»miäim
ür
GERMANIA.
VIERTELJAHRSSCHRIFT
FÜR
DEUTSCHE ALTERTHÜMSKUNDE.
BEGRÜNDET VON FRANZ PFEIFFER.
HERAUSGEGEBEN
KARL BARTSCH.
ZWEIUNDZWANZIGSTER JAHRGANG.
NEUE REIHE ZEHNTER JAHRGANG
WIEN.
VERLAG VON CARL GEROLD'S SOHN.
1877.
.^^
INHALT.
Seite
Die Berleburger Handschrift des Titurel und der Schluß dieses Gedichtes. Von
Fr. Zarncke 1
Die Tübinger Titurelbruchstiicke. Von Fr. Zarncke 16
Das Spiel von den sieben Weibern, die um einen Mann streiten. Von R. Kühler 19
Die geworfenen Steine. Von F. Liebrecht 21
Allerhand Vermuthungen und Nachweise. Von F, Bech 34
Salomo und Saturn. Von J. Schipper 50
Über Reinmar von Hagenau. Von R. Becker "0, 19^
Zu des Strickers Karl. Von C. von Jecklin 129
Unterweisung zur Vollkommenheit. Von F. Bech 16*
Kleine Mittheilungen. Von F. Liebrecht 181
Kleine Beiträge zur Mythologie. Von C. M. Blaas 257
Nachträgliches zu Albers Tundalus. Von R. Sprenger 264
Die Pariser Handschrift des Iwein. Von O. behaghel 273
Zur chronologischen Bestimmung des VI. und VH. Buches von Wolframs Parzival
und über den Beginn von Wolframs und Walthers Aufenthalt in Thüringen.
Von J. E. Wackernell 280
Zu einer Stelle in Rudolfs von Ems Barlaam und Josaphat. Von R. Köhler. 285
Zu dem Gratzer Cisiojanus. Von K. E. H. Krause. 286
Wortformen auf -eze. Von F. Bech 290
Kinderlieder und Reime. Von Th. Gelbe 293
Die Busse Adams und Evas. Von H. Fischer 316
Susanna. Von K. Schröder 342
Lesefrüchte aus Zürich und Bern. Von F. Vetter 352
Zum Marner. Von F. Bech 385
Wie Meister Eckhart kam ein schöner nackender Pub. Von F. Bech 391
Die althochdeutschen Glossen aus Sanct Peter. Von A. Holder 392
Zu Gottfrieds Tristan. Von R. S p r e n g e r 406
Michael Beheims Lebensende. Von J. Caspart.. 412
Ain Vasnacht Spill von den Risn oder Reckhn. Von O brist . 420
Beiträge zur Erklärung der religiösen Dichtungen Wahhers von der Vogelweide.
Von J. Fasching 4:29
Mittheilungen aus Grazer Handschriften. Von A, Jeitteles 437
LITTERATUR.
C. Callenberg, Layamon und Orm. Von E. Kölbing 93
Ph. Strauch, der Marner. Von K. Bartsch ... 95
E. Voigt, Ecbasis Captivi. Von K. Bartsch 97
E. Kölbing, Englische Studien. Von J. Schipper 98
K, G. Andresen, über deutsche Volksetymologie. Von K. Bartsch 106
H. Rückert, Heliand. Von O. Behaghel 226
H. Gering, Die Causalsätze und ihre Partikeln bei den althochdeutschen Über-
setzern des achten und neunten Jahrhunderts. Von O. Behaghel 229
W, Maunhardt, Roggenwolf und Roggenhund ; die Korndämonea etc. Wald- und
Feldculte. Erster Theil. Der Baumcultus der Germanen und ihrer Nachbar-
stämme. Zweiter Theil. Antike Wald- und Feldculte aus nordeuropäischer Über-
lieferung erläutert. Von K. J. Schröer 232
F. Kramer, Idiotismen des Bistritzer Dialekts. Von K. J. Schröer .... 241, 367
G, K, Frommann, Die deutschen Mundarten. Von K. J. Schröer 246
Th. Gelbe, Deutsche Sprachlehre. Von E. Kölbing 371
J. Bächtold und F. Vetter, Bibliothek älterer Schriftwerke der deutschen Schweiz
und ihres Grenzgebietes. Von L. Tobler.... 373
O. Behaghel, Die Modi im Heliand. Von P. Piper 375
M. Vogler, Sjurflar kvsedi. Von B. Symons 440
BIBLIOGRAPHIE.
Bibliographische Übersicht der Erscheinungen auf dem Gebiete der germanischen
Philologie im Jahre 1876. Von Karl Bartsch 447
MISCELLEN.
Bericht über die Verhandlungen der germanisch-romanischen Section auf der
XXXI. Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner zu Tübingen
(24.-27. September 1876). Von R. Kap ff 107
Deutsche Handschriften der Georgs - Bibliothek zu Dessau (Fortsetzung). Von
W. Hosäus 114
Verkäufliche Abschriften Heidelberger Handschriften. Von W. Schlüter .... 116
Theophil Rupp. Von K. Bartsch 123
Alexander Vollmer. Von K. Bartsch 124
Ein Brief F. H. von der Hageus an Fr. D. Gräter. Von H. Fischer 127
Erklärung. Von A. Jeitteles 127
Personalnotizen 127
Mahnwort. Von K. J. Schröer 127
Briefe von Jacob Grimm an Karl Dominique Franz von Villers. Von Dr. Isler. 248
Erklärung 256
Zwei Briefe Jacob und Wilhelm Grimms. Von B. Symons 380
Germanistische Vorlesungen im Soramersemester 1877 383
Berichtigung 384
Bericht über die Verhandlungen der deutsch- romanischen Abtheilung der 32. Phi-
lologen-Versammlung zu Wiesbaden 1877. Von Witte 496
Berichtigung. Von Th Möbius 508
DIE BERLEBURGER HANDSCHRIFT DES TITU-
REL UND DER SCHLUSS DIESES GEDICHTES.
I. Die Berleburger Handschrift.
Unmittelbar nachdem meine Abhandlung über den Graltempel
erschienen war, wurde ich von zwei Seiten darauf aufmerksam gemacht,
daß sich auf dem Archive zu Berleburg im Besitze des Fürsten von
Wittgenstein eine vollständige Handschrift des Titurel befinde, von
der bisher noch nirgends die Rede gewesen und die daher auch von
mir übersehen worden war. Es dauerte eine Zeitlang bis ich in Er-
fahrung gebracht hatte, an wen ich mich zunächst würde wenden
dürfen, um genauere Mittheilung über jene Handschrift zu erhalten,
und ich war in dieser Zeit nicht ohne ernste Sorge, es möge der
eben von mir herausgegebenen Arbeit durch dies neue Material ein
erheblicher Schade erwachsen; denn Berleburg ist ein altes Stamm-
schloß der von jeher reich begüterten Wittgenstein'schen Familie,
und so lag die Gefahr nahe, es möge die dort aufbewahrte Hand-
schrift vielleicht schon bald nach dem Erscheinen des Gedichtes ange-
schafft und in dauerndem Besitz der fürstlichen Familie geblieben sein,
also eine Handschi-ift, an Werth etwa der Dietrichstein'schen vergleich-
bar. Dieser Sorge wurde ich freilich enthoben, als Herr Superinten-
dent Dr. th. Fr. Winckel in Berleburg mir mittheilte ^ daß es eine
späte, schlecht geschriebene Papierhandschrift des 15. Jahrhunderts
sei, die wahrscheinlich erst in der Zeit von 1532 — 1605 durch den
Grafen Ludwig sen. sammt den Gütern der alten Familie Winter er-
worben worden sei. Aber etwas Näheres konnte er mir im Augen-
blicke nicht mittheilen, denn ein neckischer Zufall hatte es gefügt, daß
wenige Stunden vor dem Eintreffen meiner Anfrage die Handschrift
an den Großherzog von Weimar ausgeliehen worden war. Nähere
Nachforschungen, die auf meine Bitte mein Freund Reinh. Köhler in
Weimar nach der Handschrift anstellte, ergaben, daß dieselbe auf die
Jenaer Universitätsbibliothek entsendet sei, und hier hat nun Herr
Prof. E. Sievers die Güte gehabt, die Handschrift in meinem Interesse
in Augenschein zu nehmen und mich mit den im Nachstehenden von
mir verwendeten Notizen zu versehen. So bin ich also in den Stand
GERMANU. Nene Reihe X. (XXII.) Jahrg. 1
2 F. ZARNCKE
gesetzt, was ich im vorigen Bande S. 432 noch von anderer Seite er-
hoflPte, selber ausführen zu können.
Die Hs. Litr. T. Xr. 437 in Quart (28, 7 c'" hoch, 21, 5 c"" breit)
der fürstlichen Bibliothek zu Berleburg (wie ein auf der Iinieuseite des
Vorderdeckels vom 15. ^Nlärz 1845 datierter Vermerk besagt) enthielt
ausser einer vorgebundenen Lage leeren Papiers von 16 Blättern ur-
sprünglich 742 (unbezifferte) Blätter in 62 Lagen zu 12 Bl. (nur Lage 8
hat 14, Lage 24 oder 25 und 52 nur 10 Bl.). Die Lagen sind auf
der Vorderseite des je ersten Blattes rechts oben von der Hand des
Schreibers gezählt. Jetzt ist die Hs. unvollständig; es sind ausge-
rissen Bl. 34 (unmittelbar vor der Beschreibung des Graltempels);
289—91. 383—85. 419—29. 490. Einige Seiten im Innern der Hs.
sind unbeschrieben, weil die Tinte durch das Papier gedrungen war.
Ebenso sind unbeschrieben Bl. 1 und 12, die correspondierenden Aussen-
blätter der ersten Lage*).
Die Handschrift wurde im October des Jahres 1479 von einem
Priester des Benedictinerordeus, Johannes Doyle aus GJypperg, für den
Ritter Otto Winther geschrieben , wie aus den zwei vorhandenen Sub-
scriptionen hervorgeht. Die erste steht am Schlüsse des eigentlichen
Gedichtes : Finit feliciter post incarnacionem Jesu millesimo quadrin-
gentesimo septuagesimo nono ipso die Seuerini episcopi (23. October) ad
vtilitatem vaVdi Oito Winth'e. Dann folgen Capittel der auentür (s. u.)_,
dann auf der letzten Seite ein Schreiber- und Malerscherz**) und unter
*) Der Einband scheint noch der alte Originalband zvi sein, Holzdeckel mit
starkem Schweinsleder überzogen; nur sind jetzt die Schliessen und Beschläge abge-
nommen. Auf dem Vorderdeckel ist ein kleines Pergamentstreifchen aufgeklebt mit
dem Titel Der Tytiirel, noch aus dem XV. Jh.
**) Die Seite oberhalb der zweiten Subscription ist wie folgt ausgefüllt:
b a
Was sagn ir nun He?- Johan icas sol dis ere
Liebe Junghr ott Volcziehn es nit mere
Das wirt s-ünder spott Ich kan es nit v''d7-agn
Durch mich volczogn Ich ensage nie by viy dagn
Ich bin vnbedrogn Schentlich ist zil vil hofelich
An vto'r wicz d'' ist gnüg Düt es mas ist lobelich
Was nit gesche es lo'' vnfug Seczn vff wz inohi ir diin.
roth saget an Jungh'' ott Otto Wynthers roth
Hierunter das Bild des Schreibers, der das thün ich \\ stind'" spott.
seinen Hut in der rechten Hand trägt, Hierunter das Bild des Otto Winter vor
mit der linken aber seine Kapuze über einem halbverdeckten Wnppen; er sucht
den Kopf gestreift hat. die Höflichkeitsbezeugung des Schreibers
mit vorgestreckten Händen abzuwehren.
Der Text der zweiten Colunmc gehört vor die erste (vgl. die Reime diin : nun) ;
DIE BERLEBURGEK HANDSCHRIFT DES TITUREL. 3
demselben mit rotlier Sclirift die zweite Subscription : Scriptuiii per rae
Joh. doyle de Glypperg sacerdotem vt' digü professum monachum ordinis
sanctissimi henedicti circa annos mundi sex milia sexingentos LXKVIII,
circa xpi autem M" CCCC'LXXIX.
Der Text beginnt auf Bl. 2* mit der rotlien Überschrift:
Des Strengen hcr'nn wolframs von Es. in Ty iure 11
On angenge vnd an lecze. Bistü got ewig lebende.
Din krafFt an vndersecze Hymel vnd erde heldet enbor uff swebende.
Diu ye din yem'. ist gar vngephachtett.
Sam wirt din li()he. breide lenge dieffe nyni merc bedrachtet.
Die einzelnen Verszeilen sind in der Hs. nicht abgesetzt, auch
nicht immer durch Heimpunkte getrennt. Jede Strophe beginnt mit
einem rothen Initialbuchstaben. Die Bilder stehen je zu Anfang eines
Capitels. Die (stets rothen) Überschriften der letztern stehen theils
schon auf der dem Bilde (das stets eine volle Seite füllt) vorangehenden
Seite, theils stehen sie unmittelbar über dem Bilde selbst. Nur das
erste Bild hat eine eigene Überschrift: Hie feret Tyturison zum hei-
ligu grabe. Die Überschriften der ersten Capitel lauten:
(I, vor Hahn 77.)
Das erste wie alles das das Im buch parczifal v'holen vnd
v''swigen her wolfrara hie zu liecht bringen Avil. Wie der keyser
Vespasyan Jherusalem v^stort die Juddü erslüg Vnd den konig
paryllen mit sich zu Rome fuert vnd im gros ere dett vnd vvie die
heidn dem selbn v^gabn Oüch wie er vnd Elyzabel Zum heilgü grabe
fuern Vnd von irem sou Tyturison Vnd von Tyturisons son Ty-
türel dem erstn konige des Grales.
(II, vor Hahn 257.)
Auentüer wie Tyturel durch den engel zum Grale v^kundet
vnd oüch dar hin gefürt wart.
dem entsprechend stehen über ihnen die Buchstaben a und h; geschrieben aber wur-
den sie in umgekehrter Stellung, weil das Bild den zuerst redenden Ritter rechts, den
antwortenden Schreiber links bot. Der Scherz scheint dieser zu sein, daß der Ritter
es als ein Übermaß von Höflichkeit abweist, daß der Schreiber vor ihm sein Haupt
entblößt. Unvermerkt zieht der Schreiber die Kapuze über den Kopf und fragt dann
neckend: tvas sagen ir nun? Daran knüpft er dann wieder die Versicherung, daß seine
Höflichkeit dem würdigen Ritter gegenüber nicht übertrieben gewesen sei. Diesen
Scherz auszuführen, war er wohl im Stande, weil er zugleich Priester und Mönch war.
Vgl. die zweite Subscription. Nicht klar ist mir, was die Worte das thnn ich mnder
svott im Munde des Ritters bedeuten sollen.
'^ \ 1 *
4 F. ZARNCKE
(III, vor Hahn 281.)
Wie Tyturel das schlos zürn grale Genant Montsaluatsch
büwett vnd ein kostlich capelle dar lune etc.
(IV, vor Hahn 416.)
Wie Tytürel eyns konges dochter von Hyspanien genant
Richoüde Vnd wie sin sün frymütell die küningyn (-nnigyn oder
-ningyn) Ciarissen zu der ee uam.
(V, vor Hahn 476.)
Aüentiir wie Tyturell sin kinde lerte tugende vnd in geist-
lich bedttdüng des grales seide vnd von tilgenden ettlicher cost"
licher steyne.
(VI, vor Hahn 575.)
Auentüer wie frimutel könig im grale wart Vnd sin zw
töchter tschoysianen Vnd herczelöydil herus gap in die 'ee'
Von 29 an sind die Überschriften in Versen abgefaßt, die offen-
bar Producte des Schreibers selbst sind, da er in ihnen auf den aus dem
Schlüsse bekannten Otto Winthers und einen Johan Winthers (vielleicht
Vater Ottos?) Bezug nimmt. Also auch hier zeigt sich die in so vielen
Handschriften hervorbrechende Lust;, zu gereimten Überschriften über-
zugehen.
(XXXII, vor Hahn 4589.)
Wie von rome keyser lüciüs
Vberczog von britan artüs
Vnd von im erschlagn wart balt
Des halff im Grahors von graswalt
Das du ich dir Johan Winthers beUant
Dar durch v^los derselbe zwey laut
Ich mein den richn anscheüin
Die nam im d' konig lehelin.
(XXXIII, vor Hahn 4673.)
Wie tschyona der hochgemeit
Mit zweyen heideü köngn streyt
Die in gesücheth hattn vff griffen
Ott winthers lat vch nit entschliffn
Höret ir solt aüenenttir haben
Wie arabadille wart begrabn
DIE BERLEBURGER HANDSCHRIKT DES TITUREL.
(XXXIV, vor Hahn 4«55.)
Wie tschyonatülander
Kam an orilus von lalanc?
Er warff in nider mit ritt^schafft gut
Den beschüt syn amye ieschüt
Vnd sante sygun das brackn seyle
Owe Ott winthers. gros vnheyle
Geschach des barüchs bode wylde
Vnd oüch was ritterschajßft zilde
Vor Gyngrifals Gaylett
Vnd sin ohem Ekünett.
(XXXV, vor Hahn 4994.)
Heus ir waldecksü ich müs clagen
Durch tyost wirt nü erschlagen
Von orilus tschyonatülander
Das doch hir nach bevanter
Von Ekünatn den künen
Parczifal kam zu sygünen
In cleiden den narrii hie vVeysii
Vnd sagett es dem brytuneysen
Cündrie kam ouch geiagett
Ott winthers das sy vch vVor gesagett.
(XXXVI, vor Hahn 5177.)
Wie der vnclüge parcifal
Beschülden wart durch den grale.
Von sygün der konnigin
Vnd wie mit clügem sinn
Heccüba sagett lüde vnd nit stille
Wer die nach secündille
Köngn*). weren
Höret diese merii.
(XXXVII, vor Hahn 5318.)
Wie sygün vater vnd ouch all ir fründe
Kamen czü ir vnd clagtn sie an d^ stünde.
*) Undeutlich.
F. ZARNCKE
(XXXVIII, vor Hahn 5415.)
Aueutür wie ab'r parcifal czu sygfm kam Vnd mau ir ein ca-
pell büwete Vnd man tschyonatülander in ein sarg legett
(XXXIX, vor Hahn 5512.)
Wie der küne parcifal
Die köngin pardistal
Erlediget mit ritterschafft
Vnd mit grosser meisterschafFt
Sin clüger nüklier
In fuert gar verre
In landt die widen
Do er vant stridn
Vnd gros auentüre
Im wider füer der gehüer
Von blümen ekünatt
Der in umbs swert batt
Domit er erslug orilus
Des betröbett vnd vrowett sich artus.
Konig der bryteueysen
Jungh'r Ott leiset ir vindet müf weisen.
(XL, vor Haha 5769.)
Wie orikis wart erschagii
Von ekunat. Vnd by dem iagn
Lorangrin wartt gesüchett
als es sin vroAv rüchet
Vnd do v'los sin lebn
Vnd ouch wie eben
Der gralc bij den czidn
In india kam die widn. .
(XLI, vor Hahn 6142.)
Höret nü wilde aüentüer
Otto winthers dan sie ist gchüre
Monsalüas in saluater der berg
IMit der capell vnd allem werg
Durch bede der wcrdu diett
In ein nacht in indieu schiet
Priest'r Johan der hohe vnd wMe man
Gab parcifals rieh d^ hies do als er Johan.
DIE BERLEBURGER FTANDSCHRIKT DES TITUREL ^
Der Text selbst schließt sich sehr nahe an den Druck (i'^j an. Das
beweist schon die Capiteleintheilun^, die mit der des Drucks (41 Ca-
pitel) übereinstimmt*) und der Wortlaut der am Schluß des Gedichtes
zusammengestellten Überschriften, der dieselbe Quelle verräth. Da ich es in
der Abhandlung über den Graltempel S. 42 (414) fg. unterlassen habe,
den AVortlaut dieser Capitelübcrschiiften des Drucks mitzutheilen, nun-
mehr aber selber habe erfahren müssen, wie wünschenswerth dieser
Beitrug zur Orientierung über die Überlieferung gewesen wäre, so wjll
ich hier nachholen, was ich dort verabsäumt habe, indem ich in zwei
Columnen links die (gemeiniglich längern) Überschriften des Drucks,
rechts daneben die meist kürzern der ßerleburger Handschrift, die ich
F^ zu nennen vorschlage, setze**).
1. Der Druck (i;').
Di(i seind die capitel dili bächs.
Das erste wie tyturel der rechte herre des
grales geboren ward.
Das ander wie tyturel durch den engel zu
dem grale verkündet vnd da hin gefuret
wart.
Dz dritte wie tyturel dz sloß zum grale
genant montsaluatsch bawete vnd ein
kostliche capelle darinne.
Das vierde wie tyturel eyns küuiges toch-
. ter von hyspanien genant reichande zu
der ee uam.
Das fünfte wie tyturel sein kiude lerte fu-
gende vn in geistliche betütunge des
grales seite.
Das sechste wie frymutel künig im grale
ward vn seine zwü tochter tschyosiane
vnd hertzelande herauß gab in die ee.
Das sibende do kompt dye auentüre an
tschyonatulander vnd sygunen.
Das achte wie gamuret zu baldag streit
vnd aide sein ende nam.
Das nünde von tschyonatulander und si-
gunen.
Das zehende wie tschyouatuland' den bra-
cken gardiuias mit dem kostlichen seyle
ving dz im seit vil knmbers brachte.
Das elffte wie tschyonatulander die besten
von der tafelrund mit tyostieren valte
vn gar grossen preiß beiagete.
2. Die Berieb. Hdsciir. (F').
Capittel der aucutür.
I. Wie tytürell geboren warft.
II. Wie tytürell czüui grale kam.
III. Wie tyturel dz slos Monsaluacz
büwett.
IUI. Wie tytürell Richoyde zur ee
nam.
V. Wie tytiu-ell sin kinde lerte
dügendc.
VI. Wie fyrmütell konig im grale
wardf.
VII. Hie kompts an tschyonatulander.
Vlir. Wie gamüret zu baidach sin
ende nam.
IX. Von tschyonä vnnd Sygünen.
X. Wie tschyonä den bracken gar-
di"* ving.
XI. Hie beiaget tschy pris mit tyo-
steren.
*) Nur bei Cap. 33 ist eine kleine Abweichung, die Berleburger Hs. beginnt
es mit 4673 statt mit 4377,
**j In den folgenden Mittheilungen ist der Unterschied zwischen langem und
kurzem s nicht beachtet.
F. ZARNCKE
Das zwolffte wie der barug tschyonatiilan-
der gaben schickte vnd wie gaylet von
Spangen ein iungfraw ernerte mit seiner
ritterschaft vnd in not kam.
Das dreyzehende wie künig artns ein
grosse hocbzeit vii turney bette auf dem
velde zu floritscbantze vnd das bracken-
seyl de selbß gelesen ward.
Das vierzebende das ist das brackenseil.
Das fünfzehende ist der turney auif florit-
scbantze.
Das sechtzehende do werdet etliche genant
do ye einer de andern abestacb.
Das -XYII- wie der mecbtige heydeusch
künig von marrocb mit grosser berscbaft
vnd hofezucht zu dem künige artus kam.
Das -XYIII- von der aüentür brücken.
Das -XIX- wie dreybundert d* höchsten
frawe vn iungfrawe an küniar artus bof
gestole wurdent mit zauber listen.
Das -XX- wie tscbyonatulander mit seinem
volck zu dem banig wolte vnd gen za-
zamang i das künigreich kam.
Das -XXI- wie tscbyonatulander mit den
galiotten streit vn sy betwangk.
Das XXII- w'ie tscbyonatulander zu dem
barug kam vnd von im vnd all den
seinen erlichen enpfangen ward.
Das XXIII- wie der barug vn die von
babilonie mit grossem her zu sammen
kament vnd die ritterschafft zu beyden
teyle vor dem streite einvesperie hieltent.
Das XXIIII- wie die her zu beden selten
gerottieret wurdent iegliches her in ze-
ben scharen.
Das -XXV- wie sich erhüb der streit zti
plenantze.
Das -XXVI- wie tschyonatuläder mit se-
cureili vtiwissent streit vnd in erschlug.
Dz XXVII- wie sy mit de streit auff
einen andern plan zugent genant florit-
stelle.
Das -XXVni' wie tscbyonatulander an den
künig ipomidon kam vnd in erschlug.
Daz -XXIX- wie der banig den streit ge-
wan mit helffe tschyonatulanders vnd
seiner geselle v5 die stat babilonie in
nam vn tscbyonatulander grosse ere tet.
Das -XXX- wie tscbyonatulander vnd sein
geselscbaft wider heim zu lande kament.
Dz -XXXI- wie orilus mit grossem her zuge
für kanfoleiß zoch vnd künig artus vnd
tscbyonatulander mit macht sy dannen
tribent.
XII. Wie d'' barüg tscby gabn schickt
vnd vö Gailet.
XIII. Wie artus die hochczit hatt vff
flor iczscbanz.
XIIII. Das ist das brackenseyle.
XV. Der turney uff floriczschancze.
XVI. Etlich werden gnant do eins
den and^n abstach.
XVII. Hie kompt der konig von Mar-
rocb.
XVIII. Von der aüentür brücken.
XIX. Wie die jungvrowii gestoln wür-
den.
XX. Wie tschyo czüm barug czoch
vnd kam czu zazän.
XXI. Aüentür von dem galiottn.
XXII. Wie tschyo vnd die sin czü
baidach entphangen.
XXIII. Wie der barüg vnd die von
babylone mit here czü samen
kamen.
XXIIII. Wie die here gerottiert würden.
XXV. Wie sich erhüb der strit vff ple-
nancze.
XXVI. Wie tschyo mit secureis vn-
wissn streit.
XXVII. Wie sie vff ein and'n plan czü-
gent.
XXVIII. Wie tschyona ypomidon er-
schlug. II
XXIX. Wie d* barüg den strit gewan
mit bülff tschyona vnd baby-
lonie innam.
Wie tschyona wider heim czü
land füer.
XXX.
XXXI. Wie orilüs vor canfoleys züg etc.
DIE BERLEBURGER HANDSCHIMFT HKS TITIJRKL.
Das • XXXII- wie künifj artns von dem
koyser von romc vberzogen ward vn
tschyonatulander artus halft" viT er da
zwische zwey laiidt verlor.
Das XXXIIl- wie tscliyonatulauder mit
zweyeii lieydeusclie künigen streit viid
sy betzwaiig die in gesüchet hettcn vnd
auft" greiften dar geritten wareut.
Das XXXIIII- wie tschyonatnlander mit
orilus streit vh iestnte orilus entschutte
vir sy sygnnen das brackenseil sandte.
Das -XXXV- wie tschyonatulander sein
ende nam vnd sigune in also tot bey ir
behielt vn auch bey im bleib als lang
sy lebete.
Das -XXXVI- wie parzifal czü sygunen
kam vnd gar ser vö ir bescholten ward
durch Verlust des grales.
Das XXXVII- wie sygunr vatter vnd an-
der ir fründe zö ir kament do sy klagete.
Das -XXXVIII- wie parzifal aber zii sy-
gunen kam vnd man sigunen ein cappel
bawete vn tschyonatulander in ein sarck
leyte.
Das -XXXIX- wie parzifal dye künigin
pardistalen mit ritterschaft ledigete.
Das -XL- w'ie ekunat orilus erschlug vnd
tschyonatulaudern räch vnd wie parzifal
in de gral künig ward vnd auch wie
der gral darnach in indien land gefuret.
ward.
Das XLI- wie das schloß czti montsal-
uatsch mit der kostliche cappell in einer
nacht gen indien czum grall kam.
XXXII. Wie konig artüs vom keiser
vberzogn wart.
XXXIIl. Wie tRchyo mit den streit die
in vff griffen gesucht hattii
philip vnd alexan\
XXXIIII. Wie tschyona mit orilus streit.
XXXV. Wie tschyona sin ende nam vnd
vü sygün.
XXXVI. Wie parcifal czü sygün kam
von ir bescheiden wart durch
v-lüst des grales.
XXXVII. Wie sygün vatt' vnd ir fründ
zu ir käme.
XXX VIII. Wie parcifal aber zu sygün kam
Vnd man ir ein cape'l büvvete.
XXXIX. Wie parcifal die kongin pardi-
staln erlost.
XL. Wie ekünat orilus erslüg vnd
tschyö räch Vnd wie parcifal
im grale konig wart Vnd wie in
manch wündMich land vnd an
den magnetn steu vnd durch
das lebermer vnd darnach mit
dem grale In priester Johans lant
füer.
XLI. Von dem richdüm p'ster Johan
vnd wie die bürg Monsaluen In
ein* nacht In indien kam, ||
Dasselbe Resultat ergeben die folgenden Strophen, die Anfano-s-
strophen der Schilderung des Graltempels, in denen ich die bisher allein
im Druck (E^) nachgewiesenen Lesarten gesperrt setzen lasse.
1. Begünnen wirt zu male Wie Tjtürel der reyne
In godes ere dem Grale Ein tempel stifft vs lüterm edel gestein.
Vnd anders nit wan vs rodem golde
Das dritte lignüm-aloe Ob man holcz darcztt bedorfFen wolde.
2. Des wolden ouch sie geraden Durch richeit vb'rhohe.
Ich sag vch wie sie daden Der edeln koste zu prise für geczoge
Was nyrgent holcz dar an wan gestüle
Golt vnd das gesteyne Das gab in wint'czit mit tüffe küle.
10 F. ZARNCKE
3. Dar vrab wart gevraget Der edclkeyt czü günste
Des warcncz unbedragett Die von pytagoras der aldcu kunste
Und oüch von herctiles der steyne kreffte
Von natür bekanten Die warii iehende hie mit meisterscheffte
4. ]\Ian fände avoI die steyne Von art also geliüre
Die in somm^zit vil reyne Gebent lüfft vnd winters nach dem füre
Gebent heys nach der rechten teraperünge
Als is dem libe zemende w^e zu beyder masse nach gerünge.
5. Abestus heys nach füer Git waren die meist'' iehende
Durch das von im ist düre Alle kelde in winth''rczit geschehende
Vnd erlischet nym^ füer das er erbrennet
Er ist füer vnd 1 i e c h t werende Ym'' mere das sin doch nicht zury uet.
6. Ouch heis in winthers ziden Ist elytropia gebende
Ein wasser sond^ striden In eynem becken vol vnd stille schwebende
Für das derselbe stein dar Inn gefellett
Den winth^r git er küle wie von im das wassV cleyne vellett
7. Vil dugende zu der hicze Git der steyne gehüre
Gesüutheit seiden wicze Vnd langes leben der stein ist edel vnd düre
Für liegn vnd dryegn vnd für alle v''gifft
Des ist ab^r hie vnnot Yedoch zympt is zu wünsch an dis^r stifft.
8. Schmehe vnd armüt Diesem tempel wart geferrett
Sit der reyneu raeigde güde Vnd ir kint gefrowett vnd geherctt
Sint sie hoch vb''r alle creatüre
Das künde wol bedencknil Tyturel der werde vnd der gehüre.
Man könnte fast auf die Vermuthung gerathen, unsere, 1479 ge-
schriebene Handschrift sei nur eine Abschrift des 1477 erschienenen
Drucks ; der etwas abweichende Dialekt der Hs. würde nicht ausi'eichend
dagegen sprechen, da der Schreiber natürlich die ihm geläufigen Wort-
formen schrieb, auch die theils kürzere, theils längere Gestalt des In-
haltsverzeichnisses nicht, auch die langen Capitelüberschriften im In-
nern des Textes nichts denn diese kommen zu offensichtlich auf Rech-
nung des Schreibers. Aber schon die Bilder sprechen dagegen, da
diese nicht dem Druck entnommen sein können, avo für sie nur freier
Raum gelassen ist, noch mehr aber der Schluß, in welchem zwischen
E"^ und F"^ eine wesentliche Abweichung zu constatieren ist. Ich be-
nutze diese Gelegenheit, um über den Schluß des Titurel, der für die
verschiedenen Redactionen desselben charakteristisch ist^ ausführlicher
zu orientieren, als ich es in meiner Schrift über den Graltempel S. 11
(833) zu thun vermochte.
DIE BERLKBIIRGER HANDSCHRIFT DES TITIJKEL. 1 1
2. Der Schluß des Titurel.
Nachdem der Gral nacli Indien in das Reich des Priesters Jo-
hannes gebracht, auch der Tempel von Monsalvatsch dorthin versetzt,
und nachdem der alte '^J'iturel gestorben ist, erhebt sich ein Streit
zwischen dem Priester Johannes als König jenes Landes und dem
Parzival als Gralkönig, wer nun dort die Herrschaft führen solle, in-
dem Jeder höflich diese Ehre dem andern zuweisen und selber dessen
Untergebener werden Avill, bis endlich eine Inschrift am Gral dahin
entscheidet, daß Parzival König werden solle, aber nur auf 10 Jahre,
weil er an dem Tode seiner Mutter schuld gewesen sei; während dieser
Zeit muß er, wie dies bei den Päpsten Sitte, seinen Namen ablegen
und mit dem des „Priester Johannes" vertauschen; nach Ablauf seiner
Herrschaft kehrt er zu seinem Taufnamen zurück, und der Sohn des
Feirelis, der unterdessen herangewachsen ist, wird „Priester Johannes".
Aber wenn auch so der Herrschaft entkleidet, steigt Parzivals Name
doch noch immer höher und man glaubt seiner nicht entrathen zu
können.
Hiermit schließt der erzählende Inhalt des Gedichtes in Gruppe 7,
und es folgt (in A^ nach einem Amen und mit größerem Zwischenraum)
die bekannte Strophe Nu 'prüfet alle werden die toirde dises büches
(Hahn G207).
Es ist nicht zu leugnen, daß die Erzählung zur Noth so schließen
könnte. Aber sehr abrupt wäre der Schluß doch, und im Gegensatz
zu dem Anfang des Gedichtes vermißt man einen geistlichen Abschluß.
Ferner kann die Strophe 6207 nicht dem Dichter selber angehören:
so selbstbewußt konnte sich dieser über sein eigenes Werk nicht aus-
sprechen. Auch ist sonst wo es sich um Strophenzahl und Strophcn-
folge handelt immer für die Gruppe II ein günstiges Vorurtheil gerecht-
fertigt. So wird denn Lachmanu's Ansicht*) wohl richtig sein, der, wenn
er sagt, daß jene Strophe hier „offenbar den Zusammenhang störe", da-
mit andeutet, daß er die in einigen Überlieferungen folgenden Strophen
noch für den Zusammenhang nothweudig, also zu ihm gehörig betrachte.
Weitere Strophen stehen nun in Gruppe II und in dem aus dieser
Gruppe entnommeneu Nachtrage zu C^ Leider fehlt uns die wichtige
Controle der Hs. H, die bereits mit Strophe 5157 schließt
*) Vgl. Vorrede zu Wolfr. v. Eschenb. S. XXX. Der Ausdruck ist schief, denn
alle Handschriften, die jene Strophe 6207 haben , schließen mit ihr und haben Nichts
von den folgenden Strophen, ausser C", wo sich aber die hin7.ugefügten Strophen selber
als Nachtrag bezeichnen (hinter 6207 steht bekanntlich: DU bhc kir ute si. van (yturel
des wene wi).
12
F. ZARNCKE
In Gruppe //ist eine ziemliche Mannigfaltigkeit der Überlieferung
zu beachten.
1. Sämmtliche erwähnte Handschriften enthalten die nachstehenden
6 Strophen; aber in Betrefi des Textes trennen sie sich in zwei Gruppen:
einerseits u4" 5^ C'-^ und die Biedegger Bruchstücke {D^ bricht schon mit
Str. 6172 ab), andererseits der Nachtrag in C'\ dann der Druck (E"^)
und die Berleburger Hs. (F^). Es ist schwer zu entscheiden, welche
Gruppe die richtigem Lesarten bietet, wenn auch in der letzten Strophe
das Richtigere offenbar in C^etc. steht. Ich gebe daher beide Texte neben
einander, den von ^"etc. vollständig in der ersten Columne", den von
C^etc. als Varianten in der zweiten.
A'^B'^C Ried.
Hie mit was ungeswachet
fruht diu Ferafisen,
ir beider wer bedachet
schuf über al die jungen und die grisen.
der alte priester Johan, der vil werde,
noch was er solher wirde
baz danne alle kunige sint ouf erde.
iSwaz si dar kinde brähten
und diu si noch gewunueu,
ich mein der wir gedähten
hie vor, daz si gelichten wol der suunen :
Kondwiramurs undUrrepans de tschoien,
der beider fruht an eren
wuhs sam liljen für di östergloien.
Immer mer zünemende,
pischof, Patriarchen,
dem trone wol gczemende
begunde ir aller wirde für sich starchen,
swer (1. wer) da priester Jöhan wesen
solde,
da^ vindet man noch hiute
an dem gräl geschriben da mit golde.
8us lebent si mit eren
in priester Johans lande:
ir sselde kan sich meren,
sicher aller sünde und aller schände.
swer sich aldä mit houbetsünden letzet,
der wirt, untz er gebuzet,
von den Hüten an daz velt gesetzet.
C'E^F^*)
der aide konig prister Johan werde,
er was noch gerichet
baz dann ander konge uf all der erde.
für dij über
patriarche (Fehler)
Star che (desgl.)
lebeten
swer aber sich in houbetsünden ervellet
der müz den üz gesetzten,
uncz daz er sie gepuzet, sin gesellet.
*) Der enge Zusammenhang von E^ und F^ ergiebt sich auch hier durch ge-
meinsame Fehler. So lesen beide Hss. 1, 3 gedachet'., 1, 4 das unsinnige schüß
{schiis) statt schfif'^ 2, 4 do für da;^ ; 4, 4 sicher aller .fchande mit grober Verkürzung
des Verses u. s. w. Daß aber F^ nicht aus E'^ direct abgeschrieben ist, dafür dürfte
als Beispiel dienen 4, 5, wo F^ mit C" houhet-mndeyi (hotvetsimden C", hoübelsündTi F')
liest, während E*, wohl des Metrums wegen, in hcmbetmnde geändert hat.
DIE BERLEBURGER HANDSCHRIFT DHS TiTUREL. J3
5. ledoch sie muzen sterben,
swie si der priimic junget,
vvan daz si niht verderben
an der sele mügen; gar ungestunget mügen an der sele
belibent si vor aller helle quäle :
in dem vegefiure
lutert sich ir kleinen sünden male. kleiner
6. Ez ist vor allem msile,
ich mein daz übel heizet, ein mal
swer sich der sünden strale
versniden lät, da/, er zer helle erbeizet:
daz ist ein mal, daz Cwiklichen brennet.
Vater, snn, heiliger geist,
mache uns die himellroüde [vvol Ä'^B''] mache uns vor disem male vri be-
erkennet, kennet.
Hieraufsteht in allen Handschriften (A^B^C^ Ried. C^E'^F'^) Arnen^
in jB" sogar dreimal Amen Amen Amen. Wir haben also keine Über-
lieferung, die hier nicht auch äusserlich einen erkennbai'en Schluß
böte. Der Abschluß entspricht auch innerlich allen Anforderungen,
die wir oben noch nicht erfüllt sahen , und so möchte ich es als be-
wiesen annehmen, daß hier der alte Schluß des Gedichtes gewesen ist.
2. Aber nur die Hss. A-B'^C- Ried, schließen hier wirklich, die
übrigen fügen noch Weiteres hinzu. Es sind die 3 Hss., die eben be-
reits in Betreff der Lesarten eine Gruppe für sich bildeten, C^E'^F"-
Aber während sie in dem Factum des Weitergehens zusammenstimmen,
gehen sie im Inhalte desselben alle drei ihren eigenen Weg.
a) Am kürzesten ist der Zusatz in F"; es ist die folgende Strophe
jenen 6 nachgesetzt:
Mit ryraen schlecht drygenge Sint diese lieder worden
Gemessen in rechter lenge. Wise vnd wort nach meisterlichem orden.
Czü kürcz czü lang ein liet vil wol schwachett
Ich Wolfram*) bin vnschüldig Ob schrib^r recht vnrichtig machett.
Es ist bekanntlich eine der in Gruppe // noch erhaltenen, auf
die Wolfram'schen Fragmente bezüglichen Strophen (vgl. Lachraann's
Vorrede zu W. v. E. XXXII. Graltempel S. 49 [421] Anm.) aus einer
Hs., die Ich loolfram las; sie ist umgearbeitet mit Rücksicht auf die
durch den Dichter des Jüngern Titurel eingeführten drei Reime statt
der früheren zwei. Es ist also eine von einem Schreiber improvisierte
Verfassernotiz.
h) Weit umfänglicher ist der Zusatz, der in C^ nach Schlüsse des
Gedichtes (bei 6207) sammt obigen 6 Strophen aus einer andern Hand-
schrift nachgetragen ward. Er zerfällt in zwei Theile:
*) Darüber roth : von esseubach.
14 F. ZARNCKE
a) 10 Strophen enthalten ein mystisches Gleichniss vom Regen-
bogen (der früher die Krümme drohend auf die Erde zu gerichtet
gehabt habe, seit Noah aber von der Erde abgewendet am Himmel
stehe; erst am jüngsten Tage werde Gott die Welt wieder vernichten)
mit moralisierender Ermahnung. Ich lasse zunächst die Strophen
folgen, mit Hülfe von E" (s. u.) von den gröbsten Fehlern gereinigt.
1. Do got mit wazzers ünden liez al die werlt verderben
— daz was verdient mit sünden — , die menschen etwa wolden do
fürbaz [ze bowen], in gehiezze got die stsete, [nicht werben
daz er den zorn icht mere so gar über al die werlt mit wazzer hsete.
2. Des gap er in hantveste durch sine milden gute,
.ein zeichen wol daz beste, daz niemer gar diu werlt von wazzers flute
verderben sol: den regenbogen er urabe
kert, als ob ein schütze mirbütdieseneweundgenimselbdazkrumbe.
3. Der böge was zornecliche davor gein erde bogende:
gotes erbermde riebe wart in do durich gute wider zogende,
daz er den schuz ze berge hat gerichtet,
so daz er niemer mere mit wazzer al die werlde gar vernichtet,
4. Biz daz von menschen künne ervüllet sint die köre
zer ewiclichen wünne: so geit mit zorne got ein ander störe
der wcrld, da mit so miiz si haben ende.
O wol den sa.'ldenrichen, die dann gestaut bi gotes zeswen hende.
5. Die selben ist er ladende mit segene sseldenriche,
mit fluch den andern schadende, daz er ir wil vergezzen ewicliche,
j noch nimmer me keim einer freud gedenken*).
Swer guten sin erkennet, den sol diu sorge wol an freuden krenken.
6. In sol diu Sünde erschrecken, so daz im drabe ergrüset.
so hat ermütdenquecken, swenne er gedenkt, Aviejsemerlich behüset
werdent die, der got also vergizzet,
also daz diu erbermde sin kein ir schaden nimmerme gemizzet.
7. Da von si die verlorne du hcizent; gar verfluchet
sint si von gotes zorne, wann sin genäd si nimmer me bes[r?|nchet,
wan iu ir martcr nimmer me erbarmet:
erst rieh ob allen künio:en swer nicht in solher aremüt erarmet.
*) Verderbte Stelle: Noch nimmer me (^mer E^) noch chain {keim E'^) sein freut
(seiner fnincl E^) gedenchen C" EK Etwa noch nimmer- mö deheine slunt yedeiiken?
DIE BERLEBURGER HANDSCHRIFT DES TITUREL. 15
8. NocLi sin Avir wol die welndc, ez lit uns vor geteilet:
die Sünde von in schelnde stn, die werdent nimmer sus vermeiiet,
und werdent die da got mit segene riebet
liechter den diu sunne : mit kleiden got im selben si gcbcbct.
0. Inner snelbeit gebende ist er in zu der kläre :
|biz] ein augenblic alswebendc sint si tusent mtle dan*) l'ürware.
und ob daz allz ein berc von stahel waire,
ir snelheit er nicht irret : si varnt al durch und durch unirrebsere.
10. Daz habent die unfrilten vil licht ze wunder wilde:
die wären Wünschelruten got selbe git; svver hat daz für unbilde,
der wil got an siner gotheit krenken,
wann er hat mc ze gebenc dann aller menschen künne müge erdenken.
Diese Strophen sind leidlich im Charakter des Titureldichters und
sie könnten wohl von ihm herrühren , aber sie können auch füglich
von einem Andern verfaßt sein ; und da sie an dieser Stelle, nachdem
das Gedicht mit einem Gebete in aller Form geschlossen ist, durchaus
deplaciert sind, so ist es glaublicher, daß wir es hier mit einem selbstän-
digen Gedichte in der Titurelstrophe zu thun haben, das eben in Folge
dieser Gleichheit der Form an das Ende des Titurel angefügt ward.
ß) Anders steht es mit 2 Strophen, die in O hinter jenen 10,
doch erst nach einem Zwischenraum von 2 Zeilen, folgen und die
eine Verfassernotiz enthalten. Die erste hat Lachmann in der Vorrede
zu W. V. E. XXXII abdrucken lassen; ich constituiere aber den Text
(wieder mit Hülfe von E^, s. u.) von Lachmann abweichend:
1. Kyot Flegetanise, dem was her Wolfram gebende
dise aventiur ze prise : di bin ich Albrecht hie nach im üf hebende **)
darumb daz drier dinge minner wsere,
der Sünden und der schänden, daz dritt mich drücket aremut diu s wsere.
*) fehlt.
**) Diese beiden Verse hinten in der Überlieferung: kyofe flegetanise' (fleget-
onse C") Devi {dei- E^) ti-as hei- toolfram gehende Die (diae tcerden C") aventiure ze
preise. Di bin ich Albrecht hiv {hie E') nach in {im E^) uf hebende. Lachmann be-
hält trotz der Übeln Betonung im ersten Verse die beiden Dative bei, und ändert
dann dei' {dem) in den, und später im (in E', welche Quelle Lachmann allein kannte)
in in, wie allerdings C" wirklich hat. Ich nehme Icyot als Nominativ und behalte in
dem die Lesart von C", in im die von E^ bei. Der Sinn ist: Kyot berief sich lobend
{gab %e prise) auf Flegetanis als seine Quelle, auf jenen wieder Wolfram; ich Albrecht
knüpfe an letzteren an.
16 F. ZARNCKE
2. Swer disiu driu verswachet mit tagende leben ne in eren
und ir nu minner machet, dem muze got der sselden rad sG keren,
daz er darüf belibe stsete und lange^
ich mein ze beiden siteu, hie unde dort ze engelischem sänge.
Hier möchte ich die Echtheit mindestens sehr wahrscheinlich finden.
Welcher Schreiber sollte darauf gekommen sein, die Reihenfolge der
Quellen so correct darzustellen und so treffend aus der Seele des
stets unterstützungsbedürftigen Albrecht heraus und in seinem Namen
zu klagen? Daß diese beiden Strophen von den oben besprochenen
10 Strophen zu trennen sind, beweist schon der Zwischenraum, der in
O zwischen beiden gelassen ist.
c) Der Druck endlich {E") vereinigt Alles, was in C^ und in 7^"
für sich steht; voran gehen die 10 -|- 2 Strophen aus C^, es schließt die
Strophe aus F^. Der Drucker, oder seine Vorlage, benutzte also gegen
Ende ausser der mit F" so nahe verwandten Vorlage noch eine
zweite, die die in C^ nachgetragenen Strophen enthielt*). Der Text
ist meistens besser als in C^ und ward oben bereits zur Herstellung
benutzt.
Also zu verwerfen sind: 1, die Schlußstrophe in Gruppe/, Hahn 6207;
2, die Schlußstrophe in F^E'-^ 3, die 10 Strophen vom ßogenbogen
in C^F^. Dagegen sicher echt sind die 6 Strophen, die der ganzen
Gruppe // gemeinsam sind, und wahrscheinlich echt die 2 Verfasser-
strophen aus C^E^.
FE. ZARNCKE.
DIE TÜBINGER TITURELBRUCHSTÜCKE.
Auf diese wurde ich durch Hr. Prof. A. von Keller aufmerksam
gemacht, der sie im November 1838 von dem Einband der Hugonischen
Postillen losgelöst hatte. Sie werden jetzt unter den Manusci'ipten der
Tübinger Universität.sbibliothek aufbewahrt als M. d. 20 {Mst. tah.
1892). Die Zahl der bekannten Handschriften wird dadurch auf 38
gebracht (eigentlich doch nur auf 37; vgl. Graltempel S. 10 [382], Anm.
Nr. 31).
Erhalten sind in diesen Bruchstücken die volle 12. Lage und
das erste Doppelblatt der 14. Lage einer Pergamenthandschrift in 4"
*) Wie schon oben angedeutet, giebt auch das Fehlen dieser 10 -j- 2 Strophen
in F'^ ein Indicium ab, daß F^ nicht aus E^ abgeschrieben ward.
DIE TDBINGER TITURELBRUCHSTÜCKE. 17
des 13. Jahrb., die Lage aus 5 Doppelblättcrn bcstcliond. Die ersten
drei Doppelblättcr der 12. und das Doppelblatt der 14. Lage sind der
Länge nach durchschnitten, doch ist ein Verlust dadurch nicht einge-
treten, die Schnittlinien passen noch ganz wohl aufeinander, nur hat
sich das Pergament durch die verschiedene Behandlung mit Kleister
verschieden gedehnt, ist auch mehrfach zusammengeschrumpft, so daß,
zumal in der Nähe des Schnittes, das Lesen erschwert wird. Außer-
dem sind die Blätter zur Zeit noch nicht vollständig genug von an-
klebenden Papier- und Lederresten gereinigt, um schon durchweg les-
bar zu sein.
Das Gedicht ist in Langzeilen geschrieben, was für unser Ge-
dicht sonst nur noch bei der Heidelberger Papier-Hdschr. Nr. 141 vor-
zukommen scheint; Reimpunkte finden sich meistens, doch keineswegs
regelmäßig. Linien waren mit Blei gezogen, sie sind aber so verwischt,
daß man auf einigen Blättern sie nicht mehr zu entdecken im Stande
ist; auch wurden sie von Anfang an vom Schreiber wenig beachtet,
der nur zwischen ihnen hin schrieb, dessen Buchstaben aber keines-
wegs die gerade Linie einhalten. So ähnelt die Schrift etwas der der
Nibelungenhandschrift A, nur daß diese im Ganzen kleiner geschrieben
ist. Kalligraphischer Sorgfalt entbehrt die Handschrift ganz, dennoch
verräth sie ihr Alter auch in der guten mittelhochdeutschen Schreibung,
die sie noch bietet. Der Rubricator hat nur rothe Buchstaben, die ihm
vorgeschrieben waren, zu Anfang der Strophen eingemalt. Am imtern
Rande des letzten Blattes der beiden Lagen stehen die Ziffern XII
und XIIII. Auf jeder Seite finden sich genau 40 Zeilen, also 10 Stro-
phen; demnach gehen 200 Strophen auf die Lage von 5 Doppelblättem.
Die Vertheilung der Strophen auf die Blätter ist die folgende :
1. Lage XU.
Bl. 1 = Hahn 2176—2180. 2163—2174 (so daß also 2175 fehlt).
2181—2183.
fBl. 2 = 2184—2203.
rßl. 3 = 2204—2223.
fBl. 4 = 2224-2237. 2240—2245.
|B1. 5 = 2246-2257. 2264-2267. 2258—2261.
(Bl. 6 = 2262 und 63. 2268-2285.
Bl. 7 = 2286-2305.
IbI. 8 = 2306-2325.
Bl. 9 = 2326—2345.
Bl. 10 = 2346-2354. 2357-2367.
ÖERMANIA. Neue Reilip X. (XXII. Jabrg.) 2
18 F. ZARNCKE, DIE TÜBINGER TITURELBRUCHSTÜCKE.
2. Lage XIIII.
|B1. 1 (jetzt 11) = Hahn 25G7-2586.
(Bl. 10 (jetzt 12) = 2548—2767.
Man sielit, es fehlen einige Strophen, 2175, 2238 und 2239, 2355
und 2356; andere stehen in anderer Keihenfolge , vgl. oben Bl. 1,
Bl. 5 und 6. Ob H (die Heidelberger Papierhs. 141) damit überein-
stimmt , vermag icli nicht anzugeben *) ; die beiden Gruppen 1 und II
tliun es nicht, sie bieten hier dieselbe, also die durch die Bezifferung
nach Hahn angegebene, Reihenfolge.
Was diese beiden Gruppen (7 und 11) betrifft, so gehören unsere
Bruchstücke (.indem wir von H absehen) entschieden zu I. Das be-
weist einmal schon der Umstand , daß keine Capitelüberschrifteu vor-
handen sind, auch nicht die geringste Andeutung eines Abschnittes
sich findet. Sodann steht in //je eine Strophe nach Str. 2176, nach
2222 und nach 2237; diese fehlen in den Bruchstücken. Ob die Um-
stellung der Str. 2265 — 67^ die in E"^ erst nach 2280 folgen, der ganzen
Gruppe 77 gemein ist, vermag ich nicht anzugeben. In den Lesarten
schwanken die Tübinger Bruchstücke bald zu I, bald zu 77, haben
hie und da auch Eigenthümliches, wie Str. 2244 für Von 8 ad er s iintz
an Iloye, worin 7 und 77 übereinstimmen, steht in ihnen Preshurc. Ich
bezweifle nicht, daß der einstige Herausgeber des Titurel gut finden
wird, auf diese Bruchstücke einiges Gewicht zu legen.
Vom Abdruck aller 240 Strophen sehe ich ab, ich begnüge mich
mit der Mittheiluug weniger, die von der Orthographie und der re-
lativen Sauberkeit des Textes ein ausreichendes Bild zu geben im
Stande sind.
2176.
Di fchar fint gar benennet, vii al ir kapitane.
mit tioften waf zertrennet, vil der liebten heim vf dem plane
fi warn oh vberal der sper gevriet.
der lac de velt bedecket, fam al di wochen drvnzen wsern gesniet.
2177.
Alrerste do hvp fih dringen, wer den vii den gevienge.
mit flaheune vu mit ringen, ob iemen tfchvmphentivr mit tiefte enphienge
fo de er ficherheit da bot zegebenne.
ir vrechiv ger de wände, in waf mit riterfchaft fo not zelebenne.
*) H ist an dieser Stelle lückenhaft. Red.
R. KÖHLER, DAS SPIEL VON DEN SIEBEN WEinp:RN. ^9
2184.
Ich claf^e di werden diete. die vnd' Icliilt gehörten
vn die dvrh wibe miete, an werdeni dicnste lazheit vö in ftorten
fwaz den ie geschach vfi noh gefchaihe
wser ih de niht d^ clagen. vö rehte man vnfvge mir def isehe.
2185.
Wie vert vz gralwalde. den l'i da nennent fvrlten
der tvgende liohgezald(!. wirbet dvrh di reinen mit getvrften.
div da wal' fin vrvdc fvr allez trvren
l'i gab im lewen herze de er in noten moht di lenge tvreu.
2224.
Die vberwant mit eilen, hie tlchionatvlander.
di fwertriege erzellen, nienien kvnde noh di vivrf glander
die von fwerten vz den hehnen fcrieten
doch ficherheit l'i iahen dem talphin an werdecheit ftaiten.
2246.
Swen fin manheit leren, def willen darzv kvnde.
der grahardviz den eren. imer wolte vü riehen zaller ftvnde.
gen dem paroc rasenger wirde riebe.
vn fwaz er selbe habte de fi def gervhten dieneftliche. u. s. w.
LEIPZIG, im November 1876. FU. ZARNCKE.
DAS SPIEL VON DEN SIEBEN WEIBERN, DIE
UM EINEN MANN STREITEN.
In Maßmanns Erläuterungen zum Wessobrunner Gebet, S. 98
bis 102, und daraus in Kellers Sammlung der Fastnachtspiele, Nach-
lese, S. 14—16, und bei Osterley, Niederdeutsche Dichtung im Mittel-
alter, S. 35, findet sich ein niederrheinisches Spiel, in welchem sieben
Weiber um einen Mann streiten.
Ein Spiel gleichen Inhalts — das niederrheinische kann es der
Mundart wegen natürlich nicht gewesen sein — ist zu Fastnacht 1518
in Zwickau aufgeführt worden. Damals fand nämlich in Zwickau ein
von dem dort Hof haltenden Herzog Johann von Sachsen ausge-
schriebenes Turnier statt, zu welchem der Kurfürst von Sachsen und
2*
20 K. KÖHLER.
andere Fürsten gekommen waren. Über dieses Turnier und die dabei
veranstalteten Festlichkeiten, Spiele und Aufzüge berichten dieZwickaucr
Chroniken und eine besondere gleichzeitige handschriftliche Aufzeich-
nung im gemeinschaftlichen Hauptarchiv des Sachsen- Ernestinischen
Hauses zu Weimar (Reg. D, p. 69, Nr. 20). In letzterer, deren Kennt-
niss ich der Güte des Herrn Archivraths Dr. Burkhardt in Weimar
verdanke, heißt es nuu^ nachdem berichtet worden, daß die Zwickauer
uf den mantag nach Estomichi' — d. i. also am Tage vor dem Fast-
nachtsdienstag — all ihr Geschütz und 600 gerüstete Mann hatten sehen
lassen, weiter:
Sy haben auch meynen gnedigsten und guedigen Hern zu
undertenigem gefallen die Comedy Eunuchi aus dem Therencio or-
dentlich und woU spielen und anzeigen lassen. Item ein spiel wie
sich syben weyber umb einen man gezweihet und geschulten haben,
dergleichen wye syben pawersleut umb eine magt haben gefreyet, alles
zierlich vnd woll gereimbt.
In Peter Schumanns handschriftlichen Zwickauer Anualen — bei
E. Herzog, Chronik der Kreisstadt Zwickau, II, Zwickau 1845, S. 185,
und — ohne Quellenangabe — bei T. Schmidt, Chronica Cygnea, Pars
posterior, oder Zwickauischer Chronicken Anderer Theil, Zwickau 1656,
S. 275, — lautet die Nachricht:
Nachmals [d. i. nach der Musterung des Geschützes und der
600 Mann] ist die Comcedia Eunuchus*) aus dem Terentio ordentlich
und wol gespielet worden ; zwischen dieser Action hat man eingeführet,
wie sich sieben Weiber umb einen Mann gezanket und geschlagen,
desgleichen wie sieben Bauerknechte umb eine Magd gefreyet haben,
und ist dies alles zierlich und wolgereimt agiret worden**).
Endlich berichtet Laurentius Wilhelm, Descriptio Urbis Cycnese^
Das ist, Warhafftige vnd Eigendliche Beschreibung der vhralten Stadt
Zwickaw, Zwickaw 1633, S. 212:
Sie [d. i. die Zwickauer] haben den [sie!] Churfürsten zu unterthäni-
gen [sie!] Gehorsam und Gefallen die Comoediam Eunuchi aus den
[sie !] Terentio ordentlich und wol spielen lassen, darzwischen hat man
introducirt, wie sich 7 Weiber umb einen Mann gezanket und ge-
scholten haben, deßgleichen wie 7 Bawernknecht umb eine Magd haben
gefreyet, und ist alls zierlich und wol gereimt agiret worden.
WEIMAR, October 1876. REINHOLD KÖHLER.
*) 'Eunuchus genant' bei Schmidt.
**) 'zierlich und wol abgangen bei Schmidt.
V. LIEBRECJIT, DIE GEWORFENEN STEINE. 21
DIE GEWORFENEN STEINE').
Es ist eine weitverbreitete, in fern von einander licgcuden Ländern
sich wiederfindende Sitte, daß Reisende oder sonst Vorübergehende
an gewissen Stellen des Weges da, wo sich ein Steinhaufen findet,
einen neuen Stein oder in Ermangelung dessen einen Zweig oder
eine Erdscholle hinzuthun, wenn nämlich jener Haufen Anzeichen davon
trägt, daß er auf diese Weise entstanden ist. Der Grund aber, wes-
halb dies geschieht und der stets auf einen Volksglaubem beruht, ist
ein mehrfacher und läßt sich auf folgende Weise zerlegen.
I. Die Steine u. s. w. werden auf ein Grab gehäuft (geworfen,
gelegt). Daß die Gräber unter den verschiedenen Völkern des Altcr-
thums (auch des germanischen) mit hoehaufgethürmten Hügeln ver-
sehen waren, ist bekannt genug; der Zweck derselben war offenbar, die
Aufmerksamkeit der Vorübergehenden oder am Ufer Vorüborfahrenden
in liühenn Grade zu erwecken, weshalb es denn auch geschah, daß
die Grabmäler, um sie desto augenfälliger zu machen, auf Anhöhen
oder längs der Heerstraßzn errichtet wurden, und es lag darin ge-
wissermassen eine Aufforderung an die Überlebenden, der Todten ein-
gedenk zu bleiben imd sie zu ehren. Diese Verehrung aber, zu welcher
die Grabschriften zuweilen direct aufforderten {TOYH AFA&OYZ
KAI ®ANONTAE EYEPrETEIN AEI) geschah durch Todtenopfer,
die nicht nur von Nahestehenden ausgingen sondern auch von Frem-
den, und der zu Grunde liegende Gedanke beruhte, scheint es, auf
der Vorstellung, daß die Verstorbenen auch noch jenseits des Grabes
auf die Schicksale der Zurückbleibenden einen mehr oder minder
grossen Einfluß üben, indem sie ja in der Meinung mancher Völker
sogar zu Göttern oder Dämonen wurden. Jene Todtenopfer nun
waren thcils feierliche, mit mancherlei Vorbereitungen dargebrachte,
theils mußte dazu dienen was eben zur Hand war, wie es namentlich
beim zufälligen Antreffen eines Grabes stattfand. Gewöhnlich boten
sich dann Erdschollen, Zweige und besonders Steine als die auf freiem
Felde und auf Landstrassen fast überall vorhandenen Opfergaben
dar , die man der Grabstätte zuwarf und Avodurch diese zugleich
*) In diesem Aufsatze habe ich das früher über diesen Gegenstand Mitgetheilte
7,nsammengefaßt und umgearbeitet so wie vielfach ergänzt und berichtigt , wobei ich
es sehr bedauere, daß mir James Ferguson's Ende Stone Monuments. London
1872, so wie gar manches andere Werk niclit zur Verfügung stand.
22 F. LIEBRECHT
höher und ansehnlicher Avurde. Dieser Gebranch ist jetzt noch in und
ausser Europa vorhanden; so heißt auf dem Steige zur Zerzeralpe
(bei Burgeis, einem Dorfe im Vintschgauj ein Phitz „zu den wilden Fräu-
lein". Es befindet sich dort ein Steinhaufen, unter dem die wilden
Fräulein ruhen sollen. Kinder , die zum ersten Mal auf die Alpe
gehen, müssen hier Steine aufheben, sie anspucken und mit den Wor-
ten: „ich opfere, ich opfere den wilden Fräulein" auf den Steinhaufen
werfen. Auch Erwachsene üben noch diesen uralten Brauch; denn
wer diese Opferung unterläßt, darf nicht allein an den wilden Fräulein
vorübergehen , ohne sich grosser Gefahr auszusetzen ; s. Ignaz von
Zingerle, Sitten u. s. w. des Tiroler Volks. 2. A. Innsbruck 1871,
S. 220 f. Auf einigen Höhen und gefährlichen Alpenstrassen der
Dauphine liegen am Rande der Strassen selbst Fclsenstücke, welche
dreieckige Prismen oder Kegel bilden ; es sollen uralte Gräber sein.
So oft ein Bergbewohner vorübergeht, legt er einen neuen Stein auf
solche Monumente. Eckermann, Lehrbuch der Religionsgesch. Die
Kelten. 2. Abth. S. 44. Pallas erzählt in seinen Reisen, daß seine
tatarischen Begleiter auf dem Gipfel des Kuna am Fusse zweier Grab-
stätten Zweige und Steine niederlegten ; Edelestand du Meril, Melanges
arcbeol. et litter. Paris 1850, p. 113. Dies war wohl ein sogenannter
Kurgan, wie ihn die Kleinrussen und Tataren in Kleinrußland durch
Steine, Zweige und Erdschollen zu vergrössern pflegen. „'Cela rend
le voyage heureux', assure le dicton petit russien. Chez beaucoup de
peuples primitifs le sentiment de bienveillance se manifeste par une
c^r^monie analogue. 'J'ajouterai une pierre a votre cairn' dit en
maniere de politesse le montagnard des highlands. Le Juif encore
aujourd'hui apporte un caillou sur le mausolee d'une personne aira^e."
Alfred Rambaud, La Russie Epique. Paris 1876, p. 498*). Von dem
Zauberer Heitsi Eibip (Kabip) wird unter den Hottentotten erzählt, er
sei raehremal gestorben und wieder lebendig geworden; wenn sie bei
einem seiner Gräber vorübergehen, so werfen sie einen Stein darauf,
weil ihnen dies Glück bringt. Bleek, Reynard the Fox. Lond. 1864,
p. 76 (deutsch Weimar 1870, S. 59), der auch noch aus James E.
Alexander, Expedition of Discovery into the Interior of Africa 1, 166
hinzufügt: „These Naraaquas thought that they came from the East.
In the country there is occasionally found (besides the common graves
covered with a heap of stones) large heaps of stones, on which had
been thrown a few bushes; and if the Namaquas are asked what
these are, they say that Heije Eibib, their great father, is below
*) S. Nachtrag 1, unten S. 32.
DIK GEWORFENEN .STEINE. 23
thc heup; thcy do iint know wliat ho is likc, or whul he doea; tliey
only imaginc that hc also camc fioin the P^ast, and had plcnty of
shccp and goats; and when thcy add a stonc or branch lo the heap,
they muttcr, 'Give us plcnty of cattic." Bei den Einwohnern von
Unalaschka (einer der Fuchsinscln) herrscht der Gebrauch, die Todten
auf den Giptchi der Berge zu begraben und kleine Erdhügel auf dem
Grabe aufzuschütten, auf welche überdem noch Steine gelegt werden.
Jeder Vorübergehende wirft einen Stein auf den Hügel, wodurch die
Stätte erhalten wird. Klemm, Culturgesch. 2, 225, angeführt von \V.
Schwartz, in der Zeitschr. f. Gymnasialwesen 20, 799, wo auch (nach
demselben 2, 98) erwähnt wird, daü die Abiponer (in Paraguay) ihre
Gräber von aussenher mit Dornen bestecken um die Raubthiere davon
abzuhalten. Vielleicht war dies ehedem auch anderwärts der Fall; so
wenigstens würde sich erklären, was Kochholtz, Schweizersagen aus
dem Aargau 1, 62 mittheilt, daü nämlich auf dem Oberfelde zwischen
Kulm und Zetzwil, wo die Laudstrasse nach Luzern vorbeiführt, seit
undenklicher Zeit ein Dornstrauch aufgewachsen war, dessen Stamm
allein drei Fuß dick gewesen sein soll. Jeder der des Weges kam,
legte einen Stein dazu und so thürmte sich nach und nach ein kleiner
Wall ringsum den Dorn; er gedieh in diesem Schutze, gewann sein
eigenes Plätzchen Land und somit blieb dieses unbcpflanzt. Möglicher-
weise war dies also ein altes längst vergessenes Grab und der Dorn-
strauch ein Rest der Umzäunung. Viel wahrscheinlicher jedoch haben
wir hier eine Reminiscenz des alten Gebrauchs, Leichen mit Dornen zu
verbrennen ; s. Grimm , Über das Verbrennen der Leichen , in den
Denkschr. der Berl. Akad. 1850, S. 223 ff., wo es namentlich S. 224
heißt: „Seit das Verbrennen mit dem Begraben tauschte, konnte es
natürlich sein, daß der bisher geheiligte Dornstrauch auch auf das
unverbrannte Leichen umschließende Grab gepflanzt wurde, es geschah
vielleicht aus ähnlichem Grund auch bei den Hügeln verbrannter Lei-
chen", welche Muthmassung durch den Aargauer Gebrauch eine will-
kommene Bestätigung erhält. Daß es bei den alten Griechen gleich-
falls Sitte der bei Gräbern Vorübergehenden war, geworfene Steine als
Todtenopfer darzubringen, habe ich im Philologus 20, 380 ff. besprochen
und Ergänzungen ebend. 28, 542 f. (Germ. 16, 213) hinzugefügt.
Namentlich auf die Gräber von Erschlagenen oder sonst gewalt-
sam Umgekommenen wurden Steine u. dgl. hingeworfen; so z. B. heißt
es in Graesse's Sageusehatz des Königreichs Sachsen S. 216, Nr. 286:
„Bei S ch wanne wi tz , einem zu Dahlen bei Oschatz gehörigen Dox'fe,
das seinen Namen von dem dort in einem heiligen Haine von den
24 F. LIEBRECHT
Daleminziern verehrten Gotte Schwantewit empüng, befindet sich ein
Teich, der Mordteich genannt, wo einige Jungfrauen, die ihre Unschuhl
sich nicht hatten rauben lassen, ermordet worden waren und heute
noch umgehen sollen. Dadurch daß jeder Vorübergehende ein Reis
auf ihre Grabstätte warf, schreibt sich die bedeutende Erhöhung des
Bodens." Die Sitte erhellt hieraus klar, wenngleich es sich hier ur-
sprünglich von Jungfrauen handeln mochte, welche als ein dem Swan-
tewit dargebrachtes Opfer in den Teich gestürzt zu werden pflegten.
Ferner heißt es in Kuhn und Schwartz, Norddeutsche Sagen S. 85,
Nr. 92: „Etwa eine halbe Stunde vom Dorfe Rauen liegt am Abhang
der Berge, hart au der Strasse nach Storkow, zur rechten Hand, ein
Aufwurf von Steinen und Reisig, den jeder Vorübergehende vermehrt.
Dieser Hügel heißt der Nobelskrug; es soll da nämlich vor alten
Zeiten ein Krug gestanden haben^ in dem ein Krüger, Namens Nobel,
gewohnt ; der ist dort, niemand weiß weshalb, erschlagen worden, und
hat man denn zum Andenken die Steine und Baumzweige hingeworfen."
Vgl. A. Kuhn, Märkische Sagen S. 113, Nr. 110 „Der Nobelskrug".
Auch sonst noch findet man in deutschen Wäldern über der Grabstätte
gewaltsam Getödteter Stein- und Zweighaufen, auf welche jeder Vor-
übergehende einen neuen Zweig oder Stein wirft; vgl. Weinhold, Alt-
nord. Leben S. 488. Auch in Schweden findet sich diese Sitte.
,.'Här ha tvä menniskor mördat hvarandra!' sade skjutsgossen i det
vagnen höll stilla .... och med piskan visade han pä en hög af ris
och stickor, som lag straxt framför de resande til venster bredvid
vagen, och som hade nägonting ohyggligt vid sig. Det är sed, att hvar
forbigäende kastar en sten eller sticka pa sädan blodmärkt plats och
sä. växer mordmonumentet Men midt uti styggelsen hade en ny-
ponbuske vuxit upp, och sträekte sina friska grenar ut mellan de torra
risen." Friederika Bremer, Hemmet. Stockholm 1839 2, 190. Wurde
dieser Hagebuttenstrauch vielleicht gleich auf das frische Grab ge-
pflanzt und entspricht er dem oben erwähnten Aargauer Dornstrauch?
Ein anderes Grab gegenseitiger Mörder mit dem nämlichen Hinzuwerfen
von Steinen ist das von mir German. 16, 214 aus Serv. Aen. 11, 247
angeführte, das sich auf der Kuppe des Garganus befand. Eben ein
solches findet sich in Island, District Hamarsfjordr, und heißt „Küster-
grab" (Djaknadys), weil dort einmal ein Geistlicher und ein Küster
einander todtschlugen und begraben wurden; Aver zum ersten Mal bei
demselben vorüberreitet, muß drei Steine darauf werfen, sonst wider-
fährt ihm ein Unglück. Jon Arnason, Islenzkar jijodsögur etc. 1^ 664.
Ebenso droht ein solches demjenigen, der bei dem unweit Reykholt
DIE GEWORFENEN STEINE. 25
bofindlichcn Grabe eines durch seine eigene übermllthige Unvorsichtig-
keit Umgekommenen vorüberreitet, olme drei Steine darauf zu werfen;
a. a. O. S. 479. Auch auf das Grab der Ill))urka, einer bösen Frau
der Heidenzeit, zwischen Skard und Bydardal, muß jeder zum ersten
Mal Vorrüberreitende einen Stein werfen; ebend. S. 211; einen Stein
wirft auch jeder Landende auf das Grab Ulfs auf der Ulfsiusel, einer
der Bulandsnessinsehi; ebend. S. 664. Überhaupt ist es an manchen
Orten Islands Sitte, daß wer einen Weg zum ersten Mal passiert,
anderwärts aber jedesmal, wann er vorüLerkommt, auf den dort be-
tiudlicheu Steinhaufen einen neuen Stein, zuweilen aber auch drei hin-
zuthun muß, wenn ihm nichts Schlimmes widerfahren soll; in Erman-
gelung von Steinen nimmt man auch wohl einen Schuh oder Schuli-
flick, einen Handschuh, ein Strumpfband, eine Gerte, einen Strauch-
zweig, zuweilen auch ein kleines Geldstück. Man nennt einen Stein-
haufen dieser Art dys (d. i. Grab mit darüber gehäuften Steinen),
woraus also erhellt, daß derselbe ein Grab voraussetzt; einige von
diesen Steinhaufen führen die Benennung greidi d. h. Darbringung.
Eine solche Darbringung ist aber in diesem Sinne ein Opfer, das der
Seele des unter dem Steinhaufen Begrabenen dargebracht Avird, sei es
als Zeichen der Ehrfurcht im Allgemeinen oder um ihr Wohlwollen
oder ihren Beistand anzuflehen oder andererseits, wenn sie, wie na-
mentlich bei Erschlagenen, Selbstmördern oder sonst eines gewaltsamen
Todes Gestorbenen der Fall ist, als böswillig gedacht wird, um sie zu
beschwichtigen ; wird dies unterlassen, so rächt sich der erzürnte Geist
durch einen Unfall, den er dem Nachlässigen zusendet oder indem er
selbst wiederkommt und Böses übt*). Es geschieht auch Avohl daß das
Aufhäufen der Steine auf das Grab in der Absicht stattfindet, das Wie-
derkommen der bösartigen Seele, des Wiedergängers, (revenant)
materiell zu verhindern; so heißt es bei Rochholtz, Sagen u. s. w.
1, 70 von dem Fleck, avo ein Selbstmörder verscharrt worden, daß
kein Vorübergehender vergaß einen Stein darauf zu werfen, damit der
Unhold nicht gleich hervorkommen könne, wenn ihn etwa der Teufel
wecken wollte; vgl. Müllenhof, Sagen aus Schleswig-Holstein Nr. 161**).
Zweifelhaft ist der Grund der von Schild, De Chaucis 2, 3 bei Everard
Otto, De Tutela Viarum, Ultra], ad Rhen. 1731, p. 92 erAvähnten stets
vergrösserten Steinhaufen: „Videre est eximiae celsitudinis tumulos
ßremam inter et PraesuHs arce nobilem Fordum [Verden] e lapidibus
accumulatos et quidem ivodiovg, hoc est in ipso propemodum militarium
margiue viarum. Tum et ii, quibus iter isthac faciundum est
*) S. Nachtrag 2. **) Ö. Nachtrag 3,
26 F. LIEBRECHT
suum quisque colliculis istis lapidem adjiciunt et indies e magnis
faciunt inajoros." Wnhrsclicinlich sind auch dies alte Gräber, nicht aber
wie Otto meint „in honorem Mercurii, viarum praesidis" zusammen-
gehäuft.
IL Wir haben eben gesehen, wie die auf Gräber hingeworfenen
oder gelegten Steine, Zweige u. dgl. eigentlich ein aus verschiedenen
Gründen den Seelen der Todten dargebrachtes Opfer sind; daß letztere
so wie deren Cultus sich mit den Göttern und der diesen gezollten
Verehrung mehrfach berührten, wissen wir gleichfalls, und so finden
wir denn auch, die Verehrung namhaft gemachter Götter und Dämonen
durch Steinopfer der genannten Art ; so des Hermes bei den Griechen,
s. Philologus 20,381; füge hinzu Everard Otto 1. c, p. 170—175.
Hierher gehören auch die bereits (oben S. 22) angeführten „wilden
Fräulein" in Tirol, die, obwohl von ihren Gräbern die Rede ist^ doch
ebentso wie der mehrmals begrabene mächtige Zauberer oder grosse
Vater der Hottentotten, Heitsi Eibip*) (oben a. a. 0.) und wie die
Lüdenscheider Schonholdcn (über welche s. weiter unten zu III, S. 29)
einer überirdischen Welt angehören. Aber auch sonst noch bediente
man sich und bedient sich noch jetzt der Steine als Opfergabe für die
Eibenwelt, so z. B. muß jeder, der beim Hinuntergehen in den Brunnen
auf dem Toraberg (Rcgierungsbez. Köln) nicht fallen will, einen Stein
hineinwerfen; s. Ztschr. f. deutsche Myth. 4, 166, Nr. 6. Hier gilt das
Opfer dem Brunnengeist. Ebenso werfen die Knaben beim Vorüber-
gehen an der Querchkaul (Zwerggrube) bei Weingarten in der Eifel
einen Stein hinein, während die Pfullinger Kinder am Remselesstein
der alten Ursel Hornknöpfe opfern, aber auch Steine, auf welchen die
Sonne ein Bild oder ein Loch eingebrannt hat; s. J. W. Wolf,
Beiträge zur d. Myth., 2, 280- Meier, Schwab. Sagen Nr. 1, vgl. Nr. 2.
Einer ganz ähnlichen Sitte begegnen wir aber auch im fernen Osten;
denn aus dem hinterindischen Tonkin wh'd folgendes berichtet: „Inde-
pendamment de ces esprits, les femmes en adorent d'autres dans diffe-
rents endroits oü il y a des monticules de terre .... Elles ont coutüme
d'invoquer, en passant, Ou-dou, c'est-ä-dire le seigneur du mouticule
ou l'Esprit qui y domine, et de faire voeu, s'il leur prete son secours
pour faire de bons marches, d'ajouter, a leur retour, quelques mottes
de terre, pour augmenter le tertre, ou d' y poser quelques livres de
papier dore ou argente ou des couronnes de fleurs ou des bätons
*) Auch der grosse Geist der Rothhäute hat auf der Insel Manitualin im Hu-
ronensee sein durch Tabaksopfer verehrtes Grab; s. J. G. Müller, Gesch. der amerik.
Urreligionen S. 123.
DIE GEWORFENEN STEINE. 27
d'üdeurs; cv. qu'ellcs fönt ca rcjvcnarit du marclie^ pour s ucf|uittcr de
leur voeu. C'est pourquoi Ton y voit un grand norabrc de mottcs de
terrc cntassees." Journal asiat. Ire Serie. VI, 1G4. Hieran schließt sich
was EvorardOtto, De Tutcia Viarum p. 96 aus Vincent. Bellov. Spcc. Hist.
1. IV (wo aber die Stelle nicht steht) anführt: „Duarum Indiae gen-
tium^ quae vocantur Zechiam et Albarachumaj antiqua consuetudo fuit,
nudos et decalvatos, magnisque ululatibus pcrsonantcs, siraulacra dae-
monum circumire, angulos quoque osculari et projicert; lapides in acer-
vuni, qui quasi pro honore diis extruebatur. Inde est, quod in libro
Salomonis [gemeint ist wohl Sprüche 20, 8j dicitur: qui projicit lapidem
in honorem Mercurii. Faciebant autera hoc bis in anno; Sole scilicet
existente in prirao gradu Arietis, et rursum, cum esset in primo gradu
Librae: hoc est, initio Veris et Autumni." Otto fügt dann noch weiter
hinzu aus Olaus Magnus, De Rit. Gent. Septentr. 3, 1 : „In confinibus
Lithuanorum ac Moscovitarum*) Zlatababae statua certis munusculis a
viatoribus est placanda, si quam velint itineris securitatem." Ferner
gehören hierher die von den Kalmüken zu Ehren der Götter aufge-
worfenen Steinhügel (obö), welche entstehen, indem jeder Vorüber-
gehende dem frommen Brauche gemäß einen oder mehrere Steine hin-
zufügt. Jülg, Kalmükische Märchen S. 68.
Aus dem bisher in Betreö' der Steinopfer Angeführten läßt sich
mit gutem Grunde folgern, daß auch sonst, da wo ein Grab oder
göttliches Wesen * nicht ausdrücklich genannt wird , gleichwohl ein
solches vorausgesetzt werden muß. So wird aus der englischen
Grafschaft Somersetshire berichtet: „On the highest mount of the hill
above Weston-super-Mare is a heap of stones, to which every fisherraan
in his daily walk to Sand-Bay, Kewstoke, contributes one towards
bis day's good fishing." Choice Notes from Notes and Queries. Folk-
Lore. Lond. 1859, p. 175, Nr. 13. Ebenso befindet sich in der Nähe
der heiligen Stadt Mesehed in Chorassan auf dem Wege von Nisehapur
her eine Anhöhe, Salem Sepessi (Hügel des Heils) genannt, von der
folgendes berichtet wird: „Chaque pelerin regarde comme un devoir
religieux de marquer son passage par ce col en ajoutant une ou plu-
sieurs plaques d'ardoises, tres coramunes dans ces montagnes, aux debris
de la raeme röche (Steinart), empiles par les pieux predecesseurs en nom-
breux pyramides au sommet de la montagne du salut." Le Tour du
Monde 1861, II'"'' sem., p, 278. Auch in Tenessee begegnen wir einem
*) Nach Anderen jedoch (s. zu Gervas. Tilber. S. 262. Bastian, die Rechtsver-
hältnisse bei verschiedenen Völkern S. 362) findet sich das Götzenbild der Slata Baba
(aurea anus) an der Mündung des Obj,
28 F. LIEHRECHT
auf einer Anhohe befindlichen Steinhaufen „which had been thrown
togethcr in accordancc with Chcrokee superstition, that assigncd some
good fortunc to the accumulation of those piles. They had the custom,
in their journeys and warlike expeditions, at certain known points
before marked out, of casting down a stone and upon their return
another". Annual Report of the Board of Regents of the Smithsonian
Institution. Washington 1871, p. 379. In diesen letzteren Fällen lälit
sich nicht erkennen, ob das Steinopfer den Manen eines in früherer
Zeit dort Begrabenen oder einem anderen, höhern Wesen gilt. Noch
unsicherer ist die Deutung der an der Grenze des spanischen Gali-
cicns befindlichen gewaltigen Steinhaufen, „welche davon herrühren,
daß jeder Galicier, welcher auswandert, um nach der dortigen Gewohn-
heit im übrigen Spanien Arbeit zu suchen, entweder beim Weggehen
oder beim Wiederkommen einen Stein auf diesen Haufen wirft". Ecker-
mann a. a. O. Die Kelten. Zweite Abth. S. 75; vgl. W. v. Humboldt,
Prüfung der Untersuchung über die Urbewohner Spaniens S. 176.
Solche Grenzmäler, die Roß, Pelopon. 1, 18. 174, auch an den Grenzen
des lakonischen Landes beobachtet hat, mögen nun allerdings durch
das Bedürfniss der Grenzscheidung entstanden und erhalten worden
sein, indess befanden sie sich ursprünglich gewiß auch in der Obhut
irgend eines überirdischen Wesens (einer Grenzgottheit, wo man solche
verehrte, wie Terminus, Zeus Horios, Hermes u. s. w,), denen die hin-
zugewoi'fenen Steine als Opfer dargebracht wurden. Auch der Vicars
Cairn in der irischen Grafschaft Armagh ist „ein Haufen auf einander
geworfener Steine mit einem Steinkreise, in welchem ein Stein mit
Ogham- Charakteren beschrieben ist, und ein Eingang führt hier in die
Tiefen. Niemand geht vorüber ohne einen Stein mitzubringen und auf
den Haufen zu Averfen. Wer aber einen Stein davon nähme, den träfe
sicherlich grosses Unglück". Eckermann a. a. 0. Letzterer Umstand
weist deutlich auf einen überirdischen Schutz dieses Steinhaufens.
III. Im Gegensatze zu den bisher besprochenen Arten des Wer-
fens, d. h. üarbringens von Steinen u. s. w., wodurch eine Verehrung
oder Beschwichtigung von Göttern oder Seelen beabsichtet Avurde
oder wird, findet sich aber auch das Werfen von Steinen als Zeichen
des Hohnes, als Ausdruck der Abneigung gegen derartige Wesen, wie
z.B. gegen die Wintergottheiten (Gott oder Göttin), worüber ich später an
dieser Stelle sprechen werde- Zu den dort anzuführenden Beispielen aus
Deutschland, Frankreich und Italien füge ich noch folgendes, welches
um so wichtiger ist als es in so uralte Zeit zurückz'eicht und mit klaren
Worten den Winter nennt. Bei Herod. 2, 121 heißt es nämlich, daß
DIE GEWORFENEN STEINE. 29
der ägyptische König Rluinipsiuit gcradcilb(M- v(jii den l'ropyliien des
Hephästosteinpcls zwei 25 Ellen hohe Bildsäulen aufstellte, so wie daß
die Ägypter die nach Norden zu stelu^nde Sommer, die nach Süden zu
stehende Winter nannten und jener Zeichen von Verehrung und Zunei-
gung, letzterer aber gerade das Gegentheil erwiesen (xat rnv [lev xak^ovoi
d-SQOS, TOIJTOI/ [liv JtQOgXVVSOV0L TS Xßl £V ■JlüLEOVGl, XOV Ö£ %BLHaVU XU-
kev^svov ta iyinäktv tovxcov kgÖavöi). liier wird nun zwar nicht aus-
drücklich gesagt, daß die Bildsäule des Winters mit Steinen gcAvorfen
wurde, doch ist es sehr wahrscheinlich, daß das Volk dieselbe mit
irgend welchen Gegenständen bewarf", vielleicht mit Koth oder kleinen
Kieseln, wodui'ch die Statue nicht beschädigt wurde.
Ein Werfen mit Steinen nach Götterbildsäulen als Ausdruck des
Hasses und Hohnes ist aber auch das sogenannte Heidenwerfen ,
worüber s. Simrock in der Ztsclir. f. d. Myth. 2, 131 ff.; allein dies
scheint doch meist nur eine Umdrehung früheren Brauches, und jene
Statue der Venus oder Diana zu Trier, die bis vor nicht langer Zeit
zum Zeichen des Sieges über das Heidenthum von jedermann mit Steinen
geworfen wurde, erhielt dieselben, wie mir dünkt, zur Römerzeit
wahrscheinlich als Opfergaben dargebracht; auch die von A. Kuhn,
Westphäl. Sagen 2, 132 angeführten Spiele und Bräuche (auch die bei
Grimm, Myth. 172. 743) lassen sich auf obige Weise in ihrem Ur-
sprünge erklären , ebenso wie das von Woeste in der Ztschr. f. d.
Myth. 2, 90 erwähnte „Schonholden schraeissen", in Betreff dessen der-
selbe bemerkt: „Im Lüdenscheidschen erzählt man sich von einem
Herscheider Kinderspiel *de Schonholden smiten, wovon sich jedoch
in Herscheid selbst nichts erfahren ließ. Es muß wie das 'Buern-
smlten ein Werfen mit kleinen Steinen nach einem oder mehreren
grösseren sein. Der Name erinnert an das Jupiterwerfen. Grimm, D.
Myth. 172". Die Schonholden (über welche s. auch A, Kuhn a. a. O.
1, 156 ff.) entsprechen ziemlich den oben (S. 22) erwähnten Tiroler
„wilden Fräulein", und allem Anschein nach liegt dem Herscheider
Kinderspiel etwas dem Tiroler Gebrauch Entsprechendes zu Grunde.
Ein Übergang früherer Götterverehrung durch Steinopfer in
ein später feindseliges, höhnisches Werfen mit Steinen, also in letzte-
rem Sinne gleichfalls eine Art Heidenwerfen , wenn man es so
nennen will, ist ferner der bekannte Gebrauch der mahomedanischen
Mekkapilger, Eblis (den Teufel) im Thale Minä dreimal an verschie-
denen Stellen mit Steinen zu werfen. Zur Erklärung dieses Brauchs
führt man an, daß^ als Abraham von seiner Pilgerfahrt nach Arafat
zurückkehrte, er am Eingange des genannten Thaies den Teufel antraf,
30 F- LIEBRECHT
der ihm den Weg versperren wollte ; auf den Ratli des ihn begleitenden
Engels Gabriel warf jedoch der Patriarch den Teufel siebenmal mit
Steinen, so daß er sich entfernte. Das nämliche wiederholte sich in
der Mitte und am Ausgang des Thaies und die sieben Steinwürfe ver
trieben ihn jedesmal. „Ohne Zweifel aber sind die Araber im Irr-
thum, wenn sie glauben, daß die Steine nach dem Teufel geworfen
wurden; die alten Semiten kannten keinen Teufel; derselbe ist persi-
schen Ursprungs'^, wie Dozy, Die Israeliten zu Mekka, S. 118 anmerkt;
vgl. Osiander Ztschr. d. d. Morgenl. Ges. 7, 495: ^ Das Thal Minä war
ohne Zweifel, wie auf der andern Seite [von Mekka] das Thal Nahiah,
eine alte heilige Stätte; schon seine Ableitung von dem alterthüm-
lichen mhij {manu) zertheilen, schlachten xveist darauf hin, und es wird
sogar berichtet, daß vor der Erbauung der Kdbah beinahe alle Cere
monien der späteren Festfeier dort verrichtet worden seien. Dem ent-
spricht es vollkommen, wenn al-Gauzi (bei Reiske, PrimaeLineae p. 124)
erzählt, daß 'Amr b. Luhaj im Thale Minä sieben Idole aufgerichtet
habe. Ob es nun gerade sieben Götzenbilder waren, mag dahin-
gestellt bleiben — wiewohl diese Zahl immerhin sehr merkwürdig
wäre — ebenso ob *Amr b. Luhaj hier nur ein Repräsentant aller Be-
förderer des Götzendienstes ist; aber die Existenz von Idolen in diesem
Thale ist darnach kaum zu bezweifeln." Hier werden nun sieben
Idole genannt und ebenso viele in einer von Burckhardt (Reisen,
Deutsch, Weimar 1830, S. 414 -415) erwähnten, mir von Prof. Gilde-
meister freundlichst nachgewiesenen Stelle bei Azraki (p. 402 ed. Wü-
stenfeld), welche so lautet: „Muhammad ihn Ishäy sagte: Amr ihn
Luhayy stellte in Minä sieben Götzenbilder auf. Er stellte einen Götzen
auf auf dem kleinen Hügel, der zwischen der Moschee von Minä, und der
ersten Gamra ist, einen auf der ersten Gamra, einen auf Almudda'ä,
einen auf der mittleren Gamra, einen am obern Theile des Thaies, einen
oberhalb der grossen Gamra , einen auf der grossen Gamra und ver-
theilte auf sie 21 Kieselsteinchen; jeder Götze ward mit drei
Steinchen geworfen und zu dem Götzen wurde, Avenn er
geworfen ward, gesagt: Du bist grösser als der und der
Götze, der vor dir geworfen ist." Jetzt freihch finden sich nur
drei Steinpfeiler vor, von denen jeder durch die Pilger mit sieben
Steinchen (also im Ganzen wieder 21) beworfen wird und welche Ma-
homed statt der früheren sieben Idole auf den drei Gamra's aufgestellt
haben soll ; vgl. Burckhardt a. a. O. Warum Mohammed diese Abänderung
getroffen haben mag, ist leicht einzusehen; die ursprünglichen sieben
DIE GEWORFENEN STEINE. 31
Götzenbilder stellten nJUnlich, wie ich j^laube, die si eben Planeten
dar, und um das Andenken an diese möglichst zu verwischen, ersetzte
Mohammed sie durch drei Steinpfeiler, an welche er dann die Kblis
betreffende Sage knüpfte. Daß aber die sieben Götzen auf die Pla-
neten gingen, darauf deuten auch die Worte, die man an den jedes-
mal geworfenen Götzen richtete: „Du bist grösser als der und der
Götze, der vor dir geworfen ist", d. h. du bist ein grösserer Planet
als der vor dir geworfene. Worauf es jedoch besonders ankommt,
ist eben diese Angabe , daß die Götzenbilder um ihrer Grösse willen
mit Steinen geworfen, d. h. daß ihnen dieselben als Zeichen der Ver-
ehrung darj,ebracht oder geopfert wurden, was Mohammed in ein Stein-
werfen zur Verhöhnung oder Beschimpfung des Eblis umdeutete oder
umwandelte, wobei er zugleich statt der früheren Giitzen Steinpfeiler
errichtete.
IV. Noch ist ekle Art von Steinwerfen zu erwähnen, wobei an
überirdische Wesen nicht gedacht, sondern nur dem Gedanken der
Schmähung oder Verwünschung gewisser Gräber Ausdruck gegeben
wird. So berichtet Conze im Philol. 19, 166, es sei in Griechenland
„eine Volkssitte, wenn irgend Jemand, wohl besonders eine bedeu-
tendere Persr»nlichkeit, der sonst nicht gut anzukommen ist, sich nach
der gemeinsamen Überzeugung seiner nächsten Landsleute schlecht
benommen hat, dann werfen sie an einem nahen Wege Steine auf ihn^
aber nur im Gedanken auf ihn, indem sie bei jedem Stein rufen:
dväd^Tj^a 'g tov ÖELva: Fluch über ihn. So entsteht der Haufen, das
sogenannte dvdS^rjfia [richtiger dvccd^efxa] und, wie es geht, wenn erst
einige ihren Stein geworfen haben, dann kommt Mancher des Weges,
und sieht er das Fluchzeichen, wirft er ihn auch , flucht sein dvdd^rjiia,
ohne zu wissen wem oder weshalb es gilt". Diese Sitte wird wohl
daraus entstanden sein, daß ehedem auf wirkliche Gräber von Per-
sonen, die in üblem Angedenken standen, die Vorübergehenden Steine
warfen. Ob dabei blos an eine symbolische Steinigung oder anW^ie-
d er ganger und an die Verhinderung ihres Wiederkommens (s. oben
S. 25) gedacht wurde (und man weiß wie verbreitet der Glaube anVampyre,
ßovQx6/.axxag, xataxavag, TVfiTtccvialos, in Griechenland ist), lasse ich
dahingestellt; ebenso was es mit dem auf Imbros befindlichen, civai)'rj(ia-
TiGxQa genannten Steinhaufen, unter dem ein gesteinigter Deraarch
des nächsten Ortes liegen sollte (Conze a. a. O.), für eine Bewandtniss
hat und ob es vielleicht ursprünglich nur ein gewöhnliches durch Stein-
opfer geehrtes Grab war, jene Erklärung aber aus letzterem Gebrauch
hervorgegangen ist, und nur weil die eigentliche Bedeutung desselben
32- F- LIEBRECHT
in Vergessenheit gerathen, die jetzige Gestalt angenommen hat. Aus-
drücklich aber weist auf die arabische Sitte beabsichteter Beschimpfung
von Gräbern dm'ch symbolische Steinigung die Redensart ,.das Grab
Ebu Righal's", worauf nämlich alle Vorübergehende Steine warfen,
weil er dem Heere des äthiopischen Königs Abraha als Wegweiser
gedient hatte. So sagt Meskin ed-Darimi:
„Wirf jährlich auf sein Grab, wirf Steine ohne Zahl,
Wie jeder in dem Grab noch steinigt den Righal."
(Z. d. d. M. Ges. 5, 294, Nr. 167.)
Es versteht sich von selbst, daß von den verschiedenen oben
besprochenen Arten des Stein werfen s im Laufe der Zeit die eine oft
in die andere übergegangen, oder mit andern Worten, daß die ur-
sprüngliche Absicht des Steinwerfens vergessen und ihr alsdann eine
andere unterlegt worden sein mag, worauf ich oben schon mehrmal
hingewiesen habe.
Übrigens bemerke ich noch schließlich, daß ich immer nur die
Sitte des Werfens oder sonstigen Darbringeus von Steinen, Erd-
schollen u. s. w. durch Vorübergehende, woraus sich natürlich erst
nach und nach größere Haufen bildeten, vor Augen gehabt und die-
selbe zu erklären gesucht, dagegen solche Steinhaufen, die gleich
anfangs in irgend einer Absicht aufgehäuft worden , ohne spätere
Vermehrung und Erhöhung genannter Art, nicht in den Kreis meiner
Untersuchung gezogen habe.
Nachträge zu Germ. Bd. XXII, S. 21 ff.
(Die geworfenen Steine.)
1. Zu S. 22.
Die Szekler und Magyaren üben noch heute den Gebrauch, im
Vorübergehen Steine auf die Gräber zu werfen. Archiv f. Anthropol.
von Ecker und Lindenschmidt 3, 348.
2. Zu S. 25.
Hyltdn-Cavallius, Wärend och Wirdarnc. Stockholm 1864, 1,486 ff.
bemerkt: „Dödingarne voro i hedna-verld föremäl för en egen offer-
dyrkan, som dels var offentlig och dels huslig. Af den förra hafva
spar bibehällit sig i ätskilliga gamla svenska folkbruk. Pä stallen
invid vägarne, der nägon vädligen omkommit, och der man säledes
fruktat att den döde, sasom cn oren gast eller gengäugare, skulle
bry och fürvilla vägfarande, har folket i manga svenska lands-orter
DIE GEWORFENKN STEINE 33
ända tili vjir tid brukat offra; en sed, som iifven varit iakttagen,
der lönskaläge eller auuau orenhct yppat sig vid vagen. Offret be-
stär deri, att mau pti dylika stallen kastar nogcnting, vare sig
en ris-quist; en sten, eller og (i Westraanland) en penning o. s. v.
Den hög, som pä detta satt bildas vid sidan af vagen, erbäller i
olika landskaper skilda namn Bildas bögen uteslutande af kuller-
sten, sfi kallas bau ett kummel, eller sten-kummel. Dylika sten-
kummel hopkastas an i dag pä nagra stallen i Siidermanland, West-
nianlaud, Gestrikland o. fl. st. Exempelvis mä nämnas ett kummel.
pfi Skärmarbo-mo, "Y^ rail ifran Nora, uppkaskad pa det stalle, der
en gösse blef mördad för trettio ar sedan. Efter en murare, som
pä 1740 — talet blef ibelslagen pä skogen emellan Hedsunda ocb
Walbo, i Gestrikland, kastas af folket ännu kummel, och den sä bil —
dade bögen, som bestär allenast af st()rre ocb mindre rullsten, bar nu
ett tvärmätt af minst 20 fot ocb en böjd öfv^er marken af 10 tili 12 fot-
Nästan öfvervallt, der dessa . . . kummel före komma, bibebäller sig
og den folktron, att mau offrar, för at dödingen eller gasten
icke mä göra en nägot ondt, da man färdas vagen fr am."
3. Zu ebendaselbst.
Hylt^n-Cavallius a. a. O. I, 472: „Sankt Sigfrids legend förtäljer,
om dem som mördade bans systersöner, att 'tha tboko tbe kroppana
ok bundo reep um tbera fötir, ok drogbo tbsem tili tbaen stadb,
som diwrwm var vilsambir, oc neplica kom sool, oc kastadbo storan
stenahögb upa tbera b^elgba likama.'" J\Ian fürcbtete also daß die ge-
mordeten Neffen des Heiligen sich als Wiedergäuger rächen würden
und warf daher nicht blos Steine auf die Leichname, sondern band
ihnen auch noch die Füße zusammen,
LÜTTIGH. FELIX LIEBREOHT.
GERMANIA. Neu« Reihe. X. (XXII.) Jahrg.
34 F- BECK
ALLERHAND VERÄIUTHUNGEN UND NACH-
WEISE.
VON
FEDOR BECH.
1. Zum Erec 5270.
Dort steht in der Ausgabe M. Haupts zu lesen:
Als ez do morgen loart
unde er ouch stner vart
durch niemen loolte abe stän,
ditz dühte se alle missetän.
Die erste dieser Zeilen lautet in der Handschrift : also da es mor-
gens toart. Gegen Haupts Änderung sind in mir einige Zweifel auf-
gestiegen nach Vergleichuug der Stellen, in denen icerden wie hier in
Verbindung mit Zeitbestimmungen, zumal bei Übergängen, sich gebraucht
findet. In den meisten Fällen fehlt hier, wenn ich recht beobachtet
habe, das Pronomen ez, dessen unsere jetzige Sprache nicht mehr ent-
rathen kann. Sagt doch Hartmann im Iwein 383 do slafennes zit
loart, do gedähte ick an mtne vart und 5015 do nach ezzene loart,
den Wirt ivundert umb ir vart\ ebenso heißt es in Gottfrieds Tristan
14525 do des andern tages loart , Meldt sleich aber uf sine vart) 2668
vil schiere loart, daz st den knaben sähen] 5341 vil schiere wart, daz
Tristan — sehen began] beim Meissner in vdHMS. HI, 94% 11 eins järes
icartj von edeler art kos man da einen vürsten, in von Laßbergs LS.
I, 342, 268 do mornet ivart gen tag, do kam dm amm] 642, 183 des
andern tages frü wart, si hüh sich aber uf die vart; 644, 253 darnach loart
nit ze lang, daz man die mess voll sang. Mit Riicksicht auf diese Dichter-
stellen Hesse sich auch im Erec verrauthen: also do des morgc.is wart
oder alse des morgens loart. Aber auch die Prosa kennt diese Um-
schreibung mit werden. So schon bei Tatian, freilich mit engem An-
schluß an den lateinischen Text, 4, 1 1 ward tho in tliemo ahtuden tage,
quämen zi bisnidenne thaz kind = factum est in die octava, venernnt
circumcidere puerum ; 70, 1 ivas tho giwordan in then tagun, gieng in berg
beton := factum est in Ulis diebus, exiit in montem orare und in andern
Beispielen bei Sievers S. 476*. Daran reihen sich noch folgende
Stellen aus dem 12. bis 15. Jahrhundert: Specul. Eccles. fol. 10*' des
andern morgins loart, do hete diu gerte Aaronis bluomin und este ; fol. 63'
ALT.ERTTAND VEHMUTIirNCiEN UND NACIIWEISE. 35
dd toart ane dem vierzifjisten tage alse hiute ist, do mochte mit in ze
ezzen ; fol. 75" Darnach icart ze einir ves'jjir zit, do Zacharias rauch hete
(jdeit in ein rouchvaz\ fol. 109'' Vil schiere wart, der e vil vinsterr
in daz munster gienc, der selbe gienc vrolichen wider drüz; — Pretligt-
macrlein in Gcrman. III, 421, 11 7ind eines tages wart, do sprach sin;
413, 31 Dar noch über lang v:art, do starp der grofe; 427, 16 eines tages
v^art, du er frllege uf stuont nnd ein seil an stnen gürtel hing, er erhörte
eine stimme; — Griesliabers Predd. II, 89 do na au dem vierden tage
wart, do hiez Holofernes ain gröz Wirtschaft heraiten\ — J. ßothes Cliroii.
c. 256 unde loart darnach, daz her sinen tot lange zit vorhin louste; —
Schmidt, Die Gottesfreunde, 95 in demselben jore icart , do beschach es,
das er in einan siechtagen fiel*)', 145 nii an dem mendage fruege wart,
do gingent wir vur den rot von der stat'^ 154 do daz zerging^ do zuo
stunt wart, do beschach es, daz ein lieht — — icart] 157 iind do in
demselben (sc. schlafwachen Zustande) icart, do ivas mir wie daz eine
stimme u. s. w.; IGO nnd noch dem mitteme tage loart^ do loir ein wenig
gessen hettent, do gingent loir aber vür den icalt] 162 und do noch dem
essende loart, do gingent icir aber alle drizehen für den walt\ — Schrei-
bers Urkundenb. von Freiburg I, S. 379 (a. 1349) do ze jungest icart,
do kam ein Jude von /Sträzburg- — Weist. I, 666 (a. 1320) vrüge wirt,
so sidlent sie iren zins teilen; IV, 105 (15. Jahrh.) do des morgendes
loiirt (= wirt), so sol er sie antwürten den hueberen; Twinger von
Koenigshoven ed. Schilter 41 {= ed. Hegel 300, 32) dö in der naht
wart, do brühte Nectanebus mit zoidter zuo, das u, s. w. ; Weist 4, 141 icenne
am siingechttage würt, so söllent die huober dem meiger gehorsam zuo sin
(14. Jahrh.) ; — Elsäßische Predigten in der Alemannia I, 232 hin gen
tage wart und er in solchen riiiven lag, do erschein ime ein engel\ —
Spiegel deutscher Leute ed. Ficker VIII'^ eines morgens wart, do striten
sie mit einander; — Nicolaus von Basel 176 an dem fünjften tage wart,
do sach er wol daz u. s. w. ; 187 in diseme hindersten woi'te wart, da befant
ich — — gar grosse frömede mere; 195 in disen selben gedenken wart,
do stunt ich gar geswinde uf; 276 des andern tages frllege wart, do ko-
ment aber dise zwei menschen zuosamene; — Wackernagels Predd. LVIII,
101 so balde wirt, so ist er trurig; 114 so denne an dem andren tage
loirty so lasset er sich gar stille wider nider; 147 so nü an dem dritten
tage wirt, so gänt alliu diu meriounder üsz; — Grieshaber Predd. I, 24
do enmornen ml wart, so nement (?) die engel herren Loht; — Germania
19, 310, 3 do ze iungest amme dritten tage wart, do u. s. w.
*) Nach" wart ist in der Ausgabe ein tSemicolon gesetzt!
36 F. BECH
2. Zum Marner.
XV, 7, 121 ed. Strauch heißt es:
Ein esel gap für eigen sich
dem. fuhse, daz was guot.
Do lert ern sprechen wicht eclich:
si tvdren beide höchgemiiof.
Daß der Fuchs den Esel, der sieh in seinen Dienst begeben hat,
alle Dinge (ivihteclich) sprechen lehrte, erscheint uacli dem Sinn und
Zusammenhange der Fabel als eine müßige Bemerkung. Das In-
teresse des Fuchses, des listigen Jägersmannes, konnte doch nur darauf
gerichtet sein, den Esel mit Rücksicht auf seine besondere Leistungs-
fähigkeit für die Jagd zu instruieren. Was hätte es ihm in dieser Hin-
sicht genützt, wenn er ihn ivihteclich sprechen lehrte? Wenn dagegen
nach Phaedrus der Esel an des Löwen Jagd sich betheiligt, so er-
streckt sich seine Thätigkeit darauf, das Wild mit seinem Geschrei
aus dem Lager aufzustöbern (insueta voce terrere hestias oder turhare
feras^, wie er nach einem altdeutschen Beispiele in den Altd. Wäldern
III, 187 — 188 durch seine vreisUche stimme Alles in Furcht setzt. Eine
andere Rolle als die des Treibers wird der Esel auch als Knappe des
Fuchses nicht gespielt haben. Mit Rücksicht hierauf vermuthe ich,
daß die Stelle im Marner schon früher verderbt Avorden ist. Der Er-
zählung weit angemessener scheint es mir, wenn man für sprechen lesen
dürfte schrecken = excitare terrere; im alemannischen Dialecte hieß es
ohnehin schrechen, vgl. Weinhold, Alem. Gramm. §. 220, eine Form
aus der sich die Verderbniss nur noch leichter erklären würde. Unter
ivihteclich = wihteglich verstehe ich dann: alle Geschöpfe, alle Thiere
ohne Ausnahme, vgl. Hohes Lied ed. J. Haupt GQ, 25: siver sine ver-
witze cheren ivil nach allen den des in gelüstet , so daz er schefphet
{^chapfet?) nach icichtigelichime unde loset nach allir dinge gelich unde
er stinchen teil nach allir hluome gelich unde er smekchen icil zallir chrCde
gelich u. s. w. Wichte braucht von den Thieren des Waldes Albrecht
von Halberstadt, vgl. Haupts Zeitschr. XI, 360, 4.
XIV, 2, 25 sich hinder dich, ivie not dir von dem reinen schepfer
ist, Des Up sich an daz kriuze here Für unsich bot, der siieze Kr ist.
Statt dir von lese ich dervon (darvon) davon , deshalb , mit Beziehung
auf das Folgende, nämlich daß „sein Leib an das Kreuz sich schla-
gen ließ".
XIV, 17, 266 folg. — eine Schilderung des wunderbaren Weltge-
bäudes ^ wie sie sich unter andern auch bei Heinrich von Neustadt
ALLKKIIAND VEKMUTHUNGEN UND NACHWKISK. 37
in Gottes Zukuntl 1 — 15 und in Scib. Brants Narrenschifi" (j(>, 1 iulg.
Hndcl:
icie sich die sterne im loufe rüeraat,
wie der hiniel geekset ist,
siben planeten kraft, der heizen snilere mez,
■wä sich donre und icint hinfüerent,
toä der abgrunt hat sin sez u. s. w.
In der Anmerkung zu 2ß8 heißt es : „vielleicht sind gemeint die
snnitetistrirkc, von denen Konrad von Mcgenberg 97, 16 folg. sagt" u. s. w.
Schwerlich ist damit der Sinn der Stelle getroffen. Mit snuor ist hier
offenbar das lateinische zoiia wiedergegeben, vgl. Diefenbach, Gloss.
635'' zona snur vel lant vel zirkel in dem himmel; auch in Bechsteins
Glossar zu Mathias von Beheims Evangelienbuch S. 297 finden sich
Stelleu, in denen snuor als Gürtel gefaßt ist; vor allen aber gehört
hierher Sebastian Brants Narr. 66, 11
Ob man lud) umb die ganz weif fnor,
Was Volkes wone under yeder schnuor,
Ob under unsern fuessen Uli
Ouch sujen u. s. w. *).
Hiernach hat man unter der heizen snilere mez zu verstehen die
Größe , die Ausdehnung der gürtelartigen Bahnen, welche nach der
Anschauung der Alten die Planeten in ihrer Gegenbewegung be-
schreiben; vgl. Zarncke, Der Graltempel S. 511 daz firniament zefüere
von siner snellen draete, Wem zirkel heizer snilere, dar inne die platteten
loufent staete; dazu die Stellen, welche ich in dieser Zeitschr. VII,
303 bei der Erklärung von Wolframs Willeh. 2, 4 angeführt habe, und
Vocabularius optimus S. öS*" planetae quae moventur pi^oprio motu contra
motuin primi mobilis.
S. 160 bei Strauch beginnt eine unechte Strophe des Marners
mit der verdorbenen Zeile : Wer töre vfer heringe setzt der het de szale
verlorn. „Entsprechend den folgenden Zeilen", heißt es in der An-
merkung dazu, „muß der Sinn ungefähr der sein: Wer einen geringen
Fisch über den Hering setzt, der hat den Verstand {zal) verloren."
Da ist zunächst der het de czale verlorn ungenau, man kann sagen un-
*) An derselben Stelle findet sich ein anderer seltener Ausdruck, V. 7 — 8:
ime tief und vevr sich zieh das mer Und ivas enthalt den letzten sper. Sicher ist hier
nicht Äo-s-te unter sper gemeint, sondern sphaera, obwohl sjje)- meist nur als femininum
vorkömmt; doch vgl. Bruder Hansens Marien!. 3080 Planeten sün da sehen, jezlich
lenft rjr gezrcenze mit iren speer gar eben und Wackernagels Predd, S. SGI*", 40 daz
himelspire.
3g F. BECH
richtig wiedergegeben. Denn zal {zale) bedeutet entweder numerus nu-
meratlo im Allgemeinen, oder eine bestimmte Anzahl als Maß z. B.
eÄne zal heringe in Schreibers Urkundenb. I, 86 und ebenso IX tael he-
ringhe in Kindlingers Gesch. der Hoerigk. S. 399 und 529; oder es be-
deutet so viel wie narratio; danach wird die gedachte Redensart einen
andern Sinn gehabt haben. Es steht aber auch noch nicht fest, ob
man an dieser Stelle zale oder zdle zäile d. i. zagele zu lesen habe.
In töre oder tore mit dem Mhd. Wörterbuchc einen verdorbenen Fisch-
uamen zu vermuthen, dazu ist wohl auch kein zwingender Grund vor-
handen, wenn man bedenkt, daß dieselbe Handschrift in ihrem Dialekt
(sieh auf derselben Seite vorher V. 12) döre statt toren schreibt-
Unter dem toren verstand aber das Mittelalter ganz besonders auch
den Taubstummen, wie z. B. in Gricshabers Predd. I, 91 ein dore der
gehört nit noch macht nit redim, daher der imgehorende tor im Hohen
Liede ed. J. Haupt 6, 31 und in Rudolfs Barlaam 38, 28 neben dem
stummen genannt. Mit Rücksicht hierauf könnte der hat die zal ver-
lorn bedeuten: der ist ein für alle Mal um das Reden, Erzählen oder
Antworten betrogen, hat es umsonst gethan, und dieses vorausgesetzt
ließe sich folgende Änderung vermuthen: Swer toren uf erhoerung{e)
[oder ir hoerunge] setzt {= wer Taubstumme zum Hören oder Horchen
bestimmt), der hat die zal verlorn,' vgl. über erhoerunge Zachers Zeitschr.
II, 371, über hoerunge Weist. I, 669 und Grafts Sprachsch. IV, 1008.
Indessen bleibt die Vermuthung eine unsichere. Vielleicht setzt aber
das Beigebrachte andere in den Stand dem Wahren näher zu treten.
3. Zur Erinnerung cd. Heinzel.
V. 217 — 219 lauten nach der Handschrift:
ze hoeser gewinnunge
ist sin herze unt sin zunge
in wunderlicher icise.
Heinzel sucht den verdorbenen Versen durch Einschiebung von
halt vor der letzten Zeile aufzuhelfen, obwohl er selbst eine Con-
struction desselben mit ze nicht nachweisen kann. Trotzdem aber^
daß sich halt im Mitteid. wenigstens so gebraucht findet (vgl. Erlösung
4484 Petre toas zu fugen halt und H. Elisabet 2261 daz st zu gnade
lourde halt), so glaube ich doch, daß sich der Verderbniss auf leichtere
Weise abhelfen läßt, indem man schreibt im lounderlichen idise. Ähn-
lich verbindet xoise mit ze der Stricker in v. d. Hageus Germania II,
86, 10: der ritter tvas ze hehchen ivise, Hart mann im Iwein 3323 er xvas
ALLERHAND VEKMUTHUNGEN UND NACHWEISE. 39
da zuo gnuoc wise; Ürtnit I, 5 ze stürme loas er lots] Ludwif^s Kreuzf.
245 uud 1434 zu gote ivts.
V. 859 die teile dir got verlihe die mäht,
daz du heder dinge icol hast.
Im zweiten Verse möchte ich loal statt icol lesen, dann hätte man
den hier geforderten Sinn: daß du zwischen Gutem und Bösem die
Wahl hast; ivol haben mit Genitiv scheint mir nicht mittelhochdeutsch,
Priestcrlebeu 391 liegt näher zu schreiben sam gewisse sam für
so gewisse sam, die Handschr. bietet sin für so.
