt 
genannt  "wird,  halte  ich  für  ein  blosses  Versehen  des  Excerptorg. 


2.  Die  ostgriechischen  Inseln:  die  Sporaden:  Amorgos.        515 

Bucht,  die  noch  jetzt  den  Hafen  des  ziemlich  eine  Stunde  weiter 
östlich  auf  dem  hohen  Rücken  der  Insel  gek'genen  Städtchens 
Amorgos  bildet.  Die  alte  Stadt  zog  sich,  wie  die  noch  erhaltenen 
Reste  der  Ringmauern,  zahlreiche  gewölbte  Grabkammern,  Trüm- 
mer von  Tempeln  und  anderen  Gebäuden,  Felsterrassen  mit  Ge- 
bäudefundamenten zeigen,  vom  Strande  aus  an  den  Abhängen 
eines  etwa  600  Fuss  hohen  Berges  hinan,  dessen  grösslentlicils 
aus  wild  zerklüfteten  Felsmassen  bestehender  Gipfel,  der  nur  eine 
theilweise  Ummauerung  erforderte  und  gestattete,  die  Akropolis 
bildete.  In  der  unteren  Stadt  zunächst  dem  Hafen  lagen  mehrere 
Tempel,  wie  die  des  Apollon  Pythios  und  des  Ai)ollon  Delios; 
an  den  unleren  Abhang  des  Berges  lehnte  sich  wahrscheinlich 
das  jetzt  verschwundene  Theater,  in  dessen  Nähe  der  Tempel 
des  unter  dem  Beinamen  Minoetes  verehrten  Dionysos  zu  suchen 
sein  wird;  höher  hinauf  am  östlichen  Abhänge  scheint  das  Gymna- 
sion  gestanden  zu  haben;  für  die  Ansetzung  des  Buleuterion  und 
der  Heiligthümer  der  Tyche  und  der  Hera  haben  wir  keinen 
Anhaltspunkt.^) 

Arkesine,  wie  es  scheint  die  unbedeutendste  der  drei 
Städte,  lag  gegen  zwei  Stunden  südwestlich  von  Minoa  auf  dem 
Rücken  und  an  den  gegen  das  Meer  gerichteten  Abhängen  eines 
hohen  Hügels,  der  durch  zwei  tiefe  Schluchten  auf  beiden  Seiten 
von  ihn  benachbarten  Höhen  getrennt  ist  und  nur  durch  einen 
ziemlich  schmalen  Rücken  mit  dem  mittleren  Gebirgszuge  der 
Insel  zusammenhängt.  Ein  mitten  in  der  Stadt  schroff  aufstei- 
gender: nur  von  Süden  her  vermittels  einer  schmalen  Treppe 
zugänglicher  Fels  bildete  die  Akropolis,  welche  den  Namen  Aspis 
geführt  und  einen  Tempel  der  Aphrodite  Urania  enthalten  zu 
haben  scheint.  Ausserdem  besass  die  Stadt,  von  welcher  noch 
bedeutende  Reste  der  Befestigungsmauern,  Terrassenmauern,  Säu- 

')  Tempel  des  Apollon  Ross  Archäol.  Aufs.  If,  S.  041,  n.  V;  Apollon 
I'.vthios  ebds.  S.  6.-J9,  n.  IV;  Apollon  Delios  Kois  Ins.  i.  II  ,  n.  11.};  'Ecprjfi. 
T.öiv  cpiXofia&wv  18G6,  S,  916.  Theuter,  Temj)cl  des  Diuiiysus,  Buleute- 
rion RoBS  Inscr.  IH,  n.  314;  Archäol.  Aufs.  H,  S.  637,  n.  III;  'Eq>.  x. 
cpiX.  a.  a.  O.  Gymnasion  Ross  Inscr.  II,  n.  114;  ayaXfia  trjg  TvxtJS 
Ross  Archäol.  Aufs.  II,  S.  637,  n.  III,  Z.  7.  Cult  der  Hera  beweisen 
(Ma'JlQuiu  (I?088  Archäol.  Aufs,  II,  8.  641,  n.  V)  oder 'Kxaro'r|3irt  ('K(p. 
T.  tpiX.  a.  u.  O.),  sowie  die  Münzen,  die  auch  für  Cult  dor  Artemi»  zeu- 
gen, 8.  I*.  Recker  Sttidie  ö.  31  ff.  Ueher  die  Ruinen  vgl.  Ross  Insel- 
reisen I,  8.  175;  II,  ö    40  ff. 


516  •  111.  Die  Inselwelt. 

k'ii,  GebalksliUke  und  Ouailern  aus  Marmor  und  Gräber  erhalten 
sind,  ein  Ileiliylhuin  des  Dionysos  Kissokoinas  und  wahrscheirdich 
Ileiliglhümer  der  Hera,  des  Apollon  Apotropiios  und  der  Athene.  ^) 
Zum  Gebiete  der  Sladt  gehörte  ein  Cünt'  Viertelstunden  südlich 
von  ihr  mitten  in  einer  ziemlich  geräumigen  Ebene  gelegener 
VVartthurm  mit  einem  von  hohen,  mit  Schiessscharten  versehenen 
Älauern  umgebenen  Burghol',  bei  welchem  Ueberreste  von  einer 
kleinen  Korne  erhalten  sind.^) 

Auch  die  dritte  Stadt,  Aegiale,  lag  an  der  Westküste, 
3V2  Stunde  nordöstlich  von  Minoa,  am  Innern  Winkel  einer  ge- 
räumigen, einen  guten  Hafen  bildenden  Bucht,  von  welcher  sich 
ein  eine  halbe  Stunde  langes,  von  hohen  Bergen  umgebenes 
fruchtbares  Thal  ins  Innere  der  Insel  hineinzieht.  Ueber  den 
Bändern  dieses  Thaies  liegen  vier  Dörfer,  an  welchen  noch  jetzt 
der  Name  der  'Dörfer  von  Aegiale'  (r^g  AiyiäXrjg  xä  xoqCo) 
haftet  und  in  oder  bei  welchen  sich  Inschriftsteine,  Gräber  und 
andere  Beste  des  Alterthums  finden ;  doch  dürfte  daraus  schwer- 
lich zu  folgern  sein,  dass  schon  die  alte  Aegiale  aus  drei  oder 
mehreren  Ortschaften  bestanden  habe,  ^)  sondern  die  Stadt,  welche 
IJeiligthümer  der  Athene  Polias  und  des  Dionysos  und  ein  Theater, 
wahrscheinlich  auch  Heiligthümer  des  Zeus  und  des  Pan  enthielt, 
lag,  wie  schon  ihr  Name  besagt,  unmittelbar  am  Strande  des 
Hafens,  wo  noch  mehrere  gewölbte  Grabkammern  und  eine  auf 
den  Buinen  eines  antiken  Tempels  stehende  Capelle  der  Panagia 
erhalten    sind.      Ungefähr    eine   Stunde    nördlich    von   der   Stadt 


0  OvQccvCa  'AcpQoditr}  sv  'Aenidi  Ross  Inscr.  II,  n.  126;  Jiovv- 
aog  Kiaao-KOiiccs  ib.  n.  135;  ''HgaClov]  ib.  n.  136;  [*A7i6XXcov]og  anoxQO- 
Ttcccov  ib.  n.  137.  Kopf  der  Athene  auf  Münzen  F.  Becker  Studie  S.  28  f. 
Ruinen  Ross  Inselreisen  II,  S.  46  f. 

2)  Ross  Inselreisen  II,  S.  43  ff, 

3)  So  Ross  Inselreisen  II,  S.  51  f.,  der  die  in  einer  Inschrift  aus 
Aegiale  (Archäol.  Aufs.  II,  S.  643,  n.  VIII;  C.  I.  gr.  Vol.  II,  p.  1032) 
vorkommenden  Demotika  Koovllirrig  {KoGvuLxrjg  Böckli)  und  [Nrj]oL- 
zr]g,  sowie  das  von  Steph.  Byz.  u.  'Aqksoivtj  statt  AtyiaXt}  aufgeführte 
MsXccvLa  (s.  oben  S.  514,  Anm.  3j  auf  diese  zerstreuten  Ortschaften  be- 
zieht. Vielleicht  kommt  der  bei  Tholaria  gelegenen  Ortschaft  der  Name 
^vXiv%BLa  (ÄQxaioX.  'Eqp.  TLeq.  B',  H.  4,  n.  77)  zu.  Heiligthum  der 
Athena  Polias  Ross  Archäol.  Aufs.  II,  S.  643  ff.,  n.  VIII,  Z.  42;  des 
Dionysos  ebds.  S.  H348,  n.  X  (vgl.  ^lovvGioig  iv  reo  dymvi  täv  xQayto- 
d(üv  ebds.  n.  VIII,  Z.  35  f.).  Die  Münzen  bezeugen  den  Cult  des  Pan, 
des  Zeus  und  der  Athene:  Becker  Studie  S.  .12  ff. 


2.  Die  ostgriechischen  Tnseln:  die  Sporaden:  Anaphe.  517 

in  der  Nähe  des  jetzigen  Dorfes  Tholaria  lag  eine  durch  ein  klei- 
nes Kastell  (jetzt  Vigla,  d.  i.  Warte  genannt)  geschützte  Korne, 
deren  Namen  wir  nicht  mehr  sicher  nachvveisen  können;  die  an- 
tiken Reste  in  den  iihrigen  Dörfern  sind  von  einem  dieser  beiden 
Plätze  verschleppt. 

Ein  merkwürdiger  Rest  des  Mittelalters  ist  das  ähnlich  dem 
Kloster  Megaspiläon  im  Peloponnes  in  eine  natürliche  Felshöhle 
an  steilem  Rergeshang  östlich  über  dem  Städtchen  Amorgos  hinein- 
gebaute Kloster  der  Panagia  Chozoviotissa,  das  vom  Kaiser  Alexios  I. 
Komnenos  im  Jahre  1088  gestiftet,  noch  jetzt  die  besten  Ländereien 
der  Insel  sowie  die  bedeutenderen  der  oben  S.  510  f.  geschilder- 
ten Erimonisia  besitzt.  ^) 

Längs  der  Westküste  von  Amorgos  liegen  drei  kleine  Eilande, 
Krambussa,  Petalidi  und  Nikuria,  für  welche  wir  ebensowenig 
einen  antiken  Namen  kennen,  als  für  die  272  deutsche  Meilen 
südlich  von  Amorgos,  zwischen  diesem  und  Thera,  auf  hoher  See 
gelegene  wüste  kleine  Felsinsel  Anydros  ('die  Wasserlose',  auch 
Amorgopula,  d.  i.  Klein-Amorgos  genannt); 2)  ständige  Bewohner 
hat  wohl  keine  derselben  im  Alterthum  gehabt. 

5Y2  deutsche  Meilen  südlich  von  Amorgos  liegt  die  von  West  Anaphe. 
nach  Ost   l'/j  Meile   lange,   im  Westen   eine  Meile    breite,   aber     . 
gegen   Osten   injmer   schmäler    werdende    Insel    Anaphe,   deren 
noch  jetzt  erhaltenen  Namen  die  Sage  auf  die  Argonauten  zurück- 
führt,   welchen  sie   in   finsterer  Sturmesnacht  auf   ihr   Flehen  zu 
ApoUon  plötzlich  als  Zufluchtsort   erschienen   sei.^)     Die  Insel  ist 


1)  Vgl.  R0S8  Inselreisen  I,  S.  179;  Hopf  Wiener  Sitzungsber.  Bd.  32, 
S.  453. 

')  Kiepert  u.  a.  halten  Anydros  fiir  die  alte  Hippuris  (Apollon. 
Rhod.  J,  1712  c.  schol.;  Pomp.  Mela  IT,  111;  Plin.  IV,  12,  71):  doch  dürfte 
diese  (von  welcher  wohl  die  von  Steph.  Byz.  als  vrjaog  KccQtag  bezeich- 
nete 'innovQ^ayiog  nicht  verschieden  ist)  eher  südlich  oder  sü<löstlich  von 
Anaphe  zu  suchen  sein,  da  die  Argonauten  sie  auf  der  l'\'ilirt  von  Kreta 
nach  Anaphe  zu  Gesicht  bekommen.  Vgl.  Ros.s  Arcliäol.  Aufs.  II,  >S.  493, 
Anm.  18. 

3)  Apollon.  Rhod.  J,  1709  ff.:  Apollod.  I,  9,  26;  Conon  NaiT.  49; 
Steph.  Byz.  u.  'Avdcpri;  vgl.  Plin.  IT,  87,  202.  Der  auch  mit  Verlust  des 
Anlauts  Ndfpr]  ausgesprochene  Name  ist  von  den  AbendlUmlern  in 
Namfio  (lo  Namfo  Urkunde  bei  Tafel  und  Thomas  Urkunden  TU,  8.  179) 
corrompirt  worden.  Bondclmontc  p.  99  schreibt  Anafios  und  leitet  die- 
sen  Namen   davon   her,    dass  angeblich    keine   Schlangen  auf  der  Intel 


518  in.    Die  Inselwelt. 

geologisch  interessant  wegen  der  verscliiedencn  Gesleinsarten,  aus 
denen  sie  besteht:  Schiefer,  Syenit,  Granit,  Serpentin,  Asbest, 
Feldspat,  Kalkstein  und  blaulich-weisser  Marmer  kommen  neben, 
hcziehendlich  auf  einander  gelagert  vor.  Die  die  ganze  Insel 
durchziehenden  Berge  sind  meist  kahl,  nur  hie  und  da  mit 
niedrigem  Gestrüpp  bedeckt;  zwischen  ihnen  ziehen  sich  liefe 
und  enge  Schluchten,  von  kleinen  Bächen  durchflössen,  nach  dem 
Meere  hin,  welche  nur  wenig  Baum  für  den  Hau  von  Getreide 
und  Wein  darbieten.  Bäume  fehlen  ganz,  abgesehen  von  einigen 
verkrüppelten  Feigen-,  Maulbeer-  und  Oelbäumen.  Bebhühner, 
die  schon  im  Alterthum  so  zahlreich  waren,  dass  sie  die  jeden- 
falls auch  damals  dünne  Bevölkerung  fast  zur  Auswanderung 
nölhigten,^)  sind  in  grosser  Menge  vorhanden;  in  den  steilen 
Felsklüften  am  Ufer  des  Meeres  nisten  zahllose  wilde  Tauben. 

Die  ältesten  Bewohner  der  Insel  waren,  wie  man  aus  dem 
Namen  Membliaros,  den  sie  von  einem  Gefährten  des  Kadmos 
erhalten  haben  soll,  schliessen  darf,  Phöniker;  dann  scheint  sie, 
wie  fast  alle  Inseln  des  ägäischen  Meeres,  der  Herrschaft  der 
Kreter  unterworfen  gewesen  zu  sein;  später  erhielt  sie  wahr- 
scheinlich gleichzeitig  mit  Thera  Einwanderer  aus  Lakonien,  auf 
welche  der  in  den  Inschriften  bis  um  den  Beginn  unserer  Zeit- 
rechnung hervortretende  dorische  Charakter  der  Bevölkerung  zu- 
rückzuführen ist.  2)  Dass  die  Athener  sie  rechtlich  als  tribut- 
pflichtiges Mitglied  ihres  Seebundes  betrachteten,  geht  daraus  her- 
vor, dass  sie  in  der  Schätzungsliste  von  Ol.  88,  4  mit  einem 
Tribut  von  1000  Drachmen  angesetzt  ist;  ob  sie  aber  factisch 
dem  Bunde  angehört  hat,  ist  sehr  zweifelhaft.  Seitdem  ist  die 
Insel  in  der  Geschichte  so  gut  wie  verschollen;  erst  nach  der 
Eroberung  Konstantinopels  durch  die  Franken  taucht  sie  wieder 
auf  als  Eigenlluim  des  ersten  Herzogs  von  Naxos,  Marco's  I.  Sa- 
nudo,  der  sie  dem  Venezianer  Leonardo  Foscolo  überliess;  dessen 


leben  können  (was  Antigon.  Hist.  mir.  11  von  der  nordöstlich  von  Anaphe 
gelegenen  Insel  AstypalUa  beriolitet).  Vgl.  über  Anaphe  Tournefort  I, 
p.  105  s.;  Fiedler  II,  S.  333  ff.;  Ross  Inselreisen  I,  S.  75ff.;  Archäol. 
Aufs.  II,  S.  486  ff. 

1)  Athen.  IX,  p.  400  d. 

^)  Steph.  Byz.  u.  'Avcccprj  und  MsfißXtaQog.  Annexion  durch  Minos 
Ovid.  Met.  VII,  461  f.  Inschriften:  C.  I.  gr.  n.  2477—81,  Ross,  Archäol. 
Aufs.  II,  S.  495  ff. 


2.   Die  ostgriechischen  Inseln:  die  Sporaclen:  Anaplie.         519 

Enkel  Giovanni  verlor  sie  im  Jahre  1269  an  die  Byzantiner,  denen 
sie  im  Jahre  1307  durch  Janiili  Gozzadini  entrissen  wurde.  Sie 
verblieb  dann  im  Besitz  der  Gozzadini  bis  1420,  wo  sie  in  den 
Besitz  der  Crispi  von  Naxos  ubergieng;  nach  dem  Tode  der  Fio- 
renza  Crispo,  die  von  1469 — 1485  mit  dem  venezianischen  Nobile 
Luigi  Barbaro  vermählt  gewesen  war,  kam  sie  an  die  Familie 
Pisani  (1528) ,    die  sie  im  Jahre  1537  an  die  Türken  verlor.  ^) 

Die  Insel  hat  keinen  Hafen,  sondern  nur  einen  wenig  ge- 
schützten Ankerplatz  in  einer  kleinen  Bucht  nahe  dem  westlichen 
Ende  der  Südküste,  eine  halbe  Stunde  unterhalb  der  auf  einem 
Berggipfel  gelegenen ,  von  den  Buinen  eines  kleincMi  mittelalter- 
lichen Castells  gekrönten  jetzigen  Ortschaft.  Die  alte  Stadt 
Anaphe  lag  fünf  Viertelstunden  weiter  östlich  ungefähr  in  der 
Mitte  der  Insel  auf  einem  Berggipfel,  von  dem  sich  ein  Rücken 
in  südlicher  Richtung  ans  Meer  hinabzieht.  Unter  den  unschein- 
baren Ueberresten  derselben  sind  die  Trümmer  eines  im  höch- 
sten Theile  gelegenen  kleinen  Tempels  des  Apollon  Pythios  und 
der  Artemis  Soteira  bemerkenswerth.^)  Von  der  Stadt  führte  eine 
gepflasterte  Strasse  in  südöstlicher  Richtung  nach  dem  Strande 
hinab,  wo  sich  auf  dem  letzten  Absätze  des  Berges  einige  stufen- 
förmige schmale  Terrassen  mit  Trümmern  alter  Gebäude  (jetzt 
Katalymakia,  d.  i.  Herbergen  genannt),  die  Reste  des  Hafenplatzes 
der  alten  Stadt,  sowie  zahlreiche  Gräber,  mit  denen  auch  die  von 
der  Stadt  nach  dem  Hafenplalze  führende  Strasse  zu  beiden  Sei- 
ten eingefasst  ist,  finden.  Das  bedeutendste  HeiUgthum  der  Insel, 
dessen  Gründung  von  der  Sage  auf  die  Argonauten  zurückgeführt 
wurde,  das  des  Apollon  Aegletes  (oder,  wie  der  Beiname  nach 
Inschrifilichen  Zeugnissen  auch  lautete,  Asgelatas),  lag  beinahe 
eine  Stunde  östlich  vom  Hafenplatze  auf  dem  Rücken  eines  Isthmos, 
welcher  die  Hauptmasse  der  Insel  mit  einem  gegen  Südost  vor- 
tretenden Vorgebirge  verbindet,  auf  welchem  Herzog  Guglielmo  II. 
von  Naxos  eine  Gibitroli  genarnite  Festung  errichtet  hatte.  Der 
geräumige  Peribolos  des  Heiliglhums,  in  welchen  jd/t  ein  Klo- 
ster der  Panagi.i  liiiMiiigcbaut  ist,  enthielt  ausser  dein  Tempel 
des  Apollon  noch  einen  Tempel    der  Aphrodite,    einen   Altar   des 


«)  S.  C.  Hopf  Wiener  Sitzungsber.  Bd.  32,   S.  404  ff.  und  S.  499  ff. 
*)  Vgl.  die  Inschriften  C.  I.  gr.   n.  2481;    Rosa    Arclulol.  Aufs.  II, 
S.  608  f.,  n.  6  und  6. 


520  ni.    Die  Inselwelt. 

(Zeus)  Ktesios  und  andere  Bauliclikeiten.  Unbekannt  ist  die  Stelle 
des  in  einer  Inschrift  erwähnten  Ileihgtljums  des  AsldepiosJ) 

Südlich  von  Anaphe  Hegen   vier  wüste  kleine  Eilande,  für  die 
wir  keine  antiken  Namen  haben:   die  beiden  kleinsten  nordwest- 
lichsten werden  jetzt  Evthini,  die  beiden  grösseren  südöstlicheren 
Pachia  und  Makri  genannt. 
Theia.  Ein   zweiter    Ileerd    vulkanischer   Thatigkeit    im    südlichsten 

Theile  des  griechischen  Archipels  ausser  der  [nselgruppe  von 
Melos  ist  die  von  Thera  oder,  wie  die  Hauptinsel  seit  dem  Mit- 
telalter von  Abendländern  und  Griechen  genannt  wird,  Sanlorini, 
d.  i,  der  Insel  der  heiligen  Irene.-)  Die  halbmondlörmige,  un- 
gefähr 372  Quadratmeilen  in  Umfang  haltende  Insel  umschliesst 
von  drei  Seiten  ein  sechs  Seemeilen  langes  und  fast  fünf  See- 
meilen   breites   ovales  Meerwasserbecken   von   bedeutender  Tiefe, 


*)  Vgl.  ausser  den  S.  517  Anm.  3  citirten  Stellen  Strab.  I,  p.  4G  und 
X,  p.  484;  Inschriften  C.  I.  gr.  n.  2482;  Rangabe  Ant.  hell,  n^  820  (der 
Z.  8  und  Z.  27  'AnoXlavog  xov  ^Acy eXara  liest,  während  Koss  Archäol. 
Aufs.  II,  S.  495  f.  'AaTEÜlra  gelesen  hatte;  in  derselben  Inschrift  wird 
Z.  9  und  27  f.  der  Tempel  der  Aphrodita  erwähnt,  Z.  12  der  KvdaQ^ioq 
und  der  MsiöiccaLog  otyiog ,  Z.  13  o  ßco^og  rov  Hrryffiov,  Z.  29  das  lsqov 
xov  ^Aov.l(xnCov)  und  n.  820  •\  Grundriss  des  Peribolos  bei  Ross  Archäol. 
Aufs.  II,  Tafel  XVI;  architektonische  Details  ebds.  Tafel  XVII;  Grund- 
riss eines  Wohnhauses  aus  den  Ruinen  der  Stadt,  Malerei  daraus  und 
Schmalseite  eines  Sarkophags  Tafel  XVIII. 

2)  Nach  der  Sage  hiess  die  aus  einer  von  Triton  dem  Argonauten 
Euphemos  geschenkten,  von  diesem  ins  Meer  geworfenen  Erdscholle  ent- 
standene Insel  ursprünglich  KaXXiGzrj  und  erliielt  erst  von  Theras,  dem 
Führer  der  lakonischen  Colonisten,  den  Namen  Stjqo.:  Pindar.  Pyth.  IV, 
20  ff.;  Apollon.  Rhod.  z/,  1753  if.;  KalHmach.  bei  Strab.  VIII,  p.  347; 
Herod.  IV,  147;  Paus.  III,  1,  8.  Der  neuere  Name  (insula  sancte 
Reni  Urkunde  bei  Tafel  und  Thomas  Urkunden  III,  p.  185;  bei  Bondel- 
monte  p.  78  ed.  Sinner  Santellini  oder  nach  cod  Paris.  A  Santi- 
line)  stammt  von  der  Schutzpatronin  der  Insel,  der  im  Jahre  304  n.  Chr. 
als  Märtyrin  hingerichteten  heiligen  Irene  von  Thessalonich.  Vgl.  über 
die  Insel  Tournefort  I,  p.  100  s.;  Fiedler  II,  S.  453  ff.;  Ross  Inselreisen  I, 
S.  54  ff.;  S.  81  ff.;  S.  180  ff.;  III,  S.  27  ff.;  Russegger  Reisen  in  Europa 
ü.  s.  w.  Bd.  IV,  S.  205  ff.;  E.  Voswinckel  De  Theraeorum  insulis,  Ber- 
lin 1856;  Leycester  im  Journal  of  the  royal  geographical  society  Vol.  XX, 
p.  1  SS.;  Santorin.  Die  Kaimeni-Inseln  dargestellt  nach  Beobachtungen 
von  K.  V.  Fritsch,  W.  Reiss  und  A.  Stübel.  Heidelberg  1867.  Nicht  be- 
nutzen konnte  ich  des  Abbe  Pegues  Histoire  et  phenoraenes  du  yolcan 
et  des  lies  volcaniques  de  Santorin,  suivie  d'un  coup  d'oeil  sur  Te'tat 
moral  et  re'ligieux  de  la  Grece  moderne,  Paris  1842. 


2.  Die  ostgriechischen  Inseln:  die  Sporaden:  Thera.  521 

dessen  Westseite  nur  zum  kleineren  Theile  durch  die  von  Nord 
nach  Sud  eine  Stunde  lange  Insel  The  ras  ia  ahgeschlossen  wird; 
zwischen  der  Nordküste  dieser  Insel  und  der  Nordwestspitze  von 
Thera  ist  eine  kaum  eine  englische  Meile  weite  Lücke,  eine  be- 
trächtlich grössere,  in  welcher  noch  eine  ganz  kleine,  jetzt  Aspro- 
nisi  (Weissinsel)  genannte  Insel  liegt,  zwischen  der  Südküste  von 
Therasia  und  der  Südwestspitze  von  Thera.  Die  drei  genannten 
Inseln  bestehen  fast  ausschliesslich  aus  vulkanischen  Gebilden, 
vorherrschend  Trachyten,  Laven,  Bimstein  und  vulkanischer  Asche; 
nur  im  südöstlichsten  Theile  von  Thera  tritt  auf  Thonschiefer 
lagernder  Kalkstein  und  weissgrauer  Marmor  hervor,  welcher  den 
jetzt  nach  dem  Hagios  Elias  genannten  höchsten  Berg  der  Insel 
(578  Meter  Höhe)  bildet.  Die  gegen  das  Bassin  gerichteten 
Wände  von  Thera  fallen  in  einer  Höhe  von  800  — 1200  Fuss 
schroff  ab,  während  sich  die  Insel  gegen  Osten  allmälig  abdacht; 
ganz  analog  ist  der  Bau  von  Therasia.  Im  Innern  des  Bassins 
erheben  sich  aus  dem  Meere  drei  schwarze  aus  Trachyt  und 
glasartigen  Laven  bestehende  Eilande  (jetzt  Kaimeni,  d.  i.  'die 
verbrannten'  genannt) ,  welche  in  den  historischen  Zeiten  erfolg- 
ten vulkanischen  Ausbrüchen  ihre  Existenz  verdanken.  Das  süd- 
lichste derselben,  die  Paläa  Kaimeni  (alte  verbrannte),  erschien 
im  Jahre  199  v.  Chr.,  nachdem  vier  Tage  lang  Flammen  aus  dem 
Meere  hervorgebrochen  waren,  auf  der  Oberfläche;  die  Hhodier, 
welche  es  zuerst  wagten  sie  zu  betreten,  errichteten  darauf  ein 
Ileiligthum  des  Poseidon  Asphaleios  und  nannten  sie  darnach 
Ilicra,  die  heilige.  Dieselbe  wurde  bei  späteren  Ausbrüchen 
in  den  Jahren  19  und  726  n.  Chr.  durch  neue  Eruptionsgebilde 
vergrösscrt,  während  im  Jahre  1457  ein  beträchtliches  Stück  der- 
selben sich  losriss  und  im  Meere  verschwand.^)  Im  Jahre  46 
n.  Chr.  tauchte  plölzlich  eine   neue,    30  Stadien  yn  Umfang  hal- 


')  Strab.  I,  p.  57;  Plin.  IT,  87,  202  (vgl.  IV,  23,  70);  Seneca  Quaest. 
nat.  II,  26,  4  f.;  lustin.  XXX,  4;  Phit.  De  Pyth.  or.  11;  Kuseb  Chron. 
ad  Olymp.  CXLV,  2  (p.  125  ed.  Schöne);  Paus.  VIII,  33,  4;  Steph.  Byz. 
u.  'leQcc.  Den  Ausliriicli  vom  Jahre  726  erwähnen  Theophancs  Chronogr. 
t.  I,  p.  621  s.  ed.  ClasHon  und  andere  byzantinische  Chronographen;  den 
vom  Jahre  1457  (25.  Nov.)  eine  hiteinische  Inschrift  aus  einer  Kirche  in 
Paläo-Skaros  auf  San  tor  in  bei  Pasch  van  Krienen  Hreve  descrizione 
p.  53.  Vgl.  Ross  I,  S.  89  ff.  und  S.  187  flF.;  Voswinckcl  p.  15  ss.;  beson- 
ders aber  W.  Kciss  und  A.  Stübel  Geschichte  und  Beschreibung  der  vul- 
kanischen Ausbrüche  bei  Santorin  von  der  ältesten  Zeit  bis  auf  die  Qcgcn- 
BURSIAN,  OE(J<iK.    II  35 


522  HT.  Die  Inselwelt. 

lende  Insel  auf,  die  aber,  da  sie  später  nicht  weiter  erwähnt 
wird,  bald  wieder  versunken  zu  sein  scheint,  ähnlich  wie  im 
Jahre  1650  ausserhalb  des  Deckens  nordörstlich  von  Thera  an 
der  Stelle,  wo  sich  jetzt  eine  den  Schiffern  als  Bank  von  Ko- 
lumbos  bekannte  Untiefe  befindet,  eine  Insel  über  dem  Meeres- 
spiegel erschien,  aber  bald  wieder  unter  denselben  zurücksank.^) 
Die  nördlichste,  kleinste  der  drei  jetzt  vorhandenen  Inseln,  die 
sogenannte  Mikra  Kaimeni  (kleine  verbrannte),  verdankt  einem 
Ausbruche  vom  Jahre  1570  oder  1573  ihre  Existenz.  *)  Die 
mittlere  grösste,  die  Nea  Kaimeni  (neue  verbrannte),  welche  reich- 
haltige, von  den  Bewohnern  Thera's  und  der  benachbarten  insr'ln 
zu  Bädern  benutzte  Minerakpiellen  besitzt,^)  erhob  sich  zuerst 
über  die  Oberfläche  des  Meeres  am  23.  Mai  1707  und  wuchs 
durch  wiederholte  Eruptionen  noch  in  demselben  Jahre  sowie 
in  den  folgenden  bis  zum  14.  September  1711  an  Umfang  und 
Höhe;  neue  nicht  unbedeutende  Vergrösserungen  im  Süden  und 
Siidosten  verdankt  sie  der  von  Ende  Januar  186G  an  wieder  er- 
Avachten  vulkanischen  Thätigkeit,  welche  erst  seit  Ende  October 
1870  sich  völlig  wieder  beruhigt  hat.'*)  Darnach  kann  es  nicht 
zweifelhaft  sein,  dass  wir  in  den  Inseln  Thera,  Therasia  und 
Aspronisi  Reste  der  Ränder  eines  mächtigen  Kraters  vor  uns  ha- 
ben, durch  dessen  in  vorhistorischer  Zeit  erfolgten  Einsturz  sich 
das  Wasserbecken  bildete,  welches  bis  auf  die  Gegenwart  der 
Schauplatz  der  vulkanischen  Thätigkeit  ist. 

Das  wichtigste,  ja  fast  ausschliessliche  Product  von  Thera  und 
Therasia  (die  übrigen  Eilande  der  Gruppe  sind  nicht  cultivirt)  ist 
Wein  von  ausgezeichneter  Qualität.    Bäume  fehlen  ganz,  mit  Aus- 


wart.    Nach  vorliandenen  Quellen  und  eigenen  Beobachtungen  dargestellt. 
Heidelberg  1868. 

1)  Seneca  Quaest.  nat.  II,  26,  6;  Cass.  Dio  LX ,  29;  Enseb,  Chron. 
Ol.  CCVI,  4  (p.  153  ed.  Schöne);  Oros.  Bist.  VII,  6;  über  den  Aiisbrnch 
von  1650  vgl.  Reiss  und  Stübel  a.  a.  O.  S.  .S5  f. 

2)  Vgl.  Reiss  und  Stübel  a    a.  O.  S.  29  f. 

3)  Vgl.  darüber  sowie  über  die  Mineralquellen  auf  der  Insel  Thera 
X.  Landerer  UsqI  rav  iv  SccvroQijvr]  (sie)  d-8Qfia)v  vSdrcov,  Athen.  1835, 
lö**,  und  Derselbe  TIsqI  tcov  trjg  'EXXdSog  ta^ccrizav  vddrav  p.  39  s. 

•<)  S.  Ross  a.  a.  O.  S.  95  ff.  und  S.  190  ff.;  Reiss  und  Stübel  a.  a.^O. 
S.  43  ff.,  und  über  die  Eruptionen  von  1866  Petermanns  Mittheilungen 
1866,  S.  134  ff.;  Reiss  und  Stübel  a.  a.  O.  S.  97  ff.;  C.  W.  Fuchs  im 
Neuen  Jahrbuche  für  Mineralogie  1871,  Heff  2. 


2.  Die  ostgriechischen  Inseln:  die  Sporaden:  Thera.  523 

nähme  von  zwerghaften,  auf  dem  Boden  hinkriechenden  Feigen- 
häumen,  daher  wegen  Mangels  an  Bauholz  ein  Theil  der  etwa  13,000 
Seelen  betragenden  Bevölkerung  in  den  natürlichen  Fels  gearbeitete 
Grotten  als  Wohnungen  benutzt.  Gerste  und  Baumwolle  werden 
nur  in  geringer,  für  den  Bedarf  der  Bevölkerung  bei  weitem 
nicht  ausreichender  Quantität  erbaut.  ^)  Neuerdings  bildet  auch 
der  die  Oberfläclie  der  Inseln  in  Lagen  bis  zu  30  und  40  Meter 
Dicke  bedeckende,  aus  pulverisirten  Bimsteinmassen  bestehende 
bröckliche  Tuff  (Pozzolana),  welcher  gesiebt  und  mit  Kalk  ver- 
mengt einen  sehr  dauerhaften,  besonders  für  Wasserbauten  ge- 
eigneten Cement  ergiebt,  einen  bedeutenden  Ausfuhrartikel.  Die 
Ausbeutung  dieser  Tufflagen  hat  sicliere  Beweise  dafür  geliefert, 
dass  die  Insehi  schon  in  vorhistorischen,  ja  selbst  jenseit  der 
mythischen  Erinnerungen  des  klassischen  Alterthums  liegenden 
Zeiten,  noch  bevor  sie  ihre  jetzige  Gestalt  erhalten  haben,  von 
Menschen,  deren  Nationalität  festzustellen  schwerlich  gelingen 
wird,  bewohnt  worden  sind.  Man  hat  nämlich  an  der  Südseile 
von  Therasia  unter  jenen  Tufliagen  Reste  menschlicher  Woh- 
nungen entdeckt,  deren  mit  Thüren  und  Fenstern  versehene 
Wände  aus  unbearbeiteten,  regellos  über  einander  geschichteten 
Lavablöcken,  deren  Zwischenräume  mit  röthlicher  vulkanischer 
Asche  ausgefüllt  sind,  und  dazwischen  gelegten  Od  baumästen  auf- 
geführt waren;  innerhalb  derselben  haben  sich  Geräthschaften 
und  Werkzeuge  aus  Feuerstein  und  Lava,  zahlreiche  auf  der 
Drehscheibe  gearbeitete  Thongefässe  mit  primitiven  linearen  Or- 
namenten, Gerstenkörner,  Stroh,  Thierknochen  und  ein  mensch- 
liches Skelett  gefunden.  Bruchstücke  ähnlicher  Thongefässe,  Mörser, 
N\  ebegewichle ,  Pfeilspitzen  und  Messerklingen  aus  Obsidian  und 

')  Dass  auch  im  Alterthum  die  Production  von  Getreide  unzureichend 
war,  zeigt  die  Notiz  bei  Athen,  X,  p.  432',  duss  man  iv  QriQccat  raig 
vr'jaoig  statt  Gerstenmehl  einen  Brei  von  Hülsenfrüchten  in  den,  Wein 
geschüttet  habe,  I><i  \\ Cin  von  Thera  scheint  bei  den  Alton  sonst  nicht 
erwähnt  zu  werden;  ja  im  Testament  der  Epikteta  ( C.^  I.  gr.  n.  2448, 
IV,  33)  wird  ausdrücklich  otvog  ^svmog  für  die  Festmahlzeiten  verlangt. 
Doch  werden  in  der  allerdings  sehr  späten  Insclirift  bei  Ross  Inscr.  gr. 
ined.  II,  n.  220  zahlreiche  Weinberge  (AMTTEA)  wie  auch  Oelbaum- 
pflanziingen  (EAEßN)  unfgeführt.  Poll.  VI,  IG  giebt  an,  man  habe  den 
Wein  von  Kreta  f^rJQuiog  olvog  genannt,  was  vielleicht  dadurch  zu  er- 
klären ist,  dass  Kreta  den  Hauptstapelplatz  für  den  Export  des  theräischen 
Weines  bildete. 

86* 


524  IIT.    Die  Inselwelt. 

zwei  kleine  Goldringe,  welche  zu  einem  Halsband  gehört  zu  haben 
scheinen,  sind  im  südwestlichen  Theile  von  Thera,  in  der  Nähe  des 
Dorfes  Akrotiri,  gleichfalls  unterhalb  der  Tuffmassen,  innerhalb 
einer  schmalen  Lage  röthlicher  mit  verkohlten  Pflanzenresten 
vermischter  vulkanischer  Asche  zum  Vorschein  gekommen.  Ofl'en- 
bar  sind  jene  ältesten  Bewohner  mit  sammt  ihren  Wohnungen 
durch  den  heftigen  vulkanischen  Ausbruch,  in  Folge  dessen  die 
Kuppe  des  Kraters  einstürzte  und  die  Ränder  desselben  an  meh- 
reren Stellen  durchbrochen  wurden,  unter  gewalligen  Bimstein- 
massen  begraben  und  so  jede  Erinnerung  an  sie  für  mehrere 
Jahrtausende  der  Nachwelt  entzogen  worden.^) 

Ein  sicher  historisches,  wenn  auch  in  sagenhafter  Einklei- 
dung überliefertes  und  chronologisch  nicht  zu  fixirendes  Factum 
ist  die  Ansiedelung  von  Phönikern  auf  Thera.  Die  griechische 
Tradition  berichtet,  dass  Kadmos,  als  er  seine  entführte  Schwe- 
ster Europa  suchte,  auf  der  damals  Kailiste  genannten  Insel  lan- 
dete ,  dem  Poseidon  und  der  Athena  ein  Heiliglhum  errichtete 
und  eine  Anzahl  seiner  Begleiter  unter  Führung  des  Membliaros, 
Sohnes  des  Poikiles,  dort  zurückliess.^)  Diese  Phöniker  begrün- 
deten, wie  auch  die  Sage  durch  den  Namen  des  Poikiles  ('Bunt- 
manns') anzudeuten  scheint,  einen  Industriezweig,  der  noch  später 
auf  Thera  blühte:  die  Fabrication  bunter  Gewänder,  welche  von 
den  übrigen  Griechen  nach  ihrem  Fabricationsorte  'Theräa'  ge- 
nannt wurden.^)  Acht  Generationen  nach  Membliaros  —  so  er- 
zählten die  Griechen  weiter  —  führte  der  Kadmeer  Theras,  Sohn 
des  Autesion,  eine  Anzahl  Minyer  aus  Lakonien  nach  der  Insel, 
deren  Herrschaft  ihm  die  Nachkommen  des  Membliaros  über- 
liessen    und    die    er   nach    sich    Thera    benannte.      Durch    diese 


•)  S.  F.  Lenormant,  ^Decouverte  de  constructions  antehistoriques 
dans  File  de  The'rasia',  in  der  Kevue  arche'ologique  n.  s.  XIV,  p.  423  ss. 
(dazu  Vol.  XVI,  pl.  XVI);  F.  Fouqiie  'Une  Poiüpei  antehistorique '  in 
der  Revue  des  deux  mondes,  t.  LXXXIII,  p.  923  ss. ;  Revue  arehe'ologique 
n.  s.  XXIII,  p.  271. 

2)  Herod.  iV,  147;  Theophrast.  bei  schol.  Find.  Pyth.  IV,  11;  schol. 
ibid.  88;  Paus.  III,  1,  7;  Steph.  Byz.  u.  ©tJqcc.  Euseb.  (p.  35  ed.  Schöne) 
setzt  die  Gründung  von  Kallista  gleichzeitig  mit  der  von  Melos,  Paphos  und 
Thasos  in  das  Jahr  Abrahams  590.     Vgl.  Movers  Phönizier  II,  2,  S.  266  ff. 

3)  Poll.  VII,  48  und  77;  Hcsych,  u.  QijQaiov  niTtXov;  Athen.  X, 
p.  424 f;  vgl.  H.  Blümner  Die  gewerbliche  Thätigkeit  der  Völker  des 
klassischen  Alterthums  S.  96. 


2.   Die  ostgriechischen  Inseln:  die  Sporaden:  Thera.  525 

lakonisch-minyische  Einwanderung  wurde  auf  Thera  ebenso  wie 
auf  Melos,  Anaphe  und  Pholegandros  ein  dorisch -griechischer 
Staat  begründet,  der  unter  der  Herrschaft  von  Königen  aus  dem 
Geschlechte  der  Aegeiden  bald  durch  SchiflTahrt  und  Handel  zu 
solcher  Blülhe  gelangte,  dass  er  gegen  Ende  der  dreissiger  Olympia- 
den mit  Unterstützung  des  delphischen  Orakels  die  erste  helle- 
nische Niederlassung  auf  der  Nordküste  Afrika's,  Kyrene,  anlegte 
und  dadurch  dem  griechischen  Handel  neue  Bahnen,  der  griechi- 
schen Cultur  einen  neuen  wichtigen  Schauplatz  eröffnete.  ^)  Seit 
dieser  Zeit  scheint  Thera,  welches  damals  sieben  bewohnte  Ort- 
schaften enthielt,  ^J  allmälig  an  Bedeutung  verloren  zu  haben ;  an 
den  Kämpfen  gegen  die  Perser  nahm  es  keinen  Antheil;  der  athe- 
nischen Bundesgenossenschaft,  von  der  es  sich  anfangs  als  dori- 
scher Staat  ferngehalten  halte,  trat  es  im  Laufe  des  peloponne- 
sischen  Krieges  (Ol.  88,  2),  jedenfalls  mehr  gezwungen  als  frei- 
willig bei,^)  riss  sich  aber  ohne  Zweifel  wieder  von  ihr  los, 
sobald  die  Athener  nicht  mehr  in  der  Lage  waren,  einen  Zwang 
gegen  andere  Staaten  auszuüben.  Die  Verfassung  war  nach  Auf- 
hebung des  Königthums  eine  oligarchische:  an  der  Spitze  des 
Staates  stand  ein  Collegium  von  Ephoren,  dessen  Mitglieder  aus 
wenigen  alten  Adelsfamilien  genommen  wurden.  Später  muss  die 
Verfassung  einen  mehr  demokratischen  Charakter  erhalten  haben, 
da  in  jüngeren  Inschriften  *das  Volk  der  Theräer'  oder  *der  Rath 
und  das  Volk'  als  Inhaber  der  Souveränität,  soweit  von  einer 
solchen  namentlich  unter  der  römischen  Herrschaft  die  Rede  sein 
kann,  und  drei  Archonlen  als  oberste  Behörde  erscheinen.'*) 


*)  Vgl.  ausser  den  S.  524  Anra.  2  angeführten  Stellen  schol.  Apoll.  Rhod. 
z/,  1750  (wo  der  Führer  der  lakonischen  Colonie  nach  Thera  Sesamos 
genannt  wird);  Eiiseb.  Chron.  ad  Ol.  XXXVII,  2  (p.  89  ed.  Schöne); 
Solin,  Coli.  27,  41;  dazu  A.  F.  Gottschick  Geschichte  der  Gründung  und 
Blüthe  des  hellenischen  Staates  in  Kyrenaika,  Leipzig  1858,  und  A.  Schä- 
fer 'Solinus  und  das  Jahr  der  Gründung  von  Kyrene*  im  Rhein.  Mus. 
Bd.  XX,  S.  293  ff.:  letzterer  betrachtet  mit  Recht  Ol.  37,  2  als  das  Da- 
tum der  ersten  Landung  der  Theräer  auf  der  Insel  Platea,  von  welchem 
an  die  Herrschaft  des  Buttos  und  der  Battiaden  datirt  wird,  während 
die  Gründung  von  Kyrene  selbst  acht  Jahre  später,  Ol.  39,  1  =  624/23 
V.  Chr.  fällt. 

2)  Herod.  IV,  163. 

=»)  Thuk.  II,  9;  U.  Köhler  Urkunden  S.  146  und  199. 

*)  Aristot.  Pol.  IV,  4.     Ephoren:  C.  I.  gr.  n.  2448.    'O  dctfios  6  Stj- 


526  in.   Die  Inselwelt. 

Neue  Bedeutung  erhielt  die  Insel  erst  seit  dem  Beginn  des 
dreizehnten  Jahrhunderts  unserer  Zeitrechnung,  'naclideni  der 
Venezianer  Jacopo  Barozzi  di  S.  Moise  von  dem  Eroberer  des 
Arciiipels,  Marco  Sanudo,  Santorini  und  Therasia  als  Lehen  em- 
piangen  hatte,  welches  bis  zum  Jahre  1336  im  Besitze  der  Nach- 
kommen desselben  blieb,  von  da  an  bis  zur  Eroberung  durch  die 
Türken  mit  einer  kurzen  Unterbrechung  (von  1479 — 1487,  wo 
es  dem  Venezianer  Dominico  Pisani  gehörte)  einen  Theil  des 
llerzogthums  Naxos  bildete.  Diese  fränkischen  Herrscher,  welche 
besonders  den  Weinbau  förderten ,  auch  die  jetzt  fast  ganz  wieder 
verschwundene  Baumwollencultur  einführten,  residirten  in  dem 
auf  einem  steilen  Felsen  der  Westküste  (nahe  bei  dem  jetzigen 
Dorfe  3Ierovigli)  erbauten  Schlosse  von  Skaro,  dessen  Trfimmer 
noch  jetzt  Paläo-Skaro  genannt  werden;  ausser  diesem  besass  die 
Insel  noch  vier  andere  befestigte  Ortschaften.  ^) 

Unter  den  sieben  Ortschaften,  weiche,  wie  oben  bemerkt, 
im  Alterthum  zur  Zeit  der  höchsten  ßlüthe  von  Tliera  auf  der 
Insel  (mit  Einschluss  von  Therasia)  bestanden ,  war  jedenfalls  die 
bedeutendste  die  an  der  Südostseite  der  Insel,  auf  dem  jetzt 
nach  dem  Hagios  Stephanos  benannten  östlichsten  Vorsprunge  des 
Berges  des  Hagios  Elias,  welcher  mit  der  Hauptkuppe  durch  einen 
niedrigeren,  jetzt  Messavuno  genannten  Bergrücken  verbunden  ist, 
gelegene,  welche  den  Namen  der  Insel  selbst,  Thera  oder  *die 
Stadt  der   Theräer'   geführt   zu  haben  scheint.*)     Der  ganze 

QCCLCov  ibid.  n.  2451  (ungefähr  aus  dem  Jahre  160  v.  Chr.)  u.  ö.;  u  ßovXa 
'Kcci  6  dcc^og  ibid.  n.  2459  u.  ö.  Archonten:  C.  I.  gr.  n.  2455  und  2457. 
—  Aus  der  Zeit  der  Oligarchie  stammt  wohl  die  in  späterer  Zeit  in  Thera 
sehr  verbreitete  Sitte,  die  Verstorbenen,  Männer  sowohl  als  Frauen,  als 
Heroen  zu  verehren  {acprjQOJL^SLv):  vg-1.  Voswinckel  De  Theraeorum  in- 
sulis  p.  96  SS. 

*)  Vgl.  C.  Hopf  Wiener  Sitzungsber.  Bd.  32,  S.  378  f. ,  der  S.  380 
eine  Stelle  aus  Martin  Crusius'  Turcograecia  (p.  207)  anführt,  nach  wel- 
cher Santorin  fünf  -aüoxQa  besass:  Skaro,  Hagios  Nikolaos  (südöst- 
lich von  dem  jetzigen  Hauptorte  Phira),  Känurio-pyrgos  (denn  so,  Kai- 

vovQyiofiTtvQyo  ist  statt  xal  vovQyiüfiTtvQyio  zu  lesen  und  darunter  der 
jetzige  Ort  Pyrgos  nördlich  vom  Berge  Hagios  Elias  zu  verstehen),  Akro- 

tiri  (im  südwestlichsten  Theile)   und  Nyburgo  (wahrscheinlich  Emporion. 

das  bei  Tournefort  I,  p.  102  auch  ^Nebrio'  genannt  wird). 

3)   @r]Q(xt(0(i  TioXig  C.  I.   gr.   n.   2465''   (Vol.  H,   p.  1085),   Epigr.  \ 

Z.  1;  dagegen  ist  ebds.  Epigr.  ^,   Z.  3  statt  ^vrjfioowov  O/jQccg  noleoig 

nach  F.  Lenormant  Philolog.  Bd.  24,  S.  330  zu  lesen  fivrj^LOOwov  xs  &v- 


2.  Die  ostgriechischen  Iiiüclii:  die  Sporaden:  Thera.  527 

Rücken  des  V^orgebirges  ist  mit  Mauerresten,  Unterbauten  von 
öffentlichen  Gebäuden  und  Wohnhäusern,  Säulenbruchstücken 
u.  dgl.  ni.,  der  niedrigere  Rücken  des  Messavuno  mit  alten  Grä- 
bern überdeckt.  Das  angesehenste  HeiUgthuni  der  Stadt  sowie 
der  Insel  überhaupt  war,  gemäss  dem  lakonischen  Ursprünge  des 
heräischen  Staates,  das  des  ApoUon  Jvarneios;^)  ausser  ihm  wur- 
den Artemis,  Asklepios,  Hermes  und  Herakles  (die  beiden  letzte- 
ren wahrscheinlich  im  Gymnasion)  verehrt.  Ausserhalb  der  Stadt 
stand  ein  Heiligthum  des  Dionysos  und  Statuen  der  Hekate  und 
des  Priapos.2) 

Reste  einer  zweiten  Ortschaft,  welche  im  Alterthum  den 
Namen  Oia  führte,  finden  sich  am  nordöstlichen  Fusse  des  Mes- 
savuno auf  einer  Stelle  der  Küste,  welche  jetzt  nach  einigen  in 
den  Felsen  gehauenen  Kammern  Kamari  genannt  und  als  Lan- 
dungsplatz für  kleine  Barken  benutzt  wird.^)  Eine  dritte  Ort- 
schaft, deren  Namen  nicht  sicher  zu  bestimmen  ist,  lag  südwest- 
lich v.om  Messavuno  in  der  jetzt  Perissa  genannten  Gegend  in  der 
Nähe  des  Dorfes  Emporion,  eine  vierte,  wahrscheinlich  Eleusis, 
an  der  Südküste  am  Vorgebirge  Exomyli,  wo  man  noch  alte  Fels- 
gräber und  im  Meere  IJeberreste  alter  Hafendämme  bemerkt.^) 
Ausserdem  finden  •  sich   an   verschiedenen  Punkten   der  Insel  alte 


Qccis  TCüktag.  Ueber  die  Reste  s.  Ross  Inselreisen  I,  S.  59  ff, ,  der  hier 
irrig  Oea  ansetzt;  dagegen  de  Cigalla  Bullettino  1856,  p.  130  s.  und 
A.  Michaelis  Annali  t.  XXXVI,  p.  255. 

')  Inschriften  im  C.  I.  gr.  n.  2467  und  2467'»;  in  AnnaH  t.  XXXVI, 
p.  107  und  p.  258;  vgl.  Find.  Pyth.  V,  77  ff.;  Callimacb.  H,  in  Apoll.  73; 
schul.  Find.  FytU-  IV,  11. 

2)  Artemis  Ross  Inscr.  gr.  II,  n.  215  (vgl.  die  Flagd-svos  Aeqlci  ib. 
HI,  n.  249).  Asklepios  ibid.  II,  n.  221.  Hermes  C.  I.  gr.  n.  2466.  Her- 
mes und  Herakles  Annali  t.  XXXVI,  p.  107.  Dionysos  C.  I.  gr.  n.  2451 ; 
•:162;  2465.     Hekate  und  Friapos  ibid.  n.  2465'»  (Vol.  II,  p.  1085). 

3)  Ross  Inselreisen  I,  S.  68  f.  und  S.  193.  Oi'a  Ftol.  III,  15,  26; 
Inschriften  im  C.  I.  gr.  n.  2463«  (Vol.  II,  p.  1085)  und  im  Bullettino  1856, 
p.   132  s.  {rj  hv  Ol'u  Ttulcdarqu,  to  bv  Oi'u  yv^vaaiov). 

