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0 E R M A N I A.
VIERTELJAHRSSCHRFFT
PETITSCHE ALTERTHUMSKÜNDE.
BRCtRUNDET vm:)n fkanz pfeiffek.
UNTER MITHILFE VON JOSEPH 8TR0BL
UKUAUSGEGRBKN
KARL BARTSCH.
VIERZEHNTER JAHRGANG.
NEUE REIHE ZWEITER JAHRG-ANG.
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WIEN.
VERLAG VON CARL GEROLD'« SOHN.
1869.
3oo3
RurHruekfr.l ron furl Rcr.jld • ^'>h.. m wip
INHALT.
Sjite
Straf!iennamen von Gewerben. Von Ern.st För.stemann 1
Ein Pasqnill des XV. Jahrhunderts. Von Joliann L am bei 26
Über die Einziehung der norwegischen Odelsgüter durch K. Harald härfagri. Von
Konrad Maurer 27
Zu den deutschen Versen in der notkerischen Rhetorik. Von Oskar Schade . . 40
Zu der notkerischen Rhetorik. Von Engen Plew 47
Zwei althochdeutsche Bruchstücke. Von Joseph Haupt ... 66
Rlanseliandin. Bruchstücke eines mhd. Gedichtes. Von Demselben 68
Zum Annoliede. Von O. Carnuth 74
Zu Gesta Romanornm. Von H. Oesterley 82
Beide. Von Carl Schröder 83
Vlämische Märchen und Volkslieder. Von Felix Liebrecht 84
Die nordische Parzivalsaga und ihre Quelle. Von Eugen K öl hing 129
Zum Redentiner Spiel. Von Carl Schröder 181
Zur Laut-, Wort- und Namenforschung. Von Albert Hcefer.
I. Nibel. Str. G28 imd Das Gürtel 197
n. Zu Nibel. .str. 1280 zuo den wenden, Lachm 199
III. Die ungebatten 201
IV. Ungesühte und die Partikel un 201
V. Endig, ünende 205
VI. Praepositionale Adverbien auf -er 208
VII. Ein Stücker acht 209
VI IT. Swoninieii, Swummen 211
IX. Estricli und seine Formen 2l2
X. In j>ro(jue]lis leben 214
XI. Ein X für ein U machen 215
XII. Namenbildung aus Namendeutung und Moneke de junge Martena-
pens sone . . ... . 216
XIII. Volzo von Al/.ei. ein Zeugnis für die deutsche Heldensage 220
XIV. Gotisches HV und TH 222
XV. Gotisch saizle]) 224
Zur Littcraturgeschichte des "VVolfdictrich. Von Felix Lieb recht 226
Z>i Hartmanns Gregor. Von Karl Bartsch 239
Zum Spruch vom König Ezel. Von Reinhold Köhler 243
Zu Tristan. Von Demselben 246
Eber Lachmanns Kritik der Sage von den Nibelungen. Von Wilhelm Müller. . 257
Zu von der Hagens Gesammtabenteuer Nr. LXIII. Von Reinhold Köhler. . . 269
Fragmente einer neuen Handschrift von Wolframs Willehalm. Von Heinrich Rück er t 271
Drei Sagen aus dem vierzehnten Jahrhundert. Von Uskar Schade 275
Die Wielandssage. Von Karl Meyer 283
Zur Legende vom h. Albanus. Von Reinhold Köhler 300
Beiträge zur Kritik der Eddalieder. Von Ludwig Ettmüller 305
Seitp
Das Fortleben der Kudninsage. Von Karl Bartsch nnd Karl Julius Schröer . 323
Der nrdeutsche Sprachschatz. Von Ernst Forst emann 337
Zu Germ. 14, 211. Von Albert Hoefer 372
Zur Zimmerischen Chronik. Von Felix Liebrecht 385
Zwei Travestieen. Von I. V. Zingerle .... 405
Mittelniederdeutsche Sprachproben. Von Karl Schiller. III 408
Heinrich Steinhcewel. Von E. L. Roch holz 411
Jakob Funkelin. Von Demselben 412
Zur Erklärun» mittelhochdeutscher Dichter. Von A. Hoefer.
I. Zu Walther 46, 30 ed. Lachmann 416
n. Gebesten 417
m. Zu Gregorius v. 916 — 919. 420
IV. Weiteres zum Gregorius 421
Zu Hartmanns Gregor. Von Karl Bartsch 427
Wortformen auf-eze, Nachtrag zu Germania 10, 395 -398. Von Fedor Bech. . . 431
Zur Dietrichssage, Von Karl Meyer 432
Ein Bruchstück des Romans der Lorreinen. Von G. K. Fromm an n 434
Bruchstücke einer ahd. Übersetzung der vier Evangelien. Von Joseph Haupt . . 440
LITTERATÜR.
Recensionen:
P. T. Willatzen, Altisländische Volksballadeu und Heldenlieder der Färinger. Von
Kom-ad Maurer 97
Jon })orkelsson, ^fisaga Gizurar ]5orvaldssonar. Von Demselben . 114
J. A. Sclimeller, Bayerisches Wörterbuch. Bearbeitet von G. K. Frommaun. Von
Johann Lambel 114
H. Haeser und A. Middeldoipf, Buch der Bündth-Ertznei. Von Joseph Strobl . . 116
Das Brot im Spiegel schweizerdeutscher Volkssprache und Sitte. Von Demselben 117
J. A. Scluneller, Bayerisches Wöi-terbuch. Beai-beitet von G K. Frommaun, Von
K. J. Schröer . . , 247
W. A. Angerstein, Volkstänze im deutschen Mittelalter. Von Carl Schröder . . 255
Adolf Lasson, Meister Eckhart, der Mystiker. Von Wilhelm P reg er 373
Rudolph Westphal , Philosophisch - historische Grammatik der deutschen Sprache.
Von Ludwig Tobler 380
J. M. Wagner, Hoffmann von Fallersleben. Fünfzig Jahre dichterischen iind gelehrten
Wirkens. Von Joseph Strobl 383
Bibliographie:
Bibliographische Übersicht der Erscheinungen auf dem Gebiete der germanischen
Philologie im Jahre 1868. Von K. Bartsch .467
MISCELLEN.
Bericht über die vSitzungen der germanistischen Section der XXVI. Philologen-
versammhuig zu Würzburg, Von Ludwig Bo IM er 118
Germanistische Preisfrage, ausgeschrieben von der k. Akademie der Wissenschaften
in Wien -^83
Manuscripte . , . 384
Einladung zur Philologenversammlung 384
STRASSENNAMEN VON GEWERBEN,
VON
E. FÖRSTEMANN.
Bekanntlich weisen imsere deutschen Städte eine große Anzahl
von Straßennamen auf, deren erster Theil irgend eine Klasse Gewerb -
treibender bezeichnet, welche in dieser Straße einst ihr Handwerk aus-
übten. Denn hier ist fast nur von vergangenen Zeiten die Rede, heu-
tiges Tages passt der Name nur noch selten. Aber auch diese Namen
selbst verschAvinden zusehends. Unsere Zeit ist mit zunehmender Ge-
werbefreiheit und mit dem Aufkommen ganz anderer Interessen dieser
Art von Namengebung entfremdet; neue Straßen werden wohl nie mehr
in dieser Weise benannt und die älteren nehmen massenhaft andere
Benennungen an. Es handelt sich hier um ein Stück untergehendes
Alterthum, denn die meisten jener Namen stammen, wie sich oft ur-
kundlich nachweisen lässt, aus dem Mittelalter, zum Theil nicht einmal
aus den letzten Jahrhunderten desselben. Grund genug, um für diese
Erscheinung , die uns jetzt noch alltäglich ist und in der Avir mitten
inne stehen, einmal eine besondere Sammlung anzulegen; wir bedauern,
daß unsere Vorfahren uns von Vielem , was ihnen eben so alltäglich
war , uns aber äußerst wichtig ist , keine Kunde hinterlassen haben ;
machen wir es daher besser und umsichtiger als sie.
In der That hat aber dieser Gegenstand sowohl von antiquarisch-
realistischer , als auch von sprachlicher Seite manigfaches Interesse,
das um so größer werden muß, jemehr die dafür angestellte Sannnlung
sich der Vollständigkeit nähert. Unsere Gewerbealterthümer bieten ein
nicht zu unterschätzendes Stück unseres geistigen Lebens dar und die
sprachlichen Bezeichnungen für die einzelnen, in ihrer Specialisierung
oft längst ausgestorbenen Gewerbe sind außerhalb jener Namen in der
Sprache häufig untergegangen , häufig von Alters her nur au gewisse
geographische Gebiete geheftet gewesen.
Durch solche Erwägungen ließ ich mich bestimmen , in meinem
1863 erschienenen Buche „Die deutschen Ortsnamen" auf Seite IGT bis
' 39 ein alphabetisches Verzeichuiss solcher gewerblichen Straßennameii
G t; UM A NU, Neue Reihe II. (XIV.) Jalirg. \
2 £. förstemam
mitzutheilen , und was ich hier liefere , ist zunächst eine zweite sehr
vervielfachte Auflage jener zwei Druckseiten. Es ist mir nicht bekannt
geworden , daß in diesen fünf Jahren jemand die von mir angeregte
Sache weiter geführt habe, und da gegenwärtig von allen denjenigen,
die zu solchen Studien aufgelegt und berufen sind, gewiß niemand das
hier ganz eigenthümliche Quellenmaterial in so reichem Umfange und
zu so fi-eier Benutzung vor sich liegen hat als ich , so lag darin für
mich eine Aufforderung, mich der Sache Aveiter anzunehmen.
Anfänglich dachte ich daran, nur seltenere und interessantere Ge-
werbebezeichnungcu in dieses Verzeichniss einzutragen ; indessen ich
erwog bald , daß ja jeder Lexikograph das ganz Gewöhnliche und
scheinbar ganz Werthlose gleichfalls in seinem Wörterbuche verzeichnet,
schon deshalb, um an der Häufigkeit des Häufigen die Seltenheit des
Seltenen ermessen zu können und um bei Synonymen die geographische,
historische oder begriffliche Sphäre der einzelnen Ausdrücke zu be-
stimmen. Auch ist es mit der Seltenheit und Häufigkeit in unserem
Falle ein ganz eigenes Ding; während man gewiß nur noch in einem
kleinen Theile Deutschlands von einem Bader, überall von einem
Schneider spricht , sind die Badergassen der häufigste aller Straßen-
namen, während eine Schneidergasse von mir noch nicht entdeckt ist.
Auf zwei Klippen muß ich hier noch aufmerksam machen , die
man bei diesem Gegenstande suchen muß nach Möglichkeit zu ver-
meiden. Erstens nämlich können solche Straßennamen sich unter Um-
ständen nicht auf die betreffenden Gewerb treib enden, sondern auf den
Familiennamen eines Mannes beziehen; eine Fleischergasse z. B, kann
leicht von einem gewissen (oder berühmten) Herrn Fleischer benannt
sein. Denn mit der Befolgung der genauen sprachlichen Regel, daß im
letzteren Falle Fleischersgasse geschrieben werden müßte, hat man sich
selten befasst, und meines Wissens hat es noch niemand getadelt, daß
die zahlreichen seit 1859 entstandenen Schillerstraßen nicht richtiger
Schillersstraßen geschrieben werden. — Au der zweiten Klippe bin ich
selbst einmal gescheitert. Ich hatte nämlich in dem oben erwähnten
Verzeichnisse auch die Lauferstraße in Nürnberg erwähnt, des guten
Glaubens, daß sie von irgend welchen cursores, Trabanten oder der-
gleichen den Namen habe ; da belehrte mich ein anonym mir zuge-
sandter Brief aus Nümberg'unter andern werthvollen imd wohlwollen-
den Mittheilungen, daß jene Lauferstraße nach der Stadt Lauf hinaus-
führe , die gleichwie Nürnberg an der Pegnitz liegt. Kann nicht eben
so irgend eine Gerborgasse diejenige sein , durch die man nach dem
Dorfe Gerbe oder Gerber (beide Orte kommen in Würtemberg vor)
STRASSENNAMEN VON GEWERBEN. 3
hinausgeht? vgl. Plattnergasse und den gar nicht seltenen Ortsnamen
Platten u. s. w. Das sind, wie gesagt, zwei Klippen, doch sind beide
bei einiger Vorsicht nicht so gefährlich , als es auf den ersten Blick
scheint.
Noch habe ich zu erwcähnen , daß , wo ich den Namen nur aus
älterer Zeit kenne , ich entweder die Zeit seines Vorkommens oder
wenigstens ein in Parenthese geschlossenes „früher" beifüge ; in man-
chen dieser Fälle ist es mir unbekannt, ob der Name noch gegenwärtig
existiert.
Nun zunächst das kleine Glossar selbst, in welches ich auch einige
niedere Beamtenklassen aufnehme, die dem Gewerbebetrieb nahe stehen.
A Itbüß er gasse Breslau. A Itb ü t e r s tra ß e Stettin. Unter
Altbüßern könnten zwar alle diejenigen begriffen werden , welche alte
Gegenstände ausbessern, doch hat der Sprachgebrauch das Wort auf
die Schuhmacher beschränkt, nur selten auf die Schneider ausgedehnt.
Jacobssons technologisches Wb. führt als Synonyma an : Altflicker,
Altreiß (so), Altputzer, Altlapper, Altmacher. Das mhd. Wb. kennt
schon aUbüezer und scMiohhüezer \ bei Grimm erscheinen Altbüszer,
Schuhbüszer und das mnd. Oltboter, eben so auch Altflicker, Altlapper
u. s. w. Der letzte Theil des Wortes begegnet auch in Kettelböter
(s. unten).
Amidammachergang Hamburg (a. 1787, s. Hess Beschreibung
von Hamb. I, 273; doch auch noch jetzt vorhanden). Das dänische
amdam^ besonders in Jütland und Schleswig, bedeutet Stärke, Kraft-
mehl, daraus ist es in mehrere deutsche Mundarten übergegangen; so
hat das Bremisch - Niedersächs. Wb. I, 15 Amedam , Frisch schreibt
Amelmeel. Die zuweilen begegnende Schreibung Amidon führt auf das
Etymon, griech. ccfiv^ov, lat. amylum. Das mhd. Wb. kennt das Wort
nicht, aber Grimm hat Amelmehl.
Anker schmiede gasse Danzig. Außer dem Deutschen hat auch
das Nnl. das Compositum ankersmid gebildet : s. Grimm.
Apothekergasse Görlitz, Heidelberg. Apothekerstraße
Duderstadt. Offenbar erst eine jüngere Wortbildung ; denn wähi-end
apoteke uns schon im Mhd. begegnet, kann Grimm das Wort Apothe-
ker erst aus Canitz belegen. Noch jetzt ist Apotheke nicht in allen
deutschen Mundarten seinem Begriffe nach specialisiert , so daß mau
noch in Königsberg von einer Medicinapotheke spricht. Uns tliäte eine
Art von Wörterbüchern Noth, die sich nur die einzige Aufgabe stell-
ten, von jedem Worte nach Möghchkeit die ältesten Belege herbei-
1*
4 fc. t'ÖRSTEMANN
zuschaffen ; voü Solchem Materiale aus ließen sieh anziehende Blicke
in die Werkstatt der Bildung und der Entlehnuno^ von Ausdrücken thini.
Asch gebe r Straße Stettin ; irgendwo habe ich diese KStraße auch
Aschweberstraße genannt gefunden. Die Wörterbücher so wie die tech-
nologischen Quellen lassen mich hier völlig im Stich ; ich weiß nicht
einmal, ob hier an Asch = Topf oder an Asche cinis zu denken ist;
zunächst möchte man die Potasche herbeiziehen.
Bäckerg asse Breslau, Cölleda , Döbeln in Sachsen (a. 1727),
Freiberg, Halle, Sontra in Hessen. Bäckerstraße Düsseldorf, Ham-
burg (urkundlich platea pistorum), Hannover, Wien. Das Wort begegnet
im Ahd. und Mhd. sehr selten (offenbar weil das Backen vorherrschend
eine häusliche, keine gewerbliche Thätigkeit war). Daß Graff HI, 24
den Ort Chuchelebaccharo marca ganz mit Unrecht hieher zieht , ist
aus meinem Namenbuche zu ersehen.
Badergasse Arnstadt, Aschersleben, Bingen, Bischofswerda
(früher, jetzt Bahnhofstraße), Breslau, Brieg, Calbe an der Saale (a. 1720,
s. Hävecker Chronik v. Calbe), Colditz in Sachsen, Dresden, Eilenburg,
Elbing, Frankfurt a. O., Gartz a. O., Jüterbogk, Königsberg in der Neu-
mark (a. 1715), Leisnig in Sachsen, Lengenfeld im Voigtlaude, Meerane
in Sachsen , Mügeln in Sachsen , Mühlhausen in Thüringen , Oschatz,
Reichenstein in Schlesien, Thorn, Zwickau. Badergässchen Breslau,
Eisenach, Salzburg (hierin noch a. 1794 das Seelen- oder Armeleutebad).
Baderstraße Thorn. Baderb erg Meissen. Badgasse Altdorf bei
Nürnberg. Badestraße Uelsen (a. 1735). Dieses Gewerbe mit seinem
Baden, Haarschneiden, Aderlassen und Schröpfen ist theils ganz in das
der Barbiere (welche an vielen Orten neben den Badern bestanden)über-
gegangen, theils durch die neueren Badeanstalten überflüßig geworden.
Badstüberstraße Cöslin a. 1765 (Haken Gesch. v. Cöslin) ;
vgl. Badstubenstraße in Wolgast. Das schwerfällige und unnütze Bad-
stüber für das einfache Bader ist nur niederdeutsch , weder Grimm
noch die hochdeutschen DialectAvöi'terbücher kennen es, dagegen findet
sich Badstäwer im Bremisch -Niedersächs. Wb., die Statuten der Bad-
stover zu Lübeck aus der Mitte des 14. Jhd. werden von Wehrmann
Die Lübeckischen Zunftrolleu (Lübeck 1864) mitgetheilt.
B a n d s c h n e i d e r g a 3 s e Königsberg. Zwar kommt Bandweber für
Bortenwürker oder Posamentier vor (s. Jacobsson techn. Wb.), doch ist
mir Bandschneider sonst nicht begegnet ; vielleicht steckt darin nur ein
missverstandeues Wandschneider.
Becher er gasse Worms (Becherergaze a. 1315; vgl. Baur Hess.
Urkunden Bd. H, Nr. 110). Becher er gas scheu Köln (Beggirgasse
STRASSENNAMEN VON GEWERBEN. 5
a. 1280, Beggergasse a. 1286; vgl. Eunen Quellen zur Gesch. v. Köln
III 164, 241). Bechergässlein Speier. Becherer oder Bechler sind
zwar in einigen technologischen Werken als eine besondere Art der
Böttcher, die sogenannten Kleinbinder erwähnt; doch möchte ich bei
diesen Becherergassen lieber an die Verfertiger zinnerner Becher
denken.
Beckenwerperstraße Braunschweig; eine ganz moderne Ver-
drehung des Wortes, noch 1806 finde ich diese Straße richtiger Becken-
werkerstr. geschrieben. Das Neutr. Beckenwerk führt Grimm aus Hans
Sachs an. Es sind hier wohl wieder zinnerne Becken gemeint, obwohl
bei diesem so wie dem folgenden und vorhergehenden Worte hölzerne
Geräthe nicht ganz abzuweisen sind.
Beckmacher Straße Hamburg (auch Armesüuderstraße genannt,
urkundlich platea cratificum). Hess Beschr. von Hambui'g (1787) I, 179
fragt an: „ = Bechermacher (craterifices) ? oder = Fassbinder, Böttcher?"
In den oben erwähnten Lübeckischen Zunftrollen kommt auch eine der
Bekemaker von 1591 vor, wo ganz sicher Kleinbinder gemeint sind.
Beckschlagergasse Nürnberg (jetzt verdreht Bettschlagergasse
gesprochen). Hier sind sicher eine Art von Klempnern gemeint, die
das Blech erst nach dem Erkalten schmieden. Beckenschläger kommt
bei Grimm vor, doch ohne Erklärung und Citat.
Beutlergasse Danzig. Beutlerstraße Stettin. Das Wort
Beutler, mhd. noch nicht nachweisbar, ist jetzt durch das Verschwinden
der ledernen Beutel im Untergehen begriffen; Grimm hat es ohne Citat.
In den Lübeckischen Zunftrollen begegnet a. 1459 das zusammenge
setzte Büdelmaker.
Bindergasse Nürnberg. Bender gasse Frankfurt a. M. (sie
heißt sec. 14 doliatorum vicus ; s. Baldemar v. Peterweil Beschr. von
Frankf , herausgeg. von Euler). Es sind also hier Fassbinder, Böttcher
gemeint, nicht Besen-, Bürsten-, Buchbinder.
Bleich er Straße Hamburg (früher Bleichergang). Bleicher-
gasse Altena (a. 1747; s. Schmid Beschr. von Altena). Vgl. Grimm Wb.
Bogner gasse Wien. Die einzige Erinnerung an das unterge-
gangene Gewerbe der Bogner oder Armbruster; vgl. Grimm Wb.
Boots m an nsgasse Danzig.
Böttchergasse Leipzig. Böttcherstraße Cöslin.
Bräuergasse Dresden. Brauerhof Altena (a. 1747, s. Schmid
Beschr. v. Altena). Brauerstraße Hamburg. Vgl. auch Bräugasse
Altdorf bei Nürnberg, Passau. Brau gas sehen Plauen im Voigtiande.
6 E. FORSTEMANN
Das nilid. Wb. weist schon briuwer und hrouwev nach ; Graff hat das
Wort noch nicht.
Brauerknechtgraben Hamburg ( a. 1787; schon urkundlich
fossa famuh)rum ccrevisiani coqueutium).
Brennergasse Hamburg. Das Wort hat sich fast in allen Mund-
arten auf den Begriff von Branntweinbrennern specialisiert ; Beispiele
allgemeiner Bedeutung gibt noch soAvohl das rahd. Wb. als Grimm.
Brückenschmiedgasse Schleusingen. Da ein besonderes Ge-
werbe der Brückenschmiede mir nirgend begegnet, ich mir auch nichts
darunter zu denken vermag, so ist vielleicht hier ein an einer Brücke
wohnender Schmid anzunehmen und das Wort hier fortzulassen.
Büttelgasse Mainz (früher). Büttelstraße Elbing (früher).
Bei Grimm ist hinzuzufügen, daß das alte und weit verbreitete Wort
im Aussterben begriffen ist.
Büttner Straße Breslau, Görlitz. Böttnergasse Eisenach
(früher, jetzt Quergasse). So verbreitet auch Bütte für ein hölzernes
Gefäß ist, so hat doch Büttner für Böttcher im nördlichen Deutschland
wohl nie allgemeine Geltung gehabt.
Caffam acher reihe Hamburg (a. 1787, s. Hess I, 273). Nach
Jacobsson ist Cajfas de Bois ein grobes wollenes aus Ryssel bezogenes
Zeug. Im vorliegenden Falle ist wohl an einen anderen Stoff zu denken,-
Richey im Idioticon Hamburgense erwcähnt Kaff-Haarmaker = Sammet-
weber und spricht weitläufiger davon. Siehe auch Schütze Holsteinisches
Idioticon.
Corduanarios , inter — , Köln (a. 1238, s. Ennen Quellen zur
Gesch. der Stadt Köln II, 187). So gewiß auch der Name zu dem ur-
sprünglich aus Cordova bezogenen Leder gehört, so kann er doch zwie-
fach gedeutet werden: 1. als eine Art von Gerbern, die sonst auch
Corduanmacher genannt werden , 2. als eine Art von Schuhmachern,
die Corduanschuhe verfertigen ; so fasst das Wort auf Duntze Gesch.
der Stadt Bremen I, 511. Letzterer Sinn liegt auch im franz. cordon-
nier, so wie im mhd. knrdlwcener.
Dienergasse Danzig, Elbing. Di euer reihe Hamburg. Es sind
wohl überall Rathsdiener gemeint, für die wir in den Straßennamen
mehrere Synonyma finden.
Drahtziehergasse Hirschberg. Es ist dabei zunächst an Eisen-
draht, weniger an solchen aus Gold, Silber, Messing u. s. w. zu denken ;
das Compositum Drahtzieher ist mhd. noch nicht nachweisbar.
Drehergasse Danzig. Tornatorum vicus Frankfurt a. M.
(sec. 14 , später Drehergasse). In der Regel sind Dreher = Drechsler
STRASSENNAMEN VON GEWERBEN. 7
und als solche haben sie z. B. in Lübeck eine Zimftrolle von 1507,
die Danziger Drehergasse hat aber mit voller Bestimmtheit speciell von
den Bernsteindrehern den Namen; bei Grimm fehlt dieses Compositmii,
das gar nicht selten ist.
Eimer mache rhof Danzig. Ist sonst noch irgendwo ein Gewerbe
der Eimermacher oder auch nur das Wort nachzuweisen?
Ekemäkerstraße Hildesheim, = Essigmacherstr. Ein merkwür-
diges Beispiel von der noch nicht umgestellten Buchstabenfolge des lat.
acetum, goth. akeit^ schweizerisch echis u. s. w.
Erzgießereistraße München, wahrscheinlich eine sehr neue
Namenbildung.
Färbergasse Freiberg, Kalau, Meerane in Sachsen. Färber-
gässchen Colditz in Sachsen. Färberstraße Chemnitz, Stuttgart.
Schon mhd. verwcere.
Filter Straße Hamburg (urkundlich platea fullonum, pilleonum,
filtricum nach Hess Beschr. von Hamburg 1787). Vilzirgrauin, Vil-
cirgrauin, Vilzergrauen Köln (a. 1214, 1239; s. Ennen II, 55, 197, 199).
Die letztere Straße ist auch wohl gemeint mit inter pileatores (a. 1285;
s. Ennen III, 220). Die Filzer sind namentlich Hutwalker, s. auch
unten Hutfilter. Mhd. ist noch kein vilzcere nachgewiesen.
Fisch ergasse Altena (a. 1747; s. Schmid Beschr. von Altena),
Bautzen , Breslau , Danzig , Freiberg , Heidelberg , Jena , Meiningen
(a. 1676) , Meissen, Passau (früher unter den Vischern) ^ Seligenstadt.
Fischer Straße Berlin (a. 1737; vgl. Müller u. Küster Altes und neues
Berlin), Bremen, Demmin, Elbing, Gartz an der Oder, Hannover, Ra-
thenow , Stettin, Tangermünde. Fischer feld und -gasse Frankfurt
a. M. (sec. 14 piscatorum vicus). Fischerthor Danzig, Elbing, Speier
(früher), Wien. Fischerufer Magdeburg. Eise her plan Halle. Fi-
schertwiete Hamburg (urkundlich angiportus piscatorum). Vgl. Fisch-
gasse Bamberg. Das Wort hat durch kein Synonymum seit der alidt
Zeit bis jetzt irgend einen Abbruch erlitten ; ganz entgegengesetzt der
uns bei dem nun folgenden Ausdruck begegnenden Erscheinung.
Fleisch er gas sc Bautzen, Brieg (früher), Cöslin, Danzig, Frei-
berg, Halle, Iglau (sec. 15 platea carnificum), Leipzig, Meissen. Flei-
scher straße Elbing. Fleischerplatz Leipzig, Zwickau. Auch hier
oft das Product statt des Producenten : Fleischgasse Bamberg,
Eisenach, Gotha, IMühlhausen in Thüringen. Im Mhd. scheint das Wort
noch sehr selten zu sein, über die zahlreichen Synonymen s. unten.
Fleischhackergasse Nürnberg (früher, jetzt Sterngasse). Vgl.
Grimm Wb.
g E. FÖRSTEMANN
F I e i s c h h a u c r s t r a ß e Aschersleben. Fleischhauer begegnet auch
im Brcmisch-Xiedersächs. Wb., eben so bei Grimm.
Fuhrmannsgasse Meissen, Wien.
Gärtnergasse Hannover, Wien. Gärtnerstraße Altona (schon
1747, s. Schraid Beschr. von Altona).
Gerbergasse Bautzen, Breslau, Brieg (früher Fleischergasse
genannt) , Danzig , Giengen an der Brenz , Halle, Meissen, Plauen im
Yoigtlande, "Weimar. Gerberstraße Hamburg (urkundlich platea cer-
donum) , Leipzig, Stuttgait, Thoru. Das Wort ist schon mhd. , noch
nicht ahd. nachgewiesen.
Gewandschneider, unter — . So verdeutscht Eunen die in Köln
von a. 1223 an sehr oft begegnende Straßenbezeichnung interpannici-
das, inter pannorum incisores und inter pannorum venditores
(die einzelnen Citate s. im Register zu dem Werke von Ennen). In Leipzig
erscheint auch ein Gewandgässchen und an die in verschiedenen
Städten begegnenden Gewandhäuser (z. B. in Dresden und Leipzig)
mag beiläufig erinnert werden. Die Gewandschneider stehen in der Mitte
zwischen Tuchmachern und Tuchhändlern und daß das Abschneiden
nach der Elle als das Charakteristische ihrer Thätigkeit galt, zeigt auch
imser heutiger Ausdruck Schnitthandlung.
Glockengießer. Bei Ennen begegnet a. 1238 in Köln eine
Clocnergazze, a. 1295 Klockenergasse geschrieben, jetzt fälsch-
lich Glockengasse genannt. Es ist wohl an Glockengießer^ nicht an
Glrtckner zudenken; mit dem Glockenthore in Danzig mag es die-
selbe Bewandniss haben, obgleich mhd. glockencere schon mit Glöckner
übersetzt wird.
Goldschmiedegasse Danzig, Eisenach. Goldschmiede-
brücke Magdeburg. Unter Goldschmidt Köln (a. 1239 inter auri-
fabros, s. Ennen II, 199). Goldsmit ist schon mhd. nicht selten.
Gräbschn er gas se Breslau. Ein schlimmes AVort, das ich weder
in DialektAvörterbüchern , noch in technologischen Hilfsmitteln finde.
l>is besseres beigebracht wird, erinnere ich an polnisch grzehieniarz
Kammacher.
Grapengießerstraße Stettin. Gropengeter straße früher
in Hannover, später hieß sie Kupferschlägerstraße (also nicht von einem
Bürger Gropengeter, wie Patje in seinem Buche „Wie Avar Hannover'"
1817, s. 91 meint), jetzt ein Thcil der Osterstraße. Grapen sind bekannt-
lich in Niedcrdeutschland eiserne Töpfe mit Füßen (s. z. B. das Bre-
misch-Nieders. Wb., Schambach u. s. w.). Die Gropengeter zu Lübeck
liaben eine Zunftrolle von ]4;)9.
STRASSENNAMEN VON GEWERBEN. 9
Gräupnergasse Breslau. Man möchte zunächst an Graupen-
mttller oder Graupenhändler denken; vielleicht aber passt besser her
Schmeller II, 116: „Gröppner, ein Mann zum Aufladen der Kaufmanns-
güter".
Gröpergasse Halberstadt. Mau kann schwanken, an welchen
der beiden letztgenannten Straßennamen man lieber dabei denken will;
einerseits können Grapengießer gemeint sein (bei Frisch wird auch
die Form Grope neben Grape angeführt) , anderseits erwähnt schon
Fulda (Versuch einer allgem. deutschen Idiotikensammlung) gröpen,
gröpnen rollen, gröpner Auslader der Kaufmannsgüter.
Grütznergässchen Radeberg bei Dresden. Grüttemacher-
straße in Hannover (früher, jetzt Röselerstraße). Letztere Straße leitet
Patje (a. a. O. S. 91) wohl falsch von einem Bürger Grütteraacher ab.
Die Zunftrolle der Lübecker Gortemaker datiert von 1481.
Häckergasse, Häckerthor Danzig (schon a. 1687, s. Curicke
Beschr. von Danzig), Höker sind Verkäufer von Lebensmitteln im
Kleinen, das Bremisch-Nieders. Wb. schreibt Häker imd das Verbum
häkern, die Lübecker Zunftrolle von 1507 Hoher. In den sechs Bänden
von Frommanns Zeitschrift scheint der Ausdruck nicht vorzukommen.
Hafnergasse Wien. Hafnerberg Augsburg, Häfnergasse
Schleusingen. Nach Norddeutschland scheint das mhd. havena>re Töpfer
(s. auch bei Schmeller 11, 1,54) sich nie verbreitet zu haben.
Häscherbrücke Halle (sonst auch schwarze Brücke genannt).
Hebammengässchen Rathenow (a. 1803). Ein heveamme führt
doch auch schon das mhd. Wb. an.
Heide reutergasse Berlin (schon a. 1737 nach Müller u. Kü-
ster Altes imd neues Berlin).
Henfergazze Mainz (a. 1292; vgl. Baur Hess. Urkund. Bd. H,
Nr. 485). Henfer sind Seiler, Verfertiger von Hanfstricken. In den Lü-
beckischen Zunftrollen erscheinen a. 1387 die Hennepspinner als Ge-
hilfen der Repsleger (diese s. unten).
Hirtengasse Bautzen , Halle , Hirschberg , Ilmenau. Hirten-
gang Hannover.
Hosennähergassc Danzig. Diese Hosen werden in ihrer Hei-
math für Schifferstrümpfe erklärt , und zwar mit Recht , denn in dem
ahd. hosa herrscht die Bedeutung Strumpf noch entschieden vor und
ist im mhd. hose an manchen Stellen nicht zu verkennen. In den neueren
Mundarten halten manche den alten Sinn noch fest ; vgl. über Helgo-
land Die deutschen Mimdarten III, 33, über Westfalen ebds. III, 263
u. 561, iibcr Tirol ebds. VI, 154, über den Westcrwald Schmidt Wester-
10 E. FÖRSTEMANN
wäldisches Iclioticou. In Westfalen gilt auch Hosenstricker für Strumpf-
wirker.
H u t f i 1 z e r s t r a ß e Bremen. H ii t f i 1 1 e r n Braunschweig. Im Bre-
misch-Nieclers. Wb. begegnet Hoodfilt = Hutlilz. Vgl. oben Filterstraße.
Hutmachergasse Altena (a. 1747; s. Schmid Beschr. v, Altona).
Hutsteppergässel Wien. Diese Hutstepper wurden auch vor-
nehmer Hutstaffierer genannt.
Irrergasse Nürnberg (ebendaselbst gab es früher auch ein Irrer-
thörlein, jetzt Hallerthörlein). Irchergazz München (a. 1473, Mon.
boica XXI, 209, jetzt übersetzt Lederergasse). Vielleicht gehört dazu
Ichirgasze Worms (a. 1321, s. Baur Hess. Urk. Bd. H, sec. 860). Ircher
sind Weißgerber, vgl. das mhd. Wb, I, 753 ; dsgl. Höfer Wb. der in
Oberdeutschland üblichen Mundart. Irich albicoreum in einem Voca-
bular von 1445 nach Schmeller I, 97. Das Wort scheint nicht nach
Norddeutschland hinübergedrungen.
Kannengießer gasse Frankfurt a. M. Kannengießerstraße
Braunschweig. Kannengießer ort Hamburg (a. 1787). Die Kannen-
gießer, jetzt Zinngießer, wurden so nach ihrem vorzüglichsten Fa-
bricat genannt ; vgl. Grimm Wb. Die Kannengetere von Lübeck
haben eine Zunftrolle von 1508; mhd. ist das Wort wohl nur zufällig
noch nicht belegt.
K a r r e n f ü h r e r s t r a ß e Braunschweig.
Kettelböte r Straße Magdeburg (früher, jetzt Kesselbeissergasse).
Jacobsson techn. Wb. ftihrt als synonym an Kesselflicker, Kesselbüßer,
Kessellapper, Kesselbesserer. Vgl. Grimm Wb. , s. auch oben Altbüßer.
Kindeschoen als Straßenname in Köln ftihrt Ennen H, 401 aus
dem Jahre 1258 an. Sind irgendwo sonst noch specielle Kinderschuh-
verkäufer aufzufinden ?
Kleinschmiedegasse Magdeburg (früher, jetzt Dreibretzel-
gasse). Kleinschmieden (die — ) Halle. Der Kleinschmied ist im
Ganzen so viel als Schlosser , aber ob das mittellat. parvifaher nach
dem deutschen Worte oder dieses nach jenem gebildet ist, darf nicht
vorschnell entschieden werden. Vgl. Grimm Wb.
Klampfcrergässchcn Salzburg (in dieser Gasse wird 1794
noch eine „Klampferer- oder Spangierwerkstätte" erwähnt). Klamperer,
Klampfcrer = Klempner bei Schmeller II, 356 ; ebds. auch besondere
Pfannenkl am p erer .
Klempnergasse Breslau (früher, jetzt ein Theil der Messergasse).
Klingergasse Passau, so genannt von den Klingenschmieden,
die diu-ch die Passauer Wolfsklingen sehr berühmt wurden.
STBASSENNAMEN VON GEWERBEN. H
Kloppergasse Alsfeld in Hessen. Aber was haben diese Klopper
geklopft? Bei Frisch ist Klopper eine Art Hutmacher und auch San-
ders erklärt den Klopfer als denjenigen, der die Wolle zum Hutmachen
durch Klopfen reinigt.
K n 0 c h e u h a u e r s t r a ß e Braunschweig , Hamburg (urkundlich
platea carnificum), Hannover. Kuochenhauerufer Magdeburg. Kno-
chen h a u e r fe 1 d Hannover. K n o c h e n h a u e r w a c h e Nordhausen
(sec. 15). Auch das Brera.-Nieders. Wb. kennt Knakenhauer für Flei-
scher; die Knokeuhowere von Lübeck erhalten schon 1385 eine er-
neuerte Zunftrolle. Aus den Beispielen bei Grimm ist die Existenz
des Wortes zu Zerbst und zu Stettin ersichtlich.
Kochgasse Wien. K o c h s t r a ß e Berlin, Wernigerode. Vielleicht
nicht in jedem Falle hiehcr gehörig, sondern zuweilen von einem Fa-
miliennamen benannt.
K o r b m a c h e r t w i e t e Hamburg.
Korkenmachergasse Danzig. Korken sind Pantoffeln, so ge-
nannt von dem zu diesen Schuhen gebrauchten Korkholz (das auch
polnisch korck heißt). Das in Danzig noch ganz lebendige Wort scheint
geographisch nur einen sehr beschränkten Umfang zu haben; in From-
manns deutschen Mundarten finde ich es nicht, auch nicht im Brem.-
Nieders. Wb., eben so wenig in Richeys Idiot. Hamburg. In den Lü-
becker Zunftrollen heißen diese Leute Cllotzenmakere.
Kornträger gang Hamburg (a. 1787). Das sind die in Danzig
so genannten Sackträger, welche die Getreidesäcke aus den Speichern
auf die Schiffe oder umgekehrt schaffen.
Körperstraße Elbing. Nach Fuchs Beschr. von Elbing Bd. II
(1821) S. 310 heißt die Straße so, weil durch sie die Leichen nach den
Kirchhöfen getragen wurden. Das wäre eine ganz unerhörte Art von
Namengebung, an die ich nicht glauben mag ; zunächst denke ich an
Korbflechter; in Jacobssons Technolog. Wb. begegnen in der That Körber
für Korbmacher , und der häufige Familienname Körber weist auch
darauf hin.
Krämergasse Danzig, Frankfurt a. M. (sec. 14 institorum vicus),
Heidelberg, Jena. Kramerstraße Hannover. Kram er Straße Düssel-
dorf. Krämerbrücke Erfurt, Königsberg. Krämern (im K-, der K-)
Nordhausen. Das Wort verschwindet vor dem vornehmeren Kaufmann
oder gar Materialist; daß man in Elberfeld noch Winkelierer sagt, ist
ein merkwürdiges Eindringen holländischen Sprachgebrauchs (ivinkeUer,
ivinkelhouder).
12 K. FÖRSTEMANN
Küfcr^asse Mainz (früher), Saarbrücken (scc. 17). Küferstraße
Göttingen. Küfer sind Böttcher für gröISere Gefälie, auch Küfuer, Groti-
binder oder Schwarzbinder genannt.
Kupferschlägerstraße Hannover ("früher, s. Gropengeterstr.).
Kupferschmiedstraße Breslau.
Kürschner Straße Elbing. Schon mhd. kürsencere.
Kutscherstraße Magdeburg; sehr modern.
Lakemacherstraße Magdeburg (früher). Laken = Tuch im
Brem. - Nieders. Wb. Die Lübecker Zunftrolle von 1553 kennt Laken-
makere = Tuchmacher und die von 1546 Lakenberedere = Zurichter
des Tuches. In neueren Mundarten dagegen hat sich Laken von den
wollenen auf linnene Stoffe zurückgezogen.
Lauchergasse Eisenach; hier wohnten früher die Seifensieder.
Das Wort ist etwas auffallend; ist dabei au die Seifensiederlauge zu
denken?
Lederergasse München, Passau, Salzburg (früher, noch 1794),
Wasserburg am Inn. Ledergasse Duderstadt, Nürnberg. Lederer
sind Rothgerber; s. Schmeller II, 436. Schon mhd. ledercere.
Ledersnidere Köln(a. 1258,EnnenII, 401). Dieselbe Straße wird
genannt Lersnidere (a. 1285, ebds. III, 222), incisores coreorum
(a. 1237, ebds. II, 112), inter corecidas (a. 1285, ebds. III, 223),
inter corricidas (a. 1275, ebds. III, 89). Man könnte zunächst an
Riemenschneider denken, doch sind eher, den Gewandschneidern analog,
Lederhändler anzunehmen. Vgl. Schmeller II, 438; auch Jacobsson
Technol. Wb. erklärt Lederschneider durch Lederhändler.
LeinAvebergasse Meissen. Schon mhd. Umveber.
Lodergasse Nürnberg. Loderstraße Passau (1322, später
Reitgassc, jetzt Theresienstraße). Über Loden und Loderer s. Schmeller
II, 440, weicher Loderer in München, Erding und Nördlingen nach-
weist. Loden ist nach Jacobsson eine Gattung geringes wollenes Zeug,
Lodweberei in Augsburg das Weben von Fußdecken. Vgl. auch lodo
und lodweher im mhd. Wb. Danach sind also Loder oder Lodenweber
eine Art von Tuchmachern.
Löhergasse Sachsenhausen bei Frankfurt a. M. (sec. 14 cer-
donum vicus). Löhergraben Aachen (daselbst sind Lohgerbereien).
Loher = Lohgerber erwähnt aus Würzburg Schmeller II, 462. In der
Lübecker Zunftrolle von 1451 heißen sie Lorer. IMlid. ist das Wort
noch nicht nachgewiesen.
Malergasse Breslau. Malertwete Braunschweig. Schon ahd.
mdlnri.
STRASSENNAMEN VON GEWERBEN. 13
Mälzergasse Danzig. Mlid. malzcere Brauer, vom Verwandeln
des Getreides in Malz (vermalzen); vgl. Schmeller II, 574.
Mäntlergasse Breslau. Diese Mäntler = Verfertiger von Män-
teln, erscheinen als ein Handwerk in Regensburg bei Sclimeller II, 603.
Messe rschmidgasse Eisenach.
Metzgergasse Alsfeld in Hessen, Frankfurt a. M. fsec. 14
carnificum vicus), Heilbronn, Reutlingen, Seligeustadt, Wiesbaden. Vgl.
Metzger bei Schmeller II, 661 ; mhd. mezziwre.
Mezzelergazze Mainz (a. 1273; s. Baur Hess. Urk. Bd. II,
Nr. 271). Das Wort^ dem vorigen an Begriff gleich, etymologisch aber
wohl gar nicht verwandt, ist das lat. macellarius , ahd. mezüdri, mlid.
mefzeler lanio. Gar nicht hieher gehört Avohl die Bemerkung von Ja-
cobsson Technol. Wb.: „Metzler nennt man diejenigen Höken, die mit
Salz, Mehl u. dgl. handeln, so mit der Metze ausgemessen wird."
Müllerstraße Hannover, München. Ahd. und mhd. herrschen
noch die Formen muUnäri, inUlncure vor.
Munzergazza Mainz (a. 776, codex Lauresham.). Das Product
statt des Producenten in Münzstraße Magdeburg und an andern
Orten. Könnte mau jenen Angaben im Anfange des cod. Laur. unbe-
denklich trauen, so enthielten sie den bei weitem ältesten der hieher
gehörigen Straßennamen. Lat. monetarius, ahd. munizäri.
Mützenwebergasse Köln (jetzt wohl nicht mehr gebräuchlich,
a. 1276 prope vicum mitras cousuentium, s. Ennen III, 99).
Nachrichter gässchen Frankfiu't a. M.; schon m\\^. nächrihter.
Nadle rgasse Breslau, Weringerode. Näthlergasse Danzig.
Nadlerstraße Stuttgart. Neidergasse Köln (a. 1247; s. Ennen II,
271; in dieser Gasse Hegt ein Haus ,,ad acum"). Die „Neteler" zu
Lübeck haben ihre Statuten vom Jahre 1356, das mhd. Wörterbuch
kennt das Gewerbe noch nicht.
Nagelschmidgässchen Wasserburg am luu. Naglergasse
Grätz, Wien. Beide Ausdrücke sind erst aus nhd. Zeit belegt.
Ol Schläger (im Olschlägern) Braunschweig. Bis jetzt fehlt uns
noch jede Angabe, seit wann dieses Gewerbe von dem Schlagen des
Öles aus Lein- oder Rübsamen benannt sei, und doch kennt es die
neue Zeit kaum mehr.
Pelzerstraße Bremen, Stettin. Pilzer- oder Pelzerstraße
Hamburg (a. 1787^ urkundlich platea pelHcatorum, pellificum). Die
Pelzer in Lübeck kommen schon um 1400 vor.
Permentergas sc Nürnberg (früher). In Nürnberg waren die
Pcrmeuter schon 1433 zünftig, in Lübeck haben sie sogar 1330 eine
14 E. t'ÖRSTEMANN
und zwar lateinische Zunftrolle, worin sie pergamentarii genannt werden.
Doch kommen sie im mhd. Wb. noch nicht vor, wogegen sie bei
iSchmeller I, 294 erwähnt werden.
Platnergasse Nürnberg (früher), Prag. Plattnerstraße Gör-
litz. Mhd. hlatencere = Verfertiger von Harnischplatten. Dieses Ge-
werbe, für das man auch die Wörter Ilaubenschmiede oder Harnisch-
maclier brauchte, hört in Nürnberg sec. 17 auf. In Lübeck erhielten
die platenslogliere ein Statut um 1370, Avährend in einem anderen von
1433 zwischen platenslegeren und harnschmakern unterschieden wird. In
der Mitte des 17. Jahrhunderts hat das Gewerk dort nicht mehr be-
standen, doch besoldete nach Wehrmann der Rath noch bis zu Ende
des vorigen Jahrhunderts einen Harnischmacher und Plattenschläger,
der die im Zeughause befindlichen Harnische in Ordnung zu halten
hatte, außerdem jedoch befugt war, verschiedene Schmiedearbeiten zu
verfertigen. Übrigens begegnet das Wort harnascliCBre auch schon im
mhd. Wb.
Posamentiergässchen Eisenach. Weder Posamentier noch
das damit synonyme Borteuwürker findet sich, bis jetzt wenigstens,
im Mhd.
Rademachergang Hamburg (a. 1787). Radraacherstraße
Ülsen (a. 1735). Das Statut der lübeckischen Rademakere datirt von 1508;
sonst kann ich weder die Rademacher noch die Stellmacher, mit denen
sich erstere später meistens vereinigten, aus alter Zeit nachweisen.
Rathsdienergasse Wernigerode.
Reiferbahn Königsberg (Nr. 17). Reeperbahn Hamburg.
Röpergasse Danzig. Reep schlägerbahn Elbing. Reiferschläger-
straße Stettin. Es sind hier Seiler gemeint, besonders solche, die
Schiffstauwerk verfertigen. Das Wort ist schon alt; vgl. ahd. reijäri
tortor. Im Bremisch - Nieders. Wb. begegnet Repelbalm und Reep-
släger, bei Richey im Idiot. Hamburg. Reeperbahn und Reepsläger, in
den Lübecker Zunftrollen schon um 1390 Reper vmd Repsleger.
Roth gerbe rbach Köln. Die Rothgerber machen das Leder mit
Lohe gar, wodurch es zunächst röthlich wird, während die unten er-
wähnten Weißgerber die feineren Arten mit Alaun bearbeiten. Nur das
letztere Wort kommt im mhd. Wb. vor.
Rothschmidgasse Nürnberg, Die Rothschmiede gießen in Me-
tall und wandeln auch das Ku])fer zu Messing um ; sie waren in Nürn-
berg einst 300 Personen stark. Mhd. sind sie noch nicht nachgewiesen,
wol aber kwpfersmit.
Sackpfeifergasse Mainz (frtiher). Sackpfeilen werden ver-
STRASSENNAMEN VON GEWERBEN. 15
schiedenartlge Instrumente genannt^ von denen eins der Dudelsack ist.
Schon im NarrenschifF begegnet sacphife.
Sägerp latz Hamburg (a. 1758; dort sind damals Brettsägereien).
Salzsender gasse Wasserburg am Inn. Nicht etwa verderbt
für Salzsieder, sondern die Salzlader oder Salzsender sind die Spedi-
teure für Salz ; Näheres darüber Schmeller III, 240.
Saumergazze Worms (a. 1209; vgl. Baur Hess. Urk. Bd. II,
Nr. 583). Dieselbe Straße wird geschrieben Seimergazze (a. 1283;
ebds. Nr. 369) und Seymirgasze (a. 1321, ebds. Nr. 8G0). Sourncere sind
nach dem mhd. Wb. Personen, welche Lastpferde zur Fracht unterhalten ;
Schmeller III, 247 erwähnt die Salzsäumer bei Traunstein, welche das
Salz im Oberland herumführen.
Schäfer gasse Frankfurt a. M. S c h ä f e r d a m m Hannover.
Schäferei ist ein nicht seltener Straßenname.
Schäffnergasse Regensburg. Ein keineswegs sicherer Ausdruck.
Erstens kann man Entartung aus Schäftner (Verfertiger von Speer-
schäften?) annehmen, zweitens an Schäffler ^^- Böttcher denken, welches
Schmeller III, 327 anfilhrt. Lautlich besser passt mhd. schaffencere
Schaffner, doch ist das Wort für einen Straßennamen vielleicht Avenie-er
natürlich.
Scharfrichtergasse Thorn.
Schorlachirgaz ze Köln (a. 1214, s. Ennen II, .55), heißt a.
1234 Schorlachergazze (ebds. II, 147). Mir ist das Wort noch nirgends
begegnet; es wird wohl dabei an Scharlachfärber zu denken sein.
Scharma eher gasse Danzig. Ist dabei an Verfertiger von Pflug-
scharen zu denken? oder von Schirmen? schwerlich an die Scharwache.
Schaufler gasse Wien. Das müssen Verfertiger von Schaufeln
sein; das Wort fehlt bei Loritza Idioticon Viennense.
Scher ergasse Nürnberg (früher, das jetzige Rathhausgässlein, in
diesem Falle entschieden von den Tuchscherern benannt), Regensburg.
Mhd. kommt schon schercere für Barbier vor.
Schergengässchen Salzburg (a. 1794, darin lag damals noch
die Wohnung der Gerichtsdiener). Ahd. scario mhd. scherje.
Schifferstraße Frankfurt a. M. Schifferbrücke Halle.
Schildergasse Köln. Diese Straße heißta. 1231 Schildirgazze
(s. Ennen II, 131), in demselben Jahre platea clippeatorum (ebds. II,
130), a. 1293 clipeorum platea (ebds. III, 375). Schildergazze
Frankfurt a. M. (sec. 14). Schilderstraße Magdeburg. Schilder-
schlippe Magdeburg (früher). Ahd. sciltarl, mhd. schiltcere bezeichnet
den Verfertiger von Schildern, letzteres auch schon in abgeleiteter Be-
16 E. FÖRSTEMANN
deutung den Wappenmaler. Eine ganz andere nicht liieher treffende
Erklärung von Schilderer s. bei Schmeller III, 353.
Schindergasse Reichenhall (früher), Seligenstadt (fiüher, ur-
kundlich platea carnificura).
Schiächte rgasse Hamburg (urkundlich platea lanionum).
Schlachtergasse Altona (a. 1747, s. Schmid Beschr. von Altona),
Schlachterstraße Glückstadt. Schon ahd. slahtäri, mhd. slahtcere.
Schlägerstraße Hannover. Sind das Goldschläger? Olschläger?
Bei Sanders begegnet auch Blechschläger für Klempner.
Schlei fergässchen Augsburg. Die Scherenschleifer und Schwert-
schleifer bildeten dasselbe Handwerk.
Schlossergasse Meißen. Schlossergässchen Salzburg (darin
werden noch a. 1794 Schlosserwerkstätten erwähnt).
Schlot fege rgasse Nürnberg. Schlotfeger aus Würzburg er-
wähnt Schmeller HI, 461. Im Mhd. scheint die Zusammensetzung noch
nicht vorzukommen.
Schmelzergasse Eisenach; hier wohnten früher die Schmelzer,
die das Schmalz ausschmelzten und verkauften ; Schmälzer = Schmalz-
händler bei Schmeller HI, 471. Aus älterer Zeit ist das Wort nicht
bekannt.
Schmied egasse, Schmidgasse Altona (a. 1747, s. Schmid Beschr^
V. Altona), Augsburg, Baireuth, Bingen, Danzig, Frankfurt a. O., Frei-
berg, Jena, Lößnitz im Erzgebirge (finiher), Passau, Wien. Schmiede-
straße Bremen, Elbing, Hamburg (urkundlich platea fabrorum), Han-
nover, Ülsen (a. 1735), Wolgast. Schmiedebrücke Breslau, Königs-
berg. Hierher gehört auch vielleicht durch ein merkwüi'diges Missver-
ständniss Fabrorum seu Fargazze Frankfurt a. M. (sec. 14, jetzt
Fahrgasse).
Schneid erb er g Hannover. Ich glaube nicht, daß der Name
hierher gehört, sondern daß im ersten Theile viel eher ein Gen. Sing,
als Plur. liegt, zumal da sich die Ortlichkeit ganz außerhalb der Stadt,
rechts vom Wege nach Herrenhausen, noch hinter Montbrillaut befindet.
Schornsteinfe'gergasse Celle.
Schreiberbrücke Hamburg (früher, urkundlich pons scriptorum).
Schrot er gas sehen Leipzig. Schroter, Schröter sind zunächst
Schneider (so z. B. bei Schmeller III, 521, Zuschroter ebds. III, 522,
Schröder im Brcm.-Nieders. Wb., Zunftrolle der Scrodere zu Lübeck
um 1370, mhd. schrdf(rre). Doch gibt es auch in älterer Zeit Münz-
schröter, welche die Bleche zu Münzen schneiden, und Frisch erwähnt
Schalenschröter, welche Mcsscrschalcn verfertigen. Ferner ab von dem
STRAS.SENNAMP^N VON GEWK1?BEN. 17
alten Sinne seeare liegt ein anderer von volverc luid dazu gehören die
Wein- und Biersehröter; es gehört nicht hieher zu untersuchen, ob
wirklich, wie man anzunehmen pflegt, beide Bedeutungen sich vermit-
teln lassen oder ganz verschiedene Verba vorliegen.
S c h u h m a c h e r g a s s e Elbing (früher), Leipzig. S c h u s t e r g a s s e
Passau, Plauen im Voigtlande, Speier (früher daselbst auch ein Schuster-
thurm). Schusterstraße Berlin (a. 1737, s. Müller und Küster Altes
und neues Berlin), Thorn, Wolgast. Schustermauer Wernigerode.
Inter calciatores Köln (a. 1285; s. Ennen 111,222). Schuhgasse
Braunschweig, Nordhausen u. s. w. Schuhstraße Celle, Gartz an
der Oder, Hannover, Ülsen (a. 1735). S c h u h b r ü c k e Breslau,
Magdeburg.
Seh wertfegerstraße Magdeburg. Schwertfegergässchen
Frankfurt a. M. Inter gladiatores Köln (a. 1232; s. Ennen II, 136).
Ihre Zunftrolle zu Lübeck datirt von 1473, doch sollen sie schon an-
derswo um 1285 eine Zunft bilden. Im mhd. Wb. schon swertvcffmre.
Seiler gas s e Mainz. Seilerstraße Frankfurt a. M., Hannover.
Seilerstätte Passau, Wien. Mhd. seümre.
Selbingerstraße Hildesheim. Wird in localen Hildesheimer
Quellen durch Seilbinderstraße erklärt, was sich dadurch bestätigt, daß
auch in Hannover eine Seilwind erst raße vorkommt.
Siebmachergäs sehen Frankfurt a. M. Siebergasse Bautzen.
Speermacher, unter — . So verdeutscht Ennen die zu Kölu
a. 1234, 1262 und 1276 begegnende Bezeichnung inter hastarios
(Ennen II, 156, 446; III, 109). Ob die Spiesergasse in Köln die-
selbe Straße ist, weiß ich nicht. Wie mögen die hastarii sec. 13 ge-
lautet haben? das mhd. Wb. kennt noch keinen Ausdruck dafür.
Spenglergasse Mainz (früher), Wien. Spenglergässchen
Augsburg. Spengler sind Klempner, s. Schmeller III, 572. Auch das
mhd. Wb. verzeichnet spengelwre.
Spiegle rgasse Nürnberg (früher). Splegeloere s. im mhd. Wb.
Sporergasse Dresden, Oschatz (geschrieben finde ich Spohr-
gasse). Sporergässchen Leipzig. Spurergasze Worms (a. 1.323;
vgl. Baur Hess. Urk. Bd. II, Nr. 891). Spornergasse Prag. Sporn-
machergasse Frankfurt a. 0. Mhd. sporcere.
Stadtknech tsgäss chen Nürnberg.
Stadtpfeifergässchen Leipzig, Radeberg bei "Dresden.
Stallschreibergasse Berlin.
Stecher gas sc Braunsclnveig. Sind damit Kupferstecher ge-
GERUANIA. Neue Reihe 11. (XIV,) .Talirg. 2
18 E. FÖRSTEMANN
meint? oder Petschaftstecher? Stecher bleibt auch bei Schmeller III,
608 dunkel, eben so wenig bietet das mhd. stechcere Auskunft.
Stempfergasse Grätz. In den technologischen Quellen finde
ich Stempfer nur als solche erwähnt, die Papier planieren. Ist daran
hier zu denken? Mhd. stempfe ist mit unserm stempeln synonym.
Sterczirgasze Worms (a. 1321; Baur Hess. Urk. Bd. II, Nr. 867).
Sterzerg asse Iglau (soll schon sec. 15 vorkommen, s. Elvert Gesch.
V. Iglau S. 452). Das mhd. Wb. hat sterzcere „der müßig umhergeht,
Vagabund". Bekannt ist auch das Scheltwort Landstörzer. Ist bei jenen
Straßennamen etwa an Arbeitsleute, Eckensteher, Dienstmänner u. dgl.
zu denken?
Strohschnittergäs sehen Frankfurt a. M. Was diese Stroh-
sehnitter eigentlich wirken oder bezAvecken, darüber ließe sich Ver-
schiedenes miithmaßen.
(Stuhlmacher?) Ennen II, 115 führt aus dem Jahre 1227 eine
Kölner Straße inter sellatores an, die Hds. liest aber Solatores.
Stuhlmacher heißen sonst sellarii. Vielleicht sind Sattler gemeint;
vgl. mhd. satler sellator.
Tagnetergasse Danzig. Tagneter aus Danzig führt auch Klein
Deutsches Provinzialwörterbuch an; bei Bernd, Die deutsche Sprache
in Posen, fehlt das Wort. Wir haben hier das polnische tandet, tan-
deta Trödelmarkt, tandeciarz, tandetnik Trödler.
T a s c h n e r g ä s s 1 e i n Nürnberg (früher) . Der Taschner, sjmonym
mit Riemer und Sattler, macht Koffer, Ledertaschen u. s. w. Aus mhd.
Zeit ist das Wort noch ^^nbekannt.
Tischlergasse Danzig. Tischlerbrücke Magdeburg. Die
ältere Sprache kennt nur das organischere tischer.
T 0 d t e n g r ä b e r th u r m Speier (fmher). Wie alt mag das Wort sein ?y
Töpfergasse' Bautzen, Breslau, Colditz in Sachsen, Danzig
Dresden, Eilenburg, Elbing, Jüterbock, Kalau, Leisnig in Sachsen,
Zwickau. Töpferstraße Neustrelitz. Töpfer markt Mühlhausen in
Thüringen. Töpferpforte Gartz an der Oder. Töpferthor, im
Töpfern Nordhausen (a. 1310 valva lutifigulorum). Dem letzten Bei-
spiele nach scheint der Ausdruck schon alt zu sein, obgleich ihn das
mhd. Wb. noch nicht kennt. ,
Trabanten gas sc Dresden.
Trägerstraße Demmin. Mhd. tragcere.
Tuchmachergasse Bautzen, Königsberg (sec. 17), Thom.
Tuchmach er Straße Calbe an der Saale (a. 1720, s. Hävecker
Chronik v. Calbe), Frankfurt a. 0. Mhd. gilt hiefür das jetzt verschol-
lene füechler.
STRASSENNAMEN VON GEWERBEN. 19
Ulregasse und -gazze Köln (a. 1230, 1283; s. Ennen 11^ 125;
III, 205 f.). Ulreporze, Ulerportze Köln (a. 1276, 1296 Enuen
III, 118, 411). Schon ahd. üla Topf, lat. olla. Sowohl GrafF I, 234
als auch Fulda Teutsclie Idiotikensammlung führen, aber ohne Angabe
der Stadt, eine Ulengasse = Töpfergasse, Häfnergasse an, die von den
Ulnern benannt sei.
Wächterstraße Demmin.
Wagner gasse Arnstadt, Brieg, Jena, Weimar. Wagner st raße
Stuttgart. Schon mhd. loagener.
Wämstlergässchen Augsburg. Man sollte zunächst an mhd.
wambiser Verfertiger von Wämmsen denken, kommt aber auf andere
Gedanken, wenn man bei Birlinger, Schwäb.-Augsburgisches Wb. liest:
'Wämstier oder Kuttler, die das Eingeweide des geschlachteten Viehes
reinigen oder verkaufen. In der Augsburger Metzgerordnung von 1549:
item ein Schafmagen oder Wambst.'
Wandbereiterbrook Hamburg (a. 1787, früher in Urkunden
palus praeparatorum pannorum). Gewiß vom Krumpen, Krumpfen des
Tuches benannt.
Waytmengere et Waytsnidere (inter W- et W-) Köln
a. 1255 (s. Ennen II, 354). Zwei durch ihre Dunkelheit anziehende
Ausdrücke. An den später durch den Indigo verdrängten Waid der
Färber darf man nicht denken ; ich finde unter den Manipulationen,
die damit vorgenommen werden, weder ein Mengen noch ein Schneiden.
Sollte statt Wayd- Wand- zu lesen sein *) , dann hätten w^ir in dem
zweiten Worte die bekannten Gewandschneider ; was aber das erste
anbetrifft, so liegt hier gewiß das mhd. mangcere Händler vor, welches
man mit mehreren Zusammensetzungen im Wb. nachsehe. Ich füge dazu
noch die in Lübeck erwähnten Stalmenger, die in Gera und Greiz einst
vorhandenen Fischmenger, das engl, ironmonger, fishmonger; vgl. Wehr-
mann Lübeckische Zunftrollen S. 520; dsgl. Kuhn Zeitschs. 18, 159.
Webergasse Chemnitz, Heiligenstadt, Iglau (schon sec. 15 pla-
tea textorum), Meissen, Mühlhausen in Thüringen, Oschatz (diese Straße
ist 1346 angelegt), Speier, Werdau in Sachsen, Zwickau. Weuirgazze
Köln (a. 1214; s. Ennen II, 55; sie heißt um 1250 platea textorum,
ebds. II, 404). Textorum vicus Frankfurt a. M. (sec. 14, kommt
später als Webergasse vor). Weberstraße Braunschweig, Köln, Ilan
*) Ist wohl nicht nöthig. In der Kölner Mundart hat ay =: ä nichts aufnilligcs und
das erste Wort ist dann wdt. Watraanger aber kennt bereits Schnieller u. z. eben-
falls als Straßennamen (Bair. Wb. II, 599). Strobl.
2*
20 E. FÖRSTEMAXN
nover ffriilier Neuegasse), Nordhausen. Web er brücke Mitweida in
Sachsen. Manche dieser Straßen mögen bei dem vielfaltigen Einwandern
niederländischer Wollen- und Leinweber benannt worden sein, in Sachsen
namentlich sec. 14.
Weiunieisterstraße Berlin (schon a. 1737, s. Müller n. Küster
Altes und neues Berlin).
Weißgerbergasse Breslau, Mainz. Wissgerwergazze Frank-
furt a. M. (sec. 14). Weissgerberstraße Magdeburg, Nürnberg.
Weissgerbereckgasse Köln. Weißgerberhauptstraße Wien.
Mhd. schon n-izgerwer.
Woll webergasse Danzig, Hildesheim, Salzwedel, Stettin. Woll-
weber Straße Demmin, Elbing, Friedland in Mecklenburg, Grartz an
der Oder. In Lübeck, dem Schauplatze von Jürgen WuUenwevers Thä-
tigkeit , haben die Wullenwever eine Zunftrolle von 1477. Vgl. mhd.
ivollenslaher lanifex.
Zeltnergasse Prag. Hier kann man zweifeln, ob an Leute zu
denken ist, welche Zelte herrichteten. Eher möchte ich das flache Back-
werk herbeiziehen, welches schon im Ahd. und Mhd. als zelto^ zelte und
in Süddeutschland noch bis auf den heutigen Tag bekannt ist (s. z. B.
Schmeller IV, 257). In jener Straße werden also Lebzeltner oder Leb-
küchner gewohnt haben , die vielleicht schon im Mittelalter lehzelten,
phanzelien oder pheff er zelten (s. mhd. Wb.), später auch Olzelten, Huzel-
zelten, Leinsatzelten verkauften.
Zirkelschmieds gasse Nürnberg.
Bevor ich das hier gesammelte Material noch einmal rasch über-
blicke , will ich noch eine sprachliche Bemerkung einschieben. Wir
sehen, namentlich aus den alten lateinischen Straßennamen, daß neben
den gewöhnlichen Zusammensetzungen mit -gasse, -straße u. s. w. eine
gewiß früher viel gebräuchlichere Bezeichnungsweise üblich gewesen ist,
nach welcher die Straßen mit dem Plural der Ge werbtreibenden und
vorgesetzter Präposition benannt wurden. Die dazu verwandten Präpo-
sitionen sind in und unter (auch hat man zuweilen hinter gebraucht;
der nicht in diesen Aufsatz gehörige Name hinter den Predigern ist gar
nicht selten). Das unter kann ich bis jetzt nur aus Köln nachweisen,
dort aber muß diese Bildung, den lateinischen Namen nach zu schließen,
sehr beliebt gewesen sein. Nun ist aber das Merkwürdige , daß die
heutigen Stadtpläne so wie sonstige Documente diese Namen in der
Form „unter Gewandschneider, unter Goldschmid, unter Speermacher"
darbieten , was wenigstens zeigt , daß die Phrt-alqualität dieser Bil-
duti^en aus dt-ni Volksbewusstsein geschwunden ist; ich wei'^.\ nicht
STKASSEXNAMEN VON GEWEKIVEN. 21
genauer anzugeben , wie das Kölner Volk jetzt damit syntaktisch
verfährt. — Ein noch auffallenderes und an die versteinerten Dative
Pluralis in den bekannten Ländernamen erinnerndes Verschieben der
Bedeutung hat bei den Namen mit in stattgefunden. In Nordhauseu
sagte man jedenfalls ursprünglich in den Krämern, in den Töpfeini.
Erstens nun sprach die Thüringer Mundart hiefür in'n, zweitens über-
setzte die schriftgerechte Sprache dieses in'n in ein im (weil um-
gekehrt schriftdeutsches im wohl um den ganzen Harz herum beim
Volke in lautet) und endlich sah man dieses im ganz falsch als
einen Dat. Sing, eines Masc. an; so sagt man in Nordhausen jetzt im
Töpfern, im Krämern und nennt die Stral.^e der Töpfern, der Krämern.
Wohl eben so wird es, obwohl ich hier nicht als Ohrenzeuge urtheilen
kann, mit den braunschweigischen Namen im Olschlägem, Hutfiltern
sich verhalten. Wenn in Halle eine Straße die Kleinschmieden heißt, so
geht offenbar ein älteres in den Kleinschmieden hi parvifabris vorher ;
das Volk aber sieht den Dat. Plur. der Gewerbtreibenden falsch für
den Nom. Plur. ihrer Werkstätte an ; das sind alles Beweise vom zu-
nehmenden Mangel an Formenbewusstsein.
Es folge jetzt eine kurze Übersicht sämmtlicher in den oben ge-
nannten Namen vertretener Gewerbe nach ihren Kategorien, damit man
die neben einander vorkommenden Synonymen, ferner aber auch das
in den Namen bis jetzt noch gänzlich Fehlende , jedenfalls also sehr
Seltene erkenne.
Die Nahrungsgewerbe mögen beginnen, geordnet nach Thier-,
Pflanzen- und Mineralreich. Hirten und Schäfer bilden gewissermaßen
die Einleitung zm* ersten Gruppe ; dann folgen wie es scheint ohne
Unterschied der Bedeutung die Fleischer, Fleischhacker, Fleischhauer,
Knochenhauer , Schlächter , Metzeier , Metzger. Reichere Sammlungen
werden hier den Gebrauch im Einzelnen noch näher begrenzen ; Flei-
scher erscheint auch in den Straßennamen als das allgemeinste Wort,
Fleischhacker und Fleischhauer sehr selten , Knochenhauer häufig in
Niedersachsen, doch auch bis Thüringen reichend, Schlächter bis jetzt
niu* in drei holsteinischen Städten (obwohl man das Wort sonst in viel
weiteren Landstrichen kennt), Metzeier und Metzger nur im westlichen
Deutschland. Daran schließen sich die seltenen, wohl mu' süddeutschen
Wämstier und die eben so seltenen Schmelzer. Von Geflügel keine
Spur, dagegen sind die Fischer sehr reichhch in Nord und Süd ver-
treten, während jetzt das Fischessen bekanntlich sehr in den Hinter-
grund tritt. Bei den vegetabilischen Nahrungsmitteln ist für den eigent-
lichen Ackersmann in den Straßennamen kein Platz , wohl aber für
22 E. FÖRSTEMANN
den allfj^cmein deutschen, in den Städten aber nicht häufigen Gärtner,
der sich zur folgenden Gruppe verhält wie der Hirt zur vorigen. Es
folgt der Müller (selten in Straßennamen), der Grüttemacher oder Griltz-
ner, der Bäcker und endlich als Vorläufer der jetzigen Conditoren der
Zeltner. Das Getränk ist vertreten durch Brauer, Brauerknecht und
das seltene Mälzer; ohne das ehemals übliche häusliche Brauen wtirde
diese Klasse reicher sein. Dann folgt der Brenner (merkwürdig selten)
und endlich der Ekemäker. Von mineralischer Nahrung sehen wir nur
eine Spur in den Salzseudern, die eben so gut unten bei den Schiffern
erwähnt werden könnten. Verkäufer von Nahrungsmitteln erscheinen
in den nur norddeutschen Häkern und in den wohl gemeindeutschen
Krämern ; mit den Köchen schließt diese Klasse.
Nun zu den Bekleidungsgewerben. Voran stelle ich die Ver-
fertiger von linnenen oder wollenen Stoffen, die überaus häufigen Weber
(Spinner gibt es nicht in den Namen) nebst ihren Unterarten, den Leine-
w^ebern, den echt norddeutschen Wollenwebern und den Mützenwebem,
die norddeutschen Caffamacher und Lakemacher, die süddeutschen Loder
und die verbreiteteren Tuchmacher nebst den Wandbereitern und Sche-
rern, femer die Gewandschneider, wozu vielleicht auch die Bandschneider
gehören ; noch zweifelhafter sind die Waytmenger und Waytsnider.
Aus ihren Händen kommen die Stoffe zu den Färbern (die unsere Sprache
streng von den Malern scheidet), als deren Unterabtheilung die Schar-
lacher aufzutreten scheinen. Aus dem Stoffe wird dann das Kleidungs-
stück angefertigt durch Schneider, sicherer in den Namen begegnen die
Schröter, neben ihnen selten Hosennäher und Mäntler. Filzhüte erschei-
nen als Erzeugniss der Filzer oder Hutfilzer, mit denen auch wohl die
Klopper in naher Beziehung stehen. Auch die Posamentiere treten auf
fiir Schmuck manigfacher Art. Die Lederbereitung sei hier erwähnt,
obgleich sie auch imten zur Anfertigung von Geräthen hingehört. Sie
ist ganz überraschend reich vertreten durch die Gerber, Lederer, die
Süd- und westdeutschen Löher, Rothgerber, Weißgerber und die süd-
deutschen L-cher; daran schheßen sich die seltenen Corduaner und die
schon halb zu den Kaufleuten gehörenden Ledersclmeider. Das alles
arbeitet in die Hände der unendlich oft zu belegenden Schuhmacher
oder Schuster, unter denen die Altbüßer, die ganz vereinzelt vorkom-
menden Korkenmacher, vielleicht auch besondere Verfertiger von Kin-
derschuhen stehen ; endlich sind hier die Beutler anzuführen. Nicht
allzuhäufig scheinen Pelzer und Kürschner zusammengewohnt zu haben,
deren Straßen bis jetzt nm* in Norddeutschland nachgewiesen werden
können. An das Waschen der Kleidung erinnern nur ganz seltene Na-
STRASSENNAMEN VON GEWERBEN. 23
men, zunächst die Bleicher, dann die Amidamraacher in Hamburg, die
Laucher in Eisenach und mögUch«rweise die unsicheren Asch^ebbr in
Stettin.
Was ziu' Wohnung gehört, ist auffiillend dürftig vertreten. Die
wichtigsten Baugewerbe , die der Maurer und Ziraiuei-leute , so alt sie
auch sind, lassen doch keine Spur zurück in den Straßennamen ; sie
müssen stets mehr in vereinzelten Wohnungen sich angesiedelt haben.
Ich erwähne hier die Säger, welche die Bretter für den Zimmermann
vorrichteten, allenfalls auch die Maler, beide sehr selten. Die Schlosser
führe ich imten an , Glasergassen gibt es gar nicht. In der fertigen
Wohnung walten die Schornsteinfeger und Schlotfeger (weder Essen-
kehrer noch die Dresdnischen Feuerrüpel) ; für die Beleuchtung sorgen
schließlich die Olschläger.
Die Verfertiger verschiedener Geräthe bilden eine sehr große
Klasse. Hier möchte man an die Spitze das ehrwürdigste aller deutschen
Gewerbe stellen, das noch lange nicht stolz genug auf seinen mythischen
Ursprung ist, das der Schmiede. Sie haben ihre Spuren sehr häufig in
den Straßennamen zurückgelassen, daneben kommen vor die zusammen-
gesetzten Rothschmiede, Kupferschmiede, Ankei'schmiede, Nagelschmiede
und Messerschmiede (Brückenschmiede hat es wohl nicht gegeben);
femer die vornehmeren Goldschmiede und die tiefer stehenden Kettel-
böter; zweifelhaft ist, ob sich hieran die Scharmacher anschließen. Mit
dem Gusse von Metallgeräth beschäftigen sich Erzgießer, Kannengießer,
Grapengießer, auch Glockner ; die feinste Metallarbeit liefern Nadler
und Drathzieher. Den Schmieden nahe stehen die Beckenwerker, Beck-
macher oder Beckschlager, deren geographische Verbreitungssphäre im
Einzelnen noch nicht mit Bestimmtheit angegeben werden kann; end-
lich schließen sich hieran höchst wahrscheinlich die bis jetzt nur in
westdeutschen Straßen nachgewiesenen Becherer. Kleinschmiede oder
Schlosser sind Bezeichnungen desselben Gewerbes , jene mehr nord-
deutsch, diese wohl mehr im Süden vertreten. Klampferer, Klempner
und Spengler (letztere wohl nur süddeutsch) stehen eben so neben
einander , ferner die Siebmacher , die Schleifer , endlich die Schläger,
wenn darunter Blechschläger zu verstehen sind.
Vom Metallgeräth gehen wir zum hölzernen über. Tischler kommen
in diesen Namen nur selten vor, ganz zweifelhaft sind die Stuhlmacher.
Wagener und Rademacher finden sich, Stellmacher noch nicht. Neben
einander stehen Binder , Böttger , Büttner und Küfer , jeder Ausdruck
wohl in gewissen Landstrichen üblich, die aber noch nicht bestimmbar
sind. Eimermacher, Korbmacher und Körb : liefern andere Gefäße,
24 E. FüRSTEMANN
die Strohsclmittev vielleicht Stroh zu ähnlichem Flechtwerk. An ganz
specielles Gerüth erinnern die Schaufler, während die Dreher in der
Bedeutung zwischen Drechslern von Holzgefaßen und den Bemstein-
drehern schwanken (letztere werden auch Paternostermaker genannt,
kommen aber in dieser Bildung nicht in den Straßennamen vor). Mit
Seilen und Tauen haben zu thun die Seilbinder, die Seiler, die süd-
deutschen Henfer und die entschieden norddeutschen Reeper oder Reep-
schläger. Irdenes Geräth liefern wohl durch ganz Deutschland die häu-
figen Töpfer , während der Ausdruck Hafner mehr dem Süden ange-
hört, eine Ulergasse aber speciell kölnisch zu sein scheiut. Die Taschner
mögen mehr süddeutsch sein ; sie stehen den oben erwähnten Beutlern
nahe. An Schmuck erinnern die Spiegier , vielleicht auch die wie es
scheint undeutsehen Gräbschner. Am Schluße des Geräths mögen die
Münzer ihre Stelle finden, desgleichen als Händler mit allerhand Geräth
(auch mit Kleidern) die polnischen Tagneter.
Auch die Verfertiger von Waffen treten uns recht mittelalterlich
entgegen in den Speermachern, den Schwertfegern und Klingem so wie
den Bognern, ferner in den Platnern und in den Schilderem, die gar
nicht selten vorkommen; auch die Sporer mögen sich hier anschließen.
Selbst in das Gebiet der Kunst spielen diese Straßennamen hinüber
durch die Schreiber, die Permenter und vielleicht die Stempfer. An die
zeichnenden Künste erinnern die Zirkelschmiede , vielleicht auch die
Stecher , an die Musik nur Stadtpfeifer und Sac kpfeifer.
Die Classe von Leuten, welche zwischen dem Handwerk und der
ärztlichen Wissenschaft mitten inne stehen , finden wir wieder in den
überaus häufigen Badern, wofür in Norddeutsehland zuweilen Badstüber
gilt, in den Hebammen und Apothekern.
Zur Beförderung der Waaren dient der Fuhrmann , Kutscher,
KaiTenftihrer und Säumer , letzterer nur aus dem Süden nachweisbar,
ferner der Träger und Kornträger, minder sicher der Schaffner, Gröper,
Gräupner und Stertzer.
Schiffer und Bootsmann führen uns zum Seewesen hinüber.
Unter den niederen B e a m t e n, deren Spuren ich mit verfolgt habe,
sind ganz vereinzelt der Todtengräber, der Heidereuter, Stallschreiber
und Weinmeister, letztere drei nur aus Berlin nachzuweisen, dann aber
vor allem die Wächter der öffentlichen Ordnimg, die Diener und Raths-
diener, die Stadtknechte, die Wächter und Trabanten, die Büttel, Hä-
scher und Schergen. Ihnen reihen sich als würdiger Schluß die Schinder,
Scharfrichter und Nachrichter an. Ich erinnere hiebei daran, daß es in
STRASSENNAMEN VON GEWERBEN. 25
Görlitz eine oben nicht erwähnte Arraesündergasse und eine Verräther-
gasse gibt.
So reich auch dieser Überblick das gesammelte Material erscheinen
lässt, so findet sich darin doch gewiß noch lange nicht die Hälfte der
in deutscher Sprache vorhanden geweseneu Handwerksbezeichnungen.
Aus den öfters oben erwähnten Lübeekischen Zunftrollen führe ich hier
nur diejenigen Bezeichnungen an , welche wir in den obigen Straßen-
namen bis jetzt nicht vertreten fanden: Apengeter, Armborsterei-, Bar-
berer, Büdelmaker, Buntmaker, Decker, Frybecker, Garbrader, Glase-
werter, Glotzenmaker, Hanuaker, Harnschmaker, Hennepspinner, Holt-
dreier , Holtenluchtenmaker , Hudekoper , Iseniluchtenmaker , Kannen-
maker, Kerssengeter, Kistenmaker, Koelmeyster, Kimtormaker, Küter,
Lakenbereder, Lantveringe, Louwentkoper, Luchtenmaker, Mestbereder,
Missingsleger, Murlude, Oltlaper, Panelenmaker, Paternostermaker, Pla-
tensleger, Reraensleger, Remensnider, Rothloscher, Russverwer, Sadel-
maker, Sallunenmaker, Schachtsnider, Schepestimmerlude, Schniddecker,
Semer, Senckler, Stalmenger , Stockvischweker, Tyramerlude, Want-
farwer. Welcher Blick in das reiche Leben einer einzigen Stadt thut
sich da auf! Ein Realwörterbuch unserer deutschen Handwerksbezeich-
nungen müßte einen gewaltigen Sprachreichthum enthüllen.
Aber auch für die betreffenden Straßennamen selbst ist meine
Sammlung noch nicht im entferntesten vollständig, namentlich nicht für
Süddeutschland; aus der Schweiz bringe ich vollends gar nichts bei,
eben so wenig aus den baltischen Ländern Russlands. Viele Chroniken
und Städtebeschreibungen habe ich aufgeschlagen, die keinen einzigen
Straßennamen lieferten, höchstens die Namen der Hauptsraßen. Geradezu
betrübend war es mir, daß ich trotz einer Reihe schöner Werke über
Straßburg und trotz mehrerer Grundrisse der Stadt nichts von dorther
anführen honnte; was helfen die französischen Straßennamen, die oft
die genauesten und feinsten mundartlichen Ausdrücke verwischen ! Genug,
es thun mir noch viele Nachträge Noth , und ich ersuche diejenigen,
welche solche liefern können vmd wollen, recht herzlich, sie entweder
mir oder unmittelbar dieser Zeitschrift einzusenden , damit sich alles
Zusammengehörige auch zusammenfinde.
Den ersten solcher Nachträge kann gleich mein Freund Bartsch
liefern, den ich mit diesem Aufsatze freudig als den Herausgeber dieser
Blätter begrüße. Unter den Städten nämlich, aus denen ich kein Ma-
terial beibringe, ist auch Rostock. Und doch wurde ich gerade auf diese
Stadt besonders neugierig, als ich bei Petr. Lindeberg chronicon Ro-
stochiense (1596. 4°) Seite 141 folgende leider nur lateinische Straßen-
26 J- LAMBEL, EIN PASQUILL DES XV. JAHRHUNDERTS.
namen las: platea piscatorum, fusorum, aeramentarionim, balneatorum,
fabrorum major et raiuor, institorum, lauificum, carnilicura antiqua et
nova, capsariorura, doliariorum, pileonum, restionum, cerdonum, popi-
narionnn, bajulorum, pistorum major et minor, molitorum etc.
DRESDEN.
EIN PASQUILL DES XV. JAHRHUNDERTS.
eyt
Benedicite Benedicite
De la jeunesse de nostre freire de Barry vnsers bruders jonck
de la saigesse de duc de Calabre des von Calabre wiß
de haultrecudance de Boiirbon Für des von Borbons mutwil
de l'orgeul de celluj de Brytaigne des von Brytaigne hobmudicli *)
de puissance de conte de Charloys des von Charlays mechtich
Et de l'orribilite de conte d'Armyniack des von Armeniack grußlich
Libera nos domine. Libera nos Domine.
Vorstehendes kleine Denkmal, auf das mich Herr Jos. Haupt auf-
merksam machte, entnehme ich der Hs. 4763 der Wiener Hofbibliothek,
wo dasselbe auf dem ersten Vorsetzblatt vs. von einer Hand des 15. Jahr-
hundert, eingetragen ist. (s. Denis I. Sp. 2881 — 2886, wo der franzö-
sische Text auch abgedruckt ist.) Der Hauptinhalt der Handschrift, der
'Thesaurus pontificum' des Johannes Calderini, ist nach einer Notiz auf
Bl. 135'' im Jahre 1464 geschrieben. Die in unserem Pasquill genannten
Personen sind die Häupter der gegen Ludwig den XI. geschlossenen Ligiie
für das Staatswohl: Ludwigs Bruder Karl Herzog von Berri, Johann
Herzog von Calabricn, Sohn Rene's von Anjou, Johann IL von Bourbou,
Franz IL Herzog von Bretagne, Karl Graf von Charolais, der bekannte
nachmalige bui'gundische Herzog Karl der Kühne, imd Johann V. Graf
von Armagnac. Da Ludwigs Bruder noch von Benn genannt wird, so dürfte
unser Pasquill in der Zeit zwischen der Entstehung der Ligue und den
Verträgen in Folge des Vordringens der Verbündeten vor Paris, durch
die Karl Herzog von der Normandie wurde, also 1465 und zwar noch vor
October entstanden sein**). Dem Deutschen weisen schon Formen wie
jonckeyt, hohmudicheyt seine Heimath am imteren Rhein an und dazu
stimmt eine Notiz an der Innenseite des vorderen Deckels der Hand-
schrift: 'nö de panno Colon. Delpsch alte koere Colo Daniel ap"". s. Antho'.
WIEN, 24. Januar 1869. J. LAMBEL.
*) hohnmuflich Hs.
**) Wenn ineiuc historische Deutung das Richtige trift't, so habe ich Herrn Prof.
Th. Sickcl zu diiuken für freundlich ertheilte belehrende Winke.
27
ÜBER DTE EINZIEHUNG DER NORWEGISCHEN
ODELSGÜTER DURCH K. HARALD HARFAGRI.
Jedermann weiß, daß K. Haraldr härfagri gegen Ende des 9. Jhd.
eine tief in die Freiheit de» norwegischen Grundbesitzes einschneidende
Verftigung erließ, und daß diese erst im vierten Jahrzehnte des 10. Jhd.
unter allgemeinem Jubel durch K. Häkon godi wieder rückgängig ge-
macht wurde. Aber wenn zwar diese beiden Thatsachen allerdings
durch unanfechtbare Zeugnisse sichergestellt sind, so unterliegt doch
die Deutung der auf sie bezüglichen Berichte hinreichenden Schwierig-
keiten, um einer großen Verschiedenheit der Meinungen über die Be-
deutung jener Maßregeln Raum zu lassen, und wirklich gehen die An-
sichten der competentesten Autoritäten in dieser Beziehung weit aus-
einander. Da nun aber die richtige Würdigung jener Vorgänge für die
Auffassung des gesamraten Wirkens des K. Haralds vom erheblichsten
Eiufluße ist, mag der Versuch immerhin gewagt werden, ob sich nicht
durch eine nochmalige Prüfung der einschlägigen Quellenmittheilungen
im Zusammenlialte mit dem, was wir sonst über K. Haralds Zeit wissen,
ein endgültiges Ergebniss für die Geschichtsforschung gewinnen lasse.
Ich stelle zur Erleichterung des Überblickes diese Quellenzeugnisse
zunächst in drei Gruppen getheilt hier zusammen.
1. Die Heimskringla (ed. Unger) erzählt in ihrer Haralds s.
härfagra, cap. 6, S. 51. 52: „Haraldr konungr setti j^ann rett alt par
er hann vann riki undir sik, at hann eignadist odul öll, ok let alla boeudr
gjalda ser landskyldir, bsedi rika ok ürika. Hann setti jarl i hveyju fylki,
})ann er doema skyldi log ok landsrett ok heimta sakeyi'i ok landskyldir,
ok skyldi jarl hafa ]3ridjung skatta ok skylda til bords ser ok kost-
nadar. larl hverr skyldi hafa undir ser 4 hersa eda fleiri, ok skyldi
hverr jseirra hafa 20 marka veizlu. Jarl hverr skyldi fä konungi i her
60 hermanna af sinum eignum kostnadi^ en hersir hverr 20 menn. En
svä mikit hafdi Haraldr konungr aukit älög ok landskyldir, at jarlar
hans höfdu meira riki en konungar höfdu fyrrum. En er jjetta spurd-
ist imi J)rändheim, J)ä sottu til Haralds konungs margir rikismenn ok
gerdust hans menn." Ferner in ihrer Häkonar s. goda, cap. 1, S. 83:
„Hakon hafdi Jiat upphaf sins mäls, at hann beiddi bcendr vidtöku
ok gefa ser konimgsnafn, ok jjat med, at veita ser fylgd ok styrk til
28 K. MAUKER
at h.alda konungdominum. Eu ])ar i luot band Kann ])eim at gera alla
boendr ödalborna, ok gefa ])eim odul sin er d bjoggu. At |jessu ereudi
vard römr svä mikill, at allr böudamügrinn cepti ok kalladi, at ))eir vildu
haun til kouungs taka, ok var sva gert, at ))rcEndir tüku Häkon til
konungs um alt landit; jia var bann 15 vetra, Tok bann ser ]3a bird,
ok for yfir land. j^au tidindi spurdust ä Upplönd, at jjrceudir böfda
ser konung tekit sHkan at öllu sem Haraldr liiuu bärfagri var, nerna
J)at skildi, at Haraldr bafdi allan 1yd i laudi J^railkat ok äjjjät, en jjessi
Hakon vildi bverjum manni gott ok baud aptr at gefa bcmdum odul
sin, ]:)au er Haraldr konungr bafdi af |)eiip tekit. En vid ))au tidindi
urdu allir gladir," u. s, w. — Mit der erstereu Stelle stimmt aber fast
•wörtlicb überein, was die Flateyjarbök in ibrem Haralds jiattr
härfagra, cap. 460, S. 569. 70 bringt, und was nach ibr unter der
Überschrift: Uppbaf rikis Haralds härfagra, cap. 4, schon früher iu
den FMS. X, S. 182 — 3, zu lesen gewesen war.
2. Die geschichtliche Olafs s. hins belga (ed. Unger) sagt
in ihrem cap. 1, S. 3: „Jarll setti bann i hverio fylki til lanzstiornar
oc laug at döma," und in cap. 1, S. 4: „J)ä er Haralldr konungr her-
iadi land oc atti orrostur J)a eignadiz hann sva vendiliga allt land oc oll
odol. bedi bygdir oc setr oc uteyiar eignadiz hann sva markir allar
oc alla avdn lanzens. voro allir buendr bans leigumenn oc landbuar;"
endlich in cap. 8, S. 8 erzählt sie fast wörtlicb wie die Heimskringla
den Vorgang mit Häkon godi. — Mit der Darstellung dieser Quelle aber
stimmt hinwiederum nicht nur die Bearbeitung der Olafs s. ens
helga in den FMS., IV, cap. 1, S. 6 u. 8 , dann cap. 7, S. 15 — 16
fast wortwörtlich überein, sondern dasselbe gilt auch in Bezug auf die
Bearbeitungen der Olafs s. Tryggvasonar in den FMS. I, cap. 1,
S. 1, cap. 2, S. 5, und cap. 13, S. 20 — 21, dann in der Flateyjar-
bök, I, cap. 1, S. 39, cap. 3, S. 41, cap.'l4, S. 49.
3. Die Eigla, cap. 4, S. 6—7 (Reykjavik, 1856) berichtet ferner:
„Haraldr konungr eignadist i hverju fylki odul öll ok allt land, byggt
ok übyggt, ok jafnvel sjöinn ok vötnin. Skyldu allir buendr vera bans
leiglendingar, svä jjeir, er mörkina ortu, ok saltkarlamir ok allir veidi-
menn, baedi ä sjo ok landi, J)ä väru allir J)eir honum lydskyldir. En
af J)essi a))jan flydu margir menn af landi ä brott," u. s. w. Ferner
cap. 62, S. 140: „Vard Häkon miklu tjölmennri, ok olli |)at })vi, at bann
setti Jiau log i landi, at hverr madr skyldi eignast odul sin, ])ar er ädr
bafdi Haraldr konungr bvern mann äjijäd, baedi rika ok iirika." —
Diesen Bericht bat hinwiederum die jüngere Recension derGisla
s. Sürssonar, S. 83 — 4 (ed. Konräd Gislasou) sehr verwässert wieder-
ÜBER DIE EINZIEHUNG DER NORWEGISCHEN ODELSGÜTER. 29
gegeben, nicht ohne bezüglich H. Häkons zugleich die Darstellung der
Heimskringla oder einer der ihr folgenden Sagen zu benützen.
Dies unsere Quellen. Es mag sein, daß es einer eingehenderen
Prüfung gelingen könnte, alle drei Gruppen derselben auf eine letzte,
ihnen allen gleichmäßig zu Grunde liegende Urquelle zurückzufllhren.
Wir haben allen Grund anzunehmen, daß die Heimskringla sowohl als
die selbstständig umlaufenden Bearbeitungen der beiden Olafssagen in
gleicher Weise auf des Snorri Sturluson Schriften über das Leben
beider Könige beruhen, und es wäre demnach recht wohl möglich, daß
dessen Bericht auch au den hier einschlägigen Stellen nur hier und
dort in etwas abweichender Weise benützt worden wäre ; auch wäre
keineswegs undenkbar , daß zwischen der Darstellung der Eigla und
eben jenem Berichte Snorri's irgend welche engere Beziehungen obge-
waltet haben könnten, wie denn zumal zwischen jener ersteren und der
Wortfassuug der Quellen meiner zweiten Gruppe unverkennbar gewisse
Anklänge bestehen. Da indessen unsere sämmtlichen Quellenberichte
ihrem Inhalte nach in keiner Weise wesentlich von einander abweichen,
ist deren genetisches Verhältniss zu einander fiir meine Aufgabe ohne
entscheidende Bedeutung, imd kann ich demnach diese schwer zu er-
ledigende Frage hier ganz bei Seite liegen lassen. Betrachtet man sich
aber den Inhalt der obigen Stellen, so wird man sofort zweierlei un-
verkennbar in denselben ausgesprochen finden, nämlich einmal die Be-
schlagnahme alles Grundbesitzes in Norwegen durch K. Harald , und
zweitens einen besonderen Zusammenhang dieser Maßregel mit einer
früher nicht hergebrachten Besteuerung des Landes. Je nachdem sie
den einen oder den andern dieser beiden Gesichtspunkte mehr oder
minder betonten, sind denn auch die bisherigen Ausleger zu sehr ver-
schiedenen Auffassungen der Verfügung des Königs gelangt. Die älteren
Geschichtsforscher haben sich vorwiegend an die fiscalische Bedeutung
derselben gehalten. Schon ])orm6dr Torfason sprach sich ziemlich
deutlich in diesem Sinne aus (1711) ') ; bestimmter noch erklärt sich
Gerhard Schöning dahin, daß es sich nur um eine Besteuerung der
Odelsgüter durch den König, nicht um die Einziehung des Eigenthums
an denselben »gehandelt haben könne (1773) *) ; mit nicht geringei'er
Bestimmtheit hat sich ferner auch Tyge Rothe im gleichen Sinne
geäußert (1781)*), anderer minder gewichtiger oder minder deutlich
') Historia Norvegiae, II, S. 7.
*) Norges Riiges Historie. II, S. 494—5.
') Noi-flens Statsfortatiiing' för Lelmstioken, I, S. 39 — 40.
30 K. MAURER
sich aussprechender Autoritäten ganz zu geschweigen. Umgekehrt legen
die neuesten Geschichtschreiber Norwegens, P. A. Munch nämlich
(1852) ') und R. Keys er (1867) '), das entscheidende Gewicht auf die
Einziehimg der Güter. Sie fassen K. Haralds Neuerung geradezu als
eine Besclilagnahrae alles echten Eigens im Lande auf, welche dann
durch K. Häkon wieder aufgehoben worden sei, imd wollen dieselbe mit
jenem durchgreifenden Gegensatze in Verbindung bringen, welcher ihrer
Ansicht zufolge zwischen einer älteren Odelsverfassung und einer neueren
Feudalvei-fassung bestanden haben soll ; kraft seines Eroberungsrechtes,
nehmen sie an, habe K. Harald das Obereigenthum an dem gesammten
Grundbesitze seines Reiches an sich gerissen, und nur als Lehen dessen
einzelne Stücke seinen einzelnen Unterthanen theils belassen, theils auch
neu eingeräumt, wogegen dann K. Häkon den Standpunkt des Er-
oberers aufgegeben und das fiiihere ungetheilte Eigenthum der einzelnen
Odelsbesitzer wieder hergestellt habe. Ganz eigenthümlich aber ist die
Auffassung Dahlmanns (1841)'). In einer besonderen Anmerkung
kehrt er sich gegen Kolderup-Rosenvinge, welcher bereits vor den bei-
den neunoinvegischen Historikern eine der ihrigen verwandte Meinung
ausgesprochen hatte ; aber andererseits will er K. Haralds Verfügung
doch auch nicht auf die Bedeutung der bloßen Einführung einer Grund-
steuer reduciert sehen, vielmehr die Stammgutsqualität der Odelsgüter
durch diesen König beseitigt und durch dessen Sohn wieder hergestellt
wissen.
Gilt es nun , unter diesen sich schnurstracks entgegenstehenden
Ansichten eine Wahl zu ti'effen, so ist zunächst so viel klar, daß all-
gemein geschichtliche Erwägungen sich den neueren Auffassungen durch-
aus ungünstig und weit eher mit der älteren Meinung verträglich zeigen.
Betrachten wir uns einmal den Zustand Norwegens zu der Zeit , da
K. Harald denselben umzugestalten unternahm. Jedes der 20 — 30 kleinen
Gebiete (fylki; seltener riki, land, mörk) , in welche das Land sich
theilte, bildete der Regel nach einen Staat für sich und nur ausnahms-
weise waren hie und da mehrere Volklande durch Eroberung, Erbgang
oder Heirath zu einem ausgedehnteren Reiche verbunden; M^eit seltener
noch machten sich in einzelnen Gegenden die ersten Anfänge umfas-
senderer und zugleich dauerhafterer Völkerbündnisse geltend. Der Regel
nach hatten dabei die einzelnen Volklande oder doch wenigstens die
») Det norske Folks Historie, I, 1, S. 466—68 u. S. 714—15.
») Norges Htats- og Retsforfatning i Middelaldereii, S; 30—32.
') Geschichte von Dännemaik, U, S. 80—86 und S. 299.^
ÜBER DIE EINZIEHUNG DER NORWEGISCHEN ODELSGÜTER. 31
einzelnen Hundertschaften (her öd), aus welchen dieselben sich zusammen-
setzten, kleine Könige an ihrer Spitze (fylkiskommgar, heradskonimgar),
oder wenn die Erblichkeit der Würde noch nicht völlig ausgeprägt war,
wenigstens Häuptlinge, welche nur aus einigen wenigen hervoiragenden
Geschlechtern des Bezirkes genommen werden konnten (fylkar, hersar;
seltener jarlar). Wenn nun K. Harald, die Bestrebungen seiner nächsten
Vorgänger fortsetzend , die Alleinherrschaft in Norwegen aufzurichten
unternahm, so mußte dieses sein Bestreben zunächst gegen die bisher
regierenden Häuser sich kehren, welche durch den Alleinherrscher,
wenn dessen Unternehmen überhaupt gelingen sollte, nothwendig voll-
ständig unterdrückt, oder doch zum Allerwenigsten mediatisiert werden
mussten ; das Verhältniss des Königthumes zu dem geringeren Volke
konnte dagegen bei dem damit gesetzten Wechsel in der Person seines
Trägers einstweilen noch völlig unberührt bleiben, und daß es von dem-
selben unberührt bleibe, lag im augenscheinlichsten Interesse des kö-
niglichen Revolutionäres selber. Es war vollkommen folgerichtig, wenn
Harald die ganze Regierungsgewalt der früheren Häuptlinge an sich riss,
um sie fortan durch von ihm selbst eingesetzte Beamte in seinem eigenen
Namen ausüben zu lassen; vollkommen folgerichtig also, daß er Jarle
und Hersen an die Spitze der einzelnen fylki und heröd setzte , und
deren Verpflichtungen gegen seine Person sowohl als gegen die ihrer
Leitung untergebenen Bezirke des Näheren feststellte. Aber was in aller
Welt sollte ihn bestimmt haben , sofort auch die ganze übrige Basis
der hergebrachten Verfassung aufzugeben , und durch den Versuch,
alles Grundeigenthum im Lande an sich zu reissen und die gesammte
Bauerschaft durch die Verwandlung ihres Eigens in Lehen in seinen
persönlichen Dienstverband zu ziehen, sich neben der Ai'istokratie auch
noch die Demokratie seines zukünftigen Reiches als Gegner auf den Hals
zu laden? In den odelgeborenen Bauern hatte der König nicht nur den
eigentlichen Kern des norwegischen Volkes zu respectieren , sondern
auch seine natürlichen Bundesgenossen gegen deren bisherige nächste
Oberen, die alten Fürstengeschlechter, zu suchen; wie sollte er es da
gewagt haben, durch eine so durchgreifende Maßregel wie die Einzie-
hung aller Odelsgüter dem bittersten Hasse dieser ganzen einflußreichen
Classe sich auszusetzen, deren ganze Stellung im Staate gerade auf den
Besitz dieser Güter begründet war, — wie sollte er vollends vermocht
haben, neben dem Widerstände der ihm ohnehin feindlichen Fürstenhäuser
auch noch den von ihm selbst hervorgerufenen Widerstand des ganzen
Bauernstandes zu überAvältigen ? Dahlmanns Annahme, daß es dem Könige
um die Beseitigung des Stammgüterrechtes zu thun gewesen sei, „um
32 K. MAURER
die starre Isoliruug der Fylken zu brechen," erweist sich solchen Er-
wägungen gegenüber als völlig haltlos , zumal da eine derartige Ten-
denz der Anschauungsweise der älteren Zeit durchaus fremd und über-
dies mit der Begründung der neuen Araterhierarchie auf die Eintheilimg
des Landes in heröd und fylki geradezu unvereinbar war; aber auch
Munchs und Keysers Annahme einer allgemeinen Confiscation alles
Grundbesitzes im Reiche wird kaum den obigen Bedenken gegenüber
sich halten lassen. Man beruft sich freilich darauf, daß nach allgemeiner
altgermanischer Auffassung der Übergang des Obereigenthumes an allem
eroberten Lande auf den erobernden König sich von selbst verstanden
habe; aber dem gegenüber darf denn doch als feststehendes Ergebniss
aller neuerer Forschungen bezeichnet werden , daß der Grimdsatz :
„nulle terre sans seigneur", wie ihn das spätere französische und eng-
lische Recht allerdings aufstellt, dem älteren germanischen Rechte durch-
aus fremd war, daß das Leheuswesen sogar im fränkischen und angel-
sächsischen Reich erst sehr allmälig von ziemlich bescheidenen Anfängen
aus zu seiner späteren politischen Bedeutung emporwuchs, und selbst
in diesen seineu Anfängen mit der Eroberung Galliens oder Britanniens
in gar keinem unmittelbaren Zusammenhange stand ; daß ferner von
entsprechenden feudalistischen Anschauungen in Skandinavien sich vol-
lends auf Jahrhunderte hinaus keine anderweitigen Spuren nachweisen
lassen. Ist hiemach in keiner Weise abzusehen, wie K. Harald, dessen
Unternehmung sich ohnehin nur durch die Größe ihres Zieles und ihres
Erfolges von denen seiner nächsten Vorgänger unterschied , zu jener
monarchischen Theorie gelangt sein sollte, welche man ihm neuerdings
wohl zu imputieren sucht, so ist auch nicht zu übersehen , daß deren
Consequenzen sich doch jedenfalls nur auf die von ihm eroberten, nicht
auch auf die von ihm ererbten Lande beziehen konnten, während doch
unsere sämmtlichen Quellen von einer Einziehung und Besteuerung
alles Grundbesitzes im ganzen Reiche sprechen , und hinterher ganz
besonders den günstigen Eindruck der Rückgabe der Odelsgüter in den
Hochlanden hervorheben, in einer Landschaft also, die von K. Harald
gutentheils ererbt, nicht erobert war, — nicht zu übersehen ferner, daß
am Anfange wenigstens das Vorgehen dieses Königs ganz deutlich nur
gegen das Kleinkönigthum als solches gerichtet war. Nur unter dieser
Voraussetzung begreift sich nämlich die geringe Theilnahme , welche
dessen Untergang bei dem ganzen übrigen Volke fand. Man betrachtete
den Kampf um dessen Fortbestand offenbar nur als eine Angelegenheit,
welche die Angehörigen der verschiedenen regierenden Häuser unter
sich auszufechten hätten, und bei welcher die kleineren Leute höchstens
ÜBER DIE EINZIEHUNG DER NORWEGISCHEN ODELSGÜTER. 33
vermöge ihrer persönlichen Sympathieen oder Autipathieen für oder gegen
diesen oder jenen einzelnen Fürsten betheiligt seien. Aber auch im spä-
teren Verlaufe seines Vorschreitens kann der König im Großen und
Ganzen keine andere Linie eingehalten haben. Zwei unserer ältesten
und zuverlässigsten Quellen sagen ausdrücklich von ihm in Bezug auf
seine spätere Regierungszeit: „gladdisc bann af Jjegnum sinom oc Jjegnar
af honum, en rikit af hvaurotveggia ') ;" ein Nachruhm dieser Art aber
mochte zwar allerdings einem gewaltigen Könige, der durch hartnäckige
Kämpfe die Einheit seines Reiches gegrtindet hatte , auch dann noch
zu Theil werden, wenn er sich drückender Zwangsmaßregeln zur Durch-
führung dieses seines Zweckes schuldig gemacht hatte, indessen doch
immer nur unter der Voraussetzung, daß der geübte Druck die große
Masse seiner Unterthanen unberührt gelassen , oder doch wenigstens
nicht allzutief verletzend berührt hatte, — unmöglich aber konnte der-
selbe einem Despoten gespendet werden, welcher den privatrechtlich
wie politisch werthvollsten Theil des Vermögens seiner sämmtlichen
Unterthanen ohne jeglichen Rechtsgrimd confisciert und bis an sein Ende
widerrechtlich in der eigenen Hand behalten hatte. — Auf dasselbe
Ergebniss fuhrt endlich auch noch eine weitere Erwägung hinaus. Weder
der Mönch Theodorich, noch das Agrip af Noregskondnga
sögum, noch das mit beiden zusammenhängende Breve chronicon
Norvegiae weiß irgend etwas von der Einziehung des Grundeigen-
thums durch K. Harald, noch von dessen Zurückgabe durch K. Häkon;
die Fagrskinna aber schweigt von der letzteren ebenfalls ganz, wäh-
rend sie bezüglich der ersteren sich nur auf die kurze Notiz beschränkt,
„jjar eptir sidadisk landit , guldusk skattar hit efra sun hit ytra" *'').
Es ist kaum begreiflich , daß alle diese Quellen von einer so weittra-
genden Gewaltsmaßregel, wie die Einziehung aller Odelsgüter gewesen
sein mußte, gar keine Kenntniss gehabt, oder daß sie, falls sie solche
Kenntniss hatten, derselben Erwähnung zu thun unterlassen haben sollten,
während sich ganz wohl begreift, daß die bloße Auflegung einer Steuer
von ihnen nur im Vorbeigehen erwähnt oder selbst ganz übergangen
werden konnte , und es stimmt hiezu recht wohl , daß auch die oben
ausgeschriebenen Stellen sammt und sonders die Belastung des Grund-
eigenthumes durch Abgaben ganz besonders hervorheben, und daß die
') Ägrip, cap 4, S. 380 (FMS. X) *, Heimskringla, Haralds s. harfagra
cap. 25, Seite 67.
') §. 14, S. 9; vgl. dazu Flateyj arbok, I, S. 575: „hereftir ruddiz landit
ok sidadizst. Haralldr konungr skattade landit iiit efra seni hit ytra."
GEKMANIA. Neue Keihe II. (XlV.)Jahrg. 3
34 K. MAURER
Heimskrin^la wenigstens die ganze Neuerung mit dem Bestreben Ha-
ralds in Zusammenhang bringt, durch möghchste Hebung der Einkünfte
des Königthumes die Dotation seiner Jarle und Hersen zu steigern,
um dadurch den Eintritt in den Königsdienst auch für die voraehmsten
Männer lohnend und lockend zu machen.
Aber freilich lässt sich gegen alle diese Erörterungen ein Einwand
erheben, der sie vollständig zu Boden zu schlagen geeignet scheinen
möchte, der Einwand nämlich, da(J ihnen der übereinstimmende Wort-
laut der säramtlichen Quellen, welche überhaupt K. Haralds und K.
Häkons Verfügungen besprechen, in bestimmtester Weise widerspricht.
Sammt und sonders sprechen diese Quellen in unzweideutigster Weise
von einer Aneignung des Grundbesitzes Seitens des Königs, und
hierin liegt die unbestreitbare Schwäche der von Torfaeus, Schöning,
Tyge Rothe verfochtenen Ansicht; fragt sich indessen, ob der kate-
gorische Widerspruch, der hier zwischen den klarsten Ergebnissen der
Quellenauslegung und den zwingendsten Erwägungen der geschicht-
lichen Construction zu bestehen scheint, nicht etwa durch die Heran-
ziehung anderweitiger geschichtlicher Thatsachen sich lösen lasse. Es
ist längst bekannt, daß noch in zwei anderen Fällen von einem Über-
gange aller Odelsgüter einer bestimmten Landschaft in die Hand ihres
Fürsten berichtet wird; diese geschichtlichen Parallelen aber zur Be-
wältigung der vorliegenden Schwierigkeiten heranzuziehen hat wunder-
licher Weise noch Niemand versucht, obwohl zumal Munch auf die Ana-
logie der drei Vorkommnisse wiederholt hingewiesen hat '). Ich will
nun diesen Versuch hier anstellen. — Der eine der hiehergehörigen
Fälle hängt mit der Unterwerfung der Insel Man durch K. Gudrödr
Crovan zusammen, welche etwa in den Jahren 1070 — 1080 vor sich ge-
gangen zu sein scheint, und wird in der einzigen darüber berichtenden
Quelle, der Chronica regum Manniae et Insularum, S. 4 (ed.
Munch) folgendermaßen erzählt: „Godredus sequenti die optionem
exercitui suo dedit, vel si mallent Manniam inter se dividere et in ea
habitare, vel cunctam substantiam terrae accipere, et ad propria remeare.
Ulis autem magis placuit totam insulam vastare et de bonis illius di-
tari, et sie ad propria reverti. Godredus autem paucis qui secum reman-
serant de insulanis australem partem insulae, et reliquiis Manuensium
aquilonarem täli pacto eoncessit, ut nemo eorum aliquando änderet jure
haereditario sibi aliquam partem terrae usurpare. Uude accidit ut usque
in hodiernum diem tota insula solius regis sit, et omnes redditus ejus
') Vgl. z, B. Det norske Folks Historie, I, 1, S. 516; Chronica Manniae, S. 53. 54,
ÜBER DIE EINZIEHUNG DER NORWEGISCHEN ODELSGÜTER 35
ad ipsum pertiueant." lu diesem Falle liegt mm, falls misere Über-
lieferung anders glaubwürdig ist, eine wirkliche Einziehung alles Grrund-
eigenthumes unzweifelhaft vor, und in diesem Falle stützt sich dieselbe
unzweifelhaft wirklich auf das Recht der Eroberung; nach beiden Sei-
ten hin also lässt dieser Fall sich für die Munch-Keyser'sche Ansicht
geltend machen. Aber es darf doch nicht übersehen werden, daß der
Bericht unserer Chronik einen ziemlich sageumäßigen Anstrich hat, und
wie Munch selber zugibt, recht wohl hinterher entstanden sein kann,
vim die eigenthümlichen Besitzverhtältnisse auf der Insel zu erklären,
nachdem deren wirkliche Entstehung bereits dem Gedächtnisse ent-
schwunden war. Zu berücksichtigen ist ferner, daß der Vorgang, wenn
derselbe wirklich geschichtlich begründet sein sollte, jedenfalls um etwa
zwei Jahrhunderte von K. Haralds Lebenszeit abliegt, und nicht Nor-
wegen selbst, sondern den Inseln des Westens angehört, auf denen das
wildeste Vikiugerleben von jeher seinen Sitz hatte; daß ferner aus der
Möglichkeit einer Einziehung alles Grundbesitzes auf einer nicht einmal
20 LDM. großen Insel nicht wohl auf die Durchführbarkeit einer glei-
chen Gewaltmaßregel in einem Reiche wie Norwegen geschlossen wer-
den kann. Endlich ist auch nicht unbeachtet zu lassen, daß die Folge
der Einziehung nach der Chronik selbst die war, daß für die Zukunft
auf der Insel jedes Erbrecht an Grund und Boden für die Unterthanen
völlig ausgeschlossen, und deren Besitzrecht somit im vollsten Sinne
des Wortes auf das Recht eines bloßen Pächters, sei es nun auf Zeit
oder auf Herrengunst, herabgedrückt war, während doch für Norwegen
eine gleich radicale Durchführung des ausschließlichen Herrenrechtes
kaum Jemand wird behaupten wollen, und z. B. aus der Eigla, cap. 57
S. 124 klar ersichtlich ist, daß ein Erbrecht an liegenden Gütern eben
so gut wie an der Fahrhabe daselbst auch unter K. Eiriki' blodöx, also
zu einer Zeit anerkannt war, welche zwischen der Einziehung der Güter
durch K. Harald und deren Rückgabe durch K. Hakon in der Mitte
lag. Aus dieser Parallele also glaube ich für die Erklärung der von
K. Harald getroffenen Verfügung Nichts entnehmen zu dürfen, — Der
zweite der hier zu besprechenden Fälle dagegen gehört dem Schlüsse
des 9. Jhds. an, also der Regierungszeit K. Haralds selbst, und bezieht
sich auf die Orkneys. Zwei Söhne eben dieses Königs, hatten den Rögn-
vald Maerajarl erschlagen. Ein Sohn des Getödteten, Torf-Einarr, der
Beherrscher der Orkneys, hatte sodann einen der Schuldigen in Übung
der Blutrache grausam ums Leben gebracht und war dafür von dem
Könige seinerseits mit Krieg überzogen worden. Endlich wurde ein
Vergleich geschlossen, zwischen dem Könige einerseits und dem Jarl§
3*
36 K. MAI^RER
sammt seinen Unterthanen andererseits, da auch diese von Harald für
die That ihres Häuptlinges haftbar gemacht wurden. Da erzählt nun
die Flateyjarbök in ihrer Orkneyinga s,, Bd. I, cap. 183, S. 224
Folgendes: „Haralldr konungr lagde gialld a eyiarnar ok bad ])a giallda
60. marka gullz. .^inarr jall baudz til at hallda seinn upp gialdinu
ok seignaz odul jaeirra öll. en bsendr uilldu })at |)uiat hinir audgu hugd-
uzst leysa mundu odid sin en hinir snaudu höfdu ekki fe til. ^iuarr
greidde upp gialldit ok uar ))at leinge sidau at jallar attu odul oll adr
Sigurdr jall gaf upp Orknneyingum odul sin." In cap. 186, S. 226 —
227 wird dann hinterher noch berichtet, wie Sigurdr jarl digri am Ende
des 10. Jhdts. von den Schotten bedrängt, „gaf Orknneyingum odul sin
til lidufeitzslu," und wie nach erkämpftem Siege „fengu J)a Orknney-
ingar odiil sin;" wenigstens jene erstere Erzählimg findet sich aber
nahezu gleichlautend auch in der Heimskringla, Haralds s. här-
fagra, cap. 32, S. 71 — 72, wogegen ein kürzerer Bericht über die
Geschichte der Inseln, welche in deren Olafs s. ens helga, cap. 99,
S. 322, in die späteren Bearbeitungen dieser letzteren Sage
(cap. 81, S. 91, ed. Unger, sowie cap. 91, S. 212 in denFMS., IV),
endlich in die Orkney Inga s.^ S. 2 der Ausgabe Jon Jönsson's ein-
gestellt ist, zwar in Etwas abweicht, aber doch in keiner für unsere Frage
irgendwie erheblichen Richtung, und überdies wohl nur in Folge einer
Ungenauigkeit in der Wiedergabe seiner Vorlage. Nach jener Erzäh-
lung nun ist es ganz und gar nicht irgend welche Eroberung, durch
welche die Abtretung der Odelsgüter auf den Inseln bedingt ist, son-
dern lediglich ein auf einem Vertrage beruhendes Privatgeschäft; der
Jarl legt für seine Bauern eine bestimmte Summe Geldes aus, und
dafür treten ihm diese sofort ihre Güter ab, ohne daß dabei von der
einen oder von der anderen Seite her irgend welche feudalistisch-monar-
chische Theorie in Mitleidenschaft gezogen würde. Insoweit ist das
Geschäft juristisch unzweifelhaft als ein Kaufgeschäft zu construieren,
bei welchem nur in Folge eines mit ihm combinierten Zahlauftrages die
Erläge des Kaufpreises nicht an die Verkäufer, sondern statt ihrer an
einen von ihnen bezeichneten Dritten zu geschehen hatte; aber die
eigenthümliche Natur des Handels ist mit dieser Construction allerdings
in alle Weite noch nicht vollständig erschöpft. Einmal nämlich blieb
doch wohl auch hier, ähnlich wie in Norwegen, der Besitz der abge-
tretenen Güter nach wie vor bei den abtretenden Bauern, obwohl unsere
Quellen allerdings über diesen Punkt vollkommen schweigen; eine Laud-
leihe muß demnach doch wohl auch hier an den Landkauf in der Art
eich angeschlossen haben, dass der Käufer jedes einzelnen Besitzthumes
ÜBER DIE EINZIEHUNG DER NORWEGISCHEN ODELSGÜTER. 37
zugleich dessen Verleiher, der Verkäufer aber dessen Leiher war, und
wenn die lehnrechtHche Terminologie analog angewendet werden darf,
stellt sich somit der ganze Vorgang als ein kaufsweise vermittelter
Lehnsauftrag dar. . Zweitens aber wird uns ausdrücklich gesagt, daß
die Bauern nur darum auf den Vorschlag ihres Jarles eingegangen seien,
„weil die Vermöglichen meinten ihre Odelsgüter einlösen zu können,
die Armen aber kein Geld hatten um zu bezahlen;" der Verkauf also,
welcher von den Armeren eingegangen werden mußte, weil ihnen über-
haupt kein anderer Ausweg blieb, wurde von den Reicheren nur darum
angenommen, weil er ihnen ihre Güter nicht auf alle Zukunft entziehen,
vielmehr wie bei jedem anderen Verkaufe von Odelland so auch hier
die Wiedereinlösung des Verkauften stets vorbehalten bleiben sollte.
Man sieht, wenn das Geschäft zwar formell sich durchaus als ein Güter-
verkauf mit selbstverständlichem Vorbehalte der Wiedereinlösung zu
Gunsten der sämmtlichen stammgutsberechtigten Verwandtschaft des
Verkäufers darstellte, so war dabei doch materiell im Grunde nur die
Contrahierung einer Pfandschuld beabsichtigt, bei welcher der Verpfänder
den Besitz und Genuß des Pfandobjectes behalten, aber dafür ein Pacht-
geld entrichten sollte, welches gewissermaßen die Stelle einer Verzin-
sung des Capitalbetrages der Schuld zu vertreten bestimmt war. Die
Zurückgabe aber der Odelsgüter durch Sigurd jarl Hlödvesson fällt bei
solcher Betrachtung materiell lediglich unter den Gesichtspunkt des Er-
lasses einer Pfandschuld , während dieselbe formell allerdings als eine
schenkungs weise Rückgabe des Eigenthumes an den betreffenden Gütern
aufzufassen ist.
Ich wüßte nicht, was uns hindern sollte, diese zuletzt besprochene
Parallele für die Erklärung der von K. Harald getroffenen Verfügung
zu benützen. Der Vorgang, um den es sich handelt, ist quellenmäßig
vollkommen genügend bezeugt; er gehört überdies derselben Zeit an,
in welcher K. Harald herrschte, und hat auch in seinem weiteren Ver-
laufe, bezüglich der Rückgabe nämlich des Odels durch Sigm-d jarl
mit dem was in Norwegen geschah, die überraschendste Ähnlichkeit.
Benütze ich aber die dargebotene Parallele , so ergibt sich sofort die
dringendste Wahrscheinlichkeit, daß auch in Norwegen die Wieder-
einlösung der vom Könige eingezogenen Odelsgüter durch die odels-
berechtigten Geschlechter von Anfang an ins Auge gefasst war, und daß
somit gerade die Stammgutsqualität dieser Güter, in deren Beseitigung
Dahlmann den Schwerpunkt der Maßregel Haralds finden zu sollen
glaubte, von dieser vollkommen unberührt blieb. Man Avende nicht ein
daß unsere Quellen des vorbehaltenen Einlösungsrechtes mit keinem
38 K. MAURER
Worte Erwälmimg; thun. Dieses verstand sich nach dem geltenden
Rechte wie bei jedem anderen Besitzerwechsel, so auch bei diesem von
selbst, und brauchte eben darum nicht erwähnt zu werden; umgekehrt
aber wäre der Process, Avelchen Egill Skallagrimsson um das Jahr 933
herum über den Nachlass seines Schwiegervaters am Gula]3inge führte,
rein undenkbar, wenn nicht das Erbrecht in die frtiheren Odelsgüter
tr(5tz ihrer Einziehung fortbestanden hätte, und mit diesem Erbrechte
hieng denn doch andererseits auch das Einlösuugsrecht Avieder auf das
Engste zusammen. Die jederzeit offengelassene Möglichkeit der Wieder-
einlösung der vom König eingezogenen Güter schließt aber auch von
Vornherein jeden Gedanken an einen Zusammenhang zwischen der
.Güterbeschlagnahme und einer angeblichen neuen staatsrechtlichen Ober-
eigenthumstheorie aus. Wollte das Recht des Monarchen auf den Satz
des späteren Feudalrechtes basiert werden, daß dieser Obereigenthümer
seines ganzen Landes sei, so kojante durch keine Einlösung auch nur
der kleinste Theil des Reichsgebietes wieder in Alod verwandelt wer-
den; umgekehrt aber erldärt sich, wenn wir den Zusammenhang der
Gutseinziehung mit dem angeblichen Eroberungsrechte fallen lassen,
vollkommen befriedigend, warum auch die von Harald ererbten Reichs-
theile jener verfallen konnten. Bestand ferner das Erb- und Einlösungs-
recht der betreffenden Geschlechter an ihren früheren Odelsgütern trotz
der Einziehung dieser letzteren fort, so blieb damit nicht etwa bloß die
volle Wiederherstellung der früheren Rechtszustände fortwährend für
die Zukunft in Aussicht, sondern Avar auch für die Gegenwart nicht
in Frage gestellt, was sich an Ansehen und Standesvorrechten flir das
einzelne Haus an den Besitz von Odel knüpfte; nach wie vor konnten
ja die odelgeborenen Geschlechter von den nicht odelgeborenen miter-
schieden werden, und daß sie wirklich von ihnen unterschieden wurden,
daß es also nur ein ungeschickter Ausdruck ist, wenn die Heimskringla
sammt den ihr folgenden Quellen erst durch K. Häkon die Bauern
wieder odelgeboren werden lässt, zeigt wiederum die oben in Bezug
genommene Episode in der Eigla. Nur der Vermögenswerth also, welcher
in den Odelsgütern steckte, und allenfalls deren Steuerfreiheit erlitt
durch K. Haralds Verfügung eine Einbuße, und die von ihm erzwungene
Gutsabtretung stellt sich, materiell betrachtet, im Grunde nur als eine
kolossale Brandschatzung dar, deren Entrichtung durch die Abtretung
der betreffenden Güter wie durch eine Verpfändung gesichert, und
deren Capitalbetrag überdies bis zu seiner wirklichen Ausbezahlung in
Gestalt der Pachtgelder verzinst wurde, welche bis zu der erfolgten
Wiedereinlösung für den Besitz und Genuss- der Güter zu entrichten
ÜBER DIE EINZIEHUNG DER NORWEGISCHEN ODELSGÜTER. 39
waren. Anders als auf den Orkneys ist freilich in Norwegen der Be-
trag der Summe, um welche die Wiedereinlösung der Güter statthaft
sein sollte, so viel sich aus unseren Quellen ersehen lässt, nicht von
Anfang an bestimmt gewesen; indessen ließ sich zu einer Zeit, in welchei'
die Pachtziuse in einem ziemlich gleichmäßigen Verhältnisse zum Guts-
werthe zu stehen pflegten, aus ihrem Betrage leicht der Werth jedes
einzelnen Gutes berechnen, und überdies mochte ja nöthigenfalls hier
eine Schätzung ganz ebensogut in Mitte treten, wie dies in anderen
Fällen der Odelslösung noch nach unseren Rechtsbüchern wirklich
vorkam. Die sogenannte Zurückgabe aber der Odelsgüter durch K.
Häkon ti'ägt materiell auch hier wieder lediglich den Charakter eines
Erlasses einer noch ausständigen Capitalsumme, durch welchen natür-
lich deren Verzinsung sowohl als die zu ihren Gunsten bestehende
Verpfändung sofort eo ipso beseitigt wird ; formell freilich erscheint sie
auch hier wieder als schenkungsweise Rückgabe des Grundeigenthumes
selbst. Eben darum aber, weil weder die Stammgutsqualität des Odels
noch dessen politische Bedeutimg durch K, Harald angegriffen, und auch
in den staatsrechtlichen Beziehungen des Königs zu der großen Masse
sejner Unterthanen von ihm Nichts geändert worden war, war die
Wiederherstellung der früheren Zustände durch K. Häkon so ungemein
einfach zu bewerkstelligen; wäre wirklich die Verbindung der einzelnen
Güter mit der betreffenden Familie völlig gelöst, die Sonderung der
Stände, so weit sie auf dem Besitze oder Nichtbesitze von Odel be-
ruhte, völlig getilgt, das Recht des Königs endlich seinen Bauern gegen-
über auf eine privatrechtliche Dienstpflicht statt auf den staatsrecht-
lichen Unterthanen verband begründet gewesen, so wäre die Rückkehr
zu der früheren Verfassung nach Ablauf eines halben Jahrhunderts viel-
leicht überhaupt nicht mehr, jedenfalls aber nicht mehr ohne neuerliche
sehr tief gehende Erschütterungen der inzwischen entstandenen Rechts-
verhältnisse durchzuführen gewesen. Bedenkt man , wie viel dem K.
Harald daran gelegen sein mußte, die Unterwerfung unter seine Ober-
herrschaft auch den angesehensten Häuptlingen plausibel zu machen,
so begreift sich, wie er auf jene Gewaltmaßregeln verfallen mochte;
da der überkommene Besitz der Krone nicht genügen wollte, um dem
gesteigerten Bedarf an Mitteln zu begegnen, mußten neue Einnahms-
quellen eröffnet werden, und da nahm eben der König ohne Scrupel
das Geld, wo er es zu finden wusste. Berücksichtigt man ferner, daß
Brandschatzungen und Besteuerungen auch schon vor K. Harald oft
genug in Norwegen vorgekommen waren , so erklärt sich auch , daß
das Volk dessen Gewaltstreich immerhin noch mit einer <!c'.\ isseu Ge-
40 OSKAR SCHADE
lassenheit über sich ergehen lassen konnte. Schwer genug mag freilich
der Druck der neuen Besteuerung empfunden worden sein , und tiefe
Erbitterung scheint dieselbe vielfach wirklich erzeugt zu haben ; aber
da denn doch der Verlust immerhin nur ein pecuniärer war, und die
Wiederherstellung der alten Steuerfreiheit überdies für die Zukunft
immerhin noch möglich gemacht war, mochte das Volk sich dennoch
in Anbetracht der übrigen guten Früchte der AlleinheiTschaft und aus
Achtung vor der überwältigenden Persönlichkeit des AlleinheiTschers
mit dem erlittenen Zwange rasch aussöhnen, und die Greschichtschreiber
mochten auch ihrerseits jene Gewaltmaßregel als etwas vergleichsweise
Untergeordnetes ganz unerw^ähnt lassen, oder doch ausschließlich oder
sehr vorwiegend nur im Lichte einer fiscalischen Maßregel darstellen.
Jedenfalls aber darf jetzt als vollkommen befriedigend aufgeklärt gelten,
warum die vorwiegende Betonung ihrer fiscalischen Seite mit der eben
so bestimmten Hervorhebung des Charakters einer Eigenthumsberaubung
Hand in Hand gehen konnte; die materielle Bedeutung der Maßregel
war wirklich eine völlig andere als diejenige, welche die formelle Ein-
kleidung derselben erwarten lassen sollte.
MÜNCHEN, den 7. November 1868. K. MAURER.
ZU DEN DEUTSCHEN VERSEN IN DER
NOTKERISCHEN RHETORIK.
Der letzte Herausgeber des bekannten Stücks der notkerischen
Ehetorik, das die deutschen Verse enthält — in den Denkmälern deutscher
Poesie und Prosa aus dem 8.— 12. Jhd. Berlin 1864 Nr. XXVI — hätte
wissen können oder nicht verschweigen sollen, daß außer den S. 318
namhaft gemachten, von Wackernagel und Hattemer gedruckten beiden
Handschriften der Rhetorik noch eine dritte vorhanden, auf die schon
im Jahre 1835 in den Göttingischen gelehrten Anzeigen Bd. 2 S. 911
Jacob Grimm hingewiesen und daraus ebds. S. 911 — 913 den wichtigen
Brief Notkers an den Bischof von Sitten mitgetheilt hatte. Da es wohl
dem einen oder andern von Interesse sein dürfte zu erfahren, wie diese
dritte Handschrift die besagte Stelle gibt, will ich sie wörtlich genau
mittheilen. Es ist dieselbe Handschrift der burgimdischen Bibliothek
zu Brüssel (in der auch die Ecbasis cujusdam captivi steht, die Jacob
Grimm in seinen und Schmellers lateinischen Gedichten des 10. und
11. Jhd. (Göttingen 1838) herausgegeben hat, von ihm daselbst S. 286
zu DEN DEUTSCHEN VERSEN IN DER NOTKER. RHETORIK. 41
als A bezeichnet), eine Mischhaudschrift in Folio verschiedenen Inlialts
(ihr Inhalt ist von allen, die sie bis jetzt beschrieben, nur ungenau und
mangelhaft verzeichnet, von Hänel in Richters Jahrbüchern fiir Rechts-
Wissenschaft 1837 S. 760 ff., von Pertz im Archiv für ältere deutsche
Geschichtskunde 1839 S. 1004 ff., von Reiffenberg im Bullet, de l'acad.
royale des sciences des Bruxelles 1841 Bd. 2 S. 247 ff.), 231 Pergaraent-
blätter stark , auf dem neuen Einbände den Titel führend Homüiae
Salviani L. Frontini Hygeni Varia opuscula et carmina XII sec. Ein
großer Theil ihres reichen Inhalts mag aber noch im 11. Jhd., wenig-
stens auf der Grenze des 11. und 12. geschrieben sein : letzteres gilt
entschieden von der Rhetorik, die auf der Vorderseite von Bl. 58 un-
mittelbar im Anschlüsse an jenen von Jacob Grimm mitgetheilten Brief
Notkers an den Bischof von Sitten beginnt. Auf der Rückseite von
Bl. 59 Spalte 1 unten und Sp. 2 oben steht unsere Stelle. Alles in ihr
ist fortlaufend ohne Absatz geschrieben, in einer außerordentlich kleinen
und zierlichen Schrift mit den Abkürzungen, die in lateinischen Hand-
schriften jener Zeit üblich sind. Ich habe diese im folgenden Abdrucke
natürlich aufgelöst vmd der besseren Übersicht wegen die lateinischen
und deutschen Verse abgesetzt , lasse aber die Scheidezeiclien genau
wie die Handschrift sie gibt. Die Accente über den Vocalen der deut-
schen Wörter, ihre Betonung und Quantität auszudrücken, sind (wie
denn der Schreiber überhaupt mit dem Deutschen nicht recht fertig
werden zu können scheint) theils falsch theils ungenau gesetzt, sie ste-
hen mitunter auch über den Consonanten, man kann übei-haupt manch-
mal gar nicht entscheiden, wo sie hin sollen : eine Schwierigkeit für
den Abdruck, der, so genau es sich thun lässt, dem Augenscheine folgt.
Hoc ad elocutionem pertinet. Ergo omnis locucio simplex vel figu-
rata siue in sententiis siue in singulis dictionibus idonea fieri potest ad
inuentionem. Simplex intelligentiam rei administrat proprietate uerborum
figurata commendat se etiam uenustate compositionis artificiose aut sig-
nificationis aliene. Vt apud uirgilium.
Marsa manus peligna choors festina uirum uis.
Ma et na . gna et sa . ors . et ars . uis et ui similem . sillabe dissimli-
bus distincte . gratam quodammodo concinnitudinem et concordem uarie-
tatem dant et sint [mit anderer Tinte ein Punkt unter dem n] per indu-
striam talis compositio in omni lingua causa delectationis sicut et illud
ßteutonicum [Punkt von anderer Tinte unter dem anlaufenden s].
So se snel snellemo pegagenet andermo
so uuirt file siliumo fersniden scilriemo et item
42 OSKAR SCHADE
Der eher gat in litun er teget sper in situn .
sin bald eilen nelazet in uuollen
He figure lexeos grece dicuntur . i • dictionis in quibus sola placet com-
positio uerbnruin Alie sunt diano oos . i • sententiarum ubi aliud dicitur
et aliud iutelligitur ut est illud
Porcus pertaurum sequitur uestigia ferri
Nam sinecdochice de opere sutoris dicitur tintum dicitur et pars intel-
ligitur Uel yperbnlice ut uirgilius dixit de caribdi
atque imo baratri ter gurgite uastos .
sorbet in abruptum fluctus rursusque sub auras
egerit alternos et sidera uerberat unda
Nam plus dicitur et minus intellegitur Sicut et theutonice de apro .
I'mo sint fueze fudermäze
i*mo sint purste ebenhoh forste
ünde zene sine zvelifelnige
Hec aliena sed propinqua sunt item per contrarium intellegitur sententie
ut in consuetudine latinorum inteiTOgantibus quesiuit nos aliquis respon-
detm' bona fortuna . i'heil ünde saldä et intellegitur nemo . quod
durum esset . i • unmise [tmterst7^ichen\ ünmin*nesam ze sprec ebene
Similiter theutonice postulantibus obsonia promittimus sie alles Hb es
cn*üge et*) inlelligitur per contrarium propter grauitatem uocis .
Ein paar Bemerkungen mögen die Mittlieilung beschließen.
Wenn in dem Verse nelazet in uuellen das uuellen nicht blos ver-
schrieben, sondern ernstlich gemeint ist, kann es nur sein icellen, loellan
(loillu wal imdlun gaicollan) Graff 1, 789, mhd. Wb. 3, 672^', mein Wb.
704", das volve7'e wälzen rollen bedeutet , gemeiniglich transitiv , aber
auch intransitiv wie unser rollen, vgl. Gramm. 4, 51 ff. Die Stelle hieße
dann : trotzdem der Eber angeschossen ist und das Geschoss ihm in
der Wunde steckt, schreitet er doch in seiner Kühnheit am Bergabhange
weiter, ohne (stürzend hinab) zu rollen.
Es ist nicht unbedingt nothwendig, was Denkm. S. 318 Aum. zu
Z. 10 geschieht, in dem Verse sose snel snellemo die beiden letzten Silben
von snellemo als verschleifte zu nehmen ; es kann auch der Tiefton in
diesem Worte auf die letzte fallen, indem das o, obschon kurz, dem
färb- und bedeutungsloseren e den Ton raubt : sose snel snellemh, ganz
wie dasselbe imzweifelhaft im Ludwigsliede 8 mit dem metrisch ge-
*) Die Hs. gibt das gewöhnliche Zeichen für et und unmittelhar daneI)Pii, wie
wenn es ein und dasselbe Wort sein sollte, ein durchstrichenes l, der Ahkürziuig
für uel sehr ähnlich.
zu DEN DEUTSCHEN VERSEN IN DER NOTKER. RHETORIK. 43
nommen gleichen sinemo geschieht hrüoder sinemb (sinemo wäre hier ua-
möghch, da im Ludwigshede keine Silbenverschleifuug Statt hat: Lach-
mann über ahd. Betonung und Verskunst S. 258), denn dal5 dieser Vers
hnloder sinemo zu betonen sei, wie Denkm. S. 284 von Müllenhoff be-
hauptet wird , ist ein grober Irrthum. Die Betonung hnloder bei fol-
gendem consonantisch anlautendem , die Hebung auf der ersten Silbe
tragendem Worte ist hier so wenig auffällig, wie die von j-ingär, ediles
bei gleichem Falle in den otfridischen Versen 1,2, 3 fingar thman,
1, 5, 7 zediles fromm , 4, 35, 1 tho quam ein ediles man, die man indess
hier nicht einmal herbeizuziehen braucht , da das Ludwigslied selber
den Beweis der Möglichkeit dieser Betonung in ihm liefert im Verse 20
ivds erhölgän Krist: Hebung auf kurzer Silbe, die mit einem Conso-
nanten schließt, ohne folgende Senkung, bei consonantischem Anlaute
des nächsten Wortes, das in der Hebung steht, wobei die Lautfarbe
des Vocals jener kurzen Silbe (a oder e) ganz gleichgiltig ist, ebenso
wie die Qualität des diesem Vocale folgenden Consonanten (n oder r). *)
In der bereits angeführten Anm. S. 318 heißt es, Otfrid erlaube sich
die Betonung dnd,remo\ es werden drei Stellen aus ihm citiert und dann
wird Ahnliches wegen auf de carm. Wessofont. p. 13 verwiesen. Be-
trachten wir uns die Sache genauer , es wird sich zeigen , daß alles
eitel Phantasie ist. Zuerst die drei Stellen. Sie lauten nach der Wiener Hs. :
4, 11, 50 thaz ein dndremo fuazi uuasge gerno
4, 12, 13 Sah ein zi dndremo in herzen uuas in dngo
5, 10, 23 Sah ein zi dndremo ioh förahtun in sliiimo.
In der ersten Stelle hat der Palatinus auch über dem ein ein Beto-
nxmgszeichen, was man sich merke ; in allen dreien schreibt der Frisin-
gensis anderemo , wie Kelle angibt, und die Collation dieser Hs. von
Lachmann , die ich besitze , mir bestätigt : auf F ist aber hier wie in
vielen andern Dingen nichts zu geben, Otfrid hat gewiss andremo ge-
schrieben. Es sind übrigens die einzigen Stellen des ganzen EvangeHen-
buchs, in denen er den masculinisch-neutralen Dativ Sing, der Adjec-
tiva auf emo in Jen Reim setzt. Wie sind nun diese Verse zu lesen?
Das, sollte man meinen, wäre sehr einfach. Zunächst fallen zwei He-
bungen auf andremo , ein Hoch- und ein Tiefton , und man kann nur
zweifelhaft sein, ob dndremo (die beiden letzten verschleift) oder dndremo
*) Übrigens kann ich zur Berahigung des Entdeckers jener absonderlichen Be-
tonung noch anführen, daß Lachmann im Winter 1847 auf 48 , als ich die Geschichte
der altdeutschen Poesie bei ihm hörte und er dabei auch das Ludwigslied interpre-
tierte, diesen Vers gelesen hat wie ich oben gesagt, durchaus nicht wie Müllenhoff will.
44 OSKAR SCHADE
(wie im Ludwi^sliede sYnemh) zu betonen : ich für meinen Theil glaube
das letztere, Otfrid liebt diese Art der Betonung sehr, imd dabei sind
dann auch die Reime (die übrigens nicht den Ausschlag geben können)
in Ordnung. Wohin fallen nun die beiden ersten Hebungen? Selbst-
verständlich auf die beiden andern ersten Worte (zwei sind es nur,
dann zi wird in seinem vocalischen Bestandtheile elidiert, wie stets bei
Otfrid vor Vocalen, ohne daß es einer ausdrücklichen Bezeichnung be-
darf: zandremo). Daß von diesen beiden Hebungen die eine auf ein
fallen raüße, verlangt der Sinn und P deutet es auch im ersten Verse,
wie wir schon bemerkten , ausdmcklich an ; daß die andere in den
beiden letzten Versen auf sah falle, hat nicht nur nichts Befremdendes,
sondern ist im Gegentheil ganz in der Ordnung : sah ist hier doch
wichtig genug ; vmd indem die drei Hebungen unmittelbar auf einander
folgen, sich gleichsam drängen, die Senkungen unterdrückt sind, Avird
dadurch das Befremden, das unterdrückte Bangen malerisch geschildert.
Daß aber im ersten Verse die erste Hebung auf thaz falle, ohne daß
eine Senkung folgt, ist zwar nicht besonders schön, indess auch nicht
ungewöhnlich : ich will ein andermal (hier würde es jetzt zu weit führen)
Beispiele genug für solche Betonung beibringen. Ich lese daher diese Verse
thdz ein dndremh
sah ein zdndremh,
wobei dann auch die Reime rein und ganz in Ordnung sind. Weiter.
Es ist, wie schon erwähnt, auf de carm. Wessof. p. 13 verwiesen, um
Falsches zu stützen auf Falsches. Es steht da etwas höchst Komisches.
Es soll an drei Vei-sen des 7. Capitels von Otfrids 1. Buche, des Can-
tisum Mariae , eine von Lachmann über ahd. Betonung p. 266 ange-
deutete Ausnahme von der legitimen Betonung gezeigt werden, an den
Versen 4. 18. 24 : die seien nämlich zu betonen
4 mit lidin lichämen (: diuren)
18 ßrliaz er ttäle (: dlle^
24 mit dllen satidon (: selidon),
während doch jeder, der altdeutsche Metrik gelernt hat, weiß, daß die
m-sprünglich zweisilbige Präposition mit fähig ist , zur Hebung ohne
folgende Senkung, vom mit geni scdl des Hildebrandsliedes an bis zum
durch dich mit im des mhd. Epos, weiß, daß die einsilbigen Formen
des Artikels wie des persönlich geschlechtigen Pronomens der 3. Person
(wie unzählige Beispiele belegen) derselben Betonung fähig sind und
daher diese drei Verse ohne Anstoß lesen wird , wie sie in der That
nicht anders gelesen werden können
zu DEN DEUTSCHEN VERSEN IN DER NOTKER. RHETORIK. 45
4 mit lidin lichämen
18 firliaz er ttale
24 7nit allen sä' Udo n
oder den letzten auch mit allen saUdon.
Uckämen : diurhi ist in der That nicht anders als göte : liimile \, 5, 3,
alle : ttale nicht anders als utä'st : ni si ad Hartm. 10, und salidon :
selidon bedarf eben so wenig der Rechtfertigung, denn auch ohne Haupts
Bemerkung in den Monatsber. der Berl. Acad. 1856 S. 576 war es für
jeden , der sich um altdeutsche Metrik bemüht und dafür Sinn hatte,
der sich im ahd. Sprachschatze die Formen angesehen und mit dem
Mhd. verglichen hatte, handgreiflich , daß auch der Form nach mehr
hervortretende Flexionssilben den Tiefton auf sich ziehen , den der
strengen Regel nach die vorhergehende Bildungssilbe haben sollte, daß
im Musp. higild (: mdrha) zu lesen sei und nicht engilä (verschleift),
daß die Betonung loüntaron, hüngorogon für tvilntärdn, Mmghrogon ganz
in der Ordnung sei. Wie kann ein gesunder Mensch, der methodisch
zu Werke geht , auf solche Gredauken kommen wie Herr Müllenhoff
mit jenen Betonungsversuchen, jenen kindlichen Scandierungsversuchen,
jetzt wo wir an den Denkmälern der Übergangszeit mehr zu lernen
Gelegenheit gehabt, wer nur lernen will, einer falschen früheren Ansicht
des Meisters zu Liebe, die er im J. 1832 ausgesprochen oder nur an-
gedeutet, die er später sicher selber hat fallen lassen. Aber allerdings
man muß verstehen wollen und verstehen lernen : sehr richtig sagt das
Herr Müllenhoff a. a. O. S. 254 und das passt auf ihn, und noch meh-
reres Andere, was er dort sagt, passt auch auf ihn.
Weil wir einmal bei der 13. Seite der Abhandlung de carm. Wess.
sind, die übrigens auch auf andern Seiten des Curiosen genug enthält,
wovon wir ein andei'mal reden wollen, will ich für jetzt nur noch eine
Bemerkung machen , die mit dem eben Besprochenen im Zusammen-
hange steht. Da ist nämlich der Vers des Evangelienbuchs 1, 17, 45
betont lii thes sterren fdrt , besser aber ist zu betonen hx thes sterren
fdrt : abgesehen von der Möglichkeit dieser Betonung gewinnt sie an
Wahrscheinlichkeit dadurch , daß thes hier mehr in demonstrativem
Sinne steht. Ferner kann man 1, 5, 5 fiöug er sünnun pdd ebenso gut
lesen ßöug er sünnun pdd, man muß nui- das er nicht zu sehr hervor-
heben, ganz wie im Ludwigsliede heizsit her Hlüdictg.
Doch kehren wir zurück zu den Versen in der Rhetorik.
Zu ftwdermäze mit seinen vier Hebungen, deren es legitimer Weise
nur drei haben sollte, hätte die gleiche Betonung von östarlmtö Hild. 59
angeführt werden sollen : im Hochdeutschen und Mitteldeutscheu die
40 08KAR SCHADE, ZU DEN DEUTSCHEN \T<]RSEX etc.
einzigen mir bekannten Stellen , wo in derartig zusammengesetzten
Wörtern der Tiefton gehalten ist. Im Niederdeutschen kommt das, wie
es scheint, ungleich häufiger vor.
Man bemerke ferner noch die Alliteration neben dem Endreime
in drei Versen sliumo ifersniden (ungenau, wenn man sciltriemo hinzu-
zieht), fuoze : fuodermäze, zene : zioelifelnige.
Daß die Verse Stücke eines volksmäßigen Gedichtes sind , ist
mir nie zweifelhaft gewesen ; schon Lachmann hat sie entschieden dafür
erklärt. Und alles was MüllenhofF S. 320 über das Gedicht sagt, über
den Gebrauch des Präsens, daß es Theile einer Botschaft seien, über
die ungleichen Strophen in den zusammengehörigen Stücken, ist nicht
von ihm , sondern nur etwas breitere Ausführung, Umschreibung und
theilweise speciellere Fassung von dem, was Lachmann in seinen Vor-
lesungen über die Verse längst gesagt hatte, den er nur nicht zu eitleren
beliebt. Zum Beweise setze ich aus meinem Collegienhefte wörtlich
genau die Äußerungen Lachmanns hieher , wie ich sie vor nunmehr
schon 20 Jahren nachgeschrieben.
„Die Rhetorik ist fast ganz lateinisch geschrieben , es sind aber
gewöhnlich die Beispiele deutsch. 'So wie ein Schneller einem andern
Schnellen begegnet , so wird sogleich zerschnitten der Schildriemen.'
Das wird im Präsens gesagt, also aus einer Rede, sprichwörtlich. 'Der
Eber geht auf dem Abhang, trägt das Speer in der Seite ; seine tapfere
Kühnheit lässt ihn nicht fallen.' Da auch Präsens. Es kann nicht aus
einer Erzählung sein. Wackernagel im letzten Hefte der Haupt'schen
Zeitschrift bezieht es auf den kalydonischen Eber. Ich finde dazu keinen
Grund. Ich halte es nicht für Klosterpoesie, sondern für echte Volks-
poesie. Aber Wackernagel hat aufs Präsens auch nicht gemerkt. Das
folgende sind aber nicht vier Zeilen, sondern sechs. Ist das Gedicht
einLeich gewesen, oder ists nur hier durch die Darstellung so geworden?
'Ihm sind Füße fudergroß , ihm sind Borsten ebenhoch den Forsten,
und seine Zähne zwölf Ellen lang.' Wahrscheinlich gehört dies noch
zum Vorigen."
Es hat also keineswegs MüllenhofF diese Bemerkungen zuerst ge-
macht, wie seine Darstellung a. a. O. glauben machen will, die keinen
Gewährsmann erwähnt, und wie W. Scherer wirklich behauptet in sei-
nem Leben Willirams (Wien 1866) S. 211, wo übrigens eine eigenthüm-
liche Ansicht über die Bedeutung der Verse vom Eber vorgebracht ist.
Meine Ansicht über die Verse ist die : Daß die beiden letzten
Gruppen Der eher gät etc. und Imo sint fuoze ■ etc. Theile eines und
desselben Stückes sind, ist nicht zweifelhaft ; daß sie, wie sie überliefert,
EUGEN PLEW, ZU DER NOTKERISCHEN RHETORIK. 47
uügleichstrophig sind, ist ebenso zweifellos ; ob an der ersten der beiden
Gruppen vorn oder hinten eine Langzeile fehle , lässt sich nicht ent-
scheiden, ist aber wenig glaublich. Daß die Verse Theile eines epischen
Liedes gewesen , will mir nicht zu Sinne : sie wären dann , wenn in
Strophen, gewiss nicht in ungleichen. Sie werden wohl aus einem volks-
mäßigen Stücke anderer Gattung sein, möglich aus einem Räthsel : dazu
würde das Präsens recht wohl stimmen, und dann könnten beide Stellen
wohl auch unmittelbar an einander gehören und eine strophische Ein-
heit von ftinf Langzeilen bilden. Oder es sind Stellen aus einem Lügen-
märchen: für diese Gattung sind die ungleichen Sti'ophen im Modus
florum bezeugt.
KÖNIGSBERG i. Pr., Mai 1868. OSKAR SCHADE.
ZU DER NOTKERISCHEN RHETORIK.
Der im vorhergehenden Aufsatze besprochene Miscellancodex der
burgundischen Bibliothek zu Brüssel aus dem lL/12. Jhd. (Pergament,
klein Folio) *) enthält unter Nr. 10662 ff. eine merkwürdige Handschrift
rhetorischen Inhalts, wohl aus dem Ende des IL Jhd. Auf sie machte
zuerst aufmerksam J. Grimm in den Gott. G. A. 1835, S. 911, wo er
zugleich darauf hinweist, daß in derselben Hs. auch die (damals noch
nicht ganz gedruckte) Rhetorik Notkers enthalten sei. Diese Notiz Grimms
ist von Niemand weiter berücksichtigt worden, weder von Wackernagel,
der 1844 in Haupts Zeitschr. IV S. 463 ff. die Rhetorik aus einer aus
St. Gallen stammenden Züricher Hs. (Z) herausgab, noch von Hattemer
Denkmale 3, 560 ff. — Nach dem erwähnten Briefe folgt in der Hs.
unter der Überschrift : Excerphim Rheforicae Nofkeri mag(istri) auf
Bl. 58 — 60 die Rhetorik. Aus dieser Überschrift könnte man vermuthen,
nur einen Auszug aus der Rhetorik zu erhalten ; vergleicht man aber
unsere Hs. (B) mit der bei Hattemer gedruckten, aus Benediktbeuern
stammenden Münchener (M), so ist der Umfang beider genau derselbe ;
in B fehlt nur das Stück Hattemer 3, 561*, 26 — 562" Ende : omnis res
argumentando confirmatur — esse mdentur. Diese Partie ist aber an der
Stelle, wo sie in M steht, ganz ungehörig, und steht auch in Z als ein
eigenes Stück anscheinend nach der Notkerischen Rhetorik (Hattemer
S. 531). Wir haben hier also in B nicht einen Mangel, sondern die ur-
*) Zuletzt ist er besprochen von E. Grosse, Programm des Friedrichscollegs zu
Königsberg i. Pr. 1867 , Seduli Scoti carmina inedita enthaltend.
48 EUGEN PLEW
spriiugliclie richtige Form, die in M durch jene Interpolation getrübt ist.
Da nun , soviel wir sehen , B vollständig ist , könnte man vermuthen,
daß Exceiyhim rheforicae als Titel gedacht wäre, etwa so viel wie Ex-
cerpt, Collegienheft (Wackemagel) über Rhetorik. Die Eintheilung der
Rhetorik tritt nach Entfernung jenes Stückes klar hervor : es ist die
am Ende der Einleitung Hatt. 561% 24 angegebene in matetna, ars, oratio.
In diese drei Hauptabschnitte zerfällt die Abhandlung, freilich mehr
formell als innerlich , denn materia und ars , die augenscheinlich von
einander gesondert sein sollen, gehen vielfach in einander über. Zur
Erkenntniss der Gliederung verhelfen namentlich auch die allein in B
vollständig erhaltenen Überschriften , die in M fast ganz fehlen (Hatt.
582"), in Z auch ungenügend sind. Daß jene von Notker selbst her-
rühren, ist mir sehr wahrscheinlich, vgl. z. B. 569'' oben, wo die Über-
schrift in der weitem Auseinandersetzung vorausgesetzt zu werden scheint.
Allerdings stellen die Überschriften in B vielfach über- und untergeord-
nete Partien auf gleiche Linie ; allein derselbe Übelstand zeigt sich in
den viel spärlichem Überschriften in Z : vgl. bei Hatt. Cap. 6 mit 7,
8, 9, 10. — Der Text von B stimmt im Wesentlichen ganz zu dem
von M, während Z viele Abweichungen hat. Da aber Z schon durch
seine starke Verkürzung am Anfange willkürliche Veränderung von
Seiten des Schreibers zu verrathen scheint , dürfte der Gruppe BM
meistens vor Z der Vorzug zu geben sein. Allein während M sehr nach-
lässig geschrieben scheint, ist B im lateinischen Texte bis auf Kleinig-
keiten ganz con-ect. Die deutschen Stellen leiden in B an vielfachen
Verschreibungen : wahrscheinlich ist der Schreiber von B an das Schrei-
ben von Deutschem nicht gewohnt gewesen. Wesentliche Eigenthüm-
lichkeiten zeigen sich in der Schreibart nicht, die vorhandenen sind
durchweg alemannisch (vgl. unten), sei es, daß sie vom Schreiber her-
rühren, oder aus dessen Vorlage stammen. — Auf die Notkersche Rhe-
torik folgen in der Handschrift von derselben Hand rhetorisch gram-
matische Schriften des Boethius , Commentar zu des Porphyrius isagogae
zu Aristot. peri hermeneias U.A., — Stücke, die augenscheinlich die
Quellen zu den Notkerischen Arbeiten über Arist. Kateg. u. Hermen.,
de partibus logicae und de syllogismis waren. Ihre Zusammenstellung
in unserer Hs. verräth den Einfluß der St. Galler Schule.
Im Folgenden will ich versuchen , für die beiden ersten Theile
der Rhetorik, die besonders durch B gewinnen, auf Grund von B einen
lesbaren Text zu liefern ; für das Übrige werde ich die Varianten von
B gegenüber dem von Hattemer constituierten Texte angeben.
zu DER NOTKERISCHEN RIIETOKIK. 49
Excerptum Rhetoricas Notkeri Magistri.
Olim disparuit , cujus facies depiugenda est ') , et quae nostrara
excedit memoriam , eam qualis erat formare , difficile est , quia multi
dies sunt^ ex quo desivit esse. Oporteret eam immortalem esse, cujus
araore ita languent liomines, ut abstractam tamdiu et mundo mortuam
resurgere velint. Ubi Cato, ubi Cicero, domestici ejus ? nam si illi re-
dirent ab inferis , haec illis ad usum sermonis famularetur , sine qua
nihil eis certum constabat, quod ventilandura esset pro rostris. Quid
autem est, quod in suam nou redigatur originem? Naturalis eloquentia
viguit, quousque ei per doctrinam filia successit artificialis, quae deinde
rhetorica dicta est. Haec postquam antiquitate temporis exstincta est,
illa iterum revixit. Unde hodieque plurimos cerninius, qui in causis solo
naturali instinctu ita sermone callent , ut quae velint quibuslibet facile
suadeant nee tarnen regulam doctrinae ullam requirant. Similes isti
sunt liis *) , qui ab initio plui'imum potuerunt eloquio, quos deinde alii
admirati et aemulari conantes , dum observant eos loquentes , tempta-
verunt queudam hujus rationis modum rapere et scripto legare, qui sibi
et posteris pro roagisterio reservaretur. Ergo omnis ars imitatio est na-
turae : verbi gratia quis nesciat ad aliquem nuutius directus , saluta-
tionem praemittere , qua se suamque legationem commendetur ? Hoc
prius in consuetudine valuit, deinde inter rhetorica praecepta traditiini
ars dici coeperat. Ut ergo Augustinus dicit : antiquorum sapientiam
quasi ducem comitata est eloquentia, ideo sapientiae non potuit deesse
eloquentia ex eodera fönte manans naturae. Tu autem lector tria ob-
servando rhetor eris. Haec autem sunt , de quibus vicissim dicetur :
praecedens materia, et quae hanc hauserit ars, et hinc eflfusa oratio.
Demateriaartisrhetoricae.
Quid est materia ? taz man haben sal ^) ze uuerche. Ut causa est,
quam exigit rhetorica^ sine qua ipsa nihil operis habet. Res et negotia,
de quibus fiimf*) controversiae, causae dicuntur, i. machunga distrides^).
Verbi gratia Orestes de quo legitur in trojana historia matrera suam
occidit Clytaemnestram eo quod ipsa occidit patrem suum Agamemno-
nem. Hoc factum causa dicitur, i. effectio: cujus? utique controversiae;
quomodo ? quia ipse et defensores sui jure factum dicunt. Adversarii
autem dicunt, non jure factum. Ecce causa quae propterea dicitur strit,
quia effectrix illius est.
Quot ") siut geuera causarum.
Est autem triplex ; judicialis , i. tiu dinclicha , quae considerat,
quid aequum quid iniquum quid justum quid injustum ; versatur autem
GERMANIA. Neue Reihe H. (XIV.) Juhrg. 4
50 EUGKN plp:w
tota in accusando et defendendo , in petendo veniam aut poenam, iit
illa est in Orestera. Deliberativa , i. tiu spaclicha ') , quae deliberat,
i. pimeiuit vel gcchiusit vel ahtot**) quid faciendum quid non faciendum
sit, Haec considerat , quid utile quid inutile , et versatur tota in sua-
dendo et dissuadendo ; ut in Bethulia presbyteri deliberant , tradere
civitatem Holoferni : suadet ergo multitudo, Judit autem sola dissuadet.
Demonstrativa , i. tiu zeigonta unde diu chiesenta , subauditur , quis
dignus sit imperio vel episcopatu ; haec quid honestum in eo sit vel
turpe, considerat et versatur tota in laudaudo eum vel vituperaudo.
Quae sit harum trium divisio.
Item quaelibet liarum trium dividitur in status legales et ratio-
nales. Legales sunt, qui oriuntur de verbis in lege scriptis, dum ea
diversi diverse student interpretari. Rationales sunt, dum rationem facti
vel consilii aliis approbantibus alii reprobant.
Quid sint legales.
Legales quinque sunt: Scriptum et sententia, scrift unde uuillo,
subauditur legis latoris. Ambiguae leges. Contrariae leges. Diffinitio,
rechtsaga^) uuaz iz ^) si, subauditur, de quo controversia est; ut apud
Ciceroneni quid sit navim relinquere vel in navi remanere opus est
diffinire sie: in navi saucium se facere , hoc est navim relinquere;
egredi et de scafa navim gubernare, hoc est in navi remanere. Ratio-
cinatio , i. einis dinges irrateni föne fonanderme '•*) , i. quod non sit
scriptum de eo, quod scriptum est.
Quid sint rationales.
Item Status vel constitutiones rationales sunt quatuor : Conjectura,
i. ratisca, subauditur feceritne ; ut de Susanna Daniel conjectatus est;
hinc liber et miles certamine, servus autem ignito ferro probatur. Dif-
finitio vel finis, des namen forderunga vel scafunga vel endunga, sub-
auditur nominis facti ; ut aliquando contenditur, factum ejus, qui equum
sustulit furtum aut rapina dicendum sit : gravius namque punitur rapina
quam furtum. Qualitas, subauditur facti, bonum an malum sit, justum
aut injustum sit. Translatio, uuehsal ''), subauditur personae vel loci
vel temporis vel criminis vel poeuae ; ut olim erat contentio, quia opor-
tuit baptizari, utrum apud Arrianos vel apud Catholicos.
De partibus qualitatis subalternis.
Qualitas dividitur in juridiciale, i. strit umbe daz ^2) tiet reht et
negociale, i. strit umbe daz quoneheide. Item juridiciale partes habet :
assumptivum, i. taz antseigidiga ^*), et absolutum, i. taz para. Est enim
assumptivum quod assumit defensionem, i. antseigida, et est absolutum
quod non assumit defensionem. Assumptivum quatuor partes habet^
zu DER N0TKERI8CHEN RHETORIK. 51
quae suüt : Confessio , i. keucht, s. facti. Reraotio, i. abeneraunga, non
facti sed ci-imiuis a se in alterum. Relatio, i. uuideruiierfunga, non facti
sed criminis a se laedente in eum qui prior provocavit. Comparatio
criminis minoris ad majus. Item de concessione fit purgatio, i. uncul-
digunga ^*) , et deprecatio , i. gnadonfleg^'a '^) ; de purgatione impru-
dentia, casus, necessitas, unuui'zenheit ^^), ungeuuandiu, geschit not '^).
Quid sint Status et constitutiones et irnde constent.
Status et constitutiones , i. stata unde gestelleda , ipsa bella sunt
eorum, quorum causa est sedente jam ^') judice et auditoribus ceteris,
in hunc modum : non jure, Orestes, occidisti matrem tuam. Haec est
intentio, i. malize. At ille: jure occidi. Haec est depulsio, i. uueri sci-
licet dis unrehtis, i. intentionis. Et subjungit : illa enim occidit patrem
meum. Haec est ratio , i. antseigida , sc. sui facti. Item adversarius :
non ergo oportuit te ulcisci patrem tuum in sanguine matris. Haec est
infirmatio, i. luzeda, sc. rationis ejus. Respondit ille : mihi quoque mor-
tem meditata est et uuiversae familiae nostrae , i. gemagedo ; parva
sunt haec : majus scelus ausa est , ita ut in ipsum senatum extendere
manus et rempublicam delere conata sit. Hoc est firmamentum, i. festi-
nunga, suae rationis. Haec sunt partes unius cujusque constitutionis et
Status. In conjectura tantum sunt intentio et depulsio ; in ceteris additur
ratio et infirmatio praeter deprecationem : in ea namque confessio est
cum penitentia, quia deest ratio facti ; in quibusdam et firmamentum est.
Status autem et constitutiones dicuntur, quia verbis decertantes contra
se invicem statuuntur et constituuntur. Solemus autem Status et con-
stitutiones strit interpretari, sicut et causam. Deinde vertitur disceptatio
constitutionis ab his, quorum causa est, ab Oreste scilicet et ejus ad-
versariis, ad ceteros qui in judicio adsunt ; et dum contendunt, jurene
fecerit occidendo matrem suam in ultione patris et defensione suae vitae
totiusque senatus et reipublicae, haec controversia quaestio dicitur. Est
autem quaestio '*) ex diversa opinione nata dissimilis sententia. Haec
quoque strit dicitur. Materia talis est.
Quid sit ipsa r h e t o r i c a.
Sequitur, ut oratores, quos sibi pai'averunt ex utraque parte Ore-
stes et adversarii ejus, finem faciant hujus dissensionis, suadendo ceteris
et maxime judicibus, utrum poenam vel impunitatem Orestes meruerit.
Illam artem autem et illam scieutiam, qua haec fieri rationabiliter pos-
sunt, rhetoricam dicimus. Haec in anima oratoris sedet ; materia vero
artis non in ipso sed exterius posita est, in diseeptatioue scilicet Orestis
4*
52 EUGEN PLEW
cum adversariis suis. Primum semper materia datur, deinde artificiura
expectatur.
Unde sit sumeuda oratio.
Ecce orator parat se, ut in oratione sua defendat Orestem. Habet
raateriam orationis suae causam objecti criminis : ostendat artificium
defensionis. Quantum ipse oratione est validus , tantura ille apparebit
innoxius.
De exordio narrationis.
Et mox in exordiendo tres ipsius exordii debet ostendere virtutes,
ut judices faciat benevolos, taz si ^^) in güdemo sin ^^), attentos, i. zuo
zimo ^"j losende, dociles, i. fernumftige. Quomodo haec fiant, a Cicerone
in rhetoricis discendum est.
De partitione et narratione.
Sequitur partitio, deinde narratio. Istae tres partes orationis ab
oratoribus acceptae etiam apud historiographos inveniuntur : prologus,
capitula, textus. Prologus lectores attentos et dociles facit. Benevolen-
tiam comparare non opus habemus in historiis et in commentariis, sed
in causis rhetoricis. Capitula sequentis libri distinctionem faciunt, textus
Vero ipsam rem expedit. Textus sive narratio in causis oratoriis et in
libris liistoricis tres virtutes habet sicut exordium, ut brevis sit, i. spue-
dich '^), lucida, i. offin, probabilis, i. kelouplich. Pro his quoque vade
ad Ciceronem.
De conclusione et confirmatione.
Post narrationcm si Orestis adversarii eam reprehenderint, oportet
ejus defensores argumentis iustare et narratiouem suam confirmare; si
convicerit eos, et si jam judices post se inclinavit, concludat breviter,
vel indignando super improbitate eorum vel raoveudo auditores super
innocentia Orestis; sicque peroratum est.
De judicatione.
Judicatio ergo sua et aliorum sibi consentiens impunitum eum et
immunem a crimine facit. Quae forte talis est : Orestem, qui scelera-
tissimae suae matris nece non suam sed communem generis humani
calamitatem exstinxit, non parricidam, sed patriae liberatorem et prac-
mio dignum abjudicamus. Hoc exemplum relativae constitutionis est.
De convictura {lies conjectura) ""'').
De ceteris quoque constitutionibus vel statibus sicut et apud Cice-
ronem exemplum tradendum est. Nam in conjectura de intentione et
depulsione facti constitutio dinoscitur ; ut ante regem Salamonem me-
retrices contendunt : dormiens inquit altera oppressit filium suum ; et
contrario illa dicebat : mcntiris.
zu DER NOTKERISCHEN RHETORIK. 53
Diffinitio.
In diffiuitioue autem non factum negatur, sed nomen facti; ut in
exeraplo Ciceronis qui sacra vasa de domo privati subtraxit sacrilegii
arguitur, confessus furtum sacrilegium uegat.
Translatio.
In translatioue autem minime certatur de facto, aut de nomine
facti : non oportere tamen dicitur fieri ubi factum est, ut in platea mis-
sas celebrare; aut quando factum est, ut archiepiscopum pallio vestiri
die non solemni ; aut a quibus factum est, ut ab hereticis baptizari ;
aut quo crimiue, ut si scismaticus est, hereticus scribatur; aut qua poena
factum est, ut morte affici, qui verberibus castigandus sit.
Qualitas.
In qualitate, i. iu generali constitutione, qiiaeritur hoc quod factum
est bonum sit au male , utile aut inutile , aequum aut iniquum, justum
aut iujustum, ut in partibus ejus declaratur ; sunt autem negotiale et
juridiciale.
De negotiali.
Negotiale dinoscitur, dum iuvoluta est quaestio, et ex utraque parte
veri simiie videtur, quod dicitur, nee facilc pars altera alteri concedit. Ut
quidam uxorem in quadragesima duxit, quae ex eo filium genuit patre
jam mortuo et germani fratres ejus hereditatem conantur subripere,
dicentes: non potest heres tieri, qui de tali matre natus est, quae tem-
pore ducta non legitime focta est ipsa non legitima, Defensores ejus
dicunt: quomodo quae patri ejus licita erant, non legitima quoque essent?
et si licita matrimonia illicite pater contraxerat et inique, filius non
portabit hanc iniquitatem. De quibus verbis hinc et in de ^^) oriuntur
plurima, quae in jure civili implicitas generant quaestiones. Ergo Cice-
ronis de hac constitutione exemplum aliquantum abhorret a nostra
consuetudine.
Juridiciale.
Juridiciale autem planius est , quia in eo quid aequum vel quid
iniquum sit, secundum jura naturae requiritur, non secundum consue-
tudinem juris civilis ; et ideo juridiciale vocatur ista constitutio , quia
in ea de jure dicitur, s. naturali.
Assumptivum et absolutum.
Habet ergo partes : assumptivum, s. defensionis extrinsecus, et ab-
solutum, s. a defensione , i. mit antsegido unde ane antsegida. Ut qui
servum distraxit, objurgatus ab aliquo nil defensionis aliunde requirit;
Heere sibi hoc, tantum dicit. Hoc absolutum est. Assumptivo sunt qua-
tuor partes : comparatio, relatio, remotio, concessio.
54 EUGEN" PLEW
Comparatio.
Agnoscitur aut«^m comparatio, dum ille, qui arguitiir de aliqua re,
ea se dicit raajus damnura vitasse, ita ut ejus consideratione laudaudum
sit quod ipse fecit. Ergo quidara piscator, sociiim lapsum de navi dura
cerneret mergi, retraxit eum unco ferreo, quem habuit ad piscandum,
oeulo ejus infixo. Qui postea ductus in Judicium pro laesione ejus oculi
defendit se coraparatioue majoris periculi , quod uon aliter evaderet
mortem.
Reraotio.
Remotio autem talis est, ut defendat se quis negligentiae dicens:
non ad me pertinuit, ut hoc facerem ; aut si arguitur facti, alterius jussu
ad quem hoc pertinet se fecisse dicit. Ut minister, qui panem obtidit,
objurgatus cur et potum non dederit, removet a se culpam et pincemam
hoc officii habere dicit. Aut si arguitur sumptuose agere, non se, sed
dominum sibi jubentem hoc agere ostendit.
De relatione.
Relatio est, quando culpa retorquetur in provocantem, ut de Oreste
dictum est.
De concessione.
Concessio criminis duplex est in purgatione et deprecatione.
De deprecatione.
Deprecationem cotidiana ^*) exempla docent, quando delinquentes
in judicio veniam postulant et nil defensionis aliunde parant. Sicut et
David confessus est peccata sua dicens : peccavi domino ; et Nathan
propheta indulgentiam promisit atque respondit : dominus transtulit pec-
catum tuum, o David.
De purgatione.
Purgatio sequitur triplex: imprudentia, casus, necessitas.
De imprudentia.
Imprudentia purgat se , qui patrem vel fratrem in timiultu non
agnovit et occidit. Paulus quoque confessus est imprudentiam dicens :
nescivi eum esse principem sacerdotum; scriptum est ergo, principem
populi tui non maledices. Et item blasphemus et persecutor eram, sed
veniam consecutus sum, quia ignorans feci.
De casu.
Casus defendit eum , cui aliquid injungitur et praeventus morbo
aut vulnere aut hostili gladio aut subita inundatione fluvii aut aliqua re
gravi et inopinata non potest obedire. Non sicut ille qui ait: uxorem
duxi, et ideo non possum venire; potuit enim, sed noluit.
zu DER NOTKERISCHEN RHETORIK. 55
De necessitate.
Necessitatem docet, quod saepe audivimus, vi obpressara mulierem
et innoxiam jiidicari.
De statibus legalibiis. Scriptum et sententia.
Status legales sunt controversiae de legibus ortae. Ut pro equo
injuste ablato quidara reddere voluit XII solides secundum legem Ala-
mannorum. Repetitor hos recusavit suscipere dicens, vile sibi pretium
ofFerre pro equo pretiosissimo. At ille satis fecisse se ait secundum ju-
stitiam legis, nee eum posse statutuni legis recusare, nisi velit ipsam
legem dissolvere. De lege, inquit, nihil umquam incommodi venit, nee
ad hoc data est, ut noceat, sed omnium utilitatibus consulat; et dum
evaugelium, cui nulla lex christiana coutradicit, si quid aliquem defrau-
davi reddo quadruplum dicat, quomodo tu fraudem fecisti, nee tantum
pro eo quod fraudasti restituere cogitas ? Eme talem tanto , si potes.
Ea sola ratio est, quae mihi suadeat, quod offers, suscipiendum^') esse,
et tarn carum estimare. Eo pacto qui legem dedit credendus est **) scri-
bere de solutione damni et aliquem modum de restituendo equo ponere
vel bove vel asino, quo eum non deberet quisquam carius eraere. Iste
Status vocatur scriptum et sententia, quia alius legis latoris scripto ni-
titur , alius scriptum interpretando de sententia, i. voluntate scriptoris
scripto contradicit. Cicero hujus status nobile dedit exemplum de graeca
historia, quomodo Epaminondas, dux Thebanorum, dum annuam pote-
statem haberet , successori suo statuto tempore exercitum secundum
scriptum legis non reddidit, sed pro utilitate rei publicae diutius ali-
quanto secum retinuit, seque contra scriptum sententia scriptoris rationa-
biliter defendit.
De ambiguis legibus.
Ambiguae leges sunt, ut est Ciceronis exemplum : meretrix coronam
auream ne habeto; si habuerit, publica esto. Potest dubitari, meretrix
an Corona publicetur. Apud nos autem Paulus legem statuit dicens :
unus quisque habeat suam uxorem propter fornicationem ; melius est
enim nubere quam uri. Ambiguum enim videtur, an de laicis vel etiam
de clericis dixerit *').
De contrariis legibus.
Contrariae videntur quae hujusmodi sunt : Ne respondeas stulto se-
cundum stulticiam suam, ne efficiaris ei similis. Et item: responde stulto
secundum stidtitiam suam ne sibi sapiens videatur. Sed utraque per
discretionem suscipienda sunt. De romanis legibus exemplum est : qui
tyrannum occiderit, rem quam velit a senatu pro praemio accipiat.
Item altera lex est : tyranno occiso ejus quinque proximos cognatioue
56 EUGEN PLEW
majü^istratus nocato. Contimit Alexandrum tyrannum ah uxore iutei-fici:
haec filium siiuin quem ex tyranno liabebat, sibi in praemii loeo de-
poposcit; sunt qui consentiant, sunt qui puerum occicli ex lege dicant.
De diffinitione.
Diffinitio communis status est, quia sicut rationalis ita et legalis
est in hune modum. Diviua lex est: diliges proximum tuum t^icut tc
ipsum; fit quaestio: quis est mens pi-oximus? fiat diffinitio: qui faeit
misericordiam. Cicero de navi exemplum legale dedit ita: etc.*)
De ratiocinatione.
Sequitur status qui ratiocinatio dicitur et tale est: etc.**). Tale est et
illud: famis tempore a quodam auditum est, qui humanis carnibus ves-
cebatur; et eo ducto in Judicium non est inventum qua paenitentia vel
qua poena dignus sit. — Haec exempla de judiciali tantum causa data
sunt; in ceteris generibus faciliora sunt quia praeter conjecturam raro
invenies aliam constitutionam in eis. — Ergo causae de legibus ortae
Status legales dicuntur. Ceterae vero, quae alimide oriuntur, constitu-
tiones vel status rationales dicuntur, quia in eis ratio facti exquiritur,
ut de Oreste, cur occiderit matrem suam.
Unde dicatur status et constitutio. Quot modis quaestio
dicatur.
Discendum est et illud, quia proprie dicitur quaestio ut est : fece-
ritne, — et communiter causae, omnesque partes earum, i. constitutiones
et Status, et eorvmi partes**), i. intentio, depulsio, ratio et infirmatio
et judicatio quaestiones dicuntur. Et hae sunt quae civiles dicuntur,
quia inter cives agitantur; sunt enim cives purchliute, civiles i. purch-
lic^e strite; cives dici possunt etiam qui in agris habitant, i. in demo
geuue. Aliae sunt philosophicae. Ut ergo discernantur , philosophicae
quaestiones sunt controversiae in dicendo positae sine ceterarum perso-
narum interpositione ; ut: coelum rotundum est, coelum non est rotun-
dum. Hae ad oratorem non pertinent. Civiles autem quaestiones sunt
controversiae in dicendo positae cum ceterarum personarum interposi-
tione, i. daz sint die strite die einliche quisse menniscin anagant. Ut
*) Folgt eine Stelle, die meistens -wörtlich aiis Cic. ä. invent. 11 51 entnommen ist.
Abweichungen in der Lesart sind wenige : unsere Hs. hat durchweg navim und navi, wäh-
rend bei Cicero die bessern Hss. Tiavem und nave haben ; für inde funiculo (Cic. ed.
Orelli et Baiter I* p. 166, 33) inde a funiculo ; für hie (p. 166, 35) hinc ; für pervehitur
(p. 166, 37) devehitur; p. 166, 35 auch die Viügata in gladiwni ibidem in navi.
**) Folgt eine Stelle wörtlich aus Cic. d. inv. II 50 (p. 165, 16—29 Orelli). Va-
rianten sind folgende: unsere Hs. hat für indutae (p. 165, 18):inditae; stellt 20 hinter
culeus gleich compararetur \ hat 22 richtig ipsis übet; hat 25: testamenti faciendi pote~
ataletn adiniai Ins; für hujusmvdi p. 165, 27 ejuimtodi.
zu DER NOTKERISCHEN RHETORIK. 57
est: feceritae, s. Susanna'^^) concubitum cum juvene; — vcl: jurene
fecerit, s. Orestes oecidendo matrem suain.
Item plus de geuiribus quaestionum.
Ergo philosophicas quaestioues thesin dicuat, i. proposituin, quasi
a longe et in absentiam positum, quia philosopbi non requirunt eorum
aspectum de quibus disputant. Ut puta de naturalibus rebus luijus mun-
danae molis, aut de deo, aut de moribus, in hunc modum : verine sint
sensus, quae miuidi sit forma, quae sit solis magnitudo, quid sit bonum
praeter honestatem , au philosophandum sit , an casu cuncta constcnt
vel divina provideutia regantur. Civiles autem quaestiones hypothesin
dicunt, hoc est subpositum, ut persona subposita est oculis illa de qua
quaestio movetur. Consideraut euim illi de his quae proponuntur, quid
verum quid falsum sit, isti autem in his quae facta sunt vel quae fa-
cienda sunt, quid bonum quid malum, aequum aut iniquum, jus tum aut
injustum, utile, honestum aut turpe, possibile aut impossibile, uecessa-
rium aut non necessarium sit ; illi, ut sciant, quid aftirmandum sit, quid
negandura, isti ut sciant, quid suadendum, quid dissuadendum sit; illi
in disputando, isti autem in dicendo ; illi fugientes frequentiam lionii-
num, isti sine coetu et sine multitudine hominum nihil facientes. Ergo
dissimilis est quaestio et causa, thesis et hypothesis, quod philosophi-
cum est et quod civile. Et causa quidem, i. civilis quaestio, materia
est artis rhetoricae, i. ipsi oratori ad ostendendam suam scieutiam judi-
cando et inveniendo in jvidiciali genere, quid aequum, quid justura sit,
in deliberativo, i. in consiliis et cousultis rei publicae, suadendo, quod
utile est , in demonstrativo , i. comprobandis et creandis ordinandisve
magistratibus, ostendendo, quid in singulis honestum et laudabile sit et
dignum honore, et quid contrarium. Quaestio vero, quae thesis est, simi-
liter est '") materia philosopho ad exercitandum suum Ingenium in dis-
cernendo verum a falso.
Ratio repetitionis.
De constitutionibus et statibus secundo dicere, ut exemplis cla-
rescerent, opus fuit, quia materia, quae semper danda est ante artificium,
obscura non debet esse, nee aliunde potest ipse orator dinoscere, qualis
esse debeat-'^) sua quae materiam secutura est oratio, nisi ex ipsius
introductione materiae. Hinc exordium orationis sumitur, hinc narratio
et partitio, i. distinctio narrationis, et confirmatio, reprehensio quoque
assertionis contrariae et epilogus quomodo disponi debeant consideran-
tur ; huic congruere hoc est commodas facere omnes has quas nunc
partes orationis diximus, parvum ab ea dissentire vitiosissimum est. De
quibus praecepta tarn plura data sunt in libris rhetoricorum, ut ea bre-
58 EUGEN TLEW
viter nemo coni])relienderc valeat ; proptcrca maji^isterio Ciccronis dis-
cenda sunt. Ad hoc liumanum iugenium novas sibi cotidie parit rationes
suadcndi atque dissuadendi.
Quot genera sint oratoruin.
In qnibus rationibus alii sunt graviores ut Roraani, alii acutiores
ut Graeci, alii ornatiores ut Attici, alii copiosiores ut Asini.
De gravi.
Documeutum est ad gravitatem aliquando magnifice loqui et ita
narrare quamlibet rem quatenus salva veritate nil paene possit de ea
majus aestimari. Ut: Medo praudente epota sunt flumina , eo transe-
unte constrata sunt raaria, navigati sunt montes, excitae sunt gentes,
commotus est orbis. Revera flumina non sufficiebant ad potandum exer-
citui ejus, et Bosporura ^'^) mare, ex navibus ponte constructo, copiis
meabile fecit; Athon Thessaliae moutem a continente abscindens et mare
adducens navigabile praebuit. Sed haec de homine paene incredibilia
aucta sunt quoque arte loquendi. Cicero ad Herennium de gravi locu-
tione exemplum juditiale protulit bis verbis : etc. *). Quid bis verbis Cicc-
ronis gravius, uuio machter iz heuigor choson? Et ille hoc in causis.
Ambrosius noster in invitatorio Christi non est tenuior diceus : Veni
geminae gigas substantiae camis tropheo cingere etcetera. Plus miranda
sunt Pauli tonitrua , qui fugiens sapientiam verbi excellentia tarnen et
gravitate sermonis supergressus est cunctos, non arte sed spiritu sancto.
Quid sit acute loqui.
Item acute loqui est argumentis rem declarare hoc modo : Rufum
ne fidelem dicas; vel sie: tu avarum dicito, et ego fidelem intellego.
Quid sit Ornate loqui.
Item ornatus causa circuitione vel sirailitudine vel aliquo scemate
verborum aut sententiarum utimur, ut vino raadens pro ebrius, et ex-
trema pati pro moi'i, vel asinum sapit pro stultus est, vel sicut Virgi-
lius: magnarum virium est clavam Herculis vi extorquere de manibus
ejus, hoc est difficile est, Homerum imitari. Sed et haec gravitatis sunt,
sunt enim eis communia praecepta, quia et decet et gravius est, genus
et speciem pro individuo, totum pro parte, superlativum pro positivo,
pluralem numerum pro singulari ponere. Sed post de elocutione '') dic-
turi, quae ad ornatum proprie pertinent, docebimus.
*) Folgt wörtlich Rhet. ed Herennium IV 8, 12. Varianten sind: fiir iia (Cic. ed.
Orelli I' p. 54, 41) his\ für atque p. 55, 3 atqui; p. 55, 7 qui id. . . possunt-, fiir viderint
p. 55, 1.3 vendiderint; für vester 15 verum; für voluerit 18 voluit; 16 stellt unsere Hs.
qui voluerit omnium fortunas prodere.
zu DER NOTKERISCHEN RHETORIK. 59
Quid copiostim sit.
At copiosum est, propositionem rlietoricam miiltis rati*ouil)us affir-
mare ad hunc modum : Propositio est: Melius accurantur quae eousilio
geruntur quam quae siue consilio administrantur. Approbatio est: Do-
mus ea, quae ratioue regitur, omnibus est instructior rebus et apparatior
quam ea quae temere et uullo consilio administratur. Similiter exercitus
is cui praepositus est sapiens et callidus Imperator , omnibus partibus
commodius regitur, quam is, qui stultitia et temeritate alieujus admi-
nistratur. Non enim facile discuutur haec genera oraudi, quia proprii
et magui operis sunt siugula , et quia scemata , i. figurae orationum,
argumenta quoque et ratiocinationes et diffinitiones et praeeepta gra-
vitatis et omuia praeeepta non solum rhetoricae artis, sed et quaedara
grammaticae et dialecticae artis ad haec genera et ad has partes ora-
tionis aptantür, et auctores artium in bis tota studia consumraabant.
Quid sit opus orationis.
Agit ergo omnis orator, ut adversario frangat, judices et audito-
res attrahat, et, ut Cicero dicit, persuadeat dictione. Quid persuadeat?
utique hoc factum quod ipse defendit justum, bouum et honestum esse
vel utile aut necessarium esse ; vel econtra quod impugnat, uoxium esse,
turpe et pudendum et ab omni religione et justitia alienum.
Unde sumatur oratio.
Ergo prima est materia, i. causa, de qua diximus, deinde oratio,
quam nunc dicimus , quae ostendit causam qualis sit. Ipsa oratio ex
oratoris procedit scientia, quam rhetoricam vocitamus, ut bene intelle-
gatiir, eam extrinsecus haurire de materia, quid ipsa de intus propinet
in oratione; eadem ergo quid sit, diffiniatur.
Quid sit rhetorica.
Rhetorica est bene dicendi scientia. (Diffinitio interpretatur gnot-
mezunga ^*) , i. nihil plus , nihil minus ; potest et aliter dici ut ante
ostendi.) Quid est bene dicere? apposite, i. apte vel congrue aliquid
dicere ad persuadendum vel ad dissuadendum ^^). Unde quis haec potest?
natura administrat ea, doctrina vero nutiüt et äuget.
Quae sint partes ejus.
Partes ejus sunt quinque : inventio , dispositio, memoria, elocutio,
pronuntiatio. Non solum orator, sed et praedicator et qui nuntium fert
et quicunque vult viva voce enarrare '"), his partibus indiget. Scriptores
autem librorum etsi non quinque quatuor tamen partibus fretos esse
oportet. Et cum sex partes supradictae orationis illius sint, qua orator
utitur in causis, exordium, partitio, narratio, confirmatio, reprehensio,
(50 ' EUGEN PLEW
conclusio, caruni nulla nisi his quinque pnterit pnrtihu.s expediri. Enim-
vero quidquid in omni locutione reprchenditur vel laudatur, ad harura
quaelibet partium pertinet.
De vitiis harum quinqvie partium *).
Item de inventione.
Est autcin inventio etc. **).
De dispositione.
Dispositio est rerum inveutarum et sententiarum in ordiuem distri-
butio. Taz chit scaphunga ^') unde ordenunga des kechoses. Bona dis-
positio est rem eo ordine quo gesta est uarrare etc. ***).
Quid sit memoria.
Memoria est firma animi rerum et verborum ad inventionem per-
ceptio ; daz chit kehugeda des tu getalidost ^^) ze sprechenne. Sufficit
de memoria dicere, si non sit naturalis, artificiosam parere, quod solet
fieri vigiliis et assiduis meditationibus etc. f ).
Quid sit elocutio.
Elocutio est idoneorum verborum ad inventionem accomodatio.
Elocutio daz chit recht gesprache vel recht kecose; idoneorum verbo-
rum accomodatio ad inventionem: dero sculdigon uuorto legida ze dinen
kedanchin, ze demo, so du sprechen uuellest. Quodsi hoc non feceris,
achirologiam ff) paris. Item elocutio est perfecta locutio : sicut enim ebibe
est totum bibe, ita est eloqui ad integrum loqui. Idoneorum verborum
accomodatio ad inventionem id est propriorum et convenientiura verborum
adjunctio ad excogitationem. Ergo elocutio pars eloquentiae, quia elo-
cutio et ceterae quatuor partes pariunt eloquentiam.
Quid bipartita sit elocutio.
Elocutionis duplex ratio est etc. ff f).
*) Hierfür verweise ich auf Hattemer S. 57.S*, 12 — 573i>, 22, wobei mir Folgfendes
zu bemerken ist: 14 und 15 hat B richtig quid und nee: Z. 20 B richtig idwiea;
Z. 24^25 fehlt in B richtig scribit vel.
**) Vgl. Hattemer 573'' 23— 574^ 7; nur Z. 25 hat B suhauditur ; 27, 28, 29 fehlt
in B genere causae; 574% 1 B = M mater; 8 B = M prino-, 25 B salvare nm potent iste? ',
28 B = M rationem ; 29 B suam causam, M causam suam, Z causa suavi. Mit 574'', 8 Pe-
trus u. s. w. beginnt ein neuer Absatz ohne Überschrift bis 575", 2; nur 21 lies tu ne;
22 B richtig intellegei-etur ; 24 B richtig secZ; 28 B richtig re?not;«7; 29 ist in B zwischen
facti und Item richtig eingeschoben der Abschnitt, der bei Hattemer aus ZM S. 575*,
17 — 23 steht, worin B Z. 21 richtig contigerant hat.
***) Bis Hattemer 575% 16.
t) Bis Hattemer 575", 12.
tt) Vgl. Hattemer 579", 13.
ttt) Vgl. Hattemer 576% 4—579% 16. Zu bemerken ist hierin Folgendes: 576% 20
zu DER NOTKF.IJISCHEN RHETOKIK. ßl
De vitiis singularum dictionum.
Diceudum est quoque de vitiis elocutionis, quae cavenda sunt in
singulis et compositis dictionibus , et quae non sunt idonea ad inven-
tionem : In singulis ut sunt barbara , corrupta , impropria , antiquata,
turpia, differentia. louge repetita, insolenter prolata. Barbara, endriskiu
aide fremidiu, qualia Donatus dicit : mastruga, cateia, raagalia, et le-
gibus Alamannorum plurima leguntur, ut nast'^ai ^'■') et fredum et uuere-
geldum. Corrupta, i. samerartiu ut est cirographum pro chirograplium,
perfodiri, ut quidam legunt in evangelio pro perfodi, et pejurus pro
perjurus, intelligere pro intellegere, et omnes barbarismi. Impropria sunt,
i. tiu imsculdegen, quas grammatiei achirologias graece dicunt, et inter-
pretari possumus immanuales dictiones etc. *). Antiquata, i. firniu vel
feruuorfeniu, ut alucinari, cerritura, caperatum *^), quae antiquis in usu
fuisse Martianus testatur. Hujusmodi apud Plautum sunt plurima jam
obsoleta. Intellegitur etc.**). Turpia sunt, i. uncliiuskiu, ut etc.***).
Differentia sunt aliena, i, ungehaftiu, quae secundum Martianum etc. f ).
Longe repetita sunt, i. ze uerro genominiu, ut si vastam Cliaribdim
luxuriosam dicamus. Insolenter prolata sunt, i. uuider geuuoneheide,
quae per derivationem aut interpretationem novantur , i. nova inve-
niuntur, et potuissent quidem dici regulariter, sed non solent, ut a ca-
pite capitatus, manu manuatus, ala alatus, remo remitus; a quibus tem-
perandum est propter insolentiam, i. seltsaui aide ungeuuoneheide. Sic
Ciceroni etc. ff).
De vitiis conjunctorum verborum.
In conjunctis autem verbis etc. fff)- Assiduitas cujusque literae
in odium repetitae est unlustsamo geaberter puochstab, ut casus etc. ffff).
setzen MB richtig aliena hinzu; 576'', 18 Z ougen die reba, M ougen de raeba, B ougen reha;
20 ZB sconiu chorn\ 31 ZB intendendum, M intuendum-^ 577", 7 ZB tagaltlichen, M taga-
lichen; 577", 1 ZM haheant, B habeat richtig; für das Stück Hattemer 577-', 14 — 578",
28 vgl. die Mittheilung aus der Brässler Hs. durch Herrn Professor Schade oben S. 41.
578", 29 ZB continua est, M continua ut durch Besserung; 578", 14 Z districta, MB
distincta\ 18 ZM illud, B illa.
*) Bis 579% 21.
**) Bis 580% 2 capri.
***) Bis 580% 11.
f) Bis 580% 17.
tt) Bis 580% 2.
ttt) Bis 581", 24, worin zu bemerken, daß 580'', B richtig 07noeoj}roferon, 581", 3
diproferon hat, 4 pede pedem stellt, 9 hinter Collisae : sunt einschiebt,
tttt) Bis 581% 9.
62 EUGEN PLEW
De bonis clausulis.
Monosyllabae dictiones etc. *).
Item de vitiosis.
In monosyllabis etc. **).
De elocutionis dignitate.
Post inventionem etc. ***),
De pronuntiatione.
Pronuntiatio est ex rerum et verborum dignitate vocis et corporis
moderatio. Possumus haec verba sie interpretari : pronuntiatio daz ist
tiu gerertida dero stimmo joh tis lichamin nach dero geriste dero uuorto *')
unde dero dingo**). Item quid est pronuntiatio? kerertida, kebarda,
kehaba, keuuiftigi *'), kezami, sintsami **), zuchtigi. Item pronuntiare
dicimus ferrenan sagen, i. praevenire verba gestu corporis et qualitate
vocis. Quid est gestvis? antpara, tatuuichunga **), anterunga, uuerbida.
Et quid est moderatio? scaphunga, mezunga, metensgaft *"). Hinc ap-
paret, bene illum pronuntiare, qui etc. f ). Vultus quoque pro sententiae
dignitate mutandi sunt, sed non ita ut histi'ionibus mos est, i. anterarin,
qui ora torquendo, i. pirecheu^') machondo, ridiculos motus, i. sileliche **)
gebarda spectantibus praestant. In hac parte oculorum magna est mo-
deratio, i. mezhaftigi, qui tum hilaritate, tum intentione, i. anasehungo,
tum minaci moventur aspectu. Nee nimium gravioribus superciliis pre-
mendi aut petentibus frontem nudandi sunt oculi, i. uf unde nider ganten
din brauuon nist ze uinstrinne noh ze uuit sehonne; quod in Pisone
Tullius araare vituperat, i. handego sciltit. Nee molliter agendi sunt
gestus , i. noh ze liso nerure *^) sich , nee muliebriter deducenda sunt
latera, i. noh uuibelicho '*") neuuanchoie *') mitten siton, nee jactanda
defoi-niiter cervix, i. nohne halsuuerfoie ^^) ze uugezamero uuis, ne in
illas Hortensii deducatur illecebras, i. unzuchte, quibus etsi venuste tarnen
non videbatur uti viriliter, i. tie er teta zero ^^) ni doch komelicho. Ad
summam gestus non is oratori tenendus est , quo scenae placere di-
cuntur actores , i. recitatores s. fabularum comicarum vel tragicarum :
manus in contentionibus fusa porrectius, i. ze uerro hina gerachder arm
stritendo; in sermocinatione vel narratione contracta, i. unde aber uui-
dere gezuhter, sagendo. Praecipue in hac parte praestandum est , ut
*) Bis 582», 20, worin zii bemerken ist, daß ö81'\ 28 B richtig Fit quidem, 582«,
11 B richtig mare fliicluandhus, litus ejectin hat.
**) Bis 583», 3. Zu bemerken ist, daß 582», 26 B richtig hfa res viea est hat und
582'', 23/24 der Satz, der in M fehlt, wie in Z so in B steht.
***) Bis 583^ 21. Zu bemerken ist, daß 583», 9 in B scripsit fehlt.
t) Bis 584*», 7, worin nur zu bemerken ist, daß 584", 23/24 inB rhetorice digenia fehlt.
zu DER NOTKERLSCHEN RHETORIK. 03
deceant cuncta , quod magis prudentia quam ulla praeceptionis hujus
arte servatur '^).
Has quinque partes rhetoricae qui tenet, ipsam tenet, quum ipsa
nihil aliud sit, quam quod partes ejus. Latet autem etc. *).
ANMERKUNGEN.
1. est fehlt in B; aus M ergänzt, da der Sinn es verlangt.
2. hujus B; aus M in Ms geändert, aus demselben Grunde.
3. Über die richtig alemannische Form sal vgl. Weinhold AI. Gr.
S. 156.
4. Statt fiunt hat B eine Lücke ; aus M ergänzt.
5. distrides ist verschrieben für dis strides. Zu dis vgl. Weinhold
a. a. 0. S. 460. Das irrationale i statt des tonlosen e (vgl. Weinhold
a. a. O, S. 25), das in M sehr überwiegend ist, erscheint in B auch,
aber seltener. Sehr häufig ist in B die Erweichung des organischen t
zu d im Inlaut , sowohl namentlich zwischen zwei Vocalen , als auch
nach hf ch und n: vgl. Weinhold S. 143. 144.
6. Quot nothwendige Änderung für Quod der Handschrift,
7. spacUcha dürfte Verschreibung sein für spi-aclicha] das c kann
richtig sein: „zahlreich weisen alemannische Handschi'iften im In- und
Auslaut k (c) an der Stelle von ch auf Weinhold S. 177 (aus Wacker-
nagel, Predigten wird angeftihrt sprac).
8. atHot B. Gemeint könnte sein ahttot (vgl. Weinhold S. 136).
9. rect''saga B. Gemeint ist Avohl recthsaga: über th für ht auch in
alemannischen Quellen vgl. Weinhold S. 137. — iz : B hat nur diese
Form : vgl. Weinhold S. 454.
10. föne fonanderme Dittographie fiir /one anderme. Der letzte Buch-
stab von andei^ie könnte auch ein o sein; sonst erscheinen in B im
Dativ die vollen Formen auf mo.
11. uuehsal: „altes a in den Sproßsilben war in dieser Zeit längst
dem unbestimmten e gewichen. Aber die Mundart suchte diesen Laut
in den Endungen heller und bestimmter zu sprechen, was die Schreiber
häufig durch a andeuteten". Weinhold S. 15.
12. B hat immer die vollen Formen daz oder taz, nicht dez; vgl.
Weinhold S. 460.
i3. antseigidiga , daneben noch einigemale antseigida\ später da-
gegen ein paarmal antsegida. Über dies unorganische ei für e vgl. Wein-
hold S. 55 (87. 103).
*^ Bis zu Ende; zu bemerken ist, daß Z. 19 B wie Z rhetorum, M dagegen rhetori-
corum hat: letzteres ist vielleicht vorzuziehen.
64 EUGEN I'LEW
14. ttncnldigiinfja B; wohl reiner Schreibfehler für unsculdigungn.
15. gna(J(mßeg''a B; gemeint ist vielleicht —ßegJia: vgl. Weinhokl
S. 180, wo indeß das gh im Inlaut nur vor oder nach i erscheint.
Wahrscheinlich soll h an die Stelle von g treten.
16. unuui'zenheit B. Über die Schreibung zz vgl. Weinhold S. 150.
geschitnot braucht nicht aus geschihtnot verschrieben zu sein: Beispiele
für den Ausfall des h vor t Weinhold S. 196.
\1. jam fehlt in B; dem Zusammenliange nach aus M ergänzt.
18. dicitur — quaestio fehlt in B, aus M ergänzt.
19. Über si vgl. Weinhold S. 456 f. in guodemo sin = in Gutem,
bei guter Gesinnung sein.
20. Über die Verschmelzung zimo vgl. Weinhold S. 23.
21. Über das ue in sptiedich Weinhold S. 69. d hier auch für t.
22. convictura B; Verschreibung für conjecfura.
23. hinc et inde aus M hereingesetzt. B hat et hinc, was keinen
Sinn gibt.
24. cotidiana : dem Sinne nach nothwendige Änderung für coti-
dianam, was B hat.
25. sHscipiendum esse gibt keinen rechten Sinn; vielleicht ist non
vor suscipiendum ausgefallen?
26. est fehlt in B ; aiis M ergänzt.
27. dixerit fehlt auch in B und ist aus M ergänzt.
28. i. constittdiones — partes fehlt in B; aus M ergänzt.
29. Susanna, das auch M hat, ist von Hattemer S. 569 ganz falsch
in Susannae geändert.
30. similiter est fehlt in B; aus M ergänzt.
31. nee — deheat aus M ergänzt.
32. hosfoi-um B.
33. declamatione B, sicher verschrieben aus de elocutione.
34. geotniezunga B.
35. ad persnadendum dicere B. Aus M das Richtige hergestellt.
36. qnicunque iml uiua enarrare B; hergestellt nach M.
37. Die Schreibart scaphunga erscheint in B neben scafunga. Vgl.
Weinhold S. 123.
38. gethadost B; wahrscheinlich verschrieben für getahdost , mit
Verhärtung des d zu t, Erweichung des t zu d: s. oben Anm. 5. Sollte
indeß gethadost festzuhalten sein, so wäre das th dann eine („in den
ältesten alemannischen Schriften sehr häufige" Weinhold S. 134) Schreib-
art für d, die freilich sonst in B nicht begegnet; über den Ausfall
von h vor t oder d vgl. Anm. 16.
zu DER NOTKERISCHEN RHETORIK. G5
39. nasf'ai B entspricht dem nasthai in M. Über das Wort vgl.
Waekernagel z. d. Stelle in Haupt Zeitschr. IV und Weinliold S. 14.
40. capratum B. Die richtige Schreibung ist caperatum.
41. dero uuoto unde dero uurto B: gemeint ist darnach wohl unde
dero uum'to.
42. digngo B ; wohl nur Verschreibung für dingo.
43. keuuifiigi B. keuuirftigi M. Die Form in B kann eine Ver-
schreibung sein , doch wäre ein solcher Ausfall des r nicht unerhört;
Weinhold S. 166 (Beispiele eines Ausfalls vor / finden sich hier freilich
nicht angegeben).
44. sintsami BMZ. Bei dieser Einstimmigkeit der Überlieferung
dürfte eine Änderung, wie sie Wackernagel vorschlägt (in sitisami)
nicht möglich sein. Es könnte immer eine Ableitung von sint = rich-
tiger, gehöriger Weg sein in dem Sinne von „richtiges Benehmen".
Vgl. sinnesam.
45. tatuuichunga B Z ; uiuchimga M. Ersteres ist sicher richtig und
auch nicht mit Wackernagel in tatuurchunga zu ändern; vgl. Graff
I, 708.
46. Zu der Schreibart metensgaß vgl. Weinhold S. 158.
47. pirechen B, wohl verschrieben aus priechen'^ prieken M. Vgl.
Schmeller I, 251: „briecken, brieggen" mit verzerrtem Gesicht weinen.
Schweizerisch dasselbe, und „die Brieke" weinerliches Gesicht, Stalder
I, 225. Also prieka oder priecha, schw. f. 1. Gehört das Wort vielleicht
zu priohan (preohan, st. V. abl. 6, krümmen, Schade W. B S. 459)?
48. sileliche B verschrieben ftir spileliche.
49. rure B; viele Beispiele gerade aus Notker des ü fiir uo gibt
Weinhold S. 48.
50. uuibelicho; der Bindevocal e (hier für a) vor lieh kommt auch
sonst in alemannischen Quellen vor: Weinhold S. 251.
51. uuanchoie, nachher uuerfoie. B und M (der einmal g statt i
schreibt) haben diese erweiterte Form des Conjunctivs, Z. nicht. Vgl.
Weinhold S. 368. 369.