4. Zur Livländi sehe n Reimchronik ed. Leo Meyer.
V. 7740 folg. Daz loeter was naz unde kalt,
Daz kein stürmen nicht enstalt.
Der zweite dieser Verse enthält in enstalt eine Form, die in der
Sprache der Reimchronik nach meinem Dafürhalten unmöglich wäre,
wenn man sie als Abkürzung für enstalfe nehmen wollte. Gleichwohl
ist im Glossar zu dieser Stelle bemerkt: „3. sg. pf. 7iicht enstalt nicht
sich ausführen ließ? nicht gelang?" Hier läßt sich wohl mit fvecht eine
Verderbnis vermuthen. Ich schlage daher folgende Änderung vor:
Das weter naz unde halt
Was kein (?^zu?) stürmen nicht gestalt
oder Was kein stürmen ungestalt.
Vgl. die Magdeburger Schöppenchronik, in der es S. 358, 3 folg.
bei einer ähnlichen Gelegenheit heißt: so togen se to saniene vor Sotzk
und legen dar vor dre loeken mit storme unde mit stride, doch konden se
der stad nicht af hebben; ök was dat weder gar ungestalt, und regende
dat se nicht beginnen konden.
Y. 3883 folg. ir toten — die brauten sie mit dem züge,
vur war ich nicht enlüge:
spere schilde brunje jpfert
helme keyen (?) unde sicert
braute man durch ir willen.
Was bedeutet hier keyen? auch dazu gibt das Glossar keinen
befriedigenden Aufschluß, indem es „Keulen? Wurfspiesse?" daneben
setzt. Zwar verzeichnen Kilian und das Glossarium belgicum von
Hoffmann S. 51 keye als petra und silex; diese Bedeutung sagt aber
hier dem Zusammenhange nicht zu, wenn man nicht annehmen will,
daß auch darunter eine Steinwaffe gemeint sein könne, vgl. die
ältere Hochmeisterchronik in den Scriptores rer. pruss. III, 597, wo es
von den Littawen heißt: ouch lourffen sy vintlich obir das vlts noch
40 F- BECH
den cristen mit lourfspern und mit steynen keiolen noch irer heidnischen
fjewonheit. Muß es denn aber nach dem Zusammenhange eine Waffe
gewesen sein? Es ist ja dcuthch gesagt, daß die Todten mit ihrem
züge (mhd. ziuge), d. h. mit allem was sie zum Behuf des Krieges mit
sieh führten verbrannt wurden-, auch ihre Pferde gehörten z. B. dazu.
Sollte man bei keyen nicht an kogen (koyen) denken dürfen? Daß die
Sameiten, von denen hier die Rede ist, in Schiffen gekommen waren,
wird in den vorhergehenden Versen (3820, 3843, 3849) erwähnt; den
Besitzern konnten ihre Nachen so gut wie ihre Rosse beim Todten-
opfer mit verbrannt werden. Leider läßt sich eine Form keye in der
Livl. Chronik nicht nachweisen; sie kennt nur kocke in V. 3651 und
8878. Das Wort könnte möglicher Weise auch aus kttile oder küle,
Keule, verderbt sein, das als Waffe der Heiden wie oben so hier in
V, 3692 neben dem Speer genannt wird.
V. 1271 folg. Wä sie (die Eisten) die cristen quämen an,
Ez loere kint wib oder man,
Die giengen vor dem loinde hin.
Im Glossar ist zu vor dem loinde vermerkt: „wie vom Winde ge-
trieben, weggefegt."
Die Phrase vor dem loinde findet man auch bei Burkart von
Hohenfels in MSH. I, 205'', 2 snel gedenken vert vor loinde {= schneller
als der Wind) ; ferner im Pass. K. 454, 53 Egidius darin (= in daz
schif) saz Und vür mit in vor winde.
5. Zum Deutschen Heldenbuche.
Im Ortnit 285, 4 steht nach der Wiener Handschrift: dabei sol ev
sein gedenken. Diese unpersönliche Construction von gedenken ist nicht
häufig; doch kann ich den von Jänicke in den Anmerkungen Ame
lungs beigebrachten Beispielen noch folgende zufügen: Weist. II, 713,
Z. 24 sü haben loal gesien ind in gedenkt, dat u. s. w. (15. Jahrh.) und
715, Z. 22 van der ziit dat in (= cum) gedencket] Augsburger Stadt-
recht ed. Meyer, S. 179, Z. 19 oh halt die geziuge nicht gedencket,
ob er im den lip tragen sol oder niht] Fichard, Frankf. Archiv I, 228
(= Boehmer, Urkundenb. von Frankf. S. 666) aus den Jahren 1355
bis 1359: des quam es, das vor ziten, des itnsir ein teyl und auch me
lüten icole gedenckit-^ Schiller und Lübben, Mittelniederd. Wort. I,
.504'', 2; Hoefers Ausw. S. 83 (a. 1309) der decken von Vmneze, deme
v:ol achzic iär gedenkit und de nnsen herrin von THre an horte:, Marien
Himmelf. (Haupts Zeitschr. 5, 549) 1266 Idz dir gedenken ivi ich dir
gefriste — den lip', MSH, III, 268" (13, 2) iemer krenket min gemüete,
Al.l.KKIIANl) VKKMUTIIUNGEN IJNU iNA(;il\VKl.SI':. 41
so mir tjcdenkci fäner (jiiete', Meyer und Mooycr, Altd. Dicht. 44, 53 sif
daz ich cz allez sagen muoz — daz mir von ir (jcdenkai (: (jek renket) ; dazu
vgl. Bartsch über Karlmeinet 276; Zarncke, zum Narrensch. 76, S. 419
bis 420; Wackcrnagel, Altfranz. Lieder S. 108.
Biterolf und Dietleib V. 11883 nu hört man aber erklingen ma-
neger hau de lüten krach (: sprach) und V. 5532 man hört da lüte er-
krachen (: machen) 'pusvnen die hellen. Aber an der ersten Stelle hat
die Handschr. prach für krach, an der zweiten erprachen für erkrachen.
Ob hier der Schreiber der Handschr. willkührlich geändert oder falsch
gelesen hat , ist doch noch sehr fraglich. Lexer im Mhd Hand-
wörterb. verzeichnet brach, fragor aus Nie. von Jeroschin 21905 mit
ungestuirem brache (: sache) und eben daher gebrach 20097 do ivaH so
luite ir gebrach {: uf brach) und 21010 (: geschach) -^ aber es findet sich
noch an folgenden Stellen: Rudolfs Wcltchronik ed. Schütz I, S. 7
groz icas ir schal und ir brach {:sach)\ Nie. von Jeroscli. 8394 si soldin
machin ein schrien und ein brachin'^ in der Krone Heinrichs von demTürlin
27401 hrasteln unde brachen (: machen) horte er vil vor ime da] in der
Anm. zu der letzten Stelle wird ebenfalls krachen vermuthet, obwohl hier
brachen durch die Alliteration gesichert scheint. Vgl. Lexers Hand-
wört. I, 759 s. V. gebrech.
In der Berliner Handschr. des Wolfdietrich, vgl. üeutsches Hel-
denb. IV. Theil, S. 317 — 318^ steht: du bringest, mich noch hiute umb
daz leben min] dieselbe Redensart noch im dritten Anhange Schmellers
zu Laber, im Minnefalkner 5 (S. 172): ob sie mich senden umb daz
leben bringet.
Wolfdietrich B 761: do stuonden im ziio schiere die sinen dienst -
man] vgl. von Laßbergs LS. IT, 476, 131 also habent sy es verebent
Und, Stent nü ainander zuo; Brants Narrensch. 28 toer fackeln zündet an
Und will der simnen glast zuo stän.
Wolfdietrich D. IX, 211, 3 der wart ze namen geheizen Hildebrant]
vgl. Walther von Rheinau 143^ 56 der {== earum) einiu hiez Maria ze
namen Magdalena.
6. Zur Straß burger Litanei.
Lit. 195 da — ir frowede niemer zu ste] das im Sinne von zugen
hier und im Credo 78 gebrauchte zusfen, mhd. zestän findet sich im
Leipziger Sachsenspiegel I, 3, 2 und I, 27, 2^ vgl. das Glossar dazu von
Hildebrand S. 181; .bei Ebernand 2486 ez loere ein gewisse pf runde,
nimer in zustünde; in Weist. V^ 383 (aus dem Oberelsaß) wenn auch
imsere lehen eins absentze, icurd und zestät vier icochen und ziuen tag.
42 F. BECK
Lit. 452 wi gerne ich dinen namen hebute\ das bisher im mhd.
Wörterb. nicht verzeichnete hehnwen finde ich in den fränkischen Weis-
thümern des 14. Jahrhunderts^ vgl. Weist. VI, 7 (§. 16) eins apts schul-
tesz ist auch gebieter, die gute zu hebüwen zu Zelle (a. 1395); ebenda 87
(§. 21) auch sollen alle gute der herren hehüioet und hefridet sin (a 1400);
88 (§. 25) auch sal man alle gute, die nit hehüivet iveren , in einem järe
behüuien\ häufiger ist das Wort auf niederdeutschem Sprachgebiete^
vgl. Urkundeubuch der Stadt Hannover I;, 407^, 9 — 12 (a. 1362) und
Schiller und Lübbcn AVörterb. I^ 163^
Lit. 782 daz loas im vil aneminne. Das seltene Adjectiv findet
sich außer bei Veldeke noch im Kolandsliede 265;, 26 gehorent die
heiden sine stimme, si ist in nicht anminne; bei David von Augsburg in
Haupts Zeitschr. 9, 43 du looltest uns die lere vortragen mit dem bilde,
daz si uns deste anminner ivaere] beim Mönch von Hailsbronn im Buche
von den sechs Namen des Fronleichnams ed. Merzdorf 33, Z. 8 von
unten: das er ttire werd genäme und anminne si\ 77, Z. 16 animinner
und dancnämer'^ 61 dise genäde ist mir anminner vil {^=. Alemannia HIj,
211,41; 221,25; 231,33).
Lit. 1340 an dir stet alzos din volleist; hier braucht man alzds
nicht, wie in Steinmeyers Zeitschr. 7, 265 geschieht, für einen Schreib-
fehler anzusehen; es ist wohl eine dialektische Form, eine Contraction
aus alzoges, cnts])rechcnd dem mnd. altos, vgl. Schiller und Lilbben I,
63 ; vgl. dazu alzois aus der Kaiserchronik bei Müller und Zarncke HI,
933'' und die Anmcrk. zu Karlm. 86, 23.
7. Zur Graz er Litanei.
Lit. 225, 39 ivan daz mich uf sülit (: ervülit) min einiger helfaere]
über sülen vergleiche man ausser den Beispielen aus späterer Zeit bei
Lexer s. v. siiden noch den Paternosterleich 3, 10 in den Denkmälern
von MüllenhofF und Scherer (126, 3, 10): mit disen siben virtutibus so
seid wir sülin unser hüs] des Teufels Sege 10696.
Lit. 227, 9 swenne ich, uogit, nf dich gehe\ mitteldeutsche Bei-
spiele von uf einen jehen, die in Steinmeyers Zeitschr. 7, 257 vermißt
werden, finden sich an folgenden Stellen: Siebenschläfer ed. Kara,jan
624 und jach uf s?; Freiberger Stadtr. S. 267 man sal wegen den, uf
den he geiehen hat.
8. Zu Eberhard Zersne.
Minneregel 465 folg. Sy (= die vögele) sungen in acutis Accent
unde ei'ypol, Falseten sußis lutis, Da van icart ich irquickit u)ol\ zu den
ALLERHAND VERMUTHUNGEN UND NACHWEISE. 43
cir^' verderbten oder verlesenen »Stellen dieses Gedichtes gehört aucii
die vorliegende; statt en/pol muß es jedenfalls tnjpo/, heißen; vgl.
Frisch II, 388 ^tripjxd,, propovtio mitsicnlis iripla, kommt also von triplus,
eine Abwcehslunp; mit dem Takt den man in seinem Anfang mit "/.,
zeichnet''; dasselbe Wort in Bruder Hansens Mai*icnleben 3007 vil
mengen suezen fribul Uns discanteert die liehe nachtegale. Das in den
Meisterliedern der Kolmarer Liederhandschrift S. 197^ 20 stehende
trippel wird von Jacobsthal in Steinmeyers Zeitschr. 8, 73 als eine Spe-
cies mehrstimmiger Musik, als dreistimmiger Satz gefaßt*).
9. Zu Vintler.
Plueme der Tugent 9657 : so haben ietzund etleich herven die aller -
saödisfen hochfart, — — als wnh die schilt und panier und ander loun-
derleich groyr, die da in der chirchen stecket. Im Glossar dazu heil.U
es bei groyr „st. n. Wappen, Schilderei (?)" und Avird auf Lexer I, 1745
verwiesen^ avo aber das Wort ohne Erklärung aufgeführt ist. Es findet
sich noch — mit k statt g — im Reinfried von Braunschweig 17343
mit des speres spile er dem getauften ruorte daz houbet unde fuorte die
croier an dem schaffe dan:, dasselbe ist kreier V. 633: schiltknehte , die
mit guoten siten ie zioene hi ein ander o'iten, die fuorten sper und, kreiger
da. Das Wort steht offenbar mit kroyieren oder groiieren im Zusammen-
hange und bezeichnet zunächst den Schlachtruf, die Losung, das Er-
kennungszeichen im Kampfe, dann Avie hier speciell den Helmschmuck,
daz zimier lif dem hehne:, A^gl. Diefenbach, Glossar 310* inha, ein kreyer,
kreyrer, krayer und 158'' crista, crey , Hclmzeichen; desselben Nov.
Gloss. 113" coans, creyer uff eim. hehne und 120'' crista kreyer oder vogels
kamp. Weitere Belege ausser den genannten bietet Hildebrand im
deutschen Wörterbuche V, 2136 unter krei (4); 2138 (4, b.) unter kreide:,
2143 (3) unter kreier.
10. Zu J. Laurent;, Achener Zustände.
Bancklocke 340, 33, bauckclocke o9d, 12 Avird im Glossar 429* erklärt
. als „die arme Sünder- Glocke, Bang-Glocke, bei deren Ton dem Ver-
urtheilten bange wird." Dagegen spricht aber der Latein. Ausdruck
campaua bannalis ebendaselbst 226, 31 und 32.
Birfiich, adj.^ 289, 14, im Glossar fraglich gelassen, hier wol =
nützlich, behiflich = biderhelich ; dasselbe Wort im Karlmeinet 275, 37
*) Es ist zu bedauern, daß in der genannten Abhandlung von Jacobsthal nicht
zugleich auf die an musikalischen Kunstausdrücken reiche Fundgrube in Eberhard Zersnes
Minnelehre 403—486 Eücksicht genommen ist.
44 *'• BECH
Morant hijrjflicher (rechtschaffner, ehrenhafter) vacht vur sin recht] in
Purg'oldts Rechtsbucli X, 18 (S. 310) hederffliclien nnd erlichen sein amt
vorstelle im Zeitzer Karl und Elegast fol. 168" ein fwste bedreßelich
vTi toiß.
Esling SOS, 9 wird S. 434'' mit „einfacher Nagel" tibersetzt; allein
damit stimmt schon nicht die Erwähnung auf S. 336, 7 wo es heißt:
1250 schendelen ind 2500 eyslinge neille und S. 374, 12 : 9000 eslinge
nelen drilinge latznelen u. s. w. Die erste Silbe ist dem Dialekte ent-
sprechend ^= ehs, alis\ h (ch) vor s wird hier gewöhnhch ausgestossen,
so hiisa oder busse (huchse), eysch {achisch), kriesch (kriegisch), oys
(ochs), ossenhuyd (ochsenhüt), Sassen (Sachsen), seys (sechs), verwassen
(verwachsen), %vaisskerz (wachskerze). Sonst vgl. über dasAVort H. Beyer,
Urkundenbuch der Regierungsbezirke Coblenz und Trier I, 145, 196
(= Kehrein SammL S"") axiles et scindalae ad tecta restauranda: axiles
y. appellainns esselUnge et scindalas scimdelen, scindelingas (a. 1222);
Schmeller-Frommann 1, 163 aus einem alten Glossar tessere ehselinga %inde
domicilia sternuntur', ebenda popeneissel Rauchfangziegel, gogkeissel Zie-
gelstein von halber Breite; Diefenb. Glossar. 163'' axilia, scindelun,
schindala; Dietz, Etym. Wort. 11,201: ais fr. hrett, von axis, assis
dimin. aisseau, Schindel, von axiceUus , assicellus; vgl. Diefenb. s. v.
axis und asser.
Gelatern „gläsern" wird auf S. 435 und sei „Handhabe Griff" auf
S. 447 angesetzt mit Beziehung auf S. 308, 4 wo es heißt: It. umh 22
gelateren sels zen dach vinstern val. 3^/^ m. 25. Jedenfalls fehlgegriffen.
Ich lese gelate renseh und verstehe unter dem ersten Worte eine
Gelte , als Maß , ahd. gellita gellida gellete gellite, vgl. Lexer I, 826 ;
in dem Urkundenbuch von Neustift ed. Mairhofer Nr. 318 tres galetas
olei (a. 1278); Nr. 328 solucione 18 galetarum olei (a. 1279); Diefenb.
Glossar. 370'' mulgarium; gellate. Über rensei, rtmsel, rinsel, vgl. Diutisc.
II, 206'', Cornelius Kil und Diefenb. Glossar. 128' s. v. coagulum. Die
Glaser werden die geronnene Milch oder den Quark (mit Kalk ver-
mischt) zum „Einstreichen" der Dachfenster gebraucht haben. Von
rennen, renne, rensei abzuleiten ist auch wol das Zeitwort verrentzen bei
Boehmer, Urkundenbuch von Frankfurt S. 556: die fynster, die üz dem.
hCise in den sal geln, versichern und verrentzen und bedeutet vielleicht:
verkitten, verschmieren.
Plackeyren, swv., unerklärt geblieben, auf S. 219, 22 It. de eadem
(vorher ist von dem stahulum equomm cinitatis die Rede) ze plackeyren
95. per rel. Es ist wol dasselbe was im Franz. plaquer, plattieren,
bekleiden, mit Gips überziehen; vgl. plackewerg, Bewurf, und plecken,
ALLKIv'irANJ) VERMUTHUNGEN UND NACHWEISE. 45
argülare , viaculare bei Diefenb. und Wüloker, Hocli- und Niederd.
Wörterb. 257.
Schospovze S. 110, 33 soll nacli dem Glossar „eine Thüre in dem
Stadtthore sein, die man Abends nur gegen Erlegung einer Abgabe^
Schos, passieren konnte'*; vielnielir eine Fallthiir^ vgl. Diefenb. s. v.
catarrhacia und Lexer Handw. s. v. schozpoi'te, schozgntei:
Unledüj S. DO, o loir .shit noch müeäüje lüde mit lot/ieren, wird im
Glossar so erklärt: „nicht wol daran, unlcidlicli mit etwas dai'an sein'*;
vgl. vielmehr Lexer im Handwört. II, 190G; Diefenb. Glossar. 392''
occnpatns, bekümmeret, unledech] occupare, unledegen\ occupatio, tmlede;
Diutisc. 225'\
Veil, adj.^ 289, 12: It. rjaff v\an A. Redten soene zu verdrenken, ivant
hee veil icort, du sün hrilder geschossen ivas, 8 M. ; dazu im Glossar 451":
veil icm^t ohnmächtig wurde?" Yeil, fei, bedeutete vielmehr atrox, vehe-
mens , iniquus, vgl. HofFmann zu Caerl ende Elegast 397, 1297," 1340;
Karlmeinet 257,67; 306,23; 379,39; 478,34; Bruder Hans. Marl.
1443, 4535; Gotfrid Hagen 4834; Diutisc. H, 219\
Vursichdar — so ist im Glossar angesetzt — j^zur Vorsicht, vor-
läufig?", mit Beziehung auf 89, 1 alsus Mit hey yn noch vursichdar ge-
vangen. Vielmehr: vursich dar, weiter, ferner daselbst. Man sagte
sogar dti gast für sich, ich gang für sich, gdnt ir für sich, vgl. Buch
der Beisp. von Antonius Phor 132,38; 133,31; Gottesfreunde S. 71
und 128.
Bewerre kann nicht „innerhalb" (wie im Glossar 430' angegeben
ist) bedeuten auf S. 88, 11 her Reynart tioanck myt gewalt hroder Hein-
riche ind ayverhroeder Heinriche heioeere unser hoeve zo Auwenheym u. s. w. ;
es ist vielmehr das mhd. heicaraere bei Lexer Handw. = curator bei
Schönhuth , ürdensbuch S. 57, Sievers Md. Schachb. 320, 5 ; 329,
15; 330, 5.
Eeselduych, auf S. 273, 33: It. den pifferen zu yren sommer ind
winter roecken ind den koeleren zii yren jair roecken hadde man eyn eesel
d.yiich, kost 11 gülden ind 1 veirdel; im Glossar 433'' ist dabei vermerkt :
„graues Tuch? oder bezeichnet hier Esel ein Maß?" Nur die erstere
Erklärung triflft das Richtige, vgl. Teufels Sege 4938 (die Abte und
Mönche) soltint tragen sack und puntschuoh, Darzuo rok und kuttan von
eseltuoh. Bei Thomas von Buttelstedt (in den Neuen Mittheil, des
Thür.-Sächs. Vereins XII, 427. folg.) steht eselstüch.
Hoefde sich 318, 19 gehört nicht zu heven, wie S. 483'' ange-
nommen ist, sondern zu hoefen = mhd. hüfen, houfen, Lexer Handw.
I, 1377.
46 F. BECH
Schoeckebret, 322, 16: It. eyme spruycher 25 s. Item eyme anderen
myt detne schoeckehrede IS s. Im Glossar 446'' als „Hackebret, Cymbal"
gedeutet; vielleicht ist dasselbe gemeint was bei Eberhard Zersue steht
in der Minneregel 408: noch harffe edir flec/il, noch schachthret mono-
cordmm u. s. w.
Von Wörtern^ die der Herausgeber nicht im Glossar mit aufge-
führt hat , verdienen noch folgende eine Berücksichtigung : adugt,
165, 5, aquaedncfns. — aintvogel, 283, 11. — amhorstmecher, 337, 30; 398, 1.
— alrekun, aller Art, allerhand, 392, 16 von ander alrekun ysericerck. —
harhier, barbitonsor, flebotomator , 310, 16, vgl. Germania 18^ 260. —
barve, die Barbe^ 282, 32; 303^ 31; cfr. boirve. — bereiden, 248, 1 die
duech bereiden und 247, 35; vgl. S. 42; Ofner Stadfrecht §. 131 dy
tüchheraytter süllen ire tuecher aus lautier gueter lantwol würchen und aus
beraitten und S. 12; Urkundenbuch des Stiftes Klosternenburg Nr. 213
Elblein dem tuechberaite^' (a. 1324). — berchstein, 337, 4 berchsfeyne ind
zielsteyn. — beyer 275", 30 It. hern Heynrich den beyer van Bobarden.
bierassise, Bieraccise, 296, 27. — blaysbalgemecher 358, 19; 367, 26; =
bläsbeiger, Anzeiger f. K. III, 274. — blidensiaingel, 306*', 38. — boyrt,
186, 11 Item de rotis, sturboym et boyrt ad navim. — brievedreger, 301, 4.
— buscher i^i) 291,22. — dachvinster, 308,4, vgl. Buch der Beispiele
von A. Phor 13, 30; 14, 1 ad 10. — did)el, eine Münze, 294, 22-24;
296, 27; 297, 16; dtthbel moUones 238, 7 und duhbelmutten 247, 13; nach
S. 417 ein dubbel motton = 5 m. öVs S- — g^ffel^ Gilde, Zunft, 137,
19; vgl. Chroniken d. D. St. XII, 277, 8 und 20; 285,9 und 11
(14. Jahrb.). — frange, Franze, 125, 8; cfr. frangel. — gastus, Gustos,
398, 36 — 37. — gadum, plur. gedumen, 357, 7 und 29 — 32; 366, 37. —
gelas, plur. gelaser., Glas, 282, 16. — gelaissemecher 373, 32; 376, 7. —
gelaissevinster, n., 373, 32. — gehange, gehenge, 321, 17 umb gehangen ze
doeren, als „Thürangel" erklärt S. 435; 188, 8 gehange, klincken, dele
et schalen ; 259, 3 pro 8 libris gehengs ; 328, 26 dem slossemecher umb
gehenge, krempe, slussel, slos, oeverval up alle den kesten\ cfr. die Anm.
zum Erec 7751. — sent Gertrüden minne, 306*^, 33. — ginster, 409, 12.
— grundele, Gründling, 397, 32. — hantkese, 285, 32; 286, 6; Deutsch.
Wörterb. 4, 399. — harnaschhm (?), 302\ 29 Item Baldeu-iin des her-
zogen harnaschkun. — jaircleit, 325, 32; 377, 20; Kleid das jedes Jahr
gereicht wird. — jairrock, 21 o, 26. — kaissc, Gotteskasten, 399, 10;
vgl. Deut. Wörterb. 5, 259. — kesselbuss6r , 235, 23. — knyte, Kreide,
82, 21. — kleppel, m., 236, 31 de uno kleppel in campanam bannalem. —
kanne, Rohr? 299^, 27 Item timb kannen, byessen^ gras S^/^ m. — katze,
246, 24 dem gheine, de der keysserynnen katze droech, vgl. DRAkten I,
ALIJORIfANl) VERMIITHUNGEN UND NACHWEISE, 47
170, 3. — kamm(':rUn(j,t 290, 1(5. — /aiyr/tjcUr, 17(j, 5; 202, 29 pro cord'ts,
fioiihus, knyfjgeler, f/ramine in foro, juncis; vgl. koegeler und Lexer unter
(/iigelaere. — krwnheil, 322, 19. — lantdach, 300, 34. — leijst, 186, 8
Item pro nno leyste ad antiquam hlidam. 2 m. — meyvisch, 281, 25. —
misseliere, m., 20G, 24; S. 28 vom Herausg. abgeleitet von y^missilia,
Geld, welches unter das Volk geworfen worden"; vgl. dagegen mas-
salgter 246, 28. — violenmegger, 221, 27. — musfart, 285, 5. — natürlich,
351, 29 icaegen süns natürliclis hrüder. — oisierhier, 280, 10; 300", 9. —
papegay, 133'", 10 Jtem halistarüs sagittantihus papegey. — peltzer, m.,
366, 21 ; 357, 17 van der nuioer pelßer Mise. — persenmecher, der Wein-
pressen verfertigt, 298-, 7; 306», .3l". — peterziUe, 281, 36; 283, 2; 284, 5.
— pieke, franz. pique, 371, 26 und 30. — plattenmegger, 130, 26 = mhd.
hlatenaere. — prüme, Pflaume, 283, 24 Item umh heren ind prumen 12 d.
— raitdach, m., 296, 10 — 11; Rathssitzung , Sitzungstag. — rentmeister,
275', 10— 13; 341,27. — rentmeisterschaf, Rentmeisteramt, 341,27;
vgl. Chronik d. D, St. XII, 323, 32. — reymsnyder , 235, 25. — reyninge,
Abgränzung, 325, 29. — rys, n., 307, 26 Item umb eyn rys kleyns pap-
piers] 322, 17 umh eyn riis grois pajners; vgl. Lexer II, 455. — riol,
ryol, m., eine Münze, 107, 4; 108, 38; 109, 25; 139, 38; vgl. S. 415.
— salme, ein Fisch, 281, 25; 282, 31: 307, 15. — sadehnecher, 392, 15.
— sarivorter, 235, 18. — salpeter , 371, 19. — schPxlemegger , 235, 17;
367, 1. — schioengel, m., 186, 15 — 19; vgl. swingel. — schoenmecher, 256
12; vgl. 277, 30 den meicliden die die pletzer schoin magden, 2 f.\ Era-
clius 4481 die halsperge schoene machen u. vegen; Alemannia I, 74 einen
davon schone machen (reinigen); Würdtwein Dipl. ]\Iagunt. II, 276 und
277 die phennige iciss schone machen; sich seh. machen Berthold 347, 6;
Nie. von Jerosch. 25265. — seilmenger, 386, 12. — Serpentine, 342, 14;
vgl. Vocab. optim. S. 53, 206. — sloyfflachen, xx., 322, 10 umh eyn par
sloiff lachen. — smatz (?), 308, 3 umh keßer smatz zyn ind koerve 3^1^ m. 5
ob smaltz? vgl. 337, 22. — steckate, n., 291, 22 Pallisadenzaun , vgl.
S. 64.- — spade, m., 149, 10 der Spaten. — steygerholz, Holz zum Ge-
rüste, 337, 6; vgl. Müller und Weitz, Idiot. 68 unter gesteigersch. —
stockvisch, 281, 30; 283, 17. — teschenmacher , 382, 28; Boehmer, Ur-
kundenb. von Frankf. S. 483 deschenmecher. — vnderkoch, m., 292, 23.
— upkomynge, 369, 30; 383, 22; das Einkommen; v. d. Hagens Germ.
VI, 54. — vashender, m., 272, 11. — vikeerise, m., vicariolus, „Meß-
knabe% 330, 19; 377, 18; vgl. S. 16. — vleischheuwer , 410,23; 400
39. — vleischtonne , 285, 1. — voelwln, Wein zum Anfüllen, 282, 15;
319, 22. — voirloin, Fuhrlohu, 397, 7. — vurtzütz, adv., 91, 35; 93, 11,
vormals. — icailhere, f., 281, 15 Item umh loailherea ind honen 3 /. ;
48 F. BECH
Glossen zu Henrici Summarium in Germania 9,22; vaccinia, ivalhere',
Diefenb. N. Gl. 375'' icaltheere, ioaelthese\ Müller und Weitz, Idiot. 263
ivolher, vaccinmm myrtülus. — ivemirugeii? 77, 27, vielleicht verlesen für
wennungen. — wentei^rock , vynterrock, 311 ^ 24 — 26; vgl. Stadtbuch von
Augsb. ed. Meyer S. 250. — tvinlegel, n., 285, 1. — ivoUe kuchene, f.,
313, 1 ; 318, 23—35, der Ort wo die Tuchvvolle gebrüht wird. — weich-
terkogele, f., 396, 5. — zeichengiesser, 294, 16; 382, 29; vgl. 334*, 11.
11. Zu W. Wackernagels altd. Predigten und Gebeten.
S. 253 wird aus der Handschrift der Wasserkirche in Zürich
C. 58/275 folgender Mischvers mitgetheilt: Hie dabitur goteioez cundis
venientibiis ascliez. Das Wort dschez hat Weinhold nicht ins Glossar
mit aufgenommen, obwol es seines nicht häufigen Vorkommens wegen
einer Erklärung bedurft hätte. Es kann hier nur bedeuten: ohne Geld-
umsonst = ane schätz (Jesaias 55, 1 (ihsque argenfo et absque nlla com,
mutatione) wie es bei Reinmar von Z^veter heißt in MSH. 211"', 187'' ich
hau eleu wagen dne schätz ze kaufe vunden. Jünger ist die Form ah-
schätz im Urkundenbuch von Neustift ed. Mairhofer S. 465 so icolten
sy es nicht gern abschätz und öde lassen liegen (a. 1410); andere Stelleu
bei Schöpf, Tyrol. Idiot. 593 — 594 und Schmeller- Frommann II, 496.
Nr. V, 54 nv mag sich ein iegelich vbermvotiu vlelwesge icole scamen.
Wackernagel hat uhehvesge für ulelioesge in den Text gesetzt. Gewil's
mit Recht verwirft dieß Weinhold im Glossar dazu S. 513; er ver-
muthet in viel eine Bildung von cläw {vlaicjan, vlaejen, schweifen,
spülen) vielleicht vldwili = dsioeif imrgamenttim . Ich verweise auf
den Namen Else Hidlenic escher sen , der sich in einer Urkunde vom
Jahre 1332 findet bei Böhmer, Frankf. Urkimdenb. S. 516, und Elisabeth
dicta Hollenioeschersen ebenda S. 513. Danach ließe sich eine hulle-
wesge hier vermuthen. Doch auch an vnillemvesge habe ich gedacht,
vgl. Diefenb. Glossar, s. v. fidlo.
Nr. XLII, 5 du solt niht geloben an zober. noch an liqype. noch an
hess noch an lachnye. noch an fürsehen, noch an messen. Im Glossar
S. 514 wird fürsehen an dieser Stelle mit „vorhersehen, die Zukunft
im Gesicht schauen^ gedeutet. Ich verstehe darunter das ßursehen^
die Pyromantie, vgl. German. IX, 307 und meine Anmerkung zum Erec
8132; Vintler 7750.
S. 551, 119 heißt es in einer Predigt Taulers (iV) loffent also in
eime löffele über XX. oder vher XXX jär] dazu wird in der Anmerkung
vermerkt: „was heißt in einem Löff'el laufen? Der Sinn verlangt: im
Kreis herum wie ein Pferd in der Mühle." An Löffel kann hier kaum
Al.LERIlANl) VKKMUTIIUNCJEN UND NACIIWEISK. 41)
gedacht werden, elicr an Uhifd (vgl. loj'd bei Selimeller-Frommann I,
1451), das hier denselben Sinn haben wird wie das in ßliUeldeutsch-
land vorkommende louf, louft oder (jelonfe = der Raum zwischen den
Mühlsteinen (dem Läufer und dem Bodenstein) und ihrer liölzernen
Einfassung, oder die über sie gestürzte Einfassung selber, sonst auch
zarge genannt; vgl. die Zwickauer Mühlenordnung vom Jahre 1333 in
Espes Leipziger Berichten (Jahrg. 1848), S. 28 dy mulnere sullen ire
steine haben dne alle graben linden und ir louft vmme die steine ganz
vnd nicht loiter zwischen dem louft vnd dem steine wenne als ein stranc
einis dümen dicke da zwischen muge gehen\ in der Mühlenordnung von
1460 verfügt der Rath von Leipzig (vgl. Urkundenb. von Leipzig I,
Nr. 346) das die leufte in den mol^n nicht zcu wüt noch zcu nederick syn
den steynen^ das sie auch nicht vngenagelt syn, das die moller auch die
leufte mit klyen follen, icenne die molen gehauiven syn, das auch der hert
glich halden sal dem vndersteyne, auch das die leivffte glich gehalden loer-
den den löchern, daruß das mehl lauffen sidle\ das Eisen achische Rechts-
buch aus dem 14. Jahrb. (bei Ortloff, Samml. Deut. Rechtsqu. I) III,
94 eyns iclichin midiers loußt umme sinen mullensteyn sal nicht toyter syn
loan als eyn sträng als eyn düme dicke gezcogin zcwuschin dem steyne und
loifte; Rechtsgutachten der Magdeburger Schijppen vom Jahre 1364
bei Dreyhaupt, Beschreibung des Saal-Kreyses II, 469: echt hebben sie
uns gevräget umme recht , wü grot und wü wU dat geloufe vmme den
molensteyn scole syn. Hir up sprecke wie scepen tho Magdeburch eyn recht,
dat geloufe umme den molensteyn scal syn so grot und wit alse deme
steyne bequemelik is to sime lope, und wat meles von deme körne
wert, dat men dar up ghiit, dat is des, des dat körn is, it lope üt der
molen eder blive in deme loife. Vgl. noch besonders Frisch I, 584^
Bei den Predigten Nr. VI und Nr. VII, die Wackernagel aus der
Handschrift der Wasserkirche in Zürich (C) entnommen hat, war noch
zu verweisen auf Haupts Zeitschr. 15,440-442, wo J. M. Wagner
Fragmente der genannten Predigten aus einer ehemaligen Handschrift
des 12. Jahrhunderts mitgetheilt hat.
Zu Nr. LI Von der Sele Closter verweise ich auf die Offenbarungen
der Schwester Mechthild ed. Morel S. 249—251, wo sich eine ähnliche
Auffassung findet.
In den Anmerkungen zu dem Stücke Nr. LVI sind bereits von
Wackernagel selbst die Parallelstellen aus dem Canticum Canticorum
angemerkt; nachzutragen war noch daß von Z. 460 ab Sprache und
Erklärung sehr ähnlich sehen der Fassung, welche das von J. Haupt
herausgegebene St. Trudberter Hohe-Lied hat; so vergleiche man z. B.
GERMANIA. Neue Reihe X. (XXII.) Jahrg. 4
50 J. SCHIPPER
Wackern. LVI, 461 folg. mit J. Haupt 28, 27 folg.; Wackern. 487 folg.
mit J. H. 118, 12 folg.
Zu den Stücken Nr. LX und Nr. LXI finde ich nicht bemerkt,
daß dieselben schon bei Pfeiffer, Myst. II, 91, 22 folg. und 97, 19 folg.
gedruckt sind. Das bei Wackern. LX, 6.5 fehlende Wort ist bei
Pfeiffer 93, 11 vielleicht nach dem alten Drucke der Taulerschen Pre-
digten (von Adam Petri) ergänzt. Für ivelicheit in Nr. LXI, 74 steht
bei Pfeiffer 99, 18 wol richtiger weselicheit.
Der Abschnitt bei Wackern. LXV, 118 folg. findet sich auch in
den Mystikern II, 139, 11 folg.
Zu den in der Anmerkung auf S. 325 von Rieger aufgeführten
Beispielen deutscher Reimprosa sind noch zu rechnen das Leben des
Heiligen Ludewig von Koeditz, Salomonis Hüs in Adrians Mittheil.
417 folg., Morolf I ed. v. d. Hagen.
In Betreff des merkwürdigen Wortes smelinge verweise ich noch
auf die von Lexer übersehene Stelle im Specul. Eccles. 84; vgl. Ale-
mannia HI. 65.
Nr. LV, 209 ist für same zu lesen salme] Nr. LXII, 4 muß es
statt foinnans wohl fornames (= vürnames) heißen.
ZEITZ, September 1876.
SALOMO UND SATURN.
VON
J. SCHIPPER.
Wenn man den heutigen englischen Editoren angelsächsischer*)
und altenglischer Texte zuweilen den Vorwurf machen kann, daß sie
in gar zu ängstlicher Weise an dem Buchstaben der Handschriften
haften, so läßt sich doch nicht verkennen, daß die möglichst genaue
Wiedergabe handschriftlicher Lesarten, zumal solcher Werke, die nur
in einem MS. tiberliefert sind, eine unerläßliche Bedingung ist. In
*) Mit gutem Bedacht behalte ich diesen allbekannten, nicht mifszuverstehenden
Ausdruck bei, statt der von manchen Vertretern der englischen Philologie bevorzugten
Benennung „Altenglisch" für die erste Periode der englischen Sprache. Hat doch auch
H. Sweet, einer der eifrigsten Vorkämpfer für die neue Bezeichnung, obwohl er in der
ersten Anmerkung der Vorrede zu seiner Ausgabe von Gregory's Pastoral Care den
Ausdruck anglo-saxon verwirft, seine Ausgabe betitelt „King Alfred's West- Saxon
Version of Gregorys Pastoral Care". Auch ist derselbe Gelehrte neuerdings wie die
Academy Oct. 7, 1876 berichtete, zum Examinator für „Anglo-Saxon" in London Uni-
versity College ernannt worden. Ein neuer Beweis, wie wenig der Ausdruck zu ent-
behren ist.
SALOMO UND SATIJKN. 51
wie unzureichender Weise der soubt um die cingclsiichsisehe Sprache
und Littcratur hochverdiente Benjamin Thorpe dieser Anforderung ent-
sprach, ist längst bekannt und in Bezug auf ein wichtiges Denkmal
angelsächsischer Poesie, den Codex Exoniensis, im Einzelnen von mir
nachgewiesen worden in der Germania, Neue Reihe VII. (XIX.) Jahrg.,
p. 327— 338. Indefs auch der philologisch besser geschulte John M.
Kemble ist von diesem Tadel nicht freizusprechen. Ein auf neuer
Vergleichung mit den beiden von Kemble übrigens ausreichend be-
schriebenen MSS. beruhender Abdruck des seltsamen ags. Gedichts
von Salomo und Saturn nebst dem eingeschalteten Prosa-Bruchstück
mag daher nicht überflüssig erscheinen. Die beiden Handschriften be-
finden sich bekanntlich im Corpus Christi College zu Cambridge, wo-
selbst die Haupthandschrift unserer Dichtung , im Folgenden nach
Kemble's und Grein's Vorgang zuerst mit A , dann einfach mit MS.
bezeichnet, die Signatur Nr. 422, die andere, eine sehr werthvolle Hand-
schrift von Alfred's Beda, welche uns auf dem ziemlich breiten Rande
der Folio-Seiten 196 — 198 den Anfang von Salomo und Saturn über-
liefert hat, die Signatur Nr. 41 trägt.
In der Interpunction bin ich im Ganzen (jedoch nicht ausschließlich)
Grein gefolgt und habe mich überhaupt^ abgesehen von einzelnen Bemer-
kungen, weiterer Editoren- Arbeit geflissentlich enthalten. Die Accente
sind diejenigen der MSS. Der Umfang der Lücken ist durch Punkte
(::;:=: 4 Buchstaben fehlen) bezeichnet. Abkürzungen, im Text durch cur-
siven Druck angedeutet, kommen in den beiden MSS. nur wenige vor,
mit Ausnahme des bekannten, in der Regel gebrauchten Zeichens "| für
ond, wie es aufzulösen ist (nicht and) nach Anleitung einzelner Fälle des
Prosa-Bruchstücks, wo das Wort sich öfters auf p. 7 — 12 des MS. so ge-
schrieben findet, entsprechend den übrigen vocalisehen Eigenthümlich-
keiten des Denkmals, für welche in den meisten Punkten die Bemerkungen
Sweet's zum westsächsischen Dialekt der Zeit König Alfred's in der Ein-
leitung zu seiner Ausgabe von King Alfred's West-Saxon Version of Gre-
gory's Pastoral Care (Early English Text Society Nr. 50, p. XIX ff.) gültig
sind. Die ursprüngliche Abfassung des Gedichts ist, wie mir scheint,
unzweifelhaft in jene erste „classische" Periode der angelsächsischen
Litteratur zu verlegen ; das MS. A aber ist späteren Datums, fi-ühestens
aus dem Ende des 10. Jahrhunderts, und der Abschreiber hat sich
sichtliche Mühe gegeben, die alterthümlichen Formen durch diejenigen
seiner Zeit zu ersetzen. Der erste Herausgeber Kemble hat ihn in
diesem Streben unterstützen zu müssen geglaubt, und von seinem
Standpunkte aus, nach dem damaligen Stande der Wissenschaft, mit
4*
52 J. SCHIPPER
Recht; nur hätte er mit noch grösserer Conscquenz verfahren müssen.
Das Richtige freilich würde gewesen sein, gerade die vom Schreiber
der Handschrift übersehenen alterthümliclien Formen als Norm anzu-
sehen und danach die Orthographie zu regeln. Indess wäre dazu auch
heute noch eine genauere Kenntniss des alten westsächsischen Dialekts
erforderlich, als sie die bisherigen Arbeiten auf diesem Gebiete er-
möglichen; das Gerathenste wird daher sein, die Handschrift in der
Gestalt, wie sie vorliegt, bekannt zu machen und nur auf die alter-
thümliclien Reste in der Sprache derselben vorläufig hinzuweisen.
Wenn übrigens der nachstehende Text nunmehr auf genaue Überein-
stimmung mit den MSS. Anspruch erheben kann, so ist dies wesent-
lich der großen Gefälligkeit des Rev. W. W. Skeat in Cambridge zu
verdanken , der mit seiner in zahlreichen vorzüglichen Textausgaben
bewiesenen Sorgfalt die zweite Correctur noch einmal mit den Hand-
schriften zu vergleichen die Güte hatte und dabei, abgesehen von ein-
zelnen wichtigeren Punkten, eine große Anzahl kleiner Berichtigungen
anmerkte, wie z. B. das Getrenntstehen der Composita in den MSS-,
im Text durch Bindestriche angedeutet, die Bezeichnung der Abkür-
zungen durch cm'siven Druck und sonstige derartige Kleinigkeiten, die
ich bei meiner Collation entweder übersehen oder als unwesentlich
nicht berücksicht hatte.
In Übereinstimmung mit der Copula ond, welche sich in dem
Prosa-Bruchstück des MS. öfters so ausgeschrieben findet, sind zu-
nächst andere Falle anzufübren, in denen das kurze a vor w zu o wird,
z. B. feldgongende 23; gestondan 97; stondeä 474; monna 59, 360; da-
gegen mannes 158 (K: monnes) und manna MS. p-.ll; ctonne findet sich
häufig, so 98, 105, 111, 123, 127, 133, 141 etc. äajie in B v. 46.
Alterthümlich ist auch das Fehlen der Brechung in 7niddan-gard
(K: -geard wie 433) MS. p. 9, dsgl. das Fehlen des e hinter anlautendem
sc in scotaä (K: seofad) MS. p. 8; scoldon (K: sceoldon) 465, so wie
andererseits das Vorhandensein des ea in Wörtern wie neahtes (K: nihfes)
394; meahte 434, 505. Charakteristisch ist ferner das öftere Auftreten
des e für i in Wörtern wie eorrenga 98 (K : i) ; [lejornenga 1 85 ; brengan
87, 88, 108 (K: i); laguswemmendra (K: i) 289; sceppend B (MS. A und
K: ^) 56. Der frühsten Periode des westsächsischen Dialekts entspre-
chend ist auch das eo (io) für späteres i in Wörtern wie fieosses MS.
p. 11, 12 (K: pisses)-^ sioääan 323 (K: siddan wie v. 321); leofad S51,
367, 381; weotena 400, heoio 408, sowie e für eo in hefenum 60, hefo-
num 467 (K : heofoniim wie 37, 40, 464 etc.). Für u tritt o auf in gripo
B46 (MS. A und K: gripu); loorold 358^ 393. Die Zeichen i und y
SALOMO UND SATURN. 53
sind mit eiDuncler vermengt worden, vielleicht erst vom Absclireiber;
vgl. cioyde M (K : /); synmhta G8 (K: /); gefjpnhred (B) 75-, cirican 107;
cinimj 173; 319; (jahiran 320 etc. Desto deutlicher ti-itt der alte Sprach-
gebrauch in verschiedenen andern vom Abschreiber zum Theil beibe-
haltenen Schreibungen aus seiner modernisierten Überarbeitung hervor,
so zunächst in der Schreibung m für langes a in Wörtern wie goest
MS, p. 11, 442; anscecea 182; fairett 281; äcc 332; ic(pxh<r A\\; na-
mentlich aber in der Schreibung ie für verscliiedene zu Grunde liegende
Vocale wie ^, y, t //, e in Wörtern wie siemle (B symle) 85; Jiiene 94
(in der vorhergehenden Zeile vom Schreiber zu hine geändert; wie
auch V. 107, 115, 138, 141 etc.) 103, 118, 127 etc.; hrieced 95, ongiel-
ded 132; forgietenan MS. p. 8; siendon p. 10; gielpne 207; hieltas 223;
niehta 259, 310, 337; gierde 90; sienfidlaii 171; hie 239, 244, 258 etc.
hiera 230 etc.; dierne 451; s^e, sien öfters auf p. 9, 10, 11 des MS.;
ierene p. 11; liehd 181; piestrost 310; gesiene 321; gehiere 324 {gehyre
272); hierde 451; nieten 153. Von sonstigen charakteristischen Eigen-
thttmlichkeiten der Schreibung wäre noch hervorzuheben der zuweilen
auftretende seltsame Gehrauch des d statt eines ^ in MS. B: gesemesd
18 ; ivesde 22 (vgl. Sweet Pastoral Gare, Appendix I , p. 503) und die
von Kemble in der Regel beseitigte, in MS. A aber sehr beliebte Con-
sonanten Verdoppelung in Wörtern wie eallra p. 11, 12; v. 185; hell
p. 11; godivehh p. 12: fidlgedrifen p. 10, v. 228; feil p. 8; cynn 195; monn
386; gimm. 284; scmll 287, 328, 3(31 etc.
Saturnus cwaeä.
hwjBt! Ic iglanda eallra hsebbe
boca onbyrged |3urh gebregd-stafas,
larcrseftas onloceu libia ond greca.
Swyice eac istoriam indea rices;
5 me ]3a treahteras tala wisedon
on ]3am micelan bec, :::::::::::
M: ces heardum. Swyice ic nsefre
on eallum ]iam fyrngewrytum findan ne mihte
sode samode. Ic sohte da git,
10 hwylc wsere modes odde msegen-Jjrymmes,
eines odde ?ehte eorlscipes,
se ge-palmtwigoda pater uostev.
Sille ic de ealle, sunu dauides,
1 Die erste Seite des Codex. A, von v. 1 — 80" ist in der That so gut toie ganz
unleshar. Der Text ist bis dahin dein Codex B entnommen. 4 B; Swyice. 5 B: me.
6 Nach bec findet sich ein leerer Raum, auf dem 10 oder 11 Buchhaben Platz haben
würden. Kemble sagt „A line erased'^ ; von ausradierten Lettern habe ich aber nichts
bemerkt, auch Mr. Skeat nicht, der einfach notiea-te, „a blank space^. Hinter dem dann
folgenden M und, vor ces ist Platz für einen Buchstaben. 9 ß: ic. Vi B : Wille.
54 J. SCHIPPER
jjeoden israela .xxx. pimda
15 smsetes goldes ond mine suna twelfe,
gif du mec «-ebringest, ])3et ic si gebrydded
durh Jjses cautices cwyde cristes linan;
gesemest mec mid sode, ond ic mec gesund fa[re]
wende mec on willau on wseteres hricg,
20 ofer coferflod caldeas secan.
SALOMON cwsed.
unlsede bid on corjjan, uuit lifes,
weste wisdomes, wealled swa nieten
feld-gongende, feoh butan gewitte
Se JDurb done cantic ne can crist ge-herian:
25 warad he windes füll, worpad hine deofol
on domdsege draca egeslice
bismorlice of blacere lidran
irenum aflum; ealle beod äweaxen
of edwittes ida heafdum;
30 jjonne him bid (Ms. A. p. 2) leofre donne eall deos leohte gesceaft
gegoten frawi dam gründe goldes ond seolfres,
feder-sceatum füll feoh-gestreona,
gif he sefre daes organes uwiht cude:
fracod he bid donwe ond fremede (Ms. B. p. 197) frean gelmihtigum,
35 englum ungesibb äna hwearfad.
Saturnus cwsed.
ac hwa mseg eadost ealra gesceafta
da halgan duru heofona rices
torhte ontyuau on getselrime?
Salomon cwsed.
jjset ge-palm-twigede pater noster
40 beofonas ontyned, haiige geblissad,
metod gemiltsad, mordor gefylled,
adwajsced deofles fyr, dryhtnes onseled.
Swylce du miht mid dy beorhtan gebede blöd onhaetan,
dses deolles drcam, dset him dropan stigad
45 swate geswided sefan intingura
eges-fullicran äonne seo aerene gripu,
donne heo for .xii. yra tydernessum
14 B: iraela. 18 B: gesemesd. 21 B: unlaede. 22 B: wesde. B: weal-
lad. 25 lie (Ä) fehlt in B. 28 B liest weder aplum , loie Kemhle angiebt, noch
afelum, wie er druckt, sondern aflum. Das Wort scheint aber sonst nicht belegt zu
sein. Wäre etwa gaflum (Bosio. gaflas; »i. ^jZ. forks) zu lesen, was einen vortrefflichen
Sinn gehen würde'i Mr. Skeat erinnert an Icel. afl slrenglh. 30 B: Jjeos. 31 A: ge-
geoten. B : silofres. 32 B: fedeiscette; fyrngestreona. 33 B\ J)3es. 34 B: fremde.
35 A: ungelic. B: ungesibb. B\ hwarfaä. 36 J.: ac. B: eadusd; eallra. 37 B: ha-
ligan; heofna. 38 .B: on getales rime. 39 B: gepalmtwigude. 40 B: beofnas;
hali6. 41 B: gefillecl. A: gesylled. 42, 43 Ganz wie Orein gedruckt hat. Es findet
sich keine Lücke im Text; dy (A) fehlt in B. HB: dry. A: dream. B: drapan.
B: J)ges. 45 A: seofan. B: sefan. B: intingan. B: egesfuUicra. 46 B: Jjonwe;
gripo. 47 heo fehlt in B. Vor yra üt im MS. A ein Loch; B liest: fyra.
SAf.OMO UND SATURN. 55
ofer glcda {jjripc gifrust wcalled;
fordon liaf.'i(t se cantic ofer ealle cristes bec
50 wid-mserost vvord: he gc-writu lajreit,
stefnuw steored, ond h[ira] stede healded,
heofona rices, heregeatewa wiged.
Saturnus cwsed.
ac hulic Ts se organ in-gemyndum
to begonganne, dam de bis gast wile
55 meltan wid mordre, mergan of sorge,
äsceadan of scyldum? huru liim scippend geaf
wuldor-licne wlite! mec itses on worolde füll oft
fyr-wit frined, fus gewited,
mod gemenged; nsenig raonna wat,
60 hajleda (MS. A. p. 3) under liefenum, hu min hige dreosect
bysig sefter bocum : bwilum rae bryne stiged,
hige heortan neah hsedre weallecl.
Salomon cwsed.
gylden is se (Ms. B. p. 198) godes ewide, gimmum ast^ened,
hafad sylfren leaf; sundor mseg seghwylc
65 durh gastes gife god-spel secgan;
he bid sefan snytro ond saule hunig
ond modes meolc, raserda gesseligost;
he mseg da saule of sien-nihte
gefeccan under foldan; ngefre hie se feond to daes nider
70 feterum gefsestnad, deah he hie mid fiftigu^i
elusum beclemme, he done crseft briced
ond da ordancas ealle toslited;
hungor he ähieded, helle gestruded,
wylm to-weorped, wuldor getirabred;
75 he is modigra middangearde,
stadole strengra donne ealra stana gripe;
lamena he is l^ece, leoht wincendra,
swilce he is deafra duru, dumbra tunge,
scyldigra scyld, scyppendes seid,
80 flodes ferigend, folces nerigend,
yda yrfeweard earmra fisca
48 B: gifrost weallafl. 49 B: foraan. 51 B: stered. Hinfer dem h in
h[im] ist ein Loch im MS. A; MS. B : him. 52 B : heofonrices heregeatowe
weged. 53 £: organan. 54 5: begangenne; ))a?rt ]je gsest. 55 5:miltan;
merian. 56 5 : Asceaden. 4 : scyldigmM. i?: scyldum 5: sceppend 57 5: ])8es; worulde.
58 B: fyrwet. 59 B: mod geond menged. 60 B: heofnum wie v. 31, 40. hefe-
num, hefonum (v. 461) ist die altere Form, vgl. King Älfred's West-Saxon Version of
Gregory's Pastoral Care ed. hy Henry Sweet Esq. Part. II, Introd. p. XXIV— XXV.
B: dreoged. 61 B: bisi; hwyluw. 62 neah fehlt in B. B: hearde. 63 B : gym-
mum. 64 B: seolofren. leaf fehlt in B. 65 B: gjestes; godspellian; in B fehlt
secgan. 66 A: seofan. B: snytero. 67 fehlt in A. B: majrjja gesaelgost.
68 B; })a; synnihte. 69 B : gefetian. B : hi. 70 B : Jjeah; hi. 71 B: clausum;
dane. 73 B: gehided MS. hege hege hided). 74 B: toworped; getymbred.
76 B: he is strengra; ealle. 77 B: lamana; winciendra. 78 B: deadra tunge
79 B: scildigra scild; scippendes. 80 B: feriend; neriend. 81 5: eanna tixa,.
56 J- SCHIPPER
ond wyrma welm, wildeora, holt,
On westenne weard, wcord-mynda geard;
ond se de wile gcornlicc done godes cwide
85 singan sodlice ond hinc siemle wile lufiau
butan leahtrum, he mseg done ladan gast
feohtende feond fleonde gebrengan,
gif du him rerest on ufan ierne gcbrengest
prologum priniura, dam is P nanaa:
90 hafad gndmseega gierde lange,
gyldene gade, ond a done g[rim]raan (Ms. A. p. 4) feond
swidmod sweopad, ond him 6u swade fylged
a ofer-msegene, ond hine eac öf-slihd.
T hine teswad ond hiene on da tungan sticad,
95 wraisted him dset woddor, ond him da wongan brieced.
e hine yflad, swa he a wile
ealra feouda gehwane fseste gestondan;
donwe hiene on undanc r ieorrenga geseeed,
bocstafa brego bregded sona
100 feond be dam feaxe, Iseted flint brecan
seines sconcan; he ue besceawad nö
his leomena lid, ne bid him Isece god;
wended he hiene Aoirae under wolcnum wig-steall seced
heolstre behclraed, huru him bid pet heartan wä,
105 donne [h]e hangiende helle wisced,
dses engestan edel-rices;
äonne hine for-cinnad da cirican ge-tuinnas,
n. ond [o] sjarajod; aighwa^der brenged
sweopan of side; sargiad hwile
HO fremdne flsesc-homan, feorh ne be-murned;
donne S cyraed, engla ge-rseswa,
wuldores stsef, wradne ge-griped
feond be dam fotum, heted fore-weard hleor
on strangne stan, [ond] stregdad todas
115 geond helle heap: hyded hine seghwylc
82 ond fehli in B. B: wlcnco. 83 on fehlt in B. B liest: westennes
vveard, weordmynta etc. 84 B: Jjono. 85 B: singan smealice ond hine symle
luian (f au.ifiefallen) wile butan lealitru»u etc. 86 B: lajjan gesict. 87 B: feoh-
terne; gebringan. 88 B: Gyf jui him serest ufan yorn gebringed 89 A: Prologa
prima. B: jtrologo prim. ])am. Vor V. sowie im Folgenden vor A. T. n. s. w. stellen
im Cod. A. jedesmal die enl sprechenden Runnen awiser v. 138 vor H. 90 nach guc!
findet sich in A ein von jüngerer Hand geschriebenes o. B: guilmaga gyrde.
91 B: ond jjone grynnnan. 92 B: swaped ond on swade huted (wier Iseted ««< filgid
ühergesrhriehen). \y^ B: ofslehd. 94 Mit dem Burhstaben T endet der Text in
MS. B. Cod. A ist daher im Folgenden einfach mit MS. citiert. v. 108 G-rein hat
mit seiner Emendatimi nahezu das Richtige getroffen. Das erste der beiden von Kemhle
für Runen gehaltenen Zeichen ist ein n , das ztoeite die gewöhnliche Abkürzung des MS.
für ond,- darauf folgt, wie ]\Ir Sheat festgestellt hat, ein deutlich sichtbares s, dann eine
Lücke fiir zwei Buchstaben imd hierauf od. Das o ziüiscJicn ond und s wurde von Mr.
Skeat e)-gänzt , ebenso die Lücke hinter s nach Kemble. MS: brenged, wie v. 87, 88;
nicht bringed ivie Kemhle druckt, dessen vielfache Änderungen von jetzt an nicht mehr
besonders hervorgehoben werden sollen. 110 MS.: bemurned.
SALOMO UND SATURN. 57
aefter scoacles sciman; sceada birf frebisi^-od,
satanes degn swide <je-stilIod.
swilce hione Q oikI U cwoaliuc go Imtcgad^
frome folc-togan, farad liim togegncs,
120 habbad Icolit spcru, lange sceaftas,
swid-modc swoopan ; sweiiga ne wyruad
(Ms. A. p. 5) deorra dynta ; him bid dast deofol lad ;
donwe hine [J ond] L ond sc yrra C
gude be-gyrdad: gcap staif wiged
125 biternc brogan: bigad sona
helle hseftling, dajt ho on hiiider ga;d;
don?tß hiene F ond M utan ymbdriugad
scyldigne sceadan, habbad scearp speru,
atole earh-fare: telcd laitad
130 on dies feondes fcax flana stregdan^
biterne brogan ; banan heard-licc
grimrae on-gieldad, dges hie oft gilp brecad.
donxe hine a^t niehstan nearwe stilled
G sc geapa, done god sended
135 freondnr» ön fultuni; faired sefter D,
fifrasegnum füll: fyr bid se dridda,
stsef strsete neah, stille bided.
H ouetted : eugel hine scierped,
cristes cempan, on cwicuni wffidum
140 godes spyrigendes, geonges hrsegles ;
donwe hine on lyfte lifgetvvinnan
under tnngla ge-trunni9u twigena ordnni
sweopuin seolfrynum, swide weallad,
odda^t him bän blicad, bledad redran ;
145 gar-torn geotad gifrum deofle.
Mseg sirale se godes cwide gumena gehwylcnm
ealra feonda gehwane fleondne gebrengan,
durh mannes mud, mau-fulra heap
sweartne ge-swencan. Nfefre hie dses syllice
150 bleoum bregdad sefter bancofan,
feder-homan On-fod. hwilum flotau gripad,
hwilum hie gewendad in wyrmes lic
strenges ond (Ms. A. p. 6) sticoles, stynged nieten,
feld-gongende feoh ge-struded;
155 Hwilum he on wsetere wieg ge-hnseged,
hornum ge-heawed, oddeet him heortan blöd
famig flodes bsed foldan ge-seced.
Hwilum he gefeterad fseges mannes,
handa ge-hefegad, donne he ret bilde sceall
160 wid lad werud lifes tiligan.
123 von Grein ergänzt. 126 3IS.: lia?ftlig. 133 Im MS. ein gi-osses (i in itonne.
141 MS-: liftwinnan. 148 3IS.: mänfulra, nicht mit 11, wie Kemhle angiebt. 153 Im
MS. steht nach Mr. Skeat's Angabe deutlich stronges, wie ich auch gelesen hatte, Kemble
druckte scearpes, Grein: styrnes. 158 G ein liest: he folme gefeterad.
58 J- SCHIPPER
Awrited he 6n his waepne wsell-nota heap,
bealwe boc-stafas, bill forscrifed,
meces mterdo; fordon nsenig man
seile oft oriTances üt abredan
105 wajpnes eegge, deah de him se wlite cweme.
Ac sjmle he sceal singan, dom?e he his sweord ge-teo,
pater noster, ond dset palmtreow
biddan mid blisse, dset him bu gife
feorh ond folme, donne his feond cyme.
Ohne Unterbrechung im MS. folgt nun das nachstehende Prosa-
BruchstücJc,
Saturnus*) cwsed. Ac hu moniges bleos bid dset deofol ond se
pater noster donne hie betwih him gewinnad?
Salomon cwsed. dritiges bleos.
Saturnus cwsed. hwset sindon da serestan?
Salomon cwsed. daet deofol bid serest 6n geogod-hade, 6n cildes
6n-]icnisse : don/ie bid se pater noster 6n haiiges gastes 6n-licnisse.
driddan side bid daet deofol 6n dracan 6n-licnisse: Feordan side bid
se pater nostev on strseles onlicnisse de brachia **) dei hatte. Fiftan
side bid dset deofol Cm dystres onlicnisse: Sixtan side bid se pater
noster ön leohtes onlicnisse. Seofodan side bid donne dast deofol
(Ms. A. p. 7) on wildeores onlicnisse: Eahteodan side bid se pater noster
ön daBs hwales onlicnisse de leuiathan hatte. Nygodan side bid dset
deofol on atoles swefnes onlicnisse: Teodan side bid donne dset pater
noster on heofon-licre gesihde onlicnisse. Enleftan side bid dset deofol
on yfles wifes unlicnesse: Twelftan side bid se pater noster on heo-
fonlicre byrnan onlicnisse. rreoteodan'''**)side bid dset deoful on sweordes
onlicnesse: Feower-teodan side bid se pater noster on gyldenre byrnan
onlicnisse. Fif-teodau' side bid dset deofol on bremles onlicnisse: Six-
teodannside bid se pater noster on seolfrenes earnes onlicnisse. Seo-
fon-teodan side bid donne dset deofol on sleges on-licnisse: Eah[ta]teodan
[MS.: Eahteodan] side bid se pater noster on seolfrenes earnes onlic-
nisse. Niogonteodan side bid dset deofol on fylles onlicnisse: xx. side
bid [se] f ) pater noster on cristes onlicnesse. On xxi. side bid dset deofol
on setrenes fugeles onlicnisse: on xxii. side ff) bid dset pater noster on
gyldenes earnes onlicnisse. On xxiii. side bid dset deofol on wulfes
onlicnisse: on xxiiii. side bid se pater noster on gyldenre racenteage
*) Von hier an hat Kemhle seine zahlreichen, Ändertmgen der Schreibung gar
nicht mehr in den Noten angegeben.
**) Ä: brahhia dl. *'**) Im MS. ein grosse-^ A zu Anfang des Wortes.
f) IHe Ergänzungen in diesem Prosa- Bruchstück sind diejenigen Kemble's.
ff) Von hier bis zum nächden Absatz liest das MS. jedesmal sida.
SALOMO UND SATURN. 59
onlicnisse. ()ii xxv. side bid tlset deofol on wrohte Gnlicnisse: on
xxvi. side bid se pate- noster on (Ms. A. p. 8) sybbo oidicnosse. On
xxvii. side bid d;et deofol on yfelcs gedohtes onlicuis|8f;| on xxviii.
side bid se pater noster on arfaestes gastes onlicuesse. On xxxviiii.
side bid deoplicor goliwyrfed da^t deofol On deades unlicnesse.
Salonion cwaid. domlicor bid doune se pato* noster gelnvyrfed un
dryhtnes Gnlicnesse.
Saturnus cwoed. Tic hwa aspyred dset deofol of hefones*) holte,
ond hine gebringed on dara cristes cerapena fsedrauin de dus hatten,
cherubin ond seraphin? [Salomon cwsed] uriel ond rumiel.
Saturnus cwsed. ac hwa scotad dset deofol mid weallendum
stvsßluin?
Salomon cwsed. se pater noster scotad dset deofol mid weallen-
dum strselum; ond seo ligett heo bserned ond tacnad, ond se regn hit
ufan wyrded, ond da genipu hit dweliad, ond se duuor hit drysced
mid dsere fyrenan secxe, ond hit drifed to dsere irenan rseccen-teage de
his fsedor on eardad, satan ond sathiel. ond donne dset deofol swide
wergad hit seced scyldiges raannes nieten, odde unclsene treow ; odde
gif hit meted uuge-senodes mannes raud ond lic-homan. ond hit doniie
»On for-gietenan mannes innelfe gewited. ond durh his feil ond durh his
fla3sc on da eardan gewited, ond danon helle vvesten ge-spyrred.
Saturnus cwsed. ac hulic heafod hafad se pater nostev?
(Ms. A. p. 9) Salomon cwsed. Pater Noster hafad gjldeu heafod
ond sylfren feax; ond deah de ealle eordan wieter sien gemenged wid
dam heofonlicu?« wsetrum üppe on ane sedran, ond hit samHce rinau
onginne call middan-gerd mid eallum his gesceaftuw, he mseg undei* dses
pater nosters feaxe anuni locce drige gestandan: ond his eagau sindon
xii. dusendum sida beorhtran donne ealles middau-geardes eorde, deah
de hio sie mid dsere beorhtestan lilian blostmuin ond brseded^ ond
seghwylc blostman leaf hsebbe xii. sunnan, ond seghwylc blostma hsebbe
xii. monan, ond seghwylc mona sie sinderlice xii. dusendum sida
beorhtra, donne he ieo wses ser abeles siege.
Saturnus cwsed. ac hulic is dses pater nosters seo wlitige heorte?
Salomon cwoect**). his heorte is xii. dusendujn sida beorhtre donne
ealle das seofon heofonas de üs syndon öfer-gesettC;, deah de hie sien
ealle mid di domescan fyre on-seled, ond deah de call deos eorde him
neodan to-gegnes byrne , ond heo hsebbe fyrene tungan, ond gyldene
hracan, ond leohtne mud inne-weardne; ond deah de call middan-geard
*) Kevible hat unnöthiger Weise geändert geofones und übersetzt : from the coveit
of ocean.
**) MS.: c.
GO J. SCHIPPER
sie fraw udames fiyrafle cd-niowe o-ewurden, ond, anra gehwelc lisebbe
da .xii. snyttro habrahamcs ond isaces ond iacobes, ond äura gebwylc
raote lifigan drco Imnd wintra, ne mägon (Ms. A. p. 10) hie daere
tungan gerecuesse, ue hire rasegnes swidmodnisse aspyrian. Ond*) bis
carmas siendon xii. dusendum sida lengran don?je ealles middaii-
geardes oordo, odde beamas, deah de hie sieu raid dy beorhtestan wvrh-
tan fohiium to-somne gefeged, ond änra gehwylc eude sie fram odruwi
to daiu midie mid dy gulHscan seolfre Ofer-worht, ond mid dam neorxna-
wonges comp-gimmum astajned; ond bis handa twa hie sint bradrau
donwe xii. middan-geardas deah hie sien ealle tosömne gesette. Ond
se halga cantie he hafad gyldene fingras, ond dara is anra gehwylc syn-
derlice xxxtigum duseudw» dsela leugra [MS.: lengran] donne eall middan-
geard odde eorde; ond on dses pater uos^ers daere swidran handa is
gyldennes sweordes unlicnis, dset is eallum odrum wgepnu?^ ungelic;
bis leoma he is hlutra ond beorhtra donne ealra heofona tuugol, odde
6n ealre eordan sien goldes ond seolf'res frset-wednessa ond fseger-nessa :
ond dses dryhtenlican wsepnes seo swidre ecg-last he is mildra ond gemet-
fsestra donne ealles middan-geardes swetnissa, odde bis steucas ; Ond
seo wynstre ccg-last da^s ilcau waipnos, he is redra ond scearpra donne
eal middän-geard, deah he sie binnan bis feower hwommum full-gedrifen
wildeora, ond anra gehwylc deor haäbbe synder lice .xii. hornas iereue,
ond, änra gehwylc (Ms. A. p. 11) hörn heebbe .xii. tindas ierene, ond
aiu'a gehwylc tind luebbe synderlice .xii. ordas, ond, änra gehwilc [ord]
sie .xii. dusendun? sida scearpra donne seo an flan de sie fram hund-
twelftiguni hyrdeuna geond-hyrded. Ond deah de seofon middan-
geardas sien ealle on efen äbrsedde ön deosses [MS. : deoses] änes Gnlic-
nisse, ond, dser sie eall ge-somnod dsette beofon odde hell odde eorde
sefre äcende, ne magon hie da lifes linan on middan ymb-fsednian. Ond
se pater noster he maig ana ealla gesceafta on bis daere swidran band
on änes weax-seples on-licnisse gedyn ond gewringan. Ond bis gedoht
he is spryngdra ond swyftra donne .xii. dusendu haligra gsesta, deah
de anra gehwylc gaist hsebbe synder-lice .xii. feder-homan, ond änra
gehwylc feder-homa bajbbe .xii. windas, ond anra gehwylc wind twelf
sige-fsestnissa synder-lice. Ond bis stefen heo is hludre donne eall
manna cynn odde eall wildeora cynn, deah de hie sien ealle ou done
munt gesomnod, de sie in daere lengode seo line de wile xxiiitigum
sida calne eordan ymbe-hwyrft ütän ymb-licggan. Ond deh(5/c)de d^r on
gesomnod sie eall d^aette beofon odde hell odde eorde aefre äcende, ond
änra gehwylc ge dara cwedendra ge dara uncwedendra (Ms. A. p. 12)
*) Im MS. so geschrieben, keine Ahkürzunff ; ebenso im Folgenden da, ivo es vicht
cnrsiv gedruckt ist.
SALOMO UND öATUKN. f51
haibbc ji;yl(lciic byinnn on nnidc, ond oallra bymena j:^ehvvylc hicbbc
xii lilcodor, ond hl(!ü<h'a f^^chwylc sie licol'onc liearrc ond licllo deoprc,
donne gona (ta;s lialgan cantices se gyldcna Organ he liie ealle ofcr-
hleodrad, ond ealle cta octra he adyfcct.
Saturnus civcnä. ac hulic is dtts (Pater Nosters seo wlitigc scrud?
Salomon cwfied] pater noster hafad gyldene fonan , ond seo fane is
mid .xii. god-webbum ütan ymb-hangen, ond änra gehwylc god-web
hangad Od huud-twelftigum hringa gyldenra. Ond dset sereste god-web
is baten aurum celaistiuwi, dam diostro ne magon cxxtigum mila
ncah gehleonian: donne neinnad englas dset seftere god-web, sp^V^Y^tm
paraclitum; in ctam god-web-cynne bid' sanctus mihhael gescyrpcd on
domes djeg: donne nemnad englas ttait dridde god-webb pastonilices
dset god-webb wajs on äsßs god-webbcs onlicnisse de ieo ymb mines
fseder danides colum})an hangodc on dcosnm ilcan tcmplc: ctonne is
dait feordc! god-webb baten solacitum; ctait god-Aveb wses on dais god-
Avebbes onlicnisse de geo abimelech se goda cining brohte criste to
lacmn ond to ansaigd-nesse: donwe*) is dset fifte god-webb baten uita
perpetua; dajt godwebb is donne disere halgan drinisse: ttonne*) is dset
syxtc godwebb baten sacrificium dei; dset is donne ön eallra deora
onlicnisse: donne is dset seofocte * * *
Hier ist ein Blatt ausgeschnitten toorden.
170 (Ms. A. p. 13) .... swice ser he sod wite,
dset da sien-fullan saula sticieu,
mid hettendu/u helle to middes;
hated donne heahciuing helle be-tynan
fyres fulle^ ond da feondas mid.
175 Hicfde da se snotra sunu dauides
for-cunien ond, for-cyded caldea eorl;
hwsedre was on saslum, sede 6f side cwom
feorran gefered; nsefre jur bis fehrd ählog.
Salomo und Saturn.
IL Theil.
HW^T! IC FLITAN GEFR^GN On fyrndagum
180 mod-gleawe men, middan-geardes r»swum,
gewesän ymbe hira wisdom; wyrs ded se de liehd
odde dses so des änsseced. Salomon was bremra,
deah de saturnus sumra hsefde
bald breost-tOga böca c[8ega|
185 [le]ornenga locan; land call geond-hwearf,
indea [eard] east corsias,
persea rice, palestinion,
182 MS.: was. 184 — 186 Die Ergänzungen nach Kemhle.
*) Wie V. 133.
62 J- SCHIPPER
niniuen ceastre ond norct predan;
meda madctum-selas, marculfcs eard;
190 Saulus rice, swa he suct ligect
yrabe geallboe ond ymb geador nord,
tilistina flet, fsesten creca,
wudu egipta, wseter mathea,
claudas, coreffes, caldea rice,
195 creca craeftas, cynn arabia,
lare libia, loud siria
pitdinia, budanasan,
pamhpilia {sie) pores gemsere:
macedonia, mesopotamie,
200 cappadocia, cristes galilea
Hieryhco, Hierusa[lemJ
Hier ist eine Seite des Ms. ausradiert und üherschriehen.
(Ms. A. p. 15) odde ic stigie nyttes [bjycgge deah :::ic:::
Wat ic donne, gif du gewitest on weudel-s«
ofer cofor-flod cydde secean,
205 dget du wille gilpan, daet du ha?bbe g[um]ena bearii
forcumen ond forcydded; wat ic da)t wseron caldeas
gude daes gielpne, ond daes gold-wlonce,
mserda dses modige, dser to dam moning gelomp
sud ymbe sanere feld. Ssege me from dam laude,
210 dser nsenig fyra ne mseg fotum gestaeppan.
SATURNUS CW^D.
se maera wses baten sselidende
weallende wulf, werdeodum cud
filistina, freond nebrondes;
he 6n dam felde ofslog .xxv.
215 dracena 6n dsegred ond hine da of dead of-leoU:
fordan das foldan ne mseg fira «nig
done merc-stede raon geseean,
fugol gefleogan, ne don ma foldan neat;
danon setercynn gerest gewurdon
220 wide onwsecned, da de nu weallende
durh attres orad ingang rymad;
git his sweord scined swide gescsened,
ond ofer da byrgenna blicad da hieltas.
SALOMON cwsed.
dol bid se de gsed 6n deop waeter,
225 se de sund nafad, ne ge-segled scip,
188 norcl Piedan Grein. MS.: nordpredan. 190 MS.: liged. 191 nord
Filistina Grein. MS.: nord-filisUna. 204 secean statt secean zu lesen nach Mr.
Skeat. 205 Das g ist nach Mr. Skeat sichtbar, um ergänzt nach Grein. 208 Grein:
J)Eera to. 209 Grein: Senare. 210 MS.: fyre. 218 Von neat ist nach Skeat
nur noch das n deutlich sichtbar. 222 MS.: scinad. Grein: -ed,
*) Statt des D in der Überschrift ist hier und im Fohjenden stets ein grosses d
zu lesen.
SALOMO UND SATURN. 63
nc i'uglcs Hyht, nc hc mid l'otum nc maig
grund gei'iecau: buru se f^odcs cunnad
füll dyslice dryhtnes meahta.
SATURNUS CWA:D.
(Ms. A. p. 1(5; ac hwset is se dumba se de on sumre dene rested,
230 swide suyttrad; liai'ad scofon tungän,
bafad' tungena gebwylc .xx. orda,
bafait orda gebwylc engles snytro,
(tara de wile äura bwilc uppe bringan,
daet du daere gylduan gesiebst bierusalem
235 weallas blican ond biera wiurod lixan,
sodfsestra segn? saga bwaet ic maene.
SALOMON CWiED.
bec sindon breme, bodiaä geueahbe
weotodne willan dam de wibt byged;
gestrangad bie ond gestadeliad stadol-fsestne gedobt,
240 amyrgad mod-sefan mauna gebwylces
of drea-medlan disses lifes.
Saturnus cwaed.
Bald bid se de on-byreged boca crseftes;
symle bid de wisra^ de bira geweald bafad.
SALOMON CW^D.
sige bie 6n-sendad sodfsestra gebwam,
245 bselo byde^ dam de bie lufad.
Saturnus cwsed.
an wisa is 6n woruld-rice,
yrab da me fyrwet brsec .1. wintra
dseges ond nibtes durb deop gesceaft,
georarende gast, ded iu gena swa,
250 ser don me ge-unne ece drybten,
dset me geseme snoterra monn.
SALOMON CW^D.
sod is daet du sagast; seme ic (Ms. A. p. 17) de recene
ymb da wrset-lican wibt: wilt du dset ic de secgge?
an fugel sited 6n filistina
255 middel-gemserum, munt is bine ymb-utan
geap gylden weall; georne bine bealdad
233 MS,: bringfau, nicht brengan, ivie vorher v. 87, 88. 241 Kemble hat. dreauiedlan
fjelesen, denn er druckte Sreanydlan; als deutlich dreamedlan geschrieben habe ich v. 428
das Wcn-t bei der Collation bezeichnet; Mr. Skeat bestätigt es auch liier; zur Erklärung
des Worts venveise ich auf meine Bemerkung: Germania, Neue Reihe VII, 331, wozu
noch nachzutragen , daß der Cod. Exon. das einfache Wort iiyd niemals nied schreibt;
in unserem MS. A von Salm, und Sat. findet es sich v. 310 ned geschrieben. 249 Mr.
Skeat las nu, also wie Grein vermuthete.
64 J. SCHIPPER
Avitan filistina wcnad ct;es tte naht is,
(tret biene him scyle eall cteod onge-nagman
waipua ecggum, hie äxs wajre cunnon,
260 healdad hinc niehta gehwylce norctau ond siutan
6n twa healfa tu hund wearda;
se fugel hafad .iiii. heafdu
medumra mauna ond he is 6n middan
hwselen geowes; he hafad fideru ond griffus fct;
265 liged lonnum fgest, locad un-hiere,
swide swinged, ond his searo hringed;
gilled geomorliee ond his gyrn sefad;
wylled hine on dara wite^ wunad imlustum,
siugged syllice: seldum sefrc
270 his leomu lieggad; lengad hine hearde,
dynced him deet sie dria .xxx. dusend wintra,
^r he dom-dseges dynn gehyre;
nyste hine on dsere foldan fira senig,
eordan cynnes, ser don ic hine ann on-fand,
275 ond hine da gebsendan het ofer brad wseter,
dait hine se modega heht melotes bearn,
filistina fruma, faeste gebindan,
lonnum belucan, wid leodgryre;
done fugel hatad feorbueude
280 filistina fruman uäsa mortis.
Saturnus cwsed,
ac hwset is dset wundor de geond (Ms. A. p. 18) das worold fsered,
styrnenga gsed. stadolas beated,
äweeed wopdropan, winned oft hider?
ne mseg hit steorra ne stan, ne se steapa gimm,
285 wseter ne wildeor wihte beswican,
ac him on band gsed heardes 07id linesces
micles [ond] mattes: him to mose sceall
gegangan geara gehwelce, grund-buendra,
lyft-fleogeudra; lagu- swemraendra,
290 dria dreoteno dusend ge-rimes.
SALAMON CWiED.
yldo beod on eordan a3ghwa3s erseftig
mid hidendre hildewrajsne,
rumre rtlcenteage, ra3ced wide
langre linan, lissed eall d.-Bt heo wile;
295 beam heo äbreotcd ond bebriced telgum;
ästyred standene stefn on side,
257, 258 So das MS. Kemhle ließ die Worte von wenad bis oiigenjemaii aus
und verzeichnete eine Lücke. 260 il/S.: bealdecl. 263 Ivi MS. ist hier keine Lüche,
vne sie bei Kemble anaerjehen, iceshalb Grein err/änzte: Se grimma fugel. 266 Statt
searo kann auch scaro fjelesen tcerden; so las auch Mr. Skeat. 270 MS.: leoma.
276 MS.: melotes. 277 il/-S'. : filistina. 283 MS.: avveced. 287 and Grein.
SALUM«) irND SATURN. 65
äHllcit liinc ou foldan; trite^t acflcr dam
wildne fugol; heo oferwigeit wuIf,
hio ofcrbided stanas, heo oferstiged style
300 hio abited iren mid omc, dcd us-ic swa.
SATUKNUS CWiED {M^.: C).
äc forhwon l'ealled se snaw, foldan behydcti,
bewrihtt wyrta cid, waestmas getigetf,
geJyd hie ond gcdreatatt, dajt hie drage beod
cealdc ge-clungnc: füll oft he gc-costau eac
305 wildeora worn, wsetura he ofer-hraeged,
gebryced burga geat, baldlice fered:,
reafad (Ms. A. p. 19) swidor raicle donne se swipra nid,
se hine gelaeded on da ladan wie
mid da fraecnan feonde to willan.
Saturnus cwaed.
310 nieht bid wedera diestrost, ned bid wyrda heardost,
sorg bid swaerost byrden, slaep bid deade gelicost.
SALOMON ewaed.
lytle hwile leaf beod grene
donne hie eft fealewiad, feallad 6n eordan,
ond for-weorniad, weordad to duste;
315 swa donne gefeallad, da de fyrena ser
lange laestad, lifiad bim in mäne,
hydad heah-gestreon, healdad georne
on fsestenne, feondum to willan,
ond wenad wan-hogan dset hie wille wuldor-cining
320 aelmihtig god, ece gehiran.
Saturnus ewasd.
sona bid ge-siene, siddan flowan mot
jd ofer eall lond: ne wile heo äwa
daes sides geswican, sioddan hire se sael cymed;
dset heo domes dseges dyn ge-hiere.
SALOMON CW.ED {MS.: C).
325 swa bid donne dissum modguin monnum, dam de her nu mid mäne
lengest
lifiad 6n disse ]«nan gesceafte! ieo dset dine leode gecyddon:
wunnon hie wid dryhtnes miehtum,fordon hie dsetworc ne ge-degdon.
ne sceall ic de hwasdre, brodor, äbelgan ; du eart swide bittres cynnes,
eorre eormen-strynde : ne be-yrn da (Ms. A. p. 20) on dainvvit-gecyndo.
Saturnus cwaed.
330 saga du me, salomon cyning, sunu dauides,
hwaet beod da feowere fseges rapäs?
317 MS.: Healdad. 325 MS.: swa. nicht wa.
GERMANIA. Neue Reihe. X. (XXII. Jahrg.)
66 J. SCHIPPER
SALOMON CW^D.
gewurdene wyrda, 5re beod
da. feowere fseges rapas.
Saturnus cwaed,
äc hwa demeä äonne dryhtne criste
335 6n domes dc-ege, donne he demed eallum geceaftum?
SALOMON cwsed.
hwa dear donne dryhtne deman, de us 6f duste geworhte,
nergend 6f niehtes sunde? ac sajge me hwaet naerende wseron.
Saturnus cwsßd.
äc for-hwon ne mot seo sunne side gesceafte
scire geond-scinan? for hwam be-sceaded heo
340 muntas 07id moras ond monige ec
weste stowa! hu ge-weorded daet?
SALOMON CW^D.
ac for-hwan nseron eord[we]lan ealle gedseled
leodum gelice? sum to lyt hafad,
godes grsedig: hine god seted
345 durh ge-earnunga endgum to rseste.
Saturnus cwsed.
ac for-hwan beod da gesidas somod setgasdre,
wop ond hleahtor? Füll oft hie weord-geornra
ssBlda toslitad: hu gesssled das.t?
SALOMON CW^D.
unlsede bid ond ormod, se de ä wile
350 geomrian on gihda: se bid gode fracodast.
(Ms. A. p. 21) Saturnus ctvced.
for hwon ne moton we donne ealle mid onmedlan
gegnum gangan in godes rice?
SALOMON CW^D (MS.: C).
ne maeg fyres feng ne forstes eile,
snaw ne sunne somod eardian,
355 äldor geaßfnan; ac hira sceal änra gehwylc
onlutan ond onlidigan, de hafad laesse msegn.
Saturnus cwsed.
ac for hwon donne leofad se wyrsa leng?
se wyrsa ne wat in worold-rice
on his mseg-winum maran äre.
342 MS.: eorct zu Ende der Zeile, die dann nach Skeat noch eine kleine,
durch Ausradierung entstandene Lücke zeigt; lan steht in der ncicJisten Zeile, welche
weiter die verderbte Lesart bietet: ealle gode led leodum. — Das gode led ist wohl
sicher verschrieben für gedaeled (Skeat). Kemble, Grein: eordwelan ealle gedseled.
übe MS.: msegnn.
SALOMO UND RATIJKN. ß7
SALOMON CWiED {MS.: C).
360 ne macg mon for ildo aonige hwilc
(Jone deoran sid, ac hc hine Jidreogan sceall.
Saturniis cvvaict.
äc hu geganged da^t gode oddc yflc?
donne hie beod durh äne idese äccnde
twegen getwinnas, nc bid bira tir gelic:
365 oder bid unlaide on eordan, oder bid eadig,
swidc leof-tsele mid leoda dugudum;
oder leofad lytlc hwilc,
swiccd on disse sidan gesceafte ond donne eft mid sorgum gewited;
fricge ic dec, hlaford salomon, hwaidrcs bid hira folgod betra?
SALOMON CW^D.
370 modor ne rajded donne heo magan cenned,
hu him weorde geond worold widsid sceapen.
oft heo to bealwe bearn äfeded,
seolfre to sorge, siddan dreoged
bis earfodu (Ms. A. p. 22) orleg-stunde,
375 heo dges äfran sceall oft ond gelome
grimme greotan, donwe he geong fared,
hafad wilde mod, werige heortan,
sefan sorg-fullne^ slided geneahhe
werig wilna leas, wuldres bedseled.
380 Hwilum hige-geomor healle weardad,
leofad leodum feor, locad geneahhe
fram dam unlsedan sengan hlaford.
for-dan nah seo modor geweald, donne heo magan cenned,
bearnes blsedes; äc sceall 6n gebyrd färan
385 an aefter anum: daet is eald gesceaft!
Saturnus cwsed.
ac for hwan nele monn him 6n giogode georne gewyrcan
deores dryht-scipes ond dsed-fruman
wadan on wisdom, winnan sefter snytro?
Salomon cwsed.
hwset! him masg eadig eorl eade geceosan
390 on bis mod-sefan, mildne hlaford,
anne aedeling"; ne mseg don un-lsede swa.
Saturnus cwsed.
ac for hwam winned dis wseter geond worold-rice,
dreoged deop gesceaft, ne mot on daeg restan
neahtes nedyd crsefte tyd;
395 cristnad ond clsensad cwicra manigo,
360 Eemble änderte for ildo zu foryldan ; vielleicht ist das Verhum hinter sid
ausgefallen. 385 Jf^S" : gaseaft. 386 MÄ.: ac, 389 MÄ.: hwset. 392 MÄ.: ac.
394 Kemble, Grein: nihtes [stillan], nydatt etc.
5*
gg J. SCHIPPER
wuldre gcwlitigaä? ic wihte nc cann
for hwan se stream ne mot stillan neahtes
(Ms.A.p.23) his lifes fse^me; simle hit bid bis lareowum hyrsum:
füll oft bit eac Sses deofles dugod gebnseged,
400 ctaer weotena bid worn gesamnod,
donne snottrum men snsed odd-glided,
da be be leobte gesibd luted sefter,
gesegnad ond gesyfled, ond bim sylf frited;
swilc bid seo an snsed segbwylcum men
405 selre micle, gif beo gesegnod bid,
to l^ycgganne, gif be bit gedencan cann,
domie bim sie seofon daga symbel-gereordu.
leobt bafad beow ond bad baiiges gastes,
eristes gecyndo, bit dset gecy ded;
410 füll oft gif bit unwitan seuige bwile
bealdad butan bseftum, bit durb brof wseded,
bryced ond basrned bold-getimbru,
seomad steap ond geap, stiged 6n lenge,
clymmed 6n gecyndo; cunnad bwsenne mote,^
415 fyr on bis frum-sceaft 6n fseder geardas,
eft to bis edle, danon bit seror cuom,
bit bid eallenga eorlum gesibde,
dam de gedaelan ean drybtnes decelan;
forden nis naenegu gecynd cuic-lifigende,
420 ne fugel ne fisc, ne foldan stan,
ne wseteres wylm, ne wudu telga,
ne munt ne mor, ne des middan-geard,
dset be ford ne sie fyrenes cynnes.
Saturnus cwaed.
füll oft ic frode menn fyrn (Ms. A. p. 24) gebyrde
425 secggan ond swerian ymb sume wisan,
bwaeder wsere twegra butan tweon strengra,
wyrd de warnung, donne bie winnad oft
mid bira drea-medlan, bwseder ne adreoted »r;
ic to sodon wät: ssegdon me geara
430 filistina witan, donne we 6n geflitum saeton;,
bocum töbraeddon ond 6n bearm legdon,
medel-cwidas mengdon, moniges fengOD,
dset nsere nsenig manna raiddan-geardes,
dset meabte dara twega tuion aspyrian.
SALOMON CWMD (MS.: C).
435 wyrd bid wended bearde, wealled swide geneabbe,
beo wop weced, beo wean bladed,
beo gast scyd, beo ger byred:
ond bwsedre bim maeg wis-sefa wyrda gebwylce
397 Nach Kemble soll hier ein Blatt oder noch mehr ausgeschnitten sein, doch ist am
MS. nichts davon zu sehen. 417 Grein: [on] gesihcte. 426 MS.: strenra. 401 Statt des
kleinen ß in donne ist ein grosses zu lesen. 408 Hintei- heow setzt das MS. einen Punkt.
SALOMO UND SATURN. 69
gemetigian, gif he bid modes f^leaw,
440 ond tu his freondum wile fuJtum secan,
deh-hwaidre god-cundes gaestes brucan.
SATURNUS CWiED {MS.: C).
ac hwset wited us wyrd seo swide,
eallra fyrena fruma, fsehdo modor,
weäna wyrt-wela, wopes heafod,
445 frum-scylda gehwajs freder ond modor,
deades dohtor? ac to hwan drohtad heo mid us?
hwset! heo wile lifigende late ädreotan,
dset heo durh fyrena gefiitu faihdo ne tydre.
SALOMON cw^d.
nolde gaed geador in godes rice
450 eadiges engles ond dses ofer-modan:
oder his dryhtne (Ms.A.p.25) hierde; oder him ongan wyrcan durh
dierne crseftas
segn ond side byrnan, cwsed dset he mid his gesidum wolde
hidan eall heofona rice ond him dier 6n healfum :::::: .
455 :::::: him mid äy teodan dsele, od dset he his :::::::::::::
ende durh :: sceafte; da weard se sedele gedryht
gedrefed durh daes deofles gehygdo: forlethinedaof dune gehreosan,
afielde hine da under foldan sceatas,
hebt hine dser fseste gebindan ; dset sindon, da us-ic feohtad on
460 fordon is witena gehwam wopes eaca.
da dset eadig onfand engla dryhten,
dset heo leng mid hine lare ne namon,
äweorp hine da 6f dam wuldre ond wide todraf,
ond bebead him bearn heofon-wara,
465 dset hie ec scoldon ä denden hie lifdon
wunian in wylme, wop drowian,
heaf under hefonum, ond him helle gescop,
wselcealde wie wintre bedeahte:
wseter insende ond wyrmgeardas,
470 ätol deor monig irenum hornum,
blodige earnas ond blace nsedran,
durst ond hungor ond dearle gewin,
egna egesan, unrotnesse;
ond seghwylc him dissa earfeda ece stonded,
475 butan edwende, a denden hie lifigad.
SATURNUS cwc^d.
is äonne on disse foldan (MS. A p. 26) fira aenig
eordan cynnes, dara de man age
451 Seite 24 des MS. endet mit dryht, Seite 25 beginnt mit ne. — Kemhle
änderte die Wortstellung und verzeichnete eine Lücke hinter wyrcan, wovon im MS.
nichts bemerkbar; welches liest; Surh dire (sie!) crseftas etc. 354—456 Kemble
las hinter healfum noch sittan, vor him noch cyrran. Das MS. erschien mir unleserlich;
dsgl. V. 455, tvo K. hinter his noch agenne cude entzifferte; das folgende ende kann ich
bestätigen; vor sceafte ist nur Platz för einen oder zivei Buchstaben; wie mir schien,
steht in da; Mr. Skeat bestätigt es. 477 MS.: de man man age.
70 R. BECKER
dead absede, a^r se daeg- cyme,
daet sie his calend-cwide arunnen,
480 ond hine mon annimga üt abanne?
SALOMON CW^D (MÄ: C).
8eghwel[cum men ejngel onsended diyhteii
he::::::::::::ed se sceall behealdan hu his hyge
g::::::::dig growan in godes sibbe,
485 murnan meto des drym, mid dy de hit dseg bid.
donwe hine ymbe-gangad gsestas twegen:
oder bid golde glsedra, oder bid grunditw sweartra;
490 oder cymed ofer dsere stylenan helle,
oder hine Ijered, döet he lufan healde,
metodes miltse, ond his msega rsed;
oder hine tyhted ond on tieso Isered,
ywed him ond ypped earmra manna
495 misgemynda, ond durh deet his mod hweted;
Iseded hine ond Iseced ond hine geond land spaned,
oddset his ege bid aefdancMm füll,
durh earmra scyld yrre geworden;
swa donne feohted se feond on feower gecynd,
500 oddset he gewended on da wyrsan band
deofles dsedum, daeg-longne fyrst,
ond dses willan wyrcd, de hine on woh spaned;
gewited donne wepende on weg faran
engel to his earde, ond dset eall secged:
505 ne meahte ic of dsere heortan heardne adringan
stylenne stan, sticad him to middes
Der Rest ist entweder ausgeschnitten oder ausradiert und dann ilher
schrieben worden (Kemble).
ÜBER REINMAR VON HAGEN AU.
VON
REINHOLD BECKER.
I. Zur Kritik Reinmars.
Reinmar ist neuerdings nach zwei verschiedenen Seiten hin ein-
gehend bearbeitet worden. Zuerst hat E. Regel (Germania XIX, 149 f.)
die Kunstformen des Dichters mit dankenswerther Sorgfalt behandelt.
Obwohl er aber ausdrücklich darauf verzichtet , auf den Inhalt der
481 7md 482 nach den Angaben Skeats; mir e^'schien das MS. mileserlich.
485 Das MS. zeit/t hier nicht die von Grein mit Recht vermuthete Lücke. 490 Kemhle
ergänzt susle; Grein liest of stearae vnd ergänzt dnen ganzen Fer« (489). 504Af>S^. : sa-
ga3; Grein: secged.
ÜBER REINMAR VON HAGENAU. 71
Gedichte selbst einzugehen, kommt er doch in der Einleitung und auch
sonst gelegentlich über die formale Seite hinaus und begründet seine
Meinung über den Kreuzzug, den Rcinmar mitmachte, über Lieder,
welche in die Zeit dieses Kreuzzuges fallen, über eine niedere Minne
des Dichters u. s. w. Die ganze Arbeit Regeis aber ruht auf der Vor-
aussetzung, daß mit Ausnahme eines schon von Lachmann-Haupt an-
gefochtenen Liedes (102, 25) sämmtliche in des Minnesangs Frühling
unter Reinmars Namen angeführte Gedichte wahres Eigenthum des-
selben sind; ja er vermehrt den Reichthum Reinmars noch, indem er
ihm das von Haupt dem Rugge zugeschriebene Lied 103, 3 f. und ein
paar in den Anmerkungen stehende Strophen zuspricht. Bald darauf
aber wurde durch Erich Schmidt in der Schrift: Reinmar von Ha-
genau und Heinrich von Rugge — Straßburg bei Trübner — eine lange
Reihe von Liedern unserm Dichter abgesprochen und zum Theil unter
die namenlosen Lieder gestellt, zum Theil, und das gerade die werth-
vollsten, Rugge zugewiesen. Sollten diese Resultate sich bewähren, so
würde Reinmar ebenso als Mensch wie als Dichter an Interesse und
Bedeutung verlieren. Vor allem würde man von o^nem Kreuzzuge
dieses Dichters nicht mehr reden können. Auf der andern Seite würde
Rugge als Dichter viel mehr als bisher hervortreten. Es verlohnt sich
also, die Ergebnisse, welche Schmidt uns vorlegt, einer eingehenden
Prüfung zu unterwerfen.
Der Weg, den Schmidt einschlägt, ist ohne Frage der einzig
richtige. Er will zunächst (p. 5) die sichern Züge der beiden dichte-
rischen Persönlichkeiten fixieren, um auf die Kenntniss ihrer Eigenart
gestützt, über die strittigen Strophen urtheilen zu können. Für uns
wird es sich demgemäß zunächst um die Frage handeln, ob denn die
Bilder, die er von beiden Dichtern entwirft, getroffen sind. Erst nach-
dem wir gesehen haben, ob der Maßstab, an dem die einzelnen Lieder
gemessen werden, der richtige ist, können wir zur Besprechung der
kritischen Ergebnisse Schmidts selbst übergehen.
Von vorn herein müssen wir unsere Zustimmung geben zu allem
Wesentlichen, was über die stilistischen Eigenthümlichkeiten beider
Dichter bemerkt ist. Im Einzelnen werden wir, wie sich später zeigen
wird, manches modificiren müssen, aber der Nachweis, wie Reinmars
Liebesverhältniss auf seinen Stil einwirkte u. A. ist eine wirklich dan-
kenswerthe Gabe.
Bevor Schmidt die Lieder Rugges einzeln betrachtet, geht er aus
von dem Verhältniss der Handschriften und kommt da zu dem Resultat,
daß in B der alte Kern der Ruggeschen Liebespoesie vorliege, gemäß
72 R- BECKER
der von Scherer geniachten Beobachtung, „daß sich in den Strophen der
Handschr. B sämmtliche unreine Reime mit Ausnahme eines einzieren
finden". In C sei nach Scherers Darstelhing eine Sammlung vorge-
schoben, C. 1 — 12. Diese Strophen nun sollen einer späteren Zeit ange-
hören, in der Reinmarischer Einfluß gewirkt habe, aber auch über-
wunden worden sei. Dieser Einfluß wird dahin bestimmt, daß Rugge
die von Reinmar in Schwung gebrachte Mode des Trauerns eine Weile
mitgemacht habe.
Also von Reinmar nahm Rugge diese Mode an. Es verlohnt sich
hier nach der Zeit, in der beide Dichter lebten und wirkten, zu fragen.
Schmidt scheint darüber mit sich nicht ganz einig zu sein. Er erwähnt
p. 6, daß Pfeifer, German. VII, 110—112 einen Heinricus miles de
Rugge in den Jahren 1175 — 1178 urkundlich nachgewiesen habe, „der
Zeit nach schwerlich unsern Dichter, vielleicht seinen Vater". Wir
fragen, warum das „schwerlich"? Gar vieles beweist doch, daß der
Dichter einer ziemlich frühen Zeit angehört. Dafür sprechen schon
die zahlreichen imreinen Reime, da es doch einem so gewandten
Dichter, wie Schmidt selbst bemerkt, nicht schwer fallen konnte, an-
statt derselben ganz reine zu finden, wenn es zu jener Zeit schon
strenges Erforderniss gewesen wäre. In dem Kreuzleich ist die Rein-
heit vollständig durchgeführt, trotzdem gerade hier die kurzen Zeilen
leicht zu einer Ungenauigkeit hätten führen können. Noch zwei an-
dere Momente hebt Schmidt als alterthümlich hervor, nämlich die Vor-
liebe Rugges für schlichte Parataxe (p. 10) und das treue Festhalten an der
alten Auß'assung der Jahreszeiten (p. 28). Auch stimmt gut dazu, daß die
Reflexion noch nicht, wie bei den Dichtern der eigentlichen Blüteperiode,
ins Breite geht. Zu alledem aber bemerkt Schmidt bei der Interpre-
tation des Leichs: „Da unser Dichter 1175 — 1J78 als miles de Rugge
urkundlich vorkommt, wenn er es ist, der Leich zu Ende des Jahres
1190 gedichtet wurde, als man den Tod Kaiser Friedrichs erfuhr, so
stand Rugge damals im gereiften Mannesalter, dem auch der hier be-
kundete gottergebene Sinn geziemt." Hier also wird der Dichter mit
jenem mUes identificirt, und zwar, wie sich aus obigen Gründen ergibt,
mit vollem Recht. Das dürfte auch die eigentliche Meinung Schmidts
sein, der so vielfach alterthümlich es bei Rugge findet. Auch Bartsch,
Liederdichter XXXI erkennt in jenem Heinricus unsern Dichter. Ist
dem nun aber so, wie ist es dann möglich , daß Reinmar noch einen
solchen Einfluß auf ihn ausgeübt habe. Lachmann zu Walther 82 hat
angenommen, daß Reinmar etwa 1190 zu singen begonnen habe, also
zu einer Zeit, wo Rugge bereits im gereiften Mannesalter stand. Auch
ÜBER REINMAR VON HAGENAU. 7.}
Scberer, Deutsche Stiulitm II, p. 80 nimmt an, daß Reinraar zu Anfaiif;
der neunziger Jahre im den herzoglichen Hof" von Osterreich gekommen
sei. Der Einfluß der Reinmarischen Lyrik kann sich zudem doch erst
allmähHch geltend gemacht liaben und üherhaupt Läßt sich erweisen,
daß die ältesten Lieder des Dichters nocli nichts von Trauer kennen.
Verhält es sich nun so, daß einerseits der Dichter Rugge bereits in der
Mitte der siebenziger Jahre urkundlich vorkommt, andererseits der
Einfluß Reinmarischer Poesie erst um die Mitte der neunziger Jahre zu
einer gewissen Bedeutung kommen konnte, so ist eine Einwirkung
Reinmars auf den 20 Jahre altern Zeitgenossen sehr unwahrscheinlich.
Wie sollte Rugge, der, seinem ganzen Wesen nach gerade und offen,
im Leich und im Kreuzlied 102, 14 einen tiefernsten, fast weltflüchtigen
Ton anschlägt, nachgerade noch so unwahr geworden sein, daß er, um
dem höfischen bon ton zu genügen, trauerte, wo es eigentlich nichts
zu trauern gab; — denn nach Schmidt war ja sein Liebesverhältniss
glücklich und zwang ihn selten zur Trauer (p. 24 und 26). Die Mög-
lichkeit der oben gedachten Einwirkung wäre freilich auch gerettet, wenn
Reinmar früher angesetzt würde, aber das würde auf so viele Schwie-
rigkeiten stossen, daß wir davon absehen können.
Wir sind hiermit auf einen Punkt gestossen, der eine Ausein-
andersetzung dringend fordert. Die Annahme, daß Rugge nur durch
äußere Einflüsse bestimmt dem Trauern als einer Modesache eine Zeit
lang gehuldigt habe, hat auf das Bild, das Schmidt von ihm entwirft,
wesentlichen Einfluß. Indem die heiter gehaltenen Strophen als das eigent-
liche Gut des Dichters betrachtet werden, wird der Gegensatz zwischen
Rugge und Reinmar wesentlich vertieft.
Es ist jedenfalls nicht zu beweisen, daß die Trauer Rugges eine
willkürliche war, uns scheint vielmehr gerade das Gegentheil wahr zu
sein. Rugge war kein Schauspieler, sondern hat gesungen, wie es ihm
zu Muthe war. Freilich ist es eine auffallende Erscheinung, daß die
höfische Lyrik fast ganz in Liebesklage aufgeht, aber daraus läßt sich
nicht folgern, daß diese Richtung eine bloße Mode^ also ohne innere
Berechtigung und Wahrheit war. Schon Uhland, Ges. Werke V, 138 f.
hat dargethan, wie aus den gegebenen Verhältnissen der höfischen Ge-
sellschaft der elegische Hintergrund der mittelhochdeutschen Lyrik sich
mit Nothwendigkeit entwickelte. Viele werden dann freilich, nachdem
die Richtung einmal gegeben war^ ohne innern Trieb mit der Strömung
geschwommen sein; sie nahmen die Zeitstimmung in sich auf, ohne sie
zu individualisiren, wie das ja zu allen Zeiten so zu geschehen pflegt;
unwahr kann man die Empfindung solcher Leute doch nur dann nennen,
74 R BECKER
wenn sie mit ihrer ursprünglichen Gefühlsweise in Widerspruch steht.
Aber gerade in den tiefern und bessern Naturen mußte sich, auch wenn
sie ursprünglich keineswegs zur Melancholie neigten, die sentimentale
Stimmung, welche der allgemeine Charakter der Lyrik jener Zeit ist,
mit Nothwendigkeit erzeugen, da der Minnedienst nicht hielt, was er
versprach. Wie viele auch das alte Lied schon vorher gesungen
hatten, die Trauer blieb für jeden Einzelnen, der die Erfahrung machte,
neu. Wir werden das später weiter ausführen.
Aber wie, wenn nun das Liebesverhältniss Rugges ein glückliches
war? wie Schmidt p. 26 und an vielen andern Stellen behauptet. Die
Möglichkeit ist ja immer vorhanden, wenn es auch der seltenere Fall
war, daß die vornehme Dame dem Ritter lohnte, wie er es wünschte.
Wenn es dann auch nicht gerade Reinmar war, dessen Einfluß die
Trauerstrophen veranlaßte, so mochte es Hüsen oder irgend ein anderer
Sänger sein. Aber betrachten wir doch nur einmal, was sich aus den
Liedern Rugges für sein Liebesverhältniss ergibt.
Es ist eine ganz gewöhnliche Erscheinung in jener Zeit, daß die
vornehmen Damen im Anfang den ritterlichen Sängern, die ihnen
dienten, bis auf einen gewissen Grad ihre Neigung zuwandten. So ist
es auch Rugge ergangen. Daß er zeitweilig an die Gunst der Herrin
glaubte und auch berechtigt war, daran zu glauben, wird durch mehrere
Stellen bewiesen 105, 18. 108, 11. 106, 6. 104, 33. Aber an der bloßen
Neigung ließ sich Rugge so wenig wie andere genügen, er diente um
Lohn und verstand darunter vollständige Hingabe der Dame. Die
angeführten Stellen aber sprechen nur von Hoffnungen, keine blickt auf
die Erfülhmg zurück. Zu oft finden sich Klagen über getäuschte Er-
wartungen, als daß wir nun sofort schließen dürften, es sei Rugge
wirklich nach Wunsch gelungen. Und so klagt denn auch er in der
That, indem er auf freundliche Worte der Herrin mit dem Gefühl der
Enttäuschung hinblickt, in seiner hyperbolischen Weise 102, 10 f.: mim
wart diu sele noch der lip deswär nie lieber danne mir ie was ein wip;
diu eteswenne sprach, daz selbe waere ich ir : nu hat siz gar verkeret
her ze mir. Auch 107, 1 zeigt, daß die Hoffnung des Dichters nicht
in Erfüllung gehen wollte: nu machet valscher Hute nit daz guot ge-
dinge wirt ein teil ze spaete. Es ist ganz gewöhnlich, daß in solchen
Fällen der Ritter sich nicht entschließen kann, der Geliebten selbst
die Schuld zuzuschreiben, weshalb er, bis er erst spät eines bessern
belehrt wird, valscher liute nit anklagt. Den rechten Glauben hat der
Dichter aber 105, 36 f. schon völhg verloren. Noch bestimmter aber
spricht er sich in dem Lied 101, 15 f. aus; dasselbe schließt mit den
ÜBER REINMAK VON HAGENAU. 75
Worten: daz ist besunder an mir gar ein wunder, deich mich Verlan
han ze verrc uf den wan der mich ie trouc und mir froisliclien louc, Bit
ich ir dienen begunde als ich künde. Daß sieht doch nicht aus, als ob
nur eine zeitweilige Verstimmung den Dichter von seiner Dame fern-
gehalten hätte.
Wir haben bisher eine Reihe von Stellen nicht berücksichtigt,
weil sie eine besondere Behandlung verlangen. Wir meinen die Stro-
phen, welche der Dichter der Herrin selbst in den Mund legt: 103,
27 (vielleicht unecht). 100, 23. 106, 15. 107, 17. 110, 8 (wahrschein-
lich Reinmar angehörig) und 111, 5. Diese Strophen setzen sämmtlich
die Neigung der Dame für ihren Ritter voraus. Sie beklagt 107, 23
das „fremeden" des Ritters und versteigt sich 106, 22 geradezu zu der
wunderlichen Bitte: nu lone als ich gedienet habe. Sollte man da
nicht fast glauben, der Ritter sei der gesuchte, nicht der suchende
Theil? Freilich ergäbe sich, wenn die Bitte ernstlich gemeint wäre, ein
unlösbarer Widerspruch. Die Klagelieder Rugges, und deren sind nicht
wenige, schwebten dann ganz in der Luft und könnten höchstens so
erklärt werden, wie Schmidt es versucht, nämlich durch äußere Ein-
flüsse. Doch es bedarf einer solchen Erklärung gar nicht. Denn fassen
wir die Frauenstrophen auch bei andern Dichtern ins Auge, so sehen
wir, daß in ihnen vielfach von einer Neigung der Dame zu dem ritter-
lichen Sänger die Rede ist, die nach andern Anzeichen gar nicht vor-
handen war, von einer Gunst, die der Dichter nicht genossen hat.
Darum sind diese Frauenstrophen für die Beurtheilung der Minnever-
hältnisse so gut wie werthlos. Es verlohnt sich kaum, diese offenbare
Thatsache weiter auszuführen; doch wollen wir ihr noch etwas näher
treten und sie wenigstens an einem Beispiel erläutern.
Es ist charakteristisch, daß in der weit überwiegenden Zahl
dieser Strophen die Dame ihre Liebe, sei es nun als Klage, weil sie
den Geliebten entbehren muß, oder als Freude über die Liebesgemein-
schaft ausspricht — und doch sind solche Strophen häufig mit andern
verbunden, in denen der Ritter über die Hartherzigkeit der Geliebten
klagt, oder doch wenigstens von einer Erhöruug nichts weiß ; so ist
es MF 39, 4 und 11. Besonders auffallend aber tritt bei Hüsen die
UnZuverlässigkeit der Frauenstrophen hervor. 49, 8 f. erklärt die Dame
pathetisch: si möhten e den Rin gekeren in den Pfät, e ich mich iemer
sin getroste, swiez ergät, der mir gedienet hat. Dieselbe Gesinnung
spricht sich in dem herrlichen Lied 54, 1 f. aus. Hier beschließt die
Herrin gar, zu gewähren alles swes sin herze gert und solte ez kosten
mir den lip. Dagegen halte man, was 3üsen in sämmtlichen andern
7G R. BECKER
Strophen von der Herrin sagt, so wird man den entschiedensten Wi-
derspruch nicht leugnen können. Wir wollen hier nur eine Stelle
anführen, 47, 33 f. : nieraan darf mir wenden daz zunstaete ob ich die
hazze diech da minnet e. swie vil ich si geflehet oder gebaete, so
tuet si rehte als ob sis niht verste. Es liegt hier offen zu Tage, daß
der Dichter die Form der Frauenstrophe nur verwandte, um die Liebe
der Herrin, wie Uhland sagt, als Gegenbild seiner eigenen darzustellen.
Es ist diese Neigung der Herrin eine poetische Fiction, mit der sich
der Dichter einmal die Meilen kürzt, aus der aber für sein Minne-
verhältniss nichts gefolgert werden kann cf. Regel p. 169.
Ohne diese Erscheinung weiter zu verfolgen kehren wir zu Rugge
zurück; auch bei ihm bewährt sich, was wir über die Frauenstrophen
gesagt haben. In dem Wechsel 107, 7, geht der Erklärung der Dame,
welche ihr tiefstes Sehnen bekennt, ein elegischer Seufzer des Ritters
voraus: min wurde rät, wolte si mir künden liebiu maere. Schon
daraus erhellt, daß das nun sogleich folgende maere fingiert ist. Die
schon oben angeführte Stelle 106, 22 erinnert nach Schmidt an jene
frühere Epoche, wo das Weib um den stolzen Mann warb und ihn
um Erwiderung treuer Liebe bat. Aber diese Zeit war vorüber und
durch sein eigenes Verhältniss konnte Rugge, wie wir sahen, nicht an
sie erinnert werden. Auch Reinmar singt 154, 17 f.: „ir gruoz mich
minnecliche enphie. vil gerne ich ir des iemer lone" und der hatte
doch mit jener früheren Epoche keine Berührung mehr. Wir erklären
uns die Stelle anders ; indem der Dichter die fingirte Liebe der Dame
poetisch darstellt, verwendet er unwillkürlich die ganz gewöhnliche
Bitte der damaligen Sänger, treuen Dienst zu lohnen, obgleich dieselbe
im Munde der höfischen Dame, die nicht dient, sondern bedient wird,
eigentlich nicht paßt. Das Lied 110,8 schreiben wir Reinmar zu; zudem
würde ein freundliches Wort beim Scheiden wenig bedeuten. Das zeigt sich
uns deutlich an Johansdorf Als er auf den Kreuzzug zog, sagte ihm
die Dame manch schönes Wort (94, 35. 86, 28), aber merkte hinter-
her selbst, was er davon zu halten hatte. 87, 33 f. : nu waenet si dur
daz ich var daz ich si läze vri. Schließlich erinnern wir daran, daß
die durch die Überschwänglichkeit der Ritter verwöhnten Frauen mit
dem schwärmerischen Minnedienst wohl auch ein wunderliches Spiel
trieben, zum Scherz Aussicht auf Lohn machten und dann wohl gar
in spotes wis versagten.