*)  Ross  a.  a.  O.  S.  69  f.,  S.  181  ff.  und's.  193;  Arch.  Aufs.  II,  S.  424  f. 
l'Atvalv  ^  'EXsvaig  Ptolem.  a.  a.  O.  Ob  die  im  Testament  der  Epikteta 
(C.  I.  gr.  n.  2448  II,  1;  III,  6)  erwähnte  Oertlichkeit  Mol  an ä  eine  be- 
wohnte Ortschaft  war,  ist  unklar,  die  Existenz  einher  Ortscliaft  Peräa 
oder  Peiräon,  welche  Böckh  (Abhandl.  d.  Berlin.  Akad.  1836,  8.  80  f.) 
aus  dem  Vorkommen  des  Namens  UeQaisvg  in  einer  der  alten  FelsioBchrif- 
ten  von  Hagios  Stoplianos  folgert,  sehr  unsicher. 


528'  HI.    Die  Inselwelt. 

Gräber,  Trümmer  monumentaler  Gebäude,  Inschriftsteine  u.  dgl.  m. 
Am  nordwestlichen  F'usse  des  Berges  des  Ilagios  Elias  in  der 
Nähe  des  Dorfes  Megalochorio  steht  ein  in  eine  Capelle  des  Ha- 
gios  Nikolaos  Marmarites  verwandelter  Marmorbau,  welcher  laut 
einer  Inschrift  einer  unter  dem  Namen  Basileia  verehrten  Göttin 
(wahrscheinlich  der  Kora)  geweiht  war.*)  Nordöstlich  von  da, 
in  dem  etwas  östlich  von  Pyrgos  gelegenen  Dorfe  Gonia,  sind 
zahlreiche  Inschriften  und  sonstige  Bruchstücke  gefunden  worden, 
welche  vielleicht  wenigstens  zum  Theil  einem  von  einer  Dame 
aus  vornehmem  Geschlecht,  Epikteta,  errichteten  Heiligthum  der 
Musen  (Museion) ,  das  zugleich  Anlagen  für  den  Todtencult  der 
Angehörigen  der  Stifterin  enthielt,  angehören.'^)  Das  Dörfchen 
Kontochori,  fünf  Minuten  östlich  von  dem  ungefähr  in  der  Mitte 
der  Westküste  gelegenen  jetzigen  Hauptorte  der  Insel,  Phira,  hat 
einige  Inschriften  und  kleine  Sculpturwerke  geliefert,  welche  die 
Existenz  eines  Heiliglhums  der  Göttermutter  daselbst  bezeugen.^) 
Endlich  finden  sich  in  der  Nähe  des  Vorgebirges  Kolumbos,  der 
Nordostspitze  der  Insel,  zahlreiche  in  den  Tuff  eingeschnittene 
Gräber,  welche  darauf  schliessen  lassen,  dass  auch  hier  an  der 
Nordküste  eine  antike  Ortschaft  gestanden  hat.  ^) 

Therasia  besass  eine  der  Insel  selbst  gleichnamige  Ort- 
schaft, von  welcher  noch  an  einer  halbkreisförmigen  Bucht  der 
Nordostkäste,  dem  Orte  Apanonieria  auf  Thera  gegenüber ,  einige 
Reste  erhalten  sind.^) 

Südwestlich  von  Thera,  unter  36^  15' 20"  nördlicher  Breite 


')  Koss  Inselreiseri  I,  S.  71  f.;    Archäol.  Aufs.  11,  S.  421  ff.;  Michae 
lis  Annali  t.  XXXVI,  p.  257. 

')  Ich  schliesse  dies  aus  der  in  Gonia  gefundenen  Inschrift  Ross 
Inscr.  gr.  II,  n.  198,  welche  mehrfache  Analogien  mit  dem  Testament  der 
Epikteta  (C.  I.  gr.  n.  2448),  dessen  Fundort  unbekannt  ist,  darbietet. 
Andere  Inschriften  aus  Gonia  Ross  Inscr.  gr.  III,  n.  248-259,  vgl.  Irisel- 
reisen  I,  S.  72;  III,  S.  28.  Fr.  Lenormant  Philologus  Bd.  XXIV,"  S.  33.3 
schliesst  aus  der  Inschrift  n.  250,  wo  er  Z.  8  liest  EE  I0YAIAOZ,  dass 
an  der  Stelle  von  Gonia  eine  Ortschaft  Ithylis  gelegen  habe;  aber 
sollte  nicht  Yielmehr  EE  lOYAlAOZ  zu  lesen  und  an  eine  aus  lulis  auf 
Keos  stammende  Persönlichkeit  zu  denken  sein? 

•^)  C.  I.  gr.  n.  2465*1,  "  und  f  (Vol.  II,  p.  1086);  vgl.  Ross  Inselreisen 
III,  S.  27. 

'')  Ross  Inselreisen  I,  S.  185  f. 

'")  Ptolem.  III,  15,  28;  vgl.  Ross  a.  a.  O.  S.  88. 


2.  Die  ostgriechischen  Inseln:  Kreta.  529 

und  25^  13'  östlicher  Lange  (von  Greenwich),  liegt  eine  kleine 
unbewohnte  Insel,  Christian!,  mit  ihrer  noch  kleineren  südlicheren 
Nachbarin  Askani:  beide,  gewöhnlich  unter  dem  Namen  Christia- 
näs  zusammengefassl  und  zum  türkischen  Reiche  gerechnet,  er- 
weisen sich  durch  die  vulkanische  Beschaffenheit  ihres  Bodens 
als  zur  Inselgruppe  von  Thera  gehörig.  Der  Name  Askani,  wel- 
chen die  südlichere  führl,  lässt  uns  darin  die  alte  Askania,  in 
ihrer  Nachbarin  Chrisliani  die  alte  Lea  (Leia)  erkennen.') 

e)   Kreta.  2) 

Die  grösste  unter  den  zu  Hellas  in  geographischem  Sinne 
gehörigen  Inseln,  welche  von  den  Griechen  und  Türken  noch  jetzt 
mit  ihrem  antiken  Namen  Krete  (neugriechisch  Krili,  türkisch 
Kirid  gesprochen),    von   den  Abendländern   gewöhnlich    mit  dem 


1)  Plin.  IV,  12,  71. 

^)  KgriTL-nd  schrieben  im  Alterthum  Alexander  Polyhistor  (schol.  Apoll. 
Khod.  J,  1492);  Antenor  (Aelian.  De  an.  XVII,  35);  Charon  der  Karthager 
oder  der  Naukratit  (vgl.  C.  Müller  Frgt.  hist.  gr.  IV,  p.  360;  A.  v.  Gut- 
schmid  Philologus  X,  S.  523  f.);  Dosiades  (Müller  Frgt.  hist.  gr.  IV, 
p.  399);  Echemenes  (ibid.  p.  403);  Laosthenidas  (ibid.  p.  438);  Petellidas 
aus  Knossos  (Hygin.  De  stellis  II,  4,  wo  die  codd.  Pethellidas  und  Phe- 
thellidas  geben);  Sosikrates  (Müller  Frgt.  hist.  gr.  IV,  p.  500  s.)  und 
Xenion  (ibid.  p.  528  s.);  KQrjziyicc  vo^i^a  Pyrgion  (Athen.  IV,  p.  143^). 
Tag  nsQt  Kgijtrjv  fivd-oXoyiag  sammelte  ein  gewisser  Deinarchos  nach 
Dionys.  Hai.  De  Dinarcho  1.  Eine  owccycoy^  xmv  KQrjttytmv  d'vaimv 
von  Istros  erwähnen  Porphyr.  De  abstin.  IF,  56  und  Euseb.  Praep.  evang. 
IV,  16.  —  Unter  den  erhaltenen  Werken  sind  die  wichtigsten  Quellen 
für  die  Geographie  Kreta's  Strab.  X,  p.  474— 484;  Scyl.  Per.  47;  Dionys. 
Call.  Descr.  Gr.  v.  110—129;  Stadiasmus  maris  magni  §  318  —  355  (C. 
Müller  Geogr.  gr.  min.  I,  p.  505  ss.);   Ptolem.  III,  17;    Plin.  IV,  12,  58 

—  61;  Solin.  Coli.  11,  3—14;  Hierokles  Synecd.  11.  —  Von  Neueren  sind 
zu  erwähnen  Tournefort  I,  p.  6  ss.;  F.  W.  Sieber  Heise  nach  der  Insel 
Kreta,  II  I3de  ,  Leipzig  1823;  K.  Hoeck,  Kreta,  III  Bde.,  Göttingen  1823 

—  1829;  R.  Pashley  Travels  in  Crete,  II  Bde.,  Cambridge  und  London 
1837;  T.  A.  B.  Spratt  Travels  and  researches  in  Crete,  II  Bde.,  Lon- 
don 1867;  G.  Perrot  L'ile  de  Crete  Souvenirs  de  voyage,  Paris  1867; 
E.  Falkener  'On  the  antiquities  of  Candia.  N.  l:  La  descrizione  delP 
isola  di  Candia.'  A  ms.  of  the  sixteenth  Century'  im  Museum  of  classical 
antiquities,  Vol.  II,  p.  263  ss. ;  ausserdem  die  Karten  in  Petermanns 
Mittheilungen  1866,  Tafel  16,  und  in  der  Zeitschrift  der  Gesellschaft 
für  Erdkunde  zu  Berlin  Bd.  I  (1866),  Tafel  VH  (dazu  Kiepert  ebds. 
ö.  435  ff.). 


530  in.   Die  Inselwelt.  . 

Namen  der  luittclaUcrlicheii  Ilauptslaill  Kaiidia  beiiaiiiil  wird,  ^) 
erstreckt  sich  unter  dem  35slen  (jradc  nördlicher  Breite  (unter  wel- 
chen sie  nur  in  ihrem  südlichsten  Theile  um  etwa  5'  hinabreicht) 
von  23^  30'  bis  26^  20'  östlicher  Länge  (von  Greenwich),  in 
einer  Länge  von  35  deutschen  Meilen  bei  einer  in  Folge  tieler 
Einbuchtungen  und  mächtiger  Vorsprünge,  besonders  der  Nord- 
kiiste,  sehr  verschiedenen,  zwischen  2  und  Vy.^  Meilen  wechseln- 
den Breite  mit  einem  Flächeninhalt  von  etwa  190  Quadratmeilen. 
Die  Insel  wird  in  ihrer  ganzen  Ausdehnung  von  mächtigen,  aus 
vereinzelten  Massen  grauen  oder  schwärzlichen  halbkrystallinischen 
dichten  Kalksteins,  welcher  von  dünnen  Lagen  »von  Schiefer- 
gestein durchsetzt  ist,  bestehenden  Gebirgen  durchzogen,  welche 
nach  allen  Richtungen  hin,  hauptsächlich  aber  gegen  Norden  und 
Süden,  zahlreiche  Flüsse  und  Bäche  entsenden  und  mit  den  Reizen 
landschaftlicher  Schönheit  im  Alterthum  einen  grossen  Reichlhum 
an  Futter-  und  Heilkräutern,  sowie  an  herrlichen  Waldungen 
(besonders  Kypressen,  daneben  Cedern,  Schwarzpappeln,  Eichen 
und  Platanen)  verbanden.  2)  An  den  unteren  Abhängen  der  Ge- 
birge w  urde  wie  noch  heutzutage  hauptsächlich  Wein  gebaut,  ^)  in 
den  Ebenen  ausser  Getreide  (dessen  Production  jetzt  den  Bedarf 
der  Bevölkerung  nicht  völlig  deckt)    besonders   die  von  Griechen 


*)  Der  von  den  Alten  verscliiedenlich  erklärte  Name  Kqtjzjj  (vgl. 
Steph.  Byz.  u.  d.  W.;  Eustath.  ad  Dionys.  Per.  498;  Pliu.  IV,  12,  58;  Etym. 
M.  p.  537,  54)  seheint,  wenn  überhaupt  griechischen  Ursprungs,  entweder 
auf  '/.FQavvv^i  (also  KQrjtsg  =  'Mischlinge')  oder  auf  den  Stamm  -iiQcct 
(also  'Höhenbewohner')  zurückzuführen.  Als  sonstige  Namen  der  Insel 
werden  angeführt  Aeria,  Chthonia,  Idaea,  Kuretis,  Makaronne- 
sos  (Stepli.  Byz.  und  Plin.  a.  a.  O.;  Solin.  c.  11,5).  lieber  den  Namen 
Kandia  wird  weiter  unten  gehandelt  werden. 

2)  Kräuter:  Theophrast.  Hist.  pl.  IX,  16,  1  if .  Kypressen:  ibid.  II, 
2,  2;  III,  1,  6;  2,  6;  IV,  1,  3;  5,  2;  De  caus.  pl.  I,  2,  2;  Plut.  Symp. 
I,  2,  5;  Plin.  XVI,  33,  142;  Ilermippos  hei  Athen.  I,  p.  27  ^  Cedern: 
Vitruv.  II,  9;  Plin.  XVI,  39,  137  (vgl.  Sieber  Keise  II,  S.  87).  Schwarz- 
pappeln: Theophr.  Hist.  pl.  II,  2,  10;  III,  3,  "4;  (Aristot.)  Mir.  ausc.  69. 
Eichen:  Theophr.  Hist.  pl.  III,  3,  3;  Dionys.  Perieg.  v.  503.  Platanen: 
Theophr.  Hist.  pl.  I,  9,  5;  III,  3,  3:  vgl.  Spratt  Travels  II,  p.  40  ss.  — 
Der  Reichthum  an  aromatischen  Kräutern  ist  die  Hauptursache  der  Treff- 
lichkeit des  kretischen  Honigs:  Geopon.  XV,  7,  1;  vgl.  Diod.  V,  70.^ 

3)  KQ7]ri,y.6g  olvog  Athen.  X,  p.  440  f;  vgl..  Aelian.  Var.  hist.  XII, 
31;  Poll.  VI,  82;  luvenal.  Sat.  XIV,  270  s.;  Martial.  Epigr.  XIII,  106; 
Solin.  Coli.  11,  12;  Pashley  Travels  II,  p.  51  ss. 


2.   Die  ostgriechischen  Insehi:  Kreta.  531 

» 
und  Körnern  nach  der  kretischen  Stadt  Kydonia  henannte  Quitte, 
Feigen,  die  jetzt  nur  noch  in  vereinzelten  Exemplaren  vorkom- 
mende Pahne  und  der  Oelbaum,  dessen  Product  jetzt  neben  den 
Südfrüchten  (Mandeln,  Orangen,  Cilronen  und  Granaten)  den 
wichtigsten  Ausfuhrartikel  der  Insel  bildet J)  Ueberhaupt  ist  die 
Insel  wenigstens  zum  grössten  Tlieile,  mit  Ausnahme  der  Hoch- 
gebirge, sehr  fruchtbar,  heutzutage  freilich  in  Folge  der  dünnen 
Bevölkerung  und  der  türkischen  Missregierung  sehr  ungenügend 
angebaut.  Die  Alten  rühmten  von  Kreta,  ähnlich  wie  von  Attika, 
dass  alle  daselbst  wachsenden  Pflanzen  in  ihrer  Art  trefTlicher 
seien  als  anderwärts  —  ein  Vorzug,  der  hauptsächlich  auf  die 
durch  die  Mischung  von  Gebirgsluft  und  Seeluft  bedingte  Schön- 
heit des  Klimas  zurückzuführen  ist'^}  —  und  dass  sie  weder  wilde 
Thiere  noch  giftige  Schlangen  nähre.  ^) 

Das  Gebirgssystem  der  Insel  gliedert  sich  in  drei  Haupt- 
gruppen, eine  Gliederung,  durch  welche  die  ganze  Insel  natur- 
gemäss  in  drei  Tlieile,  Mittel-,  West-  und  Ostkreta,  sich  theilt. 
Den  Mittelpunkt  bildet  die  Ide  oder  Ida,  dessen  2460  Meter 
hoher,  jetzt  Psiloriti'*)  genannter  Gipfel  jetzt  eine  Capelle  des 
heiligen  Kreuzes  (Hagios  Stavros)  trägt.  Im  Alterthum  war  das 
ganze  Hochland  des  gegen  Süden  und  Südwesten  steil  abstürzen- 
den, gegen  Norden  und  Nordosten  in  einer  Reihe  von  niedrigeren 
lUicken  und  Terrassen  allmälig  abfallenden  Gebirges,  die  soge- 
nannten Panakra,  dem  Zeus  geweiht,  der  als  Kind  hier  in  einer 
Grölte  von  den  Nymphen  und  Kureten  gepflegt  und  behütet  wor- 


')  Quitten  {fi'qXcc  Kvdoovicc,  mala  Cotonea,  kretiscli  -nodvfiaXa)  Atheu. 

III,  p.  81  s.;  Nicand.  Alexiph.  234  c.  schol. ;  Plin.  XV,  11,  37.     Feigen: 

Theophrast.  Hist.   pl.    IV,  2,  3;    VI! ,  4,  9;    vgl.   Athen.  III,    p.  76«  ss. 

I'almen:  Theophrast.  Hist.  pl.  II,  6,  9  und  11;  vg-l.  die  Palme  auf  Müu- 

'II  von  Hierapytna  und  Priausos. 

2)  Od.  T,  173;  Hcsiüd.  Theog.  97Ü;  Dionys.  Per.  502;  Strab.  X, 
l-.  475;  Theophrast.  Hist.  pl.  IX,  16,  3;  Plin.  XXV,  8,  93;  Öoliu.  Coli. 
11,  12.  ApoUodoros  leitete  den  Namen  KgTjxrj  nccgn  to  sv  v.BylQaa^^Kl 
■nv  TCEiil  trjv  vTjOov  aegu  (Etym.  M.  p.  537,  55). 

^)  (Aribtot.)  Mir.  ausc.  83;  Antig.  Hist.  mir.  10;  Aelian.  De  an.  III, 
32;  V,  2;  Plutarch.  De  eap.  ex  inim.  utii.  1;  Plin.  VIII,  58,  227  f.  Vgl. 
Sieber  Reise  II,  S.  98  f.;  Pashley  Travels  II,  p.  260  ö.;  Spratt  II,  p.  6  s. 

*)  y.^f}Xo)Q8iTif  offenbar  verkürzt  aus  'Ttfjrjlmgtitrig.  Der  alte  Name 
M<7,  doriHch  "/da,  hattet  noch  in  der  Form  Nida  an  einer  vier  bis  fünf 
iiglLschc  Meilen  östlich  unterhalb  dea  Gipfels  gelegenen  Hochebene;  vgl. 
Spratt  I,  1).  7  s». 


532  in.    Die  Inselwelt. 

den  sein  sollte;  zwölf  Stadien  von  dieser  mit  Weihgeschenken 
angefüllten  Grotte  entsprang  eine  Quelle,  die  Quelle  des  Sauros 
genannt.  ^)  Zur  Gruppe  der  Ide  gehört  auch  der  südwestlich  von  der 
Hauptmasse  derselben  gelegene,  durch  ein  fruchtbares,  von  einem 
Flusse  (wahrscheinlich  dem  Elektras  der  Alten)  durchströmtes 
Thal  getrennte  Kindrios  oder  Kedrios  (jetzt  Kedros  genannt), 
dessen  Gipfel  eine  Höhe  von  1830  Meter  hat.^) 

Der  jetzt  Madara  genannte  Hauptgebirgszug  des  westlichen 
Kreta,  welcher  die  Ide  noch  um  10  Meter  an  Höhe  überragt, 
wurde  von  den  Alten  mit  dem  Namen  der  *  weissen  Berge' 
(Jsvxa  0Q1])  bezeichnet,  ^)  ein  Name,  der  nicht  sowohl  von  dem 
Schnee,  welcher  seine  Gipfel  bis  zum  Hochsommer  bedeckt,  als 
vielmehr  von  dem  hellen  Schimmer  der  aus  weisslich  -  grauem 
Kalkstein  bestehenden,  bis  auf  einige  niedrige  Sträucher,  beson- 
ders eine  Art  sehr  gewürzigen  Salbeys,  kahlen  Kuppen  herzulei- 
ten ist.  Die  westliche  Fortsetzung  dieses  Massengebirges  bilden 
mehrere  aus  sehr  bröcklichem  Schiefergestein  von  brauner  und 
rother  Färbung  bestehende  Bergrücken,  an  welche  sich  an  dei* 
West-  und  Nordwestküste  wieder  Kalkgebirge  anschliessen. 

Die  das  östliche  Kreta  durchziehenden  Gebirge  werden  von 
den  Alten  mit  dem  Gesammtnamen  Dikte  bezeichnet,  einem  Na- 
men, der  eigentlich  dem  mächtigen,  ungefähr  hufeisenförmigen 
Gebirgszuge  zukommt,  welcher  sich  südöstlich  von  Lyltos  bis  zur 
Höhe  von  1680  Metern  erhebt  (den  jetzigen  Lasithi  oder  Lasilhiotika- 
Bergen)  und  im  Alterthum  von  den  Anwohnern  als  Geburtsstälte  des 
Zeus  mit  Ehrfurcht  betrachtet  wurde ;  doch  scheint  die  Benennung 
auch  auf  den  200  Meter  niedrigeren  Bergrücken  ausgedehnt  wor- 
den zu  sein,  welcher  den  jetzt  die  Halbinsel  von  Sitia  genann- 
ten östlichsten  Theil  der  Insel  von  der  schmälsten  Stelle  derselben, 
dem  Islhmos  von  Hierapytna,  an  bis  zum  Vorgebirge  Itanos  durch- 
zieht, jetzt  in  seinem  südwestlichen  Theile  Aphenti-vuno  (Herren- 


1)  Theophrast.  Hist.  pl.  III,  3,  4;  Strab.  X,  p.  475;  Diod.  V,  70; 
Callimach.  H.  in  lov.  51;  Steph.  Byz.  u.  UavccyiQcc;  Ptol,  III,  17,  9. 

2)  'Ev  reo  TtXrjGtov  oqsl  rrjs"l8rjg  iv  t(p  Klvöqlo)  (so  codd.;  KsdQim 
ed.  Aid.)  TiaKotifibvo)  Theophrast.  Hist.  pl.  III,  3,  4;  einen  Fluss  Ke- 
ÖQiaog  erwähnt  Dionys.  Call.  Descr.  Gr.  128.  'HlsnTQa  norccpLov  iyißos 
XaC  Ptol.  Illjt   7,  4.     Vgl.  über  den  Berg  Spratt  Travels  II,  p.  272. 

3)  Strab.  X,  p.  475;  Theophrast.  Hist.  pl.  IV,  1,  3;  Ptol.  III,  17,  9; 
Callim.  H.  in  Dian.  41. 


2.  Die  ostgriechischen  Inseln:  Kreta.  533 

berg),  im  nordöstlichen  Modi  genannt.  Der  im  Cap  Zephyrion 
endende  nordöstliche  Theil  der  Hauptmasse  der  Dikte  führte  den 
Sondernamen  Kadiston. ^) 

Das  Wassersystem  Kreta's  ist  ein  sehr  reichhaltiges  und 
mannigfaltiges ,  indem  die  Mehrzahl  der  zahlreichen  Flusse ,  wenn 
auch  durch  die  Vereinigung  mehrerer  kleinerer  Wasserlüufe  ge- 
bildet, doch  ihren  selbständigen  Lauf  haben  und  ohne  ihre  Ge- 
wässer unter  einander  zu  vermischen  dem  Meere  zuströmen.  Da- 
durch zerfällt  die  ganze  Insel  in  eine  grosse  Anzahl  einzelner, 
durch  niedrige  Höhenzüge  'getrennter,  meist  schmaler  Thäler, 
eine  Bodengestaltung,  welche  in  Verbindung  mit  den  Hochgebir- 
gen die,  wenn  auch  in  vereinzelten  Massen,  so  doch  in  ihren 
Wurzeln  sich  berührend  und  so  eine  allerdings  wellenförmig  ver- 
laufende Wasserscheide  zwischen  der  Nord-  und  Sndküste  bildend, 
die  Insel  von  Westen  nach  Osten  durchziehen,  einer  politischen 
Centralisation  der  Bewohner  bedeutende  Hindernisse  entgegen- 
stellte und  vielmehr  die  Decentralisation,  die  Bildung  zahlreicher 
von  einander  unabhängiger  Stadtstaaten,  in  hohem  Grade  be- 
günstigte. 

Die  Lage  der  Insel  in  nahezu  gleicher  Entfernung  von  den 
drei  alten  Welttheilen   und    die   Configuration   ihrer   Küsten,   be- 


')  Strab.  X,  p.  478  s.  setzt  allerdings  die  Jl-uti]  in  den  östlichsten 
Theil  der  Insel  in  die  Nähe  von  Präsos,  1000  Stadien  von  der  Ida  und 
nur  100  Stadien  von  dem  (nordöstlichsten)  Vorgebirge  Samraonion;  allein 
wenn  wir  den  Namen  auf  diesen  Gebirgszug  beschränken,  so  bleibt  der 
weit  bedeutendere  bei  Lyttos  namenlos,  während  doch  Ptol.  III,  17,  9 
ausdrücklich  als  oqrj  iniGTKia  auf  Kreta  die  drei  Gruppen  AsvHct  oqtj, 
ISrj  und  JtHTr}  nennt.  Dazu  kommt,  dass  die  an  die  Dikte  sich  knüpfende 
Sage  von  der  Geburt  des  Zeus  dieses  Ereigniss  in  die  Gegend  von  Lyt- 
tos und  in  die  Nähe  der  Ide  setzt:  s.  Hesiod.  Theog.  477  fF.;  Arat. 
Phänom.  33  ff.;  Diod.  V,  70.  Vgl.  Ussing  Kritiske  Bidrag  til  Graeken- 
lands  gamle  Geographie  (Kopenhagen  1868)  S.  5  ff.,  der  nur  darin  zu  weit 
geht,  dass  er  den  Namen  Ji-urri  auf  die  Lasithiberge  beschränken  will: 
dass  auch  die  Präsier  die  Sage  von  der  Geburt  des  Zeus  auf  der  Dikte 
in  ihrem  Gebiet  localisirt  hatten,  zeigt  Athen.  IX,  p.  375^  s.  KuSiatov 
Scyl.  Per.  47;  vgl.  PHn.  IV,  12,  60;  71;  Sohn.  Coli.  c.  11,  6:  Googr. 
Rav.  V,  21  (p.  397,  5  edd.  Pinder  et  Partliey).  ZstpvQiov  uyiqov  Ptol.  III, 
17,  6.  Der  schon  den  Alten  unklare  Ausdruck  bei  Hesiod.  Theog.  484 
.Alyalut  iv  oQei  (vgl.  schol.  Arat.  Phacnom.  33,  wo  aucli  ein  Tomenos  des 
Zeus  Alysiüs  und  ein  Uerg  Alysis  erwähnt  werden)  kann  nur  auf  die 
llauptmaHse  der  Dikte  (»berh.ilh  Lyttos  bezogen  werden. 


534  TIT.   Die  InscTwelt. 

sonders  der  Nordküste,  welche  in  einer  Anzalil  weiter  nnd  tiefer 
Buchten  den  Seefalu-ern  sichere  und  geraumige  Ankerplätze  dar- 
hietet,  musste  frühzeitig  Einwanderer  von  verschiedenen  Gegenden 
her  anlocken  und  zur  Ansiedelung  auf  dieser  natürlichen  Brücke 
zwischen  Norden,  Osten  und  Süden  einladen.  So  führt  uns  denn 
schon  das  älteste  Zeugniss,  welches  wir  Ober  die  ethnographisclien 
Verhältnisse  der  Insel  besitzen,  das  der  Odyssee,  fünf  auch  in  sprach- 
licher Hinsicht  verschiedene  Völkerstämme  als  Bewohner  der  mit 
90  Städten  bedeckten  Krete  auf:  Eteokreter,  Kydoner,  Achäer, 
Dorier  und  PelasgerJ)  Als  ältester  Bestandtheil  in  diesem  Völker- 
gemisch sind  nach  ihrem  offenbar  erst  später  im  Gegensatz  zu 
jüngeren  Einwanderern,  welche  den  Namen  Kreter  auch  für  sicli 
in  Anspruch  nahmen,  gebildeten  Namen  die  Eteokreter  (d.  h. 
wirkJiche,  ächte  Kreter)  zu  betrachten,'  ein  wahrscheinlich  phry- 
gischer  Volksstamm,  der  aus  seiner  früheren  Heimath  den  Namen 
Ide  und  die  Sagen  von  der  Rhea,  den  idäischen  Daktylen  und 
Kureten  mitgebracht  und  in  dem  von  ihm  zuerst  occupirten  mitt- 
leren Kreta  localisirt  hatte,  später  aber  durch  mächtigere  Zuwan- 
derer  in  den  schmälsten  östlichsten  Theil  der  Insel  zurückgedrängt 
wurde.-)  Die  ältesten  dieser  EindringUnge  waren  die  Kydoner, 
ein  jedenfalls  semitischer  (phönikischer  oder  karischer)  Volks- 
stamm, der  den  westlicheren  Theil  der  Insel,  wo  die  Stadt  Ky- 
donia  und  der  Fluss  lardanos  sich  finden,  occupirte,  von  da  aber 
längs  der  Nordküste  bis  über  die  Mitte  der  Insel  hinaus  vordrang 
und  dort  die  später  in  Knossos  umgetaufte  Stadt  Käratos  an  dem 
gleichnamigen  Flusse  gründete;^)  ihnen  gehören  die  Culte  des 
Kronos   und    der   Britomartis   (oder   Diktynna),   sowie   die  Sagen 


^)  Od.  T,  172  ff. ,  vgl.  y,  292,  wo  die  Kvdcovsg  als  Anwohner  des 
Flusses  'iccgSccvog  erwähnt  werden.  Die  llias  weiss  nichts  von  der 
Stanimesverschiedenheit  der  Bewohner  der  sytocToiinoXig  Kqyixt],  welche 
80  Schiffe  unter  Führung  des  Idomeneus  und  Meriones  zum  griechischen 
Heere  gestellt  hat:  II.  E,  645  ff.  u.  a. 

2)  Diod.  V,  64;  (Scymn.  Chii)  Orb.  descr.  542.  Strabon  bezeichnet 
als  Ortschaft  der  Eteokreter  Prasos  (Präsos),  das  er  X,  p.  475  (durch 
Verwechselung  mit  Priansos)  in  den  südlichsten,  p.  478  richtiger  in  den 
östlichsten  Theil  der  Insel  setzt. 

^)  Strab.  X,  p.  475  s.;  über  KaiQurog  (das  dem  i^hönikischen  kaft 
entspricht,  wie  'iccgdccvog  dem  lordan)  vgl.  Callim.  H.  in  Dian.  44  c. 
schol.;  Hesych.  u.  KsgatLOi.  Ueber  andere  semitische  Namen  auf  Kreta, 
wie  FoQtvv,  'EXlcoticc,  Asßr]v,  fsl%avog,  s.  unten. 


2.   Die  ostffriechischen  Inseln :  Kreta.  535 


vom  Minos,  Minotauros,  Asterios  (oder  Asterion),  dem  ehernen 
Riesen  Talos  und  ähnliche  an.  Die  drei  ührigen  Stämme  sollen 
aus  dem  nördlichen  Thessalien,  der  Hestiäolis,  nach  Kreta  ein- 
gewandert sein  und  zwar  in  einer  der  sogenannten  dorischen 
Wanderung  w  eit  vorausliegenden  Zeit,  ^)  eine  Annahme,  die  jeden- 
lulls  nicht  auf  einer  wirklichen  Tradition  beruht,  sondern  nur 
aus  dem  die  alten  Historiker  beherrschenden  Respect  vor  der 
Autorität  der  homerischen  Gedichte  und  der  Scheu,  diesen  einen 
Anachronismus  zuzuschreiben,  hervorgegangen  ist.  Eine  imhe- 
l'angene  Geschichtsbetrachtung  wird  nicht  zweifeln,  dass  die  Do- 
rier  und  Achäcr  —  denn  über  die  pelasgische  Einwanderung  ist 
durchaus  nichts  sicheres  zu  ermitteln,  sondern  man  kann  nur 
vermutlien,  dass  unter  den  Pelasgern  Ansiedler  griechischer  Natio- 
nalität zu  verstehen  sind,  welche  in  frühen  Zeiten  aus  Kleinasien 
herüber  gekommen  waren  —  erst  nach  der  Festsetzung  der  Do- 
rier  im  Peloponnes  und  zwar  von  Lakonien  aus  nach  Kreta  ge- 
wandert sind  und  dass  ihre  Niederlassung  auf  (Hcser  Insel  wie 
auf  den  Nachbarinseln  Thera,  Melos  u.  a.  räumlich  und  zeitlich 
mit  der  Gründung  der  dorischen  Colonien  im  südwestlichen  Klcin- 
asien  zusammenhängt.  2) 

Schon  vor  der  dorisch -achäischen  Einwanderung  hatte  sich 
auf  Kreta  unter  der  Herrschaft  des  phönikischen  Elements,  das 
in  der  griechischen  Sage  durch  die  Person  des  Minos  repräsen- 
tirt  wird,  ein  wohlgeordneter  und  mächtiger  Staat  gebildet,  wel- 
rber  als  die  erste  Seemacht  die  karischen  Seeräuber,  die  bis  da- 
hin das  ägäische  Meer  beherrscht  hatten,  zu  Paaren  trieb  und 
die  meisten  Inseln  dieses  Meeres  seiner  Herrschaft  unterwarf,  ja 
sogar  an  ein  Paar  Punkten  in  unmittelbarer  Nähe  des  griechi- 
-<  hen   Festlandes   festen   Fuss  zu   fassen  suchte.^)     Diesem   vor- 

*)  Andron  bei  Strab.  X,  p.  475  und  bei  Stepli.  Hyz.  n.  Jcoqiov 
(p.  254,  8  cd.  Mein.).  Diod.  IV,  00  und  V,  80:  an  der  letztgenannten 
Stelle  werden  wenigstens  die  Achüer  aus  Lakonien  hergeleitet  und  die 
Gegend  um  das  Cap  Malea  als  Ausgangspunkt  des  genieinsumeu  Znge.s 
der  Dorier  und  Achäer  angenommen. 

')  Schon  die  Alten  berichten  von  lakedämonischen  Colonien  auf 
Ivreta  (Strab.  X,  p.  481;  vgl.  Diod.  V,  80;  Scyl.  Per.  49;  Dionys.  Call. 
Deacr.  Qr.  v.  115  ff.);  als  solche  werden  bezeichnet  Lyttos  (Aristot. 
Pol.  ir,  10;  Polyb.  IV,  54)  und  Oortyna  (Conon  Narr.  .% ;  vgl.  v,  47). 
Vgl.  Hück  Kreta  H,  S.  417  ff. 

')    Man   drnkc   au   die  Miu(»a   g«Miauut«!n  kleineu   rdHiu-^cdu   vor  dor 


536  III.    Die  Inselwelt. 

griechisclien  Staatswesen,  dessen  Mittelpunkt  die  damals  Käratos, 
spater  Knossos  genannte  Stadt  bildete,  wurde  durch  die  dorisch- 
achäische  Einwanderung  ein  Ende  gemacht,  durch  welche  die  Insel 
hellenisirt  und  zwar,  in  Folge  des  Ueberwiegens  des  dorischen 
Elements  wenn  nicht  an  Zahl  so  doch  an  Bedeutung,  in  Sitten 
und  Sprache  dorisirt  wurde.  Dass  die  Niederlassung  dieser  Ein- 
wanderer nicht  auf  dem  Wege  gütlicher  Vereinbarung,  sondern 
durch  gewaltsame  Besitzergreifung  erfolgte,  ergiebt  sich  daraus, 
dass  in  der  historischen  Zeit  auf  Kreta,  ebenso  wie  in  Lakonien 
und  anderen  von  den  Doriern  eroberten  Landschaften,  der  herr- 
schenden Klasse,  den  allein  zur  Theilnahme  am  Staatsleben  be- 
rechtigten Bürgern,  abgesehen  von  den  in  den  Städten  gehaltenen, 
für  Geld  erkauften  Sclaven  {xQvöcSvr^tOL) ,  zwei  andere  Klassen 
gegenüberstanden:  eine  Klasse  persönlich  freier,  aber  pohtisch 
rechtloser  Unterthanen  {neQioLxoi  oder  vTtrjxooi)  und  eine  Klasse 
von  Hörigen  oder  Leibeigenen,  welche,  an  der  Scholle  haftend, 
die  ausgedehnten  Ländereien,  welche  theils  der  Gemeinde,  theils 
Privatleuten  gehörten,  gegen  schwere  Abgaben  an  die  Besitzer 
bebauten  (die  der  Gemeinde  gehörigen  ^votcc  oder  ^vcoLxat,  die 
Privatleuten  gehörigen  dcpa^icSxai  oder  ocXccQcorccL  genannt).^) 

Seit  der  dorischen  Eroberung  hat  Kreta  bis  zum  Verlust 
seiner  Selbständigkeit  niemals  wieder  einen  Einheitsstaat  gebildet, 
sondern  nur  ein  Aggregat  von  einzelnen,  selbständig  neben  einan- 
der stehenden  Stadtstaaten,  welche  ihr  eigenes  Gebiet,  ihre  eigenen 
Beamten,  ja  sogar  ihren  eigenen  Kalender  besassen,  ihre  eigenen 
Münzen  prägten,  unter  einander  und  mit  dem  Auslande  Krieg 
führten  und  Verträge  abschlössen.  Allerdings  übten  die  beiden 
mächtigsten  dieser  städtischen  Gemeinwesen,  Knossos  und  Gortyn, 
wenn  sie  einträchtig  zusammenstanden,  factisch ,  eine  Art  Ober- 
herrschaft über  die  ganze  Insel   aus  und  ihrem  Einfluss  ist  wohl 


Küste  von  Megaris  (Bd.  I,  S.  378)  und  vor  der  Ostküste  Lakoniens  (oben 
S.  138),  sowie  an  die  Sagen  vom  Kriegszuge  des  Minos  gegen  Athen  und 
Megara  (Apollod.  III,  15,  8  u.  a.). 

^)  Vgl.  Hock  Kreta  III,  S.  1  fF.  Die  bei  den  Alten  überwiegende 
Anschauung,  dass  die  lakonischen  Staatseinrichtungen  von  Kreta  herzu- 
leiten seien,  statt  umgekehrt,  ist  zuletzt  eingehend  bekämpft  worden  von 
C.  Trieber  Forschungen  zur  spartanischen  Verfassungsgeschichte  (Berlin 
1871)  S.  81  ff.  lieber  den  kretischen  Dialect  vgl.  Böckh  C.  I.  gr.  Vol.  II, 
p.  401  SS.;  G.  Hey  De  dialecto  Cretica,  Dessau  1869;  H.  Heibig  Quae- 
stiones  de  dialecto  Cretica,  Naumburg  1869. 


2.   Die  ostgriecliischen  Inseln:  Kreta.  537 

die  Einsetzung  eines  gemeinsamen  GericlilshoFes  (der  freilicli 
niclit  lange  bestanden  zu  haben  scheint)  sowie  das  gelegentliche 
gemeihsame  Auftreten  sämmilicher  kretischer  Staaten  nach  Aussen 
hin  zuzuschreiben;  allein  der  Versuch,  welchen  die  beiden  Städte 
im  Jahre  220  v.  Chr.  machten,  sich  mit  Hülfe  der  Aetoler  durch 
Waffengewalt  die  ganze  Insel  zu  unterwerfen,  scheiterte  an  dem 
energischen  Widerstände  einiger  Slädte  besonders  des  westlichen 
Kreta,  welche  ihrerseits  die  Achäer  und  den  König  Philipp  V. 
von  Makedonien  zu  Hülfe  riefen  und  dadurch  dem  letzteren  eine 
erwünschte  Gelegenheit  boten,  sich  in  die  inneren  Angelegenhei- 
ten der  Insel  einzumischen.^)  Diesen  fortwahrenden  Fehden  der 
kretischen  Städte  unter  einander,  welche  die  Kreter  nölhigten, 
sich  von  dem  Eingreifen  in  die  gemeinsame  hellenische  Politik 
fern  zu  halten  und  auf  die  Rolle  von  theilnahmlosen  Zuschauern 
oder  von  Mieihsoldaten  (als  solche  waren  besonders  die  kretischen 
Bogenschützen  und  Schleuderer  beliebt)  zu  beschränken  und 
welche  in  Verbindung  mit  dem  stark  entwickelten  Handelsgeiste, 
welcher  den  Kretern  wohl  zum  Theil  als  Erbstück  ihrer  semiti- 
schen Vorfahren  eigen  war,  sowie  mit  der  aus  einer  wohlgemein- 
ten Erziehungsmassregel  zur  schmählichen  Unsitte  ausgearteten 
Knabenliebe  auch  auf  ihren  Volkscharakler  ein  schlimmes  Licht 
•warfen  und  sie  bei  den  übrigen  Griechen  in  den  Ruf  der  Treu- 
losigkeit und  Lügenhaftigkeit  brachten,  wurde  erst  durch  die 
römische   Herrschaft   ein   Ende   gemacht.  2)     Es   war   0-  Caecilius 


')  Uebergewicht  von  Knossos  und  Gortyn  Strab.  X,  p.  478.  Kotvo- 
8Cv.iov  C.  I.  gr.  n.  2556,  Z.  58.  Gemeinsame  Gesandtschaft  der  Kreter 
nach  Delphi  zur  Zeit  des  zweiten  Perser krieges  Herod.  VlI,  169;  Ge- 
sandtschaft der  Rhodier  nqog  nccvrag  KgrjrcciSLg  nccl  xar  IdCav  Ttgog 
xccg  TcolEig  im  Jahre  169  v.  Chr.  Polyb.  XXIX,  4.  Versuch  von  Knos- 
sos und  Gortyn,  die  übrigen  htädte  zu  unterwerfen:  Polyb.  IV,  63  f. 
Vgl.  Hock  Kreta  III,  S.  442  flf.  und  S.  464  ff. 

^)  Kretische  Söldner  bei  der  athenischen  Expedition  gegen  Sicilien 
Thuk.  VII,  57;  später  sehr  häufig  erwähnt.  Bogenschützen  und  Schleu- 
derer: Liv.  XXXVII,  41 ;  XXXVIII,  21 ;  XLIl,  35.  Die  Kreter  von  leich- 
tem, zum  Springen  geschickten  Körperbau:  Aelian.  De  anim.  III,  2.  Von 
dem  Charakter  der  Kreter  entwirft  besonders  Polybios  ein  sehr  schlim- 
mes Bild:  vgl.  IV,  8;  VI,  46  u  ö.,  dazu  Diodor.  XXXVIf,  fr.  23  Bekk.; 
Cornel.  Nep.  Hannib.  9;  Plut.  Philopoem.  13;  den  N'ers  KQTJrsg  asl  tpev- 
ütai  Cnllimach.  H.  in  lov,  8;  Pauli  Epist.  ad  Tit.  I,  12;  die  sprüch- 
wörtlichen Ausdrücke  yiQrjti^etv  ^Zenob.  Prov.  IV,  62),  o  Kgrjg  xov  Kq^tu 

BÜB8IAN,  GEOOR.    II.  36 


630  in.    t>ie  tnselwelt. 

Mt'li;lhis,  nach  seinem  Siege  Crelicus  genannt,  welcher  die  mit 
den  kilikischen  Seeräuhern  verhündete  Insel  nach  mehr  als  zwei- 
jährigem Kampfe  im  Jahre  6G  v.  Chr.  den  Hörnern  vollständig 
unterwarf,  die  nun  mit  Kyrene  vereinigt  zu  einer  römischen 
Provinz  gemacht  wurde.  ^)  Seitdem  waren  die  kretischen  Städte 
zu  einem  Bunde  (xotvov  rcSv  Kqtjtcov)  vereinigt,  in  dessen  Na- 
men Münzen  geprägt  und  ein  pentaeterischer  Agon  gefeiert  wurden.^) 
Kaiser  Konstantin  trennte  die  Insel  von  Kyrene  und  constituirte 
sie  als  hesondere  Eparchie,  welche  von  einem  unter  den  Befeh- 
len des  Präfecten  von  Illyricum  stehenden  Consular  verwaltet 
wurde  und  mit  Einschluss  der  Insel  Klaudos  22  Städte  enthielt, 
unter  welchen  Gortyn  den  ersten  Rang  einnahm.  '^)  Im  Jahre 
823  selzten  sich  die  Sarazenen  auf  Kreta  fest  und  behaupteten 
sich  bis  zum  Jahre  961,  wo  die  Insel  durch  Nikephoros  Phokas 
für  das  byzantinische  Beich  wieder  erobert  wurde.'*)  Bei  der 
Theilung  dieses  Beiches  unter  die  Abendländer  wurde  sie  vom 
Markgrafen  Bonifazio  von  Montferrat,  welchem  Alexios,  der  Sohn 
des  Kaisers  Isaak,  sie  gi^schenkt  hatte,  durch  einen  Vertrag  vom 
12.  August  1204  im  Austausch  gegen  andere  Besitzungen  der 
Bepul)lik  Venedig  überlassen.^)  Diese  behauptete  den  für  ihre 
Machtstellung  im  Orient  wie  für  ihren  Handel  äusserst  wichtigen 
Besitz  des  ^regno  di  Candia '  bis  zum  18.  September  1669,  wo 
sie  sich  genötbigt  sah,  nach  hartnäckigem,  aber  vergeblichem 
Widerstände  die  IIau|)tstadt  Kandia  und  mit  ihr  die  ganze  Insel 
mit  Ausnahme  der  drei  Häfen  von  Grabusa,  Spina  Longa  und  la 
Suda,  welche  noch  ungefähr  30  Jahre  hindurch  in  ihrem  Besitze 
blieben,  an  die  Türken  abzutreten.  Nur  die  tapferen,  aber  räu- 
berischen Bergbewohner  der  südwestlichen  Begion,  der  Höhen 
und  südlichen  Abhänge  der  'weissen  Berge',  die  sogenannten 
Sphakianer,   die  ihren  nationalen  Charakter  am  reinsten  erhalten 


(Diogenian.  Prov.  VII,  31),  Kgrig  TCQog  AlyLvr]rriv  (ibid.  V,  92).     Ueber 
die  Knabenliebe  s.  Hock  Bd.  III,  S.  106  flf. 

»)   Strab.  XVII,  p.  837  und  84Ö;    C.  I.  gr.   n.  2588;   2591;   über   die 
Geschichte  der  Unterwerfung  s.  Hock  Bd.  III,  S.  483  ff. 

2)  Eckhel  Doct.  n.  v.  T,  2,   p.  300  s.;   C.  I.   gr.   n.  2583;   2595  —  97; 
2561«=  (Vol.  II,  p.  1104). 

3)  Zosim.  II,  33;    Hieroel.  Synecd.  p.  13  s.   ed.  Parthey;    vgl,  Böckh 
ad  C.  I.  gr.  n.  2592. 

4)  Leon.  Diac.  Hist.or.  I,  2  ~  II,  8. 

^)  S.  Tafel  und  Thomas  Urkunden  I,  S    512  ff.,  vgl.  III,  p.  68. 


'2.  t)ie  ostgriecliisciien  Inseln:  Kreta.  5.^9 

haben  und  auch  von  der  venezianischen  Regierung,  welche  im 
Allgemeinen  die  griecliische  Bevölkerung  aufs  Schmählichste  aus- 
beutete und  unterdrückte,  immer  mit  besonderer  Rucksicht  be- 
handelt worden  waren,  bewahrten  noch  ein  Jahrhundert  ihre  Un- 
abhängigkeit, die  erst  im  Jahre  1770  der  durch  die  Verrälherei 
ihrer  eigenen  Stammgenossen  unterstützten  türkischen  Gewalt- 
herrschaft in  soweit  zum  Opfer  fiel,  dass  sie  sich  zur  Zahlung 
eines  jährlichen  Tributs  an  den  Sultan  bequemen  mussten. ')  In 
Folge  der  Eroberung  nahmen  eine  Anzahl  der  griechischen  Be- 
wohner, besonders  der  Städte,  theils  gezwungen,  theils  um  ma- 
terieller Vortheile  willen  den  Islam  an,  auch  wanderten  mit  der 
Zeit  einige  türkische  Familien  ein, »so  dass  sich  allmälig  ein  nicht 
unbeträchtliches  türkisches  Element  der  Bevölkerung  bildete,  das 
jetzt  etwa  ein  Drittheii  der  Gesammtbevölkerung  beträgt;  doch 
spricht  die  Mehrzahl  dieser  hauptsäclilich  in  den  Städten  oder 
als  Grossgrundbesitzer  auf  dem  Lande  sesshaften  Türken  das 
Griechische  als  ihre  Muttersprache.  Beim  Ausbruch  des  griechi- 
schen Befreiungskrieges  im  Jahre  1821  erhob  sich  auch  die 
griechische  Bevölkerung  zum  Kampfe  gegen  die  türkische  Herr- 
schaft, der  hier  in  Folge  des  Zusammenwohnens  der  Griechen 
und  Türken  mehr  noch  als  anderwärts  den  Charakter  eines  Bacen- 
kampfes  annahm  nnd  alle  Greuel  eines  solchen  zur  Erscheinung 
brachte.  Der  Erfolg  war  Anfangs  den  Griechen  günstig;  als  aber 
Mehemet  Ali  von  Aegypten  im  Juni  1822  5000  Mann  albanesi- 
scher  Truppen  nach  Kreta  gesandt  hatte,  gelang  es  diesen  binnen 
zwei  Jahren  die  unter  sich  uneinigen,  von  aussen  nicht  genügend 
unterstützten  Aufständischen  bis  auf  einige  kleine  Guerillabanden, 
die  sich  in  den  unzugänglichen  Gebirgen  behaupteten,  auseinander 
zu  sprengen  oder  zu  vernichten.  Vergeblich  versuchten  die  Grie- 
chen in  den  Jahren  1827  und  1828  die  fast  erloschene  Flamme 
des  Widerstandes  aufs  Neue  anzufachen:  das  Londoner  Protokoll 
vom  3.  Februar  1830  trennte  das  Schicksal  Kreta's  ebenso  wie 
das  der  ionischen  Inseln  und  der  Landschaften  Epirus  und  Thes- 
salien von  dem  des  übrigen  Hellas  und  lieferte  die  Insel  dem 
Sultan  aus,  der  sie  dem  Mehemet  Ali  als  Lohn  für  die  im  Kampfe 


')  Vgl.  über  (liü  »Splmkiiiner  Sieber  Reifte  I,  8.  453  flf.;  Pashley  Tra- 
vcIm  IT,  p.  191  8S  ;  245  S8. ;    H.  Stthinidt  Dum  Volksleben  der  Netigriechen 

nii'l    iIms   lM•ll••lli'^-(■b•'    AlliMtliiiiii,   S     10   inxl    tl 


M' 


540  Hl.    Die  Inselwelt. 

gegen  die  Grieclien  geleisteten  Dienst«;  iiberliess.  Dieser  wurde 
im  Jalire  1840  durch  die  sogenannte  Tripleallianz  genotliigt,  sie 
den)  Sultan  zurückzugeben.  Sclion  im  Jaiire  1858  konnte  die 
türkische  Regierung  einem  (h'ohenden  Aufstände  der  griecliischen 
Bevölkerung  nur  durcli  die  Ahl)erufung  des  Gouverneurs  Veli- 
Püscha  und  durch  Versprechung  wesentliclier  Heformen,  beson- 
ders im  Steüerwesen ,  zuvorkommen;  aber  dieso  Reformen  blie- 
ben, wie  so  oft  in  der  Türkei,  ein  todter  Biiciislabe,  ja  der  Steuer- 
druck wurde  ärger  als  vorher.  Da  Beschwerden  darüber  bei  der 
türkischen  Regierung  nichts  fruchteten,  erklärte  eine  National- 
versammlung der  Griechen  Kreta's  im  Mai  1866  den  Anschluss 
der  Insel  an  das  Königreich  Hellas;  die  ganze  griechische  Bevöl- 
kerung griff  zu  den  Waffen  und  es  entbrannte  ein  Kampf,  der 
an  Heftigkeit  und  Wildheit  dem  in  den  Jahren  1821 — 24  geführ- 
ten nicht  nachstand  und  ebenso  unglücklich  für  die  Griechen 
endete  wie  jener:  von  der  Regierung  und  der  Bevölkerung  des 
Königreichs  Griechenland  in  Folge  der  diplomatischen  Pression 
der  europäischen  Cabinete  nur  schwach  unterstützt  und  endli(  b 
ganz  im  Stiche  gelassen,  mussten  die  Aufständischen  der  türkischen 
IJebermacht  erliegen;  die  durch  den  Aufstand  verwüstete  und 
entvölkerte  Insel  bildet  nach  wie  vor  ein  türkisches  Ejalet,  wel- 
ches in  die  drei  Paschaliks  Kandia,  Rethimo  und  Kanea  zerfällt. ') 
Der  mächtige  Gebirgsstock  der  ^weissen  Berge',  welcher  mit 
seinen  westlichen  Fortsetzungen  (vgl.  oben  S.  532)  gleichsam  das 
Rückgrat  des  westlichen  Theiles  der  Insel  bildet,  fällt  gegen  Nor- 
tlen  in  zwei  grossen  terrassenartigen  Stufen  ab,  auf  denen  meh- 
rere Dörfer  liegen  und  zahlreiche  Räche  entspringen.  Vor  der 
nördlicheren  Stufe  läuft,  durch  ein  Hochtbal  von  ihr  getrennt, 
ein  ungefähr  2000  Fuss  über  die  Küstenebene  sich  erhebender 
ßergzug  hin,  jetzt  Malaxa  genannt,  der  Berekynthos  der  Alten.  ^) 
Am  nördlichen  Fusse  desselben  zieht  sich  eine  von  Wesl  nach 
Ost  etwa  IY2  Meilen  lange,  grösslentheiis  mit  Oliven  bewachsene 
Ebene  hin,  an  deren  Nordseite  unmittelbar  an  der  Küste  das 
jetzt   als   Hauptstadt   der  ganzen  Insel   geltende  Städtchen  Chania 


*)  Vgl.  über  die  Geschichte  der  Kreter  unter  der  türkischen  Herrschaft 
Perrot  L'ile  de  Crete  p.  135—276;  Mendelssohn-Bartholdy  in  den  Heidel- 
berger Jahrbüchern  der  Litteratur  1868,  N.  11  und   12,  S.  ICl  — 185. 

