Skip to main content

Full text of "Germania"

See other formats


HwffiU-   ,:-, 


.■^s$«gS^--%. 


^ie»-"**«-? 


S9H 


0  E  R  M  A  N I A. 


VIERTELJAHRSSCHRFFT 


PETITSCHE  ALTERTHUMSKÜNDE. 


BRCtRUNDET  vm:)n  fkanz  pfeiffek. 


UNTER  MITHILFE  VON  JOSEPH  8TR0BL 


UKUAUSGEGRBKN 


KARL    BARTSCH. 


VIERZEHNTER  JAHRGANG. 
NEUE  REIHE  ZWEITER  JAHRG-ANG. 


<^(=>|qt 


^<r 


WIEN. 


VERLAG  VON  CARL  GEROLD'«  SOHN. 
1869. 


3oo3 


RurHruekfr.l  ron  furl  Rcr.jld  •  ^'>h..  m   wip 


INHALT. 


Sjite 

Straf!iennamen  von  Gewerben.  Von  Ern.st  För.stemann 1 

Ein  Pasqnill   des  XV.  Jahrhunderts.  Von  Joliann  L  am  bei 26 

Über  die  Einziehung  der  norwegischen  Odelsgüter  durch  K.  Harald  härfagri.  Von 

Konrad  Maurer 27 

Zu  den  deutschen  Versen  in  der  notkerischen  Rhetorik.  Von  Oskar  Schade   .    .      40 

Zu  der  notkerischen  Rhetorik.  Von  Engen  Plew 47 

Zwei  althochdeutsche  Bruchstücke.  Von  Joseph  Haupt ...     66 

Rlanseliandin.  Bruchstücke  eines  mhd.  Gedichtes.  Von  Demselben 68 

Zum  Annoliede.  Von  O.  Carnuth 74 

Zu  Gesta  Romanornm.  Von  H.  Oesterley 82 

Beide.  Von  Carl  Schröder 83 

Vlämische  Märchen  und  Volkslieder.  Von  Felix  Liebrecht 84 

Die  nordische  Parzivalsaga  und  ihre  Quelle.  Von  Eugen  K  öl  hing 129 

Zum  Redentiner  Spiel.  Von  Carl  Schröder 181 

Zur  Laut-,  Wort-  und  Namenforschung.  Von  Albert  Hcefer. 

I.  Nibel.  Str.  G28  imd  Das  Gürtel 197 

n.  Zu  Nibel.  .str.   1280  zuo  den  wenden,  Lachm 199 

III.  Die  ungebatten 201 

IV.  Ungesühte  und  die  Partikel  un 201 

V.   Endig,   ünende 205 

VI.  Praepositionale  Adverbien  auf  -er 208 

VII.  Ein  Stücker  acht 209 

VI  IT.   Swoninieii,  Swummen 211 

IX.   Estricli   und  seine   Formen 2l2 

X.   In  j>ro(jue]lis  leben 214 

XI.   Ein  X   für  ein   U  machen 215 

XII.  Namenbildung    aus    Namendeutung   und    Moneke   de  junge    Martena- 

pens  sone  .    .  ...        .         216 

XIII.  Volzo  von  Al/.ei.  ein  Zeugnis  für  die  deutsche  Heldensage 220 

XIV.  Gotisches  HV  und  TH 222 

XV.   Gotisch  saizle]) 224 

Zur  Littcraturgeschichte  des  "VVolfdictrich.  Von  Felix  Lieb  recht 226 

Z>i  Hartmanns  Gregor.  Von  Karl  Bartsch 239 

Zum  Spruch  vom  König  Ezel.  Von  Reinhold  Köhler 243 

Zu  Tristan.  Von  Demselben 246 

Eber  Lachmanns  Kritik  der  Sage  von  den  Nibelungen.  Von  Wilhelm  Müller.  .  257 
Zu  von  der  Hagens  Gesammtabenteuer  Nr.  LXIII.  Von  Reinhold  Köhler.  .  .  269 
Fragmente  einer  neuen  Handschrift  von  Wolframs  Willehalm.  Von  Heinrich  Rück  er  t  271 

Drei  Sagen  aus  dem  vierzehnten  Jahrhundert.  Von  Uskar  Schade 275 

Die  Wielandssage.  Von  Karl  Meyer 283 

Zur  Legende  vom  h.  Albanus.  Von  Reinhold  Köhler 300 

Beiträge  zur  Kritik  der  Eddalieder.  Von  Ludwig  Ettmüller 305 


Seitp 
Das  Fortleben  der  Kudninsage.   Von  Karl  Bartsch  nnd  Karl  Julius  Schröer    .    323 

Der  nrdeutsche  Sprachschatz.  Von  Ernst  Forst emann 337 

Zu  Germ.  14,  211.  Von  Albert  Hoefer 372 

Zur  Zimmerischen  Chronik.  Von  Felix  Liebrecht 385 

Zwei  Travestieen.  Von  I.  V.  Zingerle    ....        405 

Mittelniederdeutsche  Sprachproben.  Von  Karl  Schiller.  III 408 

Heinrich  Steinhcewel.  Von  E.  L.  Roch  holz 411 

Jakob  Funkelin.  Von  Demselben       412 

Zur  Erklärun»  mittelhochdeutscher  Dichter.  Von  A.  Hoefer. 

I.  Zu  Walther  46,  30  ed.  Lachmann 416 

n.   Gebesten 417 

m.  Zu  Gregorius  v.  916  —  919. 420 

IV.  Weiteres  zum  Gregorius 421 

Zu  Hartmanns  Gregor.  Von  Karl  Bartsch 427 

Wortformen  auf-eze,  Nachtrag  zu  Germania  10,  395  -398.  Von  Fedor  Bech.    .    .   431 

Zur  Dietrichssage,  Von  Karl  Meyer 432 

Ein  Bruchstück  des  Romans  der  Lorreinen.  Von  G.  K.  Fromm  an  n      434 

Bruchstücke  einer  ahd.  Übersetzung  der  vier  Evangelien.  Von  Joseph  Haupt    .    .    440 

LITTERATÜR. 

Recensionen: 
P.  T.  Willatzen,  Altisländische  Volksballadeu  und  Heldenlieder  der  Färinger.    Von 

Kom-ad  Maurer 97 

Jon  })orkelsson,  ^fisaga  Gizurar  ]5orvaldssonar.  Von  Demselben .    114 

J.  A.  Sclimeller,    Bayerisches  Wörterbuch.    Bearbeitet  von  G.  K.  Frommaun.    Von 

Johann  Lambel 114 

H.  Haeser  und  A.  Middeldoipf,  Buch  der  Bündth-Ertznei.  Von  Joseph  Strobl  .  .  116 
Das  Brot  im  Spiegel  schweizerdeutscher  Volkssprache  und  Sitte.  Von  Demselben  117 
J.  A.  Scluneller,   Bayerisches  Wöi-terbuch.    Beai-beitet  von  G  K.  Frommaun,    Von 

K.  J.  Schröer  .    .    , 247 

W.  A.  Angerstein,  Volkstänze  im  deutschen  Mittelalter.  Von  Carl  Schröder   .    .   255 

Adolf  Lasson,  Meister  Eckhart,  der  Mystiker.  Von  Wilhelm  P  reg  er 373 

Rudolph  Westphal ,   Philosophisch  -  historische  Grammatik   der  deutschen  Sprache. 

Von  Ludwig  Tobler 380 

J.  M.  Wagner,  Hoffmann  von  Fallersleben.  Fünfzig  Jahre  dichterischen  iind  gelehrten 

Wirkens.  Von  Joseph  Strobl 383 

Bibliographie: 
Bibliographische  Übersicht  der  Erscheinungen  auf  dem   Gebiete   der  germanischen 

Philologie  im  Jahre  1868.  Von  K.  Bartsch .467 

MISCELLEN. 

Bericht   über   die   vSitzungen    der    germanistischen   Section    der   XXVI.   Philologen- 

versammhuig  zu  Würzburg,  Von  Ludwig  Bo  IM  er 118 

Germanistische  Preisfrage,  ausgeschrieben  von  der  k.  Akademie  der  Wissenschaften 

in  Wien -^83 

Manuscripte .    ,    .   384 

Einladung  zur  Philologenversammlung 384 


STRASSENNAMEN  VON  GEWERBEN, 

VON 

E.  FÖRSTEMANN. 


Bekanntlich  weisen  imsere  deutschen  Städte  eine  große  Anzahl 
von  Straßennamen  auf,  deren  erster  Theil  irgend  eine  Klasse  Gewerb - 
treibender  bezeichnet,  welche  in  dieser  Straße  einst  ihr  Handwerk  aus- 
übten. Denn  hier  ist  fast  nur  von  vergangenen  Zeiten  die  Rede,  heu- 
tiges Tages  passt  der  Name  nur  noch  selten.  Aber  auch  diese  Namen 
selbst  verschAvinden  zusehends.  Unsere  Zeit  ist  mit  zunehmender  Ge- 
werbefreiheit und  mit  dem  Aufkommen  ganz  anderer  Interessen  dieser 
Art  von  Namengebung  entfremdet;  neue  Straßen  werden  wohl  nie  mehr 
in  dieser  Weise  benannt  und  die  älteren  nehmen  massenhaft  andere 
Benennungen  an.  Es  handelt  sich  hier  um  ein  Stück  untergehendes 
Alterthum,  denn  die  meisten  jener  Namen  stammen,  wie  sich  oft  ur- 
kundlich nachweisen  lässt,  aus  dem  Mittelalter,  zum  Theil  nicht  einmal 
aus  den  letzten  Jahrhunderten  desselben.  Grund  genug,  um  für  diese 
Erscheinung ,  die  uns  jetzt  noch  alltäglich  ist  und  in  der  Avir  mitten 
inne  stehen,  einmal  eine  besondere  Sammlung  anzulegen;  wir  bedauern, 
daß  unsere  Vorfahren  uns  von  Vielem ,  was  ihnen  eben  so  alltäglich 
war ,  uns  aber  äußerst  wichtig  ist ,  keine  Kunde  hinterlassen  haben  ; 
machen  wir  es  daher  besser  und  umsichtiger  als  sie. 

In  der  That  hat  aber  dieser  Gegenstand  sowohl  von  antiquarisch- 
realistischer ,  als  auch  von  sprachlicher  Seite  manigfaches  Interesse, 
das  um  so  größer  werden  muß,  jemehr  die  dafür  angestellte  Sannnlung 
sich  der  Vollständigkeit  nähert.  Unsere  Gewerbealterthümer  bieten  ein 
nicht  zu  unterschätzendes  Stück  unseres  geistigen  Lebens  dar  und  die 
sprachlichen  Bezeichnungen  für  die  einzelnen,  in  ihrer  Specialisierung 
oft  längst  ausgestorbenen  Gewerbe  sind  außerhalb  jener  Namen  in  der 
Sprache  häufig  untergegangen ,  häufig  von  Alters  her  nur  au  gewisse 
geographische  Gebiete  geheftet  gewesen. 

Durch  solche  Erwägungen  ließ  ich  mich  bestimmen  ,  in  meinem 
1863  erschienenen  Buche  „Die  deutschen  Ortsnamen"  auf  Seite  IGT  bis 
'  39  ein  alphabetisches  Verzeichuiss  solcher  gewerblichen  Straßennameii 

G t; UM  A NU,  Neue  Reihe   II.  (XIV.)  Jalirg.  \ 


2  £.  förstemam 

mitzutheilen ,  und  was  ich  hier  liefere ,  ist  zunächst  eine  zweite  sehr 
vervielfachte  Auflage  jener  zwei  Druckseiten.  Es  ist  mir  nicht  bekannt 
geworden ,  daß  in  diesen  fünf  Jahren  jemand  die  von  mir  angeregte 
Sache  weiter  geführt  habe,  und  da  gegenwärtig  von  allen  denjenigen, 
die  zu  solchen  Studien  aufgelegt  und  berufen  sind,  gewiß  niemand  das 
hier  ganz  eigenthümliche  Quellenmaterial  in  so  reichem  Umfange  und 
zu  so  fi-eier  Benutzung  vor  sich  liegen  hat  als  ich ,  so  lag  darin  für 
mich  eine  Aufforderung,  mich  der  Sache  Aveiter  anzunehmen. 

Anfänglich  dachte  ich  daran,  nur  seltenere  und  interessantere  Ge- 
werbebezeichnungcu  in  dieses  Verzeichniss  einzutragen ;  indessen  ich 
erwog  bald ,  daß  ja  jeder  Lexikograph  das  ganz  Gewöhnliche  und 
scheinbar  ganz  Werthlose  gleichfalls  in  seinem  Wörterbuche  verzeichnet, 
schon  deshalb,  um  an  der  Häufigkeit  des  Häufigen  die  Seltenheit  des 
Seltenen  ermessen  zu  können  und  um  bei  Synonymen  die  geographische, 
historische  oder  begriffliche  Sphäre  der  einzelnen  Ausdrücke  zu  be- 
stimmen. Auch  ist  es  mit  der  Seltenheit  und  Häufigkeit  in  unserem 
Falle  ein  ganz  eigenes  Ding;  während  man  gewiß  nur  noch  in  einem 
kleinen  Theile  Deutschlands  von  einem  Bader,  überall  von  einem 
Schneider  spricht ,  sind  die  Badergassen  der  häufigste  aller  Straßen- 
namen, während  eine  Schneidergasse  von  mir  noch  nicht  entdeckt  ist. 

Auf  zwei  Klippen  muß  ich  hier  noch  aufmerksam  machen ,  die 
man  bei  diesem  Gegenstande  suchen  muß  nach  Möglichkeit  zu  ver- 
meiden. Erstens  nämlich  können  solche  Straßennamen  sich  unter  Um- 
ständen nicht  auf  die  betreffenden  Gewerb  treib  enden,  sondern  auf  den 
Familiennamen  eines  Mannes  beziehen;  eine  Fleischergasse  z.  B,  kann 
leicht  von  einem  gewissen  (oder  berühmten)  Herrn  Fleischer  benannt 
sein.  Denn  mit  der  Befolgung  der  genauen  sprachlichen  Regel,  daß  im 
letzteren  Falle  Fleischersgasse  geschrieben  werden  müßte,  hat  man  sich 
selten  befasst,  und  meines  Wissens  hat  es  noch  niemand  getadelt,  daß 
die  zahlreichen  seit  1859  entstandenen  Schillerstraßen  nicht  richtiger 
Schillersstraßen  geschrieben  werden.  —  Au  der  zweiten  Klippe  bin  ich 
selbst  einmal  gescheitert.  Ich  hatte  nämlich  in  dem  oben  erwähnten 
Verzeichnisse  auch  die  Lauferstraße  in  Nürnberg  erwähnt,  des  guten 
Glaubens,  daß  sie  von  irgend  welchen  cursores,  Trabanten  oder  der- 
gleichen den  Namen  habe  ;  da  belehrte  mich  ein  anonym  mir  zuge- 
sandter Brief  aus  Nümberg'unter  andern  werthvollen  imd  wohlwollen- 
den Mittheilungen,  daß  jene  Lauferstraße  nach  der  Stadt  Lauf  hinaus- 
führe ,  die  gleichwie  Nürnberg  an  der  Pegnitz  liegt.  Kann  nicht  eben 
so  irgend  eine  Gerborgasse  diejenige  sein ,  durch  die  man  nach  dem 
Dorfe  Gerbe    oder  Gerber    (beide  Orte   kommen   in   Würtemberg  vor) 


STRASSENNAMEN  VON  GEWERBEN.  3 

hinausgeht?  vgl.  Plattnergasse  und  den  gar  nicht  seltenen  Ortsnamen 
Platten  u.  s.  w.  Das  sind,  wie  gesagt,  zwei  Klippen,  doch  sind  beide 
bei  einiger  Vorsicht  nicht  so  gefährlich  ,  als  es  auf  den  ersten  Blick 
scheint. 

Noch  habe  ich  zu  erwcähnen ,  daß  ,  wo  ich  den  Namen  nur  aus 
älterer  Zeit  kenne ,  ich  entweder  die  Zeit  seines  Vorkommens  oder 
wenigstens  ein  in  Parenthese  geschlossenes  „früher"  beifüge ;  in  man- 
chen dieser  Fälle  ist  es  mir  unbekannt,  ob  der  Name  noch  gegenwärtig 
existiert. 

Nun  zunächst  das  kleine  Glossar  selbst,  in  welches  ich  auch  einige 
niedere  Beamtenklassen  aufnehme,  die  dem  Gewerbebetrieb  nahe  stehen. 

A Itbüß  er gasse  Breslau.  A  Itb  ü  t  e  r  s  tra  ß  e  Stettin.  Unter 
Altbüßern  könnten  zwar  alle  diejenigen  begriffen  werden ,  welche  alte 
Gegenstände  ausbessern,  doch  hat  der  Sprachgebrauch  das  Wort  auf 
die  Schuhmacher  beschränkt,  nur  selten  auf  die  Schneider  ausgedehnt. 
Jacobssons  technologisches  Wb.  führt  als  Synonyma  an :  Altflicker, 
Altreiß  (so),  Altputzer,  Altlapper,  Altmacher.  Das  mhd.  Wb.  kennt 
schon  aUbüezer  und  scMiohhüezer  \  bei  Grimm  erscheinen  Altbüszer, 
Schuhbüszer  und  das  mnd.  Oltboter,  eben  so  auch  Altflicker,  Altlapper 
u.  s.  w.  Der  letzte  Theil  des  Wortes  begegnet  auch  in  Kettelböter 
(s.  unten). 

Amidammachergang  Hamburg  (a.  1787,  s.  Hess  Beschreibung 
von  Hamb.  I,  273;  doch  auch  noch  jetzt  vorhanden).  Das  dänische 
amdam^  besonders  in  Jütland  und  Schleswig,  bedeutet  Stärke,  Kraft- 
mehl, daraus  ist  es  in  mehrere  deutsche  Mundarten  übergegangen;  so 
hat  das  Bremisch  -  Niedersächs.  Wb.  I,  15  Amedam  ,  Frisch  schreibt 
Amelmeel.  Die  zuweilen  begegnende  Schreibung  Amidon  führt  auf  das 
Etymon,  griech.  ccfiv^ov,  lat.  amylum.  Das  mhd.  Wb.  kennt  das  Wort 
nicht,  aber  Grimm  hat  Amelmehl. 

Anker  schmiede  gasse  Danzig.  Außer  dem  Deutschen  hat  auch 
das  Nnl.  das  Compositum  ankersmid  gebildet :  s.  Grimm. 

Apothekergasse  Görlitz,  Heidelberg.  Apothekerstraße 
Duderstadt.  Offenbar  erst  eine  jüngere  Wortbildung ;  denn  wähi-end 
apoteke  uns  schon  im  Mhd.  begegnet,  kann  Grimm  das  Wort  Apothe- 
ker erst  aus  Canitz  belegen.  Noch  jetzt  ist  Apotheke  nicht  in  allen 
deutschen  Mundarten  seinem  Begriffe  nach  specialisiert ,  so  daß  mau 
noch  in  Königsberg  von  einer  Medicinapotheke  spricht.  Uns  tliäte  eine 
Art  von  Wörterbüchern  Noth,  die  sich  nur  die  einzige  Aufgabe  stell- 
ten,   von  jedem  Worte  nach  Möghchkeit  die  ältesten  Belege  herbei- 

1* 


4  fc.  t'ÖRSTEMANN 

zuschaffen  ;    voü  Solchem  Materiale  aus  ließen  sieh   anziehende  Blicke 
in  die  Werkstatt  der  Bildung  und  der  Entlehnuno^  von  Ausdrücken  thini. 

Asch  gebe  r  Straße  Stettin ;  irgendwo  habe  ich  diese  KStraße  auch 
Aschweberstraße  genannt  gefunden.  Die  Wörterbücher  so  wie  die  tech- 
nologischen Quellen  lassen  mich  hier  völlig  im  Stich  ;  ich  weiß  nicht 
einmal,  ob  hier  an  Asch  =  Topf  oder  an  Asche  cinis  zu  denken  ist; 
zunächst  möchte  man  die  Potasche  herbeiziehen. 

Bäckerg  asse  Breslau,  Cölleda ,  Döbeln  in  Sachsen  (a.  1727), 
Freiberg,  Halle,  Sontra  in  Hessen.  Bäckerstraße  Düsseldorf,  Ham- 
burg (urkundlich  platea  pistorum),  Hannover,  Wien.  Das  Wort  begegnet 
im  Ahd.  und  Mhd.  sehr  selten  (offenbar  weil  das  Backen  vorherrschend 
eine  häusliche,  keine  gewerbliche  Thätigkeit  war).  Daß  Graff  HI,  24 
den  Ort  Chuchelebaccharo  marca  ganz  mit  Unrecht  hieher  zieht ,  ist 
aus  meinem  Namenbuche  zu  ersehen. 

Badergasse  Arnstadt,  Aschersleben,  Bingen,  Bischofswerda 
(früher,  jetzt  Bahnhofstraße),  Breslau,  Brieg,  Calbe  an  der  Saale  (a.  1720, 
s.  Hävecker  Chronik  v.  Calbe),  Colditz  in  Sachsen,  Dresden,  Eilenburg, 
Elbing,  Frankfurt  a.  O.,  Gartz  a.  O.,  Jüterbogk,  Königsberg  in  der  Neu- 
mark (a.  1715),  Leisnig  in  Sachsen,  Lengenfeld  im  Voigtlaude,  Meerane 
in  Sachsen ,  Mügeln  in  Sachsen ,  Mühlhausen  in  Thüringen ,  Oschatz, 
Reichenstein  in  Schlesien,  Thorn,  Zwickau.  Badergässchen  Breslau, 
Eisenach,  Salzburg  (hierin  noch  a.  1794  das  Seelen-  oder  Armeleutebad). 
Baderstraße  Thorn.  Baderb erg  Meissen.  Badgasse  Altdorf  bei 
Nürnberg.  Badestraße  Uelsen  (a.  1735).  Dieses  Gewerbe  mit  seinem 
Baden,  Haarschneiden,  Aderlassen  und  Schröpfen  ist  theils  ganz  in  das 
der  Barbiere  (welche  an  vielen  Orten  neben  den  Badern  bestanden)über- 
gegangen,  theils  durch  die  neueren  Badeanstalten  überflüßig  geworden. 

Badstüberstraße  Cöslin  a.  1765  (Haken  Gesch.  v.  Cöslin) ; 
vgl.  Badstubenstraße  in  Wolgast.  Das  schwerfällige  und  unnütze  Bad- 
stüber  für  das  einfache  Bader  ist  nur  niederdeutsch ,  weder  Grimm 
noch  die  hochdeutschen  DialectAvöi'terbücher  kennen  es,  dagegen  findet 
sich  Badstäwer  im  Bremisch -Niedersächs.  Wb.,  die  Statuten  der  Bad- 
stover  zu  Lübeck  aus  der  Mitte  des  14.  Jhd.  werden  von  Wehrmann 
Die  Lübeckischen  Zunftrolleu  (Lübeck  1864)  mitgetheilt. 

B  a  n  d  s  c  h  n  e  i  d  e  r  g  a  3  s  e  Königsberg.  Zwar  kommt  Bandweber  für 
Bortenwürker  oder  Posamentier  vor  (s.  Jacobsson  techn.  Wb.),  doch  ist 
mir  Bandschneider  sonst  nicht  begegnet ;  vielleicht  steckt  darin  nur  ein 
missverstandeues  Wandschneider. 

Becher  er  gasse  Worms  (Becherergaze  a.  1315;  vgl.  Baur  Hess. 
Urkunden  Bd.  H,  Nr.  110).    Becher  er  gas  scheu  Köln  (Beggirgasse 


STRASSENNAMEN  VON  GEWERBEN.  5 

a.  1280,  Beggergasse  a.  1286;  vgl.  Eunen  Quellen  zur  Gesch.  v.  Köln 
III  164,  241).  Bechergässlein  Speier.  Becherer  oder  Bechler  sind 
zwar  in  einigen  technologischen  Werken  als  eine  besondere  Art  der 
Böttcher,  die  sogenannten  Kleinbinder  erwähnt;  doch  möchte  ich  bei 
diesen  Becherergassen  lieber  an  die  Verfertiger  zinnerner  Becher 
denken. 

Beckenwerperstraße  Braunschweig;  eine  ganz  moderne  Ver- 
drehung des  Wortes,  noch  1806  finde  ich  diese  Straße  richtiger  Becken- 
werkerstr.  geschrieben.  Das  Neutr.  Beckenwerk  führt  Grimm  aus  Hans 
Sachs  an.  Es  sind  hier  wohl  wieder  zinnerne  Becken  gemeint,  obwohl 
bei  diesem  so  wie  dem  folgenden  und  vorhergehenden  Worte  hölzerne 
Geräthe  nicht  ganz  abzuweisen  sind. 

Beckmacher  Straße  Hamburg  (auch  Armesüuderstraße  genannt, 
urkundlich  platea  cratificum).  Hess  Beschr.  von  Hambui'g  (1787)  I,  179 
fragt  an:  „  =  Bechermacher  (craterifices)  ?  oder  =  Fassbinder,  Böttcher?" 
In  den  oben  erwähnten  Lübeckischen  Zunftrollen  kommt  auch  eine  der 
Bekemaker  von  1591  vor,  wo  ganz  sicher  Kleinbinder  gemeint  sind. 

Beckschlagergasse  Nürnberg  (jetzt  verdreht  Bettschlagergasse 
gesprochen).  Hier  sind  sicher  eine  Art  von  Klempnern  gemeint,  die 
das  Blech  erst  nach  dem  Erkalten  schmieden.  Beckenschläger  kommt 
bei  Grimm  vor,  doch  ohne  Erklärung  und  Citat. 

Beutlergasse    Danzig.    Beutlerstraße    Stettin.     Das    Wort 
Beutler,  mhd.  noch  nicht  nachweisbar,  ist  jetzt  durch  das  Verschwinden 
der  ledernen  Beutel  im  Untergehen  begriffen;  Grimm  hat  es  ohne  Citat. 
In   den  Lübeckischen  Zunftrollen  begegnet  a.  1459   das  zusammenge 
setzte  Büdelmaker. 

Bindergasse  Nürnberg.  Bender gasse  Frankfurt  a.  M.  (sie 
heißt  sec.  14  doliatorum  vicus  ;  s.  Baldemar  v.  Peterweil  Beschr.  von 
Frankf ,  herausgeg.  von  Euler).  Es  sind  also  hier  Fassbinder,  Böttcher 
gemeint,  nicht  Besen-,  Bürsten-,  Buchbinder. 

Bleich  er  Straße  Hamburg  (früher  Bleichergang).  Bleicher- 
gasse Altena  (a.  1747;  s.  Schmid  Beschr.  von  Altena).  Vgl.  Grimm  Wb. 

Bogner gasse  Wien.  Die  einzige  Erinnerung  an  das  unterge- 
gangene Gewerbe  der  Bogner  oder  Armbruster;  vgl.  Grimm  Wb. 

Boots m an nsgasse  Danzig. 

Böttchergasse  Leipzig.  Böttcherstraße  Cöslin. 

Bräuergasse  Dresden.  Brauerhof  Altena  (a.  1747,  s.  Schmid 
Beschr.  v.  Altena).  Brauerstraße  Hamburg.  Vgl.  auch  Bräugasse 
Altdorf  bei  Nürnberg,  Passau.  Brau  gas  sehen  Plauen  im  Voigtiande. 


6  E.  FORSTEMANN 

Das  nilid.     Wb.  weist  schon  briuwer  und  hrouwev  nach ;    Graff  hat  das 
Wort  noch  nicht. 

Brauerknechtgraben  Hamburg  (  a.  1787;  schon  urkundlich 
fossa  famuh)rum  ccrevisiani  coqueutium). 

Brennergasse  Hamburg.  Das  Wort  hat  sich  fast  in  allen  Mund- 
arten auf  den  Begriff  von  Branntweinbrennern  specialisiert ;  Beispiele 
allgemeiner  Bedeutung  gibt  noch  soAvohl  das  rahd.  Wb.  als  Grimm. 

Brückenschmiedgasse  Schleusingen.  Da  ein  besonderes  Ge- 
werbe der  Brückenschmiede  mir  nirgend  begegnet,  ich  mir  auch  nichts 
darunter  zu  denken  vermag,  so  ist  vielleicht  hier  ein  an  einer  Brücke 
wohnender  Schmid  anzunehmen  und  das  Wort  hier  fortzulassen. 

Büttelgasse  Mainz  (früher).  Büttelstraße  Elbing  (früher). 
Bei  Grimm  ist  hinzuzufügen,  daß  das  alte  und  weit  verbreitete  Wort 
im  Aussterben  begriffen  ist. 

Büttner  Straße  Breslau,  Görlitz.  Böttnergasse  Eisenach 
(früher,  jetzt  Quergasse).  So  verbreitet  auch  Bütte  für  ein  hölzernes 
Gefäß  ist,  so  hat  doch  Büttner  für  Böttcher  im  nördlichen  Deutschland 
wohl  nie  allgemeine  Geltung  gehabt. 

Caffam  acher  reihe  Hamburg  (a.  1787,  s.  Hess  I,  273).  Nach 
Jacobsson  ist  Cajfas  de  Bois  ein  grobes  wollenes  aus  Ryssel  bezogenes 
Zeug.  Im  vorliegenden  Falle  ist  wohl  an  einen  anderen  Stoff  zu  denken,- 
Richey  im  Idioticon  Hamburgense  erwcähnt  Kaff-Haarmaker  =  Sammet- 
weber  und  spricht  weitläufiger  davon.  Siehe  auch  Schütze  Holsteinisches 
Idioticon. 

Corduanarios ,  inter — ,  Köln  (a.  1238,  s.  Ennen  Quellen  zur 
Gesch.  der  Stadt  Köln  II,  187).  So  gewiß  auch  der  Name  zu  dem  ur- 
sprünglich aus  Cordova  bezogenen  Leder  gehört,  so  kann  er  doch  zwie- 
fach gedeutet  werden:  1.  als  eine  Art  von  Gerbern,  die  sonst  auch 
Corduanmacher  genannt  werden ,  2.  als  eine  Art  von  Schuhmachern, 
die  Corduanschuhe  verfertigen ;  so  fasst  das  Wort  auf  Duntze  Gesch. 
der  Stadt  Bremen  I,  511.  Letzterer  Sinn  liegt  auch  im  franz.  cordon- 
nier,  so  wie  im  mhd.  knrdlwcener. 

Dienergasse  Danzig,  Elbing.  Di  euer  reihe  Hamburg.  Es  sind 
wohl  überall  Rathsdiener  gemeint,  für  die  wir  in  den  Straßennamen 
mehrere  Synonyma  finden. 

Drahtziehergasse  Hirschberg.  Es  ist  dabei  zunächst  an  Eisen- 
draht, weniger  an  solchen  aus  Gold,  Silber,  Messing  u.  s.  w.  zu  denken ; 
das  Compositum  Drahtzieher  ist  mhd.  noch  nicht  nachweisbar. 

Drehergasse  Danzig.  Tornatorum  vicus  Frankfurt  a.  M. 
(sec.  14 ,    später  Drehergasse).   In  der  Regel  sind  Dreher  =  Drechsler 


STRASSENNAMEN    VON  GEWERBEN.  7 

und  als  solche  haben  sie  z.  B.  in  Lübeck  eine  Zimftrolle  von  1507, 
die  Danziger  Drehergasse  hat  aber  mit  voller  Bestimmtheit  speciell  von 
den  Bernsteindrehern  den  Namen;  bei  Grimm  fehlt  dieses  Compositmii, 
das  gar  nicht  selten  ist. 

Eimer  mache  rhof  Danzig.  Ist  sonst  noch  irgendwo  ein  Gewerbe 
der  Eimermacher  oder  auch  nur  das  Wort  nachzuweisen? 

Ekemäkerstraße  Hildesheim,  =  Essigmacherstr.  Ein  merkwür- 
diges Beispiel  von  der  noch  nicht  umgestellten  Buchstabenfolge  des  lat. 
acetum,  goth.  akeit^  schweizerisch  echis  u.  s.  w. 

Erzgießereistraße  München,  wahrscheinlich  eine  sehr  neue 
Namenbildung. 

Färbergasse  Freiberg,  Kalau,  Meerane  in  Sachsen.  Färber- 
gässchen  Colditz  in  Sachsen.  Färberstraße  Chemnitz,  Stuttgart. 
Schon  mhd.  verwcere. 

Filter  Straße  Hamburg  (urkundlich  platea  fullonum,  pilleonum, 
filtricum  nach  Hess  Beschr.  von  Hamburg  1787).  Vilzirgrauin,  Vil- 
cirgrauin,  Vilzergrauen  Köln  (a.  1214,  1239;  s.  Ennen  II,  55,  197,  199). 
Die  letztere  Straße  ist  auch  wohl  gemeint  mit  inter  pileatores  (a.  1285; 
s.  Ennen  III,  220).  Die  Filzer  sind  namentlich  Hutwalker,  s.  auch 
unten  Hutfilter.  Mhd.  ist  noch  kein  vilzcere  nachgewiesen. 

Fisch ergasse  Altena  (a.  1747;  s.  Schmid  Beschr.  von  Altena), 
Bautzen  ,  Breslau  ,  Danzig ,  Freiberg  ,  Heidelberg  ,  Jena  ,  Meiningen 
(a.  1676)  ,  Meissen,  Passau  (früher  unter  den  Vischern)  ^  Seligenstadt. 
Fischer  Straße  Berlin  (a.  1737;  vgl.  Müller  u.  Küster  Altes  und  neues 
Berlin),  Bremen,  Demmin,  Elbing,  Gartz  an  der  Oder,  Hannover,  Ra- 
thenow ,  Stettin,  Tangermünde.  Fischer feld  und  -gasse  Frankfurt 
a.  M.  (sec.  14  piscatorum  vicus).  Fischerthor  Danzig,  Elbing,  Speier 
(früher),  Wien.  Fischerufer  Magdeburg.  Eise  her  plan  Halle.  Fi- 
schertwiete  Hamburg  (urkundlich  angiportus  piscatorum).  Vgl.  Fisch- 
gasse Bamberg.  Das  Wort  hat  durch  kein  Synonymum  seit  der  alidt 
Zeit  bis  jetzt  irgend  einen  Abbruch  erlitten ;  ganz  entgegengesetzt  der 
uns  bei    dem  nun  folgenden  Ausdruck  begegnenden  Erscheinung. 

Fleisch  er  gas  sc  Bautzen,  Brieg  (früher),  Cöslin,  Danzig,  Frei- 
berg, Halle,  Iglau  (sec.  15  platea  carnificum),  Leipzig,  Meissen.  Flei- 
scher straße  Elbing.  Fleischerplatz  Leipzig,  Zwickau.  Auch  hier 
oft  das  Product  statt  des  Producenten :  Fleischgasse  Bamberg, 
Eisenach,  Gotha,  IMühlhausen  in  Thüringen.  Im  Mhd.  scheint  das  Wort 
noch  sehr  selten  zu  sein,  über  die  zahlreichen  Synonymen  s.  unten. 

Fleischhackergasse  Nürnberg  (früher,  jetzt  Sterngasse).  Vgl. 
Grimm  Wb. 


g  E.  FÖRSTEMANN 

F I  e  i  s  c  h  h  a  u  c  r  s  t  r  a  ß  e  Aschersleben.  Fleischhauer  begegnet  auch 
im  Brcmisch-Xiedersächs.  Wb.,  eben  so  bei  Grimm. 
Fuhrmannsgasse  Meissen,   Wien. 

Gärtnergasse  Hannover,  Wien.  Gärtnerstraße  Altona  (schon 
1747,  s.  Schraid  Beschr.  von  Altona). 

Gerbergasse  Bautzen,  Breslau,  Brieg  (früher  Fleischergasse 
genannt)  ,  Danzig ,  Giengen  an  der  Brenz  ,  Halle,  Meissen,  Plauen  im 
Yoigtlande,  "Weimar.  Gerberstraße  Hamburg  (urkundlich  platea  cer- 
donum) ,  Leipzig,  Stuttgait,  Thoru.  Das  Wort  ist  schon  mhd. ,  noch 
nicht  ahd.  nachgewiesen. 

Gewandschneider,  unter  — .  So  verdeutscht  Eunen  die  in  Köln 
von  a.  1223  an  sehr  oft  begegnende  Straßenbezeichnung  interpannici- 
das,  inter  pannorum  incisores  und  inter  pannorum  venditores 
(die  einzelnen  Citate  s.  im  Register  zu  dem  Werke  von  Ennen).  In  Leipzig 
erscheint  auch  ein  Gewandgässchen  und  an  die  in  verschiedenen 
Städten  begegnenden  Gewandhäuser  (z.  B.  in  Dresden  und  Leipzig) 
mag  beiläufig  erinnert  werden.  Die  Gewandschneider  stehen  in  der  Mitte 
zwischen  Tuchmachern  und  Tuchhändlern  und  daß  das  Abschneiden 
nach  der  Elle  als  das  Charakteristische  ihrer  Thätigkeit  galt,  zeigt  auch 
imser  heutiger  Ausdruck  Schnitthandlung. 

Glockengießer.  Bei  Ennen  begegnet  a.  1238  in  Köln  eine 
Clocnergazze,  a.  1295  Klockenergasse  geschrieben,  jetzt  fälsch- 
lich Glockengasse  genannt.  Es  ist  wohl  an  Glockengießer^  nicht  an 
Glrtckner  zudenken;  mit  dem  Glockenthore  in  Danzig  mag  es  die- 
selbe Bewandniss  haben,  obgleich  mhd.  glockencere  schon  mit  Glöckner 
übersetzt  wird. 

Goldschmiedegasse  Danzig,  Eisenach.  Goldschmiede- 
brücke Magdeburg.  Unter  Goldschmidt  Köln  (a.  1239  inter  auri- 
fabros,  s.  Ennen  II,  199).   Goldsmit  ist  schon  mhd.  nicht  selten. 

Gräbschn  er  gas  se  Breslau.  Ein  schlimmes  AVort,  das  ich  weder 
in  DialektAvörterbüchern ,  noch  in  technologischen  Hilfsmitteln  finde. 
l>is  besseres  beigebracht  wird,  erinnere  ich  an  polnisch  grzehieniarz 
Kammacher. 

Grapengießerstraße  Stettin.  Gropengeter straße  früher 
in  Hannover,  später  hieß  sie  Kupferschlägerstraße  (also  nicht  von  einem 
Bürger  Gropengeter,  wie  Patje  in  seinem  Buche  „Wie  Avar  Hannover'" 
1817,  s.  91  meint),  jetzt  ein  Thcil  der  Osterstraße.  Grapen  sind  bekannt- 
lich in  Niedcrdeutschland  eiserne  Töpfe  mit  Füßen  (s.  z.  B.  das  Bre- 
misch-Nieders.  Wb.,  Schambach  u.  s.  w.).  Die  Gropengeter  zu  Lübeck 
liaben  eine  Zunftrolle  von   ]4;)9. 


STRASSENNAMEN  VON  GEWERBEN.  9 

Gräupnergasse  Breslau.  Man  möchte  zunächst  an  Graupen- 
mttller  oder  Graupenhändler  denken;  vielleicht  aber  passt  besser  her 
Schmeller  II,  116:  „Gröppner,  ein  Mann  zum  Aufladen  der  Kaufmanns- 
güter". 

Gröpergasse  Halberstadt.  Mau  kann  schwanken,  an  welchen 
der  beiden  letztgenannten  Straßennamen  man  lieber  dabei  denken  will; 
einerseits  können  Grapengießer  gemeint  sein  (bei  Frisch  wird  auch 
die  Form  Grope  neben  Grape  angeführt) ,  anderseits  erwähnt  schon 
Fulda  (Versuch  einer  allgem.  deutschen  Idiotikensammlung)  gröpen, 
gröpnen  rollen,  gröpner  Auslader  der  Kaufmannsgüter. 

Grütznergässchen  Radeberg  bei  Dresden.  Grüttemacher- 
straße  in  Hannover  (früher,  jetzt  Röselerstraße).  Letztere  Straße  leitet 
Patje  (a.  a.  O.  S.  91)  wohl  falsch  von  einem  Bürger  Grütteraacher  ab. 
Die  Zunftrolle  der  Lübecker  Gortemaker  datiert  von  1481. 

Häckergasse,  Häckerthor  Danzig  (schon  a.  1687,  s.  Curicke 
Beschr.  von  Danzig),  Höker  sind  Verkäufer  von  Lebensmitteln  im 
Kleinen,  das  Bremisch-Nieders.  Wb.  schreibt  Häker  imd  das  Verbum 
häkern,  die  Lübecker  Zunftrolle  von  1507  Hoher.  In  den  sechs  Bänden 
von  Frommanns  Zeitschrift   scheint  der  Ausdruck  nicht  vorzukommen. 

Hafnergasse  Wien.  Hafnerberg  Augsburg,  Häfnergasse 
Schleusingen.  Nach  Norddeutschland  scheint  das  mhd.  havena>re  Töpfer 
(s.  auch  bei  Schmeller  11,  1,54)  sich  nie  verbreitet  zu  haben. 

Häscherbrücke  Halle    (sonst  auch  schwarze  Brücke  genannt). 

Hebammengässchen  Rathenow  (a.  1803).  Ein  heveamme  führt 
doch  auch  schon  das  mhd.  Wb.  an. 

Heide reutergasse  Berlin  (schon  a.  1737  nach  Müller  u.  Kü- 
ster Altes  imd  neues  Berlin). 

Henfergazze  Mainz  (a.  1292;  vgl.  Baur  Hess.  Urkund.  Bd.  H, 
Nr.  485).  Henfer  sind  Seiler,  Verfertiger  von  Hanfstricken.  In  den  Lü- 
beckischen Zunftrollen  erscheinen  a.  1387  die  Hennepspinner  als  Ge- 
hilfen der  Repsleger  (diese  s.  unten). 

Hirtengasse  Bautzen  ,  Halle  ,  Hirschberg  ,  Ilmenau.  Hirten- 
gang Hannover. 

Hosennähergassc  Danzig.  Diese  Hosen  werden  in  ihrer  Hei- 
math für  Schifferstrümpfe  erklärt ,  und  zwar  mit  Recht ,  denn  in  dem 
ahd.  hosa  herrscht  die  Bedeutung  Strumpf  noch  entschieden  vor  und 
ist  im  mhd.  hose  an  manchen  Stellen  nicht  zu  verkennen.  In  den  neueren 
Mundarten  halten  manche  den  alten  Sinn  noch  fest ;  vgl.  über  Helgo- 
land Die  deutschen  Mimdarten  III,  33,  über  Westfalen  ebds.  III,  263 
u.  561,  iibcr  Tirol  ebds.  VI,  154,  über  den  Westcrwald  Schmidt  Wester- 


10  E.  FÖRSTEMANN 

wäldisches  Iclioticou.  In  Westfalen  gilt  auch  Hosenstricker  für  Strumpf- 
wirker. 

H  u  t  f  i  1  z  e  r  s  t  r  a  ß  e  Bremen.  H  ii  t  f i  1 1  e  r  n  Braunschweig.  Im  Bre- 
misch-Nieclers.  Wb.  begegnet  Hoodfilt  =  Hutlilz.  Vgl.  oben  Filterstraße. 

Hutmachergasse  Altena  (a.  1747;  s.  Schmid  Beschr.  v,  Altona). 

Hutsteppergässel  Wien.  Diese  Hutstepper  wurden  auch  vor- 
nehmer Hutstaffierer  genannt. 

Irrergasse  Nürnberg  (ebendaselbst  gab  es  früher  auch  ein  Irrer- 
thörlein,  jetzt  Hallerthörlein).  Irchergazz  München  (a.  1473,  Mon. 
boica  XXI,  209,  jetzt  übersetzt  Lederergasse).  Vielleicht  gehört  dazu 
Ichirgasze  Worms  (a.  1321,  s.  Baur  Hess.  Urk.  Bd.  H,  sec.  860).  Ircher 
sind  Weißgerber,  vgl.  das  mhd.  Wb,  I,  753 ;  dsgl.  Höfer  Wb.  der  in 
Oberdeutschland  üblichen  Mundart.  Irich  albicoreum  in  einem  Voca- 
bular  von  1445  nach  Schmeller  I,  97.  Das  Wort  scheint  nicht  nach 
Norddeutschland  hinübergedrungen. 

Kannengießer gasse  Frankfurt  a.  M.  Kannengießerstraße 
Braunschweig.  Kannengießer  ort  Hamburg  (a.  1787).  Die  Kannen- 
gießer, jetzt  Zinngießer,  wurden  so  nach  ihrem  vorzüglichsten  Fa- 
bricat  genannt  ;  vgl.  Grimm  Wb.  Die  Kannengetere  von  Lübeck 
haben  eine  Zunftrolle  von  1508;  mhd.  ist  das  Wort  wohl  nur  zufällig 
noch  nicht  belegt. 

K  a r  r  e  n  f ü  h  r  e  r  s  t  r  a  ß  e  Braunschweig. 

Kettelböte  r  Straße  Magdeburg  (früher,  jetzt  Kesselbeissergasse). 
Jacobsson  techn.  Wb.  ftihrt  als  synonym  an  Kesselflicker,  Kesselbüßer, 
Kessellapper,  Kesselbesserer.  Vgl.  Grimm  Wb. ,  s.  auch  oben  Altbüßer. 

Kindeschoen  als  Straßenname  in  Köln  ftihrt  Ennen  H,  401  aus 
dem  Jahre  1258  an.  Sind  irgendwo  sonst  noch  specielle  Kinderschuh- 
verkäufer aufzufinden  ? 

Kleinschmiedegasse  Magdeburg  (früher,  jetzt  Dreibretzel- 
gasse).  Kleinschmieden  (die — )  Halle.  Der  Kleinschmied  ist  im 
Ganzen  so  viel  als  Schlosser ,  aber  ob  das  mittellat.  parvifaher  nach 
dem  deutschen  Worte  oder  dieses  nach  jenem  gebildet  ist,  darf  nicht 
vorschnell  entschieden  werden.  Vgl.  Grimm  Wb. 

Klampfcrergässchcn  Salzburg  (in  dieser  Gasse  wird  1794 
noch  eine  „Klampferer-  oder  Spangierwerkstätte"  erwähnt).  Klamperer, 
Klampfcrer  =  Klempner  bei  Schmeller  II,  356 ;  ebds.  auch  besondere 
Pfannenkl  am  p  erer . 

Klempnergasse  Breslau  (früher,  jetzt  ein  Theil  der  Messergasse). 

Klingergasse  Passau,  so  genannt  von  den  Klingenschmieden, 
die  diu-ch  die  Passauer  Wolfsklingen  sehr  berühmt  wurden. 


STBASSENNAMEN  VON  GEWERBEN.  H 

Kloppergasse  Alsfeld  in  Hessen.  Aber  was  haben  diese  Klopper 
geklopft?  Bei  Frisch  ist  Klopper  eine  Art  Hutmacher  und  auch  San- 
ders erklärt  den  Klopfer  als  denjenigen,  der  die  Wolle  zum  Hutmachen 
durch  Klopfen  reinigt. 

K  n  0  c  h  e  u  h  a  u  e  r  s  t  r  a  ß  e  Braunschweig  ,  Hamburg  (urkundlich 
platea  carnificum),  Hannover.  Kuochenhauerufer  Magdeburg.  Kno- 
chen h  a  u  e  r  fe  1  d  Hannover.  K  n  o  c  h  e  n  h  a  u  e  r  w  a  c  h  e  Nordhausen 
(sec.  15).  Auch  das  Brera.-Nieders.  Wb.  kennt  Knakenhauer  für  Flei- 
scher;  die  Knokeuhowere  von  Lübeck  erhalten  schon  1385  eine  er- 
neuerte Zunftrolle.  Aus  den  Beispielen  bei  Grimm  ist  die  Existenz 
des  Wortes  zu  Zerbst  und  zu  Stettin  ersichtlich. 

Kochgasse  Wien.  K  o  c  h  s  t  r  a  ß  e  Berlin,  Wernigerode.  Vielleicht 
nicht  in  jedem  Falle  hiehcr  gehörig,  sondern  zuweilen  von  einem  Fa- 
miliennamen benannt. 

K  o  r  b  m  a  c  h  e  r  t  w  i  e  t  e  Hamburg. 

Korkenmachergasse  Danzig.  Korken  sind  Pantoffeln,  so  ge- 
nannt von  dem  zu  diesen  Schuhen  gebrauchten  Korkholz  (das  auch 
polnisch  korck  heißt).  Das  in  Danzig  noch  ganz  lebendige  Wort  scheint 
geographisch  nur  einen  sehr  beschränkten  Umfang  zu  haben;  in  From- 
manns deutschen  Mundarten  finde  ich  es  nicht,  auch  nicht  im  Brem.- 
Nieders.  Wb.,  eben  so  wenig  in  Richeys  Idiot.  Hamburg.  In  den  Lü- 
becker Zunftrollen  heißen  diese  Leute  Cllotzenmakere. 

Kornträger  gang  Hamburg  (a.  1787).  Das  sind  die  in  Danzig 
so  genannten  Sackträger,  welche  die  Getreidesäcke  aus  den  Speichern 
auf  die  Schiffe  oder  umgekehrt  schaffen. 

Körperstraße  Elbing.  Nach  Fuchs  Beschr.  von  Elbing  Bd.  II 
(1821)  S.  310  heißt  die  Straße  so,  weil  durch  sie  die  Leichen  nach  den 
Kirchhöfen  getragen  wurden.  Das  wäre  eine  ganz  unerhörte  Art  von 
Namengebung,  an  die  ich  nicht  glauben  mag ;  zunächst  denke  ich  an 
Korbflechter;  in  Jacobssons  Technolog.  Wb.  begegnen  in  der That  Körber 
für  Korbmacher ,  und  der  häufige  Familienname  Körber  weist  auch 
darauf  hin. 

Krämergasse  Danzig,  Frankfurt  a.  M.  (sec.  14  institorum  vicus), 
Heidelberg,  Jena.  Kramerstraße  Hannover.  Kram  er  Straße  Düssel- 
dorf. Krämerbrücke  Erfurt,  Königsberg.  Krämern  (im  K-,  der  K-) 
Nordhausen.  Das  Wort  verschwindet  vor  dem  vornehmeren  Kaufmann 
oder  gar  Materialist;  daß  man  in  Elberfeld  noch  Winkelierer  sagt,  ist 
ein  merkwürdiges  Eindringen  holländischen  Sprachgebrauchs  (ivinkeUer, 
ivinkelhouder). 


12  K.  FÖRSTEMANN 

Küfcr^asse  Mainz  (früher),  Saarbrücken  (scc.  17).  Küferstraße 
Göttingen.  Küfer  sind  Böttcher  für  gröISere  Gefälie,  auch  Küfuer,  Groti- 
binder  oder  Schwarzbinder  genannt. 

Kupferschlägerstraße  Hannover  ("früher,   s.  Gropengeterstr.). 

Kupferschmiedstraße  Breslau. 

Kürschner  Straße  Elbing.    Schon  mhd.  kürsencere. 

Kutscherstraße  Magdeburg;  sehr  modern. 

Lakemacherstraße  Magdeburg  (früher).  Laken  =  Tuch  im 
Brem.  -  Nieders.  Wb.  Die  Lübecker  Zunftrolle  von  1553  kennt  Laken- 
makere  =  Tuchmacher  und  die  von  1546  Lakenberedere  =  Zurichter 
des  Tuches.  In  neueren  Mundarten  dagegen  hat  sich  Laken  von  den 
wollenen  auf  linnene  Stoffe  zurückgezogen. 

Lauchergasse  Eisenach;  hier  wohnten  früher  die  Seifensieder. 
Das  Wort  ist  etwas  auffallend;  ist  dabei  au  die  Seifensiederlauge  zu 
denken? 

Lederergasse  München,  Passau,  Salzburg  (früher,  noch  1794), 
Wasserburg  am  Inn.  Ledergasse  Duderstadt,  Nürnberg.  Lederer 
sind  Rothgerber;  s.  Schmeller  II,  436.    Schon  mhd.  ledercere. 

Ledersnidere  Köln(a.  1258,EnnenII,  401).  Dieselbe  Straße  wird 
genannt  Lersnidere  (a.  1285,  ebds.  III,  222),  incisores  coreorum 
(a.  1237,  ebds.  II,  112),  inter  corecidas  (a.  1285,  ebds.  III,  223), 
inter  corricidas  (a.  1275,  ebds.  III,  89).  Man  könnte  zunächst  an 
Riemenschneider  denken,  doch  sind  eher,  den  Gewandschneidern  analog, 
Lederhändler  anzunehmen.  Vgl.  Schmeller  II,  438;  auch  Jacobsson 
Technol.  Wb.  erklärt  Lederschneider  durch  Lederhändler. 

LeinAvebergasse  Meissen.    Schon  mhd.  Umveber. 

Lodergasse  Nürnberg.  Loderstraße  Passau  (1322,  später 
Reitgassc,  jetzt  Theresienstraße).  Über  Loden  und  Loderer  s.  Schmeller 
II,  440,  weicher  Loderer  in  München,  Erding  und  Nördlingen  nach- 
weist. Loden  ist  nach  Jacobsson  eine  Gattung  geringes  wollenes  Zeug, 
Lodweberei  in  Augsburg  das  Weben  von  Fußdecken.  Vgl.  auch  lodo 
und  lodweher  im  mhd.  Wb.  Danach  sind  also  Loder  oder  Lodenweber 
eine  Art  von  Tuchmachern. 

Löhergasse  Sachsenhausen  bei  Frankfurt  a.  M.  (sec.  14  cer- 
donum  vicus).  Löhergraben  Aachen  (daselbst  sind  Lohgerbereien). 
Loher  =  Lohgerber  erwähnt  aus  Würzburg  Schmeller  II,  462.  In  der 
Lübecker  Zunftrolle  von  1451  heißen  sie  Lorer.  IMlid.  ist  das  Wort 
noch  nicht  nachgewiesen. 

Malergasse  Breslau.  Malertwete  Braunschweig.  Schon  ahd. 
mdlnri. 


STRASSENNAMEN  VON  GEWERBEN.  13 

Mälzergasse  Danzig.  Mlid.  malzcere  Brauer,  vom  Verwandeln 
des  Getreides  in  Malz  (vermalzen);  vgl.  Schmeller  II,  574. 

Mäntlergasse  Breslau.  Diese  Mäntler  =  Verfertiger  von  Män- 
teln, erscheinen  als  ein  Handwerk  in  Regensburg  bei  Sclimeller  II,  603. 

Messe rschmidgasse  Eisenach. 

Metzgergasse  Alsfeld  in  Hessen,  Frankfurt  a.  M.  fsec.  14 
carnificum  vicus),  Heilbronn,  Reutlingen,  Seligeustadt,  Wiesbaden.  Vgl. 
Metzger  bei  Schmeller  II,  661 ;  mhd.  mezziwre. 

Mezzelergazze  Mainz  (a.  1273;  s.  Baur  Hess.  Urk.  Bd.  II, 
Nr.  271).  Das  Wort^  dem  vorigen  an  Begriff  gleich,  etymologisch  aber 
wohl  gar  nicht  verwandt,  ist  das  lat.  macellarius ,  ahd.  mezüdri,  mlid. 
mefzeler  lanio.  Gar  nicht  hieher  gehört  Avohl  die  Bemerkung  von  Ja- 
cobsson  Technol.  Wb.:  „Metzler  nennt  man  diejenigen  Höken,  die  mit 
Salz,  Mehl  u.  dgl.  handeln,  so  mit  der  Metze  ausgemessen  wird." 

Müllerstraße  Hannover,  München.  Ahd.  und  mhd.  herrschen 
noch  die  Formen  muUnäri,  inUlncure  vor. 

Munzergazza  Mainz  (a.  776,  codex  Lauresham.).  Das  Product 
statt  des  Producenten  in  Münzstraße  Magdeburg  und  an  andern 
Orten.  Könnte  mau  jenen  Angaben  im  Anfange  des  cod.  Laur.  unbe- 
denklich trauen,  so  enthielten  sie  den  bei  weitem  ältesten  der  hieher 
gehörigen  Straßennamen.    Lat.  monetarius,  ahd.  munizäri. 

Mützenwebergasse  Köln  (jetzt  wohl  nicht  mehr  gebräuchlich, 
a.   1276  prope  vicum  mitras  cousuentium,  s.  Ennen  III,  99). 

Nachrichter gässchen  Frankfiu't  a.  M.;  schon  m\\^.  nächrihter. 

Nadle rgasse  Breslau,  Weringerode.  Näthlergasse  Danzig. 
Nadlerstraße  Stuttgart.  Neidergasse  Köln  (a.  1247;  s.  Ennen  II, 
271;  in  dieser  Gasse  Hegt  ein  Haus  ,,ad  acum").  Die  „Neteler"  zu 
Lübeck  haben  ihre  Statuten  vom  Jahre  1356,  das  mhd.  Wörterbuch 
kennt  das  Gewerbe  noch  nicht. 

Nagelschmidgässchen  Wasserburg  am  luu.  Naglergasse 
Grätz,  Wien.    Beide  Ausdrücke  sind  erst  aus  nhd.  Zeit  belegt. 

Ol  Schläger  (im  Olschlägern)  Braunschweig.  Bis  jetzt  fehlt  uns 
noch  jede  Angabe,  seit  wann  dieses  Gewerbe  von  dem  Schlagen  des 
Öles  aus  Lein-  oder  Rübsamen  benannt  sei,  und  doch  kennt  es  die 
neue  Zeit  kaum  mehr. 

Pelzerstraße  Bremen,  Stettin.  Pilzer-  oder  Pelzerstraße 
Hamburg  (a.  1787^  urkundlich  platea  pelHcatorum,  pellificum).  Die 
Pelzer  in  Lübeck  kommen  schon  um  1400  vor. 

Permentergas  sc  Nürnberg  (früher).  In  Nürnberg  waren  die 
Pcrmeuter  schon  1433  zünftig,    in  Lübeck  haben  sie  sogar  1330  eine 


14  E.  t'ÖRSTEMANN 

und  zwar  lateinische  Zunftrolle,  worin  sie  pergamentarii  genannt  werden. 
Doch  kommen  sie  im  mhd.  Wb.  noch  nicht  vor,  wogegen  sie  bei 
iSchmeller  I,  294  erwähnt  werden. 

Platnergasse  Nürnberg  (früher),  Prag.  Plattnerstraße  Gör- 
litz. Mhd.  hlatencere  =  Verfertiger  von  Harnischplatten.  Dieses  Ge- 
werbe, für  das  man  auch  die  Wörter  Ilaubenschmiede  oder  Harnisch- 
maclier  brauchte,  hört  in  Nürnberg  sec.  17  auf.  In  Lübeck  erhielten 
die  platenslogliere  ein  Statut  um  1370,  Avährend  in  einem  anderen  von 
1433  zwischen  platenslegeren  und  harnschmakern  unterschieden  wird.  In 
der  Mitte  des  17.  Jahrhunderts  hat  das  Gewerk  dort  nicht  mehr  be- 
standen, doch  besoldete  nach  Wehrmann  der  Rath  noch  bis  zu  Ende 
des  vorigen  Jahrhunderts  einen  Harnischmacher  und  Plattenschläger, 
der  die  im  Zeughause  befindlichen  Harnische  in  Ordnung  zu  halten 
hatte,  außerdem  jedoch  befugt  war,  verschiedene  Schmiedearbeiten  zu 
verfertigen.  Übrigens  begegnet  das  Wort  harnascliCBre  auch  schon  im 
mhd.  Wb. 

Posamentiergässchen  Eisenach.  Weder  Posamentier  noch 
das  damit  synonyme  Borteuwürker  findet  sich,  bis  jetzt  wenigstens, 
im  Mhd. 

Rademachergang  Hamburg    (a.   1787).    Radraacherstraße 
Ülsen  (a.  1735).  Das  Statut  der  lübeckischen  Rademakere  datirt  von  1508; 
sonst  kann  ich  weder  die  Rademacher  noch  die  Stellmacher,  mit  denen 
sich  erstere  später  meistens  vereinigten,  aus  alter  Zeit  nachweisen. 
Rathsdienergasse  Wernigerode. 

Reiferbahn  Königsberg  (Nr.  17).  Reeperbahn  Hamburg. 
Röpergasse  Danzig.  Reep  schlägerbahn  Elbing.  Reiferschläger- 
straße  Stettin.  Es  sind  hier  Seiler  gemeint,  besonders  solche,  die 
Schiffstauwerk  verfertigen.  Das  Wort  ist  schon  alt;  vgl.  ahd.  reijäri 
tortor.  Im  Bremisch  -  Nieders.  Wb.  begegnet  Repelbalm  und  Reep- 
släger,  bei  Richey  im  Idiot.  Hamburg.  Reeperbahn  und  Reepsläger,  in 
den  Lübecker  Zunftrollen  schon  um  1390  Reper  vmd  Repsleger. 

Roth  gerbe  rbach  Köln.  Die  Rothgerber  machen  das  Leder  mit 
Lohe  gar,  wodurch  es  zunächst  röthlich  wird,  während  die  unten  er- 
wähnten Weißgerber  die  feineren  Arten  mit  Alaun  bearbeiten.  Nur  das 
letztere  Wort  kommt  im  mhd.  Wb.  vor. 

Rothschmidgasse  Nürnberg,  Die  Rothschmiede  gießen  in  Me- 
tall und  wandeln  auch  das  Ku])fer  zu  Messing  um ;  sie  waren  in  Nürn- 
berg einst  300  Personen  stark.  Mhd.  sind  sie  noch  nicht  nachgewiesen, 
wol  aber  kwpfersmit. 

Sackpfeifergasse    Mainz    (frtiher).     Sackpfeilen    werden    ver- 


STRASSENNAMEN  VON  GEWERBEN.  15 

schiedenartlge  Instrumente  genannt^  von  denen  eins  der  Dudelsack  ist. 
Schon  im  NarrenschifF  begegnet  sacphife. 

Sägerp latz  Hamburg  (a.  1758;  dort  sind  damals  Brettsägereien). 

Salzsender gasse  Wasserburg  am  Inn.  Nicht  etwa  verderbt 
für  Salzsieder,  sondern  die  Salzlader  oder  Salzsender  sind  die  Spedi- 
teure für  Salz ;  Näheres  darüber  Schmeller  III,  240. 

Saumergazze  Worms  (a.  1209;  vgl.  Baur  Hess.  Urk.  Bd.  II, 
Nr.  583).  Dieselbe  Straße  wird  geschrieben  Seimergazze  (a.  1283; 
ebds.  Nr.  369)  und  Seymirgasze  (a.  1321,  ebds.  Nr.  8G0).  Sourncere  sind 
nach  dem  mhd.  Wb.  Personen,  welche  Lastpferde  zur  Fracht  unterhalten  ; 
Schmeller  III,  247  erwähnt  die  Salzsäumer  bei  Traunstein,  welche  das 
Salz  im  Oberland  herumführen. 

Schäfer  gasse  Frankfurt  a.  M.  S  c  h  ä  f  e  r  d  a  m  m  Hannover. 
Schäferei  ist  ein  nicht  seltener  Straßenname. 

Schäffnergasse  Regensburg.  Ein  keineswegs  sicherer  Ausdruck. 
Erstens  kann  man  Entartung  aus  Schäftner  (Verfertiger  von  Speer- 
schäften?) annehmen,  zweitens  an  Schäffler  ^^-  Böttcher  denken,  welches 
Schmeller  III,  327  anfilhrt.  Lautlich  besser  passt  mhd.  schaffencere 
Schaffner,  doch  ist  das  Wort  für  einen  Straßennamen  vielleicht  Avenie-er 
natürlich. 

Scharfrichtergasse  Thorn. 

Schorlachirgaz  ze  Köln  (a.  1214,  s.  Ennen  II,  .55),  heißt  a. 
1234  Schorlachergazze  (ebds.  II,  147).  Mir  ist  das  Wort  noch  nirgends 
begegnet;  es  wird  wohl  dabei  an  Scharlachfärber  zu  denken  sein. 

Scharma  eher  gasse  Danzig.  Ist  dabei  an  Verfertiger  von  Pflug- 
scharen zu  denken?  oder  von  Schirmen?  schwerlich  an  die  Scharwache. 

Schaufler  gasse  Wien.  Das  müssen  Verfertiger  von  Schaufeln 
sein;  das  Wort  fehlt  bei  Loritza  Idioticon  Viennense. 

Scher  ergasse  Nürnberg  (früher,  das  jetzige  Rathhausgässlein,  in 
diesem  Falle  entschieden  von  den  Tuchscherern  benannt),  Regensburg. 
Mhd.  kommt  schon  schercere  für  Barbier  vor. 

Schergengässchen  Salzburg  (a.  1794,  darin  lag  damals  noch 
die  Wohnung  der  Gerichtsdiener).    Ahd.  scario  mhd.  scherje. 

Schifferstraße  Frankfurt  a.  M.    Schifferbrücke  Halle. 

Schildergasse  Köln.  Diese  Straße  heißta.  1231  Schildirgazze 
(s.  Ennen II,  131),  in  demselben  Jahre  platea  clippeatorum  (ebds.  II, 
130),  a.  1293  clipeorum  platea  (ebds.  III,  375).  Schildergazze 
Frankfurt  a.  M.  (sec.  14).  Schilderstraße  Magdeburg.  Schilder- 
schlippe Magdeburg  (früher).  Ahd.  sciltarl,  mhd.  schiltcere  bezeichnet 
den  Verfertiger  von  Schildern,  letzteres  auch  schon  in  abgeleiteter  Be- 


16  E.  FÖRSTEMANN 

deutung  den  Wappenmaler.  Eine  ganz  andere  nicht  liieher  treffende 
Erklärung  von  Schilderer  s.  bei  Schmeller  III,  353. 

Schindergasse  Reichenhall  (früher),  Seligenstadt  (fiüher,  ur- 
kundlich platea  carnificura). 

Schiächte  rgasse  Hamburg  (urkundlich  platea  lanionum). 
Schlachtergasse  Altona  (a.  1747,  s.  Schmid  Beschr.  von  Altona), 
Schlachterstraße  Glückstadt.     Schon  ahd.  slahtäri,   mhd.  slahtcere. 

Schlägerstraße  Hannover.  Sind  das  Goldschläger?  Olschläger? 
Bei  Sanders  begegnet  auch  Blechschläger  für  Klempner. 

Schlei  fergässchen  Augsburg.  Die  Scherenschleifer  und  Schwert- 
schleifer bildeten  dasselbe  Handwerk. 

Schlossergasse  Meißen.  Schlossergässchen  Salzburg  (darin 
werden  noch  a.  1794  Schlosserwerkstätten  erwähnt). 

Schlot  fege  rgasse  Nürnberg.  Schlotfeger  aus  Würzburg  er- 
wähnt Schmeller  HI,  461.  Im  Mhd.  scheint  die  Zusammensetzung  noch 
nicht  vorzukommen. 

Schmelzergasse  Eisenach;  hier  wohnten  früher  die  Schmelzer, 
die  das  Schmalz  ausschmelzten  und  verkauften ;  Schmälzer  =  Schmalz- 
händler bei  Schmeller  HI,  471.  Aus  älterer  Zeit  ist  das  Wort  nicht 
bekannt. 

Schmied egasse,  Schmidgasse  Altona  (a.  1747,  s.  Schmid  Beschr^ 
V.  Altona),  Augsburg,  Baireuth,  Bingen,  Danzig,  Frankfurt  a.  O.,  Frei- 
berg, Jena,  Lößnitz  im  Erzgebirge  (finiher),  Passau,  Wien.  Schmiede- 
straße Bremen,  Elbing,  Hamburg  (urkundlich  platea  fabrorum),  Han- 
nover, Ülsen  (a.  1735),  Wolgast.  Schmiedebrücke  Breslau,  Königs- 
berg. Hierher  gehört  auch  vielleicht  durch  ein  merkwüi'diges  Missver- 
ständniss  Fabrorum  seu  Fargazze  Frankfurt  a.  M.  (sec.  14,  jetzt 
Fahrgasse). 

Schneid  erb  er  g  Hannover.  Ich  glaube  nicht,  daß  der  Name 
hierher  gehört,  sondern  daß  im  ersten  Theile  viel  eher  ein  Gen.  Sing, 
als  Plur.  liegt,  zumal  da  sich  die  Ortlichkeit  ganz  außerhalb  der  Stadt, 
rechts  vom  Wege  nach  Herrenhausen,  noch  hinter  Montbrillaut  befindet. 

Schornsteinfe'gergasse  Celle. 

Schreiberbrücke  Hamburg  (früher,  urkundlich  pons  scriptorum). 

Schrot  er  gas  sehen  Leipzig.  Schroter,  Schröter  sind  zunächst 
Schneider  (so  z.  B.  bei  Schmeller  III,  521,  Zuschroter  ebds.  III,  522, 
Schröder  im  Brcm.-Nieders.  Wb.,  Zunftrolle  der  Scrodere  zu  Lübeck 
um  1370,  mhd.  schrdf(rre).  Doch  gibt  es  auch  in  älterer  Zeit  Münz- 
schröter, welche  die  Bleche  zu  Münzen  schneiden,  und  Frisch  erwähnt 
Schalenschröter,  welche  Mcsscrschalcn  verfertigen.   Ferner  ab  von  dem 


STRAS.SENNAMP^N  VON  GEWK1?BEN.  17 

alten  Sinne  seeare  liegt  ein  anderer  von  volverc  luid  dazu  gehören  die 
Wein-  und  Biersehröter;  es  gehört  nicht  hieher  zu  untersuchen,  ob 
wirklich,  wie  man  anzunehmen  pflegt,  beide  Bedeutungen  sich  vermit- 
teln lassen  oder  ganz  verschiedene  Verba  vorliegen. 

S  c  h  u  h  m  a  c  h  e  r  g  a  s  s  e  Elbing  (früher),  Leipzig.  S  c  h  u  s  t  e  r  g  a  s  s  e 
Passau,  Plauen  im  Voigtlande,  Speier  (früher  daselbst  auch  ein  Schuster- 
thurm).  Schusterstraße  Berlin  (a.  1737,  s.  Müller  und  Küster  Altes 
und  neues  Berlin),  Thorn,  Wolgast.  Schustermauer  Wernigerode. 
Inter  calciatores  Köln  (a.  1285;  s.  Ennen  111,222).  Schuhgasse 
Braunschweig,  Nordhausen  u.  s.  w.  Schuhstraße  Celle,  Gartz  an 
der  Oder,  Hannover,  Ülsen  (a.  1735).  S  c  h  u  h  b  r  ü  c  k  e  Breslau, 
Magdeburg. 

Seh wertfegerstraße  Magdeburg.  Schwertfegergässchen 
Frankfurt  a.  M.  Inter  gladiatores  Köln  (a.  1232;  s.  Ennen  II,  136). 
Ihre  Zunftrolle  zu  Lübeck  datirt  von  1473,  doch  sollen  sie  schon  an- 
derswo um  1285  eine  Zunft  bilden.     Im  mhd.  Wb.   schon  swertvcffmre. 

Seiler  gas  s  e  Mainz.  Seilerstraße  Frankfurt  a.  M.,  Hannover. 
Seilerstätte  Passau,  Wien.    Mhd.  seümre. 

Selbingerstraße  Hildesheim.  Wird  in  localen  Hildesheimer 
Quellen  durch  Seilbinderstraße  erklärt,  was  sich  dadurch  bestätigt,  daß 
auch  in  Hannover  eine  Seilwind  erst  raße  vorkommt. 

Siebmachergäs sehen  Frankfurt  a.  M.  Siebergasse  Bautzen. 

Speermacher,  unter  — .  So  verdeutscht  Ennen  die  zu  Kölu 
a.  1234,  1262  und  1276  begegnende  Bezeichnung  inter  hastarios 
(Ennen  II,  156,  446;  III,  109).  Ob  die  Spiesergasse  in  Köln  die- 
selbe Straße  ist,  weiß  ich  nicht.  Wie  mögen  die  hastarii  sec.  13  ge- 
lautet haben?  das  mhd.  Wb.  kennt  noch  keinen  Ausdruck  dafür. 

Spenglergasse  Mainz  (früher),  Wien.  Spenglergässchen 
Augsburg.  Spengler  sind  Klempner,  s.  Schmeller  III,  572.  Auch  das 
mhd.  Wb.  verzeichnet  spengelwre. 

Spiegle rgasse  Nürnberg    (früher).    Splegeloere   s.  im  mhd.  Wb. 

Sporergasse  Dresden,  Oschatz  (geschrieben  finde  ich  Spohr- 
gasse).  Sporergässchen  Leipzig.  Spurergasze  Worms  (a.  1.323; 
vgl.  Baur  Hess.  Urk.  Bd.  II,  Nr.  891).  Spornergasse  Prag.  Sporn- 
machergasse Frankfurt  a.  0.  Mhd.  sporcere. 

Stadtknech  tsgäss  chen  Nürnberg. 

Stadtpfeifergässchen  Leipzig,  Radeberg  bei  "Dresden. 

Stallschreibergasse  Berlin. 

Stecher  gas  sc    Braunsclnveig.     Sind    damit    Kupferstecher    ge- 

GERUANIA.  Neue  Reihe  11.  (XIV,)  .Talirg.  2 


18  E.  FÖRSTEMANN 

meint?    oder  Petschaftstecher?    Stecher  bleibt  auch  bei  Schmeller  III, 
608  dunkel,  eben  so  wenig  bietet  das  mhd.  stechcere  Auskunft. 

Stempfergasse  Grätz.  In  den  technologischen  Quellen  finde 
ich  Stempfer  nur  als  solche  erwähnt,  die  Papier  planieren.  Ist  daran 
hier  zu  denken?  Mhd.  stempfe  ist  mit  unserm  stempeln  synonym. 

Sterczirgasze  Worms  (a.  1321;  Baur  Hess.  Urk.  Bd.  II,  Nr. 867). 
Sterzerg asse  Iglau  (soll  schon  sec.  15  vorkommen,  s.  Elvert  Gesch. 
V.  Iglau  S.  452).  Das  mhd.  Wb.  hat  sterzcere  „der  müßig  umhergeht, 
Vagabund".  Bekannt  ist  auch  das  Scheltwort  Landstörzer.  Ist  bei  jenen 
Straßennamen  etwa  an  Arbeitsleute,  Eckensteher,  Dienstmänner  u.  dgl. 
zu  denken? 

Strohschnittergäs sehen  Frankfurt  a.  M.  Was  diese  Stroh- 
sehnitter  eigentlich  wirken  oder  bezAvecken,  darüber  ließe  sich  Ver- 
schiedenes miithmaßen. 

(Stuhlmacher?)  Ennen  II,  115  führt  aus  dem  Jahre  1227  eine 
Kölner  Straße  inter  sellatores  an,  die  Hds.  liest  aber  Solatores. 
Stuhlmacher  heißen  sonst  sellarii.  Vielleicht  sind  Sattler  gemeint; 
vgl.  mhd.  satler  sellator. 

Tagnetergasse  Danzig.  Tagneter  aus  Danzig  führt  auch  Klein 
Deutsches  Provinzialwörterbuch  an;  bei  Bernd,  Die  deutsche  Sprache 
in  Posen,  fehlt  das  Wort.  Wir  haben  hier  das  polnische  tandet,  tan- 
deta  Trödelmarkt,  tandeciarz,  tandetnik  Trödler. 

T  a  s  c  h  n  e  r  g  ä  s  s  1  e  i  n  Nürnberg  (früher) .  Der  Taschner,  sjmonym 
mit  Riemer  und  Sattler,  macht  Koffer,  Ledertaschen  u.  s.  w.  Aus  mhd. 
Zeit  ist  das  Wort  noch  ^^nbekannt. 

Tischlergasse  Danzig.  Tischlerbrücke  Magdeburg.  Die 
ältere  Sprache  kennt  nur  das  organischere  tischer. 

T  0  d  t  e  n  g  r  ä  b  e  r  th  u  r  m  Speier  (fmher).  Wie  alt  mag  das  Wort  sein  ?y 

Töpfergasse' Bautzen,  Breslau,  Colditz  in  Sachsen,  Danzig 
Dresden,  Eilenburg,  Elbing,  Jüterbock,  Kalau,  Leisnig  in  Sachsen, 
Zwickau.  Töpferstraße  Neustrelitz.  Töpfer  markt  Mühlhausen  in 
Thüringen.  Töpferpforte  Gartz  an  der  Oder.  Töpferthor,  im 
Töpfern  Nordhausen  (a.  1310  valva  lutifigulorum).  Dem  letzten  Bei- 
spiele nach  scheint  der  Ausdruck  schon  alt  zu  sein,  obgleich  ihn  das 
mhd.  Wb.  noch  nicht  kennt.  , 

Trabanten  gas  sc  Dresden. 

Trägerstraße  Demmin.  Mhd.  tragcere. 

Tuchmachergasse  Bautzen,  Königsberg  (sec.  17),  Thom. 
Tuchmach  er  Straße  Calbe  an  der  Saale  (a.  1720,  s.  Hävecker 
Chronik  v.  Calbe),  Frankfurt  a.  0.  Mhd.  gilt  hiefür  das  jetzt  verschol- 
lene füechler. 


STRASSENNAMEN  VON  GEWERBEN.  19 

Ulregasse  und  -gazze  Köln  (a.  1230,  1283;  s.  Ennen  11^  125; 
III,  205  f.).  Ulreporze,  Ulerportze  Köln  (a.  1276,  1296  Enuen 
III,  118,  411).  Schon  ahd.  üla  Topf,  lat.  olla.  Sowohl  GrafF  I,  234 
als  auch  Fulda  Teutsclie  Idiotikensammlung  führen,  aber  ohne  Angabe 
der  Stadt,  eine  Ulengasse  =  Töpfergasse,  Häfnergasse  an,  die  von  den 
Ulnern  benannt  sei. 

Wächterstraße  Demmin. 

Wagner  gasse  Arnstadt,  Brieg,  Jena,  Weimar.  Wagner  st  raße 
Stuttgart.    Schon  mhd.  loagener. 

Wämstlergässchen  Augsburg.  Man  sollte  zunächst  an  mhd. 
wambiser  Verfertiger  von  Wämmsen  denken,  kommt  aber  auf  andere 
Gedanken,  wenn  man  bei  Birlinger,  Schwäb.-Augsburgisches  Wb.  liest: 
'Wämstier  oder  Kuttler,  die  das  Eingeweide  des  geschlachteten  Viehes 
reinigen  oder  verkaufen.  In  der  Augsburger  Metzgerordnung  von  1549: 
item  ein  Schafmagen  oder  Wambst.' 

Wandbereiterbrook  Hamburg  (a.  1787,  früher  in  Urkunden 
palus  praeparatorum  pannorum).  Gewiß  vom  Krumpen,  Krumpfen  des 
Tuches  benannt. 

Waytmengere  et  Waytsnidere  (inter  W-  et  W-)  Köln 
a.  1255  (s.  Ennen  II,  354).  Zwei  durch  ihre  Dunkelheit  anziehende 
Ausdrücke.  An  den  später  durch  den  Indigo  verdrängten  Waid  der 
Färber  darf  man  nicht  denken  ;  ich  finde  unter  den  Manipulationen, 
die  damit  vorgenommen  werden,  weder  ein  Mengen  noch  ein  Schneiden. 
Sollte  statt  Wayd-  Wand-  zu  lesen  sein  *) ,  dann  hätten  w^ir  in  dem 
zweiten  Worte  die  bekannten  Gewandschneider ;  was  aber  das  erste 
anbetrifft,  so  liegt  hier  gewiß  das  mhd.  mangcere  Händler  vor,  welches 
man  mit  mehreren  Zusammensetzungen  im  Wb.  nachsehe.  Ich  füge  dazu 
noch  die  in  Lübeck  erwähnten  Stalmenger,  die  in  Gera  und  Greiz  einst 
vorhandenen  Fischmenger,  das  engl,  ironmonger,  fishmonger;  vgl.  Wehr- 
mann Lübeckische  Zunftrollen  S.  520;  dsgl.  Kuhn  Zeitschs.  18,  159. 

Webergasse  Chemnitz,  Heiligenstadt,  Iglau  (schon  sec.  15  pla- 
tea  textorum),  Meissen,  Mühlhausen  in  Thüringen,  Oschatz  (diese  Straße 
ist  1346  angelegt),  Speier,  Werdau  in  Sachsen,  Zwickau.  Weuirgazze 
Köln  (a.  1214;  s.  Ennen  II,  55;  sie  heißt  um  1250  platea  textorum, 
ebds.  II,  404).  Textorum  vicus  Frankfurt  a.  M.  (sec.  14,  kommt 
später  als  Webergasse  vor).  Weberstraße  Braunschweig,  Köln,  Ilan 


*)  Ist  wohl  nicht  nöthig.  In  der  Kölner  Mundart  hat  ay  =: ä  nichts  aufnilligcs  und 
das  erste  Wort  ist  dann  wdt.  Watraanger  aber  kennt  bereits  Schnieller  u.  z.  eben- 
falls als  Straßennamen  (Bair.  Wb.  II,  599).  Strobl. 

2* 


20  E.  FÖRSTEMAXN 

nover  ffriilier  Neuegasse),  Nordhausen.  Web  er  brücke  Mitweida  in 
Sachsen.  Manche  dieser  Straßen  mögen  bei  dem  vielfaltigen  Einwandern 
niederländischer  Wollen-  und  Leinweber  benannt  worden  sein,  in  Sachsen 
namentlich  sec.  14. 

Weiunieisterstraße  Berlin  (schon  a.  1737,  s.  Müller  n.  Küster 
Altes  und  neues  Berlin). 

Weißgerbergasse  Breslau, Mainz.  Wissgerwergazze Frank- 
furt a.  M.  (sec.  14).  Weissgerberstraße  Magdeburg,  Nürnberg. 
Weissgerbereckgasse  Köln.  Weißgerberhauptstraße  Wien. 
Mhd.  schon  n-izgerwer. 

Woll  webergasse  Danzig,  Hildesheim,  Salzwedel,  Stettin.  Woll- 
weber Straße  Demmin,  Elbing,  Friedland  in  Mecklenburg,  Grartz  an 
der  Oder.  In  Lübeck,  dem  Schauplatze  von  Jürgen  WuUenwevers  Thä- 
tigkeit ,  haben  die  Wullenwever  eine  Zunftrolle  von  1477.  Vgl.  mhd. 
ivollenslaher  lanifex. 

Zeltnergasse  Prag.  Hier  kann  man  zweifeln,  ob  an  Leute  zu 
denken  ist,  welche  Zelte  herrichteten.  Eher  möchte  ich  das  flache  Back- 
werk herbeiziehen,  welches  schon  im  Ahd.  und  Mhd.  als  zelto^  zelte  und 
in  Süddeutschland  noch  bis  auf  den  heutigen  Tag  bekannt  ist  (s.  z.  B. 
Schmeller  IV,  257).  In  jener  Straße  werden  also  Lebzeltner  oder  Leb- 
küchner  gewohnt  haben ,  die  vielleicht  schon  im  Mittelalter  lehzelten, 
phanzelien  oder  pheff er  zelten  (s.  mhd.  Wb.),  später  auch  Olzelten,  Huzel- 
zelten,  Leinsatzelten  verkauften. 

Zirkelschmieds gasse  Nürnberg. 

Bevor  ich  das  hier  gesammelte  Material  noch  einmal  rasch  über- 
blicke ,  will  ich  noch  eine  sprachliche  Bemerkung  einschieben.  Wir 
sehen,  namentlich  aus  den  alten  lateinischen  Straßennamen,  daß  neben 
den  gewöhnlichen  Zusammensetzungen  mit  -gasse,  -straße  u.  s.  w.  eine 
gewiß  früher  viel  gebräuchlichere  Bezeichnungsweise  üblich  gewesen  ist, 
nach  welcher  die  Straßen  mit  dem  Plural  der  Ge werbtreibenden  und 
vorgesetzter  Präposition  benannt  wurden.  Die  dazu  verwandten  Präpo- 
sitionen sind  in  und  unter  (auch  hat  man  zuweilen  hinter  gebraucht; 
der  nicht  in  diesen  Aufsatz  gehörige  Name  hinter  den  Predigern  ist  gar 
nicht  selten).  Das  unter  kann  ich  bis  jetzt  nur  aus  Köln  nachweisen, 
dort  aber  muß  diese  Bildung,  den  lateinischen  Namen  nach  zu  schließen, 
sehr  beliebt  gewesen  sein.  Nun  ist  aber  das  Merkwürdige  ,  daß  die 
heutigen  Stadtpläne  so  wie  sonstige  Documente  diese  Namen  in  der 
Form  „unter  Gewandschneider,  unter  Goldschmid,  unter  Speermacher" 
darbieten ,  was  wenigstens  zeigt ,  daß  die  Phrt-alqualität  dieser  Bil- 
duti^en    aus   dt-ni   Volksbewusstsein  geschwunden  ist;    ich   wei'^.\    nicht 


STKASSEXNAMEN  VON  GEWEKIVEN.  21 

genauer  anzugeben ,  wie  das  Kölner  Volk  jetzt  damit  syntaktisch 
verfährt.  —  Ein  noch  auffallenderes  und  an  die  versteinerten  Dative 
Pluralis  in  den  bekannten  Ländernamen  erinnerndes  Verschieben  der 
Bedeutung  hat  bei  den  Namen  mit  in  stattgefunden.  In  Nordhauseu 
sagte  man  jedenfalls  ursprünglich  in  den  Krämern,  in  den  Töpfeini. 
Erstens  nun  sprach  die  Thüringer  Mundart  hiefür  in'n,  zweitens  über- 
setzte die  schriftgerechte  Sprache  dieses  in'n  in  ein  im  (weil  um- 
gekehrt schriftdeutsches  im  wohl  um  den  ganzen  Harz  herum  beim 
Volke  in  lautet)  und  endlich  sah  man  dieses  im  ganz  falsch  als 
einen  Dat.  Sing,  eines  Masc.  an;  so  sagt  man  in  Nordhausen  jetzt  im 
Töpfern,  im  Krämern  und  nennt  die  Stral.^e  der  Töpfern,  der  Krämern. 
Wohl  eben  so  wird  es,  obwohl  ich  hier  nicht  als  Ohrenzeuge  urtheilen 
kann,  mit  den  braunschweigischen  Namen  im  Olschlägem,  Hutfiltern 
sich  verhalten.  Wenn  in  Halle  eine  Straße  die  Kleinschmieden  heißt,  so 
geht  offenbar  ein  älteres  in  den  Kleinschmieden  hi  parvifabris  vorher ; 
das  Volk  aber  sieht  den  Dat.  Plur.  der  Gewerbtreibenden  falsch  für 
den  Nom.  Plur.  ihrer  Werkstätte  an ;  das  sind  alles  Beweise  vom  zu- 
nehmenden Mangel  an  Formenbewusstsein. 

Es  folge  jetzt  eine  kurze  Übersicht  sämmtlicher  in  den  oben  ge- 
nannten Namen  vertretener  Gewerbe  nach  ihren  Kategorien,  damit  man 
die  neben  einander  vorkommenden  Synonymen,  ferner  aber  auch  das 
in  den  Namen  bis  jetzt  noch  gänzlich  Fehlende  ,  jedenfalls  also  sehr 
Seltene  erkenne. 

Die  Nahrungsgewerbe  mögen  beginnen,  geordnet  nach  Thier-, 
Pflanzen-  und  Mineralreich.  Hirten  und  Schäfer  bilden  gewissermaßen 
die  Einleitung  zm*  ersten  Gruppe ;  dann  folgen  wie  es  scheint  ohne 
Unterschied  der  Bedeutung  die  Fleischer,  Fleischhacker,  Fleischhauer, 
Knochenhauer ,  Schlächter  ,  Metzeier ,  Metzger.  Reichere  Sammlungen 
werden  hier  den  Gebrauch  im  Einzelnen  noch  näher  begrenzen ;  Flei- 
scher erscheint  auch  in  den  Straßennamen  als  das  allgemeinste  Wort, 
Fleischhacker  und  Fleischhauer  sehr  selten ,  Knochenhauer  häufig  in 
Niedersachsen,  doch  auch  bis  Thüringen  reichend,  Schlächter  bis  jetzt 
niu*  in  drei  holsteinischen  Städten  (obwohl  man  das  Wort  sonst  in  viel 
weiteren  Landstrichen  kennt),  Metzeier  und  Metzger  nur  im  westlichen 
Deutschland.  Daran  schließen  sich  die  seltenen,  wohl  mu'  süddeutschen 
Wämstier  und  die  eben  so  seltenen  Schmelzer.  Von  Geflügel  keine 
Spur,  dagegen  sind  die  Fischer  sehr  reichhch  in  Nord  und  Süd  ver- 
treten, während  jetzt  das  Fischessen  bekanntlich  sehr  in  den  Hinter- 
grund tritt.  Bei  den  vegetabilischen  Nahrungsmitteln  ist  für  den  eigent- 
lichen Ackersmann    in    den  Straßennamen   kein  Platz ,    wohl   aber    für 


22  E.  FÖRSTEMANN 

den  allfj^cmein  deutschen,  in  den  Städten  aber  nicht  häufigen  Gärtner, 
der  sich  zur  folgenden  Gruppe  verhält  wie  der  Hirt  zur  vorigen.  Es 
folgt  der  Müller  (selten  in  Straßennamen),  der  Grüttemacher  oder  Griltz- 
ner,  der  Bäcker  und  endlich  als  Vorläufer  der  jetzigen  Conditoren  der 
Zeltner.  Das  Getränk  ist  vertreten  durch  Brauer,  Brauerknecht  und 
das  seltene  Mälzer;  ohne  das  ehemals  übliche  häusliche  Brauen  wtirde 
diese  Klasse  reicher  sein.  Dann  folgt  der  Brenner  (merkwürdig  selten) 
und  endlich  der  Ekemäker.  Von  mineralischer  Nahrung  sehen  wir  nur 
eine  Spur  in  den  Salzseudern,  die  eben  so  gut  unten  bei  den  Schiffern 
erwähnt  werden  könnten.  Verkäufer  von  Nahrungsmitteln  erscheinen 
in  den  nur  norddeutschen  Häkern  und  in  den  wohl  gemeindeutschen 
Krämern ;  mit  den  Köchen  schließt  diese  Klasse. 

Nun  zu  den  Bekleidungsgewerben.  Voran  stelle  ich  die  Ver- 
fertiger von  linnenen  oder  wollenen  Stoffen,  die  überaus  häufigen  Weber 
(Spinner  gibt  es  nicht  in  den  Namen)  nebst  ihren  Unterarten,  den  Leine- 
w^ebern,  den  echt  norddeutschen  Wollenwebern  und  den  Mützenwebem, 
die  norddeutschen  Caffamacher  und  Lakemacher,  die  süddeutschen  Loder 
und  die  verbreiteteren  Tuchmacher  nebst  den  Wandbereitern  und  Sche- 
rern, femer  die  Gewandschneider,  wozu  vielleicht  auch  die  Bandschneider 
gehören ;  noch  zweifelhafter  sind  die  Waytmenger  und  Waytsnider. 
Aus  ihren  Händen  kommen  die  Stoffe  zu  den  Färbern  (die  unsere  Sprache 
streng  von  den  Malern  scheidet),  als  deren  Unterabtheilung  die  Schar- 
lacher aufzutreten  scheinen.  Aus  dem  Stoffe  wird  dann  das  Kleidungs- 
stück angefertigt  durch  Schneider,  sicherer  in  den  Namen  begegnen  die 
Schröter,  neben  ihnen  selten  Hosennäher  und  Mäntler.  Filzhüte  erschei- 
nen als  Erzeugniss  der  Filzer  oder  Hutfilzer,  mit  denen  auch  wohl  die 
Klopper  in  naher  Beziehung  stehen.  Auch  die  Posamentiere  treten  auf 
fiir  Schmuck  manigfacher  Art.  Die  Lederbereitung  sei  hier  erwähnt, 
obgleich  sie  auch  imten  zur  Anfertigung  von  Geräthen  hingehört.  Sie 
ist  ganz  überraschend  reich  vertreten  durch  die  Gerber,  Lederer,  die 
Süd-  und  westdeutschen  Löher,  Rothgerber,  Weißgerber  und  die  süd- 
deutschen L-cher;  daran  schheßen  sich  die  seltenen  Corduaner  und  die 
schon  halb  zu  den  Kaufleuten  gehörenden  Ledersclmeider.  Das  alles 
arbeitet  in  die  Hände  der  unendlich  oft  zu  belegenden  Schuhmacher 
oder  Schuster,  unter  denen  die  Altbüßer,  die  ganz  vereinzelt  vorkom- 
menden Korkenmacher,  vielleicht  auch  besondere  Verfertiger  von  Kin- 
derschuhen stehen ;  endlich  sind  hier  die  Beutler  anzuführen.  Nicht 
allzuhäufig  scheinen  Pelzer  und  Kürschner  zusammengewohnt  zu  haben, 
deren  Straßen  bis  jetzt  nm*  in  Norddeutschland  nachgewiesen  werden 
können.  An  das  Waschen  der  Kleidung  erinnern  nur  ganz  seltene  Na- 


STRASSENNAMEN  VON  GEWERBEN.  23 

men,  zunächst  die  Bleicher,  dann  die  Amidamraacher  in  Hamburg,  die 
Laucher  in  Eisenach  und  mögUch«rweise  die  unsicheren  Asch^ebbr  in 
Stettin. 

Was  ziu'  Wohnung  gehört,  ist  auffiillend  dürftig  vertreten.  Die 
wichtigsten  Baugewerbe ,  die  der  Maurer  und  Ziraiuei-leute  ,  so  alt  sie 
auch  sind,  lassen  doch  keine  Spur  zurück  in  den  Straßennamen  ;  sie 
müssen  stets  mehr  in  vereinzelten  Wohnungen  sich  angesiedelt  haben. 
Ich  erwähne  hier  die  Säger,  welche  die  Bretter  für  den  Zimmermann 
vorrichteten,  allenfalls  auch  die  Maler,  beide  sehr  selten.  Die  Schlosser 
führe  ich  imten  an ,  Glasergassen  gibt  es  gar  nicht.  In  der  fertigen 
Wohnung  walten  die  Schornsteinfeger  und  Schlotfeger  (weder  Essen- 
kehrer noch  die  Dresdnischen  Feuerrüpel) ;  für  die  Beleuchtung  sorgen 
schließlich  die  Olschläger. 

Die  Verfertiger  verschiedener  Geräthe  bilden  eine  sehr  große 
Klasse.  Hier  möchte  man  an  die  Spitze  das  ehrwürdigste  aller  deutschen 
Gewerbe  stellen,  das  noch  lange  nicht  stolz  genug  auf  seinen  mythischen 
Ursprung  ist,  das  der  Schmiede.  Sie  haben  ihre  Spuren  sehr  häufig  in 
den  Straßennamen  zurückgelassen,  daneben  kommen  vor  die  zusammen- 
gesetzten Rothschmiede,  Kupferschmiede,  Ankei'schmiede,  Nagelschmiede 
und  Messerschmiede  (Brückenschmiede  hat  es  wohl  nicht  gegeben); 
femer  die  vornehmeren  Goldschmiede  und  die  tiefer  stehenden  Kettel- 
böter;  zweifelhaft  ist,  ob  sich  hieran  die  Scharmacher  anschließen.  Mit 
dem  Gusse  von  Metallgeräth  beschäftigen  sich  Erzgießer,  Kannengießer, 
Grapengießer,  auch  Glockner  ;  die  feinste  Metallarbeit  liefern  Nadler 
und  Drathzieher.  Den  Schmieden  nahe  stehen  die  Beckenwerker,  Beck- 
macher oder  Beckschlager,  deren  geographische  Verbreitungssphäre  im 
Einzelnen  noch  nicht  mit  Bestimmtheit  angegeben  werden  kann;  end- 
lich schließen  sich  hieran  höchst  wahrscheinlich  die  bis  jetzt  nur  in 
westdeutschen  Straßen  nachgewiesenen  Becherer.  Kleinschmiede  oder 
Schlosser  sind  Bezeichnungen  desselben  Gewerbes ,  jene  mehr  nord- 
deutsch, diese  wohl  mehr  im  Süden  vertreten.  Klampferer,  Klempner 
und  Spengler  (letztere  wohl  nur  süddeutsch)  stehen  eben  so  neben 
einander ,  ferner  die  Siebmacher ,  die  Schleifer ,  endlich  die  Schläger, 
wenn  darunter  Blechschläger  zu  verstehen  sind. 

Vom  Metallgeräth  gehen  wir  zum  hölzernen  über.  Tischler  kommen 
in  diesen  Namen  nur  selten  vor,  ganz  zweifelhaft  sind  die  Stuhlmacher. 
Wagener  und  Rademacher  finden  sich,  Stellmacher  noch  nicht.  Neben 
einander  stehen  Binder ,  Böttger ,  Büttner  und  Küfer ,  jeder  Ausdruck 
wohl  in  gewissen  Landstrichen  üblich,  die  aber  noch  nicht  bestimmbar 
sind.    Eimermacher,    Korbmacher  und  Körb  :    liefern  andere  Gefäße, 


24  E.  FüRSTEMANN 

die  Strohsclmittev  vielleicht  Stroh  zu  ähnlichem  Flechtwerk.  An  ganz 
specielles  Gerüth  erinnern  die  Schaufler,  während  die  Dreher  in  der 
Bedeutung  zwischen  Drechslern  von  Holzgefaßen  und  den  Bemstein- 
drehern  schwanken  (letztere  werden  auch  Paternostermaker  genannt, 
kommen  aber  in  dieser  Bildung  nicht  in  den  Straßennamen  vor).  Mit 
Seilen  und  Tauen  haben  zu  thun  die  Seilbinder,  die  Seiler,  die  süd- 
deutschen Henfer  und  die  entschieden  norddeutschen  Reeper  oder  Reep- 
schläger. Irdenes  Geräth  liefern  wohl  durch  ganz  Deutschland  die  häu- 
figen Töpfer ,  während  der  Ausdruck  Hafner  mehr  dem  Süden  ange- 
hört, eine  Ulergasse  aber  speciell  kölnisch  zu  sein  scheiut.  Die  Taschner 
mögen  mehr  süddeutsch  sein ;  sie  stehen  den  oben  erwähnten  Beutlern 
nahe.  An  Schmuck  erinnern  die  Spiegier ,  vielleicht  auch  die  wie  es 
scheint  undeutsehen  Gräbschner.  Am  Schluße  des  Geräths  mögen  die 
Münzer  ihre  Stelle  finden,  desgleichen  als  Händler  mit  allerhand  Geräth 
(auch  mit  Kleidern)  die  polnischen  Tagneter. 

Auch  die  Verfertiger  von  Waffen  treten  uns  recht  mittelalterlich 
entgegen  in  den  Speermachern,  den  Schwertfegern  und  Klingem  so  wie 
den  Bognern,  ferner  in  den  Platnern  und  in  den  Schilderem,  die  gar 
nicht  selten  vorkommen;  auch  die  Sporer  mögen  sich  hier  anschließen. 
Selbst  in  das  Gebiet  der  Kunst  spielen  diese  Straßennamen  hinüber 
durch  die  Schreiber,  die  Permenter  und  vielleicht  die  Stempfer.  An  die 
zeichnenden  Künste  erinnern  die  Zirkelschmiede ,  vielleicht  auch  die 
Stecher ,   an  die  Musik  nur  Stadtpfeifer  und  Sac  kpfeifer. 

Die  Classe  von  Leuten,  welche  zwischen  dem  Handwerk  und  der 
ärztlichen  Wissenschaft  mitten  inne  stehen ,  finden  wir  wieder  in  den 
überaus  häufigen  Badern,  wofür  in  Norddeutsehland  zuweilen  Badstüber 
gilt,  in  den  Hebammen  und  Apothekern. 

Zur  Beförderung  der  Waaren  dient  der  Fuhrmann ,  Kutscher, 
KaiTenftihrer  und  Säumer ,  letzterer  nur  aus  dem  Süden  nachweisbar, 
ferner  der  Träger  und  Kornträger,  minder  sicher  der  Schaffner,  Gröper, 
Gräupner  und  Stertzer. 

Schiffer  und  Bootsmann  führen  uns  zum  Seewesen  hinüber. 
Unter  den  niederen  B  e  a  m  t  e  n,  deren  Spuren  ich  mit  verfolgt  habe, 
sind  ganz  vereinzelt  der  Todtengräber,  der  Heidereuter,  Stallschreiber 
und  Weinmeister,  letztere  drei  nur  aus  Berlin  nachzuweisen,  dann  aber 
vor  allem  die  Wächter  der  öffentlichen  Ordnimg,  die  Diener  und  Raths- 
diener,  die  Stadtknechte,  die  Wächter  und  Trabanten,  die  Büttel,  Hä- 
scher und  Schergen.  Ihnen  reihen  sich  als  würdiger  Schluß  die  Schinder, 
Scharfrichter  und  Nachrichter  an.  Ich  erinnere  hiebei  daran,  daß  es  in 


STRASSENNAMEN  VON  GEWERBEN.  25 

Görlitz  eine  oben  nicht  erwähnte  Arraesündergasse  und  eine  Verräther- 
gasse gibt. 

So  reich  auch  dieser  Überblick  das  gesammelte  Material  erscheinen 
lässt,  so  findet  sich  darin  doch  gewiß  noch  lange  nicht  die  Hälfte  der 
in  deutscher  Sprache  vorhanden  geweseneu  Handwerksbezeichnungen. 
Aus  den  öfters  oben  erwähnten  Lübeekischen  Zunftrollen  führe  ich  hier 
nur  diejenigen  Bezeichnungen  an  ,  welche  wir  in  den  obigen  Straßen- 
namen bis  jetzt  nicht  vertreten  fanden:  Apengeter,  Armborsterei-,  Bar- 
berer,  Büdelmaker,  Buntmaker,  Decker,  Frybecker,  Garbrader,  Glase- 
werter, Glotzenmaker,  Hanuaker,  Harnschmaker,  Hennepspinner,  Holt- 
dreier  ,  Holtenluchtenmaker  ,  Hudekoper  ,  Iseniluchtenmaker ,  Kannen- 
maker,  Kerssengeter,  Kistenmaker,  Koelmeyster,  Kimtormaker,  Küter, 
Lakenbereder,  Lantveringe,  Louwentkoper,  Luchtenmaker,  Mestbereder, 
Missingsleger,  Murlude,  Oltlaper,  Panelenmaker,  Paternostermaker,  Pla- 
tensleger,  Reraensleger,  Remensnider,  Rothloscher,  Russverwer,  Sadel- 
maker,  Sallunenmaker,  Schachtsnider,  Schepestimmerlude,  Schniddecker, 
Semer,  Senckler,  Stalmenger ,  Stockvischweker,  Tyramerlude,  Want- 
farwer.  Welcher  Blick  in  das  reiche  Leben  einer  einzigen  Stadt  thut 
sich  da  auf!  Ein  Realwörterbuch  unserer  deutschen  Handwerksbezeich- 
nungen müßte  einen  gewaltigen  Sprachreichthum  enthüllen. 

Aber  auch  für  die  betreffenden  Straßennamen  selbst  ist  meine 
Sammlung  noch  nicht  im  entferntesten  vollständig,  namentlich  nicht  für 
Süddeutschland;  aus  der  Schweiz  bringe  ich  vollends  gar  nichts  bei, 
eben  so  wenig  aus  den  baltischen  Ländern  Russlands.  Viele  Chroniken 
und  Städtebeschreibungen  habe  ich  aufgeschlagen,  die  keinen  einzigen 
Straßennamen  lieferten,  höchstens  die  Namen  der  Hauptsraßen.  Geradezu 
betrübend  war  es  mir,  daß  ich  trotz  einer  Reihe  schöner  Werke  über 
Straßburg  und  trotz  mehrerer  Grundrisse  der  Stadt  nichts  von  dorther 
anführen  honnte;  was  helfen  die  französischen  Straßennamen,  die  oft 
die  genauesten  und  feinsten  mundartlichen  Ausdrücke  verwischen !  Genug, 
es  thun  mir  noch  viele  Nachträge  Noth ,  und  ich  ersuche  diejenigen, 
welche  solche  liefern  können  vmd  wollen,  recht  herzlich,  sie  entweder 
mir  oder  unmittelbar  dieser  Zeitschrift  einzusenden ,  damit  sich  alles 
Zusammengehörige  auch  zusammenfinde. 

Den  ersten  solcher  Nachträge  kann  gleich  mein  Freund  Bartsch 
liefern,  den  ich  mit  diesem  Aufsatze  freudig  als  den  Herausgeber  dieser 
Blätter  begrüße.  Unter  den  Städten  nämlich,  aus  denen  ich  kein  Ma- 
terial beibringe,  ist  auch  Rostock.  Und  doch  wurde  ich  gerade  auf  diese 
Stadt  besonders  neugierig,  als  ich  bei  Petr.  Lindeberg  chronicon  Ro- 
stochiense  (1596.  4°)  Seite  141  folgende  leider  nur  lateinische  Straßen- 


26  J-  LAMBEL,  EIN  PASQUILL  DES  XV.  JAHRHUNDERTS. 

namen  las:  platea  piscatorum,  fusorum,  aeramentarionim,  balneatorum, 
fabrorum  major  et  raiuor,    institorum,    lauificum,  carnilicura  antiqua  et 
nova,  capsariorura,  doliariorum,  pileonum,  restionum,  cerdonum,  popi- 
narionnn,  bajulorum,  pistorum  major  et  minor,  molitorum  etc. 
DRESDEN. 


EIN  PASQUILL  DES  XV.  JAHRHUNDERTS. 


eyt 


Benedicite  Benedicite 

De  la  jeunesse  de  nostre  freire  de  Barry  vnsers  bruders  jonck 

de  la  saigesse  de  duc  de  Calabre  des  von  Calabre  wiß 
de  haultrecudance  de  Boiirbon                       Für  des  von  Borbons  mutwil 

de  l'orgeul  de  celluj  de  Brytaigne  des  von  Brytaigne  hobmudicli  *) 

de  puissance  de  conte  de  Charloys  des  von  Charlays  mechtich 

Et  de  l'orribilite  de  conte  d'Armyniack  des  von  Armeniack  grußlich 
Libera  nos  domine.  Libera  nos  Domine. 

Vorstehendes  kleine  Denkmal,  auf  das  mich  Herr  Jos.  Haupt  auf- 
merksam machte,  entnehme  ich  der  Hs.  4763  der  Wiener  Hofbibliothek, 
wo  dasselbe  auf  dem  ersten  Vorsetzblatt  vs.  von  einer  Hand  des  15.  Jahr- 
hundert, eingetragen  ist.  (s.  Denis  I.  Sp.  2881 — 2886,  wo  der  franzö- 
sische Text  auch  abgedruckt  ist.)  Der  Hauptinhalt  der  Handschrift,  der 
'Thesaurus  pontificum'  des  Johannes  Calderini,  ist  nach  einer  Notiz  auf 
Bl.  135''  im  Jahre  1464  geschrieben.  Die  in  unserem  Pasquill  genannten 
Personen  sind  die  Häupter  der  gegen  Ludwig  den  XI.  geschlossenen  Ligiie 
für  das  Staatswohl:  Ludwigs  Bruder  Karl  Herzog  von  Berri,  Johann 
Herzog  von  Calabricn,  Sohn  Rene's  von  Anjou,  Johann  IL  von  Bourbou, 
Franz  IL  Herzog  von  Bretagne,  Karl  Graf  von  Charolais,  der  bekannte 
nachmalige  bui'gundische  Herzog  Karl  der  Kühne,  imd  Johann  V.  Graf 
von  Armagnac.  Da  Ludwigs  Bruder  noch  von  Benn  genannt  wird,  so  dürfte 
unser  Pasquill  in  der  Zeit  zwischen  der  Entstehung  der  Ligue  und  den 
Verträgen  in  Folge  des  Vordringens  der  Verbündeten  vor  Paris,  durch 
die  Karl  Herzog  von  der  Normandie  wurde,  also  1465  und  zwar  noch  vor 
October  entstanden  sein**).  Dem  Deutschen  weisen  schon  Formen  wie 
jonckeyt,  hohmudicheyt  seine  Heimath  am  imteren  Rhein  an  und  dazu 
stimmt  eine  Notiz  an  der  Innenseite  des  vorderen  Deckels  der  Hand- 
schrift: 'nö  de  panno  Colon.  Delpsch  alte  koere  Colo  Daniel  ap"".  s.  Antho'. 
WIEN,  24.  Januar  1869.  J.  LAMBEL. 


*)  hohnmuflich  Hs. 
**)  Wenn  ineiuc  historische  Deutung  das  Richtige  trift't,  so  habe  ich  Herrn  Prof. 
Th.  Sickcl  zu  diiuken  für  freundlich  ertheilte  belehrende  Winke. 


27 


ÜBER  DTE  EINZIEHUNG  DER  NORWEGISCHEN 
ODELSGÜTER  DURCH  K.  HARALD  HARFAGRI. 


Jedermann  weiß,  daß  K.  Haraldr  härfagri  gegen  Ende  des  9.  Jhd. 
eine  tief  in  die  Freiheit  de»  norwegischen  Grundbesitzes  einschneidende 
Verftigung  erließ,  und  daß  diese  erst  im  vierten  Jahrzehnte  des  10.  Jhd. 
unter  allgemeinem  Jubel  durch  K.  Häkon  godi  wieder  rückgängig  ge- 
macht wurde.  Aber  wenn  zwar  diese  beiden  Thatsachen  allerdings 
durch  unanfechtbare  Zeugnisse  sichergestellt  sind,  so  unterliegt  doch 
die  Deutung  der  auf  sie  bezüglichen  Berichte  hinreichenden  Schwierig- 
keiten, um  einer  großen  Verschiedenheit  der  Meinungen  über  die  Be- 
deutung jener  Maßregeln  Raum  zu  lassen,  und  wirklich  gehen  die  An- 
sichten der  competentesten  Autoritäten  in  dieser  Beziehung  weit  aus- 
einander. Da  nun  aber  die  richtige  Würdigung  jener  Vorgänge  für  die 
Auffassung  des  gesamraten  Wirkens  des  K.  Haralds  vom  erheblichsten 
Eiufluße  ist,  mag  der  Versuch  immerhin  gewagt  werden,  ob  sich  nicht 
durch  eine  nochmalige  Prüfung  der  einschlägigen  Quellenmittheilungen 
im  Zusammenlialte  mit  dem,  was  wir  sonst  über  K.  Haralds  Zeit  wissen, 
ein  endgültiges  Ergebniss  für  die  Geschichtsforschung  gewinnen  lasse. 
Ich  stelle  zur  Erleichterung  des  Überblickes  diese  Quellenzeugnisse 
zunächst  in  drei  Gruppen  getheilt  hier  zusammen. 

1.  Die  Heimskringla  (ed.  Unger)  erzählt  in  ihrer  Haralds  s. 
härfagra,  cap.  6,  S.  51.  52:  „Haraldr  konungr  setti  j^ann  rett  alt  par 
er  hann  vann  riki  undir  sik,  at  hann  eignadist  odul  öll,  ok  let  alla  boeudr 
gjalda  ser  landskyldir,  bsedi  rika  ok  ürika.  Hann  setti  jarl  i  hveyju  fylki, 
})ann  er  doema  skyldi  log  ok  landsrett  ok  heimta  sakeyi'i  ok  landskyldir, 
ok  skyldi  jarl  hafa  ]3ridjung  skatta  ok  skylda  til  bords  ser  ok  kost- 
nadar.  larl  hverr  skyldi  hafa  undir  ser  4  hersa  eda  fleiri,  ok  skyldi 
hverr  jseirra  hafa  20  marka  veizlu.  Jarl  hverr  skyldi  fä  konungi  i  her 
60  hermanna  af  sinum  eignum  kostnadi^  en  hersir  hverr  20  menn.  En 
svä  mikit  hafdi  Haraldr  konungr  aukit  älög  ok  landskyldir,  at  jarlar 
hans  höfdu  meira  riki  en  konungar  höfdu  fyrrum.  En  er  jjetta  spurd- 
ist  imi  J)rändheim,  J)ä  sottu  til  Haralds  konungs  margir  rikismenn  ok 
gerdust  hans  menn."  Ferner  in  ihrer  Häkonar  s.  goda,  cap.  1,  S.  83: 
„Hakon  hafdi  Jiat  upphaf  sins  mäls,  at  hann  beiddi  bcendr  vidtöku 
ok  gefa  ser  konimgsnafn,  ok  jjat  med,  at  veita  ser  fylgd  ok  styrk  til 


28  K.  MAUKER 

at  h.alda  konungdominum.  Eu  ])ar  i  luot  band  Kann  ])eim  at  gera  alla 
boendr  ödalborna,  ok  gefa  ])eim  odul  sin  er  d  bjoggu.  At  |jessu  ereudi 
vard  römr  svä  mikill,  at  allr  böudamügrinn  cepti  ok  kalladi,  at  ))eir  vildu 
haun  til  kouungs  taka,  ok  var  sva  gert,  at  ))rcEndir  tüku  Häkon  til 
konungs  um  alt  landit;  jia  var  bann  15  vetra,  Tok  bann  ser  ]3a  bird, 
ok  for  yfir  land.  j^au  tidindi  spurdust  ä  Upplönd,  at  jjrceudir  böfda 
ser  konung  tekit  sHkan  at  öllu  sem  Haraldr  liiuu  bärfagri  var,  nerna 
J)at  skildi,  at  Haraldr  bafdi  allan  1yd  i  laudi  J^railkat  ok  äjjjät,  en  jjessi 
Hakon  vildi  bverjum  manni  gott  ok  baud  aptr  at  gefa  bcmdum  odul 
sin,  ]:)au  er  Haraldr  konungr  bafdi  af  |)eiip  tekit.  En  vid  ))au  tidindi 
urdu  allir  gladir,"  u.  s,  w.  —  Mit  der  erstereu  Stelle  stimmt  aber  fast 
•wörtlicb  überein,  was  die  Flateyjarbök  in  ibrem  Haralds  jiattr 
härfagra,  cap.  460,  S.  569.  70  bringt,  und  was  nach  ibr  unter  der 
Überschrift:  Uppbaf  rikis  Haralds  härfagra,  cap.  4,  schon  früher  iu 
den  FMS.  X,  S.  182 — 3,  zu  lesen  gewesen  war. 

2.  Die  geschichtliche  Olafs  s.  hins  belga  (ed.  Unger)  sagt 
in  ihrem  cap.  1,  S.  3:  „Jarll  setti  bann  i  hverio  fylki  til  lanzstiornar 
oc  laug  at  döma,"  und  in  cap.  1,  S.  4:  „J)ä  er  Haralldr  konungr  her- 
iadi  land  oc  atti  orrostur  J)a  eignadiz  hann  sva  vendiliga  allt  land  oc  oll 
odol.  bedi  bygdir  oc  setr  oc  uteyiar  eignadiz  hann  sva  markir  allar 
oc  alla  avdn  lanzens.  voro  allir  buendr  bans  leigumenn  oc  landbuar;" 
endlich  in  cap.  8,  S.  8  erzählt  sie  fast  wörtlicb  wie  die  Heimskringla 
den  Vorgang  mit  Häkon  godi.  —  Mit  der  Darstellung  dieser  Quelle  aber 
stimmt  hinwiederum  nicht  nur  die  Bearbeitung  der  Olafs  s.  ens 
helga  in  den  FMS.,  IV,  cap.  1,  S.  6  u.  8  ,  dann  cap.  7,  S.  15 — 16 
fast  wortwörtlich  überein,  sondern  dasselbe  gilt  auch  in  Bezug  auf  die 
Bearbeitungen  der  Olafs  s.  Tryggvasonar  in  den  FMS.  I,  cap.  1, 
S.  1,  cap.  2,  S.  5,  und  cap.  13,  S.  20 — 21,  dann  in  der  Flateyjar- 
bök, I,  cap.  1,  S.  39,  cap.  3,  S.  41,  cap.'l4,  S.  49. 

3.  Die  Eigla,  cap.  4,  S.  6—7  (Reykjavik,  1856)  berichtet  ferner: 
„Haraldr  konungr  eignadist  i  hverju  fylki  odul  öll  ok  allt  land,  byggt 
ok  übyggt,  ok  jafnvel  sjöinn  ok  vötnin.  Skyldu  allir  buendr  vera  bans 
leiglendingar,  svä  jjeir,  er  mörkina  ortu,  ok  saltkarlamir  ok  allir  veidi- 
menn,  baedi  ä  sjo  ok  landi,  J)ä  väru  allir  J)eir  honum  lydskyldir.  En 
af  J)essi  a))jan  flydu  margir  menn  af  landi  ä  brott,"  u.  s.  w.  Ferner 
cap.  62,  S.  140:  „Vard  Häkon  miklu  tjölmennri,  ok  olli  |)at  })vi,  at  bann 
setti  Jiau  log  i  landi,  at  hverr  madr  skyldi  eignast  odul  sin,  ])ar  er  ädr 
bafdi  Haraldr  konungr  bvern  mann  äjijäd,  baedi  rika  ok  iirika."  — 
Diesen  Bericht  bat  hinwiederum  die  jüngere  Recension  derGisla 
s.  Sürssonar,  S.  83 — 4  (ed.  Konräd  Gislasou)  sehr  verwässert  wieder- 


ÜBER  DIE  EINZIEHUNG  DER  NORWEGISCHEN  ODELSGÜTER.  29 

gegeben,  nicht  ohne  bezüglich  H.  Häkons  zugleich  die  Darstellung  der 
Heimskringla  oder  einer  der  ihr  folgenden  Sagen  zu  benützen. 

Dies  unsere  Quellen.  Es  mag  sein,  daß  es  einer  eingehenderen 
Prüfung  gelingen  könnte,  alle  drei  Gruppen  derselben  auf  eine  letzte, 
ihnen  allen  gleichmäßig  zu  Grunde  liegende  Urquelle  zurückzufllhren. 
Wir  haben  allen  Grund  anzunehmen,  daß  die  Heimskringla  sowohl  als 
die  selbstständig  umlaufenden  Bearbeitungen  der  beiden  Olafssagen  in 
gleicher  Weise  auf  des  Snorri  Sturluson  Schriften  über  das  Leben 
beider  Könige  beruhen,  und  es  wäre  demnach  recht  wohl  möglich,  daß 
dessen  Bericht  auch  au  den  hier  einschlägigen  Stellen  nur  hier  und 
dort  in  etwas  abweichender  Weise  benützt  worden  wäre  ;  auch  wäre 
keineswegs  undenkbar ,  daß  zwischen  der  Darstellung  der  Eigla  und 
eben  jenem  Berichte  Snorri's  irgend  welche  engere  Beziehungen  obge- 
waltet haben  könnten,  wie  denn  zumal  zwischen  jener  ersteren  und  der 
Wortfassuug  der  Quellen  meiner  zweiten  Gruppe  unverkennbar  gewisse 
Anklänge  bestehen.  Da  indessen  unsere  sämmtlichen  Quellenberichte 
ihrem  Inhalte  nach  in  keiner  Weise  wesentlich  von  einander  abweichen, 
ist  deren  genetisches  Verhältniss  zu  einander  fiir  meine  Aufgabe  ohne 
entscheidende  Bedeutung,  imd  kann  ich  demnach  diese  schwer  zu  er- 
ledigende Frage  hier  ganz  bei  Seite  liegen  lassen.  Betrachtet  man  sich 
aber  den  Inhalt  der  obigen  Stellen,  so  wird  man  sofort  zweierlei  un- 
verkennbar in  denselben  ausgesprochen  finden,  nämlich  einmal  die  Be- 
schlagnahme alles  Grundbesitzes  in  Norwegen  durch  K.  Harald ,  und 
zweitens  einen  besonderen  Zusammenhang  dieser  Maßregel  mit  einer 
früher  nicht  hergebrachten  Besteuerung  des  Landes.  Je  nachdem  sie 
den  einen  oder  den  andern  dieser  beiden  Gesichtspunkte  mehr  oder 
minder  betonten,  sind  denn  auch  die  bisherigen  Ausleger  zu  sehr  ver- 
schiedenen Auffassungen  der  Verfügung  des  Königs  gelangt.  Die  älteren 
Geschichtsforscher  haben  sich  vorwiegend  an  die  fiscalische  Bedeutung 
derselben  gehalten.  Schon  ])orm6dr  Torfason  sprach  sich  ziemlich 
deutlich  in  diesem  Sinne  aus  (1711)  ') ;  bestimmter  noch  erklärt  sich 
Gerhard  Schöning  dahin,  daß  es  sich  nur  um  eine  Besteuerung  der 
Odelsgüter  durch  den  König,  nicht  um  die  Einziehung  des  Eigenthums 
an  denselben  »gehandelt  haben  könne  (1773)  *) ;  mit  nicht  geringei'er 
Bestimmtheit  hat  sich  ferner  auch  Tyge  Rothe  im  gleichen  Sinne 
geäußert  (1781)*),    anderer  minder  gewichtiger  oder  minder  deutlich 


')  Historia  Norvegiae,  II,  S.  7. 

*)  Norges  Riiges  Historie.  II,  S.  494—5. 

')  Noi-flens  Statsfortatiiing'  för  Lelmstioken,  I,  S.  39 — 40. 


30  K.  MAURER 

sich  aussprechender  Autoritäten  ganz  zu  geschweigen.  Umgekehrt  legen 
die  neuesten  Geschichtschreiber  Norwegens,  P.  A.  Munch  nämlich 
(1852)  ')  und  R.  Keys  er  (1867)  '),  das  entscheidende  Gewicht  auf  die 
Einziehimg  der  Güter.  Sie  fassen  K.  Haralds  Neuerung  geradezu  als 
eine  Besclilagnahrae  alles  echten  Eigens  im  Lande  auf,  welche  dann 
durch  K.  Häkon  wieder  aufgehoben  worden  sei,  imd  wollen  dieselbe  mit 
jenem  durchgreifenden  Gegensatze  in  Verbindung  bringen,  welcher  ihrer 
Ansicht  zufolge  zwischen  einer  älteren  Odelsverfassung  und  einer  neueren 
Feudalvei-fassung  bestanden  haben  soll ;  kraft  seines  Eroberungsrechtes, 
nehmen  sie  an,  habe  K.  Harald  das  Obereigenthum  an  dem  gesammten 
Grundbesitze  seines  Reiches  an  sich  gerissen,  und  nur  als  Lehen  dessen 
einzelne  Stücke  seinen  einzelnen  Unterthanen  theils  belassen,  theils  auch 
neu  eingeräumt,  wogegen  dann  K.  Häkon  den  Standpunkt  des  Er- 
oberers aufgegeben  und  das  fiiihere  ungetheilte  Eigenthum  der  einzelnen 
Odelsbesitzer  wieder  hergestellt  habe.  Ganz  eigenthümlich  aber  ist  die 
Auffassung  Dahlmanns  (1841)').  In  einer  besonderen  Anmerkung 
kehrt  er  sich  gegen  Kolderup-Rosenvinge,  welcher  bereits  vor  den  bei- 
den neunoinvegischen  Historikern  eine  der  ihrigen  verwandte  Meinung 
ausgesprochen  hatte ;  aber  andererseits  will  er  K.  Haralds  Verfügung 
doch  auch  nicht  auf  die  Bedeutung  der  bloßen  Einführung  einer  Grund- 
steuer reduciert  sehen,  vielmehr  die  Stammgutsqualität  der  Odelsgüter 
durch  diesen  König  beseitigt  und  durch  dessen  Sohn  wieder  hergestellt 
wissen. 

Gilt  es  nun ,  unter  diesen  sich  schnurstracks  entgegenstehenden 
Ansichten  eine  Wahl  zu  ti'effen,  so  ist  zunächst  so  viel  klar,  daß  all- 
gemein geschichtliche  Erwägungen  sich  den  neueren  Auffassungen  durch- 
aus ungünstig  und  weit  eher  mit  der  älteren  Meinung  verträglich  zeigen. 
Betrachten  wir  uns  einmal  den  Zustand  Norwegens  zu  der  Zeit ,  da 
K.  Harald  denselben  umzugestalten  unternahm.  Jedes  der  20 — 30  kleinen 
Gebiete  (fylki;  seltener  riki,  land,  mörk) ,  in  welche  das  Land  sich 
theilte,  bildete  der  Regel  nach  einen  Staat  für  sich  und  nur  ausnahms- 
weise waren  hie  und  da  mehrere  Volklande  durch  Eroberung,  Erbgang 
oder  Heirath  zu  einem  ausgedehnteren  Reiche  verbunden;  M^eit  seltener 
noch  machten  sich  in  einzelnen  Gegenden  die  ersten  Anfänge  umfas- 
senderer und  zugleich  dauerhafterer  Völkerbündnisse  geltend.  Der  Regel 
nach  hatten   dabei   die  einzelnen  Volklande   oder  doch   wenigstens  die 


»)  Det  norske  Folks  Historie,  I,  1,  S.  466—68  u.  S.  714—15. 
»)  Norges  Htats-  og  Retsforfatning  i  Middelaldereii,  S;  30—32. 
')  Geschichte  von  Dännemaik,  U,  S.  80—86  und  S.  299.^ 


ÜBER  DIE  EINZIEHUNG  DER  NORWEGISCHEN  ODELSGÜTER.  31 

einzelnen  Hundertschaften  (her  öd),  aus  welchen  dieselben  sich  zusammen- 
setzten, kleine  Könige  an  ihrer  Spitze  (fylkiskommgar,  heradskonimgar), 
oder  wenn  die  Erblichkeit   der  Würde  noch  nicht  völlig  ausgeprägt  war, 
wenigstens  Häuptlinge,  welche  nur  aus  einigen  wenigen  hervoiragenden 
Geschlechtern  des  Bezirkes  genommen  werden  konnten  (fylkar,  hersar; 
seltener  jarlar).  Wenn  nun  K.  Harald,  die  Bestrebungen  seiner  nächsten 
Vorgänger  fortsetzend ,    die  Alleinherrschaft  in  Norwegen  aufzurichten 
unternahm,  so  mußte  dieses  sein  Bestreben   zunächst  gegen  die  bisher 
regierenden   Häuser   sich   kehren,    welche    durch   den   Alleinherrscher, 
wenn  dessen  Unternehmen  überhaupt  gelingen  sollte,  nothwendig  voll- 
ständig unterdrückt,  oder  doch  zum  Allerwenigsten  mediatisiert  werden 
mussten  ;    das  Verhältniss  des  Königthumes  zu  dem  geringeren  Volke 
konnte  dagegen  bei  dem  damit  gesetzten  Wechsel  in  der  Person  seines 
Trägers  einstweilen  noch  völlig  unberührt  bleiben,  und  daß  es  von  dem- 
selben unberührt  bleibe,    lag  im  augenscheinlichsten  Interesse  des  kö- 
niglichen Revolutionäres  selber.  Es  war  vollkommen  folgerichtig,  wenn 
Harald  die  ganze  Regierungsgewalt  der  früheren  Häuptlinge  an  sich  riss, 
um  sie  fortan  durch  von  ihm  selbst  eingesetzte  Beamte  in  seinem  eigenen 
Namen  ausüben  zu  lassen;  vollkommen  folgerichtig  also,  daß  er  Jarle 
und  Hersen   an  die  Spitze    der  einzelnen  fylki  und  heröd  setzte  ,    und 
deren  Verpflichtungen   gegen  seine  Person  sowohl   als  gegen  die  ihrer 
Leitung  untergebenen  Bezirke  des  Näheren  feststellte.  Aber  was  in  aller 
Welt   sollte  ihn  bestimmt  haben ,    sofort    auch  die   ganze  übrige  Basis 
der   hergebrachten   Verfassung  aufzugeben ,    und   durch    den   Versuch, 
alles  Grundeigenthum  im  Lande  an  sich  zu  reissen  und  die  gesammte 
Bauerschaft    durch    die  Verwandlung   ihres  Eigens   in  Lehen  in  seinen 
persönlichen  Dienstverband  zu  ziehen,  sich  neben  der  Ai'istokratie  auch 
noch  die  Demokratie  seines  zukünftigen  Reiches  als  Gegner  auf  den  Hals 
zu  laden?  In  den  odelgeborenen  Bauern  hatte  der  König  nicht  nur  den 
eigentlichen  Kern   des   norwegischen  Volkes   zu  respectieren ,    sondern 
auch  seine  natürlichen  Bundesgenossen   gegen  deren  bisherige  nächste 
Oberen,  die  alten  Fürstengeschlechter,  zu  suchen;   wie  sollte  er  es  da 
gewagt  haben,  durch  eine  so  durchgreifende  Maßregel  wie  die  Einzie- 
hung aller  Odelsgüter  dem  bittersten  Hasse  dieser  ganzen  einflußreichen 
Classe  sich  auszusetzen,  deren  ganze  Stellung  im  Staate  gerade  auf  den 
Besitz  dieser  Güter  begründet  war,  —  wie  sollte  er  vollends  vermocht 
haben,  neben  dem  Widerstände  der  ihm  ohnehin  feindlichen  Fürstenhäuser 
auch  noch  den  von  ihm  selbst  hervorgerufenen  Widerstand  des  ganzen 
Bauernstandes  zu  überAvältigen  ?  Dahlmanns  Annahme,  daß  es  dem  Könige 
um  die  Beseitigung  des  Stammgüterrechtes  zu  thun  gewesen  sei,  „um 


32  K.  MAURER 

die  starre  Isoliruug  der  Fylken  zu  brechen,"  erweist  sich  solchen  Er- 
wägungen gegenüber  als  völlig  haltlos ,  zumal  da  eine  derartige  Ten- 
denz der  Anschauungsweise  der  älteren  Zeit  durchaus  fremd  und  über- 
dies mit  der  Begründung  der  neuen  Araterhierarchie  auf  die  Eintheilimg 
des  Landes  in  heröd  und  fylki  geradezu  unvereinbar  war;  aber  auch 
Munchs  und  Keysers  Annahme  einer  allgemeinen  Confiscation  alles 
Grundbesitzes  im  Reiche  wird  kaum  den  obigen  Bedenken  gegenüber 
sich  halten  lassen.  Man  beruft  sich  freilich  darauf,  daß  nach  allgemeiner 
altgermanischer  Auffassung  der  Übergang  des  Obereigenthumes  an  allem 
eroberten  Lande  auf  den  erobernden  König  sich  von  selbst  verstanden 
habe;  aber  dem  gegenüber  darf  denn  doch  als  feststehendes  Ergebniss 
aller  neuerer  Forschungen  bezeichnet  werden ,  daß  der  Grimdsatz : 
„nulle  terre  sans  seigneur",  wie  ihn  das  spätere  französische  und  eng- 
lische Recht  allerdings  aufstellt,  dem  älteren  germanischen  Rechte  durch- 
aus fremd  war,  daß  das  Leheuswesen  sogar  im  fränkischen  und  angel- 
sächsischen Reich  erst  sehr  allmälig  von  ziemlich  bescheidenen  Anfängen 
aus  zu  seiner  späteren  politischen  Bedeutung  emporwuchs,  und  selbst 
in  diesen  seineu  Anfängen  mit  der  Eroberung  Galliens  oder  Britanniens 
in  gar  keinem  unmittelbaren  Zusammenhange  stand ;  daß  ferner  von 
entsprechenden  feudalistischen  Anschauungen  in  Skandinavien  sich  vol- 
lends auf  Jahrhunderte  hinaus  keine  anderweitigen  Spuren  nachweisen 
lassen.  Ist  hiemach  in  keiner  Weise  abzusehen,  wie  K.  Harald,  dessen 
Unternehmung  sich  ohnehin  nur  durch  die  Größe  ihres  Zieles  und  ihres 
Erfolges  von  denen  seiner  nächsten  Vorgänger  unterschied ,  zu  jener 
monarchischen  Theorie  gelangt  sein  sollte,  welche  man  ihm  neuerdings 
wohl  zu  imputieren  sucht,  so  ist  auch  nicht  zu  übersehen  ,  daß  deren 
Consequenzen  sich  doch  jedenfalls  nur  auf  die  von  ihm  eroberten,  nicht 
auch  auf  die  von  ihm  ererbten  Lande  beziehen  konnten,  während  doch 
unsere  sämmtlichen  Quellen  von  einer  Einziehung  und  Besteuerung 
alles  Grundbesitzes  im  ganzen  Reiche  sprechen ,  und  hinterher  ganz 
besonders  den  günstigen  Eindruck  der  Rückgabe  der  Odelsgüter  in  den 
Hochlanden  hervorheben,  in  einer  Landschaft  also,  die  von  K.  Harald 
gutentheils  ererbt,  nicht  erobert  war,  —  nicht  zu  übersehen  ferner,  daß 
am  Anfange  wenigstens  das  Vorgehen  dieses  Königs  ganz  deutlich  nur 
gegen  das  Kleinkönigthum  als  solches  gerichtet  war.  Nur  unter  dieser 
Voraussetzung  begreift  sich  nämlich  die  geringe  Theilnahme ,  welche 
dessen  Untergang  bei  dem  ganzen  übrigen  Volke  fand.  Man  betrachtete 
den  Kampf  um  dessen  Fortbestand  offenbar  nur  als  eine  Angelegenheit, 
welche  die  Angehörigen  der  verschiedenen  regierenden  Häuser  unter 
sich  auszufechten  hätten,  und  bei  welcher  die  kleineren  Leute  höchstens 


ÜBER  DIE  EINZIEHUNG  DER  NORWEGISCHEN  ODELSGÜTER.  33 

vermöge  ihrer  persönlichen  Sympathieen  oder  Autipathieen  für  oder  gegen 
diesen  oder  jenen  einzelnen  Fürsten  betheiligt  seien.  Aber  auch  im  spä- 
teren Verlaufe  seines  Vorschreitens  kann  der  König  im  Großen  und 
Ganzen  keine  andere  Linie  eingehalten  haben.  Zwei  unserer  ältesten 
und  zuverlässigsten  Quellen  sagen  ausdrücklich  von  ihm  in  Bezug  auf 
seine  spätere  Regierungszeit:  „gladdisc  bann  af  Jjegnum  sinom  oc  Jjegnar 
af  honum,  en  rikit  af  hvaurotveggia  ') ;"  ein  Nachruhm  dieser  Art  aber 
mochte  zwar  allerdings  einem  gewaltigen  Könige,  der  durch  hartnäckige 
Kämpfe  die  Einheit  seines  Reiches  gegrtindet  hatte ,  auch  dann  noch 
zu  Theil  werden,  wenn  er  sich  drückender  Zwangsmaßregeln  zur  Durch- 
führung dieses  seines  Zweckes  schuldig  gemacht  hatte,  indessen  doch 
immer  nur  unter  der  Voraussetzung,  daß  der  geübte  Druck  die  große 
Masse  seiner  Unterthanen  unberührt  gelassen ,  oder  doch  wenigstens 
nicht  allzutief  verletzend  berührt  hatte,  —  unmöglich  aber  konnte  der- 
selbe einem  Despoten  gespendet  werden,  welcher  den  privatrechtlich 
wie  politisch  werthvollsten  Theil  des  Vermögens  seiner  sämmtlichen 
Unterthanen  ohne  jeglichen  Rechtsgrimd  confisciert  und  bis  an  sein  Ende 
widerrechtlich  in  der  eigenen  Hand  behalten  hatte.  —  Auf  dasselbe 
Ergebniss  fuhrt  endlich  auch  noch  eine  weitere  Erwägung  hinaus.  Weder 
der  Mönch  Theodorich,  noch  das  Agrip  af  Noregskondnga 
sögum,  noch  das  mit  beiden  zusammenhängende  Breve  chronicon 
Norvegiae  weiß  irgend  etwas  von  der  Einziehung  des  Grundeigen- 
thums  durch  K.  Harald,  noch  von  dessen  Zurückgabe  durch  K.  Häkon; 
die  Fagrskinna  aber  schweigt  von  der  letzteren  ebenfalls  ganz,  wäh- 
rend sie  bezüglich  der  ersteren  sich  nur  auf  die  kurze  Notiz  beschränkt, 
„jjar  eptir  sidadisk  landit ,  guldusk  skattar  hit  efra  sun  hit  ytra"  *''). 
Es  ist  kaum  begreiflich ,  daß  alle  diese  Quellen  von  einer  so  weittra- 
genden Gewaltsmaßregel,  wie  die  Einziehung  aller  Odelsgüter  gewesen 
sein  mußte,  gar  keine  Kenntniss  gehabt,  oder  daß  sie,  falls  sie  solche 
Kenntniss  hatten,  derselben  Erwähnung  zu  thun  unterlassen  haben  sollten, 
während  sich  ganz  wohl  begreift,  daß  die  bloße  Auflegung  einer  Steuer 
von  ihnen  nur  im  Vorbeigehen  erwähnt  oder  selbst  ganz  übergangen 
werden  konnte ,  und  es  stimmt  hiezu  recht  wohl ,  daß  auch  die  oben 
ausgeschriebenen  Stellen  sammt  und  sonders  die  Belastung  des  Grund- 
eigenthumes  durch  Abgaben  ganz  besonders  hervorheben,  und  daß  die 


')  Ägrip,  cap   4,  S.  380  (FMS.  X)  *,  Heimskringla,  Haralds  s.  harfagra 
cap.  25,  Seite  67. 

')  §.   14,  S.  9;    vgl.  dazu  Flateyj  arbok,    I,  S.  575:    „hereftir  ruddiz  landit 
ok  sidadizst.  Haralldr  konungr  skattade  landit  iiit  efra  seni  hit  ytra." 
GEKMANIA.    Neue  Keihe  II.  (XlV.)Jahrg.  3 


34  K.  MAURER 

Heimskrin^la  wenigstens  die  ganze  Neuerung  mit  dem  Bestreben  Ha- 
ralds in  Zusammenhang  bringt,  durch  möghchste  Hebung  der  Einkünfte 
des  Königthumes  die  Dotation  seiner  Jarle  und  Hersen  zu  steigern, 
um  dadurch  den  Eintritt  in  den  Königsdienst  auch  für  die  voraehmsten 
Männer  lohnend  und  lockend  zu  machen. 

Aber  freilich  lässt  sich  gegen  alle  diese  Erörterungen  ein  Einwand 
erheben,  der  sie  vollständig  zu  Boden  zu  schlagen  geeignet  scheinen 
möchte,  der  Einwand  nämlich,  da(J  ihnen  der  übereinstimmende  Wort- 
laut der  säramtlichen  Quellen,  welche  überhaupt  K.  Haralds  und  K. 
Häkons  Verfügungen  besprechen,  in  bestimmtester  Weise  widerspricht. 
Sammt  und  sonders  sprechen  diese  Quellen  in  unzweideutigster  Weise 
von  einer  Aneignung  des  Grundbesitzes  Seitens  des  Königs,  und 
hierin  liegt  die  unbestreitbare  Schwäche  der  von  Torfaeus,  Schöning, 
Tyge  Rothe  verfochtenen  Ansicht;  fragt  sich  indessen,  ob  der  kate- 
gorische Widerspruch,  der  hier  zwischen  den  klarsten  Ergebnissen  der 
Quellenauslegung  und  den  zwingendsten  Erwägungen  der  geschicht- 
lichen Construction  zu  bestehen  scheint,  nicht  etwa  durch  die  Heran- 
ziehung anderweitiger  geschichtlicher  Thatsachen  sich  lösen  lasse.  Es 
ist  längst  bekannt,  daß  noch  in  zwei  anderen  Fällen  von  einem  Über- 
gange aller  Odelsgüter  einer  bestimmten  Landschaft  in  die  Hand  ihres 
Fürsten  berichtet  wird;  diese  geschichtlichen  Parallelen  aber  zur  Be- 
wältigung der  vorliegenden  Schwierigkeiten  heranzuziehen  hat  wunder- 
licher Weise  noch  Niemand  versucht,  obwohl  zumal  Munch  auf  die  Ana- 
logie der  drei  Vorkommnisse  wiederholt  hingewiesen  hat  ').  Ich  will 
nun  diesen  Versuch  hier  anstellen.  —  Der  eine  der  hiehergehörigen 
Fälle  hängt  mit  der  Unterwerfung  der  Insel  Man  durch  K.  Gudrödr 
Crovan  zusammen,  welche  etwa  in  den  Jahren  1070 — 1080  vor  sich  ge- 
gangen zu  sein  scheint,  und  wird  in  der  einzigen  darüber  berichtenden 
Quelle,  der  Chronica  regum  Manniae  et  Insularum,  S.  4  (ed. 
Munch)  folgendermaßen  erzählt:  „Godredus  sequenti  die  optionem 
exercitui  suo  dedit,  vel  si  mallent  Manniam  inter  se  dividere  et  in  ea 
habitare,  vel  cunctam  substantiam  terrae  accipere,  et  ad  propria  remeare. 
Ulis  autem  magis  placuit  totam  insulam  vastare  et  de  bonis  illius  di- 
tari,  et  sie  ad  propria  reverti.  Godredus  autem  paucis  qui  secum  reman- 
serant  de  insulanis  australem  partem  insulae,  et  reliquiis  Manuensium 
aquilonarem  täli  pacto  eoncessit,  ut  nemo  eorum  aliquando  änderet  jure 
haereditario  sibi  aliquam  partem  terrae  usurpare.  Uude  accidit  ut  usque 
in  hodiernum  diem  tota  insula  solius  regis  sit,    et  omnes  redditus  ejus 


')  Vgl.  z,  B.  Det  norske  Folks  Historie,  I,  1,  S.  516;  Chronica  Manniae,  S.  53.  54, 


ÜBER  DIE  EINZIEHUNG  DER  NORWEGISCHEN  ODELSGÜTER  35 

ad  ipsum  pertiueant."     lu  diesem  Falle  liegt   mm,    falls    misere  Über- 
lieferung anders  glaubwürdig  ist,  eine  wirkliche  Einziehung  alles  Grrund- 
eigenthumes  unzweifelhaft  vor,  und  in  diesem  Falle  stützt  sich  dieselbe 
unzweifelhaft  wirklich  auf  das  Recht  der  Eroberung;  nach  beiden  Sei- 
ten hin  also  lässt  dieser  Fall  sich   für  die  Munch-Keyser'sche  Ansicht 
geltend  machen.    Aber  es  darf  doch  nicht  übersehen  werden,  daß  der 
Bericht  unserer  Chronik  einen  ziemlich  sageumäßigen  Anstrich  hat,  und 
wie  Munch  selber  zugibt,    recht  wohl  hinterher   entstanden   sein  kann, 
vim  die  eigenthümlichen  Besitzverhtältnisse    auf   der  Insel    zu  erklären, 
nachdem    deren    wirkliche  Entstehung  bereits    dem  Gedächtnisse    ent- 
schwunden war.  Zu  berücksichtigen  ist  ferner,  daß  der  Vorgang,  wenn 
derselbe  wirklich  geschichtlich  begründet  sein  sollte,  jedenfalls  um  etwa 
zwei  Jahrhunderte  von  K.  Haralds  Lebenszeit  abliegt,   und  nicht  Nor- 
wegen selbst,  sondern  den  Inseln  des  Westens  angehört,  auf  denen  das 
wildeste  Vikiugerleben  von  jeher  seinen  Sitz  hatte;  daß  ferner  aus  der 
Möglichkeit  einer  Einziehung  alles  Grundbesitzes  auf  einer  nicht  einmal 
20  LDM.  großen  Insel  nicht  wohl  auf  die  Durchführbarkeit  einer  glei- 
chen Gewaltmaßregel  in  einem  Reiche  wie  Norwegen  geschlossen  wer- 
den kann.    Endlich  ist  auch  nicht  unbeachtet  zu  lassen,  daß  die  Folge 
der  Einziehung  nach  der  Chronik  selbst  die  war,  daß  für  die  Zukunft 
auf  der  Insel  jedes  Erbrecht  an  Grund  und  Boden  für  die  Unterthanen 
völlig  ausgeschlossen,    und  deren  Besitzrecht    somit    im  vollsten  Sinne 
des  Wortes  auf  das  Recht  eines  bloßen  Pächters,    sei  es  nun  auf  Zeit 
oder  auf  Herrengunst,  herabgedrückt  war,  während  doch  für  Norwegen 
eine   gleich  radicale  Durchführung    des  ausschließlichen   Herrenrechtes 
kaum  Jemand  wird  behaupten  wollen,  und  z.  B.  aus  der  Eigla,  cap.  57 
S.  124  klar  ersichtlich  ist,  daß  ein  Erbrecht  an  liegenden  Gütern  eben 
so  gut  wie  an  der  Fahrhabe  daselbst  auch  unter  K.  Eiriki'  blodöx,  also 
zu  einer  Zeit  anerkannt  war,  welche  zwischen  der  Einziehung  der  Güter 
durch  K.  Harald    und  deren  Rückgabe    durch  K.  Hakon   in  der  Mitte 
lag.    Aus  dieser  Parallele  also  glaube    ich   für    die  Erklärung  der  von 
K.  Harald  getroffenen  Verfügung  Nichts  entnehmen  zu  dürfen,  —  Der 
zweite  der  hier  zu  besprechenden  Fälle    dagegen  gehört  dem  Schlüsse 
des  9.  Jhds.  an,  also  der  Regierungszeit  K.  Haralds  selbst,  und  bezieht 
sich  auf  die  Orkneys.  Zwei  Söhne  eben  dieses  Königs,  hatten  den  Rögn- 
vald  Maerajarl  erschlagen.    Ein  Sohn  des  Getödteten,   Torf-Einarr,  der 
Beherrscher  der  Orkneys,  hatte  sodann  einen   der  Schuldigen  in  Übung 
der  Blutrache  grausam  ums  Leben    gebracht    und  war  dafür  von  dem 
Könige    seinerseits    mit  Krieg    überzogen  worden.     Endlich  wurde  ein 
Vergleich  geschlossen,  zwischen  dem  Könige  einerseits  und  dem    Jarl§ 

3* 


36  K.  MAI^RER 

sammt  seinen  Unterthanen  andererseits,  da  auch  diese  von  Harald  für 
die  That  ihres  Häuptlinges  haftbar  gemacht  wurden.  Da  erzählt  nun 
die  Flateyjarbök  in  ihrer  Orkneyinga  s,,  Bd.  I,  cap.  183,  S.  224 
Folgendes:  „Haralldr  konungr  lagde  gialld  a  eyiarnar  ok  bad  ])a  giallda 
60.  marka  gullz.  .^inarr  jall  baudz  til  at  hallda  seinn  upp  gialdinu 
ok  seignaz  odul  jaeirra  öll.  en  bsendr  uilldu  })at  |)uiat  hinir  audgu  hugd- 
uzst  leysa  mundu  odid  sin  en  hinir  snaudu  höfdu  ekki  fe  til.  ^iuarr 
greidde  upp  gialldit  ok  uar  ))at  leinge  sidau  at  jallar  attu  odul  oll  adr 
Sigurdr  jall  gaf  upp  Orknneyingum  odul  sin."  In  cap.  186,  S.  226 — 
227  wird  dann  hinterher  noch  berichtet,  wie  Sigurdr  jarl  digri  am  Ende 
des  10.  Jhdts.  von  den  Schotten  bedrängt,  „gaf  Orknneyingum  odul  sin 
til  lidufeitzslu,"  und  wie  nach  erkämpftem  Siege  „fengu  J)a  Orknney- 
ingar  odiil  sin;"  wenigstens  jene  erstere  Erzählimg  findet  sich  aber 
nahezu  gleichlautend  auch  in  der  Heimskringla,  Haralds  s.  här- 
fagra,  cap.  32,  S.  71 — 72,  wogegen  ein  kürzerer  Bericht  über  die 
Geschichte  der  Inseln,  welche  in  deren  Olafs  s.  ens  helga,  cap.  99, 
S.  322,  in  die  späteren  Bearbeitungen  dieser  letzteren  Sage 
(cap.  81,  S.  91,  ed.  Unger,  sowie  cap.  91,  S.  212  in  denFMS.,  IV), 
endlich  in  die  Orkney  Inga  s.^  S.  2  der  Ausgabe  Jon  Jönsson's  ein- 
gestellt ist,  zwar  in  Etwas  abweicht,  aber  doch  in  keiner  für  unsere  Frage 
irgendwie  erheblichen  Richtung,  und  überdies  wohl  nur  in  Folge  einer 
Ungenauigkeit  in  der  Wiedergabe  seiner  Vorlage.  Nach  jener  Erzäh- 
lung nun  ist  es  ganz  und  gar  nicht  irgend  welche  Eroberung,  durch 
welche  die  Abtretung  der  Odelsgüter  auf  den  Inseln  bedingt  ist,  son- 
dern lediglich  ein  auf  einem  Vertrage  beruhendes  Privatgeschäft;  der 
Jarl  legt  für  seine  Bauern  eine  bestimmte  Summe  Geldes  aus,  und 
dafür  treten  ihm  diese  sofort  ihre  Güter  ab,  ohne  daß  dabei  von  der 
einen  oder  von  der  anderen  Seite  her  irgend  welche  feudalistisch-monar- 
chische Theorie  in  Mitleidenschaft  gezogen  würde.  Insoweit  ist  das 
Geschäft  juristisch  unzweifelhaft  als  ein  Kaufgeschäft  zu  construieren, 
bei  welchem  nur  in  Folge  eines  mit  ihm  combinierten  Zahlauftrages  die 
Erläge  des  Kaufpreises  nicht  an  die  Verkäufer,  sondern  statt  ihrer  an 
einen  von  ihnen  bezeichneten  Dritten  zu  geschehen  hatte;  aber  die 
eigenthümliche  Natur  des  Handels  ist  mit  dieser  Construction  allerdings 
in  alle  Weite  noch  nicht  vollständig  erschöpft.  Einmal  nämlich  blieb 
doch  wohl  auch  hier,  ähnlich  wie  in  Norwegen,  der  Besitz  der  abge- 
tretenen Güter  nach  wie  vor  bei  den  abtretenden  Bauern,  obwohl  unsere 
Quellen  allerdings  über  diesen  Punkt  vollkommen  schweigen;  eine  Laud- 
leihe  muß  demnach  doch  wohl  auch  hier  an  den  Landkauf  in  der  Art 
eich  angeschlossen  haben,  dass  der  Käufer  jedes  einzelnen  Besitzthumes 


ÜBER  DIE  EINZIEHUNG  DER  NORWEGISCHEN  ODELSGÜTER.  37 

zugleich  dessen  Verleiher,  der  Verkäufer  aber  dessen  Leiher  war,  und 
wenn  die  lehnrechtHche  Terminologie  analog  angewendet  werden  darf, 
stellt  sich  somit  der  ganze  Vorgang  als  ein  kaufsweise  vermittelter 
Lehnsauftrag  dar. .  Zweitens  aber  wird  uns  ausdrücklich  gesagt,  daß 
die  Bauern  nur  darum  auf  den  Vorschlag  ihres  Jarles  eingegangen  seien, 
„weil  die  Vermöglichen  meinten  ihre  Odelsgüter  einlösen  zu  können, 
die  Armen  aber  kein  Geld  hatten  um  zu  bezahlen;"  der  Verkauf  also, 
welcher  von  den  Armeren  eingegangen  werden  mußte,  weil  ihnen  über- 
haupt kein  anderer  Ausweg  blieb,  wurde  von  den  Reicheren  nur  darum 
angenommen,  weil  er  ihnen  ihre  Güter  nicht  auf  alle  Zukunft  entziehen, 
vielmehr  wie  bei  jedem  anderen  Verkaufe  von  Odelland  so  auch  hier 
die  Wiedereinlösung  des  Verkauften  stets  vorbehalten  bleiben  sollte. 
Man  sieht,  wenn  das  Geschäft  zwar  formell  sich  durchaus  als  ein  Güter- 
verkauf mit  selbstverständlichem  Vorbehalte  der  Wiedereinlösung  zu 
Gunsten  der  sämmtlichen  stammgutsberechtigten  Verwandtschaft  des 
Verkäufers  darstellte,  so  war  dabei  doch  materiell  im  Grunde  nur  die 
Contrahierung  einer  Pfandschuld  beabsichtigt,  bei  welcher  der  Verpfänder 
den  Besitz  und  Genuß  des  Pfandobjectes  behalten,  aber  dafür  ein  Pacht- 
geld entrichten  sollte,  welches  gewissermaßen  die  Stelle  einer  Verzin- 
sung des  Capitalbetrages  der  Schuld  zu  vertreten  bestimmt  war.  Die 
Zurückgabe  aber  der  Odelsgüter  durch  Sigurd  jarl  Hlödvesson  fällt  bei 
solcher  Betrachtung  materiell  lediglich  unter  den  Gesichtspunkt  des  Er- 
lasses einer  Pfandschuld ,  während  dieselbe  formell  allerdings  als  eine 
schenkungs weise  Rückgabe  des  Eigenthumes  an  den  betreffenden  Gütern 
aufzufassen  ist. 

Ich  wüßte  nicht,  was  uns  hindern  sollte,  diese  zuletzt  besprochene 
Parallele  für  die  Erklärung  der  von  K.  Harald  getroffenen  Verfügung 
zu  benützen.    Der  Vorgang,  um  den  es  sich  handelt,   ist  quellenmäßig 
vollkommen  genügend  bezeugt;    er   gehört  überdies  derselben  Zeit  an, 
in  welcher  K.  Harald  herrschte,  und  hat  auch  in  seinem  weiteren  Ver- 
laufe, bezüglich    der  Rückgabe    nämlich    des  Odels  durch  Sigm-d  jarl 
mit    dem  was   in  Norwegen  geschah,  die    überraschendste  Ähnlichkeit. 
Benütze   ich   aber   die  dargebotene  Parallele ,    so  ergibt  sich  sofort  die 
dringendste  Wahrscheinlichkeit,    daß    auch    in  Norwegen   die   Wieder- 
einlösung der  vom  Könige  eingezogenen  Odelsgüter   durch    die    odels- 
berechtigten  Geschlechter  von  Anfang  an  ins  Auge  gefasst  war,  und  daß 
somit  gerade  die  Stammgutsqualität  dieser  Güter,  in  deren  Beseitigung 
Dahlmann    den  Schwerpunkt    der  Maßregel  Haralds     finden   zu    sollen 
glaubte,  von  dieser  vollkommen  unberührt  blieb.  Man  Avende  nicht  ein 
daß    unsere  Quellen    des  vorbehaltenen  Einlösungsrechtes    mit   keinem 


38  K.  MAURER 

Worte  Erwälmimg;  thun.  Dieses  verstand  sich  nach  dem  geltenden 
Rechte  wie  bei  jedem  anderen  Besitzerwechsel,  so  auch  bei  diesem  von 
selbst,  und  brauchte  eben  darum  nicht  erwähnt  zu  werden;  umgekehrt 
aber  wäre  der  Process,  Avelchen  Egill  Skallagrimsson  um  das  Jahr  933 
herum  über  den  Nachlass  seines  Schwiegervaters  am  Gula]3inge  führte, 
rein  undenkbar,  wenn  nicht  das  Erbrecht  in  die  frtiheren  Odelsgüter 
tr(5tz  ihrer  Einziehung  fortbestanden  hätte,  und  mit  diesem  Erbrechte 
hieng  denn  doch  andererseits  auch  das  Einlösuugsrecht  Avieder  auf  das 
Engste  zusammen.  Die  jederzeit  offengelassene  Möglichkeit  der  Wieder- 
einlösung der  vom  König  eingezogenen  Güter  schließt  aber  auch  von 
Vornherein  jeden  Gedanken  an  einen  Zusammenhang  zwischen  der 
.Güterbeschlagnahme  und  einer  angeblichen  neuen  staatsrechtlichen  Ober- 
eigenthumstheorie  aus.  Wollte  das  Recht  des  Monarchen  auf  den  Satz 
des  späteren  Feudalrechtes  basiert  werden,  daß  dieser  Obereigenthümer 
seines  ganzen  Landes  sei,  so  kojante  durch  keine  Einlösung  auch  nur 
der  kleinste  Theil  des  Reichsgebietes  wieder  in  Alod  verwandelt  wer- 
den; umgekehrt  aber  erldärt  sich,  wenn  wir  den  Zusammenhang  der 
Gutseinziehung  mit  dem  angeblichen  Eroberungsrechte  fallen  lassen, 
vollkommen  befriedigend,  warum  auch  die  von  Harald  ererbten  Reichs- 
theile  jener  verfallen  konnten.  Bestand  ferner  das  Erb-  und  Einlösungs- 
recht der  betreffenden  Geschlechter  an  ihren  früheren  Odelsgütern  trotz 
der  Einziehung  dieser  letzteren  fort,  so  blieb  damit  nicht  etwa  bloß  die 
volle  Wiederherstellung  der  früheren  Rechtszustände  fortwährend  für 
die  Zukunft  in  Aussicht,  sondern  Avar  auch  für  die  Gegenwart  nicht 
in  Frage  gestellt,  was  sich  an  Ansehen  und  Standesvorrechten  flir  das 
einzelne  Haus  an  den  Besitz  von  Odel  knüpfte;  nach  wie  vor  konnten 
ja  die  odelgeborenen  Geschlechter  von  den  nicht  odelgeborenen  miter- 
schieden  werden,  und  daß  sie  wirklich  von  ihnen  unterschieden  wurden, 
daß  es  also  nur  ein  ungeschickter  Ausdruck  ist,  wenn  die  Heimskringla 
sammt  den  ihr  folgenden  Quellen  erst  durch  K.  Häkon  die  Bauern 
wieder  odelgeboren  werden  lässt,  zeigt  wiederum  die  oben  in  Bezug 
genommene  Episode  in  der  Eigla.  Nur  der  Vermögenswerth  also,  welcher 
in  den  Odelsgütern  steckte,  und  allenfalls  deren  Steuerfreiheit  erlitt 
durch  K.  Haralds  Verfügung  eine  Einbuße,  und  die  von  ihm  erzwungene 
Gutsabtretung  stellt  sich,  materiell  betrachtet,  im  Grunde  nur  als  eine 
kolossale  Brandschatzung  dar,  deren  Entrichtung  durch  die  Abtretung 
der  betreffenden  Güter  wie  durch  eine  Verpfändung  gesichert,  und 
deren  Capitalbetrag  überdies  bis  zu  seiner  wirklichen  Ausbezahlung  in 
Gestalt  der  Pachtgelder  verzinst  wurde,  welche  bis  zu  der  erfolgten 
Wiedereinlösung    für  den  Besitz    und  Genuss-  der  Güter  zu  entrichten 


ÜBER  DIE  EINZIEHUNG  DER  NORWEGISCHEN  ODELSGÜTER.  39 

waren.  Anders  als  auf  den  Orkneys  ist  freilich  in  Norwegen  der  Be- 
trag der  Summe,  um  welche  die  Wiedereinlösung  der  Güter  statthaft 
sein  sollte,  so  viel  sich  aus  unseren  Quellen  ersehen  lässt,  nicht  von 
Anfang  an  bestimmt  gewesen;  indessen  ließ  sich  zu  einer  Zeit,  in  welchei' 
die  Pachtziuse  in  einem  ziemlich  gleichmäßigen  Verhältnisse  zum  Guts- 
werthe  zu  stehen  pflegten,  aus  ihrem  Betrage  leicht  der  Werth  jedes 
einzelnen  Gutes  berechnen,  und  überdies  mochte  ja  nöthigenfalls  hier 
eine  Schätzung  ganz  ebensogut  in  Mitte  treten,  wie  dies  in  anderen 
Fällen  der  Odelslösung  noch  nach  unseren  Rechtsbüchern  wirklich 
vorkam.  Die  sogenannte  Zurückgabe  aber  der  Odelsgüter  durch  K. 
Häkon  ti'ägt  materiell  auch  hier  wieder  lediglich  den  Charakter  eines 
Erlasses  einer  noch  ausständigen  Capitalsumme,  durch  welchen  natür- 
lich deren  Verzinsung  sowohl  als  die  zu  ihren  Gunsten  bestehende 
Verpfändung  sofort  eo  ipso  beseitigt  wird ;  formell  freilich  erscheint  sie 
auch  hier  wieder  als  schenkungsweise  Rückgabe  des  Grundeigenthumes 
selbst.  Eben  darum  aber,  weil  weder  die  Stammgutsqualität  des  Odels 
noch  dessen  politische  Bedeutimg  durch  K,  Harald  angegriffen,  und  auch 
in  den  staatsrechtlichen  Beziehungen  des  Königs  zu  der  großen  Masse 
sejner  Unterthanen  von  ihm  Nichts  geändert  worden  war,  war  die 
Wiederherstellung  der  früheren  Zustände  durch  K.  Häkon  so  ungemein 
einfach  zu  bewerkstelligen;  wäre  wirklich  die  Verbindung  der  einzelnen 
Güter  mit  der  betreffenden  Familie  völlig  gelöst,  die  Sonderung  der 
Stände,  so  weit  sie  auf  dem  Besitze  oder  Nichtbesitze  von  Odel  be- 
ruhte, völlig  getilgt,  das  Recht  des  Königs  endlich  seinen  Bauern  gegen- 
über auf  eine  privatrechtliche  Dienstpflicht  statt  auf  den  staatsrecht- 
lichen Unterthanen  verband  begründet  gewesen,  so  wäre  die  Rückkehr 
zu  der  früheren  Verfassung  nach  Ablauf  eines  halben  Jahrhunderts  viel- 
leicht überhaupt  nicht  mehr,  jedenfalls  aber  nicht  mehr  ohne  neuerliche 
sehr  tief  gehende  Erschütterungen  der  inzwischen  entstandenen  Rechts- 
verhältnisse durchzuführen  gewesen.  Bedenkt  man ,  wie  viel  dem  K. 
Harald  daran  gelegen  sein  mußte,  die  Unterwerfung  unter  seine  Ober- 
herrschaft auch  den  angesehensten  Häuptlingen  plausibel  zu  machen, 
so  begreift  sich,  wie  er  auf  jene  Gewaltmaßregeln  verfallen  mochte; 
da  der  überkommene  Besitz  der  Krone  nicht  genügen  wollte,  um  dem 
gesteigerten  Bedarf  an  Mitteln  zu  begegnen,  mußten  neue  Einnahms- 
quellen eröffnet  werden,  und  da  nahm  eben  der  König  ohne  Scrupel 
das  Geld,  wo  er  es  zu  finden  wusste.  Berücksichtigt  man  ferner,  daß 
Brandschatzungen  und  Besteuerungen  auch  schon  vor  K.  Harald  oft 
genug  in  Norwegen  vorgekommen  waren  ,  so  erklärt  sich  auch  ,  daß 
das  Volk  dessen  Gewaltstreich  immerhin  noch  mit  einer  <!c'.\  isseu  Ge- 


40  OSKAR  SCHADE 

lassenheit  über  sich  ergehen  lassen  konnte.  Schwer  genug  mag  freilich 
der  Druck  der  neuen  Besteuerung  empfunden  worden  sein  ,  und  tiefe 
Erbitterung  scheint  dieselbe  vielfach  wirklich  erzeugt  zu  haben ;  aber 
da  denn  doch  der  Verlust  immerhin  nur  ein  pecuniärer  war,  und  die 
Wiederherstellung  der  alten  Steuerfreiheit  überdies  für  die  Zukunft 
immerhin  noch  möglich  gemacht  war,  mochte  das  Volk  sich  dennoch 
in  Anbetracht  der  übrigen  guten  Früchte  der  AlleinheiTschaft  und  aus 
Achtung  vor  der  überwältigenden  Persönlichkeit  des  AlleinheiTschers 
mit  dem  erlittenen  Zwange  rasch  aussöhnen,  und  die  Greschichtschreiber 
mochten  auch  ihrerseits  jene  Gewaltmaßregel  als  etwas  vergleichsweise 
Untergeordnetes  ganz  unerw^ähnt  lassen,  oder  doch  ausschließlich  oder 
sehr  vorwiegend  nur  im  Lichte  einer  fiscalischen  Maßregel  darstellen. 
Jedenfalls  aber  darf  jetzt  als  vollkommen  befriedigend  aufgeklärt  gelten, 
warum  die  vorwiegende  Betonung  ihrer  fiscalischen  Seite  mit  der  eben 
so  bestimmten  Hervorhebung  des  Charakters  einer  Eigenthumsberaubung 
Hand  in  Hand  gehen  konnte;  die  materielle  Bedeutung  der  Maßregel 
war  wirklich  eine  völlig  andere  als  diejenige,  welche  die  formelle  Ein- 
kleidung derselben  erwarten  lassen  sollte. 

MÜNCHEN,  den  7.  November  1868.  K.  MAURER. 


ZU  DEN  DEUTSCHEN  VERSEN  IN  DER 
NOTKERISCHEN  RHETORIK. 


Der  letzte  Herausgeber  des  bekannten  Stücks  der  notkerischen 
Ehetorik,  das  die  deutschen  Verse  enthält  —  in  den  Denkmälern  deutscher 
Poesie  und  Prosa  aus  dem  8.— 12.  Jhd.  Berlin  1864  Nr.  XXVI  —  hätte 
wissen  können  oder  nicht  verschweigen  sollen,  daß  außer  den  S.  318 
namhaft  gemachten,  von  Wackernagel  und  Hattemer  gedruckten  beiden 
Handschriften  der  Rhetorik  noch  eine  dritte  vorhanden,  auf  die  schon 
im  Jahre  1835  in  den  Göttingischen  gelehrten  Anzeigen  Bd.  2  S.  911 
Jacob  Grimm  hingewiesen  und  daraus  ebds.  S.  911 — 913  den  wichtigen 
Brief  Notkers  an  den  Bischof  von  Sitten  mitgetheilt  hatte.  Da  es  wohl 
dem  einen  oder  andern  von  Interesse  sein  dürfte  zu  erfahren,  wie  diese 
dritte  Handschrift  die  besagte  Stelle  gibt,  will  ich  sie  wörtlich  genau 
mittheilen.  Es  ist  dieselbe  Handschrift  der  burgimdischen  Bibliothek 
zu  Brüssel  (in  der  auch  die  Ecbasis  cujusdam  captivi  steht,  die  Jacob 
Grimm  in  seinen  und  Schmellers  lateinischen  Gedichten  des  10.  und 
11.  Jhd.  (Göttingen  1838)  herausgegeben  hat,  von  ihm  daselbst  S.  286 


zu  DEN  DEUTSCHEN  VERSEN  IN  DER  NOTKER.  RHETORIK.     41 

als  A  bezeichnet),  eine  Mischhaudschrift  in  Folio  verschiedenen  Inlialts 
(ihr  Inhalt  ist  von  allen,  die  sie  bis  jetzt  beschrieben,  nur  ungenau  und 
mangelhaft  verzeichnet,  von  Hänel  in  Richters  Jahrbüchern  fiir  Rechts- 
Wissenschaft  1837  S.  760  ff.,  von  Pertz  im  Archiv  für  ältere  deutsche 
Geschichtskunde  1839  S.  1004  ff.,  von  Reiffenberg  im  Bullet,  de  l'acad. 
royale  des  sciences  des  Bruxelles  1841  Bd.  2  S.  247  ff.),  231  Pergaraent- 
blätter  stark ,  auf  dem  neuen  Einbände  den  Titel  führend  Homüiae 
Salviani  L.  Frontini  Hygeni  Varia  opuscula  et  carmina  XII  sec.  Ein 
großer  Theil  ihres  reichen  Inhalts  mag  aber  noch  im  11.  Jhd.,  wenig- 
stens auf  der  Grenze  des  11.  und  12.  geschrieben  sein  :  letzteres  gilt 
entschieden  von  der  Rhetorik,  die  auf  der  Vorderseite  von  Bl.  58  un- 
mittelbar im  Anschlüsse  an  jenen  von  Jacob  Grimm  mitgetheilten  Brief 
Notkers  an  den  Bischof  von  Sitten  beginnt.  Auf  der  Rückseite  von 
Bl.  59  Spalte  1  unten  und  Sp.  2  oben  steht  unsere  Stelle.  Alles  in  ihr 
ist  fortlaufend  ohne  Absatz  geschrieben,  in  einer  außerordentlich  kleinen 
und  zierlichen  Schrift  mit  den  Abkürzungen,  die  in  lateinischen  Hand- 
schriften jener  Zeit  üblich  sind.  Ich  habe  diese  im  folgenden  Abdrucke 
natürlich  aufgelöst  vmd  der  besseren  Übersicht  wegen  die  lateinischen 
und  deutschen  Verse  abgesetzt ,  lasse  aber  die  Scheidezeiclien  genau 
wie  die  Handschrift  sie  gibt.  Die  Accente  über  den  Vocalen  der  deut- 
schen Wörter,  ihre  Betonung  und  Quantität  auszudrücken,  sind  (wie 
denn  der  Schreiber  überhaupt  mit  dem  Deutschen  nicht  recht  fertig 
werden  zu  können  scheint)  theils  falsch  theils  ungenau  gesetzt,  sie  ste- 
hen mitunter  auch  über  den  Consonanten,  man  kann  übei-haupt  manch- 
mal gar  nicht  entscheiden,  wo  sie  hin  sollen :  eine  Schwierigkeit  für 
den  Abdruck,  der,  so  genau  es  sich  thun  lässt,  dem  Augenscheine  folgt. 

Hoc  ad  elocutionem  pertinet.  Ergo  omnis  locucio  simplex  vel  figu- 
rata siue  in  sententiis  siue  in  singulis  dictionibus  idonea  fieri  potest  ad 
inuentionem.  Simplex  intelligentiam  rei  administrat  proprietate  uerborum 
figurata  commendat  se  etiam  uenustate  compositionis  artificiose  aut  sig- 
nificationis  aliene.  Vt  apud  uirgilium. 

Marsa  manus  peligna  choors  festina  uirum  uis. 
Ma  et  na  .  gna  et  sa  .  ors  .  et  ars  .  uis  et  ui  similem  .  sillabe  dissimli- 
bus  distincte  .  gratam  quodammodo  concinnitudinem  et  concordem  uarie- 
tatem  dant  et  sint  [mit  anderer  Tinte  ein  Punkt  unter  dem  n]  per  indu- 
striam  talis  compositio  in  omni  lingua  causa  delectationis  sicut  et  illud 
ßteutonicum  [Punkt  von  anderer  Tinte  unter  dem  anlaufenden  s]. 

So  se  snel  snellemo       pegagenet  andermo 

so  uuirt  file  siliumo       fersniden  scilriemo  et  item 


42  OSKAR  SCHADE 

Der  eher  gat  in  litun       er  teget  sper  in  situn  . 
sin  bald  eilen       nelazet  in  uuollen 
He  figure  lexeos  grece  dicuntur  .  i  •  dictionis  in  quibus  sola  placet  com- 
positio  uerbnruin     Alie  sunt  diano  oos  .  i  •  sententiarum  ubi  aliud  dicitur 
et  aliud  iutelligitur  ut  est  illud 

Porcus  pertaurum  sequitur  uestigia  ferri 
Nam  sinecdochice  de  opere  sutoris  dicitur  tintum  dicitur  et  pars  intel- 
ligitur     Uel  yperbnlice  ut  uirgilius  dixit  de  caribdi 
atque  imo  baratri  ter  gurgite  uastos  . 
sorbet  in  abruptum  fluctus  rursusque  sub  auras 
egerit  alternos  et  sidera  uerberat  unda 
Nam  plus  dicitur  et  minus  intellegitur     Sicut  et  theutonice  de  apro  . 
I'mo  sint  fueze       fudermäze 
i*mo  sint  purste       ebenhoh  forste 
ünde  zene  sine       zvelifelnige 
Hec  aliena  sed  propinqua  sunt  item  per  contrarium  intellegitur  sententie 
ut  in  consuetudine  latinorum  inteiTOgantibus  quesiuit  nos  aliquis  respon- 
detm'  bona  fortuna  .  i'heil  ünde  saldä   et  intellegitur  nemo  .  quod 
durum  esset  .  i  •  unmise  [tmterst7^ichen\  ünmin*nesam  ze  sprec ebene 
Similiter  theutonice  postulantibus  obsonia  promittimus  sie  alles  Hb  es 
cn*üge  et*)  inlelligitur  per  contrarium  propter  grauitatem  uocis  . 

Ein  paar  Bemerkungen  mögen  die  Mittlieilung  beschließen. 

Wenn  in  dem  Verse  nelazet  in  uuellen  das  uuellen  nicht  blos  ver- 
schrieben, sondern  ernstlich  gemeint  ist,  kann  es  nur  sein  icellen,  loellan 
(loillu  wal  imdlun  gaicollan)  Graff  1,  789,  mhd.  Wb.  3,  672^',  mein  Wb. 
704",  das  volve7'e  wälzen  rollen  bedeutet ,  gemeiniglich  transitiv ,  aber 
auch  intransitiv  wie  unser  rollen,  vgl.  Gramm.  4,  51  ff.  Die  Stelle  hieße 
dann :  trotzdem  der  Eber  angeschossen  ist  und  das  Geschoss  ihm  in 
der  Wunde  steckt,  schreitet  er  doch  in  seiner  Kühnheit  am  Bergabhange 
weiter,  ohne  (stürzend  hinab)  zu  rollen. 

Es  ist  nicht  unbedingt  nothwendig,  was  Denkm.  S.  318  Aum.  zu 
Z.  10  geschieht,  in  dem  Verse  sose  snel  snellemo  die  beiden  letzten  Silben 
von  snellemo  als  verschleifte  zu  nehmen ;  es  kann  auch  der  Tiefton  in 
diesem  Worte  auf  die  letzte  fallen,  indem  das  o,  obschon  kurz,  dem 
färb-  und  bedeutungsloseren  e  den  Ton  raubt :  sose  snel  snellemh,  ganz 
wie    dasselbe    imzweifelhaft   im  Ludwigsliede  8   mit   dem   metrisch   ge- 


*)  Die  Hs.  gibt  das  gewöhnliche  Zeichen  für  et  und  unmittelhar  daneI)Pii,  wie 
wenn  es  ein  und  dasselbe  Wort  sein  sollte,  ein  durchstrichenes  l,  der  Ahkürziuig 
für  uel  sehr  ähnlich. 


zu  DEN  DEUTSCHEN  VERSEN  IN  DER  NOTKER.  RHETORIK.     43 

nommen  gleichen  sinemo  geschieht  hrüoder  sinemb  (sinemo  wäre  hier  ua- 
möghch,  da  im  Ludwigshede  keine  Silbenverschleifuug  Statt  hat:  Lach- 
mann  über  ahd.  Betonung  und  Verskunst  S.  258),  denn  dal5  dieser  Vers 
hnloder  sinemo  zu  betonen  sei,  wie  Denkm.  S.  284  von  Müllenhoff  be- 
hauptet wird ,  ist  ein  grober  Irrthum.  Die  Betonung  hnloder  bei  fol- 
gendem consonantisch  anlautendem ,  die  Hebung  auf  der  ersten  Silbe 
tragendem  Worte  ist  hier  so  wenig  auffällig,  wie  die  von  j-ingär,  ediles 
bei  gleichem  Falle  in  den  otfridischen  Versen  1,2,  3  fingar  thman, 
1,  5,  7  zediles  fromm ,  4,  35,  1  tho  quam  ein  ediles  man,  die  man  indess 
hier  nicht  einmal  herbeizuziehen  braucht ,  da  das  Ludwigslied  selber 
den  Beweis  der  Möglichkeit  dieser  Betonung  in  ihm  liefert  im  Verse  20 
ivds  erhölgän  Krist:  Hebung  auf  kurzer  Silbe,  die  mit  einem  Conso- 
nanten  schließt,  ohne  folgende  Senkung,  bei  consonantischem  Anlaute 
des  nächsten  Wortes,  das  in  der  Hebung  steht,  wobei  die  Lautfarbe 
des  Vocals  jener  kurzen  Silbe  (a  oder  e)  ganz  gleichgiltig  ist,  ebenso 
wie  die  Qualität  des  diesem  Vocale  folgenden  Consonanten  (n  oder  r).  *) 
In  der  bereits  angeführten  Anm.  S.  318  heißt  es,  Otfrid  erlaube  sich 
die  Betonung  dnd,remo\  es  werden  drei  Stellen  aus  ihm  citiert  und  dann 
wird  Ahnliches  wegen  auf  de  carm.  Wessofont.  p.  13  verwiesen.  Be- 
trachten wir  uns  die  Sache  genauer ,  es  wird  sich  zeigen  ,  daß  alles 
eitel  Phantasie  ist.  Zuerst  die  drei  Stellen.  Sie  lauten  nach  der  Wiener  Hs. : 
4,  11,  50  thaz  ein  dndremo    fuazi  uuasge  gerno 

4,  12,  13  Sah  ein  zi  dndremo     in  herzen  uuas  in  dngo 

5,  10,  23  Sah  ein  zi  dndremo     ioh  förahtun  in  sliiimo. 

In  der  ersten  Stelle  hat  der  Palatinus  auch  über  dem  ein  ein  Beto- 
nxmgszeichen,  was  man  sich  merke ;  in  allen  dreien  schreibt  der  Frisin- 
gensis  anderemo ,  wie  Kelle  angibt,  und  die  Collation  dieser  Hs.  von 
Lachmann ,  die  ich  besitze ,  mir  bestätigt :  auf  F  ist  aber  hier  wie  in 
vielen  andern  Dingen  nichts  zu  geben,  Otfrid  hat  gewiss  andremo  ge- 
schrieben. Es  sind  übrigens  die  einzigen  Stellen  des  ganzen  EvangeHen- 
buchs,  in  denen  er  den  masculinisch-neutralen  Dativ  Sing,  der  Adjec- 
tiva  auf  emo  in  Jen  Reim  setzt.  Wie  sind  nun  diese  Verse  zu  lesen? 
Das,  sollte  man  meinen,  wäre  sehr  einfach.  Zunächst  fallen  zwei  He- 
bungen auf  andremo ,  ein  Hoch-  und  ein  Tiefton ,  und  man  kann  nur 
zweifelhaft  sein,  ob  dndremo  (die  beiden  letzten  verschleift)  oder  dndremo 


*)  Übrigens  kann  ich  zur  Berahigung  des  Entdeckers  jener  absonderlichen  Be- 
tonung noch  anführen,  daß  Lachmann  im  Winter  1847  auf  48 ,  als  ich  die  Geschichte 
der  altdeutschen  Poesie  bei  ihm  hörte  und  er  dabei  auch  das  Ludwigslied  interpre- 
tierte, diesen  Vers  gelesen  hat  wie  ich  oben  gesagt,  durchaus  nicht  wie  Müllenhoff  will. 


44  OSKAR  SCHADE 

(wie  im  Ludwi^sliede  sYnemh)  zu  betonen  :  ich  für  meinen  Theil  glaube 
das  letztere,  Otfrid  liebt  diese  Art  der  Betonung  sehr,  imd  dabei  sind 
dann  auch  die  Reime  (die  übrigens  nicht  den  Ausschlag  geben  können) 
in  Ordnung.  Wohin  fallen  nun  die  beiden  ersten  Hebungen?  Selbst- 
verständlich auf  die  beiden  andern  ersten  Worte  (zwei  sind  es  nur, 
dann  zi  wird  in  seinem  vocalischen  Bestandtheile  elidiert,  wie  stets  bei 
Otfrid  vor  Vocalen,  ohne  daß  es  einer  ausdrücklichen  Bezeichnung  be- 
darf: zandremo).  Daß  von  diesen  beiden  Hebungen  die  eine  auf  ein 
fallen  raüße,  verlangt  der  Sinn  und  P  deutet  es  auch  im  ersten  Verse, 
wie  wir  schon  bemerkten ,  ausdmcklich  an ;  daß  die  andere  in  den 
beiden  letzten  Versen  auf  sah  falle,  hat  nicht  nur  nichts  Befremdendes, 
sondern  ist  im  Gegentheil  ganz  in  der  Ordnung :  sah  ist  hier  doch 
wichtig  genug ;  vmd  indem  die  drei  Hebungen  unmittelbar  auf  einander 
folgen,  sich  gleichsam  drängen,  die  Senkungen  unterdrückt  sind,  Avird 
dadurch  das  Befremden,  das  unterdrückte  Bangen  malerisch  geschildert. 
Daß  aber  im  ersten  Verse  die  erste  Hebung  auf  thaz  falle,  ohne  daß 
eine  Senkung  folgt,  ist  zwar  nicht  besonders  schön,  indess  auch  nicht 
ungewöhnlich  :  ich  will  ein  andermal  (hier  würde  es  jetzt  zu  weit  führen) 
Beispiele  genug  für  solche  Betonung  beibringen.  Ich  lese  daher  diese  Verse 

thdz  ein  dndremh 
sah  ein  zdndremh, 

wobei  dann  auch  die  Reime  rein  und  ganz  in  Ordnung  sind.  Weiter. 
Es  ist,  wie  schon  erwähnt,  auf  de  carm.  Wessof.  p.  13  verwiesen,  um 
Falsches  zu  stützen  auf  Falsches.  Es  steht  da  etwas  höchst  Komisches. 
Es  soll  an  drei  Vei-sen  des  7.  Capitels  von  Otfrids  1.  Buche,  des  Can- 
tisum  Mariae ,  eine  von  Lachmann  über  ahd.  Betonung  p.  266  ange- 
deutete Ausnahme  von  der  legitimen  Betonung  gezeigt  werden,  an  den 
Versen  4.   18.  24  :  die  seien  nämlich  zu  betonen 

4  mit  lidin  lichämen     (:  diuren) 
18  ßrliaz  er  ttäle      (:  dlle^ 
24  mit  dllen  satidon     (:  selidon), 

während  doch  jeder,  der  altdeutsche  Metrik  gelernt  hat,  weiß,  daß  die 
m-sprünglich  zweisilbige  Präposition  mit  fähig  ist ,  zur  Hebung  ohne 
folgende  Senkung,  vom  mit  geni  scdl  des  Hildebrandsliedes  an  bis  zum 
durch  dich  mit  im  des  mhd.  Epos,  weiß,  daß  die  einsilbigen  Formen 
des  Artikels  wie  des  persönlich  geschlechtigen  Pronomens  der  3.  Person 
(wie  unzählige  Beispiele  belegen)  derselben  Betonung  fähig  sind  und 
daher  diese  drei  Verse  ohne  Anstoß  lesen  wird ,  wie  sie  in  der  That 
nicht  anders  gelesen  werden  können 


zu  DEN  DEUTSCHEN  VERSEN  IN  DER  NOTKER.  RHETORIK.     45 

4  mit  lidin  lichämen 
18  firliaz  er  ttale 
24  7nit  allen  sä' Udo  n 
oder  den  letzten  auch    mit  allen  saUdon. 

Uckämen  :  diurhi  ist  in  der  That  nicht  anders  als  göte  :  liimile  \,  5,  3, 
alle  :  ttale  nicht  anders  als  utä'st  :  ni  si  ad  Hartm.  10,  und  salidon  : 
selidon  bedarf  eben  so  wenig  der  Rechtfertigung,  denn  auch  ohne  Haupts 
Bemerkung  in  den  Monatsber.  der  Berl.  Acad.  1856  S.  576  war  es  für 
jeden  ,  der  sich  um  altdeutsche  Metrik  bemüht  und  dafür  Sinn  hatte, 
der  sich  im  ahd.  Sprachschatze  die  Formen  angesehen  und  mit  dem 
Mhd.  verglichen  hatte,  handgreiflich  ,  daß  auch  der  Form  nach  mehr 
hervortretende  Flexionssilben  den  Tiefton  auf  sich  ziehen ,  den  der 
strengen  Regel  nach  die  vorhergehende  Bildungssilbe  haben  sollte,  daß 
im  Musp.  higild  (:  mdrha)  zu  lesen  sei  und  nicht  engilä  (verschleift), 
daß  die  Betonung  loüntaron,  hüngorogon  für  tvilntärdn,  Mmghrogon  ganz 
in  der  Ordnung  sei.  Wie  kann  ein  gesunder  Mensch,  der  methodisch 
zu  Werke  geht ,  auf  solche  Gredauken  kommen  wie  Herr  Müllenhoff 
mit  jenen  Betonungsversuchen,  jenen  kindlichen  Scandierungsversuchen, 
jetzt  wo  wir  an  den  Denkmälern  der  Übergangszeit  mehr  zu  lernen 
Gelegenheit  gehabt,  wer  nur  lernen  will,  einer  falschen  früheren  Ansicht 
des  Meisters  zu  Liebe,  die  er  im  J.  1832  ausgesprochen  oder  nur  an- 
gedeutet, die  er  später  sicher  selber  hat  fallen  lassen.  Aber  allerdings 
man  muß  verstehen  wollen  und  verstehen  lernen  :  sehr  richtig  sagt  das 
Herr  Müllenhoff  a.  a.  O.  S.  254  und  das  passt  auf  ihn,  und  noch  meh- 
reres  Andere,  was  er  dort  sagt,  passt  auch  auf  ihn. 

Weil  wir  einmal  bei  der  13.  Seite  der  Abhandlung  de  carm.  Wess. 
sind,  die  übrigens  auch  auf  andern  Seiten  des  Curiosen  genug  enthält, 
wovon  wir  ein  andei'mal  reden  wollen,  will  ich  für  jetzt  nur  noch  eine 
Bemerkung  machen ,  die  mit  dem  eben  Besprochenen  im  Zusammen- 
hange steht.  Da  ist  nämlich  der  Vers  des  Evangelienbuchs  1,  17,  45 
betont  lii  thes  sterren  fdrt ,  besser  aber  ist  zu  betonen  hx  thes  sterren 
fdrt :  abgesehen  von  der  Möglichkeit  dieser  Betonung  gewinnt  sie  an 
Wahrscheinlichkeit  dadurch  ,  daß  thes  hier  mehr  in  demonstrativem 
Sinne  steht.  Ferner  kann  man  1,  5,  5  fiöug  er  sünnun  pdd  ebenso  gut 
lesen  ßöug  er  sünnun  pdd,  man  muß  nui-  das  er  nicht  zu  sehr  hervor- 
heben, ganz  wie  im  Ludwigsliede  heizsit  her  Hlüdictg. 

Doch  kehren  wir  zurück  zu  den  Versen  in  der  Rhetorik. 

Zu  ftwdermäze  mit  seinen  vier  Hebungen,  deren  es  legitimer  Weise 
nur  drei  haben  sollte,  hätte  die  gleiche  Betonung  von  östarlmtö  Hild.  59 
angeführt  werden   sollen :    im  Hochdeutschen  und  Mitteldeutscheu   die 


40  08KAR  SCHADE,  ZU  DEN  DEUTSCHEN  \T<]RSEX  etc. 

einzigen  mir  bekannten  Stellen ,  wo  in  derartig  zusammengesetzten 
Wörtern  der  Tiefton  gehalten  ist.  Im  Niederdeutschen  kommt  das,  wie 
es  scheint,  ungleich  häufiger  vor. 

Man  bemerke  ferner  noch  die  Alliteration  neben  dem  Endreime 
in  drei  Versen  sliumo  ifersniden  (ungenau,  wenn  man  sciltriemo  hinzu- 
zieht), fuoze  :  fuodermäze,  zene  :  zioelifelnige. 

Daß  die  Verse  Stücke  eines  volksmäßigen  Gedichtes  sind ,  ist 
mir  nie  zweifelhaft  gewesen ;  schon  Lachmann  hat  sie  entschieden  dafür 
erklärt.  Und  alles  was  MüllenhofF  S.  320  über  das  Gedicht  sagt,  über 
den  Gebrauch  des  Präsens,  daß  es  Theile  einer  Botschaft  seien,  über 
die  ungleichen  Strophen  in  den  zusammengehörigen  Stücken,  ist  nicht 
von  ihm ,  sondern  nur  etwas  breitere  Ausführung,  Umschreibung  und 
theilweise  speciellere  Fassung  von  dem,  was  Lachmann  in  seinen  Vor- 
lesungen über  die  Verse  längst  gesagt  hatte,  den  er  nur  nicht  zu  eitleren 
beliebt.  Zum  Beweise  setze  ich  aus  meinem  Collegienhefte  wörtlich 
genau  die  Äußerungen  Lachmanns  hieher ,  wie  ich  sie  vor  nunmehr 
schon  20  Jahren  nachgeschrieben. 

„Die  Rhetorik  ist  fast  ganz  lateinisch  geschrieben  ,  es  sind  aber 
gewöhnlich  die  Beispiele  deutsch.  'So  wie  ein  Schneller  einem  andern 
Schnellen  begegnet ,  so  wird  sogleich  zerschnitten  der  Schildriemen.' 
Das  wird  im  Präsens  gesagt,  also  aus  einer  Rede,  sprichwörtlich.  'Der 
Eber  geht  auf  dem  Abhang,  trägt  das  Speer  in  der  Seite ;  seine  tapfere 
Kühnheit  lässt  ihn  nicht  fallen.'  Da  auch  Präsens.  Es  kann  nicht  aus 
einer  Erzählung  sein.  Wackernagel  im  letzten  Hefte  der  Haupt'schen 
Zeitschrift  bezieht  es  auf  den  kalydonischen  Eber.  Ich  finde  dazu  keinen 
Grund.  Ich  halte  es  nicht  für  Klosterpoesie,  sondern  für  echte  Volks- 
poesie. Aber  Wackernagel  hat  aufs  Präsens  auch  nicht  gemerkt.  Das 
folgende  sind  aber  nicht  vier  Zeilen,  sondern  sechs.  Ist  das  Gedicht 
einLeich  gewesen,  oder  ists  nur  hier  durch  die  Darstellung  so  geworden? 
'Ihm  sind  Füße  fudergroß  ,  ihm  sind  Borsten  ebenhoch  den  Forsten, 
und  seine  Zähne  zwölf  Ellen  lang.'  Wahrscheinlich  gehört  dies  noch 
zum  Vorigen." 

Es  hat  also  keineswegs  MüllenhofF  diese  Bemerkungen  zuerst  ge- 
macht, wie  seine  Darstellung  a.  a.  O.  glauben  machen  will,  die  keinen 
Gewährsmann  erwähnt,  und  wie  W.  Scherer  wirklich  behauptet  in  sei- 
nem Leben  Willirams  (Wien  1866)  S.  211,  wo  übrigens  eine  eigenthüm- 
liche  Ansicht  über  die  Bedeutung  der  Verse  vom  Eber  vorgebracht  ist. 

Meine  Ansicht  über  die  Verse  ist  die :  Daß  die  beiden  letzten 
Gruppen  Der  eher  gät  etc.  und  Imo  sint  fuoze  ■  etc.  Theile  eines  und 
desselben  Stückes  sind,  ist  nicht  zweifelhaft ;  daß  sie,  wie  sie  überliefert, 


EUGEN  PLEW,  ZU  DER  NOTKERISCHEN  RHETORIK.        47 

uügleichstrophig  sind,  ist  ebenso  zweifellos ;  ob  an  der  ersten  der  beiden 
Gruppen  vorn  oder  hinten  eine  Langzeile  fehle ,  lässt  sich  nicht  ent- 
scheiden, ist  aber  wenig  glaublich.  Daß  die  Verse  Theile  eines  epischen 
Liedes  gewesen ,  will  mir  nicht  zu  Sinne  :  sie  wären  dann ,  wenn  in 
Strophen,  gewiss  nicht  in  ungleichen.  Sie  werden  wohl  aus  einem  volks- 
mäßigen Stücke  anderer  Gattung  sein,  möglich  aus  einem  Räthsel :  dazu 
würde  das  Präsens  recht  wohl  stimmen,  und  dann  könnten  beide  Stellen 
wohl  auch  unmittelbar  an  einander  gehören  und  eine  strophische  Ein- 
heit von  ftinf  Langzeilen  bilden.  Oder  es  sind  Stellen  aus  einem  Lügen- 
märchen: für  diese  Gattung  sind  die  ungleichen  Sti'ophen  im  Modus 
florum  bezeugt. 

KÖNIGSBERG  i.  Pr.,  Mai  1868.  OSKAR  SCHADE. 


ZU  DER  NOTKERISCHEN  RHETORIK. 


Der  im  vorhergehenden  Aufsatze  besprochene  Miscellancodex  der 
burgundischen  Bibliothek  zu  Brüssel  aus  dem  lL/12.  Jhd.  (Pergament, 
klein  Folio)  *)  enthält  unter  Nr.  10662  ff.  eine  merkwürdige  Handschrift 
rhetorischen  Inhalts,  wohl  aus  dem  Ende  des  IL  Jhd.  Auf  sie  machte 
zuerst  aufmerksam  J.  Grimm  in  den  Gott.  G.  A.  1835,  S.  911,  wo  er 
zugleich  darauf  hinweist,  daß  in  derselben  Hs.  auch  die  (damals  noch 
nicht  ganz  gedruckte)  Rhetorik  Notkers  enthalten  sei.  Diese  Notiz  Grimms 
ist  von  Niemand  weiter  berücksichtigt  worden,  weder  von  Wackernagel, 
der  1844  in  Haupts  Zeitschr.  IV  S.  463  ff.  die  Rhetorik  aus  einer  aus 
St.  Gallen  stammenden  Züricher  Hs.  (Z)  herausgab,  noch  von  Hattemer 
Denkmale  3,  560  ff.  —  Nach  dem  erwähnten  Briefe  folgt  in  der  Hs. 
unter  der  Überschrift :  Excerphim  Rheforicae  Nofkeri  mag(istri)  auf 
Bl.  58 — 60  die  Rhetorik.  Aus  dieser  Überschrift  könnte  man  vermuthen, 
nur  einen  Auszug  aus  der  Rhetorik  zu  erhalten  ;  vergleicht  man  aber 
unsere  Hs.  (B)  mit  der  bei  Hattemer  gedruckten,  aus  Benediktbeuern 
stammenden  Münchener  (M),  so  ist  der  Umfang  beider  genau  derselbe ; 
in  B  fehlt  nur  das  Stück  Hattemer  3,  561*,  26 — 562"  Ende  :  omnis  res 
argumentando  confirmatur  —  esse  mdentur.  Diese  Partie  ist  aber  an  der 
Stelle,  wo  sie  in  M  steht,  ganz  ungehörig,  und  steht  auch  in  Z  als  ein 
eigenes  Stück  anscheinend  nach  der  Notkerischen  Rhetorik  (Hattemer 
S.  531).  Wir  haben  hier  also  in  B  nicht  einen  Mangel,  sondern  die  ur- 


*)  Zuletzt  ist  er  besprochen  von  E.  Grosse,  Programm  des  Friedrichscollegs  zu 
Königsberg  i.  Pr.  1867  ,  Seduli  Scoti  carmina  inedita  enthaltend. 


48  EUGEN  PLEW 

spriiugliclie  richtige  Form,  die  in  M  durch  jene  Interpolation  getrübt  ist. 
Da  nun ,  soviel  wir  sehen ,  B  vollständig  ist ,  könnte  man  vermuthen, 
daß  Exceiyhim  rheforicae  als  Titel  gedacht  wäre,  etwa  so  viel  wie  Ex- 
cerpt,  Collegienheft  (Wackemagel)  über  Rhetorik.  Die  Eintheilung  der 
Rhetorik  tritt  nach  Entfernung  jenes  Stückes  klar  hervor :  es  ist  die 
am  Ende  der  Einleitung  Hatt.  561%  24  angegebene  in  matetna,  ars,  oratio. 
In  diese  drei  Hauptabschnitte  zerfällt  die  Abhandlung,  freilich  mehr 
formell  als  innerlich ,  denn  materia  und  ars ,  die  augenscheinlich  von 
einander  gesondert  sein  sollen,  gehen  vielfach  in  einander  über.  Zur 
Erkenntniss  der  Gliederung  verhelfen  namentlich  auch  die  allein  in  B 
vollständig  erhaltenen  Überschriften ,  die  in  M  fast  ganz  fehlen  (Hatt. 
582"),  in  Z  auch  ungenügend  sind.  Daß  jene  von  Notker  selbst  her- 
rühren, ist  mir  sehr  wahrscheinlich,  vgl.  z.  B.  569''  oben,  wo  die  Über- 
schrift in  der  weitem  Auseinandersetzung  vorausgesetzt  zu  werden  scheint. 
Allerdings  stellen  die  Überschriften  in  B  vielfach  über-  und  untergeord- 
nete Partien  auf  gleiche  Linie  ;  allein  derselbe  Übelstand  zeigt  sich  in 
den  viel  spärlichem  Überschriften  in  Z  :  vgl.  bei  Hatt.  Cap.  6  mit  7, 
8,  9,  10.  —  Der  Text  von  B  stimmt  im  Wesentlichen  ganz  zu  dem 
von  M,  während  Z  viele  Abweichungen  hat.  Da  aber  Z  schon  durch 
seine  starke  Verkürzung  am  Anfange  willkürliche  Veränderung  von 
Seiten  des  Schreibers  zu  verrathen  scheint ,  dürfte  der  Gruppe  BM 
meistens  vor  Z  der  Vorzug  zu  geben  sein.  Allein  während  M  sehr  nach- 
lässig geschrieben  scheint,  ist  B  im  lateinischen  Texte  bis  auf  Kleinig- 
keiten ganz  con-ect.  Die  deutschen  Stellen  leiden  in  B  an  vielfachen 
Verschreibungen  :  wahrscheinlich  ist  der  Schreiber  von  B  an  das  Schrei- 
ben von  Deutschem  nicht  gewohnt  gewesen.  Wesentliche  Eigenthüm- 
lichkeiten  zeigen  sich  in  der  Schreibart  nicht,  die  vorhandenen  sind 
durchweg  alemannisch  (vgl.  unten),  sei  es,  daß  sie  vom  Schreiber  her- 
rühren, oder  aus  dessen  Vorlage  stammen.  —  Auf  die  Notkersche  Rhe- 
torik folgen  in  der  Handschrift  von  derselben  Hand  rhetorisch  gram- 
matische Schriften  des  Boethius ,  Commentar  zu  des  Porphyrius  isagogae 
zu  Aristot.  peri  hermeneias  U.A.,  —  Stücke,  die  augenscheinlich  die 
Quellen  zu  den  Notkerischen  Arbeiten  über  Arist.  Kateg.  u.  Hermen., 
de  partibus  logicae  und  de  syllogismis  waren.  Ihre  Zusammenstellung 
in  unserer  Hs.  verräth  den  Einfluß  der  St.  Galler  Schule. 

Im  Folgenden  will  ich  versuchen ,  für  die  beiden  ersten  Theile 
der  Rhetorik,  die  besonders  durch  B  gewinnen,  auf  Grund  von  B  einen 
lesbaren  Text  zu  liefern  ;  für  das  Übrige  werde  ich  die  Varianten  von 
B  gegenüber  dem  von  Hattemer  constituierten  Texte  angeben. 


zu  DER  NOTKERISCHEN  RIIETOKIK.  49 

Excerptum  Rhetoricas  Notkeri  Magistri. 
Olim  disparuit ,  cujus  facies  depiugenda  est  ')  ,  et  quae  nostrara 
excedit  memoriam ,  eam  qualis  erat  formare ,  difficile  est ,  quia  multi 
dies  sunt^  ex  quo  desivit  esse.  Oporteret  eam  immortalem  esse,  cujus 
araore  ita  languent  liomines,  ut  abstractam  tamdiu  et  mundo  mortuam 
resurgere  velint.  Ubi  Cato,  ubi  Cicero,  domestici  ejus  ?  nam  si  illi  re- 
dirent  ab  inferis  ,  haec  illis  ad  usum  sermonis  famularetur ,  sine  qua 
nihil  eis  certum  constabat,  quod  ventilandura  esset  pro  rostris.  Quid 
autem  est,  quod  in  suam  nou  redigatur  originem?  Naturalis  eloquentia 
viguit,  quousque  ei  per  doctrinam  filia  successit  artificialis,  quae  deinde 
rhetorica  dicta  est.  Haec  postquam  antiquitate  temporis  exstincta  est, 
illa  iterum  revixit.  Unde  hodieque  plurimos  cerninius,  qui  in  causis  solo 
naturali  instinctu  ita  sermone  callent ,  ut  quae  velint  quibuslibet  facile 
suadeant  nee  tarnen  regulam  doctrinae  ullam  requirant.  Similes  isti 
sunt  liis  *) ,  qui  ab  initio  plui'imum  potuerunt  eloquio,  quos  deinde  alii 
admirati  et  aemulari  conantes ,  dum  observant  eos  loquentes  ,  tempta- 
verunt  queudam  hujus  rationis  modum  rapere  et  scripto  legare,  qui  sibi 
et  posteris  pro  roagisterio  reservaretur.  Ergo  omnis  ars  imitatio  est  na- 
turae  :  verbi  gratia  quis  nesciat  ad  aliquem  nuutius  directus ,  saluta- 
tionem  praemittere ,  qua  se  suamque  legationem  commendetur  ?  Hoc 
prius  in  consuetudine  valuit,  deinde  inter  rhetorica  praecepta  traditiini 
ars  dici  coeperat.  Ut  ergo  Augustinus  dicit :  antiquorum  sapientiam 
quasi  ducem  comitata  est  eloquentia,  ideo  sapientiae  non  potuit  deesse 
eloquentia  ex  eodera  fönte  manans  naturae.  Tu  autem  lector  tria  ob- 
servando  rhetor  eris.  Haec  autem  sunt ,  de  quibus  vicissim  dicetur : 
praecedens  materia,  et  quae  hanc  hauserit  ars,  et  hinc  eflfusa  oratio. 

Demateriaartisrhetoricae. 

Quid  est  materia  ?  taz  man  haben  sal  ^)  ze  uuerche.  Ut  causa  est, 
quam  exigit  rhetorica^  sine  qua  ipsa  nihil  operis  habet.  Res  et  negotia, 
de  quibus  fiimf*)  controversiae,  causae  dicuntur,  i.  machunga  distrides^). 
Verbi  gratia  Orestes  de  quo  legitur  in  trojana  historia  matrera  suam 
occidit  Clytaemnestram  eo  quod  ipsa  occidit  patrem  suum  Agamemno- 
nem.  Hoc  factum  causa  dicitur,  i.  effectio:  cujus?  utique  controversiae; 
quomodo  ?  quia  ipse  et  defensores  sui  jure  factum  dicunt.  Adversarii 
autem  dicunt,  non  jure  factum.  Ecce  causa  quae  propterea  dicitur  strit, 
quia  effectrix  illius  est. 

Quot ")  siut  geuera  causarum. 

Est  autem  triplex  ;  judicialis ,  i.  tiu  dinclicha ,  quae  considerat, 
quid  aequum  quid  iniquum  quid  justum  quid  injustum  ;  versatur  autem 

GERMANIA.   Neue  Reihe  H.  (XIV.)  Juhrg.  4 


50  EUGKN  plp:w 

tota  in  accusando  et  defendendo ,  in  petendo  veniam  aut  poenam,  iit 
illa  est  in  Orestera.  Deliberativa  ,  i.  tiu  spaclicha ') ,  quae  deliberat, 
i.  pimeiuit  vel  gcchiusit  vel  ahtot**)  quid  faciendum  quid  non  faciendum 
sit,  Haec  considerat ,  quid  utile  quid  inutile ,  et  versatur  tota  in  sua- 
dendo  et  dissuadendo ;  ut  in  Bethulia  presbyteri  deliberant ,  tradere 
civitatem  Holoferni :  suadet  ergo  multitudo,  Judit  autem  sola  dissuadet. 
Demonstrativa  ,  i.  tiu  zeigonta  unde  diu  chiesenta ,  subauditur ,  quis 
dignus  sit  imperio  vel  episcopatu ;  haec  quid  honestum  in  eo  sit  vel 
turpe,  considerat  et  versatur  tota  in  laudaudo  eum  vel  vituperaudo. 
Quae  sit  harum  trium  divisio. 

Item  quaelibet   liarum   trium    dividitur   in  status  legales   et  ratio- 
nales.   Legales  sunt,    qui  oriuntur  de  verbis  in  lege  scriptis,    dum  ea 
diversi  diverse  student  interpretari.  Rationales  sunt,  dum  rationem  facti 
vel  consilii  aliis  approbantibus  alii  reprobant. 
Quid  sint  legales. 

Legales  quinque  sunt:  Scriptum  et  sententia,  scrift  unde  uuillo, 
subauditur  legis  latoris.  Ambiguae  leges.  Contrariae  leges.  Diffinitio, 
rechtsaga^)  uuaz  iz  ^)  si,  subauditur,  de  quo  controversia  est;  ut  apud 
Ciceroneni  quid  sit  navim  relinquere  vel  in  navi  remanere  opus  est 
diffinire  sie:  in  navi  saucium  se  facere ,  hoc  est  navim  relinquere; 
egredi  et  de  scafa  navim  gubernare,  hoc  est  in  navi  remanere.  Ratio- 
cinatio  ,  i.  einis  dinges  irrateni  föne  fonanderme  '•*)  ,  i.  quod  non  sit 
scriptum  de  eo,  quod  scriptum  est. 
Quid  sint  rationales. 

Item  Status  vel  constitutiones  rationales  sunt  quatuor :  Conjectura, 
i.  ratisca,  subauditur  feceritne  ;  ut  de  Susanna  Daniel  conjectatus  est; 
hinc  liber  et  miles  certamine,  servus  autem  ignito  ferro  probatur.  Dif- 
finitio vel  finis,  des  namen  forderunga  vel  scafunga  vel  endunga,  sub- 
auditur nominis  facti ;  ut  aliquando  contenditur,  factum  ejus,  qui  equum 
sustulit  furtum  aut  rapina  dicendum  sit :  gravius  namque  punitur  rapina 
quam  furtum.  Qualitas,  subauditur  facti,  bonum  an  malum  sit,  justum 
aut  injustum  sit.  Translatio,  uuehsal  ''),  subauditur  personae  vel  loci 
vel  temporis  vel  criminis  vel  poeuae  ;  ut  olim  erat  contentio,  quia  opor- 
tuit  baptizari,  utrum  apud  Arrianos  vel  apud  Catholicos. 
De  partibus  qualitatis  subalternis. 

Qualitas  dividitur  in  juridiciale,  i.  strit  umbe  daz  ^2)  tiet  reht  et 
negociale,  i.  strit  umbe  daz  quoneheide.  Item  juridiciale  partes  habet : 
assumptivum,  i.  taz  antseigidiga  ^*),  et  absolutum,  i.  taz  para.  Est  enim 
assumptivum  quod  assumit  defensionem,  i.  antseigida,  et  est  absolutum 
quod    non    assumit    defensionem.    Assumptivum  quatuor   partes   habet^ 


zu  DER  N0TKERI8CHEN  RHETORIK.  51 

quae  suüt :  Confessio ,  i.  keucht,  s.  facti.  Reraotio,  i.  abeneraunga,  non 
facti  sed  ci-imiuis  a  se  in  alterum.  Relatio,  i.  uuideruiierfunga,  non  facti 
sed  criminis  a  se  laedente  in  eum  qui  prior  provocavit.  Comparatio 
criminis  minoris  ad  majus.  Item  de  concessione  fit  purgatio,  i.  uncul- 
digunga  ^*) ,  et  deprecatio ,  i.  gnadonfleg^'a  '^) ;  de  purgatione  impru- 
dentia,  casus,  necessitas,  unuui'zenheit  ^^),  ungeuuandiu,  geschit  not  '^). 

Quid  sint  Status  et  constitutiones  et  irnde  constent. 
Status  et  constitutiones ,  i.  stata  unde  gestelleda ,  ipsa  bella  sunt 
eorum,  quorum  causa  est  sedente  jam  ^')  judice  et  auditoribus  ceteris, 
in  hunc  modum  :  non  jure,  Orestes,  occidisti  matrem  tuam.  Haec  est 
intentio,  i.  malize.  At  ille:  jure  occidi.  Haec  est  depulsio,  i.  uueri  sci- 
licet  dis  unrehtis,  i.  intentionis.  Et  subjungit :  illa  enim  occidit  patrem 
meum.  Haec  est  ratio  ,  i.  antseigida  ,  sc.  sui  facti.  Item  adversarius  : 
non  ergo  oportuit  te  ulcisci  patrem  tuum  in  sanguine  matris.  Haec  est 
infirmatio,  i.  luzeda,  sc.  rationis  ejus.  Respondit  ille  :  mihi  quoque  mor- 
tem meditata  est  et  uuiversae  familiae  nostrae ,  i.  gemagedo ;  parva 
sunt  haec :  majus  scelus  ausa  est ,  ita  ut  in  ipsum  senatum  extendere 
manus  et  rempublicam  delere  conata  sit.  Hoc  est  firmamentum,  i.  festi- 
nunga,  suae  rationis.  Haec  sunt  partes  unius  cujusque  constitutionis  et 
Status.  In  conjectura  tantum  sunt  intentio  et  depulsio ;  in  ceteris  additur 
ratio  et  infirmatio  praeter  deprecationem  :  in  ea  namque  confessio  est 
cum  penitentia,  quia  deest  ratio  facti  ;  in  quibusdam  et  firmamentum  est. 
Status  autem  et  constitutiones  dicuntur,  quia  verbis  decertantes  contra 
se  invicem  statuuntur  et  constituuntur.  Solemus  autem  Status  et  con- 
stitutiones strit  interpretari,  sicut  et  causam.  Deinde  vertitur  disceptatio 
constitutionis  ab  his,  quorum  causa  est,  ab  Oreste  scilicet  et  ejus  ad- 
versariis,  ad  ceteros  qui  in  judicio  adsunt ;  et  dum  contendunt,  jurene 
fecerit  occidendo  matrem  suam  in  ultione  patris  et  defensione  suae  vitae 
totiusque  senatus  et  reipublicae,  haec  controversia  quaestio  dicitur.  Est 
autem  quaestio  '*)  ex  diversa  opinione  nata  dissimilis  sententia.  Haec 
quoque  strit  dicitur.  Materia  talis  est. 

Quid  sit  ipsa  r  h  e  t  o  r  i  c  a. 

Sequitur,  ut  oratores,  quos  sibi  pai'averunt  ex  utraque  parte  Ore- 
stes et  adversarii  ejus,  finem  faciant  hujus  dissensionis,  suadendo  ceteris 
et  maxime  judicibus,  utrum  poenam  vel  impunitatem  Orestes  meruerit. 
Illam  artem  autem  et  illam  scieutiam,  qua  haec  fieri  rationabiliter  pos- 
sunt,  rhetoricam  dicimus.  Haec  in  anima  oratoris  sedet ;  materia  vero 
artis  non  in  ipso  sed  exterius  posita  est,  in  diseeptatioue  scilicet  Orestis 

4* 


52  EUGEN  PLEW 

cum  adversariis  suis.  Primum  semper  materia  datur,  deinde  artificiura 
expectatur. 

Unde  sit  sumeuda  oratio. 
Ecce  orator  parat  se,  ut  in  oratione  sua  defendat  Orestem.  Habet 
raateriam   orationis   suae   causam   objecti    criminis :    ostendat   artificium 
defensionis.    Quantum  ipse  oratione  est  validus ,    tantura  ille  apparebit 
innoxius. 

De  exordio  narrationis. 
Et  mox  in  exordiendo  tres  ipsius  exordii  debet  ostendere  virtutes, 
ut  judices  faciat  benevolos,  taz  si  ^^)  in  güdemo  sin  ^^),  attentos,  i.  zuo 
zimo  ^"j  losende,  dociles,  i.  fernumftige.  Quomodo  haec  fiant,  a  Cicerone 
in  rhetoricis  discendum  est. 

De  partitione  et  narratione. 
Sequitur  partitio,  deinde  narratio.  Istae  tres  partes  orationis  ab 
oratoribus  acceptae  etiam  apud  historiographos  inveniuntur :  prologus, 
capitula,  textus.  Prologus  lectores  attentos  et  dociles  facit.  Benevolen- 
tiam  comparare  non  opus  habemus  in  historiis  et  in  commentariis,  sed 
in  causis  rhetoricis.  Capitula  sequentis  libri  distinctionem  faciunt,  textus 
Vero  ipsam  rem  expedit.  Textus  sive  narratio  in  causis  oratoriis  et  in 
libris  liistoricis  tres  virtutes  habet  sicut  exordium,  ut  brevis  sit,  i.  spue- 
dich  '^),  lucida,  i.  offin,  probabilis,  i.  kelouplich.  Pro  his  quoque  vade 
ad  Ciceronem. 

De  conclusione  et  confirmatione. 
Post  narrationcm  si  Orestis  adversarii  eam  reprehenderint,  oportet 
ejus  defensores  argumentis  iustare  et  narratiouem  suam  confirmare;    si 
convicerit  eos,  et  si  jam  judices  post  se  inclinavit,  concludat  breviter, 
vel   indignando  super  improbitate  eorum   vel  raoveudo   auditores   super 
innocentia  Orestis;  sicque  peroratum  est. 
De  judicatione. 
Judicatio  ergo  sua  et  aliorum  sibi  consentiens  impunitum  eum  et 
immunem  a  crimine  facit.    Quae  forte  talis  est :    Orestem,  qui  scelera- 
tissimae    suae  matris   nece  non    suam    sed   communem   generis  humani 
calamitatem  exstinxit,  non  parricidam,  sed  patriae  liberatorem  et  prac- 
mio  dignum  abjudicamus.  Hoc  exemplum  relativae  constitutionis  est. 
De  convictura  {lies  conjectura)  ""''). 
De  ceteris  quoque  constitutionibus  vel  statibus  sicut  et  apud  Cice- 
ronem exemplum  tradendum  est.    Nam   in  conjectura   de  intentione    et 
depulsione  facti  constitutio  dinoscitur ;    ut  ante   regem  Salamonem   me- 
retrices  contendunt :    dormiens  inquit  altera  oppressit  filium   suum  ;    et 
contrario  illa  dicebat :  mcntiris. 


zu  DER  NOTKERISCHEN  RHETORIK.  53 

Diffinitio. 
In  diffiuitioue  autem  non  factum  negatur,  sed  nomen  facti;  ut  in 
exeraplo  Ciceronis  qui  sacra  vasa  de  domo   privati   subtraxit  sacrilegii 
arguitur,  confessus  furtum  sacrilegium  uegat. 

Translatio. 
In  translatioue  autem  minime  certatur  de  facto,  aut  de  nomine 
facti :  non  oportere  tamen  dicitur  fieri  ubi  factum  est,  ut  in  platea  mis- 
sas  celebrare;  aut  quando  factum  est,  ut  archiepiscopum  pallio  vestiri 
die  non  solemni ;  aut  a  quibus  factum  est,  ut  ab  hereticis  baptizari ; 
aut  quo  crimiue,  ut  si  scismaticus  est,  hereticus  scribatur;  aut  qua  poena 
factum  est,  ut  morte  affici,  qui  verberibus  castigandus  sit. 

Qualitas. 
In  qualitate,  i.  iu  generali  constitutione,  qiiaeritur  hoc  quod  factum 
est  bonum  sit  au  male ,  utile  aut  inutile ,  aequum  aut  iniquum,  justum 
aut  iujustum,    ut  in  partibus  ejus  declaratur  ;    sunt  autem  negotiale   et 
juridiciale. 

De  negotiali. 
Negotiale  dinoscitur,  dum  iuvoluta  est  quaestio,  et  ex  utraque  parte 
veri  simiie  videtur,  quod  dicitur,  nee  facilc  pars  altera  alteri  concedit.  Ut 
quidam  uxorem  in  quadragesima  duxit,  quae  ex  eo  filium  genuit  patre 
jam  mortuo  et  germani  fratres  ejus  hereditatem  conantur  subripere, 
dicentes:  non  potest  heres  tieri,  qui  de  tali  matre  natus  est,  quae  tem- 
pore ducta  non  legitime  focta  est  ipsa  non  legitima,  Defensores  ejus 
dicunt:  quomodo  quae  patri  ejus  licita  erant,  non  legitima  quoque  essent? 
et  si  licita  matrimonia  illicite  pater  contraxerat  et  inique,  filius  non 
portabit  hanc  iniquitatem.  De  quibus  verbis  hinc  et  in  de  ^^)  oriuntur 
plurima,  quae  in  jure  civili  implicitas  generant  quaestiones.  Ergo  Cice- 
ronis de  hac  constitutione  exemplum  aliquantum  abhorret  a  nostra 
consuetudine. 

Juridiciale. 
Juridiciale  autem  planius  est ,    quia  in  eo  quid  aequum   vel  quid 
iniquum  sit,  secundum  jura  naturae  requiritur,  non  secundum  consue- 
tudinem  juris  civilis  ;    et  ideo  juridiciale  vocatur   ista  constitutio ,    quia 
in  ea  de  jure  dicitur,  s.  naturali. 

Assumptivum  et  absolutum. 
Habet  ergo  partes :  assumptivum,  s.  defensionis  extrinsecus,  et  ab- 
solutum, s.  a  defensione ,  i.  mit  antsegido  unde  ane  antsegida.  Ut  qui 
servum  distraxit,  objurgatus  ab  aliquo  nil  defensionis  aliunde  requirit; 
Heere  sibi  hoc,  tantum  dicit.  Hoc  absolutum  est.  Assumptivo  sunt  qua- 
tuor  partes  :  comparatio,  relatio,  remotio,  concessio. 


54  EUGEN"  PLEW 

Comparatio. 
Agnoscitur  aut«^m  comparatio,  dum  ille,  qui  arguitiir  de  aliqua  re, 
ea  se  dicit  raajus  damnura  vitasse,  ita  ut  ejus  consideratione  laudaudum 
sit  quod  ipse  fecit.  Ergo  quidara  piscator,  sociiim  lapsum  de  navi  dura 
cerneret  mergi,  retraxit  eum  unco  ferreo,  quem  habuit  ad  piscandum, 
oeulo  ejus  infixo.  Qui  postea  ductus  in  Judicium  pro  laesione  ejus  oculi 
defendit  se  coraparatioue  majoris  periculi ,  quod  uon  aliter  evaderet 
mortem. 

Reraotio. 
Remotio  autem  talis  est,  ut  defendat  se  quis  negligentiae  dicens: 
non  ad  me  pertinuit,  ut  hoc  facerem ;  aut  si  arguitur  facti,  alterius  jussu 
ad  quem  hoc  pertinet  se  fecisse  dicit.    Ut  minister,  qui  panem  obtidit, 
objurgatus  cur  et  potum  non  dederit,  removet  a  se  culpam  et  pincemam 
hoc  officii  habere  dicit.   Aut  si  arguitur  sumptuose  agere,  non  se,  sed 
dominum  sibi  jubentem  hoc  agere  ostendit. 
De  relatione. 
Relatio  est,  quando  culpa  retorquetur  in  provocantem,  ut  de  Oreste 
dictum  est. 

De  concessione. 
Concessio  criminis  duplex  est  in  purgatione  et  deprecatione. 

De  deprecatione. 
Deprecationem  cotidiana  ^*)  exempla  docent,  quando  delinquentes 
in  judicio  veniam  postulant  et  nil  defensionis  aliunde  parant.    Sicut  et 
David  confessus  est  peccata  sua  dicens :    peccavi   domino  ;    et  Nathan 
propheta  indulgentiam  promisit  atque  respondit :  dominus  transtulit  pec- 
catum  tuum,  o  David. 
De  purgatione. 
Purgatio  sequitur  triplex:  imprudentia,  casus,  necessitas. 

De  imprudentia. 
Imprudentia  purgat  se ,    qui  patrem    vel  fratrem   in  timiultu   non 
agnovit  et  occidit.    Paulus  quoque  confessus  est  imprudentiam  dicens : 
nescivi  eum  esse  principem  sacerdotum;    scriptum  est  ergo,  principem 
populi  tui  non  maledices.  Et  item  blasphemus  et  persecutor  eram,  sed 
veniam  consecutus  sum,  quia  ignorans  feci. 
De  casu. 
Casus  defendit  eum ,    cui  aliquid  injungitur  et  praeventus  morbo 
aut  vulnere  aut  hostili  gladio  aut  subita  inundatione  fluvii  aut  aliqua  re 
gravi  et  inopinata  non  potest  obedire.    Non  sicut  ille  qui  ait:    uxorem 
duxi,  et  ideo  non  possum  venire;  potuit  enim,  sed  noluit. 


zu  DER  NOTKERISCHEN  RHETORIK.  55 

De  necessitate. 

Necessitatem  docet,  quod  saepe  audivimus,  vi  obpressara  mulierem 
et  innoxiam  jiidicari. 

De  statibus  legalibiis.  Scriptum  et  sententia. 

Status  legales  sunt  controversiae  de  legibus  ortae.  Ut  pro  equo 
injuste  ablato  quidara  reddere  voluit  XII  solides  secundum  legem  Ala- 
mannorum.  Repetitor  hos  recusavit  suscipere  dicens,  vile  sibi  pretium 
ofFerre  pro  equo  pretiosissimo.  At  ille  satis  fecisse  se  ait  secundum  ju- 
stitiam  legis,  nee  eum  posse  statutuni  legis  recusare,  nisi  velit  ipsam 
legem  dissolvere.  De  lege,  inquit,  nihil  umquam  incommodi  venit,  nee 
ad  hoc  data  est,  ut  noceat,  sed  omnium  utilitatibus  consulat;  et  dum 
evaugelium,  cui  nulla  lex  christiana  coutradicit,  si  quid  aliquem  defrau- 
davi  reddo  quadruplum  dicat,  quomodo  tu  fraudem  fecisti,  nee  tantum 
pro  eo  quod  fraudasti  restituere  cogitas  ?  Eme  talem  tanto  ,  si  potes. 
Ea  sola  ratio  est,  quae  mihi  suadeat,  quod  offers,  suscipiendum^')  esse, 
et  tarn  carum  estimare.  Eo  pacto  qui  legem  dedit  credendus  est  **)  scri- 
bere  de  solutione  damni  et  aliquem  modum  de  restituendo  equo  ponere 
vel  bove  vel  asino,  quo  eum  non  deberet  quisquam  carius  eraere.  Iste 
Status  vocatur  scriptum  et  sententia,  quia  alius  legis  latoris  scripto  ni- 
titur  ,  alius  scriptum  interpretando  de  sententia,  i.  voluntate  scriptoris 
scripto  contradicit.  Cicero  hujus  status  nobile  dedit  exemplum  de  graeca 
historia,  quomodo  Epaminondas,  dux  Thebanorum,  dum  annuam  pote- 
statem  haberet ,  successori  suo  statuto  tempore  exercitum  secundum 
scriptum  legis  non  reddidit,  sed  pro  utilitate  rei  publicae  diutius  ali- 
quanto  secum  retinuit,  seque  contra  scriptum  sententia  scriptoris  rationa- 
biliter  defendit. 

De  ambiguis  legibus. 

Ambiguae  leges  sunt,  ut  est  Ciceronis  exemplum :  meretrix  coronam 
auream  ne  habeto;  si  habuerit,  publica  esto.  Potest  dubitari,  meretrix 
an  Corona  publicetur.  Apud  nos  autem  Paulus  legem  statuit  dicens  : 
unus  quisque  habeat  suam  uxorem  propter  fornicationem ;  melius  est 
enim  nubere  quam  uri.  Ambiguum  enim  videtur,  an  de  laicis  vel  etiam 
de  clericis  dixerit  *'). 

De  contrariis  legibus. 

Contrariae  videntur  quae  hujusmodi  sunt :  Ne  respondeas  stulto  se- 
cundum stulticiam  suam,  ne  efficiaris  ei  similis.  Et  item:  responde  stulto 
secundum  stidtitiam  suam  ne  sibi  sapiens  videatur.  Sed  utraque  per 
discretionem  suscipienda  sunt.  De  romanis  legibus  exemplum  est :  qui 
tyrannum  occiderit,  rem  quam  velit  a  senatu  pro  praemio  accipiat. 
Item  altera  lex  est :    tyranno  occiso  ejus  quinque  proximos  cognatioue 


56  EUGEN  PLEW 

majü^istratus  nocato.    Contimit  Alexandrum  tyrannum  ah  uxore  iutei-fici: 
haec  filium  siiuin  quem   ex  tyranno  liabebat,   sibi    in  praemii   loeo  de- 
poposcit;  sunt  qui  consentiant,  sunt  qui  puerum  occicli  ex  lege  dicant. 
De  diffinitione. 

Diffinitio  communis  status  est,    quia  sicut  rationalis  ita  et  legalis 
est  in  hune  modum.    Diviua  lex  est:    diliges  proximum  tuum    t^icut  tc 
ipsum;    fit  quaestio:  quis  est  mens  pi-oximus?    fiat  diffinitio:    qui  faeit 
misericordiam.  Cicero  de  navi  exemplum  legale  dedit  ita:  etc.*) 
De  ratiocinatione. 

Sequitur  status  qui  ratiocinatio  dicitur  et  tale  est:  etc.**).  Tale  est  et 
illud:  famis  tempore  a  quodam  auditum  est,  qui  humanis  carnibus  ves- 
cebatur;  et  eo  ducto  in  Judicium  non  est  inventum  qua  paenitentia  vel 
qua  poena  dignus  sit.  —  Haec  exempla  de  judiciali  tantum  causa  data 
sunt;  in  ceteris  generibus  faciliora  sunt  quia  praeter  conjecturam  raro 
invenies  aliam  constitutionam  in  eis.  —  Ergo  causae  de  legibus  ortae 
Status  legales  dicuntur.  Ceterae  vero,  quae  alimide  oriuntur,  constitu- 
tiones  vel  status  rationales  dicuntur,  quia  in  eis  ratio  facti  exquiritur, 
ut  de  Oreste,  cur  occiderit  matrem  suam. 

Unde  dicatur  status  et  constitutio.  Quot  modis  quaestio 
dicatur. 

Discendum  est  et  illud,  quia  proprie  dicitur  quaestio  ut  est :  fece- 
ritne,  —  et  communiter  causae,  omnesque  partes  earum,  i.  constitutiones 
et  Status,  et  eorvmi  partes**),  i.  intentio,  depulsio,  ratio  et  infirmatio 
et  judicatio  quaestiones  dicuntur.  Et  hae  sunt  quae  civiles  dicuntur, 
quia  inter  cives  agitantur;  sunt  enim  cives  purchliute,  civiles  i.  purch- 
lic^e  strite;  cives  dici  possunt  etiam  qui  in  agris  habitant,  i.  in  demo 
geuue.  Aliae  sunt  philosophicae.  Ut  ergo  discernantur ,  philosophicae 
quaestiones  sunt  controversiae  in  dicendo  positae  sine  ceterarum  perso- 
narum  interpositione ;  ut:  coelum  rotundum  est,  coelum  non  est  rotun- 
dum.  Hae  ad  oratorem  non  pertinent.  Civiles  autem  quaestiones  sunt 
controversiae  in  dicendo  positae  cum  ceterarum  personarum  interposi- 
tione,   i.  daz  sint  die  strite  die  einliche  quisse  menniscin  anagant.    Ut 

*)  Folgt  eine  Stelle,  die  meistens  -wörtlich  aiis  Cic.  ä.  invent.  11  51  entnommen  ist. 
Abweichungen  in  der  Lesart  sind  wenige :  unsere  Hs.  hat  durchweg  navim  und  navi,  wäh- 
rend bei  Cicero  die  bessern  Hss.  Tiavem  und  nave  haben ;  für  inde  funiculo  (Cic.  ed. 
Orelli  et  Baiter  I*  p.  166,  33)  inde  a  funiculo ;  für  hie  (p.  166,  35)  hinc ;  für  pervehitur 
(p.  166,  37)  devehitur;  p.  166,  35  auch  die  Viügata  in  gladiwni  ibidem  in  navi. 

**)  Folgt  eine  Stelle  wörtlich  aus  Cic.  d.  inv.  II  50  (p.  165,  16—29  Orelli).  Va- 
rianten sind  folgende:  unsere  Hs.  hat  für  indutae  (p.  165,  18):inditae;  stellt  20  hinter 
culeus  gleich  compararetur \  hat  22  richtig  ipsis  übet;  hat  25:  testamenti  faciendi  pote~ 
ataletn  adiniai  Ins;  für  hujusmvdi  p.  165,  27  ejuimtodi. 


zu  DER  NOTKERISCHEN  RHETORIK.  57 

est:    feceritae,    s.  Susanna'^^)  concubitum  cum  juvene;   —  vcl:   jurene 
fecerit,    s.  Orestes  oecidendo  matrem  suain. 
Item  plus  de  geuiribus  quaestionum. 

Ergo  philosophicas  quaestioues  thesin  dicuat,  i.  proposituin,  quasi 
a  longe  et  in  absentiam  positum,  quia  philosopbi  non  requirunt  eorum 
aspectum  de  quibus  disputant.  Ut  puta  de  naturalibus  rebus  luijus  mun- 
danae  molis,  aut  de  deo,  aut  de  moribus,  in  hunc  modum :  verine  sint 
sensus,  quae  miuidi  sit  forma,  quae  sit  solis  magnitudo,  quid  sit  bonum 
praeter  honestatem ,  au  philosophandum  sit ,  an  casu  cuncta  constcnt 
vel  divina  provideutia  regantur.  Civiles  autem  quaestiones  hypothesin 
dicunt,  hoc  est  subpositum,  ut  persona  subposita  est  oculis  illa  de  qua 
quaestio  movetur.  Consideraut  euim  illi  de  his  quae  proponuntur,  quid 
verum  quid  falsum  sit,  isti  autem  in  his  quae  facta  sunt  vel  quae  fa- 
cienda sunt,  quid  bonum  quid  malum,  aequum  aut  iniquum,  jus  tum  aut 
injustum,  utile,  honestum  aut  turpe,  possibile  aut  impossibile,  uecessa- 
rium  aut  non  necessarium  sit ;  illi,  ut  sciant,  quid  aftirmandum  sit,  quid 
negandura,  isti  ut  sciant,  quid  suadendum,  quid  dissuadendum  sit;  illi 
in  disputando,  isti  autem  in  dicendo  ;  illi  fugientes  frequentiam  lionii- 
num,  isti  sine  coetu  et  sine  multitudine  hominum  nihil  facientes.  Ergo 
dissimilis  est  quaestio  et  causa,  thesis  et  hypothesis,  quod  philosophi- 
cum  est  et  quod  civile.  Et  causa  quidem,  i.  civilis  quaestio,  materia 
est  artis  rhetoricae,  i.  ipsi  oratori  ad  ostendendam  suam  scieutiam  judi- 
cando  et  inveniendo  in  jvidiciali  genere,  quid  aequum,  quid  justura  sit, 
in  deliberativo,  i.  in  consiliis  et  cousultis  rei  publicae,  suadendo,  quod 
utile  est ,  in  demonstrativo ,  i.  comprobandis  et  creandis  ordinandisve 
magistratibus,  ostendendo,  quid  in  singulis  honestum  et  laudabile  sit  et 
dignum  honore,  et  quid  contrarium.  Quaestio  vero,  quae  thesis  est,  simi- 
liter  est  '")  materia  philosopho  ad  exercitandum  suum  Ingenium  in  dis- 
cernendo  verum  a  falso. 
Ratio  repetitionis. 

De  constitutionibus  et  statibus  secundo  dicere,  ut  exemplis  cla- 
rescerent,  opus  fuit,  quia  materia,  quae  semper  danda  est  ante  artificium, 
obscura  non  debet  esse,  nee  aliunde  potest  ipse  orator  dinoscere,  qualis 
esse  debeat-'^)  sua  quae  materiam  secutura  est  oratio,  nisi  ex  ipsius 
introductione  materiae.  Hinc  exordium  orationis  sumitur,  hinc  narratio 
et  partitio,  i.  distinctio  narrationis,  et  confirmatio,  reprehensio  quoque 
assertionis  contrariae  et  epilogus  quomodo  disponi  debeant  consideran- 
tur  ;  huic  congruere  hoc  est  commodas  facere  omnes  has  quas  nunc 
partes  orationis  diximus,  parvum  ab  ea  dissentire  vitiosissimum  est.  De 
quibus  praecepta  tarn  plura  data  sunt  in  libris  rhetoricorum,  ut  ea  bre- 


58  EUGEN  TLEW 

viter  nemo  coni])relienderc  valeat ;  proptcrca  maji^isterio  Ciccronis  dis- 
cenda  sunt.  Ad  hoc  liumanum  iugenium  novas  sibi  cotidie  parit  rationes 
suadcndi  atque  dissuadendi. 

Quot  genera  sint  oratoruin. 

In  qnibus  rationibus  alii  sunt  graviores  ut  Roraani,   alii  acutiores 
ut  Graeci,  alii  ornatiores  ut  Attici,  alii  copiosiores  ut  Asini. 
De  gravi. 

Documeutum  est  ad  gravitatem  aliquando  magnifice  loqui  et  ita 
narrare  quamlibet  rem  quatenus  salva  veritate  nil  paene  possit  de  ea 
majus  aestimari.  Ut:  Medo  praudente  epota  sunt  flumina ,  eo  transe- 
unte  constrata  sunt  raaria,  navigati  sunt  montes,  excitae  sunt  gentes, 
commotus  est  orbis.  Revera  flumina  non  sufficiebant  ad  potandum  exer- 
citui  ejus,  et  Bosporura  ^'^)  mare,  ex  navibus  ponte  constructo,  copiis 
meabile  fecit;  Athon  Thessaliae  moutem  a  continente  abscindens  et  mare 
adducens  navigabile  praebuit.  Sed  haec  de  homine  paene  incredibilia 
aucta  sunt  quoque  arte  loquendi.  Cicero  ad  Herennium  de  gravi  locu- 
tione  exemplum  juditiale  protulit  bis  verbis :  etc.  *).  Quid  bis  verbis  Cicc- 
ronis gravius,  uuio  machter  iz  heuigor  choson?  Et  ille  hoc  in  causis. 
Ambrosius  noster  in  invitatorio  Christi  non  est  tenuior  diceus  :  Veni 
geminae  gigas  substantiae  camis  tropheo  cingere  etcetera.  Plus  miranda 
sunt  Pauli  tonitrua ,  qui  fugiens  sapientiam  verbi  excellentia  tarnen  et 
gravitate  sermonis  supergressus  est  cunctos,  non  arte  sed  spiritu  sancto. 

Quid  sit  acute  loqui. 
Item  acute  loqui  est  argumentis  rem  declarare  hoc  modo :  Rufum 
ne  fidelem  dicas;  vel  sie:  tu  avarum  dicito,  et  ego  fidelem  intellego. 

Quid  sit  Ornate  loqui. 
Item  ornatus  causa  circuitione  vel  sirailitudine  vel  aliquo  scemate 
verborum  aut  sententiarum  utimur,  ut  vino  raadens  pro  ebrius,  et  ex- 
trema  pati  pro  moi'i,  vel  asinum  sapit  pro  stultus  est,  vel  sicut  Virgi- 
lius:  magnarum  virium  est  clavam  Herculis  vi  extorquere  de  manibus 
ejus,  hoc  est  difficile  est,  Homerum  imitari.  Sed  et  haec  gravitatis  sunt, 
sunt  enim  eis  communia  praecepta,  quia  et  decet  et  gravius  est,  genus 
et  speciem  pro  individuo,  totum  pro  parte,  superlativum  pro  positivo, 
pluralem  numerum  pro  singulari  ponere.  Sed  post  de  elocutione  '')  dic- 
turi,  quae  ad  ornatum  proprie  pertinent,  docebimus. 


*)  Folgt  wörtlich  Rhet.  ed  Herennium  IV  8,  12.  Varianten  sind:  fiir  iia  (Cic.  ed. 
Orelli  I'  p.  54,  41)  his\  für  atque  p.  55,  3  atqui;  p.  55,  7  qui  id. .  .  possunt-,  fiir  viderint 
p.  55,  1.3  vendiderint;  für  vester  15  verum;  für  voluerit  18  voluit;  16  stellt  unsere  Hs. 
qui  voluerit  omnium  fortunas  prodere. 


zu  DER  NOTKERISCHEN  RHETORIK.  59 

Quid  copiostim  sit. 
At  copiosum  est,  propositionem  rlietoricam  miiltis  rati*ouil)us  affir- 
mare  ad  hunc  modum :  Propositio  est:  Melius  accurantur  quae  eousilio 
geruntur  quam  quae  siue  consilio  administrantur.  Approbatio  est:  Do- 
mus  ea,  quae  ratioue  regitur,  omnibus  est  instructior  rebus  et  apparatior 
quam  ea  quae  temere  et  uullo  consilio  administratur.  Similiter  exercitus 
is  cui  praepositus  est  sapiens  et  callidus  Imperator ,  omnibus  partibus 
commodius  regitur,  quam  is,  qui  stultitia  et  temeritate  alieujus  admi- 
nistratur. Non  enim  facile  discuutur  haec  genera  oraudi,  quia  proprii 
et  magui  operis  sunt  siugula  ,  et  quia  scemata ,  i.  figurae  orationum, 
argumenta  quoque  et  ratiocinationes  et  diffinitiones  et  praeeepta  gra- 
vitatis  et  omuia  praeeepta  non  solum  rhetoricae  artis,  sed  et  quaedara 
grammaticae  et  dialecticae  artis  ad  haec  genera  et  ad  has  partes  ora- 
tionis  aptantür,  et  auctores  artium  in  bis  tota  studia  consumraabant. 

Quid   sit   opus   orationis. 

Agit  ergo  omnis  orator,  ut  adversario  frangat,  judices  et  audito- 
res  attrahat,  et,  ut  Cicero  dicit,  persuadeat  dictione.  Quid  persuadeat? 
utique  hoc  factum  quod  ipse  defendit  justum,  bouum  et  honestum  esse 
vel  utile  aut  necessarium  esse ;  vel  econtra  quod  impugnat,  uoxium  esse, 
turpe  et  pudendum  et  ab  omni  religione  et  justitia  alienum. 
Unde  sumatur  oratio. 

Ergo  prima  est  materia,  i.  causa,  de  qua  diximus,  deinde  oratio, 
quam  nunc  dicimus  ,  quae  ostendit  causam  qualis  sit.  Ipsa  oratio  ex 
oratoris  procedit  scientia,  quam  rhetoricam  vocitamus,  ut  bene  intelle- 
gatiir,  eam  extrinsecus  haurire  de  materia,  quid  ipsa  de  intus  propinet 
in  oratione;  eadem  ergo  quid  sit,  diffiniatur. 
Quid  sit  rhetorica. 

Rhetorica  est  bene  dicendi  scientia.  (Diffinitio  interpretatur  gnot- 
mezunga  ^*) ,  i.  nihil  plus  ,  nihil  minus ;  potest  et  aliter  dici  ut  ante 
ostendi.)  Quid  est  bene  dicere?  apposite,  i.  apte  vel  congrue  aliquid 
dicere  ad  persuadendum  vel  ad  dissuadendum  ^^).  Unde  quis  haec  potest? 
natura  administrat  ea,  doctrina  vero  nutiüt  et  äuget. 
Quae  sint  partes  ejus. 

Partes  ejus  sunt  quinque :  inventio ,  dispositio,  memoria,  elocutio, 
pronuntiatio.  Non  solum  orator,  sed  et  praedicator  et  qui  nuntium  fert 
et  quicunque  vult  viva  voce  enarrare  '"),  his  partibus  indiget.  Scriptores 
autem  librorum  etsi  non  quinque  quatuor  tamen  partibus  fretos  esse 
oportet.  Et  cum  sex  partes  supradictae  orationis  illius  sint,  qua  orator 
utitur  in  causis,  exordium,  partitio,  narratio,  confirmatio,  reprehensio, 


(50  '  EUGEN  PLEW 

conclusio,  caruni  nulla  nisi  his  quinque  pnterit  pnrtihu.s  expediri.  Enim- 
vero  quidquid  in  omni  locutione  reprchenditur  vel  laudatur,  ad  harura 
quaelibet  partium  pertinet. 

De  vitiis  harum  quinqvie  partium  *). 

Item  de  inventione. 
Est  autcin  inventio  etc.  **). 

De  dispositione. 
Dispositio  est  rerum  inveutarum  et  sententiarum  in  ordiuem  distri- 
butio.  Taz  chit  scaphunga  ^')  unde  ordenunga  des  kechoses.  Bona  dis- 
positio est  rem  eo  ordine  quo  gesta  est  uarrare  etc.  ***). 

Quid  sit  memoria. 
Memoria  est  firma  animi  rerum  et  verborum  ad  inventionem  per- 
ceptio ;    daz  chit  kehugeda  des  tu  getalidost  ^^)  ze  sprechenne.    Sufficit 
de  memoria  dicere,  si  non  sit  naturalis,  artificiosam  parere,  quod  solet 
fieri  vigiliis  et  assiduis  meditationibus  etc.  f ). 

Quid  sit  elocutio. 
Elocutio  est  idoneorum  verborum  ad  inventionem  accomodatio. 
Elocutio  daz  chit  recht  gesprache  vel  recht  kecose;  idoneorum  verbo- 
rum accomodatio  ad  inventionem:  dero  sculdigon  uuorto  legida  ze  dinen 
kedanchin,  ze  demo,  so  du  sprechen  uuellest.  Quodsi  hoc  non  feceris, 
achirologiam  ff)  paris.  Item  elocutio  est  perfecta  locutio :  sicut  enim  ebibe 
est  totum  bibe,  ita  est  eloqui  ad  integrum  loqui.  Idoneorum  verborum 
accomodatio  ad  inventionem  id  est  propriorum  et  convenientiura  verborum 
adjunctio  ad  excogitationem.  Ergo  elocutio  pars  eloquentiae,  quia  elo- 
cutio et  ceterae  quatuor  partes  pariunt  eloquentiam. 

Quid  bipartita  sit  elocutio. 
Elocutionis  duplex  ratio  est  etc.  ff f). 


*)  Hierfür  verweise  ich  auf  Hattemer  S.  57.S*,  12  —  573i>,  22,  wobei  mir  Folgfendes 
zu  bemerken  ist:  14  und  15  hat  B  richtig  quid  und  nee:  Z.  20  B  richtig  idwiea; 
Z.  24^25  fehlt  in  B  richtig  scribit  vel. 

**)  Vgl.  Hattemer  573'' 23— 574^  7;  nur  Z.  25  hat  B  suhauditur ;  27,  28,  29  fehlt 
in  B  genere  causae;  574%  1  B  =  M  mater;  8  B  =  M  prino-,  25  B  salvare  nm  potent  iste? ', 
28  B  =  M  rationem ;  29  B  suam  causam,  M  causam  suam,  Z  causa  suavi.  Mit  574'',  8  Pe- 
trus u.  s.  w.  beginnt  ein  neuer  Absatz  ohne  Überschrift  bis   575",  2;  nur  21  lies  tu  ne; 
22  B  richtig   intellegei-etur ;    24  B  richtig  secZ;  28  B  richtig  re?not;«7;  29  ist  in  B  zwischen 
facti  und  Item  richtig  eingeschoben  der  Abschnitt,    der  bei  Hattemer  aus  ZM  S.  575*, 
17 — 23  steht,  worin  B  Z.  21  richtig  contigerant  hat. 
***)  Bis  Hattemer  575%  16. 
t)  Bis  Hattemer  575",   12. 
tt)  Vgl.  Hattemer  579",  13. 
ttt)  Vgl.  Hattemer  576%  4—579%  16.  Zu  bemerken  ist  hierin  Folgendes:  576%  20 


zu  DER  NOTKF.IJISCHEN  RHETOKIK.  ßl 

De  vitiis  singularum  dictionum. 

Diceudum  est  quoque  de  vitiis  elocutionis,  quae  cavenda  sunt  in 
singulis  et  compositis  dictionibus  ,  et  quae  non  sunt  idonea  ad  inven- 
tionem :  In  singulis  ut  sunt  barbara ,  corrupta ,  impropria ,  antiquata, 
turpia,  differentia.  louge  repetita,  insolenter  prolata.  Barbara,  endriskiu 
aide  fremidiu,  qualia  Donatus  dicit :  mastruga,  cateia,  raagalia,  et  le- 
gibus Alamannorum  plurima  leguntur,  ut  nast'^ai  ^'■')  et  fredum  et  uuere- 
geldum.  Corrupta,  i.  samerartiu  ut  est  cirographum  pro  chirograplium, 
perfodiri,  ut  quidam  legunt  in  evangelio  pro  perfodi,  et  pejurus  pro 
perjurus,  intelligere  pro  intellegere,  et  omnes  barbarismi.  Impropria  sunt, 
i.  tiu  imsculdegen,  quas  grammatiei  achirologias  graece  dicunt,  et  inter- 
pretari  possumus  immanuales  dictiones  etc.  *).  Antiquata,  i.  firniu  vel 
feruuorfeniu,  ut  alucinari,  cerritura,  caperatum  *^),  quae  antiquis  in  usu 
fuisse  Martianus  testatur.  Hujusmodi  apud  Plautum  sunt  plurima  jam 
obsoleta.  Intellegitur  etc.**).  Turpia  sunt,  i.  uncliiuskiu,  ut  etc.***). 
Differentia  sunt  aliena,  i,  ungehaftiu,  quae  secundum  Martianum  etc.  f ). 
Longe  repetita  sunt,  i.  ze  uerro  genominiu,  ut  si  vastam  Cliaribdim 
luxuriosam  dicamus.  Insolenter  prolata  sunt,  i.  uuider  geuuoneheide, 
quae  per  derivationem  aut  interpretationem  novantur ,  i.  nova  inve- 
niuntur,  et  potuissent  quidem  dici  regulariter,  sed  non  solent,  ut  a  ca- 
pite  capitatus,  manu  manuatus,  ala  alatus,  remo  remitus;  a  quibus  tem- 
perandum  est  propter  insolentiam,  i.  seltsaui  aide  ungeuuoneheide.  Sic 
Ciceroni  etc.  ff). 

De  vitiis  conjunctorum  verborum. 

In  conjunctis  autem  verbis  etc.  fff)-  Assiduitas  cujusque  literae 
in  odium  repetitae  est  unlustsamo  geaberter  puochstab,  ut  casus  etc.  ffff). 


setzen  MB  richtig  aliena  hinzu;  576'',  18  Z  ougen  die  reba,  M  ougen  de  raeba,  B  ougen  reha; 
20  ZB  sconiu  chorn\  31  ZB  intendendum,  M  intuendum-^  577",  7  ZB  tagaltlichen,  M  taga- 
lichen;  577",  1  ZM  haheant,  B  habeat  richtig;  für  das  Stück  Hattemer  577-',  14  —  578", 
28    vgl.  die  Mittheilung  aus  der  Brässler  Hs.  durch  Herrn  Professor  Schade  oben  S.  41. 
578",    29    ZB  continua  est,    M  continua  ut  durch  Besserung;    578",  14  Z  districta,   MB 
distincta\  18  ZM  illud,  B  illa. 
*)  Bis  579%  21. 
**)  Bis  580%  2  capri. 
***)  Bis  580%  11. 
f)  Bis  580%  17. 
tt)  Bis  580%  2. 
ttt)  Bis  581",  24,  worin  zu  bemerken,  daß  580'',  B  richtig  07noeoj}roferon,  581",  3 
diproferon  hat,  4  pede  pedem  stellt,  9  hinter  Collisae  :  sunt  einschiebt, 
tttt)  Bis  581%  9. 


62  EUGEN  PLEW 

De  bonis  clausulis. 
Monosyllabae  dictiones  etc.  *). 

Item  de  vitiosis. 
In  monosyllabis  etc.  **). 

De  elocutionis  dignitate. 
Post  inventionem  etc.  ***), 

De  pronuntiatione. 
Pronuntiatio  est  ex  rerum  et  verborum  dignitate  vocis  et  corporis 
moderatio.  Possumus  haec  verba  sie  interpretari :  pronuntiatio  daz  ist 
tiu  gerertida  dero  stimmo  joh  tis  lichamin  nach  dero  geriste  dero  uuorto  *') 
unde  dero  dingo**).  Item  quid  est  pronuntiatio?  kerertida,  kebarda, 
kehaba,  keuuiftigi  *'),  kezami,  sintsami  **),  zuchtigi.  Item  pronuntiare 
dicimus  ferrenan  sagen,  i.  praevenire  verba  gestu  corporis  et  qualitate 
vocis.  Quid  est  gestvis?  antpara,  tatuuichunga  **),  anterunga,  uuerbida. 
Et  quid  est  moderatio?  scaphunga,  mezunga,  metensgaft  *").  Hinc  ap- 
paret,  bene  illum  pronuntiare,  qui  etc.  f ).  Vultus  quoque  pro  sententiae 
dignitate  mutandi  sunt,  sed  non  ita  ut  histi'ionibus  mos  est,  i.  anterarin, 
qui  ora  torquendo,  i.  pirecheu^')  machondo,  ridiculos  motus,  i.  sileliche  **) 
gebarda  spectantibus  praestant.  In  hac  parte  oculorum  magna  est  mo- 
deratio, i.  mezhaftigi,  qui  tum  hilaritate,  tum  intentione,  i.  anasehungo, 
tum  minaci  moventur  aspectu.  Nee  nimium  gravioribus  superciliis  pre- 
mendi  aut  petentibus  frontem  nudandi  sunt  oculi,  i.  uf  unde  nider  ganten 
din  brauuon  nist  ze  uinstrinne  noh  ze  uuit  sehonne;  quod  in  Pisone 
Tullius  araare  vituperat,  i.  handego  sciltit.  Nee  molliter  agendi  sunt 
gestus ,  i.  noh  ze  liso  nerure  *^)  sich ,  nee  muliebriter  deducenda  sunt 
latera,  i.  noh  uuibelicho '*")  neuuanchoie  *')  mitten  siton,  nee  jactanda 
defoi-niiter  cervix,  i.  nohne  halsuuerfoie  ^^)  ze  uugezamero  uuis,  ne  in 
illas  Hortensii  deducatur  illecebras,  i.  unzuchte,  quibus  etsi  venuste  tarnen 
non  videbatur  uti  viriliter,  i.  tie  er  teta  zero  ^^)  ni  doch  komelicho.  Ad 
summam  gestus  non  is  oratori  tenendus  est ,  quo  scenae  placere  di- 
cuntur  actores  ,  i.  recitatores  s.  fabularum  comicarum  vel  tragicarum : 
manus  in  contentionibus  fusa  porrectius,  i.  ze  uerro  hina  gerachder  arm 
stritendo;  in  sermocinatione  vel  narratione  contracta,  i.  unde  aber  uui- 
dere  gezuhter,  sagendo.    Praecipue  in  hac    parte   praestandum  est ,    ut 


*)  Bis  582»,  20,  worin  zii  bemerken  ist,  daß  ö81'\  28  B  richtig  Fit  quidem,  582«, 
11  B  richtig  mare  fliicluandhus,  litus  ejectin  hat. 

**)  Bis  583»,  3.   Zu  bemerken  ist,   daß  582»,  26  B   richtig  hfa  res  viea  est  hat  und 
582'',  23/24  der  Satz,  der  in  M  fehlt,  wie  in  Z  so  in  B  steht. 

***)  Bis  583^  21.  Zu  bemerken  ist,  daß  583»,  9  in  B  scripsit  fehlt. 

t)  Bis  584*»,  7,  worin  nur  zu  bemerken  ist,  daß  584",  23/24  inB  rhetorice  digenia  fehlt. 


zu  DER  NOTKERLSCHEN  RHETORIK.  03 

deceant  cuncta ,    quod  magis  prudentia  quam   ulla  praeceptionis  hujus 
arte  servatur  '^). 

Has  quinque  partes  rhetoricae  qui  tenet,  ipsam  tenet,  quum  ipsa 
nihil  aliud  sit,  quam  quod  partes  ejus.  Latet  autem  etc.  *). 


ANMERKUNGEN. 

1.  est  fehlt  in  B;  aus  M  ergänzt,  da  der  Sinn  es  verlangt. 

2.  hujus  B;  aus  M  in  Ms  geändert,  aus  demselben  Grunde. 

3.  Über  die  richtig  alemannische  Form  sal  vgl.  Weinhold  AI.  Gr. 
S.  156. 

4.  Statt  fiunt  hat  B  eine  Lücke ;  aus  M  ergänzt. 

5.  distrides  ist  verschrieben  für  dis  strides.  Zu  dis  vgl.  Weinhold 
a.  a.  0.  S.  460.  Das  irrationale  i  statt  des  tonlosen  e  (vgl.  Weinhold 
a.  a.  O,  S.  25),  das  in  M  sehr  überwiegend  ist,  erscheint  in  B  auch, 
aber  seltener.  Sehr  häufig  ist  in  B  die  Erweichung  des  organischen  t 
zu  d  im  Inlaut ,  sowohl  namentlich  zwischen  zwei  Vocalen ,  als  auch 
nach  hf  ch  und  n:  vgl.  Weinhold  S.  143.  144. 

6.  Quot  nothwendige  Änderung  für  Quod  der  Handschrift, 

7.  spacUcha  dürfte  Verschreibung  sein  für  spi-aclicha]  das  c  kann 
richtig  sein:  „zahlreich  weisen  alemannische  Handschi'iften  im  In-  und 
Auslaut  k  (c)  an  der  Stelle  von  ch  auf  Weinhold  S.  177  (aus  Wacker- 
nagel, Predigten  wird  angeftihrt  sprac). 

8.  atHot  B.  Gemeint  könnte  sein  ahttot  (vgl.  Weinhold  S.  136). 

9.  rect''saga  B.  Gemeint  ist  Avohl  recthsaga:  über  th  für  ht  auch  in 
alemannischen  Quellen  vgl.  Weinhold  S.  137.  —  iz :  B  hat  nur  diese 
Form :  vgl.  Weinhold  S.  454. 

10.  föne  fonanderme  Dittographie  fiir /one  anderme.  Der  letzte  Buch- 
stab von  andei^ie  könnte  auch  ein  o  sein;  sonst  erscheinen  in  B  im 
Dativ  die  vollen  Formen  auf  mo. 

11.  uuehsal:  „altes  a  in  den  Sproßsilben  war  in  dieser  Zeit  längst 
dem  unbestimmten  e  gewichen.  Aber  die  Mundart  suchte  diesen  Laut 
in  den  Endungen  heller  und  bestimmter  zu  sprechen,  was  die  Schreiber 
häufig  durch  a  andeuteten".  Weinhold  S.  15. 

12.  B  hat  immer  die  vollen  Formen  daz  oder  taz,  nicht  dez;  vgl. 
Weinhold  S.  460. 

i3.  antseigidiga ,  daneben  noch  einigemale  antseigida\  später  da- 
gegen ein  paarmal  antsegida.  Über  dies  unorganische  ei  für  e  vgl.  Wein- 
hold S.  55  (87.  103). 


*^  Bis  zu  Ende;  zu  bemerken  ist,  daß  Z.  19  B  wie  Z  rhetorum,  M  dagegen  rhetori- 
corum  hat:  letzteres  ist  vielleicht  vorzuziehen. 


64  EUGEN  I'LEW 

14.  ttncnldigiinfja  B;  wohl  reiner  Schreibfehler  für  unsculdigungn. 

15.  gna(J(mßeg''a  B;  gemeint  ist  vielleicht  —ßegJia:  vgl.  Weinhokl 
S.  180,  wo  indeß  das  gh  im  Inlaut  nur  vor  oder  nach  i  erscheint. 
Wahrscheinlich  soll  h  an  die  Stelle  von  g  treten. 

16.  unuui'zenheit  B.  Über  die  Schreibung  zz  vgl.  Weinhold  S.  150. 
geschitnot  braucht  nicht  aus  geschihtnot  verschrieben  zu  sein:  Beispiele 
für  den  Ausfall  des  h  vor  t  Weinhold  S.  196. 

\1.  jam  fehlt  in  B;  dem  Zusammenliange  nach  aus  M  ergänzt. 

18.  dicitur  —  quaestio  fehlt  in  B,  aus  M  ergänzt. 

19.  Über  si  vgl.  Weinhold  S.  456  f.  in  guodemo  sin  =  in  Gutem, 
bei  guter  Gesinnung  sein. 

20.  Über  die  Verschmelzung  zimo  vgl.  Weinhold  S.  23. 

21.  Über  das  ue  in  sptiedich  Weinhold  S.  69.  d  hier  auch  für  t. 

22.  convictura  B;  Verschreibung  für  conjecfura. 

23.  hinc  et  inde  aus  M  hereingesetzt.  B  hat  et  hinc,  was  keinen 
Sinn  gibt. 

24.  cotidiana :  dem  Sinne  nach  nothwendige  Änderung  für  coti- 
dianam,  was  B  hat. 

25.  sHscipiendum  esse  gibt  keinen  rechten  Sinn;  vielleicht  ist  non 
vor  suscipiendum  ausgefallen? 

26.  est  fehlt  in  B ;  aiis  M  ergänzt. 

27.  dixerit  fehlt  auch  in  B  und  ist  aus  M  ergänzt. 

28.  i.  constittdiones — partes  fehlt  in  B;  aus  M  ergänzt. 

29.  Susanna,  das  auch  M  hat,  ist  von  Hattemer  S.  569  ganz  falsch 
in  Susannae  geändert. 

30.  similiter  est  fehlt  in  B;  aus  M  ergänzt. 

31.  nee  —  deheat  aus  M  ergänzt. 

32.  hosfoi-um  B. 

33.  declamatione  B,  sicher  verschrieben  aus  de  elocutione. 

34.  geotniezunga  B. 

35.  ad  persnadendum  dicere  B.  Aus  M  das  Richtige  hergestellt. 

36.  qnicunque  iml  uiua  enarrare  B;  hergestellt  nach  M. 

37.  Die  Schreibart  scaphunga  erscheint  in  B  neben  scafunga.  Vgl. 
Weinhold  S.  123. 

38.  gethadost  B;  wahrscheinlich  verschrieben  für  getahdost ,  mit 
Verhärtung  des  d  zu  t,  Erweichung  des  t  zu  d:  s.  oben  Anm.  5.  Sollte 
indeß  gethadost  festzuhalten  sein,  so  wäre  das  th  dann  eine  („in  den 
ältesten  alemannischen  Schriften  sehr  häufige"  Weinhold  S.  134)  Schreib- 
art für  d,  die  freilich  sonst  in  B  nicht  begegnet;  über  den  Ausfall 
von  h  vor  t  oder  d  vgl.  Anm.  16. 


zu  DER  NOTKERISCHEN  RHETORIK.  G5 

39.  nasf'ai  B  entspricht  dem  nasthai  in  M.  Über  das  Wort  vgl. 
Waekernagel  z.  d.  Stelle  in  Haupt  Zeitschr.  IV  und  Weinliold  S.  14. 

40.  capratum  B.  Die  richtige  Schreibung  ist  caperatum. 

41.  dero  uuoto  unde  dero  uurto  B:  gemeint  ist  darnach  wohl  unde 
dero  uum'to. 

42.  digngo  B ;  wohl  nur  Verschreibung  für  dingo. 

43.  keuuifiigi  B.  keuuirftigi  M.  Die  Form  in  B  kann  eine  Ver- 
schreibung sein  ,  doch  wäre  ein  solcher  Ausfall  des  r  nicht  unerhört; 
Weinhold  S.  166  (Beispiele  eines  Ausfalls  vor  /  finden  sich  hier  freilich 
nicht  angegeben). 

44.  sintsami  BMZ.  Bei  dieser  Einstimmigkeit  der  Überlieferung 
dürfte  eine  Änderung,  wie  sie  Wackernagel  vorschlägt  (in  sitisami) 
nicht  möglich  sein.  Es  könnte  immer  eine  Ableitung  von  sint  =  rich- 
tiger, gehöriger  Weg  sein  in  dem  Sinne  von  „richtiges  Benehmen". 
Vgl.  sinnesam. 

45.  tatuuichunga  B  Z ;  uiuchimga  M.  Ersteres  ist  sicher  richtig  und 
auch  nicht  mit  Wackernagel  in  tatuurchunga  zu  ändern;  vgl.  Graff 
I,  708. 

46.  Zu  der  Schreibart  metensgaß  vgl.  Weinhold  S.  158. 

47.  pirechen  B,  wohl  verschrieben  aus  priechen'^  prieken  M.  Vgl. 
Schmeller  I,  251:  „briecken,  brieggen"  mit  verzerrtem  Gesicht  weinen. 
Schweizerisch  dasselbe,  und  „die  Brieke"  weinerliches  Gesicht,  Stalder 
I,  225.  Also  prieka  oder  priecha,  schw.  f.  1.  Gehört  das  Wort  vielleicht 
zu  priohan  (preohan,  st.  V.  abl.  6,  krümmen,  Schade  W.  B  S.  459)? 

48.  sileliche  B  verschrieben  ftir  spileliche. 

49.  rure  B;  viele  Beispiele  gerade  aus  Notker  des  ü  fiir  uo  gibt 
Weinhold  S.  48. 

50.  uuibelicho;  der  Bindevocal  e  (hier  für  a)  vor  lieh  kommt  auch 
sonst  in  alemannischen  Quellen  vor:  Weinhold  S.  251. 

51.  uuanchoie,  nachher  uuerfoie.  B  und  M  (der  einmal  g  statt  i 
schreibt)  haben  diese  erweiterte  Form  des  Conjunctivs,  Z.  nicht.  Vgl. 
Weinhold  S.  368.  369. 