52. zero, d. h. zero\ über e für ie im Alemannischen Weinhold
S. 38.
53. servitur (etur?) B; se^-vatur erfordert der Sinn.
KÖNIGSBERG i. Pr. im Mai 1868. EUGEN PLEW.
GERMANIA. Neu« Reihe U. (XIV.) Jahrg.
66 JOSEPH HAUPT
ZWEI ALTHOCHDEUTSCHE BRUCHSTÜCKE.
Die beiden folgenden Stücke wurden von den Deckeln der Hs.
2727 der k. k. Hofbibliothek abgelöst. Die Hs. stammt aus Monsee
und führte deshalb auch früher die Bezeichnung Lunaelacensis f. 182.
Sie gehören, mit Sicherheit das erste und größere A, zur Übersetzung
des Tractates Isidors von Sevilla De nativitate domini; beide gehören
auch zu derselben Hs., aus der Endlicher, Hoffmann und Maßmann die
Fragmenta theodisca herausgegeben haben.
Unsere Langstreifen werden jetzt mit den andern derselben Hs.
unter Nummer 3093* aufbewahrt. Die Stellen zu bestimmen , wohin
sie im beregten Tractate gehören , überlasse ich Anderen, die in
dieser Arbeit mehr Glück haben werden. Übrigens sind hier diese
Überreste Zeile für Zeile abgedruckt, und an den einzelnen Formen
und Lesarten kann um so weniger ein Zweifel sein, als beide Stücke
wohl erhalten sind und die Schrift so klar, deutlich und fest ist, auch
theilweise noch in der alten Schwärze dasteht, wie es selbst bei jün-
geren Hss, nicht oft der Fall ist.
WIEN, im December 1868. JOSEPH HAUPT.
A.
sih sid auar az aue siun . .
a deru selbun sentidu ist . a
s. auh oflfonor den selbun
. gafestinota duo er qu
5 denti uuidar leon sinem
i dea selbun iudeo liuti d
chuad auh der forasago . ae
ar . enti aer . denne iru bi qu
man chunt . So selbe der for
1 0 . aer danne du magad x
ar svmu in sineru gotnissu
ra magadi ziit biquami za
ano einigero ziteo bigin .
forasago dar after Huue
15 ti odo huuer gasah eo desiu
hhef eo neo uuiht mit mann
ZWEI ALTHOCHDEUTSCHE BRUCHSTÜCKE. 67
diu eo uuiht kalihhes . ent
Inugaih an ehre gaborane
e quad truhtin. Enti ih an
20 bu . za beranne . sculi ih uuesa
deru deseru urchundi ist za
a laubit . daz imo zueio . che
u za galaubenne odo hicche
sagun . dea diz bifora chu
25 Bi daz quidit heaR Hu
R FRUMISCAFTI UN.AR.S
ARd KABORAN FONA FAT
An gesint sohhenti . in huuelihh
kaboran uusti enti er • ist eo
30 m bi inan gascriban ist . Sinuz o
B.
zuiflomes
tant
5 sun . ga
auuisso quad .
sinemo .
sohhet .
eotot . ,
10 ran gotes
t galesan
denne
a demo seibo
ndita . quad
15 nti dih
deru steti
mo
u inan
sun tot
20 nne
altida
63 JOSEPH HAUPT
25
trulitin
Heu
selbo
BLANSCHANDIN.
BRUCHSTÜCKE EINES MHD. GEDICHTES.
Die folgenden Bruchstücke wurden von der Hs. 3742 der k. k.
Hofbibliothek abgelöst, an der sie als Rückenbänder aufgeklebt waren.
Diese Hs. ist eine Monseer (Limaelacensis f. 196), die wie die meisten
ihrer Schwestern in dem uralten oberösterreichischen Stifte selbst und
zwar in der zweiten Hälfte des fünfzehnten Jahrhundert ihren Einband
erhielt, wobei diese Bruchstücke die gemeldete Verwendung fanden.
Hieraus folgt, daß man damals in Monsee diese Hs., zu der die Bruch-
stücke gehörten , besaß und zwar in bereits sehr mangelhaftem Zu-
stande, da sie sonst schwerlich zum Einbinden wäre verbraucht worden.
Bis jetzt sind sieben Langstreifen aufgefunden, deren drei das
hier als I bezeichnete Blatt bilden, während Blatt II und III aus je
zweien solcher Streifen bestehen. Alle drei Blätter sind an den Seiten
rechts und links beschnitten, am stärksten natürlich II und III. Die Hs.
war in zwei Spalten auf der Seite zu je 32 Versen zwischen Linien
mit schönen Zügen um die Mitte des dreizehnten Jahrhunderts ge-
schrieben. Der Abkürzungen sind nur wenige, nämlich die in deutschen
Hss. auch sonst üblichen , die ich alle aufgelöst habe außer vn. Wo
durch große und verzierte Buchstaben Abschnitte bezeichnet werden,
habe ich im folgenden Drucke unter dem Text angegeben. Alles
cursiv gedruckte sind Ergänzungen von mir, und ich hoffe nicht zu
oft geirrt zu haben. Eben so bin ich fiir die Interpunction verantwort-
lich, die Hs. kennt nur hie und da Puncte hinter den Reimen und ein-
mal I, 13 ein Fragezeichen.
Diese Bruchstücke belehren uns, daß der französische roman d'a-
vantures, den Michehint unter dem Titel: Blancandin et Orgueilleuse
d'Amour zum ersten Male Paris 1867, 8" herausgegeben hat, gleich-
zeitig auch deutsch war bearbeitet worden , wovon aber der Heraus-
geber nichts wissen konnte.
BLANSCHANDIN. 69
Mit Hilfe dieser französischen Quelle lassen sich die Stelleu des
Gedichtes bestimmen, die unsere Bruchstücke einnahmen. Blatt I ent-
spricht V, 70—155; Blatt II v. 290—340; Blatt UI v. 385—440.
Schon aus den deutschen Bruchstücken geht deutlich hervor, daß
wir es wieder mit einem jungen tumben zu thun haben, der gewitzigt
werden soll. Ein König nämlich sucht seinen Sohn vor den Grefahren
dieser Welt dadurch zu bewahren, daß er ihm zwar einen Lehrer gibt,
demselben aber verbietet, dem Zögling zu erklären was Ritterschaft sei.
Auf einem Vorhange vor dem Gemache der Königin sieht der Junge
aber Rosse und Ritter, Helme und Halsberge, Schwerter und Speere,
Wehr und Waffen abgebildet und fragt seinen Lehrer daräber. Als ihm
endlich die ge"vvünschte Auskunft geworden ist , entreitet er heimlich
seinen Altern, weil er gehört hatte, ein gekrönter König oder ein zur
Krone geborner Prinz dürfe sich nur gegen seines Gleichen im ritter-
lichen Kampfe versuchen. Wer nun die Verszahlen des deutschen und
fraüzösischen Gedichtes vergleicht , sieht , wie viel ausführlicher der
deutsche Bearbeiter war ; alle die Stellen, in denen der Dichter spricht,
sind nicht im Französischen zu finden. Wenn derselbe das ganze Werk
auf diese Weise bearbeitet hat, so muß er die 6136 Reime seines Ori-
ginals auf mindestens die doppelte Zahl gebracht haben, was sich auch
daraus schließen lässt, daß Blatt HI unten am Rande als I*, also als
letztes Blatt der ersten Lage bezeichnet wird, und daneben stehen die
Worte : '^Daz ick die f{u)r{t) vch lere , was also der erste Vers der
zweiten Lage war.
Unser Dichter scheint den mitteldeutschen Gegenden angehört
zu haben, wie aus den Reimen riten : vermiden IH, 88 : 89 enpfän : stäri
n, 29 : 30 sich erweist. Dahin gehört auch die Hs., die zwischen tenuis
und media schwankt, z. B. im Anlaute: dotet = toetet III, 2; droum =
troum III, 29; oder im Inlaute: gebiedet = gebietet I, 12; side: ride =
Site : rite I, 41 : 42; geride : side = gerite : site I, 57 : 58; i-iden : biden =
riten : btten HI, 125 : 126 u. s. w. Man möchte glauben, ein hochdeutscher
Schreiber habe dies aus seiner Vorlage herüber genommen, aber da-
gegen sprechen die Formen: engelten : ich schelten (Infinitiv) HI, 5:6;
die p7'isen ich I, 28, ebenso die für diu I, 89, 108 ; wunderliche dinc I, 32
statt wunderlichiu dinc, ferner ü = üe I, 43 : 44, 96^ ü = iu I, 99, e : ce
öfter und was dergleichen mehr ist, worüber sich mit Sicherheit erst
urtheilen ließe, wenn das ganze Gedicht oder doch ein großer Theil
desselben vorläge.
Zimächst für die höfischen Kreise war das Werk bestimmt, wie
natürhchj und so kann es kaum überraschen, wenn der Dichter dai
70
JOSEPH HAUPT
Fechten Blanschandins mit dem des Feirefiz und Parzival vergleicht
n, 59. 60, aber wohl daß er so unhöfische Worte gebraucht, wie ivarc
n, 16, oder den Helden mit dem hauenden eberswin II, 81 vergleicht.
Für einen besonders guten Witz muß er gehalten haben, daß ihm ein
Ring von der Frau, die er meint, lieber wäre, als tausend Mark von einem
kargen Juden LEI, 105—112.
WIEN. JOSEPH HAUPT.
Sp. a * ier vmbe vil getrahtet
islichez sunder beahtet
und enkan ez niht zende komen.
zehn han sulchez niht vernomen/
5 Der meister sprach : 'daz si getan.
Ich wil uch gerne lan verstan
sit daz irz wizzen ruchet
und ouch an mich suchet,
«o wizzet ez ist ritterschaft.'
10 *fZat ritterschaft al sulche kraft,
liehe meister so saget ir.'
"oh ir gebiedet vollen mir'
'wsis ist daz sie tragent an?'
'^daz sint halsberge sunder wan
15 von ringen wol gecleinet,
d&z ist daz ir da meinet.*
'waz ist daz sin den banden hant
da, mide sie slahende so gant?'
ich wils vch sagen sit irz gert
20 ez sint vn heizent scharpfe swert'.
meister, sost mir ange
waz wesen muge daz lange?'
'ez sint sper mit orten schai-f
der iegelicher wol bedarf.
25 «0 sint daz breide schilde,
die hant ein wit gevilde
feeuangen vmb vnd vmbe sich.'
die ritterschaf die prisen ich.
waz ist daz vf dem houbte tra-
gent?'
30 "^ez sint helme so si sagent.'
\'n nomine' sprach der iungelinc
diz sint wunderliche dinc.
b 'Meister, daz iuch got gesegen.
Mac ein islich kunec pflegen
35 Ritterschaf vnd ob er wil?*
'Ja . ez enist ime niht ze vil,
E wan die crone ime werde gesät
vfi'e sin houbet an ir stat.
Wirt abr er gekronet
40 So wurden gar gehonet
Alle kunecliche side.
Ez enwere dan daz im wider ride
Ein kunec der crone trüge,
So duht ez mich gefuge;
45 Anders sol ez niht sin.'
'So nem ihz vf die triuwe min'
Sprach der iunge sunder hart
*Daz kunec vnde kuneclicher art
Ist missewart an eren.
50 Ich wil daz gar uei'keren.
Ist imen kunec worden
Pfliget der niht ritters orden,
Zware deist niht endelich.
Inen wolde niht sin ein kunec
rieh,
55 Daz ich ritterschaf verspreche
vn niemer sper zerbreche
Joch niemer hohez ors geride.
Es ist ein wunderlicher side
Der mir missehaget gar.
60 lehn erwinde niemer ich envar
Da ich ritterschaf gelerne.
Ich künde sie so gerne
Daz da min herze swillit nach.
Mir ist ze ritterschaf so gach
c 65 Inervinde danne waz ez si,
Sone wert ich niemer sorgen vri.
Ich ensi an kreften nie so kranc,
Mir enturniere min gedanc.
I. 5 D war roth und groß, jetzt sind nur noch die äußersten Urorisse da.
BLANSCHANDIN,
71
Nach ritterscliefte wil ich streben.
70 Liez mich nu got den tac geleben
Daz mir gewapent wurde der lip
Durch ere vü durch die werden wip
So wolt ich mich muntieren.
Striteu vnde turnieren
75 Daz solte man allez an mir han.'
Dise rede muster lazen stan,
Als ich die mere han vernomen.
Der kunec was von messe kernen
Vnd ouch die kunegin sin wip,
80 Sie hate minneclichen lip.
Daz ezzen vunden si bereit.
Den kemereren wart geseit
Daz sie sich arbeiten
Vnd die tauelen bereiten,
85 Der kunec der wolde ezzen gan.
Diz wart alzehant getan.
Der kunec nider ze tische saz,
Bit gantzen vreuden er az,
Beide er vnd die kunegin.
9 0 Nu saz der iunge Blanschandin
vnde mohte uil lutzel ezzen,
Er enkunde niht vergezzen
Der ritterschefte die er sach.
Herze vnde müt ime des veriach :
95 Em künde niemer werden vro,
Sin dinc gefugte sich also
d Daz er kerne in fremede lant,
Da ime ieman wurde erkant
Der vrhiges pflege
100 Vnde sich niht verlege
Der were arm oder riche,
Dar wolt er sicherliche.
Dise rede begunder abr lan.
Der tac begunde hine gan
105 Des abendes de ez naht wart
Do gedahte abr an sine uart
Der iunge sueze Blanschandin.
Der kunec vnd die kunegin
Bit banden sie sich viengen,
110 An ir bette sie giengen
Da ir ruwe niht verdarb.
Nu horent wie der iunge warb.
Eime knehte rief er dar,
Er sprach : 'geselle min nim war.
115 Bi dime libe gebiut ich dir,
Gra hin vil balde vn satele mir
Mins vader ors daz wize,
Daz tu bit gutem vlize.
Ich han dich iemer drumbe wert.
120 Daz zu brinc mir sin vil gut swert
Daz bit den scharpfen orten
Hin vor die grozen porten.
Ich gedienez vfFe minen eit.'
Daz ors daz wart zehant bereit,
125 Darzu daz swert . er brahtez dare.
Er saz dar vf . got in beware !
Des bedarf er inneclichen wol,
Wand er enweiz niht war er sol.
n.
Des sistu suezer got gelobet!
Nach strite mir daz herze tohet.'
Nu wart innen Blanschandi?«,
Daz er daz iunge frouweli«
5 Sere sluc mit gi-imme.
Bit einer hohen stimme
Rief er: 'Ritter lazet stan.
Ez ist vil vbele getan,
Daz ir mordet die frouwen.
10 Vwer dumpheit mac man
achouwen !
Ir sult zu disen ziten
Die frouwen lazen riten.
Pfi, pfi! daz ir sit geschant!
Daz ie wart an vch gewant
15 Ritters orden alse starc.
Ir sit ein vbeler wäre'
Der ritter daz vor übel nam.
Er sprach : 'juncherre saget an
Waz went ir diz geniezen?
20 Ez mac sie wol verdriezen
Swaz so nochdant uch gescÄehe
'Deme suezen gode ich hie
verieÄe
I. 87 Großes rothes D mit grüner Verziervmg. I. 103. II. 17 Großes grünes D
mit rother Veraierung.
72
JOSEPH HAUPT
Ir rehter böser ribalt
Bit siegen wil ich machen alt
25 Juwern vnreinen lip.
Vor vch behalt ich wol daz wip.'
Die solt ich henken ob ich wil.'
Vwers clafens ist ze vil,
Nu lazet iuwer clafen stan,
30 Oder ir muzet von mir enpfan
Daz vch iemer smerzen mac.
Ich slah vch nith wan einen slaa
h Der vch lihtet
Daz irs verwin
35 Der iunger
Daz du
Vnde mich so
Dir wirt din
Wond min herz
40 Des wirstu h
Anders mac e
So sprach der
Die frouwen n
Ritter, weit ir
45 So sit bereit
Ir sit ein vn
Vol bitter m
Wil mir daz
Ich sol vch
50 Daz kein ma
Pfi ir gune
Ir muzet si
Vch si von m
Vf vch min
55 Nv was der
als mir
Sie baten g
Hie wart ei
Daz ferefiz
60 Vnde parze
Nie so scho
Da sie bit e
Die sper sie
So daz sie
c 65 cke
icke
elingen
e bringen
unden
70 unden
n nam
ander gram
che
riebe
75 n spil
lengen wil
e beiden
eiden
zome
80 rne
eberswin
edec sin
aft
nde kraft
85 r vn dar
wol gewar
uden
rmuden
e here
90 sere
generte
te
ozeu slac
wac
95 eben müt
st so gut
i Du Äelfe ie deme rehten
Bit rehte sig ervehten
Den iungen an dem alten.
100 Wiltu sin eine walten
So mac er harte wol genesen.
Geruch im herre genedic wesen
Durch diner martel ere.
NocÄdant bit ich dich mere.
J05 Durch dine hohe trinitat
Daz du ime helfe vnde rat
Gebest zu sime strite,
Ynd tu daz herre inzite,
"Edaz er sinen iungen lip
JJO Yerliese durch mich armez wip.
Wände solt er hie verderben,
Ich vvolde e vor in sterben.'
n. 35 Großes rothes D mit rother Verzierung, 55 Großes grünes N mit rother
Verzierung.
BLANSCHANDIN.
73
Diz sj»rach sie heize weinende
ynd bit herzen meinende,
115 Das scÄone erhörte got ir bete.
Daran er godelichen tete.
Er ^estate daz der iunge man
Den sige gewan dem alten an,
Der vor des manigen hate er-
slagen ;
120 Des muster nu die buze tragen.
Blan sc handin daz an ime
sach
Da ime sin kraft niht helfe eniach
Wand er vil vor ime da hin.
ZeAant do lief er über in
125 Ynde slüc ime abe daz houbet.
Er wart also betoubet
Daz er niomer wort gesprach.
Die frouwe daz vil gerne sach.
III.
a Äerze unde sinne notet
in frouden dicke dotet
des zihcn ich die minne
ich funde in minera sinne
5 und mac ez wol engelten
daz ich sie lange schelten,
m'emen ane minne wesen sol.
die ist maniger seiden vol.
sioer mit triuwen minnen gert
10 tvirt des von ir gewert.
er manige missetat
det durch der minnen rat
n dem sie wirt gehaz.
minne ist maniger tagende vaz.
15 ich n wil sie niemer strafen.
ich wil schrien wafen
über alle die ir sprechen leit.
minne al der werlde selikeit,
6e«elige mich du weist wol wo
20 vnde mache mir daz herze vro.
dise rede wil ich hie begeben
vn Grifen an daz erste leben
vnd rihten daz nach rehte
bit deme iungen knehte.
25 do Blanschandin der gute
irsach
diz herzeleit diz vngemach,
dez wundert in vil sere,
erenwiste waz iz were,
und rfahte rehte ez were ein
droum.
30 daz ors bant er an einen boum,
und entwapeute sich vil schire,
daz harnasch nam der fiere
b Vn leite iz bi den toden man.
Sine cleider det er wieder an
35 Vn daz kuneclich gewant.
Vf sin ors saz er zehant.
Daz was starc snel vn gut,
Daz gab dem iungen hohen mfit.
Nu für er hinne . got hüte sin !
40 Des wünsch ich in dem herzen min,
Wand er mit grozer angest reit
Als vns die aventiure seit.
Er gedahte ime solten tragen haz
Des ritters vriunt die er entsaz
45 Den er durch rehte not ersluc.
Ern ruhte war in sin wec gedruc.
Wand er hate gar irgebeu
Beide lip vnde leben
In die waren godes pflege,
50 Des gelanc im alle wege.
Nu reit der wol getane
Niuwan nach wane.
Er kam in ein gebirge groz,
Da ein swindez wazzer vloz
55 Vn daz was vnfurtic gar.
Ez was abent, daz ist war.
Du er an daz wazzer kam.
Daz ors mit sporn er do nam
Vn wolde niht langer biten,
60 Er wolde vber riten.
Daz enwer im niht gut gewesen
Wand er were vil vngenesen.
IL 115 Da (ze tr) one? IIl. 51 Großes rothes N mit grüner Verzierung.
T4
O. CARNUTH
Nv wolte sin got walden.
er sach ginhalb halden
c 65 Ein ritter, was nacli gewonheit
Inneclichen wol bereit.
Er was gewapent harte wol,
Als von rehte ein riter sol,
Mit sper vnde mit schilte.
70 Vil lutzel in beuilde
Ern hete swaz er solte han.
Er was eltlich getan :
Sin bart gra vn wol gezogen,
Er hienc ime vffe den satelbogen.
75 Er hate ritterlichen müt.
Der selbe ritter was durh gut
Zn den ziten dar gesant.
Sin dinc daz was also gewant
Daz er wisen solte
80 Die fürt, swer vber wolte
Ze dinste siner frouwen komen,
Als ich die mere han vernomen.
Nu daz der ritter daz irsaeh
Lute rief er vfi sprach :
86 'Juncherre haltet stille,
Daz ist wol min wille.
Irn solt niht vurbaz riten,
Durch mich sult irs vermiten.
Daz mac vch lihte werden gut.
90 Ich wene daz ir rehte tut.
Folget minem rate.
Ez ist nu me zu spate,
Ich bin wiser dan ir :
Ratich vch wol so volget mir.
95 Daz ist ein wise sache :
Faret zu gemache
i Ez ist herbergens zit.
Dort vnder ginem berge lit
Ein wunneclichez burgelin.
100 Dar vart durch den willen min,
Da nimt man iuwer vil gut war.'
Sin vingerlin warf er im dai-.
Daz solt ein warzeichen wesere.
Daz steinelin was uzerlesen,
105 Ouch was ez fin von golde.
Gebe mir ein wip ze solde
Ein simelichez, die ich weiz;
Mir enwart nach gute nie so heizt
vn dete siez mit triuwen,
HO Solt ez mich iemer riuwen
Ich nemez e dan tusent marc
Die mir gebe ein iude karc.
Ez mohte ouch mich erfrou . .
Swer rehte minnet dem ist . .
115 Vn der niht geminnet ist
Noch trostes hatdekeinen yfvnst.)
Nn lazen wir dise rede sin.
Bl anschandin nam daz vin-
gerlin
vil wolte dannen sin gevarn.
120 Der ritter sprach: 'ir sult bewarn
Daz ir fru her wider komet:
Daz schat vch niht, ich wenz
fromet.
Ich will uch geben guten rat.
Swar nach uwer wille stat,
125 Ir sult niht über riden.
Ir sult min hie biden.
Ob ir kumet e dan ich.
Doch kum ich e des pinnich
ZUM ANNOLIEDE.
Daß der Dichter des Annoliedes nur das Wenigste von seinem
Stoffe selber geschaffen, vielmehr lediglich aus fremden, theils deutschen,
theils lateinischen Quellen geschöpft und compiliert habe, ist bekannt,
Bezzenberger hat in den Anmerkungen zu seiner Ausgabe einen großen
III. 57 Großes griines D. 63 Großes rothes N. 83 Großes rothes N. 117 Großes
grünes N mit rother Verzierung.
ZUM ÄKNOLIEDK 75
Theil derselben verzeichnet, nachdem bereits vorher Opitz die meisten
von ihnen nachgewiesen hatte. Was Schilter und Scherz im Thesaurus
in den Anmerkungen zum AnnoKede an Quellen geben , ist einfach
aus Opitz herüber genommen. Dagegen hat Bodmer in der Ausgabe von
Opitzens Gedichten noch einiges hinzugefügt. Aber nicht nur die That-
saclien, auch Schilderungen, Bilder und Gleichnisse hat der Dichter
wörtlich entlehnt und zur Ausschmückung der dargestellten Ereignisse
verwandt. Es war ein Irrthum Bodmers, der ebenso wie Herder dem
Dichter des Guten nicht genug nachrühmen kann, die schönen Gleich-
nisse des Gedichts als neue lobend hervorzuheben : sie sind meist nicht
Eigenthum des Dichters. Auf diesen Umstand ist meines Wissens noch
nicht ausdiiicklich hingewiesen worden, oder es hat doch an einer Zu-
sammenstellung von genügenden Zeugnissen dafür gefehlt.
Bei Besprechung des Gedichtes durch Herrn Prof. Schade in sei-
nen Vorlesungen über die Geschichte der altdeutschen Poesie im ver-
flossenen Winter wurde ich darauf aufmerksam, daß das Bild, welches
der Dichter bei der Schilderung der Parteikämpfe in Deutschland unter
Heinrich IV gebraucht:
diz rtche alliz hekerte sin gewefine in sin eigin inädere (Bezz. 685)
wörtlich zu Justin HI, 2 stimmt: Interea Graecia omnis ducibus Lace-
daemoniis et Atheniensibus in duas divisa partes ab extemis bellis
velut in viscera sua arma convertit. Eine ganz ähnliche Stelle
ist Justin Xni, 6: Sic Macedonia in duas partes discurrentibus ducibus
in sua viscera armatur ferrumque ab hostili hello in civilem san-
guinem vertit, exemplo furentium manus ac membra sua ipsa caesura.
Justin spricht hier von den Bürgerkriegen, die sich nach Alexanders
Tode zwischen Antigonus und Perdiccas erhoben hatten. Sicher lagen
unserem Dichter diese Stellen vor, er nahm sie einfach herüber, um
sie bei seiner Schilderung deutscher Bürgerkriege zu verwenden. Daß
er den Justin gekannt habe, beweisen die Abschnitte 117 — 152 Bezz.,
die aus Justin I, 1 u. 2 geschöpft sind. Auch Lucans Pharsalia I, 2
bietet eine Parallelstelle:
(canimus) populumque potentem
in sua victrici conversum viscera dextra.
Hier stimmt noch das victi'ici dextra mit v. 687: mit siginunftlicher
cesewe. Da auch Lucan dem Dichter des Annoliedes nicht unbekannt
war, wie sich weiter unten zeigen wird, so muß unentschieden bleiben,
aus welchem der beiden alten Autoren er sein Bild entnommen habe.
Eine andere Stelle, die dem Justin nachgebildet zu sein scheint,
ist V. 690 : daz di gidoußin Uchamin ciivorfin lagin umbigravin ci äse den
76 O. CARNUTH
hellindin den gravnn loalthmdin. Justin spricht II, 13 von der Pest, die
nach der Schhicht bei Salamis auf dem Rückzuge des Mardonius nach
Böotien im persischen Heere wüthete: Tanta foeditas morientium fuit,
ut viae cadaveribus implerentur alitesque et bestiae escae illecebris
sollicitatae exercitum sequerentur.
Wieder bietet hier Lucan Phars. VII, 825 etwas AhnHches. Er
schildert, wie Caesar die Leichname der gefallenen Pompejaner unver-
brannt liegen ließ und fährt dann fort:
Non solum Haemonii, funesta ad pabula belli
Bistonii venere lupi, tabemque cruentae
Caedis odorati Pholoen liquere leones,
Tunc ursi latebras, obscoeni tecta domosque
Deseruere canes.
Bezzenberger p. 120 hat Homer IL A, 4 avxovg 8e iXcigia tsvxs
xvv€66(,v olavolöi ts JtäOi vergleichen wollen. Doch es ist schwer zu
glauben, daß unser Dichter noch Griechisch verstanden habe. Von
Notker, der doch sicher 60 — 70 Jahre vorher starb (f 1022), wissen wir,
daß er es nicht mehr übersetzen konnte.
Bei der Schilderung der Schlacht von Pharsalus beruft sich der
Dichter des Annoliedes ausdrücklich auf ein Buch.
443. du wart diz heristi volcioig —
also diz bück quit —
daz in disemo merigarten
ie gevrumit wurde.
Dieses Buch ist sicher Lucans Pharsalia*), der Dichter hatte VII, 632
im Auge:
Non istas habuit pugnae Pharsalia partes
Quas aliae clades.
638. Maius ab hac acie, quam quod sua saecula ferrent,
Vulnus habent populi, plus est quam vita salusque
Quod perit, in totum mundi prostemimur aevum:
Vincitur his gladiis omnis quae serviet aetas.
Bei der Schilderung der Schlacht selber ist der Dichter wieder Lucan
genau gefolgt. Vgl. 447— 460 Bezz. und Pharsal. VII, 474:
O praeceps rabies, quum Caesar tela teneret,
Inventa est prior ulla manus ! Tunc stridulus aer
Elisus lituis conceptaque classica comu:
*) Auf diese Quelle hat bereits Holtzmann: Der Dicfiter desAnnoliede», im 2. Jahr-
gänge dieser Zeitschrift S. 28 hingewieseu.
ZUM ANNOLIEDE. 77
Ttmc nusae dare signa tubae, tunc aethera tendit,
Extremique fragor convexa irrupit Olympi,
Unde procul nubes, quo nulla tonitrua diirant.
Pindus agit fremitus, Pangaeaqne saxa resultaut
Oetaeaeque gemunt, riipes.
565. obit latis proiecta cadavera carapis.
Vulnera multorum, totum fusura cruorem.
790. cernit propulsa cruore
Flumina et excelsos cumiüis aequantia colles
Corpora, depressos in tabem spectat acervos.
Bezzenbergers Änderung glumite ftlr gliunte 452 erhält durch Lucans
'resultare und gemere eine beachtenswerthe Stütze.
Zu dem Bilde v. 420:
als ein vlüt vürin s' in daz lant
vgl. Phars. VI, 272:
Armaque late
Spargit, et efFuso laxat tentoria campo
Mutandaeque iuvat permissa licentia terrae.
Sic pleno Padus ore turnen s super aggere tutas
Excurrit ripas et totos concutit agros.
Die Erzählung von der Öffnung des Schatzhauses durch Caesar
(Bezz. 473) ist vielleicht aus Lucan III, 134 geflossen. Die Flucht des
Senats, des Cato und Pompejus beim Herannahen Caesars (427 Bezz.)
erwähnt Lucan I, 486, 522. II, 319. Caesars Macht wird I, 392 ff.
geschildert, die barbara turba Rheni auf seiner Seite II, 309 genannt.
III, 169 werden die Hilfstruppen des Pompejus aufgezählt. Reich nennt
der Dichter den Pompejus wol nach VII, 740 (Bezz. 459). Das Gleich-
niss Bezz. 445 :
alsi der hagil verit van den tvolkin
hat auch Vergil dreimal, vgl. Aeneis X, 803:
Ac velut effusa si quando grandine nimbi
praecipitant.
V, 458 und IX, 669.
Eine andere Quelle, die der Dichter des Annoliedes mehrfach
benutzt und nachgeahmt hat, ist Boethius de consolatione philosophiae-
Der Gedanke, daß die Schöpfung der übrigen Natur ihre Reinheit be-
wahrt habe, nur der Mensch gefallen sei (Bezz. 35) , ist auch bei Boeth.
I, 5 (Ausg. V. Obbarius, Jena 1843) ausgesprochen:
Nihil antiqua lege solutum
Linquit propriae stationis opus,
78 O. CARNUTH
Omnia certo fine gubernans
Hominura solos respuis actus etc.
Der reizenden Schilderung Bezz. 39—50 scheint Boeth. IV, 6 zu Grunde
zu Hegen:
Si vis celsi iura tonantis
Pura sollers cernere mente,
Adspice summi culraina caeli.
Illic iusto foedere rerum
Veterem servant sidera pacem:
Non sol rutilo concitus igne
Gelidum Phoebes inpedit axem,
Nee quae summo vertice mundi
Flectit rapides Ursa meatus,
Numquam occiduo Iota profunde
Cetera cernens sidera mergi,
Cupit Oeeano tingere flammas.
Haec concordia temperat aequis
Elementa modis, ut pugnantia
Vicibus cedant humida siccis
Jungantqvie fidem frigora flammis,
Pendulus ignis surgat in altum,
Terraeque graves pondere sidant.
His de caussis vere tepente
Spirat florifer annus odores.
Zu vergleichen ist noch Bezz, 47 und Boeth. I, 2:
Ut terram röseis floribus ornet.
Bezz. 48 und*) Boeth. II, 3:
Nemus flatu Zephyri tepentis
Vemis inrubuit rosis.
Bezz. 44—46 und Hieb 28, 25. Baruch 6, 59 ff.
Die Erzählung vom Cyclopen Polyphem und UHxes (Bezz. 361
bis 364) steht bei Boeth. IV, 7 :
Flevit amissos Ithacus sodales,
Quos ferus vasto recubans in antro
Mersit immani Polyphemus alvo:
Sed tarnen caeco furibundus ore
Gaudium maestis lacrimis rependit.
Ovid. Metam. I, 44:
Jnssit II fronde legi silvas.
ZUM ANNOLIEDE. 79
Zu Bezz. 355 vgl. Boeth. IV, 7:
Bella bis quinis operatus annis.
Im Liede v. 152 wird erzählt, daß die Giganten die Ziegel ge-
brannt hätten, aus denen der babylonische Thurm gebaut worden sei.
Notker (Hattemer p. 154) spricht bei der Übersetzung von Boeth. III, 12:
— Accepisti in fabulis lacessentes caelum Gigantes — über diese und
erzählt dabei die den Alten geläufige Sage. Dann fügt er aber hinzu:
Iz wären aber die wärhafto, die post diluvium tun^em, zimberoton xoider
gote, unde sie lourten divisae per linguas. Man könnte dadurch fast auf
den Gedanken kommen, daß der Dichter die Übersetzung des Notker
gekannt habe. Doch findet sich die Ansicht Notkers, gegründet auf
Genesis 6, auch in anderen Quellen des Mittelalters so oft, daß unser
Dichter sie eben so gut anderswoher haben konnte.
Das Gleichniss 647 fg. ist ein biblisches: vgl. Lib. Sap. 3, 6
tanquam aurura in fomace probavit illos et quasi holocausti hostiam
accepit iUos; Proverb. 17, 13 sicut igne probatur argentum et aurum
Camino, ita corda probat dominus; und Jes. Sirach 2, 5. Der Dichter
hat dies dann noch weiter ausgeführt. Ähnlich sagt Lambert, Pertz
ßcript. VII, 237, 36: Longa aegrotatio, qua Dominus vas electionis
suae in Camino tribulationis purius auro purgatius mundo obrizo deco-
xerat, und ebendaselbst 239, 36: Sed pius Dominus, qui quos amat
arguit et castigat, hanc quoque dilectam sibi animam ante diem voca-
tionis suae multis temptari permisit incommodis, ut scilicet ab eo omnem
scoriam terrenae conversationis excoqueret caminus transitoriae tribu-
lationis. Ebenso scheint das Bild Bezz. 773 fF. aus der Bibel entnommen
zu sein, vgl. 5 Mos. 32, 11: Sicut aquila provocans ad volandum pul-
los suos et super eos volitans expandit alas suas, et assumpsit eum
atque portavit in humeris suis. Zu Bezz. 145 vgl. Jonas 3, 3: Ninive
erat civitas magna itinere trium dierum.
Zum Schlüsse gebe ich eine übersichtliche Zusammenstellung aller
nachgewiesenen Quellen und Parallelstellen zum Annoliede, in die ich
auch die von Bezzenberger verzeichneten mit aufgenommen habe. Die
von Opitz gefundenen Quellen habe ich mit Op. bezeichnet, die von
Bodmer nachgewiesenen mit Bod., die von Bezzenberger mit Bezz.
Bezz. 10. Lambert , Pertz Script. — 44—46. Hiob 28, 25.
VII, 257, 30. 241, 17. Bezz. — 47. Boeth. I, 2.
— 20. Genes. 1. Ev. Johannis — 48. Boeth. II, 3. Ovid Metam.
I, 1. Bod. I, 44.
— 39—50. Boeth. IV, 6. Op. — 51—55. Boeth. I, 5.
Baruch VI, 59. — 107. Lambert 215, 18. Bezz.
80
O. CARNUTH
Bezz. 121—134. ) x .• t i ^
— 135-142. ! *^"'*^° ^' ^' ^P-
— 145. Jonas III, 3.
— 148. Josephus IX, 11. Op.
— 150—152. Justin I, 2. Bezz.
Notker p. 154.
— 153 — 161.Genesisll,3.Bezz.
— 175—182. Daniel VIT, 2 u. 3.
— 185—186. — VII, 17.
— 187—192. — VII, 4.
— 193-202. — VII, 5.
— 203-204. — VII, 6.
— 208. Plinius h. n. VI, 16. Op.
— 210 — 234. vgl. das aus Pseu-
do-Callisthenes Geflossene bei
Bezz. S. 103. Op.
— 235—246. Daniel VII, 7.
— 247—248. — VII, 24.
— 249—254. — VII, 8.
Apokalypse 17, 8—12.
— 263. Sallust Cat. VI, 6.
Eutrop I, 1. Bod.
— 267. Sallust VI, 7. Bod.
— 269. Lamb. Annal. p. 5.
Julius Caesar annis 5. Hie primus
monarchiam tenuit, et ab hoc
caesares appellati sunt. Bezz.
— 279. Tacit. Germ. 38.
Caesar bell. Gall. IV, 1—3.
Bezz.
— 301. Horat. Od. I, 16, 9.
Ep. 17, 71. Op.
Bezz. 312. Isidor Orig. XIV, 8. Op.
— 324. Widucliind, Pertz Script.
V, 418. Op.
— 342. Widuchind 1, 7. Op.
— 346. Bezzenb. 108—109*).
— 355. Boethius IV, 7.
— 361—364. Boethius IV, 7.
— 365—368. Verg. Aeneis III,
677. Op.
— 371—378. — — m,
294. Bezz.
— 379—382. — — 1, 242.
Livius I, 1. Op.
— 383—386. Verg. Aen. III, 390.
Op. VIII, 43. Bezz.
— 390—392. Verg. Aen. III,
349—50. Bod.
— 397. Caesar b. civ. 1, 1 u. 7.
Bezz.
— 415. Luean I, 392.
_ 420. — VI, 272. Op.
— 427—430. Lucan I, 486. 522.
— II, 319.
— 435. — III, 169.
— 440. Verg. Aen. X, 803. V,
458. IX, 666.
— 444. Lucan VII, 632. 638.
_ 447—460. Lucan VII, 474.
565. 790.
— 459. Lucan VII, 740.
— 473. — III, 134.
— 482. GermaniaTac. 41.Bezz.
*) Lucan I, 427 erzählt ebenso von den An-eniern, daß sie sich von Troja her-
leiteten :
Arvemique ansi Latios se fingere fratres,
Sanguine ab Iliaco populi.
Sollte diese Sage zusammenhängen mit der von den fabelhaften Wanderungen der Franken,
die Eumenius paneg. Constantio Caesari recepta Britannia d. cap. 18 erwähnt? (cf. Bezz.
p. 108). Vgl, Über die Arverner und ihre Berührung mit den Massiliensem Livius V, 34.
Plinius HN. IV, 19 nennt sie liberi Arvcrni. [Vgl. übrigens diese Zeitschr. I, 34 ff.]
ZUM ANNOLIEDE.
81
Bezz. 486. Dion LIV, 11. Bezz.
— 487. Tac. Anual. XII, 27.
Hist. IV, 28. Bezz.
— 505. Lcambert 204, 21. Bezz.
— 509 — 514. Gesta Trevirorum
I, 40. Bezz.
— 523—528. Mart. Polonus lib.
IV. Op.
— 540 — 558. Hagens Reimchro-
nik V. 44 — 151.
Cronica van Coellen Bl. 55''.
Bezz.
— 579. Lambert 237, 36. Op.
— 589. — 237, 45. Bezz.
— 590. — 237, 48. Bezz,
— 593. — 238, 1. Bezz.
— 595—612. Vita Ann. I, 8.
— 598. Lambert 237, 39. Bezz.
— 605. — 238, 16. Bezz.
— 613—628. Vita Ann. I, 9. Op.
— 629—632. — — I, 7.
— 639. Lambert 238, 11. Bezz.
— 640—644. Vita Ann. 1, 15. Op.
— 642. Lambert 238, 19. Bezz.
— 645—656. Lambert 237, 26.
Bezz.
— — 239, 86.
Jesus Sirach 2, 5.
Weisheit Salom. 3, 6.
Sprüche Salom. 17, 3.
KÖNIGSBERG i. Pr. im Mai 18G8.
Bezz. 657—672. Vita Ann. II, 21.
— 662. Lambert 240, 6. Bezz.
— 663. — 211, 42. Bezz.
— 672—694. Vita Ann. II, 23.
— 685. Justin III, 2. XIII, 6.
Lucan I, 2.
— 690. Justin II, 13. Lucan VII,
825.
— 694. Lambert 239, 22. Bezz.
— 695—710. Vita Ann. II, 24.
Op.
— 711—732. _ — n, 25.
Op.
— Lambert 240, 20. Bezz.
— 733—756. Vita Ann. II, 25.
— 757—770. — — III, 5
u. 15. Bezz.
— 759. Lambert ebendaselbst.
— 774. 5 Mos. 32, 11.
— 787—850. Vita Ann. III, 24,
Op.
— 851—865. 2 Mos. 14, 21 —22.
— 3, 8.
— 17. 6.
— 16, 4. 14 ff.
Baruch 45, 2.
— 865. 4 Mos. 12, 10. Bezz.
O. CARNUTH.
GERMANIA. Neue Reihe tl. (XlV.)Jahrg.
82 IT. OESTERLEY, ZU GESTA ROMANOIJUM.
ZU GESTA ROMANORUM.
Cap. LXVIII der lateinischen Gesta Romanorum lautet nach dem
Vulgärtexte: Gordianus regnavit, in cujus imperio erat quidam miles
generosus qui pulchram uxorem habebat, que sub viro sepius erat adul-
terata. Accidit semel quod maritus ad peregrinandum perrexit. lila vero
in continenti vocavit araasium suum. Doraina illa quandam ancillam
habebat que cantus avium intellexit. Cum vero amasius veniret, erant
tunc temporis tres galli in curia. Media nocte cum amasius juxta do-
minam jacuisset, priraus gallus cantare cepit. Domina, cum hoc audisset,
ait ancille: Die mihi, charissima, quid dicit gallus in cantu? Illa re-
spondit: Gallus dicit in cantu suo, quod tu facis injuriam domino tuo.
Ait domina: Occidatur gallus iste, et sie factum est. Tempore debito
post hec secundus gallus cantavit. Ait domina ancille : Quid dicit gallus
in cantu suo? Ait ancilla: Socius meus mortuus est pro veritate et ego
paratus sum mori pro ejus veritate. Ait domina: Occidatur gallus, et
sie factum est. Post hec tercius gallus cantavit. Domina, cum audisset,
dixit ancille: Quid dicit gallus in cantu suo? Illa respondit: Audi, vide,
tace, si tu vis vivere in pace. Ait domina: Non occidatur gallus iste.
Diesem Texte, ich habe nur den Gesang der drei Hähne im Auge,
schließen sich die meisten der mir bekannt gewordenen Handschriften
der Gesta an, während einige den einen oder anderen Gesang mit
Worten einleiten, wie angelice (Cod. Guelferbyt. Helmstad. 693, Quart,
Nr. 42), cantu angelico (Cod. Guelferbyt. 495, 4 Th. Fol. Nr. 41), oder
angelicis verbis (Cod. Guelf. August. 14, 5, Quart, Nr. 12). Das sonst un-
verständliche angelice etc. stammt nun daher, daß der Hahnengesang
ursprünglich in englischer Sprache geschrieben war, die englischen
Sätze aber als unverstanden oder unverständlich ausgemerzt wurden
und das anglice u. s. w. der Einleitungsworte in angelice u. s. w. sich
verwandelte. Ich habe bis jetzt in deutscheu Bibliotheken ftinf aus
deutschen Klöstern herstammende und imzweifelhaft von deutschen Or-
densleuten geschriebene Handschriften gefunden^ welche den ursprüng-
lich englischen, aber freilich vielfach verdorbenen Text enthalten, ein-
geleitet durch das richtige anglice o. ä. In dem Cod. Marburg. D. 20
Fol. (XV. Jahrh.) lautet er (Cap. 22) :
1. Ye ket seyt in yr sang yat you doyst jr ysban vnraut.
2. My fallau farys sozesau hait ylors lyf an lyt fullau.
3. Yr an sie ando leye stille kyff you Avoylt as ye pescau al ym wil.
CARL SGHR()DER, BEIDE. 83
Fast genau so in dem unzweifelhaft dem XV. Jahrh. angehörenden
Colmarer Cod. Issenh. 10 Fol. Nr. 52.
Im Cod. Monac. lat. 4691, Nr. 182 (XV. Jahrh.), mit dem Cod. 7759
und 7841 ziemlich übereinstimmen, ist vordem ersten Verse angelicis
geschrieben, das e aber ausradiert; die Sprüche lauten hier:
1. Ye koc seyt inir sang yac you doyst yr vsban wrang.
2. My fallaw for ys sore sau hayt yloris lif anlyt ful lau.
3. Yr anse andolye stille chyffiou woilt as hi pese au ale ys wil.
Dieselben Verse kommen auch in den von englischen Händen ge-
schriebenen Redactionen vor, namentlich in dem sog. anglo-lateinischen
Texte, Cod. Harl. 2270, Cap. 53.
In einer altenglischen Bearbeitung der Gesta Romanorum (Cod.
Harl. 7333, Nr. 45) heißen die Verse:
1. The cock 3eithe in his songe, that thow dost thin husbonde
wränge.
2. My felowe for his sothe sawe hathe loste hys lyf, ande lithe
ful lawe.
3. Here ande see and sey nowte , thenne thou maiste have alle
thi Wille.
Fast gleichlautend ist Cod. Harl. 5259.
Es ist damit erwiesen, daß die deutschen Schreiber häufig aus
englischen Händen stammende Vorlagen gehabt haben.
GÖTTINGEN. H. OESTERLEY.
BEIDE.
Zu den von J. Grimm (Gr. 4, 954; theilweise wiederholt Wb.
1, 1364) und im mhd. Wb. 1, 98'', sodann von Ziugerle in dieser Zeit-
schrift 6, 224 f. beigebrachten Beispielen dafür, daß in der älteren
Sprache der Begriff beide nicht selten auf drei erstreckt wird, kann
ich noch einige weitere Belege aus dem Gebiet des Niederrheinischeu
anfuhren. Es heißt bei Gotfined Hagen (ed. Groote) v. 2924: heyde lijff
ind guyt ind ere. ibd. v. 4710 : beide an live an goede an erven. ibid.
V. 5158 f. : beide interven ind intliven ind lesterlich us Coelne dryven,
Reinke de Vos (ed. Lübben) v. 2591 : beide sin gut sin lif unde lede.
Auch auf vier erstreckt findet sich beide bei Gotfr. Haffen
V. 2436: beide rieh arm grois ind deine. Doch trifft hier wohl trotz des
vereinfachten Beispiels und obwohl zwischen rieh und arm das ind fehlt,
was Grimm Gr. 4, 955 bemerkt, daß beide lieber auf die zwei Paare,
rieh arm und grois ind dein zu beziehen ist.
ERLANGEN. CARL SCHRÖDER.
• G*
84
FELIX LIEBRECIIT
VLÄMISCHE MÄRCHEN UND VOLKSLIEDER.
Ein unlängst erschienenes Büchlein (Oude Kinrlervertelsels in den
Brugschen Tongval vcrzameld en uitgegeven door Adolf Lootens, met
spraakkundige aanmerkingen over het brugsche taaleigen door M. E. F.
Brüssel 1868) enthält im Ganzen neun Märchen, die ich hier auszugs-
weise mittheilen will , da sie mancherlei Eigenthümliches darbieten
wenn auch meist in dürftiger Fassung; doch sind sie ganz vortrefflich
erzählt und ti-efFen den echten Volkston. Dies so wie die Bezeichnung
„alte Kindermärchen" erklärt sich durch folgende Stelle des VorAvorts :
„Wir haben diese Märchen so drucken lassen, wie eine genaue Über,
lieferung sie in verschiedenen Famihen bewahrt hat, ohne auch nur
ein Wort abzuändern, ohne auch nur einen Buchstaben hinzuzufügen
oder wegzulassen. Sie wurden uns durch hochbejahrte Personen von
ausgezeichnet gutem Gedächtniss erzählt und wir können demgemäß
versichei-n, daß sie seit ungefähr hundertuudfünfzig Jahren nicht die
mindeste Veränderung erlitten haben."
I. Tischchen deck dich (Platteboontje d. i. die Saubohne).
Ein armes Ehepaar mit vielen Kindern leidet große Noth ; da
steckt der M^nn eines Tages eine noch übrige Saubohne in die Erde
und findet sie den folgenden Morgen bis an die von St. Peter bewachte
Himmelspforte emporgewachsen. Er klettert an dem Stengel hinauf und
erhält auf seine Bitte um Almosen von dem heiligen Pförtner ein Schäf-
chen das bei den Worten „Schäfchen schüttle dich" allerlei Arten Geld
von sich schüttelt ^). Dieses Schäfchen jedoch wird ihm auf dem Rückwege^
da er die Nacht in einer Herberge zubringt, von den Wirthsleuten,
denen er die wunderbare Eigenschaft des Thierchens mitgetheilt, gegen
ein anderes vertauscht, so daß er zu Hause anlangend die gehegte Er-
wartung getäuscht sieht. Er klimmt wieder zu St. Peter empor und
erhält von ihm ein Tischchen deck dich (Tafeltje, dek loal), um das er
ebenso kommt wie um das Schäfchen und erlangt beide erst wieder
durch das dritte Geschenk des Heiligen, einen Sack mit Knüppeln,
») Schudden. Zeer waarschiinlijk Staat hier en overal in dit vertelsel schudden
voor schijten; men begrijpt genoegzam de reden waarom de" verbaler dit laatste woord
veranderd heeft. Anm. des Herausg.
VLÄMISCHE MÄRCHEN UND VOLKSLIEDER. 85
worauf er ein reicher Mann wird und sich eine Hofstelle kauft. Alle
aber, die später auf dieser Hofstelle wohnten, wurden gleichfalls reich.
— Das nun folgende Märchen wird gewöhnlich unmittelbar nach dem
vorhergehenden erzählt. Da es nur kurz ist, so theile ich es in der
Sprache des Originals , um zugleich eine Probe desselben zu geben,
vollständig mit und füge eine wörtliche Übersetzung hinzu, um es ge-
nauer verständlich zu machen.
IL Fleeres.
„Der was e gheel groot peerd up die hofstee*^) en 't heette Fleeres.
Eu 't dee oltijd zen harnasseure gheel olleen an, en 't gink gön ploe-
gen gheel olleene, en 't kreeg olle dage en gheelen eemer malk. En
ze wieren bllemolle rijkke die up die hofstee gingen weunen. Zo
der kwaem dor e keer en gheelen gieregen boer up die hofstee
weunen, en je zei : „Ja, da kost öl veel te veel gald dat da peerd
olle dage en gheelen eemer me malk moet hen|; 'k zöl ik öl gauw gön
maken dat 't geen malk meer en mag." Zo je dee look in da peerd
zen malk, omdat 't nie meer en zoe gemeugen hen. Mö lik of da peerd
begost an die malk te lekken, 't eu mögt het nie, en 't zei : „ Wat he
je me dör gegeven?" — „Zoete malk me look!" — „Fleeres göot deure,
en 't geluk ook." — En ze zijn sedert dien öl öorme geworden die
dör gewevmd hen."
Übersetzung.
Da Avar ein ganz großes Pferd auf jener Hofstelle, das hieß Fleeres.
Und es that immer sein Geschirr ganz allein an und es gieng ganz allein
pflügen^) und es bekam alle Tage einen ganzen Eimer Milch. Und sie
wurden allesammt reich, die auf der Hofstelle wohnten. So kam da einmal
ein ganz geiziger Bauer auf die Hofstelle zu wohnen u^nd er sagte : „Ja,
das kostet all viel zu viel Geld, daß das Pferd alle Tage einen ganzen
Eimer mit Milch haben muß; ich werde bald macheu, daß es keine
Milch mehr mag." So that er Lauch in des Pferdes seine Milch, damit
es keine mehr sollte haben wollen *). Aber sobald das Pferd an die
') ei und od bezeichnet eine Verschmelzung beider Vocale, — b, e dumpfes o
und e, — n sprich aus nk. Diese Angaben entnehme ich dem Anhang Spraakkundige
Aanmerkingen u. s. w. , einer sehr lehrreichen Übersicht der Eigenthümlichkeiten des
Brüggischen Dialekts, welcher der Sprache Maerlants noch sehr nahe steht, und daher
für den Sprachforscher nicht ohne Interesse ist.
^) Eig. „gieng pflügen gehen". Das Zeitwort gehen wird oft ganz überflüssig
eingeschoben.
■•j Eig. „gemocht haben-.
86 FELIX LIEBRECHT
Milch zu lecken begann, so mochte es sie nicht und sagte: „Was habt
ihr mir da gegeben?" — „Süße Milch mit Lauch." — „Fleeres geht
fort ^) und das Glück auch." — Und sie sind seit der Zeit alle arm
geworden, die da gewohnt haben.
ni. Der Herr Mond {Menheere de Mhne).
Ein verabschiedeter Soldat wird einmal eine Winternacht über
von einer alten Frau, die in einer Höhle wohnt, freundlich beherbergt
und bewirthet. Während er nun in einem Buche, das sie ihm gegeben,
liest, erscheint ein Männchen, das ihm auf sein Begehren alsbald einen
Beutel mit Geld bringt. Am nächsten Morgen, als er von der alten
Frau Abschied nimmt, um, wie er auf Befragen sagt, wohl noch hun-
derttausend Meilen weit zu reisen , meint sie , er werde auf seinem
langen Wege wohl ihre Brüder, den Morgenstern, den Mond und die
Sonne antreffen; er solle sie also von ihrer Schwester, die in der Höhle
wohne, bestens grüßen; es gienge ihr immer noch gut. Der Soldat ver-
spricht dies auszurichten und mit noch einem Beutel Geld von ihr be-
schenkt, setzt er seinen Weg fort. Des Abends langt er in einer schönen
Stadt an, wo er nach längerem Umherwandeln endlich an eine himmel-
blaue Pforte kommt, auf die ein silberner Stern gemalt war; darüber
aber stand zu lesen: „Hier wohnt der Herr Morgenstern." Der Soldat
klingelt, eine Magd öffnet ihm und eintretend richtet er dem Hauswirth
die Aufträge der Schwester desselben aus. Dieser wundert sich einiger-
maßen , wieder einmal nach hunderttausend Jahren von der Höhlen-
bewohnerin etwas zu hören und beherbergt dann den Soldaten die
Nacht über. Die Bewirthung freilich ist sehr miniaturmäßig. „Die Magd
brachte einen Tisch so groß wie ein Puppentischchen, die Teller waren
wie die Untertässchen, die Brote wie die Makronen, die Gläser wie die
Fingerhüte und man konnte wohl drei Stücke Fleisch zugleich in den
Mund stecken. Der Soldat und die Magd hatten gar großen Hunger
und steckten immer ganze Brote in den Mund." Am andern Morgen
geht es wieder wie den vorigen Tag: dieselbe Frage nach der Länge
seiner Reise und dieselben Aufträge an Mond und Sonne von Seiten
ihres Bruders, des Morgensternes, nebst einem Beutel voll Geld. Des
Abends in einer großen und schönen Stadt angelangt , findet er dort
gleichfalls eine himmelblaue Pforte , aber mit einem goldenen Monde
und darüber die Worte: „Hier wohnt der Herr Mond." Bei diesem
geht es dem Soldaten genau ebenso wie bei dem Morgenstern, nur hat
*) Eig. „(zur) Thür (hinaus)" foras.
VLÄMISCHE MÄRCHEN UND VOLKSLIEDER. 87
er doppelte Grüße auszurichten , von letzterem sowohl wie von der
Schwester in der Höhle, welche beide auch schon seit hunderttausend
Jahren nichts haben von sich hören lassen. Die Bewirthung jedoch
unterscheidet sich auf sehr vortheilhafte Weise von der des vorher-
gehenden Abends, „Die Gläser waren so groß wie die Eimer; da kam
ein ganzes Kalb auf den Tisch, die Brote waren so groß wie die Wa-
genräder, die Kannen mit Bier so groß wie die Fässer und es wurde
dem Soldaten schwer, auch nur ein halbes Butterbrot aufzuessen."
Nach geendigter jVialzeit fragt der Wirth den Soldaten , ob er heute
Nacht mit ihm scheinen wolle, wogegen letzterer nichts einzuwenden
hat; da aber die Magd meldet, der Himmel sei überwölkt, so vertreiben
sie sich inzischen die Zeit mit Kartenspielen, wobei der Soldat seinem
Wirth alles Geld abgewinnt. Endlich verkündet die Magd klares Wetter,
Wirth und Gast kriechen jeder in ein Feldbett, und es schienen in
jener Nacht zwei Monde. Am andern Morgen als es zu tagen beginnt
und der Soldat die ganze Welt mit allen Städten , Wäldern, Kirchen
und Schlössern gesehen hat , sinken die Betten nach und nach vom
Himmel herab und fahren endlich zu des Mondes Hausthtir hinein.
Wiederum erhält beim Abschied der Soldat einen Beutel mit Geld nebst
Grüßen des Mondes an seinen Bruder Sonne, letztere jedoch mit dem
Zusatz, daß, wenn dieser es sich noch einmal einfallen lasse, eine Fin-
sterniss ^) zu machen, der Mond ihn die Schwere seines eisernen Hand-
schuhs fühlen lassen würde; der Soldat solle ihm dann bei seiner Rück-
kehr zu wissen thun, was sein Bruder gesagt. Gegen Abend kommt
nun der Soldat in eine so schöne Stadt, wie er noch nie gesehen, und
in dieser nach langem Suchen zu einer goldenen Pforte mit diaman-
tener Sonne und der Inschrift: „Hier wohnt der Herr Sonne." Ehe er
vor letzterem erscheint, heißt ihn die Magd, die ihn eingelassen, sein
Taschentuch vor die Augen halten, um durch den Glanz ihres Herrn
nicht zu erblinden. Er richtet alsdann die Grüße der Schwester und
der Brüder aus, so wie daß es allen noch immer recht gut gienge;
auch vergisst er den Zusatz zu dem Compliment des Mondes nicht,
worauf der Bescheid lautet, daß Bruder Sonne durchaus keine Furcht
habe imd auf den eisernen Handschuh mit seinem eisernen Hebebaum
antworten werde. Den andern Morgen begibt der Soldat sich auf die
Rückreise, von der Sonne mit einem neuen Beutel Geld versehen. Bei
dem Monde richtet er dann die Antwort der letzteren aus, die aber
gleichfalls keine Furcht erweckt, vielmehr thun Wirth und Gast sich
Iklips, Eklipse.
88 J^ELIX LIEBRECHT
an dem Aljcnd sehr gütlich, worauf sie wieder so hinge Karten spieh'n,
bis der anfangs bedeckte Himmel sich geklärt hat; alsdann steigt jeder
von ihnen wie das vorige Mal in ein besonderes Bett, wohin der Soldat
all' das Seinige mitnimmt, und in jener Nacht scheinen wiederum zAvei
Monde. Diese wandeln über die ganze Welt hin, bis sie endlich zu der
Stadt gelangen, wo der Soldat wohnt. Dort lässt ihn der Mond gerade
auf die Außentreppe des Hauses nieder und der Soldat, der seine Sa-
chen aus dem Bette herausgenommen und sich vom Monde verab-
schiedet hat, wartet geduldig auf der Schwelle den Anbruch des Tages
ab, wo ihn dann der Vater findet und voll Freude empfängt. Da lebten
sie denn noch lange und glücklich als die Reichsten der Stadt.
IV. Aus Einem Körnchen drei (Van een groontji dne).
Ein Junge sollte einmal eine Quantität Getreide in die Mühle
tragen und dazu sagen, der Müller möchte aus einem jeden Körnchen
drei machen. Auf dem ganzen Wege wiederholt er immer diese Worte,
iiTt sich aber schließlich uud sagt: „Aus drei Körnern Eins." Indem
er nun so bei einigen Säemännern vorüber geht , belehren ihn diese,
er solle lieber sagen: „Ich AvoUte, daß da tausend daraus würden!"
Ein Schäfer, der eben seine Heerde vor einem Wolfe vertheidigen muß,
heißt ihn dagegen fortan sagen: „Ich wollte, er wäre in der Hölle!"
An einem Orte, wo man gerade ein Pferd abdeckt, hört er, er müsse
lieber sprechen: „Du hässliches Aas, wie du stinkst!" In einer festlich
geschmückten Stadt, wo die Vermählung einer Prinzessin gefeiert werden
soll und er letztere Worte wiederholt, lehrt man ihn dafür ausrufen:
„Ei wie prächtig, ei wie schön!" Vor einem brennenden Hause heißt
man ihn dafür lieber sagen: „Ich AvoUte, es brennte nimmer!" durch
Av eiche Worte er vor einer Schmiede, wo Husaren eben ihre Pferde
beschlagen lassen, diese so erbittert, daß sie ihm nachlaufen, um ihn
todtzuschlagen, weshalb er über Hals und Kopf nach Hause eilt.
V. Der gesell ei dte Peter (Pier m^ ze zwijn).
Peter und seine Mutter haben eine Woche lang fleißig gesponnen
und für den Verdienst hat Peter in der Stadt ein Schwein gekauft ;
da er aber auf dem Heimwege ein Schlückchen trinken will, so be-
zeichnet er dem Schwein den Weg nach Hause und lässt es laufen.
Später selbst bei seiner Mutter anlangend, erfährt er, daß kein Schwein
angekommen ist und daß er nicht recht gehandelt, vielmehr hätte er
das Thier au einen Strick binden und hei, hei rufen, wenn es aber nicht
VLÄMISCHE MÄECHEN UND VOLKSLIEDER. 89
voi'w^ärts wollte, es hinter sich her schleppen sollen. So verfährt er
dann auch am nächsten Markttage mit einem großen Stück Fleisch,
so daß dies von Hunden gefressen wird und bloß die mit Koth besu-
delten Knochen übrig bleiben. Die Mutter belehrt ihn auch nun wieder
eines Bessern ; er hätte das Fleisch in einem Sack auf dem Rifcken
nach Hause bringen sollen. Am nächsten Sonntag geht die Mutter in
die Kirche, nachdem sie den Waffelteig eingerührt hat, so daß Peter,
der die Pfanne bald darauf überlaufen sieht, sie in einen Sack schiebt
und mit diesem auf dem Kopfe nach der Kirchthür eilt, wo ihn nach
Beendigung der Messe die Mutter über und über mit Teig bedeckt
findet und ihm sagt, er hätte im Waffeleisen Waffeln backen müssen.
Den daraviffolgeuden Sonntag geht die Mutter wiederum zur Kirche,
sagt jedoch vorher dem Peter, er solle, sobald der von ihr angemachte
Kuchenteig zu steigen anfange, die Kucheneisen übers Feuer setzen
imd auf jedes zwei Kuchen legen, diese auch umdrehen, sobald sie
auf einer Seite genug gebacken wären. Peter thut, wie ihm geheißen,
aber als er die Kuchen umkehren will, da fällt in jeden ein halbes
Schwein, das er dann mitten in die Küche Avirft. Bei den nächsten
zwei Kuchen fallt ihm beim Umdrehen in jeden eine halbe Kuh, die
er gleichfalls mitten in die Küche wirft und dann bäckt er fort, bis
die Mutter kommt, welche mit allem ganz zufrieden ist und die zu-
sammengewachsene Kuh in den Kuhstall, das Schwein in den Schwein-
stail bringt. Mutter und Sohn leben fortan glücklich und zufrieden.
Und es ist aus,
Und die Katze ist die Braut,
Und der Hund wird morgen heirathen ;
Und wer wird der Spielmann sein?
Die Katze mit ihren vier Krallen.
(En 't is uit, — En de katt' is de bruid, — En den hciend go morgen
trouwen, — En wie gbt er de speelman zijn? — De katte met heur
vier klauwen.)
VI. Peterchen und Häuschen (Pietji en Jantji).
Peterehen und Häuschen sind zwei Brüder, von denen Häuschen
nimmer zur Schule will, wenn er nicht getragen wird. Da widersetzt
sich einmal Peterchen und sie kommen endlich bis zu einem Stock,
der aber trotz der Aufforderung Peterchens, Häuschen nicht schlagen
will. Und so geht es immer weiter wie in allen Märchen dieser Klasse ;
dann zidetzt trifft Petercheu eine Katze, die sich bereit erklärt, die
90 FELIX LIKBRECIIT
Ratte zu fangen; sie läuft ihr nach, ebenso wie die Ratte dem Strick,
der Strick dem Stier, der Stier dem Wasser, das AVasser dem Feuer,
das Feuer dem Apfel '), der Apfel dem Stock, der Stock dem Häns-
chen und Häuschen lief in die Schule und brauchte nie mehr getragen
zu werden.
VIT. Der Meisterdieb (Meester Gamt-dief).
Mit seinen unter einer Diebesbande zusammengestohlenen Reich-
thümern zur Mutter zurückkehrend vmd von dieser bei dem Landvogt
angegeben, erhält Jan, der Meisterdieb, von letzterem Verzeihung fiir
das Geschehene angeboten, wenn er die drei verlangten Proben seiner
Kunst ablege, die er dann auch richtig ausführt. Erstens stiehlt er das
Laken aus dem Bette, worin der Landvogt mit seiner Frau schläft,
indem er einen Strohmann zum Fenster emporhält,, so daß jener aus
dem Bette springt und in den Hof läuft, um die vermeintlichen Diebe
zu verjagen , während welcher Zeit Jan sich ins Haus schleicht und
sich ftlr den rtlckkehrenden Landvogt ausgebend, die Frau im Bette
immer weiter zurücknicken lässt, so daß er das Laken unbemerkt zu-
sammenrollen und damit wegkommen kann, um, wie er sagt, noch ein-
mal nach dem von ihm getödteten Diebe zu sehen. — Das beste Pferd
des Vogts stiehlt er, indem er sich als alte Frau verkleidet, bei dem
im Stall wohnenden Knecht einschleicht und ihn durch einen in Brannt-
wein enthaltenen Schlaftrunk einschläfert. — Endlich lässt er sich des
Abends in die Kirche einschließen , findet dann in der Sakristei die
Kleidung eines Engels, steckt alle Lichter an und beginnt zu läuten,
worauf er sich auf den Hochaltar stellt. Dem herbeikommenden Pfarrer
und Küster macht er weiß, er sei ein Engel und von Gott gesandt,
ihnen zu verkünden, daß sie am nächsten Tage ein großes Fest feiern
und dazu die Kirche mit allen Schmuck auszieren sollten. Dies ge-
schieht; Jan aber, nachdem jene beiden nach Hause gekehrt sind, rafft
Paramente , Silbergeföße und Juwelen zusammen , löscht die Lichter
aus und macht sich davon. — Da also Jan die drei Proben bestanden,
verzeiht ihm der Landvogt gegen das Versprechen, künftig seine Die-
bereien zu lassen und er lebt dann glücklich und zufrieden mit seiner
Mutter. „Und da sprang ein Frosch und das Märchen ist aus."
') Appel. So heilH es stets in diesem Märchen ; der Herausgeber meint aber,
das Richtige wäre wohl happe, Beil.
VLÄMISCHE MÄRCHEN UND VOLKSLIEDER. 91
VIII. Aschenputtel {Vuiltje-vaegt- den- Oven d. i. Schmutzfink,
feg' den Ofen).
Die jüngste von drei Königstöchtern, die auf Befi*agen ihren Vater
so lieb zu haben erklärt wie Salz, das sie sehr gern in der Suppe ißt,
während die Schwestern ihn den Augapfel und das eigene Leben nennen,
wird von ihm fortgejagt und verbirgt die mitgegebenen Kleider in einem
hohlen Baum, während sie die, so sie am Leibe hat, mit denen einer
armen Bäuerin vertauscht, worauf sie bei einer Schlossdame in Dienst
tritt und dort den niedrigsten Verrichtungen obliegt. Drei Sonntage
hinter einander eilt sie zum Baume, kleidet sich da jedesmal prächtiger
und geht so in die Kirche, wo sie dem Sohn ihrer Herrin sehr wohl
gefallt, ihm aber beim Herausgehen mit Zurücklassung eines Pantoffels,
dann eines Handschuhs und endlich eines Rings entspringt, welche sie
sämmtlich in der Eile verliert. Er bringt nun zwar immer diese Gegen-
stände nach Haus und lässt sie von Alleinvelt anpassen, jedoch nur
der schmutzigen Magd, die inzwischen wieder nach Hause gekommen
ist, sitzen sie auf gehörige Weise. Am dritten Sonntage eilt sie denn
noch ein zweites Mal nach dem Baume, schmückt sich noch herrlicher
und kommt in einer Kutsche ins Schloss gefahren, wo sie sich als Kö-
nigstochter zu erkennen gibt und den Sohn der Schlossdame heirathet.
Darauf kehrt sie mit ihm zu ihrem Vater zurück und er wird nach
dessen Tode König an seiner Statt.
IX. Vom Fischer und seiner Frau (Van'tvisscherfjininderodzee).
Auch in dieser Version dieses bekannten Märchens ist der gefan-
gene und wieder frei gelassene Fisch ein verwünschter Prinz. Was die
Wünsche der Frau betrifft, so geht der erste auf ein schönes Haus,
wobei das Zwiegespräch zwischen dem Fischer und dem Fisch so lautet :
„Vischtji, vischtjin in de roo*) zee."
„ — Wa blief je'), menheere van Tintelntee?"
„ — Me vrouwtjin is zo en ouk ^") kaddulletji ")
„En 't hee zo geern ze willetji '-)."
„ — En wat is je vrouwtjis willetji?"
» — 'T zou geern e schoon huis hen om in te weunen '^)."
*) Roth.
®) Was belieben Sie.
•) d. i. oiid, alt.
') Verdorbenes Kind.
') Und es hätte so gern seinen Willen.
') Wohnen.
92 FELIX LIEBKECIIT
Dann Avci'don nach einander schönes IIaus<>;eräth, Kleider und Wäsche,
zAvei Dienstmägde, endlich eine Kutsche mit zwei Pferden nebst eben-
soviel Bedienten verlangt, und zuletzt noch, daß die Fischerin höher
als unsere Liebe Frau , ihr Mann aber höher als unser Herrgott sei.
Da antwortet denn das Fischlein:
„Ah, gij leelike zot,
„Kruip weer oender Jen mostorpot."
Und da war Alles verschwunden und sie Avohnten wieder unter dem
Mostrichpott, statt welches letzteren auch ein pispotje oder eine Kauin-
chenhütte genannt wird.
Dies ist das letzte der in dem oben genannten Büchlein enthal-
tenen Märchen und dünkt es mir überflüssig, die anderwärts vorkom-
menden Parallelen dazu anzuführen, da sie sich Jedermann von selbst
darbieten. Nur zu Nr. III „Der Herr Mond" sind mir dergleichen nicht
bekannt, so wie überhaupt dieses Märchen ohne Z^veifel das interes-
santeste der ganzen Sammlung ist. Was Nr. H „Fleeres" betrifft, so
handelt es sich offenbar in demselben von einem dienstbaren Hausgeist
in Rossgestalt; vgl. über letztere Rochholz, Aarg. Sag. 1, 367. 368 f.
Ebendas. S. 353 f. ist von Hausgeistern die Rede, die wie Fleeres täg-
lich eine Ration Milch erhalten. Daß der Bauer letztern durch Lauch
vertreibt, beruht auf dem Glauben, daß derselbe den Eiben zuwider sei ;
s. Perger, Deutsche Pflanzensagen S. 82, so wie es endlich auch ein
bekannter Zug ist, daß mit dem Hausgeist zugleich auch das Glück
und Wohlergehen der Familie entweicht. Grimm DM. 452 f. Eigen-
thümlich sind ferner einzelne Züge der vorliegenden Märchen, wie z. B.
der Schluß von Nr. V „Der gescheidte Peter" , wo die Kuh und das
Schwein ganz unerwartet hereinkommen und ihre Wiederbelebung auf
eine uralte mythologische Vorstellung hindeuten dürfte; vgl. meine Be-
merkung in Eberts Jahrb. für roman. u. engl. Litt. 3, 157. Der eiserne
Hebelbaum, womit in Nr. III die Sonne den Mond bedroht, erinnert an
die eiserneu Stangen und Kolben, welche in den altdeutschen Dich-
tungen als Riesenwaffen erscheinen und auch sonst vorkommen; s. Grimm
DM. 500; vgl. meine Bemerkungen in den Gott. Gel. Anz. 1868 S. 1657 f.
Der Bohnensteugel und St. Peter in Nr. I gehören nicht zu diesem
IVIärchen imd sind ebenso erst später hinzugetreten wie zu Nr. 16 „Jan
im Himmel" in J. W. Wolfs Deutsche Märchen u. Sagen. In Betreff
des englischen Märchens „Hans inid der Bohnenstengel"' vgl. Tvlor,
Forschungen über die Urgeschichte der Menschheit u. s. w. Aus dem
Engl, von Müller S. 440. Von Nr. VII „Der Meisterdieb" findet sieh bei
Wolf a. a. O. Nr. V „Jan der Dieb" eine vollere vlämische Fassung.
VLÄMISCHE MÄRCHEN nsiJ VOLKSLIEDER. 93
Ehe ich diese Mittheihino; schließe, will ich noch darauf aufmerk-
sam machen, daß der Herausgeber der vorliegcndeu Märchen auch seit
längerer Zeit eine Sammlung Volkslieder im Brügger Dialekt vorbe-
reitet, welche nicht nur abweichende Fassungen von schon bekannten
Liedern, sondern auch viele bisher noch nicht herausgegebene enthalten
wird. Zu letzteren gehört z, B. das folgende:
De Zavelboom.
1.
Er zou eene maegd om bloemktjes gaen
Om een wandeling te doene;
Wat vond zy onder haer wege staen?
't was een zavelboomtje groene.
2.
Wel zavelboom, zei zy, zavelboom^
Waervan zyt gy zoo groene?
Wel maegdeki, zei de zavelboom,
Waervan zyt gy zoo schoone?
3.
Waervan dat ik zoo schoone zyn,
Dat zal ik u gaen zeggen;
Ik ete gebraeden en drinke den wyn,
En ik slapen op een pluime bedde.
4.
Eet gy gebraeden en drinkt gy den wyn,
En zyt gy daervan zoo schoone.
Den hemelschen dauw die valt er op my,
En daervan zyn ik zoo groene.
5.
Valt er den hemelschen dauw op \\,
En zyt gy daervan zoo groene,
Naer den zomer komt de winter zuer en spyt,
Uwe bladeren zullen verdroogen.
6.
Geraek ik in den winter myn' bladren kwyt,
In den zomer kryg ik ze weder;
Maer een teere maegd die hare eer is kwyt,
Die krygt ze nimmer meere.
94 FELIX LIERRECIIT
7.
"Wel, zavelboora, zei zy, zavelboom,
Ik dank u voor u welleeren;
Ik was te wege naer myn zoetelief,
Maer nu gae ik wederom keeren.
8.
Ja, keert gy weder zoo doet gy wel,
Trekt boven op uw slaepkamer;
AI waert gy vier hondert mylen ervan,
Als 't God belieft, gy zult wel verzaemen.
Deutsch ist vorstehendes Volkslied in mehrfachen Versionen vorhan-
den, s. Mittler Nr. 620 — 624 und dazu die Anmerkungen in der zweiten
Ausgabe. In Nr. 624 erscheint statt der sonst vorkommenden Hasel ein
Sahen- oder Sebenbaum, wie in dem vlämischen Liede. Letzteres hat den
großen Vorzug, daß Strophe 5 und 6 darin nicht in eine zusammengezogen
sind, wie seltsamerweise in allen deutschen Fassungen der Fall ist,
wodurch der Gedankengang luavollständig wird. Was dagegen die letzte
Strophe betrifft, so hat auch sie vielleicht eine Abänderung erlitten;
der Sinn ist jedenfalls, daß, wenn das Mädchen auch vierhundert Mei-
len weit von ihrem Geliebten '^) entfernt wäre, sie mit demselben, wenn
es anders Gott so gefalle, dennoch wieder zusammentreffen würde.
Ein anderes höchst interessantes Lied bezieht sich auf Philipp
des Schönen Fahrt nach Spanien und auf die Sage, daß seine Gemahn
Johanna ihn vergiftet haben sollte. Es ist gleichfalls ein Ineditum,
scheint aber sehr verstümmelt.
1.
't Was op een zondag naere den noen
Dat den koning zoude vertrekken ;
Hy zoude vertrekken na Spanjen,
Hy zoude vertrekken met al zyn volk.
2.
Als zy al verre gevaren (Var. kwamen, waren)
Stiermannen, zei hy, stiermaunen van my,
Klimt eens op uw mastje,
En steckt uw hoofd geheel diep in zee,
En kykt als m'haest in Spanje reen '*).
**) Ervan davon, d. i von ihm ; in diesem Worte scheint eben eine Verderbnis»
des ursprünglichen Textes zu liegen.
'*) Als ine reen, d. i. rijden. ob wir fahren.
VLÄMISCIIE MÄRCHEN UND VOLKSLIEDEK. 95
3.
Hy klom eens op zyn mastje,
Hy stak zyn hoofd zeer diep in zee,
Hy keek als m'haest in Spanje reen,
Hy voelde een windetje waeijen,
En hy hoorde een haentje kraeijen,
't was teeken dat m'haest in Spanje waren.
4.
Als me toe Spanje binnen kamen,
JoufFrouw Tsanne schonk ons den koelen wyn,
Uit een kroes van goude fyn,
Uit een kroes van goude;
Maer op den grond 't was al fenyn.
5.
J ouffrouw Tsanne, zei hy, Jouffrouw Tsanne van myn,
'k voel 't aen myn hertje,
Dat je me vergeven hebt met vuil fenyn.
6.
Jouffrouw Tsanne, zei hy, Jouffrouw Tsanne van myn,
Draeg zorg voor al myn kinderen fyn
Dat ze tot Roome in schoole zyn,
Dat ze te Roome schoole gaen,
Want by vier en twintig uren zal ik al in baere staen.
7.
's navens '*) de beeren waren gezeten
Z' hoorden wel zoo een groot gedruis.
Der waren twee sneuwwitte duivekens in huis.
Die onder den konings bedde kreesschen,
Om zyn zieltje was 't alderraeeste,
Ze vlogen met den konings zieltje te vensteren uit.
8.
Hollands beeren en Brabands,
"t zal Brügge nog wel rouwen,
Viaenderen nog al veel meer.
Van als den koning laetst in Spanje ree.
Auch das folgende Lied ist bis jetzt noch nicht herausgegeben,
aber leider unvollständig.
") Bm Abends.
96 VVAÄX LIKr.KECIIT, VLÄMISCHE MÄKCKEN etc.
1.
De kcizer van Zweclen had brieven geschreven,
Na 't moei raeisje van Parys,
De brieven en waren niet wel geschreven,
De keizer van Zweden moest zelve gaen.
2.
Hy passeerde voorby een weerdinneken haer deur,
De weerd was binnen, de weerdinne was veur. '*)
— „Weerdinne, tapt my een kanne bier!" —
Hy wierd van een moei meisje gediend.
3.
— „Weerdinne is dat uw dochterken niet?" —
— „'t en is voorwaer myn dochterken niet,
„Maer 't heeft er wel zeven jaer by my gediend,
„Zeven jaren en eenen dag." —
— „Weerdinne, logeert my van dezen nacht." —
4.
Mo '**) 't snavens 't moei meisje moest slapen gaen,
't moest er wel 60 trappen opgaen.
Van ieder trap dat zy opging.
De tränen liepen over haer aenschyn.
Der Kaiser fragt sie, warum sie weine und sie antwortet:
„'t en is voor vader, 't en is voor moeder,
„'t en is voor zuster, maer 't is voor broeder,
„De keizer van ZAveden is myn beer broeder."
* * * *
Trotz dem fragmentarischen Zustande dieses Liedes erkennt man
alsbald in demselben ein Seitenstück zu dem deutschen: „Die wieder-
gefundene Königstochter" bei Uhland Nr. 273 (Simrock Nr. 20, Mittler
Nr. 120). Auf die andern Parallelen gehe ich hier nicht ein, sondern
verweise zunächst auf Les Vieux Auteurs Castillans par le Comte
Th. de Puymaigre. Metz et Paris 1862 vol. 11 Nr. 357 ff. und dessen
Chants popul. recueillis dans le pays Messin; ebend. 1865 p. 58.
Die vorstehenden Proben lassen voraussehen, daß die Sammlung,
der sie entnommen sind, des Interessanten mancherlei enthalte, und
hoffen wir, daß das Erscheinen derselben nicht zu lange zögern werde.
LÜTTICH. FELIX LIEBRECHT.
') Vor (der Thür).
*) D. h. Maer.
LITTERATÜK.
Alt-isländische Volksballaden und Heldenlieder der Färinger. Zum ersten
Male übersetzt von P. T. Willatz eu. Bremen, Verlag von A. D. Geisler,
1865; VI u. 354 SS. 8".
Schon vor mehreren Jahren hat J6n Sigurdsson in Verbindung mit
S vend Grundtvig angefangen, eine Sammlung älterer isländischer Lieder heraus-
zugeben; drei Hefte dieser „Islenzk fornkvsedi" sind, die Nummern 19, 24 u. 26
der „Nordiske Oldskrifter, udgivne af det nordiske Literatur-Samfund" bildend, in
den Jahren 1854, 1858, 1859 erschienen, das in Aussicht gestellte vierte Heft ist
dagegen noch bis auf den heutigen Tag ausständig. Andererseits hat sich, nachdem
schon vorher der dänische Pfarrer und Botaniker Hans Ch ristian Lyngby e
(t 1837) die „Faeröiske qvaeder om Sigurd Fofnisbane og hans aet" herausgegeben
hatte (Randers, 1822), um die färöischen Volkslieder der treffliche Pfarrer
Wenzel Ulrich Hammershaimb angenommen; einer aus Deutschböhmen
stammenden, aber schon seit mehreren Generationen auf den Färöern sesshaften
Familie entsprossen, hat dieser, theilweise auf die handschriftlichen Sammlungen
Svaboe's (f 1824) und Schröters (f 1851) gestützt, zunächst in der „Antiquarisk
Tidsskrift" für 1846 — 48 und für 1849 — 51 eine Reihe sehr schätzbarer Mitthei-
lungen über Lieder und Räthsel, Sprichwörter und Redewendungen, Sitten, Sagen
und Spiele gemacht, sodann aber, als Heft 12 und 20 eben jener Oldskrifter jene
„Sjürdar kvsedi" neuerdings herausgegeben und eine Reihe weiterer „Faeröiske
kvaeder" folgen lassen (1851 und 1855), wogegen ein versprochenes drittes Heft
gleichfalls noch auf sich warten lässt. Auf diese beiden Sammlungen hat nun Hr.
Willatzen seine Übersetzung gebaut, doch so, daß von der isländischen nur wenig
mehr als die Hälfte, und von der färöischen nur ein noch geringerer Theil durch
ihn bearbeitet wurde. Für uns kommt bei seinem, Emanuel Geibel gewidmeten
Buche Dreierlei in Betracht: die Übersetzung selbst, der ihr beigegebene Com-
mentar, endlich die ihr vorangeschickte Einleitung. Beginnen wir mit der Ein-
leitung, welche nach ein paar Bemerkungen über das Volkslied im Allgemeinen
und das nordische Volkslied insbesondere, von den äußeren Lebensbedingungen
auf Island und den Färöern, von dem Volkscharakter der Isländer und zumal ihrer
Poesie, endlich von den Volksliedersammlungen des Nordens und der Art handelt,
wie bei der Übertragung der hier mitgetheilten Stücke verfahren wurde.
Von wärmster Begeisterung für seinen Gegenstand erfüllt, weiß unser Verf.
gewiss auch seinen Leser zu lebhafter Theilnahme an demselben anzuregen, und
damit mag wohl Alles erreicht sein, was er überhaupt mit seiner Einleitung zu er-
reichen beabsichtigte; strengeren gelehrten Anforderungen zu genügen, lag wohl
von Vornherein nicht in seinem Plane, und es wäre unbillig, an sein Werk einen
Maßstab anlegen zu wollen, welcher demselben nach seiner ganzen Anlage fremd
bleiben sollte. Aber doch dürfte es gerathen sein, so manche irrige Angabe und
so manche schiefe Auffassung, welche bei dem Verf. mit unterläuft, zu berichtigen,
damit nicht durch ihn neue Irrthümer eingeführt, oder doch bereits mehr oder
minder verbreitete in weiteren Kreisen befestigt werden, und es kann dies um so
mehr neben aller Anerkennung seiner Leistungen geschehen, als auch da wo der
Verf. meines Erachtens irre geht, doch immerhin ein offenes Auge und ein ernst-
GERUANrA. Neue Reihe n. (XIV.) Jahrn. 7
98 LITTERATUR.
liches Bemühen bei demselben nicht zu verkennen ist. — In ziemlich düsterer Weise
Bchildert der Verf. zunächst die Rauhheit des isländischen Landes mit
seinen ungeheuren Lavawüsten und Eisfeldern ; mir durch die Pracht der Abend-
und Morgenröthe sollen diese zu einer ans Wunderbare grenzenden Schönheit er-
leuchtet werden können, während sonst nur den fischreichen Gewässern entlang
der kurze Sommer einen freundlichen Wiesenteppich ergrünen lasse, die früher so
ausgedehnten Waldungen aber mit geringen Ausnahmen dem Einflüsse des immer
strenger werdenden Klima's erlegen seien. Theils dieser Verschlimmerung der Tem-
peraturverhältnisse, welche selbst wiederum durch die Bildung eines breiten Eis-
gürtels an der Ostküste Grönlands bedingt sein soll, theils den wiederholten Erd-
beben und viilcanischen Ausbrüchen, theils endlich der öfteren Wiederkehr von
Hungersnoth und schweren Epidemien will es denn auch zugeschrieben werden,
wenn das Land und die Zahl seiner Bewohner seit dessen Vereinigung mit Norwegen
und vollends mit Dänemark immer mehr herabgekommen sei. Ich kann mich mit
diesen Sätzen in keiner Weise einverstanden erklären. Die Thatsache selbst, daß
die Insel unter norwegischer und mehr noch unter dänischer Hen-schaft entschieden
zurückgegangen ist, fällt mir natürlich nicht ein zu leugnen. Es ist unmöglich,
aus den dürftigen statistischen Notizen, welche wir etwa aus den Jahren 1100,
1205, 1311, 1366, und dann wieder aus den Jahren 1670 — 80, 1703, 1769,
1801 u. s. w. haben, völlig bestimmte Resultate über die Bewegung der Bevöl-
kerungszahl im Laufe der Jahrhunderte zu gewinnen, immerhin aber lässt sich aus
denselben mit höchster Wahrscheinlichkeit auf eine sehr beträchtliche Minderung
derselben schließen *) ; wenn es ferner noch ungleich schwieriger sein muß, über
den ökonomischen Verfall des Landes zu bestimmten, ziffermäßigen Ergebnissen
zu gelangen, so lässt sich doch aus den Nachrichten der älteren Quellen über die
Lebensweise der Isländer, ihren Ackerbau und ihre Viehzucht, den Betrieb des
Handels auf eigenen und fremden Schiffen, endlich über die wichtigem Ein- und
Ausfuhrwaaren sammt deren officielle Tarifierung, im Zusammenhalte mit dem was
aus den Urkunden des späteren Mittelalters, den neueren legalen Handelstaxen und
den mehrfach zusammengestellten ökonomischen und Handelstabellen, dann aus der
Betrachtung der derzeitigen wirthschaftlichen Zustände der Insel zu entnehmen ist,
mit vollster Sicherheit ersehen, daß auch deren Wohlstand in sehr erheblichem
Umfange sich vermindert hat. Vollkommen verkehrt aber ist es, die Schuld an
diesem Rückgange des Landes und Volkes der Natur aufbürden zu wollen. Die
Vorstellung, als ob vordem die Temperatur eine höhere gewesen, und als ob sie
erst durch eine spätere Vereisung Grönlands gesunken sei, ist, wenn wir anders
von der historischen Zeit reden wollen, eine völlig unbegründete (vgl. Sartorius
von Waltershausen, Physisch-geographische Skizze von Island, S. 42), und wohl
gutentheils durch frühere Irrthümer über die Lage der alten grönländischen Colonie
veranlasst; weil die alten Quellen eine Eystri-bygd und Vestri-byg3 daselbst unter-
scheiden, hatte man geglaubt, die erstere auf der Ostküste Grönlands suchen, und
weil diese nunmehr unzugänglich ist, deren nachträgliche Vereisung annehmen zu
müssen — eine Annahme, welche durch Captain Graahs Erforschungsreise (1828
*) Amljotur Ölafsson nimmt in den Skyrslur um landshagi, I, S. 319—25, für die
Jahre 1100, 1311, 1386, daim 1670-80 eine Volkszahl von 104.753, — 95.083, — 90.187,
dann wenig über 50,000 Seelen an, während eine Zusammenstelhmg der Ergebnisse der
Zählungen von 1703, 1769, 1801, 183.5, 1850 ebenda, S. 2, die Ziffern 50.444,— 46.201,
— 47.240. — 56.035, — 59.157 ausweist.
LITTERATUR. 99
bis 31) längst widerlegt ist. So haben wir denn auch, wie hierauf schon früher
gelegentlich in dieser Zeitschrift hingewiesen wurde (VII, S. 245 — 64), nicht
den mindesten Grund anzunehmen , daß der Waldwuchs oder die Vorbedin-
gungen für den Betrieb des Ackerbaues früher auf Island besser gewesen seien als
jetzt, außer etwa insoferne, als einige Verschlimmerung in einzelnen Gregenden
durch locale Unglücksfälle oder schlechte W^irthschaft allerdings eingetreten sein
mag. Richtig ist ferner allerdings, daß schwere vulcanische Verheerungen wieder-
holt über die Insel ergangen sind, und daß diese, zum Theil im Gefolge derartiger
Verwüstungen, von drückender Hungersnoth sowohl als von gefährlichen Seuchen
oft genug heimgesucht wurde; aber wenn man auch nur einen flüchtigen Blick auf
das Eruptionsverzeichniss bei Preyer und Zirkel (Reise nach Island, S. 440 — 74),
das Verzeichniss der Epidemien bei Schleissner (Island, undersögt fra et Isegevi-
denskabeligt Synspunkt, S. 55 — 68) oder des Bischofs Dr. Hannes Finnsson, Ab-
handlung über die Abnahme der Bevölkerung auf Island in Folge von Missjahren
wirft (in den älteren Felagsrit, Bd. IV; in dänischer Bearbeitung im Jahre 1831
von Haidorr Einarsson wieder herausgegeben), so zeigt sich sofort, daß die Schrecken
der Natur auf der Insel zu allen Zeiten sich wesentlich gleichblieben, daß also nicht
in ihnen der Grund liegen kann des fortwährenden Rückganges, welcher in Bezug
auf Land und Leute sich bemerklich macht, und in der That sind zumal die durch
ungewöhnliche Naturereignisse eingetretenen Verluste an Menschen auf Island wie
anderwärts nachweisbar durch um so rascheren Zuwachs der Bevölkerung in den
nächstfolgenden Jahren stets wieder ausgeglichen worden. Auch ist die Unwirth-
lichkeit der Insel keineswegs so groß, als man sich dieselbe vielfach vorstellt. Wohl
ist das Land rauh und der Sommer kurz; aber durch Beides ist eben doch nur ein
wirthschaftlicher Betrieb ähnlich demjenigen bedingt, wie er sich in unseren eigenen
Hochalpen gestaltet, während die reiclie See (audigur sem Njördur, sagte man be-
reits im Heidenthume!) dem Isländer, anders als unseren Alplern, noch eine weitere
sehr ausgiebige Beisteuer zu seinem Unterhalte liefert. Wie erklärt sich dann aber
einerseits die ungeheure Verwüstung, welche vorübergehende Unglücksfälle bereits
wiederholt auf der Insel angerichtet haben, und andererseits jenes stetige Herab-
sinken des Volkes, welches unabhängig von den durch sie bedingten Schwankungen
sich vollzieht? Schon im Jahre 1786 hat Chr. Ulr. Detl. Eggers in seiner anonym
erschienenen „Philosophischen Schilderung der gegenwärtigen Verfassung von Is-
land" ausgesprochen, daß Nothstände wie die in den Jahren 1783 — 84 eingetre-
tenen „in diesem von der Natur so reichlich mit Esswaaren versehenen Lande ein-
zig und allein eine Folge verkehrter bürgerlicher Einrichtungen" seien, und daß es
nur solchen zugeschrieben werden müsse, wenn die Leute „bei Tausenden todthun-
gern, in einem Lande, das Fische und Fleisch im Überfluss hat" (S. 4 und 152);
in demselben Werke ist aber auch nicht minder bereits offen ausgesprochen (S. 209
u. folg.), daß es die durchaus verkehrte Handelspolitik der dänischen Könige war,
welche den allmälich fortschreitenden Ruin des Landes verschuldet habe, und es ist
nur eine Wiederholung desselben Gedankens, wenn wenige Jahrzehnte später ein
einheimischer Dichter singt:
frihöndlun oss drepur Dana,
dreingja engum litzt ä hana (Ljodmaeli Sigurdar Pöturssonar, I, S. 253).
Wirklich bedarf das Herabkommen des Landes kaum noch einer weiteren Erklä-
rung, wenn man beachtet, daß bereits um die Mitte des 14. Jhd. der isländische
Handel von den Königen von Norwegen für regal erklärt, in Bergen concentriert,
7*
100 LITTEHATUR.
an besondere Conccssion geknüpft und mit schweren Abgaben belastet wurde, daß
dann, nachdem im 15. Jhd. zumal die Engländer, im 16. aber zumal die Hanseaten
denselben an sich gerissen hatten, seit dem Anfange des 17. Jhd. derselbe bald an
geschlossene Compagnien, bald an einzelne Kaufleute in Dänemark um schweres
Geld verpachtet, oder auch auf königliche Regie betrieben wurde, bis endlich vom
1. Januar 1788 eine sogenannte Freicrkliirung des Handels eintrat, welche indessen
von Vornherein nur zu Gunsten der Unterthanen des Königs in Dänemark, Nor-
wegen und den deutschen Hcrzogthümern galt und selbst innerhalb dieser Schran-
ken noch an manigfache, sehr hemmende Voraussetzungen gebunden war, und erst
im Jahre 1816 in letzterer Beziehung etwas erleichtert wurde, — wenn man ferner
bedenkt, daß seit dem Jahre 1619 bis zum Jahre 1787 der Handel nach einer
von der Regierung festgestellten Taxe betrieben werden mußte, bei deren Aufstel-
lung im Interesse der dänischen Kaufleute alle Importartikel übertrieben hoch,
alle Exportartikel aber unverantwortlich nieder angesetzt worden waren, während
zugleich barbarische Strafen denjenigen bedrohten, welcher sich beigehen ließ, bei
einem unberechtigten oder auch nur in einem anderen Theile der Insel berechtigten
Handeismanne einzukaufen oder an einen solchen zu verkaufen. Aus einer interes-
santen Waarentaxe, welche dem Anfange des 15. Jhd. angehört, hat man berechnet,
daß die englischen Handelsleute dazumal den isländischen Stockfisch sechsmal
60 theuer bezahlten, als er in den dänischen Taxen von 1619 — 1776 angesetzt
war, während umgekehrt die Engländer Tuch fast um die Hälfte billiger gaben,
als die Taxe von 1619, und viermal billiger als die Taxen von 1684 und 1702,
u. dgl. m. (vgl. Finnur Magnussen, Om de Engelskes Handel og Fserd paa Island i
det 15. de Aarhundrede, in der Nordisk Tidsskrift for Oldkyndighed, II, S. 146
u. folg.). Seitdem nach langer und heftiger Agitation endlich im Jahi-e 1855 die
vollständige Freigebung des isländischen Handels durchgesetzt wurde, sind sofort
die Preise der isländischen Exportwaaren beträchtlich gestiegen, neue Exportartikel
ausfindig gemacht und die alten mit größerer Sorgsamkeit cultiviert worden, ganz
wie bereits vorher die beschränktere Handelsfreiheit seit dem Jahre 1788 in der
gleichen Richtung günstige Wirkungen geäußert hatte, und ein Blick auf die Be-
völkerungsziff'ern zeigt denn auch, daß mit dem Jahre 1735, mit welchem die fort-
laufende Zusammenstellung (in den Skyrslur um landshagi, I, S. 397 — 9) beginnt,
bis zum Jahre 17 83 die Volkszahl durch unbedeutende Schwankungen hindurch
von 43.571 nur bis auf 48.884 Seelen sich hob, daß sie dann aber durch ein paar
schwere Unglücksjahre bis zur Ziff"er von 38.363 herabgedrückt (1786), unter der
Herrschaft des beschränkten Freihandels bereits so rasch stieg, daß sie im Jahre
1816 schon die Ziffer von 47.691 und im Jahr 1855 die Ziffer von 64.603 Seelen
erreichte. Die Volkszählung im Jahre 1860, die letzte, welche stattgefunden hat,
ergab eine Seelenzahl von 66.987 (Skyrslur, III, S. 47), und es nahm somit die
Bevölkerung in den 48 Jahren des Monopolhandels (1735 — 83) um durchschnitt-
lich 110 Seelen im Jahre zu, wobei die schweren Jahre von 1783 — 6 noch nicht
einmal gerechnet sind, in den 30 Jahren des beschränktesten Freihandels (1787
bis 1816) um 310, und in den 39 Jahren des minder beengten Handels (1817 — 55)
um 433, endlich in den fünf Jahren der vollen Handelsfreiheit (1855 — 60) um
volle 476 Köpfe im Jahre zu. Kann es einen schlagenderen Beweis geben für die
Schuld des Menschen und die Unschuld der Natur an. der jahrhundertelangen Ver-
wahrlosung von Land und Leuten? — So ist denn auch das Leben auf der
Insel keineswegs so freudlos, der Volkecharakter des Isländers keineswegs
LITTERATUR. 101
80 trüb, als unser Verf. beide darstellt. Allerdings folgt er in seiner Darstellung
lediglich den Berichten so mancher Reisender; aber die Sache ist eben die, daß die
Schattenseiten des isländischen Volkslebens mehr auf dem materiellen, dessen Licht-
seiten mehr auf dem geistigen Gebiete liegen und schon darum weniger in die Augen
fallen als jene; daß ferner die Reisenden, welche Island besuchen, zumeist der
Landessprache sowohl als der geschichtlichen Entwicklung des Volkes völlig un-
kundig und somit ganz außer Stand sind, den Nationalcharakter des letzteren und
die minder auf der Oberfläche liegenden Seiten seines Treibens richtig zu erfassen.
Wahr ist es, daß die Wohnungen der Isländer gar sehr ärmlicher Beschaffenheit
sind. Es fehlt der Insel gänzlich an Bauholz, nicht minder an Lehm, aus welchem
Ziegeln geformt werden könnten, und sogar an Kalk, um die etwa zu hauenden
Bruchsteine zusammenzufügen ; aus Norwegen müssen die Bretter und Balkon, aus
England oder aus Dänemark der Kalk und die Backsteine eingeführt werden, und
so muß denn die große Masse der Einwohner mit den landesüblichen Gebäuden aus
wechselnden Lagen von Rollsteinen und Rasenstreifen sich begnügen, und selbst
der Vermöglichere die Anwendung jener theureren Materialien auf ein Minimum
reducieren. Wahr ist auch, daß es mit der Heizung übel bestellt ist im Lande.
Wie an Bauholz, so fehlt es auch an Brennholz so gut wie gänzlich, und wollen
die wenig zahlreichen und noch weniger ergiebigen Waldungen kaum genügen,
um die nöthigen Schmiedekohlen zu liefern ; Torf tritt zwar massenhaft auf,
aber doch nur in gewissen Gegenden, während andere seiner völlig entbehren,
und vielfach muß man sich darum, soweit man nicht etwa aus der Fremde ein-
geführte Steinkohlen zu erschwingen vermag, selbst für die Küche mit getrock-
netem Schafmiste behelfen , welcher doch selber wieder der Landwirthschaft
abgestohlen werden muß. Endlich ist auch richtig, daß das Land, wesentlich
auf den Betrieb der Viehzucht und der Fischerei beschränkt, Getreide, Hülsen-
früchte und so mancherlei andere Nahrungsmittel so gut wie gar nicht produciert,
und somit auch in Bezug auf diese lediglich auf die Einfuhr aus der Fremde
angewiesen ist, und wir dürfen sogar noch hinzufügen, daß das Gleiche auch
von einer langen Reihe sonstiger, sehr erheblicher Lebensbedürfnisse gilt, wie
z. B, von Eisen, Kupfer und Blei, von Tuch-, Linnen- und Baumwollwaaren,
Leder, Colonialwaaren, Salz u. dgl. m. Aber aus allen Dem folgt denn doch nur,
daß der auswärtige Handel für die Insel eine ungleich höhere Bedeutung hat,
als für die meisten andern Länder, sofern dieselbe von der Natur sehr augen-
fällig darauf angewiesen ist, die Einförmigkeit ihrer eigenen Producte durch die
Einfuhr von fremden zu ergänzen ; dagegen ist damit noch keineswegs festgestellt,
%daß jene Mangelhaftigkeit der inländischen Production bei einigermaßen vernünf-
tiger Regelung der Handelsverhältnisse nicht durch deren Massenhaftigkeit voll-
ständig ausgeglichen werden könne, oder daß auch nur deren Einseitigkeit groß
genug sei, um das Land absolut abhängig zu machen von der Fremde. Wie
man sich bezüglich der Wohnungen und des Hrennmateriales zur Noth zu be-
helfen vermag, wurde bereits erwähnt ; es erzeugt aber die Insel auch an Fleisch,
Milch und Butter, an Eiern und an trefflichen Fischen eine Fülle der ausgiebig-
sten Nahrungsmittel, und ersetzen zumal die letzteren in gedörrtem Zustande
vollständig das Brod ; aus einheimischer Schafwolle werden im Laude selbst grobe
Tücher, Strümpfe, Handschuhe gestrickt und gewebt und mit einheimischen Farb-
stoffen gefärbt, so daß auch bezüglich der Kleidung der Isländer äußersten Falles
vom fremden Importe absehen kann, — aus einheimischen Fellen werden Schuhe
102 LITTERATUß.
bereitet, mit einheimischen Federn die Betten gefüllt, und auch die Salzbereitung
aus Seewasser ist bereits nicht ohne Glück versucht worden, u. dgl. m. Kann hier-
nach die isländische Wirthschaft, was für Nothjahre von sehr erheblicher Bedeutung
ist, für den schlimmsten Fall auch ohne fremde Zufuhr bestehen, so wirft umge-
kehrt in guten oder auch nur mittelmäßigen Jahren die Viehzucht sammt der Jagd
und dem Federnsammeln, dann die Fischerei sammt dem Seehundsfange hinrei-
chende Überschüsse ab, um diese recht wohl decken zu können, und da das Land
der Fischerei und des Fischexportes wegen von französischen und spanischen so-
wohl als von dänischen und norwegischen, englischen und deutschen Schiffen be-
sucht wird, überdies aber auch keine Einfuhrzölle kennt, kommen ihm sogar manche
Luxuswaaren, wie z. B. Colonialwaaren, Weine u. dgl. in guter Qualität zu ver-
gleichweise sehr billigen Preisen zu. So hängt demnach der Grad materieller Be-
haglichkeit, dessen der isländische Bauer sich erfreut, wesentlich nur von seiner
eigenen Thätigkeit, Geschicklichkeit und Umsicht ab. Legt er, wie dies allerdings
oft genug zu geschehen pflegt, alles Gewicht darauf, möglichst ausgedehnten Grund-
besitz und möglichst zahlreiche Schafheerden zu erhalten, stellt er sich daneben vom
reichen Ertrage der Fischerei abhängig und vergeudet er, was er in guten Jahren
einnimmt, sofort auf Tabak und Branntwein, CafFee und unnöthigen Flitter, so wird
freilich seine thörichte Wirthschaft von scheinbar glänzendem Bestände herab durch
ein einziges Missjahr in den äußersten Ruin gestürzt werden ; wählt er dagegen
sein Besitzthum nicht gröber, als er es völlig zu übersehen und durch fleißige Ar-
beit möglichst zu meliorieren vermag, hält er keinen stärkern Viehstand, als er
selbst im härtesten Winter noch reichlich zu ernähren im Stande ist und sieht er
darauf, mindestens für ein volles Jahr stets im Voraus Vorrath an Futter zu haben,
wendet er neben den Schafen auch dem ungünstigen Zufällen weniger ausgesetzten
Kuhvieh die gebührende Sorgfalt zu und entzieht er nicht dem Landbau die nöthigen
Arbeitskräfte durch unzeitige oder übermäßige Speculation auf die Fischerei, ver-
steht er es endlich, auch in den besten Jahren hauszuhalten und einen Sparpfennig
auf üble Zeiten zurückzulegen, so Avird seine Ökonomie auch über die schlimmsten
Jahre sich ganz leidlich hinweghelfen können, wenn nur etwa noch vorübergehend
einige weitere Einschränkungen im Consume von Luxuswaaren hinzukommen. Man
darf sich auch, beiläufig bemerkt, nicht wie dies nach so manchen Andern auch
unserem Verf. begegnet ist, durch die niederen Ziffern der älteren isländischen
Pfarrmatrikeln in der Beurtheilung der ökonomischen Zustände des Landes beirren
lassen. Wenn man z. B. liest, daß der berühmte Dichter Jon ])orlaksson (f 1819)
noch als 75jähriger Greis auf ein Einkommen von 30 Thalern (nicht 15, wie der
Verf. älteren irrthümlichen Angaben nachschreibt) aus seiner Pfarrei beschränkt war,
so glaubt man wohl daraus auf ganz unsäglich miserable Lebensverhältnisse des
Clerus, und damit des ganzen Volkes schließen zu dürfen ; allein es darf dabei
denn doch nicht übersehen wei'den, daß jene Fassion bereits dem Jahre 1737 an-
gehört, einer Zeit also, da der Geldwerth ein ganz anderer als der jetzige war,
und daß bei deren Anfertigung der Ertrag des Grundbesitzes des Pfarrers, also der
Hauptposten, gar nicht mit veranschlagt worden war, und nicht minder muß be-
achtet werden, daß die Pfarrei zu Baegisä im Jahre 1854 auf einen Ertrag von
215 Thalern geschätzt, nur eine der geringeren im Lande ist, auf welcher sera Jon,
welcher bei aller Begabung doch auch seine sehr ungeistlichen Eigenschaften besaß,
wohl nur aus ähnlichen Gründen sitzen bleiben mußte wie die, wegen deren ihm
schon zweimal die geistliche Würde völlig aberkannt hatte werden müssen. — Aber
LITTERATUR. 103
die materiellen Beschwerden des Lebens auf der Insel zugegeben, läßt sich immer-
hin diesem noch eine andere eigenthümlich anziehende Seite abgewinnen. Vor Al-
lem kommt in Betracht, daß das höchste Maß individueller Freiheit, dessen man
überhaupt genießen kann, auf Island zu finden ist. Ein Stiftamtmann und zwei
Amtleute, drei Mitglieder des Oberlandesgerichtes, 18 Sysselmäuner und ein Land-
vogt, welcher zugleich auch Stadtvogt über Reykjavik ist, bilden die ganze poli-
tische Beamtenhierarchie für das über 1850 Quadratmeilen große Land; jede Mög-
lichkeit einer den Einzelnen beengenden Vielregiererei nach unserem Zuschnitte
fällt damit weg, zumal da, von den beiden Polizeidienern in Reykjavik abgesehen,
den Behörden auch keine executive Macht zu Gebote steht, wenn es gilt, ihren
Verfügungen den gehörigen Nachdruck zu geben. Im Übrigen sind es die, der
Regel nach frei gewählten Gemeindevorsteher, welche je ihre Gemeindebezirke re-
giereu und zugleich den Staatsbehörden als Vollzugsorgane dienen ; aber auch ihre
Autorität beruht thatsächlich lediglich auf ihrem persönlichen Einflüsse und dem
guten Willen ihrer Gemeindeangehörigen und ist selbst rechtlich von den Beschlüssen
der Gemeindeversammlungen vielfach abhängig gestellt, so daß im Ganzen Jeder
so ziemlich thun und lassen kann was er will, wenn er nur keines Andern Recht
verletzt, seine (wenig beträohtlichen) Steuern zahlt, und an die Regierung seiuer-
seits keine Anforderungen zu stellen sich beigehen lässt. Freilich hindert dieser
regierungslose Zustand vielfach die Hebung des Landes im Ganzen; aber bei der
großen Gutmüthigkeit und dem ernsten Wesen des Volkes, dann der Zerstreutheit
seiner Wohnsitze Avird doch die öffentliche Sicherheit durch denselben nicht ge-
fährdet, und in der Selbstherrlichkeit, welche derselbe jedem Einzelnen gewährt,
liegt jedenfalls für diesen ein großer Reiz und eine reichliche Entschädigung für
das geringe Maß politischen Einflusses, welches die Staatsverfassung annoch dem
Volke im Ganzen auf die Regelung seiner Gesammtangelegenheiten verstattet. Dazu
kommt, daß der wirthschaftliche Betrieb des isländischen Bauern ein sehr abwech-
selnder und nur zeitweise besonders beschwerlicher ist. Die Heuarbeit freilich, welche
in die zweite Hälfte des Juli und die erste Hälfte des August zu fallen pflegt, ist
eine überaus mühsame, zumal wo der Boden nass oder nicht gut geebnet ist, oder
wo die Wiesen weit abliegen und somit ein langer Transport des Heues auf Pferdes-
rücken erforderlich wird; höchst beschwerlich und zugleich gefährlich ist ferner
der Betrieb der Fischerei in den Zeiten, da die großen Fischzüge an der Süd- und
Westküste ankommen (vetrarvertid und vorvertid, etwa vom Anfange Februar bis
Anfangs Juni reichend); endlich ist auch der Dienst des Schafhirten (smalamadur)
das ganze Jahr hindurch ein harter, da er gerade im schlimmsten Unwetter im
Winter wie im Sommer seinen Thieren am meisten nachzugehen hat. Im Übrigen
aber ist der Kreislauf der ökonomischen Geschäfte ein ziemlich behäbiger. Da man
nur wenig Feld- und Gartenbau treibt, hat man mit dem Bestellen des Landes,
dem Säen und Pflanzen im Frühjahre und mit dem Ernten im Nachsommer nur
wenig zu thun. Etwas mehr Zeit und Mühe fordert das Reinigen und Ebnen, dann
das Düngen des Grasgartens (tiin) und der Wiesen, wenn man anders diesen letz-
teren die gleiche Sorgfalt zuwenden kann und mag, die Herstellung eines gehörigen
Zaunes um den Grasgarten und die Anlage der nöthigen Bewässerungs- und Ent-
wässerungsgräben, endlich auch die Herstellung oder Aufbesserung der Baulich-
keiten des Gehöftes. Den Winter über muß alles Vieh, und den Sommer über we-
nigstens alles Melkvieh vom Hofe aus ausgehütet, theilweise auch im Stalle ge-
füttert werden, wogegen das Galtvieh im Sommer auf die Hochweiden getrieben
104 LITTERATUK.
und hier sich selber überlassen wird ; das Scheren der Schafe , die Melkerei,
dann Butter- und Käsebereitung, das Schlachten endlich im Herbste geben weitere
Beschäftigung. Die Pferde lässt man zwar Winter wie Sommer auf der Weide,
nur daß man in der härtesten Zeit mit Futter nachhilft und für die Nacht ihnen
ein Obdach gewährt ; aber das Zureiten der Thiere gibt wenigstens zu thun,
das Scheren ihrer Mähnen im Frühjahre , die Instandhaltung ihres Beschlages,
von Sattel und Zäumung, Packsätteln u. dgl. Wiederum hat man mit dem See-
hund&fange zu thun, und wenn ein Walfisch an den Strand treibt, mit dessen
Bergung und Auftheilung; der Fischfang wird auch außerhalb der großen Fisch-
zeiten je nach Gelegenheit und Bedarf betrieben, in süßem wie in salzigem Wasser;
die Kaufi"ahrt nach den oft viele Tagreisen weit entlegenen Handelsplätzen nimmt
nicht wenige Zeit in Anspruch; die Herrichtung der Brutplätze der Eidervögel,
das Sammeln ihrer Eier und Dunen , so wie der Federn und Eier , dann auch
der Jungen anderer Vögel macht in anderen Zeiten zu thun ; dann gilt es, Holz
für die Schmiede zu sammeln, Treibholz aufzufischen, oder im günstigsten Falle
ein antreibendes Wrack zu bergen , das oft auf lange hinaus der Wirthschaft
zu Gute kommen kann; im Sommer geht man Wurzeln graben und wilde Kräuter
sammeln, zumal hvönn (Angelica) und fjallagrös (isländisch Moos), und gilt dafür
der Ausdruck „ad fara a grasafjall" , oder man hat Heidelbeeren und andere
Beeren zu sammeln, „ad fara i berjamö", oder Seetang einzuheimsen (sölvatekja) ;
einmal gilt es Schneehühner zu schießen, die bereits einen nicht ganz unbedeu-
tenden Exportartikel bilden, oder Schwäne, deren Bälge nicht ohne Werth sind,
anderemale Füchse zu erlegen, die den Schafen vielfach gefährlich werden, oder
selbst auf Eisbären Jagd zu machen , welche das Treibeis aus Grönland oder
Spitzbergen herübergebracht hat u. dgl. m. Dabei ist zu beachten, daß die Be-
wohner des Landes so zu sagen beidlebig sind; auch der Oberländer Bauer pflegt
zu den großen Fangzeiten seine Leute an die See hinabzuschicken, um an dem
Ertrage der Fischereien sich zu betheiligen, und umgekehrt ist auch der See-
bauer darauf angewiesen, neben seiner Fischerei einige Viehwirthschaft zu be-
treiben: von früher Jugend auf werden darum hier wie dort die Leute gleichmäßig
gewöhnt, die Euder zu führen und ihres Viehes zu warten. Aber noch mehr.
Sieht man von den Städtchen Reykjavik und Akureyri ab, die ohnehin keinen
Maßstab für das nationale Leben der Isländer geben, so kennt man auf der Insel
nur zerstreute Einzelhöfe, deren jeder, oft Meilen weit von den Nachbarn ent-
fernt, ein für sich bestehendes Ganzes bildet. Jeder einzelne Bauer muß dem-
nach, und das Gleiche gilt auch vom Pfarrer, Sysselmanne, Arzte, nicht nur ein
tüchtiger Landwirth sein, wenn er mit Ehren bestehen will, sondern auch in allen
anderen Beziehungen mit Hilfe seiner Familie und seiner Dienstboten den eigenen
Bedürfnissen zu genügen wissen, also auch sein eigener Zimmermann und Tischler,
Schmied und Sattler, Arzt, Schullehrer und tlieilweise sogar Pfarrer sein, wenn
nämlich tiefer Schneefall oder üble Stürme, Eisgang oder Hochwasser den Weg
zur Kirche hemmen. Der Winter zumal ist die Zeit der Hausandachten (huslestur)
und des Jugendunterrichtes nicht nur, sondern auch der sonstigen häuslichen Arbei-
ten, des Strickens z. B. und Webens, des Gerbens und Färbens, des Schnitzens,
Schmiedens , Schreinerns und der Fertigung von Lederarbeiten wie von Fass-
geschirren ; aber je nach Umständen muß auch im Sommer mancherlei derartige
Arbeit vorgenommen werden, wenn das Bedürfniss drängt oder das Wetter ander-
weitige Beschäftigung nicht gestattet. Es begreift sich, daß dieser stete Wechsel
LITTERATUR. 105
der Beschäftigung, diese stete Nothweiidigkeit, in allen Bezielmngen sich selber
zu helfen, wo überhaupt Hilfe Noth thut, zwar eine höhere Vollkommenheit in
irgend einem einzelnen Berufe zu erreichen sehr schwer macht, aber auch um
so entschiedener eine gewisse Allseitigkeit der Bildung und eine Anschlägigkeit,
Nachdenklichkeit und Beweglichkeit des Geistes erzeugt, welche bei uns der ge-
meine Mann und sogar der höher Gebildete nur sehr ausnahmsweise erreichen
kann; die Abstumpfung vollends und die tödtliche Ermüdung, welche die Einseitig-
keit des Berufslebens bei uns so vielfach zur Folge hat, bleibt dem Isländer erspart,
und in dem Bewusstsein des ausschließlichen Rechnens auf sich selber findet
überdies dessen Freiheits- und Selbstgefühl eine weitere, sehr berechtigte Befrie-
digung. Auch ist es keineswegs richtig, daß dem Isländer so alle und jede Ver-
gnügungen abgehen, und nichts kann verkehrter sein als die Meinung, daß „das
Lesen der alten Erzählungen" und „der Genuß des Branntweins" für dieselben
jjdie einzige Unterhaltung" bilde. Schon die Wiedei'kehr so mancher wirthschaft-
lichen Hauptgeschäfte bringt mancherlei Festlichkeit in das Leben des Volkes
herein. Wir haben oben bereits der großen Fischzeiten gedacht , zu welchen
ganze Schaaren junger Leute aus den höher gelegenen Gegenden an bestimmte
Punkte der Küste herabwandern; unter den vielen Hunderten von Burschen, die
zu solchem Behufe auf mehrere Wochen auf sonst wenig bewohnten Küsten-
strichen zusammenströmen, entfaltet sich sofort das regste Leben, und mit man-
cherlei munteren Spielen wird die Zeit verbracht, während deren etwa Wind und
Wetter das Ausrudern verwehren. In ähnlicher Weise gibt der Auszug in die
Berge, um Kräuter und Flechten zu sammeln, zu heiterem Treiben Veranlassung,
denn auch zu solchen Ausflügen thun sich gerne Gesellschaften zusammen, wenn
auch geringeren Umfanges; ganz besonders aber gilt das Begehen der Hoch-
weiden, um zu Ende Sommers das Galtvieh zu sammeln und in die Niederungen
zurückzutreiben (die Fjallgöngur) als ein lustiges festliches Geschäft. Unter der
Leitung des Gemeindevorstehers oder auch eines eigens zu solchem Behufe ge-
wählten Bergkönigs zieht die jugendliche Mannschaft ganzer großer Bezirke,
jeder Mann von einem tüchtigen Schafhunde begleitet, nach dem Sammelplatze.
Hier wird Musterung gehalten, und je nach Bedarf theilt der Bergkönig seine
Leute in kleinere Haufen, denen er eigene Führer vorsetzt ; jedem Haufen wird
sein Ausgangspunkt, die Richtung des Ganges und der Ort , wo für die Nacht
das Zelt aufzuschlagen ist, bezeichnet. Nun beginnt, sei es zu Fuß oder
zu Pferde, ein Art von Kesseltrieb, indem man von obenher die Thüre zu um-
stellen und nun durch allmäliges Schließen des Kreises abwärts in die Thäler
zu treiben sucht; an einem bestimmten Punkte werden sie dann gesammelt und
von denen, die an der Bei'gbegehung selbst keinen Antheil nahmen, in Empfang
und Hut genommen , um dann nach Ausweis ihrer Marken unter die einzelnen
Eigenthümer vertheilt zu werden. An diesem Sammelplatze nun pflegt wiederum
ein fröhliches Fest gefeiert zu werden, das sich wohl mehrere Tage lang hin-
ziehen kann , wenn die Menge des Viehes die Auseinandersetzung nicht rasch
beendigen lässt. Andere Festlichkeiten knüpfen sich an die Heuernte. Wenn „der
Hof aus dem Grase gelöst", d. h. alles Gras rings um denselben gemäht ist,
dann wieder wenn das gesammte Heu von dem Grasplatze innerhalb des Zaunes
eingebracht ist, endlich wenn die gesammte Heuernte beendigt ist, muß jedesmal
den Mähern neben ihrer ordentlichen Kost noch ein besonderes Extragericht von
bestimmter hergebrachter Beschaffenheit gegeben werden. Ähnliche Belohnungen
lÜ(j LITTERATUR.
knüpfen sicli an den Hirtendienst. An der sommerlichen jiorlaksmessa (d. h. jetzt
20. Juli) , einem seit der Reformation beseitigten Kirchenfeste , wurde vordem,
und wird noch in einzelnen Gegenden des Südamtes die „smalabiisreid" gehalten.
Der Hirt, welcher bis zum genannten Tage seiner Schafe glücklich und getreulich
gewartet hat , galt an ihm , ähnlich wie der römische Sklave an den Saturnalien,
als Herr seines Herrn und bekam überdies die volle Milch von der besten Kuh
auf dem Hofe; aus ihr wurde Käse, Brei oder Suppe bereitet, und das nannte
man smalabu, d. h. Hirtenwirthschaft: zu ganzen Haufen gesammelt ritten dann
die Bursche mit diesen ihren Leckereien in der Gegend herum, um Andere davon
frei zu halten und umgekehrt auch selber von den Bauern sich zu Gast laden
zu lassen. In Ostland gibt man statt dessen auch wohl die volle Milch aller Schafe
am Michaelistage, und lässt die Hirten damit anfangen was sie mögen; wieder
anderwärts gibt man ihnen in der Schlachtzeit ein Gericht eigenthümlicher Art,
das aus dem besten Fleische und Fette der geschlachteten Thier bereitet wird.
Wo die Weberei und Spinnerei stark betrieben wird, erhalten auch diejenigen
Dienstboten, welche das anstrengende Geschäft des Walkens besorgen, ihren be-
sonderen „Walkerbissen", und die Weber ihren „Weberbissen" für jedes Stück
Tuch, das sie fertig bringen; die Leute, welche den Mist aus den Schafställen
ausstechen und als Dünger auf den Grasgarten bringen, bekommen dafür ihren
„Hausbissen". Vielfach gibt man auch neu in den Dienst einstehenden Dienst-
boten einen „Dienstbissen", und in manchen Gegenden gibt man dem ganzen
Gesinde an einem beliebigen Abende zu Anfang der Adventszeit ein „Abend-
frühstück" (kvöldskattur), aus den ausgesuchtesten Speisen bestehend, welche die
Vorrathskammer aufzuweisen vermag; geräuchertes Schaffleisch (häugikjöt). Hai-
fischschnitze, Walfischschwanz, kurz alle Leckerbissen der isländischen Küche
figurieren bei diesem Male, umgekehrt kommt es aber auch vor, daß die Dienst-
boten ihrerseits, je mehrere zusammen, den übrigen Hausbewohnern eine ähnliche
Gasterei zurichten, wobei dann ein Theil den andern zu übertreffen bestrebt ist.
So geben auch die jungen Leute, die zu den großen Fischzeiten auf den Fang
ausgeschickt werden, von den Speisevorräthen , die ihnen mit auf den oft viele
Tagreisen weiten Weg gegeben werden, ihren Hausgenossen einen „Abschieds-
bissen" u. dgl. m. Ein häusliches Centralfest ist ferner das Weihnachtsfest (jol) ;
in den Häusern wie in den Kirchen zündet man in der Christnacht möglichst
viele Kerzen an und hält auch wohl mit solchen Umgang im Hause, oder schenkt
jedem Hausgenossen eine Weihnachtskerze: Ljöshäti'd, Lichtfest, wird darum das
Fest auch wohl genannt. Man schlachtet wohl einen eigenen Julhammel und gibt
den Leuten im Hause überhaupt eine besonders reichliche Julkost (Jölarefur)
man schenkt ihnen auch gerne irgend welche neue Kleidungsstücke , denn wer
keinen neuen Fetzen am Leibe hat, über den kommt die „Julkatze". Neben dieser
gehen in den 12 Nächten die 13 Julbursche (jolasveinar) um, sammt ihren Altern,
der Kinderfresserin Gryla und dem Leppa-Liidi mit seinem großen Sacke ; Alles
Popanze , mit denen die Kinder zu schrecken man schon gegen die Mitte des
vorigen Jahrhunderts für gut fand gesetzlich zu verbieten. In der Silvesternacht
gibt es wieder eine Neujahrskerze, und mancherlei Aberglauben knüpft sich an
sie wie an die Christnacht, oder wieder die Johannisnacht im Sommer; vordem
aber war es zumal die Dreikönigsnacht gewesen, die als eine besonders wunder-
kräftige gegolten hatte. Auch der Fastnachtsdinstag wird festlich begangen, zumal
durch tüchtiges Fleischessen (daher der Name : spreingikvöld) ; dagegen darf bei
LITTERATUR. 107
mancherlei scherzhaften Strafen die ganze Fastenzeit über nicht einmal der Name
des Fleisches genannt werden; „Huflachs'' sagt man dafür. Am Aschermittwoche
suchen die jungen Bursche den Mädchen Säcke mit kleinen Steinen, die Mädchen
aber den Burschen Säcke mit Asche unversehens anzuhängen ; der Gründonners-
tag und Ostertag dagegen werden wieder durch Schmausereien gefeiert. Ein ganz
specifisch isländisches Fest ist endlich der erste Sommertag. Der isländische
Calender kennt bekanntlich nur zwei Jahreszeiten, Winter und Sommer, und fällt
der Anfang des letzteren immer in die zweite Hälfte d«s Aprils. Die kirch-
liche Feier dieses Tages ist freilich gegen die Mitte des vorigen Jahrhunderts
abgestellt worden ; aber der Gebrauch hat sich nicht abstellen lassen , daß die
15aa€rn aus dem Besten, was der Winter übrig gelassen hat, ihrem Gesinde einen
Schmaus bereiten, und daß sie diesem sowohl als ihren Kindern auch noch son-
stige Sommergaben schenken, ja daß sogar die Dienstboten unter sich und ihrer
Herrschaft gegenüber ein Gleiches thun. Gutentheils handelt es sich nun freilich,
das kann nicht geleugnet werden, bei allen diesen Festlichkeiten wie bei anderen,
mehr zufällig einfallenden um bloße Schmausereien, bei welchen denn auch, denn
auch das ist nicht zu bestreiten, in einfacheren Häusern der Branntwein, in ver-
möglicheren der Wein, Punsch oder Grog seine Rolle spielt ; aber daneben kommen
denn doch auch Unterhaltungen ganz anderer Art in Betracht, und manche Unter-
haltungen sind überdies noch anzuführen, welche ganz außerhalb jener häuslichen
oder Gemeindefeste stehen. Der Tanz freilich und die vikivökur, welche noch um
die Mitte des vorigen Jahrhunderts Eggert Olafsson kennt und schildert, sind dem
gerade damals von Dänemark aus importierten und gesetzlich geschützen Pietis-
mus erlegen, und auch von den mancherlei Mummereien, von welchen derselbe
Gewährsmann zu erzählen weiß, ist wohl kaum noch eine Spur übrig (vgl. Ny fe-
lagsrit, 2. Jahrg. S. 65, Anm.) ; aber der Ringkampf (glima) wird noch eifrig
betrieben und kunstgerecht gelernt , nieht nur auf der Schule , wo der ver-
storbene Dr. Hallgrimur Scheving einer seiner treuesten Beschützer war, son-
dern auch an den Fischereiplätzen, gelegentlich der Bergbegehungen, oder wo
sonst größere Schaaren junger Leute sich sammeln, und ist zumal die baendaglima
beliebt, d. h. ein Massenringkampf zweier Parteien unter selbstgewählten Führern.
Von anderen Leibesübungen wird nur das Reiten mit rechter Lust betrieben,
während das Schneeschuhlaufen fast nur noch im Nordlande und hier nur geschäfts-
weise geübt wird. Aber ein Reitervolk sind in der That die Isländer, wie es die
Puszten Ungarns und die Steppen Polens oder Russlands nicht tüchtiger ziehen
könnten. Keinen Schi-itt thut der Bauer aus dem Hause anders als zu Pferde,
und die größte Ehre, die er einem Gaste anzuthun weiß, besteht darin, daß er
ihm sein bestes Pferd zum Reiten leiht ; tüchtige Bereiter, wenn auch je nach
eigenem Systeme, findet man allwärts, unter den Bauern nicht nur, sondern auch
unter den Pfarrern , Ärzten und politischen Beamten ; das Spazierenreiten gilt
als ein Vergnügen für sich, und auch das Wettreiten (kappreid) ist noch immer
an der Tagesordnung, wobei nicht übersehen werden darf, daß in einem Berg-
lande ohne Straßen und durch Wässer ohne Brücken das Reiten einen ganz an-
dern Reiz als in unseren cultivierten Gegenden für Jeden hat, dem der Sinn noch
einigermaßen nach Abenteuern steht. Wiederum gibt es, wenn ich von den aus
dem Auslande importierten Karten- und Bretspielen absehen will, auch manche
specifisch isländische , deren manche sogar durch ihre Namen schon auf die ältere
Zeit zurückdeuten. Ich nenne von letzteren „godatafl", welches mit zwei Würfeln
108 LITTERATUR-;
und 32 Steinen gespielt, und wozu folgende Weise, je eine Zeile zu jedem Wurfe,
gesungen wird :
Heima raed eg goda mivm
baedi vel og lengi ;
ek skal gefa j^er sürt smer og rengi,
ef ])d unir hj4 mer leugi;
ok kasta eg svo fyrir Jjig;
er Jiad satt!
forner „tafl Olafs konüngs helga", welches mit 30 Steinen, 15 schwarzen und
15 weißen, gesjDielt wird, und wozu folgende Weise zu sprechen ist:
Fjorir eru godir, fimm eru verri,
fri'dir tveir hja einum stn'dum,
Jarenni'ng mset og Jjraelinn Ijoti,
J)arfur einn og tveir i starfi;
tel eg enn tvo og pTjk sem fn-aela,
pk er hann einn, og tveir i nami
hj4 nytum tveimur nii skal sitja
nauda dökkur, og sd skal sökkva.
Das letztere mag man allenfalls mehr ein Kunststück als ein Spiel nennen; da-
gegen wird das Schachspiel noch hin und wieder, und zwar nach eigenthümlichen,
höchst complicierten Regeln betrieben u. dgl. m. Eine Reihe von Spielen lassen
sich ferner als Turnspiele bezeichnen, indem es bei denselben auf bestimmt vor-
geschriebene Leibesbewegungen ankommt, deren Verrichtung ein gewisses Maß
von Kraft und Geschicklichkeit fordert; ich rechne dahin die Spiele, für welche
die Ausdrücke gelten: „ad fara i gegnum sik, ad fla kött (Beides eine Art Reck-
schwung), ad ri'fa reifilür svelli'' u. dgl. m. Zuweilen sind bei solchen Spielen
Mehrere betheiligt, auf deren richtigem Zusammenwirken das Gelingen beruht;
dahin z. B. das „fara i strok" , wobei zwei sich gegenseitig die Arme auf die
Schulten! legen, ein Dritter aber sich darauf setzt, und dann von da aus einen auf
dem Boden liegenden Hut aufzuheben hat. Auch an Kinderspielen fehlt es nicht,
und kehren unter diesen gar manche Deutsche wieder, z. B. ist der skoUaleikur
unsere Blindekuh, der bruarleikur unser „über die goldene Brücke fahren" u. dgl. m.
Endlich ist, und dies führt uns näher zu unserem Hauptgegenstande heran, neben
dem Lesen der alten Sagen und dem Erzählen alter Mährchen und Geschichten,
welches begreiflich vorzugsweise der ruhigeren Winterzeit angehört, auch der Ge-
sang keineswegs unvertreten , nur daß derselbe vielfach unter einer sehr eigen-
thümlichen Gestalt auftritt. Der Isländer unterscheidet nämlich zwischen dem Singen
(syngja) eines Liedes (kvsedi) und dem Recitieren (kveda) von Reimen (ri'mur),
und wenn zwar der Gesang vergleichsweise selten, außer etwa bei Trinkgelagen,
zu hören ist, und da Jeder auf eigene Faust und ohne auf die Übrigen zu achten,
fortsingt (syngr hvör med si'nu nefi, gilt sogar als Sprichwort!), auch nichts
weniger als melodisch klingt, wenn ferner, außer etwa dem aus Norwegen ein-
geführten „Langspiele" alle musikalische Begleitung demselben fehlt, so hört man
jenes, in eigcnthümlich weichen Tönen sich wiegende Recitieren um so häufiger,
und stundenlang kann ein mit gutem Gedächtnisse begabter Isländer die Ulfars-
ri'mur , Andran'mur oder andere beliebte endlose Reime vor sich hin summen.
Überhaupt besitzt das Volk, wenn zwar ganz und gar keine musikalischen, so
LriTKKATLK. lOy
doch um so entschiedener ausgeprägte poetische Anlagen , und in neuerer wie
älterer Zeit gab es auf der Insel stets eine Anzalil von Dichtern, die jeder Lit-
teratur Ehre machen würden; unser Verf. selbst führt, S. 24, eine Reihe von
solchen an, wozu ich nur bemerke, daß irrthümlich ein J6n statt Jonas Hall-
gri'msson aufgeführt, einer der ausgezeichnetsten, ja man kann wohl sagen der
ausgezeichnetste und zugleich nationalste unter allen, aber völlig übergangen ist,
nämlich der treffliche Vicelögmann Eggert Olafsson (f 1768). Selbst heutigen Tages
noch fehlt es nicht an einzelnen tüchtigen Dichtern (skäld), so daß das Volk
keineswegs, wie unser Verf. S. 8 meint, auf das beschränkt ist, was ihm an Ge-
dichten aus früheren Jahrhunderten übrig geblieben ist, und häufiger finden sich
noch sogenannte „hagmseltir menn", d. h. Leute, welche, ohne sich ernsthafter
mit der Dichtung zu befassen, und zumal ohne sich zu dichterischen Schöpfungen
höheren Fluges zu erheben, doch das Geschick haben, im Momente treffende Verse
zu improvisieren, wie sie eben die Gelegenheit zu fordern scheint. Ganz wie in
der alten Zeit sprechen solche Leute auch heutzutage noch aus dem Stegreife
ihre lausavisur; viele unter ihnen sind Hass- oder Spottverse (hädvisur, nidvi'sur),
und tritt zu diesen , die oft des beißendsten Witzes voll sind , nicht selten eine
Mehrheit von Dichtern zusammen, — andere sind Pferdeweisen (hestavisur) , oder
besingen das Wetter, — andere sind Wettverse, indem etwa ein Dichter eine
schwierig angelegte Strophe dem andern zur Vollendung hinwirft, — wieder andere
endlich sind durch irgend welche zufällige Begebenheit oder Stimmung veranlasst
u. dgl. m. Als ein hübscher Beleg für Stegreifdichtungen der letzteren Art mag
etwa die Instruction dienen, welche der berühmte Lögmann Päll Victalin (f 1727)
seinem Burschen mit auf den Weg gab, der ihm wichtige Documente herholen
sollte zum Gebrauche in einer der Entscheidung nahen Eechtssache :
pö slysist jor en slitni gjörd,
slettunum ekki kvi'ddu;
hugsadu hvorki um himin ne jörd,
en haltu per fast og ri'ddu!
oder eine andere, welche der jüngst verstorbene Zimmermann Olafur Briem sprach,
als er mit dem Pferde stürzte und das Schlüsselbein brach :
Hlaut ad stauta blauta braut,
bikkjan skrikkjött nokkud gekk;
)3aut og naut eg braut i laut,
hnik med hrygg i skrokkin fekk.
Als ein guter Beleg für Wettverse mag die Halbstrophe erwähnt werden, welche
der bereits genannte Päll Vidalin dem Sysselmann Jon Sigurdsson hinwarf:
Hani, krummi, hundur, svin,
hestur, müs, titlingur,
worauf dieser dann die Weise schloss:
gälar, krunkar, geltir, hri'n,
gneggjar. tystir, syngur.
Als ein Beispiel einer Spottweise mag die angeführt werden, die auf einen zum
Gemeindevorsteher ernannten Winkelarzt gedichtet wurde, wobei nur zu bemerken
ist, daß die Vorsteher nach der früheren Praxis körperliche Züchtigungen selbst
zu vollziehen hatten :
Fyrrum bäru skjöma og skjölld
skatnar ser k hendi ;
110 LITTERATUR.
en vor göfug yfirvöld
eru piydd med vciidi.
Hreppstjoronum heidur berr,
hyda f>eir svo blsedir;
))eirra mestur einn ])ö er,
ad bann slaer og graedir;
oder eine andere, welcbe von zwei jungen Leuten auf einen Pfarrherm gedichtet
wurde, der in blauem Rock und elendem Aufzuge ins Südland geritten war, um
sich ordinieren zu lassen:
Hedan sudur h^lt bann blar,
heim kom aptur svartur;
mun sa herrans hüdarklar
k himnum verda bjartur!
Man sieht, in solchen Versen, und das Gleiche gilt von so manchen Volkssagen
und Schwanken, spricht sich ein gesunder Sinn und frischer Humor aus, daneben
auch eine nicht geringe Gewandtheit in der Handhabung dichterischer Formen,
alles Eigenschaften, die mit dem dumpfen Hinbrüten, welches so manche Reisende
dem Volke Schuld geben, sich schlechterdings nicht vereinigen lassen ; daß der
Sinn für Musik den Leuten abgeht, hat freilich zur Folge, daß der Fremde, wenn
er ihrer Sprache unkundig ist, von ihrer ganzen poetischen Begabung nur wenig
verspüren kann, und daher die verkehrten Berichte, die, weil lärmendere Vergnü-
gungen dem Volke fremd sind, diesem alle Vergnügungen abzusprechen sich be-
rechtigt hielten.
Aber wie steht es denn nun mit den isländischen Volksliedern? Ich habe
nicht vor, dem Verfasser in seinen litteraturgeschichtlichen Bemerkungen zu folgen,
so mancherlei sich auch an diesen aussetzen ließe ; ich will z. B. nur ganz im Vor-
beigehen bemerken, daß die Gedichte, aus welchen Snorri Sturluson für seine
norwegischen Königssagen schöpfte , nicht unter die Kategorie der Volkslieder,
sondern der Kunstdichtung gehörten, und daß neben ihnen dieses Werk nicht etwa
aus alten Runeninschriften und Pergamentfetzen zusammengeti'agen, und eben so
wenig blos dem Volksmunde abgelauscht ist (vgl. S. 23 u. 27), vielmehr auf ganz
stattliche ältere Vorarbeiten gebaut ist, deren Verfasser wir zum Theil mit vollster
Bestimmtheit nachzuweisen vermögen Der Verf. scheint die Heimskn'ngla überhaupt
aus eigener Anschauung nicht zu kennen, da er sie in sieben Folianten erschienen
sein lässt, während doch die Ausgabe, welche er im Sinne hat, nur sechs Bände
zählt, von welchen überdies nur die drei ersten dem genannten Werk gewidmet sind.
Aber auf einen Punkt kann ich mir nicht versagen, wenigstens andeutungsweise noch
einzugehen, auf die Frage nämlich nach der Ursprünglichheit und Volksthümlich-
keit der hier in Frage stehenden isländischen Lieder. Unser Verf. hat sich die Sache
aiemlich leicht gemacht. Er erwähnt zwar, S. 31 — 32, daß man zwischen original-
isländischen und aus der Ferne eingewanderten Liedern unterscheiden könne, und
meint zu den letzteren neben skandinavischen auch deutsche und englische, schot-
tische und bretonische Lieder rechnen zu dürfen; er verfolgt aber diese Scheidung
nicht weiter, betrachtet vielmehr Alles was er als fornkvaedi gedruckt findet ohne Wei-
ters als eine gleichartige und ebenmäßig volksthümliche Gattung. Mir scheint dieses
Verfahren bedenklich, und bei den vorliegenden Liedern ebenso gut wie bei so
mancher anderen Isländischen Überlieferung absolut nothwendig zwischen einhei-
mischem Wachsthum und fremder Einfuhr streng zu unterscheiden. Form und Inhalt
LITTERATUR. Hl
ist dabei gleichmäßig zu berücksichtigen. Es ist für Island wenigstens nicht richtig,
wenn unser Verf., S. 5, bemerkt, im Volksliede der Nordländer suche man ver-
gebens nach der bei den Dichtungen der Skalden einst mit so großer Vorliebe an-
gewendeten Alliteration ; vielmehr halten an dieser nicht nur die ältesten isländischen
Volkslieder fest, von denen wir überhaupt Kenntniss haben, wie 2. B. das in der
Sturlunga, IV, Cap. 26, angeführte Grylukvsedi:
H6r fer Gryla
1 garä ofan,
ok hefir k sfer
hala fimtän,
sondern auch in den späteren kehrt dieselbe bis auf den heutigen Tag herab oft
genug wieder, und mag es genügen zum Belege dessen auf ein altes Ehrenlied auf
unsern Kaiser Friedrich den Rothbart zu verweisen, welches noch gegenwärtig hin
und wieder auf der Insel gesungen wird und mit folgender Strophe beginnt:
Keisari nokkur, msetur mann,
mjög sem sögur hrosa,
stadnum Tyro styrdi bann,
stillir lika Sidon vann ;
frajgur nefndist Fridrek Barbarossa.
Der Endreim spielt allerdings daneben schon in der älteren Zeit auch seine Rolle,
aber doch nur neben der Alliteration und nur in gewissen Versarten; wo er die
Alliteration verdrängt hat, da kann man sicher sein , fremden Einflüssen zu be-
gegnen. Man darf auch nicht, wo etwa derselbe Stoff in isländischen und däni-
schen u. dgl. Liedern behandelt wird, ohne Weiters aus der knappern Form der
erstem mit dem Verf., S. 26, auf die größere Ursprünglichkeit derselben schließen;
es kann sein, daß in einzelnen Fällen der Schluß wirklich zutrifft, aber andere
Male kann auch wohl die größere Prägnanz der isländischen Sprache dabei im Spiele
sein, wie denn z. B. die isländische Bearbeitung des verlornen Paradieses von Milton
oder der Messiade von Klopstock durch Jon jsorlaksson nicht selten gekürzter aus-
gefallen ist als das Original, und überdies muß selbst da, wo wirklich die islän-
dische Fassung eines Liedes älter ist als dessen uns vorliegende dänische oder nor-
wegische Gestalt, immerhin noch die andere Frage als unerledigt gelten, ob nicht
vielmehr jener dennoch irgend welche ältere ausländische Recension zu Grunde
gelegen habe, welche nur für uns verloren ist. Betrachte ich aber den Gegenstand
dieser isländischen fornkvaedi, so finde ich unter ihnen kein einziges, welches un-
zweifelhaft einheimischen Ursprunges wäre, und nur wenige, welche einheimischen
Ursprunges auch nur sein könnten. Darauf freilich, daß keine mit der vulkanischen
Natur Islands zusammenhängende Stoffe behandelt sind, lege ich kein Gewicht;
in den Gedichten haben solche Erinnerupgen nichts zu suchen, und in den Sagen,
wohin sie gehören, sind sie denn auch, was der Verf., S. 32, mit Unrecht bezwei-
felt, wirklich zu finden: schon die Landnama, II, cap. 5, hat z. B. eine hieher
gehörige Sage über die Entstehung des Borgarhraun, und andere sind in der von
Jon Arnson herausgegebenen Sagensammlung mehrfältig zu lesen (z. B. I, S. 487,
über die Hekla; I, S. 184—85, über die Kötlugjä ; II, S. 100 — 101, über ver-
schiedene Feuerberge u. dgl. m.) Aber nicht übersehen darf werden, worauf bereits
Svend Grundtvig in seinem ausgezeichneten Werke über die dänischen Volkslieder
aufmerksam gemacht hat (III, S. XIII — IV), daß eine Reihe auf geschichtliche
Vorgänge in Dänemark bezüglicher Lieder nach Island übergegangen ist, und zwar
112 iJTTKh'A'rrii.
lauter Lieder über A^orgänge im 12. Jahrhunderte; nicht minder muß man beachten,
daß auch die übrigen, bloße Abenteuer ohne allen geschichtlichen Hintergrund be-
handelnden Lieder fast sammt und sonders der Ritterpoesie angehören, und somit
auf Island gar nicht von Haus aus bodenständig gewesen sein können. Ganz ebenso
wie das heutige Kirchenlied der Isländer, was unser Verf. S. 30 — 31 ebenfalls
übersieht, seinen Melodien nach völlig von Deutschland sich abhängig zeigt, wie
dies neuerdings durch Peter Gudjönsson in seiner „Islenzk sälmasaungs-og messu-
bok med nötum" (1861) schlagend dargethan worden ist, ganz ebenso wie das
isländische Mährchen, wie ich dies früher schon ausgeführt habe, sehr vorzugs-
weise ausländische Stoffe in sich aufgenommen hat, oder wie die Jurisprudenz des
Landes in der Wolle dänisch gefärbt worden ist, ganz in derselben Weise sind
auch diese fornkvsedi, wenn auch in Island entstanden und mehr oder minder volks-
thümlich geworden, doch aus ausländischem Stoffe und nach ausländischen Vor-
lagen gedichtet, und insoweit als ein national-isländisches Product keineswegs
zu betrachten. Auffällig ist dabei freilich, daß die färöischen Volkslieder sich so
ungleich nationaler gehalten, und daß dieselben hin und wieder sogar isländische
Stoffe, wie z. B. im Kjartansliede, treu bewahrt haben, welche in Island selber
fallen gelassen wurden ; indessen scheint sich doch auch diese eigenthümliche Er-
scheinung befriedigend erklären zu lassen. Auf den Färöern hat sich niemals ein
selbständiges Geistesleben, niemals eine nationale Litteratur ausgebildet. Die Ge-
bildeten wandten sich seit langer Zeit dem herrschenden Volke zu, und sprachen
und schrieben Dänisch, wie sie dieses noch thun ; die färingische Sprache ihrer-
'eeits ist in Folge davon, ganz wie dies mit der einheimischen Sprache in Norwegen
geschah, zu einem bloßen Volksdialecte herabgesunken und als solcher verwahrlost.
Dagegen haben sich die höheren Klassen auf Island, und hat sich zumal der islän-
dische Priesterstand im Großen und Ganzen stets national gehalten; die einheimische
Sprache ist hier stets Gemeingut des gesammten Volkes geblieben, wenn auch der
Staatsbeamte, der Kaufmann und sogar der Pfarrer nebenbei das Dänische ver-
stehen und zum Theil auch schreiben mußte. Es begreift sich, daß unter solchen
Umständen fremde Einflüsse, wie solche zunächst auf die höheren Stände einwirk-
ten, auf Island durch deren Vermittlung auch das übrige Volk treffen mußten,
welches von ihnen durch keine schroffe Kluft sich getrennt sah, während umgekehrt
auf den Färöern die nationalen Überlieferungen bei den geringeren Leuten um so
ungetrübter sich erhalten mochten, je unnationaler die höheren Classen in ihrer
gesammten Bildung geworden waren. Zeigen ja doch auch die Volkssagen Nor-
wegens in gar mancher Beziehung noch alterthümlichere Züge, als sie die islän-
dischen aufzuweisen vermögen, aus denen zumal die directen Erinnerungen an die
Göttersage fast spurlos verschwunden sind ; weit entfernt davon, ein bloßes Repo-
sitorium von Antiquitäten zu sein, wofür man es so vielfach hat halten wollen, steht
hiernach Island auf vielen Punkten an Stätigkeit der Tradition anderen nordischen
Gegenden sogar nach, und zwar aus dem sehr rühmlichen Grunde, weil dasselbe
verstanden hat, eine zugleich gemeinsame und selbständige Nationalsprache und
Nationallitteratur sich zu bilden nicht nur, sondern auch zu bewahren!
Je ausführlicher ich mich über die Einleitung der Verfassers verbreitet habe,
desto kürzer kann ich mich über seine Übertragung der alten Lieder selbst,
und über den ihr beigegebenen Commentar fassen. Die Übersetzung, die wohl
kaum durchaus an der Hand des Originales selbst entstamden ist, und darum auch
nicht immer getreu genug dessen Sinn folgt, ist doch im Ganzen gelungen und
LITTERATUR. 113
wohl lesbar; die mit unterlaufenden Ungenauigkeiten, welche den kundigen Leser
stören, dürften für das größere Publicum ohne viele Bedeutung sein, für welches
das Werk denn doch allein bestimmt sein kann. Ich rechne dahin z. B. in dem
bekannten Liede von Olaf Lilienrose die Übersetzung von Str. 7 und 8:
„Ich treibe nicht mit Elfen Tand,
Gott bleibe fromm ich zugewandt;"
„Du kannst, willst Du mit Elfen dich freuen,
doch dienen deinem Gott in Treuen,"
wo das Original hat:
„Eg vil ei med älfum biia,
heldur vil eg a gud minn trüa;"
„p6 Jjü vilir med älfum bua,
samt mattu 4 gud ]:)inn trüa;"
hier also wird von der Annahme ausgegangen, daß die Eiben bleibend den Olaf
für sich zu gewinnen suchen, was, wie er weiß, nicht ohne Verlust seines Glau-
bens ablaufen kann; dort dagegen handelt es sich nur um eine vorübergehende
Betheiligung am Spiele der Eiben, von welcher nicht abzusehen ist, wie sie den
Christenglauben gefährden könne. Oder in dem Liede von den Brüdern Str. 4:
„Das ist der junge Sigrljotr,
gar lieblich von Gestalt,
der freiet Fräulein Sesselju,
die Braut Herrn Jons, alsbald."
Ganz abgesehen davon , ob es richtig gethan sei , den Namen Caecilia hier in
einer isländischen Form und noch dazu mit einer isländischen Accusativendung
zu setzen, ist hier der Ausdruck „freien" kaum am Platze; im Originale
steht: „festi bann früna Sesselju," er verlobte sich mit der Frau Cäcilie ; es
ist somit mehr als eine bloße Werbung und nicht so viel als eitie Heirat erfolgt,
und dies stimmt auch allein mit dem scharfen Einschreiten des Bruders einer-
seits oder der fortdauernden Bewerbung um das Fräulein anderseits. U. dgl. m.
Derartiger Ausstellungen ließe sich nun freilich eine Unzahl machen, und niclit
minder ließe sich über gar manchen Punkt der Anmerkungen rechten, welche
den einzelnen Liedern beigegeben sind, sowohl in Bezug auf das was der Verf.
in denselben sagt, als in Bezug auf das, was er ungesagt lässt; doch scheint es
bei der ganzen Anlage des Werkes weder nothwendig noch zweckmäßig , auf
eine Berichtigung solcher Einzelheiten sich einzulassen, und erwähne ich darum
nur ganz im Vorbeigehen eines einzelnen Punktes, aus dem Grunde , weil eine
einschlägige Bemerkung des Verfassers, S. 75, sich auf eine Angabe, sei es nun
von Jon Sigurdsson oder Svend Grundtvig, in den Fornkvjedi, I, S. 6G, stützt.
In dem Sigmundar kvaedi wird erzählt, wie Sigmundur Liebesrunen schneidet
und seiner Geliebten in den Becher wirft; diese aber schüttet den Trunk einer
Sau vor , die dann auch sich gehorsamst aufmacht , und dem zauberkuMdigen
Liebhaber einen sehr unerwünschten Besuch im Bette macht. Die Herausgeber
meinen nun, und mit ihnen unser Verf., daß diese Übertragung des Zaubers auf
ein Thier in keiner andern Sage eine Parallele finde; mit Unrecht: jene Über-
tragung liegt ganz in der Natur der Zaubermittel, die auf Jeden wirken müssen,
der ihrer Einwirkung ausgesetzt wird, und liegt in der That eine schlagende
Parallele z. B. in der Sage von Tristan und Isolde vor, welche beide durch den
Genuß des nicht für sia bestimmten Liebestrankes bezaubert werden, an welchem
GERMANIA. Neue Reihe 11. (XIV.) Jahrg. Ö
114 tlTTERATUl?,
Zauber sogar der Hund Hodain Antheil nimmt, weil er den nur halbgeleertcn
Becher vollends ausleckt. Endlich möchte ich zum Schlüsse noch mein Bedauern
darüber aussprechen, daß es dem Verf. nicht gefallen hat, von den färöischen
Liedern mehr zu übersetzen als er gethan hat. Bei ihrem entschieden alterthüm-
lichen Charakter hätten sie dies mehr verdient als so manches isländische Ritter-
gedicht , und zumal das Lied von Geyti Aslaksson , bei Hammershaimb , 11,
S. 145 — 63, würde bei seiner engen Verwandtschaft mit der vielbesprochenen
Teil -Sage gewiß auch für das größere Publicum hohes Interesse gehabt haben.
MÜNCHEN. KONRAD MAURER.
Jon ])orkelsson, .ffifisaga Gijurar ])orvaldssonar. Reykjavik, 18G8; VIII u.
143 SS. 8".
Eine Lebensbeschreibung jenes Gijurrjarl, welcher Island unter die Bot-
mäßigkeit der Könige von Norwegen brachte, ist selbstverständlich ein fortlaufen-
der Commentar zu dem gröCseren Theile der Sturlünga, und zu gar manchen Capi-
teln der Häkönar saga gamla. Für die Güte der Arbeit bürgt der Name des Ver-
fassers, eines der tüchtigsten unter den heutigen isländischen Philologen. Reichen
Ertrag wirft aber seine Schrift zumal ab für die Genealogie und Chronologie, auch
wohl Topographie ; weniger hat s.ich dagegen der Verfasser mit der juristischen
und politischen Seite seines Gegenstandes befasst, mit der Frage also nach den
Mängeln der Vei'fassung des isländischen Freistaates, welche dessen so schmählichen
Untergang veranlassten, und nach den Anhaltspunkten, welche das norwegische
Dienstmannenrecht, dem sich Snorri Sturluson sowohl als so mancher andere islän-
dische Häuptling durch den Eintritt in des Königs Dienstverband unterworfen hatte,
dem K. Hakon für die Ansj^rüche gab, welche er diesen Häuptlingen gegenüber
nicht ohne Erfolg zu erheben wusste. In dieser, aber auch nur in dieser Beziehung
dürfte die Schrift noch einer Ergänzung bedürfen.
MÜNCHEN. KONRAD MAURER.
Bayerisches Wörterbuch von J. Andreas Schmeller. Zweite mit des Ver-
fassers Nachträgen vermehrte Ausgabe im Auftrage der historischen C«m-
mission bei der königl. Akademie der Wissenschaften bearbeitet von G.
Karl Frommann. Erste Lieferung. München. Literarisch-artistische Anstalt
der J. G. Cotta'schen Buchhandlung. 1869. 240 Sp. 4°.
Zehn Jahre nahezu sind verflossen, seit Jac. Grimm in gerechter Würdigung
des Schmellerschen Musterwerks den Vorschlag machte, die reichen Zusätze, die
der Verf. dazu gesammelt, unverändert zum Druck zu übergeben. Damals stellten
sich der Ausführung Schwierigkeiten in den Weg, und als Wilh. Waekernngel,
Grimms Sitz in der historischen Commission der bair. Akademie einnehmend, an
das Vermächtniss seines großen Vorgängers erinnerte, stellte sich bald die Noth-
wendigkeit einer neuen Auflage des Wörterbuches überhaupt heraus, bei der die
Nachträge dem Ganzen einverleibt werden konnten. So haben wir durch die Ver-
zögerung wenigstens insofern gewonnen, daß die Vollendetere Arbeit', wie sie der
Verf. selbst beabsichtigt und Jac. Grimm erst für die Zukunft in Aussicht genommen
hatte, sogleich hergestellt werden konnte.
LITTERATITR. 115
Die historische Commission hat sich damit ein neues und eines der schönsten
Verdienste erworben. Das vorliegende erste Heft, das die Vocalabtheilung voll-
ständig und noch einen Theil derBa-etc. abtheilung (entsprechend den ersten 174 Sei-
ten der 1. Aufl.) enthält, zeigt uns, daß die Erwartungen von Schmellers Nachlass
nicht zu hochgespannt waren. Eine Reihe von Artikeln ist ganz neu hinzugekommen
und die alten sind beträchtlich bereichert worden. Eine gute Zahl neuer Belege
setzt Wortbedeutungen, die bereits die erste Auflage kannte, nun in noch helleres
Licht und hier hat die ältere Litteratur, auf die gerade der erste Band der alten
Auflage verhältnissmäßig weniger zurückgrifF, vollends die ihr in einem Dialect-
lexicon gebührende Berücksichtigung gefunden. So finden wir Nachträge aus der Diu-
tisca, dem Graven Rudolf, Freidank, dem zwölfjährige Mönchlein, dem sog. Hclbling,
dem Renner, der Kindheit Jesu u. A. ; die Handschriften der Münchner BibHothek
sind noch weiter, namentlich nach rechtshistorischer und medicinischer Seite be-
nutzt, aber auch in neuere Zeit herauf haben Dialectdichter Avie Stelzhammer, Seidl
wiederholte Berücksichtigung gefunden. Aber nicht selten bietet die neue Auflage
auch Wortbedeutungen, die die erste gar nicht kannte und die sich dem Verf. erst
durch fortwährendes liebevolles Versenken in die Quellen neu ergeben haben.
Überall, hier wie dort, können wir auch in den Nachträgen die mit Recht bewun-
derte Kunst des Verf. 's, die 'nach allen Seite hin strömende Sacherläuterung', wie
es Jac. Grimm schön bezeichnete, vor allem den feinen Sinn für culturhistorisch
Merkwürdiges wiedererkennen.
Alle diese Zusätze galt es nun an richtiger Stelle dem älteren Werke einzu-
fügen und so mit demselben zu verai'beiten, daß das Ganze wie aus einem Gusse
hervorgegangen sich darstellt , denn eine bloß äußerliche Nebeneinanderstellung
wäre sowohl für den Gebrauch unbequem, als auch überhaupt der Aufgabe der
Vollendeteren Arbeit' nach wissenschaftlicher wie künstlerischer Seite nicht ent-
sprechend gewesen. Der Herausgeber, der um mundartliche Forschung selbst hoch-
verdiente G. K. Frommann, hat diese, wie jeder Kenner weiß, mühevolle Aufgabe
mit so viel Treue und Sorgfalt gelöst, als man nur immer von ihm erwarten durfte.
Ein einzigesmal finde ich in den von mir geprüften Artikeln Gelegenheit, ein Ver-
sehen des verehrten Herausgebers zu berichtigen. Bei dem Worte \Uc äbevtiur ist
unter andern interessanten Bereicherungen auch eine in der ersten Ausgabe nicht
berücksichtigte Bedeutung unter 2. namhaft gemacht: 'Zauber, Gaukelei, List'
und mit einer Stelle aus Jos. Pauli belegt: hieher aber und nicht zu "3. das Un-
thier' gehört das daselbst beigebrachte Citat aus H. Sachs , worin das Wort gerade
in der letzten der drei unter 2. angegebenen Bedeutungen 'List' gebraucht ist.
Die Formulierung dieser Bedeutung rührt vom Herausgeber her, Schmeller hatte
nur die Citate beigeschrieben und auf solche und ähnliche Fälle, wo der Verf. dazu
geradezu nöthigt, hat Froramann seine dann jedesmal möglichst knapp gehaltenen
aber treffenden Zusätze beschränkt und bezeichnet. Gewiß hätte gerade der Heraus-
geber noch mehr zu geben vermocht; in dem Umstände, daß er es nicht geben
durfte, liegt eine Aufopferung, die sein Verdienst in unsern Augen nur um so höher-*
stellt. Hoß"entlich aber wird Frommann, sobald ihm wieder die nöthige Muße wii"d,
für solche Selbstverleugnung sich entschädigen und uns nicht vorenthalten, was
er zu bemerken findet. Auch Ausstattung und Format (das Ganze soll 2 Bände
in 4" umfassen) ist entsprechend, letzteres speciell nach meiner Ansicht für ein
Lexicon passender als das der ersten Auflage. Und so könnte ich meine Anzeige,
die vorläufig das Erscheinen des lang erwarteten Werkes nur freudig begrüßen soll
8*
llö LITTERATUß.
— eine eingehendere Würdigung muß auf später verspart bleiben — schließen
und hätte nur dinen Wunsch, daß das Erscheinen des Buches nach Kräften be-
schleunigt werden möge : vier Jahre, von denen der Prospectus spricht, will unserer
Ungeduld etwas zu lang erscheinen.
WIEN, im Februar 1869. JOHANN LAMBEL.
Buch der Bündth-Ertznei. Von Heinrich von Pfolsprundt, Bruder des deutschen
Ordens. 14ß0. Herausgegeben von H. Haeser und A. Middeldorpf, Pro-
fessoren zu Breslau. Berlin. Reimer. 1868. XLIV u. 179 Seiten. 8".
Ein für die Geschichte der Medicin, wie für die Grammatik der mitteldeut-
schen Mundart gleich wichtiges Denkmahl, durch dessen Herausgabe uns die bei-
den Gelehrten, deren einer bereits im vorigen Jahre vor Vollendung des Druckes
starb, zu lebhaftem Danke verpflichtet haben. Wenn gerade die sprachliche Seite
des Buches, welche uns hier besonders angeht, die schwächste ist, so trifft der
Vorwurf weniger die Herausgeber, als vielmehr Andere. Als Nichtphilologen hatten
sich jene, wie sie uns mittheilen (S. X), an bewährte Sachverständige gewandt,
um die Grundsätze festzustellen, nach denen beim Abdrucke zu verfahren sei. Die-
sen nun haben wir es zu danken, daß wir die ganze liebenswürdige Orthographie
eines Schreibers aus dem IG. Jahrlumdert, mit wahrhaft rührender Pietät bewahrt,
zu lesen bekommen. Formen Wie pjfheill, außtzwtzlen, tzworsteUcn^ scJtwe ( — schüwe),
tzwo {■=zuo), ssiden u. a. erscheinen da und nur wo die Handschrift sich den Lu-
xus von drei gleichlautenden Consouanten gestattet ( — sssäen, meissseln — )', bleibt
uns diner erspart. Und warum? 'Es sei unmöglich,' meinen die 'Sachverständigen',
'die Grundsätze anzugeben , nach denen bei einer etwaigen Verbesserung (der Or-
thographie) zu verfahren sein müßte, da weder im Jahre 1460 (zur Zeit Pfolsprundts)
noch 1519 (zur Zeit Ilentzes, des Schreibers der Handschrift) irgend eine feste
Regel in Betreff deutscher Rechtschreibung Statt gefunden habe. So platte, schiefe
Bemerkungen sollte man heutzutage nicht mehr machen, nachdem durch eine Reihe
classischer Beispiele gezeigt ist, wie solche Dinge zu behandeln seien. Den Schaden
davon trägt nur das Buch, denn welcher für die Geschichte seiner Wissensckaft
noch so eifrig bestrebter Mediciner wird sich durch diesen Wust von überflüssigen
Buchstaben hindurchwinden ? Ja welcher wird überhaupt nur eine Seite lesen und
verstehen können? Die Sachverständigen' haben durch ein solches Verfahren er-
reicht, was gewiß nicht in ihrer und der Herausgeber Absicht lag, daß das Buch
angelesen bleibt bis auf wenige Germanisten , welche ein sprachliches Interesse au
dasselbe fesselt. Auf gleich niederer Stufe steht, was S. XHI als für die thürin-
gische Heimat des von Pholsprundt, die wir übrigens vor der Hand nicht läugnen
wollen, beweisend angegeben wird. Außerdem noch einige Bemerkungen. In der
Einleitung sprechen die Herausgeber Seite VHI von Hans Gersdorf in einer Weise,
welche vermuthen lässt, daß ihnen der Mann bis dahin unbekannt war. Näheres
über ihn steht jedoch bereits in Jöchers Gclchrtenlexicon 2, 961 und Weller bringt
in seinem Repertorium unter Nr. 1053 und 3794 zwei Ausgaben seines Werkes
Feld/buch der Wundartznei. Die erste ist s. 1. e. a., die zweite im Jahre 1526 zu
Straßburg gedruckt und nennt sich hier der Verfasser: Hans von Gerßdorf genant
Schylhans burger und wundarzt zu Straßburg. Sonst trage ich nach, daß S. 1 Zeile 7
nacli loivüt der Beistrich zu tilgen ist und Seite 122 Zeile 15 geberth nicht Schreib-
fehler für gferbeit, sondern das part. praet. von bern ist, über welches Verb in der
Jiier zutreflfenden Bedeutung von kneten zu vergleichen i»t Grimm Wb. 1, 1502f
LITTERAT UR. 117
Die erquicklichste uud schönste Partie des Buches bleibt jedoch die Einlei-
tung, soweit sie die Stellung des von Pholsprundt in der Geschichte der Medicin
erörtert. Hier liaben die Verfasser für das Verständniss der Schrift Eühmliches ge-
leistet und ich wiederhole es daher, daß die oben ausgesprochenen Vorwürfe kei-
neswegs sie treffen können. Hätten die Germanisten in gleicher Weise ihre Auf-
gabe verstanden und durch Reinigung der Orthographie, eine Einleitung über die
Mundart und ein kurzes Wortverzeichniss ihre Pflicht gethan, so müßten wir unbe-
dingt diese Ausgabe den besten ihrer Art gleichstellen. So aber hat sich die Ver-
lagshandlung durch sorgfältige Ausstattung, schönes Papier und reinen Druck
ein größeres Verdienst um die Publication erworben als die 'Sachverständigen'.
WIEN, im Februar ISGO. JOSEPH STROBL.
Das B ot im Spiegel sehweizerdeutscher Volkssprache und Sitte. Lese schwei-
zerischer Gebäckenamen. Aus d m Papieren des schweizerdeutschen Idiotikons.
Leipzig, S. Plirzel, 1868. VÜI u. 18G SS. 8'.
Wir begrüßen in diesem Buche, als dessen Verfasser sich am Schlüsse der
Vorrede Herr Fritz Staub nennt, die erste Frucht der in der Schweiz gemachten
Vorarbeiten zu einem schweizerdeutschen Idiotikon. Die Form der Behandlung
wurde einerseits bedingt durch die noch vorhandenen Lücken im Materiale, ander-
seits durch die Rücksicht auf die 'Mehrzahr der Mitarbeiter und Freunde des Unter-
nehmens, unter denen 'nur wenige Sprachkenner, noch weniger Sprachforscher und
Grammatiker'. (IV.) Diese Form ist eben die durch die Aufsätze von Rochholz auch
den Lesern dieser Zeitschrift bekannte. Man wird leicht einsehen, daß bei dem
wesentlichen Unterschiede zwischen dieser durch äußei-e Umstände abgenöthigten
Behandlung und der künftigen lexikalischen Ausführung es schwer fällt, von jener
auf diese zu schließen ; es ist eben zweierlei im engen Rahmen eines Wortes, die
Geschichte desselben zu erschöpfen und unter einem weitern Gesichtspunkte eine
Reihe von Vorstellungen und Begriffen zusammenzufassen. Die vorhandenen Mängel
des Buches können ebensogut bloß auf Rechnung der gewählten Behandlung kom-
men, wie eine andere Ausführung neue hier nicht erscheinende Mängel zeigen kann.
Das scheint auch der Verfasser gefühlt zu haben, denn nur so verstehe ich die
W^orte am Schlüsse seiner Vorrede (S. VHI): 'Mögen uns recht viele Recensenten
zu Theil werden, denen die Förderung der Sache am Herzen liegt und möchte die
Oberflächlichkeit, welche zwar — wir fühlen es selber — an mancher Stelle von
der durch Streben nach Kürze verschuldeten Schwerfälligkeit unseres Stiles zum
Mitsprechen und da sie unsere Worte nicht genugsam urgieren wird, zum Miss-
verständniss verlockt ist, diesmal lieber das Gold als das Silber wählen. In diesem (?)
Sinne bitten wir sogar um die Kritik und eine rückhaltslose, so wahr als uns die
Ehre des Vaterlandes, in deren Dienst wir uns und unsere Arbeit gestellt haben,
höher steht als persönlicher Schein.'
Jedesfalls erscheint es uns als ein Fortschritt, wenn Seite IV bemerkt ist,
daß auch ältere Quellen zur Sammlung beigezogen werden sollen. Ich erwähne das,
weil auf der Philologenversammlung zu Würzburg im Jahre 1862 W. Wackcr-
nagel (wenn ich den Bericht, Germania VIII, 225 recht verstehe) das Gegenthcil
befürwortete. Es lässt sich auch davon, wie weit in dieser Beziehung gegangen
wurde, kein recht klares Bild aus dem Büchlein entnehmen, wiewohl solche Quellen
allerdings zur Erklärung beige :ogen wurden. Nach der Anmerkung auf Seite 164
zu schließen, wird die Schmellerische Anordnung beibehalten, was natürlich unbe-
118 MISCELLEN.
dingt zu billigen ist. Des letztern Vorbild zeigt sich aueh bei der Betonung des
cnlturhistorischen Momentes der Wörter, das auch R. Hildebrand auf seinem Ge-
biete mit so vielem Erfolg durchführt.
Zur Arbeit, wie sie vorliegt, haben wir nur weniges zu bemerken. Die Rich-
tigkeit der einzelnen Etymologien kann sich ei'st prüfen lassen, wenn der Sprach-
schatz vorliegt; der dadurch gewonnene reichere Überblick wird wohl manches,
gegen das vvir heute Bedenken haben, stützen. Ein bei einer derartigen Behandlung
k'icht eintretender Fehler ist der Versuch, zu viel unter gleichartige Gesichtspunkte
zu zwängen. Das scheint uns auch hier nicht ganz vermieden. So wird S. 38 die
Bedeutung der Verbums abkratzen als sterben in Verbindung gebracht mit dem
Scharren des Backtroges, 'welches die letzte eigentliche Hantierung bei der Berei-
tung des Brotes ist, bevor dasselbe der Einwirkung der Elemente, wie etwa der
Leichnam dem Schöße der Erde anvertraut wird; entsprechend hat (beim Kuchen-
backen) der Rest des Teiges den Namen Tod.' Mundai-tlich verwendet sich jedoch
abkratzen auch für sich fortscheren , wie abschaben und hier scheint uns der An-
knüpfungspunkt zu sein. Ebenso behält gegenüber der Erklärung von KUsicoche
in unserm Buche Seite 9 die Schmellers, welche auch Hildebrand angenommen und
weiter begründet, ihr Recht. Die Birlingers ist uns zu — pikant. Seite 174 spricht
sich der Verfasser mit Unrecht, wie es scheint, gegen die Erklärung von Ambeiler
als aus An und beiler zusammengesetzt aus. Wie man abbeilen kann, kann mau
auch ambeilen, d. h. die Beile anlegen.
Bei diesen Bemerkungen lassen wir es vor der Hand bewenden und erinnern
ausdrücklich noch einmal daran, daß erst der vorliegende Wortschatz eine frucht-
bare Discussion eröffnen kann. Bei der Wichtigkeit des Idiotikons wollen wir den
Wunsch aussprechen, daß die Bearbeiter lebhaft von Seiten ihrer Landsgeuossen
unterstützt würden, wozu gerade dieses Büchlein weiter beitragen mag. Daß spe-
ciell auch der Canton Solothurn noch unter den Beitragenden fehlt ( — wogegen
der verehrte Mitarbeiter dieser Zeitschrift A.LütoIf in Solothurn seiner Antheilnahme
wegen gei'ühmt wird — ), darf, glauben wir, gerade an diesem Orte bedauert
werden. Er sollte schon um seines einstigen Heimatsgenossen willen nicht länger
unvertreten bleiben.
WIEN. JOSEPH STROBL.
MISCELLEN.
Bericht über die Sitzungen der germanistischen Section der XXVI. Philo-
logenversammlung zu Würzburg, 1. bis 3. October 1868.
In das Album der Section hatten sich folgende 33 Mitglieder eingetragen:
Barack, K. A. Dr., Hofbibliothekar, aus Donaueschingen.
Behringer, Prof., aus Würzburg.
Bindcwald, Dr., aus Gießen.
Boßler, Ludwig, Gymnasiallehrer aus Gera.
Brinkmann, H,, aus Segnitz.
B u ch m an n , Dr., aus Marburg.
Bülau, Dr., aus Hamburg.
MISCELLEN. 119
Creizenach, Th., aus Frankfurt am Main.
Da hu, Felix, Prof. Dr., aus Würzburg.
Dietz, Ph., aus Marburg.
Erkeleuz, Prof. Dr., aus Nürnberg.
Foß, Prof. Dr., aus Berlin.
Flügel, F. Dr., aus Leipzig.
Grein, C. W. Dr., Archivar aus Cassel.
Heremans, Dr., aus Gent.
Hildebrand, Dr., aus Leipzig.
Holland, Prof. Dr., aus Tübingen.
Jün klein, A., aus Bamberg.
Kaufmann, Alexander, Dr. Archivrath aus Wertheim.
Keinz, Friedrich, Bibliotheksassistent aus München.
Koch, Fr. Prof. Dr., aus Eisenach.
Köhler, A. Dr., aus Dresden.
Köhler, R. Dr., Bibliothekar aus Weimar.
Lexer, Prof. Dr., aus Würzburg.
Maß mann, H. F. Prof. Dr., aus Berlin.
Mündler, Prof., aus Nürnberg.
Schmidt, Studieulehrer, aus Frankfurt.
Vial, Dr., aus Hersfeld.
De Vries, Prof., aus Leiden,
Wülker, E. Dr., aus Frankfurt am Main.
W ü 1 k e r , K., aus Frankfurt am Main.
Zillober, Prof., aus Augsburg.
Zschech, Dr., aus Magdeburg.
Die erste Sitzung, Donnerstag den 1. October, Vormittags 9 Uhr, er-
öffnete der mit den Präsidialgeschäften provisorisch betraute Prof. Dahn aus Würz-
l)iirg, indem er die Versammlung herzlich willkommen hieß und Dr. Hildebrand
aus Leipzig zum Vorsitzenden vorschlug. Da dieser ablehnte, wurde Prof. Creizenach
iuis Frankfurt a. M. zum Präsidenten ernannt, auf dessen Vorschlag Gymnasial-
lehrer Dr. A. Köhler aus Dresden und der unterzeichnete Berichterstatter das Amt
der Schriftführer übernahmen.
Der Vorsitzende leitete alsdann die Verhandlungen ein durch einen Nachruf
an Franz Pfeiffer , und betonte hauptsächlich dessen Verdienste um Einführung
der germanistischen Wissenschaften in Schule und Leben. Daran knüpfte er die
Mahnung zur Versöhnung zwischen den streitenden Parteien , die Pfeiffer nicht
mehr vergönnt war zu sehen. Im Anschluß daran erinnerte Hildebrand an die ver-
söhnliche Gesinnung, die Zacher nach Pfeiffers Tode gezeigt habe, so daß also die
Versöhnung in der That über dem Grabe zu Stande gekommen sei.
Prof. Maßmaun aus Berlin, der hieran noch einige persönliche Erinnenuigen
an den Verstorbenen knüpfte, berichtete dann über die Ergebnisse seiner letzten
Reise nach Italien und die von ihm zu Mailand eingesehene Haudswhrift des Vulfila.
Eine Mittheilung von Pfeiffer, die Entdeckung einer gothischen Handschrift in
Mailand durch Reifferscheid betreffend, veranlasste Maßmann zu einer Reise nach
Italien und zu einem sechswöchentlichen Aufenthalte daselbst. Aus der Überein-
stnnmung der Turiuer Handschrift mit der eingesehenen Mailänder aus dem Ivloster
120 MISCELLEN.
Bobbio stammenden geht hervor, daß jene früher einen Theil der Mailänder Hand-
schrift bildete, namentlich da die vier Blätter der Turiner Handschrift, Bruchstücke
aus dem Brief an die Galater und dem Brief an die Colosser enthaltend, in der
Mailänder Handschrift fehlen, aus welcher sie, wie sich aus einem alten Bibliotheks-
katalog ergibt, nach dem Jahre 1461 herausgerissen worden sind. Maßmann hob
dann die schädliche Einwirkung der seither in Anwendung gebrachten chemischen
Rcagontien auf die Handschriften hervor; namentlich gelte dies von den gothischen
Handschriften, die durch die an den Rändern der Buchstaben immer weiter fres-
senden Chemikalien in Kürze ruiniert und unlesbar sein würden, denn schon jetzt
sei manches, was im Jahr 1833 noch lesbar gewesen, nicht mehr zu erkennen.
Hieran knüpfte Maßmann noch die interessante Mittheilung, daß während Casti-
glione keine schädliche Reagentien angewendet habe, der Cardinal Angelo Mai die
gothischen Handschriften absichtlich verderbt haben soll, damit sie von den Deut-
schen nicht mehr gelesen werden könnten.
Der Vorsitzende theilte dann aus einer Notiz Zachers zum Sectionsprotokoll
der 25. Philologenversammlung zu Halle mit, wonach dieser die Resolution wegen
Unterstützung des Grimm'schen Wörterbuches aus Staatsmitteln zur Ausführung
gebracht habe, indem er sich an den Bundeskanzler gewendet. Wie man aus den
Zeitungen ersehen konnte, ist diesem Wunsche bei dem Reichstage des norddeut-
schen Bundes entsjn-ochen worden.
Hierauf machte derselbe auf das Bedürfniss aufmerksam, daß für die Erklä-
rung derjenigen älteren deutschen Wörter, die nicht im Kreise der bekannten so
verdienstvollen Wörterbücher liegen, ein Anhaltspunkt in einem wissenschaftlich
hergestellten Glossarium geboten werde. Für solche Wörter, wie sie in Urkunden,
Urbarien, Inventarien und ähnlichen Schriftstücken vorkommen, sei der Leser oft
allein auf seine eigenen Vermuthungen angewiesen. Prof. Dahn unterstützte diesen
Gedanken wegen der großen Wichtigkeit eines solchen Unternehmens nicht allein
für die Cultur- und Sprachgeschichte , sondern auch für die deutsche Rechts-
geschichte,' und da nach den Mittheilungen mehrerer Anwesenden Prof. Lexer den
Plan zu einem solchen Sprachschatz, den man etwa ein archivalisches Glossarium
nennen könnte, bereits ausgebildet hat, von der Ausführung aber durch andere
Arbeiten noch zurückgehalten ist, so wird die Erklärune: darüber, ob man zu einem
derartigen Unternehmen ermuntern und direct dazu anregen wolle, auf die nächste
Sitzung verschoben, zu welcher Prof. Lexer erwartet ist.
Dann sprach Hildebrand über den Gebrauch des Nominativs statt des Accu-
sativs im alemannischen Dialekte, der schon von Hebel in der Vorrede zu seinen
Gedichten erwähnt wird („Der Accusativ des Singulars ist auch bei den Masculinis
dem Nominativ gleich, z. B. der Tag, der und den Tag") und auch in den Ge-
dichten selbst sich nicht selten findet; so in 'Eine Frage' „hebt sie b'herzt der F'm-
iji^r uf, 'im Statthalter von Schopfheim' „und leng mer fZer Farresch\yanz abe", im
'Wiicliterruf' „und wer im Friede der Tag erlebt.'' Weinhold hat diesen Gebrauch
in seinem verdienstvollen Werke unerwähnt gelassen. Da Dr. Barack aus Donau-
eschingen diesen Gebrauch für das ganze Gebiet des Alemannischen bis zum Neckar
bei Rottweil und Oberndorf bestätigte, Prof. Holland aus Tübingen ihn für das
Schwäbische entschieden in Abrede stellte, so erkannte Hildebrand dai-in einen
wichtigen Unterschied der beiden Dialekte und bemerkte weiter, daß der nämliche
Gebrauch sich auch am Niederrhciu finde. Prof. de Vries aus Leiden erwähnte dann,
daß er auch im eigentlichen Holland voikomrne, indess könne der holländische Ge-
MISCELLEN. 121
brauch nicht zur Erklärung des deutschen dienen. Nachdem Prof. Koch aus Eisen-
ach als wahrscheinlichen Grund des Grieichlautens von Nominativ und Accusativ
eine gewisse Verhärtung und Erstarrung angegeben hatte, entnahm Hildebrand
aus einem Briefe von Rieger in Darmstadt, daß der Gebrauch des Nominativs an-
statt des Accusativs nicht allein am Ober- und Niederrhein, sondern auch am Mittel-
rheiu (ßieger will ihn bei Leuten aus dem Odenwalde und der Bergstraße, sowie bei
solchen aus Obei-hessen beobachtet haben) zu Hause sei. Da dies noch außerdem
von mehreren Anwesenden bestätigt wurde, so glaubte Hildebrand in dem Ge-
brauche des Nominativs statt des Accusativs eine dem ganzen Rheinlande gemein-
same Erscheinung finden zu dürfen, zusammenhängend mit dem lebendigen Ver-
kehr auf dem Strome , sowie ja auch Sitte und Denkweise im ganzen Rheinlande
übereinstimmen, so verschieden auch die Volksstoffe sein mögen, welche dasselbe
erfüllen. Was das Alter dieses merkwürdigen Gebrauchs betrifft, so findet er sich
schon in der Pariser Handschrift Walthers von der Vogelvveide. Dort heißt es im
Liede von den zwei Flüchen:
hiure müezen's beide essel und der gouch geJiceren [Lachm. 73, 31 Pf. 34, 9],
an welcher Stelle Lachmann irrthümlich einen Vocativ angenommen hat, Pfeiffer
und Rieger der in den umgeändert haben. Allein die Form ist jedenfalls für jenen
rheinischen Nominativ, wie man ihn vielleicht bezeichnen könnte, zu halten. Die
Erscheinung ist jedoch älter, denn schon in einer von Joseph Haupt herausgege-
benen Erklärung des hohen Liedes aus dem 12. Jahrhundert findet sich ein Bei-
spiel dafür. Französische Entlehnung kann dabei nicht angenommen werden, da
sich dieser Gebrauch auch bei Stämmen findet, welche gar nicht mit Frankreich
in Berührung kamen. Reacbtenswerth für die Erklärung ist die mittelhochdeutsche
Bezeichnung umh den Rhi für das eigentliche Deutschland, da sie sogar ein im
heiligen Lande abwesender Minnesänger gebraucht , der nicht Rheinländer ist.
Hierauf erinnerte noch Dahn an die Gleichheit der Bestimmungen über das ehe-
liche Güterrecht den ganzen Rhein abwärts, und de Vries erklärte, daß gerade der
auf dem Rheinstrome stattfindende Völkerverkehr für die Ursache jener Schwächung
zu halten sei.
Mit Rücksicht auf die bereits um 10 Uhr begonnene allgemeine Sitzung
wurde alsdann (11 Uhr) die Sectionssitzung geschlossen.
Die zweite Sitzung, Freitag den 2. October, Vormittags Va 9 Uhr,
wurde mit der Verlesung des Protokolls durch den unterzeichneten Schriftführer
und mit Ei-ledigung einiger geschäftlichen Angelegenheiten eröffnet. Insbesondere sah
sich die Versammlung in Betreff einer Zuschrift des Obergerichtsraths Grisebach in
Hameln wegen Fortsetzung des Werkes „Bilder deutscher Kaiser und Könige"
nicht in der Lage, buchhändlerische Unternehmungen dieser Art zu unterstützen,
und wurde deshalb das betreffende Schreiben an das Gesammtpräsidium zurück-
gesendet.
Hiei-aiif theilte Studienlehrer Schmidt aus Schweinfurt einige Proben aus
Handschriften mit, die sich zum Theil früher in der Klosterbibliothek zu Mem-
mingen befanden, zum Theil in Tambach und in Stuttgart sind, theilweise auch
in seinen Besitz übergegangen sind. Auch machte derselbe auf eine Handschrift
in Gotha aufmerksam, die wichtige Notizen über fränkische Adelsgeschlechter
enthält.
Dann sprach Dr. Grein aus Cassel über die Arbeiten , welche ihn jetzt be-
schäftigen.
122 Mise ELLEN.
Zuerst theilte er im Anschluß au die Schrift von Dr. Windisch über die
Quellen des Heliand mit , daß von ihm über denselben Gegenstand in Kürze
eine Gegenschrift erscheinen werde. Windisch sei bei seiner sonst vortrefflichen
Schrift dadurch zu einem falschen Resultate gelingt, daß er, beirrt dui'ch eine vor-
gefasste Meinung, gleich von der Voraussetzung ausgieng, der Dichter des Heliand
uiüsste in gleicher Weise, wie dies Kelle für Otfrid gezeigt, außer dem Tatian unter
den Evangeliencommentaren zum Matthäus den Rhaban, zum Johannes den Alkuin
und bloß zu Markus und Lukas den Beda benutzt haben, und daß er lediglich dies
zu beweisen gesucht habe, ohne auch die Commcntare des Beda zum Matthäus und
Johannes zu vergleichen. In seiner Arbeit habe nun Grein den Beweis geführt, daß
der Dichter fast Alles, was er aus Rhaban und Alkuin hätte schöpfen können (und
es sei dies noch weit mehr als Windisch angibt) , ebensogut auch in den vier Com-
mentaren des Beda habe finden können: nur einiges wenige, was Beda nicht habe,
sei unmittelbar aus Augustin, Hieronymus und Gregor dem Großen geschöpft; ja
der Dichter habe sogar einiges aus Beda geschöpft, was sich in den entsprechenden
Commentaren des Rhaban und Alkuin nicht finde. Daher entbehre auch der Schluß,
der Heliand habe nicht vor 825 entstehen können, weil des Rhabanus Commentar
erst 821 — 822 geschrieben sei, jedes sicheren Grundes: vielmehr sei die Abfas-
sung des Heliand aus andern Gründen in die Jahre 815 — 820 zu setzen. Zugleich
führte der Redner an, daß er mit seiner Schrift auch einen Abdruck des Tatian
mit Bezeichnung der vom Dichter benützten Stellen nach dem aus dem 9. Jahr-
hundert stammenden Casseler Codex gebe, der wegen eines weder in den Evange-
lien, noch in den bisherigen Ausgaben des Tatian stehenden Zusatzes zu Joh. 20. 16
(„et occurrebat ut tangcret eum") offenbar in einer näheren Beziehung zum Heliand
stehe, als die übrigen edierten Codices.
Sodann theilte Grein mit, daß er im Begriffe stehe, im Anschluß an seine
Bibliothek der angelsächsischen Poesie auch eine solche angelsächsischer Prosa
heraus zu geben und mit Alfriks Grammatik, Glossar und Colloquium zu beginnen,
mit deren Bearbeitung er jetzt beschäftigt sei. Als besonders interessant und für
die deutsche Mythologie nicht ohne Bedeutung hob er eine Entdeckung in Alfriks
Gi-ammatik hervor; dort stehe unter den Beispielen zur dritten Declination „turbo
jjoden'^, für welches Lye noch zwei weitere Belege biete. Dies tlioden widerstrebe
j eder Deutung, und bei der großen Ähnlichkeit der angelsächsischen Zeichen für th
und V sei ohne Zweifel voden zu schreiben: wir hätten somit den Wotan selbst als
Bezeichnung des Wirbelwindes; freilich sei dies bis jetzt nur Conjectur.
Endlich führte Grein an, daß ihm der Auftrag geworden sei, nicht bloß eine
neue Ausgabe der mancher Änderungen bedürfenden Vilmar'schen Laut- und Fle-
xionslehre zu besorgen, sondern auch aus Vilmars Nachlaß die deutsche Metrik
luid die Wortbildungslehre herauszugeben. Die Aufzeichnungen Vilmars über die
Wortbildungslehre (vor 30 Jaliren niedergeschrieben) seien jedoch nur ein kurzer
Auszug aus (irimms Grammatik und dem heutigen Stande der Sprachforschung
nicht mehr entsprechend (auch fehle der Abschnitt über die Zusammensetzungen
ganz), so daß der Herausgeber diesen Theil völlig neu ausarbeiten müsse. Anders
stehe die Sache mit der Metrik, von der einzelne Abschnitte fast vollständig vor-
lägen.
Zu dem ersten der von Grein besprochenen Gegenstände bemerkte Gymna-
sialprofessor Behringer aus Würzburg Folgendes : Im Allgemeinen werde als Haupt-
MISCELLEN. 123
quelle für den Heiland die unter dem Namen des Tatiau bekannte, von dem Bischof
Victor von Capua um das Jahr 546 bearbeitete Evangelienharmonie angenommen.
Bedeutende Bedenken gegen diese Annahme errege ein Vergleich des Gedichtes
mit dem genannten Werke und zwar aus folgenden Gründen:
1. schienen besonders drei Stellen 9, 8 10, 17 142, 5 (nach der Schmel-
ler'schen Ausgabe) eine Abweichung von der christlichen Glaubeusweise zur Zeit
der Entstehung des Heliaud, nach der Richtung der im 4. Jahrhunderte sich ver-
breitenden gnostisch marzionitischen Secte zu enthalten, welche das alte Testament
von dem neuen durchaus trennte;
2. werde die Stammtafel des göttlichen Heilandes mit keinem Worte von
dem sonst so treuen Verfolger seiner Quelle erwähnt;
3. würden in höchst auffallender Weise die in cap. H, HI, IX und X in der
vermeintlichen Quelle vorkommenden Prophetenworte und cap. XVHI die Erwäh-
nung des Buches Jesaia übergangen.
Deshalb stellte Behringer die Hypothese auf, daß nicht die jetzt allgemein
angenommene Evangelienharmonie die eigentliche Quelle des Heliand sei, sondern
jene Schrift, welche Tatian selbst verfasste, und die erst von Bischof Victor über-
arbeitet wurde — und zwar aus folgenden, sich an die obigen Bedenken anreihen-
den Gründen :
1. Tatian sei wirklich nach dem Tode seines Lehrers, des heiligen Justinus,
zur Irrlehre der Marzioniteu übergegangen ;
2. die Worte des Bischofs Victor in seiner Vorrede zur vermeintlichen Quelle
des Heliaud lauteten unter anderem : „sogar wenn Tatian schon als Häretiker dieses
Werk verfasst hat, so gehe ich doch gerne, weil ich die Worte meines Herrn ei*-
kenne, an seine Erklärung: wenn es sein eigenstes Werk wäre, wiese ich es weit
von mir.'' Dann fahre er mit den allerdings etwas schwer zu erklärenden Worten
weiter: „Nos tamen in eo sumus labore versati, quo opera solet novella praesumi
— ut, absque scrupulo, studiosi mens secm-a hoc uti possit volumine." Eine ein-
gehende Erörterung dieser Hypothese hat Behringer in dem Programme des Würz-
burger Gymnasiums 1863 gegeben unter dem Titel „Zur Würdigung des Heliand".
Hierauf legte Staatsbibliotheksassistent Keinz aus München auf mehrfach
geäußertes Verlangen eine Karte von Oberbaiern im 8. Jahrhundert vor, die er
sich für seine größere Arbeit über die mittelalterliche Topographie Baierns ange-
fertigt hatte. Die Zeit, während welcher dieselbe von den Anwesenden mit Auf-
merksamkeit betrachtet wurde, verwendete er zu einem Vortrag über einzelne Grup-
pen der auf derselben eingetragenen Namen (es kommen solche in Altbaiern aus
dem genannten Jahrhundert etwa 500 urkundlich vor).
Nach einer vorausgeschickten aUgemeiuen Klassification derselben : einfache
Worte, Patronymica, Zusammensetzungen der verschiedensten Art, verweilte er be-
sonders bei der Klasse der von den Baiern vorgefundenen keltischen und römischen
Ortsnamen. Hiebei von den bekannten Hauptstationen, wie Regina castra, Batava
castra u. A. absehend, machte er darauf aufmerksam, daß sich besonders gegen
das Gebirg und das obere Innthal zu, an der Hauptstraße aus Italien nach Noricum
die alte Bevölkerung lange erhalten habe und nur allmälig von der Kraft des bai-
rischen Volksstammes germanisiert worden sei; Zeuge dessen seien einerseits die
zahlreichen Ortsnamen vorbairischen Ursprungs, die sich um Salzburg und das
obere Innthal entlang zum Theil bis auf unsere Tage erhalten haben und in den
Salzburger Urkunden, besonders dem sogenannten Couiicstum Aruouis und den
124 MISCELLEN.
Brevcs Notitiiic (die Redner ebeu zu neuer Ausgabe vorbereite) in mehr oder minder
echter Form zahlreich erscheinen, wie Juvavo (Salzburg), Monticulus (Muntigl),
Marciago (Morzg), MarcioUae (Marzoll), Mona (Gmain), Nana (Non), Vicus Ro-
maniscus = Walaho uuis (nicht Walahovius, jetzt Wals), CucuUae (Kuchl), Pon-
tena (Pfungeu), Orianus mons (Erl) . Episas (Ebbs), Quantalae (Kundl) U.A.;
andererseits die ebendort in den Schenkungen unfreier Leute an Salzburg häufig
vorkommende Bezeichnung Romani, oder deutsch Walha ; die au der Traun woh-
nenden heißen einmal ausdrücklich Trun walha. Freilich müße man sich darunter
nicht gerade Römer reinsten Blutes denken, sondern eben die Nachkommen der
keltischen, von den Römern romanisierten und mit denselben gemischten Urbevöl-
kerung. Die das Land besetzenden Baiern hätten in ihnen einfach Angehörige des
ihnen durch Sagen längst bekannten römischen Weltreiches gesehen und sie danach
auch benannt. Auf die Kämpfe mit diesen wären auch wohl jene aventinischen
Römerschlachten zu beziehen, die man sich gewöhnt hat, als bloße Fabel an-
zusehen.
Hieran reihte Keinz noch eine etymologische Namenserklärung über das im
Gebiet der bairischen und alemannischen Mundart so häufige, immer den ersten
Bestandtheil zusammengesetzter Ortsnamen bildende Wort Tegern. Bekanntlich
habe man bisher zwei verschiedene Behauptungen für die Erklärung desselben vor-
gebracht. Nach der einen wäre jenes Tegarin ein keltisches Adjectiv, das „groß"
bedeute, nach der anderen der Genetiv eines angenommenen Manusuamens Tegaro.
Beide Aufstellungen scheinen dem Redner aller Wahrscheinlichkeit zu entbehren.
Bei dem ungemein häufigen Vorkommen dieses Wortes in Ortsnamen (eine ober-
flächliche Zählung in dem genannten Gebiete hätte deren mehr als 30 ergeben,
eine genauere könnte vielleicht noch weit mehr finden) könne man füglich an kein
Fremdwort denken, das noch dazu immer in Verbindung mit deutschen Wörtern
auftreten würde; imd was den Personnennamen betrefi"e, so sei es durchaus nicht
anzunehmen, daß ein solcher, der in Ortnamen so zahlreich erschiene, sich bei der
Reichhaltigkeit , welche die bairischen Urkunden von frühester Zeit an gerade
hierin zeigten , als wirklicher isolierter Mannsname nicht ein einziges Mal zeigen
sollte. Es müsse also hier eine andere Erklärung gesucht werden. Bei näherer Be-
trachtung der erwähnten Namen, wie sie z. B. bei Försteraann Tl. 1361 fg. zahl-
reich verzeichnet sind, ergebe sich, daß die Mehrzahl im zweiten Bestandtheil ein
Wort zeige, das auf das Wasser oder den Boden hinweise : seo, jiah, luac, mos, awa,
diese häufig, einzeln auch velt, ascahi, slaht, außerdem heim und dorf, bei welch
letzterem secundäre Zusammensetzung (z. B. dorf an einem tegernbach) angenommen
werden könnte, aber nicht müßte. Es könnte also damit eine Eigenschaft des Was-
sers oder des Grundes bezeichnet sein. Nun gebe es in bairischer Mundart ein Wort
„Tegel" bei Schmeller I. 437 Thon, Lehm, in der Heimat des Redners nur der
bläuliche Thon, Mergel, und es könnte also jene Bezeichnung entweder die Farbe
des Wassers oder den hauptsächlichsten Bestandtheil des Bodens angeben. Als
Probe für diese Vermutliung habe der Redner die Untersuchung des Ortsnamens
Degerschlacht (in Würtemberg, Oberamt Tübingen) augesehen. Wenn nämlich
wie in bairischer so auch in alemannischer Mundart das Wort schlichten — mit
klebriger Masse überziehen — gebräuchlich wäre, und in der Gegend jenes Ortes
sich Lehm fände, so würde er seine Vermuthung als gesicbert betrachten. Ersteres
wurde ihm nun von Angeliörigen de» alemannischen Stammes bestätigt, letzteres
durch den vor kurzer Zeit erschienenen 49. Band der amtlichen Beschreibung von
MISCELLEN. 125
Würtemberg, wo S. 350 fg. ausdrücklich gesagt ist, daß der Boden jener Gegend
„aus einem leichten, nicht tiefgründigen Lehm besteht"*. Dieses Degerschlacht =
Lehmkoth sei dann auch der einzige Name, der das Wort in substantivischer Com-
position zeige, in allen übrigen erscheine es als Adjectiv feyarin. In diesen Namen
habe sich also die ursprüngliche Form des Wortes mit dem r erhalten, während in
der gewöhnlichen Sprache das r in l übergegangen sei. Bei der Verwandtschaft
und dem häufigen Wechsel beider Laute könne das nicht auffallen ; sie zeige sich
z. B. innerhalb des Mittelhochdeutschen, das hadel und hader, körpel und körper
biete; ebenso z. B. auch in dörper , das zu Tölpel, in niörter (lat. mortarium
Schmeller IL G22), das zu Mörtel wurde. Wenn das passende der Bezeichnung
sich an m'ehreren Orten wie oben nachweisen lasse, so würde damit jeder Zweifel
an der Richtigkeit der neuen Ableitung fallen , was wohl durch weitere Forschung
leicht sicher zu stellen wäre.
Der Vorsitzende kam nun auf das in der ersten Sitzung von ihm angeregte
Urkundenwörterbuch zurück, und da der am vorigen Tage in Würzburg eingetrof-
fene Prof. Lexer sich bereit erklärte, nach Beendigung des mittelhochdeutschen
Handwörterbuches für den Hirzel'schen Verlag seine begonnene Arbeit für die in
Urkunden vorkommenden Wörter fortzusetzen: so sprach die Versammlung den
Wunsch aus, es möge demselben bald die Muße werden , zur Abfassung zurück-
zukehren und dadurch ein Hilfsmittel zu schaffen, dessen die deutschen Studien
namentlich im Gebiete der Cultur- und der Rechtsgeschichte kaum mehr entbehren
können. Die Mitglieder der germanistischen Section erklärten sich zugleich erbötig,
den Herausgeber in seiner übrigens durchaus selbstständigen Arbeit durch Collec-
taneen, Nachweisuugen und Förderung jeder Art zu unterstützen.
Prof. Lexer äußerte hierauf den Wunsch , daß man die Fortsetzung der
Weinhold'schen Grammatik der deutschen Mundarten unterstützen und dazu auf-
muntern solle. Nachdem Creizenach und Hildebrand sich in demselben Sinne aus-
gesprochen, und namentlich letzterer die Wichtigkeit der nun zu bearbeitenden
rheinischen, fränkischen und mitteldeutschen Grammatik hervorgehoben hatte,
wurde der Antrag in folgender Form von der Versammlung angenommen:
„Die germanistische Section der 26. Versammlung deutscher Philologen und
Schulmänner spricht ihre Freude aus über Weinholds treffliche Leistungen auf
dem Gebiete der deutschen Mundarten und den Wunsch, daß er in seiner schwie-
rigen Arbeit rüstig fortschreiten möge, wobei ihm die germanistische Section ihre
Unterstützung zusichert."
Dann sprach Hildebrand über die Sitte des Hutabnehmens beim Grüßen und
suchte zu beweisen, daß dieselbe aus dem Lehenswesen herstamme. Die meisten
unserer Höflichkeitsformen, für welche oft gar kein innerer Grund vorliege, seien
Bchon in älterer Zeit entstanden. So lasse sich das Ablegen des Degens der Offi-
ciere beim Eintritt in ein Zimmer schon im Nibelungenliede finden, wo es von
Eckewart heißt, als er nach Bechelaren kommt, um Rüdigeru die Ankunft der
Burgunden zu melden,
dat swert er ahe gurte und leitez von der hant. [Lachm. 1583, 2. Holzm. 1683, 2.]
Zur Erklärung des Hutabnehmens beim Gruße könne eine Stelle des sächsi-
schen Lehensrechtes dienen, worin dem Lehensmann geboten wird , bei seinem
Eintritt beim Lehensherrn Alles abzulegen, was er von Eisenzeug an sich trägt,
namentlich aber den huot und das huotelin, d. h. den Helm und die demselben
untergelegte wollene Kappe. Er eoU alao vollkommen wehrlos dastehen. Mit dieser
126 MISCKLLEN.
Abstammung aus dem Lehenswesen, wonach also das Hutabnehmen ursprünglich
ein Zeichen der Wehrlosmachung der eigenen Person, ein Zeichen der vollkom-
nicucu Ergebung und Ergebenheit wäre, stimmen denn auch die Bezeichnungen
„mein Herr" und „Ihr Diener". Daraus wird auch klar, warum die Frauen den
Hut nicht abnehmen. Volle Bestätigung aber findet diese Aufi'assung in einer Ge-
schichte aus den Bauernkriegen. Dort werden zwei Ritter in ihrer Burg von den
Bauern hart bedrängt, und da sie keine Rettung mehr sehen, hängt der eine seinen
Helm an das Fenster. Als auch dies nichts nützt, wirft der andere den Helm unter
die untenstehenden Bauern — sicherlich als Zeichen der Ergebung. Als Maßmann
hierauf das scapel rucken erwähnte, erinnerte Hildebrand an ein Bild der Hundeshagener
Handschrift, wo bei der Begrüßung der beiden Königinneu Brüuhild zum Gruße
die Hand an die Krone legt, und betonte, daß bei der Veröffentlichung und Erklä-
rung die Bilder in den Handschriften mehr zu berücksichtigen seien.
De Vries berichtete, daß das Hutabnehmen beim Gruße sich schon in den
niederländischen Quellen aus dem 14. Jahrhundert finde; schon bei den Römern
sei der Hut das Zeichen der Herrschaft gewesen, dabei erinnerte er an den Hut
des Geßler in der Schweiz.
Hildebrand entgegnete, daß beim Hutabnehmen kein römischer Einfluß an-
zunehmen sei, das einmal bei Seneca vorkommende Eutblössen des Hauptes beim
Gruß sei ganz gegen römische Sitte, für die Erklärung unseres Hutabnehmens sei
jedenfalls der Zusammenhang mit dem Eisenhute festzuhalten.
Dahn hält es für unzweifelhaft, daß unsere Höflichkeitsformen aus der Höfisch-
keit, der curia feudalis entstanden sind, also dem Lehenswesen ihren Lirsprung
verdanken, Geßlers Hut sei das Zeichen der Gerichtsbarkeit des Hauses Ostreich,
bei den Römern sei allerdings der Hut ein Symbol der Freiheit , aber nur bei der
Freilassung.
Hieran schlössen sich noch weitere Bemerkungen über ältere deutsche Sitten,
und nachdem der Vorsitzende noch auf das Bedenkliche mancher neueren For-
schungen und auf die dadurch hei-vorgerufene Unsicherheit beim praktischen Unter-
richte hingewiesen hatte, wurde die Sitzung um 11 Uhr geschlossen.