•2)  Diod.  V,  64;.vgl.  Pashley  I,  p.  57s. 


2.  Die  ostgriechischen  Inseln:  Kreta.  541 

(oder  Kanea)  liegt.  Dasselbe  nimmt,  obgleich  es  keine  alten 
Reste  mehr  aufzuweisen  hat,  doch  unzweifelhaft  die  Stelle  des 
alten  Kydonia  ein,  einer  als  Hafenplatz  bedeutenden  Stadt,  deren 
erste  Gründung  die  Tradition  dem  Minos  (oder  dessen  Enkel  Ky- 
don)  zuschrieb,  die  aber  in  historischer  Zeit  von  den  Samiern 
neu  begründet  und  sechs  Jahre  nach  dieser  Neugründung  von 
den  Aegincten  in  Besitz  genommen  worden  war.  Im  Jahre  429 
V.  Chr.  sandten  die  Athener  auf  Anstiften  der  Bewohner  von  Po- 
lichna,  einer  Nachbarin  Kydonia's,  20  SchifTe  ab,  welche  im  Ge- 
biete von  Kydonia  landeten,  aber  nach  Verheerung  des  Landes 
ohne  weiteren  Erfolg  wieder  abzogen.  Sowohl  in  den  inneren 
Kämpfen  der  kretischen  Städte  unter  einander,  als  bei  dem  Wi- 
derstände, welche  die  Insel  dem  Metellus  leistete,  spielte  Kydonia 
eine  nicht  unbedeutende  Rolle. 

Sein  Gebiet  erstreckte  sich  beträchtlich  weit  gegen  Westen, 
denn  es  gehörte  dazu  noch  das  auf  dem  Berge  Tityros,  dem 
in  einer  Länge  von  fast  drei  Meilen  von  der  Küste  gegen  Norden 
vorspringenden,  im  Cap  Spada,  dem  Psakon  der  Alten,  enden 
den  Felsrücken  ,  welcher  die  Bucht  von  Chania  im  Westen  be- 
gränzt,  gelegene  Heiligthum  der  Diktynna  (Diktynnäon),  von 
welchem  noch  einige  Marmortrümmer  auf  einem  kleinen  Plateau 
südöstlich  von  der  Nordspitze  des  Caps  oberhalb  einer  schmalen 
Bucht  erhalten  sind.  Es  gehörte  also  den  Kydoniaten  das  ganze 
die  weite  Bucht  von  Chania  im  Süden  und  im  Westen  begrän- 
zende  Küstenland  und  ohne  Zweifel  auch  die  kleine,  ungefähr  in 
der  Mitte  der  Bucht  nahe  der  Küste  gelegene  jetzt  unbewohnte, 
aber  in  der  Zeit  der  venezianischen  Herrschaft  befestigte  Insel 
Hagios  Theodoros  (von  den  Alten  Koite  oder  Akoition  genannt), 
welche  einen  guten  Ankerplatz  für  Schiffe  darbietet.^)    Der  frucht- 


«)  Marm.  Par.  Z.  11;  Diod.  V,  78;  Paus.  VIII,  68,  4;  Herod.  III, 
41  und  59;  Paus.  X,  2,  7;  Thukyd.  II,  85;  Polyb.  IV,  55;  XXIII,  15; 
XXVII,  16;  XXVIII,  13;  C.  I.  gr.  n.  3055;  Liv.  XXXVII,  60;  Appian. 
öicul.  6;  Cass.  Dio  XXXVI,  2;  LI,  2;  Flor.  Epit.  I,  41  (wo  'urbiwuviu- 
frem  Cydoneam^)\  Sc}!.  Peripl.  47  (wo  der  Xifiijv  xAfttfto'ff  erwähnt);  ^^trah. 
X,  p.  479;  Stadiasm.  mar.  m.  §  310  ss.;  Ptol.  III,  17,  8.  Der  Beiname 
der  Athena  Kydonia,  unter  welchem  diese  im  eleiscben  Phrixn  verehrt 
wurde  (Paus.  VI,  21,  6),  läswt  auf  Cult  der  Athena,  deren  Kopf  auch  auf 
Münzen  von  Kydonia  erscheint  (vgl.  Eckliel  D.  n.  I,  2,  p.  310),  schlieasen. 
-   Vgl.  Paahley  I,  p.   12  si.;   Sprutt  II.   p.   137  8h.  und   196  .ss. 


542  lll.  Die  Inselwelt. 


barste  Tlieil  dieses  ansgedehiilen  Gebietes  ist  das  imr  dmxb  nie- 
drige Hügel  von  der  Ebene  von  Cbania  getrennte  breite  Tbal, 
welcbes  der  ans  den  liefen  Sclilucbten  westlicii  von  den  böcbslen 
lüippeii  der  weissen  Berge  berabkoniniende  Eluss  lardanos 
(jetzt  nach  den  seine  Ufer  beschattenden  Platanen  IMalanos  oder 
Plalanios  genannt),  der  bedeutendste  des  westUchen  Kreta,  in 
seinen»  unteren  Laufe  durchströmt.  In  diesem  Thale,  wahrschein- 
lich auf  einem  Hügel  der  Westseile  desselben  oberhalb  des  Dörf- 
chens Vryses  (sechs  bis  sieben  englische  Meilen  westlich  von  Cha- 
nia,  zwei  englische  Meilen  von  der  Küsle),  der  noch  Spuren  hel- 
lenischer sowohl  als  mitlelallerlicher  Mauern  trägt,  lag  eine  alte 
Orlschaft  Pergamon,  welche  ursprünglich  selbständig  den  west- 
licheren Theil  des  Gebietes  der  Kydonialen  besessen  zu  haben, 
aller  frühzeitig  von  diesen  ihrem  Gebiete  einverleibt  worden  zu 
sein  scheint.  In  diesem  pcrgamischen  District  zeigte  man  an  der 
Landstrasse  das  angebliche  Grab  des  Lykurgos. ')  Der  mittlere 
und  obere  Lauf  des  lardanos  gehörte  wahrscheinlich  zum  Gebiete 
von  Polichna,  der  südlichen  Nachbarin  von  Kydonia,  deren 
Lage  ebenso  wenig  als  die  Ausdehnung  ihres  Gebiets  mit  Sicher- 
heit zu  bestimmen  isl.^) 

Die  öslliche  Flanke  der  Bucht  von  Chania  deckt  eine  mit 
breiler  Stirne  gegen  Nordosten  halbinselförmig  ins  Meer  vortre- 
tende Bergmasse,  welche  durch  einen  1  —  V/^  Stunde  breiten 
Isthmos  östlich  von  Chania  mit  der  Nordküste  der  Insel  zusam- 
menhängt. Oestlich  von  diesem  Isthmos  zieht  sich  zwischen  der 
Südküste  der  von  den  Alten  Kyamon,  heutzutage  Akrotiri  (d.  i. 
ccKQOTYiQLOV  'Vorgebirge')  genaniilen  Halbinsel  und  der  Nordküste 
der  Insel  eine  tiefe,  sehr  wohl  geschützte  Bucht  (jetzt  Golf  von 
Suda  genannt)  hin,  an  deren  nordöstlichem  Eingange,  hart  an  der 
Südoslküste  der  Halbinsel,  drei  kleine  Inselchen,  die  'weissen 
Inseln'  (Leukä)  der  Alten,  liegen;  gegen  Südosten  wird  sie  durch 
das   von   der   Nordküsle   Kreta's   vorspringende    Cap   Drepanon 


*)  Fluss  'iccgdccvog  Od.  y,  292;  Paus.  VI,  21,  6.  UsQyaiiov  und  Fleg- 
yanict  Scyl.  Per.  47;  Plat.  Lycurg.  31;  Plin.  IV,  12,  69;  Serv.  ad  Verg. 
Aen.  III,  133.  Die  Ruinen  bei  V^ryses  (d.  i.  BqvosiQj  Quellen)  erwähnt 
Spratt  II,  p.  140,  der  sie,  gewiss  mit  Unrecht,  auf  ein  älteres  (homerp 
sches)  Kydonia  bezieht. 

«)  Ilerod.  VII,  170;  Thuk.  II,  85;  Steph.  Byz.  u.  TLoXCxva. 


2.   Die  ostgriechischen  Inseln:  Kreta.  543 

abgeschlossen. ')  Sowohl  die  wegen  ihrer  leisigen  Beschaflenheit 
wenig  angebaute  Halbinsel  als  auch  die  zum  grössten  Theile  sehr 
iruchlbare,  von  einem  durch  Vereinigung  mehrerer  kleiner  Bäche 
gebildeten  bedeutenderen  Flusse  (wahrscheinlich  dem  Pyknos 
der  Alten)  2)  durchflossene  Küslenstrecke  im  Süden  der  Bucht 
(der  jetzige  Dislrict  von  Apokorona)  gehörten  im  Alterthum  zum 
Gebiet  von  Aptara  oder  Aptera,  einer  Stadt,  deren  Namen 
die  Sage  von  einem  Streit  zwischen  den  Musen  und  Seirenen 
herleitete,  in  welchem  die  letzteren  unterlagen  und  deshalb  sich 
vor  Verdruss  die  Flügel  ausrissen;  als  Schauplatz  des  Streites 
bezeichnete  man  ein  zwischen  der  Stadt  und  der  Meeresküste 
gelegenes  Ileiligthum  der  Musen  (Museion).  Von  der  Stadt  selbst 
sind  noch  ausgedehnte,  jetzt  Palnokaslro  genannte  Ruinen  erhal- 
ten auf  einem  steilen  Hügel  in  geringer  Entfernung  von  der 
Küste.  Innerhalb  der  theils  aus  grossen  polygonen,  theils  aus 
länglich-viereckten  Werkstücken  erbauten  Ringmauern,  die  man 
noch  in  ihrer  ganzen  Ausdehnung  verfolgen  kann,  findet  man  die 
Grundmauern  mehrerer  grosser  Gebäude  (eins  derselben,  dessen 
Mauern  zahlreiche  Inschriften  enthalten,  gerade  im  Mittelpunkt  der 
Stadt  gelegen,  scheint  das  Prytaneion  gewesen  zu  sein),  die  Reste 
mehrerer  Tempel  (einer  derselben  war  laut  einer  VVeihinschrift 
der  Eleuthyia,  d.  i.  Fileilhyia,  geweiht),  mehrere  grosse  über- 
wölbte (Zisternen,  endlich  im  südlichsten  Theile  der  Stadt  ein 
kleines,  ziemlich  wohl  erhaltenes  Theater.^) 


*)  Kvafiov  ayiQOV  Ptol,  III,  17,  8.  Äevyicct  Stadiasm.  m.  m.  §  344; 
Steph.  Byz.  u.  'Amsgcc;  auf  dieselben  bezieht  sich  jedenfalls  die  Angabe 
des  Plinius  IV,  12,  61  'contra  Cydoniam  Leuce  (dies  ist  wohl  die  nord- 
östlichere, jetzt  Paläa-Suda  genannte)  et  duae  Budrooe',  obwohl  der  Zu- 
satz 'dextra  Cretam  habcnti '  nicht  sowohl  auf  diese  Inseln,  als  auf  die 
Insel  Hagios  Theodoros  (Akoition),  welche  Plinius  übergangen  zu  haben 
scheint,  passt.     ^gtnavnv  cc-kqov  (noch  jetzt  ^ganavo)   Ptol.  III,  17,  7. 

»)  Ptol.  III,  17,  8.  Kiepert  (Neuer  Atlas  von  Hellas  Bl.  VIII)  giebt 
den  Namen  dem  westlich  von  Kydonia  mündenden  Flusse,  was  mir  we- 
gen der  Ansetziing  bei  Ptol.  weniger  wahrscheinlich  ist.  —  Den  moder- 
nen Namen  *Anoyi6g(ova  hält  Pashley  I,  p.  62  8.,  schwerlich  mit  Recht, 
für  eine  Corruptel  von  'innoriogaviov,  was  Strabon  (X,  p.  472)  beiläufig 
olinc  njihere  Ortsangabc  als  Name  einer  Ortschaft  in  Kreta  anführt,  und 
setzt  dieses  bei  Ilagio.s  M;lmas,  auf  einem  Hügel  ungefähr  zwei  englische 
Meilen  westlich  von  Noochorio,  wo  alte  Werkstücke  und  Marmorfrag- 
niente  erhalten  sein  sollen,  an. 

')  Steph.  Byz,  u.  "Amega  (die  Rlüuztu  haI>on  durchaus  die  Legende 


544  III.   Die  Inselwelt. 

Der  ri;«ronnrt  der  Aptarärr.  Miiion,  la<r  an  der  entgogen- 
ge^^elzlen  Srile  diM*  f}«i(  lit  von  Suda,  an  der  Sndkiiste  der  Halb- 
insel Akroliri  unleihall»  des  hör!(  liens  Slernäs,  wo  noch  Reste 
der  niii^inanrr  inid  eines  nnnlen  TInunies  erhalten  sind;  der 
kleine.  v(ui  Nainr  last  «,'anz  gi'schiossene  Malen  ist  hmtzulage  in 
Fol«,M'  der  brlrächllji  hen  Krhehnng  der  Kii>te,  welche  im  ganzen 
v^eslli^ln•n  Krria  seit  den  Zeih'n  des  Alterthnms  staltgelunden 
hat,  nur  noch  Inr  kleine  IJoote  zugänglich.  Ausserdem  besassen 
die  Aptaraer  noch  «'inen  z\\eilen  llHlenplalz,  Kisamos,  der  an 
i]vr  Slidseile  der  ßutlit,  südwestlich  vom  Cap  Drepanon  gelegen 
war.') 

Vom  Cap  Drepanon  an  nimmt  die  vielfacli  ausgezackte  Kü- 
stJ'ulinie  i\\\{'  eine  Strecke  von  uiigelähr  zwei  Meilen  die  Richtung 
nach  Süden,  lun  daiui  plötzlich  nach  Osten  untzuhiegen;  in  den 
so  eiil>lan<lenen  Winkel  (jetzt  na(  h  einen»  darnn  liegenden  Slädt- 
clicn  die  Bucht  von  Aruiyro  genaimt)  mundet  ein  aus  zwei 
IlaiipiarnuMi.  einem  von  Westen  und  einem  von  Süden  her  kom- 
menden, gi'bildeter  Fluss,  der  Amphimelas  (richtiger  wohl 
Aniphimales,  wie  auch  die  Biuht  von  den  Alten  genaiuit 
windi),  au  d»ssen  Mündung  eine  Ortschalt  Amphimalla  oder 
Atuphimallion  (xxahrscheinhch  nur  der  nördliche  (lafenplatz 
von    Lappa)   lag. ^}      Ein    ähnlichi-r   Küstenpialz    war    das    etwa 


'jntaQKi'oov ,  \yie  die  Stadt  auch  in  den  Inschriften  cc  ta>v  *AnraQctC(ov 
TTüil'g  h<  isst  ;  vgl.  Scyl.  Per.  47;  fc^trab.  X,  p.  479;  Dionys.  Calliph. 
Descr  Gr.  v.  122;  Pau^.  X,  5.  10;  Stadiasm.  m.  m.  §  341;  Ptol.  III,  17, 
10;  i  lin.  IV,  12,  59;  HierocI.  Synecd.  p.  14  ed  Parthey;  Geogr.  Ravenn. 
V.  21  (p.  :-i97  ed.  Finder  et  Parthey).  lieber  die"  Ruinen  s.  Pashley  I, 
p.  36  SS.  (v^l.  Vol.  IL  p.  1);  xMuseura  of  class.  ant.  II,  p.  296  (mit  Plan); 
C.  Wes  her  in  der  Revue  arche'olog.  n  s.  X,  p.  75  ss.  und  in  den  Archi- 
ves  des  niissions  scientifiques,  IP  serie,  t.  I,  p.  439  ss. 

M  MlvcÖcc  Ptol.  III,  17,  7;  vgl.  Stadiasm.  m.  m  §  344  8.;  Plin.  IV, 
12,  59;  dazu  Spratt  II,  p.  130  s.  Kioaaog  wird  ausdrücklich  als  iuL- 
vBiov  'Amtgccc  aufgefühit  von  >tral>.  X,  p.  479;  damit  stimmt,  dass  auf 
der  Pentingersciien  Tai'l  zwei  Städte  dieses  Namen-*  ange^^etzt  sind,  eine 
8  Milien  östlich  von  Kydonia,  die  andere  32  Milien  westlich  von  dieser 
Stadt    vj;l.   I'ashley  I,  p.  55. 

2;  1  ionys.  Call  ph.  l'escr.  Gr.  v.  128  (wo  für  ^AiKpi^slav  wohl '^|Lt- 
cpiuaXri  ZM  l  sen;  vgl.  'Aacpiualr}?  v,6lnos;  I'tol.  III,  17,  7\  AiicpL^ccXlcc 
strab.  X,  p.  47'>,  \gl.  stej)h.  lyz,  u.  'Aaq)i(iceJiiov;  Plin  IV,  12,59.  Auf 
den  el!)en  Fluss  und  die-elbe  Ortschaft  ist  jedenalls  zu  beziehen  die  An- 


2,    Die  ostgriechischen  Inseln:  Kreta.  545 

fünf  Stunden   weiter  östlich   gelegene  Hydramos  oder  Hydra- 
mia.  ^) 

Ungefähr  eine  Stunde  südlich  von  Amphimalla  liegt  zwischen 
den  nöidlirhen  Vorhergen  des  östlichsten  Tiieiles  der  Kette  der 
weissen  Berge  der  jetzt  Kurnas  genannte  einzige  Landsee  Kreta's, 
der  ungefähr  eine  haihe  Stunde  lang,  von  beträchtlicher  Tiefe 
und  mit  krystallhelleui ,  frischem  Wasser  gefiilit  ist;  die  Alten 
nannten  ihn  Koresia  nach  einem  jedenfalls  in  der  Nähe  ge- 
legen Orte  Korion,  welcher  einen  Tempel  der  Aihena  Koresia 
hesass.^)  Der  See  gehöi'le  ebenso  wie  die  Küstenplätze  Ainphi- 
mnlla  und  Hydramia  zum  Gebiete  von  Lappa  (auch  Lanjpe  ge- 
schrieben), der  ösllirhsien  Stadt  des  vvestlirhen  Kreta,  welches 
die  ganze  hier  allenlings  nicht  sehr  beträchtliche  (nur  2V2  Mei- 
len beiragende)  Breite  i\{)v  Insel  einnahm  und  an  i\er  Nordküste 
sich  walirsf  heinlich  vom  Gap  Drepanon  bis  zu  dem  jetzt  Korakas 
(oder  auch  Kakonoros)  genannten  Küstenvorsprunge,  an  der  Süd- 
küste vom  Vorgebirge  Psychion  (der  Südspitze  des  Kedrios- 
gebirges,  jetzt  Melissa)  bis  zum  Vorgebirge  Hermäa  (denn  der 
östlich  von  diesem  gelegene  Hafenort  l*hoHiix  wird  ausdrücklich 
als  den  Lappäern  gehöiig  bezeugt)  erstreckte.  Die  Stadt  Lappa, 
deren  Gründung  die  Sage  auf  Agamemnon  zurückführte,  während 
der  Name  von  einem  gewissen  i^anipos  aus  Tarrha  hergeleitet 
wurde,  lag  etwas  über  eine  Meile  südwärts  von  der  Nordküste, 
also  nahezu  in  der  Mitte  der  Breite  der  Insel,  auf  einem  an- 
sehnlichen Hügel  zwischen  zwei  von  dem  bis  zur  Höhe  von 
1325  Meter  aufsteigenden  östlichsten  Theile  der  Kette  der  weissen 
Berge  gegen  Norden  fliessenden  Bächen,  deren  einer  im  Alter- 
thum  den  Namen  Messapios  fühlte,    bei  der  jetzigen  Ortschaft 


gäbe  im  Stadiasm.  mar.  m.  §  345  von  einem  Flusse  'A(iipt(iccTQios  mit 
Winterhafen  und  Castell. 

•)  Stadiasm.  mar.  m.  §  .340;  Steph.  Hyz.  u.  'TÖQafxia.  Die  I'^ntfernungs- 
angal>e  zwisclu'n  AmphimMllon  (Ampliimatrion)  und  Hydramos  im  Stadiasm. 
{arddioi  q)  i~t  MlhrdiUH^H  unsicher,  da  die- er  §  des  stadiasm.  entscliieden 
lückenhaft  i.'^t;  doch  sehe  ich  Iteinen  Grund,  mit  Kiepert  Hydramos  zum 
Hafen  von  I'.leuthernä  zu  machen  und  sechs  Meilen  östlich  von  Amphi- 
malla anzusetzen,  wie  ich  andererseits  auch  Fa-hley's  (I,  p.  7.'i  s.)  nur 
auf  dem  tHuschenden  Anklang  der  Namen  beruhende  Ansetzung  von  Hy- 
dramos bei  dem  jetzigen  Dramia  für  unsicher  halte. 

»)  Steph.  Byz.  u.  Koqiov;  vgl.  Spratt  II,  p    120  8. 


546  III.    Die  Inselwelt. 

I*olis  (auch  Argyropolis  'Silhcisladl'  oder  spöUisdi  Ganliiropolis 
'KselsladC  ^«'iiaiinl) :  die  zi«'inluh  ausged«'lintefi  Ruinen  gehören 
zum  grösslen  Theile  der  römischen  Zeil  an,  was  sich  daraus  er- 
iilarl,  dass  die  von  MeleHus  in  Slurni  erobeiie  und  dabei  jeden- 
lalis  schwer  geschädigte  Stadt  von  Cäsar  wiech'r  hergestellt  wor- 
tlen  istJ)  Der  südliche  Theil  des  Gebiets  von  Lappa  wird  ganz 
von  den  südlichen  Abhängen  der  weissen  Berge  eingenommen. 
Diese  sind  im  östlicheren  Theile,  dem  jetzigen  Bezirke  Hagios 
Vasilis,  müder  und  mehrfach  von  fruchtbaren  Thälern  und  klei- 
nen Strandebenen  unlerbroclien,  während  der  westlichere  Theil, 
der  jetzige  Bezirk  Sphakia,  der  unwirthlichste  und  wildeste  Disirict 
von  ganz  Kreta,  ungefähr  dasselbe  was  die  Mani  für  Lakonien, 
Kakosuli  für  Epirus  ist.  Tief  eingeschnittene,  düstere  Schluch- 
ten, in  welchen  kaum  für  Maulthiere  und  Fussgänger  gangbare 
[Made  an  Schwindel  erregenden  Abhängen  hinführen,  ziehen  sich 
zwischen  den  schroffen  und  steilen  Felsrücken  hin,  in  weichen 
die  Hauptmasse  der  weissen  Berge  nach  der  libyschen  See  zu 
abfällt.  Diese  ganze  Strecke  ist  fast  ohne  alle  antike  Reste:  nur 
aus  alten  Küstenbeschreibungen  kennen  wir  die  Namen  einiger 
Küstenpunkte,  deren  Bedeutung  sich  offenbar  nie  über  die  blosser 
Ankerplätze  fiH*  die  Handelsschifle  der  Lappäer  erhoben  hat.  Die 
östlichste  dieser  Oertlichkeiten  ist  das  schon  erwähnte,  wahr- 
scheinlich die  Südostgränze  des'  lappäischen  Gebietes  bildende 
Cap  Psych ion  oder  Psycheus,  bei  welchem  ein  nur  während 
der  Sommerzeit  brauchbarer  Hafen  sich  befand,  ^j  150  Stadien 
westlich  von  da,  also  an  der  halbmondförniigen  gegen  Südosten 
dmxh  ein  vortretendes  Felscap  geschützten,  aber  gegen  Südwesten 


*)  Scyl.  Per.  47  (wo  der  Fluss  Msaaniog  erwähnt  wird,  dessen  Name 
auch  bei  Dionys.  Call.  Descr.  Gr.  v,  128  mit  Meineke  für  MeüücctioXiv  herzu- 
stellen ist);  Strab.  X,  p,  475;  Steph.  Byz.  u.  Acciint];  Ptol.  III,  17,  10; 
Hierocl.  Syn.  p.  14  ed.  Parthey  {AdfinaL),  vgl.  Notit.  episc.  8,236  (ibid. 
p.  170)  und  9,  145  (ibid.  p.  186);  Theophr.  Hist.  pl.  II,  6,  9;  Polyb.  IV, 
53 — 55;  Cass.  Dio  XXXVI,  1  s.;  LI,  2.  Vgl.  über  die  Kuinen  besonders 
L.  Thenon  Revue  arche'ol.  n.  s.  XV,  p.  265  ss. :  die  daselbst  verötFent- 
lichten  Inschriften  (vgl.  C.  I.  gr.  n.  2584  und  n.  3056)  geben  ebenso  wie 
die  Münzen  durchgängig  die  Namensform  Accnnccioi.  Der  Bischof  der 
drei  Districte  Sphakia,  Hagios  Vasilis  und  Amari  führt  noch  jetzt  offi- 
ciell  den  Titel  6  Aafinrjg. 

')  Stadiasm.  m.  m.  §  325  s.;  Ptol.  III,  17,  4;  Steph,  Byz.  u. 
WvxLov. 


2.  Die  ostgriechischen  Inseln:  Kreta.  547 

offenen  Bucht  von  Plaka,  stand  ein  Hafenstadt  hen  Lanion.^) 
Zwischen  hciden  OerlUchkeiten  mündet  durch  ein  anmulhiges 
Thal  ein  Fhiss,  der  Massalias  der  Allen,  welcher  durch  zwei 
Bäche,  einen  vom  Kedrios,  einen  von  den  weissen  Bergen  her- 
kommenden, die  sich  am  oheren  Ende  des  Thaies  heim  jetzigen 
Kloster  von  Preveli  vereinigen,  gebildet  wird.^)  30  Stadien  wesl- 
lich  von  Lamon  lag  Apolionia  (oder  A|)oll  onias),  wahrschein- 
lich nach  einem  Heilig! hum  des  A|)ollon  genannt,^)  endlich  1(K) 
Stadien  westlich  von  da  der  Hafen  Phoinix,  auch  Phoinikus 
genannt,  der  jetzige  Hafen  Lutro,  der  einzige  an  der  Südkiiste 
der  Insel,  welcher  den  SchifTen  zu  jeder  Jahreszeit  eine  sichere 
Zufluchtstätte  gewährt.  2000  Fuss  über  dem  Hafen,  an  welcliem 
sich  noch  Fundamente  alter  Gebäude  und  Gräber  finden,  die  aber 
durchgehends  der  römischen  Zeit  anzugehören  scheinen,  erhebt 
sich  ein  steiles  Felsplaleau,  auf  welchem  jetzt  acht  kleine  Weiler 
liegen,  die  unter  dem  Gesammlnamen  Anopolis  zusammengefasst 
werden;  eine  felsige  Anhöhe  am  südlichen  Ende  dieses  Plateaus, 
bei  dem  Weiler  Biza,  trägt  die  üelierreste  der  Biugmauern  einer 
alten  Stadt,  die  ungefähr  eine  halbe  Stunde  im  Umfang  hatte. 
Gegen  W^eslen  fällt  das  Plateau  senkrecht  ab  nach  einer  mehrere 
100  Fuss  tiefen,  engen  Schlucht,  an  deren  Westseite  das  kleine 
Dorf  Aradena  liegt,  in  welchem  sich  ebenfalls  einige  Beste  aller 
Gebäude  und  Gräber  finden.  Der  Wame  des  Dorfes  ist  deutlich 
entstanden  aus  Ära  den,  mit  welchem  Namen  im  Allerthum  olTen- 
bar  die  auf  dem  Plateau  von  Anopolis  gelegene  Stadt  bezeichnet 
wurde,  die  man  wegen  ihrer  Lage  zu  dem  Hafenplatze  Phoinix 
auch  als  'Anopolis',  d.  i.  'Oberstadt'  bezeichnete:  beide,  die 
Oberstadt  (auf  welche  dann  auch  der  Name  des  Hafenplatzes 
Phoinix  übertragen  wurde)  sowie  der  llafenort  sind  ihrer  Namen 
wegen  als  Gründungen  phönikischer  SchifTer  zu  betrachten.  ^) 


')  Stadia.sm.  ni.  m.  §  :VJß. 

*>  Maaoalin  nnrrniov  l-n^n).ui  Ftol.  111,  17,  .'{;  vgl.  iilier  das  Thal 
von   Trcveli  Spratt  11,  p.  'JfiO  h. 

')  Stadiastn.  m.  m.  §  327  s 

*)  Stadiasm.  m.  m.  §  328;  Actu  apoHtol.  c  27,  Vl\  .Strah.  X,  p.  47ß; 
l'tol.  III,  17,  3  (wo  <PoiVi%ovg  Xt(iriv  nnd  fPoivi^  noXtg  unterschieden); 
Hteph.  Hyz.  u.  (poivinovs  und  'Agn/S/jv;  llicrocl.  Hynocd.  p.  It  cd.  Par- 
they (vgl.  Notit,  episr.  8,  230  ibid.  p.  17t»  und  9,  139  ihid.  p.  185).  Vgl. 
Wi^hU'.y   II,   p.    191;  241  «.;  2.00  g.;  Spratt  II,  p.   249  bb. 


548  III.    Die  Inselwelt. 

Das  Vorgebirge  Hermäa  (jetzt  Cap  Plaka)  bildete  die  Gränze 
zwischen  der  Lappäa  und  der  Tarrhäa,  dem  Gebiete  der  po- 
litisch ganz  unbedeutenden ,  nur  als  Sitz  des  Culles  des  Apollon 
Tarritäos  und  als  Heimath  des  Grammatikers  Lucillus  bekannten 
Stadt  Tarrha,  welche  etwas  über  drei  Stunden  westlich  vom 
Hafen  Phoinix  lag,  am  Ausgang  der  Schlucht  von  Rumeli,  der 
wildesten  und  grossarligsten  unttr  den  Schluchten  des  ganzen 
Districls  von  Sphakia,  die  sich  von  der  unmittelbar  westlich  von 
den  höchsten  Kuppen  der  weissen  Uerge  gelegenen,  ringsum  von 
natürlichen  Felswällen  umschlossenen  riochebene  von  Omalo,  aus 
welcher  das  Regen-  und  Schneewasser  nur  unterirdisch  durch 
eine  sogenannte  Katabothre  abfliessen  kann  (daher  die  während 
der  Sommermonate  mit  Hafer  bebaute  Ebene  im  Winter  einen 
grossen  See  bildet),  bis  zur  Südküste  hinabzieht.  ^)  Wahrschein- 
lich bildete  weder  Tarrha  noch  ihre  Nachbarin,  die  drei  Stunden 
weiter  westlich  am  Ausgange  der  Schlucht  von  Trypiti  gelegene 
Stadt  Poikilassos^),  eine  politisch  selbständige  Gemeinde,  son- 
dern beide  gehorten  wohl  zum  Gebiete  von  Elyros,  der  bedeu- 
tendsten Stadt  des  südwestlichsten  Kreta  (des  jetzigen  Districts 
von  Selinos),  von  welclier  noch  bei  dem  Dorfe  Rodovani,  etwas 
über  eine  Stunde  oberhalb  der  Küste,  über  dem  rechten  Ufer 
eines  nicht  unbedeutentlen  Baches  ausgedehnte,  aber  unschein- 
bare Ruinen  erhalten  sind.  An  der  Mündung  dieses  Baches  lag 
der  Hafenplatz  von  Elyros,  das  Städtchen  Syia,  dessen  Name 
noch  in  dem  eines  zerstörten  Dorfes  Suia  fortlebt,  unter  dessen 
Trümmern  aucfi  manche  antike  Reste  sich  finden;  der  alte  Ha- 
fen aber  ist  in  Folge  der  beträchtlichen  Erhebung  der  Küste, 
welche,  wie  schon  bemerkt,  seit  dem  Alterthum  stattgefunden  hat, 
völlig  verschwunden.  3) 


*)  Ptol.  III,  17,  3;  Stadiasm.  m.  m.  §  329;  Steph.  Byz.  u.  Tccgga; 
Theophr.  Hist.  pl.  II,  2,  2;  Paus.  X,  16,  5;  vgl.  Pashley  II,  p.  263  ss.; 
Spratt  II,  p.  247  ss. ;  über  die  Hochebene  von  Omalo  ebd.  p.  174  ss. 

')  IIoLKLlciöGog  Stadiasm.  m.  m.  §  330;  UoiyulccGLOv  Ptol.  III,  17,3; 
über  die  Lage  und  die  geringen  Ueberreste  der  Ortschaft  (darunter  eine 
Inschrift,  welche  die  Existenz  eines  Tempels  des  Serapis  daselbst  be- 
zeugt) Spratt  II,  p.  244  s. 

^)"ElvQog  Scyl.  47;  Paus.  X,  16,  5;  Steph.  Byz.  u/'EXvqos;  Hieroci. 
Synecd.  p.  14.  Zv'i'a  Steph.  Byz,  u.  d.  W.;  Zv(io(  Stadiasm.  m.  m.  §  3317 
Ueber  die  Ruinen  beider  Ortschaften  vgl.  Pashley  II,  p.  98  ss.;  Spratt 
II,  p.  240  SS.;  L.  Thenon  Revue  archäol.  n.  s.  XIV,  p.  396  ss. 


2.  Die  ostgriecliischen  Inseln  :  Kreta.  549 

Das  Gebkt  der  Elyrier,  zu  deren  Stadt  von  der  Hochebene 
von  Onialo  aus  eine  Kunslstrasse  lölirte,  von  welcher  noch 
jelzt  Reste  erhallen  sind,  gränzte  im  Westen  an  das  von  Hyr- 
takina,  einer  Stadt,  die,  ohyieicli  nur  V/^  Stunde  südwestlich 
von  Elyros  entfernt  (ihre  in  Polygonniauern,  Gräbern  und  Scher- 
ben von  Thongefässen  bestehenden  Rrste  finden  sich  auf  einem 
steilen  Hügel  eine  halbe  Stunde  südlich  vom  Dorfe  Temenia), 
doch  eine  selbständige  politisclie  Gemeinde  gebildet  haben  muss, 
da  sie  ihre  eigenen  Münzen  prägte.  ^)  Dasselbe  gilt  von  der  süd- 
lichen Nachbarstadt  Hyrtakina's,  von  Lisos  (auch  Lissos  und 
Lissa  geschrieben),  der  vvaht'scheinlich  die  in  einer  halbkreis- 
förmigen kleinen  Strandebene  bei  der  Capelle  des  Hagios  Kyria- 
kos,  ungefähr  eine  Stunde  westlich  von  Suia  erhaltenen  Reste 
angehören,  unter  denen  namentlich  ein  kleines  Theater  von 
78  Fuss  Durchmesser  bemerkenswerth  isL^)  Westlich  von  Hyr- 
lakina  zieht  sich  das  Thal  eines  von  der  westlichen  Fortsetzung 
<ler  weissen  Rerge  herabkommenden  Flusses  hin ,  der  jetzt  nach 
einem  an  seinem  linken  Ufer  gelegenen  Dorfe  der  Fluss  von 
Vlithias  genannt  wird:  im  südlichsten  Theile  dieses  Thaies  finden 
sich  an  zwei  Stellen  (bei  dem  Dorfe  Anydrus  und  bei  Vlithias) 
Reste  alter  Refesligungen  —  blosser  Thurme  oder  kleiner  Ra- 
.stelle  —  aus  polygoncn  Werkslücken,  welche  jedenfalls  bestimmt 
waren,  eine  von  der  Küste  im  Thale  aufwärts  führende  Strasse 
zu  decken.  Dieselben  waren  offenbar  eine  Art  Vorposten-  oder 
Aussenwerke  der  kleinen  Stadt  Kantanos  oder  Kantania, 
deren  Reste  auf  einem  ungefähr  l'/j  Stunden  von  der  Küste 
entfernten  Hügel  in  der  Nähe  des  Dorfes  Chadros  erhalten  sind 
und  mit  deren  Namen  noch  jetzt  die  ganze  Gegend,  in  welcher 
diese  Ruinen  liegen,    bezeichnet   wird. 3)     Drei   Stunden    westlich 


')  Scyl.  Per.  47;  Steph.  Byz.  u.  'Tpraxo?;  Pto).  III,  17,  10;  über  die 

Münzen   und   Jvuinen  Pashloy  II,    p.  111  ss.:    L.  Thenon    Revue  archdol. 

n.  8,  XVI,  p.  107  88.;  letzterer  sieht  daiin,  Schwerlich  mit  Recht,  die  Keste 

einer    frühzeitig  durch   die   Dorier   zerstörten   achäi sehen  Htadt,   etwa 

..n  'Axulu  fschol.  Apoll.  Rhod.  J,  176:  vgl.  Hock  Kreta  I,  S.  430). 

'0  Scyl  Per.  47;  Stadiasm.  m.  m.  §  333;  Ptol.  III,  17,  3;  Ilierocl. 
Synecd.  p.  14;  Geogr.  Rav.  V,  21  (p.  397,  16);  vgl.  Pashley  II,  p.  78 
und  p.  87  88.;  Spratt  II,  p.  241.  Kiepert  setzt  Lis:<o«  weiter  weltlich  auf 
den  flachen  Kürttenvorsprung,  welcher  die  Ruinen  des  venezianischen 
•  HHtells  Selino  trägt;  allein  durt  sind  keine  antiken  Reetc  vorhanden. 

')   Steph.   Bya.   u.    Küvtavo^^    Ilierocl.   Synecd.   p.  14;    Gteogr.  Run. 


550  ilT.    Die  Inselwelt. 

von  der  Mündung  jenes  Klusses  liilt  ein  hreites,  die  SiUhvest- 
spilze  Krela's  bildendes  Vorgebirge  aus  der  Küsteniinie  vor,  das 
in  seinem  modernen  Namen  Cap  Krio  nocb  eine  deutlicbe  Re- 
miniscenz  an  seine  alle  Benennung  'Kriu  metopon'  (Widder- 
slirn)  bewahrt  bat;  in  der  Mitte  zwischen  demselben  und  der 
Mündung  des  Flusses  von  Vlilhias  (also  etwa  bei  dem  jetzt  Tra- 
chili  genannten  Küstonvorsprunge)  lag  ein  Küstenplatz  Kala- 
m  y  d  e.  \) 

An  der  Westküste  der  Insel  lag  unmittelbar  nördlich  vom 
Cap  Kriu  metopon  an  dem  jetzt  durch  die  Erhebung  der  Küste 
sehr  verkleinerten  IlaCen  Krio  ein  Hafenplatz  Biennos  oder 
Bienna,^)  weiter  nördlich,  wahrscheinlich  am  Ausgange  des 
fruchtbaren,  von  Nordosten  her  in  einer  Länge  von  ungefähr 
zwei  Stunden  bis  zur  Küste  sich  hinabziehenden  Thaies  von 
Ennea  choria  (das  nicht  bloss  neun,  wie  sein  Name  besagt,  son- 
dern   fünfzehn    bis   sechzehn    kleine   Dörfer    und   Weiler   enthält, 


p.  397,  14;  vgl.  Pashley  II,  p.  115  ss.;  Tlienon  Revue  arclieol.  n.  s.  XVI, 
p.   104  SS. 

1)  Kqiov  fitrtonov  Scyl.  47;  Strab.  11,  p.  IOC;  X,  p.  474;  XVII, 
p.  837;  Dionys.  Per.  v.  87  ss.;  Anthol.  Pal.  XIV,  129,3;  Stadiasm.  m.  m. 
§  333  ff.  (die  einzige  Stelle  wo  KaXcc^vörj  erwähnt  wird);  Ptol.  III,  17,  2; 
f*lin.  IV,  12,  58.  Pashley's  (II,  p.  123  s  )  Ansetzung  von  Kalain;)'de  west- 
lich vom  Thale  des  Flusses  von  Vlithias,  gerade  nördlich  von  Selino- 
kastelli,  passt  nicht  zu  der  Entfernungsangabe  im  Stadiasm.  m.  m.  §  334. 

2)  Stadiasm.  m.  m.  §  335  f.  Mit  C.  Müller  zu  d.  St.  nehme  ich  an, 
dass  bei  Ptol.  III,  17,  2  für  'Ivccxwqiov  (welches  Pashley  II,  p.  78  und  Spratt 
II,  p.  236  s.,  durch  die  gewiss  täuschende  Namensähnlichkeit  verführt, 
in  dem  jetzt  'Evvscc  %(OQt-ci^  d.  i.  'die  neun  Dörfer'  genannten  Thale  an- 
setzen) Btsvva  x(oq(ov  zu  schreiben  und  dieselbe  Oertliehkeit  zu  ver- 
stehen sei;  dass  derselbe  Name  noch  einer  zweiten  Ortschaft  Kreta's  an- 
gehört, spricht  nicht  gegen  die  Richtigkeit  der  Angabe  im  Stadiasmos, 
da  ja  auch  andere  Namen,  wie  Kisamos,  Minoa,  Apollonia,  auf  Kreta  dop- 
pelt vorkommen.  Spratt  a.  a.  O.  hält  die  etwas  nördlich  von  Kriu  me- 
topon liegende  Insel  Elaphonisi  für  eine  der  drei  Musagoroe  (Pomp. 
Mela  II,  114;  Plin.  IV,  12,  61),  die  beiden  anderen  seien  durch  die  Er- 
hebung der  Küste  seit  dem  Alterthum  mit  dem  Festlande  verbunden 
worden  und  entsprächen  den  jetzigen  Küstenvorsprüngen  Trachili  und 
Selino-kastelli,  Allein  dies  widerspricht  schon  der  Angabe  des  Plinius, 
nach  welcher  man  zu  den  Musagoroe  gelangte,  wenn  man  (von  Südosten 
her)  um  das  Cap  Kriu  metopon  herumgefahren  war.  Die  Musagoroe  sind 
jedenfalls  viel  weiter  nördlich,  an  der  Nordwestecke  Kreta's  zu  suchen; 
für  die  jetzige  Elaphonisi  kennen  wir  keinen  antiken  Namen. 


2.  Die  ostgriechisclien  Inseln:  Kreta.  551 

jedoch  keine  Spuren  alter  Niederlassungen  aufzuweisen  hat)  ein 
Haien  Rhamnus,  noch  weiter  nordlich  (wahrscheinlich  auf  dem 
jetzigen  Cap  Karavulas  südlich  von  der  Bucht  SphinariJ  eine  Ort- 
schaft ChersonesosJ)  Alle  diese  Ortschaften  waren  ohne  Zwei- 
fel ganz  unbedeutend  und  politisch  nicht  selbständig,  sondern  zun) 
Gebiete  einer  grössern  Stadt  gehörig,  wahrscheinlich  von  Polyr- 
rhenia  (auch  Polyrrhenion  genannt).  Diese  Stadt,  von 
Achäern  und  Lakoniern  durch  Zusanuiiensiedelung  der  Bewohner 
verschiedener  offener  Ortschaften  begründet,  später  wohl  die  po- 
litisch bedeutendste  Stadt  des  nordwestlichen  Kreta,  die  westliche 
Nachbarin  von  Kydonia,  lag  zwei  Stunden  von  der  Westküste, 
IV2  Stunden  von  der  Nordküste  entfernt,  beim  jetzigen  Dorfe 
Paläokastron,  an  einem  hohen  vereinzelten  Hügt^l,  dessen  schwer 
zugänglicher  Gipfel  die  Akropolis  bildete.  Die  Stadt  selbst,  welche 
sich  amphitheatralisch  am  südlichen  Abhänge  des  Hügels  ausbrei- 
tete, wurde  von  einer  am  nördlichen  Abhang  entspringenden 
Quelle  aus  vermittels  zweier  durch  den  Berg  getriebener  Stollen, 
deren  Ausgänge  als  Stadtbrunnen  dienten,  mit  Wasser  versorgt; 
in  ihrem  obersten  Theile,  der  sich  zunächst  an  die  Akropolis  an- 
schloss,  stand  ein  wahrscheinlich  der  Artemis-Diktynna  geweihter 
Tempel,  vor  welchem  auch  eine  Statue  des  Q.  Caecilius  Metellus, 
des  Eroberers  von  Kieta,  als  'des  Erretters  und  Wohlthäters  der 
Stadt'  aufgestellt  war.-)  Der  Hafenplatz  der  Stadt  war  das  an 
der  Nordküste  am  Strande  des  tiefen ,  gegen  Osten  und  Westen 
von  mächtigen,  weit  ins  Meer  vorspringenden  Landzungen  flankir- 
len  Golfes  Myrlilos  (jetzt  Golf  von  Kisamo  genannt)  gelegene 
Kisamos,  dessen  Name  wie  auch  einige  bauliche  Reste  in  dem 
jetzigen  Dorfe  Kisamo-Kasteli  (den  letzteren  Namen  hat  es  von 
einem   verfallenen   venezianischen  Kastell)    erhalten  sind.^)    Reste 


'j  Ptol.  HI,  17,  2:  auf  diese  Chersonesos  an  der  Westküste  Ijezioht 
sich  Wühl  ancli  Strab.  XVII,  p.  838. 

')  Scyl.  Per.  47;  Stral).  X,  p.  479;  Polyb.  IV,  r»3;  fif);  Ptul.  III, 
17,  10;  Ste|>li.  V.yy..  n.  IloXvQQfivta;  Zcnob.  Prov.  V,  50;  Plin.  IV,  12, 
6*J;  Inschrift  im  C.  I.  gr.  n.  80r)4.  Vgl.  über  die  Ruinen  Paahley  II, 
p.  46  .SS.;  Sprutt  II,  i).*2Il  s«.:  Tbenon  Uevue  archi'«*].  n.  s.  XV,  p.  4IG  ss. ; 
l'errot  L'ile  de  Crete  p.  42  ss. 

3)  Stadiasm.  m.  m.  §  33»  ss;  1M<.I.  III,  17,  h,  Min.  IV,  12,  M); 
Nunn.  Dionys.  XIII,  2:i';  Ilierocl,  Syneed.  p.  14;  Uoogr.  Uav.  p.  :{U7,  13; 
vgl    PashUy  II,  p.  Ali  «.;  Spratt  11,  p.  2iü  s». 


552  in.    Die  Inselwelt. 

einer  anderen  allen  Ortschaft,  deren  Nanne  nicht  mehr  zu  be- 
stimmen ist,  finden  sich  etwas  u!)er  eine  Meile  östlirh  von  Po- 
lyrrhenia,  eine  Stunde  südlich  von  der  Küste  der  Bucht  von  Ki- 
samos.  über  dem  linken  Ufer  eines  in  einer  tiefen  Schlucht  hin- 
fliessenden,  in  den  südöstlichen  Winkel  jener  Bucht  mündenden 
Baches:  ein  kegelförmiger,  nur  durch  Felsslufen  von  Süden  her 
zugänglicher  Hügel  zeigt  zwar  keine  Mauerreste,  aber  drei  alle 
Cislernen,  und  auf  dem  südlich  davon  sich  hinziehenden  Berg- 
rücken bemerkt  man  antike  Terrassen  mit  Gebäudefundamenten 
und  MauerreslenJ)  Die  von  der  Nordwestecke  Kreta's  in  einer 
Länge  von  etwa  l'/2  Meilen  vorspringende,  in  dem  spitzen  Cap 
Busa  endende  kahle,  felsige  Landzunge,  welche  den  Golf  von 
Kisamos  im  Westen  begränzl,  wird  von  den  alten  Schriftstellern 
mit  verschiedenen  Namen  (Korykos  oder  Korykia,  Rimaros 
und  Tretos)  bezeichnet,  welche  ursprünglich  wohl  verschiedenen 
Theiien  der  vielfach  ausgezackten  Felszunge  zukamen;  an  der 
Oslseite  derselben  war  ein  Hafenplatz  Agneion  mit  einem  Hei- 
ligthum  des  Apollon.^)  Nördlich. vom  Cap  Busa  liegt  ein  rauhes 
Felseiland,  jetzt  Agria  Grabusa  (oder  Karabusa)  genannt;  süd- 
westlich davon  ein  zweites,  das  auf  seinem  hohen  Bücken  das 
Kastell  Grabusa  (Karabusa),  eine  der  stärksten  Befestigungen  aus 
der  Zeit  der  venezianischen  Herrschaft  über  Kreta,  trägt  und  an 
der  Südseite  eine  kleine  Bhede  hat.     Vj^  Meilen  südwestlich  da- 


')  Spratt  II,  p.  206  SS.,  der  nach  dem  Vorgange  , von  Pashley  (II, 
p.  40  s.)  hier  eine  Stadt  Rhokka  (welchen  Namen  noch  jetzt  ein  Dorf 
in  der  Nähe  dieser  Ruinen  trägt)  und  nördlich  davon  an  der  Mündung 
des  Baches  eine  Korne  Methymna  ansetzt,  beides  nach  Aelian.  De  anim. 
XIV,  20:  allein  dort  hat  Hercher  für  Mrjd'vfivrig  jedenfalls  richtig  'Pt- 
&vpLvrjs  geschrieben,  nach  welcher  Emendation  das  Heiligthum  der  Ar- 
temis Rhokkäa  (das  nach  Aelian.  De  anim.  XII,  22  auf  einem  Küstenvor- 
sprunge  gelegen  zu  haben  scheint)  nach  Rhithymna  zu  setzen  ist.  Von 
einer  alten  Ortschaft  'Po^yia  findet  sich  in  unseren  Quellen  keine  Spur; 
das  jetzige  Dorf  dieses  Namens  ist  wahrscheinlich  venezianischen  Ur- 
sprungs (Röcca).  Die  Ruinen  gehören  vielleicht  der  Stadt  der  KsQattcxL  an: 
Polyb.  IV,  53;|Steph.  Byz.  u.  Bijivr]]  Suid.  n/PLUVog;  Münzen  mit  KfQUttar 
Eckhel  D.  n.  I,  2,  p.  306  s. 

2)  KcoQvyiog  ukqu  ^al  noUg  Ptol.  III,  17,  2;  vgl.  Strab.  VIII,  p.  363; 
Steph.  Byz.  u.  KcoQvnog',  Plin.  IV,  12,  60.     Kificcgog  (jedenfalls  kretisch^ 
für  XtfiaQog,  ein  Name,  der  merkwürdig  übereinstimmt  mit  dem  der  öst- 
licheren Landzunge  TCzvQog)  Strab.  X,  p.  474  s.     TQrjrog  und'Ayvsrov 
Stadiasm.  m,  m.  §  337  ss. 


2.   t)ie  ostgriecliischen  Inseln:  Kreta.  553 

von  liegt  ein  drittes,  jetzt  Ponlikonisi  (Mäuseinsel)  genanntes  Ei- 
land, das  sich  von  den  beiden  vorher  erwähnten,  aus  kahlen 
Kalkfelsen  bestehenden,-  durch  den  vulkanischen  Charakter  seines 
Bodens  unterscheidet.  Im  Alterlhum  scheint  dieses  südwestlichste 
Eiland  Myle,  das  mittlere  (Grabusa)  Mese,  das  nordöstliche 
Musagora  (oder  Musagoros)  genannt  worden  zu  sein,  auch 
scheinen  alle  drei  mit  dem  Gesammtnamen  Musagoroi,  die 
beiden  nördlicheren  mit  dem  Namen  Korykoi  (oder  Korykiä) 
bezeichnet  worden  zu  sein.  ^) 

Auf  einem  steilen,  von  der  sudlichen  Wurzel  der  korykischen 
Landzunge  gegen  Westen  vortretenden  Vorgebirge  (dem  jetzigen 
Cap  Kutri),  das  vom  Meere  aus  gar  nicht,  von  der  Landseite  her 
nur  auf  einem  ziemlich  l)eschwerlichen  Pfade  zugänglich  ist, 
lag,  60  Stadien  von  Polyrrhenia  entfernt,  die  nordwestlichste 
Stadt  Kreta's ,  Phalasarna,  welche  einen  (jetzt  durch  die  Er- 
hebung der  Küste  unzugänglich  gewordenen)  befestigten  Hafen 
und  ein  Heiligthum  der  Artemis-Diktynna  besass. '-) 

Das  mittlere  Kreta,  die  Region  der  Ida,  enthielt  eine  be- 
trächtliche Anzahl  bedeutender  Städte,  darunter  die  beiden  mäch- 
tigsten der  ganzen  Insel,  Knossos  und  Gortyna,  so  dass  dieser 
District  wie  in  localer,  so  auch  in  politischer  Beziehung  als  Kern 
und  Mittelpunkt  der  ganzen  Insel  betrachtet  werden  kann.  An 
der   Nordküste   finden    wir  zunächst    als  östliche   Nachbarin    des 


•)  Ich  folge  in  der  Benennung  dieser  Inseln  durchaus  dem  Stadiasni. 
m.  m.  §  336,  nur  dass  ich  für  das  überlieferte  'lovadyovQCC  nach  Pomp. 
Mela  ir,  114  und  Plin.  IV,  12,  61  (vgl.  S.  550  Anm.  2)  MovadyoQcc  (oder 
MovGccyoQog)  schreibe:  ich  nehme  dabei  an,  dass  Plinius  a.  a.  O.  irrig 
die  drei  Musagoroe  von  den 'duae  Corycae,  totidem  Mylae'  (die  jetzige 
Pontilionisi  wurde  wohl  auch  pluralisch  MvXcct  genannt)  unterschieden 
hat.  Allerdings  liegen  südlich  vom  Cap  Kutri  nahe  der  Westküste  drei 
ganz  kleine  Inseln;  allein  auf  diese  passt  die  Schilderung  des  Stadias- 
nios  durchaus  nicht. 

»)  Scyl.  Per.  47;  Dionys.  Call.  Descr.  Gr.  v.  119  ss.;  Polyb.  XXIII, 
15;  Strab.  X,  p.  474;  479;  Stadiasm.  m.  m.  §  336;  Ptol.  III,  17,  2; 
Plin.  IV,  12,  59;  Steph.  Byz.  u.  ^aXdauQva;  über  die  Lage  und  Ruinen 
vgl.  Pasbley  II,  p.  62  88.;  Spratt  II,  p.  227  83.;  Perrot  L'ile  de  Cr^e 
p.  53  88.  Von  Phalasarna  ist  zu  unterscheiden  die  nur  von  Steph,  Byz. 
u.  ^dXavva  und  <PaXdvvaia  erwähnte  Stadt  Phalanna  oder  Phalan- 
näa,  von  welcher  auch  Münzen  vorhanden  zu  sein  scheinen  (s.  Eckhel 
D.  n«  V.  I,  2,  p.  318),  über  deren  Lage  wir  gar  nichts  wisaea. 
BURSIAN,  QEOOB.    II.  37 


554  in.    Die  Inselwelt. 