52.  zero,  d.  h.  zero\  über  e  für  ie  im  Alemannischen  Weinhold 
S.  38. 

53.  servitur  (etur?)  B;  se^-vatur  erfordert  der  Sinn. 

KÖNIGSBERG  i.  Pr.  im  Mai  1868.  EUGEN  PLEW. 


GERMANIA.   Neu«  Reihe  U.  (XIV.)  Jahrg. 


66  JOSEPH  HAUPT 


ZWEI  ALTHOCHDEUTSCHE  BRUCHSTÜCKE. 


Die  beiden  folgenden  Stücke  wurden  von  den  Deckeln  der  Hs. 
2727  der  k.  k.  Hofbibliothek  abgelöst.  Die  Hs.  stammt  aus  Monsee 
und  führte  deshalb  auch  früher  die  Bezeichnung  Lunaelacensis  f.  182. 
Sie  gehören,  mit  Sicherheit  das  erste  und  größere  A,  zur  Übersetzung 
des  Tractates  Isidors  von  Sevilla  De  nativitate  domini;  beide  gehören 
auch  zu  derselben  Hs.,  aus  der  Endlicher,  Hoffmann  und  Maßmann  die 
Fragmenta  theodisca  herausgegeben  haben. 

Unsere  Langstreifen  werden  jetzt  mit  den  andern  derselben  Hs. 
unter  Nummer  3093*  aufbewahrt.  Die  Stellen  zu  bestimmen ,  wohin 
sie  im  beregten  Tractate  gehören ,  überlasse  ich  Anderen,  die  in 
dieser  Arbeit  mehr  Glück  haben  werden.  Übrigens  sind  hier  diese 
Überreste  Zeile  für  Zeile  abgedruckt,  und  an  den  einzelnen  Formen 
und  Lesarten  kann  um  so  weniger  ein  Zweifel  sein,  als  beide  Stücke 
wohl  erhalten  sind  und  die  Schrift  so  klar,  deutlich  und  fest  ist,  auch 
theilweise  noch  in  der  alten  Schwärze  dasteht,  wie  es  selbst  bei  jün- 
geren Hss,  nicht  oft  der  Fall  ist. 

WIEN,  im  December  1868.  JOSEPH  HAUPT. 

A. 

sih  sid     auar  az  aue  siun  .  . 

a  deru  selbun  sentidu  ist  .  a 

s.  auh  oflfonor  den  selbun 

.  gafestinota  duo  er  qu 
5  denti  uuidar  leon  sinem 

i  dea  selbun  iudeo  liuti  d 

chuad  auh  der  forasago  .  ae 

ar  .  enti  aer  .  denne  iru  bi  qu 

man  chunt  .  So  selbe  der  for 
1 0  .  aer  danne  du  magad  x 

ar  svmu  in  sineru  gotnissu 

ra  magadi  ziit  biquami  za 

ano  einigero  ziteo  bigin  . 

forasago  dar  after    Huue 
15  ti  odo  huuer  gasah  eo  desiu 

hhef  eo  neo  uuiht  mit  mann 


ZWEI  ALTHOCHDEUTSCHE  BRUCHSTÜCKE.  67 

diu  eo  uuiht  kalihhes  .  ent 

Inugaih  an  ehre  gaborane 

e  quad  truhtin.  Enti  ih  an 
20  bu  .  za  beranne  .  sculi  ih  uuesa 

deru  deseru  urchundi  ist  za 

a  laubit  .  daz  imo  zueio  .  che 

u  za  galaubenne  odo  hicche 

sagun  .  dea  diz  bifora  chu 
25  Bi  daz  quidit  heaR  Hu 

R  FRUMISCAFTI  UN.AR.S 

ARd  KABORAN  FONA  FAT 

An  gesint  sohhenti  .  in  huuelihh 

kaboran  uusti  enti  er  •  ist  eo 
30  m  bi  inan  gascriban  ist .  Sinuz  o 

B. 

zuiflomes 
tant 


5  sun  .  ga 

auuisso  quad  . 

sinemo  . 

sohhet  . 

eotot  . , 
10  ran  gotes 

t  galesan 

denne 

a  demo  seibo 

ndita  .  quad 
15  nti  dih 

deru  steti 

mo 

u  inan 

sun  tot 
20  nne 

altida 


63  JOSEPH  HAUPT 


25 


trulitin 
Heu 

selbo 


BLANSCHANDIN. 

BRUCHSTÜCKE  EINES  MHD.  GEDICHTES. 


Die  folgenden  Bruchstücke  wurden  von  der  Hs.  3742  der  k.  k. 
Hofbibliothek  abgelöst,  an  der  sie  als  Rückenbänder  aufgeklebt  waren. 
Diese  Hs.  ist  eine  Monseer  (Limaelacensis  f.  196),  die  wie  die  meisten 
ihrer  Schwestern  in  dem  uralten  oberösterreichischen  Stifte  selbst  und 
zwar  in  der  zweiten  Hälfte  des  fünfzehnten  Jahrhundert  ihren  Einband 
erhielt,  wobei  diese  Bruchstücke  die  gemeldete  Verwendung  fanden. 
Hieraus  folgt,  daß  man  damals  in  Monsee  diese  Hs.,  zu  der  die  Bruch- 
stücke gehörten ,  besaß  und  zwar  in  bereits  sehr  mangelhaftem  Zu- 
stande, da  sie  sonst  schwerlich  zum  Einbinden  wäre  verbraucht  worden. 

Bis  jetzt  sind  sieben  Langstreifen  aufgefunden,  deren  drei  das 
hier  als  I  bezeichnete  Blatt  bilden,  während  Blatt  II  und  III  aus  je 
zweien  solcher  Streifen  bestehen.  Alle  drei  Blätter  sind  an  den  Seiten 
rechts  und  links  beschnitten,  am  stärksten  natürlich  II  und  III.  Die  Hs. 
war  in  zwei  Spalten  auf  der  Seite  zu  je  32  Versen  zwischen  Linien 
mit  schönen  Zügen  um  die  Mitte  des  dreizehnten  Jahrhunderts  ge- 
schrieben. Der  Abkürzungen  sind  nur  wenige,  nämlich  die  in  deutschen 
Hss.  auch  sonst  üblichen  ,  die  ich  alle  aufgelöst  habe  außer  vn.  Wo 
durch  große  und  verzierte  Buchstaben  Abschnitte  bezeichnet  werden, 
habe  ich  im  folgenden  Drucke  unter  dem  Text  angegeben.  Alles 
cursiv  gedruckte  sind  Ergänzungen  von  mir,  und  ich  hoffe  nicht  zu 
oft  geirrt  zu  haben.  Eben  so  bin  ich  fiir  die  Interpunction  verantwort- 
lich, die  Hs.  kennt  nur  hie  und  da  Puncte  hinter  den  Reimen  und  ein- 
mal I,  13  ein  Fragezeichen. 

Diese  Bruchstücke  belehren  uns,  daß  der  französische  roman  d'a- 
vantures,  den  Michehint  unter  dem  Titel:  Blancandin  et  Orgueilleuse 
d'Amour  zum  ersten  Male  Paris  1867,  8"  herausgegeben  hat,  gleich- 
zeitig auch  deutsch  war  bearbeitet  worden ,  wovon  aber  der  Heraus- 
geber nichts  wissen  konnte. 


BLANSCHANDIN.  69 

Mit  Hilfe  dieser  französischen  Quelle  lassen  sich  die  Stelleu  des 
Gedichtes  bestimmen,  die  unsere  Bruchstücke  einnahmen.  Blatt  I  ent- 
spricht V,  70—155;  Blatt  II  v.  290—340;  Blatt  UI  v.  385—440. 

Schon  aus  den  deutschen  Bruchstücken  geht  deutlich  hervor,  daß 
wir  es  wieder  mit  einem  jungen  tumben  zu  thun  haben,  der  gewitzigt 
werden  soll.  Ein  König  nämlich  sucht  seinen  Sohn  vor  den  Grefahren 
dieser  Welt  dadurch  zu  bewahren,  daß  er  ihm  zwar  einen  Lehrer  gibt, 
demselben  aber  verbietet,  dem  Zögling  zu  erklären  was  Ritterschaft  sei. 
Auf  einem  Vorhange  vor  dem  Gemache  der  Königin  sieht  der  Junge 
aber  Rosse  und  Ritter,  Helme  und  Halsberge,  Schwerter  und  Speere, 
Wehr  und  Waffen  abgebildet  und  fragt  seinen  Lehrer  daräber.  Als  ihm 
endlich  die  ge"vvünschte  Auskunft  geworden  ist ,  entreitet  er  heimlich 
seinen  Altern,  weil  er  gehört  hatte,  ein  gekrönter  König  oder  ein  zur 
Krone  geborner  Prinz  dürfe  sich  nur  gegen  seines  Gleichen  im  ritter- 
lichen Kampfe  versuchen.  Wer  nun  die  Verszahlen  des  deutschen  und 
fraüzösischen  Gedichtes  vergleicht ,  sieht ,  wie  viel  ausführlicher  der 
deutsche  Bearbeiter  war ;  alle  die  Stellen,  in  denen  der  Dichter  spricht, 
sind  nicht  im  Französischen  zu  finden.  Wenn  derselbe  das  ganze  Werk 
auf  diese  Weise  bearbeitet  hat,  so  muß  er  die  6136  Reime  seines  Ori- 
ginals auf  mindestens  die  doppelte  Zahl  gebracht  haben,  was  sich  auch 
daraus  schließen  lässt,  daß  Blatt  HI  unten  am  Rande  als  I*,  also  als 
letztes  Blatt  der  ersten  Lage  bezeichnet  wird,  und  daneben  stehen  die 
Worte  :  '^Daz  ick  die  f{u)r{t)  vch  lere  ,  was  also  der  erste  Vers  der 
zweiten  Lage  war. 

Unser  Dichter  scheint  den  mitteldeutschen  Gegenden  angehört 
zu  haben,  wie  aus  den  Reimen  riten  :  vermiden  IH,  88  :  89  enpfän :  stäri 
n,  29  :  30  sich  erweist.  Dahin  gehört  auch  die  Hs.,  die  zwischen  tenuis 
und  media  schwankt,  z.  B.  im  Anlaute:  dotet  =  toetet  III,  2;  droum  = 
troum  III,  29;  oder  im  Inlaute:  gebiedet  =  gebietet  I,  12;  side:  ride  = 
Site  :  rite  I,  41  :  42;  geride  :  side  =  gerite  :  site  I,  57  :  58;  i-iden  :  biden  = 
riten  :  btten  HI,  125  :  126  u.  s.  w.  Man  möchte  glauben,  ein  hochdeutscher 
Schreiber  habe  dies  aus  seiner  Vorlage  herüber  genommen,  aber  da- 
gegen sprechen  die  Formen:  engelten  :  ich  schelten  (Infinitiv)  HI,  5:6; 
die  p7'isen  ich  I,  28,  ebenso  die  für  diu  I,  89,  108 ;  wunderliche  dinc  I,  32 
statt  wunderlichiu  dinc,  ferner  ü  =  üe  I,  43  :  44,  96^  ü  =  iu  I,  99,  e  :  ce 
öfter  und  was  dergleichen  mehr  ist,  worüber  sich  mit  Sicherheit  erst 
urtheilen  ließe,  wenn  das  ganze  Gedicht  oder  doch  ein  großer  Theil 
desselben  vorläge. 

Zimächst  für  die  höfischen  Kreise  war  das  Werk  bestimmt,  wie 
natürhchj   und  so  kann  es  kaum   überraschen,   wenn  der  Dichter  dai 


70 


JOSEPH  HAUPT 


Fechten  Blanschandins  mit  dem  des  Feirefiz  und  Parzival  vergleicht 
n,  59.  60,  aber  wohl  daß  er  so  unhöfische  Worte  gebraucht,  wie  ivarc 
n,  16,  oder  den  Helden  mit  dem  hauenden  eberswin  II,  81  vergleicht. 
Für  einen  besonders  guten  Witz  muß  er  gehalten  haben,  daß  ihm  ein 
Ring  von  der  Frau,  die  er  meint,  lieber  wäre,  als  tausend  Mark  von  einem 
kargen  Juden  LEI,  105—112. 

WIEN.  JOSEPH  HAUPT. 


Sp.  a  *     ier  vmbe  vil  getrahtet 
islichez  sunder  beahtet 
und  enkan  ez  niht  zende  komen. 
zehn  han  sulchez  niht  vernomen/ 
5  Der  meister  sprach :  'daz  si  getan. 
Ich  wil  uch  gerne  lan  verstan 
sit  daz  irz  wizzen  ruchet 
und  ouch  an  mich  suchet, 
«o  wizzet  ez  ist  ritterschaft.' 

10  *fZat  ritterschaft  al  sulche  kraft, 
liehe  meister  so  saget  ir.' 
"oh  ir  gebiedet  vollen  mir' 
'wsis  ist  daz  sie  tragent  an?' 
'^daz  sint  halsberge  sunder  wan 

15  von  ringen  wol  gecleinet, 
d&z  ist  daz  ir  da  meinet.* 
'waz  ist  daz  sin  den  banden  hant 
da,  mide  sie  slahende  so  gant?' 
ich  wils  vch  sagen  sit  irz  gert 

20  ez  sint  vn  heizent  scharpfe  swert'. 
meister,  sost  mir  ange 
waz  wesen  muge  daz  lange?' 
'ez  sint  sper  mit  orten  schai-f 
der  iegelicher  wol  bedarf. 

25  «0  sint  daz  breide  schilde, 
die  hant  ein  wit  gevilde 
feeuangen  vmb  vnd  vmbe  sich.' 
die  ritterschaf  die  prisen  ich. 
waz  ist  daz  vf  dem  houbte  tra- 
gent?' 

30  "^ez  sint  helme  so  si  sagent.' 
\'n  nomine'  sprach  der  iungelinc 
diz  sint  wunderliche  dinc. 
b  'Meister,  daz  iuch  got  gesegen. 

Mac  ein  islich  kunec  pflegen 


35  Ritterschaf  vnd  ob  er  wil?* 
'Ja  .  ez  enist  ime  niht  ze  vil, 
E  wan  die  crone  ime  werde  gesät 
vfi'e  sin  houbet  an  ir  stat. 
Wirt  abr  er  gekronet 

40  So  wurden  gar  gehonet 
Alle  kunecliche  side. 
Ez  enwere  dan  daz  im  wider  ride 
Ein  kunec  der  crone  trüge, 
So  duht  ez  mich  gefuge; 

45   Anders  sol  ez  niht  sin.' 

'So  nem  ihz  vf  die  triuwe  min' 
Sprach  der  iunge  sunder  hart 
*Daz  kunec  vnde  kuneclicher  art 
Ist  missewart  an  eren. 

50  Ich  wil  daz  gar  uei'keren. 
Ist  imen  kunec  worden 
Pfliget  der  niht  ritters  orden, 
Zware  deist  niht  endelich. 
Inen  wolde  niht  sin  ein  kunec 
rieh, 

55   Daz  ich  ritterschaf  verspreche 
vn  niemer  sper  zerbreche 
Joch  niemer  hohez  ors  geride. 
Es  ist  ein  wunderlicher  side 
Der  mir  missehaget  gar. 

60  lehn  erwinde  niemer  ich  envar 
Da  ich  ritterschaf  gelerne. 
Ich  künde  sie  so  gerne 
Daz  da  min  herze  swillit  nach. 
Mir  ist  ze  ritterschaf  so  gach 
c   65   Inervinde  danne  waz  ez  si, 

Sone  wert  ich  niemer  sorgen  vri. 
Ich  ensi  an  kreften  nie  so  kranc, 
Mir  enturniere  min  gedanc. 


I.  5  D  war  roth  und  groß,  jetzt  sind  nur  noch   die  äußersten  Urorisse  da. 


BLANSCHANDIN, 


71 


Nach  ritterscliefte  wil  ich  streben. 

70  Liez  mich  nu  got  den  tac  geleben 
Daz  mir  gewapent  wurde  der  lip 
Durch  ere  vü  durch  die  werden  wip 
So  wolt  ich  mich  muntieren. 
Striteu  vnde  turnieren 

75  Daz  solte  man  allez  an  mir  han.' 
Dise  rede  muster  lazen  stan, 
Als  ich  die  mere  han  vernomen. 
Der  kunec  was  von  messe  kernen 
Vnd  ouch  die  kunegin  sin  wip, 

80   Sie  hate  minneclichen  lip. 
Daz  ezzen  vunden  si  bereit. 
Den  kemereren  wart  geseit 
Daz  sie  sich  arbeiten 
Vnd  die  tauelen  bereiten, 

85   Der  kunec  der  wolde  ezzen  gan. 
Diz  wart  alzehant  getan. 
Der  kunec  nider  ze  tische  saz, 
Bit  gantzen  vreuden  er  az, 
Beide  er  vnd  die  kunegin. 

9  0   Nu  saz  der  iunge  Blanschandin 
vnde  mohte  uil  lutzel  ezzen, 
Er  enkunde  niht  vergezzen 
Der  ritterschefte  die  er  sach. 
Herze  vnde  müt  ime  des  veriach : 

95   Em  künde  niemer  werden  vro, 
Sin  dinc  gefugte  sich  also 
d  Daz  er  kerne  in  fremede  lant, 

Da  ime  ieman  wurde  erkant 


Der  vrhiges  pflege 
100   Vnde  sich  niht  verlege 

Der  were  arm  oder  riche, 

Dar  wolt  er  sicherliche. 

Dise  rede  begunder  abr  lan. 

Der  tac  begunde  hine  gan 
105  Des  abendes  de  ez  naht  wart 

Do  gedahte  abr  an  sine  uart 

Der  iunge  sueze  Blanschandin. 

Der  kunec  vnd  die  kunegin 

Bit  banden  sie  sich  viengen, 
110  An  ir  bette  sie  giengen 

Da  ir  ruwe  niht  verdarb. 

Nu  horent  wie  der  iunge  warb. 

Eime  knehte  rief  er  dar, 

Er  sprach :  'geselle  min  nim  war. 
115   Bi  dime  libe  gebiut  ich  dir, 

Gra  hin  vil  balde  vn  satele  mir 

Mins  vader  ors  daz  wize, 

Daz  tu  bit  gutem  vlize. 

Ich  han  dich  iemer  drumbe  wert. 
120  Daz  zu  brinc  mir  sin  vil  gut  swert 

Daz  bit  den  scharpfen  orten 

Hin  vor  die  grozen  porten. 

Ich  gedienez  vfFe  minen  eit.' 

Daz  ors  daz  wart  zehant  bereit, 
125   Darzu  daz  swert .  er  brahtez  dare. 

Er  saz  dar  vf  .  got  in  beware ! 

Des  bedarf  er  inneclichen  wol, 

Wand  er  enweiz  niht  war  er  sol. 


n. 


Des  sistu  suezer  got  gelobet! 
Nach  strite  mir  daz  herze  tohet.' 
Nu  wart  innen  Blanschandi?«, 
Daz  er  daz  iunge  frouweli« 
5  Sere  sluc  mit  gi-imme. 
Bit  einer  hohen  stimme 
Rief  er:  'Ritter  lazet  stan. 
Ez  ist  vil  vbele  getan, 
Daz  ir  mordet  die  frouwen. 
10  Vwer  dumpheit  mac  man 

achouwen ! 
Ir  sult  zu  disen  ziten 


Die  frouwen  lazen  riten. 
Pfi,  pfi!  daz  ir  sit  geschant! 
Daz  ie  wart  an  vch  gewant 

15   Ritters  orden  alse  starc. 
Ir  sit  ein  vbeler  wäre' 
Der  ritter  daz  vor  übel  nam. 
Er  sprach :  'juncherre  saget  an 
Waz  went  ir  diz  geniezen? 

20   Ez  mac  sie  wol  verdriezen 

Swaz  so  nochdant  uch  gescÄehe 
'Deme  suezen  gode  ich  hie 
verieÄe 


I.  87  Großes  rothes  D  mit  grüner  Verziervmg.    I.  103.    II.  17  Großes  grünes  D 
mit  rother  Veraierung. 


72 


JOSEPH  HAUPT 


Ir  rehter  böser  ribalt 
Bit  siegen  wil  ich  machen  alt 
25  Juwern  vnreinen  lip. 

Vor  vch  behalt  ich  wol  daz  wip.' 
Die  solt  ich  henken  ob  ich  wil.' 
Vwers  clafens  ist  ze  vil, 

Nu  lazet  iuwer  clafen  stan, 
30   Oder  ir  muzet  von  mir  enpfan 

Daz  vch  iemer  smerzen  mac. 

Ich  slah  vch  nith  wan  einen  slaa 
h  Der  vch  lihtet 

Daz  irs  verwin 
35  Der  iunger 

Daz  du 

Vnde  mich  so 

Dir  wirt  din 

Wond  min  herz 
40  Des  wirstu  h 

Anders  mac  e 

So  sprach  der 

Die  frouwen  n 

Ritter,  weit  ir 
45  So  sit  bereit 

Ir  sit  ein  vn 

Vol  bitter  m 

Wil  mir  daz 

Ich  sol  vch 
50  Daz  kein  ma 

Pfi  ir  gune 

Ir  muzet  si 

Vch  si  von  m 

Vf  vch  min 
55  Nv  was  der 

als  mir 

Sie  baten  g 

Hie  wart  ei 

Daz  ferefiz 
60  Vnde  parze 

Nie  so  scho 

Da  sie  bit  e 

Die  sper  sie 

So  daz  sie 
c   65  cke 

icke 
elingen 


e  bringen 
unden 
70  unden 

n  nam 
ander  gram 
che 
riebe 
75  n  spil 

lengen  wil 
e  beiden 
eiden 
zome 
80  rne 

eberswin 
edec  sin 
aft 

nde  kraft 
85  r  vn  dar 

wol  gewar 
uden 
rmuden 
e  here 
90  sere 

generte 
te 

ozeu  slac 
wac 
95  eben  müt 

st  so  gut 
i  Du  Äelfe  ie  deme  rehten 

Bit  rehte  sig  ervehten 
Den  iungen  an  dem  alten. 
100  Wiltu  sin  eine  walten 

So  mac  er  harte  wol  genesen. 
Geruch  im  herre  genedic  wesen 
Durch  diner  martel  ere. 
NocÄdant  bit  ich  dich  mere. 
J05  Durch  dine  hohe  trinitat 
Daz  du  ime  helfe  vnde  rat 
Gebest  zu  sime  strite, 
Ynd  tu  daz  herre  inzite, 
"Edaz  er  sinen  iungen  lip 
JJO   Yerliese  durch  mich  armez  wip. 
Wände  solt  er  hie  verderben, 
Ich  vvolde  e  vor  in  sterben.' 


n.  35  Großes  rothes  D  mit  rother  Verzierung,     55  Großes  grünes  N  mit  rother 
Verzierung. 


BLANSCHANDIN. 


73 


Diz  sj»rach  sie  heize  weinende 
ynd  bit  herzen  meinende, 

115  Das  scÄone  erhörte  got  ir  bete. 
Daran  er  godelichen  tete. 
Er  ^estate  daz  der  iunge  man 
Den  sige  gewan  dem  alten  an, 
Der   vor  des  manigen   hate  er- 
slagen ; 

120  Des  muster  nu  die  buze  tragen. 


Blan  sc  handin    daz    an    ime 

sach 
Da  ime  sin  kraft  niht  helfe  eniach 
Wand  er  vil  vor  ime  da  hin. 
ZeAant  do  lief  er  über  in 
125   Ynde  slüc  ime  abe  daz  houbet. 
Er  wart  also  betoubet 
Daz  er  niomer  wort  gesprach. 
Die  frouwe  daz  vil  gerne  sach. 


III. 


a  Äerze  unde  sinne  notet 

in  frouden  dicke  dotet 
des  zihcn  ich  die  minne 
ich  funde  in  minera  sinne 
5   und  mac  ez  wol  engelten 
daz  ich  sie  lange  schelten, 
m'emen  ane  minne  wesen  sol. 
die  ist  maniger  seiden  vol. 
sioer  mit  triuwen  minnen  gert 
10  tvirt  des  von  ir  gewert. 
er  manige  missetat 
det  durch  der  minnen  rat 
n  dem  sie  wirt  gehaz. 
minne  ist  maniger  tagende  vaz. 
15   ich  n  wil  sie  niemer  strafen. 
ich  wil  schrien  wafen 
über  alle  die  ir  sprechen  leit. 
minne  al  der  werlde  selikeit, 
6e«elige  mich  du  weist  wol  wo 
20  vnde  mache  mir  daz  herze  vro. 
dise  rede  wil  ich  hie  begeben 
vn  Grifen  an  daz  erste  leben 
vnd  rihten  daz  nach  rehte 
bit  deme  iungen  knehte. 
25  do  Blanschandin   der  gute 
irsach 
diz  herzeleit  diz  vngemach, 
dez  wundert  in  vil  sere, 
erenwiste  waz  iz  were, 
und   rfahte   rehte    ez    were   ein 
droum. 
30  daz  ors  bant  er  an  einen  boum, 


und  entwapeute  sich  vil  schire, 
daz  harnasch  nam  der  fiere 
b  Vn  leite  iz  bi  den  toden  man. 

Sine  cleider  det  er  wieder  an 

35  Vn  daz  kuneclich  gewant. 
Vf  sin  ors  saz  er  zehant. 
Daz  was  starc  snel  vn  gut, 
Daz  gab  dem  iungen  hohen  mfit. 
Nu  für  er  hinne  .  got  hüte  sin  ! 

40  Des  wünsch  ich  in  dem  herzen  min, 
Wand  er  mit  grozer  angest  reit 
Als  vns  die  aventiure  seit. 
Er  gedahte  ime  solten  tragen  haz 
Des  ritters  vriunt  die  er  entsaz 

45   Den  er  durch  rehte  not  ersluc. 
Ern  ruhte  war  in  sin  wec  gedruc. 
Wand  er  hate  gar  irgebeu 
Beide  lip  vnde  leben 
In  die  waren  godes  pflege, 

50  Des  gelanc  im  alle  wege. 
Nu  reit  der  wol  getane 
Niuwan  nach  wane. 
Er  kam  in  ein  gebirge  groz, 
Da  ein  swindez  wazzer  vloz 

55   Vn  daz  was  vnfurtic  gar. 
Ez  was  abent,   daz  ist  war. 
Du  er  an  daz  wazzer  kam. 
Daz  ors  mit  sporn  er  do  nam 
Vn  wolde  niht  langer  biten, 

60  Er  wolde  vber  riten. 

Daz  enwer  im  niht  gut  gewesen 
Wand  er  were  vil  vngenesen. 


IL  115  Da  (ze  tr)  one?     IIl.  51  Großes  rothes  N  mit  grüner  Verzierung. 


T4 


O.  CARNUTH 


Nv  wolte  sin  got  walden. 
er  sach  ginhalb  halden 
c  65  Ein  ritter,  was  nacli  gewonheit 
Inneclichen  wol  bereit. 
Er  was  gewapent  harte  wol, 
Als  von  rehte  ein  riter  sol, 
Mit  sper  vnde  mit  schilte. 

70  Vil  lutzel  in  beuilde 

Ern  hete  swaz  er  solte  han. 
Er  was  eltlich  getan : 
Sin  bart  gra  vn  wol  gezogen, 
Er  hienc  ime  vffe  den  satelbogen. 

75   Er  hate  ritterlichen  müt. 

Der  selbe  ritter  was  durh  gut 
Zn  den  ziten  dar  gesant. 
Sin  dinc  daz  was  also  gewant 
Daz  er  wisen  solte 

80  Die  fürt,  swer  vber  wolte 

Ze  dinste  siner  frouwen  komen, 
Als  ich  die  mere  han  vernomen. 
Nu  daz  der  ritter  daz  irsaeh 
Lute  rief  er  vfi  sprach  : 

86   'Juncherre  haltet  stille, 
Daz  ist  wol  min  wille. 
Irn  solt  niht  vurbaz  riten, 
Durch  mich  sult  irs  vermiten. 
Daz  mac  vch  lihte  werden  gut. 

90  Ich  wene  daz  ir  rehte  tut. 
Folget  minem  rate. 
Ez  ist  nu  me  zu  spate, 
Ich  bin  wiser  dan  ir : 
Ratich  vch  wol  so  volget  mir. 

95  Daz  ist  ein  wise  sache : 
Faret  zu  gemache 


i  Ez  ist  herbergens  zit. 

Dort  vnder  ginem  berge  lit 

Ein  wunneclichez  burgelin. 
100   Dar  vart  durch  den  willen  min, 

Da  nimt  man  iuwer  vil  gut  war.' 

Sin  vingerlin  warf  er  im  dai-. 

Daz  solt  ein  warzeichen  wesere. 

Daz  steinelin  was  uzerlesen, 
105   Ouch  was  ez  fin  von  golde. 

Gebe  mir  ein  wip  ze  solde 

Ein  simelichez,   die  ich  weiz; 

Mir  enwart  nach  gute  nie  so  heizt 

vn  dete  siez  mit  triuwen, 
HO  Solt  ez  mich  iemer  riuwen 

Ich  nemez  e  dan  tusent  marc 

Die  mir  gebe  ein  iude  karc. 

Ez  mohte  ouch  mich  erfrou  .  . 

Swer  rehte  minnet  dem  ist .  . 
115  Vn  der  niht  geminnet  ist 

Noch  trostes  hatdekeinen  yfvnst.) 

Nn  lazen  wir  dise  rede  sin. 

Bl  anschandin  nam  daz  vin- 
gerlin 

vil  wolte  dannen  sin  gevarn. 
120   Der  ritter  sprach:  'ir  sult  bewarn 

Daz  ir  fru  her  wider  komet: 

Daz  schat  vch  niht,  ich  wenz 
fromet. 

Ich  will  uch  geben  guten  rat. 

Swar  nach  uwer  wille  stat, 
125   Ir  sult  niht  über  riden. 

Ir  sult  min  hie  biden. 

Ob  ir  kumet  e  dan  ich. 

Doch  kum  ich  e  des  pinnich 


ZUM  ANNOLIEDE. 


Daß  der  Dichter  des  Annoliedes  nur  das  Wenigste  von  seinem 
Stoffe  selber  geschaffen,  vielmehr  lediglich  aus  fremden,  theils  deutschen, 
theils  lateinischen  Quellen  geschöpft  und  compiliert  habe,  ist  bekannt, 
Bezzenberger  hat  in  den  Anmerkungen  zu  seiner  Ausgabe  einen  großen 


III.  57  Großes  griines  D.  63  Großes  rothes  N.  83  Großes  rothes  N.  117  Großes 
grünes  N  mit  rother  Verzierung. 


ZUM  ÄKNOLIEDK  75 

Theil  derselben  verzeichnet,  nachdem  bereits  vorher  Opitz  die  meisten 
von  ihnen  nachgewiesen  hatte.  Was  Schilter  und  Scherz  im  Thesaurus 
in  den  Anmerkungen  zum  AnnoKede  an  Quellen  geben ,  ist  einfach 
aus  Opitz  herüber  genommen.  Dagegen  hat  Bodmer  in  der  Ausgabe  von 
Opitzens  Gedichten  noch  einiges  hinzugefügt.  Aber  nicht  nur  die  That- 
saclien,  auch  Schilderungen,  Bilder  und  Gleichnisse  hat  der  Dichter 
wörtlich  entlehnt  und  zur  Ausschmückung  der  dargestellten  Ereignisse 
verwandt.  Es  war  ein  Irrthum  Bodmers,  der  ebenso  wie  Herder  dem 
Dichter  des  Guten  nicht  genug  nachrühmen  kann,  die  schönen  Gleich- 
nisse des  Gedichts  als  neue  lobend  hervorzuheben :  sie  sind  meist  nicht 
Eigenthum  des  Dichters.  Auf  diesen  Umstand  ist  meines  Wissens  noch 
nicht  ausdiiicklich  hingewiesen  worden,  oder  es  hat  doch  an  einer  Zu- 
sammenstellung von  genügenden  Zeugnissen  dafür  gefehlt. 

Bei  Besprechung  des  Gedichtes  durch  Herrn  Prof.  Schade  in  sei- 
nen Vorlesungen  über  die  Geschichte  der  altdeutschen  Poesie  im  ver- 
flossenen Winter  wurde  ich  darauf  aufmerksam,  daß  das  Bild,  welches 
der  Dichter  bei  der  Schilderung  der  Parteikämpfe  in  Deutschland  unter 
Heinrich  IV  gebraucht: 

diz  rtche  alliz  hekerte  sin  gewefine  in  sin  eigin  inädere  (Bezz.  685) 
wörtlich  zu  Justin  HI,  2  stimmt:  Interea  Graecia  omnis  ducibus  Lace- 
daemoniis  et  Atheniensibus  in  duas  divisa  partes  ab  extemis  bellis 
velut  in  viscera  sua  arma  convertit.  Eine  ganz  ähnliche  Stelle 
ist  Justin  Xni,  6:  Sic  Macedonia  in  duas  partes  discurrentibus  ducibus 
in  sua  viscera  armatur  ferrumque  ab  hostili  hello  in  civilem  san- 
guinem  vertit,  exemplo  furentium  manus  ac  membra  sua  ipsa  caesura. 
Justin  spricht  hier  von  den  Bürgerkriegen,  die  sich  nach  Alexanders 
Tode  zwischen  Antigonus  und  Perdiccas  erhoben  hatten.  Sicher  lagen 
unserem  Dichter  diese  Stellen  vor,  er  nahm  sie  einfach  herüber,  um 
sie  bei  seiner  Schilderung  deutscher  Bürgerkriege  zu  verwenden.  Daß 
er  den  Justin  gekannt  habe,  beweisen  die  Abschnitte  117 — 152  Bezz., 
die  aus  Justin  I,  1  u.  2  geschöpft  sind.  Auch  Lucans  Pharsalia  I,  2 
bietet  eine  Parallelstelle: 

(canimus)  populumque  potentem 
in  sua  victrici  conversum  viscera  dextra. 
Hier  stimmt  noch   das  victi'ici   dextra  mit  v.  687:    mit  siginunftlicher 
cesewe.    Da  auch  Lucan  dem  Dichter  des  Annoliedes   nicht  unbekannt 
war,  wie  sich  weiter  unten  zeigen  wird,  so  muß  unentschieden  bleiben, 
aus  welchem  der  beiden  alten  Autoren  er  sein  Bild  entnommen  habe. 

Eine  andere  Stelle,  die  dem  Justin  nachgebildet  zu  sein  scheint, 
ist  V.  690 :  daz  di  gidoußin  Uchamin  ciivorfin  lagin  umbigravin  ci  äse  den 


76  O.  CARNUTH 

hellindin  den  gravnn  loalthmdin.  Justin  spricht  II,  13  von  der  Pest,  die 
nach  der  Schhicht  bei  Salamis  auf  dem  Rückzuge  des  Mardonius  nach 
Böotien  im  persischen  Heere  wüthete:  Tanta  foeditas  morientium  fuit, 
ut  viae  cadaveribus  implerentur  alitesque  et  bestiae  escae  illecebris 
sollicitatae  exercitum  sequerentur. 

Wieder  bietet  hier  Lucan  Phars.  VII,  825  etwas  AhnHches.  Er 
schildert,  wie  Caesar  die  Leichname  der  gefallenen  Pompejaner  unver- 
brannt liegen  ließ  und  fährt  dann  fort: 

Non  solum  Haemonii,  funesta  ad  pabula  belli 
Bistonii  venere  lupi,  tabemque  cruentae 
Caedis  odorati  Pholoen  liquere  leones, 
Tunc  ursi  latebras,  obscoeni  tecta  domosque 
Deseruere  canes. 
Bezzenberger  p.  120  hat  Homer  IL  A,  4  avxovg  8e  iXcigia  tsvxs 
xvv€66(,v  olavolöi  ts  JtäOi  vergleichen  wollen.    Doch  es  ist  schwer  zu 
glauben,    daß    unser  Dichter  noch    Griechisch   verstanden   habe.    Von 
Notker,  der  doch  sicher  60 — 70  Jahre  vorher  starb  (f  1022),  wissen  wir, 
daß  er  es  nicht  mehr  übersetzen  konnte. 

Bei  der  Schilderung  der  Schlacht  von  Pharsalus  beruft   sich  der 
Dichter  des  Annoliedes  ausdrücklich  auf  ein  Buch. 
443.  du  wart  diz  heristi  volcioig  — 
also  diz  bück  quit  — 
daz  in  disemo  merigarten 
ie  gevrumit  wurde. 
Dieses  Buch  ist  sicher  Lucans  Pharsalia*),  der  Dichter  hatte  VII,  632 
im  Auge: 

Non  istas  habuit  pugnae  Pharsalia  partes 
Quas  aliae  clades. 
638.  Maius  ab  hac  acie,  quam  quod  sua  saecula  ferrent, 
Vulnus  habent  populi,  plus  est  quam  vita  salusque 
Quod  perit,  in  totum  mundi  prostemimur  aevum: 
Vincitur  his  gladiis  omnis  quae  serviet  aetas. 
Bei  der  Schilderung  der  Schlacht  selber  ist  der  Dichter  wieder  Lucan 
genau  gefolgt.  Vgl.  447— 460  Bezz.  und  Pharsal.  VII,  474: 
O  praeceps  rabies,  quum  Caesar  tela  teneret, 
Inventa  est  prior  ulla  manus !  Tunc  stridulus  aer 
Elisus  lituis  conceptaque  classica  comu: 


*)  Auf  diese  Quelle  hat  bereits  Holtzmann:  Der  Dicfiter  desAnnoliede»,  im  2.  Jahr- 
gänge dieser  Zeitschrift  S.  28  hingewieseu. 


ZUM  ANNOLIEDE.  77 

Ttmc  nusae  dare  signa  tubae,  tunc  aethera  tendit, 
Extremique  fragor  convexa  irrupit  Olympi, 
Unde  procul  nubes,  quo  nulla  tonitrua  diirant. 
Pindus  agit  fremitus,  Pangaeaqne  saxa  resultaut 
Oetaeaeque  gemunt,  riipes. 
565.  obit  latis  proiecta  cadavera  carapis. 

Vulnera  multorum,  totum  fusura  cruorem. 
790.  cernit  propulsa  cruore 

Flumina  et  excelsos  cumiüis  aequantia  colles 
Corpora,  depressos  in  tabem  spectat  acervos. 
Bezzenbergers  Änderung  glumite  ftlr  gliunte  452  erhält  durch  Lucans 
'resultare  und  gemere  eine  beachtenswerthe  Stütze. 
Zu  dem  Bilde  v.  420: 

als  ein  vlüt  vürin  s'  in  daz  lant 
vgl.  Phars.  VI,  272: 

Armaque  late 
Spargit,  et  efFuso  laxat  tentoria  campo 
Mutandaeque  iuvat  permissa  licentia  terrae. 
Sic  pleno  Padus  ore  turnen s  super  aggere  tutas 
Excurrit  ripas  et  totos  concutit  agros. 
Die  Erzählung  von  der  Öffnung  des  Schatzhauses    durch    Caesar 
(Bezz.  473)  ist  vielleicht  aus  Lucan  III,  134  geflossen.  Die  Flucht  des 
Senats,  des  Cato  und  Pompejus  beim  Herannahen  Caesars  (427  Bezz.) 
erwähnt  Lucan  I,   486,   522.    II,  319.    Caesars  Macht  wird  I,  392  ff. 
geschildert,  die  barbara  turba  Rheni  auf  seiner  Seite  II,  309   genannt. 
III,  169  werden  die  Hilfstruppen  des  Pompejus  aufgezählt.  Reich  nennt 
der  Dichter  den  Pompejus  wol  nach  VII,  740  (Bezz.  459).  Das  Gleich- 
niss  Bezz.  445 : 

alsi  der  hagil  verit  van  den  tvolkin 
hat  auch  Vergil  dreimal,  vgl.  Aeneis  X,  803: 

Ac  velut  effusa  si  quando  grandine  nimbi 
praecipitant. 
V,  458  und  IX,  669. 

Eine  andere  Quelle,  die  der  Dichter  des  Annoliedes  mehrfach 
benutzt  und  nachgeahmt  hat,  ist  Boethius  de  consolatione  philosophiae- 
Der  Gedanke,  daß  die  Schöpfung  der  übrigen  Natur  ihre  Reinheit  be- 
wahrt habe,  nur  der  Mensch  gefallen  sei  (Bezz.  35) ,  ist  auch  bei  Boeth. 
I,  5  (Ausg.  V.  Obbarius,  Jena  1843)  ausgesprochen: 
Nihil  antiqua  lege  solutum 
Linquit  propriae  stationis  opus, 


78  O.  CARNUTH 

Omnia  certo  fine  gubernans 
Hominura  solos  respuis  actus  etc. 
Der  reizenden  Schilderung  Bezz.  39—50  scheint  Boeth.  IV,  6  zu  Grunde 
zu  Hegen: 

Si  vis  celsi  iura  tonantis 
Pura  sollers  cernere  mente, 
Adspice  summi  culraina  caeli. 
Illic  iusto  foedere  rerum 
Veterem  servant  sidera  pacem: 
Non  sol  rutilo  concitus  igne 
Gelidum  Phoebes  inpedit  axem, 
Nee  quae  summo  vertice  mundi 
Flectit  rapides  Ursa  meatus, 
Numquam  occiduo  Iota  profunde 
Cetera  cernens  sidera  mergi, 
Cupit  Oeeano  tingere  flammas. 
Haec  concordia  temperat  aequis 
Elementa  modis,  ut  pugnantia 
Vicibus  cedant  humida  siccis 
Jungantqvie  fidem  frigora  flammis, 
Pendulus  ignis  surgat  in  altum, 
Terraeque  graves  pondere  sidant. 
His  de  caussis  vere  tepente 
Spirat  florifer  annus  odores. 
Zu  vergleichen  ist  noch  Bezz,  47  und  Boeth.  I,  2: 

Ut  terram  röseis  floribus  ornet. 
Bezz.  48  und*)  Boeth.  II,  3: 

Nemus  flatu  Zephyri  tepentis 

Vemis  inrubuit  rosis. 
Bezz.  44—46  und  Hieb  28,  25.    Baruch  6,  59  ff. 

Die  Erzählung  vom  Cyclopen  Polyphem   und  UHxes    (Bezz.  361 
bis  364)  steht  bei  Boeth.  IV,  7 : 

Flevit  amissos  Ithacus  sodales, 

Quos  ferus  vasto  recubans  in  antro 

Mersit  immani  Polyphemus  alvo: 

Sed  tarnen  caeco  furibundus  ore 

Gaudium  maestis  lacrimis  rependit. 


Ovid.  Metam.  I,  44: 

Jnssit   II   fronde  legi  silvas. 


ZUM  ANNOLIEDE.  79 

Zu  Bezz.  355  vgl.  Boeth.  IV,  7: 

Bella  bis  quinis  operatus  annis. 

Im  Liede  v.  152  wird  erzählt,  daß  die  Giganten  die  Ziegel  ge- 
brannt hätten,  aus  denen  der  babylonische  Thurm  gebaut  worden  sei. 
Notker  (Hattemer  p.  154)  spricht  bei  der  Übersetzung  von  Boeth.  III,  12: 
—  Accepisti  in  fabulis  lacessentes  caelum  Gigantes  —  über  diese  und 
erzählt  dabei  die  den  Alten  geläufige  Sage.  Dann  fügt  er  aber  hinzu: 
Iz  wären  aber  die  wärhafto,  die  post  diluvium  tun^em,  zimberoton  xoider 
gote,  unde  sie  lourten  divisae  per  linguas.  Man  könnte  dadurch  fast  auf 
den  Gedanken  kommen,  daß  der  Dichter  die  Übersetzung  des  Notker 
gekannt  habe.  Doch  findet  sich  die  Ansicht  Notkers,  gegründet  auf 
Genesis  6,  auch  in  anderen  Quellen  des  Mittelalters  so  oft,  daß  unser 
Dichter  sie  eben  so  gut  anderswoher  haben  konnte. 

Das  Gleichniss  647  fg.  ist  ein  biblisches:  vgl.  Lib.  Sap.  3,  6 
tanquam  aurura  in  fomace  probavit  illos  et  quasi  holocausti  hostiam 
accepit  iUos;  Proverb.  17,  13  sicut  igne  probatur  argentum  et  aurum 
Camino,  ita  corda  probat  dominus;  und  Jes.  Sirach  2,  5.  Der  Dichter 
hat  dies  dann  noch  weiter  ausgeführt.  Ähnlich  sagt  Lambert,  Pertz 
ßcript.  VII,  237,  36:  Longa  aegrotatio,  qua  Dominus  vas  electionis 
suae  in  Camino  tribulationis  purius  auro  purgatius  mundo  obrizo  deco- 
xerat,  und  ebendaselbst  239,  36:  Sed  pius  Dominus,  qui  quos  amat 
arguit  et  castigat,  hanc  quoque  dilectam  sibi  animam  ante  diem  voca- 
tionis  suae  multis  temptari  permisit  incommodis,  ut  scilicet  ab  eo  omnem 
scoriam  terrenae  conversationis  excoqueret  caminus  transitoriae  tribu- 
lationis. Ebenso  scheint  das  Bild  Bezz.  773  fF.  aus  der  Bibel  entnommen 
zu  sein,  vgl.  5  Mos.  32,  11:  Sicut  aquila  provocans  ad  volandum  pul- 
los suos  et  super  eos  volitans  expandit  alas  suas,  et  assumpsit  eum 
atque  portavit  in  humeris  suis.  Zu  Bezz.  145  vgl.  Jonas  3,  3:  Ninive 
erat  civitas  magna  itinere  trium  dierum. 

Zum  Schlüsse  gebe  ich  eine  übersichtliche  Zusammenstellung  aller 
nachgewiesenen  Quellen  und  Parallelstellen  zum  Annoliede,  in  die  ich 
auch  die  von  Bezzenberger  verzeichneten  mit  aufgenommen  habe.  Die 
von  Opitz  gefundenen  Quellen  habe  ich  mit  Op.  bezeichnet,  die  von 
Bodmer  nachgewiesenen  mit  Bod.,  die  von  Bezzenberger  mit  Bezz. 
Bezz.  10.  Lambert ,     Pertz   Script.         —    44—46.  Hiob  28,  25. 

VII,  257,  30.  241,  17.  Bezz.  —    47.  Boeth.  I,  2. 

—  20.   Genes.  1.    Ev.  Johannis        —    48.  Boeth.  II,  3.  Ovid  Metam. 
I,  1.  Bod.  I,  44. 

—  39—50.    Boeth.  IV,   6.    Op.        —   51—55.  Boeth.  I,  5. 
Baruch  VI,  59.  —    107.  Lambert  215,  18.  Bezz. 


80 


O.  CARNUTH 


Bezz.  121—134.  )  x    .•    t   i    ^ 

—  135-142.  !  *^"'*^°  ^'  ^'  ^P- 

—  145.  Jonas  III,  3. 

—  148.  Josephus  IX,  11.  Op. 

—  150—152.  Justin  I,  2.  Bezz. 
Notker  p.  154. 

—  153 — 161.Genesisll,3.Bezz. 

—  175—182.  Daniel  VIT,  2  u.  3. 

—  185—186.      —     VII,  17. 

—  187—192.     —     VII,  4. 

—  193-202.     —     VII,  5. 

—  203-204.      —     VII,  6. 

—  208.  Plinius  h.  n.  VI,  16.  Op. 

—  210 — 234.  vgl.  das  aus  Pseu- 
do-Callisthenes  Geflossene  bei 
Bezz.  S.  103.  Op. 

—  235—246.  Daniel  VII,  7. 

—  247—248.     —      VII,  24. 

—  249—254.      —      VII,  8. 

Apokalypse  17,  8—12. 

—  263.  Sallust  Cat.  VI,  6. 

Eutrop  I,  1.  Bod. 

—  267.  Sallust  VI,  7.  Bod. 

—  269.  Lamb.  Annal.  p.  5. 
Julius  Caesar  annis  5.  Hie  primus 

monarchiam  tenuit,  et  ab  hoc 
caesares  appellati  sunt.  Bezz. 
—   279.  Tacit.  Germ.  38. 

Caesar  bell.  Gall.  IV,  1—3. 
Bezz. 

—  301.  Horat.  Od.  I,  16,  9. 
Ep.  17,  71.  Op. 


Bezz.  312.  Isidor  Orig.  XIV,  8.  Op. 

—  324.  Widucliind,  Pertz  Script. 
V,  418.  Op. 

—  342.  Widuchind  1,  7.  Op. 

—  346.  Bezzenb.  108—109*). 

—  355.  Boethius  IV,  7. 

—  361—364.  Boethius  IV,  7. 

—  365—368.  Verg.  Aeneis  III, 
677.  Op. 

—  371—378.     —        —       m, 
294.  Bezz. 

—  379—382.    —        —  1, 242. 

Livius  I,  1.  Op. 

—  383—386.  Verg.  Aen.  III,  390. 
Op.  VIII,  43.  Bezz. 

—  390—392.    Verg.   Aen.    III, 
349—50.  Bod. 

—  397.  Caesar  b.  civ.  1,  1  u.  7. 

Bezz. 

—  415.  Luean  I,  392. 

_    420.     —      VI,  272.  Op. 

—  427—430.  Lucan  I,  486.  522. 

—     II,  319. 

—  435.  —    III,  169. 

—  440.  Verg.  Aen.  X,  803.  V, 
458.  IX,  666. 

—  444.  Lucan  VII,  632.  638. 
_    447—460.    Lucan  VII,  474. 

565.  790. 

—  459.  Lucan  VII,  740. 

—  473.     —       III,  134. 

—  482.  GermaniaTac.  41.Bezz. 


*)  Lucan  I,  427  erzählt  ebenso  von  den  An-eniern,  daß  sie  sich  von  Troja  her- 
leiteten : 

Arvemique  ansi  Latios  se  fingere  fratres, 

Sanguine  ab  Iliaco  populi. 
Sollte  diese  Sage  zusammenhängen  mit  der  von  den  fabelhaften  Wanderungen  der  Franken, 
die  Eumenius  paneg.  Constantio  Caesari  recepta  Britannia  d.  cap.  18  erwähnt?  (cf.  Bezz. 
p.  108).  Vgl,  Über  die  Arverner  und  ihre  Berührung  mit  den  Massiliensem  Livius  V,  34. 
Plinius  HN.  IV,  19  nennt  sie  liberi  Arvcrni.  [Vgl.  übrigens  diese  Zeitschr.  I,  34  ff.] 


ZUM  ANNOLIEDE. 


81 


Bezz.  486.  Dion  LIV,  11.  Bezz. 

—  487.  Tac.  Anual.  XII,  27. 

Hist.  IV,  28.  Bezz. 

—  505.  Lcambert  204,  21.  Bezz. 

—  509 — 514.  Gesta  Trevirorum 
I,  40.  Bezz. 

—  523—528.  Mart.  Polonus  lib. 
IV.  Op. 

—  540 — 558.  Hagens  Reimchro- 
nik V.  44 — 151. 

Cronica  van  Coellen  Bl.  55''. 
Bezz. 

—  579.  Lambert  237,  36.  Op. 

—  589.      —         237,  45.  Bezz. 

—  590.      —         237,  48.  Bezz, 

—  593.      —         238,  1.     Bezz. 

—  595—612.  Vita  Ann.  I,  8. 

—  598.  Lambert  237,  39.  Bezz. 

—  605.        —       238,  16.  Bezz. 

—  613—628.  Vita  Ann.  I,  9.  Op. 

—  629—632.   —    —    I,  7. 

—  639.  Lambert  238,  11.  Bezz. 

—  640—644.  Vita  Ann.  1, 15.  Op. 

—  642.  Lambert  238,  19.  Bezz. 

—  645—656.  Lambert  237,  26. 
Bezz. 

—  —  239,  86. 
Jesus  Sirach  2,  5. 
Weisheit  Salom.  3,  6. 
Sprüche  Salom.  17,  3. 

KÖNIGSBERG  i.  Pr.  im  Mai  18G8. 


Bezz.  657—672.  Vita  Ann.  II,  21. 

—  662.  Lambert  240,  6.    Bezz. 

—  663.        —      211,  42.  Bezz. 

—  672—694.  Vita  Ann.  II,  23. 

—  685.  Justin  III,  2.  XIII,  6. 

Lucan  I,  2. 

—  690.  Justin  II,  13.  Lucan  VII, 
825. 

—  694.  Lambert  239,  22.  Bezz. 

—  695—710.  Vita  Ann.  II,  24. 
Op. 

—  711—732.     _     —    n,  25. 
Op. 

—  Lambert  240,  20.  Bezz. 

—  733—756.   Vita  Ann.  II,  25. 

—  757—770.     —     —     III,  5 
u.  15.  Bezz. 

—  759.  Lambert  ebendaselbst. 

—  774.  5  Mos.  32,  11. 

—  787—850.  Vita  Ann.  III,  24, 
Op. 

—  851—865.  2  Mos.  14,  21  —22. 

—  3,  8. 

—  17.  6. 

—  16,  4.  14  ff. 
Baruch  45,  2. 

—  865.  4  Mos.  12,  10.  Bezz. 


O.  CARNUTH. 


GERMANIA.    Neue  Reihe  tl.  (XlV.)Jahrg. 


82  IT.  OESTERLEY,  ZU  GESTA  ROMANOIJUM. 

ZU  GESTA  ROMANORUM. 


Cap.  LXVIII  der  lateinischen  Gesta  Romanorum  lautet  nach  dem 
Vulgärtexte:  Gordianus  regnavit,  in  cujus  imperio  erat  quidam  miles 
generosus  qui  pulchram  uxorem  habebat,  que  sub  viro  sepius  erat  adul- 
terata.  Accidit  semel  quod  maritus  ad  peregrinandum  perrexit.  lila  vero 
in  continenti  vocavit  araasium  suum.  Doraina  illa  quandam  ancillam 
habebat  que  cantus  avium  intellexit.  Cum  vero  amasius  veniret,  erant 
tunc  temporis  tres  galli  in  curia.  Media  nocte  cum  amasius  juxta  do- 
minam  jacuisset,  priraus  gallus  cantare  cepit.  Domina,  cum  hoc  audisset, 
ait  ancille:  Die  mihi,  charissima,  quid  dicit  gallus  in  cantu?  Illa  re- 
spondit:  Gallus  dicit  in  cantu  suo,  quod  tu  facis  injuriam  domino  tuo. 
Ait  domina:  Occidatur  gallus  iste,  et  sie  factum  est.  Tempore  debito 
post  hec  secundus  gallus  cantavit.  Ait  domina  ancille :  Quid  dicit  gallus 
in  cantu  suo?  Ait  ancilla:  Socius  meus  mortuus  est  pro  veritate  et  ego 
paratus  sum  mori  pro  ejus  veritate.  Ait  domina:  Occidatur  gallus,  et 
sie  factum  est.  Post  hec  tercius  gallus  cantavit.  Domina,  cum  audisset, 
dixit  ancille:  Quid  dicit  gallus  in  cantu  suo?  Illa  respondit:  Audi,  vide, 
tace,  si  tu  vis  vivere  in  pace.  Ait  domina:    Non  occidatur  gallus  iste. 

Diesem  Texte,  ich  habe  nur  den  Gesang  der  drei  Hähne  im  Auge, 
schließen  sich  die  meisten  der  mir  bekannt  gewordenen  Handschriften 
der  Gesta  an,  während  einige  den  einen  oder  anderen  Gesang  mit 
Worten  einleiten,  wie  angelice  (Cod.  Guelferbyt.  Helmstad.  693,  Quart, 
Nr.  42),  cantu  angelico  (Cod.  Guelferbyt.  495,  4  Th.  Fol.  Nr.  41),  oder 
angelicis  verbis  (Cod.  Guelf.  August.  14,  5,  Quart,  Nr.  12).  Das  sonst  un- 
verständliche angelice  etc.  stammt  nun  daher,  daß  der  Hahnengesang 
ursprünglich  in  englischer  Sprache  geschrieben  war,  die  englischen 
Sätze  aber  als  unverstanden  oder  unverständlich  ausgemerzt  wurden 
und  das  anglice  u.  s.  w.  der  Einleitungsworte  in  angelice  u.  s.  w.  sich 
verwandelte.  Ich  habe  bis  jetzt  in  deutscheu  Bibliotheken  ftinf  aus 
deutschen  Klöstern  herstammende  und  imzweifelhaft  von  deutschen  Or- 
densleuten geschriebene  Handschriften  gefunden^  welche  den  ursprüng- 
lich englischen,  aber  freilich  vielfach  verdorbenen  Text  enthalten,  ein- 
geleitet durch  das  richtige  anglice  o.  ä.  In  dem  Cod.  Marburg.  D.  20 
Fol.  (XV.  Jahrh.)  lautet  er  (Cap.  22) : 

1.  Ye  ket  seyt  in  yr  sang  yat  you  doyst  jr  ysban  vnraut. 

2.  My  fallau  farys  sozesau  hait  ylors  lyf  an  lyt  fullau. 

3.  Yr  an  sie  ando  leye  stille  kyff  you  Avoylt  as  ye  pescau  al  ym  wil. 


CARL  SGHR()DER,  BEIDE.  83 

Fast  genau  so  in  dem  unzweifelhaft  dem  XV.  Jahrh.  angehörenden 
Colmarer  Cod.  Issenh.  10  Fol.  Nr.  52. 

Im  Cod.  Monac.  lat.  4691,  Nr.  182  (XV.  Jahrh.),  mit  dem  Cod.  7759 
und  7841  ziemlich  übereinstimmen,  ist  vordem  ersten  Verse  angelicis 
geschrieben,  das  e  aber  ausradiert;  die  Sprüche  lauten  hier: 

1.  Ye  koc  seyt  inir  sang  yac  you  doyst  yr  vsban  wrang. 

2.  My  fallaw  for  ys  sore  sau  hayt  yloris  lif  anlyt  ful  lau. 

3.  Yr  anse  andolye  stille  chyffiou  woilt  as  hi  pese  au  ale  ys  wil. 

Dieselben  Verse  kommen  auch  in  den  von  englischen  Händen  ge- 
schriebenen Redactionen  vor,  namentlich  in  dem  sog.  anglo-lateinischen 
Texte,  Cod.  Harl.  2270,  Cap.  53. 

In  einer  altenglischen  Bearbeitung  der  Gesta  Romanorum  (Cod. 
Harl.  7333,  Nr.  45)  heißen  die  Verse: 

1.  The  cock  3eithe  in  his  songe,  that  thow  dost  thin  husbonde 
wränge. 

2.  My  felowe  for  his  sothe  sawe  hathe  loste  hys  lyf,  ande  lithe 
ful  lawe. 

3.  Here  ande  see  and  sey  nowte ,  thenne  thou  maiste  have  alle 
thi  Wille. 

Fast  gleichlautend  ist  Cod.  Harl.  5259. 

Es  ist  damit  erwiesen,  daß  die  deutschen  Schreiber  häufig  aus 
englischen  Händen  stammende  Vorlagen  gehabt  haben. 

GÖTTINGEN.  H.  OESTERLEY. 

BEIDE. 


Zu  den  von  J.  Grimm  (Gr.  4,  954;  theilweise  wiederholt  Wb. 
1,  1364)  und  im  mhd.  Wb.  1,  98'',  sodann  von  Ziugerle  in  dieser  Zeit- 
schrift 6,  224  f.  beigebrachten  Beispielen  dafür,  daß  in  der  älteren 
Sprache  der  Begriff  beide  nicht  selten  auf  drei  erstreckt  wird,  kann 
ich  noch  einige  weitere  Belege  aus  dem  Gebiet  des  Niederrheinischeu 
anfuhren.  Es  heißt  bei  Gotfined  Hagen  (ed.  Groote)  v.  2924:  heyde  lijff 
ind  guyt  ind  ere.  ibd.  v.  4710 :  beide  an  live  an  goede  an  erven.  ibid. 
V.  5158  f. :  beide  interven  ind  intliven  ind  lesterlich  us  Coelne  dryven, 
Reinke  de  Vos  (ed.  Lübben)  v.  2591 :  beide  sin  gut  sin  lif  unde  lede. 

Auch  auf  vier  erstreckt  findet  sich  beide  bei  Gotfr.  Haffen 
V.  2436:  beide  rieh  arm  grois  ind  deine.  Doch  trifft  hier  wohl  trotz  des 
vereinfachten  Beispiels  und  obwohl  zwischen  rieh  und  arm  das  ind  fehlt, 
was  Grimm  Gr.  4,  955  bemerkt,  daß  beide  lieber  auf  die  zwei  Paare, 
rieh  arm  und  grois  ind  dein  zu  beziehen  ist. 

ERLANGEN.  CARL  SCHRÖDER. 

•  G* 


84 


FELIX  LIEBRECIIT 


VLÄMISCHE  MÄRCHEN  UND  VOLKSLIEDER. 


Ein  unlängst  erschienenes  Büchlein  (Oude  Kinrlervertelsels  in  den 
Brugschen  Tongval  vcrzameld  en  uitgegeven  door  Adolf  Lootens,  met 
spraakkundige  aanmerkingen  over  het  brugsche  taaleigen  door  M.  E.  F. 
Brüssel  1868)  enthält  im  Ganzen  neun  Märchen,  die  ich  hier  auszugs- 
weise mittheilen  will ,  da  sie  mancherlei  Eigenthümliches  darbieten 
wenn  auch  meist  in  dürftiger  Fassung;  doch  sind  sie  ganz  vortrefflich 
erzählt  und  ti-efFen  den  echten  Volkston.  Dies  so  wie  die  Bezeichnung 
„alte  Kindermärchen"  erklärt  sich  durch  folgende  Stelle  des  VorAvorts : 
„Wir  haben  diese  Märchen  so  drucken  lassen,  wie  eine  genaue  Über, 
lieferung  sie  in  verschiedenen  Famihen  bewahrt  hat,  ohne  auch  nur 
ein  Wort  abzuändern,  ohne  auch  nur  einen  Buchstaben  hinzuzufügen 
oder  wegzulassen.  Sie  wurden  uns  durch  hochbejahrte  Personen  von 
ausgezeichnet  gutem  Gedächtniss  erzählt  und  wir  können  demgemäß 
versichei-n,  daß  sie  seit  ungefähr  hundertuudfünfzig  Jahren  nicht  die 
mindeste  Veränderung  erlitten  haben." 

I.  Tischchen  deck  dich  (Platteboontje  d.  i.  die  Saubohne). 

Ein  armes  Ehepaar  mit  vielen  Kindern  leidet  große  Noth ;  da 
steckt  der  M^nn  eines  Tages  eine  noch  übrige  Saubohne  in  die  Erde 
und  findet  sie  den  folgenden  Morgen  bis  an  die  von  St.  Peter  bewachte 
Himmelspforte  emporgewachsen.  Er  klettert  an  dem  Stengel  hinauf  und 
erhält  auf  seine  Bitte  um  Almosen  von  dem  heiligen  Pförtner  ein  Schäf- 
chen das  bei  den  Worten  „Schäfchen  schüttle  dich"  allerlei  Arten  Geld 
von  sich  schüttelt  ^).  Dieses  Schäfchen  jedoch  wird  ihm  auf  dem  Rückwege^ 
da  er  die  Nacht  in  einer  Herberge  zubringt,  von  den  Wirthsleuten, 
denen  er  die  wunderbare  Eigenschaft  des  Thierchens  mitgetheilt,  gegen 
ein  anderes  vertauscht,  so  daß  er  zu  Hause  anlangend  die  gehegte  Er- 
wartung getäuscht  sieht.  Er  klimmt  wieder  zu  St.  Peter  empor  und 
erhält  von  ihm  ein  Tischchen  deck  dich  (Tafeltje,  dek  loal),  um  das  er 
ebenso  kommt  wie  um  das  Schäfchen  und  erlangt  beide  erst  wieder 
durch    das  dritte  Geschenk    des   Heiligen,    einen   Sack  mit   Knüppeln, 


»)  Schudden.  Zeer  waarschiinlijk  Staat  hier  en  overal  in  dit  vertelsel  schudden 
voor  schijten;  men  begrijpt  genoegzam  de  reden  waarom  de"  verbaler  dit  laatste  woord 
veranderd  heeft.  Anm.  des  Herausg. 


VLÄMISCHE  MÄRCHEN  UND  VOLKSLIEDER.  85 

worauf  er  ein  reicher  Mann  wird  und  sich  eine  Hofstelle  kauft.  Alle 
aber,  die  später  auf  dieser  Hofstelle  wohnten,  wurden  gleichfalls  reich. 
—  Das  nun  folgende  Märchen  wird  gewöhnlich  unmittelbar  nach  dem 
vorhergehenden  erzählt.  Da  es  nur  kurz  ist,  so  theile  ich  es  in  der 
Sprache  des  Originals ,  um  zugleich  eine  Probe  desselben  zu  geben, 
vollständig  mit  und  füge  eine  wörtliche  Übersetzung  hinzu,  um  es  ge- 
nauer verständlich  zu  machen. 

IL  Fleeres. 

„Der  was  e  gheel  groot  peerd  up  die  hofstee*^)  en  't  heette  Fleeres. 
Eu  't  dee  oltijd  zen  harnasseure  gheel  olleen  an,  en  't  gink  gön  ploe- 
gen  gheel  olleene,  en  't  kreeg  olle  dage  en  gheelen  eemer  malk.  En 
ze  wieren  bllemolle  rijkke  die  up  die  hofstee  gingen  weunen.  Zo 
der  kwaem  dor  e  keer  en  gheelen  gieregen  boer  up  die  hofstee 
weunen,  en  je  zei :  „Ja,  da  kost  öl  veel  te  veel  gald  dat  da  peerd 
olle  dage  en  gheelen  eemer  me  malk  moet  hen|;  'k  zöl  ik  öl  gauw  gön 
maken  dat  't  geen  malk  meer  en  mag."  Zo  je  dee  look  in  da  peerd 
zen  malk,  omdat  't  nie  meer  en  zoe  gemeugen  hen.  Mö  lik  of  da  peerd 
begost  an  die  malk  te  lekken,  't  eu  mögt  het  nie,  en  't  zei :  „ Wat  he 
je  me  dör  gegeven?"  —  „Zoete  malk  me  look!"  —  „Fleeres  göot  deure, 
en  't  geluk  ook."  —  En  ze  zijn  sedert  dien  öl  öorme  geworden  die 
dör  gewevmd  hen." 

Übersetzung. 

Da  Avar  ein  ganz  großes  Pferd  auf  jener  Hofstelle,  das  hieß  Fleeres. 
Und  es  that  immer  sein  Geschirr  ganz  allein  an  und  es  gieng  ganz  allein 
pflügen^)  und  es  bekam  alle  Tage  einen  ganzen  Eimer  Milch.  Und  sie 
wurden  allesammt  reich,  die  auf  der  Hofstelle  wohnten.  So  kam  da  einmal 
ein  ganz  geiziger  Bauer  auf  die  Hofstelle  zu  wohnen  u^nd  er  sagte  :  „Ja, 
das  kostet  all  viel  zu  viel  Geld,  daß  das  Pferd  alle  Tage  einen  ganzen 
Eimer  mit  Milch  haben  muß;  ich  werde  bald  macheu,  daß  es  keine 
Milch  mehr  mag."  So  that  er  Lauch  in  des  Pferdes  seine  Milch,  damit 
es  keine   mehr   sollte   haben   wollen  *).    Aber  sobald  das  Pferd  an  die 


')  ei  und  od  bezeichnet  eine  Verschmelzung  beider  Vocale,  —  b,  e  dumpfes  o 
und  e,  —  n  sprich  aus  nk.  Diese  Angaben  entnehme  ich  dem  Anhang  Spraakkundige 
Aanmerkingen  u.  s.  w. ,  einer  sehr  lehrreichen  Übersicht  der  Eigenthümlichkeiten  des 
Brüggischen  Dialekts,  welcher  der  Sprache  Maerlants  noch  sehr  nahe  steht,  und  daher 
für  den  Sprachforscher  nicht  ohne  Interesse  ist. 

^)  Eig.  „gieng  pflügen  gehen".  Das  Zeitwort  gehen  wird  oft  ganz  überflüssig 
eingeschoben. 

■•j  Eig.  „gemocht  haben-. 


86  FELIX  LIEBRECHT 

Milch  zu  lecken  begann,  so  mochte  es  sie  nicht  und  sagte:  „Was  habt 
ihr  mir  da  gegeben?"  —  „Süße  Milch  mit  Lauch."  —  „Fleeres  geht 
fort  ^)  und  das  Glück  auch."  —  Und  sie  sind  seit  der  Zeit  alle  arm 
geworden,  die  da  gewohnt  haben. 

ni.  Der  Herr  Mond  {Menheere  de  Mhne). 

Ein  verabschiedeter  Soldat  wird  einmal  eine  Winternacht  über 
von  einer  alten  Frau,  die  in  einer  Höhle  wohnt,  freundlich  beherbergt 
und  bewirthet.  Während  er  nun  in  einem  Buche,  das  sie  ihm  gegeben, 
liest,  erscheint  ein  Männchen,  das  ihm  auf  sein  Begehren  alsbald  einen 
Beutel  mit  Geld  bringt.  Am  nächsten  Morgen,  als  er  von  der  alten 
Frau  Abschied  nimmt,  um,  wie  er  auf  Befragen  sagt,  wohl  noch  hun- 
derttausend Meilen  weit  zu  reisen ,  meint  sie ,  er  werde  auf  seinem 
langen  Wege  wohl  ihre  Brüder,  den  Morgenstern,  den  Mond  und  die 
Sonne  antreffen;  er  solle  sie  also  von  ihrer  Schwester,  die  in  der  Höhle 
wohne,  bestens  grüßen;  es  gienge  ihr  immer  noch  gut.  Der  Soldat  ver- 
spricht dies  auszurichten  und  mit  noch  einem  Beutel  Geld  von  ihr  be- 
schenkt, setzt  er  seinen  Weg  fort.  Des  Abends  langt  er  in  einer  schönen 
Stadt  an,  wo  er  nach  längerem  Umherwandeln  endlich  an  eine  himmel- 
blaue Pforte  kommt,  auf  die  ein  silberner  Stern  gemalt  war;  darüber 
aber  stand  zu  lesen:  „Hier  wohnt  der  Herr  Morgenstern."  Der  Soldat 
klingelt,  eine  Magd  öffnet  ihm  und  eintretend  richtet  er  dem  Hauswirth 
die  Aufträge  der  Schwester  desselben  aus.  Dieser  wundert  sich  einiger- 
maßen ,  wieder  einmal  nach  hunderttausend  Jahren  von  der  Höhlen- 
bewohnerin etwas  zu  hören  und  beherbergt  dann  den  Soldaten  die 
Nacht  über.  Die  Bewirthung  freilich  ist  sehr  miniaturmäßig.  „Die  Magd 
brachte  einen  Tisch  so  groß  wie  ein  Puppentischchen,  die  Teller  waren 
wie  die  Untertässchen,  die  Brote  wie  die  Makronen,  die  Gläser  wie  die 
Fingerhüte  und  man  konnte  wohl  drei  Stücke  Fleisch  zugleich  in  den 
Mund  stecken.  Der  Soldat  und  die  Magd  hatten  gar  großen  Hunger 
und  steckten  immer  ganze  Brote  in  den  Mund."  Am  andern  Morgen 
geht  es  wieder  wie  den  vorigen  Tag:  dieselbe  Frage  nach  der  Länge 
seiner  Reise  und  dieselben  Aufträge  an  Mond  und  Sonne  von  Seiten 
ihres  Bruders,  des  Morgensternes,  nebst  einem  Beutel  voll  Geld.  Des 
Abends  in  einer  großen  und  schönen  Stadt  angelangt ,  findet  er  dort 
gleichfalls  eine  himmelblaue  Pforte ,  aber  mit  einem  goldenen  Monde 
und  darüber  die  Worte:  „Hier  wohnt  der  Herr  Mond."  Bei  diesem 
geht  es  dem  Soldaten  genau  ebenso  wie  bei  dem  Morgenstern,  nur  hat 


*)  Eig.  „(zur)  Thür  (hinaus)"  foras. 


VLÄMISCHE  MÄRCHEN  UND  VOLKSLIEDER.  87 

er  doppelte  Grüße  auszurichten ,  von  letzterem  sowohl  wie  von  der 
Schwester  in  der  Höhle,  welche  beide  auch  schon  seit  hunderttausend 
Jahren  nichts  haben  von  sich  hören  lassen.  Die  Bewirthung  jedoch 
unterscheidet  sich  auf  sehr  vortheilhafte  Weise  von  der  des  vorher- 
gehenden Abends,  „Die  Gläser  waren  so  groß  wie  die  Eimer;  da  kam 
ein  ganzes  Kalb  auf  den  Tisch,  die  Brote  waren  so  groß  wie  die  Wa- 
genräder, die  Kannen  mit  Bier  so  groß  wie  die  Fässer  und  es  wurde 
dem  Soldaten  schwer,  auch  nur  ein  halbes  Butterbrot  aufzuessen." 
Nach  geendigter  jVialzeit  fragt  der  Wirth  den  Soldaten ,  ob  er  heute 
Nacht  mit  ihm  scheinen  wolle,  wogegen  letzterer  nichts  einzuwenden 
hat;  da  aber  die  Magd  meldet,  der  Himmel  sei  überwölkt,  so  vertreiben 
sie  sich  inzischen  die  Zeit  mit  Kartenspielen,  wobei  der  Soldat  seinem 
Wirth  alles  Geld  abgewinnt.  Endlich  verkündet  die  Magd  klares  Wetter, 
Wirth  und  Gast  kriechen  jeder  in  ein  Feldbett,  und  es  schienen  in 
jener  Nacht  zwei  Monde.  Am  andern  Morgen  als  es  zu  tagen  beginnt 
und  der  Soldat  die  ganze  Welt  mit  allen  Städten ,  Wäldern,  Kirchen 
und  Schlössern  gesehen  hat ,  sinken  die  Betten  nach  und  nach  vom 
Himmel  herab  und  fahren  endlich  zu  des  Mondes  Hausthtir  hinein. 
Wiederum  erhält  beim  Abschied  der  Soldat  einen  Beutel  mit  Geld  nebst 
Grüßen  des  Mondes  an  seinen  Bruder  Sonne,  letztere  jedoch  mit  dem 
Zusatz,  daß,  wenn  dieser  es  sich  noch  einmal  einfallen  lasse,  eine  Fin- 
sterniss  ^)  zu  machen,  der  Mond  ihn  die  Schwere  seines  eisernen  Hand- 
schuhs fühlen  lassen  würde;  der  Soldat  solle  ihm  dann  bei  seiner  Rück- 
kehr zu  wissen  thun,  was  sein  Bruder  gesagt.  Gegen  Abend  kommt 
nun  der  Soldat  in  eine  so  schöne  Stadt,  wie  er  noch  nie  gesehen,  und 
in  dieser  nach  langem  Suchen  zu  einer  goldenen  Pforte  mit  diaman- 
tener Sonne  und  der  Inschrift:  „Hier  wohnt  der  Herr  Sonne."  Ehe  er 
vor  letzterem  erscheint,  heißt  ihn  die  Magd,  die  ihn  eingelassen,  sein 
Taschentuch  vor  die  Augen  halten,  um  durch  den  Glanz  ihres  Herrn 
nicht  zu  erblinden.  Er  richtet  alsdann  die  Grüße  der  Schwester  und 
der  Brüder  aus,  so  wie  daß  es  allen  noch  immer  recht  gut  gienge; 
auch  vergisst  er  den  Zusatz  zu  dem  Compliment  des  Mondes  nicht, 
worauf  der  Bescheid  lautet,  daß  Bruder  Sonne  durchaus  keine  Furcht 
habe  imd  auf  den  eisernen  Handschuh  mit  seinem  eisernen  Hebebaum 
antworten  werde.  Den  andern  Morgen  begibt  der  Soldat  sich  auf  die 
Rückreise,  von  der  Sonne  mit  einem  neuen  Beutel  Geld  versehen.  Bei 
dem  Monde  richtet  er  dann  die  Antwort  der  letzteren  aus,  die  aber 
gleichfalls  keine  Furcht  erweckt,    vielmehr  thun  Wirth  und  Gast   sich 


Iklips,  Eklipse. 


88  J^ELIX  LIEBRECHT 

an  dem  Aljcnd  sehr  gütlich,  worauf  sie  wieder  so  hinge  Karten  spieh'n, 
bis  der  anfangs  bedeckte  Himmel  sich  geklärt  hat;  alsdann  steigt  jeder 
von  ihnen  wie  das  vorige  Mal  in  ein  besonderes  Bett,  wohin  der  Soldat 
all'  das  Seinige  mitnimmt,  und  in  jener  Nacht  scheinen  wiederum  zAvei 
Monde.  Diese  wandeln  über  die  ganze  Welt  hin,  bis  sie  endlich  zu  der 
Stadt  gelangen,  wo  der  Soldat  wohnt.  Dort  lässt  ihn  der  Mond  gerade 
auf  die  Außentreppe  des  Hauses  nieder  und  der  Soldat,  der  seine  Sa- 
chen aus  dem  Bette  herausgenommen  und  sich  vom  Monde  verab- 
schiedet hat,  wartet  geduldig  auf  der  Schwelle  den  Anbruch  des  Tages 
ab,  wo  ihn  dann  der  Vater  findet  und  voll  Freude  empfängt.  Da  lebten 
sie  denn  noch  lange  und  glücklich  als  die  Reichsten  der  Stadt. 

IV.  Aus  Einem  Körnchen  drei  (Van  een  groontji  dne). 

Ein  Junge  sollte  einmal  eine  Quantität  Getreide  in  die  Mühle 
tragen  und  dazu  sagen,  der  Müller  möchte  aus  einem  jeden  Körnchen 
drei  machen.  Auf  dem  ganzen  Wege  wiederholt  er  immer  diese  Worte, 
iiTt  sich  aber  schließlich  uud  sagt:  „Aus  drei  Körnern  Eins."  Indem 
er  nun  so  bei  einigen  Säemännern  vorüber  geht ,  belehren  ihn  diese, 
er  solle  lieber  sagen:  „Ich  AvoUte,  daß  da  tausend  daraus  würden!" 
Ein  Schäfer,  der  eben  seine  Heerde  vor  einem  Wolfe  vertheidigen  muß, 
heißt  ihn  dagegen  fortan  sagen:  „Ich  wollte,  er  wäre  in  der  Hölle!" 
An  einem  Orte,  wo  man  gerade  ein  Pferd  abdeckt,  hört  er,  er  müsse 
lieber  sprechen:  „Du  hässliches  Aas,  wie  du  stinkst!"  In  einer  festlich 
geschmückten  Stadt,  wo  die  Vermählung  einer  Prinzessin  gefeiert  werden 
soll  und  er  letztere  Worte  wiederholt,  lehrt  man  ihn  dafür  ausrufen: 
„Ei  wie  prächtig,  ei  wie  schön!"  Vor  einem  brennenden  Hause  heißt 
man  ihn  dafür  lieber  sagen:  „Ich  AvoUte,  es  brennte  nimmer!"  durch 
Av eiche  Worte  er  vor  einer  Schmiede,  wo  Husaren  eben  ihre  Pferde 
beschlagen  lassen,  diese  so  erbittert,  daß  sie  ihm  nachlaufen,  um  ihn 
todtzuschlagen,  weshalb  er  über  Hals  und  Kopf  nach  Hause  eilt. 

V.  Der  gesell  ei  dte  Peter  (Pier  m^  ze  zwijn). 

Peter  und  seine  Mutter  haben  eine  Woche  lang  fleißig  gesponnen 
und  für  den  Verdienst  hat  Peter  in  der  Stadt  ein  Schwein  gekauft ; 
da  er  aber  auf  dem  Heimwege  ein  Schlückchen  trinken  will,  so  be- 
zeichnet er  dem  Schwein  den  Weg  nach  Hause  und  lässt  es  laufen. 
Später  selbst  bei  seiner  Mutter  anlangend,  erfährt  er,  daß  kein  Schwein 
angekommen  ist  und  daß  er  nicht  recht  gehandelt,  vielmehr  hätte  er 
das  Thier  au  einen  Strick  binden  und  hei,  hei  rufen,  wenn  es  aber  nicht 


VLÄMISCHE  MÄECHEN  UND  VOLKSLIEDER.  89 

voi'w^ärts  wollte,  es  hinter  sich  her  schleppen  sollen.  So  verfährt  er 
dann  auch  am  nächsten  Markttage  mit  einem  großen  Stück  Fleisch, 
so  daß  dies  von  Hunden  gefressen  wird  und  bloß  die  mit  Koth  besu- 
delten Knochen  übrig  bleiben.  Die  Mutter  belehrt  ihn  auch  nun  wieder 
eines  Bessern ;  er  hätte  das  Fleisch  in  einem  Sack  auf  dem  Rifcken 
nach  Hause  bringen  sollen.  Am  nächsten  Sonntag  geht  die  Mutter  in 
die  Kirche,  nachdem  sie  den  Waffelteig  eingerührt  hat,  so  daß  Peter, 
der  die  Pfanne  bald  darauf  überlaufen  sieht,  sie  in  einen  Sack  schiebt 
und  mit  diesem  auf  dem  Kopfe  nach  der  Kirchthür  eilt,  wo  ihn  nach 
Beendigung  der  Messe  die  Mutter  über  und  über  mit  Teig  bedeckt 
findet  und  ihm  sagt,  er  hätte  im  Waffeleisen  Waffeln  backen  müssen. 
Den  daraviffolgeuden  Sonntag  geht  die  Mutter  wiederum  zur  Kirche, 
sagt  jedoch  vorher  dem  Peter,  er  solle,  sobald  der  von  ihr  angemachte 
Kuchenteig  zu  steigen  anfange,  die  Kucheneisen  übers  Feuer  setzen 
imd  auf  jedes  zwei  Kuchen  legen,  diese  auch  umdrehen,  sobald  sie 
auf  einer  Seite  genug  gebacken  wären.  Peter  thut,  wie  ihm  geheißen, 
aber  als  er  die  Kuchen  umkehren  will,  da  fällt  in  jeden  ein  halbes 
Schwein,  das  er  dann  mitten  in  die  Küche  Avirft.  Bei  den  nächsten 
zwei  Kuchen  fallt  ihm  beim  Umdrehen  in  jeden  eine  halbe  Kuh,  die 
er  gleichfalls  mitten  in  die  Küche  wirft  und  dann  bäckt  er  fort,  bis 
die  Mutter  kommt,  welche  mit  allem  ganz  zufrieden  ist  und  die  zu- 
sammengewachsene Kuh  in  den  Kuhstall,  das  Schwein  in  den  Schwein- 
stail  bringt.  Mutter  und  Sohn  leben  fortan  glücklich  und  zufrieden. 

Und  es  ist  aus, 

Und  die  Katze  ist  die  Braut, 

Und  der  Hund  wird  morgen  heirathen ; 

Und  wer  wird  der  Spielmann  sein? 

Die  Katze  mit  ihren  vier  Krallen. 

(En  't  is  uit,  —  En  de  katt'  is  de  bruid,  —  En  den  hciend  go  morgen 
trouwen,  —  En  wie  gbt  er  de  speelman  zijn?  —  De  katte  met  heur 
vier  klauwen.) 

VI.  Peterchen  und  Häuschen  (Pietji  en  Jantji). 

Peterehen  und  Häuschen  sind  zwei  Brüder,  von  denen  Häuschen 
nimmer  zur  Schule  will,  wenn  er  nicht  getragen  wird.  Da  widersetzt 
sich  einmal  Peterchen  und  sie  kommen  endlich  bis  zu  einem  Stock, 
der  aber  trotz  der  Aufforderung  Peterchens,  Häuschen  nicht  schlagen 
will.  Und  so  geht  es  immer  weiter  wie  in  allen  Märchen  dieser  Klasse ; 
dann  zidetzt  trifft  Petercheu   eine  Katze,    die   sich   bereit   erklärt,    die 


90  FELIX  LIKBRECIIT 

Ratte  zu  fangen;  sie  läuft  ihr  nach,  ebenso  wie  die  Ratte  dem  Strick, 
der  Strick  dem  Stier,  der  Stier  dem  Wasser,  das  AVasser  dem  Feuer, 
das  Feuer  dem  Apfel  '),  der  Apfel  dem  Stock,  der  Stock  dem  Häns- 
chen  und  Häuschen  lief  in  die  Schule  und  brauchte  nie  mehr  getragen 
zu  werden. 

VIT.  Der  Meisterdieb  (Meester  Gamt-dief). 

Mit  seinen  unter  einer  Diebesbande  zusammengestohlenen  Reich- 
thümern  zur  Mutter  zurückkehrend  vmd  von  dieser  bei  dem  Landvogt 
angegeben,  erhält  Jan,  der  Meisterdieb,  von  letzterem  Verzeihung  fiir 
das  Geschehene  angeboten,  wenn  er  die  drei  verlangten  Proben  seiner 
Kunst  ablege,  die  er  dann  auch  richtig  ausführt.  Erstens  stiehlt  er  das 
Laken  aus  dem  Bette,  worin  der  Landvogt  mit  seiner  Frau  schläft, 
indem  er  einen  Strohmann  zum  Fenster  emporhält,,  so  daß  jener  aus 
dem  Bette  springt  und  in  den  Hof  läuft,  um  die  vermeintlichen  Diebe 
zu  verjagen ,  während  welcher  Zeit  Jan  sich  ins  Haus  schleicht  und 
sich  ftlr  den  rtlckkehrenden  Landvogt  ausgebend,  die  Frau  im  Bette 
immer  weiter  zurücknicken  lässt,  so  daß  er  das  Laken  unbemerkt  zu- 
sammenrollen und  damit  wegkommen  kann,  um,  wie  er  sagt,  noch  ein- 
mal nach  dem  von  ihm  getödteten  Diebe  zu  sehen.  —  Das  beste  Pferd 
des  Vogts  stiehlt  er,  indem  er  sich  als  alte  Frau  verkleidet,  bei  dem 
im  Stall  wohnenden  Knecht  einschleicht  und  ihn  durch  einen  in  Brannt- 
wein enthaltenen  Schlaftrunk  einschläfert.  —  Endlich  lässt  er  sich  des 
Abends  in  die  Kirche  einschließen ,  findet  dann  in  der  Sakristei  die 
Kleidung  eines  Engels,  steckt  alle  Lichter  an  und  beginnt  zu  läuten, 
worauf  er  sich  auf  den  Hochaltar  stellt.  Dem  herbeikommenden  Pfarrer 
und  Küster  macht  er  weiß,  er  sei  ein  Engel  und  von  Gott  gesandt, 
ihnen  zu  verkünden,  daß  sie  am  nächsten  Tage  ein  großes  Fest  feiern 
und  dazu  die  Kirche  mit  allen  Schmuck  auszieren  sollten.  Dies  ge- 
schieht; Jan  aber,  nachdem  jene  beiden  nach  Hause  gekehrt  sind,  rafft 
Paramente ,  Silbergeföße  und  Juwelen  zusammen ,  löscht  die  Lichter 
aus  und  macht  sich  davon.  —  Da  also  Jan  die  drei  Proben  bestanden, 
verzeiht  ihm  der  Landvogt  gegen  das  Versprechen,  künftig  seine  Die- 
bereien zu  lassen  und  er  lebt  dann  glücklich  und  zufrieden  mit  seiner 
Mutter.  „Und  da  sprang  ein  Frosch  und  das  Märchen  ist  aus." 


')   Appel.    So  heilH  es  stets  in  diesem  Märchen ;    der  Herausgeber   meint   aber, 
das  Richtige  wäre  wohl  happe,  Beil. 


VLÄMISCHE  MÄRCHEN  UND  VOLKSLIEDER.  91 

VIII.    Aschenputtel    {Vuiltje-vaegt- den- Oven   d.  i.  Schmutzfink, 

feg'  den  Ofen). 

Die  jüngste  von  drei  Königstöchtern,  die  auf  Befi*agen  ihren  Vater 
so  lieb  zu  haben  erklärt  wie  Salz,  das  sie  sehr  gern  in  der  Suppe  ißt, 
während  die  Schwestern  ihn  den  Augapfel  und  das  eigene  Leben  nennen, 
wird  von  ihm  fortgejagt  und  verbirgt  die  mitgegebenen  Kleider  in  einem 
hohlen  Baum,  während  sie  die,  so  sie  am  Leibe  hat,  mit  denen  einer 
armen  Bäuerin  vertauscht,  worauf  sie  bei  einer  Schlossdame  in  Dienst 
tritt  und  dort  den  niedrigsten  Verrichtungen  obliegt.  Drei  Sonntage 
hinter  einander  eilt  sie  zum  Baume,  kleidet  sich  da  jedesmal  prächtiger 
und  geht  so  in  die  Kirche,  wo  sie  dem  Sohn  ihrer  Herrin  sehr  wohl 
gefallt,  ihm  aber  beim  Herausgehen  mit  Zurücklassung  eines  Pantoffels, 
dann  eines  Handschuhs  und  endlich  eines  Rings  entspringt,  welche  sie 
sämmtlich  in  der  Eile  verliert.  Er  bringt  nun  zwar  immer  diese  Gegen- 
stände nach  Haus  und  lässt  sie  von  Alleinvelt  anpassen,  jedoch  nur 
der  schmutzigen  Magd,  die  inzwischen  wieder  nach  Hause  gekommen 
ist,  sitzen  sie  auf  gehörige  Weise.  Am  dritten  Sonntage  eilt  sie  denn 
noch  ein  zweites  Mal  nach  dem  Baume,  schmückt  sich  noch  herrlicher 
und  kommt  in  einer  Kutsche  ins  Schloss  gefahren,  wo  sie  sich  als  Kö- 
nigstochter zu  erkennen  gibt  und  den  Sohn  der  Schlossdame  heirathet. 
Darauf  kehrt  sie  mit  ihm  zu  ihrem  Vater  zurück  und  er  wird  nach 
dessen  Tode  König  an  seiner  Statt. 

IX.  Vom  Fischer  und  seiner  Frau  (Van'tvisscherfjininderodzee). 

Auch  in  dieser  Version  dieses  bekannten  Märchens  ist  der  gefan- 
gene und  wieder  frei  gelassene  Fisch  ein  verwünschter  Prinz.  Was  die 
Wünsche  der  Frau  betrifft,    so  geht  der  erste   auf  ein   schönes  Haus, 
wobei  das  Zwiegespräch  zwischen  dem  Fischer  und  dem  Fisch  so  lautet : 
„Vischtji,  vischtjin  in  de  roo*)  zee." 
„ —  Wa  blief  je'),  menheere  van  Tintelntee?" 
„ —  Me  vrouwtjin  is  zo  en  ouk  ^")  kaddulletji  ") 
„En  't  hee  zo  geern  ze  willetji  '-)." 
„ —  En  wat  is  je  vrouwtjis  willetji?" 
» —  'T  zou  geern  e  schoon  huis  hen  om  in  te  weunen  '^)." 


*)  Roth. 

®)  Was  belieben  Sie. 

•)  d.  i.  oiid,  alt. 

')  Verdorbenes  Kind. 

')  Und  es  hätte  so  gern  seinen  Willen. 

')  Wohnen. 


92  FELIX  LIEBKECIIT 

Dann  Avci'don  nach  einander  schönes  IIaus<>;eräth,  Kleider  und  Wäsche, 
zAvei  Dienstmägde,  endlich  eine  Kutsche  mit  zwei  Pferden  nebst  eben- 
soviel Bedienten  verlangt,    und  zuletzt  noch,    daß  die  Fischerin  höher 
als  unsere  Liebe  Frau  ,    ihr  Mann   aber   höher   als  unser  Herrgott  sei. 
Da  antwortet  denn  das  Fischlein: 
„Ah,  gij  leelike  zot, 
„Kruip  weer  oender  Jen  mostorpot." 
Und  da  war  Alles  verschwunden    und   sie   Avohnten  wieder  unter  dem 
Mostrichpott,   statt  welches  letzteren  auch  ein  pispotje  oder  eine  Kauin- 
chenhütte  genannt  wird. 

Dies  ist  das  letzte  der  in  dem  oben  genannten  Büchlein  enthal- 
tenen Märchen  und  dünkt  es  mir  überflüssig,  die  anderwärts  vorkom- 
menden Parallelen  dazu  anzuführen,  da  sie  sich  Jedermann  von  selbst 
darbieten.  Nur  zu  Nr.  III  „Der  Herr  Mond"  sind  mir  dergleichen  nicht 
bekannt,  so  wie  überhaupt  dieses  Märchen  ohne  Z^veifel  das  interes- 
santeste der  ganzen  Sammlung  ist.  Was  Nr.  H  „Fleeres"  betrifft,  so 
handelt  es  sich  offenbar  in  demselben  von  einem  dienstbaren  Hausgeist 
in  Rossgestalt;  vgl.  über  letztere  Rochholz,  Aarg.  Sag.  1,  367.  368  f. 
Ebendas.  S.  353  f.  ist  von  Hausgeistern  die  Rede,  die  wie  Fleeres  täg- 
lich eine  Ration  Milch  erhalten.  Daß  der  Bauer  letztern  durch  Lauch 
vertreibt,  beruht  auf  dem  Glauben,  daß  derselbe  den  Eiben  zuwider  sei ; 
s.  Perger,  Deutsche  Pflanzensagen  S.  82,  so  wie  es  endlich  auch  ein 
bekannter  Zug  ist,  daß  mit  dem  Hausgeist  zugleich  auch  das  Glück 
und  Wohlergehen  der  Familie  entweicht.  Grimm  DM.  452  f.  Eigen- 
thümlich  sind  ferner  einzelne  Züge  der  vorliegenden  Märchen,  wie  z.  B. 
der  Schluß  von  Nr.  V  „Der  gescheidte  Peter" ,  wo  die  Kuh  und  das 
Schwein  ganz  unerwartet  hereinkommen  und  ihre  Wiederbelebung  auf 
eine  uralte  mythologische  Vorstellung  hindeuten  dürfte;  vgl.  meine  Be- 
merkung in  Eberts  Jahrb.  für  roman.  u.  engl.  Litt.  3,  157.  Der  eiserne 
Hebelbaum,  womit  in  Nr.  III  die  Sonne  den  Mond  bedroht,  erinnert  an 
die  eiserneu  Stangen  und  Kolben,  welche  in  den  altdeutschen  Dich- 
tungen als  Riesenwaffen  erscheinen  und  auch  sonst  vorkommen;  s.  Grimm 
DM.  500;  vgl.  meine  Bemerkungen  in  den  Gott.  Gel.  Anz.  1868  S.  1657  f. 
Der  Bohnensteugel  und  St.  Peter  in  Nr.  I  gehören  nicht  zu  diesem 
IVIärchen  imd  sind  ebenso  erst  später  hinzugetreten  wie  zu  Nr.  16  „Jan 
im  Himmel"  in  J.  W.  Wolfs  Deutsche  Märchen  u.  Sagen.  In  Betreff 
des  englischen  Märchens  „Hans  inid  der  Bohnenstengel"'  vgl.  Tvlor, 
Forschungen  über  die  Urgeschichte  der  Menschheit  u.  s.  w.  Aus  dem 
Engl,  von  Müller  S.  440.  Von  Nr.  VII  „Der  Meisterdieb"  findet  sieh  bei 
Wolf  a.  a.  O.  Nr.  V  „Jan  der  Dieb"   eine  vollere  vlämische  Fassung. 


VLÄMISCHE  MÄRCHEN  nsiJ  VOLKSLIEDER.  93 

Ehe  ich  diese  Mittheihino;  schließe,  will  ich  noch  darauf  aufmerk- 
sam machen,  daß  der  Herausgeber  der  vorliegcndeu  Märchen  auch  seit 
längerer  Zeit  eine  Sammlung  Volkslieder  im  Brügger  Dialekt  vorbe- 
reitet, welche  nicht  nur  abweichende  Fassungen  von  schon  bekannten 
Liedern,  sondern  auch  viele  bisher  noch  nicht  herausgegebene  enthalten 
wird.  Zu  letzteren  gehört  z,  B.  das  folgende: 

De  Zavelboom. 

1. 

Er  zou  eene  maegd  om  bloemktjes  gaen 
Om  een  wandeling  te  doene; 
Wat  vond  zy  onder  haer  wege  staen? 
't  was  een  zavelboomtje  groene. 

2. 

Wel  zavelboom,  zei  zy,  zavelboom^ 
Waervan  zyt  gy  zoo  groene? 
Wel  maegdeki,  zei  de  zavelboom, 
Waervan  zyt  gy  zoo  schoone? 

3. 
Waervan  dat  ik  zoo  schoone  zyn, 
Dat  zal  ik  u  gaen  zeggen; 
Ik  ete  gebraeden  en  drinke  den  wyn, 
En  ik  slapen  op  een  pluime  bedde. 

4. 
Eet  gy  gebraeden  en  drinkt  gy  den  wyn, 
En  zyt  gy  daervan  zoo  schoone. 
Den  hemelschen  dauw  die  valt  er  op  my, 
En  daervan  zyn  ik  zoo  groene. 

5. 
Valt  er  den  hemelschen  dauw  op  \\, 
En  zyt  gy  daervan  zoo  groene, 
Naer  den  zomer  komt  de  winter  zuer  en  spyt, 
Uwe  bladeren  zullen  verdroogen. 

6. 
Geraek  ik  in  den  winter  myn'  bladren  kwyt, 
In  den  zomer  kryg  ik  ze  weder; 
Maer  een  teere  maegd  die  hare  eer  is  kwyt, 
Die  krygt  ze  nimmer  meere. 


94  FELIX  LIERRECIIT 

7. 

"Wel,  zavelboora,  zei  zy,  zavelboom, 

Ik  dank  u  voor  u  welleeren; 

Ik  was  te  wege  naer  myn  zoetelief, 

Maer  nu  gae  ik  wederom  keeren. 
8. 

Ja,  keert  gy  weder  zoo  doet  gy  wel, 

Trekt  boven  op  uw  slaepkamer; 

AI  waert  gy  vier  hondert  mylen  ervan, 

Als  't  God  belieft,  gy  zult  wel  verzaemen. 
Deutsch  ist  vorstehendes  Volkslied  in  mehrfachen  Versionen  vorhan- 
den, s.  Mittler  Nr.  620 — 624  und  dazu  die  Anmerkungen  in  der  zweiten 
Ausgabe.  In  Nr.  624  erscheint  statt  der  sonst  vorkommenden  Hasel  ein 
Sahen-  oder  Sebenbaum,  wie  in  dem  vlämischen  Liede.  Letzteres  hat  den 
großen  Vorzug,  daß  Strophe  5  und  6  darin  nicht  in  eine  zusammengezogen 
sind,  wie  seltsamerweise  in  allen  deutschen  Fassungen  der  Fall  ist, 
wodurch  der  Gedankengang  luavollständig  wird.  Was  dagegen  die  letzte 
Strophe  betrifft,  so  hat  auch  sie  vielleicht  eine  Abänderung  erlitten; 
der  Sinn  ist  jedenfalls,  daß,  wenn  das  Mädchen  auch  vierhundert  Mei- 
len weit  von  ihrem  Geliebten  '^)  entfernt  wäre,  sie  mit  demselben,  wenn 
es  anders  Gott  so  gefalle,  dennoch  wieder  zusammentreffen  würde. 

Ein  anderes  höchst  interessantes  Lied  bezieht  sich  auf  Philipp 
des  Schönen  Fahrt  nach  Spanien  und  auf  die  Sage,  daß  seine  Gemahn 
Johanna  ihn  vergiftet  haben  sollte.  Es  ist  gleichfalls  ein  Ineditum, 
scheint  aber  sehr  verstümmelt. 

1. 

't  Was  op  een  zondag  naere  den  noen 

Dat  den  koning  zoude  vertrekken ; 

Hy  zoude  vertrekken  na  Spanjen, 

Hy  zoude  vertrekken  met  al  zyn  volk. 

2. 

Als  zy  al  verre  gevaren  (Var.  kwamen,  waren) 

Stiermannen,  zei  hy,  stiermaunen  van  my, 

Klimt  eens  op  uw  mastje, 

En  steckt  uw  hoofd  geheel  diep  in  zee, 

En  kykt  als  m'haest  in  Spanje  reen  '*). 


**)  Ervan  davon,  d.  i    von  ihm  ;    in  diesem  Worte  scheint  eben  eine  Verderbnis» 
des  ursprünglichen  Textes  zu  liegen. 

'*)  Als  ine  reen,  d.  i.  rijden.  ob  wir  fahren. 


VLÄMISCIIE  MÄRCHEN  UND  VOLKSLIEDEK.  95 

3. 
Hy  klom  eens  op  zyn  mastje, 
Hy  stak  zyn  hoofd  zeer  diep  in  zee, 
Hy  keek  als  m'haest  in  Spanje  reen, 
Hy  voelde  een  windetje  waeijen, 
En  hy  hoorde  een  haentje  kraeijen, 
't  was  teeken  dat  m'haest  in  Spanje  waren. 

4. 
Als  me  toe  Spanje  binnen  kamen, 
JoufFrouw  Tsanne  schonk  ons  den  koelen  wyn, 
Uit  een  kroes  van  goude  fyn, 
Uit  een  kroes  van  goude; 
Maer  op  den  grond  't  was  al  fenyn. 

5. 
J  ouffrouw  Tsanne,  zei  hy,  Jouffrouw  Tsanne  van  myn, 
'k  voel  't  aen  myn  hertje, 
Dat  je  me  vergeven  hebt  met  vuil  fenyn. 

6. 
Jouffrouw  Tsanne,  zei  hy,  Jouffrouw  Tsanne  van  myn, 
Draeg  zorg  voor  al  myn  kinderen  fyn 
Dat   ze  tot  Roome  in  schoole  zyn, 
Dat  ze  te  Roome  schoole  gaen, 
Want  by  vier  en  twintig  uren  zal  ik  al  in  baere  staen. 

7. 
's  navens  '*)  de  beeren  waren  gezeten 
Z'  hoorden  wel  zoo  een  groot  gedruis. 
Der  waren  twee  sneuwwitte  duivekens  in  huis. 
Die  onder  den  konings  bedde  kreesschen, 
Om  zyn  zieltje  was  't  alderraeeste, 
Ze  vlogen  met  den  konings  zieltje  te  vensteren  uit. 

8. 
Hollands  beeren  en  Brabands, 
"t  zal  Brügge  nog  wel  rouwen, 
Viaenderen  nog  al  veel  meer. 
Van  als  den  koning  laetst  in  Spanje  ree. 

Auch  das  folgende  Lied   ist  bis  jetzt   noch   nicht  herausgegeben, 
aber  leider  unvollständig. 

")  Bm  Abends. 


96  VVAÄX  LIKr.KECIIT,  VLÄMISCHE  MÄKCKEN  etc. 

1. 
De  kcizer  van  Zweclen  had  brieven  geschreven, 
Na  't  moei  raeisje  van  Parys, 
De  brieven  en  waren  niet  wel  geschreven, 
De  keizer  van  Zweden  moest  zelve  gaen. 

2. 
Hy  passeerde  voorby  een  weerdinneken  haer  deur, 
De  weerd  was  binnen,  de  weerdinne  was  veur.  '*) 

—  „Weerdinne,  tapt  my  een  kanne  bier!"  — 
Hy  wierd  van  een  moei  meisje  gediend. 

3. 

—  „Weerdinne  is  dat  uw  dochterken  niet?"  — 

—  „'t  en  is  voorwaer  myn  dochterken  niet, 
„Maer  't  heeft  er  wel  zeven  jaer  by  my  gediend, 
„Zeven  jaren  en  eenen  dag."  — 

—  „Weerdinne,  logeert  my  van  dezen  nacht."  — 

4. 
Mo  '**)  't  snavens  't  moei  meisje  moest  slapen  gaen, 
't  moest  er  wel  60  trappen  opgaen. 
Van  ieder  trap  dat  zy  opging. 
De  tränen  liepen  over  haer  aenschyn. 
Der  Kaiser  fragt  sie,  warum  sie  weine  und  sie  antwortet: 
„'t  en  is  voor  vader,  't  en  is  voor  moeder, 
„'t  en  is  voor  zuster,  maer  't  is  voor  broeder, 
„De  keizer  van  ZAveden  is  myn  beer  broeder." 
*         *         *         * 

Trotz  dem  fragmentarischen  Zustande  dieses  Liedes  erkennt  man 
alsbald  in  demselben  ein  Seitenstück  zu  dem  deutschen:  „Die  wieder- 
gefundene Königstochter"  bei  Uhland  Nr.  273  (Simrock  Nr.  20,  Mittler 
Nr.  120).  Auf  die  andern  Parallelen  gehe  ich  hier  nicht  ein,  sondern 
verweise  zunächst  auf  Les  Vieux  Auteurs  Castillans  par  le  Comte 
Th.  de  Puymaigre.  Metz  et  Paris  1862  vol.  11  Nr.  357  ff.  und  dessen 
Chants  popul.  recueillis  dans  le  pays  Messin;  ebend.  1865  p.  58. 

Die  vorstehenden  Proben  lassen  voraussehen,  daß  die  Sammlung, 
der  sie  entnommen  sind,  des  Interessanten  mancherlei  enthalte,  und 
hoffen  wir,  daß  das  Erscheinen  derselben  nicht  zu  lange  zögern  werde. 
LÜTTICH.  FELIX  LIEBRECHT. 


')  Vor  (der  Thür). 
*)  D.  h.  Maer. 


LITTERATÜK. 


Alt-isländische  Volksballaden  und  Heldenlieder  der  Färinger.  Zum  ersten 
Male  übersetzt  von  P.  T.  Willatz  eu.  Bremen,  Verlag  von  A.  D.  Geisler, 
1865;  VI  u.  354  SS.   8". 

Schon  vor  mehreren  Jahren  hat  J6n  Sigurdsson  in  Verbindung  mit 
S  vend  Grundtvig  angefangen,  eine  Sammlung  älterer  isländischer  Lieder  heraus- 
zugeben; drei  Hefte  dieser  „Islenzk  fornkvsedi"  sind,  die  Nummern  19,  24  u.  26 
der  „Nordiske  Oldskrifter,  udgivne  af  det  nordiske  Literatur-Samfund"  bildend,  in 
den  Jahren  1854,  1858,  1859  erschienen,  das  in  Aussicht  gestellte  vierte  Heft  ist 
dagegen  noch  bis  auf  den  heutigen  Tag  ausständig.  Andererseits  hat  sich,  nachdem 
schon  vorher  der  dänische  Pfarrer  und  Botaniker  Hans  Ch  ristian  Lyngby e 
(t  1837)  die  „Faeröiske  qvaeder  om  Sigurd  Fofnisbane  og  hans  aet"  herausgegeben 
hatte  (Randers,  1822),  um  die  färöischen  Volkslieder  der  treffliche  Pfarrer 
Wenzel  Ulrich  Hammershaimb  angenommen;  einer  aus  Deutschböhmen 
stammenden,  aber  schon  seit  mehreren  Generationen  auf  den  Färöern  sesshaften 
Familie  entsprossen,  hat  dieser,  theilweise  auf  die  handschriftlichen  Sammlungen 
Svaboe's  (f  1824)  und  Schröters  (f  1851)  gestützt,  zunächst  in  der  „Antiquarisk 
Tidsskrift"  für  1846  —  48  und  für  1849  —  51  eine  Reihe  sehr  schätzbarer  Mitthei- 
lungen über  Lieder  und  Räthsel,  Sprichwörter  und  Redewendungen,  Sitten,  Sagen 
und  Spiele  gemacht,  sodann  aber,  als  Heft  12  und  20  eben  jener  Oldskrifter  jene 
„Sjürdar  kvsedi"  neuerdings  herausgegeben  und  eine  Reihe  weiterer  „Faeröiske 
kvaeder"  folgen  lassen  (1851  und  1855),  wogegen  ein  versprochenes  drittes  Heft 
gleichfalls  noch  auf  sich  warten  lässt.  Auf  diese  beiden  Sammlungen  hat  nun  Hr. 
Willatzen  seine  Übersetzung  gebaut,  doch  so,  daß  von  der  isländischen  nur  wenig 
mehr  als  die  Hälfte,  und  von  der  färöischen  nur  ein  noch  geringerer  Theil  durch 
ihn  bearbeitet  wurde.  Für  uns  kommt  bei  seinem,  Emanuel  Geibel  gewidmeten 
Buche  Dreierlei  in  Betracht:  die  Übersetzung  selbst,  der  ihr  beigegebene  Com- 
mentar,  endlich  die  ihr  vorangeschickte  Einleitung.  Beginnen  wir  mit  der  Ein- 
leitung, welche  nach  ein  paar  Bemerkungen  über  das  Volkslied  im  Allgemeinen 
und  das  nordische  Volkslied  insbesondere,  von  den  äußeren  Lebensbedingungen 
auf  Island  und  den  Färöern,  von  dem  Volkscharakter  der  Isländer  und  zumal  ihrer 
Poesie,  endlich  von  den  Volksliedersammlungen  des  Nordens  und  der  Art  handelt, 
wie  bei  der  Übertragung  der  hier  mitgetheilten  Stücke  verfahren  wurde. 

Von  wärmster  Begeisterung  für  seinen  Gegenstand  erfüllt,  weiß  unser  Verf. 
gewiss  auch  seinen  Leser  zu  lebhafter  Theilnahme  an  demselben  anzuregen,  und 
damit  mag  wohl  Alles  erreicht  sein,  was  er  überhaupt  mit  seiner  Einleitung  zu  er- 
reichen beabsichtigte;  strengeren  gelehrten  Anforderungen  zu  genügen,  lag  wohl 
von  Vornherein  nicht  in  seinem  Plane,  und  es  wäre  unbillig,  an  sein  Werk  einen 
Maßstab  anlegen  zu  wollen,  welcher  demselben  nach  seiner  ganzen  Anlage  fremd 
bleiben  sollte.  Aber  doch  dürfte  es  gerathen  sein,  so  manche  irrige  Angabe  und 
so  manche  schiefe  Auffassung,  welche  bei  dem  Verf.  mit  unterläuft,  zu  berichtigen, 
damit  nicht  durch  ihn  neue  Irrthümer  eingeführt,  oder  doch  bereits  mehr  oder 
minder  verbreitete  in  weiteren  Kreisen  befestigt  werden,  und  es  kann  dies  um  so 
mehr  neben  aller  Anerkennung  seiner  Leistungen  geschehen,  als  auch  da  wo  der 
Verf.  meines  Erachtens  irre  geht,   doch   immerhin  ein  offenes  Auge   und   ein  ernst- 

GERUANrA.   Neue  Reihe   n.   (XIV.)  Jahrn.  7 


98  LITTERATUR. 

liches  Bemühen  bei  demselben  nicht  zu  verkennen  ist.  —  In  ziemlich  düsterer  Weise 
Bchildert  der  Verf.  zunächst  die  Rauhheit  des  isländischen  Landes  mit 
seinen  ungeheuren  Lavawüsten  und  Eisfeldern ;  mir  durch  die  Pracht  der  Abend- 
und  Morgenröthe  sollen  diese  zu  einer  ans  Wunderbare  grenzenden  Schönheit  er- 
leuchtet werden  können,  während  sonst  nur  den  fischreichen  Gewässern  entlang 
der  kurze  Sommer  einen  freundlichen  Wiesenteppich  ergrünen  lasse,  die  früher  so 
ausgedehnten  Waldungen  aber  mit  geringen  Ausnahmen  dem  Einflüsse  des  immer 
strenger  werdenden  Klima's  erlegen  seien.  Theils  dieser  Verschlimmerung  der  Tem- 
peraturverhältnisse, welche  selbst  wiederum  durch  die  Bildung  eines  breiten  Eis- 
gürtels an  der  Ostküste  Grönlands  bedingt  sein  soll,  theils  den  wiederholten  Erd- 
beben und  viilcanischen  Ausbrüchen,  theils  endlich  der  öfteren  Wiederkehr  von 
Hungersnoth  und  schweren  Epidemien  will  es  denn  auch  zugeschrieben  werden, 
wenn  das  Land  und  die  Zahl  seiner  Bewohner  seit  dessen  Vereinigung  mit  Norwegen 
und  vollends  mit  Dänemark  immer  mehr  herabgekommen  sei.  Ich  kann  mich  mit 
diesen  Sätzen  in  keiner  Weise  einverstanden  erklären.  Die  Thatsache  selbst,  daß 
die  Insel  unter  norwegischer  und  mehr  noch  unter  dänischer  Hen-schaft  entschieden 
zurückgegangen  ist,  fällt  mir  natürlich  nicht  ein  zu  leugnen.  Es  ist  unmöglich, 
aus  den  dürftigen  statistischen  Notizen,  welche  wir  etwa  aus  den  Jahren  1100, 
1205,  1311,  1366,  und  dann  wieder  aus  den  Jahren  1670 — 80,  1703,  1769, 
1801  u.  s.  w.  haben,  völlig  bestimmte  Resultate  über  die  Bewegung  der  Bevöl- 
kerungszahl im  Laufe  der  Jahrhunderte  zu  gewinnen,  immerhin  aber  lässt  sich  aus 
denselben  mit  höchster  Wahrscheinlichkeit  auf  eine  sehr  beträchtliche  Minderung 
derselben  schließen  *) ;  wenn  es  ferner  noch  ungleich  schwieriger  sein  muß,  über 
den  ökonomischen  Verfall  des  Landes  zu  bestimmten,  ziffermäßigen  Ergebnissen 
zu  gelangen,  so  lässt  sich  doch  aus  den  Nachrichten  der  älteren  Quellen  über  die 
Lebensweise  der  Isländer,  ihren  Ackerbau  und  ihre  Viehzucht,  den  Betrieb  des 
Handels  auf  eigenen  und  fremden  Schiffen,  endlich  über  die  wichtigem  Ein-  und 
Ausfuhrwaaren  sammt  deren  officielle  Tarifierung,  im  Zusammenhalte  mit  dem  was 
aus  den  Urkunden  des  späteren  Mittelalters,  den  neueren  legalen  Handelstaxen  und 
den  mehrfach  zusammengestellten  ökonomischen  und  Handelstabellen,  dann  aus  der 
Betrachtung  der  derzeitigen  wirthschaftlichen  Zustände  der  Insel  zu  entnehmen  ist, 
mit  vollster  Sicherheit  ersehen,  daß  auch  deren  Wohlstand  in  sehr  erheblichem 
Umfange  sich  vermindert  hat.  Vollkommen  verkehrt  aber  ist  es,  die  Schuld  an 
diesem  Rückgange  des  Landes  und  Volkes  der  Natur  aufbürden  zu  wollen.  Die 
Vorstellung,  als  ob  vordem  die  Temperatur  eine  höhere  gewesen,  und  als  ob  sie 
erst  durch  eine  spätere  Vereisung  Grönlands  gesunken  sei,  ist,  wenn  wir  anders 
von  der  historischen  Zeit  reden  wollen,  eine  völlig  unbegründete  (vgl.  Sartorius 
von  Waltershausen,  Physisch-geographische  Skizze  von  Island,  S.  42),  und  wohl 
gutentheils  durch  frühere  Irrthümer  über  die  Lage  der  alten  grönländischen  Colonie 
veranlasst;  weil  die  alten  Quellen  eine  Eystri-bygd  und  Vestri-byg3  daselbst  unter- 
scheiden, hatte  man  geglaubt,  die  erstere  auf  der  Ostküste  Grönlands  suchen,  und 
weil  diese  nunmehr  unzugänglich  ist,  deren  nachträgliche  Vereisung  annehmen  zu 
müssen  —  eine  Annahme,  welche  durch  Captain  Graahs  Erforschungsreise  (1828 


*)  Amljotur  Ölafsson  nimmt  in  den  Skyrslur  um  landshagi,  I,  S.  319—25,  für  die 
Jahre  1100,  1311,  1386,  daim  1670-80  eine  Volkszahl  von  104.753,  —  95.083,  —  90.187, 
dann  wenig  über  50,000  Seelen  an,  während  eine  Zusammenstelhmg  der  Ergebnisse  der 
Zählungen  von  1703,  1769,  1801,  183.5,  1850  ebenda,  S.  2,  die  Ziffern  50.444,— 46.201, 
—  47.240.  —  56.035,  —  59.157  ausweist. 


LITTERATUR.  99 

bis  31)  längst  widerlegt  ist.  So  haben  wir  denn  auch,  wie  hierauf  schon  früher 
gelegentlich  in  dieser  Zeitschrift  hingewiesen  wurde  (VII,  S.  245 — 64),  nicht 
den  mindesten  Grund  anzunehmen ,  daß  der  Waldwuchs  oder  die  Vorbedin- 
gungen für  den  Betrieb  des  Ackerbaues  früher  auf  Island  besser  gewesen  seien  als 
jetzt,  außer  etwa  insoferne,  als  einige  Verschlimmerung  in  einzelnen  Gregenden 
durch  locale  Unglücksfälle  oder  schlechte  W^irthschaft  allerdings  eingetreten  sein 
mag.  Richtig  ist  ferner  allerdings,  daß  schwere  vulcanische  Verheerungen  wieder- 
holt über  die  Insel  ergangen  sind,  und  daß  diese,  zum  Theil  im  Gefolge  derartiger 
Verwüstungen,  von  drückender  Hungersnoth  sowohl  als  von  gefährlichen  Seuchen 
oft  genug  heimgesucht  wurde;  aber  wenn  man  auch  nur  einen  flüchtigen  Blick  auf 
das  Eruptionsverzeichniss  bei  Preyer  und  Zirkel  (Reise  nach  Island,  S.  440  —  74), 
das  Verzeichniss  der  Epidemien  bei  Schleissner  (Island,  undersögt  fra  et  Isegevi- 
denskabeligt  Synspunkt,  S.  55 — 68)  oder  des  Bischofs  Dr.  Hannes  Finnsson,  Ab- 
handlung über  die  Abnahme  der  Bevölkerung  auf  Island  in  Folge  von  Missjahren 
wirft  (in  den  älteren  Felagsrit,  Bd.  IV;  in  dänischer  Bearbeitung  im  Jahre  1831 
von  Haidorr  Einarsson  wieder  herausgegeben),  so  zeigt  sich  sofort,  daß  die  Schrecken 
der  Natur  auf  der  Insel  zu  allen  Zeiten  sich  wesentlich  gleichblieben,  daß  also  nicht 
in  ihnen  der  Grund  liegen  kann  des  fortwährenden  Rückganges,  welcher  in  Bezug 
auf  Land  und  Leute  sich  bemerklich  macht,  und  in  der  That  sind  zumal  die  durch 
ungewöhnliche  Naturereignisse  eingetretenen  Verluste  an  Menschen  auf  Island  wie 
anderwärts  nachweisbar  durch  um  so  rascheren  Zuwachs  der  Bevölkerung  in  den 
nächstfolgenden  Jahren  stets  wieder  ausgeglichen  worden.  Auch  ist  die  Unwirth- 
lichkeit  der  Insel  keineswegs  so  groß,  als  man  sich  dieselbe  vielfach  vorstellt.  Wohl 
ist  das  Land  rauh  und  der  Sommer  kurz;  aber  durch  Beides  ist  eben  doch  nur  ein 
wirthschaftlicher  Betrieb  ähnlich  demjenigen  bedingt,  wie  er  sich  in  unseren  eigenen 
Hochalpen  gestaltet,  während  die  reiclie  See  (audigur  sem  Njördur,  sagte  man  be- 
reits im  Heidenthume!)  dem  Isländer,  anders  als  unseren  Alplern,  noch  eine  weitere 
sehr  ausgiebige  Beisteuer  zu  seinem  Unterhalte  liefert.  Wie  erklärt  sich  dann  aber 
einerseits  die  ungeheure  Verwüstung,  welche  vorübergehende  Unglücksfälle  bereits 
wiederholt  auf  der  Insel  angerichtet  haben,  und  andererseits  jenes  stetige  Herab- 
sinken des  Volkes,  welches  unabhängig  von  den  durch  sie  bedingten  Schwankungen 
sich  vollzieht?  Schon  im  Jahre  1786  hat  Chr.  Ulr.  Detl.  Eggers  in  seiner  anonym 
erschienenen  „Philosophischen  Schilderung  der  gegenwärtigen  Verfassung  von  Is- 
land" ausgesprochen,  daß  Nothstände  wie  die  in  den  Jahren  1783  —  84  eingetre- 
tenen „in  diesem  von  der  Natur  so  reichlich  mit  Esswaaren  versehenen  Lande  ein- 
zig und  allein  eine  Folge  verkehrter  bürgerlicher  Einrichtungen"  seien,  und  daß  es 
nur  solchen  zugeschrieben  werden  müsse,  wenn  die  Leute  „bei  Tausenden  todthun- 
gern,  in  einem  Lande,  das  Fische  und  Fleisch  im  Überfluss  hat"  (S.  4  und  152); 
in  demselben  Werke  ist  aber  auch  nicht  minder  bereits  offen  ausgesprochen  (S.  209 
u.  folg.),  daß  es  die  durchaus  verkehrte  Handelspolitik  der  dänischen  Könige  war, 
welche  den  allmälich  fortschreitenden  Ruin  des  Landes  verschuldet  habe,  und  es  ist 
nur  eine  Wiederholung  desselben  Gedankens,  wenn  wenige  Jahrzehnte  später  ein 
einheimischer  Dichter  singt: 

frihöndlun  oss  drepur  Dana, 

dreingja  engum  litzt  ä  hana  (Ljodmaeli  Sigurdar  Pöturssonar,  I,  S.  253). 
Wirklich  bedarf  das  Herabkommen  des  Landes  kaum  noch  einer  weiteren  Erklä- 
rung, wenn  man  beachtet,  daß  bereits  um  die  Mitte  des  14.  Jhd.  der  isländische 
Handel  von  den  Königen  von  Norwegen  für  regal  erklärt,  in  Bergen   concentriert, 

7* 


100  LITTEHATUR. 

an  besondere  Conccssion  geknüpft  und  mit  schweren  Abgaben  belastet  wurde,  daß 
dann,  nachdem  im  15.  Jhd.  zumal  die  Engländer,  im  16.  aber  zumal  die  Hanseaten 
denselben  an  sich  gerissen  hatten,  seit  dem  Anfange  des  17.  Jhd.  derselbe  bald  an 
geschlossene  Compagnien,  bald  an  einzelne  Kaufleute  in  Dänemark  um  schweres 
Geld  verpachtet,  oder  auch  auf  königliche  Regie  betrieben  wurde,  bis  endlich  vom 
1.  Januar  1788  eine  sogenannte  Freicrkliirung  des  Handels  eintrat,  welche  indessen 
von  Vornherein  nur  zu  Gunsten  der  Unterthanen  des  Königs  in  Dänemark,  Nor- 
wegen und  den  deutschen  Hcrzogthümern  galt  und  selbst  innerhalb  dieser  Schran- 
ken noch  an  manigfache,  sehr  hemmende  Voraussetzungen  gebunden  war,  und  erst 
im  Jahre  1816  in  letzterer  Beziehung  etwas  erleichtert  wurde,  —  wenn  man  ferner 
bedenkt,  daß  seit  dem  Jahre  1619  bis  zum  Jahre  1787  der  Handel  nach  einer 
von  der  Regierung  festgestellten  Taxe  betrieben  werden  mußte,  bei  deren  Aufstel- 
lung im  Interesse  der  dänischen  Kaufleute  alle  Importartikel  übertrieben  hoch, 
alle  Exportartikel  aber  unverantwortlich  nieder  angesetzt  worden  waren,  während 
zugleich  barbarische  Strafen  denjenigen  bedrohten,  welcher  sich  beigehen  ließ,  bei 
einem  unberechtigten  oder  auch  nur  in  einem  anderen  Theile  der  Insel  berechtigten 
Handeismanne  einzukaufen  oder  an  einen  solchen  zu  verkaufen.  Aus  einer  interes- 
santen Waarentaxe,  welche  dem  Anfange  des  15.  Jhd.  angehört,  hat  man  berechnet, 
daß  die  englischen  Handelsleute  dazumal  den  isländischen  Stockfisch  sechsmal 
60  theuer  bezahlten,  als  er  in  den  dänischen  Taxen  von  1619  — 1776  angesetzt 
war,  während  umgekehrt  die  Engländer  Tuch  fast  um  die  Hälfte  billiger  gaben, 
als  die  Taxe  von  1619,  und  viermal  billiger  als  die  Taxen  von  1684  und  1702, 
u.  dgl.  m.  (vgl.  Finnur  Magnussen,  Om  de  Engelskes  Handel  og  Fserd  paa  Island  i 
det  15.  de  Aarhundrede,  in  der  Nordisk  Tidsskrift  for  Oldkyndighed,  II,  S.  146 
u.  folg.).  Seitdem  nach  langer  und  heftiger  Agitation  endlich  im  Jahi-e  1855  die 
vollständige  Freigebung  des  isländischen  Handels  durchgesetzt  wurde,  sind  sofort 
die  Preise  der  isländischen  Exportwaaren  beträchtlich  gestiegen,  neue  Exportartikel 
ausfindig  gemacht  und  die  alten  mit  größerer  Sorgsamkeit  cultiviert  worden,  ganz 
wie  bereits  vorher  die  beschränktere  Handelsfreiheit  seit  dem  Jahre  1788  in  der 
gleichen  Richtung  günstige  Wirkungen  geäußert  hatte,  und  ein  Blick  auf  die  Be- 
völkerungsziff'ern  zeigt  denn  auch,  daß  mit  dem  Jahre  1735,  mit  welchem  die  fort- 
laufende Zusammenstellung  (in  den  Skyrslur  um  landshagi,  I,  S.  397  —  9)  beginnt, 
bis  zum  Jahre  17  83  die  Volkszahl  durch  unbedeutende  Schwankungen  hindurch 
von  43.571  nur  bis  auf  48.884  Seelen  sich  hob,  daß  sie  dann  aber  durch  ein  paar 
schwere  Unglücksjahre  bis  zur  Ziff"er  von  38.363  herabgedrückt  (1786),  unter  der 
Herrschaft  des  beschränkten  Freihandels  bereits  so  rasch  stieg,  daß  sie  im  Jahre 
1816  schon  die  Ziffer  von  47.691  und  im  Jahr  1855  die  Ziffer  von  64.603  Seelen 
erreichte.  Die  Volkszählung  im  Jahre  1860,  die  letzte,  welche  stattgefunden  hat, 
ergab  eine  Seelenzahl  von  66.987  (Skyrslur,  III,  S.  47),  und  es  nahm  somit  die 
Bevölkerung  in  den  48  Jahren  des  Monopolhandels  (1735 — 83)  um  durchschnitt- 
lich 110  Seelen  im  Jahre  zu,  wobei  die  schweren  Jahre  von  1783 — 6  noch  nicht 
einmal  gerechnet  sind,  in  den  30  Jahren  des  beschränktesten  Freihandels  (1787 
bis  1816)  um  310,  und  in  den  39  Jahren  des  minder  beengten  Handels  (1817  —  55) 
um  433,  endlich  in  den  fünf  Jahren  der  vollen  Handelsfreiheit  (1855  —  60)  um 
volle  476  Köpfe  im  Jahre  zu.  Kann  es  einen  schlagenderen  Beweis  geben  für  die 
Schuld  des  Menschen  und  die  Unschuld  der  Natur  an.  der  jahrhundertelangen  Ver- 
wahrlosung von  Land  und  Leuten?  —  So  ist  denn  auch  das  Leben  auf  der 
Insel  keineswegs  so  freudlos,  der  Volkecharakter  des  Isländers  keineswegs 


LITTERATUR.  101 

80  trüb,  als  unser  Verf.  beide  darstellt.  Allerdings  folgt  er  in  seiner  Darstellung 
lediglich  den  Berichten  so  mancher  Reisender;  aber  die  Sache  ist  eben  die,  daß  die 
Schattenseiten  des  isländischen  Volkslebens  mehr  auf  dem  materiellen,  dessen  Licht- 
seiten mehr  auf  dem  geistigen  Gebiete  liegen  und  schon  darum  weniger  in  die  Augen 
fallen  als  jene;  daß  ferner  die  Reisenden,  welche  Island  besuchen,  zumeist  der 
Landessprache  sowohl  als  der  geschichtlichen  Entwicklung  des  Volkes  völlig  un- 
kundig und  somit  ganz  außer  Stand  sind,  den  Nationalcharakter  des  letzteren  und 
die  minder  auf  der  Oberfläche  liegenden  Seiten  seines  Treibens  richtig  zu  erfassen. 
Wahr  ist  es,  daß  die  Wohnungen  der  Isländer  gar  sehr  ärmlicher  Beschaffenheit 
sind.  Es  fehlt  der  Insel  gänzlich  an  Bauholz,  nicht  minder  an  Lehm,  aus  welchem 
Ziegeln  geformt  werden  könnten,  und  sogar  an  Kalk,  um  die  etwa  zu  hauenden 
Bruchsteine  zusammenzufügen ;  aus  Norwegen  müssen  die  Bretter  und  Balkon,  aus 
England  oder  aus  Dänemark  der  Kalk  und  die  Backsteine  eingeführt  werden,  und 
so  muß  denn  die  große  Masse  der  Einwohner  mit  den  landesüblichen  Gebäuden  aus 
wechselnden  Lagen  von  Rollsteinen  und  Rasenstreifen  sich  begnügen,  und  selbst 
der  Vermöglichere  die  Anwendung  jener  theureren  Materialien  auf  ein  Minimum 
reducieren.  Wahr  ist  auch,  daß  es  mit  der  Heizung  übel  bestellt  ist  im  Lande. 
Wie  an  Bauholz,  so  fehlt  es  auch  an  Brennholz  so  gut  wie  gänzlich,  und  wollen 
die  wenig  zahlreichen  und  noch  weniger  ergiebigen  Waldungen  kaum  genügen, 
um  die  nöthigen  Schmiedekohlen  zu  liefern  ;  Torf  tritt  zwar  massenhaft  auf, 
aber  doch  nur  in  gewissen  Gegenden,  während  andere  seiner  völlig  entbehren, 
und  vielfach  muß  man  sich  darum,  soweit  man  nicht  etwa  aus  der  Fremde  ein- 
geführte Steinkohlen  zu  erschwingen  vermag,  selbst  für  die  Küche  mit  getrock- 
netem Schafmiste  behelfen  ,  welcher  doch  selber  wieder  der  Landwirthschaft 
abgestohlen  werden  muß.  Endlich  ist  auch  richtig,  daß  das  Land,  wesentlich 
auf  den  Betrieb  der  Viehzucht  und  der  Fischerei  beschränkt,  Getreide,  Hülsen- 
früchte und  so  mancherlei  andere  Nahrungsmittel  so  gut  wie  gar  nicht  produciert, 
und  somit  auch  in  Bezug  auf  diese  lediglich  auf  die  Einfuhr  aus  der  Fremde 
angewiesen  ist,  und  wir  dürfen  sogar  noch  hinzufügen,  daß  das  Gleiche  auch 
von  einer  langen  Reihe  sonstiger,  sehr  erheblicher  Lebensbedürfnisse  gilt,  wie 
z.  B,  von  Eisen,  Kupfer  und  Blei,  von  Tuch-,  Linnen-  und  Baumwollwaaren, 
Leder,  Colonialwaaren,  Salz  u.  dgl.  m.  Aber  aus  allen  Dem  folgt  denn  doch  nur, 
daß  der  auswärtige  Handel  für  die  Insel  eine  ungleich  höhere  Bedeutung  hat, 
als  für  die  meisten  andern  Länder,  sofern  dieselbe  von  der  Natur  sehr  augen- 
fällig darauf  angewiesen  ist,  die  Einförmigkeit  ihrer  eigenen  Producte  durch  die 
Einfuhr  von  fremden  zu  ergänzen ;  dagegen  ist  damit  noch  keineswegs  festgestellt, 
%daß  jene  Mangelhaftigkeit  der  inländischen  Production  bei  einigermaßen  vernünf- 
tiger Regelung  der  Handelsverhältnisse  nicht  durch  deren  Massenhaftigkeit  voll- 
ständig ausgeglichen  werden  könne,  oder  daß  auch  nur  deren  Einseitigkeit  groß 
genug  sei,  um  das  Land  absolut  abhängig  zu  machen  von  der  Fremde.  Wie 
man  sich  bezüglich  der  Wohnungen  und  des  Hrennmateriales  zur  Noth  zu  be- 
helfen vermag,  wurde  bereits  erwähnt ;  es  erzeugt  aber  die  Insel  auch  an  Fleisch, 
Milch  und  Butter,  an  Eiern  und  an  trefflichen  Fischen  eine  Fülle  der  ausgiebig- 
sten Nahrungsmittel,  und  ersetzen  zumal  die  letzteren  in  gedörrtem  Zustande 
vollständig  das  Brod ;  aus  einheimischer  Schafwolle  werden  im  Laude  selbst  grobe 
Tücher,  Strümpfe,  Handschuhe  gestrickt  und  gewebt  und  mit  einheimischen  Farb- 
stoffen gefärbt,  so  daß  auch  bezüglich  der  Kleidung  der  Isländer  äußersten  Falles 
vom  fremden  Importe  absehen  kann,  —  aus  einheimischen  Fellen  werden  Schuhe 


102  LITTERATUß. 

bereitet,  mit  einheimischen  Federn  die  Betten  gefüllt,  und  auch  die  Salzbereitung 
aus  Seewasser  ist  bereits  nicht  ohne  Glück  versucht  worden,  u.  dgl.  m.  Kann  hier- 
nach die  isländische  Wirthschaft,  was  für  Nothjahre  von  sehr  erheblicher  Bedeutung 
ist,  für  den  schlimmsten  Fall  auch  ohne  fremde  Zufuhr  bestehen,  so  wirft  umge- 
kehrt in  guten  oder  auch  nur  mittelmäßigen  Jahren  die  Viehzucht  sammt  der  Jagd 
und  dem  Federnsammeln,  dann  die  Fischerei  sammt  dem  Seehundsfange  hinrei- 
chende Überschüsse  ab,  um  diese  recht  wohl  decken  zu  können,  und  da  das  Land 
der  Fischerei  und  des  Fischexportes  wegen  von  französischen  und  spanischen  so- 
wohl als  von  dänischen  und  norwegischen,  englischen  und  deutschen  Schiffen  be- 
sucht wird,  überdies  aber  auch  keine  Einfuhrzölle  kennt,  kommen  ihm  sogar  manche 
Luxuswaaren,  wie  z.  B.  Colonialwaaren,  Weine  u.  dgl.  in  guter  Qualität  zu  ver- 
gleichweise sehr  billigen  Preisen  zu.  So  hängt  demnach  der  Grad  materieller  Be- 
haglichkeit, dessen  der  isländische  Bauer  sich  erfreut,  wesentlich  nur  von  seiner 
eigenen  Thätigkeit,  Geschicklichkeit  und  Umsicht  ab.  Legt  er,  wie  dies  allerdings 
oft  genug  zu  geschehen  pflegt,  alles  Gewicht  darauf,  möglichst  ausgedehnten  Grund- 
besitz und  möglichst  zahlreiche  Schafheerden  zu  erhalten,  stellt  er  sich  daneben  vom 
reichen  Ertrage  der  Fischerei  abhängig  und  vergeudet  er,  was  er  in  guten  Jahren 
einnimmt,  sofort  auf  Tabak  und  Branntwein,  CafFee  und  unnöthigen  Flitter,  so  wird 
freilich  seine  thörichte  Wirthschaft  von  scheinbar  glänzendem  Bestände  herab  durch 
ein  einziges  Missjahr  in  den  äußersten  Ruin  gestürzt  werden  ;  wählt  er  dagegen 
sein  Besitzthum  nicht  gröber,  als  er  es  völlig  zu  übersehen  und  durch  fleißige  Ar- 
beit möglichst  zu  meliorieren  vermag,  hält  er  keinen  stärkern  Viehstand,  als  er 
selbst  im  härtesten  Winter  noch  reichlich  zu  ernähren  im  Stande  ist  und  sieht  er 
darauf,  mindestens  für  ein  volles  Jahr  stets  im  Voraus  Vorrath  an  Futter  zu  haben, 
wendet  er  neben  den  Schafen  auch  dem  ungünstigen  Zufällen  weniger  ausgesetzten 
Kuhvieh  die  gebührende  Sorgfalt  zu  und  entzieht  er  nicht  dem  Landbau  die  nöthigen 
Arbeitskräfte  durch  unzeitige  oder  übermäßige  Speculation  auf  die  Fischerei,  ver- 
steht er  es  endlich,  auch  in  den  besten  Jahren  hauszuhalten  und  einen  Sparpfennig 
auf  üble  Zeiten  zurückzulegen,  so  Avird  seine  Ökonomie  auch  über  die  schlimmsten 
Jahre  sich  ganz  leidlich  hinweghelfen  können,  wenn  nur  etwa  noch  vorübergehend 
einige  weitere  Einschränkungen  im  Consume  von  Luxuswaaren  hinzukommen.  Man 
darf  sich  auch,  beiläufig  bemerkt,  nicht  wie  dies  nach  so  manchen  Andern  auch 
unserem  Verf.  begegnet  ist,  durch  die  niederen  Ziffern  der  älteren  isländischen 
Pfarrmatrikeln  in  der  Beurtheilung  der  ökonomischen  Zustände  des  Landes  beirren 
lassen.  Wenn  man  z.  B.  liest,  daß  der  berühmte  Dichter  Jon  ])orlaksson  (f  1819) 
noch  als  75jähriger  Greis  auf  ein  Einkommen  von  30  Thalern  (nicht  15,  wie  der 
Verf.  älteren  irrthümlichen  Angaben  nachschreibt)  aus  seiner  Pfarrei  beschränkt  war, 
so  glaubt  man  wohl  daraus  auf  ganz  unsäglich  miserable  Lebensverhältnisse  des 
Clerus,  und  damit  des  ganzen  Volkes  schließen  zu  dürfen  ;  allein  es  darf  dabei 
denn  doch  nicht  übersehen  wei'den,  daß  jene  Fassion  bereits  dem  Jahre  1737  an- 
gehört, einer  Zeit  also,  da  der  Geldwerth  ein  ganz  anderer  als  der  jetzige  war, 
und  daß  bei  deren  Anfertigung  der  Ertrag  des  Grundbesitzes  des  Pfarrers,  also  der 
Hauptposten,  gar  nicht  mit  veranschlagt  worden  war,  und  nicht  minder  muß  be- 
achtet werden,  daß  die  Pfarrei  zu  Baegisä  im  Jahre  1854  auf  einen  Ertrag  von 
215  Thalern  geschätzt,  nur  eine  der  geringeren  im  Lande  ist,  auf  welcher  sera  Jon, 
welcher  bei  aller  Begabung  doch  auch  seine  sehr  ungeistlichen  Eigenschaften  besaß, 
wohl  nur  aus  ähnlichen  Gründen  sitzen  bleiben  mußte  wie  die,  wegen  deren  ihm 
schon  zweimal  die  geistliche  Würde  völlig  aberkannt  hatte  werden  müssen.  —  Aber 


LITTERATUR.  103 

die  materiellen  Beschwerden  des  Lebens  auf  der  Insel  zugegeben,  läßt  sich  immer- 
hin diesem  noch  eine  andere  eigenthümlich  anziehende  Seite  abgewinnen.  Vor  Al- 
lem kommt  in  Betracht,  daß  das  höchste  Maß  individueller  Freiheit,  dessen  man 
überhaupt  genießen  kann,  auf  Island  zu  finden  ist.  Ein  Stiftamtmann  und  zwei 
Amtleute,  drei  Mitglieder  des  Oberlandesgerichtes,  18  Sysselmäuner  und  ein  Land- 
vogt, welcher  zugleich  auch  Stadtvogt  über  Reykjavik  ist,  bilden  die  ganze  poli- 
tische Beamtenhierarchie  für  das  über  1850  Quadratmeilen  große  Land;  jede  Mög- 
lichkeit einer  den  Einzelnen  beengenden  Vielregiererei  nach  unserem  Zuschnitte 
fällt  damit  weg,  zumal  da,  von  den  beiden  Polizeidienern  in  Reykjavik  abgesehen, 
den  Behörden  auch  keine  executive  Macht  zu  Gebote  steht,  wenn  es  gilt,  ihren 
Verfügungen  den  gehörigen  Nachdruck  zu  geben.  Im  Übrigen  sind  es  die,  der 
Regel  nach  frei  gewählten  Gemeindevorsteher,  welche  je  ihre  Gemeindebezirke  re- 
giereu und  zugleich  den  Staatsbehörden  als  Vollzugsorgane  dienen ;  aber  auch  ihre 
Autorität  beruht  thatsächlich  lediglich  auf  ihrem  persönlichen  Einflüsse  und  dem 
guten  Willen  ihrer  Gemeindeangehörigen  und  ist  selbst  rechtlich  von  den  Beschlüssen 
der  Gemeindeversammlungen  vielfach  abhängig  gestellt,  so  daß  im  Ganzen  Jeder 
so  ziemlich  thun  und  lassen  kann  was  er  will,  wenn  er  nur  keines  Andern  Recht 
verletzt,  seine  (wenig  beträohtlichen)  Steuern  zahlt,  und  an  die  Regierung  seiuer- 
seits  keine  Anforderungen  zu  stellen  sich  beigehen  lässt.  Freilich  hindert  dieser 
regierungslose  Zustand  vielfach  die  Hebung  des  Landes  im  Ganzen;  aber  bei  der 
großen  Gutmüthigkeit  und  dem  ernsten  Wesen  des  Volkes,  dann  der  Zerstreutheit 
seiner  Wohnsitze  Avird  doch  die  öffentliche  Sicherheit  durch  denselben  nicht  ge- 
fährdet, und  in  der  Selbstherrlichkeit,  welche  derselbe  jedem  Einzelnen  gewährt, 
liegt  jedenfalls  für  diesen  ein  großer  Reiz  und  eine  reichliche  Entschädigung  für 
das  geringe  Maß  politischen  Einflusses,  welches  die  Staatsverfassung  annoch  dem 
Volke  im  Ganzen  auf  die  Regelung  seiner  Gesammtangelegenheiten  verstattet.  Dazu 
kommt,  daß  der  wirthschaftliche  Betrieb  des  isländischen  Bauern  ein  sehr  abwech- 
selnder und  nur  zeitweise  besonders  beschwerlicher  ist.  Die  Heuarbeit  freilich,  welche 
in  die  zweite  Hälfte  des  Juli  und  die  erste  Hälfte  des  August  zu  fallen  pflegt,  ist 
eine  überaus  mühsame,  zumal  wo  der  Boden  nass  oder  nicht  gut  geebnet  ist,  oder 
wo  die  Wiesen  weit  abliegen  und  somit  ein  langer  Transport  des  Heues  auf  Pferdes- 
rücken erforderlich  wird;  höchst  beschwerlich  und  zugleich  gefährlich  ist  ferner 
der  Betrieb  der  Fischerei  in  den  Zeiten,  da  die  großen  Fischzüge  an  der  Süd-  und 
Westküste  ankommen  (vetrarvertid  und  vorvertid,  etwa  vom  Anfange  Februar  bis 
Anfangs  Juni  reichend);  endlich  ist  auch  der  Dienst  des  Schafhirten  (smalamadur) 
das  ganze  Jahr  hindurch  ein  harter,  da  er  gerade  im  schlimmsten  Unwetter  im 
Winter  wie  im  Sommer  seinen  Thieren  am  meisten  nachzugehen  hat.  Im  Übrigen 
aber  ist  der  Kreislauf  der  ökonomischen  Geschäfte  ein  ziemlich  behäbiger.  Da  man 
nur  wenig  Feld-  und  Gartenbau  treibt,  hat  man  mit  dem  Bestellen  des  Landes, 
dem  Säen  und  Pflanzen  im  Frühjahre  und  mit  dem  Ernten  im  Nachsommer  nur 
wenig  zu  thun.  Etwas  mehr  Zeit  und  Mühe  fordert  das  Reinigen  und  Ebnen,  dann 
das  Düngen  des  Grasgartens  (tiin)  und  der  Wiesen,  wenn  man  anders  diesen  letz- 
teren die  gleiche  Sorgfalt  zuwenden  kann  und  mag,  die  Herstellung  eines  gehörigen 
Zaunes  um  den  Grasgarten  und  die  Anlage  der  nöthigen  Bewässerungs-  und  Ent- 
wässerungsgräben, endlich  auch  die  Herstellung  oder  Aufbesserung  der  Baulich- 
keiten des  Gehöftes.  Den  Winter  über  muß  alles  Vieh,  und  den  Sommer  über  we- 
nigstens alles  Melkvieh  vom  Hofe  aus  ausgehütet,  theilweise  auch  im  Stalle  ge- 
füttert werden,  wogegen  das  Galtvieh  im  Sommer  auf  die  Hochweiden  getrieben 


104  LITTERATUK. 

und  hier  sich  selber  überlassen  wird  ;  das  Scheren  der  Schafe ,  die  Melkerei, 
dann  Butter-  und  Käsebereitung,  das  Schlachten  endlich  im  Herbste  geben  weitere 
Beschäftigung.  Die  Pferde  lässt  man  zwar  Winter  wie  Sommer  auf  der  Weide, 
nur  daß  man  in  der  härtesten  Zeit  mit  Futter  nachhilft  und  für  die  Nacht  ihnen 
ein  Obdach  gewährt ;  aber  das  Zureiten  der  Thiere  gibt  wenigstens  zu  thun, 
das  Scheren  ihrer  Mähnen  im  Frühjahre ,  die  Instandhaltung  ihres  Beschlages, 
von  Sattel  und  Zäumung,  Packsätteln  u.  dgl.  Wiederum  hat  man  mit  dem  See- 
hund&fange  zu  thun,  und  wenn  ein  Walfisch  an  den  Strand  treibt,  mit  dessen 
Bergung  und  Auftheilung;  der  Fischfang  wird  auch  außerhalb  der  großen  Fisch- 
zeiten je  nach  Gelegenheit  und  Bedarf  betrieben,  in  süßem  wie  in  salzigem  Wasser; 
die  Kaufi"ahrt  nach  den  oft  viele  Tagreisen  weit  entlegenen  Handelsplätzen  nimmt 
nicht  wenige  Zeit  in  Anspruch;  die  Herrichtung  der  Brutplätze  der  Eidervögel, 
das  Sammeln  ihrer  Eier  und  Dunen ,  so  wie  der  Federn  und  Eier ,  dann  auch 
der  Jungen  anderer  Vögel  macht  in  anderen  Zeiten  zu  thun ;  dann  gilt  es,  Holz 
für  die  Schmiede  zu  sammeln,  Treibholz  aufzufischen,  oder  im  günstigsten  Falle 
ein  antreibendes  Wrack  zu  bergen  ,  das  oft  auf  lange  hinaus  der  Wirthschaft 
zu  Gute  kommen  kann;  im  Sommer  geht  man  Wurzeln  graben  und  wilde  Kräuter 
sammeln,  zumal  hvönn  (Angelica)  und  fjallagrös  (isländisch  Moos),  und  gilt  dafür 
der  Ausdruck  „ad  fara  a  grasafjall"  ,  oder  man  hat  Heidelbeeren  und  andere 
Beeren  zu  sammeln,  „ad  fara  i  berjamö",  oder  Seetang  einzuheimsen  (sölvatekja) ; 
einmal  gilt  es  Schneehühner  zu  schießen,  die  bereits  einen  nicht  ganz  unbedeu- 
tenden Exportartikel  bilden,  oder  Schwäne,  deren  Bälge  nicht  ohne  Werth  sind, 
anderemale  Füchse  zu  erlegen,  die  den  Schafen  vielfach  gefährlich  werden,  oder 
selbst  auf  Eisbären  Jagd  zu  machen  ,  welche  das  Treibeis  aus  Grönland  oder 
Spitzbergen  herübergebracht  hat  u.  dgl.  m.  Dabei  ist  zu  beachten,  daß  die  Be- 
wohner des  Landes  so  zu  sagen  beidlebig  sind;  auch  der  Oberländer  Bauer  pflegt 
zu  den  großen  Fangzeiten  seine  Leute  an  die  See  hinabzuschicken,  um  an  dem 
Ertrage  der  Fischereien  sich  zu  betheiligen,  und  umgekehrt  ist  auch  der  See- 
bauer darauf  angewiesen,  neben  seiner  Fischerei  einige  Viehwirthschaft  zu  be- 
treiben: von  früher  Jugend  auf  werden  darum  hier  wie  dort  die  Leute  gleichmäßig 
gewöhnt,  die  Euder  zu  führen  und  ihres  Viehes  zu  warten.  Aber  noch  mehr. 
Sieht  man  von  den  Städtchen  Reykjavik  und  Akureyri  ab,  die  ohnehin  keinen 
Maßstab  für  das  nationale  Leben  der  Isländer  geben,  so  kennt  man  auf  der  Insel 
nur  zerstreute  Einzelhöfe,  deren  jeder,  oft  Meilen  weit  von  den  Nachbarn  ent- 
fernt, ein  für  sich  bestehendes  Ganzes  bildet.  Jeder  einzelne  Bauer  muß  dem- 
nach, und  das  Gleiche  gilt  auch  vom  Pfarrer,  Sysselmanne,  Arzte,  nicht  nur  ein 
tüchtiger  Landwirth  sein,  wenn  er  mit  Ehren  bestehen  will,  sondern  auch  in  allen 
anderen  Beziehungen  mit  Hilfe  seiner  Familie  und  seiner  Dienstboten  den  eigenen 
Bedürfnissen  zu  genügen  wissen,  also  auch  sein  eigener  Zimmermann  und  Tischler, 
Schmied  und  Sattler,  Arzt,  Schullehrer  und  tlieilweise  sogar  Pfarrer  sein,  wenn 
nämlich  tiefer  Schneefall  oder  üble  Stürme,  Eisgang  oder  Hochwasser  den  Weg 
zur  Kirche  hemmen.  Der  Winter  zumal  ist  die  Zeit  der  Hausandachten  (huslestur) 
und  des  Jugendunterrichtes  nicht  nur,  sondern  auch  der  sonstigen  häuslichen  Arbei- 
ten, des  Strickens  z.  B.  und  Webens,  des  Gerbens  und  Färbens,  des  Schnitzens, 
Schmiedens  ,  Schreinerns  und  der  Fertigung  von  Lederarbeiten  wie  von  Fass- 
geschirren ;  aber  je  nach  Umständen  muß  auch  im  Sommer  mancherlei  derartige 
Arbeit  vorgenommen  werden,  wenn  das  Bedürfniss  drängt  oder  das  Wetter  ander- 
weitige Beschäftigung  nicht  gestattet.  Es  begreift  sich,  daß  dieser  stete  Wechsel 


LITTERATUR.  105 

der  Beschäftigung,  diese  stete  Nothweiidigkeit,  in  allen  Bezielmngen  sich  selber 
zu  helfen,  wo  überhaupt  Hilfe  Noth  thut,  zwar  eine  höhere  Vollkommenheit  in 
irgend  einem  einzelnen  Berufe  zu  erreichen  sehr  schwer  macht,  aber  auch  um 
so  entschiedener  eine  gewisse  Allseitigkeit  der  Bildung  und  eine  Anschlägigkeit, 
Nachdenklichkeit  und  Beweglichkeit  des  Geistes  erzeugt,  welche  bei  uns  der  ge- 
meine Mann  und  sogar  der  höher  Gebildete  nur  sehr  ausnahmsweise  erreichen 
kann;  die  Abstumpfung  vollends  und  die  tödtliche  Ermüdung,  welche  die  Einseitig- 
keit des  Berufslebens  bei  uns  so  vielfach  zur  Folge  hat,  bleibt  dem  Isländer  erspart, 
und  in  dem  Bewusstsein  des  ausschließlichen  Rechnens  auf  sich  selber  findet 
überdies  dessen  Freiheits-  und  Selbstgefühl  eine  weitere,  sehr  berechtigte  Befrie- 
digung. Auch  ist  es  keineswegs  richtig,  daß  dem  Isländer  so  alle  und  jede  Ver- 
gnügungen abgehen,  und  nichts  kann  verkehrter  sein  als  die  Meinung,  daß  „das 
Lesen  der  alten  Erzählungen"  und  „der  Genuß  des  Branntweins"  für  dieselben 
jjdie  einzige  Unterhaltung"  bilde.  Schon  die  Wiedei'kehr  so  mancher  wirthschaft- 
lichen  Hauptgeschäfte  bringt  mancherlei  Festlichkeit  in  das  Leben  des  Volkes 
herein.  Wir  haben  oben  bereits  der  großen  Fischzeiten  gedacht ,  zu  welchen 
ganze  Schaaren  junger  Leute  aus  den  höher  gelegenen  Gegenden  an  bestimmte 
Punkte  der  Küste  herabwandern;  unter  den  vielen  Hunderten  von  Burschen,  die 
zu  solchem  Behufe  auf  mehrere  Wochen  auf  sonst  wenig  bewohnten  Küsten- 
strichen zusammenströmen,  entfaltet  sich  sofort  das  regste  Leben,  und  mit  man- 
cherlei munteren  Spielen  wird  die  Zeit  verbracht,  während  deren  etwa  Wind  und 
Wetter  das  Ausrudern  verwehren.  In  ähnlicher  Weise  gibt  der  Auszug  in  die 
Berge,  um  Kräuter  und  Flechten  zu  sammeln,  zu  heiterem  Treiben  Veranlassung, 
denn  auch  zu  solchen  Ausflügen  thun  sich  gerne  Gesellschaften  zusammen,  wenn 
auch  geringeren  Umfanges;  ganz  besonders  aber  gilt  das  Begehen  der  Hoch- 
weiden, um  zu  Ende  Sommers  das  Galtvieh  zu  sammeln  und  in  die  Niederungen 
zurückzutreiben  (die  Fjallgöngur)  als  ein  lustiges  festliches  Geschäft.  Unter  der 
Leitung  des  Gemeindevorstehers  oder  auch  eines  eigens  zu  solchem  Behufe  ge- 
wählten Bergkönigs  zieht  die  jugendliche  Mannschaft  ganzer  großer  Bezirke, 
jeder  Mann  von  einem  tüchtigen  Schafhunde  begleitet,  nach  dem  Sammelplatze. 
Hier  wird  Musterung  gehalten,  und  je  nach  Bedarf  theilt  der  Bergkönig  seine 
Leute  in  kleinere  Haufen,  denen  er  eigene  Führer  vorsetzt ;  jedem  Haufen  wird 
sein  Ausgangspunkt,  die  Richtung  des  Ganges  und  der  Ort ,  wo  für  die  Nacht 
das  Zelt  aufzuschlagen  ist,  bezeichnet.  Nun  beginnt,  sei  es  zu  Fuß  oder 
zu  Pferde,  ein  Art  von  Kesseltrieb,  indem  man  von  obenher  die  Thüre  zu  um- 
stellen und  nun  durch  allmäliges  Schließen  des  Kreises  abwärts  in  die  Thäler 
zu  treiben  sucht;  an  einem  bestimmten  Punkte  werden  sie  dann  gesammelt  und 
von  denen,  die  an  der  Bei'gbegehung  selbst  keinen  Antheil  nahmen,  in  Empfang 
und  Hut  genommen ,  um  dann  nach  Ausweis  ihrer  Marken  unter  die  einzelnen 
Eigenthümer  vertheilt  zu  werden.  An  diesem  Sammelplatze  nun  pflegt  wiederum 
ein  fröhliches  Fest  gefeiert  zu  werden,  das  sich  wohl  mehrere  Tage  lang  hin- 
ziehen kann  ,  wenn  die  Menge  des  Viehes  die  Auseinandersetzung  nicht  rasch 
beendigen  lässt.  Andere  Festlichkeiten  knüpfen  sich  an  die  Heuernte.  Wenn  „der 
Hof  aus  dem  Grase  gelöst",  d.  h.  alles  Gras  rings  um  denselben  gemäht  ist, 
dann  wieder  wenn  das  gesammte  Heu  von  dem  Grasplatze  innerhalb  des  Zaunes 
eingebracht  ist,  endlich  wenn  die  gesammte  Heuernte  beendigt  ist,  muß  jedesmal 
den  Mähern  neben  ihrer  ordentlichen  Kost  noch  ein  besonderes  Extragericht  von 
bestimmter  hergebrachter  Beschaffenheit  gegeben  werden.   Ähnliche  Belohnungen 


lÜ(j  LITTERATUR. 

knüpfen  sicli  an  den  Hirtendienst.  An  der  sommerlichen  jiorlaksmessa  (d.  h.  jetzt 
20.  Juli) ,  einem  seit  der  Reformation  beseitigten  Kirchenfeste ,  wurde  vordem, 
und  wird  noch  in  einzelnen  Gegenden  des  Südamtes  die  „smalabiisreid"  gehalten. 
Der  Hirt,  welcher  bis  zum  genannten  Tage  seiner  Schafe  glücklich  und  getreulich 
gewartet  hat ,  galt  an  ihm ,  ähnlich  wie  der  römische  Sklave  an  den  Saturnalien, 
als  Herr  seines  Herrn  und  bekam  überdies  die  volle  Milch  von  der  besten  Kuh 
auf  dem  Hofe;  aus  ihr  wurde  Käse,  Brei  oder  Suppe  bereitet,  und  das  nannte 
man  smalabu,  d.  h.  Hirtenwirthschaft:  zu  ganzen  Haufen  gesammelt  ritten  dann 
die  Bursche  mit  diesen  ihren  Leckereien  in  der  Gegend  herum,  um  Andere  davon 
frei  zu  halten  und  umgekehrt  auch  selber  von  den  Bauern  sich  zu  Gast  laden 
zu  lassen.  In  Ostland  gibt  man  statt  dessen  auch  wohl  die  volle  Milch  aller  Schafe 
am  Michaelistage,  und  lässt  die  Hirten  damit  anfangen  was  sie  mögen;  wieder 
anderwärts  gibt  man  ihnen  in  der  Schlachtzeit  ein  Gericht  eigenthümlicher  Art, 
das  aus  dem  besten  Fleische  und  Fette  der  geschlachteten  Thier  bereitet  wird. 
Wo  die  Weberei  und  Spinnerei  stark  betrieben  wird,  erhalten  auch  diejenigen 
Dienstboten,  welche  das  anstrengende  Geschäft  des  Walkens  besorgen,  ihren  be- 
sonderen „Walkerbissen",  und  die  Weber  ihren  „Weberbissen"  für  jedes  Stück 
Tuch,  das  sie  fertig  bringen;  die  Leute,  welche  den  Mist  aus  den  Schafställen 
ausstechen  und  als  Dünger  auf  den  Grasgarten  bringen,  bekommen  dafür  ihren 
„Hausbissen".  Vielfach  gibt  man  auch  neu  in  den  Dienst  einstehenden  Dienst- 
boten einen  „Dienstbissen",  und  in  manchen  Gegenden  gibt  man  dem  ganzen 
Gesinde  an  einem  beliebigen  Abende  zu  Anfang  der  Adventszeit  ein  „Abend- 
frühstück" (kvöldskattur),  aus  den  ausgesuchtesten  Speisen  bestehend,  welche  die 
Vorrathskammer  aufzuweisen  vermag;  geräuchertes  Schaffleisch  (häugikjöt).  Hai- 
fischschnitze, Walfischschwanz,  kurz  alle  Leckerbissen  der  isländischen  Küche 
figurieren  bei  diesem  Male,  umgekehrt  kommt  es  aber  auch  vor,  daß  die  Dienst- 
boten ihrerseits,  je  mehrere  zusammen,  den  übrigen  Hausbewohnern  eine  ähnliche 
Gasterei  zurichten,  wobei  dann  ein  Theil  den  andern  zu  übertreffen  bestrebt  ist. 
So  geben  auch  die  jungen  Leute,  die  zu  den  großen  Fischzeiten  auf  den  Fang 
ausgeschickt  werden,  von  den  Speisevorräthen ,  die  ihnen  mit  auf  den  oft  viele 
Tagreisen  weiten  Weg  gegeben  werden,  ihren  Hausgenossen  einen  „Abschieds- 
bissen" u.  dgl.  m.  Ein  häusliches  Centralfest  ist  ferner  das  Weihnachtsfest  (jol) ; 
in  den  Häusern  wie  in  den  Kirchen  zündet  man  in  der  Christnacht  möglichst 
viele  Kerzen  an  und  hält  auch  wohl  mit  solchen  Umgang  im  Hause,  oder  schenkt 
jedem  Hausgenossen  eine  Weihnachtskerze:  Ljöshäti'd,  Lichtfest,  wird  darum  das 
Fest  auch  wohl  genannt.  Man  schlachtet  wohl  einen  eigenen  Julhammel  und  gibt 
den  Leuten  im  Hause  überhaupt  eine  besonders  reichliche  Julkost  (Jölarefur) 
man  schenkt  ihnen  auch  gerne  irgend  welche  neue  Kleidungsstücke  ,  denn  wer 
keinen  neuen  Fetzen  am  Leibe  hat,  über  den  kommt  die  „Julkatze".  Neben  dieser 
gehen  in  den  12  Nächten  die  13  Julbursche  (jolasveinar)  um,  sammt  ihren  Altern, 
der  Kinderfresserin  Gryla  und  dem  Leppa-Liidi  mit  seinem  großen  Sacke ;  Alles 
Popanze  ,  mit  denen  die  Kinder  zu  schrecken  man  schon  gegen  die  Mitte  des 
vorigen  Jahrhunderts  für  gut  fand  gesetzlich  zu  verbieten.  In  der  Silvesternacht 
gibt  es  wieder  eine  Neujahrskerze,  und  mancherlei  Aberglauben  knüpft  sich  an 
sie  wie  an  die  Christnacht,  oder  wieder  die  Johannisnacht  im  Sommer;  vordem 
aber  war  es  zumal  die  Dreikönigsnacht  gewesen,  die  als  eine  besonders  wunder- 
kräftige gegolten  hatte.  Auch  der  Fastnachtsdinstag  wird  festlich  begangen,  zumal 
durch  tüchtiges  Fleischessen  (daher  der  Name :  spreingikvöld) ;  dagegen  darf  bei 


LITTERATUR.  107 

mancherlei  scherzhaften  Strafen  die  ganze  Fastenzeit  über  nicht  einmal  der  Name 
des  Fleisches  genannt  werden;  „Huflachs''  sagt  man  dafür.  Am  Aschermittwoche 
suchen  die  jungen  Bursche  den  Mädchen  Säcke  mit  kleinen  Steinen,  die  Mädchen 
aber  den  Burschen  Säcke  mit  Asche  unversehens  anzuhängen ;  der  Gründonners- 
tag und  Ostertag  dagegen  werden  wieder  durch  Schmausereien  gefeiert.  Ein  ganz 
specifisch  isländisches  Fest  ist  endlich  der  erste  Sommertag.  Der  isländische 
Calender  kennt  bekanntlich  nur  zwei  Jahreszeiten,  Winter  und  Sommer,  und  fällt 
der  Anfang  des  letzteren  immer  in  die  zweite  Hälfte  d«s  Aprils.  Die  kirch- 
liche Feier  dieses  Tages  ist  freilich  gegen  die  Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts 
abgestellt  worden ;  aber  der  Gebrauch  hat  sich  nicht  abstellen  lassen ,  daß  die 
15aa€rn  aus  dem  Besten,  was  der  Winter  übrig  gelassen  hat,  ihrem  Gesinde  einen 
Schmaus  bereiten,  und  daß  sie  diesem  sowohl  als  ihren  Kindern  auch  noch  son- 
stige Sommergaben  schenken,  ja  daß  sogar  die  Dienstboten  unter  sich  und  ihrer 
Herrschaft  gegenüber  ein  Gleiches  thun.  Gutentheils  handelt  es  sich  nun  freilich, 
das  kann  nicht  geleugnet  werden,  bei  allen  diesen  Festlichkeiten  wie  bei  anderen, 
mehr  zufällig  einfallenden  um  bloße  Schmausereien,  bei  welchen  denn  auch,  denn 
auch  das  ist  nicht  zu  bestreiten,  in  einfacheren  Häusern  der  Branntwein,  in  ver- 
möglicheren der  Wein,  Punsch  oder  Grog  seine  Rolle  spielt ;  aber  daneben  kommen 
denn  doch  auch  Unterhaltungen  ganz  anderer  Art  in  Betracht,  und  manche  Unter- 
haltungen sind  überdies  noch  anzuführen,  welche  ganz  außerhalb  jener  häuslichen 
oder  Gemeindefeste  stehen.  Der  Tanz  freilich  und  die  vikivökur,  welche  noch  um 
die  Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts  Eggert  Olafsson  kennt  und  schildert,  sind  dem 
gerade  damals  von  Dänemark  aus  importierten  und  gesetzlich  geschützen  Pietis- 
mus erlegen,  und  auch  von  den  mancherlei  Mummereien,  von  welchen  derselbe 
Gewährsmann  zu  erzählen  weiß,  ist  wohl  kaum  noch  eine  Spur  übrig  (vgl.  Ny  fe- 
lagsrit,  2.  Jahrg.  S.  65,  Anm.) ;  aber  der  Ringkampf  (glima)  wird  noch  eifrig 
betrieben  und  kunstgerecht  gelernt ,  nieht  nur  auf  der  Schule  ,  wo  der  ver- 
storbene Dr.  Hallgrimur  Scheving  einer  seiner  treuesten  Beschützer  war,  son- 
dern auch  an  den  Fischereiplätzen,  gelegentlich  der  Bergbegehungen,  oder  wo 
sonst  größere  Schaaren  junger  Leute  sich  sammeln,  und  ist  zumal  die  baendaglima 
beliebt,  d.  h.  ein  Massenringkampf  zweier  Parteien  unter  selbstgewählten  Führern. 
Von  anderen  Leibesübungen  wird  nur  das  Reiten  mit  rechter  Lust  betrieben, 
während  das  Schneeschuhlaufen  fast  nur  noch  im  Nordlande  und  hier  nur  geschäfts- 
weise geübt  wird.  Aber  ein  Reitervolk  sind  in  der  That  die  Isländer,  wie  es  die 
Puszten  Ungarns  und  die  Steppen  Polens  oder  Russlands  nicht  tüchtiger  ziehen 
könnten.  Keinen  Schi-itt  thut  der  Bauer  aus  dem  Hause  anders  als  zu  Pferde, 
und  die  größte  Ehre,  die  er  einem  Gaste  anzuthun  weiß,  besteht  darin,  daß  er 
ihm  sein  bestes  Pferd  zum  Reiten  leiht ;  tüchtige  Bereiter,  wenn  auch  je  nach 
eigenem  Systeme,  findet  man  allwärts,  unter  den  Bauern  nicht  nur,  sondern  auch 
unter  den  Pfarrern ,  Ärzten  und  politischen  Beamten ;  das  Spazierenreiten  gilt 
als  ein  Vergnügen  für  sich,  und  auch  das  Wettreiten  (kappreid)  ist  noch  immer 
an  der  Tagesordnung,  wobei  nicht  übersehen  werden  darf,  daß  in  einem  Berg- 
lande ohne  Straßen  und  durch  Wässer  ohne  Brücken  das  Reiten  einen  ganz  an- 
dern Reiz  als  in  unseren  cultivierten  Gegenden  für  Jeden  hat,  dem  der  Sinn  noch 
einigermaßen  nach  Abenteuern  steht.  Wiederum  gibt  es,  wenn  ich  von  den  aus 
dem  Auslande  importierten  Karten-  und  Bretspielen  absehen  will,  auch  manche 
specifisch  isländische ,  deren  manche  sogar  durch  ihre  Namen  schon  auf  die  ältere 
Zeit  zurückdeuten.  Ich  nenne  von  letzteren    „godatafl",   welches  mit  zwei  Würfeln 


108  LITTERATUR-; 

und  32  Steinen  gespielt,  und  wozu  folgende  Weise,  je  eine  Zeile  zu  jedem  Wurfe, 
gesungen  wird : 

Heima  raed  eg  goda  mivm 

baedi  vel  og  lengi ; 

ek  skal  gefa  j^er  sürt  smer  og  rengi, 

ef  ])d  unir  hj4  mer  leugi; 

ok  kasta  eg  svo  fyrir  Jjig; 

er  Jiad  satt! 
forner    „tafl  Olafs  konüngs  helga",  welches   mit  30   Steinen,    15   schwarzen  und 
15   weißen,  gesjDielt  wird,  und  wozu  folgende  Weise  zu  sprechen   ist: 

Fjorir   eru   godir,   fimm   eru   verri, 

fri'dir  tveir  hja   einum   stn'dum, 

Jarenni'ng  mset  og  Jjraelinn   Ijoti, 

J)arfur  einn  og  tveir  i  starfi; 

tel  eg  enn  tvo  og  pTjk  sem  fn-aela, 

pk  er  hann  einn,   og  tveir  i  nami 

hj4  nytum  tveimur  nii  skal  sitja 

nauda  dökkur,  og  sd  skal  sökkva. 

Das  letztere  mag  man  allenfalls  mehr  ein  Kunststück  als  ein  Spiel  nennen;  da- 
gegen wird  das  Schachspiel  noch  hin  und  wieder,  und  zwar  nach  eigenthümlichen, 
höchst  complicierten  Regeln  betrieben  u.  dgl.  m.  Eine  Reihe  von  Spielen  lassen 
sich  ferner  als  Turnspiele  bezeichnen,  indem  es  bei  denselben  auf  bestimmt  vor- 
geschriebene Leibesbewegungen  ankommt,  deren  Verrichtung  ein  gewisses  Maß 
von  Kraft  und  Geschicklichkeit  fordert;  ich  rechne  dahin  die  Spiele,  für  welche 
die  Ausdrücke  gelten:  „ad  fara  i  gegnum  sik,  ad  fla  kött  (Beides  eine  Art  Reck- 
schwung), ad  ri'fa  reifilür  svelli''  u.  dgl.  m.  Zuweilen  sind  bei  solchen  Spielen 
Mehrere  betheiligt,  auf  deren  richtigem  Zusammenwirken  das  Gelingen  beruht; 
dahin  z.  B.  das  „fara  i  strok"  ,  wobei  zwei  sich  gegenseitig  die  Arme  auf  die 
Schulten!  legen,  ein  Dritter  aber  sich  darauf  setzt,  und  dann  von  da  aus  einen  auf 
dem  Boden  liegenden  Hut  aufzuheben  hat.  Auch  an  Kinderspielen  fehlt  es  nicht, 
und  kehren  unter  diesen  gar  manche  Deutsche  wieder,  z.  B.  ist  der  skoUaleikur 
unsere  Blindekuh,  der  bruarleikur  unser  „über  die  goldene  Brücke  fahren"  u.  dgl.  m. 
Endlich  ist,  und  dies  führt  uns  näher  zu  unserem  Hauptgegenstande  heran,  neben 
dem  Lesen  der  alten  Sagen  und  dem  Erzählen  alter  Mährchen  und  Geschichten, 
welches  begreiflich  vorzugsweise  der  ruhigeren  Winterzeit  angehört,  auch  der  Ge- 
sang keineswegs  unvertreten ,  nur  daß  derselbe  vielfach  unter  einer  sehr  eigen- 
thümlichen Gestalt  auftritt.  Der  Isländer  unterscheidet  nämlich  zwischen  dem  Singen 
(syngja)  eines  Liedes  (kvsedi)  und  dem  Recitieren  (kveda)  von  Reimen  (ri'mur), 
und  wenn  zwar  der  Gesang  vergleichsweise  selten,  außer  etwa  bei  Trinkgelagen, 
zu  hören  ist,  und  da  Jeder  auf  eigene  Faust  und  ohne  auf  die  Übrigen  zu  achten, 
fortsingt  (syngr  hvör  med  si'nu  nefi,  gilt  sogar  als  Sprichwort!),  auch  nichts 
weniger  als  melodisch  klingt,  wenn  ferner,  außer  etwa  dem  aus  Norwegen  ein- 
geführten „Langspiele"  alle  musikalische  Begleitung  demselben  fehlt,  so  hört  man 
jenes,  in  eigcnthümlich  weichen  Tönen  sich  wiegende  Recitieren  um  so  häufiger, 
und  stundenlang  kann  ein  mit  gutem  Gedächtnisse  begabter  Isländer  die  Ulfars- 
ri'mur ,  Andran'mur  oder  andere  beliebte  endlose  Reime  vor  sich  hin  summen. 
Überhaupt  besitzt   das   Volk,  wenn  zwar  ganz  und  gar  keine  musikalischen,  so 


LriTKKATLK.  lOy 

doch  um  so  entschiedener  ausgeprägte  poetische  Anlagen ,  und  in  neuerer  wie 
älterer  Zeit  gab  es  auf  der  Insel  stets  eine  Anzalil  von  Dichtern,  die  jeder  Lit- 
teratur  Ehre  machen  würden;  unser  Verf.  selbst  führt,  S.  24,  eine  Reihe  von 
solchen  an,  wozu  ich  nur  bemerke,  daß  irrthümlich  ein  J6n  statt  Jonas  Hall- 
gri'msson  aufgeführt,  einer  der  ausgezeichnetsten,  ja  man  kann  wohl  sagen  der 
ausgezeichnetste  und  zugleich  nationalste  unter  allen,  aber  völlig  übergangen  ist, 
nämlich  der  treffliche  Vicelögmann  Eggert  Olafsson  (f  1768).  Selbst  heutigen  Tages 
noch  fehlt  es  nicht  an  einzelnen  tüchtigen  Dichtern  (skäld),  so  daß  das  Volk 
keineswegs,  wie  unser  Verf.  S.  8  meint,  auf  das  beschränkt  ist,  was  ihm  an  Ge- 
dichten aus  früheren  Jahrhunderten  übrig  geblieben  ist,  und  häufiger  finden  sich 
noch  sogenannte  „hagmseltir  menn",  d.  h.  Leute,  welche,  ohne  sich  ernsthafter 
mit  der  Dichtung  zu  befassen,  und  zumal  ohne  sich  zu  dichterischen  Schöpfungen 
höheren  Fluges  zu  erheben,  doch  das  Geschick  haben,  im  Momente  treffende  Verse 
zu  improvisieren,  wie  sie  eben  die  Gelegenheit  zu  fordern  scheint.  Ganz  wie  in 
der  alten  Zeit  sprechen  solche  Leute  auch  heutzutage  noch  aus  dem  Stegreife 
ihre  lausavisur;  viele  unter  ihnen  sind  Hass-  oder  Spottverse  (hädvisur,  nidvi'sur), 
und  tritt  zu  diesen ,  die  oft  des  beißendsten  Witzes  voll  sind ,  nicht  selten  eine 
Mehrheit  von  Dichtern  zusammen,  —  andere  sind  Pferdeweisen  (hestavisur) ,  oder 
besingen  das  Wetter,  —  andere  sind  Wettverse,  indem  etwa  ein  Dichter  eine 
schwierig  angelegte  Strophe  dem  andern  zur  Vollendung  hinwirft,  —  wieder  andere 
endlich  sind  durch  irgend  welche  zufällige  Begebenheit  oder  Stimmung  veranlasst 
u.  dgl.  m.  Als  ein  hübscher  Beleg  für  Stegreifdichtungen  der  letzteren  Art  mag 
etwa  die  Instruction  dienen,  welche  der  berühmte  Lögmann  Päll  Victalin  (f  1727) 
seinem  Burschen  mit  auf  den  Weg  gab,  der  ihm  wichtige  Documente  herholen 
sollte  zum  Gebrauche  in  einer  der  Entscheidung  nahen  Eechtssache : 

pö  slysist  jor  en   slitni  gjörd, 

slettunum   ekki  kvi'ddu; 

hugsadu  hvorki  um  himin   ne  jörd, 

en  haltu  per  fast  og  ri'ddu! 
oder  eine  andere,   welche  der  jüngst  verstorbene  Zimmermann  Olafur  Briem  sprach, 
als  er  mit  dem  Pferde  stürzte  und  das  Schlüsselbein   brach : 

Hlaut  ad  stauta  blauta  braut, 

bikkjan   skrikkjött  nokkud  gekk; 

)3aut   og  naut   eg   braut   i   laut, 

hnik   med   hrygg  i   skrokkin   fekk. 
Als   ein   guter  Beleg  für  Wettverse  mag  die  Halbstrophe   erwähnt  werden,   welche 
der  bereits  genannte  Päll  Vidalin  dem   Sysselmann  Jon   Sigurdsson  hinwarf: 

Hani,   krummi,   hundur,    svin, 

hestur,   müs,   titlingur, 
worauf  dieser  dann  die  Weise  schloss: 

gälar,   krunkar,   geltir,  hri'n, 

gneggjar.   tystir,   syngur. 
Als  ein  Beispiel  einer  Spottweise  mag  die  angeführt  werden,   die  auf  einen  zum 
Gemeindevorsteher  ernannten  Winkelarzt  gedichtet  wurde,  wobei  nur  zu  bemerken 
ist,   daß  die  Vorsteher  nach  der  früheren  Praxis  körperliche  Züchtigungen   selbst 
zu  vollziehen  hatten : 

Fyrrum  bäru  skjöma  og  skjölld 

skatnar   ser  k  hendi ; 


110  LITTERATUR. 

en  vor  göfug  yfirvöld 

eru  piydd  med  vciidi. 

Hreppstjoronum  heidur  berr, 

hyda  f>eir  svo  blsedir; 

))eirra  mestur  einn  ])ö  er, 

ad  bann  slaer  og  graedir; 
oder  eine  andere,  welcbe  von  zwei  jungen  Leuten  auf  einen  Pfarrherm  gedichtet 
wurde,  der  in  blauem  Rock  und  elendem  Aufzuge  ins  Südland  geritten  war,  um 
sich  ordinieren  zu  lassen: 

Hedan  sudur  h^lt  bann  blar, 

heim   kom   aptur  svartur; 

mun  sa  herrans  hüdarklar 

k  himnum  verda  bjartur! 
Man  sieht,  in  solchen  Versen,  und  das  Gleiche  gilt  von  so  manchen  Volkssagen 
und  Schwanken,  spricht  sich  ein  gesunder  Sinn  und  frischer  Humor  aus,  daneben 
auch  eine  nicht  geringe  Gewandtheit  in  der  Handhabung  dichterischer  Formen, 
alles  Eigenschaften,  die  mit  dem  dumpfen  Hinbrüten,  welches  so  manche  Reisende 
dem  Volke  Schuld  geben,  sich  schlechterdings  nicht  vereinigen  lassen ;  daß  der 
Sinn  für  Musik  den  Leuten  abgeht,  hat  freilich  zur  Folge,  daß  der  Fremde,  wenn 
er  ihrer  Sprache  unkundig  ist,  von  ihrer  ganzen  poetischen  Begabung  nur  wenig 
verspüren  kann,  und  daher  die  verkehrten  Berichte,  die,  weil  lärmendere  Vergnü- 
gungen dem  Volke  fremd  sind,  diesem  alle  Vergnügungen  abzusprechen  sich  be- 
rechtigt hielten. 

Aber  wie  steht  es  denn  nun  mit  den  isländischen  Volksliedern?  Ich  habe 
nicht  vor,  dem  Verfasser  in  seinen  litteraturgeschichtlichen  Bemerkungen  zu  folgen, 
so  mancherlei  sich  auch  an  diesen  aussetzen  ließe ;  ich  will  z.  B.  nur  ganz  im  Vor- 
beigehen bemerken,  daß  die  Gedichte,  aus  welchen  Snorri  Sturluson  für  seine 
norwegischen  Königssagen  schöpfte ,  nicht  unter  die  Kategorie  der  Volkslieder, 
sondern  der  Kunstdichtung  gehörten,  und  daß  neben  ihnen  dieses  Werk  nicht  etwa 
aus  alten  Runeninschriften  und  Pergamentfetzen  zusammengeti'agen,  und  eben  so 
wenig  blos  dem  Volksmunde  abgelauscht  ist  (vgl.  S.  23  u.  27),  vielmehr  auf  ganz 
stattliche  ältere  Vorarbeiten  gebaut  ist,  deren  Verfasser  wir  zum  Theil  mit  vollster 
Bestimmtheit  nachzuweisen  vermögen  Der  Verf.  scheint  die  Heimskn'ngla  überhaupt 
aus  eigener  Anschauung  nicht  zu  kennen,  da  er  sie  in  sieben  Folianten  erschienen 
sein  lässt,  während  doch  die  Ausgabe,  welche  er  im  Sinne  hat,  nur  sechs  Bände 
zählt,  von  welchen  überdies  nur  die  drei  ersten  dem  genannten  Werk  gewidmet  sind. 
Aber  auf  einen  Punkt  kann  ich  mir  nicht  versagen,  wenigstens  andeutungsweise  noch 
einzugehen,  auf  die  Frage  nämlich  nach  der  Ursprünglichheit  und  Volksthümlich- 
keit  der  hier  in  Frage  stehenden  isländischen  Lieder.  Unser  Verf.  hat  sich  die  Sache 
aiemlich  leicht  gemacht.  Er  erwähnt  zwar,  S.  31 — 32,  daß  man  zwischen  original- 
isländischen und  aus  der  Ferne  eingewanderten  Liedern  unterscheiden  könne,  und 
meint  zu  den  letzteren  neben  skandinavischen  auch  deutsche  und  englische,  schot- 
tische und  bretonische  Lieder  rechnen  zu  dürfen;  er  verfolgt  aber  diese  Scheidung 
nicht  weiter,  betrachtet  vielmehr  Alles  was  er  als  fornkvaedi  gedruckt  findet  ohne  Wei- 
ters als  eine  gleichartige  und  ebenmäßig  volksthümliche  Gattung.  Mir  scheint  dieses 
Verfahren  bedenklich,  und  bei  den  vorliegenden  Liedern  ebenso  gut  wie  bei  so 
mancher  anderen  Isländischen  Überlieferung  absolut  nothwendig  zwischen  einhei- 
mischem Wachsthum  und  fremder  Einfuhr  streng  zu  unterscheiden.  Form  und  Inhalt 


LITTERATUR.  Hl 

ist  dabei  gleichmäßig  zu  berücksichtigen.  Es  ist  für  Island  wenigstens  nicht  richtig, 
wenn  unser  Verf.,  S.  5,  bemerkt,  im  Volksliede  der  Nordländer  suche  man  ver- 
gebens nach  der  bei  den  Dichtungen  der  Skalden  einst  mit  so  großer  Vorliebe  an- 
gewendeten Alliteration ;  vielmehr  halten  an  dieser  nicht  nur  die  ältesten  isländischen 
Volkslieder  fest,  von  denen  wir  überhaupt  Kenntniss  haben,  wie  2.  B.  das  in  der 
Sturlunga,  IV,  Cap.  26,  angeführte   Grylukvsedi: 

H6r  fer  Gryla 

1  garä  ofan, 

ok  hefir  k  sfer 

hala  fimtän, 
sondern  auch  in  den  späteren  kehrt  dieselbe  bis  auf  den  heutigen  Tag  herab  oft 
genug  wieder,  und  mag  es  genügen  zum  Belege  dessen  auf  ein  altes  Ehrenlied  auf 
unsern  Kaiser  Friedrich  den  Rothbart  zu  verweisen,  welches  noch  gegenwärtig  hin 
und  wieder  auf  der  Insel  gesungen  wird  und  mit  folgender  Strophe  beginnt: 

Keisari  nokkur,  msetur  mann, 

mjög  sem  sögur  hrosa, 

stadnum  Tyro  styrdi   bann, 

stillir  lika   Sidon   vann ; 

frajgur  nefndist  Fridrek  Barbarossa. 
Der  Endreim  spielt  allerdings  daneben  schon  in  der  älteren  Zeit  auch  seine  Rolle, 
aber  doch  nur  neben  der  Alliteration  und  nur  in  gewissen  Versarten;  wo  er  die 
Alliteration  verdrängt  hat,  da  kann  man  sicher  sein ,  fremden  Einflüssen  zu  be- 
gegnen. Man  darf  auch  nicht,  wo  etwa  derselbe  Stoff  in  isländischen  und  däni- 
schen u.  dgl.  Liedern  behandelt  wird,  ohne  Weiters  aus  der  knappern  Form  der 
erstem  mit  dem  Verf.,  S.  26,  auf  die  größere  Ursprünglichkeit  derselben  schließen; 
es  kann  sein,  daß  in  einzelnen  Fällen  der  Schluß  wirklich  zutrifft,  aber  andere 
Male  kann  auch  wohl  die  größere  Prägnanz  der  isländischen  Sprache  dabei  im  Spiele 
sein,  wie  denn  z.  B.  die  isländische  Bearbeitung  des  verlornen  Paradieses  von  Milton 
oder  der  Messiade  von  Klopstock  durch  Jon  jsorlaksson  nicht  selten  gekürzter  aus- 
gefallen ist  als  das  Original,  und  überdies  muß  selbst  da,  wo  wirklich  die  islän- 
dische Fassung  eines  Liedes  älter  ist  als  dessen  uns  vorliegende  dänische  oder  nor- 
wegische Gestalt,  immerhin  noch  die  andere  Frage  als  unerledigt  gelten,  ob  nicht 
vielmehr  jener  dennoch  irgend  welche  ältere  ausländische  Recension  zu  Grunde 
gelegen  habe,  welche  nur  für  uns  verloren  ist.  Betrachte  ich  aber  den  Gegenstand 
dieser  isländischen  fornkvaedi,  so  finde  ich  unter  ihnen  kein  einziges,  welches  un- 
zweifelhaft einheimischen  Ursprunges  wäre,  und  nur  wenige,  welche  einheimischen 
Ursprunges  auch  nur  sein  könnten.  Darauf  freilich,  daß  keine  mit  der  vulkanischen 
Natur  Islands  zusammenhängende  Stoffe  behandelt  sind,  lege  ich  kein  Gewicht; 
in  den  Gedichten  haben  solche  Erinnerupgen  nichts  zu  suchen,  und  in  den  Sagen, 
wohin  sie  gehören,  sind  sie  denn  auch,  was  der  Verf.,  S.  32,  mit  Unrecht  bezwei- 
felt, wirklich  zu  finden:  schon  die  Landnama,  II,  cap.  5,  hat  z.  B.  eine  hieher 
gehörige  Sage  über  die  Entstehung  des  Borgarhraun,  und  andere  sind  in  der  von 
Jon  Arnson  herausgegebenen  Sagensammlung  mehrfältig  zu  lesen  (z.  B.  I,  S.  487, 
über  die  Hekla;  I,  S.  184—85,  über  die  Kötlugjä ;  II,  S.  100 — 101,  über  ver- 
schiedene Feuerberge  u.  dgl.  m.)  Aber  nicht  übersehen  darf  werden,  worauf  bereits 
Svend  Grundtvig  in  seinem  ausgezeichneten  Werke  über  die  dänischen  Volkslieder 
aufmerksam  gemacht  hat  (III,  S.  XIII — IV),  daß  eine  Reihe  auf  geschichtliche 
Vorgänge  in  Dänemark  bezüglicher  Lieder  nach  Island  übergegangen  ist,  und  zwar 


112  iJTTKh'A'rrii. 

lauter  Lieder  über  A^orgänge  im  12.  Jahrhunderte;  nicht  minder  muß  man  beachten, 
daß  auch  die  übrigen,  bloße  Abenteuer  ohne  allen  geschichtlichen  Hintergrund  be- 
handelnden Lieder  fast  sammt  und  sonders  der  Ritterpoesie  angehören,  und  somit 
auf  Island  gar  nicht  von  Haus  aus  bodenständig  gewesen  sein  können.  Ganz  ebenso 
wie  das  heutige  Kirchenlied  der  Isländer,  was  unser  Verf.  S.  30  —  31  ebenfalls 
übersieht,  seinen  Melodien  nach  völlig  von  Deutschland  sich  abhängig  zeigt,  wie 
dies  neuerdings  durch  Peter  Gudjönsson  in  seiner  „Islenzk  sälmasaungs-og  messu- 
bok  med  nötum"  (1861)  schlagend  dargethan  worden  ist,  ganz  ebenso  wie  das 
isländische  Mährchen,  wie  ich  dies  früher  schon  ausgeführt  habe,  sehr  vorzugs- 
weise ausländische  Stoffe  in  sich  aufgenommen  hat,  oder  wie  die  Jurisprudenz  des 
Landes  in  der  Wolle  dänisch  gefärbt  worden  ist,  ganz  in  derselben  Weise  sind 
auch  diese  fornkvsedi,  wenn  auch  in  Island  entstanden  und  mehr  oder  minder  volks- 
thümlich  geworden,  doch  aus  ausländischem  Stoffe  und  nach  ausländischen  Vor- 
lagen gedichtet,  und  insoweit  als  ein  national-isländisches  Product  keineswegs 
zu  betrachten.  Auffällig  ist  dabei  freilich,  daß  die  färöischen  Volkslieder  sich  so 
ungleich  nationaler  gehalten,  und  daß  dieselben  hin  und  wieder  sogar  isländische 
Stoffe,  wie  z.  B.  im  Kjartansliede,  treu  bewahrt  haben,  welche  in  Island  selber 
fallen  gelassen  wurden ;  indessen  scheint  sich  doch  auch  diese  eigenthümliche  Er- 
scheinung befriedigend  erklären  zu  lassen.  Auf  den  Färöern  hat  sich  niemals  ein 
selbständiges  Geistesleben,  niemals  eine  nationale  Litteratur  ausgebildet.  Die  Ge- 
bildeten wandten  sich  seit  langer  Zeit  dem  herrschenden  Volke  zu,  und  sprachen 
und  schrieben  Dänisch,  wie  sie  dieses  noch  thun ;  die  färingische  Sprache  ihrer- 
'eeits  ist  in  Folge  davon,  ganz  wie  dies  mit  der  einheimischen  Sprache  in  Norwegen 
geschah,  zu  einem  bloßen  Volksdialecte  herabgesunken  und  als  solcher  verwahrlost. 
Dagegen  haben  sich  die  höheren  Klassen  auf  Island,  und  hat  sich  zumal  der  islän- 
dische Priesterstand  im  Großen  und  Ganzen  stets  national  gehalten;  die  einheimische 
Sprache  ist  hier  stets  Gemeingut  des  gesammten  Volkes  geblieben,  wenn  auch  der 
Staatsbeamte,  der  Kaufmann  und  sogar  der  Pfarrer  nebenbei  das  Dänische  ver- 
stehen und  zum  Theil  auch  schreiben  mußte.  Es  begreift  sich,  daß  unter  solchen 
Umständen  fremde  Einflüsse,  wie  solche  zunächst  auf  die  höheren  Stände  einwirk- 
ten, auf  Island  durch  deren  Vermittlung  auch  das  übrige  Volk  treffen  mußten, 
welches  von  ihnen  durch  keine  schroffe  Kluft  sich  getrennt  sah,  während  umgekehrt 
auf  den  Färöern  die  nationalen  Überlieferungen  bei  den  geringeren  Leuten  um  so 
ungetrübter  sich  erhalten  mochten,  je  unnationaler  die  höheren  Classen  in  ihrer 
gesammten  Bildung  geworden  waren.  Zeigen  ja  doch  auch  die  Volkssagen  Nor- 
wegens in  gar  mancher  Beziehung  noch  alterthümlichere  Züge,  als  sie  die  islän- 
dischen aufzuweisen  vermögen,  aus  denen  zumal  die  directen  Erinnerungen  an  die 
Göttersage  fast  spurlos  verschwunden  sind ;  weit  entfernt  davon,  ein  bloßes  Repo- 
sitorium  von  Antiquitäten  zu  sein,  wofür  man  es  so  vielfach  hat  halten  wollen,  steht 
hiernach  Island  auf  vielen  Punkten  an  Stätigkeit  der  Tradition  anderen  nordischen 
Gegenden  sogar  nach,  und  zwar  aus  dem  sehr  rühmlichen  Grunde,  weil  dasselbe 
verstanden  hat,  eine  zugleich  gemeinsame  und  selbständige  Nationalsprache  und 
Nationallitteratur  sich  zu  bilden  nicht  nur,   sondern  auch  zu  bewahren! 

Je  ausführlicher  ich  mich  über  die  Einleitung  der  Verfassers  verbreitet  habe, 
desto  kürzer  kann  ich  mich  über  seine  Übertragung  der  alten  Lieder  selbst, 
und  über  den  ihr  beigegebenen  Commentar  fassen.  Die  Übersetzung,  die  wohl 
kaum  durchaus  an  der  Hand  des  Originales  selbst  entstamden  ist,  und  darum  auch 
nicht  immer  getreu   genug   dessen  Sinn   folgt,   ist  doch   im  Ganzen   gelungen   und 


LITTERATUR.  113 

wohl  lesbar;  die  mit  unterlaufenden  Ungenauigkeiten,  welche  den  kundigen  Leser 
stören,  dürften  für  das  größere  Publicum  ohne  viele  Bedeutung  sein,  für  welches 
das  Werk  denn  doch  allein  bestimmt  sein  kann.  Ich  rechne  dahin  z.  B.  in  dem 
bekannten  Liede  von  Olaf  Lilienrose  die  Übersetzung   von  Str.  7  und  8: 

„Ich  treibe  nicht  mit  Elfen  Tand, 

Gott  bleibe  fromm  ich  zugewandt;" 

„Du  kannst,  willst  Du  mit  Elfen  dich  freuen, 

doch  dienen  deinem  Gott  in  Treuen," 
wo  das  Original  hat: 

„Eg  vil  ei  med  älfum  biia, 

heldur  vil  eg  a  gud  minn   trüa;" 

„p6  Jjü  vilir  med  älfum  bua, 

samt  mattu  4  gud  ]:)inn  trüa;" 
hier  also  wird  von  der  Annahme  ausgegangen,  daß  die  Eiben  bleibend  den  Olaf 
für  sich  zu  gewinnen  suchen,  was,  wie  er  weiß,  nicht  ohne  Verlust  seines  Glau- 
bens ablaufen  kann;  dort  dagegen  handelt  es  sich  nur  um  eine  vorübergehende 
Betheiligung  am  Spiele  der  Eiben,  von  welcher  nicht  abzusehen  ist,  wie  sie  den 
Christenglauben  gefährden  könne.   Oder  in  dem  Liede  von  den  Brüdern  Str.  4: 

„Das  ist  der  junge  Sigrljotr, 

gar  lieblich  von  Gestalt, 

der  freiet  Fräulein  Sesselju, 

die  Braut  Herrn  Jons,  alsbald." 
Ganz  abgesehen  davon ,  ob  es  richtig  gethan  sei ,  den  Namen  Caecilia  hier  in 
einer  isländischen  Form  und  noch  dazu  mit  einer  isländischen  Accusativendung 
zu  setzen,  ist  hier  der  Ausdruck  „freien"  kaum  am  Platze;  im  Originale 
steht:  „festi  bann  früna  Sesselju,"  er  verlobte  sich  mit  der  Frau  Cäcilie  ;  es 
ist  somit  mehr  als  eine  bloße  Werbung  und  nicht  so  viel  als  eitie  Heirat  erfolgt, 
und  dies  stimmt  auch  allein  mit  dem  scharfen  Einschreiten  des  Bruders  einer- 
seits oder  der  fortdauernden  Bewerbung  um  das  Fräulein  anderseits.  U.  dgl.  m. 
Derartiger  Ausstellungen  ließe  sich  nun  freilich  eine  Unzahl  machen,  und  niclit 
minder  ließe  sich  über  gar  manchen  Punkt  der  Anmerkungen  rechten,  welche 
den  einzelnen  Liedern  beigegeben  sind,  sowohl  in  Bezug  auf  das  was  der  Verf. 
in  denselben  sagt,  als  in  Bezug  auf  das,  was  er  ungesagt  lässt;  doch  scheint  es 
bei  der  ganzen  Anlage  des  Werkes  weder  nothwendig  noch  zweckmäßig ,  auf 
eine  Berichtigung  solcher  Einzelheiten  sich  einzulassen,  und  erwähne  ich  darum 
nur  ganz  im  Vorbeigehen  eines  einzelnen  Punktes,  aus  dem  Grunde ,  weil  eine 
einschlägige  Bemerkung  des  Verfassers,  S.  75,  sich  auf  eine  Angabe,  sei  es  nun 
von  Jon  Sigurdsson  oder  Svend  Grundtvig,  in  den  Fornkvjedi,  I,  S.  6G,  stützt. 
In  dem  Sigmundar  kvaedi  wird  erzählt,  wie  Sigmundur  Liebesrunen  schneidet 
und  seiner  Geliebten  in  den  Becher  wirft;  diese  aber  schüttet  den  Trunk  einer 
Sau  vor ,  die  dann  auch  sich  gehorsamst  aufmacht ,  und  dem  zauberkuMdigen 
Liebhaber  einen  sehr  unerwünschten  Besuch  im  Bette  macht.  Die  Herausgeber 
meinen  nun,  und  mit  ihnen  unser  Verf.,  daß  diese  Übertragung  des  Zaubers  auf 
ein  Thier  in  keiner  andern  Sage  eine  Parallele  finde;  mit  Unrecht:  jene  Über- 
tragung liegt  ganz  in  der  Natur  der  Zaubermittel,  die  auf  Jeden  wirken  müssen, 
der  ihrer  Einwirkung  ausgesetzt  wird,  und  liegt  in  der  That  eine  schlagende 
Parallele  z.  B.  in  der  Sage  von  Tristan  und  Isolde  vor,  welche  beide  durch  den 
Genuß  des  nicht  für  sia  bestimmten  Liebestrankes  bezaubert  werden,   an  welchem 

GERMANIA.  Neue  Reihe  11.  (XIV.)  Jahrg.  Ö 


114  tlTTERATUl?, 

Zauber  sogar  der  Hund  Hodain  Antheil  nimmt,  weil  er  den  nur  halbgeleertcn 
Becher  vollends  ausleckt.  Endlich  möchte  ich  zum  Schlüsse  noch  mein  Bedauern 
darüber  aussprechen,  daß  es  dem  Verf.  nicht  gefallen  hat,  von  den  färöischen 
Liedern  mehr  zu  übersetzen  als  er  gethan  hat.  Bei  ihrem  entschieden  alterthüm- 
lichen  Charakter  hätten  sie  dies  mehr  verdient  als  so  manches  isländische  Ritter- 
gedicht ,  und  zumal  das  Lied  von  Geyti  Aslaksson ,  bei  Hammershaimb ,  11, 
S.  145 — 63,  würde  bei  seiner  engen  Verwandtschaft  mit  der  vielbesprochenen 
Teil -Sage  gewiß  auch  für  das  größere  Publicum  hohes  Interesse  gehabt  haben. 
MÜNCHEN.  KONRAD  MAURER. 


Jon  ])orkelsson,  .ffifisaga  Gijurar  ])orvaldssonar.    Reykjavik,    18G8;  VIII  u. 
143  SS.  8". 

Eine  Lebensbeschreibung  jenes  Gijurrjarl,  welcher  Island  unter  die  Bot- 
mäßigkeit der  Könige  von  Norwegen  brachte,  ist  selbstverständlich  ein  fortlaufen- 
der Commentar  zu  dem  gröCseren  Theile  der  Sturlünga,  und  zu  gar  manchen  Capi- 
teln  der  Häkönar  saga  gamla.  Für  die  Güte  der  Arbeit  bürgt  der  Name  des  Ver- 
fassers, eines  der  tüchtigsten  unter  den  heutigen  isländischen  Philologen.  Reichen 
Ertrag  wirft  aber  seine  Schrift  zumal  ab  für  die  Genealogie  und  Chronologie,  auch 
wohl  Topographie  ;  weniger  hat  s.ich  dagegen  der  Verfasser  mit  der  juristischen 
und  politischen  Seite  seines  Gegenstandes  befasst,  mit  der  Frage  also  nach  den 
Mängeln  der  Vei'fassung  des  isländischen  Freistaates,  welche  dessen  so  schmählichen 
Untergang  veranlassten,  und  nach  den  Anhaltspunkten,  welche  das  norwegische 
Dienstmannenrecht,  dem  sich  Snorri  Sturluson  sowohl  als  so  mancher  andere  islän- 
dische Häuptling  durch  den  Eintritt  in  des  Königs  Dienstverband  unterworfen  hatte, 
dem  K.  Hakon  für  die  Ansj^rüche  gab,  welche  er  diesen  Häuptlingen  gegenüber 
nicht  ohne  Erfolg  zu  erheben  wusste.  In  dieser,  aber  auch  nur  in  dieser  Beziehung 
dürfte  die  Schrift  noch  einer  Ergänzung  bedürfen. 

MÜNCHEN.  KONRAD  MAURER. 


Bayerisches  Wörterbuch  von   J.  Andreas   Schmeller.    Zweite  mit  des  Ver- 
fassers Nachträgen  vermehrte  Ausgabe  im   Auftrage  der  historischen  C«m- 
mission   bei    der   königl.  Akademie    der  Wissenschaften   bearbeitet  von  G. 
Karl  Frommann.   Erste  Lieferung.  München.  Literarisch-artistische  Anstalt 
der  J.   G.   Cotta'schen  Buchhandlung.   1869.   240  Sp.   4°. 
Zehn  Jahre  nahezu  sind  verflossen,  seit  Jac.  Grimm  in  gerechter  Würdigung 
des  Schmellerschen  Musterwerks  den  Vorschlag  machte,  die  reichen  Zusätze,  die 
der  Verf.  dazu  gesammelt,  unverändert  zum  Druck  zu  übergeben.  Damals  stellten 
sich  der  Ausführung  Schwierigkeiten  in  den  Weg,  und  als  Wilh.  Waekernngel, 
Grimms  Sitz   in  der  historischen  Commission   der  bair.  Akademie  einnehmend,  an 
das  Vermächtniss  seines  großen  Vorgängers  erinnerte,   stellte  sich  bald  die  Noth- 
wendigkeit  einer  neuen  Auflage  des  Wörterbuches   überhaupt  heraus,  bei  der  die 
Nachträge  dem  Ganzen  einverleibt  werden  konnten.    So  haben  wir  durch  die  Ver- 
zögerung wenigstens  insofern  gewonnen,  daß  die  Vollendetere  Arbeit',  wie  sie  der 
Verf.  selbst  beabsichtigt  und  Jac.  Grimm  erst  für  die  Zukunft  in  Aussicht  genommen 
hatte,   sogleich  hergestellt  werden  konnte. 


LITTERATITR.  115 

Die  historische  Commission  hat  sich  damit  ein  neues  und  eines  der  schönsten 
Verdienste  erworben.  Das  vorliegende  erste  Heft,  das  die  Vocalabtheilung  voll- 
ständig und  noch  einen Theil  derBa-etc.  abtheilung  (entsprechend  den  ersten  174  Sei- 
ten der  1.  Aufl.)  enthält,  zeigt  uns,  daß  die  Erwartungen  von  Schmellers  Nachlass 
nicht  zu  hochgespannt  waren.  Eine  Reihe  von  Artikeln  ist  ganz  neu  hinzugekommen 
und  die  alten  sind  beträchtlich  bereichert  worden.  Eine  gute  Zahl  neuer  Belege 
setzt  Wortbedeutungen,  die  bereits  die  erste  Auflage  kannte,  nun  in  noch  helleres 
Licht  und  hier  hat  die  ältere  Litteratur,  auf  die  gerade  der  erste  Band  der  alten 
Auflage  verhältnissmäßig  weniger  zurückgrifF,  vollends  die  ihr  in  einem  Dialect- 
lexicon  gebührende  Berücksichtigung  gefunden.  So  finden  wir  Nachträge  aus  der  Diu- 
tisca,  dem  Graven  Rudolf,  Freidank,  dem  zwölfjährige  Mönchlein,  dem  sog.  Hclbling, 
dem  Renner,  der  Kindheit  Jesu  u.  A. ;  die  Handschriften  der  Münchner  BibHothek 
sind  noch  weiter,  namentlich  nach  rechtshistorischer  und  medicinischer  Seite  be- 
nutzt, aber  auch  in  neuere  Zeit  herauf  haben  Dialectdichter  Avie  Stelzhammer,  Seidl 
wiederholte  Berücksichtigung  gefunden.  Aber  nicht  selten  bietet  die  neue  Auflage 
auch  Wortbedeutungen,  die  die  erste  gar  nicht  kannte  und  die  sich  dem  Verf.  erst 
durch  fortwährendes  liebevolles  Versenken  in  die  Quellen  neu  ergeben  haben. 
Überall,  hier  wie  dort,  können  wir  auch  in  den  Nachträgen  die  mit  Recht  bewun- 
derte Kunst  des  Verf. 's,  die  'nach  allen  Seite  hin  strömende  Sacherläuterung',  wie 
es  Jac.  Grimm  schön  bezeichnete,  vor  allem  den  feinen  Sinn  für  culturhistorisch 
Merkwürdiges  wiedererkennen. 

Alle  diese  Zusätze  galt  es  nun  an  richtiger  Stelle  dem  älteren  Werke  einzu- 
fügen und  so  mit  demselben  zu  verai'beiten,  daß  das  Ganze  wie  aus  einem  Gusse 
hervorgegangen  sich  darstellt ,  denn  eine  bloß  äußerliche  Nebeneinanderstellung 
wäre  sowohl  für  den  Gebrauch  unbequem,  als  auch  überhaupt  der  Aufgabe  der 
Vollendeteren  Arbeit'  nach  wissenschaftlicher  wie  künstlerischer  Seite  nicht  ent- 
sprechend gewesen.  Der  Herausgeber,  der  um  mundartliche  Forschung  selbst  hoch- 
verdiente G.  K.  Frommann,  hat  diese,  wie  jeder  Kenner  weiß,  mühevolle  Aufgabe 
mit  so  viel  Treue  und  Sorgfalt  gelöst,  als  man  nur  immer  von  ihm  erwarten  durfte. 
Ein  einzigesmal  finde  ich  in  den  von  mir  geprüften  Artikeln  Gelegenheit,  ein  Ver- 
sehen des  verehrten  Herausgebers  zu  berichtigen.  Bei  dem  Worte  \Uc  äbevtiur  ist 
unter  andern  interessanten  Bereicherungen  auch  eine  in  der  ersten  Ausgabe  nicht 
berücksichtigte  Bedeutung  unter  2.  namhaft  gemacht:  'Zauber,  Gaukelei,  List' 
und  mit  einer  Stelle  aus  Jos.  Pauli  belegt:  hieher  aber  und  nicht  zu  "3.  das  Un- 
thier'  gehört  das  daselbst  beigebrachte  Citat  aus  H.  Sachs ,  worin  das  Wort  gerade 
in  der  letzten  der  drei  unter  2.  angegebenen  Bedeutungen  'List'  gebraucht  ist. 
Die  Formulierung  dieser  Bedeutung  rührt  vom  Herausgeber  her,  Schmeller  hatte 
nur  die  Citate  beigeschrieben  und  auf  solche  und  ähnliche  Fälle,  wo  der  Verf.  dazu 
geradezu  nöthigt,  hat  Froramann  seine  dann  jedesmal  möglichst  knapp  gehaltenen 
aber  treffenden  Zusätze  beschränkt  und  bezeichnet.  Gewiß  hätte  gerade  der  Heraus- 
geber noch  mehr  zu  geben  vermocht;  in  dem  Umstände,  daß  er  es  nicht  geben 
durfte,  liegt  eine  Aufopferung,  die  sein  Verdienst  in  unsern  Augen  nur  um  so  höher-* 
stellt.  Hoß"entlich  aber  wird  Frommann,  sobald  ihm  wieder  die  nöthige  Muße  wii"d, 
für  solche  Selbstverleugnung  sich  entschädigen  und  uns  nicht  vorenthalten,  was 
er  zu  bemerken  findet.  Auch  Ausstattung  und  Format  (das  Ganze  soll  2  Bände 
in  4"  umfassen)  ist  entsprechend,  letzteres  speciell  nach  meiner  Ansicht  für  ein 
Lexicon  passender  als  das  der  ersten  Auflage.  Und  so  könnte  ich  meine  Anzeige, 
die  vorläufig  das  Erscheinen  des  lang  erwarteten  Werkes  nur  freudig  begrüßen  soll 

8* 


llö  LITTERATUß. 

—  eine  eingehendere  Würdigung  muß  auf  später  verspart  bleiben  —  schließen 
und  hätte  nur  dinen  Wunsch,  daß  das  Erscheinen  des  Buches  nach  Kräften  be- 
schleunigt werden  möge :  vier  Jahre,  von  denen  der  Prospectus  spricht,  will  unserer 
Ungeduld  etwas  zu  lang  erscheinen. 

WIEN,  im  Februar  1869.  JOHANN  LAMBEL. 

Buch  der  Bündth-Ertznei.  Von  Heinrich  von  Pfolsprundt,  Bruder  des  deutschen 
Ordens.  14ß0.  Herausgegeben  von  H.  Haeser  und  A.  Middeldorpf,  Pro- 
fessoren zu  Breslau.  Berlin.  Reimer.  1868.  XLIV  u.  179  Seiten.  8". 
Ein  für  die  Geschichte  der  Medicin,  wie  für  die  Grammatik  der  mitteldeut- 
schen Mundart  gleich  wichtiges  Denkmahl,  durch  dessen  Herausgabe  uns  die  bei- 
den Gelehrten,  deren  einer  bereits  im  vorigen  Jahre  vor  Vollendung  des  Druckes 
starb,  zu  lebhaftem  Danke  verpflichtet  haben.  Wenn  gerade  die  sprachliche  Seite 
des  Buches,  welche  uns  hier  besonders  angeht,  die  schwächste  ist,  so  trifft  der 
Vorwurf  weniger  die  Herausgeber,  als  vielmehr  Andere.  Als  Nichtphilologen  hatten 
sich  jene,  wie  sie  uns  mittheilen  (S.  X),  an  bewährte  Sachverständige  gewandt, 
um  die  Grundsätze  festzustellen,  nach  denen  beim  Abdrucke  zu  verfahren  sei.  Die- 
sen nun  haben  wir  es  zu  danken,  daß  wir  die  ganze  liebenswürdige  Orthographie 
eines  Schreibers  aus  dem  IG.  Jahrlumdert,  mit  wahrhaft  rührender  Pietät  bewahrt, 
zu  lesen  bekommen.  Formen  Wie  pjfheill,  außtzwtzlen,  tzworsteUcn^  scJtwe  (  —  schüwe), 
tzwo  {■=zuo),  ssiden  u.  a.  erscheinen  da  und  nur  wo  die  Handschrift  sich  den  Lu- 
xus von  drei  gleichlautenden  Consouanten  gestattet  ( —  sssäen,  meissseln  —  )',  bleibt 
uns  diner  erspart.  Und  warum?  'Es  sei  unmöglich,'  meinen  die  'Sachverständigen', 
'die  Grundsätze  anzugeben ,  nach  denen  bei  einer  etwaigen  Verbesserung  (der  Or- 
thographie) zu  verfahren  sein  müßte,  da  weder  im  Jahre  1460  (zur  Zeit  Pfolsprundts) 
noch  1519  (zur  Zeit  Ilentzes,  des  Schreibers  der  Handschrift)  irgend  eine  feste 
Regel  in  Betreff  deutscher  Rechtschreibung  Statt  gefunden  habe.  So  platte,  schiefe 
Bemerkungen  sollte  man  heutzutage  nicht  mehr  machen,  nachdem  durch  eine  Reihe 
classischer  Beispiele  gezeigt  ist,  wie  solche  Dinge  zu  behandeln  seien.  Den  Schaden 
davon  trägt  nur  das  Buch,  denn  welcher  für  die  Geschichte  seiner  Wissensckaft 
noch  so  eifrig  bestrebter  Mediciner  wird  sich  durch  diesen  Wust  von  überflüssigen 
Buchstaben  hindurchwinden  ?  Ja  welcher  wird  überhaupt  nur  eine  Seite  lesen  und 
verstehen  können?  Die  Sachverständigen'  haben  durch  ein  solches  Verfahren  er- 
reicht, was  gewiß  nicht  in  ihrer  und  der  Herausgeber  Absicht  lag,  daß  das  Buch 
angelesen  bleibt  bis  auf  wenige  Germanisten ,  welche  ein  sprachliches  Interesse  au 
dasselbe  fesselt.  Auf  gleich  niederer  Stufe  steht,  was  S.  XHI  als  für  die  thürin- 
gische Heimat  des  von  Pholsprundt,  die  wir  übrigens  vor  der  Hand  nicht  läugnen 
wollen,  beweisend  angegeben  wird.  Außerdem  noch  einige  Bemerkungen.  In  der 
Einleitung  sprechen  die  Herausgeber  Seite  VHI  von  Hans  Gersdorf  in  einer  Weise, 
welche  vermuthen  lässt,  daß  ihnen  der  Mann  bis  dahin  unbekannt  war.  Näheres 
über  ihn  steht  jedoch  bereits  in  Jöchers  Gclchrtenlexicon  2,  961  und  Weller  bringt 
in  seinem  Repertorium  unter  Nr.  1053  und  3794  zwei  Ausgaben  seines  Werkes 
Feld/buch  der  Wundartznei.  Die  erste  ist  s.  1.  e.  a.,  die  zweite  im  Jahre  1526  zu 
Straßburg  gedruckt  und  nennt  sich  hier  der  Verfasser:  Hans  von  Gerßdorf  genant 
Schylhans  burger  und  wundarzt  zu  Straßburg.  Sonst  trage  ich  nach,  daß  S.  1  Zeile  7 
nacli  loivüt  der  Beistrich  zu  tilgen  ist  und  Seite  122  Zeile  15  geberth  nicht  Schreib- 
fehler für  gferbeit,  sondern  das  part.  praet.  von  bern  ist,  über  welches  Verb  in  der 
Jiier  zutreflfenden  Bedeutung  von  kneten  zu  vergleichen  i»t  Grimm  Wb.  1,  1502f 


LITTERAT  UR.  117 

Die  erquicklichste  uud  schönste  Partie  des  Buches  bleibt  jedoch  die  Einlei- 
tung, soweit  sie  die  Stellung  des  von  Pholsprundt  in  der  Geschichte  der  Medicin 
erörtert.  Hier  liaben  die  Verfasser  für  das  Verständniss  der  Schrift  Eühmliches  ge- 
leistet und  ich  wiederhole  es  daher,  daß  die  oben  ausgesprochenen  Vorwürfe  kei- 
neswegs sie  treffen  können.  Hätten  die  Germanisten  in  gleicher  Weise  ihre  Auf- 
gabe verstanden  und  durch  Reinigung  der  Orthographie,  eine  Einleitung  über  die 
Mundart  und  ein  kurzes  Wortverzeichniss  ihre  Pflicht  gethan,  so  müßten  wir  unbe- 
dingt diese  Ausgabe  den  besten  ihrer  Art  gleichstellen.  So  aber  hat  sich  die  Ver- 
lagshandlung durch  sorgfältige  Ausstattung,  schönes  Papier  und  reinen  Druck 
ein  größeres  Verdienst  um  die  Publication  erworben  als  die  'Sachverständigen'. 
WIEN,  im  Februar  ISGO.  JOSEPH  STROBL. 

Das  B  ot  im  Spiegel  sehweizerdeutscher  Volkssprache  und  Sitte.  Lese  schwei- 
zerischer Gebäckenamen.  Aus  d  m  Papieren  des  schweizerdeutschen  Idiotikons. 
Leipzig,  S.  Plirzel,  1868.  VÜI  u.  18G  SS.  8'. 
Wir  begrüßen  in  diesem  Buche,  als  dessen  Verfasser  sich  am  Schlüsse  der 
Vorrede  Herr  Fritz  Staub  nennt,  die  erste  Frucht  der  in  der  Schweiz  gemachten 
Vorarbeiten  zu  einem  schweizerdeutschen  Idiotikon.  Die  Form  der  Behandlung 
wurde  einerseits  bedingt  durch  die  noch  vorhandenen  Lücken  im  Materiale,  ander- 
seits durch  die  Rücksicht  auf  die  'Mehrzahr  der  Mitarbeiter  und  Freunde  des  Unter- 
nehmens, unter  denen  'nur  wenige  Sprachkenner,  noch  weniger  Sprachforscher  und 
Grammatiker'.  (IV.)  Diese  Form  ist  eben  die  durch  die  Aufsätze  von  Rochholz  auch 
den  Lesern  dieser  Zeitschrift  bekannte.  Man  wird  leicht  einsehen,  daß  bei  dem 
wesentlichen  Unterschiede  zwischen  dieser  durch  äußei-e  Umstände  abgenöthigten 
Behandlung  und  der  künftigen  lexikalischen  Ausführung  es  schwer  fällt,  von  jener 
auf  diese  zu  schließen ;  es  ist  eben  zweierlei  im  engen  Rahmen  eines  Wortes,  die 
Geschichte  desselben  zu  erschöpfen  und  unter  einem  weitern  Gesichtspunkte  eine 
Reihe  von  Vorstellungen  und  Begriffen  zusammenzufassen.  Die  vorhandenen  Mängel 
des  Buches  können  ebensogut  bloß  auf  Rechnung  der  gewählten  Behandlung  kom- 
men, wie  eine  andere  Ausführung  neue  hier  nicht  erscheinende  Mängel  zeigen  kann. 
Das  scheint  auch  der  Verfasser  gefühlt  zu  haben,  denn  nur  so  verstehe  ich  die 
W^orte  am  Schlüsse  seiner  Vorrede  (S.  VHI):  'Mögen  uns  recht  viele  Recensenten 
zu  Theil  werden,  denen  die  Förderung  der  Sache  am  Herzen  liegt  und  möchte  die 
Oberflächlichkeit,  welche  zwar  —  wir  fühlen  es  selber  —  an  mancher  Stelle  von 
der  durch  Streben  nach  Kürze  verschuldeten  Schwerfälligkeit  unseres  Stiles  zum 
Mitsprechen  und  da  sie  unsere  Worte  nicht  genugsam  urgieren  wird,  zum  Miss- 
verständniss  verlockt  ist,  diesmal  lieber  das  Gold  als  das  Silber  wählen.  In  diesem  (?) 
Sinne  bitten  wir  sogar  um  die  Kritik  und  eine  rückhaltslose,  so  wahr  als  uns  die 
Ehre  des  Vaterlandes,  in  deren  Dienst  wir  uns  und  unsere  Arbeit  gestellt  haben, 
höher  steht  als  persönlicher  Schein.' 

Jedesfalls  erscheint  es  uns  als  ein  Fortschritt,  wenn  Seite  IV  bemerkt  ist, 
daß  auch  ältere  Quellen  zur  Sammlung  beigezogen  werden  sollen.  Ich  erwähne  das, 
weil  auf  der  Philologenversammlung  zu  Würzburg  im  Jahre  1862  W.  Wackcr- 
nagel  (wenn  ich  den  Bericht,  Germania  VIII,  225  recht  verstehe)  das  Gegenthcil 
befürwortete.  Es  lässt  sich  auch  davon,  wie  weit  in  dieser  Beziehung  gegangen 
wurde,  kein  recht  klares  Bild  aus  dem  Büchlein  entnehmen,  wiewohl  solche  Quellen 
allerdings  zur  Erklärung  beige :ogen  wurden.  Nach  der  Anmerkung  auf  Seite  164 
zu  schließen,  wird  die  Schmellerische  Anordnung  beibehalten,   was  natürlich  unbe- 


118  MISCELLEN. 

dingt  zu  billigen  ist.  Des  letztern  Vorbild  zeigt  sich  aueh  bei  der  Betonung  des 
cnlturhistorischen  Momentes  der  Wörter,  das  auch  R.  Hildebrand  auf  seinem  Ge- 
biete mit  so  vielem  Erfolg  durchführt. 

Zur  Arbeit,  wie  sie  vorliegt,  haben  wir  nur  weniges  zu  bemerken.  Die  Rich- 
tigkeit der  einzelnen  Etymologien  kann  sich  ei'st  prüfen  lassen,  wenn  der  Sprach- 
schatz vorliegt;  der  dadurch  gewonnene  reichere  Überblick  wird  wohl  manches, 
gegen  das  vvir  heute  Bedenken  haben,  stützen.  Ein  bei  einer  derartigen  Behandlung 
k'icht  eintretender  Fehler  ist  der  Versuch,  zu  viel  unter  gleichartige  Gesichtspunkte 
zu  zwängen.  Das  scheint  uns  auch  hier  nicht  ganz  vermieden.  So  wird  S.  38  die 
Bedeutung  der  Verbums  abkratzen  als  sterben  in  Verbindung  gebracht  mit  dem 
Scharren  des  Backtroges,  'welches  die  letzte  eigentliche  Hantierung  bei  der  Berei- 
tung des  Brotes  ist,  bevor  dasselbe  der  Einwirkung  der  Elemente,  wie  etwa  der 
Leichnam  dem  Schöße  der  Erde  anvertraut  wird;  entsprechend  hat  (beim  Kuchen- 
backen) der  Rest  des  Teiges  den  Namen  Tod.'  Mundai-tlich  verwendet  sich  jedoch 
abkratzen  auch  für  sich  fortscheren ,  wie  abschaben  und  hier  scheint  uns  der  An- 
knüpfungspunkt zu  sein.  Ebenso  behält  gegenüber  der  Erklärung  von  KUsicoche 
in  unserm  Buche  Seite  9  die  Schmellers,  welche  auch  Hildebrand  angenommen  und 
weiter  begründet,  ihr  Recht.  Die  Birlingers  ist  uns  zu  —  pikant.  Seite  174  spricht 
sich  der  Verfasser  mit  Unrecht,  wie  es  scheint,  gegen  die  Erklärung  von  Ambeiler 
als  aus  An  und  beiler  zusammengesetzt  aus.  Wie  man  abbeilen  kann,  kann  mau 
auch  ambeilen,  d.  h.  die  Beile  anlegen. 

Bei  diesen  Bemerkungen  lassen  wir  es  vor  der  Hand  bewenden  und  erinnern 
ausdrücklich  noch  einmal  daran,  daß  erst  der  vorliegende  Wortschatz  eine  frucht- 
bare Discussion  eröffnen  kann.  Bei  der  Wichtigkeit  des  Idiotikons  wollen  wir  den 
Wunsch  aussprechen,  daß  die  Bearbeiter  lebhaft  von  Seiten  ihrer  Landsgeuossen 
unterstützt  würden,  wozu  gerade  dieses  Büchlein  weiter  beitragen  mag.  Daß  spe- 
ciell  auch  der  Canton  Solothurn  noch  unter  den  Beitragenden  fehlt  ( —  wogegen 
der  verehrte  Mitarbeiter  dieser  Zeitschrift  A.LütoIf  in  Solothurn  seiner  Antheilnahme 
wegen  gei'ühmt  wird  — ),  darf,  glauben  wir,  gerade  an  diesem  Orte  bedauert 
werden.  Er  sollte  schon  um  seines  einstigen  Heimatsgenossen  willen  nicht  länger 
unvertreten  bleiben. 

WIEN.  JOSEPH  STROBL. 


MISCELLEN. 

Bericht  über  die  Sitzungen  der  germanistischen  Section  der  XXVI.  Philo- 
logenversammlung zu  Würzburg,  1.  bis  3.  October  1868. 

In  das  Album  der  Section  hatten  sich  folgende  33  Mitglieder  eingetragen: 
Barack,  K.  A.  Dr.,  Hofbibliothekar,  aus  Donaueschingen. 
Behringer,  Prof.,  aus  Würzburg. 
Bindcwald,  Dr.,  aus  Gießen. 
Boßler,  Ludwig,   Gymnasiallehrer  aus  Gera. 
Brinkmann,  H,,   aus  Segnitz. 
B  u ch m an  n  ,  Dr.,   aus  Marburg. 
Bülau,  Dr.,  aus  Hamburg. 


MISCELLEN.  119 

Creizenach,  Th.,  aus  Frankfurt  am  Main. 

Da  hu,  Felix,  Prof.  Dr.,   aus  Würzburg. 

Dietz,  Ph.,   aus  Marburg. 

Erkeleuz,  Prof.  Dr.,  aus  Nürnberg. 

Foß,  Prof.  Dr.,  aus  Berlin. 

Flügel,  F.  Dr.,  aus  Leipzig. 

Grein,   C.  W.  Dr.,  Archivar  aus  Cassel. 

Heremans,  Dr.,  aus  Gent. 

Hildebrand,  Dr.,  aus  Leipzig. 

Holland,  Prof.  Dr.,  aus  Tübingen. 

Jün klein,  A.,  aus  Bamberg. 

Kaufmann,  Alexander,  Dr.  Archivrath  aus  Wertheim. 

Keinz,  Friedrich,  Bibliotheksassistent  aus  München. 

Koch,   Fr.  Prof.  Dr.,   aus  Eisenach. 

Köhler,  A.  Dr.,  aus  Dresden. 

Köhler,  R.  Dr.,  Bibliothekar  aus  Weimar. 

Lexer,  Prof.  Dr.,  aus  Würzburg. 

Maß  mann,  H.  F.  Prof.  Dr.,  aus  Berlin. 

Mündler,  Prof.,  aus  Nürnberg. 

Schmidt,   Studieulehrer,  aus  Frankfurt. 

Vial,  Dr.,  aus  Hersfeld. 

De  Vries,  Prof.,  aus  Leiden, 

Wülker,  E.  Dr.,  aus  Frankfurt  am  Main. 

W  ü  1  k  e  r ,  K.,  aus  Frankfurt  am  Main. 

Zillober,  Prof.,  aus  Augsburg. 

Zschech,  Dr.,  aus  Magdeburg. 

Die  erste  Sitzung,  Donnerstag  den  1.  October,  Vormittags  9  Uhr,  er- 
öffnete der  mit  den  Präsidialgeschäften  provisorisch  betraute  Prof.  Dahn  aus  Würz- 
l)iirg,  indem  er  die  Versammlung  herzlich  willkommen  hieß  und  Dr.  Hildebrand 
aus  Leipzig  zum  Vorsitzenden  vorschlug.  Da  dieser  ablehnte,  wurde  Prof.  Creizenach 
iuis  Frankfurt  a.  M.  zum  Präsidenten  ernannt,  auf  dessen  Vorschlag  Gymnasial- 
lehrer Dr.  A.  Köhler  aus  Dresden  und  der  unterzeichnete  Berichterstatter  das  Amt 
der  Schriftführer  übernahmen. 

Der  Vorsitzende  leitete  alsdann  die  Verhandlungen  ein  durch  einen  Nachruf 
an  Franz  Pfeiffer ,  und  betonte  hauptsächlich  dessen  Verdienste  um  Einführung 
der  germanistischen  Wissenschaften  in  Schule  und  Leben.  Daran  knüpfte  er  die 
Mahnung  zur  Versöhnung  zwischen  den  streitenden  Parteien  ,  die  Pfeiffer  nicht 
mehr  vergönnt  war  zu  sehen.  Im  Anschluß  daran  erinnerte  Hildebrand  an  die  ver- 
söhnliche Gesinnung,  die  Zacher  nach  Pfeiffers  Tode  gezeigt  habe,  so  daß  also  die 
Versöhnung  in  der  That  über  dem  Grabe  zu  Stande  gekommen  sei. 

Prof.  Maßmaun  aus  Berlin,  der  hieran  noch  einige  persönliche  Erinnenuigen 
an  den  Verstorbenen  knüpfte,  berichtete  dann  über  die  Ergebnisse  seiner  letzten 
Reise  nach  Italien  und  die  von  ihm  zu  Mailand  eingesehene  Haudswhrift  des  Vulfila. 
Eine  Mittheilung  von  Pfeiffer,  die  Entdeckung  einer  gothischen  Handschrift  in 
Mailand  durch  Reifferscheid  betreffend,  veranlasste  Maßmann  zu  einer  Reise  nach 
Italien  und  zu  einem  sechswöchentlichen  Aufenthalte  daselbst.  Aus  der  Überein- 
stnnmung  der  Turiuer  Handschrift  mit  der  eingesehenen  Mailänder  aus  dem  Ivloster 


120  MISCELLEN. 

Bobbio  stammenden  geht  hervor,  daß  jene  früher  einen  Theil  der  Mailänder  Hand- 
schrift bildete,  namentlich  da  die  vier  Blätter  der  Turiner  Handschrift,  Bruchstücke 
aus  dem  Brief  an  die  Galater  und  dem  Brief  an  die  Colosser  enthaltend,  in  der 
Mailänder  Handschrift  fehlen,  aus  welcher  sie,  wie  sich  aus  einem  alten  Bibliotheks- 
katalog ergibt,  nach  dem  Jahre  1461  herausgerissen  worden  sind.  Maßmann  hob 
dann  die  schädliche  Einwirkung  der  seither  in  Anwendung  gebrachten  chemischen 
Rcagontien  auf  die  Handschriften  hervor;  namentlich  gelte  dies  von  den  gothischen 
Handschriften,  die  durch  die  an  den  Rändern  der  Buchstaben  immer  weiter  fres- 
senden Chemikalien  in  Kürze  ruiniert  und  unlesbar  sein  würden,  denn  schon  jetzt 
sei  manches,  was  im  Jahr  1833  noch  lesbar  gewesen,  nicht  mehr  zu  erkennen. 
Hieran  knüpfte  Maßmann  noch  die  interessante  Mittheilung,  daß  während  Casti- 
glione  keine  schädliche  Reagentien  angewendet  habe,  der  Cardinal  Angelo  Mai  die 
gothischen  Handschriften  absichtlich  verderbt  haben  soll,  damit  sie  von  den  Deut- 
schen nicht  mehr  gelesen  werden  könnten. 

Der  Vorsitzende  theilte  dann  aus  einer  Notiz  Zachers  zum  Sectionsprotokoll 
der  25.  Philologenversammlung  zu  Halle  mit,  wonach  dieser  die  Resolution  wegen 
Unterstützung  des  Grimm'schen  Wörterbuches  aus  Staatsmitteln  zur  Ausführung 
gebracht  habe,  indem  er  sich  an  den  Bundeskanzler  gewendet.  Wie  man  aus  den 
Zeitungen  ersehen  konnte,  ist  diesem  Wunsche  bei  dem  Reichstage  des  norddeut- 
schen Bundes  entsjn-ochen  worden. 

Hierauf  machte  derselbe  auf  das  Bedürfniss  aufmerksam,  daß  für  die  Erklä- 
rung derjenigen  älteren  deutschen  Wörter,  die  nicht  im  Kreise  der  bekannten  so 
verdienstvollen  Wörterbücher  liegen,  ein  Anhaltspunkt  in  einem  wissenschaftlich 
hergestellten  Glossarium  geboten  werde.  Für  solche  Wörter,  wie  sie  in  Urkunden, 
Urbarien,  Inventarien  und  ähnlichen  Schriftstücken  vorkommen,  sei  der  Leser  oft 
allein  auf  seine  eigenen  Vermuthungen  angewiesen.  Prof.  Dahn  unterstützte  diesen 
Gedanken  wegen  der  großen  Wichtigkeit  eines  solchen  Unternehmens  nicht  allein 
für  die  Cultur-  und  Sprachgeschichte  ,  sondern  auch  für  die  deutsche  Rechts- 
geschichte,' und  da  nach  den  Mittheilungen  mehrerer  Anwesenden  Prof.  Lexer  den 
Plan  zu  einem  solchen  Sprachschatz,  den  man  etwa  ein  archivalisches  Glossarium 
nennen  könnte,  bereits  ausgebildet  hat,  von  der  Ausführung  aber  durch  andere 
Arbeiten  noch  zurückgehalten  ist,  so  wird  die  Erklärune:  darüber,  ob  man  zu  einem 
derartigen  Unternehmen  ermuntern  und  direct  dazu  anregen  wolle,  auf  die  nächste 
Sitzung  verschoben,   zu  welcher  Prof.  Lexer  erwartet  ist. 

Dann  sprach  Hildebrand  über  den  Gebrauch  des  Nominativs  statt  des  Accu- 
sativs  im  alemannischen  Dialekte,  der  schon  von  Hebel  in  der  Vorrede  zu  seinen 
Gedichten  erwähnt  wird  („Der  Accusativ  des  Singulars  ist  auch  bei  den  Masculinis 
dem  Nominativ  gleich,  z.  B.  der  Tag,  der  und  den  Tag")  und  auch  in  den  Ge- 
dichten selbst  sich  nicht  selten  findet;  so  in  'Eine  Frage'  „hebt  sie  b'herzt  der  F'm- 
iji^r  uf,  'im  Statthalter  von  Schopfheim'  „und  leng  mer  fZer  Farresch\yanz  abe",  im 
'Wiicliterruf'  „und  wer  im  Friede  der  Tag  erlebt.''  Weinhold  hat  diesen  Gebrauch 
in  seinem  verdienstvollen  Werke  unerwähnt  gelassen.  Da  Dr.  Barack  aus  Donau- 
eschingen diesen  Gebrauch  für  das  ganze  Gebiet  des  Alemannischen  bis  zum  Neckar 
bei  Rottweil  und  Oberndorf  bestätigte,  Prof.  Holland  aus  Tübingen  ihn  für  das 
Schwäbische  entschieden  in  Abrede  stellte,  so  erkannte  Hildebrand  dai-in  einen 
wichtigen  Unterschied  der  beiden  Dialekte  und  bemerkte  weiter,  daß  der  nämliche 
Gebrauch  sich  auch  am  Niederrhciu  finde.  Prof.  de  Vries  aus  Leiden  erwähnte  dann, 
daß  er  auch  im  eigentlichen  Holland  voikomrne,  indess  könne  der  holländische  Ge- 


MISCELLEN.  121 

brauch  nicht  zur  Erklärung  des  deutschen  dienen.  Nachdem  Prof.  Koch  aus  Eisen- 
ach als  wahrscheinlichen  Grund  des  Grieichlautens  von  Nominativ  und  Accusativ 
eine  gewisse  Verhärtung  und  Erstarrung  angegeben  hatte,  entnahm  Hildebrand 
aus  einem  Briefe  von  Rieger  in  Darmstadt,  daß  der  Gebrauch  des  Nominativs  an- 
statt des  Accusativs  nicht  allein  am  Ober-  und  Niederrhein,  sondern  auch  am  Mittel- 
rheiu  (ßieger  will  ihn  bei  Leuten  aus  dem  Odenwalde  und  der  Bergstraße,  sowie  bei 
solchen  aus  Obei-hessen  beobachtet  haben)  zu  Hause  sei.  Da  dies  noch  außerdem 
von  mehreren  Anwesenden  bestätigt  wurde,  so  glaubte  Hildebrand  in  dem  Ge- 
brauche des  Nominativs  statt  des  Accusativs  eine  dem  ganzen  Rheinlande  gemein- 
same Erscheinung  finden  zu  dürfen,  zusammenhängend  mit  dem  lebendigen  Ver- 
kehr auf  dem  Strome ,  sowie  ja  auch  Sitte  und  Denkweise  im  ganzen  Rheinlande 
übereinstimmen,  so  verschieden  auch  die  Volksstoffe  sein  mögen,  welche  dasselbe 
erfüllen.  Was  das  Alter  dieses  merkwürdigen  Gebrauchs  betrifft,  so  findet  er  sich 
schon  in  der  Pariser  Handschrift  Walthers  von  der  Vogelvveide.  Dort  heißt  es  im 
Liede  von  den  zwei  Flüchen: 

hiure  müezen's  beide  essel  und  der  gouch  geJiceren  [Lachm.  73,  31  Pf.  34,  9], 
an  welcher  Stelle  Lachmann  irrthümlich  einen  Vocativ  angenommen  hat,  Pfeiffer 
und  Rieger  der  in  den  umgeändert  haben.  Allein  die  Form  ist  jedenfalls  für  jenen 
rheinischen  Nominativ,  wie  man  ihn  vielleicht  bezeichnen  könnte,  zu  halten.  Die 
Erscheinung  ist  jedoch  älter,  denn  schon  in  einer  von  Joseph  Haupt  herausgege- 
benen Erklärung  des  hohen  Liedes  aus  dem  12.  Jahrhundert  findet  sich  ein  Bei- 
spiel dafür.  Französische  Entlehnung  kann  dabei  nicht  angenommen  werden,  da 
sich  dieser  Gebrauch  auch  bei  Stämmen  findet,  welche  gar  nicht  mit  Frankreich 
in  Berührung  kamen.  Reacbtenswerth  für  die  Erklärung  ist  die  mittelhochdeutsche 
Bezeichnung  umh  den  Rhi  für  das  eigentliche  Deutschland,  da  sie  sogar  ein  im 
heiligen  Lande  abwesender  Minnesänger  gebraucht  ,  der  nicht  Rheinländer  ist. 
Hierauf  erinnerte  noch  Dahn  an  die  Gleichheit  der  Bestimmungen  über  das  ehe- 
liche Güterrecht  den  ganzen  Rhein  abwärts,  und  de  Vries  erklärte,  daß  gerade  der 
auf  dem  Rheinstrome  stattfindende  Völkerverkehr  für  die  Ursache  jener  Schwächung 
zu  halten  sei. 

Mit  Rücksicht  auf  die  bereits  um  10  Uhr  begonnene  allgemeine  Sitzung 
wurde  alsdann   (11  Uhr)   die  Sectionssitzung  geschlossen. 

Die  zweite  Sitzung,  Freitag  den  2.  October,  Vormittags  Va  9  Uhr, 
wurde  mit  der  Verlesung  des  Protokolls  durch  den  unterzeichneten  Schriftführer 
und  mit  Ei-ledigung  einiger  geschäftlichen  Angelegenheiten  eröffnet.  Insbesondere  sah 
sich  die  Versammlung  in  Betreff  einer  Zuschrift  des  Obergerichtsraths  Grisebach  in 
Hameln  wegen  Fortsetzung  des  Werkes  „Bilder  deutscher  Kaiser  und  Könige" 
nicht  in  der  Lage,  buchhändlerische  Unternehmungen  dieser  Art  zu  unterstützen, 
und  wurde  deshalb  das  betreffende  Schreiben  an  das  Gesammtpräsidium  zurück- 
gesendet. 

Hiei-aiif  theilte  Studienlehrer  Schmidt  aus  Schweinfurt  einige  Proben  aus 
Handschriften  mit,  die  sich  zum  Theil  früher  in  der  Klosterbibliothek  zu  Mem- 
mingen befanden,  zum  Theil  in  Tambach  und  in  Stuttgart  sind,  theilweise  auch 
in  seinen  Besitz  übergegangen  sind.  Auch  machte  derselbe  auf  eine  Handschrift 
in  Gotha  aufmerksam,  die  wichtige  Notizen  über  fränkische  Adelsgeschlechter 
enthält. 

Dann  sprach  Dr.  Grein  aus  Cassel  über  die  Arbeiten  ,  welche  ihn  jetzt  be- 
schäftigen. 


122  Mise  ELLEN. 

Zuerst  theilte  er  im  Anschluß  au  die  Schrift  von  Dr.  Windisch  über  die 
Quellen  des  Heliand  mit ,  daß  von  ihm  über  denselben  Gegenstand  in  Kürze 
eine  Gegenschrift  erscheinen  werde.  Windisch  sei  bei  seiner  sonst  vortrefflichen 
Schrift  dadurch  zu  einem  falschen  Resultate  gelingt,  daß  er,  beirrt  dui'ch  eine  vor- 
gefasste  Meinung,  gleich  von  der  Voraussetzung  ausgieng,  der  Dichter  des  Heliand 
uiüsste  in  gleicher  Weise,  wie  dies  Kelle  für  Otfrid  gezeigt,  außer  dem  Tatian  unter 
den  Evangeliencommentaren  zum  Matthäus  den  Rhaban,  zum  Johannes  den  Alkuin 
und  bloß  zu  Markus  und  Lukas  den  Beda  benutzt  haben,  und  daß  er  lediglich  dies 
zu  beweisen  gesucht  habe,  ohne  auch  die  Commcntare  des  Beda  zum  Matthäus  und 
Johannes  zu  vergleichen.  In  seiner  Arbeit  habe  nun  Grein  den  Beweis  geführt,  daß 
der  Dichter  fast  Alles,  was  er  aus  Rhaban  und  Alkuin  hätte  schöpfen  können  (und 
es  sei  dies  noch  weit  mehr  als  Windisch  angibt) ,  ebensogut  auch  in  den  vier  Com- 
mentaren  des  Beda  habe  finden  können:  nur  einiges  wenige,  was  Beda  nicht  habe, 
sei  unmittelbar  aus  Augustin,  Hieronymus  und  Gregor  dem  Großen  geschöpft;  ja 
der  Dichter  habe  sogar  einiges  aus  Beda  geschöpft,  was  sich  in  den  entsprechenden 
Commentaren  des  Rhaban  und  Alkuin  nicht  finde.  Daher  entbehre  auch  der  Schluß, 
der  Heliand  habe  nicht  vor  825  entstehen  können,  weil  des  Rhabanus  Commentar 
erst  821 — 822  geschrieben  sei,  jedes  sicheren  Grundes:  vielmehr  sei  die  Abfas- 
sung des  Heliand  aus  andern  Gründen  in  die  Jahre  815 — 820  zu  setzen.  Zugleich 
führte  der  Redner  an,  daß  er  mit  seiner  Schrift  auch  einen  Abdruck  des  Tatian 
mit  Bezeichnung  der  vom  Dichter  benützten  Stellen  nach  dem  aus  dem  9.  Jahr- 
hundert stammenden  Casseler  Codex  gebe,  der  wegen  eines  weder  in  den  Evange- 
lien, noch  in  den  bisherigen  Ausgaben  des  Tatian  stehenden  Zusatzes  zu  Joh.  20.  16 
(„et  occurrebat  ut  tangcret  eum")  offenbar  in  einer  näheren  Beziehung  zum  Heliand 
stehe,  als  die  übrigen  edierten  Codices. 

Sodann  theilte  Grein  mit,  daß  er  im  Begriffe  stehe,  im  Anschluß  an  seine 
Bibliothek  der  angelsächsischen  Poesie  auch  eine  solche  angelsächsischer  Prosa 
heraus  zu  geben  und  mit  Alfriks  Grammatik,  Glossar  und  Colloquium  zu  beginnen, 
mit  deren  Bearbeitung  er  jetzt  beschäftigt  sei.  Als  besonders  interessant  und  für 
die  deutsche  Mythologie  nicht  ohne  Bedeutung  hob  er  eine  Entdeckung  in  Alfriks 
Gi-ammatik  hervor;  dort  stehe  unter  den  Beispielen  zur  dritten  Declination  „turbo 
jjoden'^,  für  welches  Lye  noch  zwei  weitere  Belege  biete.  Dies  tlioden  widerstrebe 
j  eder  Deutung,  und  bei  der  großen  Ähnlichkeit  der  angelsächsischen  Zeichen  für  th 
und  V  sei  ohne  Zweifel  voden  zu  schreiben:  wir  hätten  somit  den  Wotan  selbst  als 
Bezeichnung  des  Wirbelwindes;  freilich  sei  dies  bis  jetzt  nur  Conjectur. 

Endlich  führte  Grein  an,  daß  ihm  der  Auftrag  geworden  sei,  nicht  bloß  eine 
neue  Ausgabe  der  mancher  Änderungen  bedürfenden  Vilmar'schen  Laut-  und  Fle- 
xionslehre zu  besorgen,  sondern  auch  aus  Vilmars  Nachlaß  die  deutsche  Metrik 
luid  die  Wortbildungslehre  herauszugeben.  Die  Aufzeichnungen  Vilmars  über  die 
Wortbildungslehre  (vor  30  Jaliren  niedergeschrieben)  seien  jedoch  nur  ein  kurzer 
Auszug  aus  (irimms  Grammatik  und  dem  heutigen  Stande  der  Sprachforschung 
nicht  mehr  entsprechend  (auch  fehle  der  Abschnitt  über  die  Zusammensetzungen 
ganz),  so  daß  der  Herausgeber  diesen  Theil  völlig  neu  ausarbeiten  müsse.  Anders 
stehe  die  Sache  mit  der  Metrik,  von  der  einzelne  Abschnitte  fast  vollständig  vor- 
lägen. 

Zu  dem  ersten  der  von  Grein  besprochenen  Gegenstände  bemerkte  Gymna- 
sialprofessor Behringer  aus  Würzburg  Folgendes :  Im  Allgemeinen  werde  als  Haupt- 


MISCELLEN.  123 

quelle  für  den  Heiland  die  unter  dem  Namen  des  Tatiau  bekannte,  von  dem  Bischof 
Victor  von  Capua  um  das  Jahr  546  bearbeitete  Evangelienharmonie  angenommen. 
Bedeutende  Bedenken  gegen  diese  Annahme  errege  ein  Vergleich  des  Gedichtes 
mit  dem  genannten  Werke  und  zwar  aus  folgenden  Gründen: 

1.  schienen  besonders  drei  Stellen  9,  8  10,  17  142,  5  (nach  der  Schmel- 
ler'schen  Ausgabe)  eine  Abweichung  von  der  christlichen  Glaubeusweise  zur  Zeit 
der  Entstehung  des  Heliaud,  nach  der  Richtung  der  im  4.  Jahrhunderte  sich  ver- 
breitenden gnostisch  marzionitischen  Secte  zu  enthalten,  welche  das  alte  Testament 
von  dem  neuen  durchaus  trennte; 

2.  werde  die  Stammtafel  des  göttlichen  Heilandes  mit  keinem  Worte  von 
dem  sonst  so  treuen  Verfolger  seiner  Quelle  erwähnt; 

3.  würden  in  höchst  auffallender  Weise  die  in  cap.  H,  HI,  IX  und  X  in  der 
vermeintlichen  Quelle  vorkommenden  Prophetenworte  und  cap.  XVHI  die  Erwäh- 
nung des  Buches  Jesaia  übergangen. 

Deshalb  stellte  Behringer  die  Hypothese  auf,  daß  nicht  die  jetzt  allgemein 
angenommene  Evangelienharmonie  die  eigentliche  Quelle  des  Heliand  sei,  sondern 
jene  Schrift,  welche  Tatian  selbst  verfasste,  und  die  erst  von  Bischof  Victor  über- 
arbeitet wurde  —  und  zwar  aus  folgenden,  sich  an  die  obigen  Bedenken  anreihen- 
den Gründen : 

1.  Tatian  sei  wirklich  nach  dem  Tode  seines  Lehrers,  des  heiligen  Justinus, 
zur  Irrlehre  der  Marzioniteu  übergegangen ; 

2.  die  Worte  des  Bischofs  Victor  in  seiner  Vorrede  zur  vermeintlichen  Quelle 
des  Heliaud  lauteten  unter  anderem :  „sogar  wenn  Tatian  schon  als  Häretiker  dieses 
Werk  verfasst  hat,  so  gehe  ich  doch  gerne,  weil  ich  die  Worte  meines  Herrn  ei*- 
kenne,  an  seine  Erklärung:  wenn  es  sein  eigenstes  Werk  wäre,  wiese  ich  es  weit 
von  mir.''  Dann  fahre  er  mit  den  allerdings  etwas  schwer  zu  erklärenden  Worten 
weiter:  „Nos  tamen  in  eo  sumus  labore  versati,  quo  opera  solet  novella  praesumi 
—  ut,  absque  scrupulo,  studiosi  mens  secm-a  hoc  uti  possit  volumine."  Eine  ein- 
gehende Erörterung  dieser  Hypothese  hat  Behringer  in  dem  Programme  des  Würz- 
burger Gymnasiums  1863  gegeben  unter  dem  Titel  „Zur  Würdigung  des  Heliand". 

Hierauf  legte  Staatsbibliotheksassistent  Keinz  aus  München  auf  mehrfach 
geäußertes  Verlangen  eine  Karte  von  Oberbaiern  im  8.  Jahrhundert  vor,  die  er 
sich  für  seine  größere  Arbeit  über  die  mittelalterliche  Topographie  Baierns  ange- 
fertigt hatte.  Die  Zeit,  während  welcher  dieselbe  von  den  Anwesenden  mit  Auf- 
merksamkeit betrachtet  wurde,  verwendete  er  zu  einem  Vortrag  über  einzelne  Grup- 
pen der  auf  derselben  eingetragenen  Namen  (es  kommen  solche  in  Altbaiern  aus 
dem  genannten  Jahrhundert  etwa  500   urkundlich  vor). 

Nach  einer  vorausgeschickten  aUgemeiuen  Klassification  derselben :  einfache 
Worte,  Patronymica,  Zusammensetzungen  der  verschiedensten  Art,  verweilte  er  be- 
sonders bei  der  Klasse  der  von  den  Baiern  vorgefundenen  keltischen  und  römischen 
Ortsnamen.  Hiebei  von  den  bekannten  Hauptstationen,  wie  Regina  castra,  Batava 
castra  u.  A.  absehend,  machte  er  darauf  aufmerksam,  daß  sich  besonders  gegen 
das  Gebirg  und  das  obere  Innthal  zu,  an  der  Hauptstraße  aus  Italien  nach  Noricum 
die  alte  Bevölkerung  lange  erhalten  habe  und  nur  allmälig  von  der  Kraft  des  bai- 
rischen  Volksstammes  germanisiert  worden  sei;  Zeuge  dessen  seien  einerseits  die 
zahlreichen  Ortsnamen  vorbairischen  Ursprungs,  die  sich  um  Salzburg  und  das 
obere  Innthal  entlang  zum  Theil  bis  auf  unsere  Tage  erhalten  haben  und  in  den 
Salzburger  Urkunden,  besonders  dem  sogenannten  Couiicstum  Aruouis  und  den 


124  MISCELLEN. 

Brevcs  Notitiiic  (die  Redner  ebeu  zu  neuer  Ausgabe  vorbereite)  in  mehr  oder  minder 
echter  Form  zahlreich  erscheinen,  wie  Juvavo  (Salzburg),  Monticulus  (Muntigl), 
Marciago  (Morzg),  MarcioUae  (Marzoll),  Mona  (Gmain),  Nana  (Non),  Vicus  Ro- 
maniscus  =  Walaho  uuis  (nicht  Walahovius,  jetzt  Wals),  CucuUae  (Kuchl),  Pon- 
tena  (Pfungeu),  Orianus  mons  (Erl) .  Episas  (Ebbs),  Quantalae  (Kundl)  U.A.; 
andererseits  die  ebendort  in  den  Schenkungen  unfreier  Leute  an  Salzburg  häufig 
vorkommende  Bezeichnung  Romani,  oder  deutsch  Walha ;  die  au  der  Traun  woh- 
nenden heißen  einmal  ausdrücklich  Trun walha.  Freilich  müße  man  sich  darunter 
nicht  gerade  Römer  reinsten  Blutes  denken,  sondern  eben  die  Nachkommen  der 
keltischen,  von  den  Römern  romanisierten  und  mit  denselben  gemischten  Urbevöl- 
kerung. Die  das  Land  besetzenden  Baiern  hätten  in  ihnen  einfach  Angehörige  des 
ihnen  durch  Sagen  längst  bekannten  römischen  Weltreiches  gesehen  und  sie  danach 
auch  benannt.  Auf  die  Kämpfe  mit  diesen  wären  auch  wohl  jene  aventinischen 
Römerschlachten  zu  beziehen,  die  man  sich  gewöhnt  hat,  als  bloße  Fabel  an- 
zusehen. 

Hieran  reihte  Keinz  noch  eine  etymologische  Namenserklärung  über  das  im 
Gebiet  der  bairischen  und  alemannischen  Mundart  so  häufige,  immer  den  ersten 
Bestandtheil  zusammengesetzter  Ortsnamen  bildende  Wort  Tegern.  Bekanntlich 
habe  man  bisher  zwei  verschiedene  Behauptungen  für  die  Erklärung  desselben  vor- 
gebracht. Nach  der  einen  wäre  jenes  Tegarin  ein  keltisches  Adjectiv,  das  „groß" 
bedeute,  nach  der  anderen  der  Genetiv  eines  angenommenen  Manusuamens  Tegaro. 
Beide  Aufstellungen  scheinen  dem  Redner  aller  Wahrscheinlichkeit  zu  entbehren. 
Bei  dem  ungemein  häufigen  Vorkommen  dieses  Wortes  in  Ortsnamen  (eine  ober- 
flächliche Zählung  in  dem  genannten  Gebiete  hätte  deren  mehr  als  30  ergeben, 
eine  genauere  könnte  vielleicht  noch  weit  mehr  finden)  könne  man  füglich  an  kein 
Fremdwort  denken,  das  noch  dazu  immer  in  Verbindung  mit  deutschen  Wörtern 
auftreten  würde;  imd  was  den  Personnennamen  betrefi"e,  so  sei  es  durchaus  nicht 
anzunehmen,  daß  ein  solcher,  der  in  Ortnamen  so  zahlreich  erschiene,  sich  bei  der 
Reichhaltigkeit ,  welche  die  bairischen  Urkunden  von  frühester  Zeit  an  gerade 
hierin  zeigten ,  als  wirklicher  isolierter  Mannsname  nicht  ein  einziges  Mal  zeigen 
sollte.  Es  müsse  also  hier  eine  andere  Erklärung  gesucht  werden.  Bei  näherer  Be- 
trachtung der  erwähnten  Namen,  wie  sie  z.  B.  bei  Försteraann  Tl.  1361  fg.  zahl- 
reich verzeichnet  sind,  ergebe  sich,  daß  die  Mehrzahl  im  zweiten  Bestandtheil  ein 
Wort  zeige,  das  auf  das  Wasser  oder  den  Boden  hinweise  :  seo,  jiah,  luac,  mos,  awa, 
diese  häufig,  einzeln  auch  velt,  ascahi,  slaht,  außerdem  heim  und  dorf,  bei  welch 
letzterem  secundäre  Zusammensetzung  (z.  B.  dorf  an  einem  tegernbach)  angenommen 
werden  könnte,  aber  nicht  müßte.  Es  könnte  also  damit  eine  Eigenschaft  des  Was- 
sers oder  des  Grundes  bezeichnet  sein.  Nun  gebe  es  in  bairischer  Mundart  ein  Wort 
„Tegel"  bei  Schmeller  I.  437  Thon,  Lehm,  in  der  Heimat  des  Redners  nur  der 
bläuliche  Thon,  Mergel,  und  es  könnte  also  jene  Bezeichnung  entweder  die  Farbe 
des  Wassers  oder  den  hauptsächlichsten  Bestandtheil  des  Bodens  angeben.  Als 
Probe  für  diese  Vermutliung  habe  der  Redner  die  Untersuchung  des  Ortsnamens 
Degerschlacht  (in  Würtemberg,  Oberamt  Tübingen)  augesehen.  Wenn  nämlich 
wie  in  bairischer  so  auch  in  alemannischer  Mundart  das  Wort  schlichten  —  mit 
klebriger  Masse  überziehen  —  gebräuchlich  wäre,  und  in  der  Gegend  jenes  Ortes 
sich  Lehm  fände,  so  würde  er  seine  Vermuthung  als  gesicbert  betrachten.  Ersteres 
wurde  ihm  nun  von  Angeliörigen  de»  alemannischen  Stammes  bestätigt,  letzteres 
durch  den  vor  kurzer  Zeit  erschienenen  49.  Band  der  amtlichen  Beschreibung  von 


MISCELLEN.  125 

Würtemberg,  wo  S.  350  fg.  ausdrücklich  gesagt  ist,  daß  der  Boden  jener  Gegend 
„aus  einem  leichten,  nicht  tiefgründigen  Lehm  besteht"*.  Dieses  Degerschlacht  = 
Lehmkoth  sei  dann  auch  der  einzige  Name,  der  das  Wort  in  substantivischer  Com- 
position  zeige,  in  allen  übrigen  erscheine  es  als  Adjectiv  feyarin.  In  diesen  Namen 
habe  sich  also  die  ursprüngliche  Form  des  Wortes  mit  dem  r  erhalten,  während  in 
der  gewöhnlichen  Sprache  das  r  in  l  übergegangen  sei.  Bei  der  Verwandtschaft 
und  dem  häufigen  Wechsel  beider  Laute  könne  das  nicht  auffallen ;  sie  zeige  sich 
z.  B.  innerhalb  des  Mittelhochdeutschen,  das  hadel  und  hader,  körpel  und  körper 
biete;  ebenso  z.  B.  auch  in  dörper ,  das  zu  Tölpel,  in  niörter  (lat.  mortarium 
Schmeller  IL  G22),  das  zu  Mörtel  wurde.  Wenn  das  passende  der  Bezeichnung 
sich  an  m'ehreren  Orten  wie  oben  nachweisen  lasse,  so  würde  damit  jeder  Zweifel 
an  der  Richtigkeit  der  neuen  Ableitung  fallen ,  was  wohl  durch  weitere  Forschung 
leicht  sicher  zu  stellen  wäre. 

Der  Vorsitzende  kam  nun  auf  das  in  der  ersten  Sitzung  von  ihm  angeregte 
Urkundenwörterbuch  zurück,  und  da  der  am  vorigen  Tage  in  Würzburg  eingetrof- 
fene Prof.  Lexer  sich  bereit  erklärte,  nach  Beendigung  des  mittelhochdeutschen 
Handwörterbuches  für  den  Hirzel'schen  Verlag  seine  begonnene  Arbeit  für  die  in 
Urkunden  vorkommenden  Wörter  fortzusetzen:  so  sprach  die  Versammlung  den 
Wunsch  aus,  es  möge  demselben  bald  die  Muße  werden ,  zur  Abfassung  zurück- 
zukehren und  dadurch  ein  Hilfsmittel  zu  schaffen,  dessen  die  deutschen  Studien 
namentlich  im  Gebiete  der  Cultur-  und  der  Rechtsgeschichte  kaum  mehr  entbehren 
können.  Die  Mitglieder  der  germanistischen  Section  erklärten  sich  zugleich  erbötig, 
den  Herausgeber  in  seiner  übrigens  durchaus  selbstständigen  Arbeit  durch  Collec- 
taneen,  Nachweisuugen  und  Förderung  jeder  Art  zu  unterstützen. 

Prof.  Lexer  äußerte  hierauf  den  Wunsch ,  daß  man  die  Fortsetzung  der 
Weinhold'schen  Grammatik  der  deutschen  Mundarten  unterstützen  und  dazu  auf- 
muntern solle.  Nachdem  Creizenach  und  Hildebrand  sich  in  demselben  Sinne  aus- 
gesprochen, und  namentlich  letzterer  die  Wichtigkeit  der  nun  zu  bearbeitenden 
rheinischen,  fränkischen  und  mitteldeutschen  Grammatik  hervorgehoben  hatte, 
wurde  der  Antrag  in  folgender  Form  von  der  Versammlung  angenommen: 

„Die  germanistische  Section  der  26.  Versammlung  deutscher  Philologen  und 
Schulmänner  spricht  ihre  Freude  aus  über  Weinholds  treffliche  Leistungen  auf 
dem  Gebiete  der  deutschen  Mundarten  und  den  Wunsch,  daß  er  in  seiner  schwie- 
rigen Arbeit  rüstig  fortschreiten  möge,  wobei  ihm  die  germanistische  Section  ihre 
Unterstützung  zusichert." 

Dann  sprach  Hildebrand  über  die  Sitte  des  Hutabnehmens  beim  Grüßen  und 
suchte  zu  beweisen,  daß  dieselbe  aus  dem  Lehenswesen  herstamme.  Die  meisten 
unserer  Höflichkeitsformen,  für  welche  oft  gar  kein  innerer  Grund  vorliege,  seien 
Bchon  in  älterer  Zeit  entstanden.  So  lasse  sich  das  Ablegen  des  Degens  der  Offi- 
ciere  beim  Eintritt  in  ein  Zimmer  schon  im  Nibelungenliede  finden,  wo  es  von 
Eckewart  heißt,  als  er  nach  Bechelaren  kommt,  um  Rüdigeru  die  Ankunft  der 
Burgunden  zu  melden, 
dat  swert  er  ahe  gurte  und  leitez  von  der  hant.    [Lachm.  1583,  2.  Holzm.  1683,  2.] 

Zur  Erklärung  des  Hutabnehmens  beim  Gruße  könne  eine  Stelle  des  sächsi- 
schen Lehensrechtes  dienen,  worin  dem  Lehensmann  geboten  wird ,  bei  seinem 
Eintritt  beim  Lehensherrn  Alles  abzulegen,  was  er  von  Eisenzeug  an  sich  trägt, 
namentlich  aber  den  huot  und  das  huotelin,  d.  h.  den  Helm  und  die  demselben 
untergelegte  wollene  Kappe.  Er  eoU  alao  vollkommen  wehrlos  dastehen.  Mit  dieser 


126  MISCKLLEN. 

Abstammung  aus  dem  Lehenswesen,  wonach  also  das  Hutabnehmen  ursprünglich 
ein  Zeichen  der  Wehrlosmachung  der  eigenen  Person,  ein  Zeichen  der  vollkom- 
nicucu  Ergebung  und  Ergebenheit  wäre,  stimmen  denn  auch  die  Bezeichnungen 
„mein  Herr"  und  „Ihr  Diener".  Daraus  wird  auch  klar,  warum  die  Frauen  den 
Hut  nicht  abnehmen.  Volle  Bestätigung  aber  findet  diese  Aufi'assung  in  einer  Ge- 
schichte aus  den  Bauernkriegen.  Dort  werden  zwei  Ritter  in  ihrer  Burg  von  den 
Bauern  hart  bedrängt,  und  da  sie  keine  Rettung  mehr  sehen,  hängt  der  eine  seinen 
Helm  an  das  Fenster.  Als  auch  dies  nichts  nützt,  wirft  der  andere  den  Helm  unter 
die  untenstehenden  Bauern  —  sicherlich  als  Zeichen  der  Ergebung.  Als  Maßmann 
hierauf  das  scapel  rucken  erwähnte,  erinnerte  Hildebrand  an  ein  Bild  der  Hundeshagener 
Handschrift,  wo  bei  der  Begrüßung  der  beiden  Königinneu  Brüuhild  zum  Gruße 
die  Hand  an  die  Krone  legt,  und  betonte,  daß  bei  der  Veröffentlichung  und  Erklä- 
rung die  Bilder  in  den  Handschriften  mehr  zu  berücksichtigen  seien. 