Aus dem Bisherigen ergibt sich:
1. Rugge fand so wenig als Hüsen, Guotenburg, Johansdorf,
Reinmar u. A. Erhörung, wenn er auch eine Zeit lang darauf zu hoffen
berechtigt war.
ÜBER KP:INMAK von IIAGENAÜ. 77
2. Die klagenden Strophen Jviigges sind demgemäß nicht etwa
conventionellc Seufzer, die Keinniariscliom EinHuü zuzuschreiben wären,
sondern sie entsprechen vollkommen der Situation, in der der Dichter
sich befand. Rcinmar steht also, was das Trauern anlangt, zu ihm
nicht in dem Verhältniss des Gegensatzes, sondern in dem der Stei-
gerung.
3. Da die Frauenstrophen meist Phantasien der Sänger sind, so
wird man dieselben bei Reinmar, wenn sich in ihnen die Neigung der
Dame ausspricht, nicht ohne weiteres in ein niederes Verhältniss zurück-
weisen, oder gar diesem Dichter absprechen dürfen.
Im Übrigen ist der Charakter Rugges kräftig, und trotzdem er
im Minnedienst kein Glück hat, wird er doch nicht dauernd trübselig.
Während Reinmar in seiner Trauer zeitweilig eine komische Figur
ward, findet sich bei Rugge keine Spur davon, daß er irgendwie dem
Spott verfallen sei. Schon von diesem Gesichtspunkt aus erregt es
Bedenken, wenn Schmidt das Lied 191, 34 Rugge zuspricht cf. 192,
14. Doch darüber später. Dem einfachen schlichten Rugge fällt es
auch nie ein, sich irgendwie seiner dichterischen Begabung, seines
„Könnens" zu rühmen, während der sonst so vielfach verzagte Reinmar
gerade hierin viel Selbstbewußtsein zeigt. Reinmar meint lange Zeit,
er müsse durch seine „rede" endlich doch die Herrin gewinnen und als
er sieht, daß sie ihm nicht helfen kann, droht er sogar^ er wolle nun
überhaupt nicht mehr singen. Schmidt hat mit Recht hervorgehoben,
daß sich in der Sprache Rugges viel volksthümliche Wendungen finden;
so bewahrt er auch treu die Anknüpfung der Stimmung an die Farbe der
Jahreszeit. Dafür aber ist er auf der andern Seite auch wenig productiv;
weder ist er reich an originalen Anschauungen und Bildern, wie Mo-
rungen, noch ist er tief in der Schilderung seiner Gefühle wie Reinmar.
Die sprachlichen EigenthümUchkeiten Rugges zu schildern hal-
ten wir für überflüssig, da wir mit den Ausführungen Schmidts im
Wesentlichen einverstanden sind. Einzelnes wird bei der Kritik der
Lieder seine Stelle finden.
Von den in MF Rugge zugetheilten Liedern schreibt Regel 103, 3
Reinmar zu; Haupt schwankt, welchem der beiden Dichter die in dem
Ton 109^ 9 f. gedichteten Strophen angehören. Wir besprechen zunächst
109, 9 f. Die handschriftliche Überlieferung bevorzugt Reinmar, doch
können bei ihrem Schwanken nur innere Gründe den Ausschlag geben.
Unter Reinmars Namen hat A 3 Strophen, E 5 Strophen, C 6 Strophen,
aber zwei zu gleicher Zeit unter Rugges Liedern, B endlich bringt
3 Strophen unter Hüsen. Haupt bemerkt in den Anmerkungen mit
78 R. BECKER
Recht: „von geringem Gewichte ist es, daß 100, 12 so saelic man ge-
rade wie hier Z. 33 steht.
Der Dichter geht davon aus, daß ihm die Sommerfreude unmög-
lich sei, weil er verleitet sei auf einen lieben Wahn, „den ich noch
leider unverendet hän". Von eigentlicher Naturschilderung findet sich
hier nichts, nur wird der Sommerzeit als der Zeit der Freude gedacht;
trotzdem scheint es Schmidt, daß der Eingang gegen Reinmar spreche.
Freilich ist bei diesem die Form des Gegensatzes von Naturgefühl und
Minneempfindung die übliche, aber daß er über den Einklang beider
ironisch spotte (169, 14 ich hän mc ze tuenne danne bluomen klagen),
bestreiten wir. Es ist ihm bitterer Ernst damit. Wo das Gefühl un-
glücklicher Minne so sehr überwog, da mußte die Trauer über das
Verderben der Blumen bedeutungslos werden. Noch weniger können
wir in 188, 39 f. ironischen Beigeschmack entdecken ; vielmehr bestätigt
gerade die schwermüthige Stelle, aus der man die Liebe zu der bluo-
men schin und zu der vogelline sanc herauslesen kann, die populäre
Tradition, indem sie den Winter als die Zeit der Trauer auffaßt,
ez muoz mir staete winter sin , so rehte swaer ist min gedankt
155, 1 f. bestätigt Reinmar ausdrücklich, er sei früher der alten Auf-
fassung der Jahreszeiten treu gewesen; ebenso 165^ 1 f.: ich bin der
sumerlangen tage so vro. Zu diesen Stellen sind noch zwei andere
hinzuzurechnen, die freilich sehr abgeblaßt sind und deshalb von Schmidt
nicht beachtet zu sein scheinen, 158, 1 f. : wol ime, daz er ie wart ge-
born, dem disiu zit genaedeclichen hinne gät . . . wie deme nähet manic
wünneclicher tac; ich aber muß einsam trauern" — und 201, 19: wes
versürae ich tumber man mit grozer liebe schoene zit — wo man fi^-ei-
lich auch die schöne Zeit noch anders deuten kann. Ganz verfehlt
erscheint es, wenn Schmidt auch aus dem schönen Trauerlied auf Liu-
polt einen principiellen Gegensatz zur Tradition herauslesen will. Mit
dem Eingang „si jehent, der sumer der si hie, diu wunne diu si ko-
men, und daz ich mich wol gehabe als e. nu rätent unde sprechen,
wie" — scheide der Dichter sich selbst von den Andern, welche am
Frühling ihre Freude haben. Allerdings, aber man sehe doch auch
auf das Motiv; der Genosse der Sommerwonne ist der Dame — denn
diese spricht hier, nicht Reinmar selbst — gestorben. Gegen diesen
Grund läßt sich doch wohl nichts einwenden. Daneben aber wird die
Freude an der Sommerzeit nicht nur nicht principiell verworfen, son-
dern geradezu anerkannt. Der Sommer heißt: wunneclichiu zit und
die Dame hatte sich Liupolt ze sumerlicher ougenweide erkom. Jeden-
falls dürfen wir demnach zweierlei für erwiesen halten, daß Reinmar
ÜnVAl KKINMAK VON HAfJENAlI. 79
seinen eigenen Worten 155, 1 gcmäii vor der Zeit der tiefsten Trauer
Naturgeftihl anerkannte und demgemäß wohl auch poetisch verwerthete,
sodann, daß auch während seiner Trauer der Gegensatz nicht princi-
piell, sondern nur durch die Verhältnisse bedingt war.
In 109, 0 f. ist der Gedankengang der ersten Strophe ganz der-
selbe wie in 158, 1 f. Ich wollte mich gerne des Sommers freuen,
aber um eines Weibes willen muß ich trauern. Wir haben hier echt
Reinmarisch die Form des Gegensatzes. Ebenso wenig kann der Aus-
druck zwene tage und eine guotc naht auffallen. Reinmar verschweigt
zwar manches, aber so zurückhaltend, wie Schmidt ihn zeichnet ist er
nicht. 176, 13: soll ich iemer lieben tac oder naht gesehen, daz muoz,
frouwe, an dir geschehen. 167, 8. 165, 17. 156, 25. 160, 14. 168, 8
152, 4.
Während wir so die Gegeninstanzen abweisen oder vielmehr ge-
radezu für uns in Anspruch nehmen können, spricht Sprachliches und
Sachliches übereinstimmend für Reinmar.
Ohne großes Gewicht, aber doch erwähnenswerth, ist es , daß
Reinmar auch 190, 11 die Verbindung lieber wän hat. Bedeutungs-
voller schon scheint der Ausdruck 109, 11 zu sein: do rieten mine sinne
daz . . . Bei Rugge findet sich nur in dem angefochtenen Lied 103, 11
ein entsprechender Ausdruck: mir gap ein sinnic herze rät. Bei Rein-
mar sonst noch 159, 19 f.: der lip ratet, 152,39 ein wille riet mir,
169,28 und 188,27: daz herze raetet; Reinmars Stärke liegt, wie
Schmidt öfters richtig hervorhebt, in feiner Gefühlsaualyse; dem ent-
sprechen solche Ausdrücke, wie die eben erwähnten. Vor Allem richtig
aber ist, daß der Satzbau weit abweicht von der Einfachheit Ruggescher
Satzfügung. Wenn Rugge auch hier und da kunstvolle Perioden bildet,
so stehen sie bei ihm doch vereinzelt, während sie hier durch eine Reihe
von Strophen durchgehen. Conditionaler Ausdruck ist sehr bevorzugt.
Die ganze dritte Strophe ist conditional gefaßt. Ausrufe mit Inversion,
wie V. 23 liebt Reinmar so sehr, daß wir Beispiele nicht anzuführen
brauchen; doch findet sie sich auch bei Rugge im Ganzen fünfmal
98,8 und 21; 102,21; 107,12; 108,19; ebenso ist die oratorische
Frage v. 30 ganz in Reinmars Manier, wie Schmidt p. 42 nachweist,
bei Rugge findet sie sich etwa viermal. Auch Parenthesen wie v. 25
hat Reinmar nicht gerade selten in seiner mittleren und späteren Zeit,
so 170, 14. 190, 9. 195, 33. 202, 8. 20 — während der einfache Satz-
bau Rugge's dafür kein Bedürfniss und keinen Raum hat; 99, 19 wird
kaum als Parenthese empfunden.
80 K. BECKER
Diese an sich schon entscheidenden Gründe werden noch durch
ein sachliches Moment verstärkt. Der Dichter des Liedes hofft v. 18 f.,
wenn er nur ungestört mit der Dame reden könne, so werde er sie
schon gewinnen. Wir haben schon hervorgehoben _, daß das ein echt
Reinmarischer Zug ist, während sich bei Rugge nichts Ahnliches findet.
Reinraar kommt immer wieder auf diesen Punkt zurück. 170, 22 meint
er, er müsse es entgelten, daß sie seine klagende Rede selten ver-
nommen habe, also ganz wie hier. Er beklagt 153^ 28 und 32, daß
er vor Schüchternheit nicht habe reden können. Nachdem er dann
abgewiesen ist, wünscht er, daß ein anderer seine „rede" hätte 157,
21 f. u. s. w.
Es spricht demnach so Vieles für Reinmar, daß wir nicht umhin
können, dies Lied als gesichertes Eigenthum unseres Dichters zu betrach-
ten. Dasselbe gilt von den übrigen Strophen dieses Tones. Zum Anfang
von 109, 36 ist 156, 27 f. zu vergleichen. Den Schluß findet Schmidt
unreinmarisch. Reinmar ziehe sich von der Welt zurück, in der Rugge
Ehre und Lob suche. Diese ; wie wir glauben, gänzlich irrige Auf-
fassung des Charakters unseres Dichters werden wir noch besprechen;
einstweilen citiren wir zur W^iderlegung 150, 10 f. 152, 32. 198, 30.
202, 25. Auch 192, 20 f., ein unzweifelhaft echtes Lied Reinmars, wie
wir später sehen werden, gehört hierher.
Der Wechsel 110, 8 f. paßt ganz gut in den Anfang der Minne
unseres Dichters (cf. den zweiten Theil). Die Dame warnt den Ritter
er möge sich hüten, daß ihr nicht „maere" komme, wie recht unstät er
sei. waer er min eigen denne, ich lieze in vri. Es ist dem Ritter
damit eigentlich nicht viel verheißen, aber er freut sich doch der guten
Aussicht. Die beiden Strophen sind durch Responsion verbunden; daß
das nur scheinbar gegen Reinmar spricht, werden wir bei Besprechung
der Kreuzlieder dieses Dichters zu zeigen suchen. Da das Lied ver-
hältnissmäßig früh gedichtet zu sein scheint, tritt die spätere Eigen-
thümlichkeit Reinmars noch nicht so stark hervor, als in 109, 9 f., doch
ist sie auch hier schon zu erkennen. Die Dame motivirt sorgsam
ihre Vorsicht, ebenso der Ritter seine Fröhlichkeit, und zwar mit dem
bei Reinmar in causalem Sinn überaus häufigen sit. Conditionale
Fassung des Ausdrucks v. 12 und 23. Auch die Warnung vor un-
staete war bei diesem Dichter wohl angebracht, wie 174, 27, 197, 26
und 160, 12 beweisen. Bei Rugge findet sich kein Hinweis auf frühere
„unstaete". Auch 152, 15 f. warnt die Dame vor Untreue: böte, nu sag
me niht me wan mir ist leide und fürhte des, sich scheide diu triuwe der
wir pflägen e. — Wenn dennoch auch vieles für Reinmar spricht, so
IJHElf HKlNMAIv' VON IIA(;HNAn. gl
halten wir (loch nur den einen Grund für entscheidend, daß der Wech-
sel in demselben Ton wie 101), IJ gedichtet ist.
Während wir bei den bisher betrachteten Stropiien zu einem
bestimmten Uesultat gchino-ten, kommen wir bei 103, 3 f. über den
Zweifel nicht hinaus. B crüfthet mit dem Lied die Strophen Rugges,
C führt es unter Rugge und Rcinmar, also doppelt auf, A kennt
3 Strophen unter Sevcns Namen. Gegen Reinmar kann man nicht die
einfache Syntax ins Feld führen, denn gerade bei diesem Dichter läßt
sich ein Fortschritt von ganz einfachem zu verwickeltem Periodenbau
nachweisen. 154, 5 und löH, 10 sind in dieser Beziehung so einfach,
wie 103, 3 auch. Das Lied müßte dann in die Jugendzeit des Dich-
ters fallen, und ein Jugendgedieht scheint es nach der ganzen Art, wie
die noch durch keine trübe Erfahrung geschwächte Hoffnung sich aus-
spricht; ein Jugendgedicht Rugges von 4 Strophen aber ist an sich
sehr unwahrscheinlich. Im einzelnen ist zu bemerken, daß Rugge den
sonst durchaus nicht seltenen Ausdruck nähen bi oder nähen für „an
oder im Herzen" vielleicht aus Zufall nicht gebraucht; es ist das aber
gerade eine Lieblingswendung Rcinmars 150, 1. 151, 38. 188, 9 und 32
und öfters. Auffällig ist 187, 23: Keiner sprach von wiben nie so
nähen und 154, 11: näher dan in dem herzen min. — 103, 11: mir gap
ein sinnic herze rät; über das Herze, das Rath gibt, haben wir schon
gesprochen. Das Beiwort sinnic aber scheint so recht der sich selbst
beobachtenden und lobenden Art Reinmars zu entsprechen. Er ge-
braucht es 153, 24. 192^ .52 und 9, und zwar auch als Beiwort zu herze.
Schmidt spricht zwar dies Lied Reinmarn ab, aber mit so ungenügenden
Gründen, daß wir nicht anstehen, es hier schon als diesem Dichter
angehörig zu citiren. Reinmar gebraucht das Substantivum „sin" eigen-
thümlich, ohne nähere Bestimmung 150, 10: ein man der sinne hat. —
103, 19 min lip vor liebe muoz ertoben; ähnlich 181, 24 wan daz ge-
danke wellent toben. Schmidt schreibt das Ki'euzlied Rugge zu , wir
Reinmar; je nachdem man sich dort entscheidet, gewinnt der eine oder
der andere eine nicht unrichtige Parallele. — v. 25 ich bin noch staete
als ich ie pflac. Reinmar freilich hebt 197, 26 hervor, er sei jetzt
staete, während er es früher nicht war. Es wäre aber denkbar, daß
die Beschränkung 173, 2: sit daz ich ir künde alrerst gevie — im
Sinne des Dichters hinzuzunehmen wäre. Oder das Lied könnte einem
früheren Minneverhältniss angehören. Wirklich bedenklich aber ist,
daß v. 20 und 22 wip und lit aufeinander reimen. Bei einem Dichter,
der in der Zeit seiner völligen Reife noch die ahd. Parti cipialform ot
verwendet, kann man in der Jugend vielleicht auch noch einen solchen
OEKMANIA. Neue Reihe X. (XXH.) Jahrg. Q
82 R. BECKER
unreinen Reim begreifen. Eine bestimmte Entscheidung aber überlassen
wir andern und zwar um so mehr, da wir die von Regel angezogene
Parallele 182, 18 und 19 nicht gelten lassen, denn dies Lied müssen
wir Reinmar absprechen.
Wir gehen nun, dem Gange, den uns Schmidt vorzeichnet, fol-
gend, zu einer Besprechung der zweifellos echten Lieder Reinmars
über. Dann werden wir die Züge, in denen Schmidts Charakteristik
unseres Dichters der Ergänzung oder der Berichtigung zu bedürfen
scheint, zusammenstellen.
Nach einigen Erörterungen über die Handschriftenfrage begründet
Schmidt die Ansicht, MF 150 — 152, 24 enthalte Reinmars älteste, einem
früheren Liebesverhältniss angehörige Lyrik, p. 33: Wir müssen Lieder,
die einer früheren Epoche, der Jugendzeit des Dichters angehören, von
der ungleich größeren Zahl deren scheiden, welche sti'eug höfisches
Gepräge tragen und ein ohne Liebesgenuß verlaufendes Verhältuiss be-
handeln, p. 122 wird dann ausdrücklich Bartsch und Regel zuge-
stimmt, daß diese frühere Minne eine niedere gewesen sei.
Daß Reinmar allerdings vor seiner ersten Minne noch ein oder
mehrere Verhältnisse gehabt hat, ist zweifellos ; wir werden das im An-
fang des zweiten Theiles näher besprechen. Es fragt sich aber, ob die
Lieder 150, 1 — 152, 24 auf eine niedere oder auf die vornehme Dame
der hohen Minne zu beziehen sind. Daneben hat noch eine dritte An-
sicht Raum, daß dieselben einer gemäßen Minne gelten.
Betrachten wir die betreffenden Lieder näher. In dem prisliet
150, 1 f. singt und sagt der Dichter die Ehre der Geliebten; er selbst
ist von frischem, idealem Streben erfüllt: ez wii't ein man der sinne
hat vil lihte saelic unde wert, der mit den liuten urabe gät, des herze
niht wan eren gert. Solche ritterliche Ehre war aber doch nur bei
hoher Minne zu gewinnen. Auf hohe Minne weist auch, daß der Dichter
von dem ntt der Leute redet und daß er die Geliebte als seines Her-
zens Königin feiert.
In den folgenden Wechselliedern ist die früher hervorgehobene
Eigenthümlichkeit zu bemerken, daß die Frauenstrophen sämmtlich
die entschiedene Neigung der Dame voraussetzen, während die Stro-
phen, in denen der Dichter selbst spricht, zum Theil Zweifel verratheu.
Am wenigsten tritt das noch hervor in dem ersten Wechsel 151, 1 f.
Die Dame sehnt sich nach dem Ritter: bedachte er baz den willen min
s6 waere er zallen ziten hie, als ich in gerne saehe. Aus der Gegen-
strophe sehen wir, daß der Ritter an die Liebe der Herrin glaubt:
ÜBER REINMAK VON HAGENAU. 83
mir ist geschehen daz ich niht bin langer vro wan unz ich lebe. Das
sieht aus, als ob ilim Alles gewährt worden sei und doch könnte das
Ganze auch nur Ausdruck seines Optimismus sein, der au eine kleine
Gunst die größten Hoffnungen knüpft. Jedenfalls mahnt das spätere
Bekenntniss, daß er nach wslne gesungen habe zur Vorsicht. Sehen
wir, was sich aus den folgenden Strophen ergibt.
In 151, 17 tritt der Abstand der beiden Strophen von einander
deutlich hervor. Gnade sucht sein Dienst nun schon manchen Tag. Er
hat also noch nichts erreicht. Echt optimistisch fährt er fort: ich weiz
wol daz si mich lät geniezen miner staete. Also niedere Minne ließ
sich Reinmar so sauer werden? Die Unsicherheit dieser Hoffnung auf
Lohn, denn mehr hat er ja nicht erreicht, tritt recht auffüllig in der
nun folgenden oratorischen Frage hervor, mit der dieselbe begründet
wird : wa naeme si so boesen rat, daz si an mir .... missetaete. Die
Frauenstrophe ist ganz anders gehalten. Die Dame versichert den Ritter
ihrer völligen Hingabe: „wes er mit rehter staete vro, ich sage im
liebiu maere, daz ich in gelege also, mich diuhte ez vil, ob ez der
keiser waere." Wie reimen sich die beiden durch Responsion ver-
bundenen Strophen zusammen , wenn nicht die Frauenstrophe ein
Phantasiebild ist, in dem der Dichter als wirklich darstellt, was er
wünscht und vielleicht auch hofft?
Bei der Besprechung von 151, 33 f. bemerkt Schmidt, es sei ihm
nicht klar, warum im Minnesangs Frühling die Strophen B 6 und 7 eine
Umstellung erfahren haben. Dieselbe ist wohl nicht unpassend erfolgt,
weil am Ende von B 6 ein liebez maere angekündigt ist, das dann
B 8 gleich selbst folgt. Eine Beziehung auf das maere des vorigen
Wechsels scheint nicht so nahe zu liegen. Dem Ritter sind in diesem
Lied zwei Strophen zugetheilt, der Dame nur eine. Sehr bezeichnend
ist, daß beide den gleichen Gedanken aussprechen, nämlich daß jedes
um die Treue der andern sorgt. 152, 1 : wil diu schoene triuwen pflegen
und diu guote, so ist mir also wol ze muote als der bi vrowen hat
gelegen. Damit correspondirt v. 21 f. : böte nu sag imc niht me wan
mir ist leide unde fürhte des, sich scheide diu triuwe der wir pflägen e.
Wenn die Dame wirklich so gesprochan hätte, wäre gar nicht die Rede
davon, daß sie mit der Herrin der späteren Lieder identisch wäre, aber
sie kann nicht so gesprochen haben, weil sonst in dem Gedicht ein
schreiender Widerspruch bestünde. Wäre Reinmar wirklich ein solches
maere zugekommen, er hätte um triuwe nicht zu sorgen brauchen,
Entweder ist also das ganze maere eine Fiction, oder, was uns wahr-
scheinlicher ist, irgend ein freundUches Wort ist ihm von der Dame
6*
84 «• BECKEH
zugekommen, das aber nicht genügte, seine Besorgniss zu heben, also
auch nicht mit dem Inhalt der Frauenstrophe 152, 15 identisch sein
kann. Zum Beweis, daß unser Lied sich nicht auf die spätere Minne
beziehen könne, führt Schmidt 166, 20 an: wan ich noch nie den boten
gesach der mir ie brachte trost von ir, wan Icit und ungemach. Der
Widerspruch ist nur dann wesentlich, wenn wir den Inhalt der Frauen-
strophe für baare Münze nehmen. Ein freundliches Wort, das beim
Beginn des Minneverhältnisses Bedeutung hatte, sofern es auf weiteres
hoffen ließ, konnte später, nachdem die Hoffnung sich nicht erfüllt
hatte, in seiner Nichtigkeit erkannt werden und ganz zurücktreten.
Wir fassen nun unser Urtheil über die vier Lieder kurz zu-
sammen.
Das prisliet 150, 1 feiert mit großer Wahrscheinlichkeit die vor-
nehme Dame der späteren Lieder. Ob dies auch bei den drei andern
Liedern der Fall ist, bleibt ungewiß. Der Inhalt nöthigt, da die Frauen-
strophen unzuverlässig sind, uns nicht, sie einem ersten Vcrhältniss im
Gegensatz zu dem lang dauernden zweiten zuzuweisen. Wir werden später
sehen, daß auch sonst Anzeichen dafür vorhanden sind, daß jenes einen
scheinbar glückverheißenden Anfang gehabt hat. Daß Reinmar sich
manchmal vielleicht in gutem Glauben den Schein gegeben hatte, als
sei er begünstigt, beweist die wichtige Stelle 180, 1 f.: ich was mines
muotes ie so her, daz ich in gedanken dikke schone lac. Das hatte
Gelegenheit zu falschem Gerede gegeben; er fährt daher fort: daz
wart mir, und wart och mir niht mer. swer daz äne rede niht geläzen
mac, der tuet übel unde sündet sich. — Einem niederen Verhältniss
sind die drei Lieder jedenfalls nicht gewidmet. Eher könnte man an
gemaeze minne denken und 160, 12 f. bietet dafür auch einigen Anhalt.
Aber es scheint uns die Nöthigung zu dieser Annahme zu fehlen.
Mögen Andere hierüber entscheiden; wir jedenfalls sind bis jetzt zu
einem sicheren Urtheil nicht gekommen, wenn wir auch einstweilen
daran festhalten, daß die drei Lieder in den Anfang der hohen Minne
fallen. Daß zwischen ihnen und den späteren ein Unterschied besteht,
verkennen wir nicht, aber die hohe Minne Reinmars nahm in ihrem
weiteren Verlauf einen ganz anderen Charakter an, als im Anfang.
Die folgenden Lieder bis 180, 27 bedürfen einer so genauen Be-
sprechung wie die bisherigen nicht. Wir heben nur da etwas hervor,
wo wir gegen die Ausführungen Schmidts Einsprache erheben müssen,
oder wo es gilt, spätere Schlüsse vorzubereiten.
154, 5 ff., 3 Strophen, in A und C erhalten. Das Lied gehört
sicher zu den früheren, cf. v. 17 und 18. Die Klage ist so gut wie
CfBEK REINMAR VON PfAGICNAlI 85
gar nicht vortreten. Auf den hyperbolischen Ausdruck v. 1 1 liaben wir
schon früher aufmerksam gcnnicht. Das Gedicht ist uns besonders
dadurch merkwürdig, daß sich die spätere Eigenart des Reinmarischen
Stils noch nicht erkennen läßt. Di(; Sätze sind meist einfache Aus-
sagesätze, wie sie Hugge kaum einfacher hat. Von einer Neigung zu
Antithesen, zu lebhaften Ausrufen u. s. w. findet sich nicht die Spur.
Auch in 150, 1 f. uiul 151, 17 ist die Syntax noch sehr einfach, wäh-
rend in 151, 33 die spätere antithetische Manier sich bereits in mehreren
Beispielen kundgibt, cf. v. 37 und 38; 152, 10 und 12.
15G, 10. Schmidt hält es für wahrscheinlich, daß das Lied dem
ersten Liebesverhältniss zuzuweisen sei. Daß dem Dichter der Muth
sich wie ein Falke erhebt, weist auf hohe Minne hin, cf. 180, 10,, wo
dasselbe Bild von hoher Minne gebraucht ist. Trotzdem am Schluß
die Worte: owol mich danne langer naht! wie künde mich verdriczen?
Das Gedicht ist sehr frisch, die Satzbildung aber auch hier sehr einfach.
Ein besonderes Interesse für uns hat 167, 31 f. Da Leopold in
den letzten Tagen des Jahres 1194 starb, so steht für die Abfassung
dieses Gedichtes der Sommer 1195 fest. Der Ausdruck ist frischer als
in irgend einem andern Lied. Die Dame hatte sich Liupolt ze sumer-
licher ougenweide erkorn_, er war ihr auch aller vröuden herre. — v. 12.
miner wunnen Spiegel. — v. 8. min heil an sime libe lac. — Die Werlt
ist personificirt. Wir sehen an diesem Liede^ wie frisch Reinmar da-
mals noch sein konnte, wo er doch schon einige Jahre der Herrin
scheint gedient zu haben. Der Satzbau wenigstens hat schon vielmehr
Reinmarisches Colorit, als in den beiden vorigen Gedichten.
Schmidt verwirft hier mit Recht die Annahme von Haupt und
Bartsch, die zwei letzten Strophen seien von der Frau Werlt ge-
sprochen, cf. V. 26: der ist nun hin. was töhte ich hie? Die letzten
zwei Strophen legt er einer Dame in den Mund. Warum nicht alle
drei? Durch nichts ist ein Wechsel der sprechenden Personen ange-
deutet, also ist wohl des ganze Lied im Sinn einer klagenden Dame
gesprochen.
Zu 154, 32 f. bemerkt Schmidt p. 37 : „ein anderer verläßt die
Dame, welche seinen Bitten eine beharrliche Weigerung entgegensetzt
und sucht sein Glück bei anderen Frauen. Nicht so Reinmar." Auch
hier wfrd unser Dichter ins Schwarze gemalt. Er thut, was die anderen
thun, nur vielleicht etwas auffälliger. Hüsen, Johansdorf, Morungen,
Rugge, sie alle scheinen mit ihren Bitten nichts erreicht zu haben,
doch es ist von keinem zu erweisen, daß er sich daraufhin wirklich
zu andern Damen gewandt habe.
86 R. BECKER
Zu 154, 5—31 hciüt es p. 43: „in A scheint hier ein Liederbuch
zu Ende zu gehen, denn Strophe 34 beginnt „swaz icli nu niuwer maere
sage". So wird auch p. 46 das Lied 166, 16 an der Spitze des Cyclus
von der rede gestellt wegen des crniuwet. Ebenso wird p. 64 der
Vers: nu muoz ich ie min alten not mit sänge niuwcu unde klagen
zu dem Beweis verwerthet, daß dort ein neues Liederbuch beginne.
Warum die aber gerade an dem niuwe zu erkenuen sein sollen, ist
nicht recht ersichtlich. Das wäre nur dann denkbar, wenn die Lieder-
bücher wirklich genau der Chronologie folgten, was aber Schmidt p. 45
selbst bestreitet. Man könnte dann sagen, der Dichter habe eine Zeit
lang geschwiegen und sei dann, indem er eine neue Serie von Liedern
begonnen habe , unwillkürlich auf den Ausdruck niuwe gekommen.
Aber in den Handschriften und demgemäß auch wohl in den zu Grunde
liegenden Liederbüchern sind die Lieder willkürlich zusammengestellt,
oder nach einem Princip, das nicht erweislich schon in der Intention
des Dichters lag. Da nun die Stellung der Lieder gewiß vielfach eine
zufällige war, kann aus dem niuwe auch auf den Anfang eines Lieder-
buches nicht geschlossen werden. Wunderlich und auf die Spitze ge-
trieben klingt es, wenn gar gefolgert wird, von Bligger sei in BC nur
der Anfang eines Liederbuches erhalten, weil die erste Strophe beginnt:
min alte swaere die klage ich für niuwe. Morungeu singt 145, 17 f.,
es habe ihm geträumt, daz verblichen süle ir mündelin so rot. des hän
ich nu niuwer klage begunnen . . . Daß ein solches Lied nun aber auch
an die Spitze einer Sammlung gestellt werden mußte^ ist nicht zu
erweisen.
155, 27. Lachmauns formale Bedenken gegen das Lied bleiben
bestehen, aber der Grund, den Schmidt hinzufügt, das Duett passe
weder in Reinmars früheres, noch in sein späteres Verhältniss, bedeutet
wenig. Die beiden Strophen widersprechen sich und würden, wenn
man die Frauenstrophe nicht als poetische Fiction faßt, in gar kein
Verhältniss passen. Was den Inhalt anbelangt, so könnte das Gedicht
recht gut in die frühere Zeit der hohen Minne fallen. Auch Regel
p. 169 vertheidigt das Lied; die Frauenstrophe stellt er zu den drei
vorausgegangenen Strophen,
Schmidt verläßt p. 45 die in den Handschriften und demgemäß
in MF herrschende Anordnung, „welche keine historische ist", und
greift eine Reihe von Liedern heraus, die ihm nach deutlichen An-
zeichen auf einander zu folgen scheinen. In der Anordnung der
Lieder können wir ihm nicht immer zustimmen, doch gehen wir
ÜBER REINMAR VON HAGENAU 87
daraul' nicht weiter ein, da wir im zweiten Tlicil darlegen, welche An-
ordnung wir für die richtige halten. Nachdem dann sänimtliche Lieder
bis 180, 27 l)ehandelt sind, schließt sich an die Besprechung derselben
eine Erörterung über die geistigen Eigenthüraliclikeiten des Dichters.
Ein zusanimeni'assendes Urthcil M'ar allerdings nothwendig, denn die
folgenden Strophen stehen meist nur in C, sind also schwach bezeugt,
da diese Handschrift neben zweifellos Reinmarischc ebenso zweifellos
Ruggesche Strophen gestellt hat. Daher sind wir denn bei der Kritik
der einzelnen Lieder vorwiegend auf innere Gründe angewiesen.
Die Charakteristik Reinmars war schon durch gelegentliche Be-
merkungen vorbereitet, so p. 50 zu der Stelle 163, 7 f.: daz lop wil
ich daz mir beste und mir diu kunst diu werlt gemeine gebe, daz
niht mannes kan sin leit so schone tragen. Dazu bemerkt Schmidt:
„Er sucht also etwas in seiner Klage und sein Schmerz ist kein tief-
gefühlter, denn er trägt ihn zur Schau." Und p, 54 heißt es: „Er stellt
den Satz auf, daß ohne Sorge und Kummer niemand wert, d. h. inter-
essant sei. Aber indem dies Schlagv/ort als Parole ausgegeben wird,
öffnet man zugleich gekünstelter Empfindung das Thor" — und weiter
unten: „Er will traurig sein, weil es zum höfischen bon ton gehört."
Wenn diese Urtheile begründet sind^ so ist es keine Frage, da(i man
sich bisher in der Beurtheilung Reinmars gründlich geirrt hat. Nament-
lich aber ist zu verwundern, daß Walther und Gotfried, die sich doch
beide auf wahre Poesie verstanden, so gründlich irrten. Zwar könnte
auch ihr Blick durch die einmal herrschende Mode geblendet gewesen
sein, doch ermuthigt immerhin ihre Autorität, die Sache noch einmal
zu prüfen. Durch das Interesse der Sache halten wir es für gerecht-
fertigt, wenn wir uns auf den Charakter Reinmars und seine Stellung
zum Minne dienst etwas genauer einlassen.
Was an dem Miunedienst besonders auffällt, ist die Sitte, daß man
hohen und vielfach auch verheirateten Frauen diente. Gerade dieser
Umstand ward für die ganze Richtung verderblich. Denn indem der
Ritter die Vorstellungen, welche vom Lehensdienst galten, auf den
Minnedienst übertrug, glaubte er sich durch treuen Dienst ein klares
Recht auf Lohn zu erwerben und dieser Lohn war kein anderer, als
vollständige Hingabe der Dame. So eigenthümlich berühren sich hier
ideale und sinnliche Momente. Im Interesse der vornehmen Frauen
aber lag es, daß die Ritter für ihre Dienste sich mit idealem Lohn be-
gnügten. Ausnahmen mögen ja oft genug stattgefunden haben, auch
mag, wie Scherer treffend bemerkt, nicht minder die Sitte, als die
Sittlichkeit das Verhalten der Frauen im einzelnen bestimmt haben.
88 K. BECKEK
„in ist licp daz man si staeteclichen bite, und tuot in doch so wol daz
si versageut" — so zeichnet Reiunaar das von ihm so hoch gepriesene
schöne Geschlecht jener Tage; ähnlich Vridank 100, 24 f. bei Grimm,
I. Auflage. Aber welcher Art auch die Motive gewesen seien, jeden-
falls suchten die Frauen stürmisches sinnliches Begehren fernzuhalten.
Klar und deutlich spricht das ein Lied des trefi'lichen Johansdorf aus,
MF 93, 12 f. Der Ritter klagt dort der Frau seinen Kummer, aber
damit fährt er übel ; v. 20: wo, was sagent ir tumber? ir mugent iuwer
klage wol läzen sin. Dabei verhehlt sie ihre Neigung für den vil
lieben man durchaus nicht , aber sie weiß : werte ich iuch , des hetet
ir ere; so waere min der spot. Und als er nun betrübt fragt, ob denn
sein Singen und sein Dienst ohne Lohn sein solle, antwortet sie klug:
j,iu sol wol gelingen: äne Ion so sult ir niht bestän." „wie meinent ir
daz vrouwe guot?" „daz ir deste werder sint und da bi hochgemuot."
Diese Dame ist das Urbild vieler gefeierten Frauen. Der Dienst des
Ritters war die Freude und Ehre der Frau, aber der Lohn, den sie
gewährte, war meist nur geistiger Natur.
Das Lied Johansdorfs aber führt uns noch auf ein zweites Mo-
ment, und hier treten wir in entschiedenen Gegensatz zu Schmidt; die
Dame verlacht die Klage nnd wünscht den Ritter fröhlich zu sehen.
Ganz allgemein kann man sagen, Fröhlichkeit, nicht Trauer galt als
Vorzug und als das eigentlich höfische. Es war das gesellschaftliche
Dogma jener Zeit, daß wahre Freude nur im Minnedienst zu erwerben
sei, ebenso wie daß man die Gunst der Frauen nur durch Fröhlichkeit
erwerbe; „mit zühten gemeit" — wie Walther sagt, das war die Losung
der höfischen Gesellschaft. Den Jungen ruft dieser Dichter zu: junger
man, wis hohes muotes dur diu reinen wol gemuoten wip. In dem
Lied 43 nach Lachmann schildert die Dame den Mann, der Frauen
wohl behagt: wer übel und gut erkennt, von Frauen das Beste sagt,
dem sind sie hold. „Kan er ze reh*e euch wesen fro und tragen ge-
mtiete ze raäze nider unde ho, der mac erwerben swes er gert." Solcher
Stellen könnte man aus Walther, Ulrich von Lichtenstein und a. v.
eine ganze Menge ausheben. Es wird geradezu als ein Zeichen des
Verfalls von Walther angesehen, daß die jungen Leute nicht mehr
fröhlich sind, daß sie nur noch sorgen können. Dem gegenüber ist
die Behauptung hinfällig,- daß Reinmar der Mode zu Liebe getrauert
habe. Derselbe rühmt an Herzog Liupolt 168, 2 als etwas ganz be-
sonderes, man habe ihn keinen einzigen Tag traurig gesehen. Auch
wünscht seine Dame gerade wie die Johansdorfs, daß er anstatt zu
klagen „wol nach fröiden" singe 189, 14. Weil demnach die Trauer für
iJBEH HEINMAI{ VON IIAOKNAU. S<)
unliöfisch galt, so suchte man sie zu verberf^cn. Bci'ngcr von Horheim
115, 16 f. Blioger 118, 10. Auch Walther verhehlt sein Leid und hebt
mit dem Bewußtsein, daß er damit der guten Sitte ein Opfer bringe^
hervor: während manch anderer Mann, der nicht den halben Schaden
hat, trauert, so gebäre ich gelichc als ich si der fröiden riche.
Der ritterliche Frauendienst trug durch die inneren Widersprüche,
die in dieser Richtung lagen, schon von vorn herein den Keim der
Vernichtung in sich und würde auch ohne den Verfall des politischen
Lebens bald entartet sein. Die Sitte verlangte von dem Kitter Fröh-
lichkeit und doch mußten gerade die treusten Anhänger des Frauen-
dienstes zuletzt am meisten in trübe Stimmung verfallen, weil ihre
Wünsche nicht erfüllt Averden konnten. Am besten ging es wohl den
glatten höfischen Gesellen, welchen die Minne überhaupt nicht tief
ging. Sie mochten wohl ein Liedlein von ihrer Sehnsucht singen,
blieben dabei aber guter Dinge, weil sie den Frauendienst als eine
angenehme Unterhaltung, ein Spiel ohne innere Wahrheit betrachteten.
So sagt Reinmar selbst von seiner früheren Zeit 157, 11: ich wände
ie ez waere ir spot, die ich von minnen grözer swaere horte jehen
und man meinte ebenso von seiner Liebesklage, sie sei nur ein Scherz
166, 11. Diese Leute, denen es nach Reinmars Ausdruck nicht „nä zc
herzen" ging, scheinen schon früh ziemlich zahlreich gewesen zu sein
(118, 10) und es liegt in der Natur der Sache, daß sie immer zahl-
reicher wurden. Zu den besseren und tiefereu Naturen aber, die ehr-
lich an das Dogma glaubten, bis sie durch böse Erfahrungen irre
wurden, zählen wir die meisten älteren Minnesinger. Manche von
ihnen wandten sich zuletzt enttäuscht von der hohen Minne ab, wie
Walther, Wolfram, Hartman: andere, die dazu nicht die Kraft hatten,
verfielen ganz in melancholisches Trauern, imd zwar um so mehr, je
inniger und begeisterter sie vorher die neue Richtung in sich aufge-
nommen hatten. Zu diesen Naturen ist vor allem Reinmar zu zählen.
Reinmar hatte wie Walther in der Jugend sich niederer Minne
hingegeben, aber seine sinnige, ideal gestimmte Natur war wie ge-
schaffen für den Frauendienst und so ergriff er denn, nachdem er
einmal in dem Streben, ein werther Ritter zu werden, auf die neue
höfische Sitte eingegangen war, dieselbe mit voller, tiefer Begeiste-
rung. Sein tief angelegtes, innerliches Wesen spricht sich eigenthümlich
darin aus, daß er oft bemerkt, wie viel ihm die Gedanken zu schaffen
machen. 174, 24: nie wart groezer ungemach danue ez ist der mit ge-
danken umbe gät. 151, 33. 163, 18. 161, 24 f. (von Schmidt Rugge zu-
geschrieben). So sehr aber der Frauendienst auch bei ihm auf idealem
90 K. BECKER
Grunde ruhte, so hielt er doch an der Auffassung fest, daß treuem
Dienst sein Lohn gebühre — 189, 35. 190, 23. 173, 34. 174, 23. Unter
diesem Lohn verstand er wie seine Zeitgenossen völlige Hingabe der
Herrin. Dem widerspricht nicht, daß er gelegentlich, um den Herrn
der Dame zu besänftigen, erklärt : und kan ich anders niht gewinnen,
c daz ich äne ir liuldc si, ich wil ir güete und ir gebaerde minnen.
Aber auch in ganz späten Gedichten kehrt die Bitte um Lohn wieder
— 109, 10, cf. 201, 30; ja er beruft sich sogar darauf, daß die Pflicht
und Ehre der Dame es erheische, ihn zu lohnen — 151, 23. 190, 18.
Reinmar nimmt demnach in dieser Beziehung keine andere Stellung
ein als die übrigen Minnesinger und es ist irrig, Avenn Schmidt ihn
von den anderen isolirt. Vergleicht man unsern Dichter mit Walther,
so wird man finden , daß derselbe viel genügsamer ist und sich meist
schon mit einem guten Gruß begnügen will.
Da ihm nun sein Dienst anstatt Lohnes den Zorn der Herrin
zuzieht, so verfällt der für höfische Sitte so begeisterte Dichter in ganz
unhöfische Trauer. Er kann seinen Kummer, so sehr er darnach strebt,
nicht verbergen und wird so seinen Genossen zum Spott 158, 12. 165,
14. 166, 27 u. ö. Trotz der melancholischen Schwernmth aber, in die
er verfallen ist, liebt der Dichter noch immer die Freude und sehnt
sich beständig nach ihr. Er ist 158, 7 nach Freude verdaht; der
Dame wirft er 155, 23 vor: si was ie mit fröiden und lie mich in den
sorgen sin. 168, 2 rühmt er anLiupolt dessen Fröhlichkeit, cf. 170,7 u. a.
Der Stellen, welche beweisen , daß er in der That die Freude, nicht
die Trauer für höfisch hielt, sind so viele, daß wir einzelne nicht
weiter ausheben wollen. Es ist daher nur schwer begreiflich, wie
Schmidt hierin so ganz irren konnte. Daß die frohe Stimmung ver-
hältnissmäßig so selten wirklich hervortritt, begreift sich leicht aus
seiner Lage. Zwar ging es auch andern so , aber die wußten sich
leichter damit abzufinden. Daß er sich aber so ganz unhöfischer Klage
hingab, das zieht ihm vielfach Spott zu. Er mußte sich gegen die
Spötter 158, 14 vertheidigen : waz sprichet der von fröiden, der de-
heine hat? und 165, 12 klagt er, daß die Freunde seine ewige Klage
verdrießt; weil dieselbe im Sinne der Zeitgenossen durch sein Geschick
nicht genügend motivirt war, erzählte man sich wohl, daß er „ze spotte
künne klagen" — 166, 11. Auch 175, 8 erwähnt er des Vorwurfes, er
künne niht wan klagen; doch könne er nicht anders; sehe er aber
gegen Abend einen kleinen Boten , so solle niemand vor Freuden
besser gesungen haben. Das sieht doch nicht aus, als ob die Trauer
höfisch wäre.
ÜBER RETNMAR VON HAGENAU Ül
Olnvuhl <l(!r JJicliter mil der Siltc, wie wir salicn, in ColÜHion kam,
so wurzelte er docli aucli wieder so fest in derselben, daß er ihr ge-
mäß sein Leid, so gut es anging, zu verbergen suchte. Es ist w(»hl
etwas Selbsttäuschung dabei, Avcnn er 164, 3 singt: daz truoc ich also
daz min uugebaerdc saeh vil lützcl iemen cf. 115, <), 118, KJ. Er
glaubt sein Leid mit zühten zu tragen, d. h. so, daß es iiichl so auf-
fällig hervortritt. Besonders wichtig, ja geradezu entscheidend ist 164,
o7: nu muoz ich fröide nocten mich dur daz ich bi der wcrlte si.
Solchen Stelleu gegenüber läßt sich die Auffassung, das Trauern habe
für höfisch gegolten, nicht halten. Ein leichter melancholischer Anstrich
mochte vielleicht nicht schaden, aber das eigentliche Lebeuselement
der höfischen Gesellschaft war die Freude. Weil nun aber die Trauer
Reinmars weder seiner Natur an sich, noch den Fordei'ungen der hö-
fischen Sitte entsprang, sondern in der Colli sion beider ihren Grund
hatte, so konnte, wenn diese in den Hintergrund trat, der Dichter auch
einmal fröhlichere Weisen anschlagen. Wir haben gesehen, da(> er
uns in den früheren Liedern viel kräftiger entgegentrat, als in den
Klageliedern. Aber auch in diesen fehlen nicht Spuren von heiterem
Scherz, so 1.59, 37 f. Das ganze Lied 176, 5 trägt sehr helle Farben.
168, 30 klingt frisch und kräftig. Wir sehen aus dem natürlichen und
kräftigen Auftreten, das er hier bekundet, dal^ er nicht immer der alte
Greiner geblieben ist. In dem Lied 171, 32 f. ist der Gegensatz des
verzagten Ritters und der streitfertigen Dame höchst humoristisch.
Wir haben nun den Standpunkt gewonnen, von dem aus wir
Schmidts Beurtheilung Reinmars zu betrachten haben. 198, 35 : man
sol sorgen : sorge ist guot ; äne sorge ist nieman wert — scheint frei-
lich dem, was wir über höfische Sitte gesagt haben, zu widersprechen.
Aber das ist nur Schein. Der Dichter hat unter der Sorge das Ge
gentheil von dem verstanden, was Schmidt darunter versteht^ denn er
fährt weiter fort: wol mich iemer daz min muot des so striteclichen
gert daz mich noch gemachet vro — und 199, 6 heißt es: swaz ich
noch gesorgen sol, des kum ich mit fröiden hin. w^er hat liep an arebeit?
Die Sorge, von der Reinmar spricht, ist das eifrige Streben im Minne-
dienst. Dieses macht ihn wert, d. h. nicht interessant, sondern der
Anerkennung würdig ; wert = lobelich. Die Stelle wird beleuchtet
durch 110, 6: swes muot iedoch zer werlte als der mine stät, ich waene
er menege sorge umb ere hat. Auch sagt Rugge 102, 1 f.: ich was vil
ungewon des ich nu wonen muoz, daz mich der minne baut von sorgen
lieze iht fin. Er wollte also ebensowenig als Reinmar diese Sorge
missen. Vollständig verkannt aber ist die Meinung des Dichters, wenn
92 K. BECKER, ÜBER REINMAK VON HAGENAU.
p. 50 zu 163, 5 f. bemerkt ist, der Schmerz Reimnars gehe nicht tief,
denn er trage ihn zur Schau; er rühmt sich im Gregentheil, daß er sein
Leid so gut zu verbergen wisse, denn das muß nach den oben ange-
führten Parallelen 164, 7 und 38 das schone tragen bedeuten. Der
Vorwurf manierirter Empfindung läßt sich demnach durch diese Stelle
nicht begründen. Ähnliche Vorwürfe hatten schon einzelne Zeitge-
nossen, welche für die Tiefe seiner Leidenschaft kein Verständniss
hatten, gegen den Dichter erhoben — 165, 19 f. Mit Entrüstung ver-
theidigt er sich und sehließt mit einer Berufung auf den Wortlaut
seiner Lieder : swer nu gibt, daz ich ze spotte künne klagen^ der läze
im mine rede beide singen und sagen unde merke wä ich ie spreche
ein wort, ezn lige e i'z gespreche herzen bi. Kein anderer Minnesinger
hat so bestimmt wie Reinmar das Bewußtsein, daß er nichts gemach-
tes, conventionelles , sondern sein innerstes Empfinden gibt, cf. 157,
11 f. 187, 23. 197, 3 f.; 175, 34 sagt er von seinen Liedern schön:
nieman könde si von lüge gesprochen hän, erne hete als ich getriuwen
muot cf. 189, 7 : waz touc mir ein also verlogenz maere^ daz ich
ruomde mich von alsG fremeden dingen. Die äul>eren Verhältnisse, in
denen er stand, waren nicht gesund^ aber die Art, wie er sie auffaßte
und in seinen Liedern darstellte, entsprang mit Nothwendigkeit aus
seiner Natur und darum ist sie charakteristisch und Avahr.
Das zeigt sich uns auch von anderer Seite aus, Schmidt führt
aus, Reinmar entferne sich in der Verwerfung des typischen Einganges
mit Naturschilderung ganz von der gewöhnlichen Auffassung. Den
Gegensatz zur populären Tradition geben wir zu , wenn wir auch
leugnen, daß derselbe principiell war. Wie kommt nun aber dieser
Reinmar, der sich doch sonst so sklavisch an die Mode binden soll,
dazu, sich hier in so scharfen Gegensatz zu ihr zu stellen? Darauf
gibt es nur eine Antwort. Auch in seinem Minnedienst ist er kein
Modemensch, sondern nimmt eine Ausnahmestellung ein. Keinem ist
der Frauendienst so nahe gegangen und darum fand auch bei keinem
eine so schneidige Verwerfung der traditionellen Naturempfindung statt.
Das beweist uns aufs neue, wie wahr Reinmar empfand und wie ent-
schieden er alles herkömmliche verAvarf, sofern es mit seiner Stimmung
nicht im Einklang war. Daraus aber werden wir auf der anderen
Seite auch schließen dürfen, daß sich der Gegensatz zur Tradition
Avieder verlor, sobald die Stimmung eine andere wurde. Wir glauben
nun im folgenden nachweisen zu können, daß dem Dichter in der That
die beiden Kreuzzugslieder gehören und daß sich an den von ihm
mitgemachten Kreuzzug ein Umschlag der Stimmung anknüpfte. Dem-
LITTEKATUll: (' ( !A1J>EN1{H1{(J, 1.AYAMON UND OKM tJ3
nach \V(!rclen wir uns aucli niciit wiuulcvn, wenn wii- liiiflcn. fla(^ er
hie und da mit der Natur sympathisirt.
Auch darin erkennen wir Reinmars Eigenart, dal> er, gauz mit
seinen Gefühlen bcschäf'tipjt , Bilder und Gleichnisse fast ganz ver-
schmäht. Er sieht viel mehr in sich hinein, als aus sich heraus. Wir
erfahren nicht einmal ganz allgemeine Züge von seiner Herrin; er
preist nicht ihre Augen, ihren Mund u. s. w. , aber gerne spricht er
von ihrer und aller Frauen Tugend und Ehre. So entwickelt er sich
in seiner dichterischen Eigenart ganz von innen heraus und hat, was
man von den wenigsten Minnesingern sagen kann, einen bestimmten
dichterischen Charakter.
Und wie in seiner dichterischen Anlage, so hat er auch als Mensch
bestimmte Züge. Voll Selbstbewußtsein blickt er auf seinen Werth
als Dichter, auch seinem moralischen Vorzüge im Vergleich mit seinen
Gegnern, seine Treue, Dienstwilligkcit u. s. w. hebt er mitunter
stark hervor — 198, 2. 169, 26. Seine ehrliche, naive Offenheit macht
zuweilen einen fast komischen Eindruck — 175, 24. 152, 32. Da er
mit der Herrin nicht selber fertig wird, bittet er alle Welt um Rath,
oder er klagt, daf.N ihm keiner rathe. Im übrigen ist er emptindlieh
gegen andere, in seiner Stimmung durch die Verhältnisse leicht alte-
rirt; Neben tiefer Verzagtheit über die Fruchtlosigkeit seines Dienstes
finden sich doch auch Spuren, daß er dem Spott mitunter festen Trotz
entgegensetzte. 169, 33 f. 169, 2. 158, 20. 180, 6.
(Schluß folgt.)
LITTERATUR.
C. Callenberg : Layamon und ( )rm nach ihren Lautverhältnissen verglichen.
[Jenenser Doctordissertation.] Jena 1876. 74 SS. 8".
Bei einer so jungen Wissenschaft, wie es die altenglische Philologie noch
immer ist, haben wir, glaube ich, noch mehr als sonst die VerpHichtung, auch
Erstlingsschriften, die Stoffe aus diesem Gebiete behandeln, liebevolle Aufmerk-
samkeit zu widmen ; legen dieselben doch mindestens erfreuliches Zeugniss ab
von dem stetig zunehmenden Interesse für ein früher recht vernachlässigtes
Arbeitsfeld. Dies Interesse für die Sache will ich auch dem Autor der vor-
liegenden Abhandlung gewiss nicht absprechen. Indessen wii-d jeder, der den
Titel derselben liest, zuerst fragen, wie diese Darstellung sich verhält zu den
entsprechenden Partien in Kochs Grammatik, ßd. I. Es ergiebt sich da, daß
Herr Callenberg, im Gegensatz zu Koch, nicht vom ags. Lautbestande ausgeht,
94 LITTERATUR: C. CALLENBERG, LAYAMON UND ORM.
sondern von dem, welchen er in beiden Denkmälern vorfindet, eine Methode,
die zwar bei einer Behundlung- der neuenglischen Vokale und Consonanten in
Rücksicht auf ihre Entstehung am Platze ist, wo wir es mit einem fertigen
Gebäude zu thun haben, bei Orm und Layamon aber, die nur ein Stadium
in der Spracheutwicklung repräsentieren, durchaus unpraktisch erscheint, und
nur zu lästigen Wiederholungen Anlaß giebt. So hat z. B. der Verlauf des
ags. y, des i- Umlautes von u, an drei verschiedenen Stellen (§. 4, 2, §. 5, 2,
und §. 6) bespi-ochen worden müßen. Was im Übrigen die Zusammenstellungen
Callenberg's anlangt, so bieten sie, wenn ich das strengere Auseinanderhalten
des Sprachgebrauches in den beiden rass. L's und die größere Fülle von Bei-
spielen ausnehme, im Verhältuiss zu Koch, der im Verlaufe der Arbeit nicht
ein einziges Mal citiert wird, so gut wie gar nichts Neues, ja zuweilen finden
wir bei Koch Fragen angeregt, die Callenberg ganz auf sich beruhen läßt,
z. B. ob in sprang und wand das a bei Orm als lang anzusehen, (Koch §. 43)
oder das i in lililit (Koch §, 52) und das u in uss. Schlimmer ist, daß Herr
C. eine Anzahl grober Fehler gemacht hat. Vor allem weiß Herr C. nicht den Un-
terschied zwischen organischem ea, eä, eo, eo einerseits und den ebenso geschrie-
benen Vocalverbindungen, deren e nur graphischer Natur und durch voraufge-
hendes c oder g verursacht ist, andererseits. In Folge dessen stellt er zeate
und zeaf zu earmes und heard (§. 15, 3); in sceome soll eo für ags. a
stehen etc. — §. 12, 4 wird bemerkt, ü statt ags. 6 zeige Layamon in einigen
pluralibus präteriti ablautender Verba, und als erstes Beispiel gullen^Lay. A 18317
angeführt; Herr C. scheint zellen mit galen, gol verwechselt zu haben, weil
sich neben gullen in A zollen in B findet; die Doppelconsonanz hat ihn nicht
stutzig gemacht! ea in leaden, Lay. A. 358 soll ein Beispiel sein für fortge-
setzte Brechung von a, wo dieses im ags. noch stand (§. 15, 1); die Stelle
lautet: .... )iat he heom wolde leaden | out of ))ane leoden = that he would
lead them out of the country; leaden ist also offenbar = ags. la?dan; Herr C.
scheint an ags. hladan gedacht zu haben. Als Beweis für das Vorkommen
von eo bei Lay. an Stelle von ags, a wird (§. 16, 2) u. a. aufgeführt: leode
A 1203, B. 828. Die erstere Stelle heißt: . . . and ledan mine leoden | to ane
wnsume londe = and lead my people to a winsome land ; hier dürfte leoden
= ags. leöd, Volk, sein; B v. 827 f. lautet: ich wole Jiisne king | leode mid
Uli seolue := I will lead this king with myself; also leode = laeden, wie A
wirklich bietet. Beide Beispiele sind also falsch. — Warum ist feola Lay.
A 405, von feola A 1286 getrennt (§. 16. 1 und 3 1? §. 1, 5 meint Herr C,
die Beispiele, wo bei Lay. a für die Brechung eo stehe, wie in am A 461,
ham B 46, fale B 405 etc. seien so selten, daß sie als Schreibfehler angesehen
werden könnten. Bei Orm komme ein solches a nie vor. Nun kommt fale bei
Lay. selbst öfters vor, z. B. A 1286, auch später bei Hob. of Gl. u. sonst;
ham findet sich z. B. in der Ancren Riwle, p. SO*^" als Dativ, p. 8^ als
acc. , und amm kommt bei Orm sehr oft vor. Von Schreibfehlern kann also
gar keine Rede sein. In buggc soll j ganz ausgefallen sein (p. 50) ; bekanntlich
ist aber bugge ^= ags. bycgan :^ goth. bugian; j ist also nicht ausgefallen,
sondern hat sich dem voraufgehenden g assimiliert. Endlich finden sich auch
manche Unebenheiten im deutschen Stil oder im Druck; p. 16 heißt es: „Durch
e ersetzen dann beide noch zum Theil der Brechungen ea und eo" etc.;
p. 36 : „Dagegen unterscheidet sich das ö Layamon's von demjenigen Orms,
LTTTERATUR: P. STRAUCH, DER MARNER. 95
als ersteres nuiiiontlicli in Jüngern Texte aucli für ä gebraucht wird:" p. 18: Als
ä tritt, wie schon bisweilen im ags., % auf bei Layamon'" ftc.
Durch diese und ähnliche Arbeiten soll , nach des Verfassers Meinung,
die Frage, aus welchen Dialecten sich nach und nach die Schriftsprache gebildet
habe, ihrer Lösung näher geführt werden (p. 7 f.). Am Schluße der allgemeinen
Einleitung sagt Herr C. : „Wenn daher der Verfasser eine solche Bearbeitung
der Quellen in Angriff" nimmt und dieselbe zunächst mit einer vergleichenden
Ijautlehre der grüßten und sprachlich am meisten charakteristischen Denkmäler
der beginnenden englischen Sprache, des Brut Layamou's und des Ormulums
beginnt, hoft't derselbe zur historischen Grammatik keinen unwesentlichen Bei-
trag zu liefern." Ich wage die gegentheilige Behauptung, man sollte auf Grund
von Arbeiten, die einen so geringen wissenschaftlichen Fortschritt bezeichnen,
wie die vorliegende, ein Doctordiplom nicht verleihen.
BRESLAU, im Juni 1876. E. KÖLBING,
Der Marner. Herausgegeben von Philipp Strauch (Quellen und Forschungen
XIV). Straßburg 1876. Trübner. 8. 18G S.
Die erste kritische Bearbeitung sämmtlicher dem Marner zugeschriebenen
Lieder und Strophen. Dem Texte voraus geht eine sorgfältige Einleitung, in
der die Zeugnisse für das Leben des Dichters untersucht, seine Sprache, sein
Stil, seine Bedeutung als Dichter erörtert und die handschriftliche Überlieferung
kritisch geprüft wird (S. 1 — 79). Dem Texte (S. 81 — 141) folgen Anmer-
kungen (S. 142 — 184), die von fleißiger Leetüre und umsichtiger Beobachtung
Zeugniss geben. Von neuen Ergebnissen für das Leben des Marners ist na-
mentlich der überzeugende Nachweis des Prälaten von Maria Saal, Heinrich,
hervorzuheben. Zu einzelnen Stellen der Einleitung wäre etwa noch folgendes
zu bemerken. In dem Spruche Rumelants (S. 3) muß in Z. 9 den statt dem
gelesen werden; die Schlußzeile der Strophe ist in zwei Zeilen zu zerlegen,
wie schon der Eeim (schallen : vollen) beweist. In dem Spruche des Meisner
(S. 4) halte ich rat nicht mit Lexer, dem Strauch folgt, für prät. von raden,
sondern für das adj., schnell'. — Wenn der Herausg. S. 14 die Annahme
verficht, daß uns in C 1 — 35 'eine Auswahl der verschiedenen jugendlichen
Bestrebungen des Dichters vorliegt', und als Stütze dafür die Lücken nach Ton
IV, V und X anführt, so kann ich dem nicht beistimmen. Allerdings geschah
die Aufzeichnung in C nach einem bestimmten Princip\ In der Zeit, wo C
geschrieben wurde, war die ungleiche Strophenzahl eines Liedes (3 oder 5)
so zur Regel geworden, daß der Sammler, wo er seine Vorlage dagegen ver-
stoßend fand, gewöhnlich einen freien Raum ließ. Und das ist bei den drei
genannten Tönen der Fall. Von den beiden ersten fand C je vier Strophen,
von dem dritten zwei Strophen überliefert und ließ daher in allen Fällen Raum
für eine Strophe frei, in der Hoffnung, die vermeintliche Lücke, die aber gar
nicht vorhanden ist, aus einer anderen Quelle zu ergänzen.
Zu dem Sprachlichen bemerke ich, daß die Durchführung der neutralen
Form die statt diu auch mir nicht berechtigt erscheint, wie Strauch selbst
(S. 70) gefühlt hat. Zu dem S. 71 angeführten Reime kewen : zewen (= ze
iioen) oder keim: zeun stellt sich das bei Wolfram (zu Parz. IX, 1929) zwar
nicht im Reime vorkommende, aber durch den Vers und die handschriftliche
Überlieferung bezeugte sewen oder seun.
96 LITTERATUR: P STRAUCH, DER MARNER.
Ich gehe zu einzelnen Stellen des Textes über. I, 20. 22 setzt Strauch
statt hoch : flöch, wie beide Hss. haben, ho : fln, wegen des ßeimes ho : fro XIII,
58; aber ho für hoch brauchen viele alemannische Dichter, während von flo
für floch Weinhold (S. 198 f.) kein einziges Beispiel anführt. Es wird also
Doppellorm ho und hoch anzuncluneu sein. — I, 4G wie snel ist eines äugen
blic , so snel ist da ze Josaphat des algerihtes ende. Die Interpunction zeigt,
daß Str. aufgefaßt hat: 'ebenso schnell wie der Blick eines Auges ist, ebenso
schnell ist . Allein dann könnte nimmermehr ivie stehen, wie ist fragend , es
ist nach hlic also ein Fragezeichen zu setzen , wir haben hier dieselbe Aus-
drucksweise wie bei Wolfram, Parz. 3, 8
wie staete ist ein dünnez is,
daz ougestheize sannen hat?
ir lop vil ba'.de alsus zergät;
oder im Winsbecken 52, .5
wie zieret golt den edeln stein?
also tuont wäriu wort den lip.
— IV, 3 ist die Interpunction wohl zu ändern und nach meien ein Punkt zu
setzen ; tanzen unt springen aber ist aufzufassen : "^laßt uns tanzen und springen"
und mit /;• megede zu verbinden. Strauchs Interpunction ist nicht geradezu
falsch, aber der Strophenbau macht die von mir vorgeschlagene wahrscheinlich.
— IV, 23 ist überliefert daz si ir armen friunt iht versmähen-^ Str. streicht
armen und schreibt iht müge versmähen, mit einer für das Mhd. bedenklichen
Bedeutung von müge. Der Fehler liegt nur in versmdhen, wofür versmähe zu
schreiben; dagegen ist 26 zu ändern in daz den al sm saelde vergähe! —
V, 30 niemans ist schwerlich richtig; sioachen kann nicht den gen. regieren,
der Schreiber hatte ein Wort wie spotten, schimpfen im Sinne. Es ist nieman
zu lesen. — VI, 19 ist beidemal sioes statt ices zu schreiben. — VII, 11 die
Analogie zwischen dem Schluß des Abgesanges und dem der Stollen zeigt daß
die letzte Stollenzeile in zwei zu zerlegen ist:
swer den winter trüric was
und ouch ich,
und daß daher nicht, wie Str. annimmt, der letzte Fuß im Stollen ein Anapäst
ist. — X, 1 5 ist die von der Hs. gebrauchte Form adonis nicht anzutasten ;
es ist Zusammenziehung aus aedonis, die ja auch griechisch vorkommt. Der
Vers aber verlangt nur sechs Silben. — XII, 5 schreibt man besser da ist
fröude an ende unde an ort, denn der Hiatus zwischen ende unde ist statthafter
als zwischen ane ort. Die Hs. hat also an ort ganz richtig geschrieben. —
XIIT, 32 hat man nicht nöthig vil gar zu streichen; es ist zu lesen den Eve
uns hräht vil gar an alle schidde, was auch dem Auftakte der entsprechenden
Zeilen mehr angemessen ist. — XIII, (30 st'igende : sigende ist bei einem Lyriker
ein bedenklicher Reim ; es wird stigent : sirjent zu lesen sein. — XIII, 65 ist
natürlich lange lebende zu schreiben. — XIV, 55 sä in C zu ändern sehe ich
keinen Grund ein. — XIV, 125 heizez aus t gegen CD aufzunehmen ist be-
denklich; es ist zu schreiben dine zeher unt dm weinen; auftaktlos sind auch
V. 106. 170. — XIV, 195 ist wohl swer des (statt daz) houhet sach zu lesen.
— XIV, 212 ist irrthümlich beine statt bein geschrieben. — XIV, 221. Die
Ergänzung nd ist dem Verse entbehrlich und hat keinen rechten Sinn. Man
LITTKKATUR: E. VOIGT, ECBASIS f!AI'TIVl. 97
lese diz bispel knmet den ze mäzen. — 253. Die Ergänzung -nü ist auch hier
nicht geschickt; denn mit swer wird man es der Wortstellung wegen nicht
verbinden dürfen. Die Correctur iihersorgen in C ist sicherlich das richtige,
und ergibt eine noch nicht belegte Coniposition mit sorgen. In der fol-
genden Zeile ist der ^ das nicht bloß C hat, wie die Lesarten angeben, zu
streichen bedenklich; die Tilgung verstößt ganz gegen den Stil der altdeutschen
Poesie. Der Auftakt steht auch V. 238. — 259. wol zu ergänzen ist über-
flüssig; man schreibe vollerecken. — XV, 32; auch hier ist wol keine glückliche
Ergänzung. Ich glaube es wird zu lesen sein miigg nnde hremcn , rnit einer
mhd. sehr häufigen Freiheit, daß das in collectivem Sinne gebrauchte Wort im
Singular steht. — XV, 37 das beliebte der für daz er. anzubringen war hier
gar kein Grund ; man lese daz erz also siht. — XV, 46 ist zmde zu lesen :
154 sinr oder S!«>c; 245 ist, da 'mensche ja. ebenso gut neutr. sein kann, eine
Änderung nicht noth wendig. — XV, 294 ist die stärkere Änderung durch Um-
stellung der Worte zu vermeiden; lies und wirt nach viure lebende wider] der
Artikel ist vom Schreiber hier ebenso zugefügt wie XV, 304,
Eine Anmerkung vermißt man zu VIII, 28 über die vorgenommene Text-
ergänzung. Das Nachschlagen der Anmerkungen würde erleichtert worden sein,
wenn oben auf der Seite der betreffende Ton angegeben wäre.
Von Druckfehlern sind mir begegnet nickt II, 42. IIT, 26. IV, 30. wüst-
enunge XIV, 164. tnil statt vil XV, 18.
Der Herausgeber hat durch vorliegende Arbeit seine Befähigung zu kri-
tischer Behandlung altdeutscher Dichter erwiesen und wir sehen daher seinen
weiteren Veröffentlichungen mit gutem Vertrauen entgegen.
K. BARTSCH.
Ecbasis Captivi, das älteste Thierepos des Mittelalters Herausgegeben von
Ernst Voigt (Quellen und Forschungen VIII). Straßburg 1875. VIU,
150 S. 8.
Die Ecbasis ist, seitdem J. Grimm sie 1838 in den Lateinischen Ge-
dichten des X. und XI. Jahrhunderts herausgab, zwar mehrfach zum Gegen-
stande der Forschung gemacht worden , und namentlich der Nachweis der von
dem Verfasser benutzten und ausgeschriebenen Dichter hat seit Grimm erfreu-
liche Fortschritte gemacht; aber an einer neuen das Ganze umfassenden kriti-
schen und litterarhistorischen Behandlung fehlte es. Und doch verdiente die
Ecbasis dieselbe, schon weil sie das älteste xxns erhaltene wirkliche Thierepos
ist. E. Voigt, der schon 1874 in einem Berliner Gymnasialprogramm haupt-
sächlich vom metrischen Standpunkte die Ecbasis behandelt und schon dort für
eine kritische Neubearbeitung sich befähigt gezeigt hatte, ist seitdem mit einer
solchen hervorgetreten. Die Hs. A ist für diesen Zweck aufs neue genau
coUationiert worden, während B trotz der zugegebenen Unabhängigkeit von A
nur verglichen wurde. Das ist zu bedauern; denn wenn doch einmal eine
neue Ausgabe geliefert wurde, so mußte sie auf erschöpfender Benutzung der
beiden erhaltenen Hss. beruhen. Der Mangel ist inzwischen ergänzt worden,
indem E. Grosse in den Wissenschaftl. Monatsblättern 1875, Nr. 7 die zweite
Brüsseler Hs. herangezogen hat.
GKRMANIA. Neno Reihe. X. (XXTT.) Jahrg. 7
98 LITTEKATUK: E KÖLBING. ENGLISCHE STUDIEN.
Die ausführliche Einleitung gibt ein lebendiges und aut guten Studien
fußendes Cultuibild vom westfijlnkischeu Klosterleben an der Scheide des 9.
und 10. Jahrhunderts, behandelt ferner Abfassung und Tendenz des Gedichtes,
die sich als eine satirische erweist, weiterhin die rhythmische Form, und weist
endlich die V. 852 — 906 überzeugend als eine Interpolation nach.
Die Textbehandlung ist eine sorgfältige und löblich conservative. Von
guten Besserungen hebe ich namentlich hervor vanam statt raram V. 39; ad
libitus (wegen des Reimes auf gavisvs) statt ad libitum V. 106; uiuida statt
innida V, 234; in ethera statt in ethere V. 236; decafie statt decanie V. 394;
ertim statt eum V. 559. Bedenklicher ist mir das pervlgilis mundi statt midti
der Hss. V. 577, mit der Erklärung sehr wachsam auf das Reine ; freilich
wird es schwer sein eine überzeugende Besserung vorzuschlagen, und Voigts
Bemerkung gßgen Grimm, der eine lÄicke vermutlietc, ist ohne Zweifel
richtig. V. 71 möchte ich lesen Voscuji in partibiis cdtvs. V. 133 scheint
mir die Änderung probat et statt ploret nicht ganz so unbedenklich wie dem
Herausgeber. Ich glaube ploret läßt sich vertheidigen: Die Überschreitungen
der Brüder sollen weinen nach Maßgabe der scripta patrum', deren Vorschrift
die nächste Zeile erläutert, heißt nichts anderes als: die Brüder sollen ihre
Überschreitungen unter Thräncn büssen . V. 285 hätte das in der Anmerkung-
erwähnte est statt eiil unbedenklich in den Text aufgenommen werden sollen.
V. 291 ist die Besserung fragrans statt flagrans nicht absolut nothwendig:
flagrans kann eine populäre Form des mittelalterlichen Lateins gewesen sein,
die auch dem altfr, flairer zu Grunde liegt.
Den Schluß bildet ein kleines Glossar, zu dem einiges aus altfranz.
Sprachgebrauche nachzutragen wäre , der hier insofern in Betracht kommt als
der Dichter der romanischen Sprachgrenze benachbart war. So zu delita la-
xare die Bedeutung von afr. laissier, 'erlassen ; zu pares afr. li per-^ zu ri-
patica frz. rivage\ tultus ist afr. tolt ^ toid. Auch didcor 257, forestaritis 97
hätten aufgenommen werden sollen.
K. BARTSCH.
Englische Studien. Herausgegeben von Dr. Eugen Kölbing, Docenten an
der Universität Breslau. I. Band. 1. Heft. Heilbronn 1877.
Gewiß können sich die Freunde der englischen Sprache und Litteratur in
England und Deutschland kein erfreulicheres Zeichen wünschen für das mehr und
mehr zunehmende Interesse an dem wissenschaftlichen Studium dieser Fächer,
als den Umstand, daß sofort nach dem Eingehen des vortrefflich geleiteten
„Jahrbuchs für romanische und englische Sprache und Litteratur", worin aber
das Englische nur verhältnissmäßig wenig Pflege fand, zwei wissenschaftliche
Organe ziemlich gleichzeitig ins Leben treten, welche diesem Bedürfniss abzu-
helfen bestimmt sind: eine regelmäßig erscheinende Zeitschrift „Anglia*' unter
der Redaction von Prof. VVülcker in Leipzig und die nicht an bestimmte Zeit
gebundenen, je nach dem vorliegenden Material zu veröffentlichenden „Englischen
Studien" unter der Leitung von Dr. Eugen Kölbing in Breslau. Der Gedanke
an ein derartiges Unternehmen lag, so zu sagen, in der Luft, und die Aus-
führung desselben wurde, wie Ref. versichern kann, auch noch von zwei andern
LITTKKATUK: E. Kol.HlNO. KNGLISCIIK STIIUIKN. 99
Seiten beabsichtigt; nur w;ir die Zuversicht für das Gelingen des Phins nicht
überall gleich groß. Auch Dr. Külbing trat zuerst nur schüchtern mit seinem
Unternehmen hervor und sprach in dem ersten Prospect der Verlagshandiung
die Ansicht aus, daß zur Begründung einer „Zeitschrift" für Englische Philo-
logie in Deutschland die Zeit nocii nicht reif sei. Wonige Wochen darauf er-
schien die Ankündigung der „Anglia". Wir sind der Ansicht, daß beide Unter-
nehmungen, die doch von vorn herein verschieden angelegt sind, sehr wohl
neben einander bestehen können und hoffen es zuversichtlich nach Durchsicht
des nunmehr vorliegenden ersten Heftes der „Englischen Studien''.
Die in den Prospecten angekündigte Mannichfaltigkeit des in den „Eng-
lischen Studien" den Lesern zu bietenden Stoffes, welcher „litterarhistorische
und grammatische Abhundltnigen aus dem Gebiete der gesammten englischen
Philologie, Abdrücke weniger umfangreicher Tex^;e, soweit solche unediert oder
schwer zugänglich sind, ferner Mittheilungen über Hss. und dgl.", ausserdem
„Recensionen und zusammenfassende Litteraturberichte" umfassen soll, ist schon
durch das erste Heft in einem ziemlich hohen Grade bewahrheitet worden, und dies
verdient um so mehr Anerkennung, als weitaus der größte Theil (169 Seiten)
des 186 Seiten starken Heftes von dem Herausgeber selber herrührt.
Betrachten wir jetzt den Inhalt desselben etwas näher.
Auf p. 1 — 16 gibt K. zunächst das Resultat seiner Collation des einzigen
auf der Bodleiana befindlichen MS. des Orinulum, eines der wichtigsten
Denkmäler neuags. Zeit, mit der von White besorgten Ausgabe (Oxford 1852).
welche nach der grossen Zahl der von K. beigebrachten handschriftlichen Be-
richtigungen viel iucorrecter ist, als man bisher anzunehmen geneigt war. Da
indeß unsere Kenntniss des Orm'schen Sprachgebrauchs im Großen und Ganzen
dadurch nicht wesentlich bereichert wird, so wird der Werth dieser Mittheilung
K.'s durch den Umstand etwas verringert, daß er nur eine einmalige Durch-
sicht der Handschrift vornehmen konnte , deren Ergebniss nach seiner eigenen
Angabe zum Zweck einer neuen Ausgabe nicht unbedingt ausreichend sein
dürfte.
Die folgende Arbeit K.'s betitelt „Die jüngere englische Fassung der
Theophilussage, mit einer Einleitung zum ersten Male herausgegeben" schließt
sich an an die Abhandlung des Verf.'s „Über die Fassungen der Theophilussage"
in seinen „Beiträgen zur vergleichenden Geschichte der romantischen Poesie
und Prosa des Mittelalters", Breslau 1876, p. 1 — 41. Zu den dort gebotenen
Untersuchungen liefert K. zunächst in der Einleitung dieses zweiten Aufsatzes
seiner „Englischen Studien" einige werthvolle Nachträge: namentlich werden
zwei dem Verf. neuerdings bekannt gewordene Versionen der Theophilus-Le-
gende, eine lateinische in Prosa und eine französische in Versen, beide im Brit.
Mus., in ihrem Verhältniss zu einander eingehend untersucht. Es stellt sieh
dabei durch Vergleichung längerer Proben, die der Verf. mittheilt, heraus, daß
die französische Version nach Vorlage der lateinischen abgefaßt ist und diese
zurückweist auf eine ausführlichere, jetzt verschollene Prosafassung, wodurch
der Verf. seine schon in dem ersten Aufsatz ausgesprochene Vermuthung be-
stätigt findet.
Der zweite Theil der Arbeit beschäftigt sich dann mit der jüngeren eng-
lischen Fassung der Theophilussage und dem Verhältniss der beiden Haupthand-
schriften zu einander, nämlich der Überlieferung in Cod. Harl. 4196 (womit
7*
lOO LITTERATITR: E KÖLBING, ENGLISCHE STUDIEN.
der durch Brand sehr beschädigte Cod. Cotton. Tib. E. VII genau überein-
stimmt) und derjenigen des Vernou MS. Der Text des Harl. MS. ist in einem
nordenglischen Dialect geschrieben, derjenige des Vernon MS. in einem süd-
lichen. Beide Fassungen sind von K. zum ersten Male in parallelen Columnen
veröffentlicht worden , weil sie , obwohl auf einen gemeinsamen Original-Text
zurückgehend, wie manche genau oder ziemlich genau übereinstimmende Stellen
beweisen, doch auf der andern Seite in Ausführung, Reim und Wortstellung
vielfach sehr beträchtlich von einander abweichen. Das Verfahren des Heraus-
gebers dürfte daher in diesem Fall als gerechtfertigt erscheinen, da die Ab-
weichungen der Handschriften von einander zu zahlreich und umfangreich sind,
als daß bloße Mittheilung der Varianten der einen Handschrift vom rein
praktischen Gesichtspunkte aus sich empfohlen hätte, namentlich aber, da bald
die eine, bald die andere Handschrift Stellen aufweist, welche — wie die Ver-
gleichung mit den andern mittelalterlichen Versionen des Stoffes ergab — dem
vermißten Original näher kommen, dessen Reconstruction bei der großen Ab-
weichung dieser beiden Handschriften — wenn nicht noch andere Texte der-
selben Dichtung aufgefunden werden — gleichwohl nicht möglich sein dürfte.
Diese große Verschiedenheit beider Überlieferungen ein und desselben Gedichts
ist nach meiner festen Überzeugung nur erklärlich dadurch, daß auch diese
mittelalterliche Dichtung ähnlich wie so viele andere, bevor sie in den uns
vorliegenden Texten handschriftlich fixiert wurde, nur durch längere Zeit fort-
gesetzte — zuweilen vielleicht durch eine schriftliche Aufzeichnung mehr ge-
festigte — vorwiegend aber mündliche Tradition der Spielleute so willkürlich
behandelt und entstellt werden konnte. Ich glaube für diese Behauptung un-
längst die nöthigen Belege beigebracht zu haben in meiner Ausgabe der Ver-
sion I der mittclenglischeu Alexiuslegenden bei der Besprechung der Handschriften
(Quellen und Forschungen etc., herausgcgcb. von B. ten Brink, W. Scherer,
El. Steinmeyer. Straßburg 1877. Heft XX, p. 8 — 12). Aus ebendemselben
Grunde, auf den K. nicht aufmerksam geworden zu sein scheint, halte ich es
für unzulässig, aus den Reimen absolut bindende Schlüsse ziehen zu wollen für
den Dialect, in welchem ein Gedicht ursprünglich abgefaßt worden sein soll.
Gerade die vorliegenden Texte der jüngeren Theophilus-Legende beweisen, wie
gewaltsame Veränderungen die mittelalterlichen Gedichte bei der Unsicherheit
der Überlieferung auch in Bezug auf die Reime erlitten , wie auch hier die
Spielleute nach Gutdünken ihrem unzuverlässigen Gedächtnisse nachhalfen oder
auch wohl — wie gerade die Texte dieses Gedichts an manchen Stellen er-
kennen lassen — mit Absicht corrigierteu. Wenn daher beispielsweise ein in
einem südlichen Dialect geschriebener, aber unzweifelhaft durch mündliche
Tradition beeinflußter Text mehrfache Midland-Formen und Reime aufweist, so
kann man doch daraus mit einiger Sicherheit nur den Schlul.N ziehen, daß die
Dichtung einige Zeit mündlich oder schriftlich in dem Gewände des Midland-
Dialects in Umlauf gewesen sein muß, aus dem sie dann ein südlicher Schreiber
oder Recitator, der aber nicht immer geschickt genug war, die fremden Formen
zu ändern — am wenigsten, wenn sie durch neue Reime ersetzt werden mußten
— in seinen Dialect übertrug. Die Original-Dielituug kann aber dabei sehr wohl
in einem ganz andern Dialect gesehrieben gewesen sein , als in demjenigen,
welchen die Handschrift im Großen und Ganzen aufweist oder in einzelnen
Wortformen vermuthen läßt, ganz abgesehen davon, daß auch der Dichter selber
LITTERATUR: E KÖLBING, ENGLISCHE STUDIEN. U)\
durch äußere Einflüsse irgendwelclier Art, ■/.. li. zeitweisen Aufuntliait iu einem
andern Landstrich, eine besondere Vorliebe für einzelne dieser Provinz eigcn-
thümliche Wörter und Wortfornien gefaxt haben kann. Ich halte demnach
die J?ehaui)tung K.'s, duB das Gedicht im Norden Englands entstanden sei und
schon aus iliesem Grunde die in nijrdlicher Sprache geschriebene Handschrift
H den Vorzug vor V verdiene, nicht für erwiesen. Meine Ansicht ist vielmehr
die, daß das Gedicht ursprünglich in einem Midland-Dialect abgefaßt wurde, aus
welchem es von H in den nördlichen, von V in den südlichen Dialect umge-
schrieben wurde. Es mögen hier einige Punkte hervorgehoben werden, welche
diese Annahme als die wahrscheinlich richtige erscheinen lassen können. Daß
die Dichtung nicht im Süden entstanden ist, geht allerdings aus verschiedenen
sprachlichen EigenthüinUchkeiten des Textes, so z. B. aus den Partie. Präs.-
Formen auf cmd (563, 575, G72), die zuweilen mit H übereinstimmen, zuweilen
von V in die Form auf -ißige geändert sind (559), mit ziemlicher Sicherheit
hervor.
V. 671/2 hat V sogar einen derartigen Reim mehr als H, nämlich in
den Versen:
and rillt jiere pect he sauh hire stände
in ])at stude he tvas eitere divellande
wohingegen H. liest:
and pare he made his wonig stede
and dioelled pare tili he war ded.
Wäre diese Lesart in H die ursprüngliche gewesen, so wäre schwer ein
Grund zu finden, weshalb der Schreiber von V diese Verse, welche ihm für
die Übertragung in seinen Dialect gar keine Schwierigkeiten geboten hätten,
durch die beiden andern mit den nördlichen, resp. Midland-Reimen, welche er
sonst nur nothgedrungen beibehält , ersetzte. Ebenso auffallend ist es , daß
ursprüngliches ags. u gewisser Wörter keineswegs durchgängig als a erhalten
bleibt, wie man doch bei einem ursprünglich im nördlichen Dialect abgefaßten
Gedicht erwarten sollte, sondern oftmals mit o wechselt.
So findet sich allerdings iu H im Keime die Form hathe (v. 243) ; im
Innern des Verses aber, wo eine Änderung nicht so sehr uothwendig war, in
der Regel die Form hoth (v. 8, 267, 470, 537, 683 etc.), selten dagegen hath
(446). Gerade so verhält es sich mit mare, welches nur in dieser Form im
Reime steht 173, 228, 685-, im letzteren Fall in Übereinstimmung mit V, also
wohl ursprünglich, wogegen im Innern des Verses meistens more angetroffen
wird (v. 666, 678, 721, 689). Auch die für den nördlichen Dialect charakte-
ristische Schreibung der Flexionsendungen : id, is, in statt ed, es, en ist keines-
wegs in H consequent durchgeführt worden, vgl. entred 264, 300; than-
ked 258; kneled 403, 550; dampned 408, 420; asked 442; dwelled 742 etc.;
dagegen heljnd 307, 322, 329, 432; fhankid 320 , 337; lifid 335; tendid
319; ke2)id 509; knelid 553; ivaknid 548; Äoj«rf 609 ; forsakin 449; takin
450; loretin 753; eyhen-liddis 750. Bemerkenswerth ist, daß die mit H
genau übereinstimmende, sehr beschädigte Handschrift T in den beiden letzten
von K. als variae lectiones beigebrachten Wörtern den Flexiousvocal e aufweist,
wie es auch noch in einigen andern Fällen mehr südliche Laute bevorzugt,
z. B. statt der Reime talde-calde in H v. 638, 639 in Übereinstimmung mit V
tolde-colde. Die von K. aus MS. T angeführten Lesarten sind nicht zahlreich
l()2 LITTERATUR: E. KÖLBING, ENGLISCHE STUDIEN.
genug, um von der Sprache dieser Handschrift eine klare Anschauung- ge-
winnen zu lassen. In den meisten Fällen weisen sie ;mf die Sprache des
Midland hin.
Die hervorgehobenen Punkte werden indeß ausreichen, das oben ausge-
sprochene Bedenken gegen K.'s Behauptung, daß das Gedicht im Norden
Englands entstanden sei, zu rechtfertigen, namentlich aber die These einzu-
schränken , daß die lautlichen und flexivischen Verliällnisse gewisser Wörter,
wenn sie im Reime stehen, allein hinreichend seien zur Bestimmung des Ent-
stehungsorts einer Dichtung, ein Beweismittel , welches übrigens ja auch K.
nicht für absolut zwingend erklärt (p. 35). Über das Alter des MS. H spricht
K. seine Ansicht nicht aus; die größere Weitschweifigkeit der Darstellung,
Versbau und Sprache lassen schließen , daß es jünger ist als V, namentlich
auch weist die größere Z.ahl französischer Wörter, die besonders auffallend wäre
bei einem ursprünglich in nördlicher Sprache abgefaßten Gedicht, darauf hin.
Docli in welchem Verhältnisse auch die beiden Texte zum Originale
stehen mögen , die Mittheilung beider muß in diesem Fall als ebenso zweck-
mäßig und richtig, wie dankenswerth bezeichnet werden. Auch machen die
beiden Abdrücke den Eindruck der Zuverlässigkeit. Einige Bedenken sind mir
aufgestiegen, abgesehen von unbedeutenderen Druckfehlern wie V, 201 Pe statt
pe, H, 726 opei- statt o]ier. In V wäre docli wohl v. 487 statt ernde zu lesen
gewesen erande im Reime auf favde, dsgl. v. 674 ivorld statt toold.
Die folgende Abhandlung K.'s betitelt „Zwei mittelenglische Bearbeitungen
der Sage von St. Patrik's Purgatorium" dürfte als die interessanteste und
werthvollste seiner „Englischen Studien" zu bezeichnen sein , wenn auch die
einleitende Vergleichung der verschiedenen in lateinischer, französischer und
englischer Sprache erhaltenen Versionen dieser Sage vielleicht in etwas anzie-
henderer Weise hätte durchgeführt werden können. Dafür entschädigt aber in
hohem Grade die detaillierte Genauigkeit der Untersuchung, welche freilich das
vorwiegend negative Resultat ergab, daß die verschiedenen französischen und
englischen Fassungen der Patrikslegende unter sich in keiner engeren Ver-
wandtschaftsbeziehung stehen. Von den drei bis jetzt bekannten englischen
Versionen der Sage war I schon früher veröffentlicht worden von Horstmann,
Altenglische Legenden. Paderborn 1865, p. 149 — 211. Version II und III
hat uns nun K. mitgetheilt, die letztere, jüngere zum ersten Male, II nach
einem Edinburgher, von ihm aufs Neue mit dem MS. collationierten Druck
vom Jahre 1837, der aber nur in S2 for 2^1'ivate distrihution bestimmten Exem-
plaren veröflPentlicht worden war. Diese Version II ist von besonders hervor-
ragendem Interesse wegen der vielen von K. hervorgehobenen innigen Berüh-
rungen derselben mit Dantes Divina Commedia, woraus K. den nahe liegenden
Schluß zieht, daß Dante die Patriks-Sage, deren Beziehungen zur Divina
Commedia übrigens schon früher im Allgemeinen bekannt waren, gerade in
dieser Gestalt lateinisch oder französisch gekannt habe, eine Vermuthung, deren
Richtigkeit von den Danteforscheru zu prüfen sein wird. Bei einer weiteren
Vergleichung der Version II von St. Patrilcs Purgatory mit den von Horstmann
aus MS. Laud 108 in Herrig's Archiv Bd. 52 veröffentlichten me. Gedichten
betitelt Die Vision des hl. Paulus und Die Sprüche des hl. Bernhard gelangt
K. aus inhaltlichen und sprachlichen Gründen zu dem Schluß, daß alle drei
Gedichte, die in demselben Versmaß abgefaßt sind, von ein und demselben
LITTIOKATUK: K. K(')LI{INO, KNULISCIIK STUDIEN. lo;{
Verf. lieiTÜlircii. Ohne uuf diesen l^unkt weiter eingehen zu wollen, kann ich
doch diis Bedenken niclit unterdrücken, daß die /aldrciclicn fast würllich über-
einstimmenden Steilen des Purgat. und der Vision Pauli doch nicht zu jenem
Schluß als dem einzig uiüglichen nüthigen, daß es viehnelir ebenso wahrschein-
lich ist, tun Dichter habe den andern benutzt, als daß ein und derselbe Dichter
sich in so geistloser Weise wiederholt haben sollte. Auch aus dieser Arbeit
mache ich auf einige Kleinigkeiten aufmerksam: p. 68, Z. 0 v. u. muß es heißen
inou^'. statt inouz, j). 115, v. 201 dore statt j/ure, p. 117, v. 359 euerych oun
statt eitery ehoun, p. 118 srneU statt .wutll im Keime auf /eZZ.
Die folgende längere Abhandlung beschäftigt sich mit der Überlieferung
und Quelle des uiittelcnglischen Gedichts Libiaus Dlsconus , wobei namentlich
die bisher wenig bekannte Papier-Handschrift XIII. B. 29 der kgl. Bibliothek
zu Neapel berücksichtigt wird. Dieselbe enthält auf 87 — 113 den Text jener
Dichtung, aus welcliem Köll)ing die von dem Ritson'schen Druck (ebenso wie
der Hippeau'sche nach Cod. Cott. Calig. A. II des Brit. Mus.) abweichenden
Lesarten mittheilt, indem er zugleich das Verliältniss der englischen Version
zu dem gleichnamigen altfranzösischen Gedicht des Renauld de Bcaujeu und zu
den einschlägigen Partien des Wigalois Wirnts von Gravenberg bespricht. Leider
ist dem Verf. das Mißgeschick begegnet, daß ihm die Furnivall sehe Ausgabe
jener mittelenglischen Romanze im zweiten Bande von Bischop Percys Folio
Manuscript ed. hy John W. Haies and Fred. .7. Furnivall. London 1868 „erst
zu Gesicht kam, als es zu spät war, seine Arbeit derselben anzupassen", ein
Umstand, den ich hier in seinem Namen erwähne, und der in diesem Falle um
so eher zu entschuldigen sein dürfte, als nahezu die ganze, mit emsigstem
Fleiße geförderte Arbeit für das erste Heft der „Englischen Studien" auf des
Herausgebers Schultern lastete. Auf das Verhältniss des von Furnivall nach
5 MSS. edierten abweichenden Textes zu dem Ritson'schen näher einzugehen,
sehe ich mich um so weniger veranlaßt, als schon seit längerer Zeit einer
meiner Schüler sich mit dieser Untersuchung beschäftigt. Da die Herausgeber
von Percy's Folio MS. das Neapeler MS. nicht gekannt haben, so bilden die
von Kölbing beigebrachten Varianten immerhin eine werthvoUe Ergänzung zu
dem dort Gebotenen. Nur dürfte die Behauptung Kölbings, daß das MS. eine
im Ganzen sorgfältig und gleichmäßig geschriebene Handschrift sei, doch eine
für die Zuverlässigkeit derselben zu günstige Meinung erwecken. Das MS.,
welches nach Angabe des Schreibers a. 1457 geschrieben ist, enthält zwar
manche gute Lesarten, aber auch recht viele corrumpierte Stellen und trägt
namentlich zahlreiche Spuren mündlicher Überlieferung der darin enthaltenen
Texte an sich , wie ich in meiner vorhin citierten Ausgabe der Version I der
mittelenglischen Alexiuslegenden bei Besprechung der Handschriften, von denen
die jüngste uns ebenfalls auf p. 80 — 86 des Neapeler Codex überliefert ist,
des Weiteren angeführt habe. Dies wird noch mehr bestätigt durch die von
Kölbing aus diesem MS. beigebrachten Varianten zu Libiaus Disconus, welche
so zahlreich sind und zum Theil in so wesentlichen Punkten von dem Ritson-
schen Text, der 1 7 Strophen weniger enthält, abweichen, daß ein vollständiger
Abdruck des ganzen Gedichts nach der Neapeler Handschrift nicht viel mehr
Raum erfordert haben und um so willkommener gewesen sein würde, als eine
so reichhaltige Varianten- Sammlung für einen späteren Editor des Textes nur
104 LITTERATUR: E KÖLBING, ENGLISCHE STUDIEN.
mühsam zu benutzen ist und bei Anlegung derselben viel leichter Verseheu
mit unterlaufen können, als bei Anfertigung einer neuen Abschrift. Dies ist
um so eher zu befürchten , wenn der zur Vcrgleichung dienende Abdruck so
schlecht ist, wie der Ilippeau'sche, den übrigens K. unmöglich (obwohl ich
keine Angabe darüber finde) benutzt haben kann. Denn zu dieser Edition
könnte ich aus einer von mir selber im Winter 1869 begonnenen, wegen Er-
krankung aber nur bis V. 252 fortgeführten Copie des Gedichts noch eine recht
beträchtliche Anzahl nachträglicher Varianten liefern.
Auf diese trotz der erwähnten Uuvollständigkeit immerhin werthvoUe Abhand-
lung K.'s über eine der anziehenderen mittelalterlichen Romanzen folgt eine kurze
aber interessante Notiz von ihm zu dem zuerst von Morris in seinen Old Eny-
lisli Ilomilies edierten Gedicht „Ow God Oreisun of nre Lefdi'^, dessen Verf.,
wie K. nachweist, höchst wahrscheinlich das ags. Gedicht vom Phönix gekannt
und benutzt hat.
Als ein besonders werthvoller Beitrag schließt sich daran an eine Reihe
von sieben Mittheiluugeu Felix Liebrechts zum englischen , schottischen und
irischen Aberglauben und Sagenschatz unter dem gemeinsamen Titel Folk-lore.
Die letzte, englisch geschriebene Abhandlung endlich ist betitelt The
Quarto Edition of Ben Jonsons ,^Every Man in his Humour'* und ist unter-
zeichnet mit Adolf Buff, Augsburg, rührt also doch wohl, wie der Name vermuthen
läßt, von einem Deutschen her. Wir bedauern, daß der Herausgeber der „Eng-
lischen Studien" nicht ebenso wie derjenige der „Anglia" in seinem Prospect
den Gi'undsatz ausgesprochen hat „Die Zusendungen eines jeden Mitarbeiters
werden in seiner Muttersprache erwartet". Das ist doch ganz gewiß das ein-
zig Natürliche und Zweckmäßige; es dürfte wenig Deutsche geben, die im
Ernste behaupten wollten , daß sie sich in englischer Sprache correcter , ge-
wandter und klarer auszudrücken vermögen, als in ihrer eigenen Muttersprache;
nur einem Max Müller oder W. Ihne würde man dies glauben. Ohne die
Sprache der vorliegenden kleinen Abhandlung, die übrigens durch verschiedene
Druckfehler entstellt ist (wie p. 182, Z. 2 necollect statt recollect, Z. 7 the thing
in to he done statt is to he done, p. 184, 16 so-mel p. 185, 23 some sister
statt come sister) einer Kritik unterwerfen zu wollen , kann Ref. im Interesse
des Herausgebers der „Englischen Studien" die wohlerwogene Behauptung nicht
unterdrücken, daß derselbe durch consequent durchgeführte Aufnahme englisch
geschriebener Artikel von deutschen Verfassern sein Unternehmen zunächst in
den Augen der Engländer in kürzester Zeit discreditieren und leicht völlig
ruinieren würde. Übrigens ist diese letzte Abhandlung der „Englischen Stu-
dien" in der einige Stellen der Quartausgabe von 1601 des Ben Jonson'schen
Lustspiels „Every Man in his Humour^, die für das Verständniss des Stücks
von Interesse sind, eingehend besprochen werden, inhaltlich von Werth und
neben den Liebrecht'schen Beiträgen schon aus dem Grunde willkommen zu
heißen, weil dadurch die litterar- und culturhistorische Seite des Unternehmens,
sowie die neuere Periode der englischen Sprache und Litteratur gleich von An-
fang au — wenn auch noch verhältnissmäßig in einem zu geringen Umfange
— vertreten ist. Sollen die „EngÜHchen Studien" die gewünschte Verbreitung
finden , nicht nur an den Universitäten , sondern auch bei den Vertretern des
Englichen an den Gymnasien und Realschulen, so darf das Neuenglische nicht
hinter dem Altenglischen zurückstehen. Erst ein geringer Bruchtbeil der an
LITTEUATUJi: E KÖLßlNG, ENGLISCHE STUDIEN. Iu5
jenen Lehranstalten beschäftigten Fachgonossen fußt mit seinen Studien auf
dem Boden der historischeu Gruniinatik (jder hat Gelegenheit geliabt, sich um
Perioden der englischen Littcratur viel zu kümmern, die vor der Shakspere'achen
oder besten Falls vor der Chaucer'schen Zeit liegen. Man kann es ihnen
auch kaum verdenken, wenn es ihnen schwer fällt, den größtentheils ziemlich
unerquicklichen, mönchisch beschränkten und inhaltlich dürftigen Erzeugnissen
einer lialbbarbarischen Litteratur- und Cultur-Periodc, sowie dem schwankenden
Charakter der Sprache dieser Zeit Geschmack abzugewinnen, wenn sie lieber
ihr Interesse den Geistesheroen der neuenglischen Zeit zuwenden mögen, deren
Werke, wie jeder zugeben wird, der mit dem gegenwärtigen Zustand wissen-
schaftlicher Erforschung der englischen Litteraturgcschichte bekainit ist, noch
immer auf Schritt und Tritt die mannichfacliste Gelegenheit gewähren zu den
anregendsten, fruchtbringendsten Studien, deren Erforschung dem Geiste zugleich
Erhebung und Genuß verschafft. Nur wenn auch diesem Standpunkte in ge-
bührender Weise liechnung getragen wird, ist zu hoffen , daß die beiden neu-
gegründeten Organe für das wissenschaftliche Studium des Englischen in weiteren
Kreisen, namentlich auch bei den älteren an Schulen beschäftigten Fachge-
nossen ein lebhafteres Interesse für die ersten Perioden der englischen Sprache
und Litteratur erregen werden — wenn auch zunächst vielleicht aus keinem
anderen Grunde , als um sich der Kenntniss derselben als Mittel zum Zweck
bedienen zu können, d. h., um durch die Einsicht in die früheren Perioden
der englischen Sprache (vielfach auch der Litteratur) und ihres historischen
Entwickelungsganges zum klaren Verständniss des gegenwärtigen Zustandes
derselben zu gelangen — und dies ist im Grunde ja auch der wesentlichste
Nutzen , den das jetzt mit so großem Eifer betriebene Studium des Altengli-
schen gewährt.
Übrigens läßt der Prospeet der „Englischen Studien'' hoffen , daß die
folgenden Hefte diesen Wünschen in höherem Maße entsprechen werden, als
das vorliegende; wir wünschen daher mit Zuversicht dem strebsamen Heraus-
geber den besten Erfolg für sein Unternehmen, welches auch von der Verlags-
buchhandlung (abgesehen davon, daß die einzelnen Lieferungen, welche man
doch nicht sofort einbinden lassen kann , besser geheftet sein müssen) in wür-
diger Weise ausgestattet worden ist. Auf einen Punkt noch möge zum Schluß
hier hingewiesen werden. Der Herausgeber erklärt sich in dankenswerther
Weise bereit, auch größere Arbeiten, gediegene Dissertationen u. dgl. in die
„Englischen Studien" aufnehmen zu wollen. In solchen Fällen dürfte es sich
gewiß empfehlen und zur Popularität des Untei-nehmens wesentlich mit bei-
tragen, die äußere Einrichtung der Straßburger „Quellen und Forschungen"
zu adoptieren und derartige längere Abhaudlungem als selbständige Hefte mit
doppeltem Titel, dem speciellen auf der Vorderseite, dem allgemeinen auf der
Rückseite des Umschlags ei'scheinen zu lassen.
KÖNIGSBERG i. Pr., Ende Februar 1877. J. SCHIPPER.
lUH LITTERATUR: ANDRESEN, K. G, ÜBER D VOLKSETYMOLOGIE.
Andresen, Karl Gustav, über deutsclie Volksetymologie. Zweite vermehrte
Auflage, lleilbronn 1877, Gebr. Heuniugor. 8. VIII. 181 S.
Noch ehe ich dazu kam , das obeugcnauiite Büchleiu in der Germania
anzuzeigen, ist eine neue Auflage desselben erschienen. Dieser überraschende,
ja glänzende Erfolg ist zunächst ein Beweis des großen Interesses, welches dem
Gegenstande auch in weiteren Kreisen entgegengebracht wird. Er beweist aber
auch, daß es dem Verfasser gelungen ist diesen Gegenstand in einer fesselnden
und anziehenden Weise zu behandeln. Seit Ernst Förstemann in seinem den
ersten Band der Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung eröffnenden
schönen Aufsatze über Volksetymologie gesprochen und den Namen in die
Wissenschaft eingeführt hat, ist der Stoff" nicht wieder verarbeitet worden. Es
liegt in der Natur der Sache, daß eine absolute Vollständigkeit auch von dem
umsichtigsten Bearbeiter hier nicht erreicht werden kann. Da Dialektisches
und Lokales vielfach hineinspielt, so werden von mannigfaltigen Seiten Ergän-
zungen nicht ausbleiben. Schon die zweite Auflage zeigt dies gegenüber der
ersten, und eine sicherlich nicht fehlende dritte wird wieder manche Nachträge
zu verzeichnen haben. Ich lasse ein paar solche nebst einigen anderen Be-
merkungen hier folgen. Zu dem Ausdruck 'Maulaffen feil haben oder halten
S. 7 f. verweise ich auf die Erörterung in einem, wie es scheint, Andresen
entgangenen Programme von Preime, Erklärung deutscher Redensarten (Cassel
1875), S. 8 f. — Den Spottruf an Juden Hep hep als Imperativ von heben
(heb den Fuß) zu nehmen (S. 13) scheint mir sehr bedenklich. — Daß Charle-
maine das deutsche Karlnum sei (S. 23) ist zu bestreiten, da aus man nicht
maine werden kann. — Gegen die Annahme (S. 26), daß engl, ijeruse, durch-
lesen , aus perrise entstellt sei , welches peruise geschrieben und falsch gelesen
wurde, spricht das Bedenken, daß derartige Entstellungen nicht durch das Auge
sondern durch das Ohr vermittelt werden. — Woran wir etwa bei mhd.
schumpfentmre, s chimpfentiure (S. 34) denken, darauf kommt es nicht an; sicher
ist nur, daß man im 12. und 13. Jahrh. bei dem Worte nicht an 'Schimpf und
schimpfliche Niederlage gedacht haben kann. — Die Vermuthung, es sei bei
dem Namen Ansclwmre für Anjou (S. 35) an anschouwen zu denken, ist doch
gar zu wenig begründet, ouwe ist aus avium (Andegavium) entstanden wie in
den S. 36 angeführten Namen, und seh ist die gewöhnliche Wiedergabe von j.
— Zu der Redensart 'faire bonne chere (S. 48) würde sich das plattdeutsche
dat is 'n anner kes stellen, wenn sicher wäre, daß in Ms das engl, case
(Fall) läge; ich verweise auf das Correspondenzblatt des niederd. Sprachver-
eins. — Zu S. 60 trage ich nach, daß der Name des bei Breslau liegenden
Dörfchens Moryenau aus Mergenau (Marienau) entstellt ist. — Zu S. 64, um-
gedeutete Straßennamen, aus Rostock den Namen der Eselpföterstraße^ was aus
Eselvöterstraße (benannt nach dem Geschlechte derer von Eselvot) umgedeutet
ist. Auch der Name Bussehart in Rostock ist in seinem ersten Theilc Ver-
hochdcutschung aus Buten. — Zu den Namen auf win (S. 71) wäre zu bemerken,
daß deren Entstellung in wein nicht erst nhd. ist, sondern schon im mhd.
icin beginnt; vgl. Ortwtn etc. Daher sind diese Namen zu denen auf Mr aus
her (S. 38) zu stellen. — Zuckermandel (S. 77) ist wohl zunächst aus Zuclcen-
mantel (mit Artikel), nicht aus Zuckmantel entstellt, wie auch in Zuckschwert
MISCKLLKN. 1()7
=: Zuckesschwert der Artikel mit enthalten ist. — Zu Stuudeiifaß H. 83 wäre
iiaehzutragen, daß die; Dciitniig auf Fuß sich schon bei Fiscliart (Griinm, Hel-
densage " 817) findet. — Zu der im Leben oft begegnenden Übertragung von
vermeintlich mundartlichen Wörtern in's Hochdeutsche, von der S. 84 die Rede
ist, will icli ein nieder- und ein oberdeutsches Beispiel anfüliren. Ein Bedienter
in einer norddeutschen Stadt fragte die 'gnädige Frau nach den Zelöffeln
(= Thceläffciu). In Nürnberg fragte ein Dienstmädchen, ob sie die Geiß
anzünden soll (=: dasGas), wozu zu licmerkcn, daß das Volk in Nürnberg Gas zum
fem. macht und gaß zugleich mundartl. Aussprache von Geiß (Ziege) ist. — Von
'Scldammbeißer (S. 98) kenne ich in Schlesien die Form 'Sehlammpeitzger (vgl.
polnisch piskors), Avobci wohl an peitschen gedacht ist. — Die Ableitung des Wortes
Weichbild von wich, vicus, ist nicht bloß 'wahrscheinlich' die richtigere, sondern
die allein richtige; an wich, heilig, kann deswegen gar nicht gedacht werden,
da jenes Wort niederd. k hat (S. 107). — Bei der Entstellung 'leichnam
(S. 108) sollte erwähnt werden, daß das a schon im 12. Jahrli. lang gebraucht
wird (licbnärae), dabei also an na7ne (nomen) nicht zu denken ist. — Bei
'Ohnmacht' (S. 109) liegt ähnlich wie bei 'ungefähr (S. 153) eine Vermi-
schung zweier alter Formen, ämaht und unmaht zu Grunde. — Schlittschuh
(S. 112) verdankt sein l wohl nicht der Anlehnung an Schlitten, sondern dem
Verbum slidan.
K. BARTSCH.
MISCELLEN.
Bericht
über die Verhandlungen der germanisch romanischen Section auf der XXXI.
Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner zu Tübingen (24. bis
27. September 1876).
Am 24. September 1876, Mittags 1272 Uhr nach Schluß der ersten
allgemeinen Sitzung constituierte sich die vereinigte germanistische und ro-
manistische Section im Hörsaal VI der neuen Aula unter den Vorsitz von
Professor Dr. Adelbert von Keller und Professor Dr. Holland aus Tübingen.
Zu Schriftführern wurden Dr. Bernhard Seuffert aus Würzburg und Dr.
Reinold Kap ff aus Leutkirch bestellt.
Als Mitglieder zeichneten sich folgende dreißig ein: Bartsch, Karl,
Professor aus Heidelberg; Bauer, Alfred aus Paris; Birlinger, Anton, Prof.
aus Bonn; Decker, Gustaf, philol. caud. aus Tübingen; Düntzer, Heinrich,
Prof. aus Köln; Ehemann. Professor aus Hall; Eifert, M., Pfarrer aus
Eningen; Feit, P. , Dr. aus Lübeck; Fischer, J. G. , Prof. aus Stuttgart;
Fischer, Dr. Hermann, Bibliothekar aus Stuttgart; Georgii, W., Prof. aus
Stuttgart; Grat er, Victor, Präceptor aus Murrhardt; Holland, Wilhelm Lud-
wig, Prof. aus Tübingen; Jeitteles, Dr. Adalbert, Bibliothekar aus Innsbruck;
Kapff, Reinold, Dr. aus Leutkirch; Keck, Director aus Husum; Keller,
jQg MISCELLEN.
Adelbert von, Prof. aus Tübiugeu; Klaiber, Julius, Prof. aus Stuttgart;
Kreuter, Gymnasiallehrer aus Saargemünd; Laun, Adolf, Prof. aus Olden-
burg: Neu mann, F., Dr. aus Heidelberg; Opitz, Dr. aus Naumburg';
Sachs, Professor aus P>randcuburg; Schlüter, Dr. Wolfgang, Bibliothekar
aus Heidelberg; Schmidt, Ernst, Privatdocent aus Würzburg; Schwarz^
Julius, Dr. aus Stuttgart; Seuffert, Bernhard, Dr. aus Würzburg; Theo-
bai d, Adolf, Dr. aus Hamburg; Voigt, Dr. F., Privatdocent aus Greifswald;
Wirz, H., Dr. aus Zürich.
Die erste Sitzung crüft'uete der erste Vorsitzende Prof. Dr. von Keller
am Dienstag, den 25. September, Morgens 8 Uhr mit Begrüßung der An-
wesenden und einem Rückblicke auf die im abgeUiufeuen Jahre abgeschiedenen
Fachgenossen, Friedrich Diez, den Begründer der romanischen Sprachwissen-
schaft, KarlSimrock, den liebenswürdigen Dichter und feinsinnigen Forscher,
Rudolf von Raum er, den ersten umfassenden Geschichtsschreiber der deutschen
Sprachforschung, Theophil Rupp, den reichbegabten Kenner deutscheu Alter-
thums. — Hierauf folgte die Mittheilung, daß zu dem rüstig vorwärtsschrei-
tenden mittelniederdeutschen Wörterbuch von Lübben und Schiller, von dem
das 14. Heft bis jetzt vollendet ist, ein Beitrag aus der deutschen Reichscasse
geleistet worden.
Zur Vertheilung an die Mitglieder sind aufgelegt: von Professor Dr.
Peters in Leitmevitz „Gotische Conjecturen" ; vom Verein für Herstellung des
schweizerischen Idiotikons „Jahresbericht u. s. w. vom Weinmonat 1873 bis
Ende Herbstmonat 1874", „Proben aus dem gesammelten Materiale" und „die
Reihenfolge in mundartlichen Wörterbüchern und die Revision des Alphabets" ;
ferner von Professor Dr. von Keller „Bestimmungen über das Seminar für
neuere Sprachen in Tübingen", „Verzeichniss der Veröfi^jntlichungen und Mit-
glieder des litterarischen Vereins in Stuttgart", sowie „Regulativ der Uhlauds-
stiftung".
Der zweite Vorsitzende Professor Dr. Holland theilt ein in Uhlands
Nachlaß aufgefundenes, aus dem Jahren 1815 — 1816 stammendes, von Uhlaud
und Rückert gemeinschaftlich verfaßtes Gedicht mit, dem er nach der ersten
Strophe die Aufschrift „Wettgesang" gegeben; und vertheilt Abdrücke hievon
an die Anwesenden.
Hierauf hielt Dr. Bernhard Seuffert aus Würzburg einen Vortrag über
den Maler Müller. Aus den im Besitze der k. Bibliothek zu Berlin befind-
lichen Papieren, die Müller bei seiner Romreise in Mannheim zurückgelassen
hat (mit Ausnahme der von Tieck 1811 bei der Herausgabe von Müllers
Werken benützten), meist Bruchstücken und Entwürfen aus den Jahren 1776
bis 1778, erhalten wir neue Aufschlüsse über sein Liebeslebcn (so, daß er
mit seiner Braut , Lottchen Kürner , einen Knaben zeugte , sie darauf verließ
lind mit einem „Julchen" ein neues Liebesverhältniss anknüpfte), über seinen
Verkehr mit der Frau Rath Goethe, Jak. Mich. Heinr. Lenz, Christ. Kaufmann,
Theatermaler Klotz und Regierungsrath Medikus , theils aus Berichten über
Reisen des Dichters an den Rhein, nach Frankfurt und ins pfälzische Gebirge,
theils aus einer Aufzeichnung über einen an ihm begangenen Diebstahl, die
uns zugleich seine Armuth erkennen läßt. Seine geachtete Stellung am Mann-
heimer Hofe bezeugen zwei von ihm verfaßte Gutachten über Errichtung und
Einrichtung eines Nationaltheaters und einer Theaterschule.
MIÖCELLKN. lO'J
Bedeutender als für die Lebensgeschichte Müllers sind die Zeugnisse für
seine Dichtung;. Alle zeitüblichen Diehtgattungen sind vertreten: Hier wird
belegt sein Anschluli an die Burdendichtung, an die Anukreontik, an die
Schäferpoesie und an das Volkslied ; besonders die vülksthümlicho Ballade tritt
glänzend hervor. Auch für die lehrhafte Dichtung finden sich vereinzelte An-
sätze; ferner Bruchstücke von Idyllen, worin sich bei antiken und patriarcha-
lischen Stoffen engste Anlehnung an Geßner verräth, bei den ersteren aber
auch schon der llbeigang zu Shakespeare als Vorbild; ausserdem vverthvolle
Bruchstücke zu deutsclien Idyllen, worunter neben verschiedenen satirischen
auch der Entwarf eines rohen Bauernidylls. Die vorhandenen Bruchstücke zn
Ulrich von Copheim weisen den romantischen Stil, den yie in den ticckischen
Bearbeitungen zeigen, nicht auf.