Gebiets  von  Lappa,  der  östliclisten  Stadt  des  westlichen  Tlieiles 
der  Insel,  die  Stadt  Rliitymna  (oder  Uliitliyinnia),  deren 
Stelle  —  ein  kleines  Vorgebirge  der  Nordköste  —  noch  jetzt  die 
Stadt  Ritymnos  (oder  Rethimo),  eine  der  bedeutendsten  des  heutigen 
Kreta,  einnimmt,  die  aber  in  Folge  der  ununterbrochenen  Rewoh- 
nung  ausser  dem  Namen  keine  weiteren  Reste  des  Alterthums  aufzu- 
weisen hat.  Die  alte  Stadt,  welche  nie  bedeutend  gewesen  zu 
sein  scheint,  besass  einen  wahrscheinlich  auf  der  hohen  Nord- 
spitze des  Vorgebirges,  welche  die  Akropolis  bildete,  gelegenen 
Tempel  der  Artemis  Rhokkäa  und  ausserdem,  nach  den  Münzen, 
welche  den  Kopf  der  Athena  zeigen,  zu  schliessen,  ein  Heiligthum 
der  Athena.^)  Ihr  Gebiet  gränzte  im  Osten  an  das  von  Eleu- 
therna,  einer  der  bedeutenderen  und  mächtigeren  Städte  Kreta's, 
welche  auf  einem  von  zwei  Bächen,  die  sich  an  seinem  nörd- 
lichen Ende  vereinigen,  umflossenen  Hügel  am  nordwestlichen 
Fiisse  der  Ida  lag.  Das  Plateau  des  Hügels,  welches  die  Akro- 
polis einnahm ,  zeigt  noch  Reste  von  alten  Ringmauern,  Funda- 
mente von  Gebäuden  und  zwei  grosse  in  den  Fels  gehauene 
Cisternen,  deren  Decken  durch  zwei  Reihen  massiver  Pfeiler  ge- 
tragen wurden;  an  den  Abhängen  findet  man  noch  zahlreiche 
alte  Terrassen,  welche  die  Baulichkeiten  der  Unterstadt  trugen, 
darunter  eine  am  Ostabhang,  auf  welcher  offenbar  ein  Tempel 
stand  (wahrscheinlich  des  Apoilon,  der  nach  den  Münzen  die 
Ilauptgottheit  der  Stadt,  die  selbst  auch  den  Namen  ApoUonia 
geführt  haben  soll,  war).  Gerade  unterhalb  dieses  Tempels 
führte  eine  Brücke,  von  welcher  noch  bedeutende  Reste  erhalten 
sind,  über  den  am  östlichen  Fusse  des  Hügels  hinfliessenden 
Bach;  auf  einer  zweiten,  ebenfalls  zum  grössten  Theile  erhalte- 
nen überschritt  man  den  Bach  nach  der  Vereinigung  beider 
Arme  einige  Hundert  Schritt  jenseits  des  nördlichen  Fusses  des 
Hügels.^)  Obgleich  die  Stadt  durch  ihre  Lage  in  einer  der 
fruchtbarsten  Gegenden  der  Insel,  V/^  Meile  von  der  Küste  ent- 


*)  Ptol.  III,  17,  7;  Steph.  Byz.  u.  "Fl^v^vlci;  Aelian.  De  an.  XIV, 
20  (vgl.  S.  552  Anm.  1);  Lycophr.  AI.  76;  Plin.  IV,  12,  59;  der  Name 
steckt  wohl  auch  in  dem  corrupten  'Oa^iSccv  bei  Scyl.  Per.  47  (Geogr. 
gr.  min.  ed.  C.  Müller  I,  p.  43).     Vgl.  Pashley  I,  p.  101  s. 

2)  Scyl.  Per.  47;  Polyb.  IV,  53  und  55;  Flor.  Epit.  I,  41;  Cass.  Dio 
XXXVI,  1;  Ptol.  III,  17,  10;  Steph.  Byz.  u.  'EXev&SQVcc  und  'AtioHg)- 
vCa;   Hierocl.  Synecd.   p.  14;    Plin.  IV,  12,  59;    C.  I.  gr.  n.  2566   (Cult 


2.  Die  ostgriechischen  Inseln:  Kreta.  555 

fernt,  hauptsächlich  auf  die  Cultur  des  Bodens  (Getreide-,  Wein- 
und  Oelhau)  angewiesen  war,  hat  sie  doch  offenbar,  wie  alle  be- 
deutenderen binnenländischen  Städte  Kreta's,  auch  einen  Hafen- 
platz besessen,  der  ihr  jederzeit  die  Verbindung  mit  dem  Aus- 
lande zur  See*  offen  hielt;  wie  hätte  sie  sonst  Verträge  mit 
auswärtigen  Städten,  wie  mit  Teos,  abschliessen  und  gar  mit 
einem  der  bedeutendsten  griechischen  Seestaaten,  mit  Rhodos, 
Kri^g  führen  können  (um  Ol.  140)?  Dieser  Hafenplatz  führte 
wahrscheinUch  den  Namen  Pantomatrion  und  lag  an  der  Nord- 
küste bei  dem  jetzigen  Rumeli-kastello,  wo  sich  noch  Reste  einer 
kleinen  mit  Mauern  und  Thürmen  befestigten  antiken  Ortschaft 
finden,  östlich  von  der  Mündung  eines  nicht  unbeträchtlichen 
Flusses,  des  jetzigen  MylOpotamos,  der  von  den  nordöstlichen 
Ausläufern  der  Ida  herabkommt  und  etwa  Vl^  Stunden  vor  seiner 
Ausmündung  den  durch  zahlreiche  Zuflüsse  vergrösserten  Bach 
von  Eleutherna  aufnimmt.  ^)  Das  Stromgebiet  dieses  Flusses  ge- 
hörte nur  zu  einem  Theile,  in  seinem  unteren  Laufe,  den  Eleu- 
ihernäern,  zum  andern  Theile  den  Bewohnern  der  östlichen 
Gränznachbarin  von  Eleutherna,  der  Stadt  Oaxos  (nach  kreti- 
scher Aussprache  Vauxos  oder  Vaxos,  auch  ohne  Digamma 
Axos,  in  welcher  Form  der  Name  noch  in  dem  jetzigen  Dörf- 
chen Axo  fortlebt).  Die  Reste  dieser  Stadt  liegen  etwas  über  zwei 
Meilen^ südöstlich  von  denen  von  Eleutherna,  IV4  Meile  von  der 
Nordküste  entfernt,  zwischen  den  nördlichen  Vorbergen  der  Ida, 
meist  kahlen  von  schmalen  Thalschluchten  durchschnittenen  Fels- 
hügeln, die  erst  weiter  gegen  Norden  einen  anmuthigeren  Cha- 
rakter durch  Bewaldung  mit  immergrünen  Eichen,  Johannisbrod- 
bäumen  -und   Oelbäumen    annehmen.     Ein    sattelförmiger  Hügel 


der  Artemis)  und  n.  3047  (Vertrag  mit  Teos).     Vgl.  Spratt  U,  p.  89ss.; 
Thenon  Revue  arch^ol.  n.  s.  XVII,  p.  293  ss. 

')  nccvtouaxQiov  Ptol.  III,  17,  7;  Steph.  Byz.  u.  d.  W.;  Plin.  IV, 
12,  60;  der  Name  ist  jedenfalls  auch  im  Stadiasm.  m.  m.  §  346  f.  her- 
zustellen {y,ciXsLtcii  dt  rj  noXig  'Eltvd'SQva'  ns^rj  ds  Kvaßrivai,  ano  tov 
TlavTO^aTQiov  otocdiot  v':  50  Stadien  entsprechen  genau  der  directen 
Entfernung  von  den  Ruinen  von  Eleutherna  bis  zur  Nordküste).  Den 
Mylopotamos  nennt  Kiepert  Oaxes  nach  Vibius  Sequester  p.  8,  1  ed. 
meao;  aber  Serv.  ad  Vcrg.  Ecl.  I,  66  läugnet  bestimmt,  dass  es  einen 
Flu 88  dieses  Namens  auf  Kreta  gegeben  habe.  Auch  die  Vermuthung, 
dass  auf  das  Thal  des  Mylopotamos  die  Notiz  des  Steph.  Byz.  u.  Av 
X(av  •  noXie  KQr]xrig  ri  xonos  zu  beziehen  sei,  ist  ohne  sichern  Anhalt. 

37* 


556  III.  Die  Inselwelt. 

östlich  von  dem  jetzigen  Dorfe  Axo,  welclier  noc.li  Reste  polygo- 
ncr  Ringmauern  trägt,  bildete  die  Akropolis  der  alten  Stadt, 
welche  sicli  dann  auf  einer  Anzahl  Terrassen  hauptsächlich  am 
östlichen  Ahhange  des  Hügels  bis  ins  Thal  hinabzog J)  Wie 
Eleutherna  so  besass  auch  Oaxos  ohne  Zweifel  einen  Ilafenplatz 
an  der  Nordküste,  der  wahrscheinlich  den  Namen  Astale  führte; 
doch  ist  es  unsicher,  ob  derselbe  an  der  eine  Meile  östlich  von 
Rumeli-kastello  gelegenen,  von  der  Landseite  her  von  hohen 
Bergen  umschlossenen  und  daher  nicht  leicht  zugänglichen  Bucht 
von  Vali,  oder  zwei  Meilen  weiter  ösllich  an  der  geräumigeren 
und  von  der  Landseile  her  weit  besser  zugänglichen  Bucht  von 
Phodeles,  welche  gegen  Nordosten  durch  das  spitze  Cap  Stavro 
abgeschlossen  wird,  stand:  war,  wie  ich  glaube,  das  Letztere  der 
Fall,  so  wird  das  zunächst  ösllich  vom  Cap  Stavro  vortretende 
Vorgebirge,  das  Cap  Dion  der  Alten  (noch  jetzt  Dia),  als  der 
nordöstlichste  Gränzpunkt  des  Gebietes  von  Oaxos  zu  betrachten 
sein.-)  —  Zwischen  der  Bucht  von  Vali  und  dem  rechten  Ufer 
des  Mylopotamos,  ungefähr  eine  Stunde  oberhalb  des  letzteren, 
eine  halbe  Stunde  oberhalb  des  Dorfes  Melidoni,  also  in  einer 
Gegend,  von  der  es  fraglich  ist,  ob  sie  im  Alterthum  zum  Ge- 
biet von  Eleutherna  oder  von  Oaxos  gehörte,  öffnet  sich-  in  einer 
von  Menschenhand  geglätteten  Felswand  nahe  unterhalb  des  Gipfels 
eines  Hügels  der  Eingang  in  eine  sehr  geräumige  Grotte,^  welche 
durch  ihren  Reichthum  an  Stalaktiten  mit  der  berühmten  Grotte 
von  Antiparos  wetteifern  kann.  Dieselbe  war  im  Alterthum  laut 
einer  am  Eingange  angebrachten  Inschrift  aus  der  Zeit  der  römi- 
schen Herrschaft,  aus  welcher  sich  auch  ergiebl,  dass  der  Bergzug, 


^)  Der  Name  lautet  fav^iojv  C.  I.  gr.  n.  3050,  ßa^tcov  auf  Münzen 
(auf  späteren  'A^lcov)  ,  "Occ^og  bei  Herod.  IV,  154;  Steph.  Byz..  u.  d.  W. 
und  Hierocl.  p.  14  (vgl.  Scyl.  Per.  47,  wo  cod.  J7a|oj,  und  Apoll.  Rhod. 
A,  1131  ycctrjg  Otcc^cSog),  "A^og  bei  Steph.  Byz.  u.  d.  W.  Ueber  die 
Kuinen  vgl.  Pasliley  I,  p.  146  ss.;  Spratt  II,  p.  75  ss,;  Thenon  Revue 
arche'ol.  n.  s.  XVI,  p.  409  ss. 

2)  ^Aaralri  Stadiasm.  m.  m.  §  347  f.;  die  dort  angegebene  Entfernung 
des  Platzes  auf  100  Stadien  von  Herakleion  passt  höchsteris  auf  die 
Bucht  von  Phodeles,  gar  nicht  auf  die  von  Vali;  doch  kann  die  Zahl 
verderbt  sein.  Die  Annahme  Kiejierts,  dass  die  Bucht  von  Vali  dem  alten 
Panormos  entspreche  (Panhormura  Plin.  IV,  12,  59)  passt  nicht  zu 
der  Ansetzung  dieses  Platzes  bei  Ptol.  III,  17,  C.  Jtov  av.qov  Ptol. 
».  a.  O.  §  7. 


2.  Die  ostgriechischen  Inseln:  Kreta.  557 

in  welchem  die  Grotte  sich  befindet,  den  Namen  der  talläi- 
schen  Berge  führte,  dem  Hermes  geweiht;')  in  neuerer  Zeit 
hat  sie  eine  traurige  Berühmtheit  erlangt  durch  die  Gräuelthat 
eines  türkischen  Heerführers,  Hussein  Bey,  welcher  gegen  Ende 
August  1822  über  300  in  diese  Grotte  geflüchtete  Griechen,  meist 
Greise,  Weiber  und  Kinder,  nach  mehrtägiger  vergeblicher  Be- 
lagerung durch  Feuer  erstickte. 

Das  Gebiet  von  Oaxos  stiess  gegen  Osten  an  das  von  Ty- 
lissos,  einer  fast  verschollenen  Stadt,  deren  Name  jedoch  in 
dem  zweier  am  östUchen  Fusse  der  im  Cap  Dion  endenden  nord- 
östlichen F'ortsetzung  der  Ida  gelegenen  Dörfer,  Apano-  und  Kato- 
Tylisso,  erhalten  ist:  bei  dem  ersteren,  welches  272  Stunden 
gegen  Südwesten  von  der  Stadt  Kandia  entfernt  ist,  finden  sich 
noch  einige  alte  Griiber  und  Fundamente  von  Mauern ,  bei  dem 
letzteren,  das  eine  halbe  Stunde  unterhalb  jenes  liegt,  sind  we- 
nigstens wiederholt  alte  Münzen  entdeckt  worden.  Die  Stadt 
muss,  da  sie  eigene  Münzen  prägte,  wenigstens  in  älteren  Zeiten 
politisch  selbständig  gewesen  sein,  ist  aber  wahrscheinlich  ziem- 
lich frühzeitig  von  ihrer  südlichen  Nachbarin  Rh  au  kos  (s.  un- 
ten S.  561  f.)  unterworfen  worden.  2) 

Die  Küstenlinie  nimmt  von  dem  oben  erwähnten  Cap  Dion 
an  auf  eine  Strecke  von  IV2  Meilen  eine  südliche  Richtung,  bis 
sie  sich  bei  dem  jetzigen  Dörfchen  Armyro  wieder  ostwärts  wen- 
det: auf  dieser  Sti;ecke  von  Armyro  bis  zum  Cap  Dion  scheinen 
noch  zwei  unbedeutende  Küstenplätze  Apollonia  und  Kytäon 
gelegen  zu  haben,  die  wohl  ursprünglich  den  Tylissiern,  später 
den  Rhaukiern,  endlich  den  Knossiern  oder  Gorlyniern  gehörten.^*) 


*)  C.  I.  gr.  n.  2569;  vgl.  über  die  Grotte  Pashley  I,  p.  126  ss.;  Per- 
rot p.  85  SS.  Mit  dem  Namen  der  TccXlaui  OQrj  hangt  jedenfalls  zusam- 
men der  Beiname  Tallaioq,  unter  welchem  Zeus  in  verschiedenen  kreti- 
schen Städten  verehrt  wurde:  vgl.  C.  I.  gr.  n.  2554,  Z.  95  und  178;  In- 
schrift in  den  Wiener  Sitzungsberichten  Bd.  30,  Tafel  Vin,  Col.  I,  Z.  17  f.; 
Iffsych.  u.   TaXaioq. 

2)  Münze  mit  TYAIIION  (rückläufig)  Pashley  I,  p.  161;  vgl.  Spratt 
11,  p.  61  SS.  Von  Schriftstellern  erwähnt  die  Stadt  nur  Plin.  IV,  12,  59 
und  aus  ihm  Solin.  Coli.  11,  4  (bei  beiden  Schreibfehler  Cylissou);  ein 

''Eqiiojv   TvXiöing   (schreibe   TvXiaioq)   erscheint  als   nQolivooi   von  Kor- 
kyra  in  der  koikyräischen  Inschrift  C.  I.  gr.  n.  1840,  Z.  7. 

3)  Ptol.  III,  17,  6;  Plin.  IV,  12,  59;  Steph,  Byz.  u.  'AnoXXiovia  und 
Kvta.     Die  uatea  naXa  Kvtatnv  erwähnt  Nonnos  Dionys.  XIII,  238.  — 


558  Hf.  Die  Ineehvelt. 

Der  Landstrich  zwischen  dem  öslliclicn  Fusse  der  Ida  und 
dem  westlichen  Fusse  der  Dikle,  die  jctzi'jien  Districte  Malevesi, 
Temenos  und  Pediada,  ist  eine  durch  mehrere  Berg-  und  Ilügel- 
züge  unterbrochene  Ebene,  welche  gegen  Süden  durch  eine  fort- 
laufende Bergkette,  die  Wasserscheide  zwischen  der  Nord-  und 
Sudküste,  abgeschlossen  wird.  Unter  den  die  Ebene  durchziehen- 
den Bergen  ist  der  bedeutendste  der  ziendich  im  Mittelpunkte 
des  ganzen  Landstrichs  in  zwei  kegelförmigen  Gipfeln  von  an- 
näliernd  gleicher  Höhe  (820  Meter)  aufsteigende  lukta;  der  süd- 
lichere Gipfel  trägt  eine  christüche  Capelle,  auf  dem  nördlicheren 
sind  noch  Reste  hoch  alterlhümlicher  Polygonmauern  erhalten, 
welche  im  Volksmunde  als  das  'Grab  des  Zeus'  bezeichnet  wer- 
den, eine  Bezeichnung,  die  sich  kaum  anders  als  durch  fortge- 
setzte Tradition  aus  dem  Alterthum  (wo  bekannilich  die  Kreter 
ein  Grab  des  Zeus  auf  ihrer  Insel  zeigten)  ^)  erklären  lässt.  Von 
den  bedeutenderen  Bächen,  welche  diesen  Landstrich  in  der 
Richtung  von  Süden  nach  Norden  durchfliessen,  scheint  der  west- 
lichste zunächst  östlich  von  der  Stelle  von^  Tylissos  fliessende  im 
Alterthum  den  Namen  Pothereus,  der  ungefähr  eine  Meile 
weiter  östlich  fliessende,  jetzt  Platyperama  genannte  den  Namen 
Theren  geführt  zu  haben:  an  dem  Ufer  des  letzteren  sohle 
nach  kretischer  Sage  die  heilige  Hochzeit  des  Zeus  und  der  Hera 
stattgefunden  haben,  welche  jährlich  in  einem  Heiligthum  durch 
Opfer  und  Festlichkeiten  gefeiert  wurde,  ^j     Der  Bach  sodann,  an 


Pashley  I,  p.  259  ss.  setzt  Kytäon  an  der  Stelle  eines  venezianischen 
Paläokastron  bei  Rogdia,  Apollonia  bei  Armyro  an.  Vielleicht  waren  aber, 
da  Ptolemäos  genau  dieselben  Längen-  und  Breitengrade  für  Apollonia 
und  Kytäon  giebt,  beide  Namen  nur  verschiedene  Benennungen  derselben 
Oertlichkeit,  die  Plinius  irrig  geschieden  hat;  dann  wird  bei  ßogdia 
Panormos  (vgl.  S.  556,  Änm.  2)  anzusetzen  sein. 

1)  Callimach.  H.  in  lov.  8;  Cic.  De  nat.  d.  IIT,  21,  53;  Diod.  III,  61; 
Pomp.  Mela  II,  112;  Solin.  Coli.  11,  7;  Lncian.  De  sacrif.  10;  lupiter 
trag.  45;  Origenes  c.  Geis.  III,  43;  Minuc.  Fei.  Oct.  c.  21,  8;  Firmic. 
Mat.  De  err.  prof.  rel.  c.  7,  6.  Vgl.  Pashley  I,  p.  210  ss.;  Spratt  I, 
p.  77  ss. 

2)  Nach  Vitruv.  De  arch.  I,  4,  10  bildete  der  Fluss  Pothereus  die 
Gränze  zwischen  den  Gebieten  von  Knossos  und  von  Gortyn,  was  ganz 
auf  den  im  Texte  erwähnten  Fluss  passt,  wenn  wir  annehmen,  dass  da- 
mals das  Gebiet  von  Tylissos  ganz  oder  zum  Theil  im  Besitze  der  Gor- 
tynier  war.    De«  Fluss  O^qtjv  im  Gebiete  der  Knossier  erwähnt  Diod, 


2.  Die  ostgriechischen  Inseln:  Kreta.  559 

welchem  Knossos  selbst  lag,  hicss  Käratos  (mit  welchem  wahr- 
scheinlich semitischen  Namen  auch  die  Stadt  selbst  in  den  älte- 
sten Zeiten  benannt  worden  sein  soll),  der  etwas  weiter  öst- 
lich fliessende,  welcher  jetzt  Bach  von  Kartero  genannt  wird, 
A  m  n  i  s  0  s.  ^)  "* 

Dieser  Landstrich  bildete,  wenn  auch  nicht  in  seiner  ganzen 
Ausdehnung,  so  doch  zum  weitaus  grössten  Theile  das  Gebiet 
von  Knossos  (oder  Knosos),^)  dem  sagenberühmten  Herrscher- 
sitz des  Minos,  in  der  historischen  Zeit  der  mächtigsten  und  be- 
deutendsten unter  den  Städten  Kreta's,  ein  Rang,  welchen  ihr 
freilich  zu  wiederholten  Malen  Gortyn,  eine  Zeit  lang  auch  Lyttos 
mit  Erfolg  streitig  machten.  Die  Stadt,  deren  alte  Ringmauer 
einen  Umfang  von  30  Stadien  hatte  —  unter  der  römischen 
Herrschaft  wurde  derselbe  wahrscheinlich  erweitert,  da  eine 
römische  Colonie  dahin  geführt  wurde  —  lag  in  einer  wellen- 
förmigen Ebene  zwischen  den  Betten  zweier  parallel  gegen  Nor- 
den fliessenden  Bäche,  eine  Stunde  südlich  von  der  modernen 
Stadt  Kandia,  zu  deren  Anlage  der  grösste  Theil  der  Trümmer 
der  alten  Stadt  verwendet  worden  zu  sein  scheint,  so  dass  heut- 
zutage von  derselben  nur  noch  Reste  römischer,  aus  Ziegeln  er- 
bauter Mauern  vorhanden  sind,  nach  welchen  der  einen  Theil 
des  Terrains,  auf  welchem  die  Stadt  stand,  einnehmende  Weiler 
Makroticho  (d.  i.  ^a'HQOv  tetxog,  lange  Mauer)  benannt  ist.  Die 
Hauptgöttin  in  der  Stadt  war  Athena,  welche  nach  der  Sage  der 
Knossier   in   ihrem  Gebiet  am  Bache   Triton   geboren   sein  sollte 


V,  72;  auf  denselben  bezieht  sich  jedenfalls  Paus.  T,  27,  9:  inl  Ttotdfim 

TS&QLVI. 

*)  KuLQCczog  Strab.  X,  p.  476;  Callimach.  H.  in  Dian.  44.  lieber 
den  Fluss  Amnisos  (von  dem  Hafenplatze  dieses  Namens  wird  weiter 
unten  die  Rede  sein)  s.  Apoll.  Rhod.  F,  876;  Nonn.  Dionys.  VIII,  115; 
XIII,  251;  Steph.  Byz.  u.  'Afiviaog.  Ein  Nebenfluss  des  Amnisos  war 
wohl  der  durch  die  Ebene  Omphalion  fliessende  Triton,  an  dessen 
Quellen  ein  Heiligthum  der  Athena,  die  dort  geboren  sein  sollte,  stand: 
Diod.  V,  70;  72.  Auch  die  Stadt  Knossos  soll  den  Namen  Trita  ge- 
führt haben:  Ilesych.  u.   Tqltu. 

')  Die  Handschriften  geben  meist  Kvoaoaog,  seltener  Kvooaog^  latei- 
niach  Gnossos,  Gnosius,  die  Münzen  und  Inschriften  immer  Kvmaioi 
mit  einem  a.  Vgl,  über  die  seit  den  Homerischen  Gedichten  (B  646; 
2  591;  T  178)  sehr  häufig  erwähnte  Stadt  besonders  Strab.  X,  p.  476  s.; 
Scyl.  Pen  47;  Stadtasm.  m.  m.  §  348;  Ptol.  III,  17,  10;  dazu  Pashley  I, 
j).  204  88. ;  Spratt  I,  p.  68  ss. 


560  III.    Die  Inselwelt. 

und  von  der  sie  ein  angeblich  von  Dädalos  gearbeitetes  Ilolzbild 
besassen;  ausser  ihr  ^vurden  besonders  Zeus,  Apollon  (der  als 
Delphinios  ein  auch  als  Archiv  benutztes  HeiUglliuoi  besass),  Ar- 
temis (Britoniartis)  und  Demeter  verehrt;  Ilcroencult  genossen  Ido- 
meneus  und  Meriones,  deren  Gräber  man  in  der  Stadt  zeigte.^) 
Von  dem  Labyrinth,  welches  Dädalos  als  Beliausung  für  den  Mi- 
notauros  errichtet  haben  sollte,  war  schon  im  Altcrthum  keine 
Spur  zu  finden,  so  dass  dasselbe  als  ein  blosses  Phantasiegebilde 
zu  betrachten  ist.  2) 

Als  Ilafenplatz  von  Knossos  diente  in  der  ältesten  Zeit,  welche 
in  der  Sage  die  mythische  Persönlichkeit  des  Minos  repräsenlirt, 
Amnisos,  in  der  historischen  Zelt  Ilerakleion.  Die  erstere 
Ortschaft,  welche  auch  ein  altberühmtes  Ileiliglhum  der  Eileilhyia 
besass  und  als  Geburtsslätte  dieser  Göttin  galt,  lag  offenbar  nahe 
der  Mündung  des  gleichnamigen  Flusses  (des  Flusses  von  Karlero), 
wo  ein  kleiner  Hügel  etwas  östlich  von  dem  rechten  Fiussufer 
ihre  Stelle  andeutet.  Ilerakleion,  das  auch  den  Namen  Ma- 
tion  geführt  zu  haben  scheint,  muss  also  die  Stelle  von  Kandia 
eingenommen  haben,  der  unter  der  Herrschaft  der  Sarazenen  im 
neunten  oder  zehnten  Jahrhundert  n.  Chr.  gegründeten  modernen 
Hauptstadt  der  Insel,  deren  Hafendämme  noch  zum  Theil  aus  dem 
Alterthum  stammen.  Gerade  nördlich  von  hier  liegt  die  offenbar 
auch  zum  knossischen  Gebiet  gehörige  Insel  Dia,  welche  als  der 
ursprüngHche  Sitz  der  Sage  von  Dionysos  und  Ariadne  zu  bQ- 
trachten  ist.  3) 


»)  Solin.  Coli.  11,  10;  vgl.  Paus.  IX,  40,  3  und  oben  S.  559,  Anm.  1. 
Ueber  die  Münzen  s.  Eckhel  D.  n.  v.  I,  2,  p.  308  s.  und  die  Abbildungen 
bei  Pashley  I,  p.  202  und  zu  p.  208- und  bei  Spratt  I,  p.  5.  dilcpCviov 
C.  I.  gr.  n.  2554,  Z.  97  f. 

2)  Diod.  I,  61;  Plin.  XXXVI,  13,  90:  die  entgegengesetzte  Angabe 
bei  Philostr.  Vit.  Apoll.  IV,  34  {tov  IccßvQLvd-ov  og  shel  S£Lv.vvtai) 
beruht  jedenfalls  auf  einem  Irrthum.     Vgl.  Hock  Kreta  I,  S.  56  ff. 

3)  'Aiiviaoi  Od.  T,  188;.Strab.  X,  p.  476;  Paus.  I,  18,  5.  'Hgd- 
v-Xbiov  Strab.  a.  a.  O.  und  p.  484  (wo  ^Cav  vrjaov  xrjv  ngog  ^HQKTilaLm 
TCO  KvojaGia);  Ptol.  III,  17,  6  (z/m  vriGog  §  11);  Stadiasm.  m.  m.  §348 
(wo  die  Insel  z/t'oj  genannt  wird);  Steph.  I3yz.  u.  'HgccKXsLa  und  z/m; 
Plin.  IV,  12,  59  (wo  Matium,  Ileraclea)  und  61  (contra  Matium 
Dia).  Kiepert  setzt  nach  Plinius  Matium  an  der  Stelle  von  Kandia^ 
Herakleion  weiter  östlich  an  der  Mündung  des  Amnisos  an:  allein  dann 
raüsste  die  Ortschaft  Amnisos  mit  Herakleion  identisch  sein,  was  nach 
IStrabon  u.  a.  nicht  anzunehmen  ist;   ich  glaube  also,  dass  Plinius  auch 


2.  Die  ostgriechischen  Inseln:  Kreta.  561 

Im  südlicheren  Theile  des  knossischen  Gebiets  lagen  zwei 
Ortschaften,  Lykastos  oder  Lykastion  und  Diatonion, 
welche  beide  im  Jahre  185  v.  Chr.  den  Knossiern  durch  die  Gor- 
tynier  entrissen  und  an  den  Knossiern  feindlich  gesinnte  Nach- 
barstädte —  ersteres  an  Rhaukos,  letzleres  an  Lyltos  —  über- 
geben wurden.  Diatonion,  das  nicht  weiter  erwähnt  wird,  muss 
demnach  im  südöslHcheren  Theile  des  knossischen  Gebiets  ge- 
legen haben,  wahrscheinlich  am  linken  Ufer  des  obern  Amnisos 
bei  dem  Dorfe  Astritzi  (oder  Kaslritzi)  auf  einem  flachen  Hügel, 
dessen  Ränder  noch  die  Reste  alter  Mauern  mit  viereckigen  Thür- 
men  zeigen.  Lykastos,  das  im  Schiflscatalog  als  selbständige  Stadt 
erscheint,  wurde  den  Rhaukiern  durch  die  Knossier  wieder  ent- 
rissen und  gänzlich  zerstört  und  blieb  seitdem  in  Trümmern  lie- 
gen: seine  Stelle  bezeichnen  wahrscheinlich  die  zwischen  den 
beiden  oberen  Armen  des  Flusses  Platyperama  in  der  Nähe  des 
Dorfes  Chani-Kastelli  gelegenen  Ruinen  der  nach  der  Vertreibung 
der  Sarazenen  aus  Kreta  durch  Nikephoros  Phokas,  den  Feld- 
herrn des  Kaisers  Romanos  II.  und  spätem  Kaiser  von  Byzanz, 
im  Jahre  961  gegründeten  Festung  Temenos,  von  welcher  noch 
jetzt  dieser  Dislrict  den  Namen  trägt,  i) 

Die  schon  erwähnte  Stadt  Rhaukos,  deren  politische  Selb- 
ständigkeit auch  durch  die  von  ihr  geprägten  Münzen  sowie  durch 
einen  von  ihr  mit  der  ionischen  Stadt  Teos  abgeschlossenen  Ver- 
trag bezeugt  wird,  lag  wahrscheinlich  bei  dem  jetzigen  Dorfe 
Ilagios  Myron  (dessen  Schutzheiliger  nach  der  Tradition  in  Rhau- 
kos geboren  war),  ly^  Meile  südlich  von  der  Stelle  von  Tylissos: 
sie  wurde,  nachdem  sie  früher  durch  die  Annexion  von  Tylissos 
ihr   Gebiet  bis    an    die   Nordküste    ausgedehnt  hatte    (vgl.    oben 


hier  zwei  dieselbe  Oertlichkeit  bezeichnende  Namen  irrig  auf  verschie- 
dene Ortschaften  bezogen  hat.  Der  Name  der  von  den  Griechen  auch 
Megalokastro  genannten  Stadt  Kandia  (XccvSa>iov  in  einer  Urkunde  vom 
Jahre  1185  bei  Hopf  Allgemeine  Kncycl.  S.  I,  Bd.  85,  S.  17'i  f.;  latini- 
sirt  Candida  bei  Tafel  und  Thomas  Urkunden  III,  S.  tot  und  163) 
stammt  von  dem  arabischen  Worte  chandnk,  d.  i.  Graben.  Vgl.  Tashley 
I,  p.  189  8,     Ueber  Dia  vgl.  auch  Schol.  Theoer.  Id.  II,  45. 

«)  IL  ß,  647;  Polyb.  XXIII,  15;  Strab.  X,  p.  479;  Nonn.  Dionys. 
XllI,  235;  Stcph.  Kyz.  u.  AvHaarng;  Pomp.  Mel.  II,  113;  Pliu.  IV,  12, 
59;  Leo  Diacou.  llistor.  II,  8.  Vgl.  8pratt  I,  p.  84  ss.,  der  bei  Chani- 
Kastelli  (das  auch  den  jedenfalls  italiänischen  Namen  Rocca  führt) 
Rhaukos,  bei  Kaitritzi  Lykastos  an.'ietzt. 


562  in.   Die  Inselwelt. 

S.  557),  im  Jahre  166  v.  Chr.  von  den  vereinigten  Knossiern  und 
Gortyniern  erobert  und  ihr  Gebiet  jedenfalls  zwischen  diesen  bei- 
den Städten  getheilt.*) 

Zwischen  Rhaukos,  Gortys,  Knossos  und  Lyttos,  also  recht 
eigentlich  im  Herzen  Kreta's,  in  einer  quellenreichen  Gegend, 
muss  auch  die  Stadt  der  Arkadcs  (Arkadia)  gelegen  haben, 
von  welcher  erzahlt  wird,  dass  sie  einst  in  Folge  einer  feind- 
lichen Eroberung  verödet  war,  worauf  die  in  der  Stadt  ent- 
springenden Quellen  aufhörten  zu  fliessen ;  als  aber  nach  sechs 
Jahren  die  Stadt  wieder  hergestellt  und  wieder  bewohnt  wurde, 
kamen  auch  die  Quellen  wieder  zum  Vorschein.  Im  Jahre  221 
V.  Chr.  fielen  die  Arkader  zugleich  mit  mehreren  anderen  kre- 
tischen Städten  von  den  Knossiern,  mit  denen  sie  bis  dahin  im 
Bündnisse  gestanden  hatten,  ab  und  schlössen  sich  den  Lyttiern 
an;  einige  Zeit  darauf  schlössen  sie,  wie  viele  kretische  Städte, 
einen  Freundschafts-  und  Büudnissvertrag  mit  der  ionischen  Stallt 
Teos.  Der  Name  Arkadi  haftet  noch  jetzt  an  einem  2^/^  Stun- 
den südlich  von  der  Stelle  von  Lykastos  gelegenen  Dorfe;  eine 
Stunde  südlich  von  da  bei  dem  Dörfchen  Melidochori  finden  sich 
die  jetzt  Axi-Kephala  genannten  Ruinen  einer  wohlbefestigten 
hellenischen  Stadt,  mit  mehreren  Quellen  innerhalb  der  Mauern, 
die  man  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  auf  die  Stadt  der  Arkades 
beziehen   kann.  2)     Diese   lag  also    bereits    am   Südabhange   des. 


1)  Polyb.  XXXI,  1;  Scyl.  Per.  47;  Aelüm.  De  an.  XVII,  35;  Steph. 
Byz.  u/Pavv.oq;  Plin.  IV,  12,  59  (wo  Rhaucus  statt  Rhamnus  zu 
schreiben) ;  C.  I.  gr.  n.  3051 ;  vgl.  Pashley  I ,  p.  234  s.  Die  Münzen 
(Eckhel  D.  n.  I,  2,  p.  320)  zeigen  das  Bild  des  Poseidon,  ferner  den 
Dreizack  oder  ein  Schiff ,  Typen  die  mit  Sicherheit  auf  eine  Verbindung  der 
Stadt  mit  dem  Meere  hinweisen:  eine  solche  kann,  da  gegen  Süden 
Rhaukos  an  die  Gortynia  gränzte,  nur  gegen  Norden  durch  Annexion 
des  Gebiets  von  Tylissos  stattgehabt  haben.  —  Mit  Rhaukos  ist  viel- 
leicht das  bei  Ptol.  II I,  17,  10  zwischen  Föqxvva  und  KvcoGGog  aufge- 
führte ndvvovcc  zu  identificiren. 

2)  Seneca  Nat.  quaest.  III,  11,  5;  Plin.  XXXI,  4,  53;  Polyb.  IV,  53; 
C.  I.  gr.  n.  3052;  Steph.  Byz.  u.  'jQytddsg;  vgl.  Spratt  I,  p.  311  ss.  (mit 
Plan  der  Ruinen  auf  p.  325).  Die  zwei  Stunden  nordwestlich  von  da 
bei  Hagios  Thomas  erhaltenen  hellenischen  Ruinen  (vgl.  Spratt  II,  p.  57  ss.), 
auf  deren  Stelle  Kiepert  Arkadia  angesetzt  hat  (was  er  selbst  im  Vor- 
bericht zum  neuen  Atlas  von  Hellas  S.  5  zurücknimmt),  gehören  vieb- 
leicht  der  Ortschaft  der  "O^iot,  welche  bei  Polyb.  a.  a.  O.  neben  den 
'Aq%ccSbs  genannt  werden,  an. 


2.  \)ie  ostgriechischen  Inseln:  Kreta.  563 

wie  oben  bemerkt,  die  Wasserscheide  zwischen  der  Nord-  und 
Sudköste  bildenden  Bergzuges  und  gehörte  specieli  dem  Wasser- 
gebiete des  von  den  Alten  Katarrhaktes,^)  jetzt  Anapodiaris 
genannten  Flusses  an,  der  anfangs  in  südlicher,  dann  in  östlicher 
Richtung  fliesst  und,  nachdem  er  während  dieser  Richtung  seines 
Laufes  sehr  zahlreiche  Zuflüsse  von  Norden  her  empfangen  hat, 
an  der  Südküste  östUch  von  der  Bucht  von  Sudsuro  mündet. 
Das  Wassergebiel  dieses  Flusses,  in  welchem  wohl  auch  die  Ort- 
schaft Pyranthos  (beim  Dorfe  Pirathi,  2^2  Stunden  östlich  von 
der  Stelle  von  Arkadia,  zwischen  zwei  nördlichen  Seitenbäch'en)  ^) 
zu  suchen  ist,  bildete  wahrscheinlich  zu  seinem  grössten  Theile 
das  Gebiet  von  Priansos  oder  Priansion,  einer  in  der  Nahe 
der  Dikte  im  Innern  der  Insel  gelegenen  Stadt,  welche  im  Bunde 
mit  ihren  beiden  Nachbarstadtcn  Gortyn  und  Hierapylna  eine 
nicht  unbedeutende  Stellung  einnahm  und  auch  mit  auswärtigen 
Städten,  wie  mit  Teos,  Verträge  abschloss.  Das  Hauptheihgthum 
der  Stadt  war  das  der  Athena  Polias;  neben  dieser  wurde,  wie 
man  aus  den  Münzen  folgern  kann,  besonders  auch  Poseidon  ver- 
ehrt. Wahrscheinlich  gehören  der  Stadt  die  am  linken  Ufer  des 
bedeutendsten  unter  den  nördlichen  Nebenflüssen  des  Katarrhaktes 
zwischen  den  kleinen  Dörfern  Kasami  und  Ina-Kephali  gelegenen 
Ruinen  an.^)     Als  Hafenplatz    diente   den  Priansiern  wahrschein- 


^)  Ptol.  III,  17,  4.  Spratt  I,  p.  305  giebt  ihm,  wie  ich  glaube  mit 
Unrecht,  den  Namen  Pothereus:  vgl.  oben  S.  558,  Anm.  2. 

*)  Steph.  Byz.  u.  nvgav&og  (dessen  Bezeichnung  der  Lage  nEgl 
rogtvvcc  nicht  beweist,  dass  der  Ort  zum  Gebiete  von  Gortyn  gehörte); 
vgl.  Pashley  I,  p.  291.  Vielleicht  ist  auch  bei  Plin.  IV,  12,  59  Pyran- 
thos für  Pyloros  herzustellen.  —  Spratt  I,  p.  336  8.  setzt  im  Thale 
des  Anapodiaris  nahe  dem  linken  Ufer  des  Flusses  auf  einem  jetzt  Kastelli 
oder  Kastelliana  genannten  mit  mittelalterlichen  Ruinen  bedeckten  Hügel 
8telä  an,  das  Steph.  Byz.  u.  Er^Xcii  als  noXig  Kg7]Tr]g  nXrjGiov  Tlagai- 
oov  Y.ul  'PLd-vfivrjg  (Pvrinv  ci.  Ilöck  Kreta  I,  S.  414)  bezeichnet:  aber 
die  Namensähnlichkeit  ist  entschieden  trügerisch;  die  Worte  des  Steph. 
Byz.  sind  corrupt,  so  dass  sie  eine  sichere  Ansetzung  des  Ortes  unmög- 
lich machen. 

')  C.  I.  gr.  n.  2556  und  3057;  R.  Bergmann  De  inscriptione  Cre- 
tensi  inedita  qua  continetur  focdus  a  Gortyniis  et  Ilierapytniis  cum 
Priansiis  factum,  Berlin  1860;  vgl.  Eckhel  D.  n.  I,  2,  p.  319;  Pashley 
I,  p.  297.  Bei  Strabon  X,  p.  478  (der  ohne  Zweifel  die  Städte  Priansos 
und  Präsos  vollständig  mit  einander  vermengt)  ist  zu  schreiben:  ofiogot 
d'    fiolv  ccvzoCf  [toig    roQTvvioig]   ot  Uffäoioi   [sollte  heissen.  TlqCaV' 


564  ni.  Die  Inselwelt.  ' 

lieh  Binatos  (auch  Einatos  oder  Inatos),  eine  an  der  Süd- 
küste an  der  Strasse  von  Gortyn  nach  Ilierapytna  32  römische 
Milien  westlich  von  letzterer  Stadt  gelegene  Ortschaft,  in  welcher 
Eileilhyia  unter  dem  Beinamen  Binatia  oder  Einatia  verehrt  wurde: 
ihre  Stelle  bezeichnen  einige  alte  Beste  an  der  Bucht  von  Sud- 
suro,  in  welche  der  gleichnamige  Bergbaeh  mündet,  etwas  über 
eine  Stunde  westlich  von  der  Mündung  des  Katarrhaktes.^) 

Westlich  von  der  Stelle  von  Binatos  zieht  sich  in  einer 
Länge  von  fast  sechs  Meilen  längs  der  Südküste  ein  ansehnlicher 
Bergzug.  die  Aster usia  der  Alten ^)  hin,  dessen  nördliche  Ab- 
hänge den  südlichen  Band  eines  breiten  und  fruchtbaren  Fluss- 
thales  (jetzt  Messara  genannt)  bilden.  Der  dasselbe  durchströ- 
strömende  Fluss,  der  Lethäos  der  Alten 3)  (heutzutage  Mitro- 
polipolamos  oder  auch  Hieropolamos  genannt),  steht  dem  Katar- 
rhaktes an  Länge  des  Laufes  und  an  Wassermasse  ungefähr 
gleich,  verfolgt  aber  eine  dem  Laufe  jenes  gerade  entgegengesetzte 
Bichtung  von  Osten  nach  Westen.  Sein  ganzes  Stromgebiet  bil- 
dete im  Alterthum  das  Gebiet  der  Stadt  Gortyn  oder  Gor- 
tyna,  der  bedeutendsten  Nebenbuhlerin  von  Knossos  im  Kampfe 
um  das  Principat  unter  den  Städten  Kreta's.  Dieselbe  lag  eine 
Stunde  nördlich  vom  rechten  Ufer  des  Lethäos  an  einem  der 
zahlreichen  nördlichen  Zuflüsse  desselben,  am  südlichen  Kusse 
eines  der  das  Flusslhal  gegen  Norden  begränzenden  Hügel,  des- 
sen schmaler  Gipfel  die  Akropolis  bildete.    Die  Unterstadt,  welche, 


fffcot],  xfjg  (isv  d'CilccTZTjg  ivv8v^yiovxci  (o  oder  o  codd. ),  FoQTvvog  Sa 
öisxovrsg  tyiatov  "nccl  6y8oriy,ovxa.  Bei  Steph.  Byz.  p,  635,  1  ed.  Mei- 
neke  ist  für  IlQicdGog  der  codd.  UgLccvoog,  bei  Plin.  IV,  12,  59  für 
Dium  Asum  Priansium  herzustellen.     Ueber  die  Ruinen  vgl.  Spratt 

I,  p.  304  s.,  der  sie  auf  Inatos  bezieht;  das  Richtige  sah  Ussing  Kritiske 
Bidrag  til  Graekenlands  gamle  Geographie  p.  7  und  27. 

«)  Ptol.  m,  17,  4;  Steph.  Byz.  u.  Ei'varog;  Etym.  m.  p.  302,  12; 
Hesych.  u.  Elvatov;  Hierocl.  Synecd.  p.  13;  Geogr.  Rav.  V,  21  (p.  398,  2); 
Tab.  Peuting.  'llid^vt'a  BivcctLci  Inschrift  bei  R.  Bergmann  a.  a.  O.  Z.  63 
und  80.  —  Bei  Plin.  IV,  12,  59  ist  wohl  Inatos  für  Elatos  herzustel- 
len. Ueber  die  Ruinen  vgl.  Spratt  I,  p.  339  ss. ,  der  fälschlich  Priansos 
hier  ansetzt. 

2)  Steph.  Byz.  u.  'JöiSQOVGLa. 

3)  Strab.  X,  p.  478;  Dionys.  Call.  Descr.  Gr.  v.  126;  Quint.  Smyrn. 
X,  82;  Ptol.  III,  17,  4  (wo  die  Mündung  falsch  angesetzt  ist);  Solin.  Coli. 

II,  9;  Vibius  Seq.  p.  7,  7  ed.  meae. 


2.  Die  ostgriecliisclien  Inseln:  Kreta.  565 

wie  die  zwischen  den  Dörfern  Mitropolis  und  Ilagii  Deka  er- 
haltenen Ruinen  beweisen,  einen  belrächllichen  Umfang  hatte, 
war  ohne  Ringmauern:  Ptolemaos  Philopator  hatte  zwar  begon- 
nen sie  zu  ummauern,  war  aber  damit  nicht  weit  gekommen. 
Unter  den  Ruinen  ist  die  bedeutendste  die  des  Tiieaters,  welches 
sich  an  den  Södabhang  des  Burghügels  nahe  dem  rechten  Ufer 
des  die  Stadt  durchfliessenden  Baches  anlehnte,  die  Cavea  gegen 
Sudosten  gerichtet;  ihm  gegenüber  auf  dem  linken  Ufer  des  Ba- 
ches liegt  eine  aus  grossen  viereckten  Werkstücken  erbaute,  in 
ihrem  östlichsten  Theile  wohl  erhaltene  alte  Kirche  in  Kreuzes- 
form, deren  Gründung  die  Tradition  auf  den  heiligen  Titus,  den 
Gefährten  des  Apostel  Paulus  bei  dessen  Reise  nach  Kreta,  zu- 
rückführt. Südlich  von  da  liegt  die  Hauptmasse  der  Ruinen, 
grösstentheils  römische  Ziegelbauten,  mit  Marmor-  und  Granit- 
säulen dazwischen;  man  erkennt  noch  die  Reste  eines  Aquäducts 
und  einer  Badeanlage,  einer  Gerichlshalle  und  anderer  grosser 
öUentlicher  Gebäude,  endlich  im  südlichsten  Theile  der  Stadt  eines 
Amphitheaters.^)  Unter  den  Heiligthümern  der  Stadt  war  das 
bedeutendste  das  des  Apollon  Pythios,  nach  welchem  der  ganze 
mittelste  Stadttheil,  in  welchem  es  lag,  Pylhlon  genannt  wurde  ;'^) 
ausserdem  werden  erwähnt  Heiligthümer  des  Zeus  Ilekatombäos,  ^) 
des  Hermes,  der  unter  dem  (jedenfalls  ungriechischen)  Namen 
Hedas  verehrt  wurde,'*)  der  Artemis  (Brilomartis)-^),  und  des 
Atymnos  oder  Atymnios. ^)  Der  Cult  des  letzteren,  eines  offen- 
bar phönikischen  Gottes,  hängt  eng  zusammen  mit  der  Verehrung 
der   Europa -llellotis,  seiner   Schwester   nach   gortynischer   Sage, 


<)  II.  B,  640;  Od.  y,  234;  Scyl.  Per.  47;  Dionys.  Call.  D.  Gr.  v.  124; 
Strah.  X,  p.  478;  Ptol.  IIF,  17,  10;  Steph.  Hyz.  u.  r6Qtvv  (nach  dessen 
Angabe  die  Stadt  früher  die  Naiijen  'EXlcozig,  Aagicca  und  K^rjuvia 
geführt  haben  soll).  Die  Namen  Foqtvv  sowolil  als  'ElXcorig  sind  semi- 
tischen Ursprungs:  vgl.  G.  Hey  De  dialecto  Cretica  p.  15  s.  Vgl.  über 
die  Ruinen  öpratt  II,  p.  26  ss.  (mit  Plan  auf  p.  28);  Falkener  Museum 
of  class.  ant.  II,  p.  '277  ss.;  Thenon  Kcvue  archeol.  n.  s.  XVIII,  p.  126  ss.; 
über  die  Geschichte  der  Stadt  ebds.  p.  192  ss. 

*)  Steph.  Byz.  u.  nv9iov'j  vgl.  Antonin.  I^l».  Tran.sform.  25. 

2)  Ilesych.  u.  'Exatoiißaios:  vgl.  Ptolcm.  Hephäst.  Nov.  bist.  p.  30 
til.  Koulez. 

*)  Etym.  m.  p.  .315,  28. 

'")  Cornel.  Ni-p.  Hannib.  9. 

•*)  Solin.  Coli.  II,  9;  vgl.  Nenn.  Dionys.  XIX,  180. 


566  III.  Die  Inselwelt. 

der  zu  Ehren  man  ein  Fest  flellotia  feierte,  wie  man  auch  im 
Gebiet  von  Gortyn  an  einer  Quelle  unter  einer  Platane,  die  an- 
geblich ihre  Blätter  niemals  verlor,  den  Platz  zeigte,  wo  Zeus 
sich  mit  Europa  vermählt  habe. ') 

Eine  Stunde  westlich  von  den  Ruinen  von  Gortyn  ist  der 
Eingang  in  das  sogenannte  Labyrinth,  einen  alten  in  bergmän- 
nischer Weise  betriebenen  Steinbruch.  Aus  einer  Grotte,  einer 
Art  niedrigen  Saales,  dessen  Decke  durch  einen  natürlichen  Stein- 
pfeiler getragen  wird,  führen  zwei  unterirdische  Gänge,  die  sich 
öfter  zu  Kammern  und  geräumigeren  Gemächern  erweitern,  in 
vielfachen  Windungen  tief  in  das  Innere  eines  aus  Sandstein  be- 
stehenden Hügels  hinein.  Der  Zweck  der  Anlage  war  offenbar 
kein  anderer,  als  Steine  zu  den  Bauten  von  Gortyn  zu  gewinnen; 
mit  dem  mythischen  Labyrinth  hat  dieselbe  durchaus  nichts  zu 
thun.2) 

Der  Ilauplhafen  für  den  Handelsverkehr  der  Gortynier  war 
Leben  oder  Leben a  an  der  Südküste,  dem  Namen  nach  eine 
altphönikische  Ansiedelung,  an  der  Nordostseite  des  jetzt  Lida 
oder  Kephalas,  im  Alterthum  Leon  (griechische  Uebersetzung 
des  phönikischen  Namens  Leben)  genannten  Vorgebirges,  wo  sich 
noch  einige  Beste  der  alten  Ortschaft  finden,  darunter  einige 
Säulen  von  dem  ziemlich  in  der  Mitte  des  Ortes  gelegenen  hoch- 
berühmten, von  Kranken  aus  allen  Gegenden  Kreta's  besuchten 
Tempel  des  Asklepios. 3)  2^1^  Stunden  westlich  von  da  bildet  die 
Küste  eine  ziemlich  weite  gegen  Osten  offene,  gegen  Südwesten 
durch  zwei  vorliegende  felsige  Inseln  geschützte  Bucht,  die  w^e- 
nigstens  während  der  Sommermonate  den  Schiffern  einen  sichern 
Ankerplatz   darbietet   und   deshalb   von    den   Alten   'die   schönen 


1)  Hesych.  u.  'EXXioxicc,  Etym.  M.  p.  332,  40;  Athen.  XV,  p.  678 b; 
Theophr.  Hist.  pl.  I,  9,  5;  Varro  De  re  rust.  I,  7,  6;  Plin.  XII,  1,  1^ 

2)  Vgl.  Sieber  Reise  nach  der  Insel  Kreta  I,  S.  510  fF.;  Hock  Kreta 
I,  S.  447  ff.;  Spratt  II,  p.  43  ss.;  Perrot  L'ile  de  Crete  p.  98  ss.;  Revue 
archeol.  n.  s.  XVIII,  p.  200  ss. 