Zu Beginn der dritten Sitzung, 3. October Vormittags 8 Uhr, theilte
Gymnasialdirector Piderit aus Hanau über Vilmars Nachlass mit, daß sich darin
eine kritische Bearbeitung von Fischarts Bienenkorb finde, für welche es sich nur
um einen passenden Verleger handele. Ferner befinde sich in Vilmars Nachlasse
ein kleines Weihnachtsspiel aus dem 15. Jahrhundert, das früher im Besitze des
Oberconsistoriakathes Justi in Marburg gewesen und wahrscheinlicher Weise noch
nicht im Druck erschienen sei. Außerdem würde sich vielleicht auch noch eines
oder das andere der kleineren Fischartiana, wie sie zum Theil bearbeitet in Vil-
mars Papieren vorlägen, zum Drucke eignen.
Der Vorsitzende war der Ansicht, es könne nicht an einem Verleger für
Fischartiana fehlen, namentlich da Vilmars Kenntnisse auf diesem Gebiete allge-
mein anerkannt und gerade der Bienenkorb ein Werk von so großem zeit- und
culturgeschichtlichem Werthe sei. In Betreff des Weihnachtsspieles erklärte sich
Hildebrand schon darum für den Druck, weil bis» jetzt kein so altes Weihnachts-
spiel bekannt sei.
Nach Verlesung des Protokolles der gestrigen Sitzung durch den Unterzeich-
neten erfolgten geschäftliche Mittheilungen des Vorsitzenden in Betreff des nächsten
Versammlungsortes, und da Hildebrand einen Avirklichen Sectionsbeschliiß über das
MISCELLEN. 127
Präsidium bei der nächsten Versammlung für nicht üblich und unnöthig erklärte,
so wurden die betreifenden Unterhandlungen dem diesjährigen Vorsitzenden über-
lassen. Dieser bezeichnete darauf die Professoren Weinhold und Möbius als muth-
maßliche Präsidenten der germanistischen Section bei der nächsten Philologenver-
sammlung in Kiel.
Nachdem noch Candidat Wülker aus Frankfurt a. M.'und Hildebrand einiges
zu den in der zweiten Sitzung besprochenen Höflichkeitsformen nachgeholt hatten,
besprach Prof. Creizenach diejenigen Persönlichkeiten des mittelhochdeutschen
Dichterkreises, die zu Würzburg in näherer Beziehung stehen. Auf Walther gehe
er nicht näher ein um der Vielseitigkeit und Fülle des Stoffes willen ; nur weil seine
erneute Grabschrift uns aus einem Winkel der Stiftskirche begrüße, wolle er ihn
nicht unerwähnt lassen, damit die versammelten Pfleger der deutschen Sprache
nicht der bekannte Bann des i;arlichen Hugo von Trimberg treffe. Auch über
Konrad wolle er nicht weiter sprechen, da demselben der Bezug auf Würzburg,
wenigstens das Heimatrecht mit gewichtigen Gründen abgesprochen werden soll,
wenn ihn auch das Trauergedicht Frauenlobs als den Helden von Wirceburc be-
zeichne. Dagegen widmete er eine eingehende Besprechung dem jüdischen Minne-
sänger Süßkind von Trimberg und konnte die Ansicht von Bartsch und Anderen,
welche ihn nicht als Juden gelten lassen wollen , durchaus nicht für begründet er-
kennen. Es scheine ihm nicht hinlänglich beachtet worden zu sein, mit wie leb-
haftem Antheil die Juden vom 13. bis zum 15. Jahrhundert sich der deutschen
Dichtung, der ritterlichen wie der volksthümlichen Heldensage zuwandten. Ein-
zelne Namen und Redensarten bezeugen dies noch jetzt, wie wenn die Juden von
einer glänzenden Festlichkeit berichten, es sei dabei „zugegangen wie in König
Artus Hof". Schon der Name deute auf jüdische Sitte. Der Redner entwickelte
hier, wie die Juden des Mittelalters viererlei Namen geführt: 1. patriarchalische
aus dem alten Testamente ; es seien diese fast sämmtlich in Gebrauch gewesen,
mit Ausnahme von Adam, Abel und wenigen Anderen ; 2. griechische wie Phöbos
(Feibisch), Kleonymos (Kaiman) und Andere; 3. i-omauische, besonders bei Frauen,
wie Bellafiore, Sprinz (Esperanza); 4. deutsche, und zwar entweder gute alt-
deutsche Heldennamen, wie Gerhard, Günther, Gumprecht, oder neu gebildete
sogenannte sprechende Namen mit etwas geziertem Beigeschmack; unter letzteren
aber waren Süßkind und Liebermann die verbreitetsten. — In der Pariser Hand-
schrift findet sich das Bild unseres Dichters : er trägt jenen trichterförmigen, oben
mit einer Kugel versehenen Hut, welcher allgemein in der kirchlichen Archäologie
als Bezeichnung der Juden gilt. Die Urkunde, nach welcher im Jahre 1218 ein
Meister Süßkind von Trimberg mit dem San et Dietrichsstift zu Würzburg, wo er
Arzt am Leprosenspitale war , einen Vertrag zur Anlegung eines Canals abschloß,
findet sich nach ihrem Wortlaut in Längs bayrischen Regesten. Aber auch aus
seinen Liedern selbst kann man ohne Zwang die Stellung, die er im Leben ein-
nahm, herauaerkennen, so in der eigenthümlichen Entschuldigung des Wolfes und
in dem schwungvollen Preis der Gedankenfreiheit. In der Denkweise ist Süßkind ein
Zögling Walthers ; mit welchem inneren Antheil mußte ein Jude jener Zeit etwa den
Spruch lesen : „im dienent Kristen, Juden unde heiden, der elUu lebendiu lounder nert."'
Daß aber weit mehr Juden, als man anzunehmen pflegt, unsere Dichter lasen und sich
mit den Anschauungen der mittelalterlichen Dichtung vertraut machten, wird noch
durch weitere Forschungen in überraschender Weise bezeugt werden ; obwohl es
an sich weniger auffixllen sollte, wenn man bedenkt, wie die jüdische Poesie in
128 MISCELLEN.
Spanien auch das weltliche Lied berührte und wie Immanuel , der jüdische Maka-
mendichter, seinen Zeitgenossen Dante zu würdigen verstand.
Nach einer mehrseitig gewünschten Pause wurde die Sitzung um Va^^ Uhr
wieder fortgesetzt: Dr. Hildebrand sprach alsdann über die jüdisch-deutsche schöne
Littoratur und machte namentlich interessante Mittheilungen in Betreff eines im
Besitze des Herrn Dr. Hermann Lotze in Leipzig befindlichen, zu Basel im Anfange
des 1 6. Jahrhunderts mit hebräischen Lettern gedruckten Buches , welches eine
poetische Bearbeitung der Bücher Samuelis enthält. Proben daraus lassen es als
ein episches Gedicht des 14. Jahrhunderts in der Nibelungenstrophe erkennen mit
dem vollen Nachklange der alten Volksdichtung. Die hebräischen Lettern beweisen
aufs deutlichste, daß es eine für die Juden bestimmte Dichtung eines Juden ist,
denn von anderen konnte dieser die Kenntniss jener Schriftzeichen wohl nicht vor-
aussetzen. Wir haben also hier auch einen Juden als epischen Dichter, und es
entspringt daraus für die deutsche Litteraturgeschichte ein doppelter Gewinn, nicht
allein ein litterarischer , sondern auch ein nationaler *). Wie Hildebrand von
Dr. Lotze erfahren hat, gibt es eine sehr ausgedehnte Litteratur von solchen mit
hebräischen Lettern gedruckten deutschen Büchern, die sich aus dem Mittelalter
bis in die neue Zeit verfolgen lässt, und alle diese Dichtungen sind von echt deut-
schem Geiste, von alterthümlichem Deutschthum durchdrungen und durchweht.
Da Hildebrand bei dieser Gelegenheit auch auf die altdeutsche Sitte des
Botenbrodes zu sprechen gekommen war, so gründete er auf mehrere mitgetheilte
Beobachtungen die Behauptung, daß die Juden im Mittelalter recht eigentlich die
Träger der deutschen Cultur nach Osten gewesen, wohin sie aus Deutschland ein-
gewandert seien. Beweis dafür seien die deutschredenden Juden in Polen und in
anderen östlichen Ländern; aber auch aus einer Quelle am Ende des 15. Jahr-
hunderts ergebe sich dafür ein merkwürdiger, aber sicherer Beleg: Arnold von Harf
warnt nämlich in seiner Reisebeschreibung nach Jerusalem seine Landsleute vor
den dortigen Juden, weil die alle deutsch könnten.
Aus all diesem werde es nun auch sehr erklärlich, daß im 13. Jahrhundert
ein Jude Minnesänger gewesen, ja auch das gerade wegen seiner hebräischen
Schriftzeichen angefochtene Schlummerlied trete dadurch in ein anderes Licht.
W^eil die Philologenversammlung ihrem Schlüsse nahe war und in der allge-
meinen Sitzung noch über die Thätigkeit der germanistischen Section Bericht er-
stattet werden sollte, so schloß der Vorsitzende nach einigen geschäftlichen Mit-
theilungen die diesjährigen Verhandlungen, indem er das Zusammenhalten und die
Ausdauer der Theilnehmer hervorhob, mit dem Wunsche auf Wohlergehen, auf
Znsammenstehen, auf Wiedersehen, und man trennte sich kurz nach 1 1 LThr, nach-
dem Hildebrand noch dem Präsidium und dem Secretariate den Dank der Ver-
sammlung ausgesprochen hatte.
GERA, im Decembcr 1868. LUDWIG BOSSLEK.
♦) Ausführlicheres über dieses Gedicht soll demnächst veröffentlicht werden.
DIE NORDISCHE PARZIVALSAGA
UND IHRE QUELLE.
VON
EUGEN KÖLBINa.
I. Die Überlieferung- der P a r z i v a 1 s a g a.
Die Parzivalsaga ist uns in vier Handschriften überliefert , über
die einige Notizen zusammengestellt sind , zuerst in dem Mabiuogiou
der Lady Guest I p. 412, wo sich auch Facsimiles von den drei Papier-
handschriften finden, dann in „Samlingar utgifna af Svenska fornskrift-
sällskapet. Andra deleu. Haft 2—4. Herr Ivan Lejon-Riddaren. Stock-
holm 1849, pag. LXVIH f. u. CXXIX, jedoch mit Hauptberücksich-
tigung der Iventssaga und ohne das Verhältniss der Handschriften zu
einander zu erörtern, was nun hier geschehen soll.
Unter den vier erwähnten Handschriften befindet sich eine Per-
gameuthandschrift, die drei übrigen sind Papierhandschriften.
A, auf der königl. Bibhothek in Stockholm, bez. Cod. Holm. perg. 6,
beschrieben von A. J. Arvidsson: Förteckuing öfver Kongl. Bibliothe-
kets i Stockholm isländska Haudskrifter. Stockh. 1848, u. a. o. a. O.
Sie enthält folgende Saga's : 1. Amiciis ok Aem.ilmssaga Bl. 1 — 3. Der
Anfang scheint verloren und die erste Seite ist unlesbar. Die Saga ist
ohne Kapiteleintheilung. — 2. Bevussaga oh fru Josvene, 4'/2 Blatt (3 — 6).
Umfasst den Anfang und den ersten Theil der Saga , worauf sie ab-
bricht, weil, wie es scheint;, ein Blatt fehlt. Den übrigen Theil der Saga
enthält Blatt 7 — 23. — 3. Iventssaga Arüiskappa. Titel Bl. 23 ; nur ein-
zelne Fragmente, a) Anfang Bl. 24—26, worauf wahrscheinlich ein Blatt
fehlt, b) Bl. 27—35, wo wieder etwas fehlt, c) Bl. 36—39, Schluß. --
4. Percivalsaga, in zwei Fragmenten: a) Anfang Bl. 39 — 45. b) 46 — 56,
wo die Saga schließt. — 5. Valverspattr , beginnt Bl. 56 und schheßt
Bl. 61. Auf der folgenden Seite hat man ein Schiff gezeichnet und ein
Kastell mit der Jalu'zahl 1660. — 6. Mirmantssaga, beginnt BL 56 und
GEKMANIA. Neue Reihe 11. (XlV.)Jahrg. 9
130 EUGEN KÖLBING
setzt sich ununterbrochen fort bis Bl. 69, wo der Schluß fehlt. —
7. Flovenissaga Frakka komings, beo;innt Bl. 70 und setzt sich fort
bis Bl. 77, wo ein Stück der Saga verloren gegangen ist. Hierauf
setzt sie sich in einer Folge fort Bl. 78 — 85. — 8. Elissaga, in drei
Fragmenten: a) Bl. 8G — 93, Anfang der Saga; h) Bl. 94 — 104, wo ein
Blatt fehlt, c) Bl. 105—106. Hierauf fehlt das Blatt, Avelches den Schluß
der Saga enthält. — 9. Konradssaga keysarasonar, Bl. 107 — 119. Voll-
ständig. — 10. Jonssaga Svipdagssonar ok Eireks hins forvitna. Bl. 119
bis 126, wo sie abbricht. Der Schluß fehlt. — 11. Mötulssaga. Ein Frag-
ment auf drei Seiten Bl. 127 — 128. — 12. Clarussaga keysarasonar. Un-
vollständig. Das erste Fragment, Bl. 128—132, das andere Bl. 133—136.
Von Bl. 137 ist nur noch ein Stück übrig , welches den Schluß der
Saga enthält.
Der Band wird gebildet durch zwei eichene Holztafeln, die im
Rücken mit Lederriemen befestigt sind. Nach Arvidssons Ansicht stammt
die Handschrift aus dem 14. oder dem Anfang des 15. Jahrh. Abschrift
der Parzivalsaga nach dieser Handschrift habe ich genommen im Sommer
1868. Ich benütze diese Gelegenheit, um den Oberbibliothekaren Herren
Dr. Klemming in Stockholm und Dr. Sturson in Kopenhagen für die außer-
ordentliche Liberalität, mit der die genannten Gelehrten mir, dem Aus-
länder , die betreffenden Handschriften zur Verfügung stellten, meinen
wärmsten Dank auszusprechen.
Von den drei Papierhandschriften liegen zwei auf der Universitäts-
bibliothek in Kopenhagen, die dritte im britischen Museum, a) Auf
der Universitätsbibliothek zu Kopenhagen Cod. AM 179, in groß Folio,
in der Mitte des 17. Jahrhunderts geschrieben von einem Geistlichen,
John Erlendson, der angestellt war, für Brynjulf Sveinsson , Bischof
von Island, Handschriften zu copieren. Dies Manuscript besteht aus
193 Blättern. Der Inhalt ist folgender : Saga af E)nki Viäfm^la, Con-
radssaga keysarasonar , Bevussaga, Iventspattr , Saga af Perceval Hddara,
Valvers])a,ttr , Mirmantssaga , af Clnrus keysarasyni (defect) , af Joni
Svipdagssyni, Flovenissaga, Elissaga, Mötidssaga. Ein Facsim. bei Lady
Guest I , Schluß, b) Die andere in Kopenhagen befindliche Papier-
handschrift, bez. AM 181 A, in Folio, enthält folgende Saga's: Ivents-
saga, Percevalsaga und Valverssaga. Sie ist in doppelten Columnen ge-
schrieben. Die Percevalsaga beginnt auf der zweiten Columne von
pag. 520.
Schon aus diesen Inhaltsangaben lässt sich schließen, daß diese
Handschriften direct oder indirect von der Pergamenthandschrift ab-
stammen. Diese Vermuthung wird bestätigt erstens dadurch, daß z. B.
DIE NORDISCHE PAEZIVALSAGA UND IHRE QUELLE. 131
die Lücke in der Mitte der Percivalsaga , die ein Blatt umfasst, sich
in beiden Papierhaudschriften wiederfindet, indem in AM 181 A,
pag. 523" an der betreffenden Stelle der Saga leer gelassen ist, wäh-
rend ebendaselbst in AM 179 der Abschreiber selbst am Rande be-
merkt hat, nach seiner Ansieht fehle hier ein Blatt in der Saga. d. h.
in seiner Vorlage. Dazu kommt, daß an den Stellen, die ich mir in
meiner Abschrift als in der Stockholmer Hs. unleserlich angemerkt hatte,
wenigstens der Schreiber von AM 179 hie und da ebenfalls kleine
Lücken gelassen hat_, während der Schreiber von 181 A Manches aus
eigener Machtvollkommenheit ergänzt, indem sich allerdings hier mit
Ausnahme der fi'ei gelassenen Seite nirgends eine Lücke findet.
Was das Verhältniss dieser beiden Handschriften unter einander
betrifft, so ist zu bemerken, daß die im Allgemeinen etwas kühn mit
dem Texte umgehende b an einer ganzen Reihe von Stellen mit der
Lesart des Cod. Holm, stimmt, avo a abweicht, während letztere von
den meisten Variauten der ersteren nichts weiß , woraus mir deutlich
hervorzugehen scheint, daß nicht etwa cod. b, der Schreibweise nach
wohl unzAveifelhaft die spätere Handschrift , eine Abschrift von a ist,
sondern beide selbständig die Stockholmer Pergamenthandschrift zu ilirer
Quelle haben. Man vergleiche: Cap. I A und ]>: gvdrn manna. a: gvdra
riddara ok mnnna. A und a: med hinum heztwn riddnrum. b: med hinvrn
mestum kajypum. Cap. II A und n: ]rvi naesf kom hrnin af landfiahli.
b: Percival kom nt landtialdi. Cap. III A und b: ]>a skaid honom- med
foeti sinum af reidi i midjan eldinn^ a: ])a skanf hann honom med foeti
sinum i midjan eldinn af reidi . Cap. V: spwt ok skiöld ok styra etc. in
A und b. Dagegen a: spiof siff ok merki, skiöld ok styra etc. Gap. VI
A und a: Sidan hinn dyrligi madr sverdif etc. b ergänzt fok' also : /Si-
dan tok hinn dyrligi madr sverdif. A u. b : Nu skaitu mmia ])at er ek
hoda per. a schreibt hoda in den Text , doch findet sich von der-
selben Hand überschrieben das richtige haiid. Cap. VII, A u. b : En
hin kiirteisa maer er hann herherged. a fehlt : er hann herhergdi. A u, a :
ok pessi skal min vera hin sidasta nott. b : ok pessi skal vera min
hin sidasta. nott.
c) Die dritte Papierhandschrift befindet sich im britischen Museum ;
bez. MS. 4859. Auch dies ist wahrscheinHch eine — der Schreibart
nach zu urtheileu, ziemlich späte — Abschrift des Stockholmer Codex;
ich lasse hier eine Abschrift des Anfangs dieser Handschrift folgen,
wie sich derselbe auf dem Facsimile in dem ersten Bande des Mabi-
nogion findet, verglichen mit der entsprechenden Stelle in A:
9*
132 EUGEN KÖLBING
Sva byriar )iessa sögii ath karl bio So byrjar sögu Jiessa ad karl bio ok
ok atti ser kerlingu. ])au attu son ath ein- atte sier kellingu. ))au attii son at ain-
berni er het Pai-ceval. )>essi karl var benie er biet Perceval. ])essi karl var
bondi atli nafnbot eiin riddare atli tignu. bonde nefudur, eu riddare at tygn. Han
Hann hafdi verit allra kappa mestr, hanu hafde vered allra kappa mestur, han
hafdi tekit konungs dottiir ath herfangi hafde teked kongs dottur ad herfange ok
ok settiz sidaun i ))a bygct J)vi at hann settest sydan }iui han Jiorde ei millum
))ordiekki millum annaramanna athvera. anuara manna at vera.
Die erwähnten Angaben der Lady Giiest über unsere Hand-
schriften sind sehr flüchtig. Sie hat noch gar keine Kenntniss von der
Existenz der Stockholmer Pergamenthandschrift und versetzt statt dessen
die Arnae-Magnaeanischen Handschriften nach Stockhohn. Noch schlim-
mer steht es freilich um die Notiz Potvins (Bibliographie de Chrestiens
de Troyes. Comparaison des manuscrits de Perceval le Gallois, p. 16)
über diese nordischen Handschriften. Sie lautet: XVH" siecle. Traduction
en islandais. Deux manuscrits, un a Stockholm et un a Londres. Voir
le Mabinoghion. Nicht nur, daß Potvin übersieht, daß die Lady Guest
zwei Stockholmer Handschriften erwähnt, daß ihm gar nicht auffällig
ist, daß AM Manuscripte in Stockholm liegen sollen, der schlimmste
Schnitzer ist der, daß, weil die Verfasserin der Mabinogion die erste
der Papierhandschriften in das 17. Jahrhundert setzt, Potvin sich nicht
geniert, deshalb — denn einen andern Grund kann er nicht gehabt
haben, weil ihm die Saga selbst unbekannt ist — die isländische Über-
tragung unter den „traductions et imitations", als im 17. Jahrhundert
verfasst, zuletzt anzugeben. Übrigens ist auch Möbius (Catalogus p. 79)
die Stockholmer Pergamenthandschrift nicht bekannt , indem er nur
die drei oben erwähnten Papierhandschriften anführt.
IL Der Inhalt der P a r z i v a 1 s a g a.
Cap. I. Die Saga beginnt mit Parzivals Vater , der , obwohl er
eigentlich nur Bonde ist, offenbar seiner Tapferkeit wegen, und — was
mehrmals hervorgehoben Avird — weil er aus vornehmem Geschlechte
stammt, des Königs Tochter zur Frau bekommen hat. Er zieht sich
dann mit Frau und Kind in eine Einöde zurück, weil, wie es heißt,
er nicht wagte, im Kreise der anderen Männer sich aufzuhalten. Im
Verlaufe des Capitels erfahren wir, daß er, durch zu weit gehende
Ausübung der Gastfreundschaft um seinen Reichthum gekommen, dahin
geflohen ist, wo dann Parzival seine Jugend verlebt, d. h. in eine Wüste,
deren Name jedoch in der Saga nicht genannt wird. Von seinem Vater
DIE NORDISCHE PARZIVALSAGA UND IHRE QUELLE. 133
im Speerwerfen unterrichtet, pflegt Parzival nach dessen Tode im Walde
Thiere und Vögel zu schießen. Als er 12 Jahr alt ist , sieht er eines
Tages im Walde fünf Ritter, deren einer ihn fragt, ob er drei Ritter
und mit ihnen zwei Frauen gesehen habe vorbeireiten. Parzival fragt
ihn, ob er „Gott" sei, weil, wie er sagt, er von seiner Mutter gehört
hat, es gebe nichts so Schönes als Gott. Der Ritter verneint das und
verweist bei der Frage Parzivals nach seinen Waffen denselben auf
den König Artus, der solche Waffen austheile. Zu seiner Mutter zurück-
gekehrt, besteht Parzival darauf, zum König Artus zu ziehen, und
nachdem dieselbe vergeblich versucht hat, ihm diese Idee auszureden
macht sie ihm Kleider, „wie es dem Sohne eines Kohlenbrenners ge-
ziemte zu tragen". Nochmals darauf aufmerksam gemacht, daß er nichts
von dem verstehe, was einem Ritter zu wissen nöthig sei, verweist er
auf seine edle Herkunft und auf die zu erwartende Unterweisung von
Seiten Anderer. Darauf geht seine Mutter ein und gibt ihm nur noch
einige gute Lehren mit auf den Weg: er solle gottesfürchtig sein, sei-
nem Herrn treu dienen, sich der Räuberei enthalten, wenn ihm eine
Frau gefiele, nicht mehr mit Gewalt von ihr nehmen als einen Kuss,
wenn er Jemanden im Zweikampf besiege , ihn nicht tödten, solle in
der Gesellschaft braver Männer nicht zu viel sprechen und lieber ohne
Gesellschaft als in schlechter Gesellschaft reisen. Der Jüngling ver-
spricht, diese Rathschläge zu befolgen und trennt sich bei einer Brücke
von seiner Mutter. „Und als er zurück sah, sah er seine Mutter in Ohn-
macht liegen. Aber er achtete nicht darauf."
Cap. 2. Parzival kommt dann zu einem Zelte, wo er eine schöne
Frau allein trifft, deren Geliebter auf die Jagd gegangen war, und sie,
auf die Erlaubniss seiner Mutter sich berufend , gegen ihren Willen
kttsst und außerdem sich Speise und Trank nimmt , die er im Zelte
findet. Als dann nach Parzivals Entfernung jener von der Jagd zurück-
kehrt und von der Frau das Geschehene hört , auch nicht nur sein
Essen, sondern auch ihren Fingerring vermisst , den Parzival schliei^-
lich noch mitgenommen hat , schenkt er ihrer Darstellung keinen
Glauben , hält sie für untreu und verspricht zur Strafe ihr das Leben
so schwer als möglich zu machen.
Parzival reitet nun weiter und fragt einen Bauer nach dem Schlosse
des Königs Artus. Dieser zeigt ihm den Weg und fügt hinzu, er werde
den König heiter und traurig treffen , heiter wegen eines erfochtenen
Sieges , traurig weil seine Ritter in verschiedene Schlösser versprengt
seien. In der Nähe des Schlosses trifft er einen Ritter in rother Rüstung,
die ihm so gut gefällt, daß er beschließt, sich dieselbe vom König Artus
134 EUGEN KÖLBING
zu erbitten. Außerdem träji;t jener einen Goldbecher in der Hand. Als
auf sein Befragen Parzival ihm gesagt, was er beim König wolle, trägt
jener ihm noch auf, dem König zu sagen, wenn er sein Reich gegen
ihn schützen wollte, so möchte er einen seiner Ritter heraus schicken,
um mit ihm zu kämpfen. Parzival weist ihn ab und reitet in die Halle
des Schlosses, wo er Artus, den dessen Page Jonet ihm zeigt, grüßt,
aber von dem in Betrübniss versunkenen König nicht beachtet wird,
bis er sich endlich etwas derb bemerklich macht; der König begräßt
ihn nun freundlich , gibt als Ursache seiner Betrübniss die Frechheit
des rothen Ritters an, der nicht nur sein Reich beanspruche, sondern
es sogar gewagt habe, einen goldenen Becher von seinem Tisch Aveg-
zunehmen und die Königin mit dem Weine zu begießen, und verspricht
Parzival , ihn seiner Bitte gemäß zum Ritter zu machen. Seine Bitte
um die rothen Waffen beantwortet K?ei , der Rathgeber des Königs,
durch eine höhnische Bewilligung derselben, die ihm einen derben Ver-
weis von Seiten des Königs zuzieht, der den Muth des Jünglings lobt.
Cap. 3. Mitten in der Halle trifft Parzival dann ein schönes und
höfisches junges Mädchen, das ihn mit freundlichem Lächeln grüßt und
ihm seine künftige Berühmtheit als tapferer Ritter prophezeit. Ksei
schlägt sie dafür im Zorn so, daß sie sogleich hinsinkt und wh'ft auf
dem Rückweg den Narren des Königs, der sich ähnlich ausgesprochen
hat , mitten in das Feuer. Parzival aber entfernt sich eilig , um den
rothen Ritter aufzusuchen. Nach einigem Wortwechsel mit demselben
tödtet ihn zum Schluß Parzival mit seinem Speer durch einen Schuß ins
Auge. Bei der Entwaffnung des Todten , dessen Leichnam er schon
glaubt verbrennen zu müssen, hilft ihm dann Jonet, der aus Neugierde
aus einiger Entfernung zugesehen hat , ihn jedoch nicht dazu be-
wegen kann , die von seiner Mutter gemachten Kleider auszuziehen.
Er zieht die des rothen Ritters darüber, gibt Jonet sein Pferd und den
entwendeten goldenen Becher, den er dem König überbringen soll,
während er der Maid , die Keei geschlagen hatte , das Versprechen
sendet, sie zu rächen.
Cap. 4. In die Halle des Königs zurückgekehrt, richtet Jonet das
ihm Aufgetragene aus und erzählt die That Parzivals, in Folge dessen
Ksei vom König wegen seines vorigen Auftretens gegen den Jüngling
noch einmal hart getadelt wird. Der Narr des Königs prophezeit ihm,
er werde zur Strafe für seine GcAvaltthätigkeiten gegen das Mädchen
und ihn den rechten Arm brechen. Der König wirft Ksei besonders
das vor , daß er den tapfern aber unerfahrnen Jüngling durch semen
Spott fortgetrieben habe.
DIE NOEDISCHE PAKZIVALSAGA UND IHEE QUELLE. I35
Cap. 5. Weiter reitend kommt nun Parzival zu einem gut ver-
schanzten Schlosse, aus dem ein kostbar gekleideter Mann heraustritt,
der ihn sowohl über seine Reise als über den Gebrauch der Waifen
ausfragt, Avährend Parzival ihn um ein Nachtquartier in seinem Schlosse
bittet. Es zeigt ihm dieser dann die ritterlichen Übungen ; der auf-
merksame Jüngling fasst dieselben sehr schnell auf und zeigt darin
sogleich eine große Geschicklichkeit, spricht auch mehrmals den AVunsch
aus, noch mehr in ritterlichen .Künsten zu lernen.
Cap. 6. Nach einigen anderen Übungen mit Schwert und Lanze
gehen sie in das Haus , wo Parzival erfährt , daß sein Wirth Gor-
manz heißt, aus Groholi. Doch versucht dieser vergebens, Parzival
zu längerem Verbleiben bei sich zu vermögen, weil dieser wieder seine
Mutter aufsuchen will. Am nächsten Morgen überredet ihn sein Wirth
mit Mühe , seine von seiner Mutter gemachten Kleider gegen neue,
kostbare einzutauschen , und gibt ihm überdies einige Lehren mit auf
den Weg; er solle, wenn er einen Ritter besiegt habe und dieser um
Frieden bitte, ihn nicht erschlagen; solle Hilflose unterstützen, gottes-
fürchtig sein und die Kirche besuchen und nicht sich zu geschwätzig
zeigen. Schließlich fordert er ihn auf, nicht mehr bei allem, was er thue,
sich auf die von seiner Mutter ihm gegebenen Vorschriften zu berufen,
sondern auf die seinigen , der ihn erst zum Ritter gemacht habe.
Parzival bedankt sich und eilt fort , und kommt nach einiger Zeit
wieder zu einem starken Schloss , wo er eine schöne Jungfi-au am
Fenster sieht. Drei Ritter öffnen ihm und die Jungfrau führt ihn in eine
schöne Halle, wo, da er Gormanz Rath noch im Gedächtniss hat, nicht
zu viel zu reden , er gänzlich schweigt , bis ihn die Jungfrau durch
Fragen zum Reden nöthigt. Sie erzählt ihm, die Burg werde belagert
und den Insassen derselben fehle es gänzlich an Lebensmitteln. Später
geleitet man ihn zu seinem Bett, wo er sogleich in Schlaf sinkt.
Cap. 7. Die Jungfrau aber kann vor Sorgen nicht schlafen ; sie
steht auf, geht in das Schlafgemach ihres Gastes, setzt sich vor sein
Bett und weint so sehr, daß sie sein Gesicht ganz in ihren Thränen
badet. Er erwacht , redet sie freundlich an , und sie erzählt ihm die
Ursache ihres Kummers, die Belagerung ihrer Burg, den Verlust des
größten Theils ihrer Ritter und die schlimme Aussicht, bald die Burg
und sich den Feinden übergeben zu müssen. Parzival beruhigt sie und
vertröstet sie auf den nächsten Tag.
Cap. 8. Auf sein Zureden bleibt dann die Jungfrau den übrigen
Theil der Nacht bei ihm an alla synd und geht erst gegen Morgen
in ihr Schlafgemach zmilck. Am Morgen verspricht ihr Parzival, ihr
136 EUGEN KÖLBING
Reich von ihren Feinden /,u befreien und erbittet sich dafür als Lohn
ihre Liebe , was sie ihm nach einigem Zögern zugesteht. — Es folgt
die Lücke , in der wahrscheinlich die Besiegung Gingvars , des Rath-
gebers des Königs Klamadis , erzählt wurde ; Parzival schickt diesen
dann zu König Artus, da er den um Frieden Bittenden nicht erschlagen
will. Die Jungfrau empfängt ihn hocherfreut.
Cap. 9. Der König Klamadis empfängt die Nachricht von der Be-
siegung seines Rathgebers ; der Bote räth von der Burg abzuziehen.
Ein anderer Rathgeber des Königs schlägt einen neuen Angriff vor,
bei dem nur Avenige Ritter offen gegen die Burg geschickt werden
sollen, das übrige Heer aber in den Hinterhalt gelegt werden soll, da-
mit der neu angekommene Ritter so herausgelockt und gefangen ge-
nommen werden könne, besonders da die muthlose und ausgehungerte
Besatzimg der Burg nicht im Stande sein werde, ihm zu Hilfe zu
kommen. Da dieser Plan dem König gefällt, so wird er ausgeführt,
glückt aber in Folge der Tapferkeit und Umsicht Parzivals und der
Burggenossen so wenig , daß Klamadis mit großem Verluste wieder
abziehen muß. Der Rathgeber des Königs weiß diesen jedoch zu be-
reden, die Burg in Erwartung baldiger Übergabe derselben noch ener-
gischer als bisher zu belagern. Als jedoch in Folge eines Sturmes ein
Proviantschiff in den Hafen getrieben , und die Besatzung dadurch
auf lange mit Lebensmitteln versorgt Avird , da fordert der König die
Ritter der Besatzimg zum Zweikampf heraus und Parzival nimmt zur
großen Betrüb niss der Blankiflur die Forderung an.
Cap. 10. Der Zweikampf geht vor sich, erst zu Pferde, dann zu
Fuß , bis endlich der König ermüdet und Parzival um Frieden bittet.
Dieser schickt ihn zum König Artus und zu der Jungfi-au , die Ksei
schlug, damit er dort alles erzähle, wie es sich zugetr'agen habe. Zu-
gleich muß er versprechen, die Gefangenen alle frei zu geben und nie
wieder gegen Blankiflur feindlich aufzutreten. Es folgt der sehr ausführ-
lich geschilderte Empfang des Königs Klamidis (Klamadis) an Artus Hof,
wo Gingvars sich bereits aufhält. Klamidis erzählt von dem Kampfe und
richtet einen Gruß aus an die Jungfrau ;, die Ksei schlug , mit dem
Versprechen der Rache. Niemand ft-eut sich darüber mehr als der Narr
des Königs, der Ksei aufs Neue vorhersagt, daß er zur Strafe den Arm
brechen werde ; auch der König tadelt ihn Avieder um sein früheres
Benehmen. Klamidis aber bleibt als hoch geachteter Ritter im Gefolge
des Königs Artus. — Parzival wird vergebens Blankiflurs Hand luid
die Regierung ihre^s Reiches angeboten. Er schlägt Beides einstweilen
DIE NOEDISCHE PARZIVALSAGA UND IHRE QUELLE. I37
aus, verspriclit aber wiederzukehren, nachdem er sich über das Schick-
sal seiner Mutter vergewissert habe.
Cap. 11. Nachdem er hier Abschied genommen hat und den ganzen
Tag geritten ist, kommt er Abends an einen großen Fluß, auf dem er
ein Fahrzeug mit mehreren Männern sieht, deren einer sich mit Fischen
beschäftigt. Der vorn im Boote sagt dem um eine Nachtherberge ver-
legenen Parzival den Weg zu seinem Schlosse, das dieser erst nicht
findet und sich darum betrogen glaubt^ dann aber doch noch ausfindig
macht. Von Jünglingen bedient, gelangt er in eine prächtig ausgestattete
Halle, wo er einen ehrwürdigen Greis sitzen sieht, der sich entschuldigt,
daß er in Folge seiner Krankheit dem Gaste nicht entgegen gegangen.
Ein dem Greise von einer Verwandten geschicktes Schwert macht dieser
Parzival zum Geschenk. Sodann erscheint ein Jüngling, der einen blu-
tenden Spieß trägt, nach dessen Bedeutung Parzival, der Warnung des
Gormanz eingedenk, nicht zu fragen wagt. Dann kommen zwei schöne
Jünglinge herein , die in ihren Händen Leuchter von lauterem Golde
tragen, imd ihnen folgt eine schöne Jungfrau, die etwas in den Händen
trägt, pvi likast sem textiis vceri, auf nordisch gangandi greicTi genannt,
wovon ein so glänzendes Licht scheint, daß es alles Andere überstrahlt.
Ihr folgt noch eine andere Jungfrau. Auch da wagt Parzival nicht
nach der Bedeutung zu fragen. Nach der Abendmalzeit schlägt man
ihm ein Bett auf und er schläft bis zum Tag, wo er sich mit Erstaunen
allein findet. Nachdem er eine Strecke geritten, trifft er eine klagende
Frau, die ihren todten Gatten im Arm hält.
Cap. 12. Parzival fragt sie nach dem Mörder ihres Mannes und
erzählt seinerseits von seiner Nachtherberge. Sie erzählt ihm, der könig-
liche Fischer sei im Kampfe unheilbar in beide Schenkel geschossen und
die Fischerei sei seine einzige Unterhaltung. Darüber daß er nicht nach
der Bedeutung dessen gefragt, was er gesehen, beklagt sie ihn mehr als
daß sie ihn tadelt, weil der königliche Fischer dadurch gesund und froh
geworden wäre. Dann erzählt sie ihm vom Tode seiner Mutter, die sie
selber mit zu Grabe geleitet hat, als deren und Parzivals Verwandte.
Das Anerbieten mit ihm zu ziehen schlägt sie aus und warnt ihn schließ-
lich noch vor dem ihm geschenkten Schwert, das in der Gefahr zer-
springen Averde.
Cap. 13. Beim Weiterreiten trifft Parzival ein mageres Ross und
eine in Lumpen gekleidete Frau darauf, die ihn als den wieder erkennt,
der sie ins Unglück gestürzt. Auf sein Verlangen erzählt sie ihm ihre
Geschichte. Darüber kehrt ihr Gatte heim , droht Parzival im Kampfe
zu tödten, erzählt ihm aber erst noch von dem Kuss-, Ring- und Speise-
138 EUGEN KÖLßING
räubcr, und spricht sich dahin aus, daß wer soviel bekomme, auch mehr
sich zu verschaffen wisse. Parzival gibt sich selbst als den Thäter an
imd vertheidigt die Unschuld der Frau, erst mit Worten und dann,
angegriffen, auch thatsächlich mit dem Schwert. Er besiegt den Ritter,
nimmt ihm das Versprechen ab, die Frau von nun an gut zu behandeln
und mit ihr zu Artus Hof zu ziehen und gibt ihm dieselbe Botschaft
mit wie frilher Klamadis, mit dem Zusatz, er werde nicht eher wieder
in Artus Gefolge eintreten, bis er die Jungfrau gerächt habe, die Kaii
geschlagen. Der Ritter zieht zu Artus und richtet die Botschaft aus,
die Ksei wieder Drohungen vom Narren und Vorwürfe vom König
einträgt. Dieser beschließt , am nächsten Morgen mit seinem Gefolge
auszuziehen , um Parzival aufzusuchen. Er führt dies auch aus und
lagert sich auf einem Feld, auf das den Tag über viel Schnee fällt.
Parzival kommt auch dorthin und einige von einer verwundeten Ente
auf dem Schnee verursachte Blutstropfen erinnern ihn an Blaukiflur,
deren Gesicht ebenso weiß und roth gewesen war und er versinkt in
tiefes Nachdenken.
Cap. 14. Den Ritter Sigimor, der ihn zu Artus fähren soll, wirft
er im Kampfe vom Rosse; ebenso geht es dem prahlerischen Ksei, der
noch außerdem beim Falle den Arm bricht; endlich Valver bringt ihn
mit Güte dazu, ihm zum König Artus zu folgen, avo es sich herausstellt,
daß es der gesuchte Parzival ist. Er begrüßt dann auch die Königin
und die Jungfrau , deren Schmach er nun glänzend an Ksei gerächt
hat. — Im Laufe des folgenden Tages kommt eine hässliche Jungfrau
zu Artus Gefolge, welche die Ritter zu verschiedenen ruhmvollen Waffen-
thaten anregt, und nur Parzival wegen seines Nicht-Fragens mit Ver-
achtung behandelt.
Cap. 15. Einige der Ritter entschließen sich nun auch zu diesen
Unternehmungen, Parzival will nicht eher zurückkommen, als bis er weiß,
was der gangandi greidi ist, Valver aber muß, weil er einen vornehmen
Ritter erschlagen, zum König von Kapalon ziehen, um mit diesem einen
Zweikampf auszufechten. Unterwegs kommt er gerade zurecht zu einem
Gefecht, das zwischen den Rittern des Meliander und denen des Saibas
stattfinden soll, veranlasst durch Saibas Tochter, die Meliander nicht
eher ihre Gunst zuwenden wollte, bis er sich als Ritter ausgezeichnet
habe. Valver reitet näher und wird von der höchsten Schießscharte
des Thurmes aus von Saibas Töchtern gesehen, von denen die jüngere
ihn für einen tapfern Ritter hält und seine Partei nimmt, während die
ältere nur für ihren Liebhaber Meliander schwärmt. Der Streit geht
DIE NOEDISCHE PAEZIVALSAGA UND IHKE QUELLE. 139
SO weit, daß zuletzt die Altere im Zorn die Jüngere schlägt. Am Abend
hört der Kampf ohne Eudeutscheidimg auf.
Cap. 16. Der Rathgeber des Saibas, Garius, gewährt Valver bei
sich Herberge und besänftigt auch den König, der, durch seine ältere
Tochter veranlasst, ihn wie einen Dieb bestrafen lassen will. Der jün-
geren Tochter des Königs verspricht er, am nächsten Morgen, um ihre
Ehre zu retten , am Gefechte theilzunehmen ; dieselbe gibt ihm auch,
von ihrem Vater veranlasst, am Morgen ihre gidlstuka*) zum Erinne-
rungszeichen , während die ältere Tochter vom Vater einen scharfen
Verweis bekommt. — Bald nach Beginn des Kampfes besiegt Valver
den Meliander und wirft ihn zu Boden , und nach ihm noch eine An-
zahl anderer Ritter, so daß man ihm von beiden Seiten aus den Preis
der Tapferkeit zuerkennt.
Cap. 17. Vergebens zu einem längeren Verweilen aufgefordert,
reitet er weiter und begegnet einem Zuge von Rittern, deren einer ihn zu
seinem Schlosse, wo seine Schwester wohnt, geleiten lässt. Diese nimmt
ihn gastfrei auf und sie kommen sehr bald bis zum Austausch von
Zärtlichkeiten , die aber durch einen thörichten Krieger unterbro-
chen werden, der sie belehrt, es sei der Mörder ihres Vaters, gegen
den sie sich so freundlich bezeige, und darauf gegen sie Beide Alles
in Waffen ruft. Man belagert die Bm'g, bis endlich der König, durch
Gandilbrasit herbeigerufen, dem Volke diese Gewaltthätigkeiten verbietet.
Valver muß nur geloben, sich zum Zweikampf in 12 Monaten zu stellen
und wo möglich den Spieß mitzubringen, der aus der Spitze blutet,
wenn er ihn erlangen könne.
Cap. 18. Inzwischen ist Parzival fünf Jahre als Ritter umherge-
schweift, ohne sich um Gott und Kirche zu kümmern. Da begegnet er
an einem Charfreitag drei Rittern in Wollkleidern und barfuß, die eben
von einem Priester kommen, wo sie ihre Sünden bekannt haben. Par-
zival fällt , als er dies hört , seine Gottlosigkeit scliAver aufs Herz , er
zieht ebenfalls zu dem Priester und bekennt ihm, wie er gelebt habe
und wie es ihm ergangen sei: die Trennung von seiner Mutter gegen
ihren Willen, die Unterlassung der Frage dem königlichen Fischer
gegenüber und sein jetziges planloses Umherschweifen. Der Priester
gibt ihm noch einige Aufschlüsse über die Erlebnisse auf der räthsel-
haften Burg , empfiehlt ihm Gottesfurcht , fleißigen Kircheubesuch
und andere Tugenden filr sein ferneres Leben und entlässt ihn nach
*) Stuka wohl stüehe.
140 EUGEN KÖLBING ,
zwei Tagen. Er reitet nun wieder zu Blankiflurs Burg, heirathet sie,
tibernimmt die Regierung über ihr Reich und zeichnet sich in Waffen-
thaten vor allen Rittern seiner Zeit aus.
III. Die Quelle derParzivalsaga.
1. Die erste Frage, die sich uns bei der Untersuchung über die
Quelle der nordischen Parzivalsaga aufdrängt, ist die, ob eine Bearbei-
tung aus dem Französischen oder aus dem Deutschen vorliegt. Als
richtige Fingerzeige bieten sich uns gleich zwei Momente, einmal daß
Parzivals Gattin nicht, wie bei Wolfram Kondwiramur, sondern, offenbar
nach dem Französischen, Blankiflur heiüt ; ferner eine Stelle, Bl. 49*,
wo es vom Gral heißt: Jrvi naest gekk in ein ß5gr mar ok har i höndum
ser pvi likast, sem textus vcvri; en peir i völsku fnali kalla graal, en ver
megum kalla ganganda greiäa (Chrestiens: un graal antre ses dos mains une
demoisele fenoif etc.). Dieses und Ahnliches weist auf eine französische
Quelle hin , und die Frage ist nur, ob Avir uns an den französischen
Prosaroman oder an das bekannte Werk Chrestiens, Perceval le Gallois,
zu halten, oder etwa an eine andere französische Bearbeitung, als die
beiden uns erhaltenen , zu denken haben. Wie sehr abweichend der
Inhalt des Prosaromans von dem der nordischen Saga ist, ergibt sich
schon, wenn man ein Stück des Sommaire, das Potvin seiner Ausgabe
(Perceval le Gallois ou le conte du graal. Public d'apres les manuscrits
originaux par Ch. Potvin. Premiere partie : Le roman en prose) bei-
gefügt hat, mit dem oben angegebenen Inhalt unserer Saga vergleicht.
Ich lasse daher ein Stück dieses Sommaire hier folgen : Ohjet du livre,
autorite, hut, page 1. — Lignage de Perceval, 2. — Decadence du rot
Arthur, sa resolntion de se relever. II part et tue le Noir Hermite, 4 — 17. —
Histoire de la jeunesse de Perceval, 17 — 20. — Prophet ie an roi, 22. —
Fete ä la cour. L'ecu de Joseph d'Arimathie y est envoye par le roi Pecheur,
il est destine au Bon Chevalier, 23. — • Gauvain se met ä la recherche
du Graal, il hat un chevalier du Noir Hermite, 28 — 32. — Clamados
cherche P. pour venger son pere, 35—39. — G. secourt la mPre de Per-
ceval ei lui rend son chäteau, 40 — 4.5. — Histoire de Marin lejaloux qui
tue safemme, 45 — 54. — Histoire de V Orgueilleuse. G. lid echappe, 55—58.
— G. adopte lefils du jaloux, Meliot de Logres, 59. — P. malade apres
un echec au Graal, 62. — G. n'est pas recu au chäteau du Graal parce qu'il
n'a pas l'epee de saint Jean. II la cherche, 63 — 69. — TZ reftise l'amour des
demoiselles des Tentes, et la mauvaise coutume, 69 — 70. i? venge Gorgalan,
qui lui donne l'epee de saint Jean et sefait ehret ien, 70—76. — G. retourne
DIE NORDISCHE PAEZFV ALSAGA UND IHEE QUELLE. 141
au chdffau du Graal ; diverses aventures l'arretenf^ il y arrive, 77 — 79. —
G. voit deux fois le Graal;, ü se tait et eclione, 79 — 91.
Schon dieser kurze Abschnitt des Inhaltsverzeichnisses zeigt, daß
die Verschiedenheiten in beiden Bearbeitungen — der nordischen und
der französischen Prosa — viel größer sind als die Ubereiustimmungen
und wir können daher, auch ohne eine Einzelvergleichung beider Texte
anzustellen , die Vermuthung , daß der eine dem andern zur Vorlage
gedient habe, als unmöglich zurückweisen.
Werfen wir nun einen allgemeinen Blick auf das Werk Chrestiinis.
Wir wissen , daß in einem Theil der Handschriften Chrestieus Werk
nur soweit existiert , als Wolfram (nach Rochats Untersuchungen,
Germ. III p. 81 ss, IV p. 414 ss) demselben in den Abschnitten 118
bis 650 mehr oder minder genau gefolgt ist (die Hss. werden bezeichnet
als Percheval le vieil) und daß schon von anderer Seite wahrscheinlich
gemacht worden ist, daß die nur in einem Manuscript enthaltene Vor-
geschichte später von einem Anderen hinzugedichtet sei. Halten war
nun dazu, daß in unserer Saga ebenfalls die Vorgeschichte fehlt, daß
die Saga ungefähr bei Wolframs 503. Abschnitt schließt, d. h. da, wo
Grawans Abenteuer wieder in den Vordergrund treten, und daß, worauf
ich am Schlüsse zurückkommen werde, in der Stockholmer Handschrift
gleich auf die Parzivalsaga ein ValversJ)attr folgt , der höchst wahr-
scheinlich die noch übrigen Abenteuer Gawans (in der Saga Valver
genannt) enthält, so wird aus allem diesem schon mein* als wahrschein-
lich, daß der Verfasser der Saga direct nach Chrestiens Werk arbeitete,
und zwar muß er noch dies allein, ohne die Arbeiten seiner Nachdichter,
vor sich gehabt haben. Die jetzt nach der erst kürzlich erschieneneu
Ausgabe des fi-anzösischen Textes (Chrestien de Troyes , Perceval le
Gallois public d'apres le manuscrit de Mons par Gh. Potvin, Mous 1865)
mit Hinzunahme der oben angeführten Aufsätze von Rochat anzustel-
lende Einzelvergleichung wird diese Vermuthung bestätigen und zur
Gewissheit erheben.
2. Am selbständigsten ist der Autor der Saga sicherlich am An-
fang verfahren, wo er sich die an zwei Stellen der Saga verschieden
erzählte Vorgeschichte selbst erdenkt, wie ich es oben in der Inhalts-
angabe bemerkte. Im Ganzen ist der Eingang noch viel knapper und
kürzer gehalten als bei Chrestiens.
Genau stimmen folgende Stelleu :
142
EUGEN KOLBING
Chrestiens.
V. 98 (1314):*)
tant qu'il oit ^ parmi lo^ gaut
veiiir 5 Chevaliers armes
Die Saga.
Ok einn dag sa hann rida fimm rid-
dara.
Ich will hier besonderes Gewicht legen auf die Zahl 5, da bei Wolfram
es nur 4 Ritter sind, die nicht einmal zusammen erscheinen. Abwei-
chend von beiden Versionen zieht sich in der Saga der Knabe skam-
fidligr in den Wald zurück und muß erst von einem der Ritter auf-
gesucht werden, während er dort vor den Rittern auf die Knie fallt.
V. 168 (1386):
estes ^ vos '* dex ? nenil ^ par foi.
qui estes vos^? Chevaliers sui.
Ell honom vard ekki annat a munni en
sjjyrja riddarann ef hann vaeri gud.
Eiddarinn svaradi : Ek er eigi gud.
]ia tekr sveininn a skildi hans ok fretti
hvat Jjat vaeri.
V. 252 ff. (1470):
Et li valles lo tenoit pris
au pan do ' haubert, si lo * tire,
et 11 valles conmance a dire :
qu'est ce ^ que vos aves vestu?
V. 282 ff. (1500):
n'a pas '" encor cinq iors antiers '\
que tot '^ ce '" harnois me dona
li rois Artus qui m'adoba'*.
Die Scene mit den Bauern fehlt in der Saga.
Sveininn kom til modur hans ok maelti :
Riddarinn sagdi honom at jjetta varu allt
vopn J)au er Artus konungr gaf honom.
V. 338 f. (1558):
et li valles ne s'est pas fainz '^
de repairier ^® a son menoir ^'.
V. 367 f. (1587):
qu'iP^ sont plus bei, si con ie cuit'
que dex'-^" ne que'"^ si^^ ange tuit.
V. 464 ff. (1692):
et si li aparoillier vient^'
de chenevaz ^* grosse chemise '^^
et braies l'aites a la guise
Ek hygg at ek hefi set gud i dag er J)u
kvedr öllu vera fegra.
.... J>a giordi hon honom klaedi eptir
bonda sid sva sem kolkarls barni byrjadi
at hafa. Fekk hann drumbu nya, stak ok
1 M. Ol. 2 le. 3 n'iestes. 4 vous. 5 naic. 6 dont. 7 del. 8 le. 1472 or me
dites, fait il, biaus sire. 9 que c'est. 10 mie. 11 entiers. 12 tout. 13 cest. 14 adouba.
15 fains. IG retorner. 17 manoir. 18 il. 19 si com jou quic. 20 dieu. 21 et ke.
22 li. 23 et si l'aparelle et atoure. 24 kanevas. 25 cemise.
*) Wenn in der Anführung der Verse zwei Zahlen angemerkt sind , so bezieht
sich die erste auf die Berner Hs., die Rochat benützte, die -zweite auf die Monser. Die
angegebenen Varianten gehören der letzteren an. Findet sich nur eine Zahl , so ist
die ganze Stelle aus der Monser Hs. angeführt.
DIE NORDISCHE PAEZIVALSAGA UND IHRE QUELLE.
143
de Gualois ^ o ^ Ten fait '^ ensauble *
braies et chauces ^, ce me sanble ** ;
et si ot cote et cbaperon ^.
V. 568 s. (1796}:
a la maniere et a la guise
de Gualois* fu apparoillies^;
uns revelins ot an ses pies ^^.
V. 512 SS. (1740):
De pueele a moult, qui la * * baise,
se lo baisier vos en consent;
lo soreplus vos eu deflfant,
se ^" laissier lo volez '^ por moi.
V. 529 (1757):
biaux ^* fils '•' a ^® prodomes parlez ",
et conpaignie loi' tenez ;
prodome '** ne forconsoille ^^ niie
oes qui tienent "° sa conpaignie.
V. 580 SS. (1808):
plorant lo " ' baise au departir,
la mere, qui moult cbier " l'avoit.
V. 588 (1816):
si se retorne ""^ et voit chaue "
sa mere au chief "^ do "'' pont ariere,
et git'*'^ pasmee en tel meniere
con ^^ s'ele fust chaoite "^ morte.
hetu ofan ifra vindinga ok a foetr hrif-
liuga*).
Ok Jio at jiik lysti til nökurar konu, l>a
tak eigi meira af tlienni nauiUgri en
einn koss.
Fa ])er anuatbvoit godau felaga edr
öngvan.
Hon leiddi hann or gardi med hiygju
hiai'ta ok harmsfullum ti-ega ok skildust
Jjau vid eina bru. Ok er bann loit aptr,
pii sa bann modur sina liggja i uviti. En
hann gaf ekki gaum at J^vi.
Wenn wir auf kleine Umstände achten wollen, so ist hier zu bemerken,
daß Wolfram von einem Abschied an einer Brücke nichts weiß. Die
entsprechende Stelle bei ihm heißt 128, IG:
[frou] Herzeloyde in kuste und lief im nach.
der werkle riwe aldä gescbacb.
dö si ir sun nibt langer sach,
(der reit envvec: wemst deste baz?)
dö viel diu frouwe valsches laz
üf die erde, aldä si jämer sneit,
so daz se ein sterben niht vermeit.
1 Gales. 2 ö. 3 fet. 4 ensamble. 5 cauces. 6 samble, 7 caperon. 8 Ga-
lois. 9 apparellies 10 avoit es pies. 11 ki le. 12 ce. 13 le voles. 14 biaus.
15 fius. 16 as. 17 parles. v. 1758: avoec les preudomes ales. 18 preudom. 19 for-
conselle. 20 celui ki tient. 21 le. 22 cier. 23 se retonie et si. 24 cheue. 25 cief.
2G del. 27 glut. 28 com. 29 keue.
*) hriflino^a mhd. ribbalin. Im mhd. Wörterbuch wird die Notiz Wackernagels
angeführt, der das französische ruban, das englische ribban vergleicht. Daran ist gar
nicht zu denken, denn im Altfranzösischen steht an dieser Stelle revelins, woraus un-
mittelbar ribbalin gemacht ist. Über den Ursprung von revelins gibt auch Diez keine
befriediffeude Auskunft.
144
EUGEN KÖLBING
Es läßt sich nicht leugnen, daß schon hier die Saga viel genauer mit
der französischen Vorlage stimmt, als Wolfi'am.
Die Dame im Zelte. „Die Namen Jeschute und Orilus begegnen
bei Chrestiens nicht. Erst später erfahren wir, daß der Ritter li orgueil-
leus heißt." So Rochat a. a. O. Ebenso steht es in unserer Saga, und
dem Ausdruck li orgueiUeus entspricht, ebenfalls an einer späteren Stelle,
hinn dramhlati.
V. 604 (1832):
il vit un tref tendu.
V. 631 ff. (1862):
a tili ' lo " tref un lit covert •'.
d'une coute'* de paile i voit^
«51 lit une dame gisoit
qui estoit iqui endormie.
V. 653 (1881):
l;i pucele "^ de paor tranble ',
por le vallet qui fol ^ li saiible ',
viilles '**, fait-ele, tieu ta '' voie,
fui, que '" mes amis ne te voie.
V. 657 (1887):
ains vos baiserai par mou cliief '•^,
f'ait li valles '*, cui que '^ soit grief,
\>\\ naest koin hanu at laudtialdi einu,
ok fann Jaar ekki nema eina kona fagra,
)3vi at unnasti lieunar var eigi heima.
Var bann farinn a veidar. Hann taladi
vid hana blidum ordum. En hon bad
hann brott dragast sem skiotast, sagdi
at honom myndi eigi duga ef unnasti
hennar kaemi heim.
fjue "' ma mei-e lo " m'enseigna '** .
li valles avoit les bras fors,
si lenbraca '^ moult uiceinent,
qu'il ^^ ne lo * ^ sot faire autremeut.
el int sor le lit estandue,
et cele s'est bien ^^ deffandue *',
et gandilla quant qu'ele ** pot,
mais deffance'"* mestier ni''^ ot,
que li valles tot de randon ^'
la baisa, vosist ele, o nou ....
v. 698 (1928):
li valles^* a son euer ne met
rien ^^ nule de ce que il ot,
mais de ce'" que geune^' ot
nioroit de fuim^'' a male fiii.
un bocel ■*"* trove ^^ plein de vin.
En beiddi koss af lienni, en hon neitadi.
Hann kysti hana )5a at naudgu ok maelti :
Eigi beidumst ek meira, \>\'\ at modir
min fyrirbaud mer at taka konn naudga.
Matar beidist hann, en hon sagdi öug-
van vera. Hann raiisakadi jia ok fann
)jria leifa ok jiar med vin ok ok hann [lat.
1 emmi. 2 le. 3 couvert. 4 kioute. 5 avoit. v. 1864 s. : El lit, tonte seule
f^isoit une damoisiele endormie. 6 puciele. 7 tranible. 8 fos. 9 .samble. 10 vallet.
11 ta. 12 ke. 13 cief. 14 varles, 15 qui qu'il. 16 car. 17 le, 18 meiisegna.
19 Tembraca. 20 car il. 21 nel. v. 189.3: mis l'a sor lui toute estendue. 22 moult.
2.3 deffendue. 24 kank'ele. 25 detfense. 26 u'i. 27 en un randon. 28 valles. 29 riens.
V. 1929 : riens nule de quanque il ot. 30 cou. 31 jeune. 32 faiu. 33 boucel.
34 tiTieve.
DIE NORDISCHE PARZIVALSAGA UND IHRE QUELLE.
145
et Uli enap ' d'argcut selonc,
et voit sur ^ un trossel ^ de ionc
une toaille* blanche nueve^;
et ^ la ' soulieve ^ et si trueve ^
trois bons pastes d'un chevroil free, .
un des pastes devant lui froisse '",
si maniue " par grant talent,
et verse '^ en la cope ^^ d'argent
do ^* vin qui '^ n'estoit mie laiz ^*,
si ^' en boit sovent et ^* grans trais.
(v. 1904):
tant c'un anel en son doit vit
a une esmeraude moult eiere ^^.
(v. 1913):
li valles ^" par lo poing '^^ la ^* prent
a force lo doi^' li estant ^* etc.
V. 727 (1956):
et pris^* congie tot^** maintenant,
et^' conmanda*^^ a deu^^ celi
cui ses ^"^ salus point**^ n'abeli ^^.
dex vos ■'^ saut, fait il, bele amie.
V. 746 (1974):
puis n'ala gaires demorant
que ses amis do bois revint.
V. 750 (1978):
et sa mie ^* plorant trova.
V. 755 (1983):
mais un vallet Grualois*'' i ot
enieus '^ et vilain et sot
qui de vostre vin a beu
tant con li *' plot et bon li fu . . .
(v. 1992:)
nies agnes ^^ est en la querele ^^i
qui lo m'a tolu, si l'enporte.
V. 785 (2014):
ne ia*** ne mangera d'avaine
vostre chevaux*', ne u'iert ferrez*'^
Hann tok af heniii eitt fingrgull,
ok po het hann at ötnbuna lienni. En
hon bad troll liafa hann allan ok sva
hans ömbun. Sidan reid hann i brott,
en unnasti liennar kom heim ok fretti
hvat vildi hennar ugledi.
En hon sagdi at ])ar kom einn garungr
ok kysti hana naudga ok tok af henni
fingrgull ok at ok drakk Jaat er hann
vildi.
Hestr Jiinn skal hafa ekki fodr ok pn
illt fostr ok litinn mat, sva J)0 at pu me-
1 hauap. 2 sor. 3 torsiel. 4 touaile. 5 blance et nueve. 6 il. 7 le. 8 sous-
lieve. 9 et desos tiiieve. v. 1937: III pastes tVois de kevrius fais. 10 maintenant froisce.
11 et mangue. 12 vierse. 13 coupe. 14 del. 15 ki. 16 lais. 17 et. 18 ä. v. 1904:
I analet en sen doit vit. 19 clere. 20 varles. 21 le doit. 22 le. 23 le doit. 24 estent.
26 prist. 26 de. 27 si. 28 coumanda. 29 Dieu. 30 li. 31 pas. 32 n'abieli. 33 vous.
V. 1975 : ses amis ki del bos revint. 34 s'amie. 35 galois. 36 anieus. v. 1985 : qui a
de vo.stre vin beu. 37 com lui. 38 aniaus. 39 queriele. v. 1993: qu'il m'a tolut et
si Temporte. 40 que ja. 41 cevaux. 42 ne n'ert sainies.
GKRMAXIA. Neue Reihe II. (XIV.) Jahrg. 10
146
EUGEN KOLBING
tant que eil estera tuez
si * muert, vos me siurez ^ a pie '.
V. 788 (2020):
ne jamais ne seront cangie ^
li drap dont vos estes vestue,
ains me siurez * a pie ** et nue.
gir Ufa vid til J)ess er ek veit at sönnu
af per. En ef hestr pinn deyr, pa. skalt
))u a foeti hlaupa.
Aldri skalt J)u önnur klaedi hafa en
l:)essi ok nokkut skalt pu ganga allt til
j)ess er ek hefi hef'nd jiess er )iik svivirdi.
Chrestiens lässt nicht den Ritter Parzival verfolgen, wie Wolfi-am. Die
Saga auch nicht.
Parzival bes:es:net bei Wolfram der mn den todten Schionatulauder
trauernden Sigune. Chrestiens erwähnt beide nicht, sondern lässt, gleich
nach 788, Percheval auf einen Kohlenbrenner treflfen, der ihm den Weg
nach Arthurs Hof weist ; bei Wolfi-ara ist es ein Fischer , in dessen
Hütte Parzival die Nacht zubringt. Von Nantes ist bei Chi'estiens die
Rede nicht. Was diese Abweichungen beider Versionen betrifft, so ist
auch hier nur zu bemerken, daß unsere Saga sich ti'eu an Chrestiens hält.
Der Anfang der Erzählung von dem rothen Ritter stimmt im Fran-
zösischen und Nordischen fast wörtlich:
V. 827 (2057):
et vit ^ issir par mi la porte
un Chevalier qui armes porte,
une cope^ d'or en sa main;
sa lance tenoit et son frain
et son escu a** la senestre,
ok sa lianu rida einn riddara or hlicti
kastalans ok helt med vinstri hendi spiot
ok skiöld ok beizl, en i hoegri hendi bar
hann eitt guUker med loki ok soemdi ho-
nom einkar vel klsedin, er kann bar. jjau
vopn varu öll med raudum lit ok öU haus
hameskia.
et la cope ^** d'or an * ^ la destre ;
et ses ai-mes bien li seoicnt *"
qui totes vermoillcs ^^ estoient.
Es folgt die Ankunft an Artus Hof. Greifen wir einige Partieen heraus,
in denen die Übereinstimmung am Auffallendsten ist:
v. 877 (2107):
Tant qu'Yvones ^* contre lui vint
qui un costel '* en sa main tint.
Valles ^^, fait-il, tu qui ca viens,
qui lo costel *' cn ta main tiens,
mostre moi liques "* est li rois.
Yvones ^®, qui raoult fu cortois,
lidist: „amis, vees*"lelä."
et eil tantost vers lui ala,
sei' salue'*^ si con"" il sot.
til })ess er Jonet skutilsveinn kouungs
gekk til hans beraudi knif i hendi J)vi
at hann skar mat fyrir konunginn: „}ju
madr, er knitinn hefir, seg mer hvar
konungi-inn er." En Jonet var hinn kui*-
teisasti madr ok sagdi honom med bli-
dum ordum hvar konungrinn sat. En
hann jafnskiott skundadi jiannig ok heil-
sadi konunginum.
V. 2016 : tant que je m'en sarai vengies. 1 s'il. 2 sivrcs. 3 ä pie. 4 cangie.
6 sivres. 6 a pie. 7 voit. v. 2058: I chevalier, et voit que porte. 8 coupe. 9 en.
10 coupe. 11 en. 12 seoient. 13 vermelles. 14 tant c'uns serjans. 15 coutiel.
16 varlet. 17 le coutiel. 18 liques. 19 li varles. 20 vees. 21 sahia. 22 com.
DIE NORDISCHE PARZIVALSAGA UND IHRE QUELLE.
147
V. 2116: (nach M.)
Li rois peusa, ains ne dist mot;
et eil autre fois Taraisomie,
et li roi pense, et mot ne sonne,
par foi, fait li varles adoucqnes,
eis rois ne fist ehevalier onquesj
quant on n'en puet parole traire,
coment poroit ehevalier faire?
Atant dou retorner s'atorne,
le chief de sou cacheor torne,
mais si pr6s del roi l'a menet,
a guise d'ome mal seuet,
que devant le roi, sor la table,
li abati, sans nule fable,
Del cief son capel de bounet.
Li rois torue vers le vallet
son ehief que il avoit baissie ;
si a tout son pense laissie,
et dist: Biaus frere, bien viguies
et proi vous c'ä mal ne taingnies
eou que vostre salu n'ooie;
d'ire respoudre ne pooie,
que li pire anemis que j'ai,
qui plus me hct, dont plus m'esmai,
m'a ei ma tiere contredite,
et tant ensoing que toute quite
dist qu'il l'aura, u voe.lle u non;
li Vermaus Chevaliers a nom
de la foriest de Kinkerloi.
et la ro'iue devant nioi
estoit ehi veuue seoir,
pour conforter et por veoir
les Chevaliers qui sont blecie.
ne m'eust gaires courecie
li Chevaliers de kank' il dist,
mais devant moi ma coupe prist
et si folement l'euleva
que sour la roi'ne viersa
tous li vins dont ele estoit plaine;
ci ot oevre laide et vilaine.
En konungr sat ahyggjufuUr ok svaradi
öngu. Sveinninn orti orda a hann i an-
nat sinn ok jiagdi hann. ))a majlti svein-
ninn : Jiat veit tru min, at jiessi konungr
giorir aldri riddara, er eingi madr faer
ord af honom.
Ok jafnskiott byz sveinn i brott at fara
ok sneri hesti sinum til hallar duranna.
En hann hafdi sva nser riditkonunginum,
sem hann vissi ekki gott. Ok i pvi er
hann sneri hesti sinum, }ia feldi hann
hat konungsins af höfdi honom ok a
bordit fyrir hann.
En konungr hepti Jia ahyggju sina ok
snerist at sveiuinum ok maelti: J)u godr
madr ert vel kominn, ek bid at )5U fyrir-
kunnir mik eigi, )30 at ek pegdi J)vi at
ek matta eigi svara J^er fyrir ahyggju ok
reidi. Hinn mesti uvin min klandar mik
taed ofiind ok kallar til rikis mins ok se-
gir at hann skal |)at hafa hvart sem ek
vil edr eigi, ok heitir hann hinn raudi
riddari. Hann byr i mörk Jieirri er heitir
Kvinkvarie. En drottning var er her ko-
min at hugga riddara vara er sarir eru.
Ok hefdi mik Jsat litt angrat, er ridda-
rinn m«lti, nema hann giordi ])at a ofan
mer til svivirdingar at hann tok brott
bordker mitt ok slo vininu öllu i fang
drottninginni.
Die meist wörtliche Überelustimmung in diesem Abschnitte ist augen-
fällig. Für die folgende Partie genüge die Versicherung; daß es damit
eben so steht.
10 =
148
EUGEN KOLBING
Ell sau bann |)0 vera bsecti frictan ok
vaskligan.
ok a miöju hallar golfinni msetti liaun
eiuni fagri ok kurteisi mey ok heilsaSi
henni ok hon honom ok mselti til hans
blidum ordum: Sveinn, sagdi hon, ef
ek lifi nokkura stund, pa. veit ek at sönnu
sem mer segir hugr, at i öUum heiminum
faez eigi vaskari riddari en j)U mant
verda. Hon var betr en XII vetra göinul.
V. 939 (2169):
Mais tuit eil qui lo regardoient,
por bei ^ et por gent lo tenoient.
V. 994 (2226):
Et li valles '^ qui ^ s'an aloit,
a une pucele veue *,
bele ^ et gente, si la salue
et celo '■ lui, et si li rist
et an rient itant li dist:
Valles se tu vis ' per aaige *
ie paus ^ et cuit '" en moii coraige ^'
qu'eu trestot ^^ le " monde n'aura
n'il n'i est, ne Ten n'i saura
nul Chevalier meillor de toi,
ensin ^* lo pans '^, et cuit et croi '^.
et la pucele ^' n'avoit ris
ans avoit passes plus de dis.
v. 1008 (2240):
et Key '^ saut
cui la parole enuia ^® moult,
si li doue un ^^ cop si estout
de sa i^aume en la face tendre ^ ',
que il*''^ la^'' fist a terre"'* estendre.
Man vergleiche hier den bedeutend abweichenden Text Wolframs 151,
21 ff.:
Do nam Keye scheneschlant
froun Cunnewaren de Lalant
mit ir reiden häre;
ir lange zöpfe kläre
die want er uinbe sine haut;
er sj^aucte se äne türbant.
ir rücke wart kein eit gestabt :
doch wart ein stap so dran gehabt,
unz daz sin siusen gar verswauc,
durch die wät unt durch ir vel ez dranc.
Wie überhaupt, so ist auch hier Chrestiens in der Namennennung we-
niger freigebig als Wolfram, und der Sagaverfasser ist ihm darin gefolgt.
Der verswigen Antanor Wolframs heißt bei Chrestiens hier nur un sot,
bei unserem Autor konungs fol (über Garflet und Guifles vgl. meine
Jja hliop Ksei rsedismadr at henni ok
laust hana sva mikit högg med lofa si-
num i reidi a kinn hennar, at hon la
J)egar fallin.
v. 2169: Mais trestout sil ki \k estoient. 1 biel. 2 varles. 3 ki. 4 veue.
5 biele. 6 celle. v. 2230: Et trestout en riant li dist. 7 ens. 8 parage. 9 pense.
10 croi. 11 corage. 12 trestout. 13 ce. v. 1003 fehlt in M. v. 2235: il mellours Che-
valiers de toi. 14 ensi. 15 le pans. 16 ensi le croi. 17 pnciMe. v. 2238: passet avoit
aus plus de X. 18 Kex, 19 anuia. 20 un felilt. 21 teure. 22 qu'il. 23 le. 24 :i la tiere.
DIE NORDISCHE PARZIVALSAGA UND IHRE QUELLE.
141)
spätere Erörterung), frou Cunneicare bei Chrestiens une pucele, in der
Saga ein mcer, später mcer er Kcei laust.
Es folgt der Kampf mit dem rothen Ritter , dessen Heimat bei
Chrestiens la foret de Guingulron ', bei Wolfram Gaheviez ist, und von
dem es in der Saga heißt haim hyr i mörk f)eirri er heifir Kvinkvarie^
was offenbar dem französischen Namen vollkommen entspricht. Es folgen
einzelne Stellen:
pa, reiddist riddarinn ok tok spiot sitt
badum höndum ok slo sveinniun sva at
hann seig eptir höggvinu a hals he-
stinum.
V. 1063 (2295):
la lance a eii '^ 2 poiugs ' levee
et si Ten done grant colee
par les espaules * en travers
par Ik * on n'estoit pas li fers ^.
qu'il lo fist enbronchier h val
jusque^ sor lo ^ col do ^ clieval '**.
Bei Wolfram heißt es abweichend am Schluß 154, 28:
daz er und sin pfärdeliu muosen vallende üf die bluomen sin.
1069 (2301)
Et li valles '^ s'est correcies ^',
quant il senti que ^^ fu blecies
de la colee quil ot prise.
a l'oil ^*, au mielz ^^ que puet '"j l'avise
et laisse '' aler lo javelot '**;
eil qui n'entent, ne voit, ne ot (?)
lo fiert tres par mi lo cervel,
si que li fet ou haterel
saignier '^, et la cervele ''*' espant.
de la dolor li cuers li mant
si verse^' et chiet^^ tos ^^ estandus ^*.
V. 1083 (2315):
mais^^ il ne set^^ venir a chief^^
do ^® hiaume qu'il ot'^^ sor le chief'"',
qu'il ne set conmant" il lo ^^ preigne ^'
et l'espee^* qu'il li desceigne^^
maintenant "^^j raes ^' il no •^'^ set faire
ne do desarrner a chief ti'aire.
pa reiddist sveinn ok rettist upp ok risti
gaflak sitt ok fleygdi at riddarinum med
öllu afli ok skaut hann in augat sva at
heillinn fylgdi ut um hnakkann, en rid-
darinn feil jafnskiott daudr til jardar.
]3a ste sveinninn nidr ok tok spiot hans
ok sverd; en eigi kunni hann at leysa
hjalm hans af höfdi honom. Giarna vildi
hann ok leysa sverd hans af honom ok
vissi eigi med hverju lisetti hann matti
jaat giora ; tok hann f)a sverdit med skil-
dinum ok kipti ok dro.
1 Kinkerloi. 2 ä. 3 mains. v. 2296: Si Ten a doniie tel colee. 4 espaulles.
5 de lä. 6 fiers. v. 2299: Qu'il l'a tont embroncie aval. 7 jusques. 8 le. 9 del.
10 ceval. n varles. 12 courecies. 13 qu'il. 14 en 1' uel. 15 mius. 16 qu'il pot.
17 let. 18 son gaverlot. v. 2306 ff.: Si qu'il n'entent ne voit ne ot, Sei fiert parmi l'uel
el cervel Et d'autre part le haterel. 19 le sanc. 20 cervelle. 21 vierse. 22 ciet.
23 tous. 24 estendus. 25 mes. 26 sait. 27 ä cief. 28 del. 29 a. 30 son cief.
31 coment. 32 le. 33 pragne. 34 et s'a talent. 35 des9agne. 36 l'espee. 37 mes.
38 nel. v. 2320: Ne del fuere ne le puet traire.
150
EUGEN KÖLBING
V. 1108 (2344):
Mais li valles ' sa vesteure '
ne vost ^ laissier, ne * ne preist
por rien que ^ Yvones ® deist
une cote bien' aaisiee *
de dras de soie gambisie
que desus ^ sou hauberc vestoit
li chevaliei-s, quant vis estoit.
V. 1149 (2385):
encois '" que Yvanes " s'en aille ^^,
dist li valles '^: „ami prenes '*
mon chaceor '^, si l'enmenes '"^
qu'il est moult bons et jel vos doing,
pour 90U que jou n'en ai besoing.
et portes la '^ cope '^ lo '^ roi;
si lo ^" salues de par moi,
et taut dites a la pucele,
que Key**' feri sos *^ la maisele*"',
que se "* ie vif^^ ains que ie muire,
li cuit ie mentre moult bien nuire
En sveinn vildi at öngum kosti skipta
klsedum sinum ok klsedum lians fyrir sa-
kir alls J)ess er Jonet kunni honom telja.
Riddarinn var klajctr hinum bezta silki-
kyrtli ok af agaetum guctvcf undir brynn-
junui.
Jia majlti sveinninn adr Jieir skildu :
„Vin" sagdi bann, „tak best minn ok
veit at sönnu at ek hefi reynt bann at
godum besti ok skalt pu ))iggja bann af
mer. ])arf ek bann eigi lengr. Tak ok
bordkerit ok fser konungi ok seg bonom
guds kvedju af minni balfu. ])u skalt ok
seggja mina kvedju meyju Jseirri er Kaei
laust at ballar golfi ok seg sva öllum at
ek skal sva mikit at giora adr ek dey,
at bun skal segja sik vel befnda a J^eim
er bana laust.
que por vangiee*^ se tenra.
Bei Chrestiens endet die Episode dadurch , daß Artus den Kex bitter
über sein Benehmen tadelt. Ebenso in der Saga.
Wir kommen nun zu Parzivals Aufenthalt bei Gurnemans de Gra-
harZj wie er bei Wolfram heißt, der von Chrestiens zuQY&i li prodome"'' ,
dann Gotmemans de Groort^^, in unserer Saga zuerst hinn godi madr,
dann Gormanz or GrolioU genannt wird.
V. 1275 (2513):
sur*^^ une roclie en un pendant
qui vers ■'^ mer aloit descendant,
ot un castel et bei ^^ et fort ;
si con ''^ l'eve aloit au regort
torna li valles ^ ^ a senestre
et vit les tors^^ do ^' castel nestre,
avis ■** li fu qu'elles ^' nessoient^".
V. 2529 M:
Avoit im basses tourifeles,
qui moult estoient fors et bieles.
. ok er bann kom at ani, fann
bann at bann var miök djup ok rann
yfir miklum straumi ok reid bann ofan
med ani ok ]:)a sa bann upp koma eitt
mikil tre (?) ödrum megin arinnar ok
J)ar a fiora turna starkliga ok bagliga
giorva etc.
1 varles. 2 viesteure. 8 vot. 4 que. 5 quank'. 6 Yones. Nach Yones steht H.
7 mout. 8 aaisie. 9 desous. 10 an9ois. 11 Yones. 12 alle. 13 varles. 14 prendes.
15 caceour. 16 se vos volez. 17 sa. 18 coupe. 19 Ie. 20 Ie. 21 Kex. 22 sor.
23 niassele. 24 se. 25 puis. v. 2394 : Li qiiic-jou si bien metre cuire. 26 vengie.
27 li preu3oni. 28 Gonemans de Gelhort. 29 sor. 30 cele. 31 roce. 32 viers. 33 moult
riei. 34 com. 35 varles. 36 tours. 37 du. 38 k'avis. 39 k'eles. 40 uaissoient.
DIE NORDISCHE PARZIVALSAGA UND IHRE QUELLE. I5l
Es ist interessant zu beobachten, wie hier ein Aiisdinick in allen drei
Sprachen seinen Vertreter hat ; es entspricht sich nestre, iipp koma und
icüehse {icie der turne icüehse mere).
V. 1354:
sire, aventure m'eusaigna Herra , kvad hann , ]3at kendi mo5ir
et ma mere, que ie alasse min mer, at ek skyldi samjiykkjast go-
aus prodomes et me conseillasse. dum mömium ok hafa peirra rad ok
ef ek fylgdi godra manua radum ok hu-
ganum, myndi mer hamingja af standa.
Noch genauer stimmt zum nordischen Texte dieselbe Stelle in M:
Sire, ma mere m'ensengna J5a mfelti hinn godi madr: „Vel se mo-
que vers les preudomes alasse, dur Jiinni er hon kendi Jser heilt rad ok
en quel liu que je les trovasse, hoUt. Eda viltu nökkut fleira maela?
si creisce 90U que diroient;
que preu i ont eil ki les croient.
et li preudom respont: Blaus frere,
beneoite soit vostre mere,
qui le vous ensegna moult bien.
mais voles-vous plus dire rien?
V. 1610 (2840):
et gardez ' que vos ^ ne seiez "^ Verdu eigi giarna ofmalugr eda for-
trop parlans *, ne trop noveliers. vitinn.
V. 1637 (2867):
or ne dites iamais, biaus frere, ^ Husbondinn sagdi: Haf eg ekki Jjetta
que ce vos aprist vostre mere, ordtak lengr at geta modur Jjinar vid
ne qu'ele vos ait enseignie framferdar jiinar, )3vi at per verdi* pat
que * se vos plus lo diseiez ^, virt til folsku.
a folie vos ' tanroit ^ an ^,
porce "* vos pri, gardez vos an ^^.
Die einzelnen Scenen sind übrigens in beiden Bearbeitungen ganz ent-
sprechend, nm* im Nordischen etwas kürzer gehalten.
So wenig Avie bei Chrestiens geschieht in der Saga Erwähnung der
Liaze, so wenig wie Gormanz seinem Gaste Aufschluß über seine Fa-
milienverhältnisse gibt, wie dies bei Wolfram (177, 9—179, 12) der
Fall ist.
Aufenthalt Parzivals bei Blankiflur (Blancheflor bei Chrestiens,
Conduiramurs bei Wolfram) in ihrem Schlosse (Bel-repaire bei Chre-
stiens,/o^/r borg bei dem Sagaschreiber):
1 gardes. 2 vous. 3 soies. 4 parliers. v. 2868 f. : Fait li preudom , que
vostre mere Vos ait avis ne ensignie. 5 et. 6 disiies. 7 le. 8 tenroit. 9 Ten.
10 per ^ou. 11 en.
152
EUGEN KÖLBING
. . . . ok barcti a portinu er laest vai", ok
sa fagra jungfrii i einutn glug ok jiegar
hon sa hann, bad hann upplata fyrir
honom.
V. 1684 (2914):
tant a hurte ^ en ^ el lo "^ pas
vint * aus " fenestres de la sale
une pucele tainte et pale
et dit ^ : qui est qui ' 9a ^ apele ^ ?
Die specielle Beschreibung der Zustände in der Burg, wie sie Chrestiens
V. 2930 ff. gibt, fehlt in der Saga.
V. 1819 (3049):
porce '" de parier se tenoit, Sveinninn sat ok f)agdi ok mintist a rad
que do " chasti '^ li sovenoit husbonda sins at hann skyldi eigigiorast
que li prodom '** li avoit fait. ofmalugr.
V. 1844 (3074):
et dit moult debonairement: Jia maelti hou Widliga til hans:
sire dont venistes vos hui? Hvadan er ydr koma hingat, herra?
In etwas ausführlicherer Vergleichung mag nun die bekannte Nacht-
scene folgen.
V. 3149 (nach M) :
Ains se porpense qu'ele ira
A son oste, se li dira
De son affaire une partie.
Lors s'est de son lit departie
Et issue fors de sa eambre ;
S'a tel paor que tuit li mambre
Li trambloient, li cors li sue.
Ploraut est de la eambre issue
Et vint au lit ü eis se dort,
Et pleure et sospire raoult fort;
Si s'acline, si s'agenolle,
Et pleure si qu'ele li molle
De ses larmes tote la face;
N'a hardement que plus en face.
Tant a plore que eil s'esvelle;
Si s'esbahist moult a mervelle
De sa face qu'il a mouillie ;
Et voit celi ajenoullie
Devant son lit, qui le tenoit
Par le col embraciet estroit;
Et de 90U cortoisie fist
Que entre ses II bras le prist
Maintenant et vers lui le traist.
Si li dist: „Bele, que vous piaist?
Por coi estes venue chi?"
Ha, gentius Chevaliers, merci
... ok Jia ihugar hon at ganga tilgests
sins Jsangat sem hann var ok kaera fyrir
honom a launungu sitt vandraecti, okgekk
hon i ]Dat svefnhus sem riddariun svaf i,
])0 med mikilli hrajzlu ok skialfta ok la-
gum grati ok kom sva til riddarans at
hann svaf ok settist a kne fyrir sasng
hans ok laut yfir andlit hans sva miök
gratandi , at hon vseti andlit hans allt i
sinum tarum. Nu sem hou hafdi })ar
lengi gratit, pn vaknadi riddarinn ok
):)Otti honom miök undrlikt er andlit hans
var vatt ok leit hann )ia meyna a kniam
sitja fyrir livilunni ok tok j^egar til hen-
nar ok helt henni i fadmi sinum ok mselti
kurteisliga til hennar: „Hvi, frida maer",
sagdi hann, „komu jicr her cdr hvat er
vili ydarr fyrir guds sakir? seg mer,
hviertu svaharmsfull, öngrudokuglöd?"
„Dyrligr riddari, sagdi hon, fyrirkunn
mik eigi ok vird mer eigi til svivirdingar,
at ek er her komin. Mer kom aldri i hug
synd ne svivirding, ])o at ek koemi her
naiiga nökt.
1 i feri. 2 k'en. 3 es le. 4 vit. 5 as. 6 dist. 7 ki est ki. 8 lä. 9 apiele
10 par (;ou. 11 del. 12 casti. 13 preudom. v. 3074: Lors li dist debounairement.
DIE NOKDISCHE PARZIVALSAGA UND IHEE QUELLE.
153
Por Dien vos proi et por son fil,
Que vous ne me tenes por vil
De ce que je sui ei venue,
Par ee que je sui presque uue.
Je n'i pensai onques folie,
Ne mavestie ne velouuie |
V. 3181:
Qu'il n'a el monde riens qui vive
Taut dolante ne tant caitive
Que jou ne soie plus dolente.
Kiens que j'aie ne m'atalente.
V. 3187:
Ne je ne vivrai jamais nuit
Que seulement eele d'anuit,
Ne jour (pie celui de demain;
Aincois m'ociroie de main.
En ek er sannarliga sa kvennmadr er
sorgfullastr litir i heiminum ok er nu
f)a ekki er mik megi huga ok J^essi skal
min vera hin sidasta nott Jiessa lieimis,
Ipvi at Jiegar dagr kemr, skal ek sialf
drepa mik etc.
Gleiche Übereinstimmung geht durch die ganze Episode fort. — Es
folgt der Kampf gegen Gingvars, (Aguingueron ' bei Chrestiens, Kin-
grun bei Wolfram) und Klamadis (Clamadex bei Chrestiens und Cla-
mide bei Wolfi'am). Die Schilderung des ersten dieser beiden Kämpfe
ist ims durch die öfter erwähnte Lücke in der Pergamenthandschrift
verloren gegangen; doch sehen wir aus der Stelle nach der Lücke so-
gleich, daß auch nach der Darstellung der Saga Parzival den besiegten
Gingvars zur Königin Blankiflur und zum Gormanz schicken will, dieser
aber fürchtet die Rache der Burginsassen; denn, sagt er, ek drap hcws
systurson er penna kastala varcti fyrir mer ; pvi hid ek at pii clrepir mik
heldr en pu sendir mik i penna stad. Parzival schickt ihn daher an
Artus Hof:
V. 2256 (3489):
et eil li dist: donc iras tu
en la prison lo " roi Artu
et me salueras lo- roi,
et si li diras de par moi,
quil ^ te face mostrer cell
que Key * li senechaus ^ feri
porce ^ que ele ' m'avoit^ ris;
et ä celi te rendras pris,
et si li diras, se toi piaist,
que ia dex^ morir ne me laist,
tant qu'en aie vengeuce prise.
})a maelti Percival: pu skaltu fara atvald
Artus konungs ok seghonom kvectju miua
ok bid hann syua per pa mey er Ksei
laust fyrir minar sakir ok seg henni at
ek hefi ]^ik vapnsottan i hennar vald sent
ok ek skal hennar hefna at JDeim er hana
laust saklausa fyrir miuar sakar.
1 In M: Enguigerans. 2 le. 3 qu"il. 4 Kex. 5 senescaus. 6 por (jou. 7 eile
8 en avoit. 9 diex. v. 3499: Tant que venjance en aurai prise.
154 EUGEN KÖLBINC4
In allen drei Erzählungen meldet ein Knappe (nn valles — einn madr
hlanpandi) dem Clamadis, daß Gingvars von einem im Schlosse ein-
getroffenen fremden Ritter in rother Rüstung besiegt worden sei. Cla-
madis belagert trotzdem die Burg der Blankiflur , bis das Schiff mit
Lebensmitteln ankommt:
V. 2467 (3700):
cel ior meisme ^ un graiis vens }iann sama dag giordist mikill
ot par mer ^ chacie une bärge stormr ok rak )3angat i fiördinn eitt mikit
qui de froment^ porte une charge, hafskip füllt mett vin ok vistum allsko-
ct d'autre vitaillo * estoit plaine. nar seni guds vili var fil.
sl con De jüot, cntiere et saine
est devant lo ^ chastel venue.
Man vergleiche mit den beiden cursiv gedruckten Redensarten die ganz
entsprechende deutsche an dieser Stelle 200, 16 daz fuogte gof der
wise. In Folge dieser Nachricht entschließt Clamadis sich sogleich zu
einem Zweikampf mit Parzival^, da er sieht, daß bei dieser Fülle von
Proviant die Burg sich noch sehr lang halten könnte. Er wird besiegt
und in Folge seiner Weigerung, sich der Blankiflur oder dem Gormanz *)
zu übergeben, ebenfalls an Artus Hof geschickt, und ihm derselbe Auf-
trag an pa mey, er Kcei laust gegeben, wie seinem Vorgänger,
V. 2693 (3924):
Mais ^ Aguinguerons ' totes voies ^ En Klamidis for leict sina sva sem fyrir
s'en va, et Clamadex apres haftti farit Gingvars hans rsedismactr
siuit ^ trois nuis tot pres a pres ok letti sinni ferd eigi fyrr en hann kom
as otex ^" 0 ^^ eil ^^ ot geu, til Artus konungs Jiar er hann sat med
bien l'a *^ par les esclos seu, dyrligri hird sinni.
iusqua^^ Dinasdaron ^' en Guales ^^
ou 11 rois Artus en ses sales
cort '^ moult efforcie tenoit.
Nach dieser Stelle tritt wieder eine Differenz zwischen Chrestiens und
Wolfram zu Tage, wobei unsere Saga genau Chrestiens Darstellung folgt.
Es folgt nämlich zuerst eine Erkennungsscene zwischen Gingvars und
Clamadis , dann Erscheinung des letzteren vor dem König , und erst
nachher wird Clamadis durch Valver und Garflet (bei Chrestiens Ywains
1 mcMsmes. 2 nuit. 8 forment. 4 vitalle, v. 3704 : Si come Dex le guie et maine*
Man sieht deutlich, daß das Nordische der obigen Lesart folgt. 5 le. 6 Et. 7 Engui-
geron. 8 toute voie. 9 Et giut. 10 El castiel. 11 u. 12 iL 13 l'ot. 14 jusqu'ä.
15 Dinaderon. 16 Gales. 17 court.
*) Bemerkenswcrth ist hier, daß der Ausdruck „für alle Herrlichkeit Roms" wolle
er nicht zu Gormanz gehen, in beiden Texten sich wörtlich wiederfindet; franz. v. 3865:
ne por tout i''empire de Rome\ nordisch: eirji heldr fyrir allan Romaborgar rikdom.
DIE NOKDISCHE PAKZIVALSAGA UND IHRE QUELLE.
155
und Guifles) der Jiingfi'au (bei W. Cimnevare) vorgestellt, während bei
Wolfram die Wiedererkennungsscene erst nun folgt. Der Sagaverfasser
sowohl wie die beiden anderen Dichter kehren dann zu Parzival zurück,
der Blankiflur wieder verlässt:
V. 2861 (4095):
mais d'une rien mult plus li tieut,
que de sa mere li sovient
qiie il vit ' pasmee cheoir ' . . . .
V. 2898 (4134):
ne Guides pas ^ que ce soit biens,
se * ma mere reveoir ^ vois,
qui aviau mi meint en ce bois,
qui la gaste foret ** a uon ?
je revenrai voille ele o non'^.
Es folgt nun Parzivals Besuch auf der Gralsburg, aus Avelcher Partie
wir ebenfalls die Hauptpartien hervorheben wollen, und zwar ausführ-
licher als im Vorigen, da diese Scene für den ganzen Conte del Graal
wichtig ist. Zu Grunde gelegt ist der Text in Bartsch's Chrestomathie
137 ff. Die Varianten stammen auch hier aus der Monser Hs.
V. 2930 (4166):
En hugr bans stott eigi til sliks, ])vi at
bonom kom i bug bversu börmuliga mo-
dir bans let pn er bon skildi vid bann
ok bon feil af barmi ok la sem daud
vseri
ok bad pa unnustu sina leyfis til brott-
ferdar.
l'eve ^ roide et parfonde esgarde
et * ne s'ose metre dedanz ^"^
et dist: ba, sire dex puissanz ^^,
qui ^" ceste eve '"* passee '^ avroit ^'
de la ^^ ma mere troveroit ^'
mien esciantre *^ saine et vive ^^.
ensi s'an va selonc la rive
tant que "^ a une rocbe aproicbe*',
et que l'eve a la rocbe toicbe,
que il ne pot aler avant.
par var eitt vatn ok rennandi a med ray-
klum stvaumi ok pottist bann bvergi me-
ga a rida pvi at bvergi sa bann grunn.
Haun mfelti pa: Drottinn gud, ef vili
pinn er til at ek megi komast yfir })etta
vatn, pa myndi ek finna modur mina, ef
bon er lifs Hann reid nu med
endilangri ani, allt par til er hann sa
einn mikiun bamar ok rann ain bia bam-
riuum sva nalajg at bann matti bvergi a
ana rida etc.
Wir linden also in diesem Stück fast wörtliche Übereinstimmung. Bei
Wolfram entspricht den aufgeführten Sätzen keine Zeile.
v. 2940 (4176):
et il"- vit par""* l'eve avalant "^ .... pa sa bann bat mikinn fara ofan
une nef qui d' amont venoit : eptir ani ok varu par a tveir menn ok na
dos homes an '^ la nef avoit. hann par stadr (?) ok beid peirra pvi at
v. 4095 f. : Mais d'une autre plus li sovint, Que de sa mere au euer li tiut. 1 Qu'il
le vit. 2 caiV. 3 quidies-vous. 4 que je. 5 veoir. v. 4136: Qui seule manoit en cel
bois. 6 Forest. 7 u voelle u non. 8 l'euve. 9 si. 10 dedens. 11 puissens. 12 si.
13 ewe. 14 passer. 15 pooie. 16 delä. 17 troveroie. 18 ensiant. 19 se ele est vive.
20 ke. 21 aproce. v. 4174 f.: U li eviwe atouce k la roce, si que ne pot avant aler.
22 atant. 23 parmi. 24 aler. 25 en. v. 2944 u. 45 fehlt, v. 2946 : Et si anieste et si atant.
156 EUGEN KÖLBING
li uns des dos homes naioit, hann hugcti at fieir myndi ]^ar lenda. Nu
li altre a l'esme^on peschoit. kastudu })eir akkeri i midri ani ok er
il s'areste, si les atant, fieir höfdu festan bat sinn, let annar siga
et cuide ^ qu'il alassent tant öngul sinn ok dro Jjegar mikinn fisk.
qua il venissent jusqu'a lui.
et il s'arestent " araedui ■*
V. 2956 (4185):
et eil'* qui devant fu peschoit'^
a Tesme^on et si saichoit
son amecon ^ d'un poissonet
petit graignor ' d'un veironet.
eil qui ^ ne set que fere ^ puisse En hinn, er at landi var, vissi eigi hvat
ne an ^** quel leu *' passage truisse, hannskyldi at hafast j)vi at hann kemr (?)
les salue et dcmande lor'": hverci,i ser yfir ana. Hann kalladi a pa
„anseigniez^"^ moi," fetil*'*, „seignor"'^ ok bad pa segja ser fyrir guds skyld er
s'an ^^ ceste eve *^ a ne gu^ ne ^^ pont? nokkur bru vaeri a ani. Jia sagdi sa ho-
et eil qui peche ^* li respout: nom, er fram var i: „Yfir Jjessu a er
„nenil, biau frere, a moie foi, eingi bru ok ekki meira skip eu joetta er
nen i '^*' a nef, de ce me'^ croi, ver höfum ok ber J)at eigi meira enfimm
graignor"" de cesti ""* ou"^ nos somes, menn.
qui ne porteroit pas eine homes,
vint liues a mont ne a val.
Alles dies ist bei Wolfram bedeutend kürzer gefasst. Bei ihm fragt
Parzival gar nicht erst, wie er über den Fluß kommen könne, sondern
es heißt gleich ;
den selben vischsere
begunder vrägen msere,
daz er im riete durch got
und durch siner zühte gebot,
wa er herberge möhte han,
Während andere Einzelheiten von Wolfram wieder mehr hervorgehoben
werden. Der Fischer bietet Parzival dann Herberge in seinem Schlosse
an, wie bei Chrestiens und Wolfram und ich übergehe darum diese
Stelle, um den Zug hervorzuheben, daß bei Chrestiens und in der Saga
Parzival sich betrogen glaubt, weil er zuerst nichts von dem Schlosse
entdecken kann :
V. 2984 (4213):
Maintenant eil s'an "^ va"** amont; ok sem honom hafdi Jietta maelt, reid
et quant "' il vint "^ an son le mont, hann up a hamrinn ok sa ekki hus ok
1 qu'il (luidoit. 2 s'arrestent. 3 ambedni. 4 eins. 5 pes(;oit. v. 4186 : Ä la lingne,
et si assachoit. 6 araen^oii. 7 plus grant. 8 ki. 9 faii-e. 10 en. 11 liu. 12 lour.
13 ensagnies. 14 fait-il. 15 signor. 16 se en. 17 euwe. 18 a nesun. 19 pesce.
V. 4195: Nenil, fröre, eii la moie foi. 20 n'il n'i. 21 si com je. 22 plus grant. 23 que
ceste. 24 ü. 25 s'en. 26 monte. 27 taut que. 28 fu.
DIE NORDISCHE PARZIVALSAGA UND IHRE QUELLE.
157
mselti: Sa hefir miök spottat mik er hin-
gat visadi mer ok gu(t gefi Jieim skada
er laug at mer.
et quant il vint ' an son le j)iii,
si garda " avant devant lui "^,
si ne Yit ■* mes que * ciel et terre,
et dit: „que sui ge venuz querre
la musardie et la bricoigne*.
dex li ' doiiit ^ hui male vergoigne ^
celui qui ca m'a auvoie *®
V. 2999 (4228):
lors vit devant ^ ^ lui an ^ " un val
le Chief ^"^ d'une tor qui parut.
l'an ne trovast jusqu'a Barut
si bele '"* ne si bien asise ^^.
V. 3005 flf. (4234):
la sale fu devant la tor
et les loges devant la sale.
li vaslez *^ cele part avale
et dit '^ que ^^ bien l'a avoie '^
eil qui la l'avoit anvoie.
ensi vers la porte s'an va :
devant la porte un pont trova
torneiz "*' qui "' fu avalez "".
par sor "^ le pont s'an est alez " ;
et vaslet '^ corent "^ contre lui
quatre, sei desarment li dui,
et li tierz "* son cheval "^ anmoine '^
si li done fuerre*"* et avoine"^^.
li carz ^' li afuble "^"^ un mantel,
d'escarlate fi-es et novel ;
et^* Ten menerent jusqu'as loges.
Es erhellt aus den verglichenen Stellen , daß überall die Saga fast
■wörtlich mit der Erzählung Chrestiens stimmt. Die entsprechende vStelle
im deutschen Texte weiß von der augenblicklichen Enttäuschung Par-
zivals nichts, während seine Aufnahme durch die Knappen des Fischer-
köuigs ausführlicher geschildert ist (226, 23 ff.) ebenso wie die Pracht
und Ausstattung des Saales und was damit zusammen hängt, wie denn
überhaupt in Schilderungen unsere Saga meist sehr sparsam ist und
nur das Nothwendigste andeutet.
pvi noest leit hann ofan i dalinn ok sa
par upp koma einn hafau turn fagran
ok sterkan.
Hia turninum var ein fri(t höll ok stefndi
Jjangat a ok lofadi nu fiskimanni er fyrir
hafdi hann lastat ok kom hann nu at
gards littinu ok sa hann ])a bru eina er
upp matti vinda. Ok er hann var yfir
kominn bruna, l)a komu IV ungir menn
fridir ok fagnudn hononi ok toku vid
hesti bans, en einn Jieirra fseräi honom
skarlatskikkjn ok gekk hann Jia med
}>eira.
1 fu. 2 s'esgarde. 3 moiilt lonc deA'ant lui. 4 et ne voit. 5 rien fors. v. 4218: Et
que sui-je ci veuus querre. 6 breoingne. 7 lui. 8 dainst. 9 besoingne. 10 envoie.
11 pres de. 12 en. 13 cief. v. 4230: Ne trovast-on jusqu'ä Barut. 14 biele.
15 assise. 16 varles. 17 dist. 18 ke. 19 aA'oie Ta. v. 4238 : eil ki avoiet l'avoit lä,
20 torneis. 21 ki. 22 avales 23 sus. 24 est eus entres. 25 varlet. 26 vienent.
27 tiers. 28 ceval. 29 enmaine. 30 fuere. 31 avaine. 32 quars. 33 afFuble.
34 puis.
158 EUGEN KÖLRTNG
Man vergleiche ferner:
V. 3044 (4283):
Quant li sires le vit ' vciiant Sem sa liiim riki ina(tr leit riddaran, ]ia
si le salua '' maintenant heilsadi hann honom med bliduin ordiuu :
et dist: amis, ue vos soit grief, »Viu, sagdi hann, fyrirkunn niik eigi,
se ancontre vos ne me lief er ek stod eigi xx]}p i moti ydr, ])vi at ek
que je n'an sui pas aeisiez. er eigi til f)ess fyrir sakir krankleika li-
V. 3053 (4291): kama mins."
li prodom'* tant por lui se grieve, ok' ])a settist sa fridi madr upp ok majiti :
que tant con ■' il puet'' se sorlieve', j^Vin, sagdi hann, stig upp i sa-ngina ok
et dist: amis, ^a vos** traiez* sitt hia mer." Ok hann giordi sva. ))vi
pres *" de moi, ne vos esmaiez ", najstma^ltihinn riki uiadr til luins: ,,Hva-
si vos seez seuremant dan komt }5U eda hvat er nafn jjitt?"
lez moi, jel vos lo boneraant. Hannsvarar: „Ek kom or }jeim kastala er
li vaslez ^^ est ^^ lez ^"^ lui asis ^^ menn nefna fagra kastala.
et li prodom^^ li dist: amis,
de quel part venistes vos hui ?
sire, fet il^', hui matiu mui
de Biaurepaire, ensi a uou ^^.
Die Saga setzt hinzu: ok sva er hann at sönnu pvi at par fekk ek goäan
fagnactj eine Bemerkung ^ die sich im Französischen nicht findet.. Bei
Wolfram fragt „der wirt" ihn überhaupt nicht, wo er herkomme.
V. 3065 (4302):
„si m'ait dex," fet '^ li prodon*^", ,,})at veit tru min," sagdi liann, ]iu liefir
„vos avez graut jornee faite." farit ofmikla dagleid.
Über die genauere Zeit von Parzivals Weggang von der Burg ist im
Gegensatz zu Chrestiens in der Saga nicht die Rede.
v. 3070 (4308):
que que il parloient ensi "', i Jicssu kom ])ar einn fagr sveinn ok fridr
uns vaslez"" antre '"* par la porte. ok faerdi ])essum hinum rika manni eitt
a son col une espee aporte, sverd. Ok hann bra sverdinu til halfs ok
si l'a au riebe ^^ home randue, syndist vera hit besta.
et il l'a bien demie treite ^^
et avoec ce "^ ancore "' vit
qu'ele estoit de si bou acier
Auf die Eigenschaften des Schwertes und auf den Verfertiger wird bei
Chrestiens noch näher eingegangen, in der Saga nicht.
1 voit. 2 salue. 3 que j'. v. 3049 fehlt in M. 4 preudom. 5 com. 6 pot.
7 souslieve. 8 vous. 9 traies. 10 et. 11 esmai^s. v. 4295: Si sees chi, ;i nostre mant.
V. 4296 : Les moi, ko jou le vos comanc. 12 varles. 13 s'est. 14 les. 15 assis. 16 preu-
dom. 17 fait-il. 18 nom. 19 fait. 20 preudom. v. 4303:-Trop graut jornee aves hui
fete. 21 issi. 22 varles. 23 entre. v. 4310 f.: De la maison et si aporte Une esp^e
;i son col pendue. 24 rice. 25 tralte. 26 i,*Jii- 27 encore.
DIE NORDISCHE PARZIVALSAGA UND IHRE QUELLE.
159
pa. mselti sveinn er jaangat bar sverdit :
„Herra, Jietta sverd sendir yctr ein friä
maer, frsendkona ydr.
V. 3084 (4322):
li vaslez ' qui " l'ot aportee
dist: sire, la sore pucele,
vostre niece, qui tant est bele,
vos anvoie ci cest present.
Bei Chrestiens wird daiin noch hinzugefugt, der, welcher dies Schwert
verfertigt habe, habe nur drei von dieser Sorte gemacht und sei dann
gestorben, so daß seinesgleichen nie wieder gefertigt werden könne.
Diese Notiz fehlt in der Saga , ebenso wie die genaue Beschreibung
des Schwertes, das dann Parzival zum Geschenk erh.ält. Bei Wolfram
erhält, wie Rochat richtig bemerkt, Parzival ebenfalls ein Schwert, das
aber erst 239, 18 — 240, 1 erwähnt wird.
Es folgt nun die bekannte Scene mit der blutigen Lanze:
V. 3181 (4368):
que qu'il parloient^ d'un et d'el,
uns vaslez * d'une chambre vint,
qui une blanche ^ lance tint
anpoigniee **, par le mi* leu.
si passe ^ par delez^ le feu
de ces qui leanz se seoient,
et tuit "* eil de leanz veoient
la lance blanche et le fer blaue.
s'issoit ^^ une gote ^'^ de sanc
del fer de la lance an ^^ somet,
et jusqu'a la main au vaslet ^*
coloit *^ cele gote '** vermoille *'.
li vaslez ^^ vit cele mervoille ^^,
qui leanz est la nuit venuz.
si s'est de"" demander tenuz "^
comant '" cele chose avenoit;
que del chasti "'' li sovenoit "^
celui qui *^ chevalier le fist,
qui '^ li anseigna "'' et aprist
que de trop parier se gardast.
si ' ' crient que s'il "^ li "^ demandast,
qu'an li tornast a vilenie;
et por ce"*° n'an*** demande**' mie.
. . ok sem Jieir töludu ser skemtan, pa,
kora einn fridr sveinn in gangandi ok bar
i hendi ser spiot eitt ok sneri niitr aur-
falnum ok gekk milli jieirra er i rekk-
junni satu ok eldsins sva at öll hirftin sa
spiotit, ok undan jarninu rann einn blot-
dropi ofan eptir skaptinu af nefi
Sem Percival sa f>etta ])a undradist med
hverjumhsetti j^ettamattivera, en Jio dirf-
dist hann eigi at spyrja med hverjum haetti
jsat giordist, fjvi at hann mintist hvat sa
liinn dyrligi madr hafdi kent hononi, er
hann giordi riddara, at hann skyldi eigi
vera ofmalugr ef hann kaämi i okunnan
stad ok fyrir f)vi hrseddist hann at spyrja
ok vildi eigi angra ])& er honom veittu
beina.
1 varles. 2 ki. v. 4325 : Vos a envoies cest presant. 3 parolent 4 varles.
5 blance. 6 enpoingnie. 7 emmi. 8 passa. 9 eutre. v. 4373: Et eil ki sor le lit
seoient. 10 tout. v. 4374 f. : Et tout eil ki laiens estoient, Vireut la lance et le fer blaue.
11 s'en ist. 12 goute. 13 el. 14 varlet. 15 couloit, 16 goute. 17 vermelle. 18 varles.
19 mervelle. v. 4381 : Qui laiens ert noviaus venus. 20 del. 21 teuus. 22 coment.
23 casti. 24 souvenoit. 25 ki. 26 ensengna. 27 et. 28 que fehlt, si il. 29 le. v. 4389 :
Ton le tenist k vilounie. 30 et felilt. pour (,-ou. 31 ue le. 22 demanda.
160
EUGEN KÖLBING
Von dem Weinen und Schreien im Pallaste beim Anblick der blutigen
Lanze findet sich weder bei Chrestiens eine Spur, wie schon Rochat
bemerkt, noch in der Saga. Es folgen nun die Jünglinge mit den Kerzen,
deren Stelle bei Wolfi'am juncfrouicen dar vertreten, v. 4391 AI :
E lors ' dui autre vaslet viudrent
qiii chandeliers" an"* lor mains tindrent ^,
de fin or, ovrez ^ a neel ''.
li vaslet "" estoient moult bei ^
eil qui les chandeliers portoient.
an^ chascuu '" chandelier '^ ardoient
dos chandoiles ^" a tot ^^ le maiiis,
IUI graal antre '^ ses dos malus
unc damoisele '■' teuoit
et '*' avoec les vaslez *' veiioit,
quant ele fu leanz ^"^ autree '^,
a tot "" le graal qu'ele tint,
une si grauz ^* elartez '" au^^ vint,
qu'ausi perdoient les chandoiles
lor clarte come ""* les estoiles
qant"^ li solauz "^ lieve et"' la lime.
Ich übergehe nun die nächste Stelle und vergleiche nur noch eine Stelle,
die auch Rochat aufführt:
\)\i naäst komu in Jiveir sveinir ungir ok
fridir ok bei'u i höndum kertistikur af
brendu gulli ok II kerti a livarri med
skinandilogu semmest gatu daudligaugu
sett. J)vi nsest gekk in ein fögi' mair ok
bar i höndum ser Jjvi likast sem textus
vseri ; en peir i völsku mali Icalla graall,
en ver megum kalla ganganda greida. Af
Jivi skein sva mikit Ijos at ]iegar hvarf
birti allra ]ieirra loga er i varu höllinni
sem stiorna birti fyrir solar liosi.
V. 3233 (4421):
et li vaslez les vit passer
et n'osa mie demander
del graal, cui l'an an "^ servoit,
que il toz jorz el euer avoit
la parole au prodome "^ sage,
se eriem "*" que il n'i ait domage
qae j'ai oi sovant retraire
que ausi se puet an trop taire
con
Sem Percival sa jietta, dirfdist hann eigi
at spyrja J)vi at hann hraedist, at honom
myndi menn afstanda. en sva sem madr
ma Vera ofmalugr ser til meina, sva ma
hann ok vera ofjiöguU ser til skada, pvi
at hvartveggja ma mein giora ofmaslgi
ok of])ögli. En hversu sem honom kunni
falla ])a spyrdi hann einskis J^ess er
hann sa.
■*" trop parier a la foiee.
Es folgt Parzivals Entfernung von der Gralsburg, die in den Haupt-
sachen ebenfalls in beiden Versionen stimmt. Von der Unterhaltung mit
dem unsichtbaren Knappen, der nach Wolframs Darstellung die Brücke
aufgezogen hat, weiß weder Chrestiens noch die Saga etwas, während
im übrigen Chrestiens bedeutend ausführlicher ist als die Saga.
1 atant. v. 4391 : Atant dui vaslet k hü vinreut. 2 candelers. 3 en. 4 tmrent.
5 ou-sTet. 6 chisiel. 7 varlet. 8 biel. v. 4395: Qui les candelers aportoient. 9 en.
10 cascun. 11 candeller. 12 candoiles. 13 tout. 14 entre. 15 damoisiele. 16 qui.
17 varl6s. 18 laiens. 19 entree. 20 atout. 21 grans. 22 clartes. 23 i. v. 4405: Que
si pierdirent les candoiles. 24 com fönt. 25 quant 26 ^olaus. 27 ou. 28 qui on an.
V. 4424: Que tous jors en sen euer avoit. 29 preudome, 30 si crient. 31 damage.
V. 4427 f.: Püur ^ou qu'il a oi retaire, C'ausi bien se puet on trop taire. 32 com.
DIE NORDISCHE PARZIVALSAGA UND IHRE QUELLE. 16 1
Die mm nächste Scene ist die Begegnung Parzivals imcl der bei
A^^()lfram Sigime genannten Jungfrau, die bei Chrestiens nur laie inicele,
beim Autor der Saga mmr heißt.
V. 3362 (4600):
ensiii ^ vers " la foret"^ s'aquiauf* Hami reict nii brott af stadmim ok ut i
si entre en un sentier .... (?) skoginn: Jaa sa hann mamia farveg nyli-
ou il ot une estroite voie gan ok |jar reift hann eptir etc.
de cbevaus que ale estoient ^'.
V. 3370 (4608).
tant que il vit** par aventm-e jsa sa hann mey eina undir eiuni eik.
une pueelle ' sos ** une chaisne"; Hon aepti ok kserdi sik sarliga
et '" crie et plove *^ et si ^'^ blasme ^^
come chaitive ^^ dolereuse '■' . .
V. 3393 (4631):
eusin'*' son doel de ce menoit ok hafdi i factmi ser sinn bonda daudan.
dun ' ' Chevalier qu'ele tenoit
qui avoit tranchiee '^ la teste '^.
Man vergleiche übrigens mit der Stelle der Saga, die dem französischen
Text von v. 3370 an fast wörtlich entspricht, die entsprechenden, aber
ziemlich abweichenden Verse Wolframs, 249, 11 ff.
do erhörte der degen elleiis rieh
einer frouwen stimme jtemerlich.
ez was dennoch von touvve naz.
vor im üf einer linden saz
ein magt, der fuogte ir triwe not.
ein gebalsemt ritter tot
lent ir zwischenn armen.
Was im Folgenden Rochat über Chrestiens Darstellung im Verhältniss
zu Wolfram sagt, gilt nicht weniger von unserer Saga und kann daher
hier wiederholt werden. „Pai'zival erzcählt seine Reise und wie er im
Schlosse übernachtete. Chrestiens lässt aber keineswegs die Gralsburg
unsichtbar sein, auch ist in seiner Erzählung keine Rede von Montsal-
vaige, Titurel und Frinuitel ; überhaupt ist bei ihm das Ganze etwas
kürzer gefasst." Interessant ist es, folgende hierher gehörige vStelle, für
die sich eine entsprechende bei Wolfram nicht findet, mit der corre-
spondiereuden in der Saga zu vergleichen. Es handelt sich darum, daß
Parzival hier seineu Namen bekommt; die pucele fragt:
1 Et il. 2 viers. .S foriest. 4 s'akient, v. 4G01 f.: Si entre en I sentier et trneve
Qu'il i ot ime trace nuev6. 5 que fait i avoient. 6 voit. 7 puciele 8 sous. 9 kaisue.
10 qui. 11 pleure. 12 se. 13 deraisne. 14 caitive. 15 dolerouse. 16 issi. v. 4631
Issi Celle son duel menoit. 17 dou. 18 trencie. 19 tieste.
GERMA.NIA. Neue Reihe II. (XlV.)Jabrg. H
162
EUGEN KÖLBING
Eda hvat heitir Jju vin? En hinu er
eigi vissi nafn sitt, nema hann gat til
))at , jetta ek , sagrti hann, at ck heiti
Paricuvaleis. En eigi vissi bann hvart
hann sagdi satt eihi eigi. Ok j:»egar sem
lUEeriu skildi nafn hans, })a stod hon upp
i moti honom ok maelti sva sem reid :
Vin, kvad hon, ftu hefir nu skipt nafni
y)inu illu; er ])er nu farit, jju veilli Per-
cival, er |iu spurdir eigi um spiotit etc.
V. 3512 (4748):
conmant ^ aves vos non" amisV
Darauf heißt es:
et eil qui "* son non " ne savoit
devine et dit"* que il avoit
Perchevaus "' li Gualois** :i non ',
ue ne set s'il dit * voir, o '** non ;
mais il dist voir, et si uo "* sot.
V. 4754 (nach M):
Et quant hi damoisiile Tot,
Si s'est encontre lui drecie
Et a dist come courecie:
Tes uoms t'est cangies, biaus amis,
Coment Perccvaus li kaitis ;
Ha, Piercheval, biaus amis dous,
Com ies ore maleurous,
Quant tu tout ^'ou n'as demande.
Bei Wolfram erinnern uns folgende Zeilen an diese Stelle : 251 , 28 f.
hl der stimme erkante si den man. Do sprach si: du bist Parziväl. Also
ganz abweichend; Avährend das Französische und Nordische wenigstens
einigermaßen zusammenstimmen.
V. 3594 (4830):
Mais ou * * fn cele espee prise
qui vos ^" pant ^'^ au senestre flanc,
qui onques d'home ^^ ne traist sanc,
onques ue fu a besoin traite?
ie sai bien ou ele fu faite
et si sai bien qui '^ la ^® forja . .
In dem Aveiteren Gespräch über das Schwert weichen die französische
und die nordische Quelle etwas von einander ab, theils in den Namen,
theils im Gang des Gespräches. — In Chrestiens Texte sowohl als in
der Saga erfährt Parziväl hier von seiner Verwandten den Tod seiner
Mutter, während Wolfram dies erst bei Parzivals Aufenthalt bei Tre-
vrezent erwähnt.
Wir kommen nun zu der Begegnung Parzivals mid der Jeschute,
wie Wolfi-am sie nennt, Avährend Chrestiens sie ?« damoiselle, die Saga
sie nur ma'v nennt:
V. 3631 (4865):
eil tote sa sante s'en va, Nu ferr Percival eptir j)eirri miklu götu
toz Ies esclos, que il trova miök akafliga allt til jiess er hann sa einii
En hvadan var |3at sverd tekit er Jju ert
vinstiu niegiu gyrdr med, er aldri var i
]>urftum reynt. Haf eigi traust a })essu
sverdi ok veit hvadan jiat kom ok ek
kann jjann er smidadi.
1 coment. 2 noni. 3 ki. 4 dist. 5 Percevaus. (3 Galois. 7 nom. 8 dist. 9 u.
10 nel. 11 ü. 12 vous. 13 pent. 14 d'ome, v. 4833: N'onques ä besoing ue
fu traite? 15 ki. 16 le. v. 4865 f.: Et eil tout I sentier s'en va Tout I esclos, tant
qu'il trova.
DIE NORDISCHE PARZIVALSAGA UND IHRE QUELLE.
163
uu palefroi et maigie ' et las riddarahest miök magran ok sva vesalan
qui devant lui aloit lo '" pas. sem uvin hefdi um hann velt.
do "* palefroi estoit avis,
tant estoit inaigres et chaitis ^,
quil ** fust en males mains chaus '.
Es folgt nuu im Französischen eine ausführliche Schilderung dieses er-
bärmlichen Pferdes , die in der , wie schon oben bemerkt , langen
Schilderungen abholden Saga fehlt. Nach der Schilderung der Frau,
che auf dem Pferde sitzt, kommt der Punkt in Betracht, daß Parzival
sie bei Chresticns und in der Saga im Gegensatz zu Wolfram nicht
erkennt, denn er sagt:
V. 4961 (nach M):
Por Dien, bele amie, por coi?
Ciertes, je ne pens ne ne croi
Que jou onques mais vos veisce
Ne riens nule vos maffesisce.
V. 3747 (4981):
ha sire, fait ele'^, merci*,
taisiez ^^ vos '^ en, fuiez de ci ^",
si mi *"* laissiez ^* en pais ^^ ester.
Darauf erscheint hinn dramblafi
]»u hin fritta masr, eigi minnii- mik at ek
hafi fyrr sett })ik ok |)er eigi vitandi ne
viljandi mein giort.
Hai , herra , sagfti hon , miskuuna f)U
))er ok fly undan at eigi fair J)U van-
draedi af mer.
rifldari (Orguilleux bei Chrestiens,
Orilus bei Wolfi'am genannt), der, erzürnt, einen fremden Ritter bei
seiner nnnastn zu finden , Parzival zuerst zwar Rechenschaft davon gibt,
warum er die Frau so hart behandle, als dieser sich aber als der au jener
Verkennung Schuldige zu erkennen gibt, ihn zum Zweikampf heraus-
fordert*) ; besiegt versöhnt er sieh mit seiner Gattin. Man vergleiche noch :
V. 3781 (5019):
oen en bois ales estoie,
et ceste damoisele avoie
laissiee *•* en un paveillon ^' etc.
v. 3873 (5315):
si dist: ,, Chevaliers, jjar ma foi,
ie *^ n'aurai ia merci de toi
iusque tu l'aies de t'amie;
que lo ^^ mal n'avoit ele mie
deservi, ce pues tu iurer "^.
que tu li as fait andurer "^
Ek var farinn a veiäar i sumar ok let ek
jiessa mey eptir i landtialdi etc.
Riddai-i , kvact hann, )iat veit tru min
at einga miskunn skal ek giora ])er nema
jiu miskunnir unnustu jiinni, pvi at aldri
Jiionadi hon til ]:)viliks ei'fidis sem nu he-
fir hon af ))vi hlotit.
1 magre. 21e ?> del. 4 magres, 5 caities, 6 qu"il. Tkeus. 8fait-elle. 9 merchi. 10 tai-
sies. 11 vous. 12 etfuies deci. 13 me, 14 laissies. 15 empes, v. 5019: Voirs ertk'ales elbois
estoie. IGlaissie, 17 en un mien pavellon. 18 jou. 19 qu'ele. 20 ce te puis jurer. 21endurer.
*) Davon, daß das Schwert Parzivals bei dem Kampfe zerbriclit und der Fisclier-
könlg einen Boten ausschickt, um die Stücke ilun zurückzubringen, weili weder die Saga
noch Wolfram etwas. Diese Episode findet sich ausführlich nur in M, v. 5101 — 5305, kurz
angedeutet in der Handschrift, diePotvin mit 12576 bezeichnet. (Vgl.Ausg. I p. 171.)
11*
164 EUGEN KÖLBING
Zu bemerken ist, daß bei Wolfram, wie Roehat schon andeutet^ die
Reihenfolge der Ereignisse die umgekehrte ist, indem gleich nach dem
Zusammentreffen Parzivals mit Orilus der Zweikampf beginnt , ohne
daß dieser jenem vorher Nachricht von der Untreue der Frau gegeben
hat. — Gemeinsam haben alle drei Darstellungen den Umstand, daß
Parzival dem besiegten Ritter dieselbe Botschaft mitgibt an ])a mey,
er Kcei laust, als den . früheren. Von Tervrezent sagt an dieser Stelle
weder Chrestiens noch die Saga ein Wort.
Hinn dramhlati riddari begibt sich nun an Artus Hof. Chrestiens
erzählt das Ganze etwas kürzer als Wolfram; daß Orilus der Bruder
Cunnewarens ist, erwähnt er nicht. Die Namen Plimizoel, Jofreit fiz
Idoel, Karnant, Kanedic etc. finden sich im französischen Text ebenso
wenig , als Clamide und Kingrun , deren Wolfram gedenkt , und
eben so steht es in der nordischen Bearbeitung der Sage. Es ist
nur hinzuzufügen, daß die einzelnen Partieen der Handlung ebenfalls
ganz übereinstimmend sind, nur daß die Saga sich kürzer fasst, z. B.
auf die Frage Valvers, w^er der tapfere Ritter sei, heißt es im Nordi-
schen nur: Ok sag(fi pa konungr herra Valver, hversu kann kom tilhans
ok hversu Kcei hafdi gahhat kann. En kann heßr mer jafnan siäan fagr-
liga pionat etc., wo Chrestiens eine lange Rede des Königs w^örtlich
anführt. Artus verlässt nun den Ort, wo er sich mit seinem Gefolge
aufgehalten hat, um Parzival aufzusuchen. Er schlägt sein Zelt auf
einem offenen Felde auf, wohin Parzival dann zufällig auch geräth.
Man vergleiche die folgende Stelle in beiden Bearbeitungen:
V. 4098 (5540):
au matin ot ^ mult bien negie, I daginn feil mikill sulor ok gionti kalt ;
que froid " estoit la matinee*; ])ann dag hafcti Percival arla upp verit
et Perchevaus par la mornee'* ok reift hann ut at leita atburda i her-
fu leves, si con ^ il soloit, klsertura sinum ok ]3eirra riddara er nök-
que querre et encontrer voloit kut vildu vi<t hann eiga. ]ia reicl hann
avanture ^ et chevalerie; at Jieim snoinura (?) vöUum er her ko-
et vint droit vers ' la praerie nungsins var a. En j^eir varu allir ])aktir
qui fu gelee et andgi^e ^. matt snio. Ok er hann kom fram a völ-
o* los ^" lo " roi estoit logiee '", lunum ])a sa hann hvar flaug mikill fjöldi
mais ains que il venist as gentes '^, anda ok eptir einn val ok hafdi lostit
voloit une rote '"^ de gentes '•'', eina önd sva at hon feil a jörd. Percival
que la nois les a esboics "*; reift jiangat er hon niftr feil ok vildi taka
veues les a et oies hana. Valrinn hrsedist hann ok flaug
1 fu 2 froide. 3 moult la contree. 4 la matinee. 5 com. 6 aventure. 7 en.
8 ennegie. 9 ü. 10 l'os. 11 le. 12 logie. 13 tantes. 14 route. 15 gantes.
16 avoit esbleuies.
DIE NORDISCHE PARZIVALSAGA UND IHRE QUELLE.
165
queles ^ s'en aloient bruiant
por ^ un fau§on qui "* va ^ volant
apres ^ eles de grant randon,
i ^ vint ataignant abandon '
une fors des autres sevi-ee
si la * ferue et matee ^
que contre terre *" l'abati.
mais trop par fix nois, si perdi,
que *^ ne si vost '" Her ^"^ ne ioindre.
et Percevaus conmence a poiudre ^^
la u il ot veu lo ' ^ vol :
la gente '** fii navree el col,
si saigna ^ ' trois goiites de sanc
qui espandirent sor lo blaue,
si sanbla *** naturel color
quant Percevaus vit defolee ^^
la noif sor coi la geute ^^ iut'**,
et lo '^ sanc qui " entor parut,
si sapoia "^ desus ^^ sa lance
por esgarder cele sanblance ^^ :
et li Sans et la nois ensanble
la fresce color li resanble "*'
qui est " ' eu la face sa mie ;
et "^ panse"^ tant que tos"*" s'oblie.
V. 4207 (5652):
et Kex qui onques ne se pot
tenir de vilenie^* dire,
s'en guabe "*" et dif'"* au roi; biax"*"*
sire,
veez**^ con Sagremors '*'' revient:
lo "*" Chevalier par lo"*' frein "^^ tient,
si Ten amoine "*^ mal gre ^" suen.
skiott ok sva öndin ])vi at hon var litt sar.
En )3o hafdi henni bloedt i snioinn. Ok
sem hann sa J^essa hluti, nyfallinn snio
ok bitt raudasta blöd, ]ia kom honom i
hug at slikr litr var i andliti Blankiflur
unnustu hans ok var ]ia nu sva miök hug-
saudi at hann var öUu ödru gleymandi.
Hann gadi eiuskis annars en sia her a.
Sva var hann petta miök ihugandi ok
sva tok hann J)a miök at unna at ekki
matti hann Joa annat kunna.
En Kfei rsedismadr er aldri gat haldit
ser fvrir heimsku ok hegoma ok ma?lti :
llerra, sagdi hann, nu rnegi J^er sia til
Sigamors hversu hann gengr a fceti ok
leidir hestinn; en annai-i leidir hann rid-
darann nauctgan ok jfirkomnan ok helir
unnit fagran sigr.
Verg'leiclien wir beispielsweise hiermit wieder einmal den entsprechen-
den deutsehen Text , dem dieser Zug der Ironie hier ganz abgeht :
290, 2 : Keys der knene man hrahtz mrere für den kilnec sCin, Sagremors
vxere gestochen ahe, nnt dort nze hielt ein strenger knahe, der gerte tjoste
reht als e.
1 qu'eles. 2 ponr. 3 ki. 4 vhit. 5 devant. 6 s'en. 7 a bandon. v. 5557 : Une,
fors de rovite asevree. 8 si l'a si. 9 tapee. 10 tiere. v. 5560: mais troj) tu mas, si
s'enpai-ti. 11 qu'il. 12 vot. 13 loier. 14 goindre. 15 le. 16 gante. 17 sanna.
18 Sambia. 19 defoulee. 20 giut. 21 le. 22 ki. 23 s"apoia. 24 desor. 25 sem-
blance. v. 5577 : Du saue et de la noif ensamble. 26 resamble. 27 ert. 28 si.
29 pensa. 30 il. 31 felonnie. 32 se gäbe. 33 dist. 34 biaus. 35 vees. 36 Saigre-
mors. 37 le. 38 frain. 39 amaine. 40 maugre.
166
EUGEN KOLBING
V. 4227 (5672):
et eil li cria ^ moult de loing:
vasaus ", vasaus ^, venes au roi,
, 3 : „ „ 4
Sem Kaei kom fram ridaiidi at Percival,
mselti hann : Knapi , sagtti hann , far
til konungs ok ))at veit tru min, J^u skalt
fara hvart er J>u vilt eda eigi.
En Percival festi spiotit sva at Ksei kom
ni(tr fia>rri hestinum ok vifl ))at brast i
sundr armlegr hans jivi at hanu |)ar kom
iiidr sem berg var undii-.
vos " i venrez ia, par ma foi,
ou ^ vos '' lo comparrez ' moult fort.
V. 4240 (5685):
et Percevaus pas ne se faint,
desus* la face l'a ataint,
si l'abati '** sor une roiche ^"
que la chanole*' li estoiche ^"
et qu'antre lo code et l'aissele
ensin ^^ con *■* une seiche '^ estele ^^
l'os do ^' bras *^ destre li brisa.
Wir sehen aus dieser Stelle, daß der Verfasser der Saga sich, wenn
auch oft, doch nicht immer, ängstlich an seine Vorlage gehalten hat.
Denn hier stimmt einmal Wolfram genauer mit Chrestiens als die Saga.
Die nächste Stelle lehrt uns dasselbe:
V. 4365 (5810):
et mes sire ^^ Gawains "" setait'',
vers ' " lui tot soavet '^'^ enblant "^
sans faire nul felon sanblant "^.
V. 4417 (5862):
sire sachiez ^^ veraiement '^^
Ok )ivi nsest herkla?ddist herra Valver
ok reid joangat sem riddarinn var ok
mselti etc.
Ek er kalladr Valver.
que ie ai "^ non '^^ en baptestire ^*^
Gawains '".
Im Folgenden wird nun Parzival von Valver dem König Artus vor-
gestellt, der ihn beschwört, nicht Avieder von ihm wegzuziehen.
Cimdrie la soixiere erscheint an Artus Hofe ; doch ist gleich zu
bemerken, daß weder Chrestiens noch die Saga diesen Namen kennen.
Sie wird nur bezeichnet als ein mcer Hot ok leiäinlig sva at aldri foed-
dist ßandligra hvikendi , während bei Chrestiens zu der Schilderung
ihrer Hässlichkeit 17 Verse (4553 — 70) verwendet werden.
V. 4626 (6074):
por ce^* vos en di la novele^"
que la ne faut nus qui '''^ i aille "'^
qu'il ''^ ne truissf '"* ioste ou'^' bataille"*^ :
qui viaut"'^ faire chevalerie
se Ik la'*" quiert, n'i faura mie.
Nu seg ek ydr pessi tidindi at Lver sa
er j^ar vil reyna riddaraskap sinn, raa
])ar finna röskva folaga ok giarna vilja
])eir reyna utan if.
1 crie. 2 vassal. 3 vous. 4 venres. .5 ü. 6 vous. 7 comperrez. 8 dessous
V. 5686: Desous la bocle en haut Tataint. 9 si l'abat si. 10 roce. 11 canole. 12 des-
roce. V. 5689: Que, entre le keuste et l'esiele. 13 ausi. 14 com. 15 sece. 16 astiele.
17 del. 18 brac. 19 mesire. 20 Gauwains. 21 trait. 22 viers. 23 suef vait. 24 amblant.
25 samblant. 26 sacies. 27 certainement. 28 j'ai. 29 i nom. 30 batestire. 31 por qou.
32 les noveles. 33 ki. 34 alle. 35 qui lä. 36 truist. 37 u. 38 batalle. 39 viout. 40 le.
DIE NORDISCHE PARZR^ALSAGA UND IHRE QUELLE. 167
Die Dame meldet noch dazu, daß wer den höchsten Preis der Ritter-
schaft erkämpfen wolle, auf einen Berg sich begeben müsse, au pui ki
est sor Montesclaire A tine damoisiele assise; Moult grant Jionor aroit con-
qidse, Qid le siege en povoit osfer Et la fticiele delivrer. Man halte dazu
die entsprechende Stelle der Saga: „En sa er eignast vill höfudfrcegä. i öl-
lum heiminum, Jja kann ek segja honom hvert kann moeiti soekja hina friäustu
allra meyharna, i veröldu^ ef nökkurr pyrdi tu at rida hrott at Jivinda peirri
mikiUi nmsat er 2im hana sitr i einu miklufiaUi. Nachdem das hässliche
Frauenzimmer sich entfernt hat, melden sich einzelne Ritter zu den von
ihr vorgeschlagenen Thaten. Das Stück lautet in beiden Bearbeitungen so :
V. 6093 (nach M) :
La damoisele ataiit s'en part Nu sem moerin hafdi lokit rooctu sinni,
De ce que vot ot dit grant part, )ia rei(t hon i brott, en herra Valver
Si s'en parti sans dire plus. sagcti at bann skyldi jiangat fara. En
Et mesire Gawains saut sus Garflet sor at bann skyldi fara til pruda
Et dist que son pooir fera kastalans. EnKindrinkveztpangatskyldu
De li secorre, et si ira; fara sem moerin sat i fiallinu.
Et Gifles, li fius Do, redist
Qu'il ira, se Dex li ait,
Devant le Castel Orguelous.
Et je sor le mont dolerous,
Fait Cabadins, ne finerai
Jusques lä tan tost monterai.
Bleiben wir hier einen Augenblick stehen. Das pangat, Zeile 3, geht
offenbar auf den Berg, wo die Jungfrau zu befreien ist. Eben dahin
will Kindrin ziehen, der dem Cahadins des Chrestiens entspricht. Ebenso
entsprechen sich augenscheinlich Garflet und Gifles , um so mehr als
in dem Prosaroman , der eben eine andere Handschrift des Conte del
Graal zur Vorlage gehabt hat, derselbe Name Girflot heißt. Wer ist
Dun dieser Gifles oder Girflot? Rochat, der diesen Namen in seinem
ersten Aufsatz (Germ. III p. 101) bespricht, weiß gar nichts mit ihm
anzufangen. Aber es ist doch bemerkenswerth , was Rochat hier
gar nicht erwähnt , daß es schon ein Gjfles ist , der zusammen mit
Yvains den an Artus Hof gekommenen Clamadis der Königin und der
pucele vorstellt (vgl. Conte de Graal ed. Potvin, v. 4060 ss.). Kommt
nun dazu , daß in unserer Saga kurz vorher , ehe einem Garflet der
erwähnte Auftrag wird, ein Garflet, konungs fol angeführt wird, so ist
es doch filrs Erste kaum zweifelhaft, daß diese beiden identisch sind.
War nun ein fol, so darf man weiter folgern , nach damaligen Be-
griffen nicht zu niedrig gestellt , daß ihm die hohe Mission zu Theil
werden konnte, einen Ritter zu hochgestellten Damen zu geleiten, was
in diesen Zeiten der vollendeten Hofetiquette schon viel sagen wollte.
168 EUGEN KÖLBING
SO sieht man nicht ein, warum derselbe nicht auch einmal wie die andern
Artusritter auf Abenteuer ausziehen konnte. Ist dies aber möglich, so
sind doch Avohl der hier und früher erwähnte Gifles, in der Saga Garflet,
nicht nur unter einander identisch , sondern auch dieselbe Person mit
dem sof, dem fol konungs. Aus dem lißus Do weiß ich allerdings auch
nichts zu machen, denn an eine Textverderbniss ist bei der Überein-
stimmung der Handschriften schwerlich zu denken. — Kindrin (Caha-
dinsj wird außer an dieser Stelle nirgends erwähnt.
Von Parzival ist dann in beiden Bearbeitungen erzählt , daß er
sich verpflichtet, nicht zu ruhen, bis er weiß, was der Graal ist: En
Percival sor cd hann skyldi eigi fyrir aptr koma en kann vissi, hvat gan-
gandi greidi var. Endlich :
V. 6119 (nach M) :
Et bieii ensi jusqu'k -L- Ok fia hlupu upp L riddara ok sam-
S'en sont leve; cascuns creantc bundust at jieh- skyldu \)'d.i vita hvar sa
Li uns k. l'autre et dist et jure kastali vseri.
Que iioviele ne aventure
Ne sauront qu'il ne l'allent querre
Tant soit en felenesce terre.
Es ist dies offenbar dasselbe pruäi kastali, zu dem auch Garflet ziehen
will. — So bekommen wir zwei Gruppen , deren jede ihr besonderes
Abenteuer aufsucht: Valver und Kindrin wollen das gefangene Fräulein
auf dem Berge befreien, Garflet und eine Anzahl der übrigen Ritter
dem prndi kastali einen Besuch abstatten.
An Artus Hofe erscheint nun ein Ritter, bei Chrestiens Guingue-
bresil ^, in unserer Saga Gandilbrasit, bei Wolfram Kingriraursel genannt,
der Valver zum Kampf auffordert, weil er seinen Herrn getödtet habe.
Man vergleiche:
V. 4685 (6133):
Guiuguebresils ' lo " roi conut, .... ok heilsadi konungi ok mselti til
lo"* salua, si com il dut, herra Valver: Einga kvedju ber ek ]»er,
iiiais Gawain ^ ne salue "' mie, l)vi at |')U drapt minu herra med sva mi-
ains Tapele** de felenie ', klum nidingskap at f)u bauzt honom eigi
et dit*^: Gawains"*, tu oceis^ til einvigis.
mon seignor ^**, et si lo feis * *
eusin ^^ conques '"^ nol' *** deffias;
honte et reproche '^ et blame '^ i as,
si t'en apcl '' de traisou.
1 Guigambresil. 2 le. 3 sei. 4 Gaiiwain. 5 salua. ß l'aparla. 7 felonie.
8 dist. 9 ocesis. 10 signor. 11 le feris. 12 ensi. 13 c'onques. 14 nel 15 reproce.
16 blasme. 17 apiel.
DIE NORDISCHE PARZIVALSAGA UND IHRE QUELLE. 169
V. 4718 (6166):
et eil dit ^, que lo " provera '^ pa svaracti Valver: Jia er )ou vilt, skal
de traisson"* laide et vilaine ek Joessi svikrjecti synja er )iu kennirmer.
iusqu'au cbief de la quarantaine Jia svaracti honom at hann skyldi svik a
devaut le roi de Assalon ^ hann sanna ok skal jaessi bardagi vera
fyrir konunginum i Kapalon.
Von einem Agrewains , wie bei Chrestiens ^ oder Beaeurs , wie bei
Wolfram, der für Valver (Gawains), als Verwandter desselben, Bürg-
schaft geleistet habe, ist in unserer Saga nicht die Rede. Cap. 325 — 35
in Wolframs Werk, die bei Chrestiens fehlen, finden sich natürlich auch
in der Saga nicht. Valvers Abschied von Artus Hofe ist weit kürzer
geschildert als im Französischen; es heißt nur: En Valver Most pegar
ok hafdi pa VII skialdsveinna med ser ok hcutu allir hamifara i guds fridi.
Übrigens ist Rochats Bemerkung (a. a. O.), daß im französischen Text
Gawains sich mit einem Begleiter begnüge , falsch. Dem Nordischen
ganz entsprechend heißt es v. 6182: VlI escuiers maine avoec lui. Hat
der Verfertiger von Rochats Abschrift etwa VlI für Vn gelesen? Cap.
336 — 337, 30 gehören wieder Wolfram allein an.
Hier beginnen Valvers Abenteuer, die aber im Nordischen nicht,
wie in den beiden anderen Bearbeitvmgen , durch eine besondere Be-
merkung eingeleitet werden. Besonders ausführlich in unserer vSaga be-
handelt findet sich Valvers erstes Abenteuer, ein Tm-nier vor dem Schlosse
eines Königs, den Chrestiens Thibaut de Tintagueil, der Sagaschreiber
Saibas, Wolfram Lyppaut nennt. Die beiden Töchter desselben sind
weder bei Chrestiens noch in der Saga mit Namen genannt , wie bei
Wolfram, (Jbilot heißt bei Chrestiens la petite, in der Saga hin yngri
dottir Saibas, Obie bei Chrestiens la grande, in der Saga dottir Saibas
hin ellri. Melianz de Lis heißt in der Saga MeUander. Die Stelle des
burcgräven von der stat, der bei Wolfram Scherules heißt, bei Chrestiens
Gavain lißls Bertain genannt wird, vertritt in der Saga radgiafi Saibas.
Von dem Namen von Gawans Pferd, Gringuliet, findet sich in der Saga
so wenig eine Spur, als bei Chrestiens. — Ich hebe nun einzelne Stellen der
Erzählung zur Vergleichung heraus und zwar die französischen aus M:
V. 6201:
Escuier, di-moi qui eist sont Hverir eru jiessir riddarar er her rida?
Qui ci trespassent. Cil respont: Hann svarar: jsessi er Meliander, einn
Sire, c'est Melians de Lis, rikr riddari. Ertu med honom? sagdi
Uns Chevaliers preus et hardis. Valver. Nei, herra, Grediens heitir minn
Es-tu k lui? Sire, je non. herra. Hann kann ek gerla, sagdi Val-
Teudaves mes sires a uom, ver, seg mer, hvar hann er. Hann for
1 dist. 2 qu'il le. 3 proiivera. 4 traison v. 6168: Ains le cief d'uue quaren-
taine. 5 Cavalon (man vgl. Kapalon im Nord.).
170
EUGEN KÖLBING
Hversu mä J^at vera , sagdi Valver,
p\i at Meliander var i garcti Saibas
ok er hann fostrson bans. Herra , kvart
houoin , sva er at sönnu , ])\i at factir
hans var mikill vin Saibas , ok hann
var med bonom par til er bann var va-
xinn, en J)a beiddist bann astar dottur
bans, er bann unni med allri ast. En
bon sagdi at bann skyldi fyrr riddari
vera.
Qui ne vaut mie mains de Uli. til riddara atreidar, er Jieir bafa.maelt
Gauwains li respont sans anui : sin i milli Meliander ok Saibas.
Teudaves ja connois-je bien.
Ü va-il? ne me cele rien.
Sire, ä I tornoiemcnt va,
Que Melians de Lis pris a
Contre Tiebaut de Tingaguel,
Et vous meismes, ja mon voel,
El castiel contre ceus de fors.
V. 6216:
Dex, fait mesire Gauwains lors,
Dont ne fu Melians de Lis
En la maison Tiebaut noris?
Oil, sire, se Dex me saut.
Ses peres ama moult Tiebaut
Come son bome et moult le crut,
Qu' el lit mortel lä ü il jut
Son petit fil li comanda,
Et eil le nourri et garda
Au plus cieremeut que il pot,
Tant c'une siue fille sot
Proier et requerre d'amor,
Et Celle dist que ä nul jor
S'amor ne li otrieroit
Tant que il cbevaliers seroit.
In der folgenden Scene ist zu bemerken , daB in der Saga und bei
Chrestiens nicht, wie bei Wolfram 352, 7 diu icirtin seihe komen icas
mit ir schoenen tohfern ztoein, sondern die letzteren mit ihren Frauen
allein bis zur höchsten Schießscharte hinaufgestiegen sind, wo dann
das Gespräch über Valver folgt.
V. 6334:
Et les dames et les puceles
Vont par les plus baus lius seoir
Por le tornoiement veoir
Das Nächste ist in der Saga viel kürzer gefasst
v. 6387:
Et sa suer ki les li seoit
Tji dist que plus bei i avoit;
Et cele en fu moult corecie,
Si s'est por li ferir drdcie;
Mais les dames arrier le traient etc.
V. 6395:
Et li tornoiemens comence,
U ot brisie mainte lance
Et maint cop d'espee feru.
Et maint cbev;dicr abatu;
En doetr Saibas gengu upp i hitt baesta
vigskard ok med jieim allr berrinn, at
sia samkomu riddaranna.
})a msclti bin yngri : „Ek se aunan rid-
dara fridara ok mä vera at bann se
braustari. Hin reidist miök ok vildi liosta
bana. En mejjar er vid v;iru baunudu
benni jiat. En med riddaranum vard
bin mesta atreid ok binn bardasti bar-
dagi ok steyptist f)ar margr til jardar;
en af öllum ]ieim er J)ar varu stozt eingi
Melinndri, ])vi at bann steypti bverjum
er bann uicftti ok sem spiot hans brast,
DIE NORDISCHE PAKZIVALSAGA UND IHRE QUELLE.
171
Gu5 veit , kvad hin yngri systir hen-
nar, her er fridari riddari en hann er.
Mais sacies qua inoult cier li coste, bra hann sverdi sinu ok hio a badar
Qui a Melian de Lis joste, . hendr sva at eingi Jjordi at bida hans.
Que devant sa lanee ne dure Ok unnasta hans vard fegin ok gat eigi
Nus qu'il ne porte ä tiere dure, Jiagat. Siaid nu, sagdi hon, eingi stendr
Et, se sa lanee li pechoie, honom af öllum riddarum ok eingi mun
Grand cop de s'espee i emploie. i heiminiun.
Sei fait mius que tuit eil ne fönt,
Qui d'une part et d'autre sont.
Sen a si grant joie s'amie,
Qu'ele ne s'en puet tenir mie
Et dist: Dames, vees mervelles,
Ains ne v^istes ses parelles etc.
V. 6416:
Et la puciele dist: Jou voi
Plus bei et mellor, se devint.
Hierauf sclilägt dann die Altere ihre Schwester im Zorn. Dieser Um-
stand fehlt bei Wolfram und um dieser Seene auszuweichen , hat er
vielleicht den jugendlichen Töchtern die Frau Mutter zur Aufsicht mit-
gegeben, deren Gegenwart eine solche Auslassung verhindern musste,
wie denn überhaupt Wolfram die Obie so viel als möglich zu entschul-
digen sucht, vielleicht um nicht wieder bei den Frauen anzustoßen;
man vgl. Cap. 365, 20 — 366, 1. — Die zwei Versuche Obiens. Valver
zu schaden, dann sein Zusammentreffen mit Garins, der ihm Herberge
anbietet, endlich mit dem König, der, statt ihn nach dem Wunsche
seiner älteren Tochter als ])iofr zu bestrafen, ihn so freundschaftlich als
möglich behandelt, alle diese Züge haben das Französische und das
Nordische mit einander gemeinsam. Nur daß auch an diesen Stellen
in der Saga die Erzählung viel knapper gefasst ist als im Französischen.
Es folgt dann die Bitte der jüngeren Tochter des Königs an herra Valver,
er möchte, um sie zu retten, am Kampfe Theil nehmen, was dieser
auch zusagt. Den scharfen Tadel, den der König bei Chrestiens
und in der Saga gegen seine ältere Tochter, ihres Benehmens gegen
die Jüngere wegen, ausspricht, finde ich bei W^olfram nicht, wohl
auch aus dem oben angeführten Grunde. Am nächsten Morgen gibt
hin yngri konunys dottur dem Valver die gnUstuka, die er ihr zu Ehren
tragen soll. Es folgt der Kampf. Man vergleiche:
V. 6874:
Apres cou ne targierent mie
Li Chevalier qu'il ne s'armascent ;
Armet, fors de la ville amascent;
Et les damoseles resont
Montees sor les niurs amont
Et les dames del castel totes
I virent assambler les rotes
)ivi njest herkteddist allt lidit ok reid
ut af borginni. En allir menn ok kouur
gengu i vigskard borgarinnar. Ok Me-
liauder reid ekki tiarri halfa milu fram
a völliun fra lidinu.
172
EUGEN KÖLBING
De Chevaliers fors et hardis;
Devant tous Melians de Lis
S'en vint as rens, tous eslaissies,
Et ot ses compagaons laissi(5s,
Bien louc II arpens et deini,
Deu Kampf selbst schildert Wolfram, seinem Geschmack entsprechend,
sehr ausfrxhrlich , viel kürzer dagegen Chrestiens und die Saga. Von
der Theilnahme des rothen Ritters (Parzival) am Kampfe weiß die Saga
nichts, so wenig wie Chrestiens. Auch der versöhnende Abschluß und
die Vermählung zwischen Melianz und Obie, wodurch diese noch einmal
in ein freundliches Licht gesetzt wird, scheint Wolframs Erfindung zu sein,
während in der Saga und bei Chrestiens kurz vor dem Schlüsse des
Auftrittes noch eine ziemlich unerquickliche Auseinandersetzung zwischen
den beiden Schwestern in Scene gesetzt wird, die fast wieder zu Thät-
lichkeiten führt:
V. 6936:
Lors li eust done I flat
L'autre, s'on li vosist sofrir ;
Mais ne li laissierent ferir
Les dames qui entor estoient.
En hon varcl miök rei3 ok vildi liosta
hana; en meyjarnar stodu fyrir, er hia
varu.
Nachdem Valver sich hier verabschiedet, folgt sein zweites Abenteuer.
Den bei Wolfram Vergulaht genannten König nennt Chrestiens iins
iovenciax, sor tos les autres U plus l}iax\ die Saga drückt sich ähnlich aus;
En sicTan ridu p veir menn ok var annar ungr ok frictr, indem sie natür-
lich unter dem letzteren den König meint. Schloß und Stadt haben
weder bei Chrestiens noch in der Saga bestimmte Namen; doch stellt
Rochat p. 103 a. a. (). ganz mit Recht die Behauptung auf, es sei die
Hauptstadt des Königs von Ascalon — hier Kapalon — gemeint, denn
der Gandilbrasit der Saga beklagt sich gegen den König in allen drei
Bearbeitungen über die üble Behandlung , die Valver — GaAvains —
(bei Rochat steht Parzival^ was natürlich nur ein Versehen ist) von
den aufgebrachten Bürgern der Stadt zu erfahren hat. Der von Rochat
im Folgenden besprochene Rath, den der vavassor, in der Saga konnngs
raägiaß, bei Wolfram Liddamus genannt, dem König in Betreff Valvers
gibt, ist, um es kurz zu sagen, in der Saga ganz der nämliche und
entbehrt ebenso sehr der näheren Begründung, im Gegensatz zu Wolframs
Darstellung. Davon, daß Ehkunat , und nicht Gawan, den Kingrisin
getödtet, sagt die Saga so wenig etwas als Chrestiens. Man vergleiche
nun folgende einzelne Stellen:
DIE NORDISCHE PARZIVALSAGA UND IHRE QUELLE.
173
V. 5643 (7095):
Et eil ceus ' mou seiguor Guwain "
Salua ^ et prist "* par lo frain ^
Etdit^: „Sire, io ^ vos retaing ^
Ales vos^ en ^^ lä dont ie vaing'^,
Si descendes ^ " en mes maisons ;
II ^^ est liuimais tans et saisons ''*
De esbergier ^ ■', s'or ^^ ne vos poise.
J'ai ^' uiie seror moult cortoise
Qui de vos ^^ grant ioie fera etc.
V. 5758 (7210):
Uns vavasors *^ endemantiers "^
Entra laians'^, qui monlt lor nut,
Qui mon seignor - Gawaiu conut.
Si les trova entrebaisant
Et grant ioie entredeinenaut ;
Et des "" que il vit tele "^ ioie
Ne pot tenir sa boche "* coie,
Ains s'eeria a grant vertu:
Farne '^, honie "^ soies tu
Et Deux*^' te destruie "'^ et confonde,
Que Tome de trestot "^ lo "^" nionde
Que tu devroies plus lia'ir
Te laisses ensin"*' conioir.
Von dem Schachspiel, mit dem die Belagerten sich dann vertheidigen,
findet sich in der Saga nichts. Die ganze Schilderung des Kampfes ist
in der Saga sehr kurz, im Gegensatz zu Chrestiens.
V. 6132 (7580):
Hann heilsadi lierra Valver ok tok i liönd
hans ok mselti til haus : Ek byd ydr
at per farid til kastala vars i vart her-
bergi pvi at nu er dagr miök lidinn ok
tinii at hvilast ok ek a |jar systur ok mun
hon ydr vel fagna.
En hon jatadi ]ivi blidliga ok kystust
pau med soetum halsföngum. jietta sa
einn heimskr ribbaldi ok kendi jiegar
Valver ok a?pti hari rcedu : Gud gefi ])er
svivirding kona er ])U elskar Jianu er
Jdu a?ttir mest at hata J)vi at hann drap
foedur )iinn.
J)a sendi hann heim skialdsveina sina
medhestum sinum nema Gvingvilloteinn.
Et a ti-estos *'" ses valles ^"^ dist,
Que en sa terra ^^ s'en alassent
Et ses" chevax ^■'' en remenassent ''*'
Trestos ^^, fors sol son ^^ guingalet ■*^.
Man muß zugestehen, daß es sowohl im französischen, wie im nordi-
schen Text zweifelhaft genug ist, ob Guingalet oder Gvingvillot der
Name eines Knappen oder der eines Pferdes ist und wir können es
daher Wolfram nicht so übel nehmen, wenn er das Letztere annimmt,
obwohl das Erstere wohl die Meinung ist. Eine Menge anderer Namen,
1 sor. 2 monseigiiem'. 3 s'en va. 4 et le prist. 5 la maiii. 6 dist. 7 je.
8 retieng. 9 vons. 10 ent. 11 vieng. 12 bien desceudres. 13 bien 14 raisons.
15 herberger. 16 s'or. 17 g'ai. 18 vous. 19 vavasours. 20 endementiers. 21 laiens.
V. 7214: Et moult tres grant joie faisant. 22 puis. 23 cele. 24 bouke. 25 ferame.
26 honnie. 27 dex. 28 destruisse. 29 trestout 30 le. 31 ensi. 32 trestout.
33 varles. 34 lor tiere. 35 cevaus. 36 remenascent, 37 trestous. 38 fors q-ae le.
39 Grinsalet.
174
KIKIEN KULBINTt
die sicli bei Wolfram finden, hat weder Chrestiens noch die Saj^a auf-
zuweisen.
Nach dieser Erzählung von Valvers Abenteuern kehren alle drei
Texte zu Parzival zurück. En nu er at segja fra Percival heißt es in
der Saga, De monsignov Gauicain se tatst Ici li contes ä esfal. Si comence de
Perceval bei Chrestiens. Das Cap. 433 — 446 bei Wolfram Erzählte, nämlich
Parzivals Zusammentreffen mit der nun als Klausnerin lebenden Sigune,
findet sich Aveder bei Chrestiens noch in der nordischen Bearbeitung;
eine Abweichung, die Rochat so gut als möglich zu erklären sucht.
Nachdem Parzival nun fünf Jalirc umhergezogen ist , ohne zu
einem Kreuz oder zu einer Kirche zu kommen und nur Auszeichnung
in ritterlichen Leistungen gesucht hat, da trifft er an einem Charfreitag
auf einen Zug von Büßenden, bei Chrestiens und in der Saga bestehend
aus drei Rittern und zehn Damen, die ihn zu eines Einsiedlers Klause
weisen. Man vergleiche:
V. 6179 (7627):
Et li uns des trois Chevaliers
L'areste ' et dit ": ,,biaux'^ sire chiers^,
Dont ne crees vos ^ Jesliu Christ *'
Qui la novele loi escrist,
Si la'^ dona *^ as chrestiens?'*
Certes, ce ^^ n'est raisons ne biens
Darmes porter, ains est grans tors ' '
Au ior que Jeshu Crist '" fu mors.
Die Auseinandersetzung der Ritter über des Tages Bedeutung ist in
der Saga nicht so ausführlich als bei Chrestiens und Wolfram. Fast
wörtliche Übereinstimmung beginnt Avieder von v. 6227 des fi'anzösischen
Textes an :
V. 6227 (7675):
Dont '■* venes vos '^ ores ensi?
Fait Perchevaus ^•'. Sire, de ci '*",
D'un bon home ' ', d'un saint ermi<e ^^,
Qui en ceste forest ^^ habite ....
V. 7681 (nach M):
Por Dieu, signor, Ik que feistes ?
Que demandastes, que quesistes?
Coi? sire, fait une des danies,
De nos pecies li demandames
f)eir sögdu: Veizt ])U eigi, at nu er sa
dagr er kristr Jjoldi dauda til lausuar
öUu mankyni. Ok er Jsat eigi riddara
sidr at rida J)a a ))eirn degi.
Hvadau komi ])er nu? sagdi hann: He-
cTan or niörkinni fra einum aga*tum guds
bionostu manni.
Hvat giordu ))er |)ar? kvad Percival.
[tat sein allir kristnir menn ern skyldir
at giora; jatning synda sinua, ok tokuni
hjalprjedi til yfirbota. Sem Percival var
1 rarrieste. 2 dist, 3 biaus. 4 ciers. 5 crees-vos. 6 Jliesncrist. 7 et le.
8 donna. 9 crestiiens. 10 il. 11 tors. 12 .Jhesucris. 13 et dont. 14 vous. 15 Per-
cevaus. 16 clii. 17 preudome. 18 liormite 19 foriest.
DIE NORDISCHE PAKZIVALÖAGA UlSD IHRE QUELLE.
175
slikt skiljundi, Jia koinst liaim vid miök
i lijarta siuu ok kom liouom i hug b\'ersu
ferliga hann hafdi lifat ok maslti hann ))a
til riddarauua: Mer likr at fara til ]:)essa
einsetumanns ef ek ma finna haun ok
peh- Jjegar visudu liouom a ))ann veg
sein j)eir foru fra hans.
Consel, et confessc eii prcisines.
La plus graut besoingue i feismes,
Que nus crestiens puisse faire,
Qui voelle a Damledieu retraire.
Cou que Percevaus oi ot
Le fist plorer, et se li plot
Que au saiut home alast parier:
La vorrai-jou, fuit il, aler;
Aler i voel, se jou savoie
Tenir le sentier et la voie.
Bei Wolfram dagegeu ratheu die Ritter selbst dem Parzival, er solle
zu dem Einsiedler gehen und sich bei ihm Kath und Vergebung seiner
Sünden holen. Vgl. Cap. 448, 21 ff.
Die letzte ausführliche Schilderung, die die Saga uns bietet, spielt
in der Klause des Einsiedlers. Die Bitte der mit den Rittern reisenden
Damen an Parzival, bei der Gesellschaft zu bleiben vmd sich zu er-
holen, scheint Wolframs Erfindung, dessen germanischem Gastfreund-
schaftsgefühl ein einfaches Atant ä Dien s entrecomandent , lliens mile
plus ne se demandent nicht genügen konnte.
W'as den Aufenthalt bei dem Klausner betrifft, so ist zuerst zu
bemerken , daß Chrestiens und die Saga seinen Namen nicht kennen,
indem der erstere ihn U preudom, die Saga ihn hinn goiti mactr nennt.
Daß er Parzivals Onkel ist, sagt er in beiden Bearbeitungen und über-
haupt ist die Darstellung übereinstimmend, wie sich gleich daran zeigt,
daß das Geständuiss, er habe innerhalb fünf Jahren weder um Kirche
noch Kreuz sich bekümmert, nicht Parzival selbst, wie bei Wolfram,
in den Mund gelegt, sondern vorausgeschickt wird.
V. 6147 (7595):
Ce sout cinq ans trestuit ^ enticr,
Ains que il entra " eu mostier,
Ne Deu"*, ne sa crois aora^.
Tot ^' ensin ** V ans demora ' ;
Force ne relaissoit il mie
A requerre clievalerie,
Que les estranges aventures,
Les felenesses et les dures
V. 7602 (nachM):
Aloit querant, et s'en trova
Taut que moult bien s'i esprova ;
V. 7610 (nach M):
Ensi les V ans csploita
Conques de Dieu ne li sovint.
En nu er at segja fra Percival, at bann
lifir sva fimm vetr at hann koua hvarki
til ki'oss ne kirkju, sva var honom mikill
hugr a at fremjast at riddaraskap ok lei-
tadi allra hiuna hörttustu riddara, ok
fann öngvan sva röskvan at hanu sigra-
dist eigi a honom ok for sva ut jiessa
fimm A'etr at honom kom aldri gud i hug.
1 trestot. 2 entrast. 3 Dieu. 4 ii'aoura 5 tout. 6 eiisi. 7 esploita. V 7599:
U pour ^;o\\ ue htissn il mie.
17G EUGEN KÖLRING
Er bekennt dann dem Einsiedler seine Sünden:
V. 7738 (nach M) :
Sire, fait-il, bien a V ans Herra, kvad Percival, nu eru lidiiir finim
Que Jon ne soi u ge me fui, vetr sictan ek ba(t gud mer miskunnar
Nc Dicu n'amai ne Diu ne crui ; ok einga tru hafda ek til hans; ek hefi
N'onques puis ne fis se mal non. fjat eitt giort a pessum- fimm vetriim er
illt er.
Er bekennt dann, daß er den Graal und die blutige Lanze gesehen
und nicht danach gefi'agt habe und erhält eine kurze Auskunft über
Beides. Dein erstes Vergehen, sagt der Einsiedler, war, daß du gegen
den Willen deiner Mutter dich von ihr trenntest; dein zweites, daß du
auf der Gralsburg nicht fragtest, und du wärest längst verloren, wenn
nicht deine Mutter bei Gott Fürbitte für dich eingelegt hätte. — Was
ihm sein Onkel besonders empfiehlt, ist, die Kirche zu besuchen, Messe
zu hören und barmherzig gegen alle Dürftigen zu sein. Parzival ver-
weilt nun zwei Tage bei dem Klausner.
Hier kehren nun Chrestiens und Wolfram zu den Erlebnissen
Gawans zurück, während der Verfasser der Saga einen selbständigen
Schluß zu seiner Darstellung bietet, der, so kurz er ist, der poetischen
Gerechtigkeit doch einigermaßen Rechnung trägt. Ich lasse ihn hier
folgen:
Hann reid nu hrott ok Utti eigi fyrr en hami kam til fögrn horgar
ok vard Blmikvßur, unmisfa hans, honom hardla fegin ok aUir attrir peir
sein varii ])ar fyrr. Fekk Percival pa. Blankiflur ok giorctist agcetr höf-
(tingi 'ijifir öllu riki hennar sva agmtr ok sigrswU at aldri atti hann sva
vopnaskij)ti vkt riddara at ekki sigradist hann. Ok inoetti hann öllum.
hinum snmyastum riddarum er varu imi hans daga. Ok lykr her sögu
Percival riddara.
8. So weit die Saga und soweit die von mir anzustellende Einzel-
vergleichung des nordischen Textes mit dem französischen des Chre-
stiens. Das meiner Überzeugung nach vollständig ft^ststehende Resultat
derselben lässt sich kurz dahin zusammenfassen, daß der Verfasser der
Parzivalsaga nicht nur die französische Bearbeitung desselben Stoffes,
wie sie uns im Conte dcl Graal des Chrestiens de Troyes vorliegt, zur
Vorlage und zum Vorbilde gehabt hat, sondern sich mit wenigen Aus-
nahmen viel enger an dies sein Vorbild angeschlossen hat, als der
deutsche , wenigstens zum Theil nach demselben Vorbilde arbeitende
Dichter W^olfram von Eschenbach.
Wir müssen aber noch einen Schritt weiter gehen. Ein Blick auf
die Saga lehrt, daß iln- Inhalt in sich keinen Abschluß hat. Um nur
DIE NOKDISCifK ]'AKZn'ALSA(;A UND IHl^E QUELLE. 177
eins anzul'ülij-en , so felilt dem Besuch auf der Gralsbxiro; alle Pointe,
wenn nicht Parzival später Gelegenheit gegeben Avird , dahin zurück-
zukehren, um die verhängnissvolle Frage zu thun und das Gralskönig-
thum zu erlangen. Dies und Anderes weist darauf hin, daß der vom
Sagaschreiber improvisierte Schluß ein gewaltsamer ist, will sagen, daß
seine Vorlage nur ein Bruchstück eines unvollendeten Gedichtes ge-
wesen ist. Und so steht es auch. Es ist erwiesen, daß Chrestiens Ge-
dicht nur etwa bis Cap. 645 des Wolframschen Gedichtes gereicht hat,
von Avo an dann die Arbeit der Fortsetzer zu rechnen ist. Wir müssen
also das Resultat dahin formulieren , daß der Sagaschreiber nur die
Arbeit Chrestiens, nicht die seiner Fortsetzer zur Vorlage gehabt hat.
Aber noch zwei Punkte, die vielleicht Bedenken erregen könnten, sind
hierbei zu besprechen.
1. Chrestiens Werk hat eine Vorgeschichte, die in der Saga fehlt.
Das ist Avahr; aber halten wir dagegen, daß einmal diese Vorgeschichte
sich nur in dem Manuscripte von Mons findet, daß sie ferner oifenbar
auch Wolfram nicht vorgelegen hat, und endlich, daß es nicht unwahr-
scheinlich ist, daß diese Vorgeschichte, wie wir sie bei Potvin abge-
druckt finden, nicht das Werk Clu'estiens, sondern eines seiner Nach-
dichter ist, so sehen wir deutlich, daß dieser Punkt gar keine Schwie-
rigkeit macht und daß sich höchstens das daraus schließen lässt, daß
dem nordischen Bearbeiter das Manuscript von Mons nicht vorgelegen
hat, ein Resultat, das sich ebenso sicher schon aus den Abweichungen
in den Namen und aus dem Fehlen des Inhaltes der eingeschobenen
200 Verse in der Saga ergibt. Der Verfasser der Saga hat eine Hand-
schrift aus der Gruppe, die Perceval le vieil überschrieben ist, vor sich
gehabt.
2. Wenn aber Chrestiens Werk dem Verfasser der Saga, soweit
es vollendet war, vorgelegen hat, so ist es, besonders Avenn AA'ir dazu
nehmen , wie genau der letztere sich an seine Vorlage hält , a'ou
vorn herein wahrscheinlich , daß seine Bearbeitung im Stoffe ebenso
weit reichte als seine Vorlage. Dem ist aber thatsächlich nicht so.
Reicht Chrestiens Werk in W olframs Bearbeitung etwa bis Cap. 645,
so schließt die Saga etwa an der Stelle , die Cap. 503 bei Wolfram
entspricht. Daß uns nicht etwa der Schluß verloren gegangen ist, AAde
man wohl meinen könnte, sehen wir an den SchlußAvorten: Ok lykr her
sögu Percivcd riddara, deutlich genug. Diese Schwierigkeit löst sich
Avohl dadurch , daß in allen drei früher besprocheneu Handschriften,
die unter anderra auch die Parzivalsaga enthalten, gleich auf diese ein
GERMANIA. Neu.- lli'ilic 1 1. (X lA'.) •lalir}'. 12
178 EUGEN K(")LRING
Valvei's jtaffr folgt, also ein Bruchstück einer Valverssaga, von dem
mir leider jetzt nur Anfang und Ende vorliegt. Der Anfang lautet:
(vgl. Samliugar utgifna af Svenska Fornskrift-Sjülskapet. Andra delen.
Haft 2-4. Herr Ivan Lejon-riddaren. Stockholm 1849 p. CXXXIV.)
Nu hefr her itpp ödro sinnr ok soger af simvlrkiuTn heriri Valver oh
hans ferdum. Sem kann reid af kastali peim er kann hafdi i verit. Geck
folkit ath milli daguerdar mals ok nons ok hado kann huergi fara. ]m
körn kann ath eik einni mikllli saa hann par liggia einn riddara helldr
lagt ok miok saran ok eina mey halfdauda ok miok syrgiandi etc.
Mit den letzten Zeilen vergleiche man folgende Stelle im franzö-
sischen Text: V. 7808 f : Et vit 'I' kaisne haut et grant, Trop hien fuelhi
por omhre rendre. v. 7914 ff.: Atant desous le kesne esgarde. Et vit seoir
wie puciele Qui moult li samhlast estre bele v. 7920: Si s'esforgoit
moidt de duel faire , Por 'I' chevalier duel faisoit Que eile moult sonvent
haisoit Es ex, el front et en li houce. Quant mesire Gauwains l'aproiice,
Si voit le chevalir blec'i', Qui le vis avoit depecie, Et ot une jplaie inoidt
grief D'une espee pnt^mi le cief etc.
Die Identität beider Scenen ist wohl einleuchtend. Der Schluß
des Bruchstücks ist folgender:
Lillo sidar stod herra Valver upp ok geck til scetis sins. enn alltfollk
er i var stadnum var honom til Jrionosto ok koUodo hann herra sin ok
lavard. ']>a var ok füll öll hallin af folki. hann saa einn nngan ok hmversk-
lighan mann. Hann kalladi hann til sin ok mcelti leynilegha til hans.
Af pui ath ek hafer valit pik einn af ollum er her ero inni til tranadar
mans ])a hid ek jdk ath pu rider mz mino eyrindi til mins herra Artus
komings.
Man vergleiche folgende Stellen im französischen Text: v. 10441 :
Et mesire Gauicains a tant Parlet ä sa seror la hiele Que il se lieve et
si apiüle Un varlet que il voit ä destre, Celui qui plus li sambloit estre
Vistes et p^eus et servitables Et plus sages et plus resnahles De tos les
varles de la sale ; En une camhre s'en avale Et li varles seus avoec lui;
Quant il furent ensamhle andui, Se le dist : Varlet, jou te quit Moidt preu,
moult sage et 'moult hien duit; Sejou 'I' mien consel te di, Del celer moult
hien te casti, Pour gou que tu i aies preu etc. v. 10464 f. : Amis, fait il,
dont iras tu A mon oncle le roi Artti.
Daß auch diese Stelle in beiden Bearbeitungen übereinstimmt,
bedarf wohl k«ines besondern Nachweises. So entspricht also die An-
fangs- und die Schlußpartie des Bruchstücks der Erzählung, Avie sie
sich an den betreflfenden Stellen im Französischen findet, und es scheint
mir keine sehr gewagte Annahme, Avenn wir daraus schließen, daß das
von diesem Anfang und Ende eingeschlossene Bruchstück die entspre-
DIE NORDISCHE PARZIVxVLSAGA UND IHRE QUELLE. 179
chende Partie des französischen Gedichtes (v. 7893 — 10465) zur Vorlage
gehabt hat*). Von v. 10465 bis zum Schkiß des Perceval le viel sind
noch etwas über 100 Verse , die der Sagaschreiber aus irgend einem
uns unbekannten Grunde in seiner Bearbeitung nicht berücksichtigt hat.
— Das Resultat dieser Erörterung ist also, daß Parzivalsaga und Val-
vers]3attr zusammen dem Inhalt von Chrestiens Perceval le vieil ent-
sprechen und eine Handschrift des letzteren Gedichtes zur Vorlage
gehabt haben. Warum aber die Trennung zwischen den beiden ur-
sprünglich zusammengehörigen Stoffen? Ich meine, der Verfasser der
Parzivalsaga hat - und dies mit einem sehr richtigen Instiuctc —
wohl gefühlt, daß jetzt, wo bei ihm der Hauptheld der Saga glücklich
in den Hafen eingelaufen war , die Nebenrolle , in der Valver in der
weiteren Erzählung noch auftreten sollte, nui' einen sehr matten und
kläglichen Eindruck machen würde, und aus diesem Grunde dem noch
übrigen Theil seiner Vorlage eine gesonderte Existenz gegeben, aller-
dings das dabei aus dem Auge lassend, daß dadurch der in die Par-
zivalsaga enger verflochtene Theil der Valverssaga ebenfalls seine Pointe
einbüße, was fi'eilich nicht zu vermeiden war, da dem französischen
Buch das Ende fehlte.
IV. A b f a s s u n g s z e i t und Verfasser der Saga.
Ohne, etwa aus Styl oder Inhalt imserer Saga, auf einen be-
stimmten Verfasser schließen zu können oder zu wollen , möchte ich
nur einige allgemeinere Notizen unter dieser Rubrik zusammenstellen.
Für die Zeit der Abfassung sind uns folgende Momente gegeben.
Der Tod Chrestiens de Troyes fällt spätestens in den Anfang des
13. Jhd. Die Pergamenthandschrift, welche die Saga enthält, föllt nach
Arvidsson etwa in das Ende des 14. Jhd. Nun wissen wir, daß Euphe-
mia, die Gemahlin des Hakon Magnussen (f 1312), patrona litterarum
genannt , mehrfache Bearbeitungen fremder Stoffe in nordischer Prosa
veranlasst hat ; so den Iwein 1302. Ihrer Anregung verdanken wir
daher wahrscheinlich auch die Abfassung der Parzivalsaga.
Was die eigenen Leistungen des Verfassers beti'ifft , so ist vor
allem zu rühmen die schmucklose, einfache, aber gerade in dieser Ein-
fachheit ansprechende Sprache , die der Saga trotz des Fehlens einer
ganz selbständigen Behandlung des Stoffes unter den verschiedenen
*) Durch Herrn Prof. Zai-nckes gütige Vermittlung habe ich nachträglich eine
Inhaltsangabe des Valvers ])attr von dem bekannten dänischen Sprachforscher Herrn
Dr. Ludwig Wimmer in Kopenhagen erhalten , welche meine oben ausgesprochene
Vermuthung bestätigt. Nächstens mehr darüber.
12*
180 EUGEN Kr)LP,ING, DIE NORDISCHE PAliZIYALSAGA etc.
Ii(\ii-l)«Mtun,t;;on der Parzivulssa^-a nicht den untersten Platz anweist.
Und sollen wir den Autor deshalb tadeln, weil er sich in seiner Dar-
stellung genau an seine Vorlage hielt? Sicher nicht. Wolfram —
das sehen wir aus seinem Werke deutlich — wollte von Anfang an
mehr als bloß eine verständliche Übersetzung des französischen Ge-
dichtes in deutscher Sprache geben ; er wollte in der Art , wie er es
wiedergab , dem romantischen Stoff ein deutsches Gepräge verleihen,
und wir müssen sagen , daß ihm dies vorzüglich gelungen ist ; der
Dichter der englischen Romanze hat zwar wahrscheinlich auch Chre-
stiens vor sich gehabt , hat aber mit poetischer Licenz manches Neue
hinzugefügt, manche Züge verändert. Unser nordischer Bearbeiter hat,
wie mir scheinen will, einfach den Zweck vor Augen gehabt, seinen
gebildeten Landsleuten den fremdartigen, aber eben dadurch anziehen-
den Stoff des französischen Gedichtes in schlichter, leicht verständlicher
Fassung vorzuführen und diesem Zweck diente die Art der Schilderung,
wie wir sie in der Saga vor uns sehen, vortrefflich.
Ferner hat unser Autor Anfang und Schluß der Saga als sein
Eigenthum zu beanspruchen. Der Eingang ist, wie schon bemerkt, kein
großes Meisterstück, der Schluß einfach und durch die Verhältnisse
gegeben. Über das ohne Fortsetzung in der Mitte stehende Stück, das
uns die Abenteuer Valvers einzahlt, wurde schon gesprochen. Endlich
sind Zuthaten des Nordländers die meist absichtlich mit Reimklang
versehenen Sprichwörter, die er mit Vorliebe zuweilen in die Erzählung
einwebt und von denen ich hier schließlich einige Proben mittheilen will.
Cap. 4. 8a er illa fallinn at berjast er eigi kann vopnum verjast.
Sa er vita vil sinn drengska'parleik, parf drengska/p ok vaskleik.
Cap. 5. Gott kemr aldin af goäum vidi. Sva er ok godr madr
med godtim sidi.
Cap. 6. Ahyggja. hitr sart sem hildir ok rcenir margan sinni hvild.
Cap. 7. iSendi gud ydr goft tu handa, Jivat sem kann vil giora
af vorum van da.
Cap. 8. Ast er öUum. hlutum. kcerari hverjum'peim er tryggrer elskari.
Cap. 11. Ulik var ast manna fordum, sem hon syndi i sinwni or-
dum. pa var trygd pa er nu er hrygd. pa var blitt pa er nu er stritt.
Cap. 12. En hon sat par eptir er eigi vildi skilja vid daudan un-
nastü;, SU er sanna ast hefir a mannt po at hon karlmann aldri kanni.
Cap. 13. Sva var hann petta miök ihugandi ok sva tok hann pa
miök at unna at ekki matti hann pa annat kunna.
Cap. 14. Nu mattu peir afpessu giora pat er hokin mun i Ijos hera.
Namentlich gern stehen diese gereimten Zeilen am Schlüsse von
Kapiteln, wo sie einen ähnlichen Eindruck machen , wie die gereimten
CAKL SC!Ii;(')DEK, ZUM HKDENTINHK' SPIEL. 181
Zeilen am Schlüsse einer größereu , uugereimten Eiuzelrede in einem
Scliiller'sclien Drama, und einem ähnlichen Zwecke dienten sie bei dem
nordischen Dichter wahrscheinlich auch.
Schließlich will ich noch die Bemerkung anfügen, daß, wenn nicht
besondere Hindernisse in den Weg treten , ich zu Anfang des Jahres
1870 den Freimden unserer Wissenschaft eine von mir mit Zug-rund-
legung des Cod. Holmianus besorgte editio princeps aller altnordischen
romantischen Saga's vorlegen zu können hoffe , die , wie ich auf den
vorigen Seiten an der Parzivalsaga, als einer der wichtigsten von ihnen,
gezeigt zu haben glaube , für die Gesammtbeurtheilung dieser Sagen-
kreise von nicht geringem Interesse sind.
ZUM REDENTINER SPIEL.
Die verhältnissmäßig große Unselbständigkeit der mittelnieder-
deutschen poetischen Litteratur gibt leicht Veranlassung, bei den Er-
zeugnissen derselben ihren Quellen nachzuspüren. Diese Veranlassung
mag um so dringender erscheinen einem Werke gegenüber, welches
nicht bloß die freilich nicht allzu hochwerthigen niederdeutschen Dich-
tungen so bedeutend überragt, sondern überhaupt in der dramatischen
Litteratur des Mittelalters einen so ausgezeichneten Platz einnimmt,
wie es das Redentiner Spiel thut. Es wird hier keine eingehende Wür-
digung des genannten Spieles beabsichtigt : eine solche hat Mone in
seiner-Ausgabe (Schauspiele des Mittelalters II, S. 2 ff.) gegeben. Aber
die ebendaselbst besprochene Frage nach der Quelle des Stückes möge
hier noch einmal ihre Erörterung finden.
Vorausgeschickt seien einige Worte über den Schauplatz des Stückes,
der zugleich seine Heimat ist. Finitus est iste i^cmus anno domini 1464
sequenti die Elizabethae in Redentyn ') , sagt der Schreiber am Schluß
seiner Abschrift. Es ist dies der noch heute so genannte Hof Redentin,
eine halbe Meile nordwärts von Wismar im Kirchspiel Neuburg be-
legen. Dort ist das Stück geschrieben, dort wurde es w^enn überhaupt
auch aufgeführt. Denn warum auf einmal die Scene nach Wismar ver-
') Weshalb Mone a.a.O. p. 2 und 106 und nach ihm Ettmiiller in seinei- Ausgabe
p. VII Redentym schreiben, ist schwer zu ersehen. Die Hs. hat redenty und die älteste
urkundliche Form des Namens v. J. 1192 (Meckleub. Urkundenbuch Nr. 152) ist
liadenlin.
j^2 C\m. .SCHH()1)EK'
legt sein soll, Avic Mone p. 9 will, ist nicht recht ersichtlich Daß auch
auf Dörfern Osterspiele aufgeführt wurden, wissen wir ja zur Genüge
aus der famosen 13. H. in Murners Ulenspiegel. „Es ist ein geioon-
heit hie/ spricht der Pfarrer, „^os die hauern alhcegen zu den ostern in
der nacht ein osterspil halten wie unser her entstet nsz dem grah.'^ (cd.
Lappenberg p. 16.) Wenn das in gewöhnlichen Dörfern geschah, so
konnte es um so mehr in Redentin der Fall sein. Redcntin ^Niirde 1192
von dem Fürsten Heinrich Borwin I, dem Cistercienserkloster Doberan
geschenkt (Meckl. Urkb. a. a. O.) und von diesem bis zur Refonnations-
zeit durch einen Conversen bewirthschaftet. Redentin war der Hauptort
der Klosterbesitzungen ") ; was Wunder also, wenn dort zu den kirch-
lichen Feierlichkeiten eben so große Anstalten getroifen werden wie
etwa in den Städten, und wenn sich Jemand findet, der ein Osterspiel
verfertigt.
Die Localisierung der Handlung in Redentin ist so vortrefflich
gelungen, daß kaum an eine einfache Substituierung der Namen an
Stelle urspriinglich anderer gedacht werden kann. Zwar wemi der
Wächter auf dem Thurme von Hiddensee und Mono (V. 206) spricht,
so ist das eine gewaltige Aufschneiderei; beide Inseln, Hiddensöe und
Mön, sind von Redentin aus — noch weniger natürlich von Wismar —
nicht zu sehen. Aber es liegt durchaus im Charakter des Wächters,
der die schlafenden Grabeshüter foppt, sie zu wecken bei einer Gefahr,
die noch in weiter nebliger Ferne schwebt, ja fast nicht sichtbar ist.
Wohl aber liegt Pol den Redentinern so zu sagen vor der Thür ; nur
ein schmaler Meeresarm trennt die Insel von der Redentiner Feldmark,
und so ist es durchaus im Sinne der Localität, wenn der Ritter sagt:
„Segghe myicen se sint hij Pole, so teil ik my to der were stellen/^ (V. 212.)
Man sieht, es liegt kein Grund vor, den Schauplatz des Stückes
von Redentin Aveg zu verlegen. Auch der Grund ist nicht zwingend,
den man für eine Auffilhrung in der Stadt geltend machen könnte:
daß nämlich die dem Teufel in die Hände gefallenen und durch ihre
eigene Beichte dem Gespötte des Publicums preisgegebenen armen
Seelen gröl.Uentheils Handwerkern angehören. Einmal bot eine vor-
wiegend bäuerliche Bevölkerung in ihrer Gleichförmigkeit, da sie sich
') Dies ergibt sich daraus, daf> das betreffende großherz. Amt, welches jetzt seineu
Sitz in Wismar hat, eben von Redentin den Namen trägt. Zu Redentin gehörte auch
das angrenzende Fai-pen (s. Beiträge zur Statistik Mecklenburgs 1865 Bd. IV p. 124) ;
dort steht noch heute ein altes großes Gebäude, jetzt Kowispeicher , welches die Tra-
dition als ehemaliges Kloster bezeichnet.
ZUM HKDKNTINEK .SIMEL. 183
nicht in gewerbliclie Gruppen theiltc, keine Handhabe für diesen Zweck,
und sodann waren doch Schneider und Schuster und Krämer und gar
der Schenkwii'th dem Landvolk so wichtige und bekannte Personen,
übten vielleicht mit besonderer Vorliebe ihre Künste au dem für we-
niger gerieben geltenden Bauern, daß man sie mit Erfolg einem länd-
lichen Publicum vorführen konnte.
Wie nun verhält es sich mit der Quelle des Stückes? Mone nimmt
an, daß dem Schreiber der Handschrift — die beiläufig nicht Autograph
des Verfassers ist — ein älteres Stück vorgelegen habe, welches er
theils übersetzte, theils bearbeitete, und zwar wäre dies Original ein
niederrheinisches (p. 7). Das glaubt Mone aus der Sprache des Stückes
schließen zu sollen, welche nicht rein die mecklenburgische Mundart
wiedergebe, sondern Formen zeige, die zunächst auf den Niederrhein
weisen. Dieser Anschauung hat schon Ettmüller im Allgemeinen wider-
sprochen (p. VH); es sei erlaubt, hier eines Näheren darauf einzugehen.
Das Hauptarguraent ist für Mone ein starkes Schwanken nament-
lich der Verbalformen, welches der Mundart zuwider sei. Hier aber
scheint Mone manigfach iiTC geleitet zu sein durch die Autorität von
Kitter (Gram, der mecklenb. Äluudart 1832) , der er seine Keuntniss
d(;r Mundart verdankt. Daß der sächsischen, speciell mecklenburgischen
Mundart die 2. PI. Präs. und Prät. auf en nicht eigen sein soll, ist eine
durchaus irrige Behauptung : vielmehr geht noch heute die Form auf
en neben der auf t her, und zwar nicht bloß in der 2., sondern auch
noch heute in der 1. wie auch in der 3. PI. Präs., wovon Mone (p. 6)
Beispiele aufführt. Ebenso bestimmt kann versichert werden , daß die
von Mone der mecklenb. Mundart abgesprochene 2. PI. Präs. sint rp.4)
in der getrübten Aussprache sunt noch heute geläufig ist. [Vgl. Nerger
S. 67. 167.]
Daß Reime zwischen u und o, ü und o Beweise für eine fremde
JMuudart seien (p. 5), ist gleichfalls irrig. Dies Schwanken zwischen o
und n, das allerdings bei Gottfried Hagen zahlreich belegt ist, bindet
sich keineswegs an den Niederrhein. Dies SchAvanken ist recht ein Cha"
raktcristicum des Niederdeutschen; vom Rhein bis über die Elbe hinaus
reimt noch bis ins 16. Jahrhundert u mit o, weil vielleicht beide Vo-
cale, wie das noch heute in der Mundart geschieht, durch eine breit<3
Aussprache vermittelt und einander nahe gerückt wurden. Nur diese
auch heute noch nicht ganz bewältigte Unsicherheit der Aussprache,
dieses Streben, einem zwischen zweien schwebenden breiten Vocal zu
seinem graphischen Ausdruck zu verhelfen, ist es, was in die nieder-
deiitscheu Handschriften die Schreibungen ü und o hineingebracht hat,
die sonst keine Bedeutung haben. [Vgl. Nerger S. 34 f'^. 134.]
ls4 cAifL s('iii;r)i>i:K
Ganz ebenso verliält es sich mit dem von Mone bennstanfleten ey.
Wenn Hofiinann im Keineke Vos und Ettmüllcr in seinen Ausgaben
niederdeutscher Dichtungen durchaus c schreiben, so ist das ungerecht-
fertigt. Die heutige sehr breite Aussprache des e lässt ein i stark durch-
khngen, eine Eigcnthümhchkeit, die in dem Wechsel der Schreibung
in den Handschriften und alten Drucken ihren berechtigten Ausdruck
findet und nicht verwischt werden sollte. [Vgl. Nerger S. 32. J
Ein anderer Stein des Anstoßes für Mone ist die Varietät in den
Formen des Personalpronomen 1. und 2. Person. Hier finden sich aller-
dings, selbst im beweisenden Reim, neben dem überwiegenden Gebrauch
des über den größten Theil des niederdeutschen Sprachgebietes ver-
breiteten inii und di abweichende Formen, z. B. alleioeldieh : dich 343.
ahoeldich : mich 677. sik : mik 939. tir : hir 734. Daneben 7mk dat. :
926. 1421. 1793. mik acc. 1402. 1420. dik dat.: 1533. 1604. 1605.
1853. 1907. dich acc. 1730. In Bezug auf diese Formen muß zugegeben
werden, daß sie der heutigen Mundart fremd sind. Da sie jedoch in
linkselbischen Gegenden noch heute gebräuchlich sind , so ist anzu-
nehmen, daß ihre Herrschaft sich einst weiter östlich erstreckte und
allmählich zurückwich. Zum Beweise übrigens, daß das Redentiner Spiel
mit diesen Abweichungen nicht allein steht , mögen hier noch einige
andere Belege stehen ^).
viik (mek) dat.: Zeno 141. 379. 418. 609. 992. Baumg. 169.
Theoph. 641. Fl. 66. 1011. 1136. N. u. V. 645. 833. Fastn. 1071, 4.
mik (mek) acc: Kranesh. 42. Fl. 90. 1255. Fastn. 1065, 5.
dik (dek) dat.: Baumg. 70. Dere rat 27. Brand. 626. 938.
Theoph. 101. 456.
dik (dek) acc: Zeno 141. 1367. Dere rat 58. Theoph. 351. Fl. 1385.
N. u. V. 341.
mir (: hir) 3 Kon. 50.
^) Von den hier und in der Folge viel gebrauchten Citaten stehen Zeno, Baum-
garten (Baumg.), Lob der Frauen (Vrawenl.), Rathsversammlung der Thiere (Dere rat),
Marinus (Mar.), Brandan (Brand.), Flos und Blankflos (Fl.) und Theophilus (Theoph.)
bei Brans altplattd. Gedichte; Holsteinsche Reimchronik (Holst.) bei Staphorst Ham-
burg. Kirchengesch. H 118 ff. ; Van der bort Christi (Bort Ch.) , Van dem holte des
h. krutzes (Hdhk.) , Van eynem eddelen krutgarden (Krutg.) , kranszhals (Kranesh.),
Unser leven frouwen rozenkrantz (Rosenkr.) , Namelosz und Valentyn (N. u. V. ) und
Van dren konyngen (3 Kon.) bei Staphorst IV 175 ff. Cl. B. bedeutet Claws Bur,
Verl. S. den Verlornen Sohn, beide in der Ausg. von Höfer, R. V. den Reineke Vos
ed. Lübben. Sündenfall , Marienklage und Osterspiel ed. Schönemann. De deif van
Brugghe (Deif v. Br.) und Fuchs und Hahn (F. u. H.) stehen Zeitschr. V, 385 ff. Die
Fastnachtspiele (Fastn.) sind citiert nach der Ausg. von Keller (Bibl. d. litt. Vereins
Bd. 28—30), Lauremberg (Laur.) nach der von Lappenberg (Bibl. des litt. Ver. Bd. 58).
ZU.M KEDENTINER «FIEL. 185
In callen den genannten Gedichten ist der Gebrauch der Foi-men
mi und di weit überwiegend, ebenso im Sündenfall und der Marien-
klage, obwohl in diesen beiden die Formen mik und dik auffallend
zahlreich belegt sind. Hier finden sich auch sonst auffallende Formen:
myr Marieukl. 84, mich dat. ibd. 100. me dat. ibd. 154, und zwar diese
Formen ohne Nöthigung. dm-ch den Reim ; im Reim dagegen me acc.
(: nocte) Sündenf. 3361. me dat. (: loe) ibd. 2363. (: de) ibd. 3793. (: se)
ibd. 3929. Über solche und ähnliche Schwankungen im Niederrheini-
schen s. Schade , Geistl. Ged. vom Niederrhein p. 244 , wo eine sehr
wünschenswerthe ausführlichere Abhandlung über diesen Gegenstand
verheisseu ist.
Hier sei gleich eine Bemerkung angeknüpft über die Frage, ob
vns oder us ? EttmüUer hat bekanntlich , sich stützend auf den Reim
US : clus 712, letztere Form durchgeführt, damit aber entschieden der
Sprache Gewalt angethan. Auch kommen nicht etwa beide Formen
gleich oft vor, wie Ettmttller p. X meint, sondern es stehen beiläufig
98 uns, unser, unsem u. s. w. gegen 25 us u. s. w., wobei immer noch
anzunehmen ist, daß der Schreiber, der vs schrieb, gar manches Strich-
lein vergass. Einige Belege ftir ms aus andern Dichtungen sind Vru-
wenl. 65. Mar. 203. Brand. 117. 989. 1108 und durch den Reim ns:hus
gesichert Bort Ch. 211. Besonders häufig, aber keineswegs ausschließ-
lich finden sich tis u. s. w. im Sündenfall, dessen liukselbische Heimat
gesichert ist. Es wird auch hier wie oben angenommen werden müssen,
daß US durch uns, neben dem es lange bestand, allmählich über die
Elbe zurückgedrängt wui'de. Schon Lauremberg kennt es nicht mehr ^) ;
der heutigen Mundart ist es ganz fremd.
Ein besonderes Gewicht legt Mone auf das gleichzeitige Vor-
kommen rein niederdeutscher und, wie er meint, niederrheinischer Ver-
balformen. Als Beispiel wird p. 4 sagen neben seggen angeführt. Mag
nun sagen immerhin, auf welchem Wege und zu welcher Zeit es wolle,
aus dem Hochdeutschen ins Niederdeutsche herübergedrungen sein,
jedenfalls war es im 14. und 15. Jahrh. den Dichtern der verschiedenen
niederdeutschen Landstriche so durchaus geläufig, daß aus dem gleich-
zeitigen Vorkommen der aus sagen imd seggen gebildeten Formen gar
kein Schluß auf eine Übersetzung, se^ es aus dem Hochdeutschen oder
*) Bei seinem Zeitgenossen , dem Jeveraner Hennann Scheer , kommt t's vor.
5. im Anhang zu Lauremberg die Niederd. Satii'en und Hochzeitsgedichte 1, 39. S. auch
6, 89 (in Biaxtehude entstanden; s. p. 206 der Lappenbergschen Ausg.) 8, 28. 66. 107.
11, 18. 22 (beide Gedichte dem Stift Bremen angehörig, s. p. 206).
186 CARL SCHRÖDER
dem Nicclcrrheinischcn, gezog;en werden kaun. Eine einfache Zusammen-
stellung der vork(nnmenden Formen mit Belegen beweist das. Die nach-
folgende Übersicht der verschiedenen Formen von seggen (sagen), der
wir eine andere der noch manigfaltigeren Formen von hehben {han) folgen
lassen, wird darthun, wie häufig eine und dieselbe Dichtung zwei und
mehr Formen neben einander aufweist. Ausdrücklich bemerkt sei, daß
wir uns in den Citaten wesentlicli beschränken und namentlich aus
jedem Gedichte für eine einzelne Form nur eine Belegstelle anziehen.
I. Infin. seggm Red. Sp. 1200. Zeno 809. Bort Ch. 113. Fl. 500.
Fastn. 965, 18. — sagen Red. Sp. 20. Zeno 1503. Bort Ch. 35. Fl. 190.
Fastn. 962, 28. Brand. 829. Krutg. 177. 3 Kon. 279. Holst. 184. Deif
V. Br. 25.
1 Sg. Praes. segge Red. Sp. 110. Bort Ch. 84. — sage Red. Sp.
26. Bort Ch. 810. Theoph. 158. Fl. 82. Deif v. Br. 90.
2 Sg. Praes. sechst fast durchgehends. — sacht Fl. 206. secht
Fl. 698.
3 Sg. Praes. secht Bort Ch. 279. Kranesh. 190. Fl. 32. — saget
Bort Ch. 870. Fl. 49. -- segget Kranesh. 271. — sacht Fl. 174. —
seyt Deif v. Br. 15.
2 PI. Praes. segget gewöhnlich. — zaget Red. Sp. 953. — sagen
Fl. 608.
3 PI. Praes. seggen gewöhnlich. — sagen Brand. 378. — segt Nie-
derd. Sat. u. Hochz. 2, 88.
3 Sg. Praet. sede gewöhnlich. — sagede Zeno 1424. N. u. V. 489.
— sachte N. u. V. 2212.
2 Sg. Imperat. segge gewöhnlich. — sage Mar. 44. Brand. 328.
Fl. 3(X).
2 PI. Imperat. segget gewöhnlich. — saget N. u. V. 894.
Part. Praet. gesecht gewöhnlich. — secht Zeno 377. Kranesh. 134.
R. V. 6081. — ge^aget Theoph. 672. Bort Ch. 55. N. u. V. 450. —
saget Zeno 1400. — gesacht Sündenf. 3674. R. V. 1()24. — geseit
Hdhk. 106.
II. Infin. hehben Red. Sp. 660. Zeno 537. Brand. 404. Gl. B. 296.
Verl. S. 549. Bort Ch. 68. Hdhk. 282. Kranesh. 74. Fl. 78. N. u. V.
405. Ostcrsp. 157. Deif v. Br. 261. — han Red. Sp. 1J^6. Zeno 866.
Brand. 177. Theoph. 124. Cl. B. Vorr. 3. Bort Ch. 474. Hdhk. 191.
Kranesh. 193. 3 Kon. 134. Fl. 41. N. u. V. 168. Ostersp. 36. Fastu. 966,
13. Dcifv. Br. 588. Verl. S. 1685. — /u/üe/i Theoph. 407. Kranesh. 196.
i\Iarienkl. 122.
ZIM KEDENTINEK SPIEL. 187
1 Sg. Pracs. hehhe Zcno 535. Braud. 752. Theoph. 215. Bort Cli. 94.
Krutg. 84. Fl. 73. N. u.V. 232. Süudeuf. 27. Marienkl. 244. Ostersp. 162.
— han Zeno 290. Vruwenl. 54 Braud. 751. Theoph. 140. Bort Ch. 744.
Krutg. 6. Fl. 1032. N. u. V. 501. Süudeuf. 357. Maricukl. 105.
Ostersp. 52. Deif v. Br. 5. — have Braud 1034. Theoph. 17. — lief
Süudeuf. 2056. — heb Laur. 1, 34.
2 Sg. Praes. hefst Cl. B. 113. Bort Ch. 106. Hdhk. 225. N. u.V.
186. Süudeuf 200. Verl. S. 352. — hest Dere rat 53. Theoph. 59. Fl. 864.
Sündenf. 1240. Marieukl. 318. Verl. S. 269. —{heß Theoph. 74. Bort
Ch. 444. 3 Kou. 287. Fl. 1253. Süudeuf. 1633. Deif v. Br. 720. —
hast Theoph. 79. Süudeuf 5. Marieukl. 131. Deif v. Br. 175. — hevest
F. u. H. 124.
3 Sg. Praes. heß Red. Sp. 659. Theoph. 43. Cl. B. 21. Fl. 313.
N. u. V. 212. Süudeuf 190. Marieukl. 463. Laur. 1, 143. Niederd.
Sat. 2, 55. R. V. 41. Fastn. 962, 6. Deif v. Br. 566. Verl. S. 71. —
hat Red. S. 197. Zeuo 15^. Theoph. 736. Vruweul. 11. Braud. 322.,
C1.B.568. Fl. 466. N. u.V. 311. Süudeuf 626. Marieukl. 75. R. V. 1325
Fastu. 984, 33. Verl. S 1129. — het Zeuo 1519. Vruweul. 3. Braud. 923.
Süudeuf. 1211. Niederd. Sat. 2, 76. — hehhet Marieukl. 276. — hevet
Deif V. Br. 372. — hejd Deif v. Br. 468.
1 PI. Praes. hehhen überwiegeud. — han Vruweul. 26. Marieukl.
259. Ostersp. 3. — hehhet Süudeuf 662. — heht Lauv. 4, 4.
2 PI. Praes. hehhen Baumg. 157. Cl. B. 28. Krauesh. 155. 3 Kou.
141. Fl. 1397. N. u V. 225. Slludeuf 324. R. V. 163. Fastu. 970, 34.
Deif V. Br. 596. F. u. H. 69. — hehhet Cl. B. 52. 3 Kou. 206. Süudeuf.
2411. Laur. 2, 269. — hat N. u. V. 322. — han N. u. V. 2114.
Marieukl. 399. Deif v. Br. 173.
3 PL Praes. hehhen überwiegend. — han Theoph. 482. Cl. B. 639.
Bort Ch. 130. Krutg. 135. N. u. V. 2127. Fastn. 1066, 32. — hehhet
Hdhk. 19. 3 Kon. 221. N. u. V. 555. Süudeuf 1183. — heß Bort Ch.
623. Laur. luliolt 42. — heht Laur. 2, 728. Niederd. Sat. 2, 51. —
haven Cl. B. 220.
2 PI. Imperat. hehhet gewöhnlich. — havet Deif v. Br. 347.
2 Sg. Praet. ist neben durchgehendem hadde zu bemerken hande
Sündenf 1450.
Wir könnten die Reihe solcher Parallelformen noch vervollstän-
digen; wir könnten noch dragen und dregen, ten (tein) und trecken, sin
und wesen heranziehen 5 allein es genüge an dem Nachweis , daß der
gleichzeitige Gebrauch verschiedener Formen Gemeiueigenschaft der
mnd. Litteratur ist.
IKS CARL SCnKÖD?]K
Der Reim hm : sehen 1688 ist allerdings nicht rein, doch lernt
ein Kenner des Niederdeutschen sich an noch schlechtere Reime ge-
wölinen, und speciell aus dem Niederrheinischen, aus Grottfried Hagen
luid Schade's Geistl. Ged. ließe sich eine wunderbare Reimliste auf-
stellen. An keines kunstliebenden Fürsten Hofe gepflegt, von keinem
liedgewaltigen Sänger gefördert, hat es nun einmal das Niederdeutsche
in der Verskunst nicht Aveit gebracht. Wenn übrigens Mone für hin
ein hen setzt und so eine niederländische Form einseliAvärzt , die für
ihn sprechen könnte, so befindet er sich mindestens mit der Handschrift
in entschiedenem Widerspruch. Auch tousten : listen 1259 ist nicht eben
schwer zu ertragen. Über den Reim sn : to 1552 ist zu vergleichen,
was oben über u : o gesagt wird. Niederrheinisch, wie Mone möchte,
wird übrigens der Reim doch nicht, denn die Niederrheiner, z. B. Gott-
fried Hagen und Christianus Wierstraat, sagen eben nicht zu., sondern zo.
Freilich bleibt immer noch Manches stehen, was nicht rein nieder-
deutsch ist, was aber theils füglich als Schreibernachlässigkeit aufgefasst
wird, theils zu unbedeutend und nebensächlich ist, um irgend eine Hy-
pothese darauf zu gründen. Dahin rechnen wir mehrfaches t für d, wo
meist die richtige Schreibung wenige Zeilen davon steht. Ebenso wird
slafen 765 durch slapen 220 und öfter corrigiert. Auch loafen ist Schrei-
berflüchtigkeit, denn das Niederdeutsche hat vxvpen Fl. 987. Cl. B. 464.
Für äffen 833 ist apen gewöhnlich ; der Reim äffen : claffen ist übrigens
autfallender Weise noch mehrfach belegt Zeno 257. F. u. H. 7; cf. 11.
Das mnd. klappen, welches dem heutigen Plattdeutschen wieder ver-
loren ist, kann ich im Augenblick nicht belegen; doch vgl. achterclap,
Höfer zu Verl. S. 791 und klappertasche Niederd. Sat. 6, 58. Vgl. mul.
clap Hoffmann hör. belg. 6, 252. clappaert Antwerp. Liederb. 147, 4, 3.