Von Dramatischem ist besonders hevorzuhcben der einzige Kcst des Dra-
mas „Rina", zahlreiche Entwürfe zu dem nach „König Lear" bearbeiteten „Hein-
rich IV", minder zahlreiche zu „Ludwig der Strenge", worin er sich wohl an
Gn'thes Götz anlehnt; zur Fausttragödie findet sich nur ein kurzes Bruchstück;
ferner Keste eines im Stil der französischen Komödie gehaltenen Lustspiels
„der alte Obrist" und die Gruiidzüge einer Oper „Alarich"; schlieWicIi Theile
einer Recensiou über Mcchels „Galleric de Dusseldorf'" und einer Keihe kiemer
Sätze meist „Gedanken" überschrieben, flüchtige Aufzeichnungen von Wendungen,
die dem Dichter gefielen.
Für die sorgfältige Art zu arbeiten zeugen die allenthalben zahlreichen
Nachbesserungen in den Handschriften.
Der Werth der in Berlin vorhandenen Papiere beruht nach des Redners
Ansicht ebenso auf der Fülle der Beiträge zur Kenntniss der Arten und Stoffe,
die Maler Müller bearbeitet hat, als darin, daß sie in die ursprüngliche Ge-
stalt seiner Dichtungen einweihen.
Nachdem der erste Vorsitzende dem Redner den Dank für die anziehenden
Mittheilungen ausgesprochen und die Tagesordnung für die nächste Sitzung
festgestellt war, wird die erste Sitzung für geschlossen erklärt.
In der zweiten Sitzung mußte (gleichwie in der dritten) der in die
Tagesordnung aufgenommene Berieht des Vereins für Herstellung eines schwei-
zerischen Idiotikons wegen Nichteintreffens des Dr. Kägi unterbleiben.
Namens der auf der vorigen Versammlung in Rostock eingesetzten Com-
mission für Feststellung einer einheitlichen Rechtschreibung für die Dialekt-
forschung ergreift zunächst das Wort
Professor Dr. Sachs aus Brandenburg. Derselbe macht zuerst Mitthei-
lung über die Einrichtung dieser Commission. Außer dem Redner seien Dr.
Neue, Dr. Böge mann und Dr. Theobai d gewählt worden (allerdings dar-
unter, wie Professor Staub [in dem Schriftchen „Die Reihenfolge u. s. w."]
mit vollem Recht bemerke, kein Süddeutscher); es haben jedoch zwischen den
Mitgliedern der Commission keine weiteren Verhandlungen stattgefunden, so
daß er nur im Staude sei, seine eigenen Ansichten darzulegen.
Der Redner gab zunächst unter Hinweisung auf den gewaltigen Abstand
der Schrift von der Aussprache eine Übersicht über die verschiedenen phone-
tischen Bestrebungen auf dem Gebiete des Romanischen, Englischen und Deut-
schen. Als maßgebende Grundlage erscheinen dem Redner die von Lepsius
aufgestellten Grundsätze:
110 MISCELLEN.
1. Jeder einfache Laut ciaif mu- dmcli ein einfaches Zeichen ausgediückt
werden.
2. Verschiedene Laute dürfen nicht durch ein und dasselbe Zeichen aus-
gedrückt werden.
3. Diejenigen Buchstaben, welche in den wichtigsten europäischen Ortho-
graphieeu einen verschiedenen Worth haben , sind im allgemeinen Alphabet
überhaupt nicht verwendbar.
Da es sich jedoch bei Lepsius um ein aligemeines Alphabet, besondei's
auch für orientalische Sprachen, handle, so schlug der Vortragende einige bei
Zugrundelegung romanischer Lautverhältnisse zur Erzielung einer allseitig gil-
tigen und leicht verständlichen Schreibung wünschenswerthe Beschränkungen
vor. Im Gegensatz zu der Einrichtung des schweizerischen Idiotikons empfiehlt
er Annahme der lateinischen Schrift, jedoch aus typographischen Gründen mit
Zuhilfenahme bisher im lateinischen Alphabet nicht verwendeter Zeichen.
So solle für den kurzen A-Laut a, für den kurzen P]-Laut e gewählt werden:
oi, oy, ai und ay dagegen seien wegen Grundsatz 3. ausgeschlossen; ferner
sei c und ch , sowie h als Delniungszeichen zu beseitigen, letzteres bloß als
echter Fricativlaut verwendbar: im Französischen allerdings sei das h für den
Spiritus sehr bedenklich; es verleite, ein h zu sprechen, wo kein Franzose
eines höre. Aus demselben Grunde sei der Consonant j durch y zu ersetzen, q
neben k überflüssig; betreffs f und v sei „die Reihenfolge in mundartlichen
Wörterbüchern u. s. w. " zu vergleichen; r sei in zwei verschiedene Laute zu
sondern, in das scharfe französische r und das fast verschwindende englische r.
Die Anwendung von Binde- und Theilstrichen werde nothwendig sein, fraglich,
ob der Apostroph gesetzt werden solle.
Der Redner schloß mit dem dringenden Wunsche, die so wichtige Frage
in möglichst eingehender Besprechung, wenn irgend thunlich, zu einem gedeih-
lichen Abschluß zu bringen.
Hierauf erhielt das andere anwesende Mitglied der Rostocker Commission,
Dr. Theobald aus Hamburg, das Wort. Derselbe ist gleichfalls für die
Wahl der lateinischen Schrift, da uns die s. g. deutsche Schrift schon von
unseren Sprachgeuossen, den Holländern, wie eine tiefe Kluft scheide. Maß-
gebend sind für ihn die vier Gesichtspunkte des Herkommens , der Verständ-
lichkeit, der Gefälligkeit und der Herstellbarkeit einer Schrift; in jedem ein-
zelnen Falle handle es sich darum, welcher Gesichtspunkt der ausschlaggebende
sein solle. Für die Consonanten wünscht der Redner die lateinischen nach der
italienischen Aussprache, die schon eine gewisse allgemeine Geltung erlangt
habe, mit Zuhilfouuiime einiger griechischer Buchstaben, wobei jedoch die Lep-
siusischen „diakritischen Zeichen" wie Xo, Xj u. s. w. ausser Anwendung bleiben
sollen; hiefür wäre eine andere Unterscheidung zu suchen: für den Laut seh
scheint ihm weder s (unterschieden von fj, noch s' zu genügen; er verlangt
hiefür das aus dem hebräischen \I» ins Russische übergegangene Ul, das sich
auch wegen seiner Breite zur Bezeichnung des breiten Sch-Lautes eigne. In
den Vocalen will der Redner, neben den einfachen italienischen, Anlehnung an
das Schwedische und Dänische, so daß jeder Vocal, der eine Färbung eines Grund-
vocals enthalte, durch letzteren mit Uberschreibung des Vocals, gegen den er
sich färbe, ausgedrückt werde, z. • B. a.
MI sc KLl.KN. 111
Von der Hezeiclimmg der VocaUilrbung sei die der Liiiige uud der ße-
tonung scharf zu trennen , die Accente lediglich für die Betonung, nicht für
die Quantität zu verwenden. Es frage sich aber, ob alle Zeichen stäts über
dem Vocale Platz finden; es könnte etwa durch Schreibungen wie «<• oder |
geholfen werden; für ä, das folgerichtig, aber beschwerlich sei, schlägt der
Redner 0 vorj auf ähnliclie Weise werden sich weitere Vereinfachungen er-
zielen lassen.
Zum Schluß warnt der Hedner vor der Besorgniss , als ob solche Neue-
rungen auf die allgemeine Schriftsprache angewandt werden wollten : nur für
die Mundarten sei die Feststellung einer folgerichtigen einheitlichen Schreibung
eine wissenschaftliche Nothwendigkcit.
GL. Kreuter aus Saargcmünd vermißt bei beiden Vorrednern genügende
Unterscheidung zwischen den Bedürfnissen der Wissenschaft und denen des
großen Publicums ; für das letztere sei strengste Auschließuug an die gewöhn-
liche Rechtschreibung nothwendig, wie ja z. B. die verschiedenen g nirgends
unterschieden zu werden brauchen; die Wissenschaft aber verlange eine rück-
sichtslose Consequenz; hier dürfe an das Herkommen gar kein Zugeständniss
gemacht werden.
Professor Dr. Sachs und Dr. Theobald erklären sich hiermit einver-
standen, letzterer mit der Bemerkung, der Abstand sei ja nicht so ausser-
ordentlich groß, da für die Mundarten keine überlieferte Schreibung bestehe.
Die Versammlung beschließt nun , die einzelnen Fragen der Reihe nach
durchzunehmen, und der erste Vorsitzende Professor Dr. von Keller legt
daher nach dem bisher Verhandelten folgende Sätze zur Beschlußfassung vor:
„1. die Nothweudigkeit einer Regelung der ScTireibung für die deutschen
Mundarten ist nicht zu leugnen.
2. Grundlage der Schrift bildet die lateinische.
3. Das phonetische Princip ist streng durchzuführen, da es sich zunächst
um die möglichst genaue Bezeichnung des Lautes in der Schrift handelt.
4. Einfaches Zeichen für einfachen Laut.
5. Für jeden Laut ein besonderes Zeichen (so für e nur ein Zeichen
[kein e], dagegen weitere für die Laute ö und a)."
Diese Sätze werden von der Versammlung ohne Widerrede angenommen.
Bei 6. „Leichte Verständlichkeit ist oberster maßgebender Gesichtspunkt"
wirft GL. Kreuter die Frage auf, was unter „Verständlichkeit" zu verstehen?
Verständlich sei was sich an das Herkömmliche anschliesse. Brückes neues
Alphabet, obwohl geschnitten, habe bis jetzt noch keine Anwendung gefunden ;
also scheine diß nicht der richtige Weg. Es seien nun bis jetzt zwei An-
sicliten aufgestellt: 1. von Professor Dr. Sachs im Anschluß an Lepsius Be-
rücksichtigung des Europäischen; 2. von Dr. Theobald Bevorzugung des
Italienischen; dagegen empfehle er 3. den Anschluß an das Deutsche, da
wir keine Aussicht haben auf sämmtliche Gelehrte Europas entscheidend ein-
zuwirken. Außerdem sei das Lepsius- Sachssche System inconsequent ; z und j
dürften z. B. auch nicht verwendet werden wegen ihrer verschiedenen Aus-
sprache in verschiedenen Sprachen : z werde deutsch als ts , italienisch als ts
und ds, spanisch als \) gesprochen.
112 MISCELLEN.
Hieriu wird der Kedner unterstützt durch deu Vorsitzenden, Professor Dr.
von Keller, welcher gleichfalls die „Verständlichkeit" nicht dadurch gefördert
sieht, daß wir z statt s schreiben; warum denn die deutsche Aussprache ver-
leugnen und die fremde wählen?
Gegen Dr. Theobalds Bemerkung, es sei leichter, auf möglichst
breiter, kosmopolitischer Grundlage die Schrift aufzubauen , wendet Dr. Feit
aus Lübeck ein, wir haben bei einem internationalen Alphabet um viel zu viel
uns zu kümmern, das für das Deutsche lediglich keinen Werth habe; z = s
wäre für ein deutsches Auge beleidigend.
Nach mannigfacher Besprechung der Frage, ob wir für die ganze Welt
oder zunächst nur für das Deutsche sorgen sollen, wobei Prof. Dr. v. Keller
darauf hinweist, daß Moriz Rapps Alphabet auf Grundlage des Deutschen alle
lebenden und todten Sprachen umfasse, kommt eine Einigung dahin zu Stande,
daß zunäclist das Bedürfuiss der deutschen (und romanischen) Mundarten ins
Auge zu fassen sei.
7. Die Frage wegen alphabetischer Anordnung wird auf Antrag von
Prof. Dr. S a c h s verschoben und es ergreift nunmehr nochmals das Wort
GL. Kreuter zur Darlegung seiner Ansichten über Vocalbezeichnung.
Er wünscht hier mehr Berücksichtigung der Physiologie, ohne die keine den
Forderungen der Wissenschaft genügende Schrift zu denken seij auf dem Ge-
biete der Lautphysiologie herrsche aber noch keine Einigkeit; diese könne nur
erzielt werden, wenn Grundsätze festgestellt seien. Ais solche stellt der Red-
ner auf:
I. Für jeden Einzellaut wird diejenige Schreibung gewählt, die dem-
selben in der neuhochdeutschen Rechtschreibung gewöhnlich zukommt, wenn
sie nicht (wie seh, ch, ng) mit den Grundgesetzen einer wissenschaftlichen
Rechtschreibung im Widerspruch steht. Für die hiebei zu kurz kommenden Laute
ist eine möglichst systematische Bezeichnung zu wählen , und es wird daher
zur Vermeidung der Neusclineidung von Buchstaben
IL jeder Vocal, der in der Mundhöhle eine Verengerung hat, die weiter
zurückliegt als die des gewöhnlichen Zeichens, mit diesem Vocal und einem
Gravis bezeichnet ; so erhielten wir folgende Tafel :
u
Das System lasse sich weiter ausbauen.
Hiegegen wendet Prof. Dr. Sachs ein, wenn wir warten wollten, bis die
Lautphysiologie fertig sei, so könnten wir lange warten; aber GL. Kreuters
Vorschlag sei auch wegen des Wortacccnts nicht durchführbar, der ebenso wie
die Zeichen für Näselung und Länge noch auf den Vocal zu stehen käme.
Zeichen wie ö wären doch Ungeheuerlichkeiten.
MISCELLEN. 113
GL. Kreuter glaubt fürs Deutsche ohne Bezeichnung des Wortaccent»
auskommen zu können, es handle sich nur. um Länge- und Klangfärbungs-
zeichen ; und da schlage er vor:
IIL Die Länge wird durch einen Akut bezeichnet, da der Querstrich
über dem Vocal unseren Gewohnheiten widerstreite (die Kürze bleibe iinbe-
zeichnet); hiedurch wäre ein Anschluß an die Rechtschreibung des Altnordischen,
Czechiacheu, Magyarischen, Altirischen erzielt. würde dann die Verbindung
von (Länge) und (Verdumpfung) bedeuten.
Da der Redner über diese seine Anträge einen Beschluß der Versamm-
lung herbeizuführen wünscht, so warnt Professor Dr. von Keller hievor, ein-
mal aus dem sjachlichen Grunde, weil man zu einem befriedigenden Ergebniss
aus Mangel an hinlänglich bestimmten Vorschlägen, über welche der Einzelne
Zeit gehabt hätte sich ein Urtheil zu bilden, nicht werde kommen können;
dann aus dem persönlichen, weil er nicht wünsche, daß Beschlüsse unter seinem
Namen in die Welt hinauskommen , mit denen er sich nicht einverstanden er-
klären könne; er habe selbst seine bestimmten Ansichten über diese Fragen,
könne sie aber als Vorsitzender nicht zur Geltung bringen.
Ausserdem leerte sich die Section mehr und mehr und so wurde ein
(wiederholter) Schlußantrag für diese Sitzung angenommen und an die "Ver-
treter der entgegengesetzten Ansichten das Ansinnen gestellt, daß sie sich bis zur
dritten Sitzung über der Versammlung zu unterbreitende Sondervorschläge zu
einigen suchten.
In der dritten Sitzung, die am 28. September, Morgens 9 Uhr, begann,
wurde zunächst die Wahl der Vorsitzenden für die nächste Versammlung in
Wiesbaden vorgenommen und auf Vorschlag von Geh. Hofrath Professor Dr.
Bartsch aus Heidelberg
zum ersten Vorsitzenden Professor Dr. Creizenach aus Frankfurt am
Main,
zum zweiten Dr. Max Kieger aus Darmstadt gewählt.
Professor Dr. von Keller setzt die Section in Kenntniss von Sehreiben
verschiedener Germanisten, die ihr Bedauern ausdrücken, an der diesjährigen
Versammlung nicht theilnehmen zu können, und ihre Grüße zu übermitteln
bitten.
Ferner hat der Vorsitzende die mündliche Mittheilung erhalten , daß die
bei der Rechtschreibungsfrage besonders betheiligten Herren darüber einig
seien, daß der Gegenstand heute nicht mehr zum Austrag gelangen könne. Es
sollten daher die zu machenden Vorschläge genau abgefaßt und so vorbereitet
werden, daß die nächste Versammlung in Wiesbaden darüber Beschluß fassen
könnte, wesl^alb der Vorsitzende Druck der Anträge empfiehlt.
Professor Dr. Bartsch spricht als besonders dringenden Wunsch
aus, daß die Anträge nicht bloß gedruckt, sondern rechtzeitig zur allge-
meinen Kenntniss gebracht werden, etwa bis 1. Juni 1877; zur Verbrei-
tung empfehle sich Frommanns Zeitschrift „die deutschen Mundarten"; sollte
jedoch die Aufnahme hierin nicht möglich sein, so stelle er die Germania zur
Verfügung. Ferner bedürfe aber die Rostocker Commission einer Ergänzung
durch süddeutsche Mitglieder und als solche schlage er Dr. Frommann und
Professor Dr. von Keller vor.
OESlIAinA. Nene Reihe X. (XXII. Jahrg.) 8
114 MISCELLEN.
Professor Dr. von Keller wünscht an seiner Statt Professor Dr. W e i n-
hold in Breslau gewählt zu sehen, wird jedoch mit Dr. Frommaun von den
Anwesenden einmüthig gewülilt. Den ihm angebotenen Vorsitz in dieser
Commission lehnte er jedoch aufs bestimmteste ab, weshalb derselbe, da wohl
auch Dr. Frommanu nicht in der Lage sein werde ihn anzunehmen, dem
Professor Dr. Sachs übertragen wurde. Sache desselben werde es sein,
ausser der Leitung des brieflichen Verkehres der Mitglieder die schließliche
Formulierung der Thesen zu besorgen, und nur diese, wie Professor Dr.
Bartsch betont, nicht alle abweichenden Ansichten der Mitglieder, sollen
gedruckt werden.
Da die Gegenstände der Tagesordnung erschöpft waren , so schloß der
erste Vorsitzende, Professor Dr. von Keller, mit Dank an die Anwesenden
für die Theilnahme und Ausdauer bei den Verhandlungen die eilfte Versamm-
lung der germanistischen und romanistischen Sectiou.
Hierauf erwiderte Professor Dr. Sachs mit Verdankung für die auf-
o]ifernde Thätigkeit des Vorsitzenden, auf den das Wort des Kanzlers Dr. von
Rüuielin , Schwaben habe keine großen Philologen aufzuweisen , keine Anwen-
dung finde. Zur Bekräftigung erhoben sich säramtliche Anwesende von ihren
Sitzen.
LEUTKIRCH im Allgäu. Dr. REINOLD KAPFF.
Deutsche mittelalterliche Handschriften der Fürst-Georgs-Bibliothek zu
Dessau.
(Fortsetzung.)
2.
Die Statuten des deutschen Ordens.
Diese Handschrift, wahrscheinlich früher zur Fürst-Georgs-Biblio-
thek gehörig, befindet sich gegenwärtig in der h erzog 1. Bibliothek zu
Dessau. Sie ist fest gebunden und mit zwei (mit rothem Leder überzogenen
und mit 10 Messingknöpfen und 2 Messingschließen verzierten) Holzdeckeln
versehen. Die innere Seite der Holzdeckel ist mit Papier überzogen, auf dem
sich wirtlischaftliche Bemerkungen finden: „Item Daz Huz gebt czu Lipge-
dinge etc." Woher der Codex stammt, wird schwer nachzuweisen sein, viel-
leicht aus dem unweit Dessau an der Elbe belegenen Burow, welches ehe-
mals eine Bailei des Deutschordens war. Klein-Folio, die Blätter 27 c. hoch,
21 c. hreit, festes Membran; der Codex zählt 89 Blätter, von denen das
erste , das letzte und ein Blatt zwischen den Bestimmungen einzelner Hoch-
meister und den Capitelii „der gewonheit" nicht beschrieben ist. Beschriebene
Blätter zählt demnach der Codex 8G. Das Pergament liegt im Allgemeinen in
Lagen zu 8 Blättern. Am Schluß einiger Lagen finden sich unten die Anfänge
der neuen Lage (vgl. Bl. 8, 40, 48, 80). Die Handschrift ist sehr sauber
und leserlich, die eckige Gothik ist aufgegeben, die Schriftzüge nähern sich
der späteren sogenannten sächsischen Canzleischrift. Überschriften und Initialen,
wie die Zahlen der Capitel sind in rother Farbe , jedoch ohne besonderen
Schmuck, ausgeführt, daneben sind viele Majuskeln (auch bis wellen Minuskeln)
MISCELLEN. 115
mit rothen Strichen versehen. Au einzelnen Steilen hat der Text Correctureu.
Die Seiten sind nicht gespalten und enthalten 25 — 26 Zeilen. Das ganze
Heft (ausser den Deckeln und dem 1. Blatte, welches beim Einbinden wahr-
scheinlich hinzugefügt ist), ist mit einer groben Nadel am unteren Rande durch-
stochen — möglichenfalls war es urs2)rünglich mit Schnur und Siegel versehen,
damit das Exemplar als beglaubigt ercheinen konnte. Sprachlich und or-
thographisch unterscheidet sich dieser Codex bedeutend von dem von Dr.
Ernst H ennig (^Königsb. 1806) herausgegebeneu, in den Materien nur durch
etwas andere Anordnung, durch Auslassung der „nachgeschriebenen Gesetze''
von Bruder Ludwig von Erlichshausen (an der betreffenden Stelle be-
findet sich in unsefem Codex ein leeres Blatt) und durch einzelne andere kleine
Abweichungen. Jedenfalls ist die Dessauer Handschrift nicht Copie der von
Henuig herausgegebenen.
Der Codex beginnt mit den Worten: „In der Jarczal xpi vnsers hern
Tusent vierhun j dert Im czweyvndvirczigestn Jare Am suntage 1 nehest vor
sant Egidij tag habii wir btuder Cun | rad von Erlichßhusen homeister dutsches
Ordens | eyn groß capittel vff vnsers ordens heubthuse zu | Marienburg in
prußen gehaldn mit den ersame | vnd geistlichii bruder Eberhart von Sauß-
heim | zu dutsehii vnd welschen landen heydenrich fincke | zu lifflande vnsers
Ordens obersten gebietigern | etc." Nach dieser Vorrede folgt die Überschrift
des 1. Registers: „Hie hebn sich an die capittel der Regel" (XXXIX Capitel).
Darauf: „Hie hebn sich an die capittel der gesecze" (LIII Capitel). Im Texte
folgen darauf die Bestimmungen einzelner Hochmeister (vgl. BL 43 — 64) worauf
die Register jedoch nicht Rücksicht nehmen, indem nach dem 53. Capitel der
Gesetze hier sogleich die Überschrift des letzten Registers folgt: „hie heben
sich an die capittel der gewonheit" (LXIIIl Capitel). Der Codex fährt mit einer
weiteren Einleitung fort: „In dem namen der heyllgen dryual | diket so kun-
digen wir allen dye nu sint | und noch komen sullen wie sich erhaben ( hat
vnd von weme. vnd wenne vnd | wie der ordn des spittals sente Marien | dez
dutschen huses von Irlm von der ge | burt vnsers hern des Tusend vnd hü |
dert vnd nunczig iar waren In den | geczitn da Akers waz beseßen von den
cristn | vnd mit der gotis hulffe widder gewonen wart | von den handn der vn-
geloubign zu der selbigen | zijt yn dem here da waz ein teyl guter lute v5 j
bremen vnd von lubicke etc.". Der Schluß der Regeln befindet sich auf
Bl. 24 nebst der lat. Unterschrift: „Ego heydinricus dctus de Tunna Sacerdos
et frater ordis doms theutonice per mans Jacobi scptois diuia fauete gracia
compleui comparando hanc Regula Anno domr Millesimo tricentesimo quarto Et
hmlit. depcor legentes milla pro me viuo siue defücto dominü exorare". Die
Gesetze „der bruder des dutschen huses von Iherusalem" umfassen die Bl.
von 25 — 42. Auf Bl. 43 beginnen, wie oben bemerkt, die Bestimmungen ver-
schiedener Hochmeister: „Dlß sint die gesecze die gesaczt vnd bestedi | get
sin yn dem bogen capittel von vnßm | homeister bruder Conrat von vucht-
wägen I zu franckfurt etc. etc." Auf die Bestimmungen Conrads vonVucht-
wangen, welche mit den Worten schließen: „wir seczen auch daz der phaffii |
cellen offen sulln wesn eyner spaüen wit gegattert | daz man bescheydenlich
dor yne möge gesehen" (und also die strengen Gesetze desselben Hochmeisters
„wie man die tiircopele vii knechte vnde in caritate sullen halden vii lasen"
nicht enthalten) folgen „die gesecze die do gesaczt worden yn dem großen
8
*
116 MISCELLEN.
capittel zu venedige do bruder Gotfrit von hoenloche wart zu meist' erkorn an
des heyligen cruczes tag als is gefüden wart". Darauf kommen die Gesetze
von Bruder Werner, Br. Luder von Bruneswig, Br. Dieterich von
Waidenburg (Bl. 46—49), Br. Ludolff Konig, Br. Hinrich Dupe-
mer, Br. Winrich von Kniprode, sodann „das capittel von der offen-
barunge vnd von der heymlichen iusten die eyn bruder enphet yn siner
büße vnd wie mau thun suUe yn dem capittel" u. s. w., endlich noch die Ge-
setze von Br. Pauwel von Rußdorff und Br. Cunrad von Erlich ß-
husen (Bl, 56 — 63). Die Gesetze von Br. Ludwig von Erlichshusen
fehlen unserer Hdsch. (s. o.). — Im Register der Gewohnheiten ist das
1. Capitel übersehen. Im Texte (Bl. 64) lautet es mit Überschrift: „Hie
heben an die großen gewonheit vnd zu dem | ersten von des homeisters tode I j
Wenne der meister disses ordens von dem | siechtum die gewissn vorbotii des todes
sint I cntsebet (so liest auch die ehemals dem Convent zu Thorn gehörige
Handschrift, welche Hennig AA bezeichnet, andere Handschriften lesen hie-
für „vornymmet") daz ym sin ende nahet so mag er eyne | bruder dem man
daz getruwen mag daz er | gutes vnd versuchtes lebens sy sin stat vnd daz |
Ingesigel beuelen dem meister der nach ym komf | tig ist zu behaldn." Die
Gewohnheiten schließen im 64. Capitel „von dem bruder der da zu büße
siezet" mit den Worten „vnd ir doch yn keinerley wise rite". Darauf folgt
als Überschrift für die Venien (Bl, 79 — 81): „Diß ist wenne die bruder j
venien sollen ader nicht." Auf Bl, 82 folgt die „benedictio ensis ad facien-
dum militem" etc.; Bl. 83 enthält die bei der Weihe des Ritters „pro edi-
ticacione asstanciü" zu singende „letania" u. s. w. ; Bl. 84 bringt das „Jura-
mentum" : „Ich entheyße vnd gelobe kuscheit mynes libes | vnd an eygen-
schaflft zu sin vnd gehorsam gote j vnd sente marien vnd uch meister des or -
dens I des dutschn huses vnd uwern nachkomen nach j der regeln vnd der ge-
wonheit des Ordens des | dutschn huses daz ich gehoi'sam wil sin bis an |
mynen tod". Hierauf „Iniciü sti ewangelij seeundü Johez" und dann „Wie die pri-
sterbruder yn dem capittel suUen bitten vor den Cristenthum" (Bl. 85), Zum
Schluß mit anderer Hand und schwärzerer Tinte, jedoch in ähnlicher, wenn auch
undeutlicherer Schrift, eine ,,Nota", welche weitere Vorschriften für aufzuneh-
mende Brüder enthält. W. HOSÄUS.
(Fortsetzung folgt.)
Verkäufliche Abschriften Heidelberger Handschriften.
Im Nachlasse des im vorigen Jahre zu Nußdorf bei Landau verstorbenen
Pfarrers G. J. Lehmann, bekannt durch eine Reihe werthvoller Einzelsihriften
über pfälzische Orts- und Adelsgesehichte, fand sich eine größere Anzahl Ab-
schriften von deutschen Handschriften der Heidelberger Universitätsbibliothek.
Ein summarisches Verzeichniss derselben, sowie einen Katalog einer gleichfalls
aus dem Nachlasse Lehmanns stammenden größeren Urkundensammlung ließ
Herr Dr. theol. Hermann Sevin in Mannheim durch Autographie vervielfältigen
und behuf Verkaufs der ganzen Hinterlassenschaft oder einzelner Theile der-
selben auf privatem Wege verbreiten. Im Interesse eines möglichst ausgedehnten
Bekanntwerdens dieser Sammlung besonders im Kreise der Germanisten hat der
Unterzeichnete folgendes genauere Verzeichniss nach den Abschriften selbst an-
MISCELLEN. J 1 7
gefertigt und zur besseren Orientierung die Nummer des Heidelberger Katalogs
der Codices Palatini Germani sowie die betr. Seitenzahl von Williens Ge-
schichte u. 8. w. der Heidelberger Bücliersammlungen hinzugefügt. Die An-
ordnung ist die des verstorbenen Pfarrers Lehmann , die beizubehalten räthlich
schien, um bei etwaigen Kaufgeboten Vurwecbslungen zu vermeiden. Am
Schlüsse des Verzeichnisses habe ich die Abschriften in der Reihenfolge des
Heidelberger Katalogs geordnet.
Was die Abschriften im einzelneu betriflft, so sind sie von Lehmann
meist in der zweiten Hälfte der vierziger Jahre mit einem staunenswerthen
Aufwände von Fleiß und Sorgfalt eigenhändig von den Heidelberger Originalen
genommen. Wie die Unterschriften aussagen, sind die meisten der Abschriften
einmal, sehr viele zweimal verglichen. Wo der Unterzeichnete die Lehmannsche
Abschrift mit einem mittlerweile erschieneneu Abdrucke vergleichen konnte,
ergab sich genaueste Übereinstimmung. Eine nochmalige Vergleichung mit den
Originalen war wegen Entfernung des Aufbewahrungsortes von hier nicht thun-
lich. Die Abschriften sind sämmtlich in Folioformat, äusserst sauber und
leserlich geschrieben ; bei poetischen Werken sind die Verszeilen abgesetzt und
gezählt; die Paginierung der Handschrift, sowie Bemerkungen über ausgelassene
Zeilen, Umstellungen, Rasuren, Correcturen, Undeutlichkeiten , Farbe der Ini-
tialen , vorkommende Bilder sind überall am Rande oder vorab hinzugefügt ;
kurz, das ganze gewährt den Eindruck peinlichster Sorgfalt. Nähere Auskunft
ertheilt Herr Dr. tbeol. Hermann Sevin in Mannheim (wohnhaft M IV, 2) wo-
hin auch Angebote auf die ganze Sammlung oder einzelne dieser Abschriften
zu richten sind.
I. Chroniken, Geschichten und Miünelieder.
(1 — 12 und 17 dieser Abtheilung sind Pappbände, alles übrige einzelne Fascikel.)
1. Nicolaus von Jeruschin, Reimchronik des deutschen Ordens = Cod.
Pal. Germ. 367, 1. Wilken, S. 445.
2. Passional = Cod. P. G. 352. Wilken, S. 434.
3. a) Bruder Philipp, Marienleben = Cod. F. G. 394, 1. Wilken, S. 463.
6) Lobgedicht auf die Jungfrau Maria = Cod. P. G. 350, 3. fol. 43 — 63.
Wilken, S. 433.
e) Lobgedichte auf die Jungfrau Maria = Cod. P. G. 356, 2 — 5. Wil-
ken, S. 438.
d) Legende der heiligen drei Könige = Cod. P. G. 118. fol. 1 — 90.
Wilken, S. 349.
e) 35 Wundergeschichten = Cod. P. G. 118. fol. 126" — 176.
/) Evangelium des Nicodemus = Cod. P. G. 118. fol. 90''— 126.
g) Von der hlg. Agnes = Cod. P. G. 108. fol. 101 — 105.
h) Leg. V, d. hlg. Achatius = Cod. P. G. 108. fol, 91—100.
i) Leg. V. d. geistl. Mantel d. hlg. Maria = Cod. P. G. 108. fol. 86 — 90.
k) Leg. V. d. hlg. Dorothea = Cod. P. G. 108. fol. 77 — 85.
/) Leg. V. d. 11000 Jungfrauen = Cod. P. G. 108. fol. 1—76. Wilken,
S. 345.
m) Legende v. d. drei Jüngern d. big. Hieronymus = Cod. P. G. 60, 6.
Wilken, S. 330.
11g MISCELLEN.
n) Legende des hlg. Gregorius = Cod. P. G. 119, 6. Wilken, S. 350.
0) Legende des hlg. Mauritius = Cod. P. G. 111, l. Wilken, S. 346.
p) Legende des hlg. Meinrad = Cod. P. G. 111, 2. Wilken, S. 347.
q) Legende des hlg. Patricius = Cod. P. G. 60, 4. Wilken, S. 330.
r) Legenden der hlgg. Pantaleon, Erhart, Colmannus, Virgilius , Ulrich,
Florentius, Arbogast, Maximilianus , Servatius ; aus Cod. P. G. 144.
Wilken, S. 359.
s) Legenden der hlgg. Ulrich, Dorothea, Martin; Lichtmefs; aus Cod. P.
G. 392. Wilken, S. 462.
t) Legende des hlg. Alexius = Cod. P. G. 417, 4. Wilken, S. 471.
u) Legende der hlg. Elisabeth = Cod. P. G. 602. Wilken, S. 511.
v) Legende von d. hlg. Elisabeth = Cod. P. G. 105. Wilken, S. 344.
4. a) Hadamar von Laber, Jagd = Cod. P. G. 326. Wilken, S. 409.
b) Freidank = Cod. P. G. 349; der dazu gehörige Anfang ist aus Cod.
P. G. 360 hinzugefügt. Wilken, S. 432.
c) Hölle und Himmel = Cod. P. G. 349, Bl. l^
d) Von Minne und Gewinnen = Cod. P. G. 349, Bl. 6^
e) Freidank (ohne die latein. Verse) = Cod. P. G. 314, 6. Wilken, S.405.
/) Von dem Hausgeschirr = Cod. P. G. 314, 9. Wilken, S. 406.
g) Aus dem Titurel — Cod. P. G. 729, 1. Wilken, S. 526; vgl. Lach-
manns Ausg. von Wolfram, S. XXVII.
h) Moralische Erzählungen etc. und Todtentanz = Cod. P. G. 314, 2 und
5. Wilken, S. 405.
i) Heilsamkeit der Bäder — Cod. P. G. 717. Wilken, S. 525.
k) Bethlehem. Kindermord = Cod. P. G. 372, 2. Wilken, S. 452.
1) Der Tugende Spiegel = Cod. P. G. 394, 2. Wilken, S. 465.
m) Eine guote zuobari u. s. w. = Cod. P. G. 384, 2. Wilken, S. 459.
n) Fabel vom Wolfe, Pfaffen, Bären und Fuchse = Cod. P. G. 367, 7.
Wilken S. 448.
o) Kleinere Gedichte = Cod. P. G. 693, 2—5. Wilken, S. 522.
p) Teichner = Cod. P. G. 384, 1. Wilken, S. 458.
q) Meistergesänge und Volkslieder aus der Miscellanhds. = Cod. P. G.
109. Wilken, S. 345.
r) Muscatblüt, Meisterlieder aus Cod. P. G. 392. Wilken, S. 462.
5. a) Georg. Buchananus Scofus, Baptistes oder Calumnia, eine Tragödie
= Cod. P. G. 377. Wilken, S. 455.
b) Roswitha, Abraham = Cod. P. G. 298, 4. Wilken, S. 394.
c) Sündenfall, Schauspiel = Cod. P. G. 507. Wilken, S. 496.
d) Passion Christi, Schauspiel = Cod. P. G. 402. Wilken, S. 468.
e) Haman, Tragödie = Cod. P. G. 387. Wilken, S. 460.
/) Reimgespräch = Cod. P. G. 417, 3. Wilken, S. 471.
g) Ackermann und Tod — Cod. P. G. 76. Wilken, S. 335.
h) Historia von Walther und Griseldis = Cod. P. G. 119, 5. Wilken,
S. 349.
i) Historia von einem reichen Kaufmann = Cod. P. G. 119, 4. Wilken,
S. 349.
k) Historia von Guiscard und Sigismunda = Cod. P. G, 119, 2. Wilken,
S. 349.
MLSCELLEN. 119
l) Historia von einem Edelmann und seinem Knechte Heinrich = Cod.
P. G. 119, 7. Wilken, S. 350.
m) Erzählung vom Ritter Coniat = Cod. P. G. 4, 2. Wilken, S. 305.
n) Rede von einer Graserin = Cod. P. G. 4, 3, Wilken, S. 305.
o) Von dem Studenten zu Paris = Cod. P. G. 4, 4. Wilken, S. 305.
p) Krieg des Buhlers und Spielers = Cod. P. G. 4, 5. Wilken, S. 306.
q) Historia von Euriolus und Lucretia = Cod. P. G. 119, 1. Wilken,
S. 349.
r) Alda, üb. v. Adam Wernher von Themar = Cod. P. G. 298, 2. Wil-
ken, S. 394.
s) Erz. V. d. Königin v. Frankreich und Lupoid von Osterreich = Cod.
P. G. 373, 3. Wilken, S. 452.
6. Johannes von Soest, Margaretha von Limburg = Cod. P. G. 87. Wil-
ken, S. 337.
7. a) Kaiserchronik == Cod. P. G. 361. Wilken, S. 442.
b) Chronik d. röm. Kaiser = Cod. P. G. 525, 1. Wilken, S. 503.
c) Spruch von dem Pechamer = Cod. P. G. 525, 2. Wilken, S. 504.
d) Eroberung Constantinopels = Cod. P. G. 525, 3. Wilken, S. 504.
e) Das Buch der Könige bis auf Conrad H. :=: Cod. P. G. 145, 1. Wil-
ken, S. 360.
/) Chronica der römischen Könige = Cod. P. G. 5, 4. Wilken, S. 307.
8. Heinrich von dem Türlin, Der Aventiure Crone = Cod. P. G. 374.
Wilken, S. 452.
9. a) Rud. V. Ems, Wilhelm von Orlens = Cod. P. G. 323. Wilken, S. 409.
b) Livländ. Reimchronik = Cod. P. G. 367, 5. Wilken, S. 447.
10. a) Gereimte Legenden — Cod. P. G. 342. Wilken, S. 428.
b) Hermann von Fritzlar, Legenden = Cod. P. G. 113 und 114. Wilken,
S. 348.
11. a) Minnelieder = Cod. P. G. 357. Wilken, S. 438.
b) Altswert = Cod. P. C. 358, 1. Wilken, S. 440.
c) Aristoteles' Rath an Alexander = Cod. P. G. 355, 1. Wilken, S. 435.
d) Lieder von Reinmar von Zweter, Konrad von Würzburg, Barthel Re-
genbogen , Heinrich Frauenlob , Marncr und Ungenannten = Cod. P.
G. 350, 1. Wilken, S. 432.
e) geistliche Lieder = Cod. P. G. 350, 2. Wilken, S. 433.
/) Meistergesänge von Regenbogen, Marner und Frauenlob = Cod. P.
G. 350, 4. Wilken, S. 433.
ff) Miunelied = Cod. P. G. 349, fol. 19^ Wilken, S. 432.
h) Minnelied = Cod. P. G. 693, fol, 40\ Wilken, S. 522.
i) Des elenden Knaben Reden von der Minne =: Cod. P. G. 344, 1 — 4.
Wilken, S. 428.
k) Gericht zwischen Gerechtigkeit und Minne = Cod. P. G. 314, 4. Wil-
ken, S. 405.
i) Minnelied in der Titurelstrophe = Cod. P. G. 729, 2, fol. 6. Wilken,
vS. 526.
12. Poetische Erzählungen von der Minne, Minnelieder u. s. w. = Cod. P.
G. 313, 1—54. Wilken, S. 401.
120 MISCELLEN.
Folgende vier Nummern sind in einem Fascikel vereinigt:
13. Egen von Bamberg, Minneburg = Cod. P. G. 385. Wilken, S. 459.
14. Hugo von Montfort, Gedichte = Cod. P. G. 329. Wilken, ö. 411.
15. Gedicht von der Minne = Cod. P. G. 348. Wilken, S. 431.
16. Zwölf kleinere Gedichte, meist die Minne betreffend = Cod. P. G.
893, 1 — 12. Wilken, S. 463.
17. Mich. Behaim, Beimchrouik von den Thaten Friedrichs des Siegreichen
= Cod. P. G. 335. Wilken, S. 414.
II. Größere poetische Werke:
1. Konrad von Amraenhausen, Schachzabelbuch = Cod. P. G. 398. Wil-
ken, S. 466.
2. Ulrich v. Esehenbach, Alexandreis = Cod. F. G. 333. Wilken, S. 413.
3. Seyfried, Alexander der Grosse = Cod. P. G. 347. Wilken, S. 431.
4. Bruder Wernher, Marienleben = Cod. P. G. 372, 1. Wilken, S. 451.
5. Gedicht von Kaiser Kothbart = Cod. P. G. 844, 9.
6. Heinrieh von Neustadt, Von der Zukunft des Herrn = Cod. P. G.
401. Wilken, S. 467.
7. Heinrich von Mugeln, der Meide Kranz = Cod. P. G. 14. Wilken,
S. 309.
8. Mönch von Heilbronn, die sieben Grade = Cod. P. G. 417, 2, Wil-
ken, S. 471.
9. Vom Herzog Belyant und seiner Gemahlin Libanit = Cod. P. G. 353.
Wilken, S. 434.
10. Thomasin von Zirklere; welscher Gast =: Cod. P. G. 389. Wilken,
S. 460.
11. Jans der Enenkel, Weltchronik = Cod. P. G. 336. Wilken, S. 415.
12. Tantarias und Flordiwel = Cod. P. G. 370. Wilken, S. 449. Nach der
Cölner Handschrift (in der Wallraffschen Sammlung X, 61) ergänzt.
13. Friedrich von Schwaben = Cod. P. G. 345, 2. Wilken, S. 430.
14. Ogier = Cod. P. G. 363. Wilken, S. 444.
15. Segehart v. Babenberg, Tristrand = Cod. P. G. 346. Wilken, S. 430.
16. Aeneis = Cod. P. G. 403. Wilken, S. 468.
17. Reinalt oder die Heimonskinder = Cod. P. G. 399. Wilken, S. 466.
18. Malagis = Cod. P. G. 315. Wilken, S. 407.
19. Konrad, Rolandslied = Cod. P. G. 112, Wilken, S. 347.
20. Wilhelm von Österreich = Cod. P. G. 143. Wilken, S. 359.
21. Der Rosengarten = Cod. P. G. 359, 1. Wilken, S. 440.
III. Abschriften geschichtlichen Inhalts.
1. Leonhard Flexel, Beschreibung des Passauer Herrenschießens 1555 =
Cod. P. G. 686, Wilken, S. 520.
2. ders. , Beschreibung des Stuttgarter Schießens 1560 = Cod. P. G.
325. Wilken, S. 409.
MISCELLEN. 121
3. ders., Beschreibung des Wormser Schießeue 1575 = Cod. P. G. 405.
Wilken, S. 4G9.
4. Ungarische Chronik = Cod. P. G. 156, Wilken, S. 369.
5. Heinrich von Mujicln, ungar. Chronik = Cod. F. G. 5, 3. Wilken,
6. Wie Jacob von Gültlingen Conraden von Degenfeld erstach und ent-
hauptet wurde, sammt einem Liede über diese Begebenheit = Cod. P.
G. 52, 3, 4. Wilken, S. 327.
7. Erzählung der Begebenheiten in England im Heumonat 1553, und
wie Job. Diasiuis seinen Bruder umbringen ließ 1546 = Cod. P. G,
776, 3, 4. Wilken, S. 533.
8. Peter Harrer, Krieg Philipps von Plessen und Johanns von Sachsen
gegen die Bischöfe = Cod. P. G, 319. Wilken, S. 407.
9. ders., Gedicht von der Hochzeit des Pfalzgrafen Friedrich III. = Cod.
P, G. 337. Wilken, S. 416.
10. Privilegien der Familie Zolner zir Bamberg (mit Kaiserurkunden) =
Cod. P. G. 835, 3. Wilken, S. 542.
11. Stammtafel d. Brandenburg. Fürsten =^ Cod. P. G. 103. Wilken, S, 343.
12. Diarium Wirtembergicum von Christ, Bidenbach = Cod. P. G. 104.
Wilken, S. 343.
13. Lobrede auf Moriz von Oranien = Cod, 305, 1, Wilken, S. 39 7.
14. Zeitung von der Schlacht vor Ofen 1541 5 Zeitung von dem Minich
in Siebenbürgen 1551 = Cod. P. G. 776, 1. 2. Wilken, S. 533.
15. Geschichte der Krönung und Vermählung Friedrichs III. = Cod. P.
G. 677, 1. Wilken, S. 519.
16. Elegien auf den Tod der Churfürstin Anna zu Sachsen von Barth,
Hofmann = Cod, P, G. 734, 3. Wilken, S. 528.
17. Zur Geschichte der Gefangenschaft des Herzogs Joh, Friederich von
Sachsen = Cod, P. G, 777. Wilken, S. 533.
18. M, Kalnbergk, Reden auf Joh. Friedrich von Sachsen = Cod. P. G.
733, 4. Wilken, S. 528.
19. Verschiedene poetische und prosaische Stücke, betreflfend die Gesch.
Morizs von Sachsen, Heinrichs von Braunschweig, Albrechts von Bran-
denburg, des Augsburger Reichstags von 1552 u. s. w. ; ein Spruch
von der Armut; Gedichte von Hans Sachs = Cod. P. G. 774, 1 — 19-
Wilken (1—14), S. 532.
Verzeichniss vorstehender Hss, nach der Reihenfolge des Heidelberger Katalogs.
C. 76 = I, 5^
„ 87 = I, 6
„ 103 = III, 11
„ 104 = III, 12
„ 105 = I, 3"
„ 108, El. 1— 76 = I, 3'
„ 108, Bl. 77— 85 = I, 3'
„ 108, Bl. 86— 90 = I, 3'
„ 108, Bl, 91 — 100 =1, 3"
„ 108, Bl. 101 — 105 = I, 3^
C.
4,
2 = I, 5
v
4,
3 = I, 5"
n
4,
4 = I, 5"
v
4,
5 = I, 5p
)5
5,
3 = III, 5
T}
5,
4 = I, 7^
71
14
= 11,7
V
52,
3, 4 = II, 6
n
60,
4 = I, S"»
n
60,
6 = II, 3^
122
MIS GELLEN,
C. 109 = 1, 4"
„ 111, 1 = 1, 3»
„ 111, 2 = 1, 3P
„ 112 = 11, 19
„ 113 und 114 = I, lO**
„ 118, Bl. 1— 90 = I, S-^
„ 118, Bl. 90 — 126 = I, 3'
„ 118, Bl. 126—176 = I, 3^
„ 119, 1 = 1, 5'>
„ 119, 2 = I, 5''
„ 119, 4 = 1,5'
„ 119, 5 = I, ö""
, 119,6=1, 3°
,, 119, 7 = I, 5'
,, 143 = II, 20.
, 144 = I, 3'
, 145, 1 = I, 7^
, 156 = III, 4
, 298, 2 = 1, 5'
, 298, 4 = I, ö''
, 305, 1 = III, 13
, 313 =1, 12
, 314, 6 = I, 4*
, 314, 2. 5 = I, 4"
, 314, 4 = 1, 11"^
, 314, 9 = I, 4^
, 315 =n, 18
, 319 = III, 8
, 323 = I, 9*
, 325 = III, 2
, 326 = I, 4»
, 329 = I, 14
, 333 = n, 2
, 335 = I, 17
, 336 = II, 11
337 = III, 9
342 = I, lO''
, 344, 1—4 = I, 11-
345, 2 = II, 13
346 = II, 15.
347 = n, 3
348 = I, 15
349, 1 = I, 4"^
349, 2 = I, 4"^
349, 3 = I, 4"
349, Bl. 19" = I, 11^
350, 1 = I, ll-»
350, 2 = 1, 11«
C. 350, 3 = I, 3*"
„ 350, 4 = 1, 11^
„ 352 = I, 2
„ 353 = II, 9
„ 355, 1 = I, 11'
„ 356, 2—5 = I, 3'
„ 357 = I, 11"
„ 358, 1 = I, 11"
„ 359, 1 = II, 21
„ 361 = I, 7*
„ 363 = II, 14
„ 367, 1 = I, 1
^ 367, 5 = I, 9"
.. 367, 7 = I, 4"
^ 370 = II, 12
„ 372, 1 = II, 4
,, 372, 2 = I, 4"
;, 373,3 = 1,5'
„ 374=1,8
^ dll — I, 5=^
„ 384, 1 = I, 4^
„ 384, 2 = I, 4-
„ 385 = I, 13.
„ 387 = I, 5^
^ 389 = II, 10
„ 392 = 1,3^
^, 392 = T, 4'
„ 393, 1 — 12 = I, 16
„ 394, l = I, 3"
„ 394, 2 = I, 4'
^ 398, 2 = II, 1
.. 399 = II, 17.
., 401 = II, 6
„ 402 = 1,5''
„ 403 = II, 16
„ 405 = III, 3
„ 417,2 = 11,8
., 417, 3 = I, 5'
„ 417, 4 = I, 3^
„ 507 = I, 5^
„ 525, 1 = I, 7"
„ 525, 2 = I, 7<^
„ 525, 3 = I, 7''
„ 602 = I, 3"
, 677, 1 = m, 15
^ 686 = III, 1
„ 693, 2—5 = I, 4°
, 693, Bl. 40" = I, 11'
MISCELLEN. 123
C. 717 = I, 4' C. 776, 1. 2 = III, 14
„ 729, 1 = I, 4« „ 776, 3. 4 = III, 7
„ 729, 2 = 1, 11' „ 777 = III, 17
„ 733, 4 — III, 18 „ 835, 3 = III, 10
„ 734,3 = 111,16 „ 844, 9, = II, 5.
„ 774 = m, 19
HEIDELBERG, im Januar 1877. W. SCHLÜTER,
Custos an der Heid. Univ.-Bibl.
Theophil Rupp.
Es liegt mir eine Autobiographie von Th. Rupp vor, die vollständig mit-
zutheilen zwar der Raum verwehrt, von der ich jedoch einen Auszug zu liefern
mir erlaube. Nicht ein Gelehrtenleben ist dies, sondern ein auf praktische
Thätigkeit gestelltes Dasein, das in der letzten Periode ruhigen Genießens dem
Triebe zu gelehrter Thätigkeit sich endlich hingeben durfte. Johann Gottlieb
Rupp wurde am 21. Januar 1805 in Reutlingen geboren; während seines
langen Aufenthaltes in Italien Teofilo genannt, hat er diesen Vornamen auch
nach der Rückkehr ins Vaterland beibehalten. Er trat, nachdem er die
Schule durchgemacht, als Kaufmannslehrling in ein Geschäft in Reutlingen
ein , gegen seine Neigung , schon damals von einem unbändigen Lern-
triebe erfüllt. 'Sommer und Winter war Ich um 4 Uhr Morgens an der
Arbeit und, um zur nöthigen Zeit zu erwachen, verfertigte ich mir einen
eigenen Mechanismus , durch welchen ich mittelst einer Taschenuhr und
einer alten Kuhglocke zum Entsetzen meiner Schlafgenossen einen unfehlbaren
Weckruf hervorbrachte'. Nach B^/^ Jahren kam er nach Serriere bei Neu-
chatel, nach einem halben Jahre nach Morges am Genfersee in eine Colonial-
waarenhandlung. Während dreijährigen Aufenthaltes lernte er hier Französisch,
auch Englisch und die Anfänge des Italienischen , und las fleißig Geschichts-
werke und Reisebeschreibuugen. Durch einen Aufruf in der Zeitung, wodurch
jungen Kaufleuten Verwendung bei der zu gründenden Bank in Athen eröfi'net
wurde, veranlaßt, entschloß er sich über Italien nach Griechenland zu gehen
und verließ 1827 die Schweiz. Schon unterwegs erfuhr er, daß jene griechischen
Hoff'nungen eitel seien und beschloß in Italien zu bleiben. In Livorno erhielt
er eine Stelle als Commis und verblieb in wechselnder Lage, wobei aber überall
die Ehrlichkeit und Gradheit seines Charakters sich bewährte, in jener Stadt
die letzten 14 Jahre ein Geschäft unter eigenem Namen führend. Auch in
Italien setzte er seine Studien aufs eifrigste fort, die Alten las er meist in
italienischen Übersetzungen, wenngleich er noch im 34. Lebensjahre bei einem
griechischen Priester Griechisch zu lernen versuchte. Auch die Litteratur der
Inder, Perser, Chinesen lernte er in englischen und französischen Übersetzungen
kennen. Mit Eifer betrieb er nebst einem Freunde Nachgrabungen in der
toskanischen Maremma, die manche Alterthümer zu Tage förderten. — Es
kamen die Jahre 1847 und 1848 und Rupp nahm persönlich und mithandelnd
an der politischen Bewegung in anti- österreichischem Sinne Theil. Er trat mit
Guerrazzi in intime Verbindung, von dem er, trotz mancher Abweichung der
Ansichten über die für Italien beste Staatsform, doch Bedeutendes erwartete.
Rupp mußte von der toskanischen Regierung Verfolgung erleiden, wurde ver-
124 mSCELLEN.
haftet und nach Elba gebracht. Nachdem er in Folge der Revolution die
Freiheit wiedererlangt, kehrte er vorläufig zu einem Besuche nach Deutschland
zurück und traf am 31. December 1848 in Reutlingen ein. Die Bekanntschaft
mit seiner nachherigen Frau wurde der Anlaß, daß er sich ganz in der Vater-
stadt niederließ. Am 6. Mai 1850 verheirathete er sich; fast hätte auf der
Hochzeitsreise das junge Ehepaar das Leben verloren. Auch in Reutlingen
noch Geschäfte treibend, zog er sich später mehr und mehr davon zurück, um
sich ganz den geliebten Studien zu widmen. Schon 1844 hatte er sich Grinrms
Mythologie nach Italien kommen lassen und sich mit ihrem Inhalte mit beson-
derer Liebe vertraut gemacht. Mythologie und Alterthumskunde wurden der
Mittelpunkt seiner Studien. 1864 veröffentlichte er seine erste dahin gehende
Schrift "^Aus der Vorzeit Reutlingens , nachdem er sie im Manuscripte Klüpfel
und Roth in Tübingen mitgetheilt und durch sie zur Veröffentlichung ermuthigt
worden war. Früher hatte er in Italien ausser einem Versuche in Natur-
philosophie (Das Entstandene und das Nichtentstandene) nur zahlreiche Zeitungs-
artikel geschrieben. 1865 schrieb er seine Abhandlung über Fiölsvinnsmäl und
über Hrafnagaldr Odins, 1866 die über Baidur, 1867 einen Nachtrag dazu, 1868
über die kurzen Griffe der Bronzeschwerter, 1870 zur Deutung von Fiöl-
svinnsmäl, sämmtlich in dieser Zeitschrift veröffentlicht. Die drei ersten Ab-
handlungen mit einer vierten über Freyja vereinigt erschienen 1868 unter dem
Titel 'Eddische Studien als Buch. Die Schrift Aus der Vorzeit Reutlingens
erschien mit einem vermehrten Abdruck des Artikels über die Bronzeschwerter
in zweiter Auflage 1869.
Das letzte was er veröffentlichte war ein Aufsatz 'über die Bedeutung
von Alm' (Germ. XVII); das letzte, woran er arbeitete, eine Abhandlung
'über den Namen der Germanen , die ebenfalls für die Germania bestimmt war.
Eine ehrende Anerkennung wurde ihm dadurch zu Theil, daß im December 1866
die philosophische Facultät in Tübingen ihn zum Doctor hon. causa ernannte.
'Als Professor R. Roth in Begleitung von Dr. Euting mir das Diplom über-
brachte, war ich eben in meinem Magazin mit Wildhäuten beschäftigt, und
konnte mich nach einigem Wartenlassen nur im Magazins-Anzug präsentieren.
In den letzten Jahren hatte er an körperlicher Rüstigkeit wohl abgenommen,
aber die ausserordentliche Lebendigkeit und Regsamkeit des Geistes hatte er
sich bewahrt. Im September 1874 verlebte ich mehrere herrliche Herbsttage
in seinem Hause, nicht ahnend, daß ich ihn zum letzten Male sehen sollte. Er
starb am 25. März 1876, ein treuer Sohn des Vaterlandes, der auch in
der Fremde die Liebe zu heimischer Sprache und Sitte fest und innig im
Herzen trug.
K. BARTSCH.
Alexander Vollmer.
Ein beinahe Verschollener, ist am 5. December 1876 in München A.
Vollmer gestorben. Er hieß mit Vornamen ursprünglich Alois, nannte sich aber
später Alexander. Am 26. September 1803 wurde er als Sohn eines Schul-
lehrers zu Krcbeck im Eichsfolde geboren, machte die Lateinschule in Duder-
stadt durch, studierte seit 1823 in Göttingen Philosophie, dann in Bonn und
MISCELLEN. 125
Würzburg Theologie bis 182G, ließ aber zum großen Kummer aeiner Eltern
dies seine Zukunft sichernde Studium fallen. Nachdem er einige Zeit als Hof-
meister fungiert, begab er sich nach München und trieb unter Maßmann ger-
manistische Studien. Seine erste Arbeit, die er veröffentlichte, war die für die
Göschenscheu 'Dichtungen des Mittelalters bestimmte Ausgnbe von Der Nibe-
lunge Not und diu Klage (Leipzig 1843), die auf der Hs. A beruhte, die
Vollmer aufs neue collationiert hatte. Der Umstand , daß er in der Klage
mehrere von Lachmann übersehene Zeilen entdeckte, zog ihm freilich den hef-
tigen Zorn Lachmanns zu. Die kritische Arbeit Vollmers war hier nur ge-
ring ; um so mehr Anerkennung verdient seine ebenfalls in genannter Sammlung
erschienene Ausgabe der 'Gudrun (184.^), die einen nicht unwesentlichen Fort-
schritt in der Kritik dieses Gedichtes bekundet. 1843 besorgte er eine zweite
Auflage von Beilhacks Übersicht der sprachlichen und literarischen Denkmäler
des deutschen Volkes ; 1850 erschien seine mit C. Hofmann zusammen unter-
nommene Ausgabe des Hildebrandsliedes, die freilich mehr ein Curiosum ist.
Dazwischen fällt seine eingehende liecension der Gabelentz-Löbeschen Ulfilas-
ausgabe in den 'Gelehrten Anzeigen von 1846, Nr. 163 — 168 und 245 — 249,
die zuerst Vollmer als Specialforscher des Gotischen bethätigte. Von da an
blieben, auch wenn er fast nichts mehr veröffentlichte, dem Gotischen und Ur-
deutschen seine Studien zugewendet. Nur noch einmal trat er hervor: als 1862
in Augsburg die Philologenversammlung tagte , auf der zum ersten Mal die
Germanisten eine selbständige Section bildeten, stellte sich Vollmer mit seiner
Ausgabe der 'Skeireius ein. Noch sehe ich ihn vor mir wie der von innerer
Erregung bebende Mann vor Wackernagel trat, wie die am dritten Tage leider
schon stark gelichteten Reihen sich erhoben und den werthen Faehgenossen
mit seltener Einmüthigkeit ehrten, wie da die Eiskruste um den alten Isegrim
schmolz und derselbe Nachmittags beinahe verjüngt unter den Besten seines
Zeichens im Schiesgraben saß*)'. Die Ausgabe zeugt von liebevollster und
eindringendster Beschäftigung, verräth aber leider eine bedenkliche Vorliebe für
Conjecturalkritik. Und das würde, ist zu fürchten, auch bei seiner lange ge-
planten Ulfilasausgabe der Fall gewesen sein , von welcher nach der Allgera.
Zeitung (a. a. 0. 182'') schon ein Theil gedruckt war, aber von dem fast
blinden und an der Vollendung verzweifelnden Vollmer 1871 maculiert wurde.
Aber immerbin würde es ein Werk staunenswerthen Fleißes und Scharfsinns
geworden sein, und es wäre zu wünschen daß, was noch davon existiert, dem
Untergang entrissen würde.
K. BARTSCH.
Ein Brief F. H. von der Hagens an Fr. D. Gräter.
Unter der Bezeichnung: Manuscr. misc. 4". 30. enthält die k. öffentliche
Bibliothek zu Stuttgart unter anderen Papieren aus dem Nachlaß Friedrich
David Gräters auch eine ziemliche Anzahl von Briefen an denselben, worunter
die Namen Brentano, Gleim, Jakob Grimm, v. d. Hagen, Klopstock , Kose-
garten, Uz hervorragen. Indem ich andere Briefe mitzutheilen auf später ver-
*) Allgemeine Zeitung 1876, Beilage 13, S. 183\
126 MISCELLEN
schiebe, gebe ich hier den v. d. Hagens, welcher für die Geschichte der
deutscheu Philologie und besonders der Händel, in welche die mit jugend-
licher Frische aufstrebenden Brüder Grimm mit älteren Fachgenossen geriethen,
nicht uninteressant sein dürfte.
STUTTGART, im Juui 1876. HERMANN FISCHER.
Breslau, den 22. Jan. 1812.
Hochgeehrtester Herr Professor,
Ich bin so frei , Ihnen hiebei die bis jetzt gedruckten Bogen meiner
Ausgabe der Eddischen Lieder, welche über unsere Nazioualmythen gehen, zu
übersenden. Es sind zwar nur die Bogen der 2. Correktur, aber die Aus-
hängebogen fehlen mir selber noch (da in Berlin gedruckt wird), und ich hoflfe
Ihnen doch mit diesen Vergnügen zu machen, da Sie (bei Arndt) vergeblich
nach diesen Liedern getrachtet, und Ihr tiefes Studium der Nords. Literatur
und Mythologie sie Ihnen natürlich so wichtig machen muß. Mich interessiren
sie besonders aus jener nazionalen Rücksicht; welche ich in der Einleitung
ausgeführt. Meine Abschrift, durch Nyerups Güte, ist nach dem besten Cod.
Reg., der Quelle der meisten übrigen Codd. Ich habe sie wohl schon \^l„ Jahr,
und sogleich zur Herausgabe bestimmt. Dieß wußten schriftlich und mündlich
auch die HH. Grimm, und ich habe ihnen selber noch einen Theil davon ab-
schriftlich geschickt. Die Kollision kann mir also nicht zur Last gelegt werden.
Auch schadet sie gar nicht: und jene wollen auch den ganzen 2. Theil der
Sämunds. Edda ediren : obgleich soviel ich weiß darin, außer beikommend nur
noch Grougalldr und Getspeki Heidreks sind: wenn sie nicht Voluspa, Hava-
mal, Runacap., Grottasaung etc. etc. wiederholen wollen. Wie weit mögen sie
damit sein? Ich komme nächstens mit meiner Ausgabe, und hoflfe jenen noch
zuvor. Eine Übersetzung, getreu in der Nordischen Form, liefere ich besonders,
zusammen mit der der Volsunga-Ragnar Lodbroks-Nornagest-Wi[lkina ist wegge-
rißen] und Niflunga-Saga's, noch in diesem Sommer, da sie meist schon fertig.
So haben wir alles Nords, über unsere Nazioualmythen beisammen. Auch die
Blomsturvalla-Saga und Jarl Magus-Saga, die dazu gehören, habe ich ab-
schriftlich durch Nyerup. Das übrige überlasse ich den Grimms. Meinen Plan
habe ich schon vor Jahr und Tag in der Vorrede zum Heldenbuch dargelegt.
— Von meinen übrigen liters. Unternehmungen , welche durch meine hiesige
Versetzung und Amtsgeschäfte gestört sind, nächstens mehr. Ich muß es für
ein gutes Zeichen halten, daß gerade bei meiner Anherokunft, ohne mein Zu-
thun, so viel für Altd. und Nords. Lit. geschieht, durch Sie und den wackern
Heinze. Ich will auch gern mein Theil dazu beitragen und hoflfe Ihnen
nächstens einiges vorzulegen; denn mein Museum scheint vor der Hand unter-
brochen. Sonst könnten sämmtliche Unternehmungen dieser Art "recht gut
neben einander bestehen, inid man muß nur wünschen, daß recht viel von allen
Seiten begonnen werde, wenn es auch nicht lange währt. Mit dem Reineke Voß auf
den ich mich sehr freue, werden Sie auch mit Grimms collidiren. Diese Herrn
sind aber gar eigensüchtig und möchten gern durch solche Ankündigungen alles
beste für sich in Beschlag nehmen. Ich werde mich aber durch nichts in
meiner unsere alten epischen Nazionalgedichte und alle auswärtigen Darstellun-
gen und Umbildungen derselben umfaßenden Unternehmung nicht irren lassen.
MISCELLEN 127
Hiezu bitte ich Sie auch um gefällige Anzeige und Mittlieiiuiig alles dahin
gehörigen, besonders Ihrer zum Tausch ausgebotenen Fragni. des Hcldenbuchs,
worauf ich sehr neugierig bin. Sind es wirklicli alte Originale, nicht Ab-
schriften, will ich gern Nordisches dafür geben. Ich besitze jetzo auch das
Kinderlings. Fragni. vom Wolfdietrich. Leben Sie reclit wohl, und erfreuen mich
recht bald durch eine Antwort.
Der Ihrige
V. d. Hage n.
Erklärung.
Verschiedene Anläße bestimmen mich hiemit zu erklären, daß ich folgende
in der k. k. Universitätsbibliothek zu Graz aufbewahrte handschriftliche Sprach-
denkmäler so bald, als es meine Zeitverhältnisse gestatten, theils in dieser
Zeitschrift theils selbständig zu veröffentlichen beabsichtige: 1. eine Legende
auf den heiligen Ludwig Tholosanus (Codex 33/1. 4"), 2. ein Gedicht von der
heiligen Dreifaltigkeit (Cod. 39/63. 4"), 3. Proben aus einem deutschen Psalter
(Cod. 39/63. 4*'), 4. Konrads von Megenberg Bearbeitung der Sphaera mundi
von Sacro-Bosco (39/58. fol.).
INNSBRUCK, 22. Januar 1877. ADALB. JEITTELES.
Personalnotizeu.
Der Professor Alfons K i s s n er in Erlangen ist als Nachfolger von Schip-
per nach Königsberg berufen; an seine Stelle kommt als ausserord. Professor
der Privatdocent Dr. Karl Vollmöller in Straßburg.
Die Stelle Rudolfs von Raumer ist durch die Berufung des Professors
Elias Steinmeyer nach Erlangen wieder besetzt worden.
Der ausserordentliche Professor Hermann Paul in Freiburg ist zum Or-
dinarius ernannt worden.
Professor Wilhelm Wilmanns in Greifswald kommt an die Stelle von
Karl Simrock in Bonn; nach Greifswald als ausserord. Professor der Privat-
docent Dr. Alexander Reif fer scheid in Bonn.
Mahnwort.
Durch den Tod des vielbeklagten Leiters der Verlagsbuchhandlung des
Waisenhauses zu Halle an der Saale Oswald Bertram hat auch From-
manns Zeitschrift: Die deutschen Mundarten ihren Verleger ver-
loren, so daß ihr Fortbestand wieder in Frage gestellt ist, nachdem seit ihrem
Wiederaufleben (1874) zwei Hefte erschienen waren. Es wäre doch wahr-
haftig ein Jammer, wenn sich hier keine Hilfe fände! —
Die Mundarten sind im Verschwinden. Es ist aber von höchster Wich-
tigkeit, daß ihr Klang nach dem Leben, so lange es noch möglich ist, für
alle Zeiten als zuverlässiges Material der Forschung festgestellt und der Zukunft
überliefert werde. In Darstellung sowohl, als auch in Erforschung der JSIund-
128 MISCELLEN.
arten können bei den Fortschritten, die in letzterer Zeit die Wissenschaft ge-
macht, nun erhöhte Ansprüche erhoben und auch befriedigt werden. Schon
haben sich in den zwei Heften det Zeitschrift, die erschienen sind, Ansätze
gezeigt solchen Ansprüchen gerecht zu werden, in mancher Hinsicht mehr als
dies noch bisher geschehen. Rüstige Arbeiter sind reichlich vorhanden. Über-
haupt scheint ja doch für die Erforschung der Mundarten gerade in letzter Zeit
eine neue Aera gekommen zu sein!
Und in einem solchen Augenblicke soll die Zeitschrift für Mundarten,
geleitet von einem Manne wie Fromm ann, aufhören? —
Bei der Forderung an den deutschen Sprachunterricht, wie ihn seiner-
zeit Raumer gestellt hat, daß er auf die locale Mundart Rücksicht nehme
und an sie anknüpfe, ist zu erwarten, daß nicht nur die Gelehrtenkreise, son-
dern auch Lehrerseminare und Schulen aller Art die Zeitschrift halten werden.
Erfahrene Schulmänner bezeugen, daß erst durch das erwachende Interesse
des Lehrers für die Mundart der Sprachunterricht recht fruchtbar werde.
Gewinnt aber einerseits auf diese Weise der Unterricht , so ist auch an-
dererseits sowohl zu wünschen als auch zu erwarten , daß Schulmänner als
getreue Sammler von Beiträgen gewonnen werden, so wie sich Schulmänner,
ohne alle gelehrte Prätension , ja auch schon vielfach als treue Sammler von
Naturalien bewährt haben.
Solchen Voraussetzungen gegenüber scheint die Hoffnung begründet, daß
das Unternehmen, richtig betrieben, auch materiell sich lohnen wird.
Mögen alle Freunde der bedrohten Zeitschrift das ihrige thun ihr einen
umsichtigen Verleger zu gewinnen und dann — zu ihrem Gedeihen in jeder
Hinsicht beizutragen!
Es sei gestattet hier noch die Worte unseres großen Meisters Jacob
Grimm in Erinnerung zu bringen, die er den 29. Jänner 1858 Frommanns
Zeitschrift vox-aussendete. Er schrieb damals :
„Herrn Dr. Frommauns Zeitschrift für deutsche Mundarten hat alle
Sprachforscher überrascht, nämlich gezeigt , welche Schätze es jetzt noch (und
später lange nicht so leicht) möglich ist aus unsern Volksmundarten zu heben.
Das deutsche Publicum hat eine doppelte Pflicht, einmal Beiträge zu liefern,
wie gezeigt ist, daß sie sein sollen, dann aber das Unternehmen zu sichern und
fortdauernd zu machen. Wäre sein Werth bereits so lebhaft erkannt worden,
wie man erwarten sollte, es bedürfte nicht erst meiner Empfehlung, die ich
mit voller Überzeugung gebe."
Möge das Wort des Meisters nicht ungehört verklingen! — Ich bemerke
nur noch daß ich mich zu diesem Mahnworte veranlaßt sehe durch die briefliche
Mittheilung des verdienten Herausgebers der in Rede stehenden Zeitschrift, daß
die Verlagshandlung des Waisenhauses das Unternehmen , das durch die be-
kannte Liebe des zu früh verstorbenen 0. Bertram für das Studium der deut-
schen Sprache jüngst erst wieder ins Leben getreten war, aufzugeben beschlossen
habe. Etwaige Vorschläge würden an Herrn Director Dr. G. Karl Frommanu
beim germanischen Museum zu Nürnberg zu richten sein.
SCHRÖER.
zu DES STRICKERS KARL
VON
C. von JECKLIN.
Was unsere Aufmerksamkeit auf Strickers Gedicht von Karl dem
Großen*) lenkt, ist nicht so sehr der, nicht gerade sehr bedeutende,
eigene dichterische Werth desselben, als vielmehr der Umstand, daß
es als Umarbeitung von des Pfaffen Konrads Rolandsliede**) uns die
Entwicklung der Sprache, der Vers- und Reimkunst und theilweise
wenigstens auch des Geschmackes innerhalb eines Jahrhunderts zeigt
(in runder Zahl von 1140 bis 1240). Zu diesen beiden Vergleichungs-
objecten kommt dann noch als drittes der Karl meinet ***), bei dem
freilich nur die sprachliche Entwicklung in Betracht kommen kann,
da er sich in sachlicher Beziehung viel zu sehr an seine Vorlage hält,
um hierin bedeutende Verschiedenheit zu zeigen.
Was im Besonderen den Karl betrifft, so ist uns das Gedicht
neben dieser mehr culturhistorischen Vergleichung auch noch in hand-
schriftlicher Beziehung dadurch interessant, daß wir bei demselben einen
festen Anhaltspunkt für die Textkritik haben: das alte RolandsHed.
Da nun, wie ich glaube, dieser Gesichtspunkt, die Vergleichung des
Rolandsliedes, von Bartsch bei seiner Ausgabe des Karl nicht genügend
festgehalten ist, auch bei seinem Material, d. h. ohne Kenntniss der
Münchner Pergamenthandschrift, nicht mit Sicherheit festgehalten wer-
den konnte, will ich dies hier nachzuholen suchen, wobei sich zugleich
ganz interessante und für das Handschriftenwesen des Mittelalters
lehrreiche Ergebnisse herausstellen werden.
*) hsg. von K. Bartsch, Quedlbg. und Lpz. 18.57.
**) hsg. von W. Grimm, Göttg. 1838, von K. Bartsch, Lpz. 1874, die Lesarten
dazu Germ. XIX, 385 ff.; ich citiere nach Grimm. Das Programm von Heydler: Ver-
gleichung des Rolandsliedes . . . und des Karl hat keinen Werth : obschon erst 1840
erschienen, kennt es Grimms Ausgabe des Rolandsliedes noch nicht.
***) Karl Meinet hsg. von Ad. v. Keller, Stutig. (litt. Ver.) 1858-, vgl. K.
Bartsch, Über Karlmeinet, Nürnbg. 1861.
GERMANIA. Neue Reihe X (XXII. Jahrg.) 9
X30 C, JECKLIN
I. Die Handschriften.
Vom Karl sind uns einige zwanzig Handschriften bekannt*); acht
davon (denn J rechne ich nicht, weil wir aus den bei Schilter ange-
führten Varianten zu wenig davon erfahren) sind von Bartsch benutzt ;
die wichtigsten sind:
A die St Graller Pergamenthdsch. des XIH. Jhdts.
F die in Schilters thesaurus antiquitatum gerin. II als rythmus
de Caroli M. exped. hispan. abgedruckte, nun verbrannte, Straßburger
Pergamenthdschr. des XIV. Jhdts.
H die Münchner Papierhdsch. des XV. Jhdts.
Dazu kommt nun noch eine von mir mit K bezeichnete Münchner
Pergamenthdsch. (cod. germ. 5154). Dieselbe war in einer Bücheranzeige
von Windprechts Antiquariat in Augsburg angekündigt gewesen ; durch
Hrn. Prof, Zarncke darauf aufmerksam gemacht, ersah ich aus einigen
Angaben der Anzeige, daß die Hdsch. sich nahe zu F und H stelle;
und da mir schon damals diese Gruppe einen vielfach bessern Text
zu bieten schien, erkundigte ich mich nach der Hdsch. und erfuhr,
daß sie damals von der kgl. Bibliothek in München angekauft Avorden
war. Durch die Freundlichkeit des Vorstandes der letzteren und durch
gütige Vermittlung des Oberbibliothekars der hiesigen Universitäts-
bibliothek, Hrn. Prof. Krehl, war es mir möglich, dieselbe längere
Zeit hier zu benutzen und zu collationieren. Die Hdsch. bestand ur-
sprünglich aus 13 Lagen zu vier Doppelblättcrn , jede Seite zu zwei
Spalten mit je 30 abgesetzten Vcrszeilen. Davon fehlen jetzt:
die 4. Lage (mit D bezeichnet): v. 2855— 3874;
die 7. und 8. Lage (H und J): v. 6087— 7943;
die 11. Lage und der Schluß: v. 9708—12206;
außerdem ist in der Mitte der 5. Lage ein Blatt zu drei Viertheilen
abgerissen, so daß von den v. 399.5—4103 nur folgende und diese
z. Th. nur stückweise erhalten sind : 4005 — 4020" (vgl. die Lesarten)^
4043--4050, 4071—4078, 4097—4103. Diese Lücken müssen schon
ziemlich alt sein; denn ein Job Hartmann Ennenckhel von Albrcchts-
perg (oder an einem andern Orte H (Hartmanu) Enenkel baro)^ in
dessen Besitz die Hdsch. zu Anfang des XVIL .Jhdts. (s. w. u.) war, be-
merkte überall bei den oben bemerkten Lücken quae hie desunt ex altcro
meo codice restitui possunt u. Ä. ; nur am Ende der Hdsch. findet sich
eine solche Verweisung nicht, daher ich annehme daß der Schluß wohl
*) Bartsch, Einleitung XXXVI.
zu DE8 STRICKERS KARL 131
später ausgefallen ist. Dieser „alter codex" des Freiherrn Knnenkel war
die ebenfalls erhaltene Wiener Pergamenlhdsch. E: es ergibt sich nämlich
aus mehreren aus dem „alter codex" anj^cmerkten Varianten*), daß der-
selbe zu der Gruppe *A (vgl. S. 1 33) gehörte und aus einigen derselben
insbesondere**), daß es eben die Hdsch. E war; auch findet sich in
der letzteren dieselbe Einzeichnung***) Job llartmann Ennenkel, mit
der .lahrzahl 1614;, womit sich zugleich die Einzeichnungen in K
datieren.
Die Handschrift ist von zwei ganz verschiedenen Schreibern an-
gefertigt: der erste reicht 'bis zur Lücke zwischen der sechsten und
neunten Lage, also bis v. 6087, der zweite von 7943 an bis zu Ende.
Der erste, mit einer hübschen, fast zierlichen Hand^ war ohne Zweifel
ein Alemannc, der noch nirgends die verbreiterten Vocale zeigt; der
zweite, mit festen, markigen Zügen war hingegen ein Baier, denn er
schreibt überall die verbreiterten Vocale und regelmäßig die Vorsilbe
be- als we-f). Trotz dieser Verschiedenheit der Schreiber ist die
Hdsch. zusammengehörig und auch wohl in einem Zuge geschrieben:
gleiches Pergament, gleiche Linierung, gleiche Vorlage; und die Be-
rechnung der Lücke zwischen beiden Händen zeigt, daß, wo die eine
aufhörte, die andere gleich einsetzte. Zwei mundartlich ganz ver-
schiedene Schreiber sind also zur Herstellung der Hdsch. verwendet
worden. Schriftzüge und Sprachformen weisen, soweit ich dies zu
beurtheilen im Stande bin, die Entstehung der Hdsch. etwa ums
Jahr 1300.
U. Eintheilung der Handschriften.
Bartsch (Einleitung XLI) theilt die Hdsch. in zwei Classen ein:
1. ABFH;
2. CDE (G, wovon J Abschrift zu sein scheint, läßt sich nicht
näher bestimmen, doch gehört es im Ganzen mehr zu AB).
*) Es standen darin z. B. die v. 4115-22, 4765—78, 9631—46; die v. 3875
bis 76 hat er sich selbst aus seinem andern Exemplar an den Rand nachgetragen.
**) Zu V. 10 (haben) ist angemerkt halten (so EH), und zu 17 (valschez)
vrebel (so DE); ferner ist aus dem „alter codex" die Überschrift nachgetragen dis buch
ist uns bechant von eine (1. eime) der hiz Kulant, ganz wie E liest,
***) Museum für altd. Kunst und Lit. von Docen Ilagen Büsching I, 608 f.;
Joh. Hermann En,, wie dort steht, ist sicherlich falsch gelesen.
f) Er schreibt weit Turpein auf chaum haiden etc., 7943 z. B- wesiozzen,
vgl. Weinhold. bair. Gramm. §. 136. Beim ersten Schreiber findet sich v. 671, 1543, 1619
Auf oder Ouf, was jedoch lediglich dem Rubricator zufällt und auf Entstehung der
Hdsch. in Baiern deutet.
9*
132 C. JECKLIN
Diese Eintheilung erweist sich nunmehr als unrichtig; es gehören
vielmehr zusammen
1. ABCDE;
2. FH und dazu K;
Denn daß ABCDE aus einer gemeinsamen Quelle gefloßen sind,
beweisen ihnen geraeinsame Fehler, wie der Ausfall von 1305—1318
(vgl. Konr. 24, 11 — 22), veranlaßt durch den wiederkehrenden Vers daz
ir uns den touf heizet geben (: leben), ferner der Ausfall von 6951 — 62
(vgl. Konr. 210. 21 — 211. 15, wo zwar andere Namen stehen, allein
vgl. besonders 210. 30 mit Karl 69.54) in Folge des gleichen Versan-
fanges Olivier. — Innerhalb dieser Gruppe ist A die vorzüglichste
Hdsch., und nur wo sie nicht vorliegt, 61.39-6230, 7061-7182, 7473
bis 7.564, 11515--11674, 11835—12090*), oder wo eine Lücke in A
aus einer andern Hdsch. als der gewöhnlichen Vorlage von A ergänzt
wurde**), greifen wir zu BCDE als Vertretern der Gruppe.
Daß auch (F)HK aus einer Quelle abzuleiten sind, beweist der
HK gemeinschaftliche Ausfall von 5862—5867 (vgl. Konr. 170. 27 bis
171. 3), veranlaßt durch das beide Male im Reime stehende schar
(5861 und 5868), noch deutlicher das Fehlen von 4878—4887 in den-
selben Hdsch. durch Abirren von
4878 äne ritterlichen muot
auf 4888 ern habe ouch ritterlichen muot.
Der Ausfall von 1547 — 50 in FHK wird auch durch Abirreu
von dem einen ich weiz wol (1546) auf das andere (1550) zu er-
klären sein,
vgl.Konr. .30. 2.5 er blutet grozzez gedingc
ia mach man da gewinne
maniger richeite vile.
Da wir F, als eine Mischhandschrift, einstweilen noch bei Seite
lassen (näheres darüber s. S. 139 f.)^ bleiben für die zweite Gruppe
noch HK. Nun ist H, abgesehen davon, daß es aus Abneigung gegen
manche Formen sich nicht unerhebliche Änderungen erlaubt***), auch
sonst nicht sehr sorgfältig geschrieben, läßt namentlich ganze Reihen
*) Bartsch, Einleitung XXXVII.
**) Bartsch, Einleitung XLII ; es betrifft dies die v. 5064—5384, die aus einer
H nahe stehenden Hdsch. ergänzt wurden.
***) Immer ändert H die im Reime lie gie vie u. Ä, zeigenden Verse z. B. 133 — 4,
625— 6, 3611— 12, 4929-. 30, 5187, 5949, 8547 etc., ebenso wo iesä im Reime erscheint,
z. B. 4858, 5831—2 F, vgl. Bartsch, Einleitung XXXIX.
zu DES STRICKERS KARL. 133
von Versen aus*). So war es also bisher mit der Überlieferung dieser
Gruppe übel bestellt und um so werthvoller ist daher diese neue Hdsch.
derselben, besonders da sie sorgfältig gesehrieben und mit A vielleicht
gleichzeitig; jedenfalls nicht viel jünger ist. Sehr zu bedauern ist, daß
sie nur so lilckenhaft erhalten ist, weshalb wir für einen großen Theil
des Gedichtes nur 11 als Vertreter dieser Gruppe haben und, da II etwa
11820 abbricht, für den Schluß gar keinen mehr. Ich werde mich
daher im Folgenden wesentlich auf die Partieen beschränken, wo K
vorliegt und nur dann darüber hinausgehen , wenn wir anderweitige
Gewähr einer Lesart haben.
111. Verhältniß der beiden Gruppen zu einander.
Zunächst fallen zwei Unterschiede der beiden Gruppen**) ins
Auge:
1. Daß *A eine ziemliche Anzahl Verse mehr hat^ als *K: in
den nicht ganz 7000 Versen, wo K vorliegt, sind 458 Verse in *A allein
überliefert, nur 106 aber in *K allein. Näheres darüber später.
2. In *K finden sich viele, an Konrad sich enge anschließende,
lange Verse, welche in *A das gewöhnliche Maaß zeigen; ich führe
von solchen an:
Karl 1257 *K als diu sunne des mitten tages tuot. FHK
*A alsam der sunnen schin tuot.
Konr. 23. 4 sam der sunne umbe mittin tac.
Karl 1616 *K so gesamnent sich die kristen niemer me. FHK
*A son gesamnet ir si niemer me.
Konr. 32. 20 so ne gesamnet sich der cristiuheit ere
hinne vure nimir mere.
Karl 2223 — 4*Kkeret wider ze unserm herren
da enmac iu niht gewerren HK***)
*A ritet zuo dem herren min,
da muget ir äne kumber sin.
Konr. 61. 28 nu ritet zu minem herren,
da ne mag ü nit gewerre.
Karl 2368 *K si gesatent sich niemer menschen bluotes. FHK
*A si gelüstet menschen bluotes.
*) Z. B. 31—92, 229—98; auch einzelne Verse sind in H ausgefallen: 1904,
1966, 1986 u. ö.
**) Ich werde der Kürze halber die beiden Gruppen nach ihren Hauptvertretem
*A und *K nennen.
***) F ändert die Verse 2223—6.
134 C JECKLIN
Konr. 68. 12 sine gesatent sich niemmir menneschen bluotes.
Karl 2778 *K wer gap Karle (den F) gewalt über mich? FHK
*A wer sazte Karlen über mich?
Konr. 81. 15 wer hat Karle den gewalt über (mih A) gegeben?
Karl 3595 *K und weiten im uz der hant zucken. FH*)
*A und weiten im zucken.
Konr. 109. 6 uut wolt im in uz der jhantj zucken.
Karl 6904 *K si müezen uns hiute den zins geben. FH*)
*A si müezen uns den zins geben,
Konr. 209. 4 si muzen hiute uns den eins geben.
Karl 7600 er sprach: daz wil ich (ieraer FH*) gote klagen.
Konr. 227. 12 nu wil ich iz imer gote chlagen.
3. Kann man sich auch nach dem Bisherigen *A aus *K ent-
standen denken einfach durch Hinzufügung von manchen Versen und
durch Kürzung der langen Verse, so wird diese Erklärung einer ein-
fachen Besserung unmöglich bei mehreren nunmehr zu besprechenden
Stellen, wo jede der beiden Gruppen in ihrer abweichenden Lesart
sich an Konrads Text anlehnt, jede einen Theil des konradschen Ge-
dankens wiedergibt, doch so, daß die Möglichkeit ausgeschlossen bleibt,
als ob in einem ursprünglichen strickerischen Texte beide Lesarten
hätten vereint sein können, z. B.
Konr. 152. 17 daz ros er mit den sporen nam,
er cherte rechte in gegen dem van.
Karl 5343 *A daz ros begunde er sere manen
und rante vaste gein dem vanen. ß C D E F
*K daz ros er mit den sporn nam.
mit grimme er dar gevarn quam. A^HK**)
Deutlich gibt hier *K die erste der beiden bei Konrad durch
ungenauen Reim gebundenen Verse und sucht dazu einen neuen Reim,
während *A dasselbe mit der zweiten Zeile Konrads macht. Eine Ge-
stalt aber wie
daz ros er mit den sporn nam
und rante vaste gein dem vanen
für den Stricker anzusetzen ist unmöglich. Gegen diese Stelle könnte
nun allerdings eingewendet werden, daß die Verse die *K hier bietet,
5423-24 in allen Hdsch. (mit Ausnahme von F, das sie dort ausläßt)
stehen; andererseits findet sich aber auch die Lesart von *A mit kleiner
*) K liegt hier nicht vor.
**) Mit A"" bezeichne ich die Partie in A, wo eine Lücke dieser Hdsch. aus
einer II nahestehenden Vorlage ergänzt wurde; s. S. 132-
zu DE« STRICKERS KARL. ]35
Änderung 5905 — G. Es ist übcrliaupt die Bemerkunj^ zu machen, daß
der Stricker sich nicht scheut, sich wörtlich zu wiedcjrholen, nicht nur
in einzelnen Versen*), sondern auch in Reimpaaren**). Wollte man
dennoch hier bloß handschriftlich zu erklärendes Ilerübernehmen der
Verse annehmen, so bliebe immer noch das Zusammentreffen beider
Gruppen mit Konrad äußerst auffallend***). Diese eine Stelle würde
in Folge dieses verwickelten Umstandes für sich nicht beweisend sein,
wären nicht andere Stellen^ die sich keineswegs aus handschriftHcher
Überlieferung erklären lassen.
Konr. 38. 7 die wisen let man alle under wegen:
die in wole tochten
ze rate und ze vechteu.
die sint nu gare verchoren.
war ist nu chomen
die manechvaltiu wisheit?
dinen fursten ist iz allen leit
din neve Ruolant
über ruofet uns alle samt.
Karl 1684 und länt uns wise liute wesen,
der mm herre grozen frumen hat
ze vehten unde euch an den rät:
•''K die hat man allesamt verkorn; *A die hat man alle verlän.
war hat min herre getan
sine manecvalte wisheit?
daz mac uns wol wesen zorn. mir ist daz iemer ein leit,
daz enzimt dem riebe niht wol, daz uns Ruolant überrüefen sol:
daz uns Ruolant überrüefen sol. daz enzimt dem riche niht wol.
*) 614 = 1825, 722 = 4343, 3896 = 4209, 5537 = 6413, 6326 = 7276.
**) 863—864 = 10409—10, 2773—4 = 11011—12.
***) Ähnlich verhält es sich mit der Wiedergabe von
Konr. 74. 21 er heizet dich vahen,
von einem esele vuoren
an sinen stul ze Ache.
Karl 2595 eru väh iuch in kurzen stunden
und füere iuch hin gebunden
*K an sinen stuol ze Äche (HK) *A uf einem esel ze Äche
wo ebenfalls jede der beiden Handschriftengruppen einen Theil von Konrads Text
wiedergibt; daß v. 2117 die Lesart von *A wiederkehrt, vergleicht sich mit obigem
Fall; ich glaube aber kaum, daß das Zusammentreffen beider mit Konrad Zufall sei;
jedenfalls beweist diese Stelle für die Priorität von *K.
136 C. JECKLTN
Während *K (HK) die Worte Konrads die sint nu gare verchoren
aufnahm und dazu einen neuen Reim bildete durch Umschreibung von
dinen fursten ist iz allen leit in daz mac uns wol wesen zorn, hatte
es den Gedanken Konr. 38. 11 — 12 ausgelassen; *A aber umschrieb
das verchoren (verlän) und behielt damit den vollen Gedanken; aus
einer dritten strickerschen Lesart die beiden vorliegenden abzuleiten
ist unmöglich: es bleibt nur die Annahme übrig, daß beide Gruppen
direct aus Konrad geschöpft haben, d. h. daß die jüngere mit Rück-
sicht auf Konrad aus der älteren geändert wurde*).
Konr. 132, 19 ich en zwivele an dir nit,
dirne si min here vil liep
ich getruwe dir so wol,
so ich von rechte minem kinde sol.
Dies wird, v. 4513 ff., verschieden wiedergegeben in *K und *A •
*K Marsilies sprach ich bin din vro ; *A Marsilies sprach : ich bin dir holt,
ez stet mir hin ze dir also, als ouch du mir von rehte solt.
in gezwivelt an dir nie.
ich getriuwete dir ie
ich getriuwe dir also wol, miner eren also wol,
so ich von rehte minem kinde sol.
Hier ist in *A der Vers 132. 19 aus Konrad ziemlich wörtlich
aufgenommen (= *A 4515) und 132. 21 danach umgeändert ("A 4516
bis 17), in *K aber ist diese letztere Zeile Konrads herübergenommen
und dafür die voraufgehende ausgelassen. Auch hier gibt die Annahme
von Auslassung in *K keine genügende Erklärung. Hierher gehört
ferner :
Konr. 117. 7 den (so!) heim hiez Venerant,
den der helt uf bant,
mit golde beworchten,
10 den die haiden harte verebten.
*) Die eben besprochene Stelle schwebte dem Stricker wieder vor bei seiner
Klage (Hahns kleine Ged. vom Stricker XII) in dem Abschnitte über die Kathgeber
bei Hofe v. 11.3 flf. und besonders v. 135 ff.:
den andern (stuol ze hove) besäzen die wisen,
die jungen und die grisen,
die rehter wisheit wielten:
die besäzen und behielten
ir stuol und ir werdikeit:
die sint nu ze hove leit
und sint gar die verkornen etc.
zu DES STRICKERS KARL. 137
mit guldinen buochstaben
was an der listen ergraben —
Karl 4033 sin heim der hiez Venerant,
*K den der helt üf bant; *A den der degen Kuolant
üf sinem lioupte wole tragen;
der was mit golde beslagen.
au der listen stuont ergraben
mit guldinen buoclistaben.
*K (nur durch H vertreten, da K durch das zerrissene Blatt der
Vergleichung entzogen wird) hat Konr. 117. 8 beibehalten, *A 117. 9.
Vergeblich wird man suchen einen strickerischen Text herzustellen,
aus dem beide Lesarten abgeleitet werden könnten ; Konrads Text muß
bei der Änderung vorgelegen haben.
Danach sind nun auch einige andere Stellen zu beurtheilen, die
an sich keinen vollgültigen Beweis für meine Annahme abgeben
könnten, sich aber dadurch am Leichtesten erklären:
Konr. 68. 4 nu ne zürne nicht raere, lieber herre,
daz ich dich sin gevraget han:
ich bin leider ein alt virwizzer man.
Karl 2354 dazu lät iu*) niht weseu swsere,
*K daz ich es iuch gevraget hän : *A ich bin ein alwaere man,
ez enist wan durch guot getan. der niht arger liste kan.
*) Ich merke hier den (Jehraucli des Dutzens und Uirzeus bei Konrad und
beim Stricker an (vgl. Gr. gr. 4. 301 ff.):
Bei Konrad dutzt sich Alles, nur Roland ihrzt seinen Stiefvater und Karl den
ehrwürdigen Priester Johannes ; ausnahmsweise ihrzt einmal (107. 10 fü'.) Karl Genelun,
wie er ihm Rolands Tod Schuld gibt, und Roland einmal (198. G ff) seineu Freuud
Olivier ohne ersichtlichen Grund.
Beim Stricker werden noch die Unterthanen, auch die Fürsten, von den Königen
(Karl, Marsilies, Paligan) gedutzt, mit der einzigen Ausnahme, daß Karl die geistlichen
Würdenträger Johannes und auch Tarpiu ihrzt (der letztere wird bei Konrad noch
gedutzt); ebenso dutzeu die genannten Herrscher auch fremde Unterthanen (wie Karl
und Marsilies ihre gegenseitigen Boten); der Lehnsherr seinen Mann (Roland: Walther);
Eltern (und ältere Verwandte) die Kinder (Genelun : Roland, Karl : Aliten und Roland) ;
von den Fürsten unter sich nur noch das Freundespaar Roland und Olivier; und end-
lich noch alle im Kampfe sich Treffenden, selbst Karl und Paligan. Die Anrede mit
ir hat also sehr an Ausdehnung gewonnen: es bedienen sich derselben alle Unter-
thanen gegen ihren Herreu, sowie gegen den Herrscher des andern Volkes, der Lehns-
mann gegen seinen Lehnsherrn (Walther : Roland), Kinder gegen Eltern (Malprimes :
Paligan, Alderot : Marsilies, Roland : Genelun) und Pflegeeltern (Alite : Gerhard und Karl) ;
Männer gegen Frauen in höflicher Anrede (Paligan : Pregmunda, der Frau des Marsi-
lies), endlich Gleichstehende, sowohl die fränkischen Fürsten unter sich, selbst Turpin
und Roland, wie auch Angehörige verschiedener Völker (Genelun und Blanscandiz).
138 C. JECKLIN
d. h. *K (HK; über F an dieser Stelle s. S. 139) nahm die erste Zeile
Konrads auf und band sie durch neuen Reim, *A aber die zweite.
Eine beiden zu Grunde liegende gemeinsame strickersche Lesart, etwa
mit dem ungenauen Reim lian : kau, herzustellen, wird man vergeblich
suchen.
Konr. 81. 15 wer hat Karle den gewalt über mih*) gegeben,
daz er so gewaltechliche
virbiutet mir min riche?
unde sich underwindet etc.
Karl 2778
*K wergap Karle gewalt über mich^ *A wer sazte Karlen über mich^
daz er mir gewaltecliche
verbiutet miniu riche^
daz er sich vlizet so vil — und sich des vlizet so vil —
Da man dem Stricker kaum zutrauen darf:
wer gap Karle gewalt über mich
daz er mir gewaltecliche etc.
wird man sich die Abweichungen wohl am Besten so erklären, daß
man annimmt, *K sei der Wiederholung desselben Wortes bei Konrad
ausgewichen durch Auslassung von Konr. 81. 16 — 17, *A aber durch
Änderung der ersten Zeile. Ähnlich zu beurtheilen:
Konr. 98. .3 dar chom Margariz
der fürte manigen fraissamen spiz
Karl 3143 *K dar quam der künec Margariez,
der brähte manegen scharfen spiez
*A dar bnlhte der künec Margariez
manegen freislichen spiez
da eine an Konr. sich eng anschließende Lesart
dar quam der künec Margariez
der brächte manegen freislichen spiez
für den Stricker hart, wenn auch nicht unmöglich wäre. Endlich führe
ich noch an:
Konr. 114. 18 der kaiser wainte vil sere;
vil dicke er in (Ruolant) chuste,
20 er druhte in an sine brüste,
er beswif in mit den armen.
*) So las der Stricker mit A (Konr.) ; vgl. zu dieser Stelle auch oben S. 134.
zu DES STRICKERS KARL. 139
Karl 3982 du weinte Kail sere;
*K *A litiohinclen er dicke kuste, •
und dructen an sine brüste,
er umbevie in mit den armen. vil vaste mit den armen.
*A schliel>t sieh au Konrad in der Wiedergabe von 114. 19 — 20,
*K (HK) aber in etwas wörtlicherem Anschluß an 114. 21.
IV. Die Handschrift F.
Bevor wir das Verhältniss der beiden Gruppen zu einander weiter
verfolgen, müssen wir noch F einen Platz anzuweisen suchen, um zu
wissen, in wie weit wir seine Lesarten benutzen dürfen. — Obschon
diese Ildsch. sich im Ganzen an *K anschließt, können doch nicht alle
ihre Lesarten in dieser Gruppe untergebracht werden ; vielmehr zeigt
sich, daß F eine Mischhandschrift ist, und zwar:
1. Daß der Schreiber von F (oder vielmehr, wie die elenden
Kapitelüberschriften des Schreibers von F beweisen, einer vorherge-
henden Hdsch.) außer seiner Vorlage von *K auch eine Ildsch, von *A
vor sich hatte. Wir haben für die beiden Gruppen in den Versen
2355 — 56 (s. S. 137) zwei abweichende Lesarten festgestellt, deren jede
sich an Konrad anschheßt:
*K daz ich es iuch gevräget hän: "'A ich bin ein alwtere man,
ez enist wan durch guot getan der niht arger liste kan.
F verbindet nun beide Lesarten, indem es die erste Zeile aus *K,
die zweite aus ''■'A entnimmt:
ich vräge sin niuwau (hs nuer) durch guot,
ich enhän deheinen valschen muot.
3353 ff. weichen *K und *A auch ziemlich von einander ab *) :
*K *A Karl hin ze himele sach,
sin gebet er innecliche sprach
Karl dankete do gote zuo dem oberesten gote.
und genädete sime geböte: sinen gnaden und sime geböte
den danket er vil sere;
er sagte im lop und ere :
sine venje suochte er dristunt.
*) Vgl. Konr. 103. 7 der chaiser hin ze himele sach,
siu gebet er inneclichen sprach :
gelobet sistu herre!
10 dise mancvaltigen ere
scule wir von dinen gnaden han.
140 C. JECKLTN
F läßt mit *K 3353—4 aus, ^eht 3355 zu *A über und fährt
dann mit *A fort:
Karl ueie gegen gote
sineu gnaden etc.
Derartige Combiuationen von F sind sehr häufig.
Eine vermittelnde Stellung zwischen *K und *A nimmt F auch
dadurch ein, daß es, wo *K eine Anzahl in *A stehender Verse nicht
hat, nur einen derselben ausläßt, z. B.
4997—5000 f. *K : 4997-4998 f. F
5861—5866 f. •••K : 5861—5862 f. F
6243-6254 f. *K: 6251-6254 f. F u. ö.
oder auch, daß es dann noch mehr dazu ausläßt:
4945—46 f. *K : 4945—50 f. F
5283-84 f. *K : 5277-84 f. F
5601-2 f. ='-K : 5595-5602 f. F
8485—86 f. *K : 8483-86 f. F u. ö.
oder endlich, daß es solche Verse an anderer Stelle bringt:
3177—78 fehlen *K, F hat die Verse nach 4620 in der Schilderung
desselben Mannes (Konr. 98. 26 entspricht Karl 3177 — 78).
5089—5112 stehen nur in *A (s. S. 144); F zertheilt die Verse
und setzt:
5089-5098 nach 5114
.5099—5106 nach 6140
5107—5112 nach 6942
9631-46 fehlen *K (s. S. 152 ff.), F hat sie nach 9660.
Am Einfachsten wäre es, anzunehmen, es seien in eine Hdsch.
von *K einzelne Lesarten von *A („ex altero codice") au den Rand
eingetragen gewesen und von einem späteren Abschreiber, manchmal
am falschen Orte, in den Text hineingenommen worden. Dem steht
aber entgegen, daß F in einem fort wechselt zwischen Lesarten von
*K und von solchen von *A; z. B.
4283 FHK si envielen *A sin müesen
4285 HK der quam F*A der reit
4289 H K do sach er waz si täten, F = *A
4295 FHK dö reit er *A er reit
4296 FHK sinen vater *A den künec
4298 HK und müeze F*A der müeze etc.
Man kann danach nicht umhin, anzunehmen, daß der Schreiber
zwei Hdsch. der verschiedenen Gruppen vor sich hatte, bald der einen,
bald der andern folgte, bald sie combinierte, wobei er, wie wir ge-
zu DES STRICKERS KARL.
141
stehen müssen, nicht ohne Geschick verfahr. Wir werden uns um so
eher zu dieser Annahme (',ntschlio(.''on, da wir finden:
2. da(J der Schreiber auch Konrads Text vor sich hatte. Nach
dem Bisherigen ist klar, da(.^ bei Übereinstimmung der andern Hdsch.
(d. h. von *K und *A) eine abweichende Lesart von F allein keinen
Anspruch auf Echtheit machen kann. Wenige Beispiele werden genügen;
am Deutlichsten ist Karl 5679 — 93; *A und *K stimmen im Ganzen
überein :
Konr. 164. 12 di vermazen sich
starcko,
si erlodigeten im sine marche;
wantTargis der marcgrave was.
15 do er ze Tortolose saz,
do diu purch wart gewunnen,
do was er da von entrunnen
zu sinem herren Marsilien.
do hugeter aver widere
20 mit sinen golt win.
vil willic waren si im,
want er milticlichen gab
Karl 5679 si verniHzen sich vil starke,
si losten im die marke
der er ze Tortose pflac.
da was er herre unz an den tac,
daz diu burc wart gewunnen.
do was er drabe entrunnen
85 ze Marsilies, der in behielt,
er wolt daz lant, des er c wielt,
des tages vil schiere han erlost,
die sine gäben im guoten trost.
den het er da so vil gegeben
die wile er der marche phlac. 90 daz si weiten läzen ir leben,
ezn quaeme wider in sin gebot,
der het ein liebez apgot*).
des er vil flizecliche pflac.
starke,
inoch heten si behalten
25 ain got alten,
den si von Tortulose ernerten
un an in fliezeclichen petten.
F : si vermäzen sich vil
si losten im die marke,
er hete noch behalten
einen lieben got alten,
des er vil vlizeclichen pflac.
das heißt: der Schreiber iiTte ab von Karl 5680 die marke, der er —
pflac auf Konr. 164. 23 die wile er der marke pflac und fuhr nun
mit Konrads Worten fort:
er hete noch behalten
einen lieben got alten;
*) 5692 liest *K (HK)
er het einen alten ap^ot
wir müssen daher Konr. 164. 25 herstellen
ain lieben got alten
ganz genau wie F liest.
142 C. JECKLIN
seinen Irrthum bemerkend, geht er aber gleich wieder zu des Sti'iekers
Text über. So erklärt sich die Abweichung auf befriedigende Weise,
während Bartschs HersteUuugsversuch
der hete einen got
danuoch behalden
ein lieben und ein alden
daran scheitert, daß daraus die Abweichungen und namentlich die
auffallende Übereinstimmung von F mit Kourad, nicht erklärt werden
können.
4972 ff. weichen *A und *K von einander ab, F läßt *K unbe-
rücksichtigt und verbindet *A mit Konrad:
*A*) dirn geschach nie leit merre, F: dirn geschach nie leit merre,
dau dir noch hiute geschiht, [dau dir noch hiute geschiht,]
dir enwerre denne daz niht, dir enwerre denne daz niht,
75 daz du änc houbet ieraer bist. daz du äne houbet müczest sin ;
daz füere ich für den herren min ;
wä ist nu diu herre Krist? dir quam din herrc Jesus Krist
nie vcrrer danne er hiute ist.
sin wirt etc. sin wirt etc.
vgl.Künr. 142 25 daz ist min lehen
von Marsilie min im herren,
daz ich din houbit abeslahe
unt iz für den chunc trage.
Krist der din herre
30 ist dir hiute vil verre.
sin wirt vil ubele gesconet.
Seine Zusätze entnahm also F: 4076 aus Konr. 142. 28 und 4978
aus Konr. 142. 30.
Da also F, ausser der Vergleichung von *K und •'•'A, auch noch
Konrads Text herbeizog, hat eine für sich stehende Lesart dieser
Hdsch. für uns keinen Wertli, auch wenn sie sich auf Konrad stützt.
Wohl aber kann F, wo es, nach dem Zeugniss von HK, aus *K
schöpfte, das Bild dieser Gruppe vervollständigen, ohne HK aber nie
etwas nützen**).
*) *K liest: dirn geschach nie leit merre
dan dir hie kunftec ist.
wA ist nii din herre Krist?
sin wirt etc.
**) Vgl. z. B. S. 160 die Verse nach 7958,
zu DES STRICKERS KARL 14^
V. Die beiden Gruppen *K und *A stellen zwei Bearbei-
tungen dar*).
Da weder ohne Weiteres *K aus *A, noch umgekehrt *A aus *K,
noch endlich beide aus einem älteren strickerschen Texte entstanden
sein können, bleibt, wie bereits angedeutet, nur die Annahme übrig
von einer zweiten Bearbeitung des ursprünglichen Karl mit Zuhilfe-
nahme von Konrads Rolandsliede. Daß *K die ältere Gestalt sei, kann
nach dem S. 133 — 4 Angeführten**) nicht zweifelhaft sein: *A ist
eine jüngere, geglättete Bearbeitung von *K.
Wie schon früher bemerkt, zeichnet sich *A neben der Glättung
der Verse namentlich aus durch eine ziemliche Anzahl von Versen,
die es mehr hat, als *K. Im Einzelnen auf dieselben einzugehen,
verspare ich noch; hier führe ich nur einige Stellen an, an denen es
besonders deutlich hervortritt, da(> *A zu dem ursprünglichen Texte,
wie er in *K vorliegt, hinzugedichtet hat:
Konr. 11. 24 swaz in der creftigin Karl 867 *K daz da niemen enwas,
stete was,
si sungen alle deo gratias. ern sprseche deo gratias.
Also wonete do da Sus wonte Karl der riebe
der keiser in Yspania. sehs jär, etc.
*A daz da niemen enwas,
wan der deo gratias
mit guotem willen dicke sprach,
do man diu zeichen gesach,
do bätens got vil sere
durch siner gnaden ere,
daz ir sin heiliger segen
ewicliche müese pflegen.
Sus was Karl etc.
*) Schon Bartsch (Einleitung XLIII) stellte eine solche Verrauthung auf, in-
dem er der ersten „Redaction" die „ungebührlich langen Verse aus dem Koiiradschen
Liede" zuweist, der zweiten aber namentlich die Verse 5223—5230 und 5089—5112
**) Die Möglichkeit solcher Verse für den Stricker beweisen Stellen, wo auch
in *A solche stehen geblieben sind:
3029 ez gap mir der künec von Tielsarke
565G und nieman den andern erkante
7638 Ruolandes und Turpins du geruoche
8468 do begundens fliehende riten u. Ä.
144
C. JECKLIN
Hieher gehört auch die schon von Bartsch eingeklammerte Stelle
5089-5112:
Karl 5086 si begunden vaste gähen
Konr 145. 6 di scar si umbehabeten, an der kristene schar.
ir sper neigten si dar.
[5089—5112]
7 daz gedrenge wart da fraissam. 5113 daz gedrenge wart vilfreissam,
maneger da in angest quam.
Die nur in *A sich findenden Verse 5089 — 5112 sind nur eine
breite Ausführung von 5113 — 14 (welche zwei Verse sich daher in *A
nicht finden).
Konr. 147.3 si erslugen si alle samt.
do sprach der helt Ruolant;
wa bistu nu Machmet?
Karl5182 er zesluoc diu apgot alle,
[diu warf er, als ich e sprach,
da man si mit schänden ligen
sach.]
Mahmet, der ob in allen saz,
dem erzeigte Ruoland smen haz.
5183 — 4, die bei Kourad nichts Entsprechendes haben, finden sich
nur in *A^ und beziehen sich auf das 831 ff. Erzählte.
Konr. 156. 11 die haiden getorsten Karl 5470 und entorsten niht ent-
nicht geflihen
vil manige selbe tot vielen.
rmnen.
[daz was also getobet;
si heten alle gelobet,
swer flühtec dannen qufeme,
daz man dem den lip useme.]
daz nam in allen daz leben.
Der eingeklammerte Zusatz in *A bezieht sich auf 6557 ff. (vgl. Konr.
192. 27-193. 3).
Auch die Vergleichung dieser Stellen mit Konrad beweist deut-
lich die größere Ursprünglichkeit von *K. Nun sind aber nicht alle
Zusätze von *A so leicht als solche zu erkennen; sie machen manch-
mal auf den ersten Blick den Eindruck der größten Echtheit. Einer
näheren Besprechung bedürfen namentlich zwei Stellen : 8233 — 52 und
9631-46.
An der erstem dieser zwei Stellen wird erzählt, auf welche Weise
man von Rolands letzten Schicksalen Kunde erhalten habe, da doch
kein Augenzeuge am Leben blieb: ein Engel habe nämlich dem ze
Provinze in eime hol lebenden hl. Egidius*) (Grilje) die Begebenheit
*) Für den Stricker ist wohl die Form Egidius anzusetzen, wie 3545 FGH(K)
esen (8239 auch DE); auch Konrad hat diese Form.
zu DES STRICKERS KARL 145
erzählt und dieser den Bericht aufgeschrieben und Karl übergeben.
Bei Konrad wird an der entsprechenden Stelle (vor 240. 19) dieser
Heilige nicht erwähnt, wir müssen daher die ganze Erzählung als einen
Zusatz von *A ansehen. In anderem Zusammenhang sagt Konrad
232. 11 daz hiez sent Egidie scriben
ze Leune in der stat,
also in der kaiser gebat.
vgl. Chans, de Rol. 2095 co dit la Geste e eil ki el camp fut,
li bers seinz Gilies, pur ki Dens fait vertuz
e flst la chartre el muster de Loüm.
An diese Stelle knüpft offenbar der Zusatz in *A an. Obwohl
nicht ursprünglich, trifft er doch ganz des Strickers Art : sowohl einer
gcits in der vernünftelnden Erklärung*), wie man von einem Ereig-
nisse unterrichtet sein könne, dessen Theilnehmer alle umgekommen;
als auch andererseits in dem Hereinbringen von Übernatürlichem: so
findet sich nur beim Stricker die Sage von dem Einsinken von Ro-
lands Speer in den Felsen (3934 — 53), dann die Sage, daß der todte
Roland noch sein Schwert so fest hält, daß Niemand es ihm aus den
Händen lösen kann, bis Karl selbst kommt (8357 — G3), endlich das
Wunder von der Scheidung der heidnischen und christlichen Leichen
durch Dornen und Lilien**). Ein Mil.Werständniss***) ist entweder
*) Vgl. z. B. des .Strickers Bemerkung (10460), daß die Christen ihre Todten
(von der Schlacht Karls gegen Paligan) an den herausgezogenen Barten erkennen
(vgl. Karl 9382 ff. Konr. 270. 23 ff.); namentlich aber den Grund, den er dafür an-
gibt, daß die Heiden nicht über die Saybra (Ebro '?) können; Konrad sagt einfacli :
244. 6 iz (daz wazzer) was uz gedozzen,
di schef wai'en hin geflozzen.
Der Stricker bringts in Verbindung mit dem bei Rolands Tode stattfindenden
Erdbeben und Sturm (vgl. 8253 ff.):
8450 de was in mit den winden,
die nach Ruolandes tode waten,
beidiu sele und lip verraten;
diu beten diu schef enwec getriben.
diu aber stende wilren bliben,
diu wären elliu wazzers vol.
**) 10848—66; vgl. über diese Stelle auch S. 150 ff.
"*"**) Daß auch der Stricker den konradschen Text mißverstanden hat, ist an
mehreren Stellen nachzuweisen; entweder geschah es aus bloßer Flüchtigkeit beim
Lesen :
Konr. 129. 18 ich han ains min drizec tusint helede.
Karl 4406 ich hän einz unt drizec tüsent man.
vgl. auch Konr. 171. 5 mit Karl 5869.
GERÄIANIA. Neue Reihe. X. (XXH.) Jahrg. 10
146 C. JECKLIN
schon bei Konrad, oder erst beim Bearbeiter untergelaufen in Bezug
auf den Aufenthaltsort des Egidius: muster de Loüm der Ch. de Rol-
soll Laon sein, des Bearbeiters ze Provinze in eime hol zeigt aber,
daß er wenigstens Konrads Leun als Lyon auffaßte. Wahrscheinlich
gellt die Erzählung von dem als Einsiedler lebenden Egidius auf eine
französische Quelle zurück; wenigstens finde ich bei L. Gautier (Ch.
de Rol. II. 170) aus einem spätem französischen Gedichte (Hugues
Capet) die Angabe, daß Egidius (denn dies ist offenbar der vieillard)
Konr. 148. 17 do cliom Falsaron;
von der erden (d^ (t^?) erden) Dathan unt Abiron
was er verre gevaren.
Karl 5235 . . . der herzöge Falsaron,
beidiu Tartan und Abiron,
zwene herzogen von Terde,
beide edele unde werde:
die wären durch in dar komen.