3)  Strab.  X,  p.  478;  Philostr.  Vita  ApoUon.  IV,  34;  Paus.  11,  26,  9; 
Ptol.  III,  17,  4;  Stadiasm.  m.  m.  §  321  f.;  Agathem.  I,  1;  Plin.  IV,  12, 
59;  Geogr,  Rav.  V,  21,  p.  397,  16  s.  (wo  das  vor  Libe na  aufgeführte 
Ledonia  auf  das  Cap  Leon  zu  beziehen  ist).  Vgl.  Spratt  I,  p.  348  ss. 
und  die  Inschriften  ebds.  II,  p.  423:  aus  letzteren  ersieht  man,  dass 
neben  dem  Asklepios  Soter  Hygleia  Soteira  und  Kora  verehrt  wurden. 


2.  Die  ostgriechischen  Inseln:  Kreta.  567 

Häfen'  [kkM  ^.i^svsg,  noch  jetzt  'g  rovg  Kalovg  XifiKovag)  ge- 
nannt wurde.  Nordöstlich  von  der  Bucht  liegt  hart  an  der  Küste 
ein  ganz  kleines,  jetzt  Traphos  genanntes  Eiland,  welches  einige 
Spuren  alter  Bewohnung,  jedenfalls  Ueberreste  der  alten  Ortschaft 
Alassa  (oder  Lassäa),  enthält.*)  Westlich  von  Kaloi  Lime- 
n  es  tritt  die  Küste  gegen  Süden  vor  in  dem  jetzt  Lithinos,  von 
den  Alten  Lissen  oder  Lisses  genannten  Vorgebirge, 2)  dem 
südlichsten  Punkte  der  ganzen  Insel,  von  welchem  aus  die  Küsten- 
linie wieder  auf  eine  Strecke  von  drei  Meilen  eine  nördliche 
Richtung  nimmt.  An  dieser  Küstenstrecke  lag  zwei  Stunden  nörd- 
lich vom  Cap  Lissen  an  einer  kleinen  Bucht,  welche  ausser  dem 
alten  Namen  auch  noch  Reste  der  alten  Ortschaft  und  besonders 
zahlreiche  Felsgräber  aufzuweisen  hat,  M  ata  Ion  (auch  Matala 
und  Matalia),^)  der  Hafenplatz  der  zwei  Stunden  nordöstlich 
von  da,  eine  Stunde  in  directer  östlicher  Entfernung  von  der 
Küste,  oberhalb  des  linken  Ufers  des  Lethäos  an  einem  jetzt 
Hagia  Photia  genannten  Platze  gelegenen  alten  Stadt  Phästos, 
der  Vaterstadt  des  theosophischen  Dichters  Epimenides,  in  wel- 
cher Zeus  unter  dem  ursprünglich  semitischen  Beinamen  Velcha- 
nos,  Aphrodite  Skolia,  Leto  und  Herakles  besonders  verehrt  wur- 
den. Ursprünglich  selbständig  und,  wie  namentlich  ihre  Münzen 
vermulhen  lassen,  von  nicht  geringer  Bedeutung,  wurde  sie,  wahr- 
scheinlich im  dritten  Jahrhundert  v.  Chr.,  von  den  Gortyniern 
zerstört  und  seitdem  nicht  wieder  hergestellt;  ihr  gegen  Süden 
bis  zum  Cap  Lissen  sich  erstreckendes  Gebiet  wurde  der  Gortynäa 
einverleibt.'*)     Dasselbe  Schicksal   traf  die   alle   Stadt  Rhytion, 


*)  Acta  Apost.  c.  27,  8;  die  dort  genannte  nokig  ''AXacoa  (so  cod. 
Alex.;  cod.  Sinait.  AacaaCoc)  ist  jedenfalls  identisch  mit  dem  ^AXaC  des 
Stadiasm.  m.  m.  §  322  und  dem  Alos  oder  Lasos  bei  Plin.  IV,  12,  59. 

')  Strab.  X,  p.  479  (wo  mit  Korais  6  Aiaai]v  zu  lesen);  vgl.  Stepb. 
IJyz,  u.  tPaiCTOs  (wo  6  Aiaojjg)  und  schol.  Od.  y,  293  (wo  die  Formen 
BUaar}  oder  BUoötjvtj  und  Aiaaiv  angeführt  werden);  auf  dieselbe  Oert- 
lichkeit  ist  Lisia  der  Tab.  Peuting.,  Tissia  des  Geogr.  Ravennas 
(p.  398,  1)  zu  beziehen.     Vgl.  Hey  De  dialecto  Cretica  p.  42. 

»)  Strab.  X,  p.  478  s.;  Ptol.  III,  17,  4;  Stadiasm.  m.  m.  §  323  f.; 
vgl.  Spratt  II,  p.  20  ss, 

*)  II.  B,  648;  Od.  y,  296;  Scyl.  Per.  47;  Strab.  X,  p.  479;  Diod.  V, 
78;  Polyb.  IV,  55;  Stepli.  IJyz.  u.  ^Pataros;  Plin.  IV,  12,  59.  Münzen, 
auf  welchen  Zeus  /fAjjaros  (vgl.  über  den  Namen  G,  Hey  De  dialecto 
Cretica  p.  39  s.)   und  llcruklcs  dargestellt  eiud,  bei  Eckhel  D.  n.  I,  2, 


568  ITT.    Die  Inselwelt. 

von  welcher  heutznlage  jede  Spur  verschwunden  zu  sein  scheint, 
ehenso  wie  von  der  gleichfalls  zur  Gortynäa  gehörigen  Ortschaft 
lioebe.') 

An  die  Gortynäa  granzte  im  Nordwesten  das  Gebiet  von 
Sybrita,  welches  die  westlichen  Abhänge  der  Ida,  die  östlichen 
des  Kedrios  und  das  Thal  des  zwischen  beiden  (liessenden  Fhisses 
Elektras  (vgl.  oben  S.  532)  umfasste.  An  der  Mündung  dieses 
Flusses  lag  der  Ilafenplatz  der  Sybrilier,  Sulia  oder  Sulena; 
die  Stadt  selbst,  deren  durch  ihre  künstlerische  Ausführung  aus- 
gezeichneten Münzen  die  Culte  des  Hermes  und  des  Dionysos  be- 
zeugen, lag  drei  Meilen  landeinwärts  zwischen  den  Quellen  des 
Flusses  bei  dem  Dorfe  Thronos,  das  nebst  einigen  Nachbardörfern 
noch  Reste  der  ausgedehnten  Ringmauern,  alte  Terrassen  und 
kleinere  Rruchstücke  verschiedener  Art  enthält,  ^j  Eine  Stunde 
nordwestlich  von  da,  bei  dem  Dorfe  Veni,  finden  sich  zwischen 
den  Trümmern  einer  mittelalterlichen  Befestigung  noch  einige 
Reste  hellenischer  Mauern,  die  man  wegen  der  Namensähnlich- 
keit auf  das  alte  Rene,  die  Vaterstadt  des  Dichters  Rhianos, 
bezogen  hat;   ist  dies  richtig,  so  muss  man  annehmen,  dass  das 


p.  317;  vgl.  Plnder  Die  antiken  Münzen  des  königlichen  Museums  zu 
Berlin  S.  55.  Heiligthum  der  Aphrodite  Eyibtia  YAym.  M.  p.  543,  49. 
ITeiligthum  der  Leto,  Fest  'Ev.8vGia  Antonin.  Lib.  Transf.  17.  Die  Phä- 
stier  waren  von  Jugend  auf  Spassmacher:  Atlien.  VI,  p.  261  ^ 

*)  II.  E,  G48;  Strab.  X,  p.  479;  Steph.  Byz.  u.  "Fvxiov,  Plin.  IV,  12, 
59;  Nonn.  Dionys.  XIII,  235.  Spratt  I,  p.  333  s.  und  Kiepert  setzen 
Rhytion  bei  dem  Dorfe  Rotas  oberhalb  des  rechten  Ufers  des  Katar- 
rhaktes an;  allein  die  Gortynäa,  zi^  welcher  nach  Strab.  a.  a.  O.  Rhy- 
tion gehörte,  hat  sieh  gewiss  nie  so  weit  ostwärts  erstreckt.  Vielleicht 
gehören  die  Ruinen  bei  Rotas  einer  der  nur  von  Pompon.  Mela  II,  113 
und  Plin.  IV,  12,  59  genannten  Städte  Olopyxos  oder  Therapnae 
(vgl.  Solin.  Coli.  11,4)  an.  Boißrj  erwähnt  ausser  Steph.  Byz.  u.  d.  W. 
nur  Nonnos  Dionys.  XIII,  236:  Pashley  I,  p.  299  setzt  es  vermuthungg- 
wcise  bei  dem  am  südlichen  Rande  der  Me>sara  gelegenen  Dorfe  Bobia  an. 

^)  ZIovXlcc  und  ZlovX/jvcc  Stadiasm.  m.  m.  §  324  f.  IJvßgLTcc  Scyl. 
Per.  47;  Ptol.  III,  17,  10;  C.  I.  gr.  n.  3049.  Münzen  bei  Eckhel  D.  n. 
V.  I,  2,  p.  320  s.  (vgl.  Museum  of  class.  ant.  II,  p.  292).  2ißvQtog 
Steph.  Byz.  u.  d.  W.;  Zlovßqixog  Hierocl.  Synecd.  p.  14  (vgl.  Notit. 
episcop.  8,  225  ibid.  p.  170  und  9,  134  ibid.  p.  185);  Sibrita  Geogr. 
Rav.  p.  397,  8;  Subrita  Tab.  Peuting.  Der  Name  Sybrita  ist  wahr- 
scheinlich auch  bei  Plin.  IV,  12,  59  für  Myrina  herzustellen.  Ueber 
die  Ruinen  vgl.  Spratt  II,  p.  102  ss. 


"2.  Die  ostgriechisclieil  lüseln:  Kreta.  569 

ganze  Gebiet  von  Sybrila  in  späteren  Zeiten  von  Gortyn  occupirt 
worden  ist,  da  Bene  als  eine  dieser  unterthanige  Stadt  bezeichnet 
wird.^)  Zum  Gebiet  von  Sybrita  geborten  wahrscheinlich  auch 
die  beiden  jetzt  Paximadia  genannten  kleinen  Felsinseln,  welche 
südwestlich  von  der  Mündung  des  Elektras  in  der  im  Nordwesten 
durch  das  Gap  Psychion  (Melissa),  im  Südosten  durch  das  Gap 
Lissen  (Lithinos)  begrenzten  Bucht  liegen:  die  grössere  derselben 
scheint  im  Alterthum  den  Namen  Letoa  geführt  zu  haben.  2) 

Die  bedeutendste  unter  den  Städten  Ostkreta's  war  Lyttos 
oder  Lyktos,  welches  gerade  auf  der  Gränze  zwischen  dem  mitt- 
leren und  dem  östlichen  Theile  der  Insel  auf  einem  von  der 
Hauptmasse  der  Dikte  gegen  Westen  vortretenden  Bergrücken 
oberhalb  des  Dorfes  Xidia  lag.  Von  diesem  Bergrücken  zweigen 
sich  zahlreiche  schmälere  gegen  Süden,  Westen  und  Norden  ab, 
so  dass  das  Terrain  der  alten  Stadt  ein  sehr  unebenes  und  cou- 
pirtes  war,  welches  die  Herstellung  einer  regelmässigen  Ringmauer 
erschwerte  und  die  Anlegung  von  Terrassen  als  Stütze  für  die 
Strassen  und  grösseren  Gebäude  nöthig  machte.  Die  Stadt  wurde 
im  Jahre  220  v.  Chr.  von 'ihren  feindlichen  Nachbarn,  den  Knos- 
siern,  zerstört,  worauf  die  Lyttier  in  Lappa  eine  Zuflucht  fanden, 
aber  offenbar  bald  darauf  wieder  hergestellt,  freilich  ohne  je 
ihre  frühere  Macht  und  Bedeutung  wieder  zu  erlangen.  Heut- 
zutage sind  ausser  Resten  der  Terrassenmauern  nur  einige  Piede- 
stale  von  Statuen  römischer  Kaiser,  eine  Anzahl  Marmor-  und 
Granitsäulen  und  an  dem  höchsten  Punkte  der  alten  Stadt  bei 
einer  Capelle,  weLche  wahrscheinlich  die  Stelle  des  Tempels  der 
Athena  einnimmt,  zwei  fragmentirte  Marmorstaluen  erhalten;  von 
dem  Theater,  welches  noch  zur  Zeit  der  venezianischen  Herr- 
schaft über  Kreta  kenntlich  war,  und  von  den  sonstigen  Gebäu- 
den (unter  denen  das  Prytaneioii  und  ein  Heiligthum  des  Apollon 
erwähnt  werden)  ist  jede  Spur  verschwunden.^) 


*)  Steph.  Byz.  u.  BtJvtj;  vgl.  Suid.  u. 'Ptavo's;  Paus.  IV,  6,  1;  Spratt 
II,  p.  105  8. 

')  Ai^Tcocc  vrjoog  Ptol.  III,  17,  11;  davon  ist  wohl  die  Butoa  des 
Plin.  IV,  12,  61  nicht  verschieden. 

')  Die  Münzen  (Eckhel  D.  n.  v.  I,  2,  p.  316)  und  Inschriften  (C.  I. 
gr.  n.  2672  SS.;  Naber  Mnemosyne  1,  p.  105  s.;  H.  B.  Voretzsch  De  in- 
scriptione  Cretensi  qua  continetur  Lyttioruni  et  Boloentiorum  foedus, 
Halle  1862  -«  Hermes  Bd.  IV,  8.  266  flf.)   geben  durchaus  Avzxogy  Avt- 

BURSIAN,  GEüOR.    U.  38 


570  III.    Die  Inselwelt. 

Das  an  sich  zur  Anlage  einer  Stadt  wenig  günstige  Terrain, 
auf  welclieni  Lyttos  erbaut  war,  gewahrte  (l<'n  Vorlheil,  <lass  die 
Lyttier  von  ihrer  Stadt  aus  die  Verbindung  zwisc  hen  ihrem  Ober- 
und  Unterlande  völlig  beherrschten.  Das  Oberland  war  die  zwei 
Stunden  lange  und  eine  Stunde  breite,  3000  Fuss  über  dem  Meere 
gelegene  Hochebene  von  Lasilhi,  zu  welcher  man  nur  vom  öst- 
lichen Ende  des  Bergrückens,  auf  dem  Lyttos  lag,  auf  einem 
Zickzackpfade  emporsteigen  kann:  ein  rings  von  höhern  Rändern 
umschlossenes,  gegen  Süden  von  den  höchsten  Gipfeln  der  Dikle 
überragtes  Recken,  aus  welchem  die  Gewässer  nur  auf  unter- 
irdischem Wege  durch  eine  am  westlichen  Rande  befindliche 
Katabothre  abfliessen.  An  den  Rändern  der  Hochebene  liegen 
zwischen  Wein-  und  Obstgärten  (die  Aepfel  und  Rirnen  des  nörd- 
licheren Europa  gedeihen  in  diesem  Hochland  vortrefflich)  zahl- 
reiche Dörfer,  deren  Bewohner  mit  ihren  Heerden  während  der 
Wintermonate  ins  Unterland  hinabsteigen.  Auch  im  Alterthum 
war  die  Hochebene  wohl  ausschliesslich  von  Hirten  bewohnt,  da 
sich  mit  Ausnahme  geringer  Reste  einer  kleinen  Befestigung  keine 
Spuren  einer  alten  Ansiedelung  daselbst  gefunden  haben, ')  Das 
Unterland  der  Lyttier  war  die  gerade  westlich  unter  ihrer  Stadt 
gelegene,  von  Ost  nach  West  beinahe  zwei  Stunden  lange  Ebene 
Omphalion,  deren  Resitz  wohl  die  Hauptursache  der  häufigen 
Kämpfe  mit  den  Knossiern  bildete,  nebst  dem  nördlich  von  der- 
selben bis  zur  Nordküste  sich  erstreckenden  Hügellande,  das  von 
mehreren  Bächen,  unter  denen  der  jetzt  Aposelemi  genannte  der 
bedeutendste  ist,  durchflössen  wird.^) 


tioi,  nur  in  der  Inschrift  in  der  Mnemosyne  a.  a.  O.  erscheint  danehen 
auch  AvKTLOi;  in  den  Handschriften  überwiegt  die  Form  Au-Kxog:  vgl. 
11.  B,  647;  Hesiod.  Theog.  477  und  482;  Aristo t.  Pol.  II,  10;  Scyl.  Per. 
47;  Polyb.  IV,  53  f.;  Strab.  X,  p.  476;  Diod.  XVI,  62;  Liv.  Perioch.  99; 
Ptol.  III,  17,  10;  Steph.  Byz.  u.  AvKtog  u.  a.  Heiligthum  des  Apollon 
und  £/x  TtoXst  der  Athena:  Inschrift  in  der  Mnemosyne  a.  a.  O.  Z.  11  f. 
Hestia  i(i  U^vravaio}  Inschrift  bei  Voretzsch  a.  a.  O.  Z.  5:  wahrschein- 
lich hatten  auch  die  andern  in  derselben  Inschrift  als  Schwurzengen  an- 
gerufenen Gottheiten  Heiligthümer  in  der  Stadt.  lieber  die  Ruinen  vgl. 
Spratt  I,  p.  92  ss, 

1)  Vgl.  Spratt  I,  p.  100  ss.  Ein  Hirt  aus  dieser  Gegend  war  jeden* 
falls  der  in  dem  Epigramm  des  Kallimachos  Anthol.  Pal.  VII,  518  be- 
sungene Astakides. 

*)   Diod.  V,  70;   Callimach.  H.  in  lov.  44  8.;    Steph.  Eyz.  u.  'Oficpcc- 


2.  Die  ostgriechischen  Inseln:  Kreta.  571 

Auf  einem  kleinen  kegelförmigen  Hügel  am  nördlichen  Rande 
der  Ebene  finden  sich  noch  Reste  anliker  Ringmauern  (jetzt  Saba 
oder  Sapa  genannt),  wahrscheinlicli^  von  der  kleinen  Ortschaft 
ThenäJ)  Als  Hafenplatz  diente  den  Lyttiern  die  Sy.,  Stunde 
nördlich  von  ihrer  Stadt  an  der  Westseite  der  jetzt  Bucht  von 
Malia  genannten  weiten  Bucht  der  Nordküste  gelegene  Stadt 
Chersonesos,  deren  Name  noch  an  dem  die  Bucht  im  Nord- 
westen abschliessenden  Vorgebirge  (Cap  Chersoniso)  haftet.  Sie 
muss,  da  sie  eigene  Münzen  prägte,  wenigstens  in  älteren  Zeiten 
selbsländi»  gewesen  sein;  auch  in  der  älteren  christlichen  Zeit 
spielte  sie,  während  Lyttos  mehr  und  mehr  verfiel,  als  Bischofs- 
sitz eine  nickt  unbedeutende  Rolle.  Sie  besass  ein  Heiligthum 
der  Britomartis,  das  vielleicht  nicht  in  der  Stadt  selbst,  sondern 
gegen  drei  Stunden  weiter  östlich  nahe  der  Küste  auf  einem 
jetzt  Heiliniko-Sivadi  genannten  Platze,  auf  welchem  noch  eine 
Plalform  von  etwa  95  Fuss  im  Quadrat  nebst  einigen  Fundamen- 
ten alter  Gebäude  erhalten  ist,  lag.  2)  Wahrscheinlich  bezeichnete 
dieses  Heiligthum,  mag  es  nun  der  Britomartis  oder  einer  andern 
Gottheit  geweiht  gewesen  sein,  die  G ranze  der  Gebiete  von  Lyttos 
und  von  Milatos,  die  demnach  ungefähr  mit  der  der  jetzigen 
Districte  Pediada  und  Mirabella  zusammenfiel.  Diese  östliclie 
Nachbarin  von  Lyttos,  eine  alte  Stadt,  die  aber  schon  lange  vor 
dem  Beginn  unserer  Zeitrechnung  von  den  Lyttiern,  die  ihr  Ge- 
biet occupirt  hatten,  zerstört  und  nicht  wiederhergestellt  worden 
war,    lag  an  der  Ostseite  der  Bucht  von  Malia  auf  einem  spitzi- 


Xiov.  lieber  den  in  dieser  Ebene  fiiessenden  Bach  Triton  vgl.  o]>en 
S.  559,  Anm.  1. 

*)  Callimacb.  1.  1.  v.  42  s.;   Steph.  Byz.  u.  Ssvai  und  'OfiqxxUov. 

«)  Strab.  X,  p.  478  s.;  Flut.  De  mul.  vir.  8;  Ptol.  III,  17,  5;  Stadiasm. 
m.  m.  §  349  f.;  Steph.  Byz.  u.  XiQQOVi]Gog;  Hierocl.  Syneed.  p.  14; 
Notit.  episcop.  3,  442  (p.  118);  8,  223  (p.  170)  u.  ö.;  Geugr.  Rav.  p.  397,  3. 
Münzen:  p:ckhel  D.  n.  v.  I,  2,  p.  307  s.  Vgl.  Pashley  I,  p.  2G8  8.;  Spratt 
[,  p.  104  88.  —  Da  Scyl.  Per.  47  Ton  Lyttos  sagt:  dtTJ-nsc  avxrj  ccfjL(po- 
TiQ(od-8v,  so  müssen  wir  annehmen,  dass  die  Lyttier  zur  Zeit  ihrer  höcli- 
sten  Machtentwickehing  durch  Annexion  des  Gebietes  von  Priansos  ihr 
Gebiet  bis  zur  Südküste  ausgedehnt  hatten.  Die  Ausdehnung  ihres  Ge- 
biets gegen  Osten  bis  zum  Golf  von  Mirabclla,  die  nur  durch  Unterwer- 
fung der  Nachbarstädte  Mihitos,  Dreros,  Olus,  Lato  und  Istron  erfolgt 
sein  kann,  bezeugt  Strab.  X,  p.  475  {Mivtoag  rr/s  ylvntt'cav). 


572  III.    Die  Inselwelt. 

gen  Hügel  in  der  Nähe  des  jetzigen  Dorfes  Milalo,  auf  welclienn 
man  noch  einige  antike  Cisternen  und  Terrassen  erliennt.  ^) 

Der  Rücken  des  Kadisiongebirges  trennte  das  Gebiet  von 
Milalos  von  dem  jedenfalls  sehr  beschränkten  Gebiete  von  Dre- 
ros,  einer  fast  verschollenen  Stadt,  deren  Andenken,  abgesehen 
von  einer  beiläufigen  Erwähnung  bei  einem  Grammatiker,  nur 
durch  einige  polygone  Mauerreste  auf  einem  jetzt  Choräs  geann- 
len,  von  einer  Kirche  des  heiligen  Antonius  gekrönten  Hügel 
westlich  von  dem  Dorfe  Elunta  und  eine  innerhalb  derselben  ge- 
fundene grosse  Steinschrift  (eidliche  Verpflichtung  der  mit  den 
Knossiern  verbündeten  Drerier  zu  ewiger  Feindschaft  gegen  die 
Lyttier)  uns  erhalten  ist:  aus  dieser  Inschrift  erfahren  wir,  dass 
die  Stadt  ein  Prytaneion  und  ein  Heiligthum  des  Apollon  Dei- 
phinios,  das  zugleich  als  Archiv  benutzt  worden  zu  sein  scheint, 
besass.  ^) 

Der  Name  des  eben  erwähnten,  aus  einem  oberen  und  einem 
unteren  Weiler  (Apano-  und  Kato- Elunta)  bestehenden  Dorfes 
Elunta  ist  offenbar  ein  Erbstück  von  der  alten  Stadt  Olus  (kre- 
tisch auch  Bolus  oder  Boloeis),^)  die  aber  nicht  an  der  Stelle 


1)  II.  JS,  647;  Strab.  X,  p.  479;  XII,  p.  573;  XIV,  p.  634;  Pausan. 
X,  30,  2;  Nonn.  Dionys.  XIII,  233;  Steph.  Byz.  u.  MtlT^TOs;  Plin.  IV, 
12,  59:  vgl.  Spratt  I,  p.  114  s.  Die  Milatier  erscheinen  noch  als  selb- 
ständige, den  Lyttiern  feindselige  Gemeinde  in  der  jedenfalls  vor  dem 
Jahre  220  v.  Chr.  abgefassten  Inschrift  der  Drerier  (s.  die  folgende  Anm.) 
Col.  IV,  Z.  16. 

2)  Die  Inschrift,  über  deren  Fundort  Rangabe'  Antiq.  hell.  II,  p.  1030 
zu  vergleichen,  ist  zuletzt  und  am  genauesten  publicirt  von  Dethier 
'Dreros  und  kretische  Studien'  in  den  Wiener  Sitzungsberichten  Bd.  30, 
S.  431  fif.  mit  Facsimile  auf  Tafel  8.  Das  Prytaneion  wird  darin  erwähnt 
Col.  I,  Z.  15,  das  Delphinion  Col,  III,  Z.  31,  ausserdem  besassen  wohl 
auch  die  übrigen  Col.  I,  Z.  16  ff.  als  Schwurzeugen  angerufenen  Gott- 
heiten Heiligthiimer  in  der  Stadt  oder  ihrem  Gebiete.  Sonst  nennt  Dre- 
ros  nur  Theognost.  Can.  382  (in  Cramers  Anecd.  Oxonien.  Vol.  II, 
p.  69,  29). 

3)  Der  Name  lautet  in  der  von  Voretzsch  (vgl.  S.  569,  Anm.  3  (be- 
handelten Inschrift  Boloivxioi,  ig  Bolosvra,  in  dem  Bundesvertrage 
zwischen  Olus  und  Lato  (C.  I.  gr.  n.  2554)  'OIovxlol,  ev  'OXovtl,  auf 
Münzen  (Eckhel  D.  n.  v.  1,2,  p.  316)  'OXovtLoav',  vgl.  Scyl.  Per.  47^; 
Paus.  IX,  40,  3;  Ftol.  III,  17,  5;  Stadiasm.  m.  m.  §  350;  Steph.  Byz.  u. 
"OXovg;  in  "AlXvyyog  oder"AXvyyog  corrumpirt  bei  Hierocl.  Synecd.  p.  13; 
Notit.  episc.  8,  232  (p.  170)  und  9,  141  (p.  186).     Ueber  die  Reste  vgl. 


2.  Die  ostgriechischen  Inseln:  Kreta.  573 

*des  modernen  Dorfes  lag,  sondern  weiter  östlich  auf  dem  schma- 
len Isthmos,  welcher  die  lange  felsige  Halbinsel  Spina  longa  mit 
der  Küste,  die  vom  Cap  Zephyrion  an  auf  eine  lange  Strecke 
sich  südwärts  hinzieht  und  so  die  jetzt  ^Golf  von  Mirahella'  ge- 
nannte weite  und  tiefe  Einbuchtung  bildet,  verbindet.  Der  jetzt 
nur  etwa  300  Fuss  breite  und  kaum  mehr  als  drei  Fuss  über 
die  Meeresfläche  sich  erhebende  Isthmos  muss  im  Alterthum  be- 
trächtlich höher  und  breiter  gewesen  sein,  denn  ein  bedeutender 
Theil  der  Ruinen  der  alten  Stadt  (welche  ein  Heiliglhum  des  Zeus 
Talläos  und  einen  Tempel  der  Dritomartis  mit  einem  angeblich 
von  Dädalos  gearbeiteten  Holzbilde  dieser  Göttin  besass)  zu  beiden 
Seiten  des  Isthmos  ist  jetzt  mit  Wasser  bedeckt;  die  Abnahme 
der  Breite  und  Höhe  ist  eine  Folge  der  durchgängigen  Senkimg 
des  Landes,  welche  im  östlichen  Kreta,  entsprechend  der  mehr- 
fach erwähnten  Hebung  im  westlichen  Theile  der  Insel,  seit  dem 
Alterthum  stattgefunden  hat. 

Die  südliche  Nachbarstadt  von  Olus,  Lato,  lag  auf  und  an 
den  Rändern  einer  kraterälinlichen  Einsenkung  zwischen  den  bei- 
den Gipfeln  eines  ansehnlichen  Hügels  V/^  Stunde  westlich  von 
der  Küste.  Wie  die  jetzt  Gulus  genannten  Ruinen  zeigen,  waren 
sowohl  die  Ringmauern  als  die  durchgängig  auf  terrassenartigen 
Unterbauten  stehenden  Fläuser  aus  grossen  fast  gar  nicht  be- 
hauenen  Steinblöcken  von  unregelmässiger  Form  erbaut;  nur  im 
nordöstlichsten  Theile  der  Stadt  findet  man  auf  einer  ungefähr 
300  Fuss  langen  Terrasse  die  Resle  eines  aus  regelmässigen 
viereckigen  Werkstücken  bestehenden  Gebäudes,  wahrscheinlich 
eines  Heiligthums,  entweder  des  Poseidon  (doch  kann  dies  auch 
in  der  Hafenstadt  gelegen  haben)  oder  der  Eleulhya  (Eileithyia). 
Der  Hafenplatz  der  Latier  war  Kamara,  ein  gerade  östlich  von 
Lato  an  einer  kleinen  durch  ein  gegen  Osten  vorliegendes  Eiland 
(das  jetzt  nach  dem  heiligen  Nikolaos  benannt  wird)  geschützten 
Bucht,  in  welche  der  Mirabellopotamos  mündet,  gelegenes  Städt- 
chen,, von  welchem  noch  einige  unbedeutende  Reste  erhalten 
sind.  M     Ruinen   einer   anderen   alten  Ortschaft  finden   sich   zwei 


Spratt  I,  p.   121  88.,    der  ganz  irrig  zwischen  Olontion  (was  Niemand 
kennt)  und  Olus  unterscheidet. 

*)  C.  I.  gr.  n.  2554  (Z,  92  f.  Tempel  des  Poseidon)  und  n.  3058 
(Z.  19  Heiliglhum  der  Eleuthya:  auf  diese  Göttin  ist  wohl  auch  der  Kopf 
auf  der  von   Eckhel  D.  n.  v.  I,  2,  p.  316  beschriebenen  Münze  zu  be- 


574  in.    Dio  Inselwelt. 

Stunden  südlich  von  da  in  der  Nähe  des  Dorfes  Kato-chorio  an 
der  Südwestecke  des  Golfs  von  Mirabella,  in  welche  ein  wasser- 
reicher Bach  einströmt.  Der  noch  jetzt  an  dieser  Ruinenstätte 
haftende  Name  Istronas  lässt  uns  darin  die  Reste  der  alten  Stadt 
Istron  oder  Istros  erkennen,  welche,  wie  aus  der  Urkunde 
eines  von  ihr  mit  Teos  abgeschlossenen  Freundschaflsvertrags  er- 
hellt, ein  Heihgthum  der  Athena  Polias  besass.  Da  nun  aber 
einige  alte  Schriftsteller  mit  Bestimmtheit  eine  Ortschaft  Minoa 
auf  der  Stelle  dieser  Ruinen  ansetzen,  so  müssen  wir  annehmen, 
dass  entweder  beide  Namen  dieselbe  Ortschaft  bezeichnen  oder 
dass  die  etwas  weiter  landeinwärts  gelegene  Stadt  Istron  schon 
vor  Beginn  unserer  Zeilrechnung  verschwunden  war  und  nur  ihr 
Ilafenplatz  Minoa  fortbestand,  auf  welchen  dann  im  Volksmunde 
der  Name  des  untergegangenen  Hauptortes  übertragen  worden 
ist.  *)  Im  Golf  von  Mirabella  liegen  ausser  dem  schon  erwähnten 
Eiland  des  Hagios  Nikolaos  noch  zwei  unbewohnte  kleine  Inseln, 
für  welche  wir  keine  antiken  Namen  kennen:  Kun)ilhia  nahe  dem 
innersten  Winkel  und  das  etwas  grössere  Psyra  nahe  der  Ost- 
küste des  Golfes.  An  der  Ostküste  stand  wahrscheinlich  auch  die 
uns  fast  nur  durch  Münzen  und  Inschriften  bekannte  Stadt  Alla- 
ria,  welche  ein  Heiligthum  des  Apollon  besass;  doch  sind  wir 
nicht  im  Stande  ihre  Stelle  auch  nur  mit  annähernder  Sicherheit 
nachzuw  eisen. '') 


ziehen);  AazCiov  tcov  ttqos  Kaybdqa.  Lebas  Inscriptions  grecques  et  la- 
tines  pari.  V,  74;  über  die  Ruinen  vgl.  Spratt  I,  p.  129  ss.  (mit  Plan); 
über  die  richtige  Benennung  derselben  und  das  Verhältniss  von  Lato  zu 
dem  von  Ptol.  III,  17,  5,  Stadiasm.  m.  m.  §  351,  Steph.  Byz.  u.  Ka- 
(iccga  und  Hierocl.  Syneed.  p.  13  erwähnten  Kamara  Ussing  Kritiske 
Bidrag  til  Graekenlands   gamle  Geographie  p.  4  s. 

*)  C.  I.  gr.  n.  3048,  vgl.  Steph.  Byz.  u."lorQog:  auch  im  Stadiasm. 
Jii.  m.  §  352  f.  liat  C.  Müller,  freilich  mit  wenig  paläograpischer  Wahr- 
scheinlichkeit, "latQOv  und  '^Iotqov  für  'Exeqccv  und  ^Ettgccg  des  Codex 
hergestellt.  Mivaa  Strab.  X,  p.  475  (nach  welcher  Stelle  die  Stadt  da- 
mals den  Lyttiern  gehörte)  und  Ptol.  III,  17,  5.  Ueber  die  Ruinen  s. 
Spratt  I,  p.  137  ss. 

2)  Freundschaftsvertrag  zwischen  Allaria  und  Paros  C.  I.  gr.  n.  2557 
=  Mnemosyne  II,  p.  30  ss.;  desgleichen  mit  T€os  Lebas  Inscriptions  gr. 
et  lat.  part.  V,  73.     Münzen  Eckhel  D.  n.  v.  I,  2,  p.  303  =  Museum  oF 
class.  ant.  II,   p.  270.     Vgl.   Steph.   Byz.   u.  'AXXecQi'a.    —    An  derselben 
Küstenstrecke  lag  vielleicht  die  nur  aus  der  Urkunde  eines  von  ihr  mit 


2.   Die  ostgriechischen  Inseln:  Kreta.  575 

Oestlich  vom  Golf  von  Mirabella  ist  die  Nordküste  wiederum 
durch  eine  Buclit  (jetzt  Bucht  von  Sitia  genannt)  eingeschnitten, 
welche  gegen  Westen  durch  das  Cap  Sitia  (bei  den  Alten  Eteia), 
gegen  Osten  durch  eine  weit  nach  Norden  zu  vortretende,  an 
beiden  Seiten  mehrfach  ausgezackte  felsige  Landzunge  begränzt 
wird,  deren  nördlichste  Spitze,  das  mit  einem  Heiligthum  deV 
Athena  bekrönte  Cap  Samonion  (oder  Salmonion,  Salmo- 
nis)  der  Alten  (jetzt  Cap  Sidero),  die  Nordostecke  Kreta's  bildet. 
Etwas  über  eine  Meile  westlich  von  diesem  Cap  liegt  eine  Gruppe 
von  vier  unbewohnten,  nur  von  Schwammfischern  besuchten  Fels- 
inseln (zwei  grössere  und  zwei  kleinere),  deren  moderner  Name 
lannitzades  eine  leichte  Corruptel  des  antiken  Namens  Diony- 
siades  ist.  An  der  Südwestecke  der  Bucht,  in  welche  ein  nicht 
unbeträchtlicher  Fluss  einmündet  (von  den  Alten  Didymoi  oder 
Didyma  genannt,  wie  auch  die  Bucht),  Onden  sich  die  Ruinen 
der  befestigten  venezianischen  Ortschaft  Sitia,  offenbar  der  Nach- 
folgerin der  alten  Hafenstadt  Eteia  (oder  Etis),  die  aber  nicht 
ganz  auf  derselben  Stelle,  sondern  etwas  weiter  gegen  Osten 
stand,  wo  noch  in  dem  Dorfe  F*etra  und  auf  einem  Hügel  ober- 
halb desselben  Reste  polygoner  Mauern  und  alte  Terrassen  vor- 
handen sind.^) 

Eteia  war  jedenfalls  keine  selbständige  Ortschaft,  sondern 
nur  der  Hafenplatz  der  2'/2  Stunden  landeinwärts  gelegenen  Stadt 
Präsos,  deren  Gebiet  sich  wie  bis  zur  Nordküste  so  auch  bis 
zur  Südküste  erstreckte.  Die  Stadt,  deren  auf  einem  Flöhen- 
rücken zwischen  den  beiden  obersten  Armen  des  Didymoiflusses 
gelegene,  hauptsächlich  aus  alten  Terrassenmauern  und  Haufen 
von   Steinen    und    Thonscherben    bestehende    Ruinen    noch  jetzt 


Teos  abgeschlossenen  Vertrages  (Lebas  a.  a.  O.  76)  bekannte  Stadt  der 
^Eqccvvlol. 

')  Stadiasm.  m.  m.  §  353  f.  wird  eine  Kr]t£a  axgcc  erwähnt,  wofür 
ohne  Zweifel  "Hrsia  herzustellen  ist;  vgl.  Steph.  Byz.  u.^Hzig;  Diog. 
Lacrt.  I,  9,  107;  Etym.  M.  p.  248,  34.  ZaficovLOV  Strab.  X,  p.  472; 
475  u.  ö.;  Stadiasm.  m.  m.  §  318  und  355;  Ptol.  III,  17,  5;  Pompon. 
Mela  II,  112;  Plin.  IV,  12,  58  und  71.  Zalficoviov  Strab.  II,  p.  106; 
2al(i(ovig  ApoUon.  Khod.  J,  1691;  Dionys.  Per.  110.  £al^<6vi]  Acta 
Apost.  27,  7.  'A&avaCcc  ZaXficov^a  C.  I.  gr.  n.  2655,  Z.  13.  JiovvaLoc- 
isg  vijaoi  Diod.  V,  75  (wo  inl  zav  yialovfiivoav  Jtdv(ia}v  y.okncov); 
Stadiasm.  m.  m.  §  354  f.  Fluss  Ji6v(ioi  oder  JiSvfi«:  Dionys.  Call.  D. 
Gr.  V.  127;  Steph.  Byz.  u.  Jidv^a. 


576  III.    Die  Inselwelt. 

den  Namen  Präsus  fuhren,  liatle  durch  V^ergewaltigung  einer 
schwächeren,  jetzt,  wie  es  scheint,  his  auf  die  letzte  Spur  ver- 
schwundenen Nachbarstadt,  Dragmos,  ihre  Gränzen  gegen  Osten 
erweitert  und  bedrängte  dann  auch  die  durcli  diese  Gebiets- 
erweiterung zu  ihren  unmittelbaren  Nachbarn  gewordenen  fla- 
nier, welche  sich  ihrer  nur  mit  Hülfe  des  Königs  von  Aegyplen 
Ptolemäos  VI.  Philometor  erwehren  konnten.  Nach  dem  Tode 
dieses  Königs  (146  v.  Chr.)  blieben  die  Besitzverhältnisse  zunächst 
unverändert;  aber  einige  Zeit  darauf  wurde  Präsos  von  seinen 
westlichen  Nachbarn,  den  Hierapytniern,  zerstört,  die  seitdem  im 
Besitze  seines  Gebiets  blieben.  ^) 

Die  östliche  Nachbarin  von  Präsos,  Itanos,  eine  Griindung 
der  Phöniker,  lag  jedenfalls  an  der  Ostküste  und  zwar  wahr- 
scheinlich am  nördlicheren  Theile  derselben,  an  der  weiten  Bucht, 
welche  sich  zwischen  dem  Gap  Sidero  im  Norden  und  dem  weit 
gegen  Osten  vortretenden  Gap  Plaka  (von  manchen  Schiffern, 
wohl  nur  in  falscher  Anwendung  eines  antiken  Namens,  auch  Gap 
Salmone  genannt)  im  Süllen  öffnet.  An  der  Westseite  dieser  jetzt 
Grandes  genannten  Bucht  finden  sich  an  zwei  Stellen  alte  Rui- 
nen :  gegen  Norden  am  südlichen  Ende  der  im  Gap  Sidero  enden- 
den Landzunge,  gegenüber  von  der  Insel  Elasa  die  Ruinenstätte 
Eremopoli;  gegen  Süden  unmittelbar  nordwestlich  vom  Gap  Plaka, 
gegenüber  von  zwei  kleinen  wie  die  Bucht  Grandes  genannten 
Inseln  ein  kegelförmiger  jetzt  Paläokastro  genannter  Hügol  mit 
Resten  einer  alten  Festung  und  Trümmern  von  Wohnungen  am 
Fusse  desselben.     Eremopoli  halte   ich  nach  einer  dort  gefunde- 

*)  S.  die  bei  Toplu-Monastiri  (nahe  der  Ostküste  der  Bucht  von  Sitia) 
gefundene  Inschrift  bei  Pashley  I  zu  p.  290  =  C.  I.  gr.  n.  2561''  Vol.  II 
p.  1100  s.  (Schiedspruch  einer  im  Auftrag  des  römischen  Senats  von  einer 
Gemeinde  ausserhalb  Kreta's,  entweder  den  Pariern  oder  den  Magneten 
am  Mäander,  ernannten  Commission  über  Gränziegulirung  zwischen  den 
Itaniern  und  Hierapytniern),  besonders  Z.  .38  ff.,  Z.  45,  Z.  57,  Z.  60  f.  und 
Z.  67:  vgl.  Scyl.  Per.  47;  Strab.  X,  p.  475  und  478  s.;  Herod.  VII,  170  f.; 
Theophr.  Hist.  pl.  III,  3,  4;  Athen.  IX,  p.  376^;  Steph.  Byz.  u.  IIqccl- 
cog.  Münzen  bei  Eckhel  D.  n.  v.  I,  2,  p.  319  und  Museum  of  class.  ant. 
II,  p.  269.  Die  Stadt  zlqay^og  wird  ausser  in  der  Inschrift  nur  bei  Steph. 
Byz.  u.  d.  W.  erwähnt.  lieber  die  Ruinen  s.  Spratt  I,  p.  164  ss. ,  der 
das  in  der  Inschrift  und  bei  Strab.  X ,  p.  475  erwähnte  Heiligthum  des 
Zeus  Diktäos  bei  Kopra-Kephali  drei  bis  vier  englische  Meilen  westlich^ 
von  Präsos  ansetzen  will;  allein  aus  der  Inschrift  ergiebt  sich,  dass  es 
an  der  Glänze  des  Gebiets  der  Itanier,  also  östlich  von  Präsos  lag. 


2.   Die  ostgriechischen  Inseln:  Kreta.  577 

nen  Inschrift^)  für  den  Plalz  des  Heiligthums  der  Athena  Sal- 
nionia,  an  welches  sich  in  späterer  Zeit  eine  kleine  Ortschaft, 
deren  Namen  wir  nicht  kennen  (vielleicht  hiess  sie  Salmone) 
angeschlossen  hat:  die  Lage  des  Heiligthums  an  der  Wurzel  statt 
auf  dem  Rücken  oder  der  äussersten  SpiTze  des  V^orgebirges,  nach 
welchem  die  Gottheit  benannt  ist,  ist  ganz  analog  der  Lage  der 
Heiiiglhümer  des  Poseidon  auf  Tänaron  und  auf  Gerästos.  Paläo- 
kastro  bezeichnet  wahrscheinlich  die  Steile  dc^r  Stadt  Itanos, 
deren  Namen  auch  das  benachbarte  Vorgebirge  (das  jetzige  Gap 
Plaka)  trug. 2)  Das  Gebiet  der  Stadt,  welches  sich  gegen  Süden 
jedenfalls  bis  zum  Cap  Erythräon  (dem  jetzigen  Cap  Gutheru 
an  der  Südküste)  erstreckte,  enthielt  noch  zwei  kleinere  Ort- 
schaften an  der  Ostküste,  von  denen  einige  Reste  erhalten  sind: 
die  nördlichere,  deren  antiken  Namen  wir  nicht  kennen,  lag  in 
einer  kleinen,  an  drei  Seiten  von  Anhöhen,  an  deren  unteren  Ab- 
hängen man  noch  antike  Terrassen  erkennt,  umschlossenen  Strand- 
ebene an  der  Bucht  von  Zakro;  die  zweite,  Ampelos  (welchen 
Namen  auch  ein  ihr  benachbartes  Vorgebirge  trug),  V/2  Stunden 
weiter  südlich  an  einer  kleinen  offenen  Bucht,  welche  durch  zwei 
davor  liegende  kleine  Felsinseln  (jetzt  Cavallos  genannt)  einigen 
Schutz  erhält.  Auch  diese  sowie  die  vorher  erwähnten  Eilande 
Elasa  und  Grandes  gehörten  den  Raniern ,   ebenso  die  bedeuten- 


*)  Spratt  II,  pl.  1,  n.  4,  wo  zu  lesen  ist:  ig  aT]cikav  Xi^ivav  v.cu. 
%-iliBV  ig  t6  [t]aQ6v  ta?  *Ad-ava[Lag]  (vgl.  S.  575,  Anm.  1);  die  ebenda- 
selbst gefundenen  Inschriften  ibid.  n.  16 — 19  sind  Grabschriften  aus  spä- 
terer Zeit,  n.  20  das  Bruchstück  eines  hoch  alterthümlichen  "Weihge- 
schenkes (eines  Schiffes  aus  Stein  mit  dem  Zeichen  eines  Delphins,  vgl. 
oben  S.  .361  f.,  Anm.  4).  Ueber  die  Ruinen  s.  Spratt  I,  p.  192  ss.,  der  sie 
auf  eine  alte  Ortschaft  Hetera  (die  nur  einem  Abschreiber  des  Stadiasm. 
m.  m.  §  352  f.  ihre  Existenz  verdankt)  oder  auch  auf  Arsinoe  (die  nach 
Steph.  Byz.  p.  126,  1  ed.  Mein,  zu  Lyktos  gehörte;  vgl.  Eckhel  D.  n.  v. 

I,  2,  p.  304)  beziehen  will.     Kiepert  setzt  hier  FQd^ynov  (vgl.  Steph.  Byz. 

II.  d.  W.)  an,  oflfenbar  wegen  Scyl.  Per.  47:  Fgavog  dyiQGixrJQiov  KQrjtrjg 
ngog  rjliov  aviaxnvza:  allein  dort  ist  gewiss  mit  I.  Voss  "/rarog  statt 
Tgavog  zu  schreiben. 

«)  Herod.  IV,  161;  Ptol.  III,  17,  4;  Steph.  Byz.  n.''lxavog\  Inschrif- 
ten C.  I.  gr.  n.  2561»'  und  n.  2602.  Münzen  bei  Eckhel  D.  n.  v.  I,  2, 
p.  314,  vgl,  p.  321  (das  von  Steph.  Byz.  u.  Tctvog  aus  Artemidor  ange- 
führte Tan 0  8  ist  schwerlich  verschieden  von  Itanos).  Ueber  die  Ruinen 
s.  Spratt  I,  p.  207  ss.,  der  hier  Gramraion  (vgl.  die  vorhergehende  An- 
merkung) ansetzt. 


578  ITT.    Die  Inselwelt. 

dere  Insel  Leuke  (jedenfalls  die  jetzige  Kuphonisi  südlich  vom 
Cap  Erylhräon,  welche  in  einer  kleinen  Ebene  nahe  der  nörd- 
lichen Spitze  noch  Reste  einer  alten  Ortschaft  aus  der  römischen 
Zeit  enthält),  auf  deren  Besitz  auch  die  Hierapylnier  Anspruch 
machten.  ^) 

Hierapytna,  die  mächtigste  Stadt  der  Südküste  und  seit 
der  Erweiterung  ihres  Gebiets  durch  die  Annexion  von  Präsos 
eine  der  bedeutendsten  Städte  der  Insel  überhaupt,  die  in  den 
Innern  wie  in  den  auswärtigen  Angelegenheiten  eine  wichtige 
Rolle  spielte,  lag  an  der  Stelle  des  jetzigen  Städtchens  lerapetra, 
ungefähr  fünf  Meilen  westlich  vom  Cap  Erylhräon,  in  einer  klei- 
nen Strandebene  zwischen  felsigen  Hügeln,  deren  ein  wenig  ins 
Meer  vortretende  Ausläufer  zur  Herstellung  der  Molen  des  jetzt 
zum  grössten  Theile  versandeten  Hafens  benutzt  worden  sind. 
Im  sechszehnten  Jahrhundert  waren  noch  sehr  bedeutende  Reste 
der  alten  Stadt  vorhanden:  Ruinen  mehrerer  Tempel  (unter  denen 
die  der  Athena  Polias  und  des  Apollon  die  bedeutendsten  gewesen 
zu  sein  scheinen),  zweier  Theater,  eines  Amphitheaters,  von  Bä- 
dern und  Wasserleitungen,  sowie  eine  beträchtliche  Anzahl  von 
Statuen.  Heutzutage  erkennt  man  noch  das  grössere  Theater 
und  das  Amphitheater  (beide  jetzt  ohne  Ueberreste  der  Sitzstufen), 
Fundamente  von  öffentlichen  und  Privatgebäüden  und  eine  An- 
zahl Cisternen.  2) 


*)  'Eqv&qklov  ayiQOV  Ptol.  III,  17,  4;  "A^nsXog  cc-hqcc  ebds.;  Stadt 
Ampelos  Plin.  IV,  12,  59.  Insel  Asv^irj  Inschrift  C.  I.  gr.  u.  2561  b,  Z.  38 
u.  ö.;  Plin.  a.  a.  O.  §  61:  den  dort  neben  Leuke  aufgeführten  Namen 
Onisia  bezieht  Kiepert  auf  die  Insel  Elasa;  allein  derselbe  ist  wohl  je- 
denfalls verderbt  und  vielleicht  durch  ein  Missverständniss  (aus  dvo  vrj- 
OLcc  der  griechischen  Quelle  des  Plinius)  entstanden.  Ueber  die  Ruinen 
an  der  Bucht  Zakro  s.  Spratt  I,  p.  232  ss.  (der  sie  auf  Itanos  bezieht), 
über  die  von  Ampelos  ebds.  p.  238  s.,  über  die  auf  Kuphonisi  ebds. 
p.  241  SS.  Die  C.  I.  gr.  n.  2561  b,  Z,  77  erwähnte  'ElsCa  ist  wohl  die 
zwischen  den  Ruinen  von  Präsos  und  der  Bucht  von  Zakro  gelegene, 
durch  einen  hohen  Bergrücken  von  der  Ostküste  getrennte  sumpfige  Ebene 
von  Katalioni. 

2)  ^IsQKTtVTVcc,  bei  Späteren  auch  'isQccnvdvcc  geschrieben,  in  den 
ältesten  Zeiten  angeblich  Kvqßa  (nach  dem  mythischen  Gründer  Kyrbas), 
TIvxvcc,  Kd^LQog  genannt:  Strab.  X,  p.  472  und  475;  Cass.  Dio  XXXVI,  2^ 
Ptol.  III,  17,  4;  Stadiasm.  m.  m.  §  319;  Steph.  Byz.  u.  'isQccTtvrva; 
Hierocl.  Synecd.  p.  13;  Plin.  IV,  12,  59;  Geogr.  Rav.  p.  396,  18.  In- 
schriften:   C.  I.  gr.  n.  2555;   2556;   2562   (=  Mnemosyne  II,   p.  36  ss.); 


2.   Die  ostgriechischen  Inseln:  Kreta.  579 

Zum  Gebiet  von  Hierapytna  gehörte  eine  in  ziemlicher  Ent- 
fernung von  der  Stadt  auf  einer  Anhöhe  gelegene  Ortschaft 
Ol  er  OS  mit  einem  Heiligthum  der  Athena  Oleria,  der  zu  Ehren 
die  Hierapytnier  ein  Fest  Oleria  feierten ;  ^)  ferner  eine  alte  Ort- 
schaft Larisa,  deren  Bewohner  schon  vor  dem  Beginn  unserer 
Zeitrechnung  nach  Hierapytna  übergesiedelt  waren,  so  dass  nur 
noch  der  Name  der  unterhalb  der  Ortschaft  gelegenen  Ebene, 
Larision  Pedion,  an  dieselbe  erinnerte; 2)  endlich  die  gerade 
sudlich  von  Hierapytna  gelegene  Insel  Chrysea  oder  Chrysa 
(jetzt  Gaidaro-nisi ,  '  Eselsinsel ',  genannt)  mit  einer  ganz  kleinen 
östlichen  Nachbarinsel,  die  keinen  besonderen  Namen  trägt.  ^) 

Gegen  Westen  gränzte  das  Gebiet  der  Hierapytnier  an  das 
von  Biannos  oder  ßiennos,  einer  wenig  bedeutenden  Stadt, 
die  indess  auch  auf  eigene  Hand  auswärtige  Politik  trieb,  wie  die 
bruchstückweise  erhaltene  Urkunde  eines  von  ihr  mit  Teos  ab- 
geschlossenen Freundschaftsvertrags  beweist.  Die  Stadt  lag  gegen 
zwei  Stunden  nordwärts  von  der  Küste  am  nördlichen  Rande  einer 
von  einem  Kreise  von  Bergen  umschlossenen  Hochebene  unter 
dem  südlichsten  Theile  der  Dikte:  einige  alte  Terrassen,  Mauer- 
reste, Gräber  und  Cisternen  oberhalb  eines  noch  mit  dem  alten 
Namen  Viano  genannten  Dorfes  sind  die  einzigen  Ueberreste  der- 
selben. Das  angesehenste  Heiligthum  der  Stadt  war  das  des 
Ares,  welchem  bedeutende  Opfer,  Hekatomphonia  genannt,  dar- 
gebracht wurden;  auch  die  Sage  von  der  Fesselung  des  Gottes 
durch  Otos  und  Ephialtes  war  daselbst  localisirt.'*)     Gerade  süd- 


2563—65;  2567  s.;  2581  s.;  2585;  2590;  26018.;  2561»';  Mnemosyne  I, 
p.  75  S8.;  p.  105  88.;  p.  114  ss.  Münzen:  Eckhel  D.  n.  v.  I,  2,  p  .S13  s. 
Heihgthum  der  Athena  Polias  C.  I.  gr.  n.  2555,  Z.  5;  n.  2556,  Z.  78; 
Mnemosyne  I,  p.  114,  Z.  9  f.;  des  Apollon  ebds.  p.  106,  Z.  12.  Ruinen: 
8pratt  I,  p.  253  ss.;  Museum  of  classical  antiq.  II,  p.  271  ss. 