149, 6, 3 und oft. beclapen ibd. 198, 4, 1.
Eine niederrheinische Quelle also anzunehmen, das leuchtet ein,
liegt gar kein Grund vor. Überhaupt zAvingt uns nichts, in dem Ver-
fasser des Redentiner Spiels nur den Übersetzer einer älteren Vorlage
zu sehen und nun dieser nachzuspüren. Die Formen des geistlichen
Schauspiels, in ihren Umrissen ohnehin durch die Kirche unwandelbar
gegeben, waren im Lauf der Jahrhunderte längst stereotyp geworden.
Für das Osterspiel lieferte die evangelische Geschichte die schlafenden
Wächter am Grabe, die Auferstehung, den Engel am Grabe und die
Frauen; das apostolische Symbolum und das sehr populäre Evangelium
Nicodemi fügten den descensus ad infcros hinzu und ein Theil der Reden
war durch die Liturgie bedingt. So mussten denn nicht nur die Sce-
uaricn, sondern auch die einzelnen Reden durch fortgesetzte tibung
ZUM EEDENTINER SPIEL. 189
eine fest ausgeprägte Form bekommen, zur Tradition werden, von der
erheblich abzuweichen man um so mehr Bedenken trug, als sie in ihrem
letzten Grunde doch auf etwas Heiligem, auf Schriftwort und Kirchen-
gebrauch, beruhte. So dürfen selbst bedeutendere Übereinstimmungen
nicht befremden; sie berechtigen nicht, dem Einen einen directen Ein-
fluß auf da3 Andere zuzuschreiben. Einige Beispiele derartiger stereo-
typer Redewendungen, z. B. die Anrede an das Publicum:
Sic iget al ghelike
heyde arm unt rike. Red. Sp. 1.
Vornemet alle gliche
beide arm und riche. Auferstehung 1 bei Mone Altd.
Schausp. 109—144.
Ku höret alle gleich
beide arm und reich. Osterspiel bei Hoflfmann Fundgr. II
p. 313.
So die Anrede des Engels an Christum:
/Sta up here gades kint. Red. Sp. 231.
Sta7it uff lyber here got. Auferstehung 158.
Stant uf herre Jesu ChHst. Ostersp. p. 302.
Wie sollte nicht ferner die IJbertragung des Tollite portas principes
vestras übereinstimmend lauten:
Ir hern sliszet uff dye tor,
der konink der eren ist hie vor. Auferstehung 206. Vgl.
Red. Sp. 511. Ostersp. p. 303. Alsfelder Passion
p. 511 (Zeitschr. HI). Passionsspiel 3869 (bei
Mone II, p. 183 ff.),
oder wie wäre der Einldang in der Am-ede Christi an die zu erlösen-
den Seelen zu vermeiden, da es sich ja nur um die Übersetzung des
Vetiite benedicti patris mei, Matth. 25, 34, handelte und handeln durfte?
Red. Sp. 585 ff. Auferstehung 226 ff Ostersp. p. 305. Alsfelder Pass.
p. 513.
Was ist natürlicher als der Ausruf des erlösten Adam:
Wol mich hüte und ymmermere. Auferstehung 230. Ostersp. p. 203,
oder der erwachenden Grabeshüter:
Ach czetar und xcaffen,
hye ist czue lange geschlaffen. Auferstehung 192. Red. Sp.
770. Ostersp. p. 303. Passionsspiel 4021. Picliler
Drama des MA. in Tirol p 147.
Wenn sonach einzelne Reden wie ganze Scenen in fester Form
überliefert und in aller jNIunde waren — wusste doch die Pfarrers-
10(» CAKL SCHRÖDER
kfichin in Budensteten die Rolle des Engels am Grabe auswendig
(s. Ulcnsp. a. a. 0.) — sollte nicht mit solchem reich überlieferten Ma-
terial ein Geistlicher in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts
(denn daß auch das Stück am besten ins Jahr 1464 gesetzt wird, hat
Ettmüller p. IX glaubwürdig dargethan) ein Osterspiel zu schreiben
im Stande gewesen sein:
Sollte nun aber doch durchaus eine Vorlage für das Redentiner
Spiel gefunden Averden, so läge es am nächsten, diese in der mehrfach
erwälmten Auferstehung zu sehen, und zwar gerade da, wo die evan-
gelische Geschichte dem Dichter keinerlei Anhaltspunkte mehr bot:
im Teufelspiel. Hier zeigen beide Stücke Ähnlichkeiten, auf die Avir,
ohne jedoch weitere Schlüsse daraus zu ziehen , doch aufmerksam zu
machen nicht unterlassen wollen.
Es ist ein gemeinsamer Zug mehrerer Stücke, daß beim Auszug
der erlösten Seelen aus der Hölle die Teufel doch noch eine oder die
andere mit List oder Gewalt zurückzuhalten suchen. Im Osterspiel
p. 307 schleicht Satanas Jesu nach und packt eine Seele, die aber auf
ihr Schreien von Michael befreit wird. Im Red. Spiel 616 if. möchten
Tutevillus und Satanas den Täufer Johannes festhalten, was ihnen natür-
lich nicht gelingt. Im Alsfelder Passionssp. p. 517 erwischt Liseganck
wirklich eine Seele, ebenso der diabolus in der Auferstehung^). Im
letzteren Falle gehört diese Seele einem Bäcker an, der sich nun vor
Lucifer zu verantworten hat, und damit ist der Übergang zum Teufel-
spiel gemacht, welches freilich ungeschickt genug erst nach der Rede
des Bäckers seine Einleitung hat. Diese ist in beiden Stücken sehr ver-
schieden an Länge und Werth, verfolgt aber den gleichen Gedauken-
5) Alsf. Pass. a. a. O. 23. 199 ff.:
Owe owe und ummermere,
lieber heisre loiss uns mit dir gehen,
die tliufel thun uns alsso we.
Anferst. 43. 261 ff.:
awe awe aive
mir thon die tufel aho we,
Jhesus lyher heve,
schal ich nicht mit dir van hynnen kere?
Alsf. Pass. 205 f.:
du enferest alsso von hynnen nicht,
du werest ein rechter bossewicht.
Allferst. 259 f.
neyn neyn due husser icicht
due kumest mir von hynnen nicht.
Zmi REDENTINER SriEL. 191
gang: an Stelle der entwichenen Seelen sollen neue gefangen werden,
damit die Hölle wieder voll werde ^). Die Teufel werden ausgesandt,
Alles zu greifen, dessen sie habhaft werden können; ein langes Register
schreibt ihnen vor, kein Alter, kein Geschlecht, keinen Stand zu ver-
schonen, namentlich nicht den monnink mit siner cappeji (Red. Sp. 1301.
Anferst. 316). Bald kommt denn auch die neue Beute. Die Auferste-
hung kennt hier nur Satan, der alle Seelen bringt, während das Red. Sp.,
wie auch das Vorspiel der Alsf Passion, der Teufel eine Menge unter-
scheidet, die nicht übel individualisiert sind und deren Jeder Beute
bringt. Dort beginnen nun in trockener Aufeinanderfolge die einzelneu
Seelen ihre Selbstanklage (366 — 401), während hier ein lebendiges voll-
ständiges Gerichtsverfahren eröffnet wird: Anklage, Geständniss, Urtlieil
(1312 — 1689). Somit Avird also dort gewissermaßen das dürre ärmliche
Gerüst geboten zu dem , was hier als vollendeter Bau vor uns steht.
Im Einzelnen aber finden sich bemerkenswerthe Ähnlichkeiten. Zunächst
sind dort wie hier die Ergriffenen Gewerbtreibende, und zwar auf bei-
den Seiten ziemlich dieselben : der Bäcker eröffnet den Reigen, dann
folgen Schuster, Bierschenk, Schlächter und Schneider ; im Red. Sp.
fi'eilich auch noch der Weber, der Krämer und der Straßenräuber.
Alle legen ihre Beichte ab und zwar nun in auffallender Übereinstim-
mvmg der Gedanken nicht nur, sondern theilweise auch der Worte.
So sagt der Bäcker Anferst. 267 ff. :
loen der teyk ivaz czue gruez,
ich hrach davon' eynen cloz
und warf en in dy kllgen,
dez nmz ich in dye helle gedyge.
und Red. Sp. 1364 ff.
loas de de dech ok gycht fo grot
so hrac ik daraf enen cht
unt loarp ene loedder in den troch.
des müt ik nu rupen o loi o icach.
So klagt dann der Schuster, daß er schlechtes Leder und schlechte
Sohlen zu seinen Schuhen verwandte; der Bierschenk gab zu kleines
Maß, der Schneider stahl vom Zeuge und der Fleischer verkaufte
schlechtes für gutes Fleisch:
da ich eync vynnechte swe vant,
ich nam sye uff mynen rhcke,
ich trug sye in dye ßeyszer hfdte,
") Anferst. 294 ist natürlich helle zu lesen statt sele.
102 CAKL SCHRÖDER
ich swer uff dye ti-we myn
ez toer eyn reynes hurgelin. Anferst. o87 ff.
Daneben Red. Sp. 1552 ff.:
hadde ik ivat veyle van ener su
so rep ik jo den hiden to :
kum her, kop van eneme junghen sivine !
Den Scliluß des Teufelspiels bildet dann in beiden Stücken die Klage
Lucifers über Hoffart und Hochmuth als Anbeginn aller Sünde. (Aiif-
erst. 406 ff. Ked. Sp. 1945 ff).
Das sind gewiss bemerkenswerthe Übereinstimmungen. Aber doch
zeigt sich gerade bei dieser Vergleichung, wie unendlich hoch an ethi-
schem und dichterischem Werth das Red. Spiel über andern derartigen
Stücken steht. Unter den von den Teufeln beigeschleppten Seelen findet
sich in beiden Stücken der Pfaffe. In der Auferstehung beichtet er Avie
die Übrigen und fährt zur Hölle; im Red. Spiel dagegen erscheint er
als der Letzte und setzt mit seinen Beschwörungen und mit mächtiger
Rede dem Lucifer so zu, daß diesem die Haare versengt werden und
er zu schreien beginnt und froh ist, wie er den Pfaffen los wird:
ein eminenter Triumph der geistlichen Gewalt über die Mächte der
Finsteruiss. So wird denn auch das Teufelspiel zu einem wüi'digen Ende
geführt. Wie uns zum Schluß des ersten Theiles der Dichter die
obligate Prügelei der Grabeshüter (Anferst. 198 ff. , Passionssp. 4032.
Ostersp. p. 312. Pichler p. 148) erspart und eine Aussöhnung derselben
mit dem Pilatus herbeiführt, so daß nun die Schande allein auf den
Juden sitzen bleibt (Red. Sp. 1020), so ist hier der Teufel der Geprellte,
der dumme Teufel der Volkssage. Die Juden und der Teufel, die Einen
die Werkzeuge des Andern, „die Mächtigen der Erde und die Mäch-
tigen der Hölle zu Schanden geworden durch die Auferstehung," das
ist der Kern des Stückes.
Gestatte man uns nun, auf einige Einzelheiten des Stückes ein-
zugehen.
Die Namen der Teufel, in denen besonders französische Einwir-
kungen zu Tage treten, hat Ettmüller p. XIX scharfsinnig zu erklären
gesucht. Funkeldune aber ist gcAviss nicht „der auf der Düne Funkelnde,
etwa das Irrlicht," sondern wie schon Drosihn (Progr. d. Gymn. zu
Neustettin 1867 p. 22) richtig bemerkt hat, ist Funkeldune eine verstär-
kende Zusammensetzung des niederd. dim, besoffen ") , etwa wie wir
') Bistu duen effte vidf Fastn. 874, "29. S. auch Dähnert Plattd. Wh. p. 9G
V. (lunn.
ZUM REDENTINER SPIEL. 193
noch sagen : sternbesoffen. Man sehe nur die Rede dieses Gesellen
V. 1652 ff., ob sich darin eine Spur von Funkelndem oder Irrlicht findet,
und nicht vielmehr die gauze Schwerfälligkeit eines trunkenen Faul-
lenzers. Der Name Likketappe ist nur unrichtige Lesung; die Hs. hat
Likketuppe d. h. Leck es auf, wodurch übrigens die Bedeutung des
Wortes als Schmarotzer, Speichellecker nicht alteriert wird.
Die Zutheilung der Verse an die redenden Personen, wie sie Mone
gibt, ist mehrfach einer Verbesserung fähig. Die Hs. gibt allemal zwei
Verse in einer Zeile und setzt den Namen des Redenden, wenn sie ihn
nicht etwa, was recht häufig der Fall ist, vergisst, an das Ende der
Langzeile, mögen ihm nun beide Verse gebühren oder nur einer. Den
V. 79 spricht passender der primus miles] v. 428 gehört zweifellos dem
Satanas, v. 733 nicht dem angelus, sondern dem latro. Die Stelle v, 1350 ff.
ist so abzutheilen:
Noytor (ad Lucif.)
Hir is de sele de ik grep.
Lucif er (ad Noyt.)
Hebhe dat ey dar de kenne myt deme pelse af lep.
ad pistorem.
Di stuft de clighe ut der nesen etc.
Ferner V. 1387 ff.:
Lucif er (ad Tutevillum).
Des hebhe stank, myn leve kumpan.
ad sutorem.
Wilkame leve seile myn etc.
Weiter v. 1426 ff:
Lucif er (ad Astaroth).
Werliken du hust en vramer man,
du schol graten stank han.
ad sartorem.
Hebhe ik de hreve rechte lesen etc.
und v. 1466 ff.:
Puk.
und bevele se an dyne wolt.
Lucif er (ad Puk).
So hebhe dat der su entvolt.
ad tabernatorem.
Ik segghe dat hy myner list etc.
GERMANIA. Neue Reihe H. (XIV.) Jalirj;. 13
194 CAKL SCHRÖDER
Vor V. 1508 ist zu setzen ad textnrem. Die vv. 1570 f, sind zum Beltjnl
gesprochen; vor v. 1572 ist zu setzen ad penesticvm.
Man erkennt leiclit die Structur der einzelnen Reden : der betreffende
Teufel präsentiert die Seele und bekommt von Lucifer ein Wort des
Dankes oder der Verheißung, ehe dieser sich zur Seele wendet. Dieser
Dank, der kaum nach Jedermanns Geschmack sein dürfte, nimmt sich
doch im Munde des Teufels seinen Gesellen gegenüber nicht allzu fi'erad
aus : hebbe dal ey dar de kenne myt deme pelse af lep 1351 ; hebbe stank
1387 ; du schol cjroten stank han 1427 ; hebbe dat der sw entvolt 1467 ;
me schal dine mnut myt sioyneparlen belegghen 1571. Solchen unfläthigen
Redensarten gegenüber, wie sie namentlich an Funkeldune verschAvendet
werden (1666 ff.), bleiben auch die Teufel die Antwort nicht schuldig.
Lucifer here, de dy bemeijhe, redet Likketuppe seinen Hen-n an (1596),
und noch drastischer begrüßt ihn Belsebuc mit Tpru voi't tpru (1502).
An diesen Worten hat Ettmüller erfolglos gedeutelt. Meine Erklärung
ist derb, recht derb, aber vielleicht nur desto besser. Ich fasse nämlich
diese Worte gleichfalls als eine unfläthige Begrüßung und zwar eine
thätliche, und halte die Worte tpru tpru nur für den graphischen Aus-
druck eines crepitus ventris. Unterstützt wird diese Deutung dadurch,
daß vort ursprünglich nicht im Text steht, sondern, allerdings von der
Hand des Schreibers , drübergeschrieben ist , vielleicht zum besseren
Verständniss , denn niederd. vort ist hochd. Furz ^). Eine Metathesis
der Buchstaben von tpru gibt das noch heute in derselben Bedeutung
gebräuchliche purt^). Wer eine bessere Deutung weiß, der gebe sie.
Zu einigen anderen Erklärungsversuchen übergehend , habe ich
zunächst die Pflicht , dem Text des Stückes gegen seine bisherigen
Herausgeber zu seinem Rechte zu verhelfen, indem ich zwei Verse ein-
füge, die Mone übersehen hat und die eigenthümlicher Weise auch bei
Ettmüller fehlen. Es ist dies die 14. Textzeile auf Bl. 3 und lauten die
beiden fehlenden, dem Wächter gehörigen Verse nach v. 218 so:
se schryen un bellen,
sprek to dynen ghesellen.
V. 173: in beseien, für welches Ettmüller beschelen beschälen setzt,
finde ich das mhd. ser wund, sere verletze. Die mecklenb. Mundart
*) Lauremb. 4, 277:
de geven sülke staetlike resonanz
als ein vort in einem kalverdanz.
S. auch Dähnert p. 130 s. v. Forrt.
'') Lauremb. 2, 3G5: de purtader em hurst. S. nuch Dälinort p. ?>M s. v. Purten.
ZUM REDENTINER SPIEL. 195
sagt heute hesälen, versälen in der Bedeutung von „übel zurichten".
Ebenso ist schwäb. versohlen = tüchtig durchprügeln. Schmid schwäb.
Wb. p. 497.
V. 545 haben Mone und Ettmüller das handschriftliche tool in loe
ändern zu müssen geglaubt. Ganz mit Unrecht. Wol ist mnd. Pron.
interrog. u. relat. ; z. B. He hefft mey gefraget, lool in sin huis geivest war,
Buler und Biderin Act. 4 Sc. 1 (Schauspiele des Herz. H. J. v. Braun-
schweig ed. Holland p. 248), Wol licht dar? Wol is denn dat? ibd. 4, 7.
p. 256. Wol dat secht de wilt de werlt verkeren. Gl. B. 161. Wol kan dar ut
icat godes lesen? Verl. S. 504. Wol hy gode is de hefft genoch. N. u. V. 2610.
Wol bi em stund de must sin angsicht van em loenden. Lauremb. 2, 368 u. oft.
S. auch Dähnert p. 556.
V. 653. ik hehbe jo dicke hoi't unt is ok recht
dat de elre' here hedwynget den ekenen knecht.
Diese Abkürzung der Hs. glaubt Mone in elrere auflösen zu müssen
und da dies keinen Sinn gibt, setzt er edelre. Ettmüller schreibt dann
ganz kühn: d'edel here hedwinget den egenen knecht. Dadurch geht der
ganze Sinn verloren. Die Abbreviatur ist vielmehr nach der Analogie
von hyn'-=hynnene aufzulösen in elrene und somit der Sinn folgender:
der Herr, wenn auch nur von Ellernholz, bezwinget doch den Knecht,
wenn auch dieser von Eichenholz ist. Vgl. Gotfr. Hagen ed. Groote
V. 2913:
3Ien spricht, it sy unreicht off reicht:
linden here verivint eygen kneicht,
wo die Koelhoffsche Cronica van der hilliger stat van Coellen fol. 217
(in welche die Paraphrase des Gotfr. Hagen ganz übergegangen ist)
besser liest eychen. Der Sinn ist derselbe , nur ist charakteristischer
Linden- für Ellernholz gesetzt. Vgl. Wander Sprichwörterlex. H S. 546
s. Herr Nr. 251 ; Graf und Dietherr Rechtssprichwörter 32 Nr. 51: Ein
hölzerner Edelmann gilt mehr als zehn stählerne Knechte. Der Gedanke,
daß auch eine schwache Obrigkeit dem starken Verbrechen leicht ob-
siegt, ist häufig ausgedrückt. S. z. B. Helmbrecht (ed. Keinz) 1260 ff.
1622 ff. 1641 ff
Zu V. 663 latet jw allen und v. 904 latet allen s. Kosegarten Wb.
d. niederd. Spr. p. 220.
V. 1138. haveman hat mit haf Meer nichts zu thun, wie Ettmüller,
allerdings mit ?, meint. Auch Dähnert p. 179 erklärt es sicher un-
richtig als Hei'r vom Hofe , Edelmann. In dieser Bedeutung braucht
13*
]9G CARL SCHRÖDER, ZUM REDENTINER SPIEL.
(las Niedcrd. durchgehends eddelman. Vielmelir ist haveman Avie ralul.
hoveman der bäuerliche Hofbesitzer, colonus, s. Mhd. AVb. 2' p. 40 s.v.
hoveman.
V. 1232 scheint hinter ere nochmals ere zu fehlen. Die Auslassung
erklärt v^icli leicht durch die Gleichheit der Wörter.
V. 1244 liaben Moue und Ettmüller (v. 1237) das handschriftliche
vro mit Unrecht in vere geändert, vro mhd. vrü ; alzo vro = sobald als.
V. 1368 empfiehlt sich maken einzuschieben: konde ik maken küken,
da küken als Verb „Kuchen backen" nicht nachzuweisen ist.
V. 1412 hat Mone loboddem der Hs. in lohoden geändert. Doch ist
hoddem mhd. hodem richtige Form. Tivar jedes handioerk lool ein'n bod-
dem heft van golde. Lauremb. 1, 143.
V. 1495. has mede erklärt Ettmüller (v. 1486) als Schläge ans Knie
oder Durchschneidung der Flechsen am Knie. Kaum richtig. Mede ist
Miethe, Lohn, cf v. 83. Für has schlage ich vor hast, mnl. haest adv.
schnell, hastig ; also : gebt dem Krüger schnell seinen Lohn. Zu hast
cf. Lauremb. 2, 526 : so scholde ik mi hast möten vor lachen hekaken.
3, 143: und stracks snart hast igien kum wedder to mi saa. cf p. 229.
S. auch Dähuert p. 178.
Die Hs. ist nicht überall gut geschrieben und bietet zu vielen
Zweifeln Anlaß ; eine verschiedene Lesung ist an manchen Stellen
möglich. Ich gebe zum Schluß kurz ein Verzeichniss der Stellen, wo
ich außer den bereits oben angeführten von Mones Lesung abweiche:
V. 7 is. 18 jewelk. 82 en. 104 dat. 153 edder. 160 dynen synnen. 168
dreghen. 226 scholde. 252 dene. 286 hoke. 346 moghe. 354 dineme.
516 lool. 594 hest. 596 xoerMe. 618 desse. 622 schalt. 649 heschorenen.
656 ivelk. 662 de (vorkommend für Dat. cf 707) ne werlde. 671 wa-
rende (l. wardende). 684 ute lesen. 698 werlde. 101 de lant. 161 meghede.
769 torne. 794 welkene. 814 hegunde. 828 scheldent. 911 selsetie. 1012 vere.
1015 vorgulden schulden. 1032 sulven. 1113 hynnen. 1128 den puler.
1136 docke. 1159 kranke. 1258 wüsten. 1490 allene. 1492 henghet.
1540 dime. 1559 nuwerlde. 1641 we. 1657 toime. 1679 pfy. 1730 dich
alfo hillik. 1776 wo. 1779 hoddestu. 1785 leyder. 1926 voi^e. 1960 vore.
1964 don. 1973 van. 1977 dyne. 1994 uppe. 2010 nummet. 2013
14 loenme.
ERLANGEN. CARL SCHRÖDER.
197
ZUR LAUT-, WORT- UND NAMENFORSCHUNG.
VON
ALBERT HCEFER.
Die folgenden Artikel, ein buntes nach verschiedenen Seiten der deutschen
Sprachforschung gerichtetes Allerlei, das ich mit absichtlicher Bevorzugung des
Niederdeutschen fortzusetzen gedenke, sind bis auf einzelne Nachträge oder
Berichtigungen fast alle vor Jahren entstanden und niedergeschrieben worden.
Sechs derselben waren schon von Franz Pfeiffer 1865 im Herbste für den
10. Jahrg. der Germania S. 416 bis 424 unter anderer Überschrift gedruckt, wurden
aber von mir selbst zurückgezogen, weil ein siebenter über Nibelungen-
str. 1280A, hier no. II, stillschweigend und ohne Angabe von Gründen unter-
drückt, auch sonst in Schreibweise und Orthographie Einiges eigenmächtig und
willkürlich geändert worden war.
I. Nibel. Str. 628 und Das Gürtel.
In den Nibel. 628 A heißt es von Siegfried, nachdem er der Prün-
hilde das güldene Fingerlein von der Hand gezogen, 'dar zuo nam er
ir gürtel, — er gap in sinem wibe', während B und C an Stelle des in
bekanntlich iz, ez bieten, wie denn auch Holtzmann 689 und Zarncke
S. 103, 3 'er gab ez sime wibe' lesen. Ebenso neuerdings K. Bartsch
680, nur *^iz sinem'. An sich ist ja jenes in grammatisch ganz richtig,
sachlich wird indessen ez angemessener genannt werden dürfen : denn
Sti'. 790, 2 ist Kriemhilt im Besitze des Ringes und es Avird ausdrück-
lich bezeugt, daß Siegfi'ied ihr vne den Gürtel so auch den Ring der
Prünhilde gebracht habe ; ez wird sich also in C (und B) auf beides
vingerUn 688 , 3 und gürtel 689 , 1 zusammen beziehen , wofür es der
Beispiele kaum bedarf, doch vgl. Nibel. str. 2268^ 'tot und diu arbeit'
ob ez', Gramm. 4, 283 und Simrocks Übersetzung 'er gab sie seinem
Weibe'. Eine Anderimg entweder des ez in in oder des in in ez ist
also vor sich gegangen, aber mich dünkt am natürlichsten, in werde
mit Rücksicht auf die Str. 790. 792 zu ez verbessert sein. Was um-
gekehrt die augenfällige Verschlechterung des ez zu in veranlaßt haben
sollte, ist nicht recht abzusehen, — oder A müste jenes ez auf ein säch-
liches 'daz gürtel' bezogen und darum seinerseits durch in berichtigt
haben ?
Dieser Fall ist freilich nicht sehr wahrscheinlich, aber undenkbar
ist er nicht, — denn das Neutrum dieses Wortes ist in der
Geschichte des Deutschen keinesAvears unerhört.
198 AI.15ERT IICEFER
Aus dem Gotischen ist nur gairda, Fem. wie altn. giörd, bekannt,
ags. gyrdel ist nur Masc. Das Althochd. bietet aber nach Graff 4, 255
außer dem m. gurtil, cxirtil schon das fem. gurdila und das ntr. cuHel-
liu semicintia. Im Mhd. kommt das Masc. der gürtel vielleicht am häu-
figsten , nicht selten aber auch das Fem, diu gürtel vor , vgl. außer
Gramm. 3 , 449 und Ben. M. 1 , 593 , z. B. Ben. zu Wigal. S. 178,
Neidh. 16, 24, Haupts Zeitschr. 4, 359, Pf. Germ. 3, 219 v. 349 und
für die spätere Zeit O. Schade Pasq. 1, 108 und Schmeller 2, 71 — 72;
das Neutr. ist meines Wissens nicht nachgewiesen. Für das Neulioch-
deutsche endlich scheint nur noch das Masc. zu gelten, ebenso 'der
gurt', obgleich Luther 'die gurt' vorzieht *).
Auch im Schwedischen , Holländischen , Altfriesischen finde ich
nur männliches g'&rdel, gordel\ völlig anders steht die Sache aber in
Beti-eff des eigentlich Niederdeutschen, obgleich die Wörter-
bücher hier wie gewöhnlich im Stiche laßen, denn die einen führen
das Wort gar nicht auf, die anderen geben kein Geschlecht an, oder
sie kennen nur das männliche , so Schambach und Schütze ; Schütze
2, 54 bringt ein Beispiel aus Neocorus 'den roden gördel' und aus
Lauremberg 'baven den gördel', wofür nun Lappenberg 2, 68 'baven
dem gördel' liest, was Neutrum sein könnte. An Beispielen für das Masc.
fehlt es allerdings nicht, z. B. Neocorus 1, 95, 9 'bet up den gördel';
allein das Neutrum ist ohne Frage weit üblicher gewesen, wie mehi'
als zwanzig beweisende Stellen dartun.
Zunächst haben zwei Handschriften des Sachsenspiegels 1, 26
(s. die Varianten in Homeyers 2. Ausg. S. 59—60) wirt en monih oder
ene closter vrowe — — gecoren , so mögen si dat gurdel irer geicalt
hehhen, zwei andere lesen den gurdel \ sodann finde ich im Schäkspil 47''
ene zekele wol gebicket schal in sin gördel wesen gestricket und ebd. 65"
under sin gördel schal he scharten inen büdel; demnächst heißt es bei
HKorner Germ. 9, 270, 22, wie auch in der Hannöv. Hs. sm hard
waH eme langh uppe dat gördel, und ib. 281, 17 dat hadde ein gördel
umme-^ wie bei Grautoff 2, 423 dat Ugordel steht; ferner sagt Nie.
Gentzkow ganz gewöhnlich dat gördel, z. B. a. 1564 in Zobers Chro-
niken 3, 292 — 293 dat varsettede gördel vnd noch ein gördel ivelckt he für
30 fl. voi'settet', in der Stralsunder Kleiderordnung v. J. 1570, Baltische
Studien 21 S. 161 vor die groten gördel aver ein schildengordel , wie sik
dat sulvige mit oder äne vorblede . ... am besten schicken wil; in einer
*) Das Fem. die gurt fehlt in Jüttings Bibl. Wb., doch s. Weigand s. v. und
Frommanu Revision von Luthers Bibelübers. 11, 32.
ZUK LAL'T-, WORT- LIAD NAMENFORSCHUNG. 199
fmlieren Hainburi^cr Hoclizcitordnmiti; in Lapponborg-s 1Tb. licchtsalt. 1,
160 se mmt ome senden ein gorclel und enen hüdel ; endlich scheint die
Barter Bibel vom Jahre 1588 nur das Neutrum zu kennen, z. B, Mos.
28, 39 ein gesticket gwdel, ib. 39, 29 nnde dat gestickede göi'del van ivitter
getwernder siden, Spr. Salom. 31, 24, Baruch 6, 43 dat er dat gördel
icpgeloeset ivörde, 1 Maccab. 10, 89 und öfter.
Steht somit für das Niederdeutsche das Neutrum fest , so Avird
es vielleicht auch dem Mhd. nicht ganz fremd gewesen sein. Hoch-
und Niederdeutsch zeigen freilich gerade in Betreff des Geschlechtes
durchgreifende Unterschiede , aber ihre Abweichungen berühren sich
trotzdem nicht selten und wo das erstere schwankt, glaube ich oft Ein-
fluß des letzteren wahrzunehmen.
II. Zu Nibel str. 1280 zuo den wenden, Lachm.
Die berühmte Stelle der Nibel. 1280 A, 1367 C, 1340 B ist nach
einander von v. d. Hagen und Ziemann, Simrock und Lübben, Holtz-
mann und Müllenhoflf, Zarncke und W. Müller, Pfeiffer und Bartsch,
C. Hofmann und San-Marte, W. Scherer u, A., mithin so oft besprochen
und übersetzt , daß sie allseitig erschöpft scheint und dennoch bietet
sie zu einigen vielleicht nicht überflüßigen Bemerkungen Anlaß. Die
Frage bleibt, ob 'zuo den wenden , wenn richtig, dasselbe bedeute was
\inz an die wende' und ferner , ob wende selbst auf das Ende des
Pfeiles oder die Grrenze, den äußersten Rand des Bogens bezüg-
lich sei.
Daß das Subst. ivende in diesem oftmals nachgewiesenen Sinne
gemeint sei, nicht etwa zu loant oder dgl. gehöre, setze ich voraus:
das aus dem Brem. Wb. 5, 227 angeführte van end' to wend', oder enn',
wenn', das mir von Jugend auf geLäufig , hat mich hier wie bei dem
'enteo ni wenteo' des W. Gebets stets den rechten Weg gewiesen und
es lebt noch jetzt, synonym mit van ürt (ort) to enn' (W. Heyse Frische
Kamiten 22, 2) oder mhd. von ende unz ende, ze ende, von dem orte unz
an daz ende (bei Sommer zu Flore v. 7641) überall fort, vgl. Scham-
bach 294", Lyra plattd. Briefe 78. 158, Lütje Strohot 144 u. s. w. Dazu
kommt nd. wenden, fast aufhören, z. B. Utlegg. gem. düd. sprikw. 90",
11: er war in seinem Leben nicht weiter gekommen 'alse sine grenze
wendede', d. h. soweit als seine Grenze gieng , nicht über sie hinaus.
So natürlich nun der Singular des Wortes sein mag, so wenig scheint
der Plural der durch den voraufgehenden Phiral nur notdürftig gerecht-
fertigt wird, hier am Orte und darum ist sehr beachtenswert; daß zuo
200 AT.T5ERT IKEFEK
den wenden, was A angeht, auf Lachmanns Correctur beruht,
denn A hatte, wie Lachmaun selbst bestimmt ang^ibt, Vollmer aber ver-
schweigt, zuo den wende und dies kann trotz BD sehr ftlglich zuo
dem wende meinen , also ein sächliches wendi voraussetzen , das durch
daz leidwendi bei GrrafF 1 , 762 erwiesen und sonst schon vermutet ist,
vgl. Ben. Müller 3, 687\ Für das Nd. ist mir das Geschlecht des Wortes
überall und auch als Neutrum nicht erweislich.
Aber 'zuo dem wende' und selbst 'zuo den wenden würde vom
Ende der Pfeile sicher so nicht gesagt sein; bei 'unz an die wende'
C gebe ich die Möglichkeit eher zu, aber die Beziehung auf den Bo-
gen ist ungleich natürlicher: die Pfeile zu der Wende, oder zu den
Wenden, oder bis an die Wende, oder bis an das Ende ziehen Jh heißt
nach meiner Auffassung am einfachsten : die Pfeile soweit zurück ziehen,
daß ihre Spitze den oberen Rand, die Wende des Bogens berührt,
d. h. soweit als möglich, wenn sie nicht ihren Halt und Stützpunkt
verlieren sollen , gewis ein Zeichen der Kraft, mit der die wilden Pesce-
nsere die über die Höhe des Bogens weit hinaus reichenden Pfeile zu
ziehen wüsten. Ich stütze mich hiebei vornemlich auf nordische Sagen,
in denen das Spannen des Bogens bis zur Pfeilspitze oder darüber
mehrmals erwähnt wird*) und erinnere an Ilias 4, 123 vsvqyiv ^sv ^cc^a
TCsAaßsv, To^a dh öLÖrjQov die Sehne näherte er der Brust, dem Bogen
das Eisen oder die metallene Spitze, vgl. Guhl und Koner Das Leben
der Griechen 272 f.
So hat denn auch Simrock nach manchem Schwanken die Stelle
in der 14. Ausgabe S. 250 'mit Kräften sie die Pfeile bis an des Bo-
gens Ende zogen' übersetzt; ich sage lieber: die Pfeile zogen sie kräftig
hart zu dem Rande, oder: an den Rand des Bogens.
Ich brauche nicht erst zu gestehen, daß A in dieser Strophe,
von allem anderen hier ganz abgesehen, das Ursprüngliche am besten
tiberliefert zu haben scheint: ztio dem wende das deutlichen Anlaß zu
allen Änderungen bot oder selbst der Plural mag bestimmter als C sein ;
*) Ich verweise z. B. auf Olaf Tryggv. Saga cap. 126 bei Schöning 1, pag. 342
Einarr tok bogan oc dro J)egar fyrir odd örvar innar „arreptiim arcum Einai'us longe
ultra cuspidem (impositae) sagittae tetendit, Einar tog Buen, men drog den strax frem
for Odden af Pilen", und so auch bei Molmike S. 276 E. nahm den Bogen , spannte
ihn alsbald so, daß er vor die Pfeilspitze kam. Der Drack verbindet örvarinnar , die
Hss. C D lesen örina , aber sollte auch diese Stelle, was ich nicht nachzusehen ver-
mag, anders zu lesen und zu verstehen sein, so fehlt es doch nicht an anderen mit ähn-
licher Auffassung. Und Egilson übersetzt auch innar : et continuo cuspidem sagittae
intra cornu retraxit, wie es scheint, richtiger.
ZUR LAUT-, WORT- UND NAMENFORSCHUNO. 201
in sere und vaste liegt keinerlei Tautologie , mindestens ist vil sere —
mit kraß, viel dürftiger ; auch 'zen vogelen die da flugen steht nach
dem G-efiihle wol jedes Unbefangenen weit hinter 'da si flugen' zurück
und endlich die Wendung 'da wart des vil getan' ist geradezu uner-
träglich : kurz ich trage kein Bedenken , die Gestalt unserer Strophe
in C fast durchweg schlechter zu finden als die Überlieferung in A,
wozu B außer in da si flugen wesentlich stimmt.
III» Die ungebatten
bei Walther 23, 31 , wofür Lachmann 'die ungoberten' vermutet , ist
von Simrock 'die Ungestraften, von Pfeiffer S. 198 'die Nichtsnutzigen
übersetzt , indem der letztere auf das Verbum baten zurückgeht und
das von J. Grimm DWb. 1, 1157 erwähnte nnhate Unart, der 7mhatfe
homo nequam vergleicht. Aber die 'imgebatten sind hier vielmehr wört-
lich die Ungeförderten, Ungebesserten, weil nicht gezüchtigten. Das ist
was der Sinn verlangt und das liegt unmittelbar in dem Worte. Bei
der Erziehung, welche Salomos Lehre misachtet, sind beide Teile be-
trogen, die Eltern, die ihre Kinder versäumen, kommen dabei zu
kurz und die Kinder selbst haben vollends keinen Nutzen davon, —
sie bleiben ohne Zucht und folglich 'äne ere'. Die ungebatten sind die
versümeten im Gegensatz zu den ir kint versümenden.
Das Verbum baten welches nebst batten im Hochdeutschen nie
recht üblich gcAvesen zu sein scheint, ist doch, wie diu bäte, batelos u. a.
zeigt, nichts als das im gesammten Niederländischen und Niederdeut-
schen allgemein verbreitete, feststehende baten, von dem Grimm manche
Beispiele aufführt, die sich, wenn es dessen bedürfte, leicht vermehren
ließen. Die Übereinstimmung des t spricht für Entlehnung da wo baten
am wenigsten heimisch ist, statt dessen meint Grimm es nun als rein
hochdeutsch gerechtfertigt und seine [nirgends behauptete] Herkunft
aus baz abgewiesen zu haben. Natürlich ist nun der Sündenbock wieder
das Ndl. und Nd. und warum? Um von ahd. unpata lentus, alts. gibada
u. a. abzusehen, auch deshalb, weil Herbort der zweimal im Reime
t hat, einmal v. 2697 baden : bestaden gibt. Allein dergleichen vereinzelte
d für t beweisen nichts , nd. baten zu bat steht unerschüttert fest und
wer sich nicht überwinden kann, für das Hochdeutsche Entlehnung oder
Ausweichung einzuräumen, nun der sehe sich da wo es geboten, nicht
aber für nd. baten, nach einem anderen Stamme um.
IV. Ungesühte und die Partikel un.
Statt ungesühte bei Walther 20^ 4 in der berühmten Stelle 'in den
oren siech von ungesühte', wo Lachmann an von ungesunde dachte, hat
202 ALBERT HOEFER
Pfeiffer von ungeschihte Germ. 5 , 3G umstäudlich zu rechtfertigen ge-
sucht und dann bekanntlich in seine Ausgabe S. 202 aufgenommen.
Aber 'durch uugUickhchen Zufall ohrensiech sein oder etwa 'wer das
Malheur hat, an den Ohren krank zu sein' hat Walther sicherlich nicht
sagen wollen und da sich außerdem gar nicht absehen lässt, wie im-
gesühfe, das nach Pfeiffers Ansicht überhaupt kein Wort und auf jeden
Fall sehr wenig gebräuchlich war, an Stelle eines so geläufigen Wortes
wie ttngeschiht hätte kommen sollen, so darf diese nur durch die äußer-
lich nahe Berührung beider Wörter sich empfehlende Conjectur schwer-
lich als eine gelungene bezeichnet werden.
Inzwischen ist aber das beanstandete Wort auch von Haupt zu
Neidhart 170, 77 in einem dem letzteren beigelegten Liede der Wein-
garter Hs. B, also derselben die allein unseren Waltherschen Spruch
übei'liefert, für zu ungemach das c bietet, nachgewiesen worden, daraus
erwächst uns also die Pflicht, das Wort , anstatt es einfach über Bord
zu werfen, zu erklären und wo möglich zu rechtfertigen.
Das simplex gesühte, gesuhte , gemht , gew. st. fem., bei Pfeiffer
Zwei d. Arzneibücher 39, 23 und 40, 1 sächlich, heißt Krankheit, Siech-
tum, auch Fieber; in der Schweiz hat es nach Stalder 2, 418 die ein-
geschränktere Bedeutung 'rheumatischer Schmerz, Gliederweh' ; wieder
etwas anders gilt im hiesigen Plattdeutsch der plur. de suchten, noch
bestimmter süchtich von dem der schlechte Säfte hat, ungesund ist, 'dat
kint is Süchtich' heißt nicht : es ist krank , sondern : es ist ungesund,
leidet an Ausschlag u. s. w.
Was kann nun das mit un verbundene ungesühte bedeuten?
Pfeiffer sagt S. 37, ungesühte, sollte man meinen, bedeute das Gegenteil^
„denn die Partikel un ist, wenn auch nicht immer negativ, doch stets
privativ, schwächend, vgl. Gramm. 2, 775." Allein diese Bestimmung
reicht für das schwierige un nicht im entferntesten aus und entspricht
nicht einmal völlig dem was Grimm in seiner wenn auch keineswegs
erschöpfenden, doch überaus lehrreichen Darstellung schon ermittelt hat,
vgl. 1. 1. 776, 782, 1018 und öfter. Selbst das einfache von Pfeiffer be-
nutzte ungeschiht Untat, Misgeschick, würde sich nach jener Regel dem
Worte geschiht Begebenheit, Zufall etc. gegenüber nicht einmal völlig
begreifen lassen, oder soll man Untat gegen Tat geschwächt nennen ?
Wie wenig ?m stets schwächt, wie entschieden es vielmehr ver-
stärkt haben muß, sieht man am deutlichsten wol daraus, daß es noch
heute in manchen Gegenden für sich allein als Adverbium sehr bedeutet,
schAväbisch sogar: mich hat un gefroren, es regnet un, v. Schmid S. 524,
woran sich dann nach Stalder 2, 423 das Adv. unig, onig, sehr^ schließt,
ZUR LAUT-, WORT- UND NAMENFORSCHUNG. 203
das nach Tobler S. 433 nebst nunig für ungeheuer, auch adjectiviseh
gebraucht wird, en uniga ma ein ungeheurer Mann, e n'unige bera eine
außerordentHch große Birne. Wie das letztere eine neue Bildung von
un scheint, so ist dieses sicherer aus der Zusammensetzung gleichsam
abgezogen , d. h. aus Untier , Unmensch u. dgl. übrig geblieben und
selbständig geworden.
Soweit ich den Grebrauch des un übersehe , glaube ich folgende
Fälle hauptsächlich unterscheiden zu dürfen: 1) ?fn negirt schlechthin
und zwar den ganzen Begriff; 2) es negirt nicht den vollen Inhalt
eines Wortes, sondern einen damit verbundenen Nebenbegriif und zwar
a) des Brauchbaren, Nützlichen, Guten oder b) des Gewöhnlichen, Her-
kömmlichen, Natürlichen, Regelmäßigen *). Daher kommt es denn, daß
es 3) verkleinert und verschlechtert und 4) verstärkt, steigert und über-
treibt. Endlich 5) schwächt sich aber der durch un zugeführte Neben-
begriff wieder ab oder verliert sich im Laufe der Zeit so völlig , daß
die Composita mit un den einfachen ohne un ganz gleichstehen und
6) trifft es sich nicht selten, daß ein und dasselbe Wort geradezu ent-
gegengesetzte Bedeutungen hat, sofern es durch ?/n teils als negirt, teils
als verstärkt erscheint, sowie denn auch 3 und 4 nicht immer strenge
zu sondern sind.
Obwol die alte Sprache, wie undiet , ungeivürme u. a. zeigt , Bei-
spiele der 3. und annähernd auch der 4. Art besitzt , so ist doch die
letztere vorzugsweise in der neueren Zeit und namentlich in den
Dialekten entwickelt, die eine reiche Ausbeute gewähren. So finde
ich denn ad 3 und 4 bei Stalder Unkuli , Unschaf , Untiase, Unmaul,
*) Daß diese Erkläiiing richtig ist, zeigen Unmensch, Unweib (mhd. concubina),
Unstern, Untier, Unkraut u.a. schlagend, denn Unmensch, Unkraut bleibt Mensch
und Kraut, aber menschlich heißt uns schon was einem guten, rechten Menschen zu-
kommt, Weib steht oft für 'ein echtes, gutes Weib', Stern für 'guter glücklicher Stern,
imd eben das ist es, was hier durch un aufgehoben, negirt wird. Ebenso bleibt die
Unnase eine Nase, aber es ist nicht mehr die gewöhnliche, natürliche. Vgl. Naso, na-
satus, eigentlich nur wer eine Nase hat, wo aber in der Erwähnung des sonst selbst-
verständlichen schon das ungewöhnliche, außerordentliche angedeutet liegt. So auritulus,
in welches der Begriflf lang erst auf gleiche Weise hineinkommt u v. a. Manche ganz
ähnliche Beispiele bieten ältere deutsche Namen, so finde ich in Hannoverschen Ur-
kunden a. 1369 Henning mit der neze (i. e. Nase), (anders in Uhlands Volksliedern 1,
403, 10 Sivert mid der halven nesen) , in Braunschweigschen a. 1373 Heneke mit den
dümen, a. 1385 Henning mit dem heue neben H. mit den doyken beynen (mit den dicken
Beinen?) u. s. w. Wieder anders und doch ähnlich z. B. Adjectiva wie das von E. M.
Arndt gebrauchte beinig im Sinne von 'auf den Beinen, flink, gesund', das auch hier
noch ebenso gebräuchlich, vgl. meine Schrift über E. M. Arndt S. 97 und 140.
204 ALBERT IICEFER
Untier großes Masttier , bei Tobler noch ohond großer Hund , (nnenig
üble Meinung, oblätsch Unmenge, bei Schöpf Unkenner großer Kenner,
bei Schmeller Unhöh, Unverdruas , bei v. Schmid Unlärm, bei Lexer
Unochse u. s. \v.
Lehrreicher und vielleicht auch zahlreicher sind dann die A d j e c-
tiva derselben Art, obgleich Grimm 779 kein Beispiel anzuführen hat.
Wieder verzeichnen Schmeller und Schöpf z. B. ungross, unreich, unlang,
untief sehr tief (in Baden unschicer sehr schwer) , Lexer unhoch u. a.,
Vilmar unschlecht übel, imbarbarisch ungeheuer, das auch Kehrein Volks-
sprache in Nassau S. 60. 416 und Schmidt Westerw. Idiotikon kennen.
Kehrein S. 159 hat außerdem ungeneussig d. h. etAva genußsüchtig, ge-
fräßig, wozu die hiesige, zumal ud. Volkssprache unbegevlich , unver-
langlich bietet, unmäßig im Begehren, zu viel verlangend. Überhaupt
ist das Nd. reich an solchen Bildungen , ich erwähne noch aus dem
Brem. Wb. 5, 151 — 2 (außer unnask) bes. unströmig rasch, ungestüm,
das mir dem von H. Rückert zu Ködiz v. S. S. 147 beigebrachten
türing. unstormelich , überaus stürmisch , gleichzukommen scheint , aus
Stuerenburg unmiss unrecht, unwanbandig ungeheuer, wie das simplex,
worüber nächstens mehr, ein Gegenstück zu unbarbarisch. Daran reiht
sich bei Schambach 244'' unplump und unplümpsch plump, ungeschlacht,
von allen leicht am weitesten verbreitet , denn ich finde es noch in
Fr. Reuters L. u. Rimels S. 27 (unplümpsch ungeschliffen) und schon
zu Anfange des 16. Jhd. wird ein Braunschweiger Dichter in eines
Hildesheimers Antwort Her Umpenplump , Her Esels Ohr gescholten,
s. hinter Lüntzels H. Stiftesfehde S. 204, 3, sicherlich nur aus umplump
entstellt. Daneben begegnet , aber wol ganz verschieden , urpUimplich
in plötzlichem Sturze, v. Schmid S. 526. Ob auch nd. tmmanech geringe,
klein, kurz, dem unmenge, unmäte, unwise u. a. entsprechend im Sinne
von 'sehr viel' gebraucht werde^ ist zweifelhaft, doch dürfte dies nicht
für Eike 572 'mit unmanegeme riddere anzunehmen sein, vgl. ib. 584.
Von Participien kenne ich nur das eine aber merkwüi'dige un-
vergessen, sehr vergeßlich, Schmeller 1, 73.
Dienen diese Beispiele zum Teil schon für no. 5 , so beweist da-
für noch mehr der Fall , wo beide Wörter mit und ohne un als Va-
rianten in gleichem Sinne stehen, z. B. unplozlich und plutzlich bei Ködiz
von Salfeld 61, 25 vgl. S. 147.
Als Beispiele endlich der 6. Art erinnere ich an Unkosten, nach
Stieler idem quod kosten, Unmühe ludus, facultas, Untiefe seichte Stelle
und nach Schmeller große Tiefe. Desgleichen gibt Stieler 2, 464 auch
Unirind als Windstille, Stalder als gewaltiger Wind, Sturm, und ebenso ge-
ZUR LAUT-, WORT- UND NAMENFORSCHUNG. 205
braucht es Kantzow in Böhmers Ausgabe S. 41 : ein uiuvint is erstegen
lind lieft alle schepe nmgesfortet. Hieher gehört auch oben unhegerUch,
bei Stieler detestandiim.
Hiemach ist nicht zweifelhaft , daß Walthers ungesühfe , welches
an sich freilich 'Gesundheit' heißen könnte, wie ungesuekd nach Stueren-
burg 298 'gesund , unangesteckt' heißt , in unserer Stelle weniger auf
Gicht, Fieber oder dgl. als vielmehr auf allgemeines Siechtum gehe
welches oft, wie ich höre, gerade Ohrenkrankheiten zu Folge hat. Ich
übersetze also : wer von bösem Siechtum ohrenkrank ist , der meide
den Hof zu Türingen , denn kommt er dahin , gewis er wird verrückt.
Ein Wvinder, daß da nicht alle taub sind. Also : da muß man starke
Ohren haben, sonst wird man taub, wer ohnehin schon schwache Ohren
hat, wird verrückt. Der Gedanke scheint an sich richtig und hier ganz
angemeßen , von Tautologie ist darin so wenig als wenn man sagte :
in Folge einer Hautkrankheit augenkrank sein. Dennoch gebe ich zu,
daß ungesühte ähnlich wie das schweizerische Wort auch eine beson-
dere Bedeutung gehabt haben kann und überhaupt wahrscheinlich
volkstümlich und dialektisch war.
Vergleichen wir hiemit endlich die andere Stelle, Neidhart 170, 77,
so finden wir unser Wort mit der Variante ungemach in demselben Sinne,
nur in anderer Verwendung wieder. Der Dichter des Liedes sieht in
seiner Nähe eine Prügelei entstehen bei der er ratsam findet, sich eilig
aus dem Staube zu machen, loan ich vorhte des, mir würde der umhe-
sniten da d. h. wol : denn ich fürchtete, es würde dabei etwas für mich
absetzen , abfallen (Haupt : der Abfall der Schläge käme auf mich).
Dann heißt es weiter: ich weiz wol, und het ich daz vermitten, ez wcer
mir komen z' ungesuht, und später fürchtet er, wenn er zu nahe käme,
'daz würde Uhte mm iinheiV. Der Zusammenhang ist also ganz klar,
wörtlich : es wäre mir zu bösem Siechtum ausgeschlagen , ich wäre
nicht gesund geblieben, nicht mit heiler Haut davon gekommen. Die
Variante zu ungemach sagt dasselbe mit einem gewöhnlicheren Aus-
drucke, aber allgemeiner und farbloser.
V. Endig, TInende.
Die Geschichte des anscheinend so leichten Wortes Ende ist noch
heute nicht abgeschloßen und lässt sich auch , ohne genauer in das
Niederdeutsche einzugehen, welches in Bedeutung und Ableitung man-
ches Besondere bietet, gar nicht völlig übersehen. Selbst ob dem Hoch-
deutschen je ein Adjectivum endig zugekommen sei, istungewis: Graff
und Ben. Müller verzeichnen nichts der Art , auch Grimm hat es in
2(T) AI.BERT iia:FEK
seiner fleißigen Sammlimg 2, 290 — 307 nicht erwähnt, das in Compo-
sitis erhaltene ahd. andic, entic, ondic vielmehr ausdrücklich zu andi frans
nicht zu anti^ entifims gestellt, vgl. 2, 298 und 730: „Grundlage scheint
andi nicht anti, enti^. Später im Wörterbuche macht er aber Graff den
Vorwurf, 1 , 363 andi, endi fehlerhaft von anti, enti ib. 355 gesondert
zu haben, — „die Begriffe anpi frons und andeis finis müßen sich all-
mälich geschieden haben, anfangs aber gehören sie zusammen".
Höchst wahrscheinlich richtig. Auch im Sanskrit heißt anta Ende
und das daraus entstandene pränta i. e. p^a-anta Rand, Ende, Spitze
hat, wie mir scheint, in dem dazu gehörigen lat. frons (im Bemer Wb.
uorhoft Diut. 2, 215'') die Bedeutung von andi angenommen: anta. und
frons wären eines Stammes wie anti und andi*). S. Grimms Kl. Sehr.
2, 37. Übrigens weiß ich, daß Pott Namen S. 107 u. A. die Entstehung
des lat. fr aus pr leugnen und frons völlig verschieden zu erklären
versucht haben.
Eher als aus Zusammensetzungen wie achtendig , selbst unendig
wird man vielleicht aus dem Verbum endigen das Adjectivum zu er-
schließen berechtigt sein: für eine große Anzahl von Verben auf igen
laßen sich hier oder da die entsprechenden Nomina in der Tat nach-
weisen, wie für händigen, behelligen, heglaubigen, befehligen, betvältigen,
für viele andere aber wie beschönigen, beseitigen, huldigen, vereidigen,
•peinigen sind sie nicht erweislich und auch wol nicht immer vorauszu-
setzen , mithin werden einzelne wol nach Analogie der anderen ent-
standen, Grimm 2, 307 sagt 'unorganisch' sein. Auch im DWb. 1, 461
spricht er bei endigen von 'unorganischer Einschiebung' , indessen
lehnt er mit Recht die Ansicht ab, daß ahd. i, j (vgl. ention, eutjan,
ags. endigan) nachgewirkt habe, wogegen W. Wackemagel in Haupts
Zeitschr. 5, 323 auf die bekannte Verhärtung dieses j das nhd. ig zahl-
reicher Factitive zurückführt, unter ihnen auch unser endigen. Aber wo
wäre das Wort , welches nach Grimm kaum vor der zweiten Hälfte
des 17. Jhd. aufkommt, die vorigen Jahrhunderte über geblieben?
Zu den wichtigsten Bildungen von Ende gehört ohne Zweifel im-
ende und unendig. Daz unende, unenti n. ist als arsXfia, kein Ende, Un-
endlichkeit, Ewigkeit bei Grimm 2, 776 und Graff 1, 357 nachgewiesen,
dazu kommt Diut. 1, 499* unenti mihili : infinite maguitudinis ; sodann
in Predigten des 13. Jhd., Fundgruben 1, 77, 25: natern unde slangen
*) Beiläufig bemerke ich, daß skr. anta m. und n. ist wie anti, ende und wie auch
nd. ende vielleicht öfter als Masc. denn als Neutnun besregnet, entsprechend dem got.
masc. andeis.
ZUR LAUT-, WORT- UND NAMENFORSCHUNG. 207
ein nnende, eine Unendlichkeit, Unzahl; in anderem Sinne, der sich doch
aus dem verschiedenen Gebrauche von ende selbst ergibt, begegnet es
dann im Nd., so Flos u. Bl. bei Bruns 233, 196 se sprak, dat were en
unende, dat wi Blankflosse slogen dot, d. h. nicht: das wäre zwecklos, son-
dern: schändlich, nichtswürdig. Denn schon Stiel er 1, 376 hat: Gnende,
alias Unfug, iniquitas, iniuria, Schmeller 1, 76 und Schöpf 105 geben
dafür viele Beispiele und kennen auch beide unendig, unendlich, nichts-
nutzig, ausgelaßeu. In Betreff des letzteren , nd. unendelik , unendelk,
verweise ich auf BWaldis 4, 19, 19 sie war unendtlich und untüchtig,
F. Bech in Germ. 6, 58, Fidicins Berliner Stadtbuch und Urk. 2, 102^
unendig dagegen ist aus BWaldis 2, 10, 23 und 61, 3 zu belegen,
aber dort ist es 'böse, niederträchtig', während es hier von einem ein-
fältigen Knechte 'unfertig, ungeschickt, träge' zu bedeuten scheint.
Hiezu ein nd. Beispiel in den eben von Hänselmann herausgegebenen,
von Dr. Schiller erklärten Braunschweiger Chroniken 1, 152 -* a. 1396
voi'd so icas hir ein umvise (Unsitte) de dem räde unendech wesen duckte,
wo es nicht 'zweckwidrig' sondern vielmehr stärker 'verderblich , ab-
scheulich' zu bedeuten scheint.
Von hier aus würde sich die Bedeutung eines einfachen endig,
endelich, endlich leicht ergeben und in der Tat ist das letztere im Sinne
von strebsam, fleißig, tüchtig bis in die neuere Zeit überaus häufig ge-
braucht s. Grimms Wb. 3, 458 u. 462, Stieler 1, 377 und z. B. Lappen-
bergs Brem. Geschichtsquellen 125, wo endeliken nicht endlich, zuletzt
ist , sondern wol schnell , rasch , vgl. u. A. Reineke 5322 und auch
Braunschw. Chron. 375 dar en kan es nen endelik antworde af iverden.
Und ähnlich verhält es sich denn auch mit endig, welches, wenn auch
im Hochdeutschen kaum nachweislich (bei Kurz im Register zu BWaldis
steht es, doch ohne Stelle), im Niederdeutschen um so üblicher ge-
wesen sein muß. Dafür spricht nicht blos im Laiendoctrinal S. 186
endigheit, nach Scheller Nützlichkeit, Zweckmäßigkeit, während es wol
Tüchtigkeit' meint, sondern noch mehr das Adv. endigen rasch, schnell,
von welchem als veraltet das Brem. Wb. 1, 307 schon ein Beispiel hat:
und rilstede sick gegen de Bremers ser endigen, während es in der Barter
Bibel hundertfältig begegnet, z. B. Hiob 9, 12; Esther 3, 19; Hist. v.
Sus. 38; Tobias 11, 10, oft im Daniel imd wol überall. Auch in einer
Wittenberger Ausgabe des Neuen Test. v. J. 1537 in der Vorrede zu
Thessal. 1 heißt es : vam dage xvo de sülfte kamen schölle endigen
unde snel.
Somit ist denn ertdig nun wol außer Zweifel gestellt und damit
das Verbum endigen gerechtfertigt.
208 ALBERT HCEFER
Schließlich erwähne ich noch des von Grimm im Wb. 3, 458 er-
klärten Adj. endel und seines von GrafF für das Ahd. und nun auch
für das Mhd. und Nd. nachgewiesenen Superl. entilost, endelost, endeist,
um dabei an endümeri in Notk. ps. 71, 8 (gleich loendelmeri, schon bei
Frisch 2, 439") und an Wackernagels sinnreiche Conjectur zu Walther
S. 108, 22 (Lachm. 72, 21) zu erinnern, unendelmt, was dann Einl. p. 36
vielleicht ohne Not gegen und endelost aufgegeben ist. Denn wenn nicht
un hier gar verstärkt, warum könnte es nicht 'unendlichst, grenzenlos'
sein? Sodann weise ich zu dem nd. endeist der Gosl. Bergges. p. 283
auf die neuniederdeutschen, zum Teil auch von Fr. Reuter verwendeten
Superlative hinnelst oder hindeht, hüstelst, hier auch innelst, uetelst hin,
die ich später einmal weiter behandeln werde.
VI. Präpositionale Adverbien auf -er.
Wer das Niederdeutsche aus dem Leben kennt, wird gewis jenes
den Adverbien mancher Präpositionen angefügte -er gehört haben wel-
ches hie und da fast eh, e lautet, daneben aber als ursprüngliches -er
überall deutlich durchklingt. Dieses -er ist übrigens auf die mit her-,
hier herr- oder hr-, r- beginnenden Formen beschränkt, man sagt also
herr affer oder hrajfer, raffer, hranner^ hrinner, hernacher, hrümmer, hrupper,
himter, niemals anner, inner, upper. Woher nun dieses er? Man ist be-
kanntlich gewohnt, es mit derlei kleinen Absonderlichkeiten des Nieder-
deutschen nicht allzu genau zu nehmen, das Niederdeutsche hat als das
platte eben ein Privilegium auf allerhand Unorganisches, ob dergleichen
etwa auch im Hochdeutschen vorkomme, wird nicht einmal immer ge-
fragt, oder es wird hier mit dem Einfluß des Niederdeutschen entschul-
digt, als 'Niederdeutsch' abgetan, während man dieses wirklich doch
viel zu wenig kennt, um so wie täglich geschieht, damit umzuspringen.
So ist denn auch unser -er nach altbeliebter Lehre von Anhängseln
oder als euphonische ! Veränderung (s. Z. f. d. Mundarten 6, 230) be-
urteilt, im günstigsten Falle als ungehörige Nachmacherei von herachter,
herunter, allenfalls von herausser, was hd. gehört wird und ausser, üzer
enthalten könnte. Jul. Wiggers' kleines Lehrbuch der plattdeutschen
Sprache, das in verdienstlicher Weise echt Volkstümliches hervorhebt,
übergeht unseren Fall , auch F. Wigger der bei dem Hochdeutschen
das Plattdeutsche berücksichtigt , erwähnt ihn nicht , aber Müllenhoff
Glossar zu Quickborn S. 313 sagt: „Raßer herab, ebenso ropper, rüter,
herummer nach falschen Analogien gebildete Adverbien , die im
Sdtm. noch sehr fremdartig klingen". Schwerlich richtig, denn jenes
-er ist vielmehr bestimmt nichts anderes als her, welches auch sonst
zun LAUT-, WORT- TND NAMENFORSCHUNG. 209
verdoppelt vorn und hinten hinzutrat, hier aber um so gerechtfertigter
schien, je mehr das erste beginnende her verdunkelt war. Die Bestäti-
gung bietet hd. herahher, harzuohar, abher, üzher, fürher, nachher , vgl.
W. Wackernagel s. v. her und Ben. Müller 1 , 688''. Grimm , welcher
die Sache etwas zu kurz abtut, führt gleichwol 3, 212 aus Luther ahher
und sonst aussher an; ich begnüge mich, noch folgende Beispiele hi»
zuzufügen: aus Murners Schelmenzunft, Halle 1788, S. 27 kein schelvf
dasselh herauzher sagt, S. 43 den dreck im sih herumhher schütlen,
aus Arch. ou corresp. inedite de la maison d'Orange-Nassau, Utrecht
1857, um d. Jahr 1580 hemacher und naher Portugal ajfaren, aus Bou-
terwek zur Gesch. der Wiedert. S. 96 u. 98 nacher Munster schicken,
aus Uhlands Volksl. 1, 69 herumhher, 2, 588 rummer gän, ib. 753 heimer
(bei W.Wack. herheimer), endlich aus den Deutschen Städtechron. 3, 361
herrinner reit.
VII. Ein Stücker acht*).
Der vorstehende Aufsatz führt mich auf ein anderes -er der deut-
schen Volkssprache welches vorzugsweise vom Niederdeutschen Licht
erhält, obgleich es nach manchen Deutungen und ohne Rücksicht auf
jenes namentlich von Grimm im DWb. 3, 114 richtig erklärt ist.
Die Überschrift deutet bereits an, daß ich Redensarten wie ein Pfunder
neun, nd. en stücker fif im Sinne habe , in deren er man mitunter ein
Zeichen des Genitivs zu erblicken glaubte. Die volle Ausdrucksweise
da innerhalb einer gewissen Grenze die Zahl selbst unbestimmt bleiben
sollte , verband gewöhnlich das Zahlwort ein und die äußerste wahr-
scheinliche oder erlaubte Zahl durch oder, also z. B. ein oder acht im
Sinne von 'etwa, an, gegen, höchstens acht'. Das Gezählte konnte da-
bei nach der zweiten Zahl gestellt werden , als : en edder f öftein man,
einen oder drei Gulden, Luther : einen oder zioeen Tage ; gewöhnlich aber
hatte es seinen Platz nach der ersten Zahl, so mhd. ein tac oder dri,
nhd. ein gülden oder funfzehen, HSachs: mit einem Gulden oder acht.
Diese zweite Weise welche noch heute im Englischen herscht (doch
sagt man auch four or five days), galt auch für das Deutsche, zumal
*) Ich laße auch diesen Artikel im Wesentlichen unverändert, obgleich derselbe
Gegenstand neulich von Fr. Latendorf in der Germania 13, 202 eingehend, doch nach
anderen Seiten und mit anderem Ergebnis wieder besprochen ist. Vgl. auch Kellers
Anm. zu Ulenspiegel 36 in Germ. 12, 97. Zugleich erwähne ich, daß der Ausdruck
ein Taler sehne vor einigen Jahren in Berlin Veranlaßung zu einem Processe geworden
ist, indem darauf hin 10 Rthlr. statt 1 Rthlr. 10 Sgr. gefordert wurden. Das Gericht
entschied für das letztere.
GKKMANU. Neue lleihc JI. (XIV .; Jahr-. 14
211) ALBERT HCEFEK
bei weiterem Abstände der Zahlen, als Regel und eben sie ist es, ans
der „mit gekürztem und einverleibtem odei^^ unser volkstümliches ein
Tager drei, ein Guldener acht entstanden ist.
Diese Erklärung liegt nun für das Niederdeutsche um so näher
als hier neben odei^ auch edder und eder auftritt , letzteres aber auch
selbständig mitunter zu eer, er wird, sowie oder zu oer, engl, or, vgl.
z. B. Lüntzel 223, Brem. Wb. 1, 292. 3, 266. Die Schriftsprache be-
hält inzwischen, wie sich von selbst versteht, in der Regel die vollen
Formen. Als Beispiele mögen dienen aus J. Lindemanns Memorialbuche
S. 6 einen artikel edder sosse (a. 1560), aus N. Gentzkow 305, 5 1 last
edder vier sins roggen (a. 1564), ib. 311 p. m. ivolde aver einen dag ed-
der 2 dnip antwcn-den, ib. 335, 6 dM costede mi lool 1 mark eddei' achte.
Hiezu kommen , um nur noch einiges besondere hervorzuheben,
manche einzelne Ausdrücke, indem statt ein eine andere Zahl steht
oder die größere der kleineren vorangeht, so : zxcair daumein lang oder
dreir, bei Grimm ; umme ses ors oder seveyie, in holst. Urk. ; ht 4 edder
5 stunden'^ mit twen edder einem streke langer horden, Zober 3, 436;
miner meister vier oder dri, Docen 2, 50; indem mehrere oder folgen:
nän (noch ein) dänsken 'r tice of dre, bei Lyra 186; ein tage^- drei oder
viel' Germania 12, 97; mit anscheinend fehlendem oder', ein hundert vere
eddei' vwe, irgendwo in den von Lisch herausgegebenen Mecklenburger
Jahrbüchern, d. h. nämlich nicht 104 oder 105, sondern: etwa vier oder
fünf hundert; ebenso in Z. f. Lüb. Gesch. 2, 317 ein hundert mark dre
oft ver , oder bei Waldis im Esop 1, 76, 5 ein stundt drei oder vier,
den Zeitraum einer Stunde drei- oder viermal , also : drei oder vier
Stunden, so daß oder welches meist wol stehen könnte, dem eigentli-
chen Gedanken nach doch kaun^ vermist wird. Ein dabei stets als
bloßen Artikel zu nehmen scheint nicht nötig. Hievon würden denn
Ausdrücke wie: ein drei oder viei' Jahr, es ist ein vier Jahr her x\. dgl.
kaum verschieden sein ; ein zioei Stunden fröhlich sein u. a. bleibt je-
doch zweifelhafter, es kann anders sein als: ein acht Tage lang, eine
Woche, also ein oder zwei Stunden meinen. Wieder anders ist bei Linde-
niann (Zober 2, S. 10) ein schief oder etzliche ausi-usten, ohne bestimmte
Zahl. Wenn es dagegen in einem Ostern 1869 erschienenen Programm
in einer nd. Übersetzung aus Homer en hunnerter dre un söstich heißt,
so ist das nicht bloß ein unerhörter , sondern offenbar auch falscher
Ausdruck, der wenn er richtig sein sollte, 63(X) bedeuten müste, wäh-
rend er 163 meint.
Von einer bei Wiggers S. 33 erwähnten besonderen Form auf ei-ne,
'jt Jdlerne tn-infirh, kenne ich kein Beisiiiel ; docli finde ich bei Fr. Reuter
ZUR LAUT-, WORT- UND NAMENFORSCHUNG. 211
oft 'n jorener hoe , 'n stückener fößich, bei Vilmar Hess. Id. 289 ein
Wochener vier , wo wol Beispiele wie guldener ttve eingewirkt haben.
J. Brinckmann hat 'n fotere dre ore vier, und hier in Pommern sagt man
richtig 'n dach-er acht (neben dag-er) und 'n dälere twintichy letzteres
für daler-e)', mit hie und da noch sicher gehörtem e, das aber meist
schon aufgegeben ist, also: 'n däler hointich.
VIII. Swommen, Swummen.
Daß HofTmann die im Reineke v. 768 durch den Reim auf brummen
gesicherte und dann auch in der Germania 9, 451 aus dem Brem. Wb.
und durch zwei bekannte Stellen bei Bruns S. 135 und 356 etwas zag-
haft bestätigte nd. Form 'swummen unerhört nennt, war mir entgangen,
wenngleich ich sie zum Wörterbuche, wo sie fehlt, längst nachgetragen
hatte. Mit demselben Unrechte mit dem Hoffmann sie in der Einleitung
S. 7 verdächtigt und v. 773 u. 780 gegen die Drucke A und B sogar
beseitigt hat, hat dann auch Ettmüller hinter den Sprüchen Witzlavs
S. 64, 5 das von Bruns S. 135, 5 mitgeteilte sioum.met, ohne über die
Nötigung oder Berechtigung dazu auch nur ein Wort zu verlieren, mit
swimmet vertauscht und so hat weiter auch Kosegarten in seiner Aus-
gabe des Ludolf v. S. S. 41 , 6 an derselben Stelle swemmen gedruckt
wo A. Partz in seinen Mitteilungen aus des Ludolf Reisebuche in v.d.Ha-
gens Germ. 6, 64 nach demselben Wolfenb. Cod. Blancob. swommen
gegeben hatte. Dennoch war das nd. swommen. schon zu BWaldis 558
außer der letzten Stelle durch Fr. Wiggert 2, 37, 82, vyi moten sivommen
beide, belegt und mit vielen ähnlichen Bildungen verglichen worden.
Ich habe das Wort seitdem stets im Auge behalten und füge nun noch
folgende Beispiele hinzTi: Germ. 9, 277, 16 de alle sivommeden to der
brugghe , ebenso in der Hann. Hs, Korners , die neben sivemmen auf
fol. 107* noch fol. 173'' he menede to swommende und ibid. de perde de
stoommeden darbietet; geswümmet, sicömmen, de guden svömmers aus Ut-
legg. gem. düd. sprikw. 24', 89'', 90", 122*"; Neocorus 2, 568 se schivambden
also Use, wo freilich eine Zeile vorher schioimmeden aver den Rein steht,
gleich Uhl. 629; sodann aus dem von K.Bartsch herausg tür. Rittersp.
V. 3665 schizin, sioummin, stigin sal ein rifter wole lerne. Hiemit ist denn
nicht bloß das Dasein jenes Verbums außer Zweifel gestellt, sondern auch
seine schwache Flexion ist erwiesen die ftir das nnd. swemmen nicht
ungewöhnlich ist, vgl. Fr. Reuter 12, 251 se swemmten aever all de annern
ivech etc. (In Diut. 2, 224 heißt natare smemmen , natator smemre.)
Aber damit ist die Sache noch nicht abgetan , vielmehr bleibt
Manches höchst zweifeliiaft, besonders wenn man das Wort über das
14*
212 ALP. F. irr H(HFKH
Niederdeutsche hinaus verfolgt. Denn schon im Althochdeutscheu ist
manche Form mit u nachweislich, aus Glossen und Notkerischen Über-
setzungen, s. Graff 6, 877—79 und Weinholds Alemann. Gr. S. 31.
Sodann kommt im Mhd. mehrmals sioande, swamde vor, mit über und
auch mit dem Accus, des Objects, s. Haupt 3, 274, Lanzelet v. 7520
u. 7659, und dazu Schilling De usu die. Ulrici de Z., Hai. 1866. Ist
nun dieses sivamde, das wol zu swemmen gehört, eins mit jenem schwamb-
den bei Neocorus, oder muß letzteres flir eine andere Form von sivomden
gelten? Und ferner, stehen ahd. sioummen und nd. stvummen, sicommen auf
gleicher Stufe? Denn u kann verschieden entstanden sein, wie auch e in
dem mhd. und in dem gewöhnlichen nd. swemmen. Auf die erste Frage
weiß ich nicht zu entscheiden; es ist sogar der Fall denkbar und er-
weislich, daß das alte starke sioam unorganisch in ein schwaches Prä-
teritum übergegangen wäre. Was die zweite angeht, so sehe ich ahd.
swummen ebenso an wie got. svumfsl^ svumsl, ahd. gaswumß, d. h. ich
führe das u auf altes a des Stammes sioam zurück , von dem freilich
ihrerseits auch swimman und sioemmen ausgehen. Und so kann es sich
auch mit dem nd. u und o verhalten, so daß z. B. das Verhältnis von
got. fram, framathis, fruma, ?i\\di. from, frum, fromede neben fremde, fra-
madi (noch jetzt fremd und frömd) zu vergleichen Aväre. Indessen für
alle nd. Fälle mit wechselndem e, o gilt dies keineswegs, wie die zu
BWaldis S. 150. 183 besprochenen Fälle dartun.
Bei unseren nd. Formen aber an einen Lesefehler zu denken
wird hoffentlich Niemandem mehr einfallen *).
IX. Estrich und seine Formen.
Das hd. Estrich, Esterich, mhd. esterich, dann Aestrich, Estreich,
Estrech, Ostrich, m. und ntr. , zeigt im Niederdeutschen, von der ordi-
närsten Gestalt desselben abgesehen, drei oder wenn man will, sechs
und mehr erheblich abweichende Foraien , nämlich astrak , ahstrak,
astark, astrik, estrek, äster nebst verb. ästern (vgl. ahd. esdrih und esdri,
Diut. 2, 180), alstrak, ahlstrak, verb. olstracken, die hie und da im
Brem, Wb. und bei Schütze, von Chytraeus und N.Kiel, neuerdings
*) Ebensowenig wird auch , wie Germania 1. 1. angenommen worden , siidder
statt sedder bei Bruns 249, 582 verlesen sein. Obgleich ich -iiidder mit u nur aus die-
ser einen Stelle verzeichnet habe, so kommen äsigegen soddfr nml södd er bekanntlich
um so häufiger vor, z. B. bei Ludolf in Germ. 6, 54; in-Merzdurty B. der Könige S. 13;
Brsc-hw. Chron. 134, 10 u. oft; s'ödder das schon von Dähnert angeführt ist, steht z. B.
AV. iltsprökc 33''.
ZUR LAUT-, WOKT- \:SD NAME^FOKSCHUNG. 213
auch von L. Diefonbacli uurl Kosegartcn. Wneste, Schambach u. A. cin-
zelu onvähut, aber kaum je aus alten Quellen nachgewiesen, noch we-
niger im Zusammenhange erforscht sind. An völlige Erschöpfung ist
auch nicht zu denken und ich beschränke mich deshalb auf das
Wichtigste.
Die vier ersten Formen finden sich z. B. bei Eike 216, in Merz-
dorfs B. der Kön. 134, Nie. Gentzkow bei Zober 3, 144. 145. 427 u. ö.
um 1560; Nr. 1 und 4 begegnen auch in der Lübecker Bibel von 1533
wie in der Magdeburger von 1536, beide bieten auch das Verbum astracken;
die oftgenannten 7 und 8, welche die ^Formen heißen mögen, alstrak,
ahlstrak, nebst dem Verbum ahlsfraken weiß ich einstweilen nur aus un-
serer herlichen Pommerschen Bibel zu belegen, z. B. Hesekiel 42, 3,
Esther 1, 6, Hiob 19, 12. Die neunte und letzte, das Verbum olstrackt
oder "plastert , steht in den Meklb. Jahrb. 5, 251. Diese Stellen ließen
sich zum Teil leicht vermehren , obgleich es dem Niederdeutschen an
vielen auch deutschen Ausdrücken hier nicht fehlt, denn z. B. erin in
den Gloss. Lips. bei M. Heyne S, 45, no. 272 (bei Greith spicil. 36"
airiny s. Grimm s. v. Ähre), plaster, paviment*\ sträte, hrUggede streite,
van sten gesettet, stemoech, gehander wech, flor, del, plasteren, stenbrüggen,
hruggen (de stenbrugger hof an fo hruggen) kommen mehr oder minder
gleichbedeutend vor.
Sind mm die ersteren längst und mit Recht neben altn. astrac,
altdän. astrag, ndl. estrik, ahd. astrih zu mlat. astracum^ astricus gestellt,
so halte ich die anderen ebenso unbedenklich an entsprechende ^-Formen
des Romanischen, lastro, lastra, lastrico, lastricare, vgl. lastrum u. a. bei
Du Gange und lastrich im Polnischen : astrak verhält sich zu astracum
wie alstrak zu lastrico. Der Parallelismus ist zu augenfällig, äußerlich
wie innerhch, um beiderseitige Beziehungen zwischen astracum und la-
strico, oder lastrico und alstrak leugnen zu dürfen, aber ihr Zusammen-
hang wird erst dann sicher zu übersehen sein, wenn der Ursprung der
Wörter astrak, astracum etc. klar vorliegt.
Und hier erschweren die allerverschiedensten Ansichten die Ent-
scheidung. Gewöhnlich hat man die ^Formen ganz und gar außer
Acht gelaßen und dann nicht ungeschickt an a^ser und mlat. astrum,
ätre, oder an o6rQaxov, ostracarii gedacht, so Grimm und vor ihm auch
Kosegarten dem ,,alstrak filr das ursprünglichere astrak steht", in jener
Weise aber L.Diefenbach, dann Diez, welcher in der ersten Ausg. des
*) In der Kölner Bibel um 1480 dat paviment gestricket vaii smaragden , Esther
1, 6, gleich alstrak van mörinelstenen gemaket der Barter Bibel.
214 ALHKRT iin:FHU
et. Wtb. 80, 31 in lastrico noch den „ziun ^V^»rte gezogenen Artikel" an-
nehmen mochte. Nun Jagegen 1'', 317 führt er die ganze Sippe außer
den d. I-Formen „nach abgestoßenem Anlaut" auf piastimm und läßt
weiter umgekehrt „das für den Artikel gehaltene V' abfallen, indem
er an astricus plastar im Voc. S. Galli erinnert. Ist diese scharfsinnige
Deutung richtig, und die beste ist sie jedesfalls, so ist Estrich sammt
dem M'-as dazu gehört, auf gewaltigem Umwege entstanden, aber der
Weg den sämmtliche Wörter gewandelt sind, läßt sich noch mit ziem-
licher Sicherheit wiedererkennen und im einzelnen rechtfertigen. Neben
ahd. phlastar^ plastar finden wir schon frühe halstar und hlastar, ersteres
neben cementum , letzteres neben ehsdrhi , sowie esdrih und esdri für
pavimentum, s, Diut. 2, 180. 181. Setzen wir demgemäß mit p oder h,
mit Suffix aco oder ico mlat. palstractim und plastracum, so ist der
Übergang zu alstrak und astrak sowie zu lastrum.^ lastricum leicht genug
gemacht. Man vergleiche nur z. B. lat. Uen mit 67clt]v und Gnkäyxvov,
skr. plihan für splaghan, oder lat. Unter, hinter mit tcXvvtyiq, oder die
Namenformen von Äpollonms, z. B. Polonius, Pl'önnies, Lönnies, um diese
Erklärung , bei der estrich entweder für elstrich oder nach Diez für
lestrich stehen würde, sehr wahrscheinlich zu finden.
Wer ohne zu trennen was hier verbunden ist, anders erklären
wollte, der müste etwa von einem, alles einzelne enthaltenden alastracum
ausgehen, wofür es dem gewandten Etymologen an — Vermutungen
auch nicht fehlen würde.
X. In proquellis leben
oder in perquellis lehen muß im 16. und 17. Jahrhunderte eine verbrei-
tete volkstümliche Redensart gewesen sein im Sinne von 'verschwen-
derisch, in Saus und Braus leben . In der zweiten Form und etwa ver-
schicenden bedeutend ist es zuletzt in Fr. Zarnckes Liter. Cblatte 1866
no. 2 Spalte 46 aus Müllers Beiträgen über Gütergemeinschaft in Mek-
lenburg, Strelitz 1852 S. 86, vom Jahre 1617 und öfter angeführt und
dabei die Frage nach dem Ursprünge des Wortes aufgeworfen worden.
Dem Fragesteller und Zarncke ist nicht bekannt gewesen , daß
ich den Ausdruck in der ersten Form und mit gleicher Bedeutung
schon 1851 aus BWaldis Parabel vom verlornen Sohn nachgewiesen
hatte. Er steht in meiner Ausgabe v. 521, vgl. S. 181, und der Zu-
sammenhang ist dieser. Der Spitzbube welcher von dem liederlichen
Treiben des verlornen Sohns gehört , tröstet den verzagten Wirt mit
der Aussicht auf histiges Leben : wenn der Teufel ihm den reichen
ZUR LAUT-, WORT- UND NAMENFORSCHUNG. 215
Wüstling zuführte, so würden sie in Saus und Braus leben oder, wie
es im nd. Texte heißt, so icolden toi in proqueUis leven.
Aber Waldis bedient sich desselben Wortes auch in seinem Eso-
pus 4, 92, 14 mit dem Zusätze gar frölich vom Fressen und Schlam-
pampen der Bauern:
Da wirdt viel Volkes schlahen zu*),
Viel Bauren — — gar frölich in Proquellis leben,
und wer in Fastnachtspielen und bei den Satirikern nachsuchen wollte,
würde es gewis manchmal wiederfuden.
Die Erklärung die ich schon in meinen Anmerkungen S. 181 ini-
versucht ließ, will auch heute leider nicht sicher gelingen. Für sicher
halte ich nur daß ein unwillkürlich oder absichtlich entstelltes lat. oder
romau. Wort zu Grunde Hegt, wie man ähnlichen Entstellungen der Fremd-
wörter noch täglich begegnet. Im Eulensp. prophei für prive. An in pro-
ceUis als eine Art Übersetzung unseres 'in Saus und Braus' darf man wol
nicht denken, eher ließe sich auf po7-ce?/ws raten, aber könnte in poi-cellis
'wie die Schweine' heißen, nach Art französischer Ausdrücke wie 'vivre
en grand seigneur, vielleicht statt 'en pourceau' oder gar älter en
porcel, porchel ? Man wird dabei leicht an : un vrai pourceau, un pour-
ceau d'Epicure, an Göthes fünfhundert Säue u. dgl. erinnert, — ja im
proquellis würde , von dem leisen Unterschiede der Bedeutung abge-
sehen, fast zu einer Übersetzung unseres neueren 'en Schwein', für
welches ein Beleg in H. Heines Harzreise begegnet, der neuesten Ham-
burger Ausgabe 1, S. 98: 'er kam in allzu gutem Humor d. h. enSchwein
vorbeigerannt'.
Obgleich ich die Bedenken keineswegs verkenne welche dieser
Vermutung entgegen stehen, mache ich doch noch darauf aufmerksam,
daß auch sonst mitunter ähnliche volkstümliche und selbst scherzhafte
Ausdrücke allgemein üblich geworden sind und sogar in die Sprache
des Rechtes Eingang gefunden haben. Worüber ein ander Mal mehr.
XI. Ein X für ein U machen.
Die bekannte Deutung der Redensart 'ein x für ein u machen'
aus dem Zahlenwerte des X und des V, welche unlängst auch in der
Germania 13, 270 wahrscheinHch gemacht ist, liegt in der Tat so nahe
daß sie sich auch dem der sie nicht kennt leicht von selbst aufdrängt.
*) d. h. zusammenlaufen wie Servat. v. 936 ganz ähnlich : mlckel menege zuo s/uoc.
Merkwürdiger Weise steht auch im Verl. Sohn v. 519 ivan nü de duevel to worde aldn^
dat he lüolde mit mi htr her gän, doch hier deutlich in anderem Sinne.
216 ALBEKT HCEFKK
Der eigentliche Sinn wäre also: einem lü für 5 berechnen, ihn über-
vorteilen, betriegen, oder überhaupt: etwas anders machen als es ist,
fälschen u. s. w. Obwol der Grebrauch diesem ziemlich genau entspricht,
so gibt es doch noch eine andere Möglichkeit der Deutung die mir
neulich bei dem Lesen altdeutscher Glossen wieder entgegen getreten
ist und wol wert scheint kurz mitgeteilt zu werden.
Unter den verschiedenen Geheimschriften deren unsere Vorfahren
sich bedienten, war die gewöhnlichste und mindestens bis ins 15. Jahr-
hundert fortdauernde Art bekanntlich die -welche statt des Vocals den
zunächst folgenden Cousonanten setzte, also b statt a, f statt e, k statt i,
p statt o und endlich x für u, v, sowie xx für w. So bieten z. B.
die Mainzer Glossen des 8. bis 9. Jahrh. in der Diut. II, 283 fl. npt-
nxmftbrb violenti für notnumftara ; xbklp für ubilo ; fKpr für fuor ;
sxlkh für sulih u. s. w. und in einem Codex des 15. Jahrh. ward noch
für 'hunc librum' geschrieben hxnc Ikbrxm , vgL Hoffmanns ahd. Gl.
p. XVIII no. 17 und Docens Mise. 1, S. 158 Anm. mit Diut. 1, Voit. XI.
Hier ward also wirklich ein x für ein u gesetzt und da die Ab-
sicht dieser Schreibweise , mag sie oftmals auch als Zeitvertreib und
Spielerei geübt sein , ursprünglich nicht sowol auf ein Betriegen und
Fälschen als auf ein Verbergen und Teuschen hinauslief, so scheint
mir unsere in völlig gleichem Sinne gebrauchte Redensart recht eigent-
lich auch hier ihren ersten Ursprung zu haben. Daß später dann auch
die Bedeutung des x und u als X und V eingewirkt habe, soll nicht
geleugnet werden, vielmehr mag die zwiefache Bestimmung beider vor-
zugsweise Veranlaöung gewesen sein, daß grade 'ein x für ein u ma-
chen' in seiner heutigen Bedeutung entstand und fortbestand. Denn
freilich 'ein b für ein a' oder 'ein f für ein e machen' hätte sonst mit
gleichem Rechte in gleichem Sinne gesagt werden können.
Übrigens war ein x für ein u zu setzen schon im Altertum be-
kannt, denn Sueton berichtet vom Augustus cp. 88 : quotiens per notas
scribit, B pro A, C pro B ac deinceps eadem ratione sequentis litteras
ponit, wie Hr. Prof. Buecheler mich erinnert. Je älter aber der Gebrauch,
desto wahrscheinlicher jene Erklärung.
XII. Namenbildung aus Namendeutung
unrl
Moneke de junge Martenapens sone.
Der Name den der junge Affe im Reineke 6161 führt, soll nach
einer zwiefach versuchten, doch wenig einleuchtenden Deutung ALüb-
bens im Oldenb. Osterprogramm 1863 S. 50 — 52 'der schöne, liebliche'
ZUR LAUT-, WORT- UND NAMENFORSCHUNG. 217
bedeuten, statt wie sonst wol angenommen worden 'Mönch, Mönchlein'.
Allein die Form, heißt es, widerstrebe, Mönch sei nd. monnik, munk,
monnek, aber nicht moneke, „und wenn man auch die Formen gleich-
setzen wollte, wie konink, konnink, so wäre der Name doch nicht pas-
send für einen der weder ein Mönch ist noch gewesen ist" u. s. w.
Indem ich den sachlichen Teil dieses etwas überraschenden Beweises
lieber übergehe, hoffe ich Hr. Lübben werde doch nicht meinen, mit
jenen drei Formen die zahlreichen nd. Glestalten des Wortes Mönch
erschöpft zu haben oder letztere auch nur alle zu kennen. Er kennt,
wie er deutlich zeigt, nicht einmal die Formen mit einfachem n,
die besten und ältesten aller, von denen ich außer den umgelauteten
und monich, monech ihm nur den Reim moniken : kanoniken, monike cappen,
pl. de moneke und monekensträte, moningk entgegen halte, und was das
auslautende e betrift, so verweise ich ihn dagegen auf Hoffmanns Brschw.
Namenbüchlein S. 58 , wo zu dem heutigen Namen Monecke als nd.
moneke, mönek, mönk, der Mönch, angeführt sind. Ob Hoffmann freilich
dieses an die Spitze gestellte nd. moneke erweisen könne, ist sehr zwei-
felhaft : ich habe neben 17 Formen unter einer Fülle von Beispielen
nur ein einziges leidlich sicheres moneke als Sgl. verzeichnet und zwar
aus einem Greifswalder Memorabilienbuche vom J. 1557 in Pyls Denk-
mälern S. 201 : so vele der (segel u. hreve) , als de letzte moneke ivech-
getagen u. dat clöster vorläten, gefunden ivorden.
Desgleichen steht aber als Namen form neben Monike, Mönnecke,
Mönike (Uhland 1, 401) und anderen schon um 1460 unser Moneke fest,
s. z. B. Seibertz 3, 139 und 208 und sonst oft.
Somit fragt sich denn ob beide Moneke der Affe und der Personen-
name der auch jetzt noch vielfach erhalten ist, zusammengehören und
in welchem Verhältnisse sie zu monek, moneke stehen. Über den Per-
sonennamen weiß ich nichts Sicheres zu ermitteln, zu ahd. Muno und
Genoßen bei Förstemann S. 938 scheint er ohne Beziehung, vielmehr
sieht er völlig wie eine, doch, vielleicht spätere Abkürzung gleich Lu-
deke, Tiedeke, Kunike, Heineke, Reineke u. v. a. aus. Und nicht viel
besser steht es um den Affennamen. Indessen spricht doch manches
für die Erklärung als Mönchlein, von dem man auch sonst mitunter
und nicht ohne Grund den Affen benannt zu haben scheint. Denn von
it. monna, monnono, raonnina, frz. monnine abzusehen, deren erstes
Diez 1, 281 sogar aus madonna erklärt, halte ich das mit unserem
Moneke fast zusammenfallende, von Engländern als mannikin,
monikin d. h. horaunculus gefaßte, von E. Müller 2, 102 zu monna ge-
stellte engl, monkey für untrennbar von monk, sodann erinnere ich an
218 ALBERT HffiFER
den Kapuzineraffen, \{\ singe capucin, den Kalilk<ipf, den Bartaffen und
dali überliaupt eine Menge naturgeschiehtlicher Namen wie Mönchente
und Taube, mönnik das Streithuhn, die Begine, monachino der Dom-
pfaffe , monk oder conus monachus von Mönchen und PfaflFen ent-
lehnt sfnd.
So nahe aber diese Erklärung sachlich und sprachlich liegen mag,
so befriedigt sie doch keineswegs vollständig, vielmehr muß, trotz mon-
key, der Versuch gemacht werden, das als Affenname ganz vereinsamte
Moneke mit dem üblicheren Personennamen zu verbinden und indem
Ursprünge dieses den Grund oder Anlaß , wenigstens die Möglichkeit
seiner Verwendung beim Affen nachzuweisen. Das allein scheint der
richtige Weg und eine Lösung des Rätsels ist diese. Ital. heißt der
Affe scimia, s. Diez Gr. 1, 231 und ed. 2. 1, 327, holl. sim, simme,
nach Nemnich 3, S. 1298 auch kes, 'Abkürzung von Kornelis*, und alt
Scheminkel. Schemikel, der Affe, führt J.Grimm zu RF. CCXXVII aus
dem Eselkönig an. Das ital. sc, d. h. seh, und dieses seh, das einige
Male für s auch unser hiesiges Niederdeutsch bietet, hindert nicht, wie
bei stm und sm^e, auflat. siWöt zurückzugehen. Geschieht dies mittel-
bar vielleicht sogar mv Moneke des RV. ? Der Personenname ikroneÄ;e
könnte aus Simon, Simoneke entstanden sein und des letzteren An-
klang an Simia, sim, sym hätte veranlasst, so oder abgekürzt Moneke
den jungen Affen zu heißen? So würde Moneke ein Verwandter des
Scheminkel, das nun selbst mit gleichem Anklang auf Simon zurück-
gehen düi-fte. Ob der Personenname so wie ich vermute entsprungen,
wird weiter zu untersuchen sein ; die Art der Verkürzung ist ohne An-
stoß und bedarf keiner Beispiele; aber wichtig ist, was ich erst hin-
terher bemerke, daß, freilich mit deutlicher Anspielung auf die Simonie,
im RV. V. 4152 Märten den mächtigen Simon in Rom, der auch
V. 6771 neben Gevert auftritt, seinen Ohm nennen kann. Mehr
Beweises liegt aber in der ganzen oft erläuterten Art der Namen-
bildung aus Namendeutung, s. Germania 2, 171; 4, 129; 7, 235;
9, 208, zu der ich hier noch einen kleinen Nachtrag älterer und neuer
Beispiele gebe, deren einige wie gleich bekannt mit dem Scheine echter
Namen aus üblichen Wörtern neu geschmiedet sind.
Aderjän ist bekanntlich Name des Frosches , des Gefährten des
Schraderjän, der nagenden, schrotenden Maus, s. Simrocks Rätselbuch
S. 11, Kosegartens Wtb. 126 und K.Schillers Zur Thierkunde 3, 8.
Statt hiebei mit Woeste bei Kuhn 6, 79 auf adel Sumpf oder gar auf
udder Euter zu raten, deute ich den Namen des quakers einfacher als
der Hader er. Vgl. quackeler der Rabensolm. Adrian, Adder jätt ist näm-
ZUß LAUT-, WORT- UND NAMENFORSCHUNG. 219
licli uichts anderes als Hadriamis, Haderjän, dies aber braucht schou
Abr. a. S. Clara im Gegensatze zu Friedench: 'du bist öfter zu Pen-
tzing als zu Friedberg, öfter ein Hadrian als ein Friederich',
Schmeller 1, 182.
Bartolt ist bei BWaldis der Bock, offenbar wegen des Bartes,
denn er heißt auch Bartmann, Langhart, BärtUng, daher wol auch Ber-
fridus, J. Grimm zu RF. S. 223 f. Im nouveau Renart heißt die Ziege
barhue . anderes lasse ich unerwähnt. Zweifelhaft ist aber das aus RV.
1777 bekannte Bartolt de adehar ^ in welchem, da der Schnabel doch
nicht wol als Bart aufgefasst sein wird, vielleicht ein ganz anderes
Wort, vielleicht ahd. parta, nd. barde als nicht unpassende Bezeichnung
des Schnabels stecken dürfte, wogegen schmutzhartel wol Schrautz-
bart meint (vgl. dummer Bartel bei Schmidt Wester w. Id. S. 14 und
Dummhart) und henneb. hartel die Mütze , bes. Pelzmütze, auf haretf,
weisen mag, ib. S. 208, vielleicht mit Anklang an Bart. Dabei erwähne
ich hergam, m., hier ein dicker, derber (bergender?) Winterrock, gewis
zu harchenf, parchant, hier parchem gehörig, s. Weigand 1, 105. Man
sagt: dats 'n goden hergam, ik teil minen ollen hergam anten.
Baselman, Schmeichler, aus baise les mains, in der Schweiz nach
V. Schmids Schwab. Wtb. S. 46 so wie hasseltang für passe le temps.
Dazu Lauremb. 4, 158 ene zierlike baselmanus maken, Kusshand.
Bastian ftir Sebastian hat in Volksreimen mehrfach Bezug auf
hast, in Simrocks Kinderbuch 132; flöten machen von Bastigän.
Dem St. Brannanius (für St. Brandanus f) ließen nach Fr. Wessel
bei Zober S. 3 Schmiede, Bäcker u. a. zu Ehren Messen halten, dat
desulve wol tom vüre sen scholde.
'Sich zu St. Frumholt gelohen' ist im Esopus des BWaldis 4, 3, 55
soviel als fromm werden wollen, vergl. die Anm. von Kurz 2, S. 17.
Gehhart und Nimhart einer der gern gibt, besticht und der gern
nimmt, vom Stamme Nim ist, nd. im RV. 6771 Gevert, in no. 153, 63*
der Utlegginge geveker und nemeker. Dazu gehört : he is von Nemeroio
un nich van Geverow, vgl. Germ. 9, 209.
Lümmel, der junge Stier, Bulle, K. Schiller 2, 5, erinnert an lilejen,
lüen, Ummen, der brüllende, wütende.
Märten der Affe scheint der martialische, grimmige, boshafte,
nach Richey ist hambg. Märten äp Possenreisser und Märten einer
der zornig auffährt , sauer aussieht , doch vergleiche Lübben in dem
oben angeführten Oldenburger Programm S. 50.
Nasion der langnasige , Teufel , neben Nazarus in anderer Hand-
schrift, Wartburgkrieg ed. Siraro ck no. 107, 5 und S. 351.
220 ALBERT HCEFER
Pam.pfiU der Vielfraß , Valromjj , von pampfen stopfen , füllen,
Schindler 1 , 285 , dagegen nasser vogel bei AA'iekrain im Rollwagenb.
einer der gern trinkt, Säufer, s. das Register bei Kurz.
Dem Ueli rüeßa, den Olrick anheen, sieh erbrechen, bespeien, er-
wähnt bei Tobler im Appenz. Spr. S. 429, verstehe ich nicht.
Wdnolf ist Triegolfs hruoder, Boner 80, 23, wähnen ist trügerisch,
Bitterolf Wüterich, Giemolf Tor u. dgl. ist öfter besprochen und hier
zu übergehen , dagegen erwähne ich schließlich einiger fingirter oder
gedeutelter Land- und Stadtuaraen wie er ist von Anhalt, ein Änhaltiner
er hält fest was er hat, ist zähe, das schon angeführte Baselman, dann
Irlender Vagabunde , Laplender und Rolender , Rolenner Zerlumpter,
Herumstreicher , Rohleder , Germ. 2 , 171 Note , Merker ein Pfiffiger,
Aufpasser, in gleichem Sinne z. B, in H. Königs Marianne 1, 36 sie ist
aus Merkshausen, anderswo wie in 0. Ludwigs Türinger Naturen einen
rechten merks haben , sodann Nassauer der Nasses liebt , gern trinkt,
nasser Vogel, sonst bekanntlich vom Regen, Z. f. d. Mundarten 3, 485,
Narhon, nd. Narrenhan , neben Narragonien , Narragun (s. Seb. Brant
108, 6 — 8 und das. Zarncke S. 458), Quedelnhörger hier, wie es scheint,
als Quackeier, Flausenmacher, endlich he is van Rom er ist ein Pral-
hans , 'ruhmrätiger' Mensch der gern viel Rühmens von sich macht,
(auch nd. noch riimredich) s. Brem. Wtb. 3, 523.
Merkwürdig ist daß die Namen zuweilen selbst auf allgemein ver-
breitete Annahmen und Gebräuche des Volkes Einfluß geübt haben,
das Flötenmachen der Kinder findet vorzugsweise am 20. Januar, Fa-
bian Sebastian, statt, dann soll der Saft in die Bäume gehen, an
Blasius läßt man sich des Morgens in der Kirche durch unter das
Kinn gehaltene Kerzen vor Halsweh 'blaseln' , s. Leoprechtings Aus
dem Lechrain 1,58, 159 wo noch wie in gleichen volkstümlichen Schriften
manches der Art zu finden ist.
XIII. Volzo von Alzei,
ein Zeugnis für die deutsche Heldensage.
Der von Hans Volz oder Folz um 1470 her bekannte Name der
noch heute in vielen Gestalten, z. B. Volz, Völtz, Völtzke, seltener mit F
geschrieben , fortlebt , ist fiir die alte Zeit nicht nachweislich. Wenig-
stens hat Förstemann ihn nicht aufzufinden vermocht, mir selbst ist er
vor 1200 nie begegnet, auch Fr. Stark, die Kosenamen S. 80, weiß
erst um 1231 und 1289 ein Volzo und Fnlzo aus Pertz Mon. und Böh-
mers Urkuudcnbuchc der Stadt Frkf. beizubringen. Allein für diese
ZUR LAl'T-, WORT- l'ND NAMENFORSCHUNf^. 221
und die spätere Zeit fließen die Beweise reichlich genug , man darf
eben nur einige Register, z. B. zu Lübecker und Hamburger Urkunden
nachschlagen, um 1255, 1261 u. öfter die Namen Volceko^ Volzike und
andere Formen aufzufinden. Dazu bietet u. a. K. Karls Landbuch der
M. Br. V. J. 1375 S. 205, 219 Tideke Voltzke, Foltze, in Grimms Weist.
1, 771 begegnet Anthenghans Volzmartins son. In den Brauns chweiger
Chroniken 1, 222*^*^ a. 1417 wird ein Herman Volczer erw^ähnt, d. h.
nicht Volkzer sondern Volzer, cz für tz oder zz, also Volz mit der oft
begegnenden Ableitungssilbe er die z. B. in Jacober, Hanser, Jörger,
Pauler u. a. nachweislich ist und wahrscheinlich Abstammung bezeichnet,
s. Fr. Becker Die d. Geschlechtsnamen S. 15. Ein wichtigeres und lehr-
reicheres Zeugnis , der Anlaß zu diesem Aufsatz , ist in Lacomblets
niederrh. Urk. 3, no. 170 vom Jahre 1318 erhalten. Hier ist als Zeuge
einer Verhandlung zu Oppenheim, im Ablativ Volzono der fiir Volzone
verdruckt sein wird, Volzo dictus de Alzeia de Oppinhem ver-
zeichnet , d. h. Volzo von Oppenheim , genannt Volzo von Alzei. Die
Stelle ist doppelt wichtig, denn sie beweist erstlich daß Volzo als Ab-
kürzung von Volker galt und zweitens sie enthält ein Zeugnis^ für
Volker von Alzeije v. J. 1318, denn es ist klar daß der Oppenlieimer
Volzo, weil er eigentlich Volker hieß, in Erinnerung an den berühmten
Fiedler der Nibelungen den Beinamen de Alzeia empfieng.
Und was den ersten Punkt anlangt, so ist an sich wahrscheinlich
genug daß Volzo, ähnlich wie Fulco, Folco, sich an die von dem Stamme
volc gebildeten zahlreichen und üblichen Namen wie Folcberaht , Ful-
char, Folcmar, Fulcrad, Folcwin u. a. anlehne, denen meist, wenn auch
nicht immer ganz sicher als zugehörig. Formen ohne c zur Seite stehen.
Volzo, Ftdzo würde also aus Volkizo , Ftdkizo entstanden sein und daß
dies 'bisweilen vielleicht' der Fall sein möge gibt auch Fr. Stark S. 80
zu , während er sonst auf einen Stamm fold, fult, ahd. fulfar zurück-
geht, dem er einige gleich dunkle und seltene Namen anschließt. Andere
wie Pott 128 haben auch an vol , ful gedacht und wenn auch diese
Möglichkeit nicht auszuschließen ist, so wird doch wer die Art und
Weise der deutschen z-Formen genau kennt, der Ableitung you volc
sicher den Vorzug geben.
Den zweiten Punkt angehend genügt es unter Verweisung auf
Grimms Kleinere Schriften , Band 2 S. 354 f , an ähnliche aus der
Heldensage entlehnte Beinamen , Dieterich von Bern u. a. zu er-
innern. Beruht es auf Verwechslung mit diesem, wenn im Jahre 1297
ui-kundlich sogar ein Sewardus dictus de Berne auftritt?
ALBERT IKEFEK
XIV. Gotisches HV und TH.
Nachdem über Wert und Bedeutung des jedesfalls höchst eigen-
tümUchen gotischen O lange hin und her gezweifelt und gestritten worden,
hat wieder J. Grrimra das Verdienst , nach Lye und Zahn *) in seiner
Grammatik, zuletzt in der Germ. 1, 129 als seinen wahren Laut hv er-
wiesen und für immer zur Geltung gebracht zu haben. Ahnlich wie hv
muß der Laut mindestens geklungen haben und anders als durch hv
wird er sicher auch nicht darzustellen sein, ohne Zweifel aber war er
mehr einheitlich als die in Zusammensetzungen daneben bestehende
Verbindung h-v und man täte deshalb gut , wie für alle anderen be-
sonders für diesen gotischen Laut sein heimisches Zeichen zu bewahren.
Die eine Zeit lang geltende Bezeichnung durch w, deren Folgen man
noch heute entgegenzuwirken hat , scheint wenig geeignet , über das
Wesen des O richtige Vorstellungen zu verbreiten, besser verdeutlichen
seine eigentliche Natur die Gleichungen hv : li = qu : k oder hv : qu =
h : k, hv ist eben lautverschobenes qu. Aber qu braucht darum
nicht plötzlich zu hv übergesprungen zu sein , hv braucht sich nicht
mit dem ahd. hw das sein h aufgab und w übrig ließ, zu decken ; ehe
hv fertig entwickelt dastand, giengen offenbar gewisse Mittellaute vor-
aus, die niemand mehr zu bestimmen vermag, mit denen höchst wahr-
scheinlich jedoch das bis heute unerklärte Zeichen zusammen hängt
welches in der gotischen Schrift diesem besonderen Laute diente. Ob
es von Ulfila zuerst eingeführt, oder in der runischen, vielleicht schon
vor ihm in einer gotischen Schrift vorhanden gewesen, läßt sich nicht
entscheiden. Das aber steht wol unzweifelhaft fest, daß es keinesfalls
willkürlich erfunden, am wenigsten dem griechischen & entlehnt worden
ist. Gegen Ei*findung oder solche in Bäumleins Untersuchungen S. 82. 95
und der Altenburger Grammatik S. 16 behauptete Entlehnung des
got. hv von griechischem th hat sich a. a. O. 131 — 2 auch Grimm er-
klärt, nachdem er selbst früher 'die Zuziehimg runischer oder will-
kürlicher Zeichen' eingeräumt hatte und in der Tat ist die Verwen-
dung des ® für got. O so unglaublich wie die abenteuerliche Annahme
daß got. 4' dem gr. "^F entnommen sei.
So bleibt nur übrig, einerseits, da die Runen nichts vergleichbares
bieten, sich an die griechisch-lateinischen Buchstaben zu wenden, an-
dererseits, auf den Grund des Lautes selbst zurückzugreifen.
*j \^\. Grimm a. a. O. Nach v. d. Gabelentz und Loebe Gramm. 45 hätte Hickes
«s für cv oder hv, Lje alicr fiir qiih gelialten.
ZUR LAUT-, WORT- UND NAMENFORSCHUNG. 22.'>
Kv, gleich qu, und hv sind schon im Sanskrit neben k, c d. h.
tsch entwickelt, wie gv anderswo neben g, g' oder dsch : wo der Gote
qu sprach, hatte der alte Römer gv, v, gotisches hv entspricht lateini-
schem qu : der Grund des got. hv ist entfernter k, näher qu, — ein
Zeichen des letzteren könnte mithin für das ihm nahe ge-
legene, ursprünglich und wer weiß wie lange mit ihm zu-
sammenfallende hv verwendet sein. Nun ist es aber sehr be-
achtenswert daß dem O selbst oder Zeichen aus denen es leicht ent-
stehen konnte, gleiche Bedeutung wirklich nachzuweisen ist. Denn für
das griechische Koppa begegnen nicht bloß die Formen Q CD (b > son-
dern auch 9, ja in dem mit der Schrift Ulfilas in nächster Verwandt-
schaft stehenden , von Bäumlein S. 60. 95 benutzten und meines Wis-
sens nicht als unecht beanstandeten Fragment eines Sendschreibens
des Kaisers Glycerius vom Jahre 473 kommt unser O selbst mit der
Bedeutung q vor *).
Die mehr scheinbare als wirkliche Schwierigkeit, daß q dessen
Zeichen ohne Zweifel auch got. q, d. h. u, entstammt, nun eigentlich
doppelt im gotischen Alphabete enthalten ist, hebt sich einfach durch
die Annahme verschiedener Zeiten ihrer Einführung vor Ulfila und
durch ihn selbst. O ist gleichsam das ältere q, nachherige hv; u das
spätere q das sich aus g , gv neu erzeugte als jenes ältere hv Avard
und abstarb. Jenes fand mit allmählich verändertem Laute Ulfila wahr-
scheinlich schon vor und benutzte es für sein hv, dieses entlehnte viel-
leicht er selbst dem q dem es nun im Laute am nächsten kam. Ein u
oder V hinzuzufügen unterließ er beide male, weil er für hv und füi' qu
nun in dem O und u besondere Zeichen hatte, wer das erste aber durch
hv umschreibt, dürfte ebenmäßig auch das zweite durch qv wiedergeben.
Gleich sicher doch leichter dünkt mich beiläufig die Erklärung
des gotischen i\) nebst seinen verschiedenen Formen u n d den Runen
t> ]i aus den älteren Zeichen des th; es sind eben nur andere Formen
desselben, mag man nun semitische oder gi-iechische Gestalten verglei-
chen , nur halte man sich nicht an einzelne überlieferte Zeichen mit
der Starrheit der Altenburger, deren Tabelle selbst den Bemerkungen
auf S. 14 entgegen den rechten Weg weist. Das letzte Zeichen des
cod. vindob. ^ welches deutlich genug oben geöfihet (J) und links ver-
vereinfacht ]) und |> enthält, lehnt sich ähnlich wie das hirajaritische lD
gefällig an hebr. o an, dessen obere rechte nach unten geneigte Seite
*) Vgl. auch Kühners Griech. Gramm, ed. 2. S. 41. 42 und die Tafehi hinter Bäum-
leins Untersuchungen u. Kirchhoffs Studien.
224 ALiJKirr ikki ku
dort eben nur verlängert ist. Die Buchstaben der 8ten und der 9ten
bis Uten Reihe sind leicht verständliche Modificationen. Erheblicher
weichen die griechischen ab und da sie ihre wesentlichste Abweichung,
geschlossener Hauptteil und Querstrich , ursprünglich das Kreuz , mit
dem Altphönicischen teilen , so scheinen sie die Grundlage zu bilden,
von der die anderen durch mannigfache Entwickelung und Ausbildung,
durch Öfhung und Verlust der linken Hälfte, durch Aufgabe des hori-
zontalen oder verticalen Zuges sowie durch weitere Vereinfachung
stammen. Hebr. ü imd gr. O scheinen obgleich schon fi'ühe und sehr
verschiedenartig am weitesten ausgewichen; die gotischen Zeichen die
nebst den runischen ein Vorbild auch in no. 8 des cod. Ambros. 3
finden, müssen vor Ulfila entstanden sein.
Ordnet man die überlieferten Zeichen in dieser Weise , zuerst
phön. (+), dann gr. © 0 ^ (g) ^ ^ und ® » Q, himj. CD, hebr. o,
dann got. (^ 9^ 3) SP? geöfnet <]> und einseitig run. |) [>, so ergibt sich
eine Entwickelung die weit und kühn fortgeschritten ist, indes, in allen
Punkten verständlich, auf allen Stufen ihres gleichen hat. Die Annahme,
daß wegen ihrer gleichgiltigen äußeren Berührung got. O dem gr. 0,
got. i|) dem gr. W entlehnt sein müße, ist überflüßig und widerspricht
den Grundregeln der Palaeographie.
XV. Gotisch saizlep,
das ehrwürdige altgermanische Prseter. reduplicatum , mit imserera
schliefe ahd. sUaf, in Einklang zu bringen hat bisher nicht recht ge-
lingen wollen und da man letzteres als eine entsprechende reduplicirte
Bildung doch nicht aufgeben mochte , wie Hr. Corssen mit fregi tat,
weil er es aus fefrigi sowenig zu deuten vermochte wie sUaf aus saizlep,
so befand man sich in der bedenklichen Lage , etwas zu behaupten
was man nicht beweisen konnte. Gleichwol ist die Lösung des Rätsels
sehr einfach und durch steti neben sisto, durch spopondi u. a. gleichsam
an die Hand gegeben. Es gibt bekanntlich für die mit Doppelconsonanz
beginnenden Verba verschiedene , insbesondere 5 modi reduplicationis
nach den Formeln ab - ab , a -)- ab, b + ab, ab -f a, ab + b die wol
sämmtlich nachweislich sind. Andere Arten sind nur denkbar, sofern
an Stelle des einen oder des anderen der beiden Anlaute ein verwandter
tritt, wofür die Beispiele bekanntlich auch nicht fehlen. Ist nun gotisch
saizlep nach der 2ten Art gebildet , so gieng die offenbar hievon ab-
weichende ahd. Sprache ihren eigenen Weg-: die Vorformen beider
mögen sich leicht berührt, etwa sloisldp gelautet haben, daraus erwuchs
ZUR LAUT-, WORT- UND NAMENFORSCHUNG. 225
dort saizlep, hier dagegen entweder nach ab -]- a sleisäf oder nach ab -j- b
sleiläf. Ich entscheide hierüber natürlich nicht, doch spricht manches
für die letzte Art (vgl. fregi aus freßgi mit spopondi und ahd. pleruzzhi
mit r für l), einiges für die andere ; man könnte, wie neben stioz, stiaz,
stieß, ein steroz nachweislich ist, auch für sliaf sogar sleiraf oder ähn-
liches voraussetzen. Obgleich diese seit Jahren manchmal vorgetragene
oder angedeutete Erklärung von schlief wie von fregi in der Hauptsache
sicher richtig ist, so Averden die Mittelformen doch oft kaum zu be-
stimmen sein ; besonders die vocalischen Verhältnisse bleiben vielfach
dunkel und zweifelhaft. Aber das ist dabei wol selbstverständlich, daß
nach dem Ausfall der mittleren Consonanten, bei dem Zusammentreten
der Stamm- und Eeduplicationssilbe mannigfache Kürzungen und Ver-
schleifungeu der Vocale auftreten mustcn und ferner steht wol fest,
daß, wie heialt neben haihald zeigt, dem got. ai gegenüber ahd. ei der
Vocal der Reduplicationssilbe war. Ob der einzige und ob auch im
Gotischen z. B. für for urspr. fafar anzunehmen sei , untersuche ich
hier nicht. Daß das got. ai dem gr. s entsprechend ai, nicht di ge-
wesen sei , Avird heutzutage oft genug gegen Grimm behauptet , aber
durch nichts erwiesen, am wenigsten durch den Hinweis auf eine kurze
Entscheidung in den Denkmälern S. 458 oder durch die neueren Unter-
suchungen des Hrn. Prof W. Scherer Zur Geschichte u. s. w. S. 11 f.,
wo wir von haihait zu hiaz über hehz , hez , heaz geführt und bündig
belehrt Averden , im ags. hole könne eo nur auf kurzem e beruhen *).
Von leolc aus pikeialt als BcAveis für got. di zu bestreiten und lieber
in seltsamer Weise zu deuten^ scheint etAA^as zu kühn; dennoch ist in
den Denkmälern a. a. O. Z. 3 v. u. Avörtlich zu lesen : ,^piheialt kann
*) In dem zuletzt genannten Buche begegnet auch sonst manches den Bestre-
bungen und Anspriichen seines Verfassers gegenüber etwas auffällige , so z. B. das
' hiatusfüllende r S. 12. Wenn der Vf. sodann S. 19 in der ihm eigenen Weise sagt,
längst habe ihn gewundert, daß Niemand zur Aufhellung der alten ai und aw die jun-
gen aus i und ü entstandenen herbeizog', bis er 'endlich diese Vergleichung zwischen
den arischen und baiwarischen ai und au in einer Anzeige vom J. 1863 gefunden, so
erlaube ich mir darauf die Bemerkung, daß der Versuch, die skr. Diphthongen auf i und fi
zurückzuführen und durch Vergleichung des Verhältnisses von rieh, rüm zu reich, räum
u.dgl. zu erläutern schon gemacht worden, ehe Hr. Scherer über sprachliche
Dinge dachte, ja wol überhaupt dachte. Daß man aber damit allem weiteren zugestimmt
hätte, was auf S. 19 noch zu lesen steht , soll keineswegs behauptet werden , vielmeln-
bekenne ich für meine Person , daß ich mich zu diesen bahnbrechenden und reformi-
renden Untersuchungen nur zu oft hi Widerspruch befinde und keineswegs den Erfolg
erwarte, den mit ihrem Verfasser manche zu hoffen scheinen. Und freilich des Inipo-
nirenden hat das Buch die Hülle und Fülle.
GEKMANIA. Neue Ueihf II. (XIV.) Jahrg. 15
226 FELIX LIEBRECHT
freilich auch aus einem Schwanken zwischen healt und Malt, gewis
aber nicht aus altem ÄaiÄa?tZ erklärt werden, das vielmehr haihald ist,
da ags. leolc kurzes e, also leläc voraussetzt." Aber leolc kann
laeläc voraussetzen wie Grimm Gesch. d. d. Spr. 867 mit besserem Rechte
annahm, denn heialt ist erwiesen und setzt got. hnihald voraus, wogegen
die andere Argumentation in Wahrheit von willkürlich gleich f gesetz-
tem ai ausgeht und deshalb heialt leugnet und leläc erschließt.
Anstatt jedoch dergleichen Fragen hier weiter zu verfolgen , be-
gnüge ich mich das Wesentlichste meiner lange gelehrten und oft ge-
gen Freunde ausgesprochenen Ansicht über das Verhältnis gotischer
und deutscher Reduplicationen oben kurz mitgeteilt zu haben, wie denn
auch Andere kürzlich auf ähnliche Gedanken gekommen sind.
GKEIi^SWALD im November 1868.
ZUB LITTERATURGESCHICHTE DES WOLF-
DIETRICH.*)
Uhland hat in seiner Geschichte der altdeutschen Poesie so wie
in seiner Sagengeschichte der romanischen und germanischen Völker
(Schriften zur Geschichte der Dichtung und Sage Bd. I und VII) auf
die hervorragende Stelle, welche der in Rede stehende Theil der deut-
schen Heldensage in derselben einnimmt , eingehend hingewiesen, und
es ist ein sehr glückliches Zusammentreffen, daß fast zu gleicher Zeit
mit ersterer auch Holtzmanns Ausgabe des Wolfdietrich zum ersten Mal
im Text der Handschriften herauskam, während er bis dahin nur „in
der ungenießbaren Gestalt des alten Heldenbuchs" zugängUch war. Zwar
erscheint leider auch so diese „älteste deutsche Geschichte, deren sich
die Poesie erinnert", bei weitem nicht in ihrer ursprünglichen Gestalt
und Schönheit , sondern hat durch spätere Umarbeitungen imd Ein-
schiebsel letztere vielmehr in hohem Grade verloren ; jedoch ihr un-
verwüstlicher Kern ist auch jetzt noch erkennbar geblieben, wie durch
die genannten Forscher zur Genüge dargethan wird, so daß die vor-
liegende Arbeit sich in der That darauf beschränken kann, einen Bei-
*) Obigen Aufsatz habe ich bereits vor länger denn drei Jahren dem HeiTn Prof.
Gosche in Halle auf dessen Wunsch für den zweiten Band des von ihm herausgege-
benen Jahrbuches überlassen; da jedoch derselbe bisher nicht erschienen, so glaube
ich meine Arbeit mit einigen Abänderungen und Zusätzen endlich au dieser Stelle be-
kannt machen zu dürfen. F. L.
ZUR LITTERATURGESCHICHTE DES WOLFDIETRICH. 227
trag zur Litteraturgeschichte derselben zu liefern, während einige wei-
tere Nachweise über die Sage in ihrer jetzigen Gestalt, die am Schlüsse
hinzugefügt sind , als eine nicht ganz ungehörige Beigabe betrachtet
werden mögen.
In jener Beziehung gehe ich von der Bemerkung aus , daß von
dem Bekanntsein der speciell deutschen Heldensage unter den roma-
nischen Völkern in älterer Zeit wohl nur wenige Spuren vorhanden sind,
daß es daher auch kein geringes Interesse bietet , wenn wir etwa im
dritten Viertel des sechzehnten Jahrhunderts die Wolfdietrichsage in
Südfrankreich zu genealogischen Zwecken verwandt sehen und zwar
auf Grund einer Handschrift, die bereits damals mehr als zweihundert
Jahre alt war. Antoine du Pinet nämlich, gebürtig aus Besangen und
durch verschiedene gelehrte Arbeiten, besonders durch seine Übersetzung
der Naturgeschichte des Plinius bekannt , hat auch folgendes Werk
herausgegeben : Planis , 'pourtraicts et descriptions de phisieurs villes et
forteresses iant de l'Europe, Asie, Afrique, que des Indes et terres neufues,
leiirs fondations, antiquitez et maniere de vivre. Avec plusieurs cartes ge-
nerales et particulieres servans ä la Cosmographie jointes ä leurs declara-
tions. Le tout mis par ordre region par region. A Lion par Jean d'Oge-
rolles Van 1564 fol. Das Werk beginnt mit einer Dedicace ä illustre et
excellent seigneur Messire Francois d'Agoult conte de Savlt^ sa Val et apen-
dences etc. , Chevalier de Vordre du Roy et Lieutenant dudit /Seigneur
ä Lyon Antoine du Pinet S. Diese Widmung enthält nichts besonderes,
demnächst aber folgt eine Description de la Seigneurie de Savlt et depen-
dences d'icelle. — De VOrigine des Contes et Seigneurs de Savlt, et comrae
Savlt a este erige en Conte. Hier heißt es gleich zu Anfang so : „Die
unlängst [1561] zur Grafschaft erhobene Herrschaft Sault grenzt an die
Provence, an die Grafschaft Venice, so wie an die Dauphin^ und ent-
hält in ihrem Gebiete viele schöne Ortschaften , nämlich nach Osten
Mont-brun, Baret de Liire u. s. w. u. s. w." Genannt wird unter diesen
auch Goidt, „welches die alten Herren von Sault gründeten zum An-
gedenken an die Stadt Golt-naiv in Pommern , deren Herren sie einst
waren." Demnächst heißt es ferner: „Beinah in der Mitte der genannten
Ortschaften , jedoch mehr nach Osten zu , liegt die Stadt Sault , fünf
Lieues von Carpentras und neun Lieues von Avignon. Diese Stadt ist
fast von drei Seiten von Felsen umgeben ; auf der vierten hingegen,
da wo sich nämlich das stattliche Schloß erhebt , befindet sich eine
schöne Ebene. Das ganze Gebiet ist voll großer Wälder , aus denen
die Grafen von Sault bedeutende Einkünfte beziehen. Daher auch hieß
dieser District in alten Zeiten Salfns provinciae Navhonensis oder Sal-
15*
228 FELIX LIEBRECIIT
iuosa Provincia. Und iu der That trägt die Stadt Sault noch immer
ihren alten Namen ; denn auch hiteiuisch heißt sie Saltus d. h. Groß-
wald (Grandes forestz). Kurzum es ist die schönste Grafschaft der
Provence , welche sogar Souveräuitätsrechte besitzt , Avie wir nachher
zeigen werden , nachdem wir vorher den Ursprung des Hauses Sault
kund gethan. Wir haben aber bereits oben erwähnt, daß die Herren
von Golt-naw in Pommern den Ort Goult in dem Lande Sault , von
welchem die Grafen von Sault heutzutage den Namen ftihi'en, gegründet
hatten. Es bleibt daher nachzuweisen, wer diese Herren von Golt-naw
waren und wie sie sich in Frankreich ansässig gemacht; wobei ich
jedoch nicht aus mir selbst reden werde, sondern nach einer sehr schönen
Chronik des Hauses Trich fmaison de TricK), die ein Bischof (Evesque)
von Stettin iu Sachsen in deutschen Reimen (en vers allemans) abge-
fasst hat. Man hat mir dieselbe mitgetheilt, und ist die Handschrift älter
als zweihundert Jahre (et est escrite a la main, y a passe deux cents
ans). Da nun ein Erzbischof (Arch evesque) von Stettin, der in jenem
Lande hochangesehen (grand) ist, sich die Mtilie gegeben, die finihere
Geschichte (l'antiquite et les gestes) derer aus dem Hause Trich in
Reimen zu beschreiben, so folgere ich daraus, daß dieses Haus hoch-
angesehen (grand) war ; und dies muß gewiß auch der Fall gewesen
sein ; denn wie aus besagter Chronik erhellt, war es mit dem Kaiser
Otto von Sachsen, dem ersten dieses Namens, so wie mit dem Kaiser
von Griechenland verwandt (allyee). Indem nämlich der Fürst Hug
von Trich (prince Hugues de Trich) einer Prinzessin (infante), Tochter
König Waldungs von Pommern, heimlich die Ehe verheißen und mit
ihr sehr vertrauten Umgang gehabt hatte , wie ein Ehemann ihn mit
seiner Frau zu haben pflegt, so fühlte sie sich schwanger. Darob sehr
erzürnt, sperrte die Königin, ihre Mutter, sie in ein Schloß; als jedoch
die Zeit der Entbindung gekommen war, nahm ihre Hofmeisterin (gou-
vcrnante) das Kind, und nachdem sie es gehörig eingewickelt und mit
dem Nöthigen versehen, bot sie es einem Bauern dar^ indem sie es von
den Fenstern des Zimmers der Prinzessin mit einem Stricke in den
Graben hinabließ. Während nun aber das Kind auf der Erde lag, kam
eine Wölfin, die trotz dem Bauern das Kind in ihre Höhle trug. Gott
jedoch, der die Seinigen zu retten weiß , sowohl aus dem Wasser Avie
Moses, als aus dem Feuer wie Sidrach .... rettete auch den kleinen
neugebornen Prinzen, so daß weder die Wölfin noch ihre Jungen ihm
irgend ein Leid zufiigten, was gewiß ein offenbares Zeichen war,- daß
Gott sich dieses jungen Fürsten bedienen wollte , wie er sich seiner
auch '.virklieli (später gegen die Türken bediente. Als aber die Mutter
ZUK LlTTKKATl-K(;ESt'IIICIITE DES W()LFJ)IETRICII. 22U
dieses Unglück sah, so gedachte sie vor Schmerz zu sterben, weil sie
den Zorn des Fürsten Hug de Trich fürchtete. Allein es schlug alles
zum Besten aus ; denn als am folgenden Tage der König Waldung
auf die Jagd gieng, entdeckte er jene Wölfin, und da alle Fürsten und
Edelleute diesem Thiere gram sind, so ließ er ihr so eifrig nachjagen,
daß man sie bis in ihre Höhle verfolgte und sie daselbst mit ihren
Jungen tödtete. Unter diesen fand man denn auch den kleinen Prinzen,
der in sehr reiche Stoffe gehüllt war, imd brachte ihn dem Könige,
welcher darob so große Freude empfand , daß er zum ewigen Ange-
denken au diese Jagd an dem Orte , wo das Kind gefunden worden,
ein Schloß erbaute. Das Kind selbst ließ er zu Selhenneckel feierlich
taufen und gab ihm den Namen Wolf (Wolf c'est a dire Loup). Als
nun die Prinzessin, seine Tochter, von all diesem berichtet worden,
erzählte sie ihren königlichen Eltern alles, was sich zwischen ihr und
dem Fürsten Hug von Trich zugetragen, worauf dann die eheliche Ver-
bindung Beider stattfand. Allein die Prinzessin starb nicht lange danach,
so daß Hug von Trich, der gegen die Griechen Krieg führte, sich mit
der Tochter des Kaisers von Constantinopel in zweiter Ehe vermählte.
An letzterem Orte auch starb er und hinterließ von dieser seiner Ge-
mab'n mehrere Söhne. Was Wolf von Trich anbelangt, so nahm er zur
ewigen Erinnerung an die Gnade , welche Gott ihm durch seine Be-
freiung aus dem Rachen eines so grausamen Thieres, wie Wölfe es ge-
wöhnlich sind, erwiesen hatte, den Wolf als Wappen an und gab da-
gegen das pommersche auf. Dieser Fürst war seiner Zeit sehr tapfer
und kampflustig und setzte die Kriege fort, welche sein Vater lange
Zeit gegen das Haus Sachsen geführt, so wie er auch die Türken heftig
bekriegte. Er vermählte sich mit Sidrach, der Tochter des Königs von
Reussen (Roy de Russie) , von welcher er verschiedene Kinder hatte,
und da man zwischen Golt-naw in Pommern und Stettin in Sachsen
nur den Oderfluß (la riviere de Odera) zu passieren braucht, so schlössen
mehrere von seinen Söhnen ein Bündniss (firent alliance) mit den Für-
sten von Sachsen, namentlich einer, der den Namen seines Vaters trug..
Und ihre Freundschaft war so groß, daß, als der Fürst Berald von Sachsen,
der Stammvater des Hauses Savoyen, in die Provence kam und in die
Dienste des Königs von Arles trat, der Fürst Wolf von Trioh, der Sohn
des großen Wolf, ihn begleitete ; und ebenso wie der Fürst Berald sich
in Morienne ansässig machte, so machte sich Fürst Wolf in der Herr-
schaft Sault ansässig, indem er sie eroberte und mit voller Souveränität
besaß , wie sie auch alle seine Nachfolger besessen. Da jedoch das
Kaiserthum von neuem der germanischen Nation anheimgefallen war,
230 FELIX TJERRECHT
SO nahm er das besagte Land Sault im Jahre Eintausend und zwei-
hundert von Kaiser Heinrich dem Zweiten zu Lehen und besaß es
vom Reich mit voller Souveränität. Dies erhellt auch aus dem Lehen-
brief (infeudation), worin der Name Trich einigermaßen verdorben er-
scheint (wie alles der Verderbniss anheimfällt); denn dort steht Lupus
de Trmonlfz. Dieser Fürst gründete und erbaute Groult in dem Lande
Sault, und ganz so wie die Fürsten von Sachsen, die sich in Morienne
niedergelassen, den Namen Sachsen aufgaben und dafür den Namen
Savoyen annahmen , so gaben auch diese Fürsten von Pommerland
(princes de Pomerlandt) den Namen Trich auf und nahmen dafür den
Namen Goult an, welches der erste von ihnen in der Provence erbaute
Ort war , obwohl sie noch immer den Wolf im Wappen beibehielten,
und diesen führen die Herren von Sault auch noch heutzutage ebenso
wie den Namen Goult. Da nun aber alle Dinge auf dieser Welt der
Veränderung unterworfen sind , so hatten die Herren von Sault und
die Grafen von Provence jederzeit etwelche Zwistigkeiten, so daß daraus
große Händel entstanden. Endlich jedoch ti-af Messire Isnard de An-
trawnis, Herr von Sault, mit dem Könige von Sicilien und Jerusalem,
Grafen von Provence, ein Abkommen und leistete ihm Huldigung für
die Herrschaft Sault und das Thal derselben, wobei er sich indess für
sich selbst und seine Nachkommen alle Souverän itätsrechte und Gerech-
tigkeitspflege vorbehielt .... nebst mehreren andern Capitulationen,
welche in der im Jahre Eintausend zweihundert und neunzig darüber
aufgenommenen Urkunde , die mir mitgetheilt worden , enthalten sind.
Auf diese Weise also wurde die HeiTschaft Sault mit der Provence
verbunden."
So weit du Pinet, und es bedarf erst keiner nochmaligen beson-
dem Hervorhebung , daß unter der von ihm angeführten deutschen
Reimchronik das Gedicht Wolfdietrich zu verstehen ist. Die Namen
Hugdietrich und Wolfdietrich erscheinen ganz deutlich in Hug de Trich
und Wolf de Trich\ König Waldung, in dessen Land die Stadt Selben-
neckel liegt , ist der König Walgund von Salnecke des deutschen Ge-
dichtes , und so erkennen wir in der Prinzessin Sidrach von Reussen
Sidrat, die Gemahlin Otnits, wieder. Indeß weicht du Pinets sehr kurze
Übersicht der von ihm Chronik genannten Dichtung bedeutead von den
uns bekannten Versionen derselben ab ; so z. B. ist Waldung nicht
König von Salnecke, sondern von Pommern, und Hug von Trich scheint
bloß als ein wenn auch mächtiger Vasall desselben , als ein pommer-
scher Fürst aufgefasst, der vielleicht nur in Folge seiner Vermählung
mit des Königs ungenannt bleibender Tochter auch das pommersche
ZUR LITTERATUKGESCHICHTE DES WOLFDIETRICH. 231
Wappen führt (oder gar König wird?) und sich nach ihrem Tode mit
einer griechischen Prinzessin verheirathet, wogegen Hugdietrich in dem
deutschen Gedichte als geborner König von Constantinopel (Cunste-
nopel) auftritt , sich als solcher mit Walgunds von Salnecke Tochter
vermählt, und sie alsdann in sein Land führt ; von einer zweiten Frau
Hugdietrichs weiß das Gredichts nichts. Ferner heirathet Wolf von Trich
Sidrach, die Tochter des Königs von Reussen , wogegen Wolfdietrich
Kaiser Otnits von Garten Witwe, Sidrat, ehelicht und mit ihr nur eine
Tochter, Namens Sidrat, und einen Sohn, Namens Hugdietrich, zeugt,
während derjenige von Wolf de Trich's Söhnen , welcher namhaft ge-
macht wird, gleichfalls Wolf heißt. — Dies die Verschiedenheiten beider
Versionen, abgesehen davon, daß, wie bereits bemerkt, du Pinet eigent-
lich nur den Kern der Sage berührt und fast alle Episoden bei Seite
gelassen hat. Hierbei entsteht nun zuvörderst die Frage : woher jene
Verschiedenheiten? benützte du Pinet etwa eine von unserm Wolfdietrich
abweichende Bearbeitung der Sage? Ich glaube nicht, sondern halte
eher dafür , daß er die Angaben des ihm vorliegenden Gedichts für
seinen Zweck absichtlich umgestaltet hat; dieser Zweck aber bestand
in der Verherrlichung des Hauses d'Agoult , Grafen von Sault , deren
einem, Fran^ois, er, wie wir gesehen, sein Werk widmete. Du Pinet
war , allem Anschein nach , mit Letzterem sehr befreundet , wozu ihn
schon seine religiösen Ansichten fuhren mussten; denn er war ein eifriger
Hugenot ebenso wie Frangois d'Agoult, der nebst seinem Bruder Jean
im Jahre 1567 in der Schlacht bei St. Denys gegen die Katholiken fiel.
Ich bin also ganz der Ansicht von Laboureur, der in seinen Additions
aux Memoires de Castelnau Tom. II p. 511 in Betreff des Frangois
d'Agoult bemerkt : ,,11 estoit vaillant, genereux, magnifique et de grand
esprit, il aimait les Lettres, et ce fut en sa consideration, qu'Antoiue
du Pinet Seigneur de Noroy ramassa , dans son Traite des Villes et
Forteresses du Monde, des Traditions badines touchant l'origine de la
Maison de Sault, pour en faire un Roman plus incroyable que les Apo-
logues et les entretiens des hommes avec les bestes. . . . et le tout fonde
sur ce que les Armes d'Agoidt sont, non pas une Louve comme elles
auroient deu estre, mais un Loup avec les marques de sa Masculinite,
et sur ce que quelques-uns de cette Maison se surnommerent diverse-
ment dans les Tiltres Latins de Agoufo et de Tritis, a cause de la Terre
de Trez , ancien partage des Vicomtes de Marseille qui leur escheut
par Mariage." Und in der That sieht es danach aus, als ob eben nur
der Wolf im Wappen der Herren von Agoult oder Goult, so wie ihr
Besitz des Ländchens Trets (was mit Irich einige Ähnlichkeit hat ; es
232 lEI.lX TJEBUKCHT
liegt im Departement Bouches du Rhone in der Nähe von Aix) die
einzigen Vermittehingspiinkte gewesen wären, welche du Pinet die Idee
eingaben, das deutsche Gedicht so zu verwenden ; erst in Folge dessen
brachte er Goult mit GoUnow in Verbindung. Indess suchte er zugleich
noch einen andern Zweck zu erreichen und die zu seiner Zeit allem
Anschein nach bestehenden freundschaftlichen Beziehungen zwischen
den Häusern Agoult und Savoyen auf eine ältere Zeit zurückzuftihren.
Es mußte ihm aber bekannt sein , daß Berald , Sohn des Markgrafen
Rothar von der Nordinai'k, ein Sachse, für den ersten Grafen von Mau-
rienne (in Savoyen) gilt, den König Rudolph HL von Burgund zum
Vicekönig von Arles und Kaiser Heinrich H. zum Reichsvicar ernannt
haben sollten , und du Pinet ließ daher den Stammvater der Herren
von Agoult als treuen Freund Beralds zugleich mit demselben nach
Arles kommen , zu welcher Treue und Freundschaft er übrigens im
Wolfdietrich ein Vorbild in Berchtung von Meran fand , wobei zu be-
denken ist , daß der Name letzteren Landes (lat. Mairania s. Holtz-
mann S. LXXXVH) mit Maurienne fast gleich klingt, so wie auch
Berchtung und Berald eine leichte Ähnlichkeit besitzen. Es kam du Pinet
nur darauf an, seinen Angaben die gehörige Glaubwürdigkeit zu ver-
leihen ; daher nennt er das deutsche Gedicht eine Reimchronik und
macht zum Verfasser derselben einen angesehenen Bischof, den er bald
darauf Erzbischof nennt ; den Sitz des letzteren verlegt er nach Sachsen,
dem Stammland Beralds, welches er dann auch an Pommern, der Hei-
mat Hugs und Wolfs von Trich , grenzen lässt. Daß er aber gerade
letzteres Land ausersehen , um die Ahnen des Hauses Agoult daraus
herstammen zu lassen, erkläre ich mir dadurch, daß die wirkliehe oder
sagenhafte Urgeschichte der meisten Fürstenhäuser zu seiner Zeit hin-
länglich bekannt war, während dies bei den fernabwohnenden Herzögen
von Pommern weniger der Fall sein musste und so die Phantasie einen
freiem Spielraum hatte. Deshalb auch dachte du Pinet z. B. nicht daran,
die älteste Geschichte der Herzöge von Baiern für seine Zwecke zu
benutzen und ihnen einen Wolf de Trich beizugesellen, sonst hätte ihn
der Bischof von Eichsfett (var. Einstetten, Ainstetten) in Beyern lant, der
gleich zu Anfang des Wolfdietrich erwähnt wird , dazu veranlassen
können ; indess scheint mir doch , daß der Name letzterer Stadt ihm
wenigstens die Idee eingab, den Bischof nach Stettin zu versetzen und
vielleicht auch überhaupt du Pinet auf Pommern brachte. Ob er Stettin
aus Unkenntniss oder absichtlich nach Sachsen verlegt, lasse ich dahin-
gestellt ; jedenfalls lag diese Stadt seiner Angabe nach hart an der
Grenze Pommerns, so daß man zwischen Golt-yiaic d. i. GoUnow und
ZUR LITTERATITRGESCHICHTE DES WOEFDIETKICH. 233
Stettin nur die Oder zu passieren brauchte, was ganz richtig ist. Auf
Gollnow aber kam du Pinet, wie wir gesehen, durch die Ortschaft Groult
in der Grafscliaft Sault; sonderbar genug, daß ihm jenes pommersche
Städtchen bekannt war; indess, nachdem er einmal auf Pommern als
ehemalige Heimat der Agoult verfallen , mochte er sich mit der Geo-
graphie letztern Landes etwas genauer bekannt gemacht haben, so daß
er sich auch, wie oben hervorgehoben, des Ausdruckes Pommerland be-
dient, und es scheint fast, als ob er bei dem für das Salnecke des Wolf-
dietrich eingetretenen Selhenneckel an eine bestimmte Localität Pommerns
gedacht haben müsse, ohne daß ich jedoch diese namhaft zu machen
im Stande bin. Vielleicht aber ist dies eine seinem eigenen Gehirn ent-
spnmgene Umgestaltung des Namens Salnecke, welchem er eine deutsch
klingen sollende Form geben wollte. Überhaupt nimmt es du Pinet mit
den Namen nicht sehr genau; so haben wir gesehen, daß seiner An-
gabe nach der in dem Lehenbriefe der Agoult über die Herrschaft
Sault enthaltene Name Trawnüz (weiter unten Antraivnis genannt) aus
Trich verdorben sein sollte. Unter Trmimitz ist aber wahrscheinlich die
Stadt Ti-aivnik in Bosnien zu verstehen, daher unter Selhenneckel, wenn
nicht SalneckC;, muthmaßlich Sebenico, das nicht weit von Trawnik entfernt
ist; indem du Pinet Sebenico in eine deutsche Form zu bringen suchte
und nach Pommern versetzte , dachte er vielleicht an das nicht weit
von dessen Grenzen liegende Nakel, von dem er gehört haben mochte.
Bosnier wanderten nämlich bei dem Vordringen der Türken wahrschein-
lich ebenso aus wie die Albanesen ; zunächst nach Italien, woselbst
noch jetzt slavische und albanesische Colonien sind (und die Bo^ier
hatten die slavische Sprache angenommen) ; die vornehmern und rei-
chern mochten zum Theil weiter gehen, wie Lupus von Trawnik nach
Südfranki-eich, welcher Name Lupus wohl aus einem slavischen latini-
siert ist. Auch Jahreszahlen respectiert du Pinet nicht sehr; so versetzt
er Kaiser Heinrich IL in das Jahr 1200 , gewiß in einer bestimmten
Absicht ; vielleicht trug der genannte Lehenbrief diese Jahreszahl , so
daß er also von Kaiser Philipp oder wahrscheinlicher von Kaiser Otto IV.
ertheilt war ; da jedoch Berald unter Heinrich IL mit Savoyen belehnt,
Wolf von Trich aber zugleich mit ihm in Burgund angelangt sein sollte,
so ließ du Pinet muthmaßlich deswegen Heinrich IL im J. 1200 am
Reiche sein. Wunderlich scheint es nur , daß die Herren von Agoult
den Inhalt dieser filr sie so wichtigen Urkunde nicht genauer gekannt
und gewusst haben sollten, welcher Kaiser und welche Jahreszahl darin
namhaft gemacht waren. Wenn übrigens du Pinet ferner berichtet, daß
das' Haus Trich mit dem sächsischen Kaiser Otto dem Ersten verwandt
284 FELIX LIEBRECHT
war, so ist dies nichts anderes als eine willkürliche Verwandlung und
Verwendung des Namens Otnit] eben so willkürlich wie die des Löwen
im Wappen Wolfdieti'ichs in den Wolf, den er Wolf de Trich beilegt.
Aus all dem bisher Augeführten geht also zur Grenüge hervor,
daß du Pinet von unserm Wolfdietrich Kenntniss gehabt , und zwar,
wenn meine obige Vermuthung richtig ist, daü er sein Stettin aus dem
Eichstett des Gedichts hergeholt, so wird dies eine der Heidelb. Hss.
373 (Holtzmanns A) entsprechende oder ihr zu Grunde liegende Re-
cension gewesen sein, da die Lesart derselben Einstetten (auch C liest
Ainstetten) der Form Stettin noch näher steht als das Eichstett des
Textes. Hieran knüpft sich ferner die Frage, ob du Pinet das Gedicht
selbst zu lesen vermochte oder sich dasselbe vorübersetzen ließ, d. h.
also, ob er deutsch verstand oder nicht. Wahrscheinlicher dünkt mir
ersteres, da er ein sehr kenntnissreicher Mann war und namentlich auch
die damaligen Hugenotten, besonders die gelehrtern unter ihnen, von
den deutschen Schriften der Reformatoren in der Schweiz und Deutsch-
land genaue Kenntniss nahmen. Endlich aber möchte man gern wissen,
und dies ist bei weitem das wichtigste, wie wohl die Handschrift des
Gedichts, welche ums J. 1560, wo ungefähr du Pinet an seinem obge-
nannten Werke schrieb, mehr als zweihundert Jahre alt war, also etwa
aus der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts stammte, in seine Hände
gekommen sein mochte. Hierbei ist nun Folgendes zu erwägen. Im
Eckenlied 22 wird bekanntlich von Wolfdieünch erzählt , daß er zu
Tischen in Burgund ins Kloster gegangen sei (Ze Tischen bruodert sich
der- degen — Ze Burgun in dem lande — Aldar gab er die brünne guot-
Sin kloster macht er riche etc.); im Wolfdietrich 2122 hingegen heißt
das Kloster Titschal (ez lit zu nehst an den beiden zu ende der Kri-
stenheit — daz was Sant Jörgen orden, do brudert er sich in). Daß
eins dieser Gedichte , wie sie uns in den spätem Bearbeitungen vor-
liegen , aus dem andern geschöpft , ist nicht wahrscheinlich , da die
richtige Angabe des Eckenliedes in Bezug auf die Localität des Klosters
nicht aus der unrichtigen des Wolfdietrich geflossen sein kann. Muth-
maßlich also besaßen beide Dichtungen eine gemeinschaftliche ältere
Vorlage oder Nachricht, die vielleicht auch den Ausdruck sich hrudern,
jedenfalls aber die richtige Angabc Tischen in Burgund enthielt. Letz-
tere jedoch dünkte dem Bearbeiter des Wolfdietrich zu schlicht und er
verlegte deshalb das Kloster mit einer Namensabänderung , die ver-
muthlich der Reim ihm eingab (mal : Titschal) , an das Ende der Chri-
stenheit, um so den Schlußkampf gegen die Heiden besser anknüpfen
zu können, obwohl sonst in den Dichtungen des Mittelalters die Heiden
ZUR LITTP:RATUEGESCHICHTE des WOLFDIETRICH. 235
oder Sarazenen ohne Weiteres mitten in Europa erscheinen (vgl. Dun-
lop-Liebrecht S. 472 Anm. 166). Oder sollten vielleicht unter den Heiden
des Wolfdietrich Türken zu verstehen sein (v. 2135 „der heiden Soldan"),
welche zur Zeit Amurads I. um das J. 1370 bis nach Bosnien vor-
drangen, wo sie 1387 eine große Niederlage erlitten? Auch du Pinet
spricht von den heftigen Kämpfen Wolfdietrichs gegen die Türken,
und in Bosnien liegt ein Ort Titschar (Talvj Volkslieder der Serben
2, 360 zweite Aufl.) ; von diesem, missverstanden oder umgebildet aus
Tischen, ließ sich allenfalls sagen, daß es „zunächst den Heiden zu Ende
der Christenheit liege"; das Grerücht von der Niederlage der Türken
war gewiß nach Deutschland gedrungen. Daß nun unter Tischen in
Burgund die Stadt Dijon zu verstehen sei, fällt in die Augen, und ein
St. Georgenorden bestand zwar nicht in dieser Stadt selbst, aber doch
in nicht großer Entfernung davon, nämlich zu Rougemont, wo im J. 1390
Ritter Philibert von Miolans, dem dieser Ort theilweise gehörte, zu Ehren
einiger aus Palästina mitgebrachten Reliquien jenes Heiligen nicht nur
eine Kapelle, sondern auch den Orden von St. Georg in Burgund
zu gottesdienstlichen Zwecken und zur Beförderung der Frömmigkeit,
brüderlicher Liebe und edlen Wandels stiftete. Der Orden hatte auch
eigene Priester von Rougemont und Damen von Rougemont;
alle Mitglieder aber mussten bei der Aufnahme sechzehn reine Almen
aufweisen , und da die Versammlungen ursprünglich an jenem Orte
gehalten wurden, so hieß er auch Orden von Rougemont; später
indess fanden sie in der Carmeliterkirche zu Besan9on statt. Ein Mönchs-
orden also war dies nicht, vielmehr hauptsächlich ein geistlicher Ritter-
orden ; weshalb auch wohl bei Wolfdietrich 2124 nicht nur ein apt,
sondern auch ein kumtur erwähnt wird ; der eigentliche Titel des Vor-
stehers dieser Bruderschaft (confrerie) war aber bäfonnier. Das in
Rede stehende Rougemont nun ist ein kleiner Ort in der Nähe der Ar-
mangon und des canal de Bourgogne im Arrond. Semur, Dep. Cote d'Or,
etwa 90 Kilometer (18 Meilen) von Dijon , also in keiner allzugroßen
Entfernung davon, so daß in Deutschland ein vorhanden sein sollendes
Kloster jenes St. Georgenordens leicht nach letzterer Stadt selbst ver-
legt werden konnte. Die Kenntniss des Ordens überhaupt aber verdankte
man möglicherweise direct oder indirect irgend einem deutschen Ritter,
der bei seiner Stiftung oder nicht lange nachher in denselben getreten
sein mochte. In welcher Art, Gestalt und Fassung sie den spätem Be-
arbeitern des Eckenliedes und des Wolfdietrich zukam, lässt sich freilich
nicht sagen ; wie der des letztern sie verwandte , haben wir gesehen,
und es entsteht hierbei die Frage, ob nicht auch erst bei dieser Gele-
236 FELIX LIEB RECHT
genheit der St. Jörge genannte Fürst in das Gedicht gekommen ist,
wo er mit einer gewissen Vorliebe, namentlich als Wolfdietrichs Tauf-
pathe, genannt wird (s. die ihn betreffenden Stellen bei Holtzmann im
Namenverzeichnisse S. 345''). Diese Zuthaten also (Kloster zu Tischen,
Kloster Titschal und Fürst St. Jörge) müssten, wenn meine Muthmaß-
ungen gegründet sind , im Eckenliede wie im Wolfdietrich erst nach
der Stiftung des Ordens, d. h. nach dem Jahre 1390 eingetreten sein.
Man kann wohl dabei fragen, ob dies bei letzterm Gedichte vielleicht
in Folge einer besonderu Veranlassung oder gar Aufforderung geschah,
die etwa von dem deutschen Ritter zu Rougemont ausgieng, dessen
Angaben aber auch irgendwie dem Bearbeiter des Eckenliedes zu Ohren
kamen und kürzer aber genauer benutzt wurden. Hatte jener Ritter
vielleicht aus einem Grunde eine besondere Vorliebe für den Wolf-
dieti'ich, von dem er etwa auch eine natürlich ältere und dann wahr-
scheinlich, wie wir gesehen, dem Text A zu Grunde liegende Recension
besaß? Blieb diese als Geschenk oder Hinterlassenschaft in Rougemont
zurück und kam so in späterer Zeit zur Kenntniss du Pinets? Die Ver-
sammlungen des St. Georgenordens fanden, wie oben bemerkt, weiter-
hin (ich weiß aber nicht zu sagen, von welcher Zeit an) in Besangen
statt mid dorthin mag dann auch das etwaige Archiv und die Bibliothek
des Ordens gekommen sein; du Pinet aber war aus Besancou gebürtig.
Doch kann er die Handschrift auch andei-wärts angetroffen haben, etAva
in Dijon, wo auch das Haus Sault theilweise heimisch gewesen zu sein
scheint, falls nämlich die Herren von Sauhc demselben angehörten, die
jedoch eifrige Katholiken waren, wie z. B. der berüchtigte Gaspard de
Tavannes, Marschall von Frankreich, welcher, im J. 1509 zu Dijon ge-
boren, auch daselbst in der „La Sainte Chapelle" genannten Kirche
seine Grabstätte hatte.
Ich habe nun Muthmaßungen genug aufgestellt und Avill damit
aufhören ; doch gab der sehr verwickelte imd zugleich anziehende Ge-
genstand hinlänglichen Anlaß dazu. Andere , die mit demselben ver-
trauter sind als ich, und denen reichere Bibliotheken zu Gebot stehen
(in erster Linie also Holtzmann) , mögen ihn gründlicher zu erörtern
und sichere Ergebnisse zu erlangen suchen; ja es wäre vielleicht nicht
unmöglich, die von du Pinet benutzte Handschrift des Wolfdietrich in
einer oder der andern Bibliothek des südöstlichen Frankreich (Dijon,
Besangen u. s. w.) wieder zu entdecken. Mir indess genügt es zuvörderst
auf den bemerkenswerthen Umstand hingewiesen zu haben , daß um
die Mitte des 16. Jhd. unser Wolfdietrich nach einer viel älteren Quelle
in der genannten Gegend bekannt war, und zwar ganz in der Nähe
ZUR LITTERATURGESCHICHTE DES WOLFDIETRICH. 237
des Ortes, wo der Held des Gedichtes sein Leben im Kloster beschlossen
haben sollte.
Bevor ich nun diesen Gegenstand verlasse , will ich , wie oben
angekündigt, noch einige weitere Bemerkungen hinzufügen, die jedoch
nicht mehr die litterarhistorische, sondern die stoffliche Seite desselben
betreffen. Der kleine Wolfdietrich nämlich, welcher nach Holtzmauns
Ansicht (S. XXI) gegen Ende des XV. Jhd. aus einer verkürzenden Ver-
schmelzung des großen mit Wolfdietrich und Sabene entstanden ist,
enthält eine Episode (vgl. Holtzm. S. XXIX. XCIV), worin ein unge-
nannt bleibender Zwerg dem Wolfdietrich erzählt, daß ein anderer Zwerg,
Namens Billung , ihn seines Landes beraubt habe ; er zeigt alsdann
dem Helden die ihm noch gebliebenen Herrlichkeiten, nämlich eine Linde,
die er mit einem Schlüssel aufschließt und aus welcher zwölf Jung;-
frauen mit silbernen Kleidern und goldenen Haarbändern hervorkommen,
so wie eine Zeder, aus der Wein fließt; ferner schenkt er dem Wolf-
dietrich eine Büchse, aus welcher er hundert Bewaffiiete nehmen kann,
und ein Hörn , auf dessen Schall ihm der Zwerg jederzeit zu Hilfe
kommen will. Letzterer bemerkt dabei, daß sein Vater Titan diese drei
Wünsche, nämlich die Linde, die Büchse und das Hörn, von Gott er-
halten habe. — Es liegen hier nun mehrfach in Sage und Märchen
erscheinende Züge vor ; so erkennt man in dem wunderbaren Hörn
alsbald das Hörn Oberons wieder ; dieser ist der deutsche Alberich
(Eiberich, französ. Auberon), den Simrock mit Wodan und dessen Hörn
zusammenstellt, Myth. 468 vgl 450. 233. 250 (2. Ausg.). Oberons Ge-
mahn aber heißt in Shakespeares Sommernachtstraum Titania, und
dieser Name erklärt sich durch den oben angeführten Zwergkönig Titan.
— Die Wunschhüchse finden wir in dem Ranzen, aus welchem Soldaten
geklopft werden ; s. Grimm KM. no. 54 und dazu die Anm. 3^*, 90. —
Die Jungfrauen , die aus der Linde kommen , sind nichts anderes als
Hamadryaden, vgl. Grimm Myth. 617 ff'., und was die weinspendendc»
Zeder betrifft , so dürfte sie ein weiteres Beispiel davon liefern , daß
wunderbar scheinende Züge in Märchen und Sage nicht selten auf natur-
geschichtlichen oder historischen Thatsaclien beruhen, wie ich in den
Gott. Gel. Anz. 1865 S. 1190 ff. und im Philologus 23, 682 ff nach-
gewiesen ; die an ersterer Stelle beigebi'achten Beispiele bezogen sich
auf Indien , und so führe ich denn auch jene W^underzeder des deut-
schen Gedichtes auf die Weinpalme (borassus flabelliformis) zurück,
welche gleichfalls in Indien zu Plause ist und von der im Mittelalter
wahrscheinlich eine Kunde nach Europa gedrungen war.
238 FELIX LIEBRECHT, ZUR LITTERATURG. DES WOLFDIETRICH.
Anderes übergehend möchte ich schHeßHch bloß noch auf die
ziemlich genaue Übereinstimmung aufmerksam machen, welche zwischen
dem alteuglischen Gedichte Guy of Warioick und dem Wolfdietrich in
mehrfachen Zügen herrscht. Heraud von Ardenne, der treue Erzieher
vmd Lehrer Guys , der diesen auch auf allen Kriegszügen begleitet
(s. EUis Specimens of Early English Metrical Romances, London 1848
p. 191 ff.), entspricht dem bei Wolfdietrich sich in gleichem Verhältnisse
findenden Berchtung von Meran; — Guy (Ellis p. 206 ff.) und Wolf-
dietrich haben beide heiße Kämpfe bei Constantinopel ; — so wie ferner
Wolfdietrich Ortnits Schwert in der Drachenhöhle findet (1661 — 2
Holtzm.) , so findet Guy ein solches gleichfalls in einer Drachenhöhle
imd zwar im Leibe des todten Drachen selbst (Gesta Roman, c. 172
p. 286, 18 ff. ed. Keller) ; — Guy steht einem Löwen im Kampfe gegen
einen Drachen bei, welchen letztern er tödtet, worauf der Löwe sein
treuer Begleiter wird (Ellis p. 211), und ganz gleiches erzählt ein dä-
nisches, höchst wahrscheinhch einem deutschen entstammendes Volks-
lied von Wolfdietrich (s. Svend Grundtvig Danmarks Gamle Folkeviser
no. 9 „konge Diederik og Löven"; vgl. Holtzm. S. XCIX no. 8 und
Wolfd. 1618 ff.) ; — Guy kämpft lange Zeit mit dem Amiral von Äthio-
pien, einem Riesen, und beide stärken sich während des Kampfes durch
Wassertrünke, bis Guy den Riesen erschlägt (Ellis p. 221 f ), und unter
gleichen Umständen tödtet Wolfdietrich den Riesen Belamunt (399 bis
453); — Guy hört den Grafen Jonas an einem Brunnen klagen und
durch Besiegung jenes Amirals befreit er den Grafen und seine fünf-
zehn Söhne aus der Gefangenschaft (Ellis p. 220—2) ; ebenso vernimmt
Wolfdietrich Berchtungs Klage vom Stadtgraben aus (1318—9) und
befreit später dessen zehn Söhne; — schließlich, um den Rest seines
Lebens in Buße zu enden, pilgert Guy nach dem heiligen Lande, rettet
zurückgekehrt sein Vaterland von den Heiden , indem er deren Vor-
kämpfer Colbrand erschlägt, und zieht sich sodann in eine Einsiedelei
zurück (Ellis p. 230. 234) ; ganz so beschließt auch Wolfdietrich sein
Leben im Kloster, nachdem er dasselbe vorher noch einmal gegen die
Heiden vertheidigt und diese besiegt hat. — Auf diese Ähnlichkeiten
der beiden Dichtungen will ich hier bloß hinweisen, ohne weitei'e Be-
trachtungen daran zu knüpfen; den ascetischen Schluß haben sie freilich
mit andern Gedichten des Mittelalters gemein, und zerstreut finden sich
auch die übrigen Züge anderwärts wieder, nichtsdestominder zeigt sich
jene Übereinstimmung als auffallend genug.
LÜTTICH. FELIX LIEBRECHT.
239
ZU HARTMANNS GRP^GOR.
Die vaticanische Handschrift des Gregor ist seit Greiths Abdrucke
im Spicilegium Vaticamim meines Wissens nicht neu verglichen worden,
und doch lag bei der geringen Zuverlässigkeit jenes Abdrucks ein An-
laß dazu gewiß vor. Da die Handschrift auch jetzt noch die Haupt-
urkunde für das Gedicht bildet , so glaube ich nichts überflüßiges zu
thun, wenn ich alle Abweichungen von Greiths Texte, die durch meine
Collation sich ergeben haben, mittheile.
1 das anfangende D ist ein größerer Initialbuchstabe. 5 seltscenen.
6 gutem. 9 Vn leit, wie die Erlauer Hs. ; die Ausgaben von Lachmann
und Beeil haben mit E daz lit. 10 die Worte ein richer herre sind
keineswegs sicher, namentlich ist ein zweifelhaft. Entweder ist des seihen
rtches herre oder des seihen landes herre die richtige Lesart. 13 mohten.
14 vn, und so fast durchgängig. 31 mage. man. dienstman. 44 nu. 48 vn
wnnechlichen. 58 hegünden. 61 diu chint. 66 ia furhie ich. 77 roete hat
wirklich die Hs. 82 den arm gut. 92 hruderliche. 110 lihe. 112 nach
sage scheint ein Buchstabe ausradiert. 114 an in. 120 hisiten; siten ist
vom Miniator hinzugefügt. 133 Do dise wnne vn den gemach, und so
ist zu lesen. Lachraann mit EG Do dise loiinne und disen gemach, Becli
mit Greith Do die loünne und den gemach. 153 Daz. 161 slaffen. 166 Daz
er so grozen manegen spot; grozen manegen mit ümstellungszeichen, mit-
hin ist zu lesen daz er so manegen grozen spot, wie auch E hat. 169 nah.
173 ir fehlt. 175 großer Anfangsbuchstabe, dagegen mit gewöhnlichem
nu 181, und wieder großer bei Nu 183. 184 Du. 187 stvnt. 190 oher
geioant. 193. 194 unz er dar under zu ir qvam
vn si an slnen arm genam,
welche beiden Verse Greith durch Striche ersetzt. 195 großes 0.
dar vnder. 202 mvnt. 217 hrut, das andere Reimwort Iwte. 227 Dar nah.
235 daz si. 238 sivere. 247 niftel si {'.hi)] die Circumflexe bei Greith
stehen nicht in der Hs. 250 versuchte. 251 hier hat die Hs. ünde.
255 liehev. 257 gemomen. 259 ivas. 260 hegtmde si. 261 suften. 265 ge.
trurens. 266 ztoir. 267 An dem, lihe vn an der sele. 270 Wand' d. h.
Wände, wie auch 140 u. ö. steht. 273 werlde. 278 zestünt. 280 iamer.
291 stunt. 296 dih. 300 durch. 302 ovh. 308 Jane. 317 wnden. 323 ovh.
331 Absatz. 333 Also ez ir do. 343 Absatz. 349 ivngelich. 365 fhze.
373 sagt mir ivaz iu werre = D und Bech. 382 nah. 403 heiligem.
405 sxvern, aber weren. 407 pflegen. 410 ivch got geschnnde. 415 muze.
240 KARL BARTSCH
425 Absatz. 429 Zeivar, also zeioäre zu lesen. 432 des landes (ohne Do)
si iht entziehe. 436 gi^zen. 437 gvte. 442 iemen. 446 mit den gvte.
447 Volzihen. 450 /cÄ iV. 451 dvchte. 457 t>, nicht iren. 459 Dem altem.
464 schneiden. 465 ^i'cZe. 486 aus. 487 gvL 488 kausefrawe hat wirklich A.
496 iVer stand, ist aber in der gebessert, und so ist zu lesen (=r E).
504 zw. 505 tcart dar. 508 Daz er ze der. 509 gemceme. 514 schedelich.
517 chunden. 524 tn. 536 manegen. 554 meiste statt inerste bei Greith,
und so ist mit B (E) zu lesen; die Ausgaben haben merste. 569 zihen.
574 behilte. 579 si'Ä. 581 ^o^. 583 ze aZfen stund' hat wirklich A.
587 werld' d. h. loetMe. 589 ll^r. 597 hezüzzen. 600 geschehe. 612 Absatz.
618 Aerz Ze/t 622 iVw, Absatz. 628 ZCT'ow;ew, vgl. 415. 751. 633 Div div
vraioe. 636 maneges. 640 sieht vm. 646 v/" fehlt. 647 er^je. 653 boesev.
654 grozst. 656 brvder. 657 seneder. 658 •yow m* brvder. 660 sa ze Äanf,
nicht tZa ze Aani. 663 eineinen. 611 der hat si vwmfe vn genas:, .f^^lff
hat auch E, die Ausgaben vieriu. 678 senede. 682 c?a vo?-. 702 ziiie.
703 minende. 705 hehagt. 708 xSo st es (für cZes) sto^ geioan. 719 vnsamfte.
720 mtf ^cfeof. 724 machit. 744 ouä. 747 understan (= E), Greith cZan^
die Ausgaben undervän. 751 torawen. lob got ist zwischen geschrieben.
765 zw et'ne. 769 am cZem. 787 daz. 793 geschehin. 800 sacA. 807 jE"?-
warte dei^ vischere (= Lachm.). 808 gelmhe, Greith gesüche, die Aus-
gaben gesuoch] es ist demnach gelücke die richtige Lesart. 810 abhte.
813 Absatz. 815 den (nicht dem) hat A = E (Cj. 816 Fns. 817 ivas,
aus toa?*« (= CE) gebessert. 818 habti. 836 abbte. 838 omcA cZaz (=: Bech).
852 Do. 854 wnden. 855 ^/ (?en sam^. 861 Absatz. 863 nine. 864 svzem.
865 ?acÄ< — a66fe. 871 versteigen. 874 (Zzu ovgen. 895 cÄmt 913 t;?i wan.
915 chind. 916 m fehlt (= E). 917 dienstaßen. 921 aj-me. 924 ez.
931 gwinne. 935 mittertagc. 966 hmiles. 973 wit. 975 Z)az. 983 aS'o ?-eÄfe
vlizic. 986 cZaz. 992 ^^ze/. 996 dingcliches. 997 ze tcillen. 998 soiligez.
999 Z>tv cÄmi c?iv. 1004 sinnriche. 1005 tZa enlivgp ich {= CE). 1011
Da?' waÄ. 1012 gebezzert. 1019 Dar waA. 1031 c^zcÄe für chume. 1044
gervwen. 1045 tcegeUcher. 1055 Absatz. 1059 ?üa?v aber mre. 1063 ste-
«^;ez. 1067 Äaf. 1069 vnredelichen. 1070 senfiem (= C). 1072 (Za?* vnder.
1075 Lere. 1077 Genendich (= Lachm. Conjectur, Zeitschrift 5, 44).
1079 loider loant. 1088 ?ip. 1096 chvnd' er, also chunde er. 1099 ?üere.
1100 ivngelinch. 1102 mohte. 1114 J5?' ^e^e^ dar der (r imsicher) cAa. . .
da von wie; das andere Reim wort lautet toie. von kann auch vor sein.
1117 /Svs. vor dan ist ausradiert Äeim. 1121 si. 1123 m?A. 1126 Sich
her. 1135 i'Ä — dvlten. 1136 Fon eme?)i a'solhen man, die unzweifelhaft
richtige Lesart. 1138 Daz dich getar gebliioen der, ebenso. 1139 ver-
rm^'"' 1142 di-ltez. 1148 Er ji-ndere di-iftige, Greith fvnde i)L die Aus-
zu HAETMANNS GREGOR. 241
gaben fimden. Es wird zu lesen sein fimdene. 1158 almvsenaere. 1159
mvse. 1166 tm. 1169 dvrch. 1172 riioec. 1181 vmviser. 120G. 1216 cJineJit.
1225 Absatz. 1242 ^?s zcA minem liehen cMnde sol, = F, svne wie Greith
liest hat demnach keine Hs. 1247 vri loal. 1255 genesen. 1256 nv.
12Qi dvrch. 1260 wnsche — dinm. 1211 nah. 1285 w^r. 1290921;. 1291 A^y.
1294 drie sache (= EGr), und so ist zu lesen. 1303 Nv waz. 1305 m&lite,
statt m eilte. 1312 ieglichem. 1316 Sicer imz. 1320 Des ich des. 1328 ma-
neger. 1343 betrogen (=E), und so ist zu lesen. 1346 danne (=EG), nicht
damit, wie auch Greith hat, dem Bech folgt. 1347 Vmhehendechlichen
(= G), Lachmanns Conjectur bestätigend. 1354 gelernes vil, wie Lach-
mann schrieb. 1367 geht. 1368 missetat, die von Greith ausgelassene Zeile
(1369) steht in der Hs. So gan ich ir ivol eine andern man. 1384 heste.
1385 So. 1388 ir. 1391 So troverte ie. 1402 geioan. 1406 schenchel.
1407 chunde. 1409 noh. 1412 mane. 1415 gnomen. 1418. 19 gelinpf :
schinpf. 1423 W2z^ heiden henden. 1429 riterlichen. 1432 Absatz. 1433
dütsch. 1435 Wndern muz crede mich. 1436 ez. 1446 dvrch. 1449 s/r/m.
1451 hezzerre. 1460 Äa/. 1462 er 9126^6 Äaf. 1464 cZv?' ^wt 1467 gefuge.
1469 ?irtA. 1473 c?«7i — schä. 1474 i<>c/i. 1478 vorder habe. 1488 manegem..
1489 /za&e. 1490 cZt;rc/i. 1493 ica^/t 1499 manegen. 1507 frumcheit.
1509 ?JwV me (we darübergeschrieben) versagen, Lachmanns Conjectur
bestätigend. Iblb frum. 1521 sold' = solde. 1530 hideo-he. 1Ö32 harnasche.
1545 noch. 1547 Fr^sev'e. 1550 sidiner. 1555 schvf. 1565 wl>. 1585 '?üe2w-
nende. 1590 w«/«. 1592 svw. 1602 /Syw, Absatz. 1611 fv. 1612 wanne —
aide. 1650 icai-f darübergeschrieben. 1654 zv den. 1655 tvanten. 1673
re/ite. 1682 Absatz. 1690 ^enam. 1692 besten. 1694 ?ia/?. 1699 Des wart
er im vil werder gast, die richtige Lesart. 1713 zvcht. 1737 vraioen.
1744 vlizechlichen. 1746 getaie — ?fa;/e. 1747 Doch si. 1749 s2(^?Vi. 1759.
63 hehagte. 1763 /e kann auch e sein, getaete. 1764 machten. 1767 m
für er. 1770 72e?'ze. 1777 Eiterschafl. 1779 /use. 1780 Daz. 1786 iettetaaz.
1800 Z^ze/. 1803 A^t;. 1815 Dvrch— div. 1823 /;a'f. 1836 geteiliez. 1847 üw-
gelopter = E ; und so ist zu lesen. 1849 dar nah, die richtige Lesart.
1854 /w. 1866 lemmer. 1885 em. 1896 cier gvte. 1910 /iari 1911 /fr.
1928 ietexoederre. 1929 ietwederre. 1936 davederre. 1941 Den. 1946 (jre-
tochtige. 1949 c^ew. 1959 vor c^es. 1992 to^gelich. 2000 /m«. 2006 n^7we.
2007 5^ezew. 2008 ,9«^. 2a)9 westen. 2010 i;7'c/^ 2011 verhör. 2014 were.
2029 ^/so vil ßr wart. 2031 S75. 2033 geschach. 2046 sm. 2060 E)^ was.
2063 wmiechlichez. 2072. 76 dvrch. 2093 erchande. 2096 i;&ife. 2107 gemarhte.
2110 riivech. 2120 rechte. 2128 «?. 2139 niwechlichen, Lachmanns Bes-
serung bestätigend. 2140 vroUchen. 2158 mir ze .schaden. 2167 rvcÄ,
besser als ?'y. 2168 zeicare. 2194 hrvsten. 2196 ilf/^ vew/e (=G), wie
GERMANIA. Neue Reilip H. (XIV.) J-ihr«. 16
242 KARL BARTSCH, ZU HARTMANNS GREGOR.
Lachmann besserte. 2197 manegem. 2201 laides. 2202 Wan da enzwivel,
Avie Laehmaun besserte. 2203 eineti. 2205 Dazn. 2232 fm-hfe. 2251 mf
ich. 2256 markte. 2274 nah. 2301 anderstunt. 2302 ?«;ar< (= EG) ist zu
lesen. 2310; die folgende Zeile (2336) fehlt nicht in der Hs. 2335 vn
wol gesunt (= EG) ist zu lesen. 2347 laide. 2356 gehabt ei\ 2374 Von
wannen (= EF) ist zu lesen. 2378 Absatz. 2381 ivch, besser als iv.
2388 Vil endelich, die richtige Lesart. 2393 Der rede. 2401 : diese Zeile
findet sich nicht in der Hs. und ist demnach von Greith , der keine
Bemerkung dazu macht, hinzugedichtet. 2402 Absatz. 2414. 15 sind
mit Umstellungszeichen versehen. 2434 absalon. 2442 chvnde. 2451 De-
heiner. 2457 Ez. 2459 samet. 2470 es] ja. 2493 Wan mit. 2507 herzelicher.
2517 rihtet. 2518 ez. 2537 Der. 2544 Ensamt. 2Db^richem. 2bß9 Mitmar-
wen wzen; maricen, die richtige Lesart, hat auch G. 2573 stigc. 2578 dvrh.
2581 Daz. 2583 dvrch. 2593 nceme. 2595 So ich hinte. 2596 normest. 2600
solhen. 2601 vnnvfzen. 2603 «;s/enf. 2614 ez. 2620 Sicer. 2628 geschehn.
2637 vischeres. 2642 dvrftichliche. 2676 ?«?. 2696 fruncÄ. 2710 Div-ueiz.
2714 ?ioc/« fo?? (E), imd so ist zu lesen. 2716 schenchel. 2722 J/we« schenchel.
2728 vnzeßref. 2731 (/i«e Äe^jt^e. 2735 c/me7\ 2743 ]'ra?/z. 2744 ÄaZ;er. 2757
Absatz. 2764 Vaste. 2791 eisenhalten. 2796 D/e. 2797 geriicet. 2798 wwder
(=G) c/men danch, richtig. 2807 vischen. 2808 tZvrÄ. 2819 Rechte — wnschen.
2845 sin isenhalten. 2861 ouA. 2883 .9/ne?% 2900 uü wol (=E) ein heilich
man, die richtige Lesart. 2902 Absatz. 2904 haet. 2908 Fvr. 2920 Ez.
2927 gnadelose, 2944 c/iwi^^e. 2947 ?ürtr< (= EG), richtig. 2948. 49 dvrch.
2957 f/crt-f] gvt. 2960 .^e&eL 2974 TFaz. 2984 Daz er in' beiden. 2990 im.
3031 hufslnch. 3042 rZwcÄ. 3048 Daz. 3050 wa/jf. 3056. 57 simz.
3064 £■?•)? schliffen in. 3067 dvrch. 3080 i^^T. 3091 g»?*/- waw. 3097 slvzen.
3149 steht am Rande von 131% zimi Theil weggeschnitten; übrig
ist nur lie in in
maneger not,
so daß zweifelhaft bleibt, ob ich oder vnd den Vers begann. 3154 le-
benden, besser als lebende. 3166 vil vrv. 3169 statt harke hat die Hs.
bd'me. 3173 martei'ere. 3179 vn an der waefe. 3181 gesteine. 3196 mohte.
3218. 20 Erwaschen. 3231 frevnden. 3257 ^//ez. 3258 c^yrcÄ. 3266 Ätf^f.
3275 c/i'v of^en tci^oz. 3288 ho't. 4290 rihtere. 3293 herzem. 3305 ^o^
^318 von der grimme. 332S heinliche. 3331 7fa?r. 3331 Denneer. 3349 selbe.
3363 svndere. 3367 Daz /?' tTÜV an wiV des /«t-e?« wtjf, und so ist zu lesen;
vrivt steht für vröut, wie V. 47 vrivde für vröxide. 3370 sibenzehendem.
3380 vorhtlichem. 3387 Daz e?- s?* <Zo gelavbte baz. 3390 Z)2e ?ä 7n/f.
3394 entsloz. 3395 noc/«. 3407 gerumez. 3409 manegen. 3418 ietwize.
3420 ^roz<». 3431 s?tze^. 3461 i>o er fo« sinem. 3487 erscrihte. 3491 o6
REINHOLD KÖHLER, ZUM SPRUCH VOM KÖNIG EZEL, 243
wir si suhten da si lit, richtig ; sy hat auch E. 3504 vmbederhe. 3538 Vor.
3540 vheral. 3543 chvnftich. 3545 heücheit. 3550 gotlicheni. 3552 WoUin
hat A. 3553 hai-te. 3560 ernete. 3569 rihtere. 3576 Absatz. 3598 suchen.
3602 chneht. 3624 gvtem. 3642 mutet\ 3646 ^-wc^er ?ac. 3649 wilUchlichem.
3651 hei'zenlichen. 3654 s/e. 3660 Absatz, sprach er ir zv. 3661 sa^.
3665 u-«r^ s/. 3678 sa^f. 3686 Mime. 3688 A7e?üan. 3695 Liehern.
3704 ^•no^ — /?6-e/f^ Lachnianns Besserung bestätigend. 3705 liehiv.
3719 vreunden. 3729 Sicaz si ouch iare sit hat vertrihen'.^ die richtige Les-
art wird sein sicaz st oiichjdre sit vertrihen. 3730 ensamt, die Hartraann
gemäßere Form, 3738 derz] z ist ausradiert. 3742 E)'wrhen.
ROM. Februar 1869. KARL BARTSCH.
ZUM SPRUCH VOM KÖNIG EZEL.
In dem 'Spruch von aim König mit Namen Ezel' (Erzählungen aus
altdeutschen Handschriften gesammelt durch Adelbert von Keller S. 1 ff.)
wird erzählt, wie eines Tages eine Avunderschöne Maid in Ezels Palast
erscheint, als der König und seine Mannen bei Tische sitzen. Der Dichter
sagt (S. 3):
Welcher die fraw an sach,
hört, was dem geschach,
wie gar der seiner sinne vergaß
und west nicht selber, wo er saß!
Nachdem der Dichter darauf die Schönheit der Jungfrau geschildert hat,
fährt er fort (S. 4) :
All, die da saßen,
ir selber sie vergaßen.
Der da sneiden sc holt das prot,
dem was ze sneiden also not,
daß er sich dief sneid in sein haud,
daß er dos licht nicht enphant.
Der den wein scholt schenken,
der goß in under die pank.
Die da schölten trinken,
die Heßens auch nider sinken,
maniger sich mit dem wein begoß.
Von der mait schon wurden all witzlos,
sie kündens nie vol schawen gar.
16*
244 REINHOLD KÖHLER
Hiermit vergleiche man zuvörderst eine Stelle aus dem Roman 'Olivier
de Castillo et Artus d'Algarbe' *), die ich freilich nur nach der Mittheilung
in den Melangcs t\r6a d'une grande bibliütheque E, 92 geben kann. Oli-
vier von Castilien hatte bei der Prinzessin Helene von England das Amt
eines 'premicr ecuyer tranchant' übernommen. Adouc un jour la belle et
bonnc Helene s'apper^evant qu'il poussoit des soupirs d'amour, avoit les
yeux sur eile, et que cepcndant eile n'avoit rien devant soi de tranehe
pour manger, pour ce lui dit-elle : Olivier, mon loyal ami, si mangerois-je
bien si vous me donniez de quoi ; et lui, tont honteux, comraenga a la
servir : mais comme celui-ci n'avoit pas son enten dement
bien present, il se coupa le pouce p res que tont jus qu' a Tos.
Helene fut deplaisante quand ä ce point le vit pour l'amour d'elle, le
consola u. s. w.
Derselbe Zug nun, jedoch von Frauen erzählt, die also in den An-
blick einer männlichen Schönheit versunken statt in die ihnen vorliegen-
den Speisen sich in ihre Finger schneiden, findet sich in der rabbi-
nischen Sage von Joseph, die auch in die 12. Sure des Koran Eingang
gefunden hat (s. Abr. Geiger Was hat Mohammed aus dem Judenthume
aufgenommen? Bonn 1833, S. 141 ff.). In der hiei'her gehörenden Stelle
des Koran lesen wir, nachdem erzählt worden ist, wie Joseph die Liebe
der Frau des Potiphar verschmäht hat und ihre falsche Anklage Josephs
von ihrem Gatten erkannt ist und die Frauen der Stadt darüber spotten
(S. 191 der Übersetzung von L. Ullmann) :
Als sie [Potiphars Frauj diese spöttischen Reden [der Frauen] hörte,
da schickte sie zu ihnen, um sie zu einem für sie bereiteten Gastmahle
einzuladen, und legte einer jeden ein Messer vor, und sagte dann zu Jo-
seph : Komme und zeige dich ihnen! Als sie ihn nun sahen, da
priesen sie ihn sehr, schnitten sich in ihre Hände und sagten:
Bei Gott! das ist kein menschliches Wesen, sondern ein verehrungswür-
diger Engel. Daraufsagte sie: Sehet, das ist derjenige, um dessentwillen
ihr mich so getadelt u. s. w.
Im jüdischen Sepher Hajjaschar (Geiger a. a. 0. S. 143) ist aus-
drücklich gesagt, daß den Frauen Orangen vorgesetzt worden waren,
statt deren sie ihre Finger zerschnitten. Arabische Erklärer des Koran
haben in der obigen Stelle nach einer gewissen Lesart auch die Orangen
gefunden, und so erkläi't Elpherar (Geiger a. a. O.) die Stelle: 'Die
Frauen schnitten mit dem Messer, welches sie hatten, in ihre Hände, in-
dem sie die Orange zu schneiden glaubten, fühlten aber den Schmerz
nicht, wegen der völligen Hingebung ihrer Aufmerksamkeit an Joseph.'
*) Vgl. d.-uriber (Jiä.sse Literärgeschichte H, 3, 350 f.
ZUM SPRUCH VOM KÖNIG EZET 245
Die Gcscliiclitc Josephs und der Suleika — so heißt nach muhamc-
dani scher Sage die Gemahlin Potiphars — wurde nach der Erzähhmg
des Koran mehrfach von muhamedanischen Dichtern in eigenen Dichtun-
gen behandelt.
Auf einer solchen muhamedanischen Quelle beruht jedesfalls das
altspanische Poema de Jose (Ticknor Geschichte der schönen Literatur
in Spanien. Deutsch von N. H. Julius. 2, 571 ff.), und auch in ihm
findet sich die uns hier interessierende Scene. Es heißt dort von Zaleja
(Suleika) , welche die Frauen der Stadt zu sich eingeladen hatte
(S. 578 f.):
Diolas sendas toronjas e caminetes en las manos,
Tajantes e apuestos e mui bien temperados.
E fueso Zaleja a do Jusuf estaba^
De purpura e de seda mui bien lo aguisaba,
E de piedras preciosas mui bien lo afeitaba,
Berdugadero eu sus manos a las duenuas lo embiaba.
Ellas de que lo bieron perdieron su cordura,
Tanto era de apuesto e de buena figura;
Pensaban que era tan angel e tornaban en locura,
Cortabanse las manos e non se abian cura,
Quo por las toi'onjas la sangre iba andando.
Zaleja quando lo bido toda se fue alegrando. u. s. w.
Ich zweifele nicht, daß die obigen Stellen des deutschen Gedichtes
und des französischen Romans mittelbar auf diese Scene aus der rab-
binischen Josephsage, welche dem Abendlande sehr leicht sowohl von
jüdischer als von muhamedanischer Seite — besonders, wie das er-
wähnte spanische Gedicht zeigt , durch die Mauren in Spanien *) —
bekannt geworden sein konnte, zurückzuführen sind.
Ich erwähne noch, daß auch in einem kirgisischen Märchen (Vam-
bery Skizzen aus Mittelasien, Leipzig 1868, S. 298) ein Chan seine
Augen von der schönen Frau seines Wirthes nicht wegwenden kann
und sich daher beim Essen in seinen Finger statt in das vorgesetzte
Fleisch schneidet. Also auch hier, wie im deutschen Gedicht und im
französischen Roman, ist auf einen Mann übertragen, was ursprünglich
von Frauen erzählt ist.
WEIMAR, Januar 1869. REINHOLD KÖHLER.
*) In der 'Historia Joseph translata de arabico*, über welche Mussafia in seiner
Abhandhing 'Über die Quelle des altfranzösischen Dolopathos' , Wien 1865, S. 19 fF.
(Sonderabdmck aus dem November-Hefte des Jahrganj^es 1864 der Sitzungsberichte
der phil. -bist. Classe der Wiener Akademie der Wissenschaften) berichtet hat, findet
sich, wie mir Mussafia mittheilt, jene Scene nicht.
246 K- KÖHLER, ZU TRISTAN.
ZU TRISTAN.
Bekannt ist aus den Fortsetzungen des Gottfried'schen Tristan
von Ulrich von Türheira (V. 391 ff.) und von Heinrich von Freiberg
(V. 3733 fF.) , aus dem Volksbuch von Tristan (Cap. 39) und aus dem
englischen Sir Tristrcm (III, 52 ff.) die naive Stelle von Isolde Weiß-
hand und dem Wasser, das kühner war als der kühne Tristan *). In
der Überarbeitung des Eilhart'schen Tristan — der Grundlage des
deutschen Volksbuches — lautet die Stelle nach der Dresdener Hand-
schrift also :
Mit deme edelin wygande [Tristan]
was sie [Isolde] mer denne ein jar,
5190 das horte ich sagin vorwar,
das sie ny wart sin wip.
das vortrug die vrauwe ane nyt.
Isalde des ouch ny gesprach,
wenn eines tagis do daz geschach,
5195 das der koning und die koningin
unde Tristrant unde daz wip sin
unde Kehenis da mete
uff eyme tyffen wege retin
czu Karahes na bie der stad.
5200 Isaldin pfert do trat
in einen gereinetin pftil,
daz ir das wassir uff vur
bie dem kny undir daz hemmede.
sie sprach: wassir, du bist vremmede.
5205 das dir müsze mysselingen.
wie getorstestu y gespringen
so rechte ho undir myn gewant,
dar noch ny ritters hant
torste komen noch en quam.
5210 ir bruder die rede schiere vornam u. s. w. **)
*) ich hän ersehen in kurzer frist,
daz diz wazzer küener ist
danne der küene Tristan. Uhich V. 407.
diz wazzer verre küener ist
wan der küene Tristan. Heinrich V. 3788".
**) Ich verdanke die Mitthcihmg dieser Stelle der Gefälligkeit des Hm. Dr. Artur
Köhler in Dresden.
LITTEKATUK. 247
Ein ganz ähnlicher Zug findet sich in einem gaelischen Märchen (J. F.
Campbell Populär Tales of the West Highlands, Vol. III, 8. 56). Graidhne,
die Tochter des Königs von Coig Ullainn, wird von plötzlicher Liebe
zu dem schönen Diarmaid ergriffen. „The warm soul would not be in
her unless she should go with Diarmaid. Said Diarmaid , „That will
not ans wer for me to go with thee." „0! we will go, or eise 1 will
tear my clothes, and I will give thee up to Fionn." „I have no doubt
of thee but that he will believe thee, because thou art his own belovcd
wife indeed." — They went away, and they travelied together days
and three nights. They were crossing a river, and a littlc
trout rose and Struck her, and she said — „Thou art boldor
than Diarmaid. Ifthou couldst go on shore!"...
WEIMAK, Januar 1869. REINHOLD KÖHLER.
LITTERATÜß.
Bayerisches Wörterbuch von J. Andreas Schmeller. Zweite, mit des Ver-
fassers Nachträgen vermehrte Ausgabe im Auftrage der histor. Commissiou
bei der kön. Akademie der Wissenschaften bearbeitet von G. Karl From-
mann. Erste Lieferung. München, iiterar. artist. Anstalt der J. G. Cottaschen
Buchhandlung 1869. 15 halbe Bogen. 240 Spalten bis: Bceumen*).
Niemand wird es uns verdenken, wenn wir dem Erscheinen einer neuen Aus-
gabe dieses Werkes mit den größten Erwartungen entgegengesehen . J. Grimm
nannte es mit Recht „ein Meisterwerk, ausgezeichnet durch philologischen Scharf-
sinn, wie durch reiche, nach allen Seiten hin strömende Sacherläuterung, ein Mu-
ster für alle solche Arbeiten, von dem unwandelbai'cn Trieb seines emsigen, lie-
benden Geistes durchdrungen und belebt "
Daß wir eine neue Ausgabe wünschen mussten und von derselben bestimmte
Erwartungen hegen durften, dies war besonders deshalb der Fall, weil dem ersten
und zweiten Theile die berufsmäßige Beschäftigung Schmellers mit den Handschrif-
ten der Münchener Bibliothek, die erst 1829 begann, noch nicht zu Gute gekommen
war, die im dritten und vierten Theil eine vielseitigere Berücksichtigung der älteren
Sprache veranlasste und möglich machte. „Während das ,** so spricht Schmeller
über diesen Punkt in der Vorrede zum dritten Theil S. IV, „was von solcher Aus-
beute auf die bereits gedruckten Theile traf, seinesorts für einen derein-
stigen Nachtrag niedergelegt wurde, dui'fte, was in die noch uugcdruck-
ten gehörte, ohne Zweifel sofort der Handschrift einverleibt werden."
Wenn Prof. W. Wackernagel in der histor. Commission der köuigl. bair. Aka-
demie der Wissenschaften auf den Druck dieser Nachträge drang und auf F r o m-
*) ANMERKUNG. Diese Recension kam uns erst zu, nachdem die oben S. 114
abgedruckte bereits im 8atze vollendet wai-. Ihr reicher Inhalt, wie der theilweise gegen-
sätzliche Standpunkt, welchen sie J. Lambels Anzeige gegenüber einnimmt, veranlassten
uns, auch diese hier mitzuth eilen. DIE REDACTION.
248 TJTTEKATUK.
mann als den berufensten Herausgeber hinwies, so kann man natürlich nur ein-
verstanden sein. Und wenn, wie der Prospectus sagt, indessen ciine neue Auflage
nüthig ward und die Commission, statt einer besonderen Veröffentlichung dieser
Zusätze, beschloß, „eine vermehrte Ausgabe des ganzen Wörterbuchs , wie sie
Seh melier selbst beabsichtigt und wie sie Grimm erst für die Zukunft als
die vollendetere Arbeit in Aussicht genommen hatte, sogleich herzustellen," so kann
man nur sagen: „um so besser!" besonders da Fromm ann diese vermehrte Aus-
gabe besorgen sollte.
Durch Herausgabe seiner Zeitschrift „Die deutschen Mundarten" 1854 bis
1859 haben wir Frommann hinreichend kennen gelernt als den wahren Erben des
großen Schmeller, der mit demselben Scharfblick und demselben wissenschaftlichen
Ernst auf Grundlage der Sprachgeschichte die lebenden Mundarten zugleich mit
dem liebevollsten Geiste zu erfassen und zu erklären verstand.
Ich erinnere an Frommanns „zwei gute Wünsche", mit denen er die, anfangs
von Pangkofer herausgegebene Zeitschr. f. Mundarten I, 93 begrüßte! An seine
Zusätze, mit denen er bald als Herausgeber die Beiträge der Mitarbeiter schmückte,
z. B. zu „abeus geschmae" I,, 141, „äfange" IH, 210 5 in Recensioneu z. B. zu
„ich hätt die brief vom Tanzen" V, 237 ; endlich seine „Erläuterungen von Aus-'
drücken in Koburger Mundart" II, 13G, „Formelhafte Redensarten mit dem Worte
Gott gebildet" III, 345, „Hilpertsgriffe" II, 30 u. v. a. Wo man nur aufschlägt
in der Zeitschrift, man findet überall die Spur der Meisterhand des Herausgebers,
der jedem Beitrage die äußerste Sorgfalt zuwendete und jeden Anlaß benutzte
zu gründlicher Erörterung und Belehrung. — Es ist ohne Zweifel ein unwieder-
bringlicher Nachtheil für die Erforschung unserer Mundarten, daß man diese Zeit-
schrift eingehen ließ und daß sich trotz zahlreicher Mahnrufe, z. B. auch J. Grimms,
keine vaterländische Anstalt, keine gelehrte Genossenschaft fand, die ihren Fort-
bestand, der ganz geringer Hilfe bedurft hätte, möglich machte ! Besonders auch
um der unschätzbaren Kraft des Herausgebers willen, die seitdem in dieser frucht-
baren Richtung feiern musste, muß man dies beklagen und eben deshalb war es
doppelt geboten, eine Arbeit, wie die neue Ausgabe des bairischen Wörterbuchs,
ihm und keinem Andern zu übertragen.
Welche Instruction die historische Commission dabei Frommann ertheilte,
ist mir nicht bekannt. Was der Prospectus sagt, „es ist bei derselben vor allem
der Grundsatz befolgt, unverändert die Worte Schmellers wiederzu-
geben," klingt allerdings wie eine solche und zwar wie eine sehr bedenkliche.
Ein solch einfaches Abdrucken gelegentlich entstandelier Notizen Schmellers ohne
Berücksichtigung der seitherigen Forschungen auf diesem Gebiete kann nimmer-
mehr eine neue Ausgabe werden, „wie sie Schmeller selbst beabsichtigt".
Es wäre was anderes, wenn Schmeller bereits die letzte Hand daran gelegt
hätte. Dies ist aber nicht im Entferntesten der Fall. Es sind angesauuiielte Mate-
rialien vorhanden, die, wie dies bei lexikalischen Arbeiten in der Natur der Sache
liegt, in dem Moment, wo sie eingetragen werden, nicht mit jener Kritik angereiht,
beurtheilt und gewürdigt werden können, wie dies erst geschehen soll, wenn die
Sammlung abgeschlossen ist und die Redaction beginnt. Was soll aber ein Abdruck
ungeordneten Materials in einem solchen Falle? Und dazu braucht es eines From-
mann als Herausgeber? — „Was er hie und da in möglichster Kürze hinzu-
zufügen für gut fand , ist mit ' ' bezeichnet." Es ist also Frommann nichts weiter
LITTEKATUR. 249
gestattet gewesen, als durch Verweisungen etwa, wo möglich, das Fehlende und
Irrthümliche gut zu machen, und die durch neuere Arbeiten zum Theil überflüssig
gewordenen Materialien, von denen Schmeller gewiß selbst ganze Seiten gestrichen
hätte, müssen abgedruckt werden! — Daß dem so ist, werde ich an einigen Bei-
spielen zu zeigen suchen.
Wir finden hier unter manchem Artikel eine Menge gelehrter Notizen,
die nie hts aufklären, indem gerade das Naheliegende, das von ent-
scheidender Wichtigkeit wäre, fehlt, z. B. :
Sp. 3. „Azi in den Zusammensetzungen Audieb, Auschelm, Auvorjel , durch-
triebener, arger Dieb, Schelm, Vogel; [(wie Gau-Dieb, Land-Dieb, meint Herm.
Müller, Lex salica 43). Au-Schelm, Erzschelm, loser Vogel ; eigentlich ^wr-schelm,
von aur, ur (empor, groß)", meint Seidl, Flinserln IV, 127. 133. Der Auwuckel,
gewöhnlich Ramoucke-l, der Teufel (bayr. Wald). AncUfachs , s. Fachs. — Cf. goth.
aviliudoii, danken ; ahd. auzoraht, auuizoraht (st. augazoraht), augenscheinlich, gl.
a. 252. 322. 323; aga-uuis, Grimm II, 503. 707. GrafFV, 705. I, 136.]*)
au-schieh, sehr häßlich, ist in seiner eigentlichen Bedeutung nicht klar."
Hier haben wir nun gelegentlich eingetragene Verweisungen und Citate, die
weder gesichtet noch abgeschlossen sind, so daß wir daraus in der That nicht viel
gewinnen.
Der Au-Vogel ist aber, nach Frommanns Zeitsehr. VI, 24 und zwar in einer
Mundart, die bairisch ist und manches höchst Alterthümliche bewahrt hat, die
Eule und dies ist wohl die ursprüngliche Bedeutung. Die anderen Bedeutungen,
wie: Aunachtigall, Seidl uiederösterr. Gedichte S. 288, so wie die tropischen:
Dieb, Schelm bei Schmeller, sind wohl erst später aufgekommen, indem Au-Schelm,
Au-Dieb geradezu locale Beziehungen haben können, wie etwa in Wien Praier-
scheiber, einer der im Prater kegeln gelernt oder zu kegeln pflegt; also Schelme,
Diebe, wie sie in den einer Stadt benachbarten Auen sich obdachlos aufhalten. Das
nächste, an was wir bei Auvogel : Eule aber zu denken haben, ist: der auf bubo,
die Eule, in der vorliegenden Ausgabe Schmellers Sp. 42: 'bubo haizt ain auf
oder in anderm däutsch ein Jmw' Megenberg 173, 3. — 'der Hansl macht augn
wie en avf!' — 'Du böses avff!' Schöpf tiroL Wb. 22. So auch Lexer Kämt.
Wb. 12. — Auvogel wäre demnach := aufvogel zu mhd. üve, hüwe, ahd. müo, hwwo,
aber auch huo Graft" IV, 835, daher nhd. auch hau m. Eule und mit Wegfall des
k vielleicht auch au, denkbar ist, also auch hauvogel, vielleicht auch au - vogel.
Dadurch wird aber auch avschieh wahrscheinlich --^ schiech wie ein au oder auf
d. i. hässlich wie eine Eule.
Ich denke, daß diese Analogien, wenu ich hierin auch nicht Recht behalten
sollte, doch näher liegen als gothisch aviliuddn danken, ahd. augazoraht augen-
scheinlich oder agawis publicus, die freilich noch zumTheile ungelöste Räthsel sind,
vgl. über das erste Grimm in Schulzes goth. Glossar S. VII, unter anderem eine
Stelle , die eben so unerläßlich zu aviliudon citiert werden musste , als zu
agawis Gramm. II, 503. 707.
Es lässt sich aber sogar nachweisen, daß gerade diejenigen Belehrungen,
die hier vermisst werden, Frommann bereits an andern Orten gegeben hat, ja daß
der alte Irrthum hier stehen blieb, den Frommann bereits zurückgewiesen, Schmel-
ler bei einer neuen Ausgabe gewiß gestrichen hätte! — „Die Achvart, Reise gen
*) Das zwischen eckigen Klammern Stehende ist Zusatz der neuen Auflage.
250 LITTEKATUR.
Ach zur Sühne eines Todschlages." Dies culturhistorisch interessante Wort, das im
mhd. Wörterbuche fehlt, hätte wohl Schmeller nun ausführlicher behandelt und
auch Frommann, wenn es ihm gestattet gewesen wäre, hätte den Artikel nicht
mit dem trockenen Hinweis auf den Anzeiger f. Kunde d. d. Vorzeit abgethan.
Ich habe selbst einmal Gelegenheit gehabt, bei Besprechung dieses Wortes und
Gebrauches Froinniann zu danken für die Nachweise, die er mir dazu gegeben,
s. meinan Nachtrag zum Wb. der deutschen Mundarten des ungr. Berglandes
(1859) S.15 ; weiteres noch Darstellung der deutschen Mundarten etc. (1864) .S. 54.
Sp. 164 liest man noch immer zu osnt ungesäumt: ,,ich will den Einfall nicht
unterdrücken, daß sich vielleicht in diesem Worte noch ein schwedisches, wie in
heidipritsch ein englisches, kategorisches tutswitt könne erhalten haben." — Nun
hat Frommann schon Zeitschr. V, 238 die Deutung von heidebritsch : geh fort! aus
dem tschechischen, uns in Osterreich wohlbekannten: gdi pryc (sprich jdi pritsch)\
geh fort, gebilligt, sowie schon Aug. Stöber Frommann IV, 118, 10 dabei an
rätzisch: heide, komm! und böhmisch: hritsch, schnell (pric bedeutet: fort!) er-
innerte. Warum muß eine solche, dem Herausgeber wohlbekannte Erklärung hier
unterdrückt und statt dessen die gewagte Annahme, daß es aus dem englischen
hie thee, prithee zu erklären sei, als feststehende Wahrheit abgedruckt werden ?
Es wird nun bei osnt: sogleich, auf ahd. also zehant und „der Wunderlichkeit wegen"
auf schwedisch ose)}t gewiesen. Darauf folgt use, uese : sogleich etc., „vgl- olsig,
osnt, ostn.'''' AVir müssen nun olsi(j aufsuchen, Sp. 69. Dies bedeutet wieder: so-
gleich und wird verglichen mit mhd. alzoges: immer, allezan: soeben und agaleize:
schnell. Also wieder verschiedene Conjecturen und keine entscheidend. Es bleibt
noch ostn, ostig, ostnig Sp. 169, wo nur auf osjit und auf Frommanns Zeitschr. II,
141 hingewiesen wird. Au dieser Stelle wird aber die aufgestellte Vermuthung,
daß es vom Schwedischen abzuleiten sei, von Frommann bezweifelt! —
Wir werden demnach im Kreise herum getrieben, von einer Form zur andern, fast
bei jeder tauchen neue Conjecturen auf, die uns nicht überzeugen und am Ende ist
uns, als ob wir die Drehkrankheit bekommen sollten: uns schwindelt, aber wir
finden uns nicht belehrt ! — Das Schlimme ist, daß das Matexnal meistens vor-
handen, das heißt im Buche enthalten ist, es ist aber in dem ungesichteten Chaos
nicht zu finden! — Osnt scheint durch einen wunderlichen Lautwechsel aus osten
und dies aus olzen, das gleichfalls : sogleich bedeutet, hervorgegangen. Dafür spricht,
daß für die gleichbedeutenden Formen: olzig und olzaig in denselben Gegenden,
wo für osnt: ost, ostn gebräuchlich ist , ostig und ostnig gesagt wird. Alle diese
Formen hätten aber zusammengestellt werden sollen, Sp. 58 unter allz an, mhd.
allez ane, alzan: sogleich, wo nicht einmal erwähnt wird, daß olzen in dieser Be-
deutung noch jetzt mundartlich fortlebt! Es wird bloß verwiesen auf olsig, wo wir
wieder durch die erwähnten Conjecturen alzoges, agaleize neben alzan confundiert
werden. Wie seltsam sieht dies nun aus, wenn wir finden: daß Frommann an
derselben Stelle Zeitschr. II, 140 f., wo er sagt: daß er der Ableitung Schmel-
lers vom schwedischen osent ,, nicht beistimmen möchte", zuerst das koburgische
olzen richtig auf mhd. alza7i zurückgeführt und die Entstehung der Formen : olzig,
olznig daraus gezeigt hat! — Jedesfalls mussten unter alzan die gleichbedeutenden
Formen: älztn, olzig, olznig, ostn, ost, osnt, ostig, ostnig nebeinander gestellt werden.
Es ist nichts einzuwenden dagegen, wenn alle verwandten oder verwandt scheinen-
den, gleichbedeutenden Formen au ihrer alphabetischen Stelle zu finden sind. Dort
muß aber auf die Hauptstelle verwiesen werden, wo sie alle beisammen stebuu,
LITTERATUK. 251
freilich darf diese Hauptstelle nicht — fehlen! Daß hier alzan der Sammelpunkt
sein musste, ist klar, da älzen, olzig, olsig bestimmt dahin gehören , möglich daß
die übrigen ähnlichen Formen andern Ursprungs sind. Da wir diesen Ursprung
nicht kennen , werden sie immer noch am Besten hier untergebracht sein und wird
der Leser am besten von ihrer alphabetischen Stelle hieher gewiesen.