De  Vries  berichtete,  daß  das  Hutabnehmen  beim  Gruße  sich  schon  in  den 
niederländischen  Quellen  aus  dem  14.  Jahrhundert  finde;  schon  bei  den  Römern 
sei  der  Hut  das  Zeichen  der  Herrschaft  gewesen,  dabei  erinnerte  er  an  den  Hut 
des  Geßler  in  der  Schweiz. 

Hildebrand  entgegnete,  daß  beim  Hutabnehmen  kein  römischer  Einfluß  an- 
zunehmen sei,  das  einmal  bei  Seneca  vorkommende  Eutblössen  des  Hauptes  beim 
Gruß  sei  ganz  gegen  römische  Sitte,  für  die  Erklärung  unseres  Hutabnehmens  sei 
jedenfalls  der  Zusammenhang  mit  dem  Eisenhute  festzuhalten. 

Dahn  hält  es  für  unzweifelhaft,  daß  unsere  Höflichkeitsformen  aus  der  Höfisch- 
keit, der  curia  feudalis  entstanden  sind,  also  dem  Lehenswesen  ihren  Lirsprung 
verdanken,  Geßlers  Hut  sei  das  Zeichen  der  Gerichtsbarkeit  des  Hauses  Ostreich, 
bei  den  Römern  sei  allerdings  der  Hut  ein  Symbol  der  Freiheit ,  aber  nur  bei  der 
Freilassung. 

Hieran  schlössen  sich  noch  weitere  Bemerkungen  über  ältere  deutsche  Sitten, 
und  nachdem  der  Vorsitzende  noch  auf  das  Bedenkliche  mancher  neueren  For- 
schungen und  auf  die  dadurch  hei-vorgerufene  Unsicherheit  beim  praktischen  Unter- 
richte hingewiesen  hatte,  wurde  die  Sitzung  um  11  Uhr  geschlossen. 

Zu  Beginn  der  dritten  Sitzung,  3.  October  Vormittags  8  Uhr,  theilte 
Gymnasialdirector  Piderit  aus  Hanau  über  Vilmars  Nachlass  mit,  daß  sich  darin 
eine  kritische  Bearbeitung  von  Fischarts  Bienenkorb  finde,  für  welche  es  sich  nur 
um  einen  passenden  Verleger  handele.  Ferner  befinde  sich  in  Vilmars  Nachlasse 
ein  kleines  Weihnachtsspiel  aus  dem  15.  Jahrhundert,  das  früher  im  Besitze  des 
Oberconsistoriakathes  Justi  in  Marburg  gewesen  und  wahrscheinlicher  Weise  noch 
nicht  im  Druck  erschienen  sei.  Außerdem  würde  sich  vielleicht  auch  noch  eines 
oder  das  andere  der  kleineren  Fischartiana,  wie  sie  zum  Theil  bearbeitet  in  Vil- 
mars Papieren  vorlägen,  zum  Drucke  eignen. 

Der  Vorsitzende  war  der  Ansicht,  es  könne  nicht  an  einem  Verleger  für 
Fischartiana  fehlen,  namentlich  da  Vilmars  Kenntnisse  auf  diesem  Gebiete  allge- 
mein anerkannt  und  gerade  der  Bienenkorb  ein  Werk  von  so  großem  zeit-  und 
culturgeschichtlichem  Werthe  sei.  In  Betreff  des  Weihnachtsspieles  erklärte  sich 
Hildebrand  schon  darum  für  den  Druck,  weil  bis»  jetzt  kein  so  altes  Weihnachts- 
spiel bekannt  sei. 

Nach  Verlesung  des  Protokolles  der  gestrigen  Sitzung  durch  den  Unterzeich- 
neten erfolgten  geschäftliche  Mittheilungen  des  Vorsitzenden  in  Betreff  des  nächsten 
Versammlungsortes,  und  da  Hildebrand  einen  Avirklichen  Sectionsbeschliiß  über  das 


MISCELLEN.  127 

Präsidium  bei  der  nächsten  Versammlung  für  nicht  üblich  und  unnöthig  erklärte, 
so  wurden  die  betreifenden  Unterhandlungen  dem  diesjährigen  Vorsitzenden  über- 
lassen. Dieser  bezeichnete  darauf  die  Professoren  Weinhold  und  Möbius  als  muth- 
maßliche  Präsidenten  der  germanistischen  Section  bei  der  nächsten  Philologenver- 
sammlung in  Kiel. 

Nachdem  noch  Candidat  Wülker  aus  Frankfurt  a.  M.'und  Hildebrand  einiges 
zu  den  in  der  zweiten  Sitzung   besprochenen  Höflichkeitsformen  nachgeholt  hatten, 
besprach    Prof.    Creizenach    diejenigen   Persönlichkeiten    des    mittelhochdeutschen 
Dichterkreises,   die  zu  Würzburg  in  näherer  Beziehung  stehen.  Auf  Walther  gehe 
er  nicht  näher  ein  um  der  Vielseitigkeit  und  Fülle  des  Stoffes  willen  ;  nur  weil  seine 
erneute  Grabschrift  uns  aus  einem  Winkel  der  Stiftskirche  begrüße,  wolle  er  ihn 
nicht  unerwähnt  lassen,   damit  die  versammelten  Pfleger  der  deutschen  Sprache 
nicht    der   bekannte  Bann    des    i;arlichen  Hugo  von  Trimberg  treffe.    Auch   über 
Konrad  wolle   er   nicht  weiter  sprechen,   da  demselben  der  Bezug  auf  Würzburg, 
wenigstens  das  Heimatrecht  mit  gewichtigen  Gründen  abgesprochen  werden  soll, 
wenn  ihn  auch   das  Trauergedicht  Frauenlobs  als  den  Helden  von  Wirceburc  be- 
zeichne. Dagegen  widmete  er  eine  eingehende  Besprechung  dem  jüdischen  Minne- 
sänger Süßkind  von  Trimberg  und  konnte  die  Ansicht  von  Bartsch  und  Anderen, 
welche  ihn  nicht  als  Juden  gelten  lassen  wollen ,   durchaus  nicht  für  begründet  er- 
kennen.  Es  scheine  ihm  nicht  hinlänglich  beachtet  worden  zu  sein,  mit  wie  leb- 
haftem Antheil  die  Juden  vom    13.  bis  zum  15.  Jahrhundert  sich  der  deutschen 
Dichtung,  der  ritterlichen  wie  der  volksthümlichen  Heldensage  zuwandten.  Ein- 
zelne Namen  und  Redensarten  bezeugen  dies  noch  jetzt,   wie  wenn  die  Juden  von 
einer  glänzenden  Festlichkeit  berichten,   es  sei  dabei   „zugegangen  wie  in  König 
Artus  Hof".   Schon    der  Name    deute   auf  jüdische  Sitte.  Der  Redner  entwickelte 
hier,  wie  die  Juden  des  Mittelalters  viererlei  Namen  geführt:    1.  patriarchalische 
aus  dem  alten  Testamente ;   es  seien  diese  fast  sämmtlich  in  Gebrauch  gewesen, 
mit  Ausnahme  von  Adam,  Abel  und  wenigen  Anderen ;   2.   griechische  wie  Phöbos 
(Feibisch),  Kleonymos  (Kaiman)  und  Andere;  3.  i-omauische,  besonders  bei  Frauen, 
wie    Bellafiore,    Sprinz    (Esperanza);    4.   deutsche,    und   zwar    entweder   gute  alt- 
deutsche Heldennamen,  wie  Gerhard,  Günther,   Gumprecht,  oder  neu  gebildete 
sogenannte  sprechende  Namen  mit  etwas  geziertem  Beigeschmack;   unter  letzteren 
aber  waren  Süßkind  und  Liebermann  die  verbreitetsten.    —   In  der  Pariser  Hand- 
schrift findet  sich  das  Bild  unseres  Dichters :   er  trägt  jenen  trichterförmigen,  oben 
mit  einer  Kugel  versehenen  Hut,  welcher  allgemein  in  der  kirchlichen  Archäologie 
als  Bezeichnung  der  Juden  gilt.  Die  Urkunde,  nach  welcher  im  Jahre  1218   ein 
Meister  Süßkind  von  Trimberg  mit  dem  San  et  Dietrichsstift  zu  Würzburg,  wo  er 
Arzt  am  Leprosenspitale  war ,  einen  Vertrag  zur  Anlegung  eines  Canals  abschloß, 
findet  sich  nach   ihrem  Wortlaut  in  Längs  bayrischen  Regesten.  Aber  auch  aus 
seinen  Liedern  selbst  kann  man  ohne  Zwang  die  Stellung,   die  er  im  Leben  ein- 
nahm, herauaerkennen,  so  in  der  eigenthümlichen  Entschuldigung  des  Wolfes  und 
in  dem  schwungvollen  Preis  der  Gedankenfreiheit.  In  der  Denkweise  ist  Süßkind  ein 
Zögling  Walthers ;  mit  welchem  inneren  Antheil  mußte  ein  Jude  jener  Zeit  etwa  den 
Spruch  lesen :  „im  dienent  Kristen,  Juden  unde  heiden,  der  elUu  lebendiu  lounder  nert."' 
Daß  aber  weit  mehr  Juden,  als  man  anzunehmen  pflegt,  unsere  Dichter  lasen  und  sich 
mit  den  Anschauungen  der  mittelalterlichen  Dichtung  vertraut  machten,   wird  noch 
durch  weitere  Forschungen   in  überraschender  Weise  bezeugt  werden ;   obwohl  es 
an  sich  weniger  auffixllen   sollte,   wenn  man  bedenkt,  wie  die  jüdische  Poesie  in 


128  MISCELLEN. 

Spanien  auch  das  weltliche  Lied  berührte  und  wie  Immanuel ,  der  jüdische  Maka- 
mendichter,  seinen  Zeitgenossen  Dante  zu  würdigen  verstand. 

Nach  einer  mehrseitig  gewünschten  Pause  wurde  die  Sitzung  um  Va^^  Uhr 
wieder  fortgesetzt:  Dr.  Hildebrand  sprach  alsdann  über  die  jüdisch-deutsche  schöne 
Littoratur  und  machte  namentlich  interessante  Mittheilungen  in  Betreff  eines  im 
Besitze  des  Herrn  Dr.  Hermann  Lotze  in  Leipzig  befindlichen,  zu  Basel  im  Anfange 
des  1 6.  Jahrhunderts  mit  hebräischen  Lettern  gedruckten  Buches ,  welches  eine 
poetische  Bearbeitung  der  Bücher  Samuelis  enthält.  Proben  daraus  lassen  es  als 
ein  episches  Gedicht  des  14.  Jahrhunderts  in  der  Nibelungenstrophe  erkennen  mit 
dem  vollen  Nachklange  der  alten  Volksdichtung.  Die  hebräischen  Lettern  beweisen 
aufs  deutlichste,  daß  es  eine  für  die  Juden  bestimmte  Dichtung  eines  Juden  ist, 
denn  von  anderen  konnte  dieser  die  Kenntniss  jener  Schriftzeichen  wohl  nicht  vor- 
aussetzen. Wir  haben  also  hier  auch  einen  Juden  als  epischen  Dichter,  und  es 
entspringt  daraus  für  die  deutsche  Litteraturgeschichte  ein  doppelter  Gewinn,  nicht 
allein  ein  litterarischer ,  sondern  auch  ein  nationaler  *).  Wie  Hildebrand  von 
Dr.  Lotze  erfahren  hat,  gibt  es  eine  sehr  ausgedehnte  Litteratur  von  solchen  mit 
hebräischen  Lettern  gedruckten  deutschen  Büchern,  die  sich  aus  dem  Mittelalter 
bis  in  die  neue  Zeit  verfolgen  lässt,  und  alle  diese  Dichtungen  sind  von  echt  deut- 
schem Geiste,  von  alterthümlichem  Deutschthum  durchdrungen  und  durchweht. 

Da  Hildebrand  bei  dieser  Gelegenheit  auch  auf  die  altdeutsche  Sitte  des 
Botenbrodes  zu  sprechen  gekommen  war,  so  gründete  er  auf  mehrere  mitgetheilte 
Beobachtungen  die  Behauptung,  daß  die  Juden  im  Mittelalter  recht  eigentlich  die 
Träger  der  deutschen  Cultur  nach  Osten  gewesen,  wohin  sie  aus  Deutschland  ein- 
gewandert seien.  Beweis  dafür  seien  die  deutschredenden  Juden  in  Polen  und  in 
anderen  östlichen  Ländern;  aber  auch  aus  einer  Quelle  am  Ende  des  15.  Jahr- 
hunderts ergebe  sich  dafür  ein  merkwürdiger,  aber  sicherer  Beleg:  Arnold  von  Harf 
warnt  nämlich  in  seiner  Reisebeschreibung  nach  Jerusalem  seine  Landsleute  vor 
den  dortigen  Juden,   weil  die  alle  deutsch  könnten. 

Aus  all  diesem  werde  es  nun  auch  sehr  erklärlich,  daß  im  13.  Jahrhundert 
ein  Jude  Minnesänger  gewesen,  ja  auch  das  gerade  wegen  seiner  hebräischen 
Schriftzeichen  angefochtene  Schlummerlied  trete  dadurch  in  ein  anderes  Licht. 

W^eil  die  Philologenversammlung  ihrem  Schlüsse  nahe  war  und  in  der  allge- 
meinen Sitzung  noch  über  die  Thätigkeit  der  germanistischen  Section  Bericht  er- 
stattet werden  sollte,  so  schloß  der  Vorsitzende  nach  einigen  geschäftlichen  Mit- 
theilungen die  diesjährigen  Verhandlungen,  indem  er  das  Zusammenhalten  und  die 
Ausdauer  der  Theilnehmer  hervorhob,  mit  dem  Wunsche  auf  Wohlergehen,  auf 
Znsammenstehen,  auf  Wiedersehen,  und  man  trennte  sich  kurz  nach  1 1  LThr,  nach- 
dem Hildebrand  noch  dem  Präsidium  und  dem  Secretariate  den  Dank  der  Ver- 
sammlung ausgesprochen  hatte. 

GERA,  im  Decembcr  1868.  LUDWIG  BOSSLEK. 


♦)  Ausführlicheres  über  dieses  Gedicht  soll  demnächst  veröffentlicht  werden. 


DIE    NORDISCHE    PARZIVALSAGA 
UND  IHRE  QUELLE. 

VON 

EUGEN  KÖLBINa. 

I.   Die  Überlieferung-  der  P  a  r  z  i  v  a  1  s  a  g  a. 

Die  Parzivalsaga  ist  uns  in  vier  Handschriften  überliefert ,  über 
die  einige  Notizen  zusammengestellt  sind  ,  zuerst  in  dem  Mabiuogiou 
der  Lady  Guest  I  p.  412,  wo  sich  auch  Facsimiles  von  den  drei  Papier- 
handschriften finden,  dann  in  „Samlingar  utgifna  af  Svenska  fornskrift- 
sällskapet.  Andra  deleu.  Haft  2—4.  Herr  Ivan  Lejon-Riddaren.  Stock- 
holm 1849,  pag.  LXVIH  f.  u.  CXXIX,  jedoch  mit  Hauptberücksich- 
tigung der  Iventssaga  und  ohne  das  Verhältniss  der  Handschriften  zu 
einander  zu  erörtern,  was  nun  hier  geschehen  soll. 

Unter  den  vier  erwähnten  Handschriften  befindet  sich  eine  Per- 
gameuthandschrift,  die  drei  übrigen  sind  Papierhandschriften. 

A,  auf  der  königl.  Bibhothek  in  Stockholm,  bez.  Cod.  Holm.  perg.  6, 
beschrieben  von  A.  J.  Arvidsson:  Förteckuing  öfver  Kongl.  Bibliothe- 
kets  i  Stockholm  isländska  Haudskrifter.  Stockh.  1848,  u.  a.  o.  a.  O. 
Sie  enthält  folgende  Saga's  :  1.  Amiciis  ok  Aem.ilmssaga  Bl.  1 — 3.  Der 
Anfang  scheint  verloren  und  die  erste  Seite  ist  unlesbar.  Die  Saga  ist 
ohne  Kapiteleintheilung.  —  2.  Bevussaga  oh  fru  Josvene,  4'/2  Blatt  (3 — 6). 
Umfasst  den  Anfang  und  den  ersten  Theil  der  Saga ,  worauf  sie  ab- 
bricht, weil,  wie  es  scheint;,  ein  Blatt  fehlt.  Den  übrigen  Theil  der  Saga 
enthält  Blatt  7 — 23.  —  3.  Iventssaga  Arüiskappa.  Titel  Bl.  23 ;  nur  ein- 
zelne Fragmente,  a)  Anfang  Bl.  24—26,  worauf  wahrscheinlich  ein  Blatt 
fehlt,  b)  Bl.  27—35,  wo  wieder  etwas  fehlt,  c)  Bl.  36—39,  Schluß.  -- 
4.  Percivalsaga,  in  zwei  Fragmenten:  a)  Anfang  Bl.  39 — 45.  b)  46 — 56, 
wo  die  Saga  schließt.  —  5.  Valverspattr ,  beginnt  Bl.  56  und  schheßt 
Bl.  61.  Auf  der  folgenden  Seite  hat  man  ein  Schiff  gezeichnet  und  ein 
Kastell  mit  der  Jalu'zahl  1660.  —  6.  Mirmantssaga,  beginnt  BL  56  und 

GEKMANIA.  Neue  Reihe  11.  (XlV.)Jahrg.  9 


130  EUGEN  KÖLBING 

setzt  sich  ununterbrochen  fort  bis  Bl.  69,  wo  der  Schluß  fehlt.  — 
7.  Flovenissaga  Frakka  komings,  beo;innt  Bl.  70  und  setzt  sich  fort 
bis  Bl.  77,  wo  ein  Stück  der  Saga  verloren  gegangen  ist.  Hierauf 
setzt  sie  sich  in  einer  Folge  fort  Bl.  78 — 85.  —  8.  Elissaga,  in  drei 
Fragmenten:  a)  Bl.  8G — 93,  Anfang  der  Saga;  h)  Bl.  94 — 104,  wo  ein 
Blatt  fehlt,  c)  Bl.  105—106.  Hierauf  fehlt  das  Blatt,  Avelches  den  Schluß 
der  Saga  enthält.  —  9.  Konradssaga  keysarasonar,  Bl.  107 — 119.  Voll- 
ständig. —  10.  Jonssaga  Svipdagssonar  ok  Eireks  hins  forvitna.  Bl.  119 
bis  126,  wo  sie  abbricht.  Der  Schluß  fehlt.  —  11.  Mötulssaga.  Ein  Frag- 
ment auf  drei  Seiten  Bl.  127 — 128.  —  12.  Clarussaga  keysarasonar.  Un- 
vollständig. Das  erste  Fragment,  Bl.  128—132,  das  andere  Bl.  133—136. 
Von  Bl.  137  ist  nur  noch  ein  Stück  übrig ,  welches  den  Schluß  der 
Saga  enthält. 

Der  Band  wird  gebildet  durch  zwei  eichene  Holztafeln,  die  im 
Rücken  mit  Lederriemen  befestigt  sind.  Nach  Arvidssons  Ansicht  stammt 
die  Handschrift  aus  dem  14.  oder  dem  Anfang  des  15.  Jahrh.  Abschrift 
der  Parzivalsaga  nach  dieser  Handschrift  habe  ich  genommen  im  Sommer 
1868.  Ich  benütze  diese  Gelegenheit,  um  den  Oberbibliothekaren  Herren 
Dr.  Klemming  in  Stockholm  und  Dr.  Sturson  in  Kopenhagen  für  die  außer- 
ordentliche Liberalität,  mit  der  die  genannten  Gelehrten  mir,  dem  Aus- 
länder ,  die  betreffenden  Handschriften  zur  Verfügung  stellten,  meinen 
wärmsten  Dank  auszusprechen. 

Von  den  drei  Papierhandschriften  liegen  zwei  auf  der  Universitäts- 
bibliothek in  Kopenhagen,  die  dritte  im  britischen  Museum,  a)  Auf 
der  Universitätsbibliothek  zu  Kopenhagen  Cod.  AM  179,  in  groß  Folio, 
in  der  Mitte  des  17.  Jahrhunderts  geschrieben  von  einem  Geistlichen, 
John  Erlendson,  der  angestellt  war,  für  Brynjulf  Sveinsson ,  Bischof 
von  Island,  Handschriften  zu  copieren.  Dies  Manuscript  besteht  aus 
193  Blättern.  Der  Inhalt  ist  folgender :  Saga  af  E)nki  Viäfm^la,  Con- 
radssaga keysarasonar ,  Bevussaga,  Iventspattr ,  Saga  af  Perceval  Hddara, 
Valvers])a,ttr ,  Mirmantssaga ,  af  Clnrus  keysarasyni  (defect) ,  af  Joni 
Svipdagssyni,  Flovenissaga,  Elissaga,  Mötidssaga.  Ein  Facsim.  bei  Lady 
Guest  I ,  Schluß,  b)  Die  andere  in  Kopenhagen  befindliche  Papier- 
handschrift, bez.  AM  181  A,  in  Folio,  enthält  folgende  Saga's:  Ivents- 
saga,  Percevalsaga  und  Valverssaga.  Sie  ist  in  doppelten  Columnen  ge- 
schrieben. Die  Percevalsaga  beginnt  auf  der  zweiten  Columne  von 
pag.  520. 

Schon  aus  diesen  Inhaltsangaben  lässt  sich  schließen,  daß  diese 
Handschriften  direct  oder  indirect  von  der  Pergamenthandschrift  ab- 
stammen.  Diese  Vermuthung  wird  bestätigt  erstens  dadurch,  daß  z.  B. 


DIE  NORDISCHE  PAEZIVALSAGA  UND  IHRE  QUELLE.  131 

die  Lücke  in  der  Mitte  der  Percivalsaga ,  die  ein  Blatt  umfasst,  sich 
in  beiden  Papierhaudschriften  wiederfindet,  indem  in  AM  181  A, 
pag.  523"  an  der  betreffenden  Stelle  der  Saga  leer  gelassen  ist,  wäh- 
rend ebendaselbst  in  AM  179  der  Abschreiber  selbst  am  Rande  be- 
merkt hat,  nach  seiner  Ansieht  fehle  hier  ein  Blatt  in  der  Saga.  d.  h. 
in  seiner  Vorlage.  Dazu  kommt,  daß  an  den  Stellen,  die  ich  mir  in 
meiner  Abschrift  als  in  der  Stockholmer  Hs.  unleserlich  angemerkt  hatte, 
wenigstens  der  Schreiber  von  AM  179  hie  und  da  ebenfalls  kleine 
Lücken  gelassen  hat_,  während  der  Schreiber  von  181  A  Manches  aus 
eigener  Machtvollkommenheit  ergänzt,  indem  sich  allerdings  hier  mit 
Ausnahme  der  fi'ei  gelassenen  Seite  nirgends  eine  Lücke  findet. 

Was  das  Verhältniss  dieser  beiden  Handschriften  unter  einander 
betrifft,  so  ist  zu  bemerken,  daß  die  im  Allgemeinen  etwas  kühn  mit 
dem  Texte  umgehende  b  an  einer  ganzen  Reihe  von  Stellen  mit  der 
Lesart  des  Cod.  Holm,  stimmt,  avo  a  abweicht,  während  letztere  von 
den  meisten  Variauten  der  ersteren  nichts  weiß  ,  woraus  mir  deutlich 
hervorzugehen  scheint,  daß  nicht  etwa  cod.  b,  der  Schreibweise  nach 
wohl  unzAveifelhaft  die  spätere  Handschrift ,  eine  Abschrift  von  a  ist, 
sondern  beide  selbständig  die  Stockholmer  Pergamenthandschrift  zu  ilirer 
Quelle  haben.  Man  vergleiche:  Cap.  I  A  und  ]>:  gvdrn  manna.  a:  gvdra 
riddara  ok  mnnna.  A  und  a:  med  hinum  heztwn  riddnrum.  b:  med  hinvrn 
mestum  kajypum.  Cap.  II  A  und  n:  ]rvi  naesf  kom  hrnin  af  landfiahli. 
b:  Percival  kom  nt  landtialdi.  Cap.  III  A  und  b:  ]>a  skaid  honom-  med 
foeti  sinum  af  reidi  i  midjan  eldinn^  a:  ])a  skanf  hann  honom  med  foeti 
sinum  i  midjan  eldinn  af  reidi .  Cap.  V:  spwt  ok  skiöld  ok  styra  etc.  in 
A  und  b.  Dagegen  a:  spiof  siff  ok  merki,  skiöld  ok  styra  etc.  Gap.  VI 
A  und  a:  Sidan  hinn  dyrligi  madr  sverdif  etc.  b  ergänzt  fok'  also  :  /Si- 
dan  tok  hinn  dyrligi  madr  sverdif.  A  u.  b  :  Nu  skaitu  mmia  ])at  er  ek 
hoda  per.  a  schreibt  hoda  in  den  Text ,  doch  findet  sich  von  der- 
selben Hand  überschrieben  das  richtige  haiid.  Cap.  VII,  A  u.  b  :  En 
hin  kiirteisa  maer  er  hann  herherged.  a  fehlt :  er  hann  herhergdi.  A  u,  a : 
ok  pessi  skal  min  vera  hin  sidasta  nott.  b  :  ok  pessi  skal  vera  min 
hin  sidasta.  nott. 

c)  Die  dritte  Papierhandschrift  befindet  sich  im  britischen  Museum  ; 
bez.  MS.  4859.  Auch  dies  ist  wahrscheinHch  eine  —  der  Schreibart 
nach  zu  urtheileu,  ziemlich  späte  —  Abschrift  des  Stockholmer  Codex; 
ich  lasse  hier  eine  Abschrift  des  Anfangs  dieser  Handschrift  folgen, 
wie  sich  derselbe  auf  dem  Facsimile  in  dem  ersten  Bande  des  Mabi- 
nogion  findet,  verglichen  mit  der  entsprechenden  Stelle  in  A: 

9* 


132  EUGEN  KÖLBING 


Sva  byriar  )iessa  sögii  ath  karl  bio  So  byrjar  sögu  Jiessa  ad  karl  bio  ok 

ok  atti  ser  kerlingu.  ])au  attu  son  ath  ein-  atte  sier  kellingu.  ))au  attii  son  at  ain- 

berni  er  het  Pai-ceval.     )>essi    karl  var  benie   er  biet  Perceval.  ])essi  karl  var 

bondi  atli  nafnbot  eiin  riddare  atli  tignu.  bonde  nefudur,  eu  riddare  at  tygn.  Han 

Hann  hafdi  verit  allra  kappa  mestr,  hanu  hafde  vered    allra   kappa  mestur,    han 

hafdi  tekit  konungs  dottiir  ath  herfangi  hafde  teked  kongs  dottur  ad  herfange  ok 

ok  settiz  sidaun  i  ))a  bygct  J)vi  at  hann  settest  sydan  }iui  han  Jiorde   ei  millum 

))ordiekki  millum  annaramanna  athvera.  anuara  manna  at  vera. 

Die  erwähnten  Angaben  der  Lady  Giiest  über  unsere  Hand- 
schriften sind  sehr  flüchtig.  Sie  hat  noch  gar  keine  Kenntniss  von  der 
Existenz  der  Stockholmer  Pergamenthandschrift  und  versetzt  statt  dessen 
die  Arnae-Magnaeanischen  Handschriften  nach  Stockhohn.  Noch  schlim- 
mer steht  es  freilich  um  die  Notiz  Potvins  (Bibliographie  de  Chrestiens 
de  Troyes.  Comparaison  des  manuscrits  de  Perceval  le  Gallois,  p.  16) 
über  diese  nordischen  Handschriften.  Sie  lautet:  XVH"  siecle.  Traduction 
en  islandais.  Deux  manuscrits,  un  a  Stockholm  et  un  a  Londres.  Voir 
le  Mabinoghion.  Nicht  nur,  daß  Potvin  übersieht,  daß  die  Lady  Guest 
zwei  Stockholmer  Handschriften  erwähnt,  daß  ihm  gar  nicht  auffällig 
ist,  daß  AM  Manuscripte  in  Stockholm  liegen  sollen,  der  schlimmste 
Schnitzer  ist  der,  daß,  weil  die  Verfasserin  der  Mabinogion  die  erste 
der  Papierhandschriften  in  das  17.  Jahrhundert  setzt,  Potvin  sich  nicht 
geniert,  deshalb  —  denn  einen  andern  Grund  kann  er  nicht  gehabt 
haben,  weil  ihm  die  Saga  selbst  unbekannt  ist  —  die  isländische  Über- 
tragung unter  den  „traductions  et  imitations",  als  im  17.  Jahrhundert 
verfasst,  zuletzt  anzugeben.  Übrigens  ist  auch  Möbius  (Catalogus  p.  79) 
die  Stockholmer  Pergamenthandschrift  nicht  bekannt ,  indem  er  nur 
die  drei  oben  erwähnten  Papierhandschriften  anführt. 

IL   Der  Inhalt  der  P  a  r  z  i  v  a  1  s  a  g  a. 

Cap.  I.  Die  Saga  beginnt  mit  Parzivals  Vater ,  der ,  obwohl  er 
eigentlich  nur  Bonde  ist,  offenbar  seiner  Tapferkeit  wegen,  und  —  was 
mehrmals  hervorgehoben  Avird  —  weil  er  aus  vornehmem  Geschlechte 
stammt,  des  Königs  Tochter  zur  Frau  bekommen  hat.  Er  zieht  sich 
dann  mit  Frau  und  Kind  in  eine  Einöde  zurück,  weil,  wie  es  heißt, 
er  nicht  wagte,  im  Kreise  der  anderen  Männer  sich  aufzuhalten.  Im 
Verlaufe  des  Capitels  erfahren  wir,  daß  er,  durch  zu  weit  gehende 
Ausübung  der  Gastfreundschaft  um  seinen  Reichthum  gekommen,  dahin 
geflohen  ist,  wo  dann  Parzival  seine  Jugend  verlebt,  d.  h.  in  eine  Wüste, 
deren  Name  jedoch  in  der  Saga  nicht  genannt  wird.  Von  seinem  Vater 


DIE  NORDISCHE  PARZIVALSAGA  UND  IHRE  QUELLE.  133 

im  Speerwerfen  unterrichtet,  pflegt  Parzival  nach  dessen  Tode  im  Walde 
Thiere  und  Vögel  zu  schießen.    Als  er  12  Jahr  alt  ist ,    sieht  er  eines 
Tages  im  Walde  fünf  Ritter,    deren  einer  ihn  fragt,    ob  er  drei  Ritter 
und  mit  ihnen  zwei  Frauen  gesehen  habe  vorbeireiten.    Parzival   fragt 
ihn,  ob  er  „Gott"  sei,  weil,  wie  er  sagt,  er  von  seiner  Mutter  gehört 
hat,  es  gebe  nichts  so  Schönes  als  Gott.    Der  Ritter  verneint  das  und 
verweist   bei   der   Frage  Parzivals    nach    seinen  Waffen    denselben    auf 
den  König  Artus,  der  solche  Waffen  austheile.  Zu  seiner  Mutter  zurück- 
gekehrt,    besteht  Parzival  darauf,    zum  König  Artus  zu  ziehen,    und 
nachdem  dieselbe  vergeblich  versucht  hat,  ihm  diese  Idee  auszureden 
macht  sie  ihm  Kleider,    „wie  es  dem  Sohne  eines  Kohlenbrenners  ge- 
ziemte zu  tragen".  Nochmals  darauf  aufmerksam  gemacht,  daß  er  nichts 
von  dem  verstehe,  was  einem  Ritter  zu  wissen  nöthig  sei,  verweist  er 
auf  seine  edle  Herkunft  und  auf  die  zu  erwartende  Unterweisung  von 
Seiten  Anderer.    Darauf  geht  seine  Mutter  ein  und  gibt  ihm  nur  noch 
einige  gute  Lehren  mit  auf  den  Weg:  er  solle  gottesfürchtig  sein,  sei- 
nem Herrn  treu  dienen,    sich  der  Räuberei  enthalten,    wenn  ihm  eine 
Frau  gefiele,    nicht  mehr  mit  Gewalt  von  ihr  nehmen   als  einen  Kuss, 
wenn  er  Jemanden  im  Zweikampf  besiege ,    ihn  nicht  tödten,    solle  in 
der  Gesellschaft  braver  Männer  nicht  zu  viel  sprechen  und  lieber  ohne 
Gesellschaft   als    in    schlechter  Gesellschaft   reisen.     Der  Jüngling   ver- 
spricht, diese  Rathschläge  zu  befolgen  und  trennt  sich  bei  einer  Brücke 
von  seiner  Mutter.   „Und  als  er  zurück  sah,  sah  er  seine  Mutter  in  Ohn- 
macht liegen.  Aber  er  achtete  nicht  darauf." 

Cap.  2.  Parzival  kommt  dann  zu  einem  Zelte,  wo  er  eine  schöne 
Frau  allein  trifft,  deren  Geliebter  auf  die  Jagd  gegangen  war,  und  sie, 
auf  die  Erlaubniss  seiner  Mutter  sich  berufend ,  gegen  ihren  Willen 
kttsst  und  außerdem  sich  Speise  und  Trank  nimmt ,  die  er  im  Zelte 
findet.  Als  dann  nach  Parzivals  Entfernung  jener  von  der  Jagd  zurück- 
kehrt und  von  der  Frau  das  Geschehene  hört ,  auch  nicht  nur  sein 
Essen,  sondern  auch  ihren  Fingerring  vermisst ,  den  Parzival  schliei^- 
lich  noch  mitgenommen  hat ,  schenkt  er  ihrer  Darstellung  keinen 
Glauben ,  hält  sie  für  untreu  und  verspricht  zur  Strafe  ihr  das  Leben 
so  schwer  als  möglich  zu  machen. 

Parzival  reitet  nun  weiter  und  fragt  einen  Bauer  nach  dem  Schlosse 
des  Königs  Artus.  Dieser  zeigt  ihm  den  Weg  und  fügt  hinzu,  er  werde 
den  König  heiter  und  traurig  treffen ,  heiter  wegen  eines  erfochtenen 
Sieges ,  traurig  weil  seine  Ritter  in  verschiedene  Schlösser  versprengt 
seien.  In  der  Nähe  des  Schlosses  trifft  er  einen  Ritter  in  rother  Rüstung, 
die  ihm  so  gut  gefällt,  daß  er  beschließt,  sich  dieselbe  vom  König  Artus 


134  EUGEN  KÖLBING 

zu  erbitten.  Außerdem  träji;t  jener  einen  Goldbecher  in  der  Hand.  Als 
auf  sein  Befragen  Parzival  ihm  gesagt,  was  er  beim  König  wolle,  trägt 
jener  ihm  noch  auf,  dem  König  zu  sagen,  wenn  er  sein  Reich  gegen 
ihn  schützen  wollte,  so  möchte  er  einen  seiner  Ritter  heraus  schicken, 
um  mit  ihm  zu  kämpfen.  Parzival  weist  ihn  ab  und  reitet  in  die  Halle 
des  Schlosses,  wo  er  Artus,  den  dessen  Page  Jonet  ihm  zeigt,  grüßt, 
aber  von  dem  in  Betrübniss  versunkenen  König  nicht  beachtet  wird, 
bis  er  sich  endlich  etwas  derb  bemerklich  macht;  der  König  begräßt 
ihn  nun  freundlich ,  gibt  als  Ursache  seiner  Betrübniss  die  Frechheit 
des  rothen  Ritters  an,  der  nicht  nur  sein  Reich  beanspruche,  sondern 
es  sogar  gewagt  habe,  einen  goldenen  Becher  von  seinem  Tisch  Aveg- 
zunehmen  und  die  Königin  mit  dem  Weine  zu  begießen,  und  verspricht 
Parzival  ,  ihn  seiner  Bitte  gemäß  zum  Ritter  zu  machen.  Seine  Bitte 
um  die  rothen  Waffen  beantwortet  K?ei ,  der  Rathgeber  des  Königs, 
durch  eine  höhnische  Bewilligung  derselben,  die  ihm  einen  derben  Ver- 
weis von  Seiten  des  Königs  zuzieht,  der  den  Muth  des  Jünglings  lobt. 

Cap.  3.  Mitten  in  der  Halle  trifft  Parzival  dann  ein  schönes  und 
höfisches  junges  Mädchen,  das  ihn  mit  freundlichem  Lächeln  grüßt  und 
ihm  seine  künftige  Berühmtheit  als  tapferer  Ritter  prophezeit.  Ksei 
schlägt  sie  dafür  im  Zorn  so,  daß  sie  sogleich  hinsinkt  und  wh'ft  auf 
dem  Rückweg  den  Narren  des  Königs,  der  sich  ähnlich  ausgesprochen 
hat ,  mitten  in  das  Feuer.  Parzival  aber  entfernt  sich  eilig  ,  um  den 
rothen  Ritter  aufzusuchen.  Nach  einigem  Wortwechsel  mit  demselben 
tödtet  ihn  zum  Schluß  Parzival  mit  seinem  Speer  durch  einen  Schuß  ins 
Auge.  Bei  der  Entwaffnung  des  Todten ,  dessen  Leichnam  er  schon 
glaubt  verbrennen  zu  müssen,  hilft  ihm  dann  Jonet,  der  aus  Neugierde 
aus  einiger  Entfernung  zugesehen  hat ,  ihn  jedoch  nicht  dazu  be- 
wegen kann ,  die  von  seiner  Mutter  gemachten  Kleider  auszuziehen. 
Er  zieht  die  des  rothen  Ritters  darüber,  gibt  Jonet  sein  Pferd  und  den 
entwendeten  goldenen  Becher,  den  er  dem  König  überbringen  soll, 
während  er  der  Maid ,  die  Keei  geschlagen  hatte ,  das  Versprechen 
sendet,  sie  zu  rächen. 

Cap.  4.  In  die  Halle  des  Königs  zurückgekehrt,  richtet  Jonet  das 
ihm  Aufgetragene  aus  und  erzählt  die  That  Parzivals,  in  Folge  dessen 
Ksei  vom  König  wegen  seines  vorigen  Auftretens  gegen  den  Jüngling 
noch  einmal  hart  getadelt  wird.  Der  Narr  des  Königs  prophezeit  ihm, 
er  werde  zur  Strafe  für  seine  GcAvaltthätigkeiten  gegen  das  Mädchen 
und  ihn  den  rechten  Arm  brechen.  Der  König  wirft  Ksei  besonders 
das  vor ,  daß  er  den  tapfern  aber  unerfahrnen  Jüngling  durch  semen 
Spott  fortgetrieben  habe. 


DIE   NOEDISCHE  PAKZIVALSAGA  UND  IHEE  QUELLE.  I35 

Cap.  5.  Weiter  reitend  kommt  nun  Parzival  zu  einem  gut  ver- 
schanzten Schlosse,  aus  dem  ein  kostbar  gekleideter  Mann  heraustritt, 
der  ihn  sowohl  über  seine  Reise  als  über  den  Gebrauch  der  Waifen 
ausfragt,  Avährend  Parzival  ihn  um  ein  Nachtquartier  in  seinem  Schlosse 
bittet.  Es  zeigt  ihm  dieser  dann  die  ritterlichen  Übungen ;  der  auf- 
merksame Jüngling  fasst  dieselben  sehr  schnell  auf  und  zeigt  darin 
sogleich  eine  große  Geschicklichkeit,  spricht  auch  mehrmals  den  AVunsch 
aus,  noch  mehr  in  ritterlichen  .Künsten  zu  lernen. 

Cap.  6.  Nach  einigen  anderen  Übungen  mit  Schwert  und  Lanze 
gehen  sie  in  das  Haus  ,  wo  Parzival  erfährt ,  daß  sein  Wirth  Gor- 
manz  heißt,  aus  Groholi.  Doch  versucht  dieser  vergebens,  Parzival 
zu  längerem  Verbleiben  bei  sich  zu  vermögen,  weil  dieser  wieder  seine 
Mutter  aufsuchen  will.  Am  nächsten  Morgen  überredet  ihn  sein  Wirth 
mit  Mühe ,  seine  von  seiner  Mutter  gemachten  Kleider  gegen  neue, 
kostbare  einzutauschen ,  und  gibt  ihm  überdies  einige  Lehren  mit  auf 
den  Weg;  er  solle,  wenn  er  einen  Ritter  besiegt  habe  und  dieser  um 
Frieden  bitte,  ihn  nicht  erschlagen;  solle  Hilflose  unterstützen,  gottes- 
fürchtig  sein  und  die  Kirche  besuchen  und  nicht  sich  zu  geschwätzig 
zeigen.  Schließlich  fordert  er  ihn  auf,  nicht  mehr  bei  allem,  was  er  thue, 
sich  auf  die  von  seiner  Mutter  ihm  gegebenen  Vorschriften  zu  berufen, 
sondern  auf  die  seinigen ,  der  ihn  erst  zum  Ritter  gemacht  habe. 
Parzival  bedankt  sich  und  eilt  fort ,  und  kommt  nach  einiger  Zeit 
wieder  zu  einem  starken  Schloss ,  wo  er  eine  schöne  Jungfi-au  am 
Fenster  sieht.  Drei  Ritter  öffnen  ihm  und  die  Jungfrau  führt  ihn  in  eine 
schöne  Halle,  wo,  da  er  Gormanz  Rath  noch  im  Gedächtniss  hat,  nicht 
zu  viel  zu  reden ,  er  gänzlich  schweigt ,  bis  ihn  die  Jungfrau  durch 
Fragen  zum  Reden  nöthigt.  Sie  erzählt  ihm,  die  Burg  werde  belagert 
und  den  Insassen  derselben  fehle  es  gänzlich  an  Lebensmitteln.  Später 
geleitet  man  ihn  zu  seinem  Bett,  wo  er  sogleich  in  Schlaf  sinkt. 

Cap.  7.  Die  Jungfrau  aber  kann  vor  Sorgen  nicht  schlafen  ;  sie 
steht  auf,  geht  in  das  Schlafgemach  ihres  Gastes,  setzt  sich  vor  sein 
Bett  und  weint  so  sehr,  daß  sie  sein  Gesicht  ganz  in  ihren  Thränen 
badet.  Er  erwacht ,  redet  sie  freundlich  an ,  und  sie  erzählt  ihm  die 
Ursache  ihres  Kummers,  die  Belagerung  ihrer  Burg,  den  Verlust  des 
größten  Theils  ihrer  Ritter  und  die  schlimme  Aussicht,  bald  die  Burg 
und  sich  den  Feinden  übergeben  zu  müssen.  Parzival  beruhigt  sie  und 
vertröstet  sie  auf  den  nächsten  Tag. 

Cap.  8.  Auf  sein  Zureden  bleibt  dann  die  Jungfrau  den  übrigen 
Theil  der  Nacht  bei  ihm  an  alla  synd  und  geht  erst  gegen  Morgen 
in  ihr  Schlafgemach  zmilck.    Am  Morgen  verspricht  ihr  Parzival,   ihr 


136  EUGEN  KÖLBING 

Reich  von  ihren  Feinden  /,u  befreien  und  erbittet  sich  dafür  als  Lohn 
ihre  Liebe ,  was  sie  ihm  nach  einigem  Zögern  zugesteht.  —  Es  folgt 
die  Lücke  ,  in  der  wahrscheinlich  die  Besiegung  Gingvars ,  des  Rath- 
gebers  des  Königs  Klamadis  ,  erzählt  wurde ;  Parzival  schickt  diesen 
dann  zu  König  Artus,  da  er  den  um  Frieden  Bittenden  nicht  erschlagen 
will.  Die  Jungfrau  empfängt  ihn  hocherfreut. 

Cap.  9.  Der  König  Klamadis  empfängt  die  Nachricht  von  der  Be- 
siegung seines  Rathgebers  ;  der  Bote  räth  von  der  Burg  abzuziehen. 
Ein  anderer  Rathgeber  des  Königs  schlägt  einen  neuen  Angriff  vor, 
bei  dem  nur  Avenige  Ritter  offen  gegen  die  Burg  geschickt  werden 
sollen,  das  übrige  Heer  aber  in  den  Hinterhalt  gelegt  werden  soll,  da- 
mit der  neu  angekommene  Ritter  so  herausgelockt  und  gefangen  ge- 
nommen werden  könne,  besonders  da  die  muthlose  und  ausgehungerte 
Besatzimg  der  Burg  nicht  im  Stande  sein  werde,  ihm  zu  Hilfe  zu 
kommen.  Da  dieser  Plan  dem  König  gefällt,  so  wird  er  ausgeführt, 
glückt  aber  in  Folge  der  Tapferkeit  und  Umsicht  Parzivals  und  der 
Burggenossen  so  wenig ,  daß  Klamadis  mit  großem  Verluste  wieder 
abziehen  muß.  Der  Rathgeber  des  Königs  weiß  diesen  jedoch  zu  be- 
reden, die  Burg  in  Erwartung  baldiger  Übergabe  derselben  noch  ener- 
gischer als  bisher  zu  belagern.  Als  jedoch  in  Folge  eines  Sturmes  ein 
Proviantschiff  in  den  Hafen  getrieben ,  und  die  Besatzung  dadurch 
auf  lange  mit  Lebensmitteln  versorgt  Avird ,  da  fordert  der  König  die 
Ritter  der  Besatzimg  zum  Zweikampf  heraus  und  Parzival  nimmt  zur 
großen  Betrüb niss  der  Blankiflur  die  Forderung  an. 

Cap.  10.  Der  Zweikampf  geht  vor  sich,  erst  zu  Pferde,  dann  zu 
Fuß ,  bis  endlich  der  König  ermüdet  und  Parzival  um  Frieden  bittet. 
Dieser  schickt  ihn  zum  König  Artus  und  zu  der  Jungfi-au ,  die  Ksei 
schlug,  damit  er  dort  alles  erzähle,  wie  es  sich  zugetr'agen  habe.  Zu- 
gleich muß  er  versprechen,  die  Gefangenen  alle  frei  zu  geben  und  nie 
wieder  gegen  Blankiflur  feindlich  aufzutreten.  Es  folgt  der  sehr  ausführ- 
lich geschilderte  Empfang  des  Königs  Klamidis  (Klamadis)  an  Artus  Hof, 
wo  Gingvars  sich  bereits  aufhält.  Klamidis  erzählt  von  dem  Kampfe  und 
richtet  einen  Gruß  aus  an  die  Jungfrau ;,  die  Ksei  schlug ,  mit  dem 
Versprechen  der  Rache.  Niemand  ft-eut  sich  darüber  mehr  als  der  Narr 
des  Königs,  der  Ksei  aufs  Neue  vorhersagt,  daß  er  zur  Strafe  den  Arm 
brechen  werde ;  auch  der  König  tadelt  ihn  Avieder  um  sein  früheres 
Benehmen.  Klamidis  aber  bleibt  als  hoch  geachteter  Ritter  im  Gefolge 
des  Königs  Artus.  —  Parzival  wird  vergebens  Blankiflurs  Hand  luid 
die  Regierung  ihre^s  Reiches  angeboten.    Er  schlägt  Beides  einstweilen 


DIE    NOEDISCHE  PARZIVALSAGA  UND  IHRE  QUELLE.  I37 

aus,  verspriclit  aber  wiederzukehren,  nachdem  er  sich  über  das  Schick- 
sal seiner  Mutter  vergewissert  habe. 

Cap.  11.  Nachdem  er  hier  Abschied  genommen  hat  und  den  ganzen 
Tag  geritten  ist,  kommt  er  Abends  an  einen  großen  Fluß,  auf  dem  er 
ein  Fahrzeug  mit  mehreren  Männern  sieht,  deren  einer  sich  mit  Fischen 
beschäftigt.  Der  vorn  im  Boote  sagt  dem  um  eine  Nachtherberge  ver- 
legenen Parzival  den  Weg  zu  seinem  Schlosse,  das  dieser  erst  nicht 
findet  und  sich  darum  betrogen  glaubt^  dann  aber  doch  noch  ausfindig 
macht.  Von  Jünglingen  bedient,  gelangt  er  in  eine  prächtig  ausgestattete 
Halle,  wo  er  einen  ehrwürdigen  Greis  sitzen  sieht,  der  sich  entschuldigt, 
daß  er  in  Folge  seiner  Krankheit  dem  Gaste  nicht  entgegen  gegangen. 
Ein  dem  Greise  von  einer  Verwandten  geschicktes  Schwert  macht  dieser 
Parzival  zum  Geschenk.  Sodann  erscheint  ein  Jüngling,  der  einen  blu- 
tenden Spieß  trägt,  nach  dessen  Bedeutung  Parzival,  der  Warnung  des 
Gormanz  eingedenk,  nicht  zu  fragen  wagt.  Dann  kommen  zwei  schöne 
Jünglinge  herein ,  die  in  ihren  Händen  Leuchter  von  lauterem  Golde 
tragen,  imd  ihnen  folgt  eine  schöne  Jungfrau,  die  etwas  in  den  Händen 
trägt,  pvi  likast  sem  textiis  vceri,  auf  nordisch  gangandi  greicTi  genannt, 
wovon  ein  so  glänzendes  Licht  scheint,  daß  es  alles  Andere  überstrahlt. 
Ihr  folgt  noch  eine  andere  Jungfrau.  Auch  da  wagt  Parzival  nicht 
nach  der  Bedeutung  zu  fragen.  Nach  der  Abendmalzeit  schlägt  man 
ihm  ein  Bett  auf  und  er  schläft  bis  zum  Tag,  wo  er  sich  mit  Erstaunen 
allein  findet.  Nachdem  er  eine  Strecke  geritten,  trifft  er  eine  klagende 
Frau,  die  ihren  todten  Gatten  im  Arm  hält. 

Cap.  12.  Parzival  fragt  sie  nach  dem  Mörder  ihres  Mannes  und 
erzählt  seinerseits  von  seiner  Nachtherberge.  Sie  erzählt  ihm,  der  könig- 
liche Fischer  sei  im  Kampfe  unheilbar  in  beide  Schenkel  geschossen  und 
die  Fischerei  sei  seine  einzige  Unterhaltung.  Darüber  daß  er  nicht  nach 
der  Bedeutung  dessen  gefragt,  was  er  gesehen,  beklagt  sie  ihn  mehr  als 
daß  sie  ihn  tadelt,  weil  der  königliche  Fischer  dadurch  gesund  und  froh 
geworden  wäre.  Dann  erzählt  sie  ihm  vom  Tode  seiner  Mutter,  die  sie 
selber  mit  zu  Grabe  geleitet  hat,  als  deren  und  Parzivals  Verwandte. 
Das  Anerbieten  mit  ihm  zu  ziehen  schlägt  sie  aus  und  warnt  ihn  schließ- 
lich noch  vor  dem  ihm  geschenkten  Schwert,  das  in  der  Gefahr  zer- 
springen Averde. 

Cap.  13.  Beim  Weiterreiten  trifft  Parzival  ein  mageres  Ross  und 
eine  in  Lumpen  gekleidete  Frau  darauf,  die  ihn  als  den  wieder  erkennt, 
der  sie  ins  Unglück  gestürzt.  Auf  sein  Verlangen  erzählt  sie  ihm  ihre 
Geschichte.  Darüber  kehrt  ihr  Gatte  heim ,  droht  Parzival  im  Kampfe 
zu  tödten,  erzählt  ihm  aber  erst  noch  von  dem  Kuss-,  Ring-  und  Speise- 


138  EUGEN  KÖLßING 

räubcr,  und  spricht  sich  dahin  aus,  daß  wer  soviel  bekomme,  auch  mehr 
sich  zu  verschaffen  wisse.  Parzival  gibt  sich  selbst  als  den  Thäter  an 
imd  vertheidigt  die  Unschuld  der  Frau,  erst  mit  Worten  und  dann, 
angegriffen,  auch  thatsächlich  mit  dem  Schwert.  Er  besiegt  den  Ritter, 
nimmt  ihm  das  Versprechen  ab,  die  Frau  von  nun  an  gut  zu  behandeln 
und  mit  ihr  zu  Artus  Hof  zu  ziehen  und  gibt  ihm  dieselbe  Botschaft 
mit  wie  frilher  Klamadis,  mit  dem  Zusatz,  er  werde  nicht  eher  wieder 
in  Artus  Gefolge  eintreten,  bis  er  die  Jungfrau  gerächt  habe,  die  Kaii 
geschlagen.  Der  Ritter  zieht  zu  Artus  und  richtet  die  Botschaft  aus, 
die  Ksei  wieder  Drohungen  vom  Narren  und  Vorwürfe  vom  König 
einträgt.  Dieser  beschließt ,  am  nächsten  Morgen  mit  seinem  Gefolge 
auszuziehen ,  um  Parzival  aufzusuchen.  Er  führt  dies  auch  aus  und 
lagert  sich  auf  einem  Feld,  auf  das  den  Tag  über  viel  Schnee  fällt. 
Parzival  kommt  auch  dorthin  und  einige  von  einer  verwundeten  Ente 
auf  dem  Schnee  verursachte  Blutstropfen  erinnern  ihn  an  Blaukiflur, 
deren  Gesicht  ebenso  weiß  und  roth  gewesen  war  und  er  versinkt  in 
tiefes  Nachdenken. 

Cap.  14.  Den  Ritter  Sigimor,  der  ihn  zu  Artus  fähren  soll,  wirft 
er  im  Kampfe  vom  Rosse;  ebenso  geht  es  dem  prahlerischen  Ksei,  der 
noch  außerdem  beim  Falle  den  Arm  bricht;  endlich  Valver  bringt  ihn 
mit  Güte  dazu,  ihm  zum  König  Artus  zu  folgen,  avo  es  sich  herausstellt, 
daß  es  der  gesuchte  Parzival  ist.  Er  begrüßt  dann  auch  die  Königin 
und  die  Jungfrau ,  deren  Schmach  er  nun  glänzend  an  Ksei  gerächt 
hat.  —  Im  Laufe  des  folgenden  Tages  kommt  eine  hässliche  Jungfrau 
zu  Artus  Gefolge,  welche  die  Ritter  zu  verschiedenen  ruhmvollen  Waffen- 
thaten  anregt,  und  nur  Parzival  wegen  seines  Nicht-Fragens  mit  Ver- 
achtung behandelt. 

Cap.  15.  Einige  der  Ritter  entschließen  sich  nun  auch  zu  diesen 
Unternehmungen,  Parzival  will  nicht  eher  zurückkommen,  als  bis  er  weiß, 
was  der  gangandi  greidi  ist,  Valver  aber  muß,  weil  er  einen  vornehmen 
Ritter  erschlagen,  zum  König  von  Kapalon  ziehen,  um  mit  diesem  einen 
Zweikampf  auszufechten.  Unterwegs  kommt  er  gerade  zurecht  zu  einem 
Gefecht,  das  zwischen  den  Rittern  des  Meliander  und  denen  des  Saibas 
stattfinden  soll,  veranlasst  durch  Saibas  Tochter,  die  Meliander  nicht 
eher  ihre  Gunst  zuwenden  wollte,  bis  er  sich  als  Ritter  ausgezeichnet 
habe.  Valver  reitet  näher  und  wird  von  der  höchsten  Schießscharte 
des  Thurmes  aus  von  Saibas  Töchtern  gesehen,  von  denen  die  jüngere 
ihn  für  einen  tapfern  Ritter  hält  und  seine  Partei  nimmt,  während  die 
ältere   nur   für   ihren  Liebhaber  Meliander   schwärmt.    Der  Streit   geht 


DIE  NOEDISCHE  PAEZIVALSAGA  UND  IHKE  QUELLE.  139 

SO  weit,  daß  zuletzt  die  Altere  im  Zorn  die  Jüngere  schlägt.  Am  Abend 
hört  der  Kampf  ohne  Eudeutscheidimg  auf. 

Cap.  16.  Der  Rathgeber  des  Saibas,  Garius,  gewährt  Valver  bei 
sich  Herberge  und  besänftigt  auch  den  König,  der,  durch  seine  ältere 
Tochter  veranlasst,  ihn  wie  einen  Dieb  bestrafen  lassen  will.  Der  jün- 
geren Tochter  des  Königs  verspricht  er,  am  nächsten  Morgen,  um  ihre 
Ehre  zu  retten ,  am  Gefechte  theilzunehmen  ;  dieselbe  gibt  ihm  auch, 
von  ihrem  Vater  veranlasst,  am  Morgen  ihre  gidlstuka*)  zum  Erinne- 
rungszeichen ,  während  die  ältere  Tochter  vom  Vater  einen  scharfen 
Verweis  bekommt.  —  Bald  nach  Beginn  des  Kampfes  besiegt  Valver 
den  Meliander  und  wirft  ihn  zu  Boden ,  und  nach  ihm  noch  eine  An- 
zahl anderer  Ritter,  so  daß  man  ihm  von  beiden  Seiten  aus  den  Preis 
der  Tapferkeit  zuerkennt. 

Cap.  17.  Vergebens  zu  einem  längeren  Verweilen  aufgefordert, 
reitet  er  weiter  und  begegnet  einem  Zuge  von  Rittern,  deren  einer  ihn  zu 
seinem  Schlosse,  wo  seine  Schwester  wohnt,  geleiten  lässt.  Diese  nimmt 
ihn  gastfrei  auf  und  sie  kommen  sehr  bald  bis  zum  Austausch  von 
Zärtlichkeiten ,  die  aber  durch  einen  thörichten  Krieger  unterbro- 
chen werden,  der  sie  belehrt,  es  sei  der  Mörder  ihres  Vaters,  gegen 
den  sie  sich  so  freundlich  bezeige,  und  darauf  gegen  sie  Beide  Alles 
in  Waffen  ruft.  Man  belagert  die  Bm'g,  bis  endlich  der  König,  durch 
Gandilbrasit  herbeigerufen,  dem  Volke  diese  Gewaltthätigkeiten  verbietet. 
Valver  muß  nur  geloben,  sich  zum  Zweikampf  in  12  Monaten  zu  stellen 
und  wo  möglich  den  Spieß  mitzubringen,  der  aus  der  Spitze  blutet, 
wenn  er  ihn  erlangen  könne. 

Cap.  18.  Inzwischen  ist  Parzival  fünf  Jahre  als  Ritter  umherge- 
schweift, ohne  sich  um  Gott  und  Kirche  zu  kümmern.  Da  begegnet  er 
an  einem  Charfreitag  drei  Rittern  in  Wollkleidern  und  barfuß,  die  eben 
von  einem  Priester  kommen,  wo  sie  ihre  Sünden  bekannt  haben.  Par- 
zival fällt ,  als  er  dies  hört ,  seine  Gottlosigkeit  scliAver  aufs  Herz ,  er 
zieht  ebenfalls  zu  dem  Priester  und  bekennt  ihm,  wie  er  gelebt  habe 
und  wie  es  ihm  ergangen  sei:  die  Trennung  von  seiner  Mutter  gegen 
ihren  Willen,  die  Unterlassung  der  Frage  dem  königlichen  Fischer 
gegenüber  und  sein  jetziges  planloses  Umherschweifen.  Der  Priester 
gibt  ihm  noch  einige  Aufschlüsse  über  die  Erlebnisse  auf  der  räthsel- 
haften  Burg ,  empfiehlt  ihm  Gottesfurcht  ,  fleißigen  Kircheubesuch 
und  andere  Tugenden   filr   sein  ferneres  Leben  und   entlässt  ihn  nach 


*)  Stuka  wohl  stüehe. 


140  EUGEN  KÖLBING  , 

zwei  Tagen.  Er  reitet  nun  wieder  zu  Blankiflurs  Burg,  heirathet  sie, 
tibernimmt  die  Regierung  über  ihr  Reich  und  zeichnet  sich  in  Waffen- 
thaten  vor  allen  Rittern  seiner  Zeit  aus. 

III.    Die  Quelle  derParzivalsaga. 

1.  Die  erste  Frage,  die  sich  uns  bei  der  Untersuchung  über  die 
Quelle  der  nordischen  Parzivalsaga  aufdrängt,  ist  die,  ob  eine  Bearbei- 
tung aus  dem  Französischen  oder  aus  dem  Deutschen  vorliegt.  Als 
richtige  Fingerzeige  bieten  sich  uns  gleich  zwei  Momente,  einmal  daß 
Parzivals  Gattin  nicht,  wie  bei  Wolfram  Kondwiramur,  sondern,  offenbar 
nach  dem  Französischen,  Blankiflur  heiüt ;  ferner  eine  Stelle,  Bl.  49*, 
wo  es  vom  Gral  heißt:  Jrvi  naest  gekk  in  ein  ß5gr  mar  ok  har  i  höndum 
ser  pvi  likast,  sem  textus  vcvri;  en peir  i  völsku  fnali  kalla  graal,  en  ver 
megum  kalla  ganganda  greiäa  (Chrestiens:  un  graal  antre  ses  dos  mains  une 
demoisele  fenoif  etc.).  Dieses  und  Ahnliches  weist  auf  eine  französische 
Quelle  hin  ,  und  die  Frage  ist  nur,  ob  Avir  uns  an  den  französischen 
Prosaroman  oder  an  das  bekannte  Werk  Chrestiens,  Perceval  le  Gallois, 
zu  halten,  oder  etwa  an  eine  andere  französische  Bearbeitung,  als  die 
beiden  uns  erhaltenen ,  zu  denken  haben.  Wie  sehr  abweichend  der 
Inhalt  des  Prosaromans  von  dem  der  nordischen  Saga  ist,  ergibt  sich 
schon,  wenn  man  ein  Stück  des  Sommaire,  das  Potvin  seiner  Ausgabe 
(Perceval  le  Gallois  ou  le  conte  du  graal.  Public  d'apres  les  manuscrits 
originaux  par  Ch.  Potvin.  Premiere  partie  :  Le  roman  en  prose)  bei- 
gefügt hat,  mit  dem  oben  angegebenen  Inhalt  unserer  Saga  vergleicht. 
Ich  lasse  daher  ein  Stück  dieses  Sommaire  hier  folgen :  Ohjet  du  livre, 
autorite,  hut,  page  1.  —  Lignage  de  Perceval,  2.  —  Decadence  du  rot 
Arthur,  sa  resolntion  de  se  relever.  II  part  et  tue  le  Noir  Hermite,  4 — 17.  — 
Histoire  de  la  jeunesse  de  Perceval,  17 — 20.  —  Prophet ie  an  roi,  22.  — 
Fete  ä  la  cour.  L'ecu  de  Joseph  d'Arimathie  y  est  envoye  par  le  roi  Pecheur, 
il  est  destine  au  Bon  Chevalier,  23.  — •  Gauvain  se  met  ä  la  recherche 
du  Graal,  il  hat  un  chevalier  du  Noir  Hermite,  28 — 32.  —  Clamados 
cherche  P.  pour  venger  son  pere,  35—39.  —  G.  secourt  la  mPre  de  Per- 
ceval ei  lui  rend  son  chäteau,  40 — 4.5.  —  Histoire  de  Marin  lejaloux  qui 
tue  safemme,  45 — 54.  —  Histoire  de  V  Orgueilleuse.  G.  lid  echappe,  55—58. 
—  G.  adopte  lefils  du  jaloux,  Meliot  de  Logres,  59.  —  P.  malade  apres 
un  echec  au  Graal,  62.  —  G.  n'est  pas  recu  au  chäteau  du  Graal  parce  qu'il 
n'a  pas  l'epee  de  saint  Jean.  II  la  cherche,  63 — 69.  —  TZ  reftise  l'amour  des 
demoiselles  des  Tentes,  et  la  mauvaise  coutume,  69 — 70.  i?  venge  Gorgalan, 
qui  lui  donne  l'epee  de  saint  Jean  et  sefait  ehret ien,  70—76.  —   G.  retourne 


DIE  NORDISCHE  PAEZFV  ALSAGA  UND  IHEE  QUELLE.  141 

au  chdffau  du  Graal ;  diverses  aventures  l'arretenf^  il  y  arrive,  77  —  79.  — 
G.  voit  deux  fois  le   Graal;,  ü  se  tait  et  eclione,  79 — 91. 

Schon  dieser  kurze  Abschnitt  des  Inhaltsverzeichnisses  zeigt,  daß 
die  Verschiedenheiten  in  beiden  Bearbeitungen  —  der  nordischen  und 
der  französischen  Prosa  —  viel  größer  sind  als  die  Ubereiustimmungen 
und  wir  können  daher,  auch  ohne  eine  Einzelvergleichung  beider  Texte 
anzustellen ,  die  Vermuthung ,  daß  der  eine  dem  andern  zur  Vorlage 
gedient  habe,  als  unmöglich  zurückweisen. 

Werfen  wir  nun  einen  allgemeinen  Blick  auf  das  Werk  Chrestiinis. 
Wir  wissen ,  daß  in  einem  Theil  der  Handschriften  Chrestieus  Werk 
nur  soweit  existiert ,  als  Wolfram  (nach  Rochats  Untersuchungen, 
Germ.  III  p.  81  ss,  IV  p.  414  ss)  demselben  in  den  Abschnitten  118 
bis  650  mehr  oder  minder  genau  gefolgt  ist  (die  Hss.  werden  bezeichnet 
als  Percheval  le  vieil)  und  daß  schon  von  anderer  Seite  wahrscheinlich 
gemacht  worden  ist,  daß  die  nur  in  einem  Manuscript  enthaltene  Vor- 
geschichte später  von  einem  Anderen  hinzugedichtet  sei.  Halten  war 
nun  dazu,  daß  in  unserer  Saga  ebenfalls  die  Vorgeschichte  fehlt,  daß 
die  Saga  ungefähr  bei  Wolframs  503.  Abschnitt  schließt,  d.  h.  da,  wo 
Grawans  Abenteuer  wieder  in  den  Vordergrund  treten,  und  daß,  worauf 
ich  am  Schlüsse  zurückkommen  werde,  in  der  Stockholmer  Handschrift 
gleich  auf  die  Parzivalsaga  ein  ValversJ)attr  folgt ,  der  höchst  wahr- 
scheinlich die  noch  übrigen  Abenteuer  Gawans  (in  der  Saga  Valver 
genannt)  enthält,  so  wird  aus  allem  diesem  schon  mein*  als  wahrschein- 
lich, daß  der  Verfasser  der  Saga  direct  nach  Chrestiens  Werk  arbeitete, 
und  zwar  muß  er  noch  dies  allein,  ohne  die  Arbeiten  seiner  Nachdichter, 
vor  sich  gehabt  haben.  Die  jetzt  nach  der  erst  kürzlich  erschieneneu 
Ausgabe  des  fi-anzösischen  Textes  (Chrestien  de  Troyes ,  Perceval  le 
Gallois  public  d'apres  le  manuscrit  de  Mons  par  Gh.  Potvin,  Mous  1865) 
mit  Hinzunahme  der  oben  angeführten  Aufsätze  von  Rochat  anzustel- 
lende Einzelvergleichung  wird  diese  Vermuthung  bestätigen  und  zur 
Gewissheit  erheben. 

2.  Am  selbständigsten  ist  der  Autor  der  Saga  sicherlich  am  An- 
fang verfahren,  wo  er  sich  die  an  zwei  Stellen  der  Saga  verschieden 
erzählte  Vorgeschichte  selbst  erdenkt,  wie  ich  es  oben  in  der  Inhalts- 
angabe bemerkte.  Im  Ganzen  ist  der  Eingang  noch  viel  knapper  und 
kürzer  gehalten  als  bei  Chrestiens. 

Genau  stimmen  folgende  Stelleu : 


142 


EUGEN  KOLBING 


Chrestiens. 
V.  98  (1314):*) 
tant  qu'il  oit  ^  parmi  lo^  gaut 
veiiir  5  Chevaliers  armes 


Die  Saga. 

Ok  einn    dag  sa   hann    rida  fimm  rid- 
dara. 


Ich  will  hier  besonderes  Gewicht  legen  auf  die  Zahl  5,  da  bei  Wolfram 
es  nur  4  Ritter  sind,  die  nicht  einmal  zusammen  erscheinen.  Abwei- 
chend von  beiden  Versionen  zieht  sich  in  der  Saga  der  Knabe  skam- 
fidligr  in  den  Wald  zurück  und  muß  erst  von  einem  der  Ritter  auf- 
gesucht werden,  während  er  dort  vor  den  Rittern  auf  die  Knie  fallt. 

V.  168    (1386): 
estes  ^  vos  '*  dex  ?  nenil  ^  par  foi. 
qui  estes  vos^?  Chevaliers  sui. 


Ell  honom  vard  ekki  annat  a  munni  en 
sjjyrja  riddarann  ef  hann  vaeri  gud. 

Eiddarinn  svaradi :   Ek  er  eigi  gud. 

]ia  tekr  sveininn  a  skildi  hans  ok  fretti 
hvat  Jjat  vaeri. 


V.  252  ff.    (1470): 
Et  li  valles  lo  tenoit  pris 
au  pan  do  '  haubert,   si  lo  *  tire, 
et  11  valles  conmance  a  dire : 
qu'est  ce  ^  que  vos  aves  vestu? 

V.  282  ff.   (1500): 
n'a  pas  '"  encor  cinq  iors  antiers  '\ 
que  tot  '^  ce  '"  harnois  me  dona 
li  rois  Artus  qui  m'adoba'*. 

Die  Scene  mit  den  Bauern  fehlt  in  der  Saga. 

Sveininn  kom  til  modur  hans  ok  maelti : 


Riddarinn  sagdi  honom  at  jjetta  varu  allt 
vopn  J)au  er  Artus  konungr  gaf  honom. 


V.  338  f.   (1558): 
et  li  valles  ne  s'est  pas  fainz  '^ 
de  repairier  ^®  a  son  menoir  ^'. 

V.  367  f.   (1587): 
qu'iP^  sont  plus  bei,   si  con  ie  cuit' 
que  dex'-^"  ne  que'"^  si^^  ange  tuit. 

V.  464  ff.   (1692): 
et  si  li  aparoillier  vient^' 
de  chenevaz  ^*  grosse  chemise  '^^ 
et  braies  l'aites  a  la  guise 


Ek  hygg  at  ek  hefi  set  gud  i  dag  er  J)u 
kvedr  öllu  vera  fegra. 

....  J>a  giordi  hon  honom  klaedi  eptir 
bonda  sid  sva  sem  kolkarls  barni  byrjadi 
at  hafa.  Fekk  hann  drumbu  nya,  stak  ok 


1  M.  Ol.  2  le.  3  n'iestes.  4  vous.  5  naic.  6  dont.  7  del.  8  le.  1472  or  me 
dites,  fait  il,  biaus  sire.  9  que  c'est.  10  mie.  11  entiers.  12  tout.  13  cest.  14  adouba. 
15  fains.  IG  retorner.  17  manoir.  18  il.  19  si  com  jou  quic.  20  dieu.  21  et  ke. 
22  li.    23  et  si  l'aparelle  et  atoure.    24  kanevas.  25  cemise. 

*)  Wenn  in  der  Anführung  der  Verse  zwei  Zahlen  angemerkt  sind ,  so  bezieht 
sich  die  erste  auf  die  Berner  Hs.,  die  Rochat  benützte,  die  -zweite  auf  die  Monser.  Die 
angegebenen  Varianten  gehören  der  letzteren  an.  Findet  sich  nur  eine  Zahl ,  so  ist 
die  ganze  Stelle  aus  der  Monser  Hs.  angeführt. 


DIE  NORDISCHE  PAEZIVALSAGA  UND   IHRE  QUELLE. 


143 


de  Gualois  ^  o  ^  Ten  fait  '^  ensauble  * 
braies  et  chauces  ^,  ce  me  sanble  ** ; 
et  si  ot  cote  et  cbaperon  ^. 

V.  568  s.   (1796}: 
a  la  maniere  et  a  la  guise 
de  Gualois*  fu  apparoillies^; 
uns  revelins  ot  an  ses  pies  ^^. 

V.  512  SS.   (1740): 
De  pueele  a  moult,  qui  la  *  *  baise, 
se  lo  baisier  vos  en  consent; 
lo  soreplus  vos  eu  deflfant, 
se  ^"  laissier  lo  volez  '^  por  moi. 

V.  529   (1757): 
biaux  ^*  fils  '•'  a  ^®  prodomes  parlez  ", 
et  conpaignie  loi'  tenez ; 
prodome  '**  ne  forconsoille  ^^  niie 
oes  qui  tienent "°  sa  conpaignie. 

V.  580  SS.   (1808): 
plorant  lo  " '  baise  au  departir, 
la  mere,  qui  moult  cbier  "  l'avoit. 

V.  588   (1816): 
si  se  retorne  ""^  et  voit  chaue  " 
sa  mere  au  chief  "^  do  "''  pont  ariere, 
et  git'*'^  pasmee  en  tel  meniere 
con  ^^  s'ele  fust  chaoite  "^  morte. 


hetu  ofan  ifra  vindinga  ok  a  foetr  hrif- 
liuga*). 


Ok  Jio  at  jiik  lysti  til  nökurar  konu,  l>a 
tak  eigi  meira  af  tlienni  nauiUgri  en 
einn  koss. 


Fa  ])er    anuatbvoit    godau    felaga    edr 
öngvan. 


Hon  leiddi  hann  or  gardi  med  hiygju 
hiai'ta  ok  harmsfullum  ti-ega  ok  skildust 
Jjau  vid  eina  bru.  Ok  er  bann  loit  aptr, 
pii  sa  bann  modur  sina  liggja  i  uviti.  En 
hann  gaf  ekki  gaum  at  J^vi. 


Wenn  wir  auf  kleine  Umstände  achten  wollen,  so  ist  hier  zu  bemerken, 
daß  Wolfram  von  einem  Abschied  an  einer  Brücke  nichts  weiß.  Die 
entsprechende  Stelle  bei  ihm  heißt  128,  IG: 

[frou]  Herzeloyde  in  kuste  und  lief  im  nach. 

der  werkle  riwe  aldä  gescbacb. 

dö  si  ir  sun  nibt  langer  sach, 

(der  reit  envvec:   wemst  deste  baz?) 

dö  viel  diu  frouwe  valsches  laz 

üf  die  erde,  aldä  si  jämer  sneit, 

so  daz  se  ein  sterben  niht  vermeit. 


1  Gales.  2  ö.  3  fet.  4  ensamble.  5  cauces.  6  samble,  7  caperon.  8  Ga- 
lois.  9  apparellies  10  avoit  es  pies.  11  ki  le.  12  ce.  13  le  voles.  14  biaus. 
15  fius.  16  as.  17  parles.  v.  1758:  avoec  les  preudomes  ales.  18  preudom.  19  for- 
conselle.  20  celui  ki  tient.  21  le.  22  cier.  23  se  retonie  et  si.  24  cheue.  25  cief. 
2G  del.     27  glut.     28  com.     29  keue. 

*)  hriflino^a  mhd.  ribbalin.  Im  mhd.  Wörterbuch  wird  die  Notiz  Wackernagels 
angeführt,  der  das  französische  ruban,  das  englische  ribban  vergleicht.  Daran  ist  gar 
nicht  zu  denken,  denn  im  Altfranzösischen  steht  an  dieser  Stelle  revelins,  woraus  un- 
mittelbar ribbalin  gemacht  ist.  Über  den  Ursprung  von  revelins  gibt  auch  Diez  keine 
befriediffeude  Auskunft. 


144 


EUGEN  KÖLBING 


Es  läßt  sich  nicht  leugnen,  daß  schon  hier  die  Saga  viel  genauer  mit 
der  französischen  Vorlage  stimmt,  als  Wolfi'am. 

Die  Dame  im  Zelte.  „Die  Namen  Jeschute  und  Orilus  begegnen 
bei  Chrestiens  nicht.  Erst  später  erfahren  wir,  daß  der  Ritter  li  orgueil- 
leus  heißt."  So  Rochat  a.  a.  O.  Ebenso  steht  es  in  unserer  Saga,  und 
dem  Ausdruck  li  orgueiUeus  entspricht,  ebenfalls  an  einer  späteren  Stelle, 
hinn  dramhlati. 

V.  604  (1832): 
il  vit  un  tref  tendu. 

V.  631  ff.   (1862): 
a  tili  '  lo  "  tref  un  lit  covert  •'. 
d'une  coute'*  de  paile  i  voit^ 
«51  lit  une  dame  gisoit 
qui  estoit  iqui  endormie. 

V.  653    (1881): 
l;i  pucele  "^  de  paor  tranble  ', 
por  le  vallet  qui  fol  ^  li  saiible  ', 
viilles  '**,  fait-ele,  tieu  ta  ''  voie, 
fui,   que  '"  mes  amis  ne  te  voie. 

V.  657   (1887): 
ains  vos  baiserai  par  mou  cliief '•^, 
f'ait  li  valles  '*,   cui  que  '^  soit  grief, 


\>\\  naest  koin  hanu  at  laudtialdi  einu, 
ok  fann  Jaar  ekki  nema  eina  kona  fagra, 
)3vi  at  unnasti  lieunar  var  eigi  heima. 
Var  bann  farinn  a  veidar.  Hann  taladi 
vid  hana  blidum  ordum.  En  hon  bad 
hann  brott  dragast  sem  skiotast,  sagdi 
at  honom  myndi  eigi  duga  ef  unnasti 
hennar  kaemi  heim. 


fjue  "'  ma  mei-e  lo  "  m'enseigna  '**   . 

li  valles  avoit  les  bras  fors, 

si  lenbraca  '^  moult  uiceinent, 

qu'il  ^^  ne  lo  * ^  sot  faire  autremeut. 

el  int  sor  le  lit  estandue, 

et  cele  s'est  bien  ^^  deffandue  *', 

et  gandilla  quant  qu'ele  **  pot, 

mais  deffance'"*  mestier  ni''^  ot, 

que  li  valles  tot  de  randon  ^' 

la  baisa,  vosist  ele,   o  nou    .... 

v.  698    (1928): 
li  valles^*  a  son  euer  ne  met 
rien  ^^  nule  de  ce  que  il  ot, 
mais  de  ce'"  que  geune^'  ot 
nioroit  de  fuim^''  a  male  fiii. 
un  bocel  ■*"*  trove  ^^  plein  de  vin. 


En  beiddi  koss  af  lienni,  en  hon  neitadi. 
Hann  kysti  hana  )5a  at  naudgu  ok  maelti : 
Eigi  beidumst  ek  meira,  \>\'\  at  modir 
min  fyrirbaud  mer  at  taka  konn  naudga. 


Matar  beidist  hann,  en  hon  sagdi  öug- 
van  vera.  Hann  raiisakadi  jia  ok  fann 
)jria  leifa  ok  jiar  med  vin  ok  ok  hann  [lat. 


1  emmi.  2  le.  3  couvert.  4  kioute.  5  avoit.  v.  1864  s.  :  El  lit,  tonte  seule 
f^isoit  une  damoisiele  endormie.  6  puciele.  7  tranible.  8  fos.  9  .samble.  10  vallet. 
11  ta.  12  ke.  13  cief.  14  varles,  15  qui  qu'il.  16  car.  17  le,  18  meiisegna. 
19  Tembraca.  20  car  il.  21  nel.  v.  189.3:  mis  l'a  sor  lui  toute  estendue.  22  moult. 
2.3  deffendue.  24  kank'ele.  25  detfense.  26  u'i.  27  en  un  randon.  28  valles.  29  riens. 
V.  1929 :  riens  nule  de  quanque  il  ot.  30  cou.  31  jeune.  32  faiu.  33  boucel. 
34  tiTieve. 


DIE  NORDISCHE  PARZIVALSAGA  UND  IHRE  QUELLE. 


145 


et  Uli  enap  '  d'argcut  selonc, 
et  voit  sur  ^  un  trossel  ^  de  ionc 
une  toaille*  blanche  nueve^; 
et  ^  la  '  soulieve  ^  et  si  trueve  ^ 
trois  bons  pastes  d'un  chevroil  free,  . 
un  des  pastes  devant  lui  froisse  '", 
si  maniue  "  par  grant  talent, 
et  verse  '^  en  la  cope  ^^  d'argent 
do  ^*  vin  qui  '^  n'estoit  mie  laiz  ^*, 
si  ^'  en  boit  sovent  et  ^*  grans  trais. 

(v.  1904): 
tant  c'un  anel  en  son  doit  vit 
a  une  esmeraude  moult  eiere  ^^. 

(v.  1913): 
li  valles  ^"  par  lo  poing  '^^  la  ^*  prent 
a  force  lo  doi^'  li  estant  ^*  etc. 

V.  727    (1956): 
et  pris^*  congie  tot^**  maintenant, 
et^'  conmanda*^^  a  deu^^  celi 
cui  ses  ^"^  salus  point**^  n'abeli  ^^. 
dex  vos  ■'^  saut,  fait  il,  bele  amie. 

V.  746   (1974): 
puis  n'ala  gaires  demorant 
que  ses  amis  do  bois  revint. 

V.  750   (1978): 
et  sa  mie  ^*  plorant  trova. 

V.  755   (1983): 
mais  un  vallet  Grualois*''  i  ot 
enieus  '^  et  vilain  et  sot 
qui  de  vostre  vin  a  beu 
tant  con  li  *'  plot  et  bon  li  fu  .  .  . 

(v.  1992:) 
nies  agnes  ^^  est  en  la  querele  ^^i 
qui  lo  m'a  tolu,   si  l'enporte. 

V.  785   (2014): 
ne  ia***  ne  mangera  d'avaine 
vostre  chevaux*',  ne  u'iert  ferrez*'^ 


Hann  tok  af  heniii  eitt  fingrgull, 


ok  po  het  hann  at  ötnbuna  lienni.  En 
hon  bad  troll  liafa  hann  allan  ok  sva 
hans  ömbun.   Sidan  reid  hann  i  brott, 


en  unnasti  liennar  kom  heim  ok  fretti 
hvat  vildi  hennar  ugledi. 


En  hon  sagdi  at  ])ar  kom  einn  garungr 
ok  kysti  hana  naudga  ok  tok  af  henni 
fingrgull  ok  at  ok  drakk  Jaat  er  hann 
vildi. 


Hestr  Jiinn  skal  hafa  ekki  fodr  ok  pn 
illt  fostr  ok  litinn  mat,  sva  J)0  at  pu  me- 


1  hauap.  2  sor.  3  torsiel.  4  touaile.  5  blance  et  nueve.  6  il.  7  le.  8  sous- 
lieve.  9  et  desos  tiiieve.  v.  1937:  III  pastes  tVois  de  kevrius  fais.  10  maintenant  froisce. 
11  et  mangue.  12  vierse.  13  coupe.  14  del.  15  ki.  16  lais.  17  et.  18  ä.  v.  1904: 
I  analet  en  sen  doit  vit.  19  clere.  20  varles.  21  le  doit.  22  le.  23  le  doit.  24  estent. 
26  prist.  26  de.  27  si.  28  coumanda.  29  Dieu.  30  li.  31  pas.  32  n'abieli.  33  vous. 
V.  1975 :  ses  amis  ki  del  bos  revint.  34  s'amie.  35  galois.  36  anieus.  v.  1985 :  qui  a 
de  vo.stre  vin  beu.  37  com  lui.  38  aniaus.  39  queriele.  v.  1993:  qu'il  m'a  tolut  et 
si  Temporte.     40  que  ja.     41  cevaux.     42  ne  n'ert  sainies. 

GKRMAXIA.  Neue  Reihe  II.  (XIV.)  Jahrg.  10 


146 


EUGEN  KOLBING 


tant  que  eil  estera  tuez 

si  *  muert,  vos  me  siurez  ^  a  pie  '. 

V.  788   (2020): 
ne  jamais  ne  seront  cangie  ^ 
li  drap  dont  vos  estes  vestue, 
ains  me  siurez  *  a  pie  **  et  nue. 


gir  Ufa  vid  til  J)ess  er  ek  veit  at  sönnu 
af  per.  En  ef  hestr  pinn  deyr,  pa.  skalt 
))u  a  foeti  hlaupa. 


Aldri  skalt  J)u  önnur  klaedi  hafa  en 
l:)essi  ok  nokkut  skalt  pu  ganga  allt  til 
j)ess  er  ek  hefi  hef'nd  jiess  er  )iik  svivirdi. 

Chrestiens  lässt  nicht  den  Ritter  Parzival  verfolgen,  wie  Wolfi-am.  Die 

Saga  auch  nicht. 

Parzival  bes:es:net  bei  Wolfram  der  mn  den  todten  Schionatulauder 
trauernden  Sigune.  Chrestiens  erwähnt  beide  nicht,  sondern  lässt,  gleich 
nach  788,  Percheval  auf  einen  Kohlenbrenner  treflfen,  der  ihm  den  Weg 
nach  Arthurs  Hof  weist ;  bei  Wolfi-ara  ist  es  ein  Fischer ,  in  dessen 
Hütte  Parzival  die  Nacht  zubringt.  Von  Nantes  ist  bei  Chi'estiens  die 
Rede  nicht.  Was  diese  Abweichungen  beider  Versionen  betrifft,  so  ist 
auch  hier  nur  zu  bemerken,  daß  unsere  Saga  sich  ti'eu  an  Chrestiens  hält. 

Der  Anfang  der  Erzählung  von  dem  rothen  Ritter  stimmt  im  Fran- 
zösischen und  Nordischen  fast  wörtlich: 
V.  827   (2057): 


et  vit  ^  issir  par  mi  la  porte 
un  Chevalier  qui  armes  porte, 
une  cope^  d'or  en  sa  main; 
sa  lance  tenoit  et  son  frain 
et  son  escu  a**  la  senestre, 


ok  sa  lianu  rida  einn  riddara  or  hlicti 
kastalans  ok  helt  med  vinstri  hendi  spiot 
ok  skiöld  ok  beizl,  en  i  hoegri  hendi  bar 
hann  eitt  guUker  med  loki  ok  soemdi  ho- 
nom  einkar  vel  klsedin,  er  kann  bar.  jjau 
vopn  varu  öll  med  raudum  lit  ok  öU  haus 
hameskia. 


et  la  cope  ^**  d'or  an  *  ^  la  destre ; 
et  ses  ai-mes  bien  li  seoicnt  *" 
qui  totes  vermoillcs  ^^  estoient. 

Es  folgt  die  Ankunft  an  Artus  Hof.  Greifen  wir  einige  Partieen  heraus, 
in  denen  die  Übereinstimmung  am  Auffallendsten  ist: 


v.  877   (2107): 
Tant  qu'Yvones  ^*  contre  lui  vint 
qui  un  costel  '*  en  sa  main  tint. 
Valles  ^^,  fait-il,  tu  qui  ca  viens, 
qui  lo  costel  *'  cn  ta  main  tiens, 
mostre  moi  liques  "*  est  li  rois. 
Yvones  ^®,  qui  raoult  fu  cortois, 
lidist:   „amis,  vees*"lelä." 
et  eil  tantost  vers  lui  ala, 
sei'  salue'*^  si  con""  il  sot. 


til  })ess  er  Jonet  skutilsveinn  kouungs 
gekk  til  hans  beraudi  knif  i  hendi  J)vi 
at  hann  skar  mat  fyrir  konunginn:  „}ju 
madr,  er  knitinn  hefir,  seg  mer  hvar 
konungi-inn  er."  En  Jonet  var  hinn  kui*- 
teisasti  madr  ok  sagdi  honom  med  bli- 
dum  ordum  hvar  konungrinn  sat.  En 
hann  jafnskiott  skundadi  jiannig  ok  heil- 
sadi  konunginum. 


V.  2016 :  tant  que  je  m'en  sarai  vengies.  1  s'il.  2  sivrcs.  3  ä  pie.  4  cangie. 
6  sivres.  6  a  pie.  7  voit.  v.  2058:  I  chevalier,  et  voit  que  porte.  8  coupe.  9  en. 
10  coupe.  11  en.  12  seoient.  13  vermelles.  14  tant  c'uns  serjans.  15  coutiel. 
16    varlet.       17    le  coutiel.      18    liques.     19    li    varles.      20  vees.      21  sahia.     22  com. 


DIE  NORDISCHE  PARZIVALSAGA  UND  IHRE  QUELLE. 


147 


V.  2116:  (nach  M.) 
Li  rois  peusa,  ains  ne  dist  mot; 
et  eil  autre  fois  Taraisomie, 
et  li  roi  pense,  et  mot  ne  sonne, 
par  foi,  fait  li  varles  adoucqnes, 
eis  rois  ne  fist  ehevalier  onquesj 
quant  on  n'en  puet  parole  traire, 
coment  poroit  ehevalier  faire? 

Atant  dou  retorner  s'atorne, 
le  chief  de  sou  cacheor  torne, 
mais  si  pr6s  del  roi  l'a  menet, 
a  guise  d'ome  mal  seuet, 
que  devant  le  roi,  sor  la  table, 
li  abati,  sans  nule  fable, 
Del  cief  son  capel  de  bounet. 

Li  rois  torue  vers  le  vallet 

son  ehief  que  il  avoit  baissie ; 

si  a  tout  son  pense  laissie, 

et  dist:  Biaus  frere,   bien  viguies 

et  proi  vous  c'ä  mal  ne  taingnies 

eou  que  vostre  salu  n'ooie; 

d'ire  respoudre  ne  pooie, 

que  li  pire  anemis  que  j'ai, 

qui  plus  me  hct,   dont  plus  m'esmai, 

m'a  ei  ma  tiere  contredite, 

et  tant  ensoing  que  toute  quite 

dist  qu'il  l'aura,   u  voe.lle  u  non; 

li  Vermaus  Chevaliers  a  nom 

de  la  foriest  de  Kinkerloi. 

et  la  ro'iue  devant  nioi 

estoit  ehi  veuue  seoir, 

pour  conforter  et  por  veoir 

les  Chevaliers  qui  sont  blecie. 

ne  m'eust  gaires  courecie 

li  Chevaliers  de  kank'  il  dist, 

mais  devant  moi  ma  coupe  prist 

et  si  folement  l'euleva 

que  sour  la  roi'ne  viersa 

tous  li  vins  dont  ele  estoit  plaine; 

ci  ot  oevre  laide  et  vilaine. 


En  konungr  sat  ahyggjufuUr  ok  svaradi 
öngu.  Sveinninn  orti  orda  a  hann  i  an- 
nat  sinn  ok  jiagdi  hann.  ))a  majlti  svein- 
ninn :  Jiat  veit  tru  min,  at  jiessi  konungr 
giorir  aldri  riddara,  er  eingi  madr  faer 
ord  af  honom. 


Ok  jafnskiott  byz  sveinn  i  brott  at  fara 
ok  sneri  hesti  sinum  til  hallar  duranna. 
En  hann  hafdi  sva  nser  riditkonunginum, 
sem  hann  vissi  ekki  gott.  Ok  i  pvi  er 
hann  sneri  hesti  sinum,  }ia  feldi  hann 
hat  konungsins  af  höfdi  honom  ok  a 
bordit  fyrir  hann. 

En  konungr  hepti  Jia  ahyggju  sina  ok 
snerist  at  sveiuinum  ok  maelti:  J)u  godr 
madr  ert  vel  kominn,  ek  bid  at  )5U  fyrir- 
kunnir  mik  eigi,  )30  at  ek  pegdi  J)vi  at 
ek  matta  eigi  svara  J^er  fyrir  ahyggju  ok 
reidi.  Hinn  mesti  uvin  min  klandar  mik 
taed  ofiind  ok  kallar  til  rikis  mins  ok  se- 
gir  at  hann  skal  |)at  hafa  hvart  sem  ek 
vil  edr  eigi,  ok  heitir  hann  hinn  raudi 
riddari.  Hann  byr  i  mörk  Jieirri  er  heitir 
Kvinkvarie.  En  drottning  var  er  her  ko- 
min  at  hugga  riddara  vara  er  sarir  eru. 
Ok  hefdi  mik  Jsat  litt  angrat,  er  ridda- 
rinn  m«lti,  nema  hann  giordi  ])at  a  ofan 
mer  til  svivirdingar  at  hann  tok  brott 
bordker  mitt  ok  slo  vininu  öllu  i  fang 
drottninginni. 


Die  meist  wörtliche  Überelustimmung  in  diesem  Abschnitte  ist  augen- 
fällig. Für  die  folgende  Partie  genüge  die  Versicherung;  daß  es  damit 
eben  so  steht. 


10  = 


148 


EUGEN  KOLBING 


Ell  sau  bann  |)0  vera  bsecti  frictan  ok 
vaskligan. 

ok  a  miöju  hallar  golfinni  msetti  liaun 
eiuni  fagri  ok  kurteisi  mey  ok  heilsaSi 
henni  ok  hon  honom  ok  mselti  til  hans 
blidum  ordum:  Sveinn,  sagdi  hon,  ef 
ek  lifi  nokkura  stund,  pa.  veit  ek  at  sönnu 
sem  mer  segir  hugr,  at  i  öUum  heiminum 
faez  eigi  vaskari  riddari  en  j)U  mant 
verda.   Hon  var  betr  en  XII  vetra  göinul. 


V.  939   (2169): 
Mais  tuit  eil  qui  lo  regardoient, 
por  bei  ^  et  por  gent  lo  tenoient. 

V.  994  (2226): 
Et  li  valles  '^  qui  ^  s'an  aloit, 
a  une  pucele  veue  *, 
bele  ^  et  gente,  si  la  salue 
et  celo  '■  lui,  et  si  li  rist 
et  an  rient  itant  li  dist: 
Valles  se  tu  vis  '  per  aaige  * 
ie  paus  ^  et  cuit  '"  en  moii  coraige  ^' 
qu'eu  trestot  ^^  le  "  monde  n'aura 
n'il  n'i  est,   ne  Ten  n'i  saura 
nul  Chevalier  meillor  de  toi, 
ensin  ^*  lo  pans  '^,  et  cuit  et  croi  '^. 
et  la  pucele  ^'  n'avoit  ris 
ans  avoit  passes  plus  de  dis. 

v.   1008   (2240): 

et  Key  '^  saut 

cui  la  parole  enuia  ^®  moult, 

si  li  doue  un  ^^  cop  si  estout 

de  sa  i^aume  en  la  face  tendre  ^ ', 

que  il*''^  la^''  fist  a  terre"'*  estendre. 

Man  vergleiche  hier  den  bedeutend  abweichenden  Text  Wolframs  151, 
21  ff.: 

Do  nam  Keye  scheneschlant 

froun  Cunnewaren  de  Lalant 

mit  ir  reiden  häre; 

ir  lange  zöpfe  kläre 

die  want  er  uinbe  sine  haut; 

er  sj^aucte   se  äne  türbant. 

ir  rücke  wart  kein  eit  gestabt : 

doch  wart  ein  stap   so   dran   gehabt, 

unz  daz  sin  siusen  gar  verswauc, 

durch  die  wät  unt  durch  ir  vel  ez   dranc. 

Wie  überhaupt,  so  ist  auch  hier  Chrestiens  in  der  Namennennung  we- 
niger freigebig  als  Wolfram,  und  der  Sagaverfasser  ist  ihm  darin  gefolgt. 
Der  verswigen  Antanor  Wolframs  heißt  bei  Chrestiens  hier  nur  un  sot, 
bei   unserem   Autor   konungs  fol    (über  Garflet   und  Guifles    vgl.    meine 


Jja  hliop  Ksei  rsedismadr  at  henni  ok 
laust  hana  sva  mikit  högg  med  lofa  si- 
num  i  reidi  a  kinn  hennar,  at  hon  la 
J)egar  fallin. 


v.  2169:  Mais  trestout  sil  ki  \k  estoient.  1  biel.  2  varles.  3  ki.  4  veue. 
5  biele.  6  celle.  v.  2230:  Et  trestout  en  riant  li  dist.  7  ens.  8  parage.  9  pense. 
10  croi.  11  corage.  12  trestout.  13  ce.  v.  1003  fehlt  in  M.  v.  2235:  il  mellours  Che- 
valiers de  toi.  14  ensi.  15  le  pans.  16  ensi  le  croi.  17  pnciMe.  v.  2238:  passet  avoit 
aus  plus  de  X.  18  Kex,  19  anuia.    20  un  felilt.  21  teure.  22  qu'il.   23  le.    24  :i  la  tiere. 


DIE  NORDISCHE  PARZIVALSAGA  UND  IHRE  QUELLE. 


141) 


spätere  Erörterung),  frou  Cunneicare  bei  Chrestiens  une  pucele,   in  der 
Saga  ein  mcer,  später  mcer  er  Kcei  laust. 

Es  folgt  der  Kampf  mit  dem  rothen  Ritter ,  dessen  Heimat  bei 
Chrestiens  la  foret  de  Guingulron  ',  bei  Wolfram  Gaheviez  ist,  und  von 
dem  es  in  der  Saga  heißt  haim  hyr  i  mörk  f)eirri  er  heifir  Kvinkvarie^ 
was  offenbar  dem  französischen  Namen  vollkommen  entspricht.  Es  folgen 
einzelne  Stellen: 


pa,  reiddist  riddarinn  ok  tok  spiot  sitt 
badum  höndum  ok  slo  sveinniun  sva  at 
hann  seig  eptir  höggvinu  a  hals  he- 
stinum. 


V.  1063   (2295): 
la  lance  a  eii  '^  2  poiugs  '  levee 
et  si  Ten  done  grant  colee 
par  les  espaules  *  en  travers 
par  Ik  *  on  n'estoit  pas  li  fers  ^. 
qu'il  lo  fist  enbronchier  h  val 
jusque^  sor  lo  ^  col  do  ^  clieval  '**. 

Bei  Wolfram  heißt  es  abweichend  am  Schluß  154,  28: 

daz   er  und  sin  pfärdeliu  muosen   vallende  üf  die  bluomen   sin. 
1069   (2301) 


Et  li  valles  '^  s'est  correcies  ^', 

quant  il  senti  que  ^^  fu  blecies 

de  la  colee  quil  ot  prise. 

a  l'oil  ^*,  au  mielz  ^^  que  puet  '"j   l'avise 

et  laisse  ''  aler  lo  javelot  '**; 

eil  qui  n'entent,  ne  voit,  ne  ot  (?) 

lo  fiert  tres  par  mi  lo  cervel, 

si  que  li  fet  ou  haterel 

saignier  '^,   et  la  cervele ''*'  espant. 

de  la  dolor  li  cuers  li  mant 

si  verse^'  et  chiet^^  tos  ^^  estandus  ^*. 

V.  1083   (2315): 
mais^^  il  ne  set^^  venir  a  chief^^ 
do  ^®  hiaume  qu'il  ot'^^  sor  le  chief'"', 
qu'il  ne  set  conmant"  il  lo  ^^  preigne  ^' 
et  l'espee^*  qu'il  li  desceigne^^ 
maintenant  "^^j   raes  ^'  il  no  •^'^  set  faire 
ne  do  desarrner  a  chief  ti'aire. 


pa  reiddist  sveinn  ok  rettist  upp  ok  risti 
gaflak  sitt  ok  fleygdi  at  riddarinum  med 
öllu  afli  ok  skaut  hann  in  augat  sva  at 
heillinn  fylgdi  ut  um  hnakkann,  en  rid- 
darinn feil  jafnskiott  daudr  til  jardar. 


]3a  ste  sveinninn  nidr  ok  tok  spiot  hans 
ok  sverd;  en  eigi  kunni  hann  at  leysa 
hjalm  hans  af  höfdi  honom.  Giarna  vildi 
hann  ok  leysa  sverd  hans  af  honom  ok 
vissi  eigi  med  hverju  lisetti  hann  matti 
jaat  giora  ;  tok  hann  f)a  sverdit  med  skil- 
dinum  ok  kipti  ok  dro. 


1  Kinkerloi.  2  ä.  3  mains.  v.  2296:  Si  Ten  a  doniie  tel  colee.  4  espaulles. 
5  de  lä.  6  fiers.  v.  2299:  Qu'il  l'a  tont  embroncie  aval.  7  jusques.  8  le.  9  del. 
10  ceval.  n  varles.  12  courecies.  13  qu'il.  14  en  1'  uel.  15  mius.  16  qu'il  pot. 
17  let.  18  son  gaverlot.  v.  2306  ff.:  Si  qu'il  n'entent  ne  voit  ne  ot,  Sei  fiert  parmi  l'uel 
el  cervel  Et  d'autre  part  le  haterel.  19  le  sanc.  20  cervelle.  21  vierse.  22  ciet. 
23  tous.  24  estendus.  25  mes.  26  sait.  27  ä  cief.  28  del.  29  a.  30  son  cief. 
31  coment.  32  le.  33  pragne.  34  et  s'a  talent.  35  des9agne.  36  l'espee.  37  mes. 
38  nel.  v.  2320:  Ne  del  fuere  ne  le  puet  traire. 


150 


EUGEN  KÖLBING 


V.  1108   (2344): 
Mais  li  valles  '  sa  vesteure  ' 
ne  vost  ^  laissier,  ne  *  ne  preist 
por  rien  que  ^  Yvones  ®  deist 
une  cote  bien'  aaisiee  * 
de  dras  de  soie  gambisie 
que  desus  ^  sou  hauberc  vestoit 
li  chevaliei-s,  quant  vis  estoit. 

V.  1149   (2385): 
encois  '"  que  Yvanes  "  s'en  aille  ^^, 
dist  li  valles '^:    „ami  prenes '* 
mon  chaceor  '^,  si  l'enmenes  '"^ 
qu'il  est  moult  bons  et  jel  vos  doing, 
pour  90U  que  jou  n'en  ai  besoing. 
et  portes  la  '^  cope  '^  lo  '^  roi; 
si  lo  ^"  salues  de  par  moi, 
et  taut  dites  a  la  pucele, 
que  Key**'  feri  sos  *^  la  maisele*"', 
que  se  "*  ie  vif^^  ains  que  ie  muire, 
li  cuit  ie  mentre  moult  bien  nuire 


En  sveinn  vildi  at  öngum  kosti  skipta 
klsedum  sinum  ok  klsedum  lians  fyrir  sa- 
kir  alls  J)ess  er  Jonet  kunni  honom  telja. 
Riddarinn  var  klajctr  hinum  bezta  silki- 
kyrtli  ok  af  agaetum  guctvcf  undir  brynn- 
junui. 


Jia  majlti  sveinninn  adr  Jieir  skildu : 
„Vin"  sagdi  bann,  „tak  best  minn  ok 
veit  at  sönnu  at  ek  hefi  reynt  bann  at 
godum  besti  ok  skalt  pu  ))iggja  bann  af 
mer.  ])arf  ek  bann  eigi  lengr.  Tak  ok 
bordkerit  ok  fser  konungi  ok  seg  bonom 
guds  kvedju  af  minni  balfu.  ])u  skalt  ok 
seggja  mina  kvedju  meyju  Jseirri  er  Kaei 
laust  at  ballar  golfi  ok  seg  sva  öllum  at 
ek  skal  sva  mikit  at  giora  adr  ek  dey, 
at  bun  skal  segja  sik  vel  befnda  a  J^eim 
er  bana  laust. 


que  por  vangiee*^  se  tenra. 

Bei  Chrestiens  endet  die  Episode  dadurch ,   daß  Artus  den  Kex  bitter 

über  sein  Benehmen  tadelt.    Ebenso  in  der  Saga. 

Wir  kommen  nun  zu  Parzivals  Aufenthalt  bei  Gurnemans  de  Gra- 
harZj  wie  er  bei  Wolfram  heißt,  der  von  Chrestiens  zuQY&i  li  prodome"'' , 
dann   Gotmemans  de  Groort^^,   in  unserer  Saga  zuerst  hinn  godi  madr, 
dann  Gormanz  or  GrolioU  genannt  wird. 
V.  1275   (2513): 


sur*^^  une       roclie       en  un  pendant 

qui  vers  ■'^  mer  aloit  descendant, 

ot  un  castel  et  bei  ^^  et  fort ; 

si  con  ''^  l'eve  aloit  au  regort 

torna  li  valles  ^  ^  a  senestre 

et  vit  les  tors^^  do  ^'  castel  nestre, 

avis  ■**  li  fu  qu'elles  ^'  nessoient^". 

V.  2529   M: 
Avoit  im  basses  tourifeles, 
qui  moult  estoient  fors  et  bieles. 


.   ok  er  bann  kom  at  ani,  fann 

bann  at  bann  var  miök  djup  ok  rann 
yfir  miklum  straumi  ok  reid  bann  ofan 
med  ani  ok  ]:)a  sa  bann  upp  koma  eitt 
mikil  tre  (?)  ödrum  megin  arinnar  ok 
J)ar  a  fiora  turna  starkliga  ok  bagliga 
giorva  etc. 


1  varles.  2  viesteure.  8  vot.  4  que.  5  quank'.  6  Yones.  Nach  Yones  steht  H. 
7  mout.  8  aaisie.  9  desous.  10  an9ois.  11  Yones.  12  alle.  13  varles.  14  prendes. 
15  caceour.  16  se  vos  volez.  17  sa.  18  coupe.  19  Ie.  20  Ie.  21  Kex.  22  sor. 
23  niassele.  24  se.  25  puis.  v.  2394 :  Li  qiiic-jou  si  bien  metre  cuire.  26  vengie. 
27  li  preu3oni.  28  Gonemans  de  Gelhort.  29  sor.  30  cele.  31  roce.  32  viers.  33  moult 
riei.     34  com.     35  varles.     36  tours.     37  du.    38  k'avis.    39  k'eles.    40  uaissoient. 


DIE  NORDISCHE  PARZIVALSAGA  UND  IHRE  QUELLE.  I5l 

Es  ist  interessant  zu  beobachten,  wie  hier  ein  Aiisdinick  in  allen  drei 
Sprachen  seinen  Vertreter  hat ;  es  entspricht  sich  nestre,  iipp  koma  und 
icüehse  {icie  der  turne  icüehse  mere). 

V.  1354: 
sire,  aventure  m'eusaigna  Herra  ,    kvad  hann ,    ]3at  kendi  mo5ir 

et  ma  mere,  que  ie  alasse  min  mer,  at  ek  skyldi  samjiykkjast  go- 

aus  prodomes  et  me  conseillasse.  dum  mömium  ok  hafa    peirra    rad    ok 

ef  ek  fylgdi  godra  manua  radum  ok  hu- 
ganum,  myndi  mer  hamingja  af  standa. 

Noch  genauer  stimmt  zum  nordischen  Texte  dieselbe  Stelle  in  M: 

Sire,  ma  mere  m'ensengna  J5a  mfelti  hinn  godi  madr:    „Vel  se  mo- 

que  vers  les  preudomes  alasse,  dur  Jiinni  er  hon  kendi  Jser  heilt  rad  ok 

en  quel  liu  que  je  les  trovasse,  hoUt.  Eda  viltu  nökkut  fleira  maela? 

si  creisce  90U  que  diroient; 

que  preu  i  ont  eil  ki  les  croient. 

et  li  preudom  respont:  Blaus  frere, 

beneoite  soit  vostre  mere, 

qui  le  vous  ensegna  moult  bien. 

mais  voles-vous  plus  dire  rien? 

V.  1610   (2840): 
et  gardez  '  que  vos  ^  ne  seiez  "^  Verdu   eigi   giarna   ofmalugr    eda   for- 

trop  parlans  *,  ne  trop  noveliers.  vitinn. 

V.  1637    (2867): 
or  ne  dites  iamais,  biaus  frere,  ^  Husbondinn  sagdi:    Haf  eg  ekki  Jjetta 

que  ce  vos  aprist  vostre  mere,  ordtak  lengr  at  geta  modur  Jjinar  vid 

ne  qu'ele  vos  ait  enseignie framferdar  jiinar,  )3vi  at  per  verdi*  pat 

que  *  se  vos  plus  lo  diseiez  ^,  virt  til  folsku. 

a  folie  vos  '  tanroit  ^  an  ^, 

porce  "*  vos  pri,  gardez  vos  an  ^^. 

Die  einzelnen  Scenen  sind  übrigens  in  beiden  Bearbeitungen  ganz  ent- 
sprechend, nm*  im  Nordischen  etwas  kürzer  gehalten. 

So  wenig  Avie  bei  Chrestiens  geschieht  in  der  Saga  Erwähnung  der 
Liaze,  so  wenig  wie  Gormanz  seinem  Gaste  Aufschluß  über  seine  Fa- 
milienverhältnisse gibt,  wie  dies  bei  Wolfram  (177,  9—179,  12)  der 
Fall  ist. 

Aufenthalt  Parzivals  bei  Blankiflur  (Blancheflor  bei  Chrestiens, 
Conduiramurs  bei  Wolfram)  in  ihrem  Schlosse  (Bel-repaire  bei  Chre- 
stiens,/o^/r  borg  bei  dem  Sagaschreiber): 


1  gardes.  2  vous.  3  soies.  4  parliers.  v.  2868  f. :  Fait  li  preudom ,  que 
vostre  mere  Vos  ait  avis  ne  ensignie.  5  et.  6  disiies.  7  le.  8  tenroit.  9  Ten. 
10   per  ^ou.     11  en. 


152 


EUGEN  KÖLBING 


.  .  .  .  ok  barcti  a  portinu  er  laest  vai",  ok 
sa  fagra  jungfrii  i  einutn  glug  ok  jiegar 
hon  sa  hann,  bad  hann  upplata  fyrir 
honom. 


V.  1684   (2914): 
tant  a  hurte  ^   en  ^  el  lo  "^  pas 
vint  *  aus  "  fenestres  de  la  sale 
une  pucele  tainte  et  pale 
et  dit  ^ :  qui  est  qui  '  9a  ^  apele  ^  ? 

Die  specielle  Beschreibung  der  Zustände  in  der  Burg,  wie  sie  Chrestiens 
V.  2930  ff.  gibt,  fehlt  in  der  Saga. 

V.  1819   (3049): 

porce  '"  de  parier  se  tenoit,  Sveinninn  sat  ok  f)agdi  ok  mintist  a  rad 

que  do  "  chasti  '^  li  sovenoit  husbonda  sins  at  hann  skyldi  eigigiorast 

que  li  prodom  '**  li  avoit  fait.  ofmalugr. 

V.  1844   (3074): 

et  dit  moult  debonairement:  Jia  maelti  hou  Widliga  til  hans: 

sire  dont  venistes  vos  hui?  Hvadan  er  ydr  koma  hingat,  herra? 

In  etwas  ausführlicherer  Vergleichung   mag  nun   die  bekannte  Nacht- 
scene  folgen. 

V.  3149   (nach  M)  : 
Ains  se  porpense  qu'ele  ira 
A  son  oste,  se  li  dira 
De  son  affaire  une  partie. 
Lors  s'est  de  son  lit  departie 
Et  issue  fors  de  sa  eambre ; 
S'a  tel  paor  que  tuit  li  mambre 
Li  trambloient,  li  cors  li  sue. 
Ploraut  est  de  la  eambre  issue 
Et  vint  au  lit  ü  eis  se  dort, 
Et  pleure  et  sospire  raoult  fort; 
Si  s'acline,  si  s'agenolle, 
Et  pleure  si  qu'ele  li  molle 
De  ses  larmes  tote  la  face; 
N'a  hardement  que  plus  en  face. 
Tant  a  plore  que  eil  s'esvelle; 
Si  s'esbahist  moult  a  mervelle 
De  sa  face  qu'il  a  mouillie ; 
Et  voit  celi  ajenoullie 
Devant  son  lit,   qui  le  tenoit 
Par  le  col  embraciet  estroit; 
Et  de  90U  cortoisie  fist 
Que  entre  ses  II  bras  le  prist 
Maintenant  et  vers  lui  le  traist. 
Si  li  dist:    „Bele,  que  vous  piaist? 
Por  coi  estes  venue  chi?" 
Ha,  gentius  Chevaliers,  merci 


...  ok  Jia  ihugar  hon  at  ganga  tilgests 
sins  Jsangat  sem  hann  var  ok  kaera  fyrir 
honom  a  launungu  sitt  vandraecti,  okgekk 
hon  i  ]Dat  svefnhus  sem  riddariun  svaf  i, 
])0  med  mikilli  hrajzlu  ok  skialfta  ok  la- 
gum  grati  ok  kom  sva  til  riddarans  at 
hann  svaf  ok  settist  a  kne  fyrir  sasng 
hans  ok  laut  yfir  andlit  hans  sva  miök 
gratandi ,  at  hon  vseti  andlit  hans  allt  i 
sinum  tarum.  Nu  sem  hou  hafdi  })ar 
lengi  gratit,  pn  vaknadi  riddarinn  ok 
):)Otti  honom  miök  undrlikt  er  andlit  hans 
var  vatt  ok  leit  hann  )ia  meyna  a  kniam 
sitja  fyrir  livilunni  ok  tok  j^egar  til  hen- 
nar  ok  helt  henni  i  fadmi  sinum  ok  mselti 
kurteisliga  til  hennar:  „Hvi,  frida  maer", 
sagdi  hann,  „komu  jicr  her  cdr  hvat  er 
vili  ydarr  fyrir  guds  sakir?  seg  mer, 
hviertu  svaharmsfull,  öngrudokuglöd?" 
„Dyrligr  riddari,  sagdi  hon,  fyrirkunn 
mik  eigi  ok  vird  mer  eigi  til  svivirdingar, 
at  ek  er  her  komin.  Mer  kom  aldri  i  hug 
synd  ne  svivirding,  ])o  at  ek  koemi  her 
naiiga  nökt. 


1    i  feri.    2    k'en.     3    es  le.    4   vit.    5  as.      6  dist.    7  ki  est  ki.    8  lä.    9  apiele 
10  par  (;ou.     11   del.     12   casti.     13  preudom.  v.  3074:  Lors  li  dist  debounairement. 


DIE  NOKDISCHE  PARZIVALSAGA   UND  IHEE  QUELLE. 


153 


Por  Dien  vos  proi  et  por  son  fil, 
Que  vous  ne  me  tenes  por  vil 
De  ce  que  je  sui  ei  venue, 
Par  ee  que  je  sui  presque  uue. 
Je  n'i  pensai  onques  folie, 
Ne  mavestie  ne  velouuie  | 

V.  3181: 
Qu'il  n'a  el  monde  riens  qui  vive 
Taut  dolante  ne  tant  caitive 
Que  jou  ne  soie  plus  dolente. 
Kiens  que  j'aie  ne  m'atalente. 

V.  3187: 
Ne  je  ne  vivrai  jamais  nuit 
Que  seulement  eele  d'anuit, 
Ne  jour  (pie  celui  de  demain; 
Aincois  m'ociroie  de  main. 


En  ek  er  sannarliga  sa  kvennmadr  er 
sorgfullastr  litir  i  heiminum  ok  er  nu 
f)a  ekki  er  mik  megi  huga  ok  J^essi  skal 
min  vera  hin  sidasta  nott  Jiessa  lieimis, 
Ipvi  at  Jiegar  dagr  kemr,  skal  ek  sialf 
drepa  mik  etc. 


Gleiche  Übereinstimmung  geht  durch  die  ganze  Episode  fort.  —  Es 
folgt  der  Kampf  gegen  Gingvars,  (Aguingueron  '  bei  Chrestiens,  Kin- 
grun bei  Wolfram)  und  Klamadis  (Clamadex  bei  Chrestiens  und  Cla- 
mide  bei  Wolfi'am).  Die  Schilderung  des  ersten  dieser  beiden  Kämpfe 
ist  ims  durch  die  öfter  erwähnte  Lücke  in  der  Pergamenthandschrift 
verloren  gegangen;  doch  sehen  wir  aus  der  Stelle  nach  der  Lücke  so- 
gleich, daß  auch  nach  der  Darstellung  der  Saga  Parzival  den  besiegten 
Gingvars  zur  Königin  Blankiflur  und  zum  Gormanz  schicken  will,  dieser 
aber  fürchtet  die  Rache  der  Burginsassen;  denn,  sagt  er,  ek  drap  hcws 
systurson  er  penna  kastala  varcti  fyrir  mer ;  pvi  hid  ek  at  pii  clrepir  mik 
heldr  en  pu  sendir  mik  i  penna  stad.  Parzival  schickt  ihn  daher  an 
Artus  Hof: 


V.  2256   (3489): 
et  eil  li  dist:   donc  iras  tu 
en  la  prison  lo  "  roi  Artu 
et  me  salueras  lo-  roi, 
et  si  li  diras  de  par  moi, 
quil  ^  te  face  mostrer  cell 
que  Key  *  li  senechaus  ^  feri 
porce  ^  que  ele  '  m'avoit^  ris; 
et  ä  celi  te  rendras  pris, 
et  si  li  diras,  se  toi  piaist, 
que  ia  dex^  morir  ne  me  laist, 
tant  qu'en  aie  vengeuce  prise. 


})a  maelti  Percival:  pu  skaltu  fara  atvald 
Artus  konungs  ok  seghonom  kvectju  miua 
ok  bid  hann  syua  per  pa  mey  er  Ksei 
laust  fyrir  minar  sakir  ok  seg  henni  at 
ek  hefi  ]^ik  vapnsottan  i  hennar  vald  sent 
ok  ek  skal  hennar  hefna  at  JDeim  er  hana 
laust  saklausa  fyrir  miuar  sakar. 


1  In  M:  Enguigerans.    2  le.    3  qu"il.    4  Kex.    5  senescaus.    6  por  (jou.     7  eile 
8  en  avoit.    9  diex.      v.  3499:  Tant  que  venjance  en  aurai  prise. 


154  EUGEN  KÖLBINC4 

In  allen  drei  Erzählungen  meldet  ein  Knappe  (nn  valles  —  einn  madr 
hlanpandi)  dem  Clamadis,  daß  Gingvars  von  einem  im  Schlosse  ein- 
getroffenen fremden  Ritter  in  rother  Rüstung  besiegt  worden  sei.  Cla- 
madis  belagert  trotzdem  die  Burg  der  Blankiflur ,  bis  das  Schiff  mit 
Lebensmitteln  ankommt: 
V.  2467   (3700): 

cel  ior  meisme  ^  un  graiis  vens  }iann  sama  dag  giordist  mikill 

ot  par  mer  ^  chacie  une  bärge  stormr  ok  rak  )3angat  i  fiördinn  eitt  mikit 

qui  de  froment^  porte  une  charge,  hafskip  füllt  mett  vin  ok  vistum  allsko- 

ct  d'autre  vitaillo  *  estoit  plaine.  nar  seni  guds  vili  var  fil. 

sl  con  De  jüot,  cntiere  et  saine 
est  devant  lo  ^  chastel  venue. 

Man  vergleiche  mit  den  beiden  cursiv  gedruckten  Redensarten  die  ganz 
entsprechende  deutsche  an  dieser  Stelle  200,  16  daz  fuogte  gof  der 
wise.  In  Folge  dieser  Nachricht  entschließt  Clamadis  sich  sogleich  zu 
einem  Zweikampf  mit  Parzival^,  da  er  sieht,  daß  bei  dieser  Fülle  von 
Proviant  die  Burg  sich  noch  sehr  lang  halten  könnte.  Er  wird  besiegt 
und  in  Folge  seiner  Weigerung,  sich  der  Blankiflur  oder  dem  Gormanz  *) 
zu  übergeben,  ebenfalls  an  Artus  Hof  geschickt,  und  ihm  derselbe  Auf- 
trag an  pa  mey,  er  Kcei  laust  gegeben,  wie  seinem  Vorgänger, 

V.  2693   (3924): 
Mais  ^  Aguinguerons  '  totes  voies  ^  En  Klamidis  for  leict  sina  sva  sem  fyrir 

s'en  va,   et  Clamadex  apres  haftti    farit   Gingvars    hans    rsedismactr 

siuit  ^  trois  nuis  tot  pres  a  pres  ok  letti  sinni  ferd  eigi  fyrr  en  hann  kom 

as  otex  ^"  0  ^^  eil  ^^  ot  geu,  til  Artus  konungs  Jiar  er  hann  sat  med 

bien  l'a  *^  par  les  esclos  seu,  dyrligri  hird  sinni. 

iusqua^^  Dinasdaron  ^'  en  Guales  ^^ 
ou  11  rois  Artus  en  ses  sales 
cort  '^  moult  efforcie  tenoit. 

Nach  dieser  Stelle  tritt  wieder  eine  Differenz  zwischen  Chrestiens  und 
Wolfram  zu  Tage,  wobei  unsere  Saga  genau  Chrestiens  Darstellung  folgt. 
Es  folgt  nämlich  zuerst  eine  Erkennungsscene  zwischen  Gingvars  und 
Clamadis ,  dann  Erscheinung  des  letzteren  vor  dem  König ,  und  erst 
nachher  wird  Clamadis  durch  Valver  und  Garflet  (bei  Chrestiens  Ywains 


1  mcMsmes.  2  nuit.  8  forment.  4  vitalle,  v.  3704 :  Si  come  Dex  le  guie  et  maine* 
Man  sieht  deutlich,  daß  das  Nordische  der  obigen  Lesart  folgt.  5  le.  6  Et.  7  Engui- 
geron.  8  toute  voie.  9  Et  giut.  10  El  castiel.  11  u.  12  iL  13  l'ot.  14  jusqu'ä. 
15  Dinaderon.    16    Gales.     17  court. 

*)  Bemerkenswcrth  ist  hier,  daß  der  Ausdruck  „für  alle  Herrlichkeit  Roms"  wolle 
er  nicht  zu  Gormanz  gehen,  in  beiden  Texten  sich  wörtlich  wiederfindet;  franz.  v.  3865: 
ne  por  tout  i''empire  de  Rome\  nordisch:  eirji  heldr  fyrir  allan  Romaborgar  rikdom. 


DIE  NOKDISCHE  PAKZIVALSAGA  UND  IHRE  QUELLE. 


155 


und  Guifles)  der  Jiingfi'au  (bei  W.  Cimnevare)  vorgestellt,  während  bei 
Wolfram  die  Wiedererkennungsscene  erst  nun  folgt.  Der  Sagaverfasser 
sowohl  wie  die  beiden  anderen  Dichter  kehren  dann  zu  Parzival  zurück, 
der  Blankiflur  wieder  verlässt: 

V.  2861   (4095): 
mais  d'une  rien  mult  plus  li  tieut, 
que  de  sa  mere  li  sovient 
qiie  il  vit '  pasmee  cheoir  '  .  .  .  . 

V.  2898   (4134): 
ne  Guides  pas  ^  que  ce  soit  biens, 
se  *  ma  mere  reveoir  ^  vois, 
qui  aviau  mi  meint  en  ce  bois, 
qui  la  gaste  foret  **  a  uon  ? 
je  revenrai  voille  ele  o  non'^. 

Es  folgt  nun  Parzivals  Besuch  auf  der  Gralsburg,  aus  Avelcher  Partie 
wir  ebenfalls  die  Hauptpartien  hervorheben  wollen,  und  zwar  ausführ- 
licher als  im  Vorigen,  da  diese  Scene  für  den  ganzen  Conte  del  Graal 
wichtig  ist.  Zu  Grunde  gelegt  ist  der  Text  in  Bartsch's  Chrestomathie 
137  ff.  Die  Varianten  stammen  auch  hier  aus  der  Monser  Hs. 
V.  2930  (4166): 


En  hugr  bans  stott  eigi  til  sliks,  ])vi  at 
bonom  kom  i  bug  bversu  börmuliga  mo- 
dir  bans  let  pn  er  bon  skildi  vid  bann 
ok  bon  feil  af  barmi  ok  la  sem  daud 

vseri 

ok  bad  pa  unnustu  sina  leyfis  til  brott- 
ferdar. 


l'eve  ^  roide  et  parfonde  esgarde 

et  *  ne  s'ose  metre  dedanz  ^"^ 

et  dist:  ba,    sire  dex  puissanz  ^^, 

qui  ^"  ceste  eve  '"*  passee  '^  avroit  ^' 

de  la  ^^  ma  mere  troveroit  ^' 

mien  esciantre  *^  saine  et  vive  ^^. 

ensi  s'an  va  selonc  la  rive 

tant  que  "^  a  une  rocbe  aproicbe*', 

et  que  l'eve  a  la  rocbe  toicbe, 

que  il  ne  pot  aler  avant. 


par  var  eitt  vatn  ok  rennandi  a  med  ray- 
klum  stvaumi  ok  pottist  bann  bvergi  me- 
ga  a  rida  pvi  at  bvergi  sa  bann  grunn. 
Haun  mfelti  pa:  Drottinn  gud,  ef  vili 
pinn  er  til  at  ek  megi  komast  yfir  })etta 
vatn,  pa  myndi  ek  finna  modur  mina,  ef 

bon  er  lifs Hann  reid  nu  med 

endilangri  ani,  allt  par  til  er  hann  sa 
einn  mikiun  bamar  ok  rann  ain  bia  bam- 
riuum  sva  nalajg  at  bann  matti  bvergi  a 
ana  rida  etc. 

Wir  linden  also  in  diesem  Stück  fast  wörtliche  Übereinstimmung.    Bei 
Wolfram  entspricht  den  aufgeführten  Sätzen  keine  Zeile. 

v.  2940   (4176): 

et  il"-  vit  par""*  l'eve  avalant  "^  ....  pa  sa  bann  bat  mikinn  fara  ofan 

une  nef  qui  d'  amont  venoit :  eptir  ani  ok  varu  par  a  tveir  menn  ok  na 

dos  homes  an  '^  la  nef  avoit.  hann  par  stadr  (?)  ok  beid  peirra  pvi  at 


v.  4095  f. :  Mais  d'une  autre  plus  li  sovint,  Que  de  sa  mere  au  euer  li  tiut.  1  Qu'il 
le  vit.  2  caiV.  3  quidies-vous.  4  que  je.  5  veoir.  v.  4136:  Qui  seule  manoit  en  cel 
bois.  6  Forest.  7  u  voelle  u  non.  8  l'euve.  9  si.  10  dedens.  11  puissens.  12  si. 
13  ewe.  14  passer.  15  pooie.  16  delä.  17  troveroie.  18  ensiant.  19  se  ele  est  vive. 
20  ke.  21  aproce.  v.  4174  f.:  U  li  eviwe  atouce  k  la  roce,  si  que  ne  pot  avant  aler. 
22  atant.  23  parmi.   24  aler.   25  en.  v.  2944  u.  45  fehlt,  v.  2946 :  Et  si  anieste  et  si  atant. 


156  EUGEN  KÖLBING 

li  uns  des  dos  homes  naioit,  hann  hugcti  at  fieir  myndi  ]^ar  lenda.  Nu 

li  altre  a  l'esme^on  peschoit.  kastudu  })eir  akkeri  i  midri  ani  ok  er 

il  s'areste,   si  les  atant,  fieir  höfdu  festan  bat  sinn,  let  annar  siga 

et  cuide  ^  qu'il  alassent  tant  öngul  sinn  ok  dro  Jjegar  mikinn  fisk. 

qua  il  venissent  jusqu'a  lui. 
et  il  s'arestent  "  araedui  ■* 

V.  2956   (4185): 
et  eil'*  qui  devant  fu  peschoit'^ 
a  Tesme^on  et  si  saichoit 
son  amecon  ^  d'un  poissonet 
petit  graignor  '  d'un  veironet. 

eil  qui  ^  ne  set  que  fere  ^  puisse  En  hinn,   er  at  landi  var,  vissi  eigi  hvat 

ne  an  ^**  quel  leu  *'  passage  truisse,  hannskyldi  at  hafast  j)vi  at  hann  kemr  (?) 

les  salue  et  dcmande  lor'":  hverci,i  ser  yfir  ana.   Hann  kalladi  a  pa 

„anseigniez^"^  moi,"  fetil*'*,  „seignor"'^  ok  bad  pa  segja  ser  fyrir  guds  skyld  er 
s'an  ^^  ceste  eve  *^  a  ne  gu^  ne  ^^  pont?  nokkur  bru  vaeri  a  ani.  Jia  sagdi  sa  ho- 
et  eil  qui  peche  ^*  li  respout:  nom,   er  fram  var  i:    „Yfir  Jjessu  a  er 

„nenil,   biau  frere,   a  moie  foi,  eingi  bru  ok  ekki  meira  skip  eu  joetta  er 

nen  i '^*'  a  nef,   de  ce  me'^  croi,  ver  höfum  ok  ber  J)at  eigi  meira  enfimm 

graignor""  de  cesti  ""*  ou"^  nos  somes,  menn. 

qui  ne  porteroit  pas  eine  homes, 
vint  liues  a  mont  ne  a  val. 

Alles  dies  ist  bei  Wolfram  bedeutend  kürzer  gefasst.  Bei  ihm  fragt 
Parzival  gar  nicht  erst,  wie  er  über  den  Fluß  kommen  könne,  sondern 
es  heißt  gleich ; 

den  selben   vischsere 

begunder  vrägen  msere, 

daz  er  im  riete  durch  got 

und  durch  siner  zühte  gebot, 

wa  er  herberge  möhte  han, 

Während  andere  Einzelheiten  von  Wolfram  wieder  mehr  hervorgehoben 
werden.  Der  Fischer  bietet  Parzival  dann  Herberge  in  seinem  Schlosse 
an,  wie  bei  Chrestiens  und  Wolfram  und  ich  übergehe  darum  diese 
Stelle,  um  den  Zug  hervorzuheben,  daß  bei  Chrestiens  und  in  der  Saga 
Parzival  sich  betrogen  glaubt,  weil  er  zuerst  nichts  von  dem  Schlosse 
entdecken  kann : 

V.  2984   (4213): 
Maintenant  eil  s'an  "^  va"**  amont;  ok  sem  honom  hafdi  Jietta  maelt,  reid 

et  quant "'  il  vint  "^  an  son  le  mont,  hann  up  a  hamrinn  ok  sa  ekki   hus  ok 


1  qu'il  (luidoit.  2  s'arrestent.  3  ambedni.  4  eins.  5  pes(;oit.  v.  4186 :  Ä  la  lingne, 
et  si  assachoit.  6  araen^oii.  7  plus  grant.  8  ki.  9  faii-e.  10  en.  11  liu.  12  lour. 
13  ensagnies.  14  fait-il.  15  signor.  16  se  en.  17  euwe.  18  a  nesun.  19  pesce. 
V.  4195:  Nenil,  fröre,  eii  la  moie  foi.  20  n'il  n'i.  21  si  com  je.  22  plus  grant.  23  que 
ceste.    24  ü.    25  s'en.    26  monte.    27  taut  que.    28  fu. 


DIE  NORDISCHE  PARZIVALSAGA  UND  IHRE  QUELLE. 


157 


mselti:  Sa  hefir  miök  spottat  mik  er  hin- 
gat  visadi  mer  ok  gu(t  gefi  Jieim  skada 
er  laug  at  mer. 


et  quant  il  vint '  an  son  le  j)iii, 

si  garda  "  avant  devant  lui  "^, 

si  ne  Yit  ■*  mes  que  *  ciel  et  terre, 

et  dit:    „que  sui  ge  venuz  querre 

la  musardie  et  la  bricoigne*. 

dex  li  '  doiiit  ^  hui  male  vergoigne  ^ 

celui  qui  ca  m'a  auvoie  *® 

V.  2999   (4228): 
lors  vit  devant  ^  ^  lui  an  ^ "  un  val 
le  Chief  ^"^  d'une  tor  qui  parut. 
l'an  ne  trovast  jusqu'a  Barut 
si  bele  '"*  ne  si  bien  asise  ^^. 

V.  3005  flf.   (4234): 
la  sale  fu  devant  la  tor 
et  les  loges  devant  la  sale. 
li  vaslez  *^  cele  part  avale 
et  dit  '^  que  ^^  bien  l'a  avoie  '^ 
eil  qui  la  l'avoit  anvoie. 
ensi  vers  la  porte  s'an  va : 
devant  la  porte  un  pont  trova 
torneiz  "*'  qui  "'  fu  avalez  "". 
par  sor  "^  le  pont  s'an  est  alez  "   ; 
et  vaslet  '^  corent  "^  contre  lui 
quatre,  sei  desarment  li  dui, 
et  li  tierz  "*  son  cheval  "^  anmoine  '^ 
si  li  done  fuerre*"*  et  avoine"^^. 
li  carz  ^'  li  afuble  "^"^  un  mantel, 
d'escarlate  fi-es  et  novel ; 
et^*  Ten  menerent  jusqu'as  loges. 

Es  erhellt  aus  den  verglichenen  Stellen ,  daß  überall  die  Saga  fast 
■wörtlich  mit  der  Erzählung  Chrestiens  stimmt.  Die  entsprechende  vStelle 
im  deutschen  Texte  weiß  von  der  augenblicklichen  Enttäuschung  Par- 
zivals  nichts,  während  seine  Aufnahme  durch  die  Knappen  des  Fischer- 
köuigs  ausführlicher  geschildert  ist  (226,  23  ff.)  ebenso  wie  die  Pracht 
und  Ausstattung  des  Saales  und  was  damit  zusammen  hängt,  wie  denn 
überhaupt  in  Schilderungen  unsere  Saga  meist  sehr  sparsam  ist  und 
nur  das  Nothwendigste  andeutet. 


pvi  noest  leit  hann  ofan  i  dalinn  ok  sa 
par  upp  koma  einn  hafau  turn  fagran 
ok   sterkan. 


Hia  turninum  var  ein  fri(t  höll  ok  stefndi 
Jjangat  a  ok  lofadi  nu  fiskimanni  er  fyrir 
hafdi  hann  lastat  ok  kom  hann  nu  at 
gards  littinu  ok  sa  hann  ])a  bru  eina  er 
upp  matti  vinda.  Ok  er  hann  var  yfir 
kominn  bruna,  l)a  komu  IV  ungir  menn 
fridir  ok  fagnudn  hononi  ok  toku  vid 
hesti  bans,  en  einn  Jieirra  fseräi  honom 
skarlatskikkjn  ok  gekk  hann  Jia  med 
}>eira. 


1  fu.  2  s'esgarde.  3  moiilt  lonc  deA'ant  lui.  4  et  ne  voit.  5  rien  fors.  v.  4218:  Et 
que  sui-je  ci  veuus  querre.  6  breoingne.  7  lui.  8  dainst.  9  besoingne.  10  envoie. 
11  pres  de.  12  en.  13  cief.  v.  4230:  Ne  trovast-on  jusqu'ä  Barut.  14  biele. 
15  assise.  16  varles.  17  dist.  18  ke.  19  aA'oie  Ta.  v.  4238  :  eil  ki  avoiet  l'avoit  lä, 
20  torneis.  21  ki.  22  avales  23  sus.  24  est  eus  entres.  25  varlet.  26  vienent. 
27  tiers.  28  ceval.  29  enmaine.  30  fuere.  31  avaine.  32  quars.  33  afFuble. 
34  puis. 


158  EUGEN  KÖLRTNG 

Man  vergleiche  ferner: 

V.  3044  (4283): 

Quant  li  sires  le  vit  '  vciiant  Sem  sa  liiim  riki  ina(tr  leit  riddaran,  ]ia 

si  le  salua ''  maintenant  heilsadi  hann  honom  med  bliduin  ordiuu  : 

et  dist:   amis,   ue  vos  soit  grief,  »Viu,   sagdi   hann,   fyrirkunn  niik  eigi, 

se     ancontre  vos  ne  me  lief  er  ek  stod  eigi  xx]}p  i  moti  ydr,  ])vi  at  ek 

que  je  n'an  sui  pas  aeisiez.  er  eigi  til  f)ess  fyrir  sakir  krankleika  li- 

V.  3053   (4291):  kama  mins." 

li  prodom'*  tant  por  lui  se  grieve,  ok'  ])a  settist  sa  fridi  madr  upp  ok  majiti  : 

que  tant  con  ■'  il  puet''  se  sorlieve',  j^Vin,  sagdi  hann,  stig  upp  i  sa-ngina  ok 

et  dist:   amis,   ^a  vos**  traiez*  sitt  hia  mer."    Ok  hann  giordi  sva.    ))vi 

pres  *"  de  moi,  ne  vos  esmaiez  ",  najstma^ltihinn  riki  uiadr  til  luins:  ,,Hva- 

si  vos  seez  seuremant  dan  komt  }5U  eda   hvat  er  nafn  jjitt?" 

lez  moi,  jel  vos  lo  boneraant.  Hannsvarar:  „Ek  kom  or  }jeim  kastala  er 

li  vaslez  ^^  est  ^^  lez  ^"^  lui  asis  ^^  menn  nefna  fagra  kastala. 
et  li  prodom^^  li  dist:  amis, 
de  quel  part  venistes  vos  hui  ? 
sire,  fet  il^',  hui  matiu  mui 
de  Biaurepaire,   ensi  a  uou  ^^. 

Die  Saga  setzt  hinzu:  ok  sva  er  hann  at  sönnu  pvi  at  par  fekk  ek  goäan 
fagnactj  eine  Bemerkung ^  die  sich  im  Französischen  nicht  findet..  Bei 
Wolfram  fragt  „der  wirt"  ihn  überhaupt  nicht,  wo  er  herkomme. 

V.  3065   (4302): 
„si  m'ait  dex,"  fet  '^  li  prodon*^",  ,,})at  veit  tru  min,"  sagdi  liann,  ]iu  liefir 

„vos  avez  graut  jornee  faite."  farit  ofmikla  dagleid. 

Über  die  genauere  Zeit  von  Parzivals  Weggang  von  der  Burg  ist  im 
Gegensatz  zu  Chrestiens  in  der  Saga  nicht  die  Rede. 

v.  3070  (4308): 

que  que  il  parloient  ensi  "',  i  Jicssu  kom  ])ar  einn  fagr  sveinn  ok  fridr 

uns  vaslez""  antre '"*  par  la  porte.  ok  faerdi  ])essum  hinum  rika  manni  eitt 

a  son  col  une  espee  aporte, sverd.   Ok  hann  bra  sverdinu  til  halfs  ok 

si  l'a  au  riebe  ^^  home  randue,  syndist  vera  hit  besta. 

et  il  l'a  bien  demie  treite  ^^ 

et  avoec  ce  "^  ancore  "'  vit 
qu'ele  estoit  de  si  bou  acier 

Auf  die  Eigenschaften  des  Schwertes  und  auf  den  Verfertiger  wird  bei 
Chrestiens  noch  näher  eingegangen,  in  der  Saga  nicht. 


1  voit.  2  salue.  3  que  j'.  v.  3049  fehlt  in  M.  4  preudom.  5  com.  6  pot. 
7  souslieve.  8  vous.  9  traies.  10  et.  11  esmai^s.  v.  4295:  Si  sees  chi,  ;i  nostre  mant. 
V.  4296  :  Les  moi,  ko  jou  le  vos  comanc.  12  varles.  13  s'est.  14  les.  15  assis.  16  preu- 
dom. 17  fait-il.  18  nom.  19  fait.  20  preudom.  v.  4303:-Trop  graut  jornee  aves  hui 
fete.  21  issi.  22  varles.  23  entre.  v.  4310  f.:  De  la  maison  et  si  aporte  Une  esp^e 
;i  son  col  pendue.    24  rice.    25  tralte.    26  i,*Jii-    27  encore. 


DIE  NORDISCHE  PARZIVALSAGA  UND  IHRE  QUELLE. 


159 


pa.  mselti  sveinn  er  jaangat  bar  sverdit : 
„Herra,  Jietta  sverd  sendir  yctr  ein  friä 
maer,  frsendkona  ydr. 


V.  3084   (4322): 
li  vaslez  '  qui  "  l'ot  aportee 
dist:  sire,  la  sore  pucele, 
vostre  niece,  qui  tant  est  bele, 
vos  anvoie  ci  cest  present. 

Bei  Chrestiens  wird  daiin  noch  hinzugefugt,  der,  welcher  dies  Schwert 
verfertigt  habe,  habe  nur  drei  von  dieser  Sorte  gemacht  und  sei  dann 
gestorben,  so  daß  seinesgleichen  nie  wieder  gefertigt  werden  könne. 
Diese  Notiz  fehlt  in  der  Saga ,  ebenso  wie  die  genaue  Beschreibung 
des  Schwertes,  das  dann  Parzival  zum  Geschenk  erh.ält.  Bei  Wolfram 
erhält,  wie  Rochat  richtig  bemerkt,  Parzival  ebenfalls  ein  Schwert,  das 
aber  erst  239,  18  —  240,  1  erwähnt  wird. 

Es  folgt  nun  die  bekannte  Scene  mit  der  blutigen  Lanze: 
V.  3181   (4368): 


que  qu'il  parloient^  d'un  et  d'el, 

uns  vaslez  *  d'une  chambre  vint, 

qui  une  blanche  ^  lance  tint 

anpoigniee  **,  par  le  mi*  leu. 

si  passe  ^  par  delez^  le  feu 

de  ces  qui  leanz  se  seoient, 

et  tuit  "*  eil  de  leanz  veoient 

la  lance  blanche  et  le  fer  blaue. 

s'issoit  ^^  une  gote  ^'^  de  sanc 

del  fer  de  la  lance  an  ^^  somet, 

et  jusqu'a  la  main  au  vaslet  ^* 

coloit  *^  cele  gote  '**  vermoille  *'. 

li  vaslez  ^^  vit  cele  mervoille  ^^, 

qui  leanz  est  la  nuit  venuz. 

si  s'est  de""  demander  tenuz  "^ 

comant  '"  cele  chose  avenoit; 

que  del  chasti  "''  li  sovenoit  "^ 

celui  qui  *^  chevalier  le  fist, 

qui  '^  li  anseigna  "''  et  aprist 

que  de  trop  parier  se  gardast. 

si  ' '  crient  que  s'il  "^  li  "^  demandast, 

qu'an  li  tornast  a  vilenie; 

et  por  ce"*°  n'an***  demande**'  mie. 


.  .  ok  sem  Jieir  töludu  ser  skemtan,  pa, 
kora  einn  fridr  sveinn  in  gangandi  ok  bar 
i  hendi  ser  spiot  eitt  ok  sneri  niitr  aur- 
falnum  ok  gekk  milli  jieirra  er  i  rekk- 
junni  satu  ok  eldsins  sva  at  öll  hirftin  sa 
spiotit,  ok  undan  jarninu  rann  einn  blot- 

dropi  ofan  eptir  skaptinu  af  nefi 

Sem  Percival  sa  f>etta  ])a  undradist  med 
hverjumhsetti  j^ettamattivera,  en  Jio  dirf- 
dist  hann  eigi  at  spyrja  med  hverjum  haetti 
jsat  giordist,  fjvi  at  hann  mintist  hvat  sa 
liinn  dyrligi  madr  hafdi  kent  hononi,  er 
hann  giordi  riddara,  at  hann  skyldi  eigi 
vera  ofmalugr  ef  hann  kaämi  i  okunnan 
stad  ok  fyrir  f)vi  hrseddist  hann  at  spyrja 
ok  vildi  eigi  angra  ])&  er  honom  veittu 
beina. 


1  varles.  2  ki.  v.  4325 :  Vos  a  envoies  cest  presant.  3  parolent  4  varles. 
5  blance.  6  enpoingnie.  7  emmi.  8  passa.  9  eutre.  v.  4373:  Et  eil  ki  sor  le  lit 
seoient.  10  tout.  v.  4374  f. :  Et  tout  eil  ki  laiens  estoient,  Vireut  la  lance  et  le  fer  blaue. 
11  s'en  ist.  12  goute.  13  el.  14  varlet.  15  couloit,  16  goute.  17  vermelle.  18  varles. 
19  mervelle.  v.  4381 :  Qui  laiens  ert  noviaus  venus.  20  del.  21  teuus.  22  coment. 
23  casti.  24  souvenoit.  25  ki.  26  ensengna.  27  et.  28  que  fehlt,  si  il.  29  le.  v.  4389 : 
Ton  le  tenist  k  vilounie.    30  et  felilt.  pour  (,-ou.    31  ue  le.     22  demanda. 


160 


EUGEN  KÖLBING 


Von  dem  Weinen  und  Schreien  im  Pallaste  beim  Anblick  der  blutigen 
Lanze  findet  sich   weder   bei  Chrestiens  eine  Spur,    wie  schon  Rochat 
bemerkt,  noch  in  der  Saga.  Es  folgen  nun  die  Jünglinge  mit  den  Kerzen, 
deren  Stelle  bei  Wolfi'am  juncfrouicen  dar  vertreten,  v.  4391  AI : 
E  lors  '  dui  autre  vaslet  viudrent 


qiii  chandeliers"  an"*  lor  mains  tindrent  ^, 
de  fin  or,   ovrez  ^  a  neel ''. 
li  vaslet ""  estoient  moult  bei  ^ 
eil  qui  les  chandeliers  portoient. 
an^  chascuu  '"  chandelier  '^  ardoient 
dos  chandoiles  ^"  a  tot  ^^  le  maiiis, 
IUI  graal  antre  '^  ses  dos  malus 
unc  damoisele  '■'  teuoit 

et  '*'  avoec  les  vaslez  *'  veiioit, 

quant  ele  fu  leanz  ^"^  autree  '^, 

a  tot ""  le  graal  qu'ele  tint, 

une  si  grauz  ^*  elartez  '"  au^^  vint, 

qu'ausi  perdoient  les  chandoiles 

lor  clarte  come  ""*  les  estoiles 

qant"^  li  solauz  "^  lieve  et"'  la  lime. 

Ich  übergehe  nun  die  nächste  Stelle  und  vergleiche  nur  noch  eine  Stelle, 

die  auch  Rochat  aufführt: 


\)\i  naäst  komu  in  Jiveir  sveinir  ungir  ok 
fridir  ok  bei'u  i  höndum  kertistikur  af 
brendu  gulli  ok  II  kerti  a  livarri  med 
skinandilogu  semmest  gatu  daudligaugu 
sett.  J)vi  nsest  gekk  in  ein  fögi'  mair  ok 
bar  i  höndum  ser  Jjvi  likast  sem  textus 
vseri ;  en  peir  i  völsku  mali  Icalla  graall, 
en  ver  megum  kalla  ganganda  greida.  Af 
Jivi  skein  sva  mikit  Ijos  at  ]iegar  hvarf 
birti  allra  ]ieirra  loga  er  i  varu  höllinni 
sem  stiorna  birti  fyrir  solar  liosi. 


V.  3233   (4421): 
et  li  vaslez  les  vit  passer 
et  n'osa  mie  demander 
del  graal,   cui  l'an  an  "^  servoit, 
que  il  toz  jorz  el  euer  avoit 
la  parole  au  prodome  "^  sage, 
se  eriem  "*"  que  il  n'i  ait  domage 
qae  j'ai  oi  sovant  retraire 
que  ausi  se  puet  an  trop  taire 
con 


Sem  Percival  sa  jietta,  dirfdist  hann  eigi 
at  spyrja  J)vi  at  hann  hraedist,  at  honom 
myndi  menn  afstanda.  en  sva  sem  madr 
ma  Vera  ofmalugr  ser  til  meina,  sva  ma 
hann  ok  vera  ofjiöguU  ser  til  skada,  pvi 
at  hvartveggja  ma  mein  giora  ofmaslgi 
ok  of])ögli.  En  hversu  sem  honom  kunni 
falla  ])a  spyrdi  hann  einskis  J^ess  er 
hann  sa. 


■*"  trop  parier  a  la  foiee. 
Es  folgt  Parzivals  Entfernung  von  der  Gralsburg,  die  in  den  Haupt- 
sachen ebenfalls  in  beiden  Versionen  stimmt.  Von  der  Unterhaltung  mit 
dem  unsichtbaren  Knappen,  der  nach  Wolframs  Darstellung  die  Brücke 
aufgezogen  hat,  weiß  weder  Chrestiens  noch  die  Saga  etwas,  während 
im  übrigen  Chrestiens  bedeutend  ausführlicher  ist  als  die  Saga. 


1  atant.  v.  4391 :  Atant  dui  vaslet  k  hü  vinreut.  2  candelers.  3  en.  4  tmrent. 
5  ou-sTet.  6  chisiel.  7  varlet.  8  biel.  v.  4395:  Qui  les  candelers  aportoient.  9  en. 
10  cascun.  11  candeller.  12  candoiles.  13  tout.  14  entre.  15  damoisiele.  16  qui. 
17  varl6s.  18  laiens.  19  entree.  20  atout.  21  grans.  22  clartes.  23  i.  v.  4405:  Que 
si  pierdirent  les  candoiles.  24  com  fönt.  25  quant  26  ^olaus.  27  ou.  28  qui  on  an. 
V.  4424:  Que  tous  jors  en  sen  euer  avoit.  29  preudome,  30  si  crient.  31  damage. 
V.  4427  f.:  Püur  ^ou  qu'il  a  oi  retaire,  C'ausi  bien  se  puet  on  trop  taire.    32  com. 


DIE  NORDISCHE  PARZIVALSAGA  UND  IHRE  QUELLE.  16 1 

Die  mm  nächste  Scene  ist  die  Begegnung  Parzivals  imcl  der  bei 
A^^()lfram  Sigime  genannten  Jungfrau,  die  bei  Chrestiens  nur  laie  inicele, 
beim  Autor  der  Saga  mmr  heißt. 

V.  3362    (4600): 
ensiii  ^  vers  "  la  foret"^  s'aquiauf*  Hami  reict  nii  brott  af  stadmim  ok  ut  i 

si  entre  en  un  sentier ....  (?)  skoginn:  Jaa  sa  hann  mamia  farveg  nyli- 

ou  il  ot  une  estroite  voie  gan  ok  |jar  reift  hann  eptir  etc. 

de  cbevaus  que  ale  estoient  ^'. 

V.  3370  (4608). 
tant  que  il  vit**  par  aventm-e  jsa  sa  hann  mey  eina  undir  eiuni  eik. 

une  pueelle  '  sos  **  une  chaisne";  Hon  aepti  ok  kserdi  sik  sarliga 

et  '"  crie  et  plove  *^  et  si  ^'^  blasme  ^^ 
come  chaitive  ^^  dolereuse  '■'  .  . 

V.  3393   (4631): 
eusin'*'  son  doel  de  ce  menoit  ok  hafdi  i  factmi  ser  sinn  bonda  daudan. 

dun  ' '  Chevalier  qu'ele  tenoit 
qui  avoit  tranchiee  '^  la  teste  '^. 

Man  vergleiche  übrigens  mit  der  Stelle  der  Saga,  die  dem  französischen 
Text  von  v.  3370  an  fast  wörtlich  entspricht,  die  entsprechenden,  aber 
ziemlich  abweichenden  Verse  Wolframs,  249,   11  ff. 

do   erhörte   der   degen   elleiis   rieh 

einer  frouwen  stimme  jtemerlich. 

ez  was  dennoch   von  touvve  naz. 

vor  im  üf  einer   linden  saz 

ein   magt,   der  fuogte   ir  triwe   not. 

ein  gebalsemt  ritter  tot 

lent  ir  zwischenn   armen. 

Was  im  Folgenden  Rochat  über  Chrestiens  Darstellung  im  Verhältniss 
zu  Wolfram  sagt,  gilt  nicht  weniger  von  unserer  Saga  und  kann  daher 
hier  wiederholt  werden.  „Pai'zival  erzcählt  seine  Reise  und  wie  er  im 
Schlosse  übernachtete.  Chrestiens  lässt  aber  keineswegs  die  Gralsburg 
unsichtbar  sein,  auch  ist  in  seiner  Erzählung  keine  Rede  von  Montsal- 
vaige,  Titurel  und  Frinuitel ;  überhaupt  ist  bei  ihm  das  Ganze  etwas 
kürzer  gefasst."  Interessant  ist  es,  folgende  hierher  gehörige  vStelle,  für 
die  sich  eine  entsprechende  bei  Wolfram  nicht  findet,  mit  der  corre- 
spondiereuden  in  der  Saga  zu  vergleichen.  Es  handelt  sich  darum,  daß 
Parzival  hier  seineu  Namen  bekommt;  die  pucele  fragt: 


1  Et  il.    2  viers.   .S  foriest.    4  s'akient,  v.  4G01  f.:  Si  entre  en  I  sentier  et  trneve 
Qu'il  i  ot  ime  trace  nuev6.     5  que  fait  i  avoient.     6  voit.     7  puciele     8  sous.    9  kaisue. 
10  qui.     11  pleure.     12  se.     13  deraisne.     14  caitive.     15  dolerouse.     16  issi.    v.  4631 
Issi  Celle  son  duel  menoit.  17  dou.  18  trencie.  19  tieste. 
GERMA.NIA.    Neue  Reihe  II.  (XlV.)Jabrg.  H 


162 


EUGEN  KÖLBING 


Eda  hvat  heitir  Jju  vin?  En  hinu  er 
eigi  vissi  nafn  sitt,  nema  hann  gat  til 
))at ,  jetta  ek  ,  sagrti  hann,  at  ck  heiti 
Paricuvaleis.  En  eigi  vissi  bann  hvart 
hann  sagdi  satt  eihi  eigi.  Ok  j:»egar  sem 
lUEeriu  skildi  nafn  hans,  })a  stod  hon  upp 
i  moti  honom  ok  maelti  sva  sem  reid : 
Vin,  kvad  hon,  ftu  hefir  nu  skipt  nafni 
y)inu  illu;  er  ])er  nu  farit,  jju  veilli  Per- 
cival,  er  |iu  spurdir  eigi  um  spiotit  etc. 


V.  3512   (4748): 
conmant  ^  aves  vos  non"  amisV 

Darauf  heißt  es: 
et  eil  qui  "*  son  non  "  ne  savoit 
devine  et  dit"*  que  il  avoit 
Perchevaus  "'  li  Gualois**  :i  non  ', 
ue  ne  set  s'il  dit  *  voir,   o  '**  non  ; 
mais  il  dist  voir,  et  si  uo  "*  sot. 

V.  4754   (nach  M): 
Et  quant  hi  damoisiile  Tot, 
Si  s'est  encontre  lui  drecie 
Et  a  dist  come  courecie: 
Tes  uoms  t'est  cangies,  biaus  amis, 
Coment  Perccvaus  li  kaitis  ; 
Ha,  Piercheval,  biaus  amis  dous, 
Com  ies  ore  maleurous, 
Quant  tu  tout  ^'ou  n'as  demande. 

Bei  Wolfram  erinnern  uns  folgende  Zeilen  an  diese  Stelle :  251 ,  28  f. 
hl  der  stimme  erkante  si  den  man.  Do  sprach  si:  du  bist  Parziväl.  Also 
ganz  abweichend;  Avährend  das  Französische  und  Nordische  wenigstens 
einigermaßen  zusammenstimmen. 

V.  3594   (4830): 
Mais  ou  *  *  fn  cele  espee  prise 
qui  vos  ^"  pant  ^'^  au  senestre  flanc, 
qui  onques  d'home  ^^  ne  traist  sanc, 
onques  ue  fu  a  besoin  traite? 
ie  sai  bien  ou  ele  fu  faite 
et  si  sai  bien  qui  '^  la  ^®  forja  .  . 

In  dem  Aveiteren  Gespräch  über  das  Schwert  weichen  die  französische 
und  die  nordische  Quelle  etwas  von  einander  ab,  theils  in  den  Namen, 
theils  im  Gang  des  Gespräches.  —  In  Chrestiens  Texte  sowohl  als  in 
der  Saga  erfährt  Parziväl  hier  von  seiner  Verwandten  den  Tod  seiner 
Mutter,  während  Wolfram  dies  erst  bei  Parzivals  Aufenthalt  bei  Tre- 
vrezent  erwähnt. 

Wir  kommen  nun  zu  der  Begegnung  Parzivals  mid  der  Jeschute, 
wie  Wolfi-am  sie  nennt,  Avährend  Chrestiens  sie  ?«  damoiselle,  die  Saga 
sie  nur  ma'v  nennt: 

V.  3631   (4865): 
eil  tote  sa  sante  s'en  va,  Nu  ferr  Percival  eptir  j)eirri  miklu  götu 

toz  Ies  esclos,   que  il  trova  miök  akafliga  allt  til  jiess  er  hann  sa  einii 


En  hvadan  var  |3at  sverd  tekit  er  Jju  ert 
vinstiu  niegiu  gyrdr  med,  er  aldri  var  i 
]>urftum  reynt.  Haf  eigi  traust  a  })essu 
sverdi  ok  veit  hvadan  jiat  kom  ok  ek 
kann  jjann  er  smidadi. 


1  coment.  2  noni.  3  ki.  4  dist.  5  Percevaus.  (3  Galois.  7  nom.  8  dist.  9  u. 
10  nel.  11  ü.  12  vous.  13  pent.  14  d'ome,  v.  4833:  N'onques  ä  besoing  ue 
fu  traite?  15  ki.  16  le.  v.  4865  f.:  Et  eil  tout  I  sentier  s'en  va  Tout  I  esclos,  tant 
qu'il  trova. 


DIE  NORDISCHE  PARZIVALSAGA  UND   IHRE  QUELLE. 


163 


uu  palefroi  et  maigie  '  et  las  riddarahest  miök  magran  ok  sva  vesalan 

qui  devant  lui  aloit  lo '"  pas.  sem  uvin  hefdi  um  hann  velt. 

do  "*  palefroi  estoit  avis, 
tant  estoit  inaigres     et  chaitis  ^, 
quil  **  fust  en  males  mains  chaus  '. 

Es  folgt  nuu  im  Französischen  eine  ausführliche  Schilderung  dieses  er- 
bärmlichen Pferdes ,  die  in  der ,  wie  schon  oben  bemerkt ,  langen 
Schilderungen  abholden  Saga  fehlt.  Nach  der  Schilderung  der  Frau, 
che  auf  dem  Pferde  sitzt,  kommt  der  Punkt  in  Betracht,  daß  Parzival 
sie  bei  Chresticns  und  in  der  Saga  im  Gegensatz  zu  Wolfram  nicht 
erkennt,  denn  er  sagt: 

V.  4961    (nach  M): 
Por  Dien,   bele  amie,   por  coi? 
Ciertes,  je  ne  pens  ne  ne  croi 
Que  jou  onques  mais  vos  veisce 
Ne  riens  nule  vos  maffesisce. 

V.  3747   (4981): 
ha  sire,   fait  ele'^,  merci*, 
taisiez  ^^  vos  '^  en,   fuiez  de  ci  ^", 
si  mi  *"*  laissiez  ^*  en  pais  ^^  ester. 
Darauf  erscheint    hinn    dramblafi 


]»u  hin  fritta  masr,  eigi  minnii-  mik  at  ek 
hafi  fyrr  sett  })ik  ok  |)er  eigi  vitandi  ne 
viljandi  mein  giort. 


Hai ,  herra  ,  sagfti  hon  ,  miskuuna  f)U 
))er  ok  fly  undan  at  eigi  fair  J)U  van- 
draedi  af  mer. 
rifldari  (Orguilleux  bei  Chrestiens, 
Orilus  bei  Wolfi'am  genannt),  der,  erzürnt,  einen  fremden  Ritter  bei 
seiner  nnnastn  zu  finden ,  Parzival  zuerst  zwar  Rechenschaft  davon  gibt, 
warum  er  die  Frau  so  hart  behandle,  als  dieser  sich  aber  als  der  au  jener 
Verkennung  Schuldige  zu  erkennen  gibt,  ihn  zum  Zweikampf  heraus- 
fordert*) ;  besiegt  versöhnt  er  sieh  mit  seiner  Gattin.  Man  vergleiche  noch : 
V.  3781    (5019): 


oen  en  bois  ales  estoie, 
et  ceste  damoisele  avoie 
laissiee  *•*  en  un  paveillon  ^'  etc. 

v.  3873   (5315): 
si  dist:   ,, Chevaliers,  jjar  ma  foi, 
ie  *^  n'aurai  ia  merci  de  toi 
iusque  tu  l'aies  de  t'amie; 
que  lo  ^^  mal  n'avoit  ele  mie 
deservi,  ce  pues  tu  iurer  "^. 
que  tu  li  as  fait  andurer  "^ 


Ek  var  farinn  a  veiäar  i  sumar  ok  let  ek 
jiessa  mey  eptir  i  landtialdi  etc. 


Riddai-i ,  kvact  hann,  )iat  veit  tru  min 
at  einga  miskunn  skal  ek  giora  ])er  nema 
jiu  miskunnir  unnustu  jiinni,  pvi  at  aldri 
Jiionadi  hon  til  ]:)viliks  ei'fidis  sem  nu  he- 
fir  hon  af  ))vi  hlotit. 


1  magre.  21e  ?>  del.  4  magres,  5  caities,  6  qu"il.  Tkeus.  8fait-elle.  9  merchi.  10  tai- 
sies.  11  vous.  12  etfuies  deci.  13  me,  14  laissies.  15  empes,  v.  5019:  Voirs  ertk'ales  elbois 
estoie.  IGlaissie,  17  en  un  mien  pavellon.  18  jou.  19  qu'ele.  20  ce  te  puis  jurer.  21endurer. 

*)  Davon,  daß  das  Schwert  Parzivals  bei  dem  Kampfe  zerbriclit  und  der  Fisclier- 
könlg  einen  Boten  ausschickt,  um  die  Stücke  ilun  zurückzubringen,  weili  weder  die  Saga 
noch  Wolfram  etwas.  Diese  Episode  findet  sich  ausführlich  nur  in  M,  v.  5101 — 5305,  kurz 
angedeutet  in  der  Handschrift,  diePotvin  mit  12576  bezeichnet.  (Vgl.Ausg.  I  p.  171.) 

11* 


164  EUGEN  KÖLBING 

Zu  bemerken  ist,  daß  bei  Wolfram,  wie  Roehat  schon  andeutet^  die 
Reihenfolge  der  Ereignisse  die  umgekehrte  ist,  indem  gleich  nach  dem 
Zusammentreffen  Parzivals  mit  Orilus  der  Zweikampf  beginnt ,  ohne 
daß  dieser  jenem  vorher  Nachricht  von  der  Untreue  der  Frau  gegeben 
hat.  —  Gemeinsam  haben  alle  drei  Darstellungen  den  Umstand,  daß 
Parzival  dem  besiegten  Ritter  dieselbe  Botschaft  mitgibt  an  ])a  mey, 
er  Kcei  laust,  als  den . früheren.  Von  Tervrezent  sagt  an  dieser  Stelle 
weder  Chrestiens  noch  die  Saga  ein  Wort. 

Hinn  dramhlati  riddari  begibt  sich  nun  an  Artus  Hof.  Chrestiens 
erzählt  das  Ganze  etwas  kürzer  als  Wolfram;  daß  Orilus  der  Bruder 
Cunnewarens  ist,  erwähnt  er  nicht.  Die  Namen  Plimizoel,  Jofreit  fiz 
Idoel,  Karnant,  Kanedic  etc.  finden  sich  im  französischen  Text  ebenso 
wenig ,  als  Clamide  und  Kingrun ,  deren  Wolfram  gedenkt ,  und 
eben  so  steht  es  in  der  nordischen  Bearbeitung  der  Sage.  Es  ist 
nur  hinzuzufügen,  daß  die  einzelnen  Partieen  der  Handlung  ebenfalls 
ganz  übereinstimmend  sind,  nur  daß  die  Saga  sich  kürzer  fasst,  z.  B. 
auf  die  Frage  Valvers,  w^er  der  tapfere  Ritter  sei,  heißt  es  im  Nordi- 
schen nur:  Ok  sag(fi  pa  konungr  herra  Valver,  hversu  kann  kom  tilhans 
ok  hversu  Kcei  hafdi  gahhat  kann.  En  kann  heßr  mer  jafnan  siäan  fagr- 
liga  pionat  etc.,  wo  Chrestiens  eine  lange  Rede  des  Königs  w^örtlich 
anführt.  Artus  verlässt  nun  den  Ort,  wo  er  sich  mit  seinem  Gefolge 
aufgehalten  hat,  um  Parzival  aufzusuchen.  Er  schlägt  sein  Zelt  auf 
einem  offenen  Felde  auf,  wohin  Parzival  dann  zufällig  auch  geräth. 
Man  vergleiche  die  folgende  Stelle  in  beiden  Bearbeitungen: 

V.  4098   (5540): 
au  matin  ot  ^  mult  bien  negie,  I  daginn  feil  mikill  sulor  ok  gionti  kalt ; 

que  froid  "  estoit  la  matinee*;  ])ann  dag  hafcti  Percival  arla  upp  verit 

et  Perchevaus  par  la  mornee'*  ok  reift  hann  ut  at  leita  atburda  i  her- 

fu  leves,  si  con  ^  il  soloit,  klsertura  sinum  ok  ]3eirra  riddara  er  nök- 

que  querre  et  encontrer  voloit  kut  vildu  vi<t  hann  eiga.  ]ia  reicl  hann 

avanture  ^  et  chevalerie;  at  Jieim  snoinura  (?)   vöUum  er  her  ko- 

et  vint  droit  vers  '  la  praerie  nungsins  var  a.  En  j^eir  varu  allir  ])aktir 

qui  fu  gelee  et  andgi^e  ^.  matt  snio.   Ok  er  hann  kom  fram  a  völ- 

o*  los  ^"  lo  "  roi  estoit  logiee  '",  lunum  ])a  sa  hann  hvar  flaug  mikill  fjöldi 

mais  ains  que  il  venist  as  gentes  '^,  anda  ok  eptir  einn  val  ok   hafdi  lostit 

voloit  une  rote  '"^  de  gentes  '•'',  eina  önd  sva  at  hon  feil  a  jörd.   Percival 

que  la  nois  les  a  esboics  "*;  reift  jiangat  er  hon  niftr  feil  ok  vildi  taka 

veues  les  a  et  oies  hana.     Valrinn  hrsedist    hann   ok  flaug 


1  fu  2  froide.  3  moult  la  contree.  4  la  matinee.  5  com.  6  aventure.  7  en. 
8  ennegie.  9  ü.  10  l'os.  11  le.  12  logie.  13  tantes.  14  route.  15  gantes. 
16  avoit  esbleuies. 


DIE  NORDISCHE  PARZIVALSAGA  UND  IHRE   QUELLE. 


165 


queles  ^  s'en  aloient  bruiant 

por  ^  un  fau§on  qui  "*  va  ^  volant 

apres  ^  eles  de  grant  randon, 

i  ^  vint  ataignant  abandon  ' 

une  fors  des  autres  sevi-ee 

si  la  *  ferue  et  matee  ^ 

que  contre  terre  *"  l'abati. 

mais  trop  par  fix  nois,  si  perdi, 

que  *^  ne  si  vost '"  Her  ^"^  ne  ioindre. 

et  Percevaus  conmence  a  poiudre  ^^ 

la  u  il  ot  veu  lo  '  ^  vol : 

la  gente  '**  fii  navree  el  col, 

si  saigna  ^ '  trois  goiites  de  sanc 

qui  espandirent  sor  lo  blaue, 

si  sanbla  ***  naturel  color 

quant  Percevaus  vit  defolee  ^^ 

la  noif  sor  coi  la  geute  ^^  iut'**, 

et  lo  '^  sanc  qui "  entor  parut, 

si  sapoia  "^  desus  ^^  sa  lance 

por  esgarder  cele  sanblance  ^^ : 

et  li  Sans  et  la  nois  ensanble 

la  fresce  color  li  resanble  "*' 

qui  est  " '  eu  la  face  sa  mie ; 

et  "^  panse"^  tant  que  tos"*"  s'oblie. 

V.  4207    (5652): 
et  Kex  qui  onques  ne  se  pot 
tenir  de  vilenie^*  dire, 
s'en  guabe  "*"  et  dif'"*  au  roi;  biax"*"* 

sire, 
veez**^  con  Sagremors '*''  revient: 
lo  "*"  Chevalier  par  lo"*'  frein  "^^  tient, 
si  Ten  amoine  "*^  mal  gre  ^"  suen. 


skiott  ok  sva  öndin  ])vi  at  hon  var  litt  sar. 
En  )3o  hafdi  henni  bloedt  i  snioinn.  Ok 
sem  hann  sa  J^essa  hluti,  nyfallinn  snio 
ok  bitt  raudasta  blöd,  ]ia  kom  honom  i 
hug  at  slikr  litr  var  i  andliti  Blankiflur 
unnustu  hans  ok  var  ]ia  nu  sva  miök  hug- 
saudi  at  hann  var  öUu  ödru  gleymandi. 
Hann  gadi  eiuskis  annars  en  sia  her  a. 
Sva  var  hann  petta  miök  ihugandi  ok 
sva  tok  hann  J)a  miök  at  unna  at  ekki 
matti  hann  Joa  annat  kunna. 


En  Kfei  rsedismadr  er  aldri  gat  haldit 
ser  fvrir  heimsku  ok  hegoma  ok  ma?lti : 
llerra,  sagdi  hann,  nu  rnegi  J^er  sia  til 
Sigamors  hversu  hann  gengr  a  fceti  ok 
leidir  hestinn;  en  annai-i  leidir  hann  rid- 
darann  nauctgan  ok  jfirkomnan  ok  helir 
unnit  fagran  sigr. 


Verg'leiclien  wir  beispielsweise  hiermit  wieder  einmal  den  entsprechen- 
den deutsehen  Text ,  dem  dieser  Zug  der  Ironie  hier  ganz  abgeht : 
290,  2 :  Keys  der  knene  man  hrahtz  mrere  für  den  kilnec  sCin,  Sagremors 
vxere  gestochen  ahe,  nnt  dort  nze  hielt  ein  strenger  knahe,  der  gerte  tjoste 
reht  als  e. 


1  qu'eles.  2  ponr.  3  ki.  4  vhit.  5  devant.  6  s'en.  7  a  bandon.  v.  5557 :  Une, 
fors  de  rovite  asevree.  8  si  l'a  si.  9  tapee.  10  tiere.  v.  5560:  mais  troj)  tu  mas,  si 
s'enpai-ti.  11  qu'il.  12  vot.  13  loier.  14  goindre.  15  le.  16  gante.  17  sanna. 
18  Sambia.  19  defoulee.  20  giut.  21  le.  22  ki.  23  s"apoia.  24  desor.  25  sem- 
blance.  v.  5577 :  Du  saue  et  de  la  noif  ensamble.  26  resamble.  27  ert.  28  si. 
29  pensa.  30  il.  31  felonnie.  32  se  gäbe.  33  dist.  34  biaus.  35  vees.  36  Saigre- 
mors.     37  le.     38  frain.     39  amaine.     40  maugre. 


166 


EUGEN  KOLBING 


V.  4227    (5672): 

et  eil  li  cria  ^  moult  de  loing: 

vasaus  ",  vasaus  ^,  venes  au  roi, 
,  3  :  „ „  4 


Sem  Kaei  kom  fram  ridaiidi  at  Percival, 
mselti  hann  :  Knapi  ,  sagtti  hann  ,  far 
til  konungs  ok  ))at  veit  tru  min,  J^u  skalt 
fara  hvart  er  J>u  vilt  eda  eigi. 


En  Percival  festi  spiotit  sva  at  Ksei  kom 
ni(tr  fia>rri  hestinum  ok  vifl  ))at  brast  i 
sundr  armlegr  hans  jivi  at  hanu  |)ar  kom 
iiidr  sem  berg  var  undii-. 


vos  "  i  venrez     ia,  par  ma  foi, 

ou  ^  vos ''  lo  comparrez  '  moult  fort. 

V.  4240   (5685): 
et  Percevaus  pas  ne  se  faint, 
desus*  la  face  l'a  ataint, 
si  l'abati  '**  sor  une  roiche  ^" 
que  la  chanole*'  li  estoiche  ^" 
et  qu'antre  lo  code  et  l'aissele 
ensin  ^^  con  *■*  une  seiche  '^  estele  ^^ 
l'os  do  ^'  bras  *^  destre  li  brisa. 

Wir  sehen  aus  dieser  Stelle,  daß  der  Verfasser  der  Saga  sich,  wenn 
auch  oft,  doch  nicht  immer,  ängstlich  an  seine  Vorlage  gehalten  hat. 
Denn  hier  stimmt  einmal  Wolfram  genauer  mit  Chrestiens  als  die  Saga. 
Die  nächste  Stelle  lehrt  uns  dasselbe: 

V.  4365   (5810): 


et  mes  sire  ^^  Gawains  ""  setait'', 
vers  ' "  lui  tot  soavet  '^'^  enblant  "^ 
sans  faire  nul  felon  sanblant  "^. 

V.  4417    (5862): 
sire  sachiez  ^^  veraiement  '^^ 


Ok  )ivi  nsest  herkla?ddist  herra  Valver 
ok  reid  joangat  sem  riddarinn  var  ok 
mselti  etc. 

Ek  er  kalladr  Valver. 


que  ie  ai  "^  non  '^^  en  baptestire  ^*^ 
Gawains  '". 

Im  Folgenden   wird   nun   Parzival   von  Valver    dem  König  Artus   vor- 
gestellt, der  ihn  beschwört,  nicht  Avieder  von  ihm  wegzuziehen. 

Cimdrie  la  soixiere  erscheint  an  Artus  Hofe  ;  doch  ist  gleich  zu 
bemerken,  daß  weder  Chrestiens  noch  die  Saga  diesen  Namen  kennen. 
Sie  wird  nur  bezeichnet  als  ein  mcer  Hot  ok  leiäinlig  sva  at  aldri  foed- 
dist  ßandligra  hvikendi ,  während  bei  Chrestiens  zu  der  Schilderung 
ihrer  Hässlichkeit  17  Verse  (4553 — 70)  verwendet  werden. 
V.  4626   (6074): 


por  ce^*  vos  en  di  la  novele^" 

que  la  ne  faut  nus  qui  '''^  i  aille  "'^ 

qu'il  ''^  ne  truissf  '"*  ioste  ou'^'  bataille"*^ : 

qui  viaut"'^  faire  chevalerie 

se  Ik  la'*"  quiert,  n'i  faura  mie. 


Nu  seg  ek  ydr  pessi  tidindi  at  Lver  sa 
er  j^ar  vil  reyna  riddaraskap  sinn,  raa 
])ar  finna  röskva  folaga  ok  giarna  vilja 
])eir  reyna  utan  if. 


1  crie.  2  vassal.  3  vous.  4  venres.  .5  ü.  6  vous.  7  comperrez.  8  dessous 
V.  5686:  Desous  la  bocle  en  haut  Tataint.  9  si  l'abat  si.  10  roce.  11  canole.  12  des- 
roce.  V.  5689:  Que,  entre  le  keuste  et  l'esiele.  13  ausi.  14  com.  15  sece.  16  astiele. 
17  del.  18  brac.  19  mesire.  20  Gauwains.  21  trait.  22  viers.  23  suef  vait.  24  amblant. 
25  samblant.  26  sacies.  27  certainement.  28  j'ai.  29  i  nom.  30  batestire.  31  por  qou. 
32  les  noveles.    33  ki.   34  alle.    35  qui  lä.   36  truist.   37  u.    38  batalle.  39  viout.  40  le. 


DIE  NORDISCHE  PARZR^ALSAGA  UND  IHRE  QUELLE.  167 

Die  Dame  meldet  noch  dazu,  daß  wer  den  höchsten  Preis  der  Ritter- 
schaft erkämpfen  wolle,  auf  einen  Berg  sich  begeben  müsse,  au  pui  ki 
est  sor  Montesclaire  A  tine  damoisiele  assise;  Moult  grant  Jionor  aroit  con- 
qidse,  Qid  le  siege  en  povoit  osfer  Et  la  fticiele  delivrer.  Man  halte  dazu 
die  entsprechende  Stelle  der  Saga:  „En  sa  er  eignast  vill  höfudfrcegä.  i  öl- 
lum  heiminum,  Jja  kann  ek  segja  honom  hvert  kann  moeiti  soekja  hina  friäustu 
allra  meyharna,  i  veröldu^  ef  nökkurr  pyrdi  tu  at  rida  hrott  at  Jivinda  peirri 
mikiUi  nmsat  er  2im  hana  sitr  i  einu  miklufiaUi.  Nachdem  das  hässliche 
Frauenzimmer  sich  entfernt  hat,  melden  sich  einzelne  Ritter  zu  den  von 
ihr  vorgeschlagenen  Thaten.  Das  Stück  lautet  in  beiden  Bearbeitungen  so : 

V.  6093    (nach  M) : 
La  damoisele  ataiit  s'en  part  Nu  sem  moerin   hafdi   lokit  rooctu   sinni, 

De  ce  que  vot  ot  dit  grant  part,  )ia  rei(t  hon  i  brott,    en  herra  Valver 

Si  s'en  parti  sans  dire  plus.  sagcti  at  bann   skyldi  jiangat  fara.    En 

Et  mesire  Gawains  saut  sus  Garflet  sor  at  bann  skyldi  fara  til  pruda 

Et  dist  que  son  pooir  fera  kastalans.  EnKindrinkveztpangatskyldu 

De  li  secorre,   et  si  ira;  fara  sem  moerin  sat  i  fiallinu. 

Et  Gifles,  li  fius  Do,  redist 
Qu'il  ira,   se  Dex  li  ait, 
Devant  le  Castel  Orguelous. 
Et  je  sor  le  mont  dolerous, 
Fait  Cabadins,  ne  finerai 
Jusques  lä  tan  tost  monterai. 

Bleiben  wir  hier  einen  Augenblick  stehen.  Das  pangat,  Zeile  3,  geht 
offenbar  auf  den  Berg,  wo  die  Jungfrau  zu  befreien  ist.  Eben  dahin 
will  Kindrin  ziehen,  der  dem  Cahadins  des  Chrestiens  entspricht.  Ebenso 
entsprechen  sich  augenscheinlich  Garflet  und  Gifles ,  um  so  mehr  als 
in  dem  Prosaroman ,  der  eben  eine  andere  Handschrift  des  Conte  del 
Graal  zur  Vorlage  gehabt  hat,  derselbe  Name  Girflot  heißt.  Wer  ist 
Dun  dieser  Gifles  oder  Girflot?  Rochat,  der  diesen  Namen  in  seinem 
ersten  Aufsatz  (Germ.  III  p.  101)  bespricht,  weiß  gar  nichts  mit  ihm 
anzufangen.  Aber  es  ist  doch  bemerkenswerth  ,  was  Rochat  hier 
gar  nicht  erwähnt ,  daß  es  schon  ein  Gjfles  ist ,  der  zusammen  mit 
Yvains  den  an  Artus  Hof  gekommenen  Clamadis  der  Königin  und  der 
pucele  vorstellt  (vgl.  Conte  de  Graal  ed.  Potvin,  v.  4060  ss.).  Kommt 
nun  dazu ,  daß  in  unserer  Saga  kurz  vorher ,  ehe  einem  Garflet  der 
erwähnte  Auftrag  wird,  ein  Garflet,  konungs  fol  angeführt  wird,  so  ist 
es  doch  filrs  Erste  kaum  zweifelhaft,  daß  diese  beiden  identisch  sind. 
War  nun  ein  fol,  so  darf  man  weiter  folgern ,  nach  damaligen  Be- 
griffen nicht  zu  niedrig  gestellt ,  daß  ihm  die  hohe  Mission  zu  Theil 
werden  konnte,  einen  Ritter  zu  hochgestellten  Damen  zu  geleiten,  was 
in  diesen  Zeiten  der  vollendeten  Hofetiquette    schon  viel  sagen  wollte. 


168  EUGEN  KÖLBING 

SO  sieht  man  nicht  ein,  warum  derselbe  nicht  auch  einmal  wie  die  andern 
Artusritter  auf  Abenteuer  ausziehen  konnte.  Ist  dies  aber  möglich,  so 
sind  doch  Avohl  der  hier  und  früher  erwähnte  Gifles,  in  der  Saga  Garflet, 
nicht  nur  unter  einander  identisch ,  sondern  auch  dieselbe  Person  mit 
dem  sof,  dem  fol  konungs.  Aus  dem  lißus  Do  weiß  ich  allerdings  auch 
nichts  zu  machen,  denn  an  eine  Textverderbniss  ist  bei  der  Überein- 
stimmung der  Handschriften  schwerlich  zu  denken.  —  Kindrin  (Caha- 
dinsj  wird  außer  an  dieser  Stelle  nirgends  erwähnt. 

Von  Parzival  ist  dann  in  beiden  Bearbeitungen  erzählt ,  daß  er 
sich  verpflichtet,  nicht  zu  ruhen,  bis  er  weiß,  was  der  Graal  ist:  En 
Percival  sor  cd  hann  skyldi  eigi  fyrir  aptr  koma  en  kann  vissi,  hvat  gan- 
gandi  greidi  var.  Endlich : 

V.  6119  (nach  M)  : 
Et  bieii  ensi  jusqu'k  -L-  Ok  fia  hlupu  upp    L    riddara  ok  sam- 

S'en  sont  leve;   cascuns  creantc  bundust  at  jieh-  skyldu  \)'d.i  vita  hvar  sa 

Li  uns  k.  l'autre  et  dist  et  jure  kastali  vseri. 

Que  iioviele  ne  aventure 
Ne  sauront  qu'il  ne  l'allent  querre 
Tant  soit  en  felenesce  terre. 

Es  ist  dies  offenbar  dasselbe  pruäi  kastali,  zu  dem  auch  Garflet  ziehen 
will.  —  So  bekommen  wir  zwei  Gruppen ,  deren  jede  ihr  besonderes 
Abenteuer  aufsucht:  Valver  und  Kindrin  wollen  das  gefangene  Fräulein 
auf  dem  Berge  befreien,  Garflet  und  eine  Anzahl  der  übrigen  Ritter 
dem  prndi  kastali  einen  Besuch  abstatten. 

An  Artus  Hofe  erscheint  nun  ein  Ritter,  bei  Chrestiens  Guingue- 
bresil  ^,  in  unserer  Saga  Gandilbrasit,  bei  Wolfram  Kingriraursel  genannt, 
der  Valver  zum  Kampf  auffordert,  weil  er  seinen  Herrn  getödtet  habe. 
Man  vergleiche: 

V.  4685   (6133): 
Guiuguebresils '  lo  "  roi  conut,  ....   ok  heilsadi   konungi  ok  mselti  til 

lo"*  salua,  si  com  il  dut,  herra  Valver:   Einga  kvedju  ber  ek  ]»er, 

iiiais  Gawain  ^  ne  salue  "'  mie,  l)vi  at  |')U  drapt  minu  herra  med  sva  mi- 

ains  Tapele**  de  felenie  ',  klum  nidingskap  at  f)u  bauzt  honom  eigi 

et  dit*^:  Gawains"*,  tu  oceis^  til  einvigis. 

mon  seignor  ^**,  et  si  lo  feis  *  * 
eusin  ^^  conques  '"^  nol'  ***  deffias; 
honte  et  reproche  '^  et  blame  '^  i  as, 
si  t'en  apcl  ''  de  traisou. 


1  Guigambresil.  2  le.  3  sei.  4  Gaiiwain.  5  salua.  ß  l'aparla.  7  felonie. 
8  dist.  9  ocesis.  10  signor.  11  le  feris.  12  ensi.  13  c'onques.  14  nel  15  reproce. 
16  blasme.     17  apiel. 


DIE  NORDISCHE  PARZIVALSAGA  UND  IHRE  QUELLE.  169 

V.  4718   (6166): 
et  eil  dit  ^,  que  lo  "  provera '^  pa  svaracti  Valver:  Jia  er  )ou  vilt,  skal 

de  traisson"*  laide  et  vilaine  ek  Joessi  svikrjecti  synja  er  )iu  kennirmer. 

iusqu'au  cbief  de  la  quarantaine  Jia  svaracti  honom  at  hann  skyldi  svik  a 

devaut  le  roi  de  Assalon  ^  hann  sanna  ok    skal   jaessi  bardagi  vera 

fyrir  konunginum  i  Kapalon. 

Von  einem  Agrewains ,  wie  bei  Chrestiens  ^  oder  Beaeurs ,  wie  bei 
Wolfram,  der  für  Valver  (Gawains),  als  Verwandter  desselben,  Bürg- 
schaft geleistet  habe,  ist  in  unserer  Saga  nicht  die  Rede.  Cap.  325 — 35 
in  Wolframs  Werk,  die  bei  Chrestiens  fehlen,  finden  sich  natürlich  auch 
in  der  Saga  nicht.  Valvers  Abschied  von  Artus  Hofe  ist  weit  kürzer 
geschildert  als  im  Französischen;  es  heißt  nur:  En  Valver  Most  pegar 
ok  hafdi  pa  VII  skialdsveinna  med  ser  ok  hcutu  allir  hamifara  i  guds  fridi. 
Übrigens  ist  Rochats  Bemerkung  (a.  a.  O.),  daß  im  französischen  Text 
Gawains  sich  mit  einem  Begleiter  begnüge ,  falsch.  Dem  Nordischen 
ganz  entsprechend  heißt  es  v.  6182:  VlI  escuiers  maine  avoec  lui.  Hat 
der  Verfertiger  von  Rochats  Abschrift  etwa  VlI  für  Vn  gelesen?  Cap. 
336 — 337,  30  gehören  wieder  Wolfram  allein  an. 

Hier  beginnen  Valvers  Abenteuer,  die  aber  im  Nordischen  nicht, 
wie  in  den  beiden  anderen  Bearbeitvmgen ,  durch  eine  besondere  Be- 
merkung eingeleitet  werden.  Besonders  ausführlich  in  unserer  vSaga  be- 
handelt findet  sich  Valvers  erstes  Abenteuer,  ein  Tm-nier  vor  dem  Schlosse 
eines  Königs,  den  Chrestiens  Thibaut  de  Tintagueil,  der  Sagaschreiber 
Saibas,  Wolfram  Lyppaut  nennt.  Die  beiden  Töchter  desselben  sind 
weder  bei  Chrestiens  noch  in  der  Saga  mit  Namen  genannt ,  wie  bei 
Wolfram,  (Jbilot  heißt  bei  Chrestiens  la  petite,  in  der  Saga  hin  yngri 
dottir  Saibas,  Obie  bei  Chrestiens  la  grande,  in  der  Saga  dottir  Saibas 
hin  ellri.  Melianz  de  Lis  heißt  in  der  Saga  MeUander.  Die  Stelle  des 
burcgräven  von  der  stat,  der  bei  Wolfram  Scherules  heißt,  bei  Chrestiens 
Gavain  lißls  Bertain  genannt  wird,  vertritt  in  der  Saga  radgiafi  Saibas. 
Von  dem  Namen  von  Gawans  Pferd,  Gringuliet,  findet  sich  in  der  Saga 
so  wenig  eine  Spur,  als  bei  Chrestiens.  —  Ich  hebe  nun  einzelne  Stellen  der 
Erzählung  zur  Vergleichung  heraus  und  zwar  die  französischen  aus  M: 

V.  6201: 
Escuier,   di-moi  qui  eist  sont  Hverir  eru  jiessir  riddarar  er  her  rida? 

Qui  ci  trespassent.   Cil  respont:  Hann  svarar:    jsessi  er  Meliander,  einn 

Sire,   c'est  Melians  de  Lis,  rikr  riddari.   Ertu  med  honom?     sagdi 

Uns  Chevaliers  preus  et  hardis.  Valver.   Nei,  herra,  Grediens  heitir  minn 

Es-tu  k  lui?  Sire,  je  non.  herra.  Hann  kann  ek  gerla,    sagdi  Val- 

Teudaves  mes  sires  a  uom,  ver,    seg  mer,  hvar  hann  er.    Hann  for 


1  dist.     2  qu'il  le.     3  proiivera.     4  traison     v.  6168:  Ains  le  cief  d'uue  quaren- 
taine.     5  Cavalon  (man  vgl.  Kapalon  im  Nord.). 


170 


EUGEN  KÖLBING 


Hversu  mä  J^at  vera ,  sagdi  Valver, 
p\i  at  Meliander  var  i  garcti  Saibas 
ok  er  hann  fostrson  bans.  Herra ,  kvart 
houoin  ,  sva  er  at  sönnu ,  ])\i  at  factir 
hans  var  mikill  vin  Saibas  ,  ok  hann 
var  med  bonom  par  til  er  bann  var  va- 
xinn,  en  J)a  beiddist  bann  astar  dottur 
bans,  er  bann  unni  med  allri  ast.  En 
bon  sagdi  at  bann  skyldi  fyrr  riddari 
vera. 


Qui  ne  vaut  mie  mains  de  Uli.  til  riddara  atreidar,   er  Jieir  bafa.maelt 

Gauwains  li  respont  sans  anui :  sin  i  milli  Meliander  ok  Saibas. 

Teudaves  ja  connois-je  bien. 

Ü  va-il?  ne  me  cele  rien. 

Sire,  ä  I  tornoiemcnt  va, 

Que  Melians  de  Lis  pris  a 

Contre  Tiebaut  de  Tingaguel, 

Et  vous  meismes,  ja  mon  voel, 

El  castiel  contre  ceus  de  fors. 

V.  6216: 
Dex,  fait  mesire  Gauwains  lors, 
Dont  ne  fu  Melians  de  Lis 
En  la  maison  Tiebaut  noris? 
Oil,  sire,  se  Dex  me  saut. 
Ses  peres  ama  moult  Tiebaut 
Come  son  bome  et  moult  le  crut, 
Qu' el  lit  mortel  lä  ü  il  jut 
Son  petit  fil  li  comanda, 
Et  eil  le  nourri  et  garda 
Au  plus  cieremeut  que  il  pot, 
Tant  c'une  siue  fille  sot 
Proier  et  requerre  d'amor, 
Et  Celle  dist  que  ä  nul  jor 
S'amor  ne  li  otrieroit 
Tant  que  il  cbevaliers  seroit. 

In  der  folgenden  Scene  ist  zu  bemerken  ,  daB  in  der  Saga  und  bei 
Chrestiens  nicht,  wie  bei  Wolfram  352,  7  diu  icirtin  seihe  komen  icas 
mit  ir  schoenen  tohfern  ztoein,  sondern  die  letzteren  mit  ihren  Frauen 
allein  bis  zur  höchsten  Schießscharte  hinaufgestiegen  sind,  wo  dann 
das  Gespräch  über  Valver  folgt. 

V.  6334: 
Et  les  dames  et  les  puceles 
Vont  par  les  plus  baus  lius  seoir 
Por  le  tornoiement  veoir 

Das  Nächste  ist  in  der  Saga  viel  kürzer  gefasst 

v.  6387: 
Et  sa  suer  ki  les  li  seoit 
Tji  dist  que  plus  bei  i  avoit; 
Et  cele  en  fu  moult  corecie, 
Si  s'est  por  li  ferir  drdcie; 
Mais  les  dames  arrier  le  traient  etc. 

V.  6395: 
Et  li  tornoiemens  comence, 
U  ot  brisie  mainte  lance 
Et  maint  cop  d'espee  feru. 
Et  maint  cbev;dicr  abatu; 


En  doetr  Saibas  gengu  upp  i  hitt  baesta 
vigskard  ok  med  jieim  allr  berrinn,  at 
sia  samkomu  riddaranna. 


})a  msclti  bin  yngri :  „Ek  se  aunan  rid- 
dara fridara  ok  mä  vera  at  bann  se 
braustari.  Hin  reidist  miök  ok  vildi  liosta 
bana.  En  mejjar  er  vid  v;iru  baunudu 
benni  jiat.  En  med  riddaranum  vard 
bin  mesta  atreid  ok  binn  bardasti  bar- 
dagi  ok  steyptist  f)ar  margr  til  jardar; 
en  af  öllum  ]ieim  er  J)ar  varu  stozt  eingi 
Melinndri,  ])vi  at  bann  steypti  bverjum 
er  bann  uicftti  ok  sem  spiot  hans  brast, 


DIE  NORDISCHE  PAKZIVALSAGA  UND  IHRE  QUELLE. 


171 


Gu5  veit ,    kvad  hin  yngri  systir  hen- 
nar,  her  er  fridari  riddari  en  hann  er. 


Mais  sacies  qua  inoult  cier  li  coste,  bra  hann  sverdi    sinu    ok  hio  a  badar 

Qui  a  Melian  de  Lis  joste,  .  hendr  sva  at  eingi  Jjordi  at  bida  hans. 

Que  devant  sa  lanee  ne  dure  Ok  unnasta  hans  vard  fegin  ok  gat  eigi 

Nus  qu'il  ne  porte  ä  tiere  dure,  Jiagat.  Siaid  nu,  sagdi  hon,  eingi  stendr 

Et,   se  sa  lanee  li  pechoie,  honom  af  öllum  riddarum  ok  eingi  mun 

Grand  cop  de  s'espee  i  emploie.  i   heiminiun. 

Sei  fait  mius  que  tuit  eil  ne  fönt, 
Qui  d'une  part  et  d'autre  sont. 
Sen  a  si  grant  joie  s'amie, 
Qu'ele  ne  s'en  puet  tenir  mie 
Et  dist:  Dames,  vees  mervelles, 
Ains  ne  v^istes  ses  parelles  etc. 

V.  6416: 
Et  la  puciele  dist:  Jou  voi 
Plus  bei  et  mellor,  se  devint. 
Hierauf  sclilägt  dann  die  Altere  ihre  Schwester  im  Zorn.  Dieser  Um- 
stand fehlt  bei  Wolfram  und  um  dieser  Seene  auszuweichen  ,  hat  er 
vielleicht  den  jugendlichen  Töchtern  die  Frau  Mutter  zur  Aufsicht  mit- 
gegeben, deren  Gegenwart  eine  solche  Auslassung  verhindern  musste, 
wie  denn  überhaupt  Wolfram  die  Obie  so  viel  als  möglich  zu  entschul- 
digen sucht,  vielleicht  um  nicht  wieder  bei  den  Frauen  anzustoßen; 
man  vgl.  Cap.  365,  20 — 366,  1.  —  Die  zwei  Versuche  Obiens.  Valver 
zu  schaden,  dann  sein  Zusammentreffen  mit  Garins,  der  ihm  Herberge 
anbietet,  endlich  mit  dem  König,  der,  statt  ihn  nach  dem  Wunsche 
seiner  älteren  Tochter  als  ])iofr  zu  bestrafen,  ihn  so  freundschaftlich  als 
möglich  behandelt,  alle  diese  Züge  haben  das  Französische  und  das 
Nordische  mit  einander  gemeinsam.  Nur  daß  auch  an  diesen  Stellen 
in  der  Saga  die  Erzählung  viel  knapper  gefasst  ist  als  im  Französischen. 
Es  folgt  dann  die  Bitte  der  jüngeren  Tochter  des  Königs  an  herra  Valver, 
er  möchte,  um  sie  zu  retten,  am  Kampfe  Theil  nehmen,  was  dieser 
auch  zusagt.  Den  scharfen  Tadel,  den  der  König  bei  Chrestiens 
und  in  der  Saga  gegen  seine  ältere  Tochter,  ihres  Benehmens  gegen 
die  Jüngere  wegen,  ausspricht,  finde  ich  bei  W^olfram  nicht,  wohl 
auch  aus  dem  oben  angeführten  Grunde.  Am  nächsten  Morgen  gibt 
hin  yngri  konunys  dottur  dem  Valver  die  gnUstuka,  die  er  ihr  zu  Ehren 
tragen  soll.    Es  folgt  der  Kampf.   Man  vergleiche: 

V.  6874: 


Apres  cou  ne  targierent  mie 
Li  Chevalier  qu'il  ne  s'armascent ; 
Armet,  fors  de  la  ville  amascent; 
Et  les  damoseles  resont 
Montees  sor  les  niurs  amont 
Et  les  dames  del  castel  totes 
I  virent  assambler  les  rotes 


)ivi  njest  herkteddist  allt  lidit  ok  reid 
ut  af  borginni.  En  allir  menn  ok  kouur 
gengu  i  vigskard  borgarinnar.  Ok  Me- 
liauder  reid  ekki  tiarri  halfa  milu  fram 
a   völliun   fra   lidinu. 


172 


EUGEN  KÖLBING 


De  Chevaliers  fors  et  hardis; 
Devant  tous  Melians  de  Lis 
S'en  vint  as  rens,  tous  eslaissies, 
Et  ot  ses  compagaons  laissi(5s, 
Bien  louc  II  arpens  et  deini, 

Deu  Kampf  selbst  schildert  Wolfram,  seinem  Geschmack  entsprechend, 
sehr  ausfrxhrlich  ,  viel  kürzer  dagegen  Chrestiens  und  die  Saga.  Von 
der  Theilnahme  des  rothen  Ritters  (Parzival)  am  Kampfe  weiß  die  Saga 
nichts,  so  wenig  wie  Chrestiens.  Auch  der  versöhnende  Abschluß  und 
die  Vermählung  zwischen  Melianz  und  Obie,  wodurch  diese  noch  einmal 
in  ein  freundliches  Licht  gesetzt  wird,  scheint  Wolframs  Erfindung  zu  sein, 
während  in  der  Saga  und  bei  Chrestiens  kurz  vor  dem  Schlüsse  des 
Auftrittes  noch  eine  ziemlich  unerquickliche  Auseinandersetzung  zwischen 
den  beiden  Schwestern  in  Scene  gesetzt  wird,  die  fast  wieder  zu  Thät- 
lichkeiten  führt: 


V.  6936: 
Lors  li  eust  done  I  flat 
L'autre,  s'on  li  vosist  sofrir  ; 
Mais  ne  li  laissierent  ferir 
Les  dames  qui  entor  estoient. 


En  hon  varcl  miök  rei3  ok  vildi  liosta 
hana;  en  meyjarnar  stodu  fyrir,  er  hia 
varu. 


Nachdem  Valver  sich  hier  verabschiedet,  folgt  sein  zweites  Abenteuer. 
Den  bei  Wolfram  Vergulaht  genannten  König  nennt  Chrestiens  iins 
iovenciax,  sor  tos  les  autres  U  plus  l}iax\  die  Saga  drückt  sich  ähnlich  aus; 
En  sicTan  ridu  p  veir  menn  ok  var  annar  ungr  ok  frictr,  indem  sie  natür- 
lich unter  dem  letzteren  den  König  meint.  Schloß  und  Stadt  haben 
weder  bei  Chrestiens  noch  in  der  Saga  bestimmte  Namen;  doch  stellt 
Rochat  p.  103  a.  a.  ().  ganz  mit  Recht  die  Behauptung  auf,  es  sei  die 
Hauptstadt  des  Königs  von  Ascalon  —  hier  Kapalon  —  gemeint,  denn 
der  Gandilbrasit  der  Saga  beklagt  sich  gegen  den  König  in  allen  drei 
Bearbeitungen  über  die  üble  Behandlung ,  die  Valver  —  GaAvains  — 
(bei  Rochat  steht  Parzival^  was  natürlich  nur  ein  Versehen  ist)  von 
den  aufgebrachten  Bürgern  der  Stadt  zu  erfahren  hat.  Der  von  Rochat 
im  Folgenden  besprochene  Rath,  den  der  vavassor,  in  der  Saga  konnngs 
raägiaß,  bei  Wolfram  Liddamus  genannt,  dem  König  in  Betreff  Valvers 
gibt,  ist,  um  es  kurz  zu  sagen,  in  der  Saga  ganz  der  nämliche  und 
entbehrt  ebenso  sehr  der  näheren  Begründung,  im  Gegensatz  zu  Wolframs 
Darstellung.  Davon,  daß  Ehkunat ,  und  nicht  Gawan,  den  Kingrisin 
getödtet,  sagt  die  Saga  so  wenig  etwas  als  Chrestiens.  Man  vergleiche 
nun  folgende  einzelne  Stellen: 


DIE  NORDISCHE  PARZIVALSAGA  UND  IHRE  QUELLE. 


173 


V.  5643    (7095): 
Et  eil  ceus  '  mou  seiguor  Guwain  " 
Salua  ^  et  prist  "*  par  lo  frain  ^ 
Etdit^:   „Sire,  io ^  vos  retaing ^ 
Ales  vos^  en  ^^  lä  dont  ie  vaing'^, 
Si  descendes  ^ "  en  mes  maisons ; 
II  ^^  est  liuimais  tans  et  saisons  ''* 
De  esbergier  ^  ■',  s'or  ^^  ne  vos  poise. 
J'ai  ^'  uiie  seror  moult  cortoise 
Qui  de  vos  ^^  grant  ioie  fera   etc. 

V.  5758   (7210): 
Uns  vavasors  *^  endemantiers  "^ 
Entra  laians'^,   qui  monlt  lor  nut, 
Qui  mon  seignor  -  Gawaiu  conut. 
Si  les  trova  entrebaisant 
Et  grant  ioie  entredeinenaut ; 
Et  des  ""  que  il  vit  tele  "^  ioie 
Ne  pot  tenir  sa  boche  "*  coie, 
Ains  s'eeria  a  grant  vertu: 
Farne  '^,  honie  "^  soies  tu 
Et  Deux*^'  te  destruie  "'^  et  confonde, 
Que  Tome  de  trestot  "^  lo  "^"  nionde 
Que  tu  devroies  plus  lia'ir 
Te  laisses  ensin"*'  conioir. 

Von  dem  Schachspiel,  mit  dem  die  Belagerten  sich  dann  vertheidigen, 
findet  sich  in  der  Saga  nichts.  Die  ganze  Schilderung  des  Kampfes  ist 
in  der  Saga  sehr  kurz,  im  Gegensatz  zu  Chrestiens. 
V.  6132   (7580): 


Hann  heilsadi  lierra  Valver  ok  tok  i  liönd 
hans  ok  mselti  til  haus  :  Ek  byd  ydr 
at  per  farid  til  kastala  vars  i  vart  her- 
bergi  pvi  at  nu  er  dagr  miök  lidinn  ok 
tinii  at  hvilast  ok  ek  a  |jar  systur  ok  mun 
hon  ydr  vel  fagna. 


En  hon  jatadi  ]ivi  blidliga  ok  kystust 
pau  med  soetum  halsföngum.  jietta  sa 
einn  heimskr  ribbaldi  ok  kendi  jiegar 
Valver  ok  a?pti  hari  rcedu :  Gud  gefi  ])er 
svivirding  kona  er  ])U  elskar  Jianu  er 
Jdu  a?ttir  mest  at  hata  J)vi  at  hann  drap 
foedur  )iinn. 


J)a  sendi   hann    heim    skialdsveina   sina 
medhestum  sinum  nema  Gvingvilloteinn. 


Et  a  ti-estos  *'"  ses  valles  ^"^  dist, 
Que  en  sa  terra  ^^  s'en  alassent 
Et  ses"  chevax  ^■''  en  remenassent ''*' 
Trestos  ^^,  fors  sol  son  ^^  guingalet  ■*^. 

Man  muß  zugestehen,  daß  es  sowohl  im  französischen,  wie  im  nordi- 
schen Text  zweifelhaft  genug  ist,  ob  Guingalet  oder  Gvingvillot  der 
Name  eines  Knappen  oder  der  eines  Pferdes  ist  und  wir  können  es 
daher  Wolfram  nicht  so  übel  nehmen,  wenn  er  das  Letztere  annimmt, 
obwohl  das  Erstere  wohl  die  Meinung  ist.  Eine  Menge  anderer  Namen, 


1  sor.     2  monseigiiem'.     3  s'en  va.      4  et  le  prist.      5   la  maiii.      6  dist.      7  je. 

8  retieng.     9  vons.     10  ent.      11  vieng.      12    bien  desceudres.      13  bien  14  raisons. 

15  herberger.  16  s'or.    17    g'ai.    18  vous.    19  vavasours.     20  endementiers.  21  laiens. 

V.  7214:  Et  moult  tres  grant  joie  faisant.      22  puis.      23  cele.      24  bouke.  25  ferame. 

26   honnie.      27    dex.       28    destruisse.       29    trestout        30    le.       31    ensi.  32  trestout. 

33  varles.     34  lor  tiere.     35  cevaus.     36  remenascent,      37  trestous.      38  fors  q-ae  le. 
39  Grinsalet. 


174 


KIKIEN  KULBINTt 


die  sicli  bei  Wolfram  finden,  hat  weder  Chrestiens  noch  die  Saj^a  auf- 
zuweisen. 

Nach  dieser  Erzählung  von  Valvers  Abenteuern  kehren  alle  drei 
Texte  zu  Parzival  zurück.  En  nu  er  at  segja  fra  Percival  heißt  es  in 
der  Saga,  De  monsignov  Gauicain  se  tatst  Ici  li  contes  ä  esfal.  Si  comence  de 
Perceval  bei  Chrestiens.  Das  Cap.  433 — 446  bei  Wolfram  Erzählte,  nämlich 
Parzivals  Zusammentreffen  mit  der  nun  als  Klausnerin  lebenden  Sigune, 
findet  sich  Aveder  bei  Chrestiens  noch  in  der  nordischen  Bearbeitung; 
eine  Abweichung,  die  Rochat  so  gut  als  möglich  zu  erklären  sucht. 

Nachdem  Parzival  nun  fünf  Jalirc  umhergezogen  ist ,  ohne  zu 
einem  Kreuz  oder  zu  einer  Kirche  zu  kommen  und  nur  Auszeichnung 
in  ritterlichen  Leistungen  gesucht  hat,  da  trifft  er  an  einem  Charfreitag 
auf  einen  Zug  von  Büßenden,  bei  Chrestiens  und  in  der  Saga  bestehend 
aus  drei  Rittern  und  zehn  Damen,  die  ihn  zu  eines  Einsiedlers  Klause 
weisen.  Man  vergleiche: 

V.  6179   (7627): 
Et  li  uns  des  trois  Chevaliers 
L'areste  '  et  dit ":   ,,biaux'^  sire  chiers^, 
Dont  ne  crees  vos  ^  Jesliu  Christ  *' 
Qui  la  novele  loi  escrist, 
Si  la'^  dona  *^  as  chrestiens?'* 
Certes,  ce  ^^  n'est  raisons  ne  biens 
Darmes  porter,   ains  est  grans  tors  ' ' 
Au  ior  que  Jeshu  Crist '"  fu  mors. 

Die  Auseinandersetzung  der  Ritter  über  des  Tages  Bedeutung  ist  in 
der  Saga  nicht  so  ausführlich  als  bei  Chrestiens  und  Wolfram.  Fast 
wörtliche  Übereinstimmung  beginnt  Avieder  von  v.  6227  des  fi'anzösischen 
Textes  an : 

V.  6227  (7675): 
Dont  '■*  venes  vos  '^  ores  ensi? 
Fait  Perchevaus  ^•'.   Sire,   de  ci  '*", 
D'un  bon  home  ' ',   d'un  saint  ermi<e  ^^, 
Qui  en  ceste  forest  ^^  habite  .... 

V.  7681    (nach  M): 
Por  Dieu,  signor,  Ik  que  feistes  ? 
Que  demandastes,  que  quesistes? 
Coi?  sire,   fait  une  des  danies, 
De  nos  pecies  li  demandames 


f)eir  sögdu:  Veizt  ])U  eigi,  at  nu  er  sa 
dagr  er  kristr  Jjoldi  dauda  til  lausuar 
öUu  mankyni.  Ok  er  Jsat  eigi  riddara 
sidr  at  rida  J)a  a  ))eirn  degi. 


Hvadau  komi  ])er  nu?  sagdi  hann:  He- 
cTan  or  niörkinni  fra  einum  aga*tum  guds 
bionostu  manni. 


Hvat  giordu  ))er  |)ar?  kvad  Percival. 
[tat  sein  allir  kristnir  menn  ern  skyldir 
at  giora;  jatning  synda  sinua,  ok  tokuni 
hjalprjedi  til  yfirbota.   Sem  Percival  var 


1  rarrieste.  2  dist,  3  biaus.  4  ciers.  5  crees-vos.  6  Jliesncrist.  7  et  le. 
8  donna.  9  crestiiens.  10  il.  11  tors.  12  .Jhesucris.  13  et  dont.  14  vous.  15  Per- 
cevaus.     16  clii.     17  preudome.     18   liormite      19  foriest. 


DIE  NORDISCHE  PAKZIVALÖAGA  UlSD  IHRE  QUELLE. 


175 


slikt  skiljundi,  Jia  koinst  liaim  vid  miök 
i  lijarta  siuu  ok  kom  liouom  i  hug  b\'ersu 
ferliga  hann  hafdi  lifat  ok  maslti  hann  ))a 
til  riddarauua:  Mer  likr  at  fara  til  ]:)essa 
einsetumanns  ef  ek  ma  finna  haun  ok 
peh-  Jjegar  visudu  liouom  a  ))ann  veg 
sein  j)eir  foru  fra  hans. 


Consel,   et  confessc  eii  prcisines. 

La  plus  graut  besoingue  i  feismes, 

Que  nus  crestiens  puisse  faire, 

Qui  voelle  a  Damledieu  retraire. 

Cou  que  Percevaus  oi  ot 

Le  fist  plorer,   et  se  li  plot 

Que  au  saiut  home  alast  parier: 

La  vorrai-jou,   fuit  il,   aler; 

Aler  i  voel,   se  jou  savoie 

Tenir  le  sentier  et  la  voie. 

Bei  Wolfram  dagegeu   ratheu  die  Ritter   selbst  dem  Parzival,    er  solle 

zu  dem  Einsiedler  gehen  und  sich  bei  ihm  Kath  und  Vergebung  seiner 

Sünden  holen.   Vgl.  Cap.  448,  21  ff. 

Die  letzte  ausführliche  Schilderung,  die  die  Saga  uns  bietet,  spielt 
in  der  Klause  des  Einsiedlers.  Die  Bitte  der  mit  den  Rittern  reisenden 
Damen  an  Parzival,  bei  der  Gesellschaft  zu  bleiben  vmd  sich  zu  er- 
holen, scheint  Wolframs  Erfindung,  dessen  germanischem  Gastfreund- 
schaftsgefühl ein  einfaches  Atant  ä  Dien  s  entrecomandent ,  lliens  mile 
plus  ne  se  demandent  nicht  genügen  konnte. 

W'as  den  Aufenthalt  bei  dem  Klausner  betrifft,  so  ist  zuerst  zu 
bemerken ,  daß  Chrestiens  und  die  Saga  seinen  Namen  nicht  kennen, 
indem  der  erstere  ihn  U  preudom,  die  Saga  ihn  hinn  goiti  mactr  nennt. 
Daß  er  Parzivals  Onkel  ist,  sagt  er  in  beiden  Bearbeitungen  und  über- 
haupt ist  die  Darstellung  übereinstimmend,  wie  sich  gleich  daran  zeigt, 
daß  das  Geständuiss,  er  habe  innerhalb  fünf  Jahren  weder  um  Kirche 
noch  Kreuz  sich  bekümmert,  nicht  Parzival  selbst,  wie  bei  Wolfram, 
in  den  Mund  gelegt,  sondern  vorausgeschickt  wird. 

V.  6147    (7595): 
Ce  sout  cinq  ans  trestuit  ^  enticr, 
Ains  que  il  entra  "  eu  mostier, 
Ne  Deu"*,  ne  sa  crois  aora^. 
Tot  ^'  ensin  **  V  ans  demora  ' ; 
Force  ne  relaissoit  il  mie 
A  requerre  clievalerie, 
Que  les  estranges  aventures, 
Les  felenesses  et  les  dures 

V.  7602   (nachM): 
Aloit  querant,  et  s'en  trova 
Taut  que  moult  bien  s'i  esprova ; 

V.  7610   (nach  M): 
Ensi  les  V  ans  csploita 
Conques  de  Dieu  ne  li  sovint. 


En  nu  er  at  segja  fra  Percival,  at  bann 
lifir  sva  fimm  vetr  at  hann  koua  hvarki 
til  ki'oss  ne  kirkju,  sva  var  honom  mikill 
hugr  a  at  fremjast  at  riddaraskap  ok  lei- 
tadi  allra  hiuna  hörttustu  riddara,  ok 
fann  öngvan  sva  röskvan  at  hanu  sigra- 
dist  eigi  a  honom  ok  for  sva  ut  jiessa 
fimm  A'etr  at  honom  kom  aldri  gud  i  hug. 


1  trestot.    2  entrast.    3  Dieu.    4  ii'aoura     5  tout.     6  eiisi.     7  esploita.    V   7599: 
U  pour  ^;o\\  ue   htissn   il  mie. 


17G  EUGEN  KÖLRING 

Er  bekennt  dann  dem  Einsiedler  seine  Sünden: 

V.  7738   (nach  M) : 

Sire,  fait-il,   bien  a  V  ans  Herra,  kvad  Percival,  nu  eru  lidiiir  finim 

Que  Jon  ne  soi  u  ge  me  fui,  vetr  sictan  ek  ba(t  gud  mer  miskunnar 

Nc  Dicu  n'amai  ne  Diu  ne  crui ;  ok  einga  tru  hafda  ek  til  hans;   ek  hefi 

N'onques  puis  ne  fis  se  mal  non.  fjat  eitt  giort  a  pessum-  fimm  vetriim   er 

illt  er. 

Er  bekennt  dann,  daß  er  den  Graal  und  die  blutige  Lanze  gesehen 
und  nicht  danach  gefi'agt  habe  und  erhält  eine  kurze  Auskunft  über 
Beides.  Dein  erstes  Vergehen,  sagt  der  Einsiedler,  war,  daß  du  gegen 
den  Willen  deiner  Mutter  dich  von  ihr  trenntest;  dein  zweites,  daß  du 
auf  der  Gralsburg  nicht  fragtest,  und  du  wärest  längst  verloren,  wenn 
nicht  deine  Mutter  bei  Gott  Fürbitte  für  dich  eingelegt  hätte.  —  Was 
ihm  sein  Onkel  besonders  empfiehlt,  ist,  die  Kirche  zu  besuchen,  Messe 
zu  hören  und  barmherzig  gegen  alle  Dürftigen  zu  sein.  Parzival  ver- 
weilt nun  zwei  Tage  bei  dem  Klausner. 

Hier  kehren  nun  Chrestiens  und  Wolfram  zu  den  Erlebnissen 
Gawans  zurück,  während  der  Verfasser  der  Saga  einen  selbständigen 
Schluß  zu  seiner  Darstellung  bietet,  der,  so  kurz  er  ist,  der  poetischen 
Gerechtigkeit  doch  einigermaßen  Rechnung  trägt.  Ich  lasse  ihn  hier 
folgen: 

Hann  reid  nu  hrott  ok  Utti  eigi  fyrr  en  hami  kam  til  fögrn  horgar 
ok  vard  Blmikvßur,  unmisfa  hans,  honom  hardla  fegin  ok  aUir  attrir  peir 
sein  varii  ])ar  fyrr.  Fekk  Percival  pa.  Blankiflur  ok  giorctist  agcetr  höf- 
(tingi  'ijifir  öllu  riki  hennar  sva  agmtr  ok  sigrswU  at  aldri  atti  hann  sva 
vopnaskij)ti  vkt  riddara  at  ekki  sigradist  hann.  Ok  inoetti  hann  öllum. 
hinum  snmyastum  riddarum  er  varu  imi  hans  daga.  Ok  lykr  her  sögu 
Percival  riddara. 

8.  So  weit  die  Saga  und  soweit  die  von  mir  anzustellende  Einzel- 
vergleichung des  nordischen  Textes  mit  dem  französischen  des  Chre- 
stiens. Das  meiner  Überzeugung  nach  vollständig  ft^ststehende  Resultat 
derselben  lässt  sich  kurz  dahin  zusammenfassen,  daß  der  Verfasser  der 
Parzivalsaga  nicht  nur  die  französische  Bearbeitung  desselben  Stoffes, 
wie  sie  uns  im  Conte  dcl  Graal  des  Chrestiens  de  Troyes  vorliegt,  zur 
Vorlage  und  zum  Vorbilde  gehabt  hat,  sondern  sich  mit  wenigen  Aus- 
nahmen viel  enger  an  dies  sein  Vorbild  angeschlossen  hat,  als  der 
deutsche  ,  wenigstens  zum  Theil  nach  demselben  Vorbilde  arbeitende 
Dichter  W^olfram  von  Eschenbach. 

Wir  müssen  aber  noch  einen  Schritt  weiter  gehen.  Ein  Blick  auf 
die  Saga  lehrt,    daß  iln-  Inhalt  in  sich  keinen  Abschluß  hat.    Um  nur 


DIE  NOKDISCifK  ]'AKZn'ALSA(;A  UND  IHl^E  QUELLE.  177 

eins  anzul'ülij-en ,  so  felilt  dem  Besuch  auf  der  Gralsbxiro;  alle  Pointe, 
wenn  nicht  Parzival  später  Gelegenheit  gegeben  Avird ,  dahin  zurück- 
zukehren, um  die  verhängnissvolle  Frage  zu  thun  und  das  Gralskönig- 
thum  zu  erlangen.  Dies  und  Anderes  weist  darauf  hin,  daß  der  vom 
Sagaschreiber  improvisierte  Schluß  ein  gewaltsamer  ist,  will  sagen,  daß 
seine  Vorlage  nur  ein  Bruchstück  eines  unvollendeten  Gedichtes  ge- 
wesen ist.  Und  so  steht  es  auch.  Es  ist  erwiesen,  daß  Chrestiens  Ge- 
dicht nur  etwa  bis  Cap.  645  des  Wolframschen  Gedichtes  gereicht  hat, 
von  Avo  an  dann  die  Arbeit  der  Fortsetzer  zu  rechnen  ist.  Wir  müssen 
also  das  Resultat  dahin  formulieren ,  daß  der  Sagaschreiber  nur  die 
Arbeit  Chrestiens,  nicht  die  seiner  Fortsetzer  zur  Vorlage  gehabt  hat. 
Aber  noch  zwei  Punkte,  die  vielleicht  Bedenken  erregen  könnten,  sind 
hierbei  zu  besprechen. 

1.  Chrestiens  Werk  hat  eine  Vorgeschichte,  die  in  der  Saga  fehlt. 
Das  ist  Avahr;  aber  halten  wir  dagegen,  daß  einmal  diese  Vorgeschichte 
sich  nur  in  dem  Manuscripte  von  Mons  findet,  daß  sie  ferner  oifenbar 
auch  Wolfram  nicht  vorgelegen  hat,  und  endlich,  daß  es  nicht  unwahr- 
scheinlich ist,  daß  diese  Vorgeschichte,  wie  wir  sie  bei  Potvin  abge- 
druckt finden,  nicht  das  Werk  Clu'estiens,  sondern  eines  seiner  Nach- 
dichter ist,  so  sehen  wir  deutlich,  daß  dieser  Punkt  gar  keine  Schwie- 
rigkeit macht  und  daß  sich  höchstens  das  daraus  schließen  lässt,  daß 
dem  nordischen  Bearbeiter  das  Manuscript  von  Mons  nicht  vorgelegen 
hat,  ein  Resultat,  das  sich  ebenso  sicher  schon  aus  den  Abweichungen 
in  den  Namen  und  aus  dem  Fehlen  des  Inhaltes  der  eingeschobenen 
200  Verse  in  der  Saga  ergibt.  Der  Verfasser  der  Saga  hat  eine  Hand- 
schrift aus  der  Gruppe,  die  Perceval  le  vieil  überschrieben  ist,  vor  sich 
gehabt. 

2.  Wenn  aber  Chrestiens  Werk  dem  Verfasser  der  Saga,  soweit 
es  vollendet  war,  vorgelegen  hat,  so  ist  es,  besonders  Avenn  AA'ir  dazu 
nehmen ,  wie  genau  der  letztere  sich  an  seine  Vorlage  hält ,  a'ou 
vorn  herein  wahrscheinlich ,  daß  seine  Bearbeitung  im  Stoffe  ebenso 
weit  reichte  als  seine  Vorlage.  Dem  ist  aber  thatsächlich  nicht  so. 
Reicht  Chrestiens  Werk  in  W  olframs  Bearbeitung  etwa  bis  Cap.  645, 
so  schließt  die  Saga  etwa  an  der  Stelle ,  die  Cap.  503  bei  Wolfram 
entspricht.  Daß  uns  nicht  etwa  der  Schluß  verloren  gegangen  ist,  AAde 
man  wohl  meinen  könnte,  sehen  wir  an  den  SchlußAvorten:  Ok  lykr  her 
sögu  Percivcd  riddara,  deutlich  genug.  Diese  Schwierigkeit  löst  sich 
Avohl  dadurch  ,  daß  in  allen  drei  früher  besprocheneu  Handschriften, 
die  unter  anderra  auch  die  Parzivalsaga  enthalten,  gleich  auf  diese  ein 

GERMANIA.    Neu.-  lli'ilic    1 1.  (X  lA'.)  •lalir}'.  12 


178  EUGEN  K(")LRING 

Valvei's  jtaffr  folgt,  also  ein  Bruchstück  einer  Valverssaga,  von  dem 
mir  leider  jetzt  nur  Anfang  und  Ende  vorliegt.  Der  Anfang  lautet: 
(vgl.  Samliugar  utgifna  af  Svenska  Fornskrift-Sjülskapet.  Andra  delen. 
Haft  2-4.  Herr  Ivan  Lejon-riddaren.  Stockholm  1849  p.  CXXXIV.) 

Nu  hefr  her  itpp  ödro  sinnr  ok  soger  af  simvlrkiuTn  heriri  Valver  oh 
hans  ferdum.  Sem  kann  reid  af  kastali  peim  er  kann  hafdi  i  verit.  Geck 
folkit  ath  milli  daguerdar  mals  ok  nons  ok  hado  kann  huergi  fara.  ]m 
körn  kann  ath  eik  einni  mikllli  saa  hann  par  liggia  einn  riddara  helldr 
lagt  ok  miok  saran  ok  eina  mey  halfdauda  ok  miok  syrgiandi  etc. 

Mit  den  letzten  Zeilen  vergleiche  man  folgende  Stelle  im  franzö- 
sischen Text:  V.  7808  f :  Et  vit  'I'  kaisne  haut  et  grant,  Trop  hien  fuelhi 
por  omhre  rendre.  v.  7914  ff.:  Atant  desous  le  kesne  esgarde.  Et  vit  seoir 

wie  puciele  Qui  moult  li  samhlast  estre  bele v.  7920:  Si  s'esforgoit 

moidt  de  duel  faire ,  Por  'I'  chevalier  duel  faisoit  Que  eile  moult  sonvent 
haisoit  Es  ex,  el  front  et  en  li  houce.  Quant  mesire  Gauwains  l'aproiice, 
Si  voit  le  chevalir  blec'i',  Qui  le  vis  avoit  depecie,  Et  ot  une  jplaie  inoidt 
grief  D'une  espee  pnt^mi  le  cief  etc. 

Die  Identität  beider  Scenen  ist  wohl  einleuchtend.  Der  Schluß 
des  Bruchstücks  ist  folgender: 

Lillo  sidar  stod  herra  Valver  upp  ok  geck  til  scetis  sins.  enn  alltfollk 
er  i  var  stadnum  var  honom  til  Jrionosto  ok  koUodo  hann  herra  sin  ok 
lavard.  ']>a  var  ok  füll  öll  hallin  af  folki.  hann  saa  einn  nngan  ok  hmversk- 
lighan  mann.  Hann  kalladi  hann  til  sin  ok  mcelti  leynilegha  til  hans. 
Af  pui  ath  ek  hafer  valit  pik  einn  af  ollum  er  her  ero  inni  til  tranadar 
mans  ])a  hid  ek  jdk  ath  pu  rider  mz  mino  eyrindi  til  mins  herra  Artus 
komings. 

Man  vergleiche  folgende  Stellen  im  französischen  Text:  v.  10441  : 
Et  mesire  Gauicains  a  tant  Parlet  ä  sa  seror  la  hiele  Que  il  se  lieve  et 
si  apiüle  Un  varlet  que  il  voit  ä  destre,  Celui  qui  plus  li  sambloit  estre 
Vistes  et  p^eus  et  servitables  Et  plus  sages  et  plus  resnahles  De  tos  les 
varles  de  la  sale ;  En  une  camhre  s'en  avale  Et  li  varles  seus  avoec  lui; 
Quant  il  furent  ensamhle  andui,  Se  le  dist :  Varlet,  jou  te  quit  Moidt  preu, 
moult  sage  et 'moult  hien  duit;  Sejou  'I'  mien  consel  te  di,  Del  celer  moult 
hien  te  casti,  Pour  gou  que  tu  i  aies  preu  etc.  v.  10464  f. :  Amis,  fait  il, 
dont  iras  tu  A  mon  oncle  le  roi  Artti. 

Daß  auch  diese  Stelle  in  beiden  Bearbeitungen  übereinstimmt, 
bedarf  wohl  k«ines  besondern  Nachweises.  So  entspricht  also  die  An- 
fangs- und  die  Schlußpartie  des  Bruchstücks  der  Erzählung,  Avie  sie 
sich  an  den  betreflfenden  Stellen  im  Französischen  findet,  und  es  scheint 
mir  keine  sehr  gewagte  Annahme,  Avenn  wir  daraus  schließen,  daß  das 
von  diesem  Anfang  und  Ende  eingeschlossene  Bruchstück  die  entspre- 


DIE  NORDISCHE  PARZIVxVLSAGA  UND  IHRE  QUELLE.  179 

chende  Partie  des  französischen  Gedichtes  (v.  7893 — 10465)  zur  Vorlage 
gehabt  hat*).  Von  v.  10465  bis  zum  Schkiß  des  Perceval  le  viel  sind 
noch  etwas  über  100  Verse ,  die  der  Sagaschreiber  aus  irgend  einem 
uns  unbekannten  Grunde  in  seiner  Bearbeitung  nicht  berücksichtigt  hat. 
—  Das  Resultat  dieser  Erörterung  ist  also,  daß  Parzivalsaga  und  Val- 
vers]3attr  zusammen  dem  Inhalt  von  Chrestiens  Perceval  le  vieil  ent- 
sprechen und  eine  Handschrift  des  letzteren  Gedichtes  zur  Vorlage 
gehabt  haben.  Warum  aber  die  Trennung  zwischen  den  beiden  ur- 
sprünglich zusammengehörigen  Stoffen?  Ich  meine,  der  Verfasser  der 
Parzivalsaga  hat  -  und  dies  mit  einem  sehr  richtigen  Instiuctc  — 
wohl  gefühlt,  daß  jetzt,  wo  bei  ihm  der  Hauptheld  der  Saga  glücklich 
in  den  Hafen  eingelaufen  war ,  die  Nebenrolle  ,  in  der  Valver  in  der 
weiteren  Erzählung  noch  auftreten  sollte,  nui'  einen  sehr  matten  und 
kläglichen  Eindruck  machen  würde,  und  aus  diesem  Grunde  dem  noch 
übrigen  Theil  seiner  Vorlage  eine  gesonderte  Existenz  gegeben,  aller- 
dings das  dabei  aus  dem  Auge  lassend,  daß  dadurch  der  in  die  Par- 
zivalsaga enger  verflochtene  Theil  der  Valverssaga  ebenfalls  seine  Pointe 
einbüße,  was  fi'eilich  nicht  zu  vermeiden  war,  da  dem  französischen 
Buch  das  Ende  fehlte. 

IV.   A  b  f  a  s  s  u  n  g  s  z  e  i  t  und  Verfasser  der  Saga. 

Ohne,  etwa  aus  Styl  oder  Inhalt  imserer  Saga,  auf  einen  be- 
stimmten Verfasser  schließen  zu  können  oder  zu  wollen ,  möchte  ich 
nur  einige  allgemeinere  Notizen   unter  dieser  Rubrik   zusammenstellen. 

Für  die  Zeit  der  Abfassung  sind  uns  folgende  Momente  gegeben. 
Der  Tod  Chrestiens  de  Troyes  fällt  spätestens  in  den  Anfang  des 
13.  Jhd.  Die  Pergamenthandschrift,  welche  die  Saga  enthält,  föllt  nach 
Arvidsson  etwa  in  das  Ende  des  14.  Jhd.  Nun  wissen  wir,  daß  Euphe- 
mia,  die  Gemahlin  des  Hakon  Magnussen  (f  1312),  patrona  litterarum 
genannt ,  mehrfache  Bearbeitungen  fremder  Stoffe  in  nordischer  Prosa 
veranlasst  hat ;  so  den  Iwein  1302.  Ihrer  Anregung  verdanken  wir 
daher  wahrscheinlich  auch  die  Abfassung  der  Parzivalsaga. 

Was  die  eigenen  Leistungen  des  Verfassers  beti'ifft ,  so  ist  vor 
allem  zu  rühmen  die  schmucklose,  einfache,  aber  gerade  in  dieser  Ein- 
fachheit ansprechende  Sprache ,  die  der  Saga  trotz  des  Fehlens  einer 
ganz   selbständigen  Behandlung   des   Stoffes    unter    den   verschiedenen 


*)  Durch  Herrn  Prof.  Zai-nckes  gütige  Vermittlung  habe  ich  nachträglich  eine 
Inhaltsangabe  des  Valvers  ])attr  von  dem  bekannten  dänischen  Sprachforscher  Herrn 
Dr.  Ludwig  Wimmer  in  Kopenhagen  erhalten ,  welche  meine  oben  ausgesprochene 
Vermuthung  bestätigt.  Nächstens  mehr  darüber. 

12* 


180  EUGEN  Kr)LP,ING,  DIE  NORDISCHE  PAliZIYALSAGA  etc. 

Ii(\ii-l)«Mtun,t;;on  der  Parzivulssa^-a  nicht  den  untersten  Platz  anweist. 
Und  sollen  wir  den  Autor  deshalb  tadeln,  weil  er  sich  in  seiner  Dar- 
stellung genau  an  seine  Vorlage  hielt?  Sicher  nicht.  Wolfram  — 
das  sehen  wir  aus  seinem  Werke  deutlich  —  wollte  von  Anfang  an 
mehr  als  bloß  eine  verständliche  Übersetzung  des  französischen  Ge- 
dichtes in  deutscher  Sprache  geben ;  er  wollte  in  der  Art ,  wie  er  es 
wiedergab  ,  dem  romantischen  Stoff  ein  deutsches  Gepräge  verleihen, 
und  wir  müssen  sagen ,  daß  ihm  dies  vorzüglich  gelungen  ist ;  der 
Dichter  der  englischen  Romanze  hat  zwar  wahrscheinlich  auch  Chre- 
stiens  vor  sich  gehabt ,  hat  aber  mit  poetischer  Licenz  manches  Neue 
hinzugefügt,  manche  Züge  verändert.  Unser  nordischer  Bearbeiter  hat, 
wie  mir  scheinen  will,  einfach  den  Zweck  vor  Augen  gehabt,  seinen 
gebildeten  Landsleuten  den  fremdartigen,  aber  eben  dadurch  anziehen- 
den Stoff  des  französischen  Gedichtes  in  schlichter,  leicht  verständlicher 
Fassung  vorzuführen  und  diesem  Zweck  diente  die  Art  der  Schilderung, 
wie  wir  sie  in  der  Saga  vor  uns  sehen,  vortrefflich. 

Ferner  hat  unser  Autor  Anfang  und  Schluß  der  Saga  als  sein 
Eigenthum  zu  beanspruchen.  Der  Eingang  ist,  wie  schon  bemerkt,  kein 
großes  Meisterstück,  der  Schluß  einfach  und  durch  die  Verhältnisse 
gegeben.  Über  das  ohne  Fortsetzung  in  der  Mitte  stehende  Stück,  das 
uns  die  Abenteuer  Valvers  einzahlt,  wurde  schon  gesprochen.  Endlich 
sind  Zuthaten  des  Nordländers  die  meist  absichtlich  mit  Reimklang 
versehenen  Sprichwörter,  die  er  mit  Vorliebe  zuweilen  in  die  Erzählung 
einwebt  und  von  denen  ich  hier  schließlich  einige  Proben  mittheilen  will. 

Cap.  4.  8a  er  illa  fallinn  at  berjast  er  eigi  kann  vopnum  verjast. 
Sa  er  vita  vil  sinn  drengska'parleik,  parf  drengska/p  ok  vaskleik. 

Cap.  5.  Gott  kemr  aldin  af  goäum  vidi.  Sva  er  ok  godr  madr 
med  godtim  sidi. 

Cap.  6.  Ahyggja.  hitr  sart  sem  hildir  ok  rcenir  margan  sinni  hvild. 

Cap.  7.  iSendi  gud  ydr  goft  tu  handa,  Jivat  sem  kann  vil  giora 
af  vorum  van  da. 

Cap.  8.  Ast  er öUum.  hlutum.  kcerari  hverjum'peim  er  tryggrer  elskari. 

Cap.  11.  Ulik  var  ast  manna  fordum,  sem  hon  syndi  i  sinwni  or- 
dum.  pa  var  trygd pa  er  nu  er  hrygd.  pa  var  blitt pa  er  nu  er  stritt. 

Cap.  12.  En  hon  sat  par  eptir  er  eigi  vildi  skilja  vid  daudan  un- 
nastü;,  SU  er  sanna  ast  hefir  a  mannt  po  at  hon  karlmann  aldri  kanni. 

Cap.  13.  Sva  var  hann  petta  miök  ihugandi  ok  sva  tok  hann  pa 
miök  at  unna  at  ekki  matti  hann  pa  annat  kunna. 

Cap.  14.  Nu  mattu peir  afpessu  giora  pat  er  hokin  mun  i  Ijos  hera. 

Namentlich  gern  stehen  diese  gereimten  Zeilen  am  Schlüsse  von 
Kapiteln,  wo  sie  einen  ähnlichen  Eindruck  machen ,  wie  die  gereimten 


CAKL  SC!Ii;(')DEK,  ZUM   HKDENTINHK'  SPIEL.  181 

Zeilen  am  Schlüsse  einer  größereu ,  uugereimten  Eiuzelrede  in  einem 
Scliiller'sclien  Drama,  und  einem  ähnlichen  Zwecke  dienten  sie  bei  dem 
nordischen  Dichter  wahrscheinlich  auch. 

Schließlich  will  ich  noch  die  Bemerkung  anfügen,  daß,  wenn  nicht 
besondere  Hindernisse  in  den  Weg  treten ,  ich  zu  Anfang  des  Jahres 
1870  den  Freimden  unserer  Wissenschaft  eine  von  mir  mit  Zug-rund- 
legung  des  Cod.  Holmianus  besorgte  editio  princeps  aller  altnordischen 
romantischen  Saga's  vorlegen  zu  können  hoffe ,  die  ,  wie  ich  auf  den 
vorigen  Seiten  an  der  Parzivalsaga,  als  einer  der  wichtigsten  von  ihnen, 
gezeigt  zu  haben  glaube  ,  für  die  Gesammtbeurtheilung  dieser  Sagen- 
kreise von  nicht  geringem  Interesse  sind. 


ZUM  REDENTINER  SPIEL. 


Die  verhältnissmäßig  große  Unselbständigkeit  der  mittelnieder- 
deutschen poetischen  Litteratur  gibt  leicht  Veranlassung,  bei  den  Er- 
zeugnissen derselben  ihren  Quellen  nachzuspüren.  Diese  Veranlassung 
mag  um  so  dringender  erscheinen  einem  Werke  gegenüber,  welches 
nicht  bloß  die  freilich  nicht  allzu  hochwerthigen  niederdeutschen  Dich- 
tungen so  bedeutend  überragt,  sondern  überhaupt  in  der  dramatischen 
Litteratur  des  Mittelalters  einen  so  ausgezeichneten  Platz  einnimmt, 
wie  es  das  Redentiner  Spiel  thut.  Es  wird  hier  keine  eingehende  Wür- 
digung des  genannten  Spieles  beabsichtigt :  eine  solche  hat  Mone  in 
seiner-Ausgabe  (Schauspiele  des  Mittelalters  II,  S.  2  ff.)  gegeben.  Aber 
die  ebendaselbst  besprochene  Frage  nach  der  Quelle  des  Stückes  möge 
hier  noch  einmal  ihre  Erörterung  finden. 

Vorausgeschickt  seien  einige  Worte  über  den  Schauplatz  des  Stückes, 
der  zugleich  seine  Heimat  ist.  Finitus  est  iste  i^cmus  anno  domini  1464 
sequenti  die  Elizabethae  in  Redentyn  ') ,  sagt  der  Schreiber  am  Schluß 
seiner  Abschrift.  Es  ist  dies  der  noch  heute  so  genannte  Hof  Redentin, 
eine  halbe  Meile  nordwärts  von  Wismar  im  Kirchspiel  Neuburg  be- 
legen. Dort  ist  das  Stück  geschrieben,  dort  wurde  es  w^enn  überhaupt 
auch  aufgeführt.  Denn  warum  auf  einmal  die  Scene  nach  Wismar  ver- 


')  Weshalb  Mone  a.a.O.  p.  2  und  106  und  nach  ihm  Ettmiiller  in  seinei- Ausgabe 
p.  VII  Redentym  schreiben,  ist  schwer  zu  ersehen.  Die  Hs.  hat  redenty  und  die  älteste 
urkundliche  Form  des  Namens  v.  J.  1192  (Meckleub.  Urkundenbuch  Nr.  152)  ist 
liadenlin. 


j^2  C\m.  .SCHH()1)EK' 

legt  sein  soll,  Avic  Mone  p.  9  will,  ist  nicht  recht  ersichtlich  Daß  auch 
auf  Dörfern  Osterspiele  aufgeführt  wurden,  wissen  wir  ja  zur  Genüge 
aus  der  famosen  13.  H.  in  Murners  Ulenspiegel.  „Es  ist  ein  geioon- 
heit  hie/  spricht  der  Pfarrer,  „^os  die  hauern  alhcegen  zu  den  ostern  in 
der  nacht  ein  osterspil  halten  wie  unser  her  entstet  nsz  dem  grah.'^  (cd. 
Lappenberg  p.  16.)  Wenn  das  in  gewöhnlichen  Dörfern  geschah,  so 
konnte  es  um  so  mehr  in  Redentin  der  Fall  sein.  Redcntin  ^Niirde  1192 
von  dem  Fürsten  Heinrich  Borwin  I,  dem  Cistercienserkloster  Doberan 
geschenkt  (Meckl.  Urkb.  a.  a.  O.)  und  von  diesem  bis  zur  Refonnations- 
zeit  durch  einen  Conversen  bewirthschaftet.  Redentin  war  der  Hauptort 
der  Klosterbesitzungen  ") ;  was  Wunder  also,  wenn  dort  zu  den  kirch- 
lichen Feierlichkeiten  eben  so  große  Anstalten  getroifen  werden  wie 
etwa  in  den  Städten,  und  wenn  sich  Jemand  findet,  der  ein  Osterspiel 
verfertigt. 

Die  Localisierung  der  Handlung  in  Redentin  ist  so  vortrefflich 
gelungen,  daß  kaum  an  eine  einfache  Substituierung  der  Namen  an 
Stelle  urspriinglich  anderer  gedacht  werden  kann.  Zwar  wemi  der 
Wächter  auf  dem  Thurme  von  Hiddensee  und  Mono  (V.  206)  spricht, 
so  ist  das  eine  gewaltige  Aufschneiderei;  beide  Inseln,  Hiddensöe  und 
Mön,  sind  von  Redentin  aus  —  noch  weniger  natürlich  von  Wismar  — 
nicht  zu  sehen.  Aber  es  liegt  durchaus  im  Charakter  des  Wächters, 
der  die  schlafenden  Grabeshüter  foppt,  sie  zu  wecken  bei  einer  Gefahr, 
die  noch  in  weiter  nebliger  Ferne  schwebt,  ja  fast  nicht  sichtbar  ist. 
Wohl  aber  liegt  Pol  den  Redentinern  so  zu  sagen  vor  der  Thür ;  nur 
ein  schmaler  Meeresarm  trennt  die  Insel  von  der  Redentiner  Feldmark, 
und  so  ist  es  durchaus  im  Sinne  der  Localität,  wenn  der  Ritter  sagt: 
„Segghe  myicen  se  sint  hij  Pole,  so  teil  ik  my  to  der  were  stellen/^  (V.  212.) 

Man  sieht,  es  liegt  kein  Grund  vor,  den  Schauplatz  des  Stückes 
von  Redentin  Aveg  zu  verlegen.  Auch  der  Grund  ist  nicht  zwingend, 
den  man  für  eine  Auffilhrung  in  der  Stadt  geltend  machen  könnte: 
daß  nämlich  die  dem  Teufel  in  die  Hände  gefallenen  und  durch  ihre 
eigene  Beichte  dem  Gespötte  des  Publicums  preisgegebenen  armen 
Seelen  gröl.Uentheils  Handwerkern  angehören.  Einmal  bot  eine  vor- 
wiegend bäuerliche  Bevölkerung  in  ihrer  Gleichförmigkeit,  da  sie  sich 


')  Dies  ergibt  sich  daraus,  daf>  das  betreffende  großherz.  Amt,  welches  jetzt  seineu 
Sitz  in  Wismar  hat,  eben  von  Redentin  den  Namen  trägt.  Zu  Redentin  gehörte  auch 
das  angrenzende  Fai-pen  (s.  Beiträge  zur  Statistik  Mecklenburgs  1865  Bd.  IV  p.  124)  ; 
dort  steht  noch  heute  ein  altes  großes  Gebäude,  jetzt  Kowispeicher ,  welches  die  Tra- 
dition als  ehemaliges  Kloster  bezeichnet. 


ZUM  HKDKNTINEK  .SIMEL.  183 

nicht  in  gewerbliclie  Gruppen  theiltc,  keine  Handhabe  für  diesen  Zweck, 
und  sodann  waren  doch  Schneider  und  Schuster  und  Krämer  und  gar 
der  Schenkwii'th  dem  Landvolk  so  wichtige  und  bekannte  Personen, 
übten  vielleicht  mit  besonderer  Vorliebe  ihre  Künste  au  dem  für  we- 
niger gerieben  geltenden  Bauern,  daß  man  sie  mit  Erfolg  einem  länd- 
lichen Publicum  vorführen  konnte. 

Wie  nun  verhält  es  sich  mit  der  Quelle  des  Stückes?  Mone  nimmt 
an,  daß  dem  Schreiber  der  Handschrift  —  die  beiläufig  nicht  Autograph 
des  Verfassers  ist  —  ein  älteres  Stück  vorgelegen  habe,  welches  er 
theils  übersetzte,  theils  bearbeitete,  und  zwar  wäre  dies  Original  ein 
niederrheinisches  (p.  7).  Das  glaubt  Mone  aus  der  Sprache  des  Stückes 
schließen  zu  sollen,  welche  nicht  rein  die  mecklenburgische  Mundart 
wiedergebe,  sondern  Formen  zeige,  die  zunächst  auf  den  Niederrhein 
weisen.  Dieser  Anschauung  hat  schon  Ettmüller  im  Allgemeinen  wider- 
sprochen (p.  VH);  es  sei  erlaubt,  hier  eines  Näheren  darauf  einzugehen. 

Das  Hauptarguraent  ist  für  Mone  ein  starkes  Schwanken  nament- 
lich der  Verbalformen,  welches  der  Mundart  zuwider  sei.  Hier  aber 
scheint  Mone  manigfach  iiTC  geleitet  zu  sein  durch  die  Autorität  von 
Kitter  (Gram,  der  mecklenb.  Äluudart  1832) ,  der  er  seine  Keuntniss 
d(;r  Mundart  verdankt.  Daß  der  sächsischen,  speciell  mecklenburgischen 
Mundart  die  2.  PI.  Präs.  und  Prät.  auf  en  nicht  eigen  sein  soll,  ist  eine 
durchaus  irrige  Behauptung  :  vielmehr  geht  noch  heute  die  Form  auf 
en  neben  der  auf  t  her,  und  zwar  nicht  bloß  in  der  2.,  sondern  auch 
noch  heute  in  der  1.  wie  auch  in  der  3.  PI.  Präs.,  wovon  Mone  (p.  6) 
Beispiele  aufführt.  Ebenso  bestimmt  kann  versichert  werden ,  daß  die 
von  Mone  der  mecklenb.  Mundart  abgesprochene  2.  PI.  Präs.  sint  rp.4) 
in  der  getrübten  Aussprache  sunt  noch  heute  geläufig  ist.  [Vgl.  Nerger 
S.  67.  167.] 

Daß  Reime  zwischen  u  und  o,  ü  und  o  Beweise  für  eine  fremde 
JMuudart  seien  (p.  5),  ist  gleichfalls  irrig.  Dies  Schwanken  zwischen  o 
und  n,  das  allerdings  bei  Gottfried  Hagen  zahlreich  belegt  ist,  bindet 
sich  keineswegs  an  den  Niederrhein.  Dies  SchAvanken  ist  recht  ein  Cha" 
raktcristicum  des  Niederdeutschen;  vom  Rhein  bis  über  die  Elbe  hinaus 
reimt  noch  bis  ins  16.  Jahrhundert  u  mit  o,  weil  vielleicht  beide  Vo- 
cale,  wie  das  noch  heute  in  der  Mundart  geschieht,  durch  eine  breit<3 
Aussprache  vermittelt  und  einander  nahe  gerückt  wurden.  Nur  diese 
auch  heute  noch  nicht  ganz  bewältigte  Unsicherheit  der  Aussprache, 
dieses  Streben,  einem  zwischen  zweien  schwebenden  breiten  Vocal  zu 
seinem  graphischen  Ausdruck  zu  verhelfen,  ist  es,  was  in  die  nieder- 
deiitscheu  Handschriften  die  Schreibungen  ü  und  o  hineingebracht  hat, 
die  sonst  keine  Bedeutung  haben.    [Vgl.  Nerger  S.  34  f'^.   134.] 


ls4  cAifL  s('iii;r)i>i:K 

Ganz  ebenso  verliält  es  sich  mit  dem  von  Mone  bennstanfleten  ey. 
Wenn  Hofiinann  im  Keineke  Vos  und  Ettmüllcr  in  seinen  Ausgaben 
niederdeutscher  Dichtungen  durchaus  c  schreiben,  so  ist  das  ungerecht- 
fertigt. Die  heutige  sehr  breite  Aussprache  des  e  lässt  ein  i  stark  durch- 
khngen,  eine  Eigcnthümhchkeit,  die  in  dem  Wechsel  der  Schreibung 
in  den  Handschriften  und  alten  Drucken  ihren  berechtigten  Ausdruck 
findet  und  nicht  verwischt  werden  sollte.  [Vgl.  Nerger  S.  32. J 

Ein  anderer  Stein  des  Anstoßes  für  Mone  ist  die  Varietät  in  den 
Formen  des  Personalpronomen  1.  und  2.  Person.  Hier  finden  sich  aller- 
dings, selbst  im  beweisenden  Reim,  neben  dem  überwiegenden  Gebrauch 
des  über  den  größten  Theil  des  niederdeutschen  Sprachgebietes  ver- 
breiteten inii  und  di  abweichende  Formen,  z.  B.  alleioeldieh  :  dich  343. 
ahoeldich  :  mich  677.  sik  :  mik  939.  tir  :  hir  734.  Daneben  7mk  dat. : 
926.  1421.  1793.  mik  acc.  1402.  1420.  dik  dat.:  1533.  1604.  1605. 
1853.  1907.  dich  acc.  1730.  In  Bezug  auf  diese  Formen  muß  zugegeben 
werden,  daß  sie  der  heutigen  Mundart  fremd  sind.  Da  sie  jedoch  in 
linkselbischen  Gegenden  noch  heute  gebräuchlich  sind ,  so  ist  anzu- 
nehmen, daß  ihre  Herrschaft  sich  einst  weiter  östlich  erstreckte  und 
allmählich  zurückwich.  Zum  Beweise  übrigens,  daß  das  Redentiner  Spiel 
mit  diesen  Abweichungen  nicht  allein  steht ,  mögen  hier  noch  einige 
andere  Belege  stehen  ^). 

viik  (mek)  dat.:  Zeno  141.  379.  418.  609.  992.  Baumg.  169. 
Theoph.  641.    Fl.  66.  1011.  1136.    N.  u.  V.  645.  833.  Fastn.  1071,  4. 

mik  (mek)  acc:  Kranesh.  42.    Fl.  90.  1255.   Fastn.  1065,  5. 

dik  (dek)  dat.:  Baumg.  70.  Dere  rat  27.  Brand.  626.  938. 
Theoph.  101.  456. 

dik  (dek)  acc:  Zeno  141.  1367.  Dere  rat  58.  Theoph.  351.  Fl.  1385. 
N.  u.  V.  341. 

mir  (:  hir)  3  Kon.  50. 


^)  Von  den  hier  und  in  der  Folge  viel  gebrauchten  Citaten  stehen  Zeno,  Baum- 
garten (Baumg.),  Lob  der  Frauen  (Vrawenl.),  Rathsversammlung  der  Thiere  (Dere  rat), 
Marinus  (Mar.),  Brandan  (Brand.),  Flos  und  Blankflos  (Fl.)  und  Theophilus  (Theoph.) 
bei  Brans  altplattd.  Gedichte;  Holsteinsche  Reimchronik  (Holst.)  bei  Staphorst  Ham- 
burg. Kirchengesch.  H  118  ff.  ;  Van  der  bort  Christi  (Bort  Ch.) ,  Van  dem  holte  des 
h.  krutzes  (Hdhk.) ,  Van  eynem  eddelen  krutgarden  (Krutg.) ,  kranszhals  (Kranesh.), 
Unser  leven  frouwen  rozenkrantz  (Rosenkr.) ,  Namelosz  und  Valentyn  (N.  u.  V. )  und 
Van  dren  konyngen  (3  Kon.)  bei  Staphorst  IV  175  ff.  Cl.  B.  bedeutet  Claws  Bur, 
Verl.  S.  den  Verlornen  Sohn,  beide  in  der  Ausg.  von  Höfer,  R.  V.  den  Reineke  Vos 
ed.  Lübben.  Sündenfall ,  Marienklage  und  Osterspiel  ed.  Schönemann.  De  deif  van 
Brugghe  (Deif  v.  Br.)  und  Fuchs  und  Hahn  (F.  u.  H.)  stehen  Zeitschr.  V,  385  ff.  Die 
Fastnachtspiele  (Fastn.)  sind  citiert  nach  der  Ausg.  von  Keller  (Bibl.  d.  litt.  Vereins 
Bd.  28—30),  Lauremberg  (Laur.)  nach  der  von  Lappenberg  (Bibl.  des  litt.  Ver.  Bd.  58). 


ZU.M  KEDENTINER  «FIEL.  185 

In  callen  den  genannten  Gedichten  ist  der  Gebrauch  der  Foi-men 
mi  und  di  weit  überwiegend,  ebenso  im  Sündenfall  und  der  Marien- 
klage, obwohl  in  diesen  beiden  die  Formen  mik  und  dik  auffallend 
zahlreich  belegt  sind.  Hier  finden  sich  auch  sonst  auffallende  Formen: 
myr  Marieukl.  84,  mich  dat.  ibd.  100.  me  dat.  ibd.  154,  und  zwar  diese 
Formen  ohne  Nöthigung.  dm-ch  den  Reim  ;  im  Reim  dagegen  me  acc. 
(:  nocte)  Sündenf.  3361.  me  dat.  (:  loe)  ibd.  2363.  (:  de)  ibd.  3793.  (:  se) 
ibd.  3929.  Über  solche  und  ähnliche  Schwankungen  im  Niederrheini- 
schen s.  Schade ,  Geistl.  Ged.  vom  Niederrhein  p.  244 ,  wo  eine  sehr 
wünschenswerthe  ausführlichere  Abhandlung  über  diesen  Gegenstand 
verheisseu  ist. 

Hier  sei  gleich  eine  Bemerkung  angeknüpft  über  die  Frage,  ob 
vns  oder  us  ?  EttmüUer  hat  bekanntlich ,  sich  stützend  auf  den  Reim 
US  :  clus  712,  letztere  Form  durchgeführt,  damit  aber  entschieden  der 
Sprache  Gewalt  angethan.  Auch  kommen  nicht  etwa  beide  Formen 
gleich  oft  vor,  wie  Ettmttller  p.  X  meint,  sondern  es  stehen  beiläufig 
98  uns,  unser,  unsem  u.  s.  w.  gegen  25  us  u.  s.  w.,  wobei  immer  noch 
anzunehmen  ist,  daß  der  Schreiber,  der  vs  schrieb,  gar  manches  Strich- 
lein vergass.  Einige  Belege  ftir  ms  aus  andern  Dichtungen  sind  Vru- 
wenl.  65.  Mar.  203.  Brand.  117.  989.  1108  und  durch  den  Reim  ns:hus 
gesichert  Bort  Ch.  211.  Besonders  häufig,  aber  keineswegs  ausschließ- 
lich finden  sich  tis  u.  s.  w.  im  Sündenfall,  dessen  liukselbische  Heimat 
gesichert  ist.  Es  wird  auch  hier  wie  oben  angenommen  werden  müssen, 
daß  US  durch  uns,  neben  dem  es  lange  bestand,  allmählich  über  die 
Elbe  zurückgedrängt  wui'de.  Schon  Lauremberg  kennt  es  nicht  mehr  ^) ; 
der  heutigen  Mundart  ist  es  ganz  fremd. 

Ein  besonderes  Gewicht  legt  Mone  auf  das  gleichzeitige  Vor- 
kommen rein  niederdeutscher  und,  wie  er  meint,  niederrheinischer  Ver- 
balformen. Als  Beispiel  wird  p.  4  sagen  neben  seggen  angeführt.  Mag 
nun  sagen  immerhin,  auf  welchem  Wege  und  zu  welcher  Zeit  es  wolle, 
aus  dem  Hochdeutschen  ins  Niederdeutsche  herübergedrungen  sein, 
jedenfalls  war  es  im  14.  und  15.  Jahrh.  den  Dichtern  der  verschiedenen 
niederdeutschen  Landstriche  so  durchaus  geläufig,  daß  aus  dem  gleich- 
zeitigen Vorkommen  der  aus  sagen  imd  seggen  gebildeten  Formen  gar 
kein  Schluß  auf  eine  Übersetzung,  se^  es  aus  dem  Hochdeutschen  oder 


*)  Bei  seinem  Zeitgenossen ,    dem  Jeveraner   Hennann   Scheer ,    kommt    t's  vor. 

5.  im  Anhang  zu  Lauremberg  die  Niederd.  Satii'en  und  Hochzeitsgedichte  1,  39.  S.  auch 

6,  89  (in  Biaxtehude  entstanden;  s.  p.  206  der  Lappenbergschen  Ausg.)  8,  28.  66.  107. 
11,  18.  22  (beide  Gedichte  dem  Stift  Bremen  angehörig,  s.  p.  206). 


186  CARL  SCHRÖDER 

dem  Nicclcrrheinischcn,  gezog;en  werden  kaun.  Eine  einfache  Zusammen- 
stellung der  vork(nnmenden  Formen  mit  Belegen  beweist  das.  Die  nach- 
folgende Übersicht  der  verschiedenen  Formen  von  seggen  (sagen),  der 
wir  eine  andere  der  noch  manigfaltigeren  Formen  von  hehben  {han)  folgen 
lassen,  wird  darthun,  wie  häufig  eine  und  dieselbe  Dichtung  zwei  und 
mehr  Formen  neben  einander  aufweist.  Ausdrücklich  bemerkt  sei,  daß 
wir  uns  in  den  Citaten  wesentlicli  beschränken  und  namentlich  aus 
jedem  Gedichte  für  eine  einzelne  Form  nur  eine  Belegstelle  anziehen. 

I.  Infin.  seggm  Red.  Sp.  1200.  Zeno  809.  Bort  Ch.  113.  Fl.  500. 
Fastn.  965,  18.  —  sagen  Red.  Sp.  20.  Zeno  1503.  Bort  Ch.  35.  Fl.  190. 
Fastn.  962,  28.  Brand.  829.  Krutg.  177.  3  Kon.  279.  Holst.  184.  Deif 
V.  Br.  25. 

1  Sg.  Praes.  segge  Red.  Sp.  110.  Bort  Ch.  84.  —  sage  Red.  Sp. 
26.   Bort  Ch.  810.   Theoph.  158.   Fl.  82.   Deif  v.  Br.  90. 

2  Sg.  Praes.  sechst  fast  durchgehends.  —  sacht  Fl.  206.  secht 
Fl.  698. 

3  Sg.  Praes.  secht  Bort  Ch.  279.  Kranesh.  190.  Fl.  32.  —  saget 
Bort  Ch.  870.  Fl.  49.  --  segget  Kranesh.  271.  —  sacht  Fl.  174.  — 
seyt  Deif  v.  Br.  15. 

2  PI.  Praes.  segget  gewöhnlich.  —  zaget  Red.  Sp.  953.  —  sagen 
Fl.  608. 

3  PI.  Praes.  seggen  gewöhnlich.  —  sagen  Brand.  378.  —  segt  Nie- 
derd.  Sat.  u.  Hochz.  2,  88. 

3  Sg.  Praet.  sede  gewöhnlich.  —  sagede  Zeno  1424.  N.  u.  V.  489. 
—  sachte  N.  u.  V.  2212. 

2  Sg.  Imperat.  segge  gewöhnlich.  —  sage  Mar.  44.  Brand.  328. 
Fl.  3(X). 

2  PI.  Imperat.  segget  gewöhnlich.  —  saget  N.  u.  V.  894. 

Part.  Praet.  gesecht  gewöhnlich.  —  secht  Zeno  377.  Kranesh.  134. 
R.  V.  6081.  —  ge^aget  Theoph.  672.  Bort  Ch.  55.  N.  u.  V.  450.  — 
saget  Zeno  1400.  —  gesacht  Sündenf.  3674.  R.  V.  1()24.  —  geseit 
Hdhk.  106. 

II.  Infin.  hehben  Red.  Sp.  660.  Zeno  537.  Brand.  404.  Gl.  B.  296. 
Verl.  S.  549.  Bort  Ch.  68.  Hdhk.  282.  Kranesh.  74.  Fl.  78.  N.  u.  V. 
405.  Ostcrsp.  157.  Deif  v.  Br.  261.  —  han  Red.  Sp.  1J^6.  Zeno  866. 
Brand.  177.  Theoph.  124.  Cl.  B.  Vorr.  3.  Bort  Ch.  474.  Hdhk.  191. 
Kranesh.  193.  3  Kon.  134.  Fl.  41.  N.  u.  V.  168.  Ostersp.  36.  Fastu.  966, 
13.  Dcifv.  Br.  588.  Verl.  S.  1685.  —  /u/üe/i  Theoph.  407.  Kranesh.  196. 
i\Iarienkl.   122. 


ZIM  KEDENTINEK  SPIEL.  187 

1  Sg.  Pracs.  hehhe  Zcno  535.  Braud.  752.  Theoph.  215.  Bort  Cli.  94. 
Krutg.  84.  Fl.  73.  N.  u.V.  232.  Süudeuf.  27.  Marienkl.  244.  Ostersp.  162. 
—  han  Zeno  290.  Vruwenl.  54  Braud.  751.  Theoph.  140.  Bort  Ch.  744. 
Krutg.  6.  Fl.  1032.  N.  u.  V.  501.  Süudeuf.  357.  Maricukl.  105. 
Ostersp.  52.  Deif  v.  Br.  5.  —  have  Braud  1034.  Theoph.  17.  —  lief 
Süudeuf.  2056.  —  heb  Laur.  1,  34. 

2  Sg.  Praes.  hefst  Cl.  B.  113.  Bort  Ch.  106.  Hdhk.  225.  N.  u.V. 
186.  Süudeuf  200.  Verl.  S.  352.  —  hest  Dere  rat  53.  Theoph.  59.  Fl.  864. 
Sündenf.  1240.  Marieukl.  318.  Verl.  S.  269.  —{heß  Theoph.  74.  Bort 
Ch.  444.  3  Kou.  287.  Fl.  1253.  Süudeuf.  1633.  Deif  v.  Br.  720.  — 
hast  Theoph.  79.  Süudeuf  5.  Marieukl.  131.  Deif  v.  Br.  175.  —  hevest 
F.  u.  H.  124. 

3  Sg.  Praes.  heß  Red.  Sp.  659.  Theoph.  43.  Cl.  B.  21.  Fl.  313. 
N.  u.  V.  212.  Süudeuf  190.  Marieukl.  463.  Laur.  1,  143.  Niederd. 
Sat.  2,  55.  R.  V.  41.  Fastn.  962,  6.  Deif  v.  Br.  566.  Verl.  S.  71.  — 
hat  Red.  S.  197.  Zeuo  15^.  Theoph.  736.  Vruweul.  11.  Braud.  322., 
C1.B.568.  Fl.  466.  N.  u.V.  311.  Süudeuf  626.  Marieukl.  75.  R.  V.  1325 
Fastu.  984,  33.  Verl.  S  1129.  —  het  Zeuo  1519.  Vruweul.  3.  Braud.  923. 
Süudeuf.  1211.  Niederd.  Sat.  2,  76.  —  hehhet  Marieukl.  276.  —  hevet 
Deif  V.  Br.  372.  —  hejd  Deif  v.  Br.  468. 