Daß der Stricker nicht etwa in Erinnerung an IV. Mos. 16. 1 ff. ans den Län-
dernamen Personennamen .macht, zeigen seine Namensformen. Aiiflallig bleibt, wie
diese beiden, in jeder Form des Judeneides vorkommenden Namen (s. Müll. Seh.
Dkm. C. 4 und Anmerkung 626 if.) von der Chans, de Eol. und Konrad falsch ange-
wendet, vom Stricker aber falsch verstanden werden konnten.
Konr. 275. 1 des helven in die Glessen
Karl 9567 Tesselsen unde Glessen die?
H liest die von Kelsen unde von Glessen die, und K des helsen vn glessen die;
sollte hieraus vielleicht herzustellen sein:
des helfen in von Glessen die
Konrads Text eigentlich mißverstanden hat der Stricker:
Konr. 82. 10 er enhat sin neheinen rat
d. h. er kann gar nicht anders (Bartsch).
Karl 2803 ez enist niht sin rat,
wan dez im got geboten hat.
Konr. 96. 20 der chunc von Phile
der gebot in siner e.
d. h. in dem seiner Eeligion (oder seinem Gesetze) dienenden Lande (Bartsch).
Karl 3106 der hiez gebieten bi der e.
F allein hat aus Konrad herübergenommen in siner e.
Konr. 237. 33 Pulle machete ich cinshaft,
Malve und Palerne
d. h. Apulicn, Amalfi (daher nicht mit Bartsch in Malte zu ändern) und Palermo,
Karl 8177 ich betwanc mit dir Palerne.
die dienent dem keiser gerne.
Konr. 262. 4 dar nach scol er sich keren
d. h. danach handeln.
Karl 8978 darnach wil er ouch danne varn.
Diese Beispiele ließen sich noch vermehren.
zu DES STRICKERS KARL. 147
Einsiedler zu werden j^elobte, wenn er dem Kampfe entkomme; die
gleiche Sage scheint schon in der Ch. de Rol. durch:
Qo dit la Geste e eil ki el camp fut
li bers seinz Gilies.
Bekanntschaft mit der Egidiuslegcnde zeigt auch der Stricker:
vgl. die ausfülirlichere Erwähnung von Karls houbetsünde 354G — 56
gegenüber der kurzen Andeutung bei Konrad (108. 7 — 11); vgl. dazu
Kehr. D. 460. 9—461. 30.
Schwieriger zu beurtheilen ist ein anderer Zusatz in *A: 9631
bis 46; da sich derselbe mit dem Karlmeinet sehr nahe berührt,
müssen wir uns vorerst über das Verhältniss des Strickers zu diesem
Gedichte klar werden.
VI. Verhältniss des Karl zum Karlmeinet.
Aus mehreren geraeinsamen Fehlern unserer Handschriften des
Rolandsliedes hat Bartsch nachgewiesen*), daL^ dieselben auf eine etwas
verderbte Hdsch. des Liedes zurückgehen**). Andererseits zeigen
Karl und Karlmeinet an manchen Stellen übereinstimmend etwas ab-
weichenden Text, d. h. sie lassen eine von unserm Texte des konrad-
schen Gedichtes etwas verschiedene Vorlage durchblicken, vgl. Bartsch,
Germ. XIX, 390 ff. zu Konr. 205, 234, 376, 444, 1882, 1883, 7163
7475, 7659, 7671, 7951; dazu sind noch zu vergleichen:
Konr. 56. 12 sibeu hundert siner manne APS
sehs hundert Karl 2136 Km. 443. 18
Konr. 60. 18 er was dri eilen breit
eneben siner ahsel PS
zweier ein breit Karl 2184 Km. 444. 25.
Alle diese angeführten Verschiedenheiten betreffen nur einzelne Wörter.
Es fragt sich nun, wie stark die Abweichung dieses dem Dichter
des Karlmeinet und dem Stricker vorliegenden Rolandsliedes von
unserem in AP(SW) erhaltenen war, und ferner, ob wir genöthigt sind,
aus jedem Zusammentreffen von Stricker und Karlmeinet auf eine ge-
meinsame Quelle im Rolandsliede zu schließen.
*) Bartsch, Germ. XEX, 388.
**) Darauf deutet schon die gleichmäßig verschiedene Schreibung desselben
Namens in den Hdschr. z. B. der Ch. de Rol. 976 und 1316 Chernubles genannte
Heide heißt Konr. 98. 12 Zernubele (PA) 134. 12 und 135. 19 Cenubiles (PA), 178.
11 und 19 Cornubiles (PA); der Stricker hat überall Cernoles und auch bei Konrad
wird durchweg Ceraubiles zu lesen sein.
10*
148 C. JECKLIN
Lückenhaft überliefert zeigt sich unser Rolandslied in dem Ver-
zeichniss der zwölf heidnischen Heerführer Konr. 126. 14 — 136. 9: es
fehlen uns nämlich von den zwölfen nicht weniger als vier, und es ge-
nügt eine Vergleichung mit den entsprechenden Stellen der Ch. de Rol.
860 — 975 und des Strickers 4363 — 4658, soAvie mit Konrad selbst
(142. 22—180. 11, entsprechend Ch. de Rol. 1188—1320 und Karl
4965—6151), um mindestens sehr wahrscheinlich zu machen, daß ein
Schreiber, dem diese im Grunde immer dasselbe besagenden Trutzreden
zu langweilig wurden, vier Fürsten einfach ausließ ; diese sind :
Amurafel*) Ch. de Rol. 894 Karl 4449 vgl. Konr. 159. 18.
Eschermunt Ch. de Rol. 931 Karl 4532 vgl. Konr. 168. 3.
Estorgant Ch. de Rol. 940 Karl 4554 vgl. Konr. 172. 6.
Stalmariz Ch. de Rol. 941 Karl 4567 vgl. Konr. 176. 16.
Wahrscheinlich ist auch das Verzeichniss der zwölf Paladine
Karls (Konr. 4. 10 ff.) mangelhaft überliefert: in Wirklichkeit sind es nur
acht. Kaum dürfte Turpin nach Olivier fehlen; in Bezug auf die an-
dern aus dem Stricker (Karlmeinet stimmt nicht genau zu Konrad)
zurückzuschließen, ist jedoch gewagt: es zeigt dies am Besten Karl
1149 ff.: der Stricker fand bei Konrad (18. 14—25) eine Reihe Fürsten
an Marsilies Hofe aufgeführt, es sind deren zehn. Da er sich nun aber
an Konr. 13. 3 — 4 erinnerte, wo Konrad, durch ein Mißverständniss
des französischen Textes**), zwölf Rathgeber des Heidenkönigs erwähnt,
macht er aus den zehn unbefangen zwelf witzige beiden, indem er zwei
Namen, Blangriz und Dovel, dazu ei'findet. Daß aber nicht etwa auch
hier Konrads Text lückenhaft sei, beweisen
Ch. de Rol. 69 des plus feluns dis en ad apelez.
Km. 426. 8 he sante do gedraden
na zeyne syner beiden.
Es ergibt sich hieraus, wie vorsichtig man sein muß mit Rückschlüssen
aus dem Stricker auf Konrad.
Ich gebe also zu, daß das dem Stricker und dem Dichter des
Karlmeinet (d. h. dem Dichter dieses Stückes) vorliegende Rolandslied
in einzelnen Lesarten von PA abwich, daß es wahrscheinlich das voll-
ständige Verzeiclmiss der zwölf heidnischen Fürsten enthielt, mög-
licherweise auch eine vollständigere Aufzählung der duze per. Nun
*) Dem amurafle de Balaguet Ch. de Rol. 894 entspricht Amurafel und nicht
wie Bartsch (zu Konr. 3665) annimmt, Ammirät von Palvier, vgl. Ch. de Rol. 1269 rr=
Konr. 159. 18.
**) Bartsch zn der Stelle (404 B.).
zu IJES «TKICKEKS KAKI.. 149
geht aber Bartsch weiter und bezeichnet jene Gestalt als eine wesent-
lich, namentlich gegen den Schlul.^ hin, erweiterte; das führt uns auf
die zweite, wichtigere und schwierigere Frage: ob alle Übereinstimmung
zwischen Karlmeinet und Karl in das ihnen vorliegende Rolandslied
zurückverlegt werden muß. Die Stellen, auf die es hiebei ankommt,
fallen (mit Ausnahme der nachher zu besprechenden Verse 9631— 46)
auf die im Karl und Karlraeinet auf Konrads uns vorliegendes Gedicht
folgenden, jedoch noch vor Genelims Verurtheilung eingeschobenen
Erzählungen von des Verräthers Flucht und von Alitens Herbei-
holung; daher stellt sich die Frage bestimmter so: haben wir Grund
zu der Annahme, daß den beiden Umarbeitern des Kolandsliedes das-
selbe nicht in unserer Gestalt (mit der eben angeführten Einschrän-
kung) vorgelegen habe, sondern in einer wesentlich erweiterten, worin
die oben erwähnten Ereignisse eingeschoben gewesen wären? Bartsch
bejaht entschieden die Frage und kommt im Verlaufe seiner Unter-
suchung zu folgender Geschichte des Kolandsliedes: erhalten sind zwei
„Redactionen" des Liedes: A (die Straßburger Hdsch.) stellt die erste,
P (die Heidelberger Hdsch.) die zweite dar (Germ. XIX, 390); auf
diese zweite gehen auch die Umarbeitungen zurück, aber in „einer
wahrscheinlich ausführlicheren aber jüngeren Recension" (Einleitung
zum Rolandsliede XIX), die vielleicht von Konrad selbst war (Über
Karlmeinet pg. 388 unten). Diese wurde wahrscheinlich noch im
XII. Jhdt. nach den jüngeren französischen Bearbeitungen erweitert
(Über Karlm. 389) und sodann zu Anfang des XIII. Jhdts. von einem
niederrheinischen Dichter in reine Reime umgesetzt*) (Über Karlm.
388), in welcher Gestalt das Gedicht dann im Karlmeinet Aufnahme fand.
Die Zwischenstufen stellen sich somit dar:
9 P ( ^^^ Konrad
3. jüngere, ausführlichere Recension, viell. von Konrad
4- Erweiterung vom Ende des XII. Jhdts. 1 . ,, p ,, ,
pr TT • A r j VTTT TT. j^ / vieil. zusammentallend
o. Umreimung vom Anfang des Xlll. Jhdts. j
6. Karlmeinet.
Daß die Gemeinsamkeit nicht auf Konrad selbst zurückgehen
kann , beweist nicht nur der Umstand , daß die -Erweiterung die
jüngeren französischen Bearbeitungen kennt**), während Konrad diese
*) Die beiden letztgenannten Dichter faßt Bartsch in der Einleitung zum Rol.
(XIX) als einen niedeirhein. Dichter vom Ende des XII. Jhdts.
**) Bartsch, Germ. VI, 28 ff.
J50 C. JECKLIN
noch niclit kennt, sondern namentlicli der von Konrads Gedicht
ganz verschiedene Ton der Erweiterung : man vergleiche nur die kurze,
aber in ihrer Einfachheit ergreifende Schilderung von Alitens Ankunft
bei Karl (Konr. 296. 6 &.), wie der Kaiser ihr die erschütternde Kunde
vom Tode des Bruders und des Bräutigams mittheilt:
liebiu liebiu Alda,
ich netar nicht liegin:
laider dune gesest in (Ruolant) niemir.
mit der schwülstigen Redseligkeit des Karlmeinet (der sich auch hier
dem französischen Texte, also auch der deutschen Vorlage von Karl-
meinet und Karl, enger anschloß als der Stricker, vgl. Germ. VI, 36 ff.),
mit dieser langweihgen , durch 200 Verse sich hinschleppenden Auf-
zählung von sieben Träumen Aldas, mit der ungeschickten und ganz
zwecklosen Täuschung derselben von Seiten Karls: man wird zugeben,
daß das nicht von einem Dichter sein kann.
Auf eine jüngere „Recension Konrads" darf also die fragliche Er-
weiterung nicht zurückgeführt werden; ich bezweifle aber überhaupt
die Existenz eines erweiterten Rolandsliedes, und zAvar aus folgenden
Gründen :
1. Der Stricker hat unser Rolandslied vor sich gehabt; das be-
weist die an Konrad sich enge anschließende Erzählung von Alitens
Tod (vgl. 11181 ff. mit Konr. 296. 10, 11670 ff. mit Konr. 297. 19 ff).
Was er mehr hat, als Konrad, läßt sich ziemlich reinlich herausschälen:
es ist erstlich vor Alitens Tod 10763 — 11180 die wunderbare Scheidung
und die Beerdigung der Gefallenen, die verschiedenen frommen Stif-
tungen und die Besendung Alitens; zweitens nach deren Tode 11230
bis 11670 Gerhards und Karls Klage und Geneluns Flucht und Ein-
holung; nur wenige Verse Konrads (295. 28 — 296. 10) sind auf diese
Weise, als überflüssig, ausgefallen. Ganz anders im Karlmeinet: hier
bricht plötzlich 488. 68 (= Konr. 295. 13) die Übereinstimmung mit
Konrad ab, und von da an ist ein wirkliches Zusammentreffen dieser
beiden Gedichte nicht sicher nachzuweisen. Da es nun kaum wahr-
scheinlich ist, daß der Stricker neben Konrads Lied in der uns er-
haltenen Form noch eine erweiterte Gestalt desselben Gedichtes benutzt
habe, das uns erhaltene Rolandslied ihm aber sicher vorlag, so kommen
wir zu dem Schluß, daß ein erweitertes Rolandslied von ihm nicht be-
nutzt wurde.
2. Auch die verschiedene Art der Verwendung dieser Episoden
(denn solche sind es) in den beiden Umarbeitungen spricht gegen eine
ursprüngliche Verbindung mit dem Rolandsliede. Daß der Karlmeinet
zu DES STinCKEKS KAKL. ]51
auch hier, wie überall, wo wir ihn controllicren können, seiner Vorlage
ziemlich getreu folgt, zeigt die Vergleichung mit dem französischen
Texte; ebenso zeigt eine solche aber auch, daß der Stricker in den
in Frage stehenden Stücken bedeutend kürzt, während er gegenüber
Kom-ads Gedicht im Gegcnthcil eher Neigung zur Ausführung zeigt.
Diese ganz verschiedene Behandlung von Seiten des Strickers wäre
sehr auffallend bei der Annahme eines fortlaufenden Gedichtes.
3. Endlich ist die Anordnung der fraglichen Episoden nicht die
gleiche im Karlmeinct, wie im Karl: im Ersteren nämlich reitet Karl
nach der Bestattung der Todten heim, und während der Reise entkommt
Genelun ; nach dessen Einbringung erst sendet Karl nach Gerhard und
Alitc. Im Karl hingegen besendet er sie zuerst, und bei der nach
Alitens Tode herrschenden Verwirrung entkommt Genelun.
Während also nach dem Gesagten die Annahme eines um die
genannten Episoden erweiterten Rolandsliedes bedeutende Schwierig-
keiten hat, scheint mir diejenige mehr Wahrscheinlichkeit zu haben,
daß den Umarbeitern ausser dem Rolandsliede noch andere Gedichte aus
der Karlssage, und so auch eines über diese Begebenheiten, bekannt
gewesen seien*). Bekanntschaft mit der Karlssage zeigt der Stricker
an manchen Stelleu, wo ihm Konrad nichts bot; mchreres habe ich
schon angeführt (s. S. 145), ebenso weiß er zn erzählen: Karls Jugend-
geschichte (124 — 274), die Erorberung Deutschlands, Gründuug Aachens,
Kaiserkrönung in Rom (400 — 478) ; er erwähnt Ludewic und Terramer
12198; besonders beachtenswerth ist eine Anspielung auf Oigiers Ju-
gendgeschichte:
9197 Oygier von Tenemarke,
ich fröu mich din vil starke:
Sit ich dich ze gisel gewan,
Sit müesen dich alle mine man
eren also min kint.
wo Konrad ganz abweichend sagt
266. 17 unt du helt Oigir,
vil wol getriwe ich dir,
du bist des Waten chunes**).
Diese Anspielung des Strickers zeigt, daß er die Geschichte Oigiers
(der in der That der Sage nach für eine von seinem Vater gegen Karl
*) Die Möglichkeit solcher Gedichte gibt auch Bartsch zu: Über Karlm. 389 ii. ö.
**) Grimm, Deutsche Heldensage 331.
152 C. JECKLIN
verübte Feindseligkeit als Geisel an des letzteren Hofe lebte) als be-
kannt voraussetzte. Wie es nun wahrsclieinlicli ist, daß er für Karls
Jugendgeschichte ein deutsches Gedicht benutzte*), wie es kaum anders
möglich ist, als daf> er sich auf ein deutsches Gedicht über Oigier
bezieht**), so glaube ich auch, daß er ebenso die Erzählung von Ge-
neluns Flucht und Alitens Herbeiholung einem solchen entnahm, und
daß er dieses etwas weitläufiger benutzte, weil es mit dem Inhalte des
ganzen Gedichtes in engerer Berührung stand. Auf dieses Gedicht
führe ich also die Übereinstimmung am Schluß des Karl und Karl-
meinet zurück; der Stricker fügte einen Auszug desselben in sein Ge-
dicht ein, der Dichter des Karlmeinet aber, den wahrscheinlich 295. 13
sein Exemplar des Rolandsliedes im Stiche ließ***), folgt von da an
ganz diesem andern Gedichte-, daher der vom Rolandsliede so ver-
schiedene Charakter, daher die Kürzung beim Stricker, daher auch
die verschiedene Einfügung in die Umarbeitungen.
Nachdem wir ein wesentlich erweitertes Rolandslicd als Vorlage
von Karlmeinet und Karl als mindestens sehr zweifelhaft erkannt haben,
kehren wir zurück zu Karl 9631 — 46. Bei Konrad heißt es vor Be-
ginn der Schlacht zwischen Karl und Paligan:
276. 19 Do hiz der chunc Paligan
uf richten sinin van
ain trache dar ane stuont
der was geziret gnuoc
von golde und von gestaine
vgl.Ch. deRol.3265 li amiralz dedavant sei fait porter sun dragun
also ein tragbares Feldzeichen. In *K wird nun dasselbe gar nicht
erwähnt, in *A hingegen ist daraus eine Art carroccio gemacht: ein
*) Vgl. Bartsch, Über Karlmeinet S. 24, der jedoch hiefür eher eine französische
Quelle annehmen möchte.
**) Entsprechend vielleicht der französischen Chevalerie Ogier des Raimbert
aus dem XII. Jhdt. ; denn die Enfances Ogier sind jünger als der Karl; vgl. L. Gautier,
zur Ch. de Rol. 96, G. Paris hist. poet. de Charlemagne, pg. 72 — 73. Da die späteren
nur in scblechthochdeutscher Übersetzung vorhandenen, ursprünglich niederländischen
Gedichte über Ogier (s. Koberst. Grdr. I, 302. Gervinus, Nat.-Lit. 2^ 74, 89. Adelung,
Nachrichten 92 ff.) sich ausdrücklich aus dem Französischen übersetzt nennen :
das mag er hoeren wer es begert,
uss dem welsch von woi't zu wort,
nit gerauscht, als ich es hört,
so können wir sie hier nicht beiziehen. Über einen in Deutschland im XII. Jhdt.
entstandenen Auszug aus Oigirs Leben s. G. Paris hist. poet., pg. 51, 101, 105.
***) Bartsch, Über Karlmemet S. 145.
zu DES STRICKERS KARL.
153
Konr. 276. 19 Do hiz der cliunc
Paligan
uf" richten sinin van.
ain tracliu dar ane stuont:
vgl. Karl 9643—4
von Mccrochsen gezogener Wagen, auf dem ein holder Drache vom
Winde bewegt wird. In auffallender Übereinstimmung damit steht die
Beschreibung des Karlmeinet 477. 64 fi", die sieh jedoch auch wieder
z. Th. genauer an Konrad anschließt:
Km. 477. 64 do heysch der konynck
Paligan
opp richten syne vanen sän;
dar ane stoent ein zeichen herlich,
478. 1 eime wilden drachcn gelich.
der drach was van enbirien hol,
des winds wart he dicke vol.
dan sach dat heidenisch gesinde,
5 so WC der di'ache in dem winde,
spilde ind umbran;
manche vrouwede dan äff quam,
he was wis ind rot.
BaHgän ouch gibot
10 up richten den standarde
276. 22 der was geziret gnuoc der was gezeirt harde
von golde unt von gestaine. mit golde ind mit gesteine.
Es ergibt sich aus dieser Gegenüberstellung, daß auch hier von
einem erweiterten Rolandsliede nicht die Rede sein kann, da diese son-
derbare Beschreibung zwischen ein Reimpaar des konradschen Textes
hineingeschoben ist, und auch *K von derselben noch nichts weiß. Ob
nun Karlmeinet und -A aus einer gemeinsamen Quelle schöpften, oder
ob der Eine aus dem Andern, kann bei der Dunkelheit von Karlmei-
nets Entstehungsgeschichte nicht entschieden werden; zu bemerken ist
aber, daß sich wörtliche Übereinstimmung nur in zwei Versen findet,
und auch in diesen nicht völlige, so daß man vielleicht besser von Remi-
niscenz, als von Entlehnung spricht.
VII. Ergebnisse.
1. Aus dem S. 132 entwickelten Handschriftenverhältniss ergibt
sich eine Berichtigung über den Werth der Hdsch. A: wo sie allein
steht bei Übereinstimmung der andern, kann ihre Lesart nicht echt
sein. Die hieraus sich ergebenden Änderungen sind jedoch alle sehr
unbedeutend, wie z. B.
555 wärens alle vil bereit
932 80 müesens etc.
154 C- JECKLIN
Bemerkenswerth sind nur etwa:
717 er minnct iuch m. s. kr.
1441 ine läze iuch hinnen mit minnen
1694 fride] geleite, durch Mißverständnlss aus geleithcgen
Konr. 39. 18.
2. Ebenso sind zu verwerfen nur aus F geschöpfte Lesarten^ und
damit nehmen wir schon tiefer einschneidende Änderungen vor:
4972 — 79 muß entweder mit *K gelesen werden:
dirn geschach nie leit merre,
dan dir hie künftec ist.
wä ist nu din herre Krist?
sin wirt etc.
oder mit ■•'A: dirn geschach nie leit merre,
dan dir noch hiute geschiht ;
dir enwerre dcnnc daz niht,
daz du äne houbet bist,
wä ist nu etc.
vgl. auch S. 142
6002 er jagtes alle (gar *A) äne wer; zu F vgl. Konr. 177. 8
6451 — 4 Olivier durch eine dicke brach
da er die grosten not sach.
die Lesart von *K*A findet sich theilweise wieder v. 6951, zu F vgl.
Konr. 190. 11-22.
8347—50 nu erbarmez got durch sine not,
daz ich ie gelebte dinen tot.
zu F vgl. Karl 9141, Konr. 242. 6; zu erbarmez got durch sine not, wie
*K*A lesen, vgl.
Karl 11353 tuet ez durch die grozen not,
und durch den heiligen tot,
den got an dem kriuze erleit.
8871 — 74 rillten lihcn unde geben
und gar (rehte *A) in küncges wise leben,
zu F vgl. Konr. 255. 13*).
*) Es wäre überflüssig, auch die von Bartsch nicht aufgenommenen Lesarten
von F anzuführen; ich nenne hievon als besonders bemerkenswerth 497 Wernis statt
Bernger. Es ergibt sich hieraus, daß F eine der Pfälzer des Rolandsliedes naheste-
hende Hdsch. benutzt hat; denn ich bilHge ganz Bartschs Vermuthung, daß auch dort
Bernger herzustellen sei ; ein Wernis erscheint nirgends in den "Verzeichnissen der
Zwölfe, selten aber (s. L. Gautier zu Ch. de Rol. 262) fehlt Bernger. — Eben hieher
gehört die Einschiebuug des Witel in F v. 5139, vgl. Konr. 145. 27; der Stricker
zu DES STRICKERS KARL. 155
Namentlich haben eine Reihe von Versen auszufallen, rlie nur in
P stehen
1945—46 vgl. Konr. 48. 3—4
2041—42 (2043 1.: er liez in) vgl. Konr. 51. 21—22
2513-14 vgl. Konr. 72. 5
4199—4200 vgl. Konr. 124. 14- IG
6651—52 vgl. Konr. 196. 16
6943—48 stehen schon 5107 — 12; damit fallen auch die verbin-
denden Verse 6949—50.
3. Die Lesarten von *K, als der älteren Bearbeitung, müssen
möglichst hergestellt werden, wo nicht Verderbniss anzunehmen ist,
vor Allem , wo sie sich auf Konrad stützen. Alle diese kleineren
hieraus sich ergebenden Veränderungen mitzuthcilen, wie z. B.
284 er mante got FHK vgl. Konr. 2. 9
875 sus wonte FHK vgl. Konr. 11. 26
wäre zwecklos, da die meisten für den Reim sowohl und das Metrum,
als auch für den Sinn von keiner erheblichen Bedeutung sind. Die
wichtigeren sind im Verlaufe der Untersuchung (s. besonders S. 133
bis 134) namhaft gemacht worden; ich führe hier noch einige an, die
von Interesse sind:
806 si körten über die buregraben FHK
Konr. 11. 3 er kerte an den buregraben
ebenso 1195 die boten kerten von dan FHK
Konr. 20. 13 die boten au cherten,
dar man si lerte.
1075 — 6 daz wir niht statte wellen län,
swaz wir im gelobet hän. FHK
Konr. 15. 25 — 26 daz wir niene leisten,
al daz wir ime gehiezen.
Die Lesart von *A findet sich , ebenfalls wieder nur in dieser
Bearbeitung, 4635 — 36, wo wieder mit *K zu lesen ist:
4635 — 37 Karl ist grimmes muotes,
in getriuwe im deheines guotes:
er heizt iuwern sun hähen. HK
Konr. 135. 10 — 12 wirdet der kaiser ubeles muotes,
ich ne getriwe ime neheines guotes:
din sun haizet er haben.
vermeidet es möglichst, blosse Name zu nennen: so läßt er aus 170. 12 — 18 Nere, Pan-
dolt, Martian, Nerpa, 174. 27 ff. Witrant, Otnant, Pillunc, Sigebant, 189. 6 ff. Eke-
rich, Antoir, Gwimute, 198. 23 Spemualriz, 93. 7 Oliboris etc.
156 C- JECKLIN
1582 — 83 daz mm sele iht verderbe,
ir schaffe got etelichen rät. HK
Konr. 31. 18 daz der sele etlich rat werde.
1994 owe waz wizestu mir! HK vgl. Konr. 50. 1.
2009—10 Karl der sailden riebe,
der sprach friuntliche. FHK
Konr.50. 16—17 Karl der riche,
der manete in gezogenliche.
2120 swederhalp er sich danne habe. FHK
Konr. 55. 18 sweder halp er sich welle haben.
2512 und innen grozen valsch hat. HK
Konr. 72. 2 unde valsches in deme herzen phleget.
2568 der keiser über alle himele ist. FHK
Konr. 73. 22 kunich aller himele.
4748 wir werden aber hiutc geheilet. FHK
Konr. 138. 17 so werdent aber mit bluote gerainet
di heren gotes martere.
5717—18 den schilt er üf züchte,
daz sper er vaste druchte. HK
Konr. 166.2—3 den schilt er uf ruchte,
den spiez er uf züchte.
5813 — 15 Engelher sprancte sä zestunt;
zehant do stach im Eschermunt
durch den schilt einen spiez. HK
vgl. Konr. 169. 7—9*).
Ebenso an Stellen, wo *K nicht vorliegt z. B.:
3071 Bande: üz sime lande. H vgl. Konr. 95. 7 — 8
3078 mit stahel wol beslozzen. H vgl. Konr. 95. 11
3181 der ich doch nennen niht enwil. FH
er nennt ja keine mehr, vgl.
*) An einer ähnlichen Stelle, 4531 — .'iH, liest *K:
do quam ein heiden zehant,
der hetc ouch herzogen lant,
Eschermunt von Falderne.
H liegt nicht vor, F kannte wahrscheinlich auch die Lesart von K, denn es comhiniert
nach seiner uns bekannten Art!
do quam ein heiden zestunt
der was geheizen Eschermunt
ein herzöge von Valtemene.
Konrad können wir hier nicht vergleichen (s. S. 148).
zu DES STRICKERS KARL. 157
Konr. 98. 28 der icli nu nennen nine wil P
(niht ne Avil A)
3451 — 55 er sprach: ir edelinge,
vil werden Kerlinge!
Sit wir Spanje hän errungen FH
Konr. 106. 3 er sprach: wol ir edelinge,
di chimen Karlinge!
ir wäret ie guoten ehnechte,
uwer her schilte gerechte.
Yspaniam habet ir gewunnen*)
6386 Alferich FH vgl. Konr. 187. 22
7201 e wir in da liezen FH
Konr, 217. 10 denne si sie da verliezen.
l?edeutender als diese Abweichungen von *K und *A innerhalb
eines oder einiger Verse sind die Plusverse. Bei der Behandlung der-
selben müssen wir uns einstweilen^ um sicher zu gehen, auf die durch
K mitvertretenen Partien beschränken, da in Bezug auf Zusätze, na-
mentlich aber auf Auslassungen, H sehr eigenmächtig verfährt.
In *K fehlen also: 483—4 FHK**); 631—2 (633 die suln, 634 si-
hänt) HK; 749-58 HK (vgl. Konr. 9. 18—31); 869—74 (s. S. 143)-,
949— 58HK; 983— 4HK (vgl. Konr. 13.5); 1261— 2 (1260 an im lac gotes
meisterschaft) HK; 1273—4 (1275—6 umgestellt) HK (vgl. Konr. 23.
13_14)5 1337—8 (1339 er hiez iuch biten durch iuwer vart) FHK;
1447—8 HK; 1469— 72 HK; 1547—50 FHK (s. S. 132): 1688-9 HK
(s.S. 135); 1703—4 HK; 1727—8 (1729 der unzucht dunket mich sG
vil) H K ; 1 759-60 (vgl. Konr. 42. 1) F H K ; 1767—70 FHK (vgl. Konr. 42.
9—10); 2045-8 HK (vgl. Konr. 52. 2—4); 2231-2 FHK (vgl. Konr.
62. 10—11); 2429—34 HK; 2467—74 HK (vgl. Konr. 69. 22-70. 3);
2503—4 HK (vgl. Konr. 71. 17); 2546—9 (2545 Mahmet der tugende
riebe) FHK (vgl. Konr. 73. 2—7); 2569-70 HK (vgl. Konr. 73.23
bis 24); 2659—62 HK (vgl. Konr. 78. 14—16); 2717—18 HK; 2779
bis 80 (s. S. 138).
*) Vielleicht ist danach beim Stricker zn lesen:
er sprach: ir edelinge,
vil werden Kerlinge!
ir wärt ie gotes knehte:
weit ir nu werben rehte,
Sit wir etc.
**) Wo nichts bemerkt ist, fehlt eine Entsprechung bei Konrad.
158 C. JECKLIN
3875—6 FHK (vgl. Konr. 111. 33—34) ; 3983—4 (s. S. 138) ; 4115
bis 22 HK (vgl. Konr. 120.7—12); 4143-6 HK (vgl. Konr. 121. 14); 4165
bis 76 HK (vgl. Konr. 123. 7—16); 4181—2 FHK (vgl. Konr. 123. 24);
4187—98 HK (vgl. Konr. 124. 3—11); 4237—72 HK (vgl. Konr. 125. 14
bis 126. 4) ; 4289—90 (4291 do sach er waz si täten) HK; 4329—30 HK
(vgl. Konr. 127. 16); 4359—62 HK; 4387—90 (F)HK (vgl. Konr. 129.
7— 11); 4505— 12 HK (vgl. Konr. 132. 5—10); 4515— 16 (s.S. 136); 4525
bis 30 (H)K; 4541—44 (H)K; 4565-6 HK; 4583—4 HK (vgl. Konr.
133. 9 ?) ; 4589- 90 H K ^vgl. Konr. 133. 15) ; 4607—10 H K (vgl. Konr. 134.
7—10); 4635-36 (s.S. 155); 4649—62 HK (vgl. Konr. 135. 20— 28); 4689
bis 90 HK; 4765—78 HK (vgl. Konr. 138. 26—139. 1); 4789—90 HK
(vgl. Konr. 139. 10—11); 4805—12 HK (vgl. Konr. 139. 28-140. 3);
4841—8 FHK (vgl. Konr. 140. 22— 30) ; 4878— 87 (s. S. 132) HK; 4897—8
FHK (vgl. Konr. 141. 1) ; 4923—24 H K (vgl. Konr. 141. 19—20) ; 4945-6
(F)HK; 4957—8 HK (vgl. Konr. 142. 5-6) ; 4974-5 HK (s. S. 142);
4983— 94 HK (vgl. Konr. 143. 1-10); 4997—5000 (4996 hat dich Mah-
met her gesant) HK (vgl. Konr. 143. 13—16); 5003—4 (5005— 6 nur
in F, 5007 du wirdest strites hie gewert) HK (vgl. Konr. 143. 19 bis
20); 5013—16 HK; 5075—6 A'^HK (vgl. Konr. 144. 31—32); 5089
bis 5112 HK (s. S. 144); 5141-2 A^HK; 5183—4 A"HK (s. S. 144);
5209—12 A'FHK; 5223-30 A^HK (s. S. 143); 5283—4 A'-HK;
5439—42 HK; 5463—66 HK; 5471— 4 (5475 daz gie in allen an daz
leben) FHK (s. S. 144); 5487—8 FHK (vgl. Kour. 156. 26); 5513—4
(5511 — 12 diu vierde schar mit kraft, die brächte ein ritter manhaft)
HK (vgl. Konr. 157. 20—23); 5527—30 HK (vgl. Konr. 158. 11—15);
5577 — 80 HK; 5601 — 2 (5603—4 si sluogens alle under sich, daz was
unsers herren (trehtins) gerich) HK (vgl. Konr. 161. 6—9); 5613 — 14
(5615 und die sine algeliche) HK (vgl. Konr. 161. 17); 5695-6 HK
(vgl. Konr. 165. 2); 5699-5700 HK (vgl. Konr. 165. 5-7); 5767
bis 74 (F)HK (vgl. Konr. 167. 13—20)*); 5862—7 (5861 der sluoc si
von dem libe gar) HK (s. S. 132); 5965-6 (5967—8 und hülfen Hatten
wider; da vielen die beiden nider) HK (vgl. Kour. 175. 15); 6011—14
(6015 Alsus) FHK.
8113—16 (8112 an im] daz swert) HK (vgl. Konr. 236. 14-20);
8217-8 FHK (vgl. Konr. 239. 19); 8233-52 (s. S. 144 ff.); 8327 bis
30 HK; 8377-8 (8379 daz er] und) HK; 8443-4 HK; 8485-6
*) Wie die Stelle da steht, paßt sie nicht, es müßte wohl geändert werden die
schützen quamen in gröze not, denn diese Schützen sind eben Targis' Kerntruppen,
vgl. 567G.
zu DES STRICKERS KARL. 159
HK (vgl. Konr. 244. 32); 8729—30 HK (vgl. Konr. 251. 12-13);
9285-92 II K (vgl. Konr. 268. 23-29); 9631-46 (s. S. 152 ff.); 9771
bis 74 II K.
Dagegen finden sich nur in *K : 1305—18 (s. S. 132); 1475—6
(vgl. Konr. 28. 21); 1777-80 (vgl. Konr. 42. 17—19); 1913-14 (vgl.
Konr. 47. 1); 1923-32 (vgl. Konr. 47. 5— IG); 1995—98 (vgl. Konr
50. 2-5); 2029—32 (vgl. Konr. 51. 9—10); 2237—8 (vgl. Konr. 62. 21)
2315-18 (vgl. Konr. 66. 14—17); 2461—62 (vgl. Konr. 69. 19—20)
4819—20 (vgl. Konr. 140. 8—10); 4905-14; 5113-14 (vgl. Konr
145. 7); 5263-4; 5709—14 (vgl. Konr. 165. 20—25); 6003—4 (vgl
Konr. 177. 11);
sowie folgende, die Bartsch nicht aufgenommen hat;
nach 118 und gerne solhiu wort vernement
diu guoten liuten wol gezement. FHK
nach 644 er ist unsers heiles vro,
und hat ez nu gefüeget so^
daz aller sin wille an dem ergät,
der vliz ze dirrc verte hat. FHK
nach 1024 üz unserm riche.
ez stet uns angestliche;
swie kumberliche ez nu stät . . .
nach 1190 vallet an sine vüeze,
daz ich vride haben müeze. FHK
vgl. Konr. 19.23 — 24 suochet sine vuoze
daz wir vride haben muoze.
nach 1708 daz wir sus wider heim varn,
sone kan daz nieman bewarn FHK
nach 1966 da was vil raanic edelman,
der sere vlehen began,
daz man in sante da hin;
si Westen wol den gewin,
swer die boteschaft tsete
daz ers iemer ere hsete. FHK
statt 1767 — 8 do wolte der degen Ruolant
die selben ere in sine hant
schaffen sinem stieffater;
euaer stille bat er. FHK
statt 2383 — 4 des wolte ich iemer vro wesen:
so mohtet ouch ir genesen,
wsere et Ruolant eine tot,
und mohtet dar nach äne not FHK
160 C, JECKLIN
nach 4020 dar nach sluof der jungelinc
in manegen snewizen rinc HK
nach 5832 Munschoy rief er iesä
unt die mit im wären da F(H)K
nach 7958 so vil lac toten umbe sie
daz mans ungetretet lie FHK
H ungeerret, K ungetreit, F antretet; der Sinn ist wohl: die
Todten lagen bereits in so hohen Haufen^ daß man (d. h. die heran-
stUrmenden Heiden) nicht über sie hinwegschreiten konnte,
nach 8030 der bischof sprach: nu tuot also,
des bin ich grozliche vro. FHK
vgl. Konr. 234. 28 — 29 Ruolant urloubes bat,
Turpin im daz gap.
nach 9034 sprach Karl der reine,
ich sage iu wie ich daz meine. HK
vgl. Konr. 263. 17 — 18 Do sprach der kaiser here:
nu vernemit ouch mere.
(Konr. 263. 19—26 fehlt beim Stricker).
nach 9132 swen ouch versnidet diz swert,
der ist des todes gewert. FHK
Alle diese angeführten Stellen kann ich natürlich nicht einzeln
behandeln; ich beschränke mich darauf, einige der sprechendsten Bei-
spiele herauszugreifen. Schon oben (S. 143 — 4), als es sich darum
handelte, das Vorhandensein zweier Bearbeitungen zu erweisen, wurden
mehrere Stellen angeführt, au denen deutlich *A gegenüber *K und
Konrad zusetzte ; diesen reihen sich zunächst solche au , wo *A zwar
seinen Zusatz aus Konrad entnahm, wo jedoch der Stricker (d. h. *K)
ohne Zweifel gekürzt hatte. Ein sehr bezeichnendes Beispiel hiefür
bietet 4505 — 12: in *K war Konr. 131. 19—132. 16 unberücksichtigt
geblieben ; nun aber fand der Bearbeiter in *A die Verse Konr. 132.
5 — 10 verwendbar und setzte sie ein (=: Karl 4505 — 12), ließ aber doch
das unmittelbar Vorhergehende und Nachfolgende aus. Ahnlich 4143
bis 46 = Konr. 121. 14—17: das Folgende (Konr. 121. 18—122. 9)
wurde auch von *A weggelassen, während *K die ganze Stelle Konr
121. 14-122. 9 übergangen hatte.
Sehr oft hat der Stricker mitten heraus irgend einen kleinen
Theil der konradschen Erzählung ausgelassen, wie z. B. Marsilies Ver-
sprechen, Geneluns Sohn Baldewin in seinem Reiche zu hohen Ehren
zu bringen (Konr. 99. 15 — 18, vgl. Karl 3200), oder die Bemerkung,
Grandon, ein heidnischer Herzog, habe schon an der Stimme Roland
zu DES STRICKERS KARL. KJl
erkannt, obwohl er ihn gar nicht sah*) (Konr. 189. 18 23, vgl. Karl
6430 ff.) u. Ä. m. Viele dieser mitten aus Konrad in *K fehlenden
Bemerkungen, wie die eben angeführten, läßt nun auch *A weg, manche
derselben aber holt es nach; der betreffende Gedanke ist jedoch meist
sehr leicht zu entbehren, und es W>t sich noch manchmal nachfühlen,
warum die Ergänzung eintrat; z. B.
8485 — 6 des lobte er got vil sere;
done was des tages niht mere
fehlen in *K ; es entspricht zwar der zweite Vers
Konr. 244. 32 do nachte iz der nachte
allein derselbe Gedanke war völlig genügend ausgedrückt durch
8487 uu hiez er herbergen da
sin her.
Durch 4104—14 hatte der Stricker einen Theil von Rolands Auftrag
an Walther (nämlich Konr. 120.13—26) wiedergegeben, 120. 7 — 12 aber
fortgelassen; der hierin enthaltene Befehl, die das Thal beherrschenden
Anhöhen zu besetzen , schien aber dem Bearbeiter nicht fehlen zu
dürfen, und er fügt denselben nun ein. Nothwendig sind aber die
Verse durchaus nicht; denn die Ausführung der darin befohlenen Hand-
lung wird 4851 — 54 in einer Weise erzählt, die unsere Stelle nicht vor-
aussetzt.
Nach *K wird der Führer der vierten heidnischen Schaar (5509 ff.)
nicht bei seinem Auftreten genannt, sondern erst 5524, womit sich ver-
gleichen läßt 5871 ff.; der Stricker durfte das um so eher thun, da
er schon früher (4363 — 4668) diese Heerführer alle der Reihe nach
aufgezählt hatte. *A aber fand es offenbar anstößig, daß Malprimes
erst nach seinem Tode genannt werde, und so entnahm es aus Konr.
157. 20 — 23 seinen Namen und die Stärke seines Heeres. Nun wider-
spricht dies aber dem sonstigen Gebrauche des Strickers: nachdem er
4669—70 einmal die Stärke eines jeden Heerhaufens angegeben, läßt
er jedesmal, wo Konrad sie wiederholt, diese Angabe fort (Konr. 149.
2-3 vgl. Karl 5257, Konr. 154. 6—10 vgl. Karl 5392, Konr. 161. 15
bis 16 vgl. Karl 5611, Konr. 164. 8 vgl. Karl 5667, Konr. 168. 4 vgl.
Karl 5787, Konr. 176. 15 vgl. Karl 5972); nur einmal (5895) nennt
er noch die Zahl, um den Muth der Christen hervorzuheben, die, nur
*) doch er in niene sach (vgl. 2. 6 daz si got nine vorchten) ist mit A zu
lesen, und nicht mit P doch er in nie gesach, was heißen würde : obwohl er ihn noch
nie gesehen.
GERMANIA. Neue Reihe X. (XXU.) Jahrg. H
162 C. JECKLIN
1550 Mann stark*), es mit 12000 aufzunehmen wagen. — Eine durch-
gehende Absicht läßt sich erkennen in den Zusätzen von 4387 — 90,
4525—30, 4541—44, 4649—4662, 4957—58, sowie in der Auslassung
von 2029 — 32: unverkennbar soll dadurch Rolands Gestalt mehr in
den Vordergrund gerückt werden gegenüber den Zwölfen; es ist dies
eine Steigerung der schon in *K gegenüber Konrad hervortretenden
Verlegung des Hauptgewichts (vgl. z. B. Konr. 60. 8 mit Karl 2178,
Konr. 69. 11 mit Karl 2390, Konr. 89. 18 mit Karl 2980); wahrschein-
lich hängt damit auch zusammen die Auslassung von 1923 — 32, 1995
bis 98 u. A., vielleicht auch der Verse, die *K allein nach 1966 hat.
Von den Plusversen in *K hat Bartsch die meisten aufgenommen
nämlich diejenigen, die durch Konrad gestützt werden (mit Ausnahme
derer nach 1190, 8030, 9034), von andern nur 4905—14 und 5263—64.
Gegen die Echtheit der genannten drei, Konrad entsprechenden Stellen
spricht nichts; allein auch die andern, die in Konrads Text nichts Ent-
sprechendes haben, möchte ich nicht unbesehen verwerfen, sondern sie,
wenn nicht innere Gründe gegen sie sprechen, für echt halten **j. Auch
diese Auslassungen in *A sind wohl meist auf eine bestimmte Absicht
des Bearbeiters zurückzuführen. Ein Beispiel hiefür haben wir bereits
besprochen (2029—32); andere sind:
2237 — 38 lät in got gesunt leben,
er sol iu lihen unde geben (nur *K)
vgl. Konr. 62. 21 ; diese Verse werden in *A ersetzt durch
2231 — 32 daz er vil herliche lebe
unt vil miltecliche gebe.
vgl. Konr. 62. 10 — 11; neben einander haben diese Verse im Karl
nicht gestanden. — Mit den Zusätzen in *A hängen auch zusammen
die Auslassungen von 5113 — 14 (die in 5089 — 5112 weitläufig ausge-
führt sind, vgl. S. 144), und von 4905 — 14 (durch 4923 — 24 gewisser-
massen ersetzt; 4915 — 22 können, weil nur in F stehend, nicht in Be-
tracht kommen).
*) Konrad nennt 1100 (171. 14). Die aufl'allende Zahl beim Stricker ist Er-
gebniss folgenden, jedenfalls sehr poetischen Rechenexempels (s. Karl 4851 — 70):
20000 Mann behält Roland in ßonzeval (v. 3955, Konr. 113. 30); davon erhält Wal-
ther zu dem oben angeführten Zwecke 1000; von den Übrigen erhält erstlicli jeder
der Zwölfe 1000, bleiben noch 7000, getheilt diircli 12 gibt 550, Best 400, diese
werden als Keservemannschaft zurückbehalten.
**) Für unecht halte ich namentlich die Zusätze nach 1024 und 4020; der
letztere ist gewiß aus 4013 — 14 wiederholt: 4013 *K nu wäfent sich der jungelinc.
zu DES STRICKERS KARL. Ißy,
Abgesehen als*» von einigen Felilern in beiden Bearbeitungen
nehme ich die nur in *K überlieferten Verse für die erste Bearbeitung
allein, die in '■•'A allein stehenden nur für die zweite in Anspruch.
Bisher kamen hauptsäcldich solche Stellen zur Behandlung, jin
denen Konrad zur Vcrgleichung, vorlag. Ist aber *K der ältere Text,
so dürfen wir erwarten, daß es auch außerdem vorzüglicher sei, als
*A; ich führe dafür einige Beispiele an:
Nach 2902 geben FH noch vier Verse, die bei Konrad (87. 18)
zwar nichts Entsprechendes haben aber mit den Worten des 108. Psal-
raes stimmen, dem der ganze Abschnitt entnommen ist:
si mtiesen gefüeret werden hin Ps. 108. 12 nee sit qui misereatur
sich erbarme niemen über in; pupillis ejus, fiant nati
sin küiino werde an im zende ejus in interitum;
brächt, in generatione una
zegote werde sin niemer gedächt. deleatur nomen ejus.
Ebenso zugesetzt hat der Stricker aus dem Psalm die folgenden
Verse :
2903 sin gewinne ein sündser ober- Ps. 108. 6 Constitue super
hant,
der neme im lip unde lant ; cum peccatorem,
ze siner zeswen siten et diabolus stet
ste der tiuvel zallen ziten. a dexteris ejus.
2915 er werde gekleidet mit der Ps. 108. 29 ludicantur — pu-
scham
und mitderverdampnissealsam, dore et operiantur
daz si an im werden erkant, sicut diploide
reht als ein strifleht gewant. confusione sua.
2922 er vloch den segen, der vliehe Ps. 108. 18 et noluit benedictionem
ouch in, et elongabitur ab eo,
er minnet denvluoch, den müeze et dilexit maledictionem et ve
er hän. niet ei.
diz gebet hat Davit getan. Ps. 108. 1 Psalmus David.
So hat der Stricker auch später eine Bibelstelle zugefügt (9027
bis 31, vgl. Joh. 17. 24), während er sich anderswo nicht gerade sehr
bibelfest zeigt : Konr. 263. 31 — 264. 7 erkennt er nicht als den
zweiten Psalm und erlaubt sich daher manche Änderung (Karl 9039),
und auch
11*
164 C. JECKLIN
9304 — 6 so der same niht
gedihet*) üf der erden,
sone mac des wuochers niht werden,
gegenüber Konr. 269. 1 so der same niht erstirbet in der erde, zeugt,
wenn die Überlieferung richtig ist, nicht von sehr großer Bibelkennt-
niss (vgL Joh. 12. 24 nisi granum fruraenti cadens in terram mortuuni
fuerit, ipsum solum manet).
3759 — 74 sind mit FH nach 2882 zu stellen; zwar hat an der
letzteren Stelle (vor 87. 1) Konrad nichts Entsprechendes, und an der
ersteren entzieht uns die Lücke der Heidelberger Hdschr. die Ver-
gleichung von Konrads Text; wahrscheinlich aber fand sich auch dort
nichts von dem Inhalte dieser Verse; denn aus
Karl 3757 — 8 ze dem ewiclichen sere,
die helle büwet er iemermere
srlaube ich bestimmt noch den Schluß eines kouradschen Abschnittes
durchzuhören, ähnlich dem
Konr, 2. 33 die slehet der gotes zorn
an libe unt an sele: '
die helle puwint si imermere.
Jedenfalls passen die fraglichen Verse nicht nach 3758 : nachdem
3752 — 58 als Beweggrund zu Geneluns Verrath seine Habgier angege-
ben worden war, nun gleich darauf zu sagen, er habe ihn nur begangen
aus Sehnsucht nach seinem Weibe, wäre doch zu umgeschickt. Wohl
aber konnte der Dichter anderswo dieses Motiv anführen: denn es
bleibt sowohl beim Stricker als bei Konrad unentschieden, ob Genelun
mehr aus Geldgier, oder aus Sehnsucht nach der Heimat und nach
Weib und Kind zum Verräther an seinem Herrn und seinem Glauben
wurde.
6572 — 75 *A ein herzöge der hiez Abis,
dem nu bevolhen was der van,
der huop sich vientliche dan.
si quämen schiere in daz tal.
Diese Verse können unmöglich richtig sein aus folgenden Grün-
den: V. 6311 (vgl. 6301) hatte Marsilies sein Heer in vier Schaaren
zu je 100000 Mann getheilt, und das Anrücken derselben erfolgt :
der ersten 6314 do wären tu send hundert
an ieslichem teile,
nach grozem unheile
*) H gekumt, K bekumt, was denselben Sinn gibt wie gedihet; sollte vielleicht
zu lesen sein gekumt in (öf?) die erden (cadens in terram)?
zu DES STRICKERS KARL. Ifj5
huop sich der schar ciniu dan
unde riten die kristen an.
der dritten B789 sus sant er hundert tu send dar.
der vierten 7286 h und ert tüsend ritter üzerwelt
fuorte er mit im an den strit.
so daß jede Schaar mit der Zahl ihres Bestandes angekündigt wird*j;
es fehlt aber die zweite^ und diese kommt zu ihrem Rechte, wenn wir
statt 6572—75 mit FH lesen:
ein herzöge der hiez Abis,
den hiez Marsilies dannen
vor hundert tüsend mannen
mit sinem vanen riten.
die quamen in kurzen ziten
ze Runzeväl in daz tal.
So nur erhalten wir die nöthige äußerliche Eintheilung, auf die
der Stricker sorgfältig bedacht ist**).
Auch die Einführung der vierten Schaar 7279 ff. ist in unserem
Texte entschieden in Verwirrung: 7262 spricht Marsilies die Absicht
aus, nun selbst in den Kampf zu gehen; er thut dieß
7278 mit grimme reit er dannen
und nun heißt es in *A:
7279 ein künec der hiez Alfabin,
des bruoder hiez Ebelin
die nu des vanen pflägen
hundert tüsent ritter üzerwelt
fuorte er mit im an den strit.
Dieses er ist schon sehr zweifelhaft; grammatisch müI.Ue es Wieder-
aufnahme des Subjectes sein (Alfabiu, während inzwischen im Relativ-
satze immer von beiden Brüdern die Rede war), dem Sinne nach
paßt es aber nur auf Marsilies^ der ohne Zweifel im nächsten Verse
unter er verstanden werden muß (vgl. besonders 7293). Alle Schwie-
*) Das Verhältniss ist hier anders, als bei den S. 161 — 2 angeführten Schaaren :
dort wird die Eintheilung bemerklich gemacht mittelst einer durchgeführten Zählung,
hier dient zum gleichen Zwecke die Angabe der Stärke jedes Heeres.
**) Der Stricker theilt den Kampf Rolands mit Marsilies in zwei Hauptschlachten
(4965 — 6227 und 6301-8001) und diese in einzelne Gefechte, die erste in 12, die
zweite in 4; zu allem dem fand er bei Konrad nur schwache Anhaltspunkte. Der
Kampf Karls mit Paligan wird nicht weiter gegliedert, das Hauptgewicht liegt im
Zweikampf der beiden Herrscher.
l^Q C. JECKLIN, ZU DES STRICKERS KARL.
rigkeiten lösen sich sehr gut, wenn wir mit II 7279-80 ausscheiden
und 7281 — 84 nach 7332 setzt; es schhc(>t sich dann ganz glatt an:
7278 mit grimme reit er (MarsiUcs) dannen;
als ich iu e hän erzelt,
hundert tüsend ritter üzerwelt
fuorte er mit im au den strit.
Ks ist nicht anders möglich, als da(> Marsilies selbst Anführer
dieser vierten Schaar sei.
Das Ergebniss unserer Untersuchung ist also, daß wir den ur-
sprünglichen Text des Karl in *K zu suchen haben, und daß wir daher,
um ein richtiges Bild desselben zu bekommen, unsere Kenntniss von
*K zu vervollständigen suchen miüHen, da wir bisher nur eine zwar
gute, aber lückenhafte, alte, und eine unzuverläßige, auch nicht ganz
vollständige, junge Handschrift davon haben.
Ob auch die Bearbeitung *A dem Stricker zuzuschreiben sei, ist
sehr zweifelhaft. Die Verschiedenheit in der Behandlung des Metrums
würde nicht dagegen sprechen, denn der Fortschritt in den Änderun-
gen ist ziemlich demjenigen entsprechend, der sich auch zeigt in der Ent-
wicklung vom Karl (d. h. *K) zum Pfaffen Amis; es ließe sich ja wohl
denken, daß der Dichter, nachdem sich seine Kunst vervollkommnet,
nun eine Correctur des Werkes vorgenommen, und so gleichsam eine
zweite Ausgabe desselben veranstaltet hätte. Allein wie wir gesehen
haben, sind mehrere Änderungen in *A so im Widerspruche mit der
ursprünglichen Abfassung, daß man sie kaum dem Dichter selbst zu
schreiben kann.
Immerhin bleibt die interessante Thatsache, daß ein nicht unbe-
gabter Dichter, der sich ziemlich in des Strickers Art hineingelesen
hatte , mit Zuhilfenahme von Konrads Rolandsliede den Karl einer
Umarbeitung unterzog; und daß dann noch einmal ein anderer Reimer
diese beiden Ausgaben unter sich und wieder mit Konrads Liede ver-
glich^ die Abweichungen der drei corabinierte und auch aus eigener
Erfindung manches Neue hinzufügte.
LEIPZIG, im März 1876.
F. BECJI, UNTEKVVEISlJNf; ZUl.' \ OI-l.KOMMENlIEiT. Ifj?
UN^J^EKWEIgUNG ZUR VOLLKOMMENHEIT.
Ein geistliches Lehrgedicht aus dem Kloster AI ilden f'u r t.
(14. Jahrhundert.)
[Ibl. IIO'I „Eya, liebe kunigin,
Nu clage ich die den brechin min,
Als ich die bescheidin wil.
Andirin ICitiu rät ich vil,
5 Daz sie vaste dienin die,
Des vinde ich leidir nicht an mie.
Von hiemile reine siize magit,
Daz si rechte die geclagit,
Daz ich dich kuniginne
10 Von herzin nicht enminne.
Nu biete ich, liebe vrouwe, dich,
Daz du wolHs rechte mich
Brengin vor den sunin din,
Und hilf raie clagin den gebrechin min.
15 Christus, liebir herre min,
Icli biete dich durch die gute din
Des, daz an mie nicht erge
Min wille, sundir din gesche.
Daz ist kurz daz ist lang,
20 Min eigin wille der ist so crank,
Daz ich noch nie den tag gesach,
Ich ensuchte ere oder min gemach.
Owe des ich arm man,
Daz ich vormidin nicht enkan,
25 Swaz ich getu durch got ensi
Zu hant min eigin wille bi,
Also daz ich da vinde
Des vleischis ingesindc,
Itel ere und andirs vil
[llO'j oO Manige sache, die mich wil
Irrin vollenkumeheit,
Ine weiz waz me, iz ist mie leit.
Jesus, minniglicher Crist,
Herre min, äu uudirlist,
35 Ich müz die clagin euch min leit.
Der weg zur vollenkumeheit
Der ist vorworrin mie so gar,
Daz ich arme niergin dar
1 kunigin. 2 nü. 4 lütin. 12 dv. 13 sünin. 14 gebrechi. 16 gfite.
19 kürzt, das t undeutlich. 22 ensuchte. od\ 25 getu. 26 zu 33 ihc.
168 F. BECH
Vor mich seibin kiirain mag.
40 Ich vüle welz (?), ich böse sach!
Iz ist alliz min selbis schult,
Eigin wille und ungedult,
Gemach und ttel ere,
Die wolHn raie vorkere,
45 Daz ich nicht enkan gitü
Durch got^ sine mischin sich dazu/'
Dine clage hän ich wol vernumin,
Du woldis gerne vollenkumin
An allin dinin werkin sin
50 Und Jesum Crist den herrin din
Lütirlichin minnin.
Daz enkanstu nicht gewinnin
Danne mit drien sachin,
Die kunnin herze machin
55 Sicher unde vroudin rieh.
Des wil ich sus bescheidin dich
Her nach unde wisin die,
Wie man sin selbis so! vorzie.
[110'] Wiltü nü gerne volgin miC;,
60 Daz dunkit mich gut, so wil ich die
Wisin den weg, der dich da treit
Da hin zur voUenkumeheit.
Wiltii nü gar an undirscheit
Din herze in ganze Sicherheit
65 Der wärin minne senkin,
S6 saltil dicke denkin
An den getrüwelichin pfat
Den got uns vor gegangin hat,
Nü sich, wie he sin crüce trüg,
70 Daz lie noch nie des gewüg,
Swie groz was sin unschult,
Die brächte in nie in ungedult.
„Sit dirre minniglicher got
Nicht durch in wand durch unse not
75 Alsus sin crüce wolde nemin,
Deiswär so mag ich mich wol schemin,
Daz mich also deine schult
Brengit dicke in ungedult."
Wiltü nü gerne tuginde pflege
80 Und rechte vregin nach dem wege.
So wizze sicherliche,
Nieman ist tuginde riche.
39 u. 48 kümin. 40 vüle. 45 — 46 gitfi : dazv. rtO ihm. 51 Lütirlichin.
55 unde] vnd. 57 unde] vnd. 59 wiltü. nü. 62 vollenkvmeheit. 63 wiltü
nü. 66 saltü. 67 getrüwelichin, 75 crüce. 76 scheml. 79 wiltü nü.
82 tuginde.
UNTERWEISUNG ZUR VOLLKOMMENHEIT. 169
Ernc rauge allir erst geleiste
Dri ermotc an deme gciste.
85 Deswär die hän ich harte wert:
Swer im seibin nicht cngert
Und im seibin nicht enist
|I10''J Und nicht enminnit den durch Crist,
Swer daz ermotc treit,
90 Der süchit vollenkiinicheit.
Wol im der iz trüge!
Der wurde so gevüge,
Daz he alle sachin
Zu vrumin konde machin.
95 Ich wene he is deine entguldc,
Man lobitin odir schulde.
He konde wol genieze,
Swie so man in hieze
Bösewicht oder biederbiman,
100 Da neme he alliz vrumin an.
Im begondin vunf sachin
Groze vroude machin :
Daz maniger harte ungerne set^
Daz eine ist daz man uns vorsmet.
105 Daz andire ist, daz man uns schildet,
Des maniger sere entgildet.
He niemit euch manigin vrumin an,
Der mit der sache werbin kan.
Daz dritte ist daz wie sich sin.
110 Daz vierde ist daz der meistir min
Mich heizit daz ich nicht gerne se.
Daz vunfte daz tut harte we,
Daz ist gebetis trächeit,
Daz manigir harte unsanfte treit,
115 Der mit der sache werbin kan. (?)
Sus wirt der arme ein richir man.
111*] Wiltü nü vollenkumin sin,
Sone saltü nü nicht wesin diu.
Du salt mit rechtir mäze
120 Dich seibin gar vorläze,
So daz du nicht dan gote lebist
Und ime so gar din herze gebist
Zu sime lobe und andirs nicht.
Weistü waz die dan geschiechtV
125 Din sele entpfet daz erste cleit
Der rechtin vollenkumeheit.
8.3 möge. 90 suchit. 91 tröge. 92 gewuge. 94 Zu vruniin.
95 entgülde. 96 schulde. 101 sachin] sache. 100 u. 107 vrümiu. 117 Wiltü nu
vollenkumin. 118 saltii nü. 119 Dv. 121 dv, 123 Zu. 124 weistü.
126 -ku-.
J70 t'- BECH
Sus stires du an den erstin grät
Den got uns vorgegangin hat.
Wiltü nu vorbaz sÜgcn,
130 So saltü daruäcli erigen,
Wie du gar von die geläst,
Daz du die selbir nicht enhast
Wand alliz gote zu sime lobe.
Dune Salt euch nimmir so getobe,
135 Daz an dincs herzin valdin
Irgin liege behaldin
Ich des, daz so deine sin,
Daz immer muge geheizin din.
Daz Avere nach erin wol gccriegin.
140 Sus bistü abir vort gestiegin
Einir treppin vorebaz.
Die got mit smin vüzin maz.
Wiltü nü an den dritten grät,
So volge mie, daz ist mtn rät,
14Ö Flinis dingis, des mustü entpern,
Dune Salt euch nicht die seibin gern
[lir'l Wand alliz gote durch sin ere,
Also saltü din herze kere.
Einis dinges saltü euch mich gewere,
150 Daz immer mer an diner gere
Gotis ere si vorbedacht,
E dan din wille st volbrächt.
Zwo sachin liegin behaldin
An manigis herzin valdin,
155 Die man vil küme kan ervarn,
Da vor saltü dich bewarn.
Hüte dich vor in beidin.
Beswere dich nicht durch scheidin:
Sich des swaz du gütis häs,
160 Daz du daz gerne durch in las.
Ich rate, swcs du euch zu ime gers,
Daz du des durch in sanfte cntpers,
Urabeswere daz herze din,
Swö du weist den willin sin.
165 Wiltü nü gote von herzin minne
Und tuginde vil zu die gewinne
Und daz die immer muge sanfte sin,
So saltü gar den willin din
Nach gotis willin kerin,
170 Sone kan dich nicht beswerin.
127 dfi. 129 Wiltv nfi. 130 saltu. 1.31. 132 du. ^ 134 Dune.
138 muge. 140 bistfi. 142 wuzin. 143 wiltfi nu. 145 inu.stu. 146 dune,
gerin. 148. 149. 156 saltu. 155 kume. 157 Hute. 160 diu 161 zu.
162. 164 du. 166 Wiltu nü. 166 zu. 167 muge.
UNTERWEISUNG ZUK VOLLKOMMKNIIKII' 171
Daz wizzc sundir zwtvclmüt,
Daz ,i;ot alle (\'m^ zu i^üte tut.
Dariiinmo dio laz geliclio licl)
Wcsiii alliz daz j^eschict,
|lll I 1 7r> 7\iic dru ding sullin die wcsin leit,
Daz ist sunde unnütz und itclcheit.
Wiltü nu vollenkumin sTn,
SO hüte dich vastc vor den drin
Vunf ding «int üzirmazin <};nt.
18U Ey wol im, der in rechte tut:
Daz ist ein zit vorliese seidin
Und vrundschaft wieder scheldiu
Und in pinin süzin müt
Und minnin da. man leide tut
185 Und vroude in der smalieit.
Swrr dazu rechte sinne treit,
Daz heiz ich vollenkumcnheit.
Dru ding sint raie üzirmazin lieb,
Die minne nie von ir geschiet:
I'JO Daz erste ist daz man minne
Mit herzin vnd mit sinne
7\ndir lüte sclieheit,
Und einis ieglichin leit
IJnse leit von herzen st,
1*J5 Da wont die minne gerne bi,
Und daz man imrair mere
Daz ding zum bestin kcre.
Swer daz zu allin zitin tut,
Der beheldet gerne reinin müt.
200 Drü ding sin wol im der sie hat :
Swaz so der man begät
Daz he habe die mäze,
He tu odir läze,
UV] He Itde swaz he lide,
205 Daz he des nicht vormide
He insüche gotis ere
Darane immer mere
Gar getrüwelichin,
Daz machit herze richin.
210 Vier ding wolde ich gerne si
An andirin lütin und an mi:
Daz ist daz man alle tage
Gote lobe und sunde clage,
171 zwivelmüt. 172 zu gute tut. 175 drü. 177 wiltu. nu. 178 hüte.
179 gut. 180 tut. 182 vrundschaft. wied\ 183 suzin raut. — Von hier ab
werden die u der Handschrift nicht weiter vermerkt. 187 vollenkümeheit. 188 Dry,
210 sin, aber n ausradiert.
172 F. BECH
Leit geduldiglichin trage,
215 Und tuginde mere von tage zu tage.
Vunf ding prise ich harte ho,
]\Ian wirt ir sicher unde vro :
Daz man gote wol getrüwit,
Dil miete ist gebüwit
220 AUir tugiude ein vullemunt.
Daz andir sal ü wesin kunt,
Daz man im ouch getrüwe si.
Daz dritte machit herze vri,
Daz immir unse wille si
225 Gotis willin undertän,
Und alle ding vor gut eutpfän.
Und daz man stete dar an bestä.
Da volgit michil selde nä.
Drü ding ich sere prise^
230 Man wirt ir harte wise:
Daz ist daz ein ieglich man
Sich seibin recht erkennin kau
[112"] Und got an siner gute,
Des wirt man othmüte,
235 Und alliz daz sin ere si,
Daz sint gütir stucke dri.
Ist daz vierde dan da bi,
So mag iz vollenkumiu si,
Daz man ieglich dirre dinge
240 Zu rechte vollenbringe.
Mich dunkin vier ding harte gut.
He ist selig der sie tut:
Daz erste ist daz man sal han
Zu allin lütin gütin wan.
245 Und swaz ein man joch selbe tut,
Daz enlobe he alliz nicht vor gut.
He sal sinis selbins brechin clagin
Und vremidir sunde stille dagin.
Ich meine daz man ir nicht sal sagin.
250 Swer sich rechte des gewiegit,
Daz her drier dinge pfliegit.
Der besitzet vroude zu allir zit:
Alliz daz uns got getüt,
Daz wie daz nemin al vor gut;
255 Swaz uns immer geschiet oder geschach,
Gemach odir ungemach,
Und alliz daz uns noch gesche.
Uns werde sanfte odir wo,
Daz wie Crist den herrin min
260 Lobin al der gnädin sin.
217 vnd. 221 ü] v. 225 vndHan. 249 sagl. 255 im\ od^
UNTERWEISUNG ZUR VOLLKOMMENHEIT. ]!';',
Mich dunkln vunf din^ sere gut,
|112''] He ist selich der sie tut:
Daz ist daz nnin alle tage
Von gote höre gerne sage,
'2i)i) Und daz man ouch belialde
Daz ist ein michil salde,
Und daz man vorbaz gerne sage
Dank habe ienir der des pflage;,
Daz he ouch selbe tu darnä,
270 So ist iz vollinkumin da.
Daz vunfte ob hes nicht enkaU;
Daz hes doch andirin lütin gan.
Swer vunf ding zu allin zitin treit.
Gedult unt ötmüticheit
275 Die mag he wol gewinne,
Also nach deme sinne,
Daz he sich seibin vorsme,
Die werlt und andirs nieman mP.
Swenne im die gnade geschet,
280 Daz in nieman vorsmet,
Da sal im sanfte wesiu miete,
Daz ist ein tuginthaftir siete,
Doch danke he unwerdig sich
Der gnädin siet^ daz lobe ich.
285 Swiez umme alle ding ergät.
An drin sachin so bestät
AUir lüte selicheit,
Swer sie zu irme rechte treit
Daz man sie immer mere
290 Zu gotis lobe kere,
1112'^] Daz ist wille werk und wort.
Alsus wil ich iz bescheidin vort,
Beide sie schadin und sie vrumin.
Ane sie ist nieman vullenkumin.
295 Sie sin ouch geselle
Zu hieraele und zu der helle;
Sich enkan ouch nieman des beware.
Der man vare swa he vare,
Daz he des immir Werde vri
300 Der drier enwone im einiz bi.
Wol im, he vil selich man,
Der sie im nutze machin kan.
Zwei ding sint bezzir denne gut.
Die manigir umme sus vortut,
272 toch in Rückerts Abdruck, ebenda ferne V. 276. 299 w'de. 300 einir.
so deutlich die Hdschr.; bei Rückert einis.
174 F. BECH
305 Vorwar ich uch daz sagin sol,
Der enkan sich uiemau erhoUn wol :
Daz ist zit und unse lebin^
Die hat uns got also gegebin,
Daz wie in lobin soldin
olO An beidin ob wie woldin.
Sich trügit selbe mauig mau
Und wenit ouch tugiude hau;
Swenne he tuginde übin sol,
Hat he sie denne, daz weiz got wol.
315 Mauiger wenit habin gedult,
Der in schulde äne schult,
Vil lichte iz also queme,
Daz hez vor ubil ueine.
Man vindet ouch vil nianigin man.
[112'^J 320 Der alsus gebärin kan,
Als he vil sanftmütig si,
Deme^lichte wonit ein zorn bt.
Othmütig man vil manigin sf't,
Die wile in nieman vorsmet,
325 Ob he gescholdin were,
Iz vorsmäte im lichte sere.
Manigir ouch gehorsam ist,
Als ich ü sage, mit underlist,
Ob he des ich sohle tu,
330 Da im liebe were zu,
So were he vil gereite
Und begonde is küme erbeite.
Man vindet ouch vil manigin man,
Der au andirin lütin kan
335 Scheid in maniger hande siete,
Die im doch seibin volgin miete.
Man viudet der noch mere.
Die audir lute lere
Kunnin michel baz den sich,
340 Der gebich selbe schuldig mich.
Iz sait ouch etlich man
Von tugiudin mer dan he kan.
Das vorstehende Gedicht ist einer Pergamenthandschrift in klein 4**
entnommen, welche sich auf der Universitätsbibliothek zu Jena befindet.
Dieselbe enthält zu Anfang ein deutsches Martyrologium in Prosa (vgl.
Lexers Handw. II -= Quellenverzeichniss S. VP s. v. Martyr.) und darauf
zum Schluß „auf einigen leer gelassenen Blättern", von derselben Hand
geschrieben das hier abgedruckte Gedicht. Sprache und Schrift weisen
328 vndMist. 333 manigl. 338 audirir.
UNTEK'WEISUNO ZUR VOLLKOMxMENHEIT 175
die Hnndschr. in das 14. Jalirlmndort; vgl. darüber Rückert in der
Zfitöclirift des Vereins für thürinyiselic Geschichte und Altertluuns-
kunde I, 1, 51 und in Frommanns Deutschen Mundarten I, 269. Früher
gehörte die Handschr. dem im düringischen Voigtlandc berühmten
Kloster Mildenfurt. Dieses liegt an dem Zusammenflul.^ der Weida
mit der Elster unweit der alten Stadt Weida und ist gegründet von
Heinrich dem Keichen von Weida im J. 1193, jetzt aber in eine groli-
herzogl. Sachsen-Weimarische Domäne umgewandelt; vgl. den 18. und
19. Jahresbericht des Voigtländischcu Alterthumsforscheuden Vereins
S. 109 folg.
Das Gedicht ist „nach Versen abgesetzt'" und geht ohne irgend-
Avelche Unterbrechung von Fol. 110* — 112*^. Dessenungeachtet hat
Rückert es in Stücke reissen zu müssen geglaubt und den ersten Theil
(V. 1 — 178, nicht 177, denn von V. 90 ab ist falsch gezählt) in der
zuerst genannten Zeitschrift, den letzten (V. 261 — 342) in Frommans
Mundarten 1. 1. als „Fragment" abdrucken lassen. Weder die hand-
schriftliche Überlieferung noch der Inhalt rechtfertigte diese Zerstü-
ckelung. Nach V. 337 folg. muß der Dichter dem geistlichen Stande
angehört haben. Einen nach größerer Vollkommenheit verlangenden
Genossen seines Standes (denn einen solchen scheint er nach V. 4—6,
23 und 337 folg. vor Augen zu haben) läßt er sich zuerst an die Kö-
nigin Maria und dann an den Plerrn Jesus um Hilfe wenden und
darauf in einer Reihe von spruchförmig zurechtgelegten Regeln und
Rathschlägen ihm Auskunft ertheilen. Wie in den alten Spruchsamm-
lungen so sind auch hier die verschiedenen Gruppen von Vorschriften
lose und ohne Innern Zusammenhang an einander gereiht. Zwar ließe
sich der äußern Fassung nach ein Unterschied zwischen der ersten
Hälfte (V. 1 — 178j und der darauf folgenden annehmen; denn in dieser
sind die Anweisungen immer nur an eine einzelne Person gerichtet
die mit dii angeredet wird , in jener dagegen wird der Dichter allge-
meiner, bedient sich der dritten Person im Singular [he) oder der
zweiten im Plural. Indessen sind auch die auf 179 folgenden, in der
Handschr. ununterbrochen fortlaufenden Verse ihrem Inhalte nach un-
verkennbar zu demselben Zwecke gedichtet wie die vorhergehenden.
Höchstens wäre daraus zu schließe en, daß das Ganze nach und nach,
in verschiedenen Zeiträumen gesammelt worden wäre; jedenfalls aber
müßte dies von einer Hand geschehen sein, wie die sich durchweg
gleichbleibende Sprache und der in beiden herrschende gleiche Ton
nicht anders vermuthen lassen.
176 F. BECK
Ebenso wie die Trennung des ganzen Lehrgediclites in drei Bruch-
stücke ein Mißgriff ist, ebenso läßt die Benutzung der Handschrift und
die Gestaltung des Textes durch Rückert Manches zu wünschen übrig.
Namentlich ist der in der Zeitschrift des thüringischen Vereins befind-
liche Druck des ersten Stückes nicht frei von erheblichen Fehlern.
So steht gegen den Wortlaut der Überlieferung V. 22 enruchte für en-
stichte, V. 57 underwisen für vnd wisen, V. 66 saldii für saltü, V. 77
dine für deine, V. 80 rvegin für vregin, V. 83 mage für tnüg^, V. 97 ge-
niezen für genieze, V. 107 memit für niemit^ V. 132 selhis für selhir,
V, 133 seine für sime, V. 140 gestigen für gestiegen, V. 172 denge für
rii'n^, V. 175 drie für «^?'M. Theil weise können diese Fehler daher
rühren, daß Rückert vielleicht den Druck selbst zu überwachen keine
Gelegenheit hatte. Aber auch darin ist von ihna das Rechte nicht ge-
troffen, daß er gegen die im Leben des heiligen Ludewig von ihm selbst
befolgte Regel überall den oberdeutschen Laut wo einführte statt des
dem Dialekt zukommenden ü. Der Ring über dem u soll in dieser
wie in unzähligen andern mitteld. Handschriften des 14. imd des
15. Jahrhunderts nur die vocalische Natur des Lautes anzeigen; er
steht daher nicht bloß in ensuchte 22, getu : zu 45, wiltu, nü, trüge : ge-
wüge u. s. w. sondern ebenso in künigin 1, sünin 13, kümin 39, tü-
ginde 82, müge 83^ vrümin 9S, entgülde 94, schulde 315 u. s. w. ; zu-
weilen hat ihn auch der Schreiber gar nicht gesetzt; vgl. Bechstein,
Zum Spiel der zehen Jungfrauen S. 10—11.
Dem Inhalte nach bietet das Gedicht wenig Neues das von In-
teresse wäre. Seine Sprache ist einfach und nüchtern, im Ganzen
ungewandt und dabei eintönig; poetische und rhetorische Wendungen
sind wie absichtlich gemieden. Gleichwohl schien es als altes Zeug-
niss für den im Voigilande ehemals herrschenden Dialekt einer ver-
besserten und vollständigen Ausgabe nicht unwerth. Die Vocale zeigen
sich hier fast durchweg nach den im Düringischen vorkommenden Eigen-
thümlichkeiten. Hervorzuheben ist der Gebrauch von sal ausserhalb
des Reimes; im Reim selber ist nur sol verwendet V. 305 und 312.
Ferner ziemlich häufig ie als Brechung des kurzen i, so in hiemile
V. 7 und 296, biete =: hite oder bete 11 und 16;, niergin 38 = nirgin
oder nergin, niemit = nimit oder nemit 107, Uegin 136 und 153 = ligin,
gekriegin : gestiegin 139 und 140 = gekrigin : gestigin, iciedir 182, miete
219, 281, 336 = mite, siete 282, 284, 335 = site oder sete, hiederbiman
99 (bei Koeditz 27, 15 bidderman und beddirman), gewiegit : pfliegit (?)
250 — 251 ; vgl. von Liliencron im Glossar zu J. Rothes Chron. S. 698"
und K. Weinhold, über deutsche Rechtschreibung S. 8. Sehr häufig
UNTERWEISUNG ZUR VOLLKOMMENHEIT. 177
ist der Schwund des n in der Infinitivendung wie in vm-kere vorzie
viinne ])flcge u. s. w. ; eigenthiimlich besonders die durchj^ängige Ab-
werfung des r in die ■= dir, mie = mtV; auch in unse V. 74, 194, 224,
307, he = her (nur 251 her)-, t fehlt in ich = icht 137 und 329, in
läs'.häs 159— IGO; ch für g (c) im Auslaute von selich 262 und 301
(sonst selig 242, umverdig 283), in sach 40 = sag (sac); vi für nd in
umbesioere 162. Auffallend sind nach der dialektischen Seite der Accu-
sativ sunin V. 13 und das Präteritum jyflage V. 268, vgl. die Anmer-
kungen.
Die Verse sind hinsichtlich des Metrums entsprechend den Regeln
des 14. Jahrhunderts gebaut; Überladungen oder andere Unebenheiten,
wie sie sonst zuweilen Gedichte von Geistlichen zeigen, finden sich hier
nicht. Geringere Kunst ist auf den Reim verwandt. So stehen 4 gleich-
lautende Reime nach einander in V. 13 — 16 (din : mtn ; min : dm), V. 57
bis 60 (die : vorzie : mie : die), V. 61 — 64 (freit : heit : scheit : heit), V. 212
bis 215 (tage : dage : trage : tage), V. 235—238 (si : dri :bi:si); 3 gleich-
lautende in V. 185—187, 222—224, 247—249 und wahrscheinlich auch
in 250 — 252. Ausserdem reimt zweimal geschiet : lieb 172 — 173 und
188—189. Die Bindung sache : machin in V. 100—101 ist wohl nur
falsche Schreibung.
Der hier gebotene Text beruht auf einer durch Professor Sievers
in Jena mir gütigst überlassenen Abschrift; das Original selbst wurde
von diesem wiederholt verglichen. Die Eigenthtimlichkeiten der im
Ganzen deutlich und correct geschriebenen Handschrift sind überall
darin belassen, nur augenfällige Fehler derselben entfernt und in das
Variantenverzeichniss verwiesen. Die Markierung der verschiedenen
Gedankenreihen durch Absätze sowie die Interpunction sind Zugabe
des Herausgebers.
Anmerkungen.
V. 2 die; über die apocopierten Formen die^ mie, mi (211), vgl.
Bartsch zur Erlösung S. XLIX; mtihi in dessen Md. Gedd. 25, 843;
36,1250; Henneberger Urkundenb. H, 67 (19, 21, 25); MSH. 11,23
(2, 1); mie Akd. BL I, 242 und 243; Bechstein Zum Spiel der z. J. 18.
breche, ebenso 247, vielleicht auch 14 statt gebrechin, als swm.
noch bei Joh. von Guben Jahrb. 25, 6; MSH. HI, 243, 12; DRAkten
I, 570, 22 ; Muscatblut 67, 52.
V. 19 daz ist kurz daz ist lang scheint ursprünglich eine sprich-
wörtliche Redensart zu sein, nimmt sich aber hier aus wie ein Lücken-
büsser; nicht ganz ähnhch sind folgende Ausdrücke: Rulman Merswin 7
GERMANIA. Neue Reihe X. (XXIF,) .Tabrg. 12
178 F. BECH
ich toü dir sagen , mache es kurz mache ez lanc, so mach es doch mit
anders sin du müst es dün\ — ez ste kurz oder lanc Iwein 605 und 7792,
Altd. Wälder III, 208, 23, Ernst B. 4879, Hildebrand im D. W. 2841 unter
a) und ß) ; Bruder Hansens Marienlieder 5169 trouwen mich dunct, ist
paf ist ley, se varen al onder das cley, vgl. 4582.
V. 34 an nnderlist, ebenso 327; Germania V, 402, 138; Göttinger
Urkundenb. I, S, 110 dne allerleyge underlist ht güden früicen (a. 1332).
V. 40 ich vCde 7oelz ist jedenfalls verderbt; Rückerts Bemerkung
S. 54, icel sei hier verscbriebeu für tail, verstehe ich nicht; auch an
lüels (vgl. Diefenbach s. v. midliis und ostrum), sih.irus glanis bei
Nemnich 1298, jenen trägen sich im Grunde der Gewässer aufhaltenden
Fisch, kann man kaum denken. Höchst Avahrscheinlich ist loeJz ver-
schrieben für wleiz ■= vleiz oder vleis, letzteres ist eine in mitteldeut-
schen Mundarten sehr häufig begegnende Form für vleisch; vgl. z. B.
Bartsch, Md. Gedd. 6, 177 vleis '^ Gespräche zwischen Seele und Leib
in der Germ. III, 401", 14 verwasen vleiß (: kreiß) und 22 och armet
vleiß', Elisabeth ed. Rieger 1660 fleisUch gelust] Steffan Stoffliefer II,
113 fleysdeyse-^ Henneberger Urkundenb. III, 75, 21 vleishidte\ Mone,
Schausp. 121, 388 ßeißerhütte^ Neues Lausitzer Magazin 36, 45 vleyzo-
were (a. 1312); Grieshaber Sprachd. S. 272 daz unreine vleis, 290 daz
heiige vleis- die Nachweise im Alemannischen bei Weinhold S. 156;
im Trudperger HLiede 22, 4 vleisz. Ahnlich sagt der Hinnenberger in
MSH. III, 40 (12, 4) vleisch unreine !
V. 40 ich hose sach , vgl. hoeser sac bei Lexer II, 564, 4; in der
kirchlichen Sprache sac öfter verwandt zur Bezeichnung des sterb-
lichen Leibes; z. B. Wackernagels Predd. II, 77 der alte sac] 82 der
füle sac] Berthold 98, 23 der horivige irdenische sac^ 99, 18 ein smaeher
hoeser loiderweriiger sac\ Sievers, Md. Schachb. 169, 18 suntlicher sac.
V. 44 vorkeren, intransitiv wie hier mit dem Dativ, im Sinne von
verführen, abhalten, verhindern, vermag ich nicht weiter zu belegen;
vielleicht liegt hier ein Fehler vor; etwa mich für mie zu schreiben?
V. 58 vorzle = mhd. verzihen, mit bloßem Genitiv bei Lexer III,
320; Hoefers Ausw. S. 5, 13, 137.
V. 63 an undirscheit, ohne Bedingung, ohne Vorbehalt, rückhalts-
los, so Freiberger Stadtr. 271 sich des dne und. gütliche herichten; Kulmer
Recht IV, 15; Purgoldts Rechtsb. I, 15; ohne Unterbrechung^ ununter-
brochen, Erlösung 2029, 2481 ; durchweg, durchaus, Heinrich Frauenlob
Spr. 316, 3 ; 337, 21 ; 340, 4 ; oft nur phrasenhaft, Bartsch zur Erlösung 6575.
V. 69 he = har, in der Betonung schwankend wie noch die heu-
tige Aussprache zeigt, vgl. Bartsch, Md. Gedd. 89, 173 hohisch riche
UNTERWEISUNG ZUR VOLLKOMMENHETT. 179
vnUle ist hP. {: nime) ; 194 daz iz tman mP Wizze danne ir und htl; From-
manns Mund. II, 75, 9; 400, 12.
V. 74 wcüid, noch V. 132 und 147 = mhd. u-an^ sondern, vgl.
Müller-Zarncke III, 479^ 20.
V. 97 ist wohl konde is oder kondes zu schreiben für konde.
V. 103 Sei = md. seliit, wie 323 .s-«^ : i'orsw«< ; tet dafür zuschrei-
ben, wie Rückert wollte, ist keine Nilthigung vorhanden ; vgl. Pass. K.
199, 74 sPA, (videt) : wPt und Heinrich von Krolewitz 1210 nach der Va-
riante sPt : stet.
V. 109 steh ^= mhd. siech] der Sinn der Stelle von Rückert ver-
kannt, wenn er glaubte icisec oder loifzec lesen zu müssen statt wie steh.
V. 115 ist schwerlich echt überliefert. Vielleicht hieß es in der
Vorlage : der mit der sacke nicht enkan ; der Schreiber konnte sich durch
den ähnlichen Vers 108 beirren lassen.
V. 124 geschieht: nicht '^ daneben </eschieht : liel/ 174, 189, 255 und
geschet : vorsmet 279.
V. 135 — 136 und 153 — 154, dieselbe Ausdrucksweise im Passional
H. 249, 42 die tvart vil icol hehcdden in ir herzen valden und Pass. K.
164, 16 des ich ot hehalde in mtnes herzen valde und öfter ebendaselbst,
V. 137 ich = icht, ebenso 328, vgl. Germania XX, 333 ; in einem
Gedicht hinter der Erlösung ed. Bartsch, S. 240, 46 ; daz icJi = ne forte
in einem Zeitzer Psalter (Mscr. aus dem Ende des 14. Jahrh.) fol. 44"
und 11S\
V. 137 — 138 sind wohl verderbt; für sm müßte es nach der über-
lieferten Fassung s? heißen; vielleicht war zu schreiben: Ich des, daz so
kleine sin Miige, daz immer geheize dm.
V. 158 Sinn : laß dir die Trennung (von irdischen Gütern) nicht
schwer, nicht leid werden.
V. 159 häs : las (daneben hast : geldst 130); vgl. Frommann zu
Herbort 4720 Eneds : häs, Lisch zu Heinr. von Krolewitz S. 16, Rieger
zur Elisabeth S. 40.
V. 163 umbeswPre = ^md heswere. Im folgenden Vers ist sin auf
got zu beziehen.
V. 171 ?:iotvelmüt, vgl. Müller-Zarncke 11% 268% 13; Maßmann
Eike von Repgow 587 der sässen homPd vnde ir twivelmüt.
V. 181 zit Verliesen schiuhet geistUchiu liehe nach David von Augs-
burg in den Mystik. I, 337, 36.
V. 210 sl ^= sehen:, sie im Reim bei Ebernand 1298 {: die), 1756
(: hie), 1805, 3362 (: tc7e).
12*
180 F. BECH, UNTERWEISUNG ZUR VOLLKOMMENHEIT.
V. 228 selde kann verderbt sein für salde, wie die Form V. 266
und auch sonst in düringischen Denkmälern lautet.
V. 247 stnis selhins (daneben sin selbis V. 41 und 58) erscheint
schon früh; so in den Alten Gesetzen von Nordhausen, Förstemanns
N. M. III, 3, S. 61 so sal eyn man selhins dar können; Herquet, Ur-
kundenb. von Mühlhausen Nr. 1002 icanne wir selhins keyne ingesigele
enhabin (a. 1348); Eisenacher Rechtsb. II, 15 (OrtlofFs Sammlung I)
ah si eris mannes und eris selhins ere unheschuldin ist (14, Jahrb.).
Über däselhins sieh Lexer, Handw. II, 861; Varr. zu Koeditz 31, 26;
32,30; 63,16; 92,18; Hoefers Ausw. S. 329 da selvens (a. 1339);
Michelsen Urk. Beitr. zur Gesch. der Landfrieden S. 26 und 27 aldd-
selhins (a. 1344); Herquet 1. 1. Nr. 1022 und 1023 (a. 1349) däselhins;
Urkundenbuch von Meißen I, 416 (a. 1355), II, 501 (a. 1358); doselhins
515 (a. 1359); Henneberger Urkundenb. II, S. 120, 19 also selhins sal
iz %inser stvagir gein zms laider halden (a. 1355); aber auch Oberdeutsch-
land weist schon sehr früh diese Form auf, so steht bei Hauswirth
im Urkundenb. der Bened. Abtei zu den Schotten in Wien in Nr. 154
mehrmals daselbens (a. 1325), bei Zeibig, Urkundenb. von Klosterneu-
burg Nr. 312 (a. 1344), Nr. 322 (a. 1346), Nr. 341 (a. 1351).
V. 250 sich des gewegen im Sinn von: sich dazu entschließen oder
verstehen, seinen Sinn darauf richten, ist sonst nicht gebräuchlich für
das gewöhnlichere sich des he- oder erivegeri oder sich daruf oder dar
zuo loegen. — Wahrscheinlich ist übrigens hier und im folgenden Verse
zu schreiben: gewU : pflit, so daß in den 3 Zeilen der Reim gleichlautete,
wenn man nicht annehmen will, daß eine zu V. 252 gehörige Reimzeile
ausgefallen sei.
V. 268 pßage scheint als Präteritum auch von Seiten des Dialekts
betrachtet für das 14. Jahrh. sehr auffallend. Möglich, daß die Vorlage
sege: pflege hatte; vgl. lüedersegen : pflegen in Rothes Rittersp. 2412, üz
segen : ivegen 2568, wegen 2789; Lambert, Die Rathsgesetzgebung von
Mühlhausen im 14. Jahrh. S. 162 und 163 (a. 1396); Müllenhoff und
Scherer zu Christus und die Samariterin (X), 25.
V. 284 der genäden siet nehme ich im Sinne von : der Gnade wie
sie Sitte oder gewöhnlich ist, der Art Gnade, vgl. Bruder Davids Spiegel
der Tugend in Pfeiffers Myst. I, 332, 30 [diu genäde] tele mit in unde
an in genäden site daz ist woltuon den unwirdigen. Anders Rückert,
welcher in Fromm. Mund. 1,268 siet für seht = videte erklärt; aber
der md. Dialekt, welcher hier in Betracht kommt , zeigt nur set (: tet)
so Jerosch. 27073, Freiburger Recht. 271, Spiel der zehn Jungfr. S. 17
und 21, MüUer-Zarucke II'', 275% 32; sid oder sit, wie es sich in Haupts
F. LIKBKECIIT, KLEINE MITTHEIJ>,UNGEN. 181
Zeitschrift VIII, 269 (F, 5) uud X, 135 findet, scheint mehr am Nieder-
rhein |]jeläufig gewesen zu sein.
V. 316 der in schulde äne schult kann doch hier nur den Sinn
haben: wenn jemand oder sobald einer ihn schelten würde ohne daß
er es verdient hätte. Anders wird wohl Niemand die Stelle verstehen,
und danach ist Kttckerts Besscrungsversuch (Fromm. Mund. J, 268:
vil der in schulde äne schult) unnöthig.
ZEITZ, Weihnachtsferien 1876. FEDOR BECH.
KLEINE MITTHEILUNGEN,
VON
FELIX LIEBRECHT.
1. Jenny Greenteeth.
In dem Manchester Guardian vom 7. September 1864 (Local
Notes Nr. 419) wird angeführt, daß Jenny Greenteeth in Lanca-
shire ehedem als bösartiger Wald- und Wassergeist beriichtigt war
und sich in der Tiefe von Teichen und Lachen aufhielt, von wo sie
auf die Kinder Jagd machte, die dem Wasserrande zu nahe kamen.
Ein anderer Correspondent fügt hinzu (12. October 1874, Loc. Not.
Nr. 488), daß der Glaube an Jenny Greenteeth unter der Jugend
Nord-Lancashire's noch unerschüttert fortdauere und dieselbe danach
auch in fließenden Gewässern sich aufhalte, besonders unter dem langen
grünen Grase, welches häufig die Oberfläche der letzteren bedeckt und
in einem District von Lonsdale so wie in Cumberland und Westmore-
land gleichfalls Jenny Greenteeth heißt. Nähert ein Kind sich
dem Wasser so weit, daß es dieses Gras berühren kann, so zieht Jenny
es in die Tiefe und es ist unrettbar verloren. — Über die Grausam-
keit und den Blutdurst der Wassergeister, s. Grimm, D. M. 462 ff".
Was den Namen Greenteeth betriff't, so kommt er sicherlich von den
grünen Zähnen her, welche man diesen Geistern beilegt; Grimm
a. a. 0. 459, Grohmann, Sagen aus Böhmen S. 163.
2. Ein Rechtsalterthum.
In dem nämlichen englischen Tageblatt wird unter dem 16. No-
vember 1874 (Local Notes Nr. 533) mitgetheilt, daß bis in das 17. Jahrh.
auf einem öfientlichen Platze zu Halifax eine Guillotine gestanden habe,
182 F. LIEBRECHT
die freilich damals diese Benennung noch nicht tragen konnte und
welche zur Hinrichtung von Tuchdieben diente. Diese strenge Be-
strafung eines gewöhnlichen Diebstals hielt man deswegen für noth-
wendig, weil die Tuchfabrikanten ihr Tuch die Nacht über im Freien
an den Kahmen aufgespannt Hessen, und eben zum Schutz desselben
wurde über die Diebe die Todesstrafe verhängt, wenn sie auf eine
der drei folgenden Weisen ihres Verbrechens überführt werden konnten,
nämlich: ^Jiand naj)ping^, wenn der Dieb auf frischer That ertappt
wurde; ^hackhearing'^ , wenn das Tuch bei ihm (upon him) gefunden
wurde, und endlich „tongiie confessing^^ , wenn er sein Verbrechen ge-
stand. Letzteres mußte aber innerhalb der Freiheit oder dem Weich-
bilde des Hardwicker Forstes begangen worden und der Werth des
gestohlenen Gutes höher sein als 13Vo Pence. — Dieser Halifaxer
Rechtsgebrauch nun entspricht genau dem altdeutschen, wonach man
zu jeder Verurtheilung eines Verbrechers eines von dreien forderte,
entweder gichtigen Mund (Eingeständniss) oder handhafte That
(Betretung über Missethat) oder blickenden Schein (Vorzeigung
des corpus delicti am Gericht). Grimm, RA. 879. Zu bemerken ist
hierbei, daß das Jiancl wappin^ des Halifaxer Rechts dem blickenden
Schein entspricht, wobei man dem auf frischer That ergriffenen
Diebe das gestohlene, tragbare Gut hinten auf den Rücken band und
ihn so vor den Richter führte; Grimm a. a. O. 637 f. (Dieses auf den
Rücken Binden gestohlenen Gutes kam auch im altnavarrischen Recht
vor, s. Ferd. Wolf, Ein Beitrag zur Rechtssymbolik, in den Sitzungs-
ber. der phil.-hist. Classe der kais. Akad. d. Wissensch. zu Wien,
Bd. LI, S. 108 f. Nr. 9.) Die Angelsachsen nannten einen solchen Dieb bäc-
berend (Grimm a. a. O.), ein Ausdruck, der nach dem Halifaxer Recht
(backhearing) die handhafte That bezeichnete, während tongue con-
fessing den gichtigen Mund ausdrückt.
3. Aus Nordindien.
Von dem vortrefflichen Werke unseres Landmanns Leitner, Re-
sults of a Tour in Dardistan, Kaskmir etc. ist mir leider nur der erste
Band The Langiiages and Races of Dardistan. Part. HI. Labore and
London 1873 zu Gesicht gekommen, woraus ich folgende Stellen mit-
theile, weil sie mancherlei Beziehungen zu Vorstellungen u. s. w. haben,
die auch bei uns heimisch oder sonst bekannt sind.
A. Yatsh {di.h. schlecht auf Kaschmiri; p. 1); dies sind eine Art
riesenhafter Dämonen oder Geister, und von den dieselben betreffenden
Mittheilungen hebe ich folgende zwei hervor.
KLEINE MITTHEILUNGEN. 183
The Wedding of Dcmons. Ein 8chikari (Bewohner von Sckikar-
pur) hatte sich auf" der Jagd verirrt, und nach niehrlägif^eni Umlier-
streifen erbhckte er einmal bei Nacht in einiger Entfernung eine An-
zahl einäugiger Kiesen, die rings um ein Feuer ihre Zeit mit Schmausen,
Zechen und Singen zubracliten. Erschrocken wollte er sich davon-
machen, allein ein nach Wasser abgeschickter Kumpan holte ihn ein
und fragte ihn^ ob er ein „Menschenkind" wäre , und in Folge seiner
bejahenden Antwort forderte er ihn auf sich der Gesellschaft anzu-
schließen^ die eben eine Hochzeit feierte. Der Schikarl lehnte dies
ab, weil er von dem Yatsch für sein Leben fürchtete; jedoch dieser
versicherte ihn mit einem Schwur bei Sonne und Mond, er könne ganz
ruhig sein und versteckte ihn dann unter einem Busche, worauf er
seinen Gefährten das Wasser brachte. Diese rissen bald nachher eine
Pflanze aus, so daß im Boden eine kleine Öffnung entstand, in welche
die Riesen auf eine oder die andere Weise alles, was sie mit sich
hatten, hineinwarfen, Avorauf sie schließlich sich selbst so dünn machten,
daß sie durch den engen Spalt unter die Erde zu schlüpfen vermochten.
Auch der Schikari nebst seinem Begleiter kam durch die Öffnung, er
wußte selbst nicht wie, und befand sich dann mit einem Mal in einem
ungemein großen herrlich erleuchteten Saal, wo er von einem Winkel
aus unbemerkt alles, was vorging, mit ansehen konnte und auch von
dem Yatsch einige Speise erhielt. Zu seinem höchsten Erstaunen er-
blickte er unter anderm auf den vSchultern eines der Riesen seinen
eigenen Shawl, den er zu Hause zurückgelassen; ein zweiter hielt
seine (des Schikari) Flinte in der Hand, ein dritter aß aus seinen
Schüsseln; andere hatten seine Strümpfe an, und wieder ein anderer
prangte in seinen Feiertagspantoffcln. Auch viele schöne Sachen, die
seinen Nachbarn in seinem Heimatsdorfe angehörten, sah er im Be-
sitz und Gebrauch der Riesen, so daß er kaum den Blick davon ab-
zuwenden vermochte und sein Gefährte ihn nur mit großer Mühe zu
der Stelle zurückbrachte, wo er ihn zuerst angetroffen. Als sie sich
dann trennten, gab der Yatsch ihm drei Brotkuchen, von denen er
einen mit nach Hause brachte, und von diesem aß sein Vater, dem er
alles ihm Zugestosseue erzählte, die Hälfte; die andere bewahrte seine
Mutter in der Kornscheuer auf, welche in Folge dessen stets voll Ge-
treide blieb; denn die Yatsch erweisen sich zuweilen, und namentlich
bei ihren Festen, freundlich gegen die Menschen, und fügen ihnen blos
Schaden zu, wenn sie von ihnen beleidigt werden. Was die Sachen
betrifft, die der Schikari bei den Yatsch unter der Erde gesehen hatte,
so fanden sich sowohl die seinen wie die der Nachbarn vollkommen
184 F. LIEBRECHT
unbeschädigt an ihrem gehörigen Orte wieder, und eine kluge Frau theilte
ihm mit, daß es die Gewohnheit der Yatsch wäre, für ihre Hochzeiten
Geräthe und Kleider der Menschen zu entleihen^ dieselben aber auch
stets regelmäßig wieder zurückzubringen. — Diese indischen unter der
Erde hausenden Yatsch entsprechen ganz unsern Unterirdischen
in ihrem Charakter sowohl wie in dem Entleihen der den Menschen
angehörigen Sachen zum Gebrauch bei ihren Hochzeiten und unter-
scheiden sich von ihnen nur in der Größe. Grimm, D. M. 423, 427 — 9.
D. S. Nr. 33.
The Demon's Present of Coals is turned into gold (p. 3). Ein Knabe
wird von einem Yatsch entführt, der eine Pflanze ausreißt und ihn
durch die so entstandene Spalte in einen unterirdischen Palast bringt,
wo sich männliche und weibliche Yatsch zu einer Hochzeit versammelt
hatten und er alle werthvollen Sachen der Bewohner seines Dorfes
wahrnahm. Bei seiner Rückkehr durch den Spalt gab ihm sein Be-
gleiter einen Sack voll Kohlen, die der Knabe, gleich nachdem ihn der
Letztere verlassen, wegschüttete; zu Hause aber verwandelte sich ein
in den Sack zurückgebliebenes Stückchen Kohle, sobald er es berührte,
in eine Goldmünze. — Es ist in deutschen Sagen ein häufig wieder-
kehrender Zug , daß von elbischen Wesen für einen geleisteten
Dienst u. s. w. irgend etwas Werthloses, wie Späne, dürres Laub
u. dgl., als Lohn oder Geschenk gegeben, aber von dem Empfänger voll
Geringschätzung weggeworfen wird ; die im Sack, Korb u. s. w. hängen
gebliebenen Reste erweisen sich dann aber als Gold; s. z. B. Kuhn und
Schwartz, Nordd. Sag. Nr. 126, 5., H. Kletke, Das Buch von Rübezahl.
Breslau 1852. S. 34 f. u. A.
B. Barai (= Peri, Fairies, p. 4). Sie sind hübsch, also hierin
verschieden von den Yatsch^ auch stärker und bewohnen auf dem
Gipfel des Nanga Parbat oder Dyarmul (d. h. unzugänglich) ein Schloß,
Namens ßchell-hatte-kote , d. h. Schloß aus Glasstein. — Also auch
hier finden wir Schlösser aus Glas wie weit und breit in Europa
Glasthürme, Glasmauern, Glasburgen, s. Gervas. von Tilb. S. 151 und
meine Nachweise in den Gott. Gel. Anz. 1874, S. 795.
The Fairy loho punished her human Lover (p. 5). Ein berühmter
Jäger, Namens Kibd Lori , hatte eine Peri zur Geliebten, die einst
während der sieben Hundstago (Barda) ihn verließ und ihm zugleich
verbot, während dieser ganzen Zeit auf die Jagd zu gehen, da dies
sein Tod sein würde. Trotz seines Versprechens konnte er jedoch
seiner Sehnsucht nicht widerstehen und suchte sie am vierten Tage
auf, wobei er sie auf einer Ebene inmitten einer unermeßlichen Schaar
KLEINE MITTHEILUNGEN. 185
von allerlei Wild iinlraf, wie sie eine kill (raarkhor) in einen silbernen
Eimer melkte. Als das Thier ihn nahen hörte, so schlug es aus und
warf das Gefäß um , die Peri aber nahte sich ihrem Geliebten voll
Zorn und schlug ihn ins Gesicht. Kaum aber hatte sie dies gethan,
so gerieth sie in Verzweiflung und rief jammernd aus, er müsse binnen
vier Tagen sterben, forderte ihn jedoch auf, ein Stück Wild zu er-
legen, damit man ihn nicht gegen Gewohnheit mit leeren Händen zu-
rückkehren sehe. Der arme Kibä legte sich indeB zu Hause tief be-
kümmert ins Bett und starb nach vier Tagen. — Diese Erzählung
gehört in den großen Kreis der Melusinensage, auf die ich aber hier nicht
näher eingehen will.
D. Historical Legend of the Origin of Ghilghit (p. 6). Von drei
Feenbrüdern bestimmen die zwei ältesten den jüngsten, Namens Azru-
Schemscher, zum Radschah von Gilgit, sobald sie den Tyrannen jener
Gegend getödtet hätten, und führen auch ihre Absicht aus. Die Seele
des letzteren war aus Schnee gemacht, und er konnte blos durch
Feuer umkommen, weshalb Azru Brände auf ihn warf, so daß seine
Seele schmolz. Er war aber durch den Verrath seiner Tochter, die
sich in Azru verliebt, in dessen Gewalt gerathen. — Eine ähnliche
Sage wird von dem König von Tachti-Bahi (im Gebiet von Labore)
erzählt, dessen Tochter sich in den Sultan Mahmud von Ghazni ver-
liebte und ihren Vater an denselben verrieth. Hier war es aber diese,
welche die gebührende Strafe erlitt; denn, ähnlichen Verrath fürchtend,
befestigte Mahmud sie an die Spitze des höchstens Felsens bei Rani-
gatt, wo ihr Körper in den Stralen der Sonne schmolz. Trübner's
Record, Mai 31, 1871, p. 166b. — Nach diesen beiden Sagen möchte
es scheinen, daß der Stoff der Sage vom „Schneekind" (s. v. d. Hagen,
Ges. ab., Bd. H, S. LUX ff., vgl. Österley, zu Pauli, Gap. 208) aus
Indien stammt, um so mehr als dieselbe auch in Doni's Filosofia j\Io-
rale 1. (nicht t.) 2, p. 111 vorkommt. Über Doni, s. Benfey's Pan-
tschat. 1, 10.
E. Legends relating to Animals. — The ßying Poixupine (p. 13).
Man glaubt an das Vorhandensein eines Thieres^ Namens Harginn,
welches einem Stachelschwein gleicht. Der Rücken ist rothbräunlich
und der Bauch gelblich. Seine Stacheln sollen giftig sein und es soll
sich zum Angriff auf Menschen und Thiere zusammenziehen und hoch
in die Luft springen, von wo es sich seinem Opfer auf den Kopf
stürze. Man sagt, es sei gewöhnlich eine halbe Elle lang und eine
Spanne breit. — Dies ist vielleicht derselbe Glaube^ wie der alte und
weitverbreitete von dem indischen Stachelschwein , s. die Erklärer zu
186 F. LIEBRECHT
PI. HN. 8, 53: „Hystrices generat India et Africa spina contectas ac
herinaceoruin gonero: sed histrici longiores aculei, et quum iutendit
cutem, missiles. Ora urgentium figit canum et paulo longius iaculatur."
Auch in den Philosophical Magazine^ vol. 42, p. 285 findet sich folgende
Angabe eines englischen Officiers, der lange im nördlichen Indien ge-
dient hatte^ in Betreff des dortigen Stachelschweines: „Being one
moon-light night with a party in search of porcupines with dogs, we
liad not been long out ere we discovored a hole iuliabited by those
quadrupeds. A dog was imniediatcly put to it. The animal had not
gone in raany paces when he howled and rctreatcd with sevcral quills
in his body. One in particular was driven an inch into Ins right leg.
The porcupinc, on the approach of the dog, drew itself into the shape
of a ball, like a hedge-hog, and darting forward with all its strength,
threw its quills into the dog." Eine gleiche IMeinung herrscht unter
den nordamerikanischen Indianern in Betreff des Igels; in Longfellow's
Hiaivatha (Vll. H.'s Sailing) heißt es: „From a hollow tree the Hedge-
hog — With his sleepy eyes looked at him, — Shot his shiuing quills
like arrows, — Saying with a drowsy murmur, — Through the tangle
of his whiskers, — „„Take my quills, i) Hiawatha!""
4. Catalonische Kinderspiele.
Aus dem von dem Märchen sammler Maspons y Labros (s. Hei-
delb. Jahrb. 1872, S. 887) herausgegebenen Büchlein Jochs de la In-
fancia (Barcelona 1874) will ich nachfolgend einiges mittheilen, zumal
von dem was mit deutschen Kinderspielen übereinstimmt, soweit mir
diese bekannt sind, wobei ich zur Vergleichung nur hie und da auf
Simrock's Kinderbuch (Volksbücher Bd. IX) und Fiedler s Volksreime
und Volkslieder in Anhalt-Dessau hinweise, da mir andere deutsche
Sammlungen dieser Art nicht zu Gebot stehen.
1. Die fünf Finger der Hand vom Daumen angefangen (p. 16):
„Aquest es lo papa(el pare), — Aquest es la mama(la mare) — Aquest
fa las sopas, — Aquest se las menja totas, — Aquest fa piu, piu, —
Quo no n'hi ha per mi — Que so tant petitet?" (Das ist der Vater —
Das ist die Mutter^ — Der macht die Suppen, — Der ißt sie alle auf,
— Der macht pip, pip; — Giebt's nichts für mich, — Der ich so
klein bin?). Es folgen dann noch mehrere Varianten dieses Sprüchleins.
— Vgl. Fiedler S. 24, Nr. 28. Simrock S. 80 ff.
2. Ein Kind ruft: „Tauben fliegen", und dabei heben alle an-
deren, auf der Erde kauernd, einen Finger in die Höhe; dann ruft es
weiter: „Rebhühner fliegen", die anderen thun wie zuvor, und so wird
KLEINP: MITTHEILUNGEN. 187
noch mehrmals ein Vogel oder sonst ein flio^^cndes Thicr genannt, dann
aber plötzlich : „üclisen fliegen" oder ein anderes nicht fliegendes
Thier, und wer dann auch hierbei den Finger emporhebt, gibt ein
Pfand (p. 21). — Dieses Spiel habe ich oft in meiner Jagend gespielt
(in Breslau).
3. Phunpsack; nur tritt statt dieses eine Latsche (Schlurre) ein.
Während diese unigclit, singen die andern Kinder : „Wohin gehen die
OchsenV — Zum rflügcn! — Was fressen sie? — Gerste! — Was
trinken sie? — Wein! — Spring, Martin! Spring, Martin!" (p. 22).
4. Die im Kreise stehenden Kinder singen: „Las gerras de San
JMiquel — Totas son plenas, totas son plenas, — Las gerras de San Mi-
quel — Totas son plenas d'aigua y mel. — ^ Cuiru, maduiru — Girat
de cuiru." (Die Krüge des heihgen Michael — Sind alle voll , — Die
Krüge des heiligen Michael — Sind alle voll Wasser und Honig. —
Cuiru, maduiru u. s. w.). Bei dem letzten Worte des Liedchens be-
rührt das in der Mitte befindliche Kind mit seinen gefalteten Händen
ein anderes, das sich dann umdreht, und dies so wie das Singen des
Liedchens wiederholt sich so oft bis alle Kinder sich umgedreht haben
(p. 26). — S. Fiedler S. 63 f., Nr. 90.
5. Wenn beim Regen die Sonne scheint, singen die Kinder: „Plou
y fa sol, — Las bruixas se pentinan. — Plou y fa sol (Var. ab un
caragol) — Las bruixas y'Is bruixots." (Es regnet und die Sonne scheint,
— Die Hexen kämmen sich, — Es regnet und die Sonne scheint, Var.
Mit einer Schnecke, — Die Hexen und die Hexenmeister). Es giebt
hiervon noch einige unbedeutende Varianten (p. 57). — S. hierzu meine
Angaben in Ebert's Jahrbuch der roman. und engl. Litterat. 4, 119 f.
6. Bei einem Gewitter, besonders bei Nacht, singen die Kinder:
„Santa Barbara va pel camp — Toda vestida de blanch — De blanch
y de negra, — Santa Maria Magdalena. — Marc de Deu que feu aqui?
— Deixam estar que vuy dormi! — Mira que venen tres llamps — Un
de trons, un de llamps — Y un de mals espants." (Die heilige Barbara
geht über Feld — Ganz weiß gekleidet — Weiß und schwarz, — - Heilige
Maria Magdalena. — Mutter Gottes, was machst du hier? — Laß mich
sein, denn ich will schlafen! — Sieh', es kommen drei Blitze — Einer
mit Donnerschlägen, einer mit Blitzen — Und einer mit bösen Schrecken
(p. 60).
Sind die Kinder größer geworden, so singen sie: „Santa Barbara
va pel camp — Ab la llum del Esperit Sant. — Barbara no cal dormir
— Tres nuvols n'han de venir, — Un de trons, un de llamps — Y un
de mals esperits blanchs — 'gafa l'ös, y tira Tos — Dins d'aquella fönt
1^8 F. LIEBRECHT
divina — Que no hi canta gall ni gallina." (Die heilige Barbara geht
über Feld — Mit dem Lichte des heiligen Geistes. — Der Barbara liegt
nichts am Schlaf — Drei Wolken werden kommen, — Eine mit Donner-
schlägen, eine mit Blitzen — Und eine mit bösen weißen Geistern, —
Pack die Angst, — Und wirf die Angst — In jene göttliche Quelle —
Daß weder Hahn noch Henne danach kräht (p. 61).
7. Ein Kindergebet vor dem Einschlafen : „A n'aquest llit me he
ficat — Set ängels hi he trovat^ — Qualre als peus, tres al cap, — La
Verge Maria al meu costat^ — Que me'n diu: — Dorm y reposa, —
No tingas por de cap mala cosa, — Si cap mala cosa hi ha — La
Verge Maria te'n traurd," (In diesem Bett bin ich geblieben — Sieben
Engel habe ich dabei gefunden, — Viere zu Füßen, drei zu Köpfen, —
die Jungfrau Maria zu einer Seite — Die zu mir sagt: — Schlafe und
ruhe, — Habe keine Furcht vor irgend etwas Bösem — Wenn irgend
etwas Böses vorhanden ist, — So wird die Jungfrau Maria dich daran
befreien (p. 61). Findet sich auch bei uns und sonst noch.
8. 9. Das Spiel Fet ist sowohl „Verstecken" wie „Haschen";
— Puput ist „Blinde Kuh" ; — Amaga esqitenas (Verbirg den Rücken)
oder Quatre cantom (Die vier Winkel) ist unser „Kämmerchen ver-
miethen", wobei die Spielenden sich mit dem Rücken an die Wand
lehnen; daher jene Benennung (p. 80 ff.).
10. Bei La camipaneta la nincli ninch wird von einem Kinde etwas
versteckt, welches dann sagt: „La campaneta la ninch, ninch — Qui
la trova ja la tinch." (Das Glöcklein macht kling kling — Wer's findet,
der hat's). Die andern suchen dann, und in dem Maße, wie sie dem
versteckten Gegenstaude nahe kommen, ruft das erstere: „Man ver-
brennt sich!" oder „Man verbrennt sich mehr!" oder „Man verbrennt
sich Aveniger!" bis er endlich gefunden Avird (p. 82). Bei uns ruft man:
„Es brennt!"
11. Bei El anell 'picadrell nimmt ein Kind einen Ring zwischen
seine beiden Hände; indem nun die andern niederkauernd ihre Hände
ebenso an einander halten , legt jenes die seinen der Reihe nach zwi-
schen die ihrigen, wobei es unbemerkt den Ring einem von ihnen hin-
eingleiten läßt. Dann fragt es ein anderes: „Wer hat den Ring?" Räth
letzteres richtig, so tritt es an die Stelle des ersteren ; wenn nicht, so
gibt es ein Pfand (p. 86). — Dies Spiel nennen die Kinder in Schlesien,
wenn ich mich recht erinnere: „Ringelchen eintheilen".