Schmeller begann die Composita unter dem letzten Bestandtheil derselben
einzutragen, z. B. unter Aff^ wo er in der ersten Ausgabe nur hornaff anführte;
in der zweiten auch maulaff. Warum fehlt hier schlauderaff, slüraff, gloraff? Vgl.
alte Ausg. III, 456. Unter in-, d. h. in der vocalisch anlautenden Wortreihe mit
dem Auslaute n ist auch in dieser Ausgabe noch eingereiht: ingetum Eingeweide,
das ich unter tuom, getüeme gesucht hätte. Denn mit demselben Rechte stünde hier
dann auch ingereusch (alte Ausg. III, 140), das dasselbe bedeutet.
„Einzelne , bloß aus schriftlichen Beiträgen gewonnene Artikel , über die
nicht wohl weitere Aufschlüsse zu erholen waren," also nicht sicher verbürgte, dem
Verf. weiter nicht bekannte Wörter, hat Schmeller (s. die Vorrede der 1. Ausgabe
zum 1. Th. S. X) unter Anführungszeichen „ " mitgetheilt. Aber das versteht sich
doch wohl von selbst, daß, wenn weitere Aufschlüsse sich finden, diese unverbürg-
ten Waisen ihr Fragezeichen, als ein solches sehe ich diese Anführungszeichen au,
verlieren ! ?
Schmeller hat nun auch weiter ebenso ihm nicht hinreichend deutliche Aus-
drücke für eine künftige Ausgabe mit Anführungszeichen in sein Handexemplar
oder in seine „Nachträge" eingetragen, z. B. das hier Sp. 183 erscheinende: „der
Bandaxl, Bauxl, Spottname für einen kleinen dicken Menschen, Castelli Wb. 77".
— Jedesfalls hätte er bei einer Ausarbeitung für den Druck sogleich wahrgenommen,
daß hier mindestens die eine Form haiixl nicht so verwaist dasteht. Bei Seidl Nie-
derösterr. Ged. S. 326 heißt es: paiixerl^ pmivxel, bei Schöpf 33 sagt man von
einem Kinde: „ein herzigs baxl", was vielleicht auch mit kämt, j^ax dummer Mensch
Lex. 19 zu vergleichen ist. Loriza Idiot. Vienn. S. 23 führt an: der Bautz kleine
Person. Es ist das nd. haußel Kugel, stämmiger Junge, Fiomm. VI, 51, das Grimm
Wb. II, 265 von hochsein ableitet. — Vielleicht kömmt das zweite Heft der neuen
Ausgabe unter hauzen, hatzcn (erste Ausg. I, 228, wo unter anderm alle mit Antiqua
gedruckten Belege unter Batzen, wie es scheint, nicht dahin gehören, sondern unter
häz für Beize) noch darauf zurück. Ob nun die andere Form baudaxl überhaupt
hiehergehört, fragt sich. Ganz unerhört ist das Wort nicht. Es bedeutet wohl ur-
sprünglich einen Kuchen. In der ausgezeichneten Dichtung in unterensischer Mund-
art von Jos. Missou Da Näz (Wien, C. Gerold 1850) lese ich S. 17: „d' Baudexii
und ä ön Guglhupf, sagt a, dös heb i da Moam auf!" Lexer hat S. 19: baudaxen,
auf den Hintern schlagen. — Jedesfalls ist eine Anführung dieser bekannten Wörter,
wie oben, in einer neuen Ausgabe eines Meisterwerkes, wie das Schmellers, kaum
zu rechtfertigen.
Noch ein Beispiel! Sp. 72: altelos, es ist mir ganz „altelos", ich befinde
mich gar nicht wohl. Dazu wird auf Grimm GDS. S. 947 verwiesen, wo es mit
altvt'l hermaphroditus Haupt VI, 400 verglichen wird. Damit ist denn doch das
Wort nicht erledigt , das hier eine ausführliche Besprechung verdient hätte,
wobei Formen angeführt werden mussteu , die man im bair. Wb. zu suchen
berechtigt ist, die aber in dieser neuen Ausgabe Schmellers, die die Nachträge
von Schöpf, Lexer, der Frommannschen Zeitschi-ift u. v. a. grundsätzlich ignorieren
muß, schmerzlich vermisst werden. Das Wort ist offenbar eins und dasselbe
252 LITTERATUR.
mit otalos, wie man in Vorarlberg für unwohl, kränklich und auch für öde un-
gesalzen sagt, 3. Vonbun bei Fromm. IV, 4. Stalder hat in demselben Sinne
aterhs, odemlos, athemlos I, 115, vgl. Tobler 344, Schmid 10. Grimm Wb. 1, 593.
Vorwaltend scheint das Wort auf alemannischem Gebiet zu Hause, aber auch kärn-
tisch: eales, eliser ungesalzen, abgeschmackt, Lexer 83, in Tirol: elas Schöpf 103.
Und selbst (mitteldeutsch) im ungr. Berglande: mattelos kraftlos, mein Wb. S. 80.
— Lässt sich bei einer so reich zu belegenden Verbreitung des Wortes dessen
schüchterne Aufführung mit Gänsefüßen „altelos", wie sie hier aus der ersten
Auflage stehen bleiben musste , billigen? Ist es hier nicht unerläßlich, minde-
stens solchen Angaben, wie ich eben mittheilte, Raum zu gestatten? — Meiner
Ansicht nach war man dazu verpflichtet, bei den Erwartungen, die der Prospectus
erregen musste, wo es heißt: „die Commission beschloß, eine vermehrte Ausgabe
des ganzen Wörterbuchs, wie sieSchmeller selbst beabsichtigt und wie
sie Grimm erst für die Zukunft als die vollendetere Arbeit in Aussicht genommen
hatte, sogleich herzustellen!"
Fehlende Wörter, die auf bairischem Sprachgebiete vorkommen und in
Schmellers Wörterbuch fehlten , sind natürlich nicht nachgetragen! — Zu alp
m. Dämon hatte zwar Schmeller Einiges nachgetragen aus älteren Quellen Sp. 64
(es fehlte in der 1. Ausgabe ganz; nur die Form alber war in dieser Bedeutung-
angeführt) , daß es aber noch heutzutage lebt , z. B. in Kärnten ein Meteor oder
den Teufel bedeutet Lex. 5, in Tirol in der Form a/sp Schöpf 11, das dürfen wir
hier nicht suchen!
Sp. 20 unter über wird ein übetemäl und Sp. 18 unter übel ein überemal an-
geführt mit der Bedeutung: manchmal. Das österreichische immürigsmal (=überigs-
mal?) manchmal, finde ich weder unter immer Sp. 76, noch unter übrig und es
steht doch bei Castelli 175: immarigsmal, immer einmal, manchmal (woraus wir
sehen, daß Schmeller denselben nur hin und wieder benutzte) Fromm. Zeitschr. IV,
519 Zeile 11 v. o. immerigsmal. Kämt, iewlamal Lex. 148, tirolisch: immerUng
Schöpf 286. Eigentlich wird es wohl zu urbaring, uebering unvorhergesehn Schm.
a. Ausg. I, 185 gehören.
Worte, die noch leben, werden, wie wir schon bei alp gesehen, nur aus
älterer Zeit belegt oder gerade als ausgestorben bezeichnet, z. B. Sp. 41 der affalter
„soll noch unter der Ens üblich sein; Castelli Wb. 40 : der alifalta, der Apfelbaum."
— Der Satz «soll noch unter der Ens üblich sein" ist aus der ersten Auflage stehen-
geblieben, Schmeller notierte sich aber berichtigend dazu, daß er es auch bei Ca-
stelli findet. Gewiß hätte er bei einer Bearbeitung des Artikels noch hinzugefügt:
aber auch in Kärnten lebt das Wort Lexer S. 8; in der Heanzenmundart in Ungarn
sogar noch die äff alter, siehe Frommanu VI, 231.
Sp. 110 findet sich das alemannische anke Butter eingetragen, das in der
ersten Auflage fehlte. Grimm hatte bekanntlich GDS. 1003 ausgeführt: daß es
„bei den Alemannen der Schweiz, des Oberi-heins und Elsasses, nicht aber
ostwärts des Schwarz waldes bei den übrigen Schwaben, noch den Bayern
und Tirolern lebt". Wenn es demnach nun in einem bairischen Wörterbuche
angefülu't wird, so musste dieser Artikel mit Hinblick auf diesen Punkt ausführlich
behandelt werden. Wo ist es in Gebrauch im bairischen Sprachgebiet? Ich finde
es in Kärnten, Lexer S. 7. Die vorliegende Ausgabe Schmellers schweigt über den
jetzigen Sprachgebrauch ganz!
Sp. 111 ist zu der Form engelpoge. Ellbogen, die aus älteren Quellen nach-
gewiesen wird, aus neuern Mundarten nur die Form enghelboan aus dem Vocab. do-
LITTERATUR. 253
tnest. der sette comuui mitgetheilt; die vollständigere Form aus Schniellers eigenem
Wörterbuch der sette comuni S. 117": engilpogen — nicht! Daß das Wort auch in
Kämt, noch in der Form engilpouge erscheint (Lexer S. 84) ist natürlich auch
nicht nachgetragen.
Durch Zufall bin ich sogar in der Lage zu zeigen, daß Schmeller seine Aus-
züge nicht einmal noch vollständig in die Nachträge oder in das Exemplar seines
Wörterbuchs eingetragen hatte, das hier abgedruckt wird. Aus einer in der Mün-
chener Bibliothek aufbewahrten Hs. Schmellers, die „Dialektologie" überschrieben,
ist, habe ich mir vor Jahren einmal Notizen abgeschrieben, aus denen ich nun sehe,
daß sie zum Theil hier fehlen.
Sp. 14 findet sich unter ehenlang nur eine u.zwar lateinische Stelle, in der das
Wort vorkommt. Dazu ist nachzutragen : das crucifix was ein ehenlenge der mäze
als Christus was Cgm. 819 f. 69. — Zu affalter Sp. 41 f. notierte sich Schmeller:
hohaffalter Cgm. 821 f. 232. 234, also zweimal.
Zu Sp. 72: ultern coire? (Vgl. auch mhd. Wb. 3, 178'' verulter)
'er sprach er sach mich bei dir ligen und ulterst mich auf einer gras-
burd.' Cgm. 714 f. 30''.
Zu üeben Sp. 18 'agitare' :
wen die unkeuscheit übt zu vast Cgm. 753 f. 109.
Zu all — ein (8nla9 etc.) Sp. 57;
wie vai't ir denn ain laine Cgm. 714 f. 112.
Zu der Aar. . . wie ein aer auf einer hennen bei H.Sachs Sp. 120.
dy posen eeleit leben mit einander als der ör (aar) mit der henn , als
die kaz mit der meis Cgm. 757 f. 9".
Zu Sp. 153: gentnre frünorten voc. 1432 Cgm. 685.
u. dgl. m.
Schmeller hatte Einiges von diesen Auszügen wohl schon eingetragen,
z. B. Sp. 76 unten: „wer umb den pecken kaufet chorn", was er ursprünglich aus-
führlicher ausgeschrieben hatte. Der folgende Vers heißt : „und umb den schützen
(bogner) leim und hörn." Cgm. 713 f. 13. 156; aber er war damit nicht zu Ende
gekommen.
Ich könnte eine längere Reihe von Beispielen anführen, beschränke mich
hier aber auf solche, von denen, wie ich glaube, nicht gesagt werden kann, daß
sie mit Absicht weggeblieben sind.
Wir sehen also auch hierin, daß die Nachträge nicht druckreif sind und daß
mit dem Abdrucken derselben in der Art weder der gelehrten Welt, noch dem An-
denken Schmellers recht gedient ist. Wohl sagt der Titel „bearbeitet von G. Karl
Frommann'', derlnhaltaber zeigt, daß es eben nicht „bearbeitet" ist, ja der Prospectus
verräth sogar, daß es Frommann nicht einmal gestattet war, mehr zu thun, als die
Nachträge unverändert einzuschalten und höchstens noch in möglichster Kürze Ver-
weisungen auf andere Wörterbücher u. dgl. hinzuzufügen. — Wir möchten im In-
teresse des Werkes auf das Ernsteste darauf dringen, daß Frommann von diesen
Fesseln befreit und in die Lage versetzt werde, dem Werke jene Vollendung zu
geben, die kaum ein zweiter so gut wie er zu geben vermöchte. Davon ist wohl
Jedermann überzeugt, daß er Schmellers Nachlaß mit der größten Liebe und Ge-
wissenhaftigkeit benutzen wird.
Auf den Werth der Nachträge, die wir hier eingeschaltet finden , näher ein-
zugehen, dies bleibe einer späteren Gelegenheit vorbehalten, wenn einmal mehr
254 LITTERATIIR.
Material vorliegen wird. Das vorliegende Heft geht ja nur bis bäumen. — Was das
Äußere der Ausstattung anbelangt, so kann ich leider auch hievon nur sagen : es
steht zurück hinter der ersten Ausgabe von 1827! und das ist denn
doch, bei den Fortschritten der Typographie, namentlich im Punkte der Schönheit
und in Hinblick auf die wünschenswerthe Schonung der Augen des Lesers, nicht
zu verzeihen !
Der Eaum, den in der alten Ausgabe 25 Zeilen Fractur einnehmen, wird in
der neuen mit 32 Zeilen vollgedrängt. Daß mau der Grille Schmellers Kechnung
getragen, die zu solchen Schriften, abgesehen von der Unschönheit, unzweckmäßige
Fracturschrift beizubehalten, dient nicht zur Verschönerung, dient überhaupt, mei-
nes Dafürhaltens, zu nichts. Das Andenken Schmellers, das dadurch geehrt werden
soll, steht jedesfalls in solchen Zügen in unseren Herzen, daß es wohl dieser Pietät
in Äußerlichkeiten nicht bedarf, die umsomehr bedenklich erseheinen muß, als sie
praktische Nachtheile im Gefolge hat. Man hat hier nun sogar neue Typen erfunden
für mhd. aä, oe, die in Fractur nichts weniger als schön sind. Für mhd. je hat man ein
Zeichen eingeftihrt, das den Eindruck macht, als wäre hier die Letter fehlerhaft
gesprungen. Duß man aber auch für mhd. üe eine unschöne Form erfunden, in wel-
cher sich « mit p zu einem Zeichen verschlungen darstellt, das halte ich geradezu
für zu viel des Guten! Welchen mhd. Laut soll diese Letter bezeichnen? Nach Ana-
logie von mhd. ae und oe müßte es ein mhd. langes ü sein. Statt dessen tritt aber
mhd. iu ein ; es soll also wohl für 'de gebraucht werden, das, da es doppellautig
klingt, doch gewiß besser mit zwei Buchstaben geschrieben wird, schon wegen der
se und ce, mit denen es nicht in eine Reihe zu stellen ist! Sp. 19 wird in einer
ausführlich mitgetheilten Stelle von vier Versen aus Gottfr.s Tristan (die im bairischen
Wörterbuch nun wohl wegbleiben durfte, ist denn Gottfrid ein Baier? zumal dieselbe
Stelle neben vielen andern auch schon im mhd. Wb. citiert wird) üehen mit diesem
Zeichen gegeben ; auf derselben Seite Sp. 20 jedoch müeze mit üe. Sollen wir etwa
mhd. ile einlautig sprechen? Das ist jedesfalls nicht bairisch, wo man heute noch
Heben, iabn zweilautig spricht.
Doch genug ! — Ich muß diesmal in der That befürchten, der Tadelsucht
beschuldigt zu werden, da ich soviel auszusetzen habe, ohne allen mildernden Zu-
satz. Sollte dabei wirklich einiger Unmuth im Spiele sein, so möge man ihn der
Enttäuschung zu Gute halten, die ich empfand, als ich an das vorliegende Werk den
Maßstab meiner Erwartungen legte ! Ich möchte meinen, daß man von einem lexika-
lischen Werke, wenn es zu 13 bis 14 Gulden ausgeboten wird, heutzutage jedesfiills
auch wohl verlangen kann, daß es den Ansprüchen der Zeit Rechnung trage. —
Ein neubearbeiteter Schmeller müsste von der tiefgreifendsten Wirkung und Aus-
breitung werden, besonders wenn er bearbeitet wird von einem Manne wie Frommann !
Der Vorliegende wird, ftirchte ich, wenn in dieser Weise fortgefahren wird, Nie-
manden recht befriedigen*).
4. März 1869. K. J. SCHRÖER.
*) Auf ^inen Punkt, der oben nur im Vorbeigehen boriilnt i.st, will icli, minde-
stens diesmal, nicht eingehen, in wiefeni es dem Herausgeber frei stehen muß, Beleg-
stellen au.s älteren Sprachdenkmälern, die der Mundart nicht angehören, was docli bei
so mancliem Cod. Germ. Mon. der Fall sein wird, zu streichen oder dieselben näher
zu bezeichnen.
LITTERATUR. 255
Volkstänze im deutschen Mittelalter. Von Wilhelm Angerstein. (Samm-
lung gemeinverständlicher wissenschaftlicher Vorträge , herausgegeben von
Rud. Virchow und Fr. v. Holtzendorff. Heft 58.) Berlin Lüderitz 1868.
32 S. 8°.
Über die Volkstänze im deutschen Mittelalter zu reden , ist gewiß eine
äußerst lohnende Aufgabe. Welch ein reiches buntes Bild mitteralterlichen Le-
bens und Treibens läßt sich da entfalten ! Welch eine Fülle der interessante-
sten culturhistorischen Skizzen reiht sich fast von selbst aneinander , hier wo
es sich um ein so wesentliches Moment handelt , wie es der Tanz im Leben
der Höfe wie des Volkes war ! Man werfe nur einen Blick in die festlichen
Säle der Vornehmen und folge ihrem feierlichen Schleifertanze , der in seiner
Gemessenheit und Würde ein treues Bild des höfischen Formalismus bietet, oder
man schaue den Bauern in ihre Stuben und Scheunendielen, wo Eppe und Gumpe
und Engelmar in dörperlicher Unbeholfenheit und gespreizter Nachahmung höfi-
scher Formen ein höchst ergötzliches Bild liefern ; oder gar mische man sich
unter den sommei-lichen Reigentanz auf dem Tanzbühel oder unter der Dorf-
linde und sehe dem tollen Jubel zu; man beobachte die schmucke Dorfschöne,
die in festlichem Gewände mit Schleppe und Spiegel und Blumenkranz daher-
eilt , um trotz dem Schelten der besorgten Mutter an der Hand des Burschen
den wilden Reien zu springen und den Ball zu werfen ; man wandere nur ein-
mal an der Hand eines Neithart, Geltar, Tanhuser durch das bunte Leben hin-
durch vom ersten Augenblick an , wo der vornehme Bewerber in den Augen
des Mädchens den kleider- und waff"enprunkenden Bauern aussticht , durch alle
Tanzscenen hindurch bis zur schließlichen Prügelei oder dem verschwiegenen
Stelldichein , — welcher Reichthum an Scenen und Bildern drängt sich dem
Zuschauei-, dem Erzähler auf!
Einer solchen Fülle gegenüber muß es doppelt befremden, daß die voi*-
liegende Schrift so dürftig ausgefallen ist. Schon die Oekonomie des Stofi"es er-
regt Bedenken. Nach kürzester Berührung der altdeutschen religiösen Tänze
werden die Johannes- und St. Veitstänze , überliaupt die Tanzkrankheiten er-
wähnt, — wohl nur halb mit Recht, da ein epidemischer Veitstanz immer eine
sonderbare Art von Volkstanz ist. Daß sich daran der Tarantismus anschließt,
der schon der Sache viel ferner liegt, ist wohl durch die treffliche Abhandlung
von Hecker-Hirsch über die Tanzwuth (Die großen Volkskrankheiten des Mittel-
alters. Beilin 18G5. S. 143 fF.) verursacht, welcher der Verf. folgt und die wohl
die Ehre eines Citates verdient hätte. Damit befinden wir uns schon im späteren
Mittelalter. Schäfflertanz, Schönbartlaufen und Fackeltilnze führen uns in noch
spätere Zeit und im Umsehen sind wir beim Fandango und beim Cancan an-
gelangt , nach deren Berechtigung an diesem Orte wir vergeblich fragen. Der
ganze Stoff", den wir oben andeuteten und der, wenn dem Titel der Schrift ent-
sprochen werden sollte, fast den größten Theil derselben ausmachen müsste, ist
chronologisch unrichtig in die Mitte gestellt und ganz kurz abgemacht. Nicht
etwa daß unsere Kenntniss dieser Tänze eine zu geringe wäre. Was Wacker-
nagel Altfranzösische Lieder und Leiche, Weinhold Die deutschen Frauen im
Mittelalter , v. Liliencron in Haupt Zeitschrift VI und endlich Ref. in Gosche
Jahrbuch I an- und ausgeführt haben , bietet reiches Material. Ja der Verf.
durfte nur einmal die Wörter tavz und reie im mhd. Wb, oder tanzen, sprin-
95ß LITTERATITR.
gen, Raijen bei Schmeller aufschlagen, so fand er mehr als erbietet. Seine
vorzüglichste, wenn nicht einzige, Quelle für diesen Theil ist Czerwinski Ge-
schichte der Tanzkunst, ein Büchlein nicht ohne Verdienst, aber gerade für das
deutsche Mittelalter völlig ungenügend. So kann es denn auch an Unrichtig-
keiten im Ganzen wie im Einzelnen nicht fehlen. Denn daß die älteren Zeiten
mehr die ernsthafteren ruhigeren und sittsameren Bewegungen liebten' im Gegen-
satz zu den späteren Jahrhunderten , ist unrichtig. Wo bleiben denn da die
Reientänze des 12. und 13. Jahrhunderts? Die Reientänze, die nach der An-
sicht des Verf. freilich in einem Jahrhundert gedeihen mussten, welches die Blüthe
der Ritterschaft nicht mehr sah. (S. 17.)
Der Verf. beklagt sich S. 30 über Czerwinskis Flüchtigkeit, und mit Recht.
Wenn aber das der Verf. einsah , wie will er es dann rechtfertigen , daß er
Czerwinski so ausschließlich und mit so ängstlicher Treue folgt? Wobei natür-
lich Czerwinskis Fehler ebenso in Angersteins Schrift übergehen. Dahin gehört
die von Czerwinski stammende Geschichte von der Trauung Tristans und Isol-
de ns 'in dem romantischen Epos des Minnesingers Gottfried von Straßburg'.
So? Also wohl da wo sie sich kriegen? Gemeint ist in Heininchs von Freiberg
Fortsetzung v. 620 ff. die Hochzeit mit Isoide Weißhand. Ebenso ergeht es mit
dem aus Czerwinski entnommenen verstümmelten Citat S. 18:
si spranc
mer dan einer klCifter lane
und noch höher.
Die Klafter zu beiläufig sechs Schuh gerechnet, gibt das einen recht hübschCii
Hochsprung. Wohl bekomm's ! Da müssen wir freilich dem Verf. beistimmen,
wenn er sagt: 'Solche Sprünge vertragen sich nach unserer Anschauungsweise
nicht mit der Weiblichkeit.' Aber noch weniger vertragen sich nach unserer und
vieler anderer Leute Anschauungsweise solche Citate mit einem wissenschaft-
lichen' Vortrag. Hätte sich der Verf. die Mühe gegeben, die Stelle im Original
anzusehen, so würde er gefunden haben, daß sie lautet:
nnd noch hoher danne ie magi gespriinge,
wobei denn doch noch lange nicht an mehr als klafterhohe Sprünge zu denken
ist. Daß übrigens für die betreffende Stelle das Citat 'Minnesinger II 122'
längst antiquiert und durch Neithart von Reuenthal 7 , ß zu ersetzen ist, sei
als selbstA'erständlich hier nur nebenbei bemerkt.
ERLANGEN. CARL SCHRÖDER.
BERICHTIGUNGEN.
NR. I (XIII.), 375, Z. 3 v.u. ist ' (romanische?)' zu tilgen; dagegen steht 'fünf-
zehnhundert Secula' (das. S. 245, Z. 17, v. o.) deutlich so in Grimms Briefe. Wgr. —
S. 8 des laufenden Jahrganges ist G r H b s cli n e r g a s s e zu löschen , da diese Be-
zeichnung von einem unweit Breslau belegenen Dorfe hergenommen ist. Die Red.
ÜBER LACHMANNS KRITIK DER SAGE
VON DEN NIBELUNGEN.
VON
W. MÜLLER.
Uhland äußert sich in seiner Sagengeschiclite der germanischen
und romanischen Völker (Schriften Bd. 7, S. 530) über die oben be-
zeichnete Abhandlung*) in folgender Weise : „Lachmanns an sich scharf-
sinnige und mehrfach anregende Ausführung ist mir hauptsächlich darum
nicht überzeugend, weil sie einerseits sich an die nordische Mythologie
anschließt, andererseits einen uns unbekannten deutschen Mythus aus
Muthmaßungen aufbaut. Siegfried ist nicht Baidur , aber ein diesem
ähnlicher deutscher Gott Sigofrid, Hagen nicht Hödur, aber doch mit
diesem gleichartig. Die Nibelunge werden wirklich mit dem nordischen
Reiche der'Finsterniss und Hölle, Niflheimr, Niflhel, in Beziehung ge-
setzt; aber doch bilden sie in ihrem Gegensatze zu den Völsungen ein
Verhältniss, von dem man nicht absieht, wie es in das zu Tage liegende
System der nordischen Mythologie und der ihm eigenthümlichen Wesen-
klassen eingereiht werden soll."
Diese Worte, welche vor etwa sechs und dreißig Jahren gespro-
chen sind, als Lachmann seine Abhandlung noch nicht lange veröffent-
licht hatte , zeugen von dem selbständigen Urtheile , welches Uhland
auf dem Gebiete der Sagenforschung übte. Denn bis auf die neueste
Zeit haben Einige Lachmanns Untersuchung in den Hauptergebnissen
für richtig gehalten. Namentlich hat , um von Andern zu schweigen,
M. Rieger in dieser Zeitschrift (3, 163 fg.) den Versuch gemacht, den
von jenem Gelehrten eingeschlagenen Weg noch einmal zu verfolgen,
indem er dabei erklärt, daß er dasjenige, was ich in meinem Versuche
einer mythologischen Erklärung der Nibelungensage ausgeführt habe,
*) Sie erschien bekanntlich zuerst in dem Eheinischen Museum für Philologie
von Niebuhr und Brandis, Jahrg. 3, S. 435—464. Ich citiere nach den Seiten des Ab-
drucks hinter den Anmerkungen zu den Nibelungen.
GEKUASIA. Neue Reihe 11. (XIV,; Jaijrg. 17
258 W. MÜLLER
dahingestellt sein lassen wolle. Auch der jetzige Herausgeber der Ger-
mania sagt in der Einleitung zu seiner Ausgabe des Nibelungenliedes
S. X: „Die Grundlage des ersten Theiles imsers Liedes ist im Wesent-
lichen ein vermenschlichter Mythus vom Tode des Gottes Balder"; er
ist also, wie es scheint, derselben Ansicht, wie Lachraann*). Mich hat
dagegen wiederholtes Zurückgehen auf die Kritik der Sage von den
Nibelungen, die ich früher höher zu stellen geneigt war, zu der Über-
zeugung gebracht, daß bei allem Scheine strenger Methode, aufweiche
der Verfasser hinzuweisen nicht verfehlt, doch seine Untersuchung weder
von einer sichern Grundlage ausgeht, noch consequent durchgeführt ist
imd darum zu falschen Ergebnissen gelangen musste; daß sie überhaupt
kaum einen andern festen Punkt von Erheblichkeit enthält, als die Hin-
weisung auf den Umstand, daß unter dem Volke der Nibelungen, wenn
sie historisch sind (und warum sollten sie es nicht sein?), die Franken
zu verstehen sind. Dieses eine aber haben seine Anhänger nicht an-
genommen, wohl weil — Lachmann es nicht festgehalten hat.
Um imser Urtheil zu erweisen, wollen wir zunächst die Ergeb-
nisse seiner Untersuchung kurz zusammenfassen. — Lachmann sucht
darzuthun, daß die Nibelungensage aus zwei ursprünglich für sich be-
stehenden Tlieilen zusammengesetzt sei, einem geschichtlichen, d. h.
einer historischen Sage , die , wie vor ihm bereits angenommen war,
ihren Grund in der Niederlage des burgundischen Königs Günther
durch die Hünen hat , und einem religiösen Mythus , der in dem Be-
richte von den Geschicken Siegfrieds enthalten ist. Beide Erzählungen
sind dadurch besonders zu einer geworden, daß in jener der burgun-
dische König Günther die Hauptperson war, in dieser im Gegensatze
zu Siegfried , der mit dem Gotte Balder zusammengestellt wird , ein
König der Nibelunge auftrat, der gleichfalls Günther hieß. Diese Ni-
belunge hält er, auf den Anklang an Niflheimr und Niflhel hinweisend,
für dämonische Wesen, für Kinder des Nebels, nächtliche Götter, und
Günther ist ihm der König des Nebelreichs. Die Hauptergebnisse seiner
Untersuchung sind in den folgenden Sätzen enthalten (S. 345) : „Danach
zeigt denn die Fabel nicht mehr wie ein Held sondern wie selbst ein herr-
licher leuchtender Gott, ein Gott des Friedens durch den Sieg, nicht
ungestraft die geheimnissvollen Wächter im kalten nordlichen Todten-
reiche morden und das Gold der nächtlichen Götter dem Drachen rauben
darf Er gewinnt durch den Raub zwar Reiclitiiuin und wunderbare
Kräfte, aber er kommt auch in die Gewalt der Dämonen. Er muß ihr
*) [Die neue Auflage (18G9) hat den Irrthnm bericlitisjt. K. B.
ÜBER LACHMANNS KRITIK DER SAGE VON DEN NIBELUNGEN. 259
Bunde sb rüder werden, sich mit ihrer Schwester vermählen, für den König
des Nebelreichs mit dem dämonischen Werkzeuge die umstrahlte Val-
kyrie aus den Flammen holen, in des Königs Gestalt ihren Widerstand
bezwingen: durch den Ring aus dem Schatze vermählt er sich mit ihr,
aber sie wird nicht seine, sondern seines Herrn Braut: er ist todt, vom
Todesdorn, dem Sohn des Schreckens, erstochen, und das geraubte Gold
wird in den Rhein versenkt."
Diese Worte können wir nicht füglich fiir eine Erklärung des
Siegfriedsmythus halten. Denn abgesehen von der Lehre, die in der
Fabel liegen soll (fabula docet), aber erst von Lachmann hinein gelegt
ist*), dann von einigen Umschreibungen und etymologischen Deutungen,
die die Erzählung nur undeutlicher machen**), geben sie hauptsäch-
lich nur die Sage wieder , so wie sie nach seiner Meinung in ihrer
ältesten Fassung lautete. Nur zwei Punkte in seiner Darstellung können
als Versuch einer Erklärung angesehen werden : einmal die Zusammen-
stellung Siegfrieds mit dem Gotte Balder, dann die Behauptung, daß
wir in den Nibelungen dämonische Wesen, Kinder des ^Nebels, und in
Günther den König des Nebelreichs zu sehen haben, der als solcher
im Gegensatze zu dem leuchtenden Gotte Siegfried stehe.
Wie verhält sich nun Lachmanns Ansicht in Beziehung auf diese
beiden Punkte zu der seiner Vorgänger ? Gegen diejenigen, welche früher
die Nibelungensage zu deuten versucht haben, ist er recht strenge. Er
hebt freilich (S. 345) hervor , daß Mone schon elf Jahre vor ihm zu
einem Gotte und sogar zu einem Sonnengotte Siegfried gekommen sei,
will aber zu seinem Ergebnisse durch eine nothwendige Kette von
Untersuchungen gezwungen sein, ohne sich vorher Avillkürlich ein Ziel
gesteckt zu haben, und verschweigt es, daß derselbe auch, eben so
wie Fr, H. v. d. Hagen, Siegfried bereits mit Balder zusammengestellt
*) Die Lehre, die darauf hinaus kommt, daß man Niemand erschlagen und be-
rauben soll, weil map dadurch — um es modern auszudrücken — dem Teufel verfällt
und Strafe erleidet, widerspricht den Anschauungen der heidnischen Vorzeit, in welcher
es für recht galt, einem Feinde seine Schätze zu nehmen. Vgl. Walth. 263 fg. 471 fg.
Auch wird die Erlegung des Drachen und die Erwerbung des Hortes als eine Helden-
that Siegfrieds dargestellt und bei der Annahme eines solchen Lehrzwecks, der früher
öfter in Mythen fälschlich gesucht wurde, ist gar Vieles in der Siegfriedssage ganz
überflüssig.
**) Dahin gehören z. B. „die geheimnissvollen Wächter im kalten nordlichen
Todtenreiche", femer „dämonisches Werkzeug" für Tarnkappe oder Hehlmantel, „Todes-
dorn" für Hagen.
17*
260 W. MÜLLER
hatte *). Die Deutung P. E. Müllers, der die Nibelunge für Söhne der
Finsterniss erklärte, die Siegfried überwältigen, nennt er (S. 346) eine
allegorische Phantasie, obgleich seine ebenfalls nur in der Phantasie,
nicht aber in der nordischen oder deutschen Götterlehre bestehenden
Kinder des Nebels auch eben so gut Söhne der Finsterniss genannt
werden könnten. Dann wirft er v. d. Hagen, weil dieser in der Nibe-
lungensage eine Hindeutung auf den nordischen Mythus vom Weltende
fand, Leichtsinn vor (S. 348). Und doch hat derselbe auch, was wieder
verschwiegen wird, nicht allein bei dem Naraen Nibelunge auf Niflheimr
und Niflhel hingewiesen, sondern, eben so wie Lachmann, einen Gegen-
satz zwischen den leuchtenden Völsungen und den Nibelungen ge-
funden **). Und wenn v. d. Hagen auf S. 49 seines Werkes bemerkt,
daß die Nibelunge Siegfried am unscheinbarsten Bande unzerreißlich
festhalten und gewaltig wieder in ihre Tiefe hinabreißen, so liegt das
von Lachmanns Gedanken (S. 343), daß Siegfried bei aller seiner Herr-
lichkeit durch den Besitz des Goldes in der Knechtschaft der Nibelunge
und dem Verderben geweiht sei, eben nicht weit ab. Hiernach entsteht
denn nur die Frage, ob es Lachmann gelungen ist, durch seine Kritik
jene beiden schon von Andern ausgesprochenen Gedanken Avissenschaft-
lich festzustellen. Die Antwort muß verneinend ausfallen.
Das Verfahren , welches seine Kritik einschlägt , lässt sich kurz
so darstellen , daß er aus den verschiedenen Quellen der Sage ihre
älteste Gestalt zu gewinnen , zugleich aber ihre geschichtlichen und
rehgiös-mythischen Bestandtheile von einander zu sondern und die letz-
tern zu erklären sucht.
In Beziehung auf den ersten Punkt ist seine Ausführung mehr-
fach mangelhaft, weil er, ohne im Allgemeinen (durch eine Charakte-
ristik der Quellen) oder im Einzelnen seine Methode hinlänglich zu
begründen, bald dem einen, bald dem andern Berichte folgt, wie schon
die folgenden Beispiele zeigen. So weit unsere Quellen reichen, heißt
es S. 335, scheint Worms die älteste Angabe des Wohnsitzes der Ni-
*) Mone Einleitung in das Nibelungenlied 8. 77. F. H. v. d. Hagen Die Nibe-
lungen, ihre Bedeutung für die Gegenwart und für immer S. 37. 60. 63. Auf S. 83
wird der einäugige Hagen mit dem blinden Hödhr zusammengestellt ; S. 96 wird der
Name Hagen durch Dom erklärt. Dasselbe findet sich bei Lachmann.
**) V. d. Hagen a. a. 0. 8. 45. 70. Siegfrieds Geschlecht wird von ihm als das
der Sonnenkinder bezeichnet. DalS in den Namen der Völsunge und Nibelunge ein
Gegensatz nicht besteht, mu(i Lachmann selbst (S. 339) xu^ebeu ; daft er sich auch
in ihren Eigenschaften nicht zeigt, geht schon daraus hervor, daß Siegmund und Sin-
fiotli nach der 'Völ.'^ungasaga als Wölfe in den Wäldern hausen.
ÜBER LACrrMAXX> KKITIK DER SAGE VON DEN NIBELUNGEN. 2(51
b(4uuge. Da aber der Norden nichts von Worms weiß, so legt Laeh-
niann auf die Übereinstimmung der ober- und niederdeutschen Nibe-
luugensage kein Gewicht , weil diese wenig über das dreizehnte und
vierzehnte Jahrhundert hinaus gehe, und auch die weit ältere Sage von
Waltharius, die den Xibelungenfranken Günther nach Worms setzt,
macht ihn nicht irre. Er findet nun einmal für Worms nichts Entschei-
dendes. — Sind wir denn überhaupt berechtigt, hier die nordische Sage,
die doch auch sonst in Beziehung auf das Local minder deutlich ist,
als die deutsche, den übrigen Berichten vorzuziehen? Könnte sie Worms
nicht vergessen haben, wie sie nach S. 348 Dietrich von Bern vergessen
haben soll? Und wenn nun Andere für Worms et^^'^s Entscheidendes
fänden, was doch leicht möglich wäre? - Dagegen wird der Bericht
der oberdeutschen Nibelungensage (die doch wenig über das di'eizehnte
Jahrhundert hinausgeht), daß Siegfried den Hort den Nibelungen raubte,
altern Erzählungen gegenüber, die das Gold dem Drachen rauben lassen
und von Nibelungen, denen der Schatz früher gehörte, nichts wissen,
von Lachmann festgehalten , weil seine ganze künstliche Erklärung
darauf beruht , obgleich er selbst (S. 342) die Verwirrung fühlt , die
dadurch entsteht, daß außer dem König Günther und seiner Umgebung
auch die ersten Herren des Schatzes Nibelunge heißen. Und doch war
es eben nicht schwer zu zeigen , daß die Nibelunge als Besitzer des
Hortes vor Siegfried nur dem Sti-eben der Sage ihren Ursprung ver-
danken , den Ausdruck Nibelungehort zu deuten , also weder für die
älteste Fassung noch für die Erklärung in Betracht kommen*).
Freilich wird hierbei auch jenen andern Erzählungen eine gewisse
Geltung zugestanden, und zwar in der Weise, daß Lachmann annimmt,
das Gold, welches Siegfried dem Drachen raubt, sei zuerst im Besitze
der dämonischen Nibelunge gewesen : er sucht also , und das ist ein
zweites Verfahren seiner Kritik, die verschiedenen Zeugnisse der Quellen
zu vereinigen, oder er fügt zusammen, wie er sich S. 342 ausdrückt,
was echt und alt sein kann. Diese Weise ist unter Umständen berech-
tigt, so wie man ja auch aus mehreren entstellten Lesearten verschie-
dener Handschriften die eine richtige ermitteln darf Aber in der Sagen-
forschung muß dann auch gezeigt werden, daß die verschiedenen Er-
zählungen für sich weder vollständig noch richtig sein können. In dem
eben berührten Falle ist aber , was sich leicht zeigen ließe , die eine
Darstellung, nach welcher das Gold dem Drachen geraubt wird, durch-
*_l Weil sie eben nur einer explicativen Erweiterung der Sage ihren Urspruno
verdanken. Vgl. meiueu Versuch S. 38.
262 W. MÜLLER
aus richtig und vollständig, die andere, von den Nibelungen, denen ihi-
Schatz genommen wird, ein Zusatz, und es ist danach die Vereinigung
beider eben so unzulässig, als wenn man eine richtige und eine falsche
Leseart oder eine Glosse zusammen in einen Text aufnehmen wollte.
Auch in einem andern Falle, wo Lachmann vereinigen will, schlägt
dieses Mittel fehl. Die nordische Sage erzählt, daß Siegfried bei dem
Ritte durch die Flammen mit Günther die Gestalt tauschte , die süd-
deutsche, daß er sich durch die Tarnkappe unsichtbar machte. Beide
Erzählungen wollen die Verbergung des Betruges motivieren und ha-
ben als solche motivierende Zusätze beide ihr Recht, obgleich für die
Erklärung der Sage kein Gewicht. Wenn nun Lachmann beide Berichte
so zu vereinigen sucht, daß er (S. 341) meint, die Tarnkappe sei nicht
eine gewöhnliche Hehlkappe gewesen, sondern habe zugleich die wahre
Gestalt verborgen und eine andere gegeben , und danach als älteste
Fassung aufstellt, daß Siegfried mit der Tarnkappe die Brünhild aus
den Flammen holte , so fördert einerseits diese willkürliche Annahme
das Verständniss des Mythus nicht im Geringsten (denn was die Waber-
lohe, aus der Brünhild befreit wird, sein mag, darüber wird nichts ge-
sagt), andererseits widerspricht sie Allem, was wir aus dem Nibelungen-
liede und zahlreichen Volkssagen über die Eigenschaften der Tarn-
kappe wissen.
Wie hiernach Lachmann durch unbegründete Bevorzugung einer
Quelle vor der andern und durch verfehlte Versuche, verschiedene Be-
richte zu vereinigen, die Sage nur subjectiv gestaltet, nicht aber ihre
älteste Fassung erreicht, so entfernt er sich von seinem Ziele noch mehr,
wenn er derselben statt der Motive, welche nach ihrer Darstellung Ein-
fluß auf die Begebenheiten haben, andere unterschiebt. Hierher gehört
der folgende Fall. Die nordische Sage motiviert den Untergang Sieg-
frieds , wie des Königs Günther , durch den Fluch , welchen der
Zwerg Andvari , nach ihr der erste Besitzer des Hortes , den Lach-
mann auch gern zu einem dämonischen Nibelung machen möchte *),
*) Vgl. S. 343 ; er sucht seine Annahme dadurch zu beweisen , daß der Name
Andvari bloß allegorisch sei und legt S. 344 darauf Gewicht, daß derselbe nach der
Jüngern Edda in Svartalfaheim wohnt, die Alfheim für Norwegen erklärt, womit weiter
verbunden wird, daß das deutsche Gedicht (wenn auch lücht C) das Nibelungenland
nach Norwegen versetzt. Diese Combination bedarf keiner ausführlichen Widerlegung,
weil sie sich einerseits auf einen späten Auswuchs der Sage (die Nibelunge als erste
Besitzer des Schatzes), andererseits auf eine euhemeristische Deutung stützt, die eben so
wenig Werth hat, als Saxos Angabe, daß die Götter in Byzanz wohnten, und weil die
Erzählung von der Beraubung des Andvari durch Loki , wie schon W. Grimm (vgl.
ÜBER LACHMANNS KRITIK DER SAGE VON DEN NIBELUNGEN. 203
auf den Hort gelegt hat. Dieser Fluch wird mit Recht nicht berück-
sichtigt ; denn er kommt für die Erklärung der Sage eben so wenig
in Betracht, wie die nordische Erzählung, daß Siegfried in Folge eines
Zaubertranks Brüuhild vergessen habe. Aber Lachmann meint dafür
nicht nm', daß Siegfried von dem Verderben ereilt sei, weil er durch
den Raub des Groldes in die Knechtschaft der Nibelunge gekommen
sei, sondern er sieht selbst sein Freundschaftsbündniss mit Günther
und seinen Brüdern und seine Vermählung mit ihrer Schwester als
eine Folge dieser Knechtschaft an , und zwar nur aus dem Grunde,
weil (S. 341) die Dienstbarkeit Siegfrieds in der Sage gewiß alt, wie-
wohl schlecht begründet sei. Das ist freilich eine Motivierung, die
nicht nur den Anschauungen der alten Zeit sehr fern liegt , sondern
auch die Sage \'iel dunkeler macht, als sie nach den Quellen ist. Mau
wird, von andern Einwänden abgesehen, zunächst fragen, ob jene Dienst-
barkeit Siegfrieds, die die Quellen in verschiedener Weise erwähnen,
nicht geschichtlich erklärt werden könne ? warum denn der dämonische
König des Nebelreichs, in dessen Knechtschaft Siegfried durch den Raub
des Goldes schon gerathen war, den Helden zwang, sein Bundesbruder
zu werden ? warum er den dem Verderben Geweihten mit seiner
Schwester vermählte ? wo denn in der nordischen oder deutschen
Mythologie solche dämonische Wesen vorkommen ;, die , wie der
Teufel*), mit Jemand einen Bund schließen? und wie denn doch die
dämonische Natur der Nibelunge, abgesehen von dem Anklang des Na-
mens an Niflheimr und Niflhel, bewiesen ist? In Beziehung auf die letzte
Frage muß Lachmann auch selbst bekennen, daß von den Nibelungen
D. Heldens. 284), wenn auch nicht klar genug, gesehen hat, gleichfalls ein späterer
Zusatz der nordischen Sage ist, was Lachmann selbst wenigstens ahnt. Durch seine
Combination ist wohl Rieger auf den wunderlichen Gedanken gekommen, daß Günther
und sein Volk als Nibelunge Zwerge sein sollen, worauf wir hier nicht näher eingehen.
Nur erimiern wir in Beziehung auf S. 171 semer Abhandlung daran, daß der Name
Nibelung deshalb nicht dem religiösen Mythus angehören muß, weil kein in der Ge-
schichte (d. h. in historischen Quellen) vorkommendes Geschlecht ihn geführt hat. Untei
den Amelimgen der Sage würden wir immer die Ostgothen zu verstehen haben , aucli
wenn wir nicht anderswoher wüssten, daß das Herrschergeschlecht desselben den Namen
Amaler führte. Und nennt die nordische Sage nicht die Burgninden auch Giulvunge,
das Volk nach einem Geschlechte seiner Könige? Um so weniger war es denn auch
bei dem Namen Gibeche gerathen, auf den Zwergkönig Gübich zumckzugehen.
*) In Haupts Zeitschrift 12, 289 findet sich gedruckt: „Noch viel weniger zweifelhaft
ist es, daß der Name Nibulunc ursprünglich nur der Sage oder dem Mythus angehörte,
weil es keinem Vater je einfallen konnte, seinen Sohn einen Nebelsohn zu nennen oder
als einen Abkömmling finsterer, höllischer Mächte zu bezeichnen."
264 '\\'. Mt'liLER
in der Sage nichts Eigenthilnillches und Charakteristisches vorkommt
(S. 342), und wenn er dann die Frage aufwirft, ob vielleicht die Sage
aus heiliger Scheu , oder auch weil sich der Grlaube geändert hatte,
etwas Geheimes verhülle, so kann man damit jeden Einfall in mytho-
logischen Untersuchungen beschönigen : das ist nur ein Wort, das zur
rechten Zeit sich einstellt , wo die Beweise fehlen. Aber nach seiner
eigenen Äußerung (S. 345) besteht das einzige Verdienst bei mytholo-
gischen Abhandlungen in strengen Beweisen.
Über die Art und Weise, wie geschichtliche Begebenheiten und
Verhältnisse in der Heldensage dargestellt zu werden pflegen , äußert
sich Lachmann auch nicht im Allgemeinen: wir lernen das Verfahren;,
welches er einschlägt, um die historischen Bestandtheile der Nibeluugen-
sage von den mythischen zu scheiden , wieder nur aus einzelnen Be-
merkungen kennen. Dabei begegnen wir zunächst einer Inconsequenz.
Wenn er an dem Satze festhält, daß Attila uiid die burgundischen Kö-
nige, die er besiegt, historisch sind, wie auch die Umstände verfabelt
sein mögen (S. 346), dagegen die Beziehung der Brünhild auf die be-
kannte fränkische Königin imd ihren Zwist mit Fredegund zurückweist,
weil weder Namen noch Thatsachen passen (S. 335), so ist doch auch
hier wenigstens ein Name in der Sage und der Geschichte derselbe, und
die andern historischen Beziehungen könnten ebenfalls in der Sage ver-
fabelt sein. Wenn er ferner äußert (S. 347) , die Vermählung Attila's
mit einer burgundischen Prinzessin könne historisch wahr sein, obgleich
natürlich die Geschichte nichts davon überliefert habe, und sogar die
Zeit derselben bestimmen will, so ergibt sich daraus, daß er auf dem
falschen Staudpunkte sich befindet, den noch jetzt Manche einnehmen,
wonach man sich berechtigt hält, die von einer Sage berichteten Einzel-
heiten für geschichtlich zu halten und mit ihnen die beglaubigte Ge-
schichte zu bereichern, wenn diese nur in einer gewissen Weise wahr-
scheinlich sind*). Dabei wird freilich nicht bedacht, daß die Sage eben
*) Dahin gehört z. B., wenn der Verfasser des in mehr als einer Hinsicht verfehl-
ten Aufsatzes in Haupts Zeitschr. Band 10 nicht nur S 160 an der Vermählung Attilas
mit einer burgundischen Prinzessin festhält, sondern auch S. 150 meint, daß die Sage,
wenn sie den Burgunden Günther von Worms ostwärts dem Etzel entgegenziehen lasse,
damit das historisch Richtige getroffen habe. Das ist jetzt um so ergötzlicher zu lesen,
nachdem Waitz gezeigt hat, dai die ältesten Quellen bei dem Berichte über den Kampf
der Hünen und Burgunden Attila gar nicht nennen , dieser also in der Sage nur als
Repräsentant seines Volkes erscheint. Eben so wenig lässt sich die ebd. S. 148 wieder-
holte Vermuthung begründen, dali die Sage, indem sie Worms als die Hauptstadt des
Burgunden Günther nennt, damit ein historisches Factum bewahrt, habe.
ÜBER LACHMANNS KRITIK DER SAGE VON DEN NIBELUNGEN. 265
dadurch zur Sage wird , daß sie das wirklich Gescheheue in seinen
Einzelheiten umformt, wenn auch nicht willkürlich, sondern nach be-
stimmten Gesetzen, welche die Forschung festzustellen hat. Von diesem
richtigem Standpunkte rausste auch untersucht werden , wie die Sage
dazu kam, Dietrich von Bern und Irnfried von Thüringen, welche Lach-
mann doch auch für geschichtliche Personen hält , aber nur aus der
Nibelungensage entfernt (S. 336) , in die Kämpfe mit den Burgunden
zu verflechten. Eben so vermissen wir eine Untersuchung über die hi-
storischen Verhältnisse, in welche Siegfried ungeachtet seiner ursprüng-
lich göttlichen Natur von der Sage gebracht wird.
Doch ist Lachmann die Ausscheidung des Historischen noch besser
gelungen, als die Erkenntniss des Religiösmythischen, wovon er äußerst
mangelhafte Begriffe hat. Mythisch ist ihm nämlich zunächst dasjenige,
was nicht geschichtlich ist. Darum vermuthet er in Rüdiger von Beche-
laren ein ursprünglich göttliches Wesen (S. 338), weil er in der Geschichte
nicht nachweisbar ist*), und erklärt auch Siegfried für einen Gott, weil,
wenn er wirklich zu Attilas Zeit oder nachher gelebt hätte, doch wohl
in den fränkischen Geschichten sich irgend etwas darauf beziehen würde
(S. 335). Daraus folgt aber nichts. Denn es könnte ja das, was von
Siegfried erzählt wird, zugleich mit seinem Namen so entstellt und ver-
fabelt sein, daß natürlich die Geschichtsquellen nichts genau Entspre-
chendes enthalten, oder es könnte die ganze Gestalt auf einer poetischen
E'findung beruhen. Wenn aber auch ein König Siegfried wirklich ge-
lebt hätte, so könnte sich doch an seinen Namen ein religiöser Mythus
geheftet haben, wie ja auch Einiges, was in das Gebiet des Mythischen
gehört, von Dietrich von Bern, dem ostgothischen Könige Theoderich,
berichtet wird , und wie mit der geschichtlichen Sage von Karl dem
Großen manche religiöse Elemente , wenn auch nur zum Theil heid-
nische, verbunden sind. Dann ist nach Lachmann mythisch, was wun-
derbar ist **). Aber wie nicht alle Blumen Rosen sind , so ist auch
nicht alles mythisch , was wunderbar klingt. Andererseits kann auch
das durchaus Menschliche , das von Helden erzählt wird , auf einen
religiösen Mythus weisen, da bekanntlich das Heidenthum seine Götter
in den Mythen mehrfach menschliche Schicksale erfahren lässt Was
kann man ferner von einem solchen Standpunkte aus denjenigen er-
*) In Haupts Zeitschr. 10, 163 wird gesagt, daß er derselbe mit dem Knecht
Ruprecht sei , der einst ein Begleiter und Diener des höchsten Gottes war. — Ist das
Ernst oder Scherz?
**) ^gl- z. B. S. 339: die Völsungar weisen uns in ein durchaus wunderbares
und fabelhaftes Land. Von den Völsungen wird uns nichts als Mythisches berichtet u. s. yv-
266 W. MÜLLER
wid(n-n, die das Wunderbare aus der dichterischen Erfindung herleiten?
und gibt es nicht auch spätere Auswüchse der Sage, die wunderbar
klingen, aber keine Mythen sind?
Aus diesen mangelhaften Ansichten über die mythischen und histo-
rischen Bestandtheile der Heldensage erkläi't sich nun, wie Lachmann
auf den höchst seltsamen Gedanken kommen konnte, die Nibelungen-
sage für eine Zusammensetzung aus einem Mythus von Siegfried und
Günther, dem König des Nebelreichs, und einer geschichtlichen Sage
von dem Untergang des burgundischen Königs Günther durch die Hünen
zu halten. Da Günther, das ist seine wunderliche Art zu schließen,
wobei schon die Prämissen falsch sind, mit Siegfried, der nicht gelebt hat
und folglich ein Gott ist, in Verbindung gesetzt wird, so muß auch er
ein Gott und zwar , weil Nibelung mit dem Worte Nebel zusammen-
hängt und an Niflheimr und Niflhel anklingt, ein Gott des Nebelreichs
oder ein nächtlicher Gott sein ; er führt zwar denselben Namen , wie
der burgundische König Günther, der in der Sage und in der Geschichte
von den Hünen besiegt wird, ist aber von diesem, der wirklich gelebt
hat, ganz verschieden. Um diese Ansicht zu stützen, die zunächst wohl
dadurch veranlasst wurde, daß Günther sowohl König der Burgunden,
als König der Nibelunge genannt wird (was er nicht verstand oder
nicht verstehen wollte), und in dem Doppelnamen Kriemhild und Gu-
drun für Siegfrieds Gattin in der deutschen und in der nordischen Sage
einen scheinbaren Haltpunkt fand*), musste er denn auch die Nibelunge
als erste Besitzer des Schatzes , wie sie allein , mid zwar nicht ohne
Verwirrung, die süddeutsche Sage kennt, den übrigen Quellen gegen-
über willküi'lich festhalten, dieselben, obgleich von ihnen in der Sage
nichts Eigenthümliches und Charakteristisches vorkommt, zu dämoni-
schen Wesen machen, von denen die nordische und deutsche Mytho-
logie nichts weiß , und sich einen angeblich ältesten Zusammenhang
der Sage erdenken, der von den Quellen weit abliegt und in nordischen
oder deutschen Mythen keine Analogieen hat. Und doch ließ sich sein
Resultat nicht ohne einen methodischen Fehler erreichen, den wir noch
besprechen müssen.
Lachmann will nach S. 345 zu seinem Ergebnisse durch eine noth-
*) Beweise, die, wie Jemand in Haupts Zeitschr. 10, 155 sagt, Lachmann für diese
seine Ansicht gegeben hat, finde ich in seiner ganzen Abhandlung nicht. Ein weiterer
Beweis ist es auch nicht, wenn dort der Doppelname Brünhild und Sigurdrifa hervor-
gehoben wird, und darauf hin aus der einen Brünhild zwei mythische Wesen gemacht
werden. Brünhild .soll die Walküre , Sigurdrifa ein dem echten lichten Göttersoline,
dem Walsung Sigufrid gleichartiges Wcscu sein.
ÜBER LACHMANNS KRITIK DER SAGE VON DEN NIBELUNGEN. 267
weudig^e Kette von Untersuchungen gelangt sein, ohne sieh vorher will-
kürlich ein Ziel gesteckt zu haben, aber es fehlt in dieser Kette ein
nothwendiges Glied. Er weist nämlich im Eingange seiner Untersuchung
selbst nach, daß die Sage unter den Nibelungen, über welche Günther
herrscht , die Franken versteht , was auch ohne alle andern Gründe
schon daraus folgen werde, daß in der Klage und im Biterolf Günthers
Unterthanen Burgunden, aber auch Franken oder Rheinfi-anken genannt
werden. Statt nun aber , und das ist eben ein methodischer Fehler,
zuvörderst von diesem richtigen Standpunkte aus, auf den die Forschung
zimächst führte, die Kritik der Sage w^eiter zu verfolgen, wobei denn
der Anklang des Namens Nibelunge an Niflheimr und Niflhel und über-
haupt seine etymologische Deutung gar nicht in Betracht kommen würde,
begibt er sich mit einem Sprunge , mit der unbewiesenen Annahme,
daß sie dämonische Wesen sind , auf jenes schlüpferige Gebiet , auf
welches wir ihn begleitet haben , und zwar allen Quellen zuwider.
Denn auch der Dichter des Waltharius bezeichnet Günther, der zu
Worms am Rheine wohnt, und Hagen, den er von Troja abstammen
lässt, woher sich die Franken leiteten, als Nibelungen-Franken*). Das
bringt aber Lachmann von seinem Irrthume nicht ab. Die Annahme
von verschiedenen Personen, die nur denselben Namen führen, ist ja
so leicht, daß sie auch hier bald aushilft. Zwar weiß er nicht, ob die
Sage von Walther historisch oder mythisch zu deuten ist , aber das
(vgl. S. 335) weiß er , daß der Günther , der in derselben aufti'itt,
entweder ursprünglich nicht dazu gehörte , oder gar ein dritter ist
(d. h. weder der Nibelung, der in der Siegfriedssage auftritt, noch
der Burgunde, der von Attila besiegt wird), weil dieser Günther höchst
feige und mit Verlust eines Beins streitet ; gleich unwürdig der
WaflFengefährtschaft Siegfrieds imd des Todeskampfes bei Attila. Damit
hat er freilich nur gezeigt, daß die Sagenforschung nicht sein Gebiet
war, da ihm nicht bekannt ist, daß jede Stammessage (die von Walther
gehört einem andern Stamme an, als die Nibelungensage) fiir ihren
Stammeshelden Partei nimmt. In Beziehung auf Hagen wird S. 336
Folgendes gesagt: mit den burgundischen Königen und Attila mag er
wohl ursprünglich nichts zu thun haben : daß in Siegfrieds und der
Nibelunge Sage ein Hagen vorkommt und in Walthers Sage, falls sie
historisch ist, ein anderer, ist eben so wenig wunderbar, als wenn zu
Siegfried ein Günther gehört und ein anderer von Attila besiegt wird,
*) Mehrfach nennt er sie auch nur Franken , und Hagen wird 1435 „lusce Si-
camber" angeredet. Vgl. Grimm S. 122.
208 ^^'- Mi'I^r^ER, ÜBER LACHMANNS KRITIK etc.
als wciiu auch in der Gudrun ein Hagen und ein Siegfric.'d auftritt.
So muß ein Irrthura den andern stützen , und bei der Herbeiziehung
der gleichen Namen in der Gudrun traut man seinen Augen nicht.
Werden denn in der Gudrun nicht Hagen König von Irland und Sieg-
fried von Morland genannt und damit als verschiedene Personen be-
zeichnet? Unter Aias, Telamons Sohn, verstand die griechische Helden-
sage "immer den einen bekannten Held, daß Aias, der Sohn des Oileus,
der Lokrer, ein Anderer war, wusste Jedermann.
Über Lachmanns Verirrung muß man sich um so mehr wundern,
weil er selbst (S. 335) geahnt hat, daß der Grund zu der Doppel-
benennung Günthers als Königs der Burgunden und der Nibelunge in
der Vermischung der Burgunden mit den Franken zu suchen sei, die
ja nachher das burgundische Reich verschlangen. Nachdem die bur-
gundische Sage von der Niederlage des Königs Günther auf die Franken
übergegangen war, wurde derselbe auch als König der Nibelunge d. h.
der Franken aufgefasst, wovon unsere Quellen, wie bei einer andern
Gelegenheit gezeigt werden soll^, noch manche Spuren bewahrt haben.
Mit unserer Darlegung ist nun hinlänglich, und für Kenner wohl
zu ausführlich , gezeigt , daß der schon von Fr. H. v. d. Hagen ge-
äußerte Gedanke, wornach die Nibelunge dämonische Wesen sind und
mit Niflheimr und Niflhel zusammenhangen, auch von Lachmann nicht
bewiesen ist. Die Zusammenstellung Siegfrieds mit dem nordischen und
deutschen Gotte Balder , mag sie nun eine Identification sein sollen
oder nicht *) , lässt sich , wie sich schon aus dem Folgenden ergibt,
eben so wenig halten.
Daß die Sage von Siegfried uns auf das Gebiet des religiösen
Mythus führt , erhellt besonders aus seinem Drachenkampfe und dem
Ritte durch die Wabei'lohe **) , weil ganz Entsprechendes oder doch
Analoges in der nordischen und in andern Mythologieen von Götteni
berichtet wird. Darauf hat Lachmann, der überhaupt die nordische und
deutsche Mythologie zu wenig herbeizieht, kein Gewicht gelegt. Aus
seiner Argumentation folgt dagegen noch nicht einmal die ursprünglich
göttliche Natur Siegfi-ieds, weil diese weder, wie wir gesehen haben,
aus dem Wunderbaren zu erweisen ist , das von ihm erzählt wird,
noch aus dem Umstände geschlossen werden kann, daß der Name Sieg-
fried vor dem Ende des siebenten Jahrhunderts sich nicht findet (S. 344).
*) Den Ausdruck S. 344, daß diese Vergleichung keine rohe Identification sein
soll, verstehe ich nicht.
**) In dem Mytlius von Balder findet sich nichts Ähnliches.
REINHOLD KÖHLER, Zl^ V. D. HAGENS GESAMMTABENTETJEK. 2G9
Bei der Vergleichung der Siegfriedssage und des Mythus vou
Balder ergibt sich auch , daß die Ähnlichkeit sich darauf beschränkt,
daß beide getödtet werden , und daß Siegfrieds Mörder einäugig,
Hödhr aber, welcher den Balder erschlägt, blind ist. Hieraus folgt nur,-
daß Siegfrieds Tod der Annahme , daß er ursprünglich ein Gott sei,
nicht widerspricht, während der zweite Umstand nur für ein zufälliges
Zusammentreffen gelten kann. Denn in allen übrigen Stücken zeigen,
beide Erzählungen bedeutende Abweichungen , mag man den Mythus
von Balders Tode nach der Jüngern Edda vergleichen oder auf Saxo
•Grammaticus zurückgehen, dessen Bericht einige ursprünglichere Züge
bewahrt hat*).
GÖTTIN GEN, im April 1869.
ZU VON DER HAGENS GESAMMTABENTEUER
NR. LXIII.
Ein mittelhochdeutsches Gedicht von Heinz dem Kellner (von der
Hagen Gesammtabenteuer Nr. LXHI) erzählt von einer Königstochter,
die nur den zum Mann haben will , der sie ^drier dinge überreden,
d. h. dreimal so im Kedeu überbieten könne, daß sie nichts darauf zu
erwidern wisse. Wer sich des Wagnisses unterfängt , aber unterliegt,
verliert den Kopf. Konni, ein Bauernbursch an Leib und Tracht, in
Worten und Werken ein Narr , macht sich auf den Weg ins Schloß.
Er nimmt von zu Hause ein Ei mit, welches er in seinem Busen trägt.
Unterwegs findet er einen Eggenzahn, den er in seinen Ärmel steckt.
Im Schloß angekommen, überisst er sich beim Nachtessen so, daß ihn
in der Nacht heftiges Bauchgrimmen überfällt. Er entleert sich in seine
Kappe imd nestelt sie zu. Am Morgen wird er vor die Pi'inzessin ge-
führt. Er muß die Rede beginnen und spricht: 'Frau, wie ist Euch
der Mund so roth!' Sie antwortet: 'Es ist Feuer darin.' Er erwidert:
Frau, so siedet mir das Ei!' Sie entgegnet: 'Narr, stoß es dir in den
Hintern!' Da zieht er den Eggenzahn hei'vor: Das passt besser dazu,
ein Ei bringe ich nicht hinein.' Zornig ruft sie: 'Das ist versch — !'
*) Saxo kennt die Einmischung des bösen Gottes Loki nicht, der dem ursprüng-
lichen Mythus auch hier wohl fremd ist. Nach ihm kämpft Balder mit Hotherus, von
dessen Blindheit nicht die Rede ist, um den Besitz der schönen Nanna. Das ist ein
echt mythisches Motiv, wovon sich in der Siegfriedssae:e nichts findet.
070 REINHOLD KÖHLER, ZU V. D. HAGENS GESAMxMTABENTEÜER.
üa öftiiet er seine Kappe und sagt: 'Nein, das ist gesch — !' So hatte
er die Prinzessin überwunden.
Es ist mir nicht bekannt, daß dieser Schwank sonst noch in den
Litteraturen des Mittelalters vorkömmt , wohl aber findet er sich in
neueren Volksmärchensammlungen.
Ein österreichisches Märchen (Vernaleken Österreichische Kinder-
und Hausmärchen Nr. 55) erzählt Folgendes : Eine Königstochter will
nur den heiraten , der ihr drei Fragen beantworten kann. Der blöde
Hans , dessen ältere kluge Brüder das Wagstück vergeblich unter-
nommen haben, begibt sich auch nach dem Schloß. Unterwegs findet
er einen Nagel und ein Ei und steckt beides ein. Im Schloß überfällt
ihn ein Bedürfniss, er weiß sich mit einem Tuch zu helfen und steckt
das Tuch in die Tasche. Als er vor die Königstochter geführt worden
ist, sagt diese: 'Ich habe Feuer im Leibe!' Er erwidert: 'Und ich habe
ein Ei im Sack, das können wir also sieden!' 'Unsere Pfanne hat ein
Loch,' entgegnet sie, worauf er: 'Und ich habe einen Nagel, damit
können wir das Loch verschließen!' 'Ja^ einen Dreck!' sagt die Prin-
zessin. 'Den habe ich auch im Sack,' erwidert Hans und hat gewonnen.
In einem englischen Märchen (Halliwell Populär Rhymes and Nur-
sery Tales S. 32) ist die Prinzessin die Tochter des Königs von Ost- Angeln.
Zwei Söhne eines Edelmanns aus Cumberland ziehen aus, um die drei
Fragen der Prinzessin zu lösen, und ihr jüngster Bruder, der närrische
Jack, begleitet sie. Unterwegs findet er ein Ei, dann ein Reis von einer
Haselstaude und endlich eine Haselnuß und steckt alles ein. Im Schloß
werden sie zur Prinzessin geführt. 'Was für schöne Damen gibt es hier!
ruft Jack. 'Ja,' sagt die Prinzessin, 'wir sind schöne Damen, denn wir
haben Feuer im Busen.' 'Dann siedet mir ein Ei!' sagt Jack und zieht
ein Ei hervor. 'Wie wollt Ihr's wieder herausbekommen ?' fi-agt die
Prinzessin. 'Mit diesem Haken,' erwidert Jack und zeigt das krumme
Reis. 'Wo kam das her?' fragt die Prinzessin. 'Von einer Nuß!' ant-
wortet Jack xmd zeigt seine Nuß. So hat er gewonnen.
Femer als diese beiden Märchen steht dem altdeutschen Gedicht
ein norwegisches Märchen (Asbjörnsen og Moe Norske Folkeeveutyr
Nr. 4). Eine Königstochter soll den heiraten, der sie zum Schweigen
bringen (maalbinde) kann. Drei Brüder, von denen die beiden ältesten
als klug gelten, der jüngste aber, Aschenbrödel (AskepotJ, einfältig ist,
wollen ihr Glück versuchen. Unterwegs findet Aschenbrödel ein Weiden-
reis, dann eine Scherbe von einer Schüssel, hernach einen todten Staar,
hierauf zwei Bockshörner und endlich eine ausgegangene Schuhsohle
feil udgaaet Skosaale). Allemal wenn Aschenbrödel eines dieser Stücke
H. RÜCKERT, FRAGMENTE EINER NEUEN HANDSCHRIFT etc. 271
findet, heißen ihn die Brüder es wegwerfen, aber er erwidert: 'Nein,
das ist gut, nm die Jungfrau damit zu gewinnen !' *) Bei der Prinzessin
angelangt, fragt er: 'Kann ich nicht meinen Staar gebraten kriegen?'
'Ich fürchte, er birst,' erwidert die Prinzessin. 'Ach, das hat keine Noth,
ich binde dies Weideni'eis darum,' sagt der Junge. 'Aber das Fett läuft
heraus,' sagt sie. 'Ich halte dies unter,' erwidert er und zeigt die Scherbe
vor. 'Du bist so krumm in der Rede,' entgegnet die Prinzessin. 'Nein,
ich bin nicht krumm, aber das ist krumm,' sagt er und holt das eine
Hörn hervor. 'Nein^ ein gleiches habe ich noch nie gesehen!' ruft sie.
'Hier siehst du ein gleiches,' erwidert er und zeigt das andere Hörn.
'Ich glaube, du bist ausgegangen, um mich zum Schweigen zu bringen,'
sagt sie. Nein, ich bin nicht ausgegangen, aber das ist ausgegangen,'
antwortet er und zeigt die Schuhsohle vor. Darauf weiß die Prinzessin
nichts zu erwidern und muß ihn heiraten.
Ohne Zweifel begann die Unterredung im norwegischen Märchen
ursprünglich auch damit, daß die Königstochter sagt, sie habe Feuer
im Mund oder im Busen , worauf Aschenbrödel sie auffordert , ihm
damit seinen Staar zu braten.
WEIMAR, Mai 1868. REINHOLD KÖHLER.
FRAGMENTE EINER NEUEN HANDSCHRIFT
VON WOLFRAMS WILLEHALM.
Durch Herrn Gymnasiallehrer Jankowski in Krotoschin (Provinz
Posen) habe ich die folgenden Bruchstücke einer Handschrift des Wille-
halm erhalten. Sie befanden sich an dem Einbände eines Buches, welches
der Bibliothek des ehemaligen Trinitarierklosters daselbst angehört.
Die Handschrift ist Pergament von sehr feiner Textur und mäßig
geglättet, von derselben Art, wie man es sehr häufig in den werthvol-
leren Hss. Schlesiens und der benachbarten Landschaften aus dem 13.
und 14. Jhd. findet. Sie war vierspaltig im größten Folio, wahrschein-
lich 50 — 60 Zeilen auf einer Spalte. Die Zeilen stehen zwischen Linien,
die mit der Reißfeder gezogen sind. Jede Zeile enthält gewöhnlich
einen Vers, nur selten hat es das Raumbedürfniss veranlasst, daß der
Schluß eines Verses entweder an das Ende der vorhei'gehenden oder
*'i Ich erzähle uach der Variante S. 391. In der Haupterzählung: t;elieu die älte-
sten Brüder für sich und dann Aschenbrödel ohne sie.
272 H. KÜCKEUT
folgenden Zeile gesetzt ist , was von dem Schreiber stets durch die
bekannten Verweisungszeichen angedeutet wird. Puncte finden sich
nirgends am Ende der Verse, und im Laufe derselben nur an einer Stelle.
Die Bruchstücke, die mit großen Lücken von 371, 6 bis 409, 6
reichen, sind von einer Hand. Sie gehört noch der zweiten Hälfte des
13. Jlid. aU;, wie die Form des z, der seltene Gebrauch des sogenannten
Schluß-s und überhaupt der ganze Charakter der Schrift bezeugt. Der
Schreiber scheint recht sorgfältig gewesen zu sein und sich nicht damit
begnügt zu haben, eine dem Auge gefällige Leistung hervorzubringen.
Denn wenn es auch keine eigentliche Prachthandschrift war , so gibt
ihr doch das werthvolle Material, die Zierlichkeit der Buchstaben, be-
sonders der wenigen erhaltenen Initialen — sie sind sämmtlich roth —
den Charakter einer über den mittleren Durchschnitt gehenden Arbeit.
Wirkliche Schreibfehler sind selten und die meisten davon betreffen
bloß die Wortfolge und sind von derselben Hand verbessert.
Die Grundlage des Textes stimmt zu keiner der bisher bekannten
Handschriften und Fragmente völlig, am meisten noch mit Lachmanns w,
wie der Abdruck bei Franz Pfeiffer Quellenmat. II, 83 ausweist.
w wird von Pf. für eine thüringische Hs. gehalten. Unsere Frag-
mente gehören gleichfalls unzweifelhaft Mitteldeutschland an, aber einer
weiter nach Osten gelegenen Landschaft. Eine Anzahl von Besonder-
heiten, die sich in den schlesischen und lausitzischen Hss. dieser und
späterer Zeit finden und ihnen bei aller Gemeinschaft des mitteldeutschen
Idioms doch wieder eine besondere mundartliche Färbung geben, sind
hier anzutreffen. Dahin rechne ich das durchgehende sh für seh, h im
Auslaut für ch, und gleichzeitig ch vor Consonanten im Inlaut, die Er-
haltung der echt mhd. Tennis für Media im Auslaut , die in andern
mitteld. Sprachdenkmälern sehr frühe verdrängt wird oder niemals Ein-
gang geftmden hat. Natürlich bringt es das Alter und die relative
Sorgfalt des Schreibers , der sich ofi'enbar an eine recht gute , der
Originalmundart des Dichters nahestehende Hs. anlehnt, mit sich, daß
alle solche Localzüge nur in beschränktem Umfange auftreten. Aber
es ist kein einziger darunter, der nicht gerade für die Heimat, der ich
diese Blätter zuweise, und im Zusammenhange mit den andern nur für
sie passt. Schon in dieser Hinsicht, als Beleg für die Verbreitung einer
berühmten deutschen Dichtung bis in die äußersten Ostmarken unseres
damaligen Colonisationsgebietes, verdienen die Bruchstücke einige Be-
achtung, weshalb ich sie hier, soweit mir ihre oft sehr mühsame Ent-
ziflferung geglückt ist, diplomatisch getreu mittheile. Die Abbreviaturen
sind nur da aufgelöst, wo über ihre Bedeutung gar kein Zweifel ist.
FRAGMENTE EINER NEUEN H.>^. VON WOLFRAMS WILLEHALM, 273
I = Lachm. 371, 6
. . . .wol streit sina
. . . .alda II guns shar
.... mausura
ruii
10 . . wol räche tun
vnd des frumen ersiclanden ^)
.... ren die | den sechsten ku ')
15 .... ouh reit | nie ih nenne hi
. . getouften streit
.... femeiz | von dem die ebin
. . . wile her lebte \ ture weiz
20 . . .strebete
... musten kummer doln
. . .r slachte Ion erholn
. . .nen brachten
. . . .dachten
. . . ir ende
11^ 372, 24
Quam vor
25 gloriax. Mala...
quam vor dem . . .
die geflorirt
vh mochte ni . . .
ir zimmirte. . .
di muste man türe . . .
373 der starke graue la. . .
vurte den uanen ho . . .
der kune herzöge ber.
mit grozim pondir. .
5 karte gegen den. . .
her wante gisel vin . .
vor sinen sun ber . . .
die tiost von fabo . . .
vnde greif inin d. . .
1 0 daz ors truc . . .
111 = 387. 7
daz ich sin er clarheit siner iugint
siner milte vnd al siner tugint
gespreche ir recht daz ane var
10 siner zite shar
.... herze was genendic
. . shar waren ouch unben . .
... so sere uon ime gestrebt
Ir k. .n doch bi mir nü lebt
15 dem igez zu leide nu kose
der kunic von falpinose
Mit sinen vz der shar do brach
nah dem kunige man varen sah
von ianfunse gorsant
20 nach dem kimige vur zuhaut
von Nauriende Rubual
nach dem kunige vur sunder twal
der stolze kunic pohereiz
Mit crefteclichem puneiz ')
27 dar nach für iosuweises shar,
alle di sin mit swerten bar
IV = 388, 22
da beleip der heidenshaf . .
tot von rennewartes. . .
der ne warp niht an. . .
25 Bertram was im sippe niht | umme
phant
Rennewarten man da silit
vor sinen shargenozen
mit stark
franzoyser wurden ouch nicht ge
Sie begonden shrien Rennewart
I spart
389 Sie woldin vristen gerne ir lebn
daz herzeichen was in gegebn
da si der markis sharte
vn des riches vanen bewarte.
5 Fransojsern wart do kummer kunt
weren sie über pittitpunt
mit gemache heim geuarn
Sone weren sie mit so manchin
So ungeuuclich nicht getretet
j sharn
10 da wart emmereiz errettet
vn der kunic Tybalt von kler
V = 390, 4
daz liegen sold ich hau verswigen
5 Beginnet, .tslicher spreehin
wan let. . . selbe bi-echin
den walt einen andirn mau
') 11 ist spurlos ausgefallen. ') 14 oftenbar tirspriinglich vergessen, ist später
von derselben Hand am Schhisse von 13 und 15 zugesetzt ; der gleiche Fall ist 18.
^) Nach 24 sind 2 Zeilen ausgefallen.
GKli.MANlA. Nduc Reilie II. (XIV.) Jahrg. 18
274 H- RÜCKERT, FRAGMENTE EINER NEUEN HANDSCHRIFT etc.
vn habe he verne hin dan
Po . . . der kunic von . abs
10 weder stabfes noch drabs
quam her geuam in den strit
her gap rechte als man da git
den orsen wunden mit den sporn
im was vf terrameren zom
15 daz hernach den siben sharn
alrest nach rittershaft hiz varn
her sprach het ich ni strit getan
ih vure so manigen werdin *) man
20 vz fünf kunicrichin daz ih billi-
chin ^)
den behurt solde han erhabn
man darf mich harte wenic labn
nach maniger quashure
die ich durch ebintüre
VI=391, 17
swaz ir da was zu bed . . .
die wapin trugin in den strit
swaz man der da wesse
20 als ob sie in einer presse
. sammine weren getwungen
die alden vnd die iungen
rieh vnd arm vbir al
daz waz ein witer notstal
25 mit s werten vor rigelt
manic lehn wart vbir sigelt
von des todes hantveste
vnde uon des strites uberleste
do mochte maniger sprechin
da was slahin vnde stechin
392 vn hurtecliches dringen
Si konden sich baz bringen
zeinander dan ich kunne gesagen
keinen haz wil ich dem tragen
5 Der ez vch baz künde
secht wie des meres vnde
VII = 404, 1
der was snellir der was la. .
vbir larikand daz waz. .
hurta hurta hurta hurt,
wi da uz manigem vu. .
5 manige sunder storie stre . .
die nicht volliclichen le. . .
biz ir der tac brachte die. .
do quam die ellinthafte . .
do karte die shar groz
10 gein manigem amboz
di der touft hett. . .
der puneiz wart wol gereckit
von rabine mit sporn getriben
daz die karrashe eine bliben
15 dar vfFe die gote here
da vur mit terramere
der rdin
der liez di gote ouch eine sin
daz waz der werde kandilun
20 deme vater volgete der sün
michils gerner wan den goten
der den rin vnd den roten
vierzehen tage vorswalte
vii da') den tarn da uor ershalte
25 dine geben al solchin guz nicht
als man terramere hie gicht
her umme zoch ot al daz her
Nu waz die christiuheit zu wer
80 daz man von ir tat
den endis tac zu sprechin hat
VIII = 405, 30
Sin herze. . . .
406 bi dem iamer w. . .ellin
im seibin vn sinen gesellin
di sine shilde trugen
den enkonde nicht genügen
5 swaz sie d. . . eiden valten
an heyme. . . den alten
was von samit ein kasigan
Ein pfellel dar vndir wol getan
yser vnde palmat
10 dazwuschen gestepit vn genat
zwene hantzgen des selben daran
Ez müz ein koluir ouch han
IX = 407, 12
. .wart. .
.urch sinen strit berufen
') man tcerdin in der Hs. umgestellt, aber später corri^iert. '^) 19, 20 vielleicht
der Raumersparniss wegen auf eine Zeile gesetzt, ist erst später nachgetragen. '•') da
später liineincorrigiert.
OSKAR SCHADE, DREI SAGEN AUS DEM XIV. JHD.
275,-
.vn al di sine shufen
15 .Ichim rum mit den swerten
daz da manige storie gerten
balder von ime zu. .ren
dan da yr shadin . ren
Mit strite in do brachte ein tropil
20 Cernuble uon almii'afel
der selbe kunic kröne
von rottummes tone
trüc in vil witem riebe
der quam gegin heimeriche
X=408, 7
. . .hat ot ein nasebant
• daz cruce vant
. . . . ir wete
10 ... ritterlicher tete
. . .eiz vor hieldeu
. . houbil da spilden
.Zungen in den munden
BRESLAU.
. . .kreye künden
15 ... .liez her ez walden
• karte gein dem alden
XI = 408, 23
daz geschach im nimmer darnach
Siner tochter sun her do räch
25 den claren viuianzen
heymeuich an dem glänzen
der so manige zimirde truc
der von naribon den kunic slüc
durch den heim biz uf die zene
Ob ich mich darumme nu sene
409 daz ist ein verre sippez klagen
di ir lehn dannen solden tragen
Ob sie nimmer strites gegerten
mit lanzen noch mit swerten
5 di zur beider sit do dolten not
die weren doch sint alle tot.
H. RÜCKEET.
DREI SAGEN AUS DEM VIERZEHNTEN
JAHRHUNDERT.
AUS EINER KÖNIGSBERGER HANDSCHRIFT.
Li einer Handschrift der hiesigen königlichen und Universitäts-
Bibliothek aus dem Ende des 14. Jahrhunderts (cod. mscr. Regim. 101),
die ihrem Hauptinhalte nach das Formelbuch des Breslauer Domhei'rn
Arnold von Protzan enthält (gedruckt durch Prof. Dr. W. Wattenbach
im Codex diplomaticus Silesiae Bd. 5, Breslau 1862, S. 1 — 295), in
ihrem zweiten Theile aber Schriftstücke verschiedenes Inhalts eines ge-
wissen Nicolaus (Wattenbach vermuthet mit großer Wahrscheinlichkeit
in ihm den bischöflichen Notar Nicolaus von Posen, Pfarrer der Kirche
zu Protzan, der in den Achtzigern des 14. Jhd. flüchtig geworden, eine
Zeit lang im Ermelande sich aufhielt ; den Inhalt der Schriftstücke
s. 1. c. p. XI — XVII, größtestheils abgedruckt im xVnhauge S. 299 ff.)
— finden sich unter letzteren Bl. 134 — 138 drei zum Theil lustige,
jedesfalls interessante , für die Sageugeschichte wichtige Erzählungen,
die Wattenbach leider nicht mit hat abdrucken lassen. Die erste han-
delt von der schönen Frau eines Ritters , die durch die Stimme eines
Phantasma verführt, ihrem Manne durcligeht zu einem Schuster in Trier;
18*
276 OSKAR SCPIADE
die zweite erzählt von einer Zauberin, die einen jungen Ritter in ein
Pferd verwandelte; die dritte endlich von einem Schiffbrüchigen, der
dem Tanze der Hexen beiwohnt. Ich theile diese drei Erzählungen hier
mit genau nach der Handschrift, die Schwierigkeiten in der Lesung
derselben durch Beihilfe meines werthen Collegen und Freundes Hopf
überwindend.
1.
Bl. 134. Dilecti fratres, pro solacio narro fabulam quam audivi.
Fuit in diebus illis miles quidam, iuvenis^, strenuus, opulentus et multa
probitate conspicuus, habens uxorem ingenti formositate decoram, quam
tenerrime diligebat. Contigit autem hunc militem quadam vice transire
per viam tempore noctis; iam tenebrae terrae faciem obumbrabant. Et
ecce fantasma quoddam in humana effigie conparuit, equo militis insi-
dens retro sellam , cachinnacionibus ac risu pluribus resolutum ; quod
cum requireretur per militem, quis esset aut cur rideret, respondit:
'Quid ad te, quis sim? sed rideo, quod quidam magister Cunczilo, re-
novator veterum calcioruni;, manens in Treveri, virile habet clenodium,
tarn i^ longitudine quam in spissitudine grossius , quam hodie homo
vivens.'' Quo dicto statim disparuit. Miles autem hec revolvens in animo,
cogitavit, quid hoc misterium sibi velit, et sie procedens itiucre suo
pervenit ad domum. Post lapsum vero temporis requiescens in thalamo
cum uxore, ipsa sopore depressa, memor miles misterii quod audierat,
multum cepit ridere; propter quod expergefacta muher atteucius requi-
rebat maritum de huiusmodi risus causa. Maritus vero ad multa diflu-
gia se convei-tens avertere conabatur uxorem, ne sibi misterium revelaret.
Sed mulierum mos est, ut quanto plus eis denegatur quod postulant
curiose , tanto curiosiores facte archana couantur extrahere de cor-
dibus maritorum. Unde nocte dieque non quiescens, postulat importuna
sibi prodi misterium, de quo ridebat maritus. Tandem miles, licet ani-
mosus ac strenuus, coniugis tarnen victus precibus importunis, sibi mi-
sterium revelavit. Et illa coufingeus se hoc invitam audisse, obiurgans
ait: 'Quid de hoc michi dicitis, quod dominabus non dicitur sine pu-
doris iactura , et sie imponens amodo silencium ori suo, non minus
cogitavit, quomodo per experienciam rei eognosceret veritatem, de qua
fantasma tarn egregium testimonium perhibebat. Succedente igitur tem-
pore, multis ymaginacionibus prelibatis, oceasionem tandem invenit,
quomodo salvo pudore posset ad magistri Kunezelonis domicilium per-
venire. Petit igitur instanter maritum, ut sibi det licenciam sanctissirae
virginis Achisgi*ani limiua visitandi. Maritus autem considerans luven-
DREI SAGEN AUS DEM VIERZEHNTEN JAHRHUNDERT. 277
tutcm et elegauciam coiitlioralis , habens ex hoc iter eins suspectum,
sil)i donegavit assensum. Ipsa vero nocturnis temporibus et diurnis
nuUi quieti dedita, super hoc frequeuter instat marito precibus et hx-
crimis, assereus se huiusmodi rei votiini fecisse. Fracta ergo viri cou-
stancia^ nolens eam contristare vel ei coutradicere, illectus sui amorc,
tandeni annuit vir, et qiiod ])eciit mulier impetravit. O viriHs coustan-
cia, quid tu facis, a muhere viucta , que uon devocionis zchiin , scd
tuam et ipsius confusioneui querit, dum uon iter arripit propter votum
quod preteuditur, sed pro])ter aduherium quod amatur!
Saue viri consensu obtento , preparautur que ad viam erant ue-
cessaria; cum famiha competenti peregre proticiscitur consors miHtis,
et tandem Archisgraui successu prospero deveuitui-, et captato congruo
hospicio, gradiuntur ad basihcam domina cum famiHa sub devotionis
pretextu. Sed domiua cuucta diverticula gyrans , taudem obtutibus
famihe se subtraxit, et furtive recedens ab urbe, apud basihcam re-
hcta famiha , receptisque secum expensis congruis , versus Treverim
petit iter, et tandem in iham perveniens, domum querit anxia Cun-
czelonis, quam ingressa sahitato hospite in sede penes cum resedit et
ere de sacculo suo extracto , misit pi'o potu , pro amphori viri beui-
volentia capienda. Fuit quidam magister Kunczelo homo pusihus, tuqiis
facie atque calvus, uxore carens , et pro deductione temporis, ut est
mechauicis consuetudo, ahissima voce suas cecinit cantilenas. Interim
vero quod ahatuni est vinum, muher vicinior facta hospiti, qui Labo-
rabat in operis sui arte , de muhis loquebatur eidem. Midieres euim
sohte sunt sermonem facere tota die de cahimis quem scinduut den-
tibus^ dummodo assit eas desiderium cum ahquo cohoquendi. Sic fecit
hec muher, que phn*a formabat vcrba, in finem ut possit devenire
ultimo ad intentum. Allato itaque potu bibunt iusimul et hylariores facti,
tempus deducunt in solaciosis colloquüs, quousque sol vergeret ad oc-
casum. Hospes quippe cupiens advcnam honorare, dum iam terra noctis
caligine tegeretur, disposuit facere lectum solitarium pro mulieris quiete.
Quod ipsa considerans ait ad cum: 'Non est opus multiplicare talamos,
sed ambobus sufflciat nobis unus'. Quod hospiti fuit gratissimum, eo
quod considerata pulcritudine mulieris iam in eius coucupiscentiam
estuabat. Quapropter in unum descendentes cubiculum, carnis ut puto
et Veneris persolverunt tributa, quod ex eo con&idero, quoniam nudus
cum nuda. Consurgentes de mane ad mulieris iustanciam ambo pro-
peraverunt ad ecclesiam , se facientes sacerdotis officio desponsari.
Quis dubitat, si mulier hec non invenisset hunc calvura potentem in
operibus et sermoue, utique non aocelerasset tam subito ad copulam
278 OSKAR SCHADE
matrimonii coloratam ! Decrevit namque manere potius circa hunc cal-
vum et facie turpem proptcr virtutem virilium , quam apud railitem
nobilem, strcnuum et honestum, qui forsan extiterat minus potens. Porro
quid facit familia? Querit interim dominam suam per vicos et plateas
diligentissimis studiis sciscitando de ea, nee tamen invenit vestigium
aliquod, quo possit mulier reperiri; propter quod viam repatriandi re-
petens tandem pervenit ad domum, non sine lacrimis narrans perdi-
cionem dominc. Ex quo dominus super modum turbaius et factus quasi
exanimis pro dolore, cum eam sicud propriam animam dilexisset, tem-
pore multo ipsius perdicionem deflevit. Tandem vero post multas mentis
distractiones, quid factum sit de uxore perdita, hincinde scpe revol-
vens, raeraoriam habuit istius misterii, quod infelix infeliciter revelavit
uxori et ab hoc corde inquit: 'Puto quod uxor mea pervenerit occasione
quesita in Treverim ad hominem illum , quem fantasma de membri
grossicie commendavit' ; et protinus disposita copia expensarum pro
itinere oportune se succinxit ad iter, et directis gressibus in urbem Tre-
verim perveniens, inquisivit sollicite, ubi magister Kuncz'elo habitaret.
Cumque ad eius domicilium quodam indice pervenisset, introspiciens
in tugurium hominem communem, calvum, canentem et laborantem in
opere solito adinvenit, cui etiam ministrantem diligentissime suam con-
templatur uxorem. Quam his verbis alloquitur: 'O domina, est ista de-
cencia sessionis vestrc? Nuncquid honestius sederetis in domo vestra
mecum raaritum vestrum legitimum habitando, quam quod cum despecto
homine in vili tugurio adulterinis contuberniis deservitis, vestram dila-
tantes lasciviam in patulum, que pridem sab pudoris velamine tege-
batur?' Mulier vero ex hoc exasperata plurimum durioribus verbis ma-
rito respondit: 'Quis estis vos vel unde venitis, quod presumitis me al-
loqui tamquam vestram uxorem? nunquam novi vos, nee cognosco ve-
stram personara/ et super calvum illum extendens indice inquit: 'Iste
meus maritus est; de vobis penitus nichil scio. Si pretenditis vos ha-
bere coniugem fortassis facie michi similem, potestis eam querere alibi;
hie nulla est vobis via querendi, quoniam isti sum in facie ecclesie
copulata'. Maritus itaque de hoc plurimum erubescens, cum prius se-
pius uxor coram eo amoris magni signa pretenderet, et cm* talia lo-
queretur in se ipso marcesceus, doloribus et confusione nimia turbatus
abscessit dicens in corde suo : 'Si te non vult sequi, et tu obproprio
non obstante libenter pepercisses eidem, dimittas meretricem sicut sibi
placet adulterinis actibus inherere.' Sicque gressus suos repetens per
consuetam viam, ad suam patriam remeavit, uxore apud Kunczelinum
in Treveri derilicta.
DREI SAGEN AUS DEM VIERZEHNTEN JAHRHUNDERT. 279
. O pessima mulierum omni acre mollior ad turpitudiuem exercen-
dam! o prava et detestanda bestia omni feritate crudelior! o vorago
insaciabilis, qiie cum baratro recipis portionem ! Nimcquid est ista mu-
liebris probitas, ut propter parve voluptatis ignomiuiam deseras virura
tuum legitimum et uobilem , strenuum , opulentum et in omni virtute
preclarum, et adhereas abieeto stercorario, inopi et despecto, eui te
oportet nonuuncquam ad opus suum confectionem facere de canino ster-
core hie in vili tugurio, que quondam in pallacio viri tui honeste re-
sidens, mauibus in sinum positis, ociosa non habuisti necesse in fedis
sordibus deturpari! Non facit hoc aliud, quam quod delectaris in carnis
sporcitiis et voluptuosis actibus voraginis tue, cui non aliud quidquam
sapit , quam si posset salva pudicicia virorum commercia degustai'e.
En maledicta terra in opere tuo , quo devenit muliebris verecundia
quam merito debuisses habere pre oculis cum tiraore dei, antequam
tantum facinus inciperes perpetrare , nedum in anime tue dispen-
dium, sed et muliebris lionestatis perpetuiun detrimentum. Conmiscearis
ergo adultero , quoniam post conclusionem presentis vite pro mercede
tui laboris dabitur tibi pena baratri perpetua, ad quam, nisi peniteas,
procul dubio properabis. Sed o tu maligne spiritus, qui non delectaris
in aliquo nisi ut perdas animas fidelium, cur hunc militem multa ho-
nestate pollentem ac eins coniugem taliter decepisti! Nun cquid fuit tibi
alia via decipiendi hominos, quam mitteres ad eius nunccium in specie
hominis, quo de hominis virilibus ad decipiendum homines faceret men-
tionem, quemadmodum in primevis temporibus serpentem misisti calli-
dum, qui deciperet prothoplastos ! Hec quidem est tua versucia et
grandis iniquitas, que de invidia traxit originem, super filios hominum
semper querens tamquam leo rugiens animas devorare. Q.uis queso
unquam viam fraudis tarn artificiosam invenisse potuerit, sicud mille
hie artifex, qui multis quesitis coloribus per ilidirectum invenit quod
quesivit. Det ergo nobis deus gratiam semper eius temptacionibus re-
sistendi, et robur fortitudinis , ut vincamus eum qui hostis humani ge-
neris est antiquvis.
Carissimi fratres, licet presens fabula deservire ludibriis videatur
tamen multis viris , qui coniugibus suis in lasciviam laxant habenas,
potest cedere in excmplum. Nee credendum est cuiquam simpliciter
per aspectum, quemadmodum huic calvo. Quoniam quanto Polonus ru-
sticus se simpliciorem exhibet, tanto cambucam obtinet plus gibbosam.
Eciam non est signum virginalis pudoris, si mulier mcrcatum non volt
facere, nisi videat et experiatur tactu manuum, quid in sacculo sit ab-
seonsum. Ad instar mulieris huiusmodi maledicte, que nisi experiretur
280 OSKAR SCHADE
calvi virtutem, sibi uoluit in facie ecclesie copulari; sod quam oik> ne-
gociaciouera eins gustaverat esse potentem, ad coutraetum illiciti matri-
raonii sub pudoris specie couvolavit.
Bl. 136. Roferente quodam didici quod iam dico. Cnntigit enira
adolescentem quempiam militarem apud queudam civem alicvibi hospi-
tari, cuius filia sub noctis silencio cubiculum adolescentis ingressa freno
clam secum portato magicaque arte confecto adolescentem in lectulo
reclinatum fi'enavit , qui mox in equi speciem transformatus extitit,
quem ascensum ad locum , quo fabulosa narracione nigri cum albis
pungnare dicuntur, asperis puella perurgens calcaribus agitavit. Cumque
venisset ad locum certaminis, equo suo ad arboris ramum ligato puella
protinus prelio se ingessit. Adolescens vero equi formam obtinens in-
terim multis tractibus laboravit, quibus capud de freni posset eripere
ligatura , quod et tandem magno conatu extraxit et in formam huma-
nam freno reiecto pristinam est reversus. Nee tamen adeo fuit negligens
quin frenum diligenter servaret , quousque puellam reversam de belle
depositis primum sibi calcaribus potenter oppressam frenaret cum freno
liuiusmodi, que protinus eque formam assumpsit, quam ascensam non
inequaliter pungendo calcaribus equitavit ad domum , et de ore suo
freno extracto eadem nocte quemadmodum videbatur sibi quietis le-
ctulo se collegit, frenum retinens sub absconso. Et quamvis puella suc-
cessu dierum frenum suum requireret, sibi tamen adolescens reddere
recusavit. Quamobrem occasionem adversus adolescentem inveniens
scissis vestibus et capillis evolsis questionis excitavit clamorem , per
illum asserens se stupratam. Tractus igitur adolescens ad Judicium,
dum sibi non daretur propter patris puelle potenciam copia defendendi,
ad mortis est supplicium condempnatus. Cumque ad locum duceretur
tormenti petiit sibi magna instancia copiam saltem dari loquendi. Unus
vero de potentatibus civium hoc audiens inportunus effecit cum aliis,
quod sibi date sunt inducie, quibus posset de commisso crimine red-
dere racionem. Adolescens igitur coram cunctis seriem facti edisserens,
frenum in veritatis testimonium, quod absconsum fuerat^ patefecit, in-
quiens, si freno in ore puelle posito non transformaretur in equam,
sponte vellet extunc sine alio quovis adminiculo mortis exicio condemp-
nari ; si autem hoc quod construebat veritatis initeretur luci, liberaretur
a morte: quod et factum est. Nam inventum in loculo quo posuerat
frenum ligaverunt in ora puelle, statimque in eque speciem est conversa.
DREI SAGEN AUS DEM VIERZEHNTEN JAHRHUNDERT. 281
Unde cives inito consilio puellam cum frcno pariter combusserunt et
pronunciaverunt liberum quem prius deputaverunt dire morti.
Licet audiveris, non tameu a dei cultoribus sunt credenda. Nichilo-
minus quispiam potest dicere nonnunquam omnipotentem deum propter
peccata hominum per*) dyabolum, qui rcrum seit comportare materias,
permittere secrete dispensacionis consilio nonnullis illudi taliter, quod
eis appareat res, que in veritatis lumine non existit. Propter fragilita-
tem enim illorum qui lundati non sunt radicitus in fidei fundamento,
permissione divina demones focilem decipiendi habentes accessum ad
eos ludificant, excitantes illos et extingwentes in eis supersticiosis ar-
tibus igniculum fidei quem liabebant, et ex hoc effreni potestate accepta
in ipsos ludificacionis fraudibus circumveniunt, ut opera**) veritatis in
mendaciis deleantur et credant opera demonum esse vera. Absit hoc
a veris Christi cultoribus, qui katholicam fidem firmo corde sectantes
non credunt aliud quam sancta mater ecclesia confitetur, ponentes spem
in solo deo qui vera via, veritas est et vita.
3.
Bl. 137. Dum quadam die palpebris meis sompui illaberetur pi-
gricies, ne nox prolixior subsequens duceretur insompnis, curavi scri-
bere historiam, que mirabiliter in hunc modum dicitur contigisse. Mer-
cator enim quidam pro nonnullis causis mercium maris flumina trans-
fretare desideraus in mediis fluctuum una cum aliis naufragium vento
agente contraria est perpessus. Quod previdens iustare , se duobus
antea combinatis asseribus alligavit, sperans se per hoc evadere posse
submersionis periculum, quod procul dubio inminebat. lactavit itaque
post naufragium maris procella hunc naufragum aliquot horis diei et
noctis, douec evomeretur in aridam cuiusdam insule, ubi succrescebant
frutecta , et refocillatus ibidem aliquantulum solis caloribus se sicut
potuit disligavit. Sed cum dies illa tenderet ad solis occasum et giraudo
hinciude neminem in insula reperisset , nee hominis vestigium appa-
reret***), perplexitate concussus, an salvari posset in terra seu in ar-
bore, securius tarnen reputans se propter bestias conservandum, in ar-
borem ceteris sublimiorem ascendit, eo pretextu quod eciara considerare
*) hominum qui per Hs.
**) Die Hs. hat nach ut die Abkürzung p', und darauf in (ausgestrichen) verilati.
Die Hs. der hies. Bibl. Nr. 102, genaue Copie der unserigen, ebenfalls aus dem Ende
des 14. oder dem Anfange des 15. Jhd. gibt dasselbe, aber in nicht durchstrichen.
***) upparet Hs.
2«2 OSKAR SCHADE, DREI SAGEN AUS DEM XIV. JHD.
possct , si fortassis in sui fortimam ab alto uautas coutingeret eum
prospicere vcnicntes ad locum, ad quem eum iactaverat raaris vorago.
Cumque sedens in arbore distractus ymaginacionibus multipliciter vexa-
retur , tandem considerat naviculam unam cum lumine sicut mos est
nautis;, iterum secundam , post hoc terciam et sie plures alias succes-
sive naviculas iusule applicare ; quibus ad littus venientibus exierunt
de earum qualibet masculus *) cum femclla, preciosis vestibus decorati,
-habentes secura ioculatores, quibus modulantibus in coree sunt solaeium
resoluti. Quod cernens naufragus cum effigiem perpendisset hominuin,
ex hoc factus audacior, descendens de arbore proximavit eisdem. Qui
quam vis pretcriissent, cum nee dignarentur loqui sibi, non tamen ob-
misit quin contemplaretur acuracius, si quis sibi notus appareret in illo
conventu. Transiens igitur per coream, quantum sibi dabatur inspiciendi
copia, faciem est intuitus singulorum. Postremo autem penultimam con-
sideraus mulierem, eam sibi notam iuvenit, quam alloquens postulans
sibi salubre dare consilium, quo posset ad patriam remeare. lila vero
optime congnoscens eum requisitum habuit , ad hunc locum quomodo
pervenisset. Quapropter infortunii sui eventum exponens salvacionis sui
ordinem enarravit. Mulier ergo consolans naufragum mandavit per eum
illorum redituro prestolari, districtius prohibeudo, ne mutet loci vesti-
gium quo positus fuerat, sed fixus ibi maueret quousque ipsa cum soda-
libus revertantur. Hiis sie quidem dictis , corizantes tamquam super
terre spacium ad modicum volitarent, subito processerunt. Quos cum
diutius exspectasset naufragus, affectus tedio nonnullis est tribulacio-
nibus fatigatus **), ignorans exitum huius rei. Tandem vero cum de illo-
rum reditu ***) aliqualiter desperasset , et ecce cum ingenti strepitu
revertuntur, et licet omnes gaudiis viderentur repleti, tamen velamina
videbantur, ex quibus utique dabatur intelligi se fuisse male tractatos
ac si cum aliis conflixissent. Naufragus vero de ipsorum reditu conso-
latus, mulicre quam novit mandante, ne quovismodo retrospiceret, cum
ea naviculam est ingressus. Cumque subito cui'su pervenissent ad littus,
curiosus paululum naufragus retrospexit. Inde modicum inmersum flu-
vium madidumque invenit. Quem increpans mulier acrius loquebaturf)
dicens , si hoc fecisset in mediis fluctibus , mortis non evasisset peri-
culum. Assumptum ideo de fluraine salvum traxit ad littus, et iusimul
ambulantes, insimul ad civitatem, in qua morabatur mulier, in cuius
hospicio sepius receptus fuerat naufragus , devenerunt ; recreatusquc
apud illam post tractum temporis a muliere habita sub mutuo copia
*) viascaUa lls. **) fayUatua Hs. ***) reddilum lls. f) loquebantur Hs.
KARL JIEYER, T>m WIELANDSSAGE. 283
expensarura, coniuratus per eam, ne prodat huius rei raisterium, per
viam suam in regionem propriam est reversus.
Ad confusionem incantatricum vetularum, nou ad eariim laudem
hec scribo , sciens omnes Imiusmodi ficciones fieri fraude demonum,
qui hominibus illudentes perraissione divina propter eorum peccata
tantum excecant mentes humanas non fixas in fide, quod que non sunt
veraciter existere opinentur. Potuit quidem esse, si tarnen vera est hec
historia, quod deus omnipotens, qui eciam de malo bonum efFecit, pro
istius naufragi salutis remedio adventare permisit illos ludificatos, de-
ceptione mille artificis *), qui nonnunquam in lucis angelum se trans-
formans, ut fidelem perdat animam, quemadmodum olim in idolis dabat
responsa, sie et nunc, dum in fide videt homines inbecilles, cum ipse
diversarum sciat rerum comportare materias, suis ficcionibus dementat
eosdem , ut videatur eis se cum aliis pungnam habere sub noctisque
silencio moncium cacumina transvolare ; qui si suum errorem cogno-
scerent et fixi manerent in sacre fidei nrmitate, reperirent **) utique
se deceptos per illura, qui suis machinacionibus prothoplastos olim cor-
rupit, et in nos pro dolor sue corrupcionis semina***) dirivavit: quod
ille dignetur abstergere, qui de corrupcionis morte nos sue mortis sup-
plicio misericorditer liberavit. amen.
KÖNIGSBERG i. Pr. im April 1868. OSKAR SCHADE.
DIE WIELANDSSAGE. ')
Die Sagen, welche sich an den Schmied Wieland knüpften, müssen
in Deutschland einst eine bedeutende Rolle gespielt haben. Zahlreiche
Erinnerungen an seine Persönlichkeit sind durch den unermüdlichen
Fleiß deutscher Gelehrter zusammengetragen worden ") ; gleichwohl
ist auf deutschem Boden nie eine größere Episode aus diesem Sagen-
*) d. i. Tausendkünstler wie oben S. 279. **) reperierent Hs. ***) seminarum Hs.
*) Vorliegende Abhandlung macht nicht den Anspruch, eine in jeder Beziehung
erschöpfende Behandlung der Wielandssage zu liefern. Sie geht zunächst bloß darauf
aus, einmal Wielands elementare Gnmdlage und deren Entwicklung in die Classe der
Elbe genauer darzuthun , und dann die ältere und jüngere Relation der Wielandssage
(Edda und Thidrekssage) vergleichsweise zu besprechen.
^) Vgl- W. Grimms Deutsche Heldensage. — Mone Heldensage S. 102 ff. —
Wolf in Haupts u. Hoffmanns Altd. Blättern I, 34 ff. — Kuhn Ztschr. f. vgl. Sprachf.
IV, 95 ff.
284 KAHL MF.Vi:i{
kreise entdeckt worden. Auch hier wie bei so mancher andern Gelegen-
heit war es der Poesie und den Sammlern des skandinavischen Nordens
aufbehalten, dasjenige auf die Nachwelt zu bringen, was sie einst von
deutschem Boden empfangen hatten. Es sind vornehmlich zwei Werke
der altnordischen Litteratur , in welchen sich das Andenken an diese
hochberühmte Sagengestalt ausgesprochen hat , das eine ein Lied der
altern Edda , die Völundarkvida , das andere ein Abschnitt aus der
prosaischen Saga Thidriks konungs afBern, cap. 57 — 79. Bei letzterm
ist der deutsche Ursprung ausdrücklich im Prolog bezeugt, bei ersterm
sprechen andere Ursachen deutlich dafür. Wir beginnen mit der Vö-
lundarkvida.
Drei Jungfrauen — die prosaische Einleitung des Liedes nennt
sie Walküren — ließen sich am Wolfssee nieder ; sie legten ihre
Schwanenhemden , denen sie die Kunst des Fliegens verdankten , ab
und spannen Linnen. Drei Brüder, deren einer und vornehmster eben
Wieland, brachten die Mädchen in ihre Gewalt, indem sie sich ihrer
Schwanenhemden bemächtigten ^). Völundr (Wieland) gewann die Her-
vor Alvitr, sein Bruder Egil die ^Irun, der dritte Bruder, Slagfidr,
die Swanhvit. Die Schwanjungfrauen blieben acht Winter bei ihren
Gatten, im neunten jedoch entflogen sie denselben wieder mittelst ihi*er
Flughemden. Völundr blieb im Wolfsthal und wartete ab, ob seine
verschwundene Gattin wiederkäme.
Während er so auf Alvitr wartete und seine Schmiedekunst übte,
wurde er in der Nacht plötzlich überfallen und in Fesseln geschlagen.
Es w^ar Nidudr, der König der Niare, welcher ihn gefangen nahm, um
aus seiner Schmiedekunst Vortheil zu ziehen. Auf den Rath der Kö-
nigin ließ Nidudr dem Gefangenen die Sehnen zerschneiden und ihn
auf diese Weise lähmen. Völundr wurde hierauf in einen Holm am
Strande gesetzt , welcher Ssevarstadr hieß , imd hier lag er seiner
Schmiedearbeit im Dienste des Königs ob. Um sich an Nidudr für
seine gelähmten Sehnen zu rächen, lockte er dessen zwei junge Söhne
in seine Schmiede ; als dieselben in eine geöffnete mit Kostbarkeiten
gefüllte Kiste hineinsahen, tödtete er die beiden, indem er ihnen mit
dem Deckel der Kiste die Köpfe abschlug. Aus ihren Augen machte
er Edelsteine und schickte dieselben der Königin ; die Schädel schweifte
er in Silber und schickte sie dem König; aus den Zähnen endlich verfer-
tigte er Brustgeschmeid imd schickte dasselbe der Königstochter Bödwildr.
') Diesen Zug hat das Lied vergessen. Daß die Hemden von Bedeutung sind,
ergibt sich aber aus der Einleitung. Vgl. unten S. 287.
DIE WIELANDSSAGE. 285
König Niductr hatte seiner Tochter einen goldenen Ring gesclicnkt,
der einst Vöhmdrs Gattin Alvitr gehört, und den er Vfihmdr geraubt
hatte. Der Ring war zerbrochen, und Bödviklr kam zu Vökindr, um
denselben bessern zu lassen. Völundr schläferte die Königstochter durch
Bier ein und bewältigte die Schlafende. Dann hob er sich mittelst eines
künstlich verfertigten Federkleides in die Luft. Aus der Höhe verkün-
dete er noch dem König, was er gethan habe; darauf entflog er und
ließ seine Gattin allein zurück.
Damit schließt das Lied ; wir wissen aber aus andern Quellen,
daß Bödvildr einen Sohn gebar; es war Wittig, einer der vorzüglich-
sten Helden Dietrichs von Bern und König Ermenrichs ^).
Ehe wir zur zweiten Darstellung der Wielandssage übergehen,
muß ein in die Völuudarkvida irrthümlich aufgenommenes Stück aus-
geschieden werden. Vöhmdr als Gatte der Schwanjungfrau imd der
Schmied Vöhmdr bei König Nidudr können virsprünglich nicht ein und
dieselbe Person gewesen sein. Es ist im höchsten Grade unwahrschein-
lich, daß ein Held, nachdem er erst sein Weib verloren, obendrein in
hai"te Gefangenschaft geräth, in dieser seine verlorne Gattin ganz ver-
gisst und einer andern nachstellt. Daß Völundr der Bckivildr Gewalt
anthut, ist an sich zwar ganz begreiflich, wenn man seine Liebe zu ihr
und das Gefühl der Rache gegen ihren Vater in Anschlag bringt ; aber
derjenige, welchem sein Weib mittelst des Schwanenhemdes entflohen ist,
hat gewiß nichts eiligeres zu thun, als auf Mittel zur Wiedergewinnung
der Verlorenen zu sinnen. Glücklicherweise fehlt es nicht an deutschen
Quellen, durch welche die Richtigkeit dieser Annahme bestätigt Avird.
Während nämlich die auf den Erzählungen deutscher Männer beru-
hende Thidrekssaga nichts von den Schwanjuugfrauen weiß , ist ims
diese Sage durch ein Gedicht des vierzehnten Jahrhimdei'ts erhalten,
in welchem freilich sogar der Name des Helden verloren ist ; der Held
heißt in diesem, Gedichte Friedrich von Schwaben, und nur zuletzt
kommt noch 'Wieland' als dessen angenommener Name vor"). Auch
sonst ist das Gedicht i-eich an märchenhafter Entstellung und Weiter-
bildung des ursprünglichen Sagenkerns , wie denn z. B. drei Tauben
statt der Schwäne erscheinen ; gleichAvohl stimmen die Hauptzüge in
einer Weise überein , welche an der Identität Wielands '*) und Fried-
richs von Schwaben niclit zweifeln lassen. Und in noch viel späterer
') Vidia lieilit Nidhädes mceg und Velundes bearn, Ztschr. XII, 269; vgl. auch
Thidr. s. cap. 79. ^) v. d. Hajen Germania VII, 99. ') Insofern nämlich dieser Her-
vöre Gatte ist.
286 KARL MEYER
Zeit hörte Musäus dieselbe Sage mündlich erzählen ^) ; Überall aber
ist der Verlauf der, daß die Jungfrau, welche Schwanenge stalt ange-
nommen hat, zweimal nach Ablegung ihres Schwanenhemdes in mensch-
liche Gewalt geräth, das erste Mal so, da(i ihr die Flucht später ge-
lingt, das zweite Mal ftir immer. In der Völundarkvida hingegen hat
die Verbindung dieser Sage mit Wieland, dem kunstreichen Schmied,
dem zweiten Theile geschadet; das Lied hat ihn vergessen und nur
den ersten in einer nicht ursprünglichen Verbindung beibehalten.
Auf deutschem Boden also findet sich keine Spur davon , daß
der kunstreiche Schmied Wieland sich einer Schwanjungfrau bemäch-
tigte, und ebensowenig eine Spur davon, daß der Gemahl der Schwan-
jungfrau, Avelcher ebenfalls Wieland hieß, ein kunstreicher Schmied war.
Man könnte annehmen, die Sage von den drei Mädchen, deren eines
in Wielands Gewalt fällt, sei auf ihn übertragen; jedesfalls geschah es
erst im Norden, und jedesfalls hieß das Wesen, von welchem sie auf
Wieland den Schmied übertragen wurde, ebenfalls Wieland").
Diese Vereinigung zweier anfänglich von einander durchaus un-
abhängiger Sagen ergibt sich aber auch , wenn man das Bindeglied
etwas genauer ansieht. Es ist ein Ring (baugr), der einst nach Str. 10
und 18 der Alvitr gehört, und den König Nidudr seiner Tochter gab.
Man sehe nun aber zu, welch eine widerspruchsvolle Rolle dieser Ring
das ganze Lied hindurch spielt. Str. 5 ist nur von Ringen im Allge-
meinen die Rede , und keiner wird besonders hervorgehoben ; Str. 7
hingegen wird die Zahl der in Wielands Behausung am Bast aufge-
hängten auf siebenhundert angegeben. Nach Str. 8 lassen die Niare alle,
einen einzigen ausgenommen, am Baste hangen; dieser einzige aber,
welcher von Nidudrs Mannen genommen wird, wird nach dem prosai-
schen Zwischenbericht zwischen Str. 14 (15) und 16 von Nidudr der
Bödvildr gegeben und war nach Str. 18 einst Eigenthum der Hervor.
Er muß von großem Werthe gewesen sein , denn als ihn die Königs-
tochter zerbricht, wagt sie es außer Wieland Niemanden zu bekennen
(Str. 24); schon Str. 16 hat Nidudrs Gemahlin angedeutet, Wieland
werde heftig zürnen, wenn er den Ring in Bödvildrs Händen erblicke.
Der Ring soll nach Str. 10 und 18 der Hervor gehört haben ; dem
widerspricht einmal der Bericht der Thidrekssaga (cap. 74) , welche
den Ring ebenfalls kennt , von Hervor aber nichts weiß und nichts
') Vgl. 'Der geraubte Schleier' in J. K. A. Musäiis "Volksmärchen der Deutschen
herausg. von J. L. Klee; 3. Ausg. Leipzig 1847, S. 129 ff.
■') Schon Rieger hat diesen Umstand angedeutet (Germania .3, 176).
DIE WIELANDSSAGE. 287
wissen kann. Schon Rieger hat (Grermania 3, S. 176 Anra.) darauf
aufmerksam gemacht, daß Hervor bei ihrer Flucht den Ring mitnehmen
musste, falls er ihr gehörte. Wenn sie es nicht that, so gehörte er ihr
nicht. Ohne Zweifel war der Ring Wielands Eigenthum und ohne Zweifel
besaß er auch wunderbare Eigenschaften ; wäre er nicht Wielands
Eigenthum , so würde ihn die Thidrekssaga nicht kennen , Avürde er
überhaupt nicht von solcher Wichtigkeit sein. Die Edda freilich scheint
überall anzunehmen, daß er der Hervor angehörte ; sie scheint ihn mit
dem Schwanenhemd in Verbindung zu bringen, und es hat den An-
schein, als ob Wieland absichtlich siebenhundert gleiche Ringe gemacht
habe, damit Hervor den ihrigen nicht erkenne. Das Lied hat aber auch
über dem Ringe das Schwanenhemd der Walküre beinahe vergessen;
nur die prosaische Einleitung nennt dasselbe, und doch war dasselbe
von höchster Wichtigkeit ; durch seinen Verlust gerieth die Walküre
in menschliche Gewalt, und durch seine Wiedererlangung gewann sie
ihre Freiheit wieder. Das Gedicht 'Friedrich von Schwaben wie das
Volksmärchen bei Musäus lassen in diesem Punkte keinen Zweifel übrig.
Wir werden auf den Ring im Verlaufe der Untersuchung zurückkommen.
Ob derjenige Wieland, dem die Hervor gehörte, im übrigen ein gött-
licher oder menschlicher Held war, ist schwer zu entscheiden. Hier
genügt es, dargethan zu haben, daß der Inhalt der Völundarkvida aut
der Vermeugung gesonderter Bestandtheile beruht; Str. 6 sieht in der
That wie der Anfang eines selbständigen Liedes aus ; da aber das Ver-
derbniss in spätem schwer auszuscheidenden Strophen wiederkehrt,
so ist damit wenig gewonnen.
Endlich noch ein Punkt, in welchem die Edda von der deutschen
Sage abweicht. Bei Musäus wie bei Friedrich von Schwaben erscheinen
die Jungfi-auen in der Dreizahl , jedoch geht nur eine ihrer Freiheit
verlustig oder, anders ausgedrückt, es ist nur ein Held, der sich einer
Jungfrau bemächtigt. Zwar hat Friedrich von Schwaben zwei Brüder;
für die Sage sind jedoch dieselben ganz bedeutungslos, und bei Musäus
scheint es ebenfalls bloße Entstellung des ursprünglichen Verhältnisses
zu sein, wenn statt eines Mannes zwei auftreten '). In der Edda ver-
hält sich die Sache etwas anders; hier gewinnt jeder der drei Brüder
ein Weib sowohl im Liede selbst als in der prosaischen Einleitung.
Die Brüder gehören jedoch, wie sich für Egil wenigstens aus der Thi-
drekssaga ergibt, nicht zu Wieland, dem Gatten Hervörs, sondern zu
') Der alte Benno nncl Friedbert beruhen auf der einen Figur Wielands ; ebenso
sind über auch Zoe und Kalliste urtiprünglich identisch.
288 KAUL MKYF.K
Wiehuicl dem Schmied, und es ist wohl nur der Dreizahl der Walküren
zu verdanken, wenn hier jeder ein Weib gewinnt.
In der Thidrekssagc ist Wieland der Enkel des Königs Vilcinus
und einer Meerfrau, deren Namen Wachilt das mittelhochdeutsche Gre-
dicht von der Ravennaschlacht (Str. 969) erhalten hat. Sein Vater ist
der Riese Wadi (ahd. Wato, mhd. Wate) in Seeland. Der junge Wie-
land erlernt zuerst bei Mimir die Schraiedekunst in Gemeinschaft mit
Sigurd. Da aber Letzterer seinen Mitgesellen übel mitspielt, holt Wadi
seinen Sohn wieder und bringt ihn zu zwei Zwergen, welche in dem
Berge Kallava die Schmiedekunst üben. Nachdem seine Dienstzeit zu
Ende ist, erschlägt er seine beiden Lehrmeister, die ihm selber nach
dem Leben getrachtet, mit seines Vaters Schwert. Dann höhlt er sich
einen Baumstamm aus, kriecht in denselben und gelangt so auf dem
Wasser in das Land König Nidungs. Von König Nidung gut aufge-
nommen, bewährt er sich als geschickter Künstler, schmiedet allerlei
Waffen und verfertigt menschliche Figuren, siegt auch im künstlerisclien
Wettstreit über Amilias, den bisherigen Schmied des Königs. Bei einem
Kriegszuge hatte König Nidung seinen Siegstein zu Hause gelassen;
er versprach demjenigen , welcher ihm vor Sonnenaufgang denselben
brächte, die Hand seiner Tochter. Wieland eilte, den Stein zu holen,
erschlug aber auf dem Rückweg den Truchseß des Königs , der ihm
den Stein rauben wollte ; zur Strafe dafür wurde er vom König ver-
bannt. Wieland wusstc sich aber bald wieder an den königlichen Hof
zu schleichen ; als er erkannt wurde , ließ ihm der König zur Strafe
die Sehnen beider Füße verschneiden ; der Gelähmte wurde in eine
Schmiede gesetzt und musste in dieser für den König arbeiten. Das
übrige, Wielands Rache, die Ermordung der Königssöhne und die ge-
waltsam erzwungene Vermählung mit der Tochter des Königs wird
wie in der Edda erzählt.
Um diese Zeit kam Wielands Bruder Egil an Nidungs Hof. Er
musste auf des Königs Befehl seinem dreijährigen Knaben einen Apfel
vom Kopfe schießen, ohne das Kind zu verletzen und führte den Be-
fehl glücklich aus. Darauf brachte er seinem Bruder Federn von allerlei
Vögeln, und Wieland verfertigte ' sich aus diesen ein künstliches Flug-
herad. Mit Hilfe dieses selbstverfertigten Flughemdes schwang er sich
auf den höchsten Thurm der Königsburg und verkündigte dem König
aus der Höhe das Schicksal seiner Kinder. Auf Nidungs Befehl musste
Egil dem davonfliegenden einen Pfeil nachschießen ; Wielaud wurde
aber nur verwundet und entkam nach seiner Heimat. König Nidung
starb ])ald darauf aus Gram , und sein Solm und Nachfolger sölmte
DIE WIELANDSSAGE. 289
sich mit Wieland aus. Die Königstochter gebar einen Sohn , Widga,
welcher später ein berühmter Held wurde.
Die Yölundarkvida ist schon oben ihrem Inhalte nach theilweise
besprochen und ein ganzer Zug der Sage als unecht bezeichnet worden.
Ehe mit der Überlieferung der Thidrekssaga dasselbe geschehen kann,
wird es passlich sein, die Persönlichkeit Wielauds und seiner nächsten
Angehörigen ins Auge zu fassen.
Wir beginnen mit Wielands Namen. Es gibt eine Sanskritwurzel
jval (nach anderer Transscription (jval = dschical) , welche die Bedeu-
tung von „leuchten, brennen" hat; schon Düntzer (Über d. latein. Com-
pos. 83) hat auf dieselbe hingewiesen, und nichts steht dieser Herleitung
im Wege '). Die indogermanische Grundform ist, da </ (dsch) Entartung
eines ursprünglichen g ist, gval'^ Part. Prses. lautet im Nom. Sing. masc.
gvdlan, Gen. ijvdlatds, Stamm gvalant. Mit Düntzer es unmittelbar dem
Adjectiv gvalano gleichzustellen, ist gewagt wegen des t, d, welches
Element der Participalendung and ist und nicht als dem Deutschen
eigenthümlich darf aufgefasst Averden. Dieser Wurzelform am nächsten
steht einmal die altnordische Form Völundr und die altfranzösische
Galans'**); in ersterer ist, wie so häufig im Deutschen, der Kehllaut
vor IC weggefallen, in letzterer ist umgekehrt der Kehllaut stehen ge-
blieben und das w ist verschwunden. In der nordischen Form musste
noch das a der zweiten Silbe in u übergehen, worauf natürlich in der
ersten der Umlaut von a in ö eintrat. Nun weist aber Westergaard
(Radic. ling. Sanscr.) dem gval auch die Bedeutung von „vacillare"
nach den indischen Grammatikern zu (d. h. diese Bedeutung zeigt sich
in der Praxis nicht), wie denn die Benennungen des Feuers sehr oft
von Ausdrücken des Gehens entnommen sind, mit Anspielung auf die
zuckenden Flämmchen. Also das Element, welches Wielands Wesen
zu Grunde liegt, ist das Feuer und zwar speciell als Mittel der Schmiede-
kunst aufgefasst. Dieses wird die ursprüngliche Ursache seiner ge-
lähmten Füße sein, durch welche die zuckende Bewegung der Flamme
sollte ausgedrückt werden ; man denke an den griechischen Hephsestos,
den indischen Agni ^) und den römischen Volcanus ; der Name des
Letztern enthält ohnehin die oben genannte Wurzel mit k Aveiter-
gebildet ; (skr. idkä fem. : Feuerbrand = valkä , da im Altindischen
*) Ich spreche meinem Freunde Professor Franz Misteli in St. Gallen hiermit
öffentlich meinen Dank aus für die Bereitwilligkeit , mit welcher er meine Anfragen
auf diesem Gebiete beantwortet hat.
*) W. Grimm Heldensage 44, 45; ebendaselbst S. 43 das lateinische Walandiis,
^) Preller Griechische Mythol. I, 1.37.
GERMANIA. Neue Üeilip II. (XI V.) .latirt:. 19
290 KARL MEYER
nichts häufiger ist als Zusaramenziehung von va zu u). Die übrigen
Namensformen, das angelsächsische Weland (Heldensage 13, 20, 29),
der Velint oder Velent der Thidrekssaga, der Wieland der mittelhoch-
deutschen Gedichte, sind nicht mehr rein und scheinen auf eine Wurzel
hinzuweisen, die sich noch in dem ags. Substantiv vela, veola, viola
(Schatz) erhalten hat ').
Sehen wir nun zu, ob Wielands Verwandtschaft diese elementare
Grundlage bestätigt oder nicht. Wielands Vater ist nach der Thidreks-
saga der Riese Wate. MüllenhofF hat in einer sehr lehrreichen Abhand-
lung'') zu beweisen gesucht, daß dieser Wate ein Wasserriese sei, in
welchem die Anwohner der Nordsee den regelmäßigen Wechsel von
Ebbe und Fluth personificierten. Für die deutschen Sagen, in welchen
Wate auftritt, das angelsächsische Wandererlied, die Kudrunsage und
die in der Thidrekssaga überlieferte Form der Wielandssage mag diese
Erklärung genügen, und vom Standpunkte der germanischen Mythologie
allein betrachtet mochte eine andere schwer aufzustellen sein. Die
vergleichende Mythologie hat aber seit der Ausarbeitung jener Abhand-
lung zu Anschauungen gefühi't, welche wenigstens für das älteste Wesen
Wates andere Resultate ergeben haben, wie sie auch bereits Mann-
hardt in einem Aufsatz über Wate dargelegt hat ^). Mtlllenhofi
hatte von seinem Standpunkte aus Recht, wenn er Wieland den „an-
geblichen" Sohn Wates nannte (Ztschr. VI, 67); wie sollte auch ersterer,
dessen elementare Grundlage das Feuer ist, Sohn eines Wasserriesen
sein? Gleichwohl verbietet die Alliteration, an der Echtheit dieser Ge-
nealogie zu zweifeln. Mannhardt hat nun in der schon angeführten
Abhandlung nachgewiesen , daß Wate ursprünglich mit dem germani-
schen Donnergott eng zusammenhängt, daß er ein Wesen ist, welches
ursprünglich mit dem Donnerer eins war, allmälig aber sich von dem-
selben ablöste und selbständig auftrat. In ihren ältesten Wohnsitzen
kannten die Indogermanen das Meer nicht ^) ; wenn uns daher die ger-
manische oder eine andere verwandte Mythologie Meergottheiten nennt,
für welche man ein sehr hohes Alter in Anspruch zu nehmen hat, so
ist das irdische Meer an die Stelle des himmlischen Wolkensees ge-
treten '). Wenn also Wates Mutter Wachilt in der That ein ebenso
hohes Alter beanspruchen darf wie ihr Sohn, so mag auch sie ursprüng-
lich eine Gewittergottheit sein. Das hindert nicht, daß Müllenhoff vom
•) Wackernagel Altdeutsches Wörterbuch, S. 377^ '') Ztschr. f. d. A. VI,
62. ff. ') Ztschr. f. d. Mythol. II, 296 ff. *) Kuhn Heral.kunft des Feuers S. 25.
*) Kuhn a. a. O. 25. Mannhardt a. a. O. 303.
DIE WIELANDSSAGE. 291
speciell germanischen Standpunkt aus mit Recht in Wachilt die alt-
deutsche Meergöttin erkannt hat (Ztschr. VI, 66). Sobald einmal die
niederdeutschen Stämme sich an den Ufern der Nordsee festgesetzt
hatten , verstand es sich von selbst, daß sie die See mit göttlichen
und halbgöttlichen Wesen bevölkerten ; dann aber lag es gewiß sehr
nahe, auf letztere diejenigen Eigenschaften zu übertragen, welche sich,
wenn vielleicht auch schon verdunkelt, als Attribute älterer ähnlicher
Gottheiten in ihrem Andenken erhalten hatten. Ist aber der Nachweis
gelungen , daß sowohl Wate als auch seine Mutter ursprünglich mit
Wolke und Gewitter im Zusammenhang standen, so wird man in die
Echtheit seiner Verbindung mit Wieland um so weniger Zweifel setzen,
Wielands Bruder Egil ist der beste Schütze. Er schießt gerade
wie Toko bei Saxo Grammaticus und wie der Teil der schweizerischen
Sagen den Apfel vom Kopfe seines Knaben. Der Schützenkunst mag,
so sehr sie auch in der spätem Sage ethisch weiter gebildet ist, eine
Naturerscheinung zu Grunde liegen ;, und durch das Bild des Pfeiles
werden die Blitze oder Sonnenstrahlen bezeichnet; auch Egil lässt sich
mithin auf das Element des Feuers zurückftihren '); von seinem Sohne
Grendel (Orvandil, Earendel) ist es ebenfalls ausgemacht, daß er als
Wesen des strahlenden Lichtes aufzufassen ist ^). Der Name des Groß-
vaters hingegen, des Königs Vilcinus, darf zur Bestätigung nicht zugezogen
werden, so sehr er auch an Vulcanus mahnt; seine ursprüngliche Form
'Wilze' deutet an, daß wir es nur mit einer heroischen Personification
des Wilzenvolkes zu thun haben, die sich bei den Sachsen frühestens
im neunten oder zehnten Jahrhundert gebildet hat, welche aber jeder
epischen Ausbildung entbehrt^).
Nachdem wir so das Element nachgewiesen haben, welches dem
Wesen Wielands zu Grunde liegt, wird eine nähere Schilderung seiner
Persönlichkeit erwünscht sein. Bekanntlich kennt die deutsche Mytho-
logie fünf Classen übermenschlicher Wesen: Äsen, Wanen, Riesen, Elbe,
Helden. Man pflegt Wieland gewöhnlich unter der Rubrik der deutschen
Heldensage aufzuführen, und die Art, wie er in der Thidrekssaga dem
Sagenkreise Dietrichs von Bern nahe gerückt ist, mag wohl zur Ent-
schuldigung dienen ; ursprünglich aber ist an ihm wenig oder nichts
heldenhaftes wahrzunehmen. Zu welcher Classe von Wesen Wieland
in Wirklichkeit gehört , ergibt sich unzweideutig aus der Edda ; die
Völundarkvida nennt ihn (Str. 10) älfa liodi (alforum gentilis), ja sogar
') Pfannenschmid, Germania 10, 13. ^) Zacher Das gothische Alphabet Vulfilaa
S. 36. Mannhardt a. a. O 321 ff. ''i Mfillonhoff. Ztschr. XII, 340. 341.
l'J*
292 KART. MKVEK
visi dlfa (Str. 13, 30) (alforum princeps). J. Grrimm sucht diese Benen-
nungen möglichst abzuschwächen; älfa Uöäi Soll Wieland als Lehrling
der Zwerge heißen '), älfa vtst soll ihn als einen bezeichnen, der sich
wie Siegfried ein Zwergvolk unterworfen habe ^). Letzteres widerlegt
sich sehr leicht, insofern eine solche Unterwerfung nirgends berichtet
wird. Daß hingegen Wieland Lehrling der Zwerge war, wird scheinbar
allerdings durch die Thidrekssaga bestätigt. Allein ich glaube nicht,
daß sein Aufenthalt bei Mimi und die Lehrzeit, welche er bei den
beiden Zwergen im Berge Kallava zubringt, auf echter Sage beruhen.
Beides beruht vielmehr auf dem schon angedeuteten L'rthum, daß der
ursprünglich dvirch und durch elbische • Wieland als Held aufgefasst
wurde. Als solcher musste er allerdings die Schmiedekunst wie Sieg-
fried erst erlernen ; als Alb war sie bei ihm selbstverständlich und ge-
hörte mit zu seinem eigentlichen Wesen. Daß sonst an ihm Alles elbisch
ist, die Schmiedekunst, der Zauberriug, das Flughemd, und der Um-
stand, daß er Baduhilden als Incubus im Trunk und Schlafe beiwohnt,
hat schon Rieger gezeigt (Germ. 3, 176). Sonst scheint noch für Wie-
lands Heldennatur das Schwert zu sprechen, welches schon die Edda
ihm beilegt (Vkv. Str. 16, 17, prosaischer Zwischenbericht vor Sti\ 16),
welches auch die Thidrekssaga kennt. Daß Wieland als Meister in der
Schmiedekunst Schwerter schmiedete, ist selbstverständlich; daß er aber
selbst ein solches nöthig hatte und trug, ist überflüssig; c. 70 schlägt
er allerdings den Truchseß König Nidungs mit demselben todt; wir wissen
aber nicht, ob dieser Theil der Sage echt ist; er könnte im Gegen-
theil nur ersonnen sein, damit Wielands Verbannung motiviert erschien
(s. unten). Nach alledem scheint es sicher, daß dasjenige, was die Saga
(c. 58 — 61) über Wielands Lehrjahre berichtet, erst einer spätem Zeit
angehört, welche über dessen eigentliches Wesen schon nicht mehr im
Klaren war, welche aber darauf ausgieng, das scheinbar unbegründete
in der Erzählung zu begründen. Ohne Zweifel ist das Erlernen der
Schmiedekunst bei Mimi der freilich entstellten Nibelungensage nach-
gebildet , in welcher Siegfried ebenfalls als Lehrling jenes Schmiedes
erscheint (Thidr. s. c. 164 flf.) ; daß Wieland bei Mimi mit Siegfried
zusammentraf, war dann nur eine weitere Folge dieses A-^erhältnisses,
und daß er von ihm misshandelt wurde, erklärt sich aus den rohkomi-
schen Zügen, welche die spätere Sage letzterm angedichtet hatte. Eben-
daher wird aber auch die Tödtung der beiden Zwerge stammen, zu
welchen Wieland später in die Lehre kam. Sie. entspricht, so verdun-
') MythoIog:ie 41 :i. 'i Ebt-nd. 42-2.
DIK WlEl.AND.SSAGK. 21)0
ke-lt und inissverstaudeu die einzelnen Züge sind, der Erlegung Fafuis
und Regins, oder wie die Thidrekssaga entstellend berichtet, Mimis und
Regins, durch Sigurd. In der echten Sage waren freilich beide Riesen*);
doch gieng der schwächere Bruder, Regln, schon in Ssemunds Prosa
in die Vorstellung eines Zwerges über. Es ist daher nicht auffallend,
wenn hier beide zu Zwergen geworden sind; schon das Nibelungenlied
hatte ja dieselben wenigstens zu Nibelungen gemacht (Str. 88 ff.).
Wieland ist also ein Alb, und es wird gerathen sein, ehe wir von
seinen Lehrjahren zu den Wanderjahren übergehen, diese seine elbische
Natur näher ins Auge zu fassen.
Die Elbe sind ursprünglich, und schwerlich nur auf germanischem
Boden, die Geister der Verstorbenen ^), stehen also in enger Beziehung
zu dem Reich der Abgeschiedenen ^). Andererseits besitzen sie aber
auch elementare Grundlagen und lassen sich demgemäß in verschiedene
Classen, in Feuergeister, Luftgeister, Wassergeister sondern; in der
Praxis mochten freilich diese Classen sich schon frühzeitig vermengen.
Auf deutschem Boden dachte man sich das Todtenreich im Innern der
Erde, in hohlen Bergen u. dgl. ; dem entsprechend haust Völundr in
Ulfdalir (Vkv. Str. 5, 6), welcher Name an die wulweslöcker, wulwekers-
löcker erinnert, wie in Niedersachsen die Erdhöhlen heißen, in welchen
ein fabelhafter an W^ieland mahnender Schmied haust*). Diese in einem
eigenen Reiche fortlebenden Wesen nun, mögen sie im Übrigen mensch-
liche Körpergröße oder zwergische Kleinheit haben, werden aulken,
ölken, illken, öllerken, üllerken, d. h. „die Alten" genannt und so auch
durch iliren Namen als Vorväter der Menschen bezeichnet^). Ihr Ver-
hältniss zu den Menschen kann ein freundliches oder ein feindseliges
sein. Die erste Vorstellung wird die ältere sein und wird durch un-
zählige Sagen aus den verschiedensten Gegenden bestätigt. Daneben
weisen sie aber auch boshafte Züge auf, am ehesten freilich, wenn sie
von den Menschen geneckt oder undankar behandelt werden. Je größere
Fortschritte das Christenthum bei den Germanen machte, desto feind-
seliger mussten ihnen die Gestalten ihres alten Glaubens erscheinen.
Doch erklärt sich nicht Alles aus diesem Umstände, sondern die Doppel-
seitigkeit des Verhältnisses der Elbe und Zwerge zu den Menschen
entspricht zum Theil auch ihrer elementaren Grundlage, insofern die
Ki'äfte der Natur das eine Mal sich den Menschen hilfreich erweisen»
das andere Mal boshaft ihren Dienst versagen.
») Fafnismäl. Str. 29, 38. '') Kulm Norddeutsche Sagen 4Ö9. Ztschr. f. vgl
Sprachf. IV, 101. 'j Kieger, Germania 3, ^72 ff. ") Kuhn a. a. O. 98. ^) Kuhn
»bend. 101.
294 KARL MKVKK
Diese Eigenschaften der Elbe nun finden sich auch bei Wieland
in ihrer Doppelseitigkeit. Kuhn hat in der angeführten Abhandlung
mehrere Sagen gesammelt, in welchen Wieland wenn auch zum Theii
unter anderm Namen den Menschen hilfreich erscheint, ihre Pferde mit
neuen Hufeisen beschlägt und ihnen sonst auf allerlei Weise mit seiner
Kunst aushilft '). Anders freilich stellt sich die Sache, wenn die Menschen
ihn zu ihrem Dienste zwingen oder gar durch harte Behandlung ihn
in ihrem Dienste festhalten wollen. Das Epos hat sich namentlich des
letztern Zuges bemächtigt und ihn zu jener fortlaufenden Erzählung
ausgebildet, wie sie in der Völundarkvida und der Thidrekssaga vorliegt.
Der König, welcher Wieland zu seinem Dienste zwingt, heißt in
angelsächsischer Sage Mdhäd TRieger Alts, und Ags. LB. 82 , 23),
im Norden, wo das ehemalige Substantiv heit (ags. häd) fehlt, Nidudr
(Vkv.) oder Nidung (Thidr. s.), im Anhang des Heldenbuchs Hertwich
oder Hertniht. Der wesentliche Bestandtheil aller dieser Namensformen
ist das ahd. nid, mhd. nit, nhd. Neid, also eine abstracto Personification
des Neides , welche demjenigen zukommt , der die Gaben der Natur
nicht als Geschenk annimmt, sondern sie habsüchtig zu rauben sucht.
Wir haben es folglich nicht mit einer geschichtlichen Persönlichkeit zu
thun, sondern mit einer persönlich aufgefassten allgemein menschlichen
Eigenschaft. Die Art und Weise nun, wie Wieland zu Nidung kommt,
wird auch wieder verschieden berichtet. In der Edda dringt der König
zur Nachtzeit in AVielands Behausung ein und lässt denselben fesseln
und (so erfordert wenigstens der weitere Verlauf der Sage) zu Hause
lähmen (Vkv. Str. 6 ff.). In der Thidrekssaga hingegen (c. 61, 62) höhlt
sich Wieland selbst einen Baumstamm künstlich wie ein Boot aus und
gelangt in demselben freiwillig in des Königs Land; von diesem ver-
bannt verlässt er dasselbe anfänglich, kehrt aber bald wieder, indem
er sich heimlich am Hofe einschleicht ; gelähmt wird er erst jetzt zur
Strafe für seine Rückkehr, nachdem der König ihn erkannt hat (c. 71, 72).
Dieses Ankommen zu Schiflfe ist aber ohne Zweifel ein Zug, der \\y-
sprünglich dem Mythus von Scild angehört, in die Wielandssage aber
wie in die Siegfriedssage bloß eingeschwärzt ist '^). Er mochte dadurch
vermittelt werden , daß vielleicht schon vorher auf Wieland das Boot
war übertragen worden, welches eigentlich seinem Vater Wate ange-
hörte^). Was aber weiter folgt, leidet sehi' an innerer Unwahrschein-
») a. a. O. S. 97. ») Rieger, Germania 3, 186. ») Müllenhoff, Ztschr. VI, 66. 67.
Bei Saxo und in der schweizerisclien Sage von Teil ist das Boot sogar auf den Meister-
schützen, der ursprünglich Wielands Bruder ist, übergegangen. Die Übereinstimmung
der dänischen und der Schweizersage ist jedesfalls sehr auffallend.
DIE WIELANDSr^AGE. 295
lichkeit. Wenn König Nidung so erbost war über die Tödtung des
Truchsessen , hätte ihm gewiß näher gelegen, Wieland sofort lähmen
zu lassen. Statt dessen schickt er ihn bloß weg, und später lähmt er
ihn für das verhältnissmäßig geringe Vergehen der Rückkehr. Der un-
sichtbare Aufenthalt im Hause mahnt ohnehin sehr an den Zwergkönig
Golderaar und dessen Leben auf dem Hardenstein an der Ruhr ^). Weit
einfacher und in sich befriedigender ist die Darstellung der Edda :
Nidudr beraubt Wieland seines Goldrings und lässt ihn selber fesseln;
um vor der Rache des Gefesselten sicher zu sein und wohl auch, um
ihm die Flucht unmöglich zu machen, lässt er ihm hierauf die Sehnen
zerschneiden ; diese Züge passen vollkommen zum Namen und Charakter
des Königs. Es wird hier nicht unpassend sein, auf den Ring zurück-
zukommen , welchen Nidudr in Wielands Behausung raubt und seiner
Tochter schenkt. Daß er nicht der Hervor gehörte und mit ihrer Ver-
wandlung und Flucht nichts zu schaffen hatte, ist schon oben dargethan
worden ; ebendaselbst ist auch bewiesen worden , daß er Eigenthum
Wielands war. Daß er von besonderm Werthe war, geht daraus her-
vor , daß Nidudr nur diesen einen von siebenhundert nimmt und daß
Bödvildr ihrem Vater es nicht zu gestehen wagte , als sie denselben
zerbrochen hatte. • — Wir finden in deutschen Sagen mehrmals elbische
Wesen im Besitz wundei'kräftiger Ringe ; so hat z. B. Ortnit einen
solchen; näher indessen dem hier zu besprechenden steht der aus der
Nibelungensage bekannte Ring Andvaranaut ^), durch welchen der Zwerg
Andvari seinen Goldhort immer wieder ersetzen konnte, dessen Raub
aber acht Edelingen Verderben bringen sollte. Ohne Zweifel stand auch
Wielands Ring in irgend einer Beziehung zu seiner Kunst und diente
wohl ebenfalls zur Gewinnung oder Mehrung seines Goldes.
Wie weit die einzelnen Arbeiten, welche Wieland an König Ni-
dungs Hof ausführte und sein Wettstreit mit des Königs Schmied Amilias
auf echter alter Sage beruhen, ist schwer zu sagen, da alles das sich
nur in der verhältnissmäßig späten Thidrekssage findet. Ist die Art und
Weise, in welcher Wieland nach der Edda in Gefangenschaft geräth,
die richtige, so haben diese Züge freilich keinen Raum und müssen
ausgeschieden werden. Als thatsächliche Äußerungen größter Kunst-
fertigkeit mögen sie aber von Wieland schon in sehr alter Zeit erzählt
worden sein, ohne gerade in den Rahmen der episch gestalteten Sage
zu gehören, welche von Wieland und Nidung handelte. In Nebendingen
') J. Grimm Mythol. 477. '^) Sigurdkv. II, prosaischer Bericht nach Str. 5
Die Eigenschaft des Ringes bei Snorri, Sk. 39.
296 KAHL MEVEH
ist sogar das geringe Alter einzelner Züge nachweisbar ; Avas z. B.
cap. 67 der Saga von Wieland erzählt wird, daß er aus Vogelkoth
die besten Schwertklingen verfertigte-, thaten nämlich auch die be-
rühmten Schwertfeger zu Bagdad '). Dieser Zug der Wielandssage wird
mithin schwerlich älter sein als die Zeit der Kreuzzüge. Im Ganzen
müssen wir zweierlei Kunstwerke unterscheiden. Wenn Wieland Schwerter
oder, wie man auch ohne ausdrückliche Zeugnisse wird annehmen dürfen,
andere Waffen schmiedet, so sind das Züge, welche möglicherweise dem
höchsten Alterthum angehören ; auch das Schmieden der Hufeisen *)
wird hierher gehören und mag , da von Hephsestos genau dasselbe be-
richtet wird^), sogar einer Zeit angehören, in welcher die indogerma-
nischen Stämme sich noch nicht getrennt hatten. Jünger aber sind die
plastischen Kunstwerke, welche Wieland nach der Thidrekssaga zu
Stande bringt, also namentlich das Bild Regins (c. 66), welches so täu-
schend verfertigt war, daß Nidung dasselbe für den wirklichen Regin
hielt und es anredete. Wir wissen, daß die Germanen verhältnissmäßig
spät sich der plastischen Nachbildung der menschlichen Gestalt zu-
w^audten, und daß das erste wirklich bezeugte Götterbild der Gothen
erst in die zweite Hälfte des vierten Jahrhunderts fällt ^). BekanntHch
waren die Gothen derjenige Stamm, welcher am frühesten sich fremde
Cultur aneignete. Da aber römische Vorbilder den Germanen höchst
wahrscheinlich den Anstoß zu dieser Kunst gaben, und da andererseits
die Wielandssage in der uns überlieferten Gestalt in sächsischem Boden
zu wui'zeln scheint, so mögen diese Züge der Sage noch um ein be-
deutendes jünger sein als jenes erste Beispiel bei den Gothen.
Gemeinschaftlich ist nun beiden Überlieferungen die Art, in welcher
Wieland sich für den Verlust seiner Freiheit und die Lähmung seiner
Füße rächt. Einmal die Ermordung von Nidungs Söhnen und die künst-
leiische Verarbeitung ihrer Glieder. Daß die Hirnschale eines Feindes
zum Trinkbecher gestaltet wurde , ist fiir die Germanen auch sonst
überliefert^). Der zweite Zug ist die Schwächung der Königstochter,
und dieser Zug ist wiederum echt elbisch "). Der Name der Prinzessin
lautet bei den Angelsachsen Beadohilde; sie muß mithin in hochdeut-
scher Sprache, obschon das nirgends ausdrücklich bezeugt ist, Baduhilt
geheißen haben; die altnordische Form Bödvildr gehört ebenfalls hier-
') Ferd. Wolf in Haupts und Hofl'mamis Altdeutschen Blättern I, 46. ^) W. Grimm
Heldensage 333, 334. ^) Kuhn, Ztschr. für vgl. Spr. IV, 96. 97. '') J. Grimm Myth. 95.
Vgl. damit Wackeruagel in Haupts Ztschr. IX, S. 543. ^) Paulus Diac. 1, 27; 2, 28.
*) Rieger, Germania 3, 176.
DIE WIELANDSSAGE. 207
her *). Dieser zwiefach bezeugten Namensform gegenüber erweist sich
der Name Heren , den eine Handschrift der Thidrekssaga enthält ^),
als unecht.
Sodann Wielands Bruder Egil*. Die Saga legt ihm den Apfelschuß
bei. Auf die Frage des Königs, wozu die übrigen Pfeile dienten, gibt
der Schütze die aus der Tellssage bekannte Antwort, wird aber dafür
nicht bestraft. Das ist ohne Zweifel unrichtig, wie sich aus der Über-
einstimmung Saxos mit der Tellssage ergibt. Wenn aber der Verfasser
der Saga die Sage vom Apfelschuß durchaus hier anbringen und an
Nidung knüpfen wollte, musste er ihr allerdings diese Wendung geben.
Und wo andererseits wie bei Saxo und in Uri die Sage vom Apfelschuß
erzählt wird, wird der Schmiedekunst nicht gedacht. Es leidet über-
haupt dieses ganze Stück an innerer Unwahrscheinlichkeit; König Ni-
dung wird es schwerlich zugegeben haben , daß Egil frei bei seinem
gefangenen Bruder ab- und zugieng. Damit fällt freilich auch die Art
und Weise weg , wie Wieland nach der Saga sein Federgewand zu
Stande brachte, und da die Edda über diesen Punct sehr rasch hinweg-
geht, so fehlt es an Zeugnissen dafür. Aber das Fliegen ist ja über-
haupt eine göttliche oder elbische Kunst; sie kann in Wielands Wesen
ursprünglich begründet gewesen sein ; die spätere Zeit aber, welcher
das Verständniss hiefiir schon längst entschwunden war , musste ihn
seine Flügel erst verfertigen lassen.
Der Sohn Wielands und der Baduhilt ist Wittig ^). Daß derselbe
mit dem von Jornandes (cap. 34) genannten gothischen Helden Vidigoja
ursprünglich schon eins gewesen sei^ ist nicht möglich. Jener war wahr-
scheinlich ein Westgothe und wurde schon frühzeitig mit dem sagen-
beiühmten Gotlienkönig Ermeurich verbunden^). Benihmt war er ge-
worden durch seine Kämpfe gegen die Sarmaten und durch seinen Unter-
gang in denselben. Als nun die Alamannen ^) und durch diese die
übrigen deutschen Stämme die Ermenrichssage erbten, lag es sehr nahe,
den gothischen Vidigoja mit jenem Sohne Wielands zu verbinden und
deren Sagen zu verschmelzen, wenn schon des Letztern Name (alid.
Witigo, Ztschr. XII, 257) kein Compositum, sondern bloß abgeleitet war ;
das Compositum Vidigoja konnte leicht ebenfalls seine ursprüngliche
Form verlieren und den Charakter einer bloßen Ableitung annehmen.
Daß aber die Verschmelzung beider eine sehr alte sein muß, ergibt
') J. Grimm in W. Grimms Heldensage S. 246, Amn. '^) Raßmanu Deutsche
Heldensage II, 246. 3) Das älteste Zeugniss im ags. Valdere, Ztschr. XII, 269, Z. 7. 8.
*) Müllenhoff, Ztschr. XII, 2.55. 256. ^) Vgl. meine Dietrichssage, S. 17. 28. 29.
298 KARL MEYER
sich aus dem angelsächsischen Valdere, in welchem in Übereinstimmung
mit der Thidrekssaga dem Vidia Riesenkämpfe im slavischen Nordosten
zugeschrieben werden, deren Grundlage nur die Thaten des geschicht-
lichen Vidigoja sein können^); die Slaven der Saga sind dann an die
Stelle der Sarmaten des Jemandes oder der Hunnen der angelsächsi-
schen Sage (Ztschr. XII, 256) getreten. In den mittelhochdeutschen Ge-
dichten hat das Verhältniss Wittigs zu Dietrich von Bern ^) dessen
eigentliche Sage verdunkelt; an seinen göttlichen Ursprung mahnt in-
dessen doch noch die bekannte Stelle der Rabenschlacht (Str. 969) ;
nur ist zu berücksichtigen, daß durch die Verbindung mit Dietrich ein
anderes Meer an die Stelle desjenigen getreten ist, welchem Wachilt
eigentlich augehöi'te.
Es könnte nun die Frage aufgeworfen werden, welchem der ger-
manischen Stämme die Wielandssage angehört. Die Überlieferung der
Thidrekssage beruht zunächst auf sächsischen Liedern; ja es ist sogar
wahrscheinlich, daß die deutsche Heldensage, wie sie in den Liedern
der Edda vorliegt, ebenfalls durch die Sachsen dem Norden ist mit-
getheilt worden. Endlich ist nicht außer Acht zu lassen, daß die localen
Erinnerungen an den kunstreichen Schmied ^) auf sächsischem Boden
am häufigsten sind, und daß auch die angelsächsischen Locale '*) in-
direct wenigstens dem sächsischen Stamme angehören. Aber anderer-
seits weist der altfranzösische Galans der kerlingischen Heldengedichte
deutlich genug auf die Franken. Nach alledem wird es in diesem Falle
überhaupt unpassend sein, die Sage einem einzelnen Stamme ausschließ-
lich anzueignen, und es führen im Gegentheil die vielen Ziige, welche
die Wielandssage mit Sagen und Mythen anderer indogeraianischer
Völker gemeinschaftlich hat, zu der Ansicht, daß wir es hier mit einer
Sage zu thun haben, welche Gemeingut aller germanischen Stämme ist.
Hingegen ist es begreiflich , daß die verschiedenen Stämme die Sage
auf ihrem Gebiete zu localisieren suchten. Nach der Thidrekssage sind
Wates Höfe in Sialand (der dänischen Insel Seeland) gelegen, und König
Nidung herrscht in Jütland. Man hat auch vermuthet^), das dänische
Seeland sei an die Stelle des friesischen an den Rheinmündungen ge-
treten, und ebenso sei der Groenasund (c. 58), durch welchen Wate
seinen Sohn auf den Schultern trug , ursprünglich im holländischen
Groningen zu suchen. In der Edda erscheint der Schauplatz der Er-
•) Müllenhoflf, Ztschr. XII, 279. ^) Dietrichssage .S. 38. 39. ') Kuhns Ztschr.
IV, 97 ff. *) W. Griram Heldensage 333. 334 Müllenhoff, Ztschr. XII, 268, 269.
^) Mfillonhuff, Ztschr. VI, 63.
DIE WIELANDSSAGE. 299
Zählung wesentlich nach Norden verschoben. Niduftr heißt König in
Schweden (Svithjod) und zwar der Niare , deren Heimat gewöhnlich
im heutigen Nerike gesucht wird '). Dagegen Wieland und seine Brüder
werden in der Einleitung Söhne des Finnenkönigs genannt; da er jedoch
im Liede selbst Fürst der Elbe heißt, so müssen die Finnen an die Stelle
der Elbe getreten sein, was sich leicht daraus erklärt, daß sie bei ihren
germanischen Nachbarn im Rufe von Zauberkünstlern standen.
Die Sage von Wieland findet in den Mythen und Sagen anderer
indogermanischer Völker zahlreiche Analogieen. Am auffallendsten ist
die Verwandtschaft mit dem griechischen Dgedalus, welche A. Kuhn in
einem besondern Aufsatze besprochen hat 2); doch macht Wackernagel
(Ztschr. IX, 541) mit Recht darauf aufmerksam, daß Wieland Vulcan
und Diedalus der Germanen zugleich ist. Nämlich in der epischen Ent-
wicklung seiner Sage, in der Grefangenschaft, in der Flucht auf künst-
lich verfertigten Flügeln entspricht Wieland allerdings dem Dsedalus;
aber hinsichtlich des ihm zu Grunde liegenden Elementes steht ihm
doch der griechische Hephsestos und der lateinische Vulcanus (oben S. 289)
näher; Letzteres zeigt sich namentlich auch darin, daß Hephsestos aus
Metall, also wesentlich mit Hilfe des Feuers, arbeitet, während Dsedalus
der Meister der Holzbildnerei und der Architectur ist^). Immerhin kann
Dsedalus aus Hephsestos hervorgegangen sein zu einer Zeit, da dessen
elementare Grundlage schon vergessen war und nur noch seine künst-
lerische Thätigkeit in Ansehen stand. Wieland also repräsentiert gleich-
sam beide; er ist der beste Schmied und hat sich als solcher noch bis
in späte Jahrhunderte erhalten. Wenn in den Gedichten des Mittelalters
irgend eine Metallarbeit besonders hervorgehoben wird, so ist sie gewiß
in Wielands Schmiede verfertigt, gerade wie die Griechen ein derartiges
Frachtstück. 'rjq)aL6T6rst>XTov nannten^). Schon in der Edda (Hamdismäl
Str. 7) ist sein Name zum Appellativum geworden, das den künstleri-
schen Arbeiter überhaupt bezeichnet, und es werden die Stickereien
an Gudruns Lager ein Gewebe der Völunde genannt. Auch bei den
Angelsachsen fehlt es nicht an Zeugnissen; einmal im Beovulf, V. 455;
Beovulf nennt sein eigenes Kampfkleid (beaduscrüd) Velandes geveorc,
und im Valdere nennt Hildgund den Mimming ebenso (Ztschr. XII,
265). Auf deutschem Boden führt Wittig, seinen Vater zu ehren,
Hammer und Zange im Wappenschild ^) , und dann kennen ihn auch
die mittelhochdeutschen Gedichte als berühmten Waffenschmied (Biter-
*) Uhland Schriften VII, 286. ') Ztschr. f. vgl. Sprachforschung IV, 81-1-24.
*) Preller Griech. Myth. I, 144. *) Ebend. 144. ^) W. Grimm Heldensage 266.
300 REINHOLD KÖHLER
olf 157. 178). Jeue beiden Abzeichen, der Hammer und die Zange,
sind nebst dem Bilde der Schlange, welche Wittig als Helmzierde und
als Zeichen seiner zornigen Tapferkeit trug, in die Siegel alter Schmiede-
zünfte übergegangen ') ; Wielands Andenken aber erhielt sich nament-
lich imter den Schmieden, deren Werkstätten daher 'Wielands Häuser'
hießen *). In Würzburg z. B. hieß noch im vorigen Jahrhundert ein Haus
„zum großen Schmied Wieland", und Wieland sieht ganz wie ein Schutz-
patron seiner Zunftgenossen aus^). Doch dürfte es gewagt sein, alle Loca-
litäten, welche seinen Namen tragen, unmittelbar auf den mythischen Wie-
land zurückzuführen ; denn es hat zu allen Zeiten gewöhnliche Sterb-
liche gegeben, und gibt noch jetzt solche, die den Namen Wieland führen.
BASEL. KARL ME\TER.
ZUR LEGENDE VC M H. ALB ANUS.
Nachdem Greith im Spicilegium Vaticanum S. 159 f. einen Auszug
einer lateinischen Legende von einem h. Albinus , wie bei ihm irrig
statt Albanus steht, aus einer vaticanischen Handschrift gegeben und
Wackernagel in seiner Litteraturgeschichte S. 163, Anni. 58, darauf
hingewiesen hatte, daß die von Lachmann in den Abhandlungen der
Berliner Akademie 1836 herausgegebenen zwei Bruchstücke eines nie-
derrheinischen Gedichtes des 12. Jahrhunderts dieselbe Legende behan-
deln, hat Moriz Haupt in den Monatsberichten der Berliner Akademie
1860, S. 241 ff. die ganze Legende nach der vaticanischen Handschrift
herausgegeben. Diese Veröffentlichung Haupts war mir unbekannt^ als
ich vor einigen Jahren ein besonderes Interesse für die Legende fasste,
die ich nur aus Greiths Auszug und der unten erwähnten Verdeut-
schung des Albrecht von Eyb kannte. In Potthasts Bibliotheca histo-
rica medii sevi, Berlin 1862, S. 588 fand ich folgende Angabe :
'Vita S. Alhani auctore Transamundo (?):
„Erat olim in partibus aquilonis homo."
') W. Grimm , Ztschr. II , 72 ff. Wackernagel , Ztschr. IX , 541 , Anm. 60.
') Jvixta domiim Welaudi fabri. c. a. 1262 in Längs Reg. 3, 18L 'j Welandus ab ali-
qiiibus sanctus dictiis . , . Acta sanctorum. Mart. tom. I, 364. — Die Localitäten zii-
baminciigcstpllt hei KaiMnaiiii, Heldensage U, 267.
7Ä'R LEGENDE VOM TL. ALBANFS. 3()J
Dieser Heilige ist eine Art christlicher Oedipus. Die Legende ist
sehr schön.
Handschriften: Posen, Graf Dzialinski, chart. s. XV. 4. Fol. 2.
Paris, Arsenal. Hist. No. 99. s. XIH. (als Brief 176).'
Eine weitere Handschrift ist erwähnt in der Bibliotheque de l'Ecole
des Chartes 6'''"^ Sdrie, 1866, T. H. p. 204, 205 nnd 207, im Besitze
Lord Ashburnhams.
Ich wendete mich nach Rom , Paris und Posen. Die Poseuer
Handschrift Avar damals imzugänglich , aber von der vaticanischen
und der Pariser erhielt ich Abschriften , und zwar bin ich für die
der ersteren Herrn Dr. Richard Schöne , damals in Rom verwei-
lend, für die der letzteren Herrn Anatole de Montaiglon, Professor an
der Ecole des Chartes zu Paris, und meinem Freund Emile Delerot, da-
mals an der Arsenalbibliothek, zu Danke verpflichtet. Als ich eben
damit beschäftigt war, hiernach die Legende herauszugeben, wurde
mir noch zur rechten Zeit bekannt, daß mir Haupt, wie erwähnt, be-
reits zuvorgekommen. Eine wiederholte Ausgabe der Legende wäre
zunächst überflüssig gewesen, wohl aber scheint es nicht unangemessen,
einige Berichtigungen zu Haupts Texte nach den mir vorliegenden Ab-
schriften hier mitzutheilen.
Die Handschrift des Arsenals enthält auf den ersten 46 Blättern
die Historia orientalis des Jacobus a Vitriaco. Dann folgt eine Art
Stilistik und Formelbuch des Transmundus (Bl. 49 — 57), hierauf:
Incijpiunt epistole fratris Transmundi sacrosancte Romane ecclesie jprotono-
tarii. Am Schluss der Briefe steht: ExpUcit summa fratris Transmundi
abhatis*) Clarevallis deo gratias, und weiter unten: hec summa est scripta
manu Jacohi sit henedicta. Ein den 220 Briefen vorausgehendes Ver-
zeichniss ist überschrieben: Incipiunt capitula epistolarum Transmundi
Sacrosancte Romane ecclesie prothonotarii et abhatis monasterii Clarevallis.
Unter diesen Briefen befindet sich als der 176. (Fol. 107 — 111) unsere
Legende.
CLXXVL Nativitas, vita et ohifus heati Älhani, qui natus fuit ex
patre et filia, postea accepit matrem in nxorem, postque occidit patrem et
matrem et denmm sanctißcatus est.
Erat olim in partibus aquilonis homo quidem potens u. s. w.
Dem Text der Handschrift der Arsenalbibliothek liegt eine von dem
der vaticanischen Handschrift vielfach stilistisch abweichende Recension
zu Grunde, die aber durch den Schreiber oft arg entstellt ist. Wo
*; Eine jüno'ere Hand liat uhbafis ausg-estric.lien und movüchl darüber ge-
schrieben.
302 REINHOLÜ KÖHLER
beide Recensionen übereinstimmen, ist der Pariser Text zuweilen besser
und bestätigt Haupts Verbesserungen, öfters haben aber auch beide
Texte dieselben Fehler, und nicht selten ist der Pariser schlechter als
der römische.
Die Abschrift der vaticanischen Handschrift von Herrn Dr. Schöne
weicht an mehreren Stellen von der des Dr. Detlefsen, welcher für Haupt
die Handschrift abgeschrieben, ab, und der Schöne'sche Text ist der
correctere. Ich kann natürlich in den meisten Fällen nicht wissen,
welcher von beiden Herreu richtiger gelesen hat; entschieden fehlen
aber in der Detlefsen' sehen Abschrift an fünf Stellen (243 , 8 ; 247 , 25 ;
250, 24; 251, 20; 254, 26) je ein Wort und an zwei andern (252, 3;
253, 14) gar mehrere, die in der Schöne'schen Abschrift vorhanden sind.
Ich lasse nun nicht die ganze varietas lectionum, sondern nur
eine Auswahl folgen, und zwar neben einigen sonst interessanten nur
solche, wodurch der Haupt'sche Text gebessert wird. A bezeichne die
Handschrift des Arsenals, V die vaticanische.
243, 1 pofens et nohilis VA. 3 ex dbundantia VA. 8 sterilitate
heatior concepü VA. — 244, 1 iniecit A. 17 noue prolis VA. — 245, 3
in regine thalamis A. 4 simulato Albanus paruulo nomen appellutionis
imponitur factusque est A. 5 semine procreatus VA. 25 quod nulli melius
iiliam traderet A. 30 postulanti matrimonii iura contrahere A. In V fehlt
matrimonii. — 246, 3. sponsalia contrahunt VA. [Das doppelte occurant
ist Versehen Detlefsens.] 6 fatorum A. 9 totum se sibi uindicabat affec-
tus A. 11 mortis filium V. mortis occasum ßlium A. 13 lectulo VA. 16
quia non est A. 29 preuenit VA. — 247, 7 exhihdssem VA. 9 debitum]
meritum A. sui] cui VA. praebet] praestat A. 18 pallium et suum illud
A. 21 de sua adoptione VA. 25 anxia curiosius perquirit V. anxia cu-
riositate p. A. 32 cumque se paululum prae A. — 248, 11 merito] de
maritorum mentibus A. 19 tam diu VA. 20 miremur A. 28 iu^ta uerbum
regis tesfatur inuentum A. 33 exanimata doloribus a se ipsa redditur
aliena. miratur iuuenis immoderati dolmns angustias et materne prolacionis
ignarus A. — 249, 3 uerecundus VA. 22 conspectu A. 23 respiro VA. —
250, 12 supernis beneficiis VA. 21 altiu^ VA. 22 in immensum V; ebenso
251, 14; 252, 5. 24 obnoxium esse fateberis VA. 26 qui post tanti fla-
gicii abhominabiles usus A. 31 elogium V. eulogium A. — 251, 20 san-
ctissimus heremita cuius VA. 23 egressi V. 25 causam aperit, non requi-
rit et totiu^ VA. 32 pannis induti laneis A. — 252, 3 conueniunt de quo
ad keremifam accedere consueuerunt V. perueniunt quo ad h. a. c.
A. 4 exsoluerunt V. expleuerunt A. 17 instructo conuiuio VA. 26 co7i-
densifas- irruenlis noctis A. 27 iuuenis annis animoque A. 28 sua arri-
ZUR LEGENDE VOM H. ALBANUS. 303
ditate decoctis A. 33 in eoruvi thalamo A. — 253, 2 et iudiciorum
tuorum profunditate compressa ad quid nohis contingerint non ohstendunt
A. 10 et zelo diuine ultionis A. 13 ululatihus VA. 14 et inuento cale tra-
mitis institutis ad locum uiri dei tristis et contristatus ascendit. mox ille
incursus uenientis egreditur et heu V. et inuento calle tramitis iustioris ad
I. u. d. t atque constetmatus a. m. ille in occursum uenientis u. s. w.
A. 17 miseranda VA. 20 tienit VA. 24 eia inquit A. 30 auulsoque A. —
254, 4 anathoreutica anathoritate A. 23 ennmdatur VA. 26 undique ergo
curritvr VA. 30 sanitatis A.
Hieran mögen sich einige Nachweise von Bearbeitungen und Ueber-
setzungen unserer Legende reihen.
J. Kelle hat neuerdings im Serapeum 1868, S. 99 die Anfangs-
worte — in unserem Fall mehrere Sätze — von Erzählungen aus der
Fürstenbergischen Handschrift der lateinischen Gesta Romanorum, welche
in den gedruckten lateinischen Gestis fehlen^, mitgetheilt. Darunter ist die
II. Erzählung unsere Legende, aber wenn nicht durchweg, jedenfalls
in den ersten Sätzen sehr abgekürzt.
Verdeutscht hat die Legende Albrecht von Eyb, und zwar findet
sie sich am Schlüsse seines 1472 geschriebenen mehrfach gedruckten
Buches „Ob einem manne sei zu nemen ein elich Weibe oder nit."
(Fol. 108 b — 115 der von Friz Creußner zu Nürnberg 1472 gedruck-
ten Ausgabe.) Albrecht von Eyb bezeichnet die Legende als eine
„hübsche Histori", die er „aus Latein zu Deuzsche gebracht" habe,
und aus der „verstanden werden soll, daß kein Sünder in seinen Sün-
den, wie groß die sein, verzagen und verzweifeln solle." Er hat sein
Original zum Theil ziemlich treu übersetzt, zum Theil aber auch freier
behandelt, namentlich hier und da verkürzend und zusammendrängend. ')
Von einer fi*anzösischen Übersetzung werden zwei Drucke an-
geführt. Einen undatierten Pariser Druck „La Vie de Monsieur Sainct
Albain Roy de Hongrie et Martyr, translatee du Latin" , verzeichnet
Antoine Du Verdier in seiner Bibliotheque, Lyon 1585, p. 103, und
einen Lyoner von 1483 „Cest la Vie de Monseigneur Saint-Albain
Roy de Hongrie, translate nagueres de latin en francoys" Ch. Brunet
Manuel du Libraire V, 1188 und G. Brunet La France litteraire au
XV. sieck, Paris 1865, p. 210*^).
') Auf Albrecht bin ich durch eine Bemerkung v. d. Hagens in seiner Germa-
nia IX, 247 geführt worden. Er sagt nämlich, eine mit der Oedipus-Legende vom
h Gregor sehr nahe verwandte Erzählung vom h. Albanus beschließe das Ehebüchlein.
") [Verloren ist die provenzalische Bearbeitung, die Raimon Ferraut (vor 1300)
rerfasste : cell que volc romanzar la vida Sant Alhan Lex. Rom. 1, 573. K. B.]
304 REINHOLD KÖHLER, ZUR LEOENDE VOM H. ALBANUS.
*.
Auch eine alte spanische Übersetzung wird es wohl gegeben ha-
ben, doch weiß ich keine alten Drucke nachzuweisen. Aber eine Vul-
gär-Romanze in zwei Abtheilungen, welche Duran im Romancero general
No. 1302 und 1303 mittheilt, behandelt das Leben des San Albano,
jedoch mit einigen Abweichungen von der lateinischen Legende. In
der Romanze heißt der Vater des Albauus Hisano und ist einer der
acht Fürsten des Königreichs Ungarn. Er zwingt eines Nachts durch
Todesdrohungen seine schöne Tochter^ ihm zu Willen zu sein. Das
ausgesetzte Kind findet der König Albano von Ungarn und zieht es
als seinen Sohn auf. Als der junge Albano 20 Jahre alt ist, lässt der
Vater von den ihm untergebenen 8 Fürsten die Bildnisse ihrer Töchter
fordern und legt sie seinem Sohn vor, der sich in das Bild der Tochter
Hisanos — also seiner Mutter — verliebt und sich mit ihr vermählt.
Als später die Königin das wahre Verhältniss entdeckt hat, begeben
sich Albano und seine Eltern zum Papst nach Rom, der ihnen eine
siebenjährige strenge Buße im Gebirge auflegt. Als sie am Schluß der
sieben Jahre auf dem Wege nach ihren Reichen sind, um dort über die-
selben Verfügungen zutreffen und dann ins Kloster zu gehen, halten sie
unterwegs einmal Siesta, die Eltern unter einer Eiche, der Sohn auf der-
selben. Da verführt der Teufel die Eltern noch einmal und Albano
erschlägt sie und begibt sich wieder nach Rom. Er wird wieder Ana-
choret und stirbt als solcher nach sieben Jahren. — Duran sagt in einer
Anmerkung : 'La leyenda que sirve de asunto a estos romances, escrita
en prosa, es una de las que circulan aun enti'e el vulgo, y que venden
los ciegos por las calles, no solo en las villas y aldeas, sino tambien
en Madrid.' Mir liegt ein modernes spanisches Volksbuch vor: „Historia
del bienaventurado San Albano, y raros sucesos de sus padi-es. Madrid.
Se hallara de venta en la Plaza de Riego (antes de la Cebada) nr. 96,
cto. principal. 1855." (2 Bogen in 4"). Es ist eine prosaische Bear-
beitung der Romanze, wobei nicht wenige Verse unverändert beibe-
halten sind.
Schließlich noch die Bemerkung, daß die italienische, von Ales-
sandro D'Ancona herausgegebene Prosalegende vom h. Albanus (La
leggenda di Sant' Albano, prosa inedita del secolo XJV, e la storia di
San Giovanni Boccadoro, secondo due antiche lezioni in ottava rima,
per cura di Alessandro D'Ancona, Bologna 1865) mit unserer Legende
nichts als den Namen Albanus geraein hat. Die italienische Legende
erzählt von Sant' Albano das, was sonst gewöhnlich von Johannes Chry-
sostomus erzählt wird.
WKLMAR, November 1«68. REINHOLD KÖHLER.
305
BEITRÄGE ZUR KRITIK DER EDDALIEDER.
LUDWIG ETTMÜLLER.
1. Lokasenna.
Das altnordische Gedicht (Egisdrekka , oder wie es auch , und
zwar bezeichnender, genannt wird: Lokasenna, ist eines, wie es scheint,
von denen, die gedichtet wurden, bevor im Altnordischen das anlau-
tende V vor u, ü, 0, 0, y, y, r und vielleicht auch l abgeworfen ward ;
will man demselben aber kein so hohes Alter zugestehen, so muß man
annehmen, daß es in einer Gegend entstanden sei, wo der Anlaut v
vor den genannten Buchstaben sich länger erhielt als anderswo. Dies
anlautende v ist bisher von den Bearbeitern der Edda zu gering ver-
werthet worden, sie wagten nirgends es zu setzen, wo die Handschriften
es unterdrückt hatten, obgleich es Stellen gibt, die der Verdei'bniss
anheimfielen , nur weil man dies v später nicht mehr aussprach und
folglich auch nicht mehr schrieb. Dadiu'ch kam nun auch der Satz in
die altnordische Verslehre , daß mit v anlautende Wörter gereimt
werden können auf Wörter, die durch Aphäresis des v vocalisch an-
lauten, z. B. oräi : vinr] viäarr : nlfs (statt vordi : vinr^ viäarr : vulfs) ;
ebenso können, lehrt man, Wörter mit anlautendem v gebunden werden
mit Wörtern auf anlautendes r, wenn dies r für vr steht, z. B. vega :
reidr (statt vega : vreidr). Es versteht sich von selbst, daß, da der
Stabreim für das Ohr bestimmt ist, der Lehrsatz, zumal in Bezug auf
V : r , sein sehr Bedenkliches hat. Auf jeden Fall hätte er be-
schränkt werden müssen; denn wenn man für die Mehrzahl der Edda-
lieder auch zugeben muß, daß einst mit v anlautende Wörter mit sol-
chen gebunden werden, die Vocalanlaut haben, z. B. Odni und aldr,
so gilt dies doch nicht für Wörter, in denen auf das v ein r folgte.
Niemand wird im Ernst behaupten wollen, daß z, B. Ödinn und reidr,
vega und rog reimen. Die Herausgeber hätten daher überall, wo der
Stabreim es verlangt , das getilgte v wieder zu Ehren ziehen sollen.
Ich bemerke nur noch, daß das v früher vor den Vocalen und l wich
als vor r, was dadurch erwiesen wird , daß in Gedichten , die v vor
u, 0, y und l nicht mehr zeigen, wohl noch 7- d. h. vr mit v gebunden
wird. So lese man denn:
GKHMANIA. Neue Reiht II. (XIV.) Jahrg. 20
30(3 LrDwin ettmC'llek
Str. 2, G mangi er ])er i vordi vinr.
Str. 9, 1—3 Mantu ])at, Voäinn,
er Vit 1 ärdaga
hlendum hlodi saman?
denn nicht ärdaga hat den höchsten Ton, und damit würde Oäinn ge-
bunden, sondern vit, denn es kam ja nicht darauf au, daß sie in der
Urzeit ilir Bhit ü:emischt hatten, sondern nur darauf, daß sie es ge-
mischt hatten. In diesem Gedichte ist also überall Voitinn zu schreiben,
nicht (Jdinn.
jMun lese Str. 10, 1 — 3 Rhtu jxl, Vidarr,
ok lät vulfs födnr
sifja sumhli at.
Str. IT), 4— T) vega ]m gakk^
ef pii vreidr str;
liyggsk vwfr kvatr fyrir.
Str. 18, 6 vilkaf ek at it vreidir vegizk.
Sti\ 22, 1 — 2 pegi ])C(, Vodinn,
pü kHiDur aldregi.
Nicht Odlnn und aldregi sind gebunden, sondern ]}egi vmd ]iü\ man
vgl. nur Str. 34, 38, 46, 48, woraus sich ergibt, daß immer das erste
AVort der ZAveiten Halbzeile mit Jtegi gebunden ist, d. h. den Reim trägt.
Allerdings gibt es in diesem Gedichte Strophen, in denen die zweite
Halbzeile durch ein zweites Reirawort noch einmal mit der ersten Halb-
zeile verbunden wird, z. B. Str. 17, 20, 26, 30, 32, 40, 56, 57, und
zwar ist die zAviefache Verbindung, augenscheinlich eine absichtliche
und eine, wodurch gekreuzter Reim entsteht, z. B. Str. 30 und 56:
])egi pü, Freyja,
pik kann ek fuUgerva —
pegi pü, Beyla,
])ü ert l'yggvis kvam —
oder in anderer Weise, Str. 57, 59, 61:
Jiegi ]>ü, rög vmttr,
pik skal minn prüdhamarr —
Kein anderes Lied zeigt diese absichtlichen Doppelreime, und sie wider-
streiten auch strenggenommen dem Gesetze, nach welchem die andere
Halbzeile bekanntlich nicht zwei Reimstäbe haben darf.
Aber jetzt zu den eigentlich verderbten Stellen im Liede.
Str. 13 los ok armhauga mnndii ce vera
heggja vanr, Bragi!
Asa ok Alfa, er her inni eru.
BEITRÄGE ZUR KRITIK DER EDDALIEDER. 307
pü ert vid vig varastr,
ok skiarrastr vid skot.
Hier ü-itt uns eine Zerrüttung der Strophe durch einen Zusatz entgegen,
eine Erscheinung, welcher wir in den Liedern der Edda_, wie sie uns
in den Handschriften überliefert sind, sehr oft begegnen. Es ist bekannt-
lich Eigenschaft eines in Strophen abgefassten Gedichtes , daß alle
Strophen gleichgebaut sein müssen. Die mittelhochdeutschen Leiche,
die verschieden gebaute Strophen enthalten, können dies Gesetz nicht
aufheben. Betrachtet man nun diese Erscheinung in der Edda genauer,
so gewahrt man bald, daß die Zusätze meist einen bereits ausgedrückten
Gedanken wiederholen, allerdings mit andern Worten. Erwägt man nun,
daß die Lieder der Edda Jahrhunderte hindurch nur mündlich fort-
gepflanzt wurden, bevor man sie aufzeichnete; so begreift man, wie
diese Zusätze entstehen und zuletzt in die Handschriften eindringen
konnten. Fast alle Isländer waren ja mit der Skaldenkunst mehr oder
weniger vertraut, es war daher sehr natürlich, daß beim Vortrage der
Lieder derselbe Gedanke einmal so, ein ander Mal anders ausgedrückt
ward. Diese Ausdrucksarten bewahrte nun das Gedächtniss der Hörer,
und so kamen sie endlich auch in die Handschriften. Aber ist mau nun,
da sie unleugbar das Ebenmaß der Strophen zerstören, sie unangetastet
zu lassen verpflichtet? Bis jetzt haben alle Herausgeber es gethan, aber
das kann Keinen , der die Lieder kritisch zu behandeln unternimmt,
bestimmen, eben so zu verfahren. Freilich wird es oft unmöglich sein
zu entscheiden, in welchen Ausdrücken der Gedanke von dem ursprüng-
lichen Dichter herrühre; denn es ist ja gar wohl denkbar, daß, wer
einen Gedanken zum zweiten Male ausdrückt, dies schöner thut als der,
der ihn zum ersten Male aussprach. Da nun wahrscheinlich alle Lieder
verschiedene Verfasser haben, so wird die Entscheidung dadurch wohl er-
schwert, aber nicht erleichtert; denn wer wagte zu behaupten, die und die
Ausdrucksweise ist dem Dichter nicht angemessen? So bleibt also nichts
übrig , als dem Schöneren vor dem minder Schönen den Vorzug zu
geben, und das letztere unter den Text zu verweisen. Betrachte ich
nun unsere Str. 13, so scheint mir der Gedanke in der letzten Zeile
weit schöner ausgedrückt, als in der vorletzten. Ich schreibe demnach
die Strophe also:
lös ok armhauga mundu ce vera
heggja vanr, Bragi!
Asa ok Alfa er her inni erti,
])ü ert skiarrastr vid skot.
20*
308 LUDWIG ETTMÜLLER
Denn der Gedanke^ wenn er also gefasst wird, ist kräftiger, als wenn
man ihn durch die Worte pCi ert viel vig varastr (du bist im Kampfe
der vorsichtigste, hier = feigste) ausdrückt. Wenigstens würde der Dichter
wohl pü ert varastr vid vig gesagt haben.
Str. 14, 6 bieten die Handschriften:
litt eh per pat fyr lygi,
welches in der großen Kopenhagener Ausgabe durch „parum ego istuc
tibi mentirer" übersetzt wird. Wie das Imp. Conj. hier stehen könne, be-
greife ich nicht; man ei-wartet das Präs. Indicat, lyg, was jedoch wider
die Metrik sein würde, Munch schrieb in seiner Ausgabe Ut ek per pat
fyr lygi. Das kann aber nur heißen : „ich betrachte dir das als Lüge" ;
ein Satz, der hier so unpassend als nur möglich ist. Mit einer so gering-
fiigigen Änderung ist der Stelle nicht zu helfen; man lese:
Utatttt per pat fyr lygi,
d. h. betrachte du nicht dir das als Lüge, [Bugge lyhi ek]
Str. 19, 6: oh hann fiörgvaU fna.
So geben die Handschriften diese Stelle, Rask änderte das sinnlose
fiörgvall in ßörgavU, d, i, fiörgöll, nach der bekannten Schreibung av:=.ö.
Soweit ist Alles gut ; aber nun erklärte er fiöi-göll durch „vitae noxa,
i. e. mors", indem er göll dem gebräuchlichen galli, m, entsprechend an-
nahm. Ferner behauptete er, und zwar ohne irgend einen Beleg, göU =
giöll sei im Sing, Gen. feminin. , im Plur. Gen. neutr. Ich kenne
nur ein göll = giöll, f. mit der Bedeutung sonitus, pugna, und weiß nichts
davon, daß göll irgendwo für galli gebraucht wäre. Nun ward dem Zeit-
worte fria eine Bedeutung untergeschoben, wie sie allenfalls zu passen
schien, nämlich provocare, wozu noch ad'dicacitatem gedacht werden solle.
Die Stelle ward also übersetzt: „atque eum fati necessitas provocat seil,
ad dicacitatem." Hier haben wir ein recht einleuchtendes Beispiel, daß
die heilige Scheu vor dem überlieferten Buchstaben auf der anderen
Seite zu Gewaltthätigkeit und Unsinn führt. Denn was ist es anders,
wenn man dem Verbum frui, das überall imd immer nur amare be-
deutet, die Bedeutung provocare unterschiebt? Bereits Sveinbiörn Egils-
ßon hat die Stelle richtig hergestellt und erklärt, nämlich : ok kann ßörg
öll ßa, d. h. und ihn hassen alle Götter. Fiörg pl. gen. neutr. mag einst
eben so zur Bezeichnung der gesammten Götter gebraucht worden sein,
wie die gleichfalls neutralen Plurale god, höpt , hönd und höpthönd später
noch gebraucht werden. Lüning nimmt Anstoß an fiörg, Götter, weil
Egilsson dasselbe nur schwach belegt habe durch fiarghüs, delubrum,
aedes deorum; aber er führt auch axi fiargvefr, welches Wort dem oft
vorkommenden giidvefr . bombyx , völlig gleichsteht. Noch kann man
BEITRÄGE ZUR KRITIK DER EDDALIEDER. 309
dazunehmeu nicht zwar das gothische fairhvus , mundus, wie Egilsson
will, denn h ist nicht g, wohl nher fairguni, jugera raontium, ferner
die Namen Fiörgvinr (was nicht fiörg-vinr, sondern fiörgv-inr ist) und
Fiörgynja = lörd, Erde. Aus fremden Sprachen sind heranzuziehen das
litauische Perkunas, das slavische Peraun und vielleicht das griechische
xsQavviog, nach dem Wechsel zwischen k und p. Es wird also gegen
ßörg = Götter, nichts einzuwenden sein.
Str. 23. Odinn sagt zu Loki:
Atta vetr vartu fyr iörd nedan
kyr molkandi ok kona;
ok hefir pü Jjar boint;
ok hugda ek pat args adal.
Abgesehen von der letzten Zeile (und ich betrachtete das als das Wesen
eines Feiglings), die am Schluß der folgenden Strophe ganz passend
und mit Recht steht, hier aber nicht passt und sich nur hieher verirrt
hat, hat die vorletzte Zeile keinen Stabreim, der jedesfalls sich auf
horit beziehen müsste; denn pü par sind unstatthaft, weil jbar in Thesi
steht, folglich nicht den Hochton hat. Aber die vorletzte Zeile ist auch
sehr prosaisch und im Ganzen nichtssagend. Streichen wir also die
beiden letzten Zeilen, so erhält die Strophe ihr sonst gestörtes Ebenmaß
und uns bleiben übrig:
Atta vetr vartu fyr iörd nedan
kyr molkandi ok kona.
Das heißt: Acht Jahre lang warst du unter der Erde, eine Milchkuh
und ein Weib. Beides, Milchkuh und Weib, kann aber Loki zur selben
Zeit nicht gewesen sein, auch fragt es sich sehr, ob molka = miolka,
lac praebere, lactare, bedeuten kann; es kommt, so viel ich weiß, immer
nur in der Bedeutung mulgere vor. Die skandinavischen Herausgeber,
ich muß es wiederholen, zwingen lieber den Wörtern Bedeutungen auf,
die sie nicht haben, als daß sie einen Schreibfehler in der Handschrift
anzunehmen sich entschließen könnten, imd wenn ein solcher noch so
deutlich auf der Hand läge. Hier ist dies nun der Fall, und man hat
einfach zu lesen :
Atta vetr vartu fyr iörd nedan
kyr miolkandi kona.
Acht Winter hindurch warst du unter der Erde ein Kühe melkendes
Weib, d. h. du warst eine Kuhmagd.
Str. 32 : pegi pü, Freyja, pü ert fordoida,
ok meint blandin miök;
siztu at hraedr pmum sidu Mid regln,
ok mimdir fjü pä, Freyja, frata.
3 10 LUDWIG ETTMÜLLEK
Lüning sagt zu dieser Strophe: „Aus den Worten, wie sie dastehen,
ist schlechterdings nichts zu machen. Der Fehler steckt in siztu und
mehr wohl noch in sicTu, aus welchem Worte auch die willkürlichste
Deutung nichts herausbringt." So schlimm ist nun die Sache nicht,
obwohl er in Bezug auf siztu recht hat, denn Sveinbiörn hat nach Rasks
Vorgange ein sict seid siäu sidmn, zaubern, nachgewiesen. Schon Rask
hatte erkannt, daß man lesen müsse: siz pik at broectr ptnum siäu hlul
regln, d. h. seit dich zu deinem Bruder hinzauberten die heiteren Götter.
Allerdings wissen wir nichts weiter von diesem Spasse, den sich die
lustigen Grötter mit Freyja und Freyr gemacht haben sollen, wie hier
angedeutet wird. Es war ein Ereigniss wie jenes, als Hephaest die Götter
zum Lager der Aphrodite führte, und sie bei ihr den Ares im Netze
sahen. Aber wie? die Götter, die Feinde aller Zauberei, sollen solch
ein Hexenstück sich erlaubt haben? Und wie könnte man, wenn sie
es thaten, die Freyja dann melni hlandin nennen? Ich glaube daher,
man hat zu lesen : s?z pik at brcectr ptnum sau bltd regln, seit dich
bei deinem Bruder sahen die heiteren Götter. Aus sau konnte bei im-
deutlicher Schrift leicht sldu werden. [Bugge stodtt für slpo.]
Str. 36 : Hcettu nü, Niwdr, haf ]m ä hqfi pik,
munka ek pvi leyna lengr;
vid systur pinni gaztu sUkan mög,
ok pera pd onu verr.
Nur die letzte Zeile ist verderbt, aber ich setze die Sti'ophe ganz
her, weil sie für die deutsche Mythologie von Wichtigkeit ist. Bevor
ich jedoch auf das Mythologische eingehe, will ich das Verderbniss der
letzten Zeile zu heben suchen. Das sinnlose pera hat zwar schon Egils-
son ganz richtig als perra d. i. per-er-a gefasst, und daß onu für vänit
geschrieben ist, lehrt das Gesetz. Aber die Worte perra Jjo vänu verr
können doch nur ausdrücken : „doch ist dir nicht nach Vermuthen
(wie man vermuthet) schlimmer." Allein die Worte sltkan mög in der
dritten Zeile verlangen eine nähere Bestimmung, und die wird in der
letzten Zeile enthalten gewesen sein. Wir erhalten sie, wenn wir statt
des Adv. verr den adject. Comparativ verrl setzen, denn dann besagen
die Worte : „und doch ist er (dein Sohn nämlich), wie man glaubt,
nicht schlimmer als du," d. h. er ist eben so schlecht wie du. So, und
nur so , bekommt die Strophe ihren tadellosen Sinn. Aber mm zum
mythologischen Gehalte derselben, dessen wir uns jedoch nur dann
bemächtigen werden, wenn wir uns zwei Fragen zu beantworten ver-
mögen, nämlich 1. wie heißt diese Schwester Niörds, mit welcher er
einen Sohn zeugte, und 2. wie heißt dieser Sohn? Die Beantwortung
BEITRÄGE ZUR KRITIK DER EDDALIEDER. 311
der zweiten Frage ist die leichtere; beginnen Avir daher mit derselben.
Die skandinavische Mythologie kennt nur einen Sohn und nur eine
Tochter des Niörd, den Frey und die Freyja. Daß jedoch nun eben
dieser Frey der in unserer Strophe bescholtene Sohn des Niörd sei,
geht unwiderlegbar aus der unmittelbar folgenden Strophe hervor,
welche die dem Sohne Niörds gemachte Beschuldigimg zurückweist
und diesen Sohn Frey nennt. Sie lautet:
Freyr er heztr allra hallriäa
Asa göräum i;
mey kann ne grcetir ne manns konu,
ok leysir or höptnni hvern.
Wir kennen also diesen Sohn Niörds, der erst bescholten und darauf
gelobt wird. Aber die Mutter Freys heißt nach allen übrigen Quellen
der skandinavischen Mythologie Skadi, die Tochter des Riesen Thiassi,
und nirgends wird sie Niörds Schwester genannt. Wir würden hier
vor einem unlösbaren Räthsel stehen , käme uns nicht wundersamer
Weise, aber zum Glücke, Tacitus zu Hilfe. Tacitus kennt und nennt
die mater deüm Nerthus. Nerthus (gothisch Nairthus m. u. f.) ist aber
altnordisch sowohl Niörctr, m. als auch Niörd, f. Wir haben also die-
selbe Gottheit einmal männlich, einmal weiblich aufgefasst (vgl. Ju-piter
und Juno, Lunus und Luna, Pales, m. u. f. und Andere), und gewiß
nur passend werden der Gott Nerthus (NiÖ7'ä,r) und die Göttin Nerthus
(Niih-d) als Geschwister und Gatten angenommen. Freyr und Freyja
waren also nach einer älteren Ansicht die Kinder der Geschwister
Niördr und Niörd, und erst als bei den Germanen die Ehe zwischen
Bruder und Schwester frevelhaft erschien und deshalb unerlaubt war
(bei den Hellenen blieb sie stets erlaubt), ward die Niörd durch die
Skadi ersetzt, ja Skadi könnte ursprtinglich vielleicht auch nur ein
Beiname der Niörd sein, in welchem Falle die Verdrängung des Haupt-
namens noch leichter erfolgen konnte. Wie häufig das masc. Niördr
in den altnordischen Schriften erscheint, so selten findet sich das fem.
Niörd. Egilsson kennt nur eine Stelle, welche das Wort bietet, näm-
lich Skaldhelga rimur (14. Jahrh.) 6, 31 wo mofra niörd, dea vela-
minum, vorkommt. Wie unverständlich aber damals schon der Ausdruck
war, das geht aus der dazugehörenden Variante menja iörd hervor.
Überhaupt wurden Niördr und Niörd durch ihre Kinder Freyr und
Freyja mehr und mehr zurückgedrängt, indem die Verehrung der letz-
teren sich stets verallgemeinerte; ein bei Gottheiten von gleicher We-
senheit und Geltung sehr begreiflicher Umstand.
312 LUDWIG ETTMÜl-l.EK
Str. 38 : pegi pü, Tyr, pü kunnir aldregi
bera tut med tveim.
Dies tut kommt nur hier vor und ist aus der altnordischen Sprache
nicht zu erklären. Ltining war auf dem rechten Wege , indem er an
das angelsächsische Adj. tily aequus, bonus, praestans^ erinnerte. Tut
ist hier adv. und bedeutet aeque ; also hera tut med tveim, seil, handum,
mit beiden Händen gleichmäßig tragen. Das kann Tyr freilich nicht,
weil ihm der Wolf Fenrir die rechte Hand abgebissen hat.
Str. 39: Handar em ek vanr en pü hrodrs vitnis\
hol er heggja fjrä.
ulfgi hefir ok vel, ei' z höndum skal
bida ragnarökrs.
So alle Handschriften und, so viel ich weiß, auch alle Ausgaben. Die
dritte Zeile jedoch ist ohne Stabreim, da er tonlos ist, und ulfgi und
höndum nicht reimen. Hrodrs vitni, Ruhmes Zeugniss, soll hier „guter
Leumund" bedeuten. Lüning war wiederum auf der Spur des Richtigen,
als er die Frage hinsetzte, ob man vitnis nicht als den Gen. von vitnir
nehmen und auf Fenrir beziehen könne? Nicht nur kann man das
sondern man muß es; Hrod vitnir ist ja ein bekannter Beina me Fenris
Das Verderbniss in Z. 3 hat Lüning jedoch nicht bemerkt. Die ganze
Strophe hat zu lauten:
Handar em ek vanr en pü Hrddvitnis;
hol er heggja prä;
er z höndum skal bzda ragnarökrs,
vidfgi hefir ne vel.
Das heißt : Der Hand entbehr' ich, doch du Hrodhwitnis,
bös' ist beider Mangel;
der in Banden soll harren der Götterdämmrung,
den Wolf nicht hast du noch List (Macht ihn zu befreien).
Die herkömmliche Deutung der Worte ulfgi hefir ok vel, der Wolf hat
es auch nicht gut, finde ich wenigstens unerträglich matt. Und kann
denn gi ok auch nicht ausdrücken? Die Verderbniss entstund, weil
man das v in vulfgi unterdrückte und ulfgi schrieb.
Auch in Str. 41 hat die Tilgung des anlautenden v Anlaß zu
Verderbniss gegeben. Diese Strophe lautet jetzt in ihrer ersten Hälfte :
Ulf se ek liggja ärösi fyrir
unz riufask regin.
Lüning macht dazu die Bemerkung: „Vor der Flußmündung {drosi).
Als die Äsen den Fenrir gefesselt hatten, steckten sie ihm ein Schwert
in den Rachen, so daß der Geifer aus seinem Munde rinnt und zu
BEITRÄGE zun KRITIK DER EDDALIEDER. 313
dem Flusse wird, den man Von (■= Van) nennet. Snor. Edd. p. 20."
Fenrir liegt also nicht da gefesselt, wo die Van mündet, sondern da
wo sie entspringt. Ihr Quell (6s) ist ja sein Rachen, wie die Edda
deutlich sagt. Aber wie matt und unbestimmt ist: „den Wolf sehe ich
liegen an der Quelle des Flusses!" Man hat sicher zu lesen, wie die
Snor. Edd. andeutet:
VuJf se ek Uggja Vänar osi fyrir
unz riufask regin.
Str. 46 : Ok pik i flets strä finna ne mättu
pä er vägu verar.
So die Ausgaben nach den Handschriften. Aber darin liegt keine Ver-
höhnung, daß die Männer, die da kämpften, den Byggwi nicht im
Stroh des Gebänkes fanden ; man hat die Negation ne zu streichen,
denn er verkroch sich im Stroh, während die Männer kämpften, wie
Loki behauptet.
Str. 54: Einn ek veit, svä at ek vita pykkjumk,
hör ok af Hlorriäa;
ok var pat sä inn Icevisi Loki.
Die letzte Zeile, ein Zusatz, der Schwachsinnigen zu Hilfe kommen soll,
ist zu streichen, weil sie das Ebenmaß der Strophe vernichtet. Daß
Loki der Frevler war, weiß man schon, auch wenn er sich nicht nennt.
Str. 58 : en pä porir pü ekki, er pü skalt vid ulßnn vega,
ok svelgr kann allan Sigfödur.
Wie die Verse jetzt lauten, liegt der Hauptou in der ersten Zeile auf
porir und ulßnn , nicht aber auf ekki und ulßnn. Der Vers ist also
fehlerhaft. Da der Dichter des Liedes jedoch vulßnn sprach und nicht
ulßnn, wie wir gesehen haben, so ist es keinem Zweifel unterworfen,
daß ursprünglich vulßnn und vega reimten und daß der Vers geändert
ward. Setzte man statt ekki das gleichbedeutende va>tki, so wäre zwar
die Alliteration mit vulßnn hergestellt, aber doch nichts gewonnen, da
der Hauptton auch da noch auf porir läge. Früher lautete deshalb
wohl die Halbstrophe:
ne vega pü porir, er pii skalt vid vulßnn ganga,
ok svelgr kann allan Sigfödur.
Str. 62 ist die letzte Zeile: ok svalzt pü pä hungri heill, als ein
überflüssiger Zusatz zu streichen , da sie das Ebenmaß der Strophe
vernichtet, und ebenso verhält es sich mit der letzten Zeile der Strophe 65:
ok hrenni per ä haki.
314 LUDWIG ETTMÜLLER
2. Gröugaldr und Fiölsvinnsmäl.
Schon Grundtvig in seinem Werke „Danmarks gamle folkeviscr"
Th. II, S. 239 fF. und nach ihm Lüning in seiner Ausgabe der Edda
S. 21 ff, haben der Erste geradezu behauptet, der Andere zum mindesten
angedeutet, daß die beiden Gedichte Grougaldr und Fiölsvinnsmäl zu-
sammengehören dürften und wohl Stücke eines größeren Ganzen seien.
Grundtvig gründet seine Behauptung auf die altdänischen Volkslieder
von Ungen Svendal (Sveidaäll, Sveydall, Svedall), und es ist in der
That kaum ein Zweifel, beide Gedichte gehören zusammen und beide
sind nur Bruchstücke eines umfangreichen Gedichtes, welches man am
besten als ein Märchen bezeichnet, dem ein alter Naturmythus zu Grunde
liegt. Die Deutung desselben freilich bleibt uns versagt; sie wäre nur
möglich, wenn uns der Mythus in ungetrübterer Fassung erhalten wäre.
Da dies nun nicht der Fall ist, so können wir alle Deutungsversuche
(nach dem neuesten soll Swipdagr der Mond, Menglöd die Sonne sein !)
auf sich beruhen lassen. Die Zusammengehörigkeit beider Stücke wird
;iuch dadurch erwiesen, daß in Grougaldr sogar der Name Menglöd
vorkommt, wenn auch in verderbter Stelle selbst verderbt.
Der Inhalt des ganzen Gedichtes war einst, wenn wir die däni-
schen Volkslieder mit heranziehen, folgender:
Svipdagr {svipr, motus celer, turbo, dagr, dies), der Sohn S61-
biarts, und Menglöd {men, monile, glöd, laeta), die Enkelin Svafr])orins,
lieben einander und sind auch für einander bestimmt; aber Svipdags
Stiefmutter sucht dies Verhältniss Beider zu stören*). Menglöd wird
durch sie, wie es scheint, auf einen unzugänglichen Berg versetzt, wo
sie mit einigen Gesellschafterinnen oder Dienerinnen zu weilen genö-
thifft ist. Kein Mann darf und kann ihr nahen, nur der ihr vom Schicksal
bestimmte erhält, wenn es ihm auf den Berg zu kommen endlich ge-
lingt, ohne Weigerung, sobald er sich nennt, Zutritt zu ihr. Ihren Saal
auf dem Berge, der auf der Spitze eines Speeres sich dreht, umgeben
Lohen, und zugleich eine Mauer (gardr) , die Gastropnir (besser wohl
Gastrofnir) heißt, und deren Thüre, Jjrymgiöll, ein Werk der drei Söhne
Solblindis, jeden festhält, der unberufen hindurch will. Ferner Wächter
der Jungfrau sind zween grimme Hunde, die jeden, der sich unberufen
nahet, zu zerreißen drohen. Nie schlafen beide zu gleicher Zeit, und
um sie zu überlisten, muß man ihnen die Flügel des Hahnes Vidofnis
*) Die nordischen Quellen geben den Gnind nicht an; nach der kymrischeu
Sago soll der Jüngling ihre eigene Tochter freien.
BEITRÄGE ZUR KRITIK DER EDDALIEDER. 315
zum Fräße vorwerfen, der auf einem Baume, Mimameidr, immer im
Hofe sitzt. Dieser Hahn ist jedoch nur durch die Zauberruthe Hsevateinn
zu tödten, welche die Riesin Siumcera bewahrt und nur gegen eine
Schwungfeder aus dem Schwänze des Hahnes herausgibt. EndHch be-
wacht die Jungfrau noch eine Riese, Fiölsvidr (sehr stark und klug;
Fiölsvidr ist auch Beiname Odins).
Swipdagr nun geht zum Grabhügel seiner Mutter , erweckt sie
und bittet sie, ihn durch ihre Zaubersprüche wider alle Fahrnisse, die
er bei der Aufsuchung der Menglöd etwa zu bestehen hat, zu schützen.
Sie gewährt ihm seine Bitte. Dies der Inhalt von Grougaldr.