1  PI.  Praes.  hehhen  überwiegeud.  —  han  Vruweul.  26.  Marieukl. 
259.  Ostersp.  3.  —  hehhet  Süudeuf  662.  —  heht  Lauv.  4,  4. 

2  PI.  Praes.  hehhen  Baumg.  157.  Cl.  B.  28.  Krauesh.  155.  3  Kou. 
141.  Fl.  1397.  N.  u  V.  225.  Slludeuf  324.  R.  V.  163.  Fastu.  970,  34. 
Deif  V.  Br.  596.  F.  u.  H.  69.  —  hehhet  Cl.  B.  52.  3  Kou.  206.  Süudeuf. 
2411.  Laur.  2,  269.  —  hat  N.  u.  V.  322.  —  han  N.  u.  V.  2114. 
Marieukl.  399.    Deif  v.  Br.  173. 

3  PL  Praes.  hehhen  überwiegend.  —  han  Theoph.  482.  Cl.  B.  639. 
Bort  Ch.  130.  Krutg.  135.  N.  u.  V.  2127.  Fastn.  1066,  32.  —  hehhet 
Hdhk.  19.  3  Kon.  221.  N.  u.  V.  555.  Süudeuf  1183.  —  heß  Bort  Ch. 
623.  Laur.  luliolt  42.  —  heht  Laur.  2,  728.  Niederd.  Sat.  2,  51.  — 
haven  Cl.  B.  220. 

2  PI.  Imperat.  hehhet  gewöhnlich.  —  havet  Deif  v.  Br.  347. 

2  Sg.  Praet.  ist  neben  durchgehendem  hadde  zu  bemerken  hande 
Sündenf  1450. 

Wir  könnten  die  Reihe  solcher  Parallelformen  noch  vervollstän- 
digen; wir  könnten  noch  dragen  und  dregen,  ten  (tein)  und  trecken,  sin 
und  wesen  heranziehen  5  allein  es  genüge  an  dem  Nachweis  ,  daß  der 
gleichzeitige  Gebrauch  verschiedener  Formen  Gemeiueigenschaft  der 
mnd.  Litteratur  ist. 


IKS  CARL  SCnKÖD?]K 

Der  Reim  hm  :  sehen  1688  ist  allerdings  nicht  rein,  doch  lernt 
ein  Kenner  des  Niederdeutschen  sich  an  noch  schlechtere  Reime  ge- 
wölinen,  und  speciell  aus  dem  Niederrheinischen,  aus  Grottfried  Hagen 
luid  Schade's  Geistl.  Ged.  ließe  sich  eine  wunderbare  Reimliste  auf- 
stellen. An  keines  kunstliebenden  Fürsten  Hofe  gepflegt,  von  keinem 
liedgewaltigen  Sänger  gefördert,  hat  es  nun  einmal  das  Niederdeutsche 
in  der  Verskunst  nicht  Aveit  gebracht.  Wenn  übrigens  Mone  für  hin 
ein  hen  setzt  und  so  eine  niederländische  Form  einseliAvärzt ,  die  für 
ihn  sprechen  könnte,  so  befindet  er  sich  mindestens  mit  der  Handschrift 
in  entschiedenem  Widerspruch.  Auch  tousten  :  listen  1259  ist  nicht  eben 
schwer  zu  ertragen.  Über  den  Reim  sn  :  to  1552  ist  zu  vergleichen, 
was  oben  über  u  :  o  gesagt  wird.  Niederrheinisch,  wie  Mone  möchte, 
wird  übrigens  der  Reim  doch  nicht,  denn  die  Niederrheiner,  z.  B.  Gott- 
fried Hagen  und  Christianus  Wierstraat,  sagen  eben  nicht  zu.,  sondern  zo. 

Freilich  bleibt  immer  noch  Manches  stehen,  was  nicht  rein  nieder- 
deutsch ist,  was  aber  theils  füglich  als  Schreibernachlässigkeit  aufgefasst 
wird,  theils  zu  unbedeutend  und  nebensächlich  ist,  um  irgend  eine  Hy- 
pothese darauf  zu  gründen.  Dahin  rechnen  wir  mehrfaches  t  für  d,  wo 
meist  die  richtige  Schreibung  wenige  Zeilen  davon  steht.  Ebenso  wird 
slafen  765  durch  slapen  220  und  öfter  corrigiert.  Auch  loafen  ist  Schrei- 
berflüchtigkeit, denn  das  Niederdeutsche  hat  vxvpen  Fl.  987.  Cl.  B.  464. 
Für  äffen  833  ist  apen  gewöhnlich ;  der  Reim  äffen :  claffen  ist  übrigens 
autfallender  Weise  noch  mehrfach  belegt  Zeno  257.  F.  u.  H.  7;  cf.  11. 
Das  mnd.  klappen,  welches  dem  heutigen  Plattdeutschen  wieder  ver- 
loren ist,  kann  ich  im  Augenblick  nicht  belegen;  doch  vgl.  achterclap, 
Höfer  zu  Verl.  S.  791  und  klappertasche  Niederd.  Sat.  6,  58.  Vgl.  mul. 
clap  Hoffmann  hör.  belg.  6,  252.  clappaert  Antwerp.  Liederb.  147,  4,  3. 
149,  6,  3  und  oft.  beclapen  ibd.  198,  4,  1. 

Eine  niederrheinische  Quelle  also  anzunehmen,  das  leuchtet  ein, 
liegt  gar  kein  Grund  vor.  Überhaupt  zAvingt  uns  nichts,  in  dem  Ver- 
fasser des  Redentiner  Spiels  nur  den  Übersetzer  einer  älteren  Vorlage 
zu  sehen  und  nun  dieser  nachzuspüren.  Die  Formen  des  geistlichen 
Schauspiels,  in  ihren  Umrissen  ohnehin  durch  die  Kirche  unwandelbar 
gegeben,  waren  im  Lauf  der  Jahrhunderte  längst  stereotyp  geworden. 
Für  das  Osterspiel  lieferte  die  evangelische  Geschichte  die  schlafenden 
Wächter  am  Grabe,  die  Auferstehung,  den  Engel  am  Grabe  und  die 
Frauen;  das  apostolische  Symbolum  und  das  sehr  populäre  Evangelium 
Nicodemi  fügten  den  descensus  ad  infcros  hinzu  und  ein  Theil  der  Reden 
war  durch  die  Liturgie  bedingt.  So  mussten  denn  nicht  nur  die  Sce- 
uaricn,    sondern    auch    die    einzelnen  Reden    durch   fortgesetzte  tibung 


ZUM  EEDENTINER  SPIEL.  189 

eine  fest  ausgeprägte  Form  bekommen,  zur  Tradition  werden,  von  der 
erheblich  abzuweichen  man  um  so  mehr  Bedenken  trug,  als  sie  in  ihrem 
letzten  Grunde  doch  auf  etwas  Heiligem,  auf  Schriftwort  und  Kirchen- 
gebrauch, beruhte.    So  dürfen  selbst  bedeutendere  Übereinstimmungen 
nicht  befremden;    sie  berechtigen  nicht,  dem  Einen  einen  directen  Ein- 
fluß auf  da3  Andere  zuzuschreiben.   Einige  Beispiele  derartiger  stereo- 
typer Redewendungen,  z.  B.  die  Anrede  an  das  Publicum: 
Sic  iget  al  ghelike 
heyde  arm  unt  rike.     Red.  Sp.  1. 
Vornemet  alle  gliche 
beide  arm  und  riche.     Auferstehung    1    bei   Mone   Altd. 

Schausp.  109—144. 
Ku  höret  alle  gleich 

beide  arm  und  reich.     Osterspiel  bei  Hoflfmann  Fundgr.  II 

p.  313. 
So  die  Anrede  des  Engels  an  Christum: 

/Sta  up  here  gades  kint.     Red.  Sp.  231. 
Sta7it  uff  lyber  here  got.     Auferstehung  158. 
Stant  uf  herre  Jesu  ChHst.     Ostersp.  p.  302. 
Wie   sollte   nicht   ferner    die   IJbertragung    des    Tollite  portas  principes 
vestras  übereinstimmend  lauten: 

Ir  hern  sliszet  uff  dye  tor, 

der  konink  der  eren  ist  hie  vor.     Auferstehung  206.    Vgl. 
Red.  Sp.  511.   Ostersp.  p.  303.    Alsfelder  Passion 
p.   511    (Zeitschr.  HI).     Passionsspiel  3869    (bei 
Mone  II,  p.  183  ff.), 
oder  wie  wäre  der  Einldang  in  der  Am-ede  Christi  an  die  zu  erlösen- 
den Seelen  zu  vermeiden,    da  es  sich  ja  nur  um  die  Übersetzung  des 
Vetiite  benedicti  patris  mei,  Matth.  25,  34,  handelte  und  handeln  durfte? 
Red.  Sp.  585  ff.    Auferstehung  226  ff    Ostersp.  p.  305.   Alsfelder  Pass. 
p.  513. 

Was  ist  natürlicher  als  der  Ausruf  des  erlösten  Adam: 

Wol  mich  hüte  und  ymmermere.  Auferstehung  230.  Ostersp.  p.  203, 
oder  der  erwachenden  Grabeshüter: 
Ach  czetar  und  xcaffen, 

hye  ist  czue  lange  geschlaffen.     Auferstehung  192.  Red.  Sp. 

770.  Ostersp.  p.  303.   Passionsspiel  4021.  Picliler 

Drama  des  MA.  in  Tirol  p   147. 

Wenn  sonach  einzelne  Reden   wie   ganze  Scenen  in   fester  Form 

überliefert    und   in    aller   jNIunde   waren    —    wusste    doch    die  Pfarrers- 


10(»  CAKL  SCHRÖDER 

kfichin  in  Budensteten  die  Rolle  des  Engels  am  Grabe  auswendig 
(s.  Ulcnsp.  a.  a.  0.)  —  sollte  nicht  mit  solchem  reich  überlieferten  Ma- 
terial ein  Geistlicher  in  der  zweiten  Hälfte  des  15.  Jahrhunderts 
(denn  daß  auch  das  Stück  am  besten  ins  Jahr  1464  gesetzt  wird,  hat 
Ettmüller  p.  IX  glaubwürdig  dargethan)  ein  Osterspiel  zu  schreiben 
im  Stande  gewesen  sein: 

Sollte  nun  aber  doch  durchaus  eine  Vorlage  für  das  Redentiner 
Spiel  gefunden  Averden,  so  läge  es  am  nächsten,  diese  in  der  mehrfach 
erwälmten  Auferstehung  zu  sehen,  und  zwar  gerade  da,  wo  die  evan- 
gelische Geschichte  dem  Dichter  keinerlei  Anhaltspunkte  mehr  bot: 
im  Teufelspiel.  Hier  zeigen  beide  Stücke  Ähnlichkeiten,  auf  die  Avir, 
ohne  jedoch  weitere  Schlüsse  daraus  zu  ziehen ,  doch  aufmerksam  zu 
machen  nicht  unterlassen  wollen. 

Es  ist  ein  gemeinsamer  Zug  mehrerer  Stücke,  daß  beim  Auszug 
der  erlösten  Seelen  aus  der  Hölle  die  Teufel  doch  noch  eine  oder  die 
andere  mit  List  oder  Gewalt  zurückzuhalten  suchen.  Im  Osterspiel 
p.  307  schleicht  Satanas  Jesu  nach  und  packt  eine  Seele,  die  aber  auf 
ihr  Schreien  von  Michael  befreit  wird.  Im  Red.  Spiel  616  if.  möchten 
Tutevillus  und  Satanas  den  Täufer  Johannes  festhalten,  was  ihnen  natür- 
lich nicht  gelingt.  Im  Alsfelder  Passionssp.  p.  517  erwischt  Liseganck 
wirklich  eine  Seele,  ebenso  der  diabolus  in  der  Auferstehung^).  Im 
letzteren  Falle  gehört  diese  Seele  einem  Bäcker  an,  der  sich  nun  vor 
Lucifer  zu  verantworten  hat,  und  damit  ist  der  Übergang  zum  Teufel- 
spiel gemacht,  welches  freilich  ungeschickt  genug  erst  nach  der  Rede 
des  Bäckers  seine  Einleitung  hat.  Diese  ist  in  beiden  Stücken  sehr  ver- 
schieden an  Länge  und  Werth,  verfolgt  aber  den  gleichen  Gedauken- 


5)  Alsf.  Pass.  a.  a.  O.  23.  199  ff.: 

Owe  owe  und  ummermere, 

lieber  heisre  loiss  uns  mit  dir  gehen, 

die  tliufel  thun  uns  alsso  we. 

Anferst.  43.  261  ff.: 

awe  awe  aive 

mir  thon  die  tufel  aho  we, 

Jhesus  lyher  heve, 

schal  ich  nicht  mit  dir  van  hynnen  kere? 

Alsf.  Pass.  205  f.: 

du  enferest  alsso  von  hynnen  nicht, 
du  werest  ein  rechter  bossewicht. 

Allferst.  259  f. 

neyn  neyn  due  husser  icicht 

due  kumest  mir  von  hynnen  nicht. 


Zmi  REDENTINER  SriEL.  191 

gang:  an  Stelle  der  entwichenen  Seelen  sollen  neue  gefangen  werden, 
damit  die  Hölle  wieder  voll  werde  ^).  Die  Teufel  werden  ausgesandt, 
Alles  zu  greifen,  dessen  sie  habhaft  werden  können;  ein  langes  Register 
schreibt  ihnen  vor,  kein  Alter,  kein  Geschlecht,  keinen  Stand  zu  ver- 
schonen, namentlich  nicht  den  monnink  mit  siner  cappeji  (Red.  Sp.  1301. 
Anferst.  316).  Bald  kommt  denn  auch  die  neue  Beute.  Die  Auferste- 
hung kennt  hier  nur  Satan,  der  alle  Seelen  bringt,  während  das  Red.  Sp., 
wie  auch  das  Vorspiel  der  Alsf  Passion,  der  Teufel  eine  Menge  unter- 
scheidet, die  nicht  übel  individualisiert  sind  und  deren  Jeder  Beute 
bringt.  Dort  beginnen  nun  in  trockener  Aufeinanderfolge  die  einzelneu 
Seelen  ihre  Selbstanklage  (366 — 401),  während  hier  ein  lebendiges  voll- 
ständiges Gerichtsverfahren  eröffnet  wird:  Anklage,  Geständniss,  Urtlieil 
(1312 — 1689).  Somit  Avird  also  dort  gewissermaßen  das  dürre  ärmliche 
Gerüst  geboten  zu  dem  ,  was  hier  als  vollendeter  Bau  vor  uns  steht. 
Im  Einzelnen  aber  finden  sich  bemerkenswerthe  Ähnlichkeiten.  Zunächst 
sind  dort  wie  hier  die  Ergriffenen  Gewerbtreibende,  und  zwar  auf  bei- 
den Seiten  ziemlich  dieselben  :  der  Bäcker  eröffnet  den  Reigen,  dann 
folgen  Schuster,  Bierschenk,  Schlächter  und  Schneider  ;  im  Red.  Sp. 
fi'eilich  auch  noch  der  Weber,  der  Krämer  und  der  Straßenräuber. 
Alle  legen  ihre  Beichte  ab  und  zwar  nun  in  auffallender  Übereinstim- 
mvmg  der  Gedanken  nicht  nur,  sondern  theilweise  auch  der  Worte. 
So  sagt  der  Bäcker  Anferst.  267  ff. : 

loen  der  teyk  ivaz  czue  gruez, 

ich  hrach  davon'  eynen  cloz 

und  warf  en  in  dy  kllgen, 

dez  nmz  ich  in  dye  helle  gedyge. 
und  Red.  Sp.  1364  ff. 

loas  de  de  dech  ok  gycht  fo  grot 

so  hrac  ik  daraf  enen  cht 

unt  loarp  ene  loedder  in  den  troch. 

des  müt  ik  nu  rupen  o  loi  o  icach. 
So    klagt    dann   der  Schuster,    daß  er  schlechtes  Leder  und  schlechte 
Sohlen  zu  seinen  Schuhen  verwandte;    der  Bierschenk  gab  zu  kleines 
Maß,    der   Schneider    stahl   vom  Zeuge   und  der   Fleischer  verkaufte 
schlechtes  für  gutes  Fleisch: 

da  ich  eync  vynnechte  swe  vant, 

ich  nam  sye  uff  mynen  rhcke, 

ich  trug  sye  in  dye  ßeyszer  hfdte, 


")  Anferst.  294  ist  natürlich  helle  zu  lesen  statt  sele. 


102  CAKL  SCHRÖDER 

ich  swer  uff  dye  ti-we  myn 
ez  toer  eyn  reynes  hurgelin.     Anferst.  o87  ff. 
Daneben  Red.  Sp.  1552  ff.: 

hadde  ik  ivat  veyle  van  ener  su 
so  rep  ik  jo  den  hiden  to : 
kum  her,  kop  van  eneme  junghen  sivine ! 
Den  Scliluß  des  Teufelspiels  bildet  dann  in  beiden  Stücken  die  Klage 
Lucifers  über  Hoffart  und  Hochmuth  als  Anbeginn  aller  Sünde.    (Aiif- 
erst.  406  ff.    Ked.  Sp.  1945  ff). 

Das  sind  gewiss  bemerkenswerthe  Übereinstimmungen.  Aber  doch 
zeigt  sich  gerade  bei  dieser  Vergleichung,  wie  unendlich  hoch  an  ethi- 
schem und  dichterischem  Werth  das  Red.  Spiel  über  andern  derartigen 
Stücken  steht.  Unter  den  von  den  Teufeln  beigeschleppten  Seelen  findet 
sich  in  beiden  Stücken  der  Pfaffe.  In  der  Auferstehung  beichtet  er  Avie 
die  Übrigen  und  fährt  zur  Hölle;  im  Red.  Spiel  dagegen  erscheint  er 
als  der  Letzte  und  setzt  mit  seinen  Beschwörungen  und  mit  mächtiger 
Rede  dem  Lucifer  so  zu,  daß  diesem  die  Haare  versengt  werden  und 
er  zu  schreien  beginnt  und  froh  ist,  wie  er  den  Pfaffen  los  wird: 
ein  eminenter  Triumph  der  geistlichen  Gewalt  über  die  Mächte  der 
Finsteruiss.  So  wird  denn  auch  das  Teufelspiel  zu  einem  wüi'digen  Ende 
geführt.  Wie  uns  zum  Schluß  des  ersten  Theiles  der  Dichter  die 
obligate  Prügelei  der  Grabeshüter  (Anferst.  198  ff. ,  Passionssp.  4032. 
Ostersp.  p.  312.  Pichler  p.  148)  erspart  und  eine  Aussöhnung  derselben 
mit  dem  Pilatus  herbeiführt,  so  daß  nun  die  Schande  allein  auf  den 
Juden  sitzen  bleibt  (Red.  Sp.  1020),  so  ist  hier  der  Teufel  der  Geprellte, 
der  dumme  Teufel  der  Volkssage.  Die  Juden  und  der  Teufel,  die  Einen 
die  Werkzeuge  des  Andern,  „die  Mächtigen  der  Erde  und  die  Mäch- 
tigen der  Hölle  zu  Schanden  geworden  durch  die  Auferstehung,"  das 
ist  der  Kern  des  Stückes. 

Gestatte  man  uns  nun,  auf  einige  Einzelheiten  des  Stückes  ein- 
zugehen. 

Die  Namen  der  Teufel,  in  denen  besonders  französische  Einwir- 
kungen zu  Tage  treten,  hat  Ettmüller  p.  XIX  scharfsinnig  zu  erklären 
gesucht.  Funkeldune  aber  ist  gcAviss  nicht  „der  auf  der  Düne  Funkelnde, 
etwa  das  Irrlicht,"  sondern  wie  schon  Drosihn  (Progr.  d.  Gymn.  zu 
Neustettin  1867  p.  22)  richtig  bemerkt  hat,  ist  Funkeldune  eine  verstär- 
kende Zusammensetzung   des   niederd.  dim,   besoffen ") ,    etwa  wie  wir 


')  Bistu    duen   effte   vidf    Fastn.  874,  "29.     S.  auch    Dähnert  Plattd.  Wh.    p.  9G 
V.  (lunn. 


ZUM  REDENTINER  SPIEL.  193 

noch  sagen  :  sternbesoffen.  Man  sehe  nur  die  Rede  dieses  Gesellen 
V.  1652  ff.,  ob  sich  darin  eine  Spur  von  Funkelndem  oder  Irrlicht  findet, 
und  nicht  vielmehr  die  gauze  Schwerfälligkeit  eines  trunkenen  Faul- 
lenzers.  Der  Name  Likketappe  ist  nur  unrichtige  Lesung;  die  Hs.  hat 
Likketuppe  d.  h.  Leck  es  auf,  wodurch  übrigens  die  Bedeutung  des 
Wortes  als  Schmarotzer,  Speichellecker  nicht  alteriert  wird. 

Die  Zutheilung  der  Verse  an  die  redenden  Personen,  wie  sie  Mone 
gibt,  ist  mehrfach  einer  Verbesserung  fähig.  Die  Hs.  gibt  allemal  zwei 
Verse  in  einer  Zeile  und  setzt  den  Namen  des  Redenden,  wenn  sie  ihn 
nicht  etwa,  was  recht  häufig  der  Fall  ist,  vergisst,  an  das  Ende  der 
Langzeile,  mögen  ihm  nun  beide  Verse  gebühren  oder  nur  einer.  Den 
V.  79  spricht  passender  der  primus  miles]  v.  428  gehört  zweifellos  dem 
Satanas,  v.  733  nicht  dem  angelus,  sondern  dem  latro.  Die  Stelle  v,  1350  ff. 
ist  so  abzutheilen: 

Noytor  (ad  Lucif.) 

Hir  is  de  sele  de  ik  grep. 
Lucif  er  (ad  Noyt.) 

Hebhe  dat  ey  dar  de  kenne  myt  deme  pelse  af  lep. 
ad  pistorem. 

Di  stuft  de  clighe  ut  der  nesen  etc. 

Ferner  V.  1387  ff.: 

Lucif  er  (ad  Tutevillum). 
Des  hebhe  stank,  myn  leve  kumpan. 

ad  sutorem. 
Wilkame  leve  seile  myn  etc. 
Weiter  v.  1426  ff: 

Lucif  er  (ad  Astaroth). 
Werliken  du  hust  en  vramer  man, 
du  schol  graten  stank  han. 

ad  sartorem. 
Hebhe  ik  de  hreve  rechte  lesen  etc. 
und  v.  1466  ff.: 

Puk. 


und  bevele  se  an  dyne  wolt. 

Lucif  er  (ad  Puk). 
So  hebhe  dat  der  su  entvolt. 

ad  tabernatorem. 
Ik  segghe  dat  hy  myner  list  etc. 

GERMANIA.  Neue  Reihe  H.  (XIV.)  Jalirj;.  13 


194  CAKL  SCHRÖDER 

Vor  V.  1508  ist  zu  setzen  ad  textnrem.  Die  vv.  1570  f,  sind  zum  Beltjnl 
gesprochen;  vor  v.   1572  ist  zu  setzen  ad  penesticvm. 

Man  erkennt  leiclit  die  Structur  der  einzelnen  Reden  :  der  betreffende 
Teufel  präsentiert  die  Seele  und  bekommt  von  Lucifer  ein  Wort  des 
Dankes  oder  der  Verheißung,  ehe  dieser  sich  zur  Seele  wendet.  Dieser 
Dank,  der  kaum  nach  Jedermanns  Geschmack  sein  dürfte,  nimmt  sich 
doch  im  Munde  des  Teufels  seinen  Gesellen  gegenüber  nicht  allzu  fi'erad 
aus :  hebbe  dal  ey  dar  de  kenne  myt  deme  pelse  af  lep  1351 ;  hebbe  stank 
1387  ;  du  schol  cjroten  stank  han  1427  ;  hebbe  dat  der  sw  entvolt  1467  ; 
me  schal  dine  mnut  myt  sioyneparlen  belegghen  1571.  Solchen  unfläthigen 
Redensarten  gegenüber,  wie  sie  namentlich  an  Funkeldune  verschAvendet 
werden  (1666  ff.),  bleiben  auch  die  Teufel  die  Antwort  nicht  schuldig. 
Lucifer  here,  de  dy  bemeijhe,  redet  Likketuppe  seinen  Hen-n  an  (1596), 
und  noch  drastischer  begrüßt  ihn  Belsebuc  mit  Tpru  voi't  tpru  (1502). 
An  diesen  Worten  hat  Ettmüller  erfolglos  gedeutelt.  Meine  Erklärung 
ist  derb,  recht  derb,  aber  vielleicht  nur  desto  besser.  Ich  fasse  nämlich 
diese  Worte  gleichfalls  als  eine  unfläthige  Begrüßung  und  zwar  eine 
thätliche,  und  halte  die  Worte  tpru  tpru  nur  für  den  graphischen  Aus- 
druck eines  crepitus  ventris.  Unterstützt  wird  diese  Deutung  dadurch, 
daß  vort  ursprünglich  nicht  im  Text  steht,  sondern,  allerdings  von  der 
Hand  des  Schreibers  ,  drübergeschrieben  ist ,  vielleicht  zum  besseren 
Verständniss ,  denn  niederd.  vort  ist  hochd.  Furz  ^).  Eine  Metathesis 
der  Buchstaben  von  tpru  gibt  das  noch  heute  in  derselben  Bedeutung 
gebräuchliche  purt^).  Wer  eine  bessere  Deutung  weiß,  der  gebe  sie. 

Zu  einigen  anderen  Erklärungsversuchen  übergehend ,  habe  ich 
zunächst  die  Pflicht ,  dem  Text  des  Stückes  gegen  seine  bisherigen 
Herausgeber  zu  seinem  Rechte  zu  verhelfen,  indem  ich  zwei  Verse  ein- 
füge, die  Mone  übersehen  hat  und  die  eigenthümlicher  Weise  auch  bei 
Ettmüller  fehlen.  Es  ist  dies  die  14.  Textzeile  auf  Bl.  3  und  lauten  die 
beiden  fehlenden,  dem  Wächter  gehörigen  Verse  nach  v.  218  so: 
se  schryen  un  bellen, 
sprek  to  dynen  ghesellen. 

V.  173:  in  beseien,  für  welches  Ettmüller  beschelen  beschälen  setzt, 
finde   ich   das   mhd.  ser  wund,   sere  verletze.     Die  mecklenb.  Mundart 


*)  Lauremb.  4,  277: 

de  geven  sülke  staetlike  resonanz 

als  ein  vort  in  einem  kalverdanz. 
S.  auch  Dähnert  p.  130  s.  v.  Forrt. 

'')   Lauremb.  2,  3G5:  de  purtader  em  hurst.  S.  nuch  Dälinort  p.  ?>M  s.  v.  Purten. 


ZUM  REDENTINER  SPIEL.  195 

sagt  heute  hesälen,  versälen  in  der  Bedeutung  von  „übel  zurichten". 
Ebenso  ist  schwäb.  versohlen  =  tüchtig  durchprügeln.  Schmid  schwäb. 
Wb.  p.  497. 

V.  545  haben  Mone  und  Ettmüller  das  handschriftliche  tool  in  loe 
ändern  zu  müssen  geglaubt.  Ganz  mit  Unrecht.  Wol  ist  mnd.  Pron. 
interrog.  u.  relat. ;  z.  B.  He  hefft  mey  gefraget,  lool  in  sin  huis  geivest  war, 
Buler  und  Biderin  Act.  4  Sc.  1  (Schauspiele  des  Herz.  H.  J.  v.  Braun- 
schweig ed.  Holland  p.  248),  Wol  licht  dar?  Wol  is  denn  dat?  ibd.  4,  7. 
p.  256.  Wol  dat  secht  de  wilt  de  werlt  verkeren.  Gl.  B.  161.  Wol  kan  dar  ut 
icat  godes  lesen?  Verl.  S.  504.  Wol  hy  gode  is  de  hefft  genoch.  N.  u.  V.  2610. 
Wol  bi  em  stund  de  must  sin  angsicht  van  em  loenden.  Lauremb.  2,  368  u.  oft. 
S.  auch  Dähnert  p.  556. 

V.  653.    ik  hehbe  jo  dicke  hoi't  unt  is  ok  recht 

dat  de  elre'  here  hedwynget  den  ekenen  knecht. 

Diese  Abkürzung  der  Hs.  glaubt  Mone  in  elrere  auflösen  zu  müssen 
und  da  dies  keinen  Sinn  gibt,  setzt  er  edelre.  Ettmüller  schreibt  dann 
ganz  kühn:  d'edel  here  hedwinget  den  egenen  knecht.  Dadurch  geht  der 
ganze  Sinn  verloren.  Die  Abbreviatur  ist  vielmehr  nach  der  Analogie 
von  hyn'-=hynnene  aufzulösen  in  elrene  und  somit  der  Sinn  folgender: 
der  Herr,  wenn  auch  nur  von  Ellernholz,  bezwinget  doch  den  Knecht, 
wenn  auch  dieser  von  Eichenholz  ist.  Vgl.  Gotfr.  Hagen  ed.  Groote 
V.  2913: 

3Ien  spricht,  it  sy  unreicht  off  reicht: 

linden  here  verivint  eygen  kneicht, 

wo  die  Koelhoffsche  Cronica  van  der  hilliger  stat  van  Coellen  fol.  217 
(in  welche  die  Paraphrase  des  Gotfr.  Hagen  ganz  übergegangen  ist) 
besser  liest  eychen.  Der  Sinn  ist  derselbe  ,  nur  ist  charakteristischer 
Linden-  für  Ellernholz  gesetzt.  Vgl.  Wander  Sprichwörterlex.  H  S.  546 
s.  Herr  Nr.  251  ;  Graf  und  Dietherr  Rechtssprichwörter  32  Nr.  51:  Ein 
hölzerner  Edelmann  gilt  mehr  als  zehn  stählerne  Knechte.  Der  Gedanke, 
daß  auch  eine  schwache  Obrigkeit  dem  starken  Verbrechen  leicht  ob- 
siegt, ist  häufig  ausgedrückt.  S.  z.  B.  Helmbrecht  (ed.  Keinz)  1260  ff. 
1622  ff.  1641  ff 

Zu  V.  663  latet  jw  allen  und  v.  904  latet  allen  s.  Kosegarten  Wb. 
d.  niederd.  Spr.  p.  220. 

V.  1138.  haveman  hat  mit  haf  Meer  nichts  zu  thun,  wie  Ettmüller, 
allerdings  mit  ?,  meint.  Auch  Dähnert  p.  179  erklärt  es  sicher  un- 
richtig  als  Hei'r  vom  Hofe ,    Edelmann.     In  dieser  Bedeutung  braucht 

13* 


]9G  CARL  SCHRÖDER,  ZUM  REDENTINER  SPIEL. 

(las  Niedcrd.  durchgehends  eddelman.  Vielmelir  ist  haveman  Avie  ralul. 
hoveman  der  bäuerliche  Hofbesitzer,  colonus,  s.  Mhd.  AVb.  2'  p.  40  s.v. 
hoveman. 

V.  1232  scheint  hinter  ere  nochmals  ere  zu  fehlen.  Die  Auslassung 
erklärt  v^icli  leicht  durch  die  Gleichheit  der  Wörter. 

V.  1244  liaben  Moue  und  Ettmüller  (v.  1237)  das  handschriftliche 
vro  mit  Unrecht  in  vere  geändert,  vro  mhd.  vrü ;  alzo  vro  =  sobald  als. 

V.  1368  empfiehlt  sich  maken  einzuschieben:  konde  ik  maken  küken, 
da  küken  als  Verb  „Kuchen  backen"  nicht  nachzuweisen  ist. 

V.  1412  hat  Mone  loboddem  der  Hs.  in  lohoden  geändert.  Doch  ist 
hoddem  mhd.  hodem  richtige  Form.  Tivar  jedes  handioerk  lool  ein'n  bod- 
dem  heft  van  golde.  Lauremb.  1,  143. 

V.  1495.  has  mede  erklärt  Ettmüller  (v.  1486)  als  Schläge  ans  Knie 
oder  Durchschneidung  der  Flechsen  am  Knie.  Kaum  richtig.  Mede  ist 
Miethe,  Lohn,  cf  v.  83.  Für  has  schlage  ich  vor  hast,  mnl.  haest  adv. 
schnell,  hastig ;  also  :  gebt  dem  Krüger  schnell  seinen  Lohn.  Zu  hast 
cf.  Lauremb.  2,  526  :  so  scholde  ik  mi  hast  möten  vor  lachen  hekaken. 
3,  143:  und  stracks  snart  hast  igien  kum  wedder  to  mi  saa.  cf  p.  229. 
S.  auch  Dähuert  p.  178. 

Die  Hs.  ist  nicht  überall  gut  geschrieben  und  bietet  zu  vielen 
Zweifeln  Anlaß ;  eine  verschiedene  Lesung  ist  an  manchen  Stellen 
möglich.  Ich  gebe  zum  Schluß  kurz  ein  Verzeichniss  der  Stellen,  wo 
ich  außer  den  bereits  oben  angeführten  von  Mones  Lesung  abweiche: 
V.  7  is.  18  jewelk.  82  en.  104  dat.  153  edder.  160  dynen  synnen.  168 
dreghen.  226  scholde.  252  dene.  286  hoke.  346  moghe.  354  dineme. 
516  lool.  594  hest.  596  xoerMe.  618  desse.  622  schalt.  649  heschorenen. 
656  ivelk.  662  de  (vorkommend  für  Dat.  cf  707)  ne  werlde.  671  wa- 
rende  (l.  wardende).  684  ute  lesen.  698  werlde.  101  de  lant.  161  meghede. 
769  torne.  794  welkene.  814  hegunde.  828  scheldent.  911  selsetie.  1012  vere. 
1015  vorgulden  schulden.  1032  sulven.  1113  hynnen.  1128  den  puler. 
1136  docke.  1159  kranke.  1258  wüsten.  1490  allene.  1492  henghet. 
1540  dime.  1559  nuwerlde.  1641  we.  1657  toime.  1679  pfy.  1730  dich 
alfo  hillik.  1776  wo.  1779  hoddestu.  1785  leyder.  1926  voi^e.  1960  vore. 
1964  don.  1973  van.  1977  dyne.  1994  uppe.  2010  nummet.  2013 
14  loenme. 

ERLANGEN.  CARL  SCHRÖDER. 


197 


ZUR  LAUT-,  WORT-  UND  NAMENFORSCHUNG. 

VON 

ALBERT  HCEFER. 


Die  folgenden  Artikel,  ein  buntes  nach  verschiedenen  Seiten  der  deutschen 
Sprachforschung  gerichtetes  Allerlei,  das  ich  mit  absichtlicher  Bevorzugung  des 
Niederdeutschen  fortzusetzen  gedenke,  sind  bis  auf  einzelne  Nachträge  oder 
Berichtigungen  fast  alle  vor  Jahren  entstanden  und  niedergeschrieben  worden. 
Sechs  derselben  waren  schon  von  Franz  Pfeiffer  1865  im  Herbste  für  den 
10.  Jahrg.  der  Germania  S.  416  bis  424  unter  anderer  Überschrift  gedruckt,  wurden 
aber  von  mir  selbst  zurückgezogen,  weil  ein  siebenter  über  Nibelungen- 
str.  1280A,  hier  no.  II,  stillschweigend  und  ohne  Angabe  von  Gründen  unter- 
drückt, auch  sonst  in  Schreibweise  und  Orthographie  Einiges  eigenmächtig  und 
willkürlich  geändert  worden  war. 

I.  Nibel.  Str.  628  und  Das  Gürtel. 

In  den  Nibel.  628  A  heißt  es  von  Siegfried,  nachdem  er  der  Prün- 
hilde  das  güldene  Fingerlein  von  der  Hand  gezogen,  'dar  zuo  nam  er 
ir  gürtel,  —  er  gap  in  sinem  wibe',  während  B  und  C  an  Stelle  des  in 
bekanntlich  iz,  ez  bieten,  wie  denn  auch  Holtzmann  689  und  Zarncke 
S.  103,  3  'er  gab  ez  sime  wibe'  lesen.  Ebenso  neuerdings  K.  Bartsch 
680,  nur  *^iz  sinem'.  An  sich  ist  ja  jenes  in  grammatisch  ganz  richtig, 
sachlich  wird  indessen  ez  angemessener  genannt  werden  dürfen :  denn 
Sti'.  790,  2  ist  Kriemhilt  im  Besitze  des  Ringes  und  es  Avird  ausdrück- 
lich bezeugt,  daß  Siegfi'ied  ihr  vne  den  Gürtel  so  auch  den  Ring  der 
Prünhilde  gebracht  habe  ;  ez  wird  sich  also  in  C  (und  B)  auf  beides 
vingerUn  688 ,  3  und  gürtel  689 ,  1  zusammen  beziehen  ,  wofür  es  der 
Beispiele  kaum  bedarf,  doch  vgl.  Nibel.  str.  2268^  'tot  und  diu  arbeit' 
ob  ez',  Gramm.  4,  283  und  Simrocks  Übersetzung  'er  gab  sie  seinem 
Weibe'.  Eine  Anderimg  entweder  des  ez  in  in  oder  des  in  in  ez  ist 
also  vor  sich  gegangen,  aber  mich  dünkt  am  natürlichsten,  in  werde 
mit  Rücksicht  auf  die  Str.  790.  792  zu  ez  verbessert  sein.  Was  um- 
gekehrt die  augenfällige  Verschlechterung  des  ez  zu  in  veranlaßt  haben 
sollte,  ist  nicht  recht  abzusehen,  —  oder  A  müste  jenes  ez  auf  ein  säch- 
liches 'daz  gürtel'  bezogen  und  darum  seinerseits  durch  in  berichtigt 
haben  ? 

Dieser  Fall  ist  freilich  nicht  sehr  wahrscheinlich,  aber  undenkbar 
ist  er  nicht,  —  denn  das  Neutrum  dieses  Wortes  ist  in  der 
Geschichte  des  Deutschen  keinesAvears  unerhört. 


198  AI.15ERT  IICEFER 

Aus  dem  Gotischen  ist  nur  gairda,  Fem.  wie  altn.  giörd,  bekannt, 
ags.  gyrdel  ist  nur  Masc.  Das  Althochd.  bietet  aber  nach  Graff  4,  255 
außer  dem  m.  gurtil,  cxirtil  schon  das  fem.  gurdila  und  das  ntr.  cuHel- 
liu  semicintia.  Im  Mhd.  kommt  das  Masc.  der  gürtel  vielleicht  am  häu- 
figsten ,  nicht  selten  aber  auch  das  Fem,  diu  gürtel  vor ,  vgl.  außer 
Gramm.  3 ,  449  und  Ben.  M.  1 ,  593 ,  z.  B.  Ben.  zu  Wigal.  S.  178, 
Neidh.  16,  24,  Haupts  Zeitschr.  4,  359,  Pf.  Germ.  3,  219  v.  349  und 
für  die  spätere  Zeit  O.  Schade  Pasq.  1,  108  und  Schmeller  2,  71 — 72; 
das  Neutr.  ist  meines  Wissens  nicht  nachgewiesen.  Für  das  Neulioch- 
deutsche  endlich  scheint  nur  noch  das  Masc.  zu  gelten,  ebenso  'der 
gurt',  obgleich  Luther  'die  gurt'  vorzieht  *). 

Auch  im  Schwedischen ,  Holländischen ,  Altfriesischen  finde  ich 
nur  männliches  g'&rdel,  gordel\  völlig  anders  steht  die  Sache  aber  in 
Beti-eff  des  eigentlich  Niederdeutschen,  obgleich  die  Wörter- 
bücher hier  wie  gewöhnlich  im  Stiche  laßen,  denn  die  einen  führen 
das  Wort  gar  nicht  auf,  die  anderen  geben  kein  Geschlecht  an,  oder 
sie  kennen  nur  das  männliche ,  so  Schambach  und  Schütze  ;  Schütze 
2,  54  bringt  ein  Beispiel  aus  Neocorus  'den  roden  gördel'  und  aus 
Lauremberg  'baven  den  gördel',  wofür  nun  Lappenberg  2,  68  'baven 
dem  gördel'  liest,  was  Neutrum  sein  könnte.  An  Beispielen  für  das  Masc. 
fehlt  es  allerdings  nicht,  z.  B.  Neocorus  1,  95,  9  'bet  up  den  gördel'; 
allein  das  Neutrum  ist  ohne  Frage  weit  üblicher  gewesen,  wie  mehi' 
als  zwanzig  beweisende  Stellen  dartun. 

Zunächst  haben  zwei  Handschriften  des  Sachsenspiegels  1,  26 
(s.  die  Varianten  in  Homeyers  2.  Ausg.  S.  59—60)  wirt  en  monih  oder 
ene  closter  vrowe  —  —  gecoren ,  so  mögen  si  dat  gurdel  irer  geicalt 
hehhen,  zwei  andere  lesen  den  gurdel  \  sodann  finde  ich  im  Schäkspil  47'' 
ene  zekele  wol  gebicket  schal  in  sin  gördel  wesen  gestricket  und  ebd.  65" 
under  sin  gördel  schal  he  scharten  inen  büdel;  demnächst  heißt  es  bei 
HKorner  Germ.  9,  270,  22,  wie  auch  in  der  Hannöv.  Hs.  sm  hard 
waH  eme  langh  uppe  dat  gördel,  und  ib.  281,  17  dat  hadde  ein  gördel 
umme-^  wie  bei  Grautoff  2,  423  dat  Ugordel  steht;  ferner  sagt  Nie. 
Gentzkow  ganz  gewöhnlich  dat  gördel,  z.  B.  a.  1564  in  Zobers  Chro- 
niken 3,  292 — 293  dat  varsettede  gördel  vnd  noch  ein  gördel  ivelckt  he  für 
30  fl.  voi'settet',  in  der  Stralsunder  Kleiderordnung  v.  J.  1570,  Baltische 
Studien  21  S.  161  vor  die  groten  gördel  aver  ein  schildengordel ,  wie  sik 
dat  sulvige  mit  oder  äne  vorblede  .  ...  am  besten  schicken  wil;  in  einer 


*)  Das  Fem.  die  gurt  fehlt  in  Jüttings  Bibl.  Wb.,    doch   s.  Weigand   s.  v.    und 
Frommanu  Revision  von  Luthers  Bibelübers.  11,  32. 


ZUK  LAL'T-,  WORT-   LIAD  NAMENFORSCHUNG.  199 

fmlieren  Hainburi^cr  Hoclizcitordnmiti;  in  Lapponborg-s  1Tb.  licchtsalt.  1, 
160  se  mmt  ome  senden  ein  gorclel  und  enen  hüdel ;  endlich  scheint  die 
Barter  Bibel  vom  Jahre  1588  nur  das  Neutrum  zu  kennen,  z.  B,  Mos. 
28,  39  ein  gesticket  gwdel,  ib.  39,  29  nnde  dat  gestickede  göi'del  van  ivitter 
getwernder  siden,  Spr.  Salom.  31,  24,  Baruch  6,  43  dat  er  dat  gördel 
icpgeloeset  ivörde,  1  Maccab.   10,  89  und  öfter. 

Steht  somit  für  das  Niederdeutsche  das  Neutrum  fest ,  so  Avird 
es  vielleicht  auch  dem  Mhd.  nicht  ganz  fremd  gewesen  sein.  Hoch- 
und  Niederdeutsch  zeigen  freilich  gerade  in  Betreff  des  Geschlechtes 
durchgreifende  Unterschiede  ,  aber  ihre  Abweichungen  berühren  sich 
trotzdem  nicht  selten  und  wo  das  erstere  schwankt,  glaube  ich  oft  Ein- 
fluß des  letzteren  wahrzunehmen. 

II.  Zu  Nibel    str.  1280  zuo  den  wenden,  Lachm. 

Die  berühmte  Stelle  der  Nibel.  1280  A,  1367  C,  1340  B  ist  nach 
einander  von  v.  d.  Hagen  und  Ziemann,  Simrock  und  Lübben,  Holtz- 
mann  und  Müllenhoflf,  Zarncke  und  W.  Müller,  Pfeiffer  und  Bartsch, 
C.  Hofmann  und  San-Marte,  W.  Scherer  u,  A.,  mithin  so  oft  besprochen 
und  übersetzt ,  daß  sie  allseitig  erschöpft  scheint  und  dennoch  bietet 
sie  zu  einigen  vielleicht  nicht  überflüßigen  Bemerkungen  Anlaß.  Die 
Frage  bleibt,  ob  'zuo  den  wenden ,  wenn  richtig,  dasselbe  bedeute  was 
\inz  an  die  wende'  und  ferner ,  ob  wende  selbst  auf  das  Ende  des 
Pfeiles  oder  die  Grrenze,  den  äußersten  Rand  des  Bogens  bezüg- 
lich sei. 

Daß  das  Subst.  ivende  in  diesem  oftmals  nachgewiesenen  Sinne 
gemeint  sei,  nicht  etwa  zu  loant  oder  dgl.  gehöre,  setze  ich  voraus: 
das  aus  dem  Brem.  Wb.  5,  227  angeführte  van  end'  to  wend',  oder  enn', 
wenn',  das  mir  von  Jugend  auf  geLäufig ,  hat  mich  hier  wie  bei  dem 
'enteo  ni  wenteo'  des  W.  Gebets  stets  den  rechten  Weg  gewiesen  und 
es  lebt  noch  jetzt,  synonym  mit  van  ürt  (ort)  to  enn'  (W.  Heyse  Frische 
Kamiten  22,  2)  oder  mhd.  von  ende  unz  ende,  ze  ende,  von  dem  orte  unz 
an  daz  ende  (bei  Sommer  zu  Flore  v.  7641)  überall  fort,  vgl.  Scham- 
bach 294",  Lyra  plattd.  Briefe  78.  158,  Lütje  Strohot  144  u.  s.  w.  Dazu 
kommt  nd.  wenden,  fast  aufhören,  z.  B.  Utlegg.  gem.  düd.  sprikw.  90", 
11:  er  war  in  seinem  Leben  nicht  weiter  gekommen  'alse  sine  grenze 
wendede',  d.  h.  soweit  als  seine  Grenze  gieng ,  nicht  über  sie  hinaus. 
So  natürlich  nun  der  Singular  des  Wortes  sein  mag,  so  wenig  scheint 
der  Plural  der  durch  den  voraufgehenden  Phiral  nur  notdürftig  gerecht- 
fertigt wird,  hier  am  Orte  und  darum  ist  sehr  beachtenswert;  daß    zuo 


200  AT.T5ERT  IKEFEK 

den  wenden,  was  A  angeht,  auf  Lachmanns  Correctur  beruht, 
denn  A  hatte,  wie  Lachmaun  selbst  bestimmt  ang^ibt,  Vollmer  aber  ver- 
schweigt, zuo  den  wende  und  dies  kann  trotz  BD  sehr  ftlglich  zuo 
dem  wende  meinen ,  also  ein  sächliches  wendi  voraussetzen ,  das  durch 
daz  leidwendi  bei  GrrafF  1 ,  762  erwiesen  und  sonst  schon  vermutet  ist, 
vgl.  Ben.  Müller  3,  687\  Für  das  Nd.  ist  mir  das  Geschlecht  des  Wortes 
überall  und  auch  als  Neutrum  nicht  erweislich. 

Aber  'zuo  dem  wende'  und  selbst  'zuo  den  wenden  würde  vom 
Ende  der  Pfeile  sicher  so  nicht  gesagt  sein;  bei  'unz  an  die  wende' 
C  gebe  ich  die  Möglichkeit  eher  zu,  aber  die  Beziehung  auf  den  Bo- 
gen ist  ungleich  natürlicher:  die  Pfeile  zu  der  Wende,  oder  zu  den 
Wenden,  oder  bis  an  die  Wende,  oder  bis  an  das  Ende  ziehen  Jh  heißt 
nach  meiner  Auffassung  am  einfachsten  :  die  Pfeile  soweit  zurück  ziehen, 
daß  ihre  Spitze  den  oberen  Rand,  die  Wende  des  Bogens  berührt, 
d.  h.  soweit  als  möglich,  wenn  sie  nicht  ihren  Halt  und  Stützpunkt 
verlieren  sollen ,  gewis  ein  Zeichen  der  Kraft,  mit  der  die  wilden  Pesce- 
nsere  die  über  die  Höhe  des  Bogens  weit  hinaus  reichenden  Pfeile  zu 
ziehen  wüsten.  Ich  stütze  mich  hiebei  vornemlich  auf  nordische  Sagen, 
in  denen  das  Spannen  des  Bogens  bis  zur  Pfeilspitze  oder  darüber 
mehrmals  erwähnt  wird*)  und  erinnere  an  Ilias  4,  123  vsvqyiv  ^sv  ^cc^a 
TCsAaßsv,  To^a  dh  öLÖrjQov  die  Sehne  näherte  er  der  Brust,  dem  Bogen 
das  Eisen  oder  die  metallene  Spitze,  vgl.  Guhl  und  Koner  Das  Leben 
der  Griechen  272  f. 

So  hat  denn  auch  Simrock  nach  manchem  Schwanken  die  Stelle 
in  der  14.  Ausgabe  S.  250  'mit  Kräften  sie  die  Pfeile  bis  an  des  Bo- 
gens Ende  zogen'  übersetzt;  ich  sage  lieber:  die  Pfeile  zogen  sie  kräftig 
hart  zu  dem  Rande,  oder:  an  den  Rand  des  Bogens. 

Ich  brauche  nicht  erst  zu  gestehen,  daß  A  in  dieser  Strophe, 
von  allem  anderen  hier  ganz  abgesehen,  das  Ursprüngliche  am  besten 
tiberliefert  zu  haben  scheint:  ztio  dem  wende  das  deutlichen  Anlaß  zu 
allen  Änderungen  bot  oder  selbst  der  Plural  mag  bestimmter  als  C  sein ; 


*)  Ich  verweise  z.  B.  auf  Olaf  Tryggv.  Saga  cap.  126  bei  Schöning  1,  pag.  342 
Einarr  tok  bogan  oc  dro  J)egar  fyrir  odd  örvar  innar  „arreptiim  arcum  Einai'us  longe 
ultra  cuspidem  (impositae)  sagittae  tetendit,  Einar  tog  Buen,  men  drog  den  strax  frem 
for  Odden  af  Pilen",  und  so  auch  bei  Molmike  S.  276  E.  nahm  den  Bogen  ,  spannte 
ihn  alsbald  so,  daß  er  vor  die  Pfeilspitze  kam.  Der  Drack  verbindet  örvarinnar ,  die 
Hss.  C  D  lesen  örina ,  aber  sollte  auch  diese  Stelle,  was  ich  nicht  nachzusehen  ver- 
mag, anders  zu  lesen  und  zu  verstehen  sein,  so  fehlt  es  doch  nicht  an  anderen  mit  ähn- 
licher Auffassung.  Und  Egilson  übersetzt  auch  innar  :  et  continuo  cuspidem  sagittae 
intra  cornu  retraxit,  wie  es  scheint,  richtiger. 


ZUR  LAUT-,  WORT-  UND  NAMENFORSCHUNO.  201 

in  sere  und  vaste  liegt  keinerlei  Tautologie ,  mindestens  ist  vil  sere  — 
mit  kraß,  viel  dürftiger ;  auch  'zen  vogelen  die  da  flugen  steht  nach 
dem  G-efiihle  wol  jedes  Unbefangenen  weit  hinter  'da  si  flugen'  zurück 
und  endlich  die  Wendung  'da  wart  des  vil  getan'  ist  geradezu  uner- 
träglich :  kurz  ich  trage  kein  Bedenken ,  die  Gestalt  unserer  Strophe 
in  C  fast  durchweg  schlechter  zu  finden  als  die  Überlieferung  in  A, 
wozu  B  außer  in  da  si  flugen  wesentlich  stimmt. 

III»  Die  ungebatten 

bei  Walther  23,  31  ,  wofür  Lachmann  'die  ungoberten'  vermutet ,  ist 
von  Simrock  'die  Ungestraften,  von  Pfeiffer  S.  198  'die  Nichtsnutzigen 
übersetzt ,  indem  der  letztere  auf  das  Verbum  baten  zurückgeht  und 
das  von  J.  Grimm  DWb.  1,  1157  erwähnte  nnhate  Unart,  der  7mhatfe 
homo  nequam  vergleicht.  Aber  die  'imgebatten  sind  hier  vielmehr  wört- 
lich die  Ungeförderten,  Ungebesserten,  weil  nicht  gezüchtigten.  Das  ist 
was  der  Sinn  verlangt  und  das  liegt  unmittelbar  in  dem  Worte.  Bei 
der  Erziehung,  welche  Salomos  Lehre  misachtet,  sind  beide  Teile  be- 
trogen, die  Eltern,  die  ihre  Kinder  versäumen,  kommen  dabei  zu 
kurz  und  die  Kinder  selbst  haben  vollends  keinen  Nutzen  davon,  — 
sie  bleiben  ohne  Zucht  und  folglich  'äne  ere'.  Die  ungebatten  sind  die 
versümeten  im  Gegensatz  zu  den  ir  kint  versümenden. 

Das  Verbum  baten  welches  nebst  batten  im  Hochdeutschen  nie 
recht  üblich  gcAvesen  zu  sein  scheint,  ist  doch,  wie  diu  bäte,  batelos  u.  a. 
zeigt,  nichts  als  das  im  gesammten  Niederländischen  und  Niederdeut- 
schen allgemein  verbreitete,  feststehende  baten,  von  dem  Grimm  manche 
Beispiele  aufführt,  die  sich,  wenn  es  dessen  bedürfte,  leicht  vermehren 
ließen.  Die  Übereinstimmung  des  t  spricht  für  Entlehnung  da  wo  baten 
am  wenigsten  heimisch  ist,  statt  dessen  meint  Grimm  es  nun  als  rein 
hochdeutsch  gerechtfertigt  und  seine  [nirgends  behauptete]  Herkunft 
aus  baz  abgewiesen  zu  haben.  Natürlich  ist  nun  der  Sündenbock  wieder 
das  Ndl.  und  Nd.  und  warum?  Um  von  ahd.  unpata  lentus,  alts.  gibada 
u.  a.  abzusehen,  auch  deshalb,  weil  Herbort  der  zweimal  im  Reime 
t  hat,  einmal  v.  2697  baden  :  bestaden  gibt.  Allein  dergleichen  vereinzelte 
d  für  t  beweisen  nichts  ,  nd.  baten  zu  bat  steht  unerschüttert  fest  und 
wer  sich  nicht  überwinden  kann,  für  das  Hochdeutsche  Entlehnung  oder 
Ausweichung  einzuräumen,  nun  der  sehe  sich  da  wo  es  geboten,  nicht 
aber  für  nd.  baten,  nach  einem  anderen  Stamme  um. 

IV.   Ungesühte  und  die  Partikel  un. 

Statt  ungesühte  bei  Walther  20^  4  in  der  berühmten  Stelle  'in  den 
oren  siech  von  ungesühte',  wo  Lachmann  an  von  ungesunde  dachte,  hat 


202  ALBERT  HOEFER 

Pfeiffer  von  ungeschihte  Germ.  5 ,  3G  umstäudlich  zu  rechtfertigen  ge- 
sucht und  dann  bekanntlich  in  seine  Ausgabe  S.  202  aufgenommen. 
Aber  'durch  uugUickhchen  Zufall  ohrensiech  sein  oder  etwa  'wer  das 
Malheur  hat,  an  den  Ohren  krank  zu  sein'  hat  Walther  sicherlich  nicht 
sagen  wollen  und  da  sich  außerdem  gar  nicht  absehen  lässt,  wie  im- 
gesühfe,  das  nach  Pfeiffers  Ansicht  überhaupt  kein  Wort  und  auf  jeden 
Fall  sehr  wenig  gebräuchlich  war,  an  Stelle  eines  so  geläufigen  Wortes 
wie  ttngeschiht  hätte  kommen  sollen,  so  darf  diese  nur  durch  die  äußer- 
lich nahe  Berührung  beider  Wörter  sich  empfehlende  Conjectur  schwer- 
lich als  eine  gelungene  bezeichnet  werden. 

Inzwischen  ist  aber  das  beanstandete  Wort  auch  von  Haupt  zu 
Neidhart  170,  77  in  einem  dem  letzteren  beigelegten  Liede  der  Wein- 
garter  Hs.  B,  also  derselben  die  allein  unseren  Waltherschen  Spruch 
übei'liefert,  für  zu  ungemach  das  c  bietet,  nachgewiesen  worden,  daraus 
erwächst  uns  also  die  Pflicht,  das  Wort ,  anstatt  es  einfach  über  Bord 
zu  werfen,  zu  erklären  und  wo  möglich  zu  rechtfertigen. 

Das  simplex  gesühte,  gesuhte ,  gemht ,  gew.  st.  fem.,  bei  Pfeiffer 
Zwei  d.  Arzneibücher  39,  23  und  40,  1  sächlich,  heißt  Krankheit,  Siech- 
tum, auch  Fieber;  in  der  Schweiz  hat  es  nach  Stalder  2,  418  die  ein- 
geschränktere Bedeutung  'rheumatischer  Schmerz,  Gliederweh' ;  wieder 
etwas  anders  gilt  im  hiesigen  Plattdeutsch  der  plur.  de  suchten,  noch 
bestimmter  süchtich  von  dem  der  schlechte  Säfte  hat,  ungesund  ist,  'dat 
kint  is  Süchtich'  heißt  nicht :  es  ist  krank ,  sondern :  es  ist  ungesund, 
leidet  an  Ausschlag  u.  s.  w. 

Was  kann  nun  das  mit  un  verbundene  ungesühte  bedeuten? 
Pfeiffer  sagt  S.  37,  ungesühte,  sollte  man  meinen,  bedeute  das  Gegenteil^ 
„denn  die  Partikel  un  ist,  wenn  auch  nicht  immer  negativ,  doch  stets 
privativ,  schwächend,  vgl.  Gramm.  2,  775."  Allein  diese  Bestimmung 
reicht  für  das  schwierige  un  nicht  im  entferntesten  aus  und  entspricht 
nicht  einmal  völlig  dem  was  Grimm  in  seiner  wenn  auch  keineswegs 
erschöpfenden,  doch  überaus  lehrreichen  Darstellung  schon  ermittelt  hat, 
vgl.  1.  1.  776,  782,  1018  und  öfter.  Selbst  das  einfache  von  Pfeiffer  be- 
nutzte ungeschiht  Untat,  Misgeschick,  würde  sich  nach  jener  Regel  dem 
Worte  geschiht  Begebenheit,  Zufall  etc.  gegenüber  nicht  einmal  völlig 
begreifen  lassen,  oder  soll  man  Untat  gegen  Tat  geschwächt  nennen  ? 

Wie  wenig  ?m  stets  schwächt,  wie  entschieden  es  vielmehr  ver- 
stärkt haben  muß,  sieht  man  am  deutlichsten  wol  daraus,  daß  es  noch 
heute  in  manchen  Gegenden  für  sich  allein  als  Adverbium  sehr  bedeutet, 
schAväbisch  sogar:  mich  hat  un  gefroren,  es  regnet  un,  v.  Schmid  S.  524, 
woran  sich  dann  nach  Stalder  2,  423  das  Adv.  unig,  onig,  sehr^  schließt, 


ZUR  LAUT-,  WORT-  UND  NAMENFORSCHUNG.  203 

das  nach  Tobler  S.  433  nebst  nunig  für  ungeheuer,  auch  adjectiviseh 
gebraucht  wird,  en  uniga  ma  ein  ungeheurer  Mann,  e  n'unige  bera  eine 
außerordentHch  große  Birne.  Wie  das  letztere  eine  neue  Bildung  von 
un  scheint,  so  ist  dieses  sicherer  aus  der  Zusammensetzung  gleichsam 
abgezogen ,  d.  h.  aus  Untier ,  Unmensch  u.  dgl.  übrig  geblieben  und 
selbständig  geworden. 

Soweit  ich  den  Grebrauch  des  un  übersehe ,  glaube  ich  folgende 
Fälle  hauptsächlich  unterscheiden  zu  dürfen:  1)  ?fn  negirt  schlechthin 
und  zwar  den  ganzen  Begriff;  2)  es  negirt  nicht  den  vollen  Inhalt 
eines  Wortes,  sondern  einen  damit  verbundenen  Nebenbegriif  und  zwar 
a)  des  Brauchbaren,  Nützlichen,  Guten  oder  b)  des  Gewöhnlichen,  Her- 
kömmlichen, Natürlichen,  Regelmäßigen  *).  Daher  kommt  es  denn,  daß 
es  3)  verkleinert  und  verschlechtert  und  4)  verstärkt,  steigert  und  über- 
treibt. Endlich  5)  schwächt  sich  aber  der  durch  un  zugeführte  Neben- 
begriff wieder  ab  oder  verliert  sich  im  Laufe  der  Zeit  so  völlig ,  daß 
die  Composita  mit  un  den  einfachen  ohne  un  ganz  gleichstehen  und 
6)  trifft  es  sich  nicht  selten,  daß  ein  und  dasselbe  Wort  geradezu  ent- 
gegengesetzte Bedeutungen  hat,  sofern  es  durch  ?/n  teils  als  negirt,  teils 
als  verstärkt  erscheint,  sowie  denn  auch  3  und  4  nicht  immer  strenge 
zu  sondern  sind. 

Obwol  die  alte  Sprache,  wie  undiet ,  ungeivürme  u.  a.  zeigt ,  Bei- 
spiele der  3.  und  annähernd  auch  der  4.  Art  besitzt ,  so  ist  doch  die 
letztere  vorzugsweise  in  der  neueren  Zeit  und  namentlich  in  den 
Dialekten  entwickelt,  die  eine  reiche  Ausbeute  gewähren.  So  finde 
ich  denn  ad  3  und  4   bei  Stalder   Unkuli ,    Unschaf ,    Untiase,    Unmaul, 


*)  Daß  diese  Erkläiiing  richtig  ist,  zeigen  Unmensch,  Unweib  (mhd.  concubina), 
Unstern,  Untier,  Unkraut  u.a.  schlagend,  denn  Unmensch,  Unkraut  bleibt  Mensch 
und  Kraut,  aber  menschlich  heißt  uns  schon  was  einem  guten,  rechten  Menschen  zu- 
kommt, Weib  steht  oft  für 'ein  echtes,  gutes  Weib',  Stern  für 'guter  glücklicher  Stern, 
imd  eben  das  ist  es,  was  hier  durch  un  aufgehoben,  negirt  wird.  Ebenso  bleibt  die 
Unnase  eine  Nase,  aber  es  ist  nicht  mehr  die  gewöhnliche,  natürliche.  Vgl.  Naso,  na- 
satus,  eigentlich  nur  wer  eine  Nase  hat,  wo  aber  in  der  Erwähnung  des  sonst  selbst- 
verständlichen schon  das  ungewöhnliche,  außerordentliche  angedeutet  liegt.  So  auritulus, 
in  welches  der  Begriflf  lang  erst  auf  gleiche  Weise  hineinkommt  u  v.  a.  Manche  ganz 
ähnliche  Beispiele  bieten  ältere  deutsche  Namen,  so  finde  ich  in  Hannoverschen  Ur- 
kunden a.  1369  Henning  mit  der  neze  (i.  e.  Nase),  (anders  in  Uhlands  Volksliedern  1, 
403,  10  Sivert  mid  der  halven  nesen) ,  in  Braunschweigschen  a.  1373  Heneke  mit  den 
dümen,  a.  1385  Henning  mit  dem  heue  neben  H.  mit  den  doyken  beynen  (mit  den  dicken 
Beinen?)  u.  s.  w.  Wieder  anders  und  doch  ähnlich  z.  B.  Adjectiva  wie  das  von  E.  M. 
Arndt  gebrauchte  beinig  im  Sinne  von  'auf  den  Beinen,  flink,  gesund',  das  auch  hier 
noch  ebenso  gebräuchlich,  vgl.  meine  Schrift  über  E.  M.  Arndt  S.  97  und  140. 


204  ALBERT  IICEFER 

Untier  großes  Masttier ,  bei  Tobler  noch  ohond  großer  Hund ,  (nnenig 
üble  Meinung,  oblätsch  Unmenge,  bei  Schöpf  Unkenner  großer  Kenner, 
bei  Schmeller  Unhöh,  Unverdruas ,  bei  v.  Schmid  Unlärm,  bei  Lexer 
Unochse  u.  s.  \v. 

Lehrreicher  und  vielleicht  auch  zahlreicher  sind  dann  die  A  d j  e  c- 
tiva  derselben  Art,  obgleich  Grimm  779  kein  Beispiel  anzuführen  hat. 
Wieder  verzeichnen  Schmeller  und  Schöpf  z.  B.  ungross,  unreich,  unlang, 
untief  sehr  tief  (in  Baden  unschicer  sehr  schwer) ,  Lexer  unhoch  u.  a., 
Vilmar  unschlecht  übel,  imbarbarisch  ungeheuer,  das  auch  Kehrein  Volks- 
sprache in  Nassau  S.  60.  416  und  Schmidt  Westerw.  Idiotikon  kennen. 
Kehrein  S.  159  hat  außerdem  ungeneussig  d.  h.  etAva  genußsüchtig,  ge- 
fräßig, wozu  die  hiesige,  zumal  ud.  Volkssprache  unbegevlich ,  unver- 
langlich  bietet,  unmäßig  im  Begehren,  zu  viel  verlangend.  Überhaupt 
ist  das  Nd.  reich  an  solchen  Bildungen ,  ich  erwähne  noch  aus  dem 
Brem.  Wb.  5,  151 — 2  (außer  unnask)  bes.  unströmig  rasch,  ungestüm, 
das  mir  dem  von  H.  Rückert  zu  Ködiz  v.  S.  S.  147  beigebrachten 
türing.  unstormelich ,  überaus  stürmisch  ,  gleichzukommen  scheint ,  aus 
Stuerenburg  unmiss  unrecht,  unwanbandig  ungeheuer,  wie  das  simplex, 
worüber  nächstens  mehr,  ein  Gegenstück  zu  unbarbarisch.  Daran  reiht 
sich  bei  Schambach  244''  unplump  und  unplümpsch  plump,  ungeschlacht, 
von  allen  leicht  am  weitesten  verbreitet ,  denn  ich  finde  es  noch  in 
Fr.  Reuters  L.  u.  Rimels  S.  27  (unplümpsch  ungeschliffen)  und  schon 
zu  Anfange  des  16.  Jhd.  wird  ein  Braunschweiger  Dichter  in  eines 
Hildesheimers  Antwort  Her  Umpenplump ,  Her  Esels  Ohr  gescholten, 
s.  hinter  Lüntzels  H.  Stiftesfehde  S.  204,  3,  sicherlich  nur  aus  umplump 
entstellt.  Daneben  begegnet ,  aber  wol  ganz  verschieden ,  urpUimplich 
in  plötzlichem  Sturze,  v.  Schmid  S.  526.  Ob  auch  nd.  tmmanech  geringe, 
klein,  kurz,  dem  unmenge,  unmäte,  unwise  u.  a.  entsprechend  im  Sinne 
von  'sehr  viel'  gebraucht  werde^  ist  zweifelhaft,  doch  dürfte  dies  nicht 
für  Eike  572  'mit  unmanegeme  riddere    anzunehmen  sein,  vgl.  ib.  584. 

Von  Participien  kenne  ich  nur  das  eine  aber  merkwüi'dige  un- 
vergessen, sehr  vergeßlich,  Schmeller  1,  73. 

Dienen  diese  Beispiele  zum  Teil  schon  für  no.  5 ,  so  beweist  da- 
für noch  mehr  der  Fall ,  wo  beide  Wörter  mit  und  ohne  un  als  Va- 
rianten in  gleichem  Sinne  stehen,  z.  B.  unplozlich  und  plutzlich  bei  Ködiz 
von  Salfeld  61,  25  vgl.  S.  147. 

Als  Beispiele  endlich  der  6.  Art  erinnere  ich  an  Unkosten,  nach 
Stieler  idem  quod  kosten,  Unmühe  ludus,  facultas,  Untiefe  seichte  Stelle 
und  nach  Schmeller  große  Tiefe.  Desgleichen  gibt  Stieler  2,  464  auch 
Unirind  als  Windstille,  Stalder  als  gewaltiger  Wind,  Sturm,  und  ebenso  ge- 


ZUR  LAUT-,  WORT-  UND  NAMENFORSCHUNG.  205 

braucht  es  Kantzow  in  Böhmers  Ausgabe  S.  41 :  ein  uiuvint  is  erstegen 
lind  lieft  alle  schepe  nmgesfortet.  Hieher  gehört  auch  oben  unhegerUch, 
bei  Stieler  detestandiim. 

Hiemach  ist  nicht  zweifelhaft ,  daß  Walthers  ungesühfe ,  welches 
an  sich  freilich  'Gesundheit'  heißen  könnte,  wie  ungesuekd  nach  Stueren- 
burg  298  'gesund ,  unangesteckt'  heißt ,  in  unserer  Stelle  weniger  auf 
Gicht,  Fieber  oder  dgl.  als  vielmehr  auf  allgemeines  Siechtum  gehe 
welches  oft,  wie  ich  höre,  gerade  Ohrenkrankheiten  zu  Folge  hat.  Ich 
übersetze  also  :  wer  von  bösem  Siechtum  ohrenkrank  ist ,  der  meide 
den  Hof  zu  Türingen ,  denn  kommt  er  dahin  ,  gewis  er  wird  verrückt. 
Ein  Wvinder,  daß  da  nicht  alle  taub  sind.  Also :  da  muß  man  starke 
Ohren  haben,  sonst  wird  man  taub,  wer  ohnehin  schon  schwache  Ohren 
hat,  wird  verrückt.  Der  Gedanke  scheint  an  sich  richtig  und  hier  ganz 
angemeßen ,  von  Tautologie  ist  darin  so  wenig  als  wenn  man  sagte : 
in  Folge  einer  Hautkrankheit  augenkrank  sein.  Dennoch  gebe  ich  zu, 
daß  ungesühte  ähnlich  wie  das  schweizerische  Wort  auch  eine  beson- 
dere Bedeutung  gehabt  haben  kann  und  überhaupt  wahrscheinlich 
volkstümlich  und  dialektisch  war. 

Vergleichen  wir  hiemit  endlich  die  andere  Stelle,  Neidhart  170,  77, 
so  finden  wir  unser  Wort  mit  der  Variante  ungemach  in  demselben  Sinne, 
nur  in  anderer  Verwendung  wieder.  Der  Dichter  des  Liedes  sieht  in 
seiner  Nähe  eine  Prügelei  entstehen  bei  der  er  ratsam  findet,  sich  eilig 
aus  dem  Staube  zu  machen,  loan  ich  vorhte  des,  mir  würde  der  umhe- 
sniten  da  d.  h.  wol :  denn  ich  fürchtete,  es  würde  dabei  etwas  für  mich 
absetzen ,  abfallen  (Haupt :  der  Abfall  der  Schläge  käme  auf  mich). 
Dann  heißt  es  weiter:  ich  weiz  wol,  und  het  ich  daz  vermitten,  ez  wcer 
mir  komen  z'  ungesuht,  und  später  fürchtet  er,  wenn  er  zu  nahe  käme, 
'daz  würde  Uhte  mm  iinheiV.  Der  Zusammenhang  ist  also  ganz  klar, 
wörtlich :  es  wäre  mir  zu  bösem  Siechtum  ausgeschlagen ,  ich  wäre 
nicht  gesund  geblieben,  nicht  mit  heiler  Haut  davon  gekommen.  Die 
Variante  zu  ungemach  sagt  dasselbe  mit  einem  gewöhnlicheren  Aus- 
drucke, aber  allgemeiner  und  farbloser. 

V.  Endig,  TInende. 

Die  Geschichte  des  anscheinend  so  leichten  Wortes  Ende  ist  noch 
heute  nicht  abgeschloßen  und  lässt  sich  auch  ,  ohne  genauer  in  das 
Niederdeutsche  einzugehen,  welches  in  Bedeutung  und  Ableitung  man- 
ches Besondere  bietet,  gar  nicht  völlig  übersehen.  Selbst  ob  dem  Hoch- 
deutschen je  ein  Adjectivum  endig  zugekommen  sei,  istungewis:  Graff 
und  Ben.  Müller  verzeichnen  nichts  der  Art ,    auch  Grimm   hat  es   in 


2(T)  AI.BERT  iia:FEK 

seiner  fleißigen  Sammlimg  2,  290 — 307  nicht  erwähnt,  das  in  Compo- 
sitis  erhaltene  ahd.  andic,  entic,  ondic  vielmehr  ausdrücklich  zu  andi frans 
nicht  zu  anti^  entifims  gestellt,  vgl.  2,  298  und  730:  „Grundlage  scheint 
andi  nicht  anti,  enti^.  Später  im  Wörterbuche  macht  er  aber  Graff  den 
Vorwurf,  1 ,  363  andi,  endi  fehlerhaft  von  anti,  enti  ib.  355  gesondert 
zu  haben,  —  „die  Begriffe  anpi  frons  und  andeis  finis  müßen  sich  all- 
mälich  geschieden  haben,  anfangs  aber  gehören  sie  zusammen". 

Höchst  wahrscheinlich  richtig.  Auch  im  Sanskrit  heißt  anta  Ende 
und  das  daraus  entstandene  pränta  i.  e.  p^a-anta  Rand,  Ende,  Spitze 
hat,  wie  mir  scheint,  in  dem  dazu  gehörigen  lat.  frons  (im  Bemer  Wb. 
uorhoft  Diut.  2,  215'')  die  Bedeutung  von  andi  angenommen:  anta.  und 
frons  wären  eines  Stammes  wie  anti  und  andi*).  S.  Grimms  Kl.  Sehr. 
2,  37.  Übrigens  weiß  ich,  daß  Pott  Namen  S.  107  u.  A.  die  Entstehung 
des  lat.  fr  aus  pr  leugnen  und  frons  völlig  verschieden  zu  erklären 
versucht  haben. 

Eher  als  aus  Zusammensetzungen  wie  achtendig ,  selbst  unendig 
wird  man  vielleicht  aus  dem  Verbum  endigen  das  Adjectivum  zu  er- 
schließen berechtigt  sein:  für  eine  große  Anzahl  von  Verben  auf  igen 
laßen  sich  hier  oder  da  die  entsprechenden  Nomina  in  der  Tat  nach- 
weisen, wie  für  händigen,  behelligen,  heglaubigen,  befehligen,  betvältigen, 
für  viele  andere  aber  wie  beschönigen,  beseitigen,  huldigen,  vereidigen, 
•peinigen  sind  sie  nicht  erweislich  und  auch  wol  nicht  immer  vorauszu- 
setzen ,  mithin  werden  einzelne  wol  nach  Analogie  der  anderen  ent- 
standen, Grimm  2,  307  sagt  'unorganisch'  sein.  Auch  im  DWb.  1,  461 
spricht  er  bei  endigen  von  'unorganischer  Einschiebung'  ,  indessen 
lehnt  er  mit  Recht  die  Ansicht  ab,  daß  ahd.  i,  j  (vgl.  ention,  eutjan, 
ags.  endigan)  nachgewirkt  habe,  wogegen  W.  Wackemagel  in  Haupts 
Zeitschr.  5,  323  auf  die  bekannte  Verhärtung  dieses  j  das  nhd.  ig  zahl- 
reicher Factitive  zurückführt,  unter  ihnen  auch  unser  endigen.  Aber  wo 
wäre  das  Wort ,  welches  nach  Grimm  kaum  vor  der  zweiten  Hälfte 
des  17.  Jhd.  aufkommt,  die  vorigen  Jahrhunderte  über  geblieben? 

Zu  den  wichtigsten  Bildungen  von  Ende  gehört  ohne  Zweifel  im- 
ende  und  unendig.  Daz  unende,  unenti  n.  ist  als  arsXfia,  kein  Ende,  Un- 
endlichkeit, Ewigkeit  bei  Grimm  2,  776  und  Graff  1,  357  nachgewiesen, 
dazu  kommt  Diut.  1,  499*  unenti  mihili :  infinite  maguitudinis ;  sodann 
in  Predigten  des  13.  Jhd.,  Fundgruben  1,  77,  25:   natern  unde  slangen 


*)  Beiläufig  bemerke  ich,  daß  skr.  anta  m.  und  n.  ist  wie  anti,  ende  und  wie  auch 
nd.  ende  vielleicht  öfter  als  Masc.  denn  als  Neutnun  besregnet,  entsprechend  dem  got. 
masc.  andeis. 


ZUR  LAUT-,  WORT-  UND  NAMENFORSCHUNG.  207 

ein  nnende,  eine  Unendlichkeit,  Unzahl;  in  anderem  Sinne,  der  sich  doch 
aus  dem  verschiedenen  Gebrauche  von  ende  selbst  ergibt,  begegnet  es 
dann  im  Nd.,  so  Flos  u.  Bl.  bei  Bruns  233,  196  se  sprak,  dat  were  en 
unende,  dat  wi  Blankflosse  slogen  dot,  d.  h.  nicht:  das  wäre  zwecklos,  son- 
dern: schändlich,  nichtswürdig.  Denn  schon  Stiel  er  1,  376  hat:  Gnende, 
alias  Unfug,  iniquitas,  iniuria,  Schmeller  1,  76  und  Schöpf  105  geben 
dafür  viele  Beispiele  und  kennen  auch  beide  unendig,  unendlich,  nichts- 
nutzig, ausgelaßeu.  In  Betreff  des  letzteren ,  nd.  unendelik ,  unendelk, 
verweise  ich  auf  BWaldis  4,  19,  19  sie  war  unendtlich  und  untüchtig, 
F.  Bech  in  Germ.  6,  58,  Fidicins  Berliner  Stadtbuch  und  Urk.  2,  102^ 
unendig  dagegen  ist  aus  BWaldis  2,  10,  23  und  61,  3  zu  belegen, 
aber  dort  ist  es  'böse,  niederträchtig',  während  es  hier  von  einem  ein- 
fältigen Knechte  'unfertig,  ungeschickt,  träge'  zu  bedeuten  scheint. 
Hiezu  ein  nd.  Beispiel  in  den  eben  von  Hänselmann  herausgegebenen, 
von  Dr.  Schiller  erklärten  Braunschweiger  Chroniken  1,  152 -*  a.  1396 
voi'd  so  icas  hir  ein  umvise  (Unsitte)  de  dem  räde  unendech  wesen  duckte, 
wo  es  nicht  'zweckwidrig'  sondern  vielmehr  stärker  'verderblich ,  ab- 
scheulich' zu  bedeuten  scheint. 

Von  hier  aus  würde  sich  die  Bedeutung  eines  einfachen  endig, 
endelich,  endlich  leicht  ergeben  und  in  der  Tat  ist  das  letztere  im  Sinne 
von  strebsam,  fleißig,  tüchtig  bis  in  die  neuere  Zeit  überaus  häufig  ge- 
braucht s.  Grimms  Wb.  3,  458  u.  462,  Stieler  1,  377  und  z.  B.  Lappen- 
bergs Brem.  Geschichtsquellen  125,  wo  endeliken  nicht  endlich,  zuletzt 
ist ,  sondern  wol  schnell ,  rasch ,  vgl.  u.  A.  Reineke  5322  und  auch 
Braunschw.  Chron.  375  dar  en  kan  es  nen  endelik  antworde  af  iverden. 
Und  ähnlich  verhält  es  sich  denn  auch  mit  endig,  welches,  wenn  auch 
im  Hochdeutschen  kaum  nachweislich  (bei  Kurz  im  Register  zu  BWaldis 
steht  es,  doch  ohne  Stelle),  im  Niederdeutschen  um  so  üblicher  ge- 
wesen sein  muß.  Dafür  spricht  nicht  blos  im  Laiendoctrinal  S.  186 
endigheit,  nach  Scheller  Nützlichkeit,  Zweckmäßigkeit,  während  es  wol 
Tüchtigkeit'  meint,  sondern  noch  mehr  das  Adv.  endigen  rasch,  schnell, 
von  welchem  als  veraltet  das  Brem.  Wb.  1,  307  schon  ein  Beispiel  hat: 
und  rilstede  sick  gegen  de  Bremers  ser  endigen,  während  es  in  der  Barter 
Bibel  hundertfältig  begegnet,  z.  B.  Hiob  9,  12;  Esther  3,  19;  Hist.  v. 
Sus.  38;  Tobias  11,  10,  oft  im  Daniel  imd  wol  überall.  Auch  in  einer 
Wittenberger  Ausgabe  des  Neuen  Test.  v.  J.  1537  in  der  Vorrede  zu 
Thessal.  1  heißt  es :  vam  dage  xvo  de  sülfte  kamen  schölle  endigen 
unde  snel. 

Somit  ist  denn  ertdig  nun  wol  außer  Zweifel  gestellt  und  damit 
das  Verbum  endigen  gerechtfertigt. 


208  ALBERT  HCEFER 

Schließlich  erwähne  ich  noch  des  von  Grimm  im  Wb.  3,  458  er- 
klärten Adj.  endel  und  seines  von  GrafF  für  das  Ahd.  und  nun  auch 
für  das  Mhd.  und  Nd.  nachgewiesenen  Superl.  entilost,  endelost,  endeist, 
um  dabei  an  endümeri  in  Notk.  ps.  71,  8  (gleich  loendelmeri,  schon  bei 
Frisch  2,  439")  und  an  Wackernagels  sinnreiche  Conjectur  zu  Walther 
S.  108,  22  (Lachm.  72,  21)  zu  erinnern,  unendelmt,  was  dann  Einl.  p.  36 
vielleicht  ohne  Not  gegen  und  endelost  aufgegeben  ist.  Denn  wenn  nicht 
un  hier  gar  verstärkt,  warum  könnte  es  nicht  'unendlichst,  grenzenlos' 
sein?  Sodann  weise  ich  zu  dem  nd.  endeist  der  Gosl.  Bergges.  p.  283 
auf  die  neuniederdeutschen,  zum  Teil  auch  von  Fr.  Reuter  verwendeten 
Superlative  hinnelst  oder  hindeht,  hüstelst,  hier  auch  innelst,  uetelst  hin, 
die  ich  später  einmal  weiter  behandeln  werde. 

VI.  Präpositionale  Adverbien  auf  -er. 

Wer  das  Niederdeutsche  aus  dem  Leben  kennt,  wird  gewis  jenes 
den  Adverbien  mancher  Präpositionen  angefügte  -er  gehört  haben  wel- 
ches hie  und  da  fast  eh,  e  lautet,  daneben  aber  als  ursprüngliches  -er 
überall  deutlich  durchklingt.  Dieses  -er  ist  übrigens  auf  die  mit  her-, 
hier  herr-  oder  hr-,  r-  beginnenden  Formen  beschränkt,  man  sagt  also 
herr affer  oder  hrajfer,  raffer,  hranner^  hrinner,  hernacher,  hrümmer,  hrupper, 
himter,  niemals  anner,  inner,  upper.  Woher  nun  dieses  er?  Man  ist  be- 
kanntlich gewohnt,  es  mit  derlei  kleinen  Absonderlichkeiten  des  Nieder- 
deutschen nicht  allzu  genau  zu  nehmen,  das  Niederdeutsche  hat  als  das 
platte  eben  ein  Privilegium  auf  allerhand  Unorganisches,  ob  dergleichen 
etwa  auch  im  Hochdeutschen  vorkomme,  wird  nicht  einmal  immer  ge- 
fragt, oder  es  wird  hier  mit  dem  Einfluß  des  Niederdeutschen  entschul- 
digt,  als  'Niederdeutsch'  abgetan,  während  man  dieses  wirklich  doch 
viel  zu  wenig  kennt,  um  so  wie  täglich  geschieht,  damit  umzuspringen. 
So  ist  denn  auch  unser  -er  nach  altbeliebter  Lehre  von  Anhängseln 
oder  als  euphonische !  Veränderung  (s.  Z.  f.  d.  Mundarten  6,  230)  be- 
urteilt, im  günstigsten  Falle  als  ungehörige  Nachmacherei  von  herachter, 
herunter,  allenfalls  von  herausser,  was  hd.  gehört  wird  und  ausser,  üzer 
enthalten  könnte.  Jul.  Wiggers'  kleines  Lehrbuch  der  plattdeutschen 
Sprache,  das  in  verdienstlicher  Weise  echt  Volkstümliches  hervorhebt, 
übergeht  unseren  Fall ,  auch  F.  Wigger  der  bei  dem  Hochdeutschen 
das  Plattdeutsche  berücksichtigt ,  erwähnt  ihn  nicht ,  aber  Müllenhoff 
Glossar  zu  Quickborn  S.  313  sagt:  „Raßer  herab,  ebenso  ropper,  rüter, 
herummer  nach  falschen  Analogien  gebildete  Adverbien ,  die  im 
Sdtm.  noch  sehr  fremdartig  klingen".  Schwerlich  richtig,  denn  jenes 
-er  ist  vielmehr  bestimmt  nichts  anderes    als  her,    welches  auch  sonst 


zun  LAUT-,  WORT-  TND  NAMENFORSCHUNG.  209 

verdoppelt  vorn  und  hinten  hinzutrat,  hier  aber  um  so  gerechtfertigter 
schien,  je  mehr  das  erste  beginnende  her  verdunkelt  war.  Die  Bestäti- 
gung bietet  hd.  herahher,  harzuohar,  abher,  üzher,  fürher,  nachher ,  vgl. 
W.  Wackernagel  s.  v.  her  und  Ben.  Müller  1 ,  688''.  Grimm ,  welcher 
die  Sache  etwas  zu  kurz  abtut,  führt  gleichwol  3,  212  aus  Luther  ahher 
und  sonst  aussher  an;  ich  begnüge  mich,  noch  folgende  Beispiele  hi» 
zuzufügen:  aus  Murners  Schelmenzunft,  Halle  1788,  S.  27  kein  schelvf 
dasselh  herauzher  sagt,  S.  43  den  dreck  im  sih  herumhher  schütlen, 
aus  Arch.  ou  corresp.  inedite  de  la  maison  d'Orange-Nassau,  Utrecht 
1857,  um  d.  Jahr  1580  hemacher  und  naher  Portugal  ajfaren,  aus  Bou- 
terwek  zur  Gesch.  der  Wiedert.  S.  96  u.  98  nacher  Munster  schicken, 
aus  Uhlands  Volksl.  1,  69  herumhher,  2,  588  rummer  gän,  ib.  753  heimer 
(bei  W.Wack.  herheimer),  endlich  aus  den  Deutschen  Städtechron.  3,  361 
herrinner  reit. 

VII.  Ein  Stücker  acht*). 

Der  vorstehende  Aufsatz  führt  mich  auf  ein  anderes  -er  der  deut- 
schen Volkssprache  welches  vorzugsweise  vom  Niederdeutschen  Licht 
erhält,  obgleich  es  nach  manchen  Deutungen  und  ohne  Rücksicht  auf 
jenes  namentlich  von  Grimm  im  DWb.  3,  114  richtig  erklärt  ist. 
Die  Überschrift  deutet  bereits  an,  daß  ich  Redensarten  wie  ein  Pfunder 
neun,  nd.  en  stücker  fif  im  Sinne  habe ,  in  deren  er  man  mitunter  ein 
Zeichen  des  Genitivs  zu  erblicken  glaubte.  Die  volle  Ausdrucksweise 
da  innerhalb  einer  gewissen  Grenze  die  Zahl  selbst  unbestimmt  bleiben 
sollte ,  verband  gewöhnlich  das  Zahlwort  ein  und  die  äußerste  wahr- 
scheinliche oder  erlaubte  Zahl  durch  oder,  also  z.  B.  ein  oder  acht  im 
Sinne  von  'etwa,  an,  gegen,  höchstens  acht'.  Das  Gezählte  konnte  da- 
bei nach  der  zweiten  Zahl  gestellt  werden ,  als :  en  edder  f öftein  man, 
einen  oder  drei  Gulden,  Luther :  einen  oder  zioeen  Tage ;  gewöhnlich  aber 
hatte  es  seinen  Platz  nach  der  ersten  Zahl,  so  mhd.  ein  tac  oder  dri, 
nhd.  ein  gülden  oder  funfzehen,  HSachs:  mit  einem  Gulden  oder  acht. 
Diese  zweite  Weise  welche  noch  heute  im  Englischen  herscht  (doch 
sagt  man  auch  four  or  five  days),  galt  auch  für  das  Deutsche,  zumal 


*)  Ich  laße  auch  diesen  Artikel  im  Wesentlichen  unverändert,  obgleich  derselbe 
Gegenstand  neulich  von  Fr.  Latendorf  in  der  Germania  13,  202  eingehend,  doch  nach 
anderen  Seiten  und  mit  anderem  Ergebnis  wieder  besprochen  ist.  Vgl.  auch  Kellers 
Anm.  zu  Ulenspiegel  36  in  Germ.  12,  97.  Zugleich  erwähne  ich,  daß  der  Ausdruck 
ein  Taler  sehne  vor  einigen  Jahren  in  Berlin  Veranlaßung  zu  einem  Processe  geworden 
ist,  indem  darauf  hin  10  Rthlr.  statt  1  Rthlr.  10  Sgr.  gefordert  wurden.  Das  Gericht 
entschied  für  das  letztere. 

GKKMANU.   Neue    lleihc  JI.  (XIV .;   Jahr-.  14 


211)  ALBERT  HCEFEK 

bei  weiterem  Abstände  der  Zahlen,  als  Regel  und  eben  sie  ist  es,  ans 
der  „mit  gekürztem  und  einverleibtem  odei^^  unser  volkstümliches  ein 
Tager  drei,  ein   Guldener  acht  entstanden  ist. 

Diese  Erklärung  liegt  nun  für  das  Niederdeutsche  um  so  näher 
als  hier  neben  odei^  auch  edder  und  eder  auftritt ,  letzteres  aber  auch 
selbständig  mitunter  zu  eer,  er  wird,  sowie  oder  zu  oer,  engl,  or,  vgl. 
z.  B.  Lüntzel  223,  Brem.  Wb.  1,  292.  3,  266.  Die  Schriftsprache  be- 
hält inzwischen,  wie  sich  von  selbst  versteht,  in  der  Regel  die  vollen 
Formen.  Als  Beispiele  mögen  dienen  aus  J.  Lindemanns  Memorialbuche 
S.  6  einen  artikel  edder  sosse  (a.  1560),  aus  N.  Gentzkow  305,  5  1  last 
edder  vier  sins  roggen  (a.  1564),  ib.  311  p.  m.  ivolde  aver  einen  dag  ed- 
der 2  dnip  antwcn-den,  ib.  335,  6  dM  costede  mi  lool  1  mark  eddei'  achte. 

Hiezu  kommen  ,    um  nur  noch  einiges  besondere   hervorzuheben, 
manche  einzelne  Ausdrücke,  indem  statt  ein  eine  andere  Zahl  steht 
oder  die  größere  der  kleineren  vorangeht,  so :  zxcair  daumein  lang  oder 
dreir,  bei  Grimm ;  umme  ses  ors  oder  seveyie,  in  holst.  Urk. ;  ht  4  edder 
5  stunden'^    mit  twen  edder  einem  streke   langer   horden,    Zober  3,  436; 
miner  meister  vier  oder  dri,  Docen  2,  50;  indem  mehrere  oder  folgen: 
nän  (noch  ein)  dänsken  'r  tice  of  dre,  bei  Lyra  186;  ein  tage^- drei  oder 
viel'  Germania  12,  97;  mit  anscheinend  fehlendem  oder',  ein  hundert  vere 
eddei'  vwe,  irgendwo  in  den  von  Lisch  herausgegebenen  Mecklenburger 
Jahrbüchern,  d.  h.  nämlich  nicht  104  oder  105,  sondern:  etwa  vier  oder 
fünf  hundert;  ebenso  in  Z.  f.  Lüb.  Gesch.  2,  317  ein  hundert  mark  dre 
oft  ver ,    oder  bei  Waldis   im  Esop  1,  76,  5   ein  stundt  drei  oder  vier, 
den  Zeitraum  einer  Stunde    drei-   oder   viermal ,    also  :    drei  oder  vier 
Stunden,  so  daß  oder  welches  meist  wol  stehen  könnte,    dem  eigentli- 
chen Gedanken   nach   doch  kaun^   vermist  wird.     Ein  dabei    stets   als 
bloßen  Artikel  zu  nehmen   scheint  nicht   nötig.     Hievon  würden  denn 
Ausdrücke  wie:  ein  drei  oder  viei'  Jahr,  es  ist  ein  vier  Jahr  her  x\.  dgl. 
kaum  verschieden  sein  ;    ein  zioei  Stunden  fröhlich  sein  u.  a.  bleibt  je- 
doch zweifelhafter,  es  kann  anders  sein  als:  ein  acht  Tage  lang,  eine 
Woche,  also  ein  oder  zwei  Stunden  meinen.  Wieder  anders  ist  bei  Linde- 
niann  (Zober  2,  S.  10)  ein  schief  oder  etzliche  ausi-usten,  ohne  bestimmte 
Zahl.  Wenn  es  dagegen  in  einem  Ostern  1869  erschienenen  Programm 
in  einer  nd.  Übersetzung  aus  Homer  en  hunnerter  dre  un  söstich  heißt, 
so  ist  das  nicht   bloß    ein    unerhörter ,    sondern  offenbar  auch  falscher 
Ausdruck,   der  wenn  er  richtig  sein  sollte,  63(X)  bedeuten  müste,  wäh- 
rend er  163  meint. 

Von  einer  bei  Wiggers  S.  33  erwähnten  besonderen  Form  auf  ei-ne, 
'jt  Jdlerne  tn-infirh,  kenne  ich  kein  Beisiiiel ;  docli  finde  ich  bei  Fr.  Reuter 


ZUR  LAUT-,  WORT-  UND  NAMENFORSCHUNG.  211 

oft  'n  jorener  hoe ,  'n  stückener  fößich,  bei  Vilmar  Hess.  Id.  289  ein 
Wochener  vier ,  wo  wol  Beispiele  wie  guldener  ttve  eingewirkt  haben. 
J.  Brinckmann  hat  'n  fotere  dre  ore  vier,  und  hier  in  Pommern  sagt  man 
richtig  'n  dach-er  acht  (neben  dag-er)  und  'n  dälere  twintichy  letzteres 
für  daler-e)',  mit  hie  und  da  noch  sicher  gehörtem  e,  das  aber  meist 
schon  aufgegeben  ist,  also:  'n  däler  hointich. 

VIII.  Swommen,  Swummen. 

Daß  HofTmann  die  im  Reineke  v.  768  durch  den  Reim  auf  brummen 
gesicherte  und  dann  auch  in  der  Germania  9,  451  aus  dem  Brem.  Wb. 
und  durch  zwei  bekannte  Stellen  bei  Bruns  S.  135  und  356  etwas  zag- 
haft bestätigte  nd.  Form  'swummen  unerhört  nennt,  war  mir  entgangen, 
wenngleich  ich  sie  zum  Wörterbuche,  wo  sie  fehlt,  längst  nachgetragen 
hatte.  Mit  demselben  Unrechte  mit  dem  Hoffmann  sie  in  der  Einleitung 
S.  7  verdächtigt  und  v.  773  u.  780  gegen  die  Drucke  A  und  B  sogar 
beseitigt  hat,  hat  dann  auch  Ettmüller  hinter  den  Sprüchen  Witzlavs 
S.  64,  5  das  von  Bruns  S.  135,  5  mitgeteilte  sioum.met,  ohne  über  die 
Nötigung  oder  Berechtigung  dazu  auch  nur  ein  Wort  zu  verlieren,  mit 
swimmet  vertauscht  und  so  hat  weiter  auch  Kosegarten  in  seiner  Aus- 
gabe des  Ludolf  v.  S.  S.  41 ,  6  an  derselben  Stelle  swemmen  gedruckt 
wo  A.  Partz  in  seinen  Mitteilungen  aus  des  Ludolf  Reisebuche  in  v.d.Ha- 
gens  Germ.  6,  64  nach  demselben  Wolfenb.  Cod.  Blancob.  swommen 
gegeben  hatte.  Dennoch  war  das  nd.  swommen.  schon  zu  BWaldis  558 
außer  der  letzten  Stelle  durch  Fr.  Wiggert  2,  37,  82,  vyi  moten  sivommen 
beide,  belegt  und  mit  vielen  ähnlichen  Bildungen  verglichen  worden. 
Ich  habe  das  Wort  seitdem  stets  im  Auge  behalten  und  füge  nun  noch 
folgende  Beispiele  hinzTi:  Germ.  9,  277,  16  de  alle  sivommeden  to  der 
brugghe ,  ebenso  in  der  Hann.  Hs,  Korners ,  die  neben  sivemmen  auf 
fol.  107*  noch  fol.  173''  he  menede  to  swommende  und  ibid.  de  perde  de 
stoommeden  darbietet;  geswümmet,  sicömmen,  de  guden  svömmers  aus  Ut- 
legg.  gem.  düd.  sprikw.  24',  89'',  90",  122*";  Neocorus  2,  568  se  schivambden 
also  Use,  wo  freilich  eine  Zeile  vorher  schioimmeden  aver  den  Rein  steht, 
gleich  Uhl.  629;  sodann  aus  dem  von  K.Bartsch  herausg  tür.  Rittersp. 
V.  3665  schizin,  sioummin,  stigin  sal  ein  rifter  wole  lerne.  Hiemit  ist  denn 
nicht  bloß  das  Dasein  jenes  Verbums  außer  Zweifel  gestellt,  sondern  auch 
seine  schwache  Flexion  ist  erwiesen  die  ftir  das  nnd.  swemmen  nicht 
ungewöhnlich  ist,  vgl.  Fr.  Reuter  12,  251  se  swemmten  aever  all  de  annern 
ivech  etc.     (In  Diut.  2,  224   heißt  natare  smemmen  ,    natator  smemre.) 

Aber  damit  ist  die  Sache  noch  nicht  abgetan ,  vielmehr  bleibt 
Manches  höchst  zweifeliiaft,  besonders  wenn  man   das  Wort  über  das 

14* 


212  ALP. F. irr  H(HFKH 

Niederdeutsche  hinaus  verfolgt.  Denn  schon  im  Althochdeutscheu  ist 
manche  Form  mit  u  nachweislich,  aus  Glossen  und  Notkerischen  Über- 
setzungen,  s.  Graff  6,  877—79  und  Weinholds  Alemann.  Gr.  S.  31. 
Sodann  kommt  im  Mhd.  mehrmals  sioande,  swamde  vor,  mit  über  und 
auch  mit  dem  Accus,  des  Objects,  s.  Haupt  3,  274,  Lanzelet  v.  7520 
u.  7659,  und  dazu  Schilling  De  usu  die.  Ulrici  de  Z.,  Hai.  1866.  Ist 
nun  dieses  sivamde,  das  wol  zu  swemmen  gehört,  eins  mit  jenem  schwamb- 
den  bei  Neocorus,  oder  muß  letzteres  flir  eine  andere  Form  von  sivomden 
gelten?  Und  ferner,  stehen  ahd.  sioummen  und  nd.  stvummen,  sicommen  auf 
gleicher  Stufe?  Denn  u  kann  verschieden  entstanden  sein,  wie  auch  e  in 
dem  mhd.  und  in  dem  gewöhnlichen  nd.  swemmen.  Auf  die  erste  Frage 
weiß  ich  nicht  zu  entscheiden;  es  ist  sogar  der  Fall  denkbar  und  er- 
weislich, daß  das  alte  starke  sioam  unorganisch  in  ein  schwaches  Prä- 
teritum übergegangen  wäre.  Was  die  zweite  angeht,  so  sehe  ich  ahd. 
swummen  ebenso  an  wie  got.  svumfsl^  svumsl,  ahd.  gaswumß,  d.  h.  ich 
führe  das  u  auf  altes  a  des  Stammes  sioam  zurück ,  von  dem  freilich 
ihrerseits  auch  swimman  und  sioemmen  ausgehen.  Und  so  kann  es  sich 
auch  mit  dem  nd.  u  und  o  verhalten,  so  daß  z.  B.  das  Verhältnis  von 
got.  fram,  framathis,  fruma,  ?i\\di.  from,  frum,  fromede  neben  fremde,  fra- 
madi  (noch  jetzt  fremd  und  frömd)  zu  vergleichen  Aväre.  Indessen  für 
alle  nd.  Fälle  mit  wechselndem  e,  o  gilt  dies  keineswegs,  wie  die  zu 
BWaldis  S.  150.  183  besprochenen  Fälle  dartun. 

Bei  unseren  nd.  Formen  aber  an  einen  Lesefehler  zu  denken 
wird  hoffentlich  Niemandem  mehr  einfallen  *). 

IX.  Estrich  und  seine  Formen. 

Das  hd.  Estrich,  Esterich,  mhd.  esterich,  dann  Aestrich,  Estreich, 
Estrech,  Ostrich,  m.  und  ntr. ,  zeigt  im  Niederdeutschen,  von  der  ordi- 
närsten Gestalt  desselben  abgesehen,  drei  oder  wenn  man  will,  sechs 
und  mehr  erheblich  abweichende  Foraien ,  nämlich  astrak ,  ahstrak, 
astark,  astrik,  estrek,  äster  nebst  verb.  ästern  (vgl.  ahd.  esdrih  und  esdri, 
Diut.  2,  180),  alstrak,  ahlstrak,  verb.  olstracken,  die  hie  und  da  im 
Brem,  Wb.  und  bei  Schütze,    von  Chytraeus  und  N.Kiel,  neuerdings 


*)  Ebensowenig  wird  auch  ,  wie  Germania  1.  1.  angenommen  worden ,  siidder 
statt  sedder  bei  Bruns  249,  582  verlesen  sein.  Obgleich  ich  -iiidder  mit  u  nur  aus  die- 
ser einen  Stelle  verzeichnet  habe,  so  kommen  äsigegen  soddfr  nml  södd er  bekanntlich 
um  so  häufiger  vor,  z.  B.  bei  Ludolf  in  Germ.  6,  54;  in-Merzdurty  B.  der  Könige  S.  13; 
Brsc-hw.  Chron.  134,  10  u.  oft;  s'ödder  das  schon  von  Dähnert  angeführt  ist,  steht  z.  B. 
AV.  iltsprökc  33''. 


ZUR  LAUT-,  WOKT-  \:SD  NAME^FOKSCHUNG.  213 

auch  von  L.  Diefonbacli  uurl  Kosegartcn.  Wneste,  Schambach  u.  A.  cin- 
zelu  onvähut,  aber  kaum  je  aus  alten  Quellen  nachgewiesen,  noch  we- 
niger im  Zusammenhange  erforscht  sind.  An  völlige  Erschöpfung  ist 
auch  nicht  zu  denken  und  ich  beschränke  mich  deshalb  auf  das 
Wichtigste. 

Die  vier  ersten  Formen  finden  sich  z.  B.  bei  Eike  216,  in  Merz- 
dorfs B.  der  Kön.  134,  Nie.  Gentzkow  bei  Zober  3,  144.  145.  427  u.  ö. 
um  1560;  Nr.  1  und  4  begegnen  auch  in  der  Lübecker  Bibel  von  1533 
wie  in  der  Magdeburger  von  1536,  beide  bieten  auch  das  Verbum  astracken; 
die  oftgenannten  7  und  8,  welche  die  ^Formen  heißen  mögen,  alstrak, 
ahlstrak,  nebst  dem  Verbum  ahlsfraken  weiß  ich  einstweilen  nur  aus  un- 
serer herlichen  Pommerschen  Bibel  zu  belegen,  z.  B.  Hesekiel  42,  3, 
Esther  1,  6,  Hiob  19,  12.  Die  neunte  und  letzte,  das  Verbum  olstrackt 
oder  "plastert ,  steht  in  den  Meklb.  Jahrb.  5,  251.  Diese  Stellen  ließen 
sich  zum  Teil  leicht  vermehren ,  obgleich  es  dem  Niederdeutschen  an 
vielen  auch  deutschen  Ausdrücken  hier  nicht  fehlt,  denn  z.  B.  erin  in 
den  Gloss.  Lips.  bei  M.  Heyne  S,  45,  no.  272  (bei  Greith  spicil.  36" 
airiny  s.  Grimm  s.  v.  Ähre),  plaster,  paviment*\  sträte,  hrUggede  streite, 
van  sten  gesettet,  stemoech,  gehander  wech,  flor,  del,  plasteren,  stenbrüggen, 
hruggen  (de  stenbrugger  hof  an  fo  hruggen)  kommen  mehr  oder  minder 
gleichbedeutend  vor. 

Sind  mm  die  ersteren  längst  und  mit  Recht  neben  altn.  astrac, 
altdän.  astrag,  ndl.  estrik,  ahd.  astrih  zu  mlat.  astracum^  astricus  gestellt, 
so  halte  ich  die  anderen  ebenso  unbedenklich  an  entsprechende  ^-Formen 
des  Romanischen,  lastro,  lastra,  lastrico,  lastricare,  vgl.  lastrum  u.  a.  bei 
Du  Gange  und  lastrich  im  Polnischen :  astrak  verhält  sich  zu  astracum 
wie  alstrak  zu  lastrico.  Der  Parallelismus  ist  zu  augenfällig,  äußerlich 
wie  innerhch,  um  beiderseitige  Beziehungen  zwischen  astracum  und  la- 
strico, oder  lastrico  und  alstrak  leugnen  zu  dürfen,  aber  ihr  Zusammen- 
hang wird  erst  dann  sicher  zu  übersehen  sein,  wenn  der  Ursprung  der 
Wörter  astrak,  astracum  etc.  klar  vorliegt. 

Und  hier  erschweren  die  allerverschiedensten  Ansichten  die  Ent- 
scheidung. Gewöhnlich  hat  man  die  ^Formen  ganz  und  gar  außer 
Acht  gelaßen  und  dann  nicht  ungeschickt  an  a^ser  und  mlat.  astrum, 
ätre,  oder  an  o6rQaxov,  ostracarii  gedacht,  so  Grimm  und  vor  ihm  auch 
Kosegarten  dem  ,,alstrak  filr  das  ursprünglichere  astrak  steht",  in  jener 
Weise  aber  L.Diefenbach,  dann  Diez,  welcher  in  der  ersten  Ausg.  des 


*)  In  der  Kölner  Bibel  um  1480  dat  paviment  gestricket  vaii  smaragden ,    Esther 
1,  6,  gleich  alstrak  van  mörinelstenen  gemaket  der  Barter  Bibel. 


214  ALHKRT  iin:FHU 

et.  Wtb.  80,  31  in  lastrico  noch  den  „ziun  ^V^»rte  gezogenen  Artikel"  an- 
nehmen mochte.  Nun  Jagegen  1'',  317  führt  er  die  ganze  Sippe  außer 
den  d.  I-Formen  „nach  abgestoßenem  Anlaut"  auf  piastimm  und  läßt 
weiter  umgekehrt  „das  für  den  Artikel  gehaltene  V'  abfallen,  indem 
er  an  astricus  plastar  im  Voc.  S.  Galli  erinnert.  Ist  diese  scharfsinnige 
Deutung  richtig,  und  die  beste  ist  sie  jedesfalls,  so  ist  Estrich  sammt 
dem  M'-as  dazu  gehört,  auf  gewaltigem  Umwege  entstanden,  aber  der 
Weg  den  sämmtliche  Wörter  gewandelt  sind,  läßt  sich  noch  mit  ziem- 
licher Sicherheit  wiedererkennen  und  im  einzelnen  rechtfertigen.  Neben 
ahd.  phlastar^  plastar  finden  wir  schon  frühe  halstar  und  hlastar,  ersteres 
neben  cementum ,  letzteres  neben  ehsdrhi ,  sowie  esdrih  und  esdri  für 
pavimentum,  s,  Diut.  2,  180.  181.  Setzen  wir  demgemäß  mit  p  oder  h, 
mit  Suffix  aco  oder  ico  mlat.  palstractim  und  plastracum,  so  ist  der 
Übergang  zu  alstrak  und  astrak  sowie  zu  lastrum.^  lastricum  leicht  genug 
gemacht.  Man  vergleiche  nur  z.  B.  lat.  Uen  mit  67clt]v  und  Gnkäyxvov, 
skr.  plihan  für  splaghan,  oder  lat.  Unter,  hinter  mit  tcXvvtyiq,  oder  die 
Namenformen  von  Äpollonms,  z.  B.  Polonius,  Pl'önnies,  Lönnies,  um  diese 
Erklärung ,  bei  der  estrich  entweder  für  elstrich  oder  nach  Diez  für 
lestrich  stehen  würde,  sehr  wahrscheinlich  zu  finden. 

Wer  ohne  zu  trennen  was  hier  verbunden  ist,  anders  erklären 
wollte,  der  müste  etwa  von  einem,  alles  einzelne  enthaltenden  alastracum 
ausgehen,  wofür  es  dem  gewandten  Etymologen  an  —  Vermutungen 
auch  nicht  fehlen  würde. 

X.  In  proquellis  leben 

oder  in  perquellis  lehen  muß  im  16.  und  17.  Jahrhunderte  eine  verbrei- 
tete volkstümliche  Redensart  gewesen  sein  im  Sinne  von  'verschwen- 
derisch, in  Saus  und  Braus  leben .  In  der  zweiten  Form  und  etwa  ver- 
schicenden  bedeutend  ist  es  zuletzt  in  Fr.  Zarnckes  Liter.  Cblatte  1866 
no.  2  Spalte  46  aus  Müllers  Beiträgen  über  Gütergemeinschaft  in  Mek- 
lenburg,  Strelitz  1852  S.  86,  vom  Jahre  1617  und  öfter  angeführt  und 
dabei  die  Frage  nach  dem  Ursprünge  des  Wortes  aufgeworfen  worden. 
Dem  Fragesteller  und  Zarncke  ist  nicht  bekannt  gewesen ,  daß 
ich  den  Ausdruck  in  der  ersten  Form  und  mit  gleicher  Bedeutung 
schon  1851  aus  BWaldis  Parabel  vom  verlornen  Sohn  nachgewiesen 
hatte.  Er  steht  in  meiner  Ausgabe  v.  521,  vgl.  S.  181,  und  der  Zu- 
sammenhang ist  dieser.  Der  Spitzbube  welcher  von  dem  liederlichen 
Treiben  des  verlornen  Sohns  gehört ,  tröstet  den  verzagten  Wirt  mit 
der  Aussicht    auf  histiges   Leben :    wenn   der  Teufel   ihm    den    reichen 


ZUR  LAUT-,  WORT-  UND  NAMENFORSCHUNG.  215 

Wüstling  zuführte,  so  würden  sie  in  Saus  und  Braus  leben  oder,   wie 
es  im  nd.  Texte  heißt,  so  icolden  toi  in  proqueUis  leven. 

Aber  Waldis  bedient  sich  desselben  Wortes  auch  in  seinem  Eso- 
pus  4,  92,  14  mit  dem  Zusätze  gar  frölich  vom  Fressen  und  Schlam- 
pampen der  Bauern: 

Da  wirdt  viel  Volkes  schlahen  zu*), 
Viel  Bauren  —  —  gar  frölich  in  Proquellis  leben, 
und  wer  in  Fastnachtspielen  und  bei  den  Satirikern  nachsuchen  wollte, 
würde  es  gewis  manchmal  wiederfuden. 

Die  Erklärung  die  ich  schon  in  meinen  Anmerkungen  S.  181  ini- 
versucht ließ,  will  auch  heute  leider  nicht  sicher  gelingen.  Für  sicher 
halte  ich  nur  daß  ein  unwillkürlich  oder  absichtlich  entstelltes  lat.  oder 
romau.  Wort  zu  Grunde  Hegt,  wie  man  ähnlichen  Entstellungen  der  Fremd- 
wörter noch  täglich  begegnet.  Im  Eulensp.  prophei  für  prive.  An  in  pro- 
ceUis  als  eine  Art  Übersetzung  unseres  'in  Saus  und  Braus'  darf  man  wol 
nicht  denken,  eher  ließe  sich  auf  po7-ce?/ws  raten,  aber  könnte  in  poi-cellis 
'wie  die  Schweine'  heißen,  nach  Art  französischer  Ausdrücke  wie  'vivre 
en  grand  seigneur,  vielleicht  statt  'en  pourceau'  oder  gar  älter  en 
porcel,  porchel  ?  Man  wird  dabei  leicht  an :  un  vrai  pourceau,  un  pour- 
ceau d'Epicure,  an  Göthes  fünfhundert  Säue  u.  dgl.  erinnert,  —  ja  im 
proquellis  würde ,  von  dem  leisen  Unterschiede  der  Bedeutung  abge- 
sehen,  fast  zu  einer  Übersetzung  unseres  neueren  'en  Schwein',  für 
welches  ein  Beleg  in  H.  Heines  Harzreise  begegnet,  der  neuesten  Ham- 
burger Ausgabe  1,  S.  98:  'er  kam  in  allzu  gutem  Humor  d.  h.  enSchwein 
vorbeigerannt'. 

Obgleich  ich  die  Bedenken  keineswegs  verkenne  welche  dieser 
Vermutung  entgegen  stehen,  mache  ich  doch  noch  darauf  aufmerksam, 
daß  auch  sonst  mitunter  ähnliche  volkstümliche  und  selbst  scherzhafte 
Ausdrücke  allgemein  üblich  geworden  sind  und  sogar  in  die  Sprache 
des  Rechtes  Eingang  gefunden  haben.    Worüber  ein  ander  Mal  mehr. 

XI.   Ein  X  für  ein  U  machen. 

Die  bekannte  Deutung  der  Redensart  'ein  x  für  ein  u  machen' 
aus  dem  Zahlenwerte  des  X  und  des  V,  welche  unlängst  auch  in  der 
Germania  13,  270  wahrscheinHch  gemacht  ist,  liegt  in  der  Tat  so  nahe 
daß  sie  sich  auch  dem  der  sie  nicht  kennt  leicht  von  selbst  aufdrängt. 


*)  d.  h.  zusammenlaufen  wie  Servat.  v.  936  ganz  ähnlich :  mlckel  menege  zuo  s/uoc. 
Merkwürdiger  Weise  steht  auch  im  Verl.  Sohn  v.  519  ivan  nü  de  duevel  to  worde  aldn^ 
dat  he  lüolde  mit  mi  htr  her  gän,  doch  hier  deutlich  in  anderem  Sinne. 


216  ALBEKT  HCEFKK 

Der  eigentliche  Sinn  wäre  also:  einem  lü  für  5  berechnen,  ihn  über- 
vorteilen, betriegen,  oder  überhaupt:  etwas  anders  machen  als  es  ist, 
fälschen  u.  s.  w.  Obwol  der  Grebrauch  diesem  ziemlich  genau  entspricht, 
so  gibt  es  doch  noch  eine  andere  Möglichkeit  der  Deutung  die  mir 
neulich  bei  dem  Lesen  altdeutscher  Glossen  wieder  entgegen  getreten 
ist  und  wol  wert  scheint  kurz  mitgeteilt  zu  werden. 

Unter  den  verschiedenen  Geheimschriften  deren  unsere  Vorfahren 
sich  bedienten,  war  die  gewöhnlichste  und  mindestens  bis  ins  15.  Jahr- 
hundert fortdauernde  Art  bekanntlich  die  -welche  statt  des  Vocals  den 
zunächst  folgenden  Cousonanten  setzte,  also  b  statt  a,  f  statt  e,  k  statt  i, 
p  statt  o  und  endlich  x  für  u,  v,  sowie  xx  für  w.  So  bieten  z.  B. 
die  Mainzer  Glossen  des  8.  bis  9.  Jahrh.  in  der  Diut.  II,  283  fl.  npt- 
nxmftbrb  violenti  für  notnumftara ;  xbklp  für  ubilo  ;  fKpr  für  fuor ; 
sxlkh  für  sulih  u.  s.  w.  und  in  einem  Codex  des  15.  Jahrh.  ward  noch 
für  'hunc  librum'  geschrieben  hxnc  Ikbrxm  ,  vgL  Hoffmanns  ahd.  Gl. 
p.  XVIII  no.  17  und  Docens  Mise.  1,  S.  158  Anm.  mit  Diut.  1,  Voit.  XI. 

Hier  ward  also  wirklich  ein  x  für  ein  u  gesetzt  und  da  die  Ab- 
sicht dieser  Schreibweise ,  mag  sie  oftmals  auch  als  Zeitvertreib  und 
Spielerei  geübt  sein ,  ursprünglich  nicht  sowol  auf  ein  Betriegen  und 
Fälschen  als  auf  ein  Verbergen  und  Teuschen  hinauslief,  so  scheint 
mir  unsere  in  völlig  gleichem  Sinne  gebrauchte  Redensart  recht  eigent- 
lich auch  hier  ihren  ersten  Ursprung  zu  haben.  Daß  später  dann  auch 
die  Bedeutung  des  x  und  u  als  X  und  V  eingewirkt  habe,  soll  nicht 
geleugnet  werden,  vielmehr  mag  die  zwiefache  Bestimmung  beider  vor- 
zugsweise Veranlaöung  gewesen  sein,  daß  grade  'ein  x  für  ein  u  ma- 
chen' in  seiner  heutigen  Bedeutung  entstand  und  fortbestand.  Denn 
freilich  'ein  b  für  ein  a'  oder  'ein  f  für  ein  e  machen'  hätte  sonst  mit 
gleichem  Rechte  in  gleichem  Sinne  gesagt  werden  können. 

Übrigens  war  ein  x  für  ein  u  zu  setzen  schon  im  Altertum  be- 
kannt, denn  Sueton  berichtet  vom  Augustus  cp.  88 :  quotiens  per  notas 
scribit,  B  pro  A,  C  pro  B  ac  deinceps  eadem  ratione  sequentis  litteras 
ponit,  wie  Hr.  Prof.  Buecheler  mich  erinnert.  Je  älter  aber  der  Gebrauch, 
desto  wahrscheinlicher  jene  Erklärung. 

XII.   Namenbildung  aus  Namendeutung 

unrl 

Moneke  de  junge  Martenapens  sone. 

Der  Name  den  der  junge  Affe  im  Reineke  6161  führt,  soll  nach 
einer  zwiefach  versuchten,  doch  wenig  einleuchtenden  Deutung  ALüb- 
bens  im  Oldenb.  Osterprogramm  1863  S.  50 — 52  'der  schöne,  liebliche' 


ZUR  LAUT-,  WORT-  UND  NAMENFORSCHUNG.  217 

bedeuten,  statt  wie  sonst  wol  angenommen  worden  'Mönch,  Mönchlein'. 
Allein  die  Form,  heißt  es,  widerstrebe,  Mönch  sei  nd.  monnik,  munk, 
monnek,  aber  nicht  moneke,  „und  wenn  man  auch  die  Formen  gleich- 
setzen wollte,  wie  konink,  konnink,  so  wäre  der  Name  doch  nicht  pas- 
send für  einen  der  weder  ein  Mönch  ist  noch  gewesen  ist"  u.  s.  w. 
Indem  ich  den  sachlichen  Teil  dieses  etwas  überraschenden  Beweises 
lieber  übergehe,  hoffe  ich  Hr.  Lübben  werde  doch  nicht  meinen,  mit 
jenen  drei  Formen  die  zahlreichen  nd.  Glestalten  des  Wortes  Mönch 
erschöpft  zu  haben  oder  letztere  auch  nur  alle  zu  kennen.  Er  kennt, 
wie  er  deutlich  zeigt,  nicht  einmal  die  Formen  mit  einfachem  n, 
die  besten  und  ältesten  aller,  von  denen  ich  außer  den  umgelauteten 
und  monich,  monech  ihm  nur  den  Reim  moniken :  kanoniken,  monike  cappen, 
pl.  de  moneke  und  monekensträte,  moningk  entgegen  halte,  und  was  das 
auslautende  e  betrift,  so  verweise  ich  ihn  dagegen  auf  Hoffmanns  Brschw. 
Namenbüchlein  S.  58  ,  wo  zu  dem  heutigen  Namen  Monecke  als  nd. 
moneke,  mönek,  mönk,  der  Mönch,  angeführt  sind.  Ob  Hoffmann  freilich 
dieses  an  die  Spitze  gestellte  nd.  moneke  erweisen  könne,  ist  sehr  zwei- 
felhaft :  ich  habe  neben  17  Formen  unter  einer  Fülle  von  Beispielen 
nur  ein  einziges  leidlich  sicheres  moneke  als  Sgl.  verzeichnet  und  zwar 
aus  einem  Greifswalder  Memorabilienbuche  vom  J.  1557  in  Pyls  Denk- 
mälern S.  201  :  so  vele  der  (segel  u.  hreve)  ,  als  de  letzte  moneke  ivech- 
getagen  u.  dat  clöster  vorläten,  gefunden  ivorden. 

Desgleichen  steht  aber  als  Namen  form  neben  Monike,  Mönnecke, 
Mönike  (Uhland  1,  401)  und  anderen  schon  um  1460  unser  Moneke  fest, 
s.  z.  B.  Seibertz  3,   139  und  208  und  sonst  oft. 

Somit  fragt  sich  denn  ob  beide  Moneke  der  Affe  und  der  Personen- 
name der  auch  jetzt  noch  vielfach  erhalten  ist,  zusammengehören  und 
in  welchem  Verhältnisse  sie  zu  monek,  moneke  stehen.  Über  den  Per- 
sonennamen weiß  ich  nichts  Sicheres  zu  ermitteln,  zu  ahd.  Muno  und 
Genoßen  bei  Förstemann  S.  938  scheint  er  ohne  Beziehung,  vielmehr 
sieht  er  völlig  wie  eine,  doch,  vielleicht  spätere  Abkürzung  gleich  Lu- 
deke,  Tiedeke,  Kunike,  Heineke,  Reineke  u.  v.  a.  aus.  Und  nicht  viel 
besser  steht  es  um  den  Affennamen.  Indessen  spricht  doch  manches 
für  die  Erklärung  als  Mönchlein,  von  dem  man  auch  sonst  mitunter 
und  nicht  ohne  Grund  den  Affen  benannt  zu  haben  scheint.  Denn  von 
it.  monna,  monnono,  raonnina,  frz.  monnine  abzusehen,  deren  erstes 
Diez  1,  281  sogar  aus  madonna  erklärt,  halte  ich  das  mit  unserem 
Moneke  fast  zusammenfallende,  von  Engländern  als  mannikin, 
monikin  d.  h.  horaunculus  gefaßte,  von  E.  Müller  2,  102  zu  monna  ge- 
stellte engl,  monkey  für  untrennbar  von  monk,   sodann  erinnere  ich  an 


218  ALBERT  HffiFER 

den  Kapuzineraffen,  \{\  singe  capucin,  den  Kalilk<ipf,  den  Bartaffen  und 
dali  überliaupt  eine  Menge  naturgeschiehtlicher  Namen  wie  Mönchente 
und  Taube,  mönnik  das  Streithuhn,  die  Begine,  monachino  der  Dom- 
pfaffe ,  monk  oder  conus  monachus  von  Mönchen  und  PfaflFen  ent- 
lehnt sfnd. 

So  nahe  aber  diese  Erklärung  sachlich  und  sprachlich  liegen  mag, 
so  befriedigt  sie  doch  keineswegs  vollständig,  vielmehr  muß,  trotz  mon- 
key,  der  Versuch  gemacht  werden,  das  als  Affenname  ganz  vereinsamte 
Moneke  mit  dem  üblicheren  Personennamen  zu  verbinden  und  indem 
Ursprünge  dieses  den  Grund  oder  Anlaß  ,  wenigstens  die  Möglichkeit 
seiner  Verwendung  beim  Affen  nachzuweisen.  Das  allein  scheint  der 
richtige  Weg  und  eine  Lösung  des  Rätsels  ist  diese.  Ital.  heißt  der 
Affe  scimia,  s.  Diez  Gr.  1,  231  und  ed.  2.  1,  327,  holl.  sim,  simme, 
nach  Nemnich  3,  S.  1298  auch  kes,  'Abkürzung  von  Kornelis*,  und  alt 
Scheminkel.  Schemikel,  der  Affe,  führt  J.Grimm  zu  RF.  CCXXVII  aus 
dem  Eselkönig  an.  Das  ital.  sc,  d.  h.  seh,  und  dieses  seh,  das  einige 
Male  für  s  auch  unser  hiesiges  Niederdeutsch  bietet,  hindert  nicht,  wie 
bei  stm  und  sm^e,  auflat.  siWöt  zurückzugehen.  Geschieht  dies  mittel- 
bar vielleicht  sogar  mv  Moneke  des  RV. ?  Der  Personenname  ikroneÄ;e 
könnte  aus  Simon,  Simoneke  entstanden  sein  und  des  letzteren  An- 
klang an  Simia,  sim,  sym  hätte  veranlasst,  so  oder  abgekürzt  Moneke 
den  jungen  Affen  zu  heißen?  So  würde  Moneke  ein  Verwandter  des 
Scheminkel,  das  nun  selbst  mit  gleichem  Anklang  auf  Simon  zurück- 
gehen düi-fte.  Ob  der  Personenname  so  wie  ich  vermute  entsprungen, 
wird  weiter  zu  untersuchen  sein ;  die  Art  der  Verkürzung  ist  ohne  An- 
stoß und  bedarf  keiner  Beispiele;  aber  wichtig  ist,  was  ich  erst  hin- 
terher bemerke,  daß,  freilich  mit  deutlicher  Anspielung  auf  die  Simonie, 
im  RV.  V.  4152  Märten  den  mächtigen  Simon  in  Rom,  der  auch 
V.  6771  neben  Gevert  auftritt,  seinen  Ohm  nennen  kann.  Mehr 
Beweises  liegt  aber  in  der  ganzen  oft  erläuterten  Art  der  Namen- 
bildung aus  Namendeutung,  s.  Germania  2,  171;  4,  129;  7,  235; 
9,  208,  zu  der  ich  hier  noch  einen  kleinen  Nachtrag  älterer  und  neuer 
Beispiele  gebe,  deren  einige  wie  gleich  bekannt  mit  dem  Scheine  echter 
Namen  aus  üblichen  Wörtern  neu  geschmiedet  sind. 

Aderjän  ist  bekanntlich  Name  des  Frosches ,  des  Gefährten  des 
Schraderjän,  der  nagenden,  schrotenden  Maus,  s.  Simrocks  Rätselbuch 
S.  11,  Kosegartens  Wtb.  126  und  K.Schillers  Zur  Thierkunde  3,  8. 
Statt  hiebei  mit  Woeste  bei  Kuhn  6,  79  auf  adel  Sumpf  oder  gar  auf 
udder  Euter  zu  raten,  deute  ich  den  Namen  des  quakers  einfacher  als 
der  Hader  er.  Vgl.  quackeler  der  Rabensolm.  Adrian,  Adder jätt  ist  näm- 


ZUß  LAUT-,  WORT-  UND  NAMENFORSCHUNG.  219 

licli  uichts  anderes  als  Hadriamis,  Haderjän,  dies  aber  braucht  schou 
Abr.  a.  S.  Clara  im  Gegensatze  zu  Friedench:  'du  bist  öfter  zu  Pen- 
tzing  als  zu  Friedberg,  öfter  ein  Hadrian  als  ein  Friederich', 
Schmeller  1,  182. 

Bartolt  ist  bei  BWaldis  der  Bock,  offenbar  wegen  des  Bartes, 
denn  er  heißt  auch  Bartmann,  Langhart,  BärtUng,  daher  wol  auch  Ber- 
fridus,  J.  Grimm  zu  RF.  S.  223  f.  Im  nouveau  Renart  heißt  die  Ziege 
barhue .  anderes  lasse  ich  unerwähnt.  Zweifelhaft  ist  aber  das  aus  RV. 
1777  bekannte  Bartolt  de  adehar ^  in  welchem,  da  der  Schnabel  doch 
nicht  wol  als  Bart  aufgefasst  sein  wird,  vielleicht  ein  ganz  anderes 
Wort,  vielleicht  ahd.  parta,  nd.  barde  als  nicht  unpassende  Bezeichnung 
des  Schnabels  stecken  dürfte,  wogegen  schmutzhartel  wol  Schrautz- 
bart  meint  (vgl.  dummer  Bartel  bei  Schmidt  Wester w.  Id.  S.  14  und 
Dummhart)  und  henneb.  hartel  die  Mütze ,  bes.  Pelzmütze,  auf  haretf, 
weisen  mag,  ib.  S.  208,  vielleicht  mit  Anklang  an  Bart.  Dabei  erwähne 
ich  hergam,  m.,  hier  ein  dicker,  derber  (bergender?)  Winterrock,  gewis 
zu  harchenf,  parchant,  hier  parchem  gehörig,  s.  Weigand  1,  105.  Man 
sagt:  dats  'n  goden  hergam,  ik  teil  minen  ollen  hergam  anten. 

Baselman,  Schmeichler,  aus  baise  les  mains,  in  der  Schweiz  nach 
V.  Schmids  Schwab.  Wtb.  S.  46  so  wie  hasseltang  für  passe  le  temps. 
Dazu  Lauremb.  4,  158  ene  zierlike  baselmanus  maken,  Kusshand. 

Bastian  ftir  Sebastian  hat  in  Volksreimen  mehrfach  Bezug  auf 
hast,  in  Simrocks  Kinderbuch  132;  flöten  machen  von  Bastigän. 

Dem  St.  Brannanius  (für  St.  Brandanus  f)  ließen  nach  Fr.  Wessel 
bei  Zober  S.  3  Schmiede,  Bäcker  u.  a.  zu  Ehren  Messen  halten,  dat 
desulve  wol  tom  vüre  sen  scholde. 

'Sich  zu  St.  Frumholt  gelohen'  ist  im  Esopus  des  BWaldis  4,  3,  55 
soviel  als  fromm  werden  wollen,  vergl.  die  Anm.  von  Kurz  2,  S.  17. 

Gehhart  und  Nimhart  einer  der  gern  gibt,  besticht  und  der  gern 
nimmt,  vom  Stamme  Nim  ist,  nd.  im  RV.  6771  Gevert,  in  no.  153,  63* 
der  Utlegginge  geveker  und  nemeker.  Dazu  gehört :  he  is  von  Nemeroio 
un  nich  van  Geverow,  vgl.  Germ.  9,  209. 

Lümmel,  der  junge  Stier,  Bulle,  K.  Schiller  2,  5,  erinnert  an  lilejen, 
lüen,  Ummen,  der  brüllende,  wütende. 

Märten  der  Affe  scheint  der  martialische,  grimmige,  boshafte, 
nach  Richey  ist  hambg.  Märten  äp  Possenreisser  und  Märten  einer 
der  zornig  auffährt ,  sauer  aussieht ,  doch  vergleiche  Lübben  in  dem 
oben  angeführten  Oldenburger  Programm  S.  50. 

Nasion  der  langnasige ,  Teufel ,  neben  Nazarus  in  anderer  Hand- 
schrift, Wartburgkrieg  ed.  Siraro  ck  no.  107,  5  und  S.  351. 


220  ALBERT  HCEFER 

Pam.pfiU  der  Vielfraß  ,  Valromjj ,  von  pampfen  stopfen  ,  füllen, 
Schindler  1 ,  285 ,  dagegen  nasser  vogel  bei  AA'iekrain  im  Rollwagenb. 
einer  der  gern  trinkt,  Säufer,  s.  das  Register  bei  Kurz. 

Dem  Ueli  rüeßa,  den  Olrick  anheen,  sieh  erbrechen,  bespeien,  er- 
wähnt bei  Tobler  im  Appenz.  Spr.  S.  429,  verstehe  ich  nicht. 

Wdnolf  ist  Triegolfs  hruoder,  Boner  80,  23,  wähnen  ist  trügerisch, 
Bitterolf  Wüterich,  Giemolf  Tor  u.  dgl.  ist  öfter  besprochen  und  hier 
zu  übergehen  ,  dagegen  erwähne  ich  schließlich  einiger  fingirter  oder 
gedeutelter  Land-  und  Stadtuaraen  wie  er  ist  von  Anhalt,  ein  Änhaltiner 
er  hält  fest  was  er  hat,  ist  zähe,  das  schon  angeführte  Baselman,  dann 
Irlender  Vagabunde ,  Laplender  und  Rolender ,  Rolenner  Zerlumpter, 
Herumstreicher ,  Rohleder ,  Germ.  2 ,  171  Note ,  Merker  ein  Pfiffiger, 
Aufpasser,  in  gleichem  Sinne  z.  B,  in  H.  Königs  Marianne  1,  36  sie  ist 
aus  Merkshausen,  anderswo  wie  in  0.  Ludwigs  Türinger  Naturen  einen 
rechten  merks  haben ,  sodann  Nassauer  der  Nasses  liebt ,  gern  trinkt, 
nasser  Vogel,  sonst  bekanntlich  vom  Regen,  Z.  f.  d.  Mundarten  3,  485, 
Narhon,  nd.  Narrenhan ,  neben  Narragonien ,  Narragun  (s.  Seb.  Brant 
108,  6 — 8  und  das.  Zarncke  S.  458),  Quedelnhörger  hier,  wie  es  scheint, 
als  Quackeier,  Flausenmacher,  endlich  he  is  van  Rom  er  ist  ein  Pral- 
hans ,  'ruhmrätiger'  Mensch  der  gern  viel  Rühmens  von  sich  macht, 
(auch  nd.  noch  riimredich)  s.  Brem.  Wtb.  3,  523. 

Merkwürdig  ist  daß  die  Namen  zuweilen  selbst  auf  allgemein  ver- 
breitete Annahmen  und  Gebräuche  des  Volkes  Einfluß  geübt  haben, 
das  Flötenmachen  der  Kinder  findet  vorzugsweise  am  20.  Januar,  Fa- 
bian Sebastian,  statt,  dann  soll  der  Saft  in  die  Bäume  gehen,  an 
Blasius  läßt  man  sich  des  Morgens  in  der  Kirche  durch  unter  das 
Kinn  gehaltene  Kerzen  vor  Halsweh  'blaseln' ,  s.  Leoprechtings  Aus 
dem  Lechrain  1,58,  159  wo  noch  wie  in  gleichen  volkstümlichen  Schriften 
manches  der  Art  zu  finden  ist. 

XIII.  Volzo  von  Alzei, 

ein  Zeugnis  für  die  deutsche  Heldensage. 

Der  von  Hans  Volz  oder  Folz  um  1470  her  bekannte  Name  der 
noch  heute  in  vielen  Gestalten,  z.  B.  Volz,  Völtz,  Völtzke,  seltener  mit  F 
geschrieben  ,  fortlebt ,  ist  fiir  die  alte  Zeit  nicht  nachweislich.  Wenig- 
stens hat  Förstemann  ihn  nicht  aufzufinden  vermocht,  mir  selbst  ist  er 
vor  1200  nie  begegnet,  auch  Fr.  Stark,  die  Kosenamen  S.  80,  weiß 
erst  um  1231  und  1289  ein  Volzo  und  Fnlzo  aus  Pertz  Mon.  und  Böh- 
mers Urkuudcnbuchc    der   Stadt    Frkf.  beizubringen.     Allein    für   diese 


ZUR  LAl'T-,  WORT-  l'ND  NAMENFORSCHUNf^.  221 

und  die  spätere  Zeit  fließen  die  Beweise  reichlich  genug ,  man  darf 
eben  nur  einige  Register,  z.  B.  zu  Lübecker  und  Hamburger  Urkunden 
nachschlagen,  um  1255,  1261  u.  öfter  die  Namen  Volceko^  Volzike  und 
andere  Formen  aufzufinden.  Dazu  bietet  u.  a.  K.  Karls  Landbuch  der 
M.  Br.  V.  J.  1375  S.  205,  219  Tideke  Voltzke,  Foltze,  in  Grimms  Weist. 
1,  771  begegnet  Anthenghans  Volzmartins  son.  In  den  Brauns chweiger 
Chroniken  1,  222*^*^  a.  1417  wird  ein  Herman  Volczer  erw^ähnt,  d.  h. 
nicht  Volkzer  sondern  Volzer,  cz  für  tz  oder  zz,  also  Volz  mit  der  oft 
begegnenden  Ableitungssilbe  er  die  z.  B.  in  Jacober,  Hanser,  Jörger, 
Pauler  u.  a.  nachweislich  ist  und  wahrscheinlich  Abstammung  bezeichnet, 
s.  Fr.  Becker  Die  d.  Geschlechtsnamen  S.  15.  Ein  wichtigeres  und  lehr- 
reicheres Zeugnis ,  der  Anlaß  zu  diesem  Aufsatz ,  ist  in  Lacomblets 
niederrh.  Urk.  3,  no.  170  vom  Jahre  1318  erhalten.  Hier  ist  als  Zeuge 
einer  Verhandlung  zu  Oppenheim,  im  Ablativ  Volzono  der  fiir  Volzone 
verdruckt  sein  wird,  Volzo  dictus  de  Alzeia  de  Oppinhem  ver- 
zeichnet ,  d.  h.  Volzo  von  Oppenheim ,  genannt  Volzo  von  Alzei.  Die 
Stelle  ist  doppelt  wichtig,  denn  sie  beweist  erstlich  daß  Volzo  als  Ab- 
kürzung von  Volker  galt  und  zweitens  sie  enthält  ein  Zeugnis^  für 
Volker  von  Alzeije  v.  J.  1318,  denn  es  ist  klar  daß  der  Oppenlieimer 
Volzo,  weil  er  eigentlich  Volker  hieß,  in  Erinnerung  an  den  berühmten 
Fiedler  der  Nibelungen  den  Beinamen  de  Alzeia  empfieng. 

Und  was  den  ersten  Punkt  anlangt,  so  ist  an  sich  wahrscheinlich 
genug  daß  Volzo,  ähnlich  wie  Fulco,  Folco,  sich  an  die  von  dem  Stamme 
volc  gebildeten  zahlreichen  und  üblichen  Namen  wie  Folcberaht ,  Ful- 
char,  Folcmar,  Fulcrad,  Folcwin  u.  a.  anlehne,  denen  meist,  wenn  auch 
nicht  immer  ganz  sicher  als  zugehörig.  Formen  ohne  c  zur  Seite  stehen. 
Volzo,  Ftdzo  würde  also  aus  Volkizo ,  Ftdkizo  entstanden  sein  und  daß 
dies  'bisweilen  vielleicht'  der  Fall  sein  möge  gibt  auch  Fr.  Stark  S.  80 
zu ,  während  er  sonst  auf  einen  Stamm  fold,  fult,  ahd.  fulfar  zurück- 
geht, dem  er  einige  gleich  dunkle  und  seltene  Namen  anschließt.  Andere 
wie  Pott  128  haben  auch  an  vol ,  ful  gedacht  und  wenn  auch  diese 
Möglichkeit  nicht  auszuschließen  ist,  so  wird  doch  wer  die  Art  und 
Weise  der  deutschen  z-Formen  genau  kennt,  der  Ableitung  you  volc 
sicher  den  Vorzug  geben. 

Den  zweiten  Punkt  angehend  genügt  es  unter  Verweisung  auf 
Grimms  Kleinere  Schriften ,  Band  2  S.  354  f  ,  an  ähnliche  aus  der 
Heldensage  entlehnte  Beinamen ,  Dieterich  von  Bern  u.  a.  zu  er- 
innern. Beruht  es  auf  Verwechslung  mit  diesem,  wenn  im  Jahre  1297 
ui-kundlich  sogar  ein  Sewardus  dictus  de  Berne  auftritt? 


ALBERT  IKEFEK 


XIV.  Gotisches  HV  und  TH. 


Nachdem  über  Wert  und  Bedeutung  des  jedesfalls  höchst  eigen- 
tümUchen  gotischen  O  lange  hin  und  her  gezweifelt  und  gestritten  worden, 
hat  wieder  J.  Grrimra  das  Verdienst ,  nach  Lye  und  Zahn  *)  in  seiner 
Grammatik,  zuletzt  in  der  Germ.  1,  129  als  seinen  wahren  Laut  hv  er- 
wiesen und  für  immer  zur  Geltung  gebracht  zu  haben.  Ahnlich  wie  hv 
muß  der  Laut  mindestens  geklungen  haben  und  anders  als  durch  hv 
wird  er  sicher  auch  nicht  darzustellen  sein,  ohne  Zweifel  aber  war  er 
mehr  einheitlich  als  die  in  Zusammensetzungen  daneben  bestehende 
Verbindung  h-v  und  man  täte  deshalb  gut ,  wie  für  alle  anderen  be- 
sonders für  diesen  gotischen  Laut  sein  heimisches  Zeichen  zu  bewahren. 
Die  eine  Zeit  lang  geltende  Bezeichnung  durch  w,  deren  Folgen  man 
noch  heute  entgegenzuwirken  hat ,  scheint  wenig  geeignet ,  über  das 
Wesen  des  O  richtige  Vorstellungen  zu  verbreiten,  besser  verdeutlichen 
seine  eigentliche  Natur  die  Gleichungen  hv  :  li  =  qu  :  k  oder  hv  :  qu  = 
h  :  k,  hv  ist  eben  lautverschobenes  qu.  Aber  qu  braucht  darum 
nicht  plötzlich  zu  hv  übergesprungen  zu  sein  ,  hv  braucht  sich  nicht 
mit  dem  ahd.  hw  das  sein  h  aufgab  und  w  übrig  ließ,  zu  decken ;  ehe 
hv  fertig  entwickelt  dastand,  giengen  offenbar  gewisse  Mittellaute  vor- 
aus, die  niemand  mehr  zu  bestimmen  vermag,  mit  denen  höchst  wahr- 
scheinlich jedoch  das  bis  heute  unerklärte  Zeichen  zusammen  hängt 
welches  in  der  gotischen  Schrift  diesem  besonderen  Laute  diente.  Ob 
es  von  Ulfila  zuerst  eingeführt,  oder  in  der  runischen,  vielleicht  schon 
vor  ihm  in  einer  gotischen  Schrift  vorhanden  gewesen,  läßt  sich  nicht 
entscheiden.  Das  aber  steht  wol  unzweifelhaft  fest,  daß  es  keinesfalls 
willkürlich  erfunden,  am  wenigsten  dem  griechischen  &  entlehnt  worden 
ist.  Gegen  Ei*findung  oder  solche  in  Bäumleins  Untersuchungen  S.  82.  95 
und  der  Altenburger  Grammatik  S.  16  behauptete  Entlehnung  des 
got.  hv  von  griechischem  th  hat  sich  a.  a.  O.  131 — 2  auch  Grimm  er- 
klärt,  nachdem  er  selbst  früher  'die  Zuziehimg  runischer  oder  will- 
kürlicher Zeichen'  eingeräumt  hatte  und  in  der  Tat  ist  die  Verwen- 
dung des  ®  für  got.  O  so  unglaublich  wie  die  abenteuerliche  Annahme 
daß  got.  4'  dem  gr.   "^F  entnommen  sei. 

So  bleibt  nur  übrig,  einerseits,  da  die  Runen  nichts  vergleichbares 
bieten,  sich  an  die  griechisch-lateinischen  Buchstaben  zu  wenden,  an- 
dererseits, auf  den  Grund  des  Lautes  selbst  zurückzugreifen. 


*j  \^\.  Grimm  a.  a.  O.  Nach  v.  d.  Gabelentz  und  Loebe  Gramm.  45  hätte  Hickes 
«s  für  cv  oder  hv,   Lje  alicr  fiir  qiih  gelialten. 


ZUR  LAUT-,  WORT-  UND  NAMENFORSCHUNG.  22.'> 

Kv,  gleich  qu,  und  hv  sind  schon  im  Sanskrit  neben  k,  c  d.  h. 
tsch  entwickelt,  wie  gv  anderswo  neben  g,  g'  oder  dsch  :  wo  der  Gote 
qu  sprach,  hatte  der  alte  Römer  gv,  v,  gotisches  hv  entspricht  lateini- 
schem qu :  der  Grund  des  got.  hv  ist  entfernter  k,  näher  qu,  —  ein 
Zeichen  des  letzteren  könnte  mithin  für  das  ihm  nahe  ge- 
legene, ursprünglich  und  wer  weiß  wie  lange  mit  ihm  zu- 
sammenfallende hv  verwendet  sein.  Nun  ist  es  aber  sehr  be- 
achtenswert daß  dem  O  selbst  oder  Zeichen  aus  denen  es  leicht  ent- 
stehen konnte,  gleiche  Bedeutung  wirklich  nachzuweisen  ist.  Denn  für 
das  griechische  Koppa  begegnen  nicht  bloß  die  Formen  Q  CD  (b  >  son- 
dern auch  9,  ja  in  dem  mit  der  Schrift  Ulfilas  in  nächster  Verwandt- 
schaft stehenden ,  von  Bäumlein  S.  60.  95  benutzten  und  meines  Wis- 
sens nicht  als  unecht  beanstandeten  Fragment  eines  Sendschreibens 
des  Kaisers  Glycerius  vom  Jahre  473  kommt  unser  O  selbst  mit  der 
Bedeutung  q  vor  *). 

Die  mehr  scheinbare  als  wirkliche  Schwierigkeit,  daß  q  dessen 
Zeichen  ohne  Zweifel  auch  got.  q,  d.  h.  u,  entstammt,  nun  eigentlich 
doppelt  im  gotischen  Alphabete  enthalten  ist,  hebt  sich  einfach  durch 
die  Annahme  verschiedener  Zeiten  ihrer  Einführung  vor  Ulfila  und 
durch  ihn  selbst.  O  ist  gleichsam  das  ältere  q,  nachherige  hv;  u  das 
spätere  q  das  sich  aus  g  ,  gv  neu  erzeugte  als  jenes  ältere  hv  Avard 
und  abstarb.  Jenes  fand  mit  allmählich  verändertem  Laute  Ulfila  wahr- 
scheinlich schon  vor  und  benutzte  es  für  sein  hv,  dieses  entlehnte  viel- 
leicht er  selbst  dem  q  dem  es  nun  im  Laute  am  nächsten  kam.  Ein  u 
oder  V  hinzuzufügen  unterließ  er  beide  male,  weil  er  für  hv  und  füi'  qu 
nun  in  dem  O  und  u  besondere  Zeichen  hatte,  wer  das  erste  aber  durch 
hv  umschreibt,  dürfte  ebenmäßig  auch  das  zweite  durch  qv  wiedergeben. 

Gleich  sicher  doch  leichter  dünkt  mich  beiläufig  die  Erklärung 
des  gotischen  i\)  nebst  seinen  verschiedenen  Formen  u  n  d  den  Runen 
t>  ]i  aus  den  älteren  Zeichen  des  th;  es  sind  eben  nur  andere  Formen 
desselben,  mag  man  nun  semitische  oder  gi-iechische  Gestalten  verglei- 
chen ,  nur  halte  man  sich  nicht  an  einzelne  überlieferte  Zeichen  mit 
der  Starrheit  der  Altenburger,  deren  Tabelle  selbst  den  Bemerkungen 
auf  S.  14  entgegen  den  rechten  Weg  weist.  Das  letzte  Zeichen  des 
cod.  vindob.  ^  welches  deutlich  genug  oben  geöfihet  (J)  und  links  ver- 
vereinfacht ])  und  |>  enthält,  lehnt  sich  ähnlich  wie  das  hirajaritische  lD 
gefällig  an  hebr.  o  an,  dessen  obere  rechte  nach  unten  geneigte  Seite 


*)  Vgl.  auch  Kühners  Griech.  Gramm,  ed.  2.  S.  41.  42  und  die  Tafehi  hinter  Bäum- 
leins Untersuchungen  u.  Kirchhoffs  Studien. 


224  ALiJKirr  ikki  ku 

dort  eben  nur  verlängert  ist.  Die  Buchstaben  der  8ten  und  der  9ten 
bis  Uten  Reihe  sind  leicht  verständliche  Modificationen.  Erheblicher 
weichen  die  griechischen  ab  und  da  sie  ihre  wesentlichste  Abweichung, 
geschlossener  Hauptteil  und  Querstrich ,  ursprünglich  das  Kreuz  ,  mit 
dem  Altphönicischen  teilen ,  so  scheinen  sie  die  Grundlage  zu  bilden, 
von  der  die  anderen  durch  mannigfache  Entwickelung  und  Ausbildung, 
durch  Öfhung  und  Verlust  der  linken  Hälfte,  durch  Aufgabe  des  hori- 
zontalen oder  verticalen  Zuges  sowie  durch  weitere  Vereinfachung 
stammen.  Hebr.  ü  imd  gr.  O  scheinen  obgleich  schon  fi'ühe  und  sehr 
verschiedenartig  am  weitesten  ausgewichen;  die  gotischen  Zeichen  die 
nebst  den  runischen  ein  Vorbild  auch  in  no.  8  des  cod.  Ambros.  3 
finden,  müssen  vor  Ulfila  entstanden  sein. 

Ordnet  man  die  überlieferten  Zeichen  in  dieser  Weise ,  zuerst 
phön.  (+),  dann  gr.  ©  0  ^  (g)  ^  ^  und  ®  »  Q,  himj.  CD,  hebr.  o, 
dann  got.  (^  9^  3)  SP?  geöfnet  <]>  und  einseitig  run.  |)  [>,  so  ergibt  sich 
eine  Entwickelung  die  weit  und  kühn  fortgeschritten  ist,  indes,  in  allen 
Punkten  verständlich,  auf  allen  Stufen  ihres  gleichen  hat.  Die  Annahme, 
daß  wegen  ihrer  gleichgiltigen  äußeren  Berührung  got.  O  dem  gr.  0, 
got.  i|)  dem  gr.  W  entlehnt  sein  müße,  ist  überflüßig  und  widerspricht 
den  Grundregeln  der  Palaeographie. 

XV.  Gotisch  saizlep, 

das  ehrwürdige  altgermanische  Prseter.  reduplicatum ,  mit  imserera 
schliefe  ahd.  sUaf,  in  Einklang  zu  bringen  hat  bisher  nicht  recht  ge- 
lingen wollen  und  da  man  letzteres  als  eine  entsprechende  reduplicirte 
Bildung  doch  nicht  aufgeben  mochte ,  wie  Hr.  Corssen  mit  fregi  tat, 
weil  er  es  aus  fefrigi  sowenig  zu  deuten  vermochte  wie  sUaf  aus  saizlep, 
so  befand  man  sich  in  der  bedenklichen  Lage ,  etwas  zu  behaupten 
was  man  nicht  beweisen  konnte.  Gleichwol  ist  die  Lösung  des  Rätsels 
sehr  einfach  und  durch  steti  neben  sisto,  durch  spopondi  u.  a.  gleichsam 
an  die  Hand  gegeben.  Es  gibt  bekanntlich  für  die  mit  Doppelconsonanz 
beginnenden  Verba  verschiedene  ,  insbesondere  5  modi  reduplicationis 
nach  den  Formeln  ab  -  ab ,  a  -)-  ab,  b  +  ab,  ab  -f  a,  ab  +  b  die  wol 
sämmtlich  nachweislich  sind.  Andere  Arten  sind  nur  denkbar,  sofern 
an  Stelle  des  einen  oder  des  anderen  der  beiden  Anlaute  ein  verwandter 
tritt,  wofür  die  Beispiele  bekanntlich  auch  nicht  fehlen.  Ist  nun  gotisch 
saizlep  nach  der  2ten  Art  gebildet ,  so  gieng  die  offenbar  hievon  ab- 
weichende ahd.  Sprache  ihren  eigenen  Weg-:  die  Vorformen  beider 
mögen  sich  leicht  berührt,  etwa  sloisldp  gelautet  haben,  daraus  erwuchs 


ZUR  LAUT-,  WORT-  UND  NAMENFORSCHUNG.  225 

dort  saizlep,  hier  dagegen  entweder  nach  ab  -]-  a  sleisäf  oder  nach  ab  -j-  b 
sleiläf.  Ich  entscheide  hierüber  natürlich  nicht,  doch  spricht  manches 
für  die  letzte  Art  (vgl.  fregi  aus  freßgi  mit  spopondi  und  ahd.  pleruzzhi 
mit  r  für  l),  einiges  für  die  andere ;  man  könnte,  wie  neben  stioz,  stiaz, 
stieß,  ein  steroz  nachweislich  ist,  auch  für  sliaf  sogar  sleiraf  oder  ähn- 
liches voraussetzen.  Obgleich  diese  seit  Jahren  manchmal  vorgetragene 
oder  angedeutete  Erklärung  von  schlief  wie  von  fregi  in  der  Hauptsache 
sicher  richtig  ist,  so  Averden  die  Mittelformen  doch  oft  kaum  zu  be- 
stimmen sein ;  besonders  die  vocalischen  Verhältnisse  bleiben  vielfach 
dunkel  und  zweifelhaft.  Aber  das  ist  dabei  wol  selbstverständlich,  daß 
nach  dem  Ausfall  der  mittleren  Consonanten,  bei  dem  Zusammentreten 
der  Stamm-  und  Eeduplicationssilbe  mannigfache  Kürzungen  und  Ver- 
schleifungeu  der  Vocale  auftreten  mustcn  und  ferner  steht  wol  fest, 
daß,  wie  heialt  neben  haihald  zeigt,  dem  got.  ai  gegenüber  ahd.  ei  der 
Vocal  der  Reduplicationssilbe  war.  Ob  der  einzige  und  ob  auch  im 
Gotischen  z.  B.  für  for  urspr.  fafar  anzunehmen  sei ,  untersuche  ich 
hier  nicht.  Daß  das  got.  ai  dem  gr.  s  entsprechend  ai,  nicht  di  ge- 
wesen sei ,  Avird  heutzutage  oft  genug  gegen  Grimm  behauptet ,  aber 
durch  nichts  erwiesen,  am  wenigsten  durch  den  Hinweis  auf  eine  kurze 
Entscheidung  in  den  Denkmälern  S.  458  oder  durch  die  neueren  Unter- 
suchungen des  Hrn.  Prof  W.  Scherer  Zur  Geschichte  u.  s.  w.  S.  11  f., 
wo  wir  von  haihait  zu  hiaz  über  hehz ,  hez ,  heaz  geführt  und  bündig 
belehrt  Averden ,  im  ags.  hole  könne  eo  nur  auf  kurzem  e  beruhen  *). 
Von  leolc  aus  pikeialt  als  BcAveis  für  got.  di  zu  bestreiten  und  lieber 
in  seltsamer  Weise  zu  deuten^  scheint  etAA^as  zu  kühn;  dennoch  ist  in 
den  Denkmälern  a.  a.  O.  Z.  3  v.  u.  Avörtlich  zu  lesen  :    ,^piheialt  kann 


*)  In  dem  zuletzt  genannten  Buche  begegnet  auch  sonst  manches  den  Bestre- 
bungen und  Anspriichen  seines  Verfassers  gegenüber  etwas  auffällige ,  so  z.  B.  das 
'  hiatusfüllende  r  S.  12.  Wenn  der  Vf.  sodann  S.  19  in  der  ihm  eigenen  Weise  sagt, 
längst  habe  ihn  gewundert,  daß  Niemand  zur  Aufhellung  der  alten  ai  und  aw  die  jun- 
gen aus  i  und  ü  entstandenen  herbeizog',  bis  er  'endlich  diese  Vergleichung  zwischen 
den  arischen  und  baiwarischen  ai  und  au  in  einer  Anzeige  vom  J.  1863  gefunden,  so 
erlaube  ich  mir  darauf  die  Bemerkung,  daß  der  Versuch,  die  skr.  Diphthongen  auf  i  und  fi 
zurückzuführen  und  durch  Vergleichung  des  Verhältnisses  von  rieh,  rüm  zu  reich,  räum 
u.dgl.  zu  erläutern  schon  gemacht  worden,  ehe  Hr.  Scherer  über  sprachliche 
Dinge  dachte,  ja  wol  überhaupt  dachte.  Daß  man  aber  damit  allem  weiteren  zugestimmt 
hätte,  was  auf  S.  19  noch  zu  lesen  steht ,  soll  keineswegs  behauptet  werden ,  vielmeln- 
bekenne  ich  für  meine  Person  ,  daß  ich  mich  zu  diesen  bahnbrechenden  und  reformi- 
renden  Untersuchungen  nur  zu  oft  hi  Widerspruch  befinde  und  keineswegs  den  Erfolg 
erwarte,  den  mit  ihrem  Verfasser  manche  zu  hoffen  scheinen.  Und  freilich  des  Inipo- 
nirenden  hat  das  Buch  die  Hülle  und  Fülle. 

GEKMANIA.    Neue  Ueihf  II.  (XIV.)  Jahrg.  15 


226  FELIX  LIEBRECHT 

freilich  auch  aus  einem  Schwanken  zwischen  healt  und  Malt,  gewis 
aber  nicht  aus  altem  ÄaiÄa?tZ  erklärt  werden,  das  vielmehr  haihald  ist, 
da  ags.  leolc  kurzes  e,  also  leläc  voraussetzt."  Aber  leolc  kann 
laeläc  voraussetzen  wie  Grimm  Gesch.  d.  d.  Spr.  867  mit  besserem  Rechte 
annahm,  denn  heialt  ist  erwiesen  und  setzt  got.  hnihald  voraus,  wogegen 
die  andere  Argumentation  in  Wahrheit  von  willkürlich  gleich  f  gesetz- 
tem ai  ausgeht  und  deshalb  heialt  leugnet  und  leläc  erschließt. 

Anstatt  jedoch  dergleichen  Fragen  hier  weiter  zu  verfolgen ,  be- 
gnüge ich  mich  das  Wesentlichste  meiner  lange  gelehrten  und  oft  ge- 
gen Freunde  ausgesprochenen  Ansicht  über  das  Verhältnis  gotischer 
und  deutscher  Reduplicationen  oben  kurz  mitgeteilt  zu  haben,  wie  denn 
auch  Andere  kürzlich  auf  ähnliche  Gedanken  gekommen  sind. 
GKEIi^SWALD  im  November  1868. 


ZUB  LITTERATURGESCHICHTE  DES  WOLF- 
DIETRICH.*) 


Uhland  hat  in  seiner  Geschichte  der  altdeutschen  Poesie  so  wie 
in  seiner  Sagengeschichte  der  romanischen  und  germanischen  Völker 
(Schriften  zur  Geschichte  der  Dichtung  und  Sage  Bd.  I  und  VII)  auf 
die  hervorragende  Stelle,  welche  der  in  Rede  stehende  Theil  der  deut- 
schen Heldensage  in  derselben  einnimmt ,  eingehend  hingewiesen,  und 
es  ist  ein  sehr  glückliches  Zusammentreffen,  daß  fast  zu  gleicher  Zeit 
mit  ersterer  auch  Holtzmanns  Ausgabe  des  Wolfdietrich  zum  ersten  Mal 
im  Text  der  Handschriften  herauskam,  während  er  bis  dahin  nur  „in 
der  ungenießbaren  Gestalt  des  alten  Heldenbuchs"  zugängUch  war.  Zwar 
erscheint  leider  auch  so  diese  „älteste  deutsche  Geschichte,  deren  sich 
die  Poesie  erinnert",  bei  weitem  nicht  in  ihrer  ursprünglichen  Gestalt 
und  Schönheit ,  sondern  hat  durch  spätere  Umarbeitungen  imd  Ein- 
schiebsel letztere  vielmehr  in  hohem  Grade  verloren ;  jedoch  ihr  un- 
verwüstlicher Kern  ist  auch  jetzt  noch  erkennbar  geblieben,  wie  durch 
die  genannten  Forscher  zur  Genüge  dargethan  wird,  so  daß  die  vor- 
liegende Arbeit  sich  in  der  That  darauf  beschränken  kann,  einen  Bei- 


*)  Obigen  Aufsatz  habe  ich  bereits  vor  länger  denn  drei  Jahren  dem  HeiTn  Prof. 
Gosche  in  Halle  auf  dessen  Wunsch  für  den  zweiten  Band  des  von  ihm  herausgege- 
benen Jahrbuches  überlassen;  da  jedoch  derselbe  bisher  nicht  erschienen,  so  glaube 
ich  meine  Arbeit  mit  einigen  Abänderungen  und  Zusätzen  endlich  au  dieser  Stelle  be- 
kannt machen  zu  dürfen.  F.  L. 


ZUR  LITTERATURGESCHICHTE  DES  WOLFDIETRICH.  227 

trag  zur  Litteraturgeschichte  derselben  zu  liefern,  während  einige  wei- 
tere Nachweise  über  die  Sage  in  ihrer  jetzigen  Gestalt,  die  am  Schlüsse 
hinzugefügt  sind ,  als  eine  nicht  ganz  ungehörige  Beigabe  betrachtet 
werden  mögen. 

In  jener  Beziehung  gehe  ich  von  der  Bemerkung  aus  ,  daß  von 
dem  Bekanntsein  der  speciell  deutschen  Heldensage  unter  den  roma- 
nischen Völkern  in  älterer  Zeit  wohl  nur  wenige  Spuren  vorhanden  sind, 
daß  es  daher  auch  kein  geringes  Interesse  bietet ,  wenn  wir  etwa  im 
dritten  Viertel  des  sechzehnten  Jahrhunderts  die  Wolfdietrichsage  in 
Südfrankreich  zu  genealogischen  Zwecken  verwandt  sehen  und  zwar 
auf  Grund  einer  Handschrift,  die  bereits  damals  mehr  als  zweihundert 
Jahre  alt  war.  Antoine  du  Pinet  nämlich,  gebürtig  aus  Besangen  und 
durch  verschiedene  gelehrte  Arbeiten,  besonders  durch  seine  Übersetzung 
der  Naturgeschichte  des  Plinius  bekannt ,  hat  auch  folgendes  Werk 
herausgegeben  :  Planis ,  'pourtraicts  et  descriptions  de  phisieurs  villes  et 
forteresses  iant  de  l'Europe,  Asie,  Afrique,  que  des  Indes  et  terres  neufues, 
leiirs  fondations,  antiquitez  et  maniere  de  vivre.  Avec  plusieurs  cartes  ge- 
nerales  et  particulieres  servans  ä  la  Cosmographie  jointes  ä  leurs  declara- 
tions.  Le  tout  mis  par  ordre  region  par  region.  A  Lion  par  Jean  d'Oge- 
rolles  Van  1564  fol.  Das  Werk  beginnt  mit  einer  Dedicace  ä  illustre  et 
excellent  seigneur  Messire  Francois  d'Agoult  conte  de  Savlt^  sa  Val  et  apen- 
dences  etc. ,  Chevalier  de  Vordre  du  Roy  et  Lieutenant  dudit  /Seigneur 
ä  Lyon  Antoine  du  Pinet  S.  Diese  Widmung  enthält  nichts  besonderes, 
demnächst  aber  folgt  eine  Description  de  la  Seigneurie  de  Savlt  et  depen- 
dences  d'icelle.  —  De  VOrigine  des  Contes  et  Seigneurs  de  Savlt,  et  comrae 
Savlt  a  este  erige  en  Conte.  Hier  heißt  es  gleich  zu  Anfang  so  :  „Die 
unlängst  [1561]  zur  Grafschaft  erhobene  Herrschaft  Sault  grenzt  an  die 
Provence,  an  die  Grafschaft  Venice,  so  wie  an  die  Dauphin^  und  ent- 
hält in  ihrem  Gebiete  viele  schöne  Ortschaften ,  nämlich  nach  Osten 
Mont-brun,  Baret  de  Liire  u.  s.  w.  u.  s.  w."  Genannt  wird  unter  diesen 
auch  Goidt,  „welches  die  alten  Herren  von  Sault  gründeten  zum  An- 
gedenken an  die  Stadt  Golt-naiv  in  Pommern ,  deren  Herren  sie  einst 
waren."  Demnächst  heißt  es  ferner:  „Beinah  in  der  Mitte  der  genannten 
Ortschaften ,  jedoch  mehr  nach  Osten  zu ,  liegt  die  Stadt  Sault ,  fünf 
Lieues  von  Carpentras  und  neun  Lieues  von  Avignon.  Diese  Stadt  ist 
fast  von  drei  Seiten  von  Felsen  umgeben  ;  auf  der  vierten  hingegen, 
da  wo  sich  nämlich  das  stattliche  Schloß  erhebt ,  befindet  sich  eine 
schöne  Ebene.  Das  ganze  Gebiet  ist  voll  großer  Wälder ,  aus  denen 
die  Grafen  von  Sault  bedeutende  Einkünfte  beziehen.  Daher  auch  hieß 
dieser  District   in    alten  Zeiten  Salfns  provinciae  Navhonensis  oder  Sal- 

15* 


228  FELIX   LIEBRECIIT 

iuosa  Provincia.    Und   iu  der  That   trägt   die    Stadt  Sault   noch   immer 
ihren  alten  Namen ;    denn  auch  hiteiuisch  heißt  sie  Saltus  d.  h.  Groß- 
wald   (Grandes  forestz).    Kurzum    es   ist   die    schönste   Grafschaft   der 
Provence  ,    welche  sogar  Souveräuitätsrechte  besitzt ,    Avie  wir  nachher 
zeigen  werden ,    nachdem  wir   vorher  den  Ursprung  des  Hauses  Sault 
kund  gethan.    Wir  haben  aber  bereits  oben  erwähnt,    daß  die  Herren 
von   Golt-naw    in  Pommern   den  Ort  Goult   in  dem  Lande    Sault ,    von 
welchem  die  Grafen  von  Sault  heutzutage  den  Namen  ftihi'en,  gegründet 
hatten.  Es  bleibt  daher  nachzuweisen,  wer  diese  Herren  von  Golt-naw 
waren    und   wie   sie  sich    in  Frankreich   ansässig  gemacht;    wobei  ich 
jedoch  nicht  aus  mir  selbst  reden  werde,  sondern  nach  einer  sehr  schönen 
Chronik  des  Hauses  Trich  fmaison  de  TricK),  die  ein  Bischof  (Evesque) 
von  Stettin  iu  Sachsen  in  deutschen  Reimen  (en  vers  allemans)    abge- 
fasst  hat.  Man  hat  mir  dieselbe  mitgetheilt,  und  ist  die  Handschrift  älter 
als  zweihundert  Jahre  (et  est  escrite  a  la  main,  y  a  passe  deux  cents 
ans).   Da  nun  ein  Erzbischof  (Arch evesque)  von  Stettin,  der  in  jenem 
Lande  hochangesehen  (grand)  ist,  sich  die  Mtilie  gegeben,  die  finihere 
Geschichte    (l'antiquite  et  les  gestes)    derer    aus  dem  Hause   Trich    in 
Reimen  zu  beschreiben,  so  folgere  ich  daraus,  daß  dieses  Haus  hoch- 
angesehen (grand)  war ;    und  dies  muß  gewiß  auch  der  Fall  gewesen 
sein  ;    denn  wie  aus  besagter  Chronik  erhellt,    war  es  mit  dem  Kaiser 
Otto  von  Sachsen,  dem  ersten  dieses  Namens,  so  wie  mit  dem  Kaiser 
von  Griechenland   verwandt    (allyee).    Indem   nämlich    der  Fürst  Hug 
von  Trich  (prince  Hugues  de  Trich)  einer  Prinzessin  (infante),  Tochter 
König  Waldungs   von  Pommern,    heimlich  die  Ehe  verheißen  und  mit 
ihr  sehr  vertrauten  Umgang    gehabt  hatte ,    wie  ein  Ehemann  ihn   mit 
seiner  Frau  zu  haben  pflegt,  so  fühlte  sie  sich  schwanger.  Darob  sehr 
erzürnt,  sperrte  die  Königin,  ihre  Mutter,  sie  in  ein  Schloß;  als  jedoch 
die  Zeit  der  Entbindung  gekommen  war,  nahm  ihre  Hofmeisterin  (gou- 
vcrnante)  das  Kind,  und  nachdem  sie  es  gehörig  eingewickelt  und  mit 
dem  Nöthigen  versehen,  bot  sie  es  einem  Bauern  dar^  indem  sie  es  von 
den   Fenstern   des  Zimmers   der  Prinzessin   mit   einem  Stricke   in    den 
Graben  hinabließ.  Während  nun  aber  das  Kind  auf  der  Erde  lag,  kam 
eine  Wölfin,  die  trotz  dem  Bauern  das  Kind  in  ihre  Höhle  trug.  Gott 
jedoch,  der  die  Seinigen  zu  retten  weiß ,  sowohl  aus  dem  Wasser  Avie 
Moses,  als  aus  dem  Feuer  wie  Sidrach  ....  rettete  auch  den  kleinen 
neugebornen  Prinzen,  so  daß  weder  die  Wölfin  noch  ihre  Jungen  ihm 
irgend  ein  Leid  zufiigten,  was  gewiß  ein  offenbares  Zeichen  war,-  daß 
Gott  sich  dieses  jungen  Fürsten    bedienen  wollte  ,    wie    er    sich    seiner 
auch  '.virklieli   (später  gegen  die  Türken  bediente.    Als  aber  die  Mutter 


ZUK  LlTTKKATl-K(;ESt'IIICIITE  DES  W()LFJ)IETRICII.  22U 

dieses  Unglück  sah,  so  gedachte  sie  vor  Schmerz  zu  sterben,  weil  sie 
den  Zorn  des  Fürsten  Hug  de  Trich  fürchtete.  Allein  es  schlug  alles 
zum  Besten  aus ;  denn  als  am  folgenden  Tage  der  König  Waldung 
auf  die  Jagd  gieng,  entdeckte  er  jene  Wölfin,  und  da  alle  Fürsten  und 
Edelleute  diesem  Thiere  gram  sind,  so  ließ  er  ihr  so  eifrig  nachjagen, 
daß  man  sie  bis  in  ihre  Höhle  verfolgte  und  sie  daselbst  mit  ihren 
Jungen  tödtete.  Unter  diesen  fand  man  denn  auch  den  kleinen  Prinzen, 
der  in  sehr  reiche  Stoffe  gehüllt  war,  imd  brachte  ihn  dem  Könige, 
welcher  darob  so  große  Freude  empfand  ,  daß  er  zum  ewigen  Ange- 
denken au  diese  Jagd  an  dem  Orte  ,  wo  das  Kind  gefunden  worden, 
ein  Schloß  erbaute.  Das  Kind  selbst  ließ  er  zu  Selhenneckel  feierlich 
taufen  und  gab  ihm  den  Namen  Wolf  (Wolf  c'est  a  dire  Loup).  Als 
nun  die  Prinzessin,  seine  Tochter,  von  all  diesem  berichtet  worden, 
erzählte  sie  ihren  königlichen  Eltern  alles,  was  sich  zwischen  ihr  und 
dem  Fürsten  Hug  von  Trich  zugetragen,  worauf  dann  die  eheliche  Ver- 
bindung Beider  stattfand.  Allein  die  Prinzessin  starb  nicht  lange  danach, 
so  daß  Hug  von  Trich,  der  gegen  die  Griechen  Krieg  führte,  sich  mit 
der  Tochter  des  Kaisers  von  Constantinopel  in  zweiter  Ehe  vermählte. 
An  letzterem  Orte  auch  starb  er  und  hinterließ  von  dieser  seiner  Ge- 
mab'n  mehrere  Söhne.  Was  Wolf  von  Trich  anbelangt,  so  nahm  er  zur 
ewigen  Erinnerung  an  die  Gnade ,  welche  Gott  ihm  durch  seine  Be- 
freiung aus  dem  Rachen  eines  so  grausamen  Thieres,  wie  Wölfe  es  ge- 
wöhnlich sind,  erwiesen  hatte,  den  Wolf  als  Wappen  an  und  gab  da- 
gegen das  pommersche  auf.  Dieser  Fürst  war  seiner  Zeit  sehr  tapfer 
und  kampflustig  und  setzte  die  Kriege  fort,  welche  sein  Vater  lange 
Zeit  gegen  das  Haus  Sachsen  geführt,  so  wie  er  auch  die  Türken  heftig 
bekriegte.  Er  vermählte  sich  mit  Sidrach,  der  Tochter  des  Königs  von 
Reussen  (Roy  de  Russie) ,  von  welcher  er  verschiedene  Kinder  hatte, 
und  da  man  zwischen  Golt-naw  in  Pommern  und  Stettin  in  Sachsen 
nur  den  Oderfluß  (la  riviere  de  Odera)  zu  passieren  braucht,  so  schlössen 
mehrere  von  seinen  Söhnen  ein  Bündniss  (firent  alliance)  mit  den  Für- 
sten von  Sachsen,  namentlich  einer,  der  den  Namen  seines  Vaters  trug.. 
Und  ihre  Freundschaft  war  so  groß,  daß,  als  der  Fürst  Berald  von  Sachsen, 
der  Stammvater  des  Hauses  Savoyen,  in  die  Provence  kam  und  in  die 
Dienste  des  Königs  von  Arles  trat,  der  Fürst  Wolf  von  Trioh,  der  Sohn 
des  großen  Wolf,  ihn  begleitete ;  und  ebenso  wie  der  Fürst  Berald  sich 
in  Morienne  ansässig  machte,  so  machte  sich  Fürst  Wolf  in  der  Herr- 
schaft Sault  ansässig,  indem  er  sie  eroberte  und  mit  voller  Souveränität 
besaß  ,  wie  sie  auch  alle  seine  Nachfolger  besessen.  Da  jedoch  das 
Kaiserthum    von  neuem  der  germanischen  Nation    anheimgefallen   war, 


230  FELIX  TJERRECHT 

SO  nahm  er  das  besagte  Land  Sault  im  Jahre  Eintausend  und  zwei- 
hundert von  Kaiser  Heinrich  dem  Zweiten  zu  Lehen  und  besaß  es 
vom  Reich  mit  voller  Souveränität.  Dies  erhellt  auch  aus  dem  Lehen- 
brief (infeudation),  worin  der  Name  Trich  einigermaßen  verdorben  er- 
scheint (wie  alles  der  Verderbniss  anheimfällt);  denn  dort  steht  Lupus 
de  Trmonlfz.  Dieser  Fürst  gründete  und  erbaute  Groult  in  dem  Lande 
Sault,  und  ganz  so  wie  die  Fürsten  von  Sachsen,  die  sich  in  Morienne 
niedergelassen,  den  Namen  Sachsen  aufgaben  und  dafür  den  Namen 
Savoyen  annahmen ,  so  gaben  auch  diese  Fürsten  von  Pommerland 
(princes  de  Pomerlandt)  den  Namen  Trich  auf  und  nahmen  dafür  den 
Namen  Goult  an,  welches  der  erste  von  ihnen  in  der  Provence  erbaute 
Ort  war ,  obwohl  sie  noch  immer  den  Wolf  im  Wappen  beibehielten, 
und  diesen  führen  die  Herren  von  Sault  auch  noch  heutzutage  ebenso 
wie  den  Namen  Goult.  Da  nun  aber  alle  Dinge  auf  dieser  Welt  der 
Veränderung  unterworfen  sind  ,  so  hatten  die  Herren  von  Sault  und 
die  Grafen  von  Provence  jederzeit  etwelche  Zwistigkeiten,  so  daß  daraus 
große  Händel  entstanden.  Endlich  jedoch  ti-af  Messire  Isnard  de  An- 
trawnis,  Herr  von  Sault,  mit  dem  Könige  von  Sicilien  und  Jerusalem, 
Grafen  von  Provence,  ein  Abkommen  und  leistete  ihm  Huldigung  für 
die  Herrschaft  Sault  und  das  Thal  derselben,  wobei  er  sich  indess  für 
sich  selbst  und  seine  Nachkommen  alle  Souverän itätsrechte  und  Gerech- 
tigkeitspflege vorbehielt  ....  nebst  mehreren  andern  Capitulationen, 
welche  in  der  im  Jahre  Eintausend  zweihundert  und  neunzig  darüber 
aufgenommenen  Urkunde ,  die  mir  mitgetheilt  worden ,  enthalten  sind. 
Auf  diese  Weise  also  wurde  die  HeiTschaft  Sault  mit  der  Provence 
verbunden." 

So  weit  du  Pinet,  und  es  bedarf  erst  keiner  nochmaligen  beson- 
dem  Hervorhebung ,  daß  unter  der  von  ihm  angeführten  deutschen 
Reimchronik  das  Gedicht  Wolfdietrich  zu  verstehen  ist.  Die  Namen 
Hugdietrich  und  Wolfdietrich  erscheinen  ganz  deutlich  in  Hug  de  Trich 
und  Wolf  de  Trich\  König  Waldung,  in  dessen  Land  die  Stadt  Selben- 
neckel  liegt ,  ist  der  König  Walgund  von  Salnecke  des  deutschen  Ge- 
dichtes ,  und  so  erkennen  wir  in  der  Prinzessin  Sidrach  von  Reussen 
Sidrat,  die  Gemahlin  Otnits,  wieder.  Indeß  weicht  du  Pinets  sehr  kurze 
Übersicht  der  von  ihm  Chronik  genannten  Dichtung  bedeutead  von  den 
uns  bekannten  Versionen  derselben  ab ;  so  z.  B.  ist  Waldung  nicht 
König  von  Salnecke,  sondern  von  Pommern,  und  Hug  von  Trich  scheint 
bloß  als  ein  wenn  auch  mächtiger  Vasall  desselben ,  als  ein  pommer- 
scher  Fürst  aufgefasst,  der  vielleicht  nur  in  Folge  seiner  Vermählung 
mit   des  Königs  ungenannt  bleibender  Tochter   auch  das   pommersche 


ZUR  LITTERATUKGESCHICHTE  DES  WOLFDIETRICH.  231 

Wappen  führt  (oder  gar  König  wird?)  und  sich  nach  ihrem  Tode  mit 
einer  griechischen  Prinzessin  verheirathet,  wogegen  Hugdietrich  in  dem 
deutschen  Gedichte  als  geborner  König  von  Constantinopel  (Cunste- 
nopel)  auftritt ,  sich  als  solcher  mit  Walgunds  von  Salnecke  Tochter 
vermählt,  und  sie  alsdann  in  sein  Land  führt ;  von  einer  zweiten  Frau 
Hugdietrichs  weiß  das  Gredichts  nichts.  Ferner  heirathet  Wolf  von  Trich 
Sidrach,  die  Tochter  des  Königs  von  Reussen ,  wogegen  Wolfdietrich 
Kaiser  Otnits  von  Garten  Witwe,  Sidrat,  ehelicht  und  mit  ihr  nur  eine 
Tochter,  Namens  Sidrat,  und  einen  Sohn,  Namens  Hugdietrich,  zeugt, 
während  derjenige  von  Wolf  de  Trich's  Söhnen ,  welcher  namhaft  ge- 
macht wird,  gleichfalls  Wolf  heißt.  —  Dies  die  Verschiedenheiten  beider 
Versionen,  abgesehen  davon,  daß,  wie  bereits  bemerkt,  du  Pinet  eigent- 
lich nur  den  Kern  der  Sage  berührt  und  fast  alle  Episoden  bei  Seite 
gelassen  hat.  Hierbei  entsteht  nun  zuvörderst  die  Frage :  woher  jene 
Verschiedenheiten?  benützte  du  Pinet  etwa  eine  von  unserm  Wolfdietrich 
abweichende  Bearbeitung  der  Sage?  Ich  glaube  nicht,  sondern  halte 
eher  dafür ,  daß  er  die  Angaben  des  ihm  vorliegenden  Gedichts  für 
seinen  Zweck  absichtlich  umgestaltet  hat;  dieser  Zweck  aber  bestand 
in  der  Verherrlichung  des  Hauses  d'Agoult ,  Grafen  von  Sault ,  deren 
einem,  Fran^ois,  er,  wie  wir  gesehen,  sein  Werk  widmete.  Du  Pinet 
war ,  allem  Anschein  nach ,  mit  Letzterem  sehr  befreundet ,  wozu  ihn 
schon  seine  religiösen  Ansichten  fuhren  mussten;  denn  er  war  ein  eifriger 
Hugenot  ebenso  wie  Frangois  d'Agoult,  der  nebst  seinem  Bruder  Jean 
im  Jahre  1567  in  der  Schlacht  bei  St.  Denys  gegen  die  Katholiken  fiel. 
Ich  bin  also  ganz  der  Ansicht  von  Laboureur,  der  in  seinen  Additions 
aux  Memoires  de  Castelnau  Tom.  II  p.  511  in  Betreff  des  Frangois 
d'Agoult  bemerkt :  ,,11  estoit  vaillant,  genereux,  magnifique  et  de  grand 
esprit,  il  aimait  les  Lettres,  et  ce  fut  en  sa  consideration,  qu'Antoiue 
du  Pinet  Seigneur  de  Noroy  ramassa ,  dans  son  Traite  des  Villes  et 
Forteresses  du  Monde,  des  Traditions  badines  touchant  l'origine  de  la 
Maison  de  Sault,  pour  en  faire  un  Roman  plus  incroyable  que  les  Apo- 
logues  et  les  entretiens  des  hommes  avec  les  bestes.  .  .  .  et  le  tout  fonde 
sur  ce  que  les  Armes  d'Agoidt  sont,  non  pas  une  Louve  comme  elles 
auroient  deu  estre,  mais  un  Loup  avec  les  marques  de  sa  Masculinite, 
et  sur  ce  que  quelques-uns  de  cette  Maison  se  surnommerent  diverse- 
ment  dans  les  Tiltres  Latins  de  Agoufo  et  de  Tritis,  a  cause  de  la  Terre 
de  Trez ,  ancien  partage  des  Vicomtes  de  Marseille  qui  leur  escheut 
par  Mariage."  Und  in  der  That  sieht  es  danach  aus,  als  ob  eben  nur 
der  Wolf  im  Wappen  der  Herren  von  Agoult  oder  Goult,  so  wie  ihr 
Besitz  des  Ländchens   Trets  (was  mit  Irich  einige  Ähnlichkeit  hat ;  es 


232  lEI.lX  TJEBUKCHT 

liegt  im  Departement  Bouches  du  Rhone  in  der  Nähe  von  Aix)  die 
einzigen  Vermittehingspiinkte  gewesen  wären,  welche  du  Pinet  die  Idee 
eingaben,  das  deutsche  Gedicht  so  zu  verwenden ;  erst  in  Folge  dessen 
brachte  er  Goult  mit  GoUnow  in  Verbindung.  Indess  suchte  er  zugleich 
noch  einen  andern  Zweck  zu  erreichen  und  die  zu  seiner  Zeit  allem 
Anschein  nach  bestehenden  freundschaftlichen  Beziehungen  zwischen 
den  Häusern  Agoult  und  Savoyen  auf  eine  ältere  Zeit  zurückzuftihren. 
Es  mußte  ihm  aber  bekannt  sein  ,  daß  Berald ,  Sohn  des  Markgrafen 
Rothar  von  der  Nordinai'k,  ein  Sachse,  für  den  ersten  Grafen  von  Mau- 
rienne  (in  Savoyen)  gilt,  den  König  Rudolph  HL  von  Burgund  zum 
Vicekönig  von  Arles  und  Kaiser  Heinrich  H.  zum  Reichsvicar  ernannt 
haben  sollten  ,  und  du  Pinet  ließ  daher  den  Stammvater  der  Herren 
von  Agoult  als  treuen  Freund  Beralds  zugleich  mit  demselben  nach 
Arles  kommen ,  zu  welcher  Treue  und  Freundschaft  er  übrigens  im 
Wolfdietrich  ein  Vorbild  in  Berchtung  von  Meran  fand  ,  wobei  zu  be- 
denken ist ,  daß  der  Name  letzteren  Landes  (lat.  Mairania  s.  Holtz- 
mann  S.  LXXXVH)  mit  Maurienne  fast  gleich  klingt,  so  wie  auch 
Berchtung  und  Berald  eine  leichte  Ähnlichkeit  besitzen.  Es  kam  du  Pinet 
nur  darauf  an,  seinen  Angaben  die  gehörige  Glaubwürdigkeit  zu  ver- 
leihen ;  daher  nennt  er  das  deutsche  Gedicht  eine  Reimchronik  und 
macht  zum  Verfasser  derselben  einen  angesehenen  Bischof,  den  er  bald 
darauf  Erzbischof  nennt ;  den  Sitz  des  letzteren  verlegt  er  nach  Sachsen, 
dem  Stammland  Beralds,  welches  er  dann  auch  an  Pommern,  der  Hei- 
mat Hugs  und  Wolfs  von  Trich ,  grenzen  lässt.  Daß  er  aber  gerade 
letzteres  Land  ausersehen ,  um  die  Ahnen  des  Hauses  Agoult  daraus 
herstammen  zu  lassen,  erkläre  ich  mir  dadurch,  daß  die  wirkliehe  oder 
sagenhafte  Urgeschichte  der  meisten  Fürstenhäuser  zu  seiner  Zeit  hin- 
länglich bekannt  war,  während  dies  bei  den  fernabwohnenden  Herzögen 
von  Pommern  weniger  der  Fall  sein  musste  und  so  die  Phantasie  einen 
freiem  Spielraum  hatte.  Deshalb  auch  dachte  du  Pinet  z.  B.  nicht  daran, 
die  älteste  Geschichte  der  Herzöge  von  Baiern  für  seine  Zwecke  zu 
benutzen  und  ihnen  einen  Wolf  de  Trich  beizugesellen,  sonst  hätte  ihn 
der  Bischof  von  Eichsfett  (var.  Einstetten,  Ainstetten)  in  Beyern  lant,  der 
gleich  zu  Anfang  des  Wolfdietrich  erwähnt  wird ,  dazu  veranlassen 
können ;  indess  scheint  mir  doch ,  daß  der  Name  letzterer  Stadt  ihm 
wenigstens  die  Idee  eingab,  den  Bischof  nach  Stettin  zu  versetzen  und 
vielleicht  auch  überhaupt  du  Pinet  auf  Pommern  brachte.  Ob  er  Stettin 
aus  Unkenntniss  oder  absichtlich  nach  Sachsen  verlegt,  lasse  ich  dahin- 
gestellt ;  jedenfalls  lag  diese  Stadt  seiner  Angabe  nach  hart  an  der 
Grenze  Pommerns,    so  daß  man  zwischen   Golt-yiaic  d.  i.   GoUnow  und 


ZUR  LITTERATITRGESCHICHTE  DES  WOEFDIETKICH.  233 

Stettin  nur  die  Oder  zu  passieren  brauchte,  was  ganz  richtig  ist.  Auf 
Gollnow  aber  kam  du  Pinet,  wie  wir  gesehen,  durch  die  Ortschaft  Groult 
in  der  Grafscliaft  Sault;  sonderbar  genug,  daß  ihm  jenes  pommersche 
Städtchen  bekannt  war;  indess,  nachdem  er  einmal  auf  Pommern  als 
ehemalige  Heimat  der  Agoult  verfallen ,  mochte  er  sich  mit  der  Geo- 
graphie letztern  Landes  etwas  genauer  bekannt  gemacht  haben,  so  daß 
er  sich  auch,  wie  oben  hervorgehoben,  des  Ausdruckes  Pommerland  be- 
dient, und  es  scheint  fast,  als  ob  er  bei  dem  für  das  Salnecke  des  Wolf- 
dietrich eingetretenen  Selhenneckel  an  eine  bestimmte  Localität  Pommerns 
gedacht  haben  müsse,  ohne  daß  ich  jedoch  diese  namhaft  zu  machen 
im  Stande  bin.  Vielleicht  aber  ist  dies  eine  seinem  eigenen  Gehirn  ent- 
spnmgene  Umgestaltung  des  Namens  Salnecke,  welchem  er  eine  deutsch 
klingen  sollende  Form  geben  wollte.  Überhaupt  nimmt  es  du  Pinet  mit 
den  Namen  nicht  sehr  genau;  so  haben  wir  gesehen,  daß  seiner  An- 
gabe nach  der  in  dem  Lehenbriefe  der  Agoult  über  die  Herrschaft 
Sault  enthaltene  Name  Trawnüz  (weiter  unten  Antraivnis  genannt)  aus 
Trich  verdorben  sein  sollte.  Unter  Trmimitz  ist  aber  wahrscheinlich  die 
Stadt  Ti-aivnik  in  Bosnien  zu  verstehen,  daher  unter  Selhenneckel,  wenn 
nicht  SalneckC;,  muthmaßlich  Sebenico,  das  nicht  weit  von  Trawnik  entfernt 
ist;  indem  du  Pinet  Sebenico  in  eine  deutsche  Form  zu  bringen  suchte 
und  nach  Pommern  versetzte ,  dachte  er  vielleicht  an  das  nicht  weit 
von  dessen  Grenzen  liegende  Nakel,  von  dem  er  gehört  haben  mochte. 
Bosnier  wanderten  nämlich  bei  dem  Vordringen  der  Türken  wahrschein- 
lich ebenso  aus  wie  die  Albanesen ;  zunächst  nach  Italien,  woselbst 
noch  jetzt  slavische  und  albanesische  Colonien  sind  (und  die  Bo^ier 
hatten  die  slavische  Sprache  angenommen)  ;  die  vornehmern  und  rei- 
chern mochten  zum  Theil  weiter  gehen,  wie  Lupus  von  Trawnik  nach 
Südfranki-eich,  welcher  Name  Lupus  wohl  aus  einem  slavischen  latini- 
siert ist.  Auch  Jahreszahlen  respectiert  du  Pinet  nicht  sehr;  so  versetzt 
er  Kaiser  Heinrich  IL  in  das  Jahr  1200 ,  gewiß  in  einer  bestimmten 
Absicht ;  vielleicht  trug  der  genannte  Lehenbrief  diese  Jahreszahl ,  so 
daß  er  also  von  Kaiser  Philipp  oder  wahrscheinlicher  von  Kaiser  Otto  IV. 
ertheilt  war ;  da  jedoch  Berald  unter  Heinrich  IL  mit  Savoyen  belehnt, 
Wolf  von  Trich  aber  zugleich  mit  ihm  in  Burgund  angelangt  sein  sollte, 
so  ließ  du  Pinet  muthmaßlich  deswegen  Heinrich  IL  im  J.  1200  am 
Reiche  sein.  Wunderlich  scheint  es  nur ,  daß  die  Herren  von  Agoult 
den  Inhalt  dieser  filr  sie  so  wichtigen  Urkunde  nicht  genauer  gekannt 
und  gewusst  haben  sollten,  welcher  Kaiser  und  welche  Jahreszahl  darin 
namhaft  gemacht  waren.  Wenn  übrigens  du  Pinet  ferner  berichtet,  daß 
das'  Haus  Trich  mit  dem  sächsischen  Kaiser  Otto  dem  Ersten  verwandt 


284  FELIX  LIEBRECHT 

war,  so  ist  dies  nichts  anderes  als  eine  willkürliche  Verwandlung  und 
Verwendung  des  Namens  Otnit]  eben  so  willkürlich  wie  die  des  Löwen 
im  Wappen  Wolfdieti'ichs  in  den  Wolf,  den  er  Wolf  de  Trich  beilegt. 
Aus  all  dem  bisher  Augeführten  geht  also  zur  Grenüge  hervor, 
daß  du  Pinet  von  unserm  Wolfdietrich  Kenntniss  gehabt ,  und  zwar, 
wenn  meine  obige  Vermuthung  richtig  ist,  daü  er  sein  Stettin  aus  dem 
Eichstett  des  Gedichts  hergeholt,  so  wird  dies  eine  der  Heidelb.  Hss. 
373  (Holtzmanns  A)  entsprechende  oder  ihr  zu  Grunde  liegende  Re- 
cension  gewesen  sein,  da  die  Lesart  derselben  Einstetten  (auch  C  liest 
Ainstetten)  der  Form  Stettin  noch  näher  steht  als  das  Eichstett  des 
Textes.  Hieran  knüpft  sich  ferner  die  Frage,  ob  du  Pinet  das  Gedicht 
selbst  zu  lesen  vermochte  oder  sich  dasselbe  vorübersetzen  ließ,  d.  h. 
also,  ob  er  deutsch  verstand  oder  nicht.  Wahrscheinlicher  dünkt  mir 
ersteres,  da  er  ein  sehr  kenntnissreicher  Mann  war  und  namentlich  auch 
die  damaligen  Hugenotten,  besonders  die  gelehrtern  unter  ihnen,  von 
den  deutschen  Schriften  der  Reformatoren  in  der  Schweiz  und  Deutsch- 
land genaue  Kenntniss  nahmen.  Endlich  aber  möchte  man  gern  wissen, 
und  dies  ist  bei  weitem  das  wichtigste,  wie  wohl  die  Handschrift  des 
Gedichts,  welche  ums  J.  1560,  wo  ungefähr  du  Pinet  an  seinem  obge- 
nannten  Werke  schrieb,  mehr  als  zweihundert  Jahre  alt  war,  also  etwa 
aus  der  Mitte  des  vierzehnten  Jahrhunderts  stammte,  in  seine  Hände 
gekommen  sein  mochte.  Hierbei  ist  nun  Folgendes  zu  erwägen.  Im 
Eckenlied  22  wird  bekanntlich  von  Wolfdieünch  erzählt ,  daß  er  zu 
Tischen  in  Burgund  ins  Kloster  gegangen  sei  (Ze  Tischen  bruodert  sich 
der-  degen  —  Ze  Burgun  in  dem  lande  —  Aldar  gab  er  die  brünne  guot- 
Sin  kloster  macht  er  riche  etc.);  im  Wolfdietrich  2122  hingegen  heißt 
das  Kloster  Titschal  (ez  lit  zu  nehst  an  den  beiden  zu  ende  der  Kri- 
stenheit  —  daz  was  Sant  Jörgen  orden,  do  brudert  er  sich  in).  Daß 
eins  dieser  Gedichte ,  wie  sie  uns  in  den  spätem  Bearbeitungen  vor- 
liegen ,  aus  dem  andern  geschöpft ,  ist  nicht  wahrscheinlich  ,  da  die 
richtige  Angabe  des  Eckenliedes  in  Bezug  auf  die  Localität  des  Klosters 
nicht  aus  der  unrichtigen  des  Wolfdietrich  geflossen  sein  kann.  Muth- 
maßlich  also  besaßen  beide  Dichtungen  eine  gemeinschaftliche  ältere 
Vorlage  oder  Nachricht,  die  vielleicht  auch  den  Ausdruck  sich  hrudern, 
jedenfalls  aber  die  richtige  Angabc  Tischen  in  Burgund  enthielt.  Letz- 
tere jedoch  dünkte  dem  Bearbeiter  des  Wolfdietrich  zu  schlicht  und  er 
verlegte  deshalb  das  Kloster  mit  einer  Namensabänderung ,  die  ver- 
muthlich  der  Reim  ihm  eingab  (mal :  Titschal) ,  an  das  Ende  der  Chri- 
stenheit, um  so  den  Schlußkampf  gegen  die  Heiden  besser  anknüpfen 
zu  können,  obwohl  sonst  in  den  Dichtungen  des  Mittelalters  die  Heiden 


ZUR  LITTP:RATUEGESCHICHTE  des  WOLFDIETRICH.  235 

oder  Sarazenen  ohne  Weiteres  mitten  in  Europa  erscheinen  (vgl.  Dun- 
lop-Liebrecht  S.  472  Anm.  166).  Oder  sollten  vielleicht  unter  den  Heiden 
des  Wolfdietrich  Türken  zu  verstehen  sein  (v.  2135  „der  heiden  Soldan"), 
welche  zur  Zeit  Amurads  I.  um  das  J.  1370  bis  nach  Bosnien  vor- 
drangen, wo  sie  1387  eine  große  Niederlage  erlitten?  Auch  du  Pinet 
spricht  von  den  heftigen  Kämpfen  Wolfdietrichs  gegen  die  Türken, 
und  in  Bosnien  liegt  ein  Ort  Titschar  (Talvj  Volkslieder  der  Serben 
2,  360  zweite  Aufl.) ;  von  diesem,  missverstanden  oder  umgebildet  aus 
Tischen,  ließ  sich  allenfalls  sagen,  daß  es  „zunächst  den  Heiden  zu  Ende 
der  Christenheit  liege";  das  Grerücht  von  der  Niederlage  der  Türken 
war  gewiß  nach  Deutschland  gedrungen.  Daß  nun  unter  Tischen  in 
Burgund  die  Stadt  Dijon  zu  verstehen  sei,  fällt  in  die  Augen,  und  ein 
St.  Georgenorden  bestand  zwar  nicht  in  dieser  Stadt  selbst,  aber  doch 
in  nicht  großer  Entfernung  davon,  nämlich  zu  Rougemont,  wo  im  J.  1390 
Ritter  Philibert  von  Miolans,  dem  dieser  Ort  theilweise  gehörte,  zu  Ehren 
einiger  aus  Palästina  mitgebrachten  Reliquien  jenes  Heiligen  nicht  nur 
eine  Kapelle,  sondern  auch  den  Orden  von  St.  Georg  in  Burgund 
zu  gottesdienstlichen  Zwecken  und  zur  Beförderung  der  Frömmigkeit, 
brüderlicher  Liebe  und  edlen  Wandels  stiftete.  Der  Orden  hatte  auch 
eigene  Priester  von  Rougemont  und  Damen  von  Rougemont; 
alle  Mitglieder  aber  mussten  bei  der  Aufnahme  sechzehn  reine  Almen 
aufweisen ,  und  da  die  Versammlungen  ursprünglich  an  jenem  Orte 
gehalten  wurden,  so  hieß  er  auch  Orden  von  Rougemont;  später 
indess  fanden  sie  in  der  Carmeliterkirche  zu  Besan9on  statt.  Ein  Mönchs- 
orden also  war  dies  nicht,  vielmehr  hauptsächlich  ein  geistlicher  Ritter- 
orden ;  weshalb  auch  wohl  bei  Wolfdietrich  2124  nicht  nur  ein  apt, 
sondern  auch  ein  kumtur  erwähnt  wird  ;  der  eigentliche  Titel  des  Vor- 
stehers dieser  Bruderschaft  (confrerie)  war  aber  bäfonnier.  Das  in 
Rede  stehende  Rougemont  nun  ist  ein  kleiner  Ort  in  der  Nähe  der  Ar- 
mangon  und  des  canal  de  Bourgogne  im  Arrond.  Semur,  Dep.  Cote  d'Or, 
etwa  90  Kilometer  (18  Meilen)  von  Dijon  ,  also  in  keiner  allzugroßen 
Entfernung  davon,  so  daß  in  Deutschland  ein  vorhanden  sein  sollendes 
Kloster  jenes  St.  Georgenordens  leicht  nach  letzterer  Stadt  selbst  ver- 
legt werden  konnte.  Die  Kenntniss  des  Ordens  überhaupt  aber  verdankte 
man  möglicherweise  direct  oder  indirect  irgend  einem  deutschen  Ritter, 
der  bei  seiner  Stiftung  oder  nicht  lange  nachher  in  denselben  getreten 
sein  mochte.  In  welcher  Art,  Gestalt  und  Fassung  sie  den  spätem  Be- 
arbeitern des  Eckenliedes  und  des  Wolfdietrich  zukam,  lässt  sich  freilich 
nicht  sagen ;  wie  der  des  letztern  sie  verwandte ,  haben  wir  gesehen, 
und  es  entsteht  hierbei  die  Frage,  ob  nicht  auch  erst  bei  dieser  Gele- 


236  FELIX  LIEB  RECHT 

genheit  der  St.  Jörge  genannte  Fürst  in  das  Gedicht  gekommen  ist, 
wo  er  mit  einer  gewissen  Vorliebe,  namentlich  als  Wolfdietrichs  Tauf- 
pathe,  genannt  wird  (s.  die  ihn  betreffenden  Stellen  bei  Holtzmann  im 
Namenverzeichnisse  S.  345'').  Diese  Zuthaten  also  (Kloster  zu  Tischen, 
Kloster  Titschal  und  Fürst  St.  Jörge)  müssten,  wenn  meine  Muthmaß- 
ungen  gegründet  sind  ,  im  Eckenliede  wie  im  Wolfdietrich  erst  nach 
der  Stiftung  des  Ordens,  d.  h.  nach  dem  Jahre  1390  eingetreten  sein. 
Man  kann  wohl  dabei  fragen,  ob  dies  bei  letzterm  Gedichte  vielleicht 
in  Folge  einer  besonderu  Veranlassung  oder  gar  Aufforderung  geschah, 
die  etwa  von  dem  deutschen  Ritter  zu  Rougemont  ausgieng,  dessen 
Angaben  aber  auch  irgendwie  dem  Bearbeiter  des  Eckenliedes  zu  Ohren 
kamen  und  kürzer  aber  genauer  benutzt  wurden.  Hatte  jener  Ritter 
vielleicht  aus  einem  Grunde  eine  besondere  Vorliebe  für  den  Wolf- 
dieti'ich,  von  dem  er  etwa  auch  eine  natürlich  ältere  und  dann  wahr- 
scheinlich, wie  wir  gesehen,  dem  Text  A  zu  Grunde  liegende  Recension 
besaß?  Blieb  diese  als  Geschenk  oder  Hinterlassenschaft  in  Rougemont 
zurück  und  kam  so  in  späterer  Zeit  zur  Kenntniss  du  Pinets?  Die  Ver- 
sammlungen des  St.  Georgenordens  fanden,  wie  oben  bemerkt,  weiter- 
hin (ich  weiß  aber  nicht  zu  sagen,  von  welcher  Zeit  an)  in  Besangen 
statt  mid  dorthin  mag  dann  auch  das  etwaige  Archiv  und  die  Bibliothek 
des  Ordens  gekommen  sein;  du  Pinet  aber  war  aus  Besancou  gebürtig. 
Doch  kann  er  die  Handschrift  auch  andei-wärts  angetroffen  haben,  etAva 
in  Dijon,  wo  auch  das  Haus  Sault  theilweise  heimisch  gewesen  zu  sein 
scheint,  falls  nämlich  die  Herren  von  Sauhc  demselben  angehörten,  die 
jedoch  eifrige  Katholiken  waren,  wie  z.  B.  der  berüchtigte  Gaspard  de 
Tavannes,  Marschall  von  Frankreich,  welcher,  im  J.  1509  zu  Dijon  ge- 
boren, auch  daselbst  in  der  „La  Sainte  Chapelle"  genannten  Kirche 
seine  Grabstätte  hatte. 

Ich  habe  nun  Muthmaßungen  genug  aufgestellt  und  Avill  damit 
aufhören ;  doch  gab  der  sehr  verwickelte  imd  zugleich  anziehende  Ge- 
genstand hinlänglichen  Anlaß  dazu.  Andere  ,  die  mit  demselben  ver- 
trauter sind  als  ich,  und  denen  reichere  Bibliotheken  zu  Gebot  stehen 
(in  erster  Linie  also  Holtzmann) ,  mögen  ihn  gründlicher  zu  erörtern 
und  sichere  Ergebnisse  zu  erlangen  suchen;  ja  es  wäre  vielleicht  nicht 
unmöglich,  die  von  du  Pinet  benutzte  Handschrift  des  Wolfdietrich  in 
einer  oder  der  andern  Bibliothek  des  südöstlichen  Frankreich  (Dijon, 
Besangen  u.  s.  w.)  wieder  zu  entdecken.  Mir  indess  genügt  es  zuvörderst 
auf  den  bemerkenswerthen  Umstand  hingewiesen  zu  haben ,  daß  um 
die  Mitte  des  16.  Jhd.  unser  Wolfdietrich  nach  einer  viel  älteren  Quelle 
in  der  genannten  Gegend   bekannt  war,    und  zwar  ganz   in  der  Nähe 


ZUR  LITTERATURGESCHICHTE  DES  WOLFDIETRICH.  237 

des  Ortes,  wo  der  Held  des  Gedichtes  sein  Leben  im  Kloster  beschlossen 
haben  sollte. 

Bevor  ich  nun  diesen  Gegenstand  verlasse ,  will  ich ,  wie  oben 
angekündigt,  noch  einige  weitere  Bemerkungen  hinzufügen,  die  jedoch 
nicht  mehr  die  litterarhistorische,  sondern  die  stoffliche  Seite  desselben 
betreffen.  Der  kleine  Wolfdietrich  nämlich,  welcher  nach  Holtzmauns 
Ansicht  (S.  XXI)  gegen  Ende  des  XV.  Jhd.  aus  einer  verkürzenden  Ver- 
schmelzung des  großen  mit  Wolfdietrich  und  Sabene  entstanden  ist, 
enthält  eine  Episode  (vgl.  Holtzm.  S.  XXIX.  XCIV),  worin  ein  unge- 
nannt bleibender  Zwerg  dem  Wolfdietrich  erzählt,  daß  ein  anderer  Zwerg, 
Namens  Billung ,  ihn  seines  Landes  beraubt  habe  ;  er  zeigt  alsdann 
dem  Helden  die  ihm  noch  gebliebenen  Herrlichkeiten,  nämlich  eine  Linde, 
die  er  mit  einem  Schlüssel  aufschließt  und  aus  welcher  zwölf  Jung;- 
frauen  mit  silbernen  Kleidern  und  goldenen  Haarbändern  hervorkommen, 
so  wie  eine  Zeder,  aus  der  Wein  fließt;  ferner  schenkt  er  dem  Wolf- 
dietrich eine  Büchse,  aus  welcher  er  hundert  Bewaffiiete  nehmen  kann, 
und  ein  Hörn ,  auf  dessen  Schall  ihm  der  Zwerg  jederzeit  zu  Hilfe 
kommen  will.  Letzterer  bemerkt  dabei,  daß  sein  Vater  Titan  diese  drei 
Wünsche,  nämlich  die  Linde,  die  Büchse  und  das  Hörn,  von  Gott  er- 
halten habe.  —  Es  liegen  hier  nun  mehrfach  in  Sage  und  Märchen 
erscheinende  Züge  vor ;  so  erkennt  man  in  dem  wunderbaren  Hörn 
alsbald  das  Hörn  Oberons  wieder ;  dieser  ist  der  deutsche  Alberich 
(Eiberich,  französ.  Auberon),  den  Simrock  mit  Wodan  und  dessen  Hörn 
zusammenstellt,  Myth.  468  vgl  450.  233.  250  (2.  Ausg.).  Oberons  Ge- 
mahn aber  heißt  in  Shakespeares  Sommernachtstraum  Titania,  und 
dieser  Name  erklärt  sich  durch  den  oben  angeführten  Zwergkönig  Titan. 
—  Die  Wunschhüchse  finden  wir  in  dem  Ranzen,  aus  welchem  Soldaten 
geklopft  werden  ;  s.  Grimm  KM.  no.  54  und  dazu  die  Anm.  3^*,  90.  — 
Die  Jungfrauen ,  die  aus  der  Linde  kommen  ,  sind  nichts  anderes  als 
Hamadryaden,  vgl.  Grimm  Myth.  617  ff'.,  und  was  die  weinspendendc» 
Zeder  betrifft ,  so  dürfte  sie  ein  weiteres  Beispiel  davon  liefern  ,  daß 
wunderbar  scheinende  Züge  in  Märchen  und  Sage  nicht  selten  auf  natur- 
geschichtlichen oder  historischen  Thatsaclien  beruhen,  wie  ich  in  den 
Gott.  Gel.  Anz.  1865  S.  1190  ff.  und  im  Philologus  23,  682  ff  nach- 
gewiesen ;  die  an  ersterer  Stelle  beigebi'achten  Beispiele  bezogen  sich 
auf  Indien  ,  und  so  führe  ich  denn  auch  jene  W^underzeder  des  deut- 
schen Gedichtes  auf  die  Weinpalme  (borassus  flabelliformis)  zurück, 
welche  gleichfalls  in  Indien  zu  Plause  ist  und  von  der  im  Mittelalter 
wahrscheinlich  eine  Kunde  nach  Europa  gedrungen  war. 


238       FELIX  LIEBRECHT,  ZUR  LITTERATURG.  DES  WOLFDIETRICH. 

Anderes   übergehend   möchte  ich   schHeßHch  bloß    noch   auf  die 
ziemlich  genaue  Übereinstimmung  aufmerksam  machen,  welche  zwischen 
dem  alteuglischen  Gedichte   Guy  of  Warioick  und  dem  Wolfdietrich  in 
mehrfachen  Zügen  herrscht.    Heraud  von  Ardenne,  der  treue  Erzieher 
vmd   Lehrer   Guys  ,    der   diesen   auch   auf  allen   Kriegszügen  begleitet 
(s.  EUis  Specimens  of  Early  English  Metrical  Romances,  London  1848 
p.  191  ff.),  entspricht  dem  bei  Wolfdietrich  sich  in  gleichem  Verhältnisse 
findenden  Berchtung  von  Meran;  —   Guy  (Ellis  p.  206  ff.)  und  Wolf- 
dietrich haben  beide  heiße  Kämpfe  bei  Constantinopel ;  —  so  wie  ferner 
Wolfdietrich   Ortnits    Schwert    in    der    Drachenhöhle    findet    (1661 — 2 
Holtzm.) ,    so  findet  Guy  ein  solches  gleichfalls  in  einer  Drachenhöhle 
imd  zwar  im  Leibe  des  todten  Drachen  selbst    (Gesta  Roman,   c.  172 
p.  286,  18  ff.  ed.  Keller) ;  —  Guy  steht  einem  Löwen  im  Kampfe  gegen 
einen  Drachen  bei,  welchen  letztern  er  tödtet,   worauf  der  Löwe  sein 
treuer  Begleiter  wird  (Ellis  p.  211),  und  ganz  gleiches  erzählt  ein  dä- 
nisches, höchst  wahrscheinhch  einem  deutschen  entstammendes  Volks- 
lied von  Wolfdietrich  (s.  Svend  Grundtvig  Danmarks  Gamle  Folkeviser 
no.  9  „konge  Diederik  og  Löven";    vgl.  Holtzm.  S.  XCIX  no.  8   und 
Wolfd.  1618  ff.) ;  —  Guy  kämpft  lange  Zeit  mit  dem  Amiral  von  Äthio- 
pien, einem  Riesen,  und  beide  stärken  sich  während  des  Kampfes  durch 
Wassertrünke,  bis  Guy  den  Riesen  erschlägt  (Ellis  p.  221  f ),  und  unter 
gleichen  Umständen  tödtet  Wolfdietrich  den  Riesen  Belamunt  (399  bis 
453);   —   Guy  hört  den  Grafen  Jonas  an  einem  Brunnen  klagen  und 
durch  Besiegung  jenes  Amirals   befreit  er  den  Grafen   und   seine  fünf- 
zehn Söhne  aus  der  Gefangenschaft  (Ellis  p.  220—2) ;  ebenso  vernimmt 
Wolfdietrich  Berchtungs  Klage   vom    Stadtgraben   aus    (1318—9)    und 
befreit  später  dessen   zehn  Söhne;  —   schließlich,  um  den  Rest  seines 
Lebens  in  Buße  zu  enden,  pilgert  Guy  nach  dem  heiligen  Lande,  rettet 
zurückgekehrt  sein  Vaterland   von  den  Heiden ,    indem   er  deren  Vor- 
kämpfer Colbrand  erschlägt,  und  zieht  sich  sodann  in  eine  Einsiedelei 
zurück  (Ellis  p.  230.  234) ;    ganz  so  beschließt  auch  Wolfdietrich  sein 
Leben  im  Kloster,  nachdem  er  dasselbe  vorher  noch  einmal  gegen  die 
Heiden  vertheidigt  und  diese  besiegt  hat.    —   Auf  diese  Ähnlichkeiten 
der  beiden  Dichtungen  will  ich  hier  bloß  hinweisen,  ohne  weitei'e  Be- 
trachtungen daran  zu  knüpfen;  den  ascetischen  Schluß  haben  sie  freilich 
mit  andern  Gedichten  des  Mittelalters  gemein,  und  zerstreut  finden  sich 
auch  die  übrigen  Züge  anderwärts  wieder,  nichtsdestominder  zeigt  sich 
jene  Übereinstimmung  als  auffallend  genug. 

LÜTTICH.  FELIX  LIEBRECHT. 


239 


ZU  HARTMANNS  GRP^GOR. 


Die  vaticanische  Handschrift  des  Gregor  ist  seit  Greiths  Abdrucke 
im  Spicilegium  Vaticamim  meines  Wissens  nicht  neu  verglichen  worden, 
und  doch  lag  bei  der  geringen  Zuverlässigkeit  jenes  Abdrucks  ein  An- 
laß dazu  gewiß  vor.  Da  die  Handschrift  auch  jetzt  noch  die  Haupt- 
urkunde für  das  Gedicht  bildet ,  so  glaube  ich  nichts  überflüßiges  zu 
thun,  wenn  ich  alle  Abweichungen  von  Greiths  Texte,  die  durch  meine 
Collation  sich  ergeben  haben,  mittheile. 

1  das  anfangende  D  ist  ein  größerer  Initialbuchstabe.  5  seltscenen. 
6  gutem.  9  Vn  leit,  wie  die  Erlauer  Hs. ;  die  Ausgaben  von  Lachmann 
und  Beeil  haben  mit  E  daz  lit.  10  die  Worte  ein  richer  herre  sind 
keineswegs  sicher,  namentlich  ist  ein  zweifelhaft.  Entweder  ist  des  seihen 
rtches  herre  oder  des  seihen  landes  herre  die  richtige  Lesart.  13  mohten. 
14  vn,  und  so  fast  durchgängig.  31  mage.  man.  dienstman.  44  nu.  48  vn 
wnnechlichen.  58  hegünden.  61  diu  chint.  66  ia  furhie  ich.  77  roete  hat 
wirklich  die  Hs.  82  den  arm  gut.  92  hruderliche.  110  lihe.  112  nach 
sage  scheint  ein  Buchstabe  ausradiert.  114  an  in.  120  hisiten;  siten  ist 
vom  Miniator  hinzugefügt.  133  Do  dise  wnne  vn  den  gemach,  und  so 
ist  zu  lesen.  Lachraann  mit  EG  Do  dise  loiinne  und  disen  gemach,  Becli 
mit  Greith  Do  die  loünne  und  den  gemach.  153  Daz.  161  slaffen.  166  Daz 
er  so  grozen  manegen  spot;  grozen  manegen  mit  ümstellungszeichen,  mit- 
hin ist  zu  lesen  daz  er  so  manegen  grozen  spot,  wie  auch  E  hat.  169  nah. 
173  ir  fehlt.  175  großer  Anfangsbuchstabe,  dagegen  mit  gewöhnlichem 
nu  181,  und  wieder  großer  bei  Nu  183.  184  Du.  187  stvnt.  190  oher 
geioant.     193.  194  unz  er  dar  under  zu  ir  qvam 

vn  si  an  slnen  arm  genam, 
welche  beiden  Verse  Greith  durch  Striche  ersetzt.  195  großes  0. 
dar  vnder.  202  mvnt.  217  hrut,  das  andere  Reimwort  Iwte.  227  Dar  nah. 
235  daz  si.  238  sivere.  247  niftel  si  {'.hi)]  die  Circumflexe  bei  Greith 
stehen  nicht  in  der  Hs.  250  versuchte.  251  hier  hat  die  Hs.  ünde. 
255  liehev.  257  gemomen.  259  ivas.  260  hegtmde  si.  261  suften.  265  ge. 
trurens.  266  ztoir.  267  An  dem,  lihe  vn  an  der  sele.  270  Wand'  d.  h. 
Wände,  wie  auch  140  u.  ö.  steht.  273  werlde.  278  zestünt.  280  iamer. 
291  stunt.  296  dih.  300  durch.  302  ovh.  308  Jane.  317  wnden.  323  ovh. 
331  Absatz.  333  Also  ez  ir  do.  343  Absatz.  349  ivngelich.  365  fhze. 
373  sagt  mir  ivaz  iu  werre  =  D  und  Bech.  382  nah.  403  heiligem. 
405  sxvern,  aber  weren.    407  pflegen.    410  ivch  got  geschnnde.    415  muze. 


240  KARL  BARTSCH 

425  Absatz.  429  Zeivar,  also  zeioäre  zu  lesen.  432  des  landes  (ohne  Do) 
si  iht  entziehe.  436  gi^zen.  437  gvte.  442  iemen.  446  mit  den  gvte. 
447  Volzihen.  450  /cÄ  iV.  451  dvchte.  457  t>,  nicht  iren.  459  Dem  altem. 
464  schneiden.  465  ^i'cZe.  486  aus.  487  gvL  488  kausefrawe  hat  wirklich  A. 
496  iVer  stand,  ist  aber  in  der  gebessert,  und  so  ist  zu  lesen  (=r  E). 
504  zw.  505  tcart  dar.  508  Daz  er  ze  der.  509  gemceme.  514  schedelich. 
517  chunden.  524  tn.  536  manegen.  554  meiste  statt  inerste  bei  Greith, 
und  so  ist  mit  B  (E)  zu  lesen;  die  Ausgaben  haben  merste.  569  zihen. 
574  behilte.  579  si'Ä.  581  ^o^.  583  ze  aZfen  stund'  hat  wirklich  A. 
587  werld'  d.  h.  loetMe.  589  ll^r.  597  hezüzzen.  600  geschehe.  612  Absatz. 
618  Aerz  Ze/t  622  iVw,  Absatz.  628  ZCT'ow;ew,  vgl.  415.  751.  633  Div  div 
vraioe.  636  maneges.  640  sieht vm.  646  v/"  fehlt.  647  er^je.  653  boesev. 
654  grozst.  656  brvder.  657  seneder.  658  •yow  m*  brvder.  660  sa  ze  Äanf, 
nicht  tZa  ze  Aani.  663  eineinen.  611  der  hat  si  vwmfe  vn  genas:,  .f^^lff 
hat  auch  E,  die  Ausgaben  vieriu.  678  senede.  682  c?a  vo?-.  702  ziiie. 
703  minende.  705  hehagt.  708  xSo  st  es  (für  cZes)  sto^  geioan.  719  vnsamfte. 
720  mtf  ^cfeof.  724  machit.  744  ouä.  747  understan  (=  E),  Greith  cZan^ 
die  Ausgaben  undervän.  751  torawen.  lob  got  ist  zwischen  geschrieben. 
765  zw  et'ne.  769  am  cZem.  787  daz.  793  geschehin.  800  sacA.  807  jE"?- 
warte  dei^  vischere  (=  Lachm.).  808  gelmhe,  Greith  gesüche,  die  Aus- 
gaben gesuoch]  es  ist  demnach  gelücke  die  richtige  Lesart.  810  abhte. 
813  Absatz.  815  den  (nicht  dem)  hat  A  =  E  (Cj.  816  Fns.  817  ivas, 
aus  toa?*«  (=  CE)  gebessert.  818  habti.  836  abbte.  838  omcA  cZaz  (=:  Bech). 
852  Do.  854  wnden.  855  ^/  (?en  sam^.  861  Absatz.  863  nine.  864  svzem. 
865  ?acÄ<  —  a66fe.  871  versteigen.  874  (Zzu  ovgen.  895  cÄmt  913  t;?i  wan. 
915  chind.  916  m  fehlt  (=  E).  917  dienstaßen.  921  aj-me.  924  ez. 
931  gwinne.  935  mittertagc.  966  hmiles.  973  wit.  975  Z)az.  983  aS'o  ?-eÄfe 
vlizic.  986  cZaz.  992  ^^ze/.  996  dingcliches.  997  ze  tcillen.  998  soiligez. 
999  Z>tv  cÄmi  c?iv.  1004  sinnriche.  1005  tZa  enlivgp  ich  {=  CE).  1011 
Da?'  waÄ.  1012  gebezzert.  1019  Dar  waA.  1031  c^zcÄe  für  chume.  1044 
gervwen.  1045  tcegeUcher.  1055  Absatz.  1059  ?üa?v  aber  mre.  1063  ste- 
«^;ez.  1067  Äaf.  1069  vnredelichen.  1070  senfiem  (=  C).  1072  (Za?*  vnder. 
1075  Lere.  1077  Genendich  (=  Lachm.  Conjectur,  Zeitschrift  5,  44). 
1079  loider  loant.  1088  ?ip.  1096  chvnd'  er,  also  chunde  er.  1099  ?üere. 
1100  ivngelinch.  1102  mohte.  1114  J5?'  ^e^e^  dar  der  (r  imsicher)  cAa.  .  . 
da  von  wie;  das  andere  Reim  wort  lautet  toie.  von  kann  auch  vor  sein. 
1117  /Svs.  vor  dan  ist  ausradiert  Äeim.  1121  si.  1123  m?A.  1126  Sich 
her.  1135  i'Ä —  dvlten.  1136  Fon  eme?)i  a'solhen  man,  die  unzweifelhaft 
richtige  Lesart.  1138  Daz  dich  getar  gebliioen  der,  ebenso.  1139  ver- 
rm^'"'     1142  di-ltez.    1148  Er  ji-ndere  di-iftige,  Greith  fvnde  i)L   die  Aus- 


zu  HAETMANNS  GREGOR.  241 

gaben  fimden.  Es  wird  zu  lesen  sein  fimdene.  1158  almvsenaere.  1159 
mvse.  1166  tm.  1169  dvrch.  1172  riioec.  1181  vmviser.  120G.  1216  cJineJit. 
1225  Absatz.  1242  ^?s  zcA  minem  liehen  cMnde  sol,  =  F,  svne  wie  Greith 
liest  hat  demnach  keine  Hs.  1247  vri  loal.  1255  genesen.  1256  nv. 
12Qi  dvrch.  1260  wnsche  —  dinm.  1211  nah.  1285  w^r.  1290921;.  1291  A^y. 
1294  drie  sache  (=  EGr),  und  so  ist  zu  lesen.  1303  Nv  waz.  1305  m&lite, 
statt  m  eilte.  1312  ieglichem.  1316  Sicer  imz.  1320  Des  ich  des.  1328  ma- 
neger. 1343  betrogen  (=E),  und  so  ist  zu  lesen.  1346  danne  (=EG),  nicht 
damit,  wie  auch  Greith  hat,  dem  Bech  folgt.  1347  Vmhehendechlichen 
(=  G),  Lachmanns  Conjectur  bestätigend.  1354  gelernes  vil,  wie  Lach- 
mann schrieb.  1367  geht.  1368  missetat,  die  von  Greith  ausgelassene  Zeile 
(1369)  steht  in  der  Hs.  So  gan  ich  ir  ivol  eine  andern  man.  1384  heste. 
1385  So.  1388  ir.  1391  So  troverte  ie.  1402  geioan.  1406  schenchel. 
1407  chunde.  1409  noh.  1412  mane.  1415  gnomen.  1418.  19  gelinpf : 
schinpf.  1423  W2z^  heiden  henden.  1429  riterlichen.  1432  Absatz.  1433 
dütsch.  1435  Wndern  muz  crede  mich.  1436  ez.  1446  dvrch.  1449  s/r/m. 
1451  hezzerre.  1460  Äa/.  1462  er  9126^6  Äaf.  1464  cZv?'  ^wt  1467  gefuge. 
1469  ?irtA.  1473  c?«7i — schä.  1474  i<>c/i.  1478  vorder  habe.  1488  manegem.. 
1489  /za&e.  1490  cZt;rc/i.  1493  ica^/t  1499  manegen.  1507  frumcheit. 
1509  ?JwV  me  (we  darübergeschrieben)  versagen,  Lachmanns  Conjectur 
bestätigend.  Iblb  frum.  1521  sold' =  solde.  1530  hideo-he.  1Ö32  harnasche. 
1545  noch.  1547  Fr^sev'e.  1550  sidiner.  1555  schvf.  1565  wl>.  1585 '?üe2w- 
nende.  1590  w«/«.  1592  svw.  1602  /Syw,  Absatz.  1611  fv.  1612  wanne  — 
aide.  1650  icai-f  darübergeschrieben.  1654  zv  den.  1655  tvanten.  1673 
re/ite.  1682  Absatz.  1690  ^enam.  1692  besten.  1694  ?ia/?.  1699  Des  wart 
er  im  vil  werder  gast,  die  richtige  Lesart.  1713  zvcht.  1737  vraioen. 
1744  vlizechlichen.  1746  getaie  —  ?fa;/e.  1747  Doch  si.  1749  s2(^?Vi.  1759. 
63  hehagte.  1763  /e  kann  auch  e  sein,  getaete.  1764  machten.  1767  m 
für  er.  1770  72e?'ze.  1777  Eiterschafl.  1779  /use.  1780  Daz.  1786  iettetaaz. 
1800  Z^ze/.  1803  A^t;.  1815  Dvrch— div.  1823  /;a'f.  1836  geteiliez.  1847  üw- 
gelopter  =  E ;  und  so  ist  zu  lesen.  1849  dar  nah,  die  richtige  Lesart. 
1854 /w.  1866  lemmer.  1885  em.  1896  cier  gvte.  1910  /iari  1911 /fr. 
1928  ietexoederre.  1929  ietwederre.  1936  davederre.  1941  Den.  1946  (jre- 
tochtige.  1949  c^ew.  1959  vor  c^es.  1992  to^gelich.  2000  /m«.  2006  n^7we. 
2007  5^ezew.  2008  ,9«^.  2a)9  westen.  2010  i;7'c/^  2011  verhör.  2014  were. 
2029  ^/so  vil  ßr  wart.  2031  S75.  2033  geschach.  2046  sm.  2060  E)^  was. 
2063  wmiechlichez.  2072. 76  dvrch.  2093  erchande.  2096  i;&ife.  2107  gemarhte. 
2110  riivech.  2120  rechte.  2128  «?.  2139  niwechlichen,  Lachmanns  Bes- 
serung bestätigend.  2140  vroUchen.  2158  mir  ze  .schaden.  2167  rvcÄ, 
besser  als  ?'y.    2168  zeicare.    2194  hrvsten.    2196  ilf/^  vew/e  (=G),  wie 

GERMANIA.  Neue  Reilip  H.  (XIV.)  J-ihr«.  16 


242  KARL  BARTSCH,  ZU  HARTMANNS  GREGOR. 

Lachmann  besserte.  2197  manegem.  2201  laides.  2202  Wan  da  enzwivel, 
Avie  Laehmaun  besserte.  2203  eineti.  2205  Dazn.  2232  fm-hfe.  2251  mf 
ich.  2256  markte.  2274  nah.  2301  anderstunt.  2302  ?«;ar<  (=  EG)  ist  zu 
lesen.  2310;  die  folgende  Zeile  (2336)  fehlt  nicht  in  der  Hs.  2335  vn 
wol  gesunt  (=  EG)  ist  zu  lesen.  2347  laide.  2356  gehabt  ei\  2374  Von 
wannen  (=  EF)  ist  zu  lesen.  2378  Absatz.  2381  ivch,  besser  als  iv. 
2388  Vil  endelich,  die  richtige  Lesart.  2393  Der  rede.  2401 :  diese  Zeile 
findet  sich  nicht  in  der  Hs.  und  ist  demnach  von  Greith ,  der  keine 
Bemerkung  dazu  macht,  hinzugedichtet.  2402  Absatz.  2414.  15  sind 
mit  Umstellungszeichen  versehen.  2434  absalon.  2442  chvnde.  2451  De- 
heiner.  2457  Ez.  2459  samet.  2470  es]  ja.  2493  Wan  mit.  2507  herzelicher. 
2517  rihtet.  2518  ez.  2537  Der.  2544  Ensamt.  2Db^richem.  2bß9  Mitmar- 
wen  wzen;  maricen,  die  richtige  Lesart,  hat  auch  G.  2573  stigc.  2578  dvrh. 
2581  Daz.  2583  dvrch.  2593  nceme.  2595  So  ich  hinte.  2596  normest.  2600 
solhen.  2601  vnnvfzen.  2603  «;s/enf.  2614  ez.  2620  Sicer.  2628  geschehn. 
2637  vischeres.  2642  dvrftichliche.  2676  ?«?.  2696  fruncÄ.  2710  Div-ueiz. 
2714  ?ioc/«  fo??  (E),  imd  so  ist  zu  lesen.  2716  schenchel.  2722  J/we«  schenchel. 
2728  vnzeßref.  2731  (/i«e  Äe^jt^e.  2735  c/me7\  2743  ]'ra?/z.  2744  ÄaZ;er.  2757 
Absatz.  2764  Vaste.  2791  eisenhalten.  2796  D/e.  2797  geriicet.  2798  wwder 
(=G)  c/men  danch,  richtig.  2807  vischen.  2808  tZvrÄ.  2819  Rechte — wnschen. 
2845  sin  isenhalten.  2861  ouA.  2883  .9/ne?%  2900  uü  wol  (=E)  ein  heilich 
man,  die  richtige  Lesart.  2902  Absatz.  2904  haet.  2908  Fvr.  2920  Ez. 
2927  gnadelose,  2944  c/iwi^^e.  2947  ?ürtr<  (=  EG),  richtig.  2948.  49  dvrch. 
2957  f/crt-f]  gvt.  2960  .^e&eL  2974  TFaz.  2984  Daz  er  in'  beiden.  2990  im. 
3031  hufslnch.  3042  rZwcÄ.  3048  Daz.  3050  wa/jf.  3056.  57  simz. 
3064  £■?•)?  schliffen  in.  3067  dvrch.  3080  i^^T.  3091  g»?*/-  waw.  3097  slvzen. 
3149  steht  am  Rande  von  131%  zimi  Theil  weggeschnitten;  übrig 
ist  nur  lie  in  in 

maneger  not, 
so  daß  zweifelhaft  bleibt,  ob  ich  oder  vnd  den  Vers  begann.  3154  le- 
benden, besser  als  lebende.  3166  vil  vrv.  3169  statt  harke  hat  die  Hs. 
bd'me.  3173  martei'ere.  3179  vn  an  der  waefe.  3181  gesteine.  3196  mohte. 
3218.  20  Erwaschen.  3231  frevnden.  3257  ^//ez.  3258  c^yrcÄ.  3266  Ätf^f. 
3275  c/i'v  of^en  tci^oz.  3288  ho't.  4290  rihtere.  3293  herzem.  3305  ^o^ 
^318  von  der  grimme.  332S  heinliche.  3331 7fa?r.  3331  Denneer.  3349  selbe. 
3363  svndere.  3367  Daz  /?'  tTÜV  an  wiV  des  /«t-e?«  wtjf,  und  so  ist  zu  lesen; 
vrivt  steht  für  vröut,  wie  V.  47  vrivde  für  vröxide.  3370  sibenzehendem. 
3380  vorhtlichem.  3387  Daz  e?-  s?*  <Zo  gelavbte  baz.  3390  Z)2e  ?ä  7n/f. 
3394  entsloz.  3395  noc/«.  3407  gerumez.  3409  manegen.  3418  ietwize. 
3420  ^roz<».   3431  s?tze^.    3461  i>o  er  fo«  sinem.    3487  erscrihte.   3491  o6 


REINHOLD  KÖHLER,  ZUM  SPRUCH  VOM  KÖNIG  EZEL,  243 

wir  si  suhten  da  si  lit,  richtig ;  sy  hat  auch  E.  3504  vmbederhe.  3538  Vor. 
3540  vheral.  3543  chvnftich.  3545  heücheit.  3550  gotlicheni.  3552  WoUin 
hat  A.  3553  hai-te.  3560  ernete.  3569  rihtere.  3576  Absatz.  3598  suchen. 
3602  chneht.  3624  gvtem.  3642  mutet\  3646  ^-wc^er  ?ac.  3649  wilUchlichem. 

3651  hei'zenlichen.  3654  s/e.  3660  Absatz,  sprach  er  ir  zv.  3661  sa^. 
3665  u-«r^  s/.  3678  sa^f.  3686  Mime.  3688  A7e?üan.  3695  Liehern. 
3704  ^•no^  —  /?6-e/f^  Lachnianns  Besserung  bestätigend.  3705  liehiv. 
3719  vreunden.  3729  Sicaz  si  ouch  iare  sit  hat  vertrihen'.^  die  richtige  Les- 
art wird  sein  sicaz  st  oiichjdre  sit  vertrihen.  3730  ensamt,  die  Hartraann 
gemäßere  Form,  3738  derz]  z  ist  ausradiert.    3742  E)'wrhen. 

ROM.  Februar  1869.  KARL  BARTSCH. 


ZUM  SPRUCH  VOM  KÖNIG  EZEL. 


In  dem  'Spruch  von  aim  König  mit  Namen  Ezel'  (Erzählungen  aus 
altdeutschen  Handschriften  gesammelt  durch  Adelbert  von  Keller  S.  1  ff.) 
wird  erzählt,  wie  eines  Tages  eine  Avunderschöne  Maid  in  Ezels  Palast 
erscheint,  als  der  König  und  seine  Mannen  bei  Tische  sitzen.  Der  Dichter 
sagt  (S.  3): 

Welcher  die  fraw  an  sach, 

hört,  was  dem  geschach, 

wie  gar  der  seiner  sinne  vergaß 

und  west  nicht  selber,  wo  er  saß! 
Nachdem  der  Dichter  darauf  die  Schönheit  der  Jungfrau  geschildert  hat, 
fährt  er  fort  (S.  4) : 

All,  die  da  saßen, 

ir  selber  sie  vergaßen. 

Der  da  sneiden  sc  holt  das  prot, 

dem  was  ze  sneiden  also  not, 

daß  er  sich  dief  sneid  in  sein  haud, 

daß  er  dos  licht  nicht  enphant. 

Der  den  wein  scholt  schenken, 

der  goß  in  under  die  pank. 

Die  da  schölten  trinken, 

die  Heßens  auch  nider  sinken, 

maniger  sich  mit  dem  wein  begoß. 

Von  der  mait  schon  wurden  all  witzlos, 

sie    kündens  nie  vol  schawen  gar. 

16* 


244  REINHOLD  KÖHLER 

Hiermit  vergleiche  man  zuvörderst  eine  Stelle  aus  dem  Roman  'Olivier 
de  Castillo  et  Artus  d'Algarbe'  *),  die  ich  freilich  nur  nach  der  Mittheilung 
in  den  Melangcs  t\r6a  d'une  grande  bibliütheque  E,  92  geben  kann.  Oli- 
vier  von  Castilien  hatte  bei  der  Prinzessin  Helene  von  England  das  Amt 
eines  'premicr  ecuyer  tranchant'  übernommen.  Adouc  un  jour  la  belle  et 
bonnc  Helene  s'apper^evant  qu'il  poussoit  des  soupirs  d'amour,  avoit  les 
yeux  sur  eile,  et  que  cepcndant  eile  n'avoit  rien  devant  soi  de  tranehe 
pour  manger,  pour  ce  lui  dit-elle :  Olivier,  mon  loyal  ami,  si  mangerois-je 
bien  si  vous  me  donniez  de  quoi ;  et  lui,  tont  honteux,  comraenga  a  la 
servir :  mais  comme  celui-ci  n'avoit  pas  son  enten dement 
bien  present,  il  se  coupa  le  pouce  p  res  que  tont  jus  qu' a  Tos. 
Helene  fut  deplaisante  quand  ä  ce  point  le  vit  pour  l'amour  d'elle,  le 
consola  u.  s.  w. 

Derselbe  Zug  nun,  jedoch  von  Frauen  erzählt,  die  also  in  den  An- 
blick einer  männlichen  Schönheit  versunken  statt  in  die  ihnen  vorliegen- 
den Speisen  sich  in  ihre  Finger  schneiden,  findet  sich  in  der  rabbi- 
nischen  Sage  von  Joseph,  die  auch  in  die  12.  Sure  des  Koran  Eingang 
gefunden  hat  (s.  Abr.  Geiger  Was  hat  Mohammed  aus  dem  Judenthume 
aufgenommen?  Bonn  1833,  S.  141  ff.).  In  der  hiei'her  gehörenden  Stelle 
des  Koran  lesen  wir,  nachdem  erzählt  worden  ist,  wie  Joseph  die  Liebe 
der  Frau  des  Potiphar  verschmäht  hat  und  ihre  falsche  Anklage  Josephs 
von  ihrem  Gatten  erkannt  ist  und  die  Frauen  der  Stadt  darüber  spotten 
(S.  191  der  Übersetzung  von  L.  Ullmann) : 

Als  sie  [Potiphars  Frauj  diese  spöttischen  Reden  [der  Frauen]  hörte, 
da  schickte  sie  zu  ihnen,  um  sie  zu  einem  für  sie  bereiteten  Gastmahle 
einzuladen,  und  legte  einer  jeden  ein  Messer  vor,  und  sagte  dann  zu  Jo- 
seph :  Komme  und  zeige  dich  ihnen!  Als  sie  ihn  nun  sahen,  da 
priesen  sie  ihn  sehr,  schnitten  sich  in  ihre  Hände  und  sagten: 
Bei  Gott!  das  ist  kein  menschliches  Wesen,  sondern  ein  verehrungswür- 
diger Engel.  Daraufsagte  sie:  Sehet,  das  ist  derjenige,  um  dessentwillen 
ihr  mich  so  getadelt  u.  s.  w. 

Im  jüdischen  Sepher  Hajjaschar  (Geiger  a.  a.  0.  S.  143)  ist  aus- 
drücklich gesagt,  daß  den  Frauen  Orangen  vorgesetzt  worden  waren, 
statt  deren  sie  ihre  Finger  zerschnitten.  Arabische  Erklärer  des  Koran 
haben  in  der  obigen  Stelle  nach  einer  gewissen  Lesart  auch  die  Orangen 
gefunden,  und  so  erkläi't  Elpherar  (Geiger  a.  a.  O.)  die  Stelle:  'Die 
Frauen  schnitten  mit  dem  Messer,  welches  sie  hatten,  in  ihre  Hände,  in- 
dem sie  die  Orange  zu  schneiden  glaubten,  fühlten  aber  den  Schmerz 
nicht,  wegen  der  völligen  Hingebung  ihrer  Aufmerksamkeit  an  Joseph.' 

*)  Vgl.  d.-uriber  (Jiä.sse  Literärgeschichte  H,  3,  350  f. 


ZUM  SPRUCH  VOM  KÖNIG  EZET  245 

Die  Gcscliiclitc  Josephs  und  der  Suleika  —  so  heißt  nach  muhamc- 
dani scher  Sage  die  Gemahlin  Potiphars  —  wurde  nach  der  Erzähhmg 
des  Koran  mehrfach  von  muhamedanischen  Dichtern  in  eigenen  Dichtun- 
gen behandelt. 

Auf  einer  solchen  muhamedanischen  Quelle  beruht  jedesfalls  das 
altspanische  Poema  de  Jose  (Ticknor  Geschichte  der  schönen  Literatur 
in  Spanien.  Deutsch  von  N.  H.  Julius.  2,  571  ff.),  und  auch  in  ihm 
findet  sich  die  uns  hier  interessierende  Scene.  Es  heißt  dort  von  Zaleja 
(Suleika) ,  welche  die  Frauen  der  Stadt  zu  sich  eingeladen  hatte 
(S.  578  f.): 

Diolas  sendas  toronjas  e  caminetes  en  las  manos, 
Tajantes  e  apuestos  e  mui  bien  temperados. 

E  fueso  Zaleja  a  do  Jusuf  estaba^ 
De  purpura  e  de  seda  mui  bien  lo  aguisaba, 
E  de  piedras  preciosas  mui  bien  lo  afeitaba, 
Berdugadero  eu  sus  manos  a  las  duenuas  lo  embiaba. 

Ellas  de  que  lo  bieron  perdieron  su  cordura, 
Tanto  era  de  apuesto  e  de  buena  figura; 
Pensaban  que  era  tan  angel  e  tornaban  en  locura, 
Cortabanse  las  manos  e  non  se  abian  cura, 

Quo  por  las  toi'onjas  la  sangre  iba  andando. 
Zaleja  quando  lo  bido  toda  se  fue  alegrando.  u.  s.  w. 
Ich  zweifele  nicht,  daß  die  obigen  Stellen  des  deutschen  Gedichtes 
und  des  französischen  Romans  mittelbar  auf  diese  Scene  aus  der  rab- 
binischen  Josephsage,  welche  dem  Abendlande  sehr  leicht  sowohl  von 
jüdischer  als  von  muhamedanischer  Seite  —  besonders,  wie  das  er- 
wähnte spanische  Gedicht  zeigt ,  durch  die  Mauren  in  Spanien  *)  — 
bekannt  geworden  sein  konnte,  zurückzuführen  sind. 

Ich  erwähne  noch,  daß  auch  in  einem  kirgisischen  Märchen  (Vam- 
bery  Skizzen  aus  Mittelasien,  Leipzig  1868,  S.  298)  ein  Chan  seine 
Augen  von  der  schönen  Frau  seines  Wirthes  nicht  wegwenden  kann 
und  sich  daher  beim  Essen  in  seinen  Finger  statt  in  das  vorgesetzte 
Fleisch  schneidet.  Also  auch  hier,  wie  im  deutschen  Gedicht  und  im 
französischen  Roman,  ist  auf  einen  Mann  übertragen,  was  ursprünglich 
von  Frauen  erzählt  ist. 

WEIMAR,  Januar  1869.  REINHOLD  KÖHLER. 

*)  In  der  'Historia  Joseph  translata  de  arabico*,  über  welche  Mussafia  in  seiner 
Abhandhing 'Über  die  Quelle  des  altfranzösischen  Dolopathos' ,  Wien  1865,  S.  19  fF. 
(Sonderabdmck  aus  dem  November-Hefte  des  Jahrganj^es  1864  der  Sitzungsberichte 
der  phil. -bist.  Classe  der  Wiener  Akademie  der  Wissenschaften)  berichtet  hat,  findet 
sich,  wie  mir  Mussafia  mittheilt,  jene  Scene  nicht. 


246  K-  KÖHLER,  ZU  TRISTAN. 

ZU  TRISTAN. 


Bekannt  ist  aus  den  Fortsetzungen  des  Gottfried'schen  Tristan 
von  Ulrich  von  Türheira  (V.  391  ff.)  und  von  Heinrich  von  Freiberg 
(V.  3733  fF.) ,  aus  dem  Volksbuch  von  Tristan  (Cap.  39)  und  aus  dem 
englischen  Sir  Tristrcm  (III,  52  ff.)  die  naive  Stelle  von  Isolde  Weiß- 
hand und  dem  Wasser,  das  kühner  war  als  der  kühne  Tristan  *).  In 
der  Überarbeitung  des  Eilhart'schen  Tristan  —  der  Grundlage  des 
deutschen  Volksbuches  —  lautet  die  Stelle  nach  der  Dresdener  Hand- 
schrift also : 

Mit  deme  edelin  wygande  [Tristan] 

was  sie  [Isolde]  mer  denne  ein  jar, 
5190         das  horte  ich  sagin  vorwar, 

das  sie  ny  wart  sin  wip. 

das  vortrug  die  vrauwe  ane  nyt. 

Isalde  des  ouch  ny  gesprach, 

wenn  eines  tagis  do  daz  geschach, 
5195         das  der  koning  und  die  koningin 

unde  Tristrant  unde  daz  wip  sin 

unde  Kehenis  da  mete 

uff  eyme  tyffen  wege  retin 

czu  Karahes  na  bie  der  stad. 
5200         Isaldin  pfert  do  trat 

in  einen  gereinetin  pftil, 

daz  ir  das  wassir  uff  vur 

bie  dem  kny  undir  daz  hemmede. 

sie  sprach:  wassir,  du  bist  vremmede. 
5205         das  dir  müsze  mysselingen. 

wie  getorstestu  y  gespringen 

so  rechte  ho  undir  myn  gewant, 

dar  noch  ny  ritters  hant 

torste  komen  noch  en  quam. 
5210         ir  bruder  die  rede  schiere  vornam  u.  s.  w.  **) 


*)  ich  hän  ersehen  in  kurzer  frist, 

daz  diz  wazzer  küener  ist 
danne  der  küene  Tristan.     Uhich  V.  407. 
diz  wazzer  verre  küener  ist 
wan  der  küene  Tristan.     Heinrich  V.  3788". 
**)  Ich  verdanke  die  Mitthcihmg  dieser  Stelle  der  Gefälligkeit  des  Hm.  Dr.  Artur 
Köhler  in  Dresden. 


LITTEKATUK.  247 

Ein  ganz  ähnlicher  Zug  findet  sich  in  einem  gaelischen  Märchen  (J.  F. 
Campbell  Populär  Tales  of  the  West  Highlands,  Vol.  III,  8. 56).  Graidhne, 
die  Tochter  des  Königs  von  Coig  Ullainn,  wird  von  plötzlicher  Liebe 
zu  dem  schönen  Diarmaid  ergriffen.  „The  warm  soul  would  not  be  in 
her  unless  she  should  go  with  Diarmaid.  Said  Diarmaid  ,  „That  will 
not  ans  wer  for  me  to  go  with  thee."  „0!  we  will  go,  or  eise  1  will 
tear  my  clothes,  and  I  will  give  thee  up  to  Fionn."  „I  have  no  doubt 
of  thee  but  that  he  will  believe  thee,  because  thou  art  his  own  belovcd 
wife  indeed."  —  They  went  away,  and  they  travelied  together  days 
and  three  nights.  They  were  crossing  a  river,  and  a  littlc 
trout  rose  and  Struck  her,  and  she  said  —  „Thou  art  boldor 
than  Diarmaid.  Ifthou  couldst  go  on  shore!"... 

WEIMAK,  Januar  1869.  REINHOLD  KÖHLER. 

LITTERATÜß. 


Bayerisches  Wörterbuch  von  J.  Andreas  Schmeller.    Zweite,   mit  des  Ver- 
fassers  Nachträgen  vermehrte  Ausgabe  im  Auftrage  der  histor.   Commissiou 
bei  der  kön.   Akademie  der  Wissenschaften  bearbeitet  von  G.  Karl  From- 
mann. Erste  Lieferung.  München,  iiterar.  artist.  Anstalt  der  J.  G.  Cottaschen 
Buchhandlung  1869.    15  halbe  Bogen.   240  Spalten  bis:   Bceumen*). 
Niemand  wird  es  uns  verdenken,  wenn  wir  dem  Erscheinen  einer  neuen  Aus- 
gabe  dieses  Werkes  mit  den  größten  Erwartungen   entgegengesehen .    J.   Grimm 
nannte  es  mit  Recht   „ein  Meisterwerk,  ausgezeichnet  durch  philologischen  Scharf- 
sinn,  wie  durch  reiche,  nach  allen  Seiten  hin  strömende  Sacherläuterung,   ein  Mu- 
ster für  alle  solche  Arbeiten,  von  dem  unwandelbai'cn  Trieb  seines  emsigen,  lie- 
benden Geistes  durchdrungen  und  belebt " 

Daß  wir  eine  neue  Ausgabe  wünschen  mussten  und  von  derselben  bestimmte 
Erwartungen  hegen  durften,  dies  war  besonders  deshalb  der  Fall,  weil  dem  ersten 
und  zweiten  Theile  die  berufsmäßige  Beschäftigung  Schmellers  mit  den  Handschrif- 
ten der  Münchener  Bibliothek,  die  erst  1829  begann,  noch  nicht  zu  Gute  gekommen 
war,  die  im  dritten  und  vierten  Theil  eine  vielseitigere  Berücksichtigung  der  älteren 
Sprache  veranlasste  und  möglich  machte.  „Während  das  ,**  so  spricht  Schmeller 
über  diesen  Punkt  in  der  Vorrede  zum  dritten  Theil  S.  IV,  „was  von  solcher  Aus- 
beute auf  die  bereits  gedruckten  Theile  traf,  seinesorts  für  einen  derein- 
stigen Nachtrag  niedergelegt  wurde,  dui'fte,  was  in  die  noch  uugcdruck- 
ten  gehörte,  ohne  Zweifel  sofort  der  Handschrift  einverleibt  werden." 

Wenn  Prof.  W.  Wackernagel  in  der  histor.  Commission  der  köuigl.  bair.  Aka- 
demie der  Wissenschaften  auf  den  Druck  dieser  Nachträge  drang  und  auf  F  r  o  m- 


*)  ANMERKUNG.  Diese  Recension  kam  uns  erst  zu,  nachdem  die  oben  S.  114 
abgedruckte  bereits  im  8atze  vollendet  wai-.  Ihr  reicher  Inhalt,  wie  der  theilweise  gegen- 
sätzliche Standpunkt,  welchen  sie  J.  Lambels  Anzeige  gegenüber  einnimmt,  veranlassten 
uns,  auch  diese  hier  mitzuth eilen.  DIE  REDACTION. 


248  TJTTEKATUK. 

mann  als  den  berufensten  Herausgeber  hinwies,  so  kann  man  natürlich  nur  ein- 
verstanden sein.  Und  wenn,  wie  der  Prospectus  sagt,  indessen  ciine  neue  Auflage 
nüthig  ward  und  die  Commission,  statt  einer  besonderen  Veröffentlichung  dieser 
Zusätze,  beschloß,  „eine  vermehrte  Ausgabe  des  ganzen  Wörterbuchs ,  wie  sie 
Seh  melier  selbst  beabsichtigt  und  wie  sie  Grimm  erst  für  die  Zukunft  als 
die  vollendetere  Arbeit  in  Aussicht  genommen  hatte,  sogleich  herzustellen,"  so  kann 
man  nur  sagen:  „um  so  besser!"  besonders  da  Fromm ann  diese  vermehrte  Aus- 
gabe besorgen  sollte. 

Durch  Herausgabe  seiner  Zeitschrift  „Die  deutschen  Mundarten"  1854  bis 
1859  haben  wir  Frommann  hinreichend  kennen  gelernt  als  den  wahren  Erben  des 
großen  Schmeller,  der  mit  demselben  Scharfblick  und  demselben  wissenschaftlichen 
Ernst  auf  Grundlage  der  Sprachgeschichte  die  lebenden  Mundarten  zugleich  mit 
dem  liebevollsten  Geiste  zu  erfassen  und  zu  erklären  verstand. 

Ich  erinnere  an  Frommanns  „zwei  gute  Wünsche",  mit  denen  er  die,  anfangs 
von  Pangkofer  herausgegebene  Zeitschr.  f.  Mundarten  I,  93  begrüßte!  An  seine 
Zusätze,  mit  denen  er  bald  als  Herausgeber  die  Beiträge  der  Mitarbeiter  schmückte, 
z.  B.  zu  „abeus  geschmae"  I,,  141,  „äfange"  IH,  210  5  in  Recensioneu  z.  B.  zu 
„ich  hätt  die  brief  vom  Tanzen"  V,  237  ;  endlich  seine  „Erläuterungen  von  Aus-' 
drücken  in  Koburger  Mundart"  II,  13G,  „Formelhafte  Redensarten  mit  dem  Worte 
Gott  gebildet"  III,  345,  „Hilpertsgriffe"  II,  30  u.  v.  a.  Wo  man  nur  aufschlägt 
in  der  Zeitschrift,  man  findet  überall  die  Spur  der  Meisterhand  des  Herausgebers, 
der  jedem  Beitrage  die  äußerste  Sorgfalt  zuwendete  und  jeden  Anlaß  benutzte 
zu  gründlicher  Erörterung  und  Belehrung.  —  Es  ist  ohne  Zweifel  ein  unwieder- 
bringlicher Nachtheil  für  die  Erforschung  unserer  Mundarten,  daß  man  diese  Zeit- 
schrift eingehen  ließ  und  daß  sich  trotz  zahlreicher  Mahnrufe,  z.  B.  auch  J.  Grimms, 
keine  vaterländische  Anstalt,  keine  gelehrte  Genossenschaft  fand,  die  ihren  Fort- 
bestand, der  ganz  geringer  Hilfe  bedurft  hätte,  möglich  machte !  Besonders  auch 
um  der  unschätzbaren  Kraft  des  Herausgebers  willen,  die  seitdem  in  dieser  frucht- 
baren Richtung  feiern  musste,  muß  man  dies  beklagen  und  eben  deshalb  war  es 
doppelt  geboten,  eine  Arbeit,  wie  die  neue  Ausgabe  des  bairischen  Wörterbuchs, 
ihm  und  keinem  Andern  zu  übertragen. 

Welche  Instruction  die  historische  Commission  dabei  Frommann  ertheilte, 
ist  mir  nicht  bekannt.  Was  der  Prospectus  sagt,  „es  ist  bei  derselben  vor  allem 
der  Grundsatz  befolgt,  unverändert  die  Worte  Schmellers  wiederzu- 
geben," klingt  allerdings  wie  eine  solche  und  zwar  wie  eine  sehr  bedenkliche. 
Ein  solch  einfaches  Abdrucken  gelegentlich  entstandelier  Notizen  Schmellers  ohne 
Berücksichtigung  der  seitherigen  Forschungen  auf  diesem  Gebiete  kann  nimmer- 
mehr eine  neue  Ausgabe  werden,  „wie  sie  Schmeller  selbst  beabsichtigt". 

Es  wäre  was  anderes,  wenn  Schmeller  bereits  die  letzte  Hand  daran  gelegt 
hätte.  Dies  ist  aber  nicht  im  Entferntesten  der  Fall.  Es  sind  angesauuiielte  Mate- 
rialien vorhanden,  die,  wie  dies  bei  lexikalischen  Arbeiten  in  der  Natur  der  Sache 
liegt,  in  dem  Moment,  wo  sie  eingetragen  werden,  nicht  mit  jener  Kritik  angereiht, 
beurtheilt  und  gewürdigt  werden  können,  wie  dies  erst  geschehen  soll,  wenn  die 
Sammlung  abgeschlossen  ist  und  die  Redaction  beginnt.  Was  soll  aber  ein  Abdruck 
ungeordneten  Materials  in  einem  solchen  Falle?  Und  dazu  braucht  es  eines  From- 
mann als  Herausgeber?  —  „Was  er  hie  und  da  in  möglichster  Kürze  hinzu- 
zufügen für  gut  fand ,   ist  mit  '  '   bezeichnet."    Es  ist  also  Frommann  nichts  weiter 


LITTEKATUR.  249 

gestattet  gewesen,  als  durch  Verweisungen  etwa,  wo  möglich,  das  Fehlende  und 
Irrthümliche  gut  zu  machen,  und  die  durch  neuere  Arbeiten  zum  Theil  überflüssig 
gewordenen  Materialien,  von  denen  Schmeller  gewiß  selbst  ganze  Seiten  gestrichen 
hätte,  müssen  abgedruckt  werden!  —  Daß  dem  so  ist,  werde  ich  an  einigen  Bei- 
spielen zu  zeigen  suchen. 

Wir  finden  hier  unter  manchem  Artikel  eine  Menge  gelehrter  Notizen, 
die  nie  hts  aufklären,  indem  gerade  das  Naheliegende,  das  von  ent- 
scheidender Wichtigkeit  wäre,  fehlt,   z.  B. : 

Sp.  3.  „Azi  in  den  Zusammensetzungen  Audieb,  Auschelm,  Auvorjel ,  durch- 
triebener, arger  Dieb,  Schelm,  Vogel;  [(wie  Gau-Dieb,  Land-Dieb,  meint  Herm. 
Müller,  Lex  salica  43).  Au-Schelm,  Erzschelm,  loser  Vogel ;  eigentlich  ^wr-schelm, 
von  aur,  ur  (empor,  groß)",  meint  Seidl,  Flinserln  IV,  127.  133.  Der  Auwuckel, 
gewöhnlich  Ramoucke-l,  der  Teufel  (bayr.  Wald).  AncUfachs ,  s.  Fachs.  —  Cf.  goth. 
aviliudoii,  danken ;  ahd.  auzoraht,  auuizoraht  (st.  augazoraht),  augenscheinlich,  gl. 
a.  252.  322.  323;  aga-uuis,  Grimm  II,  503.  707.  GrafFV,  705.  I,  136.]*) 
au-schieh,   sehr  häßlich,  ist  in  seiner  eigentlichen  Bedeutung  nicht  klar." 

Hier  haben  wir  nun  gelegentlich  eingetragene  Verweisungen  und  Citate,  die 
weder  gesichtet  noch  abgeschlossen  sind,  so  daß  wir  daraus  in  der  That  nicht  viel 
gewinnen. 

Der  Au-Vogel  ist  aber,  nach  Frommanns  Zeitsehr.  VI,  24  und  zwar  in  einer 
Mundart,  die  bairisch  ist  und  manches  höchst  Alterthümliche  bewahrt  hat,  die 
Eule  und  dies  ist  wohl  die  ursprüngliche  Bedeutung.  Die  anderen  Bedeutungen, 
wie:  Aunachtigall,  Seidl  uiederösterr.  Gedichte  S.  288,  so  wie  die  tropischen: 
Dieb,  Schelm  bei  Schmeller,  sind  wohl  erst  später  aufgekommen,  indem  Au-Schelm, 
Au-Dieb  geradezu  locale  Beziehungen  haben  können,  wie  etwa  in  Wien  Praier- 
scheiber,  einer  der  im  Prater  kegeln  gelernt  oder  zu  kegeln  pflegt;  also  Schelme, 
Diebe,  wie  sie  in  den  einer  Stadt  benachbarten  Auen  sich  obdachlos  aufhalten.  Das 
nächste,  an  was  wir  bei  Auvogel  :  Eule  aber  zu  denken  haben,  ist:  der  auf  bubo, 
die  Eule,  in  der  vorliegenden  Ausgabe  Schmellers  Sp.  42:  'bubo  haizt  ain  auf 
oder  in  anderm  däutsch  ein  Jmw'  Megenberg  173,  3.  —  'der  Hansl  macht  augn 
wie  en  avf!'  —  'Du  böses  avff!'  Schöpf  tiroL  Wb.  22.  So  auch  Lexer  Kämt. 
Wb.  12.  —  Auvogel  wäre  demnach  :=  aufvogel  zu  mhd.  üve,  hüwe,  ahd.  müo,  hwwo, 
aber  auch  huo  Graft"  IV,  835,  daher  nhd.  auch  hau  m.  Eule  und  mit  Wegfall  des 
k  vielleicht  auch  au,  denkbar  ist,  also  auch  hauvogel,  vielleicht  auch  au  -  vogel. 
Dadurch  wird  aber  auch  avschieh  wahrscheinlich  --^  schiech  wie  ein  au  oder  auf 
d.  i.   hässlich  wie   eine  Eule. 

Ich  denke,  daß  diese  Analogien,  wenu  ich  hierin  auch  nicht  Recht  behalten 
sollte,  doch  näher  liegen  als  gothisch  aviliuddn  danken,  ahd.  augazoraht  augen- 
scheinlich oder  agawis  publicus,  die  freilich  noch  zumTheile  ungelöste  Räthsel  sind, 
vgl.  über  das  erste  Grimm  in  Schulzes  goth.  Glossar  S.  VII,  unter  anderem  eine 
Stelle  ,  die  eben  so  unerläßlich  zu  aviliudon  citiert  werden  musste  ,  als  zu 
agawis  Gramm.   II,   503.   707. 

Es  lässt  sich  aber  sogar  nachweisen,  daß  gerade  diejenigen  Belehrungen, 
die  hier  vermisst  werden,  Frommann  bereits  an  andern  Orten  gegeben  hat,  ja  daß 
der  alte  Irrthum  hier  stehen  blieb,  den  Frommann  bereits  zurückgewiesen,  Schmel- 
ler bei  einer  neuen  Ausgabe  gewiß  gestrichen  hätte!   —   „Die  Achvart,  Reise  gen 


*)   Das  zwischen  eckigen  Klammern  Stehende  ist  Zusatz  der  neuen  Auflage. 