12. Bei einem andern Spiel gibt ein Mädchen, sitzend, den übrigen
in einer Reihe dastehenden leise den Namen irgend eines farbigen
Bandes; nur zwei bleiben in einiger Entfernung, von denen das eine
KLEINE MITTHEILUNGEN. 189
den Engel, das andere den Teufel macht. Dann kommt das erstere
herbei und ruft: „Pani, para!" Das sitzende Mädchen fragt: „Wer ist
da?" — «Kin Engel mit der Palme!" — „Was will er habenV" — „Ein
Band!" — „Von welcher Farbe?" — Der Teufel nennt eine, und ist
ein solches Band vorhanden, so nimmt der Engel das betreffende Mäd-
chen mit; andernfalls kehrt er allein zurück. Dann kommt der Teufel
mit dem Zweizack (forqueta) und macht es ebenso, und dies geht so
fort, bis alle Farben errathen sind, worauf jede der beiden Parteien
der andern ihre Mitglieder zu entreissen sucht (p. 91). — Das Spiel
ist dem baierischen (Mitten waldener) Färb spiel sehr ähnlich, s. die
Beschreibung desselben in der Ztschr. f. d. Culturgesch., N, F. 2, 604;
ebenso dem schlesischen „Vogel flieg aus!" Die bei letzterem vorkom-
mende Wechselrede lautet: „Klicg, Kling!" — „Wer ist da?" — „Der
Teufel mit dem Siroptopp!" — „Was will er haben?" — „Einen schönen
Vogel!" — „Wie soll er heißen?" — „Adler!" — „Nicht da! u. s.w. u. s. w.
Hat er einen voi'handeuan Vogel gerathen, so muß er ihn erst haschen,
sonst kehrt er allein zurück. Schließlich gleichfalls Kampf.
13. Bei einem andern Spiel singt man folgenden Spruch : „Quiuze
sön quinz^, — Quinze, quinze, quinze, — Quinze sou quiuze — Quinze,
quinze sön", und macht bei jeder hier bezeichneten Silbe einen Strich
auf ein Stück Papier ; schließlich sind es fünfzehn Sti'iche. — In Schle-
sien lautet der Spruch: „Eins, zwei, drei, — Firlefirlefei — Firlefirle-
firlefirlefirlefirlefei —Wer kän zwanzig zähln, zwanzig stehn da." (p. 93).
Diese Beispiele mögen genügen : von weiteren Anführungen und
Vergleichungen sehe ich ab, da dies zu weit führen würde.
5. Italische Mythen.
Unter dieser Überschrift hat Usener in dem Rhein. Mus. für Philol.
N. F. XXX, 182 ff. einen sehr anziehenden Aufsatz geliefert, der aber
nicht nur das italische, sondern ausser anderm auch das deutsche
Alterthum berührt, so namentlich einiges, wovon in dieser Zeitschrift
die Rede gewesen ist, weshalb ich hier mancherlei mittheile, was theils
zur Bestätigung oder Erweiterung, theils aber auch zur Berichtigung
des von Usener Dargelegten dienen soll. Er weißt nämlich nach, daß
das Austreiben des Winters oder alten, abgelebten Jahres und ebenso
die Ersetzung des letztern, welches sowohl in männlicher wie in weib-
licher Gestalt erscheint, durch ein neues Götterpaar, ferner die gleich-
falls auftretende Verbindung dieser beiden Vorstellungen in Mythe und
Hochzeitsgebräuchen sich sowohl bei den alten Römern wie bei den
neuern Romanen und Slaven wiederfindet; ähnliches auch bei den
190 F. LIEBRECHT
Griechen und Deutscheu. In dem Nachstehenden folge ich dem Gange
von Usener's Aufsatz, indem ich das jedesmal Zubesprechende her-
vorhebe.
Das Herausiinden der Rechten (der Braut) unter mehreren an-
dern Frauen (S. 183—9), ein häufig vorkommender, slavischer Hoch-
zeitsgebrauch, ist ein in Märchen und Sagen weitverbreiteter altmytho-
logischer Zug; s. Simrock, Der gute Gerhard S. 146; ferner bei Soma-
deva s. Brockhaus in den Ber. der phil.-hist. Classe der königl. Sachs.
Ges. d. Wissensch. 1861, S. 225 f. in einer neuseeländischen Sage bei
A. Kuhn Herabk. des Feuers S. 89, u. s. w. Mit den hierhergehörigen
von Simrock a. a. O. erwähnten Mythen von Njördr und Skadi so wie
von Haddiug und Regnhild vergleicht sich die französische Sitte in
Berry, auf die ich German. 16, 217 verwiesen.
Weiterhin führt Usener an (S. 192 f.), daß man in Oberitalien
zur Zeit der Mitfasten den Vorübergehenden Eselsköpfe von Papier
an den Rücken anzuheften sucht. „Die römische Straßenjugend da-
gegen schneidet zu diesem Zweck Treppchen oder kleine Leitern aus
Papier zurecht. In Trastevere pflegt man um dieselbe Zeit einen unter
irgend welchen Vorwand zu veranlassen, eine Leiter zu einem Nach-
barn zu tragen: sobald er sich mit dieser in Bewegung gesetzt hat,
ruft man *^es brennt, es brennt' und der gefoppte, den man mit Wasser
zu begießen sucht, wird der Täuschung inne." Hierzu bemerke ich zu-
vörderst, daß am vierten Sonntag der Fastenzeit die Straßenjugend
in Lancashire ehedem den in die Kirche gehenden Frauen heimlich
ein Stück buntes Tuch an die Kleider zu heften pflegt, und daß man
in den drei letzten Tagen des Carneval auch in Portugal den Personen
auf der Straße hinterwärts einen langen Papierstreifen anhängt und
das gemeine Volk ihnen dann nachruft 'rabo leva!' (d. i. er trägt einen
Schweif); s. Harlaud und Wilkinson, Lancashire Folk-lore. London
1867 , p. 225. In Madrid hingegen spielt die obenerwähnte Leiter an
einem früheren Feste, nämlich am Dreikönigsabend eine große Rolle;
denn von einer Schaar Straßenbuben begleitet, welche Windfackeln
tragen und mit Trommeln und Schellen einen Höllenläim machen,
durchzieht ein Galicier mit einer ungeheuren Leiter die Straßen jener
Stadt, indem man ihn glauben macht, er müsse auf diese Weise die
Ankunft der drei Könige erwarten, die natürlich nicht kommen, so daß
er am folgenden Morgen tüchtig ausgelacht wird, obschon mancher
Galicier nur so den Einfaltspinsel spielt um ein gutes Abendbrot und
ein paar Pesetas zu erhaschen; s. Composiciones Jocosas etc. o sea Co-
leccion etc. publicada por A. Herrraanu. Lipsia 18G1, p. 153 f. Was
KLEINE MTTTHEILUNGEN. 191
nun den Höllenspectakel betrifft, so tintlen wir denselben in Rom um
die nämliche Zeit, aber dort zu Ehren der Befana (Usener 8. 190 f.);
hinsichtlich der in Rom und Madrid zur Verspottung gebrauchten Leitern
aber will ich bemerken, daß sie ihr Analogen oder wahrscheinlich
ihre Erklärung in jenen Leitern finden, die auf römischen Amuleten
zur Abwehrung des bösen Blickes vorkommen, zu welchem Zwecke
bekanntlich jede Art von Verhöhnung oder Impertinenz diente; s.
Jahn , Über den Aberglauben des bösen Blicks bei den Alten in den
Ber. der phil.-hist. Classe der kön. Sachs. Ges. d. Wissensch. 1855,
S. 93 ff. Wenn jedoch Useuer S. 193 weiter bemerkt: „Der Zusam-
menhang mit dem Zersägen der Alten wird durch einen Scherz deut-
lich, den mau in Neapel freilich nicht zu Mitfasten, sondern wie bei
uns am 1. April ausübt; die Knaben schneiden Tuchlappen zur Ge-
stalt von Sägen und beschmieren sie mit Gyps; mit diesen 'Sägen
schlagen sie den Vorübergehenden auf den Rücken und diese tragen
so das Bild einer Säge mit sich davon", so möchte ich dagegen be-
merken, daß diese Sägen vielmehr den oben erwähnten Treppchen oder
kleinen Leitern der römischen Straßenjugeud entsprechen, da das Blatt
einer Säge s einer kleinen Treppe sehr ähnlich sieht, und daß sie
also mit dem Zersägen der Alten in keiner näheren Verbindung stehen;
sie sind eben auch nur eine Neckerei oder Verhöhnung.
Daß zu Vaihingen an der Ens am Abend des Maientages (1. Mai),
der dort festlich begangen wird, ehedem die Burschen ÄFädchenröcke
und die Mädchen Mannskleider trugen (Usener S. 195), weist gleichfalls
auf uralten weitverbreiteten Religionsgebrauch hin; denn was Deutsch-
land betrifft , so meldet schon Tac. Germ. 43 : „ Apud Naharvalos an-
tiquae religionis lucus osteuditur. Praesidet sacerdos muliebri ornatu."
Außerdem bemerke ich, daß in der Woche vor Ostern die jungen
Burschen in Ost-Lancashire auf beste herausgeputzt in Abtheilungen
von fünf oder sechs auf dem Lande umherziehen um kleine Geschenke
einzusammeln, namentlich Eier; sie sind von einem Lustigmacher {fool
oder toss-pot) begleitet, und während die einen auf Instrumenten spielen,
tanzen die übrigen. Gelegentlich schließen sich ihnen auch junge
Frauenspersonen an, in welchem Falle diese Männerkleidung, die Bur-
schen dagegen Frauenkleidung tragen ; s. Harland und Wilkinson a. a. O.,
p. 231; s. ferner über diese Kleidervertauschuug Bachofen, Mutterrecht
im Register s. v. Gewänder, bes. S. 72. 233. 356; dessen Tauaquil
S. 52, Aum. 19; Menzel, Vorchristliche Unsterblichkeitslehre 1, 170;
Chwolsohn^ Die Ssabier und der Ssabismus 2, 731, Anm. 95; vgl. auch
Bastian und Hartmann's Ztschr. f. Ethnol. 1, 88, 425.
192 F. LIEBRECHT
Bei der Säcularfeier uud wahrscheinlich vor der ersten Nacht
derselben fanden zu Rom Vertheilnngen von Weizen, Gerste und Bohnen
statt, ebenso auch von Gerste und Hülsenfrüchten bei der symbolischen
Beerdigung der Xagt^a (Volkserfreuende, Volksfreude), welche den neun-
jährigen Cyclus der Delphier abschloß, und hiermit steht ferner ein
Fest der römischen Jahresgöttin Anna in Verbindung, welche in Ge-
stalt einer armen alten Frau einstmals der hungernden plebs auf dem
Mons sacer durch ihre Kuchen das Leben fristete (Usener S. 203 — 205.
208). Hierbei erinnere ich zunächst daran, daß auch bei den Floralien
Bohnen und Erbsen unter das Volk geworfen wurden, so wie anderer-
seits Bertha „die gute Frau", die „bonne dame" und ebenso ihr Ur-
bild Berchta eine besonders freundliche Gesinnung gegen das arme
Volk zeigen, dessen jährliche Speisung sie anordnen und worüber sie
an den betreffenden Festtagen streng wachen; s. Simrock, Myth. *,
S. 394 f. Der noch jetzt den Armen verabreichte „süße Brei" wird aus
Erbsen und Heidegrütze gekocht; Grimm, D. S. , Nr. 267. In allen
den hier genannten so wie in noch andern mythologischen weiblichen
Gestalten oder Göttinen „sehen wir nur einzelne Seiten und Erschei-
nungen dargestellt, die zusammengenommen einst das Wesen der ge-
heimnissvoll wirkenden Erdgöttin ausmachten, der großen Lebensmutter^
die, Segen und Fruchtbarkeit spendend, selbst als Todesgöttin nicht
verderblich wirkt, indem sie die Seelen der Verstorbenen in ihren müt-
terlichen Schoß zurücknimmt." Simrock a. a. O. S. 310. Vgl. meine
Anzeige von Bachofen's Tanaquil in den GGA. 1870, S. 736 f.
Die eben erwähnte römische Anna hatte auch den Beinamen
Perenna und Usener sucht nachzuweisen, „daß ursprünglich den Römern
Anna und Perenna oder Anna Perenna zwei getrennte Cultusbegriffe
waren: das laufende Jahr mit seinem Segen und das abgelaufene Jahr"
(S. 208). Diese Zerlegung der einfachen Göttin in eine zweifache wird
sehr zweifelhaft, wenn Anna Perenna identisch ist mit der indischen
Anna'pürnä, ein Beiname der Göttin Durgä (s. Roth und Böthling,
Sanscritwb. S. 1000)^ welcher bedeutet „voll von Speise", also der
Speisegeberin Anna uud den ihr als solcher verwandten oben ange-
führten Göttinneu genau entspricht. Das Fest der Annapürnä als
Göttin des Überflusses wird mit Schmausereien gefeiert und sie selbst
mit strotzenden oder zahllosen Brüsten dargestellt, (s. Inman, Ancient
Faiths 2' ed. Lond. 1872. I, 83. Cox, IMythology of the Aryan Nations.
Lond. 1870. I, 433) wozu noch kommt, daß Durga, wie Usener selbst
nach Bohlen anführt (S. 189), bei einem ihrer Feste in feierlichem
Umzüge umhergetragen und dann in den Ganges geworfen wird, wie
KLEINE MITTHEILUNGEN. 193
auch Anna in dem Fluß Numicius ertrinkt. Au der Identität der Anna
Perenna und Annapürna, läßt sich also kaum zweifeln und erstere darf
daher nicht in zwei (Jüttinen zerlegt werden, was jedoch niclit hindert
daß römische Alterthumsforscher, wie Varro oder auch selbst theilweise
das Volk, in jener Göttin sowohl eine Anna wie eine Perenna oder
Peranna mochten erkennen wollen. Die Frage aber, ob das lat. annus
und das sskr. anna mit einander etymologisch verwandt sind, wage
ich blos aufzuwerfen, die Entscheidung competenterera Urtheil über-
lassend; nur möchte ich meinen, daß die Begrifife Speise, Getreide, Ernte,
Jahresfrucht, Jahr einander nicht zu fern liegen und also wohl annus
aus anna oder einer ähnlichen arischen Wortform hervorgehen konnte.
Daß die Römer bis auf die Zeit Caesar's ihr Jahr mit dem März
begannen ist bekannt, und im März auch nehmen die irdischen Ver-
treter des jungen Jahresgottes (Mamers, Mars), nämlich die Salier, die
Auspeitschung und Austreibung des alten und abgelebten Jahresgottes,
des Mamurius Veturius, vor (Usener S. 218). Neben der Austreibung
des letzteren mag aber auch im alten Italien eine Steinigung des-
selben stattgefunden haben, wie aus der von mir Germ. 18,453 mit-
getheilten Schilderung eines zu Alatri in der römischen Campagna
gefeierten Festes hervorzugehen scheint, welche Steinigung man also
dann in ihrer ursprünglichen Bedeutung nicht als Steinopfer be-
trachten könnte. Diesem in die Cyclopenraauer der Porta Bellona
eingemeißelten und gesteinigten Marzo, bei dem auch der Name des
Thors nicht zu übersehen ist, entspräche der an die Mauer gestellte
Caramnniran (careme-eutrant = careme-prenaut = Wintergott) im Depart.
Finisterre, so wie das oben (Germ. 22, 28 ff.) aus Herod. 2, 121 Ange-
führte. Hierbei ist auch der von Schröer (Germ. 17, 459) besprochenen,
neben dem Wiener Thor zu Heimburg (dem römischen Caruunthum) in
der Mauer befindlichen zwei Steinbilder zu gedenken^ welche das Volk
jetzt als Attila oder Winter (und Krimhilde?) oder Sommer bezeichnet
und von denen ehedem letztere alljährlich zu Pfingsten durch die Knaben
gesteinigt wurde. Stellte die geharnischte Mannsfigur in der früheren rö-
mischen Mauer dien Mars vor? Die weibliche Figur, ein Seitenstück des
dem Marzo an der Porta Bellona zu Alatri als Pendant dienenden Aprüe,
wäre dann seine Gemahlin Nerio oder Bellona gewesen. Warum aber
wurde Nerio gesteinigt, zumal man sie doch als Sommergöttin bezeich-
nete, wie sie es auch war? Lag hierbei nur eine spätere Verwechslung
vor und galt die Steinigung ursprünglich dem Mars als Wintergott? Doch
genug der Fragen , schon wegen der bekannten Sprichwörter (Simrock
Nr. 7318 — 9 u. s. w.). Nur das möchte ich noch hinzufügen, daß Stein-
GERMANIA. Nene Reihe. X. (XXU. Jahrg.) 13
194 F. LIEBRECHT, KLEINE MITTHEILUNGEN.
Opfer, Steinigung und Heidenwerfen in späterer Zeit oft in einander
übergegangen sein mögen, so wie ferner daß in einer kleinen nicht näher
bezeichneten Ortschaft der spanischen Provinz Alcarria (Guadalajara)
einem Steinbilde des Judas alljährlich zur Fastenzeit von den jungen
Burschen die Nase abgeschlagen, dann aber für das kommende Jahr
aus Gyps erneut wird. Composiciones jocosas etc. p. 142 f.
6. Hochzeitsprügel.
Der Grund zu den Germ. 21, 78 besprochenen Prügeln des Bräu-
tigams wie der Braut findet sich wahrscheinlich in der ehemals überall
verbreiteten Sitte des Mädchenraubs und den dabei stattgefundenen
Kämpfen, welche demgemäß späterhin bei der Hochzeit symbolisch
dargestellt wurden. Man vergleiche hiermit was über Neuseeland be-
richtet wird: „Sehr gewöhnlich war es, das Mädchen mit Gewalt zu
rauben 5 dabei kam es oft zu sehr erbitterten Kämpfen, in welchen das
Mädchen selbst bisweilen verwundet, ja wohl gar, um es nicht der
feindlichen Partei zu überlassen, getödtet wurde. Doch auch dann,
wenn Niemand sich der Heirath widersetzte, führte man Streit und
Versöhnung zum Schein auf (Taylor 162 f.). Ahnlich erzählt Dieffen-
bach (2, 36 f.), daß wenn ein Mädchen von zwei Liebhabern umfreit
sei, diese die Geliebte je au einem Arme faßten und zu sich hinzögen;
der Stärkere habe sie bekommen, doch sei es auch hier bisweilen
nicht ohne Verrenkungen abgegangen*). Ein Rest dieser Sitte könnte
es sein, daß die Neuvermählten von ihren Freunden ausgeplündert und
geprügelt werden (Pollack Narr. 1, 379)." Waitz Authropol. der Natur-
völker, Band VI (von Gerland), S. 126. Ebenso in Neusüdwales: „Hier
wird das Mädchen, auch wenn ihm und den Seinen die Ehe recht ist,
stets heimlich von dem Bräutiganj und seiner Partei überfallen und
womöglich geraubt. Da aber die Angehörigen des Mädchens auf ihrer
Huth sind, so kommt es meist zu einem sehr hitzigen Kampf, in wel-
chem die meisten und oft sehr schwere Prügel — die Braut empfängt,
welche beide Parteien hin und herzerren, so daß sie auch Verrenkungen
oft beträchtlicher Art gar nicht selten erleidet. Und dabei ist das
ganze Gefecht sehr oft nur Scheingefecht, dem Herkommen gemäß,
welches selbst die Weiber nicht abgeschafft wissen wollen." Waitz
a. a. O. S. 773, „Oft übel zugerichtet muß d. Korjake seine Braut er-
haschen." Ebend. 1^ 359. Vgl. Mannhardt, Wald- und Feldculte 1, 299 f.
*) Wenn es nicht noch schlimmer ablief und die Ärmste dabei gar das Leben
verlor; vgl. Plut. Amator. Narr. I. Grohmann, Sagenbuch v. Böhmen S. 184 „Jungfer
Lida". L,
R. BECKER, ÜBER REINMAR VON HAGENAU. 195
ÜBER REINMAR VON HAGENAU.
VON
REINHOLD BECKER. (vSchluß.)
Wir gehen nun zu den Strophen, die sich meist nur in C finden,
also unsicher bezeugt sind.
Es folgen zunächst 2 Kreuzlieder, 180, 28 und 181, 13, beide
nach Schmidt Eigenthura Rugges. Zu dem erstem Liede bemerkt er :
„die Leute wundern sich über die traurige Miene des allezeit fröhlichen
Mannes. Reinmar wird im Gegentheil wegen seiner unablässigen Klagen
ausgelacht." Daß dem Dichter, der sich sogar im tiefsten Leid zur
Freude nöthigen wollte, dieselbe vor der entschiedenen Abweisung durch
die gefeierte Dame nicht fern lag, haben wir gesehen. Zugleich aber
mußten wir daraufhinweisen, wie bereit er war, sich selbst zu täuschen;
sang er doch 164, 8 in einem Lied, das nicht zu den friihern gehört,
seine Ungebärde habe gar selten jemand gesehen. Auch in dem spätem
Lied 187, 31 erzählt er, die Leute fragten ihn, was ihm denn so Großes
geschehen sei, daß er so riuweclichen klage. Diese Frager verwun-
derten sich doch auch. Demnach kann man den Anfang unseres Liedes
nicht gegen den Dichter geltend machen. Zudem ist der Gegensatz :
früher froh, jetzt traurig — eine Lieblingswendung Reinmars cf. 154, 36:
ich denke wol, daz ich ez anders pflac hie vor, dö mir diu sorge so
niht ze herzen wac. Gegen Rugge aber spricht, und das scheint uns
schon allein entscheidend zu sein, die v. 32 gebrauchte Wendung: kaem
aber mir ein lebender tac, ich kan noch daz ich ie kund oder mere.
Rugge spricht, wie wir schon früher hervorgehoben haben, nie von
seinem Können, geschweige denn, daß er irgendwie hervorhöbe, sein
Liebesleid mindere seine Kunst; ganz ähnlich aber wie hier singt
Reinmar 156, 30: mir hat zwivel den ich hän al daz künde gar benomen
wenne sol mir iemer spilndiu fröide komen. Von dieser erwartet er
in beiden Liedern, dass sie ihn zu fröhlicher Kunst wieder anrege.
Für Rugge klingt auch v. 30 : dem ist nu also daz ich baz niene mac^
zu resignirt.
Zu 181,4 heißt es pag. 56: „trüren gehört diesem Dichter also
nicht nothwendig zum Dienst." Wir sehen, wie das falsche Bild von
der Persönlichkeit Reinmars auf die Kritik einwirkt.
Der Gedanke der dritten Strophe ist Rugge 98, 29 ähnlich, wenn
auch nicht gleich. Dort verachten gute Frauen die Zuiückbleibenden;
196 K- BECKER
hier wird das Zurückbleiben als vergeblich dargestellt, weil gute Frauen
nicht so leicht zu gewinnen sind. Der Ruggeschen Stelle steht übrigens
Hüsen näher als Reinmar, 48, 13 f. singt Husen : wie künde in der
gedieneu iet, der gotes verte also erschrac. DalJ Reinmar den Leich
Rugges gekannt hat, ist von vornherein anzunehmen und so mag er
sich denn diese wirkungsvolle Mahnung angeeignet haben. Wir Averden
sehen , wie er sich im zweiten Kreuzlied an Hüsen anschließt. Der
Schluß ist echt reinmarisch und weist wie der Anfang auf böse Er-
fahrungen im Minnedienste hin.
Ueber das Lied im allgemeinen bemerkt Schmidt, der Grundton
stimme trotz der leichtern Einkleidung durchaus mit dem Geiste des
ruggischen Kreuzleiches überein. Es scheint uns, dass man mit besserm
Rechte das Gegentheil behaupten kann. Der Grundton in beiden Ge-
dichten ist wesentlich verschieden und die Eigenart Rugges im Unter-
schied von der Reinmars kann man hier ebenso wie in den Minne-
liedern beobachten. Rugge gehört noch der altern Zeit an, die sich in
ihrer Empfindungsweise noch durch eine gewisse schlichte Einfachheit
kundgibt. Die Gefühle, deren sich Rugge bewußt wird, spricht er
positiv und bestimmt in aller Kürze aus , weshalb ihm auch die Ein-
strophigkeit in den meisten Fällen genügt. Es ist immer nur ein ein-
zelnes Gefühl_, das ihn belebt, nichts ist zu bemerken von einer Spal-
tung in seinem Innern, von dem Streit der Gedanken, dem ungewissen
Hin- und Herschwanken und dem raschen Wechsel der Gefühle, der
Reinmar so eigenthümlich ist. Betrachten wir kurz, um die Art dieses
Dicliters deutlich zu machen, die Strophe 157^ 31, Dieselbe beginnt
scheinbar sehr entschieden: wüsste ich nicht, dalS' sie mich noch werth
machen kann, ich diente ihr nicht mehr. Doch nun folge ich ihrer
Tugend und bitte um Gnade. Sofort aber macht sich nun der Zweifel
geltend: waz hilfet daz? ich weiz wol daz siez niht entuot. Die
Strophe schließt dann mit der ungläubigen Bitte an die Dame: nu tuo
siez durch den willen min, und läze mich ir tore sin, und nemo mino
rede für guot. Eine solche Strophe würden wir Rugge nicht zutrauen
können. Die schlichte Geradheit der Gesinnung dieses Dichters, die
seinem Charakter aMe Ehre macht, aber der individuellen Vertiefung
und dem Reichthum der späteren Zeit gegenüber etwas eintönig ist,
ist auch in dem Kreuzleich zu bemerken. Die subjective Stimmung
tritt hier ganz in den Hintergrund. Der Ausdruck ist von einer Bestimmt-
heit, die verräth, daß der Dichter an der Wahrheit seiner Kreuzpredigt
— denn eine solche ist das Gedicht — nicht den geringsten Zweifel
hegt. Breit ausgeführt sind die Schilderungen der ewigen Herrlichkeit
ÜBER REINMAE VON HAGENAU. 197
im Gegensatz zu der Nichtigkeit des irdischen Daseins. Jenes müssen
Avir wählen, da Gottes Zorn ergeht über den, der ihm nicht dienen
will; auch lohnt die Welt gar manchem, der nach ihr strebt, mit bösem
Ende. In solchen Sätzen spricht Rugge oö'enbar die Meinung seiner
Zeit aus. Er folgt treuherzig der Meinung der Kreuzprediger, die das
irdische Leben recht dunkel malten, um einen möglichst starken Gegen-
satz für die himmlische Seligkeit zu gewinnen. Das Leben ist so schlecht,
die Seligkeit so groß, da kann die Wahl nicht schwer fallen. Ganz
denselben Geist athmet das kleine Kreuzlied 102, 14: nu länt mich
tüscnt lande hän : c ich si danne wisse, so müest ich si län und wirt
mir dar nach niht wan siben füezc lanc. üf bezzer Ion stet aller min
gedanc. Auch hier zeigt sich die Gebundenheit Rugges der Tradition
gegenüber. Von der weltflüchtigen und weltverachtenden Stimmung der
beiden Kreuzlieder findet sich in den Minueliedern nichts. Zu der objec-
tiven Haltung und zu der weltflüchtigen Stimmung jener Lieder Rugges
steht das Kreuzlied 180, 27 in entschiedenem Gegensatz. Der Dichter
dieses Liedes hat weltliche Freude und Ehre nicht vergessen. Die Leute
wundern sich über seine Trauer; käme ihm aber wieder ein guter Tag,
so werde er die alte frohe Kunst schon wieder üben. Doch von welt-
lichen Dingen will er nun schweigen um der Ehre Gottes willen „der
mir saelden hat gegeben so vil ; ich gouch, als ich des nicht erkennen
wil". Man bemerke hier den schnellen Wechsel der vielfach nur leise
angedeuteten Empfindungen — echt Reinmarisch. In der ersten Strophe
hatte der Dichter noch von seiner Minnetrauer gesprochen, nun hebt
er hervor, dass man zur Freude besondern Grund habe, man könne
ja auf dem Kreuzzug Lob und Ehre — also weltliche Güter — und
dazu Gottes Huld erwerben. Er ist also keineswegs geneigt, jene gering
zu schätzen, wie der Kreuzprediger Rugge, dessen ,, saelden" im Jenseits
liegen, von dem er so genaue Rechenschaft abzulegen weiß. Unser
Gedicht ist jedenfalls ganz subjectiv, es befaßt sich nicht mit den
Gründen, warum man eine Kreuzfahrt machen müsse, sondern es schil-
dert die Gefühle des Dichters bei der Sache.
Denselben Grundcharakter, wie das erste Kreuzlied trägt auch
das zweite, 181, 13 f. Die Gedanken, welche den weltlichen Dienst nicht
vergessen können, toben ihm gegen einander und so beschließt er denn
sie freizugeben. Diese Nachgiebigkeit weicht weit ab von der ent-
schiedenen Festigkeit, die Rugge im Leich und im Lied zur Schau trägt.
Die Ohnmacht des Dichters seinen Gedanken gegenüber, das willenlose
Sich-hin-geben an dieselben entspricht sogar der eigenthümlichen Natur
Reinmars, der auch 174, 24 klagt: nie wart groezer ungemach danne
198 R- BECKER
ez ist der mit gedanken umbe gät — cf. 163, 18 151, 34, in welchen
beiden Stellen die Macht der Gedanken ebenfalls stark hervorgehoben
ist. Bei Rugge nichts ähnliches. Diesem allgemeinen Charakter gegen-
über kann die Responsion in den beiden Kreuzliedern um so weniger
beirren, da sich dieselbe auch sonst, wenn auch nicht gerade oft, be^
Reinmar findet. So 151, 17—25 und 21 f. — 29. 152, 1 f. und 21 f.
177, 14. 20. 25. 176, 5 f., in welchem Lied die erste und die letzte Strophe,
mit der Anrede frouwe schliessen, die beiden mittlem aber damit be-
ginnen. Das ist freilich nicht viel für die Masse Reiumarischer Lieder;
sehen wir uns die betreffenden Lieder aber näher an, so bemerken wir,
daß sie sämmtlich einen frischen heitern Ton anschlagen oder doch
wenigstens keine Klagelieder sind, während die zahlreichen Lieder, in
denen er seinen Kummer ausströmt, nichts von solchen Künsten wissen.
Auch die beiden Kreuzlieder verrathen eine gehobenere Stimmung.
Wir hatten schon oben den hoffnungsfreudigen Wechsel 110, 8 f., dessen
beide Strophen ebenfalls durch Responsion verbunden sind, Reinmar
zugesprochen; die Responsion in demselben schien uns um so we-
niger anstößig, da sie auch in dem Wechsel 151, 17 hervortritt. Zu
den oben angeführten 4 Liedern mit Responsion treten demnach noch
3 andere, die durch innere Gründe Reinmar zugesprochen werden
müssen. Da dieselben nun sämmtlich frische Farben tragen, so müssen
wir schließen, daß Reinmar diese Künstelei nur bei den eigentlichen
Trauerliedern absichtlich gemieden habe, während er in freierer Zeit
es nicht verschmähte, in dieser Beziehung der Mode zu huldigen. Dies
Ergebniss spricht so stark für die innere Wahrheit und Unmittelbar-
keit der reinmarischen Liebesklage, daß dem Zweifel daran jede Be-
rechtigung entzogen wird.
Wir kehren zu dem zweiten Kreuzlied zurück. Die schöne bild-
liche Vorstellung, welche dem Gedichte zu Grunde liegt, kann nicht
gegen Reinmar geltend gemacht werden, denn sie ist doch gar wenig
individuell ausgemalt; sie überschreitet kaum den gewöhnlichen Sprach-
gebrauch, da sie sich an das bekannte Sprichwort anlehnt: gedanke
sint vrt. cf. auch den Morunger 125, 21: ich var als ich fliegen künne
mit gedanken iemer umbe sie. Im übrigen lehnt sich das Gedicht 181, 13
ganz an das bekannte Kreuzlied Hüsens au, nicht aber an die Ge-
dankenreihen Rugges. Wie hier die Gedanken, so scheiden sich dort
Herz und Leib. Auch dort heißt es wie hier: ich wände ledic sin von
solher swaere. In beiden Gedichten folgt dann in der dritten Strophe
der Entschluss, das Herz oder die Gedanken zui' Geliebten hinzusenden.
ÜBER REINMAR VON HAGENAU. 199
Auch in diesem Punkte also zeigt sich der Zusammenhang Rcinmars
mit Hüsen, den Schmidt selbst öfters hervorgehoben hat.
Die einzelne Strophe 182, 4, der der Character der reinraarischen
Lyrik an die Stirn geschrieben ist, fällt natürlich demselben Verfasser
zu, wie 181, 13, da sie in demselben Ton gedichtet ist. Schmidt mußte
sie aus dem Eiufluss Reinmars aufRugge erklären; wie problematisch
aber der ist, haben wir gesehen.
Bevor wir zu dem folgenden Lied übergehen, schließen wir kurz
noch einige Erwägungen an. Besonders am ersten Kreuzlied, aber auch
am zweiten sieht man, daß die neuen Verhältnisse und Aufgaben, in
welche Reinmar durch die Kreuzfahrt eintrat, eine größere Frische
zur Folge hatten. Und wie sonst in leichter gehaltenen Liedern Res-
ponsiou hervorgetreten war, so zeigt sie sich auch hier wieder; sie
wird ihm also überhaupt für Zeiten, in denen er frischer fühlte und
dichtete, nicht abgesprochen werden können. Ferner erinnern wir an
das, was wir über die Naturschilderungen bei Reinmar sagten. Beson-
ders 167, 31 zeigt uns, da(> er kein principieller Gegner der Tradition
war, sondern sie nur in der Zeit seiner Trauer naturgemäß verwarf.
Endlich sahen wir, wie sehr sich der Dichter auch in der Trauer nach
Freude sehnte. Nach alledem schließen wir, daß man die Trauerlieder
nicht in jeder Beziehung zum Maßstab machen darf, an dem man
Lieder^ die vielleicht einer andern Periode angehören, mißt.
Wir schreiten nun in der Betrachtung der einzelnen strittigen
Lieder weiter fort, indem wir im wesentlichen der auch von Schmidt
befolgten Anordnung in MF uns anschließen.
182, 14. Dies Lied hat Schmidt mit vollem Rechte Reinmar ab-
gesprochen; daß es darum aber Rugge angehört, ist uns mehr als
zweifelhaft , denn dieser spricht es nirgendwo , wie es hier geschieht
aus, seine Dame habe ihn in allen Stücken erhört, er kommt an keiner
Stelle über die Hoffnung^ daß es noch geschehen werdC; hinaus. Hier
dagegen wird v. 21 auf vollständige Erhörung zurückgeblickt. Auch
zu einer niedern Minne des Dichters scheint das Lied nicht recht zu
passen, denn v. 18 klingt im Munde eines Ritters, sei es nun Reinmar
oder Rugge, sehr seltsam: ich hän ir niht ze gebenne wan min
selbes lip. Das Lied rührt wohl von einem Spielmann her.
182, 34. Ein Lied der Sehnsucht nach Freude, das Schmidt Rein-
marn abspricht, weil der Dichter seine Trauer gern los wäre — „Rein-
mar aber will der Sorge gar nicht entbehren." Ueber das Mißverständ-
niss, das diesen Worten zu Grunde liegt, haben wir schon gesprochen.
Eine schlagende Parallele zu 183, 7, welche zugleich die Auffassung
200 R- BECKER
Schmidts vernichtet^ steht in dem von ihm selbst als reinmarisch an-
erkannten Lied 190, v 23 f. : wenn sie mich nicht erhört, so mac ich
klagen vil ich tumber man, daz ich miner tage wider niht gewinnen
kan. Auch der Gebrauch der Parenthese v 35 spricht für Reinmar.
183, 9. Haupt in den Anmerkungen: „Die Reime gesehen — ergen
verdächtigen das Lied." Er sucht daher zu bessern getan und ergän.
Wir wagen nicht bestimmt für die Conjectur einzutreten, denn kein
innerer Grund fordert die Aenderung, und die Tradition der Handschrift
C, welche das Lied Reinmar zuschreibt, ist zu unsicher in Bezug auf
die Verfasser der einzelnen Lieder, als daß wir auf ihre Autorität
hin die Aenderung zu Gunsten Reinmars für gesichert halten könnten.
Ein Jugendgedicht Rugges aber darf man hier nicht suchen. Wie
sollte die resignirte Stimmung, die sich hier äussert, zu Rugge passen,
der doch nach Schmidt nur um Minnesold dient — cf. v 19 nu waenet
si mich hän betrogen, nu löne ir got: ich bin von ir genädeu wol
gezogen. Und gar in seiner Jugend sollte dieser so gesprochen haben?
Theilt uns doch Schmidt auf derselben pag. 59 mit, was wir freilich
anzweifeln mußten, dem Dichter sei von Anbeginn volles Liebesglück
bescheert gewesen (zur letzten Strophe von 182, 14). Wenn wir von
jener schon besprochenen verdächtigen Stelle absehen, so scheint uns
das Gedicht echt reiumarisches Gepräge zu tragen; der Einfachheit
des Salzbaues gemäß müßte es in die frühere Periode des Dichters
fallen. Bei dem Dichter, dessen naive Offenheit so oft dem Spott der
Genossen ausgesetzt war (cf. besonders 167, 13), macht sich der Ein-
gang nieman frage mir ze leide wes min tumbez herze fröuwe sich
ganz natürlich, tump nennt sich der Dichter auch sonst. 160, 20; 171,
25; 180, 16. Nach v. 19 hat er schon Enttäuschungen erfahren, doch
gibt er die Hoffnung nicht auf. EchtReinraarische Art ist es, daß die Dame,
obwohl sie Schuld hat, doch schnell wieder entschuldigt wird, wie hier
v. 20, cf. 163, 10. 171, 2 f. 161, 24 f. Auch die letzte Strophe spricht für
Reinmar. Dieser ist es, der ganz besonders das Lob nicht etwa blos
eines einzelnen Weibes, sondern des ganzen Geschlechtes cultivirt;
nur Johansdorf noch gleichzeitig. Rugge vertheidigt in seiner lebhaften
Manier die Frauen gegen die Unhöfischen, ohne doch positiv das Ge-
schlecht als solches zu feiern. Daß gerade dies Verdienst Reinmars
besonders hoch angeschlagen wurde, beweist Walthers Todtenklage:
hetst anders niht wan eine rede gesungen „so wol dir wip, wie reine
ein nam!" du betest also gestriten an ir lop, daz elliu wip dir gnaden
solten biten. — Hat demnach das Lied auch vieles, was Reinmarischer
ÜBER REINMAR VON FIAGENAU 201
Art verwandt ist, so ist doch eine sichere Entscheidung nicht wolil zu
erlangen.
183, 32 f. Schmidt vergleicht das Gedicht mit denen aus Kein-
mars späterer Periode, wobei dann fVeilicii ein groLun- Abstand zu Tage
tritt; anders stellt sich die Sache, wenn wir es mit den frühesten Ge-
dichten vergleichen — und so müssen wir verfahren, denn es rührt
offenbar von einem jugendlichen Sänger her. Jener frühen Zeit unseres
Dichters ist einfache Satzfügung eigenthümlich. Unvermittelte Schluß-
sätze aber sind bei ihm so häufig, daß sie in keiner Weise gegen ihn
angeführt werden können. Die Variation , Avelche Schmidt besonders
betont, ist, nachdem 110, 8 und die beiden Kreuzlieder Reinmar zuge-
sprochen sind, bei ihm in keiner Weise auffallend. Auch die Hyperbel
wird in jugendfrischer Zeit bei dem Dichter, dem die Geliebte „näher
dan in dem herzen" ist, nicht befremden. Der Dichter glaubt, wie 151
und 154, 5 f. an die Zuneigung der Herrin. Auffallend scheint auf den
ersten Blick die breit ausgeführte Natursehilderung, aber daß solche
für die früheste Zeit, in der die Übereinstimmung mit- der Tradition
noch nicht gestört war, anzunehmen ist, konnte mit voller Sicherheit
nachgewiesen werden. Zu unzweifelhaften Resultaten wird man auch
hier nicht kommen können, da aus der früheren Zeit reinmarischer
Lyrik wir nur vereinzelte Lieder haben, die zur Vergleichung dienen
könnten. Gegen Rugge spricht die Vielstrophigkeit. Das Gedicht müßte
auch bei ihm in den Anfang des Miunedienstes gesetzt werden, um so
auffallender wäre ein Lied von 5 Strophen. Wie es in diesem Gedicht
geschieht, nennt Reinmar auch 156, 15 die Geliebte friunt.
184. 31. Ein fröhliches Lied. Einen neuen Anfang frischeren
Fühlens und Dichtens nahmen wir schon bei den Kreuzliedern wahr.
Da Schmidt diese Reinmar absprach, so fehlt ihm zum Verständniss
unseres Liedes die nothwendige historische Voraussetzung. Das Sprach-
liche spricht ganz für Reinmar. Scharf zugespitzt ist die Antithese
V. 33 f.: WC, ja was ich al der werltc trost: wie zaeme ir daz^ siu
tröste euch mich? Auch der Anfang der zweiten Strophe ist antithe-
tisch gehalten. Die dritte Strophe ist ganz condicional gefaßt. Nicht
unwichtig ist auch der Ausruf we v. 33. Rugge, dessen männlicher Art
er wenig entspricht, hat ihn nicht ein einziges Mal^, während Reinmar
ihn, wie er denn auch sonst häufig ist, in seiner mittleren und späteren
Zeit sehr oft anwendet, sei es in der kürzeren Form we, oder in der
breiteren owe — 162, 2. 163, 13. 164, 19 ff. Merkwürdig ist, daß Rein-
mar in seiner früheren Zeit dagegen ihn nie anwendet, weder in 150
bis 152, noch 154, 5 oder 156, 10. 170, 1 u. a. Auch in dem Klagelied
202 R. BECKER
auf Liupolts Tod, in dem die Anwendung doch nahe gelegen hätte,
kommt das Wort nicht vor. In unserem Lied ist es ungemein charak-
teristisch, wie sich gerade in die Freude der Klageruf mit der Erin-
nerung an die strenge Herrin einmischt. Der Ausdruck v. 6 f.: kume
ich wider an mine fröide als e , daz ist allen senden siechen guot —
erinnert an 180, 31. Reinmar ist auch sonst sehr davon überzeugt, daß
er für die Freude der Welt eine wichtige Person ist. 164, 3: der ie die
werlt gefröite baz dann ich, der müeze mit genäden leben. 177, 28«
ist ab daz ichz niene gebiute, so verliuse ich mine saelde an ime und
verfluochent mich diu liute, daz ich al der werlte vröude nieme. Von
seinen Liedern hat er eine hohe Meinung und bezeichnet sie 160, 6
als das beste , das je ein Mann sprach. Bei Rugge findet sich von
solch eitelem Selbstgefühl nicht eine Spur. Zu allem übrigen wird
unser Gedicht noch durch 193, 22 geschützt, ein Lied, dem der Stempel
Reinmarischer Lyrik unverkennbar aufgedrückt ist. Wenn Schmidt
dasselbe trotzdem Reinmar abspricht, so ist das nur so zu erklären,
daß die Voraussetzungen der zweiten Strophe zu dem einseitigen Bild,
das er sich von dem Dichter gemacht hat, auf keine Weise stimmen
wollen. Dort singt Reinmar, indem er aus betrübter Lage auf die
frohe Zeit zurückblickt: man horte wol daz ich do sprach vil manege
rede guote. hei was mannes was ich dö ! Das paßt auf die Situation,
welche 184, 32 f. voraussetzt, wie angegossen. Auf 193, 22 kommen
wir noch zurück.
All diesen Gründen gegenüber wollen die Gegeninstanzen wenig
verschlagen. Über die Ansicht, das Lied sei für Reinmar zu froh, ist
nicht nöthig noch weiter zu sprechen. Auch können wir nicht zugeben,
weil Reinmar 170, 36 sagt: nieman seneder suoche an mich deheinen rät:
ich mac min selbes leit erwenden niht — so könne er nicht wohl hier
sagen: nieman ist von sorgen also we, wil er, ich mache in wolgemuot.
Die Stimmung ist eben eine andere geworden und mit den Stimmungen
ändern sich bekanntlich auch die Meinungen. So heißt es 180, 16:
ich turaber lide senden kumber, des ich gar schuldic bin; cf. auch 171,
18. Nach anderen Stellen aber wie 165, 16; 174, 11 u. a. ist die Noth
des Dichters eine unverschuldete. — Die Hyperbel und die zwei Zeilen
Naturschilderung begreifen sich leicht aus der glücklichen Lage und
Stimmung des Dichters; jedenfalls kann in diesen beiden Punkten nichts
entscheidendes gefunden werden. Wenn wir demnach unbedenklich das
Lied glauben Reinmarn zusprechen zu müssen, so werden wir darin
noch bestärkt durch die in demselben Ton gedichtete Nachtragstrophe,
die echt Reinmarisches Colorit trägt. Irgend etwas hat den empfind-
Ctber reinmar von hagenau 203
liehen Mann aus dem Concept gebracht; v. 26: wie tuot man wider
mich nu so? Ähnlich 175, 24: wc war umbe taete ab iemen daz? 169,
26: owc daz mir niemen ist als ich im bin. Rugge klagt nie in
dieser Weise.
Daß Uhland, Gervinus u. a. , wenn sie Reinmars dichterische
Eigenart schildern, sich nur an die Klagelieder halten^ ist sehr natür-
lich und spricht nicht gegen unsere Auffassung; sie heben eben blos
das hervor, was für ihn charakteristisch ist, worin seine eigentliche Be-
deutung liegt, nicht das, was er mit anderen gemein hat.
185, 27. Auch dies Gedicht schreibt Schmidt Rugge zu. Dazu
paßt freilich schlecht, daß er p. 29 sagt: Sein Liebesverhältniss zwang
ihn selten zur Trauer — und p. 59: Langes trüren ist entschieden
seine Sache nicht. Der Dichter dieses Liedes spricht von einem
Trauern, das nun schon manchen Tag in seinem Herzen begraben
liegt und fürchtet, wenn sie nun sein Leid nicht wenden wolle, sost
mir lip unmaere und ander spil, so entoug ich ir vor alter niht. Die
vv. 32 und 33: si sagent mir alle, trüren stc mir jaemerlichen an —
und: Sit si jehent wie wol mir fröide zeme . . . sind ganz in Reinmars
Art. Ein lebhaftes Bedürfniss nach Anerkennung vereinigt sich bei
ihm mit einer gewissen inneren Unsicherheit, woher es kommt, daß
er sich viel mit dem zu schaffen machte was andere Leute sagen, daß
er alle Welt um Rath angeht, aber auch wieder gegen den Tadel der
Welt sehr empfiudHch ist cf. 152, 25; 175, 8; 166, 25 u. a. v. Das Selbst-
gefühl des Dichters zeigt sich auch in dem Schluß unseres Gedichtes,
der nichts mit dem Vollgefühl früherer Zeiten zu thun hat, wie Schmidt
annimmt. Zu dem Gedanken ist 177,30 zu vergleichen; zu dem Aus-
druck aber haben wir schon bei Besprechung von 109, 9 die betreffenden
Stellen beigebracht. Auch die Leichtigkeit des Satzbaues, der rasche
Wechsel der Empfindungen, deren zarte Nuancen Reinmar wie kein
anderer anzudeuten weiß, sprechen für diesen Dichter. Condieionaler
Ausdruck tritt vielfach hervor. Die Stimmung wird sorgfältig motivirt
v. 27 und 33. Der Zwiespalt der Empfindungen, das Versunkensein
in Trauer und daneben die Sehnsucht nach Freude, der Kampf der
verschiedenen Gefühle, der sich auch durch dies Gedicht hinzieht, das
alles ist dem Rugge noch fremd.
An die bisher behandelten aageblich Ruggeschen Strophen schließt
sich ein unzweifelhaft echtes Lied Reinmars an, 186, 19 f. Reinmar hatte
sich 164, 10 Schweigen auferlegt. „Die Dame besprach diese Äußerung
mit dem Boten (177), forderte aber Reinmar noch nicht zu neuem
204 R. BECKER
Gesang auf. Die AufForclernng erfolgt erst mit diesem Liede, wie wir
gleich des nähern sehen werden. Deshalb muß sich C 155 ff. an C 113 ff.
anschließen." Daß das Lied der Chronologie gemäß ganz passend auf
C 113 f. folgen würde, ist nicht zu bestreiten, aber überhaupt ist die
Anordnung in C nicht chronologisch , wie denn Schmidt selbst kurz
vorher p. 62 bemerkt, C 118—121 gehören nicht historisch mit C llo
bis 1]7 zusammen; die Quelle von b und C habe sie nur wegen ihrer
ähnlichen Art zusammengestellt. Daher ist mit jenem Nachweis histo-
rischer Zusammengehörigkeit für die Kritik nichts gewonnen. C ist
eben in der Anordnung völlig inconsequent. Wenn die Handschrift auch
einmal zwei Lieder, wie 177 und 178 ihres ähnlichen Charakters wegen
neben einander stellt, so ist doch der Beweis, daß dies durchgängig
geschieht, unmöglich. Was bedeutet nun aber bei dieser Sachlage die
Behauptung, C 122 — 154 schiebe sich störend ein, denn C 155 müsse
auf 121 folgen? Daß die Strophen, welche wir bisher besprochen haben,
nichts mit dem Cyclus von der rede zu thun haben, steht ausser Frage.
Aber verdächtigt würden dieselben nur dann, wenn nachgewiesen würde,
daß im übrigen die Grundlage von C durchaus planmäßig die Lieder
zusammenstellte und nun diese Planmäßigkeit durch die vom Schreiber
der Handschrift C eingeschobenen Lieder vernichtet würde.
Die Nothwendigkeit^ daß C 155 auf C 121 folgen müsse, dürfte
Schmidt eigentlich um so weniger behaupten, da nach ihm mit C 155
ein neues Liederbuch beginnt. Welcher Zusammenhang ist denn da
noch zu zerstören? p. 64 heißt es: Das von den beiden Interpolationen
eingeschlossene Lied 186, 19—187, 30 = C 155 — 159 ist der Anfang
eines Liederbuches. Es endet die im Cyclus behandelte wichtigste
Episode des Liebesverhältnisses und mahnt zu neuem Sang. Auf die
in diesem Lied enthaltene Aufforderung bricht Reinmar — in C schie-
ben sich 160 — 173 dazwischen — sein Schweigen mit C 174: nu muoz
ich ic min alten not mit sauge niuwen ... — Es trifft sich übrigens
unglücklich für diese Liederbuchtheorie, daß C sofort nach dem ersten
Lied, das zudem mit dem zweiten eng zusammenhängen soll, 12 Rug-
gesche Strophen einschiebt. Sagt doch Schmidt selbst: Interpolationen
finden sich meist an der Scheide von Liederbüchern — und nun findet
sich diese wirklich nachweisbare Interpolation gerade nach dem ersten
Lied eines Buches und zerstört die nothwendige Verbindung. Und noch
seltsamer: 5 Strophen vorher war schon einmal die Verbindung gestört.
Warum traten die 12 Ruggeschen Strophen nicht dort ein? Wir sehen,
die Liebesbuchtheorie, wie sie hier verwandt wird, hat mit bedenk-
lichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Einen nothwendigen Zusammen-
ÜBER REINMAR VON HAGENAU. 205
hang zwischen 18G, 19 und 187, 31 können wir zudem nicht anerkennen,
denn Reinmar bricht ja sein Schweigen nicht erst mit 187, 31. Die
Frauenlieder 177, 10 und 180, 19 rühren doch auch von ihm her und
wenn ihnen auch Aussagen der Herrin zu Grunde liegen, so hat er
dieselben doch poetisch verarbeitet und also sein Schweigen gebrochen.
Ausserdem glaubten wir C 160 — 162 = 109, 9—35 für Reinmar zurück-
fordern zu müssen, so daß für uns auch nach Eliminirung der Rugge-
schen Strophen C 163—173 der Zusammenhang von 186, 19 mit 187,
31 schon ohne weiferes unterbrochen ist.
AVir gehen nun in der Besprechung der einzelnen Lieder, soweit
sie zu kritischen Bemerkungen Anlaß geben, weiter.
Die Lieder 186,19; 187,31; 188,31 werden als echt Reiuma-
risches Gut anerkannt,
189, 5. Schmidt bemerkt bei der Besprechung des unreinen Reimes
lan — an, Reinmars Verfasserschaft sei nicht völlig gesichert, obwohl
man gerade diesen unreinen Reim ihm schon einmal zutrauen dürfe.
Die Beziehung auf das Verbot des Siugens, die ihm entgangen zu sein
scheint, legitimirt das Lied vollständig, v. 14: wil diu vil guote daz
ich iemer singe wol nach fröiden, wan mac si mich danne leren also
daz si mir mine not geringe? Die Stelle steht in Beziehung zu der
Drohung, er wolle nicht mehr singen, wenn die Herrin es nicht gebiete.
Darauf war ihm offenbar bedeutet worden, er möge anstatt ewig zu
trauern, doch frohe Lieder singen, worauf der Dichter seinerseits in
unserem Lied entgegnet, warum es ihm dann die Dame nicht lehre,
indem sie ihm seine Noth „geringe". Auch das Sprachliche spricht,
wie Schmidt bemerkt, für Reinmar.
190, 27. Haupt scheint selbst zu fühlen, daß seine Besserung der
Corruption in der zweiten Strophe nur ein Nothbehelf ist. Die über-
einstimmende Überlieferung von A und C ist indessen noch unbefi'ie-
digender. Schmidt meint, der Begriff des Wunders passe gar nicht;
ganz recht; demnach muß die Stelle corrupt sein, mag das Gedicht
nun von Rugge oder von Reinmar herrühren. Ist aber eine Corruption
anzunehmen, so fällt auch jeder Grund weg, das Gedicht Reinmarn
abzusprechen. Daß die Responsion und die Forderung des Trostes
für den Leib nichts gegen ihn beweisen, wurde schon öfters hervor-
gehoben. Für Rugge ist das Lied zu leicht dahinschwebend; er hat
wenigstens nichts ähnliches; an Rhythmus und Stimmung dagegen ist
es 176, 5 nahe verwandt. Auch dort findet Responsion statt; zwei
Strophen beginnen dort mit frouwe; so hier die erste Strophe, während
206 R. BECKER
die zweite mit leichter Variation fröuwe . . an die Spitze stellt. Das
we wie tuost du so ... spricht auch ftir Reinmar; s. zu 184, 31.
Es folgt nun in C eine lange Strophenreihe 186 — 206, die Rugge
angehört mit Ausnahme von C 187 = 109, 36; C 193 und 186 = 110, 8
bis 25; C 194 — 197 = 103, 3 f. blieb uns zweifelhaft. Unstreitig könnte
es an solchen Stellen um so leichter geschehen sein, daß diesem Dichter
angehörige Lieder mit eingedrungen wären. Daß dies am Anfang des
Einschubs nicht zu erweisen ist, haben wir schon gesehen. Zudem
forderten wir die erste Strophe, C 186, gerade für Reinmar zurück.
Für das auf den Einschub in C folgende Lied 191, 7 hat Schmidt
Argumente, die mit mehr Kraft für Rugge zu sprechen scheinen. Gleich
zu dem Eingang führt er ein paar Parallelen an, doch findet sich die
eine derselben in dem verdächtigen Lied 103, 3, sodann finden sich
auch bei Reinmar nahverwandte Stellen 170, 8; 159, 23. Auch v. 15
kann nicht für Rugge speciell in Anspruch genommen werden, denn
wir haben gesehen, daß auch Reinmar für seinen Dienst Lohn fordert,
über die Ausdrücke: ich weite . . . durch mines herzen rät und not
diu nahe gät haben wir schon gesprochen; auch liegt in solchen Wen-
dungen nichts entscheidendes. Aber es finden sich doch auch sonst
Anklänge an die Gedankenwelt Reinmars. Wie v. 20 so verweist er
auch 188, 22 die thörichten Frager auf die eigene Erfahrung, v. 23:
von schulden ich den kumber dol, ich brahte selbe mich darin — ist
bei Rugge ohne Beispiel, ähnlich aber ist 180, 16; cf. auch 171, 31.
Die Sprache ist sehr einfach, doch gilt dasselbe von Reinmars früheren
Gedichten. Sehr scharf antithetisch zugespitzt ist v. 22: ich gloube im
wol, als er mir sol. Sehr stark gegen Reinmar spricht aber der innere
Reim, an den er sonst nur Anklänge hat. Freilich bringt er auch in
dem Lied 154, 32 f. Körner an^, die sich sonst nirgends bei ihm finden.
Doch ist der Fall in sofern ein anderer, als dieses Lied sowohl durch
die Eigenthümlichkeiten der Sprache und des Inhaltes, als auch durch
die gute äußere Beglaubigung unserem Dichter zweifellos zugesprochen
wird, während bei 191, 7 Sprache und Inhalt die Möglichkeit, daß
Reinmar der Verfasser ist, zulassen', aber nicht eine starke Wahr-
scheinlichkeit für ihn begründen können. Da nun außer der unsicheren
Beglaubigung noch die Anwendung des inneren Reimes hinzukommt,
so spricht die Wahrscheinlichkeit gegen ihn. Damit ist aber noch
nicht erwiesen, daß es nun Rugge angehören müsse. Die Stellung
spricht zwar dafür , da sich die drei Strophen C 206, 208, 207 an die
eingeschobenen Ruggeschen Strophen unmittelbar anschließen; aber
wir führten, was den Sprachgebrauch und den Inhalt anlangt, schon
ÜBER REINMAR VON HAGENAU. 207
soeben einiges an, was wir in einem Ruggeschen Gedieht nicht erwarten,
sodann ist auch gerade diese Art des inneren Reimes bei Rugge sonst
nicht vertreten. Zweifellos wäre kein genügender Grund vorhanden,
ihm das Gedicht abzusprechen, wenn gute Handschriften für ihn
sprächen; da dies aber nicht der Fall ist, so genügen die gegen Rugge
angeführten Gründe, um uns von einer Entscheidung zu seinen Gunsten
zurückzuhalten.
191, 34, Wir kommen nun zu einem Liede, bei welchem die Ent-
scheidung sicherer und leichter ist, als bei vielen anderen und bei dem
es sich recht deutlich zeigt, wie die falschen Voraussetzungen seiner
Kritik Schmidt nothwendig zu einem falschen Resultat führen mußten.
p. 69 heißt es : „Dieser Dichter kennt keine Verzweiflung ; seine Lebens-
philosophie ist auf Hoffnung gegründet: ez wirdet rät, es muß gut wer-
den_, während Reinmar sich nur fatalistisch mit der Annahme einer zwin
genden Prädestination zu trösten vermag." Wir haben hier ein Beispiel, wie
eine gelegentliche Äußerung des Dichters (164, 2) einseitig zum Maaß-
stab für seine Sinnesart gemacht wird. Von diesem Fatalismus ist
doch 169, 36 nichts zu spüren; ganz besondei's nahe aber ist unserer
Stelle 162, 34 vei'wandt. Der Gedanke dort ist der: wer warten kann,
kommt schon zum Ziel, also ding ich daz min noch werde rät. Im
übrigen zeigt sich Reinmar hier ganz so, wie wir ihn oben gezeichnet
haben. Er ist echter Idealist — v. 20; trotz seines Leides ist die
Freude sein Ziel v. 4; seine Klage entschuldigt er damit, daz ein
„sinnic" herze sich beklagen sol des im geschiht. Auch der Spott derer,
die nicht so sinnig sind, wird getadelt, ein deutlicher Beweis, daß das
Lied nicht von Rugge herrührt; denn dieser erwähnt mit keiner Silbe,
daß er je dem Spott verfallen sei. Auch das ist charakteristisch^ wie
Reinmar seine eigene Person herausstreicht. Der empfindliche Reinmar
fühlt gar oft das Bedürfiiiss, seine Tugend mit fremder Ungerechtigkeit
zu vergleichen. — Nach alledem zweifeln wir nicht im geringsten, daß
wir hier ein Lied Reinmars vor uns haben und wie die beiden Kreuz-
lieder, so dient auch es zum Beweise, daß Schmidt der Natur desselben
nicht ganz gerecht geworden ist.
Das nun folgende Frauenlied 192^ 25 verweisen wir mit Haupt
und Schmidt unter die namenlosen Lieder; siehe die Bemerkungen bei
Haupt. Einiges erinnert an die Reinmarischen Frauenlieder, haupt-
sächlich aber scheint Hüsen 54 nachgeahmt zu sein, mit welchem Lied
im Gedankengang und Ausdruck vielfache Berührungen stattfinden.
193, 22. Daß das Gedicht im Gedanken wie vielfach im Ausdruck
Reinmarische Art hat, gibt Schmidt zu ; doch meint er, ein unbekannter
208 R- BECKER
Verfasser habe Reinraar in etwas roher^ ungelenker Weise copirt. Die
Gründe dafür scheinen uns durchaus nicht zu genügen. Der Schluß
der ersten Strophe : nun weiz ich waz ich sprechen sol, wan ich enkan nicht
mere — halten wir keineswegs für prosaisch^ obwohl damit noch nichts
bewiesen wäre, denn auch ein trefflicher Dichter hat seine schw^achen
Stellen; vielleicht könnte man mit mehr Recht der Parallele 156, 30
den Vorwurf machen: mir hat zwivel, den ich hän, al daz ich -künde
gar benomen, — Und wenn Reinmar v. 33 ausruft: hey w^as mauues
was ich do! so klingt das freilich nach unserer Auffassung nicht be-
scheiden, aber es ist doch nicht auffälliger als 192, 15: die sint übel
und ich bin guot . . . Daß Reinmar sehr viel von sich hält, haben wir
schon früher gesehen. Die Stelle wird erläutert durch 184, 31 f. In
beiden Gedichten ist es augenscheinlich die sehr gehobene Stimmung,
an der Schmidt sich stößt. — 194, 14 soll nicht gewählt genug für
Reinmar sein, der Ausdruck aber wird geschützt 'durch 160, 32 und
202, 24. Die Gründe, mit denen demnach dies Lied Reinmarn abzu-
sprechen versucht wird, scheinen uns geringfügig und ohne Gewicht
zu sein. Das Hin- und Herschwanken der Stimmung, der Wechsel
von Selbstgefühl und Verzagtheit ist echt Reinmarisch.
Die in C nun folgende Strophe hat Haupt mit Recht in die An-
merkungen verwiesen; auch Schmidt erkennt sie nicht an.
194, 18. Schmidt spricht das schöne Lied Reinmar ab, weil die
Lebhaftigkeit und Bildlichkeit dem Charakter Reinmarischer Poesie
widerstreben; Lebhaftigkeit gewiß nicht, aber die Ausführung des
schönen Bildes ist bei ihm auffallend. Doch findet sich etwas Ahnliches
180, 10, wo das Bild vom Falken auch durch 6 Zeilen festgehalten wird,
und in dem zweiten Ki-euzlied, welches die Gedanken personificirt.
Daher halten wir für wohl möglich, daß Reinmar das schöne Bild dem
Morunger, mit dem er überhaupt vieles geraein hat, entlehnte, cf. 127, 7:
si kam her dur diu ganzen ougen sunder tür gegangen. Daß das Lied
von Rugge ist, halten wir für sehr unwahrscheinlich. Dieser producirt
sehr wenig neues; deshalb möchten wir auch nicht ihn, sondern den
phantasiereichen Morunger für den glücklichen Finder des Bildes halten.
Die un verbundenen Schlußsätze beweisen nichts für Rugge; in dem
201, 33, das Schmidt trotz seiner schwachen Beglaubigung Reinmarn
zuschreibt, schließen alle fünf Strophen in dieser Weise.
Die folgenden Lieder bis 198, 3 mit Ausnahme von 195, 37;, das
wir mit 199, 25 zusammenfassen, können wir übergehen, da sie als
echt anerkannt werden und zu weiteren kritischen Bemerkungen keinen
Anlaß geben.
ÜBER REINMAU VON RAGEN AU. 209
198, 4 f. Grammatischer Reim. Reinmar verliert nichts, wenn er
dies Lied, wie Schmidt behauptet, niclit gedichtet hat. Der Inhalt der
Frauenstropjicn beweist nicht gej^cn ihn, aber die Raffinirtlieit des
Reimgebäudes bleibt für ihn höclist auffälUg. Bei Keinmar überwiegt
sonst überall, wie Regel richtig bemerkt, die Dichtkunst über die Ton-
kunst; hier dagegen ist die Forin vollendet, der Inhalt ärmlich.
Auf das zweifellos echte Lied 198, 28 folgt ein grosses Frauen-
lied, 199, 25; wir haben 195, 37 aufgespart, um beide Lieder zusammen
zu betrachten. Die Dame spricht ihre Liebe zu dem Ritter aus und
stellt die Gewährung ihrer Minne in sichere Aussicht. Wir sahen, daß
das in der Regel so ist, und deshalb ist der Grund hinfällig, die beiden
Frauenlieder könnten nicht von Reinmar sein, da sie seinem Minne-
verhältniss nicht entsprechen. Freilich hat derselbe zuletzt die Tra-
dition verlassen und in den Frauenliedern die wirklichen Empfindungen
der Dame darzustellen gesucht. Darin ist ihm Hüsen (54, 1) voran-
gegangen, doch behielt derselbe wenigstens das bei, daß — im Wider-
streit mit dem wii'klichen Sachverhalt — die Dame beschließt, den
Ritter zu erhören. In den Liedern 177, 10; 178, 1; 186, 19 dagegen
spricht Reinmar die wahren Gesinnungen der Dame in poetischer Form
aus. Aber dazu scheint er erst allmählich gekommen zu sein , denn
in 151, 1. 17. 33 huldigt er noch ganz der alten Weise.
Wenn demnach auch von dieser Seite aus kein Resultat zu ge-
winnen ist, so ist uns doch 199, 25 sehr verdächtig. Reinmar rühmt
sich zwar 168, 30 seiner Freude, aber die Lustigkeit des Ritters, wie
ihn die Dame im Frauenlied 199, 25 schildert, hat etwas übermüthig
possenhaftes, das wir unserem Dichter nicht zutrauen. Ein objectives
Criterium haben wir nicht, es ist nur ein Gefühl, daß uns veranlaßt,
Schmidt zuzustimmen. Der Charakter Reinmars scheint zu ernst und
tief, sein Scherz, wo er einmal hervortritt, zu fein zu sein, als daß
wir ihm dies Lied zuschreiben sollten, dessen possenhafte Lustigkeit
nichts von der seelischen Tiefe ahnen läßt, welche aller Lieder dieses
Dichters mehr oder minder auszeichnet.
Nicht so bestimmt ist unser Urtheil in Bezug auf 195, 37. Es
scheint uns, wenn auch nicht gerade wahrscheinlich, so doch nicht
unmöglich^ daß Reinmar das Gedicht in früherer Zeit gedichtet habe,
in der er, wie öfters hervorgehoben wurde, an die Neigung der Dame
glaubte. In einem Fraueulied würde 196, 22 um so weniger auffallen,
da die Stelle doch immerhin verblümt ausdrückt, was der Dichter an
anderen Stellen offen fordert oder wünscht. Von dem vorigen Gedicht
unterscheidet sich dieses sehr bestimmt durch das elegische Colorit.
GKUMANIA. Neuo Reihe. X. (XXII.) Jahrg. 14
210 R- BECKER
Die drei auf 109, 25 zunächst folgenden Gedichte hält Schmidt
für echtes Gut Reinmars. Daß er beiden letzten Gedichte in MF
unter die namenlosen Lieder verweist, halten wir für durchaus gerecht-
fertigt. Unentschieden aber ist unser Urtheil wieder über die Wacher-
nagel Reinmar vindicirten Strophen. Entscheidende Criterien können
wir an ihnen nicht entdecken. Doch ist es nicht ganz richtig , wenn
Schmidt sagt, Reinmar klage nie im allgemeinen über den Verfall der
Freude und Sitte ganzen Zeit cf. 172, 23.
Wenden wir noch einmal den Blick rückwärts, um die wesent-
lichen Momente unserer Antikritik zusammenzufassen.
Am meisten stand der Kritik Schmidts die falsche Auffassung der
Persönlichkeit Reinmars im Wege, dem er ein Traurig-sein-wollen zu-
schreibt. Dadurch mußte ihm eine Reihe von Gedichten unverständlich
werden, so vor allem das erste Kreuzlied, sodann 184, 31, 193^ 22 u. a.
Wir legen daher besonderen Nachdruck auf den Nachweis, daß Freu-
digkeit auch Reinmars höfisches Ideal war. Die innerlich wahre Natur
des Dichters zeigte sich uns besonders in dem Einfluß , den seine
Trauer auf sein Dichten ausübte. Mit dem Umschlag der Stimmung
ändert sich auch seine traditionelle Naturempfiudung, auch verschmähte
er in den Klageliedern die Responsion vollständig; beides aber nehmen
Avir für frischere Zeiten in Anspruch. Hiernach sind die Voraus-
setzungen unserer Kritik wesentlich andere als die, von denen Schmidt
ausgeht. Als wichtige Kennzeichen konnten wir wiederholt bestimmte
Charakterzüge geltend machen, namentlich sein Selbstgefühl als Dichter,
seine Empfindlichkeit, das unentschiedene Schwanken und den raschen
Wechsel der Gefühle, Züge, die ihn bestimmt von Rugge unterscheiden.
Auch der Spott, den er von seinen Genossen erfährt, ist für ihn cha-
rakteristisch. Was das Sprachliche anlangt, so verwendet Schmidt das
Bild, das er in dieser Beziehung von beiden Dichtern entwirft, wie uns
scheint, in der Kritik der einzelnen Lieder nicht consequent genug;
109, 9 f. und 184, 31 müßten z. B. nach seiner eigenen Schilderung
der stilistischen Eigenthümlichkeiten Reitimars und Rugges auf des
erstereu Seite fallen. Auch die Liederbuchtheorie scheint uns nicht
mit Glück für die Kritik verwerthet zu sein. Daß das niuwe den
Anfang einer Sammlung beweisen sollte, schien uns eine willkürliche
Annahme. Daß 180,28—186, 18 ein Einschub Ruggescher Lieder sei,
erscheint, auch abgesehen von der Einzelkritik, schon dadurch in Frage
gestellt zu werden, daß die betreffenden Lieder sämmtlich vielstrophig
sind, während fast alle Lieder Rugges nur aus einer Strophe bestehen.
ÜBEK ItKlNMAK VON RAGKNAU. 211
Zu den Liedern, welche Keinmar mit großer \Vaiirt>clieinlichkeit
zugesprochen werden müssen, rechnen wir 180,28; 181, 13; 184,31;
185, 37; 191, 34; 193, 22 und 109, 9—110, 25 auch 190, 27 halten wir
für Reinmarisch, wenngleich, vielleicht in Folge der Kürze des Ge-
dichtes, unbedingt entscheidende Criterien sich nicht finden; dagegen
sind ihm mit überwiegenden Gründen abzusprechen 182, 14; 192, 25;
199, 25; 203, 10; 203, 24; 198, 4. Bei einigen Gedichten mußten wir
mit unserem Urtheil zurückhalten, nämlich bei 183, 9; 183, 33; 194»
18 und 195^ 37, obwohl wir an der Möglichkeit, daß sie von Keinmar
herrühren können, entschieden festhalten.
II. Reinraars Leben und Chronologie der Gedichte.
Nachdem wir zu dem Resultat gelangt sind, daß die Gedichte,
welche in M F Reinmar zugewiesen sind, ihm mit wenigen Ausnahmen
erweislich angehören oder doch nicht mit genügenden Gründen abge-
sprochen werden, gehen wir dazu über, die Andeutungen über sein
Leben und Lieben, welche sich in den Gedichten finden, zusammen-
zufassen und in Verbindung damit eine chronologische Ordnung der
wichtigsten Lieder zu geben. Es können hier natürlich nur die Grund-
züge gezeichnet werden , denn stoffliche Andeutungen sind wie in der
mild. Lyrik überhaupt, so besonders bei Reinmar sehr selten. Um
aber doch eine zusammenhängende Darstellung zu gewinnen, werden
wir an einigen Stellen, manches, was schon im ersten Theil besprochen
wurde, noch einmal kurz berühren müssen.
Zunächst einiges über die äußeren Verhältnisse des Dichters.
Auch hier sind wir fast ganz auf die Andeutungen verwiesen, die sich
in den Liedern finden. Daß Reinmar ritterlichen Geschlechtes war, er-
gibt sich mit voller Sicherheit sowohl aus der Gesammthaltung der
Gedichte, als auch aus einzelnen Stelleu, wie 150, 15. Auch die Hand-
schriften nennen ihn her, herre. Über die Heimath des ritterlichen
Sängers ist noch nichts sicheres ermittelt. Gewöhnlich nimmt man
an, daß die von Gottfried so hochgepriesene Nachtigall von Hagenau
(Tristan v. 4777) unseren Reinmar bezeichne und daß der Zuname
von der bekannten elsässischen Stadt gleichen Namens als seiner Heimat
herrühre. Nun aber scheint der Dichter im späteren Leben sich nicht
am Rhein , sondern am Hofe der babenbergischen Fürsten aufge-
halten zu haben. Der Klagegesang auf Leopolds Tod MF 167,
31 f. bezieht sich nämlich wahrscheinlich auf Leopold VI. Derselbe
starb in den letzten Tagen des Jahres 1194. Daß Reinmar den dahin-
geschiedenen Fürsten in jenem schönen Lied betrauert , setzt eine
14*
212 R BECKER
nähere Verbindung mit dem Hof zu Wien voraus. Daher wird man
denn auch vermuthen dürfen, daß die Herrin, welche zu den meisten
Gedichten den Anhiß gab, einem österreichischen Geschlecht angehörte
Nnn könnte man recht wohl glauben, daß der Glanz des babenbergi-
scheu Hofes, an welchem die junge lyrische Kunst so eifrige Pflege
fand, den jugendhchen Dichter verlockt habe, seine rheinische Heimath
zu verlassen, um sich an jenem berühmten Sammelort ritterlichen Le-
bens und Treibens ein neues Heim zu suchen. Doch steht dieser An-
nahme, welche besonders Regel vertritt, ein gewichtiges Bedenken
entgegen. Es scheint nämlich, daß Reinmar nicht wie AValther auf die
Geschenke des Hofes und der Vornehmen angewiesen war, sondern
sich in einer äußerlich durchaus sorgenfreien Lage befand. Mit Recht
macht Regel zum Beweis dafür die Stelle 168, 32 geltend: michn be-
swaere ein rehte herzeclichin not, min sorge ist anders kleine; ganz
ähnlich lautet 175, 15: ich bin aller dinge ein saelic man, wan des einen
da man Ionen sol — wo mit dem einen natürlich der Minnesold gemeint
ist, der nach ritterlicher Ansicht treuem Dienst gebührt. Wie hat man
sich nun aber diese sorgenfreie Existenz zu erklären? Wenn der
Dichter seine rheinische Heimat dauernd verließ, so liegt der Schluß
nahe, daß er dort nicht eben viel zu verlieren hatte. Sollen wir aber
annehmen, Leopold VI. habe dem gleich manchem andern herbeige-
wanderten Sänger sogleich mit einem ausreichenden Lehen ausgestattet?
Die Erfahrungen Walthers sprechen dafür, daß man an den kunst
liebenden Hof zu Wien sich in der Freigebigkeit doch zu begrenzen
wußte. Später gelang es diesem, von Kaiser Friederich H. , sowie
Neidhart, von Herzog Friedrich H. von Osterreich Lehen zu erhalten,
doch lassen beide Dichter in ihren Dank die Bemerkung einfließen,
daß die ihnen ertheilten Güter kaum hinreichten, ihr Leben zu fristen.
Diese Schwierigkeit fände die einfachste Lösung, wenn Reinmar gar
nicht ein Rheinländer, sondern ein Österreicher wäi-e. In der That
erwähnt Wagernagel im Wörterbuch ein österreichisches Hagenau. Die
einfachste und natürlichste Annahme ist demnach wohl die, daß Rein-
mar in Osterreich geboren ist und dort ein ausreichendes Erbe be-
sessen hat.
Eine andere Ansicht theilt Schmidt im Eingang seiner Schrift
über Reinmar und Rugge mit. Prof. Schmidt in Straßburg hat in einem
Aufsatz über Gottfried de Haguenau, poete du treizieme sifecle die
Vermuthung ausgesprochen, daß Reinmar ein Verwandter jenes Gott-
fried, also ein Mitglied des straßburger Geschlechtes von Hagenau ge-
wesen sei. E. Schmidt stimmt dem zu mit der Bemerkung, daß das
ÜBER REINMAK VON IIAGENAU. 213
Lob Guttfriuds im Tristan dcmiiacli durch LuicalpHtriotibmus im VVärmo
möge gewonnen haben. In der That hat die Vermuthuug etwas be-
stechendes, nur bleibt daini die soeben von uns dargelegte Schwierig-
keit bestehen. Der Dichter lebte in ganz gesicherter äußerer Lage.
Wäre er aber im Elsaß begütert gewesen, so hätte er schwerlich seine
Ileimath dauernd mit dem österreichischen Hof vertauscht. Der Grund,
daß dort seiner Reflexionspoesie reicherer Ruhm und regere Aner-
kennung zu Theil werden mußte (p. 3), genügt nicht zur Erklärung;
wir haben schon im ersten Theil gesehen, daß zu Reinmars Lebzeiten
seine Anerkennung als Dichter durchaus nicht so allgemein war, als
nach seinem Tode. Zudem ist in den früheren Gedichten der hohen
Minne der spätere Charakter seiner Lyrik noch wenig entwickelt, so
daß die Eigenthümlichkeit derselben in der Jugend des Dichters kaum
als genügender Grund für einen so wichtigen Entschluß gelten kann.
So lange demnach nicht ganz bestimmte Nachweisungen über die Hei-
math des Dichters erfolgen, wird man ihn für einen Österreicher
halten müssen.
Daß die uns erhaltenen Minnelieder sich ausschließlich auf hohe
Minne beziehen, suchten wir oben zu erweisen. Dieser aber ging —
und hierin sind wir mit Regel und Schmidt einig — eine niedere vor-
aus, wie sich aus 174, 27: diu mich vil uustaeten man betwungen hat
und aus 197, 26: war zuo sol ein unstaeter man? daz was ich e: nu
bin ichz niht — zu ergeben seheint. Zwar nennt sich der Dichter
hier zunächst nur unstaete, daß aber seine früheren Minneverhältnisse
nicht vornehmen Frauen galten, ergibt sich aus der Art, wie er sich
über den Beginn seines Dienstes bei der neuen Herrin ausspricht 170, 8:
mich betwang ein maere, daz ich von ir horte sagen^ wie si ein
vrouwe waere diu sieh schone künde tragen. Auch 157, 11; ich
wände ie, ez waere ir spot, die ich von minnen grozer swaere horte
jehen — scheint in Verbindung mit 174, 27 und 197, 26 zu verrathen,
daß er in der Jugend in niederer Minne behaglichen Zeitvertreib fand*).
Nach Seiners päteren Auffassung war er damals „ringes muotes", er strebte
also nicht nach dem, was höfisch war und einen Ritter wert machte,
bis er eines wibes, d. h. der hohe Herrin Rede vernahm. Diese war
*) Irrig führt Kegel a. a. O. auch 190, 12—15 au: wände waere er (seil: wan)
von mir anderswji, da müest iedoch wän bi tröste sin. Das „von mir" müßte nach
seiner Auffassung gleich min wän sein. Offenbar geht das anderswä auf die Herrin.
Sehnte sie sich nach ihm, so will er sagen, so würde er nicht so hartherzig sein,
solchen wän ohne Trost zu lassen. Auch 160, 12 f. und 201, 12 f. deuten wir anders
als Regel; siehe später.
214 R. BECKER
also die erste und wahrscheinlicli auch die einzige hohe Herrin, der
er diente. Wir sehen hier zugleich, wie Reinmar ein Kind seiner Zeit
war. Es war im Anfang keine Leidenschaft, welche ihn in den Dienst
der Herrin zwang, er strebte vielmehr nur nach dem Ideal seiner
Zeit, ein werther Ritter zu werden im Dienst einer hohen Frau.
In welchem Alter Reinmar der niederen Minne den Abschied
gab, um auf weiser Leute Rede und nach seines eigenen Herzens Rath
jener hohen Herrin zu dienen, läßt sich nicht genau ermitteln. Zwar
bemerkt er 162, 27, sie habe ihm in der Jugend „mit ir wol schoener
zuht" die Freude abgebrochen, aber je älter man wird, um so weiter
pflegt man in der Erinnerung seine Jugendzeit auszudehnen. Daß der
Dichter nicht mehr ganz jung war, geht aus dem Liedc 156, 27 f. her-
vor. Er klagt nämlich 157, 16, solle er ihr volle ein jär unmaere sein,
so müsse seine Freude ohne Trost zergehn. v. 4 aber heißt es: ich
alte ie von tage ze tage und bin doch hiute nihteswtser danne vert.
Also noch nicht ein Jahr nach seiner Abweisung gedenkt er des
Alterns; bei einem ganz jugendlichen Dichter wäre das doch nicht
natürlich cf. auch 174, 27: vil unstaeten. Auf der anderen Seite aber
ist zu bedenken, daß in den ersten Gedichten eine bestimmte dichte-
rische Individualität noch nicht entwickelt ist. Das warnt uns, die
Zeit seiner unstaete, aus der uns leider keine gut beglaubigten Ge-
dichte erhalten sind, zu weit auszudehnen.
Der dichterich so reich begabte Ritter scheint im Anfang schnell,
wenn nicht geradezu Neigung, so doch freundliches Gedenken bei der
Herrin gefunden zu haben*). Obwohl er eigentlich nie das Ziel seiner
Wünsche erreichte, ist er ihm doch im Anfang am nächsten gewesen.
Gerade diejenigen Lieder, welche offenbar zu den späteren gehören,
wie 198, 28. 185, 27 u. A. wissen nichts von irgend welcher Erhöh-
rung; dagegen gibt der Dichter au vielen Stellen zu erkennen, daß
im Anfang eine gewisse Annäherung stattgefunden hatte. In dem
frühen Liede 154, 17 singt er: ir gruoz mich minnecliche enphie. vil
gerne ich ir des iemer lone. Reinmar hatte in jener ersten Zeit bei der
Herrin stetigen Zutritt. 153, 25: ich sach si, waene ich, alle tage, daz
*) V. d. Hagen MS. IV, 241 meint gerade umgekehrt, erst durch langen Dienst
liabe der Ritter die Gunst der Herrin errungen, sicher irrig. Einige Gedichte scheinen
zwar Liebesglück anzudeuten, aber z. Th. sind sie wie 182, 14. 203, 10 unecht, z. Th.
gilt von ihnen, was der Dichter 180, 1 f. sagt: ich was mines muotes ie so her, daz
ich in gedauken dikke schone läc. daz wart mir uud wart och mir uiht mer. Schmidt
p. 36 ist der Ansicht, der Dichter werde zuerst lange Zeit gänzlich verschmäht; dann
wende sich ihm die Dame zu, um ihn zu Verstössen, sobald er von Liebesgenuli rede.
ÜBER REINMAR VON IIAGENAIJ. 215
mich daz icraor wunder hat, daz ich uiht redete, swaz icli wolle. Ja,
nachdem bereits eine gewisse Verstimmung von Seiten der Herrin ein-
getreten war, war es ilim noch vergönnt, sie zu selten 174, 12 ff.
170, 29; aber in letzterem Lied v. 25 heißt es doch nocli: nie kund
ich ir näher kernen. Doch sollte er auch allmählich noch weiter als
bis zum Gruß und zum Sehen kommen. 152, 14 erzählt der Dichter,
eine liebe Nachricht sei ihm zugekommen; ebenso ist 110, 17 f. von
einem maere die Rede, in dem die Dame ihm mittheilte, wenn er sie
zur Freundin gewinnen Avolle, so möge er sich vor „unstaete" hüten.
Auch 158, 39 läßt vermuthen , daß er im Anfang mehr hoffen durfte,
als er später erreichte (ist mir da raisselungcn an, doch gab ichz wol,
als ez da lac). Noch weiter führt uns 164, 21 f., aus welcher Stelle
hervorgeht, daß er einmal in der Lage war, die Herrin allein sprechen
zu können. Er macht sich später bittere Vorwürfe darüber, daß er
die günstige Gelegenheit zum Sprechen nicht wahrnahm. Ausführlich
beschreibt er 152, 25, wie ihm die Schüchternheit der Liebe den Mund
verschloß, obgleich er wohl weiß, daz „ein zage unsanfte ein sinnic
wip bestät" cf. auch 153, 32.
Der Lieder, welche der ersten hoffnungsvollen Zeit angehören,
sind nicht viele. Möglich ist, daß uns nicht wenige fehlen, vielleicht,
weil es später der veränderten Geraüthsstimmung des Dichters nur
mehr wenig entsprach , sie zu erhalten. Von den uns vorliegenden
Gedichten scheint jener Zeit zunächst 156, 10 anzugehören. In diesem
frischen, einstrophigen Lied bittet er Gott, daß er, wenn er in die Heimath
zuräckkomme , die Geliebte sehen dürfe und al ir swaere büeze . . .
owol mich danne langer naht! Ferner sind hierher zu stellen die
Wechsel 151, 1 f. 151, 17 f. 151, 33 f. In den beiden letztgenannten
Liedern tritt zwar schon der Zweifel auf, aber die Hoffnung überwiegt.
Der Bau der Strophen und die Syntax sind in 151, 1 und 151, 17
noch sehr einfach. Reim Verbindung a. b. a. b. — c. d. c. d. Zu 151, 33
stellen wir auch den Wechsel 110, 8, in dem die Herrin in freund-
licher Weise vor „unstaete" warnt. In den beiden Gedichten ist der
Satzbau schon verhältnissmäßig entwickelt. Wenn 183, 33 Reinmar
angehört, so muß auch dies Lied in frühe Zeit fallen. Er singt hier,
mit dem grünen Laub sei auch seine Noth vergangen durch ein Weib :
ich hän si mir ze friunde bereit, svvaz ieman seit. Manche anderen
bemühen sich auch, doch ist mir nicht bange, sie wissen nicht, wie es
seit kurzem ergangen ist. In stilistischer Beziehung sehr einfach ist
das Lied 154, 5. Der Dichter dient der Dame schon einisfe Zeit, ohne
doch etwas erreicht zu haben. Trotzdem ist er noch guten Muthes.
216 ß- BECKER
Wie 156, 21 ei' alle ihre swaere büezen will , so will er hier es ihr
immer lohnen, daß ihr gruoz ihn minniglich empfing. Wir sehen hier-
aus, daß er noch ein gewisses Selbstgefühl der Dame gegenüber hat.
Eine gewisse Ähnlichkeit mit diesem Lied hat 150, I f. Der für ritter-
liche Ehre begeisterte Dichter feiert die Herrin, doch hat nach v. 7 ff.
das Verhältniss schon etwas an Unbefangenheit verloren. Den Neidern,
die sprechen: wes toert sich der, antwortet er, nur ein Thor könne
so fragen, wan nieman in der weite lebt, ern vinde sines herzen küne-
ginne. In allen diesen Gedichten ist die Sprache meist einfach, aber
frisch, die Klage ist kaum angedeutet, die Empfindung geht noch nicht
tief, sie ist noch ohne die Leidenschaftlichkeit der mittleren und ohne
das nachdenkliche Gesicht der letzten Periode.
Was nun der eigentliche Grund war, daß das Verhältniss trotz
des guten Anfanges doch bald einen so ungünstigen Verlauf nahm und
nehmen müßte, haben wir im ersten Theil ausführlich dargelegt. Ge-
rade der Umstand, daß die Dame seinen Dienst zwar freundlich annahm,
im übrigen ihn aber klug fern zu halten wußte , scheint ihm immer
fester gefesselt zu haben. Er blieb nicht, wie so viele, in conven-
tioneller Galanterie wurzeln. Hatte er es früher für Scherz gehalten,
wenn man von großer Minnenoth redete, so empfand er nun ihre
„swaere" bald mehr als andere. Seine Lieder, welche vielfach so wun-
derbar zart und tief seinen Gefühlen Ausdruck geben, legen Zeugniss
davon ab, daß sein Gemüth bald von tiefer und starker Erregung
ergriffen wurde. Weil er sich aber den Minnedienst so ungewöhnlich
nahe gehen ließ, wurde er vielfach der Spott der glatten höfischen
Gesellschaft 150, 22. 158, 11 und 19. 165, 14. 166, 27. 167, 13. Jeden-
falls war die tiefe Leidenschaft, welche er nun offenbarte, seiner Um-
gebung unverständlich. Daher wunderte man sich 188, 13, daß er „so
riuwcciichen klage" und kam nach 166, 11 auf den Gedanken, daß er
„ze spotte künne klagen". Sein naiver Idealismus mußte mit der höfischen
Sitte bald in Conflict kommen. Was er in Gutem nicht erreichen
konnte, hoffte er übereifrig durch Drängen zu erlangen cf. 152, 34 ff.
Wenn er sich auch die beste Gelegenheit hatte entgehen lassen, so war
es ihm doch noch möglich, seine Bitte vor sie zu bringen 173, 6. 161,
34. 179, 16. Dieses fortgesetzte Bitten scheint der Herrin bald lästig
so geworden zu sein, daß sie wiederholt dem begehrlichen Mann sagte,
er möchte es lassen, da er doch nicht zum Ziele käme 174, 12 f. „und
tuot noch hiute, swanne si mich siht". Anziehend läßt der Dichter die
Dame in dem Botenlied ihre Meinung aussprechen 178, 22: spreche
er daz er welle her, daz ichs iemer lone dir^ so bit in daz er verber
ÜHKR KEINMAK VON IIAGENAU. 217
rede dier jungest sprach zc mir: so mac ich in ungesehon. lu duju-
sclben Licdo bekennt die Dame übrigens unumwunden ihre Neigung
zu dem Sänger: ich bin im von herzen holt und saehc in gcrncr dennc
den lichten tac. AusführHch beschreibt Reiumar den Verhiuf seiner
unglückHchen Liebe in dem für uns höchst wichtigen Lied KiO, ß ff.
Nachdem er sich mit seiner Bitte schon oft an sie gewandt hat, fragt
sie cndhch zu seinem großen Verdruß, um welche Gnade er denn bitte.
Die entscheidende Stelle lautet 161, 2 f.: ich weiz wol, waz mich hat
betrogen: du seite ich ir ze gar, swaz mir leides ie von ir geschach
unde ergap mich ir ze zere. Da sie das vernommen, habe sie ihm
Leid zu jeder Stunde entboten und zuletzt in Folge eines neuen Zornes
ihm sogar die Rede über sie verboten.
Zunächst zeigen einige Lieder den Dichter in innerer Unruhe
Er hofft noch die Geliebie zu gewinnen, doch fürchtet er die Ver-
läumdung der Neider und Feinde. Unbedenklich darf man wohl
170, 1 hierher stellen, ein Lied, in dem die Trennung von dem Geliebten
noch nicht vorausgesetzt ist. Daß ihn die Herrin noch nicht erhörtCj
schreibt er, willig sich selbst zu täuschen, denn Umstand zu, daß sie
seine klagende Rede nur selten vernommen habe*), während er später
recht wohl erkennt, duß er zu viel klage (165, 12 f. 194^ 14). Den
durch ihre Gegenwart lästigen Gesellen, die doch selbst nicht reden
können, gibt er zu bedenken, daß es höfisch wäre, wenn sie von dannen
gingen, statt andern durch ihre GegenAvart freie Rede mit der Herrin
zu wehren. Man sieht, der noch durch keine Abweisung Gedemüthigte
glaubt durch ein gutes Wort zu gelegener Stunde gewinnen zu können.
Auch hier sind Stimmung und Ausdruck noch frisch, v. 14: also grOs
als umbe ein här. v. 19: österlicher tac v. 21. In ganz ähnlicher
Situation sehen wir den Dichter 109, 9 f. Wenn er in dieser Sommer-
zeit doch zwei Tage und eine gute Nacht mit ihr ungestört reden
könnte, so hörte gewiß sein Trauern auf. ouch läze ichs unversuochet
niht. Doch steckt er schon tiefer in der Sorge und der Zweifel an der
Erfüllung seiner Hoffnung spricht sich bereits charakteristisch in den
vielen condicionalen Elementen des Ausdruckes aus. Noch auffallender
häufen sich die Condicionalsätze in 173, 6. In diesem Lied sind die
Hoffnungen des Dichters bereits sehr gedämpft, denn schon manche
vergebliche Bitte, manche ehrliche Versicherung, die ohne Erfolg blieb,
hat ihn belehrt, daß seine Aussicht, die Herrin zu gewinnen, nicht sehr
groß ist; aber sie hat ihn doch auch noch nicht entschieden abge-
'') Oder bedeutet das selten auch hier geradezu so viel als die pure Negation?
218 K. BECKER
wiesen, si nimt miner swachen bete vil kleine war und v. 22 : si weiz
wol, swie lange si mich biten lät daz ichz doch der bitende bin. In
diese Zeit fallen auch 152, 34. 153, 5 und 33. Eine schon weiter
fortgeschrittene Situation zeigt uns das Lied 174, 3. Er hat varender
vröuden vil, aber so oft er lachen will, verbietet es ihm das Herz, denn
die Herrin will nicht an seinen Dienst glauben. Sie begnügt sich
aber nicht mehr damit, auf seine Bitte nicht zu achten, sondern schon
oft hat sie ihm gesagt, daß er es ließe, er möchte nimmer zu Ende
kommmeu und tuet noch hiute swanne si mich siht. Sie hoffte damals
wohl noch, der Dichter, der erfolglosen Arbeit müde, werde von seinen
Bitten ablassen. Reinmar zeigt in diesem Liede bereits alle Eigen-
thümlichkeiten seines Stils, besonders die Antithesen und die Ausrufe
mit we und owe, die sich von nun an so häufig bei ihm finden. In
seiner Stimmung ist er schon ganz verzagt, er ist dem übermächtigen
Geflihl gegenüber ohnmächtig; kaum erinnert noch ein Ausbruch wie
V. 30: „we wan haete ichs do verläzen" an den „vil unstaeten" man
von früher.
Da sich nun Reinmar nicht abweisen ließ und fast ungestüm die
verlorene Gunst der Herrin wieder zu gewinnen suchte, mußte dieselbe
zuletzt einen entschiedenen Schritt thun, 161, 6: do si daz vernam daz
ich niemer von ir kernen künde, du was si mir iemer mere in ir herzen
gram unde erbot mir leit ze aller stunde, also hän ich si verlorn, und
wil nu, dest ein niuwer zoru, daz ich si der rede gar begebe. Nun
sieht er freilich ein, was ihm den Schaden gemacht hat (daz ich si
niht verholen künde, swaz mir war); aber doch kann er es nicht be-
greifen und fragt vorwurfsvoll: sol mich daz verjagen daz ich si sach
unde ich euch dar under ihtes hän gegert, daz ich solte hän verswigen
180, 22. Nach diesem neuen Zorn fand, wie es scheint, gänzliche Ab-
öchheßung Reinmars von jedem Verkehr mit der Dame statt, cf. 179, 6 f.
201, 26 und 197, 30. Aber obwohl nichts mehr zu hoffen ist, findet
er nicht die Kraft ihr zu entsagen und um nicht ganz hoffnungslos zu
sein, spiegelt er sich vor, sie wolle durch die Abweisung nur seine
Treue erproben 161, 29 f.^ oder er tröstet sich, sie zürne nicht so sehr,
als sie sich den Schein gebe 166^ 35. Auf das Verbot, sie fernerhin
zu besingen, antwortet er nicht ohne Selbstgefühl, wenn sie es nicht
selbst gebiete, werde er nun überhaupt nicht mehr singen 164, 10.
Die Erklärung scheint nicht ganz erfolglos gewesen zu sein. Die
Herrin, welche seinen Gesang schätze, lenkte ein und ließ ihn auf-
fordern, frohe Weisen anstatt der beständigen Klagelieder anzustimmen
189,15. 187,9 und 21. 177,22. Die typischen Naturschilderungen
fTBER REINMAR VON H AGENAU. 219
lagen ihm zu keiner Zeit sehr nahe, doch hatte er sie früher wohl
hie und da verwandt, aber nun setzt er sich dazu in dirccten Gegen-
satz. Das Leben in der Natur wird ihm bedeutungslos, da sein eigenes
Leben so schwere Nöthe zu bestehen hat. Auch mit der höfischen
Sitte befindet er sich nicht mehr im Einklang. Er trauert zu viel,
verfällt dem Spott und entfernt sich von seinen Genossen mehr und
mehr. Durch die Klage klingt oft die Erinnerung durch, daß er früher
anders gewesen sei.
Welche Gedichte nun nach dem ersten Zorn anzusetzen sind,
läßt sich nicht genau bestimmen ; diejenigen aber, welche sich auf das
Verbot, die Herrin fernerhin noch zu besingen, beziehen, setzen damit
jedenfalls den neuen Zorn voraus. Dieser letzten Steigerung müssen
jedenfalls auch die 3 Gedichte angehören, in welchen die gänzliche
Abschließung von der Herrin vorausgesetzt ist, wenn dieselbe nicht
gar eine neue und letzte Maßregel gegen das unhöfischc Drängen des
Dichters war.
Ziemlich früh, vielleicht noch vor die erste entschiedene Ab-
weisung, ist das ungemein lebhafte und bewegte Gedicht 158, 1 zu
setzen. Kaum wagt der Dichter noch zu hoffen, daß ihm die zu Theil
werde, an der aller seiner saelden wän liege und doch könne er sie
nicht lassen : stirbet si, so bin ich tot. hat si mir anders niht gegeben,
so erkenne ich doch wol senede not. Die ganze Haltung des Ge-
dichtes, besonders der unmittelbaren Lebhaftigkeit des Gefühles und
der entschiedene Kampf gegen die Spötter und Neider, denen die Haupt-
schuld beigemessen wird, sprechen dafür, daß das Gedicht in den
Anfang dieser Periode zu setzen ist. An ungestümer Aufregung wird
es aber noch von 196, 35 übertroffen, wo sich Reinmar gegen den
Vorwurf der „unmäze" vertheidigt. ungefüeger schimpf bestet mich alle
tage : si jehent, daz ich ze vil gerede von ir und die liebe si ein lüge
diech von ir sage. Hätte die Herrin damals ihm schon die Rede über
ihn verboten gehabt, Reinmar hätte das hier erwähnen müssen. Daher
fällt das Gedicht wohl vor den zweiten Zorn. Fast scheint es, daß
vor dem Eingreifen der Herrin seine Genossen durch ihre Vorstellungen
ihn zur Mäßigung zurückzuführen suchten, aber freilich, ohne etwas
anderes bei ihm zu erreichen, als daß er sie nun auch als Neider und
Feinde betrachtete. Nicht ganz so verzagt, aber ebenfalls sehr be-
wegt ist das Lied 165, 10 f. Der Dichter erkennt, daß die Freunde
seine Klage verdrießt. Die Hochgemuthen werfen ihm vor, er übertreibe
seine Liebe. Um ihnen zu zeigen, wie sehr es ihm mit wahrem Frauen-
dienste Ernst ist, stimmt er jenen schönen Lobgesang auf das Weib
220 1^ BECKER
an, den Walther in der Todtenklage Reinmars so besonders auszeichnet.
Manche andere Gedichte, welche vielleicht noch vor dem zweiten Zorn
gedichtet sind, zeigen einen weniger leidenschaftlichen Charakter. Wir
nennen hier noch, doch ohne für die Zeitbestimmung eintreten zu
wollen, 170, 36 und 159, 1 f. Bemerkenswerth ist in letzterem Lied
besonders v. 19 f.: als eteswenne mir der lip dur sine boese uustaete
ratet daz ich var und mir gefriunde ein ander wip, so wil iedoch daz
herze niene wane dar. Etwas später spricht sich Reinmar noch deut-
licher aus 160, 12: künde ich mich dar hän gewendet, da manz dikke
bot minem libe rehte als ich wolte, ich het eteswaz verendet. Eine
dritte Stelle dieser Art findet sich 201, 12: ich solte da beliben sin,
da man mi's tougentichen bat. Die zwei letzteren Stellen führt Regel
p. 181 als Beweise für die niedere Minne des Dichter an, aber 160,
12 wenigstens ist der Freundlichkeit anderer Frauen offenbar im Ge-
gensatz zu der Härte der vielbesungenen Herrin gedacht; Frauen
niederen Standes hätten jedoch mit dieser gar nicht verglichen werden
können. Daher darf man annehmen, daß, während Reinmar sich ver-
geblich um die Neigung der einmal erwählten Herrin bewarb, im Stillen
andere Frauen von adeligem Geschlecht , vielleicht durch seinen
Dichterruhm bestochen, ihm ihre Gunst zuwandten, die er jedoch jener
zu Liebe beharrlich verschmähte. Wenn die Lieder 151, 1—152, 24
mit genügenden Gründen der hohen Minnen abgesprochen werden
könnten, so würde man sie passend auf ein solches Verhältniss be-
ziehen, wie es in 160, 12 und 201, 12 vorausgesetzt wird.
Zu den Liedern , welche den zweiten Zorn voraussetzen , gehört
vor allem das schon oft citierte Lied 160, 6, sodann auch das wichtige
Lied 163, 23 f.*). Der resignierte Dichter hat jetzt nur noch den kleinen
Trost „swaz geschehen sol, daz geschiht". Nachdem ihm nun sein
Gesang so wenig geholfen hat, erklärt er bestimmt, er werde nun
schweigen, bis die Herrin ihn zum Singen auffordere. In dem schönen
Botenlied 177, 10 nimmt Reinmar auf jene Erklärung Bezug und gibt
in den Erwägungen, die er der Dame in den Mund legt, zu verstehen,
daß sie nicht ganz erfolglos geblieben war (v. 22). Das Avird durch
*) Haiijit trenut die 7 Strophen dieses Tones in 4 Theile. Wackernagel im
Lesebuch dagegen scheint die ersten 6 Strophen als ein zusammenhängendes Lied zu
betrachten. Die letzte Strophe stimmt nicht recht zu den anderen und scheint, wie
Schmidt bemerkt, früh gedichtet zu sein. Nach 177, 10 könnte man freilich an-
nehmen, daß der Dichter sie doch zu den anderen rechnete. Die 3 Antworten des
Boten scheinen sich nämlich auf 165, 1. 164, 2 und 164, 10 zu beziehen, doch kann
die erste Antwort des Boten auch auf 163, 23 gehen.
ÜBER REINMAK VON HAGENAU. 221
189, 14 f.^ wie wir schon gesehen haben, bestätigt. Die; Dame hatte
ihn zu fröhlichem Gesang auffordern lassen, aber der Dichter deutete
ihr an, so lange er ungetrfistet sei, könne er nicht „wol uäcli fröiden"
singen. Dies Gedicht ist also, wie auch 177, 10 baki nach 163, 23
gedichtet*). Den neuen Zorn setzt auch 186, 19 voraus, v. 6 und 16
deutet der Dichter an, wie auch sonst öfters, daß es der Dame doch
nicht ganz Ernst mit ihrem Zorn gewesen sei. Zu der Bemerkung
mir ist lieber daz er bite. danne ob er sin sprechen lieze ist zu ver-
gleichen 173, 22 sowie 171, 11. In diese Zeit scheint ferner 156, 27
zu fallen. Nach 157, 7 erkennt er als den Grund des Zornes seiner
Dame: daz ich si niht verholen künde swaz mir war. v. 16 zeigt,
daß die Trennung schon längere Zeit bestand, aber doch noch nicht
ein ganzes Jahr.
Wir lassen es, wie schon bemerkt wurde, unentschieden, ob die
drei nun folgenden Gedichte, welche die äußere Abschließ ung des
Dichters von der Herrin andeuten, dem zuletzt beschriebenen Studium
der Entwickelung angehören ; in diesem Falle würde die Abschließung
zugleich mit dem Verbot der rede erfolgt sein. Dafür scheint 164,
19 f. zu sprechen: owe, do ich danne muoste gen, wie jaemerlich ich
umbe sach, in welcher Stelle vielleicht gerade der Beginn der äußeren
Trennung geschildert ist. Jedenfalls gehört das Gedicht 179, 3 f.,
eines der schönsten Lieder, welche Reinmar gedichtet hat, der Höhe
der Entwickelung an. miner ougen wunne — so klagt er — lät mich
nieman sehen, diu ist mir verboten gar. nu verbieten also dar und
hüeten, daz si sich erwüeten! we wes nement si sich war? Wir er-
kennen aus diesem Gedicht aber auch, daß man guten Grund hätte,
den Dichter zu entfernen. Denn um das Gerede des Böswilligen zum
Schweigen zu bringen, gibt er 180, 1 f. der Herrin gegenüber gewisser-
maßen eine Ehrenerklärung ab. Daß die „valschen maeren" auch
späterhin nicht verstummten, zeigt 195, 18. Dieselbe gespannte Si-
tuation, wenn auch nicht ganz den hohen Flug, erkennen wir in 197,
15. Auch in diesem Gedicht hält er es für Glück und Freude genug,
wenn ihn Jemand die Herrin nur sehen lasse. Manchen guten Mann
beneidet er darum, daß sie ihn gerne sieht, weil er gut zu sprechen
weiß. Doch ist des Dichters Trost, daß sie das nicht lange Jahre
thäte V. 39. Die Stelle bcAveist, daß Reinmar selbst eine Reihe von
Jahren bei der Herrin Zutritt hatte, bis ihm die Thüren verschlossen
*) Kegel p. 173 setzt das Lied des uureineu Reimes wegen in ganz frühe Zeit;
daß das durch den Inhalt unmöglich gemacht wird, ergibt sich aus obigem. Reinmar
hat also auch in den Zeiten seiner dichterischen Reife unreinen Reim nicht gescheut.
222 R- BECKER
wurden. Daß demgemäß auch die bisher geschilderte Entwickehmg
der Liebe Reinmars eine geraume Zeit in Anspruch nahm, wird neben
dieser' entscheidenden Stelle auch gestützt durch 158, II. 157, 1. 171, 6,
wobei freilich vorausgesetzt ist, daß die Einordnung dieser Gedichte
in den Gang der Entwickelung, wie wir sie vorgeschlagen haben, im
wesentlichen richtig ist. Den zwei zuletzt besprochenen Gedichten
reihen wir noch 201, 12 an. Auch hier hat der Dichter, wie es scheint,
zur Herrin keinen Zutritt (v. 26), ja er besorgt sogar, daß ein anderer
von ihr Lohn empfange.
Es findet sich eine Reihe von Gedichten, welche aus verschiedenen
Gründen sich in den Rahmen der bisher geschilderten Entwickelung
nicht wohl einfügen lassen. In denselben zeigt sich im Allgemeinen
eine weniger gespannte Situation, als in den früheren Gedichten, sofern
sie nach den ersten Zorn fallen, auch tragen sie nicht im gleichen
Grade den Charakter leidenschaftlichen Ringens und Begehrens. Die
Vorwürfe, welche man vorher dem leidenschaftlichen Dichter gemacht
hatte, sind verschwunden ; von seiner Schuld ist nicht mehr die Rede.
Das Verhältniss zur Herrin zeigt vor allem nicht mehr jenen krankhaft
akuten Charakter, der zuletzt die gänzliche Abschließung des Dichters
von ihr zur Nothwendigkeit gemacht hatte. Zwar ist das zuversicht-
liche Hofi'en der Jugendzeit geschwunden, aber doch nimmt man öfters
auch wieder einen frischeren Ton wahr. In zweien dieser Gedichte
spricht Reinmar von sich in einer Weise, daß man sieht, er muß irgend
etwas bedeutendes erlebt haben. Wir wissen aber nur von einem be-
deutenden Ereigniss, das ihn persönlich berührte, wir meinen den
Kreuzzug , von dem die beiden Kreuzlieder zeugen. Eine länger
dauernde Abwesenheit durch die Fahrt nach Palästina würde die
größere Beruhigung im Minnedienst und überhaupt die gehobene
Stimmung, welche wir hie und da finden, einigermaßen erklären. Auch
mußte es dem Dichter in jener Zeit, wo ihm die Thüren zu seiner
Herrin Wohnung verschlossen waren, am leichtesten fallen, die lange
dauernde Fahrt anzuti'cten. In der Heimath hatte er nun nichts mehr
zu verlieren, so mochte ihm denn der Kreuzzug sehr gelegen kommen.
Aber warum setzen wir den Kreuzzug erst hierher an das Ende
der ersten Periode und nicht an den Anfang derselben? In engster
Verbindung damit steht die Frage, welchem Kreuzzug Reinmar sich
angeschlossen habe. v. d. Hagen MS. IV, 140 läßt es unentschieden,
ob der Dichter Leopold VI. 1190 oder Friedrich I. 1197 nach Palä-
stina begleitet habe. Regel vermuthet, er habe ihn im Gefolge seines
geliebten Fürsten 1190 unternommen; so auch Bartsch. Einen Grund
ÜBER RKINMAU VON HAOKNAU 223
für seine Annahme gibt Regel nicht , aber er folgte dabei wohl der
Annahme Lachmanns (Walther p. 1Ö5), der den Anfang von Reinmars
dichterischer Thätigkeit in die Zeit von 1190 setzt. Da ihm nun
mehrere Gedichte fröhlichen Inhaltes, die auf den Kreuzzug eine Be-
ziehung zu haben scheinen, als ziemlich früh gedichtet gelten, so mußte
er sich wohl für den ersten der beiden genannten Kreuzzüge ent-
scheiden. Auch wir haben keinen Grund , von jener Zeitbestimmung
Lachmanus, die allgemein angenommen zu sein scheint, abzugehen.
Sehen wir uns nun aber das erste Kreuzlied an, so finden wir hier
die antithetische Manier unseres Dichters schon vollkommen entwickelt.
Sodann wundern sich die Leute seines Trauerns und er belehrt sie,
wenn ihm nur wieder ein lebender Tag käme, er könne noch, das er
früher gekonnt habe. Damit weist er auf eine fröhliche Zeit im Gegen-
satz zu der jetzigen Minnetrauer zurück. Und wenn in der letzten
Strophe den Zurückbleibenden gerathen wird_, nicht zu glauben , daß
sie mit den Flauen ihren Willen hätten, „denn weiz got, guotes wibes
vingerlin daz sol niht sanfte nu zerwerben sin", so verräth auch die
Betheueruug, daß die Lehre aus eigener Erfahrung geschöpft ist. Das
alles paßt nicht auf die Jugend Reinmars; wir sahen, daß er damals
„vil unstaete" gewesen war, also wohl keine Veranlassung hatte, sich in
dieser Weise auszusprechen über die Schwierigkeit, guotes wibes vin-
gerlin zu erwerben. Sodann aber kannte er in jener Zeit wenig von
Trauer; die ergriff ihn erst, als die Treue im Dienst der hohen Dame
ohne Lohn blieb. Offenbar ist in unserem Lied die ganze Eutwicke-
lung der Liebe Reinmars, wie wir sie von jugendlich frohem Hoffen
bis zu Vollender Hoffnungslosigkeit aus den Liedern nachgewiesen
haben, deutlich voraussetzt. Zu demselben Resultat führt uns 184, 31.
Wenn der Dichter in diesem Lied klagt : da (nämlich in Palästina)
sin alse jaemerlichin jär, daz ich mich andern ougeu ramph und
sprach „nu geut üz, gräwiu här" — so deutet er damit an, daß die
grauen Haare durch die ausgestandene Noth gekommen sind; aber ein
Jüngling, wie er nach Regel damals noch war, hätte doch wohl darüber
noch nicht zu klagen gehabt. Die sprachlichen Eigenthümlichkeiten
Reinmars sind auch hier, wie wir im ersten Theil gesehen haben, schon
vollkommen entwickelt. Das unglückliche Minneverhältniss ist v. 34
vorausgesetzt. Da nun der Proceß der Entwickelung, der also vor
den Kreuzzug fällt, nach unseren obigen Bemerkungen eine Reihe von
Jahren in Anspruch genommen hat, so kann der Kreuzzug Barba-
rossas nicht mehr in Frage kommen, da derselbe noch in die Jugend
des Dichters fiel. Der nächste Zug aber fand 1197 — 98 statt und an
224 R- BECKER
diesem mag sich denn auch unser Dichter im Gefolge seines Herzogs
betheiligt haben. Wollen Bartsch und Regel an den Zug von 1189
festhalten j so müssen sie den Beginn der Dichterthätigkeit Reinmars
um eine Reihe von Jahren früher ansetzen.
Die beiden Lieder 180, 28 und 181, 13 sind bereits früher so
eingehend besprochen worden, daß wir hier über sie hinweggehen
können. 184, 31 schließt sich jenen an; das Lied ist offenbar auf der
Rückreise gedichtet. Die Stimmung ist auch hier sehr gehoben Das
Land, in dem weder Vögel noch Blumen trösten, wird man passend
auf Palästina beziehen. Daß die Hyperbel „ich hän hundert tüsent
herze erlost von sorgen" nicht ganz auf Rechnung dichterischer Ein-
bildung zu setzen ist, zeigt deutlich der dritte Vers: wo, ja was ich
al der werlte trost. Auf jenem Kreuzzug gab es freilich gar viel zu
trösten. Zu der Entfernung von der Heimath kam noch, daß das
Heer lange Zeit in Palästina lag, den Kaiser erwartend. Als dann
endlich die Nachricht von dessen Tode gekommen war und man nun
schleunigst wieder zurückkehrte , starb der österreichische Herzog
Friedrich. Fast scheint es, als habe Reinmar damals günstig auf die
Stimmung vieler gewirkt und dafür allgemeine Anerkennung erfahren.
Dafür spricht besonders 193, 22, auf welches Lied wir gleich kommen.
Freilich unter den uns überlieferten Liedern ist keines, dem wir eine
so bedeutende Einwirkung auf die Stimmung der durch das lange
Warten verdrossenen Kreuzfahrer zuschreiben können; es ist aber auch
an und für sich wahrscheinlich, daß nur ein Theil der Lieder erhalten
ist, wie das in Bezug auf Walther ja erwiesen ist. Zur Sache erinnern
wir, daß ja auch Rugges Leich ganz bestimmt zu dem Zwecke ge-
dichtet war, zu dem Kreuzzug auffordern. Ja auch Reinmars Kreuz-
lied 180, 28 ist vielleicht direckt im Interesse Friedrichs gedichtet
worden, um den lange vorbereiteten Kreuzzug zu fördern.
Die Hoffnung in der Heimath die Herrin zu seinen Gunsten um-
gestimmt zu finden, täuschte den Dichter. Auch die späteren Lieder
bezeugen , daß seine Bitten und Klagen erfolglos geblieben waren.