1)  Stftiih.  Byz,  u.  "SllsQog-^  Inschrift  in  der  Mnemosyne  I,  p.  106, 
Z.  11.  Vielleicht  bezeichnet  die  Stelle  des  Heiligthums  die  von  Spratt  I, 
p.  268  s.  erwähnte,  auf  einem  über  3000  Fuss  hohen  Gipfel  des  die  Ebene 
von  Hierapytna  gegen  Westen  begrenzenden  Bergrückens  gelegene  Ca- 
pelle  des  heiligen  Kreuzes  (Hagios  Stnvros). 

2)  Strab.  IX,  p.  440;  vgl.  Bteph.  IJyz.  u.  Aägtoai. 

3)  Stadiasm.  m.  in.  §  319;  Pomp.  Mela  II,  114;  I'lin.  IV,  12,  61. 
Mehrere  Inseln  werden  als  zum  Gebiet  von  Hierapytna  gehörig  erwUhnt 
in  der  Inschrift  Mnemosyne  I,  p.  80,  Z.  42. 

*)  Steph.  Byz.  u.  Bievvos;  Stadiasm.  m.  m.  §  320;   Ilierocl.  Synecd. 


580  TTT.    Die  Inselwelt. 

lieh  von  Biannos  erhebt  sich  unmiltelbar  an  der  Küste  ein  ver- 
einzelter Berg,  welcher  die  Ruinen  eines  venezianischen  Castells 
Keraton  tragt;  an  der  Westseite  desselben  zieht  sich  eine  kleine 
mit  Oelbänmen  bewachsene  Ebene  hin,  durch  welche  ein  aus  der 
Hochebene  von  Biannos  herabkommender  Bach  der  kleinen  offe- 
nen Bucht,  welche  ebenfalls  Keraton  genannt  wird,  zufliesst. 
Diese  Bucht  diente  jedenfalls  den  Bianniern  als  Hafenplatz;  der 
benachbarte  Berg  ist  vielleicht  der  alte  Arbios,  auf  welchem 
Zeus  Arbios  verehrt  wurde  (daher  auch  ^Hieron  Oros'  ^der  hei- 
lige Berg'  genannt).  Der  Name  des  Berges  haftet  jetzt  an  dem 
eine  Stunde  weiter  östlich  in  einer  kleinen  Sirandebene,  über 
welcher  eine  steile  durch  einen  mächtigen  Spalt  zerrissene  Fels- 
wand aufsteigt,  gelegenen  Dorfe  Arvi,  bei  welchem  sich  einige 
Spuren  einer  alten  Ansiedelung  finden,  weshalb  einige  neuere 
Forscher  hier  das  Heiligthum  des  Zeus  Arbios  angesetzt  haben ; 
allein  dasselbe  hat  jedenfalls  nicht  in  der  Ebene,  sondern  auf 
dem  Gipfel  des  Berges  Arbios  gelegen. ') 

Als  eine  Art  Anhängsel  von  Kreta  betrachteten  die  Alten  die 
etwas  über  vier  Meilen  südlich  vom  v\  estlicheren  Theile  der  Süd- 
küste  Kreta's  gelegene  Insel  Gaudos  oder  Klaudos  (heutzutage 
Gavdo,  von  italiänischen  Schiffern  Gozzo  genannt).  Sie  ist  ganz 
baumlos,  nur  mit  einigen  Wachholder-  und  Johannisbrodsträu- 
ehern  bewachsen,  ohne  Hafen  (nur  an  der  Ostseite  hat  sie  einen 
den  Schiffen  nur  geringe  Sicherheit  darbietenden  Ankerplatz)  und 
wird  jetzt  von  etwa  70  in  drei  bis  vier  Weilern  zerstreuten  Fa- 
milien bewohnt.  Reste  einer  kleinen  hellenischen  Stadt  finden 
sich  auf  einer  steilen,  oben  flachen  Anhöhe  unmittelbar  über  der 
Nordkösle:  dass  diese  Stadt,  trotz  der  Armuth  des  Bodens  der 
Insel,  des  künstlerischen  Schmuckes  nicht  entbehrte,  zeigt  eine 
unter  den  Ruinen  gefundene  schöne  bekleidete  Frauenstatue  (ohne 
Kopf)  aus  parischem  Marmor.     Auch  in  den  früheren  christlichen 


p.  13;  Inschrift  in  der  Mnemosyne  I,  p.  125;  über  die  Reste  Spratt  I, 
p.  301  SS.  Der  Name  der  Stadt  ist  auf  der  Tab.  Peuting.  in  Blenna, 
beim  Geogr.  Kav,  p.  396,  19  in  Blentia  corrumpirt.  Auf  die  Ebene  be- 
zieht sich  wahrscheinlich  der  von  Servius  ad  Verg.  Aen.  III,  578  aus 
Sallustius  angeführte  Name  '^Otiicampi'. 

1)  Steph.  Byz.  u.  "AQßLs;  Ptol.  III,  17,  9  (wo 'ifpov  OQog):  vgl.  Spratt 
I,  p.  292  SS.,  der  das  Heiligthum  des  Zeus  bei  Arvi,  am  Berge  Keraton 
die  Stadt  der  KtQoctrcci  (vgl.  oben  S.  552,  Anni.  1)  ansetzt. 


2.   Die  ostgriechischen  Tüseln ;  Kreta.  581 

Jahrhunderten  muss  die  Insel  nicht  ohne  Bedeutung  gewesen 
sein,  da  sie  der  Sitz  eines  Bischofs  war.  Nordwestlich  von  ihr 
liegt  eine  kleine  unbewohnte  Insel,  jetzt  Gavdopulo  genannt,  für 
die  wir  keinen  antiken  Namen  mit  einiger  Sicherheit  angeben 
.können.  ^1 


1)  Gaudos  Pomp.  Mela  II,  114;  Plin.  IV,  12.  61.  KXccvdog  vrjaog 
iv  7]  TCoXig  Ptol.  III,  17,  11.  NrjCi'ov  ■naXovfisvov  KXavdcc  (Kavda  cod. 
Vat.)  Acta  apostol.  c.  27,  16.  KXccvdCa  Stadiasm.  m.  m.  §  328.  N7]Oog 
KXavSog  Hierocl.  Synecd.  p.  14;  vgl.  Notit.  episcop.  8,  240  (p.  170  o 
VTJaov  KavSov)  und  9,  149  (p.  186:  d  vrjaov  KXccvdov).  Vgl.  Spratt  II, 
p,  274  SS.  —  Gavdopulo  nennt  Kiepert  Ophiussa  nach  Plin.  a.  a.  O. ; 
aber  die  Beziehung  dieses  Namens  ist  wie  die  der  folgenden  sehr  proble- 
matisch. 


Verzeichniss  der  geographischen  Namen. 

Die    modernen  Namen,    in  welchen  neugriechisches   B   durch   V,   EI,  H 

und  Ol  durch  I,  Mn  durch  B  wiedergegeben  sind,    sind  durch  cursiven 

Druck,  die  verderbten  oder  zweifelhaften  durch  ein  Sternchen  (*) 

kenntlich  gemacht. 


Abä  158  ff.  164  ff. 

Abantes  10.  158.  165.  II  403  f. 

Abantis  II  396.  414. 

Abia,  Abea  II  112.  168.  170  ff. 

Achäa,  Achäoi  44  f.  75.  77.  90.  145. 

371.  II  2  ff.  8.  24.  42.  79.  89  f.  108. 

163.  186.  188.  194.  258.  262.  267. 

269  f.  272.  274.  309  ff.  315  ff.  333. 

338.  381.    534  fi\   549.  551.   Achäoi 

Parakyparissioi    II    142.     Achaon 

limen  II  173. 
Acbäia  II  433. 
Acharnä  VII.  292.  334  f.  Acharnikä 

pylä  292  f.  300.  303. 
Acharrä  VII.  75. 
Acheloos  12.  26.  39  f.  84.  87.  105  ff. 

120  f.    123  f.    127  f.    140.    II    235. 

270.  311. 
Acheron    27  ff.    II    285.    Acherusia 

limne  27.  29.  31.    II  97. 
Achilleion,     Achilleios    limen    223. 

II  150.  391.  394. 
Achino  83. 

Arhladokampoa  II  66. 
Achmet- Aga  II  412. 
Achnä  74. 
Achuria  II  221. 
Adamas  II  501. 
Adelphi  II  384. 
Adelpkia  II  505. 
Adendros  II  77. 
Ader  es  II  86  f.  95. 
Adrasteia  II  36. 
Adromni  149  f. 
Aeakeion  II  82  f. 


Aeaneion,  Aenanis  191. 

Aeanteion,  Aeantis  101.  221.  263.346. 

Aedepsos  11  409. 

Aegä  II  313.  316.  334.  338.  410  ff. 

Aegäa  II  433. 

Aegäisches  Meer  II  347.  350  f.  353  f. 

Aegäon  oros  II  533. 

Aegäos  II  357. 

Aegaleon  II  158.  178. 

Aegaleos  253.  264.  335. 

Aegeiros,  -roi  383. 

Aegeirussa  372.  383. 

Aegeis  263.  332.  346. 

Aegestäoi  27. 

Aegiä  II  145. 

Aegiale  II  513  f.  516. 

Aegialos,    -aleia,     -aleis    II    5.    11. 

23  ff.  188.  310.  314.  333.  340. 
Aegikoreis  262.  II  315. 
Aegila,    Aegileia,    Aegilia    357.     II 

103.  352.  421.  423.  431. 
Aegilips  II  366. 
Aegilodes  II  148. 
Aegina,   -inetä     158.    363  f.    II  70. 

73.  77  ff.  92.  191.  349.  353.  508.  541. 
Aeginion  14.  48  f. 
Aegion   II  313.   316  ff.   330  ff.  334  f. 

338.  340. 
Aegiplankton  383, 
Aegira  II  201.  314.  316.  338  ff.  342. 
Aegition  142. 
Aegoneia  96. 
Aegosthena,    -nä,    -neia    232.    372. 

381  f. 
Aegypten  II  13.   140. 
Aegys,  Aegytis,  Aegytä  II  110.  114. 

190.  219.  225.  241  ff. 


Verzeichniss  der  geographischen  Namen. 


583 


Aemonia  s.  Hamonia. 

Aenianen  {vgl.  Enienen)  42.  50.  86  ff. 

155. 
Aenios  VII. 

Aenos  VIT.  152.   II  372.  377. 
Aeolideis   170. 
Aeolides  II  348. 
Aeolis,   -eis   73.   97.    126.    131.    201. 

203.  209.   II  159.  477. 
Aepasia,   -sion  II  278, 
Aepeia  II  109.   168.   172. 
Aepion  s.  Epion. 
Aepy  II  284. 
Aeria  II  530. 
Aethikes  10.  48. 
Aethopia  40. 

Aethopion  (Aethiopion)  TI  418. 
Aeto  II  369. 
Aetolia,  -loi  32.  37.  87.  104  ff.  123  ff. 

144  ff.    151.   II  257.    262.    267.  270. 

275.  326.  374. 
Aetoliko  128. 
Aexone  360  f. 
Afrika  II  150.  351. 
Aganippe  233.  239. 
Agelastos  petra  325.  331. 
Agia  99.  104. 
Agias-Bei  II  242. 
Agneion  II  552. 
Agnontas  II  387. 
Agnus  345.  II  387. 
Agora  von  Athen  280  ff. 
—      von  Klis  II  304  f. 
Agrä  319  f. 

Agräer,  -äa   10.    105.   140. 
Agrapidochori  II  306. 
Agraulion  294. 
Agriades  II  306. 
Agrilovuni  38. 
Agrinion  138. 
Agrippeion  292. 
Agryle  319. 

Aqulenitza  II  277.  280.  283. 
Aivfäi  81.   II  466. 
Akaderaia  323  f. 
Akakesion,  -es  II  239. 
Akamantis  263. 

Akanthos,  Akanthier  40.  173.  II  441. 
Akarnanes,  -nania  31.  35.  :{7.  KM  ff. 

II  102.  270.  34r,.  ;;<;j.  ;;(;:.. 
Ake  II  249  f. 
Akidalia  211. 
Akida»,  -don  II  28i  f. 
Akidusa  223. 
Aki.s  II  479. 
Akkitschc  79. 
Akmiier  II  415. 
Akoition  II  541. 


Akontion  196.  210  f.  II  241.  438. 

Akoväs  II  232. 

Akra  II  438. 

Akra  138. 

Akräa  II  47. 

Akräphia,    -phion,    -phnion,      phnia 

213. 
Akragäs  II  438. 
Akrariäs  II  501. 
Akrata  II  202.   313.  337. 
Akriä  II  112.  136.  143. 
Akritas  II  158.   174.  272.  346. 
Akrokerauirien  s.  Keraunien. 
Akrokorintho.s    II    9.    11.    15   ff".    22. 

165. 
Akropoli.s    138.     Akropolis    (athen.) 

272.  280.  304  ff. 
Akroreia  II  301.  306  f.  .309. 
Akrotiri   II  449.  524.  526.  542.  544. 
Akrurion  158.  186.  189. 
Aktäa  251. 
Akfäonos  koite  247. 
Akte  251.  263.  II  7.  93.  350. 
Aktia  32. 
Aktike  251. 

Aktion  31  f.    108.  114  f. 
Akyphas  155. 
Alagonia  II   112.   155. 
Alalkomenä,  -neion,    neia  48.  234  f. 

II  214.  369. 
Alassa  II  567. 
Alassona  55. 
Alalas  101. 
Albanien,    Albanesen    11  f.    15.    132 

II  132.  194.  436.  440. 
Alea  II  198. 
Aleision,  -sios  II  289. 
Alesiä  II  131. 
Alesion  II  208.  213  ff. 
Alevkimo  s.  Levkimo. 
Alexandru  klimax  59. 
Alifagn  53.  68. 
Aliki,  -ka  360.  II  142. 
Alion  II  307. 

Aliphera,  -eira  II  234.  258. 
Ali-Tschelehi  II  309. 
Aliveri  II  422  ff.  425.  429. 
Alkimedon  II  207.  214. 
Alkimos   265. 
Alkinou  limen  II   360. 
Alkomeiiä  II  309. 
Alkyonia  II  66. 
Allanis  II  361. 
Allaria  II  Ö74. 
*Allyng08,  Alyngos  II  572. 
*Alm«'no  26. 
Almgropofamos  II  429, 
Aloion  61. 


584 


Verzeicliniss  der  geographischen  Namen. 


Alonistena,  -on  II  208.  228.  230. 

Alope  83.   190.  331.  II  438. 

Alopeke  322. 

Alopekos  234. 

Alos  .y.  Halos. 

Alos  II  567. 

Alpeuoi,  -peuos,  -ponos  94.   188. 

Alpheios    II    107.    113.    118.    183  f. 

18G  f.    190.    216  f.    222.    224.  226  f. 

230  f.   233  ff.    240  ff.    255  ff.    268  f. 

272  ff.  277.  282  f.  285  ff.  290  ff. 
Alpion  II  123. 
Altis  II  290  ff. 
Alupochori  381. 
Alvena  II  184.  268. 
Alykon  369. 
Alysis  II  533. 
Alyssos  II  267. 
Alyzia  118. 

Amantes,  Ainantia  10.  20. 
Amarbis  57. 
Amari  II  546. 
Amarynthos  343.  II  421. 
Amathos  II  278. 
Ambrakia,    Ambrakioten    11  f.    26. 

32.  35  ff. 
Ambrakia  110. 
Ambrakischer  Meerbusen  9.  24.  26. 

29.  31.  37  f.  111.  114. 
Arabrakos  36. 
Ambrosos,  -brysos,     -phrysos     159. 

169.  183. 
Amilos  II  203.  206. 
Aminios  II  240. 
Amnisos  II  559  ff. 
Amorgopula  II  517. 
Amorgos  II  347  ff.  510  f.  512  ff. 
Anpelakia  61.  66.  II  401. 
Ampelokipi  321  f. 
Ampelonisi  It  510. 
Ampelos  II  577  f. 
Amphanä,  -näa,   -näon  70.  156. 
Ampheia  II  165. 
Ampheion  228. 
Amphiale  271.  366. 
Amphiaraeion  220  f. 
Amphidolia,  -lis,  -loi  II  289. 
Amphigeneia  Ortschaft  derMakistia 

in  Triphylien:  Strab.  VIII  p.  349; 

Steph.  Byz.  u.  'J^cpiyEVSicc. 
Amphikäa  162. 
Amphikleia  159.  162. 
Amphilochia,   -choi   10.   37  ff.    105. 

124.  140. 
Araphimales,  -melas  II  544. 
Amphimalla,   -lion  II  544  f. 
*Amphimatrios  II  545. 
Amphipagos  II  357. 


Amphissa,  -äer  143.  145.  150  ff.  180  f. 
Amphitos  II  163. 
Amphitrope  352. 
Amphrysos  78.    (vgl.  Ambrosos.) 
Amunclae  II  129. 
Amyklä  II  110.   120.   124.  129  f. 
Amymnoi   10. 
Amyraone  II  67.  309. 
Amyntä  27. 
Amyron  20. 

Amyros,  -ikon  64.  99.  104. 
Ana/los  II  517. 
Anagyrus  358. 
Anakeion  294  f. 
Anaklethra,  -ris  377. 
Anaktorion  32.  113  f.   II  362. 
Anaphe  II  348.  350.  450.  517  ff.  525. 
Anaphlystos  353.  357. 
Anapodiaris  II  563. 
Anapos  109. 
Anatoliko  128.  131. 
Anauros  102. 
Anavolos  II  68. 
Anavryti  II  1S2. 
Anavyso  357. 
Anchesmos  255.  343. 
Anchiasmos  16. 

Anchisia,  -iä  II  205.  207.  214. 
Anchoe  193.  196. 
Andania  II  164. 
Andritzena  II  235. 
Andros    II  348  f.    352.  417.   439  ff. 
449.  455.  469.  492. 
Anemoduri  II  257. 
Anemoreia,  -oleia  159.  170. 
Anemosa  II  230  f. 
Angeiä  74. 
Angeloknstron  135. 
Anigräa  II  68.  208. 
Anigros  II  279  ff. 
Ankistri  70.  II  77. 
Ankyle  322. 
Anoi  II  367. 
Ano  -  Lukavitza  II  308. 
Anonos  II  132. 
Anopäa  95. 
Anopolis  II  547. 
Ano-Suvala  161. 
Antera  188. 
'Anthedon  214  f. 
Antheia  II  89.  168.  325. 
Anthele  92.  96. 

Anthene,  Anthana  II  42.  69.  71. 
Anthinon  331. 
Antigoneia  20.  II  212. 
Antigonis  263. 

Antikyra  77.  83.  91.  148.  159.  182  f. 
AntimUo  II  350.  501  f. 


Verzeichniss  der  g-cographischen  Namen,  5Ö5 

Antiochis  263.  Archajigelo  II  141. 

Antiparos  II  483.  Archelaoi  II  25. 

Antipaoco  II  355.  364.  Archipel  II  351. 

Antirrhion  145  f.  II  312.  Ardericca  II  419. 

Antron  81.  Ardettos  320. 

Anydros  II  517.  549.  Areia,  Aretias  226. 
Aones,   Aonia,   -ion  pedion  24.  200.    Arena  II  278.  282. 

202.  216.  224.  Areopag  280.  284  f. 

Aoos  12  ff.  19  f.  25.  27.  Arethusa  II  288.  370.  413.  415  f. 
Apano- Kastron  II  440.  514.  418.  428. 

Apano  -Kavos  II  466.  Areupolis  II  152. 

Apano- Krepa  II  207.  Argadeis  262.  II  315. 

Apanovieria  II  528.  Argaliki  337.  339. 

Apano- Porta  40.  Argaphia  247. 

Apeiroten  s.  Epeiros.  Argeathä  II  263. 

Apelauron  II  32.  182.  194  ff.  Argelasii  101. 

Aperantoi,  -tia  140  f.  Argentiera  II  502. 

Aperopia  II  86.  100  f.  Argilos  II  441. 

Apesas  II  23.  35  ff.  Argiopion  247. 

Aphales  II  368.  370.  Argissa  67. 

Aphas'31.  Argithea  40. 

Apheidantes  24.  II  189.  217.  Argonautä  II  342  f. 

Aphend-vuno  II  532.  Argon  pedion  II  63  f.  208.  213  f. 

Aphetä  101.  Argos,  Argeia,  Argeioi,  Argolis,  ar- 
Aphetais  II  124.  126.  golischerMeerbusen  166.216.371.  II 

Aphidnä  336.  2.  4  f.  7  ff.  24.  33.  36.  38  ff.   49  ff. 

Aphorismos  337.  339  f.  61.    63  ff.    68  ff.    92.    94.   98.    102. 

Aphormion  241.  108  ff.     116.     140.    175.    182.    191. 

Aphrodisias  II  139.  197  f.  222. 

Aphrodision  II  227.  259  f.  Argos  Amphilochikon  32.  37  f. 

Apia,  Apis  II  2.  Argostoli  II  371  f.  377  f. 

Apidanos  73  ff.  79.  Argura,  Argyra  67.  11  312.  325.  416. 

Apobathmoi  II  67.  Argyrinoi  19. 

Apodotoi  10.  132.  142.  Argyrokastron  19. 

Apokorona  II  543.  Argyropolis  II  546. 

Apokuro  135.  Aris  382.  II  168. 
Apollonia,  Apollonias  119.  142.  170.    Aristandreios  stoa  II  247. 

327.  II  362.  482.  547.  554.  557  f.      Aristerä  II  86.  101. 

Apolloniatis  II  218.  220.  Aristonautä  II  30.  342  f. 

Aposelemi  II  570.  Arkades,  -dia  8.  II  3  ff.  24.  26.  39. 
ApoHtolia  153.  43.  63.  65.  102.  106  ff.  110  f.  113  ff 

Aptara,  Aptera  II  543  f.  118.  155  f.  159  ff.  179.  181  ff.  272  f. 

Arachnäon  II  62.  72.  306.   311.   324.   340.   381.   383.  485. 

Arachova  170.  II  71.   118.  1.35.  562  f. 

Arachthos,  Arattlio.s  12  f.  20.  34.  30.    Arkadi  II  562. 

Aradeii  II  547.  Arkadia  II  178. 

Aradena  II  547.  Arkcsine  II  513  ff. 

ArätliyrcH  II  33.  Arkopodi  240. 

Arainon  II  147.  Arkudi  II  366. 
Arakynthos  124.  127.  129  ff.  II  378.    Arkudorrhevma  II  230. 

Arantia,  -tinos  II  33.  Armenion  103. 

Araplieu  349.  Armyros  78.  II  171.  544.  557  f. 

Arapi  .38.  Arna,  Arniotiko  II  72.  140  f. 

Araterion  345.  Arne  45.  73.  198.  201.  213.  II  213. 
Araxüs  II  270.  272.  308  ff.  319.321.  Aroania  II  183.  185  ff.  192.  198  f. 
Arha  II  325.  202  f.  203  f.  200.  313. 

Ailiios  II  580.  Aroanios  II  183.  180.  198  f.  201  f. 
Arcitampolis  II  437  f.  2C0  ff. 

BUR8TAN,  OK<KiR.     II.  39 


586 


Verzelcbniss  der  geograplilschen  Namen. 


Aroe  II  325, 

Arotria  II  419. 

Arpedoni  366. 

Arsen  II  259  f. 

Arsinoe,  -noia  135.  II  167.  577. 

Arta  35. 

Artemisia  II  440. 

Artemision  101.  II  7.  39  f.  64.  182. 

207  f.  408.  440. 
Artemita  119.  127  f. 
Arvi  II  580. 
Aryranion  II  272. 
Arype  II  330. 
Asä  II  23. 

Asea  II  23.  113.  187.  198.  226  f. 
Aselenon  143. 
Aselina  II  435. 

Asia  261.  II  147.  159.  347  f.  351. 
Asikono  II  466. 
Asine    II  60  f.    76.   94.    146.   156  f. 

161.  174  f. 
Askani  II  529. 
Askania  II  529. 
Askra  237. 
Askuris  60. 
Asmaki  62. 
Asmeneion  II  448. 
Asopia  II  25. 
Asopos  92.  94  f.  200.  203.  219.  222  fif. 

240.   244.   247  f.   252.   332.  336.    II 

17.   23.   25  fr.    32.    34.    37.    64.   84. 

112.  143. 
Aspalatheia  II  366. 
Aspis  II  20.  50.  52.  515  f. 
Aspledon  204.  209.  211. 
Aspra  Spilia  182.  II  510. 
Asprokampos  382. 
Asprokavo  II  357. 
Aspronisi  II  521  f. 
Aftpropotamos  12. 
Asprovuno  II  94. 
Assos  164  f. 
Assos  II  372.  376. 
Astakos  119  f. 
Astale  II  556. 
Asteria,  -ris  II  369.  454. 
Asterion  74.  II  47. 
Asterusia  II  564. 
Astras  II  184. 
Astritzi  II  561. 
Astros  II  69  f. 

Astypaläa  357.  II  347  f.  350.  518. 
*Asum  II  564. 
Atako  II  366. 
Atalante  191.  366. 
Aterra  II  372. 
Athamanes,  Athaniania  10.  37.  39  f. 

49.  53.  87. 


Athamantion  78.  213. 

Athamas  78. 

Athaneatis  11  218. 

Athenü,  -er  145.  147.  168.  173.   198. 

203.    219.    232.   250  f.    252  f.    256. 

260  f.   264.   271  ff.     II    92.    141    f. 

330.   352  f.    386.    389.    393.   404  f. 

410.   419.    441   f.    449.   455  ff.    405. 

469  f.  474.  480.  485.  491.  498  f.  541. 
Athenä  Diades  II  404.  409  f. 
Athenäon  40.  54.  II  50.  113.  227.  440. 
Athenas  Aethyias  skopelos  380. 
Athenas  teichos  II  312. 
Athinati  II  440. 
Athmonon,  -nia,  -neis  343. 
Atintanes  10.  20.  24. 
Atramyttion  II  456. 
Atrax  66. 
Attaleion  II  82. 
Attalis  263. 
Attika   8.    168.    194.   201.   251  ff.   II 

159.  206. 
Augeiä  189  f.  II  145. 
Aulis  200.  215.  218  f. 
Aulon  353.  II  107.  148.  179.  440. 
Autariatä  27. 
Avaritza  79.  85. 
Avathos  (Aviathos)  II  373. 
Avdo  II  448. 
Avgo  II  61.  72.  95. 
Avlaki  83. 
Avlemona  II  141. 
Avlonari  II  425.  428. 
Axia  152. 

Axi-Kephala  II  562. 
Axo  II  555  f. 
Axos  II  555. 

Azanes,  -nia  II  189.  264  f.  381. 
Azenia  355.  II  386. 
Azoros  51.  57. 


Baha  58.  61. 

Babyka  II  120  f. 

Bady  hydor  II  309. 

Bäa  II  372. 

Bäake  20. 

Balamut  60. 

Balyra  II  163.  165. 

Barbas  II  331. 

Barbosthenes  II  117. 

Bardana  169. 

Bardunia,  -duno-Choria  11  105.   132. 

146. 
Barlkolomiu  II  270. 
Basileios  stoa  281  f.  286  f. 
Basilis  II  240. 


Verzeicliniss  der  geographischen  Namen. 


58^ 


Bassä  II  254. 

ßastardoviino  II  401. 

Bäte  335. 

Bathos  II  240. 

Bathyllos  II  247. 

Batiä  29  ff. 

Bazaraki  46. 

Bedeni  II  61. 

Belbina  II  476  {vgl.  Belmina). 

Belesi  164. 

Belelzi  336  f. 

Belmina,    Belbina,     -natis    II    111. 

113.  243. 
Belopulo  II  350.  502. 
Eembina,  -nos  II  36 
Bene  II  568. 
Berekynthas  II  540. 
Berenike,  Beronikis  34. 
Bergandi  113. 
Besini  II  263. 
Bessa,  Besä  189  f.  352  f. 
Bianco  (Capo)  II  357. 
Biandiua  II  143. 
Biannos,  Biennos  II  579  f. 
Bias  II  172. 
Biblos,  -lines  II  489  f. 
Biennos,  -na  II  550. 
Binatos  II  564. 
Birbati  II  48.  223. 
Bisa  II  289. 
Bitia  29. 
Bitylos  II  153. 
Bjakos  140. 
Blenina  II  113.  243. 
*ßlenna  11  580. 
*Bleutia  II  580. 
Blisse,  -sene  II  567, 
Bliuri  55. 
Boagrios  188  ff. 
Bohia  II  568. 
Bochori  133. 
Bogaz  41. 
Bogdana  165. 

Boiä  II  103.  109.  112.  139.   141. 
Boibe,   -beis,   -bias  41.   62  f.    103  f. 

II  568. 
Boidi  II  478. 
Boion  155. 
Boiotia,  -toi  8.  24.  45.  73.  158.  186. 

194  ff.  332  f.  335.  370.  II  191. 
Bokaros,  Bokalia  363. 
Bolax  II  277.  285. 
Büleoi  II  98. 
Bolina,  -näos  II  312.  325. 
Boloeis,  Bolus  II  572. 
Botnieis,   Boiuoi   141  f. 
Bomykas  II  107. 
Booneta  II   124. 


Boos  aule  II  417. 

Boreion  II  187.  207.  217.  223  f.  226. 

Borrheiä  pylä  226  f.  230  f. 

Bosporos  370. 

Botachidä  II  217. 

Brasiä  II  112.  134. 

Bratzi  224. 

Brauron,  -onia  264.  348  ff. 

Brenthe,  -eates  II  241. 

Brilettos,  (-lessos)  253  f.  256  f.  259. 
264.  337.  340.  342  ff. 

Bruma  II  288. 

Brychon  97. 

Brynchä  II  426. 

Bryseä  II  105.  131. 

Bucheta,  -tion  29  f. 

Budoron,  -daron  365. 

Budoros  II  402.  412. 

Budrooe  II  543. 

Bugiati  II  198. 

Bujaii  342. 

Bvjato  II  383. 

Bukation  Stadt  in  Aetolien:  s.  In- 
schrift bei  Bazin  Memoire  sur 
I'Etolie  (Archives  des  missions 
scientif.  II  serie  t.  I.)  p.  369,  n.ll. 

Bukephala  II  86.   101. 

Bukephalos  II  23. 

Bukerais  Quelle  bei  Platää:  E-tym. 
M.  p.  207,  40. 

Bukolion  II  228. 

Buleuterion  282  f.  II  295. 

Bulgaren  46. 

Bulis  158.  185. 

Bumistos  118. 

Buphagion  II  258. 

Buphagos  II  256. 

*Buphia  II  31. 

Buphnsia  II  313. 

Buporthmos  II  86  f.  100. 

Buprasion,  -sios  II  270,  309. 

Bura,  -raikos  II  311.  313.  316  f. 
331.  334  ff. 

Busa  II  552. 

Buthroton  17  f. 

*Butoa  II  569. 

Byblis  II  498. 

Byzantiner  II  112.  221.  329. 

Byzantion  370.  II  297, 


C. 


Cabrera  II  168. 
Candida  (Candiä)  II  501. 
Cardacchio  II  360. 
Cavallos  II  577. 
Cavo  d'oro  II  400.  437. 
Cava  flrosso  H  162. 
39* 


588 


Verzeicliniss  der  geographischen  Namen. 


Cephalonia  II  347.  371. 

Cerigo  II  103.  140  f.  347.  352. 

Cerigotlo  II  103.  352.  355. 

Cervi,  Sirada  di,  II  103.   140. 

Chaa  II  281  f. 

Chadros  II  549. 

Chäroneia  164.  168.  196.  205  f. 

Chaidari  II  61. 

Chaläon,  -leion  150.  215. 

Chalia  215. 

Chalia  215. 
Clialikiopulo  II  360. 

Cfialis  {Chalkis)  II  396. 
Chalkedon  370. 

Chalkidike  II  403.  441. 

Chalkis,  -idier  87.   125.  129.   132  ff. 

214  f.  230.  II  283  f.  386.  401.  403  ff. 

413  ff.  427. 
Chalkodonion  69. 
Chalkus  odos  325. 
Chamilonisi  II  384. 
Chandakon  II  561. 
Chania  II  540  ff. 
Chani- kästeln  II  561. 
Chaon  II  40.  65.  196. 
Chaones,  Chaonia  10  f.  15  ff.  24.  26  f. 
Charadra  31.  36.  159.  161.  257.  336. 
Charadros    31.   36.   162.    II  40.    49. 

64.  68.  163  f.  312. 
Charaka  356. 
Charakoma  II  115. 
Charax  61. 
Charisiä,  -sia  II  231. 
Charvati  345.  II  45. 
Ckassid  13.  51.  333  ff. 
Chastieis  334. 
Chaunoi  27. 
Cheimarrhos  II  65. 
Cheimerion  28  f. 
Cheironia  II  433. 
Cheironion  97. 
Cheli  11  87.  98.  101. 
Chelidonia  139. 
Chelidromia  II  384.  389  f. 
Chelmos  II  113.  183.  313. 
Chelonatas  II  270  f.  273  f.  286.  308. 

379. 
Chelone  367. 
Chelydorea    II   183.    198.    201.  314. 

340. 
Chenä  95. 
Chersonesos    II    12.    20.    398.    427. 

551.  571. 
Chersonisi  II  398.  427. 
Chersoniso  II  571. 
Chieri  II  379  f.  383. 
Chilia  207. 
Chiliomodi  II  22. 


ChiraUra  15  f. 

C/iiniara  15. 

Chiüs  H  347.  350.  353.  438.  466.  486. 

Clilamydia  II  454. 

Chlemutzi  II  270  f. 

Clülvotzari  224. 

Chlomos  186.  212. 

Choireä  II  421.  423. 

Choireatä  II  25. 

Choiros,  -rios  nupe  II  112.  154.  171. 

ChoUeidä  334.  359. 

Cholorrhevma  79. 

Choma  II  217.     222  f. 

Chondros  II  495. 

Chones,  Chonia  15. 

Chonika  II  40. 

Chora  II  440. 

Chorus  II  572. 

Choremi  II  243. 

Chor  las  11  274.  301. 

Chortokastro  101. 

Chosiia  243. 

Chrisliana,  -ju,  -näs  II  450.  529. 

Chrysa,  -sea  277.  II  579. 

Chryso  180. 

Cbrysorrhoas  132. 

Chrysospiläa  II  505. 

Chrysovitza   110. 

Chrysus  stenopos  323. 

Chthonia  II  530. 

*Chthonophyle  II  33. 

Chiretiä  s.  Kyretiä. 

Chytroi  197. 

Colonia  Actia  Nicopolis  32. 

Colonia  Augusta  Aroe  Patrensis  II 

326. 
Colonia  Buthrotum  18. 
Colonia  Laus  lulia  Corinthus  II  14. 
Corfu  II  347.  356  {s.  Korfu). 
Coronaeus  sinus  II  156. 
*Cylisson  II  557. 


Dahia  II  228. 
Dadi  153.  161  f. 
Daktylu  mnema  II  249  f. 
Damalas  II  87  f.  95. 
Damaristika  II  106. 
Damasi  56. 

Daphnephoreion  334. 
üaphni  326,  335. 
Daphnos  144. 
Daphnus  156.  165.  187  ff. 
Dardanelia  ta  mikra  146. 
Darditza  II  86  f. 
Darimari  248, 
Daseä  II  240. 


Verzeichniss  der  geographischen  Namen. 


589 


Daskalio  3o2.  II  369.  503.  512. 
Daulis,  .lia  159.  168  f. 
Dede-Bei  II  242. 
Deiras  II  49  f.  56.  63. 

Dekeleia  335  f. 

Deli- Hassan  II  240. 

Delion  218  f.  339.  II  139. 

Delos    211.    II  300.  348  f.   352.   393. 
439.  451  ff. 

Delphinion  221.  302.  321.  II  420. 

Delphis  II  386.  397. 

Delphoi,   -er   159  f.    168  ff.    II  93  f. 
275.  300.  479. 

Delphiissa  178. 

Demata  115. 

Demetrias  79  f.   96.   101  ff.   263.   II 
24.  484. 

Demetrion,  -iacum  80. 

Demiades  pylä  290. 

Dendra  II  62. 

Denthalioi  II  111  f.  169  f. 

Derä  II  32. 

T^ereion  II  132. 

Dereli  60. 

Dervenosialesi  249.  251.  333. 

Desphina  182. 

Despotiko  II  482. 

Deukalion  70. 

Dexaraenä  36. 

Dexaroi  20. 

Dexia  II  370. 

Dia  II  491.  560. 

Dia  II  489.  495.  556. 

Diagron  II  186.  233.  256.  285. 

Dia  klimakos  hodos  II  63.  208.  214. 

Diaknphli  II  425.  432.  443  f. 

Diakophlo  II  313.  335. 

Diakres,  Diakrioi  II  412. 

Diakria,  -rioi  263  f.  337.  350. 

Diamperes  II  55. 

Diaphorti  II  184.  233.  235.  240. 

Diaplo  II  364. 

Diaporia  II  77. 

Dia  prinn  hodos  II  63.  208.  213. 

Pias  II  378. 

Diatonion  II  561. 

Didyma,    -moi   64.    II   72.    94  f.   98. 


466.  575. 
DiUte  II  .532  f.  558.  563. 
Diktvnnäon  11  125.  541. 
nm  (Dil äs)  II  451.  466. 
Dilisi  218. 
Dimastos  11  449. 
nimilzana  II  230.  232  f. 
Dine  II  68.  208. 
Diochartis  pylH  300.  303. 
Diopeneion  295. 
Dinkastro  382. 


569  f.  579. 


DIolko's  II  19. 

Diomeia  274  f.  303.  322. 

Diomeis  pvle  300.  303. 

Dion  56.  II  409  f.  556  f. 

*Dionäon  II  282. 

Dionysias,  -siades  II  179.  491.  575. 

Dioryktos  116.   . 

Dipäa  II  228. 

Dipoina  II  232. 

Dipylon  278.  289  f.  322  ff. 

Dirke  225  ff.  2.30  f.  II  323. 

Dirphossos  II  397. 

Dirphys    II    386.    397.    400  f.    413. 
415.  417. 

Tiistomo  183. 

*Dium  II  564. 

Doana  II  256. 

Dobrena  243. 

Dodekajiesos  II  349.  354. 

Dodona,  Dodonäa  4.  11.  21  ff.  72 

Doko  II  86  f.  99  f. 

Dolicha  119. 

Doliche  51.  57,  II  396. 

Dolopia,  -pes  12  f.  37.  42,  74  f.  86  f. 

89.  124.  140.  II  393. 

Domeniko  56. 

Domoko  85. 

Donakön  242. 

Donax,  -akeis  II  448. 

Donettinoi  24. 

Donnsia  II  350. 

Donussa  II  32.  342  f.  496. 

Dorion  155.  II  163. 

Doris,  Dorieis  45.  51.  87  f    94    l'>4 

143.  152  ff.  159.  161.  185."209  370.' 

372.  II  2.  5.  8.  12.  24.  33.  42  f.  73. 

89.  94.  109.  119.  159  f.  189  f.   314. 

403.  498.  534  ff. 
Dotion  23.  63  f. 
Drachenhäxiser  II  431.  434, 
Dragamesio  119  f. 
Drag^mos  II  576. 
Dr  agnner  a  119. 
Drakonera  337.  340. 
Drakonisi  II  450. 
Dramia  II  545. 
Dramisi  219.  II  436  f. 
Dramisius  25. 
Drapano  II  543. 
Dropane  II  355  f. 
Drepanon  II  312.  330.  542  ff. 
Dreros  II  571  f. 
Drionisia  II  488. 
Drios  II  489. 
DrioH  II  488. 
Driiza  217.  223  f. 
Dromo«  II  127. 
Dromos  II  389. 


590 


Verzeichniss  der  geographischen  Namen. 


Drymäa  154.  159.  162. 

Drymalia  II  495. 

Drjmos  332. 

Drynos  19. 

Dryope  154  (vgl.  Inschr.  hei  Wescher 

und  Foucart  Inscriptions  recueillies 

ä  Delphes  n.  198.  n.  362. 
Dryopes,  -pis  35.  87.  153.  159.  II  8. 

35.  59  f.  94  f.  161.  174.  403.  430  ö". 

438.  473. 
Dryos  kephalä  168.  249  f. 
Dschane  II  172. 
Dukato  116. 

Dulichion  119.  128.  II  377. 
Dusaiküs  54. 
Dymanes  154.  II  25. 
Dyme  II  308  ff.  314.  316  f.  319  ff. 
Dyras  91. 
Dyspontion  II  288. 
Dysto  II  428. 
Dystos  II  403.  422.  426.  428  f. 

E. 

Ebräokastro  II  475. 

Ebräonisi  II  20. 

Echedameia  159.  182. 

Echelidä  271. 

Echeuetheis  II  21*7. 

Echinades   119.    126  f.   II  346.    366. 

384. 
Echinos  77.  83.  112. 
Echinos  II  447. 
Echinussa  II  502. 
Eeria  44. 

Eetioneia  265  f.  270. 
Egripos  II  396. 
Eileoi  II  95. 
Eilesion  224. 
Einatos  II  564. 
Eion,  -ones  II  61.  94. 
Eira  II  161  ff.  164. 
Eirene  II  61. 
Eiresion  224. 
Ektenes  202. 
Eläa,  Eläatis  29.  211. 
Eläus  19.  II  68.  448. 
Eläiissa  357.  II  77. 
Elaion  II  156.  184.  251  f. 
Elaos  133. 

Elaphonisi  II  103.  140.  550. 
Elaphos  II  228. 
Elasa  II  576  ff. 
Elassond  55. 
Elassonitikos  42.  55. 
Elaleas  194. 

Elateia,   -tikou  pedion  29.  61.    159. 
161.  163  f. 


Elatos  II  379  f. 

*Elatos  II  564. 

Elatovuno  149.  II  372. 

Elatria  29  ff. 

Elektra  II  163. 

Elekträ,  -trides  pylä  226  ff. 

Elektras  II  532.  568  f. 

Eleön  223. 

Eleusinion  296.  II  131  f. 

Eleusis    198.    253.    256  f.   261.   264. 

290.  322.  326  ff.  II  527. 
Eleutherä   249  f.  252.  331  f.  II  236. 
Eleutherios  II  47. 
Eleutheriu  Dios  stoa  282. 
Eleutherna  II  545.  554  ff. 
Eleutherolakones  II  112.  134  ff.  144. 

147  f.  153  f. 
Elinoi  27. 
Elipeus  76.  85. 
Elis,   Eleia,  Eleioi  126.  II  3  ff.  159. 

183.   186.    188.   190.  255.   258.  262. 

267  ff.  302  ff.  419. 
Elisa,  -son  II  274. 
Elisphasioi  II  207  f.  228. 
Elixos  II  472. 
Ellomenon  117. 
EUopes  II  402. 
Ellopia  87.  II  396.  407  f. 
Ellotia  II  534. 
Elone  56. 
Elunta  II  572. 
Elymhos  41.  357.  II  397. 
Elymia  II  205. 
Elymiotis  14. 
Elymnia  II  390. 
Elymnion  II  434. 
Elyros  II  548  f. 
Emeia  II  47. 
Empedo  293. 
Emporion  II  431.  526  f. 
Endymionäon  II  282. 
Encheleis  20. 

Enienes  23.  50.  {vql.  Aenianes.) 
Enipeus  73  f.  76.  79.  85.  II  273.  288. 
Enktenes  202. 
Ennea  choria  II  550. 
Enneakrunos  300. 
Enneapylon  272.  304  ff. 
Enope  II  155. 
Enyalias  II  209. 
Eoioi  Lokroi  187. 
Epakria,  -rieis  263  f.  342. 
Epaktos  146  f. 
Epaleas  II  209. 
Epeioi  125  f.  II  2.  5.  273.  275.315.  ^ 

319.  322. 
Epeiros,  Apeiros,  Epeirotä,  Apeirotä 

3  f.  9  ff.  II  356.  361  f. 


Verzeichniss  der  geographischen  Namen. 


591 


Ephyra,  -re  29.  140.  II  10  f.  31.  61. 
101.  273.  307.  502. 

Epidamnos,  Epidamnioi  II  297.  362. 

Epidauros,  -ria  II  7  tf.  40.  43.  60  flf. 
72  fr.  92.  138. 

Epidauros  Limera   II  103.  112.  138. 

Epidelion  II  139. 

Epieikia  II  32. 

Epiknemidische    Lokrer    156.     165. 
187  ff. 

Epion,  Aepion  II  277.  284  f. 

Epitalion  II  283. 

Epi  Thrasyllo  353. 

Epizephyrische  Lokrer  187. 

Erana  11  178. 

Erannioi  II  575. 

Erannos    170. 

Erasinos  257.  349  f.  II  65.  132.  186. 
196.  266.  311.  423. 

Erchomenos  s.  Orchomenos. 

Erechtbeion  315  ff. 

Erechtheis  263.  318.  343. 

Eremopoli  II  576. 

Ereneia  382. 

*Eresos  II  372. 

Eretria  80.  203.  280.  343.  II  359. 
397.  401.  403  ff.  413.  415.  417  ff. 
426.  428.  430.  469. 

Krgadeis  262. 
Eriä  pylä  278. 

Ericho  20. 
Eridanos  256. 
Erikusa  II  364. 

Erikusi  II  364. 

Erimo  61  f. 

Eriniokasiro  237  f. 

Erimomilo  II  350.  501. 

Erimonisia  II  102.  510.  512.  517. 

Erineos  79.  155.  328.   II  313.  330. 

Erinia  II  394. 

Erissos   II  371  f. 

Eriston  11  448. 

*Eritium  57. 

Erochos  159.  162. 

Erymanthos  II  183  f.  186.  256.  269  ff. 

266.  269.  286.  310  f. 
Erymnä  98  f. 
Erysichc  120. 

Erythro  148.  248.  II  485.  492. 
Krythräon  II  577  f. 
Eschatia  II  466. 
Eschatiotä  II  448. 
Escbatiotis  383. 
Eteia  II  675. 
Bteok reter  II  534. 
Eteonos  248. 
Etis  II  139.  576. 
Kua  II  71. 


Euämon  II  204. 

Euan  II  156.  165. 

Euanthia  s.  Oiantheia. 

Elias  II  116. 

Euboia,  -iscbes  Meer  125  f.  156.  165. 
186  ff.  194.  199  f.  203.  214  ff.  336. 
343.  348.  371.  II  47.  349  ff.  359. 
384  f.  386.  391.  395  ff.  469. 

Eudeielos  211. 

Eudemia  II  390. 

Euenos  123  f.  129.  132  ff.  II  270. 

Euhydrion  75. 

Eunäa  II  71. 

Euoras  II  105.  131. 

Eupagion  II  307. 

Eupalion  148. 

Eupyridä  335. 

Euripos    194.    200.    214  ff.    221.    II 

396.  400.  403  f.  413  f. 
Europa  (Grämen  von)  II  347  f. 
Europos  42.  48.  56  f.  58.  65.  67. 
Eurotas    II   71.    107  f.    112  ff.    132- 

135.  143.  187. 
Eurykydeion  II  282. 
Eurymenä  57.  98  f. 
Eurysakeion  287. 
Eurystbeos  kepbale  340. 
Eurytanes  141. 
Euryteiä  II  322. 
Eutäa  II  229. 

Eutresis,  -sioi  240.  II  225.  230  f. 
Evroslina  II  338. 
Evthini  II  520. 
Exoburgo  II  447. 
Exomyli  II  527. 


Falconera  II  350.  502. 

Fano  II  355.  363. 

Fermentae  II  473. 

Finnen  II  180. 

Fontana  186. 

Franken   II  112.  155.  194.  232.  329. 

347.  406. 
Frankovrysis  II  187.  226  f. 

G. 

Gäos,  Gäon  II  338. 

Gaidaronisi  191.  355.  II  466.  579. 

Gaidaropnikles  II  313. 

Gaiduropolis  II  646. 

Gaion  II  364. 

Galuta  129. 

Galatas  II  232. 

Galatc  186. 

Galaxidi  149.  182. 


592 


Verzeichniss  der  geographischen  Namen. 


Gallo  II  158. 

Galzades  II  401.  407  f. 

Garates  II  187.  216.  222. 

Gardiki  19.  22.  82. 

Gardinitza  191. 

Garditza  213. 

Gareatä  II  216  f. 

Gargaphia  247. 

Gargettos  345  f. 

Garito  345. 

Gariiza  II  360. 

Gasirilzi  II  237. 

Gastuni  II  270.  274. 

Gathea,  Gatheatas  II  242. 

Galza  214 

Gaudos  II  580  f. 

Gaurelon  II  444. 

Gaurion  II  444. 

Gavalu  136. 

Gavdo  II  580. 

Gavdopulo  II  581. 

Gavrias  II  32. 

Gavrion  II  441.  444. 

Gavrionisia  II  444. 

Gelada  112. 

Geleontes  262.  II  315. 

Gelini  II  314. 

Gelooi  II  297. 

Genesion  II  67. 

Genethlion  II  90. 

Genoäoi  24. 

Georgitzi  II  114. 

Gephyräoi  203. 

Gephyreis  326. 

Gerästos  II  399.  432.  434  f.  440.  577. 

Geraki  II  136. 

Gerakovuni  II  400. 

Geraneia  367  fF.  373.  380.  382.  384. 

II  9.  18. 
Geranios  II  306. 
Gerenia,  -na  II  112.  154  f. 
Gerenios  II  306. 
Gerias  II  440. 
Geron  II  306. 

Geronteion  II  194.  198.  201. 
Geronthrä  II  109  f.  112.  135  f. 
Geröntia  II  390. 
Ghidek  80. 
Gialulra  II  409. 
Gibitroli  II  519. 
Gionas  143. 
Giorgitza  49. 
Gioza  II  203. 

Gitanä  Stadt  in  Epeiros  Liv.  XLII,  38. 
Giura  II  384.  390.  467. 
Glanitza  II  232. 
(rlaphyrä  103. 

(Jlaronisi  II  467. 


Glaukia  223. 
Glaukonuesüs  II  429. 
Glaukos  II  312.  324. 
Gligovo  58. 
Glisas  216.  236. 
Gtossa  14.  II  387  f. 
Glunista  162. 
Glykeiä  II  312. 
Glykys  limen  28. 
Glympeis,  Glyppia  II  135. 
Golgoi  II  255. 
Gomovuno  II  170. 
Gomphoi  49.  53  ff. 
Gonia  II  528. 
Gonnos  48.  60  f. 
Gonoessa,  -nussa  II  32.  343. 
Gorgopis  383. 
Gorgylos  II  116. 
Gorilza  102. 

Gortyn,  -tyna,  -tys,  -tynios  II  232  ff. 
241.  534  f.  553.  557  ff.  563  ff. 
Gothen  46.  U  14.  112.  194.- 353.  363. 
Gotzo  II  580. 
Grabusa  II  538.  552  f. 
Gräa,  Graes,  Graike  219  f. 
GrUkoi  VIF.  2.  9. 
Gvammatiko  342, 
Granimion  II  577. 
Grandes  II  576  f. 
Granilza  207.  235  f. 
*Granos  II  577. 
Gravia  152.  155. 
Griechische  Halbinsel  4  ft\ 
Grizani  53. 

Grynchä  II  426.  466. 
Guardiana  II  378. 
Gulas  II  573. 
Gurgopotaiiios  91. 
Gurzuli  II  209.  214. 
Gutheru  II  577. 
Guzumisira  II  330. 
Gyaros  II  348  f.  467. 
Gymnesioi,  -netes  II  42  f. 
Gijnäkükastro  76.   ^ 
GypJdokaslro  68.  130.  249. 
Gyrä,  -ras,  -raeis  II  445.  448. 
*Gyron  133. 
Gyrton  56.  61.  65. 
Gytheiou  II  112.  132  f.  144  ff. 


Hadrianis  263.  346. 
Hadrian's  Gymnasion  291  f. 
Hadriaiiupolis  19.  301  f. 
Hadschilar  67. 
Hadschohaschi  75. 
Hadylion  (Hed.)  157.  164.  167. 


Verzeichniss  der  geographischen  Namen. 


593 


Häraon  205. 

Hämonia,  -nes  fAemoniH)  24.  44  f. 

Ilämoniä  II  227. 

Hagia  Anna  II  412. 

naqia  Dynati  II  372. 

Hagia  Helena  II  '235. 

Hagia  Irene  II  474.  476. 

Hagia  Kyriaki  II  130.  158. 

Hagia  Marina  II  78.  84.  473. 

Hagia  Mavra  115.  II  347. 

Hagia  Photia  II  567. 

Hagia   Thekla  II  425. 

Hagia  Theodote  II  509. 

Haqia   Thgmia  149. 

Hagia   Triada  129.  273.  290.  II  70  f. 

Hagia   Varvara  364.  II  158. 

Hagii  Deka  II  356  f.  565. 

Hngii  Saranta  16.   180. 

Hagii  Theodori  230. 

Hagios  Andreas  II  68.  70  f.  136.  503. 

Hagion  Alhanasios  II  134. 

Hagios  Dimitrins  II  158.  488. 

Hagios  Elias  (Hins)  207.  II  72.  104  f. 

155  f.    163.    207.   235  f.    398.    412. 

448.   468.  471.   484.   496.   500.  508. 

521.  526.  528. 
Hagios  Georgios  31.  255.  366.  II  32. 

389.  476.  501.  503. 
/Ia(]ios  Hias  s.   //.   Elias. 
Ilaqios  loannis  II  71.   131.  257.  289. 

370. 