Als Swipdagr oben auf dem Berge anlangt (was er alles hat
thun müssen, um hinauf zu kommen, und inwiefern ihm der Mutter
Zaubersprüche halfen, erfahren wir aus den altnordischen Gedichten
nicht, denn sie sind nur Bruchstücke), tritt ihm der Riese Fiölsvidr
entgegen, und es entspinnt sich ein Gespräch zwischen Beiden, worin
Fiölsvidr dem Swipdagr auf Befragung alles das sagt, was oben von
dem Berge und der Bewachung der Menglöd mitgetheilt ward. Am
Schlüsse gibt sich Swipdagr zu erkennen und heißt ihn seine Ankunft
der Jungfrau kund thun. Daß er der Erwartete sei, hat Fiölsvidr auch
daraus erkannt, daß die Thüre der Mauer sich von selbst ihm öffnete
und die grimmen Hunde den Ankömmling freudig begrüßten; er geht
also um ihn anzumelden. Sie erscheint darauf selbst, erkennt ihn aus
seiner Antwort auf ihre Frage als den Erwarteten, empfängt den ihr
bestimmten Jüngling freudigst und spricht es aus, daß sie sich nie mehr
trennen werden *). Dies ist der Inhalt von Fiölsvinnsmäl.
Mit beiden altnordischen Gedichten stimmen nun die altdänischen
Volkslieder augenscheinlich überein. Daß die todte Mutter ihrem Sohne
nach den Volksliedern nicht Zaubersprüche auf den Weg mitgibt, son-
dern einen Hengst, der nie ermüdet, und ein Schwert, womit man immer
siegt**), ist zwar eine unverständige, aber doch sehr leicht begreifliche
Änderung. In den christlichen Volksliedern konnten schützende Zauber-
sprüche unmöglich eine Stelle finden, ebensowenig als im heidnischen
*) Schon hieraus ergibt sich, daß die Deutung, nach welcher Menglöd die Sonne,
Svipdagr der Mond sein soll, eine falsche ist.
**) Andere dänische Volkslieder vermehren noch die Gaben der Mutter; der
Jüngling erhält da noch zu Schwert und Ross 1. ein Tischtuch, welches jede verlangte
Speise liefert; 2. ein Trinkhorn, welches jeden gewünschten Trank darbeut; 3. ein Schiff,
welches über Land und Meer dahin fliegt; 4. einen Beutel, der nie leer wird; 5. einen
Schlüssel, der alle Schlösser öfl'net; 6. Stiefeln und Sattel. Keines dieser Dinge gebraucht
aber der Jüngling, woraus folgt, daß alle diese Gaben zwecklos sind.
316 LUDWIG ETTMÜLLER
Grougaldr die todte Mutter dem Sohne Ross und Schwert geben konnte,
da sie als Weib weder Ross noch Schwert in ihrem Grabe hat. Sie
konnte, wenn Ross und Schwert ihm Bedürfniss gewesen wären, was
sie jedoch nicht sind , ihm nur sagen , wo und auf welche Weise er
Beides erhalten könne.
Da es den Gedichten, Grougaldr und Fiölsvinnsmäl , keineswegs
an vei'derbten Stellen fehlt , so wende ich mich jetzt zu diesen ;
denn es wird größern Gewinn bringen, die Fehler wo möglich zu be-
richtigen, als träumerische Deutungen aufzustellen, weil wir es denn
doch zunächst nui' mit einem Märchen zu thun haben.
Grougaldr.
Str. 1 : Vaki pü, Groa, vaki pü, god kona,
vek ek pik dauära dura.
Die zweite Zeile erregt Bedenken. Das zweimalige vaki konnte einen
Schreiber wohl verführen, vek ek zu schreiben; aber kann man sagen
vek ek pik dura, ich wecke dich zu der Thüre hin? ich zweifle. Es
dürfte richtiger sein zu lesen kved ek pik daudra dura, ich rufe dich
zu der Thüre der Todten, d. h. des Grabhügels, hin. Zu dem ort-
bestimmenden Genitiv dura vergleiche man Hamars heimt 3 : gengu
peir fagra Freyju dura, und eben da 9: moetti kann por midra gar da.
An größerer Verderbuiss jedoch leidet
Str. 3: Liötu leikhordi skauztu mik, hin loivisa kona,
sü er fadmadi minn födur ;
par bad hon mik koma er kvedki veit
moti menglödum.
Wie lässt sich zunächst skauztu, das auf die todte Mutter bezogen
werden muß, mit bad hon vereinigen? Wäre skauztu richtig, so müsste
auch baztu und veist stehen. Und wie rechtfertigt sich überhaupt der Vor-
wurf, den jetzt der Jüngling der Mutter macht: du hast mir ein übles
Spielbret vorgeschoben, mir eine schlimme Unternehmung auferlegt? Das
that ja nur seine Stiefmutter und dagegen sucht er eben Hilfe bei seiner
Mutter. Dann ist auch der zweite Halbvers offenbar zu lang, folglich
metrisch unrichtig. Kvedki drittens ist gar nichts, und die von den dä-
nischen Erklärern aufgestellten Versuche zm- Deutung taugen alle nichts,
wie bereits Sveinbiörn Egilsson es ausgesprochen hat , ohne jedoch
seinerseits eine Deutung oder Verbesserung, da er doch das Wort für ver-
derbt hält, vorzuschlagen. Endlich, wie soll man menglödum „zu den
Mädchen" hier verstehen? Ich schlage also vor, die Strophe also zu lesen :
BEITEÄGE ZUR KRITIK DER EDDALIEDER. 317
Liötu leikhordi skaut mik Icbvis kona,
sü er fadmadi minn födnr;
Par had hon mik koma, er kveyki veit,
möti Menglödu.
Das heißt nun : „Ein übeles Spielbret schob mir vor das arglistige Weib,
welches meinen Vater umarmte ; sie hieß mich dahin gehen , wo sie
Lohen weiß, die Menglöd aufzusuchen." Die Lohen beziehen sich auf
den von Feuer uraloheten Saal der Menglöd. Statt kveyki (acc. plur.
von kveykir) könnte man auch kverkr (acc. plur. von kverk) , fauces,
lesen und dies auf die beiden grimmen Hunde Geri und Gifr, welche
die Menglöd bewachen, beziehen. Biörn Haldarson verzeichnet auch
ein Neutrum kvetfi, fauces, was dem handschriftlich überlieferten kvedki
gleichfalls nahe kommt. [Bugge kvcemtki und Menglödu.]
Str. 4 : Long er för, langir 'ro f arvegar,
langir 'ro manna munir;
ef pat verdr, at pfi pinn vilja hidr,
ok skeikar pä skuld at sköpum.
Mit Lünings Erklärung dieser Worte (er bezeichnet sie jedoch mit
einem ?, weil er nicht sicher ist, den Sinn richtig getroffen zu haben)
kann ich mich nicht einverstanden erklären. Er deutet: „Wie der Weg
(hieher) lang ist, so gehen auch die Wünsche und Bestrebungen der
Menschen weit (und daher ist der Ausgang ungewiß); wenn du deinen
Willen (das was du jetzt von mir erwartest) erreichest, dann wird der
Ausgang (deine Zukunft) nach Wunsch ausfallen." Zunächst ist nicht
die Rede von der Länge des Weges zum Grabe der Mutter, sondern
von der Länge des Weges zur Menglöd, woraus sich denn auch ergibt,
daß an keine Vergleichung (wie — so) zu denken ist. Ferner können
die Worte ef pü pinn vilja hidr hier nicht ausdrücken: wenn du das,
was du von mir forderst, erlangest , denn das könnte sich ja nur auf
die Zaubersprüche beziehen, vielmehr müssen sie ausdrücken: wenn du
die Jungfrau erlangest. Endlich bedeutet skeika nicht: ausfallen, son-
dern: wanken, und at sköpum besagt nicht: nach Wunsch, sondern:
in den Schicksalsbestimmungen; woraus auch klar erhellt, daß skuld
hier die Norne und nicht bloß abstract: Ausgang, Zukunft bezeichnet.
Ich deute also die drei ersten Zeilen also :
Lang ist die Fahrt, lang sind die Fahrwege,
lang (d. i. ausgedehnt) sind der Menschen Wünsche,
wenn auch das wird, daß du deinen Wunsch erreichest.
Aber die letzte Zeile , wie sie dasteht, kann nur besagen : und wenn
die Norne wanket in ihren Bestimmungen. Wäre das die richtige Mei-
318 LUDWIG ETTMÜLLER
nnnj^, so raüsste Skiild früher beschlossen haben, ihm die Jungfrau zu
verweigern; da nun aber die Bestimmungen der Nornen unabänderlich
sind, so kann Swipdagr Menglöd nicht erlangen, Avenn dies der Fall
ist. Man sieht die Zeile, wie sie jetzt dasteht, ist widersinnig, es fehlt
ihr eine Negation. Ich lese also die Strophe:
Long er för, langir 'ro f arvegar,
langir 'ro manna munir,
ef pat veritr, at ]yü pmn vilja btdr:
skeikara Skuld at sköpitm.
Auch das ok der letzten Zeile muß also weichen, denn sonst bekommen
wir den Sinn: „du wirst Mühe haben, wenn die Norne nicht ihre Be-
. Stimmung ändert," was, wie gezeigt ward, die Mutter nicht sagen kann,
eben weil die Beschlüsse der Nornen unabänderlich sind. Wie ich lese,
ist der Sinn: „du wirst Mühe haben, die Jungfrau zu erlangen; denn
die Norne wanket nicht in ihren Beschlüssen." Die ganze Strophe wäre
also zu übersetzen :
Lang ist die Fahrt, lang sind die Fahrwege,
(weit gehn nun aber einmal der Menschen Wünsche!)
wenn es auch geschieht, daß du deinen Wunsch erreichest;
denn Skuld wanket nicht in ihren Beschlüssen.
Str. 5 lautet die letzte Zeile : Pykkjnmk ek Hl imgr aß. Weil afi
kein Wort ist, Avill Lüniug dafür aldri oder arß lesen. Gegen aldri ist
nichts einzuwenden, als daß man nicht einsieht, wie aus aldri aß werden
konnte; a7ß jedoch scheint mir hier ein sehr gezierter Ausdruck. Man
lese einfach: pykkjumk ek tu ungr api. Man vgl. dazu Grimnismäl 34:
ok pat ofhyggi hverr osvutra apa; Hävamäl 74: margr verdr af öcTincm
api; ebenda 123: orctum skipta pü skalt aldregi vid osvinna apa; Fäf-
nismäl 11: Norna dorn, pü munt fyr neisum hafa ok osvinns apa. In allen
diesen Stellen bezeichnet api einen unerfahrenen, unverständigen Men-
schen, und dieser Begriff wird auch in unserer Stelle verlangt.
Str. 9 ist vielfach verderbt und nur gezwiingen lässt sich ihr,
wie sie jetzt lautet, ein Sinn abgewinnen. Sie lautet:
pann gel ek per innßörda: ef pik fiand/r standa
gärvir ä galgvegi,
hugr peim hnjggvi til handa per mcetti
ok snüisk peim til sätta seß.
Was soll ef pik fiandr standa heißen ? Ein transitives standa mit Acc.
gibt es nicht, wohl aber ein standa um mit dem Acc. Ferner bedeutet
hryggva, gleichwie h^ggja (die volle Form wäre hryggvja), soviel ich
weiß, traurig machen und regiert den Acc; ein hryqgvn, traurig Averden,
kenne icii nicht; traurig werdeii würde Jiryggvnsk lauten. Eine Papier-
BEITEÄG'E ZUR KRITIK DER EDDALIEDER. 319
handschrift liest nun statt hn-yggvi hverß, was hier sehr gut passt, und
schon den verstorbenen Rask bestimmte, statt hryggvi hrökkvi zu schrei-
ben. Mcetti , welches Wort die genannte Papierhandschrift nicht hat,
und welches auch besser wegbleibt^ wird gezwungen erklärt „durch die
Macht" nämlich das Zauberspruches. Aber mcBtti bezeichnet in allen
Stellen, in denen es vorkommt, Körperkräfte. Diese Strophe hat also,
wie ich meine, zu lauten:
Pann gel ek per inn fiöräa: ef pik fiandr um standa
görvir d galgvegi,
Inigr peim hrökkvi tu handa per,
ok snüisk peim til sätta seß.
Das heißt nun: den (Spruch) singe ich dir als den vierten: Wenn dich
Feinde bedrängen, gerüstete, auf dem gefährlichen Wege; der Muth
ihnen entweiche dir zu Händen , und ihr Gemüth wende sich zum
Frieden.
Str. 10: pann gel ek ]>er inn fimta: er per ßöturr verdr
borinn at hoglimum:
Leifnis elda Icet ek Jier fyr legg qf kvedna,
ok stökkr pä läss af limum.
Diese Strophe ist bis auf ein Wort sprachlich richtig und bietet keine
Schwierigkeit. Unerträglich ist jedoch der Ausdruck : elda Icet ek per
of kvecfna, Lohen hab' ich dir gesungen. Leifnir war ein berühmter
Seekönig, dessen Sage jedoch imtergegangen ist, sein Name aber wird
nicht selten von den Skalden verwendet, z. B. Leifnis laut Leifnis Erde,
d. i. Meer; viti Leifnis lautar, Feuer der Erde Leifnis, d. i. Gold;
Leifnis grand, Leifnis Schädiger, d. i. Schwert; Leifnis lind, Leifnis
Linde, d. i. Weib. Er wird auch Leiß genannt, daher Leifa hraut,
L.'s Weg, d. i. Meer; Leifa brautar log, d. h. Meeres Lohe, d. i. Gold;
Leifi lad, L.'s Erde, d. i. Meer; rimnr Leifa landa, Baum der Lande L.'s,
d. i. Schiff. Der Name ist also in unserer Stelle nicht anzutasten, und
wenn Ltining leysigaldra, Lösezauber [Bugge leysigaldr], vorschlägt,
aber nicht im Ernste, wie er sagt, so kann man leysi nicht annehmen,
wohl aber galdra für das unstatthafte elda. Sveinbiörn Egilssons Erklä-
rung von Leifnis elda, ignes, quales Leifnir incantamentis excitavit ad
vincula solvenda mufi abgelehnt werden, weil sie eben nur auf dieser
Stelle beruht, dieselbe folglich nicht erläutern kann. Man lese also:
Leifnis galdra Icet ek per fyr legg of kvedna, Leifnis Zaubersprüche habe
ich dir fiir deine Schenkel gesungen. Leifnir kann in seiner Sage ganz
wohl die Kraft gehabt haben, durch Zauberspruch, wenn er gefangen
ward, die Fesseln zu lösen; weiß doch Saxo Gramm, von Helden^ daß
sie vermochten, durch einen Blick der Feinde Schwerter zu stumpfen.
0,2(1 i.ri)Wi(i F/rnirrj.ER
Str. 12. Die letzte Zeile dieser Strophe lautet in den Handschriften :
ok haldit er lik at limiim. Da im altnordischen Vik nur „Leib" bedeutet,
so enthalten die Worte^ wie sie daste*feen, einen Unsinn. Lüning deutet
die Worte zwar durch: „er erstarret nicht"; allein ich sehe nicht, wie
dieser Sinn in jenen Worten liegen kann. Die Kopenhagener haben
ganz richtig er nicht für er, ist, sondern für ]}er, dir, genommen, wo-
durch haldit zum negierten Präs. conj. wird. Der Sinn ist dann einfach:
die Kälte fessle dir nicht Leib noch Glieder. Will man jedoch das
Anakoluthon beibehalten , welches stattfindet , wenn man er mit ist
übersetzt, so hat man lif für lik zu lesen. Übrigens hätten die Kopen-
hagener besser gethan, er für Schreibfehler statt per zu nehmen, und
"per zu schreiben; denn per, ihr, kann wohl, wenn es enklitisch steht,
als er erscheinen, aber nicht per, dir. [Grundtvig haldi pir Ukn.]
Str. 13 belehrt uns, daß der Dichter zwar ein Heide war, aber
zu einer Zeit dichtete, da das Heidenthum bereits mit dem Christen-
thume in erbittertem Kampfe lag ; denn die kristin daud kona, das todte
Christenweib, drückt hier genau dasselbe aus, was sonst durch foi^dceda
oder hölvis kona ausgedrückt wird , nämlich boshafte Hexe , die selbst
nach dem Tode noch zu schädigen trachtet.
Fiölsvinnsraäl.
Das Stück, welches zwischen Grougaldr und Fiölsvinnsraäl aus-
gefallen ist , muß die Hemmungen und Hindemisse enthalten haben,
die Swipdagr zu überwinden hatte und mit Hilfe der Zaubersprüche
seiner Mutter auch wirklich überwand , bevor er auf den Gipfel des
Berges gelangte, auf welchem der Menglöd Halle steht. Das ergibt sich
daraus, daß der letzte Zauberspruch, den ihm seine Mutter singt, sich
auf sein Gespräch mit Fiölsvid bezieht, denn dieser lautet:
Pann gel ek per inn nmnda, ef pü vid inn naddgöfga
ordum skiptir iötun:
raäls ok mannvits se per ä minnishiarta [Bugge munn ok
gnöga of geßt. hjarta]
Unter dem Geer oder Schild tragenden Riesen (naddgöfugr lötunn) ist
ohne Zweifel Fiölsvidr verstanden. Zu naddr, Schildnagel, Schildbuckel,
Pfeil, Geer, Schwert, d. h. jedes Geräth, womit man stechen kann, ge-
hört auch das ahd. narto, welches freilich pelvis, Schüssel, glossiert;
aber der Schild kann auch als Schüssel gebraucht werden.
Fiölsvinnsraäl hat nun auch einige Stellen, welche der Berichtigung
bediirf'-n. Bei Str. H z. B. ist es auflffillif^. daß Frage und Antwoit in
BEITEÄGE ZUR KRITIK DER EDDALIEDER. 321
derselben Strophe unmittelbar auf einander folgen, da sonst Frage und
Antwort liier jedes eine Strophe fällen. Diesem Missverhältnisse ist je-
doch abzuhelfen, wenn man Str. 2 mit umgestellten Vershälften in Str. 6
einschiebt, so entstehen daraus zwei Sti'ophen, von denen je eine einem
der Sprechenden zukommt. Str. 2 steht ohnehin da, wo sie jetzt steht,
nicht zum Besten; denn einmal "würde Fiölsvidr Svipdag flöget, Riese,
nennen , und dann zeigt er sich auch zu früh bereit , ihm auf seine
Fragen Auskunft zu ertheilen. Aus Str. 6 erhielten wir durch Einschie-
bung von Str. 2 zwei Strophen, 5 und 6, die- also lauten würden:
5 (6, 1) Segdu mer, hverjum ertu sveinn of horinn
eda hverra manna mögrf
(2, 2) hvers pü leitar, eda hvers pü ä leitum ert,
eda hvat vütu, vinlauss, vita?
6 (2, 1) Hvat er pat flagda, er stendr fyr fm'gördum,
ok hvarfl/xr imi hcettan loga]?
(6, 2) Vindkaldr ek heiti, Värkaldr het minn fadir,
Pess var Fiölkaldr fadir.
Die zweite Hälfte der vorletzen Zeile, Värkaldr het minn fadir stammt
wahrscheinlich aus der mündlichen Fortpflanzung des Gedichtes her,
denn der Dichter war kein Stümper. Er sprach vielleicht Värkaldr mik
of gat, oder doch ähnlich.
Str. 13. Die letzten drei Zeilen lauten:
hvat peir garmar heita,
er gifr reka,
görda fyr löndin Um?
Sveinbiörn Egilsson sagt zu dieser Stelle unter lim-: „locus inexplica-
bilis" und auch Lüning „weiß aus dieser verzweifelten Stelle nichts
zu machen." Freilich, wenn man das fehlerhaft Überlieferte getreulich
glaubt bewahren zu müssen, so bleibt diese Stelle ein unlösbares Räthsel.
Aber betrachten wir uns einmal das Ganze etwas genauer. Swipdagr
fragt, wie die Hunde heißen, welche bellen, als er sich der Thüre naht,
und erhält in der folgenden Strophe den Bescheid: einer heiße Gifr,
der andere Geri. Hieraus folgt nun zunächst, daß das gifr in unserer
Stelle ein Fehler ist. In diesem gifr steckt das Object zu reka, gifr ist
aber ein Adj. und bedeutet immanis, passt also nicht hieher. Ich schlage
gialfr fremitus vor; gialfr reka also: sie stossen Geheul, Gebell aus.
Görda in der letzten Zeile drückt nur fecit aus , aber wir brauchen
faciunt, und das ist görva, also garmar görva — man fragt was? Nun
Lärm machen sie; Lärm aber ist nicht lim, n. oder limr, m. Ast, Zweig,
Glied, sondern hlymr. Will man nun fyr löndin, über die Laude hin,
• GEKMANIA. Neue Reihe U. (XIV.) Jahrg. 21
322 LUDWIG ETTMÜLLER, BEITRÄGE etc.
behalten, so hat man das h vor l in hlymr zu tilgen, was auch sonst
vorkommt ; aber die Hyperbel : „die Hunde machen Lärm über die
Lande hin", ist etwas stark, und so möchte ich statt fyr löndin :fyr
hlöctum, vor den Gebäuden^ lesen. Dieser „locus inexplicabilis" lautet nun
berichtigt also:
hvat peir gar mar heita,
er gialfr reka,
görva fyr hlöäum hlym?
Ich setze hlöctum, aedib.us, weil es dem löndin am nächsten kommt;
sonst könnte man auch hlidum oder hlunmmi lesen.
Str. 17 und 18 steht in der gleichen Formel einmal laupi, das
andere Mal laupa; man schreibe beide Mal hlawpi oder hlaupa.
Str. 22: Üt af hans aldni skal ä eld hera
fyr kvellisiukar konur;
ütar hverfa pess peir innar skyli.
Auch Lüning noch nimmt an pess Anstoß und fragt, worauf soll aber
pess hindeuten? Er wäre befriedigt, wenn statt pess kviäs stünde. Es
ist jedoch keine Änderung nöthig: pess steht für pvt, fyr pvi, und be-
zieht sich aiif aldni. pess wird gar nicht selten so gebraucht, s. Svein-
biörn Egilsson unter ])at.
Str. 30: ädr hon scem telisk
väpn til vigs at Ua.
Mit Recht stößt sich Lüning an soem, das er zu telisk zieht, und er
möchte ein soemteljask, etwas für schicklich erklären, annehmen. Das
ist jedoch unnöthig, man lese soemt telisk. Auch wenn man saemt nicht
zu telisk^ sondern zu väpn nehmen will^ ist der sing, soemt schicklicher
als der plur. soem, da ja_nur von einem väpn die Rede ist.
Str. 38: Hlif heitir önnur HUfpursa,
Pridja piödvarta.
Man hat zu lesen: BMf heitir ein, önnur HUfjnirsa, wie schon die bei-
den anderen Zahlwörter beweisen.
Str. 49: Lengi ek sat liufu bergi a,
beid ek pm doegr ok daga;
nü pat vard er ek vcett hefir (1. hefi),
at pü ert aptr kominn,
mögr, til^ minna sala.
Die Strophe hat eine Zeile zu viel. Da in diesem Gedichte überall
sonst das Ebenmaß gewahrt 'wird, muß hier geholfen werden. Man sieht
bald, wo der Fehler steckt. Da Swipdag zum ersten Male zu Menglöd
auf den Berg kommt, ist es unsinnige wenn sie sagt : at pü ert aptr
K. BARTSCH, DAS FORTLEBEN DER KUDRUNSAGE. 323
kominn, d. h. daß du wiederum gekommen bist. Aptr allein jedoch kann
man nicht streichen, weil dann der Vers keinen Stabreim hätte, der
ohnehin schlecht genug auf ert (dem Hilfszeitworte !) und aptr ruht.
Aber den Sinn von pü ert kominn kann man nicht entbehren : wie hilft
man da? Ich denke so:
Lengi ek sat Uüfu hergi ä,
heid ek ]nn dcegr ok daga;
nü pat vmx% er ek vcett ließ,
kamt, mögr, til minna sala!
ZÜRICH.
DAS FORTLEBEN DER KUDRUNSAGE.
I.
Seit ich die in der Grermania 12, 220 — 224 gemachten Mitthei-
lungen über das Fortleben der Kudrunsage in Mecklenburg erhalten,
bin ich unausgesetzt bemüht gewesen der Sache weiter nachzuforschen.
Im Februar 1868 ließ ich einen Bericht über die bis dahin eingegan-
genen Sagenbeiträge drucken und machte darin auch auf die Kud-
runsage aufmerksam, indem ich die Spuren derselben der Beachtung
empfahl. Seitdem theilte mir Hr. Oberkirchenrath Kliefoth in Schwerin
mit, daß er als Knabe in seinem Heimatsort Körchow bei Hagenow
dieselbe Sage nebst anderen von einem Knechte haben erzählen hören.
Der Knecht, Wilhelm Baack, hatte etwas träumerisches in seinem We-
sen ; oft wenn er aufs Feld hinaus fulir und die Kinder mit ihm, pflegte
er halb in sich versunken solche Geschichten ihnen zu erzählen. Seine
Frau lebt noch in Körchow und steht dort in dem Rufe eines auf
Zauber und Besprechung sich verstehenden Wesens. Meine Nachfor-
schungen an Ort und Stelle führten indess zu keinem Resultate. Be-
merkenswerth ist, daß dieses Zeugniss uns ebenfalls in die unmittelbare
Nähe von Hagenow leitet, wie das erste Zeugniss auf Hagenow selbst.
Etwa in dieselbe Gregend weist ein drittes Zeugniss. Herr Litte-
rat C. Stuhlmann in Schwaan erzählte mir von einer etwa achtzigjäh-
rigen Dame in Hamburg, welche in Lüneburg zu Hause war, und
welche als Kind dieselbe Sage von einem Kindermädchen hörte, das
in Boizenbm-g , also ebenfalls in der Nähe von Hagenow , heimisch
war. An Namen erinnert sie sich nicht mehr deutlich, aber die Sceue
des AVascheus am Strande steht noch lebhaft vor ihrem Gedächtniss.
21*
324 KARL BARTSCH
Ein viertes Zeugniss verdanke ich Herrn Lehrer Struck in Waren.
Derselbe vernahm die Sage als Knabe aus dem Munde eines Kinder-
mädchens, Dörte, deren Eltern Schifferleute in Wismar waren. Wie-
wohl ihm noch manches von der Erzählung haften geblieben, so ge-
traut er sich doch nicht, weil er inzwischen die mittelhochdeutsche
Dichtung gelesen, die Sage aus der getrübten Erinnerung herzustellen.
Dies Zeugniss führt uns in eine andere Gegend Mecklenburgs, an
den Meeresstrand, wo wir die norddeutsche Schiffersage zunächst auch
zu suchen haben. Und dahin weist durch seine localen Beziehungen
endlich auch das fünfte Zeugniss , welches ich als das wichtigste, weij
umfangreichste, bis zuletzt aufbewahrt habe. Herr Pastor K. Bassewitz
in Brütz bei Lübz, schrieb, durch meinen Bericht veranlasst, am
31. März 1868 an mich und theilte mir die Aufzeichnung einer Sage
mit, die mit der Kudrunsage am nächsten verwandt ist.
„Die Sage stammt aus meiner frühesten Jugend, wo ein Fräulein
Therese von Hagen, deren Vater dänischer Kammerherr gewesen (die
Mutter war eine geb. von Bassewitz , der Bruder Schiffer in Rostock)
sie mir erzählte und immer wieder erzählte. Sie hat sie mir hoch-
deutsch erzählt: später erzählte sie mir auch in meiner Kindheit eine
Wirthsfrau Wulff in der Gegend von Warin (Neuhof) plattdeutsch. Im
Jahre 1847, als ich in Warin Privatlehrer war und von da aus die
Gegend meiner Kindheit besuchte, tauchte diese Geschichte, die ich
nur für eine Ammengeschichte genommen hatte und für weiter nichts,
wieder auf, indem ich von einer Tochter der Wulffen daran erinnert
wurde. Diese Personen sind aber alle todt. Die Erinnerung daran
brachte mich auf den Entschluß, die Sage nachzuschreiben, in der
Weise, wie Sie dieselbe erhalten. Ich habe bei dieser Sage aber nie
an die Kudrunsage gedacht, denn damals kannte ich dieselbe noch
nicht und bin auch erst neuerdings durch Sie darauf aufmerksam ge-
macht. Der Gärtnerdienst eines Prinzen war mir in meiner Jugend
schon ganz sonderbar und später ist es mir auffällend gewesen, warum
die Hochzeit, wie es doch Sitte ist, nicht im Hause der Eltern der
Königstochter gewesen und daß sie so als Braut fortgeschickt wird.
Ferner ist mir unklar, was man unter einem Könige von dat Reich
zu verstehen hat, und dabei die Insel Poel? Wo soll denn die Resi-
denz des Königs von dat Reich gewesen sein? Solange ich diese Ge-
schichte als Amraenläuschen genopamen, ist mir nichts dabei aufgefal-
len; aber jetzt, durch Sie aufmerksam gemacht, tauchen mir manche
Fragen dabei auf, die ich nicht beantworten kann."
Die Erzählung lautet folgendermaßen:
DAS FORTLEBEN DER KUDRUNSAGE. 325
Da war eiuraal ein König in „dat Reich", der war sehr reich
und lebte mit seiner Frau zufrieden und glücklich. Sie hatten eine
einzige Tochter, die war schöner als irgend ein andei'es Kind. Die
Königstochter liebte am meisten die Blumen, die sie in ihrem Garten
hegte und pflegte. Unter den Grärtnern war einer, mit dem sie am
liebsten verkehren mochte; er war noch nicht lange im Dienst und
war für die Königstochter als Grärtner angenommen, weil er aus Italien
gekommen war. Er erzählte ihr viel von Italien, aber auch aus dem
Norden, von Bären- und Wolfsjagden, und von Krieg und Seefahrt.
Als die Königstochter etwa achtzehn Jahr alt war, da kamen die
Freier von allen Seiten, denn der Ruf ihrer Schönheit hatte sich in
alle Länder verbreitet. Der erste Freier, der bei dem Könige anhielt^
war der König von den Dänen gewesen , der diu'ch seineu Gesandten
für seinen Sohn um die Hand der Königstochter bat; den wies aber
der Vater ab, denn er lebte mit dem Däuenkönige in großer Feind-
schaft, weil er ihm einst seine Braut entführt hatte, und wenn er auch
mit seiner Frau zuirieden und glücklich lebte, so konnte er ihm das
doch nicht vergessen. Nun kamen „ut dat Reich" und aus England
so viele Prinzen, daß das Schloß immer voll war. Die Prinzessin
aber zeigte kein Gefallen an irgend einem der Freier. Den Eltern
gefiel jedoch am meisten der Prinz „ut Norden" , und sie beschlossen,
er und kein anderer sollte die Königstochter haben, sie mochte ihn
wollen oder nicht. Man machte alles zur Abfahrt fertig und nun gieng
es nach Poel, wo die Schiffe lagen, die die Braut mit ihrem ganzen
Gefolge aufnehmen sollten, und auch die Schiffe von Norden für den
Bräutigam und seine Mannen hatten 'sich da vor Anker gelegt. Der
Prinz von Norden stieg auf sein Schiff, und sieben Schiffe mit seinen
Kriegern folgten ihm. Die Braut bestieg auch ihr Schiff und mit ihr
ihre Frauen; ihr Gefolge war in besonderen Schiffen, und in dem einen
war auch der junge Gärtner.
So gieng nun die Fahrt ab, aber des Nachts kam ein großer
Sturm und verschlug die Schiffe hierhin und dahin. Als der Prinz „ut
Norden" glücklich ans Land kam, hatte er von seinen Schiffen keines
verloren, aber von denen „ut dat Reich" fehlten drei, und darunter
war auch das^ auf dem die Königstochter war. Dem König von Nor-
den war das sehr verdrießlich, aber er tröstete sich, als er das reiche
Heirathsgut der Königstochter sah und nahm aus den Hofdamen die
hübscheste heraus und gab sie seinem Sohne zur Frau. Nach „dat
Reich" aber sandte er Botschaft es seien alle Schiffe untergegangen.
Das hörten die Eltern der Königstochter und trauerten sehr darüber.
326 KARL BARTSCH
Als der Winter vorbei war, sandte der König von „dat Reich"
Schiffe aus, um seine Tochter zu suchen. Diese war inzwischen an
eine dänische Insel verschlagen worden, und wurde von dem König
und seiner Frau freundlich aufgenommen, als sie hörten wer sie wäre.
Der König wiederholte die Werbung fiir seinen Sohn, aber die Königs-
tochter wollte nichts davon wissen. Als sie nun auf ihrem Sinne be-
harrte, änderte sich bald das Benehmen des Königs und seiner Frau.
So freundlich sie bisher gewesen waren, so hart und grausam wurden
sie nun. Viele von ihren Begleiterinnen hatten sich mit dänischen
Männern verheirathet und riethen der Königstochter, ein Gleiches zu
thun; aber sie hätte lieber sterben wollen als das thun. Sie wurde
von der alten Königin gekniffen und herumgestoßen und zuletzt in
den Thurm gesperrt. Die Königin schwur, wenn sie nicht einwillige,
dass sie nie wieder heraus kommen sollte.
Der Gärtner war mit seinem Schiffe auf eine andere kleine Insel
verschlagen. Dort wollte er aber nicht bleiben , sondern nahm des
Nachts allein ein Boot imd fuhr damit in die See. Er kam auch
glücklich ans Land, bei derselben Insel, auf welcher der Dänenkönig
wohnte. Fischerleute nahmen ihn auf und hier erfuhr er, daß das
Schiff vom „Reich" mit der Königstochter gelandet Aväre, und daß es
der Königstochter sehr traurig gienge, und warum. Er erfragte nun
alles genau und hörte, daß die Frau des Thurmwächters eine vom Ge-
folge der Königstochter sei. Durch diese gelang es ihm dann auch,
in den Thurm zu der Prinzessin zu kommen. Er wollte dieselbe aus
dem Thurm entführen, aber die Königstochter sagte, sie wollte sich
nicht aus ihrem Gefängniss herausstehlen : das wäre etwas anderes, wenn
er sie mit Gewalt befreite, oder wenn die alte Königin, die sie ein-
gesperrt, sie auch wieder herausholte.
Da gieng der Gärtner geradewegs zum König und zur Königin.
Diese brachte gerade ein Spinnrad im Gang, auf dem sollte die Kö-
nigstochter spinnen, sie mochte wollen oder nicht. Was war das aber
für ein Erstaunen, als der König und die Königin in dem Gärtner
ihren eigenen Sohn erkannten. Die Königin musste nun gleich mit in
das Gefängniss gehen, um die Prinzessin zu holen. Doch sie wollte
nicht heraus, weil sie noch nicht einwilligen könne, den Königssohn
zu heirathen, bis ihre Eltern ihre Zustimmung gegeben hätten. Da ward
ein Schiff mit Boten in „dat Reich" gesendet, mit einem Briefe vom
Prinzen und der Prinzessin und vom König, Die alte Königin war
aber sehr ärgerlich, daß ihr Sohn als Gärtner im fremden Lande ge-
dient hatte, und fürchtete auch, daß die Prinzessin ihr die böse Be-
DAS FORTLEBEN DER KUDRUNSAGE. 327
handlimg nachtragen könne, und von dem Arger wurde sie schwer
krank. Die Prinzessin Avollte durchaus nicht aus dem Gefängniss, doch
musste sie sich gefallen lassen, daß man ihr das Leben darin so be-
quem als möglich machte.
Unterdess war auch nach „Norden" die Nachricht gekommen,
daß die Königstochter glücklich auf einer Däneninsel gelandet wäre,
und da ärgerte sich der König sehr, daß er seinen Sohn mit einem
HofFräulein verheirathet und daß es nun herauskommen musste, wie
die junge Königin nicht die Prinzessin „ut dat Reich" wäre. Er for-
derte also für seinen Sohn die Prinzessin zurück. Das wurde abge-
schlagen; da rüstete der Nordkönig als der Winter vorüber war, viele
Schiflfe aus "und wollte die Prinzessin mit Gewalt holen. Da gab es
eine große Schlacht, aber die Dänen mussten weichen, und das Königs-
schloß wiu'de eingenommen und in Brand gesteckt, daß auch die
kranke alte Königin mit verbrannte. Da erschien die Prinzessin unter
den dänischen Kriegern und feuerte mit ihren Worten den Muth der-
selben so an, daß sie die Nordländer zuräckschlugen und viele tödteten,
darunter auch den alten Nordenkönig. Sie wurden auf die Schiffe
getrieben und viele ertranken im Wasser. Da ward von beiden Seiten
Frieden geschlossen, und es dauerte nicht lange, da kam auch Bot-
schaft aus „dat Reich" und brachte die Einwilligung von den Eltern
der Prinzessin. Da fand die Hochzeit statt und der Prinz und die
Prinzessin lebten in Glück und Zufriedenheit bis an ihr Ende.
Ich enthalte mich vorläufig weiterer Bemerkungen und übergebe
die Aufzeichnung den Fachgenossen zur Prüfung. Daß in der Ueber-
lieferung vieles entstellt und getrübt ist, sieht man auf den ersten Blick.
Unverkennbar aber ist die Gemeinsamkeit der Grundlage mit dem mit-
telhochdeutschen Gedichte. Daß es eine viel treuere Fassung gab,
lehren die Namen, auf die unser erstes Zeugniss führte; bis vielleicht
ein glücklicher Zufall uns diese unentstelltere Erzählung kennen lehrt,
müssen wir urrs an den in der vorliegenden Aufzeichnung erhaltenen
Trümmern genügen lassen.
KARL BARTSCH.
IL
„Mit dem A.ufenthalt der gewaltsam entführten Gudrun in der
Normandie öffnet sich die Blüte des Gedichts", sagt W. Grimm D, Hel-
densage S. 371 vom Kudrunliede.
Man wird es gewagt finden, wenn man in Stellen der Volkslieder,
wo die Geliebte des fernen Liebsten sehnsüchtig harret und wo derselbe,
328 K. .1. SCHRÖER
anfangs unerkannt, einen Ring vorweist und endlich wiedererkannt
wird, einen Anklang an die Begegnung zwischen Herwig, OrtAvin imd
Kudrun , Hildeburg am Meeresstrande (25. äventiure) finden wollte.
Dennoch trifft Manches zusammen, das Beachtung verdient, und wo-
von ich einiges hier hervorheben möchte.
Ein solches Volkslied ist das in einer Fassung des 16. Jahrhun-
derts bei Uhland Nr. 116 mitgetheilte : ,.Es steht ein lind in jenem tal"
u. s. w. In diesem Liede stellt der Wiederkehrende die Geliebte auf die
Probe, indem er, unerkannt, angibt: der sehnsüchtig Erwartete habe
sich vermählt. Da sie ihm deshalb nicht flucht, sondern in Trauer
versinkt, zeigt er seinen Ring, um sich zu erkennen zu geben: „sehnd
hin, schöne jimkfrau, das solt ir haben, eur feins lieb seit ir nicht
lenger klagen!" Vgl. Kudrun 1247: „nu seht an mine hant, ob
ir daz golt erkennet!" — Kudrun hatte gehört, daß Herwig todt sei
(Str. 1246), Herwig glaubte, sie sei vermählt (Str. 1253). — In an-
deren, diesem verwandten Volksliedern (Uhland No. 15) ist ein Vogel
der Liebesbote, der das Goldringelein überbringt , was an den Vogel
(und Engel) der 24. äventiure erinnert, der vor jenem Auftritt mit dem
Ringe Herwigen ankündet.
Merkwürdig ist, daß Uhland neben jenes Lied (No. 116) das See-
räuberlied (Nr. 117) stellt. In diesem Liede ruft ein vom „Schiflmann"
geraubtes Mädchen den Vater, den Bruder und den Liebsten zu Hilfe.
Vater und Bruder retten sie nicht, aber der Liebste setzt Alles dran
und rettet sie. Das Lied sieht in dieser Form nicht ganz echt aus,
doch wird sein Inhalt verbürgt durch eine ältere Aufzeichnung^ die
Uhland im QueUenverzeichnisse citiert und die der in Schleswig ge-
bome dänische Capitän Abrahamson um 17.50 hörte, s. Gräters Iduna
1814 S. 72 — 76*). — Wenn hier der Bruder sagt: „dein junges leben
rett ich nicht!" so kann dies daran erinnern, daß ja auch Bruder
Ortwin die Schwester eher sterben lassen will, als daß er sie stehle
Str. 1256. Im Volkslied freilich soll die Weigerung de.s Bruders nur
die Liebe des Gehebten in helleres Licht stellen, während in der Kud-
run Ortwin von dem edlen Motive geleitet wird, die mit Kudrunen Ge-
fangenen mit zu retten. Aber kommen im Volksliede nicht oft Motive
in Vergessenheit, indem Thatsachen zerstückt und unverstanden oder
umgedeutet manchmal fortleben?
Durch Bartsch haben wir nun Germania 12 , 220 ff. eine Nach-
*) Sie ist neuerlich wieder mitgetheilt und besprochen in Vilmars Handbüchlein
für Freunde des deutscheu Volksliedes (Marburg 1867) Seite 209 f.
DAS FORTLEBEN DER KUDRUNSAGE. 329
rieht von einer Sage, deren sich Fräulein Amalie Krüger noch aus
den Jahren 1826—1828 erinnert, die im nördHchen DeutscWand beim
Volke erzählt wurde und in welcher der alte Wate, der Kampf
auf dem Wulpensande und der Ausgang der 24. äventiure der
Kudrun vorkömmt.
Vorigen Sommer (1867)^ als ich in den Ferien in den weltver-
borgenen Bergen und Urwäldern des Herzogthums Gottschee weilte,
um die Mundart von Gottschee kennen zu lernen und wo möglich die
Abstammung der Gottscheewer (in ihrer Sprache: Gottscheabar, Plur.
Gottscheabare), die Zeuß ftir einen Rest von Vandalen erklärte *), die in
jenen unwirthlichen Gegenden von Krain zui'ückgeblieben seien, zu er-
forschen, hörte ich von einer Ballade, die hier allgemein gesungen wird
und die mich sogleich in hohem Grade anzog, als ich von ihrem In-
halt hörte. Sie ist, hieß es, im ganzen Lande bekannt unter dem Na-
men : den (d. i. mhd. diu = die) scheane (gesprochen beinahe schjanne
d. i. schöne) merarin (in manchen Orten, wo das e [Umlaut des a,
nicht e] öfter ö klingt: mörarin). Schon das Wort merarin d. i. Mee-
rerin, d. i. die am Meere weilende, war mir sehr auffallend. Das Meer
scheint mir sonst bei uns nicht populär; die Gottscheewer freilich ken-
nen es. — Das Wort Meererin, das unmittelbar nichts gemein hat mit
mhd. mamcere marinarius (= Seemann), kömmt in der älteren Sprache
nicht vor; auch im Gottscheewischen haftet es nur an diesem Liede
von der, die am Meere wäscht. — Das Lied hörte ich zuerst von
einem alten Lustigmacher, der, in Gottschee lebend und da geboren,
unter dem Namen Kuckher- Wlackh (= Fleck), mir einige Lieder vor-
sagte, vorsang und auch aufschrieb. — Von der Schönen am Meere
konnte ich anfangs nicht mehr herausbringen als den Text Nr. I, den
er mir an verschiedenen Tagen wiederholte, ohne daß ich mehr als
einmal die Variante des 4. Verses gewann, obwohl ich immer darauf
beharrte, es müsse länger sein, so hätte es keinen rechten Sinn.
Eines Tages kam er ganz betrunken und verlangte viel Geld,
denn er hätte jetzt die richtige schöne Meererin von einer Alten ge-
lernt und aufgeschrieben. Das war nun die Fassung Nr. III, die aller-
dings sehr abweicht und mit einem zweiten Balladenstoff verwoben ist.
Bei dem liebenswürdigen Herrn Pfarrer Jos. Krombholz in Altlaag
im Herzogthum Gottschee hielt ich nun förmlich eine Rathsversaram-
*) Die Deutschen und die Nachbarstämme S. 454 f. 589 f. und 614. Meine Wi-
derlegung dieser Annahme ist enthalten in Ein Ausflug nach Gottschee. Wien Gerold
1869 S. 9 S. (Aus den Sitzungsberichten der k. Ak. d. Wiss. in Wien, phil.-hist. CL
Bd. 60.)
330
K. J. SCHRÖER
lung ab über die schöne Meererin, indem derselbe fünf Mädchen, die
schön singen konnten, zusammen rief (Leane Schauer, Mfine Hoge,
Leane Hoge , Müne Fink und Else Kickel), die wir über die schöne
Meererin befragten. Sie kannten beide Fassungen, die ich vom Kuck-
her-Wlack hatte und sagten: beide seien schon recht, es seien zwei ver-
schiedene Lieder, die zweite Fassung (Nr. III) sei aber mehr im Hin-
terland, einem Grebiete von Grottschee, üblich. Sie kannten noch ein
drittes, das auch so anfängt und dies ist nun Nr. II.
Alle drei Fassungen sind wenig befriedigend; ich habe, bis-
her ohne Erfolg , die Freunde in Gottschee gebeten, dem Liede weiter
nachzugehen. Dennoch scheint mir hier eine engefe Beziehung zur
Kudrun anzunehmen , als in obigen Volksliedern, auf die wieder durch
die Gottscheewer Bruchstücke ein heller Schein fällt. — Nr. I wird
geradezu durch die Kudrun erst klar. Die Meererin steht früh auf und
geht waschen zum Meer, zum See (auch in Gottschee, wie mhd. z. B.
Kudrun 1207, 1 ist die See Masculinum). Da sieht sie in einem Schiff-
lein klein zween Herren (in der Kudrun ztvene man in einer harken).
Merkwürdig stimmt Kudrun Str. 1220, 1 und 4: Herwic der edele in
guoten morgen bot und y,guoten morgen, guoten abent'^ was den minnec-
Uchen meiden Uwe zu Vers 9 und 12 unseres Gottscheewer Liedes:
^gueten mo^^gen, du sckeane merarin!^ „wil guete morgen han ih aheanc!^
(= wenig.)
Im Volksliede reicht „er", also einer der zwei „Herren", einen
Ring vom Finger {das negle plur. neglain ist in Gottschee der Finger;
das loingerle plur. loingerlain der Ring) der Merarin. Daß sich die Lie-
benden gegenseitig an ihren Ringen erkennen, dies ist hier völlig ver-
wischt. Daß aber der Eine der zween Herren zur Meererin in einem
besondern Verhältnisse steht, vermuthet man aus dem „er zieht den
Ring"^ womit, in Voraussetzung, daß man wisse, von wem die Rede
sei, der {5ine der beiden gemeint ist. Sie sagt: „ich bin nicht die
Schöne am Meer, ich bin nur eine Wäscherin!" So wie auch Kudrun
sich nicht zu erkennen gibt und von sich selber sagt Sti'. 1242 : „zV
suochet Küdrünen — diu ist in arebeiten tot!"' — Darauf setzen sie
die Meererin ohne weiters ins Schiff und sagen Vers 10: „du bist
doch die Schöne am Meer!" das heißt doch: wir erkennen dich, trotz
deines Incognito ? „Da nahm sie ein Stück Leinwand in die Hand
(Vers 21)". Was heißt das? Darf man nach Kudr. 1271 an die Wäsche
denken, welche Kudrun ins Meer wirft? Ich möchte daher fast ver-
muthcn, es sei Zeile 22 zu lesen: imt birwet es in das proite mer (statt
DAS FORTLEBEN DER KUDRUNSAGE. 331
unt louroi über das jyr. m., was eine Wiederholung von Vers 18 ist,)^
was geändert wurde, weil man es nicht mehr verstand.
Der überraschende Schluß: wie sie endlich hin ist gekom-
men (nämlich übers Meer): da grüßen sie und halsen sie und
küssen sie die schöne junge Meererin, läßt sich doch nur aus
der Kudrunsage erklären: die Meererin ist hier keine von Seeräubern
entführte, sondern eine von den Ihrigen wieder Grefundene^ Heimge-
brachte. — Das Grüßen, Halsen und Küssen beim Wiedersehen fehlt
in der Kudrun nicht (1576 : do sie ein ander kusten, nämlich Mutter und
Tochter, Hilde und Kudrun; 1578: do huste s'in vor liebe, Hilde den
Wate, sam tet siu Orticin, dann küsst Hilde, auf vieles Bitten Kudruns,
Ortrünen 1584, endlich Hildehurgen 1587) und findet hier nur einen
Nachhall in verjüngter Gestalt.
Nr. H ist ein sehr verstümmeltes Bruchstück. Im Schifflein be-
finden sich, wahrscheinlich unerkannt, Bruder und Geliebter (Ortwin
und Herwig?). Die Meererin gibt dem Bruder den Vorzug. Nun
scheint der Geliebte erzürnt und der Bruder ihn zu besänftigen. —
Das: „halt auf, Schwager!" knüpft das Lied aber an das oben erwähnte
Seeräuberlied in Gräters Iduna, wo, während der Bruder die Schwester
aus des Seeräubers Händen nicht retten will , der Geliebte sie rettet :
„Dein junges Leben rett ich wohl! halt, Schiffer, halt!"
Nr. HI verbindet gewiss zwei verschiedene Sagenstoffe, ohne daß
weder der eine, noch der andere klar und verständlich durchgeführt
würde. Es kömmt ein Schifflein mit drei Herren. In I sind es zwei,
in II ebenfalls zwei und hier sogar, wie im Kudrunliede, Bruder und
Geliebter; hier kommen drei, ohne daß im weiteren Verlaufe diese
drei wieder erwähnt würden. Es ist hier offenbar nur ein Seeräuber
gemeint, der sich die Meererin, die hier einen bösen Mann und einen
Sohn hat, raubt. Sie weilt, gezwungen, bei ihm 7 Jahre und 3 Tage.
Als sie heim kehrt, findet sie ihren Sohn traurig und gibt sich ihm zu
erkennen ; vom bösen Mann ist gar nicht mehr die Rede ! — Man sieht,
daß das Lied hier, das übrigens viele Wendungen und Züge hat, die
echt volkmäßig sind , am wenigsten zu unserer Kudrunsage passt. Be-
merkenswerth ist, daß durch den Vers : oder hont §i gestolen di schijfcere,
die Frauen raubenden Seeräuber, wie in jenem Liede aus Schleswig
(in Gräters Iduna), einfach Schiffer genannt werden.
Näher verwandt aber ist diese dritte Fassung des Liedes einer
slovenischen Ballade , die durch Anast. Grün in seinen Volksliedern
aus Krain (Leipzig Weidmaim 1850) in die deutsche Littei'atur einge-
führt ist. Es ist die Ballade von der schönen Vida und steht da-
332 K. J. SCHRÖER
selbst S. 47 — 50. — Scliön Vida wäscht ihres Wiegenkinds Gewände.
Da kömmt in einem Kahne auf dem Meer gefahren der Mohr (wobei
man an Sifrit aus Morlant, den Bewerber um Kudrun denken möchte).
Man kann unter Mohr slov. zamilrec im VolksHede wohl auch einen
Mauren verstehen, sowie im Madjarischen Mohr szerecsen heißt, aus
Sarazene. Er fragt schön Vida: warum sie nicht so blühend mehr aus-
sehe als vordem ? Schön Vida klagt : bei Nacht weine ihr krankes
Söhnlein, bei Tage huste ihr alter Mann. Der Mohr nimmt sie in sein
Schiff, um sie zu der Königin von Spanien zu bringen, als Amme des
Königssohns. Sie wird Amme am spanischen Hofe*) und fragt
die Sonne und dann den Mond, wie es ihrem Kinde daheim und ihrem
greisen Gemahl gehe? Sie erhält die Antwort, das Kind sei todt, der
Gemahl und ihr Vater suchen sie überall. Sie weint. Da die Königin
sie fragt, warum sie weine? gibt sie an, ein Goldbecher sei, als sie
ihn ausgespült, ins Meer gefallen. Obwohl aber die Königin sie beru-
higt, einen andern Becher kauft und beim Könige Fürsprecherin ist,
so kann dies doch ihren Schmerz nicht heben und das Lied endet
mit den Worten : „Vida steht am Fenster alle Tage,
Weint um Vater, Kind und Mann mit Klage."
Ohne auf eine Verfolgung dieser Ballade in der slovenischen,
kroatischen, serbischen Volkspoesie weiter einzugehen, genügt mir hier
vollkommen diese in Krain, also in der Nachbarschaft von Gottschee
unter Slovenen aufgefundene Fassung des Liedes , als Beweis , daß
Nr. III der von mir mitgetheilten Lieder von der Schönen am Meer
mit der slovenischen Volkspoesie in ganz unleugbarem Zusammenhang
steht. Die slovenische Ballade erscheint in der vorliegenden Fassung
sehr mangelhaft, in den Motiven nicht klar und bemerkenswerth ist
immer, daß in der deutschen Fassung aus Gottschee, die im Sloveni-
schen fehlende Heimkehr der Schönen und zwar im Tone echter, ur-
sprünglicher Volkspoesie, erzählt wird. Die Zeitbestimmung von sieben
Jahren und drei Tagen erinnert unter anderm an die altgermanische
Sitte, bei gerichtlichen Fristbestimraungen von einem Jahre noch eine
Nachfrist von drei Tagen hinzuzufügen^ was hier im Volkslied in
formelhafter Weise noch nachklingt, wenn auch die Bedeutung der Sage
neben einer Angabe von Jahren nicht mehr in jenem Sinne gemeint ist.
Ich hebe diesen Umstand nur hervor , weil eine solche Nachfrist be-
*) Sollten die Beziehungen zu Portugal durch Hildeburg in der Kudrun erst in
Osterreich hinzugekommen sein ? Von Spanien wird nur spanisch Messing erwähnt
Kudr. 1109.
DAS FORTLEBEN DER KUDRUNSAGE.
333
kanntlich in der Kudrun 172 vorkömmt (man sagete die hochzite in dnen
tagen und in jdres stunden). Es zeigt sich demnach Nr. I dem entspre-
chenden Theile der Kudrun verwandt und dieser Tb eil erscheint nun
merkwürdig an einen Kj'eis von Volksballaden angeschlossen , indem
die Fassung Nr. II einem schleswig'schen Seeräuberliede, Nr. III einer
slovenischen Ballade unläugbar nahe steht.
I.
Bie lorüe i§t auf deu merarin !
Deu scheane, deu junge merarin !
Si §teanot pmoron§ gur ivrüe auf,
§igeanot haschen derc haiße hasche
5 Zam proiten mer, zam tiefen ßeahe,
fi heicot un, §i haschot schean.
Ammereda §himot oin schiße kloin
atinne da §itzont zhen junge heni.
,Grueten mwgen, du scheaneu me-
rarin,
1 0 d\i scheaneu, d%i jungeu merarin !'
j^Schean dank, schean dank, ir
junge hern;
wil guete morgen han ih a heanc .'"
Wome negle ar ziechot oin ivingarle:
,Nim hin, du scheane merarin!^
1 5 ^Ich pins et deu scheane merarin,
ichpinja deu hintel hascherin I'^
Dräf §etzont §eu §i aufs schiße
kloin
unt louront über es proite mer.
,Dupi§t laihor deu scheane merarin,
20 deu scheane, deu junge merarin !'
Seu namot oin hüderle in di hant
unt tcurot üher es proite mer.
Unt hie §i otter hin i§t kam,
Wie früh ist auf die Meeranwohneriu !
die schöne, die junge Meererin!
Sie steht 's morgens gar früh auf^
sie geht waschen die weiße Wäsche
Zum breiten Meer, zum tiefen See,
sie hebt an, sie wäscht schön.
Am Meere da schwimmt ein Schiff-
lein klein
drinn da sitzen zweenjunge Herrn.
,Guten Morgen, du schöne Meererin,
du schöne, du junge Meererin!'
„Schön Dank, schön Dank, ihr
junge Herrn ;
viel gute Morgen hab ich wenig."
Von dem Finger er zieht ein Ringlein :
,Nimm hin, du schöne Meererin !'
„Ich bin nicht die schöne Meererin,
ich bin ja die Windelwäscherin!"
Drauf setzen sie sie aufs Schiiflein
klein
und fahren über das breite Meer.
,Du bist gleichwol die schöne Mee-
rerin,
die schöne, die junge Meererin!'
Sie nahm ein leinen Tuch in die
Hand
und fährt über das breite Meer.
Und wie sie dann hin ist gekommen,
4 Var. ai hoikot in zor haißen bauche, sie weichet ein zur weißen Wäsche.
334
K. J. SCHRÖER
doli grüeßont §eu §i und hou§ont
§eu pi
25 Unt pu^^ont §eu di merarin *)^
deu scheane, deu junge merarin.
dort grüßen sie sie und halsen
sie sie
Und küssen sie die Meererin,
die schöne, die junge Meererin.
II.
Eingang wie I. Nach Vers 6 heißt es;
:|: Bie hoiße hoinot di merarin! :|:
Am mere har §himont zhen jungehern :
,gueten morgen du scheane merarin !
Beu hoine§t du §o hoißlicheu,
du scheane, du junge merarin?'
:|: y,Bie §ol ih et boinen hoißlicheu, :|:
Lei heut i§t es §ihn ganzeu jur
daß Tnain prueder i§,t gangen ins
gröaße he)\'^
:|: Wie heiß weinet die Meererin! :|:
Auf dem Meere schwimmen zwei
junge Herrn :
jGuten Morgen, du schöne Mee-
rerin !
Wie weinest du so heiß,
du schöne, du junge Meererin?'
|:„Wie soll ich nicht weinen heiß ?:|:
da es heut ist sieben ganze Jahre
daß mein Bruder gegangen ins
große Heer."
jBamon hascho§t haißer di ho§en du, ^Wemwäschest weißer die Hosen du?
dem lieben oder dem prueder dain P Dem Lieben oder dem Bruder dein ?'
y^Bie baißor, bie baißor dem lieben „Wie weißer, wie weißer dem Lieben
matn,
aber draimal baißor dem, prueder
main.
Oin liebe§ten hrieg ih bideimm,
oin btnieder krieg ih nimmer mer"
Ar bil an packen di merarin.
•.\: ,halt auf, hält auf §häger lieb-
§ter main!^:\'.
mem,
aber dreimal weißer dem Bruder
mein.
Einen Liebsten krieg ich wieder,
einen Bruder nimmermehr."
Er (der Seeräuber im Schiff? der
unerkannte Liebste?) will er-
greifen die Meererin.
— :|: jhalt ein, Schwager liebster
mein!' — :|:
HI.
Oin anders loon der scheann merarin.
Der Eingang stimmt wesentlich mit I bis Vers 13, bis auf die
Zahl der jungen Herren im Schiffe, die hier 3 sind. Dann aber folgt,
auf die Äußerung der Mererin, daß sie wenig gute Morgen habe :
Aho da sprachent di herren drai:
,bie §6, bie §d, du merarin P
:|: y^Aho, aho, ir junge herrn, :|:
Ahoime han ih a pea§en man,
Da sprechen so die drei Herren :
,wie so, wie so, du Meererin?'
:|: „So, ihr jungen Herren, :|:
Daheim hab ich einen bösen Mann,
*) Var. dl scheane, di junge merarin.
DAS FORTLEBEN DER KUDRUNSAGE.
335
a peafen man, a pea§en §on.
Pai tage laut §eu mih et ärhoiten,
pai der nacht länt §eu mih et
§h(fen.''^
Aho da sprachent di herren drai:
,trit imiar, trit innar, du merarin !
Atinne hent älderhand hürzelain,
atinne hent älderhand.. kräutelain.
Di her§t du ingahen dainem §un,
Otter hert er dih lavßen ärboiten
schon !^
Kamor i§t ßi getraten ins scheffle proit,
§0 gabent §i dem scheffle an stoaß.
Si dankhetj §i i§t et am mitten vier,
§i i§t an änderder §aiten geban.
Bie hoiße da boinet deu merarin,
deu scheane, deu junge merarin.
:|: Aho da sjyricht der junge herr: :|:
,Dic scheaneii, diijungeu merarin,
so §iecho§t du main boißes ge§loß f
Dort ber§t du§ainen maischeane wrä,
ber§t §ainen mai §lüsselträgarin.'
y^Dört bert ih §ainendeti §audierndain
deu §bain ze wrassenträgerin /"
,So et, §0 et, du merarin!
du scheaneu, du jungetc merarin !'
Dort i§t §i gebän §ibn ganze jar,
§ihen ganze jar und drai tuge.
Aho do sprichet di merarin
di scheane, di junge merarin.
y,So lat mih gean an di ge§te schean
ande ge^te schean, übers proite mer.'^
,So et, §0 et, du merarin,
mai scheane icrä §lüsselträgarin.
einen bösen Mann, einen bösen
Sohn.
Bei Tage lassen sie mich nicht ar-
beiten,
bei der Nacht lassen sie mich nicht
schlafen."
So da sprechen die drei Herren:
,Tritt herein, du Meererin !
Hierinnen sind allerhand Würzleiu,
hierinnen sind allerhand Kräutlein.
Die wirst du eingeben deinem Sohn,
dann wird er dich schon arbeiten
lassen.'
Kaum ist sie getreten ins Schifflein
breit,
So geben sie dem Schifflein einen
Stoß.
Sie denkt, sie ist nicht auf der Mitte,
Sie ist (so ist sie schon) auf der
andern Seite.
Wie heiß da weinet die Meererin,
die schöne, die junge Meererin.
:|: So spricht der junge Herr: :|:
,Du schöne, du junge Meererin
so siehst du mein weißes Schloß?
Dort wirst du sein meine schöneFrau,
wirst sein meine Schlüsselträgerin.'
„Dort werd ich sein die Saudiem dein,
die Schweinfraßzuti'ägerin!"
,So nicht, so nicht, du Meererin !
du schöne, du junge Meererin !'
Dort ist sie gewesen sieben ganze
Jahr,
sieben ganze Jahr und drei Tage.
So spricht die Meerenn
die schöne, die junge Meererin.
„So laß mich gehen jenseits schön,
jenseits schön übers breite Meer."
,So nicht, so nicht, du Meererin,
meine schöne Frau Schlüssel-
träfferin.
330 K. .1. SCHKÖER, DAS FORTLEBEN DER KUDRUNSAGE.
/So §iecho§t du dort a älden §tock? So siehst du dort eiueu alteu Baum-
stamm?
a hat §ihn Jur koin Iah (jetrogen: er hat sieben Jahre kein Laub ge-
tragen :
Benn der §tock noch a hört lab hert Wenn der Stamm noch einmal Laub
trägen, Avird tragen,
dennor her§t du ivrd an de ge§te dann wirst du Frau jenseits gehn.'
gean.''
Aho da sprichot deu merarin: So spricht die Meererin:
:|: ^holt gott daß duträgo§t grmnes :|: „wollte Gott daß du trügest
läp, :\: grün Laub,:]:
daß ich dürfet gean an de ge§te daß ich dürfte gehn jenseits
scheati /" schön ! "
Si hat nah et s hört ausgereidt, Sie hat noch nicht das Wort aus-
geredet,
der dürre stock hat lourt läp ge- so hat der Stamm Laub getragen.
trägen.
An dl ge§t i§t kamen di merarin, Jenseits ist gekommen die Meererin,
dort hirtond §ech§ hirtlain kloin. dort hüten sechs Hirtlein klein.
Wemiceu harten §d wroidigeti Fünfe waren so freudig,
das §ech§te hat §ih §o traurig ge- das sechste hat sich so traurig
hübet. gehabet.
^Du hirtle kloin, du lieber main, „Du Hirtlein klein, du liebes mein,
heu hübest du dih §o trauriges? wie habest du dich so traurig?
/So trauriges, §o loidiges?^ So traurig, so leidig?"
,Bie pol ih mich et trauric hüben ? ,Wie soll ich mich nicht traurig
haben?
Es i§t haint §ihn jur und drai tuge, Es ist heut sieben Jahr und drei Tage
daß main de mueter i§t et kam! daß meine Mutter nicht gekom-
men ist.
Ich boß et, i§t §i gewällen ins mer. Ich weiß nicht, ist sie gefallen ins
Meer,
oder haut §i ge§tolen di schiffare P oder haben sie geraubet die
Schiffer?'
yiKom har, kom har, du liebes main „Komm her, komm her, du liebes
kind ! Kind !
ih pin es deu rächte mueter dain!^ ich bin die rechte Mutter dein."
Über Mundart und Schreibung vgl. meine oben (S. 329) ange-
zogene Schrift.
WIEN. K. J. SCHRÖER.
337
DER URDEUTSCHE SPRACHSCHATZ.
VON
E. FÖRSTEMANN.
ERSTER ARTIKEL.
Untersuchungen über die lexicalische Verwancltseliaft der indo-
germanischen Sprachen unter einander gehören unzweifelhaft nicht in
diese Zeitschrift; dagegen dünkt mich, als habe alle Betrachtung des
deutschen Alterthums, dem doch diese Blätter gewidmet sind, auszu-
gehen von der Darlegung unseres ursprünglichen Sprachschatzes als
dem am leichtesten fassbaren und wichtigsten Zeugniss von unserem
frühesten Denken und Leben. Um dieses Zeugniss nun für unsere
Alterthumswissenschaft recht auszubeuten und nutzbar zu machen ist
es nöthig, jenen ursprünglichen Sprachschatz, so Aveit man seiner noch
habhaft werden kann, nicht etwa alphabetisch zusammenzustellen, son-
dern ihn nach realen Gesichtspunkten, nach Begriffskategorieen geord-
net vorzuführen; dann wird er uns einen Blick in unsere ältesten Zu-
stände thun lassen, wie er auf keinem andern Wege gewonnen werden
kann. Ein erster Versuch dazu soll im Folgenden gemacht werden.
Solch ein Versuch^ auf unser urdeutsches Alterthum bezogen , muß
zu viel volleren und festeren Ergebnissen führen, als eine entspre-
chende Reconstruction der uriudogermanischen Culturzustände ; und
doch hat auch schon diese letztere Betrachtung zu den lohnendsten
Resultaten geführt. Kaum ist in den letzten Jahrzehnten eine sprach-
lich-antiquarische Specialuntersuchuug mit so allgemeinem Beifalle auf-
genommen und so viel wirklich gelesen und benutzt worden als Kuhns
Abhandlung „Zur ältesten Geschichte der indogermanischen Völker",
welche zuerst 1845 als Berliner Gymnasialprogramm, dann 1850 im
ersten Bande von Webers indischen Studien erschien. Denselben Weg
haben im Jahre 1867 zwei preußische Gymnasiallehrer mit entschie-
denem Glück in Programmen betreten, nämlich Pauli (Über die Be-
nennung der Körpertheile bei den Indogermanen) und Kneisel (Cul-
turzustand der indogermanischen Völker vor ihrer Trennung). Was
aber für ein so fernes Alterthum erlaubt und fruchtbringend ist, das
wird bei einem so vieles näher liegenden Stoffe nicht verboten und
fruchtlos sein; am ergiebigsten aber dann, wenn wir möglichst aller
Theile des Sprachschatzes habhaft zu werden suchen, während die ge-
GERMANIA. Neue Rsihe H. (XIV.) Jahrg. 22
338 i^- FÖKSTEMANN
uaunteu drei Abhaudlungen sich uur auf ganz einzelne Gebiete be-
schränken.
Die Anordnung des Ganzen nach begrifflichen Kategorien wird
am zweckmäßigsten so geschehen, daß wir der altherkömmlichen Reihe
der Redetheile vom Substantivum bis zur Interjection hin folgen, inner-
halb jeder dieser Abtheilungen aber möglichst vom sinnlich Wahrnehm-
baren zum Geistigen, vom Specielleren zum Allgemeineren aufsteigen.
Die einzelnen Begriffsclassen, wie ich sie hier aufstelle, werden zwar
hie da nicht ganz scharf sich von einander sondern, auch mag darüber
gestritten werden , ob die Reihenfolge sich nicht noch etwas zweckmäßi-
ger anordnen lassen kann, doch wird im Ganzen der Zweck erreicht
werden, daß verwandte Begriffe in eine Gruppe zusammentreten.
Noch eine andere und wie mir scheint besonders lehrreiche Spn-
derung versuche ich hier eintreten zu lassen, indem ich den ganzen
urdeutschen Sprachschatz in drei verschiedenaltrige Schichten zerlege,
die sich im Laufe der Zeiten über einander gelagert haben. Ist es
nämlich als ausgemacht anzusehen (und zu dieser Erkenntniss haben
namentlich Schleichers Arbeiten wie die keines Anderen beigetragen),
daß die Germanen mit den Lituslaven in einer länger dauernden Ge-
meinschaft gelebt haben als mit den andern indogermanischen Völ-
kerstämmen, so ergiebt sich, daß der urdeutsche Sprachschatz we-
sentlich (d. h. abgesehen von Fremdwörtern) bestehen muß aus
1. einem vorslavogermanischen Theile, d. h. aus solchen Wörtern, die
bereits vor der Sonderexistenz der Slavogermanen bestanden haben.
Ich bezeichne diese Schicht der Kürze halber hier als die indoger-
manische, verwahre mich aber ausdrücklich dagegen, als schriebe ich
jedem dieser Ausdrücke ein bis vor alle Völkertrennungen der In-
dogermanen reichendes Alter zu; 2. aus einem slavogermanischen
Theile, der solche Wörter enthält, welche sich als Wörter (d. h. ab-
gesehen von altindogermanischer Wurzelverwandtschaft) außerhalb der
germanischen und lituslavischen Sprachen noch nicht haben nach-
weisen lassen; 3. aus einem speciell germanischen Wörterschatze, der
dem bisherigen Standpunkte der Wissenschaft nach die Vermuthung
erweckt, daß er sein Entstehen erst derjenigen Zeit verdankt, welche
nach der Sonderung zwischen Germanen und Lituslaven und vor den
ersten Theilungen der Germanen unter sich liegt. Weitere Forschung
in der Zukunft wird lehren, daß manches Wort, welches ich in die
zweite Schicht setze, in Wahrheit schon in die erste gehört, und daß
manches bei mir in der dritten Schicht angeführte in die zweite oder
gar erste zu versetzen sein wird . doch darf die volle Erkenntniss un-
ÜEK UKDl-AITSCHE SPK'ACMSCHA'IZ. 3H9
serer bisher noch unvollkommenen Mittel uns nicht von dem Versuche
zurückhalten dasjenige zu erreichen, was mit diesen unzulänglichen
Mitteln erreichbar ist.
I. Die indogermanische Schicht.
Eine Übersicht soll ira Folgenden gegeben werden von demjeni-
gen Theile unseres Sprachschatzes, der aus der vorslavogermanischen
Zeit auf das deutsche Gebiet hineinragt, es soll nachgewiesen werden,
welche Wörter zugleich sowohl germanisch als vorslavogermanisch sind.
Was nicht zu diesem Zwecke dienlich ist^ das muß ich im Folgenden
völlig fern halten, damit diese Übersicht nicht ihre nöthigste Eigenschaft,
die Übersichtlichkeit, verliere. Leider haben ein Paar höchst bedeu-
tende Sprachforscher der Gegenwart fiir diese ich möchte sagen plasti-
sche Gestaltung lexicalischer Arbeiten, die aus der Einheit ihres Zweckes
hervorgeht, keinen Sinn und liefern daher in üeberfülle des Stoffes wahre
Wörterwüsten, an die man nicht gerne herantritt und die erfahrungs-
mäßig wenig benutzt werden. Nicht im Geringsten geht mich im Fol-
genden die Frage an, ob ein als germanisch bekanntes Wort sich weit
durch die älteren und neueren deutschen Sprachen verbreitet oder in
einem Theile derselben untergegangen ist; mit der bekannten endlosen
Reihe fgoth., altn., schwed., dän., ahd., mhd., nhd., ags., alts. u. s. w.
bis auf die Mundarten herab) wird man hier verschont bleiben; ich
führe, wo nicht besondere Gründe vorliegen, nur eine der deutschen
Sprachen, am liebsten die gothische, als Vertreter der übrigen an, die
mir für unseren diesmaligen Zweck völlig gleichgültig sind. Eben so
gleichgültig ist es mir, ob ein lateinisches Wort im Romanischen, ein
altslavisches im Russischen, Böhmischen u. s. w. fortlebt, ein Sans-
kritausdruck auch im Altbaktrischen vorkommt. Was ich als höch-
stes Ziel für diesmal erstrebe, ist der Nachweis eines jeden Wortes in
sechs verschiedenen Gestalten : 1. einer deutschen, 2. einer lituslavischeu,
3. einer italischen, 4. einer keltischen, 5. einer griechischen, 6. einer
arischen. In der zweiten Gruppe gebe ich dem Litauischen oder Alt-
slavischen, in der vierten dem Altirischen, in der sechsten selbstver-
ständlich dem Sanskrit am liebsten den Vorzug. Wo bei einem der
Wörter eine der sechs Sprachgruppen fehlt, da ist das Wort in dieser
Sprachgruppe entweder nie vorhanden gewesen oder untergegangen,
oder drittens bei unseren wissenschaftlichen Mitteln nicht nachweisbar
oder viertens mir nicht zugänglich gewesen; der dritte und vierte Fall
sind namentlich oft in Bezug auf das Keltische anzunehmen.
84(1 E. FÖRSTEMANN
Das deutsche Wort stelle ich stets voran; die übrigen folgen auf
einander in der Reihenfolge, dal.^ ich das dem deutschen an Lautbestaud,
'J'hemabildung u. s. w. nächste Wort ihm auch zunächst stelle, das
von ihm am abweichendsten gebildete an die letzte Stelle setze; je wei-
ter das deutsche und das fremde Wort von einander getrennt sind,
desto größer ist die Möglichkeit, daß beide selbständig aus derselben
Wurzel gebildet sind. Diese größeren oder geringeren Übereinstim-
mungen hebe ich dadurch noch mehr hervor, daß ich für diejenigen Spra-
chen, welche sich noch einer alterthümlichen Klarheit in der Thema-
bildung erfreuen, namentlich für das Skr., Griech., Lat., Lit. und Goth.,
das Wort in der Form eines Themas (also im Griech. mit Verlust des
Accents) anführe; in den übrigen Sprachen begnügen wir uns meistens
mit dem Nominativ.
Zusammenstellungen zu geben, die noch einen hohen Grad von
Unsicherheit an sich tragen, unterlasse ich ganz; ich wünsche, daß
dasjenige, was ich mittheile^ in Zukunft mehr vervollständigt, weniger
umgeworfen werde. Wo die Zusammenstellung schon allgemein aner-
kannt ist oder nicht leicht bezweifelt werden kann, gebe ich sie ohne
weitere Citate über die Stellen, in denen sie bereits vorkommt; wo sie
noch als zweifelhaft gilt oder schon von beachten swerther Seite bezwei-
felt worden ist, deute ich diese Ungewissheit kurz an.
Schließlich noch in Bezug auf die Bedeutungsverschiedenheit der
Wörter in den einzelnen Sprachen die Bemerkung, daß ich jeden Aus-
druck dahin einordne, Avohin er mir nach seiner urdeutschen Bedeu-
tung gehört zu haben scheint, ohne Berücksichtigung seiner früheren
oder späteren Bedeutungsverschiebungen.
Und nun zur Sache. Ich beginne unter den SUBSTANTIVEN
mit der Thierwelt, da ich überzeugt bin, daß für keine Begrifts-
sphäre sich die Ausdrücke so früh und so bestimmt festgestellt haben,
als für diese. Zuerst allgemeine Bezeichnungen:
Goth., faihu, altpr. peku, lat. pecu, skr. pagu. Griech. Jtcav wollen
wir hier aus dem Spiele lassen.
Goth. dius, altsl. zvjer, gr. ^tjq, lat. fera. Diese Zusammenstel-
lung^ die wir bei Grimm und bis zuletzt finden und die auch neuer-
dings Max Müller festhält, ist indessen von Curtius, Diefenbach, Lett-
ner und Schweizer mit erheblichen Gründen erschüttert worden; der
Letztere will lat. fera mit dem deutschen Bär verbinden, was alle Be-
achtung verdient.
Altn. smali (pocus), gr. firßo (ovis).
DEK URDEUTSCHE SPRACHSCHATZ. ^^l
Goth. fulan (Nora, fula), lat. puUo, gr. ncolo'^ zweifelhafter skr.
pälaka (eqiius).
Goth. kalbön (Nora, kalbo junge Kuh), altsl. zrebe (Füllen), skr.
garbha (Mutterleib, Junges). Von Schleicher wird dazu gr. ßQsg}og,
von Benfey deXcpax. gestellt, beides unsicher.
Hausthiere :
Altn. kü, skr. go, gr. ßoJ^, lat. bov^ altsl. gov^do. Altir. bo ist
entlehnt.
Goth. stiura (Nora, stiur), skr. sthüra. lit. taura, gr. zavgo^ lat. tauro.
Ahd. phar (fersa), gr. noQxi.
Goth. auhsan (Nora, auhsus), skr. uksan, gadhel. agh.
Goth. avi (Nora, avis), skr. avi, lit. avi^ gr. oft, lat. ovi, altir. 6i.
Ahd. ram, gr. ccqv, skr. urana.
Goth. vij)ru (Nora, vij^rus), gr. «O-pi, skr. vadhri (castratus).
Goth. gaiti (Nora, gaits), lat. haedo, skr. huda.
Altn. gimbur, gr. xl^uqo.
Ahd. sü, lat. sü, skr. sü (-kara), gr. 6v, altsl. svinija.
Ahd. ebar, lat. apro, altsl. vepri.
Altn. hafra (Nora, hafr), gr. xaTtpo, lat. capro, ir. gabhar.
Ahd. farah, lat. porco, gr. noQxo, lit. parsza.
Schwed. gris, skr. ghrsvi, gr. xolqo.
Goth. aihva (Nora, aihvus?), lat. equo, skr. a9va, lit. aszva, altir.
each, gr. Inno.
Altn. goti, skr. ghota.
Ahd. raarach, gadhel. marc, russ. merin. Vielleicht ist das deut-
sche Wort ein keltisches Fremdwort.
Altn. raül, lat. raülo, gr. ^vxXo.
Goth. asilu (Nora, asilus), altsl. osilo, lit. asila^ lat. asino, gr. ovo.
Weber ist gegen die Herbeiziehung des griech. Wortes, Curtius dafür.
Goth. hunda (Nora, hunds), lit. szun (Nora, szü), skr. 9van^ gr.
UVV, lat. can, ir. cu (Gen. con).
Wilde Säugethiere:
Goth. vulfa (Nora, vulfs), altsl. vlükvi, gi-. kvno, skr. vrka. Sehr
bestritten wird das Hiehergehören des lat. lupo; noch unsicherer wird
die Verbindung des deutschen Wortes mit den andern durch das lat.
vulpe; auch altn. vargr lupus ist zu erwägen.
Ahd. luhsi (Nora, luhs), lit. luszi, gr. Xvyx.
Ahd. lewon (Nora, lewo), lat. leo, altsl. livü, gr. ksovt.
Ahd. affin (Nora, affo)^ altir. apa, skr. kapi, gr. xry;tü.
Ahd. marder, lat. niarti.
342 1- FÖKSTKMANN
Ahd. ottar, skr. udra, lit. udra; gr. (h>-) vd^i'^
Ahd. bibar^ lat. fibro, lit. bebru, skr. babhru.
Ahd. müs, lat. müs, gr. (tt?;(-g), skr, musa, altsl. niysi.
Ahd. igil, gr. fxcvo, lit. ezy(-s.j
Ahd. ür, skr. usra, lat. m-o^ letzteres vielleicht aus dem Deut-
schen entlehnt.
Ahd. hir-uz, lat. cervo.
Ahd. elaho (altn. elgr), lat. alce, gr. gAxj;; letztere beiden wol aus
dem Deutschen entlehnt.
Ahd. hasin (Nom. haso), kretisch xsxrjv, skr. 9a9a, lit. zuiki(-s).
Goth. ulbandu(-s, Kamel), lit. werbluda (-s Kamel), gr. flscpavr.
Vögel :
Ahd. gansi (Nom. gans) , lit. zasi(-s) , skr. hansa, lat. anser,
gr. xWf gadhel. geadh.
Ahd. anut, lat. anat, lit. anti(-s), skr. äti, gr. vrioön.
Ahd. pelicha, lat, fulica, gr, TCGivy.
Ahd. merrich, lat. mergo, skr. madgu.
Ahd. alacra^ gr. cckxvov, lat, alcedin,
Ahd, hraban, skr. kärava, lat. corvo, gr. xoQava.
Ahd. hruoh, altsl, krukü, gr. xopax,
Ahd. kräa, lat grac-ulo,
Ags. crane, gr. ysgavo, kelt. garan, lat. gru, lit. gerve.
Ahd. gauh, gr. xoxxvy, skr. kokila, lat. cuculo.
Ags, stearn, lat, sturno, gr. tl^ago, böhm. skofec.
Ahd. büf, gr. ßva, lat. bubon.
Ahd. üla, uwila, skr. ulüka, lat. ulula.
Goth. sparvan (Nom. sparva), lat. parra.
Altn. J)idr, skr. tittiri, lit. teterva, gr. zstgty.
Ahd. amisala, lat. merula.
Nhd. Dohle, nlat. tacula. Das ahd. täha macht diese Zusammen-
stellung unsicher, vielleicht ist das spätlateinische Wort aus dem Deut-
schen entlehnt.
Ahd. dross-ela, lat. turdo, skr. tarda.
Altn. egdir, gr. Cxtlv.
Ahd. gir, gr. CsQ-ax.
Ahd. speht, lat. pico.
Niedere Thiere:
Ahd. unc, lit. angi(-s), lat. angui, gr. ixi^ ocpi, skr. ahi.
Goth. fiska (Nom. fisks), lat. pisci, welsch pysg.
Nhd. Laugen, lat, lucio, gr. ievx-iöxo.
DEK URDEUTSCHE SPJfACHSCHATZ. 343
Altn. karfi, lat. carpion, g-r. nagmcov (die beiden letzteren sind
im Alterthume noch nicht zu belegen).
Nhd. Barsch, bärsich^, gr. jtsQxa, lat. perca.
Ahd. äl, gr. iyxBlv, Ht. ungury(-s), lat. anguilla.
Goth. vaurmi (Nom. vaurms), lat. vermi, lit. kirrai, skr. krinii.
Das Hierhergehören des lit. und skr. Wortes ist vielfach bestritten,
doch möchte ich die Gruppe mit Schleicher aufrecht erhalten; das
griech. iX^tvd- dagegen gebe ich auf.
Ags. crabba, lat. carabo, gr. xagaßo, skr. ^.arabh-a.
Altn. humarr, lat. cammaro, gr. xa^fiago.
Ahd. mucca, altsl, mucha, ir. rauc, lat. musca, skr. raaksikä, gr fivLf^.
Ahd. wafsa, lit. vapsa, lat. vespa; sehr bedenklich ist gr. öcprjK
Ahd. bia, lat. api.
Ahd. treno (alts. dran), lit. trana(-s), skr. druna.
Ahd. impi, gr. s^tilö.
Ahd. grillo, gr. yQvAXo, skr. g'liilli.
Ahd. floh, lat. pulic, altsl. blocha;, skr. pulaka (Ungeziefer), gr.
ipvkla.
Ahd. bremo (alts. bremmia^ ags. brimse), skr. bhramara.
Ahd. rüpa, lat. erüca.
Altn. maur, altsl. mravii, zend. maoiri, gr. (ivg^t]x, lat. formica;
aber skr. valmika ist fern zu halten.
Von der Thierwelt steigen wir zum Menschen auf, geben zu-
nächst einige allgemeine Ausdrücke, dann die Wörter für Verwandt-
schaftsbeziehungen, hierauf die für Stände und Beschäftigungen, endlich
die Bezeichnungen für Vereinigungen von Menschen.
Goth. manuan u. mana (Nom. manna)^ skr. manu, altsl. mazi
gr. vielleicht Miva.
Goth. vaira (Nom. vair), lit. vyra, lat. viro, skr. vara, altir. fer,
gr. jjpoj.
Goth. guman (Nom. guma), lat. homin, lit. zmones (Plur.^ = altn.
gumnar).
Goth. fadi (Nom. fajjs), skr. pati, lit. pat(-s), lat. poti, gr. noti.
Ags. hise, gr. xa6t.
Goth. sineig (Nom. sineigs)^ lat. senec, lit. senoka-s, (alt, vgl.
die Adjectiva).
Goth. qvinon (Nom. qvino), altsl zena, skr. gnä, gr. ywa-tx.
Goth. qveni (Nom. qvens), skr. g'äni.
Ags. fsemne, lat. femina. Die mangelnde Lautverschiebuug er-
regt den Verdacht der Entlehnung.
344 E. FÖRSTEMANN
Ahd. diorna, skr. tarunä (juvenis).
Goth. atta, lat. atta, gr. atrcc, skr. atta (fem. attä).
Goth. fadar, lat. pater, gr. natsg, skr. pitar, altir. athir.
Ahd. muotar, lat. mäter, skr. mätar, gr. yt,rizsQ, altsl. (Thema) ma-
ter, altir. mathir.
Goth. ai])ei (mater), skr. atti (ältere Schwester).
Altn. amma (avia), skr. ambä.
Goth. sunu (Nom. sumis), skr. sünu, lit. sunu; zweifelhaft, doch
nach der Ansicht von Curtius und Kuhn auch hieher gehörig gr. vlo.
Goth. arbjan (Nora, arbja), lat. orbo, skr. arbha (Kind), gr. ogtpuvo.
Goth. magu (Nom. magus), ir. mac.
Goth. dauhtar, lit. dukter, skr. duhitar, gr. ^vyaTeg, ir. dear.
Altn. kind, skr. g'antu (Erzeugter, Geschöpf), altsl. cjado.
Goth. brojjar, skr. bhrätar, lat. frater, gr. ^qtjttjq, altsl. bratru,
ir. brathair.
Goth. svistar, altsl. sestra, skr. svasar, lat. soror, altir. siur.
Ags. täcor, skr. devar, lit. deveri, gr. dasQ, lat. leviro.
Ahd. snuor, lat. nuru, skr. snusä, altsl. snocha, gr. wo.
Goth. svaihran (Nom. svaihra), skr. 9va9ura, lat. socero, altsl.
Bvekrü, gr. sxvqo.
Goth. svaihron (Nom. svaihro), skr. 9va9rü. lat. socru, altsl. svekry,
gr. sxvQCf, welsch chwegyr.
Alts, hiwa (conjux), lat. civi.
Goth. viduvon (Nom. viduvo), skr. vidhavä, lat. vidua, altir. fedb.
Ahd. nefo, altsl. netii, gr, ave^io, lat. nepot, skr. napät.
Goth. ni]3J6n (Nom. nithjo), böhm. neti, lat. nepti, skr. napti, gr.
ävsijjia, altir. necht.
Ahd. fataro (Oheim), skr. pitrvja, gr. narga), lat. patruo.
Goth. reika (Nom. reiks, vielleicht Thema reik, wegen des Nom.
PI. reiks), altpreuß. reiks, lat. reg, gadhel. righ, skr. räg'an.
Goth. gasti (Nora, gasts), lat. hosti, altsl. gosti.
Ahd. degan, gr. zexvo., dazu vielleicht skr. tokman (Sprössling).
Ahd. enkin (Nom. enko famulus) , lit. anuka(-s, nepos) , lat.
Anco, anculo.
Goth. hliftu (Nom. hliftus), gr. xXsJitcc.
Goth. kunja (Nom. kuni), skr. g'anja (erzeugend, ^erzeugt), lat.
genio; der Form nach ferner, der Bedeutung nach näher steht gr. yevog^
jat. genuR, skr. g'anas.
Goth. |)iuda, lett. tauta, umbr. tulu, altir. tuath.
Ahd, Hut, altsl. liudii, gr. Xao.
DER URDEUTSCHE SPRACHSCHATZ. 345
Ags. J>ryra (die Schar), lat. turrna.
Goth. knodi (Nom. kuods), lit. genti(-s, der Verwandte), gr.
yevaöi, skr. gäti, lat. nati-on.
An dieser Stelle mag noch auf ein höchst anziehendes , aber
äußerst gefährliches Gebiet hingedeutet werden, auf das Stimmen deut-
scher Personen- und Völkernamen zu fremden. Bekannt ist, daß einige
deutsche Namen wie Marcho, Gavio u. s. w. auffallend zum lat. Mar-
cus, Gajus u. a. passen, daß die goth. Namen auf -reiks und -mer
sich mit den altgallischen auf -rix und -mar berühren und daß sogar
altpersisches Sisygambis, Sisamnes, Sisamithres anklingen an deut-
sches Sisebald, Sisemund u. a. Und was die Völkernamen angeht,
so ist es kaum Zufall, daß die deutschen Ambrones und Marsi zu den
italischen Umbri und Marsi, die lygischen Ucßtrol und die Sabini, die
deutschen Semnones und die galhschen und italischen Senones so merk-
würdig stimmen; hat doch auch Grimm bei den Saxones an die Sacae
erinnert; neben jenen wohnen in Europa Dani und Frisii, neben diesen
in Asien Dahae und Persae. Doch genug von diesem Gebiete, auf
dem der Tag noch nicht angebrochen ist.
Von den Menschen gehen wir über zum thierischen Körper
und stellen das Verwandte in folgender Weise zusammen.
Kopf:
Goth. haubida (Nom. haubiJD), lat. capit.
Ags. hafola, skr. kapäla, gr. X8<pala.
Goth. augon (Nom. augo), altsl. oko, gr. an (o66e), skr. aksi,
lat. oc-ulo.
Goth. brahva (Nom. brahv), altsl. brüvi, skr. bhrü, gr. ocpgv.
Diese Gruppe möchte ich doch trotz des Einspruchs von Schweizer in
Kuhns Ztschr. VIII, 452 aufrecht erhalten.
Goth. tagra (Nom. tagr), welsch dagr, skr. aQru, lit. aszara, gr.
daxQvo, lat. lacrima.
Goth. ausan (Nom. auso), lat. auri, lit. ausi(-s), gr. oir , altsl.
ueho, altir. o .
Ahd. nasa, lat. naso, skr. nas vmd nasä, altsl. nosü.
Ahd. stirna, gr. Gtsqvo (Brust) ; vielleicht skr. stirna (ausgebreitet).
Ags. brägen (Gehirn), gr. ßgsxiio.
Goth. hvairnein (Nom. hvairnei), gr. xgavio.
Goth. mun]3(-s), lat. mento.
Ahd. lefsa, lat. labio, lit. lupa.
Goth. kinnu (Nom. kinnus), skr. hanu, gr. ytvv, lat. gena, lit.
zanda(-s).
;54(; E. FÖRSTEMANN
Cxoth. tun))U (Nom. tuuj^us), skr. dauta, lit. dauti, gr. odovt, lat.
dent, altir, det.
Goth. tuggon (Nom. tugg6), altir. tenge, lat. lingua, skr. g'ihvä.
Goth. haurna (Nora, haum), lat. cornu, gr. xsQar.
Ahd. bart, altsl. brada, lat. barba.
Arme :
Ahd. scultara, skr. skaudhas, gr. a/taO'a; gr. 6xs?.og ist einmal
wohl fälschlich herbezogen worden.
(ioth. amsan (Nom. amsa), skr. äsa, gr. üjju-o, lat. hmnero.
Ahd. ahsala, lat. axilla.
Goth. armi (Nom. arms), lat. anno, gr. ccQfio, altsl. i-amo, skr. iruia.
Ahd. buoc, skr. bähu, gr. nrjxv-
Goth. aleina, gr. (oksva, lat. ulna, lit. alkune, zweifelhaft skr. aratni.
Ahd. folma, lat. palma, gr. nala^a (skr. pani? Vermuthung von
Pauli).
Altn. hreifi (Handgelenk), gr. xagno^ skr. kurpara (Ellbogen mid
Kniegelenk).
Altn. munt (Hand), lat. manu.
Ahd. tenar (flache Hand), gr. •9-fvap, ir. dearna.
Goth. lofan (Nom. lofa flache Hand), welsch llaw.
Ahd. füst, altsl. p^sti, lat. pugno, gr. nvyfia.
Ahd. nagal, lat. ungula, gr. ovvx, lit. uaga, skr. nakha.
Beine :
Ahd. lendi, altsl. l^dvij^ (Pl^u*-)? ^^*- l^mbo.
Goth. kniva (Nom. kniu), gr. ydi/v, skr. g'änu, lat. genu.
Ahd. hahsa, lat. coxa, skr. kaksa, lit. kiszka.
Altn. haell (calx), lat. calc, gr. Aax, lit. kulm(-s).
Goth. fotu (Nom. fotus), skr. pada und päda, gr. nod^ Ht. pada
(-S Sohle), lat. ped, kymr. ped.
Goth. fairzna, skr. pärsni, altsl. plesna, gr. ntSQva.
Ahd. zeha, gr. daKTvXo, lat. digito.
Ahd. huof, skr. gapha, altsl. kopüito.
Goth. sulja, lat. solea, gr. v^icc.
Goth. gridi (Nom. grids Schritt), lat. gradu.
Äußere Körpcrtheile :
Goth. leika (Nom. leik), altsl. Hce (Gesicht, Person); die Bopp'sche
und Grimm'sche Vergleichung mit skr. deha ist von Lottner zurück-
gewiesen.
Ahd. fei, lat. pclli, gr. xelXa, lit. pleve.
Goth. balgi (Nom. balgs), lat. folli.
DEK ÜRDEUTÖCHE SPRACHSCHATZ. 347
Ahd. hi'iti (Nom. hüt), lat. cuti, gr. oxdtos, altsl. koza.
Altn. höruud, lat. corio.
Ahd. fedara, gr. jiteqo^ skr. patra, altsl. pero. lat. penna.
Goth. vulla, lat. villo, lit. vilua, skr. üruä, gr. igog.
Ahd. fahs, gr. Jtsxog.
Ahd. här, lat. caesaries.
Ags. ceol, lat. gula, skr. gala.
Goth. halsa (Nom. hals), lat. collo; russ. gorlo hieher?
Ahd. hrucki, gr. ^0%^-
Goth. qvi]5u (Nom. qvijius), skr. g'athara , gr. j/aörtp ; zweifelhaft
lat. V enter.
Ahd. href (uterus), lat. corpiis, skr. krp (Gestalt).
Ahd. nabalin (Nom. nabalo), skr. näbhila, gr. ojitqraAo, lett. nabba,
lat. umbilico.
Ahd. manzo (Euter), lat. mamma, gr. ^ao'to, ^at,o.
Ahd. utar, gr. ovd^ag, lat. über, skr. udhas, lit. udroju, altir. üth.
Ahd. tila, gr. d^rjla.
Ahd. ars, gr. o^go.
Altn. hlaun (nates), lat. eluni, gr. xAoi'i, skr. yroni.
Altn. svipa (ahd. sveif), gr. a^ßa.
Goth. skauta (Zipfel des Kleides), lat. cauda.
Eingeweide :
Altn. garnir (plur. Eingeweide), lit. zarna, lat. haru (-spex^.
Ahd. senawa, skr. snävä (Sehne). Die sonst vorkommende Zu-
sammenstellung von Sehne mit lat. sinus scheint also hinfällig.
Goth. hairtan (Nom. hairto), altir. cride, croidhe, lit. szirdl(-s),
lat. cord, skr. hrd, gr. xtjq^ xagdia.
Ahd. galla, lat. fei, gr. ^oAa, altsl. zlüci.
Altn. lifr, gr. lanaga.
Ahd. niero, gr. vscpgo.
Ahd. floum (Eingeweidefett), lat. pulmou, gr. n^tufiov.
Ausscheidungen und Übriges:
Ahd. ei, gr. coo, lat. ovo, altsl. jaje.
Altn. sveiti, lat. südor, gr: idog, skr. svedas.
Ahd. ätum, skr. ätman, gr. ccvtfisv, ar fio.
Ahd. drech, lat. stercus, böhm. trus.
Ags. skearn (Mist), gr. öxäg (Gen. Gxarog), skr. yakrt, ir. seachraith.
Ags. teter (Hautkrankheit), skr. dardru.
Altn. fai (putredo), skr. püja, lat. püs, gr. nvo, Ht, pidei.
Ags. hnit (Nisse), gr. xovtd. Sehr unsicher lat. lend, lit. glinda.
348 E. FÖRSTEMANN
Altn. haull (hcrnia), gr. Xfjlec, lit. kuila.
Altn. svefn, skr. svapna, gr, vtcvo, lat. soinno, altir. suan, altsl. sünü.
Von dem reich vertretenen animalischen Reiche gehen wir zum
vegetabilischen über und beginnen mit einigen allgemeineren Aus-
drücken.
Ahd. samin (Nom. samo), lit. semen (Nom. semii), lat. semen.
Goth. vaurti (Nora, vaurts), gr. Qit,cc^ lesbisch ßgiöda.
Ags. altn. rot, lat. radix.
Alts, holta (Nom. holt), altsl. klada (trabs), gr. xkaÖo.
Goth. asti, skr. asthi, gr. dörso, lat. os. Die fremden Wörter be-
deuten sämmtlicli Knochen. Pott und Benfey ziehen dafür dasgr. dgo herbei.
Ahd. halam, lat. calamo, gr. aaXa^o, skr. kalama, altsl. slama.
Ahd. stengil, lit. stegery(-s, Halm), gr. öTa;|ji;, dözaxv.
Ahd. strao, lat. stramen.
Ahd. nuz (altn. huot), lat. nuc.
Goth. })aumu (Nom. })aurnus), altsl. trfinü, skr. trina, kymr. drän.
Ags. tyrwa (Theer), skr. dravja.
Ags. turf (Torf), skr. turva (cespes).
Altn. flür (flos);, lat. flos.
Bäume :
Goth. triva (Nom. triu), altsl. drjevo, gr. dgv, skr. dru, kymr. dar.
Ahd. elm (altn. alm), russ. ilim, lat. ulmo.
Ahd. puohha, altsl. bouk, pers. buk (Eiche), lat. fago, gr. (priyo.
Ahd. ahorn, lit. aorna(-s), lat. acer.
Ahd. salahha , gadhel. seileach , lat. salic , gr. SXcxa , skr. säla
(ein Baum).
Ahd. biricha, lit. berza, skr. bhürg'a; unsicherer lat. fi'axino.
Ahd. wida, gr. irsa^ altsl. vetvi, lat. vitic, skr. vitikä.
Ahd. foraha, altsl. borü, lat. quercu (letzteres nach Max Müller).
Ahd. fiuhta, gr. Ttsvxa, lit. puszi(-s).
Ahd. apfal, ir. abhal, lit. oboly(-s).
Ahd. basal, lat. corylo.
Getreide :
Ahd. gersta, gr. xgi^a^ lat. hordeo, huzvar. gorda. Indem ich
diese Gruppe aufnehme, schließe ich micli damit Ascoli, Fick, Grinnn,
Schleicher und Anderen an, während Kuhn das lat. Wort vom deutschen
und griechischen, Lottner das griech. vom deutschen und lat. trennt.
Goth. *baris, lat. farr.
Goth. atiska (Nom. atisk), lat. ador, skr. adas.
Goth. kaurna (Nom. kaum), lat. grano, altsl. zrino.
DER URDEUTSCHE SPRACHSCHATZ. 849
Goth.aliaua (Spreu), zeiid akana (Stachel), Q;v.axva, a^vgo^ lat. acus.
Gremüse und Futterkräuter:
Ahd. linsi, altsl, l^sta, lat. lent.
Alid. araweiz, gr. ogoßo, lat. ervo.
Ahd. ruoba, lat. rapo, lit. rope, gr. Qaqjavo.
Ahd. bona, gr. nvavo (altsl. bobü? lat. fabaV)
Ahd. amphar, skr. ambla (Sauerklee).
Übrige Pflanzen:
Altn. hanpr, gr. xocvvußi, böhm. konope.
Goth. leina (Nom. lein), altsl. linü, gr. An'O, lat. lino.
Ahd. niagan (Nom. mago), gr. firjxav, altsl. niakü.
Ahd. sciluf, lat scirpo, gr. Qtic.
Ahd. farn, skr. parna (Flügel, Feder).
Ahd. mos, lat. musco, russ. moch.
Sehr kärglich vertreten sind die Minerale:
Goth. salta (Nom. salt), altsl. solu, lat. sal, gr. «A, gadhel. salann,
skr. sara.
Goth. aiza (Nom. aiz), skr. ajas, lat. aes.
Altn., engl, brass, lat. ferro.
Ahd. pliw (Nom. pli), lat. plumbo, gr. (lolvßo^ lett. alwa.
Ahd. spat (Alaun, Gyps), skr. sphati.
Goth. staina (Nom. stains), altsl. stjena (Mauer), gr. ötia.
Ahd. flius, gr. tiIlv&o, lit. plyta.
Altn. griot, gr. jjfpad. Anderwärts wird das deutsche Gries mit
lat. grandin, gr. x^^^f^^o^^ altsl. gradü (Hagel) zusammengestellt.
Ahd. sahs, lat. saxo (Grimm dachte bei dem deutsehen Worte
mehr an die Steinwaffe und verglich daher lat. securis).
Goth. eisarna (Nom. eisarn), ir. jaran (welsch haiarn).
Nach dieser Übersicht über die Natui'producte betrachte icli ihre
Umwandlung durch den Menschen zur Nahrung, Kleidung und
W 0 h n u n g.
Nahrung:
Altn. tafn (Speise, Opferthier)^ gr. Öi^tnvo^ lat. dapi.
Goth. hraiva (Nom. hraiv), skr. kravja^ gadhel. creubh (corpus)
imd cairbhe (cadaver), altsl. crjevo (uterus, Gen. crjevese), gr. xQtar.
Altn. kiöt, ir. cua (caro).
Goth. mimza (Nom. raims), skr. milnsa, lit. miesa.
Goth. hlaiba (Nom. hlaifs), lett. klaip(-s), lat. libo.
Goth. milijia (Nom. mili)i), gr. juf/ltr, lat. melli, lit. medn(-s inel).
L)ie Zusammenstellung wird hinfällig, wenn das goth. Wort Avirklich
11.S dem Griech. entlehnt ist, wie es scheiut.
ßöO H. FÖRSTEMANN
Ags. inodo, skr. madlui, gr. ^f'^•1^ lit. nnddu(-s nnilsum).
(joth. miluka (Nora, luiluks), altsl. mljeko, altir. meilg. Lat. lact
und gr. yaXttXT müssen wir für jetzt noch fern halten.
Kleidung:
Goth. vastja (Nom. vasti), lat. vesti, skr. vasti, vastra, gr. födrjv.
Goth. fanan (Nom. fana), lat. panno, gr. nrjvo.
Ahd. bruoh, lat. (gall.) bracca.
Altn. höttr (Hut), lat. cassid (aus castid?).
Altn. belti (Gürtel), lat. balteo, gadhel. balt, holt.
Ahd. knotin (Nom. kuoto), lat. nodo, skr. ganda.
Altn. men, skr. mani, gr. fiavvo, lat. monile.
Wohnung :
Goth. haima (Nom. hairas), gr. xcofia^ lit. kaima(-s).
Ahd. wist (mansio), skr. västu, gr. aözv^ lat. vestibulo?
Goth. veihs, lat. vico, altsl. visi^ gr. oi'xo, ski'. veca, altir. fieh.
Goth. gardi (Nom. gards domus), altsl, gradfi (urbs, hortus),
lat. horto, gr. xoqto.
Ahd. hof, gr. xr^no ; vielleicht dazu skr. karapa, käpa, lat. campo,
lit. kampa(-s).
Goth. thaurpa (Nom. thaurp), lat. turba, welsch atref; russ. de-
rebuja entlehnt? Ebel verbindet mit dem deutschen Worte nicht turba,
sondern tribu.
Niedd. tun (Zaun), altir. dun (castruni), skr. sthüna.
Goth. baurgi (Nom. baurgs), gr. urgyc
Altfries, dik (Deich), gr. roixo.
Altn. tirabr, lat. dorau, gr. do^o, altsl. doraü, ir. daim. skr. dama.
Grimra stellte auch gr. dsvdoo dazu.
Goth. daura (Nora, daur), skr. dvära, altsl. dvorü, gr. ■d-up«, lat.
fora, kymr. dor.
Altn. I^ref (Balken), lat. trabe: gr. rpoTTig, rpo:?tog, tgaitr]^ sind
unsicher.
Ahd. staphol (columiia);, lat. stabulo. Dann darf letzteres nicht
mit ahd. stadal (Scheune) verbunden werden.
Ahd. dach, altir. tech (Haus), lat. tecto, gr. ßn^ya^ lit. stoga(-8).
Goth. auhna (Nora, auhns?), skr. a9na, altsl. kameni (lapis).
Goth. gatvon (Nom. gatvo), skr, gatvä, lett. gatva.
Ahd, nest, lit. lizda(-s), lat. nido, skr. nida.
Ich lasse hierauf die sogenannten vier Elemente folgen mit
allpm, was sich daran schlieft.
Feuer, Licht, Wärme :
Ahd. tiur, gr. ttuo, uinbr. pir, skr. pavaku.
DER URDEUTSCHE SPRACHSCHATZ. 351
Goth. liuhada (Nom. liuhajj), lit. likti. — üaneben ultn. log, logi,
altir. loche (Blitz), lat. lue, skr. ruk', gr. Xvxvo.
AltD. lionii (altes Thema lioman), lat. lumiu.
Ahd. eit, skr. aidha (Flamme), altir. aid, lat. aestu, gr. atO-og.
Ahd. damf, skr. tapa (Hitze); (altsl. teplu warm).
Goth. riqvis, slo*. rag'as (Staub, Dunkelheit), gr. igsßog.
Goth. skadu (Nom. skadus), altir. scath, gr. öxoro, öxia, skr. skaja.
Nacht und Dämmerung s. unten.
Luft:
Goth. vinda (Nom. vinds), lat. vento^ gr. dsvr, skr. väta, lit. veja(-s).
Ahd. stürm, gr. og^a.
Altn. nifl, lat. nebula, gr. ve(p£ka^ altir. neb (Himmel), altsl. nebo
(Himmel), skr. nabhas.
Ahd. wetar (tempestas)^ altsl. vetrü (Wind) , skr. vätara (Wind).
Ahd. toum (vapor; vgl. goth. daimi, Nom. da uns odor), gr. ^v^o^
altsl. dymü, skr. dhüma, lat. fumo.
Wasser :
Goth. ahva, lat. aqua, lett. akka (Bi'unuen, lit. upe, d. li. upjä),
skr. ap.
Goth. vatin (Nom. vato), skr. udan, lit. vanden (Nom. vandü).
Daneben ahd. wazar, gr. "Öcoq. Lat. unda wohl nicht unmittelbar liieher.
Ahd. undea, lat. unda (= skr. udna, unna benetztV); hier ist wohl
keine Entlehnung anzunehmen.
Goth. marein (Nom. marei) , lat. mari, altsl. more, kymr. mor,
skr. mira (Ocean; skr. väri Wasser ist abzulehnen}.
Altn. cegir, lat. aequor.
Ags. lagu, lat. lacu.
Goth. runa (runi? Nom. runs), skr. arnas.
Ahd. straum, lett. straume, kymr. ystrym, gr. Qsvfxnr^ lat. Kunion,
hkr. srava.
Altn. kelda (Quelle), skr. galdä (AbfluLy, Ausfluß).
Ahd. saf, gr. o.to, lat. suco, altsl. sok.
Ahd. feim, lit. piena(-s), ski\ phena. Kuhn stellt dazu lat. spuma,
vgl. die folgende Gruppe.
Altn. skümi, lat. spuma; gr. iiV(xaT hieher?
Ahd. slim und lim, lat. limo, altsl. slina (saliva).
Godi. snaiva (snaivi? Nom. snaivs), lat. niv, gr. mq)^ lit. snega,
gadhel. sneachd.
Altn. hrim, gr. xqvuo.
Altn. dreyri, gr. dgoöi», lat. ros, altsl. rosa, skr. drapsa.
:3r)9 R. FÖRSTEMANN
Erde, Land:
Ahd. ero, skr. irä, gr. f'pa, gäl. ire.
Altn. völlr (cainpus, terra), lat. valli.
Gotli. akra (Nora, akrs), lat. agro, gr. dygn^ skr. ag'ra.
Gotli. gauja (Nom. gavi) , gr. yaia , skr. go halte ich fest trotz
des Widerspruchs in Kuhns Zeitschr. XII, KJH.
Goth. *auja (Nom. *avi), gr. aia.
Ahd. loh, lat. luco, lit. lauka(-s).
Goth. niarka, lat. margin.
Goth. lilaiv (collis, sepulcrum), lat. clivo.
Altn. holl (collis), lat. colli.
Ahd. düna, gr. d'cv, skr. dhanu (Hügel, Sandbank).
Altn. hlid (collis), gr. xlirv, lit. szlaita(-s).
Goth. dala (Nom. dal), gadhel. dal, altsl. dolii, skr. dhära (Tiefe).
Goth. viga (Nom. vigs), lit. veze (Geleise), lat. via, skr. vaha.
Ags. päd, skr. patha, gr. sraro.
Ahd. furicha, lat. porca, altsl. bi-azda.
Ags. sulh, lat. sulco.
Alts, holm, altsl. chlümü, cholmü, lat. culmin, gr. xoAajj/o.
An die Elemente schließen sich am besten an die Ausdrücke für
Gott und Himmel und daran der Begriff der Zeit.
Gott und Himmel.
Ahd. Ziw (Nora. Ziu, altn. tyv), gr. zliJ, lat. Jov, skr. djo.
Goth. sauila (Nom. sauil), lat. sol, lit. saule, altir. solas lux, skr.
sürju, gr. ZIetQLO. Das Herbeiziehen von gr. ijAto hat seine großen
Bedenken.
Goth. sunnan (Nom. sunna), skr. suvana, kymr. huan.
Goth. menan (Nom. meua) , gv.^rjv, lit. menes (Nom. menn), lat.
mensi, skr. mäsa, altir. mi.
Goth. stairnon (Nom. stairno), breton. steren, skr. stär, gr. aörfQ,
lat. Stella.
Ahd. donar, lat. tonitru, (kelt. Taran?).
Zeit:
Goth. aiva (Nom. aivs), lat. aevo, skr. eva (Gang), gr. aiwv. Max
Müller und neuerdings Fick ziehen statt eva das skr. äjus (Leben,
Lebenszeit) hieher.
Ahd. jär, zend. järe, böhm, jaro, gr. (oqu (lat. hora entlehnt).
Altn. vär (Frühling), lat. ver, gr. sag., skr. vasanta, altsl. vesna,
(lit. vasara).
Ahd. suinar, gadhel. samhradh.
DER URDEUTSCHE SPRACHSCHATZ. 353
Goth. naliti (Xom. nalits), skr. uakti, lat. nocti, altsl. nosti, altir.
üochd, gr. vvxr.
Ahd. ost, skr. usa, gr. -jJgj, lit. auszra, lat. aurora.
Ahd. west, skr. vasati (Nacht).
Die zuletzt aufgeführten Ausdrücke bedingen schon einen gewissen
Grad von Cultur , welcher sich zugleich auch in einem nicht ganz
kleinen Schatze von Bezeichnungen für Waffen und Geräthe aus-
spricht.
Waffen :
Ahd. sper, lat. spare, gadliel. spar, skr. phala.
Altn. skapt, lat. scapo, scipion, gr. öxano, axrjTCtgo.
Goth. gairu, gall. gaes, zend. gaeshu, lat. veru.
Goth. gazda (gazdi? Nom. gazds Stachel), lat. hasta. So nach
Schleicher und Lettner; Ascoli zieht auch lat. fusti herbei.
Goth. mekja (Nom. mekis), altsl. meci, gr. fiaxcctQa, lat. mucrou.
Goth. hairu (Nom. hairus), lit. kirwi(-s Axt), sabin. curi, skr. yiri.
Ahd. sahs s. oben bei den Mineralen.
Ags. colla (Helm), lat. galea.
Altn. hilf, lat. clypeo.
Werkzeuge a) zum Verbinden:
Goth. juka (Nom. juk), lat. jugo, gr. ^vyo, altsl. igo, lit. juuga(-s).
Ahd. fezzil, gr. Jisda, lat. pedica.
Ahd. haft, lat. captu.
Ahd. snara, snuor, skr. snasa (Sehne), lit. nara(-s Gelenk), lat.
nervo, gr. vevgo.
Goth. bandja (Nom. bandi), skr. bandha, gr. Tisio^az.
Ahd. Strang, gr. ötQuyyuXLCc.
Ahd. seil, altsl. silo, gr. öttQd.
Alts, simo, gr. i^avT.
Goth. vruggon (Nom. vruggo), lat. laqueo , skr. Wurzel vragk'.
Eine andere Zusammenstellung in Benfeys Orient und Occident II, 751.
b) zum Theilen, Schneiden, Stechen.
Ahd. muli, lat. mola, gr. (ivXa, ir. meil, lit. maluna-s.
Ahd. stihhil, lat. stilo.
Ahd. spän, gr. atprjv (Keil).
Altn. Skid (Scheit), gr. öxc^cc, lit. skeda, skedra.
Nhd. Hippe, gr. ccgna, skr. galpa, russ. serp.
Ahd. suila, lat. subula (Pfriem).
Goth. aqvizi, lat. ascia, acieri, gr. a|ii^a, skr. acri.
GEUMANIA. Neue ReiLe II. (XIV.; Jahrg 23
354 E. FÖRSTEMANN
c) Gefäße:
Ahd. korb, lat. corbi, russ. korob, skr. 9urpa.
Goth. kasa (Nom. kas), lat. vas.
Ahd. ritara (ags. hridder Sieb), altir. criatliar, lat. eribro.
Ahd. mez, maza, lat. modo, gr. pcedL^vo.
d) zum Bewegen (Wagen, Pflug, Schiff):
Ahd. wagan, skr. vahana, lat. veha, vehela, gr. oxos, altsl. vozü.
Ahd. rad, skr. ratha, lit. rata(-s), lat. rota, altir. roth.
Ahd. ahsa, skr. aksa, lat. axi, lit. aszi(-s), gr. d^ov.
Ahd. bära (Bahre), skr. bhära (Tracht, Bürde), gr. (poga.
Altn. ardh (Pflug, alts. erida), gr. agorgo, lat. aratro, (kymr. aradr
wohl entlehnt), altsl. oralo.
Goth. hohan (hoha), skr. koka.
Bair. naue, skr. nau, altir. nau, gr. vav^ lat. navi.
Ags. naca, skr. nauka (Nachen).
Ags. rodher, skr. aritra, gr. igsr^o, lat. remo.
Ahd. stiura (Steuer), gr. 6Tavgo (Pfahl, Stab), skr. Adj. stha-
vara (fest).
e) Hausrath:
Goth. mesa (Nom. mes), altsl. misa, gadhel. mias, lat. mensa. .
Goth. ligra (Nom. ligrs), gr. ^exog, lat. lecto, russ. loze.
Ahd. sez, lat. sede, gr. idog.
Goth. sitla (Nom. sitls), lat. sella, gr. idga.
Für die Begriffe Besitz, Gewinn, Verlust kenne ich nur
eine einzige Gruppe:
Goth. mizdon (Nom. mizdo), zend. mizda, altsl. mVzda, gr. fii6&o.
Ich komme zu den Ausdrücken fiir Form und Ort:
Ahd. balla, gr. 6cpaiga.
Ahd. bodam (altn. botn), skr. budhna (pers. bunda), lat. fundo,
gadhel. bond, gr. nvd^^rjv.
Altn. flaki (Fläche), gr. Tclatc.
Ahd. drum (meta, finis), lat. termin, skr. tarman, gr. reg(iaT.
Altn. h6p(-r Haufe), altsl. kupü, lat. copia.
Goth. andi (Nom. andeis), skr. anta (finis).
Ags. ecg, lat. acie.
Goth. stadi (Nom. staths) , gr. öraöi , skr. stliiti, lat. stati-on
(statu).
Ahd. stal, skr. sthala, sthali, sthalä; lat." stloco, loco?
Für die Begriff'e von Ruhe und Bewegung (Berührung, Tren-
nung u. s. w.) bis jetzt nur wenige Ausdrücke:
DER URDEUTSCHE SPRACHSCHATZ. 355
Goth. rimis, lit. rama, zend. räma, gr. rjQsaia.
Goth. laiba, lat. (re-)liquiae, lit. (at-)laikas, gr. XotnaS.
Goth. daili (Nom. dails), lit. dali(-s), skr. dala, gadhel. däla.
Wir steigen auf zu den Begriffen von That und Kraft:
Goth. dedi (Nom. deds), altsl. deti, zend. daiti, gr. ^söt.
Ahd. werach, gr. igyo, dazu vielleicht noch Ableitungen von ski*.
Wurzel vrg'j ürg'.
Ahd. art (aratio), lat. aration, gr. ugoto, lit. arima.
Ahd. bana (caedes), gr. (pova.
Goth. maur]Dra (Nom. maurj^r). lat. morti, skr. mrti, lit. smerti.
Den Übergang von der That zu allem rein Geistigen bildet die
S p r a che :
Goth. vaurda (Nom. vaurd), lit. warda, lat. verbo.
Goth. ra])j6n (Nom. ra]5J6)^ lat. ration, gadhel. radli, altsl. rjeci.
Goth. namin (Nom. namo), lat. nomin, skr. näman, gr. OT/ofiar,
altsl. imene (vgl. altsl. znam^ signum).
Geist:
Goth. modi (Nom. mods), skr. mati, gr. ftiyrt.
Goth. (ga-)mundi (memoria), lat. menti, lit. (isz-)minti(s).
Goth. muni, gr. /u.fi'og, skr. manas.
Altn. sinni, lat. sensu.
Goth. kun})ja (Nom. kunj^i"), skr. g'näti, gr. yvcoGi, lit. zinti(-s),
lat. noti-6n.
Ags. lagu (altn. log), lat. leg.
Goth. kustu (Nom. kustus Prüfung), lat. gustu.
Ahd. wunsc, skr. vän'k'ha.
Ahd. sälida^ lat. salut, skr. sarvatati.
Goth. sidu (Nom. sidus), skr. svadhä, gr. riQ'og.
Ahd. strit, skr. sridh ; ferner steht lat. lit (stlit).
Alts, hadu (pugna), altir. catu.
Altn. täl (ahd. zäla), lat. dolo, gr. 80X0.
Goth. agis, gr. axog, lat. *angus (angustus), skr. anghas.
Goth. doma (domi? Nom. doms), skr. dhäman, gr. Q^sö^o oder
wohl noch näher ^rjfiaT.
Goth. saun (Nom., Thema sauna? ahd. suona), skr. savana.
Goth. varein (Nom. varei List), gr. cäga.
Nun bleiben nur noch wenige Substantiva übrig, die sich zum.
Theil ihrer schwierigen Bedeutung wegen nicht in die obigen Katego-
rieen einordnen ließen:
Ahd. rät, skr. rädha.s (Gunst, Gabe, Gut), lit. rodas fPJathschlag),
23*
356 '- l'<">n^TT:MAXN
lat. robur. Von Fick wird dagegen lat. robnr mit skr. rabhas (Eifer,
Kraft) verbunden , das lit. und deutsche Wort aber aus dem Spiele
gelassen.
Goth. Nom. vlits (Thema vlita? vliti? Gestalt), lat. vultu. Gegen
diese Zusammenstellung Grimms setzen Schweizer und Lettner das
lat. Wort zum goth. \uVpu (Nom. vulj)us Glanz). Die beiden goth.
AVörter hängen unter sich wohl nahe zusammen.
Ahd. zior, lat. decus, skr. ja9as, gr. do^a.
Goth. tauhti (Nom. tauhts), lat. ductu.
Ahd. hliodar (sonitus), skr. grotra (auditus).
Goth. junda, lat. juventa.
Wir kommen zu den ADJECTIVEN, bei denen ich wieder die
sinnlichsten, die des Raumes und der Menge, voranstelle :
Ags. great, lat. grandi.
Goth. mikila (Nom. mikils) , gr. ^syako ^ lat. magno, lit. mac-
nu(-s mächtig), skr. mahat.
Goth. lagga (Nom. laggs) , lat. longo , altsl. dlvign , gr. dohxf^,
skr. dhirgha.
Altn. flatr (flach), lit. platu(-s), lat. lato, gr. nXazv, skr. prthu.
Das Herbeiziehen von unserm breit ist sehr bedenklich.
Ahd. flah, lat. piano, gr. nXaitoEvx.
Goth. mins (Adv.), lat. minus, gr. ^slov, lit. menka.
Ags. scort, lat. curto.
Ahd. dunni, lat. tenui, skr. tanu, gr. ravv, altsl. tini-kii.
Goth. aggvu (Nom. aggvus), skr. anhu , gr. syyv^ lat. angusto,
altsl. %zuku.
Ahd. magar, lat. macro, gr. uaxQO.
Altn. hvass-r (scharf), lat. cato.
Goth. smala (Nom. smals), altsl. malü (parvus); lat. malo?
Goth. raihta (Nom. raihts), lat. recto, altpers. räcta (gerade, richtig).
Goth. taihsva (Nom. taihsvs), gr. ^6|to, lat. dextro, skr. daksina,
altsl. desinü, altir. des.
Mhd. schief, gr. öiaio, lat. skaevo, altsl. suj, skr. savja.
Ahd. lenka (link), gr. hyx (Hesych.), lit. linku(-s flexibilis).
Goth. vraiqva (Nora, vraiqvs) , lat. valgo, gr. Qcctßo, skr. vrg'ina.
In Benfeys Orient und Occident I, 527 wird dagegen das deutsche
Wort mit lat. (ob-)liquo und gr. Ao|o vereint , deren erstes ich doch
nicht von linquo trennen möchte.
Ahd. hol, gr. xoiXo.
Goth. filu, gl'. TColv, skr. puru. altir il.
DER URDEUTSCHE SPRACHSCHATZ. 357
Goth. fulla (Nom. fulls), lit. }»iliia(s), lat. })lcno , altir. hin, skr.
pürna.
Alid. wuost, lat. vasto.
Altn. fleira, lat plus, gr. tiXslov (altn. flest-r, gr. nkeiOTo).
Goth. maiza, lat. major, gr ^silov.
Ahd. foh (goth. fav), gr. navQo, lat. paiico (*paulo).
Goth. vana (Nom. vaus mangelnd), lat. väno, skr. üna,
Goth. midja (Nom. midjis) > skr. madhja , lat. raedio, gr. /iiföo,
altsl. Subst. mezda (Mitte, Grenze).
Ahd. metamo, skr. madhjama.
Besonders schöne Übereinstimmungen finden sich bei den Adjec-
tiven, die Licht, Farbe und Wärme ausdrücken:
Ahd. liohti, lat. lucido.
Goth. hveita (Nom. hveits), skr. ^veta.
Goth. svarta (Nom. svarts), lat. surdo (ferner liegt der Form nach,
näher dem Sinne nach sordido).
Goth. rauda (Nom. rauds), lit. ruda(-s braun), altir. riiad, lat. rufo ;
"weitere Ableitung in altsl. rüdru, lat. rubro, gr. fqvQ'Qo^ skr. rudhira.
Ahd. blaw, lat. flavo.
Ahd. gelaw, lat. gilvo, helvo, lit. gelsva(-s), gelta(-s), gr. %XaQo.
Ahd. falw, lit. pal\va(-s), gr. jrfAAo, lat. pallido.
Ahd. brün, altsl. vrami, ir. bran, lat. fiu'vo, skr. babhru.
Ahd. graw, lat. ravo.
Altn. höss (aus hasva grau), skr. kasäja (lichtbraun), lat. caesio.
Ahd. hasan (politus, venustus), lat. cano (aus casno).
Ahd. feh (altsl. pegü bunt?), gr. noixiko, skr. pe9a.la.
Ags. gleav, gs. ykavxo.
Goth. haiha (Nom. haihs), altir. coech, lat. caeco.
Goth. varma (Nom. varms), lat. formo, gr. ^'bqiio, skr. gharma.
Goth. kalda (Nom. kalds), lat. gelido, altsl. chladükü.
Ahd. heitar, skr. k'itra (hell, glänzend), gr. xad^ago.
Nur eine einzige Gruppe kann ich für die Sphäre des Schalles
anführen :
Ahd. hlüt, gr. xAüro, lat. (in-)cluto, altsl. slutü (gehiu't habend),
skr. gruta (gehört).
Zeit und Alter:
Goth. uiuja (Nom. niujis) , skr. navja , gall. novio , lit. nauja(-s),
lat. novo, gr. v£o.
Goth. jugga (Nom. juggs) , skr. juvan , lat. juveni , altsl. junü.
Noch näher schließt sich das deutsche Wort an lat. juvenco, skr. juva9a.
358 E- f<")Hsti:man\
Groth. al|3Ja (Nom. aljjeis), lat. alto.
Goth. sm(-ista), lit. sena(-s), lat. scn(^-ior), altir. sen, sean, skr. sana,
gv. ivo. Gotli. sineigs u. s. w. siehe unter den Substantiven.
Gefühl (Schwere), Geschmack, Geruch:
Goth. leihta (Nora.leihts), skr.laghu, gr.sXaxv, lat. levi, altsl.ligiiku.
Goth. *kaurja (Nora. *kaurs schwer), skr. guru, lat. gravi, gr. ßagv.
Altn, star (rigidus), gr. gxsqqo, skr. sthira (fest), lat. sterili.
Goth. sutja (Nom. sutis), skr. svädu, gr. r^öv^ lat. suavi, lit. saldu(-s).
Altn, linr, lat. leni.
Stoff:
Ahd. hraw (altn. hrär), lat. crudo.
Ahd. chalaw, lat. calvo, skr. khalati.
Goth. uaqvajja (Nom. uaqvaj^s), lat. nüdo (aus *nogvido), ir. nochd,
lit. noga-s; skr. nagna.
Goth. triveina (hölzern, Nom. triveins), altsl. drevenü, gr. ögvivoy
zend. drvaena.
Form:
Goth. ibuka (Nom. ibuks), altsl. opako, skr. apäka.
Bewegung und Kraft:
Goth. saina (Nom. sains), lat. segni.
Goth. svinj)a (Nom. svinj^s) , altsl. svjatü (lit. szwenta-s heilig),
altbakti'. 9penta.
Goth. lata (Nom. lats), lat. lasso.
Goth. reikja (Nom. reiks, daraus das Subst. reiki), lat. regio (daraus
das Subst. regia).
Ahd. -boro (tragend), skr. -bhara, gr. -qocpo, lat. -fero.
Leben:
Goth. sela (Nom. sels)^ lat. salvo, gr. oAoo.
Goth. haila (Nom. hails), skr. kalja, gr. x«/lo, lit. czela (altsl. celü).
Goth. qviva (Nom. qvius), lat. vivo, skr. g'iva, lit. gyva-s, altir. biu.
Ahd. wachar, lat. vigil.
Goth. sada (Nom. sads), ir. saith, lat. satur.
Goth. daujja (Nom. daujss), skr. dabdha (beschädigt).
Goth. nava (Nom. naus), gr. vsuv, zend. nagu.
Goth. bau]3a (Nom. bauj)s), ir. baodh, skr. bandhura.
Goth. halta (Nora, halts), lat. claudo.
Goth. hanfa (Nora, hanfs)^ lit. kumpa(-s), gr. xacpo.
Geist:
Goth. goda (Nom. gods), gr. uyad-o.
Goth. frija (Nom. freis), skr. prija, lat. pio, gr. (piko.
UEK UKDEUT.SCIIE SriJACIISClIATZ. 359
Alid. stolz, lat. stolido, stulto, skr. stlulla.
Gotli. qvairru (Nom. qvairrus), lat. cicur.
Güth. blei]3a (Nom. bleijis), lat. laeto.
Ahd. geil^ lat. hilari, gr. j^Aapo.
Ahd. war, lat. vero.
Altn. sartr (sannr), skr. satja, gr. st£o.
Ags. Jurist, skr. dlirsta, lat. fertig gr. d-QuöVj lit. drasu-s und drastu-s.
Gotli. froda (Nom. frods), lat. provido.
Übrige A d j e c t i v a :
Altn. raser, lat. mero.
Goth. silba, lat. sollo, gr. oAo, skr. sarva.
Gotli. gamainja (Nom. gamains), lat. communi.
PRONOMINA:
Goth. ik, lat. ego, lit. asz, gr. iyäv^ skr. aham.
Goth. mi(-k), lat. me, gr. f/u.o, skr. ma, altsl. Accus, m^, altir.
Accus, me.
Goth. ]5U, gr. Ti>, 6v, lat. tu, lit. tu, altir. tu, skr. tvara.
Goth. JData, skr. tat, lat. (is-)tud, gr. to', altsl. to, altii'. (Thema) de.
Goth. si(-k)^ lat. se, gr. 5, altsl. sja, skr. svajara.
Goth. sa, so, lat. so, sa, altir. so, si, skr. sa, sä, gr. 6, r],
Goth. vei(s), skr. vajam.
Goth. ju(-s), lit. jn(-s), skr. ju(-sme), gr. vi^-^Bis).
Goth. i(-s), lat. i, altsl. ja, skr. ja, gr. 6.
Goth. hi, lat. hi, lit. szi.
Goth. si (fem.), skr. sja.
Goth. hva(-s) , lat. qui(-s) , skr. ka(-s) , gr. Äo(-g) , lit. ka(-s),
altir. ci(-d).
Goth. hvaj)ar, russ. kotorii, skr. katara, gr. itozego, lat. utro.
Goth. sama, skr. sama, russ. samü;, gr. o'fto, lat. simili.
Goth. alja, lat. alio, altir. aile, gr. «AAo.
Goth. anjiar s. unter den Zahlwörtern.
Bei den ZAHLWÖRTERN, zu denen ich jetzt komme, sind die
Zehner und Hunderter fortzulassen , da sie im Deutschen und Slavi-
schen nicht wirklich zusammengesetzte Wörter sind, sondern wie in
der indogermanischen Ursprache aus bloßen Zusammenrückungen be-
stehen.
Goth. aina (Nom. ains), altir. oiu, gr. otVa, lat. oeno, uno, skr.
ena (dieser).
Goth. suma (Nom. sums), gr. bv.
Goth. tva, skr. dva, altsl. düva, lat. duo, gr. ovo, altir. da.
360 K. FÖlv'STEMANN
Goth. bai, altsl. oba (lit. abu), skr. ublia, jG^r. ccfiqxxj^ lat. ambo.
Goth. J)ri (Nom. Jjreis), lit. tri, altir. tri, lat. tri, gr. rpt, skr. tri.
Goth. fidvor, skr. k'atvär, lat. quatuor, altir. cethar, lit. keturi,
gr. zsrrccQ.
Goth. fimf, gr. TCBfiTts , lat. quinque , skr. pank'au, lit. penki,
altir. cöic.
Goth. saihs, lat. sex, skr. sas, lit. szeszi, gr. f|, altir. se.
Goth. sibun , skr. saptan , lat. septem , lit. septyni , gr, sntä^
altir. secht.
Goth. ahtau, skr. astau (Thema astan), lat. octo, gr. oxrd, altir.
oct, lit. asztiini.
Goth. niun, skr. navan, lat. novem, gr. ivvia^ altir. nöi, lit. devyni.
Goth. tailiun , skr. dayan , lat. decem , gr. dixa , altir. dec , lit.
deszimtis.
Goth. -tigjus , altsl. -desjati , lat. -ginta , gr. -xovxa , skr. -gati,
altir. -cat.
Goth. hunda , lit. szimta(-s) , lat. centum , gr. sxarov , altir. cet,
skr. 9ata.
Ordiualia:
Goth. fruma, lat. primo (altir. prim vielleicht entlehnt), lit. pir-
ma(-s), gr. ngcoro, skr. parama der höchste, prathama der erste.
Goth. anJDar, lit. antra(-s), skr. antara.
Goth. ])ridja, altsl. tretijfi, skr. trtija, lat. tertio, gr. rgiro, altir. tris.
Ahd. fiordo, lat. quarto, gr. rsxaQro, skr. k'aturtha, lit. ketwirta-s,
altir. cethramad.
Ahd. fimfto, gr. Tts^Tiro, lit. penkta-s, lat. quinto, altir. coiced,
skr. pan'k'ama.
Goth. saihsta , lat. sexto , gr. ixro , skr. sastha ;, lit. szeszta-s,
altir. seised.
Ahd. sibunto, lit. septinta-s, lat. septimo, gr. sßdo^o, skr. saptama,
altir. sechtmad.
Ahd. ahto , lat. octavo , gr. oy^oo , skr. astama , lit. asztunta-s,
altir. ochtmad.
Ahd. niunto , lit. devinta-s , skr. navaraa , lat. nono , gr. svvato,
alti r. noimad.
Ahd. zehanto, lit. deszimta-s, lat. decimo, skr. da9ama, gr. dsxaro,
altir. dechmad.
Goth. tvis, skr. dvis, lat. bis, gr. öig, altsl. dvasti.
Altn. Jirisvar, skr. tris, gr. rptg, altsl. tristi.
DER URDEUTSCHE SPRACHSCHATZ. 361
Bei den VERBEN befolge ich im G-anzen denselben Gang wie bei
den Substantiven, vom Thierischen zum Geistigen, und beginne dem-
gemäß mit dem Essen und Trinken:
Goth. ita, altir. itliim, lat. edo, gr. Mco, lit. edmi, skr. admi.
Goth. brukja, lat. fruor, skr. Wurzel bhug'.
Gotli. beita, lat. finde, skr. bhindmi, bhinadrai ; vielleiclit auch
gr. (fBido^ai.
Ahd. smirzu, lat. mordeo. Dieser Zusammenstellung Ebels steht
eine andere von Fick gegenüber, welcher dem deutschen Worte zend.
maredaite (bedenken), gr. ^isksdaivco beigesellt.
Goth. tahja, skr. dagämi, gr. däxvco.
Goth. kiusa, gr. yavco^ skr. g'osämi; russ. kusati (beißen)?
Ahd. chostom, lat. gusto (entlehnt slav. kostati u. s av.).
Ahd. seffu (sapio) s. unten bei den geistigen Begriffen.
Goth. so])ja, lat. satio.
Ahd. itruchu (wiederkäuen), lit. riaugmi, gr. SQSvycj, lat. ructo;
(letzteres noch näher zu ags. rocettan).
Ags. lapige, lat. lambo.
Goth. laigo^ gr. ksixco, lit. laizau, lat. Hngo, skr. lehmi, altir. ligim.
Ahd. sügu, lat. sugo.
Nhd. schlürfe, lat. sorbeo, gr. Qocp^ca^ lit. srebju. Das 1 des deut-
schen Wortes erklärt sich wohl nicht durch einen rein lautlichen, son-
dern mehr durch einen onomatopoetischen Vorgang.
Ahd. sluccu, gr. Xvt,a-> (^lvyyuvo(iai).
Stimme (excl. Sprache) :
Ahd. murmulom, lat. murmuro, gr. ^oq^vqg), lit. raurmu.
Altn. stynja (stöhne)^ gr. atsvco, skr. stanämi, lit. stenu.
Mhd. brimme, lat. fremo, gr. ßgsfiw.
Goth. hrukja, lat. crocio, gr. xpca'^to, ht. kraukiu (krächze, vgl.
lit. klykiu schreie).
Ahd. rohom (rugio), lat. rugio, altsl. Inf. ruikati.
Sinne:
Alts, warom, gr. ogaca.
Ahd. luogem, skr. lokämi, gr. ksvöoco, lit. laukiu.
Goth. skavja, lat. caveo, gr. xo^ca, altsl. Inf. cuti (erkennen).
Ahd. spehom, lat. specio, skr. pa9Jämi, gr. Gkojisci.
Goth. saihva, lat. scio.
Goth. hausja, gr. dxovco. Vgl. Kuhn Ztschr. XVI, 271; Grimm
stellte hausja mit lat. haurio zusammen.
352 K. FÖRSTKMANN
Alul hlosnin, altir. cluiiisiu, lit. klausau, zcud. Wurzel yrus.
Mhd. wäze, lit. üdzu, gr. 6'^«, lat. oleo.
Verschiedene Körperfunctioncn:
Goth. daddja, skr. dliajami, altsl. doja, gr. d'r^ßd'ai, lat. felo.
Goth. vahsja, gr. av^cj, skr. vaksami.
Goth. (uz-)ana (expiro), skr. auimi.
Ahd. bläju, lat. tlo.
Ahd. fneliu, gr. nvfG).
Ahd. ginem, gr. X'^''^^i ^^i^^- I"f- zijfiti und zinati, lat. liio.
Goth. speiva, lat. spuo, gr. Jttvoj, lit. spiauju, skr sthivämi.
Altn. voema (Inf.), lat. vomo, skr. vamämi, lit. vemju, gr. fiisco.
Altn. sveita (Inf.), lat. sudo, sk.. svidjämi, gr. (dtco.
Nhd. fiste, lit. bezdu, gr. ßdeco.
Ahd. ferzu, gr. ««'pdca, lit. perdzu, lat. pedo, skr. parde.
Ags. mige, lat. mejo, gr. o/«.t%s'a), lit. myzu, skr. mehämi.
Ahd. scizu, lit. sziku, gr. xs^o, skr. hade.
Goth. huggrja, skr. känksämi (begehre).
Goth. Jjaursja , lat. torreo , skr. trsjaini (goth. jjairsa u. s. w.
siehe unten).
Altn. bifa (beben), gr. q)sßo^ai, skr. bibhemi, lit. bijau. Aufrocht
in Kuhns Ztschr. IX, 231 zieht auch lat. vibro her.
Ahd. wachem, lat. vigeo, gr. i-ysCga.
Altn. sofa (Inf.), skr. svapimi, altsl. süpati (Inf.). Die Verglei-
chung mit goth. slepa ist wohl für beseitigt zu achten.
Altn. svefja (Inf.), lat. sopio, skr. svapajami.
Ahd. stirbu, lat. torpeo. Grimms Zusammenstellung mit gr. atgsqjco
scheint keine Nachfolge gefunden zu haben.
Nhd. sticke, von Curtius mit lat. stinguo verbunden, das wir je-
doch unten noch einmal gebrauchen werden.
Altn. bana (Inf., tödte), gr. cpdvco.
Nehmen und geben:
Goth. nima, gr. vs^g>^ lett. nemu (altsl. ima), skr. namämi (beugen).
Goth. gita, skr. Wurzel gadh, lat. (pre-)heudo, gr. j^avd«!/«.
Goth. faha (altn. Inf. fänga) , lat. pango (paciscor nach Fick),
gr. Tt^yvv^i, skr. pä^ajäini.
Nhd. raffe, lat. rapio.
Goth. hlifa, lat. depo, gr. xXknrco, vgl. lit. szlepiu verberge.
Goth. stila, gr. ötsqscs.
Goth. biraubo (altn. ryf rumpo), lat. rurapo, zend. Wurzel rup
(vgl. skr. lumprimi).
Goth. biuda, skr. bodhämi, gr. nvv^ävo^av.
dp:r urdeutsche Sprachschatz. 363
Hiemit berühren sich nahe die Begriffe des Fassens und
Haltens:
Goth. teka, gr. tsrccydv^ lat. tango, skr. Wurzel tug'; Grassmann
versucht (Kuhn Ztschr. XII, 107) gr. d£xo{Jicci mit teka zu vei'einen.
Goth. greipa, lit. grebiu, skr. Wurzel grabh (grhuami).
Nhd. kneife, kneipC;, gr. öxvCitrco.
Goth. hrisja (vgl- ahd. hruorja rühre), gr. xqovco.
Goth. aiga, skr. Wurzel 19. Das aus öix^ entstandene gr. B%üi
ist fern zu halten.
Goth. haba^, lat. habeo.
Decken und schützen:
Ahd. dakju, lat. tego, gr. örsya, lit. stegiu^ skr. sthagami.
Ahd. hilu, lat. celo.
Goth. hulja, lat. occulo.
Ags. hyda (ahd. huotju), gr. xsvd^co, skr. guhämi (indogermanische
Wurzel kudh).
Goth. bairga ^ lit. bruku , gr. q)gu66co ; lat. farcio ist hier wohl
abzulehnen.
Heben und tragen (stellen, stützen) :
Goth. baira, skr. bharämi, altir. biur, altsl. bera, lat. fero, gr. <jp/pGj.
Goth. thula , altlat. tulo , altsl. tolja (placare) , skr. tolajämi,
gr. T^rjfit.
Ahd. stellu, gr. GtiXka, skr. sthalami, lit. stelloju.
Goth. stiurjan (feststellen), lat. (in-, re-) stauro.
Ahd. stifulem (fulcio), lat. stipulor.
Ahd. hlinem, gr. xAiVQ, lat. clino. Weitere, jedoch nicht sichere
Vergleichungen bei Fick Wörterbuch der indogermanischen Grund-
sprache.
Goth. satja, skr. sadajämi, lat. sedo, altsl. sazda.
Stoßen und stechen:
Goth. stigga (ahd. stingu), lat. (in-)stinguo, gr. ört'^CJ, skr. teg ärai.
Altn. stika (ahd. stihhu), lat. (in-)stigo, gr. ert^ca, ski-. tegärai.
Goth. stauta, lat. tundo, skr. tudämi.
Goth. J)riuta, lat. trudo, altsl. Inf. truditi.
Altn. bora, lat. foro, zend. barenaiti (schneiden, bohren).
Werfen:
Ahd. smizu, lat. mitto, lit. metu.
Goth. vairpa, gr. gCnTca.
Goth. skiuba, gr. (J^i^tttcj, skr. ksipämi (werfe).
Goth. strauja, lat. sterno, skr. strpomi, gr. Gtogvvfii, altsl. Inf. streti.
364 l- l<'»ns'rKMANN
Schlagen:
Alid. borju, lat. ferio.
Gotli. bliggva, lat. fligo.
Gotli. latja, lat. laedo.
Altn. Inf. drepa, gr. rgCßaa.
Gotli. slaha, lit. slegiu (dnicke), gadhel. slac^ slachd.
Dehnen, ziehen:
Goth. ))anja, gr. xsivco, skr. tanomi, lit. tasyti.
Goth. rakja, gr. ogsya, lat. rego. Fick stellt dazu noch skr. rng'aini.
Goth. taira, gr. dsQco, lit. diriu, skr. därajäuii, drnämi.
Goth. draga, lat. traho, lit. traukiu, skr. Wurzel drägh.
Ahd. stracchju, lat. striugo, skr. srg'ämi.
Goth. tiuha, lat. duco, skr. Wurzel duh.
Drehen, biegen:
Ags. vringe, gr. evgyvv^i,, skr. vrnak'rai.
Goth. valtja, gr. y.vkCvdoa.
Goth. valvja, gr. ikva, lit. velti (Inf.), lat. volvo; dazu skr. valo
(umhüllen u. s. w.)?
Ahd. dräju (ags. })räve) , lat. tero , gr. tsCqco , altsl. Inf. treti
(lit. trinti).
Goth. ]3reiha, gr. tqetcg) , lat. torqueo, lit. Inf. trenkti; Fick (S. 79)
stellt zu den andern Wörtern nicht xQSJta, sondern rapaöfjco.
Goth. biuga, skr. bhug'ämi, lat. fugio, gr. q)Evy(Xi, altsl. bega (ich
laufe; oder lit. Inf. bugti sich fürchten?). Eine sehr schwierige und
wegen ihrer weiteren Beziehungen noch sehr zu untersuchende Gruppe.
Goth. vair]3a, lat. verto, altsl. vrüteti, skr. varte.
Verbinden:
Goth. binda, skr. badhnämi, gr. TceLd-ß), lat. fido.
Ahd. näju, lat. neo, gr. vboj, skr. Wurzel nah.
Goth. siuja, gr. {xa6-)<jva}, lat. suo, lit. siuvu, skr. sivjämi.
Ahd. flihtU;, lat. plecto, gr. TtXdxm, skr. prnak'mi.
Goth. haftja, lat. capto.
Goth. lisa, lit. Inf. lesti, lat. lego, gr. Isya.
Ahd. scliuzu, sliuzu, lat. claudo, gr. xXtto3.
Ahd. iniskiu, lat. misceo, gr. yiiayoa, lit. maiszau, skr. miyi'ajämi.
Ahd. smizu (illiuo) , skr. medjami , gr. ^vöaCva ; da wir oben
schon ahd. smizu u.nter dem Begriffe des Werfens anführten, so müssen
wir , wenn beide Gruppen neben einander bestehen sollen , zwei ganz
verschiedene, aber gleichlautende ahd. smizu annehmen.
D1:TJ riJDEfTSClIK SPRACHSCHATZ. ,%5
Trennen:
Goth. lausja, gr. Iva, Lit. luo, skr. hiuämi ; vielleicht lit. liauju
(höre auf).
Goth. brika, lat. frango, gr. gi^yvv^L, skr. bhauag'mi; sehr zwei-
felhaft, ganz anders bei Fick S. 163.
Goth. kliuba, lat. glubo, gr. ylvcpco.
Goth. skaida, lat. caedo, gr. ö;^''^«, skr. k'haidana (schneiden).
Ahd. scindoro (schinde), lat. scindo, gr. extdvrjfiL, skr. k'hiuadmi.
Die beiden letzten Gruppen sind noch lange nicht aufs Reine
gebracht ; vgl. sehr verschiedene Ansichten bei Kuhn Ztschr. VII, 204,
XI, 184, XII, 130; ferner Curtius (Grundzüge, zweite Aufl.) S. 222;
Schleicher Compendium, zweite Aufl. S. 231 ; Benfey Orient und Occi-
dent I, 520; Diefenbach goth. Wb.
Goth. skaba, lat. scabo, lit. Inf. skapoti (auch skaptoti); sehr be-
zweifelt, und mit Recht, gr. öxdnrcj.
Altn. skera (Inf.), gr. gkslqoj, skr. AVurzel ksur.
Goth. snei]3a, gadhel. snaidh, snoidh (schneiden).
Goth. mita, lat. metior.
Ackerbau und Viehzucht:
Goth. arja, lit. arju, altir. araim, lat. aro, gr. apoco.
Goth. graba, gr. yQccq)(o, altsl. (po-)greba (begrabe).
Goth. saia, lit. seju, lat. sero ; gr. irj^i,.
Ahd. eggju, lat. occo, lit. ekkeju.
Ahd. mähu, gr. «juaco, lat. meto.
Ahd. milchu, lat. mulgeo, gr. cc^s'XyG), lit. melzu, skr. märg'ami.
Technologie:
Mhd. brüeje, lat, ferveo.
Goth. mala, lit. malu, lat. molo, gr. ^vXlco (skr. malana das Rei-
ben, Malen).
Ahd. bahhu, gr. cpcäyco. Ascoh stellt in Kuhns Ztschr. XVII, 335
dazu lat. foveo , was wir gern annehmen würden, wenn das deutsche
bähen nicht nähere Anrechte hätte; s. unten.
Ags. breova (braue), lat. frigo, gr. (pQvyco, skr. bhrg'g'ämi; ferveo,
was Grimm zu brauen stellte, s. oben.
Goth. salta, gr. alc^a, lat. salio, Avohl ganz selbständige Bildungen.
Ahd. webu, skr. vape, gr. v(paivc3.
Goth. vasja (kleide), skr. vase, gr. fvvv^i, lat. vestio.
Goth. salbo, gr. d^Fi'cpco.
Goth. deiga (jtAaööoj), skr. dehmi, lat. finge, gr. d-iyyävco.
Ahd. ziarju, lat. decoro.
300 E- FÖRSTEMANN
Ahd. eggju (schärfe), lat. acuo.
Goth. fisco, lat. piscor.
Licht (W ä r m e), Schall:
Ahd. blichu (spleudeo), lit. blizgu, gr. cpktyco, lat. fulgeo, skr.
bhräge.
Mhd. dinipfe, gr. zvq)co.
Ahd. bäwju, lat. foveo.
Goth. hva])ja (siede), lit. szuttaii, skr. kvathämi.
Ags. svele, lett. swelu (sengen), skr. surämi (leuchten, glühen).
Altn. Inf. kala, lat. gelo.
Ahd. klingu, lat. clango.
Ahd. stridu, lat. strideo, gr. xQLt,a.
Luft:
Goth. vaia, altsl. vjeja, skr. vami, vajrimi, gr. ariai.
Wasser:
Ahd. flewiu (fluito), lat. pluo, lit. plauju, gr. TT.kico, skr. plave.
Goth. rinna, skr. rnvämi, gi*. ikavva.
Ahd. quillu, skr. galämi (herabträufeln).
Goth. giuta, lat. fundo, gr. jja'oj.
Altn. Inf. loa, lat. lavo, luo, gr. Xovca.
Goth. |)vaha, lat. tingo, gr. rsyyco^ skr. t69e (tröpfeln, spritzen).
Ahd. sniwit, lat. ningit, gr. vtfpti, zend. 9nizli, lit. snigti.
Ags. thäve, lat. tabeo.
Ahd. smilzu, gr. ^sköca.
Ahd. Jesu, gerju, gr. ^fo, skr. jasämi.
Goth. rignja, gr. ßga^o, lat. rigo.
Altn. sküma (Inf), lat. spurao.
Goth. JDairsa, gr. Tsgöofiai'^ vgl. oben ])aursja durste.
Vergrößerung und Verkleinerung:
Goth. kija, skr. gäjate.
Goth. keina, lit. gemu, gr. yCyvofiui, lat. gigno, skr. g'an (Act.
zeugen. Med. werden).
Goth. auka , . lat. augeo , lit. augu (wachse). Lat. vegeo, vigeo,
das öfters hieher gestellt Avird, vgl. oben unter den Körperfuuctionen,
dsgl. gr. at;|aj.
Goth. ala, lat. alo.
Bewegung und R u h e :
Goth. iddja, lat. eo, lit. eimi, gr. ft'/ii, i<kr. erai.
Altn. gä, gr. ßLßrjfii, skr. g igäuii (gihäiui), lett. gaju.
Goth. ganga, lit. zeugiu, skr. gaiTiliraui.
DER URDEUTSCHE SPRACHSCHATZ. 367
Ags. vade, lat. vado.
Gotli. fara, gr. noQSvo^iai -^ Fick stellt S. 110 dazu gr. neigco,
skr. piparmi hinüberbringen.
Goth. qvima, skr. g'amämi, gr. ßaCvco, lat. venio.
Goth. sliupa^ gr. egna, lat. serpo.
Goth. |)ragja, gr. tQsxo) ; einige noch unsichere Vergleichungen
bei Fick S. 79.
Ahd. irru, lat. erro, gr. sqqg).
Ahd. ilu, gr. ittlXa, skr. irajämi.
Ahd. wichu, gr. tlxca.
Goth. steiga, gr. 6tsC%c3 , skr. stighnomi , stighnute , altsl. (do-)
stignati (erreichen).
Ahd. hinku, ski^, khang'ämi, gr. 6xät,co.
Ahd. spuato, gr. GtisvÖco^ lat. studeo.
Goth. viga, skr. vahämi, lat. veho, altsl. veza.
Goth. vagja, gr. oxia.
Goth. hafja, lat. capio.
Ahd. stäm (goth. stauda), lat. sto, lit. stoju, stovju, skr. tisthanii;
gr. lörrjfic.
Goth. sita^ lit. sedmi, sedu, skr. sidanii, lat. sedeo^ gr. ^'^o^iat.
Goth. liga, gr. Isya, altsl. l§gci.
Beginn und Ende:
Altn. hsetta (cessare, desinere), lat. cedo.
Goth. niuja, lat. novo.
E r h ö h u n g und Erniedrigung:
Goth. hneiva (neige), lat. (con-")niveo, gr. vavco. Dem widerspricht
aber die von Leo Meyer und Curtius aufgestellte Vergleiehung von
goth. huaivja (erniedrige) und gr. vixdco.
Ahd. fallu, lat. fallo, lit. pülu, gr. GcrdXXcj, skr. sphalarai. In der
Kieler Monatsschrift von 18.54, S. 882 wird dagegen das deutsche
fallen mit lat. pello, gr. iidXlG) vereinigt.
Besitz, Gewinn, Verlust:
Goth. leiba, gr. keCTia , lit. leku, likau, lat. liuquo, skr. riuak'mi.
Auf den ersten Blick hat es etwas sehr Ansprechendes , wenn Fick
S. 154 mit den fremden Wörtern nicht goth. leiban , sondern goth.
leihvan (leihen) zusammenstellt, doch sind die sprachlichen Verwandten
von leiban (s. oben laiba unter den Substantiven) dabei zu erwägen.
Lachen und Weinen:
Goth. hlahja, lit. klegu, lat. clango, gr. nXüla, skr. karkämi.
Ahd. smielu, skr. smaje, altsl. sraejati, lat. miror, gr. iieiÖiciGi.
368
K. föhsti:maxn
Goth. grcta, skr. Wurzel krand (nach Lottner in Kuhns Ztschr.
XI, 187) oder hrad (nach Benfey Orient und Occident II, 341 und
nach Fick S. 69).
Ahd. riuzu, lat. rudo, skr. rodäini, lit. raudoju.
Goth. tagrja, gr. daxgva.
Ahd. hl6]u (mugio), gr. xAat'co; da/Ai lit. kauliju zanken)?
Sprache, am Schlüsse auch der Begriff des Z e i g e n s :
Ahd. sagen, lit. sakau, altlat. (in-)sece, gr. sGJtars.
Ahd. sprehhu , lit. spragu (prassele) , gr. öcpaguyaa (rausche),
skr. sphurg'ämi (donnere, rausche).
Goth. haita, skr. kaitajämi (auffordern).
Ahd. wahu (erwähne), ski\ vak'mi, lat. voco, serb. Inf. vikati
(vociferari), gr. slitov.
Goth. aika (afaika agvoü^Lai), skr. aha, lat. ajo, gr. )]nC.
Goth. qvitha, skr. Wurzel kath.
Ahd. halom, gr. xaAe'üj, lat. calo, skr. k'hakarmi.
Goth. la]36n, gr. xltjtsvco.
Ahd. hlamom, lat. clamo.
Goth. namnja, lat. nomino.
Goth. naitja (schmähe), lett. nidu (hasse), gr. oveidi^ca, skr. nin-
dämi (verachte).
Ahd. (var-)wrizu (verwünsche) , skr. vadämi (spreche , rufe),
gr. vdo), aUöco, lit. vadinnu (rufe).
Ahd. kviinju, kümom, lit. gemo, gr. y^^co (in der älteren Bedeutung).
Goth. sila, lat. sileo.
Goth. ]iaha, lat. taceo ; nach Fick dazu skr. tusjämi zufrieden sein.
Ahd. swigem, gr. aiyüa.
Goth. teiha, lat. dico, skr. diyämi, gr. Öblxi/vui.
Goth. tarhja, gr. ddfjxo), skr. dar^-ämi.
Wie bei den Substantiven , so fuhrt mich auch bei den Verben
der Begriff der Sprache hinüber zu dem des Geistes. Zuerst verzeichne
ich dasjenige, was in der Sphäre der Liebe imd der Begierde hegt:
Goth. frijo, gr. cptk&ca, altsl. Inf. prijati, skr prinärai.
Ahd. liubu, altsl. Ijubiti (Inf.), lat. lubet, skr. lubhjami, gr. Xi.ixo^ui..
Goth. vilja, lit. velyju, lat. volo, gr. ßovXo^ai, skr. vrnomi, kvun-.
gwyllysu. Eine ältere Zusammenstellung von vilja und gr. ^ekloj ist
wohl als beseitigt anzusehen.
Ahd. gerom (begehre), gr. xaCga, skr. harjämi (liebe).
Ahd. eiscom (heische), altsl. Inf. iskati (suchen), skr. Wurzel is
(verlangen).
DER ITRDEUTSCHE SPRACHSCHATZ. 369
Goth. hilpa, lit. gelbnii (helfe, rette; dagegen nach Fick S. 37
lit. szelpiu helfe), skr. Wurzel kalp (Causat. von kri).
Goth. jjrafstja, gr. TQSjia, skr. tarpärai. Vielleicht ist statt dessen
an griech. tcqstico zu denken.
Ahd. kussju, gr. xvo), xvvscs.
Den Gegensatz hiezu bilden die Bezeichnungen des Hasses
und was damit zusammenhängt:
Goth. fija, skr. pijami. Lit. bijau (füi-chte) wäre mit Schleicher
hieher zu ziehen, wenn nicht das deutsche beben (s. körperliche Func-
tionen) darauf Anspruch machte.
Goth. fleka (klage) , lit. plekiu (schlage , altsl. plakati weine),
gr. jtXrjööG), lat. plango.
Goth. leha, laia (schmähe), gr. iXsyxco; dazu lit. loju (belle)?
Ahd. drawju, gr. xagßica^ skr. targämi.
Ahd. triugu, gr. d^skyto, skr. druhjämi (Fick verbindet S. 93 mit
dem gr. Wort das skr. dhragämi).
Goth. mampja, gr. fis^cpofiui,.
Goth. holo (schade), lat. calvo, gr. x(olv(o.
Denken, fragen, befehlen und andere Thätigkeiten
des Geistes :
Ahd. sinnu, lat. sentio.
Goth. ]3agkja, altlat. tongeo. Fick S. 71 zieht auch gr. rafftfco herbei.
Goth. vait, gr. olda, lat. vidi, altsl. Inf. videti (sehen, vedeti wis-
sen), skr. vedmi, altir. Wurzel fid.
Ags. cnäve (ahd. cnähu), altsl. znaja (lit. zinau), gr. yvad-i, lat.
gno-sco, skr. g'anämi.
Goth. kann, von Fick S. 55 gleichfalls mit lit. zinau, skr. g'anämi
verbimdeu, wird von Grimm zu gr. yiyova^ lat. genui, altir. Wurzel
gen gestellt; vgl. oben goth. keina.
Ahd. (ant-)seifu (intelligo), lat. sapio,
Goth. hugja, lat. cogito.
Ahd. forscom, lat. posco, skr. prk'hämi. Fick S. 119 möchte zu
dieser (oder der folgenden) Gruppe auch gr. TtgccöGa) ziehen.
Goth. fraihna, lat. precor, lit. praszau; auch das bei der vorigen
Gruppe angefiihrte skr. prk'hämi wird öfters mit diesen Wörtern zu-
zammengestellt.
Goth. man, gr. fis^ova, lat. memini, altsl. Inf. meniti.
Ahd. manom, lat. moneo, skr. raanje.
Goth. dars , (ga-)daursa , gr. d'aQQi'a , skr. dharsämi , dhrsnomi,
altsl. driznati (Inf.)
UEKMAN'U. Neue Keilie U. (XIV.) .T.tlirg. 24
370 E. FÖRSTEMANN
Goth. skal, skr. Wurzel skhal, lit. skeiu. Kuhn hat dazu aucli
gr. GtpalXa und lat. fallo gestellt, die wir oben schon bei dem Verbum
fallen erwähnten.
Ahd. lochom, lat. lacio.
Goth. reikino, lat. regno.
Ahd. traumju, lat. dormio, altsl. dremlja.
Die allgemeinen Begriflfe des Seins und Thuns, in vorgerma-
nischen Zeiten aus specielleren Anschauungen erwachsen, mögen hier
den Schluß bilden:
Goth. im, altir. am, gr. el^i, skr. asmi, lit. esmi, lat. sum.
Ahd. bim, skr. bhavämi, gr. (pvco, lat. fui, altsl. Inf. byvati.
Goth. visa, skr. vasämi (wohne).
Altn. Inf. aka, gr. aya, lat. ago, skr. ag ämi.
Alts, dorn, gr. XLd-rj^t, skr. dadhämi, altsl. deja, altir. de-nim.
Goth. vaurkja, gr. sogya.
Goth. skapja, gr. GxccTtTca (wohl hieher und nicht nach oben zu
goth. skaba).
Es bleiben nun noch wenige Verba übrig, die sich nicht zu den
aufgestellten Kategorieen fügen wollen und die hier , ähnlich wie bei
den Substantiven, als Anhang zusammen angeführt werden:
Goth aggvja (beenge), gr. ocyxco, lat. ango.
Goth. hramja, gr. xgs^afiat.
Goth. maidja, lat. muto.
Goth. tamja, skr. damajämi, lat. domo, gr. decficco).
Goth. vrika (verfolge) , lit. vargau (bedrängt sein) , lat. urgeo,
gr. e'igyvvfit, skr. vrnak'mi (verdrängen).
Bei den leicht aus einer Classe in die andere übergehenden PAR-
TIKELN ist es für so alte Zeiten doppelt schwer, jedes Wort in die
Reihe der Adverbien, Präpositionen oder Conjunctionen sicher einzu-
reihen. Doch versuchen wir möglichst das Verwandte zusammenzu-
ordnen und beginnen mit entschieden adverbialen Ausdrücken:
Ahd. nu, skr. nu, gr. vvv, lat. num (vgl. auch nü-dius), altsl. nyne.
Goth. gistra, skr. hjas, gr. x^^^f ^^t. heri.
Mhd. verneut, vert (im vorigen Jahr), skr. parut, gr. negvöt,.
Ahd. sär, skr. satra.
Goth. ju, lit. jau, lat. jam, gr. örj.
Ahd. fruo, gr. Ttgcot.
Goth. fairra, gr. tco^qco, lat. porro.
Goth. üt, skr. ud.
Goth. mais, lat. magis.
DER URDEUTSCHE SPRACHSCHATZ. 371
Alid. sami-, skr. sämi-, lat. semi, gr. i]^i-.
Goth. sva (so), lat. si-c.
Goth. sve (wie), gr. gjif (oder lat. si, gr. et?).
Altn. tor-, gr. dvg-.
Goth. -hun, lat. -cun, skr. -k'ana (hvashun, quicunque, kaQk'aua).
Verschiedene Ansichten in Kuhns Ztschr. VII, 437; XI, 78; XII, 281.
Dazu die beiden Formen der einfachen Negation:
Goth. ni-, altsl. ni-, kelt. ne-, lat. ne^, gr. vrj-, skr. na.
Goth. un-, lat. in-, altir. an-, skr. an-, gr. av-.
Bei den Präpositionen, zu denen wir jetzt kommen, befolge
ich die Ordnung , daß ich zuerst die einfacher gestalteten (mit nur
einem Consonanten) anführe:
Goth. af, skr. apa, gr. ccoio, lat. ab, lit. ap-.
Goth. uf, skr. upa, gr. vtio, lat. sub, altsl. po. Dieses altsl. und
lit. po scheint in der That aus mehreren Quellen zusammengeflossen;
im Lit. regiert es vier verschiedene Casus.
Goth. at, lit. at, lat. ad., skr. adhi, gr. -O-i.
Goth. ana, gr. ccva, lat. an- (anhelo), skr. anu, altsl. na.
Goth. in, lat. in, gr. iv, altsl. ni.
Goth. US, lit. isz, gr. eig, skr. nis; zweifelhaft.
Ahd. bi, lat. ob, gr. sttl, skr. abhi, altsl. obü. Hier ist eine sau-
bere Sonderung von den an die deutsche Präposition um sich anschlie-
ßenden Bildungen noch kaum möglich.
Goth. ga-, lat. co-, altsl. kü.
Goth. du (ahd. zuo), lat. (in-)du, poln. do (iett. da), zend. -da,
gr. -ds.
Nun die mit mehi'eren Consonanten:
Goth. and, gr. ccvtl, skr. anti, lit. ant^ lat. ante(-d).
Ahd. umbi, gr. aacpC, lat. amb, gall. ambi ; das skr. abhi und
altsl. obü sind kaum von hier, eben so wenig aber von dem oben an-
geführten bi zu trennen.
Goth. undar^ lat. infra (osk. anter), skr. adharä,
Ahd. hintar, umbr. hondra.
Goth. ufar, gr. vit^g, lat. super, skr. upari.
Goth. fra-, fair-, skr. parä, pare, gr. -Jiagä, naQaC, lat. per, lit. par^
per, pra. Hier können lange nicht alle mannigfaltigen Bildungen von
diesem Stamme (z. B. ahd. furi, lat. prae, pro, gr. nagC^ tiqÖ u. s. w.)
angeführt werden; vgl. goth. faura, gr. näoog, skr, puras. Die Son-
derung einzelner Gruppen stößt hier noch auf unlösliche Schwierig-
keiten.
372 HffiFER, ZU GERM. 14, 211.
Goth. tlis- (ahd, zar-), lat. dis-, gr. dW, skr, vi-.
Goth. rai]), gr. /ttfra, skr. mithu (zend. mat); oder skr. sraat?
Die Conjunctionen sind noch höchst einfach und wenige an Zahl:
Goth. -k (mi-k"), skr. -gha, -ha, pr. ys.
Goth. -H, skr. -k'a, gr. t£, lat. que.
Goth. ith, lat. et, gr. hi, skr. ati.
Goth. -u (Fragepartikel), lat. -ve.
Dazu noch di'ei zusammengesetzte:
Ahd. jo-h, gr. hv-xs.
Goth. ni-h, lat. ne-c, lit. ne-gi.
Goth. ni-u, lat. ne-ve.
Von den Conjunctionen, den höchsten Geistesblüthen der mensch-
lichen Rede, sinkt das gewöhnliche System der Wörterclassen plötzlich
herab zu den Interjectionen, diesen Resten der Thiersprache. Kaum
Wörter zu nennen, entziehen sich diese Ausrufe großentheils der Sprach-
vergleichung und bieten für sie wenig Interesse dar. Hier mag bloß
auf die Ähnlichkeit zwischen goth. vai, gr. oval und lat. vae hinge-
wiesen werden.
Das wären also, so weit wir bis jetzt sehen, diejenigen Bestand-
theile unseres urdeutschen Sprachschatzes , welche wir mit größerer
oder geringerer Sicherheit der ältesten Schicht desselben zuschreiben
können. Der Culturgrad und damit der Begriffsschatz, welcher in diesen
Ausdrücken sich abspiegelt, wird erst dann in ein helleres Licht treten,
wenn wir die zweite Schicht, die slavogermanische, daran halten, und
wir versparen uns deshalb alle dahin einschlagenden Bemerkungen bis
auf diesen zweiten Theil unserer Aufgabe.
DRESDEN den 31. März 1869.
ZU GERM. 14, 211,
Das daselbst besprochene Verbum sioummen steht, was ich über-
sehen habe, auch in der Präf. rhythm. zum Sachsensp. v. 12: wenne
swer so swümmen nicht ne kan, wil he deme loazzere wizen daz, wo Ett-
müller nach den Liedern Wizlavs S. 52 wieder swimmen eingedrängt
hat, ohne auch nur in der Note seine Änderung zu kennzeichnen. Ho-
meyer ed. 3 S. 124 gibt keine andere Lesart als sicimmen , das er je-
doch mit SV schreibt.
GR. im Juni 18r,9. HCEFER.
373
LITTERATÜR.
Meister Eckhart, der Mystiker. Zm- Geschichte der religiösen Speculation in
Deutschend. Von Adolf L as so u. Berlin 1868, beiW.Hertz. 8". XXu.354 SS.
PfeiflFer hat durch seine Ausgabe der deutschen Mystiker sich das große Ver-
dienst erworben, die Forschung auf diesem Felde in weiteren Kreisen angeregt und
für das Studium der mystischen Theologie eine sichere G-rundlage geschaffen zu
haben. Es war natürlich, daß sich das Interesse vornehmlich dem Meister Eckhart
zuwendete, auf den schon Carl Schmidt und Martensen durch verdienstvolle Ar-
beiten hingewiesen hatten, und hinter dem die verhältnissmäßig wenigen und viel-
fach verderbten Überreste seiner Predigten und Abhandlungen eine Größe von ganz
ungewöhnlicher Art erwarten ließen. So ist denn , seit Pfeiffer ein reicheres und
zuverlässigeres Material zu Eckhart gebracht hat, eine Art von Wetteifer entstan-
den, das Dunkel zu lichten, das vielfach noch über dem Leben und der Lehre des
gi'oßen Meisters liegt, und immer noch wird jede neue Arbeit über Eckhart mit
Begierde ergriffen, da im Vergleich zu dem, was hier noch zu leisten ist, das bis-
her Geleistete noch nicht sehr weit über den Anfang hinaus reicht.
Eine der jüngsten Arbeiten über Eckhart ist die uns vorliegende Schrift Las-
sons, die zwar über das Leben Eckharts nichts Neues bringt, aber als ein werth-
voller Beitrag zum Verständniss seiner Lehre und der Mystik überhaupt begrüßt
w«rden muß. Es ist nicht schwer zu erkennen, mit welcher Liebe und Sorgfalt der
Verfasser in die Tiefen der mystischen Speculation einzudringen versucht hat, und
dankbar nimmt der Leser vielfache Aufschlüsse entgegen, die ihm hier ein philo-
sophisch gebildeter Geist über einzelne Lehren Eckharts so wie über die Bezie-
hungen derselben zu andern Philosophemen oder religiösen Auffassungen bietet.
Aber es sind hinwieder sehr wesentliche Puncte, es ist die Auffassung der Princi-
pien der Eckhartischen Speculation, hinsichtlich deren Recensent dem Verfasser
widersprechen muß. Ich gedenke an einem andern Orte mich hierüber mit dem
Verfasser auseinanderzusetzen und will hier nur andeuten, in welcher Richtung
meine Einwürfe gegen seine Auffassung liegen. Ich halte es für unrichtig, wenn
Lasson als das letzte und höchste Ziel der Mystik Eckharts das Untergehen oder
Einswerden der Seele mit dem unoffenbaren, unterschiedslosen, sich selbst nicht
bewussten Wesen der Gottheit bezeichnet; das Höchste ist für Eckhai-t vielmehr die
Offenbarung des dreieinigen Gottes (die Geburt des Sohnes) in der dem unoffen-
baren Wesen der Gottheit gleichgewordenen Seele. Das Entwerden, das „Nicht
werden" der Seele ist Mittel, die Offenbarung Gottes im „Nicht" ist Ziel. Eine
zweite sehr wesentliche Differenz, in der ich mich mit Lasson befinde, bezieht sich
auf Lassons Behauptung, daß es Eckhart nicht gelinge, aus dem Begriff des We-
sens Gottes das Anderssein, die Vielheit, die Realität des Endlichen abzuleiten,
und daß somit die Verbindung von Einem und Vielem, von Ruhe und Bewegung
bei Eckhart ein vollkommener Widerspruch bleibe. „Die Begriffe, mit denen Eck-
hart operiert, sind doch zu wenig klar, seine Methode trägt zu sehr aphoristischen
Charakter, als daß ihm sein ernstes Streben (den Begriff des Absoluten und dessen
Verhältniss zum offenbaren Sein dem Denken zu vermitteln) hätte gelingen können."
Als ich dies auf S. 122 las, kam mir in Erinnerung, was ich im Vorwort gelesen
hatte: „Bei Eckhart ist es die Schuld des Darstellers, wenn nicht ein wohlgefugtes
374 LITTERATUK.
Ganzes fest bestimmter BegriiFe, sonderu eine Summe von locker zusammenhän-
genden ungefähren Vorstellungen für seine Lehre ausgegeben wii-d", und ich muß
gestehen, daß ich wenig Zusammenhang zwischen beiden hier nebeneinander ge-
stellten Äußerungen finde. Den Grund, warum der Verf. mehrfach Unklarheiten
und Widersprüche bei Eckhart gefunden hat, scheint mir die Anlage seines Buches
zu verrathen. Die Art, wie er die Aussagen Eckharts unter die einzelnen Auf-
schriften und Rubra zusammenträgt, ist selbst zu aphoristisch und fragmentarisch.
Er vergleicht zu wenig die einzelnen Stellen miteinander und gewinnt so häufig den
Gesichtspunkt nicht, unter welchem das Verschiedene in Harmonie sich darstellt.
Gewiß würde dann auch das Resultat, das aus der Menge der Citate aus Eckhart
gewonnen werden sollte, reiner und klarer herausgestellt und zusammenhängender
dargelegt worden sein, während wir es uns jetzt mehr aus den vereinzelten Bemer-
kungen Lassons zu den verschiedenen Stellen zusammentragen müssen, und dann aller-
dings eben so oft wie der Verfasser zu einer einheitlichen AuflFassung nicht gelangen
können. Mit dinem Worte: das Stoffliche scheint mir zu wenig durchdrungen und
beherrscht. Noch einen anderen Mangel möchte ich in diesem Zusammenhange an-
deuten. Man muß doch annehmen, daß Eckhart selbst verschiedene Stadien der
Entwicklung durchgemacht undManches im Laufe der Zeit abgestreift habe was er
vorher noch zu dem Seinen rechnete. Es wäre darum eine dringende Aufgabe ge-
wesen, vor der Darstellung der Eckhartischen Lehre die Gruppierung einer Anzahl
von Schriften Eckharts nach der Zeit ihrer Entstehung wenigstens zu versuchen.
W(!lche verwirrende Bilder würden wir von mehreren unserer bedeutenden Philoso-
phen erhalten, wenn wir nicht beachten würden , in welche Periode ihrer Entwick-
lung die einzelnen Aussagen derselben fallen. Ich gestehe zu, daß es schwer ist,
die Schriften Eckharts nach Zeitperioden zu gruppieren, aber die Aufgabe ist un-
erlässlich. Einige Andeutungen hiezu habe ich in meinen Vorarbeiten zu einer Ge-
schichte der deutschen Mystik im 13. und 14. Jhd. (Zeitschrift für histor. Theologie
von Niedner und Kahnis 1869 I, S. 59 u. S. 68 ff.) zu geben versucht. Auch nach
einer andern Seite hin ist Vorsicht bei Benützung Eckhartischer Aussagen geboten.
Es lässt sich z. B. nicht rechtfertigen, wenn Lassen in einer der schwierigsten Fragen
der Eckhartischen Lehre Stellen benützt, wie jene bei PfeiiFer S. 608, wo schon die
Überschrift („Meister Eckhart und auch andere Meister sprechen", „nun spre-
chen die Meister") anzeigt, daß wir hier keine genuinen Eckhartischen Sätze, son-
dern nur eine Zusammenfassung verwandter Ansichten verschiedener Meister vor
uns haben. Warum sollen wir Eckhart durch das Medium einer fremden Auftassung
vernehmen, für deren Zuverlässigkeit wir keine Gai-antie haben, wenn wir doch
aus der Quelle unmittelbar schöpfen können? Ist es nicht genug, daß uns hier
schon das Ungeschick der Abschreiber oft Schwierigkeiten genug macht? Doch ist
die Benützung solcher Stellen, wie die oben angeführte, soviel ich sehe, bei Lasson
nicht häufig, und anderseits hat Lasson selbst auf die Kritik des Eckhartischen
Textes eine sehr dankenswerthe Sorgfalt verwendet, wie eine Vergleichung seiner
Verbesserungsvorschläge mit dem Texte bei Pfeiffer erkennen lässt.
Wenn ich mich auf diese Andeutungen über Lassons Auffassung und Dar-
stellung der Eckhartischen Lehre beschränke, so geschieht es, um noch einigen
Raum zu gewinnen für Bemerkungen, die ich zu Lassons Angaben über das Leben
Eckharts machen möchte, sowie für ein wenn auch kurzes Referat über die Acten
zum Processe Eckharts. Es schien mir passend, gerade in dieser Zeitschrift den
Anlaß, der sich mir bietet, für ein solches Referat zu benützen, da es Franz Pfeiffer
LITTERATUR. 375
Tvar, dessen Bemühungen es gelungen ist, eine Abschrift dieser im vaticanischen
Archiv befindlichen Actenstücke zu erlangen. Die Aetenstücke selbst sind vor Kur-
zem mit einer Darstellung des Processes in den Denkschriften der k. Akademie der
Wissenschaften zu München von mir veröffentlicht worden*).
Ich bedaure es, daß Lasson seine Forschungen über Eckharts Leben nicht
weiter ausgedehnt und sich im Wesentlichen auf das was Quetif und Carl Schmidt
bringen, beschränkt hat. Gerade hier ist vereinte und fortwährende Forschung nö-
thig, da wir über Eckharts Leben noch so wenig wissen. Über Eckharts Heimat
führt Lasson nur die beiden sich widersprechenden Angaben, daß er aus Straßburg
und daß er aus Sachsen stamme, an. Es hätte sich der Mühe verlohnt, den Gründen
für die eine oder andere Annahme nachzugehen. Die Möglichkeit, zu einem be-
stimmten Resultate zu gelangen, glaube ich in meinen Vorarbeiten (a. a. 0. S.54 ff.
61 ff.) gezeigt zu haben. Er stammt aller Wahrscheinlichkeit nach aus Thüringen.
Eckharts Tod wird von Lasson in die Zeit vom 13. Febr. 1327 bis 27. März 1329
gesetzt. Eekhart hat am 13. Februar einen angeblichen Widerruf geleistet,
am 22. Februar 1327 ist er noch einmal vor den Inquisitoren des Erzbischofs von
Cöln erschienen, und am 27. März 1329 bezeichnet ihn die Bulle des Papstes als
einen Verstorbenen, Lasson spricht später die Vermuthung aus, daß er zu Anfang
des J. 1329 gestorben sei. Allein Lasson ist entgangen, daß Mone im 2, Bande
seiner Quellensammlung zur badischen Landesgeschichte einen Auszug aus Johannis
lib. de viris illustribus ordinis praedic. bringt, in welchem sein Tod in das Jahr 1327
gesetzt wird. Wie ich aus den handschriftlich zu Basel und Straßburg vorhandenen
Arbeiten dieses Geschichtschreibers des Dominicanerordens Johann Meyer von Zü-
rich ersehen habe, hat derselbe sehr genaue Quellen für seine chronologischen An-
gaben gehabt und es ist nicht der geringste Grund vorhanden, jene Angabe in
Zweifel zu ziehen.
Lasson sagt: .Zuerst begegnen wir Eckhart im J. 1302 als hochberühmten
Lehrer in Paris." Allein daß er vorher Prior zu Erfurt und Vicarius in Thüringen
gewesen sei, ist nach allen Umständen so gut als gewiß (vgl. meine Vorarbeiten
a. a. 0. 54 ff. 59 ff.). Lasson fährt fort: „Er hielt am Collegium St. Jacob öffent-
liche Vorlesungen mit dem Charakter und Range eines Magisters der hl. Schrift."
Dies ist ungenau. Eckhart las in Paris zwei Jahre als lector biblicus und bacca-
laureus, um Licentiat und dann Magister zu werden, und als Magister las er viel-
leicht noch im J. 1302/3, sicher aber im J. 131 l/l2. Lasson bringt sodann Quetifs
Angabe, daß ihn der Papst im J. 1302 nach Rom berufen und zum Doctor ernannt
habe. Quetif schließt dies aus einer Angabe, die er in dem ihm vorliegenden Ver-
zeichniss der Pariser Magister des Dominicanerordens gelesen haben will , wo es
heiße 'licentiatus per Bonifacium VIII. a. 1302.' Ich habe in meinen 'Vorarbeiten'
(a. a. O. 15 ff. u. 55 ff.) meine Zweifel gegen diese Angabe geltend gemacht und
will hier nur hervorheben, daß die aus Eckharts Zeit herstammende Frankfurter
Handschrift des Magisterverzeichnisses den Zusatz 'per Bonifacium VIII,' auf wel-
chem Quetifs Angabe beruht, nicht hat. Daß Eckhart im J. 1311/12 als Magister
zu Paris gelesen habe, wird aus folgenden Andeutungen sich ergeben. Martene hat
im 6. Band seiner Vetei'um scriptorum et monumentorum coUectio ein bisher für
Eckhart übersehenes Verzeichniss der Provinzialprioren Sachsens aus dem 14. Jahr-
*) Meister Eckhart und die Inquisition, München 1869. Verlag der k. Akademie»
in Comm. bei G. Franz.
376 LITTERATUR.
hundert mitgetheilt. Aus diesem wie aus der Chronik des Klosters Lothen (bei Mei-
bom Rer. germ. II) erhellt, daß Eckhart bis zum J. 1311 Provinzialprior von
Sachsen gewesen sei, wonach er also nicht, wie man bisher angenommen hat, durch
den Auftrag vom J. 1307, die Klöster in Böhmen zu visitieren, sein Amt als Pro-
vinzialprior in Sachsen verloren haben kann. War aber Eckhai-t bis zum J. 1311
Provinzialprior in Sachsen, dann geht aus den Acten der Generalcapitel zum J. 1311
hervor, daß er es war, der in jenem Jahre nach Paris gesendet wurde, um die von
ihm bisher noch nicht vollzogene herkömmliche Aufgabe zu erfüllen, zu Paris sein
zweites oder sein erstes und zweites Jahr als Magister zu lesen (vgl. meine Vor-
arbeiten S. 65 ff.). Hiedurch erhält nun auch eine interessante Notiz, die ich erst
kürzlich in dem von Johann Meyer herrührenden Verzeichniss der Provinzialcapitel
der Dominicaner in der Ordensprovinz Deutschland fand, das erwünschte Licht.
In diesem handschriftlich zu Basel befindlichen Verzeicjmiss wird nämlich zu dem
im J. 1310 zu Speier abgehaltenen Capitel bemerkt: 'flic electus fuit magister
Eckardus in provincialem, sed cassata fuit electio' etc. Die Provinzialcapitel traten
im Sommer oder Herbste zusammen. Der hier zum Provinzialprior Designierte musste
vom Generalcapitel des folgenden Jahres bestätigt werden. So hatte man also in
der Provinz Deutschland den Fall, daß nach den Ordensgesetzen die 2. Provinzia-
latsperiode Eckharts in Sachsen mit dem J. 1311 zu Ende gehen musste, in Aus-
sicht genommen, und ihn für die Provinz Deutschland zu gewinnen gesucht. Allein
der Umstand, daß das Generalcapitel vom J. 1311 seine Verwendung in Paris für
entsprechender hielt, verhinderte die Bestätigung der zu Speier auf ihn gefallenen
Wahl. Auch über die Zeit von Eckharts Straßburger, Frankfurter und Cölner Auf-
enthalt lässt sich jetzt nach den von mir mitgetheilten Untersuchungen (Vorarbeiten
a. a. 0. S. 68 ff.) Bestimmteres angeben, und jene Angabe Lassons, daß er nach
dem J. 1322 als Prior nach Frankfurt gekommen sei, erweist sich als nicht richtig.
Wenn Lasson sodann die zuerst von Schmidt mitgetheilte urkundliche Nachricht,
daß Eckhart zu Frankfurt wegen schlimmer und vei'dächtiger Verbindungen in Un-
tersuchung gekommen sei, so deutet, daß sein vertrauter Umgang mit den Nonnen
zu sittlicher Verdächtigung des edlen Mannes benützt worden sei, so ist dies gleich-
falls ein Irrthum. Unter der mala familiaritas' wurde, wie die Ordensconstitutionen
ausweisen (vgl. meine Vorarbeiten S. 74 ff.), der Umgang mit Ketzern verstanden.
Auch ist es falsch, wenn Lasson mit Schmidt unter jenem Provinzialprior Deutsch-
lands, welcher im J. 1326 zu Paris abgesetzt wurde, den Meister Eckhart vermu-
thet. Wie sich aus den Verzeichnissen der Provinzialprioreu Deutschlands, von
denen ich eines in meinen Vorarbeiten mitgetheilt habe, ergibt, war Eckhart nie
Provinzialprior in Deutschland und der im J. 1326 zu Paris abgesetzte Provinzial-
prior war Heinrich von Grüningen *).
Wir kommen nun mit Lasson zu dem letzten bedeutenden Ereignisse in Eck-
harts Leben, zu dem von dem Erzbischof von Cöln gegen ihn eingeleiteten Inqui-
*) Nicht Jakob von Felsberg, wie ich in meinen Vorarbeiten auf Grund einer
virkundlichen Notiz von Lamatsch (Beiträge zur Geschichte des Dominicanerordens
S. 182) angegeben habe. Denn wie ich nun aus der Baseler Handschrift von Job. Meyers
Verzeichniss der Provinzialcapitel ersehe , muß Lamatsch eine Un^enauigkeit in der
Inhaltsgabe seiner Urkunde sich haben zn Schulden kommen lassen. Nach jenem Ba-
seler Verzeichniss ordnet sich jetzt die Reihenfolge der Provinzialprioreu Deutschlands
also: Jakob von Felsherg 1.316 — 1.S22, Heinrich von Grüningen (sein zweites Provin-
zialat) 1323—1326, Heinrich von Lingo (Cinguo?) 1326 — 1331 etc.
LITTEKATUK. 377
sitionsprocess. Da Lasson über den Inhalt der im vaticaiiischen Archiv aufbewahr-
ten Actenstücke zu diesem Processe nur das kannte, was das von Waitz in Paris
aufgefundene Verzeichniss vaticanischer Archivalien in Kürze und ungenau als den
Inhalt derselben angibt, so waren irrthümliche Angaben und Schlüsse in Bezug auf
diesen Process schwer zu vermeiden. Nach den Urkunden war der Hergang in Kürze
folgender. Auf dem Generalcapitel der Dominicaner zu Venedig im J. 1325 war
die Klage laut geworden, daß in der Ordensprovinz Deutschland von Brüdern des
Ordens in der Landessprache Dinge gepredigt würden, wodurch das unwissende
Volk zum Irrthum verführt werde. Im Zusammenhang mit dieser Anklage steht es,
wenn der Papst den damaligen Lector der Dominicaner zu Cöln, den Bruder Ni-
kolaus von Straßburg, zu seinem Specialinquisitor ernennt, um Leben und Lehre
der Brüder in der Ordensprovinz Deutschland zu untersuchen. Daß mit jener Klage
vom J. 1325 niemand anders als Eckhart und seine Schule gemeint gewesen sei,
ergibt sich daraus, daß es der Lector zu Cöln war, welchen der Papst beauftragte,
und daß Eckharts Lehre im Jahre 1326 Gegenstand der Untersuchung durch Ni-
kolaus ist. Eckharts Sache gieng siegreich aus der Untersuchung hervor, wenig-
stens wurde er vom Verdachte der Häresie frei gesprochen. Aber mit diesem Aus-
gange war der Erzbischof Heinrich von Cöln, vielleicht der Urheber der Anklage,
keineswegs zufrieden. Er ließ durch sein Inquisitionsgericht die Sache Eckharts
wieder aufnehmen, und seine Inquisitoren, der Canonicus Re}Tier und der Minorit
Albert von Mailand, ließen zuerst an Nikolaus die Aufforderung ergehen, sich am
14. Januar 1327 vor ihr Gericht zu stellen. Sie wollten offenbar von ihm das Nä-
here über die von ihm geführte Untersuchung vernehmen. Nikolaus kam nun auch,
begleitet von nicht weniger als zehn Mitgliedern seines Ordens, darunter dem Prior
von Cöln ; aber er kam nur, um Protest gegen das Gericht zu erheben und seine
Weigerung, demselben Rede zu stehen, zu motivieren. Nachdem er den Vorwurf
der Häresie, welcher gegen den Orden erhoben worden war, einfach zurückgewiesen
hatte, begründete er die Incompetenz des erzbischöflichen Gerichts einerseits da-
mit, daß durch ihn, den Specialinqiaisitor des Papstes, die Sache bereits rechtskräftig
entschieden sei, und anderseits mit dem Hinweis auf das Privilegium seines Ordens,
welcher vom Papste mit der Inquisition gegen die Häresie betraut worden sei. Hierauf
kündigte er an, daß er an den päpstlichen Stuhl appelliere und forderte von dem
Gerichte die Anerkennung dieser Appellation. Nun stellten zwar, dem Herkommen
gemäß, die Inquisitoren eine Entscheidung über die Annahme der Appellation inner-
halb der gesetzlichen Frist (30 Tage) in Aussicht, hielten aber nichtsdestoweniger
an demselben Tage eine abermalige Sitzung, um in dieser das Processverfahren
gegen Nikolaus selbst einzuleiten. Da erschien Nikolaus, der davon gehört hatte,
am folgenden Tage mit einem zweiten weit heftigeren Proteste, erneuerte seine
Appellation und erklärte, daß er am 4. Mai die Streitsache vor den päpstlichen
Stuhl bringen werde. Wie Nikolaus so war auch Eckhart vorgeladen worden und
zwar auf den 31. Januar. Er kam aber schon am 23. Januar mit fünf Brüdern
seines Ordens, um durch seinen Ordensbruder Konrad von Halberstadt einen Pro-
test verlesen zu lassen, in welchem er das bisherige Verhalten der erzbischöflichen
Inquisitoren gegen ihn mit dem größten Freimuth und in scharf einschneidender
Weise zur Sprache brachte, den Vorwurf der Häresie zurückwies, das erzbischöf-
liche Gericht für incompetent erklärte und an den päpstlichen Stuhl appellierte.
Auch er will wie Nikolaus am 4. Mai jenes Jahres seine Sache dort vertreten. Man
antwortete ihm, daß er am Tage vor dem Ablauf der gesetzlichen Frist — also am
378 LITTERATUE.
22. Februar — Bescheid erhalten werde, ob man die Appellation für zuliissig halte
oder nicht. Nachdem auf diese Weise das erzbischöfliche Inquisitionsgericht von
Nikolaus und Eckhart zurückgewiesen worden war, erfolgte wenige Wochen später,
am 13. Februar, in der Dominicanerkirche zu Cöln jene Erklärung Eckharts,
welche als ein wenn auch bedingter Widerruf, den er vor den erzbischöflichen In-
quisitoren abgelegt habe, aufgefasst worden ist. Allein Eckhart hat mit dieser Hand-
lung weder seine Bereitwilligkeit erklärt, sich dem Inquisitionsgerichte des Erz-
bischofs zu unterwerfen, noch auch vor den Mitgliedern des Gerichtshofs seine Erklä-
rung abgegeben. Sie ist geschehen, ohne daß die Inquisitoren davon in Kenntniss
gesetzt worden oder anwesend sind, und stellt sich als ein Versuch heraus, der durch
das Vorgehen des erzbischöflichen Gerichts entstandenen Verläumdung den Boden
zu entziehen, so wie für den in Avignon bevorstehenden Process ein günstiges Vor-
urtheil zu erwecken. Eckbart nimmt in dieser Erklärung nicht das Geringste zurück.
Er erklärt, daß er den Irrthum verabscheue, und daß er alles Irrthümliche wider-
rufe, Avas sich in seiner Lehre finden sollte. Er sagt, daß er dies insbesondere da-
rum erkläre, weil er höre, daß man ihn übel verstanden habe. Er macht nun einige
ihm zugemessene Irrthümer namhaft, verwahrt sich gegen die falsche Deutung seiner
Sätze, und wiederholt zum Schlüsse noch einmal, daß er Alles widerrufe und wider-
rufen werde, von dem sich herausstellen werde, daß es einen minder gesunden Sinn
habe. Diese ganze Erklärung hält also das bisher Gelehrte aufrecht und erklärt
Eckharts Bereitwilligkeit zum Widerruf, knüpft aber diesen Widerruf an die Be-
dingung, daß man ihm seinen Irrthum zuvor nachweise.
In der That sehen auch die Inquisitoren des Erzbischofs diese Erklärung,
von der sie jedenfalls gehört hatten, gar nicht als etwas an, womit Eckhai't ihnen
habe entgegenkommen wollen. Als Eckhart wenige Tage nachher, am 22. Februar,
wieder vor ihnen erscheint, wird weder von ihm noch von ihnen derselben gedacht,
ein deutliches Merkmal, daß sie für die Inquisitoren nicht bestimmt war. Der Zweck,
um dessen willen er kommt, zeigt klar, daß das Verhältniss, in welchem er seit
dem 23. Januar zu ihnen steht, durch kein inzwischen eingetretenes neues Moment
sich geändert hat, daß am wenigsten inzwischen ein Urtheilssprucb von den Inqui-
sitoren kann gefällt worden sein ; denn Eckhart kommt nicht, wie man irrthümlich
gemeint hat, um eine erneute Appellation einzulegen, sondern lediglich um auf
seine erste und einzige Appellation vom 23. Januar den ihm in Aussicht gestellten
Bescheid einzuholen. Er kommt an dem 22. Februar, also genau an demselben Tage,
den man ihm damals bezeichnet hatte. Der Bescheid, den Eckhart hier empfieng,
gieng dahin, daß man seine Appellation zwar als eine frivole d. i. rechtlich haltlose
bezeichnete, aber doch auf dieselbe einzugehen sich bereit erklärte. So weit die
Actenstücke, insofern sie über den äußeren Verlauf und die richtige Auffassung der
einzelnen Momente Aufschluß zu geben im Stande sind.
Bekanntlich hat der Papst in der schon erwähnten Bulle vom 27. März 1329
eine Anzahl Eckhartischer Sätze als häretisch oder der Häresie verdächtig verur-
theilt. Neben dieser von Raynald mitgetheilten Bulle machte eine andere, welche
der Dominicaner Heinrich von Herford und nach ihm Hermann Corner mittheilt,
den späteren Schriftstellern von Mosheim bis Lasson herab nicht geringe Schwierig-
keiten, da es sich darum handelte, das Verhältniss dieser beiden Bullen zu einander
zu erklären. Heinrich von Herford sagt nämlich, der Papst habe im Jahre 1327
eine Bulle erlassen, welche mit den Worten 'in agro dominico' beginne, und habe
sie erlassen gegen solche, welche Seltsames, Zweifelhaftes, Verdächtiges und Ver-
LITTE RATUK. 379
messenes um der Begliarden iindBeghinen willen predigten. Er theilt dann eineReihe
von Sätzen dieser Bulle mit. Wiewohl nun alle diese Sätze wörtlich oder fast wört-
lich mit den Sätzen jener Bulle übereinstimmen, welche der Papst am 27. März 1329
gegen Eckhart erließ, so hielt man doch nicht dafür, daß Heinrich ein quid pro quo
sich erlaubt habe, sondern man nahm die Bulle für eine eigene von jener des Jah-
res 1329 verschiedene. Man hat es sich Mühe kosten lassen, den Originaltext dieser
Bulle aufzufinden, aber die Mühe war umsonst aufgewendet. Lasson, der das was
Heinrich von Herford über den Zweck der Bulle sagt, den Papst selbst in der Bulle
sagen lässt, urtheilt über dieselbe also : der Papst habe aus Rücksicht auf Eckhart
und den Orden in dieser Bulle Eckhart nicht mit Namen genannt, aber eine Reihe
von Eckharts Sätzen angeführt, nicht um sie geradezu als ketzerisch zu bezeichnen,
sondern zunächst nur, um der weiteren Verbreitung der Sätze wegen der in ihnen
liegenden Gefahr für heuchlerische Gemüther zu wehren. Nicht lange nach dem
Erlasse jener Bulle, wohl am Anfang des Jahres 1329, sei Eckhart gestorben, und
nun sei zum mindesten die Rücksicht auf seine Person weggefallen, und am 27. März
1329 habe dann der Papst jene neue Bulle erlassen, welche 28 Sätze Eckharts als
ketzerisch verwirft. Aber auch dieser Versuch, die Bulle bei Heinrich von Herford
als eine eigene Bulle verständlich zu machen, ist umsonst — denn dieselbe hat als
solche niemals existiert. Heinrich von Herford hatte keine andere Bulle vor sich
liegen als jene vom 27. März 1329, und hat Eckharts Namen unterdrückt und ihr
wie eine andere Adresse so auch ein anderes Jahr der Ausstellung gegeben.
Der Grund, warum man die Bulle von 1329 für eine andere hielt, als die
von Heinrich von Herford mit den Aufangsworten 'in agi-o dominico' bezeichnete,
lag nicht bloß in der Verschiedenheit von Zeit und Namen, sondern vornehmlich
auch darin, daß die Bulle bei Raynald mit den Worten anfängt: 'Dolenter re-
ferimus'. Aber müssen denn die Anfangsworte bei Raynald auch die Anfangsworte
der Bulle selbst sein '? Kann nicht Raynald sie abgekürzt, den Anfang weggelassen
haben? Zum Glücke ist die Bulle noch einmal nach dem Original und vollständig
in dem Bullarium ordinis praedicatorum ed. Ripol Tom. VH abgedruckt worden,
und es könnte Wunder nehmen, wie dies den verschiedenen Schriftstellern, welche
sich mit dieser Frage beschäftigten, hat entgehen können, wenn jenes Werk nicht
zu den seltneren gehörte. Hier nun finden wir, daß die Anfangsworte der Bulle
vom 2 7. März 1329 keine anderen sind als die, welche den Anfang der Bulle bilden,
die Heinrich von Herford anführt : 'in agro dominico.'
Steht somit die Identität der beiden Bullen fest, so bleibt nur die Frage übrig,
was Heinrich von Herford bewogen haben könne, den Charakter der Bulle zu ver-
wischen, Alles was sich auf Eckharts Person bezieht zu unterdrücken und als die
Veranlasser der Bulle 'temeraria propter Beghardos praedicautes' anzugeben. Die
Antwort ist naheliegend. Durch die Bulle war der Orden der Dominicaner schwer
betroffen, einer seiner hervorragendsten Lehrer als Häretiker bezeichnet worden,
und Heinrich war ein — Dominicaner, Der auf die Ehre seines Ordens eifersüch-
tige Mann wollte lieber ein ungenauer Berichterstatter des nur wenige Jahrzehende
zurückliegenden Ereignisses als der Herold der Schande seines Ordens sein. Daß
der Process im J. 1327 begonnen hatte oder Eckhart noch in diesem Jahre ge-
storben war, bot ihm zugleich erwünschten Anlaß, die Bulle in dieses Jahr zu
verlegen.
Lasson beschäftigt sich zum Schlüsse seiner Darstellung von Eckharts Leben
noch mit der Frage, ob jener Widerruf Eckharts, welchen die Bulle erwähnt, ein
3S0 LITTERATUK.
zw(>itcr ausdiiicklichor Widerruf Eckharts oder jener (angebliclie) vom 13. Februar
1327 in der Doniinicanerkirchc zu Coln geleistete sei. Er lässt es zweifelhaft. Die
Erörterungen , welche ich den in den Denkschriften der Akademie mitgetheilten
Actcnstücken vorausgeschickt habe, werden, so hoffe ich, dartlmn, daß die Versi-
cherungen der Bulle keinen andern Anhaltspunkt haben, als jene Erklärung Eck-
harts vom 13. Februar 1327, daß mithin Eckhart in der That nicht widerrufen hat.
MÜNCHEN. WILHELM PEEGER.
Philosophisch-historische Grammatik der deutschen Sprache vonR.Westphal.
Jena, Maukes Verlag, 1869. 8". XV u. 278 SS.
Nachdem wir am Schlüsse des vorigen Jahrgangs W. Scherers Werk „Zur Ge-
schichte der deutschen Sprache" besprochen haben, können wir nicht unterlassen,
nun auch diese bald :nachher erschienene Grammatik bei unsern Lesern einzuführen,
da sie uns ebenso bedeutend und erfreulich scheint und mit dem Scherer'schen
Buche manche Berührungspunkte bietet. Einer von diesen ist die philosophische
Seite des Werkes, welche Hr. W. ausdrücklicher als Hr. Seh. hervorhebt ; wir
unterlassen aber, hierauf näher einzugehen, da wir es an einem andern Orte pas-
sender zu thun gedenken. Ebenso lassen wir rein spi-achvergleichende Erörterungen
bei Seite, da auch diese besser in der betreffenden Fachzeitschrift ihre Stelle finden.
Was Hr. W., allerdings wesentlich mit Hilfe philosophischer und vergleichender
Methode, für die deutsche Grammatik geleistet hat, lässt sich bis auf einen ge-
wissen Grad von jenen Hilfsmitteln ablösen und bietet immer noch mancherlei Stoff
zur Besprechung, auch wenn wir uns innerhalb der Gränzen des germanischen
Sprachgebietes halten. Daß Hr. W. von den verschiedenen germanischen Dialekten
nur die ältesten in Behandlung zieht, welche die meisten und deutlichsten Spuren
des ursprünglich germanischen Sprachtypus offenbaren, ist durch die ganze Anlage
und Tendenz seines Werkes gerechtfertigt , während Hr. Scherer für die Ge-
schichte der Sprache gelegentlich auch neuere Erscheinungen beiziehen musste.
Unmittelbar berühren sich b«ide nicht bloß in ihrer allgemeinen Charakteristik des
germanischen Sprachbaues von Seite des Accentes, sondern in dem speciellen Um-
stand, daß Hr. Seh. S. 93 seines Buches ausdrücklich von dem durch Hrn. W. ent-
deckten gothischen Auslautgesetze ausgehen musste. Auf eben jene Arbeit zurück-
greifend, wendet sich nun Hr. W. nach langer Unterbrechung, welche jedoch sei-
nen germanischen Sprachstudien sichtbar nicht hinderlich gewesen ist, wieder dem
vaterländischen Boden zu und gibt uns einen vollständigen Abriss zunächst beson-
ders der Verbalflexion, zu deren Feststellung das Auslautgesetz mehr als einmal
wesentliche Dienste leistet, z.B. S. 207. 219, zugleich mit dem Versprechen,
nächstens in einem zweiten Theil seine Principien weiter durchzuführen.
Die Ökonomie des vorliegenden Buches ist im Ganzen übersichtlich und klar,
doch führt die übrigens angemessene Unterscheidung eines besondern Abschnittes
von der germanischen Conjugation (von S. 199 an), nach der Darstellung der
Verbalflftxion im Allgemeinen, einige Wiederholungen mit sich (z. B. in der Lehre
vom Conjunctiv S. 224, vgl. S. 184 ff.), welche hätten vermieden werden können,
wenn der Vf. überliaupt seine Arbeit vor dem definitiven Druck einer nochmaligen
Durchsicht unterworfen hätte, dereia Mangel auch die auffallend zahlreichen und
theil weise sehr störenden Druckfehler erklärt, aber nicht entschuldigt, welche das
sonst so saubere Buch verunstalten und nicht einmal nachträgliche Berichtigung
LITTERATUR. 381
finden. Wenden wir uns nun von dieser Außenseite zur Prüfung des Inhaltes, je-
docli innerhalb der oben gezogenen Schranken, so daß wir nicht den ganzen Gang
der Darstellung, besonders des allgemein Sprachphilosophischen und Geschichtli-
chen, referieren, sondern nur eine Reihe von Puncten hervorheben, welche das
Germanische näher angehen und in denen die Ansicht des Verfassers zum Theil
von derjenigen Hrn. Scherers, zum Theil auch von der unsrigen, abweicht.