Jene fröhliche Stimmung scheint daher auch bald wieder geschwunden
zu sein. Doch ein Abglanz der schönen Zeit, in der er eine so be-
deutende Rolle mag gespielt haben, fällt auch auf sein späteres Leben
und bricht in dem Lied 193, 22, aus dem Kummer, in den er in der
Heimath wieder gerathen ist, in eigenthümlicher Weise durch. In
diesem verzagten Lied kehrt das charakteristische we, owe dreimal
wieder. In seiner tiefen Trauer blickt der Dichter auf jene bedeutende
Zeit zurück, man hurte wol daz ich do sprach vil manege rede guote.
ÜBER REINMAR VON ITAGENAU. 225
hei was raannes was ich du. Zweifellos ist es freilich nicht, daß Reia-
niar liier den Kreuzzug im Auge hat, aber es ist, wenn wir die Stelle
mit 184, 31 f. vergleichen, doch sehr wahrscheinlich. Das wilent v. 29
auf die Jugend zu beziehen, in der Reinmar ja auch fröhliche Lieder
sang, verwehrt der Ausruf v. 33: hei was mannes was icn do! So
hätte sich der Dichter doch wohl kaum über jene frühe Zeit ausge-
sprochen. In ruhigerer Weise bespricht Reinmar den langen Kummer
in dem Lied 195, 10. Aus v. 17 geht hervor, daß böse Zungen immer
noch zischelten. Die späte Zeit, welcher die ganze Haltung des Liedes
entspricht, erhellt besonders aus v. 32 f. : do ich gesanc, daz ich gesunge,
niemer liet in minen tagen (owe also langes klagen) ich waene ez noch
also geste." Nach der Fassung des Ausdrucks zu schließen liegt die Zeit,
in der er zuerst so sang, schon lange hinter ihm. Man erkennt aber auch
aus dieser Stelle, daß die Drohung damals nicht ohne Erfolg geblieben
war; anders könnte er sich jetzt nicht darauf berufen. Die persönlichen
Beziehungen treten in einigen der späteren Lieder sehr zurück. Man
fühlt es dem Lied 191, 34 merklich an, daß der Dichter älter, aber
auch innerlich gereifter geworden ist. Wenn ihm etwas Widerwärtiges
begegnet, so trägt er es mit fuoge tougenlichen und denkt : es wirdet
rät. Etwas lebhafter gehalten ist 1 85, 27, ein Lied, in dem der Dichter
des nahenden Alters gedenkt. Obwohl ihm die Leute sagen , daß
Freude ihm so wohl anstehe, so ist es doch schon lange, daß seine Augen
keine Freude mehr sahen, so siz nu vil gerne wenden wil, dig leit
daz mir von ir geschiht, sost mir lip unraaere und ander spil; so en-
toug ich ir vor alter niht; doch geht die Klage nicht so tief, wie in
früherer Zeit. Sehr elegisch klingt auch 198,28; es sind weiche Töne,
ohne die ungemäßigte Klage und das heftige Begehreu der früheren
Zeit. Doch freut sich der alternde Dichter^ daß sein Sinn noch so
striteclichen gert, was ihn noch froh machen kann. Er preist die Sorge,
ohne die Niemand wert sei, aber unter dieser Sorge versteht er nicht
Kummer, sondern das Streben nach ritterlicher Ehre. Das anziehende
Gedicht schließt mit den Worten:
miniu jär diu müezen mit ir ende neraen,
so mit fröiden, so mit klage.
Daß Reinmar 1220 sicher todt war, hat Haupt in der Vorrede
zu Hartmanns kleineren Gedichten erwiesen, wahrscheinlich aber fällt
sein Tod viel früher, wie man aus Tristan 4777 geschlossen hat.
GERMANIA. Neue Reihe X (XXII. Jahrg.) 15
226 LITTERATUR: H. RÜCKERT, HELIAND.
LITTERATUß.
Heliaud, herausgegeben von Heinrich Rückert. Leipzig. Brockhaus 1876.
(Deutsche Dichtungen des Mittelalters. Mit Wort- und Sacherkläruugen
herausgegeben von Karl Bartsch. Vierter Band). XL. 308 S.
Siever's Heliandausgabe läßt länger als man erwarten durfte und als den
Heliandfreunden lieb ist, auf sich warten. So mag denn die Besprechung von
Rückert's Heliand allein ihren Weg gehen, dem letzten Werk des auch der
Germania nahestehenden Forschers. Es ist ihm nicht vergönnt gewesen, seine
Arbeit, auf die er so viel Liebe und Sorgfalt verwendet, vollendet zu sehen.
Nur etwa bis zum sechsten Bogen ist der Druck noch von ihm selbst corrigiert ;
die Fertigstellung des weiteren, größeren Theiles verdanken wir dem Heraus-
geber der Sammlung, der auch das Glossar bearbeitet hat.
Der Zweck der Ausgabe läßt sich aus dem Titel der ganzen Sammlung
entnehmen. Aber doch würden wir gerne, wenn Rückert noch unter den Le-
benden weilte, ihm die Frage vorlegen, welches Publicum er eigentlich im Auge
gehabt. Ein gelehrtes offenbar gewiß nicht. Dem Ungelehrten aber, d. h.
demjenigen, der sich nicht speciell mit deutscher Sprache beschäftigt, dürfte
es kaum möglich sein, sowie die Ausgabe vorliegt, ein auch nur elementares
Verstäudniss des Gedichtes zu gewinnen, wenn er nicht weitere Hülfsmittel zu
Rathe zieht. Dem Mangel wäre leicht abzuhelfen gewesen, wenn R. statt der
allgemeinen Bemerkungen über die altsächsische Sprache (Einl. p. XXXIV ff.)
seiner Ausgabe eine kurze Formenlehre des As. vorausgeschickt hätte und dem
Mangel wäre jetzt noch abzuhelfen, wenn die Verlagsbuchhandlung ein paar
Seiten wollte nachträglich drucken lassen, die ausser der Formenlehre aber
dann noch einige Bemerkungen enthalten müßten über die altsächsischen Laute
und die ihnen entsprechenden hochdeutschen. Ist auf diese Weise das Ver-
stäudniss erleichtert, so wird sich Rückert's Ausgabe rasch Freunde erwerben.
Vielleicht entschließt sich dann und wann ein classischer Philologe zur Leetüre,
dem das Mittelalter nicht gänzlich als Barbarei erscheint; dann unsere Historiker.
Vor Allem denke ich an unsere Geistlichen, die sich angezogen fühlen müssen
von dieser ältesten deutsch-nationalen Darstellung des Christeuthums. Daß dies
schon jetzt geschieht, beweist unter Anderem eine Notiz, die ich im Süd-
deutschen evangelisch-protestantischen Wochenblatt 1877, p. 8 finde: dort steht
eine Einladung zu der Conferenz der jüngeren Geistlichen des Badischen
Unterlandes und die Tagesordnung verspricht einen Vortrag über den Heliaud.
In der Einleitung, die für Rückert verhältnissmäßig knapp gefaßt ist,
wird zuuächst in vortrefflicher Weise die litterarische Stellung und die ästhe-
tische Bedeutung des Gedichtes erörtert. Die Prologe sind auch für R. apokryjjh ;
die versus setzt er in die Ottonenzeit. Nachdem gezeigt, wie tief der Heliand
auf deutschem Boden wurzelt, kommen die christlich-römischen Culturelemente
zur Besprechung. Hier wäre es am Platz gewesen, das für die Metrik wie für
die lautliche Entwickeluug so bedeutsame Gesetz auszusprechen, daß in Fremd-
wörtern der Accent durchaus auf die erste Silbe gezogen wird. Dann erst
LITTEWATIIR: If. KÜOKKRT, IIELIAND. 227
wird CS verstslndlich wie z. B. aus tclonium tolna werden konnte (v. 1195);
dann wäre für den Commentar unter dem Text die mindestens 10 Mal er-
scheinende Bemerkung (v. 18, 54, 60, 76, 250, 340, 764, 920, 952, 1153)
erspart worden, daß diese Betonung auch für die fremden Eigennamen durch-
aus gilt (mit einziger Ausnahme von Herodes, das auch auf der zweiten Silbe
betont erscheint, Lachm. Abh. d. Bcrl. Ak. 1832, Th. I, 264). Auf eine Be-
sprechung der metrischen Verhältnisse folgen stilistische Bemerkungen. Eine
feine und fruchtbare Wahrnehmung ist es, wenn er (p. XXXII) ausspricht:
„die äußere Si)rachform, die sinnliche Gestalt des einzelnen Wortes zeigt eine
ausgesprochene Neigung, in möglichster Variation sich darzustellen. Wo irgend
Doppclformen derselben Casus- und Verbalendungen sich finden, werden diese
abwechselnd miteinander gebraucht". Das gilt denn auch für verschiedene
gleich berechtigte Constructionen , und wir erhalten das Gesetz des stilisti-
schen Wechsels, das R. in den Armierkungen dann vielfältig nachweist, bei
Wechsel von starkem und schwachen Adjectiv, von Compositum und Sub-
stantiv u. a. m. Sievers (Jenaer Litteraturzeitung 1877, p. 31) scheint sich
zu dieser ganzen Anschauungsweise ablehnend zu verhalten, und ich gebe zu,
daß R. zu weit geht, wenn er auch den Wechsel des Geschlechtes in dem-
selben Substantiv auf diese Weise erklären will. Aber Thatsachen wie ich sie,
von R. unabhängig, in meinen „Modi im Heliand" p. 9 und p. 21 , sowie
Germ. XXI, 145*) zusammengestellt, leiden keine andere Auslegung, und es wäre
interessant , die ganze Frage einmal im Zusammenhang zu behandeln. Den
Schluß bildet eine Übei'sicht über „die Hauptzüge der originalen Sprachgestalt
des Heliand", mit einzelnen für den Grammatiker bedenklichen Bemerkungen.
Der Text ist nach C gearbeitet, welches R. in einer Vergleichung Bartsch's
vorlag und zwar in sehr conservativer Weise, was nicht anders zu erwarten
war. Interessant und geistreich, aber auch sehr gewagt ist die Weise, wie
R. bei der Feststellung der Vocale in den Endsilben verfahren. Er hat in
jedem einzelnen Falle (cf. p. XXXVIII) untersucht, ob das Streben nach Va-
riaton oder das nach Assimilation mit den benachbarten Vocalen den Sieg
davongetragen, ohne die Entscheidung „der meist confusen und rein willkür-
lichen Praxis der Handschriften zu überlassen". Wie soll aber ein System ge-
stützt werden, wenn nicht durch die Handschriften?
Die Anmerkungen sind im Großen und Ganzen vortrefflich und legen
schönes Zeugniss ab von dem gemüthvollen und feinsinnigen Wesen des ver-
storbenen Forschers. Besonders hübsch ist, was über die Abweichungen von
der Quelle und ihre Begründung, so wie über das nationale Costüm des
fremden Stoffes gesagt wird. Große Sorgfalt ist auf die Bestimmung der
Begriffe verwendet, sogar biswellen etwas zu viel des Guten gethan. So hat
es für das Verständniss absolut keinen Werth , wenn v. 139 zu gimahlian be-
merkt wird: „reden, die Worte nach einanderstellen , wie sie gehören" oder
267: „eldi Masr. PI. 1. Die Menschen als Gewächs, Erzeugniss der Erde".
Die Fassung der Noten entbehrt vielfach der Klarheit und Präcision, so
V. 8: „berhtliko Adv. od. Adj. berht-lik, wie alle solche Zusammensetzungen
das erste Wort verstärkend" oder v. 50: „wid Präp. mit Dat. und Acc. Grund-
*) Nachzutragen ist hier v. 2719: that he thena werold-kuning sprakono gesponi
endi spahon wordun, wo R. gerade seltsamer Weise keine Bemerkung macht.
15*
228 LITTEBATUR: H, RÜCKERT, HELIAND.
bedeutung des engsten körperlicben Anschlusses". Vgl. noch die Anmerkungen
zu V. 76, 603, 2497, 4146. Unverständlich ist mir des Erklärers Meinung
zu V. 95, 861, 1492, 2992, 4327. (Soll es etwa heißen: der größte aller
Menschen, den ich kenne?) Am schwächsten sind die Anmerkungen über syn-
tactische Dinge. In Betreff der Anwendung der Modi ist kaum ein einziges
Gesetz richtig erkannt und ausgesprochen. Um den Conjunctiv nach Superlativ
zu erklären, heißt es zu v. 835: „der Conj. steht, weil jeder solche relative
Zusatz etwas subjectives von der Meinung und dem Glauben abhängendes ent-
hält", und zu v. 3022 wird gar die kühne Behauptung ausgesprochen „ant-
fallan Conj. wie gewöhnlich im relativen Nebensatze". Gerade auf diesem
Gebiet fehlen auch mehrfach die zum Verständniss nothwendigen Fingerzeige
80 zu V. 26 und 27, zu v. 127 (Singular des Vei'bs vor pluralem Subject)
zu 5601 und 2.
Eine Reihe von Stellen sind von R. unrichtig aufgefaßt oder unrichtig
geschrieben. V. 15: Sin kann sich nicht auf word, sondern nur auf bok be-
ziehen.— V. 50: heleandero batst ist nicht Apposition zu kristes, sondern zu
giburd; denn von einer flexionslosen Apposition, wie R. will, kann keine Rede
sein. — V. 57: Weshalb R. das u von Rüma für kurz ansieht, weiß ich nicht;
etwa wegen des Wechsels von o und u , der in der Einleitung einmal zum
Beweis für die Kürze einer Endsilbe verwendet wird? Lat. 6 wird mannigfach
im Deutschen durch ü reflectiert, cf. clüstar-claustrum, tüfstein- tofus (Wackern.
Kl. Sehr. III, 286), ebenso wie im Romanischen (Diez, Gr. I, 148). — V. 112:
gruri ist ein bedenklicher N. PI. des rt. m. gruri. — V. 227: wita is thena
fater fragon kann nicht heißen: laßt uns seinen Vater fragen; dagegen spricht
die Stellung des is; is ist Gen. der Relation wie in der ganz analogen Stelle
Otfr. III, 20, 93: fraget inan es in war (vgl. noch Erdmann, Synt. d. Spr.
Otfr. II, 184). Etwas anders, mit mehr objectiver Bedeutung steht der Gen.
in V. 816: fragoda sie firiwitliko wisaro wordo, wo R. irrig den Gen. instru-
mental auffaßt, denn fragon kann nicht absolut stehen = Fragen vorlegen.
(Ganz ähnlich wie 816 ist 2814: was im firiwit mikil wisaro wordo.) — V. 239:
„giwitti nicht subjectiv Verstand, Besinnung, die hat er nicht verloren"; ganz
richtig — vom heutigen Standpunkt. Aber bekanntlich wird auf unentwickelter
Bildungsstufe Stumm- und Taubheit nicht als physisches Leiden bloß, sondern
auch als geistige Störung aufgefaßt. — V. 248 : die Lesart der Handschrift
al liutstamna war beizubehalten, cf. 2222: al seokaro manno und Otfr. I,
2,33: AI gizungilo; diese Lesart ist jedenfalls auch gegenüber von M die
echte. — V. 785: Warum nicht die väterlichen Verwandten genannt sind,
erklärt ganz einfach das Bedürfniss der Alliteration. — V. 1370: daß das zweite
them Dativ statt Nominativ sei, ist wohl nur ein lapsus calami. — V. 1535:
„für die Übergebung des: si quis te percusserit in dexteram maxillam^ praebe
ei et alteram liegt nicht in der „anders gearteten deutschen Phantasie" ; son-
dern der Dichter wußte, daß er so Etwas seinen Sachsen nicht bieten durfte,
was dergestalt allen ihren Begriffen von Ehre und Männerwürde zuwiderlief. —
V. 1625: is geld niman: is kann nicht Masc. sein = Bestrafung von Gott,
vgl. die vollständig gleich gebauten Stellen v. 1790 und 3779, wo is,
bezw. thes nur als Neutrum gefaßt werden kann. — V. 1811: weg scheint
nach R. Bauwerk, Gebäude zu bedeuten ; also der Manu, der auf dem Felsen
oben seine Bauwerke, Gebäude errichtet? R. hat oflfenbar Scherers Vermuthung
UTTERATUR: IT. (JERING, DIE CAUSALSÄTZE et«. 229
übcracbcu, der weg gleich got. vaddjiis setzt und wegos tils die Mauern =:
domum suam des Originals auffaßt (Ztsclir. f. österr. Gymn. 18G6, (»31).
303(5 euilarliudi nennt der Dichter nach R. die eigentlichen Juden im
Gegensatz zu den Galiiilern. Das scheint mir nicht nur „gelehrt genug"^ son-
dern zu gelehrt, süd ist einfach im Gegensatz zu des Dichters nordischer
Ileimath gebraucht. — 4356: fora thiu gi wardon skulun versteht R. : vor
diesem (Tag) sollt ihr euch hüten. Daß fora thiu = deshalb ist, wird theils
durch die parallele Stelle v. 4376, theils durch Vergleichung des Originals
erwiesen (Mc. 13, 35: vigilate ergo, ne cum venerit repente inveniat vos
dormientes), abgesehen davon , daß der masculine Instrumental thiu doch sehr
fraglich (darf man ihn suchen in MSDLX 2, 10: Petrus, in antreitin dero
apostolono eristo enti furisto, in diu gabauhnita christanhciti = apostolorum
primo et praecipuo, in quo figurabatur ccclesia?). — V. 5961. Nach tc Emaus
ist ein Komma zu setzen, dann wird die Anmerkung überflüssig.
Wenn Rückert's Ausgabe eine zweite Auflage zu Thcil wird, werden
demnach allerlei Verbesserungen anzubringen sein. Dann wird auch im Glossar
nachgetragen werden müssen biwardon 2561, obarhugdi 4256, samwurdi 5548,
v/arlik 1804. Wir hoffen und wünschen, daß eine solche zweite, verbesserte
Ausgabe in nicht zu langer Zeit möge nothwendig werden.
CARLSRUHE, den 15. April 1877. OTTO BEHÄGHEL.
Hugo Gering, Die Causalsätze und ihre Partikeln bei den althochdeutschen
Uebersetzern des achten und neunten Jahrhunderts. Eine syntactische
Untersuchung. Halle 1876. 52 S. (Habilitationsschrift).
Gering gibt in seiner Schrift eine erschöpfende Darstellung der Art und
Weise, wie bei den althochdeutschen Übersetzern, besonders bei Tatian, be-
gründender und begründeter Satz verknüpft werden, und er erörtert im Ein-
zelnen die Entstehungsgeschichte der verschiedenen Verbindungsformen. Sein
Verfahren ist so ziemlich dasselbe wie das Erdmanns in seiner Syntax der
Sprache Otfrieds. Sehr hübsch und treffend ist der Abschnitt über die mit inu
und ja eingeführten Sätze (p. 35 ff.); ferner ist es recht dankenswerth , daß
Gering auf die Wortstellung stets sorgfältig Rücksieht genommen. Auch mit
dem Anderen, was Gering von seinem Standpunkt aus bietet, kann man im
Wesentlichen einverstanden sein. Aber gegen diesen Standpunkt selbst erhebt
sich ein principielles Bedenken. G. hat meines Erachtens die Sache nicht beim
richtigen Ende angefaßt oder vielmehr nicht zum richtigen Ende und nicht
weit genug fortgeführt. Wenn man die Übersetzungslitteratur zum Gegenstand
syntactiseher Untersuchung macht, so ist es von ganz untergeordnetem Interesse,
zu wissen, was überhaupt in derselben gebräuchlich ist, sondern der Schwer-
punkt der Frage liegt darin: wie weit zeigt sich originale deutsche Fügung?
Daraus ergibt sich mit Nothwendifrkeit, daß eine solche Untersuchung ver-
gleichend geführt werden muß und jede einzelne Erscheinung scharf auf ihr
germanisches Bürgerrecht zu prüfen ist. Statt nun dai'auf hin die ganze Ab-
handlung anzulegen, wird nur ganz gelegentlich auf diese Frage Rücksicht ge-
nommen. Ganz richtig hat G. erkannt, daß warlihho und giwisso als Causal-
partikeln nicht ursprünglich deutsch sind (p. 45); aber trotzdem gibt er eine
230 LITTERATUR: H. GERING, DIE CAUSALSÄTZE etc.
ganze Seite von Beispielen dieser undeutschen Constructiou. Wozu das? Ein
andermal wirft er allerdings die Frage auf, ob der Gebrauch, „daß im ersten
Satze das Verbum am Ende steht, während im zweiten gewöhnliche Wort-
stellung oder Inversion angewandt ist" dem Deutscheu angemessen sei (p. 18),
weiß dies aber nicht zu entscheiden. Besagte Construction ist in der That
echt deutsch J cf. Hei. 1901: hwand in thiu spä-hSd kumid, endi sprikit the
helago gest. Dagegen ist z. B. die Construction in MSDLIX, 4, 17 durchaus
undeutsch, mag man nun Einschachtelung oder Asyndeton annehmen (G. p. 16).
Vor Allem ist mir die Echtheit der bei den Übersetzern so wichtigen Con-
junction bidiu hwanta sehr zweifelhaft. Es ist mir nicht bekannt, daß sie durch
ein selbständiges , nicht lateinischem Einfluß unterworfenes Denkmal gestützt
würde. Bei Otfried, dem einige weitere Flicksilben so manches Mal willkommen
gewesen wären, steht bi thiu, wanta ein einziges Mal: III, 23, 52 thaz ir gi-
loubet bi thiu, wanta ih hiar nu was mit iu, also im Reim. W^elche sprach-
liche Unmöglichkeiten aber der Reim bei Otfried möglich gemacht, mögen fol-
gende Verse zeigen I, 4, 5:
Wärun siu bediu gote filu drudiu
joh iogiwar sinaz gebot fuUentaz,
wizzod sinan io wirkeudan.
(Ich verweise weiter auf meine „Modi im Heliand" p. 7; auch Erdmann
hat mehrfach auf den Reimeinfluß aufmerksam gemacht, aber nicht genügend;
ich werde auf die Sache zurückkommen.) Im Heliand steht: Be thiu wärun
siu an iro hugi blinda hwand siu ina ni antkendun (v. 3606), allein be thiu
bezieht sich auf das Vorhergehende: Sie dienten den Teufeln, deswegen waren
sie blind. Der Satz mit hwand nimmt dann die Begründung noch einmal auf,
nach der beliebten Weise des Parallelismus, die ich a. a. 0. p. 24 und 25
besprochen. Das gleiche Verhältniss liegt vor v. 2227, 3777, 4442, 4752,
5048 und Otfr. IV, 7, 53. Ich glaube nun, daß wie wärlihho und gewiss© erst
in den deutschen Übersetzerschulen zu Causalpartikeln geworden sind, so auch
bi thiu wanda deren Schöpfung ist, in welcher man für die lateinischen Con-
junctionen propterea, ideo, eo quod eine Vertretung suchte.
Der letzte Grund des angedeuteten Mangels von Gering's Arbeit liegt
wohl darin , daß der Verfasser die Selbständigkeit und den Geist des Tatiau-
übersetzers überschätzt. Das zeigt sich auch an anderen Stellen. Tat. 232, 2
wird dixit eis: quoniam sie scriptum est, et sie oportebat Christum pati über-
setzt mit quad in: bidiu so giscriban ist, wanta so gilauf Christ troen; G.
bemüht sich nun auf einer halben Seite (p. 23), einen vernünftigen Sinn in
das Deutsche hineinzuinterpretieren. Natürlich vergebens, denn der deutsche
Übersetzer hat die Stelle eben nicht verstanden, so wenig als Gering ; quoniam
ist nichts als die buchstäbliche Übersetzung des griechischen ort, das nach
einem Verbum dicendi die directe Rede einführt (s. Luc. 24, 46)*). Über-
haupt durften Sätze, bei denen der Übersetzer augenscheinlich nichts Klares
gedacht hat, gar nicht zur Untersuchung herangezogen werden. Denn da mußte
natürlich ein Tasten und Suchen des Ausdruckes stattfinden , und wir haben
keine Gewähr für sprachliche Richtigkeit; so bei Tat. 131, 20: ih wärlihho,
wanta ih war quidu, ni giloubet ir mir (G. p. 24); so bei Tat. 57, 5 et ideo
*) Ähnlich 205, 3 zu Ende.
LITTEKATUR: II. GERING, DIE CAUÖALSÄTZE etc. 23)
major Salomone hie — inti bithiu: hiev ist mcra Salamonc (wie Gr. p. 51 das
Deutsche anfTaßt), denn ideo im Sinne von „deshalb" ist hier schlechterdings
unverständlich. Damit wird auch die Deutschheit dieser höchst seltsamen Con-
struction mit „causaler Interjection" in f»7, 5 hinfällig. (In 84, 2: bidiu god
quad liegt überhaupt gar kein Grund vor, eine solche anzunehmen.)
Nun komme ich zu einigen einzelnen Punkten. Was G. p. 6 ff. über die
Übersetzung bczw. NichtÜbersetzung von nam und enim bemerkt, ist nicht sehr
genau. Nam wird stets übersetzt bei Tatian (Ausnahme nur 47, 5); nam et
wird 32, 6 durch inti wiedergegeben, indem et fälschlich als Conjunction auf-
gefaßt wurde; daneben hatte eine Causalpartikel keinen Raum mehr. Was
enim (bezw. et enim) betrifft, so wii'd zweimal die causale Construction ganz
verlassen: 56, 10 und 82, 4. In 4, 13 las der Übersetzer vielleicht nur et
statt et enim. In einer Anzahl von Fällen steht das uudcutsche wärlihho
(2, 6; 4, 17; 64, 11; 64, 13; 66, 3; 84, 5; 145, 13) und giwesso 211, 1
(quippe enim giwesso so 58, 2). Alle diese Fälle können nicht in Betracht
kommen bei der Frage, in wie weit das Deutsche jener Zeit und Bildungsstufe
den begründeten und begründenden Satz verband. Es bleiben nun , wenn ich
recht gezählt, noch 176 Fälle. Von diesen sind es nur 11 Fälle, in denen
eine causale Partikel (wanta) erscheint, denn tho kann nicht zu diesen ge-
rechnet werden, also 6,2^. Es ist dieser Thatsache gegenüber ganz nutzlos
wenn G. mehr als zwei Seiten dazu verwendet, um verschiedene Kategorien
aufzustellen , in denen keine Übersetzung stattfindet. Unrichtig ist es, wenn
G. sagt (p. 8): „Vorzugsweise gern scheint enim auch in denjenigen Sätzen
ausgelassen zu werden, die den Grund zu einer im Imperativ ausgesprochenen
Aufforderung angeben." Von jenen 176 Stellen, in denen enim nicht übersetzt
wird, fallen 52 auf Causalsätze nach Imperativ, also 29^5^; von den
1 1 Stellen, in denen Übersetzung eintritt, fallen 4 auf Causalsätze nach einer
Aufforderung (5, 8; 9, 2; 11, 1; 13, 2. Die weiteren sieben Fälle sind: 5, 8;
8, 3; 19, 1; 43, 1; 84, 1 ; 123, 1; 140, 1), also 36,4$^. Das Verhältniss
ist also im Wesentlichen dasselbe; sogar tritt nach Imperativsätzen die Über-
setzung noch etwas häufiger ein als sonst. Richtig ist dagegen die Wahrneh-
mung, daß nach directen Fragen enim nicht übersetzt wird (p. 9). Die Ur-
sache dieser Erscheinung aber hat G. nicht erkannt , denn seine Erklärung
(p. 8) beweist zu viel, da sie auch für die Begründung eines Imperativsatzes
gelten würde. Die Sache scheint mir etwas tiefer zu liegen. Es gibt überhaupt
ein Vierfaches, was begründet werden kann, das Sein, das Werden, das Er-
kennen, das Handeln (Schopenhauer's „vierfache Wurzel des Satzes vom zu-
reichenden Grunde"). Nun fallen weder Frage noch Aufforderung unter eine
dieser vier Kategorien, können also an sich nicht begründet werden. Die Auf-
forderung aber läßt sich mit Leichtigkeit auf ein „Du sollst, es ist nothwen-
dig", also auf eine Thatsache, ein Sein zurückführen, und so ist doch eine
reale Begründung möglich. Bei der Frage dagegen kann eine ähnliche Zurück-
führung nur dann statt finden, wenn sie eine bloß rhetorische ist. Sonst kann
an eine Frage nur in ganz loser Weise, nur auf Umwegen eine Begründung
angeknüpft werden. So ist in Tat. 8, 1 der Gedanke: „Wo ist der, der ge-
boren ist als König der Juden? Wir reden deshalb von der Geburt eines Juden-
königs, weil wir seinen Stern gesehen haben". Auch im Nhd. ist es uns hier un-
möglich zu sagen: wo ist der Juden König, denn wir haben gesehen. Noch
232 LITTERATUR: W. MANNHARDT, ROGGENWOLF U» ROGGENHUND.
viel weniger könnte der Tatianübersetzer eine Causalpardkel anwenden, der sie
unr dann setzt, wenn der reale Zusammenhang von Unter- und Obersatz ganz
unmittelbar auf der Hand liegt, also niemals bei einem sog. Idealgrund.
Zu den Stellen, wo für lateinische Causalsätze im Deutschen Relativsätze
gesetzt sind, ist (p. 51) nachzutragen Tat. 82, 4 filius hominis, huuc enim patcr
signavit deus — then thie fater zeihhonota got.
Zum Schluß noch ein Wort über zwei Tatianstellen, die G. unbegreiflich
sind (p. 2). Die eine ist 79, 3 audito eo multa faciebat — gihorentemo imo
thaz her managu teta. Ich vermuthe, daß in der Übersetzung^ „die in G.
offenbar nicht im Originale selbst vorliegt" (Sievers p. 7), ursprünglich stand :
gihorentemo imo thaz, managu teta, und daß her durch ein Mißverständniss
eingeschoben wurde. Dann haben wir in dieser Stelle einen der wenigen
schwachen Versuche , ein absolutes Particip des Passivs activ wiederzugeben.
Ich kenne ausser diesem noch zwei Beispiele in Tatian : 11,1 Defuncto Herode.
tho Herod arstarb und 197, 1 Pilatus convocatis principibus sacerdotum et
magistratibus et plebe — Pilatus gihalota thie heroston thero bisgoffo inti
themo meistarduomc inti themo folke. Wenn uns diese letztere Stelle zeigt,
welche Schwierigkeit eine solche Umwandelung unserem Übersetzer bereitete,
so werden wir keinen Anstoß nehmen an dem absoluten Dativ in 79, 3, wäh-
rend das Particip mit dem Subject in Übereinstimmung stehen sollte. Die gleiche
Erscheinung findet sich übrigens 14, 3: themo heilante gitoufitemo, sliumo uf
arsteig (freilich unter Vorgang des Lateinischen).
Bei der zweiten Stelle: 138, 9 wedaran minnota her mer kann sich
der Übersetzer etwas ganz Vernünftiges gedacht haben. Denn an die That-
sache, daß A dem B 500 Denare dem C aber nur 50 Denare geschenkt,
schließt sich für die naive Anschauung doch entschieden natürlicher die Frage
an: wen hat er mehr geliebt, als die: welcher wird ihn mehr lieben.
CARLSRUHE, den 8. April 1877. OTTO BEHAGHEL.
W. Mannhardt, Koggeuwolf und Roggenhund. 2. Auflage. Danzig 1866. 70 S.
Die Korndämonen etc. Berlin 1868. 48 S. Wald- und Feldculte. Erster
Theil. Der Baumcultus der Germanen und ihrer Nachbarstämme. Berlin
1875. Gebrüder Bornträger. 8. 646 S. Zweiter Theil. Antike Wald- und
Feldculte aus nordeuropäischer Überlieferung erläutert. Berlin 1877. Born-
träger. 8. 359 S.
Seit mehr als dreißig Jahren sehen wir den Verf. auf dem Gebiete der
Mythenforschung unermüdet thätig. Meines Erinnerns begegnete ich dem Namen
zuerst 1855 in Wolfs Zeitschrift für deutsche Mythologie; 1858 erschien von
ihm: Germanische Mythen; 1860: Die Götterwelt der deutschen und nordischen
Völker; 1868 gab er heraus das Büchlein des Job. Lasicius Polonus : De
Diis Samagitarum. Und nun noch die in der Überschrift genannten reichhaltigen
Schriften über Wald- und Feldculte. Ein so anhaltend Einem Ziele zuge-
wendetes Streben erfüllt jederzeit mit Achtung. Wir sehen die Mühen eines
Menschendaseins, die ernsten Anstrengungen einer eigenthümlichen Individualität
vor uns und fühlen uns schon dadurch verpflichtet mit unserm Urthcil nicht
leicht darüber hinwegzugehen. Andererseits will ich nur gleich bekennen, daß
LITTEKATUK: W. MANNHAUDT, UOOOENWOLF U ROf}GKNHUND. 233
ich nur zögernd der wicdcrlioltcn dringenden Auflordcrung der Hcdaction zu
einem Bericht über diese Schriften nachgegeben habe , namentlich in Hinblick
darauf, dali mich die größten liedcnken gegenüber einer neuen Wissenschaft
erfüllen, deren Aufbau ein Material voraussetzt, das eigentlich noch gar nicht
gesammelt ist, so daß ich mir auch ein Urtheil von abschließendem Gewicht
nicht zutrauen darf. Da solche Bedenken nun auch andere theilen werden,
sind aber diese Schriften leicht in der Gefahr lodtgeschwiegen zu werden.
Diese Erwägung entschied für mich, einen Bericht nach Kräften zu versuchen.
Mir fiel beim Überblick von Mannhardts Forschungen ein Wort Gcnthes ein,
das er Eckermann gegenüber aussprach , als ihm dieser erzählte, welche Er-
fahrungen er gemacht über die Beschaflenheit verschiedener Holzarten , indem
er das geeignete Holz zu einem Bogen suchte, da er ein leidenschaftlicher
Bogenschütze war. Da sagte Goethe (Gespräche 3, 73): „Hm, hm! Sie sind
übrigens durch ihre Bogentendenz zu ganz hübschen Kenntnissen gekommen.
— Das ist aber immer der Vortbeil irgend einer leidenschaftlichen Richtung,
daß sie uns in das Innere der Dinge treibt. Auch ist das Suchen und Irren
gut, denn durch Suchen und Irren lernt man."
In wieweit dieser Ausspruch hier zutreffend ist, werden wir weiter sehen.
Grimms Mythologie hat geradezu bezaubernd gewirkt. Die geistvolle
Darstellungsform mit der uns Grimm fesselt, indem er uns an der Hand führt
und theil nehmen läßt an seiner Art zu schauen, uns mit rathen läßt an seinen
Käthseln; die durchdringende Divination seines Geistes, mit der er zu unserer
größten Überraschung gleichsam im Kehricht Götterspuren findet, wirkten über-
raschend, zugleich weckend und belebend. Ich gebe nicht zu, daß seine My-
thologie ein großer Irrthum sei. Sie ist im Gegentheil eine große Wahrheit
und wirkte befruchtend auf Anschauungen und Forschungen ein. Die Aus-
stellungen, die gegen sie gemacht werden, treffen nicht das Wesen, sondern
doch nur Nebensächliches. Ein Mangel seiner Mythologie ist allerdings, daß
er den mythischen Theil der deutschen Heldendichtung nicht gehörig in seinen
Bereich gezogen (J. Seherer, J. Grimm S. 149), wozu Lachmann den Weg
gewiesen, den dann z. Th. Uhland weiter verfolgt hat. Zuweit ging Grimm,
indem er in Abstractionen mhd. Dichter Überlieferungen aus heidnischen Vor-
stellungen zu sehen geneigt war. Aber zu weit gehen wohl auch diejenigen,
die „alle Brauchbarkeit" der Märchen „für die Mythologie" (wohl auf einen
Ausspruch Benfeys gestützt) leugnen , weil die Märchen fremden Ursprunges
seien. Scherer a. a. 0. S. 149. Sagt doch derselbe Gelehrte a. a. 0. S. 60
selbst: „Deutsch sind (in den Märchen) auch die Reste des Heidenthums, die
spärlichen, die hier und dort zum Vorschein kommen: doch das ist nicht viel
mehr als was bis heute noch abgesondert davon und selbständig sich vom alten
Heidenthum in unserem Volke gefristet hat." Damit ist denn doch wohl schwer
zu vereinigen, daß den Märchen alle Brauchbarkeit für die Mythologie abzu-
sprechen sei. Ja es wird noch mehr zugegeben werden müssen. Die Über-
einstimmung des Gehaltes einzelner Märchen mit beglaubigten Mythen der
Heldensage wird uns das Zugeständniss abzwingen , daß neben den Märchen,
die in christlicher Zeit aus dem Orient eingewandert , sich auch solche nach-
weisen lassen , die aus deutscheu Mythen hervorgegangen sind. Überhaupt
wird es schwer fallen für den Begriff Märchen eine Definition zu finden,
nach der man sagen kann: das Märchen sei gleichsam eine Erfindung des
234 LITTERATUR: W. MANNHARDT, ROGGEN WOLF U. ROGGENHUND.
10. Jahrhunderts. Nach den mythologischen Erzählungen der alten Griechen
muß die Vorstellung des Griechenvolkes gewimmelt haben von Märchen, d. i.
mythischen Erzählungen, die unseren deutschen Märchen geschwisterähnlich sind.
Es fehlten den alten Griechen nur die Brüder Grimm, die sie aus dem Munde
des Volkes gesammelt hätten. Es ist daher wohl eine Übertreibung den ganzen
Märchenschatz Eurojias als eine im Mittelalter importierte Waare aus dem
Orient anzusehen. Damit will ich nun nicht in Abrede stellen , daß Grimms
Mythologie zu lächerlichen Folgerungen seiner Nachahmer geführt habe, die
nicht die Götterspur im Kehricht fanden, sondern jeden Kehricht für eine
solche hielten ! Auch ist allerdings das Aufhäufen von Vermuthungen vom
Übel und zu wünschen, daß man sich hierin einschränke und nach beweisenden
Thatsachen ausgehe.
Was Grimms Forschung Grenzen setzte ist der Stand der Wissenschaft
seiner Zeit überhaupt und die ihm dadurch naturgemäß auferlegte Selbstbe-
schränkung auf die germanische Welt. Es ist ähnlich wie mit der Grammatik.
So weit es möglich war ohne Zugrundelegung des Sanskrit oder eigentlich der
Vergleichung der gesammten arischen Sprachstämme, hat er unsere Sprache
dargestellt und zwar so gründlich, daß wir noch immer zu ihm zurückkehren
müssen , ja sein Blick hat auch über die Grenzen gereicht und seine Ent-
deckungen haben auf die allgemeine Sprachvergleichung befruchtend gewirkt.
Die Mythologie eines indogermanischen Volkes, die natürlich auf ältesten Über-
lieferungen beruhte, kann volles Licht erst erhalten, wenn wir durch Kenntniss
der ältesten indischen und persischen Mythen, über deren Zusammenhang mit
denen der antiken und modernen Welten im Reinen sind. Das war zur Zeit
J. Grimms noch nicht möglich, ist es zum Theil auch heute noch nicht.
Mannhardt ist, wie mit ihm viele andere, durch Grimms Mythologie lebhaft
angeregt, zuerst darauf ausgegangen — wie seine Beiträge in Wolfs Zeitschr.
zeigen — in noch lebenden Volksgebräuchen, Sagen und Mythen heidnische Spuren
nachzuweisen. Aber schon frühzeitig fühlte er das Bedürfniss nach dem Vor-
bilde A. Kuhns, durch das Studium der indischen Mythen Licht zu gewinnen
über das Grundwesen germanischer Gottheiten. So vergleicht er schon in seinen
german. Mythen (1858) Thor und Indra. Kuhn anerkannte schon beim Er-
scheinen dieses Werkes im Centralblatt (1858, S. 718) die umfassende Gelehr-
samkeit des Verfs., so wie auch manches Richtige in den Gedanken, doch be-
dauerte er , daß er bei seinen Studien der indischen Texte nur Übersetzungen
zu Rathe gezogen und dadurch in zahlreiche Misverständnisse hineingerathen
sei, die dann von Kuhn nachgewiesen werden.
Natürlich erweiterten sich die Kenntnisse des unermüdlichen Forschers
seitdem ausserordentlich und wir müssen anerkennen , daß er redlich bemüht
war, den rechten Weg zu finden und Belehrungen, die ihm durch die Schriften
geistvoller Forscher wie Müllenlioff, Scherer, Kuhn u. a. geworden sind, zu be-
nutzen. Wenn uns gegenüber seinen Arbeiten etwas zu wünschen bleibt , so
kann es ihm eigentlich nicht zum Vorwurfe gereichen ; es ist Alles auf den
Entwickelungsgang seiner Studien zurückzuführen. Müßte man wünschen, daß
der deutsche Mythenforscher zuerst und vor Allem anderen der indischen Mythe
jahrelange Studien zuwende, um dann zu der persischen, endlich zur Mythe
der alten und neuen europäischen Völker überzugehen und dann dasjenige,
was von mythischen Vorstellungen noch jetzt im Volke lebt unbefangen zu
LITTERATITK: W. MANNHARDT, ROGGENWOLF U. ROGGENHUND 235
beurthcilen, so ist Mannhardt — und mit ihm auch andere — den umgekehrten
Weg gegangen. Er ging von der lebendigen deutschen Überlieferung aus, von
da zur nordischen, nioderneuropäischen, dann zur antikeuropüischcn und indi-
schen Mythe über. Das, von dem er ausging, war aber Stückwerk, oft un-
erkennbar, undeutlich und herangezogen wurden zu diesen Stücken Analogien von
anderswo, aber eigentlich meistens doch nur — gelegentlich.
In „Roggenwolf und Roggenhund" machte M. aufmerksam auf viele ger-
manische Erntegebräuche die den Gedanken erkennen lassen, daß im Getreide ein
überirdisches Wesen hause, Roggenwolf, Roggenhund, Kornwolf etc., das im Schnitt
gefangen wird. Merkwürdiger Weise beachtet er nicht den gehaltvollen Auf-
satz von J. Grimm: Der Nothalm bei Haupt 7, 385 — 394, wo gerade über
jenes Götterwesen gehandelt wird, dem der letzte Getreidebüschel irn Schnitt
verehrt oder der selbst als Strohpuppe mit der letzten Garbe dargestellt wird,
jene Frau Fricke, Frau Gode — Wodans GemahHn oder jener Wol, Waul,
Answald , Woldan , wohl Wodan selbst. M. bringt nun schätzbare Zeugnisse
für den Roggenwolf und den Roggenhund, die im Getreide hausen und ihm
Segen bringen. Der naheliegenden Deutung aber weicht er förmlich aus.
Wir wissen, daß Wodan, oder doch der nordische Odin, als Vater nament-
lich der Helden angesehen wurde. Die in der Schlacht Gefallenen kamen in
seine Halle 5 dann aber hieß zu Odin fahren soviel als sterben. In
Deutschland ist der wilde Jäger, der durch die Nacht fährt, nichts anderes als
Wodan, den die Verstorbenen im Zuge begleiten. Die Vorstellung liegt nahe,
ihn als Entführer der Seelen ins Todtenreich anzusehen. Er ist also ähnlich
Hermes, der ja Seelenführer ^l-'V^OTtOfiTlog genannt wird uikI Wodan wurde
lateinisch mit Mercurius wiedergegeben. In den Mythen vom wilden Jäger
haben wir sichere Spur noch lebender heidnischer Erinnerungen. Das für Wodan
zuweilen der Teufel genannt wird ist bekannt, es wäre ab(;r auch ganz sieher
nachzuweisen, daß er einmal ebenso als Tod und ein andermal als Winter
auftritt. Wodans Beziehungen zu Wolf und Hund sind in neuerer Zeit be-
stritten worden. Mannhardts Schriften Roggen wolf und Roggen h und
sprechen dafür, obwohl er selbst Roggenwolf S. 68 es nicht zugeben will.
S. 28 wird erzählt der Drescher, der zuletzt fertig wird (um Roggen-
burg), erhält die Hundsfod, ein Strohband in das ein Stein gebunden ist. Er
läuft damit zur nächsten Dreschtenne und wirft die Hundsfod unter die Drescher.
Diese fangen ihn, schwärzen ihm das Gesicht, setzen ihn auf ein Pferd
und führen ihn durch das Dorf. Ahnliche Sitten werden noch weiter angeführt, wo
nach der Ernte immer einer gleichsam zur Puppe einer Gottheit gemacht wird,
es wird ihm namentlich das Gesieht geschwärzt und er wird mit Stroh
umwunden. So aber wird bei Aufführung des Sommer- und Winterkampfes
immer noch der Winter dargestellt: mit geschwärztem Gesicht und mit
Stroh umwunden, und ebenso auch der Tod s. Germania 12, 289 ö'.
S. 36 erzählt M. : „in der Gegend von Teterow ist die letzte Erntefuhr mit
einer Puppe geschmückt , — Die Puppe wie das Fuder heißen Wolf."
„In Lieberose — wird die letzte Garbe, der Wulf, wie ein Mensch gestaltet."
Da mag man nun sagen was man will, die Puppe ist = der Answald, Woldan
und zugleich auch der Roggenwolf und so ist denn der Übergang des Gottes
in einen Wolf und seine Stellvertretung durch einen Wolf unleugbar. Viele
merkwürdige Angaben folgen nach, z. B. daß die Magd, die die letzte Garbe
236 LITTERATUR: W. MÄNNHARDT, ROGGEN WOLF U. ROGGENHUND.
bindet Wolf heißt; wer in der Ernte stirbt, ist vom Wolf geholt; im Korn-
feld sitzt die Kornmutter in riesiger Größe (S. 42) u. s. f. (= Frau Gode,
Frikka). In Oberbaiern wird ein Volksdrama aufgeführt beim Abdreschen etc.
(S. 55), wo ein Bursche den Wolf spielt mit umgekehrter Pelzjacke,
mit einer Pelzhaube, die Hose mit Ahrenbüscheln vom Schilf besetzt.
So erscheint in den Weihnachtspielen eine Rauhnachtgestalt mit umgekehrtem
Pelz, die Pelzmütze auf, einen Gürtel um, s. meine Weihnachtspiele S. 91.
Über heidnische Göttergestalten im Weihnachtsp. s. auch Weinhold bei Haupt 7,
S. 91. Das ist wohl auch kein anderer als Isegrim der W^olf, dessen Name
an altnord. grima Hülle, Helm und an Grimnir (Heiname Octins) erinnert.
S. 60 heißt es: in Gr. Trebbow bleibt die letzte Ähre dem Wolfe als Futter
für sein Pferd stehen. Dem Herrn Verf. entging die Stelle in Grimms Mythol.
S. 140 f. wo aus Schonen und Blekingen berichtet wird, „daß die Ernter auf
dem Acker eine Gabe für Od:ins Pferde zurückließen."
Damit ist klar, daß das einemal der „Korndämon" der Wolf, das andere-
mal Octin genannt wird. Wodan, der auch als Todtenführer und dann als
Tod aufgefaßt wird, erscheint offenbar auch als Wolf oder als Hund oder ent-
sendet statt seiner einen Wolf oder Hund, was an die Sälavrikas, die Wölfe
erinnert, die im indischen Glauben im Reiche der Todten hausen. Bekanntlich
ist in Tirol der Gangger ein böser Geist Schöpf S. 173, der aber auch
Tschank, Tschankerl heißt daselbst S. 764. In meinem kleinen „Beitrag
zur Mythologie" (Presburg 1855) theilte ich mit, wie ich über diesen Geist
aus dem Volksmunde belehrt wurde. Der Tschankerl ist nicht der Teufel.
In einem Liede sagt ein verzweifelter Mörder, ich bleib schon da bis der
Tschankerl kommt und holt mich ab a. a. 0. S. 14. Nach einer weiteren Mit-
theilung daselbst erscheint dieser Geist als großer schwarzer Hund, der
einen Schlüssel am Halse trägt. Er erscheint um Mitternacht auf dem Fried-
hofe, öffnet mit dem Schlüssel das Grab des zuletzt Begrabenen, gibt ihm das
Merkszeichen „daß 'n unser Herrgott kennt" und verwandelt diejenigen, die
ihn dabei überraschen zu Steinen. Ich lasse dahingestellt sein, ob dieser Hund
oder Wolf auf Fenrir der nordischen Mythe zurückzuführen und eine Ver-
mischung der Mythen von Loki und Octin anzunehmen , ob es statthaft ist,
bei dem Namen Gangger an den nordischen Beinamen Odins: Giingrädir zu
erinnern, womit er als viator indefessus (so bei Saxo, Grimm, Mythol. 2, 1207)
bezeichnet wird, so viel steht aber doch fest: daß hier ein Hund die Wodan
zukommenden Functionen ausführt, so wie in dem früheren Beispiel einmal für
des Wolfes Pferd (!), das anderemal für Odins Pferd die letzte Ähre oder
eine andere Gabe auf dem Acker zurückbleibt. Damit fallen die Ausführungen
Mannhardts mit denen er das Büchlein über Roggenwolf und Roggenwolf schließt:
daß der Roggenwolf nicht Wodans Thier sei. Er sagt S. 68 : „Keine einzige
Andeutung berechtigt uns zu dem Schluß, daß der Wolf Wodans Stelle ver-
trat — -— . Wann endlich werden wir aufhören mit dem von J. Grimm ein-
geführten bequemen aber nebelhaften Begriffe des Vertreten s einen uner-
hörten Misbrauch zu treiben, welcher die ganze Mythenforschung zu einem
mechanischen Rechenexempel macht!" Besonnene Kritik ist schon recht, daß
hier aber eine „Vertretung" anzunehmen ist, scheint mir denn doch unab-
weisbar!
LITTERATUR: W, MANNHAKDT, ROGGENWOLF U. ROGGENHUND, 237
Das nächste Schriftclien Mannhardts Die Korndäraonen unternahm es,
den Gegenstand in weiterem Umfange zu behandehi. Eine Menge interessanter
Belege werden mitgetheilt, wie die Geister des Erntesegens auch bei christ-
lichen Auflührungen zu Weihnacht und Fasnacht auftreten. Hier kommt Verf.
ausführlich auf die Roggenuiutter, lioggenmuhme, die Gefährtin des wilden
Jägers zu sprechen. S. 32 heißt es, daß der Frau Holle drei Ähren stehen
gelassen werden — ein SeitenstUck für die letzte Ähre für Odins Pferd — - und
S. 33 wird sie mit Demeter verglichen was schon Grimm in dem erwähnten
Aufsatze über Nothhalm sehr eindringend gethan. Schien in der ersten
Schrift die Verwandlung der Geister in Thiere bestritten, so werden hier the-
riomorphische und anthropomorphische Dämonen vielfach nachgewiesen.
Ein bei weitem größerer Gesichtskreis eröffnet sich in dem Buche: Der
Baumcultus der Germanen und ihrer Nachbarstämme. „Aus der Beobachtung
des Wachsthums schloß der Urmensch auf Wesensgleichheit zwischen sich und
der Pflanze : er maß ihr eine der seinigen ähnliche Seele bei. Auf dieser
Grundvorstellung beruht der Baumcultus nordeuropäischer Völker." Nach diesen
in der Einleitung ausgeführten Gedanken, behandelt der Herr Verf. den Gegen-
stand in folgenden Capiteln: 1. Die Baumseele. 2. Die Waldgeister und ihre
Sippe. 3. Die Baumseele als Vegetationsdämon. 4. Anthropomorphische Wald-
und Baumgeister. 5. Vegetationsgeister: Maibrautschaft. G. Sonnenzauber, Oster-
feuer etc. 7. Nerthus.
Bei der Besprechung des Mythus von Askr und Embla S. 7 scheint
dem Verf. der schöne Vortrag J. Grimms : Über Frauennamen aus Blumen nicht
gegenwärtig gewesen zu sein. Derselbe erwähnt unter anderen auch S. 26
eines ostjakischen Mythus, nach dem sich die Ostjaken von Es und Imlja
ableiten.
Von dem Weltbaume Yggdrasill wird S. 54 — 58 wahrscheinlich gemacht,
daß diese Vorstellung aus der von üblichen Schutzbäumen {vard träd in Schweden)
hervorgegangen sei.
Zu S. 89: „Die Wildleute in Tirol, Faaggen" will ich hier doch
aufmerksam machen auf das was Schneller in dessen Die romanischen
Volksmundarten in Südtirol (Gera 1870) dazu angibt. Der römische
Süvanus wurde zu Solvay, so heißt in den ladinischen Thälern ein mythisches
Wesen, daraus sei bei den Deutschen Salvangga und endlich fangga geworden,
Vicentinisch ist Salbanello 1. ein gespenstig, rothgekleidet Männchen , 2. eine
Krankheit des Maulbeerbaumes, 3. und der durch einen Spiegel zurückgeworfene
Strahl. Wenn die Etymologie auch anfechtbar ist, die Angaben über Salba-
nello (den Mannhardt S. 114 gleichfalls nennt) gehören hieher. In diesem
Zusammenhange wird S. 108 — 110 die rauhe Else der Wolfdietrichsage be-
sprochen und von schwedischen und russischen Waldgeistern eine Menge von
Einzelheiten mitgetheilt zu dem sich endlich merkwürdige Analogien in Brasilien
und Peru S. 143 — 5 nachweisen lassen. Anziehend sind die Betrachtungen
über den Weihnachtsbaum S. 224 — 251, den Schlag mit der Lebensruthe
S. 302, was alles reich mit Beispielen aus der Sittenkunde der Völker be-
legt wird.
S. 303 — 310 folgt ein Auslauf über die Irmensäule, der übrigens kein
befriedigendes Ergebniss bringt. Auch die Abhandlung S. 567 — 602 über Ner-
thus bringt den Gegenstand wohl nicht zum Abschluß.
238 LITTERATUR: W. MANNHARDT, ROGGENWOLF U. ROGGENHUND.
Die Hauptergebnisse des Buches spricht Mannhardt in einem Schluss-
worte aus: „Die ßaumseele webt in dem Baume als in ihrem Leibe, den sie
nicht verlassen kann." Der Baumgeist tritt zuweilen aus der Pflanze heraus.
Sein Leben hängt ab von ihrem Leben, Es entstehen daraus Waldgeister in
Menschen- und Thiergestalt. Sie gehen als Vegetationsgeister im Winde über
das Kornfeld (wenn ein Wolf, Hund oder Fuchs als dämonisches Wesen die
Reife der Vegetation durch seine Berührung befördert, so könnte das wohl der
Wodan oder den Tod vertretende Gangger sein*). Schutzbäume werden vor die
Häuser gesetzt. Der Baumgeist wird zuweilen als Puppe darauf gehängt. Auch
ein in Laub gehüllter Mensch stellt den Baumgeist dar (derselbe wäre viel-
leicht als Sommerriese aufzufassen*), der in's Wasser geworfen wird, damit Re-
gen die Pflanzenwelt erquicke. Er erscheint zuweilen mit einem mit Russ ge-
schwärzten Antlitz (dann ist er wohl als Winterriese oder als Tod aufzu
fassen*). Zuweilen wird der Sommeranfang durch ein M a ibrautpaar gefeiert,
einen in Laub gekleideten Schläfer, den ein Mädchen weckt. Das Sonnwend-
feuer bringt Segen und Fruchtbarkeit der Vegetation. Liebespaare springen
darüber.
Was von Baumgeistern angenommen wird, gilt auch von Korngeistern.
„Aus allen diesen bis in's kleinste gehenden Uebereinstimmungen dürfen wir
mit Sicherheit die Identität der Baumgeister und Korngeister folgern; sie sind
besondere Manifestation der Vorstellung Vegetations-Dämon." Mit diesen
Sätzen schliesst das Buch.
Aufrichtig gestanden , macht es den Eindruck , als ob hier mit einem
ungeheueren Material uns eigentlich sehr wenig als wirkliches Ergebniss in
Händen bliebe. Die Ergebnisse sind so allgemeiner Natur, daß sie fast selbst-
verständlich scheinen. Den Hauptwert — und zwar dauernden Wert — des
Buches werden wir wohl dem ausgesuchten Material beimessen müssen , das
durch ein Register bequem benützt werden kann.
Nach dem Vorworte der letzten Publication M's. , zu der wir uns jetzt
wenden können — Antike Wald- und Feldculle — gewinnt der erste Band:
Baumcultur der Germanen etc. erst volle Bedeutung, indem dieser Band jedem
Capitel des ersten Analogien aus der antiken, namentlich griechisch-römischen
Mythe gegenüberstellt. Dies ist nun allerdings nicht der natürliche Gang histo-
rischer Betrachtung , mit dem Neuen zu heginnen und mit dem Aelteren zu
schließen ; doch hängt dieser Gang mit der Entwickelung des Verfassers zu-
sammen , deren schon gedacht ist. Fruchtbarer wäre wohl der umgekehrte
Gang gewesen. Dennoch wollen wir uns auch der so gebotenen Ergebnisse freuen.
M. berichtet in der Vorrede dieses Bandes über seine Studien. Hinge-
rissen von J. Grimm's Darstellungsweise , in dessen Mythologie, verfiel er zu-
nächst, wie er angibt, in dessen Fehler, indem er (S. X) „vorzugsweise der
lebendigen Ueberlieferung , als der vermeintlichen Hauptquelle einer eigenthüm-
lich deutschen Mythologie zugewandt blieb." Dem gegenüber kann Ref. denn
doch nicht umhin, hervorzuheben, daß Gr. durchaus nicht „vorzugsweise der leben-
digen Überlieferung — zugewandt blieb", daß ihm aber beispiellose Gelehrsamkeit,
und geistvoller Tiefblick zu Gebote stand, so daß denn doch seine Ausfüh-
rungen nirgend so ärmlich aussehen , als sie nach obiger Angabe scheinen
*) Zusatz des Referenten.
LITTERATUR: W. MANNliARDT, ROGGENWOLF U. ROGOENHUND. 23'J
könnten. Erschüttert werden M.s derartige Anschauungen durch die geistvolle
Schrift Scherer's über J. Grimm (18G5). Als einen Fortschritt in der Mythcu-
forschuug bezeichnet er dünn mit Recht (S, XIV) MüllenhoH's Hinweis auf die
vielfachen Berülirungeu der Sage mit der Dichtung und Sitte des Mittelalters
in der Vorrede seiner schleswig-holsteinischen Sagen (1845). Als einen zweiten
Förderer dieser Studien bezeichnet er Kuhn, der in seinen Sagensammlungen
den Anfang machte zur Vergleichung mit den Sagensammlungen der Literatur
und der ferner Grimm's Methode auf das weitere indogermanische Gebiet über-
trug und eine indische llrmythologie nachzuweisen unternahm, aus welcher auch
die griechische und römische hervorgegangen. Die Richtung steckte der For-
schung neue Ziele. Noch sei man hierin aber, meint M., erst in den Anfängen
(S. XVII). Der sichere Gewinn beschränke sich auf wenige Götternamen :
(Dyaus-Zeus, Tius, Parjana-Perkunas, Bhaga-ßog, Varuna-Uranos etc.). Manche
scheinbare Entdeckungen Kuhn's (SArameya-Hermeias, Saranyus-Erinnys, Ken-
tauros-Gandharva u. s. w.) halten vor der Kritik nicht Stand. — Auch M,
Müller's mj'thenvergleichenden Studien vermag M. nur beschränkte Geltung zu-
zugestehen (S. XX). Als eine in gewissem Umfange wichtige Entdeckung er-
kennt er aber die Ansicht Schwartz's , „dass in den unter dem Volke noch
lebendigen Sagenmassen eine niedere Mythologie enthalten sei , welche einen
früheren Zustand der später daraus erwachsenen Götterlehre darstellt. Diese
niedere Mythologie mag sich beim Volke von Urzeiten erhalten haben, indem
seitdem großartige Göttersagen in der höheren Gesellschaft ausgebildet wurden
und wieder erloschen sind."
Für diese Anschauung sprechen allerdings die in M's Darstellung wie-
derholt dargelegten Wandlungen einer und derselben Sage. Z. B. die der
Rauchelse im Wolfdietrich Baumculte S. 108 ff., die von Peleus und Thetis
Antike Baumculte S. 77 durch die Benfey's Behauptung, wie M. meint, widerlegt
wird , daß die Märchenstoffe durchweg buddhistischen Ursprungs und erst in
verhältnissmäßig später Zeit nach Europa gekommen seien.
So kömmt denn M. am Schlüsse seines Werkes zu dem Ausspruche, der
in seinem Schlussworte S. 349 enthalten ist:
„Für das Verständniss der antiken Mythologie schließen die angestellten
Untersuchungen eine ganz neue Seite auf. Was unsere mythologischen Hand-
bücher uns von denselben zur Anschauung bringen, ist die Fülle jüngerer und
jüngster Bildungen, welche in der Literatur, im historisch- bewegten und ver-
feinerten Leben städtischer Volkskreise aus den ursprünglichen mythischen Vor-
stellungen und Handlungen erwachsen sind. Nun schimmert unter dieser
Mythologie der Gebildeten mit einem Male eine Volksmytho-
logie hervor, welche die überraschendste Aehnlichkeit mit den
Volksüberlieferungen der nordeuropäischen Bauern bekundet.
Diese Aehnlichkeit erstreckt sich auf Volkssageu, Märchen und Gebräuche ; die
einzelnen Ueberlieferungen behandeln dieselben Gegenstände wie die unsrigen
und decken sich nach Umfang und Inhalt mit denselben. — Da wiederholen
sich die Volkssagen vom Tode des Waldgeistes (des großen Pan) , von dem
Verschwinden der Elfin (Thetissage) , von der am Wege harrenden Blume
(Klytia)" etc. etc. Wenn auch Manches in der reichen Fülle solcher in diesem
Bande angeführten Analogien von der Wissenschaft nicht als bewiesen angenom-
men werden sollte , Vieles scheint doch derart , daß es kaum wird abgelehnt
240 LITTERATÜR: W. MANNHARDT, ROGGEN WOLF U. ROGGENHUND.
werden können und jedenfalls scheint der erst in diesem Bande lebendiger er-
griffene eben dargelegte Grundgedanke fruchtbar. Dan Ganze ist ebenso wie
der erste Band als Materialiensammlung gewiß von bleibendem Wert. —
Auf eine eingehende Besprechung des Einzelnen verzichte ich ; muß ich
ja schon mit dem Gegenwärtigen befürchten, zu ausführlich geworden zu sein.
Nur Einiges will ich noch bemerken.
Bei der eingehenden Behandlung aller mit dem Naturleben in Verbin-
dung stehenden Gebräuche und darauf bezüglichen Dichtungen vermißt man
eine Besprechung der Rosengärten in der deutschen Poesie, der die
reichhaltige Darstellung Uhland s Germania VI, 307 ff. Werke 8, 504 reichen
Stoff geboten hätte. Es wirft diese Abhandlung doch, wie es Ref. scheint, Licht
auf die symbolischen Darstellungen des Kampfes zwischen Sommer und
Winter. Auch dieser Kampf hätte wohl eine ausführlichere Darstellung ver-
dient. Auch hier wäre die Abhandlung: Uhland's Schriften 3, VI ff. ergiebig
gewesen und auch die antike Mythe hätte vielleicht Analogie geboten, nament-
lich in den Dionysien und Bacchanalien, die S. 200 nur flüchtig berührt wer-
den. Den Dionysien liegt doch der Gedanke an den Sieg des der Vegetation
günstigen Gottes über den Winter zu Grunde. Mich erinnerte die Mythe von
dem Kampfe des Dionysos mit dem mythischen Lykurgos , dem Sohne des
Dryas, in welchem Lykurgos gefangen genommen und der Augen beraubt
wurde (in der Erzählung Diodor's von Sicilien 3. Buch, Cap. 65), immer an den
deutschen Kampf des Sommers mit dem Winter, wo es heißt: der Winter
liegt gefangen — stecht dem Winter die Augen au s. Grimm, Myth.
725, 726. Auch: Stecht dem Tod die Augen aus! S. 726. Im ungri-
schen Bergland (siehe des Referenten Nachtrag zum Wörterbuch der Mundart
des Ungar. Berglandes S. 47 und auch an andern Orten) ist der Winter (oder
Tod) im Gesicht mit Kohle schwarz gemacht. Wenn wir uns erinnern , daß der
Tod auch durch einen Wolf dargestellt wird , so möchten wir sogar fragen,
ob Lykurgos nicht mit seinem Namen an den Winterwolf oder Todeswolf
erinnert. Diesen Gedanken würde ich als abenteuerlich nicht auszusprechen
wagen , wenn mich die Erörterungen M's über Roggenwölfe und Roggenhunde
oder Getreidewölfe, die er mit den Hirpi Sorani der Römer, den Wölfen des
Sonnengottes vergleicht , die an die griechischen Lykaia erinnern , nicht er-
muthigten, auf diese Analogien hinzuweisen. Daß der Wolf den Saaten Segen
bringt, scheint unvereinbar damit, daß er den Tod darstellt. Der Segen kann
aber darin liegen, dass er das Reifwerden verursacht. Von reifen Trauben, die
sich bräunlich färben, heisst es, der Fuchs habe seinen Schweif daran abge-
wischt, d. h. er hat ihr Reifwerden herbeigeführt. — Wenn der Wolf des
Mars der Römer (Lupus Martins), dem Wolfe des Apollon der Griechen, dem
Wolfe des Odin der Germanen verglichen wird (S. 336), wenn Sommerfeste,
Sonnwendfeste Wolfsfeste genannt werden , so liegt dem Allen doch eine ge-
meinsame , noch nicht hinreichend erklärte Anschauung zu Grunde , die mit
diesem gefürchteten Tliiere in Verbindung steht. Ganz deutlich ist der Roggen-
wolf und Roggenhund Wodan selbst oder durch ihn gesendet; früher der See-
lenführer in die Unterwelt, dann der Tod selbst, und der Tod ist auch in der
Volksvorstellung der Winter. Daneben geht eine andere Vorstellung, nach der
Gott Donar als Sommergott auftritt. Was hierüber von Uhland in seiner Ab-
handlung der Rosengarten von Worms a. a. 0. angeführt ist, hat M., wie mir
LTTTER4.TUR: F. KRVMER, IDIOTISMEN etc. 241
scheint mit Unrecht, übergiingen. Schon Grimm hatte Mythoi. S. 744 hervor-
gehoben, dass Sommer und Winter sich dramatisch gegenüber gestellt wurden,
der eine in Laub und Blumen, der andere in Stroh und Moos gekleidet. In
manchen Gegendon lilsst man aber den in Laub gekleideten Sommer als Bären
tanzen. Auch in Rauhnachtumzügen erscheint der Bär an der Kette (S.Wein-
hold, Weihnachtspiele S. 6). Gr. erinnert dabei an den Helden in Bärenhaut
der Heldensage, was von Uhland weiter ausgeführt wird. Danach erscheint be-
kanntlich in der nordischen Saga und im niederländischen Liede ein Held im Bäreu-
kleide, der einem anderen Helden gegenübersteht, dessen Name ihn auch als
Bären bezeichnet, kämpfend, was Uhland a. a. 0. S. 514 f. zu dem Schlüsse
führt , der Kampf des Sommers mit dem Winter möchte ursprünglich als ein
Sieg des Waldbären über den Eisbären dargestellt gewesen sein. Dazu dürfte
auch das vom Referenten über Zalmolxis Germania 13, 214 bemerkte zu ver-
gleichen sein. Dietrich von Bern vertrete ferner ein Erbtheil germanischer
Göttersage vom Donar. Es ergibt sich, daß das Bärenspiel auf ein Sommerfest
im Rosengarten zurückgeht und Dietrich steht auf der Seite des Sommers. Ob
auch seine Abkunft vom Wolfdietrich, seine Eigenschaft eines Trost der Wülf-
inge mythisch zu deuten sei, bleibe hier unerörtert, — Das sind übrigens flüch-
tige, gelegentliche Bemerkungen , die in keinem Verhältnisse stehen zu dem
bedeutenden Werke M's, das wir weiterer gründlicher Prüfung Kundiger bestens
empfehlen und das bei seinem reichen Inhalte in einem kurzen Bericht gar nicht
erschöpfend gewürdigt werden kann.
Weitgehende wissenschaftliche Fragen, wie die hier auftauchenden, können
wohl auch in der gebotenen Kürze einer Anzeige nicht zu Ende geführt werden ;
daher hier Bemerkungen, die nur den Zweck haben anzuregen , wohl eher ge-
stattet sein mögen, wenn man sie auch in einem systematischen Werke nicht in d er
Form wagen würde. Von M.'s größerem Werke Wald- und Feldculte kann
ich zum Schlüsse nur wiederholen, daß es als ein Zeugniss deutschen aus-
dauernden Strebens alle Achtung verdient und mannigfaltige Anregungen gibt.
Daß es ferner manche Ergebnisse gebracht, die Beachtung finden werden und
daß es endlich eine Sammlung von werthvollem Material ans Licht gestellt, die
als ganz unschätzbar begrüßt zu werden verdient. SCHEÖER.
Krämer Friedrich, Idiotismen des Bistritzer Dialekts. Programm des Gymna-
siums zu Bistritz (Siebenbürgen). Bistritz. J. E. Filtsche'sche Erben. 1876.
A bis L. 83 Seiten.
Erst unlängst war Ref. veranlasst^ in Zarnckes Centralblatt Nr. 11 (1877)
S. 384 bei Besprechung von Dr. K. Reißenberger's kleiner Schrift: Die For-
schungen über die Herkunft des siebenbürgischen Sachsenvolkes, Hermannstadt
1877, auf die Rüstigkeit der dortigen Gelehrten auch auf dem Gebiete der
Sprach- und Mundartforschung hinzuweisen. Ref. erlaubte sich dabei in Hinblick
auf die dort herrschenden traurigen Verbältnisse die Bemerkung: „Sie haben
sich 700 Jahre hindurch auf der Höhe deutscher Bildung erhalten und sollen
jetzt der Entnationalisirung preisgegeben werden! Ein neuer Ausgleich ist im
Werke, dem 10 Millionen Deutsche diesseits der Leitha zustimmen sollen und
unter ihnen erhebt sich keine Stimme für das dem Unter gange
GERMAOTA. Neue Keihe X. (XXII.) Jahrg. 16
242 LITTERATUR: F. KRAMER, IDIOTISMEN etc.
geweihte Volk der Siebenbürger Sachsen!" — Wenn es auf poli-
tischem Gebiete immer noch nicht gelingen will , den Antheil und die that-
kräftige Unterstützung des deutschen Volkes zu gewinnen , auf wissenschaft-
lichem Gebiete sollten die rühmlichen Bestrebungen eines deutschen Stammes
an jenen äußersten Grenzen der Civilisation nicht todtgeschwiegen werden!
— Es ist vielleicht sogar am Platze, ihnen eine besondere Aufmerksamkeit zu-
zuwenden.
Bekannt ist die 1874 bei S. Hirzel in Leipzig in neuer Auflage erschie-
nene treffliche Geschichte der Siebenbürger Sachsen von G. D. Teutsch. Be-
kannt sind auch die vortrefiflichen Sammelwerke: Die deutschen Volks-
märchen aus dem Sachsenlande in Siebenbürgen, gesammelt von Jos. Halt-
rich, Berlin 1856, Jul. Springer; die Siebenbürger Sagen, gesammelt
und mitgetheilt von Friedr. Müller, Kronstadt 1857, Joh. Gott; endlich die
siebenbürgisch -sächsischen Volkslieder mit Anmerkungen und Ab-
handlungen, herausgegeben von Friedrich Wilhelm Schuster, Hermannstadt
1865. Th. Steinhausser. Alles hervorragende Musterwerke. — In neuerer Zeit
nun regt sich unter jüngeren siebenbürgischen Gelehrten ein sehr anerkennens-
werthes Streben auf dem Gebiete der Sprachforschung. Schon 1871 trat Prof.
Reißenberger hervor in seiner Doctor-Dissertation „Über Hartmann's Rede
vom Glauben" , in der er die rhein-fränkische , siebenbürgische Mundart mit
dem Studium älterer deutscher Sprachdenkmale in Beziehung brachte. 1872
folgte eine Laut- und Formenlehre der starken Verba im Siebenbürgisch-säch-
sischen von Johann Roth, Hermannstadt 1872. Bei v. Closius Erben. 1873
erschien in dem Programm des Gymnasiums zu Mühlbach in Siebenbürgen :
Der Consonantismus des Siebenbürgisch - sächsischen von Johann Wolff.
Diese Arbeit wurde im Ceutralblatt 1873, Nr. 45, von W. Braune mit
Auszeichnung gewürdigt. 1875 folgte ebenfalls im Programm von Mühl-
bach eine Abhandlung desselben Verfassers: „Über die Natur der Vocale im
siebenbürgisch-sächsischen Dialect." — Diesen neueren Arbeiten schließt sich
nun an: die erste Hälfte eines Wörterbuches der Mundart des Nösner oder
Bistritzer Dialectes , von Friedrich Kramer , das in der Überschrift genannt
ist. Alle diese Erscheinungen beurkunden gewiss eine Rührigkeit dieses kleinen
Volksstammes, wie sie kaum bei einem anderen anzutreffen ist.
Zu einem Wörterbuche der siebenbürgisch-sächsischen Mundart wird schon
lange gesammelt. Im Di'uck erschienen, außer einigen kleineren Aufzeichnungen
früherer Zeit, im Jahre 1865 zwei größere Vorarbeiten: I.Beiträge zu einem
Wörterbuche der siebenbürgisch-sächsischen Mundart , von J. C. Schuller , Prag
1865, bei F. A. Credner, 75 Seiten und 2. Plan zu Vorarbeiten für ein
Idiotikon der siebenbürgisch-sächsischen Volkssprache, von Jos. Haltrich. Kron-
stadt 1865, bei J. Gott. 150 Seiten.
Einen besondern Werth hat nun vorliegende Sammlung, indem sie von
einer Sprachinsel herrührt, die von der Hauptgruppe der sächsischen Ansied-
lungen Siebenbürgens abgetrennt und ziemlich weit entfernt sich auch in der
Spi-ache eigenthümlich entwickelt hat. Die große Sprachinsel von Hermannstadt,
die sogenannten Saxones septem sedium, die sieben sächsischen Richterstühle,
bilden den Hauptstock des Siebenbürger Sachsenvolkes. Sie sind die Nachkom-
men der unter Geisa II. (1141 — 1161) in's Land gerufenen Einwanderer.
Außer dieser Hauptgruppe sind noch zwei davon abseits liegende „sächsische"
LITTERATÜR: F. KRAMER, IDIOTISMEN etc. 243
Sprachinseln vorhanden. Das Burzenland im Südo.sten mit der Hauptstadt Kron-
stadt und der Nösner (Jau im Norden mit der Hauptstadt Nösen oder Bistritz.
Das Burzenland ist im ersten Viertel des 18. Jahrhunderts gegründet. Andreas H.
schenkte das territorium quod dicitur Wurza (so bei P. von Duisburg; ein
gebit man nande in Ungirlande Wurzä Jeroschin 113j im Jahre 1213 dem
deutschen Ritterorden , der es vorübergehend bis 1225 besaß. — llber die
Gründung des Nösner Gaues ist nichts bekannt. Teutsch , 1, S. IG, ist zur
Annahme geneigt, daß sie in die Zeit vor Geisa hinaufreiche.
Die Sprache des Nösner Gaues soll den Uebergang bilden von dem Sie-
benbürger Silchsischen zur Sprache der Zips; im „Ungrischen Magazin (Pres-
burg 1783)" I, 260 wird sie ein „makaronisches Sächsisch" genannt, d. h.
halb „deutsch" halb „sächsisch". Jedenfalls müssen wir den Beitrag aus dem
Nösner Gau hoch willkommen heißen.
Wir erlauben uns gelegentliche Bemerkungen zu demselben, die viel-
leicht bei Ausarbeitung des zweiten Theiles, dessen baldige Veröffentlichung wir
hoflfen dürfen, einige Beachtung finden. Manches, was hier zu bemerken ist,
gilt überhaupt der Abfassung mundartlicher Wörterbücher.
In dem Vorworte heisst es S. HI. ,,Die leitenden Gesichtspunkte dabei
waren : Rückführung, wenn möglich eines jeden Wortes, auf die alt- und mit-
teldeutsche Form oder Wurzel desselben und Vergleich mit ähnlichen Formen
deutscher Dialecte."
Der Nachweis der alten Formen und des Vorkommens eines Wortes in
anderen Dialecten ist allerdings und ohne Frage höchst erwünscht. Bei einer
ersten Sammlung von Idiotismen aus dem Volksmunde darf dies aber keines-
wegs die Hauptsache sein. Die Hauptsache ist hier das Sammeln der
eigenthümlichen Formen, ihre genaue schriftliche Darstellung
und eine erschöpfende, befriedigende, wo es nöthig ist, mit
guten Beispielen belegte Darlegung ihrer Bedeutung und ihres
Gebrauchs. — Wenn die Etymologie vorderhand noch Schwierigkeiten macht,
so ist es viel angemessener, erstens die Form, dann die Bedeutung, den Ge-
brauch festzustellen: denn das ist das werthvolle Material, um das
es sich handelt. Nur zu oft eilt der Verfasser eines mundartlichen Wörter-
buches mit einer kurzen , ungenügenden Angabe der Bedeutung sogleich zu
etymologischen Erörterungen und schleppt eine Menge ungesichteten Materials
herbei und am Ende sind wir nicht sicher der mundartlichen Form, nicht der
Bedeutung und nicht der Ableitung. — So hat einst der wackere J. K. Schuller
eine Abhandlung geschrieben über den „Muorlef" in der eine Masse gelehrter
Erörterungen aufgehäuft war, die beweisen sollten, daß der Muorlef eine Er-
innerung an die Morolfsage ist; uns wurde aber aus der ganzen Abhandlung
nicht hinreichend klar, wie, wann, wo bei den Siebenbürger Sachsen das Wort
Muorlef angewendet wird. Hätte Schuller Beispiele gesammelt über den Ge-
brauch des Wortes, in erschöpfender Weise, daß auch der Nichtsiebenbürger
mit dem Worte vertraut werden konnte, wir hätten es ihm mehr gedankt. —
Der ein mundartliches Wörterbuch abfaßt, muß immer daran denken, daß das,
was er mittheilt, dem größten Theil des Publicums, für das es bestimmt ist,
unbekannt ist. Er muß sogar denken , daß eine Zeit kommen wird , wo das
Mundartliche erlöschen wird. Daß es daher darauf ankommt, es für alle Zeit
und für Jedermann zu fixiren und vollkommen befriedigend darzulegen —
16*
244 LITTERATLTR: F. KRAMER, IDIOTISMEN etc.
das ist die Hauptsache. Kann der Verf. die Etymologie, das Vorkom-
men anderswo nachweisen, so ist es natürlich um so besser; nur darf er uns
nicht zu viel des Selbstverständlichen und Allbekannten mit in Kauf geben, in
den Nachweisen nicht unnöthig breit werden. Kann der Verf. die ältere Form
nicht nachweisen , so beschränke er sich auf die Mittheilung des Idiotismus,
seiner Form , seines Gebrauches. Eine Anhäufung von Vermuthungen , die zu
keinem bestimmten Ergebniss führen, ist ohne Werth.
Die kleine Besorgniss^ welche die oben angeführten Worte des H. Vfs.
erregten, wird nicht gemindert, wenn er am Schlüsse des Vorwortes als „Quelle"
seiner Beiträge nächst der Sammlung aus dem Munde des Volkes: Graff's ahd.
Sprachschatz, das mhd. Wörterbuch, Grimm's Grammatik, den Iwein, die Ni-
belungen, Parzival etc. — mit einem Worte seine ganze kleine Hausbibliotbek
anführt! — Nun einige Bemerkungen im Einzelnen.
äbersch und dbesch verkehrt. „Das Wort ist allgemein , namentlich
in ganz Mitteldeutschland verbreitet." Darauf werden die alten und neuen For-
men aufgeführt, das Charakteristische der Mundart aber wird nicht hervorge-
hoben. In Baiern und Oesterreich herrscht die alte Form abich nicht abisch.
Wenn der Vf. getrennt die Gegenden, in denen abich und in denen abisch ge-
bräuchlich ist, betrachtet hätte, hätte sich ergeben, daß letzteres md. ist. äbsch
geht durch ganz Mitteldeutschland. Weinhold 5. Es ist aus dem Nl. herüber-
genommen, mnl. avesch nnl, aafscJi. Im Schwäbischen kömmt neben abich auch
ähsch vor; letzteres ist auch hier aus dem nl. eingedrungen.
äder in der Bedeutung: aber, neben oder. Dazu werden md. Idiotiken
citirt (mein Wörterbuch der Mundarten des ung. Berglandes wird regelmässig
mit unrichtiger Seitenzahl angeführt), dann aber heißt es: „bair. Schm. 1,
27, also allgemein mittel- und oberdeutsch." Der Vf. erwägt nicht, daß Schmel-
1er s Wörterbuch drei Mundarten vertritt, auch eine mdeutsche. A. a. 0. sagt
Schm. ausdrücklich „Ob. Pf. Franken."
aklich ener und äddrich änner werden als Nebenformen nebeneinander
besprochen. Sie wären getrennt zu behandeln, aklich ener geht auf mhd. iegelich
(angls. ägelic) zurück, die Verbindung mit ener vergleicht sich mit nl. elk
{==. iegelich) een engl, every one S. Gr. Gr. III, 54; hingegen äddrich {änner)
eine Erweiterung von ieder (aus ze-weder) nnl. ieder ider ist, gleichsam jederig
einer wie mhd. ie dichein u. a. — ,^ält adv. manchmal, zuweilen Haltr. Id. 38
ebenso und alt 5s^" verstärkend „alt eV". Das wird alles so hingeschüttet,
dazu noch aus Fromm. 4, 194: .^altäkend^' manchmal, als ob wir Leser alle Sie-
benbürger Sachsen wären! Wer weiß was alt ist und alt et und altäkend sein
kann, wie es angewendet wird? Gebrauchsanwendungen und Formen müßten
erklärt und in Sätzen in der Anwendung gezeigt werden. Das hilft uns nicht
weiter, wenn man anführt, daß ein Wort schon von Haltrich S. 38 und bei
Frommann a. a. 0. vorkommt, wenn dort ebenfalls nicht mehr dabei steht als
hier! — Die Ableitung von rheinfränk. aW, schon, ist kaum richtig, jenes alt be-
deutet: manchmal, nicht: schon. Damit zu vergleichen ist älst manchmal aus
mhd. accus, adv. allez vgl. Fromm. II, S. 286, 65 und 140. — ämfrä auch
ämtfrä Hebamme, ist nicht, mit Hinweis auf Haltrich, zu deuten als Amtfrau.
Das t ist späterer Zusatz und gemeint ist eine Frau, die Amme ist. Amme ist
nicht nur die Säugerin. In manchen Gegenden heißt eine Kinderfrau : trockene
Amme (so im ungr. Bergland). — So ist mit Heb-amme heutzutage eine Kind-
LITTERATUR: F. KRAMER, IDIOTISMEN etc. 245
hebende Pflegerin gemeint (wcun da« Wort auch auf ein noch unaufgeklärtes hefi-
hanna zurückgeht). Bei Ayrer kommen die Formen Ammenfräulein , Amma-
fräulein für Amme vor. Gr. Wtb. 1, 278. — dne , änfjden , iine immer, ane
c'nt , ina int, äne niesch immer ein, immer gleicli. Alle diese Formen werden
unter Einem vor- und auf mhd. iender zurück geführt, mit weiterer Berufung
auf die Formen inde aus Breslau und der Zips, die Weinhold und Ref. aus
iender erklärten. Das gibt ein Chaos ! Alle oben angeführten Formen müssen
getrennt betrachtet, ihre Formen festgestellt , ihr Gebrauch an Beispielen ge-
zeigt werden. Dann ist zu sehen, ob alle auf Eine Form zurückzuführen und
wie die Verschiedenheiten der Formen zu erklären sind. Auf iender sind sie alle
nicht zurückzuführen. Da äne int immer eins bedeutet, so wäre das von mir
angeführte (Nachtrag 34''): anä mhd. in ein, enein in eins allerdings zu er-
erwägen (= in ein einez). — ^nsem empfindlich, wird von ande abgeleitet:
gewiß falsch. Hätte uns der Hr. Verf. lieber reichliche Belege mitgetheilt, die
uns das Wort in lebendigem Gebrauch gezeigt hätten! Es erinnert an das
siebenbürgische: anjem, das auch noch unaufgeklärt ist, auch an das schlesische:
e.s-f w (egisarn). — erden einholen, dazu vgX.derdonen erreichen, eigentlich erspannen,
mhd. donen spannen mein Nachtr. S. 22; Weinhold schles. Wtb. 15. — disem m.
Sauerteig. Da die ahd. Form deismo aufgeführt ist, hätte der alte, irreleitende
Erklärungsversuch „Teigsamen", der nach Haltr. hinzugefügt ist und schon von
Frisch gemacht , von Gr. Wtb. I. 914 aber zurückgewiesen ist , wegbleiben
sollen. — fälfes n. Weidenkorb, eigentlich Futterschwinge, wurde von Haltrich
Id. 28 schon richtig aus FüUfass erklärt. WolfF Conson. 38 und nach ihm
Kramer wollen es von ahd. felawa Weide ableiten. Ebenso wollte Regel das-
selbe Wort fölwas, wie es in Ruhla lautet, von felioa ableiten, und zwar gegen
Vilmar, der es aus füllfass erklärte. Ref. glaubt in seiner Schrift: Das Bauern-
haus auf der Weltausstellung 1873 (oflficieller Bericht) S. 12 überzeugend
nachgewiesen zu haben, daß das Wort, das auch im ung. Berglande, ferner im
sigerländischeu und in schmalkaldischen Dörfern üblich und in das Slovakische
in der Form filfas übergegangen, aus Füllfass zu erklären ist. — Bei
feiti m. rothe Stickwolle, wird Pfeid, got. paida herbeigezogen, ja damit sogar
pändel in Verbindung gebracht (das n sei eingeschoben)! — In solche Aben-
teuer wollen wir uns nicht einlassen!
gömern beim Anblick von essenden Personen ki-ankhaft nach dessen Speisen
verlangen. Haltrich und Wolfif führen an die Formen gömern und giumern und
leiten es ab von vahd.jämern, was im Bisti'itzer Dialect, nach Angabe des Hr. Verfs.
S. 36, jomern heißt. Wenn demnach im B. Dialect gömern und jomern neben ein-
ander bestehen, dann ist für ersteres eine andere Abstammung zu suchen. Es
ist wahrscheinlich eine Erweiterung von gaumen (got. gaumjan ahd. goumjan) das
in der Schweiz, im Osterreichbairischen, in Gottschee (Wtb. S. 90: gämen) in
der Bedeutung beobachten, bewachen üblich ist. — Zu greiserlich entsetzlich
wird angeführt mhd. freislich, was nicht hieher gehört. Die diesem greiserlich ent-
sprechende mhd. Form ist natürlich: griuslich. — Zu löfter f. Klafter wäre zu bemer-
ken, daß die laßer auch altniederrheinisch (im Annoliede) vorkommt, daß aber
die Zipser Form louchter (= lächier) nicht die „oberdeutsche" ist, wie Kr.
angibt, sondern die niederd. niederländische, mit eh für f. — Unter lis f. Leiste
belehrt Hr. Kr. den Referenten in einer Weise, die abgelehnt werden muß.
Daß bairisch leuchse auf mhd. liuche zurückzuführen ist u. s. f. (Hr. Kr. schreibt
246 LITTERATUR: G. K. FROMM ANN, DIE DEUTSCHEN MUNDARTEN.
mhd. linche linchze) hat derselbe bereits 1859 , Nachtrag S. 38 auseinander-
gesetzt.
Besonders hervorzuheben an dem Material des NÖsner Idiotikons ist die
überwältigende Fülle des Übereinstimmenden mit der Zipser Sprache. Möge
die zweite Hälfte nicht zu lange auf sich warten lassen. — Von der Uner-
schöpflichkeit der eigentlichen Idiotismen eines kleinen Gebietes macht man
sich oft übertriebene Vorstellungen. Sie haben doch immer nur einen relativ
kleinen Ideenkreis, der sich auf die im täglichen Verkehr vorkommenden Dinge
bezieht. Was über das Gebiet des Nächstliegenden hinausgreift, greift auch
schon über das Gebiet der Mundart hinaus und muß der Schriftsprache ent-
nommen werden. Dergleichen gehört nicht in das Idiotikon. Diese Bemer-
kung mache ich, weil, gerade die Siebenbürger Sachsen in der Vorstellung
von der Unerschöpflichkeit ihrer Idiotismen, wie mir vorkommt, zu weit gehen,
was mir aus den umständlichen Anstalten zu erhellen scheint, die seit De-
cennien zu einem siebenbürgisch-sächsischen Idiotikon gemacht werden; Kramer
hat recht gethan, daß er frisch daran gegangen ist, die Idiotismen von Bistritz
zusammenzustellen.
Möchte ihm bald ein Zweiter folgen mit einem Idiotikon des Burzenlandes.
Dann aber wäre es Zeit endlich an die Herstellung eines siebenbürgisch-
sächsischen Idiotikons zu gehen, das ich mir nicht zu groß denke. Bei den
genannten kleinen Sammlungen wiederholt sich doch sohon Bekanntes immer
wieder. Ich glaube, wenn Alles in der Mundart bisher Gedruckte gut benutzt
wird, so wird nicht leicht etwas Bemerkenswerthes übersehen werden. Möchten
wir bald ein siebenbürgisch-sächsisches Idiotikon erleben!
SCHRÖER.
Frommann, Dr. G. Karl. Die deutschen Mundarten. Zeitschrift für Dichtung,
Forschung und Kritik. Siebenter Band, III. und IV. Heft. Halle, Verlag
der Buchhandlung des Waisenhauses 1877. 8. S. 257 — 508.
Mit diesem Doppel-Hefte wird der siebente Band dieser verdienstvollen
Zeitschrift abgeschlossen; wenn nicht unerwartete Hilfe kommt, leider der letzte!
— Der Inhalt des vorliegenden Heftes ist so bedeutend, so reich an ausge-
suchten Mittheilungen sorgfältig behandelter Sprachproben, an lehrreichen Er-
gebnissen der Forschung, daß mich dies veranlaßt, mein schon einmal ausge-
sprochenes Bedauern zu wiederholen und auf den Wert dieser Zufluchtsstätte
für die letzten Athemzüge der dahinschwindenden Mundarten unseres Volkes
und für die wissenschaftliche Bearbeitung derselben hinzuweisen.
Das erste Stück in dem Hefte ist eine Fortsetzung von B. Spieß'
Beiträge zu einem h ennebergischen Idiotikon. Es gelangt hier bis
zu dem Buchstaben J fexclusive), so daß nicht einmal die Hälfte der Samm-
lung veröff"entlicht ist. Wo soll der Herr Verf. die zweite Hälfte erscheinen
lassen, wenn Frommanns Zeitschrift erlischt?
Ein höchst werthvoller Beitrag ist gleich das zweite Stück: Über
mundartliche Orthographie von J. F. Kräuter, von dem fast gleichzeitig eine
sehr beachteuswerthe Schrift: Zur Lautverschiebung (Straßburg. K. J. Trübner
1877. 154 Seiten) erschienen ist.
LITTEKATUK: G. K. FKOMMANN, DIE DEUTSCHEN MUNDAKTEN. 247
Kräuter gedenkt in einer Anmerkung freundlich eines früher von mir
veröffentlichten Aufsatzes „Über erhöhte Ansprüche, die nun an die Aufzeich-
nung mundartlicher Sprachproben zu stellen wären" mit den Worten: „Sehr,
hat über diesen Gegenstand sehr Beherzigensvverthes gesagt", meint aber mit
vollem Recht, daß damit die Veröffentlichung seines Aufsatzes doch nicht über-
flüssig gemacht sei*). Ich hatte künftige Mittheilungen von Sprachproben von
Männern im Auge, die dem Volksleben nahe stehen, wie z. B. Lehrer auf
dem Lande, deren Lebensberuf nicht auf Lösung der Probleme der Wissen-
schaft gerichtet ist und von denen nicht zu erwarten noch zu verlangen ist,
daß sie mit der Methode der Sprachforschung vertraut sind, Beiträge von
solchen Männern können sehr willkommen sein, wenn sie mit Ti'eue und Sorg-
falt wiedergegeben sind und eine Zeitschrift für Mundarten darf auf sie nicht
verzichten. — Solche Mitarbeiter hatte ich in jenem Aufsatze im Auge, indem
ich sie anregen wollte ihre mundartlichen Beiträge möglichst so niederzuschreiben,
daß der Klang der Mundart bis in's Einzelne auch für denjenigen erkennbar
ist, der sie nie gehört.
Kräuter hat in seinem Aufsatze nur Dialektforscher vom Fach im Auge.
Hier kommt nun namentlich eiu neues Moment in Betracht, die physio-
logische Bestimmung der Laute , ein Moment von dem wir Alten in unserer
Jugend nichts lernen konnten , ein Moment durch das das jüngere Geschlecht
uns überlegen ist. Wer das Glück hatte die dazu erforderlichen Studien an
der Hand eines kundigen Lehrers auf der Hochschule zu machen, wird sich
auf diesem Gebiete immer gewandter bewegen als wir, die wir mühsam in
späteren Jahren die neugewonnenen Anschauungen uns anzueignen haben.
Ein wesentlicher Unterschied zwischen den Alten und den Jüngern in
Bezug auf die Darstellungsart der Laute scheint mir abgesehen von allem
Andern auch schon dadurch gekennzeichnet, daß jene nur die wirklichen
Laute der Mundart im Auge hatten ; ihnen entgingen die Laute , die in der
Mundart nicht vorkommen; indem die Jüngeren, abgesehen von der wirklichen
Erscheinung, das ganze Gebiet der physiologischen Möglichkeiten vor Augen
haben. Hier können freilich wohl auch Täuschungen vorkommen — und sind
vorgekommen — indem man um einen möglichen Laut in einem Beispiel an-
schaulich zu machen , ihn in einem wirklichen , zuweilen irrthümlich zu er-
kennen glaubte (ich erinnere z. B. an Brücke's e° in ziaölf oder dessen i"
in Myiie**). Ähnliche, nach meiner Anschauung unbegründete Annahmen,
fand ich, was ich hier sogleich bemerken muß, in vorliegendem Aufsatz nicht.
Nicht zutreffend schien mir nur, daß als Beispiel für das deutsche ö (in Töne),
französisch hoeufs, oeufs, neben feu deux angeführt wird. Der Vocal in boeufs
liegt doch, wie mir scheint, wie der in veuve , zwischen e" und ö", indem das
*) Er sagt noch „übrigens kann ich mich mit einzelnen seiner Vorschläge nicht
einverstanden erklären« und ich darf es wohl beklagen, daß er diese Einzelheiten nicht
namhaft macht.
**) Der Vocal in zwölf, ursprünglich zwelf wird in den Mundarten entweder
ö oder e oder — durch Einfluß des 1 — ö gesprochen; so hört man ja auch ö7/ für
elf, eilf. Von einem Laute, der etwas anderes ist als ä, e oder ö ist mir nichts vor-
gekommen. Eiu dem ö anders genähertes e als in Wölfe kenne ich nicht. So spricht
man auch Mirte oder Mürte, an ein drittes kann ich nicht glauben. Das Wort reimt
entweder vollständig auf Hirte oder vollständig auf gürte.
248 MISCELLEN.
e?{ in feu dem deutschen ö (Brücke's o") gleichkommt. — Im Ganzen ist
Kräuter's Aufsatz wohl überdacht, in hohem Grade beachtenswerth und gereicht
diesem Heft zur besonderen Zierde.
Ich nenne noch von dem Inhalte desselben : einen posthumen Aufsatz
von H. Rückert: Über die mundartliche Stellung der deutschen Bestaudtheile
in Wiggerts Psalmenfragmenten ; einen anziehenden etymologischen Auslauf des
Herausgebers über Schlamassel; den Schluß zu Staubs Abhandlung über
ein alemannisches Lautgesetz; einen Beitrag A. Stengels über die Mundart
an der schwäb. Retzat; 2 Idyllen in Steinlacher Mundart mitgetheilt von M.
Bührer; Beiträge aus dem Niederdeutschen von F. Woeste; Volkssprüche
aus Schwaben von G. Scuffer; Hebels Habermus nach der Aussprache von
Hausen von Joh. Meyer (bei dieser Gelegenheit wäre es wohl erwünscht und
vielleicht auch thunlich gewesen den a. a. 0. von mir gestellten Anfor-
derungen einigermaßen Rechnung zu tragen !) ; zu den deutschen Dialekten von
Mieck; Schwäbische Einladung zu einem Fasnachtscherze von A. Birlinger;
eine Anfrage über ülfen von G. Brückner, —
Als vortrefflich dürfen noch hervorgehoben werden die Besprechungen
von L. Tob 1er und F. Kräuter (beide über Wintelers Kerenzer Mund-
art), von Fr. Latendorf über Edm. Höfers: wie das Volk spricht u. a.
Sehr zu bedauern ist, daß diesem 7. Bande das alphabetische Verzeich-
niss der Wörter und Sprachformen fehlt, indem doch die 6 früheren Bände
ohne Ausnahme mit einem solchen schlössen, was ihi-e Brauchbarkeit so sehr
erhöht hat. SCHRÖER.
MISCELLEN.
Briefe von Jacob Grimm an Karl Dominique Franz von Villers*).
Mithgetheilt von Dr. I s 1 e r in Hamburg.
I.
Cassel, 15. October 1810.
Ich komme mit einer Bitte. Eine fröhliche Nachricht aus Rom hat mich
ganz in Eifer und Flammen gebracht. Glökle, welcher dort den altdeutschen
Rein hart Fuchs aus dem 13. Jahrhundert entdeckt hat, wird mir ihn ver-
muthlich zur Herausgabe überlassen und in kurzem zusenden. Nun habe ich
damit nichts weniger vor, als ihn in Ansehung der Sprache nicht nur, sondern
auch historisch kritisch recht fleissig zu bearbeiten. Dazu ist aber eins unum-
gänglich nöthig, die Einsicht und genaue Benutzung der altfranzösischen Ge-
dichte , welche zu Paris handschriftlich begraben liegen. Die elende Arbeit,
welche Legrand im fünften Band der notices et extraits de la bibl. nationale,
*) Geb. zu Bolchen in Lothringen 4. November 1765, gest. zu Göttingen 26. Fe-
braar 1815. Über ihn vgl. Biographie universelle s. v. Villers, von St(apfe)r, W. von
ßippen, Charles von Villers und seine deutschen Bestrebungen, Preuß. Jahrbücher
Bd. 27, S. 288-307.
MISCELLEN. 249
darüber geliefert, ist mir für ineiue Absicht wenig oder gar niclit brauchbar.
Ich betrachte es fogar als nothwciidig, das älteste französische Gedicht grösten-
theils oder ganz mit drucken zu lassen, denn wer mag darauf warten, bis es
einmal die Franzosen thun! Glauben Sie wohl, dass man mir die zwei oder
drei merkwürdigsten FIss. des alten Renard aus der kaiserlichen Bibl. hier her
schickt und auf ein Halbjahr zur Benutzung übcriässt? der Fall ist wohl fchwierig,
aber nicht unerhört, wurde doch die berühmte Manessische Handschrift Bod-
mern auch ausgewirkt! neuerer Beispiele zu geschweigen. Und mit Recom-
mendationen könnte ich mich am End leichter versehen als Bodmer. Misslänge
der Versuch, fo fcheiterte freilich der gröste und beste Thcil meines Plans
auf einmal, also lasse ich mich nicht fo leicht abschrecken und werde wenig-
stens alles mögliche versuchen und bewegen. Dabei rechne ich nun ein grosses
Stück auf Ihre Freundlichkeit und die eigene Erkenntnis, die Ihnen von der
Vorfrefflichkeit dieser herrlichsten aller Fabeln aufgegangen. Erstens geben Sie
mir Ihren Rath, wie ich es am besten und füglichsten anzufangen habe und
dann bitte ich um ein Empfehlungslchreiben, worin blos zu l'tehen braucht, dass
die mss. in meinen Händen ficher aufgehoben find, und dass ich mich be-
kanntlich mit altdeutscher und folglich auch altfranzösischer Literatur und Poesie
abgebe. Auch Reinhard'), einen Namensverwandten doch ohne Schaden
gesagt! der ja felbst de 1' Institut ist, will ich um eine Empfehlung bitten,
und hoffe dass ers auch in bestem Sinne thut. Ob ich mich nun an Langles
oder Dacier wende, hängt vielleicht davon ab, welchem von beiden Sie und
Reinhard mich am besten empfehlen können. Ich weiss zwar, dass Langles
nur mit oriental. Hss. zu thun hat, allein er fcheint mir wärmer, thätiger als
Dacier, und er kann dann die Autorisation zur Absendung diesem immer ab-
geben, wenn er nur felbst gute Einleitung trifft. Ich kann mir zur Noth auch
noch von Brugniere'^) ein Zeugniss ausstellen lassen, dass ich hier im Ca-
binet des Königs angestellt bin u. dergleichen. Und welchen Weg zur Sendung
müsste man wohl vorschlagen. Diligencen sind unsicher, also am besten durch
Buchhändler, da man doch alles herauslässt. Könnte ich nur selbst nach Paris,
allein das ist mir noch vorerst versperrt. — Schreiben Sie mir nun über meinen
Plan, nnd machen Sie mir nur volle Hoffnung. — Finden fich, wie es fehr zu
wünschen ist, im altdeutschen Lied historische Aufschlüsse und Data genug, fo
denke ich mich feruers über das plattdeutsche Gedicht und feine vielfachen
Übertragungen, dann auch über das hoUänd. Prosabuch zu verbreiten und ihrem
Ursprung und Zusammenhang unter einander nachzuspüren. Vielleicht erlange
ich auch das griechische Werk, dessen einmal Lessing erwähnt"^), ohne in-
dessen über das Verhältnis zu Reinecke nur irgend etwas befriedigendes beizu-
bringen, fo dass es etwa gar nichts damit ist. — Die Arbeit mag ihre Schwie-
rigkeiten haben, fie dünkt mir ausserordentlich reizend, über den Geist des
ganzen Buchs hat mir eben Gör res fehr fchön geschrieben, ich will Ihnen
feine Worte ein andermal mittheilen, und vergesse jetzt nicht Sie noch zu er-
suchen , mir doch Ihren eigenen Artikel über den Renard , wovon Sie mir in
') Karl Friedrich Reinhard, als Schriftsteller und Diplomat bekannt, Schwieger-
sohn des jüngeren Reinmarns.
^) Brugniere, Secretaire du cabinet de Jerome, Roi de Vestphalie, wo Grimm
Auditeur au Conseil d'Etat und Bibliothekar war.
') Sämmtl. Sehr. XI, 1, 240 Maltz.
250 MISCELLEN.
Göttingen erzählt und den Sie für das Dictionnaire univ. (chcz Michaud ^) be-
stimmt mitzutheilen. Da ich ihn unter dem Buchstaben A (Alkmaar) vermuthe,
so muss er jetzt wohl fchon gedruckt feyn, und leider hat man hier auf das
fchlechte dict. von Prudhomme^) subscribirt, so dass ich das andere nicht
kaufen kann.
Können Sie mir etwas näheres über Herrn Julius^) aus Hamburg mel-
den, in dem ich auch einen Liebhaber altdeutscher Poesie vermuthe und von
dem neulich ein etwas starkgespannter, aber doch nicht unebener Aufsatz im
Vaterländischen Museum*) gestanden hat? Im Ganzen finde ich doch, dass
fich das Museum zu breit nimmt, und so kann ich ihm keine lange Dauer
voraussehen. Bisher habe ich fo überhäuft zu thun, dass ich noch nicht
an meine Schuldigkeit denken können, Perthes einen Beitrag dafür zu über-
senden. Aber fo bald ich kann will ich wenigstens meinen guten Willen be-
zeigen. Ihren Aufsatz über die verschiedene Liebe ^) hätte ich lieber in der
neuen Umarbeitung wieder gelesen, womit Sie uns beschenken wollen, als in der
zimmermannischen Übersetzung; auch bitte ich Sie alsdann, mehr und glänzendere
Beispiele auszuwählen, was nicht fehr fchwer fallen wird, besonders wenn Sie
mehr auf die altdeutsche Literatur zurückgehen. Einiges wird auch den Fran-
zosen in ihrer alten Poesie noch zu ftatten kommen , was fie in der neueren
verscherzt haben. Aber hier gilt es freilich das Ganze und in so fern gefällt
es mir gar wohl, wenn Sie Ihrem neuen Plane nach, das Ganze weiter nehmen
und ausführen wollen. Ich weiss nicht was ich gegen Zimmermann^) eigent-
lich habe, ich kenne ihn nicht persönlich, allein manches gefällt mir nicht von
ihm, fein Aufsatz über Joh. Müller') ist neulich mit grossem Recht in der
leipz. Lit. Z. heruntergemacht worden, wer möchte auch, um über Müller etwas
zu sagen, einen Morgenstern ausschreiben wollen! dieser Morgenstern*^) ist
mir geradezu einer der fatalsten unberufensten Schriftsteller, Hofprediger hätte
er meinetwegen werden mögen, oder fo gelehrt wie Böttiger.
*) Gemeint ist die Biographie universelle, wo der betreffende Artikel Bd. I,
S. 582 sich befindet.
^) Prudhomme, Dictionnaire universel geographique, statistique, historique et po-
litique de la France. Paris 1804; 5 Bde. 4".
') Nicolaus Heinrich Julius, Dr. Med., beschäftigte sich vielfach mit Literatur,
und war mit den Romantikern (Chamisso, Varnhagen u. a.) befreundet. Er nahm Theil
an der Redaction des Vaterländischen Museums. Von ihm ist erschienen : Bibliotheca
german. glottica , oder Versuch einer Litteratur der Alterthümer , der Sprachen und
Völkerschaften der Reiche germanischen Ursprungs und germanischer Beimischung.
Hamb 1817. 8.
') Vaterländisches Museum, eine Zeitschrift, die Friedr. Perthes im Jahre 1810
zur Belebung vaterländischen Sinnes unternahm. Es sind nur sieben Hefte erschienen,
da die Besetzung Hamburgs durch die Franzosen im J. 1811 die Fortsetzung unmög-
lich machte.
^) Villers Erotique compar^e, oii Essai sur la mani^re essentiellement differente
dont les poetes franijais et allemands traitent l'amour, 1807, deutsch von Zimmermann
im Vaterl. Mus.
*) Friedr. Gottlieb Zimmermann, damals Collaborator , später Professor am Jo-
hanneum zu Hamburg, nahm ebenfalls an der Redaction des Vaterl. Museums Theil.
') In Archenholz Minerva 1809.
*) Karl Morgenstern, Professor der classischen Literatur in Dorpat.
MTSCELLEN. 251
Ich habe Sic letzt nicht hier zu fehcn bekommen, wünsche Ihnen aber
Glück, dass Sie, wie ich vermuthe, vom Antheil am Moniteur ') wieder gänzlich
losgekommen. Vielleicht glauben Sie mir bald mehr, als vor einigen Monaten,
dass hier mit den Leuten nichts gutes zu treiben ist. So höre ich eben, dass
die Hauptschule hier in Cassel, welche fönst recht brave Lateiner gebildet hat,
und gegenwärtig aus Mangel einiger Lehrer etwas herabgekommen ist, aus
ihrem fchöuen Local in der Künigsstrasse, das für fie erbaut worden, verwiesen
und in ein miserables Gebäude in der Altstadt verlegt werden foll, um in jenes
ein Bureau zu bringen. Nun ist klar, dass die Schule damit den letzten Stoss
erhält und das kann L. ^) zugeben ! der hat nur Sinn für das äusserliche in
Göttingen , z. B. in . . . . "*) fehlt sehr ein braver Mytholog , der nicht fo ein
blosser Sprachphilolog ist, als Wagner*), einer wie Creuzer in Heidel-
berg u. a. Wenn ich bedenke, dass der geistreiche Gör res in Coblenz fast
wie ein Schulmeister leben und leine Familie mit elendigen 1200 fr. erhalten
muss ! die Werke die er fo übereilen muss, würden wir sonst reifer und aus-
gearbeiteter bekommen. Doch preise ich ihn und seines gleichen glückseelig.
— Ich achte die herrlichen Anstalten in G. wie einer, und ehre feine Ge-
lehrten , aber diese werden fich jeuer nicht überheben ; eine arme Universität
kann gross und erregend werden durch die Liebe einer Krone von trefflichen
Lehrern und diese lebendige Verwandschaft zwischen Lehrern und Schülern ist
es ja, was wir an unsern Univers, als das deutsche erkennen follen. Paris
hat auch die Menge von Anstalten, aber gilt da auch die Frömmigkeit und
Stille im Lernen und Lehren, welche allein es leidet, dass der Jünger neben
dem Meister aufkomme und beide durch einander lernen. Doch ich will
Ihnen nicht fchreiben , was Sie zwar nicht inniger glauben können, wie ich,
aber viel gründlicher und aus längerer Erfahrung wissen. Bleiben Sie mir
freundschaftlich geneigt und begünstigen Sie baldigst mein obiges Vorhaben.
ich bin aufrichtig der Ihrige
Jacob Grimm ^).
Monsieur
Monsieur de Villers
k Gottingue
en cas q'uil fiit parti de cette ville, des renseigemens für fa demeure
actuelle pourront etre pris chez Mr. le professeur Heeren.
') Moniteur Vestphalien.
^) Leist, Unterrichtsminister im Köiiigr. Westphalen.
') Mit dem Siegel weggerissen, ohne Zweifel Marburg.
•*) C. F. Ch. Wagner, Prof. der Philologie in Marburg.
^) Grimm's Arbeit über Reinhard Fuchs ist bekanntlich erst 1834 erschienen,
obgleich in F. Schlegels deutschem Museum 1812, Bd. 1, S. .391 — 415 die Ankündi-
gung des baldigen Erscheinens von den Brüdern Gi'iram erfolgt war. Das franzö-
sische Gedicht wurde inzwischen in Frankreich veröifentlicht, der Plan daher, das-
selbe zugleich mit dem deutschen herauszugeben, nicht ausgeführt.
252 MISCELLEN.
II.
9. Januarj 1811,
Lieber Herr von Villers,
ich weiss nicht, was von dreien ich zuerst thun miiss, Sie um Ihre Ge-
sundheit fragen, oder Ihnen zu der Professur Glück wünschen, oder für Ihren
letzten werthen Brief danken. Über die erste fiel mir neulich ein Hamburger
Zeitungsartikel in Hände und hat mich beunruhigt, möge l'ich alles jetzt fchon
gegeben haben! Machen Sie nur dass Ihnen zur zweiten nicht noch einmal das
alte Vaterland nachzieht. Was mich angeht, fo ist mir der Athem fchon eng
genug geworden , Gott erhalte nur das Blut rein, wenn man fich auch aus
zehren muss. Doch halte ich noch am Trost fest und fchreibe Ihnen daher
am leichtesten über Ihr letztes Schreiben, das ich nebst dem eingelegenen
Reynaert de Vos zu herzlichem Dank erhalten habe. Das hätte ich fchon früher
vermeldet, wenn ich nicht mein kleines Buch ^) gerne mitschicken wollen, wo-
mit mich nun fchon feit September Dieterich gegen Recht und Billigkeit auf-
hält. Sobald es fertig wird foU er Ihnen ein Exempl. übermachen und dann
bin ich auf Ihr Urtheil um fo begieriger, als Sie an meine Sache wenig zu
glauben fchienen. Und gerade in ihr meine ich doch ziemlich fest zu ftehen,
das Mangelhaftige der Ausführung weiss ich fo gut wie einer. Nur müssen Sie
bedenken das") alles nach und nach, und in verschiedener Absicht zusammen-
getragen worden ist , weshalb manches in den Noten fteht , was besser in den
Text gehörte. Anderes , zB. in der Vorrede über Universität und gegen die
Juden wäre nicht gesagt worden, ohne besondere Privatursache, ich dachte das
Publikum werde bei einem unbedeutenden Buch folche Ausweichungen gleich-
gültig ansehen. Auch glaube ich ist es einem deutschen Schriftsteller über-
haupt jetzo zu erlauben, dass er feine Sorge und Liebe zu der allgemeinen,
wenn auch bekannten aber doch oft vergessenen Wahrheit allerwärts einfliessen
lässt, leibst wo fie ungehörig fchiene, wenn wir ruhiger und glücklicher find,
dann wollen wir auch ftreng und enthaltsam fchreiben, jetzt ist grosse Freude
und Trost in dem Bekenntniss, wie, glaube ich, kein recht protestantisches Kind
die Oeffentlichkeit feiner Glaubenserklärung vor Gott, der Kirche und den
Menschen dahingehen würde, um kein Gut der Welt. Wenn es je gefühlt wer-
den muss, fo ist es in unsern Tagen, wie ftark jedwede reine menschliche Sitte
auf die Herzen wirkt, und fie ftärkt und zusammen hält; Mittheilung ist fo
natürlich und eigentlich der einzige Grund, warum man etwas drucken lässt.
Darum verzeihen Sie auch hier der Abschweifung.
Meine Aussicht das bewusste pariser Ms. zu erhalten, ist freilich fchwach,
besonders feit der wenigen Hofi'nung, die Sie mir gemacht, jedoch noch nicht
aufgegeben. Ich habe an Dacier einen langen, und um ihm fowohl mein
Interesse zu zeigen, als feines zu erregen, gemischten Brief geschrieben, wegen
des Transports alle mögliche Sicherheit und Bequemlichkeit gegeben, und über-
') Jac. Grimm Über den altdeutschen Meistergesang, Gott. Dieterich 1811
(gegen B. J. Docen Über den Unterschied und die gegenseitigen Verhältnisse der
Minne- und Meistersänger. Ein Beitrag zur Karakteristik der frühereu Zeitalter der
deutschen Poesie, im Museum für altdeutsche Literatur und Kunst, herausgeg. v. F. H.
V, d. Hagen, B. J. Docen und J. G. Büsching. Berl. 1809. Bd. I).
') So!
MI8CELLEN. 253
dem mich an Hase') noch besonders gewendet. Reinhard hat hierzu ferner
(eine Empheluug gethan und ich warte täglich auf Entscheidung. Wilren die
Conservatcurs der bibl. imp«''riaie so liberal gesinnt, als mein pariser Correspou-
dent Roquefort"), fo hätte ich alles was ich wünsche, noch eben bietet mir
dieser ein ihm leibst aus Lyon geliehenes Ms. du roman di Tristan an. Ihren
Aufsatz über die Miunelieder in Millius Journal habe ich mit Vergnügen ge-
lesen, doch auch mit einiger Furcht wegen des Schlusses. Sollte es gerathen
seju, den pariser Herrn viel von der Kostbarkeit der altdeutschen Sachen in
Rom in den Kopf zu setzen? fo verfallen fie leicht auf einen Transport nach
Paris, vielleicht auf eine Auswahl ; bei beiden kann einzelnes verloren werden
oder in lange Unordnung gerathen, da man jetzt in der Vatikana durch
Glökles Eifer mit Catalog und Ordnung ziemlich im Reinen ist und fich
zu Rom doch noch vergnüglicher arbeitet. Auch könnten in etwas besserer
Zeit deutsche Reclamationen unseres Eigenthums eher erhört werden , wenn es
fo bleibt, aber fchwerer, wenn einmal der pariser Schlund auch das verschlungen
hat. Dies waren meine Gedanken, fönst fähe ich einige Mss. fo gern wie Sie
in Benekes Händen, wenn auch nur geliehene.