Hagios  loannis  Theoloqos  192. 
Hagios  Isidoros  II  279.  281. 
Hagios  Konstantinos  II   164. 
Hagios  Kyriakos  II  549. 
Hagios  Lukas  IT  424. 
Hagios  Mamas  II  543. 
Hagios  Minas  II  484. 
Hagios  Myron  II  561. 
Haqios  Nikolaos    82.    357.   367.   383. 

II    141.    1.57  f.    175.   447.   508.  526. 

573  f. 

Hagios  Nikolaos  Galalas  II  412. 
Haqios   Paschalis   149. 
Hagios  Pateras  U  261. 
/fagios  Petras  II  7t.  259  f.  444. 
ffaaios  Sostis  129.  II  184.  218.  220  f. 

479. 
//agios   Stalins    II    :<n\  .    .^O.H. 
Hagios  Sfavrtis    II    "'T'.t 

//agios  Step/ianns    II    ,;:,7.   .■;«'.7.  526  f. 

//agios  Siratis   11   .J'Ji». 

Hagios   T/ieodorns  II  91  f.  5U. 

!/ agios   Tliowns  II  562. 

Ifngios  VasHios  112.  II  38.  135.  156. 

',46. 
Hagios   yiasin  (Hlasis)   168.   11  324. 
Hagiio  II  236. 


Hagniis  II  387. 

Halä  192.  267.  349.  II  567. 

Halä  Aexonides  359  ff. 

Halä  Araphenides  348  f.  II  432. 

Haliakmon  12. 

Haliartis  195.  197. 

Haliartos,"  -tia  232  ff. 

Halieis  II  58.  61.  98.  101. 

Halikarna  II  413. 

Halikarnassos  II  90. 

Halike  (vgl.  Halieis)  II  87.  142. 

Halikyrna  133. 

Halimus  361. 

Halipodon  264.  267. 

Haliussa  II  86.   101. 

Ilalkyonis  194.  366.  371.  383. 

Halmon,   -nia  51. 

llalonesos  IT  388.  390. 

Halos  72.  78. 

Hains  II  263. 

Hamavion  s.  Homarion. 

Harma  200.  217.  252.  333. 

Harmata  II  361. 

Harpagion  II  417. 

Harpina,  -nates  II  287  f. 

Harplcia  II  132. 

Hedylion  s.  Hadylion. 

Heilütes  II  HO.  161.  172. 

TIekale  342. 

Hekates  nesos  II  452. 

Hekatorabäon  II  322. 

Hekatompedon   19. 

Hekatompedos  310  f. 

Heleia  II  578. 

Heleiulion,  -uleis  II  448. 

Helene  356.  II  348.  469. 

Helenes  lutron  II  20. 

Helike  II  315  f.  .331.  333  f. 

Helikon  157  f.  167.   183.  194  ff.  204. 

207.  225.  232  ff.   236  ff.  242  f.  321. 
Helikranon    17. 
Heliotropion  80. 
Helisson    II   26.   .30.    187.    226.    228. 

230  f.  240.  24 1.  246  ff. 
Hellada  87. 

Hellanodikpon  II  :?<>t. 
Hellas,  Hellenes  2  1'.  S.   7<;  f.   II  353. 

385.  393. 
Hollenion   II  125. 
Hellenitza  II  242. 
Hellespontos  II  318. 
Helliniko  II  70  f.   164.  237.  281.  435. 
Hellinikn-Sivarli  II  ..Tl. 
Hellinikuli  38. 
Heilinon  Lil/iari  II  39. 
Helloi  23. 

Hellopia,  Hollopes  21.  23. 
llclloti»  II  565. 


504 


Verzeichniss  der  ^geographischen  Namen. 


Helos,  Helia  II  108.  110.    133.  143. 

Hephiisteion  287. 

Hephästiadä  344, 

Heptachalkon  290. 

Heptagonias  II  128. 

Heptanisos  (Hephtnnisos)  II  347. 

Hera  Akräa  (Vorgebirge  der)  367  f. 

383. 
Heräa,   -raitis    II   193.    234.   255  ff. 

262.  284. 
Heraeis  372. 
Heräon  II  47  f. 
Herais  II  361. 
Herakleia  40.  94  f.  111.  370.  II  288. 

300.  372.  510. 
Herakleidä  II  448. 
Herakleion  229.  339.  344.  II  85.  372. 

560. 
Herakleios  185. 
Herkyna  207  f. 
Hermäa  II  545.  548. 
Hermäon  II  113. 
Hermenhalle  286  f. 
Hermioue  11  7 f.  58.  72.  86  f.  92.  94  ff. 
Hermos  326. 
Hermupolis  II  330.  465  f. 
Hessos,  -sioi  152.  {"lotoi  in  delphi- 
schen Inschriften  bei  Wescher  et 

Foucart  Inscr.  n.  284.  328.  346.) 
Hestiäa  (Histiäa),   -iäeis,  -iäotis  14. 

44  f.  47  ff.  II  402.  404.  407  ff.  418. 

426.  535. 
*Hetera  II  577. 
*Hetereia  II  503. 
Hexamilia  II  21, 
Hiera  II  93.  521. 
Hiera  hodos  290.  322  f.  329.  II  300. 

.303. 
Hieraka  345.  II  137.  379. 
Hiera  pyle  290.  11  30. 
Hierapvtna  (-pydna)  II  531  f.  563  f. 

576.  578  f. 
Hiera  Syke  326. 
Hieres  90.  95. 
Hieri  II  379. 
Hiero  II  74. 
Hieron  oros  II  580. 
Hieropotamos  II  564. 
Hippades  pylä  278. 
Hippia  56.  197  f. 
Hippodameion  II  294. 
Hippodameios  agora  269. 
Hippokoronion  II  543. 
Hippola  II  152. 
Hippotä  236. 
Hippothoitis  IE  218.  220. 
Hippothoontis  250.  263.  332. 
Hippukrene  240, 


Hippuris,  -riskos  II  517. 

Hire  II  170. 

Hispanien  II  381. 

Histiäa,  -äeis,  -äotis  s.  Hestiäa. 

Homarion  (Ham.)  II  333. 

Homole,  -lion  96.  98.  204. 

Homoloides  pylä  226  f. 

Hopletes  262.  II  315. 

Hoplias  235. 

Hoplites  233.  II  117. 

Hoplodmias  II  209. 

Horkoraosion  288. 

Hormina  II  308. 

*Horreum  25. 

Hunnen  46. 

Hyäoi  152. 

Hyakinthis  II  124.  130.  448. 

Hyakinthos  336.  II  448. 

Hyameia,  -meitis  II  160. 

Hyampeia  172. 

Hyampolis,  Hya  158  f.  164  f.  186 

Hyantes  126.  158.  164.  202. 

Hyatä  II  25. 

Hydramos,  -mia  II  545. 

Hydrea,  Hydra  II  86  f.  93.  95.  99  ff. 

Hydrussa  360.  II  445.  468. 

Hyettos  212. 

Hyläthos  143. 

Hyle,  -lä  152.  213. 

Hyleessa  II  484. 

Hylike  195.  199  ff.  213  f. 

Hyllaikos  II  360. 

Hylleis  154.  II  25.  360. 

Hyllikos  II  87. 

Hymettos    254.  256.   259.   264.   319. 

344  ff.  350.  358  ff.  362. 
Hypälochioi  24. 
Hypana  II  277.  285. 
Hypata  89. 

Hypatos,  -ton  199  f.  216  f.  222. 
Hyperasia,   -resia  II  316.   319.  338. 
Hypereia  69.  II  89. 
Hyperteleaton  II  142. 
Hyphanteion  157  f.  164.  167. 
Hyphormos  357. 
Hypochalkis  134.  II  413. 
Hypoknemidische  Lokrer  187, 
Hypsa,  'Soi  II  147. 
Hypsili  II  61. 
Hypsistä  pylä  227. 
Hypsus  II  231. 
Hyria  1.35.  215.  218.  II  484.  , 
Hyrie  II  378. 
Hyrmine  II  308. 
Hyrnethia,  -ion  II  44.  56.  75. 
Hyrtakina  II  549. 
Hysanteion  157. 
Hysiä  248.  II  66.  222. 


Verzeichniss  der  geographischen  Namen. 


595 


I. 


lakcheion  279. 

lanitzi  II  438. 

lannina  20  fF. 

lannitzades  II  575. 

laon  II  288. 

lapis  252.  369. 

lardanos  II  272.  281.  301.  534.  542. 

Ibrahim  E/fendi  II  221. 

Ichnä  74. 

Ichthvs  II  159.  271.  274.  301. 

Ida,  ide  II  531  ff.  553  ff.  568. 

Idäa  II  530. 

Idomene  39. 

Jdra  II  336. 

levisckeher  64. 

lera  petra  II  578. 

Ikarion  251.  342. 

Ikarisches  Meer  II  351. 

Ikaros,  -ria  I[  347.  350.  352.  455. 

Ikos  II  349  f.  384.  387.  389. 

llia  II  95.  412. 

Ilion  187.  II  147. 

Ilissos  256.  272  f.  299.  319  ff.  325. 

Illyrieum  II  538. 

niyrien,  -er  11.  25.  II  359.  362. 

llhjrische  Halbimel  5. 

Imbrasos  II  423.  425. 

Imbros  II  351.  390.  393. 

*Inachorion  II  550. 

Inachos  12.  26.  37.  39  f.  90.  II  39  f. 

49.  63  f. 
Ina-Kephali  II  563. 
Inatos  II  .564. 
Inia  223. 
Jnoi  339. 
Inopos  ir  452. 
lolkos  102  f. 
Ion  49. 

*Ionäon  II  282. 
lonia,   lonier  251.   261.   345.   .370  f. 

II  8.  33.  72.  89.  108.  314  ff.  333  f. 

3.38.  352.  403.  453.  491. 
lonides  II  348.  352. 
Ionische  Inseln  116.  H  141.  347.  355. 
Ionisches  Meer  9.  II  267.  347. 
Ionische   Tetrapolis   339  f.    371.    II 

11.  72. 
los  II  349  f.  352.  455.  503.  507  ff. 
Tphistiadä  344. 
Ipneis,  -nia,  -nos  152. 
Ipnoi   100. 

Ira,  Iriös  96  f.  II  162. 
/rakli  344. 
Ire  II  170. 
Irosiä  75. 
fri  II    107. 


Irine  II  61.  502. 

Irrhesia  II  390. 

Jsari  II  323. 

Isioi  *.  Hessos. 

Isle  brulee  (Isola  bruciata)  II  503. 

Ismene  214. 

Ismenos,  -nios  200.  225.  229  f. 

Isomantos  235. 

Isos  215. 

Issorion  II  127. 

Istone  II  357. 

Istron,  -ros  II  571.  574. 

Istronas  II  574. 

Italien  II  150.  403. 

*ltalike  II  402. 

Itanos  II  532.  576  ff. 

Ithake  II  346.  366  ff. 

Ithome  49.   52  f.   54  ff.   74.   147.   II 

156.  161.  165  ff. 
Ithoria  120. 
nthylis  II  528. 
Itoniä  pylä  300.  325. 
Itonos,  iton  72.  79. 
luden  II  499. 
lukta  II  558. 
lulis  II  470  ff.  528. 
♦lusagura  II  553. 
lustinianupolis  19. 


Kabarnis  II  484. 
Kachales  166. 
Kadiston  II  533.  572. 
Kadmeia,  -meioi,  -meiones  51.  202  f. 
209.  225  ff. 
Kadraos  18  f.  203. 
Käkiä  II  77. 
Känepolis  II  112.  151. 
Känurio-chorio  80. 
Känuriopijrqos  II  526. 
Käratos  II  534.  536.  559. 
Käsari  II  195. 
Käsarinni  256. 
Kaiapha  II  268.  277.  279  ff. 
Kaimeni  II  350.  502  f.  521  f. 
Kajenilza  153.  155. 
Kakale  tri  II   162. 
Kaka   Vunia  II  105. 
Kaki  Skala  133  f.  368.  II  423. 
Kakonoros  II  545. 
Kakosi  242. 
Kakosialesi  336. 
KakosuH  11  546. 
Kakotari  II  307. 
Kaknraikn  II  258. 
Kalama  18. 
KaUmii  II  171. 


59G 


Vcrzcichniss  der  geograpliisclien  Namen. 


Kalamaki  58.  66.  68.  II  19. 
Kalarnata  II  104  f.  131.  157.   170  f. 

Ka/amilza  II  391. 

Aatamo   118.   221.   251.   337.  342.  II 

355.  305  f. 
Kalamyde  II  550. 
Kalancra  102. 
Kulaskopi  II  302.  306. 
Kalathana  74. 
Kalathion  II   155. 
Kalaureia  II  61.  79.  92  f. 
Kalavryla  II  183.  266  f.  311.  335. 
Kaie  akte  \l  432. 
Kallas  II  402.  407. 
Kalliä  II  232. 
Kalliakuda  139. 
Kalliaros  190.   192. 
Kallichoron  331. 

Kallidromon  95.  124.  132.  156  f.  186. 
Kallieis  141  f. 
Kallion  od.  Kallipolis  142. 
Kalliphoiii  II  183.  311. 
Kallirrhoe  257.  300.  319. 
Kalliste  II  520.  524. 
Kallithera  74. 
Kalogria  II  321. 
Kaloi  limenes  II  567. 
Kalpaki  II  203  f. 
Kalydnä  II  350. 
Kalydon,  -donia  32.  125  f.  129.  132  f. 

II  327  f. 
Kalyvia  II  306. 
Kamara  II  573  f. 
Kamarä  II  482. 
Kamari  II  527. 
Kamarina  30  f. 
Kamatero  334. 

Kanibunische Berge  4.  42.47.  52.  57  f. 
Kamenitza  II  311. 
Kamilo  II  139. 
Kamiros  II  578. 
Kammania  18. 
Kampylos  141. 
Kanada  63.  103. 
Kanathos  II  59. 

Kandia  II  61.  5,30.  538.540.557.  559  ff. 
Kandila  118. 

Kandili  II  400  f.  412  f.  417. 
Kanea  II  540  f. 
Kanethos  216.  II  414  f. 
Kaniani  155. 
Kantanos,  -nia  II  549. 
Kantharos  266. 
Kapandriti  336. 
Kapareli  II  217. 
Kaphereus  II  400.  434.  437. 
Kaphyä,  -aus  II  185  f.  191.  206.  230. 

232.  262  f. 


Kappari  II  96.  99. 

Kaprena  103. 

Kapsa  II  214. 

Kapsali  II  141. 

Karahuha  216. 

Karabusa  II  552. 

Karadagh  69  f. 

Karadscholi  56. 

Kara-tschair  62. 

Karavassera  110  f. 

Karavi  87.  II  357. 

Karavostasion  II  321. 

Karavutas  II  551. 

Kardakata  II  372. 

Kardamyle  II  154. 

Kardioiissa  II  505. 

Karela  347. 

Kares,  -ria  24.  203.  261.  370  f.  II  8. 

23.   41.  72.   94.  138.  352.  392.  441. 

453.  491.  498.  534. 
Karitza  98  f. 
Karkalü  II  232. 
Karnasion  II  164.  242. 
Karneates  II  32. 
Karnion  II  242. 
Karnos  118.  II  346.  365  f. 
Karpathisches  Meer  II  350. 
Karpathos  II  352. 
Karpenisi  141. 
Kartero  II  559  f. 
Karteroli  II  228  f.      * 
Karthi^a  II  470.  472  f. 
Karthager  II  296. 
Karvunaria  92. 
Karya  189.  II  201. 
Karyä,  -ryatä  II  118.  203.  216. 
Karyäs  362. 
Karydi  381. 
Karysto  II  432. 
Karystos,    -stia    II    114.    352.    398  f. 

402  ff.  418.  421.  432  ff.  455. 
Karyläna  II  194.  235.  241. 
Kasavii  II  563. 
Kasos  II  340.  352. 
Kassanaeis  99  f. 
Kassiope  II  357.  361. 
Kassopia,  -pe,  Kassopäer,  Kassopier 

10  f.  26  f.  29  ff.  34.  II  362. 
Kassotis  177. 
Kastalia   172.   179. 
Kastania  II  206. 
Kasteli  155. 
Kastelia  It  173. 
Kastelläs  II  416  f. 
Kästeln,  KasteUiana  II  563.     . 
Kasthanäa  99  f. 
Kastrades  l\  358.  360. 
Kastraki  II  151. 


Verzeichniss  der  geographischen  Namen. 


597 


Kastri    29.   57.    67.   99.    104.    170  ff. 

193.  217.  II  94  ff.  408.  434  f. 
Kastritza  21  ff.  II  324. 
Kastritzi  II  561. 
Kastro  II  481.  483.  500  f. 
Kaslro  tis  Orias  II  476. 
Kastus  n  366. 
Kutakolo  II  159.  271. 
Kalalioni  II  578. 
Katahjmakia  II  519. 
Katapfieki  (Kataphygi'f)  356. 
Kataphygi  II  475. 
Katapola  II  514. 
Katarrhaktes  II  563  f.  568. 
Kalo-Achaia  II  323. 
Kalo-chorio  II  574. 
Kato- Klima  148. 
Kalomeros  120. 
Katonakophoroi  II  25. 
Katopterios,  -teuterios  170. 
Katü-Suli  341. 
Katramonisia  359. 
Katuna  111. 
Katzaru  II  131.  ^ 

Katzikopniktis  .  143. 
Kalzinyri  II  62. 
Kaizomyti  335. 
Katzulu  248. 
Kaukon  II  311. 
Kaukones  II  272.  315.  319. 
Kaus  II  260. 
Kavaliani  II  429. 
Kavalos  II  148. 
Kavurulimni  134. 
Kechropula  115. 
Kedrios  II  532.  545.  547.  568. 
Kedrisos  II  532. 
Kedros  II  532." 
Keiriadä  325  f. 
Kekropis  263. 
Kekryphalos,  -leia  II  77. 
Kelados  II  235. 
KelUthoi  27. 
Kelätlira  237. 
Keleä  II  34. 
Kelenderis  II  90. 
Kdephina  II  107.  115. 
Kelossa  II  32  f.  40. 
KenUon  189.  II  401.  410. 
KenchreU  II   15.  19.  06. 
Kentauren  45. 
Keos   II   348  f.    352.   417.   439.   441. 

467  ff. 

Ki'phnlas  II  506. 
Kc'phale  351. 
Kcpliali  II   151.   lOO.  357. 
KephallenoH,     nia    II  346.  365.  366. 

308  f.  371  ff. 


Kephalos  II  488. 

Kephalus  78. 

Kephisia  256.  343  f. 

Kephisis  195.  199. 

Kephisos    153.    161  ff.    192  f.    195  f. 

198.  205.  210.  249.  256  f.  324.  326. 

328.  342.  363.  11  391. 
Kepoi  259.  321. 
Keraines  24. 
Keraitä  II  552.  580. 
Kerameikos     274    f.    278   ff.    289   f. 

322  f.  325  f.  335. 
Keramidi  99. 
Keramoli  358. 
Kerasifii  271. 
Kerasilza  II  223. 
Kerata  251.  331.  367.  373. 
Keratin  257.  344.  346  f.  351  f.  357. 
Keroton  II  580. 
Keraunia   (Akrokeraunia)  4  f.   14  f. 

19  f.  II  3-46.  356. 
Kerausion  II  184.  233.  251. 
Kerchneia  II  66. 
Keressos  238. 

Kereus,  Keron,  Kerbes  II  402. 
Keria  II  511. 

Kerinthos  II  400.  402.  410.  412. 
Kerketion  13.  39.  48  f.  53. 
Kerkopon  hedrä  94. 
Kerna  179. 
Keros  II  511. 
Kerpini  II  313. 
Kerykion  222.  224. 
Keryneia,   -nites  II  45.  313.   315  ff. 

334  f.  337. 
Kestreon  II  448. 
Kestrine,  Ke8tria"17  f. 
♦Ketia  11  575. 
Kichyros  29  f. 
Kierion  45.  72  f. 
Kikynethos  101. 
Kikysion  II  288  f. 
Kiladia  II  87.  94.  98. 
Kili  II  427. 
Kimaros  II  552. 
♦Kimikon  II  448. 
Kimoli  II  502. 
Kimolia  369. 

Kimolo.^  6.  II  348  ff.  497.  501  ff. 
Kimonia  mnemata  276. 
Kinäthion  U    152. 
Kindrios  II  .532. 
Kineta  384. 
Kioniu  II  190.  447. 
Kiphisia  343. 
Kipuln  11   152. 
A'i7'iV/  II  529. 
Kirphis  157.  1G9  f.  180.  182  f. 


598 


Verzeicljtiias  der  geograpliiselien  Nameti. 


Kirrha  150.  180  ff. 

Kisamo-  Kasteli  II  551. 

Kisamos  II  544.  551  f. 

Kiseli  149. 

Kiserli  61. 

Kissa  II  215. 

Kissavos  43.  99. 

Kissier  II  419. 

Kissussa  233. 

Kisternäs  II  106.  150. 

Kithäron  194.  222.  240  f.  244.  247  ff. 

251  f.  257.  228.  332.  366  f.  373.  381. 
Kitriäs  II  155. 
KUriani  II  482. 

Kladeos,  -daosll  287.  290.  294f.  300. 
Klarentza  30, 

Klareotis,  Krariotis  II  218.  220. 
Klaudos  II  538.  580  f. 
Klazomenier  173. 
Kleinasien  II  346.  350  f.  353.  535. 
*Kleisas  236. 
Kleitor,  -ria  II  189.   199.   202.   232. 

259  f.  2«2  ff. 
Klementi  II  195. 
Kleonä  165.   II  7.  9.  23  f.  32.  36  ff 

43.  45. 
Klephiovuno  200.  216. 
Klepsydra  293  f.  II  167. 
Klidi  335. 
Klima  II  499  f. 
Klimeno  117. 
Klinitza  II  231. 
Kliosi  II  399.  430  f. 
Klisura  II  48.  118.  308. 
Klihiras  II  263. 
Klokova  132. 
Klukkinäs  II  202. 
Klymeneis  II  448. 
Klymenon  117. 
Knakadion  II  146. 
Knakalos  II  206. 
Knakion  II  115.  120. 
*Knauson  II  231. 
Knemis,  -mides  88.  156  f.  163  ff.  186. 

188  f. 
Knidier  173.  177. 
Knopia  200. 
Knopos  200. 
Knossos,  Knosos    11  387.   534.   536. 

553.  557.  559  ff.  569  f.  572. 
Koila  Euboias  II  398. 
Koile  85.  276,  II  55. 
Koile  Elis  II  275.  301  ff. 
Koios  II  163. 
Koite  II  541. 
Koizlar  79. 
Kokla  247.  II  163.  165. 


Kukkiln  II  391. 

Kokkini  257. 

Kokkinio  II  143. 

Kokkinopetra  47. 

Kokkinopotamos  142. 

Kokkygion  II  96. 

Kokytos  27.  29. 

Kolakeia  96. 

Kolias  259.  357.  361. 

Kolokoto  53. 

Kolokyntha  II  148. 

Kolona  II  125  f. 

Kolonides  II  173. 

Kolonis  II  101. 

Kolonnüs  (Cap)  254.  354  f. 

Kolonos  II  462. 

Kolonos  Agoräos  275.  287. 

Kolonos  Hippios  324  f. 

Kolumbos  II  522.  528. 

Kolyergia  II  101. 

Kolyttos  274  f.  289. 

Komaros  32. 

Komhoti  111. 

Komerkis  52. 

Ko7ni  II  448. 

Komiku  II  361. 

Kondylea  II  206. 

Kondylon  61. 

Konipodes  II  73. 

Konomio  99. 

Konope  135.  138. 

Konoureis  II  121. 

Kontochori  II  528. 

Kontoporia  II  9. 

Kontovunia  II  156  ff. 

Kopä  195.  212. 

Kopais  167.  193.  195  ff.   213.   231  ff. 

Kopanu  Gephyri  II  114. 

Kophos  limen  270  f. 

Kppra-Kephali  II  576. 

Kopsocheria  II  213. 

Koragion  II  208. 

Koraka  II  101. 

Korakä  102. 

Korakas  II  545. 

Korakia-potami  II  142. 

Korakon  nasos  II  256. 

Korakopyrgos  101. 

Korakos  petra  II  370. 

Korassiä  II  350. 

Korax  88.  132.  139.  142  f. 

*Korene  II  289. 

Koresia  II  470.  472.  545. 

Korfu  II  330, 

Korintlios,  -tliia,  -tliisclier  Meer- 
busen, Istlimos  9.  107.  112  ff.  132. 
134.  143.  145  f.  156  ff.  173.  181. 
185.  194.  232.  240.  367.  371  ff.  384. 


Verzeicliniss  der  geograpliisclien  Kamen. 


599 


II  1.5  ff.  9  ff.  20  ff.  32.  36.  38.  43.  48. 

72.  77.  186.  300.  329.  336.  359.  362. 
Korion  II  545. 
Korkyra,  -räoi  17.  113.  117.  11  304. 

346.  355  ff. 
Korkyräa  stoa  II  304. 
Korobili  241  f. 
Koron  II  156  f.  173  f. 
Korone  II  109.  172  f. 
Koroneia    36.    79.    201.  207.  235  f. 

351.  II  172. 
Korono?i  II  489  f. 
Koronta  110. 
Koropi  328.  344.  346  f. 
Korphona  352  f. 
Korphoxyiia  II  231  f. 
Korrenti  II  416. 
Korseia  192  f.  243. 
Korsia  56. 
Korsiä  243. 
Korthion  II  440.  444. 
Kortiki  73. 
Kortys  II  233. 
Koruni  351. 

Korydallos  253.  271.  366. 
Korykion  179. 

Korykos,  -kia,  -koi,  -kiä  II  552  f. 
Korynephoroi  II  25. 
Koryphäon  II  72.  76. 
Koryphasion  II  172.  176. 
Koryphi  II  343. 
Korytheis  II  216.  222. 
Kos  II  350. 
Koskynthos  II  402. 
Kosmus  II  135. 
Kosmos  II  440. 

Kosyllites  (Kosyraites?)  II  516. 
Koliki  II  308. 

Kotilion  II  184.  251.  254  f. 
Kotronäs  II  148. 
Kotroni  336  ff. 
Kotyläon  II  397.  422.  425. 
Krambavo  II  238. 
Krambussa  II  517. 
Kranae  II  145. 
Krane,  -nioi  II  373  f.  376  f. 
Kraneia,  -eion  34.  36.  II  15. 
Kranidi  II  95. 
Krannon  40.  45.  67  f. 
Krariotis  «.  Klareotis. 
Krosi  II  466. 

Krathis  II  183.  198.  201  f.  313.  337  f. 
Kraugiä  II  77. 
Krausindon  97. 
Kravüld  II  207. 
Kreion  II  39. 
hrekiiki  248. 
Kremasli   II  135. 


Kremastos  II  87. 

Kremmyon  s.  Kromrayon. 

Kremnia  II  565. 

Krenä  38. 

Krenää  pylä  226  f.  231. 

Kreopolon  II  39. 

Kresion  II  223.  391.  394. 

Kreta,   -ter   158  f.    203.  233.  11  80. 

103.  150.  277.  348.  351  ff.  381.  387. 

391.   396.   485.   491.   505.   513.  518. 

523.  529  ff. 
Kretea  II  236. 
Kretisches  Meer  II  351. 
Kreusis  241. 
Krio  II  550. 
Krioi  II  49. 
Krios  II  314.  341.  343. 
Krissa,  -säischer Meerbusen  143.146 

149.  158  f.  180  f. 
Kriterien  II  52.  54. 
Krithina  II  103. 
Krithote  118  ff. 
Kriti  II  529. 
Kriu  metopon  II  550. 
Krokeä  II  106.  132. 
Krokion,  -koton  72.  74.  78  f. 
Krokyleia  II  366. 
Krokyleion  142. 
Krommyon,  -onia  371.  384. 
Kromoi,  -mna,  -mnos,  -raitis  II  242 
Kronion  II  290  f.  294.  296  ff. 
Kropia,  -pidä  335. 
Krotanoi  II  126. 
Kroton  II  330. 
Krunoi  II  231.  283  f. 
Krya  207. 
Kryassos  II  498. 
Krya  vrijsis  II  118. 
Kryonero  22.  138. 
Kryo  pigadi  240. 
Kryptos  limen  II  82. 
Klenia  II  39.  66. 
♦Ktesion  II  391. 
Ktimenc  74.  87. 
Klypas  215. 
Kuarios  79.  202.  235. 
Kulendiani  II  139. 
Kulogli  II  307. 
Kulilri  362.  364. 
Kiimani  II  307. 
Kumi  II  391.  397.  427  f. 
Kumithia  II  574. 
Kundura  331  f.   II  473. 
Kiinupcli  II  308. 
Kunupoc/ioria  II  136. 
Kunuvinn  128. 
Kupfionisi  II  578. 
Kuphonisia  II  5U, 


GOO 


Verzelclinisa  der  geogrnphisclien  Namen. 


Knnilios  52.  72. 

Kureion  II  250. 

Kureten  106  f.  125  f.   131.  II  403. 

Kuretis  II  530. 

Kurion  130. 

Kurkula  II  143. 

Klimas  II  545. 

Kurnos  II  149. 

Kursala  328.  347. 

Kurtesa  II  38. 

Kurtzolari  127  f. 

Knruhlia  II  400. 

Kurupia  II  495. 

Kuti  II  307. 

Kutra  II  156. 

Kutri  II  553. 

Kuiupharina  II  243. 

Kutzi  II  35. 

Kutzomati  II  23. 

/i'Müön  II  440.  443. 

iCuwe/o  138. 

Kuverta  II  87.  99. 

Kyamon  II  542  f. 

Kyathis  II  375. 

Kyathos  135. 

Kychreia  362. 

Kydathenäon  274  f.  302. 

Kydones  II  534. 

Kydonia  II  80.  381.  531.  534.  541  f. 

551. 

Kyklades  6.  II  139.  348  ff.  438  ff. 
Kykloboros  257.  336. 
Kyknias  II  445  f. 

Kylarabis  (Gymnasion  des)  II  55. 
Kyllene  II  30.    182  f.    194  f.    197  f. 

201.  271.  308.  314.  343. 
Kyllenischer  Meerbusen  II  271.  308. 
Kyllu  pera  256. 
Kyloneion  284. 
Kyme  II  359.  417.  427. 
Kymine  74.  87. 

Kynätha,  -theis,-thaII192.266f.  311. 
Kynia  128  f. 
Kynortion  II  72.  76. 
Kynos  190  f. 
Kynosarges  275.  321  f. 
Kynoskephalä  71. 
Kynoskephale  II  357. 
Kynos.sema  133. 
Kvnosiira,    -ureis    337.    364  f.    372. 

il  121. 
Kynthia  II  454. 

Kynthos  II  378.  452.  458.  462  f.  473. 
Kynuräoi  II  226.  233.  235.  250. 
Kynuria  II  6.  42  f.  68.  71.  107.  110  f. 

116.  133. 
Kynurier  II  226. 
Kyparisseeis  II  159.  178  f. 


Kijparissi  II  134.  137. 

Kyparissia,   -sischer  Meerbusen    II 

103.  110.  159.  163.  178  f.  270.  383. 
Kyparissia  II  240. 

Kyparissos,-sus,-sia  159.  170.  II 143. 
Kijparissos  II  151  f. 
Kyphära  (Kypära)  75,  89. 
Kyphanta  II  134.  137. 
Kyphos  13.  47  f. 
Kypros  II  255.  474. 
Kypsela  II  241.  243. 
Kyra  (Kyräeus)  lokrische  Stadt  nach 

einer   Inschr.   bei  Wescher  et  Fou- 

cart  Inscriptions    recueillies   ä   Del- 

phes  n.  m. 
Kyra  II  77. 
Kyrades  366.  II  242. 
Kyrba  II  578. 

Kyrene,  Kyrenäer  II  297.  525.  538. 
Kyretiä  (Chyr.)  42.  46.  56. 
Kyriaki  184. 

Kyr~Irinis  to  kastron  130. 
Kyrnos  II  435. 
Kyros  II  343. 
Kyrtone,  -nes  212. 
Kytäon  II  557  f. 
Kythera    II    103.    108.     110.     140  f. 

347.  352. 
Kytherios,   -ros  II  288. 
Kythnos  II  348  f.  439.  473  ff. 
Ky  Union  155. 

L. 

Lachas  II  188. 

Ladasgrab  II  115. 

Ladokeia  II  227.  245. 

Ladon   II  186  f.  199.  202.  206.  256. 

258  f.   263  f.    269  f.   273.  286.  300 

306  f. 
Lagia  II  148. 
Lagio  II  132. 
Lagonisi  357. 

Lagusa,  -gussa  II  350.  505. 
Lagusä  II  77. 
Lakedämon,  Lakones,  -nike  114.  7. 9. 

70.   72.   102  ff.    120.    155.   159.  162. 

165.  170.   185.  187.   190  f.  222.  225. 

243.  351.  498.  505.  518.  524  f.  535  f. 

551. 
Lakerei  a  104. 
LakiadU  326, 

Lakmon,  Lakmos  4.   12  ff.  39.  41  f. 
Lala  II  425. 
Lalichmion  II  303. 
Lamia  43.  77.  83  f, 
Lamon  II  547, 
*Lamos  233. 


Verzeicimiss  der  geographischen  Namen. 


001 


Lampe  II  545  f. 

Lampeia  II  183.  811.  818. 

Lampträ  358. 

Langada  II  104  f. 

Langadia  II  230  f. 

Langon  II  309. 

Lankeia  II  115. 

Lapathus  61. 

Lapliystiori  197.  207.  235  f. 

Lapithä  45.  50  f.  87. 

Lapithäon  II  131. 

Lapithos  II  268.  277.  280. 

Lappa  II  544  ff.  554.  569. 

Lapsista  20  f. 

Laris  222. 

Larisa,   -rissa,   -rision   pedion    45  f. 

58.   64  f.   11  40  f.   49  ff.   321  f.  565. 

579. 
Ijarisa  kremaste  82. 
Larisos  II  270.  273.  309  f.  319.  321. 
Larymna  192  f.  196. 
Larysion  II  144. 
Las  II  110.  112.   146  f. 
Lasion  II  306  f. 

Lasithi,  Lasilhiotika  II  532  f.  570. 
Lasos  II  567. 
Lassäa  II  566. 
Lato  II  571.  573  f. 
Laurion,    -riotike    254  f.    257.    259. 

352  ff. 

Lavda  II  235. 
Lea,  Leia  II  529. 
Lebadeia  197.  206  ff.  235.    . 
Leben,  Lebena,  Libena  II  534.  566. 
Lebinthos  II  350. 
Lechäon  366.  II  15.  18  f. 
Lechonia  96,  102. 
Ledon  159.  163.  167. 
Ledonia  II  566. 
Leibethrion  (Lib.)  236. 
Leimone  56. 
Leipsydrion  334. 

Lelanton  II  401.  403.  411.  415.  417  f. 
Lelantos  II  402. 
Leleger  86.  106.  126.   144.  153.  202. 

261.   371.   II  2.  41.    108.    159.  275. 

403. 
Lemnos  II  350  f.  353.  390.  393.  506. 
Lenäon  296  f.  299. 
Lenos  II  301. 
Leokorion  287.  290. 
Leon  II  429.  471.  566. 
Leondari  II  104.  242  ff. 
Leonidiion  II  300. 
Leonidi  II  134  ff. 
Leontarne  237. 
Leontion  II  316.  330, 
Leontis  263.  334. 

BUKSIAN,    OKOÜU.   II, 


Lepa7ito  147. 

Lepenu  109. 

Lepreon,  -preos  II  273.  277  ff. 

Lerna  II  16.  40.  65.  67  f. 

Leros  II  350.    • 

Lesbos  II  347.  350.  353. 

Lessa  II  62. 

Lestadä  II  495. 

Letbäos  51  f.  II  564.  567. 

Letoa  II  569. 

Letoia  II  378. 

Letrinoi  II  289.  300  f. 

Leuka  ore  II  532  f.  540.  545  ff. 

Leukas  32.  108.  115  ff.  II  346.  356. 

362.  365  f.  380. 
Leukasia  II  163. 
Leukasion  II  263. 
Leukatas  116  f. 

Lenke,  Leukä  II  103.  143.  542  f.  578. 
Leuke  akte  II  399,  432. 
Leukimma  II  357. 
Leukone  II  223. 
Leukonis  195. 
Leukopetra  II  21. 
Leuktra,  -tron  219.  240  f.  243  f    II 

112.  154.  225.  243. 
Leukyanias  II  287. 
Levanatäs  190. 
Levetzova  II  106.  132. 
Levidi  II  205. 
Levka  II  312. 
Levki  II  370. 

Levkimo  (Alevkimo)  II  357. 
Levsina  328. 
Levla  163. 
Levtro  II  154. 
Liaka  II  378. 
Libeia  II  503. 
Libethrias  236. 
Libochovo  19. 
Liburner  II  359. 
Libyens  campns  II  57. 
Libyen  II  140. 
Lichades  II  401. 
Lida  II  566. 
LiguHo  II  62.  75. 
Likymna  II  57. 
Liläa  151.  159.  161. 
Limenaria  II  103.  137. 
Livieni  II  152  f. 
Limenia  II  376. 

Limnä  296.  299.  II  121.  126  ff.  170. 
Limnäa  110  f. 
Limnäon  74. 
Linmi  II  146.  411. 
Limodorieis  154. 
Limu  pedion  295. 
Lingou  14' 

40 


G02 


Verzeichniss  der  o^eographisclien  Namen. 


Lingueila  14. 

Liopesi  344.  347.  II  31.  262.  , 

Lipara  II  361. 

JApso  II  409. 

Lipsokulali  365. 

Lisia  II  567. 

Lisos,  Lissos,  Lissa  II  549. 

Lissen,  -ses,  -sin  II  567.  569. 

JÄlhada  II  400  f.  409  f. 

JAlhari  lOO. 

LUhinos  II  567.  569. 

Livadia  197.  207. 

JAvadostro  241. 

Lixuri  II  373.  377. 

Lognri  36. 

Lokrer,  -ris  94.  123.  126.  134.  143  ff. 

X56.  186  ff.  214.  II  469. 
Lomharda  359. 
Longaki  189. 
Longobardo  II  178. 
Longopoiamoa  II  23.  37. 
Lophis  233. 
Lossonos  55. 
Luku  II  68.  70  ff. 
Luro  31. 
Lusa  243. 
Lusios  II  231  ff. 
Lnsoi  II  265  f. 
Lutraki  111.  II  18. 
Lidro  II  547. 

Lyder,  Lydien  203.  II  2.  13. 
Lygovitzi  109. 
Ly'kabettos  255.  322.  343. 
Lykäa,  -kUtha  II  229.  235. 
Lykaeitä  II  248. 
Lykäon  II  155.  165.  184.  225.  233  ff. 

240.  251.  268. 
Lykastos,  -stion  II  561  f. 
Lykeion  321  f. 
Lykeri  157. 

Lykier  261.  II  8.   11.  22.  41. 
Lykoa  II  229.  235. 
Lykochorio  142. 
Lykodimo  II  157  f. 
Lykone  II  40.  65. 
Lykoreia  157.  180. 
Lykormas  132. 
Lykostomion  41. 
Lykosura  II  237  f. 
Lyktos  s.  Lyttos. 
Lykunta  II  263. 
Lykuria  II  202. 
Lymax  II  251  f. 
Lympiada  II  135. 
Lynkos  14. 
Lyrkeia  II  63  f. 
Lyrkeion  II  39.  63. 
Lysimacheia  135. 


Lyttos,   Lyktos   II  532  f.   535.   559. 

561  ff.  569  ff.  577. 
Lyzeia  118. 

M. 

Madnra  II  229.  231.  532. 

Mänalos,  -lol,   -lion  II  190.  207.  215. 

218.  225  f.  250. 
Mäoner  98. 
Mära  II  208.  214. 
Magnesia,   -neten   3.  43  f.   63  f.  77. 

79.  86.  96  ff.  II  350  f.  384. 
Magneten  am  Mäander  II  576. 
Magula  65.  328.  332.  II  120. 
Makar-äft  II  495. 
Makareä  II  240. 
Makaria  340.  II  157.  171. 
Makaronnesos  II  530. 
Makedonien,  -ner  3  f.  25.  32.  44.  48. 

56  f.  60.   80.  140.   363.    II  45.   354. 

385.  393.  405. 
Makistos,  -tia   II  277.282.284.400. 

419. 
MakrU  peträ  294. 
Makra  kome  89. 
Mnkri  II  520. 
Makriamyü  111. 
Makris  356.  II  355  f.  396. 
Makronisi  356.  II  61.  469. 
Makronoros  38  f. 
Makroticho   II  559. 
Makry  54. 
Makrychorio  61.  65. 
Mnkryplagi  367.  II  242. 
Makry ^ia  II  285. 
Makryvoroa  139. 
Makynia  134.  145. 
Maläa,  -lia  II  243. 
Mnhixa  II  540. 

Malea  II  8.  103.  108.  139  f.  535. 
Malevesi  II  558. 
Malevos  II  39.  102.  135. 
Malia  II  571. 
Malis,  Malis,  -Her,  -lischerMeerbusen 

77.   83.   87  ff.   90  ff.   142.  153.  188. 

II  395. 
Malloia  56. 
Maloitas  II  229. 
Malta  II  507. 
Maltho  II  303. 
Malus  II  243. 
Malvasia  II  138. 

Mamusia  II  337. 
Mana  II  270.  309. 
Maiidila  II  157. 
Mandra  331  f. 
Manduti  II  400^  402.  412. 


"Verzeichnlss  der  geographischen  Namen. 


60ä 


Man  PS  188. 

Mani  II  105.  145  f.  546. 

Maniä  II  249  f. 

Manolada  II  308  f. 

Mantelo  II  399.  434.  436. 

Manthyrea,  -reis  II  217.  223. 

Mantineia,    -nike  II  63  f.    186.  189. 

191.   198.  205.  207  ff.  221  f.  265. 
Maritima  II  171. 
Maratha  II  234. 
Marathon  257.  336  ff.  350. 
Maral hotias  338. 
Maraihojiisi  II  145.  379. 
Margala,  -gana  II  289. 
Mari  II  135  f. 
Marinari  II   149.  151. 
Mariolates  155. 
Mariorrhevma  II  108.  136. 
Marios  II  108.  112.  135. 
Markopulo  344.  347. 
Marmaka  II  368. 
Marmara  11  488. 
Marmari  II  432. 
Marmaria  II  187. 
Marviariani  62, 
Marmarion  II  432. 
Maroneia  353. 
Marpessa  II  484. 
Martini  212. 
Marusi  343. 

Mases  II  87.  97  f.  101. 
Manier a  11  355.  364. 
Massalias  II  547. 
Massalioten  173. 
Matalon,  -la,  -lia  II  567. 
Matapan  II   105.   150. 
Malaraiiqa  73. 
Mathia  11  157  f.   172. 
Mation  II  560. 
Matzuki  118. 
Mausos  II  23. 
Mavia  lilharia  II  338  f. 
Mavri  II  269. 
Mnvria  II  240. 
MavroliT/ini  62. 
Mavromati  II  167. 
Mavroncro  161.  II  202. 
Mavronoros  II  183. 
Mavropotanios  27.  91.   196.    II  280. 
Mavrovuni  43.  99  f.  103.  II  397.  400. 
425. 
Mavroinmenos  II  163. 
Mazi  233.  332.  II  314. 
Medeon,    -dion,    -dionia    111.    159. 

182. 
Megalcpolis, -litis  II  104.   111.  113. 
163  f.  187.  103.  198.  204.  215.  222  f. 
225  ff.  228  ff.  244  ff.  2GÖ. 


Megali-Lniza  236. 

Megalochorio  II  77.  91.  528. 

Megalokastro  II  561. 

Megalorhevma  II  432. 

Megalovuno  II  32.  386. 

Meganisi  II  355.   365  f. 

Megapotamos  139. 

Megara,  -ris,  -rer  194.  245.  251.  261. 
331.  363.  365  ff.  373  ff.  II  297.  333. 

Megara  Hybläa  370. 

Megaspihion  II  335  ff.  517. 

Megdova  12.   87.  140. 

Meiganitas  II  313.  330  f. 

Meilichos  II  312.  325. 

Mekone  II  23. 

Melambion  71. 

Melampygos  lithos  93  f. 

Meläna  II  371. 

MelänU  332.   II  527. 

Melänüs  II  495.  * 

Meläneä  II  258. 

Melaneis  II  419. 

Melangeia  II  214. 
Melania  II  514.  516. 
Melanippeion  289. 

Melantische  Klippen  II  450. 

Melanydros  II  368. 

Melas  91.  94  f.   196.  210  f.    II  311. 

Meles  n  508. 

Melia  225.  229  f. 

Meliboia  57.  99. 

Melidochori  II  562. 

Melidoni  190.  11  556. 

Meligala  II  162. 

Melina  II  49. 

Melinades  II  383. 

Melitisa  II  545.  569. 

Melite  122.  128  f.   274  f.  288  f.  325. 

Meliteia,  -Üla  79.  85. 

Melitefon  II  357. 

Melitides  pylä,276. 

Mellenitza  193. 

Melos  6.  II  348  ff.  353.   477.  496  ff. 

520.  525.  535. 
*  Melotis  25. 
Membliaros  II  518. 
Memblis  II  498. 
Mendenitza  189. 
Menelaion  II  129. 
Menelais  87.  II  206. 
Menides  II  444. 
Menidi  334. 
Menios  II  302.  305. 
Mentcli  345. 
Merbnka   II  40. 
Merenda  347. 
Merknrin  350. 
Mermingid  II  505, 

40* 


G04 


Verzeiclmiss  dei"  geograpliisehen  Namen, 


Merope,  -pia  II  479. 

Merovigli  II  526. 

Mesatis  II  325.  329. 

Mesavuni  224. 

Mese  II  553. 

Mesoa  II  121. 

Mesoboa  II  263. 

Mesogäa,  -geioi  263  f. 

Mesogia  344.  346.  350  ff.  357. 

Mesola  II  159.  164. 

Messa  II  152  f.  159. 

Messapeä  II  131. 

Messapioi  152. 

Messapion  215  f. 

Messapios  11  545  f. 

Messara  II  564. 

Messaria  II  440.  444.  475. 

Messavutio  II  526  f. 

Messene,  -nia,  -er  7.  147.  372.  II  4  f. 

60.    94.    102.    104  f.    108  f.    110  f. 

153  f.  155  ff.  165  ff".  184  f.  190.  242. 

249  f.  270.  272. 
Messolongi  129  f. 
Metachoion  235. 
Metapa  136.   138. 
Metapontiner  II  297. 
Meteora  49. 

Methana  6.   II  91  f.  350. 
Methone  102.    II  175.  438  (vgl.  Mo- 

thone). 
Methurides  379. 
Methydrion  II  204.  214.  229  f.   231. 

250. 

*  Methymna  II  552. 
Metopa  II  196. 

Metroon  282  f.  285.   II  295  f. 

Metropisi  352, 

Metropolis  38.  49,  53  f.  67.  109   156. 

II  438. 
Metzovo  12. 
Mezapo  II  152. 
Michalitzi  33. 
Midea  II  63. 
Mideia  198.  209. 
Migonion  II   145. 
Milatos  II  571  f, 
Miletos,   -lesioi    II   13.    485  f.    492. 

495.  513. 
Milia  II  153  f. 
Miliäs  102. 
Milo  II  496.  499. 
Mimallis  II  498. 
Minoia  II  361. 
Minoa  371.  378  ff.  II  138.  482.  484. 

513  ff.  535.  544.  574. 
Minthe  II  184.  268.  278  f.  426. 

*  Minthos  II  426. 
Min^a  51. 


Mlnyeios  TI  280. 

Minyer    45.    51.    78.    102.    198.    204. 

209  ff.  218.  II  8.  10.  108.  145.  154. 

159.  272  f.  418.  441.  477.  498.  506. 

524  f. 
Mirobella  II  571.  573  ff. 
MirabeUopotamos  II  573, 
Miraka  II  287. 
Mistra  II  120.   I31  f. 
Mitropolipotainos  II  564. 
Mitropolis  II  565. 
Mitylene  II  13. 
Mitzikeli  20. 
Modi  II  533. 
Modon  II  157.   173.  175. 
Molo  188.   II  367. 
Moloeis  247. 
Molokas  II  357.  361. 
Molos  167  f. 
Molottis,   Molotter  10  f.    24  f.    27. 

II  361. 
Molpidos  petra  II  289. 
Molaris  368. 
Molykreia  134.  145  ff. 
Monemvasia  II  138. 
Monte  nero  II  372. 
*  Mopselum  62. 
Mopsion  62. 
Mopsopia  251. 
Morea  II  3. 

tu  Morea  to  kastron  146. 
Morios  167. 

Mornopotamos  139.  142  f.  146.  148. 
Mostinitza  II  262. 
Mothon  II  175. 

Mothone  (Methone)  II  59.  109.  175. 
Mundritza  II  285. 
Munichia  (Munychia)  265.  267  ff. 
Muria  II  289. 
Murlar  61. 

Musagoroi,  -ra,  »ros  II  550.  553. 
Mnsaki  II  87.  99  f. 
Museion  272  f.  276.  325. 
Musenhain  239  f. 
Mustapha-Bey  94. 
Mustos  II  68. 
Mychos  185. 
*Myenon  139. 
Mykale  II  334. 
Mykalessos  200.  217. 
Mykenä,   näer  210.  II  36,  41  ff.  45  ff. 

94.  334. 
Mykonos   II   348  f.  352,  439.   445  f. 

448  ff.  455. 
Mylä  56. 

Mylaon  II  229.  235. 
Mylaos  II  143. 
Myle  II  553. 


Verzeichniss  der  geographischen  Namen. 


605 


Mylonas  II  101. 

Mylopotamos  II  555  f. 

Myon,  -onia,  Myanes,  -oneis  152. 

Myonnesos  81. 

Myrä  98. 

Myrgion  II  75. 

*  Myrina  U  568. 

Myrmekos  atrapos  275. 

Myrmex  100. 

Myrmidonen  45.  77.  II  79. 

Myropolis  stoa  II  247. 

Myrrhinus  .347  f.  350. 

Myrrhinutte  347. 

Myrsinos  II  309. 

Myrtilos  II  551. 

Myrtoisches  Meer  II  351. 

Myrtuntion  115.  II  309. 

Mysäon  II  313. 

Mysia  II  49. 

Mysien  II  456. 

Mytikas  32.   118. 

N. 

Naliphos  II  235. 

ISamfio  II  517. 

Naousa  II  488. 

Naphi  II  517. 

Narthakion  76.  79.  85. 

Naryx,  -ryke,  -rykion  190. 

Nasoi  II  206.  203. 

Nasos  (Nesüö)  122.  II  204.  361.  438. 

464. 
Naupaktos    139.    143.  145  ff.   II  165. 

469. 
Nauplia    172.    II    39.   42.  56.   59  flf. 

92  flf.  175. 
Nuvarino  II  157.  175. 
Navplion  II  59. 
^'axia  II  489. 
Naxos  II  318  f.  352.  354.  439.  441  f. 

455.  489  ff.  510.  513. 
Nea  II  390. 
NeaEpidavros  II  74. 
Nebrio  II  526. 
Neda  II  155  f.  162.  179    184  flF.  236. 

251  f.  270.  272.  277    282. 
Nedon  II  157.  169  ff.  438. 
yegroponle  II  396. 
Neiou  II  .367. 
Neistä  pylji  227.  231. 
Neleia  1Ö2. 
NeleuB  II  402. 

Nellos,  -Ion  II  379.  381.  383. 
Nemea  II  7.  9.  23.  30.  32.  35  ff.  45. 
Nemeiade.s  pylä  II  49. 
Nemnüza  II  230. 
Neochori  101.  II  243.  426. 


Neochorio  II  543. 

Neokastron  II  175. 
.  Neon  159.  166  f. 

Neopatra  89. 

Nera  366. 

Nerikos,  -itos,  -iton    117.   II  366  f. 
371. 

ISerovilza  II  234. 

Nesiotä  II  376. 

Nesites  II  516. 

Nesos  s.  Nasos. 

Nesson,  -nis  41.  44.  62  f.  73. 

Nestane  II  208. 

Nevropoli  87. 

Nezero  60.  85. 

Nichisia  II  489. 

Nida  11^31. 

Nikäa  188. 

Nikasia  II  350.  496. 

mkli  II  221. 

Nikopolis  32  f.  112  flF. 

Nikuria  II  517. 

Nio  II  507. 

Nisäa  372.  378  flf. 

Nisi  II  171. 

Nisia  II  489. 

Nisyros  II  349. 

Nixiu  II  489. 

Nomia  II  162  f.  184.  237.  251. 

Nonakris  II  192.  202  f.  232.  266. 

Normannen  II  363. 

Nostia  II  208. 

jSotena  II  307. 

Notiadä  II  448. 

Nudion  II  277. 

Nus  II  235. 

Nyburgo  II  526. 

Nymphades  pylä  375.  378. 

Nymphäon  333.  II   139. 

Nymphas  II  242. 

Nymphasia  II  230. 

Nymphengrotte  358  f.    II  370. 

Nymphenhügel  278. 

Nysa,  -säon  158.    II  412. 

O. 

Öaxos  II  555  ff. 

Oeha  II  398  f.  434.  436  f.  438. 

Ochthonia  II  398.  427  f. 

Odeion  (in  Athen)  298  f.  304. 

Oe,  Oie  327.  II  84. 

Oeroe  241.  244.  247. 

Ogygiä  pylä  227. 

Ogylos  II  103. 

Oia  II  527. 

Oianthcia  (Euanthia)   149  f. 

Oichalia  52.  141.  II  164.  419.  426. 


606 


Verzeicliuiss  der  geographischen  Namen. 


Oidipodia  230. 

Oie  s.  Oe. 

Oine  II  64. 

Oineis  263.  333. 

Oineön    148    (Oinoe    m   einer   dejph. 