250  LITTEKATUR. 

Ach  zur  Sühne  eines  Todschlages."  Dies  culturhistorisch  interessante  Wort,  das  im 
mhd.    Wörterbuche  fehlt,  hätte  wohl  Schmeller  nun  ausführlicher  behandelt  und 
auch   Frommann,   wenn  es  ihm  gestattet  gewesen  wäre,  hätte  den   Artikel  nicht 
mit  dem  trockenen  Hinweis  auf  den  Anzeiger  f.  Kunde  d.  d.  Vorzeit  abgethan. 
Ich  habe  selbst  einmal  Gelegenheit  gehabt,    bei  Besprechung   dieses  Wortes   und 
Gebrauches  Froinniann  zu  danken  für  die  Nachweise,   die  er  mir  dazu  gegeben, 
s.    meinan   Nachtrag    zum   Wb.   der  deutschen  Mundarten    des    ungr.   Berglandes 
(1859)  S.15  ;  weiteres  noch  Darstellung  der  deutschen  Mundarten  etc.  (1864)  .S.  54. 
Sp.  164  liest  man  noch  immer  zu  osnt  ungesäumt:   ,,ich  will  den  Einfall  nicht 
unterdrücken,   daß  sich  vielleicht  in  diesem  Worte  noch   ein  schwedisches,   wie   in 
heidipritsch  ein  englisches,  kategorisches  tutswitt  könne  erhalten  haben."   —  Nun 
hat  Frommann  schon  Zeitschr.  V,  238  die  Deutung  von  heidebritsch :  geh  fort!  aus 
dem  tschechischen,  uns  in  Osterreich  wohlbekannten:   gdi  pryc  (sprich  jdi  pritsch)\ 
geh  fort,  gebilligt,   sowie  schon  Aug.   Stöber   Frommann  IV,    118,    10   dabei  an 
rätzisch:  heide,  komm!   und  böhmisch:   hritsch,   schnell   (pric   bedeutet:  fort!)   er- 
innerte.  Warum  muß  eine  solche,   dem  Herausgeber  wohlbekannte  Erklärung  hier 
unterdrückt  und  statt  dessen  die  gewagte  Annahme,   daß  es  aus  dem   englischen 
hie  thee,  prithee  zu  erklären  sei,  als  feststehende  Wahrheit  abgedruckt  werden  ? 
Es  wird  nun  bei  osnt:  sogleich,  auf  ahd.  also  zehant  und  „der  Wunderlichkeit  wegen" 
auf  schwedisch  ose)}t  gewiesen.   Darauf  folgt  use,   uese :   sogleich   etc.,   „vgl-  olsig, 
osnt,  ostn.''''    AVir  müssen   nun  olsi(j  aufsuchen,   Sp.  69.   Dies  bedeutet  wieder:  so- 
gleich und  wird  verglichen  mit  mhd.  alzoges:   immer,  allezan:  soeben  und  agaleize: 
schnell.  Also  wieder  verschiedene  Conjecturen  und  keine  entscheidend.   Es  bleibt 
noch  ostn,  ostig,  ostnig  Sp.  169,   wo  nur  auf  osjit  und  auf  Frommanns  Zeitschr.  II, 
141   hingewiesen  wird.  Au  dieser  Stelle  wird  aber  die  aufgestellte  Vermuthung, 
daß   es  vom   Schwedischen  abzuleiten  sei,    von  Frommann  bezweifelt!   — 
Wir  werden  demnach  im  Kreise  herum  getrieben,  von  einer  Form  zur  andern,  fast 
bei  jeder  tauchen  neue  Conjecturen  auf,  die  uns  nicht  überzeugen  und  am  Ende  ist 
uns,  als   ob   wir  die  Drehkrankheit  bekommen  sollten:   uns  schwindelt,  aber  wir 
finden   uns  nicht  belehrt !  —  Das  Schlimme  ist,  daß  das  Matexnal  meistens  vor- 
handen,  das  heißt  im  Buche  enthalten  ist,   es  ist  aber  in  dem  ungesichteten  Chaos 
nicht  zu  finden!   —    Osnt  scheint  durch  einen  wunderlichen  Lautwechsel  aus  osten 
und  dies  aus  olzen,  das  gleichfalls :  sogleich  bedeutet,  hervorgegangen.    Dafür  spricht, 
daß  für  die  gleichbedeutenden  Formen:  olzig  und  olzaig  in   denselben  Gegenden, 
wo  für  osnt:   ost,  ostn  gebräuchlich  ist ,  ostig  und  ostnig  gesagt   wird.     Alle  diese 
Formen  hätten  aber  zusammengestellt  werden  sollen,   Sp.  58  unter  allz  an,   mhd. 
allez  ane,  alzan:  sogleich,   wo  nicht  einmal  erwähnt  wird,  daß   olzen  in  dieser  Be- 
deutung noch  jetzt  mundartlich  fortlebt!  Es  wird  bloß  verwiesen  auf  olsig,  wo  wir 
wieder  durch  die  erwähnten  Conjecturen  alzoges,   agaleize  neben   alzan  confundiert 
werden.   Wie  seltsam  sieht  dies  nun  aus,  wenn  wir  finden:    daß   Frommann  an 
derselben  Stelle   Zeitschr.  II,    140  f.,   wo   er  sagt:   daß   er  der  Ableitung  Schmel- 
lers  vom   schwedischen  osent  ,, nicht   beistimmen  möchte",  zuerst   das  koburgische 
olzen  richtig  auf  mhd.  alza7i  zurückgeführt  und  die  Entstehung  der  Formen  :   olzig, 
olznig  daraus  gezeigt  hat!  —  Jedesfalls  mussten  unter  alzan   die  gleichbedeutenden 
Formen:  älztn,  olzig,  olznig,  ostn,  ost,  osnt,  ostig,  ostnig  nebeinander  gestellt  werden. 
Es  ist  nichts  einzuwenden  dagegen,   wenn  alle  verwandten  oder  verwandt  scheinen- 
den, gleichbedeutenden  Formen  au  ihrer  alphabetischen  Stelle  zu  finden  sind.  Dort 
muß  aber  auf  die  Hauptstelle  verwiesen  werden,  wo  sie  alle  beisammen  stebuu, 


LITTERATUK.  251 

freilich  darf  diese  Hauptstelle  nicht  —  fehlen!  Daß  hier  alzan  der  Sammelpunkt 
sein  musste,  ist  klar,  da  älzen,  olzig,  olsig  bestimmt  dahin  gehören ,  möglich  daß 
die  übrigen  ähnlichen  Formen  andern  Ursprungs  sind.  Da  wir  diesen  Ursprung 
nicht  kennen  ,  werden  sie  immer  noch  am  Besten  hier  untergebracht  sein  und  wird 
der  Leser  am  besten  von  ihrer  alphabetischen  Stelle  hieher  gewiesen. 

Schmeller  begann  die  Composita  unter  dem  letzten  Bestandtheil  derselben 
einzutragen,  z.  B.  unter  Aff^  wo  er  in  der  ersten  Ausgabe  nur  hornaff  anführte; 
in  der  zweiten  auch  maulaff.  Warum  fehlt  hier  schlauderaff,  slüraff,  gloraff?  Vgl. 
alte  Ausg.  III,  456.  Unter  in-,  d.  h.  in  der  vocalisch  anlautenden  Wortreihe  mit 
dem  Auslaute  n  ist  auch  in  dieser  Ausgabe  noch  eingereiht:  ingetum  Eingeweide, 
das  ich  unter  tuom,  getüeme  gesucht  hätte.  Denn  mit  demselben  Rechte  stünde  hier 
dann  auch  ingereusch  (alte  Ausg.  III,  140),  das  dasselbe  bedeutet. 

„Einzelne ,  bloß  aus  schriftlichen  Beiträgen  gewonnene  Artikel ,  über  die 
nicht  wohl  weitere  Aufschlüsse  zu  erholen  waren,"  also  nicht  sicher  verbürgte,  dem 
Verf.  weiter  nicht  bekannte  Wörter,  hat  Schmeller  (s.  die  Vorrede  der  1.  Ausgabe 
zum  1.  Th.  S.  X)  unter  Anführungszeichen  „  "  mitgetheilt.  Aber  das  versteht  sich 
doch  wohl  von  selbst,  daß,  wenn  weitere  Aufschlüsse  sich  finden,  diese  unverbürg- 
ten Waisen  ihr  Fragezeichen,  als  ein  solches  sehe  ich  diese  Anführungszeichen  au, 
verlieren !  ? 

Schmeller  hat  nun  auch  weiter  ebenso  ihm  nicht  hinreichend  deutliche  Aus- 
drücke für  eine  künftige  Ausgabe  mit  Anführungszeichen  in  sein  Handexemplar 
oder  in  seine  „Nachträge"  eingetragen,  z.  B.  das  hier  Sp.  183  erscheinende:  „der 
Bandaxl,  Bauxl,  Spottname  für  einen  kleinen  dicken  Menschen,  Castelli  Wb.  77". 
—  Jedesfalls  hätte  er  bei  einer  Ausarbeitung  für  den  Druck  sogleich  wahrgenommen, 
daß  hier  mindestens  die  eine  Form  haiixl  nicht  so  verwaist  dasteht.  Bei  Seidl  Nie- 
derösterr.  Ged.  S.  326  heißt  es:  paiixerl^  pmivxel,  bei  Schöpf  33  sagt  man  von 
einem  Kinde:  „ein  herzigs  baxl",  was  vielleicht  auch  mit  kämt,  j^ax  dummer  Mensch 
Lex.  19  zu  vergleichen  ist.  Loriza  Idiot.  Vienn.  S.  23  führt  an:  der  Bautz  kleine 
Person.  Es  ist  das  nd.  haußel  Kugel,  stämmiger  Junge,  Fiomm.  VI,  51,  das  Grimm 
Wb.  II,  265  von  hochsein  ableitet.  —  Vielleicht  kömmt  das  zweite  Heft  der  neuen 
Ausgabe  unter  hauzen,  hatzcn  (erste  Ausg.  I,  228,  wo  unter  anderm  alle  mit  Antiqua 
gedruckten  Belege  unter  Batzen,  wie  es  scheint,  nicht  dahin  gehören,  sondern  unter 
häz  für  Beize)  noch  darauf  zurück.  Ob  nun  die  andere  Form  baudaxl  überhaupt 
hiehergehört,  fragt  sich.  Ganz  unerhört  ist  das  Wort  nicht.  Es  bedeutet  wohl  ur- 
sprünglich einen  Kuchen.  In  der  ausgezeichneten  Dichtung  in  unterensischer  Mund- 
art von  Jos.  Missou  Da  Näz  (Wien,  C.  Gerold  1850)  lese  ich  S.  17:  „d'  Baudexii 
und  ä  ön  Guglhupf,  sagt  a,  dös  heb  i  da  Moam  auf!"  Lexer  hat  S.  19:  baudaxen, 
auf  den  Hintern  schlagen.  —  Jedesfalls  ist  eine  Anführung  dieser  bekannten  Wörter, 
wie  oben,  in  einer  neuen  Ausgabe  eines  Meisterwerkes,  wie  das  Schmellers,  kaum 
zu  rechtfertigen. 

Noch  ein  Beispiel!  Sp.  72:  altelos,  es  ist  mir  ganz  „altelos",  ich  befinde 
mich  gar  nicht  wohl.  Dazu  wird  auf  Grimm  GDS.  S.  947  verwiesen,  wo  es  mit 
altvt'l  hermaphroditus  Haupt  VI,  400  verglichen  wird.  Damit  ist  denn  doch  das 
Wort  nicht  erledigt ,  das  hier  eine  ausführliche  Besprechung  verdient  hätte, 
wobei  Formen  angeführt  werden  mussteu  ,  die  man  im  bair.  Wb.  zu  suchen 
berechtigt  ist,  die  aber  in  dieser  neuen  Ausgabe  Schmellers,  die  die  Nachträge 
von  Schöpf,  Lexer,  der  Frommannschen  Zeitschi-ift  u.  v.  a.  grundsätzlich  ignorieren 
muß,    schmerzlich  vermisst    werden.     Das   Wort    ist    offenbar    eins  und   dasselbe 


252  LITTERATUR. 

mit  otalos,  wie  man  in  Vorarlberg  für  unwohl,  kränklich  und  auch  für  öde  un- 
gesalzen sagt,  3.  Vonbun  bei  Fromm.  IV,  4.  Stalder  hat  in  demselben  Sinne 
aterhs,  odemlos,  athemlos  I,  115,  vgl.  Tobler  344,  Schmid  10.  Grimm  Wb.  1,  593. 
Vorwaltend  scheint  das  Wort  auf  alemannischem  Gebiet  zu  Hause,  aber  auch  kärn- 
tisch: eales,  eliser  ungesalzen,  abgeschmackt,  Lexer  83,  in  Tirol:  elas  Schöpf  103. 
Und  selbst  (mitteldeutsch)  im  ungr.  Berglande:  mattelos  kraftlos,  mein  Wb.  S.  80. 

—  Lässt  sich  bei  einer  so  reich  zu  belegenden  Verbreitung  des  Wortes  dessen 
schüchterne  Aufführung  mit  Gänsefüßen  „altelos",  wie  sie  hier  aus  der  ersten 
Auflage  stehen  bleiben  musste ,  billigen?  Ist  es  hier  nicht  unerläßlich,  minde- 
stens solchen  Angaben,  wie  ich  eben  mittheilte,  Raum  zu  gestatten?  —  Meiner 
Ansicht  nach  war  man  dazu  verpflichtet,  bei  den  Erwartungen,  die  der  Prospectus 
erregen  musste,  wo  es  heißt:  „die  Commission  beschloß,  eine  vermehrte  Ausgabe 
des  ganzen  Wörterbuchs,  wie  sieSchmeller  selbst  beabsichtigt  und  wie 
sie  Grimm  erst  für  die  Zukunft  als  die  vollendetere  Arbeit  in  Aussicht  genommen 
hatte,  sogleich  herzustellen!" 

Fehlende  Wörter,  die  auf  bairischem  Sprachgebiete  vorkommen  und  in 
Schmellers  Wörterbuch  fehlten  ,  sind  natürlich  nicht  nachgetragen!  —  Zu  alp 
m.  Dämon  hatte  zwar  Schmeller  Einiges  nachgetragen  aus  älteren  Quellen  Sp.  64 
(es  fehlte  in  der  1.  Ausgabe  ganz;  nur  die  Form  alber  war  in  dieser  Bedeutung- 
angeführt)  ,  daß  es  aber  noch  heutzutage  lebt ,  z.  B.  in  Kärnten  ein  Meteor  oder 
den  Teufel  bedeutet  Lex.  5,  in  Tirol  in  der  Form  a/sp  Schöpf  11,  das  dürfen  wir 
hier  nicht  suchen! 

Sp.  20  unter  über  wird  ein  übetemäl  und  Sp.  18  unter  übel  ein  überemal  an- 
geführt mit  der  Bedeutung:  manchmal.  Das  österreichische  immürigsmal  (=überigs- 
mal?)  manchmal,  finde  ich  weder  unter  immer  Sp.  76,  noch  unter  übrig  und  es 
steht  doch  bei  Castelli  175:  immarigsmal,  immer  einmal,  manchmal  (woraus  wir 
sehen,  daß  Schmeller  denselben  nur  hin  und  wieder  benutzte)  Fromm.  Zeitschr.  IV, 
519  Zeile  11  v.  o.  immerigsmal.  Kämt,  iewlamal  Lex.  148,  tirolisch:  immerUng 
Schöpf  286.  Eigentlich  wird  es  wohl  zu  urbaring,  uebering  unvorhergesehn  Schm. 
a.  Ausg.  I,  185  gehören. 

Worte,  die  noch  leben,  werden,  wie  wir  schon  bei  alp  gesehen,  nur  aus 
älterer  Zeit  belegt  oder  gerade  als  ausgestorben  bezeichnet,  z.  B.  Sp.  41  der  affalter 
„soll  noch  unter  der  Ens  üblich  sein;  Castelli  Wb.  40  :  der  alifalta,  der  Apfelbaum." 

—  Der  Satz  «soll  noch  unter  der  Ens  üblich  sein"  ist  aus  der  ersten  Auflage  stehen- 
geblieben, Schmeller  notierte  sich  aber  berichtigend  dazu,  daß  er  es  auch  bei  Ca- 
stelli findet.  Gewiß  hätte  er  bei  einer  Bearbeitung  des  Artikels  noch  hinzugefügt: 
aber  auch  in  Kärnten  lebt  das  Wort  Lexer  S.  8;  in  der  Heanzenmundart  in  Ungarn 
sogar  noch  die  äff  alter,  siehe  Frommanu  VI,  231. 

Sp.  110  findet  sich  das  alemannische  anke  Butter  eingetragen,  das  in  der 
ersten  Auflage  fehlte.  Grimm  hatte  bekanntlich  GDS.  1003  ausgeführt:  daß  es 
„bei  den  Alemannen  der  Schweiz,  des  Oberi-heins  und  Elsasses,  nicht  aber 
ostwärts  des  Schwarz waldes  bei  den  übrigen  Schwaben,  noch  den  Bayern 
und  Tirolern  lebt".  Wenn  es  demnach  nun  in  einem  bairischen  Wörterbuche 
angefülu't  wird,  so  musste  dieser  Artikel  mit  Hinblick  auf  diesen  Punkt  ausführlich 
behandelt  werden.  Wo  ist  es  in  Gebrauch  im  bairischen  Sprachgebiet?  Ich  finde 
es  in  Kärnten,  Lexer  S.  7.  Die  vorliegende  Ausgabe  Schmellers  schweigt  über  den 
jetzigen  Sprachgebrauch  ganz! 

Sp.  111  ist  zu  der  Form  engelpoge.  Ellbogen,  die  aus  älteren  Quellen  nach- 
gewiesen wird,  aus  neuern  Mundarten  nur  die  Form  enghelboan  aus  dem  Vocab.  do- 


LITTERATUR.  253 

tnest.  der  sette  comuui  mitgetheilt;  die  vollständigere  Form  aus  Schniellers  eigenem 
Wörterbuch  der  sette  comuni  S.  117":  engilpogen  —  nicht!  Daß  das  Wort  auch  in 
Kämt,  noch  in  der  Form  engilpouge  erscheint  (Lexer  S.  84)  ist  natürlich  auch 
nicht  nachgetragen. 

Durch  Zufall  bin  ich  sogar  in  der  Lage  zu  zeigen,  daß  Schmeller  seine  Aus- 
züge nicht  einmal  noch  vollständig  in  die  Nachträge  oder  in  das  Exemplar  seines 
Wörterbuchs  eingetragen  hatte,  das  hier  abgedruckt  wird.  Aus  einer  in  der  Mün- 
chener Bibliothek  aufbewahrten  Hs.  Schmellers,  die  „Dialektologie"  überschrieben, 
ist,  habe  ich  mir  vor  Jahren  einmal  Notizen  abgeschrieben,  aus  denen  ich  nun  sehe, 
daß  sie  zum  Theil  hier  fehlen. 

Sp.  14  findet  sich  unter  ehenlang  nur  eine  u.zwar  lateinische  Stelle,  in  der  das 
Wort  vorkommt.  Dazu  ist  nachzutragen :  das  crucifix  was  ein  ehenlenge  der  mäze 
als  Christus  was  Cgm.  819  f.  69.  —  Zu  affalter  Sp.  41  f.  notierte  sich  Schmeller: 
hohaffalter  Cgm.  821  f.  232.  234,   also  zweimal. 

Zu  Sp.   72:  ultern  coire?  (Vgl.  auch  mhd.  Wb.  3,  178''  verulter) 

'er  sprach  er  sach  mich  bei  dir  ligen  und  ulterst  mich  auf  einer  gras- 
burd.'  Cgm.  714  f.  30''. 

Zu  üeben  Sp.  18   'agitare' : 

wen  die  unkeuscheit  übt  zu  vast      Cgm.  753  f.  109. 

Zu  all — ein  (8nla9  etc.)  Sp.  57; 

wie  vai't  ir  denn  ain  laine      Cgm.  714  f.  112. 

Zu  der  Aar.  .  .  wie  ein  aer  auf  einer  hennen  bei  H.Sachs  Sp.  120. 

dy  posen  eeleit  leben  mit  einander  als  der  ör  (aar)   mit  der  henn ,   als 
die  kaz  mit  der  meis      Cgm.  757  f.  9". 

Zu  Sp.  153:  gentnre  frünorten  voc.  1432   Cgm.  685. 

u.  dgl.  m. 

Schmeller  hatte  Einiges  von  diesen  Auszügen  wohl  schon  eingetragen, 
z.  B.  Sp.  76  unten:  „wer  umb  den  pecken  kaufet  chorn",  was  er  ursprünglich  aus- 
führlicher ausgeschrieben  hatte.  Der  folgende  Vers  heißt :  „und  umb  den  schützen 
(bogner)  leim  und  hörn."  Cgm.  713  f.  13.  156;  aber  er  war  damit  nicht  zu  Ende 
gekommen. 

Ich  könnte  eine  längere  Reihe  von  Beispielen  anführen,  beschränke  mich 
hier  aber  auf  solche,  von  denen,  wie  ich  glaube,  nicht  gesagt  werden  kann,  daß 
sie  mit  Absicht  weggeblieben  sind. 

Wir  sehen  also  auch  hierin,  daß  die  Nachträge  nicht  druckreif  sind  und  daß 
mit  dem  Abdrucken  derselben  in  der  Art  weder  der  gelehrten  Welt,  noch  dem  An- 
denken Schmellers  recht  gedient  ist.  Wohl  sagt  der  Titel  „bearbeitet  von  G.  Karl 
Frommann'',  derlnhaltaber  zeigt,  daß  es  eben  nicht  „bearbeitet"  ist,  ja  der  Prospectus 
verräth  sogar,  daß  es  Frommann  nicht  einmal  gestattet  war,  mehr  zu  thun,  als  die 
Nachträge  unverändert  einzuschalten  und  höchstens  noch  in  möglichster  Kürze  Ver- 
weisungen auf  andere  Wörterbücher  u.  dgl.  hinzuzufügen.  —  Wir  möchten  im  In- 
teresse des  Werkes  auf  das  Ernsteste  darauf  dringen,  daß  Frommann  von  diesen 
Fesseln  befreit  und  in  die  Lage  versetzt  werde,  dem  Werke  jene  Vollendung  zu 
geben,  die  kaum  ein  zweiter  so  gut  wie  er  zu  geben  vermöchte.  Davon  ist  wohl 
Jedermann  überzeugt,  daß  er  Schmellers  Nachlaß  mit  der  größten  Liebe  und  Ge- 
wissenhaftigkeit benutzen  wird. 

Auf  den  Werth  der  Nachträge,  die  wir  hier  eingeschaltet  finden ,  näher  ein- 
zugehen, dies  bleibe  einer  späteren  Gelegenheit  vorbehalten,  wenn  einmal  mehr 


254  LITTERATIIR. 

Material  vorliegen  wird.  Das  vorliegende  Heft  geht  ja  nur  bis  bäumen.  —  Was  das 
Äußere  der  Ausstattung  anbelangt,  so  kann  ich  leider  auch  hievon  nur  sagen  :  es 
steht  zurück  hinter  der  ersten  Ausgabe  von  1827!  und  das  ist  denn 
doch,  bei  den  Fortschritten  der  Typographie,  namentlich  im  Punkte  der  Schönheit 
und  in  Hinblick  auf  die  wünschenswerthe  Schonung  der  Augen  des  Lesers,  nicht 
zu  verzeihen ! 

Der  Eaum,  den  in  der  alten  Ausgabe  25  Zeilen  Fractur  einnehmen,  wird  in 
der  neuen  mit  32  Zeilen  vollgedrängt.  Daß  mau  der  Grille  Schmellers  Kechnung 
getragen,  die  zu  solchen  Schriften,  abgesehen  von  der  Unschönheit,  unzweckmäßige 
Fracturschrift  beizubehalten,  dient  nicht  zur  Verschönerung,  dient  überhaupt,  mei- 
nes Dafürhaltens,  zu  nichts.  Das  Andenken  Schmellers,  das  dadurch  geehrt  werden 
soll,  steht  jedesfalls  in  solchen  Zügen  in  unseren  Herzen,  daß  es  wohl  dieser  Pietät 
in  Äußerlichkeiten  nicht  bedarf,  die  umsomehr  bedenklich  erseheinen  muß,  als  sie 
praktische  Nachtheile  im  Gefolge  hat.  Man  hat  hier  nun  sogar  neue  Typen  erfunden 
für  mhd.  aä,  oe,  die  in  Fractur  nichts  weniger  als  schön  sind.  Für  mhd.  je  hat  man  ein 
Zeichen  eingeftihrt,  das  den  Eindruck  macht,  als  wäre  hier  die  Letter  fehlerhaft 
gesprungen.  Duß  man  aber  auch  für  mhd.  üe  eine  unschöne  Form  erfunden,  in  wel- 
cher sich  «  mit  p  zu  einem  Zeichen  verschlungen  darstellt,  das  halte  ich  geradezu 
für  zu  viel  des  Guten!  Welchen  mhd.  Laut  soll  diese  Letter  bezeichnen?  Nach  Ana- 
logie von  mhd.  ae  und  oe  müßte  es  ein  mhd.  langes  ü  sein.  Statt  dessen  tritt  aber 
mhd.  iu  ein ;  es  soll  also  wohl  für  'de  gebraucht  werden,  das,  da  es  doppellautig 
klingt,  doch  gewiß  besser  mit  zwei  Buchstaben  geschrieben  wird,  schon  wegen  der 
se  und  ce,  mit  denen  es  nicht  in  eine  Reihe  zu  stellen  ist!  Sp.  19  wird  in  einer 
ausführlich  mitgetheilten  Stelle  von  vier  Versen  aus  Gottfr.s  Tristan  (die  im  bairischen 
Wörterbuch  nun  wohl  wegbleiben  durfte,  ist  denn  Gottfrid  ein  Baier?  zumal  dieselbe 
Stelle  neben  vielen  andern  auch  schon  im  mhd.  Wb.  citiert  wird)  üehen  mit  diesem 
Zeichen  gegeben ;  auf  derselben  Seite  Sp.  20  jedoch  müeze  mit  üe.  Sollen  wir  etwa 
mhd.  ile  einlautig  sprechen?  Das  ist  jedesfalls  nicht  bairisch,  wo  man  heute  noch 
Heben,  iabn  zweilautig  spricht. 

Doch  genug !  —  Ich  muß  diesmal  in  der  That  befürchten,  der  Tadelsucht 
beschuldigt  zu  werden,  da  ich  soviel  auszusetzen  habe,  ohne  allen  mildernden  Zu- 
satz. Sollte  dabei  wirklich  einiger  Unmuth  im  Spiele  sein,  so  möge  man  ihn  der 
Enttäuschung  zu  Gute  halten,  die  ich  empfand,  als  ich  an  das  vorliegende  Werk  den 
Maßstab  meiner  Erwartungen  legte !  Ich  möchte  meinen,  daß  man  von  einem  lexika- 
lischen Werke,  wenn  es  zu  13  bis  14  Gulden  ausgeboten  wird,  heutzutage  jedesfiills 
auch  wohl  verlangen  kann,  daß  es  den  Ansprüchen  der  Zeit  Rechnung  trage.  — 
Ein  neubearbeiteter  Schmeller  müsste  von  der  tiefgreifendsten  Wirkung  und  Aus- 
breitung werden,  besonders  wenn  er  bearbeitet  wird  von  einem  Manne  wie  Frommann ! 
Der  Vorliegende  wird,  ftirchte  ich,  wenn  in  dieser  Weise  fortgefahren  wird,  Nie- 
manden recht  befriedigen*). 

4.  März  1869.  K.  J.  SCHRÖER. 


*)  Auf  ^inen  Punkt,  der  oben  nur  im  Vorbeigehen  boriilnt  i.st,  will  icli,  minde- 
stens diesmal,  nicht  eingehen,  in  wiefeni  es  dem  Herausgeber  frei  stehen  muß,  Beleg- 
stellen au.s  älteren  Sprachdenkmälern,  die  der  Mundart  nicht  angehören,  was  docli  bei 
so  mancliem  Cod.  Germ.  Mon.  der  Fall  sein  wird,  zu  streichen  oder  dieselben  näher 
zu  bezeichnen. 


LITTERATUR.  255 

Volkstänze  im  deutschen  Mittelalter.  Von  Wilhelm  Angerstein.  (Samm- 
lung gemeinverständlicher  wissenschaftlicher  Vorträge  ,  herausgegeben  von 
Rud.  Virchow  und  Fr.  v.  Holtzendorff.  Heft  58.)  Berlin  Lüderitz  1868. 
32  S.   8°. 

Über  die  Volkstänze  im  deutschen  Mittelalter  zu  reden  ,  ist  gewiß  eine 
äußerst  lohnende  Aufgabe.  Welch  ein  reiches  buntes  Bild  mitteralterlichen  Le- 
bens und  Treibens  läßt  sich  da  entfalten  !  Welch  eine  Fülle  der  interessante- 
sten culturhistorischen  Skizzen  reiht  sich  fast  von  selbst  aneinander ,  hier  wo 
es  sich  um  ein  so  wesentliches  Moment  handelt ,  wie  es  der  Tanz  im  Leben 
der  Höfe  wie  des  Volkes  war !  Man  werfe  nur  einen  Blick  in  die  festlichen 
Säle  der  Vornehmen  und  folge  ihrem  feierlichen  Schleifertanze ,  der  in  seiner 
Gemessenheit  und  Würde  ein  treues  Bild  des  höfischen  Formalismus  bietet,  oder 
man  schaue  den  Bauern  in  ihre  Stuben  und  Scheunendielen,  wo  Eppe  und  Gumpe 
und  Engelmar  in  dörperlicher  Unbeholfenheit  und  gespreizter  Nachahmung  höfi- 
scher Formen  ein  höchst  ergötzliches  Bild  liefern  ;  oder  gar  mische  man  sich 
unter  den  sommei-lichen  Reigentanz  auf  dem  Tanzbühel  oder  unter  der  Dorf- 
linde und  sehe  dem  tollen  Jubel  zu;  man  beobachte  die  schmucke  Dorfschöne, 
die  in  festlichem  Gewände  mit  Schleppe  und  Spiegel  und  Blumenkranz  daher- 
eilt ,  um  trotz  dem  Schelten  der  besorgten  Mutter  an  der  Hand  des  Burschen 
den  wilden  Reien  zu  springen  und  den  Ball  zu  werfen ;  man  wandere  nur  ein- 
mal an  der  Hand  eines  Neithart,  Geltar,  Tanhuser  durch  das  bunte  Leben  hin- 
durch vom  ersten  Augenblick  an  ,  wo  der  vornehme  Bewerber  in  den  Augen 
des  Mädchens  den  kleider-  und  waff"enprunkenden  Bauern  aussticht ,  durch  alle 
Tanzscenen  hindurch  bis  zur  schließlichen  Prügelei  oder  dem  verschwiegenen 
Stelldichein ,  —  welcher  Reichthum  an  Scenen  und  Bildern  drängt  sich  dem 
Zuschauei-,  dem  Erzähler  auf! 

Einer  solchen  Fülle  gegenüber  muß  es  doppelt  befremden,  daß  die  voi*- 
liegende  Schrift  so  dürftig  ausgefallen  ist.  Schon  die  Oekonomie  des  Stofi"es  er- 
regt Bedenken.  Nach  kürzester  Berührung  der  altdeutschen  religiösen  Tänze 
werden  die  Johannes-  und  St.  Veitstänze ,  überliaupt  die  Tanzkrankheiten  er- 
wähnt, —  wohl  nur  halb  mit  Recht,  da  ein  epidemischer  Veitstanz  immer  eine 
sonderbare  Art  von  Volkstanz  ist.  Daß  sich  daran  der  Tarantismus  anschließt, 
der  schon  der  Sache  viel  ferner  liegt,  ist  wohl  durch  die  treffliche  Abhandlung 
von  Hecker-Hirsch  über  die  Tanzwuth  (Die  großen  Volkskrankheiten  des  Mittel- 
alters. Beilin  18G5.  S.  143  fF.)  verursacht,  welcher  der  Verf.  folgt  und  die  wohl 
die  Ehre  eines  Citates  verdient  hätte.  Damit  befinden  wir  uns  schon  im  späteren 
Mittelalter.  Schäfflertanz,  Schönbartlaufen  und  Fackeltilnze  führen  uns  in  noch 
spätere  Zeit  und  im  Umsehen  sind  wir  beim  Fandango  und  beim  Cancan  an- 
gelangt ,  nach  deren  Berechtigung  an  diesem  Orte  wir  vergeblich  fragen.  Der 
ganze  Stoff",  den  wir  oben  andeuteten  und  der,  wenn  dem  Titel  der  Schrift  ent- 
sprochen werden  sollte,  fast  den  größten  Theil  derselben  ausmachen  müsste,  ist 
chronologisch  unrichtig  in  die  Mitte  gestellt  und  ganz  kurz  abgemacht.  Nicht 
etwa  daß  unsere  Kenntniss  dieser  Tänze  eine  zu  geringe  wäre.  Was  Wacker- 
nagel Altfranzösische  Lieder  und  Leiche,  Weinhold  Die  deutschen  Frauen  im 
Mittelalter ,  v.  Liliencron  in  Haupt  Zeitschrift  VI  und  endlich  Ref.  in  Gosche 
Jahrbuch  I  an-  und  ausgeführt  haben ,  bietet  reiches  Material.  Ja  der  Verf. 
durfte  nur  einmal  die  Wörter  tavz  und  reie  im  mhd.  Wb,    oder  tanzen,  sprin- 


95ß  LITTERATITR. 

gen,  Raijen  bei  Schmeller  aufschlagen,  so  fand  er  mehr  als  erbietet.  Seine 
vorzüglichste,  wenn  nicht  einzige,  Quelle  für  diesen  Theil  ist  Czerwinski  Ge- 
schichte der  Tanzkunst,  ein  Büchlein  nicht  ohne  Verdienst,  aber  gerade  für  das 
deutsche  Mittelalter  völlig  ungenügend.  So  kann  es  denn  auch  an  Unrichtig- 
keiten im  Ganzen  wie  im  Einzelnen  nicht  fehlen.  Denn  daß  die  älteren  Zeiten 
mehr  die  ernsthafteren  ruhigeren  und  sittsameren  Bewegungen  liebten'  im  Gegen- 
satz zu  den  späteren  Jahrhunderten  ,  ist  unrichtig.  Wo  bleiben  denn  da  die 
Reientänze  des  12.  und  13.  Jahrhunderts?  Die  Reientänze,  die  nach  der  An- 
sicht des  Verf.  freilich  in  einem  Jahrhundert  gedeihen  mussten,  welches  die  Blüthe 
der  Ritterschaft  nicht  mehr  sah.   (S.  17.) 

Der  Verf.  beklagt  sich  S.  30  über  Czerwinskis  Flüchtigkeit,  und  mit  Recht. 
Wenn  aber  das  der  Verf.  einsah  ,  wie  will  er  es  dann  rechtfertigen  ,  daß  er 
Czerwinski  so  ausschließlich  und  mit  so  ängstlicher  Treue  folgt?  Wobei  natür- 
lich Czerwinskis  Fehler  ebenso  in  Angersteins  Schrift  übergehen.  Dahin  gehört 
die  von  Czerwinski  stammende  Geschichte  von  der  Trauung  Tristans  und  Isol- 
de ns  'in  dem  romantischen  Epos  des  Minnesingers  Gottfried  von  Straßburg'. 
So?  Also  wohl  da  wo  sie  sich  kriegen?  Gemeint  ist  in  Heininchs  von  Freiberg 
Fortsetzung  v.  620  ff.  die  Hochzeit  mit  Isoide  Weißhand.  Ebenso  ergeht  es  mit 
dem  aus  Czerwinski  entnommenen  verstümmelten  Citat  S.  18: 

si  spranc 

mer  dan  einer  klCifter  lane 

und  noch  höher. 
Die  Klafter  zu  beiläufig  sechs  Schuh  gerechnet,  gibt  das  einen  recht  hübschCii 
Hochsprung.  Wohl  bekomm's  !  Da  müssen  wir  freilich  dem  Verf.  beistimmen, 
wenn  er  sagt:  'Solche  Sprünge  vertragen  sich  nach  unserer  Anschauungsweise 
nicht  mit  der  Weiblichkeit.'  Aber  noch  weniger  vertragen  sich  nach  unserer  und 
vieler  anderer  Leute  Anschauungsweise  solche  Citate  mit  einem  wissenschaft- 
lichen' Vortrag.  Hätte  sich  der  Verf.  die  Mühe  gegeben,  die  Stelle  im  Original 
anzusehen,  so  würde  er  gefunden  haben,   daß  sie  lautet: 

nnd  noch  hoher  danne  ie  magi  gespriinge, 
wobei  denn  doch  noch  lange  nicht  an  mehr  als  klafterhohe  Sprünge  zu  denken 
ist.     Daß  übrigens    für    die    betreffende    Stelle    das    Citat    'Minnesinger  II   122' 
längst  antiquiert  und  durch  Neithart  von  Reuenthal   7  ,   ß    zu  ersetzen   ist,    sei 
als  selbstA'erständlich  hier  nur  nebenbei  bemerkt. 

ERLANGEN.  CARL  SCHRÖDER. 


BERICHTIGUNGEN. 

NR.  I  (XIII.),  375,  Z.  3  v.u.  ist  ' (romanische?)'  zu  tilgen;  dagegen  steht  'fünf- 
zehnhundert Secula'  (das.  S.  245,  Z.  17,  v.  o.)  deutlich  so  in  Grimms  Briefe.  Wgr.  — 
S.  8  des  laufenden  Jahrganges  ist  G  r  H  b  s  cli  n  e  r  g  a  s  s  e  zu  löschen  ,  da  diese  Be- 
zeichnung von  einem  unweit  Breslau  belegenen  Dorfe  hergenommen  ist.     Die  Red. 


ÜBER  LACHMANNS  KRITIK  DER  SAGE 
VON  DEN  NIBELUNGEN. 

VON 

W.  MÜLLER. 


Uhland  äußert  sich  in  seiner  Sagengeschiclite  der  germanischen 
und  romanischen  Völker  (Schriften  Bd.  7,  S.  530)  über  die  oben  be- 
zeichnete Abhandlung*)  in  folgender  Weise :  „Lachmanns  an  sich  scharf- 
sinnige und  mehrfach  anregende  Ausführung  ist  mir  hauptsächlich  darum 
nicht  überzeugend,  weil  sie  einerseits  sich  an  die  nordische  Mythologie 
anschließt,  andererseits  einen  uns  unbekannten  deutschen  Mythus  aus 
Muthmaßungen  aufbaut.  Siegfried  ist  nicht  Baidur ,  aber  ein  diesem 
ähnlicher  deutscher  Gott  Sigofrid,  Hagen  nicht  Hödur,  aber  doch  mit 
diesem  gleichartig.  Die  Nibelunge  werden  wirklich  mit  dem  nordischen 
Reiche  der'Finsterniss  und  Hölle,  Niflheimr,  Niflhel,  in  Beziehung  ge- 
setzt; aber  doch  bilden  sie  in  ihrem  Gegensatze  zu  den  Völsungen  ein 
Verhältniss,  von  dem  man  nicht  absieht,  wie  es  in  das  zu  Tage  liegende 
System  der  nordischen  Mythologie  und  der  ihm  eigenthümlichen  Wesen- 
klassen eingereiht  werden  soll." 

Diese  Worte,  welche  vor  etwa  sechs  und  dreißig  Jahren  gespro- 
chen sind,  als  Lachmann  seine  Abhandlung  noch  nicht  lange  veröffent- 
licht hatte ,  zeugen  von  dem  selbständigen  Urtheile ,  welches  Uhland 
auf  dem  Gebiete  der  Sagenforschung  übte.  Denn  bis  auf  die  neueste 
Zeit  haben  Einige  Lachmanns  Untersuchung  in  den  Hauptergebnissen 
für  richtig  gehalten.  Namentlich  hat ,  um  von  Andern  zu  schweigen, 
M.  Rieger  in  dieser  Zeitschrift  (3,  163  fg.)  den  Versuch  gemacht,  den 
von  jenem  Gelehrten  eingeschlagenen  Weg  noch  einmal  zu  verfolgen, 
indem  er  dabei  erklärt,  daß  er  dasjenige,  was  ich  in  meinem  Versuche 
einer   mythologischen  Erklärung   der  Nibelungensage   ausgeführt  habe, 


*)  Sie  erschien  bekanntlich  zuerst  in  dem  Eheinischen  Museum  für  Philologie 
von  Niebuhr  und  Brandis,  Jahrg.  3,  S.  435—464.  Ich  citiere  nach  den  Seiten  des  Ab- 
drucks hinter  den  Anmerkungen  zu  den  Nibelungen. 

GEKUASIA.   Neue  Reihe   11.   (XIV,;  Jaijrg.  17 


258  W.  MÜLLER 

dahingestellt  sein  lassen  wolle.  Auch  der  jetzige  Herausgeber  der  Ger- 
mania sagt  in  der  Einleitung  zu  seiner  Ausgabe  des  Nibelungenliedes 
S.  X:  „Die  Grundlage  des  ersten  Theiles  imsers  Liedes  ist  im  Wesent- 
lichen ein  vermenschlichter  Mythus  vom  Tode  des  Gottes  Balder";  er 
ist  also,  wie  es  scheint,  derselben  Ansicht,  wie  Lachraann*).  Mich  hat 
dagegen  wiederholtes  Zurückgehen  auf  die  Kritik  der  Sage  von  den 
Nibelungen,  die  ich  früher  höher  zu  stellen  geneigt  war,  zu  der  Über- 
zeugung gebracht,  daß  bei  allem  Scheine  strenger  Methode,  aufweiche 
der  Verfasser  hinzuweisen  nicht  verfehlt,  doch  seine  Untersuchung  weder 
von  einer  sichern  Grundlage  ausgeht,  noch  consequent  durchgeführt  ist 
imd  darum  zu  falschen  Ergebnissen  gelangen  musste;  daß  sie  überhaupt 
kaum  einen  andern  festen  Punkt  von  Erheblichkeit  enthält,  als  die  Hin- 
weisung auf  den  Umstand,  daß  unter  dem  Volke  der  Nibelungen,  wenn 
sie  historisch  sind  (und  warum  sollten  sie  es  nicht  sein?),  die  Franken 
zu  verstehen  sind.  Dieses  eine  aber  haben  seine  Anhänger  nicht  an- 
genommen, wohl  weil  —  Lachmann  es  nicht  festgehalten  hat. 

Um  imser  Urtheil  zu  erweisen,    wollen  wir   zunächst   die  Ergeb- 
nisse seiner  Untersuchung  kurz  zusammenfassen.   —    Lachmann  sucht 
darzuthun,  daß  die  Nibelungensage  aus  zwei  ursprünglich  für  sich  be- 
stehenden Tlieilen  zusammengesetzt  sei,    einem  geschichtlichen,    d.  h. 
einer  historischen  Sage  ,    die ,    wie   vor  ihm   bereits  angenommen  war, 
ihren    Grund    in    der   Niederlage    des    burgundischen   Königs    Günther 
durch  die  Hünen  hat ,    und  einem  religiösen  Mythus ,    der  in  dem  Be- 
richte von  den  Geschicken  Siegfrieds  enthalten  ist.  Beide  Erzählungen 
sind  dadurch  besonders  zu  einer  geworden,  daß  in  jener  der  burgun- 
dische  König  Günther  die  Hauptperson  war,    in  dieser  im  Gegensatze 
zu  Siegfried  ,    der  mit  dem  Gotte  Balder   zusammengestellt  wird  ,    ein 
König  der  Nibelunge  auftrat,  der  gleichfalls  Günther  hieß.    Diese  Ni- 
belunge  hält  er,  auf  den  Anklang  an  Niflheimr  und  Niflhel  hinweisend, 
für  dämonische  Wesen,  für  Kinder  des  Nebels,  nächtliche  Götter,  und 
Günther  ist  ihm  der  König  des  Nebelreichs.  Die  Hauptergebnisse  seiner 
Untersuchung  sind  in  den  folgenden  Sätzen  enthalten  (S.  345) :   „Danach 
zeigt  denn  die  Fabel  nicht  mehr  wie  ein  Held  sondern  wie  selbst  ein  herr- 
licher leuchtender  Gott,   ein  Gott  des  Friedens  durch  den  Sieg,  nicht 
ungestraft  die  geheimnissvollen  Wächter  im  kalten   nordlichen  Todten- 
reiche  morden  und  das  Gold  der  nächtlichen  Götter  dem  Drachen  rauben 
darf     Er  gewinnt   durch  den  Raub  zwar  Reiclitiiuin    und    wunderbare 
Kräfte,  aber  er  kommt  auch  in  die  Gewalt  der  Dämonen.  Er  muß  ihr 


*)  [Die  neue  Auflage  (18G9)  hat  den  Irrthnm  bericlitisjt.     K.  B. 


ÜBER  LACHMANNS  KRITIK  DER  SAGE  VON  DEN  NIBELUNGEN.        259 

Bunde sb rüder  werden,  sich  mit  ihrer  Schwester  vermählen,  für  den  König 
des  Nebelreichs  mit  dem  dämonischen  Werkzeuge  die  umstrahlte  Val- 
kyrie  aus  den  Flammen  holen,  in  des  Königs  Gestalt  ihren  Widerstand 
bezwingen:  durch  den  Ring  aus  dem  Schatze  vermählt  er  sich  mit  ihr, 
aber  sie  wird  nicht  seine,  sondern  seines  Herrn  Braut:  er  ist  todt,  vom 
Todesdorn,  dem  Sohn  des  Schreckens,  erstochen,  und  das  geraubte  Gold 
wird  in  den  Rhein  versenkt." 

Diese  Worte  können  wir  nicht  füglich  fiir  eine  Erklärung  des 
Siegfriedsmythus  halten.  Denn  abgesehen  von  der  Lehre,  die  in  der 
Fabel  liegen  soll  (fabula  docet),  aber  erst  von  Lachmann  hinein  gelegt 
ist*),  dann  von  einigen  Umschreibungen  und  etymologischen  Deutungen, 
die  die  Erzählung  nur  undeutlicher  machen**),  geben  sie  hauptsäch- 
lich nur  die  Sage  wieder ,  so  wie  sie  nach  seiner  Meinung  in  ihrer 
ältesten  Fassung  lautete.  Nur  zwei  Punkte  in  seiner  Darstellung  können 
als  Versuch  einer  Erklärung  angesehen  werden :  einmal  die  Zusammen- 
stellung Siegfrieds  mit  dem  Gotte  Balder,  dann  die  Behauptung,  daß 
wir  in  den  Nibelungen  dämonische  Wesen,  Kinder  des  ^Nebels,  und  in 
Günther  den  König  des  Nebelreichs  zu  sehen  haben,  der  als  solcher 
im  Gegensatze  zu  dem  leuchtenden  Gotte  Siegfried  stehe. 

Wie  verhält  sich  nun  Lachmanns  Ansicht  in  Beziehung  auf  diese 
beiden  Punkte  zu  der  seiner  Vorgänger  ?  Gegen  diejenigen,  welche  früher 
die  Nibelungensage  zu  deuten  versucht  haben,  ist  er  recht  strenge.  Er 
hebt  freilich  (S.  345)  hervor ,  daß  Mone  schon  elf  Jahre  vor  ihm  zu 
einem  Gotte  und  sogar  zu  einem  Sonnengotte  Siegfried  gekommen  sei, 
will  aber  zu  seinem  Ergebnisse  durch  eine  nothwendige  Kette  von 
Untersuchungen  gezwungen  sein,  ohne  sich  vorher  Avillkürlich  ein  Ziel 
gesteckt  zu  haben,  und  verschweigt  es,  daß  derselbe  auch,  eben  so 
wie  Fr,  H.  v.  d.  Hagen,    Siegfried  bereits  mit  Balder  zusammengestellt 


*)  Die  Lehre,  die  darauf  hinaus  kommt,  daß  man  Niemand  erschlagen  und  be- 
rauben soll,  weil  map  dadurch  —  um  es  modern  auszudrücken  —  dem  Teufel  verfällt 
und  Strafe  erleidet,  widerspricht  den  Anschauungen  der  heidnischen  Vorzeit,  in  welcher 
es  für  recht  galt,  einem  Feinde  seine  Schätze  zu  nehmen.  Vgl.  Walth.  263  fg.  471  fg. 
Auch  wird  die  Erlegung  des  Drachen  und  die  Erwerbung  des  Hortes  als  eine  Helden- 
that  Siegfrieds  dargestellt  und  bei  der  Annahme  eines  solchen  Lehrzwecks,  der  früher 
öfter  in  Mythen  fälschlich  gesucht  wurde,  ist  gar  Vieles  in  der  Siegfriedssage  ganz 
überflüssig. 

**)  Dahin  gehören  z.  B.  „die  geheimnissvollen  Wächter  im  kalten  nordlichen 
Todtenreiche",  femer  „dämonisches  Werkzeug"  für  Tarnkappe  oder  Hehlmantel,  „Todes- 
dorn" für  Hagen. 

17* 


260  W.  MÜLLER 

hatte  *).  Die  Deutung  P.  E.  Müllers,  der  die  Nibelunge  für  Söhne  der 
Finsterniss  erklärte,  die  Siegfried  überwältigen,  nennt  er  (S.  346)  eine 
allegorische  Phantasie,  obgleich  seine  ebenfalls  nur  in  der  Phantasie, 
nicht  aber  in  der  nordischen  oder  deutschen  Götterlehre  bestehenden 
Kinder  des  Nebels  auch  eben  so  gut  Söhne  der  Finsterniss  genannt 
werden  könnten.  Dann  wirft  er  v.  d.  Hagen,  weil  dieser  in  der  Nibe- 
lungensage eine  Hindeutung  auf  den  nordischen  Mythus  vom  Weltende 
fand,  Leichtsinn  vor  (S.  348).  Und  doch  hat  derselbe  auch,  was  wieder 
verschwiegen  wird,  nicht  allein  bei  dem  Naraen  Nibelunge  auf  Niflheimr 
und  Niflhel  hingewiesen,  sondern,  eben  so  wie  Lachmann,  einen  Gegen- 
satz zwischen  den  leuchtenden  Völsungen  und  den  Nibelungen  ge- 
funden **).  Und  wenn  v.  d.  Hagen  auf  S.  49  seines  Werkes  bemerkt, 
daß  die  Nibelunge  Siegfried  am  unscheinbarsten  Bande  unzerreißlich 
festhalten  und  gewaltig  wieder  in  ihre  Tiefe  hinabreißen,  so  liegt  das 
von  Lachmanns  Gedanken  (S.  343),  daß  Siegfried  bei  aller  seiner  Herr- 
lichkeit durch  den  Besitz  des  Goldes  in  der  Knechtschaft  der  Nibelunge 
und  dem  Verderben  geweiht  sei,  eben  nicht  weit  ab.  Hiernach  entsteht 
denn  nur  die  Frage,  ob  es  Lachmann  gelungen  ist,  durch  seine  Kritik 
jene  beiden  schon  von  Andern  ausgesprochenen  Gedanken  Avissenschaft- 
lich  festzustellen.  Die  Antwort  muß  verneinend  ausfallen. 

Das  Verfahren  ,  welches  seine  Kritik  einschlägt ,  lässt  sich  kurz 
so  darstellen ,  daß  er  aus  den  verschiedenen  Quellen  der  Sage  ihre 
älteste  Gestalt  zu  gewinnen ,  zugleich  aber  ihre  geschichtlichen  und 
rehgiös-mythischen  Bestandtheile  von  einander  zu  sondern  und  die  letz- 
tern zu  erklären  sucht. 

In  Beziehung  auf  den  ersten  Punkt  ist  seine  Ausführung  mehr- 
fach mangelhaft,  weil  er,  ohne  im  Allgemeinen  (durch  eine  Charakte- 
ristik der  Quellen)  oder  im  Einzelnen  seine  Methode  hinlänglich  zu 
begründen,  bald  dem  einen,  bald  dem  andern  Berichte  folgt,  wie  schon 
die  folgenden  Beispiele  zeigen.  So  weit  unsere  Quellen  reichen,  heißt 
es  S.  335,   scheint  Worms  die  älteste  Angabe  des  Wohnsitzes  der  Ni- 


*)  Mone  Einleitung  in  das  Nibelungenlied  8.  77.  F.  H.  v.  d.  Hagen  Die  Nibe- 
lungen, ihre  Bedeutung  für  die  Gegenwart  und  für  immer  S.  37.  60.  63.  Auf  S.  83 
wird  der  einäugige  Hagen  mit  dem  blinden  Hödhr  zusammengestellt ;  S.  96  wird  der 
Name  Hagen  durch  Dom  erklärt.  Dasselbe  findet  sich  bei  Lachmann. 

**)  V.  d.  Hagen  a.  a.  0.  8.  45.  70.  Siegfrieds  Geschlecht  wird  von  ihm  als  das 
der  Sonnenkinder  bezeichnet.  DalS  in  den  Namen  der  Völsunge  und  Nibelunge  ein 
Gegensatz  nicht  besteht,  mu(i  Lachmann  selbst  (S.  339)  xu^ebeu  ;  daft  er  sich  auch 
in  ihren  Eigenschaften  nicht  zeigt,  geht  schon  daraus  hervor,  daß  Siegmund  und  Sin- 
fiotli  nach  der  'Völ.'^ungasaga  als  Wölfe  in  den   Wäldern  hausen. 


ÜBER  LACrrMAXX>  KKITIK  DER  SAGE  VON  DEN  NIBELUNGEN.        2(51 

b(4uuge.  Da  aber  der  Norden  nichts  von  Worms  weiß,  so  legt  Laeh- 
niann  auf  die  Übereinstimmung  der  ober-  und  niederdeutschen  Nibe- 
luugensage  kein  Gewicht ,  weil  diese  wenig  über  das  dreizehnte  und 
vierzehnte  Jahrhundert  hinaus  gehe,  und  auch  die  weit  ältere  Sage  von 
Waltharius,  die  den  Xibelungenfranken  Günther  nach  Worms  setzt, 
macht  ihn  nicht  irre.  Er  findet  nun  einmal  für  Worms  nichts  Entschei- 
dendes. —  Sind  wir  denn  überhaupt  berechtigt,  hier  die  nordische  Sage, 
die  doch  auch  sonst  in  Beziehung  auf  das  Local  minder  deutlich  ist, 
als  die  deutsche,  den  übrigen  Berichten  vorzuziehen?  Könnte  sie  Worms 
nicht  vergessen  haben,  wie  sie  nach  S.  348  Dietrich  von  Bern  vergessen 
haben  soll?  Und  wenn  nun  Andere  für  Worms  et^^'^s  Entscheidendes 
fänden,  was  doch  leicht  möglich  wäre?  -  Dagegen  wird  der  Bericht 
der  oberdeutschen  Nibelungensage  (die  doch  wenig  über  das  di'eizehnte 
Jahrhundert  hinausgeht),  daß  Siegfried  den  Hort  den  Nibelungen  raubte, 
altern  Erzählungen  gegenüber,  die  das  Gold  dem  Drachen  rauben  lassen 
und  von  Nibelungen,  denen  der  Schatz  früher  gehörte,  nichts  wissen, 
von  Lachmann  festgehalten ,  weil  seine  ganze  künstliche  Erklärung 
darauf  beruht ,  obgleich  er  selbst  (S.  342)  die  Verwirrung  fühlt ,  die 
dadurch  entsteht,  daß  außer  dem  König  Günther  und  seiner  Umgebung 
auch  die  ersten  Herren  des  Schatzes  Nibelunge  heißen.  Und  doch  war 
es  eben  nicht  schwer  zu  zeigen ,  daß  die  Nibelunge  als  Besitzer  des 
Hortes  vor  Siegfried  nur  dem  Sti-eben  der  Sage  ihren  Ursprung  ver- 
danken ,  den  Ausdruck  Nibelungehort  zu  deuten ,  also  weder  für  die 
älteste  Fassung  noch  für  die  Erklärung  in  Betracht  kommen*). 

Freilich  wird  hierbei  auch  jenen  andern  Erzählungen  eine  gewisse 
Geltung  zugestanden,  und  zwar  in  der  Weise,  daß  Lachmann  annimmt, 
das  Gold,  welches  Siegfried  dem  Drachen  raubt,  sei  zuerst  im  Besitze 
der  dämonischen  Nibelunge  gewesen  :  er  sucht  also  ,  und  das  ist  ein 
zweites  Verfahren  seiner  Kritik,  die  verschiedenen  Zeugnisse  der  Quellen 
zu  vereinigen,  oder  er  fügt  zusammen,  wie  er  sich  S.  342  ausdrückt, 
was  echt  und  alt  sein  kann.  Diese  Weise  ist  unter  Umständen  berech- 
tigt, so  wie  man  ja  auch  aus  mehreren  entstellten  Lesearten  verschie- 
dener Handschriften  die  eine  richtige  ermitteln  darf  Aber  in  der  Sagen- 
forschung muß  dann  auch  gezeigt  werden,  daß  die  verschiedenen  Er- 
zählungen für  sich  weder  vollständig  noch  richtig  sein  können.  In  dem 
eben  berührten  Falle  ist  aber ,  was  sich  leicht  zeigen  ließe ,  die  eine 
Darstellung,  nach  welcher  das  Gold  dem  Drachen  geraubt  wird,  durch- 


*_l    Weil  sie  eben  nur   einer  explicativen  Erweiterung    der  Sage    ihren   Urspruno 
verdanken.  Vgl.  meiueu  Versuch  S.  38. 


262  W.  MÜLLER 

aus  richtig  und  vollständig,  die  andere,  von  den  Nibelungen,  denen  ihi- 
Schatz  genommen  wird,  ein  Zusatz,  und  es  ist  danach  die  Vereinigung 
beider  eben  so  unzulässig,  als  wenn  man  eine  richtige  und  eine  falsche 
Leseart  oder  eine  Glosse  zusammen  in  einen  Text  aufnehmen  wollte. 
Auch  in  einem  andern  Falle,  wo  Lachmann  vereinigen  will,  schlägt 
dieses  Mittel  fehl.  Die  nordische  Sage  erzählt,  daß  Siegfried  bei  dem 
Ritte  durch  die  Flammen  mit  Günther  die  Gestalt  tauschte  ,  die  süd- 
deutsche, daß  er  sich  durch  die  Tarnkappe  unsichtbar  machte.  Beide 
Erzählungen  wollen  die  Verbergung  des  Betruges  motivieren  und  ha- 
ben als  solche  motivierende  Zusätze  beide  ihr  Recht,  obgleich  für  die 
Erklärung  der  Sage  kein  Gewicht.  Wenn  nun  Lachmann  beide  Berichte 
so  zu  vereinigen  sucht,  daß  er  (S.  341)  meint,  die  Tarnkappe  sei  nicht 
eine  gewöhnliche  Hehlkappe  gewesen,  sondern  habe  zugleich  die  wahre 
Gestalt  verborgen  und  eine  andere  gegeben ,  und  danach  als  älteste 
Fassung  aufstellt,  daß  Siegfried  mit  der  Tarnkappe  die  Brünhild  aus 
den  Flammen  holte ,  so  fördert  einerseits  diese  willkürliche  Annahme 
das  Verständniss  des  Mythus  nicht  im  Geringsten  (denn  was  die  Waber- 
lohe, aus  der  Brünhild  befreit  wird,  sein  mag,  darüber  wird  nichts  ge- 
sagt), andererseits  widerspricht  sie  Allem,  was  wir  aus  dem  Nibelungen- 
liede und  zahlreichen  Volkssagen  über  die  Eigenschaften  der  Tarn- 
kappe wissen. 

Wie  hiernach  Lachmann  durch  unbegründete  Bevorzugung  einer 
Quelle  vor  der  andern  und  durch  verfehlte  Versuche,  verschiedene  Be- 
richte zu  vereinigen,  die  Sage  nur  subjectiv  gestaltet,  nicht  aber  ihre 
älteste  Fassung  erreicht,  so  entfernt  er  sich  von  seinem  Ziele  noch  mehr, 
wenn  er  derselben  statt  der  Motive,  welche  nach  ihrer  Darstellung  Ein- 
fluß auf  die  Begebenheiten  haben,  andere  unterschiebt.  Hierher  gehört 
der  folgende  Fall.  Die  nordische  Sage  motiviert  den  Untergang  Sieg- 
frieds ,  wie  des  Königs  Günther ,  durch  den  Fluch ,  welchen  der 
Zwerg  Andvari ,  nach  ihr  der  erste  Besitzer  des  Hortes ,  den  Lach- 
mann   auch   gern    zu   einem  dämonischen  Nibelung   machen  möchte  *), 


*)  Vgl.  S.  343  ;  er  sucht  seine  Annahme  dadurch  zu  beweisen ,  daß  der  Name 
Andvari  bloß  allegorisch  sei  und  legt  S.  344  darauf  Gewicht,  daß  derselbe  nach  der 
Jüngern  Edda  in  Svartalfaheim  wohnt,  die  Alfheim  für  Norwegen  erklärt,  womit  weiter 
verbunden  wird,  daß  das  deutsche  Gedicht  (wenn  auch  lücht  C)  das  Nibelungenland 
nach  Norwegen  versetzt.  Diese  Combination  bedarf  keiner  ausführlichen  Widerlegung, 
weil  sie  sich  einerseits  auf  einen  späten  Auswuchs  der  Sage  (die  Nibelunge  als  erste 
Besitzer  des  Schatzes),  andererseits  auf  eine  euhemeristische  Deutung  stützt,  die  eben  so 
wenig  Werth  hat,  als  Saxos  Angabe,  daß  die  Götter  in  Byzanz  wohnten,  und  weil  die 
Erzählung    von  der  Beraubung   des  Andvari  durch  Loki ,    wie  schon   W.  Grimm    (vgl. 


ÜBER  LACHMANNS  KRITIK  DER  SAGE  VON  DEN  NIBELUNGEN.        203 

auf  den  Hort  gelegt  hat.    Dieser  Fluch  wird   mit  Recht  nicht  berück- 
sichtigt ;    denn   er  kommt  für  die  Erklärung  der  Sage   eben   so  wenig 
in  Betracht,  wie  die  nordische  Erzählung,  daß  Siegfried  in  Folge  eines 
Zaubertranks  Brüuhild  vergessen  habe.     Aber  Lachmann   meint  dafür 
nicht  nm',  daß  Siegfried  von  dem  Verderben  ereilt  sei,  weil  er  durch 
den  Raub   des  Groldes   in   die  Knechtschaft   der  Nibelunge    gekommen 
sei,    sondern   er   sieht   selbst   sein  Freundschaftsbündniss   mit  Günther 
und   seinen  Brüdern   und   seine   Vermählung   mit   ihrer   Schwester   als 
eine  Folge  dieser  Knechtschaft   an ,    und    zwar  nur  aus  dem  Grunde, 
weil  (S.  341)  die  Dienstbarkeit  Siegfrieds  in  der  Sage  gewiß  alt,  wie- 
wohl schlecht  begründet  sei.     Das    ist    freilich   eine  Motivierung,    die 
nicht  nur  den  Anschauungen  der  alten  Zeit   sehr  fern   liegt ,    sondern 
auch  die  Sage  \'iel  dunkeler  macht,  als  sie  nach  den  Quellen  ist.  Mau 
wird,  von  andern  Einwänden  abgesehen,  zunächst  fragen,  ob  jene  Dienst- 
barkeit Siegfrieds,    die  die  Quellen  in  verschiedener  Weise  erwähnen, 
nicht  geschichtlich  erklärt  werden  könne  ?  warum  denn  der  dämonische 
König  des  Nebelreichs,  in  dessen  Knechtschaft  Siegfried  durch  den  Raub 
des  Goldes  schon  gerathen  war,  den  Helden  zwang,  sein  Bundesbruder 
zu    werden  ?     warum    er    den    dem  Verderben    Geweihten    mit   seiner 
Schwester    vermählte  ?    wo    denn    in    der    nordischen    oder    deutschen 
Mythologie    solche    dämonische    Wesen    vorkommen ;,    die ,    wie    der 
Teufel*),  mit  Jemand  einen  Bund  schließen?    und  wie  denn  doch  die 
dämonische  Natur  der  Nibelunge,  abgesehen  von  dem  Anklang  des  Na- 
mens an  Niflheimr  und  Niflhel,  bewiesen  ist?  In  Beziehung  auf  die  letzte 
Frage  muß  Lachmann  auch  selbst  bekennen,  daß  von  den  Nibelungen 


D.  Heldens.  284),  wenn  auch  nicht  klar  genug,  gesehen  hat,  gleichfalls  ein  späterer 
Zusatz  der  nordischen  Sage  ist,  was  Lachmann  selbst  wenigstens  ahnt.  Durch  seine 
Combination  ist  wohl  Rieger  auf  den  wunderlichen  Gedanken  gekommen,  daß  Günther 
und  sein  Volk  als  Nibelunge  Zwerge  sein  sollen,  worauf  wir  hier  nicht  näher  eingehen. 
Nur  erimiern  wir  in  Beziehung  auf  S.  171  semer  Abhandlung  daran,  daß  der  Name 
Nibelung  deshalb  nicht  dem  religiösen  Mythus  angehören  muß,  weil  kein  in  der  Ge- 
schichte (d.  h.  in  historischen  Quellen)  vorkommendes  Geschlecht  ihn  geführt  hat.  Untei 
den  Amelimgen  der  Sage  würden  wir  immer  die  Ostgothen  zu  verstehen  haben  ,  aucli 
wenn  wir  nicht  anderswoher  wüssten,  daß  das  Herrschergeschlecht  desselben  den  Namen 
Amaler  führte.  Und  nennt  die  nordische  Sage  nicht  die  Burgninden  auch  Giulvunge, 
das  Volk  nach  einem  Geschlechte  seiner  Könige?  Um  so  weniger  war  es  denn  auch 
bei  dem  Namen  Gibeche  gerathen,  auf  den  Zwergkönig  Gübich  zumckzugehen. 

*)  In  Haupts  Zeitschrift  12,  289  findet  sich  gedruckt:  „Noch  viel  weniger  zweifelhaft 
ist  es,  daß  der  Name  Nibulunc  ursprünglich  nur  der  Sage  oder  dem  Mythus  angehörte, 
weil  es  keinem  Vater  je  einfallen  konnte,  seinen  Sohn  einen  Nebelsohn  zu  nennen  oder 
als  einen  Abkömmling  finsterer,  höllischer  Mächte  zu  bezeichnen." 


264  '\\'.  Mt'liLER 

in  der  Sage  nichts  Eigenthilnillches  und  Charakteristisches  vorkommt 
(S.  342),  und  wenn  er  dann  die  Frage  aufwirft,  ob  vielleicht  die  Sage 
aus  heiliger  Scheu ,  oder  auch  weil  sich  der  Grlaube  geändert  hatte, 
etwas  Geheimes  verhülle,  so  kann  man  damit  jeden  Einfall  in  mytho- 
logischen Untersuchungen  beschönigen :  das  ist  nur  ein  Wort,  das  zur 
rechten  Zeit  sich  einstellt ,  wo  die  Beweise  fehlen.  Aber  nach  seiner 
eigenen  Äußerung  (S.  345)  besteht  das  einzige  Verdienst  bei  mytholo- 
gischen Abhandlungen  in  strengen  Beweisen. 

Über  die  Art  und  Weise,  wie  geschichtliche  Begebenheiten  und 
Verhältnisse  in  der  Heldensage  dargestellt  zu  werden  pflegen ,  äußert 
sich  Lachmann  auch  nicht  im  Allgemeinen:  wir  lernen  das  Verfahren;, 
welches  er  einschlägt,  um  die  historischen  Bestandtheile  der  Nibeluugen- 
sage  von  den  mythischen  zu  scheiden  ,  wieder  nur  aus  einzelnen  Be- 
merkungen kennen.  Dabei  begegnen  wir  zunächst  einer  Inconsequenz. 
Wenn  er  an  dem  Satze  festhält,  daß  Attila  uiid  die  burgundischen  Kö- 
nige, die  er  besiegt,  historisch  sind,  wie  auch  die  Umstände  verfabelt 
sein  mögen  (S.  346),  dagegen  die  Beziehung  der  Brünhild  auf  die  be- 
kannte fränkische  Königin  imd  ihren  Zwist  mit  Fredegund  zurückweist, 
weil  weder  Namen  noch  Thatsachen  passen  (S.  335),  so  ist  doch  auch 
hier  wenigstens  ein  Name  in  der  Sage  und  der  Geschichte  derselbe,  und 
die  andern  historischen  Beziehungen  könnten  ebenfalls  in  der  Sage  ver- 
fabelt sein.  Wenn  er  ferner  äußert  (S.  347) ,  die  Vermählung  Attila's 
mit  einer  burgundischen  Prinzessin  könne  historisch  wahr  sein,  obgleich 
natürlich  die  Geschichte  nichts  davon  überliefert  habe,  und  sogar  die 
Zeit  derselben  bestimmen  will,  so  ergibt  sich  daraus,  daß  er  auf  dem 
falschen  Staudpunkte  sich  befindet,  den  noch  jetzt  Manche  einnehmen, 
wonach  man  sich  berechtigt  hält,  die  von  einer  Sage  berichteten  Einzel- 
heiten für  geschichtlich  zu  halten  und  mit  ihnen  die  beglaubigte  Ge- 
schichte zu  bereichern,  wenn  diese  nur  in  einer  gewissen  Weise  wahr- 
scheinlich sind*).  Dabei  wird  freilich  nicht  bedacht,  daß  die  Sage  eben 


*)  Dahin  gehört  z.  B.,  wenn  der  Verfasser  des  in  mehr  als  einer  Hinsicht  verfehl- 
ten Aufsatzes  in  Haupts  Zeitschr.  Band  10  nicht  nur  S  160  an  der  Vermählung  Attilas 
mit  einer  burgundischen  Prinzessin  festhält,  sondern  auch  S.  150  meint,  daß  die  Sage, 
wenn  sie  den  Burgunden  Günther  von  Worms  ostwärts  dem  Etzel  entgegenziehen  lasse, 
damit  das  historisch  Richtige  getroffen  habe.  Das  ist  jetzt  um  so  ergötzlicher  zu  lesen, 
nachdem  Waitz  gezeigt  hat,  dai  die  ältesten  Quellen  bei  dem  Berichte  über  den  Kampf 
der  Hünen  und  Burgunden  Attila  gar  nicht  nennen  ,  dieser  also  in  der  Sage  nur  als 
Repräsentant  seines  Volkes  erscheint.  Eben  so  wenig  lässt  sich  die  ebd.  S.  148  wieder- 
holte Vermuthung  begründen,  dali  die  Sage,  indem  sie  Worms  als  die  Hauptstadt  des 
Burgunden  Günther  nennt,  damit  ein  historisches  Factum  bewahrt,  habe. 


ÜBER  LACHMANNS  KRITIK  DER  SAGE  VON  DEN  NIBELUNGEN.        265 

dadurch  zur  Sage  wird ,  daß  sie  das  wirklich  Gescheheue  in  seinen 
Einzelheiten  umformt,  wenn  auch  nicht  willkürlich,  sondern  nach  be- 
stimmten Gesetzen,  welche  die  Forschung  festzustellen  hat.  Von  diesem 
richtigem  Standpunkte  rausste  auch  untersucht  werden  ,  wie  die  Sage 
dazu  kam,  Dietrich  von  Bern  und  Irnfried  von  Thüringen,  welche  Lach- 
mann doch  auch  für  geschichtliche  Personen  hält ,  aber  nur  aus  der 
Nibelungensage  entfernt  (S.  336)  ,  in  die  Kämpfe  mit  den  Burgunden 
zu  verflechten.  Eben  so  vermissen  wir  eine  Untersuchung  über  die  hi- 
storischen Verhältnisse,  in  welche  Siegfried  ungeachtet  seiner  ursprüng- 
lich göttlichen  Natur  von  der  Sage  gebracht  wird. 

Doch  ist  Lachmann  die  Ausscheidung  des  Historischen  noch  besser 
gelungen,  als  die  Erkenntniss  des  Religiösmythischen,  wovon  er  äußerst 
mangelhafte  Begriffe  hat.  Mythisch  ist  ihm  nämlich  zunächst  dasjenige, 
was  nicht  geschichtlich  ist.  Darum  vermuthet  er  in  Rüdiger  von  Beche- 
laren  ein  ursprünglich  göttliches  Wesen  (S.  338),  weil  er  in  der  Geschichte 
nicht  nachweisbar  ist*),  und  erklärt  auch  Siegfried  für  einen  Gott,  weil, 
wenn  er  wirklich  zu  Attilas  Zeit  oder  nachher  gelebt  hätte,  doch  wohl 
in  den  fränkischen  Geschichten  sich  irgend  etwas  darauf  beziehen  würde 
(S.  335).  Daraus  folgt  aber  nichts.  Denn  es  könnte  ja  das,  was  von 
Siegfried  erzählt  wird,  zugleich  mit  seinem  Namen  so  entstellt  und  ver- 
fabelt sein,  daß  natürlich  die  Geschichtsquellen  nichts  genau  Entspre- 
chendes enthalten,  oder  es  könnte  die  ganze  Gestalt  auf  einer  poetischen 
E'findung  beruhen.  Wenn  aber  auch  ein  König  Siegfried  wirklich  ge- 
lebt hätte,  so  könnte  sich  doch  an  seinen  Namen  ein  religiöser  Mythus 
geheftet  haben,  wie  ja  auch  Einiges,  was  in  das  Gebiet  des  Mythischen 
gehört,  von  Dietrich  von  Bern,  dem  ostgothischen  Könige  Theoderich, 
berichtet  wird  ,  und  wie  mit  der  geschichtlichen  Sage  von  Karl  dem 
Großen  manche  religiöse  Elemente  ,  wenn  auch  nur  zum  Theil  heid- 
nische, verbunden  sind.  Dann  ist  nach  Lachmann  mythisch,  was  wun- 
derbar ist  **).  Aber  wie  nicht  alle  Blumen  Rosen  sind  ,  so  ist  auch 
nicht  alles  mythisch  ,  was  wunderbar  klingt.  Andererseits  kann  auch 
das  durchaus  Menschliche ,  das  von  Helden  erzählt  wird ,  auf  einen 
religiösen  Mythus  weisen,  da  bekanntlich  das  Heidenthum  seine  Götter 
in  den  Mythen  mehrfach  menschliche  Schicksale  erfahren  lässt  Was 
kann  man   ferner   von  einem   solchen  Standpunkte   aus    denjenigen   er- 

*)  In  Haupts  Zeitschr.  10,  163  wird  gesagt,  daß  er  derselbe  mit  dem  Knecht 
Ruprecht  sei ,  der  einst  ein  Begleiter  und  Diener  des  höchsten  Gottes  war.  —  Ist  das 
Ernst  oder  Scherz? 

**)  ^gl-  z.  B.   S.  339:  die  Völsungar  weisen  uns  in  ein  durchaus  wunderbares 
und  fabelhaftes  Land.  Von  den  Völsungen  wird  uns  nichts  als  Mythisches  berichtet  u.  s.  yv- 


266  W.  MÜLLER 

wid(n-n,  die  das  Wunderbare  aus  der  dichterischen  Erfindung  herleiten? 
und  gibt  es  nicht  auch  spätere  Auswüchse  der  Sage,  die  wunderbar 
klingen,  aber  keine  Mythen  sind? 

Aus  diesen  mangelhaften  Ansichten  über  die  mythischen  und  histo- 
rischen Bestandtheile  der  Heldensage  erkläi't  sich  nun,  wie  Lachmann 
auf  den  höchst  seltsamen  Gedanken  kommen  konnte,  die  Nibelungen- 
sage für  eine  Zusammensetzung  aus  einem  Mythus  von  Siegfried  und 
Günther,  dem  König  des  Nebelreichs,  und  einer  geschichtlichen  Sage 
von  dem  Untergang  des  burgundischen  Königs  Günther  durch  die  Hünen 
zu  halten.  Da  Günther,  das  ist  seine  wunderliche  Art  zu  schließen, 
wobei  schon  die  Prämissen  falsch  sind,  mit  Siegfried,  der  nicht  gelebt  hat 
und  folglich  ein  Gott  ist,  in  Verbindung  gesetzt  wird,  so  muß  auch  er 
ein  Gott  und  zwar ,  weil  Nibelung  mit  dem  Worte  Nebel  zusammen- 
hängt und  an  Niflheimr  und  Niflhel  anklingt,  ein  Gott  des  Nebelreichs 
oder  ein  nächtlicher  Gott  sein ;  er  führt  zwar  denselben  Namen ,  wie 
der  burgundische  König  Günther,  der  in  der  Sage  und  in  der  Geschichte 
von  den  Hünen  besiegt  wird,  ist  aber  von  diesem,  der  wirklich  gelebt 
hat,  ganz  verschieden.  Um  diese  Ansicht  zu  stützen,  die  zunächst  wohl 
dadurch  veranlasst  wurde,  daß  Günther  sowohl  König  der  Burgunden, 
als  König  der  Nibelunge  genannt  wird  (was  er  nicht  verstand  oder 
nicht  verstehen  wollte),  und  in  dem  Doppelnamen  Kriemhild  und  Gu- 
drun für  Siegfrieds  Gattin  in  der  deutschen  und  in  der  nordischen  Sage 
einen  scheinbaren  Haltpunkt  fand*),  musste  er  denn  auch  die  Nibelunge 
als  erste  Besitzer  des  Schatzes  ,  wie  sie  allein ,  mid  zwar  nicht  ohne 
Verwirrung,  die  süddeutsche  Sage  kennt,  den  übrigen  Quellen  gegen- 
über willküi'lich  festhalten,  dieselben,  obgleich  von  ihnen  in  der  Sage 
nichts  Eigenthümliches  und  Charakteristisches  vorkommt,  zu  dämoni- 
schen Wesen  machen,  von  denen  die  nordische  und  deutsche  Mytho- 
logie nichts  weiß  ,  und  sich  einen  angeblich  ältesten  Zusammenhang 
der  Sage  erdenken,  der  von  den  Quellen  weit  abliegt  und  in  nordischen 
oder  deutschen  Mythen  keine  Analogieen  hat.  Und  doch  ließ  sich  sein 
Resultat  nicht  ohne  einen  methodischen  Fehler  erreichen,  den  wir  noch 
besprechen  müssen. 

Lachmann  will  nach  S.  345  zu  seinem  Ergebnisse  durch  eine  noth- 


*)  Beweise,  die,  wie  Jemand  in  Haupts  Zeitschr.  10,  155  sagt,  Lachmann  für  diese 
seine  Ansicht  gegeben  hat,  finde  ich  in  seiner  ganzen  Abhandlung  nicht.  Ein  weiterer 
Beweis  ist  es  auch  nicht,  wenn  dort  der  Doppelname  Brünhild  und  Sigurdrifa  hervor- 
gehoben wird,  und  darauf  hin  aus  der  einen  Brünhild  zwei  mythische  Wesen  gemacht 
werden.  Brünhild  .soll  die  Walküre ,  Sigurdrifa  ein  dem  echten  lichten  Göttersoline, 
dem  Walsung  Sigufrid  gleichartiges  Wcscu  sein. 


ÜBER  LACHMANNS  KRITIK  DER  SAGE  VON  DEN  NIBELUNGEN.        267 

weudig^e  Kette  von  Untersuchungen  gelangt  sein,  ohne  sieh  vorher  will- 
kürlich ein  Ziel  gesteckt  zu  haben,  aber  es  fehlt  in  dieser  Kette  ein 
nothwendiges  Glied.  Er  weist  nämlich  im  Eingange  seiner  Untersuchung 
selbst  nach,  daß  die  Sage  unter  den  Nibelungen,  über  welche  Günther 
herrscht ,  die  Franken  versteht ,  was  auch  ohne  alle  andern  Gründe 
schon  daraus  folgen  werde,  daß  in  der  Klage  und  im  Biterolf  Günthers 
Unterthanen  Burgunden,  aber  auch  Franken  oder  Rheinfi-anken  genannt 
werden.  Statt  nun  aber ,  und  das  ist  eben  ein  methodischer  Fehler, 
zuvörderst  von  diesem  richtigen  Standpunkte  aus,  auf  den  die  Forschung 
zimächst  führte,  die  Kritik  der  Sage  w^eiter  zu  verfolgen,  wobei  denn 
der  Anklang  des  Namens  Nibelunge  an  Niflheimr  und  Niflhel  und  über- 
haupt seine  etymologische  Deutung  gar  nicht  in  Betracht  kommen  würde, 
begibt  er  sich  mit  einem  Sprunge ,  mit  der  unbewiesenen  Annahme, 
daß  sie  dämonische  Wesen  sind ,  auf  jenes  schlüpferige  Gebiet ,  auf 
welches  wir  ihn  begleitet  haben ,  und  zwar  allen  Quellen  zuwider. 
Denn  auch  der  Dichter  des  Waltharius  bezeichnet  Günther,  der  zu 
Worms  am  Rheine  wohnt,  und  Hagen,  den  er  von  Troja  abstammen 
lässt,  woher  sich  die  Franken  leiteten,  als  Nibelungen-Franken*).  Das 
bringt  aber  Lachmann  von  seinem  Irrthume  nicht  ab.  Die  Annahme 
von  verschiedenen  Personen,  die  nur  denselben  Namen  führen,  ist  ja 
so  leicht,  daß  sie  auch  hier  bald  aushilft.  Zwar  weiß  er  nicht,  ob  die 
Sage  von  Walther  historisch  oder  mythisch  zu  deuten  ist ,  aber  das 
(vgl.  S.  335)  weiß  er ,  daß  der  Günther  ,  der  in  derselben  aufti'itt, 
entweder  ursprünglich  nicht  dazu  gehörte  ,  oder  gar  ein  dritter  ist 
(d.  h.  weder  der  Nibelung,  der  in  der  Siegfriedssage  auftritt,  noch 
der  Burgunde,  der  von  Attila  besiegt  wird),  weil  dieser  Günther  höchst 
feige  und  mit  Verlust  eines  Beins  streitet ;  gleich  unwürdig  der 
WaflFengefährtschaft  Siegfrieds  imd  des  Todeskampfes  bei  Attila.  Damit 
hat  er  freilich  nur  gezeigt,  daß  die  Sagenforschung  nicht  sein  Gebiet 
war,  da  ihm  nicht  bekannt  ist,  daß  jede  Stammessage  (die  von  Walther 
gehört  einem  andern  Stamme  an,  als  die  Nibelungensage)  fiir  ihren 
Stammeshelden  Partei  nimmt.  In  Beziehung  auf  Hagen  wird  S.  336 
Folgendes  gesagt:  mit  den  burgundischen  Königen  und  Attila  mag  er 
wohl  ursprünglich  nichts  zu  thun  haben :  daß  in  Siegfrieds  und  der 
Nibelunge  Sage  ein  Hagen  vorkommt  und  in  Walthers  Sage,  falls  sie 
historisch  ist,  ein  anderer,  ist  eben  so  wenig  wunderbar,  als  wenn  zu 
Siegfried  ein  Günther  gehört  und  ein  anderer  von  Attila  besiegt  wird, 


*)  Mehrfach  nennt  er  sie  auch  nur  Franken  ,    und  Hagen  wird  1435    „lusce  Si- 
camber"  angeredet.  Vgl.  Grimm  S.  122. 


208  ^^'-  Mi'I^r^ER,  ÜBER  LACHMANNS  KRITIK  etc. 

als  wciiu  auch  in  der  Gudrun  ein  Hagen  und  ein  Siegfric.'d  auftritt. 
So  muß  ein  Irrthura  den  andern  stützen ,  und  bei  der  Herbeiziehung 
der  gleichen  Namen  in  der  Gudrun  traut  man  seinen  Augen  nicht. 
Werden  denn  in  der  Gudrun  nicht  Hagen  König  von  Irland  und  Sieg- 
fried von  Morland  genannt  und  damit  als  verschiedene  Personen  be- 
zeichnet? Unter  Aias,  Telamons  Sohn,  verstand  die  griechische  Helden- 
sage "immer  den  einen  bekannten  Held,  daß  Aias,  der  Sohn  des  Oileus, 
der  Lokrer,  ein  Anderer  war,  wusste  Jedermann. 

Über  Lachmanns  Verirrung  muß  man  sich  um  so  mehr  wundern, 
weil  er  selbst  (S.  335)  geahnt  hat,  daß  der  Grund  zu  der  Doppel- 
benennung Günthers  als  Königs  der  Burgunden  und  der  Nibelunge  in 
der  Vermischung  der  Burgunden  mit  den  Franken  zu  suchen  sei,  die 
ja  nachher  das  burgundische  Reich  verschlangen.  Nachdem  die  bur- 
gundische  Sage  von  der  Niederlage  des  Königs  Günther  auf  die  Franken 
übergegangen  war,  wurde  derselbe  auch  als  König  der  Nibelunge  d.  h. 
der  Franken  aufgefasst,  wovon  unsere  Quellen,  wie  bei  einer  andern 
Gelegenheit  gezeigt  werden  soll^,  noch  manche  Spuren  bewahrt  haben. 

Mit  unserer  Darlegung  ist  nun  hinlänglich,  und  für  Kenner  wohl 
zu  ausführlich ,  gezeigt ,  daß  der  schon  von  Fr.  H.  v.  d.  Hagen  ge- 
äußerte Gedanke,  wornach  die  Nibelunge  dämonische  Wesen  sind  und 
mit  Niflheimr  und  Niflhel  zusammenhangen,  auch  von  Lachmann  nicht 
bewiesen  ist.  Die  Zusammenstellung  Siegfrieds  mit  dem  nordischen  und 
deutschen  Gotte  Balder ,  mag  sie  nun  eine  Identification  sein  sollen 
oder  nicht  *)  ,  lässt  sich  ,  wie  sich  schon  aus  dem  Folgenden  ergibt, 
eben  so  wenig  halten. 

Daß  die  Sage  von  Siegfried  uns  auf  das  Gebiet  des  religiösen 
Mythus  führt ,  erhellt  besonders  aus  seinem  Drachenkampfe  und  dem 
Ritte  durch  die  Wabei'lohe  **) ,  weil  ganz  Entsprechendes  oder  doch 
Analoges  in  der  nordischen  und  in  andern  Mythologieen  von  Götteni 
berichtet  wird.  Darauf  hat  Lachmann,  der  überhaupt  die  nordische  und 
deutsche  Mythologie  zu  wenig  herbeizieht,  kein  Gewicht  gelegt.  Aus 
seiner  Argumentation  folgt  dagegen  noch  nicht  einmal  die  ursprünglich 
göttliche  Natur  Siegfi-ieds,  weil  diese  weder,  wie  wir  gesehen  haben, 
aus  dem  Wunderbaren  zu  erweisen  ist ,  das  von  ihm  erzählt  wird, 
noch  aus  dem  Umstände  geschlossen  werden  kann,  daß  der  Name  Sieg- 
fried vor  dem  Ende  des  siebenten  Jahrhunderts  sich  nicht  findet  (S.  344). 


*)  Den  Ausdruck  S.  344,  daß  diese  Vergleichung  keine  rohe  Identification  sein 
soll,  verstehe  ich  nicht. 

**)  In  dem  Mytlius  von  Balder  findet  sich  nichts  Ähnliches. 


REINHOLD  KÖHLER,  Zl^  V.  D.  HAGENS  GESAMMTABENTETJEK.        2G9 

Bei  der  Vergleichung  der  Siegfriedssage  und  des  Mythus  vou 
Balder  ergibt  sich  auch  ,  daß  die  Ähnlichkeit  sich  darauf  beschränkt, 
daß  beide  getödtet  werden ,  und  daß  Siegfrieds  Mörder  einäugig, 
Hödhr  aber,  welcher  den  Balder  erschlägt,  blind  ist.  Hieraus  folgt  nur,- 
daß  Siegfrieds  Tod  der  Annahme  ,  daß  er  ursprünglich  ein  Gott  sei, 
nicht  widerspricht,  während  der  zweite  Umstand  nur  für  ein  zufälliges 
Zusammentreffen  gelten  kann.  Denn  in  allen  übrigen  Stücken  zeigen, 
beide  Erzählungen  bedeutende  Abweichungen ,  mag  man  den  Mythus 
von  Balders  Tode  nach  der  Jüngern  Edda  vergleichen  oder  auf  Saxo 
•Grammaticus  zurückgehen,  dessen  Bericht  einige  ursprünglichere  Züge 
bewahrt  hat*). 

GÖTTIN  GEN,  im  April  1869. 


ZU   VON   DER  HAGENS   GESAMMTABENTEUER 

NR.  LXIII. 

Ein  mittelhochdeutsches  Gedicht  von  Heinz  dem  Kellner  (von  der 
Hagen  Gesammtabenteuer  Nr.  LXHI)  erzählt  von  einer  Königstochter, 
die  nur  den  zum  Mann  haben  will ,  der  sie  ^drier  dinge  überreden, 
d.  h.  dreimal  so  im  Kedeu  überbieten  könne,  daß  sie  nichts  darauf  zu 
erwidern  wisse.  Wer  sich  des  Wagnisses  unterfängt ,  aber  unterliegt, 
verliert  den  Kopf.  Konni,  ein  Bauernbursch  an  Leib  und  Tracht,  in 
Worten  und  Werken  ein  Narr ,  macht  sich  auf  den  Weg  ins  Schloß. 
Er  nimmt  von  zu  Hause  ein  Ei  mit,  welches  er  in  seinem  Busen  trägt. 
Unterwegs  findet  er  einen  Eggenzahn,  den  er  in  seinen  Ärmel  steckt. 
Im  Schloß  angekommen,  überisst  er  sich  beim  Nachtessen  so,  daß  ihn 
in  der  Nacht  heftiges  Bauchgrimmen  überfällt.  Er  entleert  sich  in  seine 
Kappe  imd  nestelt  sie  zu.  Am  Morgen  wird  er  vor  die  Pi'inzessin  ge- 
führt. Er  muß  die  Rede  beginnen  und  spricht:  'Frau,  wie  ist  Euch 
der  Mund  so  roth!'  Sie  antwortet:  'Es  ist  Feuer  darin.'  Er  erwidert: 
Frau,  so  siedet  mir  das  Ei!'  Sie  entgegnet:  'Narr,  stoß  es  dir  in  den 
Hintern!'  Da  zieht  er  den  Eggenzahn  hei'vor:  Das  passt  besser  dazu, 
ein   Ei   bringe   ich    nicht  hinein.'    Zornig    ruft  sie:    'Das  ist  versch — !' 


*)  Saxo  kennt  die  Einmischung  des  bösen  Gottes  Loki  nicht,  der  dem  ursprüng- 
lichen Mythus  auch  hier  wohl  fremd  ist.  Nach  ihm  kämpft  Balder  mit  Hotherus,  von 
dessen  Blindheit  nicht  die  Rede  ist,  um  den  Besitz  der  schönen  Nanna.  Das  ist  ein 
echt  mythisches  Motiv,   wovon   sich  in    der  Siegfriedssae:e  nichts  findet. 


070         REINHOLD  KÖHLER,  ZU  V.  D.  HAGENS  GESAMxMTABENTEÜER. 

üa  öftiiet  er  seine  Kappe  und  sagt:  'Nein,  das  ist  gesch — !'    So  hatte 
er  die  Prinzessin  überwunden. 

Es  ist  mir  nicht  bekannt,  daß  dieser  Schwank  sonst  noch  in  den 
Litteraturen  des  Mittelalters  vorkömmt ,  wohl  aber  findet  er  sich  in 
neueren  Volksmärchensammlungen. 

Ein  österreichisches  Märchen  (Vernaleken  Österreichische  Kinder- 
und  Hausmärchen  Nr.  55)  erzählt  Folgendes  :  Eine  Königstochter  will 
nur  den  heiraten ,  der  ihr  drei  Fragen  beantworten  kann.  Der  blöde 
Hans ,  dessen  ältere  kluge  Brüder  das  Wagstück  vergeblich  unter- 
nommen haben,  begibt  sich  auch  nach  dem  Schloß.  Unterwegs  findet 
er  einen  Nagel  und  ein  Ei  und  steckt  beides  ein.  Im  Schloß  überfällt 
ihn  ein  Bedürfniss,  er  weiß  sich  mit  einem  Tuch  zu  helfen  und  steckt 
das  Tuch  in  die  Tasche.  Als  er  vor  die  Königstochter  geführt  worden 
ist,  sagt  diese:  'Ich  habe  Feuer  im  Leibe!'  Er  erwidert:  'Und  ich  habe 
ein  Ei  im  Sack,  das  können  wir  also  sieden!'  'Unsere  Pfanne  hat  ein 
Loch,'  entgegnet  sie,  worauf  er:  'Und  ich  habe  einen  Nagel,  damit 
können  wir  das  Loch  verschließen!'  'Ja^  einen  Dreck!'  sagt  die  Prin- 
zessin. 'Den  habe  ich  auch  im  Sack,'  erwidert  Hans  und  hat  gewonnen. 

In  einem  englischen  Märchen  (Halliwell  Populär  Rhymes  and  Nur- 
sery  Tales  S.  32)  ist  die  Prinzessin  die  Tochter  des  Königs  von  Ost- Angeln. 
Zwei  Söhne  eines  Edelmanns  aus  Cumberland  ziehen  aus,  um  die  drei 
Fragen  der  Prinzessin  zu  lösen,  und  ihr  jüngster  Bruder,  der  närrische 
Jack,  begleitet  sie.  Unterwegs  findet  er  ein  Ei,  dann  ein  Reis  von  einer 
Haselstaude  und  endlich  eine  Haselnuß  und  steckt  alles  ein.  Im  Schloß 
werden  sie  zur  Prinzessin  geführt.  'Was  für  schöne  Damen  gibt  es  hier! 
ruft  Jack.  'Ja,'  sagt  die  Prinzessin,  'wir  sind  schöne  Damen,  denn  wir 
haben  Feuer  im  Busen.'  'Dann  siedet  mir  ein  Ei!'  sagt  Jack  und  zieht 
ein  Ei  hervor.  'Wie  wollt  Ihr's  wieder  herausbekommen  ?'  fi-agt  die 
Prinzessin.  'Mit  diesem  Haken,'  erwidert  Jack  und  zeigt  das  krumme 
Reis.  'Wo  kam  das  her?'  fragt  die  Prinzessin.  'Von  einer  Nuß!'  ant- 
wortet Jack  xmd  zeigt  seine  Nuß.    So  hat  er  gewonnen. 

Femer  als  diese  beiden  Märchen  steht  dem  altdeutschen  Gedicht 
ein  norwegisches  Märchen  (Asbjörnsen  og  Moe  Norske  Folkeeveutyr 
Nr.  4).  Eine  Königstochter  soll  den  heiraten,  der  sie  zum  Schweigen 
bringen  (maalbinde)  kann.  Drei  Brüder,  von  denen  die  beiden  ältesten 
als  klug  gelten,  der  jüngste  aber,  Aschenbrödel  (AskepotJ,  einfältig  ist, 
wollen  ihr  Glück  versuchen.  Unterwegs  findet  Aschenbrödel  ein  Weiden- 
reis, dann  eine  Scherbe  von  einer  Schüssel,  hernach  einen  todten  Staar, 
hierauf  zwei  Bockshörner  und  endlich  eine  ausgegangene  Schuhsohle 
feil  udgaaet  Skosaale).  Allemal  wenn  Aschenbrödel  eines  dieser  Stücke 


H.  RÜCKERT,  FRAGMENTE  EINER  NEUEN  HANDSCHRIFT  etc.         271 

findet,  heißen  ihn  die  Brüder  es  wegwerfen,  aber  er  erwidert:  'Nein, 
das  ist  gut,  nm  die  Jungfrau  damit  zu  gewinnen !'  *)  Bei  der  Prinzessin 
angelangt,  fragt  er:  'Kann  ich  nicht  meinen  Staar  gebraten  kriegen?' 
'Ich  fürchte,  er  birst,'  erwidert  die  Prinzessin.  'Ach,  das  hat  keine  Noth, 
ich  binde  dies  Weideni'eis  darum,'  sagt  der  Junge.  'Aber  das  Fett  läuft 
heraus,'  sagt  sie.  'Ich  halte  dies  unter,'  erwidert  er  und  zeigt  die  Scherbe 
vor.  'Du  bist  so  krumm  in  der  Rede,'  entgegnet  die  Prinzessin.  'Nein, 
ich  bin  nicht  krumm,  aber  das  ist  krumm,'  sagt  er  und  holt  das  eine 
Hörn  hervor.  'Nein^  ein  gleiches  habe  ich  noch  nie  gesehen!'  ruft  sie. 
'Hier  siehst  du  ein  gleiches,'  erwidert  er  und  zeigt  das  andere  Hörn. 
'Ich  glaube,  du  bist  ausgegangen,  um  mich  zum  Schweigen  zu  bringen,' 
sagt  sie.  Nein,  ich  bin  nicht  ausgegangen,  aber  das  ist  ausgegangen,' 
antwortet  er  und  zeigt  die  Schuhsohle  vor.  Darauf  weiß  die  Prinzessin 
nichts  zu  erwidern  und  muß  ihn  heiraten. 

Ohne  Zweifel  begann  die  Unterredung  im  norwegischen  Märchen 
ursprünglich  auch  damit,  daß  die  Königstochter  sagt,  sie  habe  Feuer 
im  Mund  oder  im  Busen ,  worauf  Aschenbrödel  sie  auffordert ,  ihm 
damit  seinen  Staar  zu  braten. 

WEIMAR,  Mai  1868.  REINHOLD  KÖHLER. 


FRAGMENTE  EINER  NEUEN  HANDSCHRIFT 
VON  WOLFRAMS  WILLEHALM. 

Durch  Herrn  Gymnasiallehrer  Jankowski  in  Krotoschin  (Provinz 
Posen)  habe  ich  die  folgenden  Bruchstücke  einer  Handschrift  des  Wille- 
halm erhalten.  Sie  befanden  sich  an  dem  Einbände  eines  Buches,  welches 
der  Bibliothek  des  ehemaligen  Trinitarierklosters  daselbst  angehört. 

Die  Handschrift  ist  Pergament  von  sehr  feiner  Textur  und  mäßig 
geglättet,  von  derselben  Art,  wie  man  es  sehr  häufig  in  den  werthvol- 
leren  Hss.  Schlesiens  und  der  benachbarten  Landschaften  aus  dem  13. 
und  14.  Jhd.  findet.  Sie  war  vierspaltig  im  größten  Folio,  wahrschein- 
lich 50 — 60  Zeilen  auf  einer  Spalte.  Die  Zeilen  stehen  zwischen  Linien, 
die  mit  der  Reißfeder  gezogen  sind.  Jede  Zeile  enthält  gewöhnlich 
einen  Vers,  nur  selten  hat  es  das  Raumbedürfniss  veranlasst,  daß  der 
Schluß  eines  Verses   entweder   an  das  Ende    der  vorhei'gehenden   oder 


*'i  Ich  erzähle  uach  der  Variante  S.  391.  In  der  Haupterzählung:  t;elieu  die  älte- 
sten  Brüder  für  sich  und  dann  Aschenbrödel   ohne  sie. 


272  H.  KÜCKEUT 

folgenden  Zeile  gesetzt  ist ,  was  von  dem  Schreiber  stets  durch  die 
bekannten  Verweisungszeichen  angedeutet  wird.  Puncte  finden  sich 
nirgends  am  Ende  der  Verse,  und  im  Laufe  derselben  nur  an  einer  Stelle. 

Die  Bruchstücke,  die  mit  großen  Lücken  von  371,  6  bis  409,  6 
reichen,  sind  von  einer  Hand.  Sie  gehört  noch  der  zweiten  Hälfte  des 
13.  Jlid.  aU;,  wie  die  Form  des  z,  der  seltene  Gebrauch  des  sogenannten 
Schluß-s  und  überhaupt  der  ganze  Charakter  der  Schrift  bezeugt.  Der 
Schreiber  scheint  recht  sorgfältig  gewesen  zu  sein  und  sich  nicht  damit 
begnügt  zu  haben,  eine  dem  Auge  gefällige  Leistung  hervorzubringen. 
Denn  wenn  es  auch  keine  eigentliche  Prachthandschrift  war ,  so  gibt 
ihr  doch  das  werthvolle  Material,  die  Zierlichkeit  der  Buchstaben,  be- 
sonders der  wenigen  erhaltenen  Initialen  —  sie  sind  sämmtlich  roth  — 
den  Charakter  einer  über  den  mittleren  Durchschnitt  gehenden  Arbeit. 
Wirkliche  Schreibfehler  sind  selten  und  die  meisten  davon  betreffen 
bloß  die  Wortfolge  und  sind  von  derselben  Hand  verbessert. 

Die  Grundlage  des  Textes  stimmt  zu  keiner  der  bisher  bekannten 
Handschriften  und  Fragmente  völlig,  am  meisten  noch  mit  Lachmanns  w, 
wie  der  Abdruck  bei  Franz  Pfeiffer  Quellenmat.  II,  83  ausweist. 

w  wird  von  Pf.  für  eine  thüringische  Hs.  gehalten.  Unsere  Frag- 
mente gehören  gleichfalls  unzweifelhaft  Mitteldeutschland  an,  aber  einer 
weiter  nach  Osten  gelegenen  Landschaft.  Eine  Anzahl  von  Besonder- 
heiten, die  sich  in  den  schlesischen  und  lausitzischen  Hss.  dieser  und 
späterer  Zeit  finden  und  ihnen  bei  aller  Gemeinschaft  des  mitteldeutschen 
Idioms  doch  wieder  eine  besondere  mundartliche  Färbung  geben,  sind 
hier  anzutreffen.  Dahin  rechne  ich  das  durchgehende  sh  für  seh,  h  im 
Auslaut  für  ch,  und  gleichzeitig  ch  vor  Consonanten  im  Inlaut,  die  Er- 
haltung der  echt  mhd.  Tennis  für  Media  im  Auslaut ,  die  in  andern 
mitteld.  Sprachdenkmälern  sehr  frühe  verdrängt  wird  oder  niemals  Ein- 
gang geftmden  hat.  Natürlich  bringt  es  das  Alter  und  die  relative 
Sorgfalt  des  Schreibers ,  der  sich  ofi'enbar  an  eine  recht  gute ,  der 
Originalmundart  des  Dichters  nahestehende  Hs.  anlehnt,  mit  sich,  daß 
alle  solche  Localzüge  nur  in  beschränktem  Umfange  auftreten.  Aber 
es  ist  kein  einziger  darunter,  der  nicht  gerade  für  die  Heimat,  der  ich 
diese  Blätter  zuweise,  und  im  Zusammenhange  mit  den  andern  nur  für 
sie  passt.  Schon  in  dieser  Hinsicht,  als  Beleg  für  die  Verbreitung  einer 
berühmten  deutschen  Dichtung  bis  in  die  äußersten  Ostmarken  unseres 
damaligen  Colonisationsgebietes,  verdienen  die  Bruchstücke  einige  Be- 
achtung, weshalb  ich  sie  hier,  soweit  mir  ihre  oft  sehr  mühsame  Ent- 
ziflferung  geglückt  ist,  diplomatisch  getreu  mittheile.  Die  Abbreviaturen 
sind  nur  da  aufgelöst,  wo  über  ihre  Bedeutung  gar  kein  Zweifel  ist. 


FRAGMENTE  EINER  NEUEN  H.>^.  VON  WOLFRAMS  WILLEHALM,      273 


I  =  Lachm.  371,  6 

.  .  .  .wol  streit  sina 

.  .  .  .alda  II  guns  shar 

....  mausura 

ruii 

10    .  .  wol  räche  tun 

vnd  des  frumen  ersiclanden  ^) 

....  ren  die  |  den  sechsten  ku  ') 
15    ....  ouh  reit  |  nie  ih  nenne  hi 

.  .  getouften  streit 

....  femeiz  |  von  dem  die  ebin 

.  .  .  wile  her  lebte  \  ture  weiz 
20    .  .  .strebete 

...  musten  kummer  doln 

.  .  .r  slachte  Ion  erholn 

.  .  .nen  brachten 

.  .  .  .dachten 

.  .  .  ir  ende 

11^  372,  24 

Quam  vor 

25   gloriax.   Mala... 

quam  vor  dem .  .  . 

die  geflorirt 

vh  mochte  ni .  .  . 

ir  zimmirte.  .  . 

di  muste  man  türe .  .  . 
373   der  starke  graue  la.  .  . 

vurte  den  uanen  ho .  .  . 

der  kune  herzöge  ber. 

mit  grozim  pondir.  . 
5   karte  gegen  den.  .  . 

her  wante  gisel  vin .  . 

vor  sinen  sun  ber .  .  . 

die  tiost  von  fabo .  .  . 

vnde  greif  inin  d.  .  . 
1 0   daz  ors  truc .  .  . 

111  =  387.  7 
daz  ich  sin  er  clarheit  siner  iugint 
siner  milte  vnd  al  siner  tugint 
gespreche  ir  recht  daz  ane  var 

10    siner  zite  shar 

....  herze  was  genendic 
.  .  shar  waren  ouch  unben .  . 


...  so  sere  uon  ime  gestrebt 
Ir  k.  .n  doch  bi  mir  nü  lebt 

15   dem  igez  zu  leide  nu  kose 
der  kunic  von  falpinose 
Mit  sinen  vz  der  shar  do  brach 
nah  dem  kunige  man  varen  sah 
von  ianfunse  gorsant 

20   nach  dem  kimige  vur  zuhaut 
von  Nauriende  Rubual 
nach  dem  kunige  vur  sunder  twal 
der  stolze  kunic  pohereiz 
Mit  crefteclichem  puneiz  ') 

27    dar  nach  für  iosuweises  shar, 
alle  di  sin  mit  swerten  bar 

IV  =  388,  22 
da  beleip  der  heidenshaf .  . 
tot  von  rennewartes.  .  . 
der  ne  warp  niht  an.  .  . 
25   Bertram  was  im  sippe  niht  |  umme 
phant 
Rennewarten  man  da  silit 
vor  sinen  shargenozen 

mit  stark 

franzoyser  wurden  ouch  nicht  ge 
Sie  begonden  shrien  Rennewart 
I  spart 
389   Sie  woldin  vristen  gerne  ir  lebn 
daz  herzeichen  was  in  gegebn 
da  si  der  markis  sharte 
vn  des  riches  vanen  bewarte. 
5   Fransojsern  wart  do  kummer  kunt 
weren  sie  über  pittitpunt 
mit  gemache  heim  geuarn 
Sone  weren  sie  mit  so  manchin 
So  ungeuuclich  nicht  getretet 
j  sharn 
10   da  wart  emmereiz  errettet 
vn  der  kunic  Tybalt  von  kler 

V  =  390,  4 
daz  liegen  sold  ich  hau  verswigen 
5   Beginnet,  .tslicher  spreehin 
wan  let.  .  .  selbe  bi-echin 
den  walt  einen  andirn  mau 


')  11  ist  spurlos  ausgefallen.  ')  14  oftenbar  tirspriinglich  vergessen,  ist  später 
von  derselben  Hand  am  Schhisse  von  13  und  15  zugesetzt ;  der  gleiche  Fall  ist  18. 
^)  Nach  24  sind  2  Zeilen  ausgefallen. 

GKli.MANlA.  Nduc   Reilie  II.  (XIV.)  Jahrg.  18 


274    H-  RÜCKERT,  FRAGMENTE  EINER  NEUEN  HANDSCHRIFT  etc. 


vn  habe  he  verne  hin  dan 
Po .  .  .  der  kunic  von  .  abs 

10  weder  stabfes  noch  drabs 
quam  her  geuam  in  den  strit 
her  gap  rechte  als  man  da  git 
den  orsen  wunden  mit  den  sporn 
im  was  vf  terrameren  zom 

15   daz  hernach  den  siben  sharn 
alrest  nach  rittershaft  hiz  varn 
her  sprach  het  ich  ni  strit  getan 
ih  vure  so  manigen  werdin  *)  man 

20   vz  fünf  kunicrichin  daz  ih  billi- 
chin  ^) 
den  behurt  solde  han  erhabn 
man  darf  mich  harte  wenic  labn 
nach  maniger  quashure 
die  ich  durch  ebintüre 

VI=391,  17 

swaz  ir  da  was  zu  bed .  .  . 
die  wapin  trugin  in  den  strit 
swaz  man  der  da  wesse 

20   als  ob  sie  in  einer  presse 

.    sammine  weren  getwungen 
die  alden  vnd  die  iungen 
rieh  vnd  arm  vbir  al 
daz  waz  ein  witer  notstal 

25   mit  s werten  vor  rigelt 

manic  lehn  wart  vbir  sigelt 
von  des  todes  hantveste 
vnde  uon  des  strites  uberleste 
do  mochte  maniger  sprechin 
da  was  slahin  vnde  stechin 
392  vn  hurtecliches  dringen 

Si  konden  sich  baz  bringen 
zeinander  dan  ich  kunne  gesagen 
keinen  haz  wil  ich  dem  tragen 
5  Der  ez  vch  baz  künde 
secht  wie  des  meres  vnde 

VII  =  404,  1 
der  was  snellir  der  was  la.  . 
vbir  larikand  daz  waz.  . 
hurta  hurta  hurta  hurt, 
wi  da  uz  manigem  vu.  . 


5  manige  sunder  storie  stre .  . 
die  nicht  volliclichen  le.  .  . 
biz  ir  der  tac  brachte  die.  . 
do  quam  die  ellinthafte .  . 
do  karte  die  shar  groz 

10  gein  manigem  amboz 
di  der  touft  hett.  .  . 
der  puneiz  wart  wol  gereckit 
von  rabine  mit  sporn  getriben 
daz  die  karrashe  eine  bliben 

15   dar  vfFe  die  gote  here 
da  vur  mit  terramere 

der rdin 

der  liez  di  gote  ouch  eine  sin 
daz  waz  der  werde  kandilun 

20  deme  vater  volgete  der  sün 
michils  gerner  wan  den  goten 
der  den  rin  vnd  den  roten 
vierzehen  tage  vorswalte 
vii  da')  den  tarn  da  uor  ershalte 

25   dine  geben  al  solchin  guz  nicht 
als  man  terramere  hie  gicht 
her  umme  zoch  ot  al  daz  her 
Nu  waz  die  christiuheit  zu  wer 
80  daz  man  von  ir  tat 
den  endis  tac  zu  sprechin  hat 

VIII  =  405,  30 
Sin  herze.  .  .  . 
406   bi  dem  iamer  w.  .  .ellin 
im  seibin  vn  sinen  gesellin 
di  sine  shilde  trugen 
den  enkonde  nicht  genügen 
5   swaz  sie  d.  .  .  eiden  valten 
an  heyme.  .  .  den  alten 
was  von  samit  ein  kasigan 
Ein  pfellel  dar  vndir  wol  getan 
yser  vnde  palmat 
10   dazwuschen  gestepit  vn  genat 
zwene  hantzgen  des  selben  daran 
Ez  müz  ein  koluir  ouch  han 

IX  =  407,  12 
.  .wart.  . 
.urch  sinen  strit  berufen 


')  man  tcerdin  in  der  Hs.  umgestellt,  aber  später  corri^iert.  '^)  19,  20  vielleicht 
der  Raumersparniss  wegen  auf  eine  Zeile  gesetzt,  ist  erst  später  nachgetragen.  '•')  da 
später  liineincorrigiert. 


OSKAR  SCHADE,  DREI  SAGEN  AUS  DEM  XIV.  JHD. 


275,- 


.vn  al  di  sine  shufen 
15    .Ichim  rum  mit  den  swerten 

daz  da  manige  storie  gerten 

balder  von  ime  zu.  .ren 

dan  da  yr  shadin  .  ren 

Mit  strite  in  do  brachte  ein  tropil 
20   Cernuble  uon  almii'afel 

der  selbe  kunic  kröne 

von  rottummes  tone 

trüc  in  vil  witem  riebe 

der  quam  gegin  heimeriche 

X=408,  7 
.  .  .hat  ot  ein  nasebant 
•  daz  cruce  vant 
.  .  .  .  ir  wete 
10    ...  ritterlicher  tete 
.  .  .eiz  vor  hieldeu 
.  .  houbil  da  spilden 
.Zungen  in  den  munden 
BRESLAU. 


. .  .kreye  künden 
15    ...  .liez  her  ez  walden 
•  karte  gein  dem  alden 

XI  =  408,  23 
daz  geschach  im  nimmer  darnach 
Siner  tochter  sun  her  do  räch 
25   den  claren  viuianzen 

heymeuich  an  dem  glänzen 
der  so  manige  zimirde  truc 
der  von  naribon  den  kunic  slüc 
durch  den  heim  biz  uf  die  zene 
Ob  ich  mich  darumme  nu  sene 
409   daz  ist  ein  verre  sippez  klagen 
di  ir  lehn  dannen  solden  tragen 
Ob  sie  nimmer  strites  gegerten 
mit  lanzen  noch  mit  swerten 
5   di  zur  beider  sit  do  dolten  not 
die  weren  doch  sint  alle  tot. 

H.  RÜCKEET. 


DREI  SAGEN  AUS  DEM  VIERZEHNTEN 
JAHRHUNDERT. 

AUS  EINER  KÖNIGSBERGER  HANDSCHRIFT. 


Li  einer  Handschrift  der  hiesigen  königlichen  und  Universitäts- 
Bibliothek  aus  dem  Ende  des  14.  Jahrhunderts  (cod.  mscr.  Regim.  101), 
die  ihrem  Hauptinhalte  nach  das  Formelbuch  des  Breslauer  Domhei'rn 
Arnold  von  Protzan  enthält  (gedruckt  durch  Prof.  Dr.  W.  Wattenbach 
im  Codex  diplomaticus  Silesiae  Bd.  5,  Breslau  1862,  S.  1 — 295),  in 
ihrem  zweiten  Theile  aber  Schriftstücke  verschiedenes  Inhalts  eines  ge- 
wissen Nicolaus  (Wattenbach  vermuthet  mit  großer  Wahrscheinlichkeit 
in  ihm  den  bischöflichen  Notar  Nicolaus  von  Posen,  Pfarrer  der  Kirche 
zu  Protzan,  der  in  den  Achtzigern  des  14.  Jhd.  flüchtig  geworden,  eine 
Zeit  lang  im  Ermelande  sich  aufhielt ;  den  Inhalt  der  Schriftstücke 
s.  1.  c.  p.  XI — XVII,  größtestheils  abgedruckt  im  xVnhauge  S.  299  ff.) 
—  finden  sich  unter  letzteren  Bl.  134  — 138  drei  zum  Theil  lustige, 
jedesfalls  interessante  ,  für  die  Sageugeschichte  wichtige  Erzählungen, 
die  Wattenbach  leider  nicht  mit  hat  abdrucken  lassen.  Die  erste  han- 
delt von  der  schönen  Frau  eines  Ritters ,  die  durch  die  Stimme  eines 
Phantasma  verführt,  ihrem  Manne  durcligeht  zu  einem  Schuster  in  Trier; 

18* 


276  OSKAR  SCPIADE 

die  zweite  erzählt  von  einer  Zauberin,  die  einen  jungen  Ritter  in  ein 
Pferd  verwandelte;  die  dritte  endlich  von  einem  Schiffbrüchigen,  der 
dem  Tanze  der  Hexen  beiwohnt.  Ich  theile  diese  drei  Erzählungen  hier 
mit  genau  nach  der  Handschrift,  die  Schwierigkeiten  in  der  Lesung 
derselben  durch  Beihilfe  meines  werthen  Collegen  und  Freundes  Hopf 
überwindend. 

1. 

Bl.  134.  Dilecti  fratres,  pro  solacio  narro  fabulam  quam  audivi. 
Fuit  in  diebus  illis  miles  quidam,  iuvenis^,  strenuus,  opulentus  et  multa 
probitate  conspicuus,  habens  uxorem  ingenti  formositate  decoram,  quam 
tenerrime  diligebat.  Contigit  autem  hunc  militem  quadam  vice  transire 
per  viam  tempore  noctis;  iam  tenebrae  terrae  faciem  obumbrabant.  Et 
ecce  fantasma  quoddam  in  humana  effigie  conparuit,  equo  militis  insi- 
dens  retro  sellam ,  cachinnacionibus  ac  risu  pluribus  resolutum  ;  quod 
cum  requireretur  per  militem,  quis  esset  aut  cur  rideret,  respondit: 
'Quid  ad  te,  quis  sim?  sed  rideo,  quod  quidam  magister  Cunczilo,  re- 
novator  veterum  calcioruni;,  manens  in  Treveri,  virile  habet  clenodium, 
tarn  i^  longitudine  quam  in  spissitudine  grossius  ,  quam  hodie  homo 
vivens.''  Quo  dicto  statim  disparuit.  Miles  autem  hec  revolvens  in  animo, 
cogitavit,  quid  hoc  misterium  sibi  velit,  et  sie  procedens  itiucre  suo 
pervenit  ad  domum.  Post  lapsum  vero  temporis  requiescens  in  thalamo 
cum  uxore,  ipsa  sopore  depressa,  memor  miles  misterii  quod  audierat, 
multum  cepit  ridere;  propter  quod  expergefacta  muher  atteucius  requi- 
rebat  maritum  de  huiusmodi  risus  causa.  Maritus  vero  ad  multa  diflu- 
gia  se  convei-tens  avertere  conabatur  uxorem,  ne  sibi  misterium  revelaret. 
Sed  mulierum  mos  est,  ut  quanto  plus  eis  denegatur  quod  postulant 
curiose ,  tanto  curiosiores  facte  archana  couantur  extrahere  de  cor- 
dibus  maritorum.  Unde  nocte  dieque  non  quiescens,  postulat  importuna 
sibi  prodi  misterium,  de  quo  ridebat  maritus.  Tandem  miles,  licet  ani- 
mosus  ac  strenuus,  coniugis  tarnen  victus  precibus  importunis,  sibi  mi- 
sterium revelavit.  Et  illa  coufingeus  se  hoc  invitam  audisse,  obiurgans 
ait:  'Quid  de  hoc  michi  dicitis,  quod  dominabus  non  dicitur  sine  pu- 
doris  iactura  ,  et  sie  imponens  amodo  silencium  ori  suo,  non  minus 
cogitavit,  quomodo  per  experienciam  rei  eognosceret  veritatem,  de  qua 
fantasma  tarn  egregium  testimonium  perhibebat.  Succedente  igitur  tem- 
pore, multis  ymaginacionibus  prelibatis,  oceasionem  tandem  invenit, 
quomodo  salvo  pudore  posset  ad  magistri  Kunezelonis  domicilium  per- 
venire.  Petit  igitur  instanter  maritum,  ut  sibi  det  licenciam  sanctissirae 
virginis  Achisgi*ani  limiua  visitandi.   Maritus  autem   considerans  luven- 


DREI  SAGEN  AUS  DEM  VIERZEHNTEN  JAHRHUNDERT.  277 

tutcm  et  elegauciam  coiitlioralis ,  habens  ex  hoc  iter  eins  suspectum, 
sil)i  donegavit  assensum.  Ipsa  vero  nocturnis  temporibus  et  diurnis 
nuUi  quieti  dedita,  super  hoc  frequeuter  instat  marito  precibus  et  hx- 
crimis,  assereus  se  huiusmodi  rei  votiini  fecisse.  Fracta  ergo  viri  cou- 
stancia^  nolens  eam  contristare  vel  ei  coutradicere,  illectus  sui  amorc, 
tandeni  annuit  vir,  et  qiiod  ])eciit  mulier  impetravit.  O  viriHs  coustan- 
cia,  quid  tu  facis,  a  muhere  viucta ,  que  uon  devocionis  zchiin ,  scd 
tuam  et  ipsius  confusioneui  querit,  dum  uon  iter  arripit  propter  votum 
quod  preteuditur,  sed  pro])ter  aduherium  quod  amatur! 

Saue  viri  consensu  obtento ,  preparautur  que  ad  viam  erant  ue- 
cessaria;  cum  famiha  competenti  peregre  proticiscitur  consors  miHtis, 
et  tandem  Archisgraui  successu  prospero  deveuitui-,  et  captato  congruo 
hospicio,  gradiuntur  ad  basihcam  domina  cum  famiHa  sub  devotionis 
pretextu.  Sed  domiua  cuucta  diverticula  gyrans ,  taudem  obtutibus 
famihe  se  subtraxit,  et  furtive  recedens  ab  urbe,  apud  basihcam  re- 
hcta  famiha ,  receptisque  secum  expensis  congruis ,  versus  Treverim 
petit  iter,  et  tandem  in  iham  perveniens,  domum  querit  anxia  Cun- 
czelonis,  quam  ingressa  sahitato  hospite  in  sede  penes  cum  resedit  et 
ere  de  sacculo  suo  extracto ,  misit  pi'o  potu  ,  pro  amphori  viri  beui- 
volentia  capienda.  Fuit  quidam  magister  Kunczelo  homo  pusihus,  tuqiis 
facie  atque  calvus,  uxore  carens ,  et  pro  deductione  temporis,  ut  est 
mechauicis  consuetudo,  ahissima  voce  suas  cecinit  cantilenas.  Interim 
vero  quod  ahatuni  est  vinum,  muher  vicinior  facta  hospiti,  qui  Labo- 
rabat  in  operis  sui  arte ,  de  muhis  loquebatur  eidem.  Midieres  euim 
sohte  sunt  sermonem  facere  tota  die  de  cahimis  quem  scinduut  den- 
tibus^  dummodo  assit  eas  desiderium  cum  ahquo  cohoquendi.  Sic  fecit 
hec  muher,  que  phn*a  formabat  vcrba,  in  finem  ut  possit  devenire 
ultimo  ad  intentum.  Allato  itaque  potu  bibunt  iusimul  et  hylariores  facti, 
tempus  deducunt  in  solaciosis  colloquüs,  quousque  sol  vergeret  ad  oc- 
casum.  Hospes  quippe  cupiens  advcnam  honorare,  dum  iam  terra  noctis 
caligine  tegeretur,  disposuit  facere  lectum  solitarium  pro  mulieris  quiete. 
Quod  ipsa  considerans  ait  ad  cum:  'Non  est  opus  multiplicare  talamos, 
sed  ambobus  sufflciat  nobis  unus'.  Quod  hospiti  fuit  gratissimum,  eo 
quod  considerata  pulcritudine  mulieris  iam  in  eius  coucupiscentiam 
estuabat.  Quapropter  in  unum  descendentes  cubiculum,  carnis  ut  puto 
et  Veneris  persolverunt  tributa,  quod  ex  eo  con&idero,  quoniam  nudus 
cum  nuda.  Consurgentes  de  mane  ad  mulieris  iustanciam  ambo  pro- 
peraverunt  ad  ecclesiam ,  se  facientes  sacerdotis  officio  desponsari. 
Quis  dubitat,  si  mulier  hec  non  invenisset  hunc  calvura  potentem  in 
operibus  et  sermoue,    utique  non   aocelerasset   tam  subito   ad  copulam 


278  OSKAR  SCHADE 

matrimonii  coloratam !  Decrevit  namque  manere  potius  circa  hunc  cal- 
vum  et  facie  turpem  proptcr  virtutem  virilium ,  quam  apud  railitem 
nobilem,  strcnuum  et  honestum,  qui  forsan  extiterat  minus  potens.  Porro 
quid  facit  familia?  Querit  interim  dominam  suam  per  vicos  et  plateas 
diligentissimis  studiis  sciscitando  de  ea,  nee  tamen  invenit  vestigium 
aliquod,  quo  possit  mulier  reperiri;  propter  quod  viam  repatriandi  re- 
petens  tandem  pervenit  ad  domum,  non  sine  lacrimis  narrans  perdi- 
cionem  dominc.  Ex  quo  dominus  super  modum  turbaius  et  factus  quasi 
exanimis  pro  dolore,  cum  eam  sicud  propriam  animam  dilexisset,  tem- 
pore multo  ipsius  perdicionem  deflevit.  Tandem  vero  post  multas  mentis 
distractiones,  quid  factum  sit  de  uxore  perdita,  hincinde  scpe  revol- 
vens,  raeraoriam  habuit  istius  misterii,  quod  infelix  infeliciter  revelavit 
uxori  et  ab  hoc  corde  inquit:  'Puto  quod  uxor  mea  pervenerit  occasione 
quesita  in  Treverim  ad  hominem  illum ,  quem  fantasma  de  membri 
grossicie  commendavit' ;  et  protinus  disposita  copia  expensarum  pro 
itinere  oportune  se  succinxit  ad  iter,  et  directis  gressibus  in  urbem  Tre- 
verim perveniens,  inquisivit  sollicite,  ubi  magister  Kuncz'elo  habitaret. 
Cumque  ad  eius  domicilium  quodam  indice  pervenisset,  introspiciens 
in  tugurium  hominem  communem,  calvum,  canentem  et  laborantem  in 
opere  solito  adinvenit,  cui  etiam  ministrantem  diligentissime  suam  con- 
templatur  uxorem.  Quam  his  verbis  alloquitur:  'O  domina,  est  ista  de- 
cencia  sessionis  vestrc?  Nuncquid  honestius  sederetis  in  domo  vestra 
mecum  raaritum  vestrum  legitimum  habitando,  quam  quod  cum  despecto 
homine  in  vili  tugurio  adulterinis  contuberniis  deservitis,  vestram  dila- 
tantes  lasciviam  in  patulum,  que  pridem  sab  pudoris  velamine  tege- 
batur?'  Mulier  vero  ex  hoc  exasperata  plurimum  durioribus  verbis  ma- 
rito  respondit:  'Quis  estis  vos  vel  unde  venitis,  quod  presumitis  me  al- 
loqui  tamquam  vestram  uxorem?  nunquam  novi  vos,  nee  cognosco  ve- 
stram personara/  et  super  calvum  illum  extendens  indice  inquit:  'Iste 
meus  maritus  est;  de  vobis  penitus  nichil  scio.  Si  pretenditis  vos  ha- 
bere coniugem  fortassis  facie  michi  similem,  potestis  eam  querere  alibi; 
hie  nulla  est  vobis  via  querendi,  quoniam  isti  sum  in  facie  ecclesie 
copulata'.  Maritus  itaque  de  hoc  plurimum  erubescens,  cum  prius  se- 
pius  uxor  coram  eo  amoris  magni  signa  pretenderet,  et  cm*  talia  lo- 
queretur  in  se  ipso  marcesceus,  doloribus  et  confusione  nimia  turbatus 
abscessit  dicens  in  corde  suo  :  'Si  te  non  vult  sequi,  et  tu  obproprio 
non  obstante  libenter  pepercisses  eidem,  dimittas  meretricem  sicut  sibi 
placet  adulterinis  actibus  inherere.'  Sicque  gressus  suos  repetens  per 
consuetam  viam,  ad  suam  patriam  remeavit,  uxore  apud  Kunczelinum 
in  Treveri  derilicta. 


DREI  SAGEN  AUS  DEM  VIERZEHNTEN  JAHRHUNDERT.  279 

.  O  pessima  mulierum  omni  acre  mollior  ad  turpitudiuem  exercen- 
dam!  o  prava  et  detestanda  bestia  omni  feritate  crudelior!  o  vorago 
insaciabilis,  qiie  cum  baratro  recipis  portionem !  Nimcquid  est  ista  mu- 
liebris  probitas,  ut  propter  parve  voluptatis  ignomiuiam  deseras  virura 
tuum  legitimum  et  uobilem  ,  strenuum ,  opulentum  et  in  omni  virtute 
preclarum,  et  adhereas  abieeto  stercorario,  inopi  et  despecto,  eui  te 
oportet  nonuuncquam  ad  opus  suum  confectionem  facere  de  canino  ster- 
core  hie  in  vili  tugurio,  que  quondam  in  pallacio  viri  tui  honeste  re- 
sidens,  mauibus  in  sinum  positis,  ociosa  non  habuisti  necesse  in  fedis 
sordibus  deturpari!  Non  facit  hoc  aliud,  quam  quod  delectaris  in  carnis 
sporcitiis  et  voluptuosis  actibus  voraginis  tue,  cui  non  aliud  quidquam 
sapit ,  quam  si  posset  salva  pudicicia  virorum  commercia  degustai'e. 
En  maledicta  terra  in  opere  tuo ,  quo  devenit  muliebris  verecundia 
quam  merito  debuisses  habere  pre  oculis  cum  tiraore  dei,  antequam 
tantum  facinus  inciperes  perpetrare ,  nedum  in  anime  tue  dispen- 
dium,  sed  et  muliebris  lionestatis  perpetuiun  detrimentum.  Conmiscearis 
ergo  adultero  ,  quoniam  post  conclusionem  presentis  vite  pro  mercede 
tui  laboris  dabitur  tibi  pena  baratri  perpetua,  ad  quam,  nisi  peniteas, 
procul  dubio  properabis.  Sed  o  tu  maligne  spiritus,  qui  non  delectaris 
in  aliquo  nisi  ut  perdas  animas  fidelium,  cur  hunc  militem  multa  ho- 
nestate  pollentem  ac  eins  coniugem  taliter  decepisti!  Nun cquid  fuit  tibi 
alia  via  decipiendi  hominos,  quam  mitteres  ad  eius  nunccium  in  specie 
hominis,  quo  de  hominis  virilibus  ad  decipiendum  homines  faceret  men- 
tionem,  quemadmodum  in  primevis  temporibus  serpentem  misisti  calli- 
dum,  qui  deciperet  prothoplastos !  Hec  quidem  est  tua  versucia  et 
grandis  iniquitas,  que  de  invidia  traxit  originem,  super  filios  hominum 
semper  querens  tamquam  leo  rugiens  animas  devorare.  Q.uis  queso 
unquam  viam  fraudis  tarn  artificiosam  invenisse  potuerit,  sicud  mille 
hie  artifex,  qui  multis  quesitis  coloribus  per  ilidirectum  invenit  quod 
quesivit.  Det  ergo  nobis  deus  gratiam  semper  eius  temptacionibus  re- 
sistendi,  et  robur  fortitudinis ,  ut  vincamus  eum  qui  hostis  humani  ge- 
neris  est  antiquvis. 

Carissimi  fratres,  licet  presens  fabula  deservire  ludibriis  videatur 
tamen  multis  viris  ,  qui  coniugibus  suis  in  lasciviam  laxant  habenas, 
potest  cedere  in  excmplum.  Nee  credendum  est  cuiquam  simpliciter 
per  aspectum,  quemadmodum  huic  calvo.  Quoniam  quanto  Polonus  ru- 
sticus  se  simpliciorem  exhibet,  tanto  cambucam  obtinet  plus  gibbosam. 
Eciam  non  est  signum  virginalis  pudoris,  si  mulier  mcrcatum  non  volt 
facere,  nisi  videat  et  experiatur  tactu  manuum,  quid  in  sacculo  sit  ab- 
seonsum.    Ad  instar  mulieris  huiusmodi  maledicte,  que  nisi  experiretur 


280  OSKAR  SCHADE 

calvi  virtutem,  sibi  uoluit  in  facie  ecclesie  copulari;  sod  quam  oik>  ne- 
gociaciouera  eins  gustaverat  esse  potentem,  ad  coutraetum  illiciti  matri- 
raonii  sub  pudoris  specie  couvolavit. 


Bl.  136.  Roferente  quodam  didici  quod  iam  dico.  Cnntigit  enira 
adolescentem  quempiam  militarem  apud  queudam  civem  alicvibi  hospi- 
tari,  cuius  filia  sub  noctis  silencio  cubiculum  adolescentis  ingressa  freno 
clam  secum  portato  magicaque  arte  confecto  adolescentem  in  lectulo 
reclinatum  fi'enavit ,  qui  mox  in  equi  speciem  transformatus  extitit, 
quem  ascensum  ad  locum ,  quo  fabulosa  narracione  nigri  cum  albis 
pungnare  dicuntur,  asperis  puella  perurgens  calcaribus  agitavit.  Cumque 
venisset  ad  locum  certaminis,  equo  suo  ad  arboris  ramum  ligato  puella 
protinus  prelio  se  ingessit.  Adolescens  vero  equi  formam  obtinens  in- 
terim  multis  tractibus  laboravit,  quibus  capud  de  freni  posset  eripere 
ligatura ,  quod  et  tandem  magno  conatu  extraxit  et  in  formam  huma- 
nam  freno  reiecto  pristinam  est  reversus.  Nee  tamen  adeo  fuit  negligens 
quin  frenum  diligenter  servaret ,  quousque  puellam  reversam  de  belle 
depositis  primum  sibi  calcaribus  potenter  oppressam  frenaret  cum  freno 
liuiusmodi,  que  protinus  eque  formam  assumpsit,  quam  ascensam  non 
inequaliter  pungendo  calcaribus  equitavit  ad  domum ,  et  de  ore  suo 
freno  extracto  eadem  nocte  quemadmodum  videbatur  sibi  quietis  le- 
ctulo se  collegit,  frenum  retinens  sub  absconso.  Et  quamvis  puella  suc- 
cessu  dierum  frenum  suum  requireret,  sibi  tamen  adolescens  reddere 
recusavit.  Quamobrem  occasionem  adversus  adolescentem  inveniens 
scissis  vestibus  et  capillis  evolsis  questionis  excitavit  clamorem ,  per 
illum  asserens  se  stupratam.  Tractus  igitur  adolescens  ad  Judicium, 
dum  sibi  non  daretur  propter  patris  puelle  potenciam  copia  defendendi, 
ad  mortis  est  supplicium  condempnatus.  Cumque  ad  locum  duceretur 
tormenti  petiit  sibi  magna  instancia  copiam  saltem  dari  loquendi.  Unus 
vero  de  potentatibus  civium  hoc  audiens  inportunus  effecit  cum  aliis, 
quod  sibi  date  sunt  inducie,  quibus  posset  de  commisso  crimine  red- 
dere racionem.  Adolescens  igitur  coram  cunctis  seriem  facti  edisserens, 
frenum  in  veritatis  testimonium,  quod  absconsum  fuerat^  patefecit,  in- 
quiens,  si  freno  in  ore  puelle  posito  non  transformaretur  in  equam, 
sponte  vellet  extunc  sine  alio  quovis  adminiculo  mortis  exicio  condemp- 
nari ;  si  autem  hoc  quod  construebat  veritatis  initeretur  luci,  liberaretur 
a  morte:  quod  et  factum  est.  Nam  inventum  in  loculo  quo  posuerat 
frenum  ligaverunt  in  ora  puelle,  statimque  in  eque  speciem  est  conversa. 


DREI  SAGEN  AUS  DEM  VIERZEHNTEN  JAHRHUNDERT.  281 

Unde   cives  inito   consilio  puellam   cum    frcno  pariter  combusserunt   et 
pronunciaverunt  liberum  quem  prius  deputaverunt  dire  morti. 

Licet  audiveris,  non  tameu  a  dei  cultoribus  sunt  credenda.  Nichilo- 
minus  quispiam  potest  dicere  nonnunquam  omnipotentem  deum  propter 
peccata  hominum  per*)  dyabolum,  qui  rcrum  seit  comportare  materias, 
permittere  secrete  dispensacionis  consilio  nonnullis  illudi  taliter,  quod 
eis  appareat  res,  que  in  veritatis  lumine  non  existit.  Propter  fragilita- 
tem  enim  illorum  qui  lundati  non  sunt  radicitus  in  fidei  fundamento, 
permissione  divina  demones  focilem  decipiendi  habentes  accessum  ad 
eos  ludificant,  excitantes  illos  et  extingwentes  in  eis  supersticiosis  ar- 
tibus  igniculum  fidei  quem  liabebant,  et  ex  hoc  effreni  potestate  accepta 
in  ipsos  ludificacionis  fraudibus  circumveniunt,  ut  opera**)  veritatis  in 
mendaciis  deleantur  et  credant  opera  demonum  esse  vera.  Absit  hoc 
a  veris  Christi  cultoribus,  qui  katholicam  fidem  firmo  corde  sectantes 
non  credunt  aliud  quam  sancta  mater  ecclesia  confitetur,  ponentes  spem 
in  solo  deo  qui  vera  via,  veritas  est  et  vita. 

3. 

Bl.  137.  Dum  quadam  die  palpebris  meis  sompui  illaberetur  pi- 
gricies,  ne  nox  prolixior  subsequens  duceretur  insompnis,  curavi  scri- 
bere  historiam,  que  mirabiliter  in  hunc  modum  dicitur  contigisse.  Mer- 
cator  enim  quidam  pro  nonnullis  causis  mercium  maris  flumina  trans- 
fretare  desideraus  in  mediis  fluctuum  una  cum  aliis  naufragium  vento 
agente  contraria  est  perpessus.  Quod  previdens  iustare ,  se  duobus 
antea  combinatis  asseribus  alligavit,  sperans  se  per  hoc  evadere  posse 
submersionis  periculum,  quod  procul  dubio  inminebat.  lactavit  itaque 
post  naufragium  maris  procella  hunc  naufragum  aliquot  horis  diei  et 
noctis,  douec  evomeretur  in  aridam  cuiusdam  insule,  ubi  succrescebant 
frutecta ,  et  refocillatus  ibidem  aliquantulum  solis  caloribus  se  sicut 
potuit  disligavit.  Sed  cum  dies  illa  tenderet  ad  solis  occasum  et  giraudo 
hinciude  neminem  in  insula  reperisset ,  nee  hominis  vestigium  appa- 
reret***),  perplexitate  concussus,  an  salvari  posset  in  terra  seu  in  ar- 
bore,  securius  tarnen  reputans  se  propter  bestias  conservandum,  in  ar- 
borem  ceteris  sublimiorem  ascendit,  eo  pretextu  quod  eciara  considerare 


*)  hominum  qui  per  Hs. 
**)  Die  Hs.  hat  nach  ut  die  Abkürzung  p',  und  darauf  in  (ausgestrichen)  verilati. 
Die  Hs.  der  hies.  Bibl.  Nr.  102,  genaue  Copie  der  unserigen,  ebenfalls  aus  dem  Ende 
des  14.  oder  dem  Anfange  des  15.  Jhd.  gibt  dasselbe,  aber  in  nicht  durchstrichen. 
***)  upparet  Hs. 


2«2       OSKAR  SCHADE,  DREI  SAGEN  AUS  DEM  XIV.  JHD. 

possct ,  si  fortassis  in  sui  fortimam  ab  alto  uautas  coutingeret  eum 
prospicere  vcnicntes  ad  locum,  ad  quem  eum  iactaverat  raaris  vorago. 
Cumque  sedens  in  arbore  distractus  ymaginacionibus  multipliciter  vexa- 
retur  ,  tandem  considerat  naviculam  unam  cum  lumine  sicut  mos  est 
nautis;,  iterum  secundam ,  post  hoc  terciam  et  sie  plures  alias  succes- 
sive  naviculas  iusule  applicare  ;  quibus  ad  littus  venientibus  exierunt 
de  earum  qualibet  masculus  *)  cum  femclla,  preciosis  vestibus  decorati, 
-habentes  secura  ioculatores,  quibus  modulantibus  in  coree  sunt  solaeium 
resoluti.  Quod  cernens  naufragus  cum  effigiem  perpendisset  hominuin, 
ex  hoc  factus  audacior,  descendens  de  arbore  proximavit  eisdem.  Qui 
quam  vis  pretcriissent,  cum  nee  dignarentur  loqui  sibi,  non  tamen  ob- 
misit  quin  contemplaretur  acuracius,  si  quis  sibi  notus  appareret  in  illo 
conventu.  Transiens  igitur  per  coream,  quantum  sibi  dabatur  inspiciendi 
copia,  faciem  est  intuitus  singulorum.  Postremo  autem  penultimam  con- 
sideraus  mulierem,  eam  sibi  notam  iuvenit,  quam  alloquens  postulans 
sibi  salubre  dare  consilium,  quo  posset  ad  patriam  remeare.  lila  vero 
optime  congnoscens  eum  requisitum  habuit ,  ad  hunc  locum  quomodo 
pervenisset.  Quapropter  infortunii  sui  eventum  exponens  salvacionis  sui 
ordinem  enarravit.  Mulier  ergo  consolans  naufragum  mandavit  per  eum 
illorum  redituro  prestolari,  districtius  prohibeudo,  ne  mutet  loci  vesti- 
gium  quo  positus  fuerat,  sed  fixus  ibi  maueret  quousque  ipsa  cum  soda- 
libus  revertantur.  Hiis  sie  quidem  dictis ,  corizantes  tamquam  super 
terre  spacium  ad  modicum  volitarent,  subito  processerunt.  Quos  cum 
diutius  exspectasset  naufragus,  affectus  tedio  nonnullis  est  tribulacio- 
nibus  fatigatus  **),  ignorans  exitum  huius  rei.  Tandem  vero  cum  de  illo- 
rum reditu  ***)  aliqualiter  desperasset ,  et  ecce  cum  ingenti  strepitu 
revertuntur,  et  licet  omnes  gaudiis  viderentur  repleti,  tamen  velamina 
videbantur,  ex  quibus  utique  dabatur  intelligi  se  fuisse  male  tractatos 
ac  si  cum  aliis  conflixissent.  Naufragus  vero  de  ipsorum  reditu  conso- 
latus,  mulicre  quam  novit  mandante,  ne  quovismodo  retrospiceret,  cum 
ea  naviculam  est  ingressus.  Cumque  subito  cui'su  pervenissent  ad  littus, 
curiosus  paululum  naufragus  retrospexit.  Inde  modicum  inmersum  flu- 
vium  madidumque  invenit.  Quem  increpans  mulier  acrius  loquebaturf) 
dicens ,  si  hoc  fecisset  in  mediis  fluctibus  ,  mortis  non  evasisset  peri- 
culum.  Assumptum  ideo  de  fluraine  salvum  traxit  ad  littus,  et  iusimul 
ambulantes,  insimul  ad  civitatem,  in  qua  morabatur  mulier,  in  cuius 
hospicio  sepius  receptus  fuerat  naufragus ,  devenerunt ;  recreatusquc 
apud  illam   post  tractum    temporis    a  muliere   habita   sub  mutuo   copia 

*)  viascaUa  lls.     **)  fayUatua  Hs.     ***)  reddilum  lls.     f)  loquebantur  Hs. 


KARL  JIEYER,  T>m  WIELANDSSAGE.  283 

expensarura,    coniuratus  per  eam,   ne  prodat  huius  rei  raisterium,  per 
viam  suam  in  regionem  propriam  est  reversus. 

Ad  confusionem  incantatricum  vetularum,  nou  ad  eariim  laudem 
hec  scribo  ,  sciens  omnes  Imiusmodi  ficciones  fieri  fraude  demonum, 
qui  hominibus  illudentes  perraissione  divina  propter  eorum  peccata 
tantum  excecant  mentes  humanas  non  fixas  in  fide,  quod  que  non  sunt 
veraciter  existere  opinentur.  Potuit  quidem  esse,  si  tarnen  vera  est  hec 
historia,  quod  deus  omnipotens,  qui  eciam  de  malo  bonum  efFecit,  pro 
istius  naufragi  salutis  remedio  adventare  permisit  illos  ludificatos,  de- 
ceptione  mille  artificis  *),  qui  nonnunquam  in  lucis  angelum  se  trans- 
formans,  ut  fidelem  perdat  animam,  quemadmodum  olim  in  idolis  dabat 
responsa,  sie  et  nunc,  dum  in  fide  videt  homines  inbecilles,  cum  ipse 
diversarum  sciat  rerum  comportare  materias,  suis  ficcionibus  dementat 
eosdem ,  ut  videatur  eis  se  cum  aliis  pungnam  habere  sub  noctisque 
silencio  moncium  cacumina  transvolare ;  qui  si  suum  errorem  cogno- 
scerent  et  fixi  manerent  in  sacre  fidei  nrmitate,  reperirent  **)  utique 
se  deceptos  per  illura,  qui  suis  machinacionibus  prothoplastos  olim  cor- 
rupit,  et  in  nos  pro  dolor  sue  corrupcionis  semina***)  dirivavit:  quod 
ille  dignetur  abstergere,  qui  de  corrupcionis  morte  nos  sue  mortis  sup- 
plicio  misericorditer  liberavit.    amen. 

KÖNIGSBERG  i.  Pr.  im  April  1868.  OSKAR  SCHADE. 


DIE  WIELANDSSAGE. ') 


Die  Sagen,  welche  sich  an  den  Schmied  Wieland  knüpften,  müssen 
in  Deutschland  einst  eine  bedeutende  Rolle  gespielt  haben.  Zahlreiche 
Erinnerungen  an  seine  Persönlichkeit  sind  durch  den  unermüdlichen 
Fleiß  deutscher  Gelehrter  zusammengetragen  worden ") ;  gleichwohl 
ist  auf  deutschem  Boden  nie  eine  größere  Episode  aus  diesem  Sagen- 


*)  d.  i.  Tausendkünstler  wie  oben  S.  279.    **)  reperierent  Hs.    ***)  seminarum  Hs. 

*)  Vorliegende  Abhandlung  macht  nicht  den  Anspruch,  eine  in  jeder  Beziehung 
erschöpfende  Behandlung  der  Wielandssage  zu  liefern.  Sie  geht  zunächst  bloß  darauf 
aus,  einmal  Wielands  elementare  Gnmdlage  und  deren  Entwicklung  in  die  Classe  der 
Elbe  genauer  darzuthun ,  und  dann  die  ältere  und  jüngere  Relation  der  Wielandssage 
(Edda  und  Thidrekssage)  vergleichsweise  zu  besprechen. 

^)  Vgl-  W.  Grimms  Deutsche  Heldensage.  —  Mone  Heldensage  S.  102  ff.  — 
Wolf  in  Haupts  u.  Hoffmanns  Altd.  Blättern  I,  34  ff.  —  Kuhn  Ztschr.  f.  vgl.  Sprachf. 
IV,  95  ff. 


284  KAHL  MF.Vi:i{ 

kreise  entdeckt  worden.  Auch  hier  wie  bei  so  mancher  andern  Gelegen- 
heit war  es  der  Poesie  und  den  Sammlern  des  skandinavischen  Nordens 
aufbehalten,  dasjenige  auf  die  Nachwelt  zu  bringen,  was  sie  einst  von 
deutschem  Boden  empfangen  hatten.  Es  sind  vornehmlich  zwei  Werke 
der  altnordischen  Litteratur ,  in  welchen  sich  das  Andenken  an  diese 
hochberühmte  Sagengestalt  ausgesprochen  hat ,  das  eine  ein  Lied  der 
altern  Edda ,  die  Völundarkvida  ,  das  andere  ein  Abschnitt  aus  der 
prosaischen  Saga  Thidriks  konungs  afBern,  cap.  57 — 79.  Bei  letzterm 
ist  der  deutsche  Ursprung  ausdrücklich  im  Prolog  bezeugt,  bei  ersterm 
sprechen  andere  Ursachen  deutlich  dafür.  Wir  beginnen  mit  der  Vö- 
lundarkvida. 

Drei  Jungfrauen  —  die  prosaische  Einleitung  des  Liedes  nennt 
sie  Walküren  —  ließen  sich  am  Wolfssee  nieder ;  sie  legten  ihre 
Schwanenhemden ,  denen  sie  die  Kunst  des  Fliegens  verdankten ,  ab 
und  spannen  Linnen.  Drei  Brüder,  deren  einer  und  vornehmster  eben 
Wieland,  brachten  die  Mädchen  in  ihre  Gewalt,  indem  sie  sich  ihrer 
Schwanenhemden  bemächtigten  ^).  Völundr  (Wieland)  gewann  die  Her- 
vor Alvitr,  sein  Bruder  Egil  die  ^Irun,  der  dritte  Bruder,  Slagfidr, 
die  Swanhvit.  Die  Schwanjungfrauen  blieben  acht  Winter  bei  ihren 
Gatten,  im  neunten  jedoch  entflogen  sie  denselben  wieder  mittelst  ihi*er 
Flughemden.  Völundr  blieb  im  Wolfsthal  und  wartete  ab,  ob  seine 
verschwundene  Gattin  wiederkäme. 

Während  er  so  auf  Alvitr  wartete  und  seine  Schmiedekunst  übte, 
wurde  er  in  der  Nacht  plötzlich  überfallen  und  in  Fesseln  geschlagen. 
Es  w^ar  Nidudr,  der  König  der  Niare,  welcher  ihn  gefangen  nahm,  um 
aus  seiner  Schmiedekunst  Vortheil  zu  ziehen.  Auf  den  Rath  der  Kö- 
nigin ließ  Nidudr  dem  Gefangenen  die  Sehnen  zerschneiden  und  ihn 
auf  diese  Weise  lähmen.  Völundr  wurde  hierauf  in  einen  Holm  am 
Strande  gesetzt ,  welcher  Ssevarstadr  hieß  ,  imd  hier  lag  er  seiner 
Schmiedearbeit  im  Dienste  des  Königs  ob.  Um  sich  an  Nidudr  für 
seine  gelähmten  Sehnen  zu  rächen,  lockte  er  dessen  zwei  junge  Söhne 
in  seine  Schmiede  ;  als  dieselben  in  eine  geöffnete  mit  Kostbarkeiten 
gefüllte  Kiste  hineinsahen,  tödtete  er  die  beiden,  indem  er  ihnen  mit 
dem  Deckel  der  Kiste  die  Köpfe  abschlug.  Aus  ihren  Augen  machte 
er  Edelsteine  und  schickte  dieselben  der  Königin ;  die  Schädel  schweifte 
er  in  Silber  und  schickte  sie  dem  König;  aus  den  Zähnen  endlich  verfer- 
tigte er  Brustgeschmeid  imd  schickte  dasselbe  der  Königstochter  Bödwildr. 


')   Diesen  Zug  hat  das  Lied  vergessen.     Daß  die  Hemden  von  Bedeutung  sind, 
ergibt  sich  aber  aus  der  Einleitung.     Vgl.  unten  S.  287. 


DIE  WIELANDSSAGE.  285 

König  Niductr  hatte  seiner  Tochter  einen  goldenen  Ring  gesclicnkt, 
der  einst  Vöhmdrs  Gattin  Alvitr  gehört,  und  den  er  Vfihmdr  geraubt 
hatte.  Der  Ring  war  zerbrochen,  und  Bödviklr  kam  zu  Vökindr,  um 
denselben  bessern  zu  lassen.  Völundr  schläferte  die  Königstochter  durch 
Bier  ein  und  bewältigte  die  Schlafende.  Dann  hob  er  sich  mittelst  eines 
künstlich  verfertigten  Federkleides  in  die  Luft.  Aus  der  Höhe  verkün- 
dete er  noch  dem  König,  was  er  gethan  habe;  darauf  entflog  er  und 
ließ  seine  Gattin  allein  zurück. 

Damit  schließt  das  Lied ;  wir  wissen  aber  aus  andern  Quellen, 
daß  Bödvildr  einen  Sohn  gebar;  es  war  Wittig,  einer  der  vorzüglich- 
sten Helden  Dietrichs  von  Bern  und  König  Ermenrichs  ^). 

Ehe  wir  zur  zweiten  Darstellung  der  Wielandssage  übergehen, 
muß  ein  in  die  Völuudarkvida  irrthümlich  aufgenommenes  Stück  aus- 
geschieden werden.  Vöhmdr  als  Gatte  der  Schwanjungfrau  imd  der 
Schmied  Vöhmdr  bei  König  Nidudr  können  virsprünglich  nicht  ein  und 
dieselbe  Person  gewesen  sein.  Es  ist  im  höchsten  Grade  unwahrschein- 
lich, daß  ein  Held,  nachdem  er  erst  sein  Weib  verloren,  obendrein  in 
hai"te  Gefangenschaft  geräth,  in  dieser  seine  verlorne  Gattin  ganz  ver- 
gisst  und  einer  andern  nachstellt.  Daß  Völundr  der  Bckivildr  Gewalt 
anthut,  ist  an  sich  zwar  ganz  begreiflich,  wenn  man  seine  Liebe  zu  ihr 
und  das  Gefühl  der  Rache  gegen  ihren  Vater  in  Anschlag  bringt ;  aber 
derjenige,  welchem  sein  Weib  mittelst  des  Schwanenhemdes  entflohen  ist, 
hat  gewiß  nichts  eiligeres  zu  thun,  als  auf  Mittel  zur  Wiedergewinnung 
der  Verlorenen  zu  sinnen.  Glücklicherweise  fehlt  es  nicht  an  deutschen 
Quellen,  durch  welche  die  Richtigkeit  dieser  Annahme  bestätigt  Avird. 
Während  nämlich  die  auf  den  Erzählungen  deutscher  Männer  beru- 
hende Thidrekssaga  nichts  von  den  Schwanjuugfrauen  weiß  ,  ist  ims 
diese  Sage  durch  ein  Gedicht  des  vierzehnten  Jahrhimdei'ts  erhalten, 
in  welchem  freilich  sogar  der  Name  des  Helden  verloren  ist ;  der  Held 
heißt  in  diesem, Gedichte  Friedrich  von  Schwaben,  und  nur  zuletzt 
kommt  noch  'Wieland'  als  dessen  angenommener  Name  vor").  Auch 
sonst  ist  das  Gedicht  i-eich  an  märchenhafter  Entstellung  und  Weiter- 
bildung des  ursprünglichen  Sagenkerns ,  wie  denn  z.  B.  drei  Tauben 
statt  der  Schwäne  erscheinen  ;  gleichAvohl  stimmen  die  Hauptzüge  in 
einer  Weise  überein ,  welche  an  der  Identität  Wielands  '*)  und  Fried- 
richs von  Schwaben  niclit  zweifeln  lassen.     Und  in  noch  viel  späterer 


')  Vidia  lieilit  Nidhädes  mceg  und  Velundes  bearn,  Ztschr.  XII,  269;  vgl.  auch 
Thidr.  s.  cap.  79.  ^)  v.  d.  Hajen  Germania  VII,  99.  ')  Insofern  nämlich  dieser  Her- 
vöre  Gatte  ist. 


286  KARL  MEYER 

Zeit  hörte  Musäus  dieselbe  Sage  mündlich  erzählen  ^) ;  Überall  aber 
ist  der  Verlauf  der,  daß  die  Jungfrau,  welche  Schwanenge stalt  ange- 
nommen hat,  zweimal  nach  Ablegung  ihres  Schwanenhemdes  in  mensch- 
liche Gewalt  geräth,  das  erste  Mal  so,  da(i  ihr  die  Flucht  später  ge- 
lingt, das  zweite  Mal  ftir  immer.  In  der  Völundarkvida  hingegen  hat 
die  Verbindung  dieser  Sage  mit  Wieland,  dem  kunstreichen  Schmied, 
dem  zweiten  Theile  geschadet;  das  Lied  hat  ihn  vergessen  und  nur 
den  ersten  in  einer  nicht  ursprünglichen  Verbindung  beibehalten. 

Auf  deutschem  Boden  also  findet  sich  keine  Spur  davon  ,  daß 
der  kunstreiche  Schmied  Wieland  sich  einer  Schwanjungfrau  bemäch- 
tigte, und  ebensowenig  eine  Spur  davon,  daß  der  Gemahl  der  Schwan- 
jungfrau, Avelcher  ebenfalls  Wieland  hieß,  ein  kunstreicher  Schmied  war. 
Man  könnte  annehmen,  die  Sage  von  den  drei  Mädchen,  deren  eines 
in  Wielands  Gewalt  fällt,  sei  auf  ihn  übertragen;  jedesfalls  geschah  es 
erst  im  Norden,  und  jedesfalls  hieß  das  Wesen,  von  welchem  sie  auf 
Wieland  den  Schmied  übertragen  wurde,  ebenfalls  Wieland"). 

Diese  Vereinigung  zweier  anfänglich  von  einander  durchaus  un- 
abhängiger Sagen  ergibt  sich  aber  auch  ,  wenn  man  das  Bindeglied 
etwas  genauer  ansieht.  Es  ist  ein  Ring  (baugr),  der  einst  nach  Str.  10 
und  18  der  Alvitr  gehört,  und  den  König  Nidudr  seiner  Tochter  gab. 
Man  sehe  nun  aber  zu,  welch  eine  widerspruchsvolle  Rolle  dieser  Ring 
das  ganze  Lied  hindurch  spielt.  Str.  5  ist  nur  von  Ringen  im  Allge- 
meinen die  Rede ,  und  keiner  wird  besonders  hervorgehoben ;  Str.  7 
hingegen  wird  die  Zahl  der  in  Wielands  Behausung  am  Bast  aufge- 
hängten auf  siebenhundert  angegeben.  Nach  Str.  8  lassen  die  Niare  alle, 
einen  einzigen  ausgenommen,  am  Baste  hangen;  dieser  einzige  aber, 
welcher  von  Nidudrs  Mannen  genommen  wird,  wird  nach  dem  prosai- 
schen Zwischenbericht  zwischen  Str.  14  (15)  und  16  von  Nidudr  der 
Bödvildr  gegeben  und  war  nach  Str.  18  einst  Eigenthum  der  Hervor. 
Er  muß  von  großem  Werthe  gewesen  sein ,  denn  als  ihn  die  Königs- 
tochter zerbricht,  wagt  sie  es  außer  Wieland  Niemanden  zu  bekennen 
(Str.  24);  schon  Str.  16  hat  Nidudrs  Gemahlin  angedeutet,  Wieland 
werde  heftig  zürnen,  wenn  er  den  Ring  in  Bödvildrs  Händen  erblicke. 
Der  Ring  soll  nach  Str.  10  und  18  der  Hervor  gehört  haben ;  dem 
widerspricht  einmal  der  Bericht  der  Thidrekssaga  (cap.  74) ,  welche 
den  Ring   ebenfalls   kennt ,    von  Hervor   aber  nichts  weiß   und  nichts 


')  Vgl.  'Der  geraubte  Schleier'  in  J.  K.  A.  Musäiis  "Volksmärchen  der  Deutschen 
herausg.  von  J.  L.  Klee;  3.  Ausg.  Leipzig  1847,  S.  129  ff. 

■')  Schon  Rieger  hat  diesen  Umstand  angedeutet  (Germania  .3,  176). 


DIE  WIELANDSSAGE.  287 

wissen  kann.  Schon  Rieger  hat  (Grermania  3,  S.  176  Anra.)  darauf 
aufmerksam  gemacht,  daß  Hervor  bei  ihrer  Flucht  den  Ring  mitnehmen 
musste,  falls  er  ihr  gehörte.  Wenn  sie  es  nicht  that,  so  gehörte  er  ihr 
nicht.  Ohne  Zweifel  war  der  Ring  Wielands  Eigenthum  und  ohne  Zweifel 
besaß  er  auch  wunderbare  Eigenschaften ;  wäre  er  nicht  Wielands 
Eigenthum  ,  so  würde  ihn  die  Thidrekssaga  nicht  kennen  ,  Avürde  er 
überhaupt  nicht  von  solcher  Wichtigkeit  sein.  Die  Edda  freilich  scheint 
überall  anzunehmen,  daß  er  der  Hervor  angehörte ;  sie  scheint  ihn  mit 
dem  Schwanenhemd  in  Verbindung  zu  bringen,  und  es  hat  den  An- 
schein, als  ob  Wieland  absichtlich  siebenhundert  gleiche  Ringe  gemacht 
habe,  damit  Hervor  den  ihrigen  nicht  erkenne.  Das  Lied  hat  aber  auch 
über  dem  Ringe  das  Schwanenhemd  der  Walküre  beinahe  vergessen; 
nur  die  prosaische  Einleitung  nennt  dasselbe,  und  doch  war  dasselbe 
von  höchster  Wichtigkeit ;  durch  seinen  Verlust  gerieth  die  Walküre 
in  menschliche  Gewalt,  und  durch  seine  Wiedererlangung  gewann  sie 
ihre  Freiheit  wieder.  Das  Gedicht  'Friedrich  von  Schwaben  wie  das 
Volksmärchen  bei  Musäus  lassen  in  diesem  Punkte  keinen  Zweifel  übrig. 
Wir  werden  auf  den  Ring  im  Verlaufe  der  Untersuchung  zurückkommen. 
Ob  derjenige  Wieland,  dem  die  Hervor  gehörte,  im  übrigen  ein  gött- 
licher oder  menschlicher  Held  war,  ist  schwer  zu  entscheiden.  Hier 
genügt  es,  dargethan  zu  haben,  daß  der  Inhalt  der  Völundarkvida  aut 
der  Vermeugung  gesonderter  Bestandtheile  beruht;  Str.  6  sieht  in  der 
That  wie  der  Anfang  eines  selbständigen  Liedes  aus ;  da  aber  das  Ver- 
derbniss  in  spätem  schwer  auszuscheidenden  Strophen  wiederkehrt, 
so  ist  damit  wenig  gewonnen. 

Endlich  noch  ein  Punkt,  in  welchem  die  Edda  von  der  deutschen 
Sage  abweicht.  Bei  Musäus  wie  bei  Friedrich  von  Schwaben  erscheinen 
die  Jungfi-auen  in  der  Dreizahl ,  jedoch  geht  nur  eine  ihrer  Freiheit 
verlustig  oder,  anders  ausgedrückt,  es  ist  nur  ein  Held,  der  sich  einer 
Jungfrau  bemächtigt.  Zwar  hat  Friedrich  von  Schwaben  zwei  Brüder; 
für  die  Sage  sind  jedoch  dieselben  ganz  bedeutungslos,  und  bei  Musäus 
scheint  es  ebenfalls  bloße  Entstellung  des  ursprünglichen  Verhältnisses 
zu  sein,  wenn  statt  eines  Mannes  zwei  auftreten  ').  In  der  Edda  ver- 
hält sich  die  Sache  etwas  anders;  hier  gewinnt  jeder  der  drei  Brüder 
ein  Weib  sowohl  im  Liede  selbst  als  in  der  prosaischen  Einleitung. 
Die  Brüder  gehören  jedoch,  wie  sich  für  Egil  wenigstens  aus  der  Thi- 
drekssaga ergibt,  nicht  zu  Wieland,  dem  Gatten  Hervörs,  sondern  zu 


')  Der  alte  Benno  nncl  Friedbert  beruhen  auf  der  einen  Figur  Wielands ;  ebenso 
sind  über  auch  Zoe  und  Kalliste  urtiprünglich  identisch. 


288  KAUL  MKYF.K 

Wiehuicl  dem  Schmied,  und  es  ist  wohl  nur  der  Dreizahl  der  Walküren 
zu  verdanken,  wenn  hier  jeder  ein  Weib  gewinnt. 

In  der  Thidrekssagc  ist  Wieland  der  Enkel  des  Königs  Vilcinus 
und  einer  Meerfrau,  deren  Namen  Wachilt  das  mittelhochdeutsche  Gre- 
dicht  von  der  Ravennaschlacht  (Str.  969)  erhalten  hat.  Sein  Vater  ist 
der  Riese  Wadi  (ahd.  Wato,  mhd.  Wate)  in  Seeland.  Der  junge  Wie- 
land erlernt  zuerst  bei  Mimir  die  Schraiedekunst  in  Gemeinschaft  mit 
Sigurd.  Da  aber  Letzterer  seinen  Mitgesellen  übel  mitspielt,  holt  Wadi 
seinen  Sohn  wieder  und  bringt  ihn  zu  zwei  Zwergen,  welche  in  dem 
Berge  Kallava  die  Schmiedekunst  üben.  Nachdem  seine  Dienstzeit  zu 
Ende  ist,  erschlägt  er  seine  beiden  Lehrmeister,  die  ihm  selber  nach 
dem  Leben  getrachtet,  mit  seines  Vaters  Schwert.  Dann  höhlt  er  sich 
einen  Baumstamm  aus,  kriecht  in  denselben  und  gelangt  so  auf  dem 
Wasser  in  das  Land  König  Nidungs.  Von  König  Nidung  gut  aufge- 
nommen, bewährt  er  sich  als  geschickter  Künstler,  schmiedet  allerlei 
Waffen  und  verfertigt  menschliche  Figuren,  siegt  auch  im  künstlerisclien 
Wettstreit  über  Amilias,  den  bisherigen  Schmied  des  Königs.  Bei  einem 
Kriegszuge  hatte  König  Nidung  seinen  Siegstein  zu  Hause  gelassen; 
er  versprach  demjenigen ,  welcher  ihm  vor  Sonnenaufgang  denselben 
brächte,  die  Hand  seiner  Tochter.  Wieland  eilte,  den  Stein  zu  holen, 
erschlug  aber  auf  dem  Rückweg  den  Truchseß  des  Königs ,  der  ihm 
den  Stein  rauben  wollte  ;  zur  Strafe  dafür  wurde  er  vom  König  ver- 
bannt. Wieland  wusstc  sich  aber  bald  wieder  an  den  königlichen  Hof 
zu  schleichen ;  als  er  erkannt  wurde  ,  ließ  ihm  der  König  zur  Strafe 
die  Sehnen  beider  Füße  verschneiden  ;  der  Gelähmte  wurde  in  eine 
Schmiede  gesetzt  und  musste  in  dieser  für  den  König  arbeiten.  Das 
übrige,  Wielands  Rache,  die  Ermordung  der  Königssöhne  und  die  ge- 
waltsam erzwungene  Vermählung  mit  der  Tochter  des  Königs  wird 
wie  in  der  Edda  erzählt. 

Um  diese  Zeit  kam  Wielands  Bruder  Egil  an  Nidungs  Hof.  Er 
musste  auf  des  Königs  Befehl  seinem  dreijährigen  Knaben  einen  Apfel 
vom  Kopfe  schießen,  ohne  das  Kind  zu  verletzen  und  führte  den  Be- 
fehl glücklich  aus.  Darauf  brachte  er  seinem  Bruder  Federn  von  allerlei 
Vögeln,  und  Wieland  verfertigte '  sich  aus  diesen  ein  künstliches  Flug- 
herad.  Mit  Hilfe  dieses  selbstverfertigten  Flughemdes  schwang  er  sich 
auf  den  höchsten  Thurm  der  Königsburg  und  verkündigte  dem  König 
aus  der  Höhe  das  Schicksal  seiner  Kinder.  Auf  Nidungs  Befehl  musste 
Egil  dem  davonfliegenden  einen  Pfeil  nachschießen ;  Wielaud  wurde 
aber  nur  verwundet  und  entkam  nach  seiner  Heimat.  König  Nidung 
starb   ])ald   darauf  aus  Gram  ,    und    sein  Solm  und  Nachfolger   sölmte 


DIE  WIELANDSSAGE.  289 

sich  mit  Wieland  aus.  Die  Königstochter  gebar  einen  Sohn  ,  Widga, 
welcher  später  ein  berühmter  Held  wurde. 

Die  Yölundarkvida  ist  schon  oben  ihrem  Inhalte  nach  theilweise 
besprochen  und  ein  ganzer  Zug  der  Sage  als  unecht  bezeichnet  worden. 
Ehe  mit  der  Überlieferung  der  Thidrekssaga  dasselbe  geschehen  kann, 
wird  es  passlich  sein,  die  Persönlichkeit  Wielauds  und  seiner  nächsten 
Angehörigen  ins  Auge  zu  fassen. 

Wir  beginnen  mit  Wielands  Namen.  Es  gibt  eine  Sanskritwurzel 
jval  (nach  anderer  Transscription  (jval  =  dschical) ,  welche  die  Bedeu- 
tung von  „leuchten,  brennen"  hat;  schon  Düntzer  (Über  d.  latein.  Com- 
pos.  83)  hat  auf  dieselbe  hingewiesen,  und  nichts  steht  dieser  Herleitung 
im  Wege ').  Die  indogermanische  Grundform  ist,  da  </  (dsch)  Entartung 
eines  ursprünglichen  g  ist,  gval'^  Part.  Prses.  lautet  im  Nom.  Sing.  masc. 
gvdlan,  Gen.  ijvdlatds,  Stamm  gvalant.  Mit  Düntzer  es  unmittelbar  dem 
Adjectiv  gvalano  gleichzustellen,  ist  gewagt  wegen  des  t,  d,  welches 
Element  der  Participalendung  and  ist  und  nicht  als  dem  Deutschen 
eigenthümlich  darf  aufgefasst  Averden.  Dieser  Wurzelform  am  nächsten 
steht  einmal  die  altnordische  Form  Völundr  und  die  altfranzösische 
Galans'**);  in  ersterer  ist,  wie  so  häufig  im  Deutschen,  der  Kehllaut 
vor  IC  weggefallen,  in  letzterer  ist  umgekehrt  der  Kehllaut  stehen  ge- 
blieben und  das  w  ist  verschwunden.  In  der  nordischen  Form  musste 
noch  das  a  der  zweiten  Silbe  in  u  übergehen,  worauf  natürlich  in  der 
ersten  der  Umlaut  von  a  in  ö  eintrat.  Nun  weist  aber  Westergaard 
(Radic.  ling.  Sanscr.)  dem  gval  auch  die  Bedeutung  von  „vacillare" 
nach  den  indischen  Grammatikern  zu  (d.  h.  diese  Bedeutung  zeigt  sich 
in  der  Praxis  nicht),  wie  denn  die  Benennungen  des  Feuers  sehr  oft 
von  Ausdrücken  des  Gehens  entnommen  sind,  mit  Anspielung  auf  die 
zuckenden  Flämmchen.  Also  das  Element,  welches  Wielands  Wesen 
zu  Grunde  liegt,  ist  das  Feuer  und  zwar  speciell  als  Mittel  der  Schmiede- 
kunst aufgefasst.  Dieses  wird  die  ursprüngliche  Ursache  seiner  ge- 
lähmten Füße  sein,  durch  welche  die  zuckende  Bewegung  der  Flamme 
sollte  ausgedrückt  werden ;  man  denke  an  den  griechischen  Hephsestos, 
den  indischen  Agni  ^)  und  den  römischen  Volcanus  ;  der  Name  des 
Letztern  enthält  ohnehin  die  oben  genannte  Wurzel  mit  k  Aveiter- 
gebildet ;    (skr.  idkä  fem.  :    Feuerbrand  =  valkä  ,    da  im  Altindischen 


*)  Ich  spreche  meinem  Freunde  Professor  Franz  Misteli  in  St.  Gallen  hiermit 
öffentlich  meinen  Dank  aus  für  die  Bereitwilligkeit ,  mit  welcher  er  meine  Anfragen 
auf  diesem  Gebiete  beantwortet  hat. 

*)  W.  Grimm  Heldensage  44,  45;    ebendaselbst  S.  43  das  lateinische  Walandiis, 

^)  Preller  Griechische  Mythol.  I,   1.37. 

GERMANIA.   Neue  Üeilip   II.   (XI V.)  .latirt:.  19 


290  KARL  MEYER 

nichts  häufiger  ist  als  Zusaramenziehung  von  va  zu  u).  Die  übrigen 
Namensformen,  das  angelsächsische  Weland  (Heldensage  13,  20,  29), 
der  Velint  oder  Velent  der  Thidrekssaga,  der  Wieland  der  mittelhoch- 
deutschen Gedichte,  sind  nicht  mehr  rein  und  scheinen  auf  eine  Wurzel 
hinzuweisen,  die  sich  noch  in  dem  ags.  Substantiv  vela,  veola,  viola 
(Schatz)  erhalten  hat '). 

Sehen  wir  nun  zu,  ob  Wielands  Verwandtschaft  diese  elementare 
Grundlage  bestätigt  oder  nicht.  Wielands  Vater  ist  nach  der  Thidreks- 
saga der  Riese  Wate.  MüllenhofF  hat  in  einer  sehr  lehrreichen  Abhand- 
lung'')  zu  beweisen  gesucht,  daß  dieser  Wate  ein  Wasserriese  sei,  in 
welchem  die  Anwohner  der  Nordsee  den  regelmäßigen  Wechsel  von 
Ebbe  und  Fluth  personificierten.  Für  die  deutschen  Sagen,  in  welchen 
Wate  auftritt,  das  angelsächsische  Wandererlied,  die  Kudrunsage  und 
die  in  der  Thidrekssaga  überlieferte  Form  der  Wielandssage  mag  diese 
Erklärung  genügen,  und  vom  Standpunkte  der  germanischen  Mythologie 
allein  betrachtet  mochte  eine  andere  schwer  aufzustellen  sein.  Die 
vergleichende  Mythologie  hat  aber  seit  der  Ausarbeitung  jener  Abhand- 
lung zu  Anschauungen  gefühi't,  welche  wenigstens  für  das  älteste  Wesen 
Wates  andere  Resultate  ergeben  haben,  wie  sie  auch  bereits  Mann- 
hardt  in  einem  Aufsatz  über  Wate  dargelegt  hat  ^).  Mtlllenhofi 
hatte  von  seinem  Standpunkte  aus  Recht,  wenn  er  Wieland  den  „an- 
geblichen" Sohn  Wates  nannte  (Ztschr.  VI,  67);  wie  sollte  auch  ersterer, 
dessen  elementare  Grundlage  das  Feuer  ist,  Sohn  eines  Wasserriesen 
sein?  Gleichwohl  verbietet  die  Alliteration,  an  der  Echtheit  dieser  Ge- 
nealogie zu  zweifeln.  Mannhardt  hat  nun  in  der  schon  angeführten 
Abhandlung  nachgewiesen  ,  daß  Wate  ursprünglich  mit  dem  germani- 
schen Donnergott  eng  zusammenhängt,  daß  er  ein  Wesen  ist,  welches 
ursprünglich  mit  dem  Donnerer  eins  war,  allmälig  aber  sich  von  dem- 
selben ablöste  und  selbständig  auftrat.  In  ihren  ältesten  Wohnsitzen 
kannten  die  Indogermanen  das  Meer  nicht  ^) ;  wenn  uns  daher  die  ger- 
manische oder  eine  andere  verwandte  Mythologie  Meergottheiten  nennt, 
für  welche  man  ein  sehr  hohes  Alter  in  Anspruch  zu  nehmen  hat,  so 
ist  das  irdische  Meer  an  die  Stelle  des  himmlischen  Wolkensees  ge- 
treten ').  Wenn  also  Wates  Mutter  Wachilt  in  der  That  ein  ebenso 
hohes  Alter  beanspruchen  darf  wie  ihr  Sohn,  so  mag  auch  sie  ursprüng- 
lich eine  Gewittergottheit  sein.  Das  hindert  nicht,  daß  Müllenhoff  vom 


•)  Wackernagel  Altdeutsches  Wörterbuch,  S.  377^  '')  Ztschr.  f.  d.  A.  VI, 
62.  ff.  ')  Ztschr.  f.  d.  Mythol.  II,  296  ff.  *)  Kuhn  Heral.kunft  des  Feuers  S.  25. 
*)    Kuhn  a.  a.  O.  25.    Mannhardt  a.  a.   O.  303. 


DIE  WIELANDSSAGE.  291 

speciell  germanischen  Standpunkt  aus  mit  Recht  in  Wachilt  die  alt- 
deutsche Meergöttin  erkannt  hat  (Ztschr.  VI,  66).  Sobald  einmal  die 
niederdeutschen  Stämme  sich  an  den  Ufern  der  Nordsee  festgesetzt 
hatten ,  verstand  es  sich  von  selbst,  daß  sie  die  See  mit  göttlichen 
und  halbgöttlichen  Wesen  bevölkerten ;  dann  aber  lag  es  gewiß  sehr 
nahe,  auf  letztere  diejenigen  Eigenschaften  zu  übertragen,  welche  sich, 
wenn  vielleicht  auch  schon  verdunkelt,  als  Attribute  älterer  ähnlicher 
Gottheiten  in  ihrem  Andenken  erhalten  hatten.  Ist  aber  der  Nachweis 
gelungen ,  daß  sowohl  Wate  als  auch  seine  Mutter  ursprünglich  mit 
Wolke  und  Gewitter  im  Zusammenhang  standen,  so  wird  man  in  die 
Echtheit  seiner  Verbindung  mit  Wieland  um  so  weniger  Zweifel  setzen, 

Wielands  Bruder  Egil  ist  der  beste  Schütze.  Er  schießt  gerade 
wie  Toko  bei  Saxo  Grammaticus  und  wie  der  Teil  der  schweizerischen 
Sagen  den  Apfel  vom  Kopfe  seines  Knaben.  Der  Schützenkunst  mag, 
so  sehr  sie  auch  in  der  spätem  Sage  ethisch  weiter  gebildet  ist,  eine 
Naturerscheinung  zu  Grunde  liegen ;,  und  durch  das  Bild  des  Pfeiles 
werden  die  Blitze  oder  Sonnenstrahlen  bezeichnet;  auch  Egil  lässt  sich 
mithin  auf  das  Element  des  Feuers  zurückftihren ');  von  seinem  Sohne 
Grendel  (Orvandil,  Earendel)  ist  es  ebenfalls  ausgemacht,  daß  er  als 
Wesen  des  strahlenden  Lichtes  aufzufassen  ist  ^).  Der  Name  des  Groß- 
vaters hingegen,  des  Königs  Vilcinus,  darf  zur  Bestätigung  nicht  zugezogen 
werden,  so  sehr  er  auch  an  Vulcanus  mahnt;  seine  ursprüngliche  Form 
'Wilze'  deutet  an,  daß  wir  es  nur  mit  einer  heroischen  Personification 
des  Wilzenvolkes  zu  thun  haben,  die  sich  bei  den  Sachsen  frühestens 
im  neunten  oder  zehnten  Jahrhundert  gebildet  hat,  welche  aber  jeder 
epischen  Ausbildung  entbehrt^). 

Nachdem  wir  so  das  Element  nachgewiesen  haben,  welches  dem 
Wesen  Wielands  zu  Grunde  liegt,  wird  eine  nähere  Schilderung  seiner 
Persönlichkeit  erwünscht  sein.  Bekanntlich  kennt  die  deutsche  Mytho- 
logie fünf  Classen  übermenschlicher  Wesen:  Äsen,  Wanen,  Riesen,  Elbe, 
Helden.  Man  pflegt  Wieland  gewöhnlich  unter  der  Rubrik  der  deutschen 
Heldensage  aufzuführen,  und  die  Art,  wie  er  in  der  Thidrekssaga  dem 
Sagenkreise  Dietrichs  von  Bern  nahe  gerückt  ist,  mag  wohl  zur  Ent- 
schuldigung dienen  ;  ursprünglich  aber  ist  an  ihm  wenig  oder  nichts 
heldenhaftes  wahrzunehmen.  Zu  welcher  Classe  von  Wesen  Wieland 
in  Wirklichkeit  gehört ,  ergibt  sich  unzweideutig  aus  der  Edda ;  die 
Völundarkvida  nennt  ihn  (Str.  10)  älfa  liodi  (alforum  gentilis),  ja  sogar 


')  Pfannenschmid,  Germania  10,  13.      ^)  Zacher  Das  gothische  Alphabet  Vulfilaa 
S.  36.   Mannhardt  a.   a.   O    321    ff.        ''i  Mfillonhoff.   Ztschr.   XII,   340.   341. 

l'J* 


292  KART.  MKVEK 

visi  dlfa  (Str.  13,  30)  (alforum  princeps).  J.  Grrimm  sucht  diese  Benen- 
nungen möglichst  abzuschwächen;  älfa  Uöäi  Soll  Wieland  als  Lehrling 
der  Zwerge  heißen  '),  älfa  vtst  soll  ihn  als  einen  bezeichnen,  der  sich 
wie  Siegfried  ein  Zwergvolk  unterworfen  habe  ^).  Letzteres  widerlegt 
sich  sehr  leicht,  insofern  eine  solche  Unterwerfung  nirgends  berichtet 
wird.  Daß  hingegen  Wieland  Lehrling  der  Zwerge  war,  wird  scheinbar 
allerdings  durch  die  Thidrekssaga  bestätigt.  Allein  ich  glaube  nicht, 
daß  sein  Aufenthalt  bei  Mimi  und  die  Lehrzeit,  welche  er  bei  den 
beiden  Zwergen  im  Berge  Kallava  zubringt,  auf  echter  Sage  beruhen. 
Beides  beruht  vielmehr  auf  dem  schon  angedeuteten  L'rthum,  daß  der 
ursprünglich  dvirch  und  durch  elbische  •  Wieland  als  Held  aufgefasst 
wurde.  Als  solcher  musste  er  allerdings  die  Schmiedekunst  wie  Sieg- 
fried erst  erlernen ;  als  Alb  war  sie  bei  ihm  selbstverständlich  und  ge- 
hörte mit  zu  seinem  eigentlichen  Wesen.  Daß  sonst  an  ihm  Alles  elbisch 
ist,  die  Schmiedekunst,  der  Zauberriug,  das  Flughemd,  und  der  Um- 
stand, daß  er  Baduhilden  als  Incubus  im  Trunk  und  Schlafe  beiwohnt, 
hat  schon  Rieger  gezeigt  (Germ.  3,  176).  Sonst  scheint  noch  für  Wie- 
lands Heldennatur  das  Schwert  zu  sprechen,  welches  schon  die  Edda 
ihm  beilegt  (Vkv.  Str.  16,  17,  prosaischer  Zwischenbericht  vor  Sti\  16), 
welches  auch  die  Thidrekssaga  kennt.  Daß  Wieland  als  Meister  in  der 
Schmiedekunst  Schwerter  schmiedete,  ist  selbstverständlich;  daß  er  aber 
selbst  ein  solches  nöthig  hatte  und  trug,  ist  überflüssig;  c.  70  schlägt 
er  allerdings  den  Truchseß  König  Nidungs  mit  demselben  todt;  wir  wissen 
aber  nicht,  ob  dieser  Theil  der  Sage  echt  ist;  er  könnte  im  Gegen- 
theil  nur  ersonnen  sein,  damit  Wielands  Verbannung  motiviert  erschien 
(s.  unten).  Nach  alledem  scheint  es  sicher,  daß  dasjenige,  was  die  Saga 
(c.  58 — 61)  über  Wielands  Lehrjahre  berichtet,  erst  einer  spätem  Zeit 
angehört,  welche  über  dessen  eigentliches  Wesen  schon  nicht  mehr  im 
Klaren  war,  welche  aber  darauf  ausgieng,  das  scheinbar  unbegründete 
in  der  Erzählung  zu  begründen.  Ohne  Zweifel  ist  das  Erlernen  der 
Schmiedekunst  bei  Mimi  der  freilich  entstellten  Nibelungensage  nach- 
gebildet ,  in  welcher  Siegfried  ebenfalls  als  Lehrling  jenes  Schmiedes 
erscheint  (Thidr.  s.  c.  164  flf.)  ;  daß  Wieland  bei  Mimi  mit  Siegfried 
zusammentraf,  war  dann  nur  eine  weitere  Folge  dieses  A-^erhältnisses, 
und  daß  er  von  ihm  misshandelt  wurde,  erklärt  sich  aus  den  rohkomi- 
schen Zügen,  welche  die  spätere  Sage  letzterm  angedichtet  hatte.  Eben- 
daher wird  aber  auch  die  Tödtung  der  beiden  Zwerge  stammen,  zu 
welchen  Wieland  später  in  die  Lehre  kam.    Sie. entspricht,  so  verdun- 

')  MythoIog:ie  41  :i.  'i   Ebt-nd.   42-2. 


DIK  WlEl.AND.SSAGK.  21)0 

ke-lt  und  inissverstaudeu  die  einzelnen  Züge  sind,  der  Erlegung  Fafuis 
und  Regins,  oder  wie  die  Thidrekssaga  entstellend  berichtet,  Mimis  und 
Regins,  durch  Sigurd.  In  der  echten  Sage  waren  freilich  beide  Riesen*); 
doch  gieng  der  schwächere  Bruder,  Regln,  schon  in  Ssemunds  Prosa 
in  die  Vorstellung  eines  Zwerges  über.  Es  ist  daher  nicht  auffallend, 
wenn  hier  beide  zu  Zwergen  geworden  sind;  schon  das  Nibelungenlied 
hatte  ja  dieselben  wenigstens  zu  Nibelungen  gemacht  (Str.  88  ff.). 

Wieland  ist  also  ein  Alb,  und  es  wird  gerathen  sein,  ehe  wir  von 
seinen  Lehrjahren  zu  den  Wanderjahren  übergehen,  diese  seine  elbische 
Natur  näher  ins  Auge  zu  fassen. 

Die  Elbe  sind  ursprünglich,  und  schwerlich  nur  auf  germanischem 
Boden,  die  Geister  der  Verstorbenen  ^),  stehen  also  in  enger  Beziehung 
zu  dem  Reich  der  Abgeschiedenen  ^).  Andererseits  besitzen  sie  aber 
auch  elementare  Grundlagen  und  lassen  sich  demgemäß  in  verschiedene 
Classen,  in  Feuergeister,  Luftgeister,  Wassergeister  sondern;  in  der 
Praxis  mochten  freilich  diese  Classen  sich  schon  frühzeitig  vermengen. 
Auf  deutschem  Boden  dachte  man  sich  das  Todtenreich  im  Innern  der 
Erde,  in  hohlen  Bergen  u.  dgl. ;  dem  entsprechend  haust  Völundr  in 
Ulfdalir  (Vkv.  Str.  5,  6),  welcher  Name  an  die  wulweslöcker,  wulwekers- 
löcker  erinnert,  wie  in  Niedersachsen  die  Erdhöhlen  heißen,  in  welchen 
ein  fabelhafter  an  W^ieland  mahnender  Schmied  haust*).  Diese  in  einem 
eigenen  Reiche  fortlebenden  Wesen  nun,  mögen  sie  im  Übrigen  mensch- 
liche Körpergröße  oder  zwergische  Kleinheit  haben,  werden  aulken, 
ölken,  illken,  öllerken,  üllerken,  d.  h.  „die  Alten"  genannt  und  so  auch 
durch  iliren  Namen  als  Vorväter  der  Menschen  bezeichnet^).  Ihr  Ver- 
hältniss  zu  den  Menschen  kann  ein  freundliches  oder  ein  feindseliges 
sein.  Die  erste  Vorstellung  wird  die  ältere  sein  und  wird  durch  un- 
zählige Sagen  aus  den  verschiedensten  Gegenden  bestätigt.  Daneben 
weisen  sie  aber  auch  boshafte  Züge  auf,  am  ehesten  freilich,  wenn  sie 
von  den  Menschen  geneckt  oder  undankar  behandelt  werden.  Je  größere 
Fortschritte  das  Christenthum  bei  den  Germanen  machte,  desto  feind- 
seliger mussten  ihnen  die  Gestalten  ihres  alten  Glaubens  erscheinen. 
Doch  erklärt  sich  nicht  Alles  aus  diesem  Umstände,  sondern  die  Doppel- 
seitigkeit des  Verhältnisses  der  Elbe  und  Zwerge  zu  den  Menschen 
entspricht  zum  Theil  auch  ihrer  elementaren  Grundlage,  insofern  die 
Ki'äfte  der  Natur  das  eine  Mal  sich  den  Menschen  hilfreich  erweisen» 
das  andere  Mal  boshaft  ihren  Dienst  versagen. 

»)  Fafnismäl.  Str.  29,  38.  '')  Kulm  Norddeutsche  Sagen  4Ö9.  Ztschr.  f.  vgl 
Sprachf.  IV,  101.  'j  Kieger,  Germania  3,  ^72  ff.  ")  Kuhn  a.  a.  O.  98.  ^)  Kuhn 
»bend.   101. 


294  KARL  MKVKK 

Diese  Eigenschaften  der  Elbe  nun  finden  sich  auch  bei  Wieland 
in  ihrer  Doppelseitigkeit.  Kuhn  hat  in  der  angeführten  Abhandlung 
mehrere  Sagen  gesammelt,  in  welchen  Wieland  wenn  auch  zum  Theii 
unter  anderm  Namen  den  Menschen  hilfreich  erscheint,  ihre  Pferde  mit 
neuen  Hufeisen  beschlägt  und  ihnen  sonst  auf  allerlei  Weise  mit  seiner 
Kunst  aushilft ').  Anders  freilich  stellt  sich  die  Sache,  wenn  die  Menschen 
ihn  zu  ihrem  Dienste  zwingen  oder  gar  durch  harte  Behandlung  ihn 
in  ihrem  Dienste  festhalten  wollen.  Das  Epos  hat  sich  namentlich  des 
letztern  Zuges  bemächtigt  und  ihn  zu  jener  fortlaufenden  Erzählung 
ausgebildet,  wie  sie  in  der  Völundarkvida  und  der  Thidrekssaga  vorliegt. 

Der  König,  welcher  Wieland  zu  seinem  Dienste  zwingt,  heißt  in 
angelsächsischer  Sage  Mdhäd  TRieger  Alts,  und  Ags.  LB.  82 ,  23), 
im  Norden,  wo  das  ehemalige  Substantiv  heit  (ags.  häd)  fehlt,  Nidudr 
(Vkv.)  oder  Nidung  (Thidr.  s.),  im  Anhang  des  Heldenbuchs  Hertwich 
oder  Hertniht.  Der  wesentliche  Bestandtheil  aller  dieser  Namensformen 
ist  das  ahd.  nid,  mhd.  nit,  nhd.  Neid,  also  eine  abstracto  Personification 
des  Neides ,  welche  demjenigen  zukommt ,  der  die  Gaben  der  Natur 
nicht  als  Geschenk  annimmt,  sondern  sie  habsüchtig  zu  rauben  sucht. 
Wir  haben  es  folglich  nicht  mit  einer  geschichtlichen  Persönlichkeit  zu 
thun,  sondern  mit  einer  persönlich  aufgefassten  allgemein  menschlichen 
Eigenschaft.  Die  Art  und  Weise  nun,  wie  Wieland  zu  Nidung  kommt, 
wird  auch  wieder  verschieden  berichtet.  In  der  Edda  dringt  der  König 
zur  Nachtzeit  in  AVielands  Behausung  ein  und  lässt  denselben  fesseln 
und  (so  erfordert  wenigstens  der  weitere  Verlauf  der  Sage)  zu  Hause 
lähmen  (Vkv.  Str.  6  ff.).  In  der  Thidrekssaga  hingegen  (c.  61,  62)  höhlt 
sich  Wieland  selbst  einen  Baumstamm  künstlich  wie  ein  Boot  aus  und 
gelangt  in  demselben  freiwillig  in  des  Königs  Land;  von  diesem  ver- 
bannt verlässt  er  dasselbe  anfänglich,  kehrt  aber  bald  wieder,  indem 
er  sich  heimlich  am  Hofe  einschleicht ;  gelähmt  wird  er  erst  jetzt  zur 
Strafe  für  seine  Rückkehr,  nachdem  der  König  ihn  erkannt  hat  (c.  71,  72). 
Dieses  Ankommen  zu  Schiflfe  ist  aber  ohne  Zweifel  ein  Zug,  der  \\y- 
sprünglich  dem  Mythus  von  Scild  angehört,  in  die  Wielandssage  aber 
wie  in  die  Siegfriedssage  bloß  eingeschwärzt  ist  '^).  Er  mochte  dadurch 
vermittelt  werden ,  daß  vielleicht  schon  vorher  auf  Wieland  das  Boot 
war  übertragen  worden,  welches  eigentlich  seinem  Vater  Wate  ange- 
hörte^).   Was  aber  weiter  folgt,   leidet  sehi'  an  innerer  Unwahrschein- 


»)  a.  a.  O.  S.  97.  »)  Rieger,  Germania  3,  186.  »)  Müllenhoff,  Ztschr.  VI,  66.  67. 
Bei  Saxo  und  in  der  schweizerisclien  Sage  von  Teil  ist  das  Boot  sogar  auf  den  Meister- 
schützen, der  ursprünglich  Wielands  Bruder  ist,  übergegangen.  Die  Übereinstimmung 
der  dänischen  und  der  Schweizersage  ist  jedesfalls  sehr  auffallend. 


DIE  WIELANDSr^AGE.  295 

lichkeit.  Wenn  König  Nidung  so  erbost  war  über  die  Tödtung  des 
Truchsessen ,  hätte  ihm  gewiß  näher  gelegen,  Wieland  sofort  lähmen 
zu  lassen.  Statt  dessen  schickt  er  ihn  bloß  weg,  und  später  lähmt  er 
ihn  für  das  verhältnissmäßig  geringe  Vergehen  der  Rückkehr.  Der  un- 
sichtbare Aufenthalt  im  Hause  mahnt  ohnehin  sehr  an  den  Zwergkönig 
Golderaar  und  dessen  Leben  auf  dem  Hardenstein  an  der  Ruhr  ^).  Weit 
einfacher  und  in  sich  befriedigender  ist  die  Darstellung  der  Edda : 
Nidudr  beraubt  Wieland  seines  Goldrings  und  lässt  ihn  selber  fesseln; 
um  vor  der  Rache  des  Gefesselten  sicher  zu  sein  und  wohl  auch,  um 
ihm  die  Flucht  unmöglich  zu  machen,  lässt  er  ihm  hierauf  die  Sehnen 
zerschneiden ;  diese  Züge  passen  vollkommen  zum  Namen  und  Charakter 
des  Königs.  Es  wird  hier  nicht  unpassend  sein,  auf  den  Ring  zurück- 
zukommen ,  welchen  Nidudr  in  Wielands  Behausung  raubt  und  seiner 
Tochter  schenkt.  Daß  er  nicht  der  Hervor  gehörte  und  mit  ihrer  Ver- 
wandlung und  Flucht  nichts  zu  schaffen  hatte,  ist  schon  oben  dargethan 
worden ;  ebendaselbst  ist  auch  bewiesen  worden ,  daß  er  Eigenthum 
Wielands  war.  Daß  er  von  besonderm  Werthe  war,  geht  daraus  her- 
vor ,  daß  Nidudr  nur  diesen  einen  von  siebenhundert  nimmt  und  daß 
Bödvildr  ihrem  Vater  es  nicht  zu  gestehen  wagte ,  als  sie  denselben 
zerbrochen  hatte.  • —  Wir  finden  in  deutschen  Sagen  mehrmals  elbische 
Wesen  im  Besitz  wundei'kräftiger  Ringe ;  so  hat  z.  B.  Ortnit  einen 
solchen;  näher  indessen  dem  hier  zu  besprechenden  steht  der  aus  der 
Nibelungensage  bekannte  Ring  Andvaranaut  ^),  durch  welchen  der  Zwerg 
Andvari  seinen  Goldhort  immer  wieder  ersetzen  konnte,  dessen  Raub 
aber  acht  Edelingen  Verderben  bringen  sollte.  Ohne  Zweifel  stand  auch 
Wielands  Ring  in  irgend  einer  Beziehung  zu  seiner  Kunst  und  diente 
wohl  ebenfalls  zur  Gewinnung  oder  Mehrung  seines  Goldes. 

Wie  weit  die  einzelnen  Arbeiten,  welche  Wieland  an  König  Ni- 
dungs  Hof  ausführte  und  sein  Wettstreit  mit  des  Königs  Schmied  Amilias 
auf  echter  alter  Sage  beruhen,  ist  schwer  zu  sagen,  da  alles  das  sich 
nur  in  der  verhältnissmäßig  späten  Thidrekssage  findet.  Ist  die  Art  und 
Weise,  in  welcher  Wieland  nach  der  Edda  in  Gefangenschaft  geräth, 
die  richtige,  so  haben  diese  Züge  freilich  keinen  Raum  und  müssen 
ausgeschieden  werden.  Als  thatsächliche  Äußerungen  größter  Kunst- 
fertigkeit mögen  sie  aber  von  Wieland  schon  in  sehr  alter  Zeit  erzählt 
worden  sein,  ohne  gerade  in  den  Rahmen  der  episch  gestalteten  Sage 
zu  gehören,  welche  von  Wieland  und  Nidung  handelte.  In  Nebendingen 


')   J.  Grimm   Mythol.  477.         '^)    Sigurdkv.   II,     prosaischer  Bericht  nach  Str.  5 
Die  Eigenschaft  des  Ringes  bei  Snorri,  Sk.  39. 


296  KAHL  MEVEH 

ist  sogar  das  geringe  Alter  einzelner  Züge  nachweisbar ;  Avas  z.  B. 
cap.  67  der  Saga  von  Wieland  erzählt  wird,  daß  er  aus  Vogelkoth 
die  besten  Schwertklingen  verfertigte-,  thaten  nämlich  auch  die  be- 
rühmten Schwertfeger  zu  Bagdad  ').  Dieser  Zug  der  Wielandssage  wird 
mithin  schwerlich  älter  sein  als  die  Zeit  der  Kreuzzüge.  Im  Ganzen 
müssen  wir  zweierlei  Kunstwerke  unterscheiden.  Wenn  Wieland  Schwerter 
oder,  wie  man  auch  ohne  ausdrückliche  Zeugnisse  wird  annehmen  dürfen, 
andere  Waffen  schmiedet,  so  sind  das  Züge,  welche  möglicherweise  dem 
höchsten  Alterthum  angehören ;  auch  das  Schmieden  der  Hufeisen  *) 
wird  hierher  gehören  und  mag ,  da  von  Hephsestos  genau  dasselbe  be- 
richtet wird^),  sogar  einer  Zeit  angehören,  in  welcher  die  indogerma- 
nischen Stämme  sich  noch  nicht  getrennt  hatten.  Jünger  aber  sind  die 
plastischen  Kunstwerke,  welche  Wieland  nach  der  Thidrekssaga  zu 
Stande  bringt,  also  namentlich  das  Bild  Regins  (c.  66),  welches  so  täu- 
schend verfertigt  war,  daß  Nidung  dasselbe  für  den  wirklichen  Regin 
hielt  und  es  anredete.  Wir  wissen,  daß  die  Germanen  verhältnissmäßig 
spät  sich  der  plastischen  Nachbildung  der  menschlichen  Gestalt  zu- 
w^audten,  und  daß  das  erste  wirklich  bezeugte  Götterbild  der  Gothen 
erst  in  die  zweite  Hälfte  des  vierten  Jahrhunderts  fällt  ^).  BekanntHch 
waren  die  Gothen  derjenige  Stamm,  welcher  am  frühesten  sich  fremde 
Cultur  aneignete.  Da  aber  römische  Vorbilder  den  Germanen  höchst 
wahrscheinlich  den  Anstoß  zu  dieser  Kunst  gaben,  und  da  andererseits 
die  Wielandssage  in  der  uns  überlieferten  Gestalt  in  sächsischem  Boden 
zu  wui'zeln  scheint,  so  mögen  diese  Züge  der  Sage  noch  um  ein  be- 
deutendes jünger  sein  als  jenes  erste  Beispiel  bei  den  Gothen. 

Gemeinschaftlich  ist  nun  beiden  Überlieferungen  die  Art,  in  welcher 
Wieland  sich  für  den  Verlust  seiner  Freiheit  und  die  Lähmung  seiner 
Füße  rächt.  Einmal  die  Ermordung  von  Nidungs  Söhnen  und  die  künst- 
leiische  Verarbeitung  ihrer  Glieder.  Daß  die  Hirnschale  eines  Feindes 
zum  Trinkbecher  gestaltet  wurde ,  ist  fiir  die  Germanen  auch  sonst 
überliefert^).  Der  zweite  Zug  ist  die  Schwächung  der  Königstochter, 
und  dieser  Zug  ist  wiederum  echt  elbisch  ").  Der  Name  der  Prinzessin 
lautet  bei  den  Angelsachsen  Beadohilde;  sie  muß  mithin  in  hochdeut- 
scher Sprache,  obschon  das  nirgends  ausdrücklich  bezeugt  ist,  Baduhilt 
geheißen  haben;  die  altnordische  Form  Bödvildr  gehört  ebenfalls  hier- 


')  Ferd.  Wolf  in  Haupts  und  Hofl'mamis  Altdeutschen  Blättern  I,  46.  ^)  W.  Grimm 
Heldensage  333,  334.  ^)  Kuhn,  Ztschr.  für  vgl.  Spr.  IV,  96.  97.  '')  J.  Grimm  Myth.  95. 
Vgl.  damit  Wackeruagel  in  Haupts  Ztschr.  IX,  S.  543.  ^)  Paulus  Diac.  1,  27;  2,  28. 
*)  Rieger,  Germania  3,   176. 


DIE  WIELANDSSAGE.  207 

her  *).  Dieser  zwiefach  bezeugten  Namensform  gegenüber  erweist  sich 
der  Name  Heren ,  den  eine  Handschrift  der  Thidrekssaga  enthält  ^), 
als  unecht. 

Sodann  Wielands  Bruder  Egil*.  Die  Saga  legt  ihm  den  Apfelschuß 
bei.  Auf  die  Frage  des  Königs,  wozu  die  übrigen  Pfeile  dienten,  gibt 
der  Schütze  die  aus  der  Tellssage  bekannte  Antwort,  wird  aber  dafür 
nicht  bestraft.  Das  ist  ohne  Zweifel  unrichtig,  wie  sich  aus  der  Über- 
einstimmung Saxos  mit  der  Tellssage  ergibt.  Wenn  aber  der  Verfasser 
der  Saga  die  Sage  vom  Apfelschuß  durchaus  hier  anbringen  und  an 
Nidung  knüpfen  wollte,  musste  er  ihr  allerdings  diese  Wendung  geben. 
Und  wo  andererseits  wie  bei  Saxo  und  in  Uri  die  Sage  vom  Apfelschuß 
erzählt  wird,  wird  der  Schmiedekunst  nicht  gedacht.  Es  leidet  über- 
haupt dieses  ganze  Stück  an  innerer  Unwahrscheinlichkeit;  König  Ni- 
dung wird  es  schwerlich  zugegeben  haben ,  daß  Egil  frei  bei  seinem 
gefangenen  Bruder  ab-  und  zugieng.  Damit  fällt  freilich  auch  die  Art 
und  Weise  weg ,  wie  Wieland  nach  der  Saga  sein  Federgewand  zu 
Stande  brachte,  und  da  die  Edda  über  diesen  Punct  sehr  rasch  hinweg- 
geht, so  fehlt  es  an  Zeugnissen  dafür.  Aber  das  Fliegen  ist  ja  über- 
haupt eine  göttliche  oder  elbische  Kunst;  sie  kann  in  Wielands  Wesen 
ursprünglich  begründet  gewesen  sein ;  die  spätere  Zeit  aber,  welcher 
das  Verständniss  hiefiir  schon  längst  entschwunden  war ,  musste  ihn 
seine  Flügel  erst  verfertigen  lassen. 

Der  Sohn  Wielands  und  der  Baduhilt  ist  Wittig  ^).  Daß  derselbe 
mit  dem  von  Jornandes  (cap.  34)  genannten  gothischen  Helden  Vidigoja 
ursprünglich  schon  eins  gewesen  sei^  ist  nicht  möglich.  Jener  war  wahr- 
scheinlich ein  Westgothe  und  wurde  schon  frühzeitig  mit  dem  sagen- 
beiühmten  Gotlienkönig  Ermeurich  verbunden^).  Benihmt  war  er  ge- 
worden durch  seine  Kämpfe  gegen  die  Sarmaten  und  durch  seinen  Unter- 
gang in  denselben.  Als  nun  die  Alamannen  ^)  und  durch  diese  die 
übrigen  deutschen  Stämme  die  Ermenrichssage  erbten,  lag  es  sehr  nahe, 
den  gothischen  Vidigoja  mit  jenem  Sohne  Wielands  zu  verbinden  und 
deren  Sagen  zu  verschmelzen,  wenn  schon  des  Letztern  Name  (alid. 
Witigo,  Ztschr.  XII,  257)  kein  Compositum,  sondern  bloß  abgeleitet  war ; 
das  Compositum  Vidigoja  konnte  leicht  ebenfalls  seine  ursprüngliche 
Form  verlieren  und  den  Charakter  einer  bloßen  Ableitung  annehmen. 
Daß    aber  die  Verschmelzung    beider   eine  sehr  alte   sein  muß,    ergibt 


')  J.  Grimm  in  W.  Grimms  Heldensage  S.  246,  Amn.  '^)  Raßmanu  Deutsche 
Heldensage  II,  246.  3)  Das  älteste  Zeugniss  im  ags.  Valdere,  Ztschr.  XII,  269,  Z.  7.  8. 
*)  Müllenhoff,  Ztschr.  XII,  2.55.  256.     ^)  Vgl.  meine  Dietrichssage,  S.  17.  28.  29. 


298  KARL  MEYER 

sich  aus  dem  angelsächsischen  Valdere,  in  welchem  in  Übereinstimmung 
mit  der  Thidrekssaga  dem  Vidia  Riesenkämpfe  im  slavischen  Nordosten 
zugeschrieben  werden,  deren  Grundlage  nur  die  Thaten  des  geschicht- 
lichen Vidigoja  sein  können^);  die  Slaven  der  Saga  sind  dann  an  die 
Stelle  der  Sarmaten  des  Jemandes  oder  der  Hunnen  der  angelsächsi- 
schen Sage  (Ztschr.  XII,  256)  getreten.  In  den  mittelhochdeutschen  Ge- 
dichten hat  das  Verhältniss  Wittigs  zu  Dietrich  von  Bern  ^)  dessen 
eigentliche  Sage  verdunkelt;  an  seinen  göttlichen  Ursprung  mahnt  in- 
dessen doch  noch  die  bekannte  Stelle  der  Rabenschlacht  (Str.  969) ; 
nur  ist  zu  berücksichtigen,  daß  durch  die  Verbindung  mit  Dietrich  ein 
anderes  Meer  an  die  Stelle  desjenigen  getreten  ist,  welchem  Wachilt 
eigentlich  augehöi'te. 

Es  könnte  nun  die  Frage  aufgeworfen  werden,  welchem  der  ger- 
manischen Stämme  die  Wielandssage  angehört.  Die  Überlieferung  der 
Thidrekssage  beruht  zunächst  auf  sächsischen  Liedern;  ja  es  ist  sogar 
wahrscheinlich,  daß  die  deutsche  Heldensage,  wie  sie  in  den  Liedern 
der  Edda  vorliegt,  ebenfalls  durch  die  Sachsen  dem  Norden  ist  mit- 
getheilt  worden.  Endlich  ist  nicht  außer  Acht  zu  lassen,  daß  die  localen 
Erinnerungen  an  den  kunstreichen  Schmied  ^)  auf  sächsischem  Boden 
am  häufigsten  sind,  und  daß  auch  die  angelsächsischen  Locale '*)  in- 
direct  wenigstens  dem  sächsischen  Stamme  angehören.  Aber  anderer- 
seits weist  der  altfranzösische  Galans  der  kerlingischen  Heldengedichte 
deutlich  genug  auf  die  Franken.  Nach  alledem  wird  es  in  diesem  Falle 
überhaupt  unpassend  sein,  die  Sage  einem  einzelnen  Stamme  ausschließ- 
lich anzueignen,  und  es  führen  im  Gegentheil  die  vielen  Ziige,  welche 
die  Wielandssage  mit  Sagen  und  Mythen  anderer  indogeraianischer 
Völker  gemeinschaftlich  hat,  zu  der  Ansicht,  daß  wir  es  hier  mit  einer 
Sage  zu  thun  haben,  welche  Gemeingut  aller  germanischen  Stämme  ist. 
Hingegen  ist  es  begreiflich ,  daß  die  verschiedenen  Stämme  die  Sage 
auf  ihrem  Gebiete  zu  localisieren  suchten.  Nach  der  Thidrekssage  sind 
Wates  Höfe  in  Sialand  (der  dänischen  Insel  Seeland)  gelegen,  und  König 
Nidung  herrscht  in  Jütland.  Man  hat  auch  vermuthet^),  das  dänische 
Seeland  sei  an  die  Stelle  des  friesischen  an  den  Rheinmündungen  ge- 
treten, und  ebenso  sei  der  Groenasund  (c.  58),  durch  welchen  Wate 
seinen  Sohn  auf  den  Schultern  trug ,  ursprünglich  im  holländischen 
Groningen  zu  suchen.    In  der  Edda  erscheint  der  Schauplatz  der  Er- 


•)  Müllenhoflf,  Ztschr.  XII,  279.  ^)  Dietrichssage  .S.  38.  39.  ')  Kuhns  Ztschr. 
IV,  97  ff.  *)  W.  Griram  Heldensage  333.  334  Müllenhoff,  Ztschr.  XII,  268,  269. 
^)  Mfillonhuff,  Ztschr.  VI,  63. 


DIE  WIELANDSSAGE.  299 

Zählung  wesentlich  nach  Norden  verschoben.  Niduftr  heißt  König  in 
Schweden  (Svithjod)  und  zwar  der  Niare  ,  deren  Heimat  gewöhnlich 
im  heutigen  Nerike  gesucht  wird  ').  Dagegen  Wieland  und  seine  Brüder 
werden  in  der  Einleitung  Söhne  des  Finnenkönigs  genannt;  da  er  jedoch 
im  Liede  selbst  Fürst  der  Elbe  heißt,  so  müssen  die  Finnen  an  die  Stelle 
der  Elbe  getreten  sein,  was  sich  leicht  daraus  erklärt,  daß  sie  bei  ihren 
germanischen  Nachbarn  im  Rufe  von  Zauberkünstlern  standen. 

Die  Sage  von  Wieland  findet  in  den  Mythen  und  Sagen  anderer 
indogermanischer  Völker  zahlreiche  Analogieen.  Am  auffallendsten  ist 
die  Verwandtschaft  mit  dem  griechischen  Dgedalus,  welche  A.  Kuhn  in 
einem  besondern  Aufsatze  besprochen  hat  2);  doch  macht  Wackernagel 
(Ztschr.  IX,  541)  mit  Recht  darauf  aufmerksam,  daß  Wieland  Vulcan 
und  Diedalus  der  Germanen  zugleich  ist.  Nämlich  in  der  epischen  Ent- 
wicklung seiner  Sage,  in  der  Grefangenschaft,  in  der  Flucht  auf  künst- 
lich verfertigten  Flügeln  entspricht  Wieland  allerdings  dem  Dsedalus; 
aber  hinsichtlich  des  ihm  zu  Grunde  liegenden  Elementes  steht  ihm 
doch  der  griechische  Hephsestos  und  der  lateinische  Vulcanus  (oben  S.  289) 
näher;  Letzteres  zeigt  sich  namentlich  auch  darin,  daß  Hephsestos  aus 
Metall,  also  wesentlich  mit  Hilfe  des  Feuers,  arbeitet,  während  Dsedalus 
der  Meister  der  Holzbildnerei  und  der  Architectur  ist^).  Immerhin  kann 
Dsedalus  aus  Hephsestos  hervorgegangen  sein  zu  einer  Zeit,  da  dessen 
elementare  Grundlage  schon  vergessen  war  und  nur  noch  seine  künst- 
lerische Thätigkeit  in  Ansehen  stand.  Wieland  also  repräsentiert  gleich- 
sam beide;  er  ist  der  beste  Schmied  und  hat  sich  als  solcher  noch  bis 
in  späte  Jahrhunderte  erhalten.  Wenn  in  den  Gedichten  des  Mittelalters 
irgend  eine  Metallarbeit  besonders  hervorgehoben  wird,  so  ist  sie  gewiß 
in  Wielands  Schmiede  verfertigt,  gerade  wie  die  Griechen  ein  derartiges 
Frachtstück. 'rjq)aL6T6rst>XTov  nannten^).  Schon  in  der  Edda  (Hamdismäl 
Str.  7)  ist  sein  Name  zum  Appellativum  geworden,  das  den  künstleri- 
schen Arbeiter  überhaupt  bezeichnet,  und  es  werden  die  Stickereien 
an  Gudruns  Lager  ein  Gewebe  der  Völunde  genannt.  Auch  bei  den 
Angelsachsen  fehlt  es  nicht  an  Zeugnissen;  einmal  im  Beovulf,  V.  455; 
Beovulf  nennt  sein  eigenes  Kampfkleid  (beaduscrüd)  Velandes  geveorc, 
und  im  Valdere  nennt  Hildgund  den  Mimming  ebenso  (Ztschr.  XII, 
265).  Auf  deutschem  Boden  führt  Wittig,  seinen  Vater  zu  ehren, 
Hammer  und  Zange  im  Wappenschild  ^)  ,  und  dann  kennen  ihn  auch 
die  mittelhochdeutschen  Gedichte  als  berühmten  Waffenschmied  (Biter- 


*)  Uhland  Schriften  VII,  286.       ')  Ztschr.  f.  vgl.  Sprachforschung  IV,  81-1-24. 
*)  Preller  Griech.  Myth.  I,  144.     *)  Ebend.   144.     ^)  W.  Grimm  Heldensage  266. 


300  REINHOLD  KÖHLER 

olf  157.  178).  Jeue  beiden  Abzeichen,  der  Hammer  und  die  Zange, 
sind  nebst  dem  Bilde  der  Schlange,  welche  Wittig  als  Helmzierde  und 
als  Zeichen  seiner  zornigen  Tapferkeit  trug,  in  die  Siegel  alter  Schmiede- 
zünfte übergegangen  ') ;  Wielands  Andenken  aber  erhielt  sich  nament- 
lich imter  den  Schmieden,  deren  Werkstätten  daher  'Wielands  Häuser' 
hießen  *).  In  Würzburg  z.  B.  hieß  noch  im  vorigen  Jahrhundert  ein  Haus 
„zum  großen  Schmied  Wieland",  und  Wieland  sieht  ganz  wie  ein  Schutz- 
patron seiner  Zunftgenossen  aus^).  Doch  dürfte  es  gewagt  sein,  alle  Loca- 
litäten,  welche  seinen  Namen  tragen,  unmittelbar  auf  den  mythischen  Wie- 
land zurückzuführen  ;  denn  es  hat  zu  allen  Zeiten  gewöhnliche  Sterb- 
liche gegeben,  und  gibt  noch  jetzt  solche,  die  den  Namen  Wieland  führen. 
BASEL.  KARL  ME\TER. 


ZUR  LEGENDE  VC  M  H.  ALB  ANUS. 


Nachdem  Greith  im  Spicilegium  Vaticanum  S.  159  f.  einen  Auszug 
einer  lateinischen  Legende  von  einem  h.  Albinus ,  wie  bei  ihm  irrig 
statt  Albanus  steht,  aus  einer  vaticanischen  Handschrift  gegeben  und 
Wackernagel  in  seiner  Litteraturgeschichte  S.  163,  Anni.  58,  darauf 
hingewiesen  hatte,  daß  die  von  Lachmann  in  den  Abhandlungen  der 
Berliner  Akademie  1836  herausgegebenen  zwei  Bruchstücke  eines  nie- 
derrheinischen Gedichtes  des  12.  Jahrhunderts  dieselbe  Legende  behan- 
deln, hat  Moriz  Haupt  in  den  Monatsberichten  der  Berliner  Akademie 
1860,  S.  241  ff.  die  ganze  Legende  nach  der  vaticanischen  Handschrift 
herausgegeben.  Diese  Veröffentlichung  Haupts  war  mir  unbekannt^  als 
ich  vor  einigen  Jahren  ein  besonderes  Interesse  für  die  Legende  fasste, 
die  ich  nur  aus  Greiths  Auszug  und  der  unten  erwähnten  Verdeut- 
schung des  Albrecht  von  Eyb  kannte.  In  Potthasts  Bibliotheca  histo- 
rica  medii  sevi,  Berlin  1862,  S.  588  fand  ich  folgende  Angabe  : 

'Vita  S.  Alhani  auctore  Transamundo  (?): 

„Erat  olim  in  partibus  aquilonis  homo." 


')  W.  Grimm ,    Ztschr.  II ,    72    ff.     Wackernagel  ,  Ztschr.  IX ,    541 ,    Anm.    60. 

')  Jvixta  domiim  Welaudi  fabri.  c.  a.  1262  in  Längs  Reg.  3,   18L     'j  Welandus  ab  ali- 

qiiibus  sanctus  dictiis  .  ,  .    Acta  sanctorum.  Mart.  tom.  I,  364.    —    Die  Localitäten  zii- 
baminciigcstpllt  hei  KaiMnaiiii,  Heldensage  U,  267. 


7Ä'R  LEGENDE  VOM  TL.  ALBANFS.  3()J 

Dieser  Heilige  ist  eine  Art  christlicher  Oedipus.  Die  Legende  ist 
sehr  schön. 

Handschriften:  Posen,  Graf  Dzialinski,  chart.  s.  XV.  4.  Fol.  2. 
Paris,  Arsenal.  Hist.  No.  99.  s.  XIH.  (als  Brief  176).' 

Eine  weitere  Handschrift  ist  erwähnt  in  der  Bibliotheque  de  l'Ecole 
des  Chartes  6'''"^  Sdrie,  1866,  T.  H.  p.  204,  205  nnd  207,  im  Besitze 
Lord  Ashburnhams. 

Ich  wendete  mich  nach  Rom ,  Paris  und  Posen.  Die  Poseuer 
Handschrift  Avar  damals  imzugänglich  ,  aber  von  der  vaticanischen 
und  der  Pariser  erhielt  ich  Abschriften ,  und  zwar  bin  ich  für  die 
der  ersteren  Herrn  Dr.  Richard  Schöne ,  damals  in  Rom  verwei- 
lend, für  die  der  letzteren  Herrn  Anatole  de  Montaiglon,  Professor  an 
der  Ecole  des  Chartes  zu  Paris,  und  meinem  Freund  Emile  Delerot,  da- 
mals an  der  Arsenalbibliothek,  zu  Danke  verpflichtet.  Als  ich  eben 
damit  beschäftigt  war,  hiernach  die  Legende  herauszugeben,  wurde 
mir  noch  zur  rechten  Zeit  bekannt,  daß  mir  Haupt,  wie  erwähnt,  be- 
reits zuvorgekommen.  Eine  wiederholte  Ausgabe  der  Legende  wäre 
zunächst  überflüssig  gewesen,  wohl  aber  scheint  es  nicht  unangemessen, 
einige  Berichtigungen  zu  Haupts  Texte  nach  den  mir  vorliegenden  Ab- 
schriften hier  mitzutheilen. 

Die  Handschrift  des  Arsenals  enthält  auf  den  ersten  46  Blättern 
die  Historia  orientalis  des  Jacobus  a  Vitriaco.  Dann  folgt  eine  Art 
Stilistik  und  Formelbuch  des  Transmundus  (Bl.  49 — 57),  hierauf: 
Incijpiunt  epistole  fratris  Transmundi  sacrosancte  Romane  ecclesie  jprotono- 
tarii.  Am  Schluss  der  Briefe  steht:  ExpUcit  summa  fratris  Transmundi 
abhatis*)  Clarevallis  deo  gratias,  und  weiter  unten:  hec  summa  est  scripta 
manu  Jacohi  sit  henedicta.  Ein  den  220  Briefen  vorausgehendes  Ver- 
zeichniss  ist  überschrieben:  Incipiunt  capitula  epistolarum  Transmundi 
Sacrosancte  Romane  ecclesie  prothonotarii  et  abhatis  monasterii  Clarevallis. 
Unter  diesen  Briefen  befindet  sich  als  der  176.  (Fol.  107  —  111)  unsere 
Legende. 

CLXXVL  Nativitas,  vita  et  ohifus  heati  Älhani,  qui  natus  fuit  ex 
patre  et  filia,  postea  accepit  matrem  in  nxorem,  postque  occidit  patrem  et 
matrem  et  denmm  sanctißcatus  est. 

Erat  olim  in  partibus  aquilonis  homo  quidem  potens  u.  s.  w. 

Dem  Text  der  Handschrift  der  Arsenalbibliothek  liegt  eine  von  dem 
der  vaticanischen  Handschrift  vielfach  stilistisch  abweichende  Recension 
zu  Grunde,    die    aber   durch    den  Schreiber  oft  arg  entstellt  ist.     Wo 


*;    Eine    jüno'ere    Hand     liat    uhbafis    ausg-estric.lien     und    movüchl    darüber    ge- 
schrieben. 


302  REINHOLÜ  KÖHLER 

beide  Recensionen  übereinstimmen,  ist  der  Pariser  Text  zuweilen  besser 
und  bestätigt  Haupts  Verbesserungen,  öfters  haben  aber  auch  beide 
Texte  dieselben  Fehler,  und  nicht  selten  ist  der  Pariser  schlechter  als 
der  römische. 

Die  Abschrift  der  vaticanischen  Handschrift  von  Herrn  Dr.  Schöne 
weicht  an  mehreren  Stellen  von  der  des  Dr.  Detlefsen,  welcher  für  Haupt 
die  Handschrift  abgeschrieben,  ab,  und  der  Schöne'sche  Text  ist  der 
correctere.  Ich  kann  natürlich  in  den  meisten  Fällen  nicht  wissen, 
welcher  von  beiden  Herreu  richtiger  gelesen  hat;  entschieden  fehlen 
aber  in  der  Detlefsen' sehen  Abschrift  an  fünf  Stellen  (243 ,  8 ;  247 ,  25 ; 
250,  24;  251,  20;  254,  26)  je  ein  Wort  und  an  zwei  andern  (252,  3; 
253,  14)  gar  mehrere,  die  in  der  Schöne'schen  Abschrift  vorhanden  sind. 

Ich  lasse  nun  nicht  die  ganze  varietas  lectionum,  sondern  nur 
eine  Auswahl  folgen,  und  zwar  neben  einigen  sonst  interessanten  nur 
solche,  wodurch  der  Haupt'sche  Text  gebessert  wird.  A  bezeichne  die 
Handschrift  des  Arsenals,  V  die  vaticanische. 

243,  1  pofens  et  nohilis  VA.  3  ex  dbundantia  VA.  8  sterilitate 
heatior  concepü  VA.  —  244,  1  iniecit  A.  17  noue  prolis  VA.  —  245,  3 
in  regine  thalamis  A.  4  simulato  Albanus  paruulo  nomen  appellutionis 
imponitur  factusque  est  A.  5  semine  procreatus  VA.  25  quod  nulli  melius 
iiliam  traderet  A.  30  postulanti  matrimonii  iura  contrahere  A.  In  V  fehlt 
matrimonii.  —  246,  3.  sponsalia  contrahunt  VA.  [Das  doppelte  occurant 
ist  Versehen  Detlefsens.]  6  fatorum  A.  9  totum  se  sibi  uindicabat  affec- 
tus  A.  11  mortis  filium  V.  mortis  occasum  ßlium  A.  13  lectulo  VA.  16 
quia  non  est  A.  29  preuenit  VA.  —  247,  7  exhihdssem  VA.  9  debitum] 
meritum  A.  sui]  cui  VA.  praebet]  praestat  A.  18  pallium  et  suum  illud 
A.  21  de  sua  adoptione  VA.  25  anxia  curiosius  perquirit  V.  anxia  cu- 
riositate  p.  A.  32  cumque  se  paululum  prae  A.  —  248,  11  merito]  de 
maritorum  mentibus  A.  19  tam  diu  VA.  20  miremur  A.  28  iu^ta  uerbum 
regis  tesfatur  inuentum  A.  33  exanimata  doloribus  a  se  ipsa  redditur 
aliena.  miratur  iuuenis  immoderati  dolmns  angustias  et  materne  prolacionis 
ignarus  A.  —  249,  3  uerecundus  VA.  22  conspectu  A.  23  respiro  VA.  — 

250,  12  supernis  beneficiis  VA.   21  altiu^  VA.  22  in  immensum  V;  ebenso 

251,  14;  252,  5.  24  obnoxium  esse  fateberis  VA.  26  qui  post  tanti  fla- 
gicii  abhominabiles  usus  A.  31  elogium  V.  eulogium  A.  —  251,  20  san- 
ctissimus  heremita  cuius  VA.  23  egressi  V.  25  causam  aperit,  non  requi- 
rit  et  totiu^  VA.  32  pannis  induti  laneis  A.  —  252,  3  conueniunt  de  quo 
ad  keremifam  accedere  consueuerunt  V.  perueniunt  quo  ad  h.  a.  c. 
A.  4  exsoluerunt  V.  expleuerunt  A.  17  instructo  conuiuio  VA.  26  co7i- 
densifas-    irruenlis    noctis    A.  27  iuuenis  annis  animoque   A.  28  sua  arri- 


ZUR  LEGENDE  VOM  H.  ALBANUS.  303 

ditate  decoctis  A.  33  in  eoruvi  thalamo  A.  —  253,  2  et  iudiciorum 
tuorum  profunditate  compressa  ad  quid  nohis  contingerint  non  ohstendunt 
A.  10  et  zelo  diuine  ultionis  A.  13  ululatihus  VA.  14  et  inuento  cale  tra- 
mitis  institutis  ad  locum  uiri  dei  tristis  et  contristatus  ascendit.  mox  ille 
incursus  uenientis  egreditur  et  heu  V.  et  inuento  calle  tramitis  iustioris  ad 

I.  u.  d.  t  atque  constetmatus  a.  m.  ille  in  occursum  uenientis  u.  s.  w. 
A.  17  miseranda  VA.  20  tienit  VA.  24  eia  inquit  A.  30  auulsoque  A.  — 
254,  4  anathoreutica  anathoritate  A.  23  ennmdatur  VA.  26  undique  ergo 
curritvr  VA.  30  sanitatis  A. 

Hieran  mögen  sich  einige  Nachweise  von  Bearbeitungen  und  Ueber- 
setzungen  unserer  Legende  reihen. 

J.  Kelle  hat  neuerdings  im  Serapeum  1868,  S.  99  die  Anfangs- 
worte —  in  unserem  Fall  mehrere  Sätze  —  von  Erzählungen  aus  der 
Fürstenbergischen  Handschrift  der  lateinischen  Gesta  Romanorum,  welche 
in  den  gedruckten  lateinischen  Gestis  fehlen^,  mitgetheilt.  Darunter  ist  die 

II.  Erzählung  unsere  Legende,  aber  wenn  nicht  durchweg,  jedenfalls 
in  den  ersten  Sätzen  sehr  abgekürzt. 

Verdeutscht  hat  die  Legende  Albrecht  von  Eyb,  und  zwar  findet 
sie  sich  am  Schlüsse  seines  1472  geschriebenen  mehrfach  gedruckten 
Buches  „Ob  einem  manne  sei  zu  nemen  ein  elich  Weibe  oder  nit." 
(Fol.  108  b  —  115  der  von  Friz  Creußner  zu  Nürnberg  1472  gedruck- 
ten Ausgabe.)  Albrecht  von  Eyb  bezeichnet  die  Legende  als  eine 
„hübsche  Histori",  die  er  „aus  Latein  zu  Deuzsche  gebracht"  habe, 
und  aus  der  „verstanden  werden  soll,  daß  kein  Sünder  in  seinen  Sün- 
den, wie  groß  die  sein,  verzagen  und  verzweifeln  solle."  Er  hat  sein 
Original  zum  Theil  ziemlich  treu  übersetzt,  zum  Theil  aber  auch  freier 
behandelt,  namentlich  hier  und  da  verkürzend  und  zusammendrängend. ') 

Von  einer  fi*anzösischen  Übersetzung  werden  zwei  Drucke  an- 
geführt. Einen  undatierten  Pariser  Druck  „La  Vie  de  Monsieur  Sainct 
Albain  Roy  de  Hongrie  et  Martyr,  translatee  du  Latin" ,  verzeichnet 
Antoine  Du  Verdier  in  seiner  Bibliotheque,  Lyon  1585,  p.  103,  und 
einen  Lyoner  von  1483  „Cest  la  Vie  de  Monseigneur  Saint-Albain 
Roy  de  Hongrie,  translate  nagueres  de  latin  en  francoys"  Ch.  Brunet 
Manuel  du  Libraire  V,  1188  und  G.  Brunet  La  France  litteraire  au 
XV.  sieck,  Paris  1865,  p.  210*^). 


')  Auf  Albrecht  bin  ich  durch  eine  Bemerkung  v.  d.  Hagens  in  seiner  Germa- 
nia IX,  247  geführt  worden.  Er  sagt  nämlich,  eine  mit  der  Oedipus-Legende  vom 
h    Gregor  sehr  nahe  verwandte  Erzählung  vom  h.  Albanus  beschließe  das  Ehebüchlein. 

")  [Verloren  ist  die  provenzalische  Bearbeitung,  die  Raimon  Ferraut  (vor  1300) 
rerfasste :   cell  que  volc  romanzar  la  vida  Sant  Alhan  Lex.  Rom.   1,  573.     K.  B.] 


304  REINHOLD  KÖHLER,  ZUR  LEOENDE  VOM  H.  ALBANUS. 

*. 
Auch  eine  alte  spanische  Übersetzung  wird  es  wohl  gegeben  ha- 
ben, doch  weiß  ich  keine  alten  Drucke  nachzuweisen.  Aber  eine  Vul- 
gär-Romanze  in  zwei  Abtheilungen,  welche  Duran  im  Romancero  general 
No.  1302  und  1303  mittheilt,  behandelt  das  Leben  des  San  Albano, 
jedoch  mit  einigen  Abweichungen  von  der  lateinischen  Legende.  In 
der  Romanze  heißt  der  Vater  des  Albauus  Hisano  und  ist  einer  der 
acht  Fürsten  des  Königreichs  Ungarn.  Er  zwingt  eines  Nachts  durch 
Todesdrohungen  seine  schöne  Tochter^  ihm  zu  Willen  zu  sein.  Das 
ausgesetzte  Kind  findet  der  König  Albano  von  Ungarn  und  zieht  es 
als  seinen  Sohn  auf.  Als  der  junge  Albano  20  Jahre  alt  ist,  lässt  der 
Vater  von  den  ihm  untergebenen  8  Fürsten  die  Bildnisse  ihrer  Töchter 
fordern  und  legt  sie  seinem  Sohn  vor,  der  sich  in  das  Bild  der  Tochter 
Hisanos  —  also  seiner  Mutter  —  verliebt  und  sich  mit  ihr  vermählt. 
Als  später  die  Königin  das  wahre  Verhältniss  entdeckt  hat,  begeben 
sich  Albano  und  seine  Eltern  zum  Papst  nach  Rom,  der  ihnen  eine 
siebenjährige  strenge  Buße  im  Gebirge  auflegt.  Als  sie  am  Schluß  der 
sieben  Jahre  auf  dem  Wege  nach  ihren  Reichen  sind,  um  dort  über  die- 
selben Verfügungen  zutreffen  und  dann  ins  Kloster  zu  gehen,  halten  sie 
unterwegs  einmal  Siesta,  die  Eltern  unter  einer  Eiche,  der  Sohn  auf  der- 
selben. Da  verführt  der  Teufel  die  Eltern  noch  einmal  und  Albano 
erschlägt  sie  und  begibt  sich  wieder  nach  Rom.  Er  wird  wieder  Ana- 
choret  und  stirbt  als  solcher  nach  sieben  Jahren.  —  Duran  sagt  in  einer 
Anmerkung :  'La  leyenda  que  sirve  de  asunto  a  estos  romances,  escrita 
en  prosa,  es  una  de  las  que  circulan  aun  enti'e  el  vulgo,  y  que  venden 
los  ciegos  por  las  calles,  no  solo  en  las  villas  y  aldeas,  sino  tambien 
en  Madrid.'  Mir  liegt  ein  modernes  spanisches  Volksbuch  vor:  „Historia 
del  bienaventurado  San  Albano,  y  raros  sucesos  de  sus  padi-es.  Madrid. 
Se  hallara  de  venta  en  la  Plaza  de  Riego  (antes  de  la  Cebada)  nr.  96, 
cto.  principal.  1855."  (2  Bogen  in  4").  Es  ist  eine  prosaische  Bear- 
beitung der  Romanze,  wobei  nicht  wenige  Verse  unverändert  beibe- 
halten sind. 

Schließlich  noch  die  Bemerkung,  daß  die  italienische,  von  Ales- 
sandro  D'Ancona  herausgegebene  Prosalegende  vom  h.  Albanus  (La 
leggenda  di  Sant'  Albano,  prosa  inedita  del  secolo  XJV,  e  la  storia  di 
San  Giovanni  Boccadoro,  secondo  due  antiche  lezioni  in  ottava  rima, 
per  cura  di  Alessandro  D'Ancona,  Bologna  1865)  mit  unserer  Legende 
nichts  als  den  Namen  Albanus  geraein  hat.  Die  italienische  Legende 
erzählt  von  Sant'  Albano  das,  was  sonst  gewöhnlich  von  Johannes  Chry- 
sostomus  erzählt  wird. 

WKLMAR,  November  1«68.  REINHOLD   KÖHLER. 


305 


BEITRÄGE  ZUR  KRITIK  DER  EDDALIEDER. 


LUDWIG  ETTMÜLLER. 


1.  Lokasenna. 

Das  altnordische  Gedicht  (Egisdrekka ,  oder  wie  es  auch ,  und 
zwar  bezeichnender,  genannt  wird:  Lokasenna,  ist  eines,  wie  es  scheint, 
von  denen,  die  gedichtet  wurden,  bevor  im  Altnordischen  das  anlau- 
tende V  vor  u,  ü,  0,  0,  y,  y,  r  und  vielleicht  auch  l  abgeworfen  ward ; 
will  man  demselben  aber  kein  so  hohes  Alter  zugestehen,  so  muß  man 
annehmen,  daß  es  in  einer  Gegend  entstanden  sei,  wo  der  Anlaut  v 
vor  den  genannten  Buchstaben  sich  länger  erhielt  als  anderswo.  Dies 
anlautende  v  ist  bisher  von  den  Bearbeitern  der  Edda  zu  gering  ver- 
werthet  worden,  sie  wagten  nirgends  es  zu  setzen,  wo  die  Handschriften 
es  unterdrückt  hatten,  obgleich  es  Stellen  gibt,  die  der  Verdei'bniss 
anheimfielen ,  nur  weil  man  dies  v  später  nicht  mehr  aussprach  und 
folglich  auch  nicht  mehr  schrieb.  Dadiu'ch  kam  nun  auch  der  Satz  in 
die  altnordische  Verslehre ,  daß  mit  v  anlautende  Wörter  gereimt 
werden  können  auf  Wörter,  die  durch  Aphäresis  des  v  vocalisch  an- 
lauten, z.  B.  oräi  :  vinr]  viäarr  :  nlfs  (statt  vordi  :  vinr^  viäarr  :  vulfs)  ; 
ebenso  können,  lehrt  man,  Wörter  mit  anlautendem  v  gebunden  werden 
mit  Wörtern  auf  anlautendes  r,  wenn  dies  r  für  vr  steht,  z.  B.  vega  : 
reidr  (statt  vega  :  vreidr).  Es  versteht  sich  von  selbst,  daß,  da  der 
Stabreim  für  das  Ohr  bestimmt  ist,  der  Lehrsatz,  zumal  in  Bezug  auf 
V  :  r ,  sein  sehr  Bedenkliches  hat.  Auf  jeden  Fall  hätte  er  be- 
schränkt werden  müssen;  denn  wenn  man  für  die  Mehrzahl  der  Edda- 
lieder auch  zugeben  muß,  daß  einst  mit  v  anlautende  Wörter  mit  sol- 
chen gebunden  werden,  die  Vocalanlaut  haben,  z.  B.  Odni  und  aldr, 
so  gilt  dies  doch  nicht  für  Wörter,  in  denen  auf  das  v  ein  r  folgte. 
Niemand  wird  im  Ernst  behaupten  wollen,  daß  z,  B.  Ödinn  und  reidr, 
vega  und  rog  reimen.  Die  Herausgeber  hätten  daher  überall,  wo  der 
Stabreim  es  verlangt ,  das  getilgte  v  wieder  zu  Ehren  ziehen  sollen. 
Ich  bemerke  nur  noch,  daß  das  v  früher  vor  den  Vocalen  und  l  wich 
als  vor  r,  was  dadurch  erwiesen  wird ,  daß  in  Gedichten ,  die  v  vor 
u,  0,  y  und  l  nicht  mehr  zeigen,  wohl  noch  7-  d.  h.  vr  mit  v  gebunden 
wird.  So  lese  man  denn: 

GKHMANIA.  Neue  Reiht  II.  (XIV.)  Jahrg.  20 


30(3  LrDwin  ettmC'llek 

Str.  2,  G     mangi  er  ])er  i  vordi  vinr. 
Str.  9,  1—3     Mantu  ])at,   Voäinn, 
er  Vit  1  ärdaga 
hlendum  hlodi  saman? 
denn  nicht  ärdaga  hat  den  höchsten  Ton,  und  damit  würde  Oäinn  ge- 
bunden, sondern  vit,  denn  es  kam  ja  nicht  darauf  au,  daß  sie  in  der 
Urzeit  ilir  Bhit  ü:emischt  hatten,  sondern  nur  darauf,  daß  sie  es  ge- 
mischt hatten.  In  diesem  Gedichte  ist  also  überall  Voitinn  zu  schreiben, 
nicht   (Jdinn. 

jMun    lese   Str.   10,   1 — 3     Rhtu  jxl,   Vidarr, 

ok  lät  vulfs  födnr 
sifja  sumhli  at. 
Str.   IT),  4— T)     vega  ]m  gakk^ 

ef  pii  vreidr  str; 
liyggsk  vwfr  kvatr  fyrir. 
Str.  18,  6     vilkaf  ek  at  it  vreidir  vegizk. 
Sti\  22,  1 — 2    pegi  ])C(,   Vodinn, 
pü  kHiDur  aldregi. 
Nicht  Odlnn  und  aldregi  sind   gebunden,    sondern  ]}egi  vmd  ]iü\    man 
vgl.  nur  Str.  34,  38,  46,  48,  woraus  sich  ergibt,  daß  immer  das  erste 
AVort  der  ZAveiten  Halbzeile  mit  Jtegi  gebunden  ist,  d.  h.  den  Reim  trägt. 
Allerdings  gibt  es   in  diesem  Gedichte  Strophen,    in  denen  die  zweite 
Halbzeile  durch  ein  zweites  Reirawort  noch  einmal  mit  der  ersten  Halb- 
zeile verbunden  wird,  z.  B.  Str.  17,  20,  26,  30,  32,  40,  56,  57,  und 
zwar  ist   die   zAviefache   Verbindung, augenscheinlich   eine   absichtliche 
und  eine,  wodurch  gekreuzter  Reim  entsteht,  z.  B.  Str.  30  und  56: 
])egi  pü,  Freyja, 
pik  kann  ek  fuUgerva  — 
pegi  pü,  Beyla, 
])ü  ert   l'yggvis  kvam  — 
oder  in  anderer  Weise,  Str.  57,  59,  61: 

Jiegi  ]>ü,  rög  vmttr, 
pik  skal  minn  prüdhamarr  — 
Kein  anderes  Lied  zeigt  diese  absichtlichen  Doppelreime,  und  sie  wider- 
streiten auch  strenggenommen  dem  Gesetze,  nach  welchem  die  andere 
Halbzeile  bekanntlich  nicht  zwei  Reimstäbe  haben  darf. 

Aber  jetzt  zu  den  eigentlich  verderbten  Stellen  im  Liede. 
Str.   13     los  ok  armhauga     mnndii  ce  vera 
heggja  vanr,  Bragi! 
Asa  ok  Alfa,     er  her  inni  eru. 


BEITRÄGE  ZUR  KRITIK  DER  EDDALIEDER.  307 

pü  ert  vid  vig  varastr, 
ok  skiarrastr  vid  skot. 

Hier  ü-itt  uns  eine  Zerrüttung  der  Strophe  durch  einen  Zusatz  entgegen, 
eine  Erscheinung,  welcher  wir  in  den  Liedern  der  Edda_,  wie  sie  uns 
in  den  Handschriften  überliefert  sind,  sehr  oft  begegnen.  Es  ist  bekannt- 
lich Eigenschaft  eines  in  Strophen  abgefassten  Gedichtes ,  daß  alle 
Strophen  gleichgebaut  sein  müssen.  Die  mittelhochdeutschen  Leiche, 
die  verschieden  gebaute  Strophen  enthalten,  können  dies  Gesetz  nicht 
aufheben.  Betrachtet  man  nun  diese  Erscheinung  in  der  Edda  genauer, 
so  gewahrt  man  bald,  daß  die  Zusätze  meist  einen  bereits  ausgedrückten 
Gedanken  wiederholen,  allerdings  mit  andern  Worten.  Erwägt  man  nun, 
daß  die  Lieder  der  Edda  Jahrhunderte  hindurch  nur  mündlich  fort- 
gepflanzt wurden,  bevor  man  sie  aufzeichnete;  so  begreift  man,  wie 
diese  Zusätze  entstehen  und  zuletzt  in  die  Handschriften  eindringen 
konnten.  Fast  alle  Isländer  waren  ja  mit  der  Skaldenkunst  mehr  oder 
weniger  vertraut,  es  war  daher  sehr  natürlich,  daß  beim  Vortrage  der 
Lieder  derselbe  Gedanke  einmal  so,  ein  ander  Mal  anders  ausgedrückt 
ward.  Diese  Ausdrucksarten  bewahrte  nun  das  Gedächtniss  der  Hörer, 
und  so  kamen  sie  endlich  auch  in  die  Handschriften.  Aber  ist  mau  nun, 
da  sie  unleugbar  das  Ebenmaß  der  Strophen  zerstören,  sie  unangetastet 
zu  lassen  verpflichtet?  Bis  jetzt  haben  alle  Herausgeber  es  gethan,  aber 
das  kann  Keinen ,  der  die  Lieder  kritisch  zu  behandeln  unternimmt, 
bestimmen,  eben  so  zu  verfahren.  Freilich  wird  es  oft  unmöglich  sein 
zu  entscheiden,  in  welchen  Ausdrücken  der  Gedanke  von  dem  ursprüng- 
lichen Dichter  herrühre;  denn  es  ist  ja  gar  wohl  denkbar,  daß,  wer 
einen  Gedanken  zum  zweiten  Male  ausdrückt,  dies  schöner  thut  als  der, 
der  ihn  zum  ersten  Male  aussprach.  Da  nun  wahrscheinlich  alle  Lieder 
verschiedene  Verfasser  haben,  so  wird  die  Entscheidung  dadurch  wohl  er- 
schwert, aber  nicht  erleichtert;  denn  wer  wagte  zu  behaupten,  die  und  die 
Ausdrucksweise  ist  dem  Dichter  nicht  angemessen?  So  bleibt  also  nichts 
übrig ,  als  dem  Schöneren  vor  dem  minder  Schönen  den  Vorzug  zu 
geben,  und  das  letztere  unter  den  Text  zu  verweisen.  Betrachte  ich 
nun  unsere  Str.  13,  so  scheint  mir  der  Gedanke  in  der  letzten  Zeile 
weit  schöner  ausgedrückt,  als  in  der  vorletzten.  Ich  schreibe  demnach 
die  Strophe  also: 

lös  ok  armhauga     mundu  ce  vera 
heggja  vanr,  Bragi! 
Asa  ok  Alfa     er  her  inni  erti, 
])ü  ert  skiarrastr  vid  skot. 

20* 


308  LUDWIG  ETTMÜLLER 

Denn  der  Gedanke^  wenn  er  also  gefasst  wird,  ist  kräftiger,  als  wenn 
man  ihn  durch  die  Worte   pCi  ert  viel  vig  varastr    (du  bist  im  Kampfe 
der  vorsichtigste,  hier  =  feigste)  ausdrückt.  Wenigstens  würde  der  Dichter 
wohl  pü  ert  varastr  vid  vig  gesagt  haben. 
Str.  14,  6  bieten  die  Handschriften: 

litt  eh  per  pat  fyr  lygi, 
welches  in  der  großen  Kopenhagener  Ausgabe  durch  „parum  ego  istuc 
tibi  mentirer"  übersetzt  wird.  Wie  das  Imp.  Conj.  hier  stehen  könne,  be- 
greife ich  nicht;  man  ei-wartet  das  Präs.  Indicat,  lyg,  was  jedoch  wider 
die  Metrik  sein  würde,  Munch  schrieb  in  seiner  Ausgabe  Ut  ek  per  pat 
fyr  lygi.  Das  kann  aber  nur  heißen :  „ich  betrachte  dir  das  als  Lüge" ; 
ein  Satz,  der  hier  so  unpassend  als  nur  möglich  ist.  Mit  einer  so  gering- 
fiigigen  Änderung  ist  der  Stelle  nicht  zu  helfen;  man  lese: 

Utatttt  per  pat  fyr  lygi, 
d.  h.  betrachte  du  nicht  dir  das  als  Lüge,  [Bugge  lyhi  ek] 

Str.   19,  6:  oh  hann  fiörgvaU  fna. 
So   geben   die  Handschriften    diese  Stelle,     Rask   änderte    das  sinnlose 
fiörgvall  in  ßörgavU,  d,  i,  fiörgöll,  nach  der  bekannten  Schreibung  av:=.ö. 
Soweit  ist  Alles  gut ;    aber  nun  erklärte  er  fiöi-göll  durch  „vitae  noxa, 
i.  e.  mors",  indem  er  göll  dem  gebräuchlichen  galli,  m,  entsprechend  an- 
nahm. Ferner  behauptete  er,  und  zwar  ohne  irgend  einen  Beleg,  göU  = 
giöll   sei    im    Sing,    Gen.   feminin. ,    im  Plur.    Gen.    neutr.      Ich  kenne 
nur  ein  göll  =  giöll,  f.  mit  der  Bedeutung  sonitus,  pugna,  und  weiß  nichts 
davon,  daß  göll  irgendwo  für  galli  gebraucht  wäre.  Nun  ward  dem  Zeit- 
worte fria  eine  Bedeutung  untergeschoben,  wie  sie  allenfalls  zu  passen 
schien,  nämlich  provocare,  wozu  noch  ad'dicacitatem  gedacht  werden  solle. 
Die  Stelle  ward  also  übersetzt:  „atque  eum  fati  necessitas  provocat  seil, 
ad  dicacitatem."  Hier  haben  wir  ein  recht  einleuchtendes  Beispiel,  daß 
die   heilige  Scheu   vor   dem   überlieferten  Buchstaben   auf  der   anderen 
Seite  zu  Gewaltthätigkeit  und  Unsinn  führt.     Denn  was  ist  es  anders, 
wenn   man  dem  Verbum  frui,    das  überall   imd  immer  nur  amare  be- 
deutet, die  Bedeutung  provocare  unterschiebt?  Bereits  Sveinbiörn  Egils- 
ßon  hat  die  Stelle  richtig  hergestellt  und  erklärt,  nämlich :  ok  kann  ßörg 
öll  ßa,  d.  h.  und  ihn  hassen  alle  Götter.  Fiörg  pl.  gen.  neutr.  mag  einst 
eben  so  zur  Bezeichnung  der  gesammten  Götter  gebraucht  worden  sein, 
wie  die  gleichfalls  neutralen  Plurale  god,  höpt ,  hönd  und  höpthönd  später 
noch  gebraucht  werden.    Lüning  nimmt  Anstoß  an  fiörg,    Götter,    weil 
Egilsson  dasselbe  nur  schwach  belegt  habe  durch  fiarghüs,    delubrum, 
aedes  deorum;  aber  er  führt  auch  axi  fiargvefr,  welches  Wort  dem  oft 
vorkommenden  giidvefr .    bombyx ,    völlig  gleichsteht.     Noch  kann  man 


BEITRÄGE  ZUR  KRITIK  DER  EDDALIEDER.  309 

dazunehmeu  nicht  zwar  das  gothische  fairhvus ,  mundus,  wie  Egilsson 
will,  denn  h  ist  nicht  g,  wohl  nher  fairguni,  jugera  raontium,  ferner 
die  Namen  Fiörgvinr  (was  nicht  fiörg-vinr,  sondern  fiörgv-inr  ist)  und 
Fiörgynja  =  lörd,  Erde.  Aus  fremden  Sprachen  sind  heranzuziehen  das 
litauische  Perkunas,  das  slavische  Peraun  und  vielleicht  das  griechische 
xsQavviog,  nach  dem  Wechsel  zwischen  k  und  p.  Es  wird  also  gegen 
ßörg  =  Götter,  nichts  einzuwenden  sein. 
Str.  23.  Odinn  sagt  zu  Loki: 

Atta  vetr  vartu    fyr  iörd  nedan 

kyr  molkandi  ok  kona; 

ok  hefir  pü  Jjar  boint; 

ok  hugda  ek  pat  args  adal. 
Abgesehen  von  der  letzten  Zeile  (und  ich  betrachtete  das  als  das  Wesen 
eines  Feiglings),  die  am  Schluß  der  folgenden  Strophe  ganz  passend 
und  mit  Recht  steht,  hier  aber  nicht  passt  und  sich  nur  hieher  verirrt 
hat,  hat  die  vorletzte  Zeile  keinen  Stabreim,  der  jedesfalls  sich  auf 
horit  beziehen  müsste;  denn  pü  par  sind  unstatthaft,  weil  jbar  in  Thesi 
steht,  folglich  nicht  den  Hochton  hat.  Aber  die  vorletzte  Zeile  ist  auch 
sehr  prosaisch  und  im  Ganzen  nichtssagend.  Streichen  wir  also  die 
beiden  letzten  Zeilen,  so  erhält  die  Strophe  ihr  sonst  gestörtes  Ebenmaß 
und  uns  bleiben  übrig: 

Atta  vetr  vartu    fyr  iörd  nedan 

kyr  molkandi  ok  kona. 
Das  heißt:  Acht  Jahre  lang  warst  du  unter  der  Erde,  eine  Milchkuh 
und  ein  Weib.  Beides,  Milchkuh  und  Weib,  kann  aber  Loki  zur  selben 
Zeit  nicht  gewesen  sein,  auch  fragt  es  sich  sehr,  ob  molka  =  miolka, 
lac  praebere,  lactare,  bedeuten  kann;  es  kommt,  so  viel  ich  weiß,  immer 
nur  in  der  Bedeutung  mulgere  vor.  Die  skandinavischen  Herausgeber, 
ich  muß  es  wiederholen,  zwingen  lieber  den  Wörtern  Bedeutungen  auf, 
die  sie  nicht  haben,  als  daß  sie  einen  Schreibfehler  in  der  Handschrift 
anzunehmen  sich  entschließen  könnten,  imd  wenn  ein  solcher  noch  so 
deutlich  auf  der  Hand  läge.  Hier  ist  dies  nun  der  Fall,  und  man  hat 
einfach  zu  lesen : 

Atta  vetr  vartu    fyr  iörd  nedan 

kyr  miolkandi  kona. 
Acht  Winter  hindurch   warst  du   unter  der  Erde   ein  Kühe  melkendes 
Weib,  d.  h.  du  warst  eine  Kuhmagd. 

Str.  32 :    pegi  pü,  Freyja,    pü  ert  fordoida, 
ok  meint  blandin  miök; 
siztu  at  hraedr  pmum     sidu  Mid  regln, 
ok  mimdir  fjü  pä,  Freyja,  frata. 


3 10  LUDWIG  ETTMÜLLEK 

Lüning  sagt  zu  dieser  Strophe:  „Aus  den  Worten,  wie  sie  dastehen, 
ist  schlechterdings  nichts  zu  machen.  Der  Fehler  steckt  in  siztu  und 
mehr  wohl  noch  in  sicTu,  aus  welchem  Worte  auch  die  willkürlichste 
Deutung  nichts  herausbringt."  So  schlimm  ist  nun  die  Sache  nicht, 
obwohl  er  in  Bezug  auf  siztu  recht  hat,  denn  Sveinbiörn  hat  nach  Rasks 
Vorgange  ein  sict  seid  siäu  sidmn,  zaubern,  nachgewiesen.  Schon  Rask 
hatte  erkannt,  daß  man  lesen  müsse:  siz  pik  at  broectr  ptnum  siäu  hlul 
regln,  d.  h.  seit  dich  zu  deinem  Bruder  hinzauberten  die  heiteren  Götter. 
Allerdings  wissen  wir  nichts  weiter  von  diesem  Spasse,  den  sich  die 
lustigen  Grötter  mit  Freyja  und  Freyr  gemacht  haben  sollen,  wie  hier 
angedeutet  wird.  Es  war  ein  Ereigniss  wie  jenes,  als  Hephaest  die  Götter 
zum  Lager  der  Aphrodite  führte,  und  sie  bei  ihr  den  Ares  im  Netze 
sahen.  Aber  wie?  die  Götter,  die  Feinde  aller  Zauberei,  sollen  solch 
ein  Hexenstück  sich  erlaubt  haben?  Und  wie  könnte  man,  wenn  sie 
es  thaten,  die  Freyja  dann  melni  hlandin  nennen?  Ich  glaube  daher, 
man  hat  zu  lesen :  s?z  pik  at  brcectr  ptnum  sau  bltd  regln,  seit  dich 
bei  deinem  Bruder  sahen  die  heiteren  Götter.  Aus  sau  konnte  bei  im- 
deutlicher  Schrift  leicht  sldu  werden.  [Bugge  stodtt  für  slpo.] 
Str.  36 :    Hcettu  nü,  Niwdr,     haf  ]m  ä  hqfi  pik, 

munka  ek  pvi  leyna  lengr; 

vid  systur  pinni    gaztu  sUkan  mög, 

ok  pera  pd  onu  verr. 
Nur  die  letzte  Zeile  ist  verderbt,  aber  ich  setze  die  Sti'ophe  ganz 
her,  weil  sie  für  die  deutsche  Mythologie  von  Wichtigkeit  ist.  Bevor 
ich  jedoch  auf  das  Mythologische  eingehe,  will  ich  das  Verderbniss  der 
letzten  Zeile  zu  heben  suchen.  Das  sinnlose  pera  hat  zwar  schon  Egils- 
son  ganz  richtig  als  perra  d.  i.  per-er-a  gefasst,  und  daß  onu  für  vänit 
geschrieben  ist,  lehrt  das  Gesetz.  Aber  die  Worte  perra  Jjo  vänu  verr 
können  doch  nur  ausdrücken :  „doch  ist  dir  nicht  nach  Vermuthen 
(wie  man  vermuthet)  schlimmer."  Allein  die  Worte  sltkan  mög  in  der 
dritten  Zeile  verlangen  eine  nähere  Bestimmung,  und  die  wird  in  der 
letzten  Zeile  enthalten  gewesen  sein.  Wir  erhalten  sie,  wenn  wir  statt 
des  Adv.  verr  den  adject.  Comparativ  verrl  setzen,  denn  dann  besagen 
die  Worte  :  „und  doch  ist  er  (dein  Sohn  nämlich),  wie  man  glaubt, 
nicht  schlimmer  als  du,"  d.  h.  er  ist  eben  so  schlecht  wie  du.  So,  und 
nur  so ,  bekommt  die  Strophe  ihren  tadellosen  Sinn.  Aber  mm  zum 
mythologischen  Gehalte  derselben,  dessen  wir  uns  jedoch  nur  dann 
bemächtigen  werden,  wenn  wir  uns  zwei  Fragen  zu  beantworten  ver- 
mögen, nämlich  1.  wie  heißt  diese  Schwester  Niörds,  mit  welcher  er 
einen  Sohn  zeugte,  und  2.  wie  heißt  dieser  Sohn?    Die  Beantwortung 


BEITRÄGE  ZUR  KRITIK  DER  EDDALIEDER.  311 

der  zweiten  Frage  ist  die  leichtere;  beginnen  Avir  daher  mit  derselben. 
Die  skandinavische  Mythologie  kennt  nur  einen  Sohn  und  nur  eine 
Tochter  des  Niörd,  den  Frey  und  die  Freyja.  Daß  jedoch  nun  eben 
dieser  Frey  der  in  unserer  Strophe  bescholtene  Sohn  des  Niörd  sei, 
geht  unwiderlegbar  aus  der  unmittelbar  folgenden  Strophe  hervor, 
welche  die  dem  Sohne  Niörds  gemachte  Beschuldigimg  zurückweist 
und  diesen  Sohn  Frey  nennt.    Sie  lautet: 

Freyr  er  heztr     allra  hallriäa 

Asa  göräum  i; 

mey  kann  ne  grcetir     ne  manns  konu, 

ok  leysir  or  höptnni  hvern. 

Wir  kennen  also  diesen  Sohn  Niörds,  der  erst  bescholten  und  darauf 
gelobt  wird.  Aber  die  Mutter  Freys  heißt  nach  allen  übrigen  Quellen 
der  skandinavischen  Mythologie  Skadi,  die  Tochter  des  Riesen  Thiassi, 
und  nirgends  wird  sie  Niörds  Schwester  genannt.  Wir  würden  hier 
vor  einem  unlösbaren  Räthsel  stehen  ,  käme  uns  nicht  wundersamer 
Weise,  aber  zum  Glücke,  Tacitus  zu  Hilfe.  Tacitus  kennt  und  nennt 
die  mater  deüm  Nerthus.  Nerthus  (gothisch  Nairthus  m.  u.  f.)  ist  aber 
altnordisch  sowohl  Niörctr,  m.  als  auch  Niörd,  f.  Wir  haben  also  die- 
selbe Gottheit  einmal  männlich,  einmal  weiblich  aufgefasst  (vgl.  Ju-piter 
und  Juno,  Lunus  und  Luna,  Pales,  m.  u.  f.  und  Andere),  und  gewiß 
nur  passend  werden  der  Gott  Nerthus  (NiÖ7'ä,r)  und  die  Göttin  Nerthus 
(Niih-d)  als  Geschwister  und  Gatten  angenommen.  Freyr  und  Freyja 
waren  also  nach  einer  älteren  Ansicht  die  Kinder  der  Geschwister 
Niördr  und  Niörd,  und  erst  als  bei  den  Germanen  die  Ehe  zwischen 
Bruder  und  Schwester  frevelhaft  erschien  und  deshalb  unerlaubt  war 
(bei  den  Hellenen  blieb  sie  stets  erlaubt),  ward  die  Niörd  durch  die 
Skadi  ersetzt,  ja  Skadi  könnte  ursprtinglich  vielleicht  auch  nur  ein 
Beiname  der  Niörd  sein,  in  welchem  Falle  die  Verdrängung  des  Haupt- 
namens noch  leichter  erfolgen  konnte.  Wie  häufig  das  masc.  Niördr 
in  den  altnordischen  Schriften  erscheint,  so  selten  findet  sich  das  fem. 
Niörd.  Egilsson  kennt  nur  eine  Stelle,  welche  das  Wort  bietet,  näm- 
lich Skaldhelga  rimur  (14.  Jahrh.)  6,  31  wo  mofra  niörd,  dea  vela- 
minum,  vorkommt.  Wie  unverständlich  aber  damals  schon  der  Ausdruck 
war,  das  geht  aus  der  dazugehörenden  Variante  menja  iörd  hervor. 
Überhaupt  wurden  Niördr  und  Niörd  durch  ihre  Kinder  Freyr  und 
Freyja  mehr  und  mehr  zurückgedrängt,  indem  die  Verehrung  der  letz- 
teren sich  stets  verallgemeinerte;  ein  bei  Gottheiten  von  gleicher  We- 
senheit und  Geltung  sehr  begreiflicher  Umstand. 


312  LUDWIG   ETTMÜl-l.EK 

Str.  38 :    pegi  pü,   Tyr,     pü  kunnir  aldregi 
bera  tut  med  tveim. 
Dies  tut  kommt  nur  hier  vor  und  ist  aus  der  altnordischen  Sprache 
nicht  zu  erklären.     Ltining  war  auf  dem  rechten  Wege ,   indem  er  an 
das  angelsächsische  Adj.  tily  aequus,  bonus,  praestans^  erinnerte.    Tut 
ist  hier  adv.  und  bedeutet  aeque ;  also  hera  tut  med  tveim,  seil,  handum, 
mit  beiden  Händen  gleichmäßig  tragen.     Das  kann  Tyr  freilich  nicht, 
weil  ihm  der  Wolf  Fenrir  die  rechte  Hand  abgebissen  hat. 
Str.  39:    Handar  em  ek  vanr     en  pü  hrodrs  vitnis\ 
hol  er  heggja  fjrä. 

ulfgi  hefir  ok  vel,  ei'  z  höndum  skal 
bida  ragnarökrs. 
So  alle  Handschriften  und,  so  viel  ich  weiß,  auch  alle  Ausgaben.  Die 
dritte  Zeile  jedoch  ist  ohne  Stabreim,  da  er  tonlos  ist,  und  ulfgi  und 
höndum  nicht  reimen.  Hrodrs  vitni,  Ruhmes  Zeugniss,  soll  hier  „guter 
Leumund"  bedeuten.  Lüning  war  wiederum  auf  der  Spur  des  Richtigen, 
als  er  die  Frage  hinsetzte,  ob  man  vitnis  nicht  als  den  Gen.  von  vitnir 
nehmen  und  auf  Fenrir  beziehen  könne?  Nicht  nur  kann  man  das 
sondern  man  muß  es;  Hrod vitnir  ist  ja  ein  bekannter  Beina me  Fenris 
Das  Verderbniss  in  Z.  3  hat  Lüning  jedoch  nicht  bemerkt.  Die  ganze 
Strophe  hat  zu  lauten: 

Handar  em  ek  vanr     en  pü  Hrddvitnis; 
hol  er  heggja  prä; 
er  z  höndum  skal     bzda  ragnarökrs, 
vidfgi  hefir  ne  vel. 
Das  heißt :  Der  Hand  entbehr'  ich,   doch  du  Hrodhwitnis, 
bös'  ist  beider  Mangel; 

der  in  Banden  soll  harren  der  Götterdämmrung, 
den  Wolf  nicht  hast  du  noch  List  (Macht  ihn  zu  befreien). 
Die  herkömmliche  Deutung  der  Worte   ulfgi  hefir  ok  vel,  der  Wolf  hat 
es  auch  nicht  gut,   finde  ich  wenigstens  unerträglich  matt.    Und  kann 
denn  gi  ok  auch  nicht  ausdrücken?    Die  Verderbniss  entstund,  weil 
man  das  v  in  vulfgi  unterdrückte  und  ulfgi  schrieb. 

Auch  in  Str.  41  hat  die  Tilgung  des  anlautenden  v  Anlaß  zu 
Verderbniss  gegeben.  Diese  Strophe  lautet  jetzt  in  ihrer  ersten  Hälfte : 
Ulf  se  ek  liggja  ärösi  fyrir 
unz  riufask  regin. 
Lüning  macht  dazu  die  Bemerkung:  „Vor  der  Flußmündung  {drosi). 
Als  die  Äsen  den  Fenrir  gefesselt  hatten,  steckten  sie  ihm  ein  Schwert 
in   den  Rachen,    so  daß  der  Geifer   aus   seinem    Munde   rinnt   und   zu 


BEITRÄGE  zun  KRITIK  DER  EDDALIEDER.  313 

dem  Flusse  wird,  den  man  Von  (■=  Van)  nennet.  Snor.  Edd.  p.  20." 
Fenrir  liegt  also  nicht  da  gefesselt,  wo  die  Van  mündet,  sondern  da 
wo  sie  entspringt.  Ihr  Quell  (6s)  ist  ja  sein  Rachen,  wie  die  Edda 
deutlich  sagt.  Aber  wie  matt  und  unbestimmt  ist:  „den  Wolf  sehe  ich 
liegen  an  der  Quelle  des  Flusses!"  Man  hat  sicher  zu  lesen,  wie  die 
Snor.  Edd.  andeutet: 

VuJf  se  ek  Uggja      Vänar  osi  fyrir 
unz  riufask  regin. 
Str.  46 :     Ok  pik  i  flets  strä    finna  ne  mättu 
pä  er  vägu  verar. 
So  die  Ausgaben  nach  den  Handschriften.  Aber  darin  liegt  keine  Ver- 
höhnung,   daß  die  Männer,    die  da  kämpften,  den  Byggwi   nicht  im 
Stroh  des  Gebänkes   fanden  ;    man  hat   die  Negation  ne  zu   streichen, 
denn  er  verkroch  sich  im  Stroh,   während  die  Männer  kämpften,    wie 
Loki  behauptet. 