Bevor die Handschriften eintreffen, fange ich an dem Reiuecke nicht zu
arbeiten an. Sie leihen mir also Ihren holländischen noch ein wenig, voraus-
gesetzt, dass ich ihn nicht mittlerzeit durch den Buchhandel bekommen kann.
Sein Verhältuiss zu dem französischen und andererseits zum plattdeutschen
macht ihn wichtig genug. Auf ein andermal mehr davon und von meinem Plan.
Champol 1. Figeac**) über die patois, den Sie mir anempfehlen, hätte
ich Ihnen ja felbst fchon gezeigt bei Ihrem Hierseyn, wenn Sie nur je länger
als eine Viertelstunde bei uns ausgehalten hätten. Manches ist darin recht
gut, am wenigsten das Allgemeine und das einzelne hätte zehnmiil besser werden
können, in einem fo vorzüglichen Landstrich, als das Delphinat ist, dessen
Alterthümer mich höchlich reizen , wegen des vermuthlichen Zusammenhangs
mit einigen Sagen unsers alten Titurel. Können Sie mir daher irgend einmal
ein gelehrtes Buch über diesen Gegenstand nennen, fo foll es mich freuen. Wo
ich nicht irre ist die Anzeige obiges Buches in der A. L. Z. von Ihnen ge-
wesen. — Haben Sie Sich denn feitdem noch nicht das von Docen*) edirte
kleine, aber köstliche Fragment des Titurels angeschafft? Man kann fagen das
es in der Mitte liegt zwischen dem Stil des Nibelungenepos und den Minne-
liedern, in beiden könnten einzelne Stellen daraus aufgenommen werden, und
doch ist es wieder ganz von frischem und eigenthümlichem Ton , dass ich es
reiner und grösser halte, als die Meistergesänge und fchwächer aber gemüth-
licher wie die Nibelungen, wie weit fteht es über Ariost und Tasso, die
freilich eleganter find, aber mir wenigstens unherzlicher fcheinen, oft gesucht.
') Carl Benedict Hase, bei der Verwaltung der Manuscripte der k. Bibliothek
zu Paris angestellt.
■^) Jean Baptiste Boniface de Roquefort, Forscher der altfranzösiscben Litteratur.
^) Jos. ChampoUion-Figeac, Nouvelles recherches sur les Patois ou idiomes vul-
gaires de France et en particulier sur ceux du departement d'Isere. Paris 1809.
^) B. J. Docen Erstes Sendschreiben über den Titurel , enthaltend die Frag-
mente einer Vor-Eschenbachschen Bearbeitung des Titurel. Aus einer Handschrift
der kön. Bibliothek zu Miinclien herausgegeben und mit einem Commentar begleitet.
Berl. u. Leipz. 1810.
254 MISCELLEN.
Sehr gefreut hat mich Ihr günstiges Urtheil über Grörres Mythenge-
schichte, und wenn Sie den guten Geist folcher und ähnlicher Anerkennungen
in G. einführen, fo ist fchon allein dadurch der Erwerb Ihrer Person ein deut-
licher Gewinn. Denn ich ftelle mir vor, dass eben jene Schrift in den Gott.
Anzeigen hart verkannt werden könne, gerade aber der Trieb, der in ihr regiert
und der allein fie hervorgebracht hat, ist höchst fchäzbar, und wenn die Aus-
führung in einzelnen ungleich , manchmal übereilt , einigemal unglücklich ist,
l'o will das wieder wenig sagen gegen den Reichthum fruchtbarer und glück-
licher Combinationen. Hauptfehler des Buchs fcheint mir die Vernachlässigung
der griechischen Mythologie zu seyn , welche , weil wir fo viel davon wissen,
ein grosses Licht zurückstrahlen kann auf das frühere, freilich viel lautere und
heilige Wesen asiatischer Religion. Auch im kleinen und fpäten ist Gott zu
finden, fchwerer gewiss, aber vielleicht desto ficherer. Aus diesem Grund hat
auch Creuzer eine Ungerechtigkeit an der griechischen Mythologie begangen,
dadurch dass er fie für bedeutungslos erklärt und fie im Gegensatz zum Symbol
viel zu viel vernachlässigt, dennoch hat diese Einseitigkeit auch wieder seinem
Werk genutzt. Nur hätte der Plan besser und einfacher werden können, wenn
er mehrere grammatische Untersuchungen als blose Beweise feiner Ansicht in
Noten oder Anhang verwiesen hätte. Übrigens ist auch der Geist der in diesem
Werke herrscht vortrefflich und ich achte es für weit höher als das, was ich
mir daran anders wünsche. Nichts freut mich mehr, als dass auch unser alt-
deutsches Studium zu denselben Resultaten führt, wie denn auch Creuzer einige
feiner einleuchtendsten Erläuterungen aus der Quelle des Christenthums herge-
nommen hat.
Über des herrlichen Runge Tod ^) werden Sie nicht weniger betrübt ge-
wesen feyn, als wir; wohl ihm, ich habe aber gehört, er hätte noch gern
gelebt. Nun möchte ich wissen, ob er noch verschiedene Arbeiten angefangen
und vollendet hat, namentlich wollte er zu Görres Ausgabe der alten Heimons-
kinder Umrisse liefern. — Wie wird es jetzo dem braven Perthes gehen,
und auch das Museum kann nun nicht fo bleiben. In den letzten Heften hat
mir besonders Stollbergs Aufsatz über unsere Sprache gar wohl gefallen,
ich gestehe, er ist mir das liebste, was im Journal gestanden, Kolbe gegen
die Wortmenger hat auch ganz recht, fagt aber wenig neues.
Sobald Sie ohne Beschwer ein paar Zeilen fchreiben können, wird mich
Ihre Nachricht von Ihrer Genesung fehr freuen, ob gleich ich fie von Göttingen
aus früher zu erfahren hoffe. Harding*^) ist heute durchgereist, ohne dass
ich ihn gesprochen habe. Leben Sie wohl und nehmen Sie meinen Gruss, fo
wie einen von meinem Bruder mit gewohnter Güte an.
Ganz der Ihrige
Gr.
Die in meinem letzten von hier gegebenen Nachrichten find zum Glück
ungegründet geworden.
*) Phil. Otto Runge, 1777 — 1810, Maler und Schriftsteller. Seine hinterlassenen
Schriften sind Hamburg 1840 erschienen. Über seine künstlerischen Arbeiten s. Ham-
burgisches Künstler-Lexicon (Hamb. 1854) S. 211.
^) Professor der Astronomie in Göttingen.
MISCELLEN. 2Ö5
III.
Cassel, 13. Februar 1811.
Lieber Herr von Villers,
Sie wissen l'chon, dass Sie in jedem Brief von mir geplagt werden, mit
Bitten um mancherlei Hilfe, warum find Sie aber auch fo hilfreich? Gör res,
den Sie l'elber ehren und achten , wünscht gar zu gern den Schah Nameh
Ferdusi's zu ftudiren, davon liegen in Göttingen Handschriften, ich glaube
zwar keine der besteo, welche man in Paris und Wien zu lachen hätte ; ihm
aber ist es fo theuer um die Sache zu thun , dass er der Uuvollkommenheit
des Textes vorerst noch nachsehen würde. Er fragt mich ob die Benutzung dieser
Quelle ihm offen zu machen wäre? indem ich fein Anliegen in Ihre Hände zuerst
lege, thue ich nichts, als was er wohl von felbst gethan hätte, wenn er schon
dazumal Ihre nähere Verbindung mit Göttingen gewusst hätte. Alles was dabei
beschwerlich oder fönst gleichgiltig zu thun wäre, weisen Sie aber auf mich zurück.
Ich lege Ihnen lieber feinen eigenen Brief bei, damit Sie zugleich darauss
fehen, dass meine Erwartung vom deutschen Reinhart Fuchs ein wenig gesunken
ist, doch freue ich mich immer noch auf die Besorgung der Ausgabe. Mit den
pariser Mss. geht es fchlecht an, der erste mühsame Brief an Dacier war im
Bureau des Duc de Cadore verloren oder verirrt, fo dass er lieh aus diesem Mal-
pertuis nicht finden lassen wollte. Nun habe ich ihn zum zweitenmahl abgeschickt.
Die andere Bitte betrifft mich näher, wie Sie gleich am Titel der Hand-
schrift hören können, denn eine Handschrift ist es auch. Der bekannte Codex
der Meistersänger in Colmar ist augenscheinlich äusserst wichtig unb blutwenig
bekannt. Wie wäre er zu erlangen ? durch Connexionen in Strasburg, das nicht
fo weit davon liegt, aber freilich ist Colmar eine verschiedene Praefectur?
Rathen Sie mir gütigst. Seine Wichtigkeit ist im dritten Heft des altdeutschen
Mus. ^) zu ersehen, worin auch zwei Aufsätze von mir, die ich Ihrer Nachsicht
empfehle, wann Sie darauf stossen.
Sie haben doch meinen Brief von bald nach Neujahr erhalten? hier gibts
durchaus nichts neues, Göttingen aber hat den guten Beckmann') verloren,
mit dem Sie mich noch bekannt gemacht, und mit dem wir einmal von Piorillo
aus nach Haus gingen. In den gel. Anzeigen hat mich lange nichts fo lehr
gefreut als die neuliche von Jacobs Rede , dergleichen Stimme thut einem
wohl, und fie war diesmal fo klug, dass man ihr dabei nichts anhaben kann. —
Können Sie mir nichts über den B"" Pommereuil"^) melden? welcher ja nun
Portalis gefolgt ist, womit der Kaiser unzufrieden soll gewesen seyn. So bald
Ihnen die deutsche Currentschrift durch die neue Professur geläufig ist, fo
erlassen Sie mir diese lateinischen Lettern, welche mich gern zum Verschreiben
bringen , obgleich nicht zum Verzweifeln, dass ich es nicht noch einmal gewohnt
werden könne. Legen Sie mir gütigst Görres Brief wieder bei, wenn Sie mir
antworten, welches mich je eher erfreut je eher es geschieht,
von Herzen und immer der Ihrige
Jacob Gr.
') Museum für altdeutsche Literatur und Kunst, herausgegeben von F. H. v. d.
Hagen, B. J. Docen, J. G. Büschin^. Berl. 1809 ff.
^) Joh. Beckmann, Professor in Göttingen, durch vielfache Schriften bekannt,
) Fran9ois Rene Jean, Baron de Pommereuil, nachdem Portalis in Ungnade
gefallen, Directeur general de Timprimerie et de la litterature.
256 MISCELLEN.
IV.
Cassel, 24. Febr. 1812.
Tyderaann aus Franeker bittet mich Ihnen zu fchreiben, dass er Ihre
voriges Jahr vor der pariser Reise abgesandte depeche nicht erhalten habe,
und dass Sie ihm einen Dienst erweisen würden, wenn Sie jetzt, wo man in
Paris die Organisation des holländischen Studienwesens und von der Wieder-
anstellung der auf den eingegangenen Universitäten angestellten Professoren die
Rede ist, — an Ihre dortigen Freunde fchreiben und folchen, die hiebei Ein-
fluss haben, empfehlen wollten. Es fey ihm in der Hauptsache eins , in Gro-
ningen oder Leiden angestellt zu werden.
von Gör res habe ich neulich Briefe, ich hatte ihm wegen des zweiten
äasserlich besseren MS. des Schahnameh geschrieben, das noch in Göttiugen
befindlich wäre, er wusste das wohl, hält aber das andere für vorzüglicher. Zu
feiner Reise hierher u. nach Gott, ist wenig Aussicht, er denkt vielleicht noch
d. J. fich für immer in Paris niederzulassen, welches ich ihm in hundert Hin-
sichten nicht verdanke"*), deutsch wird er immer bleiben, und gewiss ins alt-
französische eine lebendige Bewegung bringen. — Ich habe heut wenig Zeit
und Raum, Beneke grüssen Sie doch vielmal, er fchreibt auch gar nicht, oder
immer nur ein paar Worte. Sie versprachen mir die Bogen über den renard
aus dem T, v der notices et extr. zu fenden, wo Ihnen nichts daran liegt,
wäre es mir lieb, damit ich den Band an die dort. Bibl. zurückgeben kann.
Demnächst bekommen Sie ein Freiexemplar meiner Ausgabe dafür. Zu Rein-
hard gehen wir jetzt öfter, und haben neulich angefangen die Nibelungen vor-
zulesen, was auch vollführt werden foll.
Ich wünsche, dass es Ihnen wohl geht und grüsse Sie herzlich, wie immer
der Ihrige J. Grimm.
Erklärung^.
Gegenüber dem Mahnwort des Herrn Prof. Dr. Schröer in der Germania
S. 127 sehe ich mich zu der Bemerkung veranlaßt, daß der Tod Bertrams mit
dem Aufhören der Zeitschrift „Die deutschen Mundarten" nichts zu
schaffen hat, sondern daß mein Vorgänger die Kündigung selber hätte aus-
sprechen müssen, wenn er länger am Leben geblieben wäre. Das Unternehmen
hat nämlich kaum ein Viertel der Kosten eingetragen. Schon bei Übernahme
der Administration wurde ich deshalb darauf aufmerksam gemacht, daß dasselbe
wohl schwerlich fortzuführen sei, und es hat mir denn auch nicht viel Mühe
verursacht, mich hiervon zu überzeugen. Das Bedauern, daß ein so verdienst-
liches Unternehmen aus Mangel an Unterstützung eingehen muß, theile ich mit
jedem Anderen.
HALLE a. S., 8. Juni 1877. AUG. SCHÜRMANN.
Administrator der Buchhandlung des Waisenhauses
0 so!
I
KLEINE Br]ITRAGE ZUR MYTHOLOGIE.
Aus: „Der zu vielen nutzlichen Wissenschaften dienstlich anwei-
sende, und, auf vieler Verlangen und Begehren fortgesetzte Curiose
Kunstler etc.". Nürnberg. J. L. Buggel. 1705.
1. Da(> das Gctreyde nicht b randicht werde.
Nimm ein Tisch-Tuch, oder sonsten ein anderes Tuch, laß zuvor
waschen, und das Getrcyd(> aus demselben säen, darnach wann du gar
gesäet hast, so lege das Tuch also ungewaschen in eine Truhen, und
laß das gantze Jahr ungenutzt liegen, biß du wieder säen wilst, dann
nimm und wasche es wieder, und säe aus demselben, verwahre es also
wiederum, nachdem du gesäet hast, das gantze Jahr, und folge also
alle Jahr hernach, so wird dir gewißlich kein Gctreyde brandicht.
Probatum est.
NB, Man hält auch gCAviß dafür, der Wcitzen werde nicht so
leicht brandicht, wann er in der Crcutz-Wochen im letzten Vierthel des
Monden gesäet wird.
Im Vollmond solle man ihn Vormittage . im Neumonden aber
Nachmittage säen (I. Buch, S. 28).
2. Ein anders bewährtes Mittel für den Brand im Weitzen.
Nimm einen dürren Birn-Baum, brenne ihn zu Aschen^ und nimm
die Aschen und Saltz darzu, gcuß Wasser darauf, und rühre es unter-
einander, hernach nimm einen scheinigen Hahn, schneide ihme die
Gurgel ab, und lasse das Blut in obgemeldtes Wasser, hernach rühre
es wieder untereinander, und wann du den Weitzen säen wüst, so be-
sprenge ihn mit obgemeldtcm Wasser. Probatum est (I.B.,S.28).
3. So eine Kranckhc it unter die Pferde kommet, daran viel
sterben müssen, daß die andern lebendig bleiben.
Nimm Lang und Leber , und ein Stuck vom Hertz des todten
Pferdes , thue das in einen neuen ungenützten Hafen , vermache
das wohl, und lasse es beym Feuer dörren, dal.^ ein Pulver daraus
wird, dieses Pulvers nimm 1 Loth, theile es in o Theile, und giebe ein
ÜEKMANIA. Neue Keilie X. (XXH.) Jahrg. 17
258 C. M. BLAAS
Theil dem Pferde, ein jedes wohl in dem Futter ein, den Topff ver-
grabe vor der Sonnen- Aufgang, und unter der Schwelle, wo die Pferde
ein- und ausgehen (II. B., S. 111).
4. Vor das Verfangen der Pferde.
Eisen-Kraut dem Pferde ins Gebiß gebunden ^ macht, daß sich
das Pferd niemalen verfanget (II. B., S. 112).
5. Wann ein Pferd bezaubert ist.
Dieses sind die Zeichen eines bezauberten Roßes, es hänget den
Kropff unter die Krippen, und lässt die Haar am Mohn und Schweiff
ausgehen, es schwitzet und kann vor Mattigkeit fast keinen Schenkel
erheben; Nimm ein Todten-Bein von einem Kirchhofe, darnach suche
ein Stuck Holtz im Wasser, welches das Wasser hat ausgeworffen
alsdann, nimm einen Topff, thuc darein vor 6 Pfennig guten scharffen
Eßig, scheiß s. v. in den Topff, darein du den P^ßig gethan hast,
schabe ein wenig von dem Beine, auch von dem Holtz, und thue das
auch in den Topff, und rühre es wohl mit dem Holtze, und geuß dem
Roß ein, du must aber das Roß mit dem Kopff in die Höhe binden,
daß es alles verschlingen muß, und schlage ihme die Bug- und Schranck-
Ader, und binde von dem Bein und Holtze dem Roß auf der rechten
Seiten ein wenig unter die Mohn, und trage jedes wieder an seinen Ort,
wo du es genommen hast, es wird von Stunden an besser (IL B.,
S. 112 u. 113).
6. Wann du mit einem willt in die Wette reiten, oder
lauffen lassen.
Binde deinem Roß Eber-Wurtzel in das Gebiß, so nimmt es dem
andern die Stärke. Oder: Wer Eisen-kraut-Wurtzel in die Schuhe
leget, oder dem Roß ins Gebiß hänget, so wird es nicht müde, und
verfanget sich nicht (11. B., S. 113).
7. So einem ein Pferd gestohlen wird.
So nimm desselben Roßes Zeug, als Sattel und Zaum, stecke es
in einem Backofen und vermache den Ofen wohl, so kan der Dieb
das Pferd nicht weg bringen (II. B., S. 113).
8. Wann man weit reiten will, da(.^ kein Pferd sich verfanget.
R. Verbenam zwischen zweyen Frauen-Tagen gebrochen, und
Artemisiara, binde es dem Roß an das Mundstuck, so thust du dem Roß
keinen Schaden, Avann du gleich 200 Meilen reiten must (II. B., S. 114).
Kl.KlNK I51':IT1;A(;K /HK IMVTllOl.OdlK. 25V)
i). So die Pferde, oder !iiid(!r Vielie, von bösen Menschen
b e z a u b e )• t worden.
R. Teuffcls-Dreck, vergrabe den mit reinen Aschen zwischen
zweyen reinen Stützen unter der Schwellen, darüber die Pferde aus-
und einfachen, der Mensch, welcher die bezaubert hat, der verdorret
bey gehendem Leibe. Wilt du aber, daß er das Jahr sterben solle, so
lasse einem Pferd, aus jedem Huf oder Fuß einen Span schneiden, und
nimm von jedem Ohr die obersten Haare, und über den Augen auch
ein wenig, binde es zusammen, wann man eine Leiche begräbt, lasse
das mit begraben, der Zauberer muß das Jahr sterben (II. B., S. 115).
10. Wann ein l'ferd aufstössig wird im Felde oder Stall,
daß es die Wurme beisscn^ oder die Feibel anstösset, und
man nicht erkennen kan, wo es fehlet.
Man nimmt Farrcn-Wurtzel mit dem Adler zischen zwey Frauen-
Tagen früh vor der Sonnen-Aufgang, binde es ihmc unter die Zungen,
lasse es eine Viertcl-Stund umher führen, und laß demnach stehen, so
wird es schon besser (II. B., S. 121 1.
11. Sonderbares Pferd-Stücklein.
Ut cquus non comedat, illinc saponem intus ad labra, superius &
inferius, non comedet, donec beue cluatur aqua. Ut claudicet, clavum
ex ferro ejus sublatum excandefacias flamma & claudicabit , donec
clavis projiciatur in aquam fluentem. Scd illiberalia sunt haec Magiae
rudimenta, quibus si quis temere abutatur, in legem Christianae Cha-
ritatis facile pcccabit, & aeternae damnationis reus est (II. B., S. 121).
12. Geschwinde und hurtige Pferde zu machen.
Antonius Mizaldus berichtet aus dem Rose und Alberto Magno,
daß die Huf-Eisen, welche von einem Rieht- oder Henckcr-Schwert
gemacht worden, geschwinde und hurtige Pferde machen sollen; und
wann man aus solchen schlüchtigen Eisen die Gebiß oder Mundstücke
an die Zähne machet, so Averdeu die unbändigen, hart-mäulichten, kol-
lernden und tobenden Gäule gutes Zaums und bändig gemachet (II. B.,
S. 125).
18. Auf eine andere Art.
Es lassen ihnen die Roß-Täuscher aus den Galgen-Ketten, an
welchen ein Dieb gehangen, Räder oder Sternen in die Spornen machen,
damit können sie die stetigen Pferde, und diejenigen, so den schlaffenden
Koller haben, leichtlich von statten bringen, und flüchtig machen : Oder,
17*
2ßO f. ^I. BLAAS
laßt ihme ein Glied cntzwey hauen, und feylen dasselbige spitzig, und
darmit stechen sie das Pferd im Reiten auf den Kamm, so vermögen
sie nicht länger zu stehen , sie müssen von statten gehen. Es muß
aber das Rädlein kalt ohne Feuer gemachet werden, daß man es allein
mit einem Hammer breit quetsche und schlägt, und alsdann, wie es
sich gebühret, feylet (II. B., S. 126).
14. Von Bozauberung des Viehes.
Nimm Knoblauch und Dille, oder Beerwurtzel, Thost, Knoblauch,
Widerthan durcheinander, und gieb es ihnen zu lecken, oder Meister-
Wurtzel, Liebstöckel, Lungen- Wurtzel und Wermuth, hacke es durch-
einander, und gib ihm solches zu lecken (II. B., S. 134).
15. Vor Beraubung und Verzauberung der Milch, oder, so
einem sonsten das Viehe bezaubert worden.
Vor dergleichen Boßheiten kan nichts besseres dienen, dann ein
recht eyfriges Gebet eines Hauß-Vaters, nebenst diesen aber bediene
man sich des sogenannten Johannes-Kraut, und hencke es in denen
Ställen auf, dann als man einsmals einen Bessenen in Hall eine Kannen
mit Bier vorstellte, worinnen dergleichen Kraut war, konte er nicht
einen einigen Tropfen dai^von genicssen, ja man machte ihme über das
eine JVIützen mit bemeldtem Kraut angcfüllet, als man nun ihme die-
selbige aufsetzen wollte, zerrisse er sie in Stucken, und kunte der
böse Feind solches gar nicht dulten.
Andere gebrauchen auch bey so gestalten Sachen, nebenst gc-
meldtem Kraut, auch Daranth, Gartheil, Creutz-Rautcn , und rothen
Knoblauch, binden es in ein Bündelein zusammen, und vergraben es
unter die Schwellen, worüber das Viche gehen muß^ waschen auch das
Gefäße mit stoltzen Heinrich, so solle der Milch nichts schaden können.
Mann nimt auch wohl die verzauberte Milch oder Käß , schüttet
sie auf glühende Kohlen, darvon werden dann dergleichen Gabel-Reu-
terinuen und Hexen dermassen geplaget, daß sie nirgend ruhen könen.
So weiß man dann gewiß , wann ^bei theils Bauers-Leuten den
Kühen die Milch bezaubert worden^ daß sie die Milch über das Feuer
gesetzet, sie gar heiß werden lassen, Saltz darein gethan, und wohl
untereinander gerühret haben, alsdann eine Sichel glühend gemacht,
und durch die Milch gezogen , und endlichen solche in das (Jloac ge-
gossen, so man nun solches zu etlichmaln gethan hat, so haben als-
dann die Kühe ihre Milch wieder bekommen.
KLEINE BETTKÄGE ZUR MYTHOLOGIE. 261
Quendel und Knoblaueli in das Brod gebacken, und des iSlorgens
eine Schnitt zAvey oder drey, darnach des Viehes viel ist, von dem Brod
gesclniitten, und auf einer Seiten wohl mit Saltz, auf der andc'm Seiten
mit Aschen gerieben, und darnach wohl gebehet, und also dem Viehe
jedem ein BilUein vorgeben, solle gut vor Beraubung der Milch seyn
(II. B., S. 134, i;55).
16. Daß das Viehe nicht mag bezaubert werden.
. . . Etliche nehmen Beer-Wurtzel und Widerthon, backen diese
Dinge alle ins Brod^ und geben des Morgens den Kühen ein Stücklein
zu essen, so sollen sie die Unholden nicht berauben können.
Item, Liebstöckel ist den Kühen allezeit gut zur Milch, wann mans
ihnen im Grase wohl gebrühet mit ingiebet , oder in das Brod
backet . . . (II, B., S. 170).
17. Zu verschaffen, daß sich die Milch nicht verwandle.
Nimm Myrrhen , Weyrauch , Johannis-Kraut oder Feldhopffen,
Orant, die mittelste Borcke von der Evirthana, zerstosse alles, und
beräuchere die Kammer oder den Keller, darein man die Milch haben
will, alle acht Tage einmalen, deßgleichen im Stalle, da das Vieh innen
stehet, so kan sich kein böser Wurm darinn aufhalten, man kau auch
dem Viehe oder Milch keine Büberey thun.
Auch solle man im Stall, darinnen das Viehe ist, allezeit St.
Johannis-Kraut oder Feldhopffen, Siebengezeit, Orant oder Durant,
Widerthon, Knoblauch, Tosten oder Wohlgemuth haben, und solle
dieses alles in ein Bündlein thun, und nicht allein im Stalle beym Viehe,
sondern auch im Keller oder in der Kammer bey der Milch haben, so
kan ihrae durch Gottes Segen und gnädige Hülffe keine Zauberey
wiederfahren.
QW^ Man sollte auch die Töpfe und das Gefäße, darinn man die Milch
haben und halten will, auswendig zu rings umher mit Knoblauch wohl
bestreichen oder reiben, damit die Milch vor dem Ungeziefer bewahret
bleibe (IL B., S. 171).
18. Daß alle Hunde schweigen müssen.
Wann du in der linken Hand haltest ein Hunds-Hertz, in welches
mitten hinein ein Hunds-Zahn gestecket seye, so werden, wo du zu-
gegen^ alle Hunde stillschweigen, zumaln wann bey des von einem
schwartzen Hund genommen, wie mir fürwahr und bewehrt fürgebracht
worden ist (IL B., S. 178).
262 C. M. BLAAS
19. Daß die Tauben nicht wegfliegen.
. . . Am Frey tage frühe die Nester, Körbe und Taubenhaus zu
räumen und aufzumachen, stehen hernach, und mehren sich wohl (IL B.,
S. 186).
20. Daß die Katzen den Tauben nicht schaden.
So hänge oder lege an die Fenster und Gänge des Taubenschlags
viel Kautenstengel, es hilfft (IL B., S. 186).
21. Daß der Iltis die Tauben nicht fresse.
So hänge einen Wolffs-Kopf in das Taubenhaus (IL B,, S. 186).
22. Feuers-Pjrunst zu löschen.
Dieses solle eine wahrhaffte Kunst für die Feuers-Brunst seyn,
so weyland von dem hocherfahrenen Astrologe A. G. einem guten
Freund in grossem Vertrauen mitgetheilet worden:
Man nimmt rein unverfälschtes Jungfern- Wachs (welches Aerem
bedeuten solle) einer halben Handvoll Hirschen-Brunst, welches die Hir-
schen in ihrer Brunst fallen lassen (wodurch das Feuer angezeiget werden
solle) Stern-Butzen (durch welches das Wasser verstanden werden solle)
und endlichen einer Nu(> groß Schwalben-Nest (für die Erden) diese drey
Stuck würcket und raalaxiret man unter besagtes Jungfern- Wachs wohl
untereinander^ und formiret endlichen eine Kugel daraus.
Wann nun eine Feuers-Brunst entstehet, oder aus Uufürsichtigkeit
ein Feuer auskommet, muß man diese Kugel hineinwerffen , sobalden
nun solche in dem Feuer zerschmiltzet, so solle selbiges allgemach
ausgehen, und nicht weiter um sich fressen.
So will man auch sagen, wann diese Kugel unter eine Thür-
Schwelle vergraben wird, solle kein Gespcnste mehr in selbiges Ge-
mach kommen, und alle Zauberey im selbigem LIauß ihre KrafFt ver-
liehren (IV. B., S. 335).
23. Balthasar Schnurrens Brunst-Löschung.
Man nimmt einen Laib Roggencs-Brod, verbrennt ihn, bis er gantz
schwartz wird, und stößt ihn zu Pulver, nimmt hernach ein wenig
Stuben-kehricht, und aus einer jMesser-Scheiden den Staub darauf ge-
klopffet, in ein Bündelcin gebunden, und ins Feuer geworfFcn, so ver-
lischt es (IV. B., S. 336).
KLEINE BEITRÄGE ZUR MVTHf)[/)GIE 2G3
24. Für das Reisson in Gliedern, so dem Podagra vergliclien
wird.
Erstlichen, solle man einen jungen Sau- oder Schwein-Igel nehmen,
und ihme den Bauch öffnen, so findet man ein Fett in demselbigen, gleich-
wie das Schmeer in einem Schwein, darnach jung Eychen - Holtz,
welches aufPhilippi Jacobi vor der Sonnen- Aufgang gehauen worden, und
solches zu glühenden Kohlen brennen, und sich bey denselbigen Kohlen
mit obgedachtcm Fette schmieren lassen, so wird man gewißlich Bes-
serung finden (V. B., Cap. I., S. 379).
25. Balsam für alle Gifft und Zauberey.
Nimm des St. Johanuisblumen (Jls ein Pfund, guten alten Rhein-
Wein anderthalb Pfund, Venedischen Terpentin, destillirt Ziegelstein-
Öl, Regenwurm-Ol, jedes 2 Untz, ]Menschen-Schmaltz, Menschenbein-
Marck, jedes 3 Untz, Theriack und ^Mithridat, jedes 1 Quint, fol. per-
sicar. Vincae pervincae, jedes 3 Handvoll, Johannisblumen 4 Handvoll,
rother Betonienblumen, Tausendgüldenkraut, Brunellen, Gullden-Gunsel-
Schelkrautblumen , jedes anderthalb Handvoll, Radic. Dracuucul, ma-
culat. runder Hohlwurtz, Wallwurtz, jedes ein halbe Handvoll: Alles
untereinander zerschnitten, vermischet, und in einem doppelten Gefässe
so lange miteinander sieden lassen, biß sich der Wein allerdings ver-
sotten hat, dann zwinget und presset man solches durch ein rein Tuch
auf das stärckeste, thut dann ferner dazu Mumiae verae, Mastix, Wey-
rauch, Myrrhen, jedes 2 Quint, lasset es wieder ein viertel Stund lang
miteinander sieden, dann verwahret man solchen in einem reinen Glas
auf das beste (V. B., Cap. H., S. 465).
26. Gebrauch dieses Balsams.
Dieser Balsam ist von solcher Krafft und Tugend, daß man Gott
nicht genug darum danken kan, dann er dienet wieder allerley Gifft,
es komme auf was Weiß es wolle, durch Eingebung, Beschreyung»
Bezauberung, Anhauchen, Schlagen etc. Auch so einem die Mannheit
genommen wird, auch den jungen Kindern in der Wiegen, so be-
schrien worden, daß sie ganz ausdon-en, auch gar lahm werden; die
gar jungen Kinder schmiere man 10 Tage nacheinander an den 8 Pulßen,
als an beyden Schiäffen, auf beyden Seiten, an dem Plalß, an beeden
Händen, und unten inwendig an beede Knoden, auch mögen ihme vier,
fünff, bis neun Tropffen in einer Brühe oder sonsten eingegeben werden.
(V. B., Cap. H., S. 465).
264 R SPRENGER
27. Einem bezauberten Habicht wieder zu rechte zuhelffeu.
Man zerpulvert das sogenannte Kraut-Hahnen-FuiJ, und gibt es
dem Habicht auf Fleisch gestreuet, zu fressen.
Oder man nehme den Schwamm von einem Myrrten-Baura^ Wey-
rauch, Asphaltum, Stechpalmen, lege es in einen Ziegelscherben und
beräuchere den Vogel damit. Diß kann man auch andern Vögeln
zum Weidwerck gebrauchen (VH. B., S. 613).
STOCKERAU in Niederösterreich. C. M. BLAA.S.
NACHTRÄGLICHES ZU ALBERS TUNDALÜS.
R. Sprenger, Albers Tundalus. Dissert. Halle 1875.
I.
Aus der Untersuchung über die sprachlichen Eigenheiten des
Gedichtes , die ich auf S. 5 — 26 geführt habe , ergab sich , daß bei
weitem das meiste, was uns in demselben als unreiner Reim erscheint,
in der Mundart des Dichters seine Erklärung findet, und nur einige
wenige wirklich unreine Reime übrig bleiben. Ich habe darum keinen
Anstand genommen dasselbe noch ins 13. Jahrhundert zu setzen vind
konnte dies um so eher thun, als wir hier das Werk eines Geistlichen
vor uns haben, von dem man leicht annehmen konnte, daß er in künst-
lerischer Durchbildung hinter den höfischen Dichtern der Zeit zurück-
geblieben sei. Immer bleiben aber blosse Assonanzen, wie volleclichen :
angrifen 45, 49, erbUchen : begriffen 44, 3 für das 13. Jahrh. bedenklich,
und auch der Reim koufliuten : witen 42, 13 wird sich kaum durch die
Annahme einer Form wie koufliten entschuldigen lassen. Bei näherer
Betrachtung zeigt sicli aber, daß die Zahl der unreinen Reime noch
zu vermehren ist. An einer Reihe von Stellen erweisen sieh nämlich
die reinen Reime nicht als ursprünglich. Es sind folgende, die ich
hier einer Erörterung unterziehe:
50, 64 in kern ein sele her engegen
mit einer swEeren bürde
nu saget waz ir Avurde
waz ir wurde = 'was ihr geschah' läßt sich wohl verstehen, doch ist
es fast unzweifelhaft, daß: waz ir w?7rre (: bürde) = 'was ihr im Wege
war das ursprüngliche ist.
NA(MITI,'Ä(JLlCHIOS ZU ALBER8 TUNDALUS. :J05
51, 65 (iri wureu die becherten
die selben scliar nierten
riter unt gebüren.
Daß nnr bescherten (; merten), d. i. die Verdammten richtig sein
kann, hat schon Pleinzel z. Erinn. 27 bemerkt
53, 2 si gebar si üf dem ise
unt begiinde sich ze der vnse
ze allen ir riuwen
ze den noeten iteniuwen
daz unreine geslähte
ze der wise 'auf diese Weise' würde etwa angehen. Es ist aber schon
an sich wahrscheinlich und wird durch die Vergleichung des lat. Textes
[S. 11, 21 renovabantur ad tormenta] zur Gewissheit, daß es ursprüng-
lich gelautet hat: ze der iütze(:ise).
Herr Professor Bartsch , dem ich diese Bemerkung mittheilte,
machte mich auf eine weitere Anzahl von Stellen aufmerksam. Es sind
folgende :
43, 11 welaht*) daz lant wuochers truoc
daz was für daz eiter guot genuoc.
Hier erweist sich genuoc durchaus als FHckwort^ so daß ursprüng-
lich getruoc : guot gereimt hat.
47, 49 — 52 unt het ein isnia überlit
bedacht was ez da mit
sehs kläfter was ez dicke
daz ez got nicke
Hier verräth sich besonders V. 50 als ungeschickter Einschub.
Es werden daher wohl ursprünglich nur zwei Verse gestanden haben,
die also lauteten:
unt het ein isnin überlit,
sehs khtfter Avas ez die.
Auch die ungewöhnliche Adjectivform dicke [: nickej verdankt wohl
nur dem Bestreben nach Herstellung eines reinen Reims ihr Ent-
stehen. Auch
52, 54 — 57 daz si ze ir unheile
sin gescheiden von dem teile
der wunne die niemen ercellen mac.
manicvalt ist ir slac
^) So wird mit Haupt zu schreiben sein.
266 R- SPRENGER
ist zum mindesten imnöthig- weitschweifig, imd der Vergleich mit 61,
42 macht es wahrscheinlich, daß es ursprünglich gelautet habe:
daz si ze ir unheile
sin gescheidn von dirre wunne teile.
Hier hätte dann nicht der unreine Reim , sondern die metrische
Unregelmäßigkeit [Klingender Vers von drei Hebungen mit vierlie-
bigem gebunden] die Änderung veranlaßt. Auch die arg entstellten
Reime 53, 22 ff.; 56, 31 ff. wären vielleicht hier in Betracht zu ziehen,
wenn eben ihre jetzige verderbte Gestalt ein Urtheil über dieselben
erlaubte.
Die meisten dieser Änderungen sind nun derart, daß wir sie einem
einfachen Abschreiber nicht zutrauen können, sondern daß sie die be-
wußte Absicht eines Bearbeiters voraussetzen, dessen Bestreben haupt-
sächlich darauf gerichtet war anstatt der Assonanzen strenge Reime
herzustellen; so daß uns das Gedicht nicht in ursprünglicher Gestalt
vorläge. Dennoch Avürde ich nur auf Grund einiger Stellen diese Be-
hauptung auszusprechen Anstand nehmen, wenn dieselbe nicht durch
einen weiteren gewichtigen Grund gestützt würde. Wir finden nämlich
an zwei Stellen des Gedichtes persönliche Bemerkungen des Schrift-
stellers. Einmal heißt es zu Anfang:
41, 62 Nu schribe wirz ze diute
durch die ungelerten Hute:
den alten mit den jungen
ze einer bezzerunge;
und daz sin (st. wir) müezen niezen
die ez schriben hiezen.
daz sint dise frouwen dri:
Otgebe Heilka unt Gisel da bi etc.
Am Schluß heißt es dagegen:
66, 7 dirre wenige list,
daz ditze buoeh gerimet ist,
daz kom von eines herren bete
ze Winneberge in der stete:
der heizet bruoder Kuonrät.
und der Verfasser nennt sich selbst 66, 43 :
der aller schuldigiste man,
der briesters namen ie gewan :
er ist geheizen Alber.
Jii
NACIITRÄOLICHK.S ZU ALBEUS TIINDALU.S 267
Wir luiben also eine doppelte Anj^abe. Einmal zu Anfange die
eines Ungenannten, dal> das Bueh auf liefelil dreier Frauen : Ottegebe,
Heilka, Gisela geschrieben sei. Dagegen bezeugt aber am Schlüsse
ein Priester Alber, daß er das Buch auf die Bitte eines Klosterbruders
Konrad in Winneberg (jertmef habe. Beide Angaben sind durchaus von
einander zu trennen und dürfen nicht zusammengeworfen werden, wie es
Wackernagel, Literatgesch. S. 161 (2. Ab. I, S.203) thut, der angibt, daß
der Tundalus von einem Priester Alber bearbeitet sei, 'der damit dem
Auftrage einiger Fi'auen folgte'. Ich suchte in obiger Abhandlung S. 38
die sich ergebende Schwierigkeit so zu lösen, daß ich annahm, die
drei Frauen hätten nur die Niederschrift des lateinischen Originals
veranlaßt. Dagegen erheben sich aber gegründete Bedenken. Denn
der Zusammenhang der betr. Stelle im Anfange des Gedichts [vgl. be-
sonders 41, 62] erlaubt doch wohl nur sie mit dem Gedichte selbst in
Beziehung zu bringen. Ausserdem ist es unwahrscheinlich, daß Per-
sonen, die nur in so entfernter Beziehung zu dem Gedichte und in
gar keiner persönlichen zu dem Dichter standen, von diesem in seine
Fürbitte sollten eingeschlossen sein. Es bleibt somit nur eine Annahme
möglich, nämlich die, da(.^ die Bemerkungen zu Anfang von dem eigent-
lichen Verfasser des Gedichts stammen, der wahrscheinlich ein Geist-
licher aus Regensburg oder dessen Umgebung war, da er das Gedicht
auf Anregung dreier vornehmen Nonnen des dortigen St. Paulsklosters
verfaßt hat. Für Alber bleibt dagegen nur die Rolle eines Bearbeiters
übrig, der dem alten Gedicht dadurch, daß er es den Gesetzen der
strengeren Reim- und Verskunst anbequemte, unter seinen Zeitgenossen
neue Leser zu gewinnen suchte. Daß diese Bearbeitung zu Anfang
des dreizehnten Jahrhunderts vorgenommen sei, bedarf wohl weiter
keines Beweises. Es wird daher was auf S. 55, 56 obiger Abhandlung
über die Persönlichkeit Albers, sowie über den Bruder Konrad in
Winneberg vermuthungsweise vorgebracht ist, auch jetzt noch bestehen
können.
Bei der Annahme einer derartigen Überarbeitung erklärt sich dann
auch einfach der Gegensatz den wir in der strengen metrischen Form
des Gedichts vuul dem häutigen Vorkommen von Archaismen u. dgl.
(S. 53) bemerkten. Die Art und Weise , wie diese Umarbeitungen
gemacht wurden, können wir am besten aus der Bearbeitung des Rein-
hart Fuchs erkennen, da wir hier ein Stück des Originals erhalten
haben. Auch gibt der Bearbeiter dort selbst am Schlul.^ über seine
Thätigkeit nähere Auskunft. Sie beschränkte sich wesentlich auf die
Herstellung reiner Reime, die auf die verschiedenste Weise, durch
268 K- SPHKNGER
Weglassimg und Zusatz von Worten*), soAvie durch Einschiebung
ganzer Verse, erzielt wurde. Da(i es dabei nicht immer gelang auch
wirklich streng reine Keime herzustellen, ist selbstverständlich. Alber
ließ jedoch im Ganzen nur die unreinen Rei)ne bestehen, die die bai-
rische Mundart entschuldigte. Hätte er ein selbständiges Gedicht ge-
schaöen , so würde er wahrscheinlich in durchaus reinen Reimen ge-
schrieben haben, wenigstens läßt darauf der Umstand schließen, daß
der ganze Epilog, den er selbständig verfaßte [65,77—66,52], mit
Ausnahme der Bindung e : e, die vereinzelt auch bei allen höfischen
Dichtern erscheint, nur durchaus reine Reime aufweist. Ob A. ausser
der Herstellung einer kunstmässigeren Form auch noch innerhalb des
Gedichtes geändert habe, läßt sich nicht beweisen, ist mir aber, wenn
auch das, was mir die Bekanntschaft des Dichters mit dem Parzival
zu beweisen schien (s. S. 55)^ theils zufällig sein mag, theils sich durch
die gleiche Mundart beider Gedd. erklärt, doch wahrscheinlich. Über
sein« Arbeit denkt A. selbst sehr bescheiden, vgl. 66, 7 dirre loenige
Ust, daz ditze buoch gerimet ist. Ferner sagt er von sich 66, 23, der
dise rede hat getihtet und ze rimen gerihtet. Letzteres ist der tech-
nische Ausdruck für die Herstellung regelmässiger Vershebungen (vgl.
J. Grimm, z, Reinh. 2258); aus ersterem darf man aber nicht den Be-
weis ziehen wollen, daß A. der Verfasser des Originals sei, denn mit
dem Ausdruck tihten verband man im Ma. nicht einen so hohen Begriff,
als wir es thuu. Es bezeichnete jede Art schriftlicher Abfassung, auch
das bloße Niederschreiben (s. mhd. Wb. HI, 35 b). Übrigens konnte
sich Alber mit mindestens ebenso viel Rechte als tiht.Tre fühlen,
wie der Bearbeiter des Reinhart, dessen Arbeit doch jedenfalls eine sehr
äusserliche war. Derselbe nennt sich aber mit unverkennbarem Selbst-
bewustsein: einen man, der euch ein teil getihtes kan [Reinh. 2252 ff.].
Es wäre nun noch die Abfassungszeit des Originals genauer zu
bestimmen. Es würde dies möglich sein, wenn wir jene drei Frauen,
die jedenfalls in ihrem Kloster eine hervorragende Stellung eingenommen
haben, urkundlich nachweisen könnten, was mir trotz meiner Bemü-
hungen [s. S. 39] nicht gelunge}i ist. Wenn Lachmann [Abhandlung,
der Berliner Akademie 1836. S. 162] das Gedicht nach 1180 setzt,
so hat er dabei die jetzt vorliegende Gestalt im Auge, die wie wir
gesehen haben, noch bedeutend jünger ist. Ich nehme keinen Anstand
dasselbe bis in die Mitte des 12. Jahrhunderts zurückzusetzen, denn
*) Der Kniistansdrnck dafür ist: an sümelicbo rime me sprechen. Kcinh. 2258
und Grimms Anm.
NA("IITK\(;i.K*IIHS Zi: ALI5KKS TI'XDALI'S 260
in dieser Zeit war am meisten das Interesse für dcr;^lcichen Stoffe
lebendif]^. Dazu kommt, dalJ> das Gedicht Berührunj^en mit den Dich-
tunjijen Heinrichs von Melk, die schon dem Anf'anji^c des Jahrhunderts
angehören, zeigt. Einiges derartige, das schon theilweisc Heinzei in
den Anmerkungen seiner Ausgabe Heinrichs beigebracht liat , möge
hier eine SteUe finden. Zu 41, !*.> und gebe uns teil der wunne, die
niemen erzellcn kunne vgl. Erinn. 956 da ist wunne also vil, daz sl
niemen ercellcn mac [und Anm.]; 41, 21 in nomine domini reden wir
sä vgl. Erinn. 454 des beginne wir in nomine domini; 48, -i? des ir
ze liebe ie geschach vgl. Erinn. 801 swaz mir zc vrcuden ie geschach;
53, o6 antheiz s. Heinzel z. I, 188; .55, 29 got selben ich ane väht
[r= Scrvat. 1023] vgl. Erinn. 268 u. Anm. Ferner sachlich: z. 61,40;
62, 58, 72 vgl. Heinzel z. Priesterl. 482; 45, 76 ähnlich ist Erinn. 597
durch die Beziehung auf das Erotische s. Heinzel z. d. St. ; 45, 42 ff.
s. z. Erinn. 901.
H.
Die Überlieferung des Tundalus leidet an zahlreichen Verderb-
nissen. Viele und nicht immer auf der Hand liegende habe ich schon
in obiger Abhandlung gebessert. Hier bringe ich noch einiges zur
Kritik und Erklärung bei, das nochmalige genaue Nachprüfung er-
geben hat.
45, 35 diu sele habe danc.
wir sulen ir singen ein gesanc
ze dem ewegen verlor.
si hat getreten in unser spor
als wir sie da Uezen.
nü sul wir sie niezen
und in dem fiwcr brennen.
Statt Uezen muß hiezen gelesen werden. Unklar ist noch was hier
niezen bedeuten soll. Das mhd. Wb. H, 1, 391a übersetzt: 'nun wollen
wir (die Teufel) unsern Genuß an ihr haben'. Das ist aber gegen den
mhd. Sprachgebrauch, und es müßte dann wenigstens heißen: n. s. w.
ir n. Ausserdem ergibt der Zusammenhang deutlich, daß mit niezen
ein Theil der Höllenstrafeu bezeichnet wird; wir können auch sagen
welche, nämlich jene Prozedur, die 54, 19—30 beschrieben wird: in
ieglicher ezze wurdens gar von den verwäzen gebert unt zcrläzen vgl.
auch 47, 69. Die Auflösung der Seele in kleine Theile ist gemeint,
niezen c. acc. = terere consumere vgl. Graff II, 1121, da das mhd. Wb.
in diesem Artikel nicht ganz genau ist. Doch könnte niezen vielleicht
270 1^ HPKKNGKK
auch nur = 'ergreifen, packen sein, was nach Lachmann, Kl. Sehr.
S. 192 die ursprüngliche Bedeutung des Wortes ist.
47, 59 lies: da. statt daz. Die hiltze bezeichnet daz vreisliche
tal V. 41.
53, 21 ir vreude diu ist zergangen.
der armen sei wfF
der unreinen wrm rufF
die also sint betwungen
ez mac dehein zunge
ir not vol chunden.
Die Stelle läßt sich nur verstehen, wenn wir V. 22, 23 umstellen
und lesen:
ir vreude diu ist zergangen
von der unreinen wurme ruof
der (vil) armen sele wuof,
die also sint betwungen, etc.
61, 63 do sprach der cngel: wol dan!
wir sulcn fürbaz gän
Die auf S. 6 vorgeschlagene Änderung des ivol dan iu ivolgetän
scheint mir nach reiferer Überlegung unnütz. Beispiele von rvol dan
s. mhd. Wb. III, TM a.
63, 66 die gotes hus si mcrten.
diu gevallen waren nidcre,
diu zimbertcns hin widere.
si begundcn dar üf zeigen
ir lohen und ir eigen
sich selben dar zuo
bediu spät unde fruo
zuo allem guote bereit.
des habent si die schoenheit
Die entsprechende Stelle im lat. Text lautet bei Schade S. 21,
16: Hec arbor typus est sancte ccclesie, et isti qui sub ea sunt viri
et femine constructores et dcfensores erant sanctarura ccclesiarum, et
pro beneficijs, (/iie sanctis eccleaijs largiehantur, ipsarum fratcrnitatcra
consecuti sunt . . . Die Vorlage ist an dieser Stelle sehr frei be-
handelt, gibt aber doch den Fingerzeig für die Berichtigung des ver-
derbten zeigen, in dem ein seltenes Wort des Gebens, Schenkens ver-
steckt sein mu(.\ Das richtige ergibt die Heranziehung von Virginal
974, 19 ich wil iu gerne seigen lip guot unde dar zuo lant. Das seltene
aeigen = schenken wird hier herzustellen sein, und man wird nun
NACIITKÄfJLKMIKS /U AI.IJKKS TlJNUAl.US. 271
auch jene Stolle des Vir^inal iiiclit mehr bezweifeln. Es ist also zu
schreiben mit folgender Interpunctiou:
si begunden dar üf seigen
ir lehen und ir eigen
(iint) sich selben dar zuo,
bC'diu spät undc fruo
zuo allem guote bereit.
d. h. Sie gaben ihr Sehen und Eigen und sich selbst (als Dienstraannen
vgl. z. Gerh. 180) den Kirchen hin. V. 71, 72 sind;, wie die Inter-
punction andeutet, Apposition zu si.
Eine mehrfach verderbte Stelle ist fi4, 49 ff. :
hie muget ir hoiren Wunders vil,
daz die geverten von einigem zil
die vollen frcudc sähen,
und dar zuo, so si jähcn^
wie die unguotcn
an den loitzen wuotcn
vgl. Schade S. 22, 5 Ab illo ergo loco., in quo tunc stabant, non solum
omnem quam ante videranl gloriara , verum et predictarum supplicifi
penarum videbant . . Aus der Vergleichung des lat. Textes geht zu-
erst hervor, daÜ einigem in V. 50 verderbt ist. Es muß heissen von
enem zil = ab illo loco. Die alte und nach Grimm ursprüngliche
Form des pron. demonstr. wurde mehrfach von den späteren Schreibern
nicht mehr verstanden und meistens zu einer entstellt. So Kindh.
Jes. 85,58 in derselben Handschrift. Ebenso Tund. 41,51, wo eines
aber wahrscheinlicher zu streichen ist. [Auch Parz. 458, 27 führt die
Lesart von G d under einen zu der Vermuthung, (\ai'> ursprünglich mider
enen gestanden habe.] predictarum führt ferner darauf, da(.^ statt des
sinnlosen so si jähen so wir j. zu lesen ist. Zugleich ergibt die Ver-
gleichung des lat. T. aber auch, daß V. 54 nicht richtig überliefert
sein kann. Im mhd. Wb. III, 53H a finden wir die Stelle unter wVeten
aufereführt. Es wäre demnach etwa zu übei'setzen: 'wie die Bösen an
ihrem Verstände bethört waren . Das entspricht aber der lat. Vorlage
nicht und paßt überhaupt nicht in den Zusammenhang. Es ist viel-
mehr zu lesen: wie die unguotcn in den wizen wuoten. wize bedeutet
Strafe, besonders die im Fegefeuer; dann geradezu dieses selbst : Wig.
4069 daz ich von den wizen gen des tages ie zu dirre stunt 'um diese
Zeit aus dem Fegefeuer entlassen werde'. Und Parz. 468, 6 hat statt
des ze helle der übrigen Handschriften g: in witze. Es fragt sich nun
noch, wie wuoten zu erklären sei. Dies kann zweierlei sein, näml.
272 15- SPKENGEK. NACHTRÄGLICHES ZU ALBEKS TUNüALUS.
prät. 1, von sw. v. wüeten 2, vom st, v. waten. Nehmen wir crsteres
an, so können unter den \mguoten' nur die Teufel verstanden sein.
Nehmen Avir es dagegen wie 52, 45 als Bezeichnung der Verdammten,
so kann wuotcn nur Präterit. von vaten sein. Der Dichter denkt sich
dann die Strafe derselben als ein Waten in dem brennenden Fegefeuer,
wie König Cormachus 60, 74 bis an die Brust im Feuer sitzt.
6(5, 42 ist zu lesen:
des bitte iuch in der minne
der aller schuldigste man etc.
über die geistliche Bittformel in der minne vgl. Haupt z. MSF57, 5
und zu Neifen 45, 12, wo noch Hclmbr. 1769 nachzutragen ist.
64, 69 got mtteze dein loalfen,
diner herverte walten!
Statt des schon von W. Grimm vorgeschlagenen dich hehalten
ist mit näherem Anschluß an die Überlieferung zu schreiben: dich
halten vgl. Parz. 147, 19 der knappe sprach: got halte dich!
Die Verse i\('t^ 51, 52 verrathen sich als ungeschickter Zusatz des
Schreibers und verdanken ihr Entstehen wohl dem Bestreben desselben,
das Gedicht mit einer runden Zahl von Versen (Abschnitt von 30 Zeilen)
zu schliefen.
in.
Zu S. 51, N. 24. Rcinhold Köhler weist mir nach: S. Kudanus =
Rodanus oder Ruadanus, abbas Lothrensis in Hibernia. vide Acta Sauctt.
Boll. 15. Apr. II, 382 [Potthast, Bibliothcca bist, mcdii aevi S. 871],
Es ist demnach Budamis im lat. Text nicht als Entstellung von Bran-
danus anzusehen. Doch dürfen wir wohl, nach dem, was ich zu 62»
85 bemerkt habe, annehmen, daß schon der Dichter, wenigstens Alber,
den Brandanus einführte.
S. 51, N. 25. Daß von den Bischöfen nur S. Malachias genannt
wird, scheint auch darin seineu Grund zu haben, da(.^ dieser eine auch
in Deutschland bekanntere Persönlichkeit war. Eine lat. vita S. Ma-
lachie episcopi tinde ich aufgeführt in einem Bücherverzeichniss der
Cistercienserabtei Amelungsborn , abgedruckt im Osterprograram des
Gymnasiums zu Holzminden a. W. 1876.
GÖTTINGEN, September 187fi K. SPRENGER.
O. BEHAGITEL, DIE PARISER HANDSCHRIFT DES IWEIN. 273
DIE PARISER HANDSCHRIFT DES IWEIN.
Bächtold hat in Germ. XX Kunde von einer Handschrift des
Iwein gegeben, welche sich auf der bibliotheque nationale in Paris be-
findet. Ich habe dieselbe bei einem Aufenthalte in Paris einer näheren
Prüfung unterzogen und bin in der Lage, sie etwas eingehender
zu charakterisieren. Die Angabe im Katalog der Bibliothek lautet :
„115 (1060'^) Hartmannus, Poeta antiquus Germanicus. Le roman du
Chevalier et du Lion , en vers alleraands. 1 vol. in fol, pag. XV e s. en
raauvais dtat".
Ein moderner Einband umschließt 187 Blätter, theilweise schlimm
zugerichtet, aber bei dem neuen Einband hübsch zusammengeflickt.
Die Blätter sind von moderner Hand mit Bleistift durchgezählt, auf
jeder Seite steht eine Spalte zu 17 — 21 Zeilen. Am Beginn von Ab-
schnitten des Inhalts finden sich rothe Initialen, dieselben werden
jedoch gegen das Ende immer seltener. Von größeren Abschnitten
stehen, ebenfalls mehr auf den vorderen Blättern, kurze Inhaltsan-
gaben (roth).
Der Text selbst zeichnet sich durch eine ziemliche Reihe von
kleineren und größeren Lücken aus. Ganz absehend von einzelneu
ausgelassenen Versen, verzeichne ich folgende als fehlend: (2 — 8 und
24 — 34 durch die V^erstümmelung von Bl. 1 verloren), 284—306 incl.
(zwischen Blattende und -anfang), 388 — 504 incl. (ebenso), 387 — 607
(ebenso), 1593—1609, 1621-77, 1831-42, 1893-1916, 2321—39
(zwischen Blattende und -anfang), 3281—3300 (ebenso), 3827-3844
(zwischen 92 b und 93 a; auf 92 b stehen nur 8 Zeilen), 4011 — 27
(zwischen Blattende und -a-nfang), 4973—93 (zwischen 120 b und 121 a;
auf 120 b stehen nur 11 Zeilen), 5291 — 5306 (zwischen Blattende und
-anfang), 6065—72 (ebenso), 6158 — 71 (ebenso), 6425—46 (zwischen
Bl. 152 b und 153 a; auf 152b nur 14 Zeilen), 6668-6737 (zwischen
Blattende und -anfang), 7161 — 70, 7425 — 55 (zwischen Blattende und
-anfang?).
Bei mehr als der Hälfte der Lücken fällt somit Anfang und Ende
mit Blattende und Blattanfang zusammen ; man wäre deshalb zunächst
geneigt, eine Verstümmelung der Handschrift, das Fehlen von mehreren
Blättern anzunehmen. Allein dem widerstreitet in den meisten Fällen
der geringe Umfang der Lücken. Es scheint, als ob der Schreiber
nach Beendigung von Blättern oder Lagen gern eine kleine Kunst-
GEEJIANIA. Neue Eeihe. X. (XXII. Jahrg.) 18
274 O. BEHAGHEL
pause gemacht hätte, etwa um sich an einem stärkenden Schhick zu
erlaben. Ein Blattausfall Hesse sich nur denken bei dem Fehlen von
388 — 504 und 6668 — 6737. Die 116 Verse der ersteren Lücke würden
darstellen 3 Blätter = 6 Spalten, etwa 4 zu 19 Versen und 2 zu 20
Versen, die zweite Lücke von 69 Versen entspräche 2 Blättern mit
3 mal 17 und 1 mal 18 Versen.
Die Handschrift bestand dann ursprünglich aus 187 + 3 -f- 2 =
192 Blättern, Nun gehören je 4 Blätter zu einer Lage, wie uns zwei
Blattversetzungen lehren (Bl. 134 — 137 incl. sollten auf Bl. 129 folgen,
stehen aber nach 133; Bl. 172 — 75 stehen nach Bl. 171 statt nach
Bl. 180), und 192 ist ein Vielfaches von 4. Soweit würde Alles stim-
men. Leider habe ich versäumt, durch den Augenschein mich zu über-
zeugen, ob an den betreffenden Stellen Blätter fehlen. Auch habe
ich zwei andere Bedenken gegen das Zutreffende dieser Annahme über
das Fehlen von Blättern. Einmal wäre die ungleiche Verszahl auf den
fehlenden Blättern ziemlich auffallend (4 Spalten zu 19 und 2 zu 20
gegen 4 zu 17 oder 18). Sodann würden wir durch diese Annahme
die Möglichkeit verlieren, eine eigenthümliche Erscheinung befriedigend
zu erklären, ich meine das Abbrechen des Schreibers auf unvollendeter
Seite. Nimmt man kein Fehlen von Blättern an, so sind diese unbe-
endigten Seiten die Schlußseiten ganzer Lagen (92 b, 120 b, 152 b).
Der Schreiber hat seine Arbeit einen Augenblick unterbrochen und
die Lage bei Seite geschoben. Beim Wiederbeginn glaubte er die letzte
Lage vollendet und griff zu einer neuen. Nehmen wir dagegen für die
Lücke 388 — 504 das Fehlen dreier Blätter an, so fallen die unvollen-
deten Seiten in die Lagen hinein und dem Schreiber wäre jenes Über-
sehen kaum möglich gewesen.
Suchen wir somit eine andere Erklärung für die Lücken 388 bis
504 und 6668—6737, so können sie in einer Lücke der Vorlage ihren
Grund haben , oder der Schreiber übersprang Theile der Vorlage.
Fehlen oder Überspringen eines Blattes liesse sich für die erste Lücke
annehmen: 116 =^4. 29. Dann wäre jedoch mit den 69 Versen der
zweiten Lücke Nichts anzufangen. Wir müssen also Überspringen meh-
rerer Spalten annehmen. Die Spalte der Vorlage enthielt dann 23 Verse:
116 minus 1=5 mal 23 (der überzählige Vers mag der letzte der vor-
hergehenden Spalte gewesen sein), 69 = 3. 23. Zu dieser Zahl stimmt
die (nicht nach Blattende eintretende) Lücke 1893 — 1916 = 23 Verse«
Und dazu stimmt noch ein Anderes. Haben wir wirklich in 504 den
Schluß, in 6668 den Anfang einer Spalte, so werden die zwischenhe-
genden Spalten ausgefüllt von 6668 minus 504 Versen = 6164; dies
DIE PARISER HANDSCHRIET DES IVVEIN. 275
ist aber = 268 mal 23. Für die der Lücke 388 — 504 vorhergehenden
Verse ist eine ähnliche Rechnung bedenklich, da wir nicht wissen, auf
welcher Stelle der ersten Seite der Text begann. Nehmen wir aber
das Natürlichste an, dal.^ er mit dem Kopf der Spalte anfieng, so ergibt
sich Folgendes. Spaltenanfang ist 389 (wogen des überschüssigen
Verses)^ dann gehen vorher 388 Verse; 391 = 17. 23, die fehlenden
drei Verse können der Übei'schrift : hie begint etc. entsprechen.
Ist das so auffällige Zutreffen der Zahlen, besonders bei ersterer
Berechnung, nicht ein Spiel des Zufalls, so wird zugleich wahrschein-
lich, daß die Vorlage des Schreibers fast lückenlos war *), und er allein
die Schuld trägt an dem Fehlen so vieler Versgruppen.
Überall läßt sich noch für die nicht am Blattende stehenden
Lücken die äußere Veranlassung erkennen. Überspringen in Folge
gleichlautender Verse fand statt 1621 — 77 (1620: nü sluoc ich doch ir
man; 1676: ouwe ja sluoc ich den man) und 1831 — 42 (1830: enist
da niemen der in wert; 1842: enist dan niemen der in wer). Über-
springen von Abschnittsinitiale zu Abschnittsinitiale mag vorliegen bei
1593 — 1609. Schon in der Vorlage fehlte (wie sich zeigen wird) 7161
bis 70. Bewußte Kürzung der langen Rede könnte man vermuthen bei
dem Fehlen von 7425 — 65; nur wäre dann das Fehlen von 7455 auf-
fällig, während der damit reimende Vers 7456 geblieben. Leider sind
an dieser Stelle die von mir in mein Exemplar des Iweiu einge-
tragenen Zeichen nicht mehr sicher zu lesen, allein es scheint mir, als
ob auch die Lücke 7425 — 55 zwischen Blattende und Blattanfang fiele,
also ihre Erklärung mit den übrigen der gleichen Art findet.
Das für die vorläufige Wertschätzung des Textes bedeutsame Er-
gebniss meiner bisherigen Untersuchung ist also : nach einer fast lücken-
losen Vorlage ist unsere Handschrift zwar mit großer Nachlässigkeit,
aber ohne willkürliches, subjectives Eingreifen des Schreibers gefertigt.
Der Text der Handschrift, die ich einstweilen p nennen will,
stellt sich zur Gruppe E (H) a. Ich gebe die Belege zunächst für den
mit v. 3000 beginnenden Theil, dem Beispiele Pauls (Beiträge I, 288 ff.)
folgend :**)
3306 dez pEa = diu\ (3372 sie spi^acli dijs ist der man ist nicht
sehr beweiskräftig, steht aber doch Ea: si gedaJit ditz ist (ez ist a)
*) Ausgenommen 7161 — 70; dadurch wird unser Rechenexempel natürlich nicht
gestört, da diese Lücke sich nach der von uns zur Berechnung benutzten findet.
**) Ich gebe die Stellen in der Schreibweise von p , ohne E a genauer anzu-
führen, da dies für meinen Zweck ganz überflüssig.
18*
276 O- BEHAGHEL
näher, als mi diiht er si Dcaf); 3407 ich pEa = und ich (3432 also
pEa richtig = als BDb); 3436 hi der loile pEa = der seihen; 3514
loünnecliches pEa = richez (diese Stelle von Paul a. a. 0. p. 314 nicht
angeführt); 3523 mit pEa = ze ABd; 3552 uff pEa = nach (fehlt bei
Paul); 3567 zu {einer m.) pEa = in; 3583 der fehlt pEa (3611 fehlt);
3644 er saz pEa ^ sus saz er; 3645 sie fürte in pEa = mt vuorte si
in; 3768 do fehlt pEa (vil steteclichen p = werlichen); 3804 7nit pEa
= von; 3881 er pEa =: 2md; 3894 er grüssete m pEa = do gi-uoztern;
3895 do volgete er pEa = imd volgt; 3901 er schände es pEa = nw
schauterz; 3923 nu pEa = c?o; 2970 nie ere pEa =: me deheine ere;
3985 daz lasier p E a = daz ; 4042 mich dez p E a = mich ; 4052 und fehlt
pEa; 4062 mich icundert pEa = ouch ivundert mich; 4067 ez ist niht
pEa = ouch ist ez niht\ 4095 ich loeysß daz pEa = und iceiz daz; 4117
min vrouive p E a = si nu ; 4125 nuioend schuffe p E a = scufe nieivan ;
4126 sus fehlt pEa; 4154 ein teil -p^a. = geivesen; 4193 lenger pF,a. ^=
langer; 4227 herlediget pEa = erloeset; 4336 oh bezw. ab fehlt pEa;
4338 p E a fehlt ivan ; 4344 schade p E a = dehein schade (4350 ir früm
unde ir leit p, frum und ir ere 1. E a = ere unde ir vrume) ; 4374 do
sach er pEa = und sach; 4413 t^nibe fr. pEa = trüge fr. (4419 lichte
fr. unentschieden); 4445 ich sage 7ich pEa = so sage ich iu; 4483 der
pEa = a-; 4581 des fehlt pEa; 4703 enet pEa = henet; 5396 hestunt
nu p (E) a = bestunden L. ; 6375 ein p E a := dehein (6459^ 60 ouch mochte
sye wol lachen an in aweiu gemachen p stimmt doch wohl zu 6460
Ea vil wol = vil lihte) (6602 ganz verändert: uu tuon ich uch das
erkant); 6793 vil gar pEa = gar (p sin gnade); 6914 hynamen pEa =
alle; 6954 loolde fehlt pEHa; Q^bb loolte an dem selhmi tage pEHa =
mit dem andern an dem tage; 6960 nu pEHa = ir nu df, nu hie BDb;
7019 — 20 fehlen pEHa; 7021, 22 (myune unde has hattent) besessen
das vaspHa (E fehlt) = hesäzen; 7161 — 70 fehlen pEHa; 7238 muher
sit pEa := harte lange zit; 7729 do verspieret {versperret Ea) pEa =
da in versperret).
Ich habe diese Übereinstimmungen so vollständig gegeben, weil
sie einzeln für sich wenig beweiskräftig sind. Doch lassen Stellen wie
4154, 6914, 6955, 7238, das Fehlen von 7019—20, 7161—70 dem Ge-
danken an zufälliges Zusammentreffen keinen Raum und thun dar, daß
innerhalb der Classe AdEa(H) p mit E(H)a eine gesonderte Stellung
einnimmt.
Suchen wir nun das Verhältniss von p zu seinen Nachbarn näher
zu umschreiben, so zeigt sich zunächst, daß p nicht aus derselben Vor-
lage stammt wie ETI. p hat nicht die Lücken 6967 und 68, 7025
DIE PARISEK HANDSCHRIFT DES IVVEIN, 277
und 26; es liest 7160 nicht ein lonp wie EH, sondern one lohe, ein ein-
faches Misverständniss von an lobe (oder ane lobe, wie wohl die Vor-
lage von p hatte). (6952 p sye euch gegen ouch si EH, was an sich
nicht viel beweist).
Ebensowenig steht p in näherer Beziehung zu a. Vielmehr scheint
sich a im Gegensatz zu p — EH zu stellen : 7002 e niht p E H = niht .
Hier jedoch kann die gemeinsame Vorlage von pEHa e niht darge-
boten und Ms. a auf eigene Rechnung das e weggelassen haben. Ahnlich
ist es mit 7074, wo das in pEH fehlende und sehr leicht von a
selbständig zugefügt sein kann, um das Asyndeton der Vorlage zu be-
seitigen. Dagegen ist es schlechthin beweisend, wenn in 7075 p liest:
er ist zu flössen drdte = er ist zeslipen drate E H gegen ir ros diu liehen
der übrigen. Denn hier liegt doch unmöglich ein Verlesen vor, wie
es zwei Schreiber unabhängig von einander zu Stande bringen konnten;
ebensowenig konnte a aus der Entstellung die richtige Lesart heraus-
finden. Wir erhalten dann folgendes Bild des Verwandtschaftsver-
hältnisses :
Merkwürdiger Weise aber finden wir eine
ganze Reihe von Stellen, in denen a eine Ab-
Aveichung gemein hat mit E(H), während p das
Richtige darbietet: 3408 daz fehlt Ea, nicht p;
3715 nach alle Ea = nach (richtig!); 4909 des iht
Ea = des nit p; 5231 vil fehlt Ea nicht p; 5405
nu vahten si Ea = si vahten si pL. ; 5902 nu Ea
= fyomcepBCDd] 6194 un loas iedoch E, und
es icas doch ir a = ir emcas iedoch p L. (6297 mit E a könnte richtig
sein gegen in Ab^, 61/ pDd); 6493 hei ein. Ea = zuo ein\ 6549 loirt-
schaft und ere Ea = also groze ere pL. ; 6750 harte fehlt Ea, die ir eyme
do wart harte schiere zu leite p; 6760 ergie ouch Ea := ging pL.; 7070
Wirt EHa = ivart.
Es ist nun sehr bedenklich, in allen diesen 13 Stellen einen bloßen
Zufall anzunehmen. Allerdings sind sie nicht gleich beweiskräftig. So
kann in 3408, 3715, 4904 die Vorlage von p mit E(H)a gestimmt
haben und p selbständig — mit oder ohne Überlegung auf das Ur-
sprüngliche gekommen sein. Dagegen ist zufälliges ZusammentrefiFen
von E, (H), und a möglich in 6493, 6750, 7070. Zwischen beiden
Annahmen Heße sich wählen für 5231 und 5902. Schon weniger ist
ein Zufall denkbar in 5405, 6194, 6760, und ausgeschlossen ist ein
solcher bei 6549.
278 Ö- BEHAGHEL
Wir erhalten somit folgendes Bild:
und zwar scheint p gegenüber von y den
Vorzug zu verdienen (oder wenigstens die
Vorlage von p; doch weiß ich nicht zu
entscheiden,, ob zwischen x und p ein Mit-
telglied noch anzunehmen ist).
Aber nun, heißt es nicht, wer zu
viel beweist, beweist gar Nichts? Stehen
nicht die beiden von mir gefundenen Formeln für das Handschriften-
verhältniss: a 4- [p -f- (E + H)] und p + [a + (E -}- H)], stehen
sie nicht in directem Widerspruch? Die zunächst liegende Lösung
dieses Widerspruchs wäre die Annahme, daß p eine Mischhandschrift
ist, d. h. daß p zwar in directer Linie von x abstammt, aber daneben
eine Handschrift der Classc EH benutzt hat (diese Entstehungsart
würde die Annahme eines Mittelgliedes zwischen x und p nothwendig
machen, denn der Schreiber von p besaß eine solche Sorgfalt gewiss
nicht). Die umgekehrte Annahme, daß p zur Classe EH gehört und
nebenbei eine direct aus x stammende Vorschrift benutzt hat, oder
endlich die Annahme einer gleichmäßigen Benützung zweier Vorlagen
widerstreitet den Thatsachen: für die Gruppierung a — pEH sprechen
nur 3, für die Gruppierung p — aEH 13 Stellen.
Dies Verhältniss macht es mir überhaupt zweifelhaft, ob wirklich
eine Mischhandschrift vorliegt. Dann müßte eine der beiden Formeln
unrichtig sein und dies wäre wahrscheinlich der Ansatz a — pEH.
Dafür spricht mir der Umstand , daß ich keine Stelle gefunden habe,
wo pE mit einem gemeinsamen Fehler a gegenüber stehen, so daß a
das Ursprüngliche bewahrt hätte; diese Combination wäre doch sicher
zu erwarten, wenn die Formel a — pEH Gültigkeit hätte. Allerdings
habe ich, in meiner Zeit beschränkt^ nicht alle die Stellen verglichen,
in denen E und a unter sich abweichen.
Die Formel a — pEH ist eigentlich nur gestützt durch 7075.
Da wäre es immerhin möglich, daß in den Angaben der Lesarten ein
Irrthum sich eingeschlichen und auch a mit EH stimmt. Sind die
Lesarten richtig, so wird es bei der Mischhandschrift bleiben müssen.
Doch halt, es gibt noch einen dritten Ausweg, und dieser dünkt mir
der wahrscheinlichste, daß< nicht p, sondern a eine Mischhandschrift
ist und die Bewahrung des Echten in 7075 der Benutzung einer
zweiten Quelle verdankt. In der That ist dies Pauls Ergebniss (a. a. O.
p. 347): „Es wird kaum eine andere Annahme übrig bleiben, als daß
a (oder ihre Vorlage) zwei verschiedene Quellen benutzt hat, von denen
DU': TAKISER IIANDSCHRIF^T DES IWEIN. 279
die eine besonders in dem vorderen Theilc zugezogene mit A noch
näher verwandt war als d, während die andere, welche ihre eigentliche
Grundlage gebildet hat, auch von Anfang an dieselbe gewesen sein
mag wie die, aus der E geflossen ist".
Für den ersten Theil ist die Untersuchung mit großen Schwie-
rigkeiten verbunden, da hier sich alle möglichen Combinationen durch-
kreuzen. Ausserdem steht mir hier nur für verhältnissmäßig wenige
Stellen die Vergleichung zu Gebot, indem ich durch einen ärgerlichen
Zufall in der Vollendung meiner Arbeit gehindert wurde. Ich wage
deshalb nur einige Andeutungen zu geben.
Die erste von Paul (p. 339) nachgewiesene Corabination ist B(b)E
gegen AD ad. Von den wenigen entscheidenden Stellen fällt 1367 in
eine Lücke von p, 1584 ist gänzlich verändert: allez da betwang.
Bleibt 1502: wez sin aber alsus stat, was zu Aad, nicht zu BE stimmt-
Die zweite Formel (p. 339) ist AdBD gegen Eab. Von den ver-
gleichbaren Stellen stimmt p 1611 zu Ad, indem mir mangelt, wo ein
Zufall sehr leicht mögheh. Dagegen widerspricht p den beiden Mss.
Ad in 1386 {= euch fehlt), 1548 (umb ir wunden), 1680 (daz es
myme liebe dete baß), 2218 (durch ir gemmeliche). Im letzten Falle
wenigstens ist ein Zufall undenkbar.
Über die Paul 341 besprochene Combinatiou Ada gegen BD Ehe
weiß ich nicht zu entscheiden, da mir p 2230 fehlt, die einzige Aus-
schlag gebende Stelle. 2305 hat p muot, was aber als Entstellung für
guot sehr nahe lag.
Dagegen läßt sich mit ziemlicher Sicherheit behaupten, daß p
nicht in näherem Verhältniss zu Aa steht: 73 iif An = umhe pBDb d;
95 von A a = imd von p ; 155 und wir da?: loizen vil icol A^ und das
tvissin icir alh icol a = und loere daz bynamen icol pBDdr; 162 nider
geleit A a = vertraget p ; 332 (Zo A a = n?t p etc. ; 722 un den Idf darumbe
lau Aa = p oder es muss mir an den lip gan\ 1735 anders tca Aa =
nicht anders p; 2222 gesach Aa = «we sack p. Entscheidend sind 155
und 722. Dagegen kommen wenige Stellen, wo p zu Aa stimmt, nicht
in Betracht: 169 von uch pAa = BDd an m; 229 alle sament pAa,
aber auch D = alle Bcd (259 daz ist loar pAa und b cd = c?a von
ist ez icar B d, was wohl richtig).
Noch eine Negation: p gehört nicht zu bc(D): 14 und wenne bc
= die jehent p (so Bd); 15 cliss bc = daz p; 19 verliert bc =^ enoert p ;
21 so Dbc = der pBdr; 38 sicacher Dbc = hoese pBd; 39 harte bösem
bc, lichtem D = vil sioachem pBd (d vil swachendem)\ 69, 70 bc stim-
men zu L" in ihrer Stellung, p geht mit den übrigen.
280 J- E. WACKERNELL
Diese Negation ist abei' zugleich eine Position, sie zeigt, daß p
näher zu Bd gehört (bezw. zu Bdr). Dafür noch einige Belege: 56
da pBd = dciz A, syt abcf, s wie D; 80 lowent sament pBdr = wa-
ren AD, mit einander a, auch bc; 318 clagete ich pBd gez. Präsens
der übrigen. Nicht gegen diese Zusammenstellung spricht 12 des habent
die B d = daz hejecht ijme die p ; denn hier lag Grund und Art der
Änderung allen Handschriften gleichmälHg nahe. Ebensowenig 1502
(schon vorhin angeführt), wo BE sich den übrigen und auch p gegen-
überstellt. Denn offenbar hat hier B seine eigentliche Vorlage ver-
lassen, um sich E anzunähern.
Bemerkt sei noch, daß aus der Gruppe Bdr besonders r zu p
zu stimmen scheint. 12 daz hejecht yme die p^ das gichet im die etc. ;
80 sament p r = ensamt B, zusamen d ; 155 hynamen (benamen r) p r =
iceiz got BDa.
Hat nun p im ersten Theil eine andere Vorlage benützt, als im
zweiten? Das zu sagen ist sehr schwierig, da die Combination Bd selbst
sich nicht im zweiten Theile findet (mit Ausnahme des Schlusses). Es
muß eine nochmalige Untersuchung des ersten Theils und über das
Verhältniss seines Textes zu dem des zweiten abgewartet werden und
diese kann nur geschehen mit Hcranziehimg von neuem Materiale. Daß
dabei die Pariser Handschrift so gut oder mehr als manche andere
eine Berücksichtigung verdient, glaube ich gezeigt zu haben.
CÄRLSEUHE, September 1876. OTTO BEHAGHEL.
ZUR CHRONOLOGISCHEN BESTIMMUNG DES
VI. UND VH. BUCHES VON WOLFRAMS PARZI-
VAL UND ÜBER DEN BEGINN VON WOLFRAMS
UND WALTHERS AUFENTHALT IN THÜRINGEN.
Die Entstehung des VI. Buches des Parzival setzt man gewöhn-
lich nach dem Sommer 1204*). Consequent rückt man auch den Be-
ginn von Wolframs und Walthers Aufenthalt in Thüringen in diese Zeit.
Aber beide Ansätze müssen um ein Jahr weiter hinaufgerückt werden.
Die hier zunächst in Betracht kommende Stelle des VI. Buches ist
L. 297, 16:
*) Lachmann, Wolfram von Esch. XIX; San-Marte, Leben Wolframs II, 211;
Simrock, Parz. I, 476; Bartsch, Parz. XIX; Bech, Iwein VI u. A.
ZUR CHRONOLOGISCHEN BESTIMMUNG DES VI. BUCHES etc. 281
'von Dürgen fürste Hcrraan,
etslich din ingcsinde ich raaz,
daz uzgesinde hieze baz.
dir waere och eines Keien not,
Sit wäriu milto dir gebot
so raanecvalten anehanc,
etswä sraaehlich gedranc
unt etswä Averdez dringen.
des muoz her Walther singen:
„guoten tac, boes unde guot"',
worin die Anwesenheit beider Dichter auf der Wartburg bezeugt ist.
Man nahm nun an, daß Walther, der Anhänger Philipps, nicht nach
Thüringen gekommen sei, so lange dessen Fürst ein Gegner seines
Königs war. Die Unterwerfung Hermanns geschah im September 1204
darum — schloß man — muß diese Stelle, in der Walther gleichzeitig
mit Wolfram schon auf der Wartburg anwesend erscheint, erst nach
dem Sommer dieses Jahres entstanden sein*).
Allein diese Annahme ist zu unbegründet um daraus Schlüsse ziehen
zu können , wie ich später zu zeigen versuchen werde. Die Entste-
hungszeit dieser Stelle läßt sich am sichersten durch eine andere des
VIT. Buches bestimmen. L. 379, 18 :
'ErfFurter wingarte giht
von treten noch der selben not:
maneg orses fuoz die slägc bot'.
Als diese Stelle entstand, sah der Dichter und seine Umgebung
die Verwüstung in den Weingärten um Erfurt, welche durch die Be-
lagerung im Sommer 1203 angerichtet worden war, noch so vollständig,
daß er sie mit einem frischen Kampfplatze vergleichen und dadurch
seinen Zuhörern gleichsam die Illustration zu seiner Schilderung geben
konnte.
Daraus wird sich nun nicht in Abrede stellen lassen, daß diese
Stelle des VII. Buches spätestens am Beginn des Frühjahres 1204,
bevor die Weinberge wieder bearbeitet wurden, entstanden sein kann.
Man hat diese Stelle, um einer Klemme mit dem einmal als sicher
feststehend angenommenen Beginn von Walthers Aufenthalt in Thüringen
auszuweichen, zu wenig in Betracht gezogen. Nur Bartsch hat, auf
ihren Inhalt und auf das *^noch' in derselben gestützt, sie in ihre rich-
*) Lachmann, Walther v. Vglw. zu 20, 4; San-Marte II, 310 tf . ; Simrock I,
476; Bartsch \X und XIX.
282 J. E. WACKERNELL
tigc Entstchungszeit gesetzt*), suchte aber in dem dadurch entstan-
denen chronologischen Widerspruch zwischen dem VI. und VII. Buche
einen Ausweg, indem er das VII. vor dem VI. gedichtet werden ließ,
so daß ersteres bald nach 1203, letzteres nach dem Sommer 1204 ent-
standen wäre. Allein es bedarf kaum der Erwähnung, daß eine solche
Annahme bei einem neueren Dichter wohl zulässig wäre; bei einem
mittelalterlichen aber, noch dazu bei einem, der nach seinem eigenen
Zeugnisse :
'Swaz an den buochen stet geschriben.
des bin ich künstelos beliben'
nicht lesen noch weniger schreiben konnte, völlig unstatthaft ist.
L. 379, 18 kann also spätestens in den Februar oder März
1204, die obige Stelle des VI. Buches daher spätestens an den
Schluß von 1203 fallen, um welche Zeit auch Walther und Wolfram
in Thüringen gewesen sein müssen, wozu andere Verhältnisse der beiden
Dichter überraschend stimmen.
Im V. Buche des Parzival rinden wir nach L. 230, 12 Wolfram
noch auf Wildenberg:
'so groziu fiwer sit noch c
sach nieman hie ze Wildenherc ,
woraus wir nach dem Gesagten den Beginn seines Thüringer Aufenthaltes
bestimmen können. Vor 1203 ist er nicht in Thüringen gewesen, weil
das V. Buch noch auf Wildenberg entstanden ist — man müßte denn
eine höchst unregelmäßige Entstehung des Parzival annehmen, wozu
wir nicht nur keine Veranlassung haben, sondern was schon durch die Ent-
stehungszeit des ganzen Parzival und durch Wolframs Dichtungsweise
widerlegt wird. — Während des Frühlings und des Sommers, während
welcher Zeit Thüringen Schauplatz eines grausamen Krieges war, gieng
er gewiss nicht dahin; spätestens zu Ende 1203 bezeugt er in der
Mitte des VI. Buches seine und Walthers Anwesenheit auf der
Wartburg, ist also nach Beendigung des Krieges, im Spätherbste 1203,
auf die Wartburg gekommen.
Dazu stimmen auch Walthers damalige Verhältnisse. Nach der
jüngst aufgefundenen Reiserechnung Bischof Wolfgers**) finden wir
Walther anfangs November 1203 in Österreich — also nicht bei Philipp,
wie man früher glaubte. In der Schrift Walther von der Vogelweide
in Österreich p. 74 ff. meine ich nachgewiesen zu haben , daß er und
*) Parz. 11, 47 zu 1249: „da der Dichter sagt noch, noch jetzt, so muß
dieser Theil des Parz. bald nach 1203 gedichtet sein.
**) Zingerle, Germania XXI, 193,
ZÜU CnRONOLOGTSCHEN BESTIMMUNG DES VI. HUCIIES etc 283
Wolfger auf der in dicso Zeit fallenden Hochzeit Leopolds mit Theodora
Komncna in Wien anwesend gewesen sei. Am 12. November finden
wir ihn unter der Begleitschaft des Bischofs in Zeiselmauer (nw. v.
Wien) und zwar war Wolfger damals^ wie wir aus den im Itinerar
angeführten Ortschaften ersehen, bereits auf der Rückreise von Wien.
Walther war also damals auf dem directen Wege nach Thüringen, wo
er wirklich noch Ende November oder im Deceraber 1203 eintreffen
konnte, um welche Zeit Wolfram nach L. 297, 16 seine Anwesenheit
daselbst bezeugt.
Es erübrigt nur noch zu zeigen, dai'i die Annahme, auf die man
früher den Beginn von Walthers und Wolframs Aufenthalt in Thüringen
gestützt hatte, nicht stichhaltig sei.
Wenn ein Sänger an den Hof eines kunstliebenden Fürsten kam,
hieß das seine politische Partcistellung gut heißen? Übrigens liegt in
der zuerst von Uhland aufgestellten Behauptung selbst eine Inconse-
quenz. Wolfram war ein unverholener Anhänger Ottos. Wenn nun beide
Dichter nach dem Sommer 1204 nach Thüringen gekommen sein sollen,
so war wohl Walther ein Parteigenosse Hermanns, aber Wolfram ein
politischer Gegner desselben. Wäre die politische Meinungsverschieden-
heit eines Dichters bei Hermann Grund genug gewesen, denselben
von seinem Hofe fern zu halten,^ wie kam dann Wolfram nach dem
Sommer 1204 dahin? Als Hermann später wieder auf die Seite Ottos
trat und wieder von ihm abfiel, blieb Wolfram dennoch an seinem
Hofe, war also bald Gegner bald Anhänger der politischen Gesinnung
seines Fürsten, ohne daß dadurch ihr gegenseitiges Verhältniss gestört
worden wäi'e. Ein Fürst, der innerhalb sechs Jahren viermal seine
Partei wechselte, nahm es damit gerade nicht so genau!
Auch der Überzeugungstreue Walthers stand sein Thüringer Be-
such um 1203 nicht entgegen. Wolfram gibt auch hierin das schla-
gendste Zeugniss , daß ein durch und durch charaktervoller Sänger
am Hofe eines kunstschützenden Fürsten mit allgemeiner Anerkennung
seine Lieder singen konnte, ohne mit ihm die Parteistellung zu theilen.
Warum sollte das, was man bei Wolfram einem edlen Charakter nicht
zuwider findet, bei Walther anstößig sein?
Aber von all dem abgesehen konnte Walther nach der Lage der
politischen Verhältnisse im Herbste 1203 gerade als Anhänger Philipps
und als Vertreter seiner Interessen auf die Wartburg kommen. Der
Krieg des Jahres 1203 gieng mit Beginn October zu Ende. Der Böhmen-
könig hatte für seine Parteistellung zu Otto IV. die langersehnte An-
erkennung der böhmischen Krone von Seite der Kirche erlangt; war der
284 J- E. WACKERNELL, ZUK CHRONOLOGISCHEN BESTIMMUNG etc.
Gefahr, die ihm durch seinen Abfall von Philipp von dessen Seite ge-
droht hatte, entronnen; hatte die Erhebung Theobalds III. auf den
böhmischen Thron vereitelt und endlich noch Aussicht erhalten, daß
Böhmen von der Mainzer Metropolitaugewalt abgetrennt werde. Otto IV.
trug natürlich den größten Gewinn von diesem Feldzuge. Sein Gebiet
und seine Partei hatten sich bedeutend vergrößert; er hatte das fest-
geschlossene Reich seines Gegners in zwei getrennte Stücke zerrissen
und konnte überzeugt sein, daß Innocenz III. nach diesem militärischen
Erfolg; noch rücksichtsloser die Autorität der Kirche für seine Aner-
kennung geltend machen werde. Dagegen hatte Hermann nichts ge-
wonnen, außer einige leere Versprechungen von Otto. Sein Land,
das während des ganzen Feldzuges Kriegsschauplatz gewesen, war
gräulich verwüstet, dazu noch mehr von seinen Verbündeten als vom
Feinde; ähnliche Vorfälle waren ihm, wenn er auf Seite Ottos beharrte,
noch in Aussicht gestellt*). Solche Früchte hatte er sicher nicht er-
wartet, als er sich auf die gegnerische Seite locken ließ, wo er Vor-
theile hoffte! Was Wunders, wenn er mit den Ergebnissen des Jahres
unzufrieden war, da er nur für seinen Vortheil, nicht für die Sache
des Weifen kämpfen wollte ? War es nun nicht möglich, daß Walther,
der wo immer er konnte für die Sache seines Herrn thätig war, dem
Philipp wahrscheinlich geradezu diplomatische Missionen anvertraute,
diese Enttäuschung des Landgrafen zu benützen suchte, um den leicht-
beweglichen Fürsten wieder auf die staufische Seite zu bringen?
Daraus wird klar sein, daß die frühere Annahme lange nicht so
gewichtig sei, um dem directen Zeugnisse Wolframs, dem natürlichen
Zusammenhange der Lebensverhältnisse der beiden Dichter gegenüber
aufkommen zu können.
Es fällt demnach die Entstehung des VI. Buches des Parzival
in den Spätherbst, die des VII. in den Winter 1203/4. Die Ankunft
Wolframs auf der Wartburg an den Beginn des Spätherbstes und die
Walthers in den November oder December 1203.
WIEN, April 1877. J. E. WACKERNELL.
*) Vgl. dazu Winkelmann, Philipp I, 293.
R. KÖHLER, ZU EINER STELLE IN RTTDOLFS BARLAAM. 285
ZU EINER STELLE IN RUDOLFS VON EMS
BARLAAM UND JOSAPHAT.
In Rudolfs von Ems Barlaam und Josaphat sagt Nachor zu den
griechischen Meistern über ihren Gott Jupiter unter anderem auch
folgendes (Sp. 251, Z. 19-29 der Ausgabe von Pfeiffer) :
19 so saget ir von im anderswa,
daz in diu schoene Alcmenä
mit minnen triuten began
vür Amphitrion ir man,
dem er geliches libes was ;
und Getä was Archas,
25 wie diu mit trügelicher art
von disem man betrogen wart.
daz zimt gotes namen niht,
ob man der rehten wärheit gibt,
ez zseme baz des tiuvels spil.
Zu Zeile 24 bemerkt Pfeiffer : 'Diese Zeile verstehe ich nicht ; im
Lateinischen fehlt der Inhalt der Zeilen 19 — 26'. Vermuthlich werden auch
heute noch gar manche Leser gleich wie Pfeiffer bekennen müssen,
daß sie die Zeile nicht verstehen, denn sie kann nur dem verständ-
lich sein, dem das lateinische gewöhnlich Geta betitelte Gedicht des
Vitalis Blesensis, welches den Stoff des Plautinischen Amphitryon be-
handelt, bekannt ist*). In diesem Gedicht;, welches Rudolf von Ems
gekannt haben muß, heißt Amphitryons Sklave, dessen Gestalt Mer-
curius annimmt^ Geta, und Mercur wird darin nie mit seinem eigent-
lichen Namen, sondern mit zwei bei römischen Dichtern vorkommenden
Beinamen genannt, nämlich zweimal (V. 27 und 359) Caducifer, sonst
aber immer Areas oder — nach der Schreibung wohl der meisten
Handschriften — Archas.
Die Worte 'Und Getä was Archas' bedeuten also: Und Geta,
d. h. der falsche Geta, war in Wirklichkeit Archas, d. i. Mercurius,
wie der falsche Amphitryon, den Alcmena für ihren Mann hielt, in
Wirklichkeit Jupiter war.
Natürlich ist nun Pfeiffers Interpunction zu ändern und nach
'was (Z. 23) ein Komma, nach 'Archas' ein Semikolon, nach 'wart'
ein Komma zu setzen.
WEIMAR, Mai 1877. REINHOLD KÖHLER.
*) Näheres über dieses Gedicht und dessen Ausgaben s. in der flistoire litteraire
de la France XXII (1852), 41-48,
286 K. E. H. KRAUSE
ZU DEM GRATZER CISIOJANUS.
aermania XXI (IX), S. 338 ff.
Die Cisiojanus dienen bekanntlich nicht nur dazu die Reihen-
folge der Fest- und Heiligentage anzugeben, sondern sie bezeichnen
ganz genau das Datum selbst.
Vom Datum, dem Kalendertage, sind sie daher durchaus abhän-
gig, alles andere: Verszahl, Verständlichkeit, jDoetischer Witz kommen
erst in zweiter Linie. Von diesem Gesichtspunkte aus zerfallen alle
deutschen Cisiojanus in 2 Classen:
1. Solche, die wie die lateinischen den Tag durch Silbenzahl
angeben;
2. Die dasselbe durch Wortzählung- erreichen.
Zu den ersten gehört der niederdeutsche des Konrad Gesselen,
den ich bekannt machte'*'), zur zweiten Classe der von Jeitteles in der
Germania**) mitgetheilte Gratzer.
Die Erkennung dieser Zählmethode würde sofort verderbte oder
richtige Kalenderverse ergeben haben, während jetzt einzeln sogar durch
die Amendierung der Kalender in Unordnung gerathen ist. Im Silben-
Cisiojanus muß also Januar 31, Februar 28, März 31 etc. Silben haben,
im Wörter-Cisiojanus je eben so viel Wörter. Als Beispiel setze ich
den October des K. Gesselen her:
Äemigius der was milde,
Dingesdach maket gilde,
ock is Zwcas mit weghede dar,
dat seget symon vorwar.
Die erste Silbe eines Namens gibt die Stichzahl: i?emigius Oct. 1.,
Dingesdach Oct. 9. ; es ist Dionysii, Rustici et Eleutherii, Dionysii et
sociorum , ,.Dionisius ende syn gesellen" eines niederl. Kalenders
saec. XV — daher die gilde; Lncas Oct. 18., weghede Oct. 21. „elf
dusent maechden"; /Symon Oct. 28.
Sehen wir darnach den Cisiojanus von Jeitteles an, so hat Ja-
nuar 31, Februar 27!, März 32!, April 31!, Mai 31, Juni 30, Juli 30!,
August 30!, September 30, October 31, Nov. 30, December 30! Worte
*) Im Osterpr. 187.') des Gymn. zu Rostock; von Jeitteles übersehen.
**) XXI (IX), S. 338 ff.
zu DEM GRATZER CISIOJANUS. 287
resp. Tage; in den Versen für Februar, März, April^ August, December
stecken also Fehler, deren Stelle sich durch die HeiHgentage näher
feststellen läßt.
Im Januar stimmen die Tage genau, wenn für jedes Wort die
Zahl von dessen Stelle gesetzt wird: besniten 1. (circumcisio), ciiunik
(h. 3 Könige) 6., Erhart 8., Marcell 16., Antony 17., Prisca 18., Fa
bian 20., Agnes 21., Vincenz 22., Paulus 25. „Pauwels bekeringe",
conversio Pauli; Policarp 26.
Im Februar tritt der Fehler nachScolastica ein; denn es stimmen:
Breid („Brigida raaecht") 1., Marein („onser vrouwen lichtmis") 2.,
Blasen (Blasius) 3., Dorothea 6., Scolastica 10. — Valtein, Valeutinus
presb. et raart. bei Biuterim, sollte auf den 14. fallen, fällt aber im
Cisiojanus auf den 13. und so alle folgenden einen Tag zu früh. Es
ist daher S. 341, V. 14 die Lesart von B. richtig:
„daz im sand Valtein (oder Valentein)"-
Dadurch fällt nunmehr Valentin auf den 14., Juliaua auf den 16.,
Petrus, „Sunte Peters seteling", Cattedra S.Petri in Antiochia (Binterim),
auf den 22. und Mathias auf den 24.
Im März stimmen die Heiligen: Adrian 4., Gregor 12., Gedräut
17., Benedict 21., Maria ("^ons heren entfangenis', im niederd. Lübecker
Kalender Rost. Univ. Bibl. Mss. theol. 14. saec. XV: unser vrouwen
dach der badeschop) 25., Ruprecht 27.; da nach ihm aber noch 5 Wörter
folgen statt 4, so ist „verguet" zu verbinden und die Zahl 31 ist her-
gestellt.
Kalendarisch genommen ist auch die Lesart von W. im V. 19
richtig :
Merz haizz Kunigunden Adrian,
denn Kunigund fällt auf den 3.
April ist schwerer herzustellen. Die Heiligentage des Ambrosius
(4.), und Tiburtius (14.) stimmen; aber ein Valerian kommt nirgend
zum 18., sondern nur zum 14. vor: „Tiburtii et Valeriani", oder „Ti-
burtii Valeriani Maxiraiani" (Binterim). Im Lübeckischen Kalender
finde ich aber ganz isoliert einen Valerius zum 18., der sonst dem h,
Eleutherius gehört. Es wird also wegen der bekannten Zugehörigkeit
des Valerian zum Tiburtius eine Verwechslung beim Abschreiben vor-
gekommen sein; kannte der ursprüngliche Verfasser die Bedeutung
des griech. Namens, so war der Vers:
Eleuther sich daz grozz elend
recht bezeichnend; im jetzt vorliegenden scheint sogar auf Valerian
288 1^- ^- H. KRAUSE
das Geschäft des Valentin: die Fallsucht, das Elend zu heilen, über-
tragen werden zu sollen. Eine noch gröli^ere Schwierigkeit macht
Jörgen, St. Georg, dem fast überall in Deutschland und Frankreich
der 23. April geweiht ist;, hier im Cisiojanus aber der 25., welcher
unbestritten dem Evangelisten Marcus gebührt, obwohl dieser hier
auf den 26. gerückt ist. Da nun auch Vital vom 29. auf den 30-
geschoben und dem April 31 Tage beigelegt sind, so ergeben sich die
beiden nothwendigen Remeduren, wenn zwischen 'Valerian' und Morgen'
ein Wort gestrichen wird, wodurch Vital auf den 29., Marcus den 25.,
Georg den 24 gerückt wird. In letzterem Tage hätte Gratz sich dann
nach Mailand, Aquileja und Pavia gerichtet, wo der Georgstag am
24. April gefeiert ist. Vgl. Weidenbach, Calend. S. 168, Sp. 2. Im
Verse 11 S. 342 war daher richtig in A. corrigiert:
Furcht Jörgen, Marxen gachen end;
und es muß dann interpungiert werden, mit Anspielung auf den Namen
VitaHs:
Furcht Jörgen, Marxen; gachen end
Vital daz wend.
Mai und Juni sind kalendarisch richtig, S. 342, V. 15 giebt
„chreuz" (niederl. Cal.: 't heilig cruce vinding, Lübecker Cal. : cruces
dach alset vunden wart), Invencio crucis den 3. Mai; V. 16 Johannes
(niederl. Cal. : Sunte Jan in die olie), Johannes ante portam latinam
den 6.; S. 343, V. 5 ,.Vriaul", F.: 'fryel' hat Jeitteles als unerklärbar
angegeben; von 8 mir vorliegenden Calendarien nennen 5 diesen Tag
(23. Juni) einfach Vigilia, vighelij, Lübeck. Cal. : ,,de avent", nämlich
St. Johannis baptistae. Sollte daraus in Erinnerung an das benach-
barte Friaul und den kurz vorher citierten Ortsnamen (Petronell)
Vriaul entstanden sein? Bei der Lesart Stagaul -— St. Agaul könnte
man übrigens auch an die heiligen Agilbert (Aglibert) und Agoardus
denken, welche aber nicht zum 23., sondern zum 24. Juni gehören. —
V. 7 bietet Hensel die Stichzahl für 'Jan ende Pawels Martelaren
(26.) und slwp für 'Seven slapers' Germanorum etc. (27.) ; darauf Peter
für Peter und Paul (29.), Paul für conversio Pauli, niederl. Cal.: S.
Pauwels ghedenkenis, Lübeck. Cal.: Sunte Pawels gedechtnisse (30.).
Für Juli sind nur 30 Worte angesetzt, das 31. ist zu suchen;
da alle Heiligentage stimmen, ist irgend ein nichtssagendes Wort nach
Jacob (S. 344, V. 3) ausgefallen, vielleicht bildeten 4 Worte dann eine
besondere Verszeile und reimte vorher Magdalein : treun. Der zweite
Tag nach Margret (13.) heißt Divisio apostolorum (15.), niederl. Cal.:
zu DEM GRATZER CISIOJANUS. 289
der apostolen sceiding, S. 343, V. 13 gibt daher von 'poten senteri
das letztere Wort die Stichzabl*).
Aucli für August ist das 31. Wort zu suchen; die Stelle ist
leicht zu finden: schon Laurenz steht nicht richtig (9.) und gar
Maria (14.) hat einen Tag verloren, denn assuraptio Marie ist bekannt-
lich der 15. August. Da Afra auf den 7. richtig angesetzt ist, muß
S. 341, V. 7 also die Lesart von B. die Richtige sein:
sich pey laurenczen in großen noten stan,
so erhält Laurentius seinen 10., Maria den 15., und die Vermuthung
in der Note ist nicht stichhaltig. Auch die Versforna:
sich pey laurenczen und sant Polten stan
ist möglich, denn Ypolitus fällt auf den 13. ; Wernhart sollte mit B.
doch richtiger Bernhart heißen**): Bernardi Abbatis Aug. 20.; im v. 11 ;
Augustin unser seid meren
ist seid deutlich anspielendes Stichwort (30.) auf Felicis et Adaucti;
welcher letzterer im Lübeck. Cal. nur Auctus heißt.
September, October und November sind der Wortzahl
nach richtig; schon darnach darf S. 344, v. 13 *most wein' nicht in
ein Wort zusammengezogen werden. Auch im niederl. Cal. heißt
Aegidius 'Gillis, abt'; in v. 15 ist 'chreuz' das Stichwort des 14. Sept.:
niederl. Cal. 'T heilig cruce verheffing, Lübeck. Cal.: des hilghen
cruces dach der vorhoginge. Ruprecht S. 345, v. 2, Bischof von Salz-
burg, f Ostern 723***), wird am 27. oder auch am 25. März gefeiert;
hier ist "^Ruprecht im Herbste^ Ruperti translatio, Sept. 24, geraeint.
Für den 1. October ist Turchkan freilich nicht zu deuten;
sollte ein slawischer Namef) darin stecken? Zum 1. Oct. kommen an
Heiligen nur Trade episc. und Domnius vor, die man in Frage ziehen
könnte. Wer den Dionysius in den Cisiojanus aufnehmen wollte, hätte
aus der Lesart von B. *so' zu streichen:
Marcus hayß dionisium (9.) etc.
*) Sollte ursprünglich dagestanden haben:
dar umb wil Margreiten
poten scei(e>i?
Der von Jeitteles vermißte Reim wäre dann hergestellt. Die in B. vor Jacob
eingeschobene Christiana ist S. Christine mit dem richtigen Tage (24).
**) Obwohl dialectisch Wernhart = Bernhart sein kann.
***) Kehrein, Lat. Sequenzen des Mittelalters. Mainz 1873. s. v. Potthart bibl.
sup. 397.
t) S. 346, V. 7 not. Lesart B. Nischka für Niclas uud Z. 5 v. u. „chentmail".
GERMANIA. Neue Reihe X. (XIII, Jahrg.) 19
290 F- BECH
Im November wird S. 345^ v. 12 „alle'* an 'Aller Seelen Tag»
anspielen (2.); niederl. Cal.: alre seelen, Lüb. Cal. : allen cristen
sele dach.
Dem December fehlt wieder ein Tag, und zwar vor Lucey,
die hier auf 12. statt 13. fällt. S. 346, v. 9 muß es also nach W.
und F. heißen:
daß Niclas uns Maria
gnaden erpit. Zu Venedig
Lucey etc.
So wird auch 'Christ' v. 12 Stichwort für den 25., Weihnacht
Stephan für den 26., Haus = Johannis evaugelista für den 27. und
'chinder, Lüb. Cal.: kindere dach, niederl. Cal.: Die onnosel Kinder,
für den 28., so daß alles stimmt.
ROSTOCK, December 1876. K. E. H. KRAUSE,
WORTFORMEN AUF -EZR
Nachtrag zu Germania X, 395—398 und XIV, 431 folg.
Zu geheime : vgl. Koelhoffsche Chron. (Cb-on. der D. Städte B.XIII)
516, 7 sin geheins wart zo Coellen bracht'^ ebenso 521, 20; gebeintz 522,
33 sin gebeintz wart bracht van dan. — Gebertze, «., Bahre, Traggestell,
Koelhoflfsche Chronik 145, 3 do lachte men si doit up ein gebeirtze,
— Gebirgeze, Gebirge: Schambach Wörterb. 60'' und Hildebrand im D.
W. IV, 1774—75; vgl. Eberhard Zersne Minneregel 4272: da nach —
begund ich riten durch gebirgete', Görlitzer Annalen 235: an dem
gebirgide] 247: obir das gebirgide\ Zeitzer Copialbuch (vgl. in dieser
Zeitschr. XX, S. 330) fol. 103* loüste dorffir in dem gebirgedc, ebenda
die dorffir mit allen iren czügehorungen weiden und gehirgeden\ Bruder
Hansens Marienlieder 1913: gehircht'^ 2992: in den gebirchten lustlüch
iceterhellet der cleyner voglün singen. In der Koelhoffschen Chronik
512, 1 (a. 1499) heißt es: dat he eme allit naevonlchde over dat gebirchtz
ind wae he is zo doin hatte', 514, 16 over dat gebirchts\ 513, 1 buschoj
Reinolt reisde mit dem keiser over dat gebirchs; 291, 33 si gink snellich-
lich over dat gebirchs (== Lucas 1, 38 abiif in montana cum festinatione).
— Gebloimeze, gebloimetse, das Blühen, die Blüthe, z.B. des Getreides, (vgl.
geblüete in Fundgr.I, 312,34, Wolkenst. 115,2,6) bei Schambach 1. 1. 60";
geblimts in der Hennebergischen Mundart bei Frommann Mund. IH, 135;
WORTFORMEN AUF -EZB 291
= nd. geblomete, Schiller und Lübben Wörterb. II, 21''. — Zu gebü-
weze: vgl. gebüwede bei Daniels und Gruben, Das Sächsische Weich-
bildrecht 384, 25; das gebeuwede 383, 32; Laurent, Aachner Zustände
S. 54: die oversfe borg 2er Dicke mit yren tornen, sailen, muren, gebü-
loetse ind graven (a. 1383). — Gedeckeze, gedechze? = Decke, Dachung;
Weist. IV, G22 (aus Neubamberg, 15. Jahrh.) hält der arm man nif
gedecks, soll der becker alss vil gedecks dar geben^ dass der deyck hewart
sij\ 11,683 aus einem SchefFenweisthum von Zinxheim (a. 1622): ein
haus zu Weiere soll den bauch von der kirchen an der sommerselten in
gewhönlichem gedächs hallen'^ = gedeckede bei Twinger von Koenigs-
hofen ed. Hegel 632, 1 : do sanie er erber botten vnd ein ros mit eime
ühergüldeten gedeckede = mit eime vergidteten gedeckete ed. Schilter 235;
bei letzterem S. 522 aus der „Lombardica historia" fol. 104^": der ging
eines nahtes zu der boren do Sant Athala uff lag und warff das gedeckete
abe ir] Zarucke zu Seb. Brants Narrenschiff 18, 20 über gedeckt] vgl,
ahd. bedeckeda und muotferdecchidi bei GrafF V, 103. — Gedermeze,
das Gedärme , bei Martin Schultze Idiotie, der nordthür. Mundart
S. 39; = gedermete bei Schiller u. Lübben 1. 1. II, 28, ghedarmfe bei
Kilian. — Zu gedingefze vergleiche man noch Weist. VI, 393 (aus
Stockstadt a. 1387): und gebe gedingtze zu urholtze\ = gedingede im
Stadtbuche von Augsburg ed. Meyer S. 204; Alemannia III, 115, 46:
nit gedingden hän: Scriptt. rer. Pruss. IV^ 432: mit ingedinget das, unter
der Bedingung daß. — Gehotnveze, gehouze, Hau, Holzschlag, aus Arnoldis
Beiträgen 42 bei Lexer Handw. I, 793; = gehouivede, das bisher noch
nicht nachgewiesen ist, — Zu gejagetze : aus der Gegend der Untermosel
bei Grimm Weist. II, 440, Z. 1 : item haint sie gewyst v. gn. h. v. Trier
das gejegs vnd den wiltpanne (a. 1468) ; aus der Gegend der Obermosel
ebenda 258, Z. 11: toir loeisen unserm hern geiügts vnd darzu
zween vogelhundt\ ferner ziehe ich hierher V, 678, Z. 14: item die bach
minem gn. h. von Bitsche und dasz gegeczs (?) etc. (a. 1484); ebenda
heißt es S, 509, Z. 23: kompt unser g. h. von Hanau mit dem gejägs in
eigener person her und begert zu jagen (a. 1490). Koellioflfsclie Chron
383, 14 he ivart erslagen as he des nachtz van dem gejegs quam. — Zu
gemaelze: vgl. in dieser Zeitschrift XVI, 86 die bilder und das gemäls
(a. 1560). Was heißt gemilze waehe im .J. Tit. ed. Hahn 1650, 4? —
Zu geremze: vgl. Laurent Aach. Zust. 187, 1 Item de geremze supra lo-
bium mngistrorum civiutn 2^1^ m. (a. 1346); dazu halte man geräms
gräms bei Müller u. Weitz, Die Aachener Mundart 66. Koelhoffsche
Chron. 634, 8 — 9 dairzo macht men dem. bischof ein iseren geremsse as
ein vogelskorf buissen an der muiren vam slos. — ßteingeschurreze ? stein-
19*
292 F. BECH, WOKTFOKMEN AUF -EZE.
geschürze für steingeschürß vermuthet bei Suchenwirth 18, 25, vgl. Lexer
Handwört. II, 1165; dies würde ein geschürrede oder geschorrede voraxis-
setzen. — Zu gesteinze: vgl. edele gestei/nte in dem Vergleiche zwischen
Erzbischof Albrecht und Claus von Bißmark aus dem J. 1370 bei
Dreyhaupt Beschr. des Saalkreyses I, 83; ebenso bei Janota (Krakauer
Progr. a. 1855) S. 8 (nicht 7) sowie im Urkundenbuche von Meieren
II, Nr. 805 (a. 1409) daz guldin pectordl mit deme gesteinde. — Zu gestinitze:
vgl. noch Koelhoffsche Chron. 289, 26: astronomie dat is die kunst van
dem gestirntz. — Zu gestülze : vgl. Koelhoffsche Chron. 496, 25 : dairinne
stoinden vil buschoioe ind heirlicher prelaten gestoils. — Zn getierze: vgl.
gederze, gedirze bei Schambach 1. 1. 60; getirts in der Henneb ergischen
Mundart bei Frommann 1. 1. III, 135 und getierz Plural getierzer ebenda
VI, 514, Z. 25; jetierze in Martin Schultzes Idiot, der nord-thür. Mund-
art S. 39; daselbst S. 45 imgetierze, Unthier; aus einem Weisthum von
Udelhoven (in der Nähe von Prüm, a. 1481) bei Grimm II, 533, Z. 5:
die kyrchengijft und alle zehenden klein und groifi von allen
hiesten und gedierzehen weisen sey dem gottshauß. — Zu gevogelze: aus
einer Bannformel von Lützelnau in Weist. IV, 575 ich teylen das ivtp
ein loittwe und kynde weysen und syn gudt den rechten erhen den
hals dem lande, den Itp dem gefogeltz-, Diefenhach Gloss. 628* volatile
das gefogeltz] = gevogelte bei Schiller u. Lübben II, 96**. — Gevuorze
= gevüere, Fuhrwerk, Vortheil, aus den Frankfurter Bürgermeister-
büchern des 15. Jahrh. und aus Oberlin 497 bei Lexer 1. 1. I, 970 ;
vgl. Herbort Troj. 4108 als ez im zti eren gezam und zti gevort (?) ivol quam.
— Geweintze, das Weinen, Gewinsel, bei Fichard Frankfurter Archiv
II, 57 in der d/injer hern laut ist grosz geweintz (: A/eintz) Von kindem
frauwen und auch von mannen. — Gewennerze? geicanerds, gewaenerz,
das Gespenst, vom tcandern benannt, bei Vilmar Idiot. 441. — Zu ^e-
wulfze : gewelfze, vgl. gewelmts, Gewölbe in der Hennebergischen Mund-
art bei Frommann 1. 1. III, 135; dazu geioelhde in dem früher erwähnten
Zeitzer Copialbuche fol. 324" die kirche hat eyn gut gewelhde:, ebenso
324'', 444'' kelre ader geioelhde\ 445'' gewelpde] = geweift bei Schiller
u. Lübben 1, 1. II, 101*. — Gezünze, das Umzäunte, die Umzäunung,
Weist. V, 596 aus den Rechten der Abtei Limburg a. 1448: inwendig
deme gezüntzen (so!); VI, 421 aus Weidenthal a. 1552: im gezüntze;
vgl. mhd. geziune, md. gezüne und mnd. tCinete im Sachsenspiegel Landr.
ed. Homeyer I, 20, 1 und 24, 1 (= ed. Goeschen I, Artikel II und 16)
mit der Variante gezünede. —
Nicht hierher gehörig, wenn auch der Schreibung nach sehr
ähnlich, ist was sich in Raabs Urkundenbuch von Seitenstetten findet
TH, GELBE, KINDERLIEDER UND REIME. 203
S. 149 (a. 1312): Ich Wetitihart von Schaffer-velde vergich dfiz ich
— — den eigensehaff und alz daz reht daz ich gehabt hau ajt dem
lecken daz da leit in der Trcftiich, ze holtze und ze velde, be-
suechtze und unehesuechtze , gepaunz und ungepatmz , ge-
stiftze und ungestifze unser vraioen zu /Seittenstetten ze chatiffen
hän gegeben.