Im Accent findet W. übereinstimmend mit Scherer ein seelisches Princip ; es
soll nach S. 7 in der Betonung der Wurzelsilbe die Thatenlust der alten Germanen
sich ausdrücken. Gegen diese bestimmte Ausdeutung hegen wir dasselbe Bedenken,
das wir gegen Seh. geäußert haben, und ganz ähnlich verhält es sich mit der Weite
der Tonhöhe, welche nach S. 9 mit der besondern Anlage der Germanen zur Musik
zusammenhängen soll. Gegenüber den Franzosen mag dies richtig sein, ob aber
auch gegenüber den Slaven, scheint uns noch zweifelhaft, denn bedeutende Natu r-
anlage zur Musik ist diesen schwerlich abzusprechen, und daß sie dieselbe noch
nicht so hoch wie wir zur Kunst ausgebildet haben, kann nur Folge davon sein,
daß sie überhaupt in der Culturentwicklung noch zurückstehen. Alle solche Ur-
theile scheinen uns durch nationale Subjectivität getrübt und ebenso streitig und
relativ wie die Ansichten vom Wohllaut der Sprachen. Das germanische National-
gefühl ist in Folge der neuesten politischen Umgestaltung zu einiger Überspannung
geneigt, gerade im Norden, wo slavische Elemente dem deutschen unzweifelhaft
beigemischt sind.
Die Steigerung des Wurzelvocals erklärt W. (S. 21) ganz unabhängig vom
Accent; Scherer (S. 8. 9. 16) lässt dies nur theilweise gelten.
S. 22 wird gesagt, im Germanischen sei von der Verstärkung der Wurzel-
silbe durch Nasalierung kein Gebrauch gemacht; es lassen sich aber doch einige
Erscheinungen hieher ziehen, obwohl sie noch einer genaueren Aufklärung bedürfen:
wir meinen Formen wie hangen, fangen, vielleicht auch gangan neben gän und gehan
(wovon mhd. sun-giht und nhd. Gicht) -^ ferner das Verhältniss von fauchen : tunken,
mhd. sigen : sinken, und Ähnliches, wobei allerdings immer Veränderung der aus-
lautenden Consonanten mitspielt.
i und ü lässt W. (S. 23. cf. 32 — 33) erst aus ai und au verengt sein ; Scherer
scheint uns (wenn wir ihn recht verstehen) eher oder wenigstens eben so gut den
umgekehrten Vorgang anzunehmen, vgl. S. 19. 27. 29 seines Buches. Ebenso
stimmt Westphals Annahme, daß das germanische e und o erst aus i und it ent-
standen sei (S. 37), nicht mehr zu der von Scherer (Müllenhoff), daß e und o wie
im Griechischen unmittelbar aus a sich entwickelt haben und i und u aus dieser
Mittelstufe. Scherer S. 7. — Bei der Angabe, daß Schwächung von a zu m nur
vor Liquiden sich finde (S. 31), ist das gothische trudan (ahd. tretan) übersehen.
In der Terminologie weicht W. von Grimm darin ab, daß er den Namen
„Ablaut" auf die Schwächung des Grundlautes a einschränken möchte (S. 33),
was in der veränderten Auffassung der betreff'enden Erscheinungen seit Grimm wohl
begründet wäre; aber die S. 41 ff', behandelte „Ablautung des langen <J" stört
dann wieder die Einheit des Begriffes. Den Namen „Umlaut" lässt W. (S. 50)
auch Grimms „Brechung" mit umfassen; dagegen sieht er in dem nordischen ia
(das übrigens S. 57 • „ A b lautsform " genannt wird) nicht einen Umlaut (S. 55),
sondern eine Assimilation, welche im Zend, Griechischen und Gadhelischen Paral-
lelen findet. Vgl. jedoch S. 219.
382 LITTERATUR.
Das ags. ea = au hat neulich durch Koch (Zeitschr. f. deutsche Phil. 1, 341 ff.)
eine Erklärung gefunden, die der Vf. (S. 46) noch verraisste.
S. 48 wird für goth. di, du monophthongische Aussprache angenommen
(nämlich dumpfes langes e und o, im Unterschied von dem hellem einfach ge-
schriebenen e und o), wofür allerdings der parallele Lautwerth von ai und aü spricht,
nicht aber die unzweifelhaft und beharrlich diphthongische Natur des meistens
entsprechenden hochdeutschen au, ou, vgl. S. 46; doch lässt sich auch wieder dafür
anführen die wahrscheinliche Geltung des gothischen ei = i und die theilweise
Verengung des iu in ü auch im Hochdeutschen, S. 33.
S. 53 wird Würtemberg, badisches Oberland und Schweiz „Stammsitz der
mhd. Schriftsprache" genannt; S. 74 dagegen wird das Gegentheil gesagt, nach
Pfeiffer mit Recht.
Für Erklärung der Lautverschiebung leistet der Vf. nichts Neues ; unter den
Beispielen kann die Gleichung ^ng: goth. dius, ahd. tior nicht mehr anerkannt
werden (S. 76), dagegen ist das Fragezeichen bei •yerto = goth. vairpan unnöthig
(S. 77) und auch für einige andere dort angeführte gothische ^/i- Auslaute lassen
sich Urverwandte mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit beibringen, wie frapjan (in-
ter-^pretari, finpan (ursprünglich gelieii; vgl. mhd. fende, pedes) : növxoc; Ticnstv,
lat. pons, passiis, Schritt, zu pandere {d geschwächt aus t in patere, nach n, wie
g aus c in pango : paciiscor) = fahen, fangen, s. oben).
Aus der Formenlehre heben wir nur Weniges hervor. In der gothischen En-
dung der dritten Person Plur. Opt. findet der Vf. das zugesetzte auslautende -a ganz
entsprechend dem -o der dritten Personen im Italienischen und sieht darin ein sel-
tenes Zusammentreffen einer alten mit einer jungen Sprachformation. Indessen sind
solche Fälle, wenn man nur auf die äußere Gleichheit sieht, nicht selten, die Gründe
dagegen werden oft sehr verschieden sein, so hier im Italienischen die positive
Neigung zu vocalischem Auslaut überhaupt, nicht Abneigung gegen einzelne con-
sonantische Auslaute. Vgl. S. 219 oben. — In der Erklärung des ahd. -mes der
ersten Pers. Plur. weicht W. von Scherer ab, welcher die Grundform -mansi an-
nimmt, aus der sich auch die griechische Doppelform -ftfv und -usg erklären soll.
Unser Vf. nimmt S. 220 in der Grundform -mas Verlängerung des a an, welches
dadurch vor dem Ausfall geschützt wurde. Ob das vocalische Auslautgesetz S. 137
diesen Zusatz erlaubt oder verlangt, scheint uns zweifelhaft, der Übergang der
Grundform hlindas in ahd. blinder kann schwerlich als Parallele dienen, da jenes e
wahrscheinlich ganz anders zu erklären ist; s. das Capitel über die doppelte Ad-
jectivflexion bei Scherer.
In -au der gothischen Medialformen erklärt der Vf., S. 231 ff., gemäß seiner
Grundansicht von der Function der Urvocale, das a als Zeichen des Mediums, u als
Zeichen des Modus subjectivus (Optativ und Imperativ), wie auch in den Endungen
der ersten Person im Activ das -u diese Bedeutung haben soll, während a in gihau
Vocal des Conjunctivs , in bundjau Bestandtheil des Optativzeichens sein soll
(S. 188. 228). Man sieht aber nicht, warum zu den besondern Zeichen des Con-
junctiv und Optativ noch das u, überdies nur in der ersten Person Sing., hinzu-
getreten oder hängen geblieben sein soll.
Der Infinitiv der Verba praeterito-praesentia soll nach 8. 248 nicht etwa erst
vom Praesens abgenommen, sondern die alte Form des Infinitiv Perf. sein,
= griech. -svai, welches aber doch auch von -siv (aus -fvt) des Praesens nicht
wesentlich vor.schiedcn ist. Die Verschiedonheit des Wurzelvocals in rifa?) und gripari
MISCELLEN. 383
hindert aber die erstere Aimabme nicht, abgesehen davon, daß auch fuüf roi und
vltan in jenem Punkt nicht übereinstimmen.
Zu den besten Partieen des Buches gehört ohne Zweifel der letzte Abschnitt,
über Eeduplication und Ablaut ; die Darstellung stimmt übrigens wesentlich mit
der seit Bbpp aufgekommenen überein, nur daß W. den Ablaut einzig aus dem
Unterschied schwerer und leichter Endungen erklären will, ohne Einfluß des Ac-
centes oder der Qualität des Endvocals. (S. 264). So geht denn W. auch mit Scherer
(S. 9 flf. 16) zusammen in der Erklärung des langen Pluralvocals der a-Wurzeln
mit folgendem einfachen Consonanten aus Zusammenziehung der Eeduplication nach
Analogie des Sanskrit (S. 256), daher auch des kurzen Vocals der Praeterito-
praesentia aus frühem Abfall der Eeduplication bei denselben (S. 259). Um so
weniger sehen wir aber ein, wie der Vf. S. 267 mag zu haldan oder hahan, 6g und
mnt zu letan, aih zu skaidan stellen kann; vgl. dagegen Scherer S. 10. Heyne 164.
Über die Eeduplication goth. ai spricht sich W. etwas schwankend aus; sie soll
lang sein (S. 268. 272), aber doch erst durch den Accent, Scherer (S. 11) hält
sie für kurz, vgl. übrigens noch S. 225 des laufenden Jahrganges dieser Zeitschrift.
BERN, April 1869. LUDWIG TOBLER.
Hoffmann von Fallersieben (1818—1868). Fünfzig Jahre dichterischen und
gelehrten Wirkens. Bibliographisch dargestellt von J. M. Wagner. Wien,
C. Gerold's Sohn, 1869. 8°. 40 SS.
Dies kleine Schriftchen ist uns in doppelter Hinsicht werthvoll, einmal weil
es die schriftstellerische Thatigkeit eines unserer verdientesten Gelehrten und
Dichter mit aller Vollständigkeit umschreibt, und anderseits weil es gewissermaßen
als Vorläufer einer größern höchst wichtigen Arbeit, welche der Verfasser uns in
der Einleitung verspricht, sich darstellt, nämlich einer neuen Ausgabe von Hoff-
manns Deutscher Philologie 'in Verbindung mit einer Quellenkunde der altdeutschen
Litteratur.' Möge der Vf. Lust und Muße behalten, dies sein Versprechen auszu-
führen, es sind Wenige dazu so berufen wie er, welcher sein Geschick zu bibliogra-
phischen Arbeiten, die eine Kenntniss der Bücher auch über ihre Titel hinaus ver-
langen, neuerdings bewährt hat.
WIEN. JOSEPH STROBL.
MISCELLEN.
Germanistische Preisfrage,
ausgeschrieben von der philosophisch - historischen Classe der k. Akademie der
Wissenschaften in Wien am 28. Mai 1869.
Der in Triest verstorbene Herr Paul Hai hat der kaiserlichen Akademie der
Wissenschaften laut Testament vom 14. November 1866 die Summe von öOOfl.O.W-
zu dem Ende legiert, daß eine Preisfrage „auf deutsch-sprachlichem Gebiete" aus-
geschrieben wüi-de. Die philosophisch-historische Classe der kaiserlichen Akademie
der Wissenschaften hat, der übernommenen Verbindlichkeit nachkommend, die
Ausschreibung der nachstehenden Preisfrage beschlossen:
„Es ist eine Darstellung von Otfrieds Syntax zu liefern."
384 MISCELLEN.
Die Classe hat dabei zunächst eine ti-eue, sorgfältige und vollständige Vei'-
zeichnung der syntactischeu Thatsachen im Auge, welche Otfrieds Evangelienbuch
darbietet. Sie würde aber unter mehreren sonst gleich guten Arbeiten derjenigen
den Vorzug ertheilen, welche die Eigenthümlichkeit von Otfrieds Sprachgebrauch
durch Herbeiziehung der übrigen althochdeutschen Quellen scharf zu limgrenzen
und durch weiteren Umblick auf verwandte Sprachen historisch zu erläutern ver-
stünde. Nur auf solcher umfassenderer Grundlage könnte die Frage beantwortet
werden, ob und in wiefeme sich bei Otfried der Einfluß lateinischer Syntax zeige.
Die Classe wünscht, daß die Betrachtung nicht auf die Erscheinungen be-
schränkt bleibe, die gewöhnlich unter dem Namen der Syntax begriifen werden,
sondern daß auch die Lehre vom Gebrauche der Wortclassen (Adjectiva, Substan-
tiva, Pronomina demoustrativa und relativa u. s. w.) einbezogen werde. Aus diesem
Gesichtspuncte ergibt sich von selbst die empfehlenswertheste Anox'dnung des Stoffes :
unter jeder Wortclasse und jeder Flexionsform wären die Bedeutungen darzulegen,
die ihnen die Sprache beimisst. Auffuhrung sämmtlicher Otfriedischer Belegstellen
ist nur bei ganz gewöhnlichen Erscheinungen nicht nöthig.
Der Termin der Einsendung der Schrift ist der 31. December 1870. Der
Preis von 500 fl. ö. W. wird eventuell in der feierlichen Sitzung am 30. Mai 1871
zuerkannt. Die um den Preis werbenden Abhandlungen dürfen den Namen des
Verfassers nicht enthalten, und sind, wie allgemein üblich, mit einem Motto zu
versehen. Jeder Abhandlung hat ein versiegelter mit demselben Motto versehener
Zettel beizuliegen, der den Namen des Verfassers enthält. Theilung des Preises
unter mehrere Bewerber findet nicht Statt. Jede gekrönte Preisschrift bleibt Eigen-
thum ihres Verfassers. Wünscht es derselbe, so wird die Schrift durch die Aka-
demie als selbständiges Werk veröffentlicht und geht in das Eigenthum derselben
über. Ein Honorar für dasselbe kann aber nicht beansprucht werden. Die wirkli-
chen Mitglieder der Akademie dürfen an der Bewerbung um diesen Preis nicht
Theil nehmen,
Manuscripte.
In der Vilmar'schen Auction am 1. März 1. J. befanden sich mehrere interes-
sante Manuscripte, ein Alsfelder Passionsspiel aus dem Ende des 15. Jhd. (vgl.
Haupt, Zeitschr. 3, 477—518), Weihnachtsspiel aus dem 15. Jhd., verschiedene
Bruchstücke. — Ich selbst erwarb ein Pergamentblatt in Quarto, 15. Jhd., Pre-
digten enthaltend. Es beginnt:
Frocht gebrengen Mach der böse bäum
Nyet gude frocht gebrengen.
BERLIN. J. A. STARGARDT.
Einladung zur Philologenversammlung.
Die 27. Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner wird
vom 27. bis 30. September d. J. in Kiel tagen. Wir Unterzeichneten
laden hiezu alle Germanisten ein und bitten, beabsichtigte Vorträge
einem von uns spätestens bis zum 20. September anzuzeigen.
KIEL, im Juli 1869.
K. WEINHOLD. THD. MÖBIUS.
ZUR ZIMMEEISCHEN CHRONIK.
VON
FELIX LIEBRECHT.
An einer andern Stelle habe ich bereits auf den bedeutenden Werth
der den Lesern der Germania übrigens auch schon durch Uhlands For-
schungen zur schwäbischen Sagenkunde hinlänglich bekannten Chronik
ausführlich hingewiesen und das hohe Verdienst anerkannt, welches
sich sowohl der Litterarische Verein in Stuttgart wie der Herausgeber
Dr. Barack durch diese Publication erworben. Letzterem gebührt die
größtmöglichste Anerkennung für die Liebe, Treue und Sorgfalt, womit
er der übernommenen langwierigen vind scliAvierigen Aufgabe gerecht
geworden, so daß die reichen Schachte des an und für sich schon so
wichtigen Werkes durch die Weise, wie er es mit allem Nöthigen aus-
gestattet, nun mit größter Bequemlichkeit allseitig ausgebeutet werden
können. Ich sage allseitig; denn nicht nur Geschichte im engern Sinne
und Genealogie, sondern auch die Culturgeschichte in ihren mannig-
fachen Zweigen, Rechtsgeschichte und Rechtsgebräuche, Sittengeschichte,
häusliches und öffentliches Leben, Sage, Volksglauben und Mythologie
Schwank und Novelle, alles dies findet in dem umfangreichen Werke
die vielfachste Berücksichtigimg. Mehrere von diesen Puncten sind in
den Erläuterungen, mit denen der Herausgeber die Chronik durchweg
begleitet und deren Herbeischaffung nur die umfassendsten Forschungen
ermöglichten , gleichwohl unberührt geblieben , da sie Gebieten ange-
hören, die seinen eigentlichen Berufstudien ferner liegen. Das auf diese
Weise Mangelnde hie und da zu ergänzen, ist der Zweck der folgenden
Mittheilungen, bei denen es mir willkommen zu sein schien, wenn ich
zur Bequemlichkeit der Leser die betreffenden Stellen der Chronik,
die doch nicht Jeder gleich zur Hand hat, ganz oder im Auszuge mit-
theilte. Aus einigen dieser ergänzenden Beiträge zur Erläuterung der-
selben wird sich zugleich erweisen, wie richtig Barack in der unver-
stümmelten Publication des Werkes verfahi'en ist. Er äußert sich näm-
GKRUANU. Ntua Reihe II. (XIV.) Jshrg. 25
336 FEIJX LIEBKKOllT
lieh am Schluß seines Nachworts (IV, 488) auf folgende Weise : „In
der Fraj^e, welche sich der Herausgeber seiner Zeit vorgelegt hat, ob
er manches weniger Erhebliche, auch manche Erzählungen und Anek-
doten , welche unangenehm berühren könnten , im Drucke weglassen
solle , hat er sich für den vollständigen Abdruck entschieden , da es
einerseits schwer hielt, das weniger vom mehr Erheblichen zu sondern
und andererseits durch Ausscheidung des Letztern nicht bloß die Chronik,
sondern auch die Zeit, welche in ihr sich darstellt, eines charakteristi-
schen Zuges beraubt worden wäre." Man muß sich freuen, daß Barack
von seinen anfänglichen Bedenken abgesehen und die Chronik in ihrer
Vollständigkeit gelassen hat; durch die hier folgenden Nachweise dürfte
„manches weniger erheblich" Scheinende sich in einem andern Lichte
bieten, „manche Erzählungen und Anekdoten'' ihre richtige Beurtheilung
erlangen. Und in der That geben letztere zu einer nicht unwichtigen
Betrachtung Veranlassung. Obwohl sie nämlich oft, direct oder indirect,
altern Sammlungen entstammen, werden sie von der Chronik gleichwohl
nicht selten als gleichzeitig und zAvar in nächster Nähe vorgefallene
Ereignisse mitgetheilt; so z. B. heißt es in Bezug auf einen sehr lusti-
gen Schwank: ,^Dises ist alles icie gemeldt zu Waldf im dosier tvarkaffig-
clichen heschehen im jar anno lö47'-\ und eine der Hauptpersonen darin,
Catharina Häge , wird sogar als Amme zweier gräflichen Kinder zu
Möskirch genannt. Nun aber kommt dieses Geschichtchen mit all
seinen charakteristischen Einzelheiten schon in den Cent Nouvelles
Nouvelles und in des Poggius Facetiae vor (s. unten zu IV, 105 ff.)
und es entsteht natürlich die Frage, wie es sich mit dem icarhaftigcli-
cken verhält. Ich glaube, diese und ähnliche Betheurungen dürfen bei
dergleichen Fällen nicht sehr gepresst werden. Graf Frohen Christof,
der Hauptverfasser der Chronik (gest. 1567), war, wie aus manchen
Stellen hervorgeht, ein besonders großer Liebhaber von aller Art Spässen
und Schwänken, und so hat er denn auch einige ältere, die ihm ganz
besonders gefallen haben mögen, neu localisiert, zuweilen sogar, wie
wir gesehen , in seine Zeit und unmittelbare Nachbarschaft versetzt ;
er gieng dabei von dem Shakspear'schen Grundsatz aus, „man mueß
zu zelten den ernsthaßigen und laidigen feilen auch guete schwenk und
ander hossen anhenken, damit die handlangen durch ainandern vermischt
■und der leser guetioillig behalten werd, darumb ich iezgesagte und erzellte
lassen diesem capitel inverUiU.'^ (IV, 111, 29 ff.). Die Wahrhaftigkeit
und Zuverlässigkeit der sonstigen Angaben und Nachrichten der Chro-
nik, soweit sie überhaupt im Stande ist dafür einzustehen, darf meiner
Meinung nach nicht in Zweifel gezogen werden. — Nach diesen Vor-
Zl'H ZLMMEKI8ClIKiN ("HKONIK. 3,S7
bemerkungen weude ich mich nun zu meiner eigentlichen oben bezeich-
neten Aufgabe, d. h. der Erläuterung verschiedener, in Barncks Nach-
weisen unberücksichtigt gebliebener Stellen der Chronik.
Band I S. 69, 18 ff. Hier wird erzählt, daß als Bischof Heinrich
von Augsburg die leibliche Schwester Kaiser Heinrichs IV. geschwän-
gert und die Burg Falkenstein, in die er sich vor der Rache desselben
g€'flüchtet, von dem Kaiser nicht erobert werden konnte, der Bischof
sich endlich auf Vermittlung verschiedener Fürsten diesem mit Leib
und Gut übergab, jedoch sollte er des Lebens gesichert sein. Aber der
kaiser hat der toelschen stückle und ahspriing vil erfaren und gelernet,
darumhy icie der hischof ins leger ankompt, do loaren etlich verordnet, die
ine entpßengen und mit guten tvorten und tcenig diener in ain besonders
abgesondert gezelt fürten^ daselbst icaren andere, die namen den bischof,
fürten ine zic aim block, daselbs zogen sie im das geschier und den iveiber-
werkzeug herfur, legten ime den uf den block, und zu seiner straf begang-
ner Handlung do schlugen sie ime ain hilzin pfal durch den schwänz. Mit
icas großen schmerzen das zugangen, das ist leuchtlich zu gedenken. Der
Bischof starb bald darauf an den Folgen dieser Procedur uf S. Bar-
baren abent anno 1063. — Mit der hier genannten Strafe vgl. Grimm
RA. 520 : Fr. icenn jemand einen fruchtbaren bäum abhauete und den
.stamm verdeckte dieblicher iveise, ivas seine strafe sei? antw. der solches
thut, dem soll seine rechte hand uf den rucken gebunden und sein gemechte
uf den stammen genegelt iverden und in die linke hand ein axe geben,
sich damit zu lösen. Schaumburger altes landr. Was der von Barack
IV, 417 zu 1, 70, 31 angeführte Rraun Gesch. der Bischöfe von Augs-
burg 1, 373 ff. über die Avirkliche Vollstreckung jener vermuthlieh ur-
alten Strafe an Bischof Heinrich beibringen mag, weiß ich nicht, bin
aber überzeugt, daß sie in ähnlichen Fällen ihre thatsächliche Anwen-
dung gefunden hat , da ich nämlich durchaus nicht wie Uhland und
Grimm (s. German. 5, 65) an niemals vollzogene „mythische" Strafen
und Bußen ältester „Rechtssage" glaube, vielmehr sind dieselben einst
ganz buchstäblich zur Anwendung gekommen. Vgl. meinen Aufsatz
„Eine alte Todesstrafe" in Benfey's Or. u. Occid. 2, 269 ff. und Nach-
träge in den Heidelb. Jahrb. 1864 S. 210. Eine fast gleiche Strafe wie
die obige der Holzfrevler bestand in Polen auch für Ehebrecher und
Buhler (per f ollem tssticuli clavo affigitur)\ mit einem hingelegten Scheer-
messer konnten sie sich lösen. Wachsmuth Europ. Sittengeschichte 2,
389. S. auch Kellers Fastnachtspiele S. 785, 22 ff.
I, 119, 1 ff. Ein Herr von Lutzelhart lässt einen nicht weit von
ihm wohnenden Herrn von Geroldseck auf der Jagd gefangen nehmen,
25*
388 Ki:r>i\ likkhkcht
danu längere Zeit Tag und Nacht mit verbundenen Augen im Walde
umherführen und endlich nach dem Schlosse Lutzelhart bringen , so
daß derselbe glaubt, er befände sich in fremdem Lande in Gefangen-
schaft Nach zwei Jahren hört er jedoch eines Tages in dem Thurme,
worin er liegt , ein Hörn blasen , weil gerade das Luftloch oben offen
steht; und ihn dünkt, er het dergleichen vor mehr gehört] auch entlockt
er endlich dem Knechte, der ihm täglich die Speise bringt und sonst
nicht viel reden will, auf geschickte Weise das Geheimniss seines Auf-
enthaltsortes. Es zeigt sich ferner, daß dieser Knecht sein eigener Hin-
tersasse ist , so daß er sich ihm zu erkennen gibt und dann mit ihm
zusammen entflieht. In Geroldseck angelangt, wird er von Weib und
Kindern erst dann erkannt, als er mancherlei Wahrzeichen und heim-
licher Sachen angegeben, denn er war in den zwaienjaren in der gefengk-
nuß so gar abkommen, auch so ungestalt und verendert worden. Bald darauf
zieht er mit seinen Freunden und Verwandten gegen das Schloß Lutzel-
hart; das geiconnen sie und zerhrachens, wie man sollichs am hurgstall
noch sieht, welches dann dise herren von Geroltzeck iezundt noch inhahen.
Dies soll zur Zeit des Grafen Erchinger von Monheim geschehen sein,
der im J. 1159 starb, s. S. 118, 32—35 u. 116, 5—7. — Eine ähnliche
Sage erzählt nun aber auch A. Borgnet in seinem Guide du Voyageur
on Ardenne , Bruxelles 1856, vol. I p. 391 , nach einer alten Chronik.
Demnach soll Jean de Croy, Graf von Chimaj und Obervogt (grand
bailli) von Hennegau, der im XV. Jhd. lebte, einst wegen seiner rück-
sichtslosen Zerstörung der Getreidefelder durch einige Bürger von Cou-
vin (an der Eau Noire, Arrondiss. Philippeville, Provinz Namur) auf
der Jagd gefangen genommen, imd nachdem man ihn mit verbundenen
Augen längere Zeit im Walde hin imd hergeführt , endlich in ein
Loch unter dem Felsen, auf dem das Schloß von Couvin steht, hin-
untergelassen worden sein , woselbst er dann sieben Jahre lang bei
spärlicher Kost eingekerkert lag. Nach Verlauf dieser Zeit schoß eines
Tages ein junger Bursche der Nachbarschaft in eine Spalte , durch
welche in das unterirdische Gefängniss des Grafen etwas Tageslicht
fiel^ zur Kurzweil einen Pfeil, fühlte jedoch, da er diesen wieder heraus-
ziehen wollte , zu seinem großen Schrecken seinen Arm festgehalten.
Auf diese Weise erfährt der Graf von dem Burschen, wo er sich eigent-
lich befinde, und durch reiche Belohnung, die er ihm verspricht, bringt
er ihn ferner noch dazu , heimlich seinen Vater herbeizuführen , den
dann der Graf an seine Gemahlin absendet. Diese zieht stehenden Fußes
an der Spitze ihrer Vasallen gegen Couvin und erlangt die Befreiung
ihres Gatten , sobald sie den Ort seines Gefuu gnist^es augegeben , wel-
ZUR ZIMMEKISCHF.N CIIKoXIK. "^ 339
chen die Verschwornen deu übrigen Bürgeru .stets verborgen gehalten
hatten ; aber detresse et misere avaient tellement change les traits du pauvre
seigneur qii'ä grand'peine ses gens le pouvaient reconnaitre. Der Graf ließ
es jedoch nicht dabei bewenden; er zerstörte das Schloß, puis^ par
allusion subtile au nom du Heu que les hahitants prononcent Couve, ilfit
ce gentil dicton : Couve couve, couve tu tu' as, couver jamais 'plus ne pourras.
Diese wallonische und die oben mitgetheilte deutsche Sage der Zim-
merischen Chronik stimmen im Granzen so wie einzelnen Zügen auf-
fallend überein und dürften daher aiif gemeinschaftlicher Grundlage
beruhen; wieweit jedoch diese geschichtlich sein mag, weiß ich nicht
zu sagen.
I, 1 53, 15 ff. In Bezug auf die Abtei Reichenau wird berichtet,
daß sie durch Verschwendung und Üppigkeit zu Grunde gegangen sei.
Das gehen nit ain Maine anzaigung die froschlehen, also genennt, da son-
dere mair und letit darauf bestellt, die auch ihre lehengueter darauf be-
seßen, die haben den f roschen weren sollen und verhindern, das die gaist-
lichen vätter vor dem retschen schlafen künden, ain hixus, der auch dem
Heliogabalo, Xerxi, Lucullo U7id andern brachthanssen und vericenten leiden
zu ve7'gleichen. Mögt aber ainer sagen , tele kann man den f röschen das
retschen verbieten, oder wie mag doch ain sollichs abgestellt loerden ? Do
haben unsere vorder geantwm% es kund ain thor ein so ungeruempte fragen
thon, das zehen weisen im die nit verantivoo^ten wißen. Also mögt auch
ainer nit unbillich fragen, wie es ainest bei kaiser Vespasiani Zeiten zu-
gangen, der ain zoll uf das brünts wasser ordnet, dessen sich noch bei wei-
len vil verwundern, und tvie ain hof man sagt, so kirnt ain narr mer fragen,
dann zehen die allericeisesten veranticorten. — Die dem Verfasser der
Chronik so schwierig scheinende Frage in Betreff der Froschlehen be-
antwortet sich durch das von Grimm RA. 355 f. Angeführte. Vgl. auch
Birlinger Volksthümliches aus Schwaben S. 117 zu Nr. 173. Die An-
spielung auf Vespasian beantwortet sich durch Sueton in dessen Le-
ben c. 32.
I, 268, 4 ff. Der rewkauf war zu spat, wie man gemainlich von den
Deutschen sagt, das die erst nach der that und da der schaden schon be-
schehen, sich bedenken und iceis seien. Nicht bloß die Deutschen sagen
dies von sich, sondern auch andere Völker. Nach des Freiherrn von
Reinsberg-Düringsfeld Internationale Titulaturen, Leipz. 1863, I, 5 sagt
der Franzose: „Der Italiener ist weise vorher, der Deutsche bei der
That und der Franzose nachher;" und der Pole: „Der Italiener ist weise
vor dem Schaden, der Deutsche im Schaden, der Pole kommt erst
nach dem Schaden zu sich.^ Der deutsche Spruch lautet dort: „Die
39r) FELIX LIEB RECHT
Franzosen sind witzig vor der Sach', die Welschen in der Sach', die
Deutschen nach der Sach'." Dazu will ich noch fügen, daß auch De-
mosthenes De Pace p. 57 zu seinen Athenern sagt: (u' (isv akXoc nävns
av^QOKoi TiQO räv TCQay^drav ela^aGt XQri0%aL rcj ßovXsvsG^ai^ viiatg
0£ [isra T« TTpayuara.
I, 279, 10. In einer Sage, die in den Kreis derer von Heinrich
dem Löwen, dem edlen Möringer u. s. w. gehört, wird erzählt, dem
Helden derselben, einem Grafen Friedrich von Zolleru, habe der Teufel
ein Ross gebracht, welches ihn an alle ort und ende, dahin in gelüstet,
tragen wurde (mocht sich schier des Pacolets ross vergleichen). Der Heraus-
geber in der nachträglichen Anmerkung zur Stelle (IV, 422) hält Fa-
colet für wahrscheinlich verdorben aus Pegasus. Gemeint ist jedoch
jenes hölzerne Ross des Zauberers Pacolet, auf welchem in dem fran-
zösischen Ritterbuch „Valentin und Orson" Valentin durch die Lüfte
fliegt. Noch jetzt sagt man auf fi-anzösisch von Jemand, der rasch ein-
herläuft: „C'est le cheval de Pacolet."
I, 301, 12 ff. Die Bauern von Wittershausen können ihre in ein-
ander verwickelten Füße nicht entwirren, wozu ihnen aber auf ihr Bitten
der eben vorüberreitende Herr Johann von Zimmern alsbald dadurch
verhilft, daß er ihnen mit einem Stock die schinhain wol erklopß. So-
bald die pauren deren straich empfanden, hat ein ider seine schinhain an
sich gezogen und den nechsten aufgestanden. — Dieselbe Geschichte er-
zählt man auch von den Schildbürgern Cap. 29, den Dölpelbachern bei
Burkhard Waldis 4, 90, 69 — 74, den Köpniker Rathsherren, Reinsberg-
Düringsfeld a. a. O. 2, 126 und in Campbells Gälischen Märchen („Leute,
die beim Zusammensitzen ihre Beine unter einander verwechselt haben"),
Beufey's Or. u. Occ. 2, 687.
I, 304. 8 ff. Dieselben Wittershausener messen einst einen Brunnen
ihres Dorfes dadurch, daß sich einige von ihnen einander an die Beine
hängen ; sie fallen aber sämmtlich hinein , als der oberste von ihnen,
um sich fester zu halten , sich in die Hände spucken will und dabei
loslässt. — Dieser Schwank kommt auch sonst noch vor; doch kann
ich jetzt nur den zweiten Theil des „ Grillen ver treib ers" namhaft machen,
s. V. d. Hagen Narrenbuch S. 474.
I, 309, 13 ff. Die Hausfrau des Haug von Hausen wird während
eines Sterbens zu Möskirch (im J. 14 . . ) für todt begraben, durch den
Todtengräber aber, der ihr bei Nacht den goldenen Ring und die schö-
nen Kleider rauben will, Avieder ins Leben gerufen, worauf sie in ihr
Haus zurückkehrt und noch drei Jahre bei ihrem Manne lebt. — Diese
ZUR ZLMMEKLSCHEN ClIKONIK. 301
Sage gehört in den Kreis derer, die ich in der Geunun. 13, 161 ff.
„Die Todten von Lvistnau" ausführlich besprochen.
I, 339, 16 ff. Ein Graf von Leiuingen lässt den gemuthmassten
Buhlen seiner Gemahlin umbringen und den Leib unter dem Hoch-
gericht vergraben ; das haicpt aber hat er in ain eisin kettin einfaßen
lassen und allen imhiß, so er zu tisch gesessen, brachten etlich diener die
grefin in das gemach hinein. Die het das hawpt an der kettin am hals
hangen, miiest in ain winkel sitzen; da gab man ihr wasser und brot, das
mMst sie mit den hundert essen. Sollich straf und pen het ir der graf,
ihr gemahl, ain jar lang zu ainer bueß geordnet. Der h. Ulrich, Bischof
von Augsbui-g, der einst im Schloß des Grafen anlangt und in Folge
seines Gebets das am Hals der Büßerin hängende Haupt zur Außei'uug
der Worte bringt : Unschtddig bin ich alles bezigs an diser fraioen, lässt
den Körper alsbald ausgraben, an den sich dann das Haupt von selbst
wieder anfügt. Der unschuldig Gemordete wird wieder lebendig und
erhält seine Güter zurück; der Graf erlangt die Verzeihung seiner
Fi-au. — Diese Geschichte schließt sich denen an, die Benfey Pant-
schat. 1, 443 — 454 behandelt; s. auch Pauli Sehimpf und Ernst Cap. 223
und meinen Zusatz zu Oesterley's Anm. in den Heidelb. Jahrh. 1867 S. 70.
I, 436, 6 ff. Denen ging es auch icie dem Luciano, bei seiner lieb-
haberin, die sprach: y^abi, in simiam es converstcs."' Ebenso HI, 75, 25'.
Wolan, man hat uns darftir, icir seien in simias conversi. S. Lucians
Lucius c. 56: et) Ös pLot eX^lvd-ag i^ ixsivov tov xaXov xal XQ>i^^fiov
^caov eg Ttid^rjxov ^{Tafiogcpcod-ecg.
I, 440, 5 ff. Noch ist das alles ßcr ain schimpf und ain nichts zu
achten gegen der knnigin von Frankreich, die im Neue zu Paris am icasser
hat gewonet, die hat Studenten und andere, die ir gefallen, einzogen und
nach dei' haut gebraucht. So sie dann eins maßledig worden, oder er kain
hertbarer gesell mer gewesen, wie man an der Jeder am Hunsruck sprücht,
so hat sie ain haimliche fallen ufs wasser, die Seine, gehapt, die ist wie
ein mausfall gemacht gewesen, so hat sie dann den gueten gesellen schnappen
lassen. Der ist verfallen, das ine niemandts mehr gesehen. Das ist mit
vilen geschehen, die also verloren worden. Letzstiichs ist das mort durch
den großen Albertum, so derzeit zu Paris studiert, offenbaret loarden, das
Pallatium Nelle^ darin sie gewonet, ist zerstöret, ist noch ein burgstall und
ligt xf der seiten der universitet. Ich habe von herzog Hannsen von Summer
gehört, das si ain herzogin von Bayern sei gewesen. Wie es ir dar ob er-
gangen, ist ain ungleiche sag, soll aber doch, loie billich, darumb gestraß
sein icorden. — Diese Sage bezog sich ursprünglich auf zwei andere
französische Königinnen , von denen die eine Bianca hieß , entweder
392 FELIX LIEMKECHT
also die Gremahlin Ludwigs VIII. , Tochter Alfons IX. von Castilien
und Mutter Ludwigs des Heiligen (11252), oder die Gemahlin Karls IV.,
Tochter Ottos IV., Pfalzgrafen von Burgund (f 1.340); wahrscheinHch
auf die letztere, die ein sehr ausschweifendes Leben geführt hatte, ob-
wohl auch ersterer mancherlei nachgesagt wurde ; s. z. B. Bayle S.
V. Thibaut, bes. Note D ; ferner Jean d'Outremeuse Ly Myreur des
Histors V, 177 (Acad. Roy, de Brux.) u. s. w. Die andere jener zwei
Königinnen war Johanna, Tochter Heinrichs I. von Navarra, die Ge-
mahlin Philipps des Schönen, die gleichen Euf genoß (f 1304). Wie
man nun darauf gekommen sein mag, an die Stelle jener beiden die
nicht minder berüchtigte Isabelle von Baiern, die Gemahlin Karls VI.,
eintreten zu lassen, und mit dieser dann Albertus Magnus in Verbin-
dung zu bringen, erhellt aus meinem Aufsatz „Semiramis" im Philo-
logus 24, 180 ff., obwohl ich bei Abfassung desselben von dieser wirk-
lich eingetretenen Verbindung noch nichts wusste.
I, 455, 2 ff. Ivudwig von Liechtenberg, der sich mit der schwarzen
Jcunst vil beladen hat, ließ sich einmal in einem Wirthshause, wo viele
betrunkene Bauern lärmten, von einem derselben einen Stiefel auszie-
hen, zugleich gieng ihm aber der ganze Schenkel mit vom Leibe; also
hat alle umbstender gedeucht, es ist aber alles nur ain blendung gewesen.
Ganz erschreckt eilen alle Bauern davon; also ist der guet herr diser
vollen pauren geschtoindt abkommen, das er dieselbig nacht guete ruio hat
gehabt. Über diesen Schwank s. zu Gervas, S. 64 Anm. ; auch Eulen-
spiegel G. 65 ed. Lappenb,
I, 485, 1 ff. Dem Churfürsten Albrecht von Mainz schlägt ein
thorechter mentsch, genannt der Pastor, eine hartnäckige Mücke, die nicht
weichen will, mit umgekehrtem Wedel auf der Nase todt, — S. H. Kurz
zu Waldis 2, 99; Oesterley zu PauH Schimpf und Ernst Cap. 673 und
Anhang Cap. 19, Dieser Schwank wird auch in der Liosvetningasaga
als historische Thatsache erzählt ; s, P. E. Müllers Sagaenbibliothek 1, 134
(des dän. Orig.).
II, 5 ff. In dem „deutschen spruch" Herrn Johann Werners von
Zimmern (geb. 1480) kommt auch eine Episode vor (S. 18, 19 — 22, 33)
welche mit den Worten beginnt: In der edlen statt Prato — Was ain
gesetz also u. s. w. Diese ist dem Decam. VI, 7 entnommen, wo der
Anfang lautet : Nella terra dt Prato fii giä uno statuta ecc. Das Wort
edel fehlt hier also, findet sich aber in der Steinhoewel'schen Übersetzung
(S. 394 ed. Keller. Litter. Verein) : In der edelen stat Prato vor zeiten ein
Statut vnd gesecze was u. s. av.
ZrU ZIMMEKISCHEN CHKONIK. 393
II , 47 . 7 ff. Zwei Herren von Spet (Zeitgenossen des eben ge-
nannten Johann Werner von Zimmern) reiten einst bei einem Hoch-
gericht vorüber und einer von ihnen lädt die dort hängenden drei dür-
ren hrueder zum Nachtessen zu Gast, und wirklich auch erscheinen diese
des Abends zum großen Entsetzen der beiden Hauswirthe. — Eine
gleiche Sage in Grimms DS. Nr. 335 „Gäste vom Galgen", und in de la
Villemarque's Barzaz-Breiz 2, 57 ff. (4. ed.) „Le Carnaval de Rospor-
den." Letzterer nennt sie „egalement populaire en Allemagne, en Espagne
et en France." Das „Espagne" geht ohne Zweifel auf die Sage von
Don Juan, über welche s. Scheibles Kloster 3, 663 ff.
II, 159, 30 ff. Nicht weit vom Grafen Wolf von Oettingen, einem
andern Zeitgenossen Johann Werners, ist ain alter ritter gesessen gewesen^
der hat ain schöne, junge fraioen gehabt, und ist aber er ain solcher karger
man, das bemelfe frau nit allain den gaistlichen, auch den weltlichen hunger
zu Zeiten gedulden mueßen. Zu der ist graf Wolf oftermals in ains hett-
lers gestalt heklaidet kommen und etliche tag manichmal hei ir beliben.
Dai-von ist das liedt gemacht worden, so man den Bettler nenvpt, und loie
das liedt vermag, also ist die historia an ir selbs ergangen. Barack ver-
weist hierzu auf Uhlands Volkslieder 2, 737 ff. u. 1030. S. auch Mittler
Nr. 173—177 nebst den Anm. der 2. Aufl., Horae Belg. 2, 122 f.
(2. Ausg.) Nr. 46, V. d. Hagens Gesammtab. Nr. 36 „Das warme Al-
mosen" und dazu meinen Nachtrag German. 1, 262. [Keller Altd. HS. 7.
Wiener HS. 2848 Bl. 232\]
II, 175, 29 ff. Graf Albeck von Sulz hatte einen Sohn, Namens
Herman ; von dem sagt man, als er geboren looi'den, hab im sein herr vatter
ztven namen im tauf geben lassen, nemlich Wolf und Herman, ufier der
ursach, so der jung ain reuterisch mann icerde, soll er Wolf haißen, wa
nit, solle im der nam Herman bleiben. Denselbigen namen hat er sein leben'
lang behalten, dann es ain gueter, frommer, einf eltiger mann gewesen, der
hillicher Herman, welches ain schaff ist, dann Wolf hat sollen gehaißen
werden. — Man vergleiche hiemit die von Grimm Myth. 327 angeführte
Stelle des Widekind : „Hirmin vel Hermes graece Mars dicitur, quo
vocabulo ad laudem vel ad vituperationem usque hodie etiam ignoran-
tes utimur." Dies Avird auf den Bock, Thors geheiligtes Thier, bezogen,
der noch jetzt Hermen heißt; s. Grimm Gesch. d. Spr. 35, A. Kuhn
Westph. Sag. 2, 15. Wie aus obiger Stelle der Zimmerischen Chronik
erhellt, gab man im 15. Jhd. auch dem Schafe den Namen Herman.
II, 179, 13 ff. Im 15. Jhd. wurde im Züricher Gebiet ein Hirsch
erlegt, um dessen Hals sich ein ins Fleisch gewachsener Ring befand
mit der Inschrift: Jaeger, lieber, laß mich leben! — Diß halsband hat
304 FELIX LIKJtlvKCHT
vür kniser Karle (/ehen. — Dieselbe Sas^e wird sonst niif jMagcleburf]^
bezogen; s. Grimm -DS. Nr. 440; vgl. Wolf Niederl. Sag. zu Nr. 50.
II, 180, 7 ff. Die ritterschaft s. Jörgen schüts im Hegew hielt uf
ain zeit ain große fasnacht zu Costmiz .... Begab sich, das under andern
fraiven und junkfraiven ainer under dem nachtessen etwas unv er sehenlichen
von nöten wardt. Nun war domals [gegen Ende des XV. Jhd.] der brauch,
das man an langen schmalen taffein aß, ivie in den clostern noch gemainc-
lich der bruch, und beschach der gueten jungfrawen, die aller nechst bei
herrn {Gottfrieden saß, so bang und so wehe, das sie nit lediger verziehen,
sonder hunder der tajfel uf wuschte, den langen schicanz an ihrem rocke,
wie domals der sitt loas, umb den ainen arm wicklet, über die tajfel, darzu
ir dann die rechtsgeseßnen alle verholfen loaren, steigen mueste. Es konnte
aber so geschioindt nit zugeen, der gueten junkfraiven empfiel ain michels
kegele uf den disch, nit weit von herr Gottfriden. Aber si fuoi- darvon,
ir macht iederman 'platz. Herr Gottfridt schrie ir nach: y^Botz mag!
jungkfratv, nemts mit!'"'' Darvon entstuendte ain sollichs gelechter., tmd mueste
man ain frischen disch machen. Aus diesem tragischen Vorfall erhellt also,
daß auch in Süddeutschland ehedem über den Tisch springen müsste,
wer hinter demselben hervor wollte , wie ich dies aus den nordischen
Ländern, so wie aus Italien und Frankreich in den Gott. Gel. Anz.
1867 S. 571. 1868 S. 427 nachgewiesen. Diese Gewohnheit erhielt sich
in Dänemark selbst in den Häusern des Adels so lange , bis König
Friedrich der Zweite (1559 — 1588) diese Art bei Tisch zu sitzen verbot,
weil es ungeziemend wäre, daß Frauenzimmer auf genannte Weise über
•den Tisch sprängen. Wie sehr berechtigt dieses Verbot war, geht aus
Obigem schlagend hervor. Übrigens entnehme ich einer freundlichen
Mittheilung Kauslers, daß „auch heute noch im Gebirge die Sitzbänke
hinterm Tisch an die Wand fest gemacht sind, und ein kräftiger Bursche
springt noch jetzt, wie ich mich selbst überzeugt, nach Umständen vom
Sitze aus frei über die ganze Tafel weg. Solche Stückchen gefallen
aber auch der Bevölkerung!"
n, 220, 36 — 222, 35! Hier werden hintereinander zwei gräuliche
Geschichten a la Cintio erzählt , worin fast alle handelnden Personen
ums Leben kommen und welche beide in die erste Hälfte des 16. Jhd.
versetzt werden. In der ersten tödtet zu Hechingen ein Knabe seinen
Bruder im Spiel, die Mutter hört das Geschrei beider und eilt hinaus,
inzwischen ertrinkt ihr jüngstes Kind, welches sie eben badet; der Vater
kommt nach Haus und ersticht sich ob des großen Jammers. Der Knabe
wird vor Gericht gestellt und ihm, um seine Urtheilsfähigkcit zu prüfen,,
ein neuer glänzender Goldgulden nebst einem Apfel zur ^Valll vorgelegt;
7A'\{ ZiMMHRI.SCHEN CHKüNIK. ■" 395
ZU seinem Glück greift er nach dem Apfel und kommt also mit dem
Ltben davon. — Dieser letztere Zug stammt £^s der bekannten Sage
von Moses, s. meine Notiz in der German. 1, 476 f ; vgl. [Gorman. VI,
209—212], W. Wackernagel Die Lebensalter, Basel 1862 S. 46 f.; tüge
liiezu die serbische Sage bei Maßmann Kaiserchronik 3, 870 f.
n, 405, 15 ff. Das iezig kirclüe im Weiler ist in der ehr des rifters
s. Jwgen geweicht. Darin ist hei wenig jaren noch ain unachthare aichene
Scheiben gewesen, in der form und große wie ain zimlicher faßhoden-. .
Diese aichene Scheiben hat diese chraft und aigenschaft gehapt , so etvmn
ain mentsch in der Tonow ertrunken und zu boden gefallen^ das man den
leib nit finden kinden, so hat man iez ernempte Scheiben im Weiler gehollet
und dieselbig an das ort, do der juenfsch ertrunken, in die Tonow geivor-
fen, so ist dann die Scheiben dem wasser nach geschwommen, biß an das
ort, do der cörpel gelegen. Alsdann ist sie nit fortgangen, sonder sich vil-
mals in aim lourbel umbkert. Daselbs haben dann di vischer gesucht und
den todten mentschen gewisslich gefunden .... Man sagt auch, es sollen deren
Scheiben noch mehr an der Tonaiv sein, die ain gleichförmige chraft haben,
sonderlichen aber bei denen kifxhen, so in der ehr des lieben hailigen, rit-
ters s. Jörgen seien geioeihet. — Vgl. hierzu Wuttke Der deutsche Volks'
aberglaube der GegeuAvart 2. Aufl. Berlin 1869 S. 239 §. 371 ; „Um die
Leiche eines Ertrunkenen zu finden , schreibt man seinen Namen auf
ein Brot und wirft es ins Wasser , so schwimmt es an den Ort , wo
der Ertrunkene liegt (Wetterau, Oberpfalz) • man nimmt ein neuge-
backenes Brod, schneidet in die untere Rinde ein Loch und steckt eine
angezündete geweihte Wachskerze hinein und lässt es auf dem Wasser
schwimmen, manchmal lässt man nur eine Wanne schwimmen (Böhm.)."
Daß ein ähnliches Verfahren auch in England, Irland, der Bretagne,
so wie selbst unter den nordamerikanischen Indianern Statt findet,
habe ich in den Heidelb. Jahrb. 1865 S. 102 und 1868 S. 83 gezeigt.
Ein Correspondent der an ersterer Stelle angeführten Notes and Que-
ries fChoice-Notes p. 42 f ) sucht übrigens das Verfahren auf natürliche
Weise zu erklären.
II, 463, 27 if. Eine Hebamme wird einst des Nachts in Augsburg
von einer unbekannten Frau zu einer Gebärenden geholt , wobei ihr
jedoch jene unterwegs die Augen verbindet und sie längere Zeit hin
und her führt, damit sie nicht wisse, wo sie hingehe. An Ort und Stelle
angelangt, findet die Hebamme eine junge Frau mit verhülltem Gesichte,
nebst ein oder zwei andern Weibern, die sie indeß auch nicht zu er-
kennen vermochte. Die Fenster des Zimmers sind dicht verhängt ;
darneben ist auch die hebamma so wol verhuet worden, das sie mit keiner
3'.MJ FKLIX l.lmUiKCHT
kreiden, holen oder anderer materia ainich zaichen oder gemerk, weder im
gemach oder dem haus, jachen künden. Nachdem sie ihr Geschäft ver-
richtet, wird sie reich belohnt entlassen und mit verbundenen Augen
auf dieselbe Weise wie vorher wieder nach Hause gebracht. Unterwegs
jedoch , als sie veiinerkt an ainem eck der gassen sein , ist sie mit fleis
gestraucht, gefallen und die ain handt an der mauer verkretzet, damit die
wandt schweißig gemacht und nachgends widerumh darvon gangen. Am an-
dern und den darauffolgenden Tagen sucht sie nun so lange an allen
Straßenecken umher , bis sie die von ihr mit Blut bezeichnete aufge-
fimden und die hehamma hat nachgends das ganz mistennum außgehracht,
so daß die betreffenden Personen in der Stadt bekannt wurden , wie
sie denn auch die Chronik namhaft macht. Letztem Umstand hat die-
selbe indeß weiterhin Bd. III S. 544, 12 — 28 vergessen ^ wo sie das
nämliche Ereigniss summarisch noch einmal berichtet, aber hinzufügt:
Von tcegen ires furnemen geschlechts und adeUichen hettelmantels sollen ire
nammen unverzaichnet bleiben. — Diese Geschichte soll sich nun zu
Augsburg im zweiten Viertel des 16. Jhd. zugetragen haben; sie wird
jedoch von Walter Scott sehr ähnlich als zur Zeit der Königin Elisa-
beth in England (Berkshire) vorgefallen berichtet (s. Rokeby Canto V
sect. 27 Anm. zu „Littlecot-Hall") , und zwar wurden durch eine der
oben erwähnten entsprechende List der Hebamme auch damals die be-
treffenden Personen bekannt , wegen ihres hohen Standes aber nicht
bestraft. Die Erzählung ist nämlich noch grausiger durch den Umstand,
daß das neugeborene Kind alsobald ins Kaminfeuer geworfen und von
diesem verzehrt wird; in der deutschen Version heißt es dagegen nur:
Got waist wo das kindt hinkommen^ dann wie man öffentlich gesagt, so
ist es under ain eis gefaren. Hierzu bemerke ich noch, daß um das
Jahr 1840 die Spener'sche Zeitung in Berlin eines Tages einen ebenso
mysteriösen wie schaudervollen Vorfall berichtete , der kui'z zuvor in
Bukarest stattgefunden haben sollte ; ich zeigte aber Tags darauf in
dem nämlichen Blatte, daß derselbe nur eine Erneuerung der eben an-
geführten englischen Version der in Rede stehenden Geschichte war,
mit der er fast buchstäblich übereinstimmte. So leben dergleichen Sa-
gen usw. von Zeit zu Zeit immer wieder auf!
II, 491, 14 ff. Am Anfang des 16. Jhd. kam ein umherziehender
Mönch auch nach Möskirch, um mit dem Heilthum für sein Kloster zu
sammeln. Seine Zechgesellen stahlen ihm dasselbe aus dem Wetschger
und thaten dafür Heu hinein. Als er nun andern Tages bei der Predigt
die Reliquien vorzeigen wollte und dafür Heu fand, erschrack er zwar
anfangs, iedoch erholt er sich wieder, loollts verbössern und spracht, es seie
ZUR ZIMMERISCHEN CHRONIK. 397
das heto, das unseres Heryots essel uf dem palmfag gessen hab. Dess loardt
ein groß gelechter in der kirchen. — Dies ist wiederum eine Novelle
des Bocc. Decamerone VI, 10: Frate Cipolla promette a certi contadini
dl mostrare loro la. penna dello agnolo Gahriello, in luogo della quäle tro-
xxindo carhoni, qaelU dice esser dt quellt che arrostirono San Lorenzo.
II, 500, 31 ff. Ein Herr von Lenzenberg buhlt mit dem Weibe
seines Freundes und nahen Nachbarn , eines Herrn von Falkenstein.
Einsmals hat er dieselbe in Abwesenheit bei sich in seinem Schlosse
und sie liegt noch im Bette, als sein Freund am frühen Morgen auch
anlangt, aber nicht von FaLkenstein her. Der Lenzenberger erzählt ihm
von der schönen Frau , die sich eben bei ihm befinde und ftihrt ihn
dann auch in das Schlafzimmer, wo sie wachend faulenzte. Als die iren
Junker und eheman vorhanden sein vermerkt, hat sie allain das angesicht
Vierdeckt und außer gehaiß ires liehhahers, des Lenzenhergers , hat sie ein
handt hiß an ellenbogen %ind ain fueß hiß ans knie ußer der deckin ge-
fhon und das den eheman tcol besehen lassen. Hierauf der edelman ah
Falkenstain gesprochen, waverr ich nit gedechte, mein iceih tif Falkenstein
sein, ich sagte es iver mein loeih. Also ist es uf dizmal bliben. Als er nun
nach eingenommenem Imbiß sich nach Falkenstein begibt , findet er
die bereits wieder nach Hause gekehrte Frau vor, die ihn freundlich
empfängt. Er thut als ob er nichts gemerkt ; ein anderes Mal aber,
wo er die Frau bei ihrem Buhlen weiL^i , überfallt er dessen Schloß
und zerstört es , wobei auch der Lenzenberger das Leben verliert.
Wo aber die h.uer hinkommen, die schandtlich frech hestia, das ist ver-
gessen lüorden, aber zuversichtlich, es seie ir vne irem consorti ergangen,
und damit hab sie iren verdienten Ion erlangt. — Dies ist die erste der
Cent Nouvelles Nouvelles, wo aber der Ausgang, dem Charakter dieser
Sammlung gemäß, minder tragisch lautet. Der Hauptinhalt ist folgender :
La premiere nouvelle traicte d'tmg qui trouva fagon de jouir de la fem.me
de son voisin , le quel il avoit envoye dehors potir plus aisement en jouir ^
et lui reiourne de son voyaige , le trouva, qui se baignoit avec sa femme.
Et non saichant que ce fust eile la voulut veoir ; et permis luy fut de seule-
ment en veoir le derriere : et alors jugea que ce lui sembla. sa femme, mais
croire ne l'osa. Et sur ce, se partit et vint trouver sa femme ä son hostel
qu'on avoit houtee hors par une poterne de derriere; et hii compta l'imagi-
nation qu'il avoit eue sur eile dont il se repentoit. S. auch die Anmerkung
von Le Roux de Lincy zu dieser Novelle in seiner Ausgabe Paris 1855,
wo aber verschiedene Verweisungen unrichtig und nach Dunlop S. 261
zu Ser Giovanni II. 2 zu berichtigen sind.
398 FKLIX LlElilfECHT
TT, r)'VP>, 7 ff. Zu Anfang des IR. Jh. wurdo zu Möskirch ein Brnnd-
stifter enthauptet. Nachdem dies geschehen , drang ein „Landfahrer"
herbei und trank das warme Bhit des Hingerichteten, wodurch er sich
von der fallenden Sucht zu heilen gedachte. — Vgl. hierzu Wuttke
a. a. 0. S. 129 §. 189 und S. 334 §. 532.
II, 534, 25 ff. Um dieselbe Zeit ungefähr hat der Pfaff Hans
Hemler die pfarr zu Wittershausen versehen und sagt man geunsslich von
ime er hab sehn guggengauch zu Wittershausen geholfen zu gugge7i, sei
aUernechst zu im nf ain paum gestiffen und damit haben sie haide den guggen-
gauch zu Bochingen überschrieen. — S. Schildbürger Cap. 38 und vgl.
Mannliardt in der Ztschr. f. d. Myth. 3, 268 ff.
n, 569, 23 ff. Es Jiat ain dorf im landt zu Bayrn, nit weit vom Hag,
darin mögen di pauren nit dulden^ das man inen von aim krebs sag; damit
ist inen ein boß begegnet. Der „Possen" selbst wird jedoch nicht mitge-
theilt; gemeint ist iudeß ohne Zweifel der in den Schildbürgern Cap. 41
erzählte.
III, 51, 8 ff- Bei der Hochzeit des Freiherrn Wilhelm Werner
von Zimmern (im J. 1524) zogen die von Rotveil mit ihrem carojo oder
großen haupthaner ob den 500 stark herab geen Oberndorf, der hochzeiterna
entqeqen. — Wir finden hier also noch eine sehr späte Spur des mittel-
alterlichen Bannerwagens oder carrosche , karräsche , ital. carroccio,
vo-1. Grimm RA. 263 ff. Myth. 96. Reiffenberg im Glossar zu Philippe
Mouskes 2, 840 s. v. Estandart. Dergleichen Bannerwagen waren schon
im alten Ägypten in Gebrauch , s. Julius Braun Naturgeschichte der
Sage 1, 52: „Das heilige Thier des Amuu-Agathodämon ist der Widder;
in seinen Kopf endet der Mastbaum eines Bannerwagens, den das ägyp-
tische Heer , wie auf der äußern Tempelwand von Medinet Habu in
Theben zu sehen, beim Ausmarsch mit sich führt."
III, 7(), 4. Von einer Edelfrau, die sich oft nach dem Kloster
Kilperg begab und dort der Buhlerei oblag, heißt es, sie sei dem umar-
men almnesen gen Kilperg nachgeirandelf. — Dies ist eine Anspielung auf
die Erzählung „Vom warmen Almosen" in v. d. Hagens Gesammtab.
Nr. 36 ; vgl. oben zu II, 159, ,30.
III, 90 Anni. zu 25. Zu der Geschichte von dem Hausgeist Hutgen
s. auch Grimm DS. Nr. 74 „Hütchen".
III, 275 Aum. zu 23. Über die Sage vom Rattenfänger zu Hameln
R. auch noch Lütke in v. d. Hagens Germania oder Jahrbuch usw.
4, 44 ff. Wolfgang Menzel Odin S. 229 ff. Mannhardt German. Mythen
5. 257. 368. Grohmann Apollo Smintheus S. 83 ff., dessen Böhmische
Sagen 1, 168 f. Simrock Myth. S. 4.54 (2. Aufl.). Nach abyssinischem
ZtJK ZTMMERISCHEN CHRONIK. 399
Aberglauben sind die Hadjiuji Madjuji dämonische Pfeiffer, wclelie anf
Zieg-en durch die Dörfer reiten und durch ihre Musik die Kinder auf
unwiderstehliche Weise hinter sich her und ins Verderben locken.
S. meine Anzeige von Baring Grould's Myths of the Middle Ages in
den Heidelb. Jahrb. 1808 S. 647 Nr. V „The Piper of Hameln". Vgl.
auch noch die vorhergehende Geschichte in der Zimmerischen Chronik
selbst S. 272, 10 ff.
III, 276, 3 ff. Die Hausfrau eines Grafen von Aichelberg, welche
tor etlich hundert jaren bei irem leben vil tconung zu Boll gehapf, ist ain
darf, im, land zu Wurtenbei'g gelegen, ti'elches auch zu der grafschaft Aichel-
berg der zeit mag gehert haben, versclieucht die Schneegänse, die den
Feldern der armen Leute viel Schaden zufügen, durch ihren frommen
Lebenswandel soAvohl wie dadurch, daß sie ain hülzine gans vf ain pfal
schnitzen lassen zu ain zaichen, mit dem berichte so lang sie das zaichen
bei inen haben, icerden sie hinfurler von solchem gefugel onmolestirt bleiben.
Als aber zur Zeit der Reformation die Gans verbrannt wurde, haben
sich die Schneegänse wiederum oftmals gezeigt und den Schaden erneut.
Die Bannung schädlicher Thiere durch nachgebildete Figuren derselben
so wie ihr Wiederkehren nach Zerstöi-uug letzterer ist ein alter Zauber-
glauben; s. Gervasius S. 98.
rV, 11, 4: icie der groß Alexander der königin Cleophile ir kunig-
reich von wegen irer liebsdieyisten wieder zugestellt. Statt Ch^ophile müsste
es heißen Cleophis; s. Justin 12, 7.
IV, 39, 3: et loquebantur variis Unguis. S. Apostelgesch. 2, 4.
IV;, 51, 3 ff.: Kaiser Carle. . . . •practiciert, das kunig Hainrichs eitere
dochter von Engellandt seim sone , kunig PhiUpsen, vermehlt. Hilf Got!
was eilender conditionen miiesten der vatter ttnd sone bei dem barbarischen,
stolzen Volk eingeen ! Die Engellender volten alle preeminenz haben vorm
kunig und allem seim volke. Die hofertigen Spanier muesten sich icider
iren loillen ducken. Das loardt also ußgedinget, und sagt man, ivie ich das
von hochen letden gehört , sie seie uf den jungen kunig zu Zeiten gesessen
und td)er Rein gefaren. — Letzteren Ausdruck über den Rhein fahren
halte ich für eine aphrodisische Redensart und das Ganze für ein 6%^yicc
cccpQodiöt-axöv., welches sich durch das vorhergehende gesessen erklärt;
vgl. Ovid de arte am. 3, 778 „resedit".
IV, 78, 30 ff. Den Mönchen zu Schouow sagte man nach, sie
hätten den alten Churfilrsten Friedrich, Graf Ludwig von Löwensteins
Vater, durch den Psalm 108 „Dens laudem" zu todt gebetet. Vgl. über
zu todt beten Wuttke a. a. O. §. 397. :)20.
400 FF.LIX IJEliKKClIT
IV, 105, 21 ff. Kurze Zeit zuvor, ehe Katharina Iläge als Amme
zweier ^Fräuleiu" zu Möskirch angenommen wurde , ist ir ein gueter
schwank iciderfaren, den ich ir gleichicol zu kainer schmach odei' ainiehem
nachtail, sonder allain, dieweil ich mir furgenommen, manchei^lai zu be-
schreiben und das sollichs alles luarkaßigclichen also beschaffen, alhie in-
serieren wellen. Nun ist der zeit ain pater oder beichtvater von Salmans-
weil zxi Waldt im dosier gewesen, genannt herr Bartholme Kobolt, welcher
die closterfrawen daselbst providij't. Derselbig bauchvatter war ain wilder
brueder und der dritten regel des lieben hailigen sancti Sileni, und so er
zu der adem liese, pflag er gemainlich guet Schweinebraten bereiten lasen
und fraß alsdann ein grose somma wurst. . . .Ains abends spat het bemelter
munch Kobolt dise Katharinam spat zu sich in die badstuben zu Waldt
beschaiden, da wolten sie ain guets muetle haben. Er pracht uf die bestimbt
zeit ein guete ßeschen mit wein, alsdann die patres zu Waldt sonderlichen
mit gueten wiein und in aller fülle wol loerden ußgemest; so bracht sie
bachen ßaden. Nun traf es sich aber, daß ein Hirtenjunge, der auf der
Weide einige dem Kloster gehörige Kälber verloren, aus Furcht vor
Schlägen nicht zu seinem ani nach Hause gekehrt war, sondern sich
in jener Badstube versteckt hatte , wo er einschlief. Das Geräusch,
Avelches das später eintretende Liebespaar machte, weckte ihn zwar auf,
jedoch hielt er sich vor Schreck ganz still, konte sich auch user der sach
und was daraufi loerden wolte nicht verrichten. Mit was ceremoni der münch
bemelte Catherin empfangen, ist von unnetten zu erzellen, es kanns ein ieder
verstendiger selbs ermessen. Es wardt vom münch gleich in ein bedenken
gezogen, ob sie anfengclichs zechen, oder sonst mit ainandern im bret spilen
tcelten. Aber in solcher berathschlagung und auch das er die fraw ganz
guetwillig befandt, die dann stettigs uf den Messias wartet, do wardt dem
münch, wie obgesagt, das eisen so hitzig, man hett ein schwebelhölzle darbei
angezündt , das er sie gleich in der furia uf ain bank, darauf das licht
Stande, legt und sie entblöst. Ehe und zuvor aber der scharrmitzel anging,
greift der münch mit baiden henden zum gaffeisen und sieht hinein. Also
in groser begir (loie zu achten, der münch sei ganz transi getoest, der auch
selten zu aim solichen lueder kommen) sprucht er: yHie sihe ich die gan-
zen weh und was darin ist."' Wie er das sagt, do empfacht der arm knab
7oider ein herz, verhoffende, er mecht durch sollichs mitel seine kelber wider
finden, und rueft mit demuetiger stim: ,,Ach, lieber herr, durch Gottes willen,
so ir also in alle weit und was darin ist, sehen künden, schaioet, ob ir auch
meine verlmme kelber, wo die verborgen weren, ersehen mögten, dann mich
vielleicht mein ani sonst zu todt schlagen unirf."' So baldt der bueb das also
redt, erschrickt der münch und läuft davon ; Katharina folgt ihm alsbald
ZUR ZIMMERISCHEN CHRONIK. 401
nach. Dises ist alles, wie gemeldt, zu Waldt im dosier warhaft igcUchen be-
schehen im jar anno 1547. — So erzählt die Chronik; früher jedoch schon
die zwölfte der Cent Nouvelles Nouvelles, deren Hauptinhalt so lautet:
La dousiesme nouvelle parle d'ung Hollandois qni nuyt etjour, ä toute heure,
ne cessoit d'assaillir safemme au jeu d'amours ; et comment d'avenfure il la
rua par terre, en passant par ung hois, soubz un grant arhre sur lequel estoit
ung laboureur qui avoit perdu son veau. Et en faisant inventoire de beaux
membres de safemme, dist qu'il veoit taut de helles choses et quasi tout le monde;
ä qui le laboureur demanda s'il veoit point son veau qu'il cherchoit, parce qu'il
disoit qu'il lui sembloit en veoir la queue. Dieser Schwank findet sich aber
auch bereits in des Pogg^ius Facetiae; s. Duulop S. 296 und Le Roux
de Lincy zu der angeführten Novelle. — Noch bemerke ich^ daß der
in der Erzählung der Chronik vorkommende Ausdruck tränst wohl das
französische Wort ist, hier aber in der Bedeutung „außer sich, verzückt",
wie das englische tranced.
IV, 136, 14 ff. Um jene Zeit kam auch ein Abenteurer nach Mös-
kirch, so mit der schioarzen kunst umbgienge; der beschivur ain gaist, daz er
sich in eines jungen knaben daumennagel erklert und wunderbarliche ding zaigt.
— Über die Ouychomantie s. Gervas. S. 73.
IV, 144, 15; der kotzen die schellen anhenken. S. Oesterley zu
Pauli Schimpf und Ernst Cap. 634.
IV, 221, 1 ff. Das loueteshere lässt sich nicht nur bei Nacht und
des Abends sehen, sondern auch am frühen Morgen, dess wir dann ein
glaupliche histori haben, die sich bei inenf sehen gedechtnus im landt zu
Franken und dann im kloster zu Maiäbronnen begeben hat. Ein Herr von
Seckendorf war mit einem Herrn von Erlikom bitter verfeindet. Eines
Abends reitet ersterer mit seinem Knecht durch einen Wald und bleibt
dann die Nacht über in einer dort befindlichen Capelle. In aller Frühe
wieder aufbrechend, schickt der Herr bald nachher den Knecht nach
der Capelle zurück, um ihm seine vergessenen Blechhandschuhe zu holen.
Wie aber derselb dahin kompt, loar dess noch dunkel und nit recht tag, so
feindt er ainfeurigs gespenst uf der todtenbar sitzen, das het die hendtschuch
angelegt tmd schlueg die in ainandern. Do lief dem knecht die catz den rugken
upiin und wolt lenger nit bleiben, kert umb und sagts seim Junkern. Dieser
reitet nun selbst zurück , wobei es bereits zu tagen anfängt, und hört
bald darauf em iminderbarlichs geschrai, gedöß, clingeln undjämern mit eim
grosen brastlen, als ob alle beum im waldt entzwai brechen und umbßelen. Er
versteckt sich daher zwischen den Bäuinen und sieht dann eine selt-
same Reiterschaar vorüberziehen ; ein tail haben kaine köpf gehapt, nur
GERMANIA. Neue Reihe II. (XTV.) Jahrg. 26
402 FELIX LIEBREC'HT
Clin arm, die ross etwann nur zwenfueß, auch ohne ein haupt; vü fueßgenger
sein mitgeloffen, under denen etioann der ain auch mir ain schenket, etioann
einer mit einer handt, vil ohne haupter, ein tau halber verhrent, vil die
Mose Schwerter durch den leih gehapt. . . . Aber under diesem häufen allen
ist nichs geioest, darab er sich mehr verivundert, als ab ainem raisigen man,
der hat ein iveisen, dürren, magern und hinkenden gaul an der hand gefuert,
hat ain schlecht claidt angehapt und ist also verumndet geivesen, das im
die derm userm leib gangen und über das claidt und das ross hinab gar
nahe dem boden eben gehangen sein. Als nun diese Schaar vorübergezo-
gen, reitet der von Seckendorf weiter, begegnet aber noch einem ein-
zelnen Nachzügler und erfährt von diesem auf seine Frage , was das
für ein Haufen Leute gewesen, es sei das tcueteshere und das nachge-
führte magere Pferd für den von Seckendorf bestimmt, wobei er diesen
mit dem Taufnamen näher bezeichnet und hinzufügt: der soll von dem
von Erlikom, seinem feindt, uf eim solchen iveisen, mageren ross von heut
über ain jar geioisslichen erschossen werden, und im louH sein gederm also
userm leib über die claider und das pferd herabhangen. Der Seckendorfer
erschrickt über das , was er vernommen , nicht wenig, und obwohl er
noch gern weiter gefragt , will doch der Andere nicht länger bleiben.
Sobald er also nach Hause zurückgekehrt ist, übergiebt er seine Güter
seinen nächsten Verwandten und tritt selbst als Laienbruder in ein
Kloster zu Maulbronn, wo er sich aber nicht namhaft macht und auch
Niemand wusste, wer er war. Trotz aller Vorsicht wird er gleichwohl
an dem vorausgesagten Tage von dem zufällig nach Maulbronn gekom-
menen Herrn von Erlikom außerhalb des Klosters angetroffen und er-
kannt. Hiezivischen aber het der Erlikom sein bogen uf zogen, scheust uf
in ab und ti-ifft den Seckendorf mit eim stral, inmaßen im das ingewaidt
und die derm über den rock und über das ross abher Mengen, icie im zu-
vor geweissagt worden. Er het kain craft mehr, fiel ah dem ross und starb
und ist zu Maidbronen begraben loorden. Der Erlikommer ist enfritten. —
Die Geschichte mit den Handschuhen wird bekanntlich auch von dem
Grafen Richard von der Normandie und in der deutschen Sage von dem
Junker Rechenberger erzählt, vgl, Uhlands Schriften zur Gesch. d. Dich-
tung u. Sage 7, 662; auf den Rechenberger bezieht sich auch eine an-
dere Sage, die mit dem zweiten Theil der obigen übereinkommt; vgl.
Uhland a. a. O. S. 606 f. Eine ähnliche, die aber auf des Rechenbergers
Knecht geht, s. in Grimms DS. Nr. 312, „Die schwarzen Reiter und
das Handpferd". Sie stimmt in einigen Umständen zu derjenigen, welche
die Zimmerische Chronik gleich nach der obigen S. 223, 37 flF. mittheilt.
Yfie es disem Seckendorf mit dem Erlikomer ergangen, also ist bei zeiten
I
ZUR ZLMMKRISCHEN CHRONIK. 403
und regierung des römischen kunigs Albertiy kunig Ruedolfs son, ein sack
zu Salmansweiler furgangen. Es war der zeit ein wunderbarlicher schnaphan
im landt zu Sckwaben , hieß der Schreiher , vom adel. Der wardt auch
einsmals von dem loueteshere geioarnet vor seinem feindt. Also wolt er dem
todt empfliehen, entschloss sich, hei dem apt von Salmansioeil ein pfrundt
zu kaufen und von mehr Sicherheit wegen ein laienbrueder zu loerden. Die-
xoeil er nun mit dem apt derhalhen handlet, so kompt hiezivischen sein
feindt ins closter, stet ab und ersieht des Schweikarts ross im stall, das
er lool kant. Darumb ivie der ander nach gepßegner und heschlojhier hand-
lung mit dem apt use^'m closter gat und kains argen sich versieht, wurt
er von disem erstochen , dessen er in wenig tagen hernach, gleichivol mit
groser rew, ganz christenlich gestorben. Der ander kam darvon.
IV, 228, 14 f. An dieser Stelle werden die vilerfarnen philosophi
Bellnus und Behencater erwähnt, die auch bereits III^ 325, 34 ff. in
Gesellschaft anderer Weisen erscheinen. Über den genannten „Kater",
der an letzterem Orte aber Behencater heißt, weiß ich nichts Näheres,
vermuthe aber in demselben wegen des Behen d. h. Ben einen arabischen
Philosophus; was aber den Belinus anlangt, s. Gervas. S. 105. 214.
IV, 228, 31 ff. Nachdem im Vorhergehenden von den Erdmänn-
chen, die sich oft den Menschen freundlich erweisen, gesprochen worden,
heißt es dann weiter: Also hat einer von Eechherg ein sollichen gaist et-
liche jar hei sich loie ein raisigen knecht erhalten , der im erlichen und
wol gedienet, auch letstlich ohne allen nachtail wider von ime abgeschaiden.
— Vgl. Grimm DS. Nr. 174 „Des Rechenbergers Knecht". Dieser ist
also von dem oben zu IV, 221 angeführten Knechte des nämlichen
oder eines ebenso heißenden Herrn wohl zu unterscheiden.
IV, 230, 35 ff. Bei mansgedenken haben die grafen von Oher-Eisen-
hurg ein erdenmendle hei oder in ihrem schloß zu Büdingen gehapt. Es
half besonders dem pfister beim Backen. Nach längerer Zeit wurde ihm
zum Lohn ein rothes Röcldein auf den Backtrog hingelegt. Als es kam,
that es dasselbe an , sprang dann ein paar Mal in der Stube umher
und rief aus : Solt ich alle nacht bachen — Und mit beschxoerden wachen .^
Hierauf gieng es fort und kehrte nie wieder. — S. A. Kuhn Westph.
Sagen 1, 157 f. zu Nr. 163.
IV, 235, 11 ff. Man sagt ivarhaftigclich, das vor zeit ain composition
oder materia um die SacJisenhurg sei gefunden lom'den, die von den kunst-
leim gume wurt genennt, dardurch das cupfer in lauter dar gold toerd
verwandlet. Das sei vor jaren durch subtile mittel und haimlich in welsche
land sein verfurt worden. — Mit der „Sachsenburg" ist wohl das Dorf
26*
404 FELIX LIEBRECHT, ZUR ZIMMERISCHEN CHRONIK.
und Schloß dieses Namens im Amt Frankenberg im sächsischen Kreise
Zwickau gemeint. In Bezug auf das welsche land s. Gräße Sagenschatz
des Köuigr. Sachsen S. 176 Nr 229 „Die Wahlen in Sachsen usw."
A. Kuhn Westphäl. Sagen 1, 312 ff. Nr. 353 nebst der Anm.
IV, 283, 27 ff. Ein Edelmann reitet bei Nacht mit seinem Knecht
durch den Wald; do hört er ein groß gelechter uf eim haum; unfer da-
von hört er etwas reden und fragen, tvas diß gelechtert bekundet. Sprach
das erst wider : ^^Solt ich nit lachen, seitmals des hischofs von Brixen
katzen die schioiger gestorben .^" Tags darauf bei diesem Bischof, den er
besuchen kam, angelangt, sieht er bei Tisch dessen Lieblingskatze
neben ihm sitzen, fängt an zu lachen und erzählt auf Befragen das ihm
Zuo-estoßene. Wie aber die katz hört sagen, das ir schioiger gestorben, do
fing sie ein greusenliches geschrai an, das sie alle ob der taffei erschracken.
Sie sprang zumfenster hinauß und ist hernach nit mehr gesehen worden. —
Dies ist eine uralte weitverbreitete Sage, s. meine Anzeige von Schnel-
lers Märchen u. Sagen usw. in den Heidelb. Jahrb. 1868 S. 311 zu
Schneller S. 210 Nr. 4.
IV, 362, 7 ff. Graf Heinrich von Thierstain (Dierstain) hat eine
unfruchtbare Ehe. Da er aber einst in Metz einer frühern Gehebten
begegnet, erwiedert er gleichwohl auf ihre Frage, wie es ihm gehe und
ob er schon einen Erben habe, loie er und sein gerriahl ganz freuntdch und
wol mit ainandern legten, auch das er altag eins erben gewertig. Sie verwun-
dert sich heftig, sprechendt: ^^Ach Gott, loie ist es so gar ein dorheit, der sich
uf der alten weiber kunsten verlasst! wie ibel bin ich betrogen toorden! Aber
ich höre es von herzen gern und bin fro, das es nach nieinera icillen 7iit er-
gangen ist.'^ Der graf war wundergern, bat, sie weit im nichts verhelingen.
■Sie sprach, wie sie vor jaren von ime sich geschaiden, also het sie ir mutier
gelernet, sie solte das und das (und hiem.it thet sie ime solche stuck nennen)
in einen newen hoffen thuen, mit etlichen ceremonien in den pronnen zu Ho-
chenkunigsburg versenken, mit dem vertrösten, so lang der haff im hronnen
unerhept, so lang solt der graf mit keinem loeibspildt was handien künden oder
künder bekommen. y^Darumb, sprach sie, höre ich wol, das es ein fantasei
gewesen, des ich Gott dank sag.^ Als der Graf nach Hause gekehrt war,
ließ er alsbald den Brunnen ausschöpfen, und nachdem man den noch
unversehrten Topf gefunden, die darin enthaltenen Gegenstände ohne
Verzug verbrennen. Er hielt dann mit seiner Gemahlin ein newe hoch-
zeit- sie hat im auch darnach etliche kinder geporen. — Walter Scott in der
Miustrclsy, Anm. zur Ballade „WiUie's Ladye", erzählt nach Heywood's
Hierarchie oi' the Blessed Angels eine ganz ähnliche Geschichte in Be-
I. V. ZINGEKLE, ZWEI TRAVESTIEEN. 405
treff eines Grrafen von Westeravia (soll wohl heißen Wetteravia, Wet-
terau) , wobei jedoch die ehemalige Geliebte den diesem gespielten
Streich unwillkürlich verräth.
LÜTTICH.
ZWEI TRAVESTIEEN.
In der Wiener Handschrift (W ) der k. Hofbibliothek Nr. 2885
(Hoffmann Verzeichniss S. 94 ft'.) und in der Innsbrucker (1) des Ferdi-
nandeums, die in ]\Ioues Anzeiger 1836 Sp. 336—41 beschrieben ist
(vgl. HGA. III, 762) , befinden sich unter den Überschriften „Der pater
noster" und „Daz Ave Maria" zwei Travestieen, die meines Wissens noch
ungedruckt sind. Die erstere Handschrift ward 1393, die zweite 1456
vollendet und manche der darin enthaltenen Gedichte gehören noch der
besseren Zeit an.
Der pater noster.
' Pateo' noster! vater min! Sp. 179'' W 83' I
ich pinz diu liebe tohter din,
diu schoene swester Else.
mich scheidet stein noch velse 179' W
5 von dir, des soltu sin gewis.'
[er sprach:] "nu Ion dir qui est in celis!
sanctificehtr nomen tuuvi. 84* I
so bistu mines herzen drum,
daz liebest, daz ich ie gewan.
10 herzenliep, nu sich mich an!
so heiz ich pruoder Herzeger.
min liebez kint, ruck zuo her.'
si sprach: 'adveniat min trüt!
wird ich din tohter und din prüt,
15 daz ich üz sender swsere kum,
daz heiz ich regnum tuum!
er sprach: ''min turteltübe, ja,
ßat voluntas tuä.
gesamen wir uns üf ein stro,
20 so wirt uns sicut in celo;
5 gwis W. 6 es W. 9 geban I. 11 hertzen ger W. 14 würd I.
406 I. V ZINOERLE
et in terra wartz nie so guot,
daz din gespil Wendelmuot
wolt min gesellen bedenken,
der da heizt pruoder Swenken
25 den pecher üz piz an den grünt,
der tuot ir closterminne kunt.
panem nostrum siüt ir uns geben
cottidianum und ditz leben, ITO*" W
heizen pfeffer und guoten win,
30 (da mite sul wir froelich sin,)
und guot hüener in den slunt.
daz ander fleisch ist ungesunt,
da mit so wirt uns wol hie,
min kint, da nohis hodie."
35 ^ Et dimitte nohis, herre Crist,
dehita nostra, wan uns ist
der prüeder minne also liep.'
*'Nu ist der prior ein diep,
der slichet uns mit listen nach
40 und piutet uns manigen schäch,
daz vergeh im Jesus CristuSj
sicut et nos dimittimus
dehitoribus nostris,
so wirt ers galgen gewis,
45 wand er ein boesewiht ie was.
et ne nos inducas
da uns der lesemeister vinde;
ßin zorn ist geswinde.
ich wünsch daz in der tiefel nem
50 in temptacionem :
set lihßra nos a malo!'
des gepetes werdent fro 180* W
alle tugentliche kint,
die in der dritten regel sint,
55 die ir gemüete also keren.
24 prudr W. swenkel I. 25 (packest) an p. W. äen fehlt WI. 30 da mit
WI. 31 h. guot WI. 33 wol fehlt WI. 35 herr W. her I. 36 uns lieb (Hb W) ist
WI. 38 nu] im I. prayol W. 41 xps Jesus W. 45 und ein b. ie was W. L 46 n.
46 umgestellt WI. 47 da uns fehlt WI. 55 f;emem I.
ZWEI TRAYESTIEEN. 407
wie si mit listen meren
der clösterminne sämen.
nu sprechent alle: Amen.
Dazave Maria.
'Ave, ich grüez dich, swester Anne, 84" I
ich tuon dich ze gotes panne,
ob dir iemant lieber ist
dan ich; wan du min puole bist.
5 da von vernim die rede min
und hilf mir in din kämerlin,
daz wir uns gesamen da.
daz heiz ich graciä plenä.
dominus tecicm, roter munt!
10 ich pin von diner minne wunt
und trag an mtnem herzen quäl,
wan mich geschozzen hat din sträl.
Benedicta pistü genant
in mulierihus über alle laut.'
15 "Got Ion dir, pruoder Otte,
ich redez an allez spotten:
ich pin dir holt mit triuwen.
da von lä dich niht riuwen 180'' W
allez daz du dienest mir:
20 sol ich leben, ich lone dir,
Benedictus muost du sin,
ich Icese dich uz aller pin.
wirt din fructus mir gegeben,
in iubilo sul wir leben.
25 doch so muoz ich sorgen,
wie ichz trag verporgen
vor miner meisterin furher.
ich wolt, si wsere in dem mer
versunken vor manigem tage,
30 so hset ein ende min klage,
und lebte dan an allen pin
56 gemern W. 57 den W. I.
2 ze] in WI. 16 allen spotte WI. 19 ob du dinst mir W. 23 fructus in fruht
eorrigiert W. fruht I. geben WI. 25 sorg W. 26 ichz fehlt W. 27 übr hör (her I.)
WI. 28 si waere] waer si WI. .31 alle I.
408 KARL SCHILLER
und wolte mit dir froelich sin.
der spiesjel ventris fm,
der machet mich sorgen fri,
35 wan ich ze allen ziten prinne,
bruoder Ott, nach diner minne.
da von kum her mit schalle!"
nu sprechent Amen alle!
I. V. ZINGERLE.
MITTELNIEDERDEUTSCHE SPRACHPßOBEN.
VON
KARL SCHILLER.
IIL *)
F r a u e n n a m e n.
In dem in der Wolfenbütteler Bibliothek befindlichen Dodendantz,
Lübeck 1496. 4". (s. Deecke Nr. 38) sagt De Doet zur Junckfrowe:
Junckfrowe gyseltrud effte wo din name is gheheten
Dantze vort vnde laet dy des nicht vordreten
Du plechst doch gerne to dantzen vnde tho springen
Vele nye leede kanstu leren syngen
5 Dyne ioghet heffstu gebruket in lichtferdicheit
Vnde alle tyd ghesocht wertlike idelicheit
Hastigen make dy vort vnde wes rede
Dar syn vele achter de moten ock alle mede
Wo se ok hethen, sefke lyseke wobbeke kynke efte margrete
10 Drutke ryckel abelke almod vnde agnete
Wolborch hylle heylke vnde kristinke
Barthe alheit iutke vnde katherinke
Petronille clare myke vnde lucie
Anna windelke hcnpe vnde sofie
15 Ghese kunneke syke vnde odylly
Metke barbran heseke vnde cecilli
Lücke priske yde vnde armghard
Elsebe appolonye scholastke vnde lutghart
35 brinne I. 36 prüder I. 87 schal I. 38 al I.
*) Vgl. Jahrg. 12, 323.
MITTELNIEDERDEUTSCHE SPRACHPROBEN. 40^
Leneke hebele wmneke vnde wybbeke
20 Vrsele brigitte sylke vnde tybbeke
Odeke wyhnoed nelleke vnde hilleborch
Hedewich fredeke engel vnde remborch
Belke beke helke ymmeke vnde olghard
Hertken konke agate tredet alle vort in desse vart
25 Helena swenneke dorthie vnde gerdrud
Komet alto malen dantzet mit desser iunckfrowen ghiseltrud
Hebbe gy gheleret gude werke to vuUenbringen
So möge gy nu vroliken te deum laudamus syngen
Maria wart in erer ioget gheoffert in den tempel
30 Allen iunckfrowen to eynem hylgen exempel
Vp dat se er scholen volghen in aller doghet
Vnde in godes denste kenne bringen ere bloyeden ioget.
Abelke Abeichen, s. Kosegarten 29. — Älheit Adelheit. s, A. Lüb-
ben Die Thiernamen im Eeineke Vos. Oldenburg. Progr. 1863 S. 33
und K. Weinhold Die Personennamen des Kieler Stadtbuchs v. 1264
bis 1288, mitgeth. in den Jahrb. f. d. Landeskunde d. Herzogthümer
Schleswig, Holstein u. Lauenb. Bd. 9 S. 12 ff. — Almod Adelmuth.
s. Koseg. 29. 249 und Stark Die Kosenamen der Germanen , in den
Sitzungsberichten der Wiener Akad. d. W. Band 53, 485 [Wien 1868
S. 137. 178].
Barthe Berta. Schip v. Narragonien Fol. 170'' : Frouwe gyssele
harike vnde grete. — Beke. Aus einem Hamburg. Testament v. J. 1431
nennt Koseg. 29 : „Lego famule mee Beate, id est Beken, duarum mar-
carum annuales redditus." Beke ist aber auch = Elisabet. In der Ur-
kundensamml. d. schlesw. holst, lauenb. Gesellsch. II, 357 steht Nr. 281
V. 12. März 1390: „Wy Eisehe van Godes gnaden vi-owe van Wenden,
wannedaghes her Berndes wif van Wenden." In einer zweiten ebenda-
selbst unter Nr. 282 mitgetheilten Original- Ausfertigung derselben
Urkunde heißt es: „Wy Beke van Godes gnaden vrouwe van Wenden,
wannedaghes her Berndes wif von Wenden." Die wohlerhaltenen Siegel
der Ausstellerin Eisehe oder Beke sind an beiden Urkunden gleich und
die Umschrift lautet auf beiden Siegeln: S' DOMINE ELIZABET DE
WERLE. Vgl. ausführlicher Lisch in den Mekl. Jahrb. 26, 74. —
Belke vielleicht aus Abele oder Hebele, s. Koseg. 29.
Drutke Trudehen. s. Koseg. 29 und Stark 52, 317 [72].
Eisehe s. Beke. — Engel s. Dähnert Wb. s. v. ; Weinh. 64 nennt:
Engheike, Enghelhus; Mekl. Urk. B. Nr. 2438: Engelhurgis.
410 KARL SCHILLER, MITTELNIEDERDEUTSCHE SPRACHPROBEN.
Fredeke Friderike. Mekl. Urk. B. Nr. 1271: „Domiiia Vredeka de
Honnouere."
Ghese Gertrud, s. Weinh. 25. Zur weiteren Verkleinerung GesekeM
beachte den Zusatz zu von Melle's Wb.: „Ao. 1380 Thidemannus Erp.
Insuper notaudum quod cum Gheseken mea uxore recepi in dotalicio
VII. marc. — Cum bis donis praescripta Ghertrudis uxor mea debet
esse separata,"
Hehele s. unter Sylke u. Weinh. 27. — Heylke b. Weinh. 28. —
Heike Helenburg. Zusatz zu v. Melle : ^Heleke deminutivuro nominis
Helenhurgis in testamento Wilh. de Warendorpe 1358." — Henpe'^^ —
Hej'tken Herdrade. s. Koseg. 29. — Hylle Hillegunt. Zusatz zu v. Melle :
„Ao, 1373: Gherardus Dartzowe. Do Hillen meae dilectae uxori, Bn-
nekino et Hennekino meis filiis . . . Ao. 1380 hoc Hillegunt wedewe
Gherdes Dartzowen ita enunciat: Dat Ghert Dartzowe myn man my
gaf vnde Bernde vnde Johanne mynen sonen al sin gut." Vgl. Weinh. 31
u. Stark 52, 318 [73, 3].
Yde Ida. s. Weinh. 33. — Ymmeke Emmchen. s. Koseg 29 u.
Weinh. 34. — Jutke Jutta, s. Weinh. 34. Schip v. Narrag. fol. 170':
Katrineke yütke vnde agnete.
Kynke, Kbnke, Kunneke. v. Melle : Koneke, Kuneke = Conegundis.
Vgl. Brem. Wb. 2, 897, Koseg. 29 u. Stark 52, 315 [69. 170J.
Metke Mechtild. s. Lübben 49 u. Weinh. 37. — Myke Mariechen.
N^lleke Cornelia.
Odeke s. Weinh. 40.. — Olghard Archiv f. Staats- u. Kirch. Gesch.
d. Herzogth. S. H. L. Bd. V, 106: „Vor [Frau] Oligard Rantzow", und
Mekl. Urk. B. Nr. 2107 u. 2111: y,Ulgardi priorisse totique conventui."
Bemhorch Reimburgis. s. Weinh. 43. — Ryckel Riekchen.
s. Koseg. 29. Schip v. Narrag. fol. 92: „Vnde slaen de luten vor de
dor EfFte yyckel effte metze wil kyken hyr vor."
/Sefke Sophiechen? s. Koseg. 29. — Syke Lucia. Götting. Urk. II
Nr. 23, 21: „Unde Czigen syner dochter." — Sylke Brem. Wb. 4, 788:
„Sülike scheint der abgekürzte N. Sibylleke von Sibylle zu sein."
Schip V. Narrag. fol. 170 : „Denne ghä wy spasseren ynt narren feit
mit Silken vnde frouwe gyseltruth;" 171: ,,Suth Hebel an >iS2/ZA;e/i eynen
nyen vunt Ja wolde de oek kosten mannich punt Wil se oek hebben
vnde wat wesen Hyr vmme moet se de kamer lectie lesen. — Swen-
neke? Mekl. Urk. B. Nr 1908: „Ego ÄüeneÄ;e vxor Wezcelli Sapientis."
Vgl. Nr. 2196 u. 2530. [Swanhilt?]
Tibbeke Tiburgis oder Tiberta , Tideberta. s. Weinh. 51 und
Lübben 37.
E. L. ROCHHOLZ, HEINRICH STEINH(EWEL 411
Wyhheke. s. Weinh. 60. — Windelke Wendula. s. Weinh. 58. —
Whineke Wcnnika. s. Weinh. 59, — Wohheke Walpurgis. Zusatz zu
V. Melle : „Ao. 1380 Johannes Meteier : Item Walburgi et Margareta
sororibus meis. Ao. 1395 Henricus Meteier, Johanuis frater : Item do
Wohbeken et Greteken, sororibus meis." Vgl. Koseg. 29 u. Weinh. 58,
— Wolhorch Walpurgis.
HEINRICH STEINHCEWEL;
Heinrich Steinhoewel , Dr. Med. , geb. in der Stadt Wil an der
Wirms, stirbt 1483 zu Ulm als dieser Stadt geschworner Physikus und
Arzt. Über ihn gibt der Ulmer Stadtarzt Dietrich Leopold in seinem
zu Ulm handschriftlich liegenden Werke: Memoria Physicorum Ulma-
norura ab oblivione vindicata, folgende Nachricht: Steinhöwel, welchen
sein Zeitgenosse Sebastian Frank promiscue auch schon Steinheil nennt,
hat zu Ulm wahrscheinlich als der erste von der damals neuen Kvmst
der Buchdruckerei Gebrauch genaacht und nachfolgende Werke da-
selbst herausgegeben.
1. Johannis Boccacii Büchlen Von den sinnrychen erluchten Wy-
ben, die von den alten Chronickschrybern um ihre sünderlich Beginnen
in öwige gedechtniß synd gesezt worden. Gettttscht durch Hainricum
Stainhöwel Von Wyl an der Wirms. Doctor in der Arzney , Meister
der syben Kunst, geschworner Arzt zu Ulm, zu Lob und er der durch-
lüchtigisten furstin und frawen fraw Elionory^ Herzogin zu Oesterrych
Ulm, seliglichen geendet von Johann Zainer von Rütlingen 1473. P.
2. Francisci Petrarchae Büchlin von der Grisel. Von Johanne
Boccacio in latin und von Heinrico Steinhöwel ins tütsch gebracht,
ibid. et ead. form, apud eund.
3. Esopus der Hochberühmt Fabel Tichter , mit etlichen darzu
gelegten Fabeln Rimicii und Aviani. Gedruckt und vollendet in der
kayserlichen Statt Augspurg von Hannsen Schönsperger am Dornstag
nach sant Bartholome nach Christi Gepurt 1498. (Eine Ausgabe vor
1480 — von Johanne Zeiner zu vlm — citiert Goedeke, Grundriß I,
§. 114, 4.)
4. Tütsche Chronica. Von anfang der weit vncz vff keiser fridrich.
(III). Ulm, Joh. Zeiner, 1473. f». — Dasselbe in 4". zu Frankfurt 1531
wieder herausgegeben und biß auf Carolum V continuirt, von Jakob
Köbel, Stattschreiber zu Oppenheim. Die Vorrede ist an Hn. Heinrich
412 K. L. KOCHHOLZ
Steiuhüwel, unseres Autors Anverwandten und Chorherrn am Victors-
stift zu Mainz gerichtet.
5. Ein kurtz Regiment , wie sich in der Zeit der Pestilentz zu
halten. Meister Constantini, so ein Mönch was am Amerberg, genant
Kaßlin, Buch, gemacht aus allen anderen guten Artztet Büchern, die
er in latin je erfuhr. Deficit hoc exemplar ab initio.
6. Chronicon von Gottfrieds von Bouillon Heerfarth ins gelobte
Land , so D. Guido lateinisch geschrieben. Die Übersetzung dieser
Chronik durch H. Steinhöwel wird bezeugt in einer handschriftlichen
Beifügung obigen Leopoldischen Manuscriptes durch den Ulmer Pro-
fessor und Bibliothekar Stozlen.
Diese Scämmtlichen Angaben sind entnommen der Familienchronik
der Familie Steinheil in München , gegenwärtig im Besitze des Hu.
K. F. Steinheil, Buchhändlers in Biel, Kanton Bern.
AARAU. E. L. ROCHHOLZ.
JAKOß FUNKELIN.
Karl Goedeke und Julius Tittmann haben im zweiten Bande
ihrer Deutschen Dichter des sechzehnten Jahrhunderts ein Stück des
Schauspieldichters Jakob Funkelin zum Abdruck gebracht mit der Vor-
bemerkung, daS ihnen über des Verfassers Leben jede Nachricht fehle.
Diesem Maugel wird nun mit Nachfolgendem einigermaßen abgeholfen.
Bei meinem jüngsten Aufenthalte zu Biel im Bernischen Seeland über-
gab mir der dortige Gerichtspräsident Hr. Blösch aus seiner reichen
Privatbibliothek eine handschriftliche Chronik seiner Vaterstadt, als
deren Verfasser sich ein „Benedicht Rechberger" nennt, „der Glaser von
Biel und der Stadt Kirchmeier und Hen'enschreiber." Dieser, 1509 ge-
boren, wird Stadtschreiber, wegen Neigung zum Trunk, da er auf Tag-
fahrten „wiederholter malen arg besteubt gewesen", seines Amtes ent-
setzt und beginnt im Jahre 1533 seine Chronik , die zwar ziemlich
ausführlich, indessen außer manchen niedlichen Zügen aus dem bürger-
lichen Leben jener Zeit sonst ohne besonderen geschichtlichen Belang
ist. Unter letztere gehören nun eben die Aufzeichnungen über Jakob
Funkelins dortige Stellung und dichterische Thätigkeit , die wir hier
im Auszuge mittheilen und zugleich nach ihrer bibliographischen Seite
aus den einschlägigen Literaturwerken vervollständigen.
Im J. 1550 wird „Jakob Fünkly" aus Konstanz von der Stadt
Biel zu ihrem Predikanten erwählt und hält hier am 7. Januar seine
JAKOB FUNKELIN. 413
erste Frühpredigt. Am Bartholomäustag jenes Jahres, 24. August, lässt
er daselbst ein biblisches Schauspiel aufführen: „Ein gantz lustige vnd
nutzliche Tragoedi, uß dem heiligen Evangelio Luce am xvj Cap. von
dem Rychen Mann %Tid armen Lazaro, gezogen. Beschriben durch Ja-
cob Funckelin, Gott vnd der loblichen Statt Biel zu ehren. Ouch da-
selbst durch ein Ersamme Burgerschafft vff Bartholomei jm M. D. L.
Jar gespilt." (Gretruckt zu Bern, By Mathia Apiario 1551.) Gödeke,
Grundriß S. 304. In diesem Stücke wird vor der Tafel des Reichen
Mannes noch ein anderes, dreiactiges Zwischenspiel aufgeführt, 812 acht-
silbige Reimverse stark, das nun in Gcedekes und Tittmanns vorerwähnter
Sammlung der Schauspiele aus dem sechzehnten Jahrhundert (Zweiter
Band, Erster Theil) unter folgendem Titel gedruckt steht : „diß klein
spyl ist dem Rychen Mann vber Tisch gespillt worden ^iind ist ein
Strytt Veneris vnd Palladis, das ist, weltlicher wollüst vnd der Tugend,
vnd Pallas mit zucht vnnd Tugend siget, aber Venus mit jrer vppig-
keit falt zu grund, fast lustig vnnd kurtzwylig zu lesen." Auf der Rück-
seite des Original-Titelblattes steht die Widmung: „an den Ersammen
Bescheidenen Meyster Johann Rechberger, goldschmid zu Biel." Dieser
mag der Sohn unseres Chronisten Benedict Rechberger gewesen sein.
Die Herausgeber urtheilen über das Stück günstig: Erfindung, An-
wendung und Ausführung zeigen uns den Dichter als einen feinen und
gewandten Kopf, dem auch die Behandlung der «äußeren Form nicht
schwer Avird *).
Im J. 1552 auf den Maitag ließ Funkelin die Historie von Loth
und Abraham zwei Tage lang durch die Stadtschüler spielen. Die Co-
stüme waren kostbare goldne, silberne, sammtne und Seidenstück, wun-
derbar hübsch und hier zu Lande vorher noch nie gesehen. Man hatte
sie entlehnt vom Herzog Friedrich von Lignitz, der durch König Fer-
dinand aus Schlesien vertrieben, damals sich zu Freiburg in Uechtland
'^) Die Noten , womit Hr. J. Tittmann die Textstellen dieses Stückes erklärt,
bedürfen der Verbesserung. Vers 15 bleibt die Schwurformel unerklärt: Botz Ferden-
him ; gemeint ist ein verschimmeltes Gehirn , wie bei Mumer der Schwur Ferdenmist
veralteter, vorjähriger (mundartlich femdriger) Mist bedeutet. — Vers 42: „land üchs
nit fast sin übertrank" bezieht sich auf Überdrang und Überwältigung, nicht aber auf
„übermäßiges Trinken". — Vers 411: „Sturmhuben und schaflin" ; letzteres Wort ist
nicht ein „Behälter für Wolle und Flachs," sondern der Wurfspieß, frz. javehne,
in Wolframs Parzival gabilof. — Vers 489 : „Wie sich die Venus hat zerspert", bedeutet
nicht, sie hat sich „heiser gesprochen", sondern, sie hat sich mit Anstemmung der
Hände und Füße stolz gespreizt. — Vers 744 : „mit hellschem füer schmalz inn den
bachen", nämlich den Hinterbacken, jiicht den „Rücken", der znrlle Hö Verdammteti.
414 E. L. ROCHHOLZ
aufhielt. Der Stadtschulmeister Mauritius Plepp aus Chur war der Führer
des Stückes, indem er nach seinem Personen- und Textrotel die Scenen-
tblge lenkte, die Aufstellung der Spielenden anordnete, ihnen soufflirte
und die Chöre vor- und abführte.
Im gleichen Jahre am Sonntag nach Johannis, 25. Juni, führte
Funkelin mit Bürgern und Bürgerssöhnen der Stadt die Historie von
Ahasverus und Esther auf. Auch dieses Spiel dauerte zwei Tage. Die
Rolle der Königin wurde von einem Tischmachergesellen gegeben, dem
Hans Locher von Solothurn. Der Schauplatz war vor dem Rathhause
auf dem großen Platze , den man Burg benennt und der noch heute
zugleich der Meßplatz ist.
Im Jahr 1553 dichtet er und lässt durch die Jugend zu Biel aut
Neujahr aufführen: „Ein geistlich Spyl von der Empfengknuß vnd Ge-
burt Jesu Christi, ouch dem, welches sich vor, by vnnd nach der geburt
verloffen hat." Getruckt zu Zttrych by Christoffel Froschouer. (Gödeke,
Grundriß S. 304.) Hierbei singen die Engel und Hirten ein dreistrophi-
sches Lied, dessen erste Strophe mit Musiknoten gedruckt ist: ,.Eer
sey Gott im höchste thron." Dieses Lied nebst sechs andern steht unter
Funklins Namen auch im Züricher Gesangbuch : Psalmen und geistliche
Gesang etc., Zürich bei Christoffel Froschower, 1570; ihre Anfänge
heißen: Ich glaub in gott den vater mein. — Nun singet Gott zu lob
und ehr. — Gnad und frid und reichen segen. — Dieweil uns nichts
will schwerer sein. — Wach auf, wach auf vom schlaf diser stund. —
Wie wol ich bin von herzen mein. — Der Autor wird dabei mit dem
Vornamen abwechselnd bald Johannes, bald Jakob genannt, und Jo-
liannes nennt ihn auch das „Straßburger Gesangbüchlin" von 1568
(Goedeke, Grundriß S. 179). Dieses Schwanken entstand durch den in
ein einfaches J. abbrevierten Vornamen des Dichters.
Im J. 1554 am 14. November, als der Bischof von Basel Melchior
von Lichtenfeld mit einem Gefolge von 44 Rossen zu Biel eingeritten
kam, um sich huldigen zu lassen, wurde von der jungen Bürgerschaft
ihm zu Ehren das Schauspiel Unseres Herren Geburt aufgeführt. Ver-
fasser war Jak. Funkelin, Führer des Stücks der Schulmeister Mauri-
tius Plepp, Schauplatz die Burg vor dem Rathhause.
Nachdem der Fürstbischof dieselbe Huldigung auch im benach-
barten Neuenstadt entgegen genommen hatte und am 20. Nov. wieder
tiach Biel zurückgekehrt war , hielten hier die Schüler abermals ein
Spiel, darstellend den Untergang Sodomas und Gomorrhas. Es schloß
mit einem gewaltigen Feuerwerk, das sammt seinen Gerüsten und den
}>esonderR dnrnuR liorvorplatzonden Feuerkugeln von Funkelin berge-
JAKOB FUNKELIN. 415
richtet war. Der Bischof schenkte dafür den kleinen Schulknaben eine
Goldkrone in Geld, den mitspielenden Schülern sechs Kronen.
Als im J. 1555, am 29. April, der Bischof abermals in Biel ein-
o;eritten kam , ließ ihm des folgenden Tages nach dem Morgenbrod
Funkelin ein Hübsches Weltliches Spiel aufführen: „Die in Lastern
hinlebnnde Welt und was Strafe je hernach folgt." Schauplatz war
die Burg.
Im gleichen Jahre am Maitag Avurde demselben Fürsten zu Ehren
durch Bürger und Schüler ein von Funkelin verfasstes Spiel aufgefüln-t:
Die Apokalypse Johamiis.
1561 am ersten Tag des Herbstmonats wird der Verlorne Sohn
aufgeführt, gedichtet von Jak. Funkelin, gespielt ausschließlich durch
Schüler und geftihrt durcli den Schulmeister Mauritius Plepp.
1562 am letzten Tag Maien wurde durch die Schüler Unseres
Herrn Auferstehung und Auffahrt gespielt, geführt vom Verfasser Fun.
kelin und dem Schulmeister Plepp. Das Stück dauerte sechs Stunden.
Schauplatz war diesmal „der Ring" , der kreisrunde Kirchonplatz mit
seinen flxnf einmündenden Straßen und Gässlein.
1565 am Sonntag nach der Auffahrt lässt Fuuklin durch die Schüler
und Jugend der Stadt die Historie von der Susanna aufführen. Zum
Bade, das Susanna zu nehmen hat, dienten jedenfalls die großen
Brunnenschalen einer der beiden Brunnen , die auf beiden bisher e-e-
nannten Schauplätzen Biels stehen.
In diesem Jahre brach die Pest von zwei Seiten, über Chiavenna
nach Bünden und vom Oberrhein über Basel her, in die SchAveiz ein
und A-erbreitete sich über fast alle Kantone. Nach einer annähernden
Berechnung betrug während 12 Monaten die Zahl der Leichen im
Berner Gebiete allein bei 37.000. In dem damals noch kleinen Städt-
chen Biel forderte die Seuche bis Juni 1566 die außerordentliche Zahl
A'on 640 Menschen und man niusste hier den noch nicht lange zuvor
neu angelegten Gottesacker vergrößern. Der Chronist Benedict Rech-
berger, der diese Angabe macht, fiigt kleinlaut bei: „In disem jar vff
den dritten tag nouembry ist an der pestilentz verscheiden der avoI-
gelert herr Jakob Fünkly , vnser predikant by 15 joren gewesen
hie zu Biellen vnd was gar wol gelert , gott sy lob. Hat vbel huß
ghalten."
AAKAU. E. L. ROCHHOLZ.
416 A. H(EFER
ZUR ERKLÄRUNG MITTELHOCHDEUTSCHER
DICHTER.
VON
A. HCEFER.
I. Zu Walther 46, 30 ed. Lachm.
Die bei'ühmten Worte : her Meie, ir müeset merze sin, e ich mm
frouwen da verlür hat Fr. Pfeiffer bekanntlich so verstanden: 'ich würde
euch, den schönen Mai, eher dem unfreundlichen März gleichachten,
als daß ich meine Herrin wegen euch aufgäbe.' Eine ähnliche und
doch verschiedene Auffassung ist mir längere Zeit vor der Pfeifferschen
Ausgabe einmal begegnet: ihr möchtet lieber, oder: ihr könntet meinet-
wegen März sein. Allein eins wie das andere befi'iedigt nicht, die Worte
meinen vielmehr gewis dasselbe, was: ihr müstet März sein, ehe ich usw.
noch heute zunächst sagt, aber sie gewinnen im Zusammenhange mit
dem was vorausgeht einen besonderen Sinn. Ich denke Walther schließt
das Lied mit einem feinen Scherze.
Vergegenwärtigen wir uns den Gedankengang.
Die erste Frage, was über Maienwonne gehe^ ist entschieden:
ein fi'üher Maimorgen ist ein halbes Himmelreich, aber eins gibt es
das seinen Augen doch viel woler tut, eine edle schöne Frau, ihr hat
der Mai mit all seinem Wunder nichts liebliches zu vergleichen,
sti*. 1 und 2. Hierüber ist er nicht zweifelhaft , aber nun , da beide
einander zur Probe und Vergleichung gegenüber stehen, tritt die andere
Frage an ihn heran ^ welches von beiden er wählen würde ^ wenn er
eins um des anderen willen lassen müste. Da im Freien, mitten in der
Prachtfülle des Maien, antwortet er gleich entschlossen: Herr Mai, ihr
müstet März sein , ehe ich meine Schöne da verließe , d. h. einfach
genug: so lange ihr Mai seid, bleibe ich bei ihr, eurer bin ich bei ihr
hier sicher genug , nicht so ihrer bei euch ; also : ich wäre ein Tor,
wählte ich euch und ließe sie; indem ich sie wähle, behalte ich euch
zugleich und habe also euch beide.
Walther wählt der Aufforderung gemäß, aber klüglich und wol-
w^eislich so , daß die zur Bedingung gemachte Folge , deich daz eine
durch daz ander lieze , ohne seine Schuld ausbleibt. Also er erfüllt
die Aufgabe unrl umgeht sie zugleich. Ganz ähnlich, wie wenn heut
ZUR ERKLÄßUNG MITTELHOCHDEUTSCHER DICHTER. 41 7
ZU Tage jemand die Erlaubnis, eins und nur eins zu tun, scherzend
uiugeht mit dem Worte: eines tun und das andere wicht hissen.
Man möchte folgern : also im unfreundlichen März würde er sie
eher verlassen, — und gewis wird das als Teil des Scherzes mit be-
absichtigt sein, aber es ist ein im Hintergrunde liegender Nebengedanke
der eben nur dui'chblicken soll: so lange ihr Mai seid, bin ich nicht
zweifelhaft; w^äret ihr März, so wäre es fraglicher, da stünde ich nicht
dafür ein, daß ich ihr folgte, sie wählte, ob^vol oder weil ich mir aus
euch dann auch nichts machte.
Zu vergleichen wüste ich hiemit nichts als höchstens nach einer
Seite Wolfr. Titur. 415, 142 ir muget wol raten welchez ich da na^me,
nämlich: daz seil nie baz gekündet, oder: den hunt vil wol geseilet.
Ob andere die Worte ebenso verstanden, lässt sich nicht ersehen,
ich weiß nur aus Erfahrung daß diese wie ich hoffe richtige Auffassung
so leicht sich nicht darbietet. Simrock kann dasselbe gemeint haben,
indem er Jenncr statt März übersetzte, zurücknahm und wieder gab.
Uhland behält die Worte unverändert, Zarncke stellt sie unter müezen 4,
'notwendig geschehen, gezwungen sein und widerspricht ihr also nicht,
wenn auch die 2*, 159 verglichene Stelle MS. 1, 31 nichts erhellt. Die
eben angekündigte fünfte Ausgabe Walthers kenne ich noch nicht.
II. Gebesten.
Ein lehrreiches Beispiel neuerer Interpretation ist das an sich gar
nicht so schwierige mhd. Verbum gehesten, das Haupt Ztschr. 5, IGO
'durch besseres überbieten , übertreffen' , das Mhd. Wtb. 1 , 95 unter
hest ' ich bin im Vergleich mit einem der beste', Grimm in der Ztschr.
8, 11, als zu hast gehörig, vielmehr 'ich bin im Vergleich zu einem
der schlechtere' wiedergibt.
Dem Sinne des Wortes, dünkt mich, kommt Haupt am nächsten,
den Ursprung trifft dagegen m^oI Grrimm, aber einmal verstehe ich nicht
den von ihm angegebenen Grund („im Gipfel des Superlativs tritt
Ruhe ein") weshalb die Sprache von hest kein hesfen bilden könne *),
andererseits leugne ich auch den überkünstlichen Gang auf dem er
von Bast zum Inhalte des gehesten gelangt. Ihm ist gehesten das ahge-
leiteto hesten, Schulie binden, anziehen, dann: dienen, aufwarten, negirt:
*) Der Grand kann doch nur mittelbar im Superlativ liegen, sofern der Com-
parativ immer ausreicht und meist passender und richtiger ist als der andere gradus.
wirsirön Diut. 2, 49. 284 bat offenbar ein wirsistön oder dgl. üliciflüssig gemacht.
Übrigens hatte Grimm Recht, bei dieser Ableitung den Dativ zu beanstanden.
OEUMANIA. Nfur- Reilir' n. iXlV.) .lahr«. ">7
418 A. IlffiFEK
einem nicht gut genug dazu sein feinem nicht gebesten mögen!), ihm
nicht vergUchen werden dürfen. Das sind doch wol zu viele Voraus-
setzungen oder Ergänzungen, die avich für das zwar sinnig vergHchene
moderne 'einem nicht das Wasser reichen kaum statthaft sein dürften,
denn letzteres, scheint es, kann ohne Negation doch nur: 'dienen, im
Verhältnis der Zugehörigkeit stehen, etwa: gleich sein bedeuten; viel-
leicht wirkte, als sich der ursprüngliche Sinn verlor, reichen im Sinne
von 'hinanreichen an' mit ein, um dem ganzen den Begriff des Gleich-
kommens, des Verglichcnwerdendürfens zuzuführen.
Und bei gebesten, mein ich, kommen wir auf einfacheren Wegen
zu demselben Ziele, wenn wir auf das bekannte besten zurückgehen.
Man vgl. im mhd. Theoph. v. HG ein hantveste die dich zu im beste,
die dich ihm verpflichte, verbinde, an ihn fessele, s. Pfeiffers Marien-
legenden S. 207. Sodann Jeroschin 154" bei Pfeiffer S. 128 d^i solt dm
herze bestin hin üf ritterliche gir und dienen mir, heften, anhängen?
(Pf fest binden, stärken). Ähnlich im nd. Daniel van Soest S. 176:
Den schnöden Satan hat sie sich als Mann auserwählt dorch hat
imd. mt op de geistlickeit, darto gebeist (so !) se um'echtfertickeit dorch böse
wpsat in eren herten, dazu fügt sie, damit verbindet sie Unrechtfertig-
keit. Nimmt man hiezu: gevesfet unde verbestet in der minne was ir muot,
bei W. Müller aus Martina 57, so sieht man wie das Wort bereits weit
hinausgegangen über seine sinnliche Bedeutung : vgl. in den Florentiner
Glossen Diut. 2, 237'' sarcio besto, bözzo; sich besten in ein geivant; einem
den ermel besten etc.
Dasselbe besten wird in der späteren Sprache, zumal im Nieder-
deutschen und von den Schuhen durch 'mit Bast binden umschrieben,
bald ein geläufiger, noch heute geltender Ausdruck für Armut und
Niedrigkeit , vgl. Stieler 157 , Frisch sowie Dähnert s. v. bast und
J. Grimm Rechtsalt. 261 n. und DWtb. 1 sp. 1149 von dem liefländi-
schen Bauern : Tmn levent wert mi sür, ik binde de schoe mit baste. Ebenso
in Uhlands Volksliedern 1 S. 538, 7, in Zobers Strals. Chron. 1, 89
und' noch jetzt hier: doer moet aus btdregen, de de scho mit bast bunnen
het, d. h. alle müssen beisteuern, auch der ärmste.
Bleiben wir aber bei dem einfachen besten stehen , so muß mau
doch zugeben, daß von 'verbinden zu 'vergleichen, an die Seite setzen,
von 'hinzufügen zu 'überbieten, übertreffen in Wahrheit ein sehr leichter
Schritt ist. Finden wir das Wort also in dieser Weise verwendet , so
hat das gar nichts auffälliges. Der Dativ wäre dabei ganz an der Stelle,
soo-ar zu erwarten, ein Accusativ des Objects, wie es scheint, nicht
minder unentbehrlich.
ZUR EEKLÄRUNG MITTELHOCHDEUTSCHER DICHTER. 410
Besehen wir nun die beiden bekannten, zuerst von Haupt Ztschr.
V, 160, dann von W. Müller im Mhd. Wtb. s. v. haz und von Grimm
Ztschr. VIII, 11 besprochenen Stellen, so leuchtet ein daß die Stelle
des h. Georg v. 1786:
in der hürge wart daz glesten
dem diu sunne niht mohte gebesten,
so einfach und natürlich wie möglich, sich dem vollkommen fügt: der
Dativ ist vorhanden, der Accusativ liegt in niht; in der Burg entstand
ein Glanz dem die Soane nichts hinzuzufügen, zu vergleichen hatte,
den sie nicht überbieten konnte. Undeutlicher ist auch nicht die andere
Stelle des Servatius v. 2818— 21:
dar nach totste man ein maget
diu loas des loirtes tohter,
dehein juncfroioe mohter
mit schoene gebesten, der gap er etc.
aber da der Accus, fehlt und wenn er nicht in mohter für moht ir steckt,
auch der Dativ, so könnte man ihre Richtigkeit bezweifeln oder mau
hätte ein neues einem gebesten anzuerkennen und niht der auderen könnte
Adverbium sein. Läse man: dehein, oder selbst: deheine juncfrowen
moht er mit schoene ir gebesten, so stünde die gewis unantastbare Stelle
völlig wie jene und hieße: keine Jungfrau konnte er ihr an oder njit
Schönheit vergleichen, keine über sie stellen. Ich finde aber diese leichte
Änderung doch nicht grade notwendig, denn der fehlende Accusativ
(nicht sich) liegt logisch fast schon in dem adverbialen mit schoene oder
wird dabei leicht ergänzt: keine konnte ihr mit Schönheit hinzufügen,
d. h. sie erreichen oder übertreffen.
Mag man hiebei dem Superlativ best einige Einwirkung zugestehen,
so wird doch gebesten künftig nicht mehr unter baz zu stellen sein,
sondern neben besten unter bast.
Bringt man in Anschlag was das Md. und Nd. , hier auch das
Romanische, mich dünkt vielfach anders als bei Diez, endlich die Dia-
lekte lehren, so gewinnen wir eine weit umfassendei"e Geschichte des
Wortes bast als sie bisher versucht ist, obgleich J, Grimm, Schm eller,
W. Müller u. a, schon dankenswertes geliefert haben. Außer dem be-
kannten: sijc den bast van de ß^iger wringen, d.h. gewöhnlich: übermäßig
arbeiten (z. B. Fr. Reuter Olle Kam. 326, in Fr. Frehses dürftigem
Wörterbüchlein fehlend) erwähne ich nur die nd. Re<lensarten: or scheten
Mappede as bast; dat inwendige bast; er dat bast ajspliten, to baste gän,
vjat up den bast geven, zipjm bast sitten, kamen, oder: llggeji, Im; enen
bai baste Jcrigen, und wieder anders : enen to baste drlven, z, B. Lüntzel
27*
420 A. HCEFER
Hild. Stiftst. 196, 26; 176, 592; 263; Fastiisp. 2, 447. 983 etc. Das
zweite: klajypen as hast, leitet schon zu dem bekannten hast als Bezeich-
nuno" des Nichtigen , gleich: halm, stro, sp-iu, kaf^ hlat, hup, »t'ei u. v. a.
dann zuerst wol in Gregensätzen wie: er zeigt gen im als hast gen edeln
hoi'ten, jung. Tit. 22, 7, und daraus schon im Mhd. Wtb. verzeichnet.
Wie dann hast auch das kunstmcäßige Zerwürken des Hirsches,
den hastlist, als kurzer technischer Ausdruck für das ganze Verfahren,
ferner den Saum des Kleides und fast den Unterrock {ufhast Häzler. 248),
endlich auch den Sattel (mnl. hast, le hat) und weiter Lager, Pfühl be-
zeichnet will ich hier nicht verfolgen, sondern nur für das letztere und
für hastard, hätard auf die bisher nicht beachtete Stelle Martina 557, 42
hinweisen : ican in der tievil mäste üf der sunden haste. Da hast, le hat
der Saumsattel ist, Sättel, Zäume, Schilder aber aus Bast bereitet wurden,
so kann der Sinn von hasthart = hankhaH, hankert oder hornung Winkel-
kind (Grimm Rechtsalt. 261. 713. 475. DWtb. s. v. Diez 1" 57) doch
kaum zweifelhaft sein und es ist zu verwundern daß Grimm später zu
einer weni«- ansprechenden und in der Tat gezwungeneu Deutung aus
dem altnordischen Schwertnamen hasthardr seine Zuflucht nehmen mochte.
III. Zu Gregorius v. 916—919.
Die Stelle lautet nach Greith Spicil. Vat. S. 213 und Karl Bartschens
so eben mitgeteilter, äußerst willkommener Vergleichung Germ. 14, 240
in der Vatican. Hs. A
Daz er so ivol tcete
Vnde daz chind seihe tovfte
Vnde damit chovfte
Got vnde dienstaften mvt
während Lachmann nach der Wiener E da mite im und gegen AC
(undirY,) nmh diensfhaßen muot in seinen Text aufnahm, unde in den
Anm bekreuzt , um minder Kundige zu erinnern , daß es seine aus
Nachdenken und Forschung hervorgegangene Verbesserung sei, vgl.
Haupts Zeitschrift Band 5, 32.
So unentbehrlich beide Nachdenken und Forschung zu sein pfle-
o-en und so bereitwillig man beide einem Lachmann zutrauen wird, so
vermao- ich in imserem Falle diese erhebliche Abweichung von zwei
Handschriften oder dreien doch nicht als erforderlich anzusehen und
habe daher in meinem Gregor seit langen Jahren und Avieder herge-
stellt. Und das hat denn nun zu meiner Freude, wie sich erwarten ließ,
auch F. Bech getan. Außerdem ist in ge%vissem Sinne fast tröstlich,
daß so leicht nicht ausgedacht und ausgeforscht wird, man darf daher
ZUR ERKLÄRUNG MITTELHOCHDEUTSCHER DICHTER. 4^1
ausnahmsAveise schon einmal so dreist sein, von Laclimann abzuweichen.
Leider hat er den Grund zu seinem Verfahren nicht angegeben, son-
dern wie gewöhnhch verlangt , daß andere die ihn leitenden Gründe
suchen und finden sollen, wobei denn andei'e, wenn sie die vermutlichen
Gedanken nicht stichhaltig, die verworfene Lesart aber ganz vernünftig
fänden, sich mit demselben Rechte auf die einfache Wiederherstellung
des und beschränken könnten.
So bestimmt ich es nun ablehne , das umhe aus dem Gedanken
seines Urhebers zu rechtfertigen, so leuchtet doch ein, daß umhe, da es
hier ohne Person nicht von, eigentlich bei (Greg. 1299. WM. imMhd.Wtb.
1, 867 — 8) bedeuten kann, entweder den Preis, den Tauschgegenstand oder
den Zweck, die Folge ausdrücken würde. Ganz am Orte wäre es, wenn im
sibi sein könnte: daß er das Kind taufte und sich für seine Dienstbeflisseu-
heit Gottes Lohn erwürbe. Da dies aber trotz 968 durch 948 verwehrt
ist, im sich auf das Kind bezieht, so bleiben zwei oder drei Möglich-
keiten die sich alle nicht empfehlen. Denn auch was Bech annimmt
^Gottes Beistand zu einem ihm ergebenen Sinne' beschränkt got und
macht d. muot zur Hauptsache , nähert sich aber dem was und d. m.
auch, nur deutlicher besagt. Auf beides kommt es aber an, denn die
Taufe sichert dem Menschen den Segen Gottes, legt ihm aber auch die
Pflicht treuer Gottergebenheit auf, sie macht ihn Gott und Gott ihm
zu eigen. Die Parallelstelle fasst beides zusammen mit ein sceUgez leben
V. 949. Bedeutungen und Fügungen des Verbums koufen sind bekannt,
auch das Nd. bietet viel Beachtenswertes; seltener ist, vielleicht ver-
einzelt einem got koufen, doch dient ihm zur Erläuterung got Verliesen
z. B. 271, ich denke auch got erkennen v. 560 und sonst oft. Vgl. 2056
in gote, 2609 durch got, und selbst unser 'mit Gott'. Übersetzt man nun:
daß er so gut wäre und das Kind taufte und damit ihm erwürbe Gottes
Segen und dienstbereiten, gottesfürchtigen Sinn, so wüste ich nicht,
was sachlich oder wörtlich dabei zu beanstanden wäre.
IV. Weiteres zum Gregorius.
Da ich einmal vom Gregor handle, dieser für mich stets anzie-
hendsten Dichtung Hartmanns, benutze ich die Gelegenheit, aus alter
Bekanntschaft mit ihm einige Bemerkungen hinzuzufiigen, die nament-
lich Bechs neue Ausgabe, nach Lachmanns unvergleichlicher Arbeit
die einzige nennenswerte Leistung für das Gedicht, betreffen. Denn
wie freudig ich sie als eine vielfach lehrreiche fördernde Arbeit aner-
kenne, so finde ich dennoch ein(>- Menge von Stellen in denen ieli
seinen Text und besonders seine Erklärung nicht gutheißen möchte.
422 A. HCEFER
Dabei kann es wol sein, daß ich eins und das andere nicht gern auf-
gebe was mir bei stets wiederholter Prüfung als richtig erschienen und
am Ende geläufig geworden ist. Indessen ich hebe auch nur einiges heraus
xmd gebe es ohne Anspruch auf Unfehlbarkeit zUr weiteren Erwägung.
V. 1. 2 ist nach A herihtet, in Husche hat gefihfet, zu lesen? vgl. z. B.
Otte 751. 21. nicht: so daß er ihn aufs Bette warf, sondern: als der
Tod ihm seine Ankunft und Begleitung entbot, als er (nämlich) schwer
erkrankte und den Tod kommen sah. Das zweite erklärt das erste, was
so der alten Vorstellung von dem Tode als Boten und abholendem
Geleitsmann gemäßer ist, auch sehe ich eben daß Grimm Mythol. 799
es so genommen, wie ich es auch seit langen Jahren erklärt habe.
55. Die Beziehung des ir und des riuwen war wol näher zu bestim-
men, 'Anhänglichkeitsbezeugungen passt so wenig wie 'Klagen' oder
51 'eigenhändig' ; aber der etwas zu allgemeine Ausdruck der Verse
55 — 56 lässt freilich eine verschiedene Auffassung zu. 185. Bech hat
das von Lachmann herrührende ez in 184 aufgegeben und durch Um-
ßtellung der Worte da diu zu: diu da juncvroioe inne lac, da in Schlaf
versunken war die da eine Jungfrau zu Bette lag, einen feinen Sinn
gewonnen, vielleicht einen feineren als der Dichter beabsichtigt hat,
denn die naheliegende weil gewöhnliche Bedeutung des inne ligen ist
doch noch nicht angebracht. Ich ziehe also vor, ez und da diu zu be-
wahren, da inne aber zu verbinden. 203. gelime war trotz E und
V. 2743. 3229 als vollkommen richtig beizubehalten, mag es auch sonst
nicht nachweislich sein. 221 ist nach Erl. auf Pfeiffers Rat, Quellen-
mat. 23 , versümde für verschunde gesetzt , das gewöhnlichere für das
ungewöhnlichere, doch vorzüglich passende : so verreizten sie, oder ver-
führten sie die Gedanken (v. 215, d. h. der Teufel führte sie mit ihnen
irre) , so lange er mit ihr rang , oder besser : bis er sein Liebesspiel
mit ihr vollführt hatte : denn er War stark und sie schwach , so daß
ers wider ihren Willen zum Äußersten brachte. Pfeiffers: 'bis er bereits
mit ihr rang,' ist unbrauchbar, denn er ringt schon vorher mit ihr, 214.
239. ioa7i ezn stiurt si niht zer huote, nur daß es ihr nicht nützte, oder:
aber das war zu spät, half ihr nicht, es zu verheimlichen, Bech: 'denn
nichts.' 249. daz ungevüere, nicht gut übersetzt, soll nach B flieget zu
schließen avoI Object sein, doch gibt es auch als Subject guten Sinn:
indes die ganze Stelle krankt, wie A ungemuote : 'Versuchte deutlich zeigt.
286. Auch diese Stolle ist wie sich aus dem ge oder erwalUn in vier
Hs. ergibt, was doch nicht fortgepflanzter Fehler für vallen sein kann,
Bchwerlich gesund, dciniocli ist was La. im Anschluß an AE liest, vor-
»üjrlich, nur muß man es iiiclit mit Becli übersetzen; 'zu Teil gcwoi'dcü
ZUR ERKLÄRUNG MITTELHOCHDEUTSCHER DICHTER. 423
das Süße mit dem Bitteren. Dieses 'mit, neben hebt die Schwierigkeit
nur scheinbar, der Text hat: daz honte zuo der gallen, d. h. aber : die
Galle und den Honig, während man nach dem Zusammenhange 'nach
liehe leii vielmehr 'diu galle zuo dem honbge erwartet, — wenn gevallen
wie V. 64 'zufallen sein müste. Aber hier ist gevallen — zuo vielmehr
zerfallen, fast: werden, vgl. 2863 zevallen, 3274. Und somit wäre das
logische Bedenken, wie ich sehe auch Pfeiffers dem ich übrigens nicht
nachschreibe, beseitigt und alles in bester Ordnung : Frau Minne macht
stets nach Freude Leid. So war auch ihnen (ist hier, E) zerfallen
der Honig zu Galle, ihr Glück zu Unglück ausgeschlagen. Das IMhd.
Wtb. welches Valien nicht recht vollständig behandelt, erklärt wie Bech.
Pfeiffers Vorschlag, mag ihm Richtiges zu Grunde liegen, ist doch
schwerlich schon gelungen. 476-8. Der Hrsg. liest mit Lachm. nach
AE : ez loas in heiden diu vröude also tiure sam daz is in dem viure,
und ich stimme ihm darin bei , daß das erste in dann wegen Gleich-
mäßigkeit mit der folgenden Construction hier auch wol die Präposition
sein müste, obgleich W. Müller 4, 40" es als Dativ genommen hat.
Allein „Benecke wollte in des v. 478 tilgen", ein Wink dem man ge-
trost folgen sollte , da es mehr als entbehrlich und in 476 der Dativ
passender ist. So natürlich Walthers under wiben sint umoip tiure ist,
so unnatürlich finde ich ein auch wol kaum nachweisliches diu vröude
ist in mir tiure. 608. se : vor dem tage enmohtens e, an sich wenig be-
glaubigt;, fasst Bech: wegen des Tageslichts; wäre etwa: hi der naht
zuo dem se, vm- dem tage, s' enmohten e, also : bei der Nacht^ ehe es Tag
ward, früher konnten sie es nicht, zu lesen? vor dem tage in dieser
Weise zu nehmen, liegt zunächst, vgl. 775 vor tage, vor tages. Der Ar-
tikel wäre kaum anstößig, vgl. morgens gegen dem tage., 2879 nähen ht
dem tage, eigentliche Tautologie nicht vorhanden. 703. Bech geht mit
vor dem aufA ziu-ück und ist dadurch gerechtfertigt, aber Lachmauns
von dem (aus Wiener E entnommen) entspricht besser als vor dem
uf, 705. 853. crede mich ist etwas kurz abgetan, denn die meisten
Leser wissen mit mich nicht fertig zu werden : warum nicht das von
Lachmann beigebrachte cred.e michi oder Schreibungen nichil, estomichi
u. a. vergleichen? 900. ist vil guoter vuoge, trotz gef Hegen 911, nicht
lieber adverbialisch 'in angemessener Weise zu nehmen? 912. daz si'z
trüegen, nicht: daß sies einstweilen tragen sollten, was ohnehin selbst-
verständHch, sondern: daß sies ihm brächten, wenn sie — gewartet
hätten, und (daß) man ihn- bäte etc. 1065. ir mark an in geleit, Bech :
'sie hatte an ihn ihr Mark, ihr Bestes gewendet,' — wenn überall zu-
lässig, viel dürftiger als das hübsche : Frau Vollkommenheit, Frau Glück
424 A. HCEFEK
hatte an ihn ihr dauerndes Zeichen gelegt, ihn als den ihrigen gezeichnet,
gestempelt; wenigstens scheint dies die ursprünglichere Bedeutung, wenn
es dann auch allgemeiner vorkommt, wie in der von Lachmann citirten
Stelle : er truoc an im daz marc daz an sinem vater lac. 1 143. tet ge-
hliwen, was Grimm im Sendschreiben 58 als Particip ansah , Gramm.
4, 127, und Bech daher in gehlüwen änderte, erweist sich nun durch
Bartsch als getar gehlkcen und dadurch versteht sich dann auch : daz
dich der gepewlen der (für: dar geplmen?) E. 1166 — 7. Nach dem mit
ivan beginnenden Satze setzt Bech au Stelle des hie und da behaltenen,
von La. hier vorgezogenen ? ein .' und erklärt es durch 'wenn doch,
wenn nur. Aber das gibt hier einen Sinn der meiner Ansicht nach
lange nicht so passend ist als die Frage : warum wollte er nicht daß
man seine Schande verschwiege? Das heißt doch wol: bis jetzt weiß
hier niemand, wer er ist, aber ich weiß es und wills aller Welt er-
zählen^ — warum machte ers nicht darnach daß man das für sich be-
halten konnte? — Oder hieße es: was, wollte er? d. h. er möchte wol,
ihm gefiele wol, daß man? Mit einem utinam, wenn er nur wollte usw.
entstünde vielleicht derselbe Sinn wie oben, aber undeutlicher und wol
auch nicht besser ausgedrückt. 1268. diu lehen koiifen unde keren ze,
synonym und alliterirend, einrichten oder schaffen und wenden; 's. Le-
bensunterhalt erwerben trifft weniger zu. 1305. von dirre stunt, E Erl.,
also in zwei Hs., doch kaum besser als für dise stunt ^ v. 1561, oder
sollte/ur wegen des gleich folgenden -ywr beseitigt werden? 1315. dise
Sache, mit Recht gegen das von Pfeiffer empfohlene drie E Erl. bewahrt,
denn nur zweierlei ti'cibt ihn aus dem Lande, diu schände 1318 und
das Verlangen nach Ritterschaft 1329 — 31, = 1320. 1362 bedui-fte der
Erklärung mindestens für Anfänger. 1366. danne für da mite ist nun
herzustellen. 1415. min gedanc spilte, scheint mir nicht mit dem Mhd.
Wtb. 3, 506 zitterte 'zappelte vor Verlangen , welches letztere schon
in sente liegt, sondern: vergnügte sich mit Kampfspiel, kämpfte, vgl.
ritterschefte spiln usw. 1492. imde gib dir — daz du vil schone varende
bist, gebe dir soviel? vielmehr: und mache dir, daß du gut zu wege
bist, gut zu Gange sein sollst, nämlich wie ich das verstehe: durch
die reiche Heirat, nicht durch eigenes Geben. Dafür spricht Erl. und
gib dir also schcene vrist daz du vil lool varünde bist. Übrigens ist zu vgl.
Lachm. zu VValther 6, 37. 1517. gevürdern, ist des Herausgebers an
sich gute Vermutung, doch Avürde ich geioirden bewahren, dies steht in A
und ist also nicht Lachmanns Emendation wie es Pfeiffer Quellenm.
1, 25 bezeichnet, geicenden gibt A 1495 = 1516 mit E für genenden.
Die Erl, hat 1517 gaziehm für gewirden A das vorzüglich passt wie
ZTJR ERKLÄRUNG MITTELHOCHDEUTSCHER DICHTER. 425
Pfeiffer zugibt und folglich ohne allen Grund verdrängt ist. 1646. lieber
als mit dem Hrsg. alter und lese ich mit Lachmanu altnind, völlig ebenso
wie 2115 muotriind = Lachm. was unmittelbar gleichsteht und mit dem-
selben Rechte siner und sines betont mit dem 1646 beide linder gehoben
sind. Vgl. 2432 iuwer muotr und iuiver ivip f Auch ist altrund nicht viel,
gröber als z. B. v. 1528 wüln was Bech wie manches andere ohne Not
verkürzt, wenngleich er auch hierin Lachm. gefolgt ist. Unerträglich
ist namentlich v. 3016 wo also wol : meinde ddz eins mdnnes, gelesen
werden soll. Ich ziehe dagegen ohne Bedenken vor: daz meinddaz eines
unannes munt, und bin sicher damit der Aussprache Hartmanns näher
zu kommen, eines hat heiden in v. 3015 gegenüber vollen Nachdruck
und braucht auch nicht verkürzt zu werden. Übrigens finde ich in
diesen Dingen mehr Schwanken als gut ist. Während meinde hier ge-
rettet wird, muß der Hrsgbr. doch 84ö erioeinde daz (Lachm. dez) selbst
zulaßen und während er 713 meine den, 809 icarte der, 846 kunte dem,
1091 erlöubte dem, schreibt, setzt er 812 dühte den, 2313 dicht' st sich,
1101 liute dem usw. dritte der in 156 ist wol Druckfehler?
Außerdem beschränke ich mich auf vier Stellen die von Wichtig-
keit sind. 2595. mit marioen filezen ungeschuoch, ist nun auch aus A
erwiesen , muß also wol richtig sein ; die Tautologie an der Pfeiffer
Anstoß nahm, wäre jedoch nicht schlimmer als manche andere; wer
sie beseitigen wollte^ ditrfte nur so : er icuot diu loazzer bt dem stege mit
hären filezen, ungeschuoch streich er usw. schreiben, wo dann auch streich er
stehen bliebe. 2866. aschman ist, obgleich nirgends nachgewiesen und
mehrfach anstößig , ohne weiteres durch Küchenknecht , vgl. Aschen-
brödel, wieder gegeben, während es gewis nach Beneckes und Wacker-
nagels treffender Vermutung zu Asch Bot (i. e. Esche, asc, ags. a'sc,
cesceman a shipman, a pirate) gehört und also Botsknecht bedeuten wird.
Oder wäre asch auch Ruder und aschman Ruderknecht gewesen ? Ge-
hörte es zu asche, so würde es anders aussehen und schwerlich veraltet
sein, gartzen in B spricht dafür, daß der Schreiber es nicht mehr sicher
verstand. Stünde 2864 er schuof, so würde sinem aschman auf den Fischer
gehend noch vorzüglicher passen, aber auch so sollte man suchen das
alte und mit anderen für den Gregorius bezeichnende Wort sorgfältig
zu wahren. Bech hat wenn ich nicht irre dergleichen öfter als gut
preisgegeben.
Auffälliger als alles andere ist daß v. 2970 in got vergaz siner
schulde unz üf sine hulde, unz üf 'bis auf, nur nicht' bedeuten soll, was
denn doch unmöglich ist. Statt des Hinweises auf 2409 Avar passender
Iwein 3784: daz er al sin schulde buozte unz üf ir hulde, zu vergleichen,
426 A. HCEFER, ZUR ERKLÄRUNG MHD. DICHTER.
wo ein 'nur nicht' übel angebracht wäre. Gremeint ist im Gregor ledig-
lich: Gott vergab ihm alle Sünden bis auf, d. h. hier: bis zu seiner
Hvdd, so daß er ihm sogar seine Gnade wieder zuwandte. Übersetzte
man aber nach jener Weisung, so entstünde der Sinn, Gott habe ihm
seine Gnade vorenthalten, was Unsinn 'wäre. Da Bech dies also nicht
gemeint haben wird, so kommt man zu der Vermutung, er habe das
durch U71Z üf angeschlossene hulde mit vergaz unmittelbarer verbindend
den Sinn beabsichtigt: Gott vergaß aller seiner Sünden, nur nicht
seiner Huld? Allein, Avenn dabei allenfalls auch dasselbe herauskäme,
das wäre doch unnatürlich und unerlaubt, wie sich aus der Stelle des
Iwein u. a. schlagend ergibt. Ungenau oder zu kurz lehrt auch Wacker-
nagel daß mvz üf ausschließe^ denn unz üf bedeutet ganz wie unz an:
bis zu einem Punkt , ob dieser eingerechnet oder ausgeschlossen sei,
liegt im Gedanken des Redenden : er vergibt alles bis auf den letzten
Heller, kann eins wie das andere meinen, in der Regel meint es alles,
schließt also ein, während "^bis auf einen Taler sicher diesen ausschlösse.
So passte des Hrsgbs. 'nur nicht' für den Satz : er vergaß alle seine
Fehler bis auf sein Lügen , nimmermehr aber für den mehr mhd. als
nhd. Ausdruck: er vergaß alle Fehler bis auf seine oder bis zu seiner
Belohnung *). 2989 — 90. ich verbinde anders als der Hrsgbr. dienstes
■ — daz und nehme ersteres als Neutrum das auch im Iwein 4278 sm
dienest (al. smen) und sonst oft begegnet. Das Wort ist im Register zu
Iwein gar nicht, zu Gregor nur als masc. gen. aufgeführt. Benecke im
Wtb. zu Iw. : der (daz) dienest.
Obgleich der Herausgeber anderes schon selbst berichtigt hat,
z. B. 768 und 1656, ließe sich doch noch über vieles rechten, was ich
für eine andere Gelegenlieit aufspare. Mitunter weicht er ohne Grund
von der herkömmlichen und auch wol allein richtigen Auffassxmg ab,
so daß man sich fragt, ob das absichtliches anderes und besseres
*) Bemerkenswert ist hier auch die allbekannte Redensart: visck unz uf den grät,
oder: unz an, die Pfeiffer zu Walther 76, 12 'ganz, durchaus Fisch sein tibersetzt
(man denkt also zunächst: Fisch mit sammt den Gräten, obgleich er es wol selbst
anders meinte) Wackemagel dagegen: Fisch mit Ausnahme der Gräte. Und freilich
ist dies allein richtig, weil Fisch und Gräte sich gegenübergestellt werden, z. B. habt
ir den grät, vh )iim den visch, das Fischfleisch. Von der Maria gesagt du bist visch unz
üf den gr&t ist einfach: Fisch ohne Gräte, ebenso wie Taube ohne Galle, Rose ohne
Dom, Ceder ohne Wurm u. a. So ist im Winsbeken 52, 7 er ist niht fleisch unz an daz
bein, er ist nicht reines, knochenloses Fleisch. Aber deshalb kann visch um üf den grät
an sich sehr wol: "Fiscli mitsammt den Gräten, völlig Fisch' sein und ich möchte
glauben, daß es, als es sprichwörtlich geworden, auch wol so verstanden sei.
KARL BARTSCH, ZU HARTMANNS GREGOR. 427
Verständnis oder Versehen sei. So ist nicht nur im Erec 3638, son-
dern anch im Grregor 1558 ^lnde des $i mit hnlden verzigen übersetzt :
und lehne dies höflichst ab, — was wie mich dünkt grade für den
Zweck dieser Aiisgabenart höchst mislich ist. Letzterem entspricht
auch wenig, daß wichtigere und schwierigere Dinge hie und da über-
gangen , ordinäre dreimal oder öfter wiederholt werden. Desgleichen
vermisse ich Consequenz in der Bezeichnung der Hebungen die oft
recht überflüssig augezeigt werden und nicht selten da unbezeichnet
bleiben wo dem Anfänger ein Wink unentbehrlich scheint. Kurz die
Ausgabe des Herrn Bech , eines ausgezeichneten Kenners des Mhd.,
zeigt recht deutlich wie überaus schwer es sei , ein mhd. und zumal
ein so feines mhd. Gedicht in der versuchten Weise zu erklären und
zu umschreiben, wenn man dabei dem Gedanken des Dichters und
dem mhd. wie dem nhd. Sprachgebraüche volle Rechnung tragen will.
GREIFSWALD, im Juni 1869.
ZU HARTMANNS GREGOR.
Im Anschluß au den vorhergehenden Aufsatz füge ich hier einige
Bemerkungen zu Bechs Ausgabe bei. Durch die Erlauer Handschrift,
die auf einer guten alten Quelle beruht, ist die Kritik des Gregor nicht
unwesentlich gefördert worden; freilich bleibt auch jetzt in dem trüm-
merhaften Eingang, den sie allein enthält, manches unsicher.
80 ist zu schreiben töis vrevele mit güete , wodurch die unnatür-
liche, wenn auch bei Hartmann nicht ganz unerhörte, Tonerhöhuug von
otiit vermieden wird. Desgleichen lies ühele für ühel 1596. Auch 101 ist
die vom Herausgeber angenommene Betonung kaum zu gestatten: ein
sölhe hivilde er nam. Wäre in hivilde die drittletzte Silbe unbetont, so
würde die Präposition den volleren Vocal verloren haben und das Wort
hevilde lauten. Ist aber die Präposition betont, so muß sie mhd. langen
Vocal bekommen : also hivilde. Der Vers ist mithin zu betonen em solhe
hivilde er nam. Diese Betonung und Schreibung wird sichergestellt durch
Metrum und Handschriften im Nib. 1065, 4 &e siner pivilde tvas; vgl.
meine Untersuchungen S. 149.
123 ze tische unde andersicä. Es ist hier nicht der Ort näher aus-
zuführen, warum unde als Hebung und Senkung vor folgendem Vocale
unstatthaft ist; E hat vnd otich, und dies führt auf die richtige Lesart,
die Avar Joch andersicä^ worauf auch in G noch andersica hinweist.
428 KARL BARTSCH
134 der unreine vient sach: so liest A, nur viende. E hat der welt-
veint an ir sach, G der loerlt veint ersacJi] aus den verschiedenen Les-
arten scheint sich als die ursprüngliche zu ergeben der werlde vient sach,
wobei auf der die erste Hebung follen müsste. Dafür fehlt es bei Hart-
mann durchaus nicht an Analogieen, so wenig diese Betonung auch zu
loben ist. Die Änderungen der Handschriften bezweckten, dem scliein-
bar zu kurzen Verse sein richtiges Maß zu geben ; daher die Einschie-
bung von an ir in E, von e?-- in G , die Vertauschung von loerlde mit
unreine in A. Der Feind der Schöpfung, alles Geschaffenen heißt der
Teufel nicht unpassend.
218 unde wirde aber ich lüt hat A; EG haben die jüngere Wort-
stellung , die aber auf das Verbum folgen zu lassen pflegt , und ihr
schließt sich Bechs Lesart an, während Lachmann die Lesart von A
beibehält und nur abe schreibt ; der Grund dieser orthographischen
Veränderung kann nur sein , daß L. betont wissen wollte ünde loirde
abe ich lüt. Allein zur Hervorhebung der Person liegt kein Grund vor,
der Gegensatz liegt in sidige ich stille und wirde ich lüt. Die dritte He-
bung fällt daher auf aber.
222 versünide statt verschunde hat Bech sicher mit Recht nach
Anleitung von G geschrieben. Ich würde aber versimit si dem versilmde
se vorgezogen haben, da die Kürzung eines schwachen Präteritums vor
folgendem Personalpronomen ganz unbedenklich ist.
254 er nam s' besunder. Die Anlehnung des Pronomens ist hier hart;
sicher hat G das richtige bewahrt er nam si sunder, denn bekannt ist,
daß jüngere Hss. besunder fiir das seltenere sunder oft setzen, auch wenn
es dem Metrum widerstrebt. Wenig wahrscheinlich aber ist, daß eine so
junge Hs. wie G die seltene Form sollte gewählt haben, wenn dieselbe
sich nicht in der alten Vorlage fand.
1256 Sit si ez iemen hat gesagt: E hat eines für iemen, und G seit
einev hat gesaget. Ich halte die Lesart von E für die vorzüglichere :
'wenn sie einmal davon gesprochen hat'. Durch Umstellung der Buch-
staben ergibt sich aus der Lesart von A einem , was ebenfalls guten
und besseren Sinn gibt als iemen, auch zu dem drie unde viere in 1258
besser und genauer stimmt.
1262 weisen die Lesarten darauf hin, daß der Vers lautete als ich
minem lieben sol, wo liebe (swm.) substantivisch gebraucht ist. So lesen
EG: AF haben lieben kinde, was wegen des folgenden den wie wegen
von cliinde in der nächsten Zeile nicht angeht. Die Lesung Greiths
lieben sbne hat keine Hs. (oben S. 241).
zu HARTMANNS GREGOR. 429
1330 hcet ich gehurt ujide guof: die Hss. haben die gehurt und daz
gnot, nur E lässt die weg, und mit Recht. Die Ungleichheit, daß der
Dichter, was grade ebenso beim Pronomen possessivum vorkommt, den
Artikel nur dem einen der durch und verbundenen Substantiva voraus-
schickte, war Grund der Änderung, zu welcher bei Bechs Lesart kein
Anlaß gewesen wäre. Der genau entsprechende Fall begegnet 1883,
wo A und die Herausgeber lesen heidiu die sterke und den muot, EGr
aber die mit Recht weglassen. Au^ch hier wäre es niclit richtig sterke
unde muot zu schreiben.
1450. 51 daz ich die ritterliche gir mit iverken müeze hegän: so
lesen mit A beide Ausgaben. Statt ich hat E ist, und volgän für hegän.
Damit stimmt Gr, nur daß es ich wie ist auslässt. Schon das deutet
auf eine Interpolation, und die echte Lesart hat sich hier in G erhalten
nämlich daz diu ritterliche gir mit loerken müeze volgän.
1469 Nu, schuof er duz man im sneit lesen die Ausgaben mit A;
EG haben Do schuof er, und E außerdem im do^ B allein Er schuof,
und dies weist darauf hin, daß der Dichter schrieb Er schuof daz man
ime sneit. Bei der einsilbigen Aussprache im schien der Vers zu kurz ;
daher die Hinzufügung von 7iü und do. Wie hier die Form ime für im,
so war 1509 manegem Anlaß zur Einschiebung von grozen. Überliefert
ist ja tuot ez manegem schaden AG, manigen grozen schaden hat E. Lach-
mann nahm grozen auf, Bech verwirft es mit Recht auf Grund von AG,
aber er betont ja tuot Ich glaube, auch hier gestattete der Dichter
noch die vollere Form manegeme, wie ime, und auf das viersilbige Wort
fallen zwei Hebungen.
1675 und als er die stat an sach, mit E, während A hat an ersach,
G ersach. Die Lesart von A verdient den Vorzug und ist mit Recht
von Lachmann beibehalten worden. Die ungewohnte Ausdrucksweise
und das Metrum gaben den Schreibern Anstoß.
1895 Gregorjus sich des gar hewac, so beide Ausgaben. AG haben
übereinstimmend sich des vil gar, E lässt des vil aus. Jene Überein-
stimmung ist wichtig, da A und G nicht zu derselben Textgruppe ge-
hören. Die echte Lesart und Schreibung wird sein Gregorjus sichs vil
gar hewac.
1945 Ir ieticederre sich da vleiz : da, das in BG fehlt, halte ich
für eingeschoben, um dem Verse, der bei der Aussprache ietweder zu
kurz erschien, eine Hebung mehi- zu geben.
1949 under arm sluogen wird die echte Lesart sein: die Ausdrucks-
weise ohne Artikel und im Singular war hier , wo von zwei Rittern
die Rede ist, doppelt anstößig. Die Änderungen aber sind abweichend;
430 KARIi BARTSCH, ZU IIARTMANNS GREGOR.
B schiebt den Artikel ein, lässt aber den Singular, AE setzen den Plural,
auch G, doch gewiss nicht dessen Vorlage, die vielmehr hatte under
arm gesluogen , mit einem so oft begegnenden Streben , die Senkung
zu füllen.
1967. Warum sowohl Lachmann als Bech gnuoc gegen AGr schrei-
ben, verstehe ich nicht. Zu betonen ist do ir ietivederre genüoc , was
auch Lachmann nicht anstößig finden konnte.
2035 ir durch got hcete erkorn lesen die Herausgeber mit A,
E hat durch gotes hidde het erhorn, G durch got het (d. h. hcete) verhorn.
Alle drei Lesarten streben die ursprüngliche Lesart zu bessern: diese
lautete durch got hcete erkorn. Die ursprünglich zweisilbige Präposition
schien Hartmann noch fähig , um Hebung und Senkung zu tragen,
nicht aber den Besserern. Einen entsprechenden Fall von einsilbiger
Präposition am Anfang des Verses finden wir 2136. Hartmann schrieb
mit roten ougen dan. Dieser Vers schien zu kurz , imd die Schreiber
verlängerten ihn auf verschiedene Weise:
A mit vil roten ougen dan.
E mit roten trileben ougen dan.
B mit nazzen ougen von dan.
G niit roten ougen von dan.
2340. Auch hier weisen die abweichenden Lesarten auf die syn-
taktische Freiheit, die ich zu 1330 besprochen. A der hat taveln und
daz sidin geiccmt, E der hat die tavel und sin getvant, G der die tavel
und daz gewant. Hartmann schrieb der hat tavel und daz sin gewant.
Lachmann, dem Bech sich anschließt, setzte der hat tavel und sidin gicant.
2398. herre, ir sult mir des verjehen setzen mit A die Herausgeber,
E liest herre, mugt ir mir verjehen^ G herre, müget ir mir des jehen. Zu-
nächst ist ersichtlich, daß die beiden letzteren Lesarten auf die gemein-
same herre, mugt ir mir des verjehen hinweisen, die durch A Bestätigung
empfängt. Es handelt sich nun um ir sult oder mugt ir. Jenes zu ver-
ändern lag kein Grund vor , wohl aber die seltnere Ausdrucksweise,
deren Hartmaun auch 2512 sich bedient; ein weiterer Grund zur Än-
derung der Lesart nutgt ir lag in der metrischen Freiheit, die herre
einsilbig braucht (zu Strickers Karl S. LXXXIX),
2415. Keine Hs. hat hier wie auch an andern Stellen das echte
bewahrt , sondern dasselbe ergibt erst der Zusammenhalt der Hss.
A hat daz tcir dirre o^ede gedagen , E daz icir der rede aldä gedagen,
G daz xoir der rede hie gedagen. hie vmd aldä sind Einschiebungen, die
ebenso wie dirre für der den Vers verlängern sollen. Hartmann schrieb
nur daz wir der rede gedagen.
FEDOR BECH, WORTFORMEN AUF -EZE. 43]
2418. Hier hat G die echte Lesart bewahrt: der rede ist niht also.
Bei der häufigen Betonung also schien den Schreibern der Vers auch
hier zu kurz; daher setzt A der rede enist nit herre [also, E Ja ist der
rede niht also. Auch 2454 verdient die Lesart von Gr den Vorzug ddnne
diu zwei hie.
2519. icar mit ich doch verschnlde daz A, da tnit ich doch E;, mit der
ich G. Der Dichter schrieb wohl mit wiu ich doch verschtdde daz] die
nicht häufige Verbindung von mit und dem Instrument, veranlasste die
Änderungen.
3118. Die Hss. weichen hier stark von einander ab, Lassen aber
den Grund der Änderung und somit die alte Lesart erkennen. E hat
nndhäten in da, B und bäten in den wirt da, G und bäten den vischer da.
Diese drei Lesarten weisen auf die gemeinsame unde bäten in da, der E
am nächsten steht, und als erste Hebung und Senkung ward häufig
Anlaß zu Änderungsversuchen; für einen solchen halte ich auch die
Lesart von A nü bäten sl in da.
3201. Die scharfsinnige Emendation Bechs bedarf nur einer kleinen
metrischen Nachhilfe, des morgens gar fruo gestattet nicht morgcnf< mit
zwei Hebungen zu lesen , wohl aber mörgenes , und dieser Form Avird
sich Hartmann noch bedient haben , wie Albrecht von Johansdorf
(m. Liederd, XI, 10) anderes braucht.
3244 zuo dem steine: die Lesart von EG zuo einem macht wahr-
scheinlicher, daß dieselbe aus zuome als aus zuo dem hervorgegangen.
3252. vil wie gar scheinen interpoliert; der Dichter wird geschrieben
haben ze himele genceme.
3456. Die Fassung von G er sprach : herre ich bin genügt nicht
nur dem Verse vollkommen, sondern entspricht auch dem Sinne besser,
indem auf ich alsdann eine Hebung fällt. A und E schieben ein Ad-
jectiv ein: A lieher herre, E saug herre; schon die Abweichung deutet
auf das nichtursprüngliche hin.
ROSTOCK, Ostern 1869. KARL BARTSCH.
WORTFORMEN AUF -EZE.
Nachtrag zu Germania X, 395 — 398.
Zu^e&eiwze = mnd. gebenete: vgl. das in Vilmars Idiotik.429 verzeich-
nete viei^gebeinze, veiergebeinz, veiergebinz = ein kleiner Vierfüßler. — Zu
gebüiceze {= gebvi,, gebuwede): vgl. Nicolaus von Basel 317: den nüwen
frönalter ^md den kor und daz nütve gebüweze alles mitenander xcthen; — -
die altare die in dem nüwen gehüweze und in dem alten gebüweze werdent
432 KARL MEYER, ZUR DIETRICHSSAGE.
f ^ "^
stünde. — Zu gedintjetze: vgl. Diefenbach 40^" pacHo, gedingfz nnd padarcj
gedingtz machen ; Weist. 3, 427, Z. 1, G und 10 von unten : gedingze einem
geben ; 431, Z. 19 sin arheit in sirne gedingze üzforen (Urk. aus der Wetterau) ;
ein mild, gedingede findet sich bei Berthold 293, 38 : sicer dehein guot
drumhe nceme mit gedingede, der icoere eivicliche verlorn. — Zu gejagetze:
Weist. 5, 350 tif solchem schweinegejagfs (aus dem Oberelsa(J). — Geloheze
= md. gelohede, mhd. gelilhede (stn., stf.): Diefenbach 229" fedtis, geh-
hecze. — Gemechze stn. = genitalio,, Gemachte: in und um Nordhausen
noch heute gesprochen ; ahd. gimaht, mhd. gemäht, gemeht stf. neben ge-
mahti, gemehte, vgl. mhd. Wb. II*, 9; im Plural erscheint es bei Gries-
liaber Pred. II, 132 und in Pfeiffers Zwei d. Arzneibüchern 35 (142), 16.
— Geremze (eine Ableitung von ram, reme Rahmen) = Einfassimg, Ein-
friedung, Gitterwerk: Diefenbach 220" /ewesi?'a?e^ ein gevernetzt 2QV' gerra,
ein tseren gerempze (sepes ferrea circa chorum) ; 349'' margo, ein geremcze ;
Schmeller III, 92 ; bei Cornelius Kiel ghera;mte, geremte = compages, se-
pimentum. — Geruchze = nd. gerochte, md. geruchte, mhd. geruofte:
Diefenbach 224*" famia, hoeß geruchcze, quät gherocht. — Zu ge^tirnze :
vgl. Diefenbach 270" hyades, sid>engesterncze. — Zu gestültze : vgl. Deutsche
Reichstagsakten von Weizsäcker I, S. 256, 1 (Frankfurter Urkunde von
1379): V lih. um.h hört zum gestülze unsers herren des koniges ] und gestüls
ebenda 160, 26; 161, 7; Würdtwein, Diplom. Magunt. I, 542 (a. 1485):
item ist nf beiden seiten ein gestidtzs und gehrittert geblench gemacht geicest
neben dem höhen alter; Otte Baldeman von Karlstadt v. 88 die fraioe uf
eim gestülde (: fülde, sensit) in schinden lüften swebete. — Zu getierze : vgl.
Vilmar, Idiot. 412. — Geicirz, Gewirzchen, n. = Gewirr, Verwirrung,
mhd. geicerre: Regel Die Ruhlaer Mundart 83 und 193. — Zu gewürmze:
vgl. Vilmar 1. 1. 461.
ZEITZ, April 1869. FEDOR BECH.
ZUR DIETRICHSSAGE.
Im Jahrgang LXII der Heidelberger Jahrbücher der Literatur
(S. 149 — 151) veröffentlicht Herr Prof. Ernst Martin eine Recension mei-
ner Abhandlung über die Dietrichssage, deren hämischer Ton und deren
in die Augen springende Obei-flächlichkeit mich zu einigen Gegenbemer-
kungen veranlassen.
Gleich zu Anfang wird die von mir angeordnete Reihenfolge der
Quellen getadelt; es wird behauptet, ich hätte dieselben ganz nach der
Reihenfolge angeordnet, in welcher sich etwa die darin erzählten Ereig-
KARL MEYER, ZUR DIETRICHSSAÖE. : 433
nisse aneinanderscliließen konnten. Herr Martin scheint demnach zu
glauben, daß die Kämpfe mit Sigenot, Ecke, dem Wunderer u. s. w.
später anzusetzen seien als Dietrichs Heimkehr. Dagegen scheint er
nicht bemerkt zu haben, daß die Quellen nach der S. 1 meiner Abhand-
lung gegebenen Eintheilung der Sagenelemente — Dietrich und Ermen-
rich, Einflechtung in die Nibelungensage, Mythem*este, willkürliche Ent-
gegenstellung Siegfrieds — angeordnet sind.
Die Thidrekssaga sodann ist nicht wegen ihrer Schwierigkeit weg-
geblieben, sondern weil ich annehme, daß jeder, welchem ihr Urtext
unverständlich ist, sich leicht in v. d. Hagens oder Raßmanns Über-
setzung orientieren kann. Demnach ist der Vorwurf, ich hätte nur einen
Theil der Quellen benutzt, nichts als eine leichtfertige Verdächtigung.
Wer meine Abhandlung wirklich durchgelesen und nicht nur nach ge-
wöhnlicher Recensentenmanier durchstöbert hat, wird sich überall über-
zeugt haben, daß das „allerwichtigste" Denkmal nicht unbenutzt ge-
blieben ist.
Ein zweiter müßiger Vorwurf, welchen Herr Martin gegen mich
erhebt, ist der des Hin- und Herschwankens zwischen den verschiedenen
Ansichten eines W. Grimm, W. Müller, Simrock, Rieger und Müllenhoff.
Er scheint demnach zu glauben, daß die Arbeiten irgend eines dieser
Gelehrten als alleinseligmachendes Dogma, die aller übrigen hingegen
für unnützen Plunder zu halten seien ; ich muß leider gestehen, daß ich
mich bis zu dieser Höhe der Einseitigkeit nicht habe erheben können.
Komisch aber ist es, daß Herr Martin auf S. 42 meiner Abhandlung nicht
einmal die Satire auf das indogermanische Urepos erkannt hat ; oder
glaubt er wirklich, daß ich einfältig genug war, Heimes Eintritt ins
Kloster als einen der indogermanischen Urzeit eigenthümlichen Zug
darzustellen ?
Weit eher als die 'Grimm'sche Identificierung von Bikki und Si-
bicho rechne ich es zu den ganz sicher abgethanen Irrthümern, wenn
Zupitza in seiner „Einführung in das Studium des mittelhochdeutschen"
(p. XII) den Namen der Germanen für keltisch und für gleichbedeutend
mit „die Nachbarn" erklärt*). Dürfen wir etwa auch in dieser Frage
hoffen, die nähere Begründung in MüllenhofFs deutscher Alterthumskunde
zu erhalten?
Daß die Alamannen schwerlich in der Lage waren, fremde Sagen
glänzend auszuschmücken, weil sie noch vor Ende des 5. Jahrhunderts
*) Zupitzas verdienstvollem Buche will ich damit nicht zu nahe treten; ich wollte
nur zeigen, mit wie ungleicher Elle dergleichen Recensionen pflegen gemessen zu werden.
QKKMANIA. N«u« Uail» II. (XIV. } Jthrg. 2b
434
G. K. FROMMANN
unter fränkische Botmäßigkeit gerieten, ist zwar eine „eigene Vermu-
thung" Martins , aber keine stichhaltige. Man könnte mit demselben
Rechte Schillern seine vorzüglichsten Dramen absprechen und als Beweis
hierfür anführen , daß der Dichter wegen Deutschlands Erniedrigung
„schwerlich in der Stimmung und Lage war", fremde Stoffe glänzend
zu dramatisieren.
Was Martin S. 151 anführt, sind ebenfalls nichts weiter als seine
„eigenen Vermuthungen", deren Begründung natürlich fehlt; wir werden
in dieser Hinsicht auf Mtillenhoffs deutsche Alterthumskunde vertröstet.
So lange letztere nur in Aussicht gestellt wird, erlaube ich mir jedes-
falls , meine „eigenen Vermuthungen" in Betreff der Alamannen , des
Harlungenmythus und anderer Dinge festziihalten.
BASEL 19. April 1869, KARL MEYER.
EIN BKUCHSTÜCK DES ROMANS
DER LORREINEN.
Sp. I.
10
15
20
25
geiagen.
v'slagen.
de.
de.
goet daer.
naer.
. furco.
toe.
orren.
porren.
gereet.
dweet.
oen.
en doen.
bestaen.
noet gedaen.
t weet weh
fei.
CO. ogi'er.
are w't.
doet
roet.
e w'en.
waren.
30
35
40
45
50
den sege.
6.
at lant.
t.
nde w't.
vert.
doe.
antes toe.
in.
in.
ie.
ie.
ogieue d*.
r waer.
ene.
sone.
e.
e h'e.
ede.
emelrike.
el die gelike.
esen sal.
or al.
es.
mi des.
EIN BRUCHSTÜCK DES ROMANS DER LORREINEN.
435
55
60
sijn omeert
neert.
doen.
yoen.
re d' bi.
en si.
ijn.
Sp. II. Ic woude desen ki'nde geuen.
waat hets een van onse neue.
TIant al hier van baioen.
het sal teer onsen wille doen.
5 Sine vordren hebbet weet wale.
Lange v'dient te menegen male.
Eil. Rig'. sijn vad' mede.
CL Rit. andworde d' ter stede.
here dat gire mede doet.
10 dat louic wel het düct mi goet.
Eil wils hem harde wale onnen.
Van bliscapen doed'moed' rönnen.
Qu' die ogen die tränen heet.
Om dat si die w'heit weet.
15 dat wed' dat lant van baioen.
dat v'Ioren hadde gell'.
wed' comen es te rechte.
aneRobb'. van meilaens geslachte.
Du8 heeft die v^uwe grote ioie.
20 Om dat hare noch te v'noie.
Ende te lede . . . en sal.
Orlof namen die h'en al.
Eü manscap dede Rig'.
al daer vor den soue sijn.
25 Eil seide dat hi in hären orbore.
altoes woude wesen vore.
In gasscoengen quamen die h'en.
d' si w'en ontfaen met eren.
Van den h'en van den lande.
30 die hem ere daden meneg'ande.
d' bleef dagende h' yoen.
Maer garijn nam orlof doen.
Eil. Gyr. die sone sijn.
dus voer wech die h'toge garijn.
35 Te nerboene d' hi vant.
Aymerine den stout-^ seriant.
Er ermengarden geloeft das.
die eher garijns docht' was.
En hare sonen alle seuene.
40 dien allen wel luste te leuene.
Willeken dat weet vor waer.
was die meeste geprijsde daer.
Van den ouder vad' sijn.
So was die ionge aymerijn.
45 q die kindre heefti gecust al.
Te gode hise d' na beual.
Eil es te laude w't gekeert.
hi ende sijn sone Gyrbeert.
Te medeborch quame si toe.
50 d' si w'en ontfaen doe.
harde wale geloues mi.
Van alisen d' vrouwen vi-i.
Efi garijn custe wanfreiden tklt.
dat hl van goed' h'ten mint.
55 dus bleuen die h'en daer.
M' onlange hadden si peis d'naer.
Want gell', dat quade broet.
dat noit en dachte ere no goet.
heeft gesent wech d'na.
60 In die stat telac agulta.
Sp.III. Om beide die heidene sone sijn.
Beligande eü marcinjn.
die hem gaderden harde sere.
Met menegen heidenen here.
5 Es vorden met scepe wel bew't.
So si eerst mochten te spaenge w't.
C[ Vort so hadde die graue gell'.
Tote in grieken senden doen.
Om sine sonen alle beide.
10 fromondine eii hardreide.
C[ Oec beual hi yrenen hoge.
datsi op siten orloge.
Want yoen noch.Rit.
En comen nemm'm' d'w't.
1 5 dus mu . . . die v'rad'e quaet.
Waer hi mach strijt eR v'raet.
M' wat hi dede noit te quade.
dat en was en gene scade.
Jegen die quatheit die hi nu rurt.
20 En daer hi seine in tlijf v'buurt.
Jammer groet
ende v'driet.
Es van deser veede
dicken gesciet.
25 Want gell', es fei
ende quaet.
28*
436
G. K. FROMM ANN
So eest oec al dat
hem bestaet.
En ic wane oec dat quaet al.
30 wert datter aue comen sal.
hi heeft nu geruert een leet.
daer sere bi die crone te geet.
Entie geslachten in beiden siden.
al en sal die veede niet liden.
35 Si blijft staende in hären staet.
En gell' die v'rad'e quaet.
Salt oec becopen metten crage.
Niet weetic in welke der dage.
Ritsart entie. CO. yoen.
40 die in gasscoengen hadden doen.
Enen corten tijt gelegen.
En gebetert in allen wegen.
wat gebrac in al haer lant.
Rigaud'. ontboden si te hant.
45 En wouden in vrank'ike v'en.
Rigaut quam weet te w'en.
als sine ontboden haestelike.
En voer met bem in vrank'ike.
Te nerboene quamen si.
50 daer se wale die vrouwe vri.
V^ermengart wale ontffnc.
daer sach yoen die coninc.
En.Rit. hare.vij. neuen.
dien si groten prijs geuen.
55 Eil custense te meneg'. stont.
beide ane liere eii ane mont.
C[ d'na liebbensi orlof genomen.
Ende sijn te belijn comen.
Ten goeden ouden bancelijn.
60
Sp. IV.Die stat daden si v'maken.
dat haer gebrac in allen saken.
doe seide bancelijn die oude.
dathi orlof hebben woude.
5 hi wäre tsare meer een cranc man.
hi en mochte doen wapene an.
Nemm'meer te genen stonden.
hi woude betren sine sonden.
En woude te sente bertens varen.
10 En daer werden monec tw'en.
Eii woude daer i'nne tien.
q alse die h'en dat sien.
dat hijs heeft so groten wille.
Swegen si onlange stille.
15 al waest dat hem was leet.
M' die in goeden wille steet.
Men sals hem gebruken laten.
d' omme hem die h'en maten.
den abt dede ontbieden doen.
20 Van sente b'tins die.co. yoen.
die haesteljke te hem es comen.
Teerst datten yoen heeft v'nomen.
Eshi tote hem gegaen.
En deden bi hem sitten säen.
25 Ende vertelde den abt daer.
hoe dat bancelijn oppen baer.
heme soude gerne begeuen.
En leiden een helech leuen.
Eil in sinen cloester sijn.
30 Op dats hem god en sente b'tijn.
hem wouden gehulpech wesen.
die abt andworde te desen.
Twaren h'e dat mochteme doen.
Maer ic duchte dat die baroen.
35 Thout soude sijn daer toe.
Snachts te liggene op dat stroe.
Ende tetene crankelike.
alse wi dicke doen al sijn wi rike.
C[ Oec w're hem te sw' te angane.
40 Smargens vroech op te stane.
vele waken eii beden.
dies hi luttel heeft van seden.
al hadde hijt geleert van ki'nde.
Nochtan soude hi cume ten inde.
45 In die ordene altemale uulstaen.
hl soude weder säen vte gaen.
Es v'maledien die stat.
En altemale oec mede dat.
dat dordene bilde en maecte.
50 Op dat hem let d'ane mesraecte.
Yoen seide die coninc.
hl soude doen node selke di'nc
Want woude hi d'ordene onberen.
hi soude hem anders wel generen.
55 doch ontfatene si'nt hijs begert.
Twaren hijs alre eren wert.
En heefti proeuen doch .i. iaer.
Es hern die pine iet te swaer.
hi mach wale vte comen dau.
60 En leuen als .i. ander man.
EIN BRUCHSTUCK DES ROMANS DER LORREINEN.
437
Sp.V. Here seide die abt doe.
Gi segter alle redene toe.
wi selenne harde gerne otfaen.
Eii eest dathi ons wilt ontgaen.
5 En van ons henen steet.
vri willens wesen ongeueet.
dats wale recht seide yoen.
wie souts op V veede doen.
Op dat hi d' ni'et wilt duren.
10 So come vte ter goeder vren.
die abt seide met gode si.
dus wart bancelijn die .R'. vri.
In sinte bertins cloester ontfaen.
daer hem ere in was gedaen.
15 En daer hi in bleef vort an.
Wonende als .i. heilech man.
Nochtan ontgout hi die veede doch.
alse gl wel seit hören noch.
Doe bancelijn begeuen was.
20 Quamen wed' geloeft mi das.
Yoen entie sone s(ij)n.
Entie stoute rigaudijn.
Te belijn in die stede.
C[ Nu hört wat die .co. dede.
25 hi riep gell', sone pyroene.
die altoes gereet tharen doene.
was en getrouwe d'toe.
Yoen seide te pyroene doe.
Siet vassael al dit lant.
willic setten in v hant.
En wille dat gijt achterw't.
want gl en trect ni'et ws vad' art.
Men vent v valsch no loes.
Maer in die trouwe staende altoes.
dit lant seldi ons achterw'en.
Maer tesen male seldi varen.
Met ons tote in vrank'ike.
dit goet dit was sekerlike.
Vwes ouders vaders beggen.
40 Na dien dat ict hebbe höre segge.
Gyronuile eii lauendoen.
willic mede ond' v doen.
En montesclauorijn.
Nu houdet mi enten sone mijn.
45 Getroulike en met eren.
Telken dat wire in wille keren.
Twaren here seide pyroen.
dit salic harde gerne doen.
30
35
Maer lieu' hadi'c weet te w'en.
50 dat ic met v hadde geu'en.
Ic Salt V houden na mi'ne macht.
En god v'lene mi die cracht.
q dus maecte d'yon te hande.
pyroene voget van den lande.
55 doe voeren si vort van daer.
Ten anderen steden weet vor w'
daer hi hem die slotle gaf.
Eil van daer togen si af.
Te gyronuile daer hi säen.
60 die slotle heuet aue ontsaen.
Sp.VI.En doeb.
Na sine hant
C[hiernaersijn
Ende togen w.
5 Yoen. Rigau
En pyroen te
daer si quam
d' sente denijs
daer w'en do
10 Vele lieden w
die karel hil.
Yoen quam t
Eil .Rit. die
Pyroen eii R
15 d'si w'en ontfa
Gell', hl was a
Skeisers dro
het scijnt dat
hi hiet wiUe
20 Maer weet da
Ochte goets a
wat gelate h
C[ Oec so was t
Ene scone vir
25 Die graulne
si'nt si hären
So hadsi wed
Eil noch hadsi
Gehouden m'
30 Een graue va
datsi quam d
M'tbeste deel v
warens alle n
M'hets come v
- 35 dat incn hard
438 G- 1^- i'ROMMANM
der noet den v 8al .efi houde
al clagede die 50 Twaren vrouw
Si vant daer b En na dien da
In haer gedr So dunket m
40 Sond' die .co. die vrouwe s
En .Kit. die so Rigaud'. die s
Entie stoute ri 55 Trouwe ic b
die andre w'en Om v goet te
Vor den keyser so riedict v
45 C[die vrouwe se wart seine v
here wat ra naraet ons
Eer ic mi lat 60 In es.
Ic neme eer e
Sp. II, 21 Loch im Perg. , wohl comen. Von m sind noch zwei
Striche erkennbar. 38 so ist am Rande gebessert, in der Zeile steht
susfer. 49 vgl. Frgm. II, 2368. 2487. 2583. — Sp. III, 2 vgl. Frgm.
II, 90. 11 vgl. Frgm. I, 745—794. 12 Siten, das Land Yrenens er-
wähnen Frgm. I, 2105. II, 2321. 2327 u. ö.
Pergamentblatt in kl. 2*^ aus einer Hs. des 14. Jhd. , dreispaltig
mit je 60 Verszeilen schön und regelmäßig besehrieben. Zwei Spalten
sind auf jeder Seite vollständig (bis auf einige abgeriebene Stellen)
erhalten; von der dritten Spalte nur je ein geringer Rest auf einem be-
sonderen schmalen Streifen , der von dem zu einem Büchereinbande
verwendet gewesenen Blatte abgeschnitten worden , jedoch genau au
dasselbe passt. Die Initialen Sp. II, 19, III^ 38, IV, 51 und besonders
III, 21 sind zierlich gemalt, der Anfangsbuchstabe der ersten Zeile
jeder Spalte, schwarz ausgeführt, geht bis an den obern Rand der Seite
und die q sind abwechselnd bald roth bald grün. (In der Bibliothek
des germanischen Museums, Nr. 22,219.)
G. K. FROMMANN.
BEMERKUNGEN.
Vorstehendes Bruchstück wui'de mir noch von dem verstorbenen
Begründer dieser Zeitschrift mitgetheilt zur Bestimmimg des Gedichtes,
dem es angehöre. Ich glaube dies in dem Roman der Lorreinen ge-
funden zu haben, von dem vor nun schon 25 Jahren W. J. A. Jonck-
bloet die bis dahin bekannt gewordenen Fragmente *) unter dem Titel
*) Durch Goedekes Bemerkung, Mittelalter S. 704, lasse sich Niemand irre führen.
Das Bruchstück, auf das er als auf ein noch nicht erkanntes a. a. O. aufmerksam ma-
chen will, ist bereits an der entsprechenden Stelle in der von ihm selbst citierten Aus-
gabe Jouckbloets (Fragrm. II, 1—57. -289—2953. 4186—4438) zu lesen.
EIN BRUCHSTÜCK DES ROMANS DER LORREINEN. 439
R Oman va Karel den Grooten en zijne XII Pairs' (Leiden 1844) her-
ausgegeben hat (in den 'Werken der Vereeniging ter bevord. d. oude
nederlandsehe letterkunde' Bd. I. Ausführlich besprochen hat er sie
dann wieder in seiner 'Geschiedenis' 11, 1 — 79). Die in unserm Bruch-
stück erscheinenden Personen, der Inhalt, der deutlich auf die Fehde
zwischen den Lorreinen Garijn und Yoen und deren Söhnen einer-
und Gelloen, dessen Großvater Begue von Belin Sp. 5, 39 erwähnt wird,
andrerseits hindeutet, der Schauplatz der Handlung, all das lässt mich
an der Richtigkeit meiner Vermuthung nicht zweifeln. Auf einzelne
Beziehungen zwischen dem neuen und den schon bekannten Bruch-
stücken wollen die paar Anmerkungen, die ich am Schlüsse der Text-
mittheilung beifüge, hinweisen. Soll ich auch eine Ansicht aussprechen
über den Platz, der unserm Bruchstück in der Reihe der uns erhalte-
nen Fragmente gebührt, so wüsste ich nicht anders, als es den fünf
schon bekannten als Nr. VI anzureihen. Jüngere Gestalten treten auf,
so besonders merkwürdig ein Sohn Gelloens mit Namen Pyroen (Sp. V,
25 ff.) , der im Gegensatz zu seinem Vater als treuer Anhänger Yoens
erscheint und dafür von diesem zum Vogt über das Land seines Ahn-
herrn Begue gesetzt wird. König Yoen, den Gelloen Frgm. V, 285
noch mit Helene in Gothenland fand, müsste, wenn meine Vermuthung
richtig ist, wieder in seine Heimath zurückgekehrt sein, er steht mit
Garijn an der Spitze der Lorreiuen ; von Helene ist nirgends die Rede.
Vor Yoens Flucht (Frgm. II, 2077 ff.) wüsste ich schon nach Sp. III, 2.
11. 20 unser Bruchstück nicht unterzubringen. Jedesfalls gehört es ins
zweite Buch des Romans, denn Ritsart, bis zu dessen Tod dieses reichen soll
(Frgm. II, 25. vgl. Inleiding XIX und Geschiedenis II, 63), lebt noch.
Wiewohl ich die Handschriften nicht selbst gesehen habe , will
ich doch die Vermuthung nicht zurückhalten, das aufgefundene Blatt*)
möchte zu derselben Handschrift gehört haben , von der zu Gießen
Blätter aufbewahrt werden, die uns die beiden großen Fragmente I u. II
gewähren. (Adrian Catalogus 34 ff. Jonckbloet Inleid. XII, vgl. 259.)
Drei Spalten auf der Seite, die Spalte zu 60 Zeilen, haben wohl auch
die Conz'schen Blätter, aus denen Maßmann nach einer Abschrift Kaus-
lers zuerst Frgm. III — V mittheilte (Denkmäler 149 ff.) , allein diese
schreiben den Namen von Yoens Sohn nicht Ritsart wie die Gießner
und unser Blatt, sondern Richart V, 15. 110 oder Rigard V, 169. 247. 261.
278 (einmal freilich steht wenigstens bei Maßmann 151 Rit. d. i. Ritsart).
WIEN. JOHANN LAMBEL.
*) Dieses hatte Hr. Dr. Frommann nachträglich die Güte einzusenden, wodurch
es mir gelang, von den im Manuscript beschädigten Stelleu einige mehr zu entzifl'eru.
44U josKi'H iiAurx
BRUCHSTÜCKE EINER AHD. ÜBERSETZUNG
DER VIER EVANGELIEN.
Die folgenden Bruchstücke einer ahd. und zwar alemannischen
vollständigen Übersetzung der vier Evangelien sind sämmtlich auf per-
gamentenen mehr oder weniger großen Streifen enthalten, die von ver-
schiedenen Büchern abgelöst wurden, wo sie die gewöhnliche Verwen-
dung als Rückenbänder und Falze im XV. Jahrhundert gefanden hatten.
Dieselben bilden jetzt die Hs. Suppl. 2559 der k. k. Hofbibliothek
in 22 Blättern, von denen 8 vollständig sind, die übrigen mehr oder
weniger unvollständig.
Aus einem oberen Querstreifen bestehen 1. 3. 8. 19. 20.
Aus zwei Querstreifen, einem oberen und mittleren, 5. 6, das untere
Drittel dieser beiden Blätter wird aus je fiiuf schmalen Falzen gebildet.
Aus wieder zwei Querstreifen, einem mittleren und unteren, 15. 16.
doch so, daß von 15 der äußere Rand abgeschnitten ist.
Aus drei Querstreifen, einem oberen, mittleren und unteren, die
immer zusammen ein vollständiges Blatt bilden, bestehen 11. 12. 17. 18.
Aus einem äußex'en Langstreifen 2. 10. 13.
Aus einem inneren Langstreifen 14. 21. 22.
Aus einem inneren und äußeren Langstreifen, die immer zusammen
ein vollständiges Blatt bilden, bestehen 4. 7.
Die Hs. ist in 8°, durchschnittlich 30 Zeilen auf der Seite, zwi-
schen ursprünglich braunen Linien, sehr schön, bestimmt noch im
XII. Jahrhundert geschrieben. Dieselbe umfasste sämmtliche vier Evan-
gelien und muß einen ziemlichen Umfang gehabt haben, wie schon aus
der beträchtlichen Zahl von Lagen sich ergibt. Drei Blätter ti'agen
noch jetzt die auf der Rückseite unten übliche Zahl der Lagen und
zwar Blatt 12 als VIIH», Bl. 16 als X^II^ dann Bl. 22 als XXII»,
welche nicht einmal die letzte gewesen sein kann.
Der Schreiber bezeichnet theils mitten zwischen dem Texte, theils
außen am Rande die Stücke und den Tag, an welchem sie als Evan-
gelien in der Messe gelesen wurden. Diese Bezeichnung ist eine dop-
pelte, einmal roth und in lateinischer Sprache, diese steht im Abdrucke
zwischen eckigen Klammern , das anderemal in deutscher Sprache in
einer Art von Currentschrift und diese habe ich zwischen runde Klam-
mern gestellt, immer an dem Platze, den sie auch in der Hs. einnehmen.
Der Schreiber der deutschen Noten ist, wenn überhaupt ein zweiter,
BRUCHSTÜCKE EINER AHD. EVANGELIENÜBERSETZUNG. 441
nicht eben jünger als der erste; er kennt nur das dem h ähnliche z
und kein kurzes s.
Die Streifen und Falze, aus denen Bl. 5 und 6 bestehen, ferner
die beiden inneren Langstreifen 21 und 22 wurden von einem Exem-
plar der Incunabel : Bar(tolus de Saxoferrato) Super secunda digesti
veteris. Venetiis. Bapt. de Fortis 1492, im Besitze der k. k. Hofbiblio-
thek, abgelöst. Dieses Exemplar gehörte fi'üher der Stadtbibliothek zu
Wien, wie ein dem vorderen Deckel innen aufgeklebter gedruckter
Zettel besagt: 'Ex bibliotheca civica Vindobonensi.' Wie und durch
wen und wann aber dieses Exemplar in die Wiener Stadtbibliothek
gekommen ist , daräber wird wohl kaum mehr eine Auskunft zu
finden sein*).
Bei der Untersuchung der deutschen Fragmente, an denen auch
die k. k. Hofbibliothek wie jede größere und ältere BibUothek nicht arm
ist, fanden sich die Streifen, aus denen die Bll. 1 — 4, 8 — 12 und 17 — 18
gebildet wurden, die ohne Zweifel auch von irgend einer Incunabel
der k. k. Hofbibliothek waren abgelöst worden. Da sich aber keine
Bezeichnung auf irgend einem der Streifen fand, bin ich außer Stande
anzugeben, was dies für eine Incunabel war.
Als nun so viel beisammen war und diese ehrwürdigen Reste dem
Hrn. Dr. Theodor Georg Ritter von Karajan gezeigt wiu'den, erkannte
er sofort an der Schrift, daß auch er im Besitze einiger Streifen dieser
Übersetzung sei, er machte dieselben sofort der k. k. Hofbibliothek
zum Geschenke und aus diesem Geschenke wurden die Bl. 7, 13 — 16
und 19 — 20 der Hs. gebildet. Leider ist auch hier keine Auskunft
möglich, woher diese Streifen stammen, da der Antiquar Kuppitsch,
der sie dem Hrn. von Karajan zum Geschenke gemacht hatte , schon
seit mehr als zwanzig Jahren todt ist.
Hr. Fr. Keinz hat in den Sitzungsberichten der Münchener Aka-
demie Bruchstücke derselben Hs. aus der Fragmentensammlung der
k. Hof- und Staatsbibliothek zu München (1869. I, 4. S. 549 flf.) be-
kannt gemacht, und die Sprache dieser Bruchstücke als ahd. und als
alemannisch bezeichnet, ahd. muß man sie noch nennen, da dieselben
noch keinen einzigen anderen Umlaut als den des kurzen a haben, und
auch diesen in 'geslahte' und ähnlichen Worten vermeiden ; als aleman-
nisch sind diese Bruchstücke auf den ersten Blick zu erkennen.
*) Da ein Theil der Münchener Fragmente, von denen sogleich unten die Rede
sein wird, von der Incunabel Ales (nämlich Alexander de Halls) Postilla super psalmos
Venetiis 1496 abgelöst wurde, so scheint die zerstückte Hs. verbraucht worden zu sein,
als noch mehr solche Venediger Drucke gebunden wurden.
442 JOSEPH HAUPT
Die Übersetzung wurde Muf alemannischem Boden gemacht und
zwar in der Diöcese von Constanz. Fr. Keinz sagt 1. c. S. 553 in der
Note, daß die Bemerkung der Hs. : 'An dem ersten suntach nach phing-
sten' zum Evangelium vom reichen und armen Manne Luc. XVI nicht
mit der heutigen Ordnung stimme. Die Eintheilung unserer Hs. der in
der Messe zu lesenden Stücke kann mit der heutigen Ordnung nicht
stimmen, denn diese folgt dem Missale Romanum, die Hs. folgt aber
genau dem alten Missale Constantiense , wo dieses Evangelium richtig
vorgeschrieben ist ^Dominica prima post festum sancte trinitatis' , also
am ersten Sonntag nach der octava pentecostes. Diese Weise zu zählen
statt am 1. 2. u. s. w. Sonntag nach Trinitatis, gleich am 1. 2. u. s. w.
Sonntag nach Pfingsten geht durch die ganze Hs. Ich habe in den Noten
angegeben, auf welchem Blatt des Missale Constantiense die treffenden
Evangelien stehen und bediene mich der Ausgabe, die der Bischof Hugo
von Landenberg 1505 von Erhart Ratdolt Auguste Vindelicorum ma-
chen ließ*).
Die deutschen Sprachdenkmäler von St. G-allen zeigen bekannt-
lich unter anderen Eigenheiten auch die , daß sie den Anlaut jph = pf
nicht kennen, sondern einfaches / dafür setzen. Graff HI 326 ff.
gibt beinahe für alle so anlautenden Worte reiche Beispiele und
W. Wackernagel bezeichnet im Wb. die Formen : falanza, fant, fellol,
Hegen, flegere, fliht, funt u. s.w. geradezu als sangallische. Dieser Laut
fz=p}i findet sich zwar nur einmal Luc. IX. 62 'Nieman leit sine hant
an den flüc und sihit hinder sich', allein aus der Schreibung anderer
Worte mit demselben Anlaute sieht man deutlich, daß der Schreiber
einer Vorlage folgte, die nur/=pÄ gekannt hat, so phfenninc Mth.
XXII, 19. phfenninge Mth. XXVI, 15. nafjyhfes Mth. XXIII, 25. 26.
töfphet Mrc. X, 38. getöfphet Mrc. X, 40. enphfahe Luc IX, 5. enphfahin
Luc. XXHI, 41; alles um so beweisender, als daneben/ und ph
richtig und noch mehr unrichtig verwendet werden.
Die Hs. folgt einer altern Vorlage, das geht aus verschiedenen
Irrthümern des Schreibers hervor, wo er dieselbe nicht mehr zu lesen
verstand. Er schreibt Luc. X, 13 Wie dir chorozaim wie dir hethsaida,
nämlich er löste sich ?me so auf.
Wenn man aber versuchen Avollte, alle diese und ähnliche Fälle
anders zu erklären, so steht für eine bedeutend ältere Vorlage ein ganz
unwidersprechlicher Beweis zu Gebote. Die Passion im Ev. Matthaei
*) Das Evangelium Luc. VI, 22 Dom. XX post oct. bei Keinz 1. c. 550, wo
noch einige Worte wegojoschnitten sind, findet sich MC. zur Feria sexta auf Bl. CXIX,
das schon oben erwälmti- auf Bl. XCVI.
BRUCHSTÜCKE EINER AHD. EVANGELIENÜBERSETZUNG. 443
c. XXVI ist mit drei Buchstaben als Tonzeichen von Anfang bis zu
Ende , so viel dessen erhalten ist , über einzelnen Worten versehen,
denn welchen andern Sinn sollten diese Buchstaben haben, die äußerst
fein und zierlich übergeschrieben sind? Bekanntlich brachte Romanus
790 diese Art von musikalischen Bezeichnungen nach S. Gallen, Notker
Balbulus erklärt sie im IX. Jahrhundert in einem Briefe an Lantpert.
Sie wurden von den Neumen verdrängt , so daß im XI. Jahrhundert
die Kenntniss davon nur mehr eine fragmentarische war, wie wir aus
dem Werke des Aribo von Freising ersehen, der noch c t m ähnlich
wie Notker zu erklären weiß. In unserer Hs. finden sich a c und t
verwendet, von denen Notker 1. c. sagt: a Ut altius elevetur admonet.
c Ut cito vel celeriter dicatur certificat. t Trahere vel teuere debere
testatur*).
Im XII. Jahrhundert würde ein Schreiber gewiß nicht auf diese
Bezeichnungen verfallen sein, selbst wenn er sie gekannt hätte , denn
wie viele Leser, besonders unter den Laien, und für solche war
doch die Übersetzung bestimmt, mochten diese Zeichen verstehen, die
schon um hundert Jahre fiäiher den Fachleuten nicht mehr genau be-
kannt waren? Der Schreiber nahm diese Zeichen eben aus seiner Vor-
lage sancte et pie herüber, einer Vorlage, die möglicher Weise die
ursprüngliche Hs. des Übersetzers war.
Bestimmt gehört die Übersetzimg in die Diöcese von Constanz,
wahrscheinlich nach St. Gallen, worauf alles hindeutet, selbst die häu-
figen Längezeichen auf den Lauten iu, ei (ai) ie.
Der folgende Abdruck dieser wahrscheinlich ältesten hochdeutschen
Übersetzung aller vier Evangelien folgt Zeile für Zeile der Hs. ; selbst
die Abkürzungen habe ich stehen gelassen mit der einzigen Ausnahme
der für 'er. Einzelnes über Initialen u. dgl. geben die Noten. Mögen
sich noch mehr Bruchstücke finden oder lieber wenn schon keine ältere
doch eine eben so alte oder jüngere vollständige Hs. Vielleicht, daß
sich auf alemannischem Boden noch eine darbietet.
WIEN. JOSEPH HAUPT.
Matthaeus XII. 41—43.
I a. 41 verdampnet siv. wan si macheten bv
ze durh die bredigunge ionas. vnt
*) Die näheren Daten findet, wer nachsehen will, in: Schubiger Die Sänger-
schule von St. Gallen, Einsiedeln 1858. 4°. S. 10 fif. Ich verdanke die Kenntniss dem
Hm. Dr. Faust Pachler, dem Vorstande der musikalischen Abtheilung der k. k. Hof-
bibliothek, der meiner Unwissenheit freundlich zu Hilfe gekommen ist.
444
JOSEPH HAUPT
42
43
seht hie ist me denne ionas. div chuni
ginne uon auster erstat an dem urtail
liehen tage mit disme geslahte unt uer
dampnet si.wan si chom uon dem ende
der erde ze horinde die wisheit sale
monis. vnt seht hie ist me denne sale
mon. vnt so der under (sie) unreine geist
Matfhaeus XIL 49 — Z/77. 3.
b 49. 50 ne brüdere . Swer so tut den willen mi
nes uater der in den himilen ist. Der ist
min brfider unt min swester unt min
XIII. l*)An dem tage gie ih'c uz mvter
2 dem huse. unt saz bi dem mer. unt
**) samniten sih zim michel menige. Da er
gie sizen in daz schiffilin. vnt alliv div
3 menige stunt an dem Stade, unt er re
dite zin manigiv dinc in bispellen spre
30
Matthaeus XIIL 29—36.
II a ehen den lul
ze dir mit. lat
ndern. untze
zite snites. So
lesent zem
binden in ze
in daz uivr. den
adel. [Dominica XVIII. post
in uvr spre octavam pente-
himilriche dem costesferia
ennische nimet
z uil nahe min
me. vnt so ez
denne d eh ein
Also, daz die
vent ufFen si
pispel.
az himelriche
31
32
33
VI.] ***)
(An dem
fritach
nach dem
ahtzehent
em svntach
nach phin
gsten)
Matthaeus XIII. 36—46.
unt sprachen
uon dim lullen
te unt sprach
Daz ist der sun
accher ist div
div chint des h
div ubelen chin
ist der tivuel .
dünge dir wer
die engel . War
ne gelesen unt
nen unt in daz
41 So sant . . . su
imt ...tu
42 unt . . . täte
si . - . icbou
weinen unt srr
37
38
39
40
*) Großes rothes A. **) saminleu.
***) MC. f. CXVII. V.
BRUCHSTÜCKE EINER AHD. EVANGELIENÜBERSETZUNG. 445
vip m'm unt uer 43 so erschinent
meliwes . untz alse der sunne.
34 liv disiv dinc red (von den **) Gelich ist da 44
er menige . unt maiden) himilrich
niht ze der me borgen in den
35 le . daz gesprochen uindet unt uo
Jhc tun üf mi fet allez daz er
llen minen munt Aber gelih ist d 45
gin uon anigen tenden menn
DIU. post oetauam penteco- de die guten n
3G unt chom in ein stes feria IIII.J uunden eine 46
giengen zim unt uerchofe
*) (em nivuzehentem)
Matthaeus XV. 1—4.
III a. 1. 2 uon ierl'm ze ih'u unt sprachen Warum
be über gent din iungere div gebot der
wsern. Daz si niht entwachent die hen
3 de ***)so si ezzent daz brot. vnt er antwrte
in unt sprach, vnt ir warumbe ubergent
ir div gebot gotes umbe iwer gesezide.
4 Wan got der sprach ere vater unt mvter.
vnt der da eret uater unt mvter der lebet
vnt der da uluchet uater unt mvter distodes (sie)
Matthaeus XV. 14 — 19.
b 14 .... der blinden vnt ob ein blinde
den andern leitet si uallen lihte in die
15 grabe beide. Do sprahc peter herre zer
16 lose uns dis pispel. Do sprach ih'c vnt ir
1 7 sit noh ane uernunft. f ) vernemt ir niht
daz zem munde inget daz get in den buch
18 unt get niden uz. unt daz zem munde
uz get daz chumet uon dem herzen unt
19 unreinet den mennisehen. vonme her
*) MC. f. CXVIII. r. **) MC. f. XIV (partis U). Großes blaues G.
***) Ursprünglich stand henden. Aus dem letzten Strich des n machte der Schreiber
das s in so und ließ den ersten Strich stehen. f ) ?? uernunst.
446
JOSEPH HAUPT
Matthaeus XXII. 9—21.
IV a.
10
11
12
13
14
15
16
17
19
20
21
so ir uindet. die ladint si. ze der brutloft
vnt die chnelite giengen uz unt laton alle
die si uvnden gute unt ubile unt div brut
loft wart eruuUet der sizinden. vnt der
ehunic gie dar in daz er gesahe die sizin
den. unt sähe da einen mennischen der en
was niht gecleidit mit brutlichem gewan
de unt sprach zim. vrivnt wie chomide (sie) da
her in ane brutlich gewant. vnt er sweic.
Do sprach der ehunic ze sinen chnehten. Mit
gebunden henden unt uvzen werffen in i
die uzern uinstir. da da wirt weinen unt
grisgrammen der zende. vil ist der gelaten
luzel der erweiten. [Dom. XX. III, post octavam
pentecostes.]
**) Do giengen enwec di pharisei unt wr
den ze rate wie si ih'm geuiengen an
der rede, vnt santon im di ir iungere mit
den luten herodis und sprachen Meister wir
wizzen daz du warhaft bist, unt den wec
gotes. in der warheite lerist. dimist niht ruch
umbe ieman. dune sihest niht an die un
derschidunge der mennischen. Sage uns
waz dunchet dih des. gezimt dem cheiser
der zins ze gebinne oder niht. vnt ih'c
erchante ir ubile. vnt sprach. Wes uersu
chet ir truginare mihc. Zeigent mir die
iungesten munize. vnt si brahten einen
phfenninc. vnt ih'c sprach. Wes ist diz bil
de unt disiv uberscrift. vnt si sprachen.
Des cheisirs. Do sprach er zin. Gebet dem che
Älatthaeus XXII. 21—34.
b iser daz sin si. unt gebet got daz sin si.
vnt ir horten daz unt wnderoten sih. unt
uerliezen in unt giengen dan.
***) An dem tage do chomen zu zim die uer
leitare. di da niht geloben die urstende.
22
23
(an dem
tri vnd
zwain
gistem
svntach
nach phi
ngsten) *)
*) MC. f. CXXII.
blauer Verzierung.
**) Blaues D mit rother Verzierung. ***) Rotlies A m
BEUCHSTÜCKE EINER AHD. EVANGELIENÜBERSETZUNG. 447
24 unt uragiton in imt sprachen. Maister
moyses sprach. Swer so irsturbe unt enhe
te der niht sunes. daz sin brüder name
sin wip unt erchuchte an ir den samen sines
25 bruder. vnt ez waren bi uns siben brü
der. unt der erste nam ein wip unt starp
unt gewan bi ir niht chindes. unt er lie
26 Isi sinem brüder sin wip. unt der ander He
si dem dritten untze an den sibinden.
27 vnt ze iungest do erstarp daz wip. von
28 div so sage uns an der urstende welhem
din'e sibinen wirt daz wip. wan si hetens
29 alle, vnt ih'c antwrte in unt sprach. Ir ir
ret. Ir enwizzet niht die scrift nohc des
30 gewaltes gotes. an der urstende enbru
tet man niht noh ensint niht brutlofte.
Wan si sint alse die engile gotes in dem hi
31 mile. Enhat ir niht gelesen uon der ursten
de der toten, daz da ist gesprochen uon go-
32 te sprechinde zv. Ego sü Ihc bin got abra
hames unt got ysaaches unt got iacobes.
vnt niht got der toten wan der lebindi
33 gen. vnt daz erhörte div menige unt wn
derton sih siner lere. [Dom. XVIII. post octauam
pentecostes.]
34 *)Do die pharisei gehorten daz ih'c hate
(An dem ahczehentem svntach nach phingsten) **)
Matthaeus XXIL 35 — XXIIL 4.
V a gesweigit die uerleitare. do chomen si ze
35 samine unt uragite in ein lerare uze der
36 e unt uersühte in unt sprach. Maister we
37 les ist daz maiste gebot in der e. vnt ih'c aut
wrte im unt sprach. Minne got dinen her
ren uon allem dime herzen, unt uon aller
38 diner sele uon allem dime gemvte. Diz ist
daz maiste unt daz erste gebot in der e.
39 Daz ander ist disime gehhc. Minne dinen na
40 histen alse dihc selben. An disen zwein geboten
') Blaues großes D mit rother Verzierung. **) MC, f. CXVII.
448 JOSEPH HAUPT
41 hanget alliv div e unt die wissagen. Do ge
samineten sih di pharisei. vnt uragite si
42 ih'c sprechinde Wes bedunchet ivhc uon
criste wes sun er si. vnt si sprachen dauides.