Str.  54:    Einn  ek  veit,     svä  at  ek  vita  pykkjumk, 
hör  ok  af  Hlorriäa; 
ok  var  pat  sä  inn  Icevisi  Loki. 
Die  letzte  Zeile,  ein  Zusatz,  der  Schwachsinnigen  zu  Hilfe  kommen  soll, 
ist  zu  streichen,    weil  sie   das  Ebenmaß  der  Strophe  vernichtet.    Daß 
Loki  der  Frevler  war,  weiß  man  schon,  auch  wenn  er  sich  nicht  nennt. 
Str.  58 :    en  pä  porir  pü  ekki,     er  pü  skalt  vid  ulßnn  vega, 
ok  svelgr  kann  allan  Sigfödur. 
Wie  die  Verse  jetzt  lauten,  liegt  der  Hauptou  in  der  ersten  Zeile  auf 
porir   und  ulßnn ,    nicht   aber  auf  ekki  und  ulßnn.     Der  Vers  ist   also 
fehlerhaft.  Da  der  Dichter  des  Liedes  jedoch  vulßnn  sprach  und  nicht 
ulßnn,   wie  wir  gesehen  haben,    so  ist  es  keinem  Zweifel  unterworfen, 
daß  ursprünglich  vulßnn  und  vega  reimten  und  daß  der  Vers  geändert 
ward.  Setzte  man  statt  ekki  das  gleichbedeutende  va>tki,  so  wäre  zwar 
die  Alliteration  mit  vulßnn  hergestellt,  aber  doch  nichts  gewonnen,  da 
der  Hauptton   auch   da   noch   auf  porir  läge.     Früher   lautete    deshalb 
wohl  die  Halbstrophe: 

ne  vega  pü  porir,     er  pii  skalt  vid  vulßnn  ganga, 
ok  svelgr  kann  allan  Sigfödur. 
Str.  62  ist  die  letzte  Zeile:    ok  svalzt  pü  pä  hungri  heill,    als  ein 
überflüssiger  Zusatz    zu  streichen ,    da   sie   das  Ebenmaß   der   Strophe 
vernichtet,  und  ebenso  verhält  es  sich  mit  der  letzten  Zeile  der  Strophe  65: 
ok  hrenni  per  ä  haki. 


314  LUDWIG  ETTMÜLLER 

2.  Gröugaldr  und  Fiölsvinnsmäl. 

Schon  Grundtvig  in  seinem  Werke  „Danmarks  gamle  folkeviscr" 
Th.  II,  S.  239  fF.  und  nach  ihm  Lüning  in  seiner  Ausgabe  der  Edda 
S.  21  ff,  haben  der  Erste  geradezu  behauptet,  der  Andere  zum  mindesten 
angedeutet,  daß  die  beiden  Gedichte  Grougaldr  und  Fiölsvinnsmäl  zu- 
sammengehören dürften  und  wohl  Stücke  eines  größeren  Ganzen  seien. 
Grundtvig  gründet  seine  Behauptung  auf  die  altdänischen  Volkslieder 
von  Ungen  Svendal  (Sveidaäll,  Sveydall,  Svedall),  und  es  ist  in  der 
That  kaum  ein  Zweifel,  beide  Gedichte  gehören  zusammen  und  beide 
sind  nur  Bruchstücke  eines  umfangreichen  Gedichtes,  welches  man  am 
besten  als  ein  Märchen  bezeichnet,  dem  ein  alter  Naturmythus  zu  Grunde 
liegt.  Die  Deutung  desselben  freilich  bleibt  uns  versagt;  sie  wäre  nur 
möglich,  wenn  uns  der  Mythus  in  ungetrübterer  Fassung  erhalten  wäre. 
Da  dies  nun  nicht  der  Fall  ist,  so  können  wir  alle  Deutungsversuche 
(nach  dem  neuesten  soll  Swipdagr  der  Mond,  Menglöd  die  Sonne  sein !) 
auf  sich  beruhen  lassen.  Die  Zusammengehörigkeit  beider  Stücke  wird 
;iuch  dadurch  erwiesen,  daß  in  Grougaldr  sogar  der  Name  Menglöd 
vorkommt,  wenn  auch  in  verderbter  Stelle  selbst  verderbt. 

Der  Inhalt  des  ganzen  Gedichtes  war  einst,  wenn  wir  die  däni- 
schen Volkslieder  mit  heranziehen,  folgender: 

Svipdagr  {svipr,  motus  celer,  turbo,  dagr,  dies),  der  Sohn  S61- 
biarts,  und  Menglöd  {men,  monile,  glöd,  laeta),  die  Enkelin  Svafr])orins, 
lieben  einander  und  sind  auch  für  einander  bestimmt;  aber  Svipdags 
Stiefmutter  sucht  dies  Verhältniss  Beider  zu  stören*).  Menglöd  wird 
durch  sie,  wie  es  scheint,  auf  einen  unzugänglichen  Berg  versetzt,  wo 
sie  mit  einigen  Gesellschafterinnen  oder  Dienerinnen  zu  weilen  genö- 
thifft  ist.  Kein  Mann  darf  und  kann  ihr  nahen,  nur  der  ihr  vom  Schicksal 
bestimmte  erhält,  wenn  es  ihm  auf  den  Berg  zu  kommen  endlich  ge- 
lingt, ohne  Weigerung,  sobald  er  sich  nennt,  Zutritt  zu  ihr.  Ihren  Saal 
auf  dem  Berge,  der  auf  der  Spitze  eines  Speeres  sich  dreht,  umgeben 
Lohen,  und  zugleich  eine  Mauer  (gardr) ,  die  Gastropnir  (besser  wohl 
Gastrofnir)  heißt,  und  deren  Thüre,  Jjrymgiöll,  ein  Werk  der  drei  Söhne 
Solblindis,  jeden  festhält,  der  unberufen  hindurch  will.  Ferner  Wächter 
der  Jungfrau  sind  zween  grimme  Hunde,  die  jeden,  der  sich  unberufen 
nahet,  zu  zerreißen  drohen.  Nie  schlafen  beide  zu  gleicher  Zeit,  und 
um  sie  zu  überlisten,  muß  man  ihnen  die  Flügel  des  Hahnes  Vidofnis 


*)   Die  nordischen  Quellen   geben   den   Gnind   nicht  an;    nach   der   kymrischeu 
Sago  soll  der  Jüngling  ihre  eigene  Tochter  freien. 


BEITRÄGE  ZUR  KRITIK  DER  EDDALIEDER.  315 

zum  Fräße  vorwerfen,  der  auf  einem  Baume,  Mimameidr,  immer  im 
Hofe  sitzt.  Dieser  Hahn  ist  jedoch  nur  durch  die  Zauberruthe  Hsevateinn 
zu  tödten,  welche  die  Riesin  Siumcera  bewahrt  und  nur  gegen  eine 
Schwungfeder  aus  dem  Schwänze  des  Hahnes  herausgibt.  EndHch  be- 
wacht die  Jungfrau  noch  eine  Riese,  Fiölsvidr  (sehr  stark  und  klug; 
Fiölsvidr  ist  auch  Beiname  Odins). 

Swipdagr  nun  geht  zum  Grabhügel  seiner  Mutter ,  erweckt  sie 
und  bittet  sie,  ihn  durch  ihre  Zaubersprüche  wider  alle  Fahrnisse,  die 
er  bei  der  Aufsuchung  der  Menglöd  etwa  zu  bestehen  hat,  zu  schützen. 
Sie  gewährt  ihm  seine  Bitte.  Dies  der  Inhalt  von  Grougaldr. 

Als  Swipdagr  oben  auf  dem  Berge  anlangt  (was  er  alles  hat 
thun  müssen,  um  hinauf  zu  kommen,  und  inwiefern  ihm  der  Mutter 
Zaubersprüche  halfen,  erfahren  wir  aus  den  altnordischen  Gedichten 
nicht,  denn  sie  sind  nur  Bruchstücke),  tritt  ihm  der  Riese  Fiölsvidr 
entgegen,  und  es  entspinnt  sich  ein  Gespräch  zwischen  Beiden,  worin 
Fiölsvidr  dem  Swipdagr  auf  Befragung  alles  das  sagt,  was  oben  von 
dem  Berge  und  der  Bewachung  der  Menglöd  mitgetheilt  ward.  Am 
Schlüsse  gibt  sich  Swipdagr  zu  erkennen  und  heißt  ihn  seine  Ankunft 
der  Jungfrau  kund  thun.  Daß  er  der  Erwartete  sei,  hat  Fiölsvidr  auch 
daraus  erkannt,  daß  die  Thüre  der  Mauer  sich  von  selbst  ihm  öffnete 
und  die  grimmen  Hunde  den  Ankömmling  freudig  begrüßten;  er  geht 
also  um  ihn  anzumelden.  Sie  erscheint  darauf  selbst,  erkennt  ihn  aus 
seiner  Antwort  auf  ihre  Frage  als  den  Erwarteten,  empfängt  den  ihr 
bestimmten  Jüngling  freudigst  und  spricht  es  aus,  daß  sie  sich  nie  mehr 
trennen  werden  *).  Dies  ist  der  Inhalt  von  Fiölsvinnsmäl. 

Mit  beiden  altnordischen  Gedichten  stimmen  nun  die  altdänischen 
Volkslieder  augenscheinlich  überein.  Daß  die  todte  Mutter  ihrem  Sohne 
nach  den  Volksliedern  nicht  Zaubersprüche  auf  den  Weg  mitgibt,  son- 
dern einen  Hengst,  der  nie  ermüdet,  und  ein  Schwert,  womit  man  immer 
siegt**),  ist  zwar  eine  unverständige,  aber  doch  sehr  leicht  begreifliche 
Änderung.  In  den  christlichen  Volksliedern  konnten  schützende  Zauber- 
sprüche unmöglich  eine  Stelle  finden,    ebensowenig  als  im  heidnischen 


*)  Schon  hieraus  ergibt  sich,  daß  die  Deutung,  nach  welcher  Menglöd  die  Sonne, 
Svipdagr  der  Mond  sein  soll,  eine  falsche  ist. 

**)  Andere  dänische  Volkslieder  vermehren  noch  die  Gaben  der  Mutter;  der 
Jüngling  erhält  da  noch  zu  Schwert  und  Ross  1.  ein  Tischtuch,  welches  jede  verlangte 
Speise  liefert;  2.  ein  Trinkhorn,  welches  jeden  gewünschten  Trank  darbeut;  3.  ein  Schiff, 
welches  über  Land  und  Meer  dahin  fliegt;  4.  einen  Beutel,  der  nie  leer  wird;  5.  einen 
Schlüssel,  der  alle  Schlösser  öfl'net;  6.  Stiefeln  und  Sattel.  Keines  dieser  Dinge  gebraucht 
aber  der  Jüngling,  woraus  folgt,  daß  alle  diese  Gaben  zwecklos  sind. 


316  LUDWIG  ETTMÜLLER 

Grougaldr  die  todte  Mutter  dem  Sohne  Ross  und  Schwert  geben  konnte, 
da  sie  als  Weib  weder  Ross  noch  Schwert  in  ihrem  Grabe  hat.  Sie 
konnte,  wenn  Ross  und  Schwert  ihm  Bedürfniss  gewesen  wären,  was 
sie  jedoch  nicht  sind ,  ihm  nur  sagen ,  wo  und  auf  welche  Weise  er 
Beides  erhalten  könne. 

Da  es  den  Gedichten,  Grougaldr  und  Fiölsvinnsmäl ,  keineswegs 
an  vei'derbten  Stellen  fehlt ,  so  wende  ich  mich  jetzt  zu  diesen ; 
denn  es  wird  größern  Gewinn  bringen,  die  Fehler  wo  möglich  zu  be- 
richtigen, als  träumerische  Deutungen  aufzustellen,  weil  wir  es  denn 
doch  zunächst  nui'  mit  einem  Märchen  zu  thun  haben. 

Grougaldr. 

Str.  1 :     Vaki  pü,   Groa,     vaki  pü,  god  kona, 
vek  ek  pik  dauära  dura. 

Die  zweite  Zeile  erregt  Bedenken.  Das  zweimalige  vaki  konnte  einen 
Schreiber  wohl  verführen,  vek  ek  zu  schreiben;  aber  kann  man  sagen 
vek  ek  pik  dura,  ich  wecke  dich  zu  der  Thüre  hin?  ich  zweifle.  Es 
dürfte  richtiger  sein  zu  lesen  kved  ek  pik  daudra  dura,  ich  rufe  dich 
zu  der  Thüre  der  Todten,  d.  h.  des  Grabhügels,  hin.  Zu  dem  ort- 
bestimmenden Genitiv  dura  vergleiche  man  Hamars  heimt  3 :  gengu 
peir  fagra  Freyju  dura,  und  eben  da  9:  moetti  kann  por  midra  gar  da. 
An  größerer  Verderbuiss  jedoch  leidet 

Str.  3:    Liötu  leikhordi     skauztu  mik,  hin  loivisa  kona, 

sü  er  fadmadi  minn  födur ; 

par  bad  hon  mik  koma     er  kvedki  veit 

moti  menglödum. 

Wie  lässt  sich  zunächst  skauztu,  das  auf  die  todte  Mutter  bezogen 
werden  muß,  mit  bad  hon  vereinigen?  Wäre  skauztu  richtig,  so  müsste 
auch  baztu  und  veist  stehen.  Und  wie  rechtfertigt  sich  überhaupt  der  Vor- 
wurf, den  jetzt  der  Jüngling  der  Mutter  macht:  du  hast  mir  ein  übles 
Spielbret  vorgeschoben,  mir  eine  schlimme  Unternehmung  auferlegt?  Das 
that  ja  nur  seine  Stiefmutter  und  dagegen  sucht  er  eben  Hilfe  bei  seiner 
Mutter.  Dann  ist  auch  der  zweite  Halbvers  offenbar  zu  lang,  folglich 
metrisch  unrichtig.  Kvedki  drittens  ist  gar  nichts,  und  die  von  den  dä- 
nischen Erklärern  aufgestellten  Versuche  zm-  Deutung  taugen  alle  nichts, 
wie  bereits  Sveinbiörn  Egilsson  es  ausgesprochen  hat ,  ohne  jedoch 
seinerseits  eine  Deutung  oder  Verbesserung,  da  er  doch  das  Wort  für  ver- 
derbt hält,  vorzuschlagen.  Endlich,  wie  soll  man  menglödum  „zu  den 
Mädchen"  hier  verstehen?  Ich  schlage  also  vor,  die  Strophe  also  zu  lesen : 


BEITEÄGE  ZUR  KRITIK  DER  EDDALIEDER.  317 

Liötu  leikhordi    skaut  mik  Icbvis  kona, 

sü  er  fadmadi  minn  födnr; 

Par  had  hon  mik  koma,     er  kveyki  veit, 

möti  Menglödu. 
Das  heißt  nun :  „Ein  übeles  Spielbret  schob  mir  vor  das  arglistige  Weib, 
welches  meinen  Vater  umarmte  ;  sie  hieß  mich  dahin  gehen ,  wo  sie 
Lohen  weiß,  die  Menglöd  aufzusuchen."  Die  Lohen  beziehen  sich  auf 
den  von  Feuer  uraloheten  Saal  der  Menglöd.  Statt  kveyki  (acc.  plur. 
von  kveykir)  könnte  man  auch  kverkr  (acc.  plur.  von  kverk) ,  fauces, 
lesen  und  dies  auf  die  beiden  grimmen  Hunde  Geri  und  Gifr,  welche 
die  Menglöd  bewachen,  beziehen.  Biörn  Haldarson  verzeichnet  auch 
ein  Neutrum  kvetfi,  fauces,  was  dem  handschriftlich  überlieferten  kvedki 
gleichfalls  nahe  kommt.  [Bugge  kvcemtki  und  Menglödu.] 
Str.  4 :     Long  er  för,     langir  'ro  f arvegar, 

langir  'ro  manna  munir; 

ef  pat  verdr,     at  pfi  pinn  vilja  hidr, 

ok  skeikar  pä  skuld  at  sköpum. 
Mit  Lünings  Erklärung  dieser  Worte  (er  bezeichnet  sie  jedoch  mit 
einem  ?,  weil  er  nicht  sicher  ist,  den  Sinn  richtig  getroffen  zu  haben) 
kann  ich  mich  nicht  einverstanden  erklären.  Er  deutet:  „Wie  der  Weg 
(hieher)  lang  ist,  so  gehen  auch  die  Wünsche  und  Bestrebungen  der 
Menschen  weit  (und  daher  ist  der  Ausgang  ungewiß);  wenn  du  deinen 
Willen  (das  was  du  jetzt  von  mir  erwartest)  erreichest,  dann  wird  der 
Ausgang  (deine  Zukunft)  nach  Wunsch  ausfallen."  Zunächst  ist  nicht 
die  Rede  von  der  Länge  des  Weges  zum  Grabe  der  Mutter,  sondern 
von  der  Länge  des  Weges  zur  Menglöd,  woraus  sich  denn  auch  ergibt, 
daß  an  keine  Vergleichung  (wie  —  so)  zu  denken  ist.  Ferner  können 
die  Worte  ef  pü  pinn  vilja  hidr  hier  nicht  ausdrücken:  wenn  du  das, 
was  du  von  mir  forderst,  erlangest ,  denn  das  könnte  sich  ja  nur  auf 
die  Zaubersprüche  beziehen,  vielmehr  müssen  sie  ausdrücken:  wenn  du 
die  Jungfrau  erlangest.  Endlich  bedeutet  skeika  nicht:  ausfallen,  son- 
dern: wanken,  und  at  sköpum  besagt  nicht:  nach  Wunsch,  sondern: 
in  den  Schicksalsbestimmungen;  woraus  auch  klar  erhellt,  daß  skuld 
hier  die  Norne  und  nicht  bloß  abstract:  Ausgang,  Zukunft  bezeichnet. 
Ich  deute  also  die  drei  ersten  Zeilen  also  : 

Lang  ist  die  Fahrt,     lang  sind  die  Fahrwege, 
lang  (d.  i.  ausgedehnt)  sind  der  Menschen  Wünsche, 
wenn  auch  das  wird,     daß  du  deinen  Wunsch  erreichest. 
Aber  die  letzte  Zeile ,    wie  sie  dasteht,  kann  nur  besagen  :    und  wenn 
die  Norne  wanket  in  ihren  Bestimmungen.  Wäre  das  die  richtige  Mei- 


318  LUDWIG  ETTMÜLLER 

nnnj^,  so  raüsste  Skiild  früher  beschlossen  haben,  ihm  die  Jungfrau  zu 
verweigern;  da  nun  aber  die  Bestimmungen  der  Nornen  unabänderlich 
sind,   so  kann  Swipdagr  Menglöd  nicht  erlangen,   Avenn  dies  der  Fall 
ist.  Man  sieht  die  Zeile,  wie  sie  jetzt  dasteht,  ist  widersinnig,  es  fehlt 
ihr  eine  Negation.  Ich  lese  also  die  Strophe: 
Long  er  för,     langir  'ro  f arvegar, 
langir  'ro  manna  munir, 
ef  pat  veritr,     at  ]yü  pmn  vilja  btdr: 
skeikara  Skuld  at  sköpitm. 
Auch  das  ok  der  letzten  Zeile  muß  also  weichen,  denn  sonst  bekommen 
wir  den  Sinn:   „du  wirst  Mühe  haben,  wenn  die  Norne  nicht  ihre  Be- 
. Stimmung  ändert,"  was,  wie  gezeigt  ward,  die  Mutter  nicht  sagen  kann, 
eben  weil  die  Beschlüsse  der  Nornen  unabänderlich  sind.  Wie  ich  lese, 
ist  der  Sinn:  „du  wirst  Mühe  haben,  die  Jungfrau  zu  erlangen;  denn 
die  Norne  wanket  nicht  in  ihren  Beschlüssen."  Die  ganze  Strophe  wäre 
also  zu  übersetzen : 

Lang  ist  die  Fahrt,  lang  sind  die  Fahrwege, 

(weit  gehn  nun  aber  einmal  der  Menschen  Wünsche!) 

wenn  es  auch  geschieht,  daß  du  deinen  Wunsch  erreichest; 

denn  Skuld  wanket  nicht  in  ihren  Beschlüssen. 
Str.  5  lautet  die  letzte  Zeile  :  Pykkjnmk  ek  Hl  imgr  aß.  Weil  afi 
kein  Wort  ist,  Avill  Lüniug  dafür  aldri  oder  arß  lesen.  Gegen  aldri  ist 
nichts  einzuwenden,  als  daß  man  nicht  einsieht,  wie  aus  aldri  aß  werden 
konnte;  a7ß  jedoch  scheint  mir  hier  ein  sehr  gezierter  Ausdruck.  Man 
lese  einfach:  pykkjumk  ek  tu  ungr  api.  Man  vgl.  dazu  Grimnismäl  34: 
ok  pat  ofhyggi  hverr  osvutra  apa;  Hävamäl  74:  margr  verdr  af  öcTincm 
api;  ebenda  123:  orctum  skipta  pü  skalt  aldregi  vid  osvinna  apa;  Fäf- 
nismäl  11:  Norna  dorn,  pü  munt  fyr  neisum  hafa  ok  osvinns  apa.  In  allen 
diesen  Stellen  bezeichnet  api  einen  unerfahrenen,  unverständigen  Men- 
schen, und  dieser  Begriff  wird  auch  in  unserer  Stelle  verlangt. 

Str.  9   ist  vielfach   verderbt  und   nur   gezwiingen   lässt   sich   ihr, 
wie  sie  jetzt  lautet,  ein  Sinn  abgewinnen.  Sie  lautet: 

pann  gel  ek  per  innßörda:     ef  pik  fiand/r  standa 

gärvir  ä  galgvegi, 

hugr  peim  hnjggvi     til  handa  per  mcetti 

ok  snüisk  peim  til  sätta  seß. 
Was  soll  ef  pik  fiandr  standa  heißen  ?  Ein  transitives  standa  mit  Acc. 
gibt  es  nicht,  wohl  aber  ein  standa  um  mit  dem  Acc.  Ferner  bedeutet 
hryggva,  gleichwie  h^ggja  (die  volle  Form  wäre  hryggvja),  soviel  ich 
weiß,  traurig  machen  und  regiert  den  Acc;  ein  hryqgvn,  traurig  Averden, 
kenne  icii  nicht;  traurig  werdeii  würde  Jiryggvnsk  lauten.  Eine  Papier- 


BEITEÄG'E  ZUR  KRITIK  DER  EDDALIEDER.  319 

handschrift  liest  nun  statt  hn-yggvi  hverß,  was  hier  sehr  gut  passt,  und 
schon  den  verstorbenen  Rask  bestimmte,  statt  hryggvi  hrökkvi  zu  schrei- 
ben. Mcetti ,  welches  Wort  die  genannte  Papierhandschrift  nicht  hat, 
und  welches  auch  besser  wegbleibt^  wird  gezwungen  erklärt  „durch  die 
Macht"  nämlich  das  Zauberspruches.  Aber  mcBtti  bezeichnet  in  allen 
Stellen,  in  denen  es  vorkommt,  Körperkräfte.  Diese  Strophe  hat  also, 
wie  ich  meine,  zu  lauten: 

Pann  gel  ek  per  inn  fiöräa:     ef  pik  fiandr  um  standa 
görvir  d  galgvegi, 

Inigr  peim  hrökkvi     tu  handa  per, 
ok  snüisk  peim  til  sätta  seß. 
Das  heißt  nun:  den  (Spruch)  singe  ich  dir  als  den  vierten:  Wenn  dich 
Feinde  bedrängen,   gerüstete,    auf  dem  gefährlichen  Wege;    der  Muth 
ihnen    entweiche    dir   zu   Händen ,    und   ihr   Gemüth   wende   sich   zum 
Frieden. 

Str.  10:    pann  gel  ek  ]>er  inn  fimta:     er  per  ßöturr  verdr 

borinn  at  hoglimum: 

Leifnis  elda  Icet  ek  Jier    fyr  legg  qf  kvedna, 

ok  stökkr  pä  läss  af  limum. 
Diese  Strophe  ist  bis  auf  ein  Wort  sprachlich  richtig  und  bietet  keine 
Schwierigkeit.  Unerträglich  ist  jedoch  der  Ausdruck  :  elda  Icet  ek  per 
of  kvecfna,  Lohen  hab'  ich  dir  gesungen.  Leifnir  war  ein  berühmter 
Seekönig,  dessen  Sage  jedoch  imtergegangen  ist,  sein  Name  aber  wird 
nicht  selten  von  den  Skalden  verwendet,  z.  B.  Leifnis  laut  Leifnis  Erde, 
d.  i.  Meer;  viti  Leifnis  lautar,  Feuer  der  Erde  Leifnis,  d.  i.  Gold; 
Leifnis  grand,  Leifnis  Schädiger,  d.  i.  Schwert;  Leifnis  lind,  Leifnis 
Linde,  d.  i.  Weib.  Er  wird  auch  Leiß  genannt,  daher  Leifa  hraut, 
L.'s  Weg,  d.  i.  Meer;  Leifa  brautar  log,  d.  h.  Meeres  Lohe,  d.  i.  Gold; 
Leifi  lad,  L.'s  Erde,  d.  i.  Meer;  rimnr  Leifa  landa,  Baum  der  Lande  L.'s, 
d.  i.  Schiff.  Der  Name  ist  also  in  unserer  Stelle  nicht  anzutasten,  und 
wenn  Ltining  leysigaldra,  Lösezauber  [Bugge  leysigaldr],  vorschlägt, 
aber  nicht  im  Ernste,  wie  er  sagt,  so  kann  man  leysi  nicht  annehmen, 
wohl  aber  galdra  für  das  unstatthafte  elda.  Sveinbiörn  Egilssons  Erklä- 
rung von  Leifnis  elda,  ignes,  quales  Leifnir  incantamentis  excitavit  ad 
vincula  solvenda  mufi  abgelehnt  werden,  weil  sie  eben  nur  auf  dieser 
Stelle  beruht,  dieselbe  folglich  nicht  erläutern  kann.  Man  lese  also: 
Leifnis  galdra  Icet  ek  per  fyr  legg  of  kvedna,  Leifnis  Zaubersprüche  habe 
ich  dir  fiir  deine  Schenkel  gesungen.  Leifnir  kann  in  seiner  Sage  ganz 
wohl  die  Kraft  gehabt  haben,  durch  Zauberspruch,  wenn  er  gefangen 
ward,  die  Fesseln  zu  lösen;  weiß  doch  Saxo  Gramm,  von  Helden^  daß 
sie  vermochten,  durch  einen  Blick  der  Feinde  Schwerter  zu  stumpfen. 


0,2(1  i.ri)Wi(i  F/rnirrj.ER 

Str.  12.  Die  letzte  Zeile  dieser  Strophe  lautet  in  den  Handschriften : 
ok  haldit  er  lik  at  limiim.  Da  im  altnordischen  Vik  nur  „Leib"  bedeutet, 
so  enthalten  die  Worte^  wie  sie  daste*feen,  einen  Unsinn.  Lüning  deutet 
die  Worte  zwar  durch:  „er  erstarret  nicht";  allein  ich  sehe  nicht,  wie 
dieser  Sinn  in  jenen  Worten  liegen  kann.  Die  Kopenhagener  haben 
ganz  richtig  er  nicht  für  er,  ist,  sondern  für  ]}er,  dir,  genommen,  wo- 
durch haldit  zum  negierten  Präs.  conj.  wird.  Der  Sinn  ist  dann  einfach: 
die  Kälte  fessle  dir  nicht  Leib  noch  Glieder.  Will  man  jedoch  das 
Anakoluthon  beibehalten ,  welches  stattfindet ,  wenn  man  er  mit  ist 
übersetzt,  so  hat  man  lif  für  lik  zu  lesen.  Übrigens  hätten  die  Kopen- 
hagener besser  gethan,  er  für  Schreibfehler  statt  per  zu  nehmen,  und 
"per  zu  schreiben;  denn  per,  ihr,  kann  wohl,  wenn  es  enklitisch  steht, 
als  er  erscheinen,  aber  nicht  per,  dir.  [Grundtvig  haldi  pir  Ukn.] 

Str.  13  belehrt  uns,  daß  der  Dichter  zwar  ein  Heide  war,  aber 
zu  einer  Zeit  dichtete,  da  das  Heidenthum  bereits  mit  dem  Christen- 
thume  in  erbittertem  Kampfe  lag ;  denn  die  kristin  daud  kona,  das  todte 
Christenweib,  drückt  hier  genau  dasselbe  aus,  was  sonst  durch  foi^dceda 
oder  hölvis  kona  ausgedrückt  wird ,  nämlich  boshafte  Hexe ,  die  selbst 
nach  dem  Tode  noch  zu  schädigen  trachtet. 

Fiölsvinnsraäl. 

Das  Stück,  welches  zwischen  Grougaldr  und  Fiölsvinnsraäl  aus- 
gefallen ist ,  muß  die  Hemmungen  und  Hindemisse  enthalten  haben, 
die  Swipdagr  zu  überwinden  hatte  und  mit  Hilfe  der  Zaubersprüche 
seiner  Mutter  auch  wirklich  überwand ,  bevor  er  auf  den  Gipfel  des 
Berges  gelangte,  auf  welchem  der  Menglöd  Halle  steht.  Das  ergibt  sich 
daraus,  daß  der  letzte  Zauberspruch,  den  ihm  seine  Mutter  singt,  sich 
auf  sein  Gespräch  mit  Fiölsvid  bezieht,  denn  dieser  lautet: 

Pann  gel  ek  per  inn  nmnda,     ef  pü  vid  inn  naddgöfga 

ordum  skiptir  iötun: 

raäls  ok  mannvits     se  per  ä  minnishiarta    [Bugge  munn  ok 

gnöga  of  geßt.  hjarta] 

Unter  dem  Geer  oder  Schild  tragenden  Riesen  (naddgöfugr  lötunn)  ist 
ohne  Zweifel  Fiölsvidr  verstanden.  Zu  naddr,  Schildnagel,  Schildbuckel, 
Pfeil,  Geer,  Schwert,  d.  h.  jedes  Geräth,  womit  man  stechen  kann,  ge- 
hört auch  das  ahd.  narto,  welches  freilich  pelvis,  Schüssel,  glossiert; 
aber  der  Schild  kann  auch  als  Schüssel  gebraucht  werden. 

Fiölsvinnsraäl  hat  nun  auch  einige  Stellen,  welche  der  Berichtigung 
bediirf'-n.     Bei  Str.   H  z.  B.  ist  es   auflffillif^.  daß  Frage  und  Antwoit  in 


BEITEÄGE  ZUR  KRITIK  DER  EDDALIEDER.  321 

derselben  Strophe  unmittelbar  auf  einander  folgen,  da  sonst  Frage  und 
Antwort  liier  jedes  eine  Strophe  fällen.  Diesem  Missverhältnisse  ist  je- 
doch abzuhelfen,  wenn  man  Str.  2  mit  umgestellten  Vershälften  in  Str.  6 
einschiebt,  so  entstehen  daraus  zwei  Sti'ophen,  von  denen  je  eine  einem 
der  Sprechenden  zukommt.  Str.  2  steht  ohnehin  da,  wo  sie  jetzt  steht, 
nicht  zum  Besten;  denn  einmal  "würde  Fiölsvidr  Svipdag  flöget,  Riese, 
nennen ,  und  dann  zeigt  er  sich  auch  zu  früh  bereit ,  ihm  auf  seine 
Fragen  Auskunft  zu  ertheilen.  Aus  Str.  6  erhielten  wir  durch  Einschie- 
bung  von  Str.  2  zwei  Strophen,  5  und  6,  die- also  lauten  würden: 
5  (6,  1)  Segdu  mer,  hverjum  ertu     sveinn  of  horinn 

eda  hverra  manna  mögrf 
(2,  2)  hvers  pü  leitar,     eda  hvers  pü  ä  leitum  ert, 

eda  hvat  vütu,  vinlauss,  vita? 
6  (2,  1)  Hvat  er  pat  flagda,     er  stendr  fyr  fm'gördum, 

ok  hvarfl/xr  imi  hcettan  loga]? 
(6,  2)   Vindkaldr  ek  heiti,     Värkaldr  het  minn  fadir, 

Pess  var  Fiölkaldr  fadir. 
Die  zweite  Hälfte  der  vorletzen  Zeile,    Värkaldr  het  minn  fadir  stammt 
wahrscheinlich   aus  der  mündlichen  Fortpflanzung   des   Gedichtes   her, 
denn  der  Dichter  war  kein  Stümper.  Er  sprach  vielleicht  Värkaldr  mik 
of  gat,  oder  doch  ähnlich. 

Str.  13.    Die  letzten  drei  Zeilen  lauten: 
hvat  peir  garmar  heita, 
er  gifr  reka, 
görda  fyr  löndin  Um? 
Sveinbiörn  Egilsson  sagt  zu  dieser  Stelle  unter  lim-:    „locus  inexplica- 
bilis"    und  auch  Lüning    „weiß    aus  dieser  verzweifelten  Stelle   nichts 
zu  machen."  Freilich,  wenn  man  das  fehlerhaft  Überlieferte  getreulich 
glaubt  bewahren  zu  müssen,  so  bleibt  diese  Stelle  ein  unlösbares  Räthsel. 
Aber  betrachten  wir  uns  einmal  das  Ganze  etwas  genauer.    Swipdagr 
fragt,  wie  die  Hunde  heißen,  welche  bellen,  als  er  sich  der  Thüre  naht, 
und   erhält  in  der  folgenden  Strophe  den  Bescheid:    einer   heiße  Gifr, 
der  andere  Geri.  Hieraus  folgt  nun  zunächst,  daß  das  gifr  in  unserer 
Stelle  ein  Fehler  ist.  In  diesem  gifr  steckt  das  Object  zu  reka,  gifr  ist 
aber  ein  Adj.  und  bedeutet  immanis,  passt  also  nicht  hieher.  Ich  schlage 
gialfr  fremitus  vor;    gialfr  reka  also:    sie  stossen  Geheul,    Gebell  aus. 
Görda  in  der  letzten  Zeile   drückt  nur  fecit   aus ,    aber  wir  brauchen 
faciunt,  und  das  ist  görva,  also  garmar  görva  —  man  fragt  was?  Nun 
Lärm  machen  sie;  Lärm  aber  ist  nicht  lim,  n.  oder  limr,  m.  Ast,  Zweig, 
Glied,  sondern  hlymr.    Will  man  nun  fyr  löndin,  über  die  Laude  hin, 

•     GEKMANIA.     Neue  Reihe  U.  (XIV.)  Jahrg.  21 


322  LUDWIG  ETTMÜLLER,  BEITRÄGE  etc. 

behalten,  so  hat  man  das  h  vor  l  in  hlymr  zu  tilgen,  was  auch  sonst 
vorkommt ;  aber  die  Hyperbel  :  „die  Hunde  machen  Lärm  über  die 
Lande  hin",  ist  etwas  stark,  und  so  möchte  ich  statt  fyr  löndin  :fyr 
hlöctum,  vor  den  Gebäuden^  lesen.  Dieser  „locus  inexplicabilis"  lautet  nun 
berichtigt  also: 

hvat  peir  gar  mar  heita, 
er  gialfr  reka, 
görva  fyr  hlöäum  hlym? 
Ich  setze  hlöctum,   aedib.us,   weil  es  dem  löndin   am  nächsten   kommt; 
sonst  könnte  man  auch  hlidum  oder  hlunmmi  lesen. 

Str.  17  und  18   steht   in  der  gleichen  Formel   einmal   laupi,    das 
andere  Mal  laupa;  man  schreibe  beide  Mal  hlawpi  oder  hlaupa. 
Str.  22:     Üt  af  hans  aldni    skal  ä  eld  hera 
fyr  kvellisiukar  konur; 
ütar  hverfa  pess    peir  innar  skyli. 
Auch  Lüning  noch  nimmt  an  pess  Anstoß  und  fragt,  worauf  soll  aber 
pess  hindeuten?    Er  wäre  befriedigt,  wenn  statt  pess  kviäs  stünde.    Es 
ist  jedoch  keine  Änderung  nöthig:  pess  steht  für  pvt,  fyr  pvi,  und  be- 
zieht sich  aiif  aldni.  pess  wird  gar  nicht  selten  so  gebraucht,  s.  Svein- 
biörn  Egilsson  unter  ])at. 

Str.  30:    ädr  hon  scem  telisk 
väpn  til  vigs  at  Ua. 
Mit  Recht  stößt  sich  Lüning  an  soem,    das  er  zu  telisk  zieht,   und  er 
möchte  ein  soemteljask,  etwas  für  schicklich  erklären,   annehmen.    Das 
ist  jedoch  unnöthig,  man  lese  soemt  telisk.  Auch  wenn  man  saemt  nicht 
zu  telisk^  sondern  zu  väpn  nehmen  will^  ist  der  sing,  soemt  schicklicher 
als  der  plur.  soem,  da  ja_nur  von  einem  väpn  die  Rede  ist. 
Str.  38:    Hlif  heitir     önnur  HUfpursa, 
Pridja  piödvarta. 
Man  hat  zu  lesen:  BMf  heitir  ein,     önnur  HUfjnirsa,  wie  schon  die  bei- 
den anderen  Zahlwörter  beweisen. 

Str.  49:    Lengi  ek  sat     liufu  bergi  a, 
beid  ek  pm  doegr  ok  daga; 
nü  pat  vard    er  ek  vcett  hefir  (1.  hefi), 
at  pü  ert  aptr  kominn, 
mögr,  til^  minna  sala. 
Die  Strophe  hat  eine  Zeile  zu  viel.    Da  in   diesem  Gedichte  überall 
sonst  das  Ebenmaß  gewahrt 'wird,  muß  hier  geholfen  werden.  Man  sieht 
bald,  wo  der  Fehler  steckt.  Da  Swipdag  zum  ersten  Male  zu  Menglöd 
auf  den  Berg  kommt,    ist  es  unsinnige   wenn  sie  sagt :    at  pü  ert  aptr 


K.  BARTSCH,  DAS  FORTLEBEN  DER  KUDRUNSAGE.  323 

kominn,  d.  h.  daß  du  wiederum  gekommen  bist.  Aptr  allein  jedoch  kann 
man  nicht  streichen,  weil  dann  der  Vers  keinen  Stabreim  hätte,  der 
ohnehin  schlecht  genug  auf  ert  (dem  Hilfszeitworte !)  und  aptr  ruht. 
Aber  den  Sinn  von  pü  ert  kominn  kann  man  nicht  entbehren :  wie  hilft 
man  da?    Ich  denke  so: 

Lengi  ek  sat     Uüfu  hergi  ä, 

heid  ek  ]nn  dcegr  ok  daga; 

nü  pat  vmx%     er  ek  vcett  ließ, 

kamt,  mögr,  til  minna  sala! 
ZÜRICH. 


DAS  FORTLEBEN  DER  KUDRUNSAGE. 


I. 

Seit  ich  die  in  der  Grermania  12,  220 — 224  gemachten  Mitthei- 
lungen über  das  Fortleben  der  Kudrunsage  in  Mecklenburg  erhalten, 
bin  ich  unausgesetzt  bemüht  gewesen  der  Sache  weiter  nachzuforschen. 
Im  Februar  1868  ließ  ich  einen  Bericht  über  die  bis  dahin  eingegan- 
genen Sagenbeiträge  drucken  und  machte  darin  auch  auf  die  Kud- 
runsage aufmerksam,  indem  ich  die  Spuren  derselben  der  Beachtung 
empfahl.  Seitdem  theilte  mir  Hr.  Oberkirchenrath  Kliefoth  in  Schwerin 
mit,  daß  er  als  Knabe  in  seinem  Heimatsort  Körchow  bei  Hagenow 
dieselbe  Sage  nebst  anderen  von  einem  Knechte  haben  erzählen  hören. 
Der  Knecht,  Wilhelm  Baack,  hatte  etwas  träumerisches  in  seinem  We- 
sen ;  oft  wenn  er  aufs  Feld  hinaus  fulir  und  die  Kinder  mit  ihm,  pflegte 
er  halb  in  sich  versunken  solche  Geschichten  ihnen  zu  erzählen.  Seine 
Frau  lebt  noch  in  Körchow  und  steht  dort  in  dem  Rufe  eines  auf 
Zauber  und  Besprechung  sich  verstehenden  Wesens.  Meine  Nachfor- 
schungen an  Ort  und  Stelle  führten  indess  zu  keinem  Resultate.  Be- 
merkenswerth  ist,  daß  dieses  Zeugniss  uns  ebenfalls  in  die  unmittelbare 
Nähe  von  Hagenow  leitet,  wie   das  erste  Zeugniss   auf  Hagenow  selbst. 

Etwa  in  dieselbe  Gregend  weist  ein  drittes  Zeugniss.  Herr  Litte- 
rat C.  Stuhlmann  in  Schwaan  erzählte  mir  von  einer  etwa  achtzigjäh- 
rigen Dame  in  Hamburg,  welche  in  Lüneburg  zu  Hause  war,  und 
welche  als  Kind  dieselbe  Sage  von  einem  Kindermädchen  hörte,  das 
in  Boizenbm-g ,  also  ebenfalls  in  der  Nähe  von  Hagenow ,  heimisch 
war.  An  Namen  erinnert  sie  sich  nicht  mehr  deutlich,  aber  die  Sceue 
des  AVascheus  am  Strande  steht  noch  lebhaft  vor  ihrem  Gedächtniss. 

21* 


324  KARL  BARTSCH 

Ein  viertes  Zeugniss  verdanke  ich  Herrn  Lehrer  Struck  in  Waren. 
Derselbe  vernahm  die  Sage  als  Knabe  aus  dem  Munde  eines  Kinder- 
mädchens, Dörte,  deren  Eltern  Schifferleute  in  Wismar  waren.  Wie- 
wohl ihm  noch  manches  von  der  Erzählung  haften  geblieben,  so  ge- 
traut er  sich  doch  nicht,  weil  er  inzwischen  die  mittelhochdeutsche 
Dichtung  gelesen,  die  Sage  aus  der  getrübten  Erinnerung  herzustellen. 
Dies  Zeugniss  führt  uns  in  eine  andere  Gegend  Mecklenburgs,  an 
den  Meeresstrand,  wo  wir  die  norddeutsche  Schiffersage  zunächst  auch 
zu  suchen  haben.  Und  dahin  weist  durch  seine  localen  Beziehungen 
endlich  auch  das  fünfte  Zeugniss ,  welches  ich  als  das  wichtigste,  weij 
umfangreichste,  bis  zuletzt  aufbewahrt  habe.  Herr  Pastor  K.  Bassewitz 
in  Brütz  bei  Lübz,  schrieb,  durch  meinen  Bericht  veranlasst,  am 
31.  März  1868  an  mich  und  theilte  mir  die  Aufzeichnung  einer  Sage 
mit,  die  mit  der  Kudrunsage  am  nächsten  verwandt  ist. 

„Die  Sage  stammt  aus  meiner  frühesten  Jugend,  wo  ein  Fräulein 
Therese  von  Hagen,    deren  Vater  dänischer  Kammerherr  gewesen  (die 
Mutter  war  eine  geb.  von  Bassewitz  ,    der  Bruder  Schiffer  in  Rostock) 
sie   mir   erzählte  und    immer  wieder   erzählte.     Sie   hat    sie  mir  hoch- 
deutsch erzählt:    später  erzählte  sie  mir  auch  in  meiner  Kindheit  eine 
Wirthsfrau  Wulff  in  der  Gegend  von  Warin  (Neuhof)  plattdeutsch.  Im 
Jahre  1847,    als   ich   in  Warin  Privatlehrer  war    und  von  da  aus  die 
Gegend  meiner  Kindheit  besuchte,    tauchte  diese  Geschichte,    die  ich 
nur  für  eine  Ammengeschichte  genommen  hatte  und  für  weiter  nichts, 
wieder  auf,    indem  ich   von  einer  Tochter  der  Wulffen  daran  erinnert 
wurde.     Diese    Personen    sind    aber    alle   todt.    Die  Erinnerung  daran 
brachte  mich    auf    den  Entschluß,    die  Sage    nachzuschreiben,    in  der 
Weise,  wie  Sie  dieselbe  erhalten.     Ich  habe  bei  dieser  Sage   aber  nie 
an  die  Kudrunsage  gedacht,    denn  damals  kannte    ich    dieselbe    noch 
nicht  und  bin  auch  erst  neuerdings   durch  Sie  darauf  aufmerksam  ge- 
macht.    Der  Gärtnerdienst  eines   Prinzen    war    mir    in  meiner  Jugend 
schon  ganz  sonderbar  und  später  ist  es  mir  auffällend  gewesen,  warum 
die  Hochzeit,    wie  es  doch  Sitte  ist,    nicht  im  Hause   der  Eltern    der 
Königstochter  gewesen  und  daß    sie    so   als  Braut  fortgeschickt   wird. 
Ferner  ist  mir  unklar,  was  man    unter    einem  Könige    von    dat  Reich 
zu  verstehen  hat,  und  dabei  die  Insel  Poel?    Wo    soll  denn  die  Resi- 
denz des  Königs  von  dat  Reich  gewesen  sein?   Solange  ich  diese  Ge- 
schichte als  Amraenläuschen  genopamen,    ist  mir  nichts  dabei  aufgefal- 
len; aber  jetzt,  durch  Sie  aufmerksam  gemacht,    tauchen   mir  manche 
Fragen  dabei  auf,  die  ich  nicht  beantworten  kann." 
Die  Erzählung  lautet  folgendermaßen: 


DAS  FORTLEBEN  DER  KUDRUNSAGE.  325 

Da  war  eiuraal  ein  König  in  „dat  Reich",  der  war  sehr  reich 
und  lebte  mit  seiner  Frau  zufrieden  und  glücklich.  Sie  hatten  eine 
einzige  Tochter,  die  war  schöner  als  irgend  ein  andei'es  Kind.  Die 
Königstochter  liebte  am  meisten  die  Blumen,  die  sie  in  ihrem  Garten 
hegte  und  pflegte.  Unter  den  Grärtnern  war  einer,  mit  dem  sie  am 
liebsten  verkehren  mochte;  er  war  noch  nicht  lange  im  Dienst  und 
war  für  die  Königstochter  als  Grärtner  angenommen,  weil  er  aus  Italien 
gekommen  war.  Er  erzählte  ihr  viel  von  Italien,  aber  auch  aus  dem 
Norden,  von  Bären-  und  Wolfsjagden,  und  von  Krieg  und  Seefahrt. 

Als  die  Königstochter  etwa  achtzehn  Jahr  alt  war,  da  kamen  die 
Freier  von  allen  Seiten,    denn  der  Ruf   ihrer  Schönheit    hatte    sich  in 
alle  Länder  verbreitet.    Der  erste  Freier,  der  bei  dem  Könige  anhielt^ 
war  der  König  von  den  Dänen  gewesen ,  der  diu'ch  seineu  Gesandten 
für  seinen  Sohn  um  die  Hand  der  Königstochter  bat;    den    wies  aber 
der  Vater  ab,    denn   er  lebte  mit  dem  Däuenkönige  in  großer  Feind- 
schaft, weil  er  ihm  einst  seine  Braut  entführt  hatte,  und  wenn  er  auch 
mit  seiner  Frau  zuirieden  und  glücklich  lebte,    so   konnte  er   ihm  das 
doch  nicht  vergessen.     Nun  kamen    „ut  dat  Reich"   und   aus   England 
so  viele  Prinzen,    daß    das   Schloß    immer    voll    war.     Die    Prinzessin 
aber    zeigte    kein  Gefallen    an   irgend   einem  der  Freier.     Den  Eltern 
gefiel  jedoch  am  meisten  der  Prinz  „ut  Norden" ,  und  sie  beschlossen, 
er  und  kein  anderer  sollte  die  Königstochter   haben,    sie    mochte    ihn 
wollen  oder  nicht.  Man  machte  alles  zur  Abfahrt  fertig  und  nun  gieng 
es  nach  Poel,    wo  die  Schiffe  lagen,  die   die  Braut   mit  ihrem  ganzen 
Gefolge  aufnehmen  sollten,   und  auch  die  Schiffe  von  Norden  für  den 
Bräutigam  und   seine  Mannen   hatten  'sich  da  vor  Anker  gelegt.     Der 
Prinz  von  Norden  stieg  auf  sein  Schiff,  und  sieben  Schiffe   mit  seinen 
Kriegern  folgten  ihm.     Die  Braut  bestieg  auch  ihr  Schiff  und    mit  ihr 
ihre  Frauen;  ihr  Gefolge  war  in  besonderen  Schiffen,  und  in  dem  einen 
war  auch  der  junge  Gärtner. 

So  gieng  nun  die  Fahrt  ab,  aber  des  Nachts  kam  ein  großer 
Sturm  und  verschlug  die  Schiffe  hierhin  und  dahin.  Als  der  Prinz  „ut 
Norden"  glücklich  ans  Land  kam,  hatte  er  von  seinen  Schiffen  keines 
verloren,  aber  von  denen  „ut  dat  Reich"  fehlten  drei,  und  darunter 
war  auch  das^  auf  dem  die  Königstochter  war.  Dem  König  von  Nor- 
den war  das  sehr  verdrießlich,  aber  er  tröstete  sich,  als  er  das  reiche 
Heirathsgut  der  Königstochter  sah  und  nahm  aus  den  Hofdamen  die 
hübscheste  heraus  und  gab  sie  seinem  Sohne  zur  Frau.  Nach  „dat 
Reich"  aber  sandte  er  Botschaft  es  seien  alle  Schiffe  untergegangen. 
Das  hörten    die  Eltern    der  Königstochter  und  trauerten  sehr  darüber. 


326  KARL  BARTSCH 

Als  der  Winter  vorbei  war,  sandte  der  König  von  „dat  Reich" 
Schiffe  aus,  um  seine  Tochter  zu  suchen.  Diese  war  inzwischen  an 
eine  dänische  Insel  verschlagen  worden,  und  wurde  von  dem  König 
und  seiner  Frau  freundlich  aufgenommen,  als  sie  hörten  wer  sie  wäre. 
Der  König  wiederholte  die  Werbung  fiir  seinen  Sohn,  aber  die  Königs- 
tochter wollte  nichts  davon  wissen.  Als  sie  nun  auf  ihrem  Sinne  be- 
harrte, änderte  sich  bald  das  Benehmen  des  Königs  und  seiner  Frau. 
So  freundlich  sie  bisher  gewesen  waren,  so  hart  und  grausam  wurden 
sie  nun.  Viele  von  ihren  Begleiterinnen  hatten  sich  mit  dänischen 
Männern  verheirathet  und  riethen  der  Königstochter,  ein  Gleiches  zu 
thun;  aber  sie  hätte  lieber  sterben  wollen  als  das  thun.  Sie  wurde 
von  der  alten  Königin  gekniffen  und  herumgestoßen  und  zuletzt  in 
den  Thurm  gesperrt.  Die  Königin  schwur,  wenn  sie  nicht  einwillige, 
dass  sie  nie  wieder  heraus  kommen  sollte. 

Der  Gärtner  war  mit  seinem  Schiffe  auf  eine  andere  kleine  Insel 
verschlagen.  Dort  wollte  er  aber  nicht  bleiben ,  sondern  nahm  des 
Nachts  allein  ein  Boot  imd  fuhr  damit  in  die  See.  Er  kam  auch 
glücklich  ans  Land,  bei  derselben  Insel,  auf  welcher  der  Dänenkönig 
wohnte.  Fischerleute  nahmen  ihn  auf  und  hier  erfuhr  er,  daß  das 
Schiff  vom  „Reich"  mit  der  Königstochter  gelandet  Aväre,  und  daß  es 
der  Königstochter  sehr  traurig  gienge,  und  warum.  Er  erfragte  nun 
alles  genau  und  hörte,  daß  die  Frau  des  Thurmwächters  eine  vom  Ge- 
folge der  Königstochter  sei.  Durch  diese  gelang  es  ihm  dann  auch, 
in  den  Thurm  zu  der  Prinzessin  zu  kommen.  Er  wollte  dieselbe  aus 
dem  Thurm  entführen,  aber  die  Königstochter  sagte,  sie  wollte  sich 
nicht  aus  ihrem  Gefängniss  herausstehlen :  das  wäre  etwas  anderes,  wenn 
er  sie  mit  Gewalt  befreite,  oder  wenn  die  alte  Königin,  die  sie  ein- 
gesperrt, sie  auch  wieder  herausholte. 

Da  gieng  der  Gärtner  geradewegs  zum  König  und  zur  Königin. 
Diese  brachte  gerade  ein  Spinnrad  im  Gang,  auf  dem  sollte  die  Kö- 
nigstochter spinnen,  sie  mochte  wollen  oder  nicht.  Was  war  das  aber 
für  ein  Erstaunen,  als  der  König  und  die  Königin  in  dem  Gärtner 
ihren  eigenen  Sohn  erkannten.  Die  Königin  musste  nun  gleich  mit  in 
das  Gefängniss  gehen,  um  die  Prinzessin  zu  holen.  Doch  sie  wollte 
nicht  heraus,  weil  sie  noch  nicht  einwilligen  könne,  den  Königssohn 
zu  heirathen,  bis  ihre  Eltern  ihre  Zustimmung  gegeben  hätten.  Da  ward 
ein  Schiff  mit  Boten  in  „dat  Reich"  gesendet,  mit  einem  Briefe  vom 
Prinzen  und  der  Prinzessin  und  vom  König,  Die  alte  Königin  war 
aber  sehr  ärgerlich,  daß  ihr  Sohn  als  Gärtner  im  fremden  Lande  ge- 
dient hatte,  und  fürchtete  auch,    daß  die   Prinzessin  ihr  die  böse  Be- 


DAS  FORTLEBEN  DER  KUDRUNSAGE.  327 

handlimg  nachtragen  könne,  und  von  dem  Arger  wurde  sie  schwer 
krank.  Die  Prinzessin  Avollte  durchaus  nicht  aus  dem  Gefängniss,  doch 
musste  sie  sich  gefallen  lassen,  daß  man  ihr  das  Leben  darin  so  be- 
quem als  möglich  machte. 

Unterdess  war  auch  nach  „Norden"  die  Nachricht  gekommen, 
daß  die  Königstochter  glücklich  auf  einer  Däneninsel  gelandet  wäre, 
und  da  ärgerte  sich  der  König  sehr,  daß  er  seinen  Sohn  mit  einem 
HofFräulein  verheirathet  und  daß  es  nun  herauskommen  musste,  wie 
die  junge  Königin  nicht  die  Prinzessin  „ut  dat  Reich"  wäre.  Er  for- 
derte also  für  seinen  Sohn  die  Prinzessin  zurück.  Das  wurde  abge- 
schlagen; da  rüstete  der  Nordkönig  als  der  Winter  vorüber  war,  viele 
Schiflfe  aus  "und  wollte  die  Prinzessin  mit  Gewalt  holen.  Da  gab  es 
eine  große  Schlacht,  aber  die  Dänen  mussten  weichen,  und  das  Königs- 
schloß wiu'de  eingenommen  und  in  Brand  gesteckt,  daß  auch  die 
kranke  alte  Königin  mit  verbrannte.  Da  erschien  die  Prinzessin  unter 
den  dänischen  Kriegern  und  feuerte  mit  ihren  Worten  den  Muth  der- 
selben so  an,  daß  sie  die  Nordländer  zuräckschlugen  und  viele  tödteten, 
darunter  auch  den  alten  Nordenkönig.  Sie  wurden  auf  die  Schiffe 
getrieben  und  viele  ertranken  im  Wasser.  Da  ward  von  beiden  Seiten 
Frieden  geschlossen,  und  es  dauerte  nicht  lange,  da  kam  auch  Bot- 
schaft aus  „dat  Reich"  und  brachte  die  Einwilligung  von  den  Eltern 
der  Prinzessin.  Da  fand  die  Hochzeit  statt  und  der  Prinz  und  die 
Prinzessin  lebten  in  Glück  und  Zufriedenheit  bis  an  ihr  Ende. 

Ich  enthalte  mich  vorläufig  weiterer  Bemerkungen  und  übergebe 
die  Aufzeichnung  den  Fachgenossen  zur  Prüfung.  Daß  in  der  Ueber- 
lieferung  vieles  entstellt  und  getrübt  ist,  sieht  man  auf  den  ersten  Blick. 
Unverkennbar  aber  ist  die  Gemeinsamkeit  der  Grundlage  mit  dem  mit- 
telhochdeutschen Gedichte.  Daß  es  eine  viel  treuere  Fassung  gab, 
lehren  die  Namen,  auf  die  unser  erstes  Zeugniss  führte;  bis  vielleicht 
ein  glücklicher  Zufall  uns  diese  unentstelltere  Erzählung  kennen  lehrt, 
müssen  wir  urrs   an  den   in  der   vorliegenden  Aufzeichnung  erhaltenen 

Trümmern  genügen  lassen. 

KARL  BARTSCH. 


IL 

„Mit  dem  A.ufenthalt  der  gewaltsam  entführten  Gudrun  in  der 
Normandie  öffnet  sich  die  Blüte  des  Gedichts",  sagt  W.  Grimm  D,  Hel- 
densage S.  371  vom  Kudrunliede. 

Man  wird  es  gewagt  finden,  wenn  man  in  Stellen  der  Volkslieder, 
wo  die  Geliebte  des  fernen  Liebsten  sehnsüchtig  harret  und  wo  derselbe, 


328  K.  .1.  SCHRÖER 

anfangs  unerkannt,  einen  Ring  vorweist  und  endlich  wiedererkannt 
wird,  einen  Anklang  an  die  Begegnung  zwischen  Herwig,  OrtAvin  imd 
Kudrun ,  Hildeburg  am  Meeresstrande  (25.  äventiure)  finden  wollte. 
Dennoch  trifft  Manches  zusammen,  das  Beachtung  verdient,  und  wo- 
von ich  einiges  hier  hervorheben  möchte. 

Ein  solches  Volkslied  ist  das  in  einer  Fassung  des  16.  Jahrhun- 
derts bei  Uhland  Nr.  116  mitgetheilte :  ,.Es  steht  ein  lind  in  jenem  tal" 
u.  s.  w.  In  diesem  Liede  stellt  der  Wiederkehrende  die  Geliebte  auf  die 
Probe,  indem  er,  unerkannt,  angibt:  der  sehnsüchtig  Erwartete  habe 
sich  vermählt.  Da  sie  ihm  deshalb  nicht  flucht,  sondern  in  Trauer 
versinkt,  zeigt  er  seinen  Ring,  um  sich  zu  erkennen  zu  geben:  „sehnd 
hin,  schöne  jimkfrau,  das  solt  ir  haben,  eur  feins  lieb  seit  ir  nicht 
lenger  klagen!"  Vgl.  Kudrun  1247:  „nu  seht  an  mine  hant,  ob 
ir  daz  golt  erkennet!"  —  Kudrun  hatte  gehört,  daß  Herwig  todt  sei 
(Str.  1246),  Herwig  glaubte,  sie  sei  vermählt  (Str.  1253).  —  In  an- 
deren, diesem  verwandten  Volksliedern  (Uhland  No.  15)  ist  ein  Vogel 
der  Liebesbote,  der  das  Goldringelein  überbringt ,  was  an  den  Vogel 
(und  Engel)  der  24.  äventiure  erinnert,  der  vor  jenem  Auftritt  mit  dem 
Ringe  Herwigen  ankündet. 

Merkwürdig  ist,  daß  Uhland  neben  jenes  Lied  (No.  116)  das  See- 
räuberlied (Nr.  117)  stellt.  In  diesem  Liede  ruft  ein  vom  „Schiflmann" 
geraubtes  Mädchen  den  Vater,  den  Bruder  und  den  Liebsten  zu  Hilfe. 
Vater  und  Bruder  retten  sie  nicht,  aber  der  Liebste  setzt  Alles  dran 
und  rettet  sie.  Das  Lied  sieht  in  dieser  Form  nicht  ganz  echt  aus, 
doch  wird  sein  Inhalt  verbürgt  durch  eine  ältere  Aufzeichnung^  die 
Uhland  im  QueUenverzeichnisse  citiert  und  die  der  in  Schleswig  ge- 
bome  dänische  Capitän  Abrahamson  um  17.50  hörte,  s.  Gräters  Iduna 
1814  S.  72 — 76*).  —  Wenn  hier  der  Bruder  sagt:  „dein  junges  leben 
rett  ich  nicht!"  so  kann  dies  daran  erinnern,  daß  ja  auch  Bruder 
Ortwin  die  Schwester  eher  sterben  lassen  will,  als  daß  er  sie  stehle 
Str.  1256.  Im  Volkslied  freilich  soll  die  Weigerung  de.s  Bruders  nur 
die  Liebe  des  Gehebten  in  helleres  Licht  stellen,  während  in  der  Kud- 
run Ortwin  von  dem  edlen  Motive  geleitet  wird,  die  mit  Kudrunen  Ge- 
fangenen mit  zu  retten.  Aber  kommen  im  Volksliede  nicht  oft  Motive 
in  Vergessenheit,  indem  Thatsachen  zerstückt  und  unverstanden  oder 
umgedeutet  manchmal  fortleben? 

Durch  Bartsch  haben  wir  nun  Germania  12 ,  220  ff.   eine  Nach- 


*)  Sie  ist  neuerlich  wieder  mitgetheilt  und  besprochen  in  Vilmars  Handbüchlein 
für  Freunde  des  deutscheu  Volksliedes  (Marburg  1867)  Seite  209  f. 


DAS  FORTLEBEN  DER  KUDRUNSAGE.  329 

rieht  von  einer  Sage,  deren  sich  Fräulein  Amalie  Krüger  noch  aus 
den  Jahren  1826—1828  erinnert,  die  im  nördHchen  DeutscWand  beim 
Volke  erzählt  wurde  und  in  welcher  der  alte  Wate,  der  Kampf 
auf  dem  Wulpensande  und  der  Ausgang  der  24.  äventiure  der 
Kudrun  vorkömmt. 

Vorigen  Sommer  (1867)^  als  ich  in  den  Ferien  in  den  weltver- 
borgenen Bergen  und  Urwäldern  des  Herzogthums  Gottschee  weilte, 
um  die  Mundart  von  Gottschee  kennen  zu  lernen  und  wo  möglich  die 
Abstammung  der  Gottscheewer  (in  ihrer  Sprache:  Gottscheabar,  Plur. 
Gottscheabare),  die  Zeuß  ftir  einen  Rest  von  Vandalen  erklärte  *),  die  in 
jenen  unwirthlichen  Gegenden  von  Krain  zui'ückgeblieben  seien,  zu  er- 
forschen, hörte  ich  von  einer  Ballade,  die  hier  allgemein  gesungen  wird 
und  die  mich  sogleich  in  hohem  Grade  anzog,  als  ich  von  ihrem  In- 
halt hörte.  Sie  ist,  hieß  es,  im  ganzen  Lande  bekannt  unter  dem  Na- 
men :  den  (d.  i.  mhd.  diu  =  die)  scheane  (gesprochen  beinahe  schjanne 
d.  i.  schöne)  merarin  (in  manchen  Orten,  wo  das  e  [Umlaut  des  a, 
nicht  e]  öfter  ö  klingt:  mörarin).  Schon  das  Wort  merarin  d.  i.  Mee- 
rerin,  d.  i.  die  am  Meere  weilende,  war  mir  sehr  auffallend.  Das  Meer 
scheint  mir  sonst  bei  uns  nicht  populär;  die  Gottscheewer  freilich  ken- 
nen es.  —  Das  Wort  Meererin,  das  unmittelbar  nichts  gemein  hat  mit 
mhd.  mamcere  marinarius  (=  Seemann),  kömmt  in  der  älteren  Sprache 
nicht  vor;  auch  im  Gottscheewischen  haftet  es  nur  an  diesem  Liede 
von  der,  die  am  Meere  wäscht.  —  Das  Lied  hörte  ich  zuerst  von 
einem  alten  Lustigmacher,  der,  in  Gottschee  lebend  und  da  geboren, 
unter  dem  Namen  Kuckher- Wlackh  (=  Fleck),  mir  einige  Lieder  vor- 
sagte, vorsang  und  auch  aufschrieb.  —  Von  der  Schönen  am  Meere 
konnte  ich  anfangs  nicht  mehr  herausbringen  als  den  Text  Nr.  I,  den 
er  mir  an  verschiedenen  Tagen  wiederholte,  ohne  daß  ich  mehr  als 
einmal  die  Variante  des  4.  Verses  gewann,  obwohl  ich  immer  darauf 
beharrte,  es  müsse  länger  sein,  so  hätte  es  keinen  rechten  Sinn. 

Eines  Tages  kam  er  ganz  betrunken  und  verlangte  viel  Geld, 
denn  er  hätte  jetzt  die  richtige  schöne  Meererin  von  einer  Alten  ge- 
lernt und  aufgeschrieben.  Das  war  nun  die  Fassung  Nr.  III,  die  aller- 
dings sehr  abweicht  und  mit  einem  zweiten  Balladenstoff  verwoben  ist. 

Bei  dem  liebenswürdigen  Herrn  Pfarrer  Jos.  Krombholz  in  Altlaag 
im  Herzogthum  Gottschee  hielt  ich  nun  förmlich   eine   Rathsversaram- 


*)  Die  Deutschen  und  die  Nachbarstämme  S.  454  f.  589  f.  und  614.  Meine  Wi- 
derlegung dieser  Annahme  ist  enthalten  in  Ein  Ausflug  nach  Gottschee.  Wien  Gerold 
1869  S.  9  S.  (Aus  den  Sitzungsberichten  der  k.  Ak.  d.  Wiss.  in  Wien,  phil.-hist.  CL 
Bd.  60.) 


330 


K.  J.  SCHRÖER 


lung  ab  über  die  schöne  Meererin,  indem  derselbe  fünf  Mädchen,  die 
schön  singen  konnten,  zusammen  rief  (Leane  Schauer,  Mfine  Hoge, 
Leane  Hoge ,  Müne  Fink  und  Else  Kickel),  die  wir  über  die  schöne 
Meererin  befragten.  Sie  kannten  beide  Fassungen,  die  ich  vom  Kuck- 
her-Wlack  hatte  und  sagten:  beide  seien  schon  recht,  es  seien  zwei  ver- 
schiedene Lieder,  die  zweite  Fassung  (Nr.  III)  sei  aber  mehr  im  Hin- 
terland, einem  Grebiete  von  Grottschee,  üblich.  Sie  kannten  noch  ein 
drittes,  das  auch  so  anfängt  und  dies  ist  nun  Nr.  II. 

Alle  drei  Fassungen  sind  wenig  befriedigend;  ich  habe,  bis- 
her ohne  Erfolg ,  die  Freunde  in  Gottschee  gebeten,  dem  Liede  weiter 
nachzugehen.  Dennoch  scheint  mir  hier  eine  engefe  Beziehung  zur 
Kudrun  anzunehmen ,  als  in  obigen  Volksliedern,  auf  die  wieder  durch 
die  Gottscheewer  Bruchstücke  ein  heller  Schein  fällt.  —  Nr.  I  wird 
geradezu  durch  die  Kudrun  erst  klar.  Die  Meererin  steht  früh  auf  und 
geht  waschen  zum  Meer,  zum  See  (auch  in  Gottschee,  wie  mhd.  z.  B. 
Kudrun  1207,  1  ist  die  See  Masculinum).  Da  sieht  sie  in  einem  Schiff- 
lein klein  zween  Herren  (in  der  Kudrun  ztvene  man  in  einer  harken). 
Merkwürdig  stimmt  Kudrun  Str.  1220,  1  und  4:  Herwic  der  edele  in 
guoten  morgen  bot  und  y,guoten  morgen,  guoten  abent'^  was  den  minnec- 
Uchen  meiden  Uwe  zu  Vers  9  und  12  unseres  Gottscheewer  Liedes: 
^gueten  mo^^gen,  du  sckeane  merarin!^  „wil  guete  morgen  han  ih  aheanc!^ 
(=  wenig.) 

Im  Volksliede  reicht  „er",  also  einer  der  zwei  „Herren",  einen 
Ring  vom  Finger  {das  negle  plur.  neglain  ist  in  Gottschee  der  Finger; 
das  loingerle  plur.  loingerlain  der  Ring)  der  Merarin.  Daß  sich  die  Lie- 
benden gegenseitig  an  ihren  Ringen  erkennen,  dies  ist  hier  völlig  ver- 
wischt. Daß  aber  der  Eine  der  zween  Herren  zur  Meererin  in  einem 
besondern  Verhältnisse  steht,  vermuthet  man  aus  dem  „er  zieht  den 
Ring"^  womit,  in  Voraussetzung,  daß  man  wisse,  von  wem  die  Rede 
sei,  der  {5ine  der  beiden  gemeint  ist.  Sie  sagt:  „ich  bin  nicht  die 
Schöne  am  Meer,  ich  bin  nur  eine  Wäscherin!"  So  wie  auch  Kudrun 
sich  nicht  zu  erkennen  gibt  und  von  sich  selber  sagt  Sti'.  1242  :  „zV 
suochet  Küdrünen  —  diu  ist  in  arebeiten  tot!"'  —  Darauf  setzen  sie 
die  Meererin  ohne  weiters  ins  Schiff  und  sagen  Vers  10:  „du  bist 
doch  die  Schöne  am  Meer!"  das  heißt  doch:  wir  erkennen  dich,  trotz 
deines  Incognito  ?  „Da  nahm  sie  ein  Stück  Leinwand  in  die  Hand 
(Vers  21)".  Was  heißt  das?  Darf  man  nach  Kudr.  1271  an  die  Wäsche 
denken,  welche  Kudrun  ins  Meer  wirft?  Ich  möchte  daher  fast  ver- 
muthcn,  es  sei  Zeile  22  zu  lesen:  imt  birwet  es  in  das  proite  mer  (statt 


DAS  FORTLEBEN  DER  KUDRUNSAGE.  331 

unt  louroi  über  das  jyr.  m.,  was  eine  Wiederholung  von  Vers  18  ist,)^ 
was   geändert  wurde,  weil  man  es  nicht  mehr  verstand. 

Der  überraschende  Schluß:  wie  sie  endlich  hin  ist  gekom- 
men (nämlich  übers  Meer):  da  grüßen  sie  und  halsen  sie  und 
küssen  sie  die  schöne  junge  Meererin,  läßt  sich  doch  nur  aus 
der  Kudrunsage  erklären:  die  Meererin  ist  hier  keine  von  Seeräubern 
entführte,  sondern  eine  von  den  Ihrigen  wieder  Grefundene^  Heimge- 
brachte. —  Das  Grüßen,  Halsen  und  Küssen  beim  Wiedersehen  fehlt 
in  der  Kudrun  nicht  (1576 :  do  sie  ein  ander  kusten,  nämlich  Mutter  und 
Tochter,  Hilde  und  Kudrun;  1578:  do  huste  s'in  vor  liebe,  Hilde  den 
Wate,  sam  tet  siu  Orticin,  dann  küsst  Hilde,  auf  vieles  Bitten  Kudruns, 
Ortrünen  1584,  endlich  Hildehurgen  1587)  und  findet  hier  nur  einen 
Nachhall  in  verjüngter  Gestalt. 

Nr.  H  ist  ein  sehr  verstümmeltes  Bruchstück.  Im  Schifflein  be- 
finden sich,  wahrscheinlich  unerkannt,  Bruder  und  Geliebter  (Ortwin 
und  Herwig?).  Die  Meererin  gibt  dem  Bruder  den  Vorzug.  Nun 
scheint  der  Geliebte  erzürnt  und  der  Bruder  ihn  zu  besänftigen.  — 
Das:  „halt  auf,  Schwager!"  knüpft  das  Lied  aber  an  das  oben  erwähnte 
Seeräuberlied  in  Gräters  Iduna,  wo,  während  der  Bruder  die  Schwester 
aus  des  Seeräubers  Händen  nicht  retten  will ,  der  Geliebte  sie  rettet : 
„Dein  junges  Leben  rett  ich  wohl!  halt,  Schiffer,  halt!" 

Nr.  HI  verbindet  gewiss  zwei  verschiedene  Sagenstoffe,  ohne  daß 
weder  der  eine,  noch  der  andere  klar  und  verständlich  durchgeführt 
würde.  Es  kömmt  ein  Schifflein  mit  drei  Herren.  In  I  sind  es  zwei, 
in  II  ebenfalls  zwei  und  hier  sogar,  wie  im  Kudrunliede,  Bruder  und 
Geliebter;  hier  kommen  drei,  ohne  daß  im  weiteren  Verlaufe  diese 
drei  wieder  erwähnt  würden.  Es  ist  hier  offenbar  nur  ein  Seeräuber 
gemeint,  der  sich  die  Meererin,  die  hier  einen  bösen  Mann  und  einen 
Sohn  hat,  raubt.  Sie  weilt,  gezwungen,  bei  ihm  7  Jahre  und  3  Tage. 
Als  sie  heim  kehrt,  findet  sie  ihren  Sohn  traurig  und  gibt  sich  ihm  zu 
erkennen ;  vom  bösen  Mann  ist  gar  nicht  mehr  die  Rede !  —  Man  sieht, 
daß  das  Lied  hier,  das  übrigens  viele  Wendungen  und  Züge  hat,  die 
echt  volkmäßig  sind ,  am  wenigsten  zu  unserer  Kudrunsage  passt.  Be- 
merkenswerth  ist,  daß  durch  den  Vers :  oder  hont  §i  gestolen  di  schijfcere, 
die  Frauen  raubenden  Seeräuber,  wie  in  jenem  Liede  aus  Schleswig 
(in  Gräters  Iduna),  einfach  Schiffer  genannt  werden. 

Näher  verwandt  aber  ist  diese  dritte  Fassung  des  Liedes  einer 
slovenischen  Ballade ,  die  durch  Anast.  Grün  in  seinen  Volksliedern 
aus  Krain  (Leipzig  Weidmaim  1850)  in  die  deutsche  Littei'atur  einge- 
führt ist.    Es  ist  die  Ballade  von  der  schönen  Vida  und  steht  da- 


332  K.  J.  SCHRÖER 

selbst  S.  47 — 50.  —  Scliön  Vida  wäscht  ihres  Wiegenkinds  Gewände. 
Da  kömmt  in  einem  Kahne  auf  dem  Meer  gefahren  der  Mohr  (wobei 
man  an  Sifrit  aus  Morlant,  den  Bewerber  um  Kudrun  denken  möchte). 
Man  kann  unter  Mohr  slov.  zamilrec  im  VolksHede  wohl  auch  einen 
Mauren  verstehen,  sowie  im  Madjarischen  Mohr  szerecsen  heißt,  aus 
Sarazene.  Er  fragt  schön  Vida:  warum  sie  nicht  so  blühend  mehr  aus- 
sehe als  vordem  ?  Schön  Vida  klagt :  bei  Nacht  weine  ihr  krankes 
Söhnlein,  bei  Tage  huste  ihr  alter  Mann.  Der  Mohr  nimmt  sie  in  sein 
Schiff,  um  sie  zu  der  Königin  von  Spanien  zu  bringen,  als  Amme  des 
Königssohns.  Sie  wird  Amme  am  spanischen  Hofe*)  und  fragt 
die  Sonne  und  dann  den  Mond,  wie  es  ihrem  Kinde  daheim  und  ihrem 
greisen  Gemahl  gehe?  Sie  erhält  die  Antwort,  das  Kind  sei  todt,  der 
Gemahl  und  ihr  Vater  suchen  sie  überall.  Sie  weint.  Da  die  Königin 
sie  fragt,  warum  sie  weine?  gibt  sie  an,  ein  Goldbecher  sei,  als  sie 
ihn  ausgespült,  ins  Meer  gefallen.  Obwohl  aber  die  Königin  sie  beru- 
higt, einen  andern  Becher  kauft  und  beim  Könige  Fürsprecherin  ist, 
so  kann  dies  doch  ihren  Schmerz  nicht  heben  und  das  Lied  endet 
mit  den  Worten :  „Vida  steht  am  Fenster  alle  Tage, 

Weint  um  Vater,  Kind  und  Mann  mit  Klage." 
Ohne  auf  eine  Verfolgung  dieser  Ballade  in  der  slovenischen, 
kroatischen,  serbischen  Volkspoesie  weiter  einzugehen,  genügt  mir  hier 
vollkommen  diese  in  Krain,  also  in  der  Nachbarschaft  von  Gottschee 
unter  Slovenen  aufgefundene  Fassung  des  Liedes ,  als  Beweis ,  daß 
Nr.  III  der  von  mir  mitgetheilten  Lieder  von  der  Schönen  am  Meer 
mit  der  slovenischen  Volkspoesie  in  ganz  unleugbarem  Zusammenhang 
steht.  Die  slovenische  Ballade  erscheint  in  der  vorliegenden  Fassung 
sehr  mangelhaft,  in  den  Motiven  nicht  klar  und  bemerkenswerth  ist 
immer,  daß  in  der  deutschen  Fassung  aus  Gottschee,  die  im  Sloveni- 
schen fehlende  Heimkehr  der  Schönen  und  zwar  im  Tone  echter,  ur- 
sprünglicher Volkspoesie,  erzählt  wird.  Die  Zeitbestimmung  von  sieben 
Jahren  und  drei  Tagen  erinnert  unter  anderm  an  die  altgermanische 
Sitte,  bei  gerichtlichen  Fristbestimraungen  von  einem  Jahre  noch  eine 
Nachfrist  von  drei  Tagen  hinzuzufügen^  was  hier  im  Volkslied  in 
formelhafter  Weise  noch  nachklingt,  wenn  auch  die  Bedeutung  der  Sage 
neben  einer  Angabe  von  Jahren  nicht  mehr  in  jenem  Sinne  gemeint  ist. 
Ich  hebe  diesen  Umstand   nur   hervor  ,    weil  eine  solche  Nachfrist  be- 


*)  Sollten  die  Beziehungen  zu  Portugal  durch  Hildeburg  in  der  Kudrun  erst  in 
Osterreich  hinzugekommen  sein  ?  Von  Spanien  wird  nur  spanisch  Messing  erwähnt 
Kudr.   1109. 


DAS  FORTLEBEN  DER  KUDRUNSAGE. 


333 


kanntlich  in  der  Kudrun  172  vorkömmt  (man  sagete  die  hochzite  in  dnen 
tagen  und  in  jdres  stunden).  Es  zeigt  sich  demnach  Nr.  I  dem  entspre- 
chenden Theile  der  Kudrun  verwandt  und  dieser  Tb  eil  erscheint  nun 
merkwürdig  an  einen  Kj'eis  von  Volksballaden  angeschlossen ,  indem 
die  Fassung  Nr.  II  einem  schleswig'schen  Seeräuberliede,  Nr.  III  einer 
slovenischen  Ballade  unläugbar  nahe  steht. 


I. 


Bie  lorüe  i§t  auf  deu  merarin ! 

Deu  scheane,  deu  junge  merarin ! 
Si  §teanot  pmoron§  gur  ivrüe  auf, 

§igeanot  haschen  derc  haiße  hasche 
5  Zam  proiten  mer,  zam  tiefen  ßeahe, 

fi  heicot  un,  §i  haschot  schean. 
Ammereda  §himot  oin  schiße  kloin 

atinne  da  §itzont  zhen  junge  heni. 
,Grueten  mwgen,  du  scheaneu  me- 
rarin, 
1 0     d\i scheaneu,  d%i  jungeu  merarin !' 
j^Schean  dank,   schean  dank,  ir 

junge  hern; 
wil  guete  morgen  han  ih  a  heanc .'" 
Wome  negle  ar  ziechot  oin  ivingarle: 
,Nim  hin,  du  scheane  merarin!^ 
1 5  ^Ich  pins  et  deu  scheane  merarin, 
ichpinja  deu  hintel  hascherin  I'^ 
Dräf  §etzont  §eu  §i  aufs  schiße 
kloin 
unt  louront  über  es  proite  mer. 
,Dupi§t  laihor  deu  scheane  merarin, 

20     deu  scheane,  deu  junge  merarin !' 
Seu  namot  oin  hüderle  in  di  hant 

unt  tcurot  üher  es  proite  mer. 
Unt  hie  §i  otter  hin  i§t  kam, 


Wie  früh  ist  auf  die  Meeranwohneriu ! 

die  schöne,   die  junge  Meererin! 
Sie  steht  's  morgens  gar  früh  auf^ 

sie  geht  waschen  die  weiße  Wäsche 
Zum  breiten  Meer,  zum  tiefen  See, 

sie  hebt  an,  sie  wäscht  schön. 
Am  Meere  da  schwimmt  ein  Schiff- 
lein klein 
drinn  da  sitzen  zweenjunge  Herrn. 
,Guten  Morgen,  du  schöne  Meererin, 

du  schöne,  du  junge  Meererin!' 
„Schön  Dank,    schön  Dank,     ihr 
junge  Herrn ; 
viel  gute  Morgen  hab  ich  wenig." 
Von  dem  Finger  er  zieht  ein  Ringlein : 
,Nimm  hin,  du  schöne  Meererin !' 
„Ich  bin  nicht  die  schöne  Meererin, 
ich  bin  ja  die  Windelwäscherin!" 
Drauf  setzen  sie  sie  aufs  Schiiflein 
klein 
und  fahren  über  das  breite  Meer. 
,Du  bist  gleichwol  die  schöne  Mee- 
rerin, 
die  schöne,  die  junge  Meererin!' 
Sie   nahm   ein  leinen  Tuch  in   die 
Hand 
und  fährt  über  das  breite  Meer. 
Und  wie  sie  dann  hin  ist  gekommen, 


4  Var.  ai  hoikot  in  zor  haißen  bauche,  sie  weichet  ein  zur  weißen  Wäsche. 


334 


K.  J.  SCHRÖER 


doli  grüeßont  §eu  §i  und  hou§ont 
§eu  pi 
25   Unt  pu^^ont  §eu  di  merarin  *)^ 
deu  scheane,  deu  junge  merarin. 


dort  grüßen  sie  sie  und  halsen 
sie  sie 
Und  küssen  sie  die  Meererin, 
die  schöne,  die  junge  Meererin. 


II. 

Eingang  wie  I.    Nach  Vers  6  heißt  es; 


:|:  Bie  hoiße  hoinot  di  merarin!  :|: 
Am  mere  har  §himont  zhen  jungehern : 

,gueten  morgen  du  scheane  merarin ! 

Beu  hoine§t  du  §o  hoißlicheu, 

du  scheane,  du  junge  merarin?' 
:|:  y,Bie  §ol  ih  et  boinen  hoißlicheu,  :|: 
Lei  heut  i§t  es  §ihn  ganzeu  jur 

daß  Tnain  prueder  i§,t  gangen  ins 
gröaße  he)\'^ 


:|:  Wie  heiß  weinet  die  Meererin!  :|: 
Auf  dem  Meere   schwimmen   zwei 
junge  Herrn : 
jGuten  Morgen,  du  schöne  Mee- 
rerin ! 
Wie  weinest  du  so  heiß, 

du  schöne,  du  junge  Meererin?' 
|:„Wie  soll  ich  nicht  weinen  heiß  ?:|: 
da  es  heut  ist  sieben  ganze  Jahre 
daß  mein  Bruder  gegangen  ins 
große  Heer." 


jBamon  hascho§t  haißer  di  ho§en  du,    ^Wemwäschest  weißer  die  Hosen  du? 

dem  lieben  oder  dem  prueder  dain  P       Dem  Lieben  oder  dem  Bruder  dein  ?' 

y^Bie  baißor,    bie  baißor  dem  lieben    „Wie  weißer,  wie  weißer  dem  Lieben 


matn, 
aber  draimal  baißor  dem,  prueder 
main. 
Oin  liebe§ten  hrieg  ih  bideimm, 

oin  btnieder  krieg  ih  nimmer  mer" 
Ar  bil  an  packen  di  merarin. 


•.\:  ,halt  auf,  hält  auf  §häger  lieb- 
§ter  main!^:\'. 


mem, 
aber  dreimal  weißer  dem  Bruder 
mein. 
Einen  Liebsten  krieg  ich  wieder, 

einen  Bruder  nimmermehr." 
Er  (der  Seeräuber  im  Schiff?    der 
unerkannte  Liebste?)    will  er- 
greifen die  Meererin. 
—  :|:  jhalt  ein,  Schwager  liebster 
mein!'  —  :|: 
HI. 
Oin  anders  loon  der  scheann  merarin. 
Der  Eingang  stimmt  wesentlich   mit  I  bis  Vers  13,    bis   auf  die 
Zahl  der  jungen  Herren  im  Schiffe,   die  hier  3  sind.  Dann  aber  folgt, 
auf  die  Äußerung  der  Mererin,  daß  sie  wenig  gute  Morgen  habe : 


Aho  da  sprachent  di  herren  drai: 

,bie  §6,  bie  §d,  du  merarin  P 
:|:  y^Aho,  aho,  ir  junge  herrn,  :|: 
Ahoime  han  ih  a  pea§en  man, 


Da  sprechen  so  die  drei  Herren : 
,wie  so,  wie  so,  du  Meererin?' 
:|:  „So,  ihr  jungen  Herren,  :|: 
Daheim  hab  ich  einen  bösen  Mann, 


*)  Var.  dl  scheane,  di  junge  merarin. 


DAS  FORTLEBEN  DER  KUDRUNSAGE. 


335 


a  peafen  man,  a  pea§en  §on. 
Pai  tage  laut  §eu  mih  et  ärhoiten, 

pai  der  nacht  länt  §eu  mih  et 
§h(fen.''^ 
Aho  da  sprachent  di  herren  drai: 

,trit  imiar,  trit  innar,  du  merarin ! 
Atinne  hent  älderhand  hürzelain, 

atinne  hent  älderhand..  kräutelain. 
Di  her§t  du  ingahen  dainem  §un, 

Otter  hert  er  dih  lavßen  ärboiten 
schon  !^ 
Kamor  i§t  ßi  getraten  ins  scheffle  proit, 

§0  gabent  §i  dem  scheffle  an  stoaß. 

Si  dankhetj  §i  i§t  et  am  mitten  vier, 
§i  i§t  an  änderder  §aiten  geban. 

Bie  hoiße  da  boinet  deu  merarin, 

deu  scheane,  deu  junge  merarin. 
:|:  Aho  da  sjyricht  der  junge  herr:  :|: 
,Dic  scheaneii,  diijungeu  merarin, 

so  §iecho§t  du  main  boißes  ge§loß  f 
Dort  ber§t  du§ainen  maischeane  wrä, 

ber§t  §ainen  mai  §lüsselträgarin.' 
y^Dört  bert  ih  §ainendeti  §audierndain 

deu  §bain  ze  wrassenträgerin  /" 
,So  et,  §0  et,  du  merarin! 

du  scheaneu,  du  jungetc  merarin !' 
Dort  i§t  §i  gebän  §ibn  ganze  jar, 

§ihen  ganze  jar  und  drai  tuge. 
Aho  do  sprichet  di  merarin 

di  scheane,  di  junge  merarin. 
y,So  lat  mih  gean  an  di  ge§te  schean 

ande  ge^te schean,  übers  proite  mer.'^ 
,So  et,  §0  et,  du  merarin, 

mai  scheane  icrä  §lüsselträgarin. 


einen  bösen  Mann,  einen  bösen 
Sohn. 
Bei  Tage  lassen  sie  mich  nicht  ar- 
beiten, 
bei  der  Nacht  lassen  sie  mich  nicht 
schlafen." 
So  da  sprechen  die  drei  Herren: 

,Tritt  herein,  du  Meererin ! 
Hierinnen  sind  allerhand  Würzleiu, 
hierinnen  sind  allerhand  Kräutlein. 
Die  wirst  du  eingeben  deinem  Sohn, 
dann  wird  er  dich  schon  arbeiten 
lassen.' 
Kaum  ist  sie  getreten  ins  Schifflein 
breit, 
So  geben  sie  dem  Schifflein  einen 
Stoß. 
Sie  denkt,  sie  ist  nicht  auf  der  Mitte, 
Sie  ist  (so  ist  sie  schon)  auf  der 
andern  Seite. 
Wie  heiß  da  weinet  die  Meererin, 
die  schöne,  die  junge  Meererin. 
:|:  So  spricht  der  junge  Herr:  :|: 
,Du  schöne,  du  junge  Meererin 

so  siehst  du  mein  weißes  Schloß? 

Dort  wirst  du  sein  meine  schöneFrau, 

wirst  sein  meine  Schlüsselträgerin.' 

„Dort  werd  ich  sein  die  Saudiem  dein, 

die  Schweinfraßzuti'ägerin!" 
,So  nicht,  so  nicht,  du  Meererin ! 
du  schöne,  du  junge  Meererin !' 
Dort  ist  sie  gewesen  sieben  ganze 
Jahr, 
sieben  ganze  Jahr  und  drei  Tage. 
So  spricht  die  Meerenn 

die  schöne,  die  junge  Meererin. 
„So  laß  mich  gehen  jenseits  schön, 
jenseits  schön  übers  breite  Meer." 
,So  nicht,  so  nicht,  du  Meererin, 
meine   schöne   Frau  Schlüssel- 
träfferin. 


330  K.  .1.  SCHKÖER,  DAS  FORTLEBEN   DER  KUDRUNSAGE. 

/So  §iecho§t  du  dort  a  älden  §tock?  So  siehst  du  dort  eiueu  alteu  Baum- 

stamm? 
a  hat  §ihn  Jur  koin  Iah  (jetrogen:  er  hat  sieben  Jahre  kein  Laub  ge- 

tragen : 
Benn  der  §tock  noch  a  hört  lab  hert     Wenn  der  Stamm  noch  einmal  Laub 
trägen,  Avird  tragen, 

dennor   her§t  du  ivrd  an  de  ge§te         dann  wirst  du  Frau  jenseits  gehn.' 
gean.'' 
Aho  da  sprichot  deu  merarin:  So  spricht  die  Meererin: 

:|:  ^holt  gott  daß  duträgo§t  grmnes        :|:  „wollte  Gott  daß  du  trügest 

läp,  :\:  grün  Laub,:]: 

daß  ich  dürfet  gean   an  de   ge§te         daß    ich    dürfte   gehn  jenseits 
scheati  /"  schön ! " 

Si  hat  nah  et  s  hört  ausgereidt,  Sie  hat  noch  nicht  das  Wort  aus- 

geredet, 
der  dürre  stock  hat  lourt  läp  ge-         so  hat  der  Stamm  Laub  getragen. 
trägen. 
An  dl  ge§t  i§t  kamen  di  merarin,  Jenseits  ist  gekommen  die  Meererin, 

dort  hirtond  §ech§  hirtlain  kloin.  dort  hüten  sechs  Hirtlein  klein. 

Wemiceu  harten  §d  wroidigeti  Fünfe  waren  so  freudig, 

das  §ech§te  hat  §ih  §o  traurig  ge-         das  sechste   hat  sich  so   traurig 
hübet.  gehabet. 

^Du  hirtle  kloin,  du  lieber  main,  „Du  Hirtlein  klein,  du  liebes  mein, 

heu  hübest  du  dih  §o  trauriges?  wie  habest  du  dich  so  traurig? 

/So  trauriges,  §o  loidiges?^  So  traurig,  so  leidig?" 

,Bie  pol  ih  mich  et  trauric  hüben  ?  ,Wie  soll  ich  mich  nicht  traurig 

haben? 
Es  i§t  haint  §ihn  jur  und  drai  tuge,        Es  ist  heut  sieben  Jahr  und  drei  Tage 
daß  main  de  mueter  i§t  et  kam!  daß  meine  Mutter  nicht  gekom- 

men ist. 
Ich  boß  et,  i§t  §i  gewällen  ins  mer.  Ich  weiß  nicht,  ist  sie  gefallen  ins 

Meer, 
oder  haut  §i  ge§tolen  di  schiffare  P  oder    haben    sie    geraubet    die 

Schiffer?' 
yiKom  har,  kom  har,  du  liebes  main     „Komm  her,  komm  her,   du  liebes 
kind !  Kind ! 

ih  pin  es  deu  rächte  mueter  dain!^  ich  bin  die  rechte  Mutter  dein." 

Über  Mundart  und    Schreibung  vgl.  meine   oben    (S.  329)    ange- 
zogene Schrift. 

WIEN.  K.  J.  SCHRÖER. 


337 


DER  URDEUTSCHE  SPRACHSCHATZ. 

VON 

E.  FÖRSTEMANN. 


ERSTER  ARTIKEL. 

Untersuchungen    über    die  lexicalische  Verwancltseliaft   der   indo- 
germanischen Sprachen  unter   einander  gehören    unzweifelhaft  nicht  in 
diese  Zeitschrift;  dagegen  dünkt  mich,    als  habe  alle  Betrachtung  des 
deutschen  Alterthums,    dem    doch  diese  Blätter  gewidmet  sind,  auszu- 
gehen von  der  Darlegung   unseres    ursprünglichen    Sprachschatzes    als 
dem  am  leichtesten  fassbaren  und  wichtigsten   Zeugniss    von  unserem 
frühesten  Denken  und  Leben.     Um    dieses    Zeugniss    nun    für    unsere 
Alterthumswissenschaft   recht   auszubeuten    und  nutzbar  zu  machen  ist 
es  nöthig,  jenen  ursprünglichen  Sprachschatz,  so  Aveit  man  seiner  noch 
habhaft  werden  kann,  nicht  etwa  alphabetisch  zusammenzustellen,  son- 
dern ihn  nach  realen  Gesichtspunkten,  nach  Begriffskategorieen  geord- 
net vorzuführen;  dann  wird  er  uns  einen  Blick  in  unsere  ältesten  Zu- 
stände thun  lassen,  wie  er  auf  keinem  andern  Wege  gewonnen  werden 
kann.     Ein  erster  Versuch  dazu    soll   im  Folgenden    gemacht  werden. 
Solch  ein  Versuch^    auf   unser    urdeutsches   Alterthum  bezogen ,    muß 
zu  viel  volleren   und  festeren    Ergebnissen    führen,    als    eine    entspre- 
chende Reconstruction    der    uriudogermanischen    Culturzustände ;    und 
doch  hat  auch  schon   diese   letztere   Betrachtung    zu    den    lohnendsten 
Resultaten  geführt.     Kaum  ist  in  den  letzten  Jahrzehnten  eine  sprach- 
lich-antiquarische Specialuntersuchuug  mit  so  allgemeinem  Beifalle  auf- 
genommen und  so  viel  wirklich  gelesen  und  benutzt  worden  als  Kuhns 
Abhandlung    „Zur   ältesten  Geschichte  der  indogermanischen  Völker", 
welche  zuerst  1845   als   Berliner  Gymnasialprogramm,    dann    1850   im 
ersten  Bande  von  Webers  indischen  Studien  erschien.  Denselben  Weg 
haben  im  Jahre  1867    zwei   preußische    Gymnasiallehrer   mit  entschie- 
denem Glück  in  Programmen  betreten,    nämlich  Pauli    (Über  die  Be- 
nennung der  Körpertheile    bei  den  Indogermanen)    und   Kneisel    (Cul- 
turzustand   der   indogermanischen  Völker    vor   ihrer  Trennung).     Was 
aber  für  ein  so  fernes  Alterthum  erlaubt  und    fruchtbringend  ist,    das 
wird  bei  einem  so  vieles  näher    liegenden    Stoffe    nicht    verboten    und 
fruchtlos  sein;    am  ergiebigsten  aber  dann,    wenn    wir  möglichst  aller 
Theile  des  Sprachschatzes  habhaft  zu  werden  suchen,  während  die  ge- 

GERMANIA.  Neue  Rsihe  H.  (XIV.)  Jahrg.  22 


338  i^-  FÖKSTEMANN 

uaunteu  drei  Abhaudlungen    sich    uur    auf   ganz   einzelne   Gebiete  be- 
schränken. 

Die  Anordnung  des  Ganzen  nach  begrifflichen  Kategorien  wird 
am  zweckmäßigsten  so  geschehen,  daß  wir  der  altherkömmlichen  Reihe 
der  Redetheile  vom  Substantivum  bis  zur  Interjection  hin  folgen,  inner- 
halb jeder  dieser  Abtheilungen  aber  möglichst  vom  sinnlich  Wahrnehm- 
baren zum  Geistigen,  vom  Specielleren  zum  Allgemeineren  aufsteigen. 
Die  einzelnen  Begriffsclassen,  wie  ich  sie  hier  aufstelle,  werden  zwar 
hie  da  nicht  ganz  scharf  sich  von  einander  sondern,  auch  mag  darüber 
gestritten  werden ,  ob  die  Reihenfolge  sich  nicht  noch  etwas  zweckmäßi- 
ger anordnen  lassen  kann,  doch  wird  im  Ganzen  der  Zweck  erreicht 
werden,  daß  verwandte  Begriffe  in  eine  Gruppe  zusammentreten. 

Noch  eine  andere  und  wie  mir  scheint  besonders  lehrreiche  Spn- 
derung  versuche  ich  hier  eintreten  zu  lassen,    indem   ich   den    ganzen 
urdeutschen  Sprachschatz  in  drei  verschiedenaltrige  Schichten  zerlege, 
die  sich    im  Laufe  der  Zeiten   über    einander   gelagert    haben.     Ist  es 
nämlich  als    ausgemacht  anzusehen    (und  zu  dieser  Erkenntniss  haben 
namentlich  Schleichers  Arbeiten  wie   die  keines  Anderen  beigetragen), 
daß  die  Germanen  mit  den  Lituslaven   in  einer  länger  dauernden  Ge- 
meinschaft gelebt  haben  als    mit    den    andern    indogermanischen    Völ- 
kerstämmen,   so    ergiebt  sich,    daß  der  urdeutsche    Sprachschatz   we- 
sentlich   (d.    h.    abgesehen    von     Fremdwörtern)    bestehen     muß     aus 
1.  einem  vorslavogermanischen  Theile,  d.  h.  aus  solchen  Wörtern,  die 
bereits  vor    der  Sonderexistenz    der    Slavogermanen   bestanden  haben. 
Ich  bezeichne   diese   Schicht   der  Kürze   halber    hier    als    die  indoger- 
manische, verwahre  mich  aber  ausdrücklich  dagegen,    als  schriebe  ich 
jedem  dieser  Ausdrücke    ein    bis    vor    alle   Völkertrennungen   der  In- 
dogermanen    reichendes    Alter    zu;    2.    aus    einem    slavogermanischen 
Theile,  der  solche  Wörter  enthält,    welche   sich  als    Wörter  (d.  h.  ab- 
gesehen von  altindogermanischer  Wurzelverwandtschaft)  außerhalb  der 
germanischen    und    lituslavischen    Sprachen     noch    nicht    haben    nach- 
weisen lassen;  3.  aus  einem  speciell  germanischen  Wörterschatze,    der 
dem  bisherigen  Standpunkte    der  Wissenschaft    nach    die   Vermuthung 
erweckt,  daß  er  sein  Entstehen  erst  derjenigen  Zeit  verdankt,  welche 
nach  der  Sonderung  zwischen  Germanen  und  Lituslaven  und  vor  den 
ersten  Theilungen  der  Germanen  unter  sich  liegt.    Weitere  Forschung 
in  der  Zukunft  wird  lehren,   daß   manches   Wort,  welches   ich   in  die 
zweite  Schicht  setze,  in  Wahrheit  schon  in  die  erste  gehört,  und  daß 
manches  bei  mir  in  der  dritten  Schicht  angeführte    in  die  zweite  oder 
gar  erste  zu  versetzen  sein  wird .  doch  darf  die  volle  Erkenntniss  un- 


ÜEK  UKDl-AITSCHE  SPK'ACMSCHA'IZ.  3H9 

serer  bisher  noch  unvollkommenen  Mittel  uns  nicht  von  dem  Versuche 
zurückhalten  dasjenige  zu  erreichen,  was  mit  diesen  unzulänglichen 
Mitteln  erreichbar  ist. 

I.    Die   indogermanische   Schicht. 

Eine  Übersicht  soll  ira  Folgenden  gegeben  werden  von  demjeni- 
gen Theile  unseres  Sprachschatzes,  der  aus  der  vorslavogermanischen 
Zeit  auf  das  deutsche  Gebiet  hineinragt,  es  soll  nachgewiesen  werden, 
welche  Wörter  zugleich  sowohl  germanisch  als  vorslavogermanisch  sind. 
Was  nicht  zu  diesem  Zwecke  dienlich  ist^  das  muß  ich  im  Folgenden 
völlig  fern  halten,  damit  diese  Übersicht  nicht  ihre  nöthigste  Eigenschaft, 
die  Übersichtlichkeit,  verliere.  Leider  haben  ein  Paar  höchst  bedeu- 
tende Sprachforscher  der  Gegenwart  fiir  diese  ich  möchte  sagen  plasti- 
sche Gestaltung  lexicalischer  Arbeiten,  die  aus  der  Einheit  ihres  Zweckes 
hervorgeht,  keinen  Sinn  und  liefern  daher  in  üeberfülle  des  Stoffes  wahre 
Wörterwüsten,  an  die  man  nicht  gerne  herantritt  und  die  erfahrungs- 
mäßig wenig  benutzt  werden.  Nicht  im  Geringsten  geht  mich  im  Fol- 
genden die  Frage  an,  ob  ein  als  germanisch  bekanntes  Wort  sich  weit 
durch  die  älteren  und  neueren  deutschen  Sprachen  verbreitet  oder  in 
einem  Theile  derselben  untergegangen  ist;  mit  der  bekannten  endlosen 
Reihe  fgoth.,  altn.,  schwed.,  dän.,  ahd.,  mhd.,  nhd.,  ags.,  alts.  u.  s.  w. 
bis  auf  die  Mundarten  herab)  wird  man  hier  verschont  bleiben;  ich 
führe,  wo  nicht  besondere  Gründe  vorliegen,  nur  eine  der  deutschen 
Sprachen,  am  liebsten  die  gothische,  als  Vertreter  der  übrigen  an,  die 
mir  für  unseren  diesmaligen  Zweck  völlig  gleichgültig  sind.  Eben  so 
gleichgültig  ist  es  mir,  ob  ein  lateinisches  Wort  im  Romanischen,  ein 
altslavisches  im  Russischen,  Böhmischen  u.  s.  w.  fortlebt,  ein  Sans- 
kritausdruck auch  im  Altbaktrischen  vorkommt.  Was  ich  als  höch- 
stes Ziel  für  diesmal  erstrebe,  ist  der  Nachweis  eines  jeden  Wortes  in 
sechs  verschiedenen  Gestalten :  1.  einer  deutschen,  2.  einer  lituslavischeu, 
3.  einer  italischen,  4.  einer  keltischen,  5.  einer  griechischen,  6.  einer 
arischen.  In  der  zweiten  Gruppe  gebe  ich  dem  Litauischen  oder  Alt- 
slavischen, in  der  vierten  dem  Altirischen,  in  der  sechsten  selbstver- 
ständlich dem  Sanskrit  am  liebsten  den  Vorzug.  Wo  bei  einem  der 
Wörter  eine  der  sechs  Sprachgruppen  fehlt,  da  ist  das  Wort  in  dieser 
Sprachgruppe  entweder  nie  vorhanden  gewesen  oder  untergegangen, 
oder  drittens  bei  unseren  wissenschaftlichen  Mitteln  nicht  nachweisbar 
oder  viertens  mir  nicht  zugänglich  gewesen;  der  dritte  und  vierte  Fall 
sind  namentlich  oft  in  Bezug  auf  das  Keltische  anzunehmen. 


84(1  E.  FÖRSTEMANN 

Das  deutsche  Wort  stelle  ich  stets  voran;  die  übrigen  folgen  auf 
einander  in  der  Reihenfolge,  dal.^  ich  das  dem  deutschen  an  Lautbestaud, 
'J'hemabildung  u.  s.  w.  nächste  Wort  ihm  auch  zunächst  stelle,  das 
von  ihm  am  abweichendsten  gebildete  an  die  letzte  Stelle  setze;  je  wei- 
ter das  deutsche  und  das  fremde  Wort  von  einander  getrennt  sind, 
desto  größer  ist  die  Möglichkeit,  daß  beide  selbständig  aus  derselben 
Wurzel  gebildet  sind.  Diese  größeren  oder  geringeren  Übereinstim- 
mungen hebe  ich  dadurch  noch  mehr  hervor,  daß  ich  für  diejenigen  Spra- 
chen, welche  sich  noch  einer  alterthümlichen  Klarheit  in  der  Thema- 
bildung erfreuen,  namentlich  für  das  Skr.,  Griech.,  Lat.,  Lit.  und  Goth., 
das  Wort  in  der  Form  eines  Themas  (also  im  Griech.  mit  Verlust  des 
Accents)  anführe;  in  den  übrigen  Sprachen  begnügen  wir  uns  meistens 
mit  dem  Nominativ. 

Zusammenstellungen  zu  geben,  die  noch  einen  hohen  Grad  von 
Unsicherheit  an  sich  tragen,  unterlasse  ich  ganz;  ich  wünsche,  daß 
dasjenige,  was  ich  mittheile^  in  Zukunft  mehr  vervollständigt,  weniger 
umgeworfen  werde.  Wo  die  Zusammenstellung  schon  allgemein  aner- 
kannt ist  oder  nicht  leicht  bezweifelt  werden  kann,  gebe  ich  sie  ohne 
weitere  Citate  über  die  Stellen,  in  denen  sie  bereits  vorkommt;  wo  sie 
noch  als  zweifelhaft  gilt  oder  schon  von  beachten swerther  Seite  bezwei- 
felt worden  ist,  deute  ich  diese  Ungewissheit  kurz  an. 

Schließlich  noch  in  Bezug  auf  die  Bedeutungsverschiedenheit  der 
Wörter  in  den  einzelnen  Sprachen  die  Bemerkung,  daß  ich  jeden  Aus- 
druck dahin  einordne,  Avohin  er  mir  nach  seiner  urdeutschen  Bedeu- 
tung gehört  zu  haben  scheint,  ohne  Berücksichtigung  seiner  früheren 
oder  späteren  Bedeutungsverschiebungen. 

Und  nun  zur  Sache.  Ich  beginne  unter  den  SUBSTANTIVEN 
mit  der  Thierwelt,  da  ich  überzeugt  bin,  daß  für  keine  Begrifts- 
sphäre  sich  die  Ausdrücke  so  früh  und  so  bestimmt  festgestellt  haben, 
als  für  diese.  Zuerst  allgemeine  Bezeichnungen: 

Goth.,  faihu,  altpr.  peku,  lat.  pecu,  skr.  pagu.  Griech.  Jtcav  wollen 
wir  hier  aus  dem  Spiele  lassen. 

Goth.  dius,  altsl.  zvjer,  gr.  ^tjq,  lat.  fera.  Diese  Zusammenstel- 
lung^ die  wir  bei  Grimm  und  bis  zuletzt  finden  und  die  auch  neuer- 
dings Max  Müller  festhält,  ist  indessen  von  Curtius,  Diefenbach,  Lett- 
ner und  Schweizer  mit  erheblichen  Gründen  erschüttert  worden;  der 
Letztere  will  lat.  fera  mit  dem  deutschen  Bär  verbinden,  was  alle  Be- 
achtung verdient. 

Altn.  smali  (pocus),  gr.  firßo  (ovis). 


DEK  URDEUTSCHE  SPRACHSCHATZ.  ^^l 

Goth.  fulan  (Nora,  fula),  lat.  puUo,  gr.  ncolo'^  zweifelhafter  skr. 
pälaka  (eqiius). 

Goth.  kalbön  (Nora,  kalbo  junge  Kuh),  altsl.  zrebe  (Füllen),  skr. 
garbha  (Mutterleib,  Junges).     Von  Schleicher    wird    dazu    gr.  ßQsg}og, 
von  Benfey  deXcpax.  gestellt,  beides  unsicher. 
Hausthiere : 

Altn.  kü,  skr.  go,  gr.  ßoJ^,  lat.  bov^  altsl.  gov^do.  Altir.  bo  ist 
entlehnt. 

Goth.  stiura  (Nora,  stiur),  skr.  sthüra.  lit.  taura,  gr.  zavgo^  lat.  tauro. 

Ahd.  phar  (fersa),  gr.  noQxi. 

Goth.  auhsan  (Nora,  auhsus),  skr.  uksan,  gadhel.  agh. 

Goth.  avi  (Nora,  avis),  skr.  avi,  lit.  avi^  gr.  oft,  lat.  ovi,  altir.  6i. 

Ahd.  ram,  gr.  ccqv,  skr.  urana. 

Goth.  vij)ru  (Nora,  vij^rus),  gr.  «O-pi,  skr.  vadhri  (castratus). 

Goth.  gaiti  (Nora,  gaits),  lat.  haedo,  skr.  huda. 

Altn.  gimbur,  gr.  xl^uqo. 

Ahd.  sü,  lat.  sü,  skr.  sü  (-kara),  gr.  6v,  altsl.  svinija. 

Ahd.  ebar,  lat.  apro,  altsl.  vepri. 

Altn.  hafra  (Nora,  hafr),  gr.  xaTtpo,  lat.  capro,  ir.  gabhar. 

Ahd.  farah,  lat.  porco,  gr.  noQxo,  lit.  parsza. 

Schwed.  gris,  skr.  ghrsvi,  gr.  xolqo. 

Goth.  aihva  (Nora,  aihvus?),  lat.  equo,  skr.  a9va,  lit.  aszva,  altir. 
each,  gr.  Inno. 

Altn.  goti,  skr.  ghota. 

Ahd.  raarach,  gadhel.  marc,  russ.  merin.  Vielleicht  ist  das  deut- 
sche Wort  ein  keltisches  Fremdwort. 

Altn.  raül,  lat.  raülo,  gr.  ^vxXo. 

Goth.  asilu  (Nora,  asilus),  altsl.  osilo,  lit.  asila^  lat.  asino,  gr.  ovo. 
Weber  ist  gegen  die  Herbeiziehung  des  griech.  Wortes,  Curtius  dafür. 

Goth.  hunda  (Nora,  hunds),    lit.  szun  (Nora,  szü),    skr.    9van^  gr. 
UVV,  lat.  can,  ir.  cu  (Gen.  con). 
Wilde  Säugethiere: 

Goth.  vulfa  (Nora,  vulfs),  altsl.  vlükvi,  gi-.  kvno,  skr.  vrka.  Sehr 
bestritten  wird  das  Hiehergehören  des  lat.  lupo;  noch  unsicherer  wird 
die  Verbindung  des  deutschen  Wortes  mit  den  andern  durch  das  lat. 
vulpe;  auch  altn.  vargr  lupus  ist  zu  erwägen. 

Ahd.  luhsi  (Nora,  luhs),  lit.  luszi,  gr.  Xvyx. 

Ahd.  lewon  (Nora,  lewo),  lat.  leo,  altsl.  livü,  gr.  ksovt. 

Ahd.  affin  (Nora,  affo)^  altir.  apa,  skr.  kapi,  gr.  xry;tü. 

Ahd.  marder,  lat.  niarti. 


342  1-  FÖKSTKMANN 

Ahd.  ottar,  skr.  udra,  lit.  udra;  gr.  (h>-)  vd^i'^ 

Ahd.  bibar^  lat.  fibro,  lit.  bebru,  skr.  babhru. 

Ahd.  müs,  lat.  müs,  gr.  (tt?;(-g),  skr,  musa,  altsl.  niysi. 

Ahd.  igil,  gr.  fxcvo,  lit.  ezy(-s.j 

Ahd.  ür,  skr.  usra,  lat.  m-o^  letzteres  vielleicht  aus  dem  Deut- 
schen entlehnt. 

Ahd.  hir-uz,  lat.  cervo. 

Ahd.  elaho  (altn.  elgr),  lat.  alce,  gr.  gAxj;;  letztere  beiden  wol  aus 
dem  Deutschen  entlehnt. 

Ahd.  hasin  (Nom.  haso),  kretisch  xsxrjv,  skr.  9a9a,  lit.  zuiki(-s). 

Goth.  ulbandu(-s,  Kamel),  lit.  werbluda  (-s  Kamel),  gr.  flscpavr. 
Vögel : 

Ahd.  gansi  (Nom.  gans) ,  lit.  zasi(-s) ,  skr.  hansa,  lat.  anser, 
gr.  xWf  gadhel.  geadh. 

Ahd.  anut,  lat.  anat,  lit.  anti(-s),  skr.  äti,  gr.  vrioön. 

Ahd.  pelicha,  lat,  fulica,  gr,  TCGivy. 

Ahd.  merrich,  lat.  mergo,  skr.  madgu. 

Ahd.  alacra^  gr.  cckxvov,  lat,  alcedin, 

Ahd,  hraban,  skr.  kärava,  lat.  corvo,  gr.  xoQava. 

Ahd.  hruoh,  altsl,  krukü,  gr.  xopax, 

Ahd.  kräa,  lat    grac-ulo, 

Ags.  crane,  gr.  ysgavo,  kelt.  garan,  lat.  gru,  lit.  gerve. 

Ahd.  gauh,  gr.  xoxxvy,  skr.  kokila,  lat.  cuculo. 

Ags,  stearn,  lat,  sturno,  gr.  tl^ago,  böhm.  skofec. 

Ahd.  büf,  gr.  ßva,  lat.  bubon. 

Ahd.  üla,  uwila,  skr.  ulüka,  lat.  ulula. 

Goth.  sparvan  (Nom.  sparva),  lat.  parra. 

Altn.  J)idr,  skr.  tittiri,  lit.  teterva,  gr.  zstgty. 

Ahd.  amisala,  lat.  merula. 

Nhd.  Dohle,  nlat.  tacula.  Das  ahd.  täha  macht  diese  Zusammen- 
stellung unsicher,  vielleicht  ist  das  spätlateinische  Wort  aus  dem  Deut- 
schen entlehnt. 

Ahd.  dross-ela,  lat.  turdo,  skr.  tarda. 

Altn.  egdir,  gr.  Cxtlv. 

Ahd.  gir,  gr.  CsQ-ax. 

Ahd.  speht,  lat.  pico. 
Niedere  Thiere: 

Ahd.  unc,  lit.  angi(-s),  lat.  angui,  gr.  ixi^  ocpi,  skr.  ahi. 

Goth.  fiska  (Nom.  fisks),  lat.  pisci,  welsch  pysg. 

Nhd.  Laugen,  lat,  lucio,  gr.  ievx-iöxo. 


DEK  URDEUTSCHE  SPJfACHSCHATZ.  343 

Altn.  karfi,  lat.  carpion,  g-r.  nagmcov  (die  beiden  letzteren  sind 
im  Alterthume  noch  nicht  zu  belegen). 

Nhd.  Barsch,  bärsich^,  gr.  jtsQxa,  lat.  perca. 

Ahd.  äl,  gr.  iyxBlv,  Ht.  ungury(-s),  lat.  anguilla. 

Goth.  vaurmi  (Nom.  vaurms),  lat.  vermi,  lit.  kirrai,  skr.  krinii. 
Das  Hierhergehören  des  lit.  und  skr.  Wortes  ist  vielfach  bestritten, 
doch  möchte  ich  die  Gruppe  mit  Schleicher  aufrecht  erhalten;  das 
griech.  iX^tvd-  dagegen  gebe  ich  auf. 

Ags.  crabba,  lat.  carabo,  gr.  xagaßo,  skr.  ^.arabh-a. 

Altn.  humarr,  lat.  cammaro,  gr.  xa^fiago. 

Ahd.  mucca,  altsl,  mucha,  ir.  rauc,  lat.  musca,  skr.  raaksikä,  gr  fivLf^. 

Ahd.  wafsa,   lit.  vapsa,    lat.  vespa;  sehr  bedenklich    ist  gr.  öcprjK 

Ahd.  bia,  lat.  api. 

Ahd.  treno  (alts.  dran),  lit.  trana(-s),  skr.  druna. 

Ahd.  impi,  gr.  s^tilö. 

Ahd.  grillo,  gr.  yQvAXo,  skr.  g'liilli. 

Ahd.  floh,  lat.  pulic,  altsl.  blocha;,  skr.  pulaka  (Ungeziefer),  gr. 
ipvkla. 

Ahd.  bremo  (alts.  bremmia^  ags.  brimse),  skr.  bhramara. 

Ahd.  rüpa,  lat.  erüca. 

Altn.  maur,  altsl.  mravii,  zend.  maoiri,  gr.  (ivg^t]x,  lat.  formica; 
aber  skr.  valmika  ist  fern  zu  halten. 

Von  der  Thierwelt  steigen  wir  zum  Menschen  auf,  geben  zu- 
nächst einige  allgemeine  Ausdrücke,  dann  die  Wörter  für  Verwandt- 
schaftsbeziehungen, hierauf  die  für  Stände  und  Beschäftigungen,  endlich 
die  Bezeichnungen  für  Vereinigungen  von  Menschen. 

Goth.  manuan  u.  mana  (Nom.  manna)^  skr.  manu,  altsl.  mazi 
gr.  vielleicht  Miva. 

Goth.  vaira  (Nom.  vair),  lit.  vyra,  lat.  viro,  skr.  vara,  altir.  fer, 
gr.    jjpoj. 

Goth.  guman  (Nom.  guma),  lat.  homin,  lit.  zmones  (Plur.^  =  altn. 
gumnar). 

Goth.  fadi  (Nom.  fajjs),  skr.  pati,  lit.  pat(-s),     lat.  poti,  gr.    noti. 

Ags.  hise,  gr.  xa6t. 

Goth.  sineig  (Nom.  sineigs)^  lat.  senec,  lit.  senoka-s,  (alt,  vgl. 
die  Adjectiva). 

Goth.  qvinon  (Nom.  qvino),  altsl    zena,  skr.  gnä,  gr.  ywa-tx. 
Goth.  qveni  (Nom.  qvens),  skr.  g'äni. 

Ags.  fsemne,  lat.  femina.  Die  mangelnde  Lautverschiebuug  er- 
regt den  Verdacht  der  Entlehnung. 


344  E.  FÖRSTEMANN 

Ahd.  diorna,  skr.  tarunä  (juvenis). 

Goth.  atta,  lat.  atta,  gr.  atrcc,  skr.  atta  (fem.  attä). 

Goth.  fadar,  lat.  pater,  gr.  natsg,  skr.  pitar,  altir.  athir. 

Ahd.  muotar,  lat.  mäter,  skr.  mätar,  gr.  yt,rizsQ,  altsl.  (Thema)  ma- 
ter,  altir.  mathir. 

Goth.  ai])ei  (mater),  skr.  atti  (ältere  Schwester). 

Altn.  amma  (avia),  skr.  ambä. 

Goth.  sunu  (Nom.  sumis),  skr.  sünu,  lit.  sunu;  zweifelhaft,  doch 
nach  der  Ansicht  von  Curtius  und  Kuhn  auch  hieher  gehörig  gr.   vlo. 

Goth.  arbjan  (Nora,  arbja),  lat.  orbo,  skr.  arbha  (Kind),  gr.  ogtpuvo. 

Goth.  magu  (Nom.  magus),  ir.  mac. 

Goth.  dauhtar,  lit.  dukter,  skr.  duhitar,  gr.  ^vyaTeg,  ir.  dear. 

Altn.  kind,  skr.  g'antu  (Erzeugter,  Geschöpf),  altsl.  cjado. 

Goth.  brojjar,  skr.  bhrätar,  lat.  frater,  gr.  ^qtjttjq,  altsl.  bratru, 
ir.  brathair. 

Goth.  svistar,  altsl.  sestra,  skr.  svasar,  lat.  soror,  altir.  siur. 

Ags.  täcor,  skr.  devar,  lit.  deveri,  gr.  dasQ,  lat.  leviro. 

Ahd.  snuor,  lat.  nuru,  skr.  snusä,  altsl.  snocha,  gr.  wo. 

Goth.  svaihran  (Nom.  svaihra),  skr.  9va9ura,  lat.  socero,  altsl. 
Bvekrü,  gr.  sxvqo. 

Goth.  svaihron  (Nom.  svaihro),  skr.  9va9rü.  lat.  socru,  altsl.  svekry, 
gr.  sxvQCf,  welsch  chwegyr. 

Alts,  hiwa  (conjux),  lat.  civi. 

Goth.  viduvon  (Nom.  viduvo),  skr.  vidhavä,  lat.  vidua,  altir.  fedb. 

Ahd.  nefo,  altsl.  netii,  gr,  ave^io,  lat.  nepot,  skr.  napät. 

Goth.  ni]3J6n  (Nom.  nithjo),  böhm.  neti,  lat.  nepti,  skr.  napti,  gr. 
ävsijjia,  altir.  necht. 

Ahd.  fataro  (Oheim),  skr.  pitrvja,  gr.  narga),  lat.  patruo. 

Goth.  reika  (Nom.  reiks,  vielleicht  Thema  reik,  wegen  des  Nom. 
PI.  reiks),  altpreuß.  reiks,  lat.  reg,  gadhel.  righ,  skr.  räg'an. 

Goth.  gasti  (Nora,  gasts),  lat.  hosti,  altsl.  gosti. 

Ahd.  degan,  gr.  zexvo.,   dazu  vielleicht  skr.  tokman  (Sprössling). 

Ahd.  enkin  (Nom.  enko  famulus) ,  lit.  anuka(-s,  nepos)  ,  lat. 
Anco,  anculo. 

Goth.  hliftu  (Nom.   hliftus),  gr.  xXsJitcc. 

Goth.  kunja  (Nom.  kuni),  skr.  g'anja  (erzeugend,  ^erzeugt),  lat. 
genio;  der  Form  nach  ferner,  der  Bedeutung  nach  näher  steht  gr.  yevog^ 
jat.  genuR,  skr.  g'anas. 

Goth.  |)iuda,  lett.  tauta,  umbr.  tulu,  altir.  tuath. 

Ahd,  Hut,  altsl.  liudii,  gr.  Xao. 


DER  URDEUTSCHE  SPRACHSCHATZ.  345 

Ags.  J>ryra  (die  Schar),  lat.  turrna. 

Goth.  knodi  (Nom.  kuods),  lit.  genti(-s,  der  Verwandte),  gr. 
yevaöi,  skr.  gäti,  lat.  nati-on. 

An  dieser  Stelle  mag  noch  auf  ein  höchst  anziehendes ,  aber 
äußerst  gefährliches  Gebiet  hingedeutet  werden,  auf  das  Stimmen  deut- 
scher Personen-  und  Völkernamen  zu  fremden.  Bekannt  ist,  daß  einige 
deutsche  Namen  wie  Marcho,  Gavio  u.  s.  w.  auffallend  zum  lat.  Mar- 
cus, Gajus  u.  a.  passen,  daß  die  goth.  Namen  auf  -reiks  und  -mer 
sich  mit  den  altgallischen  auf  -rix  und  -mar  berühren  und  daß  sogar 
altpersisches  Sisygambis,  Sisamnes,  Sisamithres  anklingen  an  deut- 
sches Sisebald,  Sisemund  u.  a.  Und  was  die  Völkernamen  angeht, 
so  ist  es  kaum  Zufall,  daß  die  deutschen  Ambrones  und  Marsi  zu  den 
italischen  Umbri  und  Marsi,  die  lygischen  Ucßtrol  und  die  Sabini,  die 
deutschen  Semnones  und  die  galhschen  und  italischen  Senones  so  merk- 
würdig stimmen;  hat  doch  auch  Grimm  bei  den  Saxones  an  die  Sacae 
erinnert;  neben  jenen  wohnen  in  Europa  Dani  und  Frisii,  neben  diesen 
in  Asien  Dahae  und  Persae.  Doch  genug  von  diesem  Gebiete,  auf 
dem  der  Tag  noch  nicht  angebrochen  ist. 

Von  den  Menschen  gehen  wir  über  zum    thierischen  Körper 
und  stellen  das  Verwandte  in  folgender  Weise  zusammen. 
Kopf: 

Goth.  haubida  (Nom.  haubiJD),   lat.  capit. 

Ags.  hafola,  skr.  kapäla,  gr.  X8<pala. 

Goth.  augon  (Nom.  augo),  altsl.  oko,  gr.  an  (o66e),  skr.  aksi, 
lat.  oc-ulo. 

Goth.  brahva  (Nom.  brahv),  altsl.  brüvi,  skr.  bhrü,  gr.  ocpgv. 
Diese  Gruppe  möchte  ich  doch  trotz  des  Einspruchs  von  Schweizer  in 
Kuhns  Ztschr.  VIII,  452  aufrecht  erhalten. 

Goth.  tagra  (Nom.  tagr),  welsch  dagr,  skr.  aQru,  lit.  aszara,  gr. 
daxQvo,  lat.  lacrima. 

Goth.  ausan  (Nom.  auso),  lat.  auri,  lit.  ausi(-s),  gr.  oir ,  altsl. 
ueho,  altir.  o  . 

Ahd.  nasa,  lat.  naso,  skr.  nas  vmd  nasä,  altsl.  nosü. 

Ahd.  stirna,  gr.  Gtsqvo  (Brust) ;  vielleicht  skr.  stirna  (ausgebreitet). 

Ags.  brägen  (Gehirn),  gr.  ßgsxiio. 

Goth.  hvairnein  (Nom.  hvairnei),  gr.  xgavio. 

Goth.  mun]3(-s),  lat.  mento. 

Ahd.  lefsa,  lat.  labio,  lit.  lupa. 

Goth.  kinnu  (Nom.  kinnus),  skr.  hanu,  gr.  ytvv,  lat.  gena,  lit. 
zanda(-s). 


;54(;  E.  FÖRSTEMANN 

Cxoth.  tun))U  (Nom.  tuuj^us),  skr.  dauta,  lit.  dauti,  gr.  odovt,  lat. 
dent,  altir,  det. 

Goth.  tuggon  (Nom.  tugg6),  altir.  tenge,  lat.  lingua,   skr.  g'ihvä. 

Goth.  haurna  (Nora,  haum),  lat.  cornu,  gr.  xsQar. 

Ahd.  bart,  altsl.  brada,  lat.  barba. 
Arme : 

Ahd.  scultara,  skr.  skaudhas,  gr.  a/taO'a;  gr.  6xs?.og  ist  einmal 
wohl  fälschlich  herbezogen  worden. 

(ioth.  amsan  (Nom.  amsa),  skr.  äsa,  gr.  üjju-o,  lat.  hmnero. 

Ahd.  ahsala,  lat.  axilla. 

Goth.  armi  (Nom.  arms),  lat.  anno,  gr.  ccQfio,  altsl.  i-amo,  skr.  iruia. 

Ahd.  buoc,  skr.  bähu,  gr.  nrjxv- 

Goth.  aleina,  gr.  (oksva,  lat.  ulna,  lit.  alkune,  zweifelhaft  skr.  aratni. 

Ahd.  folma,  lat.  palma,  gr.  nala^a  (skr.  pani?  Vermuthung  von 
Pauli). 

Altn.  hreifi  (Handgelenk),  gr.  xagno^  skr.  kurpara  (Ellbogen  mid 
Kniegelenk). 

Altn.  munt  (Hand),  lat.  manu. 

Ahd.  tenar  (flache  Hand),  gr.  •9-fvap,  ir.  dearna. 

Goth.  lofan  (Nom.  lofa  flache  Hand),  welsch  llaw. 

Ahd.  füst,  altsl.  p^sti,  lat.  pugno,  gr.  nvyfia. 

Ahd.  nagal,  lat.  ungula,  gr.  ovvx,  lit.  uaga,  skr.  nakha. 
Beine : 

Ahd.  lendi,  altsl.  l^dvij^  (Pl^u*-)?  ^^*-  l^mbo. 

Goth.  kniva  (Nom.  kniu),  gr.  ydi/v,  skr.  g'änu,  lat.  genu. 

Ahd.  hahsa,  lat.  coxa,  skr.  kaksa,  lit.  kiszka. 

Altn.  haell  (calx),  lat.  calc,  gr.  Aax,  lit.  kulm(-s). 

Goth.  fotu  (Nom.  fotus),  skr.  pada  und  päda,  gr.  nod^  Ht.  pada 
(-S  Sohle),  lat.  ped,  kymr.  ped. 

Goth.  fairzna,  skr.  pärsni,  altsl.  plesna,  gr.  ntSQva. 

Ahd.  zeha,  gr.  daKTvXo,  lat.  digito. 

Ahd.  huof,  skr.  gapha,  altsl.  kopüito. 

Goth.  sulja,  lat.  solea,  gr.  v^icc. 

Goth.  gridi  (Nom.  grids  Schritt),  lat.  gradu. 
Äußere  Körpcrtheile : 

Goth.  leika  (Nom.  leik),  altsl.  Hce  (Gesicht,  Person);  die  Bopp'sche 
und  Grimm'sche  Vergleichung  mit  skr.  deha  ist  von  Lottner  zurück- 
gewiesen. 

Ahd.  fei,  lat.  pclli,  gr.  xelXa,  lit.  pleve. 

Goth.  balgi  (Nom.  balgs),  lat.  folli. 


DEK  ÜRDEUTÖCHE  SPRACHSCHATZ.  347 

Ahd.  hi'iti  (Nom.  hüt),  lat.  cuti,  gr.  oxdtos,  altsl.  koza. 

Altn.  höruud,  lat.  corio. 

Ahd.  fedara,  gr.  jiteqo^  skr.  patra,  altsl.  pero.  lat.   penna. 

Goth.  vulla,  lat.  villo,  lit.  vilua,  skr.  üruä,  gr.  igog. 

Ahd.  fahs,  gr.  Jtsxog. 

Ahd.  här,  lat.  caesaries. 

Ags.  ceol,  lat.  gula,  skr.  gala. 

Goth.  halsa  (Nom.  hals),  lat.  collo;  russ.  gorlo  hieher? 

Ahd.  hrucki,  gr.  ^0%^- 

Goth.  qvi]5u  (Nom.  qvijius),  skr.  g'athara ,  gr.  j/aörtp ;    zweifelhaft 
lat.  V enter. 

Ahd.  href  (uterus),  lat.  corpiis,  skr.  krp  (Gestalt). 

Ahd.  nabalin  (Nom.  nabalo),  skr.  näbhila,  gr.  ojitqraAo,  lett.  nabba, 
lat.  umbilico. 

Ahd.  manzo  (Euter),  lat.  mamma,  gr.  ^ao'to,  ^at,o. 

Ahd.  utar,  gr.  ovd^ag,  lat.  über,  skr.  udhas,  lit.  udroju,  altir.  üth. 

Ahd.  tila,  gr.  d^rjla. 

Ahd.  ars,  gr.  o^go. 

Altn.  hlaun  (nates),  lat.  eluni,  gr.  xAoi'i,  skr.  yroni. 

Altn.  svipa  (ahd.  sveif),  gr.  a^ßa. 

Goth.  skauta  (Zipfel  des  Kleides),  lat.  cauda. 
Eingeweide : 

Altn.  garnir  (plur.  Eingeweide),  lit.  zarna,  lat.  haru  (-spex^. 

Ahd.  senawa,    skr.  snävä   (Sehne).     Die  sonst  vorkommende  Zu- 
sammenstellung von  Sehne  mit  lat.  sinus  scheint  also  hinfällig. 

Goth.  hairtan    (Nom.  hairto),    altir.  cride,    croidhe,    lit.  szirdl(-s), 
lat.  cord,  skr.  hrd,  gr.  xtjq^  xagdia. 

Ahd.  galla,  lat.  fei,  gr.  ^oAa,  altsl.  zlüci. 

Altn.  lifr,  gr.  lanaga. 

Ahd.  niero,  gr.  vscpgo. 

Ahd.  floum  (Eingeweidefett),  lat.  pulmou,  gr.  n^tufiov. 
Ausscheidungen  und  Übriges: 

Ahd.  ei,  gr.  coo,  lat.  ovo,  altsl.  jaje. 

Altn.  sveiti,  lat.  südor,  gr:  idog,  skr.  svedas. 

Ahd.  ätum,  skr.  ätman,  gr.  ccvtfisv,  ar fio. 

Ahd.  drech,  lat.  stercus,  böhm.  trus. 

Ags.  skearn  (Mist),  gr.  öxäg  (Gen.  Gxarog),  skr.  yakrt,  ir.  seachraith. 

Ags.  teter  (Hautkrankheit),  skr.  dardru. 

Altn.  fai  (putredo),  skr.  püja,  lat.  püs,  gr.  nvo,  Ht,  pidei. 

Ags.  hnit  (Nisse),  gr.  xovtd.  Sehr  unsicher  lat.  lend,  lit.  glinda. 


348  E.  FÖRSTEMANN 

Altn.  haull  (hcrnia),  gr.  Xfjlec,  lit.  kuila. 

Altn.  svefn,  skr.  svapna,  gr,  vtcvo,  lat.  soinno,  altir.  suan,  altsl.  sünü. 

Von  dem  reich  vertretenen  animalischen  Reiche  gehen  wir  zum 
vegetabilischen  über  und  beginnen  mit  einigen  allgemeineren  Aus- 
drücken. 

Ahd.  samin  (Nom.  samo),  lit.  semen  (Nom.  semii),  lat.  semen. 

Goth.  vaurti  (Nora,  vaurts),  gr.  Qit,cc^  lesbisch  ßgiöda. 

Ags.  altn.  rot,  lat.  radix. 

Alts,  holta  (Nom.  holt),  altsl.  klada  (trabs),  gr.  xkaÖo. 

Goth.  asti,  skr.  asthi,  gr.  dörso,  lat.  os.  Die  fremden  Wörter  be- 
deuten sämmtlicli  Knochen.  Pott  und  Benfey  ziehen  dafür  dasgr.  dgo  herbei. 

Ahd.  halam,  lat.  calamo,  gr.  aaXa^o,  skr.  kalama,  altsl.  slama. 

Ahd.  stengil,  lit.  stegery(-s,  Halm),  gr.  öTa;|ji;,  dözaxv. 

Ahd.  strao,  lat.  stramen. 

Ahd.  nuz  (altn.  huot),  lat.  nuc. 

Goth.  })aumu  (Nom.  })aurnus),  altsl.  trfinü,  skr.  trina,  kymr.  drän. 

Ags.  tyrwa  (Theer),  skr.  dravja. 

Ags.  turf  (Torf),  skr.  turva  (cespes). 

Altn.  flür  (flos);,  lat.  flos. 
Bäume : 

Goth.  triva  (Nom.  triu),  altsl.  drjevo,  gr.  dgv,  skr.  dru,  kymr.  dar. 

Ahd.  elm  (altn.  alm),  russ.  ilim,  lat.  ulmo. 

Ahd.  puohha,  altsl.  bouk,  pers.  buk  (Eiche),  lat.  fago,  gr.  (priyo. 

Ahd.  ahorn,  lit.  aorna(-s),  lat.  acer. 

Ahd.  salahha ,  gadhel.  seileach ,  lat.  salic ,  gr.  SXcxa ,  skr.  säla 
(ein  Baum). 

Ahd.  biricha,  lit.  berza,  skr.  bhürg'a;  unsicherer  lat.  fi'axino. 

Ahd.  wida,  gr.  irsa^  altsl.  vetvi,  lat.  vitic,  skr.  vitikä. 

Ahd.  foraha,  altsl.  borü,  lat.  quercu  (letzteres  nach  Max  Müller). 

Ahd.  fiuhta,  gr.  Ttsvxa,  lit.  puszi(-s). 

Ahd.  apfal,  ir.  abhal,  lit.  oboly(-s). 

Ahd.  basal,  lat.  corylo. 
Getreide : 

Ahd.  gersta,  gr.  xgi^a^  lat.  hordeo,  huzvar.  gorda.  Indem  ich 
diese  Gruppe  aufnehme,  schließe  ich  micli  damit  Ascoli,  Fick,  Grinnn, 
Schleicher  und  Anderen  an,  während  Kuhn  das  lat.  Wort  vom  deutschen 
und  griechischen,    Lottner  das  griech.  vom  deutschen  und  lat.  trennt. 

Goth.  *baris,  lat.  farr. 

Goth.  atiska  (Nom.  atisk),  lat.  ador,  skr.  adas. 

Goth.  kaurna  (Nom.  kaum),  lat.  grano,  altsl.  zrino. 


DER  URDEUTSCHE  SPRACHSCHATZ.  849 

Goth.aliaua  (Spreu),  zeiid  akana  (Stachel),  Q;v.axva,  a^vgo^  lat.  acus. 
Gremüse  und  Futterkräuter: 

Ahd.  linsi,  altsl,  l^sta,  lat.  lent. 

Alid.  araweiz,  gr.  ogoßo,  lat.  ervo. 

Ahd.  ruoba,  lat.  rapo,  lit.  rope,  gr.  Qaqjavo. 

Ahd.  bona,  gr.  nvavo  (altsl.  bobü?  lat.  fabaV) 

Ahd.  amphar,  skr.  ambla  (Sauerklee). 
Übrige  Pflanzen: 

Altn.  hanpr,  gr.  xocvvußi,  böhm.  konope. 

Goth.  leina  (Nom.  lein),  altsl.  linü,  gr.  An'O,  lat.  lino. 

Ahd.   niagan  (Nom.  mago),  gr.  firjxav,  altsl.  niakü. 

Ahd.  sciluf,  lat  scirpo,  gr.  Qtic. 

Ahd.  farn,  skr.  parna  (Flügel,  Feder). 

Ahd.  mos,  lat.  musco,  russ.  moch. 

Sehr  kärglich  vertreten  sind  die  Minerale: 

Goth.  salta  (Nom.  salt),  altsl.  solu,  lat.  sal,  gr.  «A,  gadhel.  salann, 
skr.  sara. 

Goth.  aiza  (Nom.  aiz),  skr.  ajas,  lat.  aes. 

Altn.,  engl,  brass,  lat.  ferro. 

Ahd.  pliw  (Nom.  pli),  lat.  plumbo,  gr.  (lolvßo^  lett.  alwa. 

Ahd.  spat  (Alaun,  Gyps),  skr.  sphati. 

Goth.  staina  (Nom.  stains),  altsl.  stjena  (Mauer),  gr.  ötia. 

Ahd.  flius,  gr.  tiIlv&o,  lit.  plyta. 

Altn.  griot,  gr.  jjfpad.  Anderwärts  wird  das  deutsche  Gries  mit 
lat.  grandin,  gr.  x^^^f^^o^^  altsl.  gradü  (Hagel)  zusammengestellt. 

Ahd.  sahs,  lat.  saxo  (Grimm  dachte  bei  dem  deutsehen  Worte 
mehr  an  die  Steinwaffe  und  verglich  daher  lat.  securis). 

Goth.  eisarna  (Nom.  eisarn),  ir.  jaran  (welsch  haiarn). 

Nach  dieser  Übersicht  über  die  Natui'producte  betrachte  icli  ihre 
Umwandlung  durch  den  Menschen  zur  Nahrung,  Kleidung  und 
W  0  h  n  u  n  g. 

Nahrung: 

Altn.  tafn  (Speise,  Opferthier)^  gr.  Öi^tnvo^  lat.  dapi. 

Goth.  hraiva  (Nom.  hraiv),  skr.  kravja^  gadhel.  creubh  (corpus) 
imd  cairbhe  (cadaver),  altsl.  crjevo  (uterus,  Gen.  crjevese),    gr.  xQtar. 

Altn.  kiöt,  ir.  cua  (caro). 

Goth.  mimza  (Nom.  raims),  skr.  milnsa,  lit.  miesa. 

Goth.  hlaiba  (Nom.  hlaifs),  lett.  klaip(-s),  lat.  libo. 

Goth.  milijia  (Nom.  mili)i),    gr.  juf/ltr,    lat.  melli,    lit.  medn(-s  inel). 
L)ie  Zusammenstellung   wird    hinfällig,    wenn  das  goth.  Wort    Avirklich 
11.S  dem  Griech.  entlehnt  ist,  wie  es  scheiut. 


ßöO  H.  FÖRSTEMANN 

Ags.  inodo,  skr.  madlui,  gr.  ^f'^•1^  lit.  nnddu(-s  nnilsum). 

(joth.  miluka  (Nora,  luiluks),  altsl.  mljeko,  altir.  meilg.     Lat.  lact 
und  gr.  yaXttXT  müssen  wir  für  jetzt  noch  fern  halten. 
Kleidung: 

Goth.  vastja  (Nom.  vasti),  lat.  vesti,  skr.  vasti,  vastra,  gr.  födrjv. 

Goth.  fanan  (Nom.  fana),  lat.  panno,  gr.  nrjvo. 

Ahd.  bruoh,  lat.  (gall.)  bracca. 

Altn.  höttr  (Hut),  lat.  cassid  (aus  castid?). 

Altn.  belti  (Gürtel),  lat.  balteo,  gadhel.  balt,  holt. 

Ahd.  knotin  (Nom.  kuoto),  lat.  nodo,  skr.  ganda. 

Altn.  men,  skr.  mani,  gr.  fiavvo,  lat.  monile. 
Wohnung : 

Goth.  haima  (Nom.  hairas),  gr.  xcofia^  lit.  kaima(-s). 

Ahd.  wist  (mansio),  skr.  västu,  gr.  aözv^   lat.  vestibulo? 

Goth.  veihs,  lat.  vico,  altsl.  visi^  gr.  oi'xo,  ski'.  veca,  altir.  fieh. 

Goth.  gardi  (Nom.  gards  domus),  altsl,  gradfi  (urbs,  hortus), 
lat.  horto,  gr.  xoqto. 

Ahd.  hof,  gr.  xr^no ;  vielleicht  dazu  skr.  karapa,  käpa,  lat.  campo, 
lit.  kampa(-s). 

Goth.  thaurpa  (Nom.  thaurp),  lat.  turba,  welsch  atref;  russ.  de- 
rebuja  entlehnt?  Ebel  verbindet  mit  dem  deutschen  Worte  nicht  turba, 
sondern  tribu. 

Niedd.  tun  (Zaun),  altir.  dun  (castruni),  skr.  sthüna. 

Goth.  baurgi  (Nom.  baurgs),  gr.  urgyc 

Altfries,  dik  (Deich),  gr.  roixo. 

Altn.  tirabr,  lat.  dorau,  gr.  do^o,  altsl.  doraü,  ir.  daim.  skr.  dama. 
Grimra  stellte  auch  gr.  dsvdoo  dazu. 

Goth.  daura  (Nora,  daur),  skr.  dvära,  altsl.  dvorü,  gr.  ■d-up«,  lat. 
fora,  kymr.  dor. 

Altn.  I^ref  (Balken),  lat.  trabe:  gr.  rpoTTig,  rpo:?tog,  tgaitr]^  sind 
unsicher. 

Ahd.  staphol  (columiia);,  lat.  stabulo.  Dann  darf  letzteres  nicht 
mit  ahd.  stadal  (Scheune)  verbunden  werden. 

Ahd.  dach,  altir.  tech  (Haus),  lat.  tecto,  gr.  ßn^ya^  lit.  stoga(-8). 

Goth.  auhna  (Nora,  auhns?),  skr.  a9na,  altsl.  kameni   (lapis). 

Goth.  gatvon  (Nom.  gatvo),  skr,  gatvä,  lett.  gatva. 

Ahd,  nest,  lit.  lizda(-s),  lat.  nido,  skr.  nida. 

Ich    lasse   hierauf  die    sogenannten    vier  Elemente    folgen    mit 
allpm,  was  sich  daran  schlieft. 
Feuer,  Licht,  Wärme : 

Ahd.  tiur,  gr.  ttuo,   uinbr.  pir,  skr.   pavaku. 


DER  URDEUTSCHE  SPRACHSCHATZ.  351 

Goth.  liuhada  (Nom.  liuhajj),  lit.  likti.  —  üaneben  ultn.  log,  logi, 
altir.  loche  (Blitz),  lat.  lue,  skr.  ruk',  gr.  Xvxvo. 
AltD.  lionii  (altes  Thema  lioman),  lat.  lumiu. 
Ahd.  eit,  skr.  aidha  (Flamme),  altir.  aid,  lat.  aestu,  gr.  atO-og. 
Ahd.  damf,  skr.  tapa  (Hitze);  (altsl.  teplu  warm). 
Goth.  riqvis,  slo*.  rag'as  (Staub,  Dunkelheit),  gr.  igsßog. 
Goth.  skadu  (Nom.  skadus),  altir.  scath,  gr.  öxoro,  öxia,  skr.  skaja. 
Nacht  und  Dämmerung  s.  unten. 

Luft: 
Goth.  vinda  (Nom.  vinds),  lat.  vento^  gr.  dsvr,  skr.  väta,  lit.  veja(-s). 
Ahd.  stürm,  gr.  og^a. 

Altn.  nifl,  lat.  nebula,  gr.  ve(p£ka^  altir.  neb  (Himmel),  altsl.  nebo 
(Himmel),  skr.  nabhas. 

Ahd.  wetar  (tempestas)^  altsl.  vetrü  (Wind) ,  skr.  vätara  (Wind). 
Ahd.  toum  (vapor;  vgl.  goth.  daimi,  Nom.  da  uns  odor),  gr.  ^v^o^ 
altsl.  dymü,  skr.  dhüma,   lat.  fumo. 
Wasser : 
Goth.  ahva,  lat.  aqua,  lett.  akka  (Bi'unuen,  lit.  upe,  d.  li.  upjä), 
skr.  ap. 

Goth.  vatin    (Nom.  vato),    skr.  udan,    lit.  vanden    (Nom.  vandü). 
Daneben  ahd.  wazar,  gr.  "Öcoq.  Lat.  unda  wohl  nicht  unmittelbar  liieher. 
Ahd.  undea,  lat.  unda  (=  skr.  udna,  unna  benetztV);   hier  ist  wohl 
keine  Entlehnung  anzunehmen. 

Goth.  marein    (Nom.  marei) ,    lat.  mari,    altsl.  more,    kymr.  mor, 
skr.  mira  (Ocean;  skr.  väri  Wasser  ist  abzulehnen}. 
Altn.  cegir,  lat.  aequor. 
Ags.  lagu,  lat.  lacu. 

Goth.  runa  (runi?  Nom.  runs),  skr.  arnas. 

Ahd.  straum,  lett.  straume,  kymr.  ystrym,  gr.  Qsvfxnr^   lat.  Kunion, 
hkr.  srava. 

Altn.  kelda  (Quelle),  skr.  galdä  (AbfluLy,  Ausfluß). 
Ahd.  saf,  gr.  o.to,  lat.  suco,  altsl.  sok. 

Ahd.  feim,  lit.  piena(-s),  ski\  phena.   Kuhn  stellt  dazu  lat.  spuma, 
vgl.   die  folgende  Gruppe. 

Altn.  skümi,  lat.  spuma;  gr.  iiV(xaT  hieher? 
Ahd.  slim  und  lim,  lat.  limo,  altsl.  slina  (saliva). 
Godi.  snaiva  (snaivi?  Nom.  snaivs),    lat.  niv,  gr.   mq)^   lit.  snega, 
gadhel.  sneachd. 

Altn.  hrim,  gr.  xqvuo. 

Altn.   dreyri,  gr.  dgoöi»,  lat.  ros,  altsl.  rosa,  skr.  drapsa. 


:3r)9  R.  FÖRSTEMANN 

Erde,  Land: 
Ahd.  ero,  skr.  irä,  gr.  f'pa,  gäl.  ire. 
Altn.  völlr  (cainpus,  terra),  lat.  valli. 
Gotli.  akra  (Nora,  akrs),  lat.  agro,  gr.  dygn^  skr.  ag'ra. 
Gotli.  gauja    (Nom.  gavi) ,    gr.  yaia ,    skr.  go  halte  ich  fest  trotz 
des  Widerspruchs  in  Kuhns  Zeitschr.  XII,   KJH. 
Goth.  *auja  (Nom.  *avi),  gr.  aia. 
Ahd.  loh,  lat.  luco,  lit.  lauka(-s). 
Goth.  niarka,  lat.  margin. 
Goth.  lilaiv  (collis,  sepulcrum),  lat.  clivo. 
Altn.  holl  (collis),  lat.  colli. 

Ahd.  düna,  gr.  d'cv,  skr.  dhanu  (Hügel,   Sandbank). 
Altn.  hlid  (collis),  gr.  xlirv,  lit.  szlaita(-s). 

Goth.  dala  (Nom.  dal),  gadhel.  dal,  altsl.  dolii,  skr.  dhära  (Tiefe). 
Goth.  viga  (Nom.  vigs),  lit.  veze  (Geleise),  lat.  via,  skr.  vaha. 
Ags.  päd,  skr.  patha,  gr.  sraro. 
Ahd.  furicha,  lat.  porca,  altsl.  bi-azda. 
Ags.  sulh,  lat.  sulco. 

Alts,  holm,  altsl.  chlümü,  cholmü,  lat.  culmin,  gr.  xoAajj/o. 
An  die  Elemente  schließen  sich  am  besten  an  die  Ausdrücke  für 
Gott  und  Himmel  und  daran  der  Begriff  der  Zeit. 
Gott  und  Himmel. 
Ahd.  Ziw  (Nora.  Ziu,  altn.  tyv),  gr.  zliJ,  lat.  Jov,  skr.  djo. 
Goth.  sauila  (Nom.  sauil),  lat.  sol,  lit.  saule,  altir.  solas  lux,  skr. 
sürju,    gr.  ZIetQLO.     Das   Herbeiziehen  von   gr.  ijAto   hat   seine   großen 
Bedenken. 

Goth.  sunnan  (Nom.  sunna),  skr.  suvana,  kymr.  huan. 
Goth.  menan  (Nom.  meua) ,  gv.^rjv,  lit.  menes  (Nom.  menn),  lat. 
mensi,  skr.  mäsa,  altir.  mi. 

Goth.  stairnon  (Nom.  stairno),  breton.  steren,  skr.  stär,  gr.  aörfQ, 
lat.  Stella. 

Ahd.  donar,  lat.  tonitru,  (kelt.  Taran?). 

Zeit: 
Goth.  aiva  (Nom.  aivs),  lat.  aevo,  skr.  eva  (Gang),  gr.  aiwv.  Max 
Müller  und   neuerdings   Fick   ziehen    statt   eva   das   skr.   äjus    (Leben, 
Lebenszeit)  hieher. 

Ahd.  jär,  zend.  järe,  böhm,  jaro,  gr.  (oqu  (lat.  hora  entlehnt). 
Altn.  vär  (Frühling),  lat.  ver,  gr.  sag.,  skr.  vasanta,  altsl.   vesna, 
(lit.  vasara). 

Ahd.  suinar,  gadhel.  samhradh. 


DER  URDEUTSCHE  SPRACHSCHATZ.  353 

Goth.  naliti  (Xom.  nalits),  skr.  uakti,  lat.  nocti,  altsl.  nosti,  altir. 
üochd,  gr.  vvxr. 

Ahd.  ost,  skr.  usa,  gr.  -jJgj,  lit.  auszra,  lat.  aurora. 

Ahd.  west,  skr.  vasati  (Nacht). 

Die  zuletzt  aufgeführten  Ausdrücke  bedingen  schon  einen  gewissen 
Grad  von  Cultur ,  welcher  sich  zugleich  auch  in  einem  nicht  ganz 
kleinen  Schatze  von  Bezeichnungen  für  Waffen  und  Geräthe  aus- 
spricht. 

Waffen  : 

Ahd.  sper,  lat.  spare,  gadliel.  spar,  skr.  phala. 

Altn.  skapt,  lat.  scapo,  scipion,  gr.  öxano,  axrjTCtgo. 

Goth.  gairu,  gall.  gaes,  zend.  gaeshu,  lat.  veru. 

Goth.  gazda  (gazdi?  Nom.  gazds  Stachel),  lat.  hasta.  So  nach 
Schleicher  und  Lettner;  Ascoli  zieht  auch  lat.  fusti  herbei. 

Goth.  mekja  (Nom.  mekis),  altsl.  meci,  gr.  fiaxcctQa,  lat.  mucrou. 

Goth.  hairu  (Nom.  hairus),  lit.  kirwi(-s  Axt),  sabin.  curi,  skr.  yiri. 

Ahd.  sahs  s.  oben  bei  den  Mineralen. 

Ags.  colla  (Helm),  lat.  galea. 

Altn.  hilf,  lat.  clypeo. 

Werkzeuge  a)  zum  Verbinden: 

Goth.  juka  (Nom.  juk),  lat.  jugo,  gr.  ^vyo,  altsl.  igo,  lit.  juuga(-s). 

Ahd.  fezzil,  gr.  Jisda,  lat.  pedica. 

Ahd.  haft,  lat.  captu. 

Ahd.  snara,  snuor,  skr.  snasa  (Sehne),  lit.  nara(-s  Gelenk),  lat. 
nervo,  gr.  vevgo. 

Goth.  bandja  (Nom.  bandi),  skr.  bandha,  gr.  Tisio^az. 

Ahd.  Strang,  gr.  ötQuyyuXLCc. 

Ahd.   seil,  altsl.  silo,  gr.  öttQd. 

Alts,  simo,  gr.  i^avT. 

Goth.  vruggon   (Nom.  vruggo),    lat.  laqueo ,    skr.  Wurzel  vragk'. 
Eine  andere  Zusammenstellung  in  Benfeys  Orient  und  Occident  II,  751. 
b)  zum  Theilen,  Schneiden,  Stechen. 

Ahd.  muli,  lat.  mola,  gr.  (ivXa,  ir.  meil,  lit.  maluna-s. 

Ahd.  stihhil,  lat.  stilo. 

Ahd.  spän,  gr.  atprjv  (Keil). 

Altn.  Skid  (Scheit),  gr.  öxc^cc,  lit.  skeda,  skedra. 

Nhd.  Hippe,  gr.  ccgna,  skr.  galpa,  russ.  serp. 

Ahd.  suila,  lat.  subula  (Pfriem). 

Goth.  aqvizi,  lat.  ascia,  acieri,  gr.  a|ii^a,   skr.  acri. 

GEUMANIA.   Neue   ReiLe  II.  (XIV.;  Jahrg  23 


354  E.  FÖRSTEMANN 

c)  Gefäße: 

Ahd.  korb,  lat.  corbi,  russ.  korob,  skr.  9urpa. 

Goth.  kasa  (Nom.  kas),  lat.  vas. 

Ahd.  ritara  (ags.  hridder  Sieb),  altir.  criatliar,  lat.  eribro. 

Ahd.  mez,  maza,  lat.  modo,  gr.  pcedL^vo. 

d)  zum  Bewegen  (Wagen,  Pflug,  Schiff): 

Ahd.  wagan,  skr.  vahana,  lat.  veha,  vehela,  gr.  oxos,  altsl.  vozü. 

Ahd.  rad,  skr.  ratha,  lit.  rata(-s),  lat.  rota,  altir.  roth. 

Ahd.  ahsa,  skr.  aksa,  lat.  axi,  lit.  aszi(-s),  gr.  d^ov. 

Ahd.  bära  (Bahre),  skr.  bhära  (Tracht,  Bürde),  gr.  (poga. 

Altn.  ardh  (Pflug,  alts.  erida),  gr.  agorgo,  lat.  aratro,  (kymr.  aradr 
wohl  entlehnt),  altsl.  oralo. 

Goth.  hohan  (hoha),  skr.  koka. 

Bair.  naue,  skr.  nau,  altir.  nau,  gr.  vav^  lat.  navi. 

Ags.  naca,  skr.  nauka  (Nachen). 

Ags.  rodher,  skr.  aritra,  gr.  igsr^o,  lat.  remo. 

Ahd.  stiura  (Steuer),  gr.  6Tavgo  (Pfahl,  Stab),  skr.  Adj.  stha- 
vara  (fest). 

e)  Hausrath: 

Goth.  mesa  (Nom.  mes),  altsl.  misa,  gadhel.  mias,  lat.  mensa.    . 

Goth.  ligra  (Nom.  ligrs),  gr.  ^exog,  lat.  lecto,  russ.  loze. 

Ahd.  sez,  lat.  sede,  gr.  idog. 

Goth.  sitla  (Nom.  sitls),  lat.  sella,  gr.  idga. 

Für  die  Begriffe  Besitz,  Gewinn,  Verlust  kenne  ich  nur 
eine  einzige  Gruppe: 

Goth.  mizdon  (Nom.  mizdo),  zend.  mizda,  altsl.  mVzda,  gr.  fii6&o. 

Ich  komme  zu  den  Ausdrücken  fiir  Form  und  Ort: 

Ahd.  balla,  gr.  6cpaiga. 

Ahd.  bodam  (altn.  botn),  skr.  budhna  (pers.  bunda),  lat.  fundo, 
gadhel.  bond,  gr.  nvd^^rjv. 

Altn.  flaki  (Fläche),  gr.  Tclatc. 

Ahd.  drum  (meta,  finis),  lat.  termin,  skr.  tarman,  gr.  reg(iaT. 

Altn.  h6p(-r  Haufe),  altsl.  kupü,  lat.  copia. 

Goth.  andi  (Nom.  andeis),  skr.  anta  (finis). 

Ags.  ecg,  lat.  acie. 

Goth.  stadi  (Nom.  staths) ,  gr.  öraöi ,  skr.  stliiti,  lat.  stati-on 
(statu). 

Ahd.  stal,  skr.  sthala,  sthali,  sthalä;  lat."  stloco,  loco? 
Für  die  Begriff'e  von  Ruhe  und  Bewegung   (Berührung,  Tren- 
nung u.  s.  w.)  bis  jetzt  nur  wenige  Ausdrücke: 


DER  URDEUTSCHE  SPRACHSCHATZ.  355 

Goth.  rimis,  lit.  rama,  zend.  räma,  gr.  rjQsaia. 

Goth.  laiba,  lat.  (re-)liquiae,  lit.  (at-)laikas,  gr.  XotnaS. 

Goth.  daili  (Nom.  dails),  lit.  dali(-s),  skr.  dala,  gadhel.  däla. 

Wir  steigen  auf  zu  den  Begriffen  von  That  und  Kraft: 

Goth.   dedi  (Nom.  deds),  altsl.  deti,  zend.  daiti,  gr.  ^söt. 

Ahd.  werach,  gr.  igyo,  dazu  vielleicht  noch  Ableitungen  von  ski*. 
Wurzel  vrg'j  ürg'. 

Ahd.  art  (aratio),  lat.  aration,  gr.  ugoto,  lit.  arima. 

Ahd.  bana  (caedes),  gr.  (pova. 

Goth.  maur]Dra  (Nom.  maurj^r).  lat.  morti,  skr.  mrti,  lit.  smerti. 

Den  Übergang  von  der  That  zu  allem  rein  Geistigen  bildet  die 
S  p  r  a  che : 

Goth.  vaurda  (Nom.  vaurd),  lit.  warda,  lat.  verbo. 

Goth.  ra])j6n  (Nom.  ra]5J6)^  lat.  ration,  gadhel.  radli,   altsl.  rjeci. 

Goth.  namin  (Nom.  namo),   lat.  nomin,    skr.  näman,   gr.  OT/ofiar, 
altsl.  imene  (vgl.  altsl.  znam^  signum). 
Geist: 

Goth.  modi  (Nom.  mods),  skr.  mati,  gr.  ftiyrt. 

Goth.  (ga-)mundi  (memoria),  lat.  menti,   lit.  (isz-)minti(s). 

Goth.  muni,  gr.  /u.fi'og,  skr.  manas. 

Altn.  sinni,  lat.  sensu. 

Goth.  kun})ja  (Nom.  kunj^i"),  skr.  g'näti,  gr.  yvcoGi,  lit.  zinti(-s), 
lat.  noti-6n. 

Ags.  lagu  (altn.  log),  lat.  leg. 

Goth.  kustu  (Nom.  kustus  Prüfung),  lat.  gustu. 

Ahd.  wunsc,  skr.  vän'k'ha. 

Ahd.  sälida^  lat.  salut,  skr.  sarvatati. 

Goth.  sidu  (Nom.  sidus),  skr.  svadhä,  gr.  riQ'og. 

Ahd.  strit,  skr.  sridh ;  ferner  steht  lat.  lit  (stlit). 

Alts,  hadu  (pugna),  altir.  catu. 

Altn.  täl  (ahd.  zäla),  lat.  dolo,  gr.  80X0. 

Goth.  agis,  gr.  axog,  lat.  *angus  (angustus),  skr.  anghas. 

Goth.  doma  (domi?  Nom.  doms),  skr.  dhäman,  gr.  Q^sö^o  oder 
wohl  noch  näher  ^rjfiaT. 

Goth.  saun  (Nom.,  Thema  sauna?  ahd.  suona),  skr.  savana. 

Goth.  varein  (Nom.  varei  List),  gr.  cäga. 

Nun  bleiben  nur  noch  wenige  Substantiva  übrig,  die  sich  zum. 
Theil  ihrer  schwierigen  Bedeutung  wegen  nicht  in  die  obigen  Katego- 
rieen  einordnen  ließen: 

Ahd.  rät,  skr.  rädha.s  (Gunst,  Gabe,  Gut),  lit.  rodas   fPJathschlag), 

23* 


356  '-  l'<">n^TT:MAXN 

lat.  robur.  Von  Fick  wird  dagegen  lat.  robnr  mit  skr.  rabhas  (Eifer, 
Kraft)  verbunden ,  das  lit.  und  deutsche  Wort  aber  aus  dem  Spiele 
gelassen. 

Goth.  Nom.  vlits  (Thema  vlita?  vliti?  Gestalt),  lat.  vultu.  Gegen 
diese  Zusammenstellung  Grimms  setzen  Schweizer  und  Lettner  das 
lat.  Wort  zum  goth.  \uVpu  (Nom.  vulj)us  Glanz).  Die  beiden  goth. 
AVörter  hängen  unter  sich  wohl  nahe  zusammen. 

Ahd.  zior,  lat.  decus,  skr.  ja9as,  gr.  do^a. 

Goth.  tauhti  (Nom.  tauhts),  lat.  ductu. 

Ahd.  hliodar  (sonitus),  skr.  grotra  (auditus). 

Goth.  junda,  lat.  juventa. 

Wir  kommen  zu  den  ADJECTIVEN,  bei  denen  ich  wieder  die 
sinnlichsten,  die  des  Raumes  und  der  Menge,  voranstelle  : 

Ags.  great,  lat.  grandi. 

Goth.  mikila  (Nom.  mikils) ,  gr.  ^syako  ^  lat.  magno,  lit.  mac- 
nu(-s  mächtig),  skr.  mahat. 

Goth.  lagga  (Nom.  laggs)  ,  lat.  longo ,  altsl.  dlvign  ,  gr.  dohxf^, 
skr.  dhirgha. 

Altn.  flatr  (flach),  lit.  platu(-s),  lat.  lato,  gr.  nXazv,  skr.  prthu. 
Das  Herbeiziehen  von  unserm  breit  ist  sehr  bedenklich. 

Ahd.  flah,  lat.  piano,  gr.  nXaitoEvx. 

Goth.  mins  (Adv.),  lat.  minus,  gr.  ^slov,  lit.  menka. 

Ags.  scort,  lat.  curto. 

Ahd.  dunni,  lat.  tenui,  skr.  tanu,  gr.  ravv,  altsl.  tini-kii. 

Goth.  aggvu  (Nom.  aggvus),  skr.  anhu  ,  gr.  syyv^  lat.  angusto, 
altsl.  %zuku. 

Ahd.  magar,  lat.  macro,  gr.  uaxQO. 

Altn.  hvass-r  (scharf),  lat.  cato. 

Goth.  smala  (Nom.  smals),  altsl.  malü   (parvus);  lat.   malo? 

Goth.  raihta  (Nom.  raihts),  lat.  recto,  altpers.  räcta  (gerade,  richtig). 

Goth.  taihsva  (Nom.  taihsvs),  gr.  ^6|to,  lat.  dextro,  skr.  daksina, 
altsl.  desinü,  altir.  des. 

Mhd.  schief,  gr.  öiaio,  lat.  skaevo,  altsl.  suj,  skr.  savja. 

Ahd.  lenka  (link),  gr.  hyx  (Hesych.),    lit.  linku(-s  flexibilis). 

Goth.  vraiqva  (Nora,  vraiqvs) ,  lat.  valgo,  gr.  Qcctßo,  skr.  vrg'ina. 
In  Benfeys   Orient  und  Occident  I,    527   wird   dagegen   das    deutsche 
Wort   mit  lat.    (ob-)liquo  und  gr.  Ao|o  vereint ,    deren  erstes   ich  doch 
nicht  von  linquo  trennen  möchte. 
Ahd.  hol,  gr.  xoiXo. 
Goth.  filu,  gl'.   TColv,  skr.  puru.  altir     il. 


DER  URDEUTSCHE  SPRACHSCHATZ.  357 

Goth.  fulla  (Nom.  fulls),    lit.  }»iliia(s),    lat.  })lcno ,    altir.  hin,    skr. 
pürna. 

Alid.  wuost,  lat.  vasto. 

Altn.  fleira,  lat    plus,  gr.  tiXslov  (altn.  flest-r,  gr.  nkeiOTo). 

Goth.  maiza,  lat.  major,  gr    ^silov. 

Ahd.  foh  (goth.  fav),  gr.   navQo,  lat.  paiico  (*paulo). 

Goth.  vana  (Nom.  vaus  mangelnd),  lat.  väno,  skr.  üna, 

Goth.  midja   (Nom.  midjis)  >    skr.  madhja ,    lat.  raedio,    gr.  /iiföo, 
altsl.  Subst.  mezda  (Mitte,  Grenze). 

Ahd.  metamo,  skr.  madhjama. 

Besonders  schöne  Übereinstimmungen  finden  sich  bei  den  Adjec- 
tiven,  die  Licht,  Farbe  und  Wärme  ausdrücken: 

Ahd.  liohti,  lat.  lucido. 

Goth.  hveita  (Nom.  hveits),  skr.  ^veta. 

Goth.  svarta  (Nom.  svarts),  lat.  surdo  (ferner  liegt  der  Form  nach, 
näher  dem  Sinne  nach  sordido). 

Goth.  rauda  (Nom.  rauds),  lit.  ruda(-s  braun),  altir.  riiad,  lat.  rufo ; 
"weitere  Ableitung  in  altsl.  rüdru,  lat.  rubro,  gr.  fqvQ'Qo^  skr.  rudhira. 

Ahd.  blaw,  lat.  flavo. 

Ahd.  gelaw,  lat.  gilvo,  helvo,  lit.  gelsva(-s),  gelta(-s),  gr.  %XaQo. 

Ahd.  falw,  lit.  pal\va(-s),  gr.  jrfAAo,  lat.  pallido. 

Ahd.  brün,  altsl.  vrami,  ir.  bran,  lat.  fiu'vo,   skr.  babhru. 

Ahd.  graw,  lat.  ravo. 

Altn.  höss  (aus  hasva  grau),  skr.  kasäja  (lichtbraun),  lat.  caesio. 

Ahd.  hasan  (politus,  venustus),  lat.  cano  (aus  casno). 

Ahd.  feh  (altsl.  pegü  bunt?),  gr.  noixiko,  skr.  pe9a.la. 

Ags.  gleav,  gs.  ykavxo. 

Goth.  haiha  (Nom.  haihs),  altir.  coech,  lat.  caeco. 

Goth.  varma  (Nom.  varms),  lat.  formo,  gr.  ^'bqiio,  skr.  gharma. 

Goth.  kalda  (Nom.  kalds),  lat.  gelido,  altsl.  chladükü. 

Ahd.  heitar,  skr.  k'itra  (hell,  glänzend),  gr.  xad^ago. 

Nur  eine  einzige  Gruppe  kann  ich  für  die  Sphäre  des  Schalles 
anführen : 

Ahd.  hlüt,  gr.  xAüro,  lat.  (in-)cluto,  altsl.  slutü  (gehiu't  habend), 
skr.  gruta  (gehört). 

Zeit  und  Alter: 

Goth.  uiuja  (Nom.  niujis) ,   skr.  navja ,   gall.  novio  ,   lit.  nauja(-s), 
lat.  novo,  gr.  v£o. 

Goth.  jugga    (Nom.  juggs) ,    skr.  juvan ,    lat.  juveni ,    altsl.  junü. 
Noch  näher  schließt  sich  das  deutsche  Wort  an  lat.  juvenco,  skr.  juva9a. 


358  E-  f<")Hsti:man\ 

Groth.  al|3Ja  (Nom.  aljjeis),  lat.  alto. 

Goth.  sm(-ista),  lit.  sena(-s),  lat.  scn(^-ior),  altir.  sen,  sean,  skr.  sana, 
gv.  ivo.  Gotli.  sineigs  u.  s.  w.  siehe  unter  den  Substantiven. 
Gefühl  (Schwere),  Geschmack,  Geruch: 

Goth.  leihta  (Nora.leihts),  skr.laghu,  gr.sXaxv,  lat.  levi,  altsl.ligiiku. 

Goth.  *kaurja  (Nora.  *kaurs  schwer),  skr.  guru,  lat.  gravi,  gr.  ßagv. 

Altn,  star  (rigidus),  gr.  gxsqqo,  skr.  sthira  (fest),  lat.  sterili. 

Goth.  sutja  (Nom.  sutis),  skr.  svädu,  gr.  r^öv^  lat.  suavi,  lit.  saldu(-s). 

Altn,  linr,  lat.  leni. 
Stoff: 

Ahd.  hraw  (altn.  hrär),  lat.  crudo. 

Ahd.  chalaw,  lat.  calvo,  skr.  khalati. 

Goth.  uaqvajja  (Nom.  uaqvaj^s),  lat.  nüdo  (aus  *nogvido),  ir.  nochd, 
lit.  noga-s;  skr.  nagna. 

Goth.  triveina  (hölzern,  Nom.  triveins),  altsl.  drevenü,  gr.  ögvivoy 
zend.  drvaena. 

Form: 

Goth.  ibuka  (Nom.  ibuks),  altsl.  opako,  skr.  apäka. 
Bewegung  und  Kraft: 

Goth.  saina  (Nom.  sains),  lat.  segni. 

Goth.  svinj)a   (Nom.  svinj^s)  ,    altsl.    svjatü   (lit.  szwenta-s  heilig), 
altbakti'.  9penta. 

Goth.  lata  (Nom.  lats),  lat.  lasso. 

Goth.  reikja  (Nom.  reiks,  daraus  das  Subst.  reiki),  lat.  regio  (daraus 
das  Subst.  regia). 

Ahd.  -boro  (tragend),  skr.  -bhara,  gr.  -qocpo,  lat.  -fero. 
Leben: 

Goth.  sela  (Nom.  sels)^  lat.  salvo,  gr.  oAoo. 

Goth.  haila  (Nom.  hails),  skr.  kalja,  gr.  x«/lo,  lit.  czela  (altsl.  celü). 

Goth.  qviva  (Nom.  qvius),  lat.  vivo,  skr.  g'iva,  lit.  gyva-s,  altir.  biu. 

Ahd.  wachar,  lat.  vigil. 

Goth.  sada  (Nom.  sads),  ir.  saith,  lat.  satur. 

Goth.  daujja  (Nom.  daujss),  skr.  dabdha  (beschädigt). 

Goth.  nava  (Nom.  naus),  gr.  vsuv,  zend.  nagu. 

Goth.  bau]3a  (Nom.  bauj)s),  ir.  baodh,  skr.  bandhura. 

Goth.  halta  (Nora,  halts),  lat.  claudo. 

Goth.  hanfa  (Nora,  hanfs)^  lit.  kumpa(-s),   gr.  xacpo. 
Geist: 

Goth.  goda  (Nom.  gods),  gr.  uyad-o. 

Goth.  frija  (Nom.  freis),  skr.  prija,  lat.  pio,  gr.  (piko. 


UEK  UKDEUT.SCIIE  SriJACIISClIATZ.  359 

Alid.  stolz,  lat.  stolido,  stulto,  skr.  stlulla. 

Gotli.  qvairru  (Nom.  qvairrus),  lat.  cicur. 

Güth.  blei]3a  (Nom.  bleijis),  lat.  laeto. 

Ahd.  geil^  lat.  hilari,  gr.  j^Aapo. 

Ahd.  war,  lat.  vero. 

Altn.  sartr  (sannr),  skr.  satja,  gr.   st£o. 

Ags.  Jurist,  skr.  dlirsta,  lat.  fertig  gr.  d-QuöVj  lit.  drasu-s  und  drastu-s. 

Gotli.  froda  (Nom.  frods),  lat.  provido. 
Übrige  A  d  j  e  c  t  i  v  a  : 

Altn.  raser,  lat.  mero. 

Goth.  silba,  lat.  sollo,  gr.  oAo,    skr.  sarva. 

Gotli.  gamainja  (Nom.  gamains),  lat.  communi. 
PRONOMINA: 

Goth.  ik,  lat.  ego,  lit.  asz,  gr.  iyäv^  skr.  aham. 

Goth.  mi(-k),  lat.  me,  gr.  f/u.o,  skr.  ma,  altsl.  Accus,  m^,  altir. 
Accus,  me. 

Goth.  ]5U,  gr.  Ti>,  6v,  lat.  tu,  lit.  tu,  altir.  tu,  skr.  tvara. 

Goth.  JData,  skr.  tat,  lat.  (is-)tud,  gr.  to',  altsl.  to,  altii'.  (Thema)  de. 

Goth.  si(-k)^  lat.  se,  gr.  5,  altsl.  sja,  skr.  svajara. 

Goth.  sa,  so,  lat.  so,  sa,  altir.  so,  si,  skr.  sa,  sä,  gr.  6,  r], 

Goth.  vei(s),  skr.  vajam. 

Goth.  ju(-s),  lit.  jn(-s),  skr.  ju(-sme),  gr.  vi^-^Bis). 

Goth.  i(-s),  lat.  i,  altsl.  ja,  skr.  ja,  gr.  6. 

Goth.  hi,  lat.  hi,  lit.  szi. 

Goth.  si  (fem.),  skr.  sja. 

Goth.  hva(-s) ,  lat.  qui(-s) ,  skr.  ka(-s) ,  gr.  Äo(-g) ,  lit.  ka(-s), 
altir.  ci(-d). 

Goth.  hvaj)ar,  russ.  kotorii,  skr.  katara,  gr.  itozego,  lat.  utro. 

Goth.  sama,  skr.  sama,  russ.  samü;,  gr.  o'fto,  lat.  simili. 

Goth.  alja,  lat.  alio,  altir.  aile,  gr.  «AAo. 

Goth.  anjiar  s.  unter  den  Zahlwörtern. 

Bei  den  ZAHLWÖRTERN,  zu  denen  ich  jetzt  komme,  sind  die 
Zehner  und  Hunderter  fortzulassen  ,  da  sie  im  Deutschen  und  Slavi- 
schen  nicht  wirklich  zusammengesetzte  Wörter  sind,  sondern  wie  in 
der  indogermanischen  Ursprache  aus  bloßen  Zusammenrückungen  be- 
stehen. 

Goth.  aina  (Nom.  ains),  altir.  oiu,  gr.  otVa,  lat.  oeno,  uno,  skr. 
ena  (dieser). 

Goth.  suma  (Nom.  sums),  gr.  bv. 

Goth.  tva,  skr.  dva,  altsl.  düva,  lat.  duo,  gr.  ovo,  altir.  da. 


360  K.  FÖlv'STEMANN 

Goth.  bai,  altsl.  oba  (lit.  abu),  skr.  ublia,  jG^r.  ccfiqxxj^   lat.  ambo. 

Goth.  J)ri  (Nom.  Jjreis),  lit.  tri,  altir.  tri,  lat.  tri,  gr.  rpt,  skr.  tri. 

Goth.  fidvor,  skr.  k'atvär,  lat.  quatuor,    altir.  cethar,   lit.  keturi, 
gr.  zsrrccQ. 

Goth.  fimf,    gr.  TCBfiTts ,    lat.  quinque  ,    skr.  pank'au,    lit.  penki, 
altir.  cöic. 

Goth.  saihs,  lat.  sex,  skr.  sas,  lit.  szeszi,  gr.  f|,  altir.  se. 

Goth.  sibun ,    skr.  saptan ,    lat.  septem ,    lit.    septyni ,    gr,    sntä^ 
altir.  secht. 

Goth.  ahtau,  skr.  astau  (Thema  astan),  lat.  octo,  gr.  oxrd,  altir. 
oct,  lit.  asztiini. 

Goth.  niun,  skr.  navan,  lat.  novem,  gr.  ivvia^  altir.  nöi,  lit.  devyni. 

Goth.  tailiun ,   skr.  dayan ,    lat.  decem ,   gr.  dixa ,    altir.  dec ,   lit. 
deszimtis. 

Goth.  -tigjus ,    altsl.  -desjati ,    lat.  -ginta ,    gr.  -xovxa ,    skr.  -gati, 
altir.  -cat. 

Goth.  hunda ,   lit.  szimta(-s) ,   lat.  centum ,   gr.  sxarov  ,  altir.  cet, 
skr.  9ata. 

Ordiualia: 

Goth.  fruma,    lat.  primo  (altir.  prim  vielleicht  entlehnt),    lit.  pir- 
ma(-s),  gr.  ngcoro,  skr.  parama  der  höchste,  prathama  der  erste. 

Goth.  anJDar,  lit.  antra(-s),  skr.  antara. 

Goth.  ])ridja,  altsl.  tretijfi,  skr.  trtija,  lat.  tertio,  gr.  rgiro,  altir.  tris. 

Ahd.  fiordo,  lat.  quarto,  gr.  rsxaQro,  skr.  k'aturtha,  lit.  ketwirta-s, 
altir.  cethramad. 

Ahd.  fimfto,   gr.  Tts^Tiro,   lit.  penkta-s,    lat.  quinto,    altir.  coiced, 
skr.  pan'k'ama. 

Goth.  saihsta ,    lat.  sexto ,    gr.  ixro  ,    skr.  sastha ;,    lit.  szeszta-s, 
altir.  seised. 

Ahd.  sibunto,  lit.  septinta-s,  lat.  septimo,  gr.  sßdo^o,  skr.  saptama, 
altir.  sechtmad. 

Ahd.  ahto ,   lat.  octavo  ,    gr.  oy^oo  ,    skr.  astama ,    lit.  asztunta-s, 
altir.   ochtmad. 

Ahd.  niunto  ,    lit.  devinta-s  ,    skr.  navaraa ,   lat.  nono ,  gr.  svvato, 
alti  r.  noimad. 

Ahd.  zehanto,  lit.  deszimta-s,  lat.  decimo,  skr.  da9ama,  gr.  dsxaro, 
altir.  dechmad. 

Goth.  tvis,  skr.  dvis,  lat.  bis,  gr.  öig,  altsl.  dvasti. 

Altn.  Jirisvar,  skr.  tris,  gr.  rptg,  altsl.  tristi. 


DER  URDEUTSCHE  SPRACHSCHATZ.  361 

Bei  den  VERBEN  befolge  ich  im  G-anzen  denselben  Gang  wie  bei 
den  Substantiven,  vom  Thierischen  zum  Geistigen,  und  beginne  dem- 
gemäß mit  dem  Essen  und  Trinken: 

Goth.  ita,  altir.  itliim,  lat.  edo,  gr.  Mco,  lit.  edmi,  skr.  admi. 

Goth.  brukja,  lat.  fruor,  skr.  Wurzel  bhug'. 

Gotli.  beita,  lat.  finde,  skr.  bhindmi,  bhinadrai  ;  vielleiclit  auch 
gr.  (fBido^ai. 

Ahd.  smirzu,  lat.  mordeo.  Dieser  Zusammenstellung  Ebels  steht 
eine  andere  von  Fick  gegenüber,  welcher  dem  deutschen  Worte  zend. 
maredaite  (bedenken),  gr.  ^isksdaivco  beigesellt. 

Goth.  tahja,  skr.  dagämi,  gr.  däxvco. 

Goth.  kiusa,  gr.  yavco^  skr.  g'osämi;   russ.  kusati  (beißen)? 

Ahd.  chostom,  lat.  gusto  (entlehnt  slav.  kostati  u.  s   av.). 

Ahd.  seffu  (sapio)   s.  unten  bei  den  geistigen  Begriffen. 

Goth.  so])ja,  lat.  satio. 

Ahd.  itruchu  (wiederkäuen),  lit.  riaugmi,  gr.  SQSvycj,  lat.  ructo; 
(letzteres  noch  näher  zu  ags.  rocettan). 

Ags.  lapige,  lat.  lambo. 

Goth.  laigo^  gr.  ksixco,  lit.  laizau,  lat.  Hngo,  skr.  lehmi,  altir.  ligim. 

Ahd.  sügu,  lat.  sugo. 

Nhd.  schlürfe,  lat.  sorbeo,  gr.  Qocp^ca^  lit.  srebju.  Das  1  des  deut- 
schen Wortes  erklärt  sich  wohl  nicht  durch  einen  rein  lautlichen,  son- 
dern mehr  durch  einen  onomatopoetischen  Vorgang. 

Ahd.  sluccu,  gr.  Xvt,a->  (^lvyyuvo(iai). 

Stimme  (excl.  Sprache)  : 

Ahd.  murmulom,  lat.  murmuro,  gr.  ^oq^vqg),  lit.  raurmu. 

Altn.  stynja  (stöhne)^  gr.  atsvco,  skr.  stanämi,  lit.  stenu. 

Mhd.  brimme,  lat.  fremo,  gr.  ßgsfiw. 

Goth.  hrukja,  lat.  crocio,  gr.  xpca'^to,  ht.  kraukiu  (krächze,  vgl. 
lit.  klykiu  schreie). 

Ahd.  rohom  (rugio),  lat.  rugio,  altsl.  Inf.  ruikati. 
Sinne: 

Alts,  warom,  gr.  ogaca. 

Ahd.  luogem,  skr.  lokämi,  gr.  ksvöoco,  lit.  laukiu. 

Goth.  skavja,  lat.  caveo,  gr.  xo^ca,  altsl.  Inf.  cuti  (erkennen). 

Ahd.  spehom,  lat.  specio,  skr.  pa9Jämi,  gr.  Gkojisci. 

Goth.  saihva,  lat.  scio. 

Goth.  hausja,  gr.  dxovco.  Vgl.  Kuhn  Ztschr.  XVI,  271;  Grimm 
stellte  hausja  mit  lat.  haurio  zusammen. 


352  K.  FÖRSTKMANN 

Alul    hlosnin,  altir.  cluiiisiu,  lit.  klausau,  zcud.  Wurzel  yrus. 
Mhd.  wäze,  lit.  üdzu,  gr.  6'^«,  lat.  oleo. 

Verschiedene  Körperfunctioncn: 
Goth.  daddja,  skr.  dliajami,  altsl.  doja,  gr.  d'r^ßd'ai,  lat.  felo. 
Goth.  vahsja,  gr.  av^cj,  skr.  vaksami. 
Goth.  (uz-)ana  (expiro),  skr.  auimi. 
Ahd.  bläju,  lat.  tlo. 
Ahd.  fneliu,  gr.  nvfG). 

Ahd.  ginem,  gr.  X'^''^^i  ^^i^^-  I"f-  zijfiti  und  zinati,  lat.  liio. 
Goth.  speiva,  lat.  spuo,  gr.  Jttvoj,  lit.  spiauju,   skr    sthivämi. 
Altn.  voema  (Inf.),  lat.  vomo,  skr.  vamämi,  lit.  vemju,   gr.  fiisco. 
Altn.  sveita  (Inf.),  lat.  sudo,  sk..  svidjämi,  gr.  (dtco. 
Nhd.  fiste,  lit.  bezdu,  gr.  ßdeco. 

Ahd.  ferzu,  gr.  ««'pdca,  lit.  perdzu,  lat.  pedo,  skr.  parde. 
Ags.  mige,  lat.  mejo,  gr.  o/«.t%s'a),  lit.  myzu,  skr.  mehämi. 
Ahd.  scizu,  lit.  sziku,  gr.  xs^o,  skr.  hade. 
Goth.  huggrja,  skr.  känksämi  (begehre). 

Goth.  Jjaursja ,    lat.    torreo ,    skr.    trsjaini    (goth.   jjairsa   u.    s.    w. 
siehe  unten). 

Altn.  bifa  (beben),  gr.  q)sßo^ai,  skr.  bibhemi,  lit.  bijau.  Aufrocht 
in  Kuhns  Ztschr.  IX,  231  zieht  auch  lat.  vibro  her. 
Ahd.  wachem,  lat.  vigeo,  gr.  i-ysCga. 

Altn.  sofa  (Inf.),    skr.  svapimi,   altsl.  süpati  (Inf.).     Die  Verglei- 
chung  mit  goth.  slepa  ist  wohl  für  beseitigt  zu  achten. 
Altn.  svefja  (Inf.),  lat.  sopio,  skr.  svapajami. 

Ahd.  stirbu,  lat.  torpeo.  Grimms  Zusammenstellung  mit  gr.  atgsqjco 
scheint  keine  Nachfolge  gefunden  zu  haben. 

Nhd.  sticke,  von  Curtius  mit  lat.  stinguo  verbunden,  das  wir  je- 
doch unten  noch  einmal  gebrauchen  werden. 
Altn.  bana  (Inf.,  tödte),  gr.  cpdvco. 

Nehmen  und  geben: 
Goth.  nima,  gr.  vs^g>^  lett.  nemu  (altsl.  ima),  skr.  namämi  (beugen). 
Goth.  gita,  skr.  Wurzel  gadh,  lat.  (pre-)heudo,  gr.  j^avd«!/«. 
Goth.   faha    (altn.   Inf.    fänga) ,    lat.  pango    (paciscor  nach  Fick), 
gr.  Tt^yvv^i,  skr.  pä^ajäini. 
Nhd.  raffe,  lat.  rapio. 

Goth.  hlifa,  lat.  depo,  gr.  xXknrco,  vgl.  lit.  szlepiu  verberge. 
Goth.  stila,  gr.  ötsqscs. 

Goth.  biraubo  (altn.  ryf  rumpo),    lat.  rurapo,    zend.  Wurzel  rup 
(vgl.  skr.  lumprimi). 

Goth.  biuda,  skr.  bodhämi,  gr.  nvv^ävo^av. 


dp:r  urdeutsche  Sprachschatz.         363 

Hiemit  berühren  sich  nahe  die  Begriffe  des  Fassens  und 
Haltens: 

Goth.  teka,  gr.  tsrccydv^  lat.  tango,  skr.  Wurzel  tug';  Grassmann 
versucht  (Kuhn  Ztschr.  XII,  107)  gr.  d£xo{Jicci  mit  teka  zu  vei'einen. 

Goth.  greipa,  lit.  grebiu,  skr.  Wurzel  grabh  (grhuami). 

Nhd.  kneife,  kneipC;,  gr.  öxvCitrco. 

Goth.  hrisja  (vgl-  ahd.  hruorja  rühre),  gr.  xqovco. 

Goth.  aiga,  skr.  Wurzel  19.  Das  aus  öix^  entstandene  gr.  B%üi 
ist  fern  zu  halten. 

Goth.  haba^,  lat.  habeo. 

Decken  und  schützen: 

Ahd.  dakju,  lat.  tego,  gr.  örsya,  lit.  stegiu^  skr.  sthagami. 

Ahd.  hilu,  lat.  celo. 

Goth.  hulja,  lat.  occulo. 

Ags.  hyda  (ahd.  huotju),  gr.  xsvd^co,  skr.  guhämi  (indogermanische 
Wurzel  kudh). 

Goth.  bairga  ^  lit.  bruku  ,  gr.  q)gu66co  ;  lat.  farcio  ist  hier  wohl 
abzulehnen. 

Heben  und  tragen  (stellen,  stützen) : 

Goth.  baira,  skr.  bharämi,  altir.  biur,  altsl.  bera,  lat.  fero,  gr.  <jp/pGj. 

Goth.  thula ,  altlat.  tulo ,  altsl.  tolja  (placare) ,  skr.  tolajämi, 
gr.  T^rjfit. 

Ahd.  stellu,  gr.  GtiXka,  skr.  sthalami,  lit.  stelloju. 

Goth.  stiurjan  (feststellen),  lat.  (in-,  re-)  stauro. 

Ahd.  stifulem  (fulcio),  lat.  stipulor. 

Ahd.  hlinem,  gr.  xAiVQ,  lat.  clino.  Weitere,  jedoch  nicht  sichere 
Vergleichungen  bei  Fick  Wörterbuch  der  indogermanischen  Grund- 
sprache. 

Goth.  satja,  skr.  sadajämi,  lat.  sedo,  altsl.  sazda. 
Stoßen  und  stechen: 

Goth.  stigga  (ahd.  stingu),  lat.  (in-)stinguo,  gr.  ört'^CJ,  skr.  teg  ärai. 

Altn.  stika  (ahd.  stihhu),  lat.  (in-)stigo,  gr.  ert^ca,  ski-.  tegärai. 

Goth.  stauta,  lat.  tundo,  skr.  tudämi. 

Goth.  J)riuta,  lat.  trudo,  altsl.  Inf.  truditi. 

Altn.  bora,  lat.  foro,  zend.  barenaiti  (schneiden,  bohren). 
Werfen: 

Ahd.  smizu,  lat.  mitto,  lit.  metu. 

Goth.  vairpa,  gr.  gCnTca. 

Goth.  skiuba,  gr.  (J^i^tttcj,  skr.  ksipämi  (werfe). 

Goth.  strauja,  lat.  sterno,  skr.  strpomi,  gr.  Gtogvvfii,  altsl.  Inf.  streti. 


364  l-   l<'»ns'rKMANN 

Schlagen: 
Alid.  borju,  lat.  ferio. 
Gotli.  bliggva,  lat.  fligo. 
Gotli.  latja,  lat.  laedo. 
Altn.  Inf.  drepa,  gr.  rgCßaa. 
Gotli.  slaha,  lit.  slegiu  (dnicke),  gadhel.  slac^  slachd. 

Dehnen, ziehen: 
Goth.  ))anja,  gr.  xsivco,  skr.  tanomi,  lit.  tasyti. 
Goth.  rakja,  gr.  ogsya,  lat.  rego.  Fick  stellt  dazu  noch  skr.  rng'aini. 
Goth.  taira,  gr.  dsQco,  lit.  diriu,  skr.  därajäuii,  drnämi. 
Goth.  draga,  lat.  traho,  lit.  traukiu,  skr.  Wurzel  drägh. 
Ahd.  stracchju,  lat.  striugo,   skr.  srg'ämi. 
Goth.  tiuha,  lat.  duco,  skr.  Wurzel  duh. 

Drehen, biegen: 

Ags.  vringe,  gr.  evgyvv^i,,  skr.  vrnak'rai. 

Goth.  valtja,  gr.  y.vkCvdoa. 

Goth.  valvja,  gr.  ikva,  lit.  velti  (Inf.),  lat.  volvo;  dazu  skr.  valo 
(umhüllen  u.  s.  w.)? 

Ahd.  dräju  (ags.  })räve) ,  lat.  tero ,  gr.  tsCqco  ,  altsl.  Inf.  treti 
(lit.  trinti). 

Goth.  ]3reiha,  gr.  tqetcg)  ,  lat.  torqueo,  lit.  Inf.  trenkti;  Fick  (S.  79) 
stellt  zu  den  andern  Wörtern  nicht  xQSJta,  sondern  rapaöfjco. 

Goth.  biuga,  skr.  bhug'ämi,  lat.  fugio,  gr.  q)Evy(Xi,  altsl.  bega  (ich 
laufe;  oder  lit.  Inf.  bugti  sich  fürchten?).  Eine  sehr  schwierige  und 
wegen  ihrer  weiteren  Beziehungen  noch  sehr  zu  untersuchende  Gruppe. 

Goth.  vair]3a,  lat.  verto,  altsl.  vrüteti,  skr.  varte. 

Verbinden: 

Goth.  binda,  skr.  badhnämi,  gr.  TceLd-ß),  lat.  fido. 

Ahd.  näju,  lat.  neo,  gr.  vboj,  skr.  Wurzel  nah. 

Goth.  siuja,  gr.  {xa6-)<jva},  lat.  suo,  lit.  siuvu,  skr.   sivjämi. 

Ahd.  flihtU;,  lat.  plecto,  gr.  TtXdxm,  skr.  prnak'mi. 

Goth.  haftja,  lat.  capto. 

Goth.  lisa,  lit.  Inf.  lesti,  lat.  lego,  gr.  Isya. 

Ahd.  scliuzu,  sliuzu,  lat.  claudo,  gr.   xXtto3. 

Ahd.  iniskiu,  lat.  misceo,  gr.  yiiayoa,  lit.  maiszau,   skr.  miyi'ajämi. 

Ahd.  smizu  (illiuo) ,  skr.  medjami ,  gr.  ^vöaCva ;  da  wir  oben 
schon  ahd.  smizu  u.nter  dem  Begriffe  des  Werfens  anführten,  so  müssen 
wir ,  wenn  beide  Gruppen  neben  einander  bestehen  sollen ,  zwei  ganz 
verschiedene,  aber  gleichlautende  ahd.  smizu  annehmen. 


D1:TJ  riJDEfTSClIK  SPRACHSCHATZ.  ,%5 

Trennen: 

Goth.  lausja,  gr.  Iva,  Lit.  luo,  skr.  hiuämi ;  vielleicht  lit.  liauju 
(höre  auf). 

Goth.  brika,  lat.  frango,  gr.  gi^yvv^L,  skr.  bhauag'mi;  sehr  zwei- 
felhaft, ganz  anders  bei  Fick  S.  163. 

Goth.  kliuba,  lat.  glubo,  gr.  ylvcpco. 

Goth.  skaida,  lat.  caedo,  gr.  ö;^''^«,  skr.  k'haidana  (schneiden). 

Ahd.  scindoro  (schinde),  lat.  scindo,  gr.  extdvrjfiL,  skr.  k'hiuadmi. 

Die  beiden  letzten  Gruppen  sind  noch  lange  nicht  aufs  Reine 
gebracht ;  vgl.  sehr  verschiedene  Ansichten  bei  Kuhn  Ztschr.  VII,  204, 
XI,  184,  XII,  130;  ferner  Curtius  (Grundzüge,  zweite  Aufl.)  S.  222; 
Schleicher  Compendium,  zweite  Aufl.  S.  231 ;  Benfey  Orient  und  Occi- 
dent  I,  520;  Diefenbach  goth.  Wb. 

Goth.  skaba,  lat.  scabo,  lit.  Inf.  skapoti  (auch  skaptoti);  sehr  be- 
zweifelt, und  mit  Recht,  gr.  öxdnrcj. 

Altn.  skera  (Inf.),  gr.  gkslqoj,  skr.  AVurzel  ksur. 

Goth.  snei]3a,  gadhel.  snaidh,  snoidh  (schneiden). 

Goth.  mita,  lat.  metior. 

Ackerbau  und  Viehzucht: 

Goth.  arja,  lit.  arju,  altir.  araim,  lat.  aro,  gr.  apoco. 

Goth.  graba,  gr.  yQccq)(o,  altsl.  (po-)greba  (begrabe). 

Goth.  saia,  lit.  seju,  lat.  sero ;  gr.  irj^i,. 

Ahd.  eggju,  lat.  occo,  lit.  ekkeju. 

Ahd.  mähu,  gr.  «juaco,  lat.  meto. 

Ahd.  milchu,  lat.  mulgeo,  gr.  cc^s'XyG),   lit.  melzu,  skr.  märg'ami. 
Technologie: 

Mhd.  brüeje,  lat,  ferveo. 

Goth.  mala,  lit.  malu,  lat.  molo,  gr.  ^vXlco  (skr.  malana  das  Rei- 
ben, Malen). 

Ahd.  bahhu,  gr.  cpcäyco.  Ascoh  stellt  in  Kuhns  Ztschr.  XVII,  335 
dazu  lat.  foveo ,  was  wir  gern  annehmen  würden,  wenn  das  deutsche 
bähen  nicht  nähere  Anrechte  hätte;  s.  unten. 

Ags.  breova  (braue),  lat.  frigo,  gr.  (pQvyco,  skr.  bhrg'g'ämi;  ferveo, 
was  Grimm  zu  brauen  stellte,  s.  oben. 

Goth.  salta,  gr.  alc^a,  lat.  salio,  Avohl  ganz  selbständige  Bildungen. 

Ahd.  webu,  skr.  vape,  gr.  v(paivc3. 

Goth.  vasja  (kleide),  skr.  vase,  gr.  fvvv^i,  lat.  vestio. 

Goth.  salbo,  gr.  d^Fi'cpco. 

Goth.  deiga  (jtAaööoj),  skr.  dehmi,  lat.  finge,  gr.  d-iyyävco. 

Ahd.  ziarju,  lat.  decoro. 


300  E-  FÖRSTEMANN 

Ahd.  eggju  (schärfe),  lat.  acuo. 

Goth.  fisco,  lat.  piscor. 

Licht  (W  ä  r  m  e),  Schall: 

Ahd.  blichu  (spleudeo),    lit.  blizgu,    gr.  cpktyco,    lat.  fulgeo,  skr. 
bhräge. 

Mhd.  dinipfe,  gr.  zvq)co. 

Ahd.  bäwju,  lat.  foveo. 

Goth.  hva])ja  (siede),  lit.  szuttaii,  skr.  kvathämi. 

Ags.  svele,  lett.  swelu  (sengen),  skr.  surämi  (leuchten,  glühen). 

Altn.  Inf.  kala,  lat.  gelo. 

Ahd.  klingu,  lat.  clango. 

Ahd.  stridu,  lat.  strideo,  gr.  xQLt,a. 
Luft: 

Goth.  vaia,  altsl.  vjeja,  skr.  vami,  vajrimi,  gr.  ariai. 
Wasser: 

Ahd.  flewiu  (fluito),  lat.  pluo,  lit.  plauju,  gr.  TT.kico,  skr.  plave. 

Goth.  rinna,  skr.  rnvämi,  gi*.  ikavva. 

Ahd.  quillu,  skr.  galämi  (herabträufeln). 

Goth.  giuta,  lat.  fundo,  gr.  jja'oj. 

Altn.  Inf.  loa,  lat.  lavo,  luo,  gr.  Xovca. 

Goth.  |)vaha,  lat.  tingo,  gr.  rsyyco^  skr.  t69e  (tröpfeln,  spritzen). 

Ahd.  sniwit,  lat.  ningit,  gr.  vtfpti,  zend.  9nizli,  lit.  snigti. 

Ags.  thäve,  lat.  tabeo. 

Ahd.  smilzu,  gr.  ^sköca. 

Ahd.  Jesu,  gerju,  gr.  ^fo,  skr.  jasämi. 

Goth.  rignja,  gr.  ßga^o,  lat.  rigo. 

Altn.  sküma  (Inf),  lat.  spurao. 

Goth.  JDairsa,  gr.  Tsgöofiai'^  vgl.  oben  ])aursja  durste. 
Vergrößerung  und  Verkleinerung: 

Goth.  kija,  skr.  gäjate. 

Goth.  keina,  lit.  gemu,  gr.  yCyvofiui,  lat.  gigno,  skr.  g'an  (Act. 
zeugen.  Med.  werden). 

Goth.  auka , .  lat.  augeo  ,  lit.  augu  (wachse).  Lat.  vegeo,  vigeo, 
das  öfters  hieher  gestellt  Avird,  vgl.  oben  unter  den  Körperfuuctionen, 
dsgl.  gr.  at;|aj. 

Goth.  ala,  lat.  alo. 

Bewegung  und  R  u  h  e  : 

Goth.  iddja,  lat.  eo,  lit.  eimi,  gr.  ft'/ii,  i<kr.  erai. 

Altn.  gä,  gr.  ßLßrjfii,  skr.  g  igäuii  (gihäiui),   lett.  gaju. 

Goth.  ganga,  lit.  zeugiu,  skr.  gaiTiliraui. 


DER  URDEUTSCHE  SPRACHSCHATZ.  367 

Ags.  vade,  lat.  vado. 

Gotli.  fara,  gr.  noQSvo^iai -^  Fick  stellt  S.  110  dazu  gr.  neigco, 
skr.  piparmi  hinüberbringen. 

Goth.  qvima,  skr.  g'amämi,  gr.  ßaCvco,  lat.  venio. 

Goth.  sliupa^  gr.  egna,  lat.  serpo. 

Goth.  |)ragja,  gr.  tQsxo) ;  einige  noch  unsichere  Vergleichungen 
bei  Fick  S.  79. 

Ahd.  irru,  lat.  erro,  gr.  sqqg). 

Ahd.  ilu,  gr.  ittlXa,  skr.  irajämi. 

Ahd.  wichu,  gr.  tlxca. 

Goth.  steiga,  gr.  6tsC%c3  ,  skr.  stighnomi ,  stighnute ,  altsl.  (do-) 
stignati  (erreichen). 

Ahd.  hinku,  ski^,  khang'ämi,  gr.  6xät,co. 

Ahd.  spuato,  gr.  GtisvÖco^  lat.  studeo. 

Goth.  viga,  skr.  vahämi,  lat.  veho,  altsl.  veza. 

Goth.  vagja,  gr.  oxia. 

Goth.  hafja,  lat.  capio. 

Ahd.  stäm  (goth.  stauda),  lat.  sto,  lit.  stoju,  stovju,  skr.  tisthanii; 
gr.  lörrjfic. 

Goth.  sita^  lit.  sedmi,  sedu,  skr.  sidanii,  lat.   sedeo^  gr.  ^'^o^iat. 

Goth.  liga,  gr.  Isya,  altsl.  l§gci. 
Beginn  und  Ende: 

Altn.  hsetta  (cessare,  desinere),  lat.  cedo. 

Goth.  niuja,  lat.  novo. 

E  r  h  ö  h  u  n  g  und  Erniedrigung: 

Goth.  hneiva  (neige),  lat.  (con-")niveo,  gr.  vavco.  Dem  widerspricht 
aber  die  von  Leo  Meyer  und  Curtius  aufgestellte  Vergleiehung  von 
goth.  huaivja  (erniedrige)  und  gr.  vixdco. 

Ahd.  fallu,  lat.  fallo,  lit.  pülu,  gr.  GcrdXXcj,  skr.  sphalarai.  In  der 
Kieler  Monatsschrift  von  18.54,  S.  882  wird  dagegen  das  deutsche 
fallen  mit  lat.  pello,  gr.  iidXlG)  vereinigt. 

Besitz,  Gewinn,  Verlust: 

Goth.  leiba,  gr.  keCTia ,  lit.  leku,  likau,  lat.  liuquo,  skr.  riuak'mi. 
Auf  den  ersten  Blick  hat  es  etwas  sehr  Ansprechendes  ,  wenn  Fick 
S.  154  mit  den  fremden  Wörtern  nicht  goth.  leiban ,  sondern  goth. 
leihvan  (leihen)  zusammenstellt,  doch  sind  die  sprachlichen  Verwandten 
von  leiban  (s.  oben  laiba  unter  den  Substantiven)  dabei  zu  erwägen. 
Lachen  und  Weinen: 

Goth.  hlahja,  lit.  klegu,  lat.  clango,  gr.  nXüla,  skr.  karkämi. 

Ahd.  smielu,  skr.  smaje,  altsl.  sraejati,  lat.   miror,  gr.  iieiÖiciGi. 


368 


K.  föhsti:maxn 


Goth.  grcta,  skr.  Wurzel  krand  (nach  Lottner  in  Kuhns  Ztschr. 
XI,  187)  oder  hrad  (nach  Benfey  Orient  und  Occident  II,  341  und 
nach  Fick  S.  69). 

Ahd.  riuzu,  lat.  rudo,  skr.  rodäini,  lit.  raudoju. 

Goth.  tagrja,  gr.  daxgva. 

Ahd.  hl6]u  (mugio),  gr.  xAat'co;  da/Ai  lit.  kauliju  zanken)? 

Sprache,  am  Schlüsse  auch  der  Begriff  des  Z  e  i  g  e  n  s  : 

Ahd.  sagen,  lit.  sakau,  altlat.  (in-)sece,  gr.  sGJtars. 

Ahd.  sprehhu ,  lit.  spragu  (prassele) ,  gr.  öcpaguyaa  (rausche), 
skr.  sphurg'ämi  (donnere,  rausche). 

Goth.  haita,  skr.  kaitajämi  (auffordern). 

Ahd.  wahu  (erwähne),  ski\  vak'mi,  lat.  voco,  serb.  Inf.  vikati 
(vociferari),  gr.  slitov. 

Goth.  aika  (afaika  agvoü^Lai),  skr.  aha,  lat.  ajo,   gr.  )]nC. 

Goth.  qvitha,  skr.  Wurzel  kath. 

Ahd.  halom,  gr.  xaAe'üj,  lat.  calo,   skr.  k'hakarmi. 

Goth.  la]36n,  gr.  xltjtsvco. 

Ahd.  hlamom,  lat.  clamo. 

Goth.  namnja,  lat.  nomino. 

Goth.  naitja  (schmähe),  lett.  nidu  (hasse),  gr.  oveidi^ca,  skr.  nin- 
dämi  (verachte). 

Ahd.  (var-)wrizu  (verwünsche)  ,  skr.  vadämi  (spreche  ,  rufe), 
gr.  vdo),  aUöco,  lit.  vadinnu  (rufe). 

Ahd.  kviinju,  kümom,  lit.  gemo,  gr.  y^^co  (in  der  älteren  Bedeutung). 

Goth.  sila,  lat.  sileo. 

Goth.  ]iaha,  lat.  taceo ;  nach  Fick  dazu  skr.  tusjämi  zufrieden  sein. 

Ahd.  swigem,  gr.  aiyüa. 

Goth.  teiha,  lat.  dico,  skr.  diyämi,  gr.  Öblxi/vui. 

Goth.  tarhja,  gr.  ddfjxo),  skr.  dar^-ämi. 

Wie  bei  den  Substantiven ,  so  fuhrt  mich  auch  bei  den  Verben 
der  Begriff  der  Sprache  hinüber  zu  dem  des  Geistes.  Zuerst  verzeichne 
ich  dasjenige,  was  in  der  Sphäre  der  Liebe  imd  der  Begierde  hegt: 

Goth.  frijo,  gr.  cptk&ca,  altsl.  Inf.  prijati,  skr    prinärai. 

Ahd.  liubu,  altsl.  Ijubiti  (Inf.),  lat.  lubet,  skr.  lubhjami,  gr.  Xi.ixo^ui.. 

Goth.  vilja,  lit.  velyju,  lat.  volo,  gr.  ßovXo^ai,  skr.  vrnomi,  kvun-. 
gwyllysu.  Eine  ältere  Zusammenstellung  von  vilja  und  gr.  ^ekloj  ist 
wohl  als  beseitigt  anzusehen. 

Ahd.  gerom  (begehre),  gr.  xaCga,  skr.  harjämi  (liebe). 

Ahd.  eiscom  (heische),  altsl.  Inf.  iskati  (suchen),  skr.  Wurzel  is 
(verlangen). 


DER  ITRDEUTSCHE  SPRACHSCHATZ.  369 

Goth.  hilpa,  lit.  gelbnii  (helfe,  rette;  dagegen  nach  Fick  S.  37 
lit.  szelpiu  helfe),  skr.  Wurzel  kalp  (Causat.  von  kri). 

Goth.  jjrafstja,  gr.  TQSjia,  skr.  tarpärai.  Vielleicht  ist  statt  dessen 
an  griech.  tcqstico  zu  denken. 

Ahd.  kussju,  gr.  xvo),  xvvscs. 

Den  Gegensatz  hiezu  bilden  die  Bezeichnungen  des  Hasses 
und  was  damit  zusammenhängt: 

Goth.  fija,  skr.  pijami.  Lit.  bijau  (füi-chte)  wäre  mit  Schleicher 
hieher  zu  ziehen,  wenn  nicht  das  deutsche  beben  (s.  körperliche  Func- 
tionen) darauf  Anspruch  machte. 

Goth.  fleka  (klage) ,  lit.  plekiu  (schlage ,  altsl.  plakati  weine), 
gr.  jtXrjööG),  lat.  plango. 

Goth.  leha,  laia  (schmähe),  gr.  iXsyxco;  dazu  lit.  loju  (belle)? 

Ahd.  drawju,  gr.  xagßica^  skr.  targämi. 

Ahd.  triugu,  gr.  d^skyto,  skr.  druhjämi  (Fick  verbindet  S.  93  mit 
dem  gr.  Wort  das  skr.  dhragämi). 

Goth.  mampja,  gr.  fis^cpofiui,. 

Goth.  holo  (schade),  lat.  calvo,  gr.  x(olv(o. 

Denken,  fragen,  befehlen  und  andere  Thätigkeiten 
des  Geistes : 

Ahd.  sinnu,  lat.  sentio. 

Goth.  ]3agkja,  altlat.  tongeo.  Fick  S.  71  zieht  auch  gr.  rafftfco  herbei. 

Goth.  vait,  gr.  olda,  lat.  vidi,  altsl.  Inf.  videti  (sehen,  vedeti  wis- 
sen), skr.  vedmi,  altir.  Wurzel  fid. 

Ags.  cnäve  (ahd.  cnähu),  altsl.  znaja  (lit.  zinau),  gr.  yvad-i,  lat. 
gno-sco,  skr.  g'anämi. 

Goth.  kann,  von  Fick  S.  55  gleichfalls  mit  lit.  zinau,  skr.  g'anämi 
verbimdeu,  wird  von  Grimm  zu  gr.  yiyova^  lat.  genui,  altir.  Wurzel 
gen  gestellt;  vgl.  oben  goth.  keina. 

Ahd.  (ant-)seifu  (intelligo),  lat.  sapio, 

Goth.  hugja,  lat.  cogito. 

Ahd.  forscom,  lat.  posco,  skr.  prk'hämi.  Fick  S.  119  möchte  zu 
dieser  (oder  der  folgenden)  Gruppe  auch  gr.  TtgccöGa)  ziehen. 

Goth.  fraihna,  lat.  precor,  lit.  praszau;  auch  das  bei  der  vorigen 
Gruppe  angefiihrte  skr.  prk'hämi  wird  öfters  mit  diesen  Wörtern  zu- 
zammengestellt. 

Goth.  man,  gr.  fis^ova,  lat.  memini,  altsl.  Inf.  meniti. 

Ahd.  manom,  lat.  moneo,  skr.  raanje. 

Goth.  dars ,  (ga-)daursa ,  gr.  d'aQQi'a  ,  skr.  dharsämi ,  dhrsnomi, 
altsl.  driznati  (Inf.) 

UEKMAN'U.   Neue  Keilie   U.  (XIV.)   .T.tlirg.  24 


370  E.  FÖRSTEMANN 

Goth.  skal,  skr.  Wurzel  skhal,  lit.  skeiu.  Kuhn  hat  dazu  aucli 
gr.  GtpalXa  und  lat.  fallo  gestellt,  die  wir  oben  schon  bei  dem  Verbum 
fallen  erwähnten. 

Ahd.  lochom,  lat.  lacio. 
Goth.  reikino,  lat.  regno. 
Ahd.  traumju,  lat.  dormio,  altsl.  dremlja. 

Die  allgemeinen  Begriflfe  des  Seins  und  Thuns,  in  vorgerma- 
nischen Zeiten  aus  specielleren  Anschauungen  erwachsen,  mögen  hier 
den  Schluß  bilden: 

Goth.  im,  altir.  am,  gr.  el^i,  skr.  asmi,  lit.  esmi,  lat.  sum. 
Ahd.  bim,  skr.  bhavämi,  gr.  (pvco,  lat.  fui,  altsl.  Inf.  byvati. 
Goth.  visa,  skr.  vasämi  (wohne). 
Altn.  Inf.  aka,  gr.  aya,  lat.  ago,  skr.  ag  ämi. 
Alts,  dorn,  gr.  XLd-rj^t,  skr.  dadhämi,  altsl.  deja,  altir.  de-nim. 
Goth.  vaurkja,  gr.  sogya. 

Goth.  skapja,  gr.  GxccTtTca  (wohl  hieher  und  nicht  nach  oben  zu 
goth.  skaba). 

Es  bleiben  nun  noch  wenige  Verba  übrig,  die  sich  nicht  zu  den 
aufgestellten  Kategorieen  fügen  wollen   und   die  hier ,    ähnlich  wie  bei 
den  Substantiven,  als  Anhang  zusammen  angeführt  werden: 
Goth    aggvja  (beenge),  gr.  ocyxco,  lat.  ango. 
Goth.  hramja,  gr.  xgs^afiat. 
Goth.  maidja,  lat.  muto. 

Goth.  tamja,  skr.  damajämi,  lat.  domo,  gr.  decficco). 
Goth.  vrika    (verfolge) ,    lit.   vargau    (bedrängt   sein) ,    lat.  urgeo, 
gr.  e'igyvvfit,  skr.  vrnak'mi  (verdrängen). 

Bei  den  leicht  aus  einer  Classe  in  die  andere  übergehenden  PAR- 
TIKELN ist  es  für  so  alte  Zeiten  doppelt  schwer,  jedes  Wort  in  die 
Reihe  der  Adverbien,  Präpositionen  oder  Conjunctionen  sicher  einzu- 
reihen. Doch  versuchen  wir  möglichst  das  Verwandte  zusammenzu- 
ordnen und  beginnen  mit  entschieden  adverbialen  Ausdrücken: 

Ahd.  nu,  skr.  nu,  gr.  vvv,  lat.  num  (vgl.  auch  nü-dius),  altsl.  nyne. 

Goth.  gistra,  skr.  hjas,  gr.  x^^^f  ^^t.  heri. 

Mhd.  verneut,  vert  (im  vorigen  Jahr),  skr.  parut,  gr.  negvöt,. 

Ahd.  sär,  skr.  satra. 

Goth.  ju,  lit.  jau,  lat.  jam,  gr.  örj. 

Ahd.  fruo,  gr.  Ttgcot. 

Goth.  fairra,  gr.  tco^qco,  lat.  porro. 

Goth.  üt,  skr.  ud. 

Goth.  mais,  lat.  magis. 


DER  URDEUTSCHE  SPRACHSCHATZ.  371 

Alid.  sami-,  skr.  sämi-,  lat.  semi,  gr.  i]^i-. 

Goth.  sva  (so),  lat.  si-c. 

Goth.  sve  (wie),  gr.  gjif  (oder  lat.  si,  gr.  et?). 

Altn.  tor-,  gr.  dvg-. 

Goth.  -hun,  lat.  -cun,  skr.  -k'ana  (hvashun,  quicunque,  kaQk'aua). 
Verschiedene  Ansichten  in  Kuhns  Ztschr.  VII,  437;  XI,  78;  XII,  281. 

Dazu  die  beiden  Formen  der  einfachen  Negation: 

Goth.  ni-,  altsl.  ni-,  kelt.  ne-,  lat.  ne^,  gr.  vrj-,  skr.  na. 

Goth.  un-,  lat.  in-,  altir.  an-,  skr.  an-,  gr.  av-. 

Bei  den  Präpositionen,  zu  denen  wir  jetzt  kommen,  befolge 
ich  die  Ordnung ,  daß  ich  zuerst  die  einfacher  gestalteten  (mit  nur 
einem  Consonanten)  anführe: 

Goth.  af,  skr.  apa,  gr.  ccoio,  lat.  ab,  lit.  ap-. 

Goth.  uf,  skr.  upa,  gr.  vtio,  lat.  sub,  altsl.  po.  Dieses  altsl.  und 
lit.  po  scheint  in  der  That  aus  mehreren  Quellen  zusammengeflossen; 
im  Lit.  regiert  es  vier  verschiedene  Casus. 

Goth.  at,  lit.  at,  lat.  ad.,  skr.  adhi,  gr.  -O-i. 

Goth.  ana,  gr.  ccva,  lat.  an-  (anhelo),  skr.  anu,  altsl.  na. 

Goth.  in,  lat.  in,  gr.  iv,   altsl.  ni. 

Goth.  US,  lit.  isz,  gr.  eig,  skr.  nis;  zweifelhaft. 

Ahd.  bi,  lat.  ob,  gr.  sttl,  skr.  abhi,  altsl.  obü.  Hier  ist  eine  sau- 
bere Sonderung  von  den  an  die  deutsche  Präposition  um  sich  anschlie- 
ßenden Bildungen  noch  kaum  möglich. 

Goth.  ga-,  lat.  co-,  altsl.  kü. 

Goth.  du  (ahd.  zuo),  lat.  (in-)du,  poln.  do  (iett.  da),  zend.  -da, 
gr.  -ds. 

Nun  die  mit  mehi'eren  Consonanten: 

Goth.  and,  gr.  ccvtl,  skr.  anti,  lit.  ant^  lat.  ante(-d). 

Ahd.  umbi,  gr.  aacpC,  lat.  amb,  gall.  ambi ;  das  skr.  abhi  und 
altsl.  obü  sind  kaum  von  hier,  eben  so  wenig  aber  von  dem  oben  an- 
geführten bi  zu  trennen. 

Goth.  undar^  lat.  infra  (osk.  anter),  skr.  adharä, 

Ahd.  hintar,  umbr.  hondra. 

Goth.  ufar,  gr.  vit^g,  lat.  super,  skr.  upari. 

Goth.  fra-,  fair-,  skr.  parä,  pare,  gr.  -Jiagä,  naQaC,  lat.  per,  lit.  par^ 
per,  pra.  Hier  können  lange  nicht  alle  mannigfaltigen  Bildungen  von 
diesem  Stamme  (z.  B.  ahd.  furi,  lat.  prae,  pro,  gr.  nagC^  tiqÖ  u.  s.  w.) 
angeführt  werden;  vgl.  goth.  faura,  gr.  näoog,  skr,  puras.  Die  Son- 
derung einzelner  Gruppen  stößt  hier  noch  auf  unlösliche  Schwierig- 
keiten. 


372  HffiFER,  ZU  GERM.  14,  211. 

Goth.  tlis-  (ahd,  zar-),  lat.  dis-,  gr.  dW,  skr,  vi-. 

Goth.  rai]),  gr.  /ttfra,  skr.  mithu  (zend.  mat);  oder  skr.  sraat? 

Die  Conjunctionen  sind  noch  höchst  einfach  und  wenige  an  Zahl: 

Goth.  -k  (mi-k"),  skr.  -gha,  -ha,  pr.  ys. 

Goth.  -H,  skr.  -k'a,  gr.  t£,  lat.  que. 

Goth.  ith,  lat.  et,  gr.  hi,  skr.  ati. 

Goth.  -u  (Fragepartikel),  lat.  -ve. 

Dazu  noch  di'ei  zusammengesetzte: 

Ahd.  jo-h,  gr.  hv-xs. 

Goth.  ni-h,  lat.  ne-c,  lit.  ne-gi. 

Goth.  ni-u,  lat.  ne-ve. 

Von  den  Conjunctionen,  den  höchsten  Geistesblüthen  der  mensch- 
lichen Rede,  sinkt  das  gewöhnliche  System  der  Wörterclassen  plötzlich 
herab  zu  den  Interjectionen,  diesen  Resten  der  Thiersprache.  Kaum 
Wörter  zu  nennen,  entziehen  sich  diese  Ausrufe  großentheils  der  Sprach- 
vergleichung und  bieten  für  sie  wenig  Interesse  dar.  Hier  mag  bloß 
auf  die  Ähnlichkeit  zwischen  goth.  vai,  gr.  oval  und  lat.  vae  hinge- 
wiesen werden. 

Das  wären  also,  so  weit  wir  bis  jetzt  sehen,  diejenigen  Bestand- 
theile  unseres  urdeutschen  Sprachschatzes ,  welche  wir  mit  größerer 
oder  geringerer  Sicherheit  der  ältesten  Schicht  desselben  zuschreiben 
können.  Der  Culturgrad  und  damit  der  Begriffsschatz,  welcher  in  diesen 
Ausdrücken  sich  abspiegelt,  wird  erst  dann  in  ein  helleres  Licht  treten, 
wenn  wir  die  zweite  Schicht,  die  slavogermanische,  daran  halten,  und 
wir  versparen  uns  deshalb  alle  dahin  einschlagenden  Bemerkungen  bis 
auf  diesen  zweiten  Theil  unserer  Aufgabe. 
DRESDEN  den  31.  März  1869. 


ZU  GERM.  14,  211, 


Das  daselbst  besprochene  Verbum  sioummen  steht,  was  ich  über- 
sehen habe,  auch  in  der  Präf.  rhythm.  zum  Sachsensp.  v.  12:  wenne 
swer  so  swümmen  nicht  ne  kan,  wil  he  deme  loazzere  wizen  daz,  wo  Ett- 
müller  nach  den  Liedern  Wizlavs  S.  52  wieder  swimmen  eingedrängt 
hat,  ohne  auch  nur  in  der  Note  seine  Änderung  zu  kennzeichnen.  Ho- 
meyer  ed.  3  S.  124  gibt  keine  andere  Lesart  als  sicimmen ,  das  er  je- 
doch mit  SV  schreibt. 

GR.  im  Juni  18r,9.  HCEFER. 


373 


LITTERATÜR. 


Meister  Eckhart,  der  Mystiker.  Zm-  Geschichte  der  religiösen  Speculation  in 
Deutschend.  Von  Adolf  L  as  so  u.  Berlin  1868,  beiW.Hertz.  8".  XXu.354  SS. 

PfeiflFer  hat  durch  seine  Ausgabe  der  deutschen  Mystiker  sich  das  große  Ver- 
dienst erworben,  die  Forschung  auf  diesem  Felde  in  weiteren  Kreisen  angeregt  und 
für  das  Studium  der  mystischen  Theologie  eine  sichere  G-rundlage  geschaffen  zu 
haben.  Es  war  natürlich,  daß  sich  das  Interesse  vornehmlich  dem  Meister  Eckhart 
zuwendete,  auf  den  schon  Carl  Schmidt  und  Martensen  durch  verdienstvolle  Ar- 
beiten hingewiesen  hatten,  und  hinter  dem  die  verhältnissmäßig  wenigen  und  viel- 
fach verderbten  Überreste  seiner  Predigten  und  Abhandlungen  eine  Größe  von  ganz 
ungewöhnlicher  Art  erwarten  ließen.  So  ist  denn ,  seit  Pfeiffer  ein  reicheres  und 
zuverlässigeres  Material  zu  Eckhart  gebracht  hat,  eine  Art  von  Wetteifer  entstan- 
den, das  Dunkel  zu  lichten,  das  vielfach  noch  über  dem  Leben  und  der  Lehre  des 
gi'oßen  Meisters  liegt,  und  immer  noch  wird  jede  neue  Arbeit  über  Eckhart  mit 
Begierde  ergriffen,  da  im  Vergleich  zu  dem,  was  hier  noch  zu  leisten  ist,  das  bis- 
her Geleistete  noch  nicht  sehr  weit  über  den  Anfang  hinaus  reicht. 

Eine  der  jüngsten  Arbeiten  über  Eckhart  ist  die  uns  vorliegende  Schrift  Las- 
sons,  die  zwar  über  das  Leben  Eckharts  nichts  Neues  bringt,  aber  als  ein  werth- 
voller  Beitrag  zum  Verständniss  seiner  Lehre  und  der  Mystik  überhaupt  begrüßt 
w«rden  muß.  Es  ist  nicht  schwer  zu  erkennen,  mit  welcher  Liebe  und  Sorgfalt  der 
Verfasser  in  die  Tiefen  der  mystischen  Speculation  einzudringen  versucht  hat,  und 
dankbar  nimmt  der  Leser  vielfache  Aufschlüsse  entgegen,  die  ihm  hier  ein  philo- 
sophisch gebildeter  Geist  über  einzelne  Lehren  Eckharts  so  wie  über  die  Bezie- 
hungen derselben  zu  andern  Philosophemen  oder  religiösen  Auffassungen  bietet. 
Aber  es  sind  hinwieder  sehr  wesentliche  Puncte,  es  ist  die  Auffassung  der  Princi- 
pien  der  Eckhartischen  Speculation,  hinsichtlich  deren  Recensent  dem  Verfasser 
widersprechen  muß.  Ich  gedenke  an  einem  andern  Orte  mich  hierüber  mit  dem 
Verfasser  auseinanderzusetzen  und  will  hier  nur  andeuten,  in  welcher  Richtung 
meine  Einwürfe  gegen  seine  Auffassung  liegen.  Ich  halte  es  für  unrichtig,  wenn 
Lasson  als  das  letzte  und  höchste  Ziel  der  Mystik  Eckharts  das  Untergehen  oder 
Einswerden  der  Seele  mit  dem  unoffenbaren,  unterschiedslosen,  sich  selbst  nicht 
bewussten  Wesen  der  Gottheit  bezeichnet;  das  Höchste  ist  für  Eckhai-t  vielmehr  die 
Offenbarung  des  dreieinigen  Gottes  (die  Geburt  des  Sohnes)  in  der  dem  unoffen- 
baren Wesen  der  Gottheit  gleichgewordenen  Seele.  Das  Entwerden,  das  „Nicht 
werden"  der  Seele  ist  Mittel,  die  Offenbarung  Gottes  im  „Nicht"  ist  Ziel.  Eine 
zweite  sehr  wesentliche  Differenz,  in  der  ich  mich  mit  Lasson  befinde,  bezieht  sich 
auf  Lassons  Behauptung,  daß  es  Eckhart  nicht  gelinge,  aus  dem  Begriff  des  We- 
sens Gottes  das  Anderssein,  die  Vielheit,  die  Realität  des  Endlichen  abzuleiten, 
und  daß  somit  die  Verbindung  von  Einem  und  Vielem,  von  Ruhe  und  Bewegung 
bei  Eckhart  ein  vollkommener  Widerspruch  bleibe.  „Die  Begriffe,  mit  denen  Eck- 
hart operiert,  sind  doch  zu  wenig  klar,  seine  Methode  trägt  zu  sehr  aphoristischen 
Charakter,  als  daß  ihm  sein  ernstes  Streben  (den  Begriff  des  Absoluten  und  dessen 
Verhältniss  zum  offenbaren  Sein  dem  Denken  zu  vermitteln)  hätte  gelingen  können." 
Als  ich  dies  auf  S.  122  las,  kam  mir  in  Erinnerung,  was  ich  im  Vorwort  gelesen 
hatte:  „Bei  Eckhart  ist  es  die  Schuld  des  Darstellers,  wenn  nicht  ein  wohlgefugtes 


374  LITTERATUK. 

Ganzes  fest  bestimmter  BegriiFe,  sonderu  eine  Summe  von  locker  zusammenhän- 
genden ungefähren  Vorstellungen  für  seine  Lehre  ausgegeben  wii-d",  und  ich  muß 
gestehen,  daß  ich  wenig  Zusammenhang  zwischen  beiden  hier  nebeneinander  ge- 
stellten Äußerungen  finde.  Den  Grund,  warum  der  Verf.  mehrfach  Unklarheiten 
und  Widersprüche  bei  Eckhart  gefunden  hat,  scheint  mir  die  Anlage  seines  Buches 
zu  verrathen.  Die  Art,  wie  er  die  Aussagen  Eckharts  unter  die  einzelnen  Auf- 
schriften und  Rubra  zusammenträgt,  ist  selbst  zu  aphoristisch  und  fragmentarisch. 
Er  vergleicht  zu  wenig  die  einzelnen  Stellen  miteinander  und  gewinnt  so  häufig  den 
Gesichtspunkt  nicht,  unter  welchem  das  Verschiedene  in  Harmonie  sich  darstellt. 
Gewiß  würde  dann  auch  das  Resultat,  das  aus  der  Menge  der  Citate  aus  Eckhart 
gewonnen  werden  sollte,  reiner  und  klarer  herausgestellt  und  zusammenhängender 
dargelegt  worden  sein,  während  wir  es  uns  jetzt  mehr  aus  den  vereinzelten  Bemer- 
kungen Lassons  zu  den  verschiedenen  Stellen  zusammentragen  müssen,  und  dann  aller- 
dings eben  so  oft  wie  der  Verfasser  zu  einer  einheitlichen  AuflFassung  nicht  gelangen 
können.  Mit  dinem  Worte:  das  Stoffliche  scheint  mir  zu  wenig  durchdrungen  und 
beherrscht.  Noch  einen  anderen  Mangel  möchte  ich  in  diesem  Zusammenhange  an- 
deuten. Man  muß  doch  annehmen,  daß  Eckhart  selbst  verschiedene  Stadien  der 
Entwicklung  durchgemacht  undManches  im  Laufe  der  Zeit  abgestreift  habe  was  er 
vorher  noch  zu  dem  Seinen  rechnete.  Es  wäre  darum  eine  dringende  Aufgabe  ge- 
wesen, vor  der  Darstellung  der  Eckhartischen  Lehre  die  Gruppierung  einer  Anzahl 
von  Schriften  Eckharts  nach  der  Zeit  ihrer  Entstehung  wenigstens  zu  versuchen. 
W(!lche  verwirrende  Bilder  würden  wir  von  mehreren  unserer  bedeutenden  Philoso- 
phen erhalten,  wenn  wir  nicht  beachten  würden ,  in  welche  Periode  ihrer  Entwick- 
lung die  einzelnen  Aussagen  derselben  fallen.  Ich  gestehe  zu,  daß  es  schwer  ist, 
die  Schriften  Eckharts  nach  Zeitperioden  zu  gruppieren,  aber  die  Aufgabe  ist  un- 
erlässlich.  Einige  Andeutungen  hiezu  habe  ich  in  meinen  Vorarbeiten  zu  einer  Ge- 
schichte der  deutschen  Mystik  im  13.  und  14.  Jhd.  (Zeitschrift  für  histor.  Theologie 
von  Niedner  und  Kahnis  1869  I,  S.  59  u.  S.  68  ff.)  zu  geben  versucht.  Auch  nach 
einer  andern  Seite  hin  ist  Vorsicht  bei  Benützung  Eckhartischer  Aussagen  geboten. 
Es  lässt  sich  z.  B.  nicht  rechtfertigen,  wenn  Lassen  in  einer  der  schwierigsten  Fragen 
der  Eckhartischen  Lehre  Stellen  benützt,  wie  jene  bei  PfeiiFer  S.  608,  wo  schon  die 
Überschrift  („Meister  Eckhart  und  auch  andere  Meister  sprechen",  „nun  spre- 
chen die  Meister")  anzeigt,  daß  wir  hier  keine  genuinen  Eckhartischen  Sätze,  son- 
dern nur  eine  Zusammenfassung  verwandter  Ansichten  verschiedener  Meister  vor 
uns  haben.  Warum  sollen  wir  Eckhart  durch  das  Medium  einer  fremden  Auftassung 
vernehmen,  für  deren  Zuverlässigkeit  wir  keine  Gai-antie  haben,  wenn  wir  doch 
aus  der  Quelle  unmittelbar  schöpfen  können?  Ist  es  nicht  genug,  daß  uns  hier 
schon  das  Ungeschick  der  Abschreiber  oft  Schwierigkeiten  genug  macht?  Doch  ist 
die  Benützung  solcher  Stellen,  wie  die  oben  angeführte,  soviel  ich  sehe,  bei  Lasson 
nicht  häufig,  und  anderseits  hat  Lasson  selbst  auf  die  Kritik  des  Eckhartischen 
Textes  eine  sehr  dankenswerthe  Sorgfalt  verwendet,  wie  eine  Vergleichung  seiner 
Verbesserungsvorschläge  mit  dem  Texte  bei  Pfeiffer  erkennen  lässt. 

Wenn  ich  mich  auf  diese  Andeutungen  über  Lassons  Auffassung  und  Dar- 
stellung der  Eckhartischen  Lehre  beschränke,  so  geschieht  es,  um  noch  einigen 
Raum  zu  gewinnen  für  Bemerkungen,  die  ich  zu  Lassons  Angaben  über  das  Leben 
Eckharts  machen  möchte,  sowie  für  ein  wenn  auch  kurzes  Referat  über  die  Acten 
zum  Processe  Eckharts.  Es  schien  mir  passend,  gerade  in  dieser  Zeitschrift  den 
Anlaß,  der  sich  mir  bietet,  für  ein  solches  Referat  zu  benützen,  da  es  Franz  Pfeiffer 


LITTERATUR.  375 

Tvar,  dessen  Bemühungen  es  gelungen  ist,  eine  Abschrift  dieser  im  vaticanischen 
Archiv  befindlichen  Actenstücke  zu  erlangen.  Die  Aetenstücke  selbst  sind  vor  Kur- 
zem mit  einer  Darstellung  des  Processes  in  den  Denkschriften  der  k.  Akademie  der 
Wissenschaften  zu  München  von  mir  veröffentlicht  worden*). 

Ich  bedaure  es,  daß  Lasson  seine  Forschungen  über  Eckharts  Leben  nicht 
weiter  ausgedehnt  und  sich  im  Wesentlichen  auf  das  was  Quetif  und  Carl  Schmidt 
bringen,  beschränkt  hat.  Gerade  hier  ist  vereinte  und  fortwährende  Forschung  nö- 
thig,  da  wir  über  Eckharts  Leben  noch  so  wenig  wissen.  Über  Eckharts  Heimat 
führt  Lasson  nur  die  beiden  sich  widersprechenden  Angaben,  daß  er  aus  Straßburg 
und  daß  er  aus  Sachsen  stamme,  an.  Es  hätte  sich  der  Mühe  verlohnt,  den  Gründen 
für  die  eine  oder  andere  Annahme  nachzugehen.  Die  Möglichkeit,  zu  einem  be- 
stimmten Resultate  zu  gelangen,  glaube  ich  in  meinen  Vorarbeiten  (a.  a.  0.  S.54  ff. 
61  ff.)  gezeigt  zu  haben.  Er  stammt  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  aus  Thüringen. 
Eckharts  Tod  wird  von  Lasson  in  die  Zeit  vom  13.  Febr.  1327  bis  27.  März  1329 
gesetzt.  Eekhart  hat  am  13.  Februar  einen  angeblichen  Widerruf  geleistet, 
am  22.  Februar  1327  ist  er  noch  einmal  vor  den  Inquisitoren  des  Erzbischofs  von 
Cöln  erschienen,  und  am  27.  März  1329  bezeichnet  ihn  die  Bulle  des  Papstes  als 
einen  Verstorbenen,  Lasson  spricht  später  die  Vermuthung  aus,  daß  er  zu  Anfang 
des  J.  1329  gestorben  sei.  Allein  Lasson  ist  entgangen,  daß  Mone  im  2,  Bande 
seiner  Quellensammlung  zur  badischen  Landesgeschichte  einen  Auszug  aus  Johannis 
lib.  de  viris  illustribus  ordinis  praedic.  bringt,  in  welchem  sein  Tod  in  das  Jahr  1327 
gesetzt  wird.  Wie  ich  aus  den  handschriftlich  zu  Basel  und  Straßburg  vorhandenen 
Arbeiten  dieses  Geschichtschreibers  des  Dominicanerordens  Johann  Meyer  von  Zü- 
rich ersehen  habe,  hat  derselbe  sehr  genaue  Quellen  für  seine  chronologischen  An- 
gaben gehabt  und  es  ist  nicht  der  geringste  Grund  vorhanden,  jene  Angabe  in 
Zweifel  zu  ziehen. 

Lasson  sagt:  .Zuerst  begegnen  wir  Eckhart  im  J.  1302  als  hochberühmten 
Lehrer  in  Paris."  Allein  daß  er  vorher  Prior  zu  Erfurt  und  Vicarius  in  Thüringen 
gewesen  sei,  ist  nach  allen  Umständen  so  gut  als  gewiß  (vgl.  meine  Vorarbeiten 
a.  a.  0.  54  ff.  59  ff.).  Lasson  fährt  fort:  „Er  hielt  am  Collegium  St.  Jacob  öffent- 
liche Vorlesungen  mit  dem  Charakter  und  Range  eines  Magisters  der  hl.  Schrift." 
Dies  ist  ungenau.  Eckhart  las  in  Paris  zwei  Jahre  als  lector  biblicus  und  bacca- 
laureus,  um  Licentiat  und  dann  Magister  zu  werden,  und  als  Magister  las  er  viel- 
leicht noch  im  J.  1302/3,  sicher  aber  im  J.  131  l/l2.  Lasson  bringt  sodann  Quetifs 
Angabe,  daß  ihn  der  Papst  im  J.  1302  nach  Rom  berufen  und  zum  Doctor  ernannt 
habe.  Quetif  schließt  dies  aus  einer  Angabe,  die  er  in  dem  ihm  vorliegenden  Ver- 
zeichniss  der  Pariser  Magister  des  Dominicanerordens  gelesen  haben  will ,  wo  es 
heiße  'licentiatus  per  Bonifacium  VIII.  a.  1302.'  Ich  habe  in  meinen  'Vorarbeiten' 
(a.  a.  O.  15  ff.  u.  55  ff.)  meine  Zweifel  gegen  diese  Angabe  geltend  gemacht  und 
will  hier  nur  hervorheben,  daß  die  aus  Eckharts  Zeit  herstammende  Frankfurter 
Handschrift  des  Magisterverzeichnisses  den  Zusatz  'per  Bonifacium  VIII,'  auf  wel- 
chem Quetifs  Angabe  beruht,  nicht  hat.  Daß  Eckhart  im  J.  1311/12  als  Magister 
zu  Paris  gelesen  habe,  wird  aus  folgenden  Andeutungen  sich  ergeben.  Martene  hat 
im  6.  Band  seiner  Vetei'um  scriptorum  et  monumentorum  coUectio  ein  bisher  für 
Eckhart  übersehenes  Verzeichniss  der  Provinzialprioren  Sachsens  aus  dem  14.  Jahr- 


*)  Meister  Eckhart  und  die  Inquisition,  München  1869.  Verlag  der  k.  Akademie» 
in  Comm.  bei  G.  Franz. 


376  LITTERATUR. 

hundert  mitgetheilt.  Aus  diesem  wie  aus  der  Chronik  des  Klosters  Lothen  (bei  Mei- 
bom Rer.  germ.  II)  erhellt,  daß  Eckhart  bis  zum  J.  1311  Provinzialprior  von 
Sachsen  gewesen  sei,  wonach  er  also  nicht,  wie  man  bisher  angenommen  hat,  durch 
den  Auftrag  vom  J.  1307,  die  Klöster  in  Böhmen  zu  visitieren,  sein  Amt  als  Pro- 
vinzialprior in  Sachsen  verloren  haben  kann.  War  aber  Eckhai-t  bis  zum  J.  1311 
Provinzialprior  in  Sachsen,  dann  geht  aus  den  Acten  der  Generalcapitel  zum  J.  1311 
hervor,  daß  er  es  war,  der  in  jenem  Jahre  nach  Paris  gesendet  wurde,  um  die  von 
ihm  bisher  noch  nicht  vollzogene  herkömmliche  Aufgabe  zu  erfüllen,  zu  Paris  sein 
zweites  oder  sein  erstes  und  zweites  Jahr  als  Magister  zu  lesen  (vgl.  meine  Vor- 
arbeiten S.  65  ff.).  Hiedurch  erhält  nun  auch  eine  interessante  Notiz,  die  ich  erst 
kürzlich  in  dem  von  Johann  Meyer  herrührenden  Verzeichniss  der  Provinzialcapitel 
der  Dominicaner  in  der  Ordensprovinz  Deutschland  fand,  das  erwünschte  Licht. 
In  diesem  handschriftlich  zu  Basel  befindlichen  Verzeicjmiss  wird  nämlich  zu  dem 
im  J.  1310  zu  Speier  abgehaltenen  Capitel  bemerkt:  'flic  electus  fuit  magister 
Eckardus  in  provincialem,  sed  cassata  fuit  electio'  etc.  Die  Provinzialcapitel  traten 
im  Sommer  oder  Herbste  zusammen.  Der  hier  zum  Provinzialprior  Designierte  musste 
vom  Generalcapitel  des  folgenden  Jahres  bestätigt  werden.  So  hatte  man  also  in 
der  Provinz  Deutschland  den  Fall,  daß  nach  den  Ordensgesetzen  die  2.  Provinzia- 
latsperiode  Eckharts  in  Sachsen  mit  dem  J.  1311  zu  Ende  gehen  musste,  in  Aus- 
sicht genommen,  und  ihn  für  die  Provinz  Deutschland  zu  gewinnen  gesucht.  Allein 
der  Umstand,  daß  das  Generalcapitel  vom  J.  1311  seine  Verwendung  in  Paris  für 
entsprechender  hielt,  verhinderte  die  Bestätigung  der  zu  Speier  auf  ihn  gefallenen 
Wahl.  Auch  über  die  Zeit  von  Eckharts  Straßburger,  Frankfurter  und  Cölner  Auf- 
enthalt lässt  sich  jetzt  nach  den  von  mir  mitgetheilten  Untersuchungen  (Vorarbeiten 
a.  a.  0.  S.  68  ff.)  Bestimmteres  angeben,  und  jene  Angabe  Lassons,  daß  er  nach 
dem  J.  1322  als  Prior  nach  Frankfurt  gekommen  sei,  erweist  sich  als  nicht  richtig. 
Wenn  Lasson  sodann  die  zuerst  von  Schmidt  mitgetheilte  urkundliche  Nachricht, 
daß  Eckhart  zu  Frankfurt  wegen  schlimmer  und  vei'dächtiger  Verbindungen  in  Un- 
tersuchung gekommen  sei,  so  deutet,  daß  sein  vertrauter  Umgang  mit  den  Nonnen 
zu  sittlicher  Verdächtigung  des  edlen  Mannes  benützt  worden  sei,  so  ist  dies  gleich- 
falls ein  Irrthum.  Unter  der  mala  familiaritas'  wurde,  wie  die  Ordensconstitutionen 
ausweisen  (vgl.  meine  Vorarbeiten  S.  74  ff.),  der  Umgang  mit  Ketzern  verstanden. 
Auch  ist  es  falsch,  wenn  Lasson  mit  Schmidt  unter  jenem  Provinzialprior  Deutsch- 
lands, welcher  im  J.  1326  zu  Paris  abgesetzt  wurde,  den  Meister  Eckhart  vermu- 
thet.  Wie  sich  aus  den  Verzeichnissen  der  Provinzialprioreu  Deutschlands,  von 
denen  ich  eines  in  meinen  Vorarbeiten  mitgetheilt  habe,  ergibt,  war  Eckhart  nie 
Provinzialprior  in  Deutschland  und  der  im  J.  1326  zu  Paris  abgesetzte  Provinzial- 
prior war  Heinrich  von  Grüningen  *). 

Wir  kommen  nun  mit  Lasson  zu  dem  letzten  bedeutenden  Ereignisse  in  Eck- 
harts Leben,  zu  dem  von  dem  Erzbischof  von  Cöln  gegen  ihn  eingeleiteten  Inqui- 


*)  Nicht  Jakob  von  Felsberg,  wie  ich  in  meinen  Vorarbeiten  auf  Grund  einer 
virkundlichen  Notiz  von  Lamatsch  (Beiträge  zur  Geschichte  des  Dominicanerordens 
S.  182)  angegeben  habe.  Denn  wie  ich  nun  aus  der  Baseler  Handschrift  von  Job.  Meyers 
Verzeichniss  der  Provinzialcapitel  ersehe ,  muß  Lamatsch  eine  Un^enauigkeit  in  der 
Inhaltsgabe  seiner  Urkunde  sich  haben  zn  Schulden  kommen  lassen.  Nach  jenem  Ba- 
seler Verzeichniss  ordnet  sich  jetzt  die  Reihenfolge  der  Provinzialprioreu  Deutschlands 
also:  Jakob  von  Felsherg  1.316 — 1.S22,  Heinrich  von  Grüningen  (sein  zweites  Provin- 
zialat)   1323—1326,  Heinrich  von  Lingo  (Cinguo?)  1326  —  1331  etc. 


LITTEKATUK.  377 

sitionsprocess.  Da  Lasson  über  den  Inhalt  der  im  vaticaiiischen  Archiv  aufbewahr- 
ten Actenstücke  zu  diesem  Processe  nur  das  kannte,  was  das  von  Waitz  in  Paris 
aufgefundene  Verzeichniss  vaticanischer  Archivalien  in  Kürze  und  ungenau  als  den 
Inhalt  derselben  angibt,  so  waren  irrthümliche  Angaben  und  Schlüsse  in  Bezug  auf 
diesen  Process  schwer  zu  vermeiden.  Nach  den  Urkunden  war  der  Hergang  in  Kürze 
folgender.  Auf  dem  Generalcapitel  der  Dominicaner  zu  Venedig  im  J.  1325  war 
die  Klage  laut  geworden,  daß  in  der  Ordensprovinz  Deutschland  von  Brüdern  des 
Ordens  in  der  Landessprache  Dinge  gepredigt  würden,  wodurch  das  unwissende 
Volk  zum  Irrthum  verführt  werde.  Im  Zusammenhang  mit  dieser  Anklage  steht  es, 
wenn  der  Papst  den  damaligen  Lector  der  Dominicaner  zu  Cöln,  den  Bruder  Ni- 
kolaus von  Straßburg,  zu  seinem  Specialinquisitor  ernennt,  um  Leben  und  Lehre 
der  Brüder  in  der  Ordensprovinz  Deutschland  zu  untersuchen.  Daß  mit  jener  Klage 
vom  J.  1325  niemand  anders  als  Eckhart  und  seine  Schule  gemeint  gewesen  sei, 
ergibt  sich  daraus,  daß  es  der  Lector  zu  Cöln  war,  welchen  der  Papst  beauftragte, 
und  daß  Eckharts  Lehre  im  Jahre  1326  Gegenstand  der  Untersuchung  durch  Ni- 
kolaus ist.  Eckharts  Sache  gieng  siegreich  aus  der  Untersuchung  hervor,  wenig- 
stens wurde  er  vom  Verdachte  der  Häresie  frei  gesprochen.  Aber  mit  diesem  Aus- 
gange war  der  Erzbischof  Heinrich  von  Cöln,  vielleicht  der  Urheber  der  Anklage, 
keineswegs  zufrieden.  Er  ließ  durch  sein  Inquisitionsgericht  die  Sache  Eckharts 
wieder  aufnehmen,  und  seine  Inquisitoren,  der  Canonicus  Re}Tier  und  der  Minorit 
Albert  von  Mailand,  ließen  zuerst  an  Nikolaus  die  Aufforderung  ergehen,  sich  am 
14.  Januar  1327  vor  ihr  Gericht  zu  stellen.  Sie  wollten  offenbar  von  ihm  das  Nä- 
here über  die  von  ihm  geführte  Untersuchung  vernehmen.  Nikolaus  kam  nun  auch, 
begleitet  von  nicht  weniger  als  zehn  Mitgliedern  seines  Ordens,  darunter  dem  Prior 
von  Cöln  ;  aber  er  kam  nur,  um  Protest  gegen  das  Gericht  zu  erheben  und  seine 
Weigerung,  demselben  Rede  zu  stehen,  zu  motivieren.  Nachdem  er  den  Vorwurf 
der  Häresie,  welcher  gegen  den  Orden  erhoben  worden  war,  einfach  zurückgewiesen 
hatte,  begründete  er  die  Incompetenz  des  erzbischöflichen  Gerichts  einerseits  da- 
mit, daß  durch  ihn,  den  Specialinqiaisitor  des  Papstes,  die  Sache  bereits  rechtskräftig 
entschieden  sei,  und  anderseits  mit  dem  Hinweis  auf  das  Privilegium  seines  Ordens, 
welcher  vom  Papste  mit  der  Inquisition  gegen  die  Häresie  betraut  worden  sei.  Hierauf 
kündigte  er  an,  daß  er  an  den  päpstlichen  Stuhl  appelliere  und  forderte  von  dem 
Gerichte  die  Anerkennung  dieser  Appellation.  Nun  stellten  zwar,  dem  Herkommen 
gemäß,  die  Inquisitoren  eine  Entscheidung  über  die  Annahme  der  Appellation  inner- 
halb der  gesetzlichen  Frist  (30  Tage)  in  Aussicht,  hielten  aber  nichtsdestoweniger 
an  demselben  Tage  eine  abermalige  Sitzung,  um  in  dieser  das  Processverfahren 
gegen  Nikolaus  selbst  einzuleiten.  Da  erschien  Nikolaus,  der  davon  gehört  hatte, 
am  folgenden  Tage  mit  einem  zweiten  weit  heftigeren  Proteste,  erneuerte  seine 
Appellation  und  erklärte,  daß  er  am  4.  Mai  die  Streitsache  vor  den  päpstlichen 
Stuhl  bringen  werde.  Wie  Nikolaus  so  war  auch  Eckhart  vorgeladen  worden  und 
zwar  auf  den  31.  Januar.  Er  kam  aber  schon  am  23.  Januar  mit  fünf  Brüdern 
seines  Ordens,  um  durch  seinen  Ordensbruder  Konrad  von  Halberstadt  einen  Pro- 
test verlesen  zu  lassen,  in  welchem  er  das  bisherige  Verhalten  der  erzbischöflichen 
Inquisitoren  gegen  ihn  mit  dem  größten  Freimuth  und  in  scharf  einschneidender 
Weise  zur  Sprache  brachte,  den  Vorwurf  der  Häresie  zurückwies,  das  erzbischöf- 
liche Gericht  für  incompetent  erklärte  und  an  den  päpstlichen  Stuhl  appellierte. 
Auch  er  will  wie  Nikolaus  am  4.  Mai  jenes  Jahres  seine  Sache  dort  vertreten.  Man 
antwortete  ihm,  daß  er  am  Tage  vor  dem  Ablauf  der  gesetzlichen  Frist  —  also  am 


378  LITTERATUE. 

22.  Februar  —  Bescheid  erhalten  werde,  ob  man  die  Appellation  für  zuliissig  halte 
oder  nicht.  Nachdem  auf  diese  Weise  das  erzbischöfliche  Inquisitionsgericht  von 
Nikolaus  und  Eckhart  zurückgewiesen  worden  war,  erfolgte  wenige  Wochen  später, 
am  13.  Februar,  in  der  Dominicanerkirche  zu  Cöln  jene  Erklärung  Eckharts, 
welche  als  ein  wenn  auch  bedingter  Widerruf,  den  er  vor  den  erzbischöflichen  In- 
quisitoren abgelegt  habe,  aufgefasst  worden  ist.  Allein  Eckhart  hat  mit  dieser  Hand- 
lung weder  seine  Bereitwilligkeit  erklärt,  sich  dem  Inquisitionsgerichte  des  Erz- 
bischofs zu  unterwerfen,  noch  auch  vor  den  Mitgliedern  des  Gerichtshofs  seine  Erklä- 
rung abgegeben.  Sie  ist  geschehen,  ohne  daß  die  Inquisitoren  davon  in  Kenntniss 
gesetzt  worden  oder  anwesend  sind,  und  stellt  sich  als  ein  Versuch  heraus,  der  durch 
das  Vorgehen  des  erzbischöflichen  Gerichts  entstandenen  Verläumdung  den  Boden 
zu  entziehen,  so  wie  für  den  in  Avignon  bevorstehenden  Process  ein  günstiges  Vor- 
urtheil  zu  erwecken.  Eckbart  nimmt  in  dieser  Erklärung  nicht  das  Geringste  zurück. 
Er  erklärt,  daß  er  den  Irrthum  verabscheue,  und  daß  er  alles  Irrthümliche  wider- 
rufe, Avas  sich  in  seiner  Lehre  finden  sollte.  Er  sagt,  daß  er  dies  insbesondere  da- 
rum erkläre,  weil  er  höre,  daß  man  ihn  übel  verstanden  habe.  Er  macht  nun  einige 
ihm  zugemessene  Irrthümer  namhaft,  verwahrt  sich  gegen  die  falsche  Deutung  seiner 
Sätze,  und  wiederholt  zum  Schlüsse  noch  einmal,  daß  er  Alles  widerrufe  und  wider- 
rufen werde,  von  dem  sich  herausstellen  werde,  daß  es  einen  minder  gesunden  Sinn 
habe.  Diese  ganze  Erklärung  hält  also  das  bisher  Gelehrte  aufrecht  und  erklärt 
Eckharts  Bereitwilligkeit  zum  Widerruf,  knüpft  aber  diesen  Widerruf  an  die  Be- 
dingung,  daß  man  ihm  seinen  Irrthum  zuvor  nachweise. 

In  der  That  sehen  auch  die  Inquisitoren  des  Erzbischofs  diese  Erklärung, 
von  der  sie  jedenfalls  gehört  hatten,  gar  nicht  als  etwas  an,  womit  Eckhai't  ihnen 
habe  entgegenkommen  wollen.  Als  Eckhart  wenige  Tage  nachher,  am  22.  Februar, 
wieder  vor  ihnen  erscheint,  wird  weder  von  ihm  noch  von  ihnen  derselben  gedacht, 
ein  deutliches  Merkmal,  daß  sie  für  die  Inquisitoren  nicht  bestimmt  war.  Der  Zweck, 
um  dessen  willen  er  kommt,  zeigt  klar,  daß  das  Verhältniss,  in  welchem  er  seit 
dem  23.  Januar  zu  ihnen  steht,  durch  kein  inzwischen  eingetretenes  neues  Moment 
sich  geändert  hat,  daß  am  wenigsten  inzwischen  ein  Urtheilssprucb  von  den  Inqui- 
sitoren kann  gefällt  worden  sein ;  denn  Eckhart  kommt  nicht,  wie  man  irrthümlich 
gemeint  hat,  um  eine  erneute  Appellation  einzulegen,  sondern  lediglich  um  auf 
seine  erste  und  einzige  Appellation  vom  23.  Januar  den  ihm  in  Aussicht  gestellten 
Bescheid  einzuholen.  Er  kommt  an  dem  22.  Februar,  also  genau  an  demselben  Tage, 
den  man  ihm  damals  bezeichnet  hatte.  Der  Bescheid,  den  Eckhart  hier  empfieng, 
gieng  dahin,  daß  man  seine  Appellation  zwar  als  eine  frivole  d.  i.  rechtlich  haltlose 
bezeichnete,  aber  doch  auf  dieselbe  einzugehen  sich  bereit  erklärte.  So  weit  die 
Actenstücke,  insofern  sie  über  den  äußeren  Verlauf  und  die  richtige  Auffassung  der 
einzelnen  Momente  Aufschluß  zu  geben  im  Stande  sind. 

Bekanntlich  hat  der  Papst  in  der  schon  erwähnten  Bulle  vom  27.  März  1329 
eine  Anzahl  Eckhartischer  Sätze  als  häretisch  oder  der  Häresie  verdächtig  verur- 
theilt.  Neben  dieser  von  Raynald  mitgetheilten  Bulle  machte  eine  andere,  welche 
der  Dominicaner  Heinrich  von  Herford  und  nach  ihm  Hermann  Corner  mittheilt, 
den  späteren  Schriftstellern  von  Mosheim  bis  Lasson  herab  nicht  geringe  Schwierig- 
keiten, da  es  sich  darum  handelte,  das  Verhältniss  dieser  beiden  Bullen  zu  einander 
zu  erklären.  Heinrich  von  Herford  sagt  nämlich,  der  Papst  habe  im  Jahre  1327 
eine  Bulle  erlassen,  welche  mit  den  Worten  'in  agro  dominico'  beginne,  und  habe 
sie  erlassen  gegen  solche,   welche  Seltsames,   Zweifelhaftes,   Verdächtiges  und  Ver- 


LITTE  RATUK.  379 

messenes  um  der  Begliarden  iindBeghinen  willen  predigten.  Er  theilt  dann  eineReihe 
von  Sätzen  dieser  Bulle  mit.  Wiewohl  nun  alle  diese  Sätze  wörtlich  oder  fast  wört- 
lich mit  den  Sätzen  jener  Bulle  übereinstimmen,  welche  der  Papst  am  27.  März  1329 
gegen  Eckhart  erließ,  so  hielt  man  doch  nicht  dafür,  daß  Heinrich  ein  quid  pro  quo 
sich  erlaubt  habe,  sondern  man  nahm  die  Bulle  für  eine  eigene  von  jener  des  Jah- 
res 1329  verschiedene.  Man  hat  es  sich  Mühe  kosten  lassen,  den  Originaltext  dieser 
Bulle  aufzufinden,  aber  die  Mühe  war  umsonst  aufgewendet.  Lasson,  der  das  was 
Heinrich  von  Herford  über  den  Zweck  der  Bulle  sagt,  den  Papst  selbst  in  der  Bulle 
sagen  lässt,  urtheilt  über  dieselbe  also :  der  Papst  habe  aus  Rücksicht  auf  Eckhart 
und  den  Orden  in  dieser  Bulle  Eckhart  nicht  mit  Namen  genannt,  aber  eine  Reihe 
von  Eckharts  Sätzen  angeführt,  nicht  um  sie  geradezu  als  ketzerisch  zu  bezeichnen, 
sondern  zunächst  nur,  um  der  weiteren  Verbreitung  der  Sätze  wegen  der  in  ihnen 
liegenden  Gefahr  für  heuchlerische  Gemüther  zu  wehren.  Nicht  lange  nach  dem 
Erlasse  jener  Bulle,  wohl  am  Anfang  des  Jahres  1329,  sei  Eckhart  gestorben,  und 
nun  sei  zum  mindesten  die  Rücksicht  auf  seine  Person  weggefallen,  und  am  27.  März 
1329  habe  dann  der  Papst  jene  neue  Bulle  erlassen,  welche  28  Sätze  Eckharts  als 
ketzerisch  verwirft.  Aber  auch  dieser  Versuch,  die  Bulle  bei  Heinrich  von  Herford 
als  eine  eigene  Bulle  verständlich  zu  machen,  ist  umsonst  —  denn  dieselbe  hat  als 
solche  niemals  existiert.  Heinrich  von  Herford  hatte  keine  andere  Bulle  vor  sich 
liegen  als  jene  vom  27.  März  1329,  und  hat  Eckharts  Namen  unterdrückt  und  ihr 
wie  eine  andere  Adresse  so  auch  ein  anderes  Jahr  der  Ausstellung  gegeben. 

Der  Grund,  warum  man  die  Bulle  von  1329  für  eine  andere  hielt,  als  die 
von  Heinrich  von  Herford  mit  den  Aufangsworten  'in  agi-o  dominico'  bezeichnete, 
lag  nicht  bloß  in  der  Verschiedenheit  von  Zeit  und  Namen,  sondern  vornehmlich 
auch  darin,  daß  die  Bulle  bei  Raynald  mit  den  Worten  anfängt:  'Dolenter  re- 
ferimus'.  Aber  müssen  denn  die  Anfangsworte  bei  Raynald  auch  die  Anfangsworte 
der  Bulle  selbst  sein '?  Kann  nicht  Raynald  sie  abgekürzt,  den  Anfang  weggelassen 
haben?  Zum  Glücke  ist  die  Bulle  noch  einmal  nach  dem  Original  und  vollständig 
in  dem  Bullarium  ordinis  praedicatorum  ed.  Ripol  Tom.  VH  abgedruckt  worden, 
und  es  könnte  Wunder  nehmen,  wie  dies  den  verschiedenen  Schriftstellern,  welche 
sich  mit  dieser  Frage  beschäftigten,  hat  entgehen  können,  wenn  jenes  Werk  nicht 
zu  den  seltneren  gehörte.  Hier  nun  finden  wir,  daß  die  Anfangsworte  der  Bulle 
vom  2 7.  März  1329  keine  anderen  sind  als  die,  welche  den  Anfang  der  Bulle  bilden, 
die  Heinrich  von  Herford  anführt :   'in  agro  dominico.' 

Steht  somit  die  Identität  der  beiden  Bullen  fest,  so  bleibt  nur  die  Frage  übrig, 
was  Heinrich  von  Herford  bewogen  haben  könne,  den  Charakter  der  Bulle  zu  ver- 
wischen, Alles  was  sich  auf  Eckharts  Person  bezieht  zu  unterdrücken  und  als  die 
Veranlasser  der  Bulle  'temeraria  propter  Beghardos  praedicautes'  anzugeben.  Die 
Antwort  ist  naheliegend.  Durch  die  Bulle  war  der  Orden  der  Dominicaner  schwer 
betroffen,  einer  seiner  hervorragendsten  Lehrer  als  Häretiker  bezeichnet  worden, 
und  Heinrich  war  ein  —  Dominicaner,  Der  auf  die  Ehre  seines  Ordens  eifersüch- 
tige Mann  wollte  lieber  ein  ungenauer  Berichterstatter  des  nur  wenige  Jahrzehende 
zurückliegenden  Ereignisses  als  der  Herold  der  Schande  seines  Ordens  sein.  Daß 
der  Process  im  J.  1327  begonnen  hatte  oder  Eckhart  noch  in  diesem  Jahre  ge- 
storben war,  bot  ihm  zugleich  erwünschten  Anlaß,  die  Bulle  in  dieses  Jahr  zu 
verlegen. 