Inschr.  bei  W escher  et  Foucart  Inscr. 

n.  410). 
Oiniadä  89.  108.  120  ff. 
Oinoe   250.  257.  332.  339  f.   382.   II 

64.  201.  307.  506. 
Oinone  II  79. 
Oinophyta  223. 
Oinopia  II  79. 
Oinus  II  107.  112.  114  ff. 
Oinussä  II  158.  346  f.  384. 
Oion,  Oiatä  191.  327.  II  118.  216  f. 
Oion  Dekeleikon  335  f. 
Oion  Hyakinthikon  II  448. 
Oion  Kerameikon  335. 
Oite,  -täa,  -täer  8.3.  88  f.  91  ff.  124. 

139.  142.  153  ff.  156.  186.   II  403. 
Oitylos  II  109.  112.  153. 
Okalea,  -leia  234. 
Okolon  II  426. 
Olbios  II  198. 

Olenos  125.  131.    II  316.  322  f. 
Oleros  II  579. 
Oliaros  II  348  f.  483. 
Oligyrtos  II  194. 
Olizon  101. 
Olmeios  233. 
Olmiä  383. 
Olmones  211  f. 
Olonos  II  183.  311. 
Oloosson  42.  55. 
Olopyxos  II  568. 
Olpä  35.  38.  108. 
Olpäoi  152. 
Oluris,  -ra  II  170. 
Oliiros  II  342  f. 
Olus  II  571  ff. 
Olympia    II    255.    258.    262.    285  f. 

288  ff. 
Olympias  61.   II  240. 
Olympieion  300  ff.  374  f. 
Olympochoria  II  135  f. 
Olympos  5.  40  ff.  46  f.  51.  55  ff.  357. 

II  116.  135.  184.  235.  273.  287.  397. 

401.  417.  420.  422. 
Olytzika  25. 
Omalo  II  548. 
Omer-Effendi  148. 
Omphalion  19.   II  559.  570. 
Onchesmos  15  f. 
Onehestos  62.  227.  231  f.  382. 
Oneatä  II  25. 

Oueia  367.  II  9.  12.  19.  37. 
^=  Onisia  II  578. 


Onkä,  -keion,  -kää  pylä  227.  II  259. 

Onochonos  74. 

Onogla  II  116. 

Onthyrion  54. 

Onu  gnathos  II  103.  139  f.  142. 

Opheltas  II  438. 

Ophieis  141. 

Ophioneis  132.  141  f. 

Ophis  II  210  f. 

Ophiteia  162. 

Ophiiissa  II  445.  473.  581. 

Opisthomarathos  185. 

Opus,  -untier,  -untische  Berge,  -Lo- 

krer   156.  165.   187  ff.  212.    II  307. 
Oräi  II  407. 
Orchalides  234. 
Orchestra  285. 
Orchomenos  (Erchomenos)  51.  195  f. 

198.   204  f.   209  ff.   II  92.    185.  189. 

193  f.    198.    203  ff.    22D.   262.   264. 

438.  490. 
Oreia,  -atä  II  133. 
Oreine  hodos  II  300. 
Oreos  II  402.  404  f.  407  ff. 
Orestä  10.  27. 
Oreste  II  438. 
Oresthasion,  Orestheion',  Oresteion 

II   227.  250. 
Orestia  II  248. 
Orikos,  -kon  16.  20. 
Orioi  II  562. 
Ormenion  103. 
Ormina  II  273. 
Orneä,  -eatä  II  43.  64.  180. 
Orneas  II  64. 
Ornesioi  II  448. 
Orobiä  IL  410  f. 
Orope  II  411. 
Oropos,  -pia  31.  34.  36.  219  ff.  242. 

249.  335.  342.   II  420. 
Oros  II  84. 
Orphana  68. 
Orthe  56.   II  305. 
Orthia  II  305. 
Orlholithi  II  72.  86. 
Orthopagos  206. 
Ortygia  134.   II  451. 
Oryx  II  263. 
Oryxis  II  199. 
Osman-Aga  II  176. 
*  Osraida  II  554. 
Ossa  VII.  40  f.  43.  51.  58  f.  61.  66. 

96.  98  f.   II  273.  287. 
Ostrakina  II  207  f.  214.  228  f. 
Othonoi  II  363. 
Ollionus  II  363. 
Othronos  II  363. 


Verzeichniss  der  geographischen  Namen. 


607 


Othrys  13.  40.  42.  44.  76.  78.  82  ff. 

88  f. 
Otii  campi  II  580. 
Oxeiä  119.   II  346.  366. 
Oxeia  kampe  197. 
Oxids  119. 
Oxoi  II  367.  370. 
Oxylilhoa  II  428. 
Oxyneia  49. 
Ozeros  108, 
Ozülische   Lokrer   124.    134.    143  ff. 

II  326. 

P. 

Pachia  II  520. 

Päania  347. 

Päanion   120. 

Päones  51. 

Päonia  334, 

Päonidä  334. 

Päonion  II  440. 

Pagä  (Pegä)  381  f. 

Pagania  II  148. 

Pagasä,   -säischer  Meerbusen  43  f. 

69  f.  77  f.  96.  101  f.  II  390.  402. 
Paläa  rhora  II  423.  501. 
Paläakome  II  136. 
Paläa  Phiva  163.   167. 
Paläa- Selimna  II  229. 
Paläo-Avarino  II  176. 
Paläo-Avli  38 

Paläochora  184.  II  64.  83.  135.  432  f. 
PaläoGardiki  52. 
Paläokaslri  II  434. 
Paläokastro  54.  57.  101.  II  169.  176. 

184.  223.  339.  543.  551.  576  f. 
Pah'iokramhavo  II  238. 
Puläolarisa  67. 
Paläo-Leonti  II  64. 
Paläomani  120. 
Paläo-Mazi  236. 
Pahitj-Muchli  II  222. 
Puläo-Panagia  237.  239. 
Paläo-Phanari  II  286. 
PaJän  Phtelio  81. 
P(ilä(tplatan(>s  136. 
Pnlänpolis  II  144.  263.  306.  360.  443  f. 
Puläo-Skavo  II  526. 
PaläolMva  234. 
Paläovimi  236.  242  f.  367. 
PalilpharHalos  76. 
Paläros  115.  {Auf  Münzen  Paleiros: 

H.  Annali  XXXVllI  p.  333.) 
Paläste   16. 
Palamidi  II  59  f. 
Pale,  -leer  II  371.  373.  376  f. 
Paleia  11  319. 


Palerinio  15. 

Paliki  II  371  ff.  377. 

Paliskios  II  228  f. 

Palladion  296.  302. 

Pallantion  II  215.  221.  223  f.  250. 

Pallene  345  f.   II  13. 

Palodes  *.  Pelodes. 

Pambotis  21. 

Pamisos  7.  52.  55.   II  111.  153.  157. 

168.  171  f.  279.  282. 
Pamphia  136. 

Pamphyloi,  -liakon  154.  II  25.  56. 
Panachaikon  II  310.  312  f.  315.  324. 

330  f. 
Panätolion  124.  132.  136.  138. 
Panagia  113. 

Panagia  Chozoviotissa  II  511.  517. 
Panagia  sion  Dia  II  378. 
Panagia  Turliani  II  449. 
Panagiti  II  242. 
Panakra  II  531. 
Panakton  250  f.  332. 
Panathanaikou  Stadion  320, 
Pandionis  220.  263.  346, 
Pandora  44. 
Pandosia  29  ff. 
Paneion  357. 
Panermos  II  387  f. 
Panhellenion  II  84  f. 
Pani  352. 
Panionion  II  334. 
Panitza  II  39. 
Pankale  II  512. 
♦Pannona  II  562. 
Panopeus  158  f.  168.  205. 
Panopos  krene  300. 
Panormos  15.  354.  II  312.  376,  388. 

447.  450.  495. 
Panormos  II  556.  558. 
Pansgrotte  294. 
Pantele'imon  119.    II  120. 
Pantheion  II  294. 
Panlokratoras  II  356,  358. 
Pantomatrion  II  555. 
Paon,  Päou  II  263. 
Pappadates  135. 
Par  II  69. 
Paracheloitä  84. 
Paracheloitis  120.  127  f. 
Parilbasion  II  241. 
Paralia,  -Her  90  f.  96.  263  f. 
Paralimni  201. 
Paramythia  27. 
Parauäa  14. 
Parauäoi  10.  27. 
Paraporti  226  f. 
pHrnpotamioi,  -mia  159.  164.  II  61, 

77. 


608 


Verzeichniss  der  geographischen  Namen. 


Parapungia  240. 

Parasopia  244.  248  f. 

Parasopias  92. 

Pardali  II  114. 

Parikia  II  487. 

Parion  II  485. 

Parnasos  13:^.  142  f.  150.  152  f.  157  flf. 

166  f.  169  f.  178  ff.  II  94.  102.  403. 
Parnes  194.  219  f.  250.  252  ff.  256  f. 

264.  328.  332  ff.  350.   II  102. 
Parnon   II   7.   68.    72.    102  f.   407  f. 

110.  115.  133  f.  139  ff.  185.  352. 
Paronaxia  11  484. 
Paroräoi  10. 
Paroreatä  II  272. 
Parori  157.   II  131  f. 
Paroria  II  231. 
Faros  II  348  f.  352.  439.  455.  483  ff. 

492.  494.  574.  576. 
Parrhasia,  -sioi  II  210.  225  f.  235  ff. 

241.  485. 
Parlheni  II  425. 
Parthenias  II  287. 
Parthenion  331.  II  7.  39  f.  66.  182  f. 

187.  217  f.  222.  425. 
Parthenios  II  425. 
Parthenon  VIII.  310  ff. 
Passaron  24  f. 
Passava  II  147. 
Patage  II  512. 
Patissia  325.  335. 
Patmos  II  550. 
Paträ  129.  145.  II  311  f.  316  f.  321  f. 

324  ff. 
Patroklu  nesos,  -charax  356. 
Patronis  169. 
Pavla  16  ff. 
Pavleika  II  117. 
PavlUza  II  253. 
Paximadi  II  399.  432. 
Paximadia  II  569. 
Paxo  II  347. 
Paxos,  -xoi  II  364. 
Pedasos  II  109.  175. 
Pediada  II  558.   571. 
Pedias,  -dieis  163.  263  f. 
Pedion  264.   II  44.  256. 
Pegä  II  187. 
Peirä  II  322. 
Peiräeus  265  ff.  365. 
Peiraeis,    Peiräa,    Peräa,   Peiräon 

372  f.  382  f.  II  9.  527. 
Peiräos  II  23. 

Peiraike  pyle  278.  281.  290.  325. 
Peirene  II  16  f. 
Peiresia,  -siä  74, 
Peiros  II  311.  319.  322  f. 
Peläas  alsos  97. 


Pelagones  51. 

Pelagofiisi  II  384.  390. 

Pelagos  II  215.  222. 

Pelasger    4.    9.    11.    45.    50.    203  f. 

261.  272.  II  8.  41  f.  108.  159.  188. 

314.  392.  441.  534  f. 
Pelasgia  44.   II  454. 
Pelasgikon  304  f. 
l'elasgikon  Argos  82.  -pedion  65. 
Pelasgiotä  II  386.  392. 
Pelasgiotis   23.  44  f.  48.   50  f.  58  ff. 

87.  96. 

Pelekania  197. 
Pelekes  335. 
Pel^ki  II  402.  411. 
Pelinna,  -näon  52  f. 
Pelion  40.  43.  47.  96  f.  99  f.  102  f. 
Pellana   (Pellene)   II    .30.   113.  115. 

183.  189.  201.  314.  316.  319.  340  ff. 
Pellanis  II  115. 
Pelodes  (Pal.)  18. 
Peloponnesos  6.  371.  373.   II  1  ff. 
Peluso  II  379. 
Peneios  12.  14.  41  f.  48  f.  51  ff.  55  f. 

58  ff.  73  f.  II  269  f.  273.  300  ff. 
Pentedakhjlon  II  104. 
Pentele,  -likon  253.  344  f. 
Penteleia,  -leion  II  199. 
Peniemylis  73. 
Pentenisia  II  77. 

Peparethos  II  349  f.  353.  384.  387  f. 
Pephnos,  -non  II  153  f. 
Perachora  382. 
Peräa  vql.  Peiraeis. 
Perätheis  II  228. 
Perama  365. 
Perantia  141. 
Peratia  350  f. 
Perdikas  II  86. 
Perdikovrysis  212. 
Pereia  85  f. 
Pergamon  II  542. 
Perissa  II  527. 
Peiisteri  II  440. 
Permessos  233.  236. 
Perranthes  34.  36. 
Perrhäboi,  -bia  10.  23.  45.  47  f.  50  f. 

55  ff.  66.  87. 
Perseia  II  47. 
Petala  128. 
Petali  II  432. 
Petaliä  II  432. 
Petalidi  II  172  f.  517. 
Petasi  II  99. 
Peteön  214. 
Petitaros  140. 
Petra  57.  II  12.  22.  306. 
♦Petra  236. 


Verzeiohniss  der  geographischen  Kamen. 


609 


Petra  234.    II  575. 

Petrachos  205  f. 

Petrina  II  113. 

Pelrino  74. 

Petritis  170. 

Peirochori  137. 

Petrosaka  II  215. 

Pelrovuni  II  146. 

Petsa  s.  Spezzia. 

Petzavläs  II  466. 

Phabra,  -ris  860. 

Phacussä  II  511. 

Phäaken  II  358. 

Phädriades  170  f.  179. 

Phädrias  II  243. 

Phäka  54. 

Phäston   149. 

Phästos  68.  II  286.  567  f. 

Phagas  231. 

Phakion  53.  68. 

Phaläsiä  II  243. 

Phalakron  II  357. 

Phalanna,  -non,  -naa  56,  II  553. 

I^halanthon  II  230. 

Phalara  83. 

Phalaros  235. 

Phalasarna  II  553. 

Phalasia  II  408. 

Phaleron  265.  268.  271.  360  f. 

Phaloreia  48  f. 

l'halykou  369. 

Phanari  28  f.  54.  II  234.  489. 

Phanote  19. 

Phanoteus  168. 

Phara  HS. 

IMiarä,  Pherä  223.   II  105.  112.  1.30. 

168.  170  f.  316  f.   322  ff.  331.  426. 
•Pharaklo  II  139. 
Pharbelos  II  426. 
Pharis  II  HO.  130  f. 
Pharkadon  53. 
Pharmakussä  366. 
Pharos  IT  486. 
Pharos  II  481  f. 

Pharsalos,  -lia,  -Her  72.  74  ff.  79. 
T'harygä  158.  185.  188  ff. 
Pharygion  158. 
Phegäa,  -gus  346. 
Pheia,  Phea  II  274.  284.  301. 
Phellias  II  130. 
Phelloö  II  339  f. 
l'hellon  II  274. 
Pheneos,     neatis   II    185.  189.  194. 

198  ff.  262.  310. 
IMierii  69.  79.  II  426  {vgl.  Phara). 
Pheräa  II  426. 
Pherephattion  287. 
Phersala  75. 


Phersalüikos  76. 

Pbialeia  s.  Phigalia. 

Phibalis  369. 

Phidaris  132. 

Phidukastro  36. 

Phigalia(Phialeia),-lei8  II  179.250ff. 

Phikas  II  487. 

I^hikion  231. 

Philagra  II  437. 

Philaidä  348. 

Philanorion  II  98. 

*  Philaros  235. 

Philia  II  164.  263. 

Phüiatra  II   178. 

Philippeion  II  208.  295. 

Philippeios  stoa  II  247. 

Philippiipolis  80. 

IMiiloboiotos  157.  164. 

Philoti  II  495. 

Phira  II  526.  528. 

Phistyon  Stadt  in  Aetolieu  nördlich 

von  der  Trichonis;    s.    Inschr.   bei 

Bazin  Memoire    sur  TEtolie   ( Ar- 

chives  des  missions  scient.  II  serie, 

t.  1)  p.  369,  n.  11. 
Phiva  199.  225. 
Phlegyer   45.   50.   52.   65.    158.    163. 

168.   II  72. 
Pldemhukon  172. 
Phleväs  359. 
Phliu.s,  Phliasia  II  6  f.  24.  30.  32  ff. 

43.  194. 
Phlya,  Phlyeis  334.  .348. 
Phlygonion,  -nia,  -ne  {in  delphischen 

Inschriften  Plygonion)  159.  185. 
Phodeles  II  556. 
*Phoibäa  II  90. 
Phoibäon  II  127  f. 
Phoibia  II  31  f. 
Phoinike  17.  II  507. 
Phoiniker  185.  202  f.  II  11.  41.  108. 

138.  140.  144  f.  272.  368.  413.  472. 

483.  498.  513.  518.  524.  534  f.  576. 
Phoinikion  199.  213. 
Phoinikus  II  141  f.    174.  547. 
Phoini.x  92  f.  211.  II  313.  545.  547  f. 
Phoitiä,  -tion,  Phytia  111  {vgl.  Phy- 

täon). 
Phoizon  II  216. 
Phokä  196.  214. 
Phokasia  214. 
Phoker,  -kis  93.  143.  153.  156  ff.  188. 

194.  242  f.    II  610. 
Phokianos  II  137. 

Pholcgandros  11318.  350.  504  f   525. 
Pho'cos  II  249. 

l'holoe  ir  184.  268  f.  286.  301. 
Phonia  II  199  f. 


GIG 


Verzeichniss  der  geographischen  Namen. 


Phonissa  II  314. 

Phorbanteion  289. 

Phorbia  II  449. 

Phoriamoi  II  287. 

Phorkynos  bessa  II  272. 

Phorkynos  limen  II  370. 

Phorkynos  oiketerion  II  438. 

Phoronikon  asty  II  41. 

Phorön  limen  271, 

Phreattys  270. 

Phrikiäs  II  368.  370. 

Phrikion   186. 

Phrixa,  -xä  II  277.  283.   286  f.  541. 

Phrixos  II  65. 

Phryger,  -gien  203.  II  2.  534. 

Phrygia  88.  334. 

Phtelio  81. 

Phteri  98. 

Phthia,  -iotis,  -iotä  44  f.  70.  72.  75. 

77  flf.  90. 
Phuka  II  35. 
Phurka  84. 
Phustiani  136. 
Phylakä  II  118. 

Phylake,  -keis  25.  80.  II  187.  216. 
Phylaktris  II  221. 
Phyle  249.  252.  333. 
Phylincheia  II  516. 
Phyllos,  -leion  74. 
Physkos  149. 

Phytäon  {inschriftlich  Phoiteion)  136. 
Phytia  s.  Phoitiä. 
Pialeia  13.  48. 
Piali  II  218.  220  f.  223. 
Piana  II  228.  230. 
Pidima  II  168. 
Piera  II  274. 
Pierion  73. 

Pierisohe  Thraker  238.  261.  264. 
Pikermi  345.  349. 
Pikerni  II  214. 
Pieros  II  311  f.  323. 
Pindos  12  f.  39  f.  42.  46  f.  54  f.  73  f. 

86-f.  132.  140.  153.  155  f. 
Piperi  II  384.  478. 
Pirathi  II  563. 
Pirnalza  II  157. 

Pisa,    säa,  -satis,  -tä  II  273  f.  286  ff. 
Piskird  II  279. 
Pitana  II  121.   126  f. 
Pithos,  Pitthos  345. 
Pityonnesos  II  77. 
Pityussa  II  61.  86.  101.  502. 
Tlaka  II  501.  547  f.  576  f. 
Plakutos  II  509. 
Planiti  II  447. 

Platää  226.  240.  243  ff.   II  31. 
Piatage  11  512. 


Platamodes  II  178. 

Pintania  169.  183. 

Platanios  192. 

Platanistas  II  127. 

Plataniston  II  173.  237. 

Platanistos  II  435  f. 

Platanistüs  II  140.  282. 

Platanos,  -nios  II  542. 

Platea  II  525. 

Plateia  II  484. 

Platin  II  61.  392. 

Platiana  II  284.  312. 

Platurada  II  20. 

Platyperama  II  558.  561. 

Pleik  II  143. 

Pleistos  157.  169  ff.  179  ff. 

Plessidi  43. 

Plethrion  II  303. 

Pleuron,  -onia  125.  129  f. 

Plokapari  123.  138. 

Plotä  II  383. 

Plotheia  342. 

Pnyx  VII.  272  f.  276  ff.  280. 

*  Poetneura  40. 

Pogon  II  90. 

Poiessa  II  470.  473. 

Poikilassos,  -lasion  II  548. 

Poikile  stoa  286  f.   II  26.  297. 

Poikilon  253. 

Poimandria,  -ris  222. 

Polcmarcheion  II  252. 

Poliasion  II  117. 

Polichna,    -ne    372.     II    135.    163. 

541  f. 
Polinos  II  501.  503. 
Polis  152.   II  209.  ' 

Polis  II  370.  546. 
PoHtika  II  417. 
Poloni  II  478. 
Polii  pedion  II  230. 
Polyägos    II  348  f.    390.    483.   501. 

503  f. 
Polybos  II  501  f.  503. 
Polygnotu  pyrgos  II  39. 
Polykandro  II  504. 
Polyktorion  II  371. 
Polyphengo  II  32. 
Polyrrhenia,  -nion  II  551  ff. 
Pompeion  279. 
Pontikokastro  II  301. 
Pontikonisi  II  360  f.  553. 
Pontinos  II  40.  65  ff. 
Pontos  370.  II  80. 
Pori  99  f. 
Porinas  II  201. 
Porös  II  311. 
Porös  II  92  f.  376. 
Porphyrusa  II  140. 


Verzeiclmiss  der  geographischen  Nameu. 


611 


Porta  111. 
Parias  II  63. 
Porthmos  II  423. 
Porto  della  Grazia  II  466. 
Porto  Draco  265. 
Porto  Franco  II  23.  140. 
Porto  Germano  381. 
Porto  Kastri  II  435. 
Porto  Kaiena  II  478. 
Pqrlo  Kuverla  s.  Kuverta. 
Porto  Leone  265. 
Porto  Livadi  II  478. 
Porto  Mandri  353.   H  100. 
Porto  Molo  II  100. 
Porto  PanaQia  II  100. 
Porto  Quaglio  II  148  f. 
Porto  Haphti  257.  350  f. 
Porto   Thalassa  II  496. 
Porto   Vathy  II  514. 
Porto   Viscardo  II  376. 
Poseidion  16.  18.  81.   II  342.  356. 
Poseidonia  251. 
Posidaon   II  44. 
Posideion  II  410.  435. 
Posoidlias  II  209. 
Potachidä  II  217. 
Potamia  II  132.  495. 
Potamides  II  495. 
Potamo  II  357.  364. 
Potamos  352. 
Pothereus  II  558.  563. 
Potidäaten  173. 
Potidania  142. 
Potniä  230. 

Präsos  II  533  f.  563.  575  f.  578. 
Präs  76. 
Prasa  II  503. 

Prasiä  257.  350  f.  II  92  f.  133  f. 
Prasonisi  360.  II  158. 
Prassäboi  27. 
Prasura  II  20. 
Prepesinthos  II  348  f.  482. 
Prevcli  II  547. 
Prevetos  II  323. 
Preveza  32. 

Priansos, -ansion  II  531.  531.  5G3  f. 
571. 
Probalinthos  340. 
Probasie,  -batia  197.  206  f.  209. 
Prodromo  110. 
I'roerna  76. 

Proitidcs  pylä  226  ff.  230. 
Prokonnesos  II  350. 
Prokojmnisto  129. 
Pron  II  52.  5t,  96  f. 
Pronastä  202. 
Proniu  II  60. 
Pronnoi ,  Pronesos  II  372  ff.  876  f. 


Propaxos  II  364. 

Propyläen  VII.  306  ff.  329. 

Proschion   131. 

Proselenoi,  -näoi  II  190. 

Proseis  II  241. 

Prospalta  346  f. 

Prosymna  II  47.  241. 

Protano  II  178. 

Prote  II  178.  346.  384. 

Prytaneion  295.   II  295. 

Psakon  II  541. 

Psamathus  II  149. 

Psammetiche  II  452. 

Psammite  II  452. 

Psaphis,  -phidä  221. 

Psara  II  466. 

Psaromyti  148. 

Psaropyrgos  II  509. 

Psathi  li  510. 

Psnthnra  II  384.  390. 

Psilorili  II  531. 

Psipha,  -phäa  II  90. 

Psophis,  -phidia  II  189.  258.  260  ff . 

381  f. 
Psychia  II  512. 

Psychion,  Psychens  II  545  f.  569. 
Psychro  II  158.  178. 
Psyra  II  574. 
Psyttaleia  365. 
Ptechä  II  422. 
Pteleon  81. 
*Ptolederma  II  231. 
Ptolemäos'  Gymnasion  290  f. 
Ptoleraais  263. 
Ptoon  200.  212  ff. 
Ptychia  II  361.  363. 
Pulitra  II  137. 
Punta  114  f. 
Purleska  II  274. 
Pyknos  II  543. 
Pylä  93. 
Pyläa  179  f. 
Pyläs  II  472. 
Pylene  125.  131. 
Pyli  II  412. 
♦Pyloros  II  .563. 
Pylos  II  109.  158  f.  161.  176  ff.  279. 

282.  300.  306  ff. 
Pyra  88  f.  91. 
Pyranthos  II  563. 
Pyrasos  80. 
Pyrgo  II  464. 

Pyrgos,  -goi  .305  ff.  II  277  f. 
Pyrgos  II  152.  289.  526.  628. 
Pyri  227. 
Pyrpolos  II  454. 
Pyrrha  70.  80.  185.    II  438. 
PyrrhJla  44. 


612 


Verzekhuiss  der  geographischen  Namen. 


Pyrrhi   castra,    Pyrrhu    charax   25, 

II  148. 
Pyrrhichos  II  112.  148. 

*  Pyrsophion  II  415. 

Pythion    51.   57.   302.   326.   339.    II 

236. 
Pytho   170. 
Pytna  II  578. 
Pyxaria  II  400.  402. 

R. 

Rachäs  83.    II  260. 

liakli  II  372.  376. 

Raklia  II  510  f. 

Raphina  349. 

Rapsani  61. 

Rapsista  54. 

Rasina  II  132. 

Renissa  II  231. 

Reonta  II  135. 

Rethimo  II  540.  554. 

Revühia  221. 

Revmatiari  11  452. 

Rezeniko  II  228. 

Rhäteä  II  234. 

Rhamnus  251.  341  f.   II  551.  562. 

Rharion  331. 

Rhaukos  II  557.  561  f. 

Rheithron  II  367. 

Rheitoi  327. 

Rheitos  II  12. 

Rhene,  -noia  II  348  f.  439.  451  ff. 

Rheunos  II  206.  ' 

Rhion  146.   II  157.  159.  174.  312. 

Rhion  Achaikon  146. 

Rhion  Molykrikon  146. 

Rhion  Oiniäon  382. 

Rhithymna,  -nia  II  552.  554. 

Rhizus  98  f. 

Rhodon  II  155. 

Rhodos,  -dier  II  350.  352  f.  442.  494. 

496. 
Rhoduntia  95. 

*  Rhokka  II  552. 
Rhomboeides  376. 
Rhus  376. 
Rhynchä  II  426. 
Rhynchos  109. 

Rhypes,  -pike  II  313.  316.  330  f. 

Rhytion  II  567  f. 

Rigani  120.  139.  146  f. 

Rigokastro  II  475. 

Rilhyrnnos  II  554. 

Riviolissa  II  130. 

Riza  II  547. 

Rizomylo  II  335. 

Rodini  172. 


Rodovani  II  548. 
Römer  II  457. 
Rogdia  II  558. 
Rogus  31. 
Roino  II  39. 
Rokka  II  552.  561. 
Romäüf  Romäi  II  3. 
Rotas  II  568. 
Roviäs  II  411. 
Ruga  112. 
Rumeli  II  548. 
Rumeli  kastello  II  555  f. 
Rumelis  to  kastron  146. 
Ruphia  II  186. 

S. 

Saba  (Sapa)  II  571. 

Saeta  II  199.  202  f. 

Saguntura  II  381. 

Salachora  36. 

Salamis  271.  362  flf.  II  92. 

Salamvria  41. 

Öalganeus  200.  215. 

Salina  II  360. 

Salmasiraki  II  355.  364. 

Sabneniko  II  313. 

Salmon,  -mone  51.   II  273.  288. 

Salmonion,  -mone,  -monis  II  575  flf. 

Salona  150.  152.  181. 

Samara  II  243. 

Same,  -mos,  -mikon  II 272.  277.  281  f. 

284.  366.  368  f.   371.  373.  375  flf. 
Samiuthos  II  49. 

Saminonion,  Samonion  II  533.  675. 
Samos,  -mier  II  381.  465.  479.  495. 

513.  541. 
Samos  II  371  flf. 
Samothrake  II  351.  390. 
Sampyrgo  II  180. 
S.  Danista  II  378. 
Sandava  II  154. 
Sane  II  441. 

S.  Giorgio  d'Arbora  II  476. 
*S.  Giovanni  II  274. 
S.  Salvatore  II  356. 
S.  Stefano  II  356. 
Santa  Maria  II  140.   158. 
Santameri  II  269.  307  f. 
Santorini  (Santellini)  II  520.  526. 
Saphlaurus  II  137. 
Sapienza  II  158.  174. 
Sarakino  II  384.  392. 
Sarantaporos  57. 

Sarantapotamos  'ibl.   II  187  f.  226. 
Saranti  243. 
Saraischa  II  174. 
Sarazenen  II  353.  363.  538. 


Verzeiclmiss  der  geographischen   Nameii. 


ßn 


Saromata  186. 

Saron,   -nikos  kolpos  366.  117.  86. 

90.  263. 
Sartena  11  282. 
Saruk  aga  68. 
Sason  14.   II  346. 
Saunion  185. 
Sauros  II  286  f.  532. 
Savani-Knlyvia  332. 
Scali  II  385. 
Schardagk  6. 
Scheria  II  358. 
Schiati  II  385. 
Schinari  II  378  f. 
Schinuris  II  361. 
Schinussa  II  510  f. 
Schiste  169.  183. 
Schoineus,    -nus    200.    214.     II    19. 

230. 
Schoinos  214. 
Scodrus  s.   Skardos. 
Scopulus  II  387. 
JScordus  s.  Skardos. 
Seirä  II  262. 
Sekyon  s.  Sikyon. 
Seiachusa  II  77. 
Selas  II  159. 
Selemnos  II  312. 
Selinos  U  548  ff. 
Selinus,    -nuntier  II   136.  285.   297. 

311  ff.  315   324.  330  f.  333.  388.  411. 
Sellasia  II  116  ff. 
Selleeis  II  31.  270.  307. 
Seiler  10.  23. 
Selos  46.  57. 
Semachidä  342. 
Sepeia  II  57. 
Sepia  II  202. 
Sepias  96.  100.   II  384. 
Sepolia  325. 
Serangion  269. 
Seriphos    II    348  f.    352.    439.    455. 

470.  476  ff. 
Serphopnla  II  478. 
Serphüs  II  476. 
Sibyrtos  II  568. 
Sidä  249. 
8ide  II  139. 
Sidero  II  575  f. 
Sidirokavrhio  185. 
Sidiropelikos  66. 
Sidon  II  483. 
Bidus  384. 
Sifanto  II  479. 
Sigela  mnema   242. 
Sikeler  9. 

Sikelia  325.  370.    II  403. 
8ikelia  mikra  II  490. 


SiHeliscbes  Meer  II  186.  268. 

Sikia  II  176  f. 

Sikinos  II  348  ff.  505  ff. 

Sikyon  (Sek.),  -nier  173.  II  6  f.  9  f. 

14.    16.   23  ff.    191.  194  f.   296.  314. 

320.  340.  342. 
Silana  57. 
Sileniä  364. 
Simiades  II  214. 
Sinanbei  II  131. 
Sinano  II  246.  250. 
Siope  II  304. 
Siphä  241. 
.Sipheno  II  479. 
Siphnos,  Siphnier  173.  II  348  ff.  352. 

439.  455.  477.  479  ff. 
Siridos  hedra  II  438. 
SirtscM  216. 
Sitia  II  532.  575  f. 
Siton  79. 
Skabala  II  426. 
Skala  II  49.  63.  376.  378. 
Skambonidä   275. 
Skandeia  11  141  f. 
Skandile  II  390. 
Skanziirn  II  384.  390. 
Skaramonga  271.  366. 
Skardnmula  II   154. 
Skardamyla  II  154. 
Skardos  (Scordus,  Scodrus)  6. 
Skaro  II  526. 
Skarphe,  -pheia  189.  249. 
Skatovuni  II  324. 
Skeironides    peträ     261.    368.    373. 

384. 
Skepila  II  387. 
Skia,  Skion  II  426. 
Skiada  II  307. 
Skiadis  II  250. 
Skias  II  125.  250. 
Skiathis  II  199.  385. 
Skiathos   100.    II    350.   353.    384  ft\ 

393. 
Skiliiis  II  285  f. 
Skino  382. 
Skioessa  II  310. 
Skipiexa  II  199.  203. 
Skiradion  365. 
Ski  ras  362. 
Skiritis  II  111.   117  f.  190.  216.241. 

243. 

Skiron  323. 
Skiros  II  118. 
Skirtonion  II  243. 
Skia  99. 

Skoleitas  II  247. 
Skollis,  -lion  II  269  f.  301.  807.  310. 


G14 


Verzeicliniss  tler  geograplilscheii  Namen. 


Skolos  248  f. 

Skona  II  37. 

Skopa  II  148. 

Skope  II  215. 

Skopelos   II   353.   384  f.   38G  f.   393. 

406. 
Skopion  80. 
Skopos  II  379.  382. 
Skortus  109. 
Skotane  II  263. 
Skotitas  II  116. 
Skotussa,  -San  70  f. 
Skroponeri  196.  214. 
Skumbos  49. 
Skupi  II  262. 
Skiirta  249  f.  332. 
Skutari  II  148. 
Skyli  II  86. 

Skylläon  366.  II  86  f.  94.  101. 
Skyras  II  148. 
Skyropulo  II  384.  394. 
Skyros  86.  II  148.    243.   349  f.   353. 

384  f.  390  ff. 
Skythis  II  454. 

Slaven  II  14.  112.  194.  221.  329. 
Slavochori  II  131. 
Smarlina  II  252. 
Smenos  II  147. 
Smerna  II  208.  280.  285. 
Sminthos,  -the  II  426. 
8myrna  II  508. 
8ollion  115. 
Sologorgos  II  255. 
Soloi  II  255. 

Solygeios,  -geia  II  8.  12.  23. 
Solymnia   II  390. 
Sophades,  -dilikoa  46.  73  f. 
Sophiko  II  77. 
Sopoto  II  262. 
8oron  II  263. 
SoroH  222.  224  f. 
Spada  n  541. 
Spaitziko  II  62. 
Bpalatbra,  -lauthra  101. 
Spnnopulo  II  472, 
Sparta,  -taner  8.  245  f.  II  93.  104  ff. 

108.    115  f.    119  ff.   154.   160  f.  168. 

243.  277. 
8partoi  203. 
Sparlovuni  105. 
Spasmeno  viaio  II  78. 
Spata  346. 
Speiräon  II  77. 
8percheia,  -cheiä  89.  154. 
Spercheios  42.  83  f.  87  ff.  188.  II  94. 
Spezzia  [Petsa]  II  99  ff. 
Spezziapulo  (Pelsapula)  II  100  f. 
SphUria  II  93. 


Sphaf^ia  II  175  f. 

Sphakia,  -aner  II  538.  546.  548. 

Spliakteria  II  175  ff.  346.  384. 

Sphekeia  II  438. 

Hphendale  336. 

Sphettos  346  f.  351.   II  389. 

Sphinari  II  551. 

Spina  longa  II  538.  573. 

Spineten  VII. 

Spiri  II  77. 

Spiria  II  31. 

Spledon  211. 

Sporaden,  nördliche  II  351.  406. 

Sporades  II  348  ff.  496  ff. 

Stageiros  II  441. 

Stagiy  -gus  14.  49. 

Stala  II  238. 

Stamata  342. 

Slamrthano  II  383. 

Slapbdia  II  450. 

Stasimi  II  162, 

Stathmoi  II  116. 

Stavri  II  146.  148.  260.  482. 

Stavro- Koroki  337  ff. 

Slavronisi  II  102. 

Slavros,  -ro  81.   II  556. 

Steiria  350. 

Steiris  159.  183  f. 

Stelae  II  563. 

Stemnilza  II  230  f. 

Steno  II  99.  440. 

Stenosa  II  496. 

Stenyklaros  II  160.  162.  164. 

Stephanepolis  19. 

Stephani  \l  235.  237. 

Sternäs  II  544. 

Stratos,   -tike    108  f.    111.  120  ff.  II 

260.  319. 
Strimessos  II  467. 
Slrivali  11  383. 
Strongyle  II  489. 
Slrongylo  II  482. 
Strophades  II  383  f. 
Strophie  226. 
Strovitzi  II  278. 
Struthüs  II '98. 
Stura  II  398.  430  f.  434. 
Stylangion  II  277.  285. 
Stylida  83. 
Stymphalos,   -lia  II   32.  35.   38.65. 

185  f.  189.  194  ff.  343.       ^ 
Stymphelos  II  413. 
Styra  II  399.   403.   418.  426.  430  f. 

434.  437. 
Styx  II  202.  438. 
Suda  II  538.  542.  544. 
Sudena  II  263.  265. 
Sudsuro  II  563. 


Verzeiclmlss  der  geograpliisclien  Namen. 


615 


Suia  II  648  f. 

Suli  27.  II  195. 

ISulia,  Sulena  II  568. 

Sulinari  II  62. 

Sumetia,  Suraation  II  229. 

Sunion    202.    254.   264.  354  flf.    366. 

II  348.  395.  476.  488. 
Supli  70. 
Susa  II  419. 

Sybaris,  -ritä  179.    II  90.  297.  337. 
Sybota  28.  II  346. 
Sybrita  (Sub.)   II  568  f. 
Syia  II  548. 
Sykurion  62. 
Syllaka  II  475. 
Symbola  II  187. 
Synobolon  289. 
Syra  II  330.  464  ff. 
Syrakus,  -sier  173.  II  22.  296.  464. 
Syrie  II  464.  466. 
Syrma  Antigoncs  231. 
Syros  II  348  f.  352.  455.  464  ff. 
Syr- Papas  52. 
Sys,  Sythas  II  30.  314.  341  f. 

T. 

Tachy  230. 

Tänaron  II   104  f.  150  f.  435.  577. 

Talanti  192. 

Talantia  II  407. 

Talanlo  366. 

Talantonisi  191. 

Talare.s  24. 

Taleton  II  104  f.   131. 

TallUa  ore  II  557. 

Tamynä  II  424. 

Tanagra,  -gräer  217  ff.  221  ff. 

Tanos  II  68.  70  ff.  577. 

Taphiassos  132  ff.   145. 

Taphos,  -pliias,  -pliicr   106.   126.   11 

365  f   378. 
Tarphe  164.   190. 
Tarrha  II  ,545.  548. 
Tarlari  II  262  f. 
Tatalzi  242. 
Taloi  335. 

Taurios,  -ros  II  87. 
Taygeton  II    104  ff.    112  ff.    144  ff. 

155  ff.  164.  169  f.   185.  225.  241  f. 
Tegea,  -geatis  II  65,  72.  HO  f.  116. 

118.    186  f.   189  f.    192.    198.   207  f. 

J15  ff.  265, 

i  egoatis  pyle  II  166.  21.*}. 
Tegyra,  -rü  211. 
Toicliion  142. 

I  «'.ichos  II  321. 
Tckeli  68. 


Tekmon  25. 

Teleboer  106. 

Telethrion  II  401.  408.  410. 

Telos  II  349. 

Telphusa  s.  Thelpusa. 

Temenia  II  549.. 

Tenienion  II  8,  42.  56  f. 

2'emenos  II  558.  561. 

Temmikes  202. 

Tempe  41.  56.  58  ff. 

Tenea  II  22. 

Tenedos  II  22.  350  f. 

Teneiä  II  205. 

Tenerikon  213  (vgl.  231). 

Tengyra  249. 

Tenos  II  139.  348  ff.  ,352.  417.  4.39  f. 

441  f.  445  ff.  455    469. 
Teos  II  555.  561.  563.  574  f.  579. 
Tepclen  20. 
Termessos  233. 
*Tethrin  II  559. 
Tetragonon  II  303. 
Telranisia  II  363. 
Tetrapliylia  40. 
Tetrasi  II  155.  162  f.   185.  242. 
Teumessos  224. 
Teuthea,  -theas  II  311.  322. 
Teuthis  II  204.  231  f. 
Teuthrone  II  112.  148  f. 
Thalaniä  II  112.  153  f.  ,307 
Thaliadä  II  263. 
Tharso  II  199.  201. 
Thasos  II  351.  485. 
Thaumakoi  85. 
Thaumasion  II  229.  231, 
Theat«r    (atlienische.s)    297  ff     303 

315. 
Thebä,  -baner  173.  198.  200.  202.  204. 

206.    209.   212  f.   218.   224  ff.    238 

243.  245  f.  248.  333. 
1'hebä  Phthiotides   79  f. 
Theganusa  II  1.58.  ,346.  .384. 
Theisoa  II  204.  231  f.  2,34  ff 
Theius  II  243. 
Thelpusa  (Telphusa),  -säa  II  232  f 

256.  259  f.  262. 
Thenä  II  571. 
Theoduriana  40. 
Theomelida  II   126. 
Thera  6.    II  348  ff.   450.  517.  520  ff. 
Therä  II  106.  131. 
Therapno,  -im  II  127  f.  568. 
Therasia  II  50,3.  521  ff.  528. 
Theren   II  558. 
Thcriko  353. 

ThermiliscluT  Mc  i  hiis.ii    |I   39(>. 
Thrvmia   II    17;. 
Thcrmisi  1 1  80  1. 


OlG 


Verzeicliniss  der  {^eog-r.aplilsclion  Namen. 


Thormodon  222  f. 

Therinon  127.  13G  ff. 

Therm opylü    91  ff.     15C.     18G.     188. 

II  280.  409. 
Theseion  288  f. 
Thespiä  200.  223.  236  ff. 
Thespios,  -pieiis  200.  237. 
Thesproter,    tis   10  f.   18.  24  ff. 
'i'hessalia,  -1er  2  ff.  24.  32.  40  ff'.  93. 

156.  209.  238.  II  8.  72.  272  f.  333. 

385.  403.  419.  477.  535. 
Thessaliotis  44.  72  ff. 
Thestiadä  II  448. 
Thestieis    138. 
Thetideion  75. 
Theudoria  40. 
Theuma  74. 
Thiaki  II  347.  367.  443. 
Thisbe  240.  242  f. 
Thoknia  II  240. 
Tholaria  II  516  f. 
Tholopotamos  II  313.  330. 
Tholos  283. 
Thorä  357. 
Thorikos  352  ff. 
Thornax  II  96.  117. 
Thrästos,  Thraustos  II  307. 
Thrakia,  -ker  158  f.  165.  168.  203  f. 

238.  II  350.  386.  392.  426.  489.  491. 
Thrakisches  Meer  II  351. 
Thria,    Thriasion    264.    290.    327  f. 

335. 
Thriasiä  pylä  290. 
Thronion  188  ff. 
Thronos  II  568. 

Thryon,  Thryoessa  II  283.      • 
Thuria  II  1^2.  156.  161.  168  f. 
Thurion  206. 
Thiirm  der   Winde  293. 
Thyamia  II  31. 
Thyamis  18  f.  21.  26  f. 
Thyamos  105.  110.  124.  140. 
Thymoitadä  271. 
Thyräon  II  231. 
Thyrea,  -reatis  II  42.  68  ff.  118.  134. 

136.  216.^22. 
'Jhyreion,  Thyrion,  Thurion  32.  108, 

112. 
Thyrides  II  152.  159. 
Thystion  138. 
Thyteion  179. 

Tiasa,  Tiassos  II  120.  130. 
Ticho  380. 
Tigani  II  152. 
Tilphossion, -phossäon,  -phusa  234. 

236. 

Tinos  II  445. 
Tiparenos  II  101. 


Tipha  241. 

'I  iryns  II  41  ff.  57  ff.  98. 

Tisäon  100  f. 

*Tissia  II  567. 

Titakidä  336. 

Titane  II  30  f.   195. 

Titaresios  23.  42.  50.  .58. 

Titarion  42.  47.  57. 

Tithora,  -rea  158.  166  f. 

Tithronion  154.  159.  162. 

Titthion  II  72  f.  75. 

Tityros  II  541. 

Tmaros  *.  Tomaros. 

Tolon  II  39.  61  f. 

Tolophon  (Tolphon,  Tolphoüia  nach 

Inschr.    bei   Wescher    et    Foucart 

Inscr.  n.  80  u.  n.  289)  143.  149. 
Tomäon,  Tomeus  II  158, 
Tomaros  (Tmaros)  20  ff,  26.  39. 
"Tophi- Monas tiri  II  576. 
Topolia  212. 
Toryne  28. 
Tosken  11. 
Trachela  II  153. 
Trachili  II  77,  141.  550. 
Trachin,  -chis,  -chinier  90.  94  f.  159. 

183. 

Trachones  361. 
Trachy  II  203.   205. 
Tragia,  -geä  II  495. 
Tragos  II  186.  206.  263. 
Trogovuni  81. 
Tragulas  II  488. 
Trapezona  II  72. 
Trapezus,  -zuntia  II  240  f. 
Traphos  II  567. 
Treis  kephalä  249. 
Trephia  201, 
Treton,  -tos  II  9.    23.  35.  37  f.  40. 

45.  47.  552. 
Trihukkäs  II  391  f. 
Trichonion  136. 
Trichonis  135  ff. 
Trigardokastro  121. 
Trikaranon  II  32.  34  f. 
Trikeri  100.   II  101.  136. 
Trikka  47.  49.  51  f.  II  343. 
Trikkala  46.  51.  II  314.  341.  343. 
Trikkalinos  51. 
Trikolonoi  II  230  f. 
Trikorpho  148. 
Trikorythos  340  f. 
Trikrana  II  101.     - 
Trikrena  II  201. 
Trinasos  II  144, 
Trineraeia,  -meis  342. 
Trinisa  II  144. 
Triodoi  II  229. 


Verzeichnlss  der  geographischen  Namen. 


617 


Irion   Vasallon  II  501 

Triphylia  25.  II  4.  6.  155.  159.  179. 

182.    184.   233.   250.   272  f.    277  ff. 

419. 
Tripodes  295  f.  372. 
Tripodes  II  495. 
Tripodiskos,  -käoi  372.  380  f. 
Tripolis  51.  57.   II  113  flf. 
Tripolis  s.   Tripolilza. 
Tripolissioi  27. 

Tripolitza  II  66.  207.  216.  221.  229. 
Tripotamo  II  262. 
Tripyrgia  II  85. 
Trisonia   148. 
Tris  pyrgi  265. 
Trita  II  559. 
Tritäa,    -teia    152.    163.     II    316  f. 

324.  330  f. 
Triteeis  163. 
Triton  198.   II  559.   571. 
Tritonis  II  234. 
Trochos  II  66. 

Troia,  Troianer  18.  271.  II  22.  206. 
Troizen  II  7.  72.  76.  86  flf.  95. 
Troraileia  II  343. 
Tronis  169. 
Tropäa  II  260. 
Tropäon  364. 

Tropheia,  Trapheia  201.  214. 
Trychä  II  426. 

Trypäs,   Trupäs  II  258.  279.  337. 
Trypha  II  164. 
Trijpi  II  104. 
Trypiti  II  499.  501.  548. 
Tschapka  42. 
Tsc flaust  II  130. 
Tschernidolo  II  72. 
Tschia,   Tzia  II  467.  471. 
'fschiknia  s.  Kyknias. 
Tschipidi  (Krjnidi)  II  488. 
Türken  46.    II   112.    173.    329.   394. 

406.  443.  471.  539. 
Turkovilia  118.  II   137. 
Turkovrysis  II  147. 
Turkovüni  255.  343. 
Tnrla  II  410. 
Turlo  II  449. 
Tnrnnvo  65. 
Turlovana  II  199.  202. 
Tuthoa  II  256. 
TycliHon  II  426. 
Tylisso  {Apano-T.   und    Kalo-T.)   II 

667. 
Tylissos  II  657  f.  561  f. 
Tymphe,  -phUa,  -phüer  10.  13  f  21  f. 

48  f.  II  196. 
Typüon  II  286. 

BUBSIAN.  OEOOR.    U. 


Typaneä,  Tympaneä  II  277.  285. 

Typhrestos  87  f.   139.  141.  II  196. 

Tyrier  II  457. 

Tyros  II    137. 

Tyrrhenische  Pelasger  203.   II  392. 

Tyru  II  42.  134.  136. 

Tzakones,  -nia  II  133.  . 

Tzalitza  185. 

Tzangli  80. 

Tzarukonisi  II  510. 

Tzemherida  II  233. 

Tzimbaru  II  187.  226  f. 

Tzimova  II  152. 

Tzinzina  II  135. 

Tzumerka  26.  39  f. 


Umbrien  II 
Uria  128  f. 


80. 


u. 


V. 


Valana  349. 

Valaxa  II  394. 

Valeri  112. 

Vali  II  556. 

Valis,  Valeioi  (=  Ells)  II  257.  268. 

Valleseniko  II  232. 

Vallos  105.  110. 

Vamvaku  II  135. 

Vanüna  II  259. 

Vanakisias  II  209. 

Vandalen  II  363.  382. 

Faphio  II  131. 

Varassova  132. 

Vardusi  139. 

Vari  358  f. 

Varipompi  334. 

Varnakova  142. 

Varnava  332.  337.  342. 

Vasiiadi  128. 

Fasilika  II  27. 

Vasiliki  118. 

Vasiliko  II  401.  412.  418. 

Vasilopotamns  II  108. 

Vasilospito  30. 

Vathia  II  151.  397.  421.  423. 

(^athy  218.  II  147.  367.  370. 

Vathy  AvUiki  II  150. 

Vatika  II  103.  139. 

Vauxos,  Vaxos  II  555. 

Velestino  69. 

Velin  II  183.  265  f. 

Felitza  166. 

Velnchi  87. 

41 


G18 


Verzeichniss  der  geograpliisclien  Namen. 


Venedig,  Venezianerll  112.  141.  173. 

200.  ,329.   347.   354.   363.  394.  406. 

414  f.  443.  446  f.  470.  538  f. 
Veneliko  II  158. 
Veni  II  568. 
Vergutiani  247. 
Verseniko  185. 
Verveni  II  269. 
Ververonda  II  98.  101. 
Vesina  II  195. 
Vetolista  142. 
Viano  II  579. 
Vido  II  361.  363. 
Vigla  II  132.  517. 
Vilostasi  II  466. 
Vislritza  16.  18.  90. 
Vitrinitza  149. 
Vitylo  II  152  f. 
Vlachi  II  256. 
Vlachia,   Walachen  46. 
Vlachojannis  56. 
F/icÄa  38. 
F/zcÄo«  117. 
F/i7Äiß.9  II  549  f. 
Vlochos  74.  136.  138. 
Vlogoka,  -kitikos  II  313.  338  f. 
Voidia  II  310. 
VoidokiUa  II  176  f. 
Voiiioa  II  307. 
Volimnos  II  170. 
Fo/o  69. 
Volustana   ( d.  i.   Balov   ctevcc)   57 

{vgl.  Liv.  XL IV,  2). 
Vonilza  113. 
Vorlovo  165. 
Vostitza  II  311.  331. 
ro^r^/  II  490.  495. 
Foüosr  27. 
Vrachiona  II  379. 
Tröna  339. 
Vraona  350. 
Vresthena  II  117. 
Vromolimni  II  91  f. 
VromoseUa  II  240. 
Vrysaki  353. 
Vryses  II  542. 
Vulgari  115. 
Fuliasmeni  383. 
F^^no   II  223. 
Vurgaris  42.  57. 
Vurkano  II  156. 
Fi^Wj«  II  61.  114  f.  117. 
Vuvala  57. 
F?/aVj«  II  230. 


Xenis  II  215. 

Xerakia  II  372. 

Xerias,  Xeraki  42.    II  402.  407. 

Xerilopotumos  II  242. 

Xerochori  II  402.  406  f. 

Xerokampi  II  104  f.  129.  132. 

Xeromeros   105. 

Xeronisi  II  384. 

Xeron-Oros  II  400.  402.  407.  412. 

Xeropotamos  157. 

Xerovuni  II  397. 

Xtrfta  II  569. 

.Yv/t  II  103.  137.  140.  142  f. 

Xylokastro  II  314.  342.  366. 

Xylophagos  II  400. 

Xynias ,  Xynia  85  ff. 

Xypete  271. 

Xystos  II  303. 


Z. 


Zo(7ora  195.  236. 
Zagori  14. 

Z«Ä:o/i  II  314.  340.     • 
Ztf/cro  II  577  f. 

ZakynthosII  346.  .355. 366. 378  ff.  484. 
Zalongo  30. 

Zante  II  347.  378.  380. 
Zaraka  II  195. 
Znrakova  II  228  f. 
Zarax  II  44.  112.  135.  137  f.  429. 
Zaretra  II  426.  429. 
7.arka  II  429. 
Zarko  58. 
Zarnata  II  155. 
Zari'kla  II  183. 
Zastani  251.  337.  342. 
Zaverda  112.  115.  118. 
Zavitza  II  40.  43.  67  f.  70. 
Zea  267.  269  f. 
Zephyria.  II  498. 
Zephyrion  145.   II  .533.  573. 
Zeryiaura  II  157. 
Ma  II  489. 
Zinka  II  134. 
Ziorti  350. 
Ziria  II  182. 
Zilunion  84. 
Zoitia,  -teion  II  231. 
Zoster  359  f. 
Zugra  II  341. 
Zygos  12.   124.  135  f. 


0 


DF      Bursian,  Konrad 

29         Geographie  von  Griechenland 

B87 

Bd. 2 


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