43 vnt er sprach zin. Wel wis hiez in dauid
44 herren in dem geiste sprechinde. Dir herre
sprach ze mime herren sizze ze miner
zesiwe. vnt gesezze dine uiande. zeime
45 schamel diner uvze. vnt ob in dauid hei
46 zet herren. wie mac er sin sun sin. vnt si
ne mahton im niht geantwrten eines wor
tes. Noh engetorste deheiner destages iht
XXIII. 1 uvrbaz geuragen. Do redite ih'c ze der me [Dom. U. in
nige und ze sinen iungeren sprechinde. XL. feria
2 Den stul moysi besazen die scri (bare) unt III.]*)
3 die pharisei. AUiv div dinc die si ivh heizent
tun div behalten unt tu si. Nah ir wer
chen entünt niht. Wandes si sagent des
4 entünt si niht. Wan si bindent die swa
ren bürde unt die ubile sint ze traginne
(An dem .... nach dem . . . .)
Matthaeus XXIII. 4-15.
b vnt legint si üf die ahsel der mennischon.
5 mit ir uinger wein si si niht r Liren, vnt
tünt alliv ir werch daz si gesehen werden
uon den mennischin. Si lengirn ir ge
6 bende unt michilint ir uasen. vnt min
nent div ersten gesaze an dem ezinne. unt
7 die ersten stüle in den Synagogen unt den
grüz an dem marchite. unt daz si geheizen
8 werden uon den mennischen maister. Irn
sult niht heizen maister wan ir sit alle
9 gebrüder. Niht ensprechet iv uater üf
der erde. Wan einer ist iwer uater der in
10 dem himile ist. Niht enheizet maistere.
11 Wan crist eine ist iwer maister. Der under
12 iv si der mere der wirt der minre. Wan
*) MC. f. XXXIUI.
BRUCHSTÜCKE EINER AHD. EVANGELIENÜBERSETZUNG. 449
swer so sih geliohet der wirt gedemvtet
vnt der sih gedemvtet der wirt gehohet.
[fer. VI.] 13*) We aber iv scribaren [Dom. VIII. post octauam pente-
unt iv pharisei ir truginarenr (sie) beslie costes]
(An dem zet daz himilriclie uor den mennisehen (sie)
fritach nnt irne weit drin niht. nolic die dar in
nach dem 15 wolton die nelat ir. We iv scribaren unt
ahtura iv pharisei ir truginare wan ir umbe uarnt
nach phi die mer unt die erde unt machet iwer ge
ngsten) **) .... daz wirt gemachet, so machit
14 ir zwiualt helle sun me denne ivhc. We
iv scribaren unt iv pharisei ir truginare
ir berobent der witiwen huser mit iwerme
langen gebete. dar umbe wirt iv daz urtai
le deste mere. We iv leitare der blinden
Matthaeus XXIII. 16—27.
VI a ir da sprechet. Swer so spreche swer (sie) bi
dem tempel daz ensi niht. Swer aber so
swei't bi dem golde des tempels daz ders
17 engelte. ir tumben ir blinden, wederz ist
mere diz golt oder daz tempel daz da gehei
18 liget daz golt. vnt sprechet swer da swer
bi dem altare daz daz niht si. swer
da swer bi der gäbe div dar üf ist. der engel
19 tes. Ir blinden wederz ist mere div gäbe oder
20 der altare der da geheiliget die gäbe. Der
da swert bi dem altare. der swer dabi. unt
21 bi allem dem daz dar üf ist. \'nt swer da swert
bi dem templo. der swert dabi. unt bi allem
22 dem daz da inne ist. vnt der da swert bi
dem himili der swert bi dem stüle gotes
23 unt bi dem daer dar üife sizzet. We iv scri
bare pharisei ir truginare. ir da zehent die
minze unt daz tille unt chume. unt lat
div swarre sint der e. daz reht unt erbarm
herze unt triwe. Diz ist ze tune unt enz
24 niht ze lazinde. We nu leitare der blinden.
*) Großes rotlies W. **) MC. f. CIIII.
'1 •: t lV.^iH.. >t<!i: Iti.U. II. (XIV.) Jahrg. 29
450 JOSEPH HAUPT
ir spient uz die mucgen. unt slindent die
25 olbinten. We iv scribare pharisei ir trugina
re. ir wahschet daz uzer täil des kelches unt
des nafphfes unt sint innen uol hures unt
26 unreinicheit. Pharisee blinde, wahsche ze
me ersten daz inre tail des chelches und des
nafphfes daz ez gelih werde dem uzer tai
27 le reines. We iv scribaren pharisei ir tru
ginare. wan ir sit gelich den gewizten gre
Matthaeus XXIII. 27—39.
b birin. die uzen schinent den mennischen
schomv. unt innen sint uolliv gebeines der
28 toten unt unsubircheit. Also sit ir. ir schi
nit uzen rehthaftige den mennischen. vnt
29 sit innen uol trugeheit unt ubiles. We iv
scribare pharisei ir truginare. ir da buwent
div grebir der wissagen. unt zieret div gre
30 bir der rehten unt sprechet. Waren wir ge
wesen in den tagen unserre uater der wissa
31 gen. vnt ir gebet gezivch uon iv selben, wan
32 ir sit der sun die di wissagen irslftgen. vnt
33 ir eruvllet die maze iwerre uater. Slangen
uiper geslahte. wie weit ir enphliehen uon
dem urtaile der angeste. [Aliud]
[in nat. sei 34*) Seht ihc sende iv wissagen imt wise unt
Stephanij **) scribare. unt ir erslahen si unt cruci
gont si unt uilleut si. in iweren synago
gen, unt ir ahtet ir uz einer stat in die an
35 der. Daz chom uf ivh allez daz rehtliaftigez
blüt daz da uergozen ist üf die erde, von
dem bliite abel des rehten untze ze dem blü
te zacharie sun barachie. den irre singet in
36 zwischen dem tempel unt dem altare. Ge
warliche sage ih ez iv. alliv disiv chomen uf
37 diz geslahte. Hirlm irlm du irslehest die wis
sagen, unt steinestes die ze dir sint gesant.
Ofte wolte ihc saminen dine sun allse div
henne saminet ir hünlin under ir uetiche.
*) Gl•o^^es rotlies S. **) MC. f. XI.
BRUCHSTÜCKE EINER AHD. EVANGELIENÜBERSETZUNG. 451
unt du newoltes. Darumbe beliben iweriv
39 huser wste vnt ili sae-ez iv. Nilit encreseht
MaUhaeus XXV. 42 — XXVI. 7.
Vlla 42.43 ir negabet mir nilit ze ti-inchinde. Ili was
gast, ir ne herbergetet mibe nibt. Ib was
nabcten ime cleitet mih nibt. Ibc was
siebe unt in dem cbarcbare. irne cbomet
44 nibt ze mir. So antwi'ten ob si im unt spre
cbiut. Hei're wenne saben wir dib bunge
ren. oder dm'sten. oder gast wesindin, oder
nacbint. oder siecben. oder in dem cbareba
re. und entaten dir nibt gutes? So ant
45 wrten er in denne unt spriebet. Warlicbe
sage ib ez iv. AI die wile irz nibt tatet eime
dirre diministen. Done tatet ir mirs nibt.
46 So gient die ubilen in ewige uerdamnus
side. Die guten die get (sie) in daz ewige leben.
XXVI. 1 *) Do daz [In pabnis Pnssio domini S. Älatbeum]
gescbab daz ib'c bäte uolendet disi
rede alle. Do spracb er ze sinen iungeren. (An dem
2 Wizet'ir. nab zwein tagen wir" osteru. .unt balm
der sun des menniscben der wirt geantwr tage)**)
3 tet ze cruciginde. So sint gesaminet die
uvrsten der ewarten unt die eltirn der liv
te, in den bof des uvrsten der ewarten. der
4 da beizet caypbas. vnt wrden ze rate daz
si ib'm mit sere babiten unt in erslügin.
5 vnt si spracben. n*ibt an dem bozitlicbem
tage. Daz° dir ibt cradimides wrde under
6 dem livte. vnt" ibc was betbanie in dem
7 huse Symonis des miselsucbtigen. do chom
ZV zim ein wip div bete eine buhse mit gü
ter salbe, unt scbutte ims uf sin höbet
Matfhaeus XXVI. 8—20.
b 8 da er riwite (sie). Daz" saben sin ivnger unt uu
wirton daz. unt spracben. Waz " ist disiv
'■) Großes blaues D roth verziert. **) MC. f. LIV.
29*
452 JOSEPH HAUPT
9 uerlomust? Wa'n mähte si diz tivre ha
ben verch6fet unt hetes gegeben den ar
10 men. vn't ih'c wisse daz. und sprach zin.
War'umbe leidigit ir diz wip. Ein gut
11 werch hat si geworht an mir. Wan ir hat
die armen zallen ziten mit iv. mih en
12 hat ir niht zallen ziten. Die salbe die ßi
tet an minen lip. mih ze begrabinne tet
13 siz. Wa'rliche sage ihc ivz. Swa* diz ewan
gelimn geprediget wirt in aller der welrte (sie).
80 wirt gesprochen si tet ez in sinere gehu
14 gide. Do "gienc en wec einer der zweluer
der da heizet ivdas uon scharioth ze
15 den uvrsten der ewarten unt sprach zin.
Waz' Avelt ir mir geben, unt ihc antwi'ten
iv? vnt die gaben im drizic phfenninge
1 6 silberine. vnt dar nah süte er die heili
17 che. wie er in uerriete. Do" des ersten ta
ges des derben brotes. do nahton sih sine
iunger ze ih'u unt sprachen. Wa 'wil du
daz wir dir machen zezinde dise oster.
18 vnt ih'c sprach. Get in die stat unt spre
chet zeime. Der meister sprichet. min
zit ist nahe, mit dir wil ih han die 6s
19 tern mit minen lungern, vnt die iun
gere taten alse in gebot ih'c unt berei
20 ton im die oster. vnt do der aben (sie) chom
do saz er mit zwelf sinen lungeren
Matthaeus XXVI. 21—25.
Villa 21 do si azen do sprach er. zin. War'liche sa
ge ih ez iv. Daz iwer einer mih uerratin
22 de ist. vnf wrden sere betrübet imt
23 sumiliche sprechen. Her*re bin ihz? v'nt
er antwrte in unt sprach. Der sine liant
recchet Mit mir in diz uaz. der ist der
24 mih uerratet. vnt des m'nischen sun get
alse gescriben ist uon dem. vn't we dem
mennischen. uon dem des mcnnischen
BRUCHSTÜCKE EINER AHD. EVANGELIENÜBER8ETZUNQ. 453
' ' sim wirt uerraten. Gut w'are im wäre
25 nie geborn der mennisclie. Do° antwrte
Matthaeus XXVI. 31—36.
b 31 schaf des chortirs werden zersprenget.
32 So aber ili erste so chum ihc uvr in gali
33 lea. Do° antwi'te im peter unt sprach. Her'
re unt ob si alle an dir waerdent gesehen
det ih en wirde niemer an dir gesehen
34 det. vnt ih'c sprach zim. War'liche sage
ihz dir. wan hinet an dirre naht, e daz.
der haue gerae. du uerloginist min drie
35 stunt. Do sprach peter zim. vn^t ob ohc ih
mvze mit dir ersterben ihen uerlogine
din niht. Alsä sprachen, alle die ivngire
36 Do chom ih'c
Matthaeus XXVIL 9—12.
IX a 9 let daz gesprochen ist durh den wissa
gen ieremiam sprechende, vnt si nain
die drizic silbir den chof ze chofinde
den si da choften uon den sunen isrl'e.
10 unt gaben si an den accher des hauina
11 res. alse mir geschihte der herre. vnt ih'c
stünt uor dem rihtare. vnt der rihtare
uragite in unt sprach. Bist du chunic
der luden? Vnt ih'c sprach zim. Du spri
12 chistes. vnt do man in ructe. die uvrsten
der ewarten unt die eitern. Do antwrte
Matthaeus XXVIL 20—24.
b 20 si gerten barraban. und ih'm uerlurn.
21 vnt der rihtare antwrte in vnt sprach
zin. Welen welter der zweiger den ih iv
22 laze. vnt si sprachen. Barraban. vnt pi
latus sprach zin. Waz tun ihc ih'u der da
heizet xpc. Vnt si sprachen alle. Da crugi
23 men. Do sprach der rihtare. Waz hat er
getan ubiles? vnt die rüfton ie me unt
454
JOSEPH HAUPT
24 me. Crucigen. Do pilatus gesah. daz ez niht
ueruienge wan daz me c""diraes wrde. Do
nam er wazzer mit twc sine hende uor
sprach Ih bin unschuldich*)
Matthaeus XXVII 32—46.
X a 32 gen si daz er tru
33
nen an die stat div
34
i gaben im win ze
gemischet. Vnt
volte ers niht trin
35
goten do teilton
on ir loz dar üf
36
n sin. vnt sazten
37
ache gescribine.
38
uden. Do wrden ge
ne schachare einer
ner ze der winster.
39
die spoton sin unt
40
echinde Woh.diz
gotes zeruvret
der auirt. behalt
sim. so Stic ab dem
41
e uvrsten der ewar
t den scribaren
42
unt spräche Ander
en enmac er niht
unic der isrl'e so
unt wir geloben
43
erloset in ob er wil.
44
e gotes sun. Daz
hare die mit im ge
45
twiztim ims. von
uinstere uf der er
46
di none zit. vnt
0 rufte ih'c mit mi
b 46
47
48
49
50
51
52
53
54
55
56
57
Maithaeiis XXVII 46-
chilre stimme ely
ist min got min g
uerlazen. Sumilic
horten die sprach
vnt einer livf sa
unt uvlten ezic
rore unt gap im
liehe die sprachen
com unt inlose,
re stime unt er g
behaue des temp
obine unt ze nid
bewegit unt die
unt div grebir ta
lichnam der heiii
die stünden üf u
giengen si in di h
nen manigen. v
im waren die sah
wegit. unt alliv
hen. unt uorhton
warliche dirre w
da manigiv wip
geuolget uon gal
imder den was n
maria iacobis un
div mvter der sun z
chom. do chom ei
mathia der hiez
ivnger ih'u. Der g
-57.
*) Von den vier Worten dieser Zeile ist nur noch die obere Hälfte da.
BRUCHSTÜCKE EINER AHD. EVANGELIENÜBERSETZUNG. 455
Marcus VII. 37 — VIII. 8.
XI a .... erhört .so
giton. und wndirton sih sprechinde.
Alliv dinc hat er wol getan, er hat ge
raachit die thorin gehorinde unt
die stummen redinde. [Dom. VII. post oct. pentec.]
VIII. 1 *)Iu denselben tagen do aber der me
nige uil was gesaminet unt niht (An dem sipent
habiten zezinde. vnt ih'c rufte si em svutach
2 nen iungern. unt sprach zin. Ih er nach phingsten) **)
barmi mih über die menige. wan ez
ist der dritte tac daz si sih enthaben mit
3 unt uerlaze ih si uastende heim
gen in ir hus. si irligent an dem we
ge. Ir sumiHche sint uerre her chom.
4 vnt im antwrton sine iunger unt
sprachin wer mac dise alle gesatin
5 brotes in dirre wste. Vnt ih'c uragi
te si. wie manic brot habit ir. Vnt
6 si sprachin sibimv. Vnt er gebot der
menige ze sizinde üf die erde. Vnt
er nam diu sibin brot. unt begie ge
nade unt brah daz brot unt gabes
sinen iungeren daz si sin üvr leiten.
7 vnt si leitons der menige. unt si
haton ein luzil uische. Vnt die segin
8 ter ohc. unt hiez in si legen. Vnt si
azen unt wrden gesät, vnt silasin
Marcus VIII. 9—17.
b üf daz da ubire was worden des bro
tes. daz iruvllet wrden sibin chorbe
9 mit brote. Vnt der die da azen der
waren uier thusint. unt er uerlie si.
10 vnt sari steic er in ein schif mit sinen
iungern. unt in die gegine chom er
ze dalmanutha.
*) Großes rotlies I blau verziert. **) MC. f CHI,
456 JOSEPH HAUPT
11*) Vnt ez giengen üz die pharisei
uut uragiton ih'm und suhton
uon im zeichin uon dem himile ze se
12 hiude unt uersühton in. Vnt erre
sühte in dem geiste unt sprach. Waz
suchet diz geslahte zeichen? Warliche
sage ihc ivz unt wirt gegebin disi
me geslahte zeichen sine gelobint
13 niht. vnt er uerlie si unt steic aber
wider in daz schif. unt uvr über mer.
14 unt die iunger uergazin des. daz si
niht uvrton brotes. unt sine habi
ton ohc ein brot niht mit im in dem
15 schiffe. Vnt er gebot in sprechinde.
Seht unt hüten ivh uor dem urha
be der phariseorum unt uor dem urhabe
16 herodis. Vnt si gedahton wider ein
ander sprechinde. wirn habin niht
17 brotes. vnt sari irchande daz ih'c vnt
er sprach zin. Wes gedenchet ir iv.
daz ir niht brotes habit. Noh en erchen
Mnrcits X. 31—38.
XII a 31 iuugisten unt die iungisten die er
steu.
32 **)Unt si waren an dem wege alse si
wolten ze irl'm. unt ih'c der üvr gie
si. unt si irscrachin unt si nah uolge
ton im mit uorhte. Vnt er nam aber
ZV sih die z weife, unt begunde den
ze saginne. div dinc div im chunftic
33 waren, unt er sprach, seht wirt chom
ze irl'm unt der sun des mennischen
der wirt geantwrtet der ewarten
uvrsten unt der scribare unt der el
tem unt si uerteilin in ze dem tode
34 unt antwrten in der diete unt spo
ten sin unt spigint in an unt phillint .
in unt erslahint in unt an dem drit
35 ten tage erstat er. Vnt ez nahton
*) Großes blaues V roth verziert. **) Großes rothes U.
BRUCHSTÜCKE EINER AHD. EVANGELIENÜBERSETZUNG.
457
36
37
38
Marcus X.
b
39
40
41
42
43
44
45
[Dom. in
quinqua
gesima.]
(An dem
andern
svntach
46
sih ZV zim die sun zebedi iacob unt
iohannes unt sprachin. Maister wir wel
len swes so wir dih biten daz du daz
tust. Vnt ih'c sprach zin. Waz welter
daz ili iv tu. Vnt si sprachin uerlihc
uns daz unsere einer size ze diner
zeswe der ander ze diner winster
in diner wnnicliche. Vnt ih'c sprach
zin. Irne wizzet wes ir gert. muget
ir trinchin den chelih den ih trinche.
oder muget ir des thofes werden ge
39—47.
tofphet des ih wirde getophfet
Ja wir herre. vnt ih'c sprach zin.
Den chelih den ih trinche den trin
chet 6h ir. unt des tofphes des ih wir
de getöfphet. des werdet ohc ir ge
tophet. ze sizinde ze miner zeswe
unt ze miner winster bestet mih
niht ze gebinne iv. wan den ez bereit
ist. vnt daz ir horten die zehine
unt unwirton daz an iocobe unt
an iohanne. vnt ih'c rufte in un sprah
da
unt gewalt ha
. . . Also ne ist ez niht under iv.
swer so under iv wil werden der me
re der wirt iwer dienare. vnt
swer so under iv wil wesen der er
ste der wirt iwer aller chnet. Wau
des mennischen sun chom niht dar
umbe daz man im dienite. wan daz
er dienite. unt daz er gäbe sine sele
ze ledigunge umbe manige.
Vnt ih'c unt sine iunger de cho
men ze iericho. unt do er üvr
uon iericho do uolget im sine iun
ger unt michil menige. do saz bi
dem wege der sun timei barthime
vor vase...) 47 us ein blinde betilinde. vnt alse
458
JOSEPH HAUPT
80
IL 1
Lucas I. 79 —IL 9.
XIII a 79 des todes imt
iivze in den wec
daz whs unt
geistes. unt was
en tac sin ere of
helen. [In galli cantu.]
den tagin. daz uz
n dem cheiser au
et wrde aller (zecristes mese
t div erste brei ze winahten) *)
uon dem rilitare
nt si giengen al
che in ir stat. vnt
ale üz der stat
e in die stat da
bethlem. Durh
menige unt des
er uvr dar mit
ahilt was swan
do daz geschah
vrden ir uvllet
unt si gebar ir
t bewant in
te in ineine
te niht heinli
aren hirte in
e unt hütinde
vnt seht der
Lucas IL 17 — 25.
XlVa 18 chinde. vnt alle die daz
die wndert sih des. der
warin gesagit uon den
19 raarie behaelt alliv div
20 herzin. vnt die hirtin
de wnnicl ichin de unt
Lucas IL 9 — 17.
) engel dis herre
daz lieht gote
vnt si uorhto
10 uorhte. vnt de
Niht en uorhte
iv michile uro
11 dem livte. wan
ein heilare. der
in der stat dau
12 z eichin. Ir uin
din mit thüch
Grippe, vnt al
dem engel mic
lischen ritirsch
sprechinde. Go
in der hohe, un
den mennische
len. vnt alse da
schiedin die en
') Do redton di
zein ander
em unt ir seht
dir herre hat
16 men mit gahi
en unt ioseph
ineine crippe
17 hin. do ir chant
Worte daz in
***) (zetagemese ze
Lucas IL 25 — 5^.
) inde got. unt bitinde
ige der israhele. unt der
26 st wonte in im. vnt er
antwrte uon dem heili
daz er niht gesahe den
27 sähe den crist dis herrin
13
14
15
**>
*) MC. f. Vni. **) Blaues D i-oth verziert. ***) MC. f. IX.
BKUCHSTÜCKE EINER AHD. EVANGELIENÜBEESETZUNG.
459
aller der dinge die si h
unt'gesehin imt alse in
21
*) Vnt do uolle endi [Ino
ton die^ahte tage.
28
sniden solle daz ehint
name geheizin ih'c. de
29
was uon dem engel e
gen wrde in dem buc
30
22 '■
**) Vnt do iruvllet wr
31
ir reinicheite nah
32
hübin si uf ze irl'ra d
chint. daz si ez antw
23
rin. alse gescribin ist
rin. Wan allez daz n
33
daz dir üf tut die v
zit heilic dim herre
34
24
brahtin opfer dar na
ist in der e des herre
tubin oder zwei iu
25
bin. vnt sehit ein
in irl'm des name v
35
dirre mennische w
? VI. 45-48.
36
MCÜi
XV a 45 schaze sinis 1
berziu uvrb]
m in dem geiste. iu daz
t alse si dar in brahton
ie vriunt. daz si mit im
te gewniheit der e. un
c in an sine arme unt
sprechinde. Nu uerlast
in chneht nahe dime
de. Wan miniv ögen
diu heil, daz du hast
r dem antlutze aller
lieht zerluhtinde die
vnnicliche dines uol
^le. [Dominica infra octa-
ter unt sin muter wn uam na-
der dinge die man sa tiuita-
unt si seginite symeon tis] ***)
marien sinir müter.
geleit in uersmahte
de maniger in isrl'
die durh get ein swert
verdin uon manigen
danche. vnt ez was
46
47
48
div guten dinc. vnt der ubile
nische uon dem ubilin schaze
herzen so üvrbringet er div u
dinc. von der genvge dis herz
dit der munt. War umbe heiz
mih herre herre. unt irn tut
des ih iv sage. Ein iegilicher der
mir chumit unt höret mine r
unt dar nah tut. daz irzeige
wem er gelih si. Er ist gelih ei
nischin der da zimbirte sin h
grüp an die hohi. unt die gru
ueste sazte üf einin stein, vn
*) Rothes V blau verziert. **) Blaues V roth verziert. ***) MC. f. XIIII.
460 JOSEPH HAUPT
div gusse wart do ensleif daz
zer dem huse. imt enraoh
Ltccas VII, 2—7.
b 2. 3 n. der im was uil liep. unt do si
amin uon ih'u. do sante er zv zim
irn der iudin bitinde. daz er
4 e unt heilte sinen ebnet, vnt
homin ze ih'u, do batin si in sorc
sprechinde. Herre. er ist des wir
5 az du in des gewerst. wan er min
nser diet. unt er hat uns gezim
6 unsere synagoge. vnt ih'c gienc
n. vnt do ih'c iezo niht ze verre
uon dem huse. do sante zv zim
urio sine urivnt sprechinde.
e enmv dih niht. ih en bin niht
ic daz du chomist under min
7 Wan ih en was selbe niht wir
z ih chomen wäre ze dir. wan
Lucas VIIL 48—52.
XVI a 48 vnt ih'c sprah zir. tohter*) (din gl. .)
be hat dih behaltin uar mit uride.
49 vnt dennoh do er daz redte, do chom
einir ze dem uvrstin der synagoge
sprechinde. din tohter div ist tot.
50 niht in mu in. vnt ih'c irhorte daz
wort, unt er sprah ze der magide
uater. niht enuvrhte dir. gelobe ein
51 genote unt si wirt behaltin. vnt
do er chom ze dem huse. done liez er
niemen mit im dar in gen wan pe
tern unt iacobin unt iohanuem. unt
den uater unt die müter der raa
52 gide. unt alle die da waren die cla
giton unt weinton si. vnt ih'c
sprah. Niht entwinint si nist niht
*) Von tohter ist nur die untere Hälfte da.
BRUCHSTÜCKE EINER AHD. EVANGELIENÜBERSETZUNG. 461
Lucas IX. 1 — 6.
b 1 die siecliin
(An dem phinz 2 unt er sant sie ze brediginde daz
tage in der riche gotis. unt ze heilinde die
phingst woch 3 siechin. vnt er sprah zin. niht
en)*) entragit mit iv an den wec. we
dir gerte noh thaschin noh brot
noh schaz. noh zwene rocche. en
4 habit niht. imt in swelih hus ir
chomit da belibet. unt chomt dar
5 uz niht, vnt swa man iwer niht
enphfahe. so get uz der stat. unt
den stop iwerre uvze den schutit
6 ze gezivge über si. vnt si gien
gen üz. unt durh giengen div
castel brediginde unt heihnde
alleuthalbin.
Lucas IX. 51 — 59.
XVII a 51 zehimile unt er sin antlut
ze gestarhte. do gienc er ze irl'm
52 unt sante boten uor siner bescho
wide. unt si giengen unt chomin
in die stat der samaritane. daz si im
53 da bereitin. vnt si ne phiengen sin
da niht. wan sin anthitze was ze
54 gende ze irl'm. Vnt do daz gesahin
sine iunger. iacob unt iohannes do spra
chin sie. Herre wil du. daz wir spre
eh. . daz daz uivr chome uon himi
55 le unt uerbrenne sie. Vnt er cherte
sih unt rafste sie unt sprah. en wiz
zet ir niht welhes geistis ir sit.
56 Des mennischin sun chom niht ze
uerliesinde die sele. sunder ze be
57 haltinne. unt uvrin ze eime andern
castel. [Dominica Uli. post epiphaniam. feria VI.J
*) MC. f. XCI.
4(;2
JOSf]PH HAUPT
*) Vnt ez geschah do sie giengin an
dem wege daz einir sprah zim.
58 Ih nah uolge dir swar du gest. vnt
ih'c sprah zim. Die uohin habint div
livger. unt die uogile des himiles div
nester. vnt der sun dis mennischin
enhat niht. da er sin hübit ge neige.
59 vnt er sprah zeime andirn. nah uol
ge du mir. ^Tnt er sprah. Herre la
mih ze dem ersten gen. daz ih begra
LiLcas IX. 60 — X 6.
b 60 be minin uater. Vnt ih'c sprah zim.
la die totin begrabin ir totin. unt
du ganc irchunde daz riebe gotis.
vnt ein andirre sprah. Herre ihc
61
nahuolge dir. la mih ze dem ersten
62
(von den
zwelf
poten) f )
gen. daz ih ez irchunde den die da
heime sint. vnt ih'c sprah zim. Nie
man leit sine hant an den flüc unt
sihit hinder sih. daz er geuvget si
ze dem gotes riebe. [De apostolis.]
X, 1 ***) Damahc marhte üz dir heiTC
andirre zwene unt sibinzic.
unt sante der zwene unt zwene
uvr sin antlutze. in alle die stete
dar er chunftic was ze chominne.
vnt er sprah zin. michil ist daz snit.
luzil ist der snitare. von div bitint
din lierren des snitis daz er werch
livte sende an daz snit. Get wan ih
sende ivh alse div lember under
di wolue. Niht entraget stap noh
sac noh thasche noh schuhe noh en
gruzet niemen an dem wege. vnt
in swelh hus ir chomit so sprechit
ze dem ersten uride si in disime hn
se. unt ob da ist der sun dis uridis. so
(An dem fritag
nach dem fier
dem svntach
nach perht
nachten) **)
*) Blaues V roth vnziert. **) MC. f. XX. ***) Kothes D. f) MC. f. III. (partis II).
BRUCHSTÜCKE EINER AHD. EVANGELIENÜBERSETZUNG. 463
belibet uf im iwer uride. enist des
niht so cheret widere üfen ivch der
Lucas X. 7 — 15.
XVIII a 7 uride. In dem seibin huse belibet.
eziude unt triuebinde daz si da
habinde sin. wan wirdic ist dir werc
man des lones. Niht enget üz eime
8 huse in daz andir. unt in swelhe stat
ir chomiut da man £vh enphahe.
9 da ezit swaz man iv sezze. unt hei
lit die siechen die da sien. unt sagit
den livten. iv nahit daz riebe gotis.
10 In swelhe stat ir aber chomit unt
iwer niht enpfahint. da get uz an
11 die straze unt sprechit der stöp der
uns anehafte uon iwerre stat den
wischen wir an iüh. unt wizzet
doh daz. daz nahet daz riebe gotis
12 vnt ih sage iv daz. daz sodime an
dem iungestin tage antlaziger wirt
13 denne der stat. Wie dir chorozaim.
wie dir bethsaida wan wäre in tyro
unt in sydone getan die tugent die
in iv sint getan unt div dinc. si he
tin wilint in boze gemachit in ha
rinin hemidin. unt sizinde in ahs
14 schin. Warliche sage ih ivz. tyre unt
sydone wirt antlaziger an dem ur
15 teilichim tage den iv. Vnt du ca
pharnaü du wanist dih ir hohin un
ze in den himil. unt du wirst ge
Lucas X. 15 — 22.
[De martyribusj
b 16 senchit unze in die helle. Der ivh
horit der horit mih. unt der ivh
' uersmahit. der uersmahit mih.
unt der mih uersmahit der uer
ßmahit den der mih sante.
4G4 JOSEPH HAUPT
1 7 *) Unt die zwene unt iivnfzic
cherton widire mit urovden
sprechinde. Herre. uns sint gehör
sam die tivuel in dime namen. vnt
18 ih'c sprah zin. Ih sah sathanan alse
den blechzot uallen uon dem himi
19 le. Seht ih gap iv gewalt ze ti'etin
de uf die slangen unt üf die scor
pen. unt ufen alle die craft dis uien
20 des unt iv ne wirret niht. Warli
che en vrot ivh niht des. daz iv die
geiste gehorsam, wan urot iv mere
des. daz iwere namin sint gescri
bin in den himilin. [Dominica V.post octauam pen-
[ferialllL] 21 **)An der seibin wile iruröte er tecostes]
(An dem sih in dem heiligen geiste unt
midichen sprah. Ih begihe dir uater herre des
nach dem himiles unt der erde, daz du hast
fivnftem uerborgen disiv dinc uor den wi
svutach sin unt den wizigen. unt hast si ir
nach phing offint den wenigin. wan uater herre
sten)***) 22 also geuiel dir ze tune. Alliv disiv
dinc sint mir gantwrtet uon dim
Lucas XII. 20-22.
XIX a sose nemint si uon dir. die du hast
21 gemachit wem werdint div? Also
ist ez. der im seibin schaz saminit.
dern ist niht riche in gote.
22 Vnt ih'c sprah ze sinin iungern.
Lucas XII 29—32.
b 30 ivh niht. wan alliv disiv dinc suchet
div diet der werlt. wan iwer uater
31 weiz wol wes ir bedurfit. Warliche
suchet ze dem erstin daz riche go
tis. unt diz allez wirt iv gegebin.
32 Niht euuvrhtiut! t)
*) Rothes U. **) Blanes A. ***) MC. f. CI. f) Von diesen zwei Worten
ist nur die obere Hälfte da. Kotlies N Idau verziert.
BEUCHSTÜCKE EINER AHD. EVANGELIENÜBERSETZUNG.
465
Lucas XII. 38—39.
XX a der naht, unt si also uindet . so sint
39 salic die clinehte. vnt wizzit daz.
wan wizi dir uater dir menige
die wile so dir chome dir diep. er
wachite unt enlieze niht durh
... sin hus *) . . .
Lucas XIL 46—47.
enweiz. unt teilit in. unt sin teil se
47 zit er mit den ubilin. Der ehnet der
aber da irehennit den willin sinis her
rin. unt niht bereite noh entet den
willin sinis herren. der
garnit ez mit
27
28
29
Lucas XXIIL 26—35.
XXI a grifin si einin uon cirine
der cliom von eime dorf.
im uf daz cruce unt note
traginne nah ih'u. vnt in
get michil menige des li •
wibe die in weinton unt
in. vnt ih'c cherte sih unt s
wibin Thohter irl'mes nih
nit über mih.' wan weini
unt über iweriv chint. wa
chomint die tage an den s
salic sint die unberhaftin
buche die du niht gebarin
brüste die da niht ensocten
ginnin si sprechin. ze den
uallet üfen uns. unt ze den
bedechet uns. wan tunt si
grünin holze, in dem durri
wirt ez? vnt wan uvrte
zwene ander ubile ze dem
vnt do si chomin an die st
heizit ze chaluaric. da er
30
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32
33
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37
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39
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41
42
43
Lucas XXIIL 35—45.
stimt unt baite. vnt sin
e uvrstin mit den anderen
de. die ander die lost er. sih sei
er si crist der gotis irwelte.
ritter die spoton sin unt gien
in. unt brahtou im ezich
chin. sist du chuuic der luden
seibin. vnt div scrift div
gescribin. div was uon bücstabin
unt latinin unt hebirei
US. diz ist chunic der iudin.
r der schachare die bi im hien
spote sin unt sprah. ob du
so lose dih seibin unt uns.
ander antwrte im. unt rafste
prall zim. Noh dune uvrhtes
du in der selbiu uerdamnun
vnt wir uon schuldin rehte.
V unsern getatin enphfahin.
re enhat niht ubilis getan,
sprah ze ih'u. Horre gedenche
u chomist in din riche. vnt
*) Von dieser Zeile ist nur das obere Viertel da.
GERMANIA. Neue Reihe II. (XIV.) Jahrg.
30
466
JOSEPH HAUPT, BRUCHSTÜCKE etc.
34
35
si ih'm. vnt die schachare . c
der zeswe . den andirn ze d
Stirn, vnt ih'c sprah. vate
ins. wan sine wizzin niht
tunt. vnt si teilton sin ge
unt wrfin dar üf ir loz. V
Johannes VIII. 32—41.
XXIIa net die warheit unt div
33 machet ivh uri. Vnt si ant
unt sprachin. Wir sin des
hames unt gedienton nie
unt wie sprichest du daz
34 werdin? vnt ih'c antwrt
sprah. Warliche warliche s
wan ein iegelicher der da t
de. der ist chneht der suude
35 belibet niht in dem huse ei
der sun belibet drinne ewic
36 ob ivh der gelediget warlic
3 7 det ir ledic. Ih weiz daz. daz
hames sune sit. unt ir such
zerslahinne. wan min red
38 het niht an iv. Daz ih sah
uater daz rede ih. unt div
gesehen uon iwerm uati
39 ir. vnt si antwrton im u
Abraham ist unser uater
ih'c zin. Ob ir habrahames
tut div Averc abrahames.
40 ir mih zerslahinne. denn
der die warheit mit iv re
han uernomin uon gote. 1
41 abraham niht. Ir tut div
res uater. vnt si sprachin
sin niht geborn uon dem
44
45
ch zim. Warliche sage ih dirz
t du mit mir in dem paradise.
was uil nah div sehste wile.
uinstir wrdin üf aller der
an die zit none. unt der
vart uinstir. vnt daz umbe
Johannes. VIII. 41—49.
b in uater daz ist got. vnt
42 Ware got iwer uater. ir
r holt. Ih chom üz uon go
in chom Ihen bin niht cho
mir selbim. wan er hat mih
43 var umbe irchennet ir mi
iht. Dane muget ir mine
44 gehorin. Ir sit uon dem
tivuel unt weit tun den
veres uater. Der was man
on anigenge. unt ern ge
t mit der warheit. wan
it ist niht in im. So iwer
et die luge, so redit er ein
an er ist ein lugiuare. unt
45 Daz aber,ih iv die warheit
umbe gelobet ir mir niht.
46 t iwer der mih reffe (sie) an
n? Ob ih iv die warheit sa
nbe gelobet ir mir niht?
47 ot ist. der horit div wort
rumbe enho [. . . .]
ht. wan ir sit uon gote
48 die luden antwrton im
hin. Nu segin wir uns doh.
st ein samaritanus. unt
49 ivuel. Do sprah ih'c ih ha
es tivuels. wan ih ere
407
BIBLIOGRAPHISCHE ÜBERSICHT
DER
ERSCHEINUNGEN AUF DEM GEBIETE DER GERMANISCHEN
PHILOLOGIE IM JAHRE 18G8.
VON
KARL BARTSCH.*)
I. Begriff und Geschichte der germanischen Philologie.
1. Über das Studium der altdeutschen Literatur.
Der Katholik 1868, December.
2. Zur Geschichte der deutsehen Philologie. Briefe an Jos. Freiherrn
von Laßberg. 1. Briefe von G. F. Benecke. 2, Briefe von J. Grimm. 3. Briefe von
W. Grimm. 4. Briefe von C. Lachmann. 5. Briefe von J. A. Schmeller. 6. Briefe
von K. H. G. V. Meusebach.
Gei-mania 13, 118—127. 244—249. 365—384. 487 fg. 489—496. 496—502.
503—508. In besonderem Abdruck herauageg. von J. M. Waguer. (56 S.) Wien 1868. 8.
3. Verzeichniss der von A. W. von Schlegel nachgelassenen Briefsamm-
lung von A. Klette. Nebst Mittheilung ausgewählter Proben des Briefwechsels mit
den Gebrüdern v. Humboldt. F. Schleiermacher, B. G. Niebvxhr und J. Grimm.
4. (Xn, 28 SS.) Bonn 1868 (Max Cohen u. Sohn).
S. XI fg. J. Grimm au A. W. Schlegel, Göttingen 23. Oct. 1832. Vorhanden
sind außerdem u. a. 1 Brief von B. J. Doceu (1814); 1 von Fr. Diez (^1824); 2 von
C. Lachmann (1826. 1840); 6 von J. Grimm (1826-34); 1 von Haupt (1841»; 1 von
A. Hültzmaun (1843), 1 von Groote (1843).
4. Auerbach, Berthold, Deutsche Abende. Neue Folge. 8. Stuttgart
1867. Cotta.
Enthält u. a. Rede zum Gedenkfeste Uhlands am 31. Jan. 1863 im Yictoria-
Theater in Berlin S. 121-140; J. Grimm [Deutsche Blätter, Oct. 1863] S. 187—202.
5. Ein brief Jacob Grimms.
Zeitschrift für deutsche philologie 1 , 227 — 230 : an die Weidmannsche Buch-
handlung, über deutsche Orthographie.
6. Bartsch, K., und J. M. Wagner, Franz Pfeiffer (f 29. Mai 1868).
Germania 13, 250 — 256. Nachnif, biographische Skizze und Verzeichniss seiner
Werke, letzteres wiederholt im Intelhgenzblatt zum Serapeum Nr. 24 vom J. 1868.
7. K(uh), Emil, Nachruf an Franz Pfeiffer.
Die Presse 1868, Nr. 152.
8. L am bei, Hans, Zum Andenken Franz Pfeiffers. Ein Nachruf.
Allgemeine Zeitung 1868, Nr. 189—191, Beilage.
9. Schlatter, Rector, Dem Andenken an Franz Pfeiffer gewidmet. Bei-
lage zum Programme der solothuruischen Kantonsschule 1868. 4. 16 S.
*) Mit Unterstützung meiner Freunde K. Gislason, Th. Möbius, Henry Sweet,
M. de Vries und J. M. Waerner.
'A(\*
4G8 BIBLIOGKAPIÜSCHE ÜBERSICHT.
10. Schröer, Franz Pf eiflFer.
Neue Freie Presse 1868, Nr. 1374.
11. Strobl, Joseph, Franz Pfeiffer.
K. Wiener Zeitung 1868, Nr. 150 und auch besonders abgedruckt. (8. 1.3 S.)
12. Franz Pfeiffer.
Mittheilungen des Vereins für Geschichte der Deutschen in Böhmen , 7. Jahr-
gang, Nr. 2.
13. Kolbe, Pfarrer Wilhelm, und Prof. Dr. E. L. Th. Henke, Reden am
Grabe Aug. Frdr. Chr. Vilmar's. G-ehalten am 1. August 1868. 2. Aufl. mit e. Nach-
ruf, gr. 8. (15 S.) Marburg 1868. Elwert. 2 Ngr.
Vilmar f in der Nacht vom 29. 30. Juli 18G8. Vgl. Hauck, Jahresbericht IV, 3.
14. August Fr. Chr. Vilmar. Nekrolog.
Allgem. Zeitung 1868, Beilage 222.
15. Dr. August Friedrich Christian Vilmar.
Allgem. Kirchen-Zeitung von Zimmermann 1868, Nr. 75.
16. August Friedrich Christian Vilmar.
Neue Evangel. Kirchenzeitung von Meßmer, 1868, Nr. 38.
17. A. F. C. Vilmar.
Illustrirte Zeitung 1314.
18. Ferdinand Deycks. Nekrolog.
Allgem. Zeitung 1868, Beilage 154.
19. Heremans, J. F. J., Levensschets van Prof. J. B. David. 8. (13 S )
Leiden 1868. Brill.
Abdruck aus den Handelingen van de Maatschappij der nederl. Letterkunde
te Leiden. David, der Herausg. von Maerlants Rijmbibel und von Kuysbroek,
t 24. März 1866.
20. Dijk, J. A. van, Levensbericht van Dr. L. A. tc V^inkel.
Aus dem Jaarboek voor Lager Onderwijs 1868. gr. 8. (20 S.) te Winkel, der Mit-
herausgeber des nl. Wörterbuches, f 24. April 1868.
21. Ho ff mann von Fallersieben, A. H., Mein Leben. Aufzeichnungen und
Erinnerungen. 4—6. Band. gr. 8. (390. 339 u. 371 S.) Hannover 1868. Rümpler.
Vgl. Wissensch. Beilage d. Leipz. Zeitung 1868 , Nr. 42 ; Novellenzeitung 31 ;
Lehmanns Magazin 37; .Schles. Zeitung 305; Braunschw. Tageblatt 247; Wiener Zei-
tung 304; AUg. lit. Anzeiger III, 4; Hessische Morgenzeitung 3137; Hist.-polit. Blätter,
61. Band (1868) S. 830—857.
22. Neuere Germanisten. 6. Franz Pfeiffer. 7.K. Weinhold. 8. Fr. Zarncke.
Illustrirte Zeitung Nr. 1303. 1310. 1323.
23. Kuhn, Ad., Franz Bopp, der Begründer der vergleichenden Sprach-
wissenschaft.
Unsere Zeit, 4. Jahrgang, 10. Heft.
24. Franz Bopp.
Europa 1868, Nr. 21.
25. Franz Bopp.
Beilage des Preuß. Staats-Anzeigers 1868, Nr. 58.
26. August Schleicher. Nekrolog.
Allgem. Zeitung 1868, BeUage 348. f 6. Dec. 1868. "
27. Tewes, Nekrolog von Sandhaas.
Mittheilungen des historischen Vereins für Steiermark , 15. Heft , Gratz 1868.
Verdienter liechtshistoriker.
BIBLIOGRAPHISCHE ÜBERSICHT. 469
28. Meyer, E. H., Johann Martin Lappenberg. Eine biographische Schil-
derung. 8. (IV, 184 S.) Hamburg 1867. W. Mauke Söhne.
n. Handschriften künde und Bibliographie.
29. Tabulae codicum manu scriptorum praeter graecos et orientales in bi-
bliothcca palatina Vindobonensi asservatorum, edidit academia caesarea Vindobo-
nensis. Vol. II. gr. 8. (461 S.) Wien 1868. Gerold. 2^/3 Rthlr. (Enthält
Nr. 2001—3500.)
30. Catalogus codicum Latinorum bibliothecae regiae Monacensis. Com-
posuerunt C. Halm et G. Laubmann. Tom. I pars I (cod. nr. 1—2329 comple-
ctens). gr. 8. (IV, 294 S.) Monachii 1868.
Vgl. Liter. Centralbl. 1868, Nr. 49.
31. Kelle, J., Die Altdeutscheu Handschriften" der k. k. öffentlichen und
Universitätsbibliothek in Prag. Nachtrag [zu Serapeum 1859, Nr. 3. 4. 5. —
1860, Nr. 1. 4. — 1861, Nr. 23. 24.]
Serapeum 1868, Nr. 22. 23.
32. Derselbe, Altdeutsche Handschriften aus Prager Bil^liothekeu. 1. Lob-
kowitz. Bibliothek. 2. Fürstenberg. Bibliothek. 3. Bibliothek des Domcapitels.
4. Bibliothek des Prämonstratenserstiftes Strahow. 5. Archiv dos Ilathhauses.
6. Erweiu Nostitz'sche Bibliothek. 7. Bibliothek des Museums des Königr. Böhmen.
Serapeum 1868, Nr. 8-20.
33. Jacobs, Dr. Ed., Die ehemalige Büchersammlung Ludwigs Grafen zu
Stolberg (1505 — 1574) in Königstein und Mittheilungen zur deutschen Volksdich-
tung aus einer dorther nach Wernigerode gelaugten Handschrift, 8. (36 S. und
lithogr. Tafeln.) Wernigerode 1868. Augerstein.
" Vgl. Liter. Ceutralbl. 1868, Nr. 17.
34. Dud 1 k, Dr. B., Handschriften der fürstlich Dietrichstein'schen Biblio-
thek zu Nikolsburg in Mähren. [Aus dem Archiv f. Kunde Österreich. Geschichts-
quellen.] Lex. 8. (108 S.) Wien 1868. Gerold in Comm. 16 Ngr.
35. Westwood, J. 0., Pacsimiles of the Anglo-Saxon and Irish manu-
scripts. Fol. 1868. 21 £.
36. Bartsch, Karl, Bibliographische Übersicht der Erscheinungen auf dem
Gebiete der germanischen Philologie im Jahre 1867. gr. 8. (44 S.) Wien 1869.
Gerold, '/g Rthlr.
Aus Pfeiffers Germania 13, 321—364 abgedruckt.
37. Böhlau, H., Die germanistische Literatur Juni 1866 bis Sept. 1867.
Jahi-bücher füi- Geschiclits- und Staatswissenschaften von Glaser. 9. Band, 5. Heft.
38. Bibliotheca philologica, oder geordnete Übersicht aller auf dem
Gebiete der classischen Alterthumswisseuschaft wie der älteren und neueren Sprach-
wissenschaft in Deutschland und dem Ausland neu erschienenen Bücher. Herausge-
geben von Dr. Gustav Schmidt. 20. Jahrg. 2. Heft (S. 75—184), und 21. Jahrg.
1. Heft (S. 1—64). Göttingen 1868. Vandenhoeck und Ruprecht. 9 und 7 Ngr.
39. Gräße, Theodor, Tresor de livres rares et precieux ou nouveau dic-
tiounaire bibliographique. Suppl. 1"^ partie (Livr. 40). gr. 4. (S. 1 — 168.) Dresden
1868. Kuntze. 5 Rthk.
470 BIBLIOGRAPHISCHE ÜBERSICHT.
40. Monuments typographiques des Pays-Bas au quinzieme si6cle. Col-
lection de fac-simile d'apris les originaux conservc^s a la bibliotheque royale de la
Haye et ailleurs publiee avec l'autorisation de son Exe. le ministre de Tinterieur par
J. W. Holtrop. Livr. 21—24 (13 u. 138 S., pl. 125—133). gv. 4. Haag 1868.
Nijhoff. f. 20,00.
41. Vau D oorninck, J. J., Bibliotheek van Nederlandsche Anonymen en
Pseudonymen, roy. 8. Afl. 1 — 6 (1 — 576 Sp.) 's Gravenhage 1868. Nijhoff
h f. 1,05.
III. Sprachwissenschaft und Sprachvergleichung.
42. Curtius, G., Sprache, Sprachen und Völker.
Daheim 1868, Nr. 26.
43. Müller, M., Nouvelles lecons sur la science du langage profess^es en
1863, trad. de l'anglais par M. G, Harris et G. Perrot. Tome II. 8. Paris 1868.
Durand. 7 fr.
44. Whitney, Will. Dwight, Language and tbe study of language, twelve
lectures on the priuciplcs of linguistic science. 8. (504 S.) 2 edition augmented
by analysis. London 1868. Trübner. 10 s. 6 d.
45. Kaufmann, Prof. Dr. Job. , Über vergleichende Sprachforschung. 4.
(22 S. und 1 Tafel.)
Programm der Kantonsschule zu Lucern 1868,
46. Jülg, Rect. Prof. Dr. B., Über Wesen und Aufgabe der Sprachwissen-
schaft mit einem Überblick über die Hauptergebnisse derselben. Nebst einem An-
hang sprachwissenschaftlicher Literatur. Vortrag bei Gelegenheit der feierl. Ver-
kündigung der Preisaufgaben, gr. 8. (IV, 63 S.) Innsbruck 1868. Wagner. 12Ngr.
Vgl. Zeitschrift fiü- deutsche philologie 1, 499 (O. Gerland); Literar. Centralbl.
1868, Nr. 90; Österr. Gartenlaube 1869, Nr. 10.
47. Sauppe, Dr. Gustav, Wanderungen auf dem Gebiete der Sprache
und Literatur. Vorträge vor gebildeter Zuhörerschaft gehalten, gr. 8. (IV, 223 3.)
Halle 1868. Schwabe. 24 Ngr.
48. Haupt, Leopold, Zur allgemeinen vergleichenden Sprachkunde.
Neues Lausitz. Magazin 44. Band, Görlitz 1868.
49. Bleek, W. H. J., Über den Ursprung der Sprache. Herausgeg. mit
einem Vorwort von Prof. Dr. E. Häckel. gr. 8. (72 S. mit 1 Steintaf.) Weimar
18G8. Böhlau. 12 Ngr.
Vgl. Saturday Review 690 ; Literar. Handweiser 78 ; Lehmanns Magazin 1869,
Nr. 6; Allg. Lit. Anzeiger III, 5.
50. Geiger, L., Ursprung und Entwickclung der menschlichen Sprache und
Vernunft. I.Band, gr. 8 (XXVIII u. 486 S.) Stuttgart 1868. Cotta. 2 Rthlr. 1 6 Ngr.
Vgl. Saturday Review 695 ; Liter. Centralbl. 1869, Nr. 2 ; Reusch, Literaturblatt
1868, Nr. 25; Lehmanns Magazin Nr. 35.
51. Jessen, E., Nyere Skriften om Sprogs Oprindelse. Kjöbenhavn 1867.
8. 36 S.
Abdrack aus Aarbögor for nordisk Oldkyndighed 1867. Vgl. Liter. Centralbl.
1868, Nr. 13.
52. Jäger, Dr. G., Über den Ursprung der menschlichen Sprache. Nachtrag.
Das Ausland 1868 Nr. 23, S. 533.
53. Bopp, Fr., Vergleichende Grammatik des Sanskrit, Send, Armenischen,
BIBLIOGRAPHISCHE ÜBERSICHT. 471
Griechischen, Lateinischen, Litauischen, Altshivischen, Gothischen und Deutschen.
3. Ausgabe, 1. Band. gr. 8. (XXV, 558 S.) Berlin 1868. Dümmler. 4 Rthlr.
54. Bopp, Pr., Grammaire coraparee des langues indo-europeennes com-
prenant le sanscrit, le send, l'armenien, le gvec, le latin, le littuanien, l'ancien
slave, le gothique et l'allemand. Traduite sur la 2""* edit. et precedee d'une intro-
duction par M. M. Breal. Tome IL gi. 8. (XXXVIH, 433 S.) Paris 1868. La
Hachette. 8 fr.
Vgl. Revue critique 1868, Nr. 33.
55. Baudry, F., Grammaire comparee des langues classiques, contenant
la theorie elementaire de la formation des mots en sanscrit, en grec et en latin,
avec x-eferences aux langues germaniques. l'"®partie: Phonetique. 8. (XIV, 212 S.)
Paris 1868. La Hachette. 6 fr.
Vgl. Revue critique 1868, Nr. 25; Liter. Centralbl. Nr. 46; Zeitschr. f. vergleich.
Sprachforschung 18, 284 — 291 (von Schweizer-Sidler).
56. Pick, F. C, Wörtei'buch der indogermanischen Grundsprache in ihrem
Bestände vor der Völkertreunung. Ein sprachgeschichtlicher Versuch. Mit einem
Vorwort von Prof. Dr. Th. Benfey. gr. 8. (X und 246 S.) Göttiugen 1868. Van-
denhoeck und Ruprecht. l'Yg Ethlr.
Vgl. Liter. Centralbl. 1869, Nr. 19; Kuhns Zeitschrift 18, 1.
57. Raumer, R. v., Zweite Fortsetzung der Untersuchungen über die Ur-
verwandtschaft der semitischen und indoeuropäischen Sprachen, gr. 8. (26 S.)
Frankf. a. M. 1868. Heyder und Zimmer. 10 Ngr.
58. Kühn, Dr. Albert, Über Wurzelvariation durch Metathesis. gr. 8.
(54 S.) Bonn 1868. Max Cohen, '/g Rthlr.
Vgl. Liter. Centralbl. 1868, Nr. 36 (Delbrück).
59. Hovelacque, Abel, La theorie specieuse de Lautverschiebung. 8.
Paris 1868. Librairie Orientale de Maison-neuve. 1 fr.
60. Kichert, Märten Birger, Bidrag tili Läran om de konsonantiska Ljudla-
garna i äldre och uyare spräk. L 8. (382 S.) Uppsala 1866. Edquist och
Berglund.
Vgl. Revue critique 1868, Nr. 21 (G. Paris).
61. Schulz, G., Über das Verhältniss des z zu den entsprechenden Lauten
der verwandten Sprachen. 8. (56 S.) Göttingen 1867.
Doctordissertation.
62. T übler, Prof. Dr. Ludw,, Über die Wortzusammensetzung nebst einem
Anhang über die verstärkenden Zusammensetzungen. Ein Beitrag zur philosophi-
schen und vergleichenden Sprachwissenschaft, gr. 8. (VIII, 144 S.) Berlin 1868.
Dümmler. 1 Rthlr.
Vgl. Liter. Centralbl, 1868 Nr. 49; Zeitschrift für deutsche philoIogie 1, 357 bis
364 (Gerland); Allgem. Lit. Anz. UI, 4.
IV. Deutsche Grammatik.
63. Grimm. Jacob, Geschichte der deutschen Sprache. S.Ausgabe. 8.
2 Bände. (XVI, 726 S.) Leipzig 1868. Hirzel. 4 '/a Rthlr.
Vgl. Revue critique 1868, Nr. 13 (G. I'aris).
64. Scherer, Wilh., Zur Geschichte der deutschen Sprache, gr. 8. (XVI,
492 S.) Berlin 1868. Duncker. 2^/3 Rthlr.
Vgl. Zeitschrift für deutsche philoIogie 1, 119 — 124 (Delbrück); Germania 13,
480-485 (L. Tobler); Allgem. Lit. Zeitimg 1869, Nr. 12 ; Heidelb. Jahrbücher 1868,
472 BIBLIOGRAPHISCHE ÜBERSICHT. ~
Nr. 57; Liter. Centralbl, 18G9, Nr. 7; Revuo critique 1868, Nr. 49; Revue de lingni-
ßtique II, 1; Zeitschrift für Völkerpsychologie ö, 4 (ßteinthal); Kuhns Zeitschrift"l8,
4. 5. Heft; Preuli. Jahrbücher 23, 4.
65. Schacht, Dir. Dr. L. , Über Geschichte der deutschen Sprache von
den ältesten Zeiten bis zum Althochdeutschen. 4. 39 S.
Programm der Realschule 1. Ordnung in Elberfeld für 1868.
66. Höfler, C, K. Karls Verdienste um die deutsche Sprache.
Aus Avignon: Separatabdmck aus den Mittheilungen der k. böhm. Gesellschaft
der Wissenschaften VI. Serie, 1. Bd.
67. Thomsen, Den gotiske sprogklasser indflydelse pa den finske. (Leip-
zig. T. O. Weigel.)
Vgl. Literar. Centralbl. 1869, Nr. 20.
•68. Westphal, E. , Philosophisch-historische Grammatik der deutschen
Sprache, gr. 8. (XXVIII, 278 S.) Jena 1868. Mauke. 2 Rthlr. ,
Vgl. Germania 14, 380—38.3 (L. Tobler) ; Literar. Centralbl. 1869, Nr. 9 ; Magazin
f. d. Lit. des Auslandes Nr. 29; Satm-day Review 699.
69. Schade, Oskar, Paradigmen zur deutschen Grammatik, gotisch, alt-
hochdeutsch, mittelhochdeutsch, neuhochdeutsch. Für Vorlesungen. 2. Aufl. gr. 8.
(IV, 98 S.) Halle 1868. Buchh. d. Waisenhauses. 12 Ngr.
Vgl. Liter. Centralbl. 1869, Nr. 18 ; Zeitschr. f. d. österr. Gymnasien 19, Nr. 11 ;
Allgem. Lit. Anzeiger IH, 4.
70. Methn^r, Dr. J., Einführung in die deutsche Sprachlehre. 8. (94 S.)
Gnesen 1868. Lange, '/g Rthlr.
Vgl. Zeitschrift für deutsche philologie 1, 236—239.
71. Holzmann, M., Einige Bemerkungen über das Verhältniss des Mhd.
zum Nhd.
Zeitschrift für Völkeii^sychologie 5. Band, 3. Heft.
72. Woeste, F., Litterarische exegetische gi'ammatische und etymologische
beitrage aus dem berciche des niederdeutschen.
Zeitschrift für deutsche philologie 1, 214.
73. Olinger, Abbe, La langue nderlandaiae (flamande et hollandaise) ac-
compagnee d'un essai sur ses etymologies etc. Ouvrage dedie k S. M. le Roi. Tome I.
8. Bruxelles 1868. Muquardt. 2 Rthlr.
74. Koch, C. Friedr., Historische Grammatik der englischen Sprache.
3. Band: Die Wortbildung der englischen Sprache. 1. Theil. Angelsächsisch nebst
den andern germanischen Elementen, gr. 8. (XVI, 184 S.) Cassel u. Göttingen
1868. Wigand. 1 V3 Rthlr.
Vgl. Zeitschrift für deutsche philologie 1 , 371 fg. (M. Heyne) ; Revue de lin-
guistique H, 2 ; Allgem. Zeiümg 1868, Nr. 328.
75. Grube, Emil, On the condition of the english language at the close of
the 14*'' Century. 8. Berlin 1868.
Doctordissertation.
76. EUis, A. J., On early english pronounciation with especial reference
to Shakspere and Chaucer, containing an investigation of the correspondance of
writing with speech in England from the anglosaxon period to the present day.
Part I: On the pronounciation of the XIV. XVI. XVII. \ind XVIII. centuries. 8.
(VUI, 416 S.) London 1867. Trübner. S'/^ Rthlr.
Publication der Early English Text Society.
77. Eask, A .short, practical and easy method of learning the old norsk
BIBLIOGRAPHISCHE ÜBERSICHT. 473
tongue or icelandic language, with an icclandic reader by H. Lund. kl. 8. London,
Thimm. 4 s.
78. Rydqvist, J. E., Svenska spräkets lagar. Kritisk afhandling. IV. Bd.
1. Theil (Lautlehre). Stockholm 1868. Klemming. (227 S.) 2 Rthlr.
79. Dalin, A. F. , Öfverblick af Svenska spräkets Ordfamilier och Frlind-
skaps forhallanden (VI, 134 S.). Stockholm 1868. Beckmann.
80. Jessen, E., Dansk sproglsere. 8. (80 S.) Kjöbenhavn 1868. Gyldendal.
81. Wimmer, Ludw. , Den historiske Sprogforskniug og Modersmälet. 8.
(56 S.) Köbenhavn 1868.
Abdmck aus den Aarböger for nordisk Oldkyndighed 1868 , S. 257—312. Vgl.
Liter. Centralbl. 1869, Nr. 21.
82. Delbrück, Berthold, Die deutsche lautverschiebung.
Zeitschrift für deutsche philologie 1, 1-21. 133 — 156.
83. Wimmer, L, F. A. , Navneordenes Böjning i aeldre Dansk oplyst af
oldnordisk og andre sprog i vor sprogast. 8. (VI, 127 S.) Köbenhavn 1868. Prior.
Vgl. Liter. Centralbl. 1868, Nr. 13; Revue critique Nr. 18.
84. Meyer, Leo, Zur gotischen pronominalflexion.
Zeitschrift für deutsche philologie 1, 24.
85. Uppström, Wilhelm, Über das gothische Medium.
Germania 13, 173—178.
86. Walter, C. H. F. , Die starke Conjugation im Tatian. 4. (19 S.)
Kiel 1868.
Doctordissertation: Theil einer Ai-beit über die Foi'menl ehre der Mundart des Tatian.
87. Lucte, Prof. K., Über Bedeutung und Gebrauch der mhd. Verba auxi-
liaria. 1. Abtheilung. 4. (22 S.) Marburg 1868.
Einladungsschrift zum Prorectoratswechsel.
88. Schulze, C, Imperativisch gebildete Substantiva.
Archiv für das Studium der neueren Sprachen 43, 13 — 40.
89. Tobler, L., Über den Gebrauch des deutschen „und" mit Vergleichung
verwandter Spracherscheinungen.
Germania 13, 91—104.
90. Latendorf, Friedr., Die Endung er und die Partikel ofZer bei unbe-
stimmten Zahlenangaben.
Ebenda 202—207.
91. Andres en, Syntax des Numerus mit Beziehung auf J. Grimms Stil.
Neue Jahrbücher für Philologie und Pädagogik 98. Bd., 11. Heft.
92. Michaelis, Dr. G., Über J. Grimms Rechtschreibung, gr. 8. (28 S.)
Berlin 1868. Lobeck. 7 V^ Ngr.
Vgl. Allgem. Schulzeitung 1869,^,Nr. 6; Mensch, pädagog. Zeitung 1868, Nr. 51.
93. Über das Verhältniss des phonetischen Princips zum etymologischen
in J. Grimms Rechtschreibung.
Zeitschrift für Stenographie und Orthographie 16. Jahrg. 3. Heft.
94. Hipp auf, RectorHerm. , Ein Wort über deutsche Rechtschreibung.
Denkschrift zur 1000jährigen Jubelfeier des von Otfried verfassten im J. 868 nach
Chr. demK. Ludwig dem Deutschen gewidmeten ersten deutschen Buches. 8. (51 S.)
Halberstadt 1868, Fischer in Comm. Vi l^tUr.
474 BIBLIOGRAPHISCHE ÜBERSICHT.
95. Schulz, Bernh., Die Rechtschreibung im Deutschen. Mit Belegen aus
dem Alt- und Mittelhochdeutschen. 8. (VIII, 80 S.) Paderborn 1868. Schöuingh.
'/4 Rthlr.
96. Frisch, Kaspar, Die deutsche rechtschreibung auß den regeln irer
historischen entwicklung. und mit fergleich aller germanischen dialekte dargestellt.
8. (XV, 180 S.) Leipzig 1868. Häfele. 25 Ngr.
V. Deutsche Lexicographie.
97. Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm.
Fortgesetzt von Dr. Rudolf Hildebrand und Dr. Karl Weigand. 5. Band, 7. und
8. Lieferung [Knirren — Krachen], hoch 4. iSp. 1441 — 1920). Leipzig 1868.
Hirzel. k % Rthlr.
Desselben vierten Bandes zweite Abtheilung, bearbeitet von Dr. Moriz
Heyne. 1. Lief. [H— Halmenjungfrau], hoch 4. (Sp. 1 — 240). Ebend. % Rthlr.
98. Birlinger, A. , Nachträge zu J. und W. Grimms deutschem Wörter-
buch, 5. Band, 2. und 3. Lieferung. Von R. Hildebrand: Kartenbild — Kind.
Ai'chiv für das Studium der neueren Sprachen 41, 464 — 473.
99. Nesselmann, G. H. F. , Ein deutschpreußisches Vocabularium aus
dem Anfange des 15. Jahrhunderts. Nach einer Elbinger Handschrift mit Erläute-
rungen herausg. gr. 8. (III, 56 S.) Königsberg 1868. Theile. '/„ Rthlr.
Abdnick aus der altpreußischen Monatsschrift 5. Band. Vgl. Liter. Centralbl.
1869, Nr. 5; Kuhn und Schleicher, Beiträge 6. Band, 1. Heft; Anzeiger für Kunde der
deutschen Vorzeit 1869, Nr. 3; Zeitschrift für deutsche philologie 1, 256.
100. Dietz , Ph. , Wörterbuch zu Dr. Mart. Luthers deutschen Schriften.
I. und 2. Lief. Lex. 8. (S. 1—384). Leipzig 1868, Vogel, ä 1 Rthlr.
Vgl. Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung, 18. Band, 3. Heft.
101. Vries, M. de, en L. A. te Winkel, Woordenboek der Neederland-
sche Taal. Aflev. 7. roy. 8. (Sp. 961 — 1152). 's Gravenhage 1868. Nijhoff.
ä 16 Ngr.
102. Bosworth, J., Anglosaxon dictionary. New edition. 8. 1868. 12 s.
103. Skeat, W. W. , A Moeso-gothic glossary, with an introduction, an
outline of Moeso-Gothic Grammar and a List of Anglo-Saxon and Old and Modern
English Words etymologically connected with Moeso-Gothic. 4. London 1868.
3 Rthlr.
104. S tratmann, Franc. Henry, A dictionary of the english language of
the 13., 14. and 15. centuries. Part VIL gr. 8. (X S. u. S. 577—694). Krefeld
1867, Gehrich u. Co. in Comm. 1 '/g Rthlr., compl. 8 '/g Rthlr.
Vgl. Zeitschrift für deutsche philologie 1, 364-371 (Koch).
105. Stratmann, Franz Heinrich , Beiträge zu einem Wörterbuche der
englischen Sprache. 7. (Schluß-) Lieferung, gr. 8. (S. 481—557). Ebend. 1868.
k '/.j Rthlr.
106. Halliwell, J. C, Dictionary of archaic and proviucial words. 6'^ edi-
tion. 2 vol. 8. 1868. 15 s.
107. Grose, J., Classical dictionary of the vulgär tongue. New edition. 8.
1868. 6 s.
108. Kindblad, K. Ed., Ordbok öfver Svenska spr:lket. I, 3. 4 und
II, 1: arbutsiurättning — bräuua. gr. 8. Stockholm 1868. Eklund. (I, S. 257 — 480,
II, S. 1—112).
BIBLIOGRAPHISCHE ÜBERSICHT. 475
109. Dalin, A. F. , Svensk Handordbok, med tilla;g af ordens etymologi.
8. (VI, 802 S.) Stockholm 1868. Beckman.
110. Dahl, H. , 100 danske ord , nogle iagttagelser af modersmalet brug
i nutid og fortid. 8. (106 S.) Köbeohavn 1868. 15 Ngr.
111. Schmidt, Aug., Professor am Lyceum in Mannheim, Hülfsbuch für
den deutschen Unterricht in obern Gjmnasialklassen. Nebst einem Doppelanhang :
a. latein. Wörter im Altdeutschen; b. altdeutsche Wörter im Französischen, gr. 8.
(IV, 140 S.j Leipzig 1868. Teubner. 12 Ngr.
112. Brandes, Dr. H. K., Die deutscheu Wörter aus der Fremde. 8. (98 S.)
Detmold 1868. Meyer.
Vgl. Literar. Centralbl. 1868, Nr. 16.
113. Tyllberg, H. K. , Bidrag tili etymologiskt lexicon öfver främmende
ord i svenska spräget. 8. 612 S. "i^li Rthlr.
114. Mahn, K. A. F., Über den Ursprung und die Bedeutung der Namen
der europäischen Flüsse.
Stoa. Zeitschiift für die Interessen der höheren Töchterschulen, 1. Heft. S. 19 — 24.
115. Obermüller, Wilhelm, Deutsch-keltisches, geschichtlich geographi-
sches Wörterbuch zur Erklärung der Fluß-, Berg-, Orts-, Gau-, Volks- und Personen-
namen Europas, Westasiens und Nord-Afrikas im Allgemeinen, wie Deutschlands
insbesondere nach den daraus sich ergebenden Folgerungen für die Urgeschichte
der Menschheit. 7 — 10. Lief. gr. 8. (2. Band, S. 1—384). Leipzig 1868. De-
nicke, ä Va Kthlr.
116. Maeder, D. , Ein Wort über Aargauische Ortsnamen. 8. (45 S.)
Aarau 1867. Christen. 6 Ngr.
Vgl. Literar, Centralbl. 1868, Nr. 16.
117. Keltische und slavische Ortsnamen im südwestlichen Deutschland:
der Schwabenortsname Ganslosen.
Magazin für die Literatur des Auslandes 1868, Nr. 34,
118. Hundt, Graf Friedr. Hekt., Beiträge zur Feststellung der historischen
Ortsnamen in Bayern und des ursprünglichen Besitzgs des Hauses Scheyern- Witteis -
bach. [Aus den Abhandl. d. Ak. d. Wiss.] gr. 4. (79 S.) München 1868. Franz
in Comm. 1 Rthlr. 2 Ngr.
Vgl. Literai-, Centralblatt 1869, Nr, 5.
119. Petters, J., Über die deutschen Ortsnamen Böhmens.
Mittheilungen des Vereins für Gesclüchte der Deutscheu in Böhmen. 7. Jahr-
gang (1868).
120. Mülverstedt, v. , Ad vocem Dodeleben. Beitrag zur Untersuchung
über die Ortsnamens-Endungen -leben und -legen. 0. 0. (1868). 8.
121. Hinüber, Erklärung solcher namen von örtern und örtlichkeiten der
grafschaften Hoja und Diepholz, deren abstammung oder bedeutung sich nicht sofort
aus dem namen selbst ergibt, von einem Niedersachsen, gr, 8. (29 S,) 'Göttingen
1868, Dieterich in Comm. ^4 Rthlr.
122. Brandes, Prof. und Rector, Die weltlichen und geistlichen Herren
mit ihrem Gefolge in den geographischen Namen, 4,
Programm des Gj'miiasiums zu Lemgo 1868.
47 G BIBLIOGRAPHISCHE ÜBERSICHT.
123. Dyrlund, J., I anledning af Capitain E. Madsens afhandlinger om
danske stednavne.
Tidskrift for Philologi og Pädagogik, 7. Jahrgang (1868).
124. Madsen, E., Sjaelandske Stednavne. 8. Köbenhavn 1866.
Vgl. Kevuc critique 1868, Nr. 35.
125. Freudenthal, A. 0., Om svenska ortsnamn i egentliga Finland.
Med en sidoblik pa dem som förekomma i Satakunda och Osterbotten. Om
Alands Ortsnamn.
Bidrag tili kännedom of Finlands natnr och volk. 11. 12. Heft. Helsingfors
1868. 8.
126. Stark, Franz, Keltische Forschungen. I. Keltische Namen im Ver-
brüderungsbuche von St. Peter in Salzburg. 1. Theil. gr. 8. Wien 1868. Gerold
in Comm.
Aus dem 59. Bande der Sitzungsberichte der "Wiener Akademie S. 159—238
abgednickt.
127. Stark, Franz, Die Rosenamen der Germanen. Eine Studie. Mit drei
Excursen: 1. Über Germanen. 2. Über den Ursprung der zusammengesetzljen Na-
men. 3. Über besondere friesische Namensformen und Verkürzungen, gr. 8.
(III, 204 S.) Wien 1868. Tendier. 2 Rthlr.
Vgl. Zeitschrift für deutsche Philologie 1, 232-235 (Gerland); Kuhns Zeitschrift
18, Band, 3. Heft; Allgem. Zeitung 1868, Nr. 136; Augsburg. Postzeitung, Beilage 43.
128. Ruprecht, L., Zu den ostfriesischen Kosenamen.
Geimania 13, 301—310.
129. Stark, Franz, Über friesische Kosenamen.
Germania 13, 392—399.
130. Die deutschen Vornamen und ihre Bedeutung.
Hausblätter 1868, Nr. 26, S. 404.
131. Andre sen, Hoffmann von Fallersieben und die deutschen Fami-
liennamen.
Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung 18. Band, 4. Heft.
132. Andresen, Familiennamen auf -holz, -wald und -gold.
Neue Jahrbücher für Philologie und Pädagogik 98. Band, 3. Heft.
133. Andresen, K. G., Die deutschen Familiennamen auf -mann.
Archiv für das Studium der neueren Sprachen 42, 409 — 432.
134. Andresen, K. G., Imperativnamen.
Archiv für das Studium der neueren Sprachen 43, 395 — 404.
135. Meyer, Leo, Über die in Dorpat vorkommenden Familiennamen.
Vortrag.
Aus der baltischen Monatsschrift 17. Band, 4. Heft.
136. Clarnok, R. S. , Ludus patronymicus or etymologies of curious sur-
names. 8. 1868. 7 s. 6 d.
137. Gislasou, Konrad, Hc?7- som sidstc Led i sammensatte oldnordiske
Quindenavne.
Aarbüger for nordisk Oldkyndighed 1868, S. 351—353.
138. Baumann, W., Sprachliche Untersuchung der deutschen Müuzuameu.
Deutscher Sprachwart, 3. Band.
BIBLIOGRAPHISCHE ÜBERSICHT. 477
139. Wackernagel, Prof. Dr. Wilb. , Voces variae animantium. Pro-
gramm für die Eectoratsfoier der Universität. Basel 1867. Babnmaier. Yg Etlilr.
Vgl. Literar. Centralbl. 1868, Nr. 16.
140. Stegmann, H., Über deutsche Storchnamen.
Deutscher Sprachwart, 3. Band.
141. Winkel, L. A. te, Over de etjnnologie van Geen (Nullus).
Verslagen en Mededelingen der kgl. Akademie van Wetenschapen. Afdeel. letter-
kunde, 11 Deel, S. 225-233.
142. Winkel, L, A. te , Over de etymologie der woorden Noch, Nog en
Nochte.
Ebend. S. 100—111.
VI. Deutsche Mundarten.
143. Birlinger, A., Zur Dialektforschung.
Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung 18. Band, 1. Heft.
144. Birlinger, A., Zur Kunde der süddeutschen Mundarten des 17. und
18. Jahrhunderts.
Ai'chiv für das Studium der neueren Sprachen 43, 221 — 235. 1. Schweizer-ale-
mannisch (17. Jh.). 2. Bairisch-salzburgische Mundart (Aufang des 18. Jh.) 3. Klagliedl
zwayer bayr. baurey. 4. Sprachliches aus Forers Thierbuch. 5. Aus einem alemann.
Incimabel.
145. Birlinger, Dr. A., Die alemannische Sprache rechts des Eheines
seit dem 13. Jahrhundert. 1. Theil. Grenzen. Jahrzeitnamen. Grammatik, gr. 8.
(Vm, 206 S.) Berlin 1868. Dümmler. 1 V3 Ethlr.
146. Reinsberg - Düringsfeld , Frh. v. , Die Mundart des Burg-
grafenamts.
Archiv für das Studium der neueren Sprachen 43, 175 — 184.
147. Haltrich, Joh., Negative Idiotismen der siebeubürgisch-sächsischen
Volkssprache. Programm des evangel. Gymnasiums zu Schässburg 1866. 8. (56 S.)
Vgl. Archiv für das Studium der neueren Sprachen 42, 467.
148. Bertleff, Beiträge zur Kenntuiss der Nösner Volkssprache. Hermann-
stadt 1868. 8. Programm.
149. Rücker t, H., Entwurf einer systematischen Darstellung der schlesisch-
deutschen Mundart im Mittelalter (Fortsetzung).
Zeitsclu-ift des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens. 9. Bd., S. 27 — 72.
150. Rückert, H., Zur Charakteristik der deutschen mundarten in Schle-
sien. I.
Zeitschrift für deutsche philologie 1, 199 — 213.
151. Wander, K. F. W., Ein Wort über schlesische Mundart.
Rübezahl 1868, S. 266—269.
152. Regel, Karl, Die Ruhlaer Mundart, gr. 8. (VIII, 314 S.) Weimar
1868. Böhlau. 2 Rthlr.
Vgl. Ai-chiv für das Studium der neueren Sprachen 43, 441 fg. (Birlinger). Allo-.
Lit. Anzeiger IH, 5.
153. Gilow, Chr., Leitfaden zur plattdeutschen Sprache , mit besonderer
Berücksichtigung der südwestl. vorpommerschen Mundart, gr. 16. (VII, 115 S.)
Anclam 1868. Krüger in Comm. 1 Rthlr.
154. Über den Werth der plattdeutschen Mundart. 16. Jahresbericht
des altmärk. Vereins für vaterländ. Geschichte. Magdeburg 1868.
478 BIBLIOGRAPHISCHE ÜBERSICHT.
155. Winkler, Johan, Over de taal en de tongvallen der Friezen. gr. 8.
(53 S.) Leeuwarden 1868. Eckhofi". f. 0,30.
156. Halbertsma. J. H., Over de uitspraak van het Landfriesch.
Taalgids, Tijdskrift tot uitbreiding van de kennis der Nederlandsche Taal. IX,
1—51.
157. Winkler, Johan, De Leeuwarder tongval en het Leeuwarder taal-
cigen. Eene bydrage tot de kennis der Nederlandsche dialecten.
Ebend. S. 210-227. 293—309.
158. Sturzen -Becker, Wm. T. P., Some notes on the leading gramma-
tical characteristics of the priucipal early english dialects. An academical disser-
tation. 8. Copenhageu 1868.
^59. Lysons, S., Our Vulgär Tongue, a lecture on language in general
with a few words on Gloucestershire in particular, with an appendix containing
tables of the world-wide affinity of languages. kl. 8. (112 S.) London 1868.
Trübuer.
160. Schmeller, J. Andr., Bayerisches Wöi'terbuch. Zweite, mit des Ver-
fassers Nachträgen vermehrte Ausgabe im Auftrage der historischen Cimraission
hei der k. Akad. d. Wiss. bearbeitet von Gr. K. Frommann. l.Lief. München 1869.
Lit. Artist. Anstalt. Sp. 1 — 240: A — Baeumen.
Vgl. Germania 14, 114—116 (Lambel); 14, 247-254 (Schröer); Allgem. Zeitung
1869, Nr. 38.
161. Birlinger, A., Fränkisches.
Archiv für das Studium der neueren Sprachen 42, 477 fg.
162. Birlinger, A., Klatte. — Kräl, Krail.
Archiv für das Studium der neueren Sprachen 43, 469.
163. Bech, Fedor, Beiträge zu Vilmars Idioticon von Kurhessen. 8. (26 S.)
Zeitz 1868.
Programm des Gymnasiums.' Vgl. Literar. Centralbl. 1868, Nr. 41.
164. Beyersdorff, Dr., Über Slavisches im Deutschen. Beiträge zu einem
Idiotikon.
Kübezahl 1868, S. 446-449. 497—499. 549—552.
165. Atkinson, J. C. , A glossary of the Cleveland Dialect, explanatory
derivative and critical. 4. (670 S.) London 1868. Smith. 8 Rthlr.
166. Huntley, R. W., Glossary of Cotswold Dialect. 8. 1868. 2 8.
(Gloucestershire-dialect.)
167. Rheinschwäbisch. Humoristische Gedichte vom Verfasser „des
weiland Gottlieb Biedermaier". 16. (III, 196 S.) Curlsruhe 1868. Bielefeld. 12Ngr.
168. Stein, Wilhelm, Us 'm Neckerdhai. Gedichte in schwäbischer Mund-
art, gr. 16. (VIII, 138 S.) Stuttgart 1868. Grüninger. 18 Ngr.
169. Kobell, Franz v., G'schpiel. Volksstücke und Gedichte in oberbay-
rischer Mundart. 8. (VII, 215 S.) München 1868. DempwolflF. 1 Rthlr.
Vgl. Über Land und Meer Nr. 37.
170. Gedichte in fränkischer Mundart. Von A— R. 32. (23 S.) Würz-
burg 1868. Stahel. 3 Ngr.
171. Bilder und Klänge aus Rudolstadt. In Volksmundart. (Von Anton
Sommer.) 1. Heft, 4. Aufl. Mit einer Musikbeilage. 16. (120 S.) Rudolstadt 1868.
Scheitz. V3 Rthlr.
BIBLIOGRAPHISCHE ÜBERSICHT. 479
172. Giebe Ihauseu, C. F. A , Der Berggeist. Ernste und heitere Mit-
theilungen aus Mansfelds Vor- und Neuzeit in Volksmuudart. 8. (XII, 120 S.)
Halle 1868. Pfeffer. y„ Rthlr.
Vgl. Rübezahl 1869, 2. Heft.
173. Plattdeutsche Dichter.
Magazin für die Literatur des Auslandes 1868, Nr. 23.
174. Kien n er, De plattdütsche, up dat Jahr 1869, unner Byhulp van Jan
van Buten, Kassen Dukdal, Dr. Swerenoth etc. herutgowen v. K. Fr. B — n. 8.
(XVI, 104 S.) Jever 1868. Mettcker. 6 Ngr.
175. Rieme un Biller. 4. Heft d'r Verzietssagen. gr. 4. (8 lith. Seiten mit
eingedr. Text.) 2. Abdr. Nord nausen 1868. Förstemann. 2 y2 Ngr.
176. Snörken un Hamörken. Plattdütsche Rimels vun mi sülwst. 8. (VIII,
224 S.) Hannover 1869. Cruse. Vg Rthlr.
177. Gilow, Chr., Vörspill to'r Hochtid. gr. 16. (56 S.) Anclam 1867.
Krüger in Comm. ^/i Rthlr.
178. Hill, Eud., Lütte Schnurren. Plattdeutsche Gedichte. 8. (VI, 156 S.)
Prenzlau 1868. Vincent. I2V2 Ngr.
179. Reuter, Fritz, sämmtliche Werke. 13. Band. 8. (V, 354 S.) Wismar
1868, Hinstorff. 1 Rthlr.
Inhalt: Olle Kamellen. 7. Theil: De meklenbörg. Montecchi und Capuletti oder
de Reis' nach Konstantinopel. 1—3. Auflage.
180. Dieselben, 7. Band. 6. Auflage. 8. (IV, 301 S) Ebend. 1868. 1 Rthlr.
181. Brinckman, John, Kasper Ohm un ick. Schiemannsgoarn. De 2.
Uplag un dreeduwwelt Maat m. een feines Bild uht P. Tischbeinen sien Warkstähr.
gr. 16. (385 S.) Rostock 1868. Leopold. 1 V3 Rthlr.
182. Dumm Hans oder dat Hasenhöden. Ene wehrhaft Geschieht, de sik
vor Ollers mal begeben het, nach Vattiug Möllern sine Vertelling un in sine Mundort
dalschreben in teigen Singsangs v. Mi. Ene Angeigeschicht m. en prächt. Titel-
bild, gr. 8. (X, 61 S.) Bützow 1868. '^ Rthlr.
183. Groth, Klaus, Quickborn. Mit Holzschnitten nach Zeichnungen von
0. Speckter. 2. unveränd. Aufl. Billige Ausgabe. 1. Lief. gr. 8. (40 S. mit ein-
gedr. Holzschn.) Hamburg 1868. Mauke. V4 Rthlr.
184. Schröder, W., Dat Wettloopen twischen den Swinegel un den Hasen
up de lütje Haide bi Buxtehude. Plattdeutschcö Volksmärchen. Als Anhang: de
Bruutganter. Humoreske, gr. 8. (20 S.j Hannover 1868. Seefeld. 6 Ngr.
185. Derselbe, Swinegels Levensloep un Enne in n Staate Mufirika.
4. 1868.
186. Büsing, P., Wie Harm Ahlers upper Melkstraten seilde. En Vertellsel
van Gerd Tenjers. 16. (105 S.) Bremen 1868. Tannen. Vg Rthlr.
187. S w an n e b lum men. Jeirboekje for it skrikkeljier 1868. Utjown fen 't
Selscip foar Frysce Taal in Scriftenkinnisse. 8. (76 S.) Liowerd 1868. Akke-
ringa. f. 0.30.
188. Iduna. Frisk rim end ilnrim. Utjown fen't selskip for Friske taal end
skriftenkennisse. Oarde Rige. 24. Jierg. Liowerd 1868. Akkeringa. f. 1,00.
189. Sitstra, Härmen, Telljes en Eimkes. 8. (96 S.) Leauerd 1867.
S uringar.
190. Barnes, W., Poenvs of rural life in commun english. 12. 1868. 6 s.
(Dorset-dialect.)
480 BIBLIOGRAPHISCHE ÜBERSICHT.
191. Brierly, B., Al-o'-th'-Yate on Times and Things. 12. 1868. 1 s.
192. Derselbe, Al'o'-th'-Yate in London. 12. 1868. 2 s. (beide Lanca-
shiredialect.)
193. Hawker, R. S., Cornish Ballads. 12. 1868. 5 s.
194. Waugh, E., Birthplace of Tim Bobbin in the parish of Ilexton. 12.
1868. 6 d.
195. Derselbe, SneckBant, or Th'Owd Tow-Bai-, 12. 1868. 1 s.
196. Derselbe, Th'Owd Blanket. 18. 1868. 1 s.
197. Derselbe, Yeth Bobs an 'Scaplius. 12. 1868. 6 d.
VII. Deutsche Mythologie.
198. Hauff, G., Über die Religion der alten Deutschen.
Deutsche Vierteljahrsschrift Nr. 122, S. 1 ff.
199. Jessen, E. , Smating om oldnordiske digte og sagn. „En indsigelse."
Historiske Tidsskrift HL Rsekke, 6. Band, S. 226—284.
200. Weinhold, K., Die deutschen zwölfgötter.
Zeitschrift für deutsche philologie 1, 129 — 132.
201. Wodan als Jahrsgott.
Protestantische Kirchenzeitung 1868, Nr. 13.
202. de Jonge, W. F., Over de godin Nehalennia. Kronijk van het histo-
rish genootschap te Utrecht. 23. Jahrgang (1868).
203. Schröer, K. J., Zalmolxis.
Gei-mania 13, 214—215.
204. Kern, J. H. C, Over het woord Zarathustra en den mythischen per-
soon van dien naam.
Verslao-en en Mededeelingen der k. Akademie van Wetenschappen, Afdel. Let-
terkunde XI,°132— 164.
205. Lasicii Poloni, Job,, De diis Samagitarum libellus. Herausgegeben
von W. Mannhardt, mit Nachträgen von A. Bielenstein. gr. 8. (66 S.) Riga 1868.
Bacmeister. 8 Ngr.
Aus dem Magazin der lettisch-literär. Gesellschaft.
206. Gröndal, B. , Ragnarökkur kvasdi um nordurlanda gudi. 8.
(122 S.) Va Rthlr.
207. Kuhn, A. , Der schuss des wilden Jägers auf den sonnenhirsch ; ein
beitrag zur vergleichenden mythologie der Indogcrmanen.
Zeitschrift für deutsche philologie 1, 89 — 119.
208. Mannhardt, Wilhelm, Die Komdämonen. Beitrag zur germanischen
Sittenkunde, gr. 8. (VI, 48 S.) Berlin 1868. Dümmlcr. 12 Ngr.
Vgl. Revue critique 1868, Nr. 34 ; Allgem. Lit. Anz. III, 2 5 Westermanns Monats-
hefte 1868, April.
209. Schröer, K.J., Der Tod als Jäger.
Gemania 13, 104.
210. Wagner, J. M., Unsselde.
Germania 13, 318—320. W. ist entgangen, daß das Gedicht, das er aus der
Handschrift der W. Hofbibliothek Nr. 2981 (nicht 2921, wie a. a. O. irrig steht) mit-
theilt schon in meinen Meisterliedem S. 614 nach der Heidelberger Hs. 392 gedruckt
war. Die Strophenfonn ist aber genau die Alment des Stollen.
211. Liebrecht, F., Die Todten von Lustnau.
Gei-mama 13, 161—172.
BIBLIOGRAPHISCHE ÜBERSICHT. 481
212. Buxtorf-Falkeisen, Di*., Baslerische Stadt- und Landgeschichten.
4. Heft. A. u. d. T. : Basler Zauberprocesse aus dem 14. und 15. Jh. gr. 8. (XIV,
30 S.) Basel 1868. Schweighauser. 8 Ngr.
Vgl. Menzels Literaturblatt 1868, Nr. 18.
213. Schneller, Jos., Das Hexenwesen im Gebiete Lucerns am Ende des
16. Jahrhunderts.
Der Geschichtsfreund, 23. Band.
214. Tschischwitz, B,, Nachklänge germanischer Mythe in den Werken
Shaksperes. 2. vermehrte Ausgabe (VIII, 146 S.) Halle 1868. Barthel. 24 Ngr.
A. u. d. T. : Shakspere-Forschungen. II.
215. Köhler, R., Der Fisch Celebrant.
Germania 13, 399—400. Zum Münchener Naclitsegen.
216. Köhler, R., Segensprüche.
Germania 13, 178—188.
217. Birlinger, A., Besegnungen.
Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit 1868, Sp. 395 fg. Aus der Hs. 22 der
Eegensbm-ger Stadtbibliothek (15. Jh.).
218. Be sprechungsformeln (aus Pommern 1604).
Magazin für die Literatur des Auslandes 1868, S. 635.
VIII. Märchen und Sagen.
219. Grimm, Brüder, Kinder- und Hausmärchen. Kleine Ausgabe. 13. Auf-
lage. 16. (VI, 311 S.) Berlin 1868. Dümmler. '/a Rthlr.
220. Musäus, J. K. A., Volksmärchen der Deutschen. Mit Einleitung und
Anmerkungen herausgegeben von Moritz Müller. In 3 Theilen. 8. (XV, 537 S.)
Leipzig 1868. Brockhaus. 1 Rthlr.
A. u. d. T. : Bibliothek der deutscheu INatioualliteratur des 18. und 19. Jh.
3. 4. Band.
221. Musäus, J.K. A., Volksmärchen der Deutschen. 4. Thl. (S. 49-164.)
National-Bibliothek sämmtlicber deutscher Classiker, 34. Lieferung. Berlin 1867.
Hempel. 1^/^ Ngi-.
222. Musäus' Volksmärchen der Deutschen. Für die Jugend ausgewählt
und erzählt von Alb. Ludw. Grimm. Mit 6 Bildern-, gr. 8. (VII, 477 S.) Leipzig
1868. Gebhardt. 2 Rthlr.
223. Grässe, Hofrath Dr., Märchenwelt. Anthologie der schönsten und be-
liebtesten Märchen und Sagen aller Völker und Zeiten für die Jugend und ihre
Freunde. 1 — 4. Lief. gr. 8. (S. 1 — 254). Leipzig 1868. Schäfer, ä 74 Ktblr.
224. Sutermeister, 0., Kinder- und Hausmärchen aus der Schweiz. 16.
(XVI, 120 S.) Aarau 1869. Sauerländer. 12 Ngr.
Dasselbe mit Holzschn. 16. (XIX, 184 S.) 26 Ngr. Vgl. Europa 1869, Nr. 2;
Schweizer-Lehrzeitung 1868, Nr. 50.
225. As bj ö r US e n, P. Chr., og Jörgen M o e, Norske Folke-Eventyr, fortalte.
4. Udgave. 8. (XVI, 322 S.) Christiania 1868. 1 Rthlr. 24 Ngr.
226. Marelle, Charles, Die französischen Märchen von Perrault, illustr. von
G. Dore, mit der Bearbeitung M. Hartmanns und der Grimmschen Sammlung ver-
glichen. Vortrag, gehalten in Berlin, gr. 8. (16 S.) Berlin 1868, Mitschier u.
Rösteil. Vg ßthlr.
Abdruck aus dem Archiv für das Studium der neueren Sprachen 41, 405 — 420-
GE11V1\NIA. Neue Reihe U. (XIV.) Jahrg. 31
482 BIBLIOGRAPHISCHE ÜBERSICHT.
227. Rochholz, E. L., Schweizersagen von der Weibertreue.
Germania 13, 311—318.
228. Weininger, H., Das „goldene Rößel" zu Altötting.
lUnstrirte Zeitung 1317, S. 221.
229. Proschko, Dr. Isidor, Historische Erzählungen und Sagen aus der
Steiermark, gr. 8. Gratz 1868. Pock. 20 Ngr.
230. Födisch, J. E., Felsensagen aus Böhmen.
Mittheilungen des Vereins für Geschichte der Deutschen in Böhmen , 7. Jahrg.
3. Heft.
231. Böhmische Getreide sagen.
Die Biene 1868, Nr. 19.
232. Peter, Prof. Dr. A., Der starke Hans. Sage aus Österr. Schlesien.
Rübezahl 1868, S. 150.
233. Derselbe, Bräuche und Sagen aus Österreichisch Schlesien. 1. Marak
und Marena. 2. Die bestrafte Müllerin. 3. Die Blutmänner.
Ebend. S. 203-206.
234. Grässe, Dr. J. G. Th., Sagenbuch des preußischen Staates. 9. 10.
Lieferung, gr. 8. (1. Band, S. XV u. S. 641—784 S.) Glogau 1868. Flemming.
k V4 Ethlr.
235. Engelien, A., und W. Lahn, Der Volksmund in der Mai'k Branden-
burg. Sagen, Märchen, Spiele, Sprichwörter und Gebräuche. 1. Theil. gr. 8. (VHI,
285 S.) Berlin 1868. W. Schultze. % Rthlr.
Vgl. Literar. Centralbl. 1869, Nr. 10; Magazin für die Lit. d. Ausl. Nr. 13; Nord-
deutsche Schulzeitung Nr. 14 ; Allgem. Deutsche Lehrerzeitung Nr. 24 ; Allgem. Lit.
Anzeiger III, 5.
236. Lagmann, Dr., Volkssagen vom Rübezahl.
Rübezahl (Schlesische Provinzialblätter) 7, 28 — 29.
237. Haupt, Pastor K. J. Th., Lerchenborner Sagen. 1. Ursprung des Na-
mens. 2. Der Sündenbusch und die heil. Hedwig. 3. Der Graurockswinkel.
Rübezahl 7, 206-207.
238. Haupt, K., Zweiter Nachtrag zum Sagenbuche der Lausitz.
Neues Lausitz. Magazin 44. Band, Görlitz 1868.
239. Franck, Wilh., DieBurgender hessischen Bergstraßen, ihre Geschichte,
Anlage und Sagen. Mit 1 litbogr. Tafel. 8. (50 S.) Heppenheim 1868. y^ Rthlr.
240. Mainzer Domsagen.
Kirchenschmuck. Ein Archiv etc. 23. Band, 2. Heft.
241. Waldbrühl, W. V., Die Lureleysage. Ein Beitrag zur deutschen Sa-
genkunde. 8. Cöln 1868. Ahn 5 Sgr.
242. Grandjean, C, Loreley. Ursprung des Namens und der Sage.
Magazin für die Literatur des Auslandes 1868, Nr. 21.
243. Kubier, Ludw., Bilder von Rügen und Rügens Sagen, gr. 16. (VHL
115 S.) Stralsund 1868. Hingst in Comm. 16 Ngr.
244. Strackerjan, L., Aberglaube und Sagen aus dem Herzogthum Olden-
burg. 2 Bände. 8. (XIV, 788 S.) Oldenburg 1858. Stalling. 2 Rthlr.
Vgl. Liter. Centralbl. 1868, Nr. 50 (A. K.) ; Götting. Gelehrte Anzeigen Nr. 3p
(R. Köhler); Allgem. Liter. Anzeiger III, 2; Westermanus Monatshefte, Juli; Köln Zei-
tung 88; Illustr. Zeitung 1307.
245. Sagn, nordiske. Samlede og utgivne af C. Berg og E. Gedecken. 8.
(308 S) Köbenhavn 1868. Steen.
I
BIBLIOGRAPHISCHE ÜBERSICHT. 483
246. Bruun, H., gamle danske Minder eller Skildringer, Fortaellinger , og
Sagn om Danmarks gamle Byer, Kirker, Klostre, Kongeborge, Slotte, Herregaar-
de og mindevaerdige Steder i aeldre Tider. 1. Heft (S. 1 — 32). 8. Köbenliavn
1868. ä 4 Ngr.
247. Rochholz, E. L., Das thiermärchen vom gegessenen herzen.
Zeitschrift für deutsche philologie 1, 181 — 198.
248. Daum er, G. F., Die Mythen und Sagen von wundersamen Meer-
geschöpfen und Meerbewohnem.
Illustr. Deutsche Monatshefte 1868. October.
249. Köhler, Reinh., Der Leviathan am Angel.
Germania 13, 158—159.
250. Richter, Alb., Deutsche Heldensagen des Mittelalters. Erzählt und
mit Erläuterungen versehen. 2 Bände, gr. 8. (XII, 694 S.) Leipzig, 1868. Brand-
stetter. 27^ Rthlr.
Vgl. Wissenschaftl. Beilage d. Leipziger Zeitung 1867, Nr. 101 ; N. Jahrbücher
f. Philol. und Pädagog. 1868, 6. Heft-, Magazin f. d. Lit. d. Ausl. Nr. 18.
251. Fuchs, Fr., Der Sigfridstein in Worms, seine Sage und deren Ver-
hältniss zum Namen der Stadt.
Westermanns illustr. Monatshefte 1868, Mai.
252. Meyer, Dr. Karl, Die Dietrichssage in ihrer geschichtlichen Entwick-
lung, gr. 8. (HI, 55 S.) Basel 1868. Georg, '/g Rthlr.
Vgl. Zeitschrift für deutsche philologie 1, 375 fg. (E. H. Meyer); Heidelberger
Jahrbücher 1868, S. 149-151 (E. Martin); Magazin f. d. Lit. d. Ausl. 1869, Nr. 20.
253. Birlinger, A., Vom alten Hillepvandt disputieren.
Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit 1868, Sp. 264.
254. Wackernagel, W., Zur Alexandersage. I. Zum Julius Valerius.
Zeitschrift für deutsche philologie 1, 119—124.
255. Leith, Edw., Tyrrell, On the legend of Tristan, its origin in myth and
its developement in romance. (Read before the Bombay Brauch of the royal asiatic
Society.) Bombay 1868. 8. (35 S.)
Vgl. Revue critique 1869, S. 221 — 222.
256. Barbarossa und die Sage von seiner Wiederkehr.
Sonntagsblatt von E. Dohm 1868, Nr. 1 fg.
257. DeVries, J., Genoveva.
Volks-Almanak voor 1868 , uitgegeven door de Maatschappij : Tot Nut van 't
Algemeen. 8. (S. 65 - 85). Amsterdam.
258. Dümmler, E., Über die Sage von den sieben Ungern.
Nachrichten der k. Gesellsch. der Wisseusch. in Göttingen 1868.
259. Rochholz, E. L., Teil als Zauberschütze.
Germania 13, 39-58.
260. Das älteste Faust buch. Wortgetreuer Abdruck der editio princeps
des Spieß'schen Faustbuches v. J. 1587. Nebst den Varianten des Unicums v. J.
1590. Mit Einleitung und Anmerkungen von Dr. Aug. Kühne, gr. 8. (XX, 256 S.)
Zerbst 1868. Luppe. IV3 Rthlr.
Vgl. Archiv für das Studium der neueren Sprachen 43, 198.
261. Deutschlands Schild- und Wappensagen.
Illustrirte Zeitung 1292 — 1328.
262. Deutschlands Wappensagen.
Illustnrte Zeitung 1284.
31*
484 BIBLIOGRAPraSCHE ÜBERSICHT.
IX. Volks- und Kinderlicder, Sprichwörter, Sitten und Gebräuche.
263. Auerbach, B., Andeutungen über Zustand und Zukunft des Volks-
liedes im Volke selber. [Vortrag, gehalten im Verein für neuere Sprachen zu Berlin.]
In: Auerbach, Deutsche Abende. Stuttgart 1867, S. 237—252.
264. Zur Geschichte des deutschen Volksliedes.
Magazin für die Literatur des Auslandes 1868, Nr. 46.
265. Sachse, Dr., Über Volks- und Kinderdichtung nebst einigen west-
phälischen Volks- und Kinderliedern. 8. Berlin 1869. (26 S.)
Jahresbericht über die höhere Knaben-Schule, Potsdamer Str. Nr, 3.
266. Das Schauerliche und Unheimliche im Volksliede.
Europa 1868, Nr. 26.
267. Germanien s Völkerstimmen. Sammlung der deutschen Mund-
arten in Dichtungen, Sagen, Mährchen, Volksliedern etc. Hrsg. von J. M. Firme-
nich-Richartz. Nachträge. A. u. d. T. Volksdichtungen nord- und südeuropäischer
Völker alter und neuer Zeit, hoch 4. (IV, 86 S.) Berlin 1868. Schlesinger in
Comm. % Rthlr.
268. Weller, E., Volkslieder und Volksreime.
Serapeum 1868, Nr. 1—5.
269. Sztachovics, Braut-Sprüche und Braut-Lieder auf dem Heideboden in
Ungern gesammlet und geordnet, gr. 8. (327 S.) Wien 1867. Braumüller in Comm.
270. Etienne, Louis, La Suisse et ses ballades.
Revue des deux mondes 1868, September, p. 81.
271. Grün, Anastasius, Volkslieder aus Krain.
Der Salon 1868, Heft 4, S. 406.
2 72. Oberschlesische Volkslieder. Nach Roger's Sammlung übertragen
von E. Erbrich.
Rübezahl 1868, S. 365 fg.
273. Dornick, Oberlausitzische Volkspoesie.
Neues Lausitz. Magazin 44. Band, Görlitz 1868.
274. Bishop Percy's Folio-Manuscript. Ballads and Romances edited by
J. W. Haies and F. Furnivall, assisted by Prof. Child af Harvard Univers., W.
Chappell etc. 3 vol. 8. London 1868. 2 £. 2 s.
Vgl. Gott. Gel. Anzeigen 1868, Nr. 48 (Liebrecht).
275. Bell, R., Early ballads. New edition. 12. 1868. 1 s. 6 d.
276. Chappell, Old english ditties. roy. 8. 1868. 10 s. 6 d.
277. Famous Merry Ballads. 4. 1868. 1 s.
278. Morley, H., King and Commons; Cavalier and Puritan songs. 18.
1868. 2 s. 6 d.
279. Maidment, J., Scottish Ballads and Songs, historical and traditionary.
2 vol. kl. 8. (700 S.) London, Hamilton. 8 Rthlr.
280. Kristensen, E. T. , Jydske folkeviser. Toner i sagn og seventyr.
1. Heft. 8. (40 S.) 7V2 Ngr.
281. Kinderleben. Lieder und Reime aus alter und neuer Zeit. Mit Illustr.
von L. Richter. 6. Aufl. gr. 8. (XI, 139 S.) Leipzig 1868. Broekhaus. l Rthlr.
282. Haupt, K., Kinderreime und Kinderspiele. Ein Beitrag zur Volks-
poesie der Lausitz.
Ncnos Lnusitz. Mafraziii 15. IJand.
BIBLIOGRAPHISCHE ÜBERSICHT. 435
?83. Waldau, A., Die Vögel in den böhmischen Kinderliedern.
Magazin für die Literatur des Auslandes 1868, Nr. 23.
284. Münz, Dr., Ein merkwürdiges Kindergebet.
Annalen des Vereins für Nassauische Alterthumskunde. 9. Band, Wiesbaden 1868
285. Ottow, A. M., Beiträge zur Sprichwörterliteratur.
Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit 1868, Sp. 193—196.
286. Tobias, A., Beiträge zur Sprichwörter-Litteratur.
Serapeum 1868, Nr. 10.
287. Herzog, H., Das Sprichwort in der Volksschule, gr. 8. (VIII, 264 S.)
Basel 1868. Bahumaier. 24 Ngr.
Vgl. Theolog. Quartalschrift 1869, Nr. 1; Müller, Mittheihmgen und Nachrich-
ten Nr. 3.
288. Wander, K. F. W., Deutsches Sprichwörter-Lexicon. 19. — 22. Lie-
ferung, hoch 4. (Band 2, Sp. 385—896). Leipzig 1868. Brockhaus, k ^^ Rthlr.
289. Birlinger, A., So sprechen die Schwaben. Sprichwörter, Redens-
arten, Reime. 16. (VIII, 136 S.) Berlin 1868. Dümmler. 12 Ngr.
Vgl. Nationalzeitung 1869, Nr. 278; Allgem. Familienzeitung Nr. 20.
290. Schröder, C, Hundert niederdeutsche Sprichwörter, gesammelt aus
mittelniederdeutschen und niederrheinischen Dichtungen.
Archiv für das Studium der neueren Sprachen 43, 411 — 420.
291. Hesekiel, G., Land und Stadt im Volksmunde. 8. Berlin 1868. Jancke.
292. Franck, J., Über die sprichwörtliche Redensart „Hunde führen".
Deutscher Sprachwart 1868, Nr. 13, S. 202.
293. Wagner, J. M., X für U.
Germania 13, 270.
294. Hislop, A., The proverbs of Scotland, with explanatory and illustra-
tive notes and a glossaiy. New edition revised and eupplemented. 12. (370 S.)
London, Simpkin.
295. Crull, Dr., Till Eulenspiegels Grab.
Jahrbücher des Vereins für mecklenburg. Geschichte. 32. Jahrgang.
296. Labes, E., Volksthümliches in Glaube und Sitte, Sprüchen und Liedern.
Blätter für literar. Unterhaltung 1868, Nr. 27.
297. Die Sonn- und Mondfinsternisse in Brauch und Glauben des Volks.
lUustrirte Zeitung Nr. 1312, S. 130.
298. Vorspukende Thiere und Menschen.
Europa 1868, Nr. 20.
299. Alte Haus -Talismane.
Thurgauische Beiträge zur vaterländ. Geschichte, 9. Heft (1868).
300. Das Brot im Spiegel schweizerdeutscher Volkssprache und Sitte. Lese
schweizerischer Gebäckenamen. Aus den Papieren des schweizerdeutschen Idioti-
kons. 8. (VIII, 186 S.) Leipzig 1868. Ilirzel.
Vgl. Germania 14, 117 fg. (Strobl); Archiv für das Stud. d. neuern Sprachen
43, 440 (Birlinger) ; Allgem. Liter. Anzeiger III, 4 ; Magazin für die Liter, des Ausl.
1869, Nr. 23; Schweizer Lehrerzeituug Nr. 5; Volksblatt für Stadt und Land Nr. 33.
486 BIBLIOGRAPHISCHE ÜBERSICHT.
301. Ein Bild deutscher Volkslust. Sichelhänget und Hahnentanzen im
Steinlachthal in Schwaben.
Die Gartenlaube 1868, Nr. 5, S. 75.
302. Reinsberg-Düringsfeld, Frh. v., Bräuche und Feste im Burg-
grafenamt.
Allgem. Zeitung, Woehenausgabe, 1868, Nr. 49.
303. Harnisch, Franz, Aberglaube auf dem Frankenwalde.
Mittheilungen aus dem Archive des voigtländ. Alterthumsvereins in Hohenleuben.
Weida 1868.
304. Födisch, J., Volksthümliches aus dem nordwestl. Böhmen (Schluß).
Mittheilungen des Vereins für Geschichte der Deutschen in Böhmen. VII. Baud,
6. Heft.
305. Sitten und Gebräuche in Oberschlesien. I. Die Einladung zur Hoch-
zeit. Von H. H — n.
Rübezahl 1868, S. 355 fg.
306. Meier, Hermann, Ostfriesland in Bildern und Skizzen, Land und Volk
in Geschichte und Gegenwart geschildert. Mit einer Auswahl plattdeutscher Kinder-
und Volksreime und einem statistischen Anhang. 8. (VHI, 258 S.) Leer 1868.
Securius. ^4 Rthlr.
Vgl. Allgem. Lit. Anzeiger HI, 2.
307. De Vries, J., Oude Wijs in nicuwe Lederzakken.
Volks-Almanak voor 1868. Amsterdam, S. 87—96.
308. Das Tod - Austragen vor Ostern iti Mähren und Schlesien.
Über Land und Meer 1868, Nr. 29.
309. Rochholz, E. L., Die deutschen Osterbrote.
Hlustrirte Zeitung Nr. 1292 - 1294.
310. Rochholz, E. L., Pfingstbrote.
Hlustrirte Zeitung Nr. 1299-1300.
311. Die Sonnwendfeuer.
Die Gartenlaube 1868, Nr. 24.
312. Die Johannisfeier im heil. Köln.
Die Gartenlaube Nr. 25.
313. Lütolf, M., Zu den agrarischen Bräuchen in der Schweiz.
Germania 13, 210—212.
314. Die Martinsgans.
Die Gartenlaube 1868, Nr. 44.
315. V er wijs, E., St. Maarten.
Volks-Almanak voor 1868, S. 151—168.
316. Der Niki a- (St. Nikolaus) Abend.
Über Land und Meer 1868, Nr. 11.
317. Asmus, Heinr., Weihnachtsumzüge im Mittelalter.
Europa 1868, Nr. 49.
318. Weihnachtsbilder. L Des Festes Ursprung.
Korrespondent von und für Deutschland 1868, Nr. 629.
319. Weihnachtsbräuche.
Elustrh-te Zeitung Nr. 1277.
BIBLIOGRAPHISCHE ÜBERSICHT. 487
320. Die culturgeschichtliche Weihnachtsfeier.
lUustrirtes Familien- Journal 1868, Nr. 1.
321. Weihnachten im Elsaß.
Illustrirte Zeitung Nr. 1329.
322. Jacobs, Ed., Über verschiedene, meist dem Mittelalter entstammende
öffentliche Darstellungen, Aufführungen (Komödien) und Gebräuche in der Graf-
schaft Wernigerode.
Zeitscln-ift des Harz-Vereins für Geschichte und Alterthumskunde, 1. Jahrgang,
1. Heft. Wernigerode 1868.
323. Das älteste Passionsspiel.
Europa 1868, Nr. 14.
324. Das Passionsspiel zu Brixlegg.
lUustm-te Zeitimg Nr. 1314.
325. Steub, L., Aus dem Unterinnthal. 1. Das Passionsspiel in Brixlegg.
Die Gartenlaube 1868, Nr. 47.
326. Pailler, W., Das Passionsspiel zu Brixlegg. 1868. 16. (112 S.)
Innsbruck 1868. Wagner. 4 Ngr.
327. Das Passionsspiel im Sarnthal.
Wochenausgabe der Allgem. Zeitung 1868, Nr. 2—4.
328. Das Passionsspiel im Sarnthal.
Das Ausland 1868, Nr. 1, S. 6 (R. D.).
329. Zuckmantier Passions spiel herausgeg. und erläutert von A. Peter,
Professor in Troppau. 4. (40 S. m. Musikbeilage.) Troppaul 8 68. Schüler in Comm.
Programm des Troppauer Gymnasiums. Vgl. Germania 13, 486; Menzels Lite-
raturblatt 1869, Nr. 33.
X. Alterthümer und Culturgeschichte.
330. Rückert, Dr. E., Die Pfahlbauten und Völkerschichten Osteuropa's,
besonders der Donaufürstenthümer. Mit 1 Lith. gr. 8. (VI, 76 S.) Würzburg 1869.
Stuber. V2 Rthlr.
Vgl. Literar. Centralbl. 1869, Nr. 20; Anzeiger f. K. d. d. Vorzeit Nr. 4; Österr.
Gartenlaube Nr. 13.
331. Bluhme, Frd., Die Gens Langobardorum und ihre Herkunft. Festgruß
zum 12. Sept. 1868 an M. A. v. Bethmann-HoUweg. gr. 8. (35 S.) Bonn 1868.
Vgl. Literar. Centralblatt 1868, Nr. 44.
332. Pf ister, Hermann, Über den chattischen und hessischen Stamm und
die älteste Geschichte des chattischen Stammes nebst einer Karte der chattischen
Gaue. 8. (51 S.) Kassel 1868. Luckhardt. '/g Rthlr.
Vgl. Liter. Centralbl. 1868, Nr. 50.
333. Essellen, M. F., Geschichte der Sigambern und der von den Römern
bis z. J. 16 n. Chr. im nordwestlichen Deutschland geführten Kriege, gr. 8. (IX,
388 S.) Leipzig 1868. Grunow. 2 Rthlr.
334. Wislicenus, Paul, Die Geschichte der Eibgermanen vor der Völker-
wanderung in ihren Hauptzügen. Mit 2 Karten. (III, 76 S.) Halle 1868. Heyne-
mann, ^/g Rthlr.
Vgl. Literar. Centralbl. 1869, Nr. 11; Norddeutsche AUg Zeitung Nr. 6; Histor.
Zeitschrift 1869, 2. Heft. '
488 BIBLIOGKAPHISCHE ÜBERSICHT.
335. Wormstall, Dr. Jos., Über die Tuugern und Bastarnen. Studien
zur Germania des Tacitus. gr. 8. (40 S.) Münster 1868. Regensberg. V3 Ethlr.
Vgl. Literar. Centralbl. 18G8, Nr. 14; Literatinblatt 1869, Nr. 43 ; Histor. Zeit-
schrift 1869, 2. Heft.
336. Boltz, Aug., Gewonnene Resultate des Werkes „Die Gallier zur Zeit
des Cajus Julius Caesar" von Alexander Georgiewski" (S. 503 — 522).
Archiv für das Studium der neueren Sprachen 43, 111 — 122.
337. Keys er, R., Samlade Afliandlinger. 1. Heft: Om Nordmsendenes her-
komst Dg folkeslsegtskab. 8. fS. 1 — 160). 24 Ngr.
338. Hylten-Cavallius, G. 0., Warend ochWirdarne, ett försök i svensk
Ethnologi. 2. Heft. 8. (LIX, 466 S.) Stockholm 1868. 2 Rthlr. 12 Ngr.
339. Tacitus' Germania ausführlich erklärt von L. Curtze. Cap. I — X.
gr. 8. (Xn, 424 S.) Leipzig 1868. Priber, 2 Rthlr.
Vgl. Historische Zeitschrift 1869, Band 1; Wochenausgahe der AUgem. Zeitung
1868, Nr. 29.
340. Tacitus' Germania. Mit Anmerkungen von Prof. B. Hüppe. gr. 8.
(73 S.) Münster 1868. Theissing. 6 Ngr.
341. Tacitus Germania. Übersetzt von A. Bacmeister. 8. (74 S.) Stutt-
gart 1868. Neff. 12 Ngr.
Vgl. Literar. Centralbl. 1868, Nr. 43; Revue critique Nr. 18; Allgem. Zeitung
Nr. 193; Bl. f. d. bayer. Gymnasialschulwesen V, 6; Die Natur 1869, Nr. 12.
342. Tacitus', P. C, Werke. Lateinisch mit deutscher Übersetzung und
erläuternden Anmerkungen. 4. Band. Historien IV. V. Agricola. Germania. Ge-
spräch über die Redner. 8. (340 S.) Leipzig 1868. Engelmann. V4 Rthlr.
343. Tacitus' Agricola and Germania by A. J. Church and H. W. J.
Brodribb. 12. 1868. 2 s. 6 d.
344. Münz, Dr., Tacitus' Sittenschilderung der alten Germanen, bestätigt
durch den h. Bonfacius und den Presbyter Salvian.
Annalen des Vereins ftlr Nassauische Alterthumskunde 9. Band (1868).
345. Jan, L. v.. Noch einmal Tacitus Germ. 13.
Philologus, 26. Band, 3. Heft.
346. Die Alterthümer unserer heidnischen Vorzeit. Nach den in öffent-
lichen und Privatsammlungen befindlichen Originalien zusammengestellt und heraus-
gegeben von dem römisch-germanischen Centralmuseum in Mainz durch dessen Con-
servator L. Lindenschmit. 2. Band, 7 — 9. Heft. gr. 4. (20 Steintafeln und 21 Bl.
Erklärungen.) Mainz 1868. v. Zabern. k % Rthlr.
347. Gansauge, Generallieutenant, Über Stein-Denkmäler und den Stein-
Cultus in ältester Zeit.
Jahrbücher des Vereins von Alterthumsfreunden im Rheinlande 43.:Heft.
348. Petersen, Chr., Spuren des Steinaltcrs, welche sich bis in die Zeiten
der beglaubigten Geschichte erhalten haben. Zusammengestellt und erörtert, gr. 4.
(16 S.) Hamburg 1868. Mauke in Comm. 6 Ngr.
Gratulationsschrift des akadem. Gymn. in Hamburg zum Jubiläum der Univer-
sität Luud.
349. Haupt, K., Heidnische Alterthümer aus dem Lübener Kreise. Ein Bei-
trag zur schlesischen Alterthumskunde.
Neues Lausitz. Magazin 45. Band.
350. Nilsson, S., Das Steinalter oder die Ureinwohner des skandinavischeu
BIBLIOGRAPHISCHE ÜBERSICHT. 489
Nordens. Nach dem Ms. zur dritten Originalausgabe übersetzt von J. Mestorf. Mit
16 lithograph. Taf. gr. 8. (XXVII, 190 S.) Hamburg 1868. Meissner. 2 Rthlr.
Vgl. Literar. Ceutralbl. 1869, Nr. 21; Berlin. HevMe 57, 7; AUg. Lit. Anz. HI. 5.
351. Nilsson, S., The primitive inhabitants of Scandinavia edited by Sir
J. Lubbock. 8. 1868. 18 s.
352. Morlot, A., Sur le passage de ITige de la pierre k Tage du bronze et
8ur les metaux employes daus Tage du bronze.
Memoires de la soci^te des antiquaires du Noi'd. Nouv. serie. Copenhague.
353. Worsaae, J. J. A., Sur quelques trouvailles de Tage du bronze faites
dans les tourbieres.
Ebendaselbst.
354. Eugelhardt, Com-., Om Vimose-Fundet. Slutningsbemaerkninger cm
Opdagelsen af den aeldre Jernalder. Ved J. J. A. Worsaae.
Aarböger for nordisk Oldkyndighed 1867, 3. Heft.
355. Nogle sjeldne norske Oldsager fra Jernalderen.
Foreningen til Norske Fomtidesmindesmerkers Bevaring. Aarsberetning 1867.
Köbenh. 1868.
356. Blom, Otto, Nogle Jagttagelser angaaende Materialet i den aeldre
Jernalders- Vaaben.
Aarböger for nordisk Oldkyndighed 1868, 1. Heft.
357. Engelhardt, C, En emaileret Bronceskaal fra den aeldre Jernalder.
Aarböger for nordisk Oldkyndighed 1868, 1. Heft.
358. Zinck, A., Oldsagfundene i de gamle Flodgruslag navnlig i Somme-
Dalen ved Amieus og Abbeville.
Ebend. 1867, 4. Heft.
359. Drescher, Rud., Die Arten der Heidengräber in Schlesien.
Rübezahl 1868, S. 340—343.
360. Haupt, K. J. Th., Die Oberlausitzer Schlackenwälle. Eine archäolo-
gische Studie. (19 S.) gr. 8. Görlitz 1868.
Aus dem 44. Band des Neuen Lausitz. Magazins. Vgl. Rübezahl 1868, S. 370.
361. Schaaffhausen, Dr., Über germanische Grabstätten am Rhein.
Jahrbücher des Vereins von Alterthumsfreunden im Rheinland, 44. Heft.
362. Oldenhuis Gratama, L., Open brief aan het coUegie van depu-
teerde Staten van Drenthe over de zorg voor en het onderhoud der Hunenbedden.
8. (88 S.) Assen 1868. van Gorcum. fl. 0,60.
363. Carriere, Moritz, Die Kunst im Zusammenhang der Culturentwick-
lung und die Ideale der Menschheit. 3. Band. Das Mittelalter. 2. Abth. gr. 8.
(XV, 553 S.) Leipzig 1868. Brockhaus. 2% Rthlr.
Inhalt: Das europäische Mittelalter in Dichtung, Kunst imd Wissenschaft. Ein
Beitrag zur Geschichte des menschlichen Geistes.
Vgl. Literar. Centralbl. 1869, Nr. 2 ; Bl. für literar. Unterhaltung 1868, Nr. 40 ;
Zeitschrift für Philosophie 53, 1; Allgem. Zeitung 1869, Nr. 26; Zeitschr. f. bildende
Kunst 4, 10.
364. Köhler, Arthur, Germanische Alterthümer im Beovulf.
Germania 13, 129 — 158.
365. Keys er, R., The private life of the old Northmen. Translated by
M. R. Barnard. 8. London 1868. Chapman. 4 s. 6 d.
366. Zahle, P. C, Folkesagn isaer om Nordboens Liv, Daad og Idraet
ude og hjemme. 1. De tolv forste Aarhundreder efter vor Tidsregniug. 8. (440 S.)
Köbeuhavn 1868. 2 Rthlr. 6 Ngr.
490 BIBLIOGRAPHISCHE ÜBERSICHT.
367. Olaf Hildebrands Leben auf Island zur Zeit der Sagas. 1. Vor einem
Jahrtausend.
Magazin für die Literatur des Auslandes 1868, Nr. 27.
368. Hofberg, Herrn., Nerikes gamla Minnen, sädana de ännu qvarlefva
i Fomlemningar, Fornfynd, Aflefvor af Medeltidens kyrkliga Konst, Folklif, Säu-
ger, Sägner, Folkspräk m. ra. (Mit 118 Abbildungen.) 1868.
369. Meynert, Dr. Herrn., Geschichte des Kriegswesens und der Heer-
verfassungen in Europa seit dem frühesten Mittelalter bis auf die G-egenwart. Nach
Original-Documenten und anderen Quellen bearbeitet. (In 24 Lief.) 1. u. 2. Lief.
gr. 8. (1. Band, S. 1 — 112.) Wien 1868. Beck, ä '/g Rthlr.
370. Bartsch, Karl, Das Fürstenideal des Mittelalters im Spiegel deutscher
Dichtung. Rcctoratsrede am 28. Februar 1868. gr. 8. (36 S.) Leipzig 1868.
Vogel. V4 Rthlr.
Vgl. Europa 1868, Nr. 23; Weser-Zeitung 7606.
371. Der Frauendienst des Mittelalters.
Europa 1868, Nr. 34.
372. Richter, A., Altdeutsche Liebesbriefe.
Illustrirte Monatshefte 1868, März.
373. Rochholz, E. L., Aus einem Briefsteller von 1492.
Germania 13, 207—210.
374. Die 'Zopfgesellschaft' des 14. Jahrhundei-ts. Nebst einem Frage-
zeichen.
Volksblatt für Stadt und Land 1868, Nr. 30.
375. Kriegk, Dr. G. L., Deutsches Bürgerthum im Mittelalter. Nach ur-
kundlichen Forschungen und mit besonderer Beziehung auf Frankfurt a. M. gr. 8.
(XVI, 599 S.) Frankfurt a. M. 1868. Literar. artist. Anstalt. 2 Rthlr. 18 Ngr.
VgU Literar. Centralbl. 1869, Nr. 5 ; Historische Zeitschi-ift 1868, 4. Heft ; Göt-
ting. Geh Anzeigen 1869, Nr. 13; Presse Nr. 6; Kölnische Zeitung Nr. 138.
376. Schotel, G. D. J. , Het oud-HoUandsch Huisgezin der zeventiende
eeuw. Met platen van C. Rochussen en D. van der Kellen, roy. 8. (478 S.) Haar-
lem 1868. Kruseman.
Vgl. Literar. Centralbl. 1869, Nr. 15.
377. Schotel, G. D. J., Het Maatschappelijk Leven onzer Vaderen in de
zeventiende eeuw. Met platen. roy. 8. (502 S.) Haarlem 1869. Kruseman.
378. Zahn, Dr. J. , Jährlicher Hausbedarf eines Passauer Bürgers im
15. Jahrhundert.
Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit 1868, Sp. 199 fg. Bereits von J. M.
Wagner veröflfenthcht im Anzeiger 1860, Sp. 244.
379. Tanzlieder und Pfeiferkönige.
Europa 1868, Nr. 29.
380. Anger stein, Wilhelm, Volkstänze im deutschen Mittelalter. 8.
(32 S.) Berlin 1868. Lüderitz. 5 Ngr.
Sammluno- gemeinverständlicher wissenschaftlicher Vorträge von R. Virchow mid
Fr. V, Holtzendoi-if, Heft 58. Vgl. Germania 14, 255-256 (Schröderj; AUgem. Liter.
Zeitinig 1869, Nr. 19.
381. Westwood, T, Angling lore in the fourteenth Century.
Notes and Queries 1868, Nr. 47.
382. Ziuo-erle, I. V., Das deutsche Kinderspiel im Mittelalter. Lex. 8.
(51 S.) Wien 1868. Gerold in Comm. V» Kthlr.
Aus den Sitzungsberichteu, 57. Band, abgedruckt. Vgl, Allgem. Zeitung 1868,
Nr. 179.
BIBLIOGRAPHISCHE ÜBERSICHT. 491
383. Brill, Dr. W. G., Over het onderwijs in de Middeneeuwen.
Kronijk vaii het historisch genootschap te Utrecht." 23. Jahrgang. Utrecht 1868.
384. Vom Essen im Mittelalter.
Europa 1868, Nr. 21.
385. Zur Sittengeschichte des 16. Jahrhunderts. Von De. M.
Zeitschrift des historischen Vereins für das Wirtemberg. Franken, 7. Band.
386. Leben, Lieben und Thaten des Hans von Schweinichen, eines deut-
schen Ritters aus dem 16. Jahrh. Nach den Aufzeichnungen des Ritters neu erzählt
von A. Diezmann. 1. und 2. Band. gr. 16. (XII, 344 S.) Leipzig 1868. 0. Wi-
gand. k '/.. Rthlr.
A. u. d. T. Bibliothek der besten Werke des 18 und 19. Jahrhunderts. 15. imd
16. Band.
387. Friderich, Über einige altdeutsche Wohnplätze in der Grafschaft
Wernigerode. 8. (Wernigerode 1868.)
388. Description d'un ancien plan du monastere de St. Gall, au IX"'®
siecle. Traduit de l'anglais par M. A. Campion.
Bulletin monumental, 4. serie, T. IV. Paris et Caeu 1868. 8.
389. Lobe, Hausinschriften aus dem Ostkreise des Herzogthums Altenburg.
8. Alten bürg 1867.
390. van Lennep, J., eu F. ter Gouw, Het boek der opschriften. Eene
bijdrage tot de geschiedenis van het Nederlandsche volksleven. 8. 1 — 6. Aflev.
(S. 1 — 192). Amsterdam 1868. Kraay, f. 2,40.
391. Cenac- Moncaut, Les jardins du roman de la Rose , compares
avec ceux des Romains et ceux du moyen-äge.
L'Investigateur. Tome VIH. 8. Paris 1868.
392. Lecoy, A., de la Marche, La chaire fran^aise au moyen-äge speciale-
rnent au XIII® siecle d'aprfes les mss. contemporains. Ouvrage couronnö par l'aca-
ddmie fran9aise. Paris. 7 '/^ fr.
393. Bock, Dr. Fr., Faldistorium in der Alterthumssammluug des Museums
zu Wiesbaden.
Annalen des Vereins für Nassauische Alterthtimskunde. 9. Band, Wiesbaden 1868.
394. Essen wein, A., Einige Leuchter für den Profangebrauch in den
Sammlungen des germanischen Museums.
Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit 1868, Sp. 119 — 128. Mit Abbildungen.
395. Zur Sitte und Sprache der Kirche.
Kirchenschmuck. Ein Archiv etc. 23. Band.
396. Schmieder, Pius, Zur Symbolik im 19. Jahrhundert.
Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit 1868, Sp. 326 328. Deutscher Text
des 15. Jahrh. aus einer Lambacher Hs. : wie die Tugenden und Laster abgebildet werden.
397. Friedberg, Prof. Dr. Emil, Aus deutschen Bußbüchern. Ein Beitrag
zur deutschen Culturgeschichte. 8. (IV, 104 S.) Halle 1868. Waisenhaus. % Rthlr.
Vgl. Literar. Centralbl. 1868, Nr. 30; Zeitschr. f. d. Österreich. Gymnas. 1869,
Nr. 1 ; Allgem. Lit. Anzeiger III, 2.
398. Die mythischen Naturgeschichten des Mittelalters.
Europa 1868, Nr. 26.
399. Häser, Prof. Dr. H., Lehrbuch der Geschichte der Medicin und der
epidemischen Ka-ankheiten. 2. völlig umgearb. Aufl. 2. Abdruck, 1. Bd., 2. Abth.
gr. 8. (XLVm S. u. S. 481—923 Schiuli). Jena 1868. Mauke. 2Vo Rthlr.
492 BIBLIOGRAPHISCHE ÜBERSICHT.
400. Volkskrankheiten und Heilkunst im Mittelalter.
Eurui)a 1868, Nr. 35.
401. Wein hold, K., Der tannewetzel und bürzel.
Zeitschrift für deutsche philolo^e 1, 22 — 24.
402. P all mann, Dr. ß.. Diätetische Vorschriften für Pommern aus dem
Ende des Mittelalters, gr. 8. (6 S.) Stralsund 1868. Hingst in Comm. 1 Ngr.
403. Trautmann, Franz, Kunst und Kunstgewerbe vom frühesten Mittel-
alter bis Ende des 18. Jahrhundert. Ein Hand- und Nachschlagebuch zur leichteren
Orientirung in Fächern und Schulen, Mustern, Nachahmungen etc. gr. 8. (XIV,
421 S.) Nördlingen 1869. Beck.
Vgl. Revue critique 1868, Nr. 18, S. 285-288; Anzeiger f. K d. d. Vorzeit 1869,
Nr. 1 ; Neueste Nachrichten 1869, Nr. 75 ; Zeitschr. f. bildende Kunst IV, 10.
404. Coronel, P. P. , Het gildewezen in Fresland. Voordrach gehouden
in de vereeniging Nyverheid, te Leeuwarden. 8. Leeuwarden 1868. Eckhoff.
(34 S.) f. 0,30.
405. vanLennep, J., en J. ter Gouw, De Uithangteekens in verband
met geschiedenis en volksieben. Geillustreerd met 300 boekdruketsen. 2 Theile.
roy. 8. (414 u. 455 S.) Amsterdam 1868. Kraay. f. 10,80.
406. Paeile, Gh., Kritisk onderzoek naar de uitvinding der Boekdrukkunst.
voor Nederlanders bewerbt en met aanteekeningen vermeerderd, door J. H. ßutjes,
8. (20 u. 267 S.) Amsterdam 1868. van Langenhuysen. f. 2,00.
407. Weiß, Hermann, Kostümkunde (HI. Abschnitt). Handbuch der
Geschichte der Tracht und des Geräthes vom 14. Jahrhundert bis auf die Gegen-
wart, Mit Illustrationen. 3. u. 4. Lieferung, gr. 8. (S. 241 — 464.) Stuttgart
1868. Ebner und Seubert. ä 24 Ngr.
408. Schnitze, Dr. Rudolf, Die Modenarrheiten. Ein Spiegelbild der Zei-
ten und Sitten für das deutsche Volk. 8. (IX, 235 S.) Berlin 1868. Nicolai'a
Verl. 1 Va Rthlr.
409. Bart, Perrücke, Zopf.
Europa 1868. Nr. 47. Zur Geschichte derselben.
410. Janssen, Dr., Der merovingische Goldschmuck aus Wienwerd.
Jahrbücher des Vereins von Alterthunisfreunden im Rheüilande, 43. Heft.
411. W eininger, H., Die mittelalterliche Bewaffnung.
Illustrirte deutsche Monatshefte, Januar 1868.
412. Kupp, Theophil, Die kurzen Griffe der Bronzeschwerter.
Germania 13, 285-294.
413. Essenwein, A., Zur Geschichte der Feuerwaffen.
Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit 1868, Sp. 225—229. Mit Abbildungen.
Xr. Kunst.
414. Förster, Ernst, Denkmale deutscher Baukunst, Bildnerei und Malerei
von Einführung des Christenthums bis auf die neueste Zeit. 276 — 292, Lieferung.
Leipzig 1868. T. 0. Weigel. k % Thlr.
415. Lübke, Prof. Dr. Wilh. , Grundriß der Kunstgeschichte. 4. durch-
BIBLIOGRAPHISCHE ÜBERSICHT. 493
geseh. Aufl. Mit 403 Holzschn. Illustr. Lex. 8. (XX, 775 S.) Stuttgart 1868.
Ebner und Seubert. SVa Rtlilr.
Vgl. Westminster-Review 69; Athenäum 2148; Allgem. Zeitung 1869, Nr. 74.
416. Knoblich, Schlesiens Antheil an der Verbreitung der Glasmalerei
im Mittelalter und ihrer Wiederbelebung in der Neuzeit.
Schlesiens Vorzeit in Bild und Schrift, 9. Bericht. Breslau 1868, 4.
417. Arnold, Xav., und Ed. Knoll, Sammlung von Initialen aus dem
12 — 17. Jahrhundert. Entnommen der k. Hof- und Staats-Bibliothek zu München,
der Biblioteca nacional und der Biblioteca de la universidad central zu Madrid.
Eingeführt durch Archivar Prof. Dr. Meßmer. (In 40 — 50 Lief.) 1 — 5. Lief,
imp. 4. (ä. 6 Chromolith.) Leipzig 1867 — 68. Denicke, ä 2 Rthlr.
418. Brendel, Franz, Geschichte der Musik in Italien, Deutschland und
Frankreich. Von den ersten christlichen Zeiten bis auf die Gegenwart. 25 Vorle-
sungen. 4. Auflage, gr. 8. (XXVI u. 687 S.) Leipzig 1868. Matthes. 3 '^3 Rthlr.
419. De Coussemaker, l'Art harmonique des 12. et 13. siecles. Tome II.
Bruxelles 1868.
Vgl. Götting. Gel. Anzeigen 1868, Nr 13.
420. Jahrbücher für musikalische Wissenschaft herausg. von Fr. Chry-
sander. 2. Band. Leipzig 1867, Breitkopf und Härtel.
Enthält S. 1— 2.S4: eine vollständige Ausgabe des sogen. Locheiiner Liederbuches
durch F. W. Arnold und G. Bellermann. Das Original ist in Wernigerode. Vgl. Literar.
Centralbl. 1868, Nr. 14.
XII. Rechtsgeschichte und Rechtsaltert hümer.
421. Schul er -Libloy , Prof Friedr. , Deutsche Rechtsgeschichte. 2.
theilw. verm. u. verbess. Aufl. gr. 8. (VIII, 196 S.) Wien 1868. Braumüller.
1 V3 Rthlr.
422. Osenbrüggen, Ed., Studien zur deutschen und schweizerischen
Rechtsgeschichte, gr. 8. (XII, 440 S.) Schafi'hausen 1868. Huiter. 2V„ Rthlr.
Vgl. Literar. Centralbl. 1869, Nr. 1 ; Keusch, Theolog. Literaturblatt Nr. 2 ; Ge-
richtssaal 20. Band, 5. Heft.
423. Korn, H. H. Th., Die Anfänge der Straßburger Stadtverfas3ung nach
dem ältesten Stadtrecht dargestellt. 8. Rostock 1868.
Doctordissertation.
424. Heichel, A., Notizen zur Rechts- und Sittengeschichte der Stadt
Mülhausen im 16. 17. und 18. Jh.
Alsatia.''Herausgegeb. von A. Stöber. 8. Band, 2, Abtheilung.
425. Seh uler-Liblo j , Friedr., Siebenbürgischie Rechtsgeschichte.
3 Bände, gr. 8. Hermannstadt 1868. Filtsch in Comm. 2^3 Rthlr.
Vgl. Literar. Centralbl. 1868, Nr. 12.
426. Stemann, Chr. L. E. v., Geschichte des öff"entlichen und Privat-
Rechts des Herzogthums Schleswig. 8. 3 Bände. Kopenhagen 1866 — 68. (VIII,
246, 395, XVI u. 394 S.)
Vgl. Revue critique 1868, Nr. 25.
427. Telting, J., Schets van het oud-friesche privaatregt. 3 Stukken.
Themis, Regtskvindig Tijdskrift 1867—68. 51, 85 u. 72 Seiten.
428. Derselbe, De invoering van het Romeinsche regt in Friosland.
Tijdskrift voor het Nederlandsch Regt, onder redaktie van M. A. Osideman en
M. G. Diephuis. I. Groningen 1868 (^S. 1 — 57j.
494 BIBLIOGRAPHISCHE ÜBERSICHT.
429. Pouillet, Piofesseur k l'universite de Louvain, Histoire du droit
p^nal dans l'ancien duchd de Brabant. Memoire couronne par l'academie royale.
4. Bruxelles 1868. Muquardt. 1 Ethlr. 20 Ngr-
430. Derselbe, Histoire de la joyeuse entree de Brabant et de ses ori-
gines. Memoire sur l'ancienne institution braban^onne. Mdmoire couronne. ßru-
xeUes 1868. Muquardt. 2 '/g Rthlr.
431. Brunner, H., Wort und Form im altfranzösischen Process. Lex. 8.
(126 S.) Wien 1868. Gerold in Comm. 2/3 Rthlr.
Aus den Sitzungsberichten. Vgl. Literar. Centralbl. 1869, Nr. 2; Revue crltique
1868, Nr. 49.
432. Maurer, K., Zur altnordischen Rechtsgeschichte.
Pözl-Bekker, Kritische Vierteljahrsschrift 10. Band, 3. Heft. Anknüpfend an Key-
sers efterladte Skrifter.
433. Franklin, 0., Das Reichshofgericht im Mittelalter. 2. Band. 8.
Weimar 1868. Böhlau.
Vgl. Literar. Centralbl. 1869, Nr. 15 ; histor. Zeitschrift 1869, 2. Heft.
434. Bienko, Andr. Fr. P. , De proscriptione secundum fontes juris saxo-
nici medii aevi commentatio. Dissertatio inauguralis. gr. 8. (83 S.) Regimonti
Pr. 1867.
Vgl. Literar. Centralbl. 1868, Nr. 39.
435. Simon, Rob. J., Juris saxonici medii aevi de foro competenti prae-
cepta. Dissertatio inauguralis. gr. 8. (105 S.) Regimonti Pr. 1867.
Vgl. Literar. Centralbl. 1868, Nr. 38.
436. Schröder, Prof. Dr. Rieh., Geschichte des ehelichen Güterrechts in
Deutschland. 2. Theil, 1. Abth. Das eheliche Güterrecht in Süddeutschland und
der Schweiz im Mittelalter, gr.8. (XVI, 234 S.) Stettin 1868. Saunier. 1 V3 Rthlr.
Vgl. Göttmg. Gel. Anzeigen 1868, Nr. 42 (Kraut).
437. Friedländer, E., Das Einlager. Ein Beitrag zur deutschen Rechts-
geschichte. Aus Urkunden dargestellt, gr. 8. (VIII, 17 7 S.) Münster 1868.
Theiß ing. 24 Ngr.
Vgl. Literar. Centralbl. 1868, Nr. 24.
438. Merlo, J. J., Rechtsalterthümer.
Jahrbücher des Vereins von Alterthumsfreimden im Rheinland, 45. Heft.
439. Birlinger, A., Zu den Rechtsalterthümern.
Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit 1868, Sp. 396.
440. Birlinger, A. , Alemannische Rechtsalterthümer und Weisthümer.
Das Bahn-echt. Der Happich etc.
Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit 1868, Sp. II — 14. 41—44.
441. Münz, Dr., Der Backenstreich in den deutschen Rechtsalterthümern
und im christlichen Cultus.
Annalen des Vereins für nassauische Alterthuniskunde 9. Band.
442. Zeißberg, Heinr., Hieb und Wurf als Rechtssymbole in der Sage.
Beitrag zur vergleichenden Sagenforschung.
Germania 13, 401—444.
443. Homeyer, Beiträge zu den Hausmarken.
Monatsbericht der k. preuß. Akademie der Wissenschaften 1868, Septemb. October.
BIBLIOGRAPHISCHE ÜBERSICHT. 495
444. Schulte, J. F., Die Rechtshandschriften der Stiftsbibliotheken von
Göttweig, Heiligenkreuz, Klosterneuburg, Melk, Schotten in Wien. gr. 8. Wien
1868. Gerold in Comm. 8 Ngr.
Vgl. Reusch, Theolog. Literaturblatt 1869, Nr. 10.
445. Monumenta Germaniae historica inde ab a. Christi 500 usque ad a.
1500 auspiciis societatis aperiendis fontibus rerum Germanicarum medii acvi ed.
G. H. Pertz. T. XXI. gr. Fol. (CXIV, 680 S.) Hannover 1868. Hahn. 15 Rthlr.
Legum tom. IV. Enthält die Leges Langobardonim ed. Bluhme, Liber legis Lan-
gobardonim Papiensis ed. Boretius etc. Vgl. Historische Zeitschrift 1869, 2. Heft (Bliüime).
446. Richthofen, Dr. K. Frh. v.. Zur Lex Saxonum. gr. 8. (VII, 432S.)
Berlin 1868. Hertz. 2 Rthlr. 12 Ngr.
Vgl. Literar. Centralbl. 1869, Nr. 8; Gott. Gel. Anzeig. Nr. 10; Hamburg. Cor-
respondent Nr. 72.
447. Cockayne, Sur quelques passages des lois saxonnes.
The Journal of Philology, edited by Clark, Mayor and Wright. London 1868, Nr. 2,
448. Mülverstedt, A. v. , Über die Stammheimath der Altmärkischen
Herren v. Buch, mit Rücksicht auf Johann v. Buch, den Glossator des Sachsen-
spiegels.
16. Jahresbericht des Altmärk. Vereins f. vaterländ. Geschichte, Magdeburg 1868.
449. Die Blume von Magdeburg herausgeg. von Dr. Hugo Böhlau. gr. 8.
(III, 190 S.) Weimar 1868. Böhlau. 1 Rthlr.
Vgl. Literar. Centralbl. 1869, Nr. 16.
450. Bischoff, Über ein mittelalterHches steiermärkisches Landrecht.
Beiträge zur Kimde Steiermark. Geschichtsquellen, 5. Jahrgang, Graz 1868.
451. Kürschner, Dr. Franz, Das Stadtrecht von Eger und seine Ver-
breitung.
Mittheilungen für Geschichte der Deutschen in Böhmen, 7. Jahrgang.
452. Steinhoff, Fr., Das Moringer Stadtrecht aus dem Moringer Copial-
buche.
Zeitschrift für Rechtsgeschichte 7. Band, 2. Heft.
453. Ein Stendaler Urth ei Isbuch aus dem 14. Jahrhundert als Beitrag
zur Kenntniss des Magdeburger Rechts herausgeg. von Dr. J. Fr. Behrend, Frivat-
dozent in Berlin. 8. Berlin 1868. Guttentag.
Vgl. Literar. Centralbl. 18G9, Nr. 1.
454. Tomasch ek, Prof. Dr. J. A., Der Oberhof Iglau in Mähren und
seine Schöffensprüche aus dem 13 — 16. Jahrhundert, aus mehreren Hand-
schriften herausgegeben und erläutert, gr. 8. (VIII, 396 S.) Innsbruck 1868.
Wagner. 3 '/a Rthlr.
Vgh Götting. Gel. Anzeigen 1869, Nr. 19.
455. Zingerle, Dr. I.V., Bericht über die in Tirol im J. 1867 ange-
stellten Weisthümer-Forschungen. Lex. 8. (19 S.) Wien 1868. Gerold in Comm.
3 Ngr.
Aus den Sitzungsberichten abgedruckt.
456. Schäfer, G., Weisthum des Sends zu Nierstein.
Ai-chiv für hessische Gesohichte und Alterthumskunde 12. Band, 1. Heft.
496 BIBLIOGRAPHISCHE ÜBERSICHT.
XIII. Deutsche Litteraturgeschichte und Sprachdenkmäler.
457. Vilmar, A. F. C. , Geschichte der deutsclien National-Literatur.
12. vermehrte Auflage. 2. u. 3. Lieferung, gr. 8. (XII S. u. S. 241 — G 2 6.)
Marburg 1868. Elwert. ä % Rthlr.
458. Uhland's Schriften zur Geschichte der Dichtung und Sage. 6. und
7. Band. gr. 8. (IV, 428 und IV, 680 S.) Stuttgart 1868. Cotta. 2 Rthlr.
16 Ngr. u. 4 Rthlr. 8 Ngr.
Vgl. Götting. Gel. Anzeigen 1868, Nr. 40, 1869, Nr. 25 (Liebrecht) ; Frankfurter
Zeitung 1869, Nr. 15.
459. Pischon's Leitfaden zur Geschichte der deutschen Literatur. 13.
vei*m. und verbess. Aufl., bearb. von K. J. H. Palm. gr. 8. (VIII, 247 S.)
Leipzig 1868. Duncker u. Humblot. 18 Ngr,
Vgl. Zeitschrift für deutsche philologie 1, 239 — 254 (Zacher); Deutsche Blätter
Nr. 39 ; Schweizer Lehrerzeitung 1869 , Nr. 9 ; Oldenburg. Schulbl. Nr 1 ; Coi-respon-
denzbl. f. d. Gelehrten- u. Realschulen in Württemberg 1868, Nr. 11. 12; Allgem. Lit.
Zeitung 1869, Nr. 1; Liter. Handw. 78; Unsere Zeit Nr. 11; St. Galler Blatt. 23; All-
gem. deutsche Lehrerzeitung Nr. 24; Rhein. Blätter 24, 2.
460. Rumpelt, H. B., Grundzüge der deutschen Literaturgeschichte. Zum
Gebrauch für höhere Töchterschulen. 8. (98 S.) Breslau 1868. Gosohorsky.
V2 Rthlr.
Vgl. Allgem. Lit. Anzeiger III, 4; Breslauer Zeitung 1868, Nr. 103; Schulfreund
1869, Nr. 2; Vierteljahrsschrift für höhere Töchterschulen Nr. 2; Allgem. deutsche Leli-
rerzeitung Nr. 27; Rhemische Blätter 23, 1.
461. Hahn, Werner, Geschichte der poetischen Literatur der Deutschen.
4. Auflage, gr. 8. (VIII, 333 S.) Berlin 1868. Hertz. 1 '/a Rthlr.
462.- Brugier, G. , Geschichte der deutschen National-Literatur. Für
Schule und Selbstbelehrung. Mit vielen Proben und einem Glossar. 2. Aufl. gr. 8.
(XXXV, 576 S.) Freiburg i. Br. 1868. Herder. 1 Rthlr. 6 Ngr.
Vgl. Literar. Haudweiser Ni\ 78; Reusch, theol. Literaturbl. 10; Heindl, Reper-
torium Nr. 4; Magazin für Pädagogik Nr. 2; Allgem. Lit. Zeitung 1868, Nr. 6.
463. Lindemann, Wilh., Geschichte der deutschen Literatur von den äl-
testen Zeiten bis zur Gegenwart. 2. Auflage. (In 2 Lieferungen.) 1. Liefer. gr. 8.
(352 S.) Freiburg i. Br. 1868. Herder. 1 Rthlr.
Vgl. Literar. Handweiser Nr. 78; Unsere Zeit Nr. 11; Allgem. Lit. Zeitung 1869,
Nr. 24; Monatsrosen Nr. 4; Heindl, Repertorium 5.
464. Lange, 0., Grundriß der Geschichte der deutschen Literatur für hö-
here Bildungsanstalten. 6. Aufl. gr. 8. (VI, 109 S.) Berlin 1868. Gärtner. 8 Ngr.
Vgl. Allgem. Schulzeitung Nr. 37 ; Mensch, pädagog. Zeitung Nr. ö2 ; Schweizer
Lehrerzeitimg 1869, Nr. 9; Stoa I, 6.
465. Egger, Prof. Alois, Lehrbuch der deutschen Literaturkunde. l.Theil.
gr. 8. (X, 345 S.) Wien 1868. Beck. 26 Ngr.
466. Dietlein, W., Einleitung in die deutsche Dichtung. Ein Hülfsbuch
für Freunde der Poesie, so wie insbesondere für Volksschullehrer und die Ober-
classen höherer Schulanstalten, gr. 8. (XII, 219 S.) Braunschweig 1868. Bruhn.
26 Ngr.
Vgl. Lüben, Jahresbericht 1869, Nr. 20; Jessen, Zentralblatt Nr. 4; Pädagog.
Archiv Nr. 4.
467. Droese, A., Einführung in die deutsche Literatur von ihren ersten
Anfängen bis zur Gegenwart. Biographiecn und Proben, gr. 8. (XII, 324 S.)
Langensalza 1868. Greßler. 1 Rthlr.
BIBLIOGRAPHISCHE ÜBERSICHT. 497
Vgl. Zeitschrift für deutsche philologie 1 , 255 fg. (Zacher) ; Bartholomäus , lit.
Anzeiger Nr. 62; Allgem. Schulzeitung 1869, Nr. 25.
468. Kriebitzsch, Dir. K. Th. , Vorschule der Literaturgeschichte für
Schulen, vornehmlich höhere Töchterschulen und gehobene Bürgerschulen. In drei
Stufen, gr. 8. (X, 339 S.) Berlin 1868. Stubenrauch. ^/^ Rthlr.
Vgl. Jessen, Zentralbl. 1869, Nr. 2; Schulfreund Nr. 1; Berlmer Fremdenbl. Nr. 93.
469. Zeynek, Gustav, Grundzüge der deutschen Stylistik und Literatur-
geschichte. Ein Hilfsbuch beim Sprachunterrichte zunächst an Lehrerbildungs-
anstalten, gr. 8. (VIII, 200 S.) Graz 1868. Leuschner u. Lubensky. Vg Rthlr.
Vgl. Allgem. deutsche Lehrerzeitung 1869, Nr. 24.
470. Proben der classischen Poesie des 12. 13. 14. 15. Jahrhunderts, in
einen kurzen Abriß der Literaturgeschichte des Mittelalters eingerahmt , nebst
einem Glossar. 8. (IV, 128 S.) Berlin 1868. Mittler. 12 Ngr.
Vgl. Archiv für das Studium der neueren Sprachen 43, 91 fg.
471. Jonckbloet, Dr. W. J. A., Geschiedenis der nederlandsche Letter-
kunde. 1. Deel. gr. 8. Groningen 1868. Wolters, f. 4,90.
Complet in zwei Theileu.
472. Martin, Ernst, Übersicht der mittelniederländischen litteratur in ihrer
geschichtlichen entwickelung.
Zeitschrift für deutsche philologie 1, 157 — 177.
473. Everts, W., Geschiedenis der Nederlandsche Letteren; een handboek
voor gymnasien en hoogere burgerscholen. 1 Deel. 8. (4 u. 195 S.) Amsterdam
1868. f. 1,00.-
474. Craik, G. L., Compendious history of english literature and of the
english language, from the Norman conquest. W'ith numerous specimens. New edi-
tion. 2 vol. London, Griffin. 8. (1240 S.) 25 s.
475. Arnold, T., Chaucer to Wordsworth. A short history of english lite-
rature from the earliest times to the present day. 3 vol. 12. London 1868. Murby.
476. Armstrong, J., Compendium of english literature. 12. 1868. 2 s.
477. Hazlitt, W. C, Handbook to poetical and dramatic literature. 8.
1868. 31 8. 6 d.
478. Lowndes, W. J., Bibliographer's Manual of english literature. New
edition. 6 vol. 1868. 33 s.
479. Roth, Dr. Karl, Kleine Beiträge zur deutschen Sprach-, Geschichts-
und Ortsforschung. 6. Heft. 2. verbess. Aufl. m. e. Anh. 8. (64 S.) München 1868.
Finsterlin. Vg Rthlr.
480. Kleine Beiträge zur Sprache und Literatur.
Archiv für das Studium der neueren Sprachen 43, 122—128. Die'Predigt Ber-
tholds von Ketzern und Katzen (vgl. S. 125) ist keineswegs apokryph : s. Pfeiffers Aus-
gabe S. 388. Die Notiz aus Pater Amandus Seelenweide' ist nicht bekannt.
481. Klettke, Dir. Dr. C. A., Über deutsche Dichtungen in heidnischer
Zeit, insbesondere über ein im J. 1858 entdecktes althochd. Schlummerlied. 4.
(21 S.) Breslau 1867.
Programm der Realschule am Zwinger. Vgl, Arcliiv für das Studium der neueren
Sprachen. 42, 470.
482. Grimm, Wilh., Die deutsche Heldensage. 2. verm. u. verb. Auflage,
gr. 8. (X, 428 S.) Berlin 1868. Dümmler. 2 Ya Rthlr.
Vgl. Literar. Centralbl. 1868, Nr. H-
GEBMANFA. Neue Reihe II. (XIV.) Jahrg. 32
498 BIBLIOGRAPHISCHE ÜBERSICHT.
483. Vilmar, A. F. C, Handbüchlein für Freunde des deutschen Volks-
liedes. 2. Aufl. gr. 8. (VIT, 240 S.) Marburg 1868. Koch. 1 Rthlr.
Vgl. Revue critique 1868, Nr. 18; Novellenzeitung 1869, Nr. 10; Oldenburg.
Schulbl. 7. 8; Ohly, Pastoralbl. Nr. 6; Allgem. Faniilienzeitung Nr. 20; öste.rr. Garten-
laube Nr. 8; Literar. Handweiser Nr. 78; I'ädagog. Archiv Nr. 4; Brandenburg. Schul-
blatt Nr. 5. 6; Stoa II, 2.
484. Richter, Lehrer Dr. Otto, Die ältesten deutschen Liebeslieder des
12. Jahrhunderts. In freier Übertragung, gr. 8. (33 S.) Görlitz 1868. Wolt-
mann. V» Rthlr.
Abdruck aus dem Neuen Lausitzer Magazin.
485. Zingerle, I. V., Vergleiche bei mittelhochdeutschen Dichtem.
Germania 13, 294-301.
486. Bergmann, Fr. W., La priamfele dans les diffdrentes littdratures an-
ciennes et modernes. 8. (37 S.) Strasbourg 1868.
Extrait de la Revue d'Alsace. Vgl. Revue critique 1868, Nr. 39.
487. Koch, Ed. Emil, Greschichte des Kirchenlieds und Kirchengesangs
der christlichen, insbesondere der deutschen evangelischen Kirche. 3. Auflage.
4. u. 5. Bd. gr. 8. (VIII, 574 u. VIII, 672 S.) Stuttgart 1868. Belser. 2 Kthlr.
21 Ngr.
488. Wackernagel, Philipp, Das deutsche Kirchenlied von der ältesten
Zeit bis zum Anfang des 17. Jahrhunderts. 21. Lieferung (3. Band, S. 1 — 112).
Leipzig 1868. Teubner. ^3 R^^lr.
489. Kays er, Job., Beiträge zur Geschichte der Kirchenhymnen, mit be-
sonderer Rücksicht auf das römische Brevier. 2. Heft. gr. 8. (S. 161 — 310.)
Paderborn 1 8 G 8 . Junfermann. 1 7 '/.^ Ngr.
Vgl. Literar. Handweiser Nr. 70; Allgem. Lit. Zeitung 1869, Nr. 10; Chilianeum
I, 4; Reusch, theolog. Literaturblatt Nr. 14.
490. Krause, K. E. H., Ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Kirchen-
liedes. 8. Rostock 1868.
Programm der großen Stadtschule.
491. Crecelius, W., Über die ältesten protestantischen Gesangbücher
am Niederrhein.
Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins. 5. Band.
492. Hasak, Ffr. Viuc, Der christliche Glaube des deutschen Volkes beim
Schlüsse des Mittelalters dargestellt in deutschen Sprachdenkmalen, oder 50 Jahre
der deutschen Sprache im Reformationszeitalter vom J. 1470 bis 1520. Ein christ-
liches Lebensbild. Mit Benutzung von neun verschiedenen deutschen Bibelausgaben
vor Luther. Nach alten Druckwerken und Handschriften verfasst. gr. 8. (XVI,
587 S.) Regensburg, Manz, 1869.
493. Reidt, Heinrich, Das geistliche Schauspiel des Mittelalters in Deutsch-
land, gr. 8. (VII, 175 S.) Frankfurt a. M. 1868. Winter. 24 Ngr.
Vgl. Germania 13, 486; Literar. Centralbl. 1869, Nr. 6; Wissensch. Beilage der
Leipz. Zeitung Nr. 22; Reuß, Literaturblatt 1868, Nr. 22; Blätter für literar. Unterhal-
tung 1869, Nr. 20; Allgem. Lit. Anz. III, 4; Chilianeum N F. I, 2; Belletrist. Beilage
d. Köln. Volkszeitung Nr. 3.
494. Morel, P. Gall, Das geistliche Drama im 12 — 19. Jahrhundert in
den fünf Orten, besonders in Einsiedeln.
Der Geschichtsfreund, 23. Band. Zusätze zum 17. Bande.
495. Le drame religieux du moyen äge jusqu'a nos jours (nach K. Hase).
Revue des deux mondes 1868, 1. Juli, p. 84.
BIBLIOGRAPHISCHE ÜBERSICHT.
499
496. The early english and germaa drama.
Notes and Queries 1868, Nr. 47.
497. Zittel, Emil, Die dramatischen Bearbeitungen und Darstellungen
des Lebens Jesu. Vortrag für den badischen Frauenverein im Museum zu Karls-
ruhe am 25. Januar 1868 gehalten, gr. 8. (27 S.) Mannheim 1868. Löffler. 4Ngr.
Vgl. Zum theolog. Literaturblatt 1867, Nr. 82.
498. Baader, Eine Notiz über die alten Fastnachtspiele.
Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit 1868, 231 fg.
499. S träum er, Oberl. Dr., Beiträge zur Geschichte der Schulcomödie in
Deutschland. I. Theil. Bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts nebst Proben aus einer
deutschen Einkleidung zum Eunuchus des Terenz nach einer Zwickauer Hs. aus
dem 16. Jh. gr. 4. (33 S.) Freiberg 1868. Engelhardt in Comm. 6 Ngr.
500. Hermanns, C. R., Geschiedenis der Rederijkers in Noordbrabant.
2* Stuck. Bijlage. Uitgegeven door het provincial Genootschap van Künsten en
Wetenschappen in Nord-Brabant. 8. (352 S.) 's Hertogenbosch 1867. Muller.
Der 1. Theil ist noch nicht erschienen.
501. Thiemann, Dr., Über die Bedeutung und Aufgabe der politischen
Satire mit Rücksicht auf die altclassische und deutsche Literatur. 4. (24 S.)
Landshut 1867.
Programm der Realschule. Vgl. Archiv für das Studium der neueren Sprachen
42, 469.
502. Funde, Studien und Ausgaben althochdeutscher Dichtungen.
Atigsburger Postzeitung 1868, Beilage 32.
503. Seh ein er, Paul, Die deutsche Prosa vor Luther. 8. (33 S.) Te-
ßchen 1868.
Programm des Gymnasiums. Vgl. Herrigs Archiv 43, 217.
504. Maurer, Konrad, Über die norwegische auffassung der nordischen
litteraturgeschichte.
Zeitschrift für deutsche philologie 1, 25 88.
505. Maurer, Konrad, Über die Ausdrücke: altnordische, altnorwegische
und isländische Sprache. 4. (232 S.) München 1867. Franz. 273 Rthlr.
Aus den Abhandlungen der Münchener Akademie 11. Bd. 2 Abth. Vo-1. Literar
Centralbl. 1868, Nr 39, Sp. 1063 65. °
506. Maurer, Konrad, Über isländische Apokrypha.
Germania 13, 59—76.
507. Maurer, Konrad, Nachtrag zu den isländischen Apokrypha.
Germania 13, 284.
508. Lange, Dr. Otto, Sprachschatz der deutschen Literatur. Für Schule
und Haus bearbeitet. 2 Theile. gr. 8. (IX, 608 und UI, 372 S.) Berlin 1868.
Gärtner. 2 Rthlr. 20 Ngr,
509. Zupitza, Dr. Jul. , Einführung in das Studium des mittelhoch-
deutschen. Zum Selbstunterricht jür jeden gebildeten, gr. 8. (XIV, 114 S.)
Oppeln 1868. Reisewitz in Comm. 16 Ngr.
Vgl. Germania 13, 485 (Strobl); Zeitschrift für das Gyranasiahvesen 1869, 5. Heft.
32*
500 BIBLIOGRAPHISCHE ÜBERSICHT.
510. Wessely, J. E., Das Grundprincip des deutschen Rhythmus auf
der Höhe des 19. Jahrhunderts, gr. 8. (XVI, 392 S.) Leipzig 1868. T. 0.
Waigel. 2 '/s Rtlih-.
Vgl, Literar. Centralbl. 1868, Nr. 20; Stoa I, 1.
511. Jordan, Wilhelm, Der epische Vers der Germanen und sein Stab-
reim, gr. 8. (III, 67 S. mit 2 Tab. in 4.) Frankfurt a. M. 1868. Selbstverlag.
Vg Rthlr.
Vgl. Allgem. Lit. Anzeiger III, 5.
512. Stabreim und Alliteration.
Blätter für literar. Unterhaltung 1868, Nr. 49.
513. Gislason, Konrad, Mälfylling.
Aarböger for nordisk Oldkyndighed 1868, S. 353-358.
514. Rohm e der, W., Die Gesetze der mittelhochdeutschen Metrik.
Album des literar. Vereins in Nürnberg 1868, S. 73 — 90.
515. Bartsch, Karl, Die lateinischen Sequenzen des Mittelalters in mu
sikalischer und rhythmischer Beziehung, gr. 8. (VIII, 245 S.) Rostock 1868"
Stiller. 1 % Rthlr.
Vgl. Revue critique 1868, Nr. 52 (G, Paris).
A. G 0 t h i 8 c h.
516. Codices Gotici Ambrosiani sive epistularum Pauli Esrae Nehemiae
versionis goticae fragmenta, quae iterum recognovit, per lineas singulas descrip-
sit, adnotationibus instruxit Andr. Uppström. fol. (III, 124 S.) Holmiae 18 68.
Samson u. Wallin. 5 Rthlr.
Vgl. Literar. Centralbl. 1868, Nr. 47; Götting. Gelehrte Anzeigen 1868, Nr. 51
(L, Meyer); Zeitschrift f. deutsche philologie 1, 373 (Heyne); Hauck, Jahresbericht IV, 3.
517. Uppström, W., Gotiska bidrag med särskild hänsyn tili de Ambro-
sianska urkunderna. 8. (47 S.) Uppsala 1868, 12 Ngr.
Akadem. afhandling. Vgl. Liter. Centralbl, 1869, Nr. 30.
518. Maß mann, H. F., Die Turiner Blätter des Ulfila.
Germania 13, 271—284. Mit einer Schrifttafel.
519. Bernhardt, Ernst, Vulfila und der Codex Sinaiticus.
Germania 13, 37—39.
520. Bernhardt, Ernst, Kritische Untersuchungen über die gotische
Bibelübersetzung. 2. Heft. Elberfeld 1868.
Vgl. Bibliographie v. J. 1864 Nr. 470. Zeitschrift für deutsche philologie I, 373,
521. Bosworth, J., The gothic and anglosaxon gospels parallel. 8. 1868.
B. Althochdeutsch.
522. Käferbeck, Drei alte deutsche Übersetzungen der Benediktiner-
Regel. 4. Graz 1868.
Programm des Gymnasiums.
523. Pfeiffer, Franz, Zwei althochdeutsche Beichten.
Germania 13, 385—391, Aus den Vatican. Hss, 3548 und Palat. 555. Mit An-
merkungen von W, Scherer.
524. Diez, C, Monuments littdraires du vieux haut-allemand. 8. (64 S.)
Paris 1868. La Ilachette. 1 fr.
BIBLIOGRAPHISCHE ÜBERSICHT. 501
C. Mittelhochdeutsch.
525. Berthold. — Hofmann, Conrad, Zeugnisse über Berthold von
Regensburg. Nachtrag dazu.
Sitzungsberichte der Münchener Akademie 1867, II. 3.
526. Hofmann, C, Vergleichung von Salimbeni's Zeugniss über Berthold
mit der vaticanischen Originalhandschrift.
Sitzungsberichte der Münchener Akademie 1868.
527. Bligg^er von Steinach. — Ritsert, Mitpred, Frdr., Die Herren
von Neckar-Stcinach. 1. Abtheilung. Die ältere Familie von Steinach, 1142 — 1327.
Archiv für hessische Geschichte und Alterthumskunde, 12. Band, 1. Heft Darm-
stadt 1868.
528. David von Augsburg. — Criegern, Dr. Herm. v, , David von
Augsburg. Eine Studie.
Theolog. Literaturblatt von Zimmermann 1868, S. 59-61.
Eekhart.
529. Lasson, Adolf, Meister Eckhart, der Mystiker. Zur Geschichte der
religiösen Speculation in Deutschland, gr. 8. (XX, 354 S.) Berlin 1868. Hertz.
2 Rthlr.
Vgl. Germania 14, 373 — 380 (Preger); Literar. Centralbl. 1869. Nr. 17; Heidel-
berg. Jahrb. Nr. 10; Reusch, theolog. Literaturblatt Nr. 7; Zeitschrift für exacte Phi-
losophie 8. Bd. 4. Heft; Allgem. Zeitung 1869, Nr. 1; Theol. Review Nr. 25; Revue
critique Nr. 21; N. Evang. Kii'chenzeitung Nr. 18; Allgera. Lit. Anzeiger III, 6.
530. Wahl, Über die Seelenlehre Meister Eckarts.
Theol. Studien und Kritiken 1868, 2. Heft.
531. Jonas, A., Der transcendentale Idealismus Arthur Schopenhauers und
der Mysticismus des Meister Eckart.
Philosoph. Monatshefte v. Bergmann, 2. Band.
532. Elisabeth. — Das Leben der h. Elisabeth vom Verfasser der Erlösung.
Herausgeg. von M. Rieger. 8. (431 S.) Stuttgart 1868.
90. Publication des Litterar. Vereins in Stuttgart. Vgl. Zeitschrift für deutsche
Philologie 1, 376 — 378 (Jaeuicke).
533. Freidank. — Lemcke, Fridangi discrecio. Freidanks Bescheiden-
heit. Lateinisch und deutsch. 8. Stettin 1868.
534. Zingerle, I.V., Zu Freidank.
Germania 13, 320. Nachweis des Namens.
Gedichte.
535. Altdeutsche Gedichte von A. v. Keller, 5. Tübingen 1868. 8.
536. Der Buben Orden. Von M. J. A. Campbell.
Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit 1868, Nr. 4, Sp, 113 — 119. Abdruck
eines Kölner Druckes von einem nrh. Gedichte vor 1509. Einen anderen Druck hatte
schon früher Hoffmann v. F, nachgewiesen in seinen Findlingen I, 370.
537. Gottfried von Neifen. — Richter, Otto, Gottfried von Neifen
als volksthümlicher Dichter.
Neues Lausitz. Magazin 44. Band.
538 Gottfried von Straßburg. — Zum Leben Gottfrieds von Straßburg.
Von Herm. Kurz.
Wochenausgabe der Allgemeinen Zeitung 1868, Nr. 23 — 25.
539. Die Quelle zu Gottfrieds Tristan.
Blätter für hterar. Unterhaltung 1868, S. 62.
502 BlBLIOGRAl^HISCHE ÜBERSICHT.
Hartmann von Aue.
540. Hart mann von Aue, herausgegeben von F. Bech. 2. Theil. Lieder.
1. u. 2. Büchlein. Gregorius Der arme Heinrich. 8. (XVII, 352 S.) Leipzig 1868.
Brockhaus. 1 Rthlr.
A. u. d. T. : Deutsche Classiker des Mittelalters. Herausgeg. von Fr. Pfeiffer.
5. Band. Vgl. Literar. Centralblatt 1868, Nr. 1; Revue critique II. 265 (K. Bartsch);
Blätter für literar. Unterhaltung Nr. 42 ; Literar. Handweiser 62 ; Allgem. Lit. Zeitung
Nr. .SO; Pädagog. Archiv Nr. 2.
541. Hartmann von Aue, Iwein. Eine Erzählung. Mit Anmerkungen
von G. F. Benecke und K. Lachmann. 3. Ausgabe, gr. 8. (X, 564 S.) Berlin
1868. Reimer. 2'/, Rthlr.
Vgl. Literar. Centralbl. 1869, Nr. 26.
542. Strobl, J., Hartmanns Gregorius und seine Quelle.
Germania 13, 188-195. Vgl. Bl. f. lit. Unt. 1868, S. 639.
543. Rückert, H., Hartmann von Aue.
Blätter für literar. Unterhaltung 1868, Nr. 44.
544. Heinrich von Müglin. — Schröer, K. J., Zu Heinrich von Mogelin.
Germania 13, 212-214.
545. Heinr. V. Pfolsprundt, (Bruder des deutschen Ordens 1460), Buch
der Bündt-Ertznei. Herausgeg. von H. Häser und A. Middeldorpf. gr. 8. (XLIV,
179 S.) Berlin 1868. Reimer. 1 Rthlr.
Vgl. Germania 14, 116 (Strobl).
546. Heinrich von Veldeke. — Zingerle, Meraner Fragmente der
Eneide von Heinrich von Veldeke.
Sitzungsberichte der Münchener Akademie 1867, II. 4.
547. Hugo von Montfort. — Bergmann, Dr. Jos. Ritter v., Landes-
kunde von Vorarlberg, gr. 8. (VHI, 128 S.) Innsbruck 1868. Wagner. 24 Ngr.
Enthält im Anhange biograph. Skizzen von Rudolf von Ems und Hugo von
Montfort.
548. Hugo von Trimberg. — Holdey, Damian, Hugo von Trymberg
der Meistersänger. Novelle, gr. 8. (III, 176 S.) Leipzig 1868. Kollmann, ''/g Rthlr.
549. Konrad von Megenberg. — Höfler, Dr. C, Aus Avignon. Separat-
abdruck aus den Abhandlungen der k. böhm. Gesellsch. d. Wissenschaften. VI. Se-
rie, 1. Band.
Die politischen Schriften Conrads von Megenberg.
550. Kudrun. — Hofmann, Konrad, Zur Gudrun.
Allgem. Zeitung 1868, Beilage 24 : mythische und historische Bestandtheile
der Sage.
551. Lamprecht. — Spach, L., Le moine Lamprecht et son poeme d' Ale-
xandre le Grand. 8. (24 S.) Extrait du Bulletin de la sociöt^ littdraire de Stras-
bourg. T. II.
Vgl. Revue critique 1868, Nr. 10.
552. Laurin. — Putz, G., König Laurin und sein Rosengarten. In neue
Reime gebracht. 16. (54 S.) Innsbruck 1868. Wagner, '/g Rthlr.
553. Loher und Maller. — Bibliothek der Romane, Novellen, Ge-
schichten u. 8. w. Herausgegeben von K. Simrock. A. u. d. T. Loher und Maller.
Ritterroman erneut von K. Simrock. gr. 8. (XVIII, 291 S.) Stuttgart 1868.
Cotta. 1 Rthlr.
BIBLIOGRAPHISCHE ÜBERSICHT, 503-
Vgl. Göttinj. Gel. Anzeigen 1868, Nr. 33 (Liebrecht); Revue criH(iue Nr. 24
(G. Paris); Blätter'^ für liter. Unterh. 1869, Nr. 27; Wissensch. Beilage der Leipz. Zei-
tung Nr. 1; Frankfurter Zeitung Nr. 15.
554. Mystiker. — Notes on certain theosophists and mystics: Tauler and
his scliool.
Notes and Queries 1868, Nr. 26, S. 597.
Nibelungenlied.
555. Das Nibelungenlied. Herausgegeben von Friedr. Zarneke 3. Aufl.
gr. 16. (CIV u. 480 S.) Leipzig 18(38. G. Wigand. 1 V., Rthlr.
Vgl. Germania LS, 216—240 (K. Bartsch); Revue critique Nr. 15, S. 229-233
(G.Paris); Literar. Centralbl. 1868, Nr. 11.
556. Das Nibelungenlied. — Der Nibelunge lieL Vollständig mit Be-
nutzung aller Handschriften herausgegeben von K. Simrock. 19. Aufl. gr. 8. (LX,
775 S.) Stuttgart 1868. Cotta. 2 Rthlr.
Text mit gegenüberstehender Übersetzung. Vgl. Blätter f. lit. Unterh. 1869, Nr. 31;
Allgem. Zeitung 1868, Beilage 236; lUustr. Zeitung 1849.
557. Das Nibelungenlied. Übersetzt von 0. Marbach. Nebst einführen-
der Abhandlung: Das Nibelungenlied und die altgerman. Volkssage. 3. (Titel-)
Ausg. 8. (LXXI, 351 S.) Leipzig (1859), Senf. V.^ Rthlr.
558. Zimmermann, Fr., Vortrag über das Nibelungenlied und die deutsche
Heldensage.
N. Jahrbücher für Philologie und Pädagogik, 98. Band, 2. und 3. Heft.
559. Zarneke, Friedr., Zum Nibelungenliede.
Germania 13, 445—469. Gegen meine Reeension (Nr. 556) gerichtet.
560. Bartsch, Karl, Zu den Handschriften des Nibelungenliedes.
Germania 13, 195 — 201. 1. Die Bruchstücke NP. 2. Die Handschrift b.
561. Koch, Dr. Ernst, Die Sage von den Nibelungen, gr. 4. (35 S.)
Grimma 1868. Grensel in Comm. V3 Rthlr.
Programm der Landesschule. Vgl. Allgem. Lit. Anzeiger III, 5.
562. Jordan, W. , Nibelunge. I.Lied: Sigfridsage in 24 Gesängen.
3—12. (Schluß) Lieferung, gr. 8. (S. 145—391.) Frankfurt a. M. 1868. (Leip-
zig, Volkmar.) k V3 Rthlr.
563. Reisebeschreibung. — Kohl, J. G. , Pilgerfahrt des Landgrafen
Wilhelm des Tapfern von Thüringen zum heil. Lande i. J. 1461. 8. (157 S.) Bre-
men 1868. Müller. 1 Rthlr.
Vgl. Literar. Centralbl. 1868, Nr. 11: der Text ist sehr vemeudeutscht.
Rudolf von Ems s. Nr. 547.
564. Sahsendorf. — Der von Sahsendorf, Carmina quot supersunt re-
cognovit emendavitque F. G. P. Storck. gr. 8. Monasterii 1868.
5G5. Sigenot. — Frommann, Dr., Ein hebräischer Druck des Sigenot.
Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit 1868, Sp. 127 — 131.
566. Stricker. — Bibliothek humoristischer Dichtungen, herausgeg. von
G. Haller. 1. Band. Halle 1868. Barthel.
Enthält ein Stück aus dem Amis in Original und Übersetzung. Vgl. Liter. Hand-
weiser Nr. 66; Contemporary Review 1869, Nr. 1.
567. Suso. — Kärcher, Ludwig, Heinrich Suso aus dem Predigerorden.
Abhandlung über Ort und Zeit seiner Geburt.
Freiburger Diöcesan - Archiv. Organ des kirchl. historischen Vereins der Erz-
diöcese Freiburg. 3. Band, Freiburg 1868.
504 BIBLIOGRAPHISCHE ÜBERSICHT.
568. Ulrich von Liechtenstein. — Falke, Jacob, Geschichte des fürstli-
chen Hauses Liechtenstein. 1. Band. gr. 8 (X, 512 S.) Wien 1868. Braumüller.
3V3 Rthlr.
Enthält S. 57—124 Das Leben des Dichters. Vgl. Literar. Centralbl. 1869, Nr. 2;
Allgem. Lit. Zeitung Nr. 3; Wiener Zeitung 197.
Wolfram von Eschenbach.
569. Bartsch, Karl, Zwei neue Bruchstücke von Wolframs Titurel.
Germania 13, 1 — 37.
570. Pfeiffer, Fr., Quellenmaterial zu altdeutschen Dichtungen. 11. gr. 4.
(lU, 90 S.) Wien 1868. Gerold in Comm. 1 Rthlr. 1 4 Ngr.
Aus den Denkschriften der Akademie. Beschäftigt sich ausschließlich mit Wolfram.
Vgl. Blätter für literar. Unterh. 1868, Nr. 12; Liter. Centralbl. Nr. 18.
571. Jugendbibliothek des griechischen und deutschen Alterthums.
Herausgeg. von F. A. Eckstein. 11. u. 12. Bd. 8. Halle 1868. Waisenhaus.
1 Va Rthlr.
Inhalt: Erzählungen aus der alten deutschen Welt für Jung und Alt von K. W.
Osterwald. 5. u. 6. Theil: Parzival. (VI, 292 und VU, 303 S.) 3. Auflage.
Zur Litteratur des 16. Jahrhunderts.
572. Agricola. — Latendorf, Fr., und J. Franck, Bietet Agricola
in den beiden ersten Theilen seiner Sprichwörter ursprünglich nur 48 Nummern?
Anzeige für Kunde der deutschen Vorzeit 1868, Sp. 47 — 51.
573. Ayrer. — Lützelberger, K, Ayrer's Phönizia und Shakespeare'r
Viel Lärmen um Nichts.
Album des literar. Vereins in Nürnberg 1868, S. 1 — 72.
574. Brant. — Zarncke, Fr., Zur Vorgeschichte des NarrenschiflPes.
gr. 8. (8 S. m. eingedr. Holzschn.) Leipzig 1868, T. 0. Weigel. Vg Ethlr.
Aus dem Serapeum 1868, Nr. 4 abgedruckt.
Fischart.
575. Johann Fis Charts sämmtliche Dichtungen. Herausgeg. und mit Er-
läuterungen versehen von Heinr. Kurz. 3. Theil. (LXXIX u. 544 S.) Leipzig 1868.
Weber. 4 Rthlr.
A. u. d. T. Deutsche Bibliothek. Sammlung seltener Schriften der älteren deut-
schen National-Literatur. Herausgeg. von H. Kurz. 10. Band. Vgl. Literar. Centralblatt
1868, Nr. 18-, Anzeiger für Kunde d. d. Vorzeit Nr. 1; Wissensch. Beilage d. Leipziger
Zeitung Nr. 17.
576. Ein Humorist des 16. Jahrhunderts.
Illustrirte Zeitung Nr. 1291 fg.
577. Franck. — Latendorf, F., Sebastiani Franci de Pythagora ejus-
que symbolis disputatio. 4. Sverini 1868.
Festschrift des Gymnasiums.
578. Latendorf, F., Ein unbekanntes Werk Sebastian Francks. Ein Bei-
trag oder Zusatz zur Geschichte seines Lebens und Wirkens.
Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit 1868, Sp. 5 — 9.
579. Grob. — Grob, Joann. Huldr., Tapfere handlung D. Martin Luthers
uf gehaltem rychstag zu Wormbs vor Keiser Carolo V. anno 1521 in Teütsche
reimen verfaszet. Beim Anlasse der Enthüllung des Luther-Denkmals zu Worms
herausgeg. v. Rector G. Geilfus. Lex. 8. (27 S.) Wiuterthur 1868. Bleuler iu
Comm. 8 Ngr.
BIBLIOGRAPHISCHE ÜBERSICHT. ■ 505
580. Luther. — Latendorf, F., Hat Luther die von Seb. Franck über-
setzte Türkenchronik bevorwortet?
Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit 1868, Nr. 8.
581. Sachs. — Weller, E., Ein Heft Meisterlieder von Hans Sachs.
Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit 1868, Nr. 8.
582. Haupt, Dr. Otto, Leben und dichterische Wirksamkeit des H. Sachs,
gr. 8. (IV, 140 S.) Posen 1868. Merzbach. Vj Kthlr.
583. Schauspiele. — Deutsche Dichter des 16. Jahrhunderts. ^Mit Einlei-
tungen und Worterklärungen. Herausgeg. von K. Grödeke und J. Tittmann. 2 Bd.
8. (XLIV, 291 S.) Leipzig 1868. Brockhaus. 1 Rthlr.
Inhalt : Schauspiele aus dem 16. Jahrhundert. Herausgeg. von Jul. Tittmann.
1. Theil: Nicolaus Manuel. Paul Rebhun. Lienhart Kulmann. Jacob Funkelin. Seba-
stian Wild. Petrus Merkel. Vgl. Literar. Centralbl. 1868, Nr. 6; Allgem. Lit. Zeitung
Nr. 11 ; Hamburger Nachrichten Nr. 61.
584. Das deutsche Schauspiel im 16. Jahrhundert.
Europa 1868, Nr. 27.
585. Stummel. — Rasmus, Dr., Christoph Stummel. Ein Frankfurter
Dichter des 16. Jahrhunderts.
Jahresberichte und Mittheilungen des histor. statist. Vereins zu Frankfurt a. O.
6. und 7. Heft. Frankfurt, a. O. 1867.
586. Witekind. — Conquestio Hermanni Witekindi de quibusdam theo-
logis, Bergeusis discordiae fabris, rhythmis exposita. A. 1582.
Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereius 5. Band, Bonn 1868.
587. Vilmar, A. F. C, Nachträgliche kleine literarische Notiz zu Zeit-
schrift 2, 25 über Hermann Wilcken gen. Witekind.
Ebendaselbst.
D. Altsächsisch.
588. Dietrich, Fr., Ein westphälisches Runenalphabet mit Namen dct
Buchstaben erklärt.
Germania 13, 77 — 91. Mit einer Schrifttafel.
589. Grein, Dr. C. W. M., Heliand-Studien. L Die Quellen des Heliand.
Nebst einem Anhange : Tatians Evangelienharmonie herausgeg. nach dem Codex
Cassellanus. 8. (V, 281 S.) Cassel 1869. Krieger. 2 Rthlr.
Vgl. Literar. Centralbl. 1869, Nr. 8; Reusch, theol. Literaturblatt Nr. 14.
590. Koch, Prof. Dr. C. F., Der Christus der Sachsen. L Christi Geburt
und Jugend. 8. (16 S.)
Programm des großherzogl. Realgymnasiums in Eisenach.
591. Deycks, Ferd., Altsächsische Glossen.
Germania 13, 478—480.
E. Mittelniederdeutsch.
592. Lübben, Aug., Mittelniederdeutsche Gedichte aus Handschriften
herausgegeben. 8. (IV, 62 S.) Oldenburg 1868. Stalling. 12 '/g Ngr.
593. Aesopus in niederdeutschen Versen. Von HoflFmann von Fallersleben.
Germania 13, 469—478.
594. Drosihn, Zum Redentiner Spiel.
Programm des Stettiner Gymna.siums 1867.
506 BH5LI0GKAPHISCHE ÜBERSICHT.
595. Schiller, K., Zu Reineke Vos.
Germania 13, 160. hornscheit und hoffen (3734. 6037) vertheidigt.
596. Chroniken, die, der deutschen Städte, vom 14. bis ins 16. Jahr-
hundert. 6. Band. Die Chroniken der niedersächsischen Städte. Braunschweig.
1. Band. gr. 8. (XLIII, 530 S.) Leipzig 1868. Hirzel. 2-/3 Rthlr.
Vgl. Literar. Centralbl. 1869, Nr. 3; Histor. Zeitschrift 1869, 1. Band.
597. Schöbel, C, Un manuscrit bas-allemand restitue, annoti^ et traduit.
8. (16 S.) Paris 1868. Challemel. 1 fr. 25 c.
598. Die erste Ausgabe von Luther's kleinem Katechismus. In einer
niedersächsischen Übersetzung aufgefunden und herausgegeben von C. Mönckeberg.
Zweite verm. Ausgabe. 12. (XLVI, 192 S.) Hamburg 1868. Agentur des
Rauhen Hauses.
Die erste Ausgabe erschien 1851.
F. Mittelniederländisch.
599. M. de Vries, Floris ende Blancefloer. Tekstkritiek.
Haudelingen en Mededeelingen van de Maatschappij der Nederlandsche Letter-
kunde 1867. S. 15.
600. Heinric van Aken, Die Rose, met de fragmenten der tweede ver-
taling van wege de Maatschappij der Nederlandsche Letterkunde te Leiden, uitge-
geven door Dr. E. Verwijs. roy. 8. (XXXIV, 260 S.) 'sGravenhage 1868. Nijhoff.
Vgl. Literar. Centralbl. 1868, Nr. 10.
601. Moltzer, H. E., De Middelnederlaudsche dramatische Poezie. 1 Ge-
deelte. 8. (137 S.) Groningen 1868. Wolters, f. 1,40.
Enthält : Esmoreil , Lippijn , Die Hertoghe van Bruyswijc , Die Buskenblaser.
A. u. d. T. Bibliothek van Middelnederlaudsche Letterkunde. 1 Aflevering.
602. Dit is 't Spei van den Heiligen Sacramente vander Nyeuwervaert, uit-
gegeven en met aantekeningen voorzien door Dr. E. Verwijs. 8. (VIII, 107 S.)
Leeuwarden 1867. Suringar. f. 1,10.
Mirakelspiel aus dem J. 1500.
603. M. de Vries, Mededeeliug omtrent een Handskrift uit de 15'^^eeuw.
Handelingen en Mededeelingen van de Maatschappij der Nederl. Letterkunde 1867.
G. Angelsächsisch.
604. Thorpe, B., Analecta anglo-saxonica: a selection in prose and verse
from anglosaxon authors. New edition with corrections and improvement. 8. (312S.)
London 1868. Smith.
605. Beövulf. Mit ausführlichem Glossar herausgegeben v. M. Heyne.
2. Aufl. gr. 8. (VI, 273 S.) 1 V3 Rthlr.
A. u. d. T.: Bibliothek der ältesten deutschen Literatur-Denkmäler. 3. Band. An-
gelsächsi.sche Denkmäler. 1. Theil. Vgl. Zeitschrift für die Österreich. Gymnasien 1869,
2. und 3. Heft; Literar. Centralbl. 1869, Nr. 11; Allgem. Lit. Zeitung Nr. 19.
606. Rieger, M., Über Cynevulf. L IL
Zeitschrift für deutsche philologie 1, 215 — 226.
607. Freybe, Dr. Alb., Von unseres Herren Christi Wiederkunft. Versuch
einer theolog. Auslegung der eschatolog. Reden im Evangelium Matthaei, begleitet
mit einer Beigabe „Das Hochgericht" aus Cynevulfs Christ, gr. 8. (XVI, 128 S.)
Parchim 1868. Wehdemann. '/g Rthlr.
BIBLIOGRAPHISCHE ÜBERSICHT. 507
608. Cockayne, J. 0., Shrine Nv. 1 — 10. 8. (156 S.) 1864 — 1868.
Enthält p. 1 — 11 eine Kritik von Bosworth's anglosaxon dictionary ; p. 12 — 22
Life of St. Nect with english translation (spätes angelsächsisch); 23 — 27 Postscript
über die genannte Recension ; das übrige nimmt ein angelsächsisches Martyrologiiini
(in Prosa) ein.
IL M i 1 1 e 1 e n g 1 i s c h.
609. The Babees Book, Aristotle's ABC, urbanitatis, Stanspuer ad men-
sam, The lytille childrenes Lytil Boke, The bokes of Nurture of Hugh-Rhodes and
John Russell, Wynkyu de Worde's Boke of Keruynge, The Booke of Denieanor,
The Boke of Curtasye, Seager's Schoole of Vertue etc. with some french and latin
poems on like subjects. Edited by F. J. Furnivall. 2 parts. 8. (CXXXVI, 408 u.
33 S.) London 1868, Trübner. 15 s.
610. Caxton's Book of Curtesye, printed at Westminster About 1477 — 8
a. d. and now reprinted. Edited by F. J. Furnivall. 8. (XII, 57 S.) London 1868.
Trübner. 5 s.
611. The Romance of the C hevelere Assigne. Reedited by H. H. Gibbs.
8. (XVIII, 40 S.) Ebend. 3 s.
612. The lay of Havelock the Dane, composed in the reign of Edward I,
about a. d. 1280, re-edited by W. W. Skeat. 8. (LVI, 160 S.) Ebend. 10 s.
613. Old English Homelies and Homiletic Treatises of the 12. and 13.
centuries. Edited by R. Morris. 1. Series. 8. (LXIV, 330 S.) Ebend. 1867. 15 s.
614. Hymns to the virgin and Christ, the parliament of Devils and other
religious poems. Edited by F. J. Furnivall. 8. (XVIII, 140 S.) Ebend. 1867. 3 s.
615. The Book of the Knight of La- Tour Landry, compiled for the in-
Btruction of bis daughters. Edited by Th. Wright. 8. (XXVI, 227 S.) 1868. 8 s.
616. L e vi ns, Peter, Manipulus Vocabulorum : a rhyming dictionary of the
English language. Edited by H. B. Whealley. 8. (XVI, 368 S.) 1867. 12 s.
617. Lyndesay's, Sir David, Works. Edited by F. Hall. 3 parts. 8. 1868.
618. Stratmann, F. H., An old english poem of the owl and nightingale.
gr. 8. (III, 59 S.) Krefeld 1868. Gehrich in Comm. Vs Rthlr.
619. The vision of William concerning Piers Plowman, together with Vila
de Dowel, Dobet et Dobest by W. Langlaud (1362). Edited by W. W. Skeat. 8.
(XLIV, 158 S.) 1867. 7 s.
620. Religious Pieces in Prose and Verse. Edited by G. G. Perry. 8.
(XII, 106 S.) 1867. 2 s.
621. The stations of Rome and the pilgrims sea-voyage with Clene May-
denhood. Edited by F. J. Furnivall. 8. 1867. 1 s.
622. The Romance of William ofPalerne, otherwise known as the Ro-
mance of 'William and the Werwolf* translated from the french (about a. d. 1350),
to which is added a fragment of the alliterative romance of Alisaunder. Edited by
W. W. Skeat. 8. (XLIV, 328 S.) 1867. 13 s.
Sämmtlich (mit Ausnahme von Nr. 618) Publicationen der Early English Text
Society.
I. Altnordisch.
Runen.
623. Stephens, George, The old-northern runic momiments of Scandi-
navia and England, now first collected and deciphered. Vol. IL Fol. (p. 503 bis
1038 mit Abbild.) London and Köbenhavu 1867 68. Smith. 5 L.
Vgl. Athenaeum 186-9, 17. Juli.
508 BIBLIOGRAPHISCHE ÜBERSICHT.
624. Dybeck, Eicb., Sverikes runurkunder. IL Stockholms Uin. 3. häft;
Vallentuna och Seminghundra Urkunder. FoL (PL 24 — 35 und Text 11 — 16)
Stockholm 1868. 6 rd.
625. Stephens, George, Om de aeldste oldnordiske rune-indskrifter.
Aarböger for nordisk oldkyndighed 1868, S. 14 - 28.
626. Bugge, Sophus, Runeindskrifter fra Aardals kirke i Sogn.
Saerskilt Aftryk af Aarsberetn. for 1868 fra Foreniiigen til Norske Fortids min-
desmerkcrs Bevaring.
627. Maughan, John, The runic rock at Barnspike.
Memoires de la societe royale des antiquaires du Nord. Nouv, serie. Copen-
hague 1866.
628. Jessen, E., Smäting vedrörende Runeindskrifter.
Aarböger for nord. Oldkyndighed 1867.
629. Stephens, Gr., Dr. E. Jessens Smäting vedrörende Runeindskrifter.
Ebend. 3. Heft.
630. Stephens, Prof. G., Candidat L. F. A. Wimmer om de oldnordiske
Runenindskrifter.
Ebend. 3. Heft. Vgl. Bibliographie 1867, Nr. 586.
631. Wimmer, L. F. A., Professor G. Stephens om de aeldste nordiske
runeindskrifter.
Ebend. 1868, S. 53—75.
632. Stephens, G. , Runehallen i det danske oldnordiske Museum. 4.
(Vn, 25 S.) Köbenhavn 1868.
Mit 13 Tafeln. Gleichzeitig englisch erschienen.
Edda.
633. Wis^n, Theod., Hjeltesangerne i Sämunds Edda fdrklarade. 8. (IV,
104 S.) 24 Ngr.
634. Jordan, Wilh., Oddruns Klage.
Germania 13, 257—270. Vgl. Frankfurter Zeitung 1869, Nr. 162.
635. Gislason, K., I gser. Hamdismäl 31.
Äacböger for nordisk Oldkyndighed 1867.
Skalden.
636. Sörensson, Per., Egil Skallagrimssons Höfuälausn, öfversatt och
förklarad. 8. (II, 61 S.) Lund 1868. Gleerup. 10 Ngr.
Academisk Afhandling.
637. Gislason, K., En halvstrophe af Hallvardr härensblesi fortolket.
Aarböger for nordisk Oldkyndighed 1868, S. 359—365.
638. Kyhlberg, 0., Om skalden Sighvat Thordsson samt tolkning af
hans Vestrvikingar-och Nesjavi'sur. 8. (63 S.) Lund 1868. Gleerup. 10 Ngr.
Akademisk Afhandling.
639. Thorkelsson, Jon, Skyringar 4 visum i nokkurum islenzkum sögum.
(48 S.) Reykjavik 1868.
640. (Harms 61) Kaniken Gamles Harmsöl (Sol i Sorgen). Öfversättning
och förklaringar. (VII, 60 S.) Uppsala 1867.
Akademische Abhandlung von Hjalmar Kempff.
641. Thorkelsson, Jon, AefisagaGizurarThorvaldssonar. 8. (VIII, 142 S.)
Reykjavik 1868.
Vgl. Germania 14, 114 (K. Maurer).
BIBLIOGRAPHISCHE ÜBERSICHT. 509
642. Biskupasögur, gefnai- ut af hinu i'slenzka bokmentaffelagi. 2. Bd.
2. Heft. 8. (234 S.) 1 Rthlr. 6 Ngr.
643. Flateyjarbok, en samling af norske Kongesagaers med inskudte
mindre fortaellinger om begivenheder i og udenfor Norge samt Annalcr. Udg. efter
offentl. Foranstaltning. gr. 8. III, 2 (S. 473—697, u. XXIV S.) 1868.
Schluß des Werkes.
644. (Frissbök.) Codex Frisianus. En Samling af Norske Konge-Sagaer,
udgiven efter offentl. Foranstaltning ved C. R. Unger. 1. (S. 1 — 192.) Cliri-
stiania 1869.
645. Hefndin Saga og nokkur kvaedi. 8. (64 S.) Reykjavik 1868.
646. Heimskringla eller Norges Kongesagaer, forfattede af Snorre Stur-
lason, udgivne ved C. R. Unger. 3. u. 4. Heft. (XXII S. u. S. 401—860.) Chri-
stiania 1868.
Schluß des Werkes.
647. Konunga-Boken eller Sagor om Ynglingarne och Norges konungar
intill ar 1177 af Snorre Sturleson. Ofversatt och förklarad afHans Olaf Hildebrand
Hildebrand. 1. Del. 8. (LXXII S. und S. 1—48.) Örebro 1869.
648. Blom, 0., Bemaerkninger om Kongespeilets Affattelsetid.
Aarböger for nordisk Oldkyndighed 1867.
649. Marfusaga, udgiv. af C. R. Unger. 1. 2. Heft. 8. (S. 1—240,
241 — 624.) Christiania 1868—69.
Det norske Oldskriftselskabs Samlinger. XI. Xu.
650. Sögudrip um prentsmidjur og prentara 4 Islandi. Höfundur og litge-
fari Jon Jönsson Borgfirdingur. 16. (68 S.) Reykjavik 1868. 9 Ngr.
651. Sk^rslur um landshagi a Islandi, gefnar ut af hinu islenzka b6kmen-
taf^lagi, IV. Band, 1. Heft. 8. (270 S.) 1868. 1 Rthlr.
K. Altdänisch.
652. Ludus de Sancto Kanuto duce. Et faedrelandshistorisk Skuespil fra
Reformationstiden. Udgiv. ved S. B. Smith. 8. (104 S.) Köbenhavn 1868. Gyl-
dendal. 1 Rthlr.
653. Malmöbogen af Peter Laurenssen udgiv. ved Holg. Fr. Rördam.
(LXXXII S., Bl. 1—57.) Köbenhavn 1868. Thiele.
L. Mittellateinische Poesie.
654. RusticiElpidii Carmen de Christi Jesu beneficiis cd. H. Müller,
gr. 8. Göttingen 1868. Dieterich. 6 Ngr.
655. Hagen, H., Zur Orestis tragoedia.
Philologus 27. Band, 1. Heft.
656. Novus Avianus, herausgeg. von Dr. E. Grosse. 4. (X, 26 S.
Königsberg 1868.
Programm des Friedrichs-Collegiums.
657. Thierfelder, Albert, De christianorum psalmis et hymnis usque ad
Ambrosii tempora. Dissertatio inauguralis. gr. 8. (41 S.) Leipzig 1868, Teubner.
12 Ngr.
r-ylO lUHLIOGRAPHISCHP^. ÜBERSICHT.
658. Daniel, Dr. H. A., Die Kirchweih-Hymneii Christe cunctorum domi-
nator alrae — Urbs beata Hirusalem. Festschrift, gr. 4. (24 S.) Halle 1868.
Waisenhaus. V3 Rthlr.
Vgl. Literar. Centralbl. 1868, Nr. 45.
659. Hymnarium. Blüthen lateinischer Kirchenpoesie. 2. mit biograpb.
Notizen verm. u. verb. Aufl. 16. (VIII, 182 S.) Halle 1868. Petersen. V2 ^thlr.
660. Lauda Sion. Auswahl der schönsten latein. Kirch enhymnen mit deut-
scher Übersetzung von K. Simrock. 2. Aufl. gr. 8. (XVI u. 364 S.) Stuttgart 1868.
Cotta. 1 Rthlr. 12 Ngr.
Vgl. Rausch, theol. Literaturbl. Nr. 20; Hauck, Jahresbericht IV, 2.
661. A seh b ach, Jos.,* Roswitha und Conrad Celtes. 2. verm. Aufl. mit
nachträgl. Untersuchungen über die Münchener Hs. der Roswitha, über die Le-
gende des heil Pelagius und den Ottonischen Panegyricus. gr. 8. (VI, 113 S.)
Wien 1868. Braumüller. 20 Ngr.
Vgl. Historische Zeitschrift 1868, 4. Heft, S. 416 flf. ; Anzeiger d. germ. Museums
Sp. 176 — 179; Liter. Handweiser Nr. 79; Allg. I-iter. Anzeiger III, 4; Reiisch, Litera-
turblatt 1869, 2 fg ; Saturday Review 19. Dec. 1868; Em-opa 1869, Nr. 12; Allgem.
Lit. Zeitung Nr. 11; Ergänzungsblätter III, 7; Magazin f. d. Lit. d. Ausl. Nr. 10; Hei-
delberg. Jahrbücher 1868, Nr. 60; Wiener Zeitung 1868, Nr. 200; Allgem. Zeitung
Nr. 256. 261 (Christ). Revue critique 1868, Nr. 50.
662. König, Prof. Dr. J. , Über Walafrid Strabo von Reichenau.
Freiburger Diöcesan- Archiv 3. Band (1868).
663. Baxmann, Ein Weihnachtslied für die Knaben im Kloster zu St. Gallen
von Ekkehard IV.
Jahrbücher für deutsche Theologie 13. Band, 2. Heft.
664. Höfler, C, Neue Beiträge zu dem Carmen occulti autoris. Lex. 8.
(34 S.) Wien 1868. Gerold in Comm. % Rthlr.
Aus den Sitzungsberichten abgedruckt.
665. Wattenbivch, W., Geistliche Scherze des Mittelalters. (Fortsetzung.)
Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit 1868. Enthält u. a. eine Saufmesse,
lateinisch, mit Versen, unter denen Vinnm bonum et suave; Testamentum Asini; latein.
Wettstreit zwischen Vinum und Aqua , xand ein deutsches Gedicht desselben Inhalts
u, s, w.
I
BERICHTIGUNG.
Jahrgang XIV, S. 372 Z. 2 v. u lies swümmen statt sivimmen.
[BEILAGE ZUR GERMANIA XIV. JAHRGANG 4. HEFT. öU
HISTORISCHE UND NATIONALOKONOMISCHE
PREISFRAGEN DER FÜRSTL. JABLONOWSKI-
SCHEN GESELLSCHAFT.
Für das Jahr 1871.
JJie Geschichte der landständischen SteuerbewilHgung ist unstreitig
eine der wichtigsten Seiten der Territorialentwickelung, ebenso be-
deutsam für die Ausbildung des Staatsrechtes, wie des Finanzwesens
und der Volkswirthschaft. Gleichwohl fehlt es noch sehr an tiefer ein-
gehenden Specialuntersuchungen darüber, obschon jedes geschichtlich
weit zurück reichende landständische Archiv Stoff bietet. Man wünscht
daher
die urkundliche Geschichte der landständischen
Steuerbewilligung in irgend einem deutschen Terri-
torium,
wobei übrigens die constitutionellen Volksvertretungen des 19. Jahr-
hunderts ausgeschlossen bleiben. (Preis 60 Ducaten.)
Für das Jahr 1872.
Die Geschichte der städtischen Selbständigkeit und Freiheit in
Deutschland hat längst die Aufmerksamkeit der Forscher in Anspruch
genommen, und mit Erfolg ist der Weg eingeschlagen worden , jene
Eatwickelung an einzelnen hervorragenden Städten nachzuweisen. Da-
gegen sind die Eigenthümlichkeiten der städtischen Verwaltung in Juris-
diction, Polizei, Kämmerei- imd Rechnungswesen u. s. w. noch wenig
oder doch nur beiläufig erörtert worden, so reichen Stoff auch für die
ältere Zeit etwaige Urkundenbücher, für die spätere die Acten der städti-
schen Archive selbst gewähren. Die Gesellschaft stellt daher die Auf-
gabe, es möeren
512
die mittelalterlichen Verwaltungsformen, Verwal-
tungsbeamten und da s Actenwesen einer deutschen
Reichs- oder größeren Landstadt
erläutert werden. Als äußerste Zeitgrenze dürfte die Mitte des 16. Jahr-
hunderts anzusehen sein. Sonst wird sich die Gestaltung und Begren-
zung der Aufgabe natürlich nach den eigenthümlichen Verhältnissen
der Stadt und nach dem aufbehaltenen Quellenmaterial richten müssen.
(Preis 60 Ducaten.)
PF
3003
Germania
PLEASE DO NOT REMOVE
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