Lasson  beschäftigt  sich  zum  Schlüsse  seiner  Darstellung  von  Eckharts  Leben 
noch  mit  der  Frage,  ob  jener  Widerruf  Eckharts,  welchen  die  Bulle  erwähnt,  ein 


3S0  LITTERATUK. 

zw(>itcr  ausdiiicklichor  Widerruf  Eckharts  oder  jener  (angebliclie)  vom  13.  Februar 
1327  in  der  Doniinicanerkirchc  zu  Coln  geleistete  sei.  Er  lässt  es  zweifelhaft.  Die 
Erörterungen ,  welche  ich  den  in  den  Denkschriften  der  Akademie  mitgetheilten 
Actcnstücken  vorausgeschickt  habe,  werden,  so  hoffe  ich,  dartlmn,  daß  die  Versi- 
cherungen der  Bulle  keinen  andern  Anhaltspunkt  haben,  als  jene  Erklärung  Eck- 
harts vom  13.  Februar  1327,  daß  mithin  Eckhart  in  der  That  nicht  widerrufen  hat. 
MÜNCHEN.  WILHELM  PEEGER. 


Philosophisch-historische  Grammatik  der  deutschen  Sprache  vonR.Westphal. 

Jena,  Maukes  Verlag,  1869.   8".   XV  u.  278  SS. 

Nachdem  wir  am  Schlüsse  des  vorigen  Jahrgangs  W.  Scherers  Werk  „Zur  Ge- 
schichte der  deutschen  Sprache"  besprochen  haben,  können  wir  nicht  unterlassen, 
nun  auch  diese  bald  :nachher  erschienene  Grammatik  bei  unsern  Lesern  einzuführen, 
da  sie  uns  ebenso  bedeutend  und  erfreulich  scheint  und  mit  dem  Scherer'schen 
Buche  manche  Berührungspunkte  bietet.  Einer  von  diesen  ist  die  philosophische 
Seite  des  Werkes,  welche  Hr.  W.  ausdrücklicher  als  Hr.  Seh.  hervorhebt ;  wir 
unterlassen  aber,  hierauf  näher  einzugehen,  da  wir  es  an  einem  andern  Orte  pas- 
sender zu  thun  gedenken.  Ebenso  lassen  wir  rein  spi-achvergleichende  Erörterungen 
bei  Seite,  da  auch  diese  besser  in  der  betreffenden  Fachzeitschrift  ihre  Stelle  finden. 
Was  Hr.  W.,  allerdings  wesentlich  mit  Hilfe  philosophischer  und  vergleichender 
Methode,  für  die  deutsche  Grammatik  geleistet  hat,  lässt  sich  bis  auf  einen  ge- 
wissen Grad  von  jenen  Hilfsmitteln  ablösen  und  bietet  immer  noch  mancherlei  Stoff 
zur  Besprechung,  auch  wenn  wir  uns  innerhalb  der  Gränzen  des  germanischen 
Sprachgebietes  halten.  Daß  Hr.  W.  von  den  verschiedenen  germanischen  Dialekten 
nur  die  ältesten  in  Behandlung  zieht,  welche  die  meisten  und  deutlichsten  Spuren 
des  ursprünglich  germanischen  Sprachtypus  offenbaren,  ist  durch  die  ganze  Anlage 
und  Tendenz  seines  Werkes  gerechtfertigt  ,  während  Hr.  Scherer  für  die  Ge- 
schichte der  Sprache  gelegentlich  auch  neuere  Erscheinungen  beiziehen  musste. 
Unmittelbar  berühren  sich  b«ide  nicht  bloß  in  ihrer  allgemeinen  Charakteristik  des 
germanischen  Sprachbaues  von  Seite  des  Accentes,  sondern  in  dem  speciellen  Um- 
stand, daß  Hr.  Seh.  S.  93  seines  Buches  ausdrücklich  von  dem  durch  Hrn.  W.  ent- 
deckten gothischen  Auslautgesetze  ausgehen  musste.  Auf  eben  jene  Arbeit  zurück- 
greifend, wendet  sich  nun  Hr.  W.  nach  langer  Unterbrechung,  welche  jedoch  sei- 
nen germanischen  Sprachstudien  sichtbar  nicht  hinderlich  gewesen  ist,  wieder  dem 
vaterländischen  Boden  zu  und  gibt  uns  einen  vollständigen  Abriss  zunächst  beson- 
ders der  Verbalflexion,  zu  deren  Feststellung  das  Auslautgesetz  mehr  als  einmal 
wesentliche  Dienste  leistet,  z.B.  S.  207.  219,  zugleich  mit  dem  Versprechen, 
nächstens   in   einem   zweiten   Theil   seine   Principien   weiter   durchzuführen. 

Die  Ökonomie  des  vorliegenden  Buches  ist  im  Ganzen  übersichtlich  und  klar, 
doch  führt  die  übrigens  angemessene  Unterscheidung  eines  besondern  Abschnittes 
von  der  germanischen  Conjugation  (von  S.  199  an),  nach  der  Darstellung  der 
Verbalflftxion  im  Allgemeinen,  einige  Wiederholungen  mit  sich  (z.  B.  in  der  Lehre 
vom  Conjunctiv  S.  224,  vgl.  S.  184  ff.),  welche  hätten  vermieden  werden  können, 
wenn  der  Vf.  überliaupt  seine  Arbeit  vor  dem  definitiven  Druck  einer  nochmaligen 
Durchsicht  unterworfen  hätte,  dereia  Mangel  auch  die  auffallend  zahlreichen  und 
theil  weise  sehr  störenden  Druckfehler  erklärt,  aber  nicht  entschuldigt,  welche  das 
sonst  so   saubere   Buch  verunstalten  und  nicht  einmal  nachträgliche  Berichtigung 


LITTERATUR.  381 

finden.  Wenden  wir  uns  nun  von  dieser  Außenseite  zur  Prüfung  des  Inhaltes,  je- 
docli  innerhalb  der  oben  gezogenen  Schranken,  so  daß  wir  nicht  den  ganzen  Gang 
der  Darstellung,  besonders  des  allgemein  Sprachphilosophischen  und  Geschichtli- 
chen, referieren,  sondern  nur  eine  Reihe  von  Puncten  hervorheben,  welche  das 
Germanische  näher  angehen  und  in  denen  die  Ansicht  des  Verfassers  zum  Theil 
von  derjenigen  Hrn.   Scherers,  zum  Theil  auch  von  der  unsrigen,  abweicht. 

Im  Accent  findet  W.  übereinstimmend  mit  Scherer  ein  seelisches  Princip ;  es 
soll  nach  S.  7  in  der  Betonung  der  Wurzelsilbe  die  Thatenlust  der  alten  Germanen 
sich  ausdrücken.  Gegen  diese  bestimmte  Ausdeutung  hegen  wir  dasselbe  Bedenken, 
das  wir  gegen  Seh.  geäußert  haben,  und  ganz  ähnlich  verhält  es  sich  mit  der  Weite 
der  Tonhöhe,  welche  nach  S.  9  mit  der  besondern  Anlage  der  Germanen  zur  Musik 
zusammenhängen  soll.  Gegenüber  den  Franzosen  mag  dies  richtig  sein,  ob  aber 
auch  gegenüber  den  Slaven,  scheint  uns  noch  zweifelhaft,  denn  bedeutende  Natu  r- 
anlage  zur  Musik  ist  diesen  schwerlich  abzusprechen,  und  daß  sie  dieselbe  noch 
nicht  so  hoch  wie  wir  zur  Kunst  ausgebildet  haben,  kann  nur  Folge  davon  sein, 
daß  sie  überhaupt  in  der  Culturentwicklung  noch  zurückstehen.  Alle  solche  Ur- 
theile  scheinen  uns  durch  nationale  Subjectivität  getrübt  und  ebenso  streitig  und 
relativ  wie  die  Ansichten  vom  Wohllaut  der  Sprachen.  Das  germanische  National- 
gefühl ist  in  Folge  der  neuesten  politischen  Umgestaltung  zu  einiger  Überspannung 
geneigt,  gerade  im  Norden,  wo  slavische  Elemente  dem  deutschen  unzweifelhaft 
beigemischt  sind. 

Die  Steigerung  des  Wurzelvocals  erklärt  W.  (S.  21)  ganz  unabhängig  vom 
Accent;   Scherer  (S.  8.  9.  16)  lässt  dies  nur  theilweise  gelten. 

S.  22  wird  gesagt,  im  Germanischen  sei  von  der  Verstärkung  der  Wurzel- 
silbe durch  Nasalierung  kein  Gebrauch  gemacht;  es  lassen  sich  aber  doch  einige 
Erscheinungen  hieher  ziehen,  obwohl  sie  noch  einer  genaueren  Aufklärung  bedürfen: 
wir  meinen  Formen  wie  hangen,  fangen,  vielleicht  auch  gangan  neben  gän  und  gehan 
(wovon  mhd.  sun-giht  und  nhd.  Gicht) -^  ferner  das  Verhältniss  von  fauchen :  tunken, 
mhd.  sigen  :  sinken,  und  Ähnliches,  wobei  allerdings  immer  Veränderung  der  aus- 
lautenden Consonanten  mitspielt. 

i  und  ü  lässt  W.  (S.  23.  cf.  32 —  33)  erst  aus  ai  und  au  verengt  sein  ;  Scherer 
scheint  uns  (wenn  wir  ihn  recht  verstehen)  eher  oder  wenigstens  eben  so  gut  den 
umgekehrten  Vorgang  anzunehmen,  vgl.  S.  19.  27.  29  seines  Buches.  Ebenso 
stimmt  Westphals  Annahme,  daß  das  germanische  e  und  o  erst  aus  i  und  it  ent- 
standen sei  (S.  37),  nicht  mehr  zu  der  von  Scherer  (Müllenhoff),  daß  e  und  o  wie 
im  Griechischen  unmittelbar  aus  a  sich  entwickelt  haben  und  i  und  u  aus  dieser 
Mittelstufe.  Scherer  S.  7.  —  Bei  der  Angabe,  daß  Schwächung  von  a  zu  m  nur 
vor  Liquiden  sich  finde  (S.  31),  ist  das  gothische  trudan  (ahd.  tretan)  übersehen. 

In  der  Terminologie  weicht  W.  von  Grimm  darin  ab,  daß  er  den  Namen 
„Ablaut"  auf  die  Schwächung  des  Grundlautes  a  einschränken  möchte  (S.  33), 
was  in  der  veränderten  Auffassung  der  betreff'enden  Erscheinungen  seit  Grimm  wohl 
begründet  wäre;  aber  die  S.  41  ff',  behandelte  „Ablautung  des  langen  <J"  stört 
dann  wieder  die  Einheit  des  Begriffes.  Den  Namen  „Umlaut"  lässt  W.  (S.  50) 
auch  Grimms  „Brechung"  mit  umfassen;  dagegen  sieht  er  in  dem  nordischen  ia 
(das  übrigens  S.  57  •  „  A b  lautsform "  genannt  wird)  nicht  einen  Umlaut  (S.  55), 
sondern  eine  Assimilation,  welche  im  Zend,  Griechischen  und  Gadhelischen  Paral- 
lelen findet.  Vgl.  jedoch  S.  219. 


382  LITTERATUR. 

Das  ags.  ea  =  au  hat  neulich  durch  Koch  (Zeitschr.  f.  deutsche  Phil.  1,  341  ff.) 
eine  Erklärung  gefunden,  die  der  Vf.   (S.  46)  noch  verraisste. 

S.  48  wird  für  goth.  di,  du  monophthongische  Aussprache  angenommen 
(nämlich  dumpfes  langes  e  und  o,  im  Unterschied  von  dem  hellem  einfach  ge- 
schriebenen e  und  o),  wofür  allerdings  der  parallele  Lautwerth  von  ai  und  aü  spricht, 
nicht  aber  die  unzweifelhaft  und  beharrlich  diphthongische  Natur  des  meistens 
entsprechenden  hochdeutschen  au,  ou,  vgl.  S.  46;  doch  lässt  sich  auch  wieder  dafür 
anführen  die  wahrscheinliche  Geltung  des  gothischen  ei  =  i  und  die  theilweise 
Verengung  des  iu  in  ü  auch  im  Hochdeutschen,   S.  33. 

S.  53  wird  Würtemberg,  badisches  Oberland  und  Schweiz  „Stammsitz  der 
mhd.  Schriftsprache"  genannt;  S.  74  dagegen  wird  das  Gegentheil  gesagt,  nach 
Pfeiffer  mit  Recht. 

Für  Erklärung  der  Lautverschiebung  leistet  der  Vf.  nichts  Neues ;  unter  den 
Beispielen  kann  die  Gleichung  ^ng:  goth.  dius,  ahd.  tior  nicht  mehr  anerkannt 
werden  (S.  76),  dagegen  ist  das  Fragezeichen  bei  •yerto  =  goth.  vairpan  unnöthig 
(S.  77)  und  auch  für  einige  andere  dort  angeführte  gothische  ^/i- Auslaute  lassen 
sich  Urverwandte  mit  ziemlicher  Wahrscheinlichkeit  beibringen,  wie  frapjan  (in- 
ter-^pretari,  finpan  (ursprünglich  gelieii;  vgl.  mhd.  fende,  pedes)  :  növxoc;  Ticnstv, 
lat.  pons,  passiis,  Schritt,  zu  pandere  {d  geschwächt  aus  t  in  patere,  nach  n,  wie 
g  aus  c  in  pango  :  paciiscor)  =  fahen,  fangen,   s.  oben). 

Aus  der  Formenlehre  heben  wir  nur  Weniges  hervor.  In  der  gothischen  En- 
dung der  dritten  Person  Plur.  Opt.  findet  der  Vf.  das  zugesetzte  auslautende  -a  ganz 
entsprechend  dem  -o  der  dritten  Personen  im  Italienischen  und  sieht  darin  ein  sel- 
tenes Zusammentreffen  einer  alten  mit  einer  jungen  Sprachformation.  Indessen  sind 
solche  Fälle,  wenn  man  nur  auf  die  äußere  Gleichheit  sieht,  nicht  selten,  die  Gründe 
dagegen  werden  oft  sehr  verschieden  sein,  so  hier  im  Italienischen  die  positive 
Neigung  zu  vocalischem  Auslaut  überhaupt,  nicht  Abneigung  gegen  einzelne  con- 
sonantische  Auslaute.  Vgl.  S.  219  oben.  —  In  der  Erklärung  des  ahd.  -mes  der 
ersten  Pers.  Plur.  weicht  W.  von  Scherer  ab,  welcher  die  Grundform  -mansi  an- 
nimmt, aus  der  sich  auch  die  griechische  Doppelform  -ftfv  und  -usg  erklären  soll. 
Unser  Vf.  nimmt  S.  220  in  der  Grundform  -mas  Verlängerung  des  a  an,  welches 
dadurch  vor  dem  Ausfall  geschützt  wurde.  Ob  das  vocalische  Auslautgesetz  S.  137 
diesen  Zusatz  erlaubt  oder  verlangt,  scheint  uns  zweifelhaft,  der  Übergang  der 
Grundform  hlindas  in  ahd.  blinder  kann  schwerlich  als  Parallele  dienen,  da  jenes  e 
wahrscheinlich  ganz  anders  zu  erklären  ist;  s.  das  Capitel  über  die  doppelte  Ad- 
jectivflexion  bei  Scherer. 

In  -au  der  gothischen  Medialformen  erklärt  der  Vf.,  S.  231  ff.,  gemäß  seiner 
Grundansicht  von  der  Function  der  Urvocale,  das  a  als  Zeichen  des  Mediums,  u  als 
Zeichen  des  Modus  subjectivus  (Optativ  und  Imperativ),  wie  auch  in  den  Endungen 
der  ersten  Person  im  Activ  das  -u  diese  Bedeutung  haben  soll,  während  a  in  gihau 
Vocal  des  Conjunctivs  ,  in  bundjau  Bestandtheil  des  Optativzeichens  sein  soll 
(S.  188.  228).  Man  sieht  aber  nicht,  warum  zu  den  besondern  Zeichen  des  Con- 
junctiv  und  Optativ  noch  das  u,  überdies  nur  in  der  ersten  Person  Sing.,  hinzu- 
getreten oder  hängen  geblieben  sein   soll. 

Der  Infinitiv  der  Verba  praeterito-praesentia  soll  nach  8.  248  nicht  etwa  erst 
vom  Praesens  abgenommen,  sondern  die  alte  Form  des  Infinitiv  Perf.  sein, 
=  griech.  -svai,  welches  aber  doch  auch  von  -siv  (aus  -fvt)  des  Praesens  nicht 
wesentlich  vor.schiedcn  ist.  Die  Verschiedonheit  des  Wurzelvocals  in  rifa?)  und  gripari 


MISCELLEN.  383 

hindert  aber  die  erstere  Aimabme  nicht,   abgesehen  davon,   daß  auch  fuüf  roi  und 
vltan  in  jenem  Punkt  nicht  übereinstimmen. 

Zu  den  besten  Partieen  des  Buches  gehört  ohne  Zweifel  der  letzte  Abschnitt, 
über  Eeduplication  und  Ablaut ;  die  Darstellung  stimmt  übrigens  wesentlich  mit 
der  seit  Bbpp  aufgekommenen  überein,  nur  daß  W.  den  Ablaut  einzig  aus  dem 
Unterschied  schwerer  und  leichter  Endungen  erklären  will,  ohne  Einfluß  des  Ac- 
centes  oder  der  Qualität  des  Endvocals.  (S.  264).  So  geht  denn  W.  auch  mit  Scherer 
(S.  9  flf.  16)  zusammen  in  der  Erklärung  des  langen  Pluralvocals  der  a-Wurzeln 
mit  folgendem  einfachen  Consonanten  aus  Zusammenziehung  der  Eeduplication  nach 
Analogie  des  Sanskrit  (S.  256),  daher  auch  des  kurzen  Vocals  der  Praeterito- 
praesentia  aus  frühem  Abfall  der  Eeduplication  bei  denselben  (S.  259).  Um  so 
weniger  sehen  wir  aber  ein,  wie  der  Vf.  S.  267  mag  zu  haldan  oder  hahan,  6g  und 
mnt  zu  letan,  aih  zu  skaidan  stellen  kann;  vgl.  dagegen  Scherer  S.  10.  Heyne  164. 
Über  die  Eeduplication  goth.  ai  spricht  sich  W.  etwas  schwankend  aus;  sie  soll 
lang  sein  (S.  268.  272),  aber  doch  erst  durch  den  Accent,  Scherer  (S.  11)  hält 
sie  für  kurz,  vgl.  übrigens  noch  S.  225  des  laufenden  Jahrganges  dieser  Zeitschrift. 
BERN,  April  1869.  LUDWIG  TOBLER. 


Hoffmann  von  Fallersieben  (1818—1868).  Fünfzig  Jahre  dichterischen  und 
gelehrten  Wirkens.  Bibliographisch  dargestellt  von  J.  M.  Wagner.  Wien, 
C.  Gerold's  Sohn,   1869.   8°.  40  SS. 

Dies  kleine  Schriftchen  ist  uns  in  doppelter  Hinsicht  werthvoll,  einmal  weil 
es  die  schriftstellerische  Thatigkeit  eines  unserer  verdientesten  Gelehrten  und 
Dichter  mit  aller  Vollständigkeit  umschreibt,  und  anderseits  weil  es  gewissermaßen 
als  Vorläufer  einer  größern  höchst  wichtigen  Arbeit,  welche  der  Verfasser  uns  in 
der  Einleitung  verspricht,  sich  darstellt,  nämlich  einer  neuen  Ausgabe  von  Hoff- 
manns Deutscher  Philologie  'in  Verbindung  mit  einer  Quellenkunde  der  altdeutschen 
Litteratur.'  Möge  der  Vf.  Lust  und  Muße  behalten,  dies  sein  Versprechen  auszu- 
führen, es  sind  Wenige  dazu  so  berufen  wie  er,  welcher  sein  Geschick  zu  bibliogra- 
phischen Arbeiten,  die  eine  Kenntniss  der  Bücher  auch  über  ihre  Titel  hinaus  ver- 
langen, neuerdings  bewährt  hat. 

WIEN.  JOSEPH  STROBL. 

MISCELLEN. 

Germanistische  Preisfrage, 

ausgeschrieben    von  der  philosophisch  -  historischen  Classe  der  k.  Akademie  der 

Wissenschaften  in  Wien  am   28.   Mai   1869. 

Der  in  Triest  verstorbene  Herr  Paul  Hai  hat  der  kaiserlichen  Akademie  der 
Wissenschaften  laut  Testament  vom  14.  November  1866  die  Summe  von  öOOfl.O.W- 
zu  dem  Ende  legiert,  daß  eine  Preisfrage  „auf  deutsch-sprachlichem  Gebiete"  aus- 
geschrieben wüi-de.  Die  philosophisch-historische  Classe  der  kaiserlichen  Akademie 
der  Wissenschaften  hat,  der  übernommenen  Verbindlichkeit  nachkommend,  die 
Ausschreibung  der  nachstehenden  Preisfrage  beschlossen: 

„Es   ist   eine   Darstellung  von   Otfrieds   Syntax   zu   liefern." 


384  MISCELLEN. 

Die  Classe  hat  dabei  zunächst  eine  ti-eue,  sorgfältige  und  vollständige  Vei'- 
zeichnung  der  syntactischeu  Thatsachen  im  Auge,  welche  Otfrieds  Evangelienbuch 
darbietet.  Sie  würde  aber  unter  mehreren  sonst  gleich  guten  Arbeiten  derjenigen 
den  Vorzug  ertheilen,  welche  die  Eigenthümlichkeit  von  Otfrieds  Sprachgebrauch 
durch  Herbeiziehung  der  übrigen  althochdeutschen  Quellen  scharf  zu  limgrenzen 
und  durch  weiteren  Umblick  auf  verwandte  Sprachen  historisch  zu  erläutern  ver- 
stünde. Nur  auf  solcher  umfassenderer  Grundlage  könnte  die  Frage  beantwortet 
werden,  ob  und  in  wiefeme  sich  bei  Otfried  der  Einfluß  lateinischer  Syntax  zeige. 

Die  Classe  wünscht,  daß  die  Betrachtung  nicht  auf  die  Erscheinungen  be- 
schränkt bleibe,  die  gewöhnlich  unter  dem  Namen  der  Syntax  begriifen  werden, 
sondern  daß  auch  die  Lehre  vom  Gebrauche  der  Wortclassen  (Adjectiva,  Substan- 
tiva,  Pronomina  demoustrativa  und  relativa  u.  s.  w.)  einbezogen  werde.  Aus  diesem 
Gesichtspuncte  ergibt  sich  von  selbst  die  empfehlenswertheste  Anox'dnung  des  Stoffes : 
unter  jeder  Wortclasse  und  jeder  Flexionsform  wären  die  Bedeutungen  darzulegen, 
die  ihnen  die  Sprache  beimisst.  Auffuhrung  sämmtlicher  Otfriedischer  Belegstellen 
ist  nur  bei  ganz  gewöhnlichen  Erscheinungen  nicht  nöthig. 

Der  Termin  der  Einsendung  der  Schrift  ist  der  31.  December  1870.  Der 
Preis  von  500  fl.  ö.  W.  wird  eventuell  in  der  feierlichen  Sitzung  am  30.  Mai  1871 
zuerkannt.  Die  um  den  Preis  werbenden  Abhandlungen  dürfen  den  Namen  des 
Verfassers  nicht  enthalten,  und  sind,  wie  allgemein  üblich,  mit  einem  Motto  zu 
versehen.  Jeder  Abhandlung  hat  ein  versiegelter  mit  demselben  Motto  versehener 
Zettel  beizuliegen,  der  den  Namen  des  Verfassers  enthält.  Theilung  des  Preises 
unter  mehrere  Bewerber  findet  nicht  Statt.  Jede  gekrönte  Preisschrift  bleibt  Eigen- 
thum  ihres  Verfassers.  Wünscht  es  derselbe,  so  wird  die  Schrift  durch  die  Aka- 
demie als  selbständiges  Werk  veröffentlicht  und  geht  in  das  Eigenthum  derselben 
über.  Ein  Honorar  für  dasselbe  kann  aber  nicht  beansprucht  werden.  Die  wirkli- 
chen Mitglieder  der  Akademie  dürfen  an  der  Bewerbung  um  diesen  Preis  nicht 
Theil  nehmen, 

Manuscripte. 

In  der  Vilmar'schen  Auction  am  1.  März  1.  J.  befanden  sich  mehrere  interes- 
sante Manuscripte,  ein  Alsfelder  Passionsspiel  aus  dem  Ende  des  15.  Jhd.  (vgl. 
Haupt,  Zeitschr.  3,  477—518),  Weihnachtsspiel  aus  dem  15.  Jhd.,  verschiedene 
Bruchstücke.  —  Ich  selbst  erwarb  ein  Pergamentblatt  in  Quarto,  15.  Jhd.,  Pre- 
digten enthaltend.  Es  beginnt: 

Frocht  gebrengen  Mach  der  böse  bäum 
Nyet  gude  frocht  gebrengen. 
BERLIN.  J.  A.  STARGARDT. 

Einladung  zur  Philologenversammlung. 
Die  27.  Versammlung  deutscher  Philologen  und  Schulmänner  wird 
vom  27.  bis  30.  September  d.  J.  in  Kiel   tagen.    Wir  Unterzeichneten 
laden   hiezu   alle  Germanisten   ein  und  bitten,    beabsichtigte  Vorträge 
einem  von  uns  spätestens  bis  zum  20.  September  anzuzeigen. 
KIEL,  im  Juli  1869. 

K.  WEINHOLD.  THD.  MÖBIUS. 


ZUR  ZIMMEEISCHEN  CHRONIK. 


VON 

FELIX  LIEBRECHT. 


An  einer  andern  Stelle  habe  ich  bereits  auf  den  bedeutenden  Werth 
der  den  Lesern  der  Germania  übrigens  auch  schon  durch  Uhlands  For- 
schungen zur  schwäbischen  Sagenkunde  hinlänglich  bekannten  Chronik 
ausführlich  hingewiesen  und  das  hohe  Verdienst  anerkannt,  welches 
sich  sowohl  der  Litterarische  Verein  in  Stuttgart  wie  der  Herausgeber 
Dr.  Barack  durch  diese  Publication  erworben.  Letzterem  gebührt  die 
größtmöglichste  Anerkennung  für  die  Liebe,  Treue  und  Sorgfalt,  womit 
er  der  übernommenen  langwierigen  vind  scliAvierigen  Aufgabe  gerecht 
geworden,  so  daß  die  reichen  Schachte  des  an  und  für  sich  schon  so 
wichtigen  Werkes  durch  die  Weise,  wie  er  es  mit  allem  Nöthigen  aus- 
gestattet, nun  mit  größter  Bequemlichkeit  allseitig  ausgebeutet  werden 
können.  Ich  sage  allseitig;  denn  nicht  nur  Geschichte  im  engern  Sinne 
und  Genealogie,  sondern  auch  die  Culturgeschichte  in  ihren  mannig- 
fachen Zweigen,  Rechtsgeschichte  und  Rechtsgebräuche,  Sittengeschichte, 
häusliches  und  öffentliches  Leben,  Sage,  Volksglauben  und  Mythologie 
Schwank  und  Novelle,  alles  dies  findet  in  dem  umfangreichen  Werke 
die  vielfachste  Berücksichtigimg.  Mehrere  von  diesen  Puncten  sind  in 
den  Erläuterungen,  mit  denen  der  Herausgeber  die  Chronik  durchweg 
begleitet  und  deren  Herbeischaffung  nur  die  umfassendsten  Forschungen 
ermöglichten ,  gleichwohl  unberührt  geblieben ,  da  sie  Gebieten  ange- 
hören, die  seinen  eigentlichen  Berufstudien  ferner  liegen.  Das  auf  diese 
Weise  Mangelnde  hie  und  da  zu  ergänzen,  ist  der  Zweck  der  folgenden 
Mittheilungen,  bei  denen  es  mir  willkommen  zu  sein  schien,  wenn  ich 
zur  Bequemlichkeit  der  Leser  die  betreffenden  Stellen  der  Chronik, 
die  doch  nicht  Jeder  gleich  zur  Hand  hat,  ganz  oder  im  Auszuge  mit- 
theilte. Aus  einigen  dieser  ergänzenden  Beiträge  zur  Erläuterung  der- 
selben wird  sich  zugleich  erweisen,  wie  richtig  Barack  in  der  unver- 
stümmelten  Publication  des  Werkes  verfahi'en  ist.  Er  äußert  sich  näm- 

GKRUANU.     Ntua   Reihe  II.   (XIV.)  Jshrg.  25 


336  FEIJX  LIEBKKOllT 

lieh  am  Schluß  seines  Nachworts  (IV,  488)  auf  folgende  Weise  :  „In 
der  Fraj^e,  welche  sich  der  Herausgeber  seiner  Zeit  vorgelegt  hat,  ob 
er  manches  weniger  Erhebliche,  auch  manche  Erzählungen  und  Anek- 
doten ,  welche  unangenehm  berühren  könnten ,  im  Drucke  weglassen 
solle  ,  hat  er  sich  für  den  vollständigen  Abdruck  entschieden  ,  da  es 
einerseits  schwer  hielt,  das  weniger  vom  mehr  Erheblichen  zu  sondern 
und  andererseits  durch  Ausscheidung  des  Letztern  nicht  bloß  die  Chronik, 
sondern  auch  die  Zeit,  welche  in  ihr  sich  darstellt,  eines  charakteristi- 
schen Zuges  beraubt  worden  wäre."  Man  muß  sich  freuen,  daß  Barack 
von  seinen  anfänglichen  Bedenken  abgesehen  und  die  Chronik  in  ihrer 
Vollständigkeit  gelassen  hat;  durch  die  hier  folgenden  Nachweise  dürfte 
„manches  weniger  erheblich"  Scheinende  sich  in  einem  andern  Lichte 
bieten,  „manche  Erzählungen  und  Anekdoten''  ihre  richtige  Beurtheilung 
erlangen.  Und  in  der  That  geben  letztere  zu  einer  nicht  unwichtigen 
Betrachtung  Veranlassung.  Obwohl  sie  nämlich  oft,  direct  oder  indirect, 
altern  Sammlungen  entstammen,  werden  sie  von  der  Chronik  gleichwohl 
nicht  selten  als  gleichzeitig  und  zAvar  in  nächster  Nähe  vorgefallene 
Ereignisse  mitgetheilt;  so  z.  B.  heißt  es  in  Bezug  auf  einen  sehr  lusti- 
gen Schwank:  ,^Dises  ist  alles  icie  gemeldt  zu  Waldf  im  dosier  tvarkaffig- 
clichen  heschehen  im  jar  anno  lö47'-\  und  eine  der  Hauptpersonen  darin, 
Catharina  Häge ,  wird  sogar  als  Amme  zweier  gräflichen  Kinder  zu 
Möskirch  genannt.  Nun  aber  kommt  dieses  Geschichtchen  mit  all 
seinen  charakteristischen  Einzelheiten  schon  in  den  Cent  Nouvelles 
Nouvelles  und  in  des  Poggius  Facetiae  vor  (s.  unten  zu  IV,  105  ff.) 
und  es  entsteht  natürlich  die  Frage,  wie  es  sich  mit  dem  icarhaftigcli- 
cken  verhält.  Ich  glaube,  diese  und  ähnliche  Betheurungen  dürfen  bei 
dergleichen  Fällen  nicht  sehr  gepresst  werden.  Graf  Frohen  Christof, 
der  Hauptverfasser  der  Chronik  (gest.  1567),  war,  wie  aus  manchen 
Stellen  hervorgeht,  ein  besonders  großer  Liebhaber  von  aller  Art  Spässen 
und  Schwänken,  und  so  hat  er  denn  auch  einige  ältere,  die  ihm  ganz 
besonders  gefallen  haben  mögen,  neu  localisiert,  zuweilen  sogar,  wie 
wir  gesehen ,  in  seine  Zeit  und  unmittelbare  Nachbarschaft  versetzt ; 
er  gieng  dabei  von  dem  Shakspear'schen  Grundsatz  aus,  „man  mueß 
zu  zelten  den  ernsthaßigen  und  laidigen  feilen  auch  guete  schwenk  und 
ander  hossen  anhenken,  damit  die  handlangen  durch  ainandern  vermischt 
■und  der  leser  guetioillig  behalten  werd,  darumb  ich  iezgesagte  und  erzellte 
lassen  diesem  capitel  inverUiU.'^  (IV,  111,  29  ff.).  Die  Wahrhaftigkeit 
und  Zuverlässigkeit  der  sonstigen  Angaben  und  Nachrichten  der  Chro- 
nik, soweit  sie  überhaupt  im  Stande  ist  dafür  einzustehen,  darf  meiner 
Meinung  nach  nicht  in  Zweifel  gezogen  werden.  —  Nach  diesen  Vor- 


Zl'H  ZLMMEKI8ClIKiN   ("HKONIK.  3,S7 

bemerkungen  weude  ich  mich  nun  zu  meiner  eigentlichen  oben  bezeich- 
neten Aufgabe,  d.  h.  der  Erläuterung  verschiedener,  in  Barncks  Nach- 
weisen unberücksichtigt  gebliebener  Stellen  der  Chronik. 

Band  I  S.  69,  18  ff.  Hier  wird  erzählt,  daß  als  Bischof  Heinrich 
von  Augsburg  die  leibliche  Schwester  Kaiser  Heinrichs  IV.  geschwän- 
gert und  die  Burg  Falkenstein,  in  die  er  sich  vor  der  Rache  desselben 
g€'flüchtet,  von  dem  Kaiser  nicht  erobert  werden  konnte,    der  Bischof 
sich   endlich    auf  Vermittlung   verschiedener  Fürsten    diesem   mit  Leib 
und  Gut  übergab,  jedoch  sollte  er  des  Lebens  gesichert  sein.  Aber  der 
kaiser  hat  der  toelschen    stückle   und    ahspriing   vil  erfaren   und  gelernet, 
darumhy  icie  der  hischof  ins  leger  ankompt,  do  loaren  etlich  verordnet,  die 
ine  entpßengen   und   mit  guten  tvorten  und  tcenig  diener  in  ain  besonders 
abgesondert  gezelt  fürten^    daselbst  icaren  andere,   die  namen  den  bischof, 
fürten  ine  zic  aim  block,  daselbs  zogen  sie  im  das  geschier  und  den  iveiber- 
werkzeug  herfur,  legten  ime  den  uf  den  block,  und  zu  seiner  straf  begang- 
ner Handlung  do  schlugen  sie  ime  ain  hilzin  pfal  durch  den  schwänz.  Mit 
icas  großen  schmerzen  das  zugangen,  das  ist  leuchtlich  zu  gedenken.    Der 
Bischof  starb  bald  darauf  an    den  Folgen  dieser  Procedur  uf  S.  Bar- 
baren abent  anno  1063.  —    Mit  der  hier  genannten  Strafe  vgl.  Grimm 
RA.  520 :     Fr.     icenn  jemand  einen  fruchtbaren  bäum  abhauete   und  den 
.stamm  verdeckte  dieblicher  iveise,  ivas  seine  strafe  sei?    antw.  der  solches 
thut,  dem  soll  seine  rechte  hand  uf  den  rucken  gebunden  und  sein  gemechte 
uf  den  stammen  genegelt   iverden   und   in  die    linke    hand   ein   axe  geben, 
sich  damit  zu  lösen.    Schaumburger  altes  landr.     Was  der  von  Barack 
IV,  417  zu  1,  70,  31  angeführte  Rraun  Gesch.  der  Bischöfe  von  Augs- 
burg 1,  373  ff.  über  die  Avirkliche  Vollstreckung  jener  vermuthlieh  ur- 
alten Strafe  an  Bischof  Heinrich  beibringen  mag,    weiß  ich  nicht,  bin 
aber  überzeugt,  daß  sie  in  ähnlichen  Fällen  ihre  thatsächliche  Anwen- 
dung gefunden  hat ,    da   ich   nämlich  durchaus   nicht   wie  Uhland  und 
Grimm  (s.  German.  5,  65)  an  niemals  vollzogene  „mythische"  Strafen 
und  Bußen  ältester  „Rechtssage"  glaube,  vielmehr  sind  dieselben  einst 
ganz    buchstäblich   zur   Anwendung   gekommen.    Vgl.   meinen  Aufsatz 
„Eine  alte  Todesstrafe"  in  Benfey's  Or.  u.  Occid.  2,  269  ff.  und  Nach- 
träge in  den  Heidelb.  Jahrb.  1864  S.  210.  Eine  fast  gleiche  Strafe  wie 
die  obige  der  Holzfrevler   bestand  in  Polen   auch   für  Ehebrecher  und 
Buhler  (per  f ollem  tssticuli  clavo  affigitur)\  mit  einem  hingelegten  Scheer- 
messer  konnten  sie  sich  lösen.    Wachsmuth  Europ.  Sittengeschichte  2, 
389.  S.  auch  Kellers  Fastnachtspiele  S.  785,  22  ff. 

I,   119,   1  ff.     Ein  Herr  von  Lutzelhart  lässt  einen  nicht  weit  von 
ihm  wohnenden  Herrn  von  Geroldseck  auf  der  Jagd  gefangen  nehmen, 

25* 


388  Ki:r>i\  likkhkcht 

danu  längere  Zeit  Tag  und  Nacht  mit  verbundenen  Augen  im  Walde 
umherführen  und  endlich  nach  dem  Schlosse  Lutzelhart  bringen ,  so 
daß  derselbe  glaubt,  er  befände  sich  in  fremdem  Lande  in  Gefangen- 
schaft Nach  zwei  Jahren  hört  er  jedoch  eines  Tages  in  dem  Thurme, 
worin  er  liegt ,  ein  Hörn  blasen  ,  weil  gerade  das  Luftloch  oben  offen 
steht;  und  ihn  dünkt,  er  het  dergleichen  vor  mehr  gehört]  auch  entlockt 
er  endlich  dem  Knechte,  der  ihm  täglich  die  Speise  bringt  und  sonst 
nicht  viel  reden  will,  auf  geschickte  Weise  das  Geheimniss  seines  Auf- 
enthaltsortes. Es  zeigt  sich  ferner,  daß  dieser  Knecht  sein  eigener  Hin- 
tersasse ist ,  so  daß  er  sich  ihm  zu  erkennen  gibt  und  dann  mit  ihm 
zusammen  entflieht.  In  Geroldseck  angelangt,  wird  er  von  Weib  und 
Kindern  erst  dann  erkannt,  als  er  mancherlei  Wahrzeichen  und  heim- 
licher Sachen  angegeben,  denn  er  war  in  den  zwaienjaren  in  der  gefengk- 
nuß  so  gar  abkommen,  auch  so  ungestalt  und  verendert  worden.  Bald  darauf 
zieht  er  mit  seinen  Freunden  und  Verwandten  gegen  das  Schloß  Lutzel- 
hart; das  geiconnen  sie  und  zerhrachens,  wie  man  sollichs  am  hurgstall 
noch  sieht,  welches  dann  dise  herren  von  Geroltzeck  iezundt  noch  inhahen. 
Dies  soll  zur  Zeit  des  Grafen  Erchinger  von  Monheim  geschehen  sein, 
der  im  J.  1159  starb,  s.  S.  118,  32—35  u.  116,  5—7.  —  Eine  ähnliche 
Sage  erzählt  nun  aber  auch  A.  Borgnet  in  seinem  Guide  du  Voyageur 
on  Ardenne ,  Bruxelles  1856,  vol.  I  p.  391 ,  nach  einer  alten  Chronik. 
Demnach  soll  Jean  de  Croy,  Graf  von  Chimaj  und  Obervogt  (grand 
bailli)  von  Hennegau,  der  im  XV.  Jhd.  lebte,  einst  wegen  seiner  rück- 
sichtslosen Zerstörung  der  Getreidefelder  durch  einige  Bürger  von  Cou- 
vin  (an  der  Eau  Noire,  Arrondiss.  Philippeville,  Provinz  Namur)  auf 
der  Jagd  gefangen  genommen,  imd  nachdem  man  ihn  mit  verbundenen 
Augen  längere  Zeit  im  Walde  hin  imd  hergeführt ,  endlich  in  ein 
Loch  unter  dem  Felsen,  auf  dem  das  Schloß  von  Couvin  steht,  hin- 
untergelassen worden  sein ,  woselbst  er  dann  sieben  Jahre  lang  bei 
spärlicher  Kost  eingekerkert  lag.  Nach  Verlauf  dieser  Zeit  schoß  eines 
Tages  ein  junger  Bursche  der  Nachbarschaft  in  eine  Spalte ,  durch 
welche  in  das  unterirdische  Gefängniss  des  Grafen  etwas  Tageslicht 
fiel^  zur  Kurzweil  einen  Pfeil,  fühlte  jedoch,  da  er  diesen  wieder  heraus- 
ziehen wollte ,  zu  seinem  großen  Schrecken  seinen  Arm  festgehalten. 
Auf  diese  Weise  erfährt  der  Graf  von  dem  Burschen,  wo  er  sich  eigent- 
lich befinde,  und  durch  reiche  Belohnung,  die  er  ihm  verspricht,  bringt 
er  ihn  ferner  noch  dazu ,  heimlich  seinen  Vater  herbeizuführen ,  den 
dann  der  Graf  an  seine  Gemahlin  absendet.  Diese  zieht  stehenden  Fußes 
an  der  Spitze  ihrer  Vasallen  gegen  Couvin  und  erlangt  die  Befreiung 
ihres  Gatten ,  sobald  sie  den  Ort  seines  Gefuu  gnist^es  augegeben ,  wel- 


ZUR  ZIMMEKISCHF.N  CIIKoXIK.        "^  339 

chen  die  Verschwornen  deu  übrigen  Bürgeru  .stets  verborgen  gehalten 
hatten ;  aber  detresse  et  misere  avaient  tellement  change  les  traits  du  pauvre 
seigneur  qii'ä  grand'peine  ses  gens  le  pouvaient  reconnaitre.  Der  Graf  ließ 
es  jedoch  nicht  dabei  bewenden;  er  zerstörte  das  Schloß,  puis^  par 
allusion  subtile  au  nom  du  Heu  que  les  hahitants  prononcent  Couve,  ilfit 
ce  gentil  dicton :  Couve  couve,  couve  tu  tu' as,  couver  jamais 'plus  ne  pourras. 
Diese  wallonische  und  die  oben  mitgetheilte  deutsche  Sage  der  Zim- 
merischen Chronik  stimmen  im  Granzen  so  wie  einzelnen  Zügen  auf- 
fallend überein  und  dürften  daher  aiif  gemeinschaftlicher  Grundlage 
beruhen;  wieweit  jedoch  diese  geschichtlich  sein  mag,  weiß  ich  nicht 
zu  sagen. 

I,  1 53,  15  ff.  In  Bezug  auf  die  Abtei  Reichenau  wird  berichtet, 
daß  sie  durch  Verschwendung  und  Üppigkeit  zu  Grunde  gegangen  sei. 
Das  gehen  nit  ain  Maine  anzaigung  die  froschlehen,  also  genennt,  da  son- 
dere mair  und  letit  darauf  bestellt,  die  auch  ihre  lehengueter  darauf  be- 
seßen,  die  haben  den  f roschen  weren  sollen  und  verhindern,  das  die  gaist- 
lichen  vätter  vor  dem  retschen  schlafen  künden,  ain  hixus,  der  auch  dem 
Heliogabalo,  Xerxi,  Lucullo  U7id  andern  brachthanssen  und  vericenten  leiden 
zu  ve7'gleichen.  Mögt  aber  ainer  sagen ,  tele  kann  man  den  f röschen  das 
retschen  verbieten,  oder  wie  mag  doch  ain  sollichs  abgestellt  loerden  ?  Do 
haben  unsere  vorder  geantwm%  es  kund  ain  thor  ein  so  ungeruempte  fragen 
thon,  das  zehen  weisen  im  die  nit  verantivoo^ten  wißen.  Also  mögt  auch 
ainer  nit  unbillich  fragen,  wie  es  ainest  bei  kaiser  Vespasiani  Zeiten  zu- 
gangen, der  ain  zoll  uf  das  brünts  wasser  ordnet,  dessen  sich  noch  bei  wei- 
len vil  verwundern,  und  tvie  ain  hof man  sagt,  so  kirnt  ain  narr  mer  fragen, 
dann  zehen  die  allericeisesten  veranticorten.  —  Die  dem  Verfasser  der 
Chronik  so  schwierig  scheinende  Frage  in  Betreff  der  Froschlehen  be- 
antwortet sich  durch  das  von  Grimm  RA.  355  f.  Angeführte.  Vgl.  auch 
Birlinger  Volksthümliches  aus  Schwaben  S.  117  zu  Nr.  173.  Die  An- 
spielung auf  Vespasian  beantwortet  sich  durch  Sueton  in  dessen  Le- 
ben c.  32. 

I,  268,  4  ff.  Der  rewkauf  war  zu  spat,  wie  man  gemainlich  von  den 
Deutschen  sagt,  das  die  erst  nach  der  that  und  da  der  schaden  schon  be- 
schehen,  sich  bedenken  und  iceis  seien.  Nicht  bloß  die  Deutschen  sagen 
dies  von  sich,  sondern  auch  andere  Völker.  Nach  des  Freiherrn  von 
Reinsberg-Düringsfeld  Internationale  Titulaturen,  Leipz.  1863,  I,  5  sagt 
der  Franzose:  „Der  Italiener  ist  weise  vorher,  der  Deutsche  bei  der 
That  und  der  Franzose  nachher;"  und  der  Pole:  „Der  Italiener  ist  weise 
vor  dem  Schaden,  der  Deutsche  im  Schaden,  der  Pole  kommt  erst 
nach  dem  Schaden  zu  sich.^   Der  deutsche  Spruch  lautet  dort:    „Die 


39r)  FELIX  LIEB  RECHT 

Franzosen  sind  witzig  vor  der  Sach',  die  Welschen  in  der  Sach',  die 
Deutschen  nach  der  Sach'."  Dazu  will  ich  noch  fügen,  daß  auch  De- 
mosthenes  De  Pace  p.  57  zu  seinen  Athenern  sagt:  (u'  (isv  akXoc  nävns 
av^QOKoi  TiQO  räv  TCQay^drav  ela^aGt  XQri0%aL  rcj  ßovXsvsG^ai^  viiatg 
0£  [isra  T«  TTpayuara. 

I,  279,  10.  In  einer  Sage,  die  in  den  Kreis  derer  von  Heinrich 
dem  Löwen,  dem  edlen  Möringer  u.  s.  w.  gehört,  wird  erzählt,  dem 
Helden  derselben,  einem  Grafen  Friedrich  von  Zolleru,  habe  der  Teufel 
ein  Ross  gebracht,  welches  ihn  an  alle  ort  und  ende,  dahin  in  gelüstet, 
tragen  wurde  (mocht  sich  schier  des  Pacolets  ross  vergleichen).  Der  Heraus- 
geber in  der  nachträglichen  Anmerkung  zur  Stelle  (IV,  422)  hält  Fa- 
colet  für  wahrscheinlich  verdorben  aus  Pegasus.  Gemeint  ist  jedoch 
jenes  hölzerne  Ross  des  Zauberers  Pacolet,  auf  welchem  in  dem  fran- 
zösischen Ritterbuch  „Valentin  und  Orson"  Valentin  durch  die  Lüfte 
fliegt.  Noch  jetzt  sagt  man  auf  fi-anzösisch  von  Jemand,  der  rasch  ein- 
herläuft:  „C'est  le  cheval  de  Pacolet." 

I,  301,  12  ff.  Die  Bauern  von  Wittershausen  können  ihre  in  ein- 
ander verwickelten  Füße  nicht  entwirren,  wozu  ihnen  aber  auf  ihr  Bitten 
der  eben  vorüberreitende  Herr  Johann  von  Zimmern  alsbald  dadurch 
verhilft,  daß  er  ihnen  mit  einem  Stock  die  schinhain  wol  erklopß.  So- 
bald die  pauren  deren  straich  empfanden,  hat  ein  ider  seine  schinhain  an 
sich  gezogen  und  den  nechsten  aufgestanden.  —  Dieselbe  Geschichte  er- 
zählt man  auch  von  den  Schildbürgern  Cap.  29,  den  Dölpelbachern  bei 
Burkhard  Waldis  4,  90,  69 — 74,  den  Köpniker  Rathsherren,  Reinsberg- 
Düringsfeld  a.  a.  O.  2,  126  und  in  Campbells  Gälischen  Märchen  („Leute, 
die  beim  Zusammensitzen  ihre  Beine  unter  einander  verwechselt  haben"), 
Beufey's  Or.  u.  Occ.  2,  687. 

I,  304.  8  ff.  Dieselben  Wittershausener  messen  einst  einen  Brunnen 
ihres  Dorfes  dadurch,  daß  sich  einige  von  ihnen  einander  an  die  Beine 
hängen  ;  sie  fallen  aber  sämmtlich  hinein ,  als  der  oberste  von  ihnen, 
um  sich  fester  zu  halten ,  sich  in  die  Hände  spucken  will  und  dabei 
loslässt.  —  Dieser  Schwank  kommt  auch  sonst  noch  vor;  doch  kann 
ich  jetzt  nur  den  zweiten  Theil  des  „ Grillen ver treib ers"  namhaft  machen, 
s.  V.  d.  Hagen  Narrenbuch  S.  474. 

I,  309,  13  ff.  Die  Hausfrau  des  Haug  von  Hausen  wird  während 
eines  Sterbens  zu  Möskirch  (im  J.  14 . . )  für  todt  begraben,  durch  den 
Todtengräber  aber,  der  ihr  bei  Nacht  den  goldenen  Ring  und  die  schö- 
nen Kleider  rauben  will,  Avieder  ins  Leben  gerufen,  worauf  sie  in  ihr 
Haus  zurückkehrt  und  noch  drei  Jahre  bei  ihrem  Manne  lebt.  —  Diese 


ZUR  ZLMMEKLSCHEN  ClIKONIK.  301 

Sage  gehört  in  den  Kreis  derer,  die  ich  in  der  Geunun.  13,  161  ff. 
„Die  Todten  von  Lvistnau"   ausführlich  besprochen. 

I,  339,  16  ff.  Ein  Graf  von  Leiuingen  lässt  den  gemuthmassten 
Buhlen  seiner  Gemahlin  umbringen  und  den  Leib  unter  dem  Hoch- 
gericht vergraben ;  das  haicpt  aber  hat  er  in  ain  eisin  kettin  einfaßen 
lassen  und  allen  imhiß,  so  er  zu  tisch  gesessen,  brachten  etlich  diener  die 
grefin  in  das  gemach  hinein.  Die  het  das  hawpt  an  der  kettin  am  hals 
hangen,  miiest  in  ain  winkel  sitzen;  da  gab  man  ihr  wasser  und  brot,  das 
mMst  sie  mit  den  hundert  essen.  Sollich  straf  und  pen  het  ir  der  graf, 
ihr  gemahl,  ain  jar  lang  zu  ainer  bueß  geordnet.  Der  h.  Ulrich,  Bischof 
von  Augsbui-g,  der  einst  im  Schloß  des  Grafen  anlangt  und  in  Folge 
seines  Gebets  das  am  Hals  der  Büßerin  hängende  Haupt  zur  Außei'uug 
der  Worte  bringt :  Unschtddig  bin  ich  alles  bezigs  an  diser  fraioen,  lässt 
den  Körper  alsbald  ausgraben,  an  den  sich  dann  das  Haupt  von  selbst 
wieder  anfügt.  Der  unschuldig  Gemordete  wird  wieder  lebendig  und 
erhält  seine  Güter  zurück;  der  Graf  erlangt  die  Verzeihung  seiner 
Fi-au.  —  Diese  Geschichte  schließt  sich  denen  an,  die  Benfey  Pant- 
schat.  1,  443 — 454  behandelt;  s.  auch  Pauli  Sehimpf  und  Ernst  Cap.  223 
und  meinen  Zusatz  zu  Oesterley's  Anm.  in  den  Heidelb.  Jahrh.  1867  S.  70. 

I,  436,  6  ff.  Denen  ging  es  auch  icie  dem  Luciano,  bei  seiner  lieb- 
haberin,  die  sprach:  y^abi,  in  simiam  es  converstcs."'  Ebenso  HI,  75,  25'. 
Wolan,  man  hat  uns  darftir,  icir  seien  in  simias  conversi.  S.  Lucians 
Lucius  c.  56:  et)  Ös  pLot  eX^lvd-ag  i^  ixsivov  tov  xaXov  xal  XQ>i^^fiov 
^caov  eg  Ttid^rjxov  ^{Tafiogcpcod-ecg. 

I,  440,  5  ff.  Noch  ist  das  alles  ßcr  ain  schimpf  und  ain  nichts  zu 
achten  gegen  der  knnigin  von  Frankreich,  die  im  Neue  zu  Paris  am  icasser 
hat  gewonet,  die  hat  Studenten  und  andere,  die  ir  gefallen,  einzogen  und 
nach  dei'  haut  gebraucht.  So  sie  dann  eins  maßledig  worden,  oder  er  kain 
hertbarer  gesell  mer  gewesen,  wie  man  an  der  Jeder  am  Hunsruck  sprücht, 
so  hat  sie  ain  haimliche  fallen  ufs  wasser,  die  Seine,  gehapt,  die  ist  wie 
ein  mausfall  gemacht  gewesen,  so  hat  sie  dann  den  gueten  gesellen  schnappen 
lassen.  Der  ist  verfallen,  das  ine  niemandts  mehr  gesehen.  Das  ist  mit 
vilen  geschehen,  die  also  verloren  worden.  Letzstiichs  ist  das  mort  durch 
den  großen  Albertum,  so  derzeit  zu  Paris  studiert,  offenbaret  loarden,  das 
Pallatium  Nelle^  darin  sie  gewonet,  ist  zerstöret,  ist  noch  ein  burgstall  und 
ligt  xf  der  seiten  der  universitet.  Ich  habe  von  herzog  Hannsen  von  Summer 
gehört,  das  si  ain  herzogin  von  Bayern  sei  gewesen.  Wie  es  ir  dar  ob  er- 
gangen, ist  ain  ungleiche  sag,  soll  aber  doch,  loie  billich,  darumb  gestraß 
sein  icorden.  —  Diese  Sage  bezog  sich  ursprünglich  auf  zwei  andere 
französische  Königinnen  ,    von  denen  die   eine  Bianca   hieß  ,    entweder 


392  FELIX  LIEMKECHT 

also  die  Gremahlin  Ludwigs  VIII. ,  Tochter  Alfons  IX.  von  Castilien 
und  Mutter  Ludwigs  des  Heiligen  (11252),  oder  die  Gemahlin  Karls  IV., 
Tochter  Ottos  IV.,  Pfalzgrafen  von  Burgund  (f  1.340);  wahrscheinHch 
auf  die  letztere,  die  ein  sehr  ausschweifendes  Leben  geführt  hatte,  ob- 
wohl auch  ersterer  mancherlei  nachgesagt  wurde  ;  s.  z.  B.  Bayle  S. 
V.  Thibaut,  bes.  Note  D  ;  ferner  Jean  d'Outremeuse  Ly  Myreur  des 
Histors  V,  177  (Acad.  Roy,  de  Brux.)  u.  s.  w.  Die  andere  jener  zwei 
Königinnen  war  Johanna,  Tochter  Heinrichs  I.  von  Navarra,  die  Ge- 
mahlin Philipps  des  Schönen,  die  gleichen  Euf  genoß  (f  1304).  Wie 
man  nun  darauf  gekommen  sein  mag,  an  die  Stelle  jener  beiden  die 
nicht  minder  berüchtigte  Isabelle  von  Baiern,  die  Gemahlin  Karls  VI., 
eintreten  zu  lassen,  und  mit  dieser  dann  Albertus  Magnus  in  Verbin- 
dung zu  bringen,  erhellt  aus  meinem  Aufsatz  „Semiramis"  im  Philo- 
logus  24,  180  ff.,  obwohl  ich  bei  Abfassung  desselben  von  dieser  wirk- 
lich eingetretenen  Verbindung  noch  nichts  wusste. 

I,  455,  2  ff.  Ivudwig  von  Liechtenberg,  der  sich  mit  der  schwarzen 
Jcunst  vil  beladen  hat,  ließ  sich  einmal  in  einem  Wirthshause,  wo  viele 
betrunkene  Bauern  lärmten,  von  einem  derselben  einen  Stiefel  auszie- 
hen, zugleich  gieng  ihm  aber  der  ganze  Schenkel  mit  vom  Leibe;  also 
hat  alle  umbstender  gedeucht,  es  ist  aber  alles  nur  ain  blendung  gewesen. 
Ganz  erschreckt  eilen  alle  Bauern  davon;  also  ist  der  guet  herr  diser 
vollen  pauren  geschtoindt  abkommen,  das  er  dieselbig  nacht  guete  ruio  hat 
gehabt.  Über  diesen  Schwank  s.  zu  Gervas,  S.  64  Anm. ;  auch  Eulen- 
spiegel G.  65  ed.  Lappenb, 

I,  485,  1  ff.  Dem  Churfürsten  Albrecht  von  Mainz  schlägt  ein 
thorechter  mentsch,  genannt  der  Pastor,  eine  hartnäckige  Mücke,  die  nicht 
weichen  will,  mit  umgekehrtem  Wedel  auf  der  Nase  todt,  —  S.  H.  Kurz 
zu  Waldis  2,  99;  Oesterley  zu  PauH  Schimpf  und  Ernst  Cap.  673  und 
Anhang  Cap.  19,  Dieser  Schwank  wird  auch  in  der  Liosvetningasaga 
als  historische  Thatsache  erzählt ;  s,  P.  E.  Müllers  Sagaenbibliothek  1,  134 
(des  dän.  Orig.). 

II,  5  ff.  In  dem  „deutschen  spruch"  Herrn  Johann  Werners  von 
Zimmern  (geb.  1480)  kommt  auch  eine  Episode  vor  (S.  18,  19 — 22,  33) 
welche  mit  den  Worten  beginnt:  In  der  edlen  statt  Prato  —  Was  ain 
gesetz  also  u.  s.  w.  Diese  ist  dem  Decam.  VI,  7  entnommen,  wo  der 
Anfang  lautet :  Nella  terra  dt  Prato  fii  giä  uno  statuta  ecc.  Das  Wort 
edel  fehlt  hier  also,  findet  sich  aber  in  der  Steinhoewel'schen  Übersetzung 
(S.  394  ed.  Keller.  Litter.  Verein) :  In  der  edelen  stat  Prato  vor  zeiten  ein 
Statut  vnd  gesecze  was  u.  s.  av. 


ZrU  ZIMMEKISCHEN  CHKONIK.  393 

II ,  47 .  7  ff.  Zwei  Herren  von  Spet  (Zeitgenossen  des  eben  ge- 
nannten Johann  Werner  von  Zimmern)  reiten  einst  bei  einem  Hoch- 
gericht vorüber  und  einer  von  ihnen  lädt  die  dort  hängenden  drei  dür- 
ren hrueder  zum  Nachtessen  zu  Gast,  und  wirklich  auch  erscheinen  diese 
des  Abends  zum  großen  Entsetzen  der  beiden  Hauswirthe.  —  Eine 
gleiche  Sage  in  Grimms  DS.  Nr.  335  „Gäste  vom  Galgen",  und  in  de  la 
Villemarque's  Barzaz-Breiz  2,  57  ff.  (4.  ed.)  „Le  Carnaval  de  Rospor- 
den."  Letzterer  nennt  sie  „egalement  populaire  en  Allemagne,  en  Espagne 
et  en  France."  Das  „Espagne"  geht  ohne  Zweifel  auf  die  Sage  von 
Don  Juan,  über  welche  s.  Scheibles  Kloster  3,  663  ff. 

II,  159,  30  ff.  Nicht  weit  vom  Grafen  Wolf  von  Oettingen,  einem 
andern  Zeitgenossen  Johann  Werners,  ist  ain  alter  ritter  gesessen  gewesen^ 
der  hat  ain  schöne,  junge  fraioen  gehabt,  und  ist  aber  er  ain  solcher  karger 
man,  das  bemelfe  frau  nit  allain  den  gaistlichen,  auch  den  weltlichen  hunger 
zu  Zeiten  gedulden  mueßen.  Zu  der  ist  graf  Wolf  oftermals  in  ains  hett- 
lers  gestalt  heklaidet  kommen  und  etliche  tag  manichmal  hei  ir  beliben. 
Dai-von  ist  das  liedt  gemacht  worden,  so  man  den  Bettler  nenvpt,  und  loie 
das  liedt  vermag,  also  ist  die  historia  an  ir  selbs  ergangen.  Barack  ver- 
weist hierzu  auf  Uhlands  Volkslieder  2,  737  ff.  u.  1030.  S.  auch  Mittler 
Nr.  173—177  nebst  den  Anm.  der  2.  Aufl.,  Horae  Belg.  2,  122  f. 
(2.  Ausg.)  Nr.  46,  V.  d.  Hagens  Gesammtab.  Nr.  36  „Das  warme  Al- 
mosen" und  dazu  meinen  Nachtrag  German.  1,  262.  [Keller  Altd.  HS.  7. 
Wiener  HS.  2848  Bl.  232\] 

II,  175,  29  ff.  Graf  Albeck  von  Sulz  hatte  einen  Sohn,  Namens 
Herman ;  von  dem  sagt  man,  als  er  geboren  looi'den,  hab  im  sein  herr  vatter 
ztven  namen  im  tauf  geben  lassen,  nemlich  Wolf  und  Herman,  ufier  der 
ursach,  so  der  jung  ain  reuterisch  mann  icerde,  soll  er  Wolf  haißen,  wa 
nit,  solle  im  der  nam  Herman  bleiben.  Denselbigen  namen  hat  er  sein  leben' 
lang  behalten,  dann  es  ain  gueter,  frommer,  einf eltiger  mann  gewesen,  der 
hillicher  Herman,  welches  ain  schaff  ist,  dann  Wolf  hat  sollen  gehaißen 
werden.  —  Man  vergleiche  hiemit  die  von  Grimm  Myth.  327  angeführte 
Stelle  des  Widekind :  „Hirmin  vel  Hermes  graece  Mars  dicitur,  quo 
vocabulo  ad  laudem  vel  ad  vituperationem  usque  hodie  etiam  ignoran- 
tes  utimur."  Dies  Avird  auf  den  Bock,  Thors  geheiligtes  Thier,  bezogen, 
der  noch  jetzt  Hermen  heißt;  s.  Grimm  Gesch.  d.  Spr.  35,  A.  Kuhn 
Westph.  Sag.  2,  15.  Wie  aus  obiger  Stelle  der  Zimmerischen  Chronik 
erhellt,  gab  man  im  15.  Jhd.  auch  dem  Schafe  den  Namen  Herman. 

II,  179,  13  ff.  Im  15.  Jhd.  wurde  im  Züricher  Gebiet  ein  Hirsch 
erlegt,  um  dessen  Hals  sich  ein  ins  Fleisch  gewachsener  Ring  befand 
mit  der  Inschrift:    Jaeger,  lieber,  laß  mich  leben!  —  Diß  halsband  hat 


304  FELIX  LIKJtlvKCHT 

vür  kniser  Karle  (/ehen.    —    Dieselbe  Sas^e    wird  sonst   niif  jMagcleburf]^ 
bezogen;  s.  Grimm -DS.  Nr.  440;  vgl.  Wolf  Niederl.  Sag.  zu  Nr.  50. 

II,  180,  7  ff.  Die  ritterschaft  s.  Jörgen  schüts  im  Hegew  hielt  uf 
ain  zeit  ain  große  fasnacht  zu  Costmiz ....  Begab  sich,  das  under  andern 
fraiven  und  junkfraiven  ainer  under  dem  nachtessen  etwas  unv  er  sehenlichen 
von  nöten  wardt.  Nun  war  domals  [gegen  Ende  des  XV.  Jhd.]  der  brauch, 
das  man  an  langen  schmalen  taffein  aß,  ivie  in  den  clostern  noch  gemainc- 
lich  der  bruch,  und  beschach  der  gueten  jungfrawen,  die  aller nechst  bei 
herrn  {Gottfrieden  saß,  so  bang  und  so  wehe,  das  sie  nit  lediger  verziehen, 
sonder  hunder  der  tajfel  uf  wuschte,  den  langen  schicanz  an  ihrem  rocke, 
wie  domals  der  sitt  loas,  umb  den  ainen  arm  wicklet,  über  die  tajfel,  darzu 
ir  dann  die  rechtsgeseßnen  alle  verholfen  loaren,  steigen  mueste.  Es  konnte 
aber  so  geschioindt  nit  zugeen,  der  gueten  junkfraiven  empfiel  ain  michels 
kegele  uf  den  disch,  nit  weit  von  herr  Gottfriden.  Aber  si  fuoi-  darvon, 
ir  macht  iederman  'platz.  Herr  Gottfridt  schrie  ir  nach:  y^Botz  mag! 
jungkfratv,  nemts  mit!'"''  Darvon  entstuendte  ain  sollichs  gelechter.,  tmd  mueste 
man  ain  frischen  disch  machen.  Aus  diesem  tragischen  Vorfall  erhellt  also, 
daß  auch  in  Süddeutschland  ehedem  über  den  Tisch  springen  müsste, 
wer  hinter  demselben  hervor  wollte ,  wie  ich  dies  aus  den  nordischen 
Ländern,  so  wie  aus  Italien  und  Frankreich  in  den  Gott.  Gel.  Anz. 
1867  S.  571.  1868  S.  427  nachgewiesen.  Diese  Gewohnheit  erhielt  sich 
in  Dänemark  selbst  in  den  Häusern  des  Adels  so  lange ,  bis  König 
Friedrich  der  Zweite  (1559 — 1588)  diese  Art  bei  Tisch  zu  sitzen  verbot, 
weil  es  ungeziemend  wäre,  daß  Frauenzimmer  auf  genannte  Weise  über 
•den  Tisch  sprängen.  Wie  sehr  berechtigt  dieses  Verbot  war,  geht  aus 
Obigem  schlagend  hervor.  Übrigens  entnehme  ich  einer  freundlichen 
Mittheilung  Kauslers,  daß  „auch  heute  noch  im  Gebirge  die  Sitzbänke 
hinterm  Tisch  an  die  Wand  fest  gemacht  sind,  und  ein  kräftiger  Bursche 
springt  noch  jetzt,  wie  ich  mich  selbst  überzeugt,  nach  Umständen  vom 
Sitze  aus  frei  über  die  ganze  Tafel  weg.  Solche  Stückchen  gefallen 
aber  auch  der  Bevölkerung!" 

n,  220,  36 — 222,  35!  Hier  werden  hintereinander  zwei  gräuliche 
Geschichten  a  la  Cintio  erzählt ,  worin  fast  alle  handelnden  Personen 
ums  Leben  kommen  und  welche  beide  in  die  erste  Hälfte  des  16.  Jhd. 
versetzt  werden.  In  der  ersten  tödtet  zu  Hechingen  ein  Knabe  seinen 
Bruder  im  Spiel,  die  Mutter  hört  das  Geschrei  beider  und  eilt  hinaus, 
inzwischen  ertrinkt  ihr  jüngstes  Kind,  welches  sie  eben  badet;  der  Vater 
kommt  nach  Haus  und  ersticht  sich  ob  des  großen  Jammers.  Der  Knabe 
wird  vor  Gericht  gestellt  und  ihm,  um  seine  Urtheilsfähigkcit  zu  prüfen,, 
ein  neuer  glänzender  Goldgulden  nebst  einem  Apfel  zur  ^Valll  vorgelegt; 


7A'\{  ZiMMHRI.SCHEN  CHKüNIK.  ■"  395 

ZU  seinem  Glück  greift  er  nach  dem  Apfel  und  kommt  also  mit  dem 
Ltben  davon.  —  Dieser  letztere  Zug  stammt  £^s  der  bekannten  Sage 
von  Moses,  s.  meine  Notiz  in  der  German.  1,  476  f ;  vgl.  [Gorman.  VI, 
209—212],  W.  Wackernagel  Die  Lebensalter,  Basel  1862  S.  46  f.;  tüge 
liiezu  die  serbische  Sage  bei  Maßmann  Kaiserchronik  3,  870  f. 

n,  405,  15  ff.  Das  iezig  kirclüe  im  Weiler  ist  in  der  ehr  des  rifters 
s.  Jwgen  geweicht.  Darin  ist  hei  wenig  jaren  noch  ain  unachthare  aichene 
Scheiben  gewesen,  in  der  form  und  große  wie  ain  zimlicher  faßhoden-.  . 
Diese  aichene  Scheiben  hat  diese  chraft  und  aigenschaft  gehapt ,  so  etvmn 
ain  mentsch  in  der  Tonow  ertrunken  und  zu  boden  gefallen^  das  man  den 
leib  nit  finden  kinden,  so  hat  man  iez  ernempte  Scheiben  im  Weiler  gehollet 
und  dieselbig  an  das  ort,  do  der  juenfsch  ertrunken,  in  die  Tonow  geivor- 
fen,  so  ist  dann  die  Scheiben  dem  wasser  nach  geschwommen,  biß  an  das 
ort,  do  der  cörpel  gelegen.  Alsdann  ist  sie  nit  fortgangen,  sonder  sich  vil- 
mals  in  aim  lourbel  umbkert.  Daselbs  haben  dann  di  vischer  gesucht  und 
den  todten  mentschen  gewisslich  gefunden ....  Man  sagt  auch,  es  sollen  deren 
Scheiben  noch  mehr  an  der  Tonaiv  sein,  die  ain  gleichförmige  chraft  haben, 
sonderlichen  aber  bei  denen  kifxhen,  so  in  der  ehr  des  lieben  hailigen,  rit- 
ters  s.  Jörgen  seien  geioeihet.  —  Vgl.  hierzu  Wuttke  Der  deutsche  Volks' 
aberglaube  der  GegeuAvart  2.  Aufl.  Berlin  1869  S.  239  §.  371 ;  „Um  die 
Leiche  eines  Ertrunkenen  zu  finden ,  schreibt  man  seinen  Namen  auf 
ein  Brot  und  wirft  es  ins  Wasser ,  so  schwimmt  es  an  den  Ort ,  wo 
der  Ertrunkene  liegt  (Wetterau,  Oberpfalz)  •  man  nimmt  ein  neuge- 
backenes Brod,  schneidet  in  die  untere  Rinde  ein  Loch  und  steckt  eine 
angezündete  geweihte  Wachskerze  hinein  und  lässt  es  auf  dem  Wasser 
schwimmen,  manchmal  lässt  man  nur  eine  Wanne  schwimmen  (Böhm.)." 
Daß  ein  ähnliches  Verfahren  auch  in  England,  Irland,  der  Bretagne, 
so  wie  selbst  unter  den  nordamerikanischen  Indianern  Statt  findet, 
habe  ich  in  den  Heidelb.  Jahrb.  1865  S.  102  und  1868  S.  83  gezeigt. 
Ein  Correspondent  der  an  ersterer  Stelle  angeführten  Notes  and  Que- 
ries  fChoice-Notes  p.  42  f )  sucht  übrigens  das  Verfahren  auf  natürliche 
Weise  zu  erklären. 

II,  463,  27  if.  Eine  Hebamme  wird  einst  des  Nachts  in  Augsburg 
von  einer  unbekannten  Frau  zu  einer  Gebärenden  geholt ,  wobei  ihr 
jedoch  jene  unterwegs  die  Augen  verbindet  und  sie  längere  Zeit  hin 
und  her  führt,  damit  sie  nicht  wisse,  wo  sie  hingehe.  An  Ort  und  Stelle 
angelangt,  findet  die  Hebamme  eine  junge  Frau  mit  verhülltem  Gesichte, 
nebst  ein  oder  zwei  andern  Weibern,  die  sie  indeß  auch  nicht  zu  er- 
kennen vermochte.  Die  Fenster  des  Zimmers  sind  dicht  verhängt ; 
darneben  ist  auch  die  hebamma  so  wol  verhuet  worden,  das  sie  mit  keiner 


3'.MJ  FKLIX  l.lmUiKCHT 

kreiden,  holen  oder  anderer  materia  ainich  zaichen  oder  gemerk,  weder  im 
gemach  oder  dem  haus,  jachen  künden.  Nachdem  sie  ihr  Geschäft  ver- 
richtet, wird  sie  reich  belohnt  entlassen  und  mit  verbundenen  Augen 
auf  dieselbe  Weise  wie  vorher  wieder  nach  Hause  gebracht.  Unterwegs 
jedoch  ,  als  sie  veiinerkt  an  ainem  eck  der  gassen  sein ,  ist  sie  mit  fleis 
gestraucht,  gefallen  und  die  ain  handt  an  der  mauer  verkretzet,  damit  die 
wandt  schweißig  gemacht  und  nachgends  widerumh  darvon  gangen.  Am  an- 
dern und  den  darauffolgenden  Tagen  sucht  sie  nun  so  lange  an  allen 
Straßenecken  umher ,  bis  sie  die  von  ihr  mit  Blut  bezeichnete  aufge- 
fimden  und  die  hehamma  hat  nachgends  das  ganz  mistennum  außgehracht, 
so  daß  die  betreffenden  Personen  in  der  Stadt  bekannt  wurden ,  wie 
sie  denn  auch  die  Chronik  namhaft  macht.  Letztem  Umstand  hat  die- 
selbe indeß  weiterhin  Bd.  III  S.  544,  12 — 28  vergessen  ^  wo  sie  das 
nämliche  Ereigniss  summarisch  noch  einmal  berichtet,  aber  hinzufügt: 
Von  tcegen  ires  furnemen  geschlechts  und  adeUichen  hettelmantels  sollen  ire 
nammen  unverzaichnet  bleiben.  —  Diese  Geschichte  soll  sich  nun  zu 
Augsburg  im  zweiten  Viertel  des  16.  Jhd.  zugetragen  haben;  sie  wird 
jedoch  von  Walter  Scott  sehr  ähnlich  als  zur  Zeit  der  Königin  Elisa- 
beth in  England  (Berkshire)  vorgefallen  berichtet  (s.  Rokeby  Canto  V 
sect.  27  Anm.  zu  „Littlecot-Hall") ,  und  zwar  wurden  durch  eine  der 
oben  erwähnten  entsprechende  List  der  Hebamme  auch  damals  die  be- 
treffenden Personen  bekannt ,  wegen  ihres  hohen  Standes  aber  nicht 
bestraft.  Die  Erzählung  ist  nämlich  noch  grausiger  durch  den  Umstand, 
daß  das  neugeborene  Kind  alsobald  ins  Kaminfeuer  geworfen  und  von 
diesem  verzehrt  wird;  in  der  deutschen  Version  heißt  es  dagegen  nur: 
Got  waist  wo  das  kindt  hinkommen^  dann  wie  man  öffentlich  gesagt,  so 
ist  es  under  ain  eis  gefaren.  Hierzu  bemerke  ich  noch,  daß  um  das 
Jahr  1840  die  Spener'sche  Zeitung  in  Berlin  eines  Tages  einen  ebenso 
mysteriösen  wie  schaudervollen  Vorfall  berichtete ,  der  kui'z  zuvor  in 
Bukarest  stattgefunden  haben  sollte ;  ich  zeigte  aber  Tags  darauf  in 
dem  nämlichen  Blatte,  daß  derselbe  nur  eine  Erneuerung  der  eben  an- 
geführten englischen  Version  der  in  Rede  stehenden  Geschichte  war, 
mit  der  er  fast  buchstäblich  übereinstimmte.  So  leben  dergleichen  Sa- 
gen usw.  von  Zeit  zu  Zeit  immer  wieder  auf! 

II,  491,  14  ff.  Am  Anfang  des  16.  Jhd.  kam  ein  umherziehender 
Mönch  auch  nach  Möskirch,  um  mit  dem  Heilthum  für  sein  Kloster  zu 
sammeln.  Seine  Zechgesellen  stahlen  ihm  dasselbe  aus  dem  Wetschger 
und  thaten  dafür  Heu  hinein.  Als  er  nun  andern  Tages  bei  der  Predigt 
die  Reliquien  vorzeigen  wollte  und  dafür  Heu  fand,  erschrack  er  zwar 
anfangs,  iedoch  erholt  er  sich  wieder,  loollts  verbössern  und  spracht,  es  seie 


ZUR  ZIMMERISCHEN  CHRONIK.  397 

das  heto,  das  unseres  Heryots  essel  uf  dem  palmfag  gessen  hab.  Dess  loardt 
ein  groß  gelechter  in  der  kirchen.  —  Dies  ist  wiederum  eine  Novelle 
des  Bocc.  Decamerone  VI,  10:  Frate  Cipolla  promette  a  certi  contadini 
dl  mostrare  loro  la.  penna  dello  agnolo  Gahriello,  in  luogo  della  quäle  tro- 
xxindo  carhoni,  qaelU  dice  esser  dt  quellt  che  arrostirono  San  Lorenzo. 

II,  500,  31  ff.  Ein  Herr  von  Lenzenberg  buhlt  mit  dem  Weibe 
seines  Freundes  und  nahen  Nachbarn ,  eines  Herrn  von  Falkenstein. 
Einsmals  hat  er  dieselbe  in  Abwesenheit  bei  sich  in  seinem  Schlosse 
und  sie  liegt  noch  im  Bette,  als  sein  Freund  am  frühen  Morgen  auch 
anlangt,  aber  nicht  von  FaLkenstein  her.  Der  Lenzenberger  erzählt  ihm 
von  der  schönen  Frau ,  die  sich  eben  bei  ihm  befinde  und  ftihrt  ihn 
dann  auch  in  das  Schlafzimmer,  wo  sie  wachend  faulenzte.  Als  die  iren 
Junker  und  eheman  vorhanden  sein  vermerkt,  hat  sie  allain  das  angesicht 
Vierdeckt  und  außer  gehaiß  ires  liehhahers,  des  Lenzenhergers ,  hat  sie  ein 
handt  hiß  an  ellenbogen  %ind  ain  fueß  hiß  ans  knie  ußer  der  deckin  ge- 
fhon  und  das  den  eheman  tcol  besehen  lassen.  Hierauf  der  edelman  ah 
Falkenstain  gesprochen,  waverr  ich  nit  gedechte,  mein  iceih  tif  Falkenstein 
sein,  ich  sagte  es  iver  mein  loeih.  Also  ist  es  uf  dizmal  bliben.  Als  er  nun 
nach  eingenommenem  Imbiß  sich  nach  Falkenstein  begibt ,  findet  er 
die  bereits  wieder  nach  Hause  gekehrte  Frau  vor,  die  ihn  freundlich 
empfängt.  Er  thut  als  ob  er  nichts  gemerkt ;  ein  anderes  Mal  aber, 
wo  er  die  Frau  bei  ihrem  Buhlen  weiL^i  ,  überfallt  er  dessen  Schloß 
und  zerstört  es ,  wobei  auch  der  Lenzenberger  das  Leben  verliert. 
Wo  aber  die  h.uer  hinkommen,  die  schandtlich  frech  hestia,  das  ist  ver- 
gessen lüorden,  aber  zuversichtlich,  es  seie  ir  vne  irem  consorti  ergangen, 
und  damit  hab  sie  iren  verdienten  Ion  erlangt.  —  Dies  ist  die  erste  der 
Cent  Nouvelles  Nouvelles,  wo  aber  der  Ausgang,  dem  Charakter  dieser 
Sammlung  gemäß,  minder  tragisch  lautet.  Der  Hauptinhalt  ist  folgender : 
La  premiere  nouvelle  traicte  d'tmg  qui  trouva  fagon  de  jouir  de  la  fem.me 
de  son  voisin ,  le  quel  il  avoit  envoye  dehors  potir  plus  aisement  en  jouir ^ 
et  lui  reiourne  de  son  voyaige ,  le  trouva,  qui  se  baignoit  avec  sa  femme. 
Et  non  saichant  que  ce  fust  eile  la  voulut  veoir ;  et  permis  luy  fut  de  seule- 
ment  en  veoir  le  derriere :  et  alors  jugea  que  ce  lui  sembla.  sa  femme,  mais 
croire  ne  l'osa.  Et  sur  ce,  se  partit  et  vint  trouver  sa  femme  ä  son  hostel 
qu'on  avoit  houtee  hors  par  une  poterne  de  derriere;  et  hii  compta  l'imagi- 
nation  qu'il  avoit  eue  sur  eile  dont  il  se  repentoit.  S.  auch  die  Anmerkung 
von  Le  Roux  de  Lincy  zu  dieser  Novelle  in  seiner  Ausgabe  Paris  1855, 
wo  aber  verschiedene  Verweisungen  unrichtig  und  nach  Dunlop  S.  261 
zu  Ser  Giovanni  II.  2  zu  berichtigen  sind. 


398  FKLIX  LlElilfECHT 

TT,  r)'VP>,  7  ff.  Zu  Anfang  des  IR.  Jh.  wurdo  zu  Möskirch  ein  Brnnd- 
stifter  enthauptet.  Nachdem  dies  geschehen  ,  drang  ein  „Landfahrer" 
herbei  und  trank  das  warme  Bhit  des  Hingerichteten,  wodurch  er  sich 
von  der  fallenden  Sucht  zu  heilen  gedachte.  —  Vgl.  hierzu  Wuttke 
a.  a.  0.  S.  129  §.  189  und  S.  334  §.  532. 

II,  534,  25  ff.  Um  dieselbe  Zeit  ungefähr  hat  der  Pfaff  Hans 
Hemler  die  pfarr  zu  Wittershausen  versehen  und  sagt  man  geunsslich  von 
ime  er  hab  sehn  guggengauch  zu  Wittershausen  geholfen  zu  gugge7i,  sei 
aUernechst  zu  im  nf  ain  paum  gestiffen  und  damit  haben  sie  haide  den  guggen- 
gauch  zu  Bochingen  überschrieen.  —  S.  Schildbürger  Cap.  38  und  vgl. 
Mannliardt  in  der  Ztschr.  f.  d.  Myth.  3,  268  ff. 

n,  569,  23  ff.  Es  Jiat  ain  dorf  im  landt  zu  Bayrn,  nit  weit  vom  Hag, 
darin  mögen  di  pauren  nit  dulden^  das  man  inen  von  aim  krebs  sag;  damit 
ist  inen  ein  boß  begegnet.  Der  „Possen"  selbst  wird  jedoch  nicht  mitge- 
theilt;  gemeint  ist  iudeß  ohne  Zweifel  der  in  den  Schildbürgern  Cap.  41 
erzählte. 

III,  51,  8  ff-  Bei  der  Hochzeit  des  Freiherrn  Wilhelm  Werner 
von  Zimmern  (im  J.  1524)  zogen  die  von  Rotveil  mit  ihrem  carojo  oder 
großen  haupthaner  ob  den  500  stark  herab  geen  Oberndorf,  der  hochzeiterna 
entqeqen.  —  Wir  finden  hier  also  noch  eine  sehr  späte  Spur  des  mittel- 
alterlichen Bannerwagens  oder  carrosche ,  karräsche ,  ital.  carroccio, 
vo-1.  Grimm  RA.  263  ff.  Myth.  96.  Reiffenberg  im  Glossar  zu  Philippe 
Mouskes  2,  840  s.  v.  Estandart.  Dergleichen  Bannerwagen  waren  schon 
im  alten  Ägypten  in  Gebrauch  ,  s.  Julius  Braun  Naturgeschichte  der 
Sage  1,  52:  „Das  heilige  Thier  des  Amuu-Agathodämon  ist  der  Widder; 
in  seinen  Kopf  endet  der  Mastbaum  eines  Bannerwagens,  den  das  ägyp- 
tische Heer ,  wie  auf  der  äußern  Tempelwand  von  Medinet  Habu  in 
Theben  zu  sehen,  beim  Ausmarsch  mit  sich  führt." 

III,  7(),  4.  Von  einer  Edelfrau,  die  sich  oft  nach  dem  Kloster 
Kilperg  begab  und  dort  der  Buhlerei  oblag,  heißt  es,  sie  sei  dem  umar- 
men almnesen  gen  Kilperg  nachgeirandelf.  —  Dies  ist  eine  Anspielung  auf 
die  Erzählung  „Vom  warmen  Almosen"  in  v.  d.  Hagens  Gesammtab. 
Nr.  36 ;  vgl.  oben  zu  II,  159,  ,30. 

III,  90  Anni.  zu  25.  Zu  der  Geschichte  von  dem  Hausgeist  Hutgen 
s.  auch  Grimm  DS.  Nr.  74  „Hütchen". 

III,  275  Aum.  zu  23.  Über  die  Sage  vom  Rattenfänger  zu  Hameln 
R.  auch   noch  Lütke   in   v.  d.  Hagens   Germania   oder   Jahrbuch   usw. 

4,  44  ff.  Wolfgang  Menzel  Odin  S.  229  ff.  Mannhardt  German.  Mythen 

5.  257.  368.   Grohmann  Apollo  Smintheus  S.  83  ff.,  dessen  Böhmische 
Sagen  1,  168  f.  Simrock  Myth.  S.  4.54  (2.  Aufl.).     Nach  abyssinischem 


ZtJK  ZTMMERISCHEN  CHRONIK.  399 

Aberglauben  sind  die  Hadjiuji  Madjuji  dämonische  Pfeiffer,  wclelie  anf 
Zieg-en  durch  die  Dörfer  reiten  und  durch  ihre  Musik  die  Kinder  auf 
unwiderstehliche  Weise  hinter  sich  her  und  ins  Verderben  locken. 
S.  meine  Anzeige  von  Baring  Grould's  Myths  of  the  Middle  Ages  in 
den  Heidelb.  Jahrb.  1808  S.  647  Nr.  V  „The  Piper  of  Hameln".  Vgl. 
auch  noch  die  vorhergehende  Geschichte  in  der  Zimmerischen  Chronik 
selbst  S.  272,  10  ff. 

III,  276,  3  ff.  Die  Hausfrau  eines  Grafen  von  Aichelberg,  welche 
tor  etlich  hundert  jaren  bei  irem  leben  vil  tconung  zu  Boll  gehapf,  ist  ain 
darf,  im,  land  zu  Wurtenbei'g  gelegen,  ti'elches  auch  zu  der  grafschaft  Aichel- 
berg der  zeit  mag  gehert  haben,  versclieucht  die  Schneegänse,  die  den 
Feldern  der  armen  Leute  viel  Schaden  zufügen,  durch  ihren  frommen 
Lebenswandel  soAvohl  wie  dadurch,  daß  sie  ain  hülzine  gans  vf  ain  pfal 
schnitzen  lassen  zu  ain  zaichen,  mit  dem  berichte  so  lang  sie  das  zaichen 
bei  inen  haben,  icerden  sie  hinfurler  von  solchem  gefugel  onmolestirt  bleiben. 
Als  aber  zur  Zeit  der  Reformation  die  Gans  verbrannt  wurde,  haben 
sich  die  Schneegänse  wiederum  oftmals  gezeigt  und  den  Schaden  erneut. 
Die  Bannung  schädlicher  Thiere  durch  nachgebildete  Figuren  derselben 
so  wie  ihr  Wiederkehren  nach  Zerstöi-uug  letzterer  ist  ein  alter  Zauber- 
glauben; s.  Gervasius  S.  98. 

rV,  11,  4:  icie  der  groß  Alexander  der  königin  Cleophile  ir  kunig- 
reich  von  wegen  irer  liebsdieyisten  wieder  zugestellt.  Statt  Ch^ophile  müsste 
es  heißen  Cleophis;  s.  Justin  12,  7. 

IV,  39,  3:  et  loquebantur  variis  Unguis.  S.  Apostelgesch.  2,  4. 
IV;,  51,  3  ff.:  Kaiser  Carle.  .  .  .  •practiciert,  das  kunig  Hainrichs  eitere 

dochter  von  Engellandt  seim  sone ,  kunig  PhiUpsen,  vermehlt.  Hilf  Got! 
was  eilender  conditionen  miiesten  der  vatter  ttnd  sone  bei  dem  barbarischen, 
stolzen  Volk  eingeen !  Die  Engellender  volten  alle  preeminenz  haben  vorm 
kunig  und  allem  seim  volke.  Die  hofertigen  Spanier  muesten  sich  icider 
iren  loillen  ducken.  Das  loardt  also  ußgedinget,  und  sagt  man,  ivie  ich  das 
von  hochen  letden  gehört ,  sie  seie  uf  den  jungen  kunig  zu  Zeiten  gesessen 
und  td)er  Rein  gefaren.  —  Letzteren  Ausdruck  über  den  Rhein  fahren 
halte  ich  für  eine  aphrodisische  Redensart  und  das  Ganze  für  ein  6%^yicc 
cccpQodiöt-axöv.,  welches  sich  durch  das  vorhergehende  gesessen  erklärt; 
vgl.  Ovid  de  arte  am.  3,  778  „resedit". 

IV,  78,  30  ff.  Den  Mönchen  zu  Schouow  sagte  man  nach,  sie 
hätten  den  alten  Churfilrsten  Friedrich,  Graf  Ludwig  von  Löwensteins 
Vater,  durch  den  Psalm  108  „Dens  laudem"  zu  todt  gebetet.  Vgl.  über 
zu  todt  beten  Wuttke  a.  a.  O.  §.  397.  :)20. 


400  FF.LIX   IJEliKKClIT 

IV,  105,  21  ff.  Kurze  Zeit  zuvor,  ehe  Katharina  Iläge  als  Amme 
zweier    ^Fräuleiu"    zu  Möskirch  angenommen  wurde  ,    ist  ir  ein  gueter 
schwank  iciderfaren,  den  ich  ir  gleichicol  zu  kainer  schmach  odei'  ainiehem 
nachtail,   sonder  allain,   dieweil  ich  mir  furgenommen,   manchei^lai  zu  be- 
schreiben und  das  sollichs  alles  luarkaßigclichen  also  beschaffen,  alhie  in- 
serieren wellen.    Nun  ist  der  zeit  ain  pater  oder  beichtvater  von  Salmans- 
weil  zxi  Waldt  im  dosier  gewesen,  genannt  herr  Bartholme  Kobolt,  welcher 
die  closterfrawen  daselbst  providij't.    Derselbig  bauchvatter  war  ain  wilder 
brueder  und  der  dritten  regel  des  lieben  hailigen  sancti  Sileni,  und  so  er 
zu  der  adem  liese,   pflag  er  gemainlich  guet  Schweinebraten  bereiten  lasen 
und  fraß  alsdann  ein  grose  somma  wurst.  .  .  .Ains  abends  spat  het  bemelter 
munch  Kobolt   dise  Katharinam   spat   zu  sich   in  die  badstuben   zu   Waldt 
beschaiden,  da  wolten  sie  ain  guets  muetle  haben.  Er  pracht  uf  die  bestimbt 
zeit  ein  guete  ßeschen  mit  wein,  alsdann  die  patres  zu  Waldt  sonderlichen 
mit  gueten  wiein   und   in  aller  fülle   wol  loerden   ußgemest;    so  bracht  sie 
bachen  ßaden.  Nun  traf  es  sich  aber,  daß  ein  Hirtenjunge,  der  auf  der 
Weide   einige  dem  Kloster  gehörige  Kälber  verloren,    aus  Furcht  vor 
Schlägen  nicht  zu  seinem  ani  nach  Hause  gekehrt  war,    sondern  sich 
in  jener  Badstube   versteckt   hatte ,    wo   er   einschlief.     Das  Geräusch, 
Avelches  das  später  eintretende  Liebespaar  machte,  weckte  ihn  zwar  auf, 
jedoch  hielt  er  sich  vor  Schreck  ganz  still,  konte  sich  auch  user  der  sach 
und  was  daraufi  loerden  wolte  nicht  verrichten.  Mit  was  ceremoni  der  münch 
bemelte  Catherin  empfangen,  ist  von  unnetten  zu  erzellen,  es  kanns  ein  ieder 
verstendiger  selbs  ermessen.     Es  wardt  vom  münch  gleich  in  ein  bedenken 
gezogen,  ob  sie  anfengclichs  zechen,  oder  sonst  mit  ainandern  im  bret  spilen 
tcelten.     Aber  in  solcher  berathschlagung   und   auch  das  er  die  fraw  ganz 
guetwillig  befandt,  die  dann  stettigs  uf  den  Messias  wartet,  do  wardt  dem 
münch,  wie  obgesagt,  das  eisen  so  hitzig,  man  hett  ein  schwebelhölzle  darbei 
angezündt ,   das  er  sie  gleich  in  der  furia  uf  ain  bank,    darauf  das  licht 
Stande,  legt  und  sie  entblöst.  Ehe  und  zuvor  aber  der  scharrmitzel  anging, 
greift  der  münch  mit  baiden  henden  zum  gaffeisen  und  sieht  hinein.    Also 
in  groser  begir  (loie  zu  achten,  der  münch  sei  ganz  transi  getoest,  der  auch 
selten  zu  aim  solichen  lueder  kommen)  sprucht  er:  yHie  sihe  ich  die  gan- 
zen weh  und  was  darin  ist."'    Wie  er  das  sagt,  do  empfacht  der  arm  knab 
7oider  ein  herz,  verhoffende,  er  mecht  durch  sollichs  mitel  seine  kelber  wider 
finden,  und  rueft  mit  demuetiger  stim:  ,,Ach,  lieber  herr,  durch  Gottes  willen, 
so  ir  also  in  alle  weit  und  was  darin  ist,  sehen  künden,  schaioet,  ob  ir  auch 
meine  verlmme  kelber,  wo  die  verborgen  weren,  ersehen  mögten,  dann  mich 
vielleicht  mein  ani  sonst  zu  todt  schlagen  unirf."'  So  baldt  der  bueb  das  also 
redt,  erschrickt  der  münch   und   läuft   davon ;  Katharina  folgt  ihm  alsbald 


ZUR  ZIMMERISCHEN  CHRONIK.  401 

nach.  Dises  ist  alles,  wie  gemeldt,  zu  Waldt  im  dosier  warhaft igcUchen  be- 
schehen  im  jar  anno  1547.  —  So  erzählt  die  Chronik;  früher  jedoch  schon 
die  zwölfte  der  Cent  Nouvelles  Nouvelles,  deren  Hauptinhalt  so  lautet: 
La  dousiesme  nouvelle  parle  d'ung  Hollandois  qni  nuyt  etjour,  ä  toute  heure, 
ne  cessoit  d'assaillir  safemme  au  jeu  d'amours ;  et  comment  d'avenfure  il  la 
rua  par  terre,  en  passant  par  ung  hois,  soubz  un  grant  arhre  sur  lequel  estoit 
ung  laboureur  qui  avoit  perdu  son  veau.  Et  en  faisant  inventoire  de  beaux 
membres  de  safemme,  dist  qu'il  veoit  taut  de  helles  choses  et  quasi  tout  le  monde; 
ä  qui  le  laboureur  demanda  s'il  veoit  point  son  veau  qu'il  cherchoit,  parce  qu'il 
disoit  qu'il  lui  sembloit  en  veoir  la  queue.  Dieser  Schwank  findet  sich  aber 
auch  bereits  in  des  Pogg^ius  Facetiae;  s.  Duulop  S.  296  und  Le  Roux 
de  Lincy  zu  der  angeführten  Novelle.  —  Noch  bemerke  ich^  daß  der 
in  der  Erzählung  der  Chronik  vorkommende  Ausdruck  tränst  wohl  das 
französische  Wort  ist,  hier  aber  in  der  Bedeutung  „außer  sich,  verzückt", 
wie  das  englische  tranced. 

IV,  136,  14  ff.  Um  jene  Zeit  kam  auch  ein  Abenteurer  nach  Mös- 
kirch,  so  mit  der  schioarzen  kunst  umbgienge;  der  beschivur  ain  gaist,  daz  er 
sich  in  eines  jungen  knaben  daumennagel  erklert  und  wunderbarliche  ding  zaigt. 
—  Über  die  Ouychomantie  s.  Gervas.  S.  73. 

IV,  144,  15;  der  kotzen  die  schellen  anhenken.  S.  Oesterley  zu 
Pauli  Schimpf  und  Ernst  Cap.  634. 

IV,  221,  1  ff.  Das  loueteshere  lässt  sich  nicht  nur  bei  Nacht  und 
des  Abends  sehen,  sondern  auch  am  frühen  Morgen,  dess  wir  dann  ein 
glaupliche  histori  haben,  die  sich  bei  inenf sehen  gedechtnus  im  landt  zu 
Franken  und  dann  im  kloster  zu  Maiäbronnen  begeben  hat.  Ein  Herr  von 
Seckendorf  war  mit  einem  Herrn  von  Erlikom  bitter  verfeindet.  Eines 
Abends  reitet  ersterer  mit  seinem  Knecht  durch  einen  Wald  und  bleibt 
dann  die  Nacht  über  in  einer  dort  befindlichen  Capelle.  In  aller  Frühe 
wieder  aufbrechend,  schickt  der  Herr  bald  nachher  den  Knecht  nach 
der  Capelle  zurück,  um  ihm  seine  vergessenen  Blechhandschuhe  zu  holen. 
Wie  aber  derselb  dahin  kompt,  loar  dess  noch  dunkel  und  nit  recht  tag,  so 
feindt  er  ainfeurigs  gespenst  uf  der  todtenbar  sitzen,  das  het  die  hendtschuch 
angelegt  tmd  schlueg  die  in  ainandern.  Do  lief  dem  knecht  die  catz  den  rugken 
upiin  und  wolt  lenger  nit  bleiben,  kert  umb  und  sagts  seim  Junkern.  Dieser 
reitet  nun  selbst  zurück ,  wobei  es  bereits  zu  tagen  anfängt,  und  hört 
bald  darauf  em  iminderbarlichs  geschrai,  gedöß,  clingeln  undjämern  mit  eim 
grosen  brastlen,  als  ob  alle  beum  im  waldt  entzwai  brechen  und  umbßelen.  Er 
versteckt  sich  daher  zwischen  den  Bäuinen  und  sieht  dann  eine  selt- 
same Reiterschaar  vorüberziehen ;  ein  tail  haben  kaine  köpf  gehapt,  nur 

GERMANIA.   Neue  Reihe  II.  (XTV.)  Jahrg.  26 


402  FELIX  LIEBREC'HT 

Clin  arm,  die  ross  etwann  nur  zwenfueß,  auch  ohne  ein  haupt;  vü  fueßgenger 
sein  mitgeloffen,  under  denen  etioann  der  ain  auch  mir  ain  schenket,  etioann 
einer  mit  einer  handt,    vil  ohne  haupter,  ein  tau  halber  verhrent,  vil  die 
Mose  Schwerter  durch  den  leih  gehapt.  .  .  .  Aber  under  diesem  häufen  allen 
ist  nichs  geioest,  darab  er  sich  mehr  verivundert,  als  ab  ainem  raisigen  man, 
der  hat  ein  iveisen,  dürren,  magern  und  hinkenden  gaul  an  der  hand  gefuert, 
hat  ain  schlecht  claidt  angehapt  und  ist  also  verumndet  geivesen,    das  im 
die  derm  userm  leib  gangen  und  über  das  claidt  und  das  ross  hinab  gar 
nahe  dem  boden  eben  gehangen  sein.  Als  nun  diese  Schaar  vorübergezo- 
gen, reitet  der  von  Seckendorf  weiter,  begegnet  aber  noch  einem  ein- 
zelnen Nachzügler  und  erfährt  von  diesem  auf  seine  Frage  ,    was  das 
für  ein  Haufen  Leute  gewesen,   es  sei  das  tcueteshere  und  das  nachge- 
führte magere  Pferd  für  den  von  Seckendorf  bestimmt,  wobei  er  diesen 
mit  dem  Taufnamen  näher  bezeichnet  und  hinzufügt:   der  soll  von  dem 
von  Erlikom,  seinem  feindt,  uf  eim  solchen  iveisen,  mageren  ross  von  heut 
über  ain  jar  geioisslichen  erschossen  werden,  und  im  louH  sein  gederm  also 
userm  leib  über  die  claider  und  das  pferd  herabhangen.  Der  Seckendorfer 
erschrickt  über  das  ,  was  er  vernommen  ,  nicht  wenig,  und  obwohl  er 
noch  gern  weiter  gefragt ,    will  doch  der  Andere  nicht  länger  bleiben. 
Sobald  er  also  nach  Hause  zurückgekehrt  ist,  übergiebt  er  seine  Güter 
seinen   nächsten  Verwandten    und    tritt   selbst   als    Laienbruder  in  ein 
Kloster  zu  Maulbronn,  wo  er  sich  aber  nicht  namhaft  macht  und  auch 
Niemand  wusste,  wer  er  war.  Trotz  aller  Vorsicht  wird  er  gleichwohl 
an  dem  vorausgesagten  Tage  von  dem  zufällig  nach  Maulbronn  gekom- 
menen Herrn  von  Erlikom  außerhalb  des  Klosters  angetroffen  und  er- 
kannt.   Hiezivischen  aber  het  der  Erlikom  sein  bogen  uf  zogen,   scheust  uf 
in  ab  und  ti-ifft  den  Seckendorf  mit  eim  stral,  inmaßen  im  das  ingewaidt 
und  die  derm  über  den  rock  und  über  das  ross  abher  Mengen,  icie  im  zu- 
vor geweissagt  worden.  Er  het  kain  craft  mehr,  fiel  ah  dem  ross  und  starb 
und  ist  zu  Maidbronen  begraben  loorden.  Der  Erlikommer  ist  enfritten.  — 
Die  Geschichte  mit  den  Handschuhen  wird  bekanntlich  auch  von  dem 
Grafen  Richard  von  der  Normandie  und  in  der  deutschen  Sage  von  dem 
Junker  Rechenberger  erzählt,  vgl,  Uhlands  Schriften  zur  Gesch.  d.  Dich- 
tung u.  Sage  7,  662;  auf  den  Rechenberger  bezieht  sich  auch  eine  an- 
dere Sage,  die  mit  dem  zweiten  Theil  der  obigen  übereinkommt;  vgl. 
Uhland  a.  a.  O.  S.  606  f.  Eine  ähnliche,  die  aber  auf  des  Rechenbergers 
Knecht  geht,  s.  in  Grimms  DS.  Nr.  312,  „Die  schwarzen  Reiter  und 
das  Handpferd".  Sie  stimmt  in  einigen  Umständen  zu  derjenigen,  welche 
die  Zimmerische  Chronik  gleich  nach  der  obigen  S.  223,  37  flF.  mittheilt. 
Yfie  es  disem  Seckendorf  mit  dem  Erlikomer  ergangen,  also  ist  bei  zeiten 


I 


ZUR  ZLMMKRISCHEN  CHRONIK.  403 

und  regierung  des  römischen  kunigs  Albertiy  kunig  Ruedolfs  son,  ein  sack 
zu  Salmansweiler  furgangen.  Es  war  der  zeit  ein  wunderbarlicher  schnaphan 
im  landt  zu  Sckwaben ,  hieß  der  Schreiher ,  vom  adel.  Der  wardt  auch 
einsmals  von  dem  loueteshere  geioarnet  vor  seinem  feindt.  Also  wolt  er  dem 
todt  empfliehen,  entschloss  sich,  hei  dem  apt  von  Salmansioeil  ein  pfrundt 
zu  kaufen  und  von  mehr  Sicherheit  wegen  ein  laienbrueder  zu  loerden.  Die- 
xoeil  er  nun  mit  dem  apt  derhalhen  handlet,  so  kompt  hiezivischen  sein 
feindt  ins  closter,  stet  ab  und  ersieht  des  Schweikarts  ross  im  stall,  das 
er  lool  kant.  Darumb  ivie  der  ander  nach  gepßegner  und  heschlojhier  hand- 
lung  mit  dem  apt  use^'m  closter  gat  und  kains  argen  sich  versieht,  wurt 
er  von  disem  erstochen ,  dessen  er  in  wenig  tagen  hernach,  gleichivol  mit 
groser  rew,  ganz  christenlich  gestorben.    Der  ander  kam  darvon. 

IV,  228,  14  f.  An  dieser  Stelle  werden  die  vilerfarnen  philosophi 
Bellnus  und  Behencater  erwähnt,  die  auch  bereits  III^  325,  34  ff.  in 
Gesellschaft  anderer  Weisen  erscheinen.  Über  den  genannten  „Kater", 
der  an  letzterem  Orte  aber  Behencater  heißt,  weiß  ich  nichts  Näheres, 
vermuthe  aber  in  demselben  wegen  des  Behen  d.  h.  Ben  einen  arabischen 
Philosophus;  was  aber  den  Belinus  anlangt,  s.  Gervas.  S.  105.  214. 

IV,  228,  31  ff.  Nachdem  im  Vorhergehenden  von  den  Erdmänn- 
chen, die  sich  oft  den  Menschen  freundlich  erweisen,  gesprochen  worden, 
heißt  es  dann  weiter:  Also  hat  einer  von  Eechherg  ein  sollichen  gaist  et- 
liche jar  hei  sich  loie  ein  raisigen  knecht  erhalten ,  der  im  erlichen  und 
wol  gedienet,  auch  letstlich  ohne  allen  nachtail  wider  von  ime  abgeschaiden. 
—  Vgl.  Grimm  DS.  Nr.  174  „Des  Rechenbergers  Knecht".  Dieser  ist 
also  von  dem  oben  zu  IV,  221  angeführten  Knechte  des  nämlichen 
oder  eines  ebenso  heißenden  Herrn  wohl  zu  unterscheiden. 

IV,  230,  35  ff.  Bei  mansgedenken  haben  die  grafen  von  Oher-Eisen- 
hurg  ein  erdenmendle  hei  oder  in  ihrem  schloß  zu  Büdingen  gehapt.  Es 
half  besonders  dem  pfister  beim  Backen.  Nach  längerer  Zeit  wurde  ihm 
zum  Lohn  ein  rothes  Röcldein  auf  den  Backtrog  hingelegt.  Als  es  kam, 
that  es  dasselbe  an ,  sprang  dann  ein  paar  Mal  in  der  Stube  umher 
und  rief  aus :  Solt  ich  alle  nacht  bachen  —  Und  mit  beschxoerden  wachen  .^ 
Hierauf  gieng  es  fort  und  kehrte  nie  wieder.  —  S.  A.  Kuhn  Westph. 
Sagen  1,  157  f.  zu  Nr.  163. 

IV,  235,  11  ff.  Man  sagt  ivarhaftigclich,  das  vor  zeit  ain  composition 
oder  materia  um  die  SacJisenhurg  sei  gefunden  lom'den,  die  von  den  kunst- 
leim  gume  wurt  genennt,  dardurch  das  cupfer  in  lauter  dar  gold  toerd 
verwandlet.  Das  sei  vor  jaren  durch  subtile  mittel  und  haimlich  in  welsche 
land  sein  verfurt  worden.  —  Mit  der  „Sachsenburg"  ist  wohl  das  Dorf 

26* 


404  FELIX  LIEBRECHT,  ZUR  ZIMMERISCHEN  CHRONIK. 

und  Schloß  dieses  Namens  im  Amt  Frankenberg  im  sächsischen  Kreise 
Zwickau  gemeint.  In  Bezug  auf  das  welsche  land  s.  Gräße  Sagenschatz 
des  Köuigr.  Sachsen  S.  176  Nr   229  „Die  Wahlen  in  Sachsen  usw." 
A.  Kuhn  Westphäl.  Sagen  1,  312  ff.  Nr.  353  nebst  der  Anm. 

IV,  283,  27  ff.  Ein  Edelmann  reitet  bei  Nacht  mit  seinem  Knecht 
durch  den  Wald;  do  hört  er  ein  groß  gelechter  uf  eim  haum;  unfer  da- 
von hört  er  etwas  reden  und  fragen,  tvas  diß  gelechtert  bekundet.  Sprach 
das  erst  wider :  ^^Solt  ich  nit  lachen,  seitmals  des  hischofs  von  Brixen 
katzen  die  schioiger  gestorben  .^"  Tags  darauf  bei  diesem  Bischof,  den  er 
besuchen  kam,  angelangt,  sieht  er  bei  Tisch  dessen  Lieblingskatze 
neben  ihm  sitzen,  fängt  an  zu  lachen  und  erzählt  auf  Befragen  das  ihm 
Zuo-estoßene.  Wie  aber  die  katz  hört  sagen,  das  ir  schioiger  gestorben,  do 
fing  sie  ein  greusenliches  geschrai  an,  das  sie  alle  ob  der  taffei  erschracken. 
Sie  sprang  zumfenster  hinauß  und  ist  hernach  nit  mehr  gesehen  worden.  — 
Dies  ist  eine  uralte  weitverbreitete  Sage,  s.  meine  Anzeige  von  Schnel- 
lers Märchen  u.  Sagen  usw.  in  den  Heidelb.  Jahrb.  1868  S.  311  zu 
Schneller  S.  210  Nr.  4. 

IV,  362,  7  ff.  Graf  Heinrich  von  Thierstain  (Dierstain)  hat  eine 
unfruchtbare  Ehe.  Da  er  aber  einst  in  Metz  einer  frühern  Gehebten 
begegnet,  erwiedert  er  gleichwohl  auf  ihre  Frage,  wie  es  ihm  gehe  und 
ob  er  schon  einen  Erben  habe,  loie  er  und  sein  gerriahl  ganz  freuntdch  und 
wol  mit  ainandern  legten,  auch  das  er  altag  eins  erben  gewertig.  Sie  verwun- 
dert sich  heftig,  sprechendt:  ^^Ach  Gott,  loie  ist  es  so  gar  ein  dorheit,  der  sich 
uf  der  alten  weiber  kunsten  verlasst!  wie  ibel  bin  ich  betrogen  toorden!  Aber 
ich  höre  es  von  herzen  gern  und  bin  fro,  das  es  nach  nieinera  icillen  7iit  er- 
gangen ist.'^  Der  graf  war  wundergern,  bat,  sie  weit  im  nichts  verhelingen. 
■Sie  sprach,  wie  sie  vor  jaren  von  ime  sich  geschaiden,  also  het  sie  ir  mutier 
gelernet,  sie  solte  das  und  das  (und  hiem.it  thet  sie  ime  solche  stuck  nennen) 
in  einen  newen  hoffen  thuen,  mit  etlichen  ceremonien  in  den  pronnen  zu  Ho- 
chenkunigsburg  versenken,  mit  dem  vertrösten,  so  lang  der  haff  im  hronnen 
unerhept,  so  lang  solt  der  graf  mit  keinem  loeibspildt  was  handien  künden  oder 
künder  bekommen.  y^Darumb,  sprach  sie,  höre  ich  wol,  das  es  ein  fantasei 
gewesen,  des  ich  Gott  dank  sag.^  Als  der  Graf  nach  Hause  gekehrt  war, 
ließ  er  alsbald  den  Brunnen  ausschöpfen,  und  nachdem  man  den  noch 
unversehrten  Topf  gefunden,  die  darin  enthaltenen  Gegenstände  ohne 
Verzug  verbrennen.  Er  hielt  dann  mit  seiner  Gemahlin  ein  newe  hoch- 
zeit-  sie  hat  im  auch  darnach  etliche  kinder  geporen.  —  Walter  Scott  in  der 
Miustrclsy,  Anm.  zur  Ballade  „WiUie's  Ladye",  erzählt  nach  Heywood's 
Hierarchie  oi'  the  Blessed  Angels  eine  ganz  ähnliche  Geschichte  in  Be- 


I.  V.  ZINGEKLE,  ZWEI  TRAVESTIEEN.  405 

treff  eines  Grrafen  von  Westeravia  (soll  wohl  heißen  Wetteravia,  Wet- 
terau) ,    wobei   jedoch   die   ehemalige   Geliebte   den   diesem    gespielten 
Streich  unwillkürlich  verräth. 
LÜTTICH. 


ZWEI  TRAVESTIEEN. 


In  der  Wiener  Handschrift  (W )  der  k.  Hofbibliothek  Nr.  2885 
(Hoffmann  Verzeichniss  S.  94  ft'.)  und  in  der  Innsbrucker  (1)  des  Ferdi- 
nandeums,  die  in  ]\Ioues  Anzeiger  1836  Sp.  336—41  beschrieben  ist 
(vgl.  HGA.  III,  762) ,  befinden  sich  unter  den  Überschriften  „Der  pater 
noster"  und  „Daz  Ave  Maria"  zwei  Travestieen,  die  meines  Wissens  noch 
ungedruckt  sind.  Die  erstere  Handschrift  ward  1393,  die  zweite  1456 
vollendet  und  manche  der  darin  enthaltenen  Gedichte  gehören  noch  der 
besseren  Zeit  an. 

Der   pater  noster. 

' Pateo'  noster!  vater  min!  Sp.  179''  W  83'  I 

ich  pinz  diu  liebe  tohter  din, 

diu  schoene  swester  Else. 

mich  scheidet  stein  noch  velse  179'  W 

5     von  dir,  des  soltu  sin  gewis.' 

[er  sprach:]  "nu  Ion  dir  qui  est  in  celis! 

sanctificehtr  nomen  tuuvi.  84*  I 

so  bistu  mines  herzen  drum, 

daz  liebest,  daz  ich  ie  gewan. 
10     herzenliep,  nu  sich  mich  an! 

so  heiz  ich  pruoder  Herzeger. 

min  liebez  kint,  ruck  zuo  her.' 

si  sprach:  'adveniat  min  trüt! 

wird  ich  din  tohter  und  din  prüt, 
15     daz  ich  üz  sender  swsere  kum, 

daz  heiz  ich  regnum  tuum! 

er  sprach:  ''min  turteltübe,  ja, 

ßat  voluntas  tuä. 

gesamen  wir  uns  üf  ein  stro, 
20     so  wirt  uns  sicut  in  celo; 


5  gwis  W.     6  es  W.     9  geban  I.     11  hertzen  ger  W.     14  würd  I. 


406  I.  V    ZINOERLE 

et  in  terra  wartz  nie  so  guot, 

daz  din  gespil  Wendelmuot 

wolt  min  gesellen  bedenken, 

der  da  heizt  pruoder  Swenken 
25     den  pecher  üz  piz  an  den  grünt, 

der  tuot  ir  closterminne  kunt. 

panem  nostrum  siüt  ir  uns  geben 

cottidianum  und  ditz  leben,  ITO*"  W 

heizen  pfeffer  und  guoten  win, 
30     (da  mite  sul  wir  froelich  sin,) 

und  guot  hüener  in  den  slunt. 

daz  ander  fleisch  ist  ungesunt, 

da  mit  so  wirt  uns  wol  hie, 

min  kint,  da  nohis  hodie." 
35    ^  Et  dimitte  nohis,  herre  Crist, 

dehita  nostra,  wan  uns  ist 

der  prüeder  minne  also  liep.' 

*'Nu  ist  der  prior  ein  diep, 

der  slichet  uns  mit  listen  nach 
40     und  piutet  uns  manigen  schäch, 

daz  vergeh  im  Jesus  CristuSj 

sicut  et  nos  dimittimus 

dehitoribus  nostris, 

so  wirt  ers  galgen  gewis, 
45     wand  er  ein  boesewiht  ie  was. 

et  ne  nos  inducas 

da  uns  der  lesemeister  vinde; 

ßin  zorn  ist  geswinde. 

ich  wünsch  daz  in  der  tiefel  nem 
50     in  temptacionem : 

set  lihßra  nos  a  malo!' 

des  gepetes  werdent  fro  180*  W 

alle  tugentliche  kint, 

die  in  der  dritten  regel  sint, 
55     die  ir  gemüete  also  keren. 


24  prudr  W.  swenkel  I.  25  (packest)  an  p.  W.  äen  fehlt  WI.  30  da  mit 
WI.  31  h.  guot  WI.  33  wol  fehlt  WI.  35  herr  W.  her  I.  36  uns  lieb  (Hb  W)  ist 
WI.  38  nu]  im  I.  prayol  W.  41  xps  Jesus  W.  45  und  ein  b.  ie  was  W.  L  46  n. 
46  umgestellt  WI.     47  da  uns  fehlt  WI.    55  f;emem  I. 


ZWEI  TRAYESTIEEN.  407 

wie  si  mit  listen  meren 
der  clösterminne  sämen. 
nu  sprechent  alle:  Amen. 

Dazave  Maria. 

'Ave,  ich  grüez  dich,  swester  Anne,  84"  I 

ich  tuon  dich  ze  gotes  panne, 

ob  dir  iemant  lieber  ist 

dan  ich;  wan  du  min  puole  bist. 
5     da  von  vernim  die  rede  min 

und  hilf  mir  in  din  kämerlin, 

daz  wir  uns  gesamen  da. 

daz  heiz  ich  graciä  plenä. 

dominus  tecicm,  roter  munt! 
10     ich  pin  von  diner  minne  wunt 

und  trag  an  mtnem  herzen  quäl, 

wan  mich  geschozzen  hat  din  sträl. 

Benedicta  pistü  genant 

in  mulierihus  über  alle  laut.' 
15     "Got  Ion  dir,  pruoder  Otte, 

ich  redez  an  allez  spotten: 

ich  pin  dir  holt  mit  triuwen. 

da  von  lä  dich  niht  riuwen  180''  W 

allez  daz  du  dienest  mir: 
20     sol  ich  leben,  ich  lone  dir, 

Benedictus  muost  du  sin, 

ich  Icese  dich  uz  aller  pin. 

wirt  din  fructus  mir  gegeben, 

in  iubilo  sul  wir  leben. 
25     doch  so  muoz  ich  sorgen, 

wie  ichz  trag  verporgen 

vor  miner  meisterin  furher. 

ich  wolt,  si  wsere  in  dem  mer 

versunken  vor  manigem  tage, 
30     so  hset  ein  ende  min  klage, 

und  lebte  dan  an  allen  pin 


56  gemern  W.     57  den  W.  I. 

2  ze]  in  WI.  16  allen  spotte  WI.  19  ob  du  dinst  mir  W.  23  fructus  in  fruht 
eorrigiert  W.  fruht  I.  geben  WI.  25  sorg  W.  26  ichz  fehlt  W.  27  übr  hör  (her  I.) 
WI.     28  si  waere]  waer  si  WI.     .31  alle  I. 


408  KARL  SCHILLER 

und  wolte  mit  dir  froelich  sin. 
der  spiesjel  ventris  fm, 
der  machet  mich  sorgen  fri, 
35     wan  ich  ze  allen  ziten  prinne, 
bruoder  Ott,  nach  diner  minne. 
da  von  kum  her  mit  schalle!" 
nu  sprechent  Amen  alle! 


I.  V.  ZINGERLE. 


MITTELNIEDERDEUTSCHE  SPRACHPßOBEN. 

VON 

KARL  SCHILLER. 

IIL  *) 
F  r  a  u  e  n  n  a  m  e  n. 

In  dem  in  der  Wolfenbütteler  Bibliothek  befindlichen  Dodendantz, 
Lübeck  1496.  4".  (s.  Deecke  Nr.  38)  sagt  De  Doet  zur  Junckfrowe: 

Junckfrowe  gyseltrud  effte  wo  din  name  is  gheheten 

Dantze  vort  vnde  laet  dy  des  nicht  vordreten 

Du  plechst  doch  gerne  to  dantzen  vnde  tho  springen 

Vele  nye  leede  kanstu  leren  syngen 
5  Dyne  ioghet  heffstu  gebruket  in  lichtferdicheit 

Vnde  alle  tyd  ghesocht  wertlike  idelicheit 

Hastigen  make  dy  vort  vnde  wes  rede 

Dar  syn  vele  achter  de  moten  ock  alle  mede 

Wo  se  ok  hethen,  sefke  lyseke  wobbeke  kynke  efte  margrete 
10  Drutke  ryckel  abelke  almod  vnde  agnete 

Wolborch  hylle  heylke  vnde  kristinke 

Barthe  alheit  iutke  vnde  katherinke 

Petronille  clare  myke  vnde  lucie 

Anna  windelke  hcnpe  vnde  sofie 
15  Ghese  kunneke  syke  vnde  odylly 

Metke  barbran  heseke  vnde  cecilli 

Lücke  priske  yde  vnde  armghard 

Elsebe  appolonye  scholastke  vnde  lutghart 


35  brinne  I.     36  prüder  I.     87  schal  I.     38  al  I. 
*)  Vgl.  Jahrg.  12,  323. 


MITTELNIEDERDEUTSCHE  SPRACHPROBEN.  40^ 

Leneke  hebele  wmneke  vnde  wybbeke 

20  Vrsele  brigitte  sylke  vnde  tybbeke 

Odeke  wyhnoed  nelleke  vnde  hilleborch 
Hedewich  fredeke  engel  vnde  remborch 
Belke  beke  helke  ymmeke  vnde  olghard 
Hertken  konke  agate  tredet  alle  vort  in  desse  vart 

25  Helena  swenneke  dorthie  vnde  gerdrud 

Komet  alto  malen  dantzet  mit  desser  iunckfrowen  ghiseltrud 
Hebbe  gy  gheleret  gude  werke  to  vuUenbringen 
So  möge  gy  nu  vroliken  te  deum  laudamus  syngen 
Maria  wart  in  erer  ioget  gheoffert  in  den  tempel 

30  Allen  iunckfrowen  to  eynem  hylgen  exempel 
Vp  dat  se  er  scholen  volghen  in  aller  doghet 
Vnde  in  godes  denste  kenne  bringen  ere  bloyeden  ioget. 

Abelke  Abeichen,  s.  Kosegarten  29.  —  Älheit  Adelheit.  s,  A.  Lüb- 
ben  Die  Thiernamen  im  Eeineke  Vos.  Oldenburg.  Progr.  1863  S.  33 
und  K.  Weinhold  Die  Personennamen  des  Kieler  Stadtbuchs  v.  1264 
bis  1288,  mitgeth.  in  den  Jahrb.  f.  d.  Landeskunde  d.  Herzogthümer 
Schleswig,  Holstein  u.  Lauenb.  Bd.  9  S.  12  ff.  —  Almod  Adelmuth. 
s.  Koseg.  29.  249  und  Stark  Die  Kosenamen  der  Germanen  ,  in  den 
Sitzungsberichten  der  Wiener  Akad.  d.  W.  Band  53,  485  [Wien  1868 
S.  137.  178]. 

Barthe  Berta.  Schip  v.  Narragonien  Fol.  170'' :  Frouwe  gyssele 
harike  vnde  grete.  —  Beke.  Aus  einem  Hamburg.  Testament  v.  J.  1431 
nennt  Koseg.  29 :  „Lego  famule  mee  Beate,  id  est  Beken,  duarum  mar- 
carum  annuales  redditus."  Beke  ist  aber  auch  =  Elisabet.  In  der  Ur- 
kundensamml.  d.  schlesw.  holst,  lauenb.  Gesellsch.  II,  357  steht  Nr.  281 
V.  12.  März  1390:  „Wy  Eisehe  van  Godes  gnaden  vi-owe  van  Wenden, 
wannedaghes  her  Berndes  wif  van  Wenden."  In  einer  zweiten  ebenda- 
selbst unter  Nr.  282  mitgetheilten  Original- Ausfertigung  derselben 
Urkunde  heißt  es:  „Wy  Beke  van  Godes  gnaden  vrouwe  van  Wenden, 
wannedaghes  her  Berndes  wif  von  Wenden."  Die  wohlerhaltenen  Siegel 
der  Ausstellerin  Eisehe  oder  Beke  sind  an  beiden  Urkunden  gleich  und 
die  Umschrift  lautet  auf  beiden  Siegeln:  S'  DOMINE  ELIZABET  DE 
WERLE.  Vgl.  ausführlicher  Lisch  in  den  Mekl.  Jahrb.  26,  74.  — 
Belke  vielleicht  aus  Abele  oder  Hebele,  s.  Koseg.  29. 

Drutke  Trudehen.  s.  Koseg.  29  und  Stark  52,  317   [72]. 

Eisehe  s.  Beke.  —  Engel  s.  Dähnert  Wb.  s.  v. ;  Weinh.  64  nennt: 
Engheike,  Enghelhus;  Mekl.  Urk.  B.  Nr.  2438:  Engelhurgis. 


410         KARL  SCHILLER,  MITTELNIEDERDEUTSCHE  SPRACHPROBEN. 

Fredeke  Friderike.  Mekl.  Urk.  B.  Nr.  1271:  „Domiiia  Vredeka  de 
Honnouere." 

Ghese  Gertrud,  s.  Weinh.  25.  Zur  weiteren  Verkleinerung  GesekeM 
beachte  den  Zusatz  zu  von  Melle's  Wb.:  „Ao.  1380  Thidemannus  Erp. 
Insuper  notaudum  quod  cum  Gheseken  mea  uxore  recepi  in  dotalicio 
VII.  marc.  —  Cum  bis  donis  praescripta  Ghertrudis  uxor  mea  debet 
esse  separata," 

Hehele  s.  unter  Sylke  u.  Weinh.  27.  —  Heylke  b.  Weinh.  28.  — 
Heike  Helenburg.  Zusatz  zu  v.  Melle  :  ^Heleke  deminutivuro  nominis 
Helenhurgis  in  testamento  Wilh.  de  Warendorpe  1358."  —  Henpe'^^  — 
Hej'tken  Herdrade.  s.  Koseg.  29.  —  Hylle  Hillegunt.  Zusatz  zu  v.  Melle : 
„Ao,  1373:  Gherardus  Dartzowe.  Do  Hillen  meae  dilectae  uxori,  Bn- 
nekino  et  Hennekino  meis  filiis .  . .  Ao.  1380  hoc  Hillegunt  wedewe 
Gherdes  Dartzowen  ita  enunciat:  Dat  Ghert  Dartzowe  myn  man  my 
gaf  vnde  Bernde  vnde  Johanne  mynen  sonen  al  sin  gut."  Vgl.  Weinh.  31 
u.  Stark  52,  318  [73,  3]. 

Yde  Ida.  s.  Weinh.  33.  —  Ymmeke  Emmchen.  s.  Koseg  29  u. 
Weinh.  34.  —  Jutke  Jutta,  s.  Weinh.  34.  Schip  v.  Narrag.  fol.  170': 
Katrineke  yütke  vnde  agnete. 

Kynke,  Kbnke,  Kunneke.  v.  Melle :  Koneke,  Kuneke  =  Conegundis. 
Vgl.  Brem.  Wb.  2,  897,  Koseg.  29  u.  Stark  52,  315  [69.  170J. 

Metke  Mechtild.  s.  Lübben  49  u.  Weinh.  37.  —  Myke  Mariechen. 

N^lleke  Cornelia. 

Odeke  s.  Weinh.  40.. —  Olghard  Archiv  f.  Staats-  u.  Kirch.  Gesch. 
d.  Herzogth.  S.  H.  L.  Bd.  V,  106:  „Vor  [Frau]  Oligard  Rantzow",  und 
Mekl.  Urk.  B.  Nr.  2107  u.  2111:  y,Ulgardi  priorisse  totique  conventui." 

Bemhorch  Reimburgis.  s.  Weinh.  43.  —  Ryckel  Riekchen. 
s.  Koseg.  29.  Schip  v.  Narrag.  fol.  92:  „Vnde  slaen  de  luten  vor  de 
dor  EfFte  yyckel  effte  metze  wil  kyken  hyr  vor." 

/Sefke  Sophiechen?  s.  Koseg.  29.  —  Syke  Lucia.  Götting.  Urk.  II 
Nr.  23,  21:  „Unde  Czigen  syner  dochter."  —  Sylke  Brem.  Wb.  4,  788: 
„Sülike  scheint  der  abgekürzte  N.  Sibylleke  von  Sibylle  zu  sein." 
Schip  V.  Narrag.  fol.  170  :  „Denne  ghä  wy  spasseren  ynt  narren  feit 
mit  Silken  vnde  frouwe  gyseltruth;"  171:  ,,Suth  Hebel  an  >iS2/ZA;e/i  eynen 
nyen  vunt  Ja  wolde  de  oek  kosten  mannich  punt  Wil  se  oek  hebben 
vnde  wat  wesen  Hyr  vmme  moet  se  de  kamer  lectie  lesen.  —  Swen- 
neke?  Mekl.  Urk.  B.  Nr  1908:  „Ego  ÄüeneÄ;e  vxor  Wezcelli  Sapientis." 
Vgl.  Nr.  2196  u.  2530.  [Swanhilt?] 

Tibbeke  Tiburgis  oder  Tiberta ,  Tideberta.  s.  Weinh.  51  und 
Lübben  37. 


E.  L.  ROCHHOLZ,  HEINRICH  STEINH(EWEL  411 

Wyhheke.  s.  Weinh.  60.  —  Windelke  Wendula.  s.  Weinh.  58.  — 
Whineke  Wcnnika.  s.  Weinh.  59,  —  Wohheke  Walpurgis.  Zusatz  zu 
V.  Melle  :  „Ao.  1380  Johannes  Meteier  :  Item  Walburgi  et  Margareta 
sororibus  meis.  Ao.  1395  Henricus  Meteier,  Johanuis  frater :  Item  do 
Wohbeken  et  Greteken,  sororibus  meis."  Vgl.  Koseg.  29  u.  Weinh.  58, 
—    Wolhorch  Walpurgis. 


HEINRICH  STEINHCEWEL; 


Heinrich  Steinhoewel ,  Dr.  Med. ,  geb.  in  der  Stadt  Wil  an  der 
Wirms,  stirbt  1483  zu  Ulm  als  dieser  Stadt  geschworner  Physikus  und 
Arzt.  Über  ihn  gibt  der  Ulmer  Stadtarzt  Dietrich  Leopold  in  seinem 
zu  Ulm  handschriftlich  liegenden  Werke:  Memoria  Physicorum  Ulma- 
norura  ab  oblivione  vindicata,  folgende  Nachricht:  Steinhöwel,  welchen 
sein  Zeitgenosse  Sebastian  Frank  promiscue  auch  schon  Steinheil  nennt, 
hat  zu  Ulm  wahrscheinlich  als  der  erste  von  der  damals  neuen  Kvmst 
der  Buchdruckerei  Gebrauch  genaacht  und  nachfolgende  Werke  da- 
selbst herausgegeben. 

1.  Johannis  Boccacii  Büchlen  Von  den  sinnrychen  erluchten  Wy- 
ben,  die  von  den  alten  Chronickschrybern  um  ihre  sünderlich  Beginnen 
in  öwige  gedechtniß  synd  gesezt  worden.  Gettttscht  durch  Hainricum 
Stainhöwel  Von  Wyl  an  der  Wirms.  Doctor  in  der  Arzney  ,  Meister 
der  syben  Kunst,  geschworner  Arzt  zu  Ulm,  zu  Lob  und  er  der  durch- 
lüchtigisten  furstin  und  frawen  fraw  Elionory^  Herzogin  zu  Oesterrych 
Ulm,  seliglichen  geendet  von  Johann  Zainer  von  Rütlingen  1473.  P. 

2.  Francisci  Petrarchae  Büchlin  von  der  Grisel.  Von  Johanne 
Boccacio  in  latin  und  von  Heinrico  Steinhöwel  ins  tütsch  gebracht, 
ibid.  et  ead.  form,  apud  eund. 

3.  Esopus  der  Hochberühmt  Fabel  Tichter ,  mit  etlichen  darzu 
gelegten  Fabeln  Rimicii  und  Aviani.  Gedruckt  und  vollendet  in  der 
kayserlichen  Statt  Augspurg  von  Hannsen  Schönsperger  am  Dornstag 
nach  sant  Bartholome  nach  Christi  Gepurt  1498.  (Eine  Ausgabe  vor 
1480  —  von  Johanne  Zeiner  zu  vlm  —  citiert  Goedeke,  Grundriß  I, 
§.  114,  4.) 

4.  Tütsche  Chronica.  Von  anfang  der  weit  vncz  vff  keiser  fridrich. 
(III).  Ulm,  Joh.  Zeiner,  1473.  f».  —  Dasselbe  in  4".  zu  Frankfurt  1531 
wieder  herausgegeben  und  biß  auf  Carolum  V  continuirt,  von  Jakob 
Köbel,  Stattschreiber  zu  Oppenheim.  Die  Vorrede  ist  an  Hn.  Heinrich 


412  K.  L.  KOCHHOLZ 

Steiuhüwel,  unseres  Autors  Anverwandten  und  Chorherrn  am  Victors- 
stift zu  Mainz  gerichtet. 

5.  Ein  kurtz  Regiment ,  wie  sich  in  der  Zeit  der  Pestilentz  zu 
halten.  Meister  Constantini,  so  ein  Mönch  was  am  Amerberg,  genant 
Kaßlin,  Buch,  gemacht  aus  allen  anderen  guten  Artztet  Büchern,  die 
er  in  latin  je  erfuhr.  Deficit  hoc  exemplar  ab  initio. 

6.  Chronicon  von  Gottfrieds  von  Bouillon  Heerfarth  ins  gelobte 
Land ,  so  D.  Guido  lateinisch  geschrieben.  Die  Übersetzung  dieser 
Chronik  durch  H.  Steinhöwel  wird  bezeugt  in  einer  handschriftlichen 
Beifügung  obigen  Leopoldischen  Manuscriptes  durch  den  Ulmer  Pro- 
fessor und  Bibliothekar  Stozlen. 

Diese  Scämmtlichen  Angaben  sind  entnommen  der  Familienchronik 
der  Familie  Steinheil  in  München ,  gegenwärtig  im  Besitze  des  Hu. 
K.  F.  Steinheil,  Buchhändlers  in  Biel,  Kanton  Bern. 

AARAU.  E.  L.  ROCHHOLZ. 

JAKOß  FUNKELIN. 


Karl  Goedeke  und  Julius  Tittmann  haben  im  zweiten  Bande 
ihrer  Deutschen  Dichter  des  sechzehnten  Jahrhunderts  ein  Stück  des 
Schauspieldichters  Jakob  Funkelin  zum  Abdruck  gebracht  mit  der  Vor- 
bemerkung, daS  ihnen  über  des  Verfassers  Leben  jede  Nachricht  fehle. 
Diesem  Maugel  wird  nun  mit  Nachfolgendem  einigermaßen  abgeholfen. 
Bei  meinem  jüngsten  Aufenthalte  zu  Biel  im  Bernischen  Seeland  über- 
gab mir  der  dortige  Gerichtspräsident  Hr.  Blösch  aus  seiner  reichen 
Privatbibliothek  eine  handschriftliche  Chronik  seiner  Vaterstadt,  als 
deren  Verfasser  sich  ein  „Benedicht  Rechberger"  nennt,  „der  Glaser  von 
Biel  und  der  Stadt  Kirchmeier  und  Hen'enschreiber."  Dieser,  1509  ge- 
boren, wird  Stadtschreiber,  wegen  Neigung  zum  Trunk,  da  er  auf  Tag- 
fahrten „wiederholter  malen  arg  besteubt  gewesen",  seines  Amtes  ent- 
setzt und  beginnt  im  Jahre  1533  seine  Chronik ,  die  zwar  ziemlich 
ausführlich,  indessen  außer  manchen  niedlichen  Zügen  aus  dem  bürger- 
lichen Leben  jener  Zeit  sonst  ohne  besonderen  geschichtlichen  Belang 
ist.  Unter  letztere  gehören  nun  eben  die  Aufzeichnungen  über  Jakob 
Funkelins  dortige  Stellung  und  dichterische  Thätigkeit ,  die  wir  hier 
im  Auszuge  mittheilen  und  zugleich  nach  ihrer  bibliographischen  Seite 
aus  den  einschlägigen  Literaturwerken  vervollständigen. 

Im  J.  1550   wird    „Jakob  Fünkly"    aus   Konstanz  von  der  Stadt 
Biel  zu  ihrem  Predikanten  erwählt    und   hält  hier  am  7.  Januar  seine 


JAKOB  FUNKELIN.  413 

erste  Frühpredigt.  Am  Bartholomäustag  jenes  Jahres,  24.  August,  lässt 
er  daselbst  ein  biblisches  Schauspiel  aufführen:  „Ein  gantz  lustige  vnd 
nutzliche  Tragoedi,  uß  dem  heiligen  Evangelio  Luce  am  xvj  Cap.  von 
dem  Rychen  Mann  %Tid  armen  Lazaro,  gezogen.  Beschriben  durch  Ja- 
cob Funckelin,  Gott  vnd  der  loblichen  Statt  Biel  zu  ehren.  Ouch  da- 
selbst durch  ein  Ersamme  Burgerschafft  vff  Bartholomei  jm  M.  D.  L. 
Jar  gespilt."  (Gretruckt  zu  Bern,  By  Mathia  Apiario  1551.)  Gödeke, 
Grundriß  S.  304.  In  diesem  Stücke  wird  vor  der  Tafel  des  Reichen 
Mannes  noch  ein  anderes,  dreiactiges  Zwischenspiel  aufgeführt,  812  acht- 
silbige  Reimverse  stark,  das  nun  in  Gcedekes  und  Tittmanns  vorerwähnter 
Sammlung  der  Schauspiele  aus  dem  sechzehnten  Jahrhundert  (Zweiter 
Band,  Erster  Theil)  unter  folgendem  Titel  gedruckt  steht :  „diß  klein 
spyl  ist  dem  Rychen  Mann  vber  Tisch  gespillt  worden  ^iind  ist  ein 
Strytt  Veneris  vnd  Palladis,  das  ist,  weltlicher  wollüst  vnd  der  Tugend, 
vnd  Pallas  mit  zucht  vnnd  Tugend  siget,  aber  Venus  mit  jrer  vppig- 
keit  falt  zu  grund,  fast  lustig  vnnd  kurtzwylig  zu  lesen."  Auf  der  Rück- 
seite des  Original-Titelblattes  steht  die  Widmung:  „an  den  Ersammen 
Bescheidenen  Meyster  Johann  Rechberger,  goldschmid  zu  Biel."  Dieser 
mag  der  Sohn  unseres  Chronisten  Benedict  Rechberger  gewesen  sein. 
Die  Herausgeber  urtheilen  über  das  Stück  günstig:  Erfindung,  An- 
wendung und  Ausführung  zeigen  uns  den  Dichter  als  einen  feinen  und 
gewandten  Kopf,  dem  auch  die  Behandlung  der  «äußeren  Form  nicht 
schwer  Avird  *). 

Im  J.  1552  auf  den  Maitag  ließ  Funkelin  die  Historie  von  Loth 
und  Abraham  zwei  Tage  lang  durch  die  Stadtschüler  spielen.  Die  Co- 
stüme  waren  kostbare  goldne,  silberne,  sammtne  und  Seidenstück,  wun- 
derbar hübsch  und  hier  zu  Lande  vorher  noch  nie  gesehen.  Man  hatte 
sie  entlehnt  vom  Herzog  Friedrich  von  Lignitz,  der  durch  König  Fer- 
dinand aus  Schlesien  vertrieben,  damals  sich  zu  Freiburg  in  Uechtland 


'^)  Die  Noten ,  womit  Hr.  J.  Tittmann  die  Textstellen  dieses  Stückes  erklärt, 
bedürfen  der  Verbesserung.  Vers  15  bleibt  die  Schwurformel  unerklärt:  Botz  Ferden- 
him ;  gemeint  ist  ein  verschimmeltes  Gehirn ,  wie  bei  Mumer  der  Schwur  Ferdenmist 
veralteter,  vorjähriger  (mundartlich  femdriger)  Mist  bedeutet.  —  Vers  42:  „land  üchs 
nit  fast  sin  übertrank"  bezieht  sich  auf  Überdrang  und  Überwältigung,  nicht  aber  auf 
„übermäßiges  Trinken".  —  Vers  411:  „Sturmhuben  und  schaflin" ;  letzteres  Wort  ist 
nicht  ein  „Behälter  für  Wolle  und  Flachs,"  sondern  der  Wurfspieß,  frz.  javehne, 
in  Wolframs  Parzival  gabilof.  —  Vers  489  :  „Wie  sich  die  Venus  hat  zerspert",  bedeutet 
nicht,  sie  hat  sich  „heiser  gesprochen",  sondern,  sie  hat  sich  mit  Anstemmung  der 
Hände  und  Füße  stolz  gespreizt.  —  Vers  744  :  „mit  hellschem  füer  schmalz  inn  den 
bachen",  nämlich   den  Hinterbacken,  jiicht  den   „Rücken",  der  znrlle  Hö   Verdammteti. 


414  E.  L.  ROCHHOLZ 

aufhielt.  Der  Stadtschulmeister  Mauritius  Plepp  aus  Chur  war  der  Führer 
des  Stückes,  indem  er  nach  seinem  Personen-  und  Textrotel  die  Scenen- 
tblge  lenkte,  die  Aufstellung  der  Spielenden  anordnete,  ihnen  soufflirte 
und  die  Chöre  vor-  und  abführte. 

Im  gleichen  Jahre  am  Sonntag  nach  Johannis,  25.  Juni,  führte 
Funkelin  mit  Bürgern  und  Bürgerssöhnen  der  Stadt  die  Historie  von 
Ahasverus  und  Esther  auf.  Auch  dieses  Spiel  dauerte  zwei  Tage.  Die 
Rolle  der  Königin  wurde  von  einem  Tischmachergesellen  gegeben,  dem 
Hans  Locher  von  Solothurn.  Der  Schauplatz  war  vor  dem  Rathhause 
auf  dem  großen  Platze  ,  den  man  Burg  benennt  und  der  noch  heute 
zugleich  der  Meßplatz  ist. 

Im  Jahr  1553  dichtet  er  und  lässt  durch  die  Jugend  zu  Biel  aut 
Neujahr  aufführen:  „Ein  geistlich  Spyl  von  der  Empfengknuß  vnd  Ge- 
burt Jesu  Christi,  ouch  dem,  welches  sich  vor,  by  vnnd  nach  der  geburt 
verloffen  hat."  Getruckt  zu  Zttrych  by  Christoffel  Froschouer.  (Gödeke, 
Grundriß  S.  304.)  Hierbei  singen  die  Engel  und  Hirten  ein  dreistrophi- 
sches Lied,  dessen  erste  Strophe  mit  Musiknoten  gedruckt  ist:  ,.Eer 
sey  Gott  im  höchste  thron."  Dieses  Lied  nebst  sechs  andern  steht  unter 
Funklins  Namen  auch  im  Züricher  Gesangbuch :  Psalmen  und  geistliche 
Gesang  etc.,  Zürich  bei  Christoffel  Froschower,  1570;  ihre  Anfänge 
heißen:  Ich  glaub  in  gott  den  vater  mein.  —  Nun  singet  Gott  zu  lob 
und  ehr.  —  Gnad  und  frid  und  reichen  segen.  —  Dieweil  uns  nichts 
will  schwerer  sein.  —  Wach  auf,  wach  auf  vom  schlaf  diser  stund.  — 
Wie  wol  ich  bin  von  herzen  mein.  —  Der  Autor  wird  dabei  mit  dem 
Vornamen  abwechselnd  bald  Johannes,  bald  Jakob  genannt,  und  Jo- 
liannes  nennt  ihn  auch  das  „Straßburger  Gesangbüchlin"  von  1568 
(Goedeke,  Grundriß  S.  179).  Dieses  Schwanken  entstand  durch  den  in 
ein  einfaches  J.  abbrevierten  Vornamen  des  Dichters. 

Im  J.  1554  am  14.  November,  als  der  Bischof  von  Basel  Melchior 
von  Lichtenfeld  mit  einem  Gefolge  von  44  Rossen  zu  Biel  eingeritten 
kam,  um  sich  huldigen  zu  lassen,  wurde  von  der  jungen  Bürgerschaft 
ihm  zu  Ehren  das  Schauspiel  Unseres  Herren  Geburt  aufgeführt.  Ver- 
fasser war  Jak.  Funkelin,  Führer  des  Stücks  der  Schulmeister  Mauri- 
tius Plepp,  Schauplatz  die  Burg  vor  dem  Rathhause. 

Nachdem  der  Fürstbischof  dieselbe  Huldigung  auch  im  benach- 
barten Neuenstadt  entgegen  genommen  hatte  und  am  20.  Nov.  wieder 
tiach  Biel  zurückgekehrt  war ,  hielten  hier  die  Schüler  abermals  ein 
Spiel,  darstellend  den  Untergang  Sodomas  und  Gomorrhas.  Es  schloß 
mit  einem  gewaltigen  Feuerwerk,  das  sammt  seinen  Gerüsten  und  den 
}>esonderR    dnrnuR    liorvorplatzonden  Feuerkugeln   von  Funkelin  berge- 


JAKOB  FUNKELIN.  415 

richtet  war.  Der  Bischof  schenkte  dafür  den  kleinen  Schulknaben  eine 
Goldkrone  in  Geld,  den  mitspielenden  Schülern  sechs  Kronen. 

Als  im  J.  1555,  am  29.  April,  der  Bischof  abermals  in  Biel  ein- 
o;eritten  kam  ,  ließ  ihm  des  folgenden  Tages  nach  dem  Morgenbrod 
Funkelin  ein  Hübsches  Weltliches  Spiel  aufführen:  „Die  in  Lastern 
hinlebnnde  Welt  und  was  Strafe  je  hernach  folgt."  Schauplatz  war 
die  Burg. 

Im  gleichen  Jahre  am  Maitag  Avurde  demselben  Fürsten  zu  Ehren 
durch  Bürger  und  Schüler  ein  von  Funkelin  verfasstes  Spiel  aufgefüln-t: 
Die  Apokalypse  Johamiis. 

1561  am  ersten  Tag  des  Herbstmonats  wird  der  Verlorne  Sohn 
aufgeführt,  gedichtet  von  Jak.  Funkelin,  gespielt  ausschließlich  durch 
Schüler  und  geftihrt  durcli  den  Schulmeister  Mauritius  Plepp. 

1562  am  letzten  Tag  Maien  wurde  durch  die  Schüler  Unseres 
Herrn  Auferstehung  und  Auffahrt  gespielt,  geführt  vom  Verfasser  Fun. 
kelin  und  dem  Schulmeister  Plepp.  Das  Stück  dauerte  sechs  Stunden. 
Schauplatz  war  diesmal  „der  Ring" ,  der  kreisrunde  Kirchonplatz  mit 
seinen  flxnf  einmündenden  Straßen  und  Gässlein. 

1565  am  Sonntag  nach  der  Auffahrt  lässt  Fuuklin  durch  die  Schüler 
und  Jugend  der  Stadt  die  Historie  von  der  Susanna  aufführen.  Zum 
Bade,  das  Susanna  zu  nehmen  hat,  dienten  jedenfalls  die  großen 
Brunnenschalen  einer  der  beiden  Brunnen ,  die  auf  beiden  bisher  e-e- 
nannten  Schauplätzen  Biels  stehen. 

In  diesem  Jahre  brach  die  Pest  von  zwei  Seiten,  über  Chiavenna 
nach  Bünden  und  vom  Oberrhein  über  Basel  her,  in  die  SchAveiz  ein 
und  A-erbreitete  sich  über  fast  alle  Kantone.  Nach  einer  annähernden 
Berechnung  betrug  während  12  Monaten  die  Zahl  der  Leichen  im 
Berner  Gebiete  allein  bei  37.000.  In  dem  damals  noch  kleinen  Städt- 
chen Biel  forderte  die  Seuche  bis  Juni  1566  die  außerordentliche  Zahl 
A'on  640  Menschen  und  man  niusste  hier  den  noch  nicht  lange  zuvor 
neu  angelegten  Gottesacker  vergrößern.  Der  Chronist  Benedict  Rech- 
berger,  der  diese  Angabe  macht,  fiigt  kleinlaut  bei:  „In  disem  jar  vff 
den  dritten  tag  nouembry  ist  an  der  pestilentz  verscheiden  der  avoI- 
gelert  herr  Jakob  Fünkly ,  vnser  predikant  by  15  joren  gewesen 
hie  zu  Biellen  vnd  was  gar  wol  gelert ,  gott  sy  lob.  Hat  vbel  huß 
ghalten." 

AAKAU.  E.  L.  ROCHHOLZ. 


416  A.  H(EFER 


ZUR  ERKLÄRUNG  MITTELHOCHDEUTSCHER 

DICHTER. 

VON 

A.  HCEFER. 


I.  Zu  Walther  46,  30  ed.  Lachm. 

Die  bei'ühmten  Worte  :  her  Meie,  ir  müeset  merze  sin,  e  ich  mm 
frouwen  da  verlür  hat  Fr.  Pfeiffer  bekanntlich  so  verstanden:  'ich  würde 
euch,  den  schönen  Mai,  eher  dem  unfreundlichen  März  gleichachten, 
als  daß  ich  meine  Herrin  wegen  euch  aufgäbe.'  Eine  ähnliche  und 
doch  verschiedene  Auffassung  ist  mir  längere  Zeit  vor  der  Pfeifferschen 
Ausgabe  einmal  begegnet:  ihr  möchtet  lieber,  oder:  ihr  könntet  meinet- 
wegen März  sein.  Allein  eins  wie  das  andere  befi'iedigt  nicht,  die  Worte 
meinen  vielmehr  gewis  dasselbe,  was:  ihr  müstet  März  sein,  ehe  ich  usw. 
noch  heute  zunächst  sagt,  aber  sie  gewinnen  im  Zusammenhange  mit 
dem  was  vorausgeht  einen  besonderen  Sinn.  Ich  denke  Walther  schließt 
das  Lied  mit  einem  feinen  Scherze. 

Vergegenwärtigen  wir  uns  den  Gedankengang. 

Die  erste  Frage,  was  über  Maienwonne  gehe^  ist  entschieden: 
ein  fi'üher  Maimorgen  ist  ein  halbes  Himmelreich,  aber  eins  gibt  es 
das  seinen  Augen  doch  viel  woler  tut,  eine  edle  schöne  Frau,  ihr  hat 
der  Mai  mit  all  seinem  Wunder  nichts  liebliches  zu  vergleichen, 
sti*.  1  und  2.  Hierüber  ist  er  nicht  zweifelhaft ,  aber  nun  ,  da  beide 
einander  zur  Probe  und  Vergleichung  gegenüber  stehen,  tritt  die  andere 
Frage  an  ihn  heran  ^  welches  von  beiden  er  wählen  würde  ^  wenn  er 
eins  um  des  anderen  willen  lassen  müste.  Da  im  Freien,  mitten  in  der 
Prachtfülle  des  Maien,  antwortet  er  gleich  entschlossen:  Herr  Mai,  ihr 
müstet  März  sein ,  ehe  ich  meine  Schöne  da  verließe  ,  d.  h.  einfach 
genug:  so  lange  ihr  Mai  seid,  bleibe  ich  bei  ihr,  eurer  bin  ich  bei  ihr 
hier  sicher  genug ,  nicht  so  ihrer  bei  euch ;  also  :  ich  wäre  ein  Tor, 
wählte  ich  euch  und  ließe  sie;  indem  ich  sie  wähle,  behalte  ich  euch 
zugleich  und  habe  also  euch  beide. 

Walther  wählt  der  Aufforderung  gemäß,  aber  klüglich  und  wol- 
w^eislich  so ,  daß  die  zur  Bedingung  gemachte  Folge ,  deich  daz  eine 
durch  daz  ander  lieze ,  ohne  seine  Schuld  ausbleibt.  Also  er  erfüllt 
die  Aufgabe  unrl  umgeht  sie  zugleich.  Ganz  ähnlich,  wie  wenn  heut 


ZUR  ERKLÄßUNG  MITTELHOCHDEUTSCHER  DICHTER.  41  7 

ZU  Tage  jemand  die  Erlaubnis,  eins  und  nur  eins  zu  tun,  scherzend 
uiugeht  mit  dem  Worte:  eines  tun  und  das  andere  wicht  hissen. 

Man  möchte  folgern  :  also  im  unfreundlichen  März  würde  er  sie 
eher  verlassen,  —  und  gewis  wird  das  als  Teil  des  Scherzes  mit  be- 
absichtigt sein,  aber  es  ist  ein  im  Hintergrunde  liegender  Nebengedanke 
der  eben  nur  dui'chblicken  soll:  so  lange  ihr  Mai  seid,  bin  ich  nicht 
zweifelhaft;  w^äret  ihr  März,  so  wäre  es  fraglicher,  da  stünde  ich  nicht 
dafür  ein,  daß  ich  ihr  folgte,  sie  wählte,  ob^vol  oder  weil  ich  mir  aus 
euch  dann  auch  nichts  machte. 

Zu  vergleichen  wüste  ich  hiemit  nichts  als  höchstens  nach  einer 
Seite  Wolfr.  Titur.  415,  142  ir  muget  wol  raten  welchez  ich  da  na^me, 
nämlich:  daz  seil  nie  baz  gekündet,  oder:  den  hunt  vil  wol  geseilet. 

Ob  andere  die  Worte  ebenso  verstanden,  lässt  sich  nicht  ersehen, 
ich  weiß  nur  aus  Erfahrung  daß  diese  wie  ich  hoffe  richtige  Auffassung 
so  leicht  sich  nicht  darbietet.  Simrock  kann  dasselbe  gemeint  haben, 
indem  er  Jenncr  statt  März  übersetzte,  zurücknahm  und  wieder  gab. 
Uhland  behält  die  Worte  unverändert,  Zarncke  stellt  sie  unter  müezen  4, 
'notwendig  geschehen,  gezwungen  sein  und  widerspricht  ihr  also  nicht, 
wenn  auch  die  2*,  159  verglichene  Stelle  MS.  1,  31  nichts  erhellt.  Die 
eben  angekündigte  fünfte  Ausgabe  Walthers  kenne  ich  noch  nicht. 

II.  Gebesten. 

Ein  lehrreiches  Beispiel  neuerer  Interpretation  ist  das  an  sich  gar 
nicht  so  schwierige  mhd.  Verbum  gehesten,  das  Haupt  Ztschr.  5,  IGO 
'durch  besseres  überbieten  ,  übertreffen' ,  das  Mhd.  Wtb.  1 ,  95  unter 
hest  '  ich  bin  im  Vergleich  mit  einem  der  beste',  Grimm  in  der  Ztschr. 
8,  11,  als  zu  hast  gehörig,  vielmehr  'ich  bin  im  Vergleich  zu  einem 
der  schlechtere'  wiedergibt. 

Dem  Sinne  des  Wortes,  dünkt  mich,  kommt  Haupt  am  nächsten, 
den  Ursprung  trifft  dagegen  m^oI  Grrimm,  aber  einmal  verstehe  ich  nicht 
den  von  ihm  angegebenen  Grund  („im  Gipfel  des  Superlativs  tritt 
Ruhe  ein")  weshalb  die  Sprache  von  hest  kein  hesfen  bilden  könne  *), 
andererseits  leugne  ich  auch  den  überkünstlichen  Gang  auf  dem  er 
von  Bast  zum  Inhalte  des  gehesten  gelangt.  Ihm  ist  gehesten  das  ahge- 
leiteto  hesten,  Schulie  binden,  anziehen,  dann:  dienen,  aufwarten,  negirt: 


*)  Der  Grand  kann  doch  nur  mittelbar  im  Superlativ  liegen,  sofern  der  Com- 
parativ  immer  ausreicht  und  meist  passender  und  richtiger  ist  als  der  andere  gradus. 
wirsirön  Diut.  2,  49.  284  bat  offenbar  ein  wirsistön  oder  dgl.  üliciflüssig  gemacht. 
Übrigens  hatte  Grimm  Recht,  bei  dieser  Ableitung  den  Dativ  zu  beanstanden. 

OEUMANIA.  Nfur-  Reilir'    n.   iXlV.)  .lahr«.  ">7 


418  A.  IlffiFEK 

einem  nicht  gut  genug  dazu  sein  feinem  nicht  gebesten  mögen!),  ihm 
nicht  vergUchen  werden  dürfen.  Das  sind  doch  wol  zu  viele  Voraus- 
setzungen oder  Ergänzungen,  die  avich  für  das  zwar  sinnig  vergHchene 
moderne  'einem  nicht  das  Wasser  reichen  kaum  statthaft  sein  dürften, 
denn  letzteres,  scheint  es,  kann  ohne  Negation  doch  nur:  'dienen,  im 
Verhältnis  der  Zugehörigkeit  stehen,  etwa:  gleich  sein  bedeuten;  viel- 
leicht wirkte,  als  sich  der  ursprüngliche  Sinn  verlor,  reichen  im  Sinne 
von  'hinanreichen  an'  mit  ein,  um  dem  ganzen  den  Begriff  des  Gleich- 
kommens, des  Verglichcnwerdendürfens  zuzuführen. 

Und  bei  gebesten,  mein  ich,  kommen  wir  auf  einfacheren  Wegen 
zu  demselben  Ziele,  wenn  wir  auf  das  bekannte  besten  zurückgehen. 
Man  vgl.  im  mhd.  Theoph.  v.  HG  ein  hantveste  die  dich  zu  im  beste, 
die  dich  ihm  verpflichte,  verbinde,  an  ihn  fessele,  s.  Pfeiffers  Marien- 
legenden S.  207.  Sodann  Jeroschin  154"  bei  Pfeiffer  S.  128  d^i  solt  dm 
herze  bestin  hin  üf  ritterliche  gir  und  dienen  mir,  heften,  anhängen? 
(Pf  fest  binden,    stärken).     Ähnlich   im  nd.  Daniel  van  Soest  S.   176: 

Den  schnöden  Satan  hat  sie  sich  als  Mann  auserwählt dorch  hat 

imd.  mt  op  de  geistlickeit,  darto  gebeist  (so !)  se  um'echtfertickeit  dorch  böse 
wpsat  in  eren  herten,  dazu  fügt  sie,  damit  verbindet  sie  Unrechtfertig- 
keit. Nimmt  man  hiezu:  gevesfet  unde  verbestet  in  der  minne  was  ir  muot, 
bei  W.  Müller  aus  Martina  57,  so  sieht  man  wie  das  Wort  bereits  weit 
hinausgegangen  über  seine  sinnliche  Bedeutung :  vgl.  in  den  Florentiner 
Glossen  Diut.  2,  237''  sarcio  besto,  bözzo;  sich  besten  in  ein  geivant;  einem 
den  ermel  besten  etc. 

Dasselbe  besten  wird  in  der  späteren  Sprache,  zumal  im  Nieder- 
deutschen und  von  den  Schuhen  durch  'mit  Bast  binden  umschrieben, 
bald  ein  geläufiger,  noch  heute  geltender  Ausdruck  für  Armut  und 
Niedrigkeit ,  vgl.  Stieler  157  ,  Frisch  sowie  Dähnert  s.  v.  bast  und 
J.  Grimm  Rechtsalt.  261  n.  und  DWtb.  1  sp.  1149  von  dem  liefländi- 
schen  Bauern :  Tmn  levent  wert  mi  sür,  ik  binde  de  schoe  mit  baste.  Ebenso 
in  Uhlands  Volksliedern  1  S.  538,  7,  in  Zobers  Strals.  Chron.  1,  89 
und' noch  jetzt  hier:  doer  moet  aus  btdregen,  de  de  scho  mit  bast  bunnen 
het,  d.  h.  alle  müssen  beisteuern,  auch  der  ärmste. 

Bleiben  wir  aber  bei  dem  einfachen  besten  stehen ,  so  muß  mau 
doch  zugeben,  daß  von  'verbinden  zu  'vergleichen,  an  die  Seite  setzen, 
von  'hinzufügen  zu 'überbieten,  übertreffen  in  Wahrheit  ein  sehr  leichter 
Schritt  ist.  Finden  wir  das  Wort  also  in  dieser  Weise  verwendet ,  so 
hat  das  gar  nichts  auffälliges.  Der  Dativ  wäre  dabei  ganz  an  der  Stelle, 
soo-ar  zu  erwarten,  ein  Accusativ  des  Objects,  wie  es  scheint,  nicht 
minder  unentbehrlich. 


ZUR  EEKLÄRUNG  MITTELHOCHDEUTSCHER  DICHTER.  410 

Besehen  wir  nun  die  beiden  bekannten,  zuerst  von  Haupt  Ztschr. 
V,  160,  dann  von  W.  Müller  im  Mhd.  Wtb.  s.  v.  haz  und  von  Grimm 
Ztschr.  VIII,  11  besprochenen  Stellen,  so  leuchtet  ein  daß  die  Stelle 
des  h.  Georg  v.  1786: 

in  der  hürge  wart  daz  glesten 

dem  diu  sunne  niht  mohte  gebesten, 
so  einfach  und  natürlich  wie  möglich,  sich  dem  vollkommen  fügt:  der 
Dativ  ist  vorhanden,  der  Accusativ  liegt  in  niht;  in  der  Burg  entstand 
ein  Glanz  dem  die  Soane  nichts  hinzuzufügen,  zu  vergleichen  hatte, 
den  sie  nicht  überbieten  konnte.  Undeutlicher  ist  auch  nicht  die  andere 
Stelle  des  Servatius  v.  2818— 21: 

dar  nach  totste  man  ein  maget 

diu  loas  des  loirtes  tohter, 

dehein  juncfroioe  mohter 

mit  schoene  gebesten,  der  gap  er  etc. 
aber  da  der  Accus,  fehlt  und  wenn  er  nicht  in  mohter  für  moht  ir  steckt, 
auch  der  Dativ,  so  könnte  man  ihre  Richtigkeit  bezweifeln  oder  mau 
hätte  ein  neues  einem  gebesten  anzuerkennen  und  niht  der  auderen  könnte 
Adverbium  sein.  Läse  man:  dehein,  oder  selbst:  deheine  juncfrowen 
moht  er  mit  schoene  ir  gebesten,  so  stünde  die  gewis  unantastbare  Stelle 
völlig  wie  jene  und  hieße:  keine  Jungfrau  konnte  er  ihr  an  oder  njit 
Schönheit  vergleichen,  keine  über  sie  stellen.  Ich  finde  aber  diese  leichte 
Änderung  doch  nicht  grade  notwendig,  denn  der  fehlende  Accusativ 
(nicht  sich)  liegt  logisch  fast  schon  in  dem  adverbialen  mit  schoene  oder 
wird  dabei  leicht  ergänzt:  keine  konnte  ihr  mit  Schönheit  hinzufügen, 
d.  h.  sie  erreichen  oder  übertreffen. 

Mag  man  hiebei  dem  Superlativ  best  einige  Einwirkung  zugestehen, 
so  wird  doch  gebesten  künftig  nicht  mehr  unter  baz  zu  stellen  sein, 
sondern  neben  besten  unter  bast. 

Bringt  man  in  Anschlag  was  das  Md.  und  Nd. ,  hier  auch  das 
Romanische,  mich  dünkt  vielfach  anders  als  bei  Diez,  endlich  die  Dia- 
lekte lehren,  so  gewinnen  wir  eine  weit  umfassendei"e  Geschichte  des 
Wortes  bast  als  sie  bisher  versucht  ist,  obgleich  J,  Grimm,  Schm eller, 
W.  Müller  u.  a,  schon  dankenswertes  geliefert  haben.  Außer  dem  be- 
kannten: sijc  den  bast  van  de  ß^iger  wringen,  d.h.  gewöhnlich:  übermäßig 
arbeiten  (z.  B.  Fr.  Reuter  Olle  Kam.  326,  in  Fr.  Frehses  dürftigem 
Wörterbüchlein  fehlend)  erwähne  ich  nur  die  nd.  Re<lensarten:  or  scheten 
Mappede  as  bast;  dat  inwendige  bast;  er  dat  bast  ajspliten,  to  baste  gän, 
vjat  up  den  bast  geven,  zipjm  bast  sitten,  kamen,  oder:  llggeji,  Im;  enen 
bai  baste  Jcrigen,  und  wieder  anders :  enen  to  baste  drlven,  z,  B.  Lüntzel 

27* 


420  A.  HCEFER 

Hild.  Stiftst.  196,  26;  176,  592;  263;   Fastiisp.  2,  447.  983  etc.    Das 
zweite:  klajypen  as  hast,  leitet  schon  zu  dem  bekannten  hast  als  Bezeich- 
nuno"  des  Nichtigen ,  gleich:  halm,  stro,  sp-iu,  kaf^  hlat,  hup,  »t'ei  u.  v.  a. 
dann  zuerst  wol  in  Gregensätzen  wie:  er  zeigt  gen  im  als  hast  gen  edeln 
hoi'ten,  jung.  Tit.  22,  7,   und  daraus  schon  im  Mhd.  Wtb.  verzeichnet. 
Wie   dann   hast   auch    das  kunstmcäßige  Zerwürken  des  Hirsches, 
den  hastlist,  als  kurzer  technischer  Ausdruck  für  das  ganze  Verfahren, 
ferner  den  Saum  des  Kleides  und  fast  den  Unterrock  {ufhast  Häzler.  248), 
endlich  auch  den  Sattel  (mnl.  hast,  le  hat)  und  weiter  Lager,  Pfühl  be- 
zeichnet   will  ich  hier  nicht  verfolgen,  sondern  nur  für  das  letztere  und 
für  hastard,  hätard  auf  die  bisher  nicht  beachtete  Stelle  Martina  557,  42 
hinweisen :  ican  in  der  tievil  mäste  üf  der  sunden  haste.   Da  hast,  le  hat 
der  Saumsattel  ist,  Sättel,  Zäume,  Schilder  aber  aus  Bast  bereitet  wurden, 
so  kann  der  Sinn  von  hasthart  =  hankhaH,  hankert  oder  hornung  Winkel- 
kind (Grimm  Rechtsalt.  261.  713.  475.  DWtb.  s.  v.  Diez  1"  57)  doch 
kaum  zweifelhaft  sein  und  es  ist  zu  verwundern  daß  Grimm  später  zu 
einer  weni«-  ansprechenden  und  in  der  Tat  gezwungeneu  Deutung  aus 
dem  altnordischen  Schwertnamen  hasthardr  seine  Zuflucht  nehmen  mochte. 

III.  Zu  Gregorius  v.  916—919. 

Die  Stelle  lautet  nach  Greith  Spicil.  Vat.  S.  213  und  Karl  Bartschens 
so  eben  mitgeteilter,  äußerst  willkommener  Vergleichung  Germ.  14,  240 
in  der  Vatican.  Hs.  A 

Daz  er  so  ivol  tcete 

Vnde  daz  chind  seihe  tovfte 

Vnde  damit  chovfte 

Got  vnde  dienstaften  mvt 
während  Lachmann  nach  der  Wiener  E  da  mite  im  und  gegen  AC 
(undirY,)  nmh  diensfhaßen  muot  in  seinen  Text  aufnahm,  unde  in  den 
Anm  bekreuzt ,  um  minder  Kundige  zu  erinnern ,  daß  es  seine  aus 
Nachdenken  und  Forschung  hervorgegangene  Verbesserung  sei,  vgl. 
Haupts  Zeitschrift  Band  5,  32. 

So  unentbehrlich  beide  Nachdenken  und  Forschung  zu  sein  pfle- 
o-en  und  so  bereitwillig  man  beide  einem  Lachmann  zutrauen  wird,  so 
vermao-  ich  in  imserem  Falle  diese  erhebliche  Abweichung  von  zwei 
Handschriften  oder  dreien  doch  nicht  als  erforderlich  anzusehen  und 
habe  daher  in  meinem  Gregor  seit  langen  Jahren  und  Avieder  herge- 
stellt. Und  das  hat  denn  nun  zu  meiner  Freude,  wie  sich  erwarten  ließ, 
auch  F.  Bech  getan.  Außerdem  ist  in  ge%vissem  Sinne  fast  tröstlich, 
daß  so  leicht  nicht  ausgedacht  und  ausgeforscht  wird,  man  darf  daher 


ZUR  ERKLÄRUNG  MITTELHOCHDEUTSCHER  DICHTER.  4^1 

ausnahmsAveise  schon  einmal  so  dreist  sein,  von  Laclimann  abzuweichen. 
Leider  hat  er  den  Grund  zu  seinem  Verfahren  nicht  angegeben,  son- 
dern wie  gewöhnhch  verlangt ,  daß  andere  die  ihn  leitenden  Gründe 
suchen  und  finden  sollen,  wobei  denn  andei'e,  wenn  sie  die  vermutlichen 
Gedanken  nicht  stichhaltig,  die  verworfene  Lesart  aber  ganz  vernünftig 
fänden,  sich  mit  demselben  Rechte  auf  die  einfache  Wiederherstellung 
des  und  beschränken  könnten. 

So  bestimmt  ich  es  nun  ablehne ,  das  umhe  aus  dem  Gedanken 
seines  Urhebers  zu  rechtfertigen,  so  leuchtet  doch  ein,  daß  umhe,  da  es 
hier  ohne  Person  nicht  von,  eigentlich  bei  (Greg.  1299.  WM.  imMhd.Wtb. 
1, 867  —  8)  bedeuten  kann,  entweder  den  Preis,  den  Tauschgegenstand  oder 
den  Zweck,  die  Folge  ausdrücken  würde.  Ganz  am  Orte  wäre  es,  wenn  im 
sibi  sein  könnte:  daß  er  das  Kind  taufte  und  sich  für  seine  Dienstbeflisseu- 
heit  Gottes  Lohn  erwürbe.  Da  dies  aber  trotz  968  durch  948  verwehrt 
ist,  im  sich  auf  das  Kind  bezieht,  so  bleiben  zwei  oder  drei  Möglich- 
keiten die  sich  alle  nicht  empfehlen.  Denn  auch  was  Bech  annimmt 
^Gottes  Beistand  zu  einem  ihm  ergebenen  Sinne'  beschränkt  got  und 
macht  d.  muot  zur  Hauptsache  ,  nähert  sich  aber  dem  was  und  d.  m. 
auch,  nur  deutlicher  besagt.  Auf  beides  kommt  es  aber  an,  denn  die 
Taufe  sichert  dem  Menschen  den  Segen  Gottes,  legt  ihm  aber  auch  die 
Pflicht  treuer  Gottergebenheit  auf,  sie  macht  ihn  Gott  und  Gott  ihm 
zu  eigen.  Die  Parallelstelle  fasst  beides  zusammen  mit  ein  sceUgez  leben 
V.  949.  Bedeutungen  und  Fügungen  des  Verbums  koufen  sind  bekannt, 
auch  das  Nd.  bietet  viel  Beachtenswertes;  seltener  ist,  vielleicht  ver- 
einzelt einem  got  koufen,  doch  dient  ihm  zur  Erläuterung  got  Verliesen 
z.  B.  271,  ich  denke  auch  got  erkennen  v.  560  und  sonst  oft.  Vgl.  2056 
in  gote,  2609  durch  got,  und  selbst  unser  'mit  Gott'.  Übersetzt  man  nun: 
daß  er  so  gut  wäre  und  das  Kind  taufte  und  damit  ihm  erwürbe  Gottes 
Segen  und  dienstbereiten,  gottesfürchtigen  Sinn,  so  wüste  ich  nicht, 
was  sachlich  oder  wörtlich  dabei  zu  beanstanden  wäre. 

IV.  Weiteres  zum  Gregorius. 

Da  ich  einmal  vom  Gregor  handle,  dieser  für  mich  stets  anzie- 
hendsten Dichtung  Hartmanns,  benutze  ich  die  Gelegenheit,  aus  alter 
Bekanntschaft  mit  ihm  einige  Bemerkungen  hinzuzufiigen,  die  nament- 
lich Bechs  neue  Ausgabe,  nach  Lachmanns  unvergleichlicher  Arbeit 
die  einzige  nennenswerte  Leistung  für  das  Gedicht,  betreffen.  Denn 
wie  freudig  ich  sie  als  eine  vielfach  lehrreiche  fördernde  Arbeit  aner- 
kenne,  so  finde  ich  dennoch  ein(>-  Menge  von  Stellen  in  denen  ieli 
seinen  Text   und    besonders   seine  Erklärung   nicht  gutheißen   möchte. 


422  A.  HCEFER 

Dabei  kann  es  wol  sein,  daß  ich  eins  und  das  andere  nicht  gern  auf- 
gebe was  mir  bei  stets  wiederholter  Prüfung  als  richtig  erschienen  und 
am  Ende  geläufig  geworden  ist.  Indessen  ich  hebe  auch  nur  einiges  heraus 
xmd  gebe  es  ohne  Anspruch  auf  Unfehlbarkeit  zUr  weiteren  Erwägung. 

V.  1.  2  ist  nach  A  herihtet,  in  Husche  hat  gefihfet,  zu  lesen?  vgl.  z.  B. 
Otte  751.  21.  nicht:  so  daß  er  ihn  aufs  Bette  warf,  sondern:  als  der 

Tod  ihm  seine  Ankunft  und  Begleitung  entbot,  als  er  (nämlich)  schwer 
erkrankte  und  den  Tod  kommen  sah.  Das  zweite  erklärt  das  erste,  was 
so  der  alten  Vorstellung  von  dem  Tode  als  Boten  und  abholendem 
Geleitsmann  gemäßer  ist,  auch  sehe  ich  eben  daß  Grimm  Mythol.  799 
es   so   genommen,    wie   ich    es   auch   seit  langen  Jahren   erklärt  habe. 

55.  Die  Beziehung  des  ir  und  des  riuwen  war  wol  näher  zu  bestim- 
men, 'Anhänglichkeitsbezeugungen  passt  so  wenig  wie  'Klagen'  oder 
51  'eigenhändig' ;  aber  der  etwas  zu  allgemeine  Ausdruck  der  Verse 
55  —  56  lässt  freilich  eine  verschiedene  Auffassung  zu.  185.  Bech  hat 

das  von  Lachmann  herrührende  ez  in  184  aufgegeben  und  durch  Um- 
ßtellung  der  Worte  da  diu  zu:  diu  da  juncvroioe  inne  lac,  da  in  Schlaf 
versunken  war  die  da  eine  Jungfrau  zu  Bette  lag,  einen  feinen  Sinn 
gewonnen,  vielleicht  einen  feineren  als  der  Dichter  beabsichtigt  hat, 
denn  die  naheliegende  weil  gewöhnliche  Bedeutung  des  inne  ligen  ist 
doch  noch  nicht  angebracht.  Ich  ziehe  also  vor,  ez  und  da  diu  zu  be- 
wahren, da  inne  aber  zu  verbinden.  203.  gelime  war  trotz  E  und 
V.  2743.  3229  als  vollkommen  richtig  beizubehalten,  mag  es  auch  sonst 
nicht  nachweislich  sein.  221  ist  nach  Erl.  auf  Pfeiffers  Rat,  Quellen- 
mat.  23 ,  versümde  für  verschunde  gesetzt ,  das  gewöhnlichere  für  das 
ungewöhnlichere,  doch  vorzüglich  passende :  so  verreizten  sie,  oder  ver- 
führten sie  die  Gedanken  (v.  215,  d.  h.  der  Teufel  führte  sie  mit  ihnen 
irre) ,  so  lange  er  mit  ihr  rang ,  oder  besser  :  bis  er  sein  Liebesspiel 
mit  ihr  vollführt  hatte :  denn  er  War  stark  und  sie  schwach  ,  so  daß 
ers  wider  ihren  Willen  zum  Äußersten  brachte.  Pfeiffers:  'bis  er  bereits 
mit  ihr  rang,'  ist  unbrauchbar,  denn  er  ringt  schon  vorher  mit  ihr,  214. 

239.  ioa7i  ezn  stiurt  si  niht  zer  huote,  nur  daß  es  ihr  nicht  nützte,  oder: 
aber  das  war  zu  spät,  half  ihr  nicht,  es  zu  verheimlichen,  Bech:  'denn 
nichts.'  249.  daz  ungevüere,  nicht  gut  übersetzt,  soll  nach  B  flieget  zu 

schließen  avoI  Object  sein,  doch  gibt  es  auch  als  Subject  guten  Sinn: 
indes  die  ganze  Stelle  krankt,  wie  A  ungemuote  :  'Versuchte  deutlich  zeigt. 

286.  Auch  diese  Stolle  ist  wie  sich  aus  dem  ge  oder  erwalUn  in  vier 
Hs.  ergibt,  was  doch  nicht  fortgepflanzter  Fehler  für  vallen  sein  kann, 
Bchwerlich  gesund,  dciniocli  ist  was  La.  im  Anschluß  an  AE  liest,  vor- 
»üjrlich,  nur  muß  man  es  iiiclit  mit  Becli  übersetzen;  'zu  Teil  gcwoi'dcü 


ZUR  ERKLÄRUNG  MITTELHOCHDEUTSCHER  DICHTER.  423 

das  Süße  mit  dem  Bitteren.  Dieses  'mit,  neben  hebt  die  Schwierigkeit 
nur  scheinbar,  der  Text  hat:  daz  honte  zuo  der  gallen,  d.  h.  aber  :  die 
Galle  und  den  Honig,  während  man  nach  dem  Zusammenhange  'nach 
liehe  leii  vielmehr  'diu  galle  zuo  dem  honbge  erwartet,  —  wenn  gevallen 
wie  V.  64  'zufallen  sein  müste.  Aber  hier  ist  gevallen  —  zuo  vielmehr 
zerfallen,  fast:  werden,  vgl.  2863  zevallen,  3274.  Und  somit  wäre  das 
logische  Bedenken,  wie  ich  sehe  auch  Pfeiffers  dem  ich  übrigens  nicht 
nachschreibe,  beseitigt  und  alles  in  bester  Ordnung :  Frau  Minne  macht 
stets  nach  Freude  Leid.  So  war  auch  ihnen  (ist  hier,  E)  zerfallen 
der  Honig  zu  Galle,  ihr  Glück  zu  Unglück  ausgeschlagen.  Das  IMhd. 
Wtb.  welches  Valien  nicht  recht  vollständig  behandelt,  erklärt  wie  Bech. 
Pfeiffers  Vorschlag,  mag  ihm  Richtiges  zu  Grunde  liegen,  ist  doch 
schwerlich  schon  gelungen.  476-8.  Der  Hrsg.  liest  mit  Lachm.  nach 

AE  :  ez  loas  in  heiden  diu  vröude  also  tiure  sam  daz  is  in  dem  viure, 
und  ich  stimme  ihm  darin  bei ,  daß  das  erste  in  dann  wegen  Gleich- 
mäßigkeit mit  der  folgenden  Construction  hier  auch  wol  die  Präposition 
sein  müste,  obgleich  W.  Müller  4,  40"  es  als  Dativ  genommen  hat. 
Allein  „Benecke  wollte  in  des  v.  478  tilgen",  ein  Wink  dem  man  ge- 
trost folgen  sollte ,  da  es  mehr  als  entbehrlich  und  in  476  der  Dativ 
passender  ist.  So  natürlich  Walthers  under  wiben  sint  umoip  tiure  ist, 
so  unnatürlich  finde  ich  ein  auch  wol  kaum  nachweisliches  diu  vröude 
ist  in  mir  tiure.  608.  se  :  vor  dem  tage  enmohtens  e,  an  sich  wenig  be- 

glaubigt;, fasst  Bech:  wegen  des  Tageslichts;  wäre  etwa:  hi  der  naht 
zuo  dem  se,  vm-  dem  tage,  s'  enmohten  e,  also :  bei  der  Nacht^  ehe  es  Tag 
ward,  früher  konnten  sie  es  nicht,  zu  lesen?  vor  dem  tage  in  dieser 
Weise  zu  nehmen,  liegt  zunächst,  vgl.  775  vor  tage,  vor  tages.  Der  Ar- 
tikel wäre  kaum  anstößig,  vgl.  morgens  gegen  dem  tage.,  2879  nähen  ht 
dem  tage,  eigentliche  Tautologie  nicht  vorhanden.  703.  Bech  geht  mit 
vor  dem  aufA  ziu-ück  und  ist  dadurch  gerechtfertigt,  aber  Lachmauns 
von  dem  (aus  Wiener  E  entnommen)  entspricht  besser  als  vor  dem 
uf,  705.  853.  crede  mich   ist  etwas  kurz  abgetan,  denn  die  meisten 

Leser  wissen  mit  mich  nicht  fertig  zu  werden  :  warum  nicht  das  von 
Lachmann  beigebrachte  cred.e  michi  oder  Schreibungen  nichil,  estomichi 
u.  a.  vergleichen?  900.  ist  vil  guoter  vuoge,  trotz  gef Hegen  911,  nicht 
lieber  adverbialisch 'in  angemessener  Weise  zu  nehmen?  912.  daz  si'z 
trüegen,  nicht:  daß  sies  einstweilen  tragen  sollten,  was  ohnehin  selbst- 
verständHch,  sondern:  daß  sies  ihm  brächten,  wenn  sie  —  gewartet 
hätten,  und  (daß)  man  ihn-  bäte  etc.  1065.  ir  mark  an  in  geleit,  Bech : 
'sie  hatte  an  ihn  ihr  Mark,  ihr  Bestes  gewendet,'  —  wenn  überall  zu- 
lässig, viel  dürftiger  als  das  hübsche :  Frau  Vollkommenheit,  Frau  Glück 


424  A.  HCEFEK 

hatte  an  ihn  ihr  dauerndes  Zeichen  gelegt,  ihn  als  den  ihrigen  gezeichnet, 
gestempelt;  wenigstens  scheint  dies  die  ursprünglichere  Bedeutung,  wenn 
es  dann  auch  allgemeiner  vorkommt,  wie  in  der  von  Lachmann  citirten 
Stelle :  er  truoc  an  im  daz  marc  daz  an  sinem  vater  lac.  1 143.    tet  ge- 

hliwen,  was  Grimm  im  Sendschreiben  58  als  Particip  ansah ,  Gramm. 
4,  127,  und  Bech  daher  in  gehlüwen  änderte,  erweist  sich  nun  durch 
Bartsch  als  getar  gehlkcen  und  dadurch  versteht  sich  dann  auch  :  daz 
dich  der  gepewlen  der  (für:  dar  geplmen?)  E.  1166 — 7.  Nach  dem  mit 

ivan  beginnenden  Satze  setzt  Bech  au  Stelle  des  hie  und  da  behaltenen, 
von  La.  hier  vorgezogenen  ?  ein  .'  und  erklärt  es  durch  'wenn  doch, 
wenn  nur.  Aber  das  gibt  hier  einen  Sinn  der  meiner  Ansicht  nach 
lange  nicht  so  passend  ist  als  die  Frage  :  warum  wollte  er  nicht  daß 
man  seine  Schande  verschwiege?  Das  heißt  doch  wol:  bis  jetzt  weiß 
hier  niemand,  wer  er  ist,  aber  ich  weiß  es  und  wills  aller  Welt  er- 
zählen^ —  warum  machte  ers  nicht  darnach  daß  man  das  für  sich  be- 
halten konnte?  —  Oder  hieße  es:  was,  wollte  er?  d.  h.  er  möchte  wol, 
ihm  gefiele  wol,  daß  man?  Mit  einem  utinam,  wenn  er  nur  wollte  usw. 
entstünde  vielleicht  derselbe  Sinn  wie  oben,  aber  undeutlicher  und  wol 
auch  nicht  besser  ausgedrückt.  1268.    diu  lehen  koiifen  unde  keren  ze, 

synonym  und  alliterirend,  einrichten  oder  schaffen  und  wenden;  's.  Le- 
bensunterhalt erwerben  trifft  weniger  zu.  1305.  von  dirre  stunt,  E  Erl., 
also  in  zwei  Hs.,  doch  kaum  besser  als  für  dise  stunt  ^  v.  1561,  oder 
sollte/ur  wegen  des  gleich  folgenden  -ywr  beseitigt  werden?  1315.  dise 
Sache,  mit  Recht  gegen  das  von  Pfeiffer  empfohlene  drie  E  Erl.  bewahrt, 
denn  nur  zweierlei  ti'cibt  ihn  aus  dem  Lande,  diu  schände  1318  und 
das  Verlangen  nach  Ritterschaft  1329 — 31,  =  1320.  1362  bedui-fte  der 
Erklärung  mindestens  für  Anfänger.  1366.  danne  für  da  mite  ist  nun 
herzustellen.  1415.  min  gedanc  spilte,  scheint  mir  nicht  mit  dem  Mhd. 
Wtb.  3,  506  zitterte  'zappelte  vor  Verlangen  ,  welches  letztere  schon 
in  sente  liegt,  sondern:  vergnügte  sich  mit  Kampfspiel,  kämpfte,  vgl. 
ritterschefte  spiln  usw.  1492.  imde  gib  dir  —  daz  du  vil  schone  varende 
bist,  gebe  dir  soviel?  vielmehr:  und  mache  dir,  daß  du  gut  zu  wege 
bist,  gut  zu  Gange  sein  sollst,  nämlich  wie  ich  das  verstehe:  durch 
die  reiche  Heirat,  nicht  durch  eigenes  Geben.  Dafür  spricht  Erl.  und 
gib  dir  also  schcene  vrist  daz  du  vil  lool  varünde  bist.  Übrigens  ist  zu  vgl. 
Lachm.  zu  VValther  6,  37.  1517.  gevürdern,  ist  des  Herausgebers  an 
sich  gute  Vermutung,  doch  Avürde  ich  geioirden  bewahren,  dies  steht  in  A 
und  ist  also  nicht  Lachmanns  Emendation  wie  es  Pfeiffer  Quellenm. 
1,  25  bezeichnet,  geicenden  gibt  A  1495  =  1516  mit  E  für  genenden. 
Die  Erl,    hat   1517    gaziehm    für  gewirden  A    das    vorzüglich    passt   wie 


ZTJR  ERKLÄRUNG  MITTELHOCHDEUTSCHER  DICHTER.  425 

Pfeiffer  zugibt  und  folglich  ohne  allen  Grund  verdrängt  ist.  1646.  lieber 
als  mit  dem  Hrsg.  alter  und  lese  ich  mit  Lachmanu  altnind,  völlig  ebenso 
wie  2115  muotriind  =  Lachm.  was  unmittelbar  gleichsteht  und  mit  dem- 
selben Rechte  siner  und  sines  betont  mit  dem  1646  beide  linder  gehoben 
sind.  Vgl.  2432  iuwer  muotr  und  iuiver  ivip  f  Auch  ist  altrund  nicht  viel, 
gröber  als  z.  B.  v.  1528  wüln  was  Bech  wie  manches  andere  ohne  Not 
verkürzt,  wenngleich  er  auch  hierin  Lachm.  gefolgt  ist.  Unerträglich 
ist  namentlich  v.  3016  wo  also  wol  :  meinde  ddz  eins  mdnnes,  gelesen 
werden  soll.  Ich  ziehe  dagegen  ohne  Bedenken  vor:  daz  meinddaz  eines 
unannes  munt,  und  bin  sicher  damit  der  Aussprache  Hartmanns  näher 
zu  kommen,  eines  hat  heiden  in  v.  3015  gegenüber  vollen  Nachdruck 
und  braucht  auch  nicht  verkürzt  zu  werden.  Übrigens  finde  ich  in 
diesen  Dingen  mehr  Schwanken  als  gut  ist.  Während  meinde  hier  ge- 
rettet wird,  muß  der  Hrsgbr.  doch  84ö  erioeinde  daz  (Lachm.  dez)  selbst 
zulaßen  und  während  er  713  meine  den,  809  icarte  der,  846  kunte  dem, 
1091  erlöubte  dem,  schreibt,  setzt  er  812  dühte  den,  2313  dicht'  st  sich, 
1101  liute  dem  usw.  dritte  der  in  156  ist  wol  Druckfehler? 

Außerdem  beschränke  ich  mich  auf  vier  Stellen  die  von  Wichtig- 
keit sind.  2595.  mit  marioen  filezen  ungeschuoch,  ist  nun  auch  aus  A 
erwiesen ,  muß  also  wol  richtig  sein ;  die  Tautologie  an  der  Pfeiffer 
Anstoß  nahm,  wäre  jedoch  nicht  schlimmer  als  manche  andere;  wer 
sie  beseitigen  wollte^  ditrfte  nur  so :  er  icuot  diu  loazzer  bt  dem  stege  mit 
hären  filezen,  ungeschuoch  streich  er  usw.  schreiben,  wo  dann  auch  streich  er 
stehen  bliebe.  2866.  aschman  ist,  obgleich  nirgends  nachgewiesen  und 
mehrfach  anstößig ,  ohne  weiteres  durch  Küchenknecht ,  vgl.  Aschen- 
brödel, wieder  gegeben,  während  es  gewis  nach  Beneckes  und  Wacker- 
nagels treffender  Vermutung  zu  Asch  Bot  (i.  e.  Esche,  asc,  ags.  a'sc, 
cesceman  a  shipman,  a  pirate)  gehört  und  also  Botsknecht  bedeuten  wird. 
Oder  wäre  asch  auch  Ruder  und  aschman  Ruderknecht  gewesen  ?  Ge- 
hörte es  zu  asche,  so  würde  es  anders  aussehen  und  schwerlich  veraltet 
sein,  gartzen  in  B  spricht  dafür,  daß  der  Schreiber  es  nicht  mehr  sicher 
verstand.  Stünde  2864  er  schuof,  so  würde  sinem  aschman  auf  den  Fischer 
gehend  noch  vorzüglicher  passen,  aber  auch  so  sollte  man  suchen  das 
alte  und  mit  anderen  für  den  Gregorius  bezeichnende  Wort  sorgfältig 
zu  wahren.  Bech  hat  wenn  ich  nicht  irre  dergleichen  öfter  als  gut 
preisgegeben. 

Auffälliger  als  alles  andere  ist  daß  v.  2970  in  got  vergaz  siner 
schulde  unz  üf  sine  hulde,  unz  üf  'bis  auf,  nur  nicht'  bedeuten  soll,  was 
denn  doch  unmöglich  ist.  Statt  des  Hinweises  auf  2409  Avar  passender 
Iwein  3784:  daz  er  al  sin  schulde  buozte  unz  üf  ir  hulde,   zu  vergleichen, 


426  A.  HCEFER,  ZUR  ERKLÄRUNG  MHD.  DICHTER. 

wo  ein  'nur  nicht'  übel  angebracht  wäre.  Gremeint  ist  im  Gregor  ledig- 
lich: Gott  vergab  ihm  alle  Sünden  bis  auf,  d.  h.  hier:  bis  zu  seiner 
Hvdd,  so  daß  er  ihm  sogar  seine  Gnade  wieder  zuwandte.  Übersetzte 
man  aber  nach  jener  Weisung,  so  entstünde  der  Sinn,  Gott  habe  ihm 
seine  Gnade  vorenthalten,  was  Unsinn  'wäre.  Da  Bech  dies  also  nicht 
gemeint  haben  wird,  so  kommt  man  zu  der  Vermutung,  er  habe  das 
durch  U71Z  üf  angeschlossene  hulde  mit  vergaz  unmittelbarer  verbindend 
den  Sinn  beabsichtigt:  Gott  vergaß  aller  seiner  Sünden,  nur  nicht 
seiner  Huld?  Allein,  Avenn  dabei  allenfalls  auch  dasselbe  herauskäme, 
das  wäre  doch  unnatürlich  und  unerlaubt,  wie  sich  aus  der  Stelle  des 
Iwein  u.  a.  schlagend  ergibt.  Ungenau  oder  zu  kurz  lehrt  auch  Wacker- 
nagel daß  mvz  üf  ausschließe^  denn  unz  üf  bedeutet  ganz  wie  unz  an: 
bis  zu  einem  Punkt ,  ob  dieser  eingerechnet  oder  ausgeschlossen  sei, 
liegt  im  Gedanken  des  Redenden :  er  vergibt  alles  bis  auf  den  letzten 
Heller,  kann  eins  wie  das  andere  meinen,  in  der  Regel  meint  es  alles, 
schließt  also  ein,  während  "^bis  auf  einen  Taler  sicher  diesen  ausschlösse. 
So  passte  des  Hrsgbs.  'nur  nicht'  für  den  Satz  :  er  vergaß  alle  seine 
Fehler  bis  auf  sein  Lügen ,  nimmermehr  aber  für  den  mehr  mhd.  als 
nhd.  Ausdruck:  er  vergaß  alle  Fehler  bis  auf  seine  oder  bis  zu  seiner 
Belohnung  *).  2989 — 90.  ich  verbinde  anders  als  der  Hrsgbr.  dienstes 

■ —  daz  und  nehme  ersteres  als  Neutrum  das  auch  im  Iwein  4278  sm 
dienest  (al.  smen)  und  sonst  oft  begegnet.  Das  Wort  ist  im  Register  zu 
Iwein  gar  nicht,  zu  Gregor  nur  als  masc.  gen.  aufgeführt.  Benecke  im 
Wtb.  zu  Iw.  :  der  (daz)  dienest. 

Obgleich  der  Herausgeber  anderes  schon  selbst  berichtigt  hat, 
z.  B.  768  und  1656,  ließe  sich  doch  noch  über  vieles  rechten,  was  ich 
für  eine  andere  Gelegenlieit  aufspare.  Mitunter  weicht  er  ohne  Grund 
von  der  herkömmlichen  und  auch  wol  allein  richtigen  Auffassxmg  ab, 
so    daß    man   sich   fragt,    ob    das    absichtliches   anderes    und   besseres 


*)  Bemerkenswert  ist  hier  auch  die  allbekannte  Redensart:  visck  unz  uf  den  grät, 
oder:  unz  an,  die  Pfeiffer  zu  Walther  76,  12  'ganz,  durchaus  Fisch  sein  tibersetzt 
(man  denkt  also  zunächst:  Fisch  mit  sammt  den  Gräten,  obgleich  er  es  wol  selbst 
anders  meinte)  Wackemagel  dagegen:  Fisch  mit  Ausnahme  der  Gräte.  Und  freilich 
ist  dies  allein  richtig,  weil  Fisch  und  Gräte  sich  gegenübergestellt  werden,  z.  B.  habt 
ir  den  grät,  vh  )iim  den  visch,  das  Fischfleisch.  Von  der  Maria  gesagt  du  bist  visch  unz 
üf  den  gr&t  ist  einfach:  Fisch  ohne  Gräte,  ebenso  wie  Taube  ohne  Galle,  Rose  ohne 
Dom,  Ceder  ohne  Wurm  u.  a.  So  ist  im  Winsbeken  52,  7  er  ist  niht  fleisch  unz  an  daz 
bein,  er  ist  nicht  reines,  knochenloses  Fleisch.  Aber  deshalb  kann  visch  um  üf  den  grät 
an  sich  sehr  wol:  "Fiscli  mitsammt  den  Gräten,  völlig  Fisch'  sein  und  ich  möchte 
glauben,  daß  es,  als  es  sprichwörtlich  geworden,  auch  wol  so  verstanden  sei. 


KARL  BARTSCH,  ZU  HARTMANNS  GREGOR.  427 

Verständnis  oder  Versehen  sei.  So  ist  nicht  nur  im  Erec  3638,  son- 
dern anch  im  Grregor  1558  ^lnde  des  $i  mit  hnlden  verzigen  übersetzt : 
und  lehne  dies  höflichst  ab,  —  was  wie  mich  dünkt  grade  für  den 
Zweck  dieser  Aiisgabenart  höchst  mislich  ist.  Letzterem  entspricht 
auch  wenig,  daß  wichtigere  und  schwierigere  Dinge  hie  und  da  über- 
gangen ,  ordinäre  dreimal  oder  öfter  wiederholt  werden.  Desgleichen 
vermisse  ich  Consequenz  in  der  Bezeichnung  der  Hebungen  die  oft 
recht  überflüssig  augezeigt  werden  und  nicht  selten  da  unbezeichnet 
bleiben  wo  dem  Anfänger  ein  Wink  unentbehrlich  scheint.  Kurz  die 
Ausgabe  des  Herrn  Bech ,  eines  ausgezeichneten  Kenners  des  Mhd., 
zeigt  recht  deutlich  wie  überaus  schwer  es  sei ,  ein  mhd.  und  zumal 
ein  so  feines  mhd.  Gedicht  in  der  versuchten  Weise  zu  erklären  und 
zu  umschreiben,  wenn  man  dabei  dem  Gedanken  des  Dichters  und 
dem  mhd.  wie  dem  nhd.  Sprachgebraüche  volle  Rechnung  tragen  will. 
GREIFSWALD,  im  Juni  1869. 


ZU  HARTMANNS  GREGOR. 

Im  Anschluß  au  den  vorhergehenden  Aufsatz  füge  ich  hier  einige 
Bemerkungen  zu  Bechs  Ausgabe  bei.  Durch  die  Erlauer  Handschrift, 
die  auf  einer  guten  alten  Quelle  beruht,  ist  die  Kritik  des  Gregor  nicht 
unwesentlich  gefördert  worden;  freilich  bleibt  auch  jetzt  in  dem  trüm- 
merhaften Eingang,  den  sie  allein  enthält,  manches  unsicher. 

80  ist  zu  schreiben  töis  vrevele  mit  güete ,  wodurch  die  unnatür- 
liche, wenn  auch  bei  Hartmann  nicht  ganz  unerhörte,  Tonerhöhuug  von 
otiit  vermieden  wird.  Desgleichen  lies  ühele  für  ühel  1596.  Auch  101  ist 
die  vom  Herausgeber  angenommene  Betonung  kaum  zu  gestatten:  ein 
sölhe  hivilde  er  nam.  Wäre  in  hivilde  die  drittletzte  Silbe  unbetont,  so 
würde  die  Präposition  den  volleren  Vocal  verloren  haben  und  das  Wort 
hevilde  lauten.  Ist  aber  die  Präposition  betont,  so  muß  sie  mhd.  langen 
Vocal  bekommen :  also  hivilde.  Der  Vers  ist  mithin  zu  betonen  em  solhe 
hivilde  er  nam.  Diese  Betonung  und  Schreibung  wird  sichergestellt  durch 
Metrum  und  Handschriften  im  Nib.  1065,  4  &e  siner  pivilde  tvas;  vgl. 
meine  Untersuchungen  S.  149. 

123  ze  tische  unde  andersicä.  Es  ist  hier  nicht  der  Ort  näher  aus- 
zuführen, warum  unde  als  Hebung  und  Senkung  vor  folgendem  Vocale 
unstatthaft  ist;  E  hat  vnd  otich,  und  dies  führt  auf  die  richtige  Lesart, 
die  Avar  Joch  andersicä^  worauf  auch  in  G  noch  andersica  hinweist. 


428  KARL  BARTSCH 

134  der  unreine  vient  sach:  so  liest  A,  nur  viende.  E  hat  der  welt- 
veint  an  ir  sach,  G  der  loerlt  veint  ersacJi]  aus  den  verschiedenen  Les- 
arten scheint  sich  als  die  ursprüngliche  zu  ergeben  der  werlde  vient  sach, 
wobei  auf  der  die  erste  Hebung  follen  müsste.  Dafür  fehlt  es  bei  Hart- 
mann durchaus  nicht  an  Analogieen,  so  wenig  diese  Betonung  auch  zu 
loben  ist.  Die  Änderungen  der  Handschriften  bezweckten,  dem  scliein- 
bar  zu  kurzen  Verse  sein  richtiges  Maß  zu  geben ;  daher  die  Einschie- 
bung  von  an  ir  in  E,  von  e?--  in  G ,  die  Vertauschung  von  loerlde  mit 
unreine  in  A.  Der  Feind  der  Schöpfung,  alles  Geschaffenen  heißt  der 
Teufel  nicht  unpassend. 

218  unde  wirde  aber  ich  lüt  hat  A;  EG  haben  die  jüngere  Wort- 
stellung ,  die  aber  auf  das  Verbum  folgen  zu  lassen  pflegt ,  und  ihr 
schließt  sich  Bechs  Lesart  an,  während  Lachmann  die  Lesart  von  A 
beibehält  und  nur  abe  schreibt ;  der  Grund  dieser  orthographischen 
Veränderung  kann  nur  sein ,  daß  L.  betont  wissen  wollte  ünde  loirde 
abe  ich  lüt.  Allein  zur  Hervorhebung  der  Person  liegt  kein  Grund  vor, 
der  Gegensatz  liegt  in  sidige  ich  stille  und  wirde  ich  lüt.  Die  dritte  He- 
bung fällt  daher  auf  aber. 

222  versünide  statt  verschunde  hat  Bech  sicher  mit  Recht  nach 
Anleitung  von  G  geschrieben.  Ich  würde  aber  versimit  si  dem  versilmde 
se  vorgezogen  haben,  da  die  Kürzung  eines  schwachen  Präteritums  vor 
folgendem  Personalpronomen  ganz  unbedenklich  ist. 

254  er  nam  s'  besunder.  Die  Anlehnung  des  Pronomens  ist  hier  hart; 
sicher  hat  G  das  richtige  bewahrt  er  nam  si  sunder,  denn  bekannt  ist, 
daß  jüngere  Hss.  besunder  fiir  das  seltenere  sunder  oft  setzen,  auch  wenn 
es  dem  Metrum  widerstrebt.  Wenig  wahrscheinlich  aber  ist,  daß  eine  so 
junge  Hs.  wie  G  die  seltene  Form  sollte  gewählt  haben,  wenn  dieselbe 
sich  nicht  in  der  alten  Vorlage  fand. 

1256  Sit  si  ez  iemen  hat  gesagt:  E  hat  eines  für  iemen,  und  G  seit 
einev  hat  gesaget.  Ich  halte  die  Lesart  von  E  für  die  vorzüglichere : 
'wenn  sie  einmal  davon  gesprochen  hat'.  Durch  Umstellung  der  Buch- 
staben ergibt  sich  aus  der  Lesart  von  A  einem ,  was  ebenfalls  guten 
und  besseren  Sinn  gibt  als  iemen,  auch  zu  dem  drie  unde  viere  in  1258 
besser  und  genauer  stimmt. 

1262  weisen  die  Lesarten  darauf  hin,  daß  der  Vers  lautete  als  ich 
minem  lieben  sol,  wo  liebe  (swm.)  substantivisch  gebraucht  ist.  So  lesen 
EG:  AF  haben  lieben  kinde,  was  wegen  des  folgenden  den  wie  wegen 
von  cliinde  in  der  nächsten  Zeile  nicht  angeht.  Die  Lesung  Greiths 
lieben  sbne  hat  keine  Hs.  (oben  S.  241). 


zu  HARTMANNS  GREGOR.  429 

1330  hcet  ich  gehurt  ujide  guof:  die  Hss.  haben  die  gehurt  und  daz 
gnot,  nur  E  lässt  die  weg,  und  mit  Recht.  Die  Ungleichheit,  daß  der 
Dichter,  was  grade  ebenso  beim  Pronomen  possessivum  vorkommt,  den 
Artikel  nur  dem  einen  der  durch  und  verbundenen  Substantiva  voraus- 
schickte, war  Grund  der  Änderung,  zu  welcher  bei  Bechs  Lesart  kein 
Anlaß  gewesen  wäre.  Der  genau  entsprechende  Fall  begegnet  1883, 
wo  A  und  die  Herausgeber  lesen  heidiu  die  sterke  und  den  muot,  EGr 
aber  die  mit  Recht  weglassen.  Au^ch  hier  wäre  es  niclit  richtig  sterke 
unde  muot  zu  schreiben. 

1450.  51  daz  ich  die  ritterliche  gir  mit  iverken  müeze  hegän:  so 
lesen  mit  A  beide  Ausgaben.  Statt  ich  hat  E  ist,  und  volgän  für  hegän. 
Damit  stimmt  Gr,  nur  daß  es  ich  wie  ist  auslässt.  Schon  das  deutet 
auf  eine  Interpolation,  und  die  echte  Lesart  hat  sich  hier  in  G  erhalten 
nämlich  daz  diu  ritterliche  gir  mit  loerken  müeze  volgän. 

1469  Nu,  schuof  er  duz  man  im  sneit  lesen  die  Ausgaben  mit  A; 
EG  haben  Do  schuof  er,  und  E  außerdem  im  do^  B  allein  Er  schuof, 
und  dies  weist  darauf  hin,  daß  der  Dichter  schrieb  Er  schuof  daz  man 
ime  sneit.  Bei  der  einsilbigen  Aussprache  im  schien  der  Vers  zu  kurz ; 
daher  die  Hinzufügung  von  7iü  und  do.  Wie  hier  die  Form  ime  für  im, 
so  war  1509  manegem  Anlaß  zur  Einschiebung  von  grozen.  Überliefert 
ist  ja  tuot  ez  manegem  schaden  AG,  manigen  grozen  schaden  hat  E.  Lach- 
mann nahm  grozen  auf,  Bech  verwirft  es  mit  Recht  auf  Grund  von  AG, 
aber  er  betont  ja  tuot  Ich  glaube,  auch  hier  gestattete  der  Dichter 
noch  die  vollere  Form  manegeme,  wie  ime,  und  auf  das  viersilbige  Wort 
fallen  zwei  Hebungen. 

1675  und  als  er  die  stat  an  sach,  mit  E,  während  A  hat  an  ersach, 
G  ersach.  Die  Lesart  von  A  verdient  den  Vorzug  und  ist  mit  Recht 
von  Lachmann  beibehalten  worden.  Die  ungewohnte  Ausdrucksweise 
und  das  Metrum  gaben  den  Schreibern  Anstoß. 

1895  Gregorjus  sich  des  gar  hewac,  so  beide  Ausgaben.  AG  haben 
übereinstimmend  sich  des  vil  gar,  E  lässt  des  vil  aus.  Jene  Überein- 
stimmung ist  wichtig,  da  A  und  G  nicht  zu  derselben  Textgruppe  ge- 
hören. Die  echte  Lesart  und  Schreibung  wird  sein  Gregorjus  sichs  vil 
gar  hewac. 

1945  Ir  ieticederre  sich  da  vleiz  :  da,  das  in  BG  fehlt,  halte  ich 
für  eingeschoben,  um  dem  Verse,  der  bei  der  Aussprache  ietweder  zu 
kurz  erschien,   eine  Hebung  mehi-  zu  geben. 

1949  under  arm  sluogen  wird  die  echte  Lesart  sein:  die  Ausdrucks- 
weise ohne  Artikel  und  im  Singular  war  hier ,  wo  von  zwei  Rittern 
die  Rede  ist,  doppelt  anstößig.  Die  Änderungen  aber  sind  abweichend; 


430  KARIi  BARTSCH,  ZU  IIARTMANNS  GREGOR. 

B  schiebt  den  Artikel  ein,  lässt  aber  den  Singular,  AE  setzen  den  Plural, 
auch  G,  doch  gewiss  nicht  dessen  Vorlage,  die  vielmehr  hatte  under 
arm  gesluogen ,  mit  einem  so  oft  begegnenden  Streben ,  die  Senkung 
zu  füllen. 

1967.  Warum  sowohl  Lachmann  als  Bech  gnuoc  gegen  AGr  schrei- 
ben, verstehe  ich  nicht.  Zu  betonen  ist  do  ir  ietivederre  genüoc ,  was 
auch  Lachmann  nicht  anstößig  finden  konnte. 

2035    ir  durch   got  hcete    erkorn    lesen   die  Herausgeber    mit  A, 
E  hat  durch  gotes  hidde  het  erhorn,  G  durch  got  het  (d.  h.  hcete)  verhorn. 
Alle  drei  Lesarten  streben  die  ursprüngliche  Lesart  zu  bessern:   diese 
lautete  durch  got  hcete  erkorn.  Die  ursprünglich  zweisilbige  Präposition 
schien  Hartmann    noch  fähig ,    um   Hebung   und   Senkung   zu   tragen, 
nicht   aber  den  Besserern.     Einen  entsprechenden  Fall   von  einsilbiger 
Präposition  am  Anfang  des  Verses  finden  wir  2136.  Hartmann  schrieb 
mit  roten  ougen  dan.     Dieser  Vers  schien  zu  kurz ,    imd  die  Schreiber 
verlängerten  ihn  auf  verschiedene  Weise: 
A     mit  vil  roten  ougen  dan. 
E     mit  roten  trileben  ougen  dan. 
B     mit  nazzen  ougen  von  dan. 
G     niit  roten  ougen  von  dan. 

2340.  Auch  hier  weisen  die  abweichenden  Lesarten  auf  die  syn- 
taktische Freiheit,  die  ich  zu  1330  besprochen.  A  der  hat  taveln  und 
daz  sidin  geiccmt,  E  der  hat  die  tavel  und  sin  getvant,  G  der  die  tavel 
und  daz  gewant.  Hartmann  schrieb  der  hat  tavel  und  daz  sin  gewant. 
Lachmann,  dem  Bech  sich  anschließt,  setzte  der  hat  tavel  und  sidin  gicant. 

2398.  herre,  ir  sult  mir  des  verjehen  setzen  mit  A  die  Herausgeber, 
E  liest  herre,  mugt  ir  mir  verjehen^  G  herre,  müget  ir  mir  des  jehen.  Zu- 
nächst ist  ersichtlich,  daß  die  beiden  letzteren  Lesarten  auf  die  gemein- 
same herre,  mugt  ir  mir  des  verjehen  hinweisen,  die  durch  A  Bestätigung 
empfängt.  Es  handelt  sich  nun  um  ir  sult  oder  mugt  ir.  Jenes  zu  ver- 
ändern lag  kein  Grund  vor ,  wohl  aber  die  seltnere  Ausdrucksweise, 
deren  Hartmaun  auch  2512  sich  bedient;  ein  weiterer  Grund  zur  Än- 
derung der  Lesart  nutgt  ir  lag  in  der  metrischen  Freiheit,  die  herre 
einsilbig  braucht  (zu  Strickers  Karl  S.  LXXXIX), 

2415.  Keine  Hs.  hat  hier  wie  auch  an  andern  Stellen  das  echte 
bewahrt ,  sondern  dasselbe  ergibt  erst  der  Zusammenhalt  der  Hss. 
A  hat  daz  tcir  dirre  o^ede  gedagen ,  E  daz  icir  der  rede  aldä  gedagen, 
G  daz  xoir  der  rede  hie  gedagen.  hie  vmd  aldä  sind  Einschiebungen,  die 
ebenso  wie  dirre  für  der  den  Vers  verlängern  sollen.  Hartmann  schrieb 
nur  daz  wir  der  rede  gedagen. 


FEDOR  BECH,  WORTFORMEN  AUF  -EZE.  43] 

2418.  Hier  hat  G  die  echte  Lesart  bewahrt:  der  rede  ist  niht  also. 
Bei  der  häufigen  Betonung  also  schien  den  Schreibern  der  Vers  auch 
hier  zu  kurz;  daher  setzt  A  der  rede  enist  nit  herre  [also,  E  Ja  ist  der 
rede  niht  also.  Auch  2454  verdient  die  Lesart  von  Gr  den  Vorzug  ddnne 
diu  zwei  hie. 

2519.  icar  mit  ich  doch  verschnlde  daz  A,  da  tnit  ich  doch  E;,  mit  der 
ich  G.  Der  Dichter  schrieb  wohl  mit  wiu  ich  doch  verschtdde  daz]  die 
nicht  häufige  Verbindung  von  mit  und  dem  Instrument,  veranlasste  die 
Änderungen. 

3118.  Die  Hss.  weichen  hier  stark  von  einander  ab,  Lassen  aber 
den  Grund  der  Änderung  und  somit  die  alte  Lesart  erkennen.  E  hat 
nndhäten  in  da,  B  und  bäten  in  den  wirt  da,  G  und  bäten  den  vischer  da. 
Diese  drei  Lesarten  weisen  auf  die  gemeinsame  unde  bäten  in  da,  der  E 
am  nächsten  steht,  und  als  erste  Hebung  und  Senkung  ward  häufig 
Anlaß  zu  Änderungsversuchen;  für  einen  solchen  halte  ich  auch  die 
Lesart  von  A  nü  bäten  sl  in  da. 

3201.  Die  scharfsinnige  Emendation  Bechs  bedarf  nur  einer  kleinen 
metrischen  Nachhilfe,  des  morgens  gar  fruo  gestattet  nicht  morgcnf<  mit 
zwei  Hebungen  zu  lesen ,  wohl  aber  mörgenes ,  und  dieser  Form  Avird 
sich  Hartmann  noch  bedient  haben ,  wie  Albrecht  von  Johansdorf 
(m.  Liederd,  XI,  10)  anderes  braucht. 

3244  zuo  dem  steine:  die  Lesart  von  EG  zuo  einem  macht  wahr- 
scheinlicher, daß  dieselbe  aus  zuome  als  aus  zuo  dem  hervorgegangen. 

3252.  vil  wie  gar  scheinen  interpoliert;  der  Dichter  wird  geschrieben 
haben  ze  himele  genceme. 

3456.  Die  Fassung  von  G  er  sprach  :  herre  ich  bin  genügt  nicht 
nur  dem  Verse  vollkommen,  sondern  entspricht  auch  dem  Sinne  besser, 
indem  auf  ich  alsdann  eine  Hebung  fällt.  A  und  E  schieben  ein  Ad- 
jectiv  ein:  A  lieher  herre,  E  saug  herre;  schon  die  Abweichung  deutet 
auf  das  nichtursprüngliche  hin. 

ROSTOCK,  Ostern  1869.  KARL  BARTSCH. 

WORTFORMEN  AUF  -EZE. 

Nachtrag  zu  Germania  X,  395  —  398. 


Zu^e&eiwze  =  mnd.  gebenete:  vgl.  das  in  Vilmars  Idiotik.429  verzeich- 
nete viei^gebeinze,  veiergebeinz,  veiergebinz  =  ein  kleiner  Vierfüßler.  —  Zu 
gebüiceze  {=  gebvi,,  gebuwede):  vgl.  Nicolaus  von  Basel  317:  den  nüwen 
frönalter  ^md  den  kor  und  daz  nütve  gebüweze  alles  mitenander  xcthen;  — - 
die  altare  die  in  dem  nüwen  gehüweze  und  in  dem  alten  gebüweze  werdent 


432  KARL  MEYER,  ZUR  DIETRICHSSAGE. 

f   ^    "^ 

stünde.  —  Zu  gedintjetze:  vgl.  Diefenbach  40^"  pacHo,  gedingfz  nnd  padarcj 

gedingtz  machen ;  Weist.  3,  427,  Z.  1,  G  und  10  von  unten :  gedingze  einem 
geben  ;  431,  Z.  19  sin  arheit  in  sirne  gedingze  üzforen  (Urk.  aus  der  Wetterau) ; 
ein  mild,  gedingede  findet  sich  bei  Berthold  293,    38  :    sicer  dehein  guot 
drumhe  nceme  mit  gedingede,  der  icoere  eivicliche  verlorn.  —  Zu  gejagetze: 
Weist.  5,  350  tif  solchem  schweinegejagfs  (aus  dem  Oberelsa(J).  —  Geloheze 
=  md.  gelohede,   mhd.  gelilhede  (stn.,  stf.):  Diefenbach  229"  fedtis,  geh- 
hecze.  —   Gemechze  stn.  =  genitalio,,   Gemachte:   in  und  um  Nordhausen 
noch  heute  gesprochen ;  ahd.  gimaht,  mhd.  gemäht,  gemeht  stf.  neben  ge- 
mahti,  gemehte,  vgl.  mhd.  Wb.  II*,  9;  im  Plural  erscheint  es  bei  Gries- 
liaber  Pred.  II,  132  und  in  Pfeiffers  Zwei  d.  Arzneibüchern  35  (142),  16. 
—  Geremze  (eine  Ableitung  von  ram,  reme  Rahmen)  =  Einfassimg,  Ein- 
friedung, Gitterwerk:  Diefenbach  220" /ewesi?'a?e^  ein  gevernetzt  2QV'  gerra, 
ein  tseren  gerempze  (sepes  ferrea  circa  chorum)  ;  349''  margo,  ein  geremcze ; 
Schmeller  III,  92 ;  bei  Cornelius  Kiel  ghera;mte,  geremte  =  compages,  se- 
pimentum.    —    Geruchze  =  nd.   gerochte,    md.  geruchte,    mhd.  geruofte: 
Diefenbach  224*"  famia,  hoeß  geruchcze,  quät  gherocht.  —  Zu  ge^tirnze : 
vgl.  Diefenbach  270"  hyades,  sid>engesterncze.  —  Zu  gestültze :  vgl.  Deutsche 
Reichstagsakten  von  Weizsäcker  I,  S.  256,  1  (Frankfurter  Urkunde  von 
1379):    V  lih.  um.h  hört  zum  gestülze  unsers  herren  des  koniges  ]  und  gestüls 
ebenda  160,  26;  161,  7;  Würdtwein,  Diplom.  Magunt.  I,  542  (a.  1485): 
item  ist  nf  beiden  seiten  ein  gestidtzs  und  gehrittert  geblench  gemacht  geicest 
neben  dem  höhen  alter;  Otte  Baldeman  von  Karlstadt  v.  88  die  fraioe  uf 
eim  gestülde  (:  fülde,  sensit)  in  schinden  lüften  swebete.  —  Zu  getierze :  vgl. 
Vilmar,  Idiot.  412.   —    Geicirz,   Gewirzchen,  n.  =  Gewirr,  Verwirrung, 
mhd.  geicerre:  Regel  Die  Ruhlaer  Mundart  83  und  193.  —    Zu  gewürmze: 
vgl.  Vilmar  1.  1.  461. 

ZEITZ,  April  1869.  FEDOR  BECH. 


ZUR  DIETRICHSSAGE. 


Im  Jahrgang  LXII  der  Heidelberger  Jahrbücher  der  Literatur 
(S.  149 — 151)  veröffentlicht  Herr  Prof.  Ernst  Martin  eine  Recension  mei- 
ner Abhandlung  über  die  Dietrichssage,  deren  hämischer  Ton  und  deren 
in  die  Augen  springende  Obei-flächlichkeit  mich  zu  einigen  Gegenbemer- 


kungen veranlassen. 


Gleich  zu  Anfang  wird  die  von  mir  angeordnete  Reihenfolge  der 
Quellen  getadelt;  es  wird  behauptet,  ich  hätte  dieselben  ganz  nach  der 
Reihenfolge  angeordnet,  in  welcher  sich  etwa  die  darin  erzählten  Ereig- 


KARL  MEYER,  ZUR  DIETRICHSSAÖE.    :  433 

nisse  aneinanderscliließen  konnten.  Herr  Martin  scheint  demnach  zu 
glauben,  daß  die  Kämpfe  mit  Sigenot,  Ecke,  dem  Wunderer  u.  s.  w. 
später  anzusetzen  seien  als  Dietrichs  Heimkehr.  Dagegen  scheint  er 
nicht  bemerkt  zu  haben,  daß  die  Quellen  nach  der  S.  1  meiner  Abhand- 
lung gegebenen  Eintheilung  der  Sagenelemente  —  Dietrich  und  Ermen- 
rich,  Einflechtung  in  die  Nibelungensage,  Mythem*este,  willkürliche  Ent- 
gegenstellung Siegfrieds  —  angeordnet  sind. 

Die  Thidrekssaga  sodann  ist  nicht  wegen  ihrer  Schwierigkeit  weg- 
geblieben, sondern  weil  ich  annehme,  daß  jeder,  welchem  ihr  Urtext 
unverständlich  ist,  sich  leicht  in  v.  d.  Hagens  oder  Raßmanns  Über- 
setzung orientieren  kann.  Demnach  ist  der  Vorwurf,  ich  hätte  nur  einen 
Theil  der  Quellen  benutzt,  nichts  als  eine  leichtfertige  Verdächtigung. 
Wer  meine  Abhandlung  wirklich  durchgelesen  und  nicht  nur  nach  ge- 
wöhnlicher Recensentenmanier  durchstöbert  hat,  wird  sich  überall  über- 
zeugt haben,  daß  das  „allerwichtigste"  Denkmal  nicht  unbenutzt  ge- 
blieben ist. 

Ein  zweiter  müßiger  Vorwurf,  welchen  Herr  Martin  gegen  mich 
erhebt,  ist  der  des  Hin-  und  Herschwankens  zwischen  den  verschiedenen 
Ansichten  eines  W.  Grimm,  W.  Müller,  Simrock,  Rieger  und  Müllenhoff. 
Er  scheint  demnach  zu  glauben,  daß  die  Arbeiten  irgend  eines  dieser 
Gelehrten  als  alleinseligmachendes  Dogma,  die  aller  übrigen  hingegen 
für  unnützen  Plunder  zu  halten  seien ;  ich  muß  leider  gestehen,  daß  ich 
mich  bis  zu  dieser  Höhe  der  Einseitigkeit  nicht  habe  erheben  können. 
Komisch  aber  ist  es,  daß  Herr  Martin  auf  S.  42  meiner  Abhandlung  nicht 
einmal  die  Satire  auf  das  indogermanische  Urepos  erkannt  hat ;  oder 
glaubt  er  wirklich,  daß  ich  einfältig  genug  war,  Heimes  Eintritt  ins 
Kloster  als  einen  der  indogermanischen  Urzeit  eigenthümlichen  Zug 
darzustellen  ? 

Weit  eher  als  die  'Grimm'sche  Identificierung  von  Bikki  und  Si- 
bicho  rechne  ich  es  zu  den  ganz  sicher  abgethanen  Irrthümern,  wenn 
Zupitza  in  seiner  „Einführung  in  das  Studium  des  mittelhochdeutschen" 
(p.  XII)  den  Namen  der  Germanen  für  keltisch  und  für  gleichbedeutend 
mit  „die  Nachbarn"  erklärt*).  Dürfen  wir  etwa  auch  in  dieser  Frage 
hoffen,  die  nähere  Begründung  in  MüllenhofFs  deutscher  Alterthumskunde 
zu  erhalten? 

Daß  die  Alamannen  schwerlich  in  der  Lage  waren,  fremde  Sagen 
glänzend  auszuschmücken,  weil  sie  noch  vor  Ende  des  5.  Jahrhunderts 


*)  Zupitzas  verdienstvollem  Buche  will  ich  damit  nicht  zu  nahe  treten;  ich  wollte 
nur  zeigen,  mit  wie  ungleicher  Elle  dergleichen  Recensionen  pflegen  gemessen  zu  werden. 
QKKMANIA.  N«u«  Uail»  II.  (XIV. }  Jthrg.  2b 


434 


G.  K.  FROMMANN 


unter  fränkische  Botmäßigkeit  gerieten,  ist  zwar  eine  „eigene  Vermu- 
thung"  Martins  ,  aber  keine  stichhaltige.  Man  könnte  mit  demselben 
Rechte  Schillern  seine  vorzüglichsten  Dramen  absprechen  und  als  Beweis 
hierfür  anführen ,  daß  der  Dichter  wegen  Deutschlands  Erniedrigung 
„schwerlich  in  der  Stimmung  und  Lage  war",  fremde  Stoffe  glänzend 
zu  dramatisieren. 

Was  Martin  S.  151  anführt,  sind  ebenfalls  nichts  weiter  als  seine 
„eigenen  Vermuthungen",  deren  Begründung  natürlich  fehlt;  wir  werden 
in  dieser  Hinsicht  auf  Mtillenhoffs  deutsche  Alterthumskunde  vertröstet. 
So  lange  letztere  nur  in  Aussicht  gestellt  wird,  erlaube  ich  mir  jedes- 
falls  ,  meine  „eigenen  Vermuthungen"  in  Betreff  der  Alamannen ,  des 
Harlungenmythus  und  anderer  Dinge  festziihalten. 

BASEL  19.  April  1869,  KARL  MEYER. 


EIN  BKUCHSTÜCK  DES  ROMANS 
DER  LORREINEN. 


Sp.  I. 


10 


15 


20 


25 


geiagen. 
v'slagen. 
de. 
de. 

goet  daer. 
naer. 
.  furco. 
toe. 
orren. 
porren. 
gereet. 
dweet. 
oen. 

en  doen. 
bestaen. 
noet  gedaen. 
t  weet  weh 
fei. 
CO.  ogi'er. 


are  w't. 
doet 
roet. 
e  w'en. 
waren. 


30 


35 


40 


45 


50 


den  sege. 

6. 

at  lant. 

t. 

nde  w't. 

vert. 

doe. 

antes  toe. 

in. 

in. 

ie. 

ie. 

ogieue  d*. 

r  waer. 

ene. 

sone. 

e. 

e  h'e. 

ede. 

emelrike. 

el  die  gelike. 

esen  sal. 

or  al. 

es. 

mi  des. 


EIN  BRUCHSTÜCK  DES  ROMANS  DER  LORREINEN. 


435 


55 


60 


sijn  omeert 

neert. 

doen. 

yoen. 

re  d'  bi. 

en  si. 

ijn. 


Sp.  II.  Ic  woude  desen  ki'nde  geuen. 

waat  hets  een  van  onse  neue. 

TIant  al  hier  van  baioen. 

het  sal  teer  onsen  wille  doen. 
5    Sine  vordren  hebbet  weet  wale. 

Lange  v'dient  te  menegen  male. 

Eil.  Rig'.  sijn  vad'  mede. 

CL  Rit.  andworde  d'  ter  stede. 

here  dat  gire  mede  doet. 
10   dat  louic  wel  het  düct  mi  goet. 

Eil  wils  hem  harde  wale  onnen. 

Van  bliscapen  doed'moed' rönnen. 

Qu'  die  ogen  die  tränen  heet. 

Om  dat  si  die  w'heit  weet. 
15   dat  wed'  dat  lant  van  baioen. 

dat  v'Ioren  hadde  gell'. 

wed'  comen  es  te  rechte. 

aneRobb'.  van  meilaens  geslachte. 

Du8  heeft  die  v^uwe  grote  ioie. 
20   Om  dat  hare  noch  te  v'noie. 

Ende  te  lede  .  .  .  en  sal. 

Orlof  namen  die  h'en  al. 

Eü  manscap  dede  Rig'. 

al  daer  vor  den  soue  sijn. 
25   Eil  seide  dat  hi  in  hären  orbore. 

altoes  woude  wesen  vore. 

In  gasscoengen  quamen  die  h'en. 

d'  si  w'en  ontfaen  met  eren. 

Van  den  h'en  van  den  lande. 
30   die  hem  ere  daden  meneg'ande. 

d'  bleef  dagende  h'  yoen. 

Maer  garijn  nam  orlof  doen. 

Eil.  Gyr.  die  sone  sijn. 

dus  voer  wech  die  h'toge  garijn. 
35    Te  nerboene  d'  hi  vant. 

Aymerine  den  stout-^  seriant. 

Er  ermengarden  geloeft  das. 

die  eher  garijns  docht'  was. 

En  hare  sonen  alle  seuene. 


40   dien  allen  wel  luste  te  leuene. 

Willeken  dat  weet  vor  waer. 

was  die  meeste  geprijsde  daer. 

Van  den  ouder  vad'  sijn. 

So  was  die  ionge  aymerijn. 
45   q  die  kindre  heefti  gecust  al. 

Te  gode  hise  d'  na  beual. 

Eil  es  te  laude  w't  gekeert. 

hi  ende  sijn  sone  Gyrbeert. 

Te  medeborch  quame  si  toe. 
50  d'  si  w'en  ontfaen  doe. 

harde  wale  geloues  mi. 

Van  alisen  d'  vrouwen  vi-i. 

Efi  garijn  custe  wanfreiden  tklt. 

dat  hl  van  goed'  h'ten  mint. 
55   dus  bleuen  die  h'en  daer. 

M'  onlange  hadden  si  peis  d'naer. 

Want  gell',  dat  quade  broet. 

dat  noit  en  dachte  ere  no  goet. 

heeft  gesent  wech  d'na. 
60  In  die  stat  telac  agulta. 

Sp.III.  Om  beide  die  heidene  sone  sijn. 

Beligande  eü  marcinjn. 

die  hem  gaderden  harde  sere. 

Met  menegen  heidenen  here. 
5  Es  vorden  met  scepe  wel  bew't. 

So  si  eerst  mochten  te  spaenge  w't. 

C[  Vort  so  hadde  die  graue  gell'. 

Tote  in  grieken  senden  doen. 

Om  sine  sonen  alle  beide. 
10  fromondine  eii  hardreide. 

C[  Oec  beual  hi  yrenen  hoge. 

datsi  op  siten  orloge. 

Want  yoen  noch.Rit. 

En  comen  nemm'm'  d'w't. 
1 5   dus  mu .  .  .  die  v'rad'e  quaet. 

Waer  hi  mach  strijt  eR  v'raet. 

M'  wat  hi  dede  noit  te  quade. 

dat  en  was  en  gene  scade. 

Jegen  die  quatheit  die  hi  nu  rurt. 
20  En  daer  hi  seine  in  tlijf  v'buurt. 

Jammer  groet 
ende  v'driet. 
Es  van  deser  veede 
dicken  gesciet. 
25   Want  gell',  es  fei 
ende  quaet. 

28* 


436 


G.  K.  FROMM  ANN 


So  eest  oec  al  dat 

hem  bestaet. 

En  ic  wane  oec  dat  quaet  al. 
30   wert  datter  aue  comen  sal. 

hi  heeft  nu  geruert  een  leet. 

daer  sere  bi  die  crone  te  geet. 

Entie  geslachten  in  beiden  siden. 

al  en  sal  die  veede  niet  liden. 
35    Si  blijft  staende  in  hären  staet. 

En  gell'  die  v'rad'e  quaet. 

Salt  oec  becopen  metten  crage. 

Niet  weetic  in  welke  der  dage. 

Ritsart  entie. CO.  yoen. 
40    die  in  gasscoengen  hadden  doen. 

Enen  corten  tijt  gelegen. 

En  gebetert  in  allen  wegen. 

wat  gebrac  in  al  haer  lant. 

Rigaud'.  ontboden  si  te  hant. 
45   En  wouden  in  vrank'ike  v'en. 

Rigaut  quam  weet  te  w'en. 

als  sine  ontboden  haestelike. 

En  voer  met  bem  in  vrank'ike. 

Te  nerboene  quamen  si. 
50   daer  se  wale  die  vrouwe  vri. 

V^ermengart  wale  ontffnc. 

daer  sach  yoen  die  coninc. 

En.Rit.  hare.vij.  neuen. 

dien  si  groten  prijs  geuen. 
55    Eil  custense  te  meneg'.  stont. 

beide  ane  liere  eii  ane  mont. 

C[  d'na  liebbensi  orlof  genomen. 

Ende  sijn  te  belijn  comen. 

Ten  goeden  ouden  bancelijn. 
60 

Sp.  IV.Die  stat  daden  si  v'maken. 

dat  haer  gebrac  in  allen  saken. 
doe  seide  bancelijn  die  oude. 
dathi  orlof  hebben  woude. 
5  hi  wäre  tsare  meer  een  cranc  man. 
hi  en  mochte  doen  wapene  an. 
Nemm'meer  te  genen  stonden. 
hi  woude  betren  sine  sonden. 
En  woude  te  sente  bertens  varen. 
10  En  daer  werden  monec  tw'en. 
Eii  woude  daer  i'nne  tien. 
q  alse  die  h'en  dat  sien. 
dat  hijs  heeft  so  groten  wille. 


Swegen  si  onlange  stille. 
15   al  waest  dat  hem  was  leet. 

M'  die  in  goeden  wille  steet. 

Men  sals  hem  gebruken  laten. 

d'  omme  hem  die  h'en  maten. 

den  abt  dede  ontbieden  doen. 
20   Van  sente  b'tins  die.co.  yoen. 

die  haesteljke  te  hem  es  comen. 

Teerst  datten  yoen  heeft  v'nomen. 

Eshi  tote  hem  gegaen. 

En  deden  bi  hem  sitten  säen. 
25  Ende  vertelde  den  abt  daer. 

hoe  dat  bancelijn  oppen  baer. 

heme  soude  gerne  begeuen. 

En  leiden  een  helech  leuen. 

Eil  in  sinen  cloester  sijn. 
30  Op  dats  hem  god  en  sente  b'tijn. 

hem  wouden  gehulpech  wesen. 

die  abt  andworde  te  desen. 

Twaren  h'e  dat  mochteme  doen. 

Maer  ic  duchte  dat  die  baroen. 
35  Thout  soude  sijn  daer  toe. 

Snachts  te  liggene  op  dat  stroe. 

Ende  tetene  crankelike. 

alse  wi  dicke  doen  al  sijn  wi  rike. 

C[  Oec  w're  hem  te  sw'  te  angane. 
40   Smargens  vroech  op  te  stane. 

vele  waken  eii  beden. 

dies  hi  luttel  heeft  van  seden. 

al  hadde  hijt  geleert  van  ki'nde. 

Nochtan  soude  hi  cume  ten  inde. 
45  In  die  ordene  altemale  uulstaen. 

hl  soude  weder  säen  vte  gaen. 

Es  v'maledien  die  stat. 

En  altemale  oec  mede  dat. 

dat  dordene  bilde  en  maecte. 
50   Op  dat  hem  let  d'ane  mesraecte. 

Yoen  seide  die  coninc. 

hl  soude  doen  node  selke  di'nc 

Want  woude  hi  d'ordene  onberen. 

hi  soude  hem  anders  wel  generen. 
55   doch  ontfatene  si'nt  hijs  begert. 

Twaren  hijs  alre  eren  wert. 

En  heefti  proeuen  doch  .i.  iaer. 

Es  hern  die  pine  iet  te  swaer. 

hi  mach  wale  vte  comen  dau. 
60   En  leuen  als  .i.  ander  man. 


EIN   BRUCHSTUCK  DES  ROMANS  DER  LORREINEN. 


437 


Sp.V.  Here  seide  die  abt  doe. 

Gi  segter  alle  redene  toe. 

wi  selenne  harde  gerne  otfaen. 

Eii  eest  dathi  ons  wilt  ontgaen. 
5  En  van  ons  henen  steet. 

vri  willens  wesen  ongeueet. 

dats  wale  recht  seide  yoen. 

wie  souts  op  V  veede  doen. 

Op  dat  hi  d'  ni'et  wilt  duren. 
10  So  come  vte  ter  goeder  vren. 

die  abt  seide  met  gode  si. 

dus  wart  bancelijn  die  .R'.  vri. 

In  sinte  bertins  cloester  ontfaen. 

daer  hem  ere  in  was  gedaen. 
15   En  daer  hi  in  bleef  vort  an. 

Wonende  als  .i.  heilech  man. 

Nochtan  ontgout  hi  die  veede  doch. 

alse  gl  wel  seit  hören  noch. 

Doe  bancelijn  begeuen  was. 
20   Quamen  wed'  geloeft  mi  das. 

Yoen  entie  sone  s(ij)n. 

Entie  stoute  rigaudijn. 

Te  belijn  in  die  stede. 

C[  Nu  hört  wat  die  .co.  dede. 
25   hi  riep  gell',  sone  pyroene. 

die  altoes  gereet  tharen  doene. 

was  en  getrouwe  d'toe. 

Yoen  seide  te  pyroene  doe. 

Siet  vassael  al  dit  lant. 

willic  setten  in  v  hant. 

En  wille  dat  gijt  achterw't. 

want  gl  en  trect  ni'et  ws  vad'  art. 

Men  vent  v  valsch  no  loes. 

Maer  in  die  trouwe  staende  altoes. 

dit  lant  seldi  ons  achterw'en. 

Maer  tesen  male  seldi  varen. 

Met  ons  tote  in  vrank'ike. 

dit  goet  dit  was  sekerlike. 

Vwes  ouders  vaders  beggen. 
40  Na  dien  dat  ict  hebbe  höre  segge. 

Gyronuile  eii  lauendoen. 

willic  mede  ond'  v  doen. 

En  montesclauorijn. 

Nu  houdet  mi  enten  sone  mijn. 
45    Getroulike  en  met  eren. 

Telken  dat  wire  in  wille  keren. 

Twaren  here  seide  pyroen. 

dit  salic  harde  gerne  doen. 


30 


35 


Maer  lieu'  hadi'c  weet  te  w'en. 
50  dat  ic  met  v  hadde  geu'en. 

Ic  Salt  V  houden  na  mi'ne  macht. 

En  god  v'lene  mi  die  cracht. 

q  dus  maecte  d'yon  te  hande. 

pyroene  voget  van  den  lande. 
55   doe  voeren  si  vort  van  daer. 

Ten  anderen  steden  weet  vor  w' 

daer  hi  hem  die  slotle  gaf. 

Eil  van  daer  togen  si  af. 

Te  gyronuile  daer  hi  säen. 
60  die  slotle  heuet  aue  ontsaen. 

Sp.VI.En  doeb. 

Na  sine  hant 

C[hiernaersijn 

Ende  togen  w. 
5   Yoen.  Rigau 

En  pyroen  te 

daer  si  quam 

d'  sente  denijs 

daer  w'en  do 
10  Vele  lieden  w 

die  karel  hil. 

Yoen  quam  t 

Eil  .Rit.  die 

Pyroen  eii  R 
15  d'si  w'en  ontfa 

Gell',  hl  was  a 

Skeisers  dro 

het  scijnt  dat 

hi  hiet  wiUe 
20  Maer  weet  da 

Ochte  goets  a 

wat  gelate  h 

C[  Oec  so  was  t 

Ene  scone  vir 
25  Die  graulne 

si'nt  si  hären 

So  hadsi  wed 

Eil  noch  hadsi 

Gehouden  m' 
30  Een  graue  va 

datsi  quam  d 

M'tbeste  deel  v 

warens  alle  n 

M'hets  come  v 
-     35   dat  incn  hard 


438  G-  1^-  i'ROMMANM 

der  noet  den  v  8al  .efi  houde 

al  clagede  die  50  Twaren  vrouw 

Si  vant  daer  b  En  na  dien  da 

In  haer  gedr  So  dunket  m 

40   Sond'  die  .co.  die  vrouwe  s 

En  .Kit.  die  so  Rigaud'.  die  s 

Entie  stoute  ri  55   Trouwe  ic  b 

die  andre  w'en  Om  v  goet  te 

Vor  den  keyser  so  riedict  v 

45   C[die  vrouwe  se  wart  seine  v 

here  wat  ra  naraet  ons 

Eer  ic  mi  lat  60  In  es. 

Ic  neme  eer  e 

Sp.  II,  21  Loch  im  Perg. ,  wohl  comen.  Von  m  sind  noch  zwei 
Striche  erkennbar.  38  so  ist  am  Rande  gebessert,  in  der  Zeile  steht 
susfer.  49  vgl.  Frgm.  II,   2368.  2487.  2583.   —    Sp.  III,  2  vgl.  Frgm. 

II,  90.  11  vgl.  Frgm.  I,  745—794.  12  Siten,  das  Land  Yrenens  er- 
wähnen Frgm.  I,  2105.    II,  2321.  2327  u.  ö. 

Pergamentblatt  in  kl.  2*^  aus  einer  Hs.  des  14.  Jhd. ,  dreispaltig 
mit  je  60  Verszeilen  schön  und  regelmäßig  besehrieben.  Zwei  Spalten 
sind  auf  jeder  Seite  vollständig  (bis  auf  einige  abgeriebene  Stellen) 
erhalten;  von  der  dritten  Spalte  nur  je  ein  geringer  Rest  auf  einem  be- 
sonderen schmalen  Streifen  ,  der  von  dem  zu  einem  Büchereinbande 
verwendet  gewesenen  Blatte  abgeschnitten  worden ,  jedoch  genau  au 
dasselbe  passt.  Die  Initialen  Sp.  II,  19,  III^  38,  IV,  51  und  besonders 

III,  21  sind  zierlich  gemalt,  der  Anfangsbuchstabe  der  ersten  Zeile 
jeder  Spalte,  schwarz  ausgeführt,  geht  bis  an  den  obern  Rand  der  Seite 
und  die  q  sind  abwechselnd  bald  roth  bald  grün.  (In  der  Bibliothek 
des  germanischen  Museums,  Nr.  22,219.) 

G.  K.  FROMMANN. 


BEMERKUNGEN. 

Vorstehendes  Bruchstück  wui'de  mir  noch  von  dem  verstorbenen 
Begründer  dieser  Zeitschrift  mitgetheilt  zur  Bestimmimg  des  Gedichtes, 
dem  es  angehöre.  Ich  glaube  dies  in  dem  Roman  der  Lorreinen  ge- 
funden zu  haben,  von  dem  vor  nun  schon  25  Jahren  W.  J.  A.  Jonck- 
bloet  die  bis  dahin  bekannt  gewordenen  Fragmente  *)  unter  dem  Titel 


*)  Durch  Goedekes  Bemerkung,  Mittelalter  S.  704,  lasse  sich  Niemand  irre  führen. 
Das  Bruchstück,  auf  das  er  als  auf  ein  noch  nicht  erkanntes  a.  a.  O.  aufmerksam  ma- 
chen will,  ist  bereits  an  der  entsprechenden  Stelle  in  der  von  ihm  selbst  citierten  Aus- 
gabe Jouckbloets  (Fragrm.  II,   1—57.  -289—2953.  4186—4438)  zu  lesen. 


EIN  BRUCHSTÜCK  DES  ROMANS  DER  LORREINEN.        439 

R  Oman  va  Karel  den  Grooten  en  zijne  XII  Pairs'  (Leiden  1844)  her- 
ausgegeben hat  (in  den  'Werken  der  Vereeniging  ter  bevord.  d.  oude 
nederlandsehe  letterkunde'  Bd.  I.  Ausführlich  besprochen  hat  er  sie 
dann  wieder  in  seiner  'Geschiedenis'  11,  1 — 79).  Die  in  unserm  Bruch- 
stück erscheinenden  Personen,  der  Inhalt,  der  deutlich  auf  die  Fehde 
zwischen  den  Lorreinen  Garijn  und  Yoen  und  deren  Söhnen  einer- 
und Gelloen,  dessen  Großvater  Begue  von  Belin  Sp.  5,  39  erwähnt  wird, 
andrerseits  hindeutet,  der  Schauplatz  der  Handlung,  all  das  lässt  mich 
an  der  Richtigkeit  meiner  Vermuthung  nicht  zweifeln.  Auf  einzelne 
Beziehungen  zwischen  dem  neuen  und  den  schon  bekannten  Bruch- 
stücken wollen  die  paar  Anmerkungen,  die  ich  am  Schlüsse  der  Text- 
mittheilung beifüge,  hinweisen.  Soll  ich  auch  eine  Ansicht  aussprechen 
über  den  Platz,  der  unserm  Bruchstück  in  der  Reihe  der  uns  erhalte- 
nen Fragmente  gebührt,  so  wüsste  ich  nicht  anders,  als  es  den  fünf 
schon  bekannten  als  Nr.  VI  anzureihen.  Jüngere  Gestalten  treten  auf, 
so  besonders  merkwürdig  ein  Sohn  Gelloens  mit  Namen  Pyroen  (Sp.  V, 
25  ff.)  ,  der  im  Gegensatz  zu  seinem  Vater  als  treuer  Anhänger  Yoens 
erscheint  und  dafür  von  diesem  zum  Vogt  über  das  Land  seines  Ahn- 
herrn Begue  gesetzt  wird.  König  Yoen,  den  Gelloen  Frgm.  V,  285 
noch  mit  Helene  in  Gothenland  fand,  müsste,  wenn  meine  Vermuthung 
richtig  ist,  wieder  in  seine  Heimath  zurückgekehrt  sein,  er  steht  mit 
Garijn  an  der  Spitze  der  Lorreiuen ;  von  Helene  ist  nirgends  die  Rede. 
Vor  Yoens  Flucht  (Frgm.  II,  2077  ff.)  wüsste  ich  schon  nach  Sp.  III,  2. 
11.  20  unser  Bruchstück  nicht  unterzubringen.  Jedesfalls  gehört  es  ins 
zweite  Buch  des  Romans,  denn  Ritsart,  bis  zu  dessen  Tod  dieses  reichen  soll 
(Frgm.  II,  25.  vgl.  Inleiding  XIX  und  Geschiedenis  II,  63),  lebt  noch. 
Wiewohl  ich  die  Handschriften  nicht  selbst  gesehen  habe ,  will 
ich  doch  die  Vermuthung  nicht  zurückhalten,  das  aufgefundene  Blatt*) 
möchte  zu  derselben  Handschrift  gehört  haben ,  von  der  zu  Gießen 
Blätter  aufbewahrt  werden,  die  uns  die  beiden  großen  Fragmente  I  u.  II 
gewähren.  (Adrian  Catalogus  34  ff.  Jonckbloet  Inleid.  XII,  vgl.  259.) 
Drei  Spalten  auf  der  Seite,  die  Spalte  zu  60  Zeilen,  haben  wohl  auch 
die  Conz'schen  Blätter,  aus  denen  Maßmann  nach  einer  Abschrift  Kaus- 
lers  zuerst  Frgm.  III — V  mittheilte  (Denkmäler  149  ff.) ,  allein  diese 
schreiben  den  Namen  von  Yoens  Sohn  nicht  Ritsart  wie  die  Gießner 
und  unser  Blatt,  sondern  Richart  V,  15.  110  oder  Rigard  V,  169.  247.  261. 
278  (einmal  freilich  steht  wenigstens  bei  Maßmann  151  Rit.  d.  i.  Ritsart). 
WIEN.  JOHANN  LAMBEL. 


*)  Dieses  hatte  Hr.  Dr.  Frommann  nachträglich  die  Güte  einzusenden,  wodurch 
es  mir  gelang,   von  den  im  Manuscript  beschädigten  Stelleu  einige  mehr  zu  entzifl'eru. 


44U  josKi'H  iiAurx 

BRUCHSTÜCKE  EINER  AHD.  ÜBERSETZUNG 
DER  VIER  EVANGELIEN. 


Die  folgenden  Bruchstücke  einer  ahd.  und  zwar  alemannischen 
vollständigen  Übersetzung  der  vier  Evangelien  sind  sämmtlich  auf  per- 
gamentenen mehr  oder  weniger  großen  Streifen  enthalten,  die  von  ver- 
schiedenen Büchern  abgelöst  wurden,  wo  sie  die  gewöhnliche  Verwen- 
dung als  Rückenbänder  und  Falze  im  XV.  Jahrhundert  gefanden  hatten. 

Dieselben  bilden  jetzt  die  Hs.  Suppl.  2559  der  k.  k.  Hofbibliothek 
in  22  Blättern,  von  denen  8  vollständig  sind,  die  übrigen  mehr  oder 
weniger  unvollständig. 

Aus  einem  oberen  Querstreifen  bestehen  1.  3.  8.  19.  20. 

Aus  zwei  Querstreifen,  einem  oberen  und  mittleren,  5.  6,  das  untere 
Drittel  dieser  beiden  Blätter  wird  aus  je  fiiuf  schmalen  Falzen  gebildet. 

Aus  wieder  zwei  Querstreifen,  einem  mittleren  und  unteren,  15.  16. 
doch  so,  daß  von  15  der  äußere  Rand  abgeschnitten  ist. 

Aus  drei  Querstreifen,  einem  oberen,  mittleren  und  unteren,  die 
immer  zusammen  ein  vollständiges  Blatt  bilden,  bestehen  11.  12.  17.  18. 

Aus  einem  äußex'en  Langstreifen  2.  10.  13. 

Aus  einem  inneren  Langstreifen  14.  21.   22. 

Aus  einem  inneren  und  äußeren  Langstreifen,  die  immer  zusammen 
ein  vollständiges  Blatt  bilden,  bestehen  4.  7. 

Die  Hs.  ist  in  8°,  durchschnittlich  30  Zeilen  auf  der  Seite,  zwi- 
schen ursprünglich  braunen  Linien,  sehr  schön,  bestimmt  noch  im 
XII.  Jahrhundert  geschrieben.  Dieselbe  umfasste  sämmtliche  vier  Evan- 
gelien und  muß  einen  ziemlichen  Umfang  gehabt  haben,  wie  schon  aus 
der  beträchtlichen  Zahl  von  Lagen  sich  ergibt.  Drei  Blätter  ti'agen 
noch  jetzt  die  auf  der  Rückseite  unten  übliche  Zahl  der  Lagen  und 
zwar  Blatt  12  als  VIIH»,  Bl.  16  als  X^II^  dann  Bl.  22  als  XXII», 
welche  nicht  einmal  die  letzte  gewesen  sein  kann. 

Der  Schreiber  bezeichnet  theils  mitten  zwischen  dem  Texte,  theils 
außen  am  Rande  die  Stücke  und  den  Tag,  an  welchem  sie  als  Evan- 
gelien in  der  Messe  gelesen  wurden.  Diese  Bezeichnung  ist  eine  dop- 
pelte, einmal  roth  und  in  lateinischer  Sprache,  diese  steht  im  Abdrucke 
zwischen  eckigen  Klammern ,  das  anderemal  in  deutscher  Sprache  in 
einer  Art  von  Currentschrift  und  diese  habe  ich  zwischen  runde  Klam- 
mern gestellt,  immer  an  dem  Platze,  den  sie  auch  in  der  Hs.  einnehmen. 
Der  Schreiber  der  deutschen  Noten   ist,    wenn  überhaupt    ein  zweiter, 


BRUCHSTÜCKE  EINER  AHD.  EVANGELIENÜBERSETZUNG.  441 

nicht  eben  jünger  als  der  erste;  er  kennt  nur  das  dem  h  ähnliche  z 
und  kein  kurzes  s. 

Die  Streifen  und  Falze,  aus  denen  Bl.  5  und  6  bestehen,  ferner 
die  beiden  inneren  Langstreifen  21  und  22  wurden  von  einem  Exem- 
plar der  Incunabel :  Bar(tolus  de  Saxoferrato)  Super  secunda  digesti 
veteris.  Venetiis.  Bapt.  de  Fortis  1492,  im  Besitze  der  k.  k.  Hofbiblio- 
thek, abgelöst.  Dieses  Exemplar  gehörte  fi'üher  der  Stadtbibliothek  zu 
Wien,  wie  ein  dem  vorderen  Deckel  innen  aufgeklebter  gedruckter 
Zettel  besagt:  'Ex  bibliotheca  civica  Vindobonensi.'  Wie  und  durch 
wen  und  wann  aber  dieses  Exemplar  in  die  Wiener  Stadtbibliothek 
gekommen  ist ,  daräber  wird  wohl  kaum  mehr  eine  Auskunft  zu 
finden  sein*). 

Bei  der  Untersuchung  der  deutschen  Fragmente,  an  denen  auch 
die  k.  k.  Hofbibliothek  wie  jede  größere  und  ältere  BibUothek  nicht  arm 
ist,  fanden  sich  die  Streifen,  aus  denen  die  Bll.  1 — 4,  8 — 12  und  17 — 18 
gebildet  wurden,  die  ohne  Zweifel  auch  von  irgend  einer  Incunabel 
der  k.  k.  Hofbibliothek  waren  abgelöst  worden.  Da  sich  aber  keine 
Bezeichnung  auf  irgend  einem  der  Streifen  fand,  bin  ich  außer  Stande 
anzugeben,  was  dies  für  eine  Incunabel  war. 

Als  nun  so  viel  beisammen  war  und  diese  ehrwürdigen  Reste  dem 
Hrn.  Dr.  Theodor  Georg  Ritter  von  Karajan  gezeigt  wiu'den,  erkannte 
er  sofort  an  der  Schrift,  daß  auch  er  im  Besitze  einiger  Streifen  dieser 
Übersetzung  sei,  er  machte  dieselben  sofort  der  k.  k.  Hofbibliothek 
zum  Geschenke  und  aus  diesem  Geschenke  wurden  die  Bl.  7,  13  —  16 
und  19 — 20  der  Hs.  gebildet.  Leider  ist  auch  hier  keine  Auskunft 
möglich,  woher  diese  Streifen  stammen,  da  der  Antiquar  Kuppitsch, 
der  sie  dem  Hrn.  von  Karajan  zum  Geschenke  gemacht  hatte ,  schon 
seit  mehr  als  zwanzig  Jahren  todt  ist. 

Hr.  Fr.  Keinz  hat  in  den  Sitzungsberichten  der  Münchener  Aka- 
demie Bruchstücke  derselben  Hs.  aus  der  Fragmentensammlung  der 
k.  Hof-  und  Staatsbibliothek  zu  München  (1869.  I,  4.  S.  549  flf.)  be- 
kannt gemacht,  und  die  Sprache  dieser  Bruchstücke  als  ahd.  und  als 
alemannisch  bezeichnet,  ahd.  muß  man  sie  noch  nennen,  da  dieselben 
noch  keinen  einzigen  anderen  Umlaut  als  den  des  kurzen  a  haben,  und 
auch  diesen  in  'geslahte'  und  ähnlichen  Worten  vermeiden ;  als  aleman- 
nisch sind  diese  Bruchstücke  auf  den  ersten  Blick  zu  erkennen. 


*)  Da  ein  Theil  der  Münchener  Fragmente,  von  denen  sogleich  unten  die  Rede 
sein  wird,  von  der  Incunabel  Ales  (nämlich  Alexander  de  Halls)  Postilla  super  psalmos 
Venetiis  1496  abgelöst  wurde,  so  scheint  die  zerstückte  Hs.  verbraucht  worden  zu  sein, 
als  noch  mehr  solche  Venediger  Drucke  gebunden  wurden. 


442  JOSEPH  HAUPT 

Die  Übersetzung  wurde  Muf  alemannischem  Boden  gemacht  und 
zwar  in  der  Diöcese  von  Constanz.  Fr.  Keinz  sagt  1.  c.  S.  553  in  der 
Note,  daß  die  Bemerkung  der  Hs. :  'An  dem  ersten  suntach  nach  phing- 
sten'  zum  Evangelium  vom  reichen  und  armen  Manne  Luc.  XVI  nicht 
mit  der  heutigen  Ordnung  stimme.  Die  Eintheilung  unserer  Hs.  der  in 
der  Messe  zu  lesenden  Stücke  kann  mit  der  heutigen  Ordnung  nicht 
stimmen,  denn  diese  folgt  dem  Missale  Romanum,  die  Hs.  folgt  aber 
genau  dem  alten  Missale  Constantiense ,  wo  dieses  Evangelium  richtig 
vorgeschrieben  ist  ^Dominica  prima  post  festum  sancte  trinitatis' ,  also 
am  ersten  Sonntag  nach  der  octava  pentecostes.  Diese  Weise  zu  zählen 
statt  am  1.  2.  u.  s.  w.  Sonntag  nach  Trinitatis,  gleich  am  1.  2.  u.  s.  w. 
Sonntag  nach  Pfingsten  geht  durch  die  ganze  Hs.  Ich  habe  in  den  Noten 
angegeben,  auf  welchem  Blatt  des  Missale  Constantiense  die  treffenden 
Evangelien  stehen  und  bediene  mich  der  Ausgabe,  die  der  Bischof  Hugo 
von  Landenberg  1505  von  Erhart  Ratdolt  Auguste  Vindelicorum  ma- 
chen ließ*). 

Die  deutschen  Sprachdenkmäler  von  St.  G-allen  zeigen  bekannt- 
lich unter  anderen  Eigenheiten  auch  die ,  daß  sie  den  Anlaut  jph  =  pf 
nicht  kennen,  sondern  einfaches  /  dafür  setzen.  Graff  HI  326  ff. 
gibt  beinahe  für  alle  so  anlautenden  Worte  reiche  Beispiele  und 
W.  Wackernagel  bezeichnet  im  Wb.  die  Formen :  falanza,  fant,  fellol, 
Hegen,  flegere,  fliht,  funt  u. s.w.  geradezu  als  sangallische.  Dieser  Laut 
fz=p}i  findet  sich  zwar  nur  einmal  Luc.  IX.  62  'Nieman  leit  sine  hant 
an  den  flüc  und  sihit  hinder  sich',  allein  aus  der  Schreibung  anderer 
Worte  mit  demselben  Anlaute  sieht  man  deutlich,  daß  der  Schreiber 
einer  Vorlage  folgte,  die  nur/=pÄ  gekannt  hat,  so  phfenninc  Mth. 
XXII,  19.  phfenninge  Mth.  XXVI,  15.  nafjyhfes  Mth.  XXIII,  25.  26. 
töfphet  Mrc.  X,  38.  getöfphet  Mrc.  X,  40.  enphfahe  Luc  IX,  5.  enphfahin 
Luc.  XXHI,  41;  alles  um  so  beweisender,  als  daneben/  und  ph 
richtig  und  noch  mehr  unrichtig  verwendet  werden. 

Die  Hs.  folgt  einer  altern  Vorlage,  das  geht  aus  verschiedenen 
Irrthümern  des  Schreibers  hervor,  wo  er  dieselbe  nicht  mehr  zu  lesen 
verstand.  Er  schreibt  Luc.  X,  13  Wie  dir  chorozaim  wie  dir  hethsaida, 
nämlich  er  löste  sich  ?me  so  auf. 

Wenn  man  aber  versuchen  Avollte,  alle  diese  und  ähnliche  Fälle 
anders  zu  erklären,  so  steht  für  eine  bedeutend  ältere  Vorlage  ein  ganz 
unwidersprechlicher  Beweis  zu  Gebote.     Die  Passion  im  Ev.  Matthaei 


*)  Das  Evangelium  Luc.  VI,  22  Dom.  XX  post  oct.  bei  Keinz  1.  c.  550,  wo 
noch  einige  Worte  wegojoschnitten  sind,  findet  sich  MC.  zur  Feria  sexta  auf  Bl.  CXIX, 
das  schon  oben  erwälmti-  auf  Bl.  XCVI. 


BRUCHSTÜCKE  EINER  AHD.  EVANGELIENÜBERSETZUNG.  443 

c.  XXVI  ist  mit  drei  Buchstaben  als  Tonzeichen  von  Anfang  bis  zu 
Ende ,  so  viel  dessen  erhalten  ist ,  über  einzelnen  Worten  versehen, 
denn  welchen  andern  Sinn  sollten  diese  Buchstaben  haben,  die  äußerst 
fein  und  zierlich  übergeschrieben  sind?  Bekanntlich  brachte  Romanus 
790  diese  Art  von  musikalischen  Bezeichnungen  nach  S.  Gallen,  Notker 
Balbulus  erklärt  sie  im  IX.  Jahrhundert  in  einem  Briefe  an  Lantpert. 
Sie  wurden  von  den  Neumen  verdrängt ,  so  daß  im  XI.  Jahrhundert 
die  Kenntniss  davon  nur  mehr  eine  fragmentarische  war,  wie  wir  aus 
dem  Werke  des  Aribo  von  Freising  ersehen,  der  noch  c  t  m  ähnlich 
wie  Notker  zu  erklären  weiß.  In  unserer  Hs.  finden  sich  a  c  und  t 
verwendet,  von  denen  Notker  1.  c.  sagt:  a  Ut  altius  elevetur  admonet. 
c  Ut  cito  vel  celeriter  dicatur  certificat.  t  Trahere  vel  teuere  debere 
testatur*). 

Im  XII.  Jahrhundert  würde  ein  Schreiber  gewiß  nicht  auf  diese 
Bezeichnungen  verfallen  sein,  selbst  wenn  er  sie  gekannt  hätte ,  denn 
wie  viele  Leser,  besonders  unter  den  Laien,  und  für  solche  war 
doch  die  Übersetzung  bestimmt,  mochten  diese  Zeichen  verstehen,  die 
schon  um  hundert  Jahre  fiäiher  den  Fachleuten  nicht  mehr  genau  be- 
kannt waren?  Der  Schreiber  nahm  diese  Zeichen  eben  aus  seiner  Vor- 
lage sancte  et  pie  herüber,  einer  Vorlage,  die  möglicher  Weise  die 
ursprüngliche  Hs.  des  Übersetzers  war. 

Bestimmt  gehört  die  Übersetzimg  in  die  Diöcese  von  Constanz, 
wahrscheinlich  nach  St.  Gallen,  worauf  alles  hindeutet,  selbst  die  häu- 
figen Längezeichen  auf  den  Lauten  iu,  ei  (ai)  ie. 

Der  folgende  Abdruck  dieser  wahrscheinlich  ältesten  hochdeutschen 
Übersetzung  aller  vier  Evangelien  folgt  Zeile  für  Zeile  der  Hs. ;  selbst 
die  Abkürzungen  habe  ich  stehen  gelassen  mit  der  einzigen  Ausnahme 
der  für  'er.  Einzelnes  über  Initialen  u.  dgl.  geben  die  Noten.  Mögen 
sich  noch  mehr  Bruchstücke  finden  oder  lieber  wenn  schon  keine  ältere 
doch  eine  eben  so  alte  oder  jüngere  vollständige  Hs.  Vielleicht,  daß 
sich  auf  alemannischem  Boden  noch  eine  darbietet. 

WIEN.  JOSEPH  HAUPT. 

Matthaeus  XII.  41—43. 

I  a.     41     verdampnet  siv.  wan  si  macheten  bv 
ze  durh  die  bredigunge  ionas.  vnt 


*)  Die  näheren  Daten  findet,  wer  nachsehen  will,  in:  Schubiger  Die  Sänger- 
schule von  St.  Gallen,  Einsiedeln  1858.  4°.  S.  10  fif.  Ich  verdanke  die  Kenntniss  dem 
Hm.  Dr.  Faust  Pachler,  dem  Vorstande  der  musikalischen  Abtheilung  der  k.  k.  Hof- 
bibliothek,  der  meiner  Unwissenheit  freundlich  zu  Hilfe  gekommen  ist. 


444 


JOSEPH  HAUPT 


42 


43 


seht  hie  ist  me  denne  ionas.  div  chuni 
ginne  uon  auster  erstat  an  dem  urtail 
liehen  tage  mit  disme  geslahte  unt  uer 
dampnet  si.wan  si  chom  uon  dem  ende 
der  erde  ze  horinde  die  wisheit  sale 
monis.   vnt  seht  hie  ist  me  denne  sale 
mon.   vnt  so  der  under  (sie)  unreine  geist 


Matfhaeus  XIL  49  —  Z/77.  3. 

b     49.  50     ne  brüdere  .  Swer  so  tut  den  willen  mi 
nes  uater  der  in  den  himilen  ist.  Der  ist 
min  brfider  unt  min  swester  unt  min 
XIII.  l*)An  dem  tage  gie  ih'c  uz  mvter 

2  dem  huse.   unt  saz  bi  dem  mer.   unt 
**)  samniten  sih  zim  michel  menige.  Da  er 

gie  sizen  in  daz  schiffilin.    vnt  alliv  div 

3  menige  stunt  an  dem  Stade,   unt  er  re 
dite  zin  manigiv  dinc  in  bispellen  spre 


30 


Matthaeus  XIIL  29—36. 
II  a      ehen  den  lul 

ze  dir  mit.  lat 

ndern.  untze 

zite  snites.   So 

lesent  zem 

binden  in  ze 

in  daz  uivr.  den 

adel.  [Dominica  XVIII.  post 

in  uvr  spre     octavam  pente- 

himilriche  dem      costesferia 

ennische  nimet 

z  uil  nahe  min 

me.  vnt  so  ez 

denne  d  eh  ein 

Also,  daz  die 

vent  ufFen  si 

pispel. 

az  himelriche 


31 


32 


33 


VI.]  ***) 
(An  dem 
fritach 
nach  dem 
ahtzehent 
em  svntach 
nach  phin 
gsten) 


Matthaeus  XIII.  36—46. 

unt  sprachen 
uon  dim  lullen 
te  unt  sprach 
Daz  ist  der  sun 
accher  ist  div 
div  chint  des  h 
div  ubelen  chin 
ist  der  tivuel  . 
dünge  dir  wer 
die  engel  .  War 
ne  gelesen  unt 
nen  unt  in  daz 


41  So  sant  .  .  .  su 
imt ...tu 

42  unt  . .  .  täte 
si  .  - .  icbou 
weinen  unt  srr 


37 


38 


39 


40 


*)  Großes  rothes  A.         **)  saminleu. 


***)  MC.  f.  CXVII.  V. 


BRUCHSTÜCKE  EINER  AHD.  EVANGELIENÜBERSETZUNG.  445 

vip  m'm  unt  uer  43     so  erschinent 

meliwes  .  untz  alse  der  sunne. 

34  liv  disiv  dinc  red  (von  den  **)  Gelich  ist  da                44 
er  menige  .  unt  maiden)      himilrich 

niht  ze  der  me  borgen  in  den 

35  le  .  daz  gesprochen  uindet  unt  uo 
Jhc  tun  üf  mi  fet  allez  daz  er 

llen  minen  munt  Aber  gelih  ist  d  45 

gin  uon  anigen  tenden  menn 

DIU.  post  oetauam  penteco-  de  die  guten  n 

3G     unt  chom  in  ein         stes  feria  IIII.J  uunden  eine  46 

giengen  zim  unt  uerchofe 
*)  (em  nivuzehentem) 

Matthaeus  XV.  1—4. 

III  a.     1.  2  uon  ierl'm  ze  ih'u  unt  sprachen  Warum 
be  über  gent  din  iungere  div  gebot  der 
wsern.  Daz  si  niht  entwachent  die  hen 

3  de  ***)so  si  ezzent  daz  brot.  vnt  er  antwrte 
in  unt  sprach,  vnt  ir  warumbe  ubergent 

ir  div  gebot  gotes  umbe  iwer  gesezide. 

4  Wan  got  der  sprach  ere  vater  unt  mvter. 
vnt  der  da  eret  uater  unt  mvter  der  lebet 

vnt  der  da  uluchet  uater  unt  mvter  distodes  (sie) 


Matthaeus  XV.  14 — 19. 

b       14      ....   der  blinden  vnt  ob  ein  blinde 
den  andern  leitet  si  uallen  lihte  in  die 

15  grabe  beide.    Do  sprahc  peter  herre  zer 

16  lose  uns  dis  pispel.  Do  sprach  ih'c  vnt  ir 

1 7  sit  noh  ane  uernunft.  f )  vernemt  ir  niht 
daz  zem  munde  inget  daz  get  in  den  buch 

18  unt  get  niden  uz.  unt  daz  zem  munde 
uz  get  daz  chumet  uon  dem  herzen  unt 

19  unreinet  den  mennisehen.  vonme  her 


*)  MC.  f.  CXVIII.  r.  **)  MC.  f.  XIV  (partis  U).    Großes  blaues  G. 

***)  Ursprünglich  stand  henden.  Aus  dem  letzten  Strich  des  n  machte  der  Schreiber 
das  s  in  so  und  ließ  den  ersten  Strich  stehen.       f )  ??  uernunst. 


446 


JOSEPH  HAUPT 


Matthaeus  XXII.  9—21. 


IV  a. 


10 


11 


12 


13 


14 


15 


16 


17 


19 

20 
21 


so  ir  uindet.  die  ladint  si.  ze  der  brutloft 
vnt  die  chnelite  giengen  uz  unt  laton  alle 
die  si  uvnden  gute  unt  ubile  unt  div  brut 
loft  wart  eruuUet  der  sizinden.  vnt  der 
ehunic  gie  dar  in  daz  er  gesahe  die  sizin 
den.  unt  sähe  da  einen  mennischen  der  en 
was  niht  gecleidit  mit  brutlichem  gewan 
de  unt  sprach  zim.  vrivnt  wie  chomide  (sie)  da 
her  in  ane  brutlich  gewant.  vnt  er  sweic. 
Do  sprach  der  ehunic  ze  sinen  chnehten.  Mit 
gebunden  henden  unt  uvzen  werffen  in  i 
die  uzern  uinstir.  da  da  wirt  weinen  unt 
grisgrammen  der  zende.  vil  ist  der  gelaten 
luzel  der  erweiten.  [Dom.  XX.  III,  post  octavam 

pentecostes.] 
**)  Do  giengen  enwec  di  pharisei  unt  wr 
den  ze  rate  wie  si  ih'm  geuiengen  an 
der  rede,  vnt  santon  im  di  ir  iungere  mit 
den  luten  herodis  und  sprachen  Meister  wir 
wizzen  daz  du  warhaft  bist,  unt  den  wec 
gotes.  in  der  warheite  lerist.  dimist  niht  ruch 
umbe  ieman.  dune  sihest  niht  an  die  un 
derschidunge  der  mennischen.  Sage  uns 
waz  dunchet  dih  des.  gezimt  dem  cheiser 
der  zins  ze  gebinne  oder  niht.  vnt  ih'c 
erchante  ir  ubile.  vnt  sprach.  Wes  uersu 
chet  ir  truginare  mihc.  Zeigent  mir  die 
iungesten  munize.  vnt  si  brahten  einen 
phfenninc.  vnt  ih'c  sprach.  Wes  ist  diz  bil 
de  unt  disiv  uberscrift.  vnt  si  sprachen. 
Des  cheisirs.  Do  sprach  er  zin.  Gebet  dem  che 


Älatthaeus  XXII.  21—34. 

b  iser  daz  sin  si.  unt  gebet  got  daz  sin  si. 

vnt  ir  horten  daz  unt  wnderoten  sih.  unt 
uerliezen  in  unt  giengen  dan. 
***)  An  dem  tage  do  chomen  zu  zim  die  uer 
leitare.  di  da  niht  geloben  die  urstende. 


22 


23 


(an  dem 

tri  vnd 

zwain 

gistem 

svntach 

nach  phi 

ngsten)  *) 


*)  MC.  f.  CXXII. 
blauer  Verzierung. 


**)  Blaues  D  mit  rother  Verzierung.        ***)  Rotlies  A  m 


BEUCHSTÜCKE  EINER  AHD.  EVANGELIENÜBERSETZUNG.  447 

24  unt  uragiton  in  imt  sprachen.  Maister 
moyses  sprach.  Swer  so  irsturbe  unt  enhe 
te  der  niht  sunes.  daz  sin  brüder  name 

sin  wip  unt  erchuchte  an  ir  den  samen  sines 

25  bruder.  vnt  ez  waren  bi  uns  siben  brü 
der.  unt  der  erste  nam  ein  wip  unt  starp 
unt  gewan  bi  ir  niht  chindes.  unt  er  lie 

26  Isi   sinem  brüder  sin  wip.  unt  der  ander  He 
si  dem  dritten  untze  an  den  sibinden. 

27  vnt  ze  iungest  do  erstarp  daz  wip.  von 

28  div  so  sage  uns  an  der  urstende  welhem 
din'e  sibinen  wirt  daz  wip.  wan  si  hetens 

29  alle,  vnt  ih'c  antwrte  in  unt  sprach.  Ir  ir 
ret.  Ir  enwizzet  niht  die  scrift  nohc  des 

30  gewaltes  gotes.  an  der  urstende  enbru 
tet  man  niht  noh  ensint  niht  brutlofte. 
Wan  si  sint  alse  die  engile  gotes  in  dem  hi 

31  mile.  Enhat  ir  niht  gelesen  uon  der  ursten 
de  der  toten,  daz  da  ist  gesprochen  uon  go- 

32  te  sprechinde  zv.  Ego  sü  Ihc  bin  got  abra 
hames  unt  got  ysaaches  unt  got  iacobes. 
vnt  niht  got  der  toten  wan  der  lebindi 

33  gen.  vnt  daz  erhörte  div  menige  unt  wn 
derton  sih  siner  lere.  [Dom.  XVIII.  post  octauam 

pentecostes.] 

34  *)Do  die  pharisei  gehorten  daz  ih'c  hate 

(An  dem  ahczehentem  svntach  nach  phingsten)  **) 

Matthaeus  XXIL  35  —  XXIIL  4. 

V  a  gesweigit  die  uerleitare.  do  chomen  si  ze 

35  samine  unt  uragite  in  ein  lerare  uze  der 

36  e  unt  uersühte  in  unt  sprach.  Maister  we 

37  les  ist  daz  maiste  gebot  in  der  e.  vnt  ih'c  aut 
wrte  im  unt  sprach.  Minne  got  dinen  her 

ren  uon  allem  dime  herzen,  unt  uon  aller 

38  diner  sele  uon  allem  dime  gemvte.  Diz  ist 
daz  maiste  unt  daz  erste  gebot  in  der  e. 

39  Daz  ander  ist  disime  gehhc.  Minne  dinen  na 

40  histen  alse  dihc  selben.  An  disen  zwein  geboten 


')  Blaues  großes  D  mit  rother  Verzierung.       **)  MC,  f.  CXVII. 


448  JOSEPH  HAUPT 

41  hanget  alliv  div  e  unt  die  wissagen.  Do  ge 
samineten  sih  di  pharisei.  vnt  uragite  si 

42  ih'c  sprechinde  Wes  bedunchet  ivhc  uon 
criste  wes  sun  er  si.  vnt  si  sprachen  dauides. 

43  vnt  er  sprach  zin.  Wel  wis  hiez  in  dauid 

44  herren  in  dem  geiste  sprechinde.  Dir  herre 
sprach  ze  mime  herren  sizze  ze  miner 
zesiwe.  vnt  gesezze  dine  uiande.  zeime 

45  schamel  diner  uvze.  vnt  ob  in  dauid  hei 

46  zet  herren.  wie  mac  er  sin  sun  sin.  vnt  si 
ne  mahton  im  niht  geantwrten  eines  wor 
tes.  Noh  engetorste  deheiner  destages  iht 

XXIII.  1   uvrbaz  geuragen.  Do  redite  ih'c  ze  der  me  [Dom.  U.  in 

nige  und  ze  sinen  iungeren  sprechinde.  XL.  feria 

2  Den  stul  moysi  besazen  die  scri  (bare)  unt  III.]*) 

3  die  pharisei.  AUiv  div  dinc  die  si  ivh  heizent 
tun  div  behalten  unt  tu  si.  Nah  ir  wer 

chen  entünt  niht.  Wandes  si  sagent  des 

4  entünt  si  niht.  Wan  si  bindent  die  swa 
ren  bürde  unt  die  ubile  sint  ze  traginne 

(An  dem  ....  nach  dem  .    .    .    .) 

Matthaeus  XXIII.  4-15. 

b       vnt  legint  si  üf  die  ahsel  der  mennischon. 

5  mit  ir  uinger  wein  si  si  niht  r  Liren,  vnt 
tünt  alliv  ir  werch  daz  si  gesehen  werden 
uon  den  mennischin.  Si  lengirn  ir  ge 

6  bende  unt  michilint  ir  uasen.  vnt  min 
nent  div  ersten  gesaze  an  dem  ezinne.  unt 

7  die  ersten  stüle  in  den  Synagogen  unt  den 
grüz  an  dem  marchite.  unt  daz  si  geheizen 

8  werden  uon  den  mennischen  maister.  Irn 
sult  niht  heizen  maister  wan  ir  sit  alle 

9  gebrüder.  Niht  ensprechet  iv  uater  üf 

der  erde.  Wan  einer  ist  iwer  uater  der  in 

10  dem  himile  ist.  Niht  enheizet  maistere. 

11  Wan  crist  eine  ist  iwer  maister.  Der  under 

12  iv  si  der  mere  der  wirt  der  minre.  Wan 

*)  MC.  f.  XXXIUI. 


BRUCHSTÜCKE  EINER  AHD.  EVANGELIENÜBERSETZUNG.  449 

swer  so  sih  geliohet  der  wirt  gedemvtet 
vnt  der  sih  gedemvtet  der  wirt  gehohet. 

[fer.  VI.]      13*)  We  aber  iv  scribaren    [Dom.  VIII.  post  octauam  pente- 
unt  iv  pharisei  ir  truginarenr  (sie)  beslie  costes] 

(An  dem  zet  daz  himilriclie  uor  den  mennisehen  (sie) 

fritach  nnt  irne  weit  drin  niht.  nolic  die  dar  in 

nach  dem    15     wolton  die  nelat  ir.  We  iv  scribaren  unt 
ahtura  iv  pharisei  ir  truginare  wan  ir  umbe  uarnt 

nach  phi  die  mer  unt  die  erde  unt  machet  iwer  ge 

ngsten)  **)  ....   daz  wirt  gemachet,  so  machit 

14     ir  zwiualt  helle  sun  me  denne  ivhc.  We 
iv  scribaren  unt  iv  pharisei  ir  truginare 
ir  berobent  der  witiwen  huser  mit  iwerme 
langen  gebete.  dar  umbe  wirt  iv  daz  urtai 
le  deste  mere.  We  iv  leitare  der  blinden 

Matthaeus  XXIII.  16—27. 

VI  a         ir  da  sprechet.  Swer  so  spreche  swer  (sie)  bi 
dem  tempel  daz  ensi  niht.  Swer  aber  so 
swei't  bi  dem  golde  des  tempels  daz  ders 

17  engelte.  ir  tumben  ir  blinden,  wederz  ist 
mere  diz  golt  oder  daz  tempel  daz  da  gehei 

18  liget  daz  golt.  vnt  sprechet  swer  da  swer 
bi  dem  altare  daz  daz  niht  si.  swer 

da  swer  bi  der  gäbe  div  dar  üf  ist.   der  engel 

19  tes.  Ir  blinden  wederz  ist  mere  div  gäbe  oder 

20  der  altare  der  da  geheiliget  die  gäbe.  Der 
da  swert  bi  dem  altare.  der  swer  dabi.  unt 

21  bi  allem  dem  daz  dar  üf  ist.  \'nt  swer  da  swert 
bi  dem  templo.  der  swert  dabi.  unt  bi  allem 

22  dem  daz  da  inne  ist.  vnt  der  da  swert  bi 
dem  himili  der  swert  bi  dem  stüle  gotes 

23  unt  bi  dem  daer  dar  üife  sizzet.  We  iv  scri 
bare  pharisei  ir  truginare.  ir  da  zehent  die 
minze  unt  daz  tille  unt  chume.  unt  lat 

div  swarre  sint  der  e.  daz  reht  unt  erbarm 
herze  unt  triwe.  Diz  ist  ze  tune  unt  enz 

24  niht  ze  lazinde.  We  nu  leitare  der  blinden. 


*)  Großes  rotlies  W.      **)  MC.  f.  CIIII. 

'1  •:  t  lV.^iH..    >t<!i:  Iti.U.    II.        (XIV.)  Jahrg.  29 


450  JOSEPH  HAUPT 

ir  spient  uz  die  mucgen.  unt  slindent  die 

25  olbinten.  We  iv  scribare  pharisei  ir  trugina 
re.  ir  wahschet  daz  uzer  täil  des  kelches  unt 
des  nafphfes  unt  sint  innen  uol  hures  unt 

26  unreinicheit.  Pharisee  blinde,  wahsche  ze 

me  ersten  daz  inre  tail  des  chelches  und  des 
nafphfes  daz  ez  gelih  werde  dem  uzer  tai 

27  le  reines.  We  iv  scribaren  pharisei  ir  tru 
ginare.  wan  ir  sit  gelich  den  gewizten  gre 

Matthaeus  XXIII.  27—39. 

b  birin.  die  uzen  schinent  den  mennischen 

schomv.  unt  innen  sint  uolliv  gebeines  der 

28  toten  unt  unsubircheit.  Also  sit  ir.  ir  schi 
nit  uzen  rehthaftige  den  mennischen.  vnt 

29  sit  innen  uol  trugeheit  unt  ubiles.  We  iv 
scribare  pharisei  ir  truginare.  ir  da  buwent 
div  grebir  der  wissagen.  unt  zieret  div  gre 

30  bir  der  rehten  unt  sprechet.  Waren  wir  ge 
wesen  in  den  tagen  unserre  uater  der  wissa 

31  gen.  vnt  ir  gebet  gezivch  uon  iv  selben,  wan 

32  ir  sit  der  sun  die  di  wissagen  irslftgen.  vnt 

33  ir  eruvllet  die  maze  iwerre  uater.  Slangen 
uiper  geslahte.  wie  weit  ir  enphliehen  uon 
dem  urtaile  der  angeste.  [Aliud] 

[in  nat.  sei      34*)  Seht  ihc  sende  iv  wissagen  imt  wise  unt 
Stephanij  **)  scribare.  unt  ir  erslahen  si  unt  cruci 

gont  si  unt  uilleut  si.  in  iweren  synago 
gen,  unt  ir  ahtet  ir  uz  einer  stat  in  die  an 

35  der.  Daz  chom  uf  ivh  allez  daz  rehtliaftigez 
blüt  daz  da  uergozen  ist  üf  die  erde,  von 
dem  bliite  abel  des  rehten  untze  ze  dem  blü 
te  zacharie  sun  barachie.  den  irre  singet  in 

36  zwischen  dem  tempel  unt  dem  altare.  Ge 
warliche  sage  ih  ez  iv.  alliv  disiv  chomen  uf 

37  diz  geslahte.  Hirlm  irlm  du  irslehest  die  wis 
sagen,  unt  steinestes  die  ze  dir  sint  gesant. 
Ofte  wolte  ihc  saminen  dine  sun  allse  div 
henne  saminet  ir  hünlin  under  ir  uetiche. 


*)  Gl•o^^es  rotlies  S.         **)  MC.  f.  XI. 


BRUCHSTÜCKE  EINER  AHD.  EVANGELIENÜBERSETZUNG.  451 

unt  du  newoltes.  Darumbe  beliben  iweriv 
39     huser  wste  vnt  ili  sae-ez  iv.  Nilit  encreseht 


MaUhaeus  XXV.  42  —  XXVI.  7. 

Vlla  42.43     ir  negabet  mir  nilit  ze  ti-inchinde.  Ili  was 
gast,  ir  ne  herbergetet  mibe  nibt.  Ib  was 
nabcten  ime  cleitet  mih  nibt.  Ibc  was 
siebe  unt  in  dem  cbarcbare.  irne  cbomet 

44  nibt  ze  mir.  So  antwi'ten  ob  si  im  unt  spre 
cbiut.  Hei're  wenne  saben  wir  dib  bunge 
ren.  oder  dm'sten.  oder  gast  wesindin,  oder 
nacbint.  oder  siecben.  oder  in  dem  cbareba 
re.  und  entaten  dir  nibt  gutes?  So  ant 

45  wrten  er  in  denne  unt  spriebet.  Warlicbe 
sage  ib  ez  iv.  AI  die  wile  irz  nibt  tatet  eime 
dirre  diministen.  Done  tatet  ir  mirs  nibt. 

46  So  gient  die  ubilen  in  ewige  uerdamnus 

side.  Die  guten  die  get  (sie)  in  daz  ewige  leben. 
XXVI.    1     *)  Do  daz   [In  pabnis  Pnssio  domini  S.  Älatbeum] 
gescbab  daz  ib'c  bäte  uolendet  disi 
rede  alle.  Do  spracb  er  ze  sinen  iungeren.  (An  dem 

2  Wizet'ir.  nab  zwein  tagen  wir"  osteru. .unt  balm 
der  sun  des  menniscben  der  wirt  geantwr              tage)**) 

3  tet  ze  cruciginde.  So  sint  gesaminet  die 
uvrsten  der  ewarten  unt  die  eltirn  der  liv 
te,  in  den  bof  des  uvrsten  der  ewarten.  der 

4  da  beizet  caypbas.  vnt  wrden  ze  rate  daz 
si  ib'm  mit  sere  babiten  unt  in  erslügin. 

5  vnt  si  spracben.  n*ibt  an  dem  bozitlicbem 
tage.  Daz°  dir  ibt  cradimides  wrde  under 

6  dem  livte.  vnt"  ibc  was  betbanie  in  dem 

7  huse  Symonis  des  miselsucbtigen.  do  chom 
ZV  zim  ein  wip  div  bete  eine  buhse  mit  gü 
ter  salbe,  unt  scbutte  ims  uf  sin  höbet 

Matfhaeus  XXVI.  8—20. 

b         8     da  er  riwite  (sie).  Daz"  saben  sin  ivnger  unt  uu 
wirton  daz.  unt  spracben.  Waz  "  ist  disiv 


'■)  Großes  blaues  D  roth  verziert.         **)  MC.  f.  LIV. 

29* 


452  JOSEPH  HAUPT 

9     uerlomust?  Wa'n  mähte  si  diz  tivre  ha 
ben  verch6fet  unt  hetes  gegeben  den  ar 

10  men.  vn't  ih'c  wisse  daz.  und  sprach  zin. 
War'umbe  leidigit  ir  diz  wip.  Ein  gut 

11  werch  hat  si  geworht  an  mir.  Wan  ir  hat 
die  armen  zallen  ziten  mit  iv.  mih  en 

12  hat  ir  niht  zallen  ziten.  Die  salbe  die  ßi 
tet  an  minen  lip.  mih  ze  begrabinne  tet 

13  siz.  Wa'rliche  sage  ihc  ivz.  Swa*  diz  ewan 
gelimn  geprediget  wirt  in  aller  der  welrte  (sie). 
80  wirt  gesprochen  si  tet  ez  in  sinere  gehu 

14  gide.  Do  "gienc  en  wec  einer  der  zweluer 
der  da  heizet  ivdas  uon  scharioth  ze 

15  den  uvrsten  der  ewarten  unt  sprach  zin. 
Waz'  Avelt  ir  mir  geben,  unt  ihc  antwi'ten 
iv?  vnt  die  gaben  im  drizic  phfenninge 

1 6  silberine.  vnt  dar  nah  süte  er  die  heili 

17  che.  wie  er  in  uerriete.  Do"  des  ersten  ta 
ges  des  derben  brotes.  do  nahton  sih  sine 
iunger  ze  ih'u  unt  sprachen.  Wa  'wil  du 
daz  wir  dir  machen  zezinde  dise  oster. 

18  vnt  ih'c  sprach.  Get  in  die  stat  unt  spre 
chet  zeime.  Der  meister  sprichet.  min 
zit  ist  nahe,  mit  dir  wil  ih  han  die  6s 

19  tern  mit  minen  lungern,  vnt  die  iun 
gere  taten  alse  in  gebot  ih'c  unt  berei 

20  ton  im  die  oster.  vnt  do  der  aben  (sie)  chom 
do  saz  er  mit  zwelf  sinen  lungeren 

Matthaeus  XXVI.  21—25. 

Villa    21     do  si  azen  do  sprach  er.  zin.  War'liche  sa 
ge  ih  ez  iv.  Daz  iwer  einer  mih  uerratin 

22  de  ist.  vnf  wrden  sere  betrübet  imt 

23  sumiliche  sprechen.  Her*re  bin  ihz?  v'nt 
er  antwrte  in  unt  sprach.  Der  sine  liant 
recchet  Mit  mir  in  diz  uaz.  der  ist  der 

24  mih  uerratet.  vnt  des  m'nischen  sun  get 
alse  gescriben  ist  uon  dem.  vn't  we  dem 
mennischen.  uon  dem  des  mcnnischen 


BRUCHSTÜCKE  EINER  AHD.  EVANGELIENÜBER8ETZUNQ.  453 

'  '  sim  wirt  uerraten.  Gut  w'are  im  wäre 

25     nie  geborn  der  mennisclie.  Do°  antwrte 

Matthaeus  XXVI.  31—36. 

b     31     schaf  des  chortirs  werden  zersprenget. 

32  So  aber  ili  erste  so  chum  ihc  uvr  in  gali 

33  lea.  Do°  antwi'te  im  peter  unt  sprach.  Her' 
re  unt  ob  si  alle  an  dir  waerdent  gesehen 
det  ih  en  wirde  niemer  an  dir  gesehen 

34  det.  vnt  ih'c  sprach  zim.  War'liche  sage 
ihz  dir.  wan  hinet  an  dirre  naht,  e  daz. 
der  haue  gerae.  du  uerloginist  min  drie 

35  stunt.  Do  sprach  peter  zim.  vn^t  ob  ohc  ih 
mvze  mit  dir  ersterben  ihen  uerlogine 

din  niht.  Alsä  sprachen,  alle  die  ivngire 

36  Do  chom  ih'c 


Matthaeus  XXVIL  9—12. 
IX  a        9     let  daz  gesprochen  ist  durh  den  wissa 
gen  ieremiam  sprechende,  vnt  si  nain 
die  drizic  silbir  den  chof  ze  chofinde 
den  si  da  choften  uon  den  sunen  isrl'e. 

10  unt  gaben  si  an  den  accher  des  hauina 

11  res.  alse  mir  geschihte  der  herre.  vnt  ih'c 
stünt  uor  dem  rihtare.  vnt  der  rihtare 
uragite  in  unt  sprach.  Bist  du  chunic 
der  luden?  Vnt  ih'c  sprach  zim.  Du  spri 

12  chistes.  vnt  do  man  in  ructe.  die  uvrsten 
der  ewarten  unt  die  eitern.  Do  antwrte 


Matthaeus  XXVIL  20—24. 

b     20     si  gerten  barraban.  und  ih'm  uerlurn. 

21  vnt  der  rihtare  antwrte  in  vnt  sprach 
zin.  Welen  welter  der  zweiger  den  ih  iv 

22  laze.  vnt  si  sprachen.  Barraban.  vnt  pi 
latus  sprach  zin.  Waz  tun  ihc  ih'u  der  da 
heizet  xpc.  Vnt  si  sprachen  alle.  Da  crugi 

23  men.  Do  sprach  der  rihtare.  Waz  hat  er 
getan  ubiles?  vnt  die  rüfton  ie  me  unt 


454 


JOSEPH  HAUPT 


24     me.  Crucigen.  Do  pilatus  gesah.  daz  ez  niht 
ueruienge  wan  daz  me  c""diraes  wrde.  Do 
nam  er  wazzer  mit  twc  sine  hende  uor 
sprach  Ih  bin  unschuldich*) 


Matthaeus  XXVII  32—46. 
X  a  32     gen  si  daz  er  tru 


33 

nen  an  die  stat  div 

34 

i  gaben  im  win  ze 

gemischet.  Vnt 

volte  ers  niht  trin 

35 

goten  do  teilton 

on  ir  loz  dar  üf 

36 

n  sin.  vnt  sazten 

37 

ache  gescribine. 

38 

uden.  Do  wrden  ge 

ne  schachare  einer 

ner  ze  der  winster. 

39 

die  spoton  sin  unt 

40 

echinde  Woh.diz 

gotes  zeruvret 

der  auirt.  behalt 

sim.  so  Stic  ab  dem 

41 

e  uvrsten  der  ewar 

t  den  scribaren 

42 

unt  spräche  Ander 

en  enmac  er  niht 

unic  der  isrl'e  so 

unt  wir  geloben 

43 

erloset  in  ob  er  wil. 

44 

e  gotes  sun.  Daz 

hare  die  mit  im  ge 

45 

twiztim  ims.  von 

uinstere  uf  der  er 

46 

di  none  zit.  vnt 

0  rufte  ih'c  mit  mi 

b  46 
47 
48 

49 

50 
51 

52 
53 

54 

55 
56 

57 


Maithaeiis  XXVII  46- 
chilre  stimme  ely 
ist  min  got  min  g 
uerlazen.  Sumilic 
horten  die  sprach 
vnt  einer  livf  sa 
unt  uvlten  ezic 
rore  unt  gap  im 
liehe  die  sprachen 
com  unt  inlose, 
re  stime  unt  er  g 
behaue  des  temp 
obine  unt  ze  nid 
bewegit  unt  die 
unt  div  grebir  ta 
lichnam  der  heiii 
die  stünden  üf  u 
giengen  si  in  di  h 
nen  manigen.  v 
im  waren  die  sah 
wegit.  unt  alliv 
hen.  unt  uorhton 
warliche  dirre  w 
da  manigiv  wip 
geuolget  uon  gal 
imder  den  was  n 
maria  iacobis  un 
div  mvter  der  sun  z 
chom.  do  chom  ei 
mathia  der  hiez 
ivnger  ih'u.  Der  g 


-57. 


*)  Von  den  vier  Worten  dieser  Zeile  ist  nur  noch  die   obere  Hälfte    da. 


BRUCHSTÜCKE  EINER  AHD.  EVANGELIENÜBERSETZUNG.  455 

Marcus  VII.  37  —  VIII.  8. 

XI  a         ....   erhört  .so 

giton.  und  wndirton  sih  sprechinde. 

Alliv  dinc  hat  er  wol  getan,  er  hat  ge 

raachit  die  thorin  gehorinde  unt 

die  stummen  redinde.  [Dom.  VII.  post  oct.  pentec.] 
VIII.  1  *)Iu  denselben  tagen  do  aber  der  me 

nige  uil  was  gesaminet  unt  niht  (An  dem  sipent 

habiten  zezinde.  vnt  ih'c  rufte  si  em  svutach 

2     nen  iungern.  unt  sprach  zin.  Ih  er  nach  phingsten)  **) 

barmi  mih  über  die  menige.  wan  ez 

ist  der  dritte  tac  daz  si  sih  enthaben  mit 


3  unt  uerlaze  ih  si  uastende  heim 
gen  in  ir  hus.  si  irligent  an  dem  we 
ge.  Ir  sumiHche  sint  uerre  her  chom. 

4  vnt  im  antwrton  sine  iunger  unt 
sprachin  wer  mac  dise  alle  gesatin 

5  brotes  in  dirre  wste.  Vnt  ih'c  uragi 
te  si.  wie  manic  brot  habit  ir.  Vnt 

6  si  sprachin  sibimv.  Vnt  er  gebot  der 
menige  ze  sizinde  üf  die  erde.   Vnt 
er  nam  diu  sibin  brot.  unt  begie  ge 
nade  unt  brah  daz  brot  unt  gabes 
sinen  iungeren  daz  si  sin  üvr  leiten. 

7  vnt  si  leitons  der  menige.  unt  si 
haton  ein  luzil  uische.  Vnt  die  segin 

8  ter  ohc.  unt  hiez  in  si  legen.  Vnt  si 
azen  unt  wrden  gesät,  vnt  silasin 

Marcus  VIII.  9—17. 

b  üf  daz  da  ubire  was  worden  des  bro 

tes.  daz  iruvllet  wrden  sibin  chorbe 

9  mit  brote.  Vnt  der  die  da  azen  der 
waren  uier  thusint.  unt  er  uerlie  si. 

10     vnt  sari  steic  er  in  ein  schif  mit  sinen 
iungern.  unt  in  die  gegine  chom  er 
ze  dalmanutha. 


*)  Großes  rotlies  I  blau  verziert.         **)  MC.   f    CHI, 


456  JOSEPH  HAUPT 

11*)  Vnt  ez  giengen  üz  die  pharisei 
uut  uragiton  ih'm  und  suhton 
uon  im  zeichin  uon  dem  himile  ze  se 

12  hiude  unt  uersühton  in.  Vnt  erre 
sühte  in  dem  geiste  unt  sprach.  Waz 
suchet  diz  geslahte  zeichen?  Warliche 
sage  ihc  ivz  unt  wirt  gegebin  disi 

me  geslahte  zeichen  sine  gelobint 

13  niht.  vnt  er  uerlie  si  unt  steic  aber 
wider  in  daz  schif.  unt  uvr  über  mer. 

14  unt  die  iunger  uergazin  des.  daz  si 
niht  uvrton  brotes.  unt  sine  habi 
ton  ohc  ein  brot  niht  mit  im  in  dem 

15  schiffe.  Vnt  er  gebot  in  sprechinde. 
Seht  unt  hüten  ivh  uor  dem  urha 

be  der  phariseorum  unt  uor  dem  urhabe 

16  herodis.  Vnt  si  gedahton  wider  ein 
ander  sprechinde.  wirn  habin  niht 

17  brotes.  vnt  sari  irchande  daz  ih'c  vnt 
er  sprach  zin.  Wes  gedenchet  ir  iv. 
daz  ir  niht  brotes  habit.  Noh  en  erchen 


Mnrcits  X.  31—38. 

XII  a    31     iuugisten  unt  die  iungisten  die  er 
steu. 

32  **)Unt  si  waren  an  dem  wege  alse  si 

wolten  ze  irl'm.  unt  ih'c  der  üvr  gie 
si.  unt  si  irscrachin  unt  si  nah  uolge 
ton  im  mit  uorhte.  Vnt  er  nam  aber 
ZV  sih  die  z weife,  unt  begunde  den 
ze  saginne.  div  dinc  div  im  chunftic 

33  waren,  unt  er  sprach,  seht  wirt  chom 
ze  irl'm  unt  der  sun  des  mennischen 
der  wirt  geantwrtet  der  ewarten 
uvrsten  unt  der  scribare  unt  der  el 
tem  unt  si  uerteilin  in  ze  dem  tode 

34  unt  antwrten  in  der  diete  unt  spo 
ten  sin  unt  spigint  in  an  unt  phillint  . 
in  unt  erslahint  in  unt  an  dem  drit 

35  ten  tage  erstat  er.  Vnt  ez  nahton 

*)  Großes  blaues  V  roth  verziert.         **)  Großes  rothes  U. 


BRUCHSTÜCKE  EINER  AHD.  EVANGELIENÜBERSETZUNG. 


457 


36 

37 


38 


Marcus  X. 
b 
39 


40 


41 


42 


43 


44 


45 


[Dom.  in 

quinqua 

gesima.] 

(An  dem 

andern 

svntach 


46 


sih  ZV  zim  die  sun  zebedi  iacob  unt 
iohannes  unt  sprachin.  Maister  wir  wel 
len  swes  so  wir  dih  biten  daz  du  daz 
tust.  Vnt  ih'c  sprach  zin.  Waz  welter 
daz  ili  iv  tu.  Vnt  si  sprachin  uerlihc 
uns  daz  unsere  einer  size  ze  diner 
zeswe  der  ander  ze  diner  winster 
in  diner  wnnicliche.  Vnt  ih'c  sprach 
zin.  Irne  wizzet  wes  ir  gert.  muget 
ir  trinchin  den  chelih  den  ih  trinche. 
oder  muget  ir  des  thofes  werden  ge 

39—47. 

tofphet  des  ih  wirde  getophfet 

Ja  wir  herre.  vnt  ih'c  sprach  zin. 

Den  chelih  den  ih  trinche  den  trin 

chet  6h  ir.  unt  des  tofphes  des  ih  wir 

de  getöfphet.  des  werdet  ohc  ir  ge 

tophet.  ze  sizinde  ze  miner  zeswe 

unt  ze  miner  winster  bestet  mih 

niht  ze  gebinne  iv.  wan  den  ez  bereit 

ist.  vnt  daz  ir  horten  die  zehine 

unt  unwirton  daz  an  iocobe  unt 

an  iohanne.  vnt  ih'c  rufte  in  un  sprah 

da 

unt  gewalt  ha 

.  .  .   Also  ne  ist  ez  niht  under  iv. 
swer  so  under  iv  wil  werden  der  me 
re  der  wirt  iwer  dienare.  vnt 
swer  so  under  iv  wil  wesen  der  er 
ste  der  wirt  iwer  aller  chnet.  Wau 
des  mennischen  sun  chom  niht  dar 
umbe  daz  man  im  dienite.  wan  daz 
er  dienite.  unt  daz  er  gäbe  sine  sele 
ze  ledigunge  umbe  manige. 
Vnt  ih'c  unt  sine  iunger  de  cho 
men  ze  iericho.  unt  do  er  üvr 
uon  iericho  do  uolget  im  sine  iun 
ger  unt  michil  menige.  do  saz  bi 
dem  wege  der  sun  timei  barthime 


vor  vase...)  47  us  ein  blinde  betilinde.  vnt  alse 


458 


JOSEPH  HAUPT 


80 


IL  1 


Lucas  I.  79  —IL  9. 
XIII a  79     des  todes  imt 

iivze  in  den  wec 

daz  whs  unt 

geistes.  unt  was 

en  tac  sin  ere  of 

helen.  [In  galli  cantu.] 

den  tagin.  daz  uz 

n  dem  cheiser  au 

et  wrde  aller       (zecristes  mese 

t  div  erste  brei    ze  winahten)  *) 

uon  dem  rilitare 

nt  si  giengen  al 

che  in  ir  stat.  vnt 

ale  üz  der  stat 

e  in  die  stat  da 

bethlem.  Durh 

menige  unt  des 

er  uvr  dar  mit 

ahilt  was  swan 

do  daz  geschah 

vrden  ir  uvllet 

unt  si  gebar  ir 

t  bewant  in 

te  in  ineine 

te  niht  heinli 

aren  hirte  in 

e  unt  hütinde 

vnt  seht  der 


Lucas  IL  17 — 25. 

XlVa  18  chinde.  vnt  alle  die  daz 
die  wndert  sih  des.  der 
warin  gesagit  uon  den 

19  raarie  behaelt  alliv  div 

20  herzin.  vnt  die  hirtin 
de  wnnicl  ichin  de  unt 


Lucas  IL  9 — 17. 
)         engel  dis  herre 
daz  lieht  gote 
vnt  si  uorhto 

10  uorhte.  vnt  de 
Niht  en  uorhte 
iv  michile  uro 

11  dem  livte.  wan 
ein  heilare.  der 
in  der  stat  dau 

12  z  eichin.  Ir  uin 
din  mit  thüch 
Grippe,  vnt  al 
dem  engel  mic 
lischen  ritirsch 
sprechinde.  Go 
in  der  hohe,  un 
den  mennische 
len.  vnt  alse  da 
schiedin  die  en 

')  Do  redton  di 
zein  ander 
em  unt  ir  seht 
dir  herre  hat 

16  men  mit  gahi 
en  unt  ioseph 
ineine  crippe 

17  hin.  do  ir  chant 
Worte  daz  in 

***)  (zetagemese  ze 

Lucas  IL  25 — 5^. 
)         inde  got.  unt  bitinde 
ige  der  israhele.  unt  der 

26  st  wonte  in  im.  vnt  er 
antwrte  uon  dem  heili 
daz  er  niht  gesahe  den 

27  sähe  den  crist  dis  herrin 


13 


14 


15 


**> 


*)  MC.  f.  Vni.        **)  Blaues  D  i-oth  verziert.         ***)  MC.  f.  IX. 


BKUCHSTÜCKE  EINER  AHD.  EVANGELIENÜBEESETZUNG. 


459 


aller  der  dinge  die  si  h 

unt'gesehin  imt  alse  in 

21 

*)  Vnt  do  uolle  endi  [Ino 

ton  die^ahte  tage. 

28 

sniden   solle  daz  ehint 

name  geheizin  ih'c.  de 

29 

was  uon  dem  engel  e 

gen  wrde  in  dem  buc 

30 

22  '■ 

**)  Vnt  do  iruvllet  wr 

31 

ir  reinicheite  nah 

32 

hübin  si  uf  ze  irl'ra  d 

chint.  daz  si  ez  antw 

23 

rin.  alse  gescribin  ist 

rin.  Wan  allez  daz  n 

33 

daz  dir  üf  tut  die  v 

zit  heilic  dim  herre 

34 

24 

brahtin  opfer  dar  na 
ist  in  der  e  des  herre 
tubin  oder  zwei  iu 

25 

bin.  vnt  sehit  ein 
in  irl'm  des  name  v 

35 

dirre  mennische  w 
?  VI.  45-48. 

36 

MCÜi 

XV  a          45     schaze  sinis  1 

berziu  uvrb] 

m  in  dem  geiste.  iu  daz 
t  alse  si  dar  in  brahton 
ie  vriunt.  daz  si  mit  im 
te  gewniheit  der  e.  un 
c  in  an  sine  arme  unt 
sprechinde.  Nu  uerlast 
in  chneht  nahe  dime 
de.  Wan  miniv  ögen 
diu  heil,  daz  du  hast 
r  dem  antlutze  aller 
lieht  zerluhtinde  die 
vnnicliche  dines  uol 
^le.  [Dominica  infra  octa- 

ter  unt  sin  muter  wn     uam  na- 
der dinge  die  man  sa       tiuita- 
unt  si  seginite  symeon  tis]  ***) 
marien  sinir  müter. 
geleit  in  uersmahte 
de  maniger  in  isrl' 
die  durh  get  ein  swert 
verdin  uon  manigen 
danche.  vnt  ez  was 


46 


47 


48 


div  guten  dinc.  vnt  der  ubile 
nische  uon  dem  ubilin  schaze 
herzen  so  üvrbringet  er  div  u 
dinc.  von  der  genvge  dis  herz 
dit  der  munt.  War  umbe  heiz 
mih  herre  herre.  unt  irn  tut 
des  ih  iv  sage.  Ein  iegilicher  der 
mir  chumit  unt  höret  mine  r 
unt  dar  nah  tut.  daz  irzeige 
wem  er  gelih  si.  Er  ist  gelih  ei 
nischin  der  da  zimbirte  sin  h 
grüp  an  die  hohi.  unt  die  gru 
ueste  sazte  üf  einin  stein,  vn 


*)  Rothes  V  blau  verziert.       **)  Blaues  V  roth  verziert.       ***)  MC.  f.  XIIII. 


460  JOSEPH  HAUPT 

div  gusse  wart  do  ensleif  daz 
zer  dem  huse.  imt  enraoh 


Ltccas  VII,  2—7. 

b       2.  3     n.  der  im  was  uil  liep.  unt  do  si 
amin  uon  ih'u.  do  sante  er  zv  zim 
irn  der  iudin  bitinde.  daz  er 

4  e  unt  heilte  sinen  ebnet,  vnt 
homin  ze  ih'u,  do  batin  si  in  sorc 
sprechinde.  Herre.  er  ist  des  wir 

5  az  du  in  des  gewerst.  wan  er  min 
nser  diet.  unt  er  hat  uns  gezim 

6  unsere  synagoge.  vnt  ih'c  gienc 
n.  vnt  do  ih'c  iezo  niht  ze  verre 
uon  dem  huse.  do  sante  zv  zim 
urio  sine  urivnt  sprechinde. 

e  enmv  dih  niht.  ih  en  bin  niht 
ic  daz  du  chomist  under  min 

7  Wan  ih  en  was  selbe  niht  wir 
z  ih  chomen  wäre  ze  dir.  wan 


Lucas  VIIL  48—52. 

XVI  a      48     vnt  ih'c  sprah  zir.  tohter*)  (din  gl.  .) 
be  hat  dih  behaltin  uar  mit  uride. 

49  vnt  dennoh  do  er  daz  redte,  do  chom 
einir  ze  dem  uvrstin  der  synagoge 
sprechinde.  din  tohter  div  ist  tot. 

50  niht  in  mu  in.  vnt  ih'c  irhorte  daz 
wort,  unt  er  sprah  ze  der  magide 
uater.  niht  enuvrhte  dir.  gelobe  ein 

51  genote  unt  si  wirt  behaltin.  vnt 

do  er  chom  ze  dem  huse.  done  liez  er 
niemen  mit  im  dar  in  gen  wan  pe 
tern  unt  iacobin  unt  iohanuem.  unt 
den  uater  unt  die  müter  der  raa 

52  gide.  unt  alle  die  da  waren  die  cla 
giton  unt  weinton  si.  vnt  ih'c 
sprah.  Niht  entwinint  si  nist  niht 


*)  Von  tohter  ist  nur  die  untere  Hälfte  da. 


BRUCHSTÜCKE  EINER  AHD.  EVANGELIENÜBERSETZUNG.  461 

Lucas  IX.  1 — 6. 

b  1  die  siecliin 

(An  dem  phinz  2     unt  er  sant  sie  ze  brediginde  daz 

tage  in  der  riche  gotis.  unt  ze  heilinde  die 

phingst  woch      3     siechin.  vnt  er  sprah  zin.  niht 
en)*)  entragit  mit  iv  an  den  wec.  we 

dir  gerte  noh  thaschin  noh  brot 
noh  schaz.  noh  zwene  rocche.  en 

4  habit  niht.  imt  in  swelih  hus  ir 
chomit  da  belibet.  unt  chomt  dar 

5  uz  niht,  vnt  swa  man  iwer  niht 
enphfahe.  so  get  uz  der  stat.  unt 
den  stop  iwerre  uvze  den  schutit 

6  ze  gezivge  über  si.  vnt  si  gien 
gen  üz.  unt  durh  giengen  div 
castel  brediginde  unt  heihnde 
alleuthalbin. 


Lucas  IX.  51 — 59. 

XVII a     51  zehimile  unt  er  sin  antlut 

ze  gestarhte.  do  gienc  er  ze  irl'm 

52  unt  sante  boten  uor  siner  bescho 
wide.  unt  si  giengen  unt  chomin 

in  die  stat  der  samaritane.  daz  si  im 

53  da  bereitin.  vnt  si  ne  phiengen  sin 
da  niht.  wan  sin  anthitze  was  ze 

54  gende  ze  irl'm.  Vnt  do  daz  gesahin 
sine  iunger.  iacob  unt  iohannes  do  spra 
chin  sie.  Herre  wil  du.  daz  wir  spre 
eh.  .  daz  daz  uivr  chome  uon  himi 

55  le  unt  uerbrenne  sie.  Vnt  er  cherte 
sih  unt  rafste  sie  unt  sprah.  en  wiz 
zet  ir  niht  welhes  geistis  ir  sit. 

56  Des  mennischin  sun  chom  niht  ze 
uerliesinde  die  sele.  sunder  ze  be 

57  haltinne.  unt  uvrin  ze  eime  andern 

castel.    [Dominica  Uli.  post  epiphaniam.  feria  VI.J 

*)  MC.  f.  XCI. 


4(;2 


JOSf]PH  HAUPT 


*)  Vnt  ez  geschah  do  sie  giengin  an 
dem  wege  daz  einir  sprah  zim. 

58  Ih  nah  uolge  dir  swar  du  gest.  vnt 
ih'c  sprah  zim.  Die  uohin  habint  div 
livger.  unt  die  uogile  des  himiles  div 
nester.  vnt  der  sun  dis  mennischin 
enhat  niht.  da  er  sin  hübit  ge  neige. 

59  vnt  er  sprah  zeime  andirn.  nah  uol 
ge  du  mir.  ^Tnt  er  sprah.  Herre  la 
mih  ze  dem  ersten  gen.  daz  ih  begra 

LiLcas  IX.  60  —  X   6. 

b       60     be  minin  uater.  Vnt  ih'c  sprah  zim. 
la  die  totin  begrabin  ir  totin.  unt 
du  ganc  irchunde  daz  riebe  gotis. 
vnt  ein  andirre  sprah.  Herre  ihc 


61 


nahuolge  dir.  la  mih  ze  dem  ersten 


62 


(von  den 
zwelf 

poten)  f ) 


gen.  daz  ih  ez  irchunde  den  die  da 
heime  sint.  vnt  ih'c  sprah  zim.  Nie 
man  leit  sine  hant  an  den  flüc  unt 
sihit  hinder  sih.  daz  er  geuvget  si 
ze  dem  gotes  riebe.    [De  apostolis.] 
X,  1  ***)  Damahc  marhte  üz  dir  heiTC 
andirre  zwene  unt  sibinzic. 
unt  sante  der  zwene  unt  zwene 
uvr  sin  antlutze.  in  alle  die  stete 
dar  er  chunftic  was  ze  chominne. 
vnt  er  sprah  zin.  michil  ist  daz  snit. 
luzil  ist  der  snitare.  von  div  bitint 
din  lierren  des  snitis  daz  er  werch 
livte  sende  an  daz  snit.  Get  wan  ih 
sende  ivh  alse  div  lember  under 
di  wolue.  Niht  entraget  stap  noh 
sac  noh  thasche  noh  schuhe  noh  en 
gruzet  niemen  an  dem  wege.  vnt 
in  swelh  hus  ir  chomit  so  sprechit 
ze  dem  ersten  uride  si  in  disime  hn 
se.  unt  ob  da  ist  der  sun  dis  uridis.  so 


(An  dem  fritag 

nach  dem  fier 

dem  svntach 

nach  perht 

nachten)  **) 


*)  Blaues  V  roth  vnziert.    **)  MC.  f.  XX.    ***)  Kothes  D.    f)  MC.  f.  III.  (partis  II). 


BRUCHSTÜCKE  EINER  AHD.  EVANGELIENÜBERSETZUNG.  463 

belibet  uf  im  iwer  uride.  enist  des 
niht  so  cheret  widere  üfen  ivch  der 

Lucas  X.   7 — 15. 

XVIII  a     7     uride.  In  dem  seibin  huse  belibet. 

eziude  unt  triuebinde  daz  si  da 

habinde  sin.  wan  wirdic  ist  dir  werc 

man  des  lones.  Niht  enget  üz  eime 

8  huse  in  daz  andir.  unt  in  swelhe  stat 
ir  chomiut  da  man  £vh  enphahe. 

9  da  ezit  swaz  man  iv  sezze.  unt  hei 
lit  die  siechen  die  da  sien.  unt  sagit 
den  livten.  iv  nahit  daz  riebe  gotis. 

10  In  swelhe  stat  ir  aber  chomit  unt 
iwer  niht  enpfahint.  da  get  uz  an 

11  die  straze  unt  sprechit  der  stöp  der 
uns  anehafte  uon  iwerre  stat  den 
wischen  wir  an  iüh.  unt  wizzet 
doh  daz.  daz  nahet  daz  riebe  gotis 

12  vnt  ih  sage  iv  daz.  daz  sodime  an 
dem  iungestin  tage  antlaziger  wirt 

13  denne  der  stat.  Wie  dir  chorozaim. 
wie  dir  bethsaida  wan  wäre  in  tyro 
unt  in  sydone  getan  die  tugent  die 
in  iv  sint  getan  unt  div  dinc.  si  he 
tin  wilint  in  boze  gemachit  in  ha 
rinin  hemidin.  unt  sizinde  in  ahs 

14  schin.  Warliche  sage  ih  ivz.  tyre  unt 
sydone  wirt  antlaziger  an  dem  ur 

15  teilichim  tage  den  iv.  Vnt  du  ca 
pharnaü  du  wanist  dih  ir  hohin  un 
ze  in  den  himil.  unt  du  wirst  ge 

Lucas  X.  15 — 22. 

[De  martyribusj 
b       16     senchit  unze  in  die  helle.  Der  ivh 
horit  der  horit  mih.  unt  der  ivh 
'  uersmahit.  der  uersmahit  mih. 

unt  der  mih  uersmahit  der  uer 
ßmahit  den  der  mih  sante. 


4G4  JOSEPH  HAUPT 

1 7  *)  Unt  die  zwene  unt  iivnfzic 

cherton  widire  mit  urovden 
sprechinde.  Herre.  uns  sint  gehör 
sam  die  tivuel  in  dime  namen.  vnt 

18  ih'c  sprah  zin.  Ih  sah  sathanan  alse 
den  blechzot  uallen  uon  dem  himi 

19  le.  Seht  ih  gap  iv  gewalt  ze  ti'etin 
de  uf  die  slangen  unt  üf  die  scor 
pen.  unt  ufen  alle  die  craft  dis  uien 

20  des  unt  iv  ne  wirret  niht.  Warli 
che  en  vrot  ivh  niht  des.  daz  iv  die 
geiste  gehorsam,  wan  urot  iv  mere 
des.  daz  iwere  namin  sint  gescri 

bin  in  den  himilin.  [Dominica  V.post  octauam  pen- 
[ferialllL]  21  **)An  der  seibin  wile  iruröte  er  tecostes] 

(An  dem  sih  in  dem  heiligen  geiste  unt 

midichen  sprah.  Ih  begihe  dir  uater  herre  des 

nach  dem         himiles  unt  der  erde,  daz  du  hast 
fivnftem  uerborgen  disiv  dinc  uor  den  wi 

svutach  sin  unt  den  wizigen.  unt  hast  si  ir 

nach  phing      offint  den  wenigin.  wan  uater  herre 
sten)***)  22     also  geuiel  dir  ze  tune.  Alliv  disiv 
dinc  sint  mir  gantwrtet  uon  dim 


Lucas  XII.  20-22. 

XIX  a  sose  nemint  si  uon  dir.  die  du  hast 

21  gemachit  wem  werdint  div?  Also 
ist  ez.  der  im  seibin  schaz  saminit. 
dern  ist  niht  riche  in  gote. 

22  Vnt  ih'c  sprah  ze  sinin  iungern. 


Lucas  XII  29—32. 

b       30     ivh  niht.  wan  alliv  disiv  dinc  suchet 
div  diet  der  werlt.  wan  iwer  uater 

31  weiz  wol  wes  ir  bedurfit.  Warliche 
suchet  ze  dem  erstin  daz  riche  go 
tis.  unt  diz  allez  wirt  iv  gegebin. 

32  Niht  euuvrhtiut!  t) 


*)  Rothes  U.       **)  Blanes  A.      ***)  MC.   f.  CI.        f)  Von  diesen  zwei  Worten 
ist  nur  die  obere  Hälfte  da.     Kotlies  N  Idau  verziert. 


BEUCHSTÜCKE  EINER  AHD.  EVANGELIENÜBERSETZUNG. 


465 


Lucas  XII.  38—39. 

XX  a  der  naht,  unt  si  also  uindet   .    so  sint 

39     salic  die  clinehte.  vnt  wizzit  daz. 
wan  wizi  dir  uater  dir  menige 
die  wile  so  dir  chome  dir  diep.  er 
wachite  unt  enlieze  niht  durh 
...   sin  hus  *)    .    .    . 


Lucas  XIL  46—47. 


enweiz.  unt  teilit  in.  unt  sin  teil  se 
47     zit  er  mit  den  ubilin.  Der  ehnet  der 
aber  da  irehennit  den  willin  sinis  her 
rin.  unt  niht  bereite  noh  entet  den 
willin  sinis  herren.  der 


garnit  ez  mit 


27 


28 


29 


Lucas  XXIIL  26—35. 

XXI  a  grifin  si  einin  uon  cirine 
der  cliom  von  eime  dorf. 
im  uf  daz  cruce  unt  note 
traginne  nah  ih'u.  vnt  in 
get  michil  menige  des  li  • 
wibe  die  in  weinton  unt 
in.  vnt  ih'c  cherte  sih  unt  s 
wibin  Thohter  irl'mes  nih 
nit  über  mih.'  wan  weini 
unt  über  iweriv  chint.  wa 
chomint  die  tage  an  den  s 
salic  sint  die  unberhaftin 
buche  die  du  niht  gebarin 
brüste  die  da  niht  ensocten 
ginnin  si  sprechin.  ze  den 
uallet  üfen  uns.  unt  ze  den 
bedechet  uns.  wan  tunt  si 
grünin  holze,  in  dem  durri 
wirt  ez?  vnt  wan  uvrte 
zwene  ander  ubile  ze  dem 
vnt  do  si  chomin  an  die  st 
heizit  ze  chaluaric.  da  er 


30 


31 


32 


33 


36 

37 

38 


39 


40 


41 


42 
43 


Lucas  XXIIL  35—45. 
stimt  unt  baite.  vnt  sin 
e  uvrstin  mit  den  anderen 
de.  die  ander  die  lost  er.  sih  sei 
er  si  crist  der  gotis  irwelte. 
ritter  die  spoton  sin  unt  gien 
in.  unt  brahtou  im  ezich 
chin.  sist  du  chuuic  der  luden 
seibin.  vnt  div  scrift  div 
gescribin.  div  was  uon  bücstabin 
unt  latinin  unt  hebirei 
US.  diz  ist  chunic  der  iudin. 
r  der  schachare  die  bi  im  hien 
spote  sin  unt  sprah.  ob  du 
so  lose  dih  seibin  unt  uns. 
ander  antwrte  im.  unt  rafste 
prall  zim.  Noh  dune  uvrhtes 
du  in  der  selbiu  uerdamnun 
vnt  wir  uon  schuldin  rehte. 
V  unsern  getatin  enphfahin. 
re  enhat  niht  ubilis  getan, 
sprah  ze  ih'u.   Horre  gedenche 
u  chomist  in  din  riche.  vnt 


*)  Von  dieser  Zeile  ist  nur  das  obere  Viertel  da. 
GERMANIA.  Neue  Reihe  II.  (XIV.)  Jahrg. 


30 


466 


JOSEPH  HAUPT,  BRUCHSTÜCKE  etc. 


34 


35 


si  ih'm.  vnt  die  schachare .  c 
der  zeswe .  den  andirn  ze  d 
Stirn,  vnt  ih'c  sprah.  vate 
ins.  wan  sine  wizzin  niht 
tunt.  vnt  si  teilton  sin  ge 
unt  wrfin  dar  üf  ir  loz.  V 


Johannes  VIII.  32—41. 
XXIIa  net  die  warheit  unt  div 

33  machet  ivh  uri.  Vnt  si  ant 
unt  sprachin.  Wir  sin  des 
hames  unt  gedienton  nie 
unt  wie  sprichest  du  daz 

34  werdin?  vnt  ih'c  antwrt 
sprah.  Warliche  warliche  s 
wan  ein  iegelicher  der  da  t 
de.  der  ist  chneht  der  suude 

35  belibet  niht  in  dem  huse  ei 
der  sun  belibet  drinne  ewic 

36  ob  ivh  der  gelediget  warlic 
3  7     det  ir  ledic.  Ih  weiz  daz.  daz 

hames  sune  sit.  unt  ir  such 
zerslahinne.  wan  min  red 

38  het  niht  an  iv.  Daz  ih  sah 
uater  daz  rede  ih.  unt  div 
gesehen  uon  iwerm  uati 

39  ir.  vnt  si  antwrton  im  u 
Abraham  ist  unser  uater 
ih'c  zin.  Ob  ir  habrahames 
tut  div  Averc  abrahames. 

40  ir  mih  zerslahinne.  denn 
der  die  warheit  mit  iv  re 
han  uernomin  uon  gote.  1 

41  abraham  niht.  Ir  tut  div 
res  uater.  vnt  si  sprachin 
sin  niht  geborn  uon  dem 


44 


45 


ch  zim.  Warliche  sage  ih  dirz 
t  du  mit  mir  in  dem  paradise. 
was  uil  nah  div  sehste  wile. 
uinstir  wrdin  üf  aller  der 
an  die  zit  none.  unt  der 
vart  uinstir.  vnt  daz  umbe 


Johannes.   VIII.  41—49. 

b  in  uater  daz  ist  got.  vnt 

42  Ware  got  iwer  uater. ir 

r  holt.  Ih  chom  üz  uon  go 
in  chom  Ihen  bin  niht  cho 
mir  selbim.  wan  er  hat  mih 

43  var  umbe  irchennet  ir  mi 
iht.  Dane  muget  ir  mine 

44  gehorin.  Ir  sit  uon  dem 
tivuel  unt  weit  tun  den 
veres  uater.  Der  was  man 
on  anigenge.  unt  ern  ge 

t  mit  der  warheit.  wan 
it  ist  niht  in  im.  So  iwer 
et  die  luge,  so  redit  er  ein 
an  er  ist  ein  lugiuare.  unt 

45  Daz  aber,ih  iv  die  warheit 
umbe  gelobet  ir  mir  niht. 

46  t  iwer  der  mih  reffe  (sie)  an 
n?  Ob  ih  iv  die  warheit  sa 
nbe  gelobet  ir  mir  niht? 

47  ot  ist.  der  horit  div  wort 
rumbe  enho  [.  . .  .] 

ht.  wan  ir  sit  uon  gote 

48  die  luden  antwrton  im 
hin.  Nu  segin  wir  uns  doh. 
st  ein  samaritanus.  unt 

49  ivuel.  Do  sprah  ih'c  ih  ha 
es  tivuels.  wan  ih  ere 


407 


BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT 

DER 

ERSCHEINUNGEN  AUF  DEM  GEBIETE  DER  GERMANISCHEN 
PHILOLOGIE  IM  JAHRE  18G8. 

VON 

KARL  BARTSCH.*) 


I.   Begriff  und  Geschichte  der  germanischen  Philologie. 

1.  Über  das  Studium  der  altdeutschen  Literatur. 
Der  Katholik  1868,  December. 

2.  Zur  Geschichte  der  deutsehen  Philologie.  Briefe  an  Jos.  Freiherrn 
von  Laßberg.  1.  Briefe  von  G.  F.  Benecke.  2,  Briefe  von  J.  Grimm.  3.  Briefe  von 
W.  Grimm.  4.  Briefe  von  C.  Lachmann.  5.  Briefe  von  J.  A.  Schmeller.  6.  Briefe 
von  K.  H.  G.  V.  Meusebach. 

Gei-mania  13,  118—127.  244—249.  365—384.  487  fg.  489—496.  496—502. 
503—508.  In  besonderem  Abdruck  herauageg.  von  J.  M.  Waguer.  (56  S.)  Wien  1868.  8. 

3.  Verzeichniss  der  von  A.  W.  von  Schlegel  nachgelassenen  Briefsamm- 
lung von  A.  Klette.  Nebst  Mittheilung  ausgewählter  Proben  des  Briefwechsels  mit 
den  Gebrüdern  v.  Humboldt.  F.  Schleiermacher,  B.  G.  Niebvxhr  und  J.  Grimm. 
4.   (Xn,  28  SS.)  Bonn  1868    (Max  Cohen  u.  Sohn). 

S.  XI  fg.  J.  Grimm  au  A.  W.  Schlegel,  Göttingen  23.  Oct.  1832.  Vorhanden 
sind  außerdem  u.  a.  1  Brief  von  B.  J.  Doceu  (1814);  1  von  Fr.  Diez  (^1824);  2  von 
C.  Lachmann  (1826.  1840);  6  von  J.  Grimm  (1826-34);  1  von  Haupt  (1841»;  1  von 
A.  Hültzmaun  (1843),  1  von  Groote  (1843). 

4.  Auerbach,  Berthold,  Deutsche  Abende.  Neue  Folge.  8.  Stuttgart 
1867.   Cotta. 

Enthält  u.  a.  Rede  zum  Gedenkfeste  Uhlands  am  31.  Jan.  1863  im  Yictoria- 
Theater  in  Berlin  S.  121-140;  J.  Grimm  [Deutsche  Blätter,  Oct.  1863]  S.  187—202. 

5.  Ein  brief  Jacob  Grimms. 

Zeitschrift  für  deutsche  philologie  1 ,  227 — 230 :  an  die  Weidmannsche  Buch- 
handlung, über  deutsche  Orthographie. 

6.  Bartsch,  K.,  und  J.  M.  Wagner,  Franz  Pfeiffer  (f  29.  Mai  1868). 
Germania  13,  250 — 256.  Nachnif,  biographische  Skizze  und  Verzeichniss  seiner 

Werke,  letzteres  wiederholt  im  Intelhgenzblatt  zum  Serapeum  Nr.  24  vom  J.  1868. 

7.  K(uh),  Emil,  Nachruf  an  Franz  Pfeiffer. 
Die  Presse  1868,  Nr.  152. 

8.  L am  bei,  Hans,   Zum  Andenken  Franz  Pfeiffers.  Ein  Nachruf. 
Allgemeine  Zeitung  1868,  Nr.  189—191,  Beilage. 

9.  Schlatter,  Rector,  Dem  Andenken  an  Franz  Pfeiffer  gewidmet.  Bei- 
lage zum  Programme  der  solothuruischen  Kantonsschule  1868.   4.   16  S. 


*)  Mit  Unterstützung   meiner  Freunde    K.   Gislason,    Th.  Möbius,   Henry  Sweet, 
M.  de  Vries  und  J.  M.  Waerner. 


'A(\* 


4G8  BIBLIOGKAPIÜSCHE  ÜBERSICHT. 

10.  Schröer,  Franz  Pf eiflFer. 

Neue  Freie  Presse  1868,  Nr.  1374. 

11.  Strobl,  Joseph,  Franz  Pfeiffer. 

K.  Wiener  Zeitung  1868,  Nr.  150  und  auch  besonders  abgedruckt.  (8.  1.3  S.) 

12.  Franz  Pfeiffer. 

Mittheilungen  des  Vereins  für  Geschichte  der  Deutschen  in  Böhmen  ,  7.  Jahr- 
gang, Nr.  2. 

13.  Kolbe,  Pfarrer  Wilhelm,  und  Prof.  Dr.  E.  L.  Th.  Henke,  Reden  am 
Grabe  Aug.  Frdr.  Chr.  Vilmar's.  G-ehalten  am  1.  August  1868.  2.  Aufl.  mit  e.  Nach- 
ruf, gr.  8.   (15  S.)  Marburg  1868.  Elwert.   2  Ngr. 

Vilmar  f  in  der  Nacht  vom  29.  30.  Juli  18G8.  Vgl.  Hauck,  Jahresbericht  IV,  3. 

14.  August  Fr.  Chr.  Vilmar.   Nekrolog. 
Allgem.  Zeitung  1868,  Beilage  222. 

15.  Dr.  August  Friedrich  Christian  Vilmar. 
Allgem.  Kirchen-Zeitung  von  Zimmermann  1868,  Nr.  75. 

16.  August  Friedrich  Christian  Vilmar. 

Neue  Evangel.  Kirchenzeitung  von  Meßmer,  1868,  Nr.  38. 

17.  A.  F.  C.  Vilmar. 
Illustrirte  Zeitung  1314. 

18.  Ferdinand  Deycks.  Nekrolog. 
Allgem.  Zeitung  1868,  Beilage  154. 

19.  Heremans,  J.  F.  J.,  Levensschets  van  Prof.  J.  B.  David.  8.  (13  S  ) 
Leiden  1868.  Brill. 

Abdruck  aus  den  Handelingen  van  de  Maatschappij  der  nederl.  Letterkunde 
te  Leiden.  David,  der  Herausg.  von  Maerlants  Rijmbibel  und  von  Kuysbroek, 
t  24.  März  1866. 

20.  Dijk,  J.  A.  van,  Levensbericht  van  Dr.  L.  A.  tc  V^inkel. 

Aus  dem  Jaarboek  voor  Lager  Onderwijs  1868.  gr.  8.  (20  S.)  te  Winkel,  der  Mit- 
herausgeber des  nl.  Wörterbuches,  f  24.  April  1868. 

21.  Ho  ff  mann  von  Fallersieben,  A.  H.,  Mein  Leben.  Aufzeichnungen  und 
Erinnerungen.  4—6.  Band.  gr.  8.  (390.  339  u.  371  S.)  Hannover  1868.  Rümpler. 

Vgl.  Wissensch.  Beilage  d.  Leipz.  Zeitung  1868  ,  Nr.  42  ;  Novellenzeitung  31 ; 
Lehmanns  Magazin  37;  .Schles.  Zeitung  305;  Braunschw.  Tageblatt  247;  Wiener  Zei- 
tung 304;  AUg.  lit.  Anzeiger  III,  4;  Hessische  Morgenzeitung  3137;  Hist.-polit.  Blätter, 
61.  Band  (1868)  S.  830—857. 

22.  Neuere  Germanisten.  6.  Franz  Pfeiffer.  7.K.  Weinhold.  8.  Fr.  Zarncke. 
Illustrirte  Zeitung  Nr.  1303.  1310.  1323. 

23.  Kuhn,  Ad.,  Franz  Bopp,  der  Begründer  der  vergleichenden  Sprach- 
wissenschaft. 

Unsere  Zeit,  4.  Jahrgang,  10.  Heft. 

24.  Franz  Bopp. 
Europa  1868,  Nr.  21. 

25.  Franz  Bopp. 

Beilage  des  Preuß.  Staats-Anzeigers  1868,  Nr.  58. 

26.  August  Schleicher.   Nekrolog. 

Allgem.  Zeitung  1868,  BeUage  348.  f  6.  Dec.  1868.  " 

27.  Tewes,  Nekrolog  von  Sandhaas. 

Mittheilungen  des  historischen  Vereins  für  Steiermark ,  15.  Heft ,  Gratz  1868. 
Verdienter  liechtshistoriker. 


BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT.  469 

28.  Meyer,  E.  H.,  Johann  Martin  Lappenberg.  Eine  biographische  Schil- 
derung.  8.   (IV,  184  S.)  Hamburg  1867.  W.  Mauke  Söhne. 

n.  Handschriften  künde  und  Bibliographie. 

29.  Tabulae  codicum  manu  scriptorum  praeter  graecos  et  orientales  in  bi- 
bliothcca  palatina  Vindobonensi  asservatorum,  edidit  academia  caesarea  Vindobo- 
nensis.  Vol.  II.  gr.  8.  (461  S.)  Wien  1868.  Gerold.  2^/3  Rthlr.  (Enthält 
Nr.  2001—3500.) 

30.  Catalogus  codicum  Latinorum  bibliothecae  regiae  Monacensis.  Com- 
posuerunt  C.  Halm  et  G.  Laubmann.  Tom.  I  pars  I  (cod.  nr.  1—2329  comple- 
ctens).   gr.  8.   (IV,  294  S.)  Monachii  1868. 

Vgl.  Liter.  Centralbl.  1868,  Nr.  49. 

31.  Kelle,  J.,  Die  Altdeutscheu  Handschriften"  der  k.  k.  öffentlichen  und 
Universitätsbibliothek  in  Prag.  Nachtrag  [zu  Serapeum  1859,  Nr.  3.  4.  5.  — 
1860,  Nr.  1.  4.   —    1861,  Nr.  23.  24.] 

Serapeum  1868,  Nr.  22.  23. 

32.  Derselbe,  Altdeutsche  Handschriften  aus  Prager  Bil^liothekeu.  1.  Lob- 
kowitz.  Bibliothek.  2.  Fürstenberg.  Bibliothek.  3.  Bibliothek  des  Domcapitels. 
4.  Bibliothek  des  Prämonstratenserstiftes  Strahow.  5.  Archiv  dos  Ilathhauses. 
6.  Erweiu  Nostitz'sche  Bibliothek.    7.  Bibliothek  des  Museums  des  Königr.  Böhmen. 

Serapeum  1868,  Nr.  8-20. 

33.  Jacobs,  Dr.  Ed.,  Die  ehemalige  Büchersammlung  Ludwigs  Grafen  zu 
Stolberg  (1505 — 1574)  in  Königstein  und  Mittheilungen  zur  deutschen  Volksdich- 
tung aus  einer  dorther  nach  Wernigerode  gelaugten  Handschrift,  8.  (36  S.  und 
lithogr.  Tafeln.)  Wernigerode  1868.  Augerstein. 

"  Vgl.  Liter.  Ceutralbl.  1868,  Nr.  17. 

34.  Dud  1  k,  Dr.  B.,  Handschriften  der  fürstlich  Dietrichstein'schen  Biblio- 
thek zu  Nikolsburg  in  Mähren.  [Aus  dem  Archiv  f.  Kunde  Österreich.  Geschichts- 
quellen.]  Lex.  8.  (108  S.)  Wien  1868.   Gerold  in  Comm.    16  Ngr. 

35.  Westwood,  J.  0.,  Pacsimiles  of  the  Anglo-Saxon  and  Irish  manu- 
scripts.  Fol.   1868.   21  £. 

36.  Bartsch,  Karl,  Bibliographische  Übersicht  der  Erscheinungen  auf  dem 
Gebiete  der  germanischen  Philologie  im  Jahre  1867.  gr.  8.  (44  S.)  Wien  1869. 
Gerold,    '/g  Rthlr. 

Aus  Pfeiffers  Germania  13,  321—364  abgedruckt. 

37.  Böhlau,  H.,  Die  germanistische  Literatur  Juni  1866  bis  Sept.  1867. 
Jahi-bücher  füi-  Geschiclits-  und  Staatswissenschaften  von  Glaser.  9.  Band,  5.  Heft. 

38.  Bibliotheca  philologica,  oder  geordnete  Übersicht  aller  auf  dem 
Gebiete  der  classischen  Alterthumswisseuschaft  wie  der  älteren  und  neueren  Sprach- 
wissenschaft in  Deutschland  und  dem  Ausland  neu  erschienenen  Bücher.  Herausge- 
geben von  Dr.  Gustav  Schmidt.  20.  Jahrg.  2.  Heft  (S.  75—184),  und  21.  Jahrg. 
1.  Heft  (S.  1—64).  Göttingen  1868.    Vandenhoeck  und  Ruprecht.    9  und  7  Ngr. 

39.  Gräße,  Theodor,  Tresor  de  livres  rares  et  precieux  ou  nouveau  dic- 
tiounaire  bibliographique.  Suppl.  1"^  partie  (Livr.  40).  gr.  4.  (S.  1 — 168.)  Dresden 
1868.   Kuntze.   5  Rthk. 


470  BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT. 

40.  Monuments  typographiques  des  Pays-Bas  au  quinzieme  si6cle.  Col- 
lection  de  fac-simile  d'apris  les  originaux  conservc^s  a  la  bibliotheque  royale  de  la 
Haye  et  ailleurs  publiee  avec  l'autorisation  de  son  Exe.  le  ministre  de  Tinterieur  par 
J.  W.  Holtrop.  Livr.  21—24  (13  u.  138  S.,  pl.  125—133).  gv.  4.  Haag  1868. 
Nijhoff.   f.  20,00. 

41.  Vau  D  oorninck,  J.  J.,  Bibliotheek  van  Nederlandsche  Anonymen  en 
Pseudonymen,  roy.  8.  Afl.  1  —  6  (1 — 576  Sp.)  's  Gravenhage  1868.  Nijhoff 
h  f.  1,05. 

III.   Sprachwissenschaft  und  Sprachvergleichung. 

42.  Curtius,   G.,   Sprache,   Sprachen  und  Völker. 
Daheim  1868,  Nr.  26. 

43.  Müller,  M.,  Nouvelles  lecons  sur  la  science  du  langage  profess^es  en 
1863,  trad.  de  l'anglais  par  M.  G,  Harris  et  G.  Perrot.  Tome  II.  8.  Paris  1868. 
Durand.    7  fr. 

44.  Whitney,  Will.  Dwight,  Language  and  tbe  study  of  language,  twelve 
lectures  on  the  priuciplcs  of  linguistic  science.  8.  (504  S.)  2  edition  augmented 
by  analysis.    London  1868.  Trübner.    10  s.  6  d. 

45.  Kaufmann,  Prof.  Dr.  Job. ,  Über  vergleichende  Sprachforschung.  4. 
(22  S.  und  1  Tafel.) 

Programm  der  Kantonsschule  zu  Lucern  1868, 

46.  Jülg,  Rect.  Prof.  Dr.  B.,  Über  Wesen  und  Aufgabe  der  Sprachwissen- 
schaft mit  einem  Überblick  über  die  Hauptergebnisse  derselben.  Nebst  einem  An- 
hang sprachwissenschaftlicher  Literatur.  Vortrag  bei  Gelegenheit  der  feierl.  Ver- 
kündigung der  Preisaufgaben,  gr.  8.  (IV,  63  S.)  Innsbruck  1868.  Wagner.  12Ngr. 

Vgl.  Zeitschrift  fiü-  deutsche  philologie  1,  499  (O.  Gerland);  Literar.  Centralbl. 
1868,  Nr.  90;  Österr.   Gartenlaube  1869,  Nr.  10. 

47.  Sauppe,  Dr.  Gustav,  Wanderungen  auf  dem  Gebiete  der  Sprache 
und  Literatur.  Vorträge  vor  gebildeter  Zuhörerschaft  gehalten,  gr.  8.  (IV,  223  3.) 
Halle  1868.  Schwabe.   24  Ngr. 

48.  Haupt,  Leopold,   Zur  allgemeinen  vergleichenden  Sprachkunde. 
Neues  Lausitz.  Magazin  44.  Band,  Görlitz  1868. 

49.  Bleek,  W.  H.  J.,  Über  den  Ursprung  der  Sprache.  Herausgeg.  mit 
einem  Vorwort  von  Prof.  Dr.  E.  Häckel.  gr.  8.  (72  S.  mit  1  Steintaf.)  Weimar 
18G8.   Böhlau.    12  Ngr. 

Vgl.  Saturday  Review  690 ;  Literar.  Handweiser  78  ;  Lehmanns  Magazin  1869, 
Nr.  6;  Allg.  Lit.  Anzeiger  III,  5. 

50.  Geiger,  L.,  Ursprung  und  Entwickclung  der  menschlichen  Sprache  und 
Vernunft.  I.Band,  gr.  8   (XXVIII  u.  486  S.)  Stuttgart  1868.  Cotta.  2  Rthlr.  1 6  Ngr. 

Vgl.  Saturday  Review  695  ;  Liter.  Centralbl.  1869,  Nr.  2  ;  Reusch,  Literaturblatt 
1868,  Nr.  25;  Lehmanns  Magazin  Nr.  35. 

51.  Jessen,  E.,  Nyere  Skriften  om  Sprogs  Oprindelse.  Kjöbenhavn  1867. 
8.   36  S. 

Abdrack  aus  Aarbögor  for  nordisk  Oldkyndighed  1867.  Vgl.  Liter.  Centralbl. 
1868,  Nr.  13. 

52.  Jäger,  Dr.  G.,  Über  den  Ursprung  der  menschlichen  Sprache.  Nachtrag. 
Das  Ausland  1868  Nr.  23,  S.  533. 

53.  Bopp,  Fr.,  Vergleichende  Grammatik  des  Sanskrit,  Send,  Armenischen, 


BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT.  471 

Griechischen,  Lateinischen,  Litauischen,  Altshivischen,  Gothischen  und  Deutschen. 
3.  Ausgabe,    1.  Band.  gr.  8.   (XXV,  558  S.)  Berlin  1868.  Dümmler.    4  Rthlr. 

54.  Bopp,  Pr.,  Grammaire  coraparee  des  langues  indo-europeennes  com- 
prenant  le  sanscrit,  le  send,  l'armenien,  le  gvec,  le  latin,  le  littuanien,  l'ancien 
slave,  le  gothique  et  l'allemand.  Traduite  sur  la  2""*  edit.  et  precedee  d'une  intro- 
duction  par  M.  M.  Breal.  Tome  IL  gi.  8.  (XXXVIH,  433  S.)  Paris  1868.  La 
Hachette.  8  fr. 

Vgl.  Revue  critique  1868,  Nr.  33. 

55.  Baudry,  F.,  Grammaire  comparee  des  langues  classiques,  contenant 
la  theorie  elementaire  de  la  formation  des  mots  en  sanscrit,  en  grec  et  en  latin, 
avec  x-eferences  aux  langues  germaniques.  l'"®partie:  Phonetique.  8.  (XIV,  212  S.) 
Paris  1868.  La  Hachette.    6  fr. 

Vgl.  Revue  critique  1868,  Nr.  25;  Liter.  Centralbl.  Nr.  46;  Zeitschr.  f.  vergleich. 
Sprachforschung  18,  284 — 291  (von  Schweizer-Sidler). 

56.  Pick,  F.  C,  Wörtei'buch  der  indogermanischen  Grundsprache  in  ihrem 
Bestände  vor  der  Völkertreunung.  Ein  sprachgeschichtlicher  Versuch.  Mit  einem 
Vorwort  von  Prof.  Dr.  Th.  Benfey.  gr.  8.  (X  und  246  S.)  Göttiugen  1868.  Van- 
denhoeck  und  Ruprecht.    l'Yg  Ethlr. 

Vgl.  Liter.  Centralbl.  1869,  Nr.  19;  Kuhns  Zeitschrift  18,  1. 

57.  Raumer,  R.  v.,  Zweite  Fortsetzung  der  Untersuchungen  über  die  Ur- 
verwandtschaft der  semitischen  und  indoeuropäischen  Sprachen,  gr.  8.  (26  S.) 
Frankf.  a.  M.  1868.  Heyder  und  Zimmer.    10  Ngr. 

58.  Kühn,  Dr.  Albert,  Über  Wurzelvariation  durch  Metathesis.  gr.  8. 
(54  S.)  Bonn  1868.  Max  Cohen,    '/g  Rthlr. 

Vgl.  Liter.  Centralbl.  1868,  Nr.  36  (Delbrück). 

59.  Hovelacque,  Abel,  La  theorie  specieuse  de  Lautverschiebung.  8. 
Paris  1868.  Librairie  Orientale  de  Maison-neuve.    1  fr. 

60.  Kichert,  Märten  Birger,  Bidrag  tili  Läran  om  de  konsonantiska  Ljudla- 
garna  i  äldre  och  uyare  spräk.  L  8.  (382  S.)  Uppsala  1866.  Edquist  och 
Berglund. 

Vgl.  Revue  critique  1868,  Nr.  21  (G.  Paris). 

61.  Schulz,  G.,  Über  das  Verhältniss  des  z  zu  den  entsprechenden  Lauten 
der  verwandten  Sprachen.   8.  (56  S.)  Göttingen  1867. 

Doctordissertation. 

62.  T übler,  Prof.  Dr.  Ludw,,  Über  die  Wortzusammensetzung  nebst  einem 
Anhang  über  die  verstärkenden  Zusammensetzungen.  Ein  Beitrag  zur  philosophi- 
schen und  vergleichenden  Sprachwissenschaft,  gr.  8.  (VIII,  144  S.)  Berlin  1868. 
Dümmler.    1  Rthlr. 

Vgl.  Liter.  Centralbl,  1868  Nr.  49;  Zeitschrift  für  deutsche  philoIogie  1,  357  bis 
364  (Gerland);  Allgem.  Lit.  Anz.  UI,  4. 

IV.  Deutsche  Grammatik. 

63.  Grimm.  Jacob,  Geschichte  der  deutschen  Sprache.  S.Ausgabe.  8. 
2  Bände.   (XVI,   726  S.)  Leipzig  1868.   Hirzel.   4 '/a  Rthlr. 

Vgl.  Revue  critique  1868,  Nr.  13  (G.  I'aris). 

64.  Scherer,  Wilh.,  Zur  Geschichte  der  deutschen  Sprache,  gr.  8.  (XVI, 
492  S.)  Berlin  1868.  Duncker.   2^/3  Rthlr. 

Vgl.  Zeitschrift  für  deutsche  philoIogie  1,  119  —  124  (Delbrück);  Germania  13, 
480-485  (L.  Tobler);    Allgem.  Lit.  Zeitimg  1869,  Nr.  12  ;    Heidelb.  Jahrbücher  1868, 


472  BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT.       ~ 

Nr.  57;  Liter.  Centralbl,  18G9,  Nr.  7;  Revuo  critique  1868,  Nr.  49;  Revue  de  lingni- 
ßtique  II,  1;  Zeitschrift  für  Völkerpsychologie  ö,  4  (ßteinthal);  Kuhns  Zeitschrift"l8, 
4.  5.  Heft;  Preuli.  Jahrbücher  23,  4. 

65.  Schacht,  Dir.  Dr.  L. ,  Über  Geschichte  der  deutschen  Sprache  von 
den  ältesten  Zeiten  bis  zum  Althochdeutschen.   4.   39  S. 

Programm  der  Realschule  1.  Ordnung  in  Elberfeld  für  1868. 

66.  Höfler,   C,  K.  Karls  Verdienste  um  die  deutsche  Sprache. 

Aus  Avignon:  Separatabdmck  aus  den  Mittheilungen  der  k.  böhm.  Gesellschaft 
der  Wissenschaften  VI.  Serie,  1.  Bd. 

67.  Thomsen,  Den  gotiske  sprogklasser  indflydelse  pa  den  finske.  (Leip- 
zig. T.  O.  Weigel.) 

Vgl.  Literar.  Centralbl.  1869,  Nr.  20. 

•68.  Westphal,  E.  ,  Philosophisch-historische  Grammatik  der  deutschen 
Sprache,  gr.  8.   (XXVIII,  278  S.)  Jena  1868.  Mauke.   2  Rthlr.  , 

Vgl.  Germania  14,  380—38.3  (L.  Tobler) ;  Literar.  Centralbl.  1869,  Nr.  9 ;  Magazin 
f.  d.  Lit.  des  Auslandes  Nr.  29;  Satm-day  Review  699. 

69.  Schade,  Oskar,  Paradigmen  zur  deutschen  Grammatik,  gotisch,  alt- 
hochdeutsch, mittelhochdeutsch,  neuhochdeutsch.  Für  Vorlesungen.  2.  Aufl.  gr.  8. 
(IV,  98  S.)   Halle  1868.   Buchh.  d.  Waisenhauses.    12  Ngr. 

Vgl.  Liter.  Centralbl.  1869,  Nr.  18 ;  Zeitschr.  f.  d.  österr.  Gymnasien  19,  Nr.  11 ; 
Allgem.  Lit.  Anzeiger  IH,  4. 

70.  Methn^r,  Dr.  J.,  Einführung  in  die  deutsche  Sprachlehre.  8.  (94  S.) 
Gnesen  1868.   Lange,    '/g  Rthlr. 

Vgl.  Zeitschrift  für  deutsche  philologie  1,  236—239. 

71.  Holzmann,  M.,  Einige  Bemerkungen  über  das  Verhältniss  des  Mhd. 
zum  Nhd. 

Zeitschrift  für  Völkeii^sychologie  5.  Band,  3.  Heft. 

72.  Woeste,  F.,  Litterarische  exegetische  gi'ammatische  und  etymologische 
beitrage  aus  dem  berciche  des  niederdeutschen. 

Zeitschrift  für  deutsche  philologie  1,  214. 

73.  Olinger,  Abbe,  La  langue  nderlandaiae  (flamande  et  hollandaise)  ac- 
compagnee  d'un  essai  sur  ses  etymologies  etc.  Ouvrage  dedie  k  S.  M.  le  Roi.  Tome  I. 
8.   Bruxelles  1868.  Muquardt.   2  Rthlr. 

74.  Koch,  C.  Friedr.,  Historische  Grammatik  der  englischen  Sprache. 
3.  Band:  Die  Wortbildung  der  englischen  Sprache.  1.  Theil.  Angelsächsisch  nebst 
den  andern  germanischen  Elementen,  gr.  8.  (XVI,  184  S.)  Cassel  u.  Göttingen 
1868.  Wigand.    1 V3  Rthlr. 

Vgl.  Zeitschrift  für  deutsche  philologie  1 ,  371  fg.  (M.  Heyne) ;  Revue  de  lin- 
guistique  H,  2 ;  Allgem.  Zeiümg  1868,  Nr.  328. 

75.  Grube,  Emil,  On  the  condition  of  the  english  language  at  the  close  of 
the  14*''  Century.   8.  Berlin  1868. 

Doctordissertation. 

76.  EUis,  A.  J.,  On  early  english  pronounciation  with  especial  reference 
to  Shakspere  and  Chaucer,  containing  an  investigation  of  the  correspondance  of 
writing  with  speech  in  England  from  the  anglosaxon  period  to  the  present  day. 
Part  I:  On  the  pronounciation  of  the  XIV.  XVI.  XVII.  \ind  XVIII.  centuries.  8. 
(VUI,  416  S.)  London  1867.  Trübner.   S'/^  Rthlr. 

Publication  der  Early  English  Text  Society. 

77.  Eask,   A  .short,  practical  and  easy  method  of  learning  the  old  norsk 


BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT.  473 

tongue  or  icelandic  language,  with  an  icclandic  reader  by  H.  Lund.   kl.  8.  London, 
Thimm.  4  s. 

78.  Rydqvist,  J.  E.,   Svenska  spräkets  lagar.  Kritisk  afhandling.  IV.  Bd. 
1.  Theil  (Lautlehre).  Stockholm  1868.  Klemming.  (227  S.)   2  Rthlr. 

79.  Dalin,  A.  F. ,   Öfverblick  af  Svenska  spräkets  Ordfamilier  och  Frlind- 
skaps  forhallanden   (VI,  134  S.).   Stockholm  1868.   Beckmann. 

80.  Jessen,  E.,  Dansk  sproglsere.  8.  (80  S.)  Kjöbenhavn  1868.  Gyldendal. 

81.  Wimmer,   Ludw. ,   Den  historiske  Sprogforskniug  og  Modersmälet.   8. 
(56  S.)  Köbenhavn  1868. 

Abdmck  aus  den  Aarböger  for  nordisk  Oldkyndighed  1868  ,    S.  257—312.    Vgl. 
Liter.  Centralbl.  1869,  Nr.  21. 


82.  Delbrück,  Berthold,  Die  deutsche  lautverschiebung. 
Zeitschrift  für  deutsche  philologie  1,  1-21.  133 — 156. 

83.  Wimmer,  L,  F.  A. ,  Navneordenes  Böjning  i  aeldre  Dansk  oplyst  af 
oldnordisk  og  andre  sprog  i  vor  sprogast.  8.   (VI,  127  S.)  Köbenhavn  1868.  Prior. 

Vgl.  Liter.   Centralbl.  1868,  Nr.  13;  Revue  critique  Nr.  18. 

84.  Meyer,  Leo,   Zur  gotischen  pronominalflexion. 
Zeitschrift  für  deutsche  philologie  1,  24. 

85.  Uppström,   Wilhelm,  Über  das  gothische  Medium. 
Germania  13,  173—178. 

86.  Walter,  C.  H.  F. ,  Die  starke  Conjugation  im  Tatian.  4.  (19  S.) 
Kiel  1868. 

Doctordissertation:  Theil  einer  Ai-beit  über  die  Foi'menl ehre  der  Mundart  des  Tatian. 

87.  Lucte,  Prof.  K.,  Über  Bedeutung  und  Gebrauch  der  mhd.  Verba  auxi- 
liaria.   1.  Abtheilung.   4.   (22  S.)  Marburg  1868. 

Einladungsschrift  zum  Prorectoratswechsel. 

88.  Schulze,   C,  Imperativisch  gebildete  Substantiva. 
Archiv  für  das  Studium  der  neueren  Sprachen  43,  13 — 40. 

89.  Tobler,  L.,  Über  den  Gebrauch  des  deutschen  „und"  mit Vergleichung 
verwandter  Spracherscheinungen. 

Germania  13,  91—104. 

90.  Latendorf,  Friedr.,  Die  Endung  er  und  die  Partikel  ofZer  bei  unbe- 
stimmten Zahlenangaben. 

Ebenda  202—207. 

91.  Andres en,   Syntax  des  Numerus  mit  Beziehung  auf  J.  Grimms  Stil. 
Neue  Jahrbücher  für  Philologie  und  Pädagogik  98.  Bd.,  11.  Heft. 

92.  Michaelis,  Dr.  G.,  Über  J.  Grimms  Rechtschreibung,  gr.  8.  (28  S.) 
Berlin  1868.   Lobeck.   7  V^  Ngr. 

Vgl.  Allgem.  Schulzeitung  1869,^,Nr.  6;    Mensch,  pädagog.  Zeitung  1868,  Nr.  51. 

93.  Über  das  Verhältniss  des  phonetischen  Princips  zum  etymologischen 
in  J.  Grimms  Rechtschreibung. 

Zeitschrift  für  Stenographie  und  Orthographie  16.  Jahrg.  3.  Heft. 

94.  Hipp  auf,  RectorHerm. ,  Ein  Wort  über  deutsche  Rechtschreibung. 
Denkschrift  zur  1000jährigen  Jubelfeier  des  von  Otfried  verfassten  im  J.  868  nach 
Chr.  demK.  Ludwig  dem  Deutschen  gewidmeten  ersten  deutschen  Buches.  8.  (51  S.) 
Halberstadt  1868,   Fischer  in  Comm.    Vi  l^tUr. 


474  BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT. 

95.  Schulz,  Bernh.,  Die  Rechtschreibung  im  Deutschen.  Mit  Belegen  aus 
dem  Alt-  und  Mittelhochdeutschen.  8.  (VIII,  80  S.)  Paderborn  1868.  Schöuingh. 
'/4  Rthlr. 

96.  Frisch,  Kaspar,  Die  deutsche  rechtschreibung  auß  den  regeln  irer 
historischen  entwicklung.  und  mit  fergleich  aller  germanischen  dialekte  dargestellt. 
8.   (XV,  180  S.)  Leipzig  1868.  Häfele.   25  Ngr. 

V.  Deutsche  Lexicographie. 

97.  Deutsches  Wörterbuch  von  Jacob  Grimm  und  Wilhelm  Grimm. 
Fortgesetzt  von  Dr.  Rudolf  Hildebrand  und  Dr.  Karl  Weigand.  5.  Band,  7.  und 
8.  Lieferung  [Knirren — Krachen],  hoch  4.  iSp.  1441  — 1920).  Leipzig  1868. 
Hirzel.   k  %  Rthlr. 

Desselben  vierten  Bandes  zweite  Abtheilung,  bearbeitet  von  Dr.  Moriz 
Heyne.    1.  Lief.    [H— Halmenjungfrau],  hoch  4.   (Sp.  1  —  240).    Ebend.   %  Rthlr. 

98.  Birlinger,  A. ,  Nachträge  zu  J.  und  W.  Grimms  deutschem  Wörter- 
buch,  5.  Band,   2.  und  3.  Lieferung.   Von  R.  Hildebrand:   Kartenbild — Kind. 

Ai'chiv  für  das  Studium  der  neueren  Sprachen  41,  464 — 473. 

99.  Nesselmann,  G.  H.  F.  ,  Ein  deutschpreußisches  Vocabularium  aus 
dem  Anfange  des  15.  Jahrhunderts.  Nach  einer  Elbinger  Handschrift  mit  Erläute- 
rungen herausg.   gr.  8.   (III,  56  S.)  Königsberg  1868.  Theile.    '/„  Rthlr. 

Abdnick  aus  der  altpreußischen  Monatsschrift  5.  Band.  Vgl.  Liter.  Centralbl. 
1869,  Nr.  5;  Kuhn  und  Schleicher,  Beiträge  6.  Band,  1.  Heft;  Anzeiger  für  Kunde  der 
deutschen  Vorzeit  1869,  Nr.  3;  Zeitschrift  für  deutsche  philologie  1,  256. 

100.  Dietz  ,  Ph.  ,    Wörterbuch  zu  Dr.  Mart.  Luthers  deutschen  Schriften. 

I.  und  2.  Lief.  Lex.  8.  (S.  1—384).  Leipzig  1868,  Vogel,   ä  1  Rthlr. 

Vgl.  Zeitschrift  für  vergleichende  Sprachforschung,  18.  Band,  3.  Heft. 

101.  Vries,  M.  de,  en  L.  A.  te  Winkel,  Woordenboek  der  Neederland- 
sche  Taal.  Aflev.  7.  roy.  8.  (Sp.  961  —  1152).  's  Gravenhage  1868.  Nijhoff. 
ä   16  Ngr. 

102.  Bosworth,  J.,  Anglosaxon  dictionary.  New  edition.   8.   1868.    12  s. 

103.  Skeat,  W.  W. ,  A  Moeso-gothic  glossary,  with  an  introduction,  an 
outline  of  Moeso-Gothic  Grammar  and  a  List  of  Anglo-Saxon  and  Old  and  Modern 
English  Words  etymologically  connected  with  Moeso-Gothic.  4.  London  1868. 
3  Rthlr. 

104.  S tratmann,  Franc.  Henry,  A  dictionary  of  the  english  language  of 
the  13.,   14.  and  15.  centuries.  Part  VIL  gr.  8.  (X  S.  u.  S.  577—694).  Krefeld 

1867,  Gehrich  u.  Co.  in  Comm.   1  '/g  Rthlr.,   compl.  8 '/g  Rthlr. 
Vgl.  Zeitschrift  für  deutsche  philologie  1,  364-371  (Koch). 

105.  Stratmann,  Franz  Heinrich  ,  Beiträge  zu  einem  Wörterbuche  der 
englischen  Sprache.  7.  (Schluß-)  Lieferung,  gr.  8.  (S.  481—557).  Ebend.  1868. 
k   '/.j  Rthlr. 

106.  Halliwell,  J.  C,  Dictionary  of  archaic  and  proviucial  words.  6'^  edi- 
tion.  2  vol.  8.   1868.   15  s. 

107.  Grose,  J.,   Classical  dictionary  of  the  vulgär  tongue.   New  edition.  8. 

1868.  6  s. 

108.  Kindblad,   K.    Ed.,     Ordbok   öfver  Svenska   spr:lket.   I,   3.   4   und 

II,  1:  arbutsiurättning — bräuua.  gr.  8.  Stockholm  1868.  Eklund.  (I,  S.  257 — 480, 
II,   S.  1—112). 


BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT.  475 

109.  Dalin,  A.  F. ,   Svensk  Handordbok,  med  tilla;g  af  ordens  etymologi. 
8.   (VI,  802  S.)  Stockholm  1868.   Beckman. 

110.  Dahl,  H. ,    100  danske  ord  ,  nogle  iagttagelser  af  modersmalet  brug 
i  nutid  og  fortid.   8.  (106  S.)  Köbeohavn  1868.    15  Ngr. 


111.  Schmidt,  Aug.,  Professor  am  Lyceum  in  Mannheim,  Hülfsbuch  für 
den  deutschen  Unterricht  in  obern  Gjmnasialklassen.  Nebst  einem  Doppelanhang  : 
a.  latein.  Wörter  im  Altdeutschen;  b.  altdeutsche  Wörter  im  Französischen,  gr.  8. 
(IV,  140  S.j  Leipzig  1868.   Teubner.    12  Ngr. 

112.  Brandes,  Dr.  H.  K.,  Die  deutscheu  Wörter  aus  der  Fremde.  8.  (98  S.) 
Detmold  1868.  Meyer. 

Vgl.  Literar.  Centralbl.  1868,  Nr.  16. 

113.  Tyllberg,  H.  K. ,  Bidrag  tili  etymologiskt  lexicon  öfver  främmende 
ord  i  svenska  spräget.   8.   612  S.   "i^li  Rthlr. 


114.  Mahn,  K.  A.  F.,  Über  den  Ursprung  und  die  Bedeutung  der  Namen 
der  europäischen  Flüsse. 

Stoa.  Zeitschiift  für  die  Interessen  der  höheren  Töchterschulen,  1.  Heft.  S.  19 — 24. 

115.  Obermüller,  Wilhelm,  Deutsch-keltisches,  geschichtlich  geographi- 
sches Wörterbuch  zur  Erklärung  der  Fluß-,  Berg-,  Orts-,  Gau-,  Volks-  und  Personen- 
namen Europas,  Westasiens  und  Nord-Afrikas  im  Allgemeinen,  wie  Deutschlands 
insbesondere  nach  den  daraus  sich  ergebenden  Folgerungen  für  die  Urgeschichte 
der  Menschheit.  7  —  10.  Lief.  gr.  8.  (2.  Band,  S.  1—384).  Leipzig  1868.  De- 
nicke,  ä  Va  Kthlr. 

116.  Maeder,  D. ,  Ein  Wort  über  Aargauische  Ortsnamen.  8.  (45  S.) 
Aarau  1867.   Christen.    6  Ngr. 

Vgl.  Literar,  Centralbl.  1868,  Nr.  16. 

117.  Keltische  und  slavische  Ortsnamen  im  südwestlichen  Deutschland: 
der  Schwabenortsname  Ganslosen. 

Magazin  für  die  Literatur  des  Auslandes  1868,  Nr.  34, 

118.  Hundt,  Graf  Friedr.  Hekt.,  Beiträge  zur  Feststellung  der  historischen 
Ortsnamen  in  Bayern  und  des  ursprünglichen  Besitzgs  des  Hauses  Scheyern- Witteis - 
bach.  [Aus  den  Abhandl.  d.  Ak.  d.  Wiss.]  gr.  4.  (79  S.)  München  1868.  Franz 
in  Comm.    1  Rthlr.  2  Ngr. 

Vgl.  Literai-,  Centralblatt  1869,  Nr,  5. 

119.  Petters,  J.,  Über  die  deutschen  Ortsnamen  Böhmens. 

Mittheilungen  des  Vereins  für  Gesclüchte  der  Deutscheu  in  Böhmen.  7.  Jahr- 
gang (1868). 

120.  Mülverstedt,  v. ,  Ad  vocem  Dodeleben.  Beitrag  zur  Untersuchung 
über  die  Ortsnamens-Endungen  -leben  und  -legen.  0.  0.  (1868).   8. 

121.  Hinüber,  Erklärung  solcher  namen  von  örtern  und  örtlichkeiten  der 
grafschaften  Hoja  und  Diepholz,  deren  abstammung  oder  bedeutung  sich  nicht  sofort 
aus  dem  namen  selbst  ergibt,  von  einem  Niedersachsen,  gr,  8.  (29  S,)  'Göttingen 
1868,  Dieterich  in  Comm.    ^4  Rthlr. 

122.  Brandes,  Prof.  und  Rector,  Die  weltlichen  und  geistlichen  Herren 
mit  ihrem  Gefolge  in  den  geographischen  Namen,   4, 

Programm  des  Gj'miiasiums  zu  Lemgo    1868. 


47 G  BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT. 

123.  Dyrlund,  J.,  I  anledning  af  Capitain  E.  Madsens  afhandlinger  om 

danske  stednavne. 

Tidskrift  for  Philologi  og  Pädagogik,  7.  Jahrgang  (1868). 

124.  Madsen,  E.,  Sjaelandske  Stednavne.   8.  Köbenhavn  1866. 
Vgl.  Kevuc  critique  1868,  Nr.  35. 

125.  Freudenthal,  A.  0.,    Om  svenska  ortsnamn  i  egentliga  Finland. 
Med   en    sidoblik   pa    dem   som   förekomma   i    Satakunda    och  Osterbotten.      Om 

Alands  Ortsnamn. 

Bidrag  tili   kännedom  of  Finlands  natnr   och   volk.     11.    12.   Heft.     Helsingfors 
1868.  8. 


126.  Stark,  Franz,  Keltische  Forschungen.  I.  Keltische  Namen  im  Ver- 
brüderungsbuche von  St.  Peter  in  Salzburg.  1.  Theil.  gr.  8.  Wien  1868.  Gerold 
in  Comm. 

Aus  dem  59.  Bande  der  Sitzungsberichte  der  "Wiener  Akademie  S.  159—238 
abgednickt. 

127.  Stark,  Franz,  Die  Rosenamen  der  Germanen.  Eine  Studie.  Mit  drei 
Excursen:  1.  Über  Germanen.  2.  Über  den  Ursprung  der  zusammengesetzljen  Na- 
men. 3.  Über  besondere  friesische  Namensformen  und  Verkürzungen,  gr.  8. 
(III,  204  S.)  Wien  1868.  Tendier.   2  Rthlr. 

Vgl.  Zeitschrift  für  deutsche  Philologie  1,  232-235  (Gerland);  Kuhns  Zeitschrift 
18,  Band,  3.  Heft;    Allgem.  Zeitung  1868,  Nr.  136;    Augsburg.  Postzeitung,  Beilage  43. 

128.  Ruprecht,  L.,  Zu  den  ostfriesischen  Kosenamen. 
Geimania  13,  301—310. 

129.  Stark,  Franz,  Über  friesische  Kosenamen. 
Germania  13,  392—399. 

130.  Die  deutschen  Vornamen  und  ihre  Bedeutung. 
Hausblätter  1868,  Nr.  26,  S.  404. 

131.  Andre sen,  Hoffmann  von  Fallersieben  und  die  deutschen  Fami- 
liennamen. 

Zeitschrift  für  vergleichende  Sprachforschung  18.  Band,  4.  Heft. 

132.  Andresen,  Familiennamen  auf -holz,  -wald  und -gold. 
Neue  Jahrbücher  für  Philologie  und  Pädagogik  98.  Band,  3.  Heft. 

133.  Andresen,  K.  G.,  Die  deutschen  Familiennamen  auf -mann. 
Archiv  für  das  Studium  der  neueren  Sprachen  42,  409 — 432. 

134.  Andresen,  K.  G.,  Imperativnamen. 

Archiv  für  das  Studium  der  neueren  Sprachen  43,  395 — 404. 

135.  Meyer,  Leo,  Über  die  in  Dorpat  vorkommenden  Familiennamen. 
Vortrag. 

Aus  der  baltischen  Monatsschrift  17.  Band,  4.  Heft. 

136.  Clarnok,  R.  S. ,  Ludus  patronymicus  or  etymologies  of  curious  sur- 
names.  8.  1868.   7  s.  6  d. 

137.  Gislasou,  Konrad,  Hc?7- som  sidstc  Led  i  sammensatte  oldnordiske 
Quindenavne. 

Aarbüger  for  nordisk  Oldkyndighed  1868,  S.  351—353. 

138.  Baumann,  W.,  Sprachliche  Untersuchung  der  deutschen  Müuzuameu. 
Deutscher  Sprachwart,    3.  Band. 


BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT.  477 

139.  Wackernagel,  Prof.  Dr.  Wilb.  ,  Voces  variae  animantium.  Pro- 
gramm für  die  Eectoratsfoier  der  Universität.  Basel  1867.  Babnmaier.    Yg  Etlilr. 

Vgl.  Literar.  Centralbl.  1868,  Nr.  16. 

140.  Stegmann,  H.,  Über  deutsche  Storchnamen. 
Deutscher  Sprachwart,  3.  Band. 

141.  Winkel,  L.  A.  te,  Over  de  etjnnologie  van  Geen  (Nullus). 
Verslagen  en  Mededelingen  der  kgl.  Akademie  van  Wetenschapen.  Afdeel.  letter- 

kunde,  11  Deel,  S.  225-233. 

142.  Winkel,  L,  A.  te ,  Over  de  etymologie  der  woorden  Noch,  Nog  en 
Nochte. 

Ebend.  S.  100—111. 

VI.  Deutsche  Mundarten. 

143.  Birlinger,  A.,  Zur  Dialektforschung. 

Zeitschrift  für  vergleichende  Sprachforschung  18.  Band,  1.  Heft. 

144.  Birlinger,  A.,  Zur  Kunde  der  süddeutschen  Mundarten  des  17.  und 
18.  Jahrhunderts. 

Ai'chiv  für  das  Studium  der  neueren  Sprachen  43,  221 — 235.  1.  Schweizer-ale- 
mannisch (17.  Jh.).  2.  Bairisch-salzburgische  Mundart  (Aufang  des  18.  Jh.)  3.  Klagliedl 
zwayer  bayr.  baurey.  4.  Sprachliches  aus  Forers  Thierbuch.  5.  Aus  einem  alemann. 
Incimabel. 

145.  Birlinger,  Dr.  A.,  Die  alemannische  Sprache  rechts  des  Eheines 
seit  dem  13.  Jahrhundert.  1.  Theil.  Grenzen.  Jahrzeitnamen.  Grammatik,  gr.  8. 
(Vm,   206  S.)   Berlin  1868.   Dümmler.   1 V3  Ethlr. 

146.  Reinsberg  -  Düringsfeld ,  Frh.  v. ,  Die  Mundart  des  Burg- 
grafenamts. 

Archiv  für  das  Studium  der  neueren  Sprachen  43,  175  —  184. 

147.  Haltrich,  Joh.,  Negative  Idiotismen  der  siebeubürgisch-sächsischen 
Volkssprache.  Programm  des  evangel.  Gymnasiums  zu  Schässburg  1866.  8.  (56  S.) 

Vgl.  Archiv  für  das  Studium  der  neueren  Sprachen  42,  467. 

148.  Bertleff,  Beiträge  zur  Kenntuiss  der  Nösner  Volkssprache.  Hermann- 
stadt 1868.   8.  Programm. 

149.  Rücker  t,  H.,  Entwurf  einer  systematischen  Darstellung  der  schlesisch- 
deutschen  Mundart  im  Mittelalter  (Fortsetzung). 

Zeitsclu-ift  des  Vereins  für  Geschichte  und  Alterthum  Schlesiens.  9.  Bd.,  S.  27 — 72. 

150.  Rückert,  H.,  Zur  Charakteristik  der  deutschen  mundarten  in  Schle- 
sien. I. 

Zeitschrift  für  deutsche  philologie  1,  199 — 213. 

151.  Wander,  K.  F.  W.,  Ein  Wort  über  schlesische  Mundart. 

Rübezahl  1868,  S.  266—269. 

152.  Regel,  Karl,  Die  Ruhlaer  Mundart,  gr.  8.  (VIII,  314  S.)  Weimar 
1868.  Böhlau.   2  Rthlr. 

Vgl.  Ai-chiv  für  das  Studium  der  neueren  Sprachen  43,  441  fg.  (Birlinger).  Allo-. 
Lit.  Anzeiger  IH,  5. 

153.  Gilow,  Chr.,  Leitfaden  zur  plattdeutschen  Sprache ,  mit  besonderer 
Berücksichtigung  der  südwestl.  vorpommerschen  Mundart,  gr.  16.  (VII,  115  S.) 
Anclam  1868.  Krüger  in  Comm.   1  Rthlr. 

154.  Über  den  Werth  der  plattdeutschen  Mundart.  16.  Jahresbericht 
des  altmärk.  Vereins  für  vaterländ.  Geschichte.  Magdeburg  1868. 


478  BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT. 

155.  Winkler,  Johan,  Over  de  taal  en  de  tongvallen  der  Friezen.  gr.  8. 
(53  S.)  Leeuwarden  1868.  Eckhofi".  f.  0,30. 

156.  Halbertsma.  J.  H.,   Over  de  uitspraak  van  het  Landfriesch. 
Taalgids,    Tijdskrift  tot  uitbreiding  van  de  kennis  der  Nederlandsche  Taal.    IX, 

1—51. 

157.  Winkler,  Johan,  De  Leeuwarder  tongval  en  het  Leeuwarder  taal- 
cigen.   Eene  bydrage  tot  de  kennis  der  Nederlandsche  dialecten. 

Ebend.  S.  210-227.  293—309. 

158.  Sturzen -Becker,  Wm.  T.  P.,  Some  notes  on  the  leading  gramma- 
tical  characteristics  of  the  priucipal  early  english  dialects.  An  academical  disser- 
tation.   8.   Copenhageu  1868. 

^59.  Lysons,  S.,  Our  Vulgär  Tongue,  a  lecture  on  language  in  general 
with  a  few  words  on  Gloucestershire  in  particular,  with  an  appendix  containing 
tables  of  the  world-wide  affinity  of  languages.  kl.  8.  (112  S.)  London  1868. 
Trübuer. 

160.  Schmeller,  J.  Andr.,  Bayerisches  Wöi'terbuch.  Zweite,  mit  des  Ver- 
fassers Nachträgen  vermehrte  Ausgabe  im  Auftrage  der  historischen  Cimraission 
hei  der  k.  Akad.  d.  Wiss.  bearbeitet  von  Gr.  K.  Frommann.  l.Lief.  München  1869. 
Lit.  Artist.  Anstalt.   Sp.  1  —  240:  A — Baeumen. 

Vgl.  Germania  14,  114—116  (Lambel);  14,  247-254  (Schröer);  Allgem.  Zeitung 
1869,  Nr.  38. 

161.  Birlinger,  A.,  Fränkisches. 

Archiv  für  das  Studium  der  neueren  Sprachen  42,  477  fg. 

162.  Birlinger,  A.,  Klatte.  —  Kräl,  Krail. 
Archiv  für  das  Studium  der  neueren  Sprachen  43,  469. 

163.  Bech,  Fedor,  Beiträge  zu  Vilmars  Idioticon  von  Kurhessen.  8.  (26  S.) 

Zeitz  1868. 

Programm  des  Gymnasiums.' Vgl.  Literar.  Centralbl.  1868,  Nr.  41. 

164.  Beyersdorff,  Dr.,  Über  Slavisches  im  Deutschen.  Beiträge  zu  einem 

Idiotikon. 

Kübezahl  1868,  S.  446-449.  497—499.  549—552. 

165.  Atkinson,  J.  C. ,  A  glossary  of  the  Cleveland  Dialect,  explanatory 
derivative  and  critical.  4.  (670  S.)  London  1868.   Smith.   8  Rthlr. 

166.  Huntley,  R.  W.,  Glossary  of  Cotswold  Dialect.  8.  1868.  2  8. 
(Gloucestershire-dialect.) 

167.  Rheinschwäbisch.  Humoristische  Gedichte  vom  Verfasser  „des 
weiland  Gottlieb  Biedermaier".  16.  (III,  196  S.)  Curlsruhe  1868.  Bielefeld.  12Ngr. 

168.  Stein,  Wilhelm,  Us  'm  Neckerdhai.  Gedichte  in  schwäbischer  Mund- 
art, gr.  16.   (VIII,  138  S.)   Stuttgart  1868.  Grüninger.   18  Ngr. 

169.  Kobell,  Franz  v.,  G'schpiel.  Volksstücke  und  Gedichte  in  oberbay- 
rischer Mundart.   8.  (VII,  215  S.)  München  1868.  DempwolflF.   1  Rthlr. 

Vgl.  Über  Land  und  Meer  Nr.  37. 

170.  Gedichte  in  fränkischer  Mundart.  Von  A— R.  32.  (23  S.)  Würz- 
burg 1868.   Stahel.   3  Ngr. 

171.  Bilder  und  Klänge  aus  Rudolstadt.  In  Volksmundart.  (Von  Anton 
Sommer.)  1.  Heft,  4.  Aufl.  Mit  einer  Musikbeilage.  16.  (120  S.)  Rudolstadt  1868. 
Scheitz.    V3  Rthlr. 


BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT.  479 

172.  Giebe  Ihauseu,  C.  F.  A  ,  Der  Berggeist.  Ernste  und  heitere  Mit- 
theilungen aus  Mansfelds  Vor-  und  Neuzeit  in  Volksmuudart.  8.  (XII,  120  S.) 
Halle  1868.   Pfeffer.    y„  Rthlr. 

Vgl.  Rübezahl  1869,  2.  Heft. 

173.  Plattdeutsche  Dichter. 

Magazin  für  die  Literatur  des  Auslandes  1868,  Nr.  23. 

174.  Kien n  er,  De  plattdütsche,  up  dat  Jahr  1869,  unner  Byhulp  van  Jan 
van  Buten,  Kassen  Dukdal,  Dr.  Swerenoth  etc.  herutgowen  v.  K.  Fr.  B — n.  8. 
(XVI,  104  S.)  Jever  1868.   Mettcker.   6  Ngr. 

175.  Rieme  un  Biller.  4.  Heft  d'r  Verzietssagen.  gr.  4.  (8  lith.  Seiten  mit 
eingedr.  Text.)   2.  Abdr.  Nord nausen  1868.  Förstemann.   2  y2  Ngr. 

176.  Snörken  un  Hamörken.  Plattdütsche  Rimels  vun  mi  sülwst.  8.  (VIII, 
224  S.)  Hannover  1869.   Cruse.    Vg  Rthlr. 

177.  Gilow,  Chr.,  Vörspill  to'r  Hochtid.  gr.  16.  (56  S.)  Anclam  1867. 
Krüger  in  Comm.    ^/i  Rthlr. 

178.  Hill,  Eud.,  Lütte  Schnurren.  Plattdeutsche  Gedichte.  8.  (VI,  156  S.) 
Prenzlau  1868.   Vincent.    I2V2  Ngr. 

179.  Reuter,  Fritz,  sämmtliche  Werke.  13.  Band.  8.  (V,  354  S.)  Wismar 
1868,  Hinstorff.    1  Rthlr. 

Inhalt:  Olle  Kamellen.  7.  Theil:  De  meklenbörg.  Montecchi  und  Capuletti  oder 
de  Reis'  nach  Konstantinopel.  1—3.  Auflage. 

180.  Dieselben,  7.  Band.  6.  Auflage.  8.  (IV,  301  S)  Ebend.  1868.  1  Rthlr. 

181.  Brinckman,  John,  Kasper  Ohm  un  ick.  Schiemannsgoarn.  De  2. 
Uplag  un  dreeduwwelt  Maat  m.  een  feines  Bild  uht  P.  Tischbeinen  sien  Warkstähr. 
gr.  16.  (385  S.)  Rostock  1868.  Leopold.   1  V3  Rthlr. 

182.  Dumm  Hans  oder  dat  Hasenhöden.  Ene  wehrhaft  Geschieht,  de  sik 
vor  Ollers  mal  begeben  het,  nach  Vattiug  Möllern  sine  Vertelling  un  in  sine  Mundort 
dalschreben  in  teigen  Singsangs  v.  Mi.  Ene  Angeigeschicht  m.  en  prächt.  Titel- 
bild, gr.  8.  (X,  61  S.)   Bützow  1868.    '^  Rthlr. 

183.  Groth,  Klaus,  Quickborn.  Mit  Holzschnitten  nach  Zeichnungen  von 
0.  Speckter.  2.  unveränd.  Aufl.  Billige  Ausgabe.  1.  Lief.  gr.  8.  (40  S.  mit  ein- 
gedr. Holzschn.)  Hamburg  1868.  Mauke.    V4  Rthlr. 

184.  Schröder,  W.,  Dat  Wettloopen  twischen  den  Swinegel  un  den  Hasen 
up  de  lütje  Haide  bi  Buxtehude.  Plattdeutschcö  Volksmärchen.  Als  Anhang:  de 
Bruutganter.  Humoreske,  gr.  8.   (20  S.j  Hannover  1868.   Seefeld.    6  Ngr. 

185.  Derselbe,  Swinegels  Levensloep  un  Enne  in  n  Staate  Mufirika. 
4.   1868. 

186.  Büsing,  P.,  Wie  Harm  Ahlers  upper  Melkstraten  seilde.  En  Vertellsel 
van  Gerd  Tenjers.   16.   (105  S.)  Bremen  1868.  Tannen.    Vg  Rthlr. 

187.  S  w an n e b lum men.  Jeirboekje  for  it  skrikkeljier  1868.  Utjown  fen  't 
Selscip  foar  Frysce  Taal  in  Scriftenkinnisse.  8.  (76  S.)  Liowerd  1868.  Akke- 
ringa.  f.  0.30. 

188.  Iduna.  Frisk  rim  end  ilnrim.  Utjown  fen't  selskip  for  Friske  taal  end 
skriftenkennisse.   Oarde  Rige.   24.  Jierg.  Liowerd  1868.  Akkeringa.  f.  1,00. 

189.  Sitstra,  Härmen,  Telljes  en  Eimkes.  8.  (96  S.)  Leauerd  1867. 
S  uringar. 

190.  Barnes,  W.,  Poenvs  of  rural  life  in  commun  english.  12.  1868.  6  s. 
(Dorset-dialect.) 


480  BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT. 

191.  Brierly,  B.,  Al-o'-th'-Yate  on  Times  and  Things.   12.   1868.   1  s. 

192.  Derselbe,  Al'o'-th'-Yate  in  London.  12.  1868.  2  s.  (beide  Lanca- 
shiredialect.) 

193.  Hawker,  R.  S.,   Cornish  Ballads.   12.   1868.   5  s. 

194.  Waugh,  E.,  Birthplace  of  Tim  Bobbin  in  the  parish  of  Ilexton.  12. 
1868.   6  d. 

195.  Derselbe,  SneckBant,  or  Th'Owd  Tow-Bai-,   12.   1868.   1  s. 

196.  Derselbe,  Th'Owd  Blanket.   18.   1868.   1  s. 

197.  Derselbe,  Yeth  Bobs  an 'Scaplius.   12.   1868.   6  d. 

VII.  Deutsche  Mythologie. 

198.  Hauff,   G.,  Über  die  Religion  der  alten  Deutschen. 
Deutsche  Vierteljahrsschrift  Nr.  122,  S.  1  ff. 

199.  Jessen,  E. ,   Smating  om  oldnordiske  digte  og  sagn.  „En  indsigelse." 
Historiske  Tidsskrift  HL  Rsekke,  6.  Band,  S.  226—284. 

200.  Weinhold,  K.,  Die  deutschen  zwölfgötter. 
Zeitschrift  für  deutsche  philologie  1,  129 — 132. 

201.  Wodan  als  Jahrsgott. 
Protestantische  Kirchenzeitung  1868,  Nr.  13. 

202.  de  Jonge,  W.  F.,  Over  de  godin  Nehalennia.  Kronijk  van  het  histo- 
rish  genootschap  te  Utrecht.   23.  Jahrgang  (1868). 

203.  Schröer,  K.  J.,  Zalmolxis. 
Gei-mania  13,  214—215. 

204.  Kern,  J.  H.  C,  Over  het  woord  Zarathustra  en  den  mythischen  per- 

soon  van  dien  naam. 

Verslao-en  en  Mededeelingen  der  k.  Akademie  van  Wetenschappen,  Afdel.  Let- 
terkunde XI,°132— 164. 

205.  Lasicii  Poloni,  Job,,  De  diis  Samagitarum  libellus.  Herausgegeben 
von  W.  Mannhardt,  mit  Nachträgen  von  A.  Bielenstein.  gr.  8.  (66  S.)  Riga  1868. 
Bacmeister.   8  Ngr. 

Aus  dem  Magazin  der  lettisch-literär.  Gesellschaft. 

206.  Gröndal,  B.  ,  Ragnarökkur  kvasdi  um  nordurlanda  gudi.  8. 
(122  S.)    Va  Rthlr. 

207.  Kuhn,  A. ,  Der  schuss  des  wilden  Jägers  auf  den  sonnenhirsch  ;  ein 
beitrag  zur  vergleichenden  mythologie  der  Indogcrmanen. 

Zeitschrift  für  deutsche  philologie  1,  89 — 119. 

208.  Mannhardt,  Wilhelm,  Die  Komdämonen.  Beitrag  zur  germanischen 
Sittenkunde,  gr.  8.   (VI,  48  S.)  Berlin  1868.   Dümmlcr.    12  Ngr. 

Vgl.  Revue  critique  1868,  Nr.  34 ;  Allgem.  Lit.  Anz.  III,  2  5  Westermanns  Monats- 
hefte 1868,  April. 

209.  Schröer,  K.J.,  Der  Tod  als  Jäger. 
Gemania  13,   104. 

210.  Wagner,  J.  M.,  Unsselde. 

Germania  13,  318—320.  W.  ist  entgangen,  daß  das  Gedicht,  das  er  aus  der 
Handschrift  der  W.  Hofbibliothek  Nr.  2981  (nicht  2921,  wie  a.  a.  O.  irrig  steht)  mit- 
theilt schon  in  meinen  Meisterliedem  S.  614  nach  der  Heidelberger  Hs.  392  gedruckt 
war.  Die  Strophenfonn  ist  aber  genau  die  Alment  des  Stollen. 

211.  Liebrecht,  F.,  Die  Todten  von  Lustnau. 
Gei-mama  13,  161—172. 


BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT.  481 

212.  Buxtorf-Falkeisen,  Di*.,  Baslerische  Stadt-  und  Landgeschichten. 
4.  Heft.  A.  u.  d.  T. :  Basler  Zauberprocesse  aus  dem  14.  und  15.  Jh.  gr.  8.  (XIV, 
30  S.)  Basel  1868.  Schweighauser.   8  Ngr. 

Vgl.  Menzels  Literaturblatt  1868,  Nr.  18. 

213.  Schneller,  Jos.,  Das  Hexenwesen  im  Gebiete  Lucerns  am  Ende  des 
16.  Jahrhunderts. 

Der  Geschichtsfreund,  23.  Band. 

214.  Tschischwitz,  B,,  Nachklänge  germanischer  Mythe  in  den  Werken 
Shaksperes.   2.  vermehrte  Ausgabe  (VIII,  146  S.)  Halle  1868.  Barthel.   24  Ngr. 

A.  u.  d.  T. :   Shakspere-Forschungen.  II. 

215.  Köhler,  R.,  Der  Fisch  Celebrant. 
Germania  13,  399—400.  Zum  Münchener  Naclitsegen. 

216.  Köhler,  R.,  Segensprüche. 
Germania  13,  178—188. 

217.  Birlinger,  A.,  Besegnungen. 

Anzeiger  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit  1868,  Sp.  395  fg.  Aus  der  Hs.  22  der 
Eegensbm-ger  Stadtbibliothek  (15.  Jh.). 

218.  Be  sprechungsformeln  (aus  Pommern  1604). 
Magazin  für  die  Literatur  des  Auslandes  1868,  S.  635. 

VIII.   Märchen  und  Sagen. 

219.  Grimm,  Brüder,  Kinder- und  Hausmärchen.  Kleine  Ausgabe.  13.  Auf- 
lage.   16.  (VI,  311  S.)  Berlin  1868.  Dümmler.   '/a  Rthlr. 

220.  Musäus,  J.  K.  A.,  Volksmärchen  der  Deutschen.  Mit  Einleitung  und 
Anmerkungen  herausgegeben  von  Moritz  Müller.  In  3  Theilen.  8.  (XV,  537  S.) 
Leipzig  1868.  Brockhaus.  1  Rthlr. 

A.  u.  d.  T. :     Bibliothek   der   deutscheu  INatioualliteratur    des    18.    und    19.    Jh. 

3.  4.  Band. 

221.  Musäus,  J.K.  A.,  Volksmärchen  der  Deutschen.  4.  Thl.  (S.  49-164.) 
National-Bibliothek  sämmtlicber  deutscher  Classiker,  34.  Lieferung.    Berlin  1867. 

Hempel.  1^/^  Ngi-. 

222.  Musäus'  Volksmärchen  der  Deutschen.  Für  die  Jugend  ausgewählt 
und  erzählt  von  Alb.  Ludw.  Grimm.  Mit  6  Bildern-,  gr.  8.  (VII,  477  S.)  Leipzig 
1868.  Gebhardt.  2  Rthlr. 

223.  Grässe,  Hofrath  Dr.,  Märchenwelt.  Anthologie  der  schönsten  und  be- 
liebtesten Märchen  und  Sagen  aller  Völker  und  Zeiten  für  die  Jugend  und  ihre 
Freunde.  1  —  4.  Lief.  gr.  8.  (S.  1  —  254).  Leipzig  1868.  Schäfer,  ä  74  Ktblr. 

224.  Sutermeister,  0.,  Kinder-  und  Hausmärchen  aus  der  Schweiz.  16. 
(XVI,  120  S.)  Aarau  1869.  Sauerländer.  12  Ngr. 

Dasselbe  mit  Holzschn.  16.  (XIX,  184  S.)  26  Ngr.  Vgl.  Europa  1869,  Nr.  2; 
Schweizer-Lehrzeitung  1868,  Nr.  50. 

225.  As  bj  ö r US e n,  P.  Chr.,  og  Jörgen  M o  e,  Norske  Folke-Eventyr,  fortalte. 

4.  Udgave.  8.  (XVI,  322  S.)  Christiania  1868.  1  Rthlr.  24  Ngr. 

226.  Marelle,  Charles,  Die  französischen  Märchen  von  Perrault,  illustr.  von 
G.  Dore,  mit  der  Bearbeitung  M.  Hartmanns  und  der  Grimmschen  Sammlung  ver- 
glichen. Vortrag,  gehalten  in  Berlin,  gr.  8.  (16  S.)  Berlin  1868,  Mitschier  u. 
Rösteil.  Vg  ßthlr. 

Abdruck  aus  dem  Archiv  für  das  Studium  der  neueren  Sprachen  41,  405  —  420- 


GE11V1\NIA.   Neue  Reihe  U.  (XIV.)  Jahrg.  31 


482  BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT. 

227.  Rochholz,  E.  L.,  Schweizersagen  von  der  Weibertreue. 
Germania  13,  311—318. 

228.  Weininger,  H.,  Das  „goldene  Rößel"  zu  Altötting. 
lUnstrirte  Zeitung  1317,  S.  221. 

229.  Proschko,  Dr.  Isidor,  Historische  Erzählungen  und  Sagen  aus  der 
Steiermark,  gr.  8.  Gratz  1868.  Pock.  20  Ngr. 

230.  Födisch,  J.  E.,  Felsensagen  aus  Böhmen. 

Mittheilungen  des  Vereins  für  Geschichte  der  Deutschen  in  Böhmen ,  7.  Jahrg. 
3.  Heft. 

231.  Böhmische  Getreide  sagen. 
Die  Biene  1868,  Nr.  19. 

232.  Peter,  Prof.  Dr.  A.,  Der  starke  Hans.  Sage  aus  Österr.  Schlesien. 
Rübezahl  1868,  S.  150. 

233.  Derselbe,  Bräuche  und  Sagen  aus  Österreichisch  Schlesien.  1.  Marak 
und  Marena.    2.  Die  bestrafte  Müllerin.   3.  Die  Blutmänner. 

Ebend.  S.  203-206. 

234.  Grässe,  Dr.  J.  G.  Th.,  Sagenbuch  des  preußischen  Staates.  9.  10. 
Lieferung,  gr.  8.  (1.  Band,  S.  XV  u.  S.  641—784  S.)  Glogau  1868.  Flemming. 
k  V4  Ethlr. 

235.  Engelien,  A.,  und  W.  Lahn,  Der  Volksmund  in  der  Mai'k  Branden- 
burg. Sagen,  Märchen,  Spiele,  Sprichwörter  und  Gebräuche.  1.  Theil.  gr.  8.  (VHI, 
285  S.)  Berlin  1868.  W.  Schultze.    %  Rthlr. 

Vgl.  Literar.  Centralbl.  1869,  Nr.  10;  Magazin  für  die  Lit.  d.  Ausl.  Nr.  13;  Nord- 
deutsche Schulzeitung  Nr.  14 ;  Allgem.  Deutsche  Lehrerzeitung  Nr.  24 ;  Allgem.  Lit. 
Anzeiger  III,  5. 

236.  Lagmann,  Dr.,  Volkssagen  vom  Rübezahl. 
Rübezahl  (Schlesische  Provinzialblätter)  7,  28 — 29. 

237.  Haupt,  Pastor  K.  J.  Th.,  Lerchenborner  Sagen.  1.  Ursprung  des  Na- 
mens.   2.  Der  Sündenbusch  und  die  heil.  Hedwig.   3.  Der  Graurockswinkel. 

Rübezahl  7,  206-207. 

238.  Haupt,  K.,   Zweiter  Nachtrag  zum  Sagenbuche  der  Lausitz. 
Neues  Lausitz.  Magazin  44.  Band,  Görlitz  1868. 

239.  Franck,  Wilh.,  DieBurgender  hessischen  Bergstraßen,  ihre  Geschichte, 
Anlage  und  Sagen.   Mit  1  litbogr.  Tafel.   8.  (50  S.)  Heppenheim  1868.    y^  Rthlr. 

240.  Mainzer  Domsagen. 
Kirchenschmuck.  Ein  Archiv  etc.  23.  Band,  2.  Heft. 

241.  Waldbrühl,  W.  V.,  Die  Lureleysage.  Ein  Beitrag  zur  deutschen  Sa- 
genkunde.  8.  Cöln  1868.  Ahn    5  Sgr. 

242.  Grandjean,  C,  Loreley.  Ursprung  des  Namens  und  der  Sage. 
Magazin  für  die  Literatur  des  Auslandes  1868,  Nr.  21. 

243.  Kubier,  Ludw.,  Bilder  von  Rügen  und  Rügens  Sagen,  gr.  16.  (VHL 
115  S.)  Stralsund  1868.   Hingst  in  Comm.    16  Ngr. 

244.  Strackerjan,  L.,  Aberglaube  und  Sagen  aus  dem  Herzogthum  Olden- 
burg.  2  Bände.   8.   (XIV,  788  S.)  Oldenburg  1858.   Stalling.   2  Rthlr. 

Vgl.  Liter.  Centralbl.  1868,  Nr.  50  (A.  K.) ;  Götting.  Gelehrte  Anzeigen  Nr.  3p 
(R.  Köhler);  Allgem.  Liter.  Anzeiger  III,  2;  Westermanus  Monatshefte,  Juli;  Köln  Zei- 
tung 88;  Illustr.  Zeitung  1307. 

245.  Sagn,  nordiske.  Samlede  og  utgivne  af  C.  Berg  og  E.  Gedecken.  8. 
(308  S)  Köbenhavn  1868.   Steen. 


I 


BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT.  483 

246.  Bruun,  H.,  gamle  danske  Minder  eller  Skildringer,  Fortaellinger ,  og 
Sagn  om  Danmarks  gamle  Byer,  Kirker,  Klostre,  Kongeborge,  Slotte,  Herregaar- 
de  og  mindevaerdige  Steder  i  aeldre  Tider.  1.  Heft  (S.  1  —  32).  8.  Köbenliavn 
1868.  ä  4  Ngr.  

247.  Rochholz,  E.  L.,  Das  thiermärchen  vom  gegessenen  herzen. 
Zeitschrift  für  deutsche  philologie  1,  181 — 198. 

248.  Daum  er,  G.  F.,  Die  Mythen  und  Sagen  von  wundersamen  Meer- 
geschöpfen und  Meerbewohnem. 

Illustr.  Deutsche  Monatshefte  1868.  October. 

249.  Köhler,  Reinh.,  Der  Leviathan  am  Angel. 
Germania  13,  158—159. 

250.  Richter,  Alb.,  Deutsche  Heldensagen  des  Mittelalters.  Erzählt  und 
mit  Erläuterungen  versehen.  2  Bände,  gr.  8.  (XII,  694  S.)  Leipzig,  1868.  Brand- 

stetter.   27^  Rthlr. 

Vgl.  Wissenschaftl.  Beilage  d.  Leipziger  Zeitung  1867,  Nr.  101 ;  N.  Jahrbücher 
f.  Philol.  und  Pädagog.  1868,  6.  Heft-,  Magazin  f.  d.  Lit.  d.  Ausl.  Nr.  18. 

251.  Fuchs,  Fr.,  Der  Sigfridstein  in  Worms,  seine  Sage  und  deren  Ver- 
hältniss  zum  Namen  der  Stadt. 

Westermanns  illustr.  Monatshefte  1868,  Mai. 

252.  Meyer,  Dr.  Karl,  Die  Dietrichssage  in  ihrer  geschichtlichen  Entwick- 
lung, gr.  8.   (HI,  55  S.)   Basel  1868.   Georg,    '/g  Rthlr. 

Vgl.  Zeitschrift  für  deutsche  philologie  1,  375  fg.  (E.  H.  Meyer);  Heidelberger 
Jahrbücher  1868,  S.  149-151  (E.  Martin);  Magazin  f.  d.  Lit.  d.  Ausl.  1869,  Nr.  20. 

253.  Birlinger,  A.,  Vom  alten  Hillepvandt  disputieren. 
Anzeiger  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit  1868,  Sp.  264. 

254.  Wackernagel,  W.,   Zur  Alexandersage.  I.  Zum  Julius  Valerius. 
Zeitschrift  für  deutsche  philologie  1,  119—124. 

255.  Leith,  Edw.,  Tyrrell,  On  the  legend  of  Tristan,  its  origin  in  myth  and 
its  developement  in  romance.  (Read  before  the  Bombay  Brauch  of  the  royal  asiatic 
Society.)  Bombay  1868.  8.   (35  S.) 

Vgl.  Revue  critique  1869,  S.  221  —  222. 

256.  Barbarossa  und  die  Sage  von  seiner  Wiederkehr. 
Sonntagsblatt  von  E.  Dohm  1868,  Nr.  1  fg. 

257.  DeVries,  J.,   Genoveva. 

Volks-Almanak  voor  1868 ,  uitgegeven  door  de  Maatschappij  :  Tot  Nut  van  't 
Algemeen.  8.  (S.  65  -  85).  Amsterdam. 

258.  Dümmler,  E.,   Über  die  Sage  von  den  sieben  Ungern. 
Nachrichten  der  k.  Gesellsch.  der  Wisseusch.  in  Göttingen  1868. 

259.  Rochholz,  E.  L.,  Teil  als  Zauberschütze. 
Germania  13,  39-58. 

260.  Das  älteste  Faust  buch.  Wortgetreuer  Abdruck  der  editio  princeps 
des  Spieß'schen  Faustbuches  v.  J.  1587.  Nebst  den  Varianten  des  Unicums  v.  J. 
1590.  Mit  Einleitung  und  Anmerkungen  von  Dr.  Aug.  Kühne,  gr.  8.  (XX,  256  S.) 
Zerbst  1868.  Luppe.    IV3  Rthlr. 

Vgl.  Archiv  für  das  Studium  der  neueren  Sprachen  43,  198. 

261.  Deutschlands  Schild-  und  Wappensagen. 
Illustrirte  Zeitung  1292  —  1328. 

262.  Deutschlands  Wappensagen. 

Illustnrte  Zeitung  1284. 

31* 


484  BIBLIOGRAPraSCHE  ÜBERSICHT. 

IX.  Volks-  und  Kinderlicder,  Sprichwörter,  Sitten  und  Gebräuche. 

263.  Auerbach,  B.,  Andeutungen  über  Zustand  und  Zukunft  des  Volks- 
liedes im  Volke  selber.  [Vortrag,  gehalten  im  Verein  für  neuere  Sprachen  zu  Berlin.] 

In:  Auerbach,  Deutsche  Abende.  Stuttgart  1867,  S.  237—252. 

264.  Zur  Geschichte  des  deutschen  Volksliedes. 
Magazin  für  die  Literatur  des  Auslandes  1868,  Nr.  46. 

265.  Sachse,  Dr.,  Über  Volks-  und  Kinderdichtung  nebst  einigen  west- 
phälischen  Volks-  und  Kinderliedern.   8.  Berlin  1869.   (26  S.) 

Jahresbericht  über  die  höhere  Knaben-Schule,  Potsdamer  Str.  Nr,  3. 

266.  Das  Schauerliche  und  Unheimliche  im  Volksliede. 
Europa  1868,  Nr.  26. 

267.  Germanien s  Völkerstimmen.  Sammlung  der  deutschen  Mund- 
arten in  Dichtungen,  Sagen,  Mährchen,  Volksliedern  etc.  Hrsg.  von  J.  M.  Firme- 
nich-Richartz.  Nachträge.  A.  u.  d.  T.  Volksdichtungen  nord-  und  südeuropäischer 
Völker  alter  und  neuer  Zeit,  hoch  4.  (IV,  86  S.)  Berlin  1868.  Schlesinger  in 
Comm.    %  Rthlr. 

268.  Weller,  E.,  Volkslieder  und  Volksreime. 
Serapeum  1868,  Nr.  1—5. 

269.  Sztachovics,  Braut-Sprüche  und  Braut-Lieder  auf  dem  Heideboden  in 
Ungern  gesammlet  und  geordnet,  gr.  8.  (327  S.)  Wien  1867.  Braumüller  in  Comm. 

270.  Etienne,  Louis,  La  Suisse  et  ses  ballades. 
Revue  des  deux  mondes  1868,  September,  p.  81. 

271.  Grün,  Anastasius,   Volkslieder  aus  Krain. 
Der  Salon  1868,  Heft  4,  S.  406. 

2  72.  Oberschlesische  Volkslieder.  Nach  Roger's  Sammlung  übertragen 
von  E.  Erbrich. 

Rübezahl  1868,  S.  365  fg. 

273.  Dornick,  Oberlausitzische  Volkspoesie. 
Neues  Lausitz.  Magazin  44.  Band,  Görlitz  1868. 

274.  Bishop  Percy's  Folio-Manuscript.  Ballads  and  Romances  edited  by 
J.  W.  Haies  and  F.  Furnivall,  assisted  by  Prof.  Child  af  Harvard  Univers.,  W. 
Chappell  etc.   3  vol.  8.  London  1868.   2  £.  2  s. 

Vgl.  Gott.  Gel.  Anzeigen  1868,  Nr.  48  (Liebrecht). 

275.  Bell,  R.,  Early  ballads.  New  edition.   12.   1868.   1  s.  6  d. 

276.  Chappell,  Old  english  ditties.  roy.  8.   1868.    10  s.  6  d. 

277.  Famous  Merry  Ballads.   4.   1868.   1  s. 

278.  Morley,  H.,  King  and  Commons;  Cavalier  and  Puritan  songs.  18. 
1868.  2  s.  6  d. 

279.  Maidment,  J.,  Scottish  Ballads  and  Songs,  historical  and  traditionary. 
2  vol.  kl.  8.  (700  S.)  London,  Hamilton.   8  Rthlr. 

280.  Kristensen,  E.  T. ,  Jydske  folkeviser.  Toner  i  sagn  og  seventyr. 
1.  Heft.  8.  (40  S.)   7V2  Ngr. 

281.  Kinderleben.  Lieder  und  Reime  aus  alter  und  neuer  Zeit.  Mit  Illustr. 
von  L.  Richter.   6.  Aufl.  gr.  8.   (XI,   139  S.)  Leipzig  1868.   Broekhaus.    l  Rthlr. 

282.  Haupt,  K.,  Kinderreime  und  Kinderspiele.  Ein  Beitrag  zur  Volks- 
poesie der  Lausitz. 

Ncnos  Lnusitz.  Mafraziii   15.  IJand. 


BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT.  435 

?83.  Waldau,  A.,  Die  Vögel  in  den  böhmischen  Kinderliedern. 

Magazin  für  die  Literatur  des  Auslandes  1868,  Nr.  23. 

284.  Münz,  Dr.,  Ein  merkwürdiges  Kindergebet. 

Annalen  des  Vereins  für  Nassauische  Alterthumskunde.  9.  Band,  Wiesbaden  1868 


285.  Ottow,  A.  M.,  Beiträge  zur  Sprichwörterliteratur. 
Anzeiger  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit  1868,  Sp.  193—196. 

286.  Tobias,   A.,  Beiträge  zur  Sprichwörter-Litteratur. 
Serapeum  1868,  Nr.  10. 

287.  Herzog,  H.,  Das  Sprichwort  in  der  Volksschule,  gr.  8.  (VIII,  264  S.) 
Basel  1868.  Bahumaier.   24  Ngr. 

Vgl.  Theolog.  Quartalschrift  1869,  Nr.  1;  Müller,  Mittheihmgen  und  Nachrich- 
ten Nr.  3. 

288.  Wander,  K.  F.  W.,  Deutsches  Sprichwörter-Lexicon.  19. — 22.  Lie- 
ferung, hoch  4.  (Band  2,  Sp.  385—896).    Leipzig  1868.  Brockhaus,   k  ^^  Rthlr. 

289.  Birlinger,  A.,  So  sprechen  die  Schwaben.  Sprichwörter,  Redens- 
arten, Reime.  16.  (VIII,  136  S.)  Berlin  1868.  Dümmler.  12  Ngr. 

Vgl.  Nationalzeitung  1869,  Nr.  278;  Allgem.  Familienzeitung  Nr.  20. 

290.  Schröder,  C,  Hundert  niederdeutsche  Sprichwörter,  gesammelt  aus 
mittelniederdeutschen  und  niederrheinischen  Dichtungen. 

Archiv  für  das  Studium  der  neueren  Sprachen  43,  411 — 420. 

291.  Hesekiel,  G.,  Land  und  Stadt  im  Volksmunde.  8.  Berlin  1868.  Jancke. 

292.  Franck,  J.,   Über  die  sprichwörtliche  Redensart  „Hunde  führen". 
Deutscher  Sprachwart  1868,  Nr.  13,  S.  202. 

293.  Wagner,  J.  M.,  X  für  U. 

Germania  13,  270. 

294.  Hislop,  A.,  The  proverbs  of  Scotland,  with  explanatory  and  illustra- 
tive notes  and  a  glossaiy.  New  edition  revised  and  eupplemented.  12.  (370  S.) 
London,  Simpkin. 

295.  Crull,  Dr.,  Till  Eulenspiegels  Grab. 

Jahrbücher  des  Vereins  für  mecklenburg.  Geschichte.  32.  Jahrgang. 


296.  Labes,  E.,  Volksthümliches  in  Glaube  und  Sitte,  Sprüchen  und  Liedern. 
Blätter  für  literar.  Unterhaltung  1868,  Nr.  27. 

297.  Die  Sonn-  und  Mondfinsternisse  in  Brauch  und  Glauben  des  Volks. 
lUustrirte  Zeitung  Nr.  1312,  S.  130. 

298.  Vorspukende  Thiere  und  Menschen. 
Europa  1868,  Nr.  20. 

299.  Alte  Haus -Talismane. 

Thurgauische  Beiträge  zur  vaterländ.  Geschichte,  9.  Heft  (1868). 

300.  Das  Brot  im  Spiegel  schweizerdeutscher  Volkssprache  und  Sitte.  Lese 
schweizerischer  Gebäckenamen.  Aus  den  Papieren  des  schweizerdeutschen  Idioti- 
kons.  8.  (VIII,  186  S.)  Leipzig  1868.  Ilirzel. 

Vgl.  Germania  14,  117  fg.  (Strobl);  Archiv  für  das  Stud.  d.  neuern  Sprachen 
43,  440  (Birlinger)  ;  Allgem.  Liter.  Anzeiger  III,  4  ;  Magazin  für  die  Liter,  des  Ausl. 
1869,  Nr.  23;    Schweizer  Lehrerzeituug  Nr.  5;    Volksblatt  für  Stadt  und  Land  Nr.  33. 


486  BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT. 

301.  Ein  Bild  deutscher  Volkslust.  Sichelhänget  und  Hahnentanzen  im 
Steinlachthal  in  Schwaben. 

Die  Gartenlaube  1868,  Nr.  5,  S.  75. 

302.  Reinsberg-Düringsfeld,  Frh.  v.,  Bräuche  und  Feste  im  Burg- 
grafenamt. 

Allgem.  Zeitung,  Woehenausgabe,  1868,  Nr.  49. 

303.  Harnisch,  Franz,  Aberglaube  auf  dem  Frankenwalde. 
Mittheilungen  aus  dem  Archive  des  voigtländ.  Alterthumsvereins  in  Hohenleuben. 

Weida  1868. 

304.  Födisch,  J.,  Volksthümliches  aus  dem  nordwestl.  Böhmen  (Schluß). 
Mittheilungen  des  Vereins  für  Geschichte  der  Deutschen  in  Böhmen.  VII.  Baud, 

6.  Heft. 

305.  Sitten  und  Gebräuche  in  Oberschlesien.  I.  Die  Einladung  zur  Hoch- 
zeit. Von  H.  H — n. 

Rübezahl  1868,  S.  355  fg. 

306.  Meier,  Hermann,  Ostfriesland  in  Bildern  und  Skizzen,  Land  und  Volk 
in  Geschichte  und  Gegenwart  geschildert.  Mit  einer  Auswahl  plattdeutscher  Kinder- 
und  Volksreime  und  einem  statistischen  Anhang.  8.  (VHI,  258  S.)  Leer  1868. 
Securius.    ^4  Rthlr. 

Vgl.  Allgem.  Lit.  Anzeiger  HI,  2. 

307.  De  Vries,  J.,  Oude  Wijs  in  nicuwe  Lederzakken. 
Volks-Almanak  voor  1868.  Amsterdam,  S.  87—96. 


308.  Das  Tod  -  Austragen  vor  Ostern  iti  Mähren  und  Schlesien. 
Über  Land  und  Meer  1868,  Nr.  29. 

309.  Rochholz,  E.  L.,  Die  deutschen  Osterbrote. 

Hlustrirte  Zeitung  Nr.  1292  - 1294. 

310.  Rochholz,  E.  L.,   Pfingstbrote. 

Hlustrirte  Zeitung  Nr.  1299-1300. 

311.  Die  Sonnwendfeuer. 
Die  Gartenlaube  1868,  Nr.  24. 

312.  Die  Johannisfeier  im  heil.  Köln. 
Die  Gartenlaube  Nr.  25. 

313.  Lütolf,  M.,  Zu  den  agrarischen  Bräuchen  in  der  Schweiz. 
Germania  13,  210—212. 

314.  Die  Martinsgans. 
Die  Gartenlaube  1868,  Nr.  44. 

315.  V  er  wijs,  E.,  St.  Maarten. 
Volks-Almanak  voor  1868,  S.  151—168. 

316.  Der  Niki a-  (St.  Nikolaus)  Abend. 
Über  Land  und  Meer  1868,  Nr.  11. 

317.  Asmus,  Heinr.,  Weihnachtsumzüge  im  Mittelalter. 
Europa  1868,  Nr.  49. 

318.  Weihnachtsbilder.  L  Des  Festes  Ursprung. 
Korrespondent  von  und  für  Deutschland  1868,  Nr.  629. 

319.  Weihnachtsbräuche. 

Elustrh-te  Zeitung  Nr.  1277. 


BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT.  487 

320.  Die  culturgeschichtliche  Weihnachtsfeier. 
lUustrirtes  Familien- Journal  1868,  Nr.  1. 

321.  Weihnachten  im  Elsaß. 
Illustrirte  Zeitung  Nr.  1329. 


322.  Jacobs,  Ed.,  Über  verschiedene,  meist  dem  Mittelalter  entstammende 
öffentliche  Darstellungen,  Aufführungen  (Komödien)  und  Gebräuche  in  der  Graf- 
schaft Wernigerode. 

Zeitscln-ift  des  Harz-Vereins  für  Geschichte  und  Alterthumskunde,  1.  Jahrgang, 
1.  Heft.  Wernigerode  1868. 

323.  Das  älteste  Passionsspiel. 
Europa  1868,  Nr.  14. 

324.  Das  Passionsspiel  zu  Brixlegg. 

lUustm-te  Zeitimg  Nr.  1314. 

325.  Steub,  L.,  Aus  dem  Unterinnthal.    1.  Das  Passionsspiel  in  Brixlegg. 
Die  Gartenlaube  1868,  Nr.  47. 

326.  Pailler,  W.,  Das  Passionsspiel  zu  Brixlegg.  1868.  16.  (112  S.) 
Innsbruck  1868.  Wagner.  4  Ngr. 

327.  Das  Passionsspiel  im  Sarnthal. 
Wochenausgabe  der  Allgem.  Zeitung  1868,  Nr.  2—4. 

328.  Das  Passionsspiel  im  Sarnthal. 
Das  Ausland  1868,  Nr.  1,  S.  6  (R.  D.). 

329.  Zuckmantier  Passions  spiel  herausgeg.  und  erläutert  von  A.  Peter, 
Professor  in  Troppau.  4.  (40  S.  m.  Musikbeilage.)  Troppaul 8 68.  Schüler  in  Comm. 

Programm  des  Troppauer  Gymnasiums.  Vgl.  Germania  13,  486;  Menzels  Lite- 
raturblatt 1869,  Nr.  33. 

X.   Alterthümer  und  Culturgeschichte. 

330.  Rückert,  Dr.  E.,  Die  Pfahlbauten  und  Völkerschichten  Osteuropa's, 
besonders  der  Donaufürstenthümer.  Mit  1  Lith.  gr.  8.  (VI,  76  S.)  Würzburg  1869. 
Stuber.    V2  Rthlr. 

Vgl.  Literar.  Centralbl.  1869,  Nr.  20;  Anzeiger  f.  K.  d.  d.  Vorzeit  Nr.  4;  Österr. 
Gartenlaube  Nr.  13. 

331.  Bluhme,  Frd.,  Die  Gens  Langobardorum  und  ihre  Herkunft.  Festgruß 
zum  12.  Sept.  1868  an  M.  A.  v.  Bethmann-HoUweg.  gr.  8.   (35  S.)  Bonn  1868. 

Vgl.  Literar.  Centralblatt  1868,  Nr.  44. 

332.  Pf  ister,  Hermann,  Über  den  chattischen  und  hessischen  Stamm  und 
die  älteste  Geschichte  des  chattischen  Stammes  nebst  einer  Karte  der  chattischen 
Gaue.   8.   (51  S.)   Kassel  1868.   Luckhardt.    '/g  Rthlr. 

Vgl.  Liter.  Centralbl.  1868,  Nr.  50. 

333.  Essellen,  M.  F.,  Geschichte  der  Sigambern  und  der  von  den  Römern 
bis  z.  J.  16  n.  Chr.  im  nordwestlichen  Deutschland  geführten  Kriege,  gr.  8.  (IX, 
388  S.)  Leipzig  1868.   Grunow.   2  Rthlr. 

334.  Wislicenus,  Paul,  Die  Geschichte  der  Eibgermanen  vor  der  Völker- 
wanderung in  ihren  Hauptzügen.  Mit  2  Karten.  (III,  76  S.)  Halle  1868.  Heyne- 
mann,   ^/g  Rthlr. 

Vgl.  Literar.  Centralbl.  1869,  Nr.  11;  Norddeutsche  AUg  Zeitung  Nr.  6;  Histor. 
Zeitschrift  1869,  2.  Heft.  ' 


488  BIBLIOGKAPHISCHE  ÜBERSICHT. 

335.  Wormstall,  Dr.  Jos.,  Über  die  Tuugern  und  Bastarnen.  Studien 
zur  Germania  des  Tacitus.  gr.   8.   (40  S.)   Münster  1868.   Regensberg.    V3  Ethlr. 

Vgl.  Literar.  Centralbl.  18G8,  Nr.  14;  Literatinblatt  1869,  Nr.  43 ;  Histor.  Zeit- 
schrift 1869,  2.  Heft. 

336.  Boltz,  Aug.,  Gewonnene  Resultate  des  Werkes  „Die  Gallier  zur  Zeit 
des  Cajus  Julius  Caesar"  von  Alexander  Georgiewski"    (S.  503 — 522). 

Archiv  für  das  Studium  der  neueren  Sprachen  43,  111 — 122. 

337.  Keys  er,  R.,  Samlade  Afliandlinger.  1.  Heft:  Om  Nordmsendenes  her- 
komst  Dg  folkeslsegtskab.   8.   fS.  1 — 160).   24  Ngr. 

338.  Hylten-Cavallius,  G. 0.,  Warend  ochWirdarne,  ett  försök  i  svensk 
Ethnologi.   2.  Heft.  8.  (LIX,  466  S.)  Stockholm  1868.  2  Rthlr.  12  Ngr. 

339.  Tacitus'  Germania  ausführlich  erklärt  von  L.  Curtze.  Cap.  I — X. 
gr.  8.  (Xn,  424  S.)  Leipzig  1868.  Priber,    2  Rthlr. 

Vgl.  Historische  Zeitschrift  1869,  Band  1;  Wochenausgahe  der  AUgem.  Zeitung 
1868,  Nr.  29. 

340.  Tacitus'  Germania.  Mit  Anmerkungen  von  Prof.  B.  Hüppe.  gr.  8. 
(73  S.)   Münster  1868.  Theissing.    6  Ngr. 

341.  Tacitus  Germania.  Übersetzt  von  A.  Bacmeister.  8.  (74  S.)  Stutt- 
gart 1868.  Neff.   12  Ngr. 

Vgl.  Literar.  Centralbl.  1868,  Nr.  43;  Revue  critique  Nr.  18;  Allgem.  Zeitung 
Nr.  193;  Bl.  f.  d.  bayer.  Gymnasialschulwesen  V,  6;  Die  Natur  1869,  Nr.  12. 

342.  Tacitus',  P.  C,  Werke.  Lateinisch  mit  deutscher  Übersetzung  und 
erläuternden  Anmerkungen.  4.  Band.  Historien  IV.  V.  Agricola.  Germania.  Ge- 
spräch über  die  Redner.   8.  (340  S.)  Leipzig  1868.  Engelmann.  V4  Rthlr. 

343.  Tacitus'  Agricola  and  Germania  by  A.  J.  Church  and  H.  W.  J. 
Brodribb.    12.  1868.   2  s.  6  d. 

344.  Münz,  Dr.,  Tacitus' Sittenschilderung  der  alten  Germanen,  bestätigt 
durch  den  h.  Bonfacius  und  den  Presbyter  Salvian. 

Annalen  des  Vereins  ftlr  Nassauische  Alterthumskunde  9.  Band  (1868). 

345.  Jan,  L.  v..  Noch  einmal  Tacitus  Germ.  13. 
Philologus,  26.  Band,  3.  Heft. 

346.  Die  Alterthümer  unserer  heidnischen  Vorzeit.  Nach  den  in  öffent- 
lichen und  Privatsammlungen  befindlichen  Originalien  zusammengestellt  und  heraus- 
gegeben von  dem  römisch-germanischen  Centralmuseum  in  Mainz  durch  dessen  Con- 
servator  L.  Lindenschmit.  2.  Band,  7 — 9.  Heft.  gr.  4.  (20  Steintafeln  und  21  Bl. 
Erklärungen.)   Mainz  1868.  v.  Zabern.   k  %  Rthlr. 

347.  Gansauge,  Generallieutenant,  Über  Stein-Denkmäler  und  den  Stein- 
Cultus  in  ältester  Zeit. 

Jahrbücher  des  Vereins  von  Alterthumsfreunden  im  Rheinlande  43.:Heft. 

348.  Petersen,  Chr.,  Spuren  des  Steinaltcrs,  welche  sich  bis  in  die  Zeiten 
der  beglaubigten  Geschichte  erhalten  haben.  Zusammengestellt  und  erörtert,  gr.  4. 
(16  S.)  Hamburg  1868.   Mauke  in  Comm.    6  Ngr. 

Gratulationsschrift  des  akadem.  Gymn.  in  Hamburg  zum  Jubiläum  der  Univer- 
sität Luud. 

349.  Haupt,  K.,  Heidnische  Alterthümer  aus  dem  Lübener  Kreise.  Ein  Bei- 
trag zur  schlesischen  Alterthumskunde. 

Neues  Lausitz.  Magazin  45.  Band. 

350.  Nilsson,  S.,  Das  Steinalter  oder  die  Ureinwohner  des  skandinavischeu 


BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT.  489 

Nordens.  Nach  dem  Ms.  zur  dritten  Originalausgabe  übersetzt  von  J.  Mestorf.  Mit 
16  lithograph.  Taf.  gr.  8.  (XXVII,  190  S.)  Hamburg  1868.  Meissner.   2  Rthlr. 

Vgl.  Literar.  Ceutralbl.  1869,  Nr.  21;  Berlin.  HevMe  57,  7;  AUg.  Lit.  Anz.  HI.  5. 

351.  Nilsson,  S.,  The  primitive  inhabitants  of  Scandinavia  edited  by  Sir 
J.  Lubbock.  8.  1868.  18  s. 

352.  Morlot,  A.,  Sur  le  passage  de  ITige  de  la  pierre  k  Tage  du  bronze  et 
8ur  les  metaux  employes  daus  Tage  du  bronze. 

Memoires  de  la  soci^te  des  antiquaires  du  Noi'd.  Nouv.  serie.  Copenhague. 

353.  Worsaae,  J.  J.  A.,  Sur  quelques  trouvailles  de  Tage  du  bronze  faites 
dans  les  tourbieres. 

Ebendaselbst. 

354.  Eugelhardt,  Com-.,  Om  Vimose-Fundet.  Slutningsbemaerkninger  cm 
Opdagelsen  af  den  aeldre  Jernalder.  Ved  J.  J.  A.  Worsaae. 

Aarböger  for  nordisk  Oldkyndighed  1867,  3.  Heft. 

355.  Nogle  sjeldne  norske  Oldsager  fra  Jernalderen. 

Foreningen  til  Norske  Fomtidesmindesmerkers  Bevaring.  Aarsberetning  1867. 
Köbenh.   1868. 

356.  Blom,  Otto,  Nogle  Jagttagelser  angaaende  Materialet  i  den  aeldre 
Jernalders- Vaaben. 

Aarböger  for  nordisk  Oldkyndighed  1868,  1.  Heft. 

357.  Engelhardt,  C,  En  emaileret  Bronceskaal  fra  den  aeldre  Jernalder. 
Aarböger  for  nordisk  Oldkyndighed  1868,  1.  Heft. 

358.  Zinck,  A.,  Oldsagfundene  i  de  gamle  Flodgruslag  navnlig  i  Somme- 
Dalen  ved  Amieus  og  Abbeville. 

Ebend.  1867,  4.  Heft. 

359.  Drescher,  Rud.,  Die  Arten  der  Heidengräber  in  Schlesien. 
Rübezahl  1868,  S.  340—343. 

360.  Haupt,  K.  J.  Th.,  Die  Oberlausitzer  Schlackenwälle.  Eine  archäolo- 
gische Studie.   (19  S.)  gr.  8.  Görlitz  1868. 

Aus  dem  44.  Band  des  Neuen  Lausitz.  Magazins.  Vgl.  Rübezahl  1868,  S.  370. 

361.  Schaaffhausen,   Dr.,  Über  germanische  Grabstätten  am  Rhein. 
Jahrbücher  des  Vereins  von  Alterthumsfreunden  im  Rheinland,  44.  Heft. 

362.  Oldenhuis  Gratama,  L.,  Open  brief  aan  het  coUegie  van  depu- 
teerde  Staten  van  Drenthe  over  de  zorg  voor  en  het  onderhoud  der  Hunenbedden. 
8.  (88  S.)  Assen  1868.  van  Gorcum.   fl.  0,60. 

363.  Carriere,  Moritz,  Die  Kunst  im  Zusammenhang  der  Culturentwick- 
lung  und  die  Ideale  der  Menschheit.  3.  Band.  Das  Mittelalter.  2.  Abth.  gr.  8. 
(XV,  553  S.)  Leipzig  1868.  Brockhaus.   2%  Rthlr. 

Inhalt:  Das  europäische  Mittelalter  in  Dichtung,  Kunst  imd  Wissenschaft.  Ein 
Beitrag  zur  Geschichte  des  menschlichen  Geistes. 

Vgl.  Literar.  Centralbl.  1869,  Nr.  2 ;  Bl.  für  literar.  Unterhaltung  1868,  Nr.  40 ; 
Zeitschrift  für  Philosophie  53,  1;  Allgem.  Zeitung  1869,  Nr.  26;  Zeitschr.  f.  bildende 
Kunst  4,  10. 

364.  Köhler,   Arthur,  Germanische  Alterthümer  im  Beovulf. 
Germania  13,  129  —  158. 

365.  Keys  er,  R.,  The  private  life  of  the  old  Northmen.  Translated  by 
M.  R.  Barnard.   8.  London  1868.   Chapman.   4  s.  6  d. 

366.  Zahle,  P.  C,  Folkesagn  isaer  om  Nordboens  Liv,  Daad  og  Idraet 
ude  og  hjemme.  1.  De  tolv  forste  Aarhundreder  efter  vor  Tidsregniug.  8.  (440  S.) 
Köbeuhavn  1868.   2  Rthlr.  6  Ngr. 


490  BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT. 

367.  Olaf  Hildebrands  Leben  auf  Island  zur  Zeit  der  Sagas.  1.  Vor  einem 

Jahrtausend. 

Magazin  für  die  Literatur  des  Auslandes  1868,  Nr.  27. 

368.  Hofberg,  Herrn.,  Nerikes  gamla  Minnen,  sädana  de  ännu  qvarlefva 
i  Fomlemningar,  Fornfynd,  Aflefvor  af  Medeltidens  kyrkliga  Konst,  Folklif,  Säu- 
ger, Sägner,  Folkspräk  m.  ra.  (Mit  118  Abbildungen.)    1868. 

369.  Meynert,  Dr.  Herrn.,  Geschichte  des  Kriegswesens  und  der  Heer- 
verfassungen in  Europa  seit  dem  frühesten  Mittelalter  bis  auf  die  G-egenwart.  Nach 
Original-Documenten  und  anderen  Quellen  bearbeitet.  (In  24  Lief.)  1.  u.  2.  Lief. 
gr.  8.  (1.  Band,  S.  1  —  112.)  Wien  1868.  Beck,  ä  '/g  Rthlr. 

370.  Bartsch,  Karl,  Das  Fürstenideal  des  Mittelalters  im  Spiegel  deutscher 
Dichtung.  Rcctoratsrede  am  28.  Februar  1868.  gr.  8.  (36  S.)  Leipzig  1868. 
Vogel.    V4  Rthlr. 

Vgl.  Europa  1868,  Nr.  23;  Weser-Zeitung  7606. 

371.  Der  Frauendienst  des  Mittelalters. 
Europa  1868,  Nr.  34. 

372.  Richter,  A.,  Altdeutsche  Liebesbriefe. 
Illustrirte  Monatshefte  1868,  März. 

373.  Rochholz,  E.  L.,  Aus  einem  Briefsteller  von  1492. 
Germania  13,  207—210. 

374.  Die  'Zopfgesellschaft'  des  14.  Jahrhundei-ts.  Nebst  einem  Frage- 
zeichen. 

Volksblatt  für  Stadt  und  Land  1868,  Nr.  30. 

375.  Kriegk,  Dr.  G.  L.,  Deutsches  Bürgerthum  im  Mittelalter.  Nach  ur- 
kundlichen Forschungen  und  mit  besonderer  Beziehung  auf  Frankfurt  a.  M.  gr.  8. 
(XVI,  599  S.)   Frankfurt  a.  M.  1868.  Literar.  artist.  Anstalt.    2  Rthlr.  18  Ngr. 

VgU  Literar.  Centralbl.  1869,  Nr.  5 ;  Historische  Zeitschi-ift  1868,  4.  Heft ;  Göt- 
ting.  Geh  Anzeigen  1869,  Nr.  13;  Presse  Nr.  6;  Kölnische  Zeitung  Nr.  138. 

376.  Schotel,  G.  D.  J. ,  Het  oud-HoUandsch  Huisgezin  der  zeventiende 
eeuw.  Met  platen  van  C.  Rochussen  en  D.  van  der  Kellen,  roy.  8.  (478  S.)  Haar- 
lem  1868.  Kruseman. 

Vgl.  Literar.  Centralbl.  1869,  Nr.  15. 

377.  Schotel,  G.  D.  J.,  Het  Maatschappelijk  Leven  onzer  Vaderen  in  de 
zeventiende  eeuw.   Met  platen.  roy.  8.   (502  S.)  Haarlem  1869.   Kruseman. 

378.  Zahn,    Dr.   J.  ,    Jährlicher  Hausbedarf  eines  Passauer  Bürgers   im 

15.  Jahrhundert. 

Anzeiger  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit  1868,  Sp.  199  fg.  Bereits  von  J.  M. 
Wagner  veröflfenthcht  im  Anzeiger  1860,  Sp.  244. 

379.  Tanzlieder  und  Pfeiferkönige. 
Europa  1868,  Nr.  29. 

380.  Anger  stein,  Wilhelm,  Volkstänze  im  deutschen  Mittelalter.  8. 
(32  S.)   Berlin  1868.  Lüderitz.   5  Ngr. 

Sammluno-  gemeinverständlicher  wissenschaftlicher  Vorträge  von  R.  Virchow  mid 
Fr.  V,  Holtzendoi-if,  Heft  58.  Vgl.  Germania  14,  255-256  (Schröderj;  AUgem.  Liter. 
Zeitinig  1869,  Nr.  19. 

381.  Westwood,  T,  Angling  lore  in  the  fourteenth  Century. 
Notes  and  Queries  1868,  Nr.  47. 

382.  Ziuo-erle,  I.  V.,  Das  deutsche  Kinderspiel  im  Mittelalter.  Lex.  8. 
(51  S.)  Wien  1868.   Gerold  in  Comm.    V»  Kthlr. 

Aus  den  Sitzungsberichteu,  57.  Band,  abgedruckt.  Vgl,  Allgem.  Zeitung  1868, 
Nr.   179. 


BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT.  491 

383.  Brill,  Dr.  W.  G.,   Over  het  onderwijs  in  de  Middeneeuwen. 
Kronijk  vaii  het  historisch  genootschap  te  Utrecht." 23.  Jahrgang.  Utrecht  1868. 

384.  Vom  Essen  im  Mittelalter. 
Europa  1868,  Nr.  21. 

385.  Zur  Sittengeschichte  des  16.  Jahrhunderts.   Von  De.  M. 
Zeitschrift  des  historischen  Vereins  für  das  Wirtemberg.  Franken,  7.  Band. 

386.  Leben,  Lieben  und  Thaten  des  Hans  von  Schweinichen,  eines  deut- 
schen Ritters  aus  dem  16.  Jahrh.  Nach  den  Aufzeichnungen  des  Ritters  neu  erzählt 
von  A.  Diezmann.  1.  und  2.  Band.  gr.  16.  (XII,  344  S.)  Leipzig  1868.  0.  Wi- 
gand.   k  '/..  Rthlr. 

A.  u.  d.  T.  Bibliothek  der  besten  Werke  des  18  und  19.  Jahrhunderts.  15.  imd 
16.  Band. 

387.  Friderich,  Über  einige  altdeutsche  Wohnplätze  in  der  Grafschaft 
Wernigerode.   8.   (Wernigerode  1868.) 

388.  Description  d'un  ancien  plan  du  monastere  de  St.  Gall,  au  IX"'® 
siecle.  Traduit  de  l'anglais  par  M.  A.  Campion. 

Bulletin  monumental,  4.  serie,  T.  IV.  Paris  et  Caeu  1868.  8. 

389.  Lobe,  Hausinschriften  aus  dem  Ostkreise  des  Herzogthums  Altenburg. 
8.   Alten  bürg  1867. 

390.  van  Lennep,  J.,  eu  F.  ter  Gouw,  Het  boek  der  opschriften.  Eene 
bijdrage  tot  de  geschiedenis  van  het  Nederlandsche  volksleven.  8.  1 — 6.  Aflev. 
(S.  1  —  192).   Amsterdam  1868.  Kraay,   f.  2,40. 

391.  Cenac-  Moncaut,  Les  jardins  du  roman  de  la  Rose  ,  compares 
avec  ceux  des  Romains  et  ceux  du  moyen-äge. 

L'Investigateur.  Tome  VIH.  8.  Paris  1868. 

392.  Lecoy,  A.,  de  la  Marche,  La  chaire  fran^aise  au  moyen-äge  speciale- 
rnent  au  XIII®  siecle  d'aprfes  les  mss.  contemporains.  Ouvrage  couronnö  par  l'aca- 
ddmie  fran9aise.    Paris.    7  '/^  fr. 

393.  Bock,  Dr.  Fr.,  Faldistorium  in  der  Alterthumssammluug  des  Museums 
zu  Wiesbaden. 

Annalen  des  Vereins  für  Nassauische  Alterthtimskunde.  9.  Band,  Wiesbaden  1868. 

394.  Essen  wein,  A.,  Einige  Leuchter  für  den  Profangebrauch  in  den 
Sammlungen  des  germanischen  Museums. 

Anzeiger  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit  1868,  Sp.  119 — 128.  Mit  Abbildungen. 

395.  Zur  Sitte  und  Sprache  der  Kirche. 
Kirchenschmuck.  Ein  Archiv  etc.  23.  Band. 

396.  Schmieder,  Pius,   Zur  Symbolik  im  19.  Jahrhundert. 

Anzeiger  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit  1868,  Sp.  326  328.  Deutscher  Text 
des  15.  Jahrh.  aus  einer  Lambacher  Hs. :  wie  die  Tugenden  und  Laster  abgebildet  werden. 

397.  Friedberg,  Prof.  Dr.  Emil,  Aus  deutschen  Bußbüchern.  Ein  Beitrag 
zur  deutschen  Culturgeschichte.  8.  (IV,  104  S.)  Halle  1868.  Waisenhaus.  %  Rthlr. 

Vgl.  Literar.  Centralbl.  1868,  Nr.  30;  Zeitschr.  f.  d.  Österreich.  Gymnas.  1869, 
Nr.  1 ;  Allgem.  Lit.  Anzeiger  III,  2. 

398.  Die  mythischen  Naturgeschichten  des  Mittelalters. 
Europa  1868,  Nr.  26. 

399.  Häser,  Prof.  Dr.  H.,  Lehrbuch  der  Geschichte  der  Medicin  und  der 
epidemischen  Ka-ankheiten.  2.  völlig  umgearb.  Aufl.  2.  Abdruck,  1.  Bd.,  2.  Abth. 
gr.  8.   (XLVm  S.  u.  S.  481—923  Schiuli).  Jena  1868.  Mauke.   2Vo  Rthlr. 


492  BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT. 

400.  Volkskrankheiten  und  Heilkunst  im  Mittelalter. 

Eurui)a  1868,  Nr.  35. 

401.  Wein  hold,  K.,  Der  tannewetzel  und  bürzel. 
Zeitschrift  für  deutsche  philolo^e  1,  22 — 24. 

402.  P  all  mann,   Dr.  ß..   Diätetische  Vorschriften  für  Pommern  aus  dem 
Ende  des  Mittelalters,  gr.  8.   (6  S.)   Stralsund  1868.  Hingst  in  Comm.    1  Ngr. 


403.  Trautmann,  Franz,  Kunst  und  Kunstgewerbe  vom  frühesten  Mittel- 
alter bis  Ende  des  18.  Jahrhundert.  Ein  Hand-  und  Nachschlagebuch  zur  leichteren 
Orientirung  in  Fächern  und  Schulen,  Mustern,  Nachahmungen  etc.  gr.  8.  (XIV, 
421  S.)   Nördlingen  1869.  Beck. 

Vgl.  Revue  critique  1868,  Nr.  18,  S.  285-288;  Anzeiger  f.  K  d.  d.  Vorzeit  1869, 
Nr.  1 ;  Neueste  Nachrichten  1869,  Nr.  75 ;  Zeitschr.  f.  bildende  Kunst  IV,  10. 

404.  Coronel,  P.  P. ,  Het  gildewezen  in  Fresland.  Voordrach  gehouden 
in  de  vereeniging  Nyverheid,  te  Leeuwarden.  8.  Leeuwarden  1868.  Eckhoff. 
(34  S.)  f.  0,30. 

405.  vanLennep,  J.,  en  J.  ter  Gouw,  De  Uithangteekens  in  verband 
met  geschiedenis  en  volksieben.  Geillustreerd  met  300  boekdruketsen.  2  Theile. 
roy.  8.   (414  u.  455  S.)  Amsterdam  1868.  Kraay.  f.  10,80. 

406.  Paeile,  Gh.,  Kritisk  onderzoek  naar  de  uitvinding  der  Boekdrukkunst. 
voor  Nederlanders  bewerbt  en  met  aanteekeningen  vermeerderd,  door  J.  H.  ßutjes, 
8.  (20  u.  267  S.)  Amsterdam  1868.  van  Langenhuysen.  f.  2,00. 


407.  Weiß,  Hermann,  Kostümkunde  (HI.  Abschnitt).  Handbuch  der 
Geschichte  der  Tracht  und  des  Geräthes  vom  14.  Jahrhundert  bis  auf  die  Gegen- 
wart, Mit  Illustrationen.  3.  u.  4.  Lieferung,  gr.  8.  (S.  241  —  464.)  Stuttgart 
1868.  Ebner  und  Seubert.  ä  24  Ngr. 

408.  Schnitze,  Dr.  Rudolf,  Die  Modenarrheiten.  Ein  Spiegelbild  der  Zei- 
ten und  Sitten  für  das  deutsche  Volk.  8.  (IX,  235  S.)  Berlin  1868.  Nicolai'a 
Verl.    1  Va  Rthlr. 

409.  Bart,  Perrücke,  Zopf. 

Europa  1868.  Nr.  47.  Zur  Geschichte  derselben. 

410.  Janssen,   Dr.,  Der  merovingische  Goldschmuck  aus  Wienwerd. 
Jahrbücher  des  Vereins  von  Alterthunisfreunden  im  Rheüilande,  43.  Heft. 

411.  W  eininger,  H.,  Die  mittelalterliche  Bewaffnung. 
Illustrirte  deutsche  Monatshefte,  Januar  1868. 

412.  Kupp,  Theophil,  Die  kurzen  Griffe  der  Bronzeschwerter. 
Germania  13,  285-294. 

413.  Essenwein,  A.,   Zur  Geschichte  der  Feuerwaffen. 

Anzeiger  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit  1868,  Sp.  225—229.  Mit  Abbildungen. 

Xr.   Kunst. 

414.  Förster,  Ernst,  Denkmale  deutscher  Baukunst,  Bildnerei  und  Malerei 
von  Einführung  des  Christenthums  bis  auf  die  neueste  Zeit.  276 — 292,  Lieferung. 
Leipzig  1868.  T.  0.  Weigel.   k  %  Thlr. 

415.  Lübke,  Prof.  Dr.  Wilh. ,   Grundriß  der  Kunstgeschichte.    4.  durch- 


BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT.  493 

geseh.  Aufl.    Mit  403  Holzschn.  Illustr.  Lex.  8.   (XX,    775  S.)  Stuttgart   1868. 
Ebner  und  Seubert.   SVa  Rtlilr. 

Vgl.  Westminster-Review  69;  Athenäum  2148;  Allgem.  Zeitung  1869,  Nr.  74. 

416.  Knoblich,  Schlesiens  Antheil  an  der  Verbreitung  der  Glasmalerei 
im  Mittelalter  und  ihrer  Wiederbelebung  in  der  Neuzeit. 

Schlesiens  Vorzeit  in  Bild  und  Schrift,  9.  Bericht.  Breslau  1868,  4. 

417.  Arnold,  Xav.,  und  Ed.  Knoll,  Sammlung  von  Initialen  aus  dem 
12 — 17.  Jahrhundert.  Entnommen  der  k.  Hof-  und  Staats-Bibliothek  zu  München, 
der  Biblioteca  nacional  und  der  Biblioteca  de  la  universidad  central  zu  Madrid. 
Eingeführt  durch  Archivar  Prof.  Dr.  Meßmer.  (In  40 — 50  Lief.)  1 — 5.  Lief, 
imp.  4.   (ä.  6  Chromolith.)   Leipzig  1867 — 68.  Denicke,  ä  2  Rthlr. 

418.  Brendel,  Franz,  Geschichte  der  Musik  in  Italien,  Deutschland  und 
Frankreich.  Von  den  ersten  christlichen  Zeiten  bis  auf  die  Gegenwart.  25  Vorle- 
sungen.  4.  Auflage,  gr.  8.  (XXVI  u.  687  S.)  Leipzig  1868.  Matthes.  3 '^3  Rthlr. 

419.  De  Coussemaker,  l'Art  harmonique  des  12.  et  13.  siecles.  Tome II. 
Bruxelles   1868. 

Vgl.  Götting.  Gel.  Anzeigen  1868,  Nr   13. 

420.  Jahrbücher  für  musikalische  Wissenschaft  herausg.  von  Fr.  Chry- 
sander.   2.  Band.  Leipzig  1867,  Breitkopf  und  Härtel. 

Enthält  S.  1— 2.S4:  eine  vollständige  Ausgabe  des  sogen.  Locheiiner  Liederbuches 
durch  F.  W.  Arnold  und  G.  Bellermann.  Das  Original  ist  in  Wernigerode.  Vgl.  Literar. 
Centralbl.  1868,  Nr.  14. 

XII.  Rechtsgeschichte  und  Rechtsaltert hümer. 

421.  Schul  er -Libloy  ,  Prof  Friedr. ,  Deutsche  Rechtsgeschichte.  2. 
theilw.  verm.  u.  verbess.  Aufl.  gr.  8.  (VIII,  196  S.)  Wien  1868.  Braumüller. 
1  V3  Rthlr. 

422.  Osenbrüggen,  Ed.,  Studien  zur  deutschen  und  schweizerischen 
Rechtsgeschichte,  gr.  8.   (XII,   440  S.)  Schafi'hausen  1868.  Huiter.    2V„  Rthlr. 

Vgl.  Literar.  Centralbl.  1869,  Nr.  1 ;  Keusch,  Theolog.  Literaturblatt  Nr.  2 ;  Ge- 
richtssaal 20.  Band,  5.  Heft. 

423.  Korn,  H.  H.  Th.,  Die  Anfänge  der  Straßburger  Stadtverfas3ung  nach 
dem   ältesten   Stadtrecht  dargestellt.   8.   Rostock  1868. 

Doctordissertation. 

424.  Heichel,  A.,  Notizen  zur  Rechts-  und  Sittengeschichte  der  Stadt 
Mülhausen  im  16.  17.  und  18.  Jh. 

Alsatia.''Herausgegeb.  von  A.  Stöber.  8.  Band,  2,  Abtheilung. 

425.  Seh  uler-Liblo  j ,  Friedr.,  Siebenbürgischie  Rechtsgeschichte. 
3   Bände,  gr.   8.  Hermannstadt   1868.   Filtsch  in   Comm.    2^3   Rthlr. 

Vgl.  Literar.  Centralbl.  1868,  Nr.  12. 

426.  Stemann,  Chr.  L.  E.  v.,  Geschichte  des  öff"entlichen  und  Privat- 
Rechts  des  Herzogthums  Schleswig.  8.  3  Bände.  Kopenhagen  1866  —  68.  (VIII, 
246,   395,  XVI  u.  394  S.) 

Vgl.  Revue  critique  1868,  Nr.  25. 

427.  Telting,  J.,   Schets  van  het  oud-friesche  privaatregt.   3  Stukken. 
Themis,  Regtskvindig  Tijdskrift  1867—68.  51,  85  u.  72  Seiten. 

428.  Derselbe,  De  invoering  van  het  Romeinsche  regt  in  Friosland. 
Tijdskrift  voor  het  Nederlandsch  Regt,    onder  redaktie  van  M.  A.  Osideman  en 

M.  G.  Diephuis.  I.  Groningen  1868  (^S.  1 — 57j. 


494  BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT. 

429.  Pouillet,  Piofesseur  k  l'universite  de  Louvain,  Histoire  du  droit 
p^nal  dans  l'ancien  duchd  de  Brabant.  Memoire  couronne  par  l'academie  royale. 
4.   Bruxelles  1868.   Muquardt.    1  Ethlr.   20  Ngr- 

430.  Derselbe,  Histoire  de  la  joyeuse  entree  de  Brabant  et  de  ses  ori- 
gines.  Memoire  sur  l'ancienne  institution  braban^onne.  Mdmoire  couronne.  ßru- 
xeUes  1868.  Muquardt.   2 '/g  Rthlr. 

431.  Brunner,  H.,  Wort  und  Form  im  altfranzösischen  Process.  Lex.  8. 
(126  S.)  Wien  1868.  Gerold  in  Comm.    2/3  Rthlr. 

Aus  den  Sitzungsberichten.  Vgl.  Literar.  Centralbl.  1869,  Nr.  2;  Revue  crltique 
1868,  Nr.  49. 

432.  Maurer,  K.,  Zur  altnordischen  Rechtsgeschichte. 

Pözl-Bekker,  Kritische  Vierteljahrsschrift  10.  Band,  3.  Heft.  Anknüpfend  an  Key- 
sers  efterladte  Skrifter. 

433.  Franklin,  0.,  Das  Reichshofgericht  im  Mittelalter.  2.  Band.  8. 
Weimar  1868.   Böhlau. 

Vgl.  Literar.  Centralbl.  1869,  Nr.  15 ;  histor.  Zeitschrift  1869,  2.  Heft. 

434.  Bienko,  Andr.  Fr.  P. ,  De  proscriptione  secundum  fontes  juris  saxo- 
nici  medii  aevi  commentatio.  Dissertatio  inauguralis.  gr.  8.  (83  S.)  Regimonti 
Pr.  1867. 

Vgl.  Literar.  Centralbl.  1868,  Nr.  39. 

435.  Simon,  Rob.  J.,  Juris  saxonici  medii  aevi  de  foro  competenti  prae- 
cepta.  Dissertatio  inauguralis.   gr.  8.    (105  S.)  Regimonti  Pr.  1867. 

Vgl.  Literar.  Centralbl.  1868,  Nr.  38. 

436.  Schröder,  Prof.  Dr.  Rieh.,  Geschichte  des  ehelichen  Güterrechts  in 
Deutschland.  2.  Theil,  1.  Abth.  Das  eheliche  Güterrecht  in  Süddeutschland  und 
der  Schweiz  im  Mittelalter,  gr.8.  (XVI,  234  S.)  Stettin  1868.  Saunier.   1  V3  Rthlr. 

Vgl.  Göttmg.  Gel.  Anzeigen  1868,  Nr.  42  (Kraut). 

437.  Friedländer,  E.,  Das  Einlager.  Ein  Beitrag  zur  deutschen  Rechts- 
geschichte. Aus  Urkunden  dargestellt,  gr.  8.  (VIII,  17  7  S.)  Münster  1868. 
Theiß ing.   24  Ngr. 

Vgl.  Literar.  Centralbl.  1868,  Nr.  24. 

438.  Merlo,  J.  J.,  Rechtsalterthümer. 

Jahrbücher  des  Vereins  von  Alterthumsfreimden  im  Rheinland,  45.  Heft. 

439.  Birlinger,   A.,   Zu  den  Rechtsalterthümern. 
Anzeiger  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit  1868,  Sp.  396. 

440.  Birlinger,  A. ,  Alemannische  Rechtsalterthümer  und  Weisthümer. 
Das  Bahn-echt.   Der  Happich  etc. 

Anzeiger  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit  1868,  Sp.  II — 14.  41—44. 

441.  Münz,  Dr.,  Der  Backenstreich  in  den  deutschen  Rechtsalterthümern 
und  im  christlichen  Cultus. 

Annalen  des  Vereins  für  nassauische  Alterthuniskunde  9.  Band. 

442.  Zeißberg,  Heinr.,  Hieb  und  Wurf  als  Rechtssymbole  in  der  Sage. 
Beitrag  zur  vergleichenden  Sagenforschung. 

Germania  13,  401—444. 

443.  Homeyer,  Beiträge  zu  den  Hausmarken. 

Monatsbericht  der  k.  preuß.  Akademie  der  Wissenschaften  1868,  Septemb.  October. 


BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT.  495 

444.  Schulte,  J.  F.,  Die  Rechtshandschriften  der  Stiftsbibliotheken  von 
Göttweig,  Heiligenkreuz,  Klosterneuburg,  Melk,  Schotten  in  Wien.  gr.  8.  Wien 
1868.   Gerold  in  Comm.    8  Ngr. 

Vgl.  Reusch,  Theolog.  Literaturblatt  1869,  Nr.  10. 

445.  Monumenta  Germaniae  historica  inde  ab  a.  Christi  500  usque  ad  a. 
1500  auspiciis  societatis  aperiendis  fontibus  rerum  Germanicarum  medii  acvi  ed. 
G.  H.  Pertz.  T.  XXI.   gr.  Fol.  (CXIV,  680  S.)  Hannover  1868.  Hahn.   15  Rthlr. 

Legum  tom.  IV.  Enthält  die  Leges  Langobardonim  ed.  Bluhme,  Liber  legis  Lan- 
gobardonim  Papiensis  ed.  Boretius  etc.  Vgl.  Historische  Zeitschrift  1869,  2.  Heft  (Bliüime). 

446.  Richthofen,  Dr.  K.  Frh.  v..  Zur  Lex  Saxonum.  gr.  8.  (VII,  432S.) 
Berlin  1868.  Hertz.   2  Rthlr.  12  Ngr. 

Vgl.  Literar.  Centralbl.  1869,  Nr.  8;  Gott.  Gel.  Anzeig.  Nr.  10;  Hamburg.  Cor- 
respondent  Nr.  72. 

447.  Cockayne,  Sur  quelques  passages  des  lois  saxonnes. 

The  Journal  of  Philology,  edited  by  Clark,  Mayor  and  Wright.  London  1868,  Nr.  2, 

448.  Mülverstedt,  A.  v. ,  Über  die  Stammheimath  der  Altmärkischen 
Herren  v.  Buch,  mit  Rücksicht  auf  Johann  v.  Buch,  den  Glossator  des  Sachsen- 
spiegels. 

16.  Jahresbericht  des  Altmärk.  Vereins  f.  vaterländ.  Geschichte,  Magdeburg  1868. 

449.  Die  Blume  von  Magdeburg  herausgeg.  von  Dr.  Hugo  Böhlau.  gr.  8. 
(III,   190  S.)   Weimar  1868.  Böhlau.   1  Rthlr. 

Vgl.  Literar.  Centralbl.  1869,  Nr.  16. 

450.  Bischoff,  Über  ein  mittelalterHches  steiermärkisches  Landrecht. 
Beiträge  zur  Kimde  Steiermark.  Geschichtsquellen,  5.  Jahrgang,  Graz  1868. 

451.  Kürschner,  Dr.  Franz,  Das  Stadtrecht  von  Eger  und  seine  Ver- 
breitung. 

Mittheilungen  für  Geschichte  der  Deutschen  in  Böhmen,  7.  Jahrgang. 

452.  Steinhoff,  Fr.,  Das  Moringer  Stadtrecht  aus  dem  Moringer  Copial- 
buche. 

Zeitschrift  für  Rechtsgeschichte  7.  Band,  2.  Heft. 

453.  Ein  Stendaler  Urth  ei Isbuch  aus  dem  14.  Jahrhundert  als  Beitrag 
zur  Kenntniss  des  Magdeburger  Rechts  herausgeg.  von  Dr.  J.  Fr.  Behrend,  Frivat- 
dozent  in  Berlin.   8.   Berlin  1868.   Guttentag. 

Vgl.  Literar.  Centralbl.   18G9,  Nr.  1. 

454.  Tomasch ek,  Prof.  Dr.  J.  A.,  Der  Oberhof  Iglau  in  Mähren  und 
seine  Schöffensprüche  aus  dem  13  — 16.  Jahrhundert,  aus  mehreren  Hand- 
schriften herausgegeben  und  erläutert,  gr.  8.  (VIII,  396  S.)  Innsbruck  1868. 
Wagner.   3  '/a  Rthlr. 

Vgh  Götting.  Gel.  Anzeigen  1869,  Nr.  19. 

455.  Zingerle,  Dr.  I.V.,  Bericht  über  die  in  Tirol  im  J.  1867  ange- 
stellten Weisthümer-Forschungen.  Lex.  8.  (19  S.)  Wien  1868.  Gerold  in  Comm. 
3  Ngr. 

Aus  den  Sitzungsberichten  abgedruckt. 

456.  Schäfer,  G.,   Weisthum  des  Sends  zu  Nierstein. 

Ai-chiv  für  hessische  Gesohichte  und  Alterthumskunde   12.  Band,  1.  Heft. 


496  BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT. 

XIII.  Deutsche  Litteraturgeschichte  und  Sprachdenkmäler. 

457.  Vilmar,  A.  F.  C.  ,  Geschichte  der  deutsclien  National-Literatur. 
12.  vermehrte  Auflage.  2.  u.  3.  Lieferung,  gr.  8.  (XII  S.  u.  S.  241  — G 2 6.) 
Marburg  1868.  Elwert.    ä  %  Rthlr. 

458.  Uhland's  Schriften  zur  Geschichte  der  Dichtung  und  Sage.  6.  und 
7.  Band.  gr.  8.  (IV,  428  und  IV,  680  S.)  Stuttgart  1868.  Cotta.  2  Rthlr. 
16  Ngr.  u.   4  Rthlr.  8  Ngr. 

Vgl.  Götting.  Gel.  Anzeigen  1868,  Nr.  40,  1869,  Nr.  25  (Liebrecht) ;  Frankfurter 
Zeitung  1869,  Nr.  15. 

459.  Pischon's  Leitfaden  zur  Geschichte  der  deutschen  Literatur.  13. 
vei*m.  und  verbess.  Aufl.,  bearb.  von  K.  J.  H.  Palm.  gr.  8.  (VIII,  247  S.) 
Leipzig  1868.  Duncker  u.  Humblot.    18  Ngr, 

Vgl.  Zeitschrift  für  deutsche  philologie  1,  239 — 254  (Zacher);  Deutsche  Blätter 
Nr.  39 ;  Schweizer  Lehrerzeitung  1869 ,  Nr.  9 ;  Oldenburg.  Schulbl.  Nr  1 ;  Coi-respon- 
denzbl.  f.  d.  Gelehrten-  u.  Realschulen  in  Württemberg  1868,  Nr.  11.  12;  Allgem.  Lit. 
Zeitung  1869,  Nr.  1;  Liter.  Handw.  78;  Unsere  Zeit  Nr.  11;  St.  Galler  Blatt.  23;  All- 
gem. deutsche  Lehrerzeitung  Nr.  24;   Rhein.  Blätter  24,  2. 

460.  Rumpelt,  H.  B.,  Grundzüge  der  deutschen  Literaturgeschichte.  Zum 
Gebrauch  für  höhere  Töchterschulen.  8.  (98  S.)  Breslau  1868.  Gosohorsky. 
V2   Rthlr. 

Vgl.  Allgem.  Lit.  Anzeiger  III,  4;  Breslauer  Zeitung  1868,  Nr.  103;  Schulfreund 
1869,  Nr.  2;  Vierteljahrsschrift  für  höhere  Töchterschulen  Nr.  2;  Allgem.  deutsche  Leli- 
rerzeitung  Nr.  27;  Rhemische  Blätter  23,  1. 

461.  Hahn,  Werner,  Geschichte  der  poetischen  Literatur  der  Deutschen. 
4.  Auflage,  gr.  8.  (VIII,   333  S.)  Berlin  1868.  Hertz.    1 '/a  Rthlr. 

462.-  Brugier,  G.  ,  Geschichte  der  deutschen  National-Literatur.  Für 
Schule  und  Selbstbelehrung.  Mit  vielen  Proben  und  einem  Glossar.  2.  Aufl.  gr.  8. 
(XXXV,   576  S.)  Freiburg  i.  Br.  1868.  Herder.    1  Rthlr.  6  Ngr. 

Vgl.  Literar.  Haudweiser  Ni\  78;  Reusch,  theol.  Literaturbl.  10;  Heindl,  Reper- 
torium  Nr.  4;  Magazin  für  Pädagogik  Nr.  2;  Allgem.  Lit.  Zeitung  1868,  Nr.  6. 

463.  Lindemann,  Wilh.,  Geschichte  der  deutschen  Literatur  von  den  äl- 
testen Zeiten  bis  zur  Gegenwart.  2.  Auflage.  (In  2  Lieferungen.)  1.  Liefer.  gr.  8. 
(352  S.)  Freiburg  i.  Br.  1868.  Herder.    1  Rthlr. 

Vgl.  Literar.  Handweiser  Nr.  78;  Unsere  Zeit  Nr.  11;  Allgem.  Lit.  Zeitung  1869, 
Nr.  24;  Monatsrosen  Nr.  4;  Heindl,  Repertorium  5. 

464.  Lange,  0.,  Grundriß  der  Geschichte  der  deutschen  Literatur  für  hö- 
here Bildungsanstalten.    6.  Aufl.   gr.  8.  (VI,  109  S.)  Berlin  1868.  Gärtner.  8  Ngr. 

Vgl.  Allgem.  Schulzeitung  Nr.  37 ;  Mensch,  pädagog.  Zeitung  Nr.  ö2 ;  Schweizer 
Lehrerzeitimg  1869,  Nr.  9;  Stoa  I,  6. 

465.  Egger,  Prof.  Alois,  Lehrbuch  der  deutschen  Literaturkunde.  l.Theil. 
gr.  8.   (X,   345  S.)  Wien  1868.  Beck.   26  Ngr. 

466.  Dietlein,  W.,  Einleitung  in  die  deutsche  Dichtung.  Ein  Hülfsbuch 
für  Freunde  der  Poesie,  so  wie  insbesondere  für  Volksschullehrer  und  die  Ober- 
classen  höherer  Schulanstalten,  gr.  8.  (XII,  219  S.)  Braunschweig  1868.  Bruhn. 
26  Ngr. 

Vgl.  Lüben,  Jahresbericht  1869,  Nr.  20;  Jessen,  Zentralblatt  Nr.  4;  Pädagog. 
Archiv  Nr.  4. 

467.  Droese,  A.,  Einführung  in  die  deutsche  Literatur  von  ihren  ersten 
Anfängen  bis  zur  Gegenwart.  Biographiecn  und  Proben,  gr.  8.  (XII,  324  S.) 
Langensalza  1868.  Greßler.    1  Rthlr. 


BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT.  497 

Vgl.  Zeitschrift  für  deutsche  philologie  1 ,  255  fg.  (Zacher) ;  Bartholomäus ,  lit. 
Anzeiger  Nr.  62;  Allgem.  Schulzeitung  1869,  Nr.  25. 

468.  Kriebitzsch,  Dir.  K.  Th. ,  Vorschule  der  Literaturgeschichte  für 
Schulen,  vornehmlich  höhere  Töchterschulen  und  gehobene  Bürgerschulen.  In  drei 
Stufen,  gr.  8.   (X,   339  S.)  Berlin  1868.   Stubenrauch.    ^/^  Rthlr. 

Vgl.  Jessen,  Zentralbl.  1869,  Nr.  2;  Schulfreund  Nr.  1;  Berlmer  Fremdenbl.  Nr.  93. 

469.  Zeynek,  Gustav,  Grundzüge  der  deutschen  Stylistik  und  Literatur- 
geschichte. Ein  Hilfsbuch  beim  Sprachunterrichte  zunächst  an  Lehrerbildungs- 
anstalten,   gr.  8.   (VIII,   200  S.)   Graz  1868.  Leuschner  u.  Lubensky.    Vg  Rthlr. 

Vgl.  Allgem.  deutsche  Lehrerzeitung  1869,  Nr.  24. 

470.  Proben  der  classischen  Poesie  des  12.  13.  14.  15.  Jahrhunderts,  in 
einen  kurzen  Abriß  der  Literaturgeschichte  des  Mittelalters  eingerahmt ,  nebst 
einem  Glossar.    8.   (IV,   128  S.)  Berlin  1868.  Mittler.    12  Ngr. 

Vgl.  Archiv  für  das  Studium  der  neueren  Sprachen  43,  91  fg. 

471.  Jonckbloet,  Dr.  W.  J.  A.,  Geschiedenis  der  nederlandsche  Letter- 
kunde.   1.  Deel.  gr.  8.   Groningen  1868.  Wolters,  f.  4,90. 

Complet  in  zwei  Theileu. 

472.  Martin,  Ernst,  Übersicht  der  mittelniederländischen  litteratur  in  ihrer 
geschichtlichen  entwickelung. 

Zeitschrift  für  deutsche  philologie  1,  157 — 177. 

473.  Everts,  W.,  Geschiedenis  der  Nederlandsche  Letteren;  een  handboek 
voor  gymnasien  en  hoogere  burgerscholen.  1  Deel.  8.  (4  u.  195  S.)  Amsterdam 
1868.   f.  1,00.- 

474.  Craik,  G.  L.,  Compendious  history  of  english  literature  and  of  the 
english  language,  from  the  Norman  conquest.  W'ith  numerous  specimens.  New  edi- 
tion.   2  vol.  London,   Griffin.   8.   (1240  S.)   25  s. 

475.  Arnold,  T.,  Chaucer  to  Wordsworth.  A  short  history  of  english  lite- 
rature from  the  earliest  times  to  the  present  day.  3  vol.  12.  London  1868.  Murby. 

476.  Armstrong,  J.,  Compendium  of  english  literature.    12.  1868.   2  s. 

477.  Hazlitt,  W.  C,  Handbook  to  poetical  and  dramatic  literature.  8. 
1868.   31  8.  6  d. 

478.  Lowndes,  W.  J.,  Bibliographer's  Manual  of  english  literature.  New 
edition.   6  vol.   1868.   33  s. 

479.  Roth,  Dr.  Karl,  Kleine  Beiträge  zur  deutschen  Sprach-,  Geschichts- 
und Ortsforschung.  6.  Heft.  2.  verbess.  Aufl.  m.  e.  Anh.  8.  (64  S.)  München  1868. 
Finsterlin.    Vg  Rthlr. 

480.  Kleine  Beiträge  zur  Sprache  und  Literatur. 

Archiv  für  das  Studium  der  neueren  Sprachen  43,  122—128.  Die'Predigt  Ber- 
tholds  von  Ketzern  und  Katzen  (vgl.  S.  125)  ist  keineswegs  apokryph :  s.  Pfeiffers  Aus- 
gabe S.  388.    Die  Notiz  aus  Pater  Amandus    Seelenweide'  ist  nicht  bekannt. 

481.  Klettke,   Dir.  Dr.  C.  A.,  Über  deutsche  Dichtungen  in  heidnischer 

Zeit,  insbesondere  über  ein   im  J.  1858   entdecktes  althochd.  Schlummerlied.    4. 

(21  S.)  Breslau  1867. 

Programm  der  Realschule  am  Zwinger.  Vgl,  Arcliiv  für  das  Studium  der  neueren 
Sprachen.  42,  470. 

482.  Grimm,  Wilh.,  Die  deutsche  Heldensage.  2.  verm.  u.  verb.  Auflage, 
gr.  8.   (X,   428  S.)  Berlin  1868.  Dümmler.    2  Ya  Rthlr. 

Vgl.  Literar.  Centralbl.   1868,  Nr.  H- 

GEBMANFA.  Neue  Reihe  II.   (XIV.)  Jahrg.  32 


498  BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT. 

483.  Vilmar,  A.  F.  C,  Handbüchlein  für  Freunde  des  deutschen  Volks- 
liedes.  2.  Aufl.  gr.  8.   (VIT,  240  S.)  Marburg  1868.   Koch.    1  Rthlr. 

Vgl.  Revue  critique  1868,  Nr.  18;  Novellenzeitung  1869,  Nr.  10;  Oldenburg. 
Schulbl.  7.  8;  Ohly,  Pastoralbl.  Nr.  6;  Allgem.  Faniilienzeitung  Nr.  20;  öste.rr.  Garten- 
laube Nr.  8;  Literar.  Handweiser  Nr.  78;  I'ädagog.  Archiv  Nr.  4;  Brandenburg.  Schul- 
blatt Nr.  5.  6;  Stoa  II,  2. 

484.  Richter,  Lehrer  Dr.  Otto,  Die  ältesten  deutschen  Liebeslieder  des 
12.  Jahrhunderts.  In  freier  Übertragung,  gr.  8.  (33  S.)  Görlitz  1868.  Wolt- 
mann.    V»  Rthlr. 

Abdruck  aus  dem  Neuen  Lausitzer  Magazin. 

485.  Zingerle,  I.  V.,  Vergleiche  bei  mittelhochdeutschen  Dichtem. 
Germania  13,  294-301. 

486.  Bergmann,  Fr.  W.,  La  priamfele  dans  les  diffdrentes  littdratures  an- 
ciennes  et  modernes.   8.   (37  S.)   Strasbourg  1868. 

Extrait  de  la  Revue  d'Alsace.  Vgl.  Revue  critique  1868,  Nr.  39. 

487.  Koch,  Ed.  Emil,  Greschichte  des  Kirchenlieds  und  Kirchengesangs 
der  christlichen,  insbesondere  der  deutschen  evangelischen  Kirche.  3.  Auflage. 
4.  u.  5.  Bd.  gr.  8.  (VIII,  574  u.  VIII,  672  S.)  Stuttgart  1868.  Belser.  2  Kthlr. 
21  Ngr. 

488.  Wackernagel,  Philipp,  Das  deutsche  Kirchenlied  von  der  ältesten 
Zeit  bis  zum  Anfang  des  17.  Jahrhunderts.  21.  Lieferung  (3.  Band,  S.  1 — 112). 
Leipzig  1868.   Teubner.    ^3  R^^lr. 

489.  Kays  er,  Job.,  Beiträge  zur  Geschichte  der  Kirchenhymnen,  mit  be- 
sonderer Rücksicht  auf  das  römische  Brevier.  2.  Heft.  gr.  8.  (S.  161  —  310.) 
Paderborn  1 8  G  8 .  Junfermann.    1 7  '/.^  Ngr. 

Vgl.  Literar.  Handweiser  Nr.  70;  Allgem.  Lit.  Zeitung  1869,  Nr.  10;  Chilianeum 
I,  4;  Reusch,  theolog.  Literaturblatt  Nr.  14. 

490.  Krause,  K.  E.  H.,  Ein  Beitrag  zur  Geschichte  des  deutschen  Kirchen- 
liedes.  8.  Rostock  1868. 

Programm  der  großen  Stadtschule. 

491.  Crecelius,  W.,  Über  die  ältesten  protestantischen  Gesangbücher 
am  Niederrhein. 

Zeitschrift  des  Bergischen  Geschichtsvereins.  5.  Band. 

492.  Hasak,  Ffr.  Viuc,  Der  christliche  Glaube  des  deutschen  Volkes  beim 
Schlüsse  des  Mittelalters  dargestellt  in  deutschen  Sprachdenkmalen,  oder  50  Jahre 
der  deutschen  Sprache  im  Reformationszeitalter  vom  J.  1470  bis  1520.  Ein  christ- 
liches Lebensbild.  Mit  Benutzung  von  neun  verschiedenen  deutschen  Bibelausgaben 
vor  Luther.  Nach  alten  Druckwerken  und  Handschriften  verfasst.  gr.  8.  (XVI, 
587  S.)  Regensburg,  Manz,    1869. 

493.  Reidt,  Heinrich,  Das  geistliche  Schauspiel  des  Mittelalters  in  Deutsch- 
land, gr.  8.   (VII,  175  S.)  Frankfurt  a.  M.  1868.   Winter.    24  Ngr. 

Vgl.  Germania  13,  486;  Literar.  Centralbl.  1869,  Nr.  6;  Wissensch.  Beilage  der 
Leipz.  Zeitung  Nr.  22;  Reuß,  Literaturblatt  1868,  Nr.  22;  Blätter  für  literar.  Unterhal- 
tung 1869,  Nr.  20;  Allgem.  Lit.  Anz.  III,  4;  Chilianeum  N  F.  I,  2;  Belletrist.  Beilage 
d.  Köln.  Volkszeitung  Nr.  3. 

494.  Morel,  P.  Gall,  Das  geistliche  Drama  im  12 — 19.  Jahrhundert  in 
den  fünf  Orten,  besonders  in  Einsiedeln. 

Der  Geschichtsfreund,  23.  Band.  Zusätze  zum  17.  Bande. 

495.  Le  drame  religieux  du  moyen  äge  jusqu'a  nos  jours  (nach  K.  Hase). 
Revue  des  deux  mondes  1868,   1.  Juli,  p.  84. 


BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT. 


499 


496.  The  early  english  and  germaa  drama. 
Notes  and  Queries  1868,  Nr.  47. 

497.  Zittel,  Emil,  Die  dramatischen  Bearbeitungen  und  Darstellungen 
des  Lebens  Jesu.  Vortrag  für  den  badischen  Frauenverein  im  Museum  zu  Karls- 
ruhe am  25.  Januar  1868  gehalten,  gr.  8.  (27  S.)  Mannheim  1868.  Löffler.  4Ngr. 

Vgl.  Zum  theolog.  Literaturblatt  1867,  Nr.  82. 

498.  Baader,  Eine  Notiz  über  die  alten  Fastnachtspiele. 
Anzeiger  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit  1868,  231  fg. 

499.  S  träum  er,  Oberl.  Dr.,  Beiträge  zur  Geschichte  der  Schulcomödie  in 
Deutschland.  I.  Theil.  Bis  zur  Mitte  des  16.  Jahrhunderts  nebst  Proben  aus  einer 
deutschen  Einkleidung  zum  Eunuchus  des  Terenz  nach  einer  Zwickauer  Hs.  aus 
dem  16.  Jh.  gr.  4.   (33  S.)  Freiberg  1868.  Engelhardt  in  Comm.   6  Ngr. 

500.  Hermanns,  C.  R.,  Geschiedenis  der  Rederijkers  in  Noordbrabant. 
2*  Stuck.  Bijlage.  Uitgegeven  door  het  provincial  Genootschap  van  Künsten  en 
Wetenschappen  in  Nord-Brabant.   8.   (352  S.)  's  Hertogenbosch  1867.  Muller. 

Der  1.  Theil  ist  noch  nicht  erschienen. 

501.  Thiemann,  Dr.,  Über  die  Bedeutung  und  Aufgabe  der  politischen 
Satire  mit  Rücksicht  auf  die  altclassische  und  deutsche  Literatur.  4.  (24  S.) 
Landshut  1867. 

Programm  der  Realschule.  Vgl.  Archiv  für  das  Studium  der  neueren  Sprachen 
42,  469. 

502.  Funde,  Studien  und  Ausgaben  althochdeutscher  Dichtungen. 
Atigsburger  Postzeitung  1868,  Beilage  32. 

503.  Seh  ein  er,  Paul,  Die  deutsche  Prosa  vor  Luther.  8.  (33  S.)  Te- 
ßchen   1868. 

Programm  des  Gymnasiums.  Vgl.  Herrigs  Archiv  43,  217. 

504.  Maurer,  Konrad,  Über  die  norwegische  auffassung  der  nordischen 
litteraturgeschichte. 

Zeitschrift  für  deutsche  philologie  1,  25     88. 

505.  Maurer,   Konrad,  Über  die  Ausdrücke:  altnordische,  altnorwegische 

und  isländische  Sprache.   4.   (232  S.)  München    1867.   Franz.    273  Rthlr. 

Aus  den  Abhandlungen  der  Münchener  Akademie  11.  Bd.  2  Abth.  Vo-1.  Literar 
Centralbl.  1868,  Nr  39,  Sp.  1063     65.  ° 

506.  Maurer,   Konrad,   Über  isländische  Apokrypha. 
Germania  13,  59—76. 

507.  Maurer,   Konrad,   Nachtrag  zu   den  isländischen  Apokrypha. 
Germania  13,  284. 


508.  Lange,  Dr.  Otto,  Sprachschatz  der  deutschen  Literatur.  Für  Schule 
und  Haus  bearbeitet.  2  Theile.  gr.  8.  (IX,  608  und  UI,  372  S.)  Berlin  1868. 
Gärtner.   2   Rthlr.   20  Ngr, 

509.  Zupitza,  Dr.  Jul.  ,  Einführung  in  das  Studium  des  mittelhoch- 
deutschen. Zum  Selbstunterricht  jür  jeden  gebildeten,  gr.  8.  (XIV,  114  S.) 
Oppeln    1868.  Reisewitz  in   Comm.    16  Ngr. 

Vgl.  Germania  13,  485  (Strobl);  Zeitschrift  für  das  Gyranasiahvesen  1869,  5.  Heft. 

32* 


500  BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT. 

510.  Wessely,  J.  E.,  Das  Grundprincip  des  deutschen  Rhythmus  auf 
der  Höhe  des  19.  Jahrhunderts,  gr.  8.  (XVI,  392  S.)  Leipzig  1868.  T.  0. 
Waigel.  2  '/s  Rtlih-. 

Vgl,  Literar.  Centralbl.  1868,  Nr.  20;  Stoa  I,  1. 

511.  Jordan,  Wilhelm,  Der  epische  Vers  der  Germanen  und  sein  Stab- 
reim, gr.  8.  (III,  67  S.  mit  2  Tab.  in  4.)  Frankfurt  a.  M.  1868.  Selbstverlag. 
Vg  Rthlr. 

Vgl.  Allgem.  Lit.  Anzeiger  III,  5. 

512.  Stabreim  und  Alliteration. 
Blätter  für  literar.  Unterhaltung  1868,  Nr.  49. 

513.  Gislason,  Konrad,  Mälfylling. 

Aarböger  for  nordisk  Oldkyndighed  1868,  S.  353-358. 

514.  Rohm e der,  W.,   Die  Gesetze  der  mittelhochdeutschen  Metrik. 
Album  des  literar.  Vereins  in  Nürnberg  1868,  S.  73 — 90. 

515.  Bartsch,  Karl,  Die  lateinischen  Sequenzen  des  Mittelalters  in  mu 
sikalischer  und  rhythmischer  Beziehung,    gr.   8.   (VIII,   245   S.)  Rostock   1868" 
Stiller.    1  %  Rthlr. 

Vgl.  Revue  critique  1868,  Nr.  52  (G,  Paris). 

A.   G  0  t  h  i  8  c  h. 

516.  Codices  Gotici  Ambrosiani  sive  epistularum  Pauli  Esrae  Nehemiae 
versionis  goticae  fragmenta,  quae  iterum  recognovit,  per  lineas  singulas  descrip- 
sit,  adnotationibus  instruxit  Andr.  Uppström.  fol.  (III,  124  S.)  Holmiae  18  68. 
Samson  u.  Wallin.   5  Rthlr. 

Vgl.  Literar.  Centralbl.  1868,  Nr.  47;  Götting.  Gelehrte  Anzeigen  1868,  Nr.  51 
(L,  Meyer);  Zeitschrift  f.  deutsche  philologie  1,  373  (Heyne);  Hauck,  Jahresbericht  IV,  3. 

517.  Uppström,  W.,  Gotiska  bidrag  med  särskild  hänsyn  tili  de  Ambro- 
sianska  urkunderna.   8.   (47  S.)   Uppsala   1868,    12  Ngr. 

Akadem.  afhandling.  Vgl.  Liter.  Centralbl,  1869,  Nr.  30. 

518.  Maß  mann,  H.   F.,  Die  Turiner   Blätter  des  Ulfila. 
Germania  13,  271—284.  Mit  einer  Schrifttafel. 

519.  Bernhardt,  Ernst,  Vulfila  und  der  Codex  Sinaiticus. 
Germania  13,  37—39. 

520.  Bernhardt,  Ernst,  Kritische  Untersuchungen  über  die  gotische 
Bibelübersetzung.   2.  Heft.  Elberfeld  1868. 

Vgl.  Bibliographie  v.  J.  1864  Nr.  470.  Zeitschrift  für  deutsche  philologie  I,  373, 

521.  Bosworth,  J.,  The  gothic  and  anglosaxon  gospels  parallel.  8.  1868. 

B.  Althochdeutsch. 

522.  Käferbeck,  Drei  alte  deutsche  Übersetzungen  der  Benediktiner- 
Regel.   4.   Graz  1868. 

Programm  des  Gymnasiums. 

523.  Pfeiffer,  Franz,  Zwei  althochdeutsche  Beichten. 

Germania  13,  385—391,  Aus  den  Vatican.  Hss,  3548  und  Palat.  555.  Mit  An- 
merkungen von  W,  Scherer. 

524.  Diez,  C,  Monuments  littdraires  du  vieux  haut-allemand.  8.  (64  S.) 
Paris  1868.  La  Ilachette.    1  fr. 


BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT.  501 

C.  Mittelhochdeutsch. 

525.  Berthold.  —  Hofmann,  Conrad,  Zeugnisse  über  Berthold  von 
Regensburg.   Nachtrag  dazu. 

Sitzungsberichte  der  Münchener  Akademie  1867,  II.  3. 

526.  Hofmann,  C,  Vergleichung  von  Salimbeni's  Zeugniss  über  Berthold 
mit  der  vaticanischen  Originalhandschrift. 

Sitzungsberichte  der  Münchener  Akademie  1868. 

527.  Bligg^er  von  Steinach.  —  Ritsert,  Mitpred,  Frdr.,  Die  Herren 
von  Neckar-Stcinach.  1.  Abtheilung.  Die  ältere  Familie  von  Steinach,  1142  — 1327. 

Archiv  für  hessische  Geschichte  und  Alterthumskunde,  12.  Band,  1.  Heft  Darm- 
stadt 1868. 

528.  David  von  Augsburg.     —    Criegern,  Dr.   Herm.  v, ,   David  von 

Augsburg.   Eine  Studie. 

Theolog.  Literaturblatt  von  Zimmermann  1868,  S.  59-61. 

Eekhart. 

529.  Lasson,  Adolf,  Meister  Eckhart,  der  Mystiker.  Zur  Geschichte  der 
religiösen  Speculation  in  Deutschland,  gr.  8.  (XX,  354  S.)  Berlin  1868.  Hertz. 
2  Rthlr. 

Vgl.  Germania  14,  373  —  380  (Preger);  Literar.  Centralbl.  1869.  Nr.  17;  Heidel- 
berg. Jahrb.  Nr.  10;  Reusch,  theolog.  Literaturblatt  Nr.  7;  Zeitschrift  für  exacte  Phi- 
losophie 8.  Bd.  4.  Heft;  Allgem.  Zeitung  1869,  Nr.  1;  Theol.  Review  Nr.  25;  Revue 
critique  Nr.  21;  N.  Evang.  Kii'chenzeitung  Nr.  18;  Allgera.  Lit.  Anzeiger  III,  6. 

530.  Wahl,   Über  die  Seelenlehre  Meister  Eckarts. 
Theol.  Studien  und  Kritiken  1868,  2.  Heft. 

531.  Jonas,  A.,  Der  transcendentale  Idealismus  Arthur  Schopenhauers  und 
der  Mysticismus  des  Meister  Eckart. 

Philosoph.  Monatshefte  v.  Bergmann,  2.  Band. 

532.  Elisabeth.  —  Das  Leben  der  h.  Elisabeth  vom  Verfasser  der  Erlösung. 
Herausgeg.  von  M.  Rieger.  8.  (431  S.)  Stuttgart  1868. 

90.  Publication  des  Litterar.  Vereins  in  Stuttgart.  Vgl.  Zeitschrift  für  deutsche 
Philologie  1,  376 — 378  (Jaeuicke). 

533.  Freidank.  —  Lemcke,  Fridangi  discrecio.  Freidanks  Bescheiden- 
heit. Lateinisch  und  deutsch.   8.   Stettin  1868. 

534.  Zingerle,  I.V.,  Zu  Freidank. 
Germania  13,  320.  Nachweis  des  Namens. 

Gedichte. 

535.  Altdeutsche  Gedichte  von  A.  v.  Keller,   5.  Tübingen  1868.   8. 

536.  Der  Buben  Orden.  Von  M.  J.  A.  Campbell. 

Anzeiger  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit  1868,  Nr.  4,  Sp,  113  —  119.  Abdruck 
eines  Kölner  Druckes  von  einem  nrh.  Gedichte  vor  1509.  Einen  anderen  Druck  hatte 
schon  früher  Hoffmann  v.  F,  nachgewiesen  in  seinen  Findlingen  I,  370. 

537.  Gottfried  von  Neifen.  —  Richter,  Otto,  Gottfried  von  Neifen 
als   volksthümlicher  Dichter. 

Neues  Lausitz.  Magazin  44.  Band. 

538  Gottfried  von  Straßburg.  —  Zum  Leben  Gottfrieds  von  Straßburg. 
Von  Herm.  Kurz. 

Wochenausgabe  der  Allgemeinen  Zeitung  1868,  Nr.  23  —  25. 

539.   Die   Quelle   zu   Gottfrieds  Tristan. 
Blätter  für  hterar.  Unterhaltung  1868,  S.  62. 


502  BlBLIOGRAl^HISCHE  ÜBERSICHT. 

Hartmann  von  Aue. 

540.  Hart  mann  von  Aue,  herausgegeben  von  F.  Bech.  2.  Theil.  Lieder. 
1.  u.  2.  Büchlein.  Gregorius    Der  arme  Heinrich.  8.  (XVII,  352  S.)  Leipzig  1868. 

Brockhaus.    1  Rthlr. 

A.  u.  d.  T.  :  Deutsche  Classiker  des  Mittelalters.  Herausgeg.  von  Fr.  Pfeiffer. 
5.  Band.  Vgl.  Literar.  Centralblatt  1868,  Nr.  1;  Revue  critique  II.  265  (K.  Bartsch); 
Blätter  für  literar.  Unterhaltung  Nr.  42 ;  Literar.  Handweiser  62 ;  Allgem.  Lit.  Zeitung 
Nr.  .SO;  Pädagog.  Archiv  Nr.  2. 

541.  Hartmann  von  Aue,  Iwein.  Eine  Erzählung.  Mit  Anmerkungen 
von  G.  F.  Benecke  und  K.  Lachmann.  3.  Ausgabe,  gr.  8.  (X,  564  S.)  Berlin 
1868.  Reimer.   2'/,  Rthlr. 

Vgl.  Literar.  Centralbl.   1869,  Nr.  26. 

542.  Strobl,  J.,  Hartmanns  Gregorius  und  seine  Quelle. 
Germania  13,  188-195.    Vgl.  Bl.  f.  lit.  Unt.  1868,  S.  639. 

543.  Rückert,   H.,  Hartmann  von  Aue. 
Blätter  für  literar.  Unterhaltung  1868,  Nr.  44. 

544.  Heinrich  von  Müglin.  —  Schröer,  K.  J.,  Zu  Heinrich  von  Mogelin. 
Germania  13,  212-214. 

545.  Heinr.  V.  Pfolsprundt,  (Bruder  des  deutschen  Ordens  1460),  Buch 
der  Bündt-Ertznei.  Herausgeg.  von  H.  Häser  und  A.  Middeldorpf.  gr.  8.  (XLIV, 
179  S.)   Berlin  1868.  Reimer.    1  Rthlr. 

Vgl.  Germania  14,  116  (Strobl). 

546.  Heinrich  von  Veldeke.  —  Zingerle,  Meraner  Fragmente  der 
Eneide  von   Heinrich  von  Veldeke. 

Sitzungsberichte  der  Münchener  Akademie  1867,  II.  4. 

547.  Hugo  von  Montfort.  —  Bergmann,  Dr.  Jos.  Ritter  v.,  Landes- 
kunde von  Vorarlberg,  gr.  8.   (VHI,   128  S.)  Innsbruck  1868.    Wagner.   24  Ngr. 

Enthält  im  Anhange  biograph.  Skizzen  von  Rudolf  von  Ems  und  Hugo  von 
Montfort. 

548.  Hugo  von  Trimberg.  —  Holdey,  Damian,  Hugo  von  Trymberg 
der  Meistersänger.  Novelle,  gr.  8.  (III,  176  S.)  Leipzig  1868.  Kollmann,  ''/g Rthlr. 

549.  Konrad  von  Megenberg.  —  Höfler,  Dr.  C,  Aus  Avignon.  Separat- 
abdruck aus  den  Abhandlungen  der  k.  böhm.  Gesellsch.  d.  Wissenschaften.  VI.  Se- 
rie,  1.  Band. 

Die  politischen  Schriften  Conrads  von  Megenberg. 

550.  Kudrun.  —  Hofmann,  Konrad,   Zur  Gudrun. 

Allgem.  Zeitung  1868,  Beilage  24  :  mythische  und  historische  Bestandtheile 
der  Sage. 

551.  Lamprecht.  —  Spach,  L.,  Le  moine  Lamprecht  et  son  poeme  d' Ale- 
xandre le  Grand.  8.  (24  S.)  Extrait  du  Bulletin  de  la  sociöt^  littdraire  de  Stras- 
bourg. T.  II. 

Vgl.  Revue  critique  1868,  Nr.  10. 

552.  Laurin.  —  Putz,  G.,  König  Laurin  und  sein  Rosengarten.  In  neue 
Reime  gebracht.    16.   (54  S.)  Innsbruck  1868.  Wagner,    '/g  Rthlr. 

553.  Loher  und  Maller.  —  Bibliothek  der  Romane,  Novellen,  Ge- 
schichten u.  8.  w.  Herausgegeben  von  K.  Simrock.  A.  u.  d.  T.  Loher  und  Maller. 
Ritterroman  erneut  von  K.  Simrock.  gr.  8.  (XVIII,  291  S.)  Stuttgart  1868. 
Cotta.    1  Rthlr. 


BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT,  503- 

Vgl.  Göttinj.  Gel.  Anzeigen  1868,  Nr.  33  (Liebrecht);  Revue  criH(iue  Nr.  24 
(G.  Paris);  Blätter'^ für  liter.  Unterh.  1869,  Nr.  27;  Wissensch.  Beilage  der  Leipz.  Zei- 
tung Nr.  1;  Frankfurter  Zeitung  Nr.  15. 

554.  Mystiker.  —  Notes  on  certain  theosophists  and  mystics:  Tauler  and 
his  scliool. 

Notes  and  Queries  1868,  Nr.  26,  S.  597. 

Nibelungenlied. 

555.  Das  Nibelungenlied.  Herausgegeben  von  Friedr.  Zarneke  3.  Aufl. 
gr.  16.   (CIV  u.  480  S.)   Leipzig  18(38.   G.  Wigand.    1  V.,  Rthlr. 

Vgl.  Germania  LS,  216—240  (K.  Bartsch);  Revue  critique  Nr.  15,  S.  229-233 
(G.Paris);  Literar.  Centralbl.  1868,  Nr.  11. 

556.  Das  Nibelungenlied.  —  Der  Nibelunge  lieL  Vollständig  mit  Be- 
nutzung aller  Handschriften  herausgegeben  von  K.  Simrock.  19.  Aufl.  gr.  8.  (LX, 
775  S.)   Stuttgart  1868.   Cotta.   2  Rthlr. 

Text  mit  gegenüberstehender  Übersetzung.  Vgl.  Blätter  f.  lit.  Unterh.  1869,  Nr.  31; 
Allgem.  Zeitung  1868,  Beilage  236;  lUustr.  Zeitung  1849. 

557.  Das  Nibelungenlied.  Übersetzt  von  0.  Marbach.  Nebst  einführen- 
der Abhandlung:  Das  Nibelungenlied  und  die  altgerman.  Volkssage.  3.  (Titel-) 
Ausg.   8.   (LXXI,   351  S.)  Leipzig  (1859),   Senf.    V.^  Rthlr. 

558.  Zimmermann,  Fr.,  Vortrag  über  das  Nibelungenlied  und  die  deutsche 

Heldensage. 

N.  Jahrbücher  für  Philologie  und  Pädagogik,  98.  Band,  2.  und  3.  Heft. 

559.  Zarneke,  Friedr.,  Zum  Nibelungenliede. 

Germania  13,  445—469.    Gegen  meine  Reeension  (Nr.  556)   gerichtet. 

560.  Bartsch,  Karl,   Zu  den  Handschriften  des  Nibelungenliedes. 
Germania  13,  195  —  201.   1.  Die  Bruchstücke  NP.  2.  Die  Handschrift  b. 

561.  Koch,  Dr.  Ernst,  Die  Sage  von  den  Nibelungen,  gr.  4.  (35  S.) 
Grimma  1868.   Grensel  in  Comm.    V3  Rthlr. 

Programm  der  Landesschule.  Vgl.  Allgem.  Lit.  Anzeiger  III,  5. 

562.  Jordan,  W.  ,  Nibelunge.  I.Lied:  Sigfridsage  in  24  Gesängen. 
3—12.  (Schluß)  Lieferung,  gr.  8.  (S.  145—391.)  Frankfurt  a.  M.  1868.  (Leip- 
zig,  Volkmar.)   k   V3  Rthlr. 

563.  Reisebeschreibung.  —  Kohl,  J.  G. ,  Pilgerfahrt  des  Landgrafen 
Wilhelm  des  Tapfern  von  Thüringen  zum  heil.  Lande  i.  J.  1461.  8.  (157  S.)  Bre- 
men 1868.  Müller.    1  Rthlr. 

Vgl.  Literar.  Centralbl.  1868,  Nr.  11:  der  Text  ist  sehr  vemeudeutscht. 

Rudolf  von  Ems  s.  Nr.  547. 

564.  Sahsendorf.  —  Der  von  Sahsendorf,  Carmina  quot  supersunt  re- 
cognovit  emendavitque  F.  G.  P.  Storck.  gr.  8.  Monasterii  1868. 

5G5.   Sigenot.   —  Frommann,   Dr.,   Ein  hebräischer  Druck  des  Sigenot. 
Anzeiger  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit  1868,  Sp.  127 — 131. 

566.  Stricker.  —  Bibliothek  humoristischer  Dichtungen,  herausgeg.  von 
G.  Haller.    1.  Band.   Halle  1868.  Barthel. 

Enthält  ein  Stück  aus  dem  Amis  in  Original  und  Übersetzung.  Vgl.  Liter.  Hand- 
weiser Nr.  66;  Contemporary  Review  1869,  Nr.  1. 

567.  Suso.  —  Kärcher,  Ludwig,  Heinrich  Suso  aus  dem  Predigerorden. 
Abhandlung  über  Ort  und  Zeit  seiner  Geburt. 

Freiburger  Diöcesan  -  Archiv.  Organ  des  kirchl.  historischen  Vereins  der  Erz- 
diöcese  Freiburg.  3.  Band,  Freiburg  1868. 


504  BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT. 

568.  Ulrich  von  Liechtenstein.  —  Falke,  Jacob,  Geschichte  des  fürstli- 
chen Hauses  Liechtenstein.   1.  Band.  gr.  8    (X,  512  S.)  Wien  1868.  Braumüller. 

3V3  Rthlr. 

Enthält  S.  57—124  Das  Leben  des  Dichters.  Vgl.  Literar.  Centralbl.  1869,  Nr.  2; 

Allgem.  Lit.  Zeitung  Nr.  3;  Wiener  Zeitung  197. 

Wolfram  von  Eschenbach. 

569.  Bartsch,  Karl,   Zwei  neue  Bruchstücke  von  Wolframs  Titurel. 
Germania  13,  1  —  37. 

570.  Pfeiffer,  Fr.,  Quellenmaterial  zu  altdeutschen  Dichtungen.  11.  gr.  4. 
(lU,  90  S.)   Wien  1868.   Gerold  in  Comm.    1  Rthlr.  1  4  Ngr. 

Aus  den  Denkschriften  der  Akademie.    Beschäftigt  sich  ausschließlich  mit  Wolfram. 
Vgl.  Blätter  für  literar.  Unterh.  1868,  Nr.  12;    Liter.  Centralbl.  Nr.  18. 

571.  Jugendbibliothek  des  griechischen  und  deutschen  Alterthums. 
Herausgeg.  von   F.  A.  Eckstein.    11.  u.    12.   Bd.    8.   Halle  1868.    Waisenhaus. 

1  Va  Rthlr. 

Inhalt:  Erzählungen  aus  der  alten  deutschen  Welt  für  Jung  und  Alt  von  K.  W. 
Osterwald.  5.  u.  6.  Theil:  Parzival.  (VI,  292  und  VU,  303  S.)  3.  Auflage. 


Zur  Litteratur  des   16.  Jahrhunderts. 

572.  Agricola.  —  Latendorf,  Fr.,  und  J.  Franck,  Bietet  Agricola 
in  den  beiden  ersten  Theilen  seiner  Sprichwörter  ursprünglich  nur  48  Nummern? 

Anzeige  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit  1868,  Sp.  47 — 51. 

573.  Ayrer.  —  Lützelberger,  K,  Ayrer's  Phönizia  und  Shakespeare'r 
Viel  Lärmen  um  Nichts. 

Album  des  literar.  Vereins  in  Nürnberg  1868,  S.  1  —  72. 

574.  Brant.  —  Zarncke,  Fr.,  Zur  Vorgeschichte  des  NarrenschiflPes. 
gr.  8.    (8  S.  m.  eingedr.  Holzschn.)   Leipzig  1868,  T.  0.  Weigel.    Vg  Ethlr. 

Aus  dem  Serapeum  1868,  Nr.  4  abgedruckt. 

Fischart. 

575.  Johann  Fis Charts  sämmtliche  Dichtungen.  Herausgeg.  und  mit  Er- 
läuterungen versehen  von  Heinr.  Kurz.  3.  Theil.  (LXXIX  u.  544  S.)  Leipzig  1868. 
Weber.   4  Rthlr. 

A.  u.  d.  T.  Deutsche  Bibliothek.  Sammlung  seltener  Schriften  der  älteren  deut- 
schen National-Literatur.  Herausgeg.  von  H.  Kurz.  10.  Band.  Vgl.  Literar.  Centralblatt 
1868,  Nr.  18-,  Anzeiger  für  Kunde  d.  d.  Vorzeit  Nr.  1;  Wissensch.  Beilage  d.  Leipziger 
Zeitung  Nr.   17. 

576.  Ein  Humorist  des   16.   Jahrhunderts. 
Illustrirte  Zeitung  Nr.  1291  fg. 

577.  Franck.  —  Latendorf,  F.,  Sebastiani  Franci  de  Pythagora  ejus- 
que  symbolis  disputatio.   4.   Sverini  1868. 

Festschrift  des  Gymnasiums. 

578.  Latendorf,  F.,  Ein  unbekanntes  Werk  Sebastian  Francks.  Ein  Bei- 
trag oder  Zusatz  zur  Geschichte  seines  Lebens  und  Wirkens. 

Anzeiger  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit  1868,  Sp.  5 — 9. 

579.  Grob.  —  Grob,  Joann.  Huldr.,  Tapfere  handlung  D.  Martin  Luthers 
uf  gehaltem  rychstag  zu  Wormbs  vor  Keiser  Carolo  V.  anno  1521  in  Teütsche 
reimen  verfaszet.  Beim  Anlasse  der  Enthüllung  des  Luther-Denkmals  zu  Worms 
herausgeg.  v.  Rector  G.  Geilfus.  Lex.  8.  (27  S.)  Wiuterthur  1868.  Bleuler  iu 
Comm.   8  Ngr. 


BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT.        ■  505 

580.  Luther.  —  Latendorf,  F.,  Hat  Luther  die  von  Seb.  Franck  über- 
setzte Türkenchronik  bevorwortet? 

Anzeiger  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit  1868,  Nr.  8. 

581.  Sachs.  —  Weller,  E.,  Ein  Heft  Meisterlieder  von  Hans  Sachs. 

Anzeiger  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit  1868,  Nr.  8. 

582.  Haupt,  Dr.  Otto,  Leben  und  dichterische  Wirksamkeit  des  H.  Sachs, 
gr.  8.   (IV,  140  S.)   Posen  1868.   Merzbach.    Vj  Kthlr. 

583.  Schauspiele.  —  Deutsche  Dichter  des  16.  Jahrhunderts. ^Mit  Einlei- 
tungen und  Worterklärungen.  Herausgeg.  von  K.  Grödeke  und  J.  Tittmann.  2  Bd. 
8.   (XLIV,  291  S.)   Leipzig  1868.  Brockhaus.    1  Rthlr. 

Inhalt :  Schauspiele  aus  dem  16.  Jahrhundert.  Herausgeg.  von  Jul.  Tittmann. 
1.  Theil:  Nicolaus  Manuel.  Paul  Rebhun.  Lienhart  Kulmann.  Jacob  Funkelin.  Seba- 
stian Wild.  Petrus  Merkel.  Vgl.  Literar.  Centralbl.  1868,  Nr.  6;  Allgem.  Lit.  Zeitung 
Nr.  11 ;  Hamburger  Nachrichten  Nr.  61. 

584.  Das  deutsche  Schauspiel  im   16.  Jahrhundert. 

Europa  1868,  Nr.  27. 

585.  Stummel.  —  Rasmus,  Dr.,  Christoph  Stummel.  Ein  Frankfurter 
Dichter  des   16.  Jahrhunderts. 

Jahresberichte  und  Mittheilungen  des  histor.  statist.  Vereins  zu  Frankfurt  a.  O. 
6.  und  7.  Heft.  Frankfurt,  a.  O.  1867. 

586.  Witekind.  —  Conquestio  Hermanni  Witekindi  de  quibusdam  theo- 
logis,  Bergeusis  discordiae  fabris,  rhythmis  exposita.  A.  1582. 

Zeitschrift  des  Bergischen  Geschichtsvereius  5.  Band,  Bonn  1868. 

587.  Vilmar,  A.  F.  C,  Nachträgliche  kleine  literarische  Notiz  zu  Zeit- 
schrift 2,   25  über  Hermann  Wilcken  gen.  Witekind. 

Ebendaselbst. 

D.  Altsächsisch. 

588.  Dietrich,  Fr.,  Ein  westphälisches  Runenalphabet  mit  Namen  dct 
Buchstaben  erklärt. 

Germania  13,  77 — 91.  Mit  einer  Schrifttafel. 

589.  Grein,  Dr.  C.  W.  M.,  Heliand-Studien.  L  Die  Quellen  des  Heliand. 
Nebst  einem  Anhange :  Tatians  Evangelienharmonie  herausgeg.  nach  dem  Codex 
Cassellanus.   8.   (V,   281  S.)   Cassel  1869.  Krieger.   2  Rthlr. 

Vgl.  Literar.  Centralbl.  1869,  Nr.  8;  Reusch,  theol.  Literaturblatt  Nr.  14. 

590.  Koch,  Prof.  Dr.  C.  F.,  Der  Christus  der  Sachsen.  L  Christi  Geburt 
und  Jugend.   8.   (16  S.) 

Programm  des  großherzogl.  Realgymnasiums  in  Eisenach. 

591.  Deycks,  Ferd.,  Altsächsische  Glossen. 
Germania  13,  478—480. 

E.  Mittelniederdeutsch. 

592.  Lübben,  Aug.,  Mittelniederdeutsche  Gedichte  aus  Handschriften 
herausgegeben.   8.   (IV,   62  S.)  Oldenburg  1868.  Stalling.   12 '/g  Ngr. 

593.  Aesopus  in  niederdeutschen  Versen.  Von  HoflFmann  von  Fallersleben. 
Germania  13,  469—478. 

594.  Drosihn,   Zum  Redentiner  Spiel. 
Programm  des  Stettiner  Gymna.siums  1867. 


506  BH5LI0GKAPHISCHE  ÜBERSICHT. 

595.  Schiller,  K.,   Zu  Reineke  Vos. 

Germania  13,  160.  hornscheit  und  hoffen  (3734.  6037)  vertheidigt. 

596.  Chroniken,  die,  der  deutschen  Städte,  vom  14.  bis  ins  16.  Jahr- 
hundert.   6.  Band.     Die  Chroniken   der  niedersächsischen  Städte.     Braunschweig. 

1.  Band.  gr.  8.   (XLIII,   530  S.)  Leipzig  1868.   Hirzel.   2-/3  Rthlr. 

Vgl.  Literar.  Centralbl.  1869,  Nr.  3;    Histor.  Zeitschrift  1869,  1.  Band. 

597.  Schöbel,  C,  Un  manuscrit  bas-allemand  restitue,  annoti^  et  traduit. 
8.   (16  S.)  Paris  1868.   Challemel.    1  fr.  25  c. 

598.  Die  erste  Ausgabe  von  Luther's  kleinem  Katechismus.  In  einer 
niedersächsischen  Übersetzung  aufgefunden  und  herausgegeben  von  C.  Mönckeberg. 
Zweite  verm.  Ausgabe.  12.  (XLVI,  192  S.)  Hamburg  1868.  Agentur  des 
Rauhen  Hauses. 

Die  erste  Ausgabe  erschien  1851. 

F.  Mittelniederländisch. 

599.  M.  de  Vries,  Floris  ende  Blancefloer.  Tekstkritiek. 

Haudelingen  en  Mededeelingen  van  de  Maatschappij  der  Nederlandsche  Letter- 
kunde 1867.  S.  15. 

600.  Heinric  van  Aken,  Die  Rose,  met  de  fragmenten  der  tweede  ver- 
taling  van  wege  de  Maatschappij  der  Nederlandsche  Letterkunde  te  Leiden,  uitge- 
geven  door  Dr.  E.  Verwijs.  roy.  8.  (XXXIV,  260  S.)  'sGravenhage  1868.  Nijhoff. 

Vgl.  Literar.  Centralbl.  1868,  Nr.  10. 

601.  Moltzer,  H.  E.,  De  Middelnederlaudsche  dramatische  Poezie.  1  Ge- 
deelte.   8.   (137  S.)   Groningen  1868.   Wolters,  f.  1,40. 

Enthält :  Esmoreil ,  Lippijn ,  Die  Hertoghe  van  Bruyswijc ,  Die  Buskenblaser. 
A.  u.  d.  T.  Bibliothek  van  Middelnederlaudsche  Letterkunde.  1  Aflevering. 

602.  Dit  is  't  Spei  van  den  Heiligen  Sacramente  vander  Nyeuwervaert,  uit- 
gegeven  en  met  aantekeningen  voorzien  door  Dr.  E.  Verwijs.  8.  (VIII,  107  S.) 
Leeuwarden  1867.   Suringar.  f.  1,10. 

Mirakelspiel  aus  dem  J.  1500. 

603.  M.  de  Vries,   Mededeeliug  omtrent  een  Handskrift  uit  de  15'^^eeuw. 
Handelingen  en  Mededeelingen  van  de  Maatschappij  der  Nederl.  Letterkunde  1867. 

G.   Angelsächsisch. 

604.  Thorpe,  B.,  Analecta  anglo-saxonica:  a  selection  in  prose  and  verse 
from  anglosaxon  authors.  New  edition  with  corrections  and  improvement.  8.  (312S.) 
London  1868.   Smith. 

605.  Beövulf.     Mit  ausführlichem  Glossar  herausgegeben  v.   M.  Heyne. 

2.  Aufl.   gr.  8.   (VI,   273  S.)    1  V3  Rthlr. 

A.  u.  d.  T.:  Bibliothek  der  ältesten  deutschen  Literatur-Denkmäler.  3.  Band.  An- 
gelsächsi.sche  Denkmäler.  1.  Theil.  Vgl.  Zeitschrift  für  die  Österreich.  Gymnasien  1869, 
2.  und  3.  Heft;   Literar.  Centralbl.  1869,  Nr.  11;  Allgem.  Lit.  Zeitung  Nr.  19. 

606.  Rieger,  M.,  Über  Cynevulf.  L  IL 
Zeitschrift  für  deutsche  philologie  1,  215 — 226. 

607.  Freybe,  Dr.  Alb.,  Von  unseres  Herren  Christi  Wiederkunft.  Versuch 
einer  theolog.  Auslegung  der  eschatolog.  Reden  im  Evangelium  Matthaei,  begleitet 
mit  einer  Beigabe  „Das  Hochgericht"  aus  Cynevulfs  Christ,  gr.  8.  (XVI,  128  S.) 
Parchim  1868.   Wehdemann.    '/g  Rthlr. 


BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT.  507 

608.  Cockayne,  J.  0.,  Shrine  Nv.  1  — 10.   8.   (156  S.)   1864  —  1868. 
Enthält   p.   1  —  11  eine  Kritik  von  Bosworth's  anglosaxon  dictionary  ;    p.   12  — 22 

Life  of  St.  Nect  with  english  translation  (spätes  angelsächsisch);  23 — 27  Postscript 
über  die  genannte  Recension ;  das  übrige  nimmt  ein  angelsächsisches  Martyrologiiini 
(in  Prosa)  ein. 

IL  M  i  1 1  e  1  e  n  g  1  i  s  c  h. 

609.  The  Babees  Book,  Aristotle's  ABC,  urbanitatis,  Stanspuer  ad  men- 
sam,  The  lytille  childrenes  Lytil  Boke,  The  bokes  of  Nurture  of  Hugh-Rhodes  and 
John  Russell,  Wynkyu  de  Worde's  Boke  of  Keruynge,  The  Booke  of  Denieanor, 
The  Boke  of  Curtasye,  Seager's  Schoole  of  Vertue  etc.  with  some  french  and  latin 
poems  on  like  subjects.  Edited  by  F.  J.  Furnivall.  2  parts.  8.  (CXXXVI,  408  u. 
33  S.)  London  1868,  Trübner.    15  s. 

610.  Caxton's  Book  of  Curtesye,  printed  at  Westminster  About  1477  —  8 
a.  d.  and  now  reprinted.  Edited  by  F.  J.  Furnivall.  8.  (XII,  57  S.)  London  1868. 
Trübner.   5  s. 

611.  The  Romance  of  the  C hevelere  Assigne.  Reedited  by  H.  H.  Gibbs. 
8.   (XVIII,  40  S.)  Ebend.   3  s. 

612.  The  lay  of  Havelock  the  Dane,  composed  in  the  reign  of  Edward  I, 
about  a.  d.  1280,  re-edited  by  W.  W.  Skeat.   8.  (LVI,   160  S.)  Ebend.   10  s. 

613.  Old  English  Homelies  and  Homiletic  Treatises  of  the  12.  and  13. 
centuries.  Edited  by  R.  Morris.    1.  Series.  8.  (LXIV,  330  S.)  Ebend.  1867.    15  s. 

614.  Hymns  to  the  virgin  and  Christ,  the  parliament  of  Devils  and  other 
religious  poems.  Edited  by  F.  J.  Furnivall.  8.  (XVIII,  140  S.)  Ebend.  1867.   3  s. 

615.  The  Book  of  the  Knight  of  La- Tour  Landry,  compiled  for  the  in- 
Btruction  of  bis  daughters.   Edited  by  Th.  Wright.  8.  (XXVI,  227  S.)  1868.  8  s. 

616.  L e  vi ns,  Peter,  Manipulus  Vocabulorum :  a  rhyming  dictionary  of  the 
English  language.  Edited  by  H.  B.  Whealley.   8.   (XVI,   368  S.)   1867.   12  s. 

617.  Lyndesay's,  Sir  David,  Works.  Edited  by  F.  Hall.  3  parts.  8.  1868. 

618.  Stratmann,  F.  H.,  An  old  english  poem  of  the  owl  and  nightingale. 
gr.  8.   (III,   59  S.)  Krefeld  1868.    Gehrich  in  Comm.    Vs  Rthlr. 

619.  The  vision  of  William  concerning  Piers  Plowman,  together  with  Vila 
de  Dowel,  Dobet  et  Dobest  by  W.  Langlaud  (1362).  Edited  by  W.  W.  Skeat.  8. 
(XLIV,    158  S.)   1867.   7  s. 

620.  Religious  Pieces  in  Prose  and  Verse.  Edited  by  G.  G.  Perry.  8. 
(XII,   106  S.)   1867.   2  s. 

621.  The  stations  of  Rome  and  the  pilgrims  sea-voyage  with  Clene  May- 
denhood.  Edited  by  F.  J.  Furnivall.   8.    1867.    1  s. 

622.  The  Romance  of  William  ofPalerne,  otherwise  known  as  the  Ro- 
mance of  'William  and  the  Werwolf*  translated  from  the  french  (about  a.  d.  1350), 
to  which  is  added  a  fragment  of  the  alliterative  romance  of  Alisaunder.  Edited  by 
W.  W.  Skeat.  8.   (XLIV,  328  S.)   1867.    13  s. 

Sämmtlich  (mit  Ausnahme  von  Nr.  618)  Publicationen  der  Early  English  Text 
Society. 

I.  Altnordisch. 
Runen. 

623.  Stephens,  George,  The  old-northern  runic  momiments  of  Scandi- 
navia  and  England,  now  first  collected  and  deciphered.  Vol.  IL  Fol.  (p.  503  bis 
1038  mit  Abbild.)   London  and  Köbenhavu  1867      68.   Smith.   5  L. 

Vgl.  Athenaeum   186-9,   17.  Juli. 


508  BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT. 

624.  Dybeck,  Eicb.,  Sverikes  runurkunder.  IL  Stockholms  Uin.  3.  häft; 
Vallentuna  och  Seminghundra  Urkunder.  FoL  (PL  24  —  35  und  Text  11  —  16) 
Stockholm  1868.    6  rd. 

625.  Stephens,  George,   Om  de  aeldste  oldnordiske  rune-indskrifter. 
Aarböger  for  nordisk  oldkyndighed  1868,  S.  14  -  28. 

626.  Bugge,   Sophus,  Runeindskrifter  fra  Aardals  kirke  i  Sogn. 
Saerskilt  Aftryk  af  Aarsberetn.   for  1868  fra  Foreniiigen  til  Norske  Fortids  min- 

desmerkcrs  Bevaring. 

627.  Maughan,  John,  The  runic  rock  at  Barnspike. 

Memoires  de  la  societe  royale  des  antiquaires  du  Nord.  Nouv,  serie.  Copen- 
hague  1866. 

628.  Jessen,  E.,  Smäting  vedrörende  Runeindskrifter. 
Aarböger  for  nord.  Oldkyndighed  1867. 

629.  Stephens,   Gr.,  Dr.  E.  Jessens  Smäting  vedrörende  Runeindskrifter. 
Ebend.  3.  Heft. 

630.  Stephens,  Prof.  G.,  Candidat  L.  F.  A.  Wimmer  om  de  oldnordiske 
Runenindskrifter. 

Ebend.  3.  Heft.  Vgl.  Bibliographie  1867,  Nr.  586. 

631.  Wimmer,  L.  F.  A.,  Professor  G.  Stephens  om  de  aeldste  nordiske 
runeindskrifter. 

Ebend.  1868,  S.  53—75. 

632.  Stephens,  G. ,  Runehallen  i  det  danske  oldnordiske  Museum.  4. 
(Vn,  25  S.)  Köbenhavn  1868. 

Mit  13  Tafeln.  Gleichzeitig  englisch  erschienen. 

Edda. 

633.  Wis^n,  Theod.,  Hjeltesangerne  i  Sämunds  Edda  fdrklarade.  8.  (IV, 
104  S.)   24  Ngr. 

634.  Jordan,  Wilh.,  Oddruns  Klage. 

Germania  13,  257—270.  Vgl.  Frankfurter  Zeitung  1869,  Nr.  162. 

635.  Gislason,  K.,  I  gser.  Hamdismäl  31. 
Äacböger  for  nordisk  Oldkyndighed  1867. 

Skalden. 

636.  Sörensson,  Per.,  Egil  Skallagrimssons  Höfuälausn,  öfversatt  och 
förklarad.  8.   (II,   61  S.)  Lund  1868.   Gleerup.   10  Ngr. 

Academisk  Afhandling. 

637.  Gislason,  K.,  En  halvstrophe  af  Hallvardr  härensblesi  fortolket. 
Aarböger  for  nordisk  Oldkyndighed  1868,  S.  359—365. 

638.  Kyhlberg,  0.,  Om  skalden  Sighvat  Thordsson  samt  tolkning  af 
hans  Vestrvikingar-och  Nesjavi'sur.   8.   (63  S.)   Lund  1868.   Gleerup.    10  Ngr. 

Akademisk  Afhandling. 

639.  Thorkelsson,  Jon,  Skyringar  4  visum  i  nokkurum  islenzkum  sögum. 
(48  S.)  Reykjavik  1868. 

640.  (Harms 61)  Kaniken  Gamles  Harmsöl  (Sol  i  Sorgen).  Öfversättning 
och  förklaringar.   (VII,  60  S.)  Uppsala  1867. 

Akademische  Abhandlung  von  Hjalmar  Kempff. 

641.  Thorkelsson,  Jon,  AefisagaGizurarThorvaldssonar.  8.  (VIII,  142  S.) 
Reykjavik  1868. 

Vgl.  Germania  14,  114  (K.  Maurer). 


BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT.  509 

642.  Biskupasögur,  gefnai-  ut  af  hinu  i'slenzka  bokmentaffelagi.  2.  Bd. 
2.  Heft.   8.  (234  S.)    1  Rthlr.  6  Ngr. 

643.  Flateyjarbok,  en  samling  af  norske  Kongesagaers  med  inskudte 
mindre  fortaellinger  om  begivenheder  i  og  udenfor  Norge  samt  Annalcr.  Udg.  efter 
offentl.  Foranstaltning.  gr.  8.  III,    2   (S.  473—697,  u.  XXIV  S.)   1868. 

Schluß  des  Werkes. 

644.  (Frissbök.)  Codex  Frisianus.  En  Samling  af  Norske  Konge-Sagaer, 
udgiven  efter  offentl.  Foranstaltning  ved  C.  R.  Unger.  1.  (S.  1 — 192.)  Cliri- 
stiania  1869. 

645.  Hefndin  Saga  og  nokkur  kvaedi.   8.  (64  S.)  Reykjavik  1868. 

646.  Heimskringla  eller  Norges  Kongesagaer,  forfattede  af  Snorre  Stur- 
lason,  udgivne  ved  C.  R.  Unger.  3.  u.  4.  Heft.  (XXII  S.  u.  S.  401—860.)  Chri- 
stiania  1868. 

Schluß  des  Werkes. 

647.  Konunga-Boken  eller  Sagor  om  Ynglingarne  och  Norges  konungar 
intill  ar  1177  af  Snorre  Sturleson.  Ofversatt  och  förklarad  afHans  Olaf  Hildebrand 
Hildebrand.   1.  Del.   8.   (LXXII  S.  und  S.  1—48.)   Örebro  1869. 

648.  Blom,  0.,  Bemaerkninger  om  Kongespeilets  Affattelsetid. 
Aarböger  for  nordisk  Oldkyndighed  1867. 

649.  Marfusaga,  udgiv.  af  C.  R.  Unger.  1.  2.  Heft.  8.  (S.  1—240, 
241  —  624.)  Christiania  1868—69. 

Det  norske  Oldskriftselskabs  Samlinger.  XI.  Xu. 

650.  Sögudrip  um  prentsmidjur  og  prentara  4  Islandi.  Höfundur  og  litge- 
fari  Jon  Jönsson  Borgfirdingur.    16.   (68  S.)   Reykjavik  1868.    9  Ngr. 

651.  Sk^rslur  um  landshagi  a  Islandi,  gefnar  ut  af  hinu  islenzka  b6kmen- 
taf^lagi,   IV.  Band,   1.  Heft.  8.   (270  S.)   1868.   1  Rthlr. 

K.  Altdänisch. 

652.  Ludus  de  Sancto  Kanuto  duce.  Et  faedrelandshistorisk  Skuespil  fra 
Reformationstiden.  Udgiv.  ved  S.  B.  Smith.  8.  (104  S.)  Köbenhavn  1868.  Gyl- 
dendal.    1  Rthlr. 

653.  Malmöbogen  af  Peter  Laurenssen  udgiv.  ved  Holg.  Fr.  Rördam. 
(LXXXII  S.,  Bl.  1—57.)  Köbenhavn  1868.  Thiele. 

L.  Mittellateinische  Poesie. 

654.  RusticiElpidii  Carmen  de  Christi  Jesu  beneficiis  cd.  H.  Müller, 
gr.  8.   Göttingen  1868.  Dieterich.   6  Ngr. 

655.  Hagen,  H.,  Zur  Orestis  tragoedia. 
Philologus  27.  Band,  1.  Heft. 

656.  Novus  Avianus,  herausgeg.  von  Dr.  E.  Grosse.  4.  (X,  26  S. 
Königsberg  1868. 

Programm  des  Friedrichs-Collegiums. 

657.  Thierfelder,  Albert,  De  christianorum  psalmis  et  hymnis  usque  ad 
Ambrosii  tempora.  Dissertatio  inauguralis.  gr.  8.  (41  S.)  Leipzig  1868,  Teubner. 
12  Ngr. 


r-ylO  lUHLIOGRAPHISCHP^.  ÜBERSICHT. 

658.  Daniel,  Dr.  H.  A.,  Die  Kirchweih-Hymneii  Christe  cunctorum  domi- 
nator  alrae  —  Urbs  beata  Hirusalem.  Festschrift,  gr.  4.  (24  S.)  Halle  1868. 
Waisenhaus.    V3  Rthlr. 

Vgl.  Literar.  Centralbl.  1868,  Nr.  45. 

659.  Hymnarium.  Blüthen  lateinischer  Kirchenpoesie.  2.  mit  biograpb. 
Notizen  verm.  u.  verb.  Aufl.   16.  (VIII,  182  S.)   Halle  1868.  Petersen.    V2  ^thlr. 

660.  Lauda  Sion.  Auswahl  der  schönsten  latein.  Kirch enhymnen  mit  deut- 
scher Übersetzung  von  K.  Simrock.  2.  Aufl.  gr.  8.  (XVI  u.  364  S.)  Stuttgart  1868. 
Cotta.    1  Rthlr.  12  Ngr. 

Vgl.  Rausch,  theol.  Literaturbl.  Nr.  20;  Hauck,  Jahresbericht  IV,  2. 

661.  A seh b ach,  Jos.,* Roswitha  und  Conrad  Celtes.  2.  verm.  Aufl.  mit 
nachträgl.  Untersuchungen  über  die  Münchener  Hs.  der  Roswitha,  über  die  Le- 
gende des  heil  Pelagius  und  den  Ottonischen  Panegyricus.  gr.  8.  (VI,  113  S.) 
Wien  1868.   Braumüller.   20  Ngr. 

Vgl.  Historische  Zeitschrift  1868,  4.  Heft,  S.  416  flf. ;  Anzeiger  d.  germ.  Museums 
Sp.  176 — 179;  Liter.  Handweiser  Nr.  79;  Allg.  I-iter.  Anzeiger  III,  4;  Reiisch,  Litera- 
turblatt 1869,  2  fg  ;  Saturday  Review  19.  Dec.  1868;  Em-opa  1869,  Nr.  12;  Allgem. 
Lit.  Zeitung  Nr.  11;  Ergänzungsblätter  III,  7;  Magazin  f.  d.  Lit.  d.  Ausl.  Nr.  10;  Hei- 
delberg. Jahrbücher  1868,  Nr.  60;  Wiener  Zeitung  1868,  Nr.  200;  Allgem.  Zeitung 
Nr.  256.  261  (Christ).     Revue  critique  1868,  Nr.  50. 

662.  König,  Prof.  Dr.  J. ,  Über  Walafrid  Strabo  von  Reichenau. 
Freiburger  Diöcesan- Archiv  3.  Band  (1868). 

663.  Baxmann,  Ein  Weihnachtslied  für  die  Knaben  im  Kloster  zu  St.  Gallen 
von   Ekkehard  IV. 

Jahrbücher  für  deutsche  Theologie  13.  Band,  2.  Heft. 

664.  Höfler,  C,  Neue  Beiträge  zu  dem  Carmen  occulti  autoris.  Lex.  8. 
(34  S.)  Wien  1868.  Gerold  in  Comm.    %  Rthlr. 

Aus  den  Sitzungsberichten  abgedruckt. 

665.  Wattenbivch,  W.,  Geistliche  Scherze  des  Mittelalters.  (Fortsetzung.) 
Anzeiger  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit  1868.    Enthält  u.  a.    eine  Saufmesse, 

lateinisch,  mit  Versen,  unter  denen  Vinnm  bonum  et  suave;  Testamentum  Asini;  latein. 
Wettstreit  zwischen  Vinum  und  Aqua ,  xand  ein  deutsches  Gedicht  desselben  Inhalts 
u,  s,  w. 


I 


BERICHTIGUNG. 
Jahrgang  XIV,   S.    372   Z.   2  v.   u    lies  swümmen  statt  sivimmen. 


[BEILAGE  ZUR  GERMANIA  XIV.  JAHRGANG  4.  HEFT.  öU 


HISTORISCHE  UND  NATIONALOKONOMISCHE 

PREISFRAGEN  DER  FÜRSTL.  JABLONOWSKI- 

SCHEN  GESELLSCHAFT. 


Für  das  Jahr  1871. 

JJie  Geschichte  der  landständischen  SteuerbewilHgung  ist  unstreitig 
eine  der  wichtigsten  Seiten  der  Territorialentwickelung,  ebenso  be- 
deutsam für  die  Ausbildung  des  Staatsrechtes,  wie  des  Finanzwesens 
und  der  Volkswirthschaft.  Gleichwohl  fehlt  es  noch  sehr  an  tiefer  ein- 
gehenden Specialuntersuchungen  darüber,  obschon  jedes  geschichtlich 
weit  zurück  reichende  landständische  Archiv  Stoff  bietet.  Man  wünscht 
daher 

die    urkundliche    Geschichte    der    landständischen 
Steuerbewilligung  in  irgend  einem  deutschen  Terri- 
torium, 
wobei  übrigens    die    constitutionellen  Volksvertretungen   des  19.   Jahr- 
hunderts ausgeschlossen  bleiben.  (Preis  60  Ducaten.) 

Für   das   Jahr  1872. 

Die  Geschichte  der  städtischen  Selbständigkeit  und  Freiheit  in 
Deutschland  hat  längst  die  Aufmerksamkeit  der  Forscher  in  Anspruch 
genommen,  und  mit  Erfolg  ist  der  Weg  eingeschlagen  worden ,  jene 
Eatwickelung  an  einzelnen  hervorragenden  Städten  nachzuweisen.  Da- 
gegen sind  die  Eigenthümlichkeiten  der  städtischen  Verwaltung  in  Juris- 
diction, Polizei,  Kämmerei-  imd  Rechnungswesen  u.  s.  w.  noch  wenig 
oder  doch  nur  beiläufig  erörtert  worden,  so  reichen  Stoff  auch  für  die 
ältere  Zeit  etwaige  Urkundenbücher,  für  die  spätere  die  Acten  der  städti- 
schen Archive  selbst  gewähren.  Die  Gesellschaft  stellt  daher  die  Auf- 
gabe, es  möeren 


512 

die  mittelalterlichen  Verwaltungsformen,  Verwal- 
tungsbeamten und  da  s  Actenwesen  einer  deutschen 
Reichs-  oder  größeren  Landstadt 
erläutert  werden.  Als  äußerste  Zeitgrenze  dürfte  die  Mitte  des  16.  Jahr- 
hunderts anzusehen  sein.  Sonst  wird  sich  die  Gestaltung  und  Begren- 
zung der  Aufgabe  natürlich  nach  den  eigenthümlichen  Verhältnissen 
der  Stadt  und  nach  dem  aufbehaltenen  Quellenmaterial  richten  müssen. 
(Preis  60  Ducaten.) 


PF 
3003 


Germania 


PLEASE  DO  NOT  REMOVE 
CARDS  OR  SLIPS  FROM  THIS  POCKET 


UNIVERSITY  OF  TORONTO  LIBRARY 


/„.owii  »^j^fe*-« 


■"iikäiimm: 


-«.«»KmK»*    K-ÄA«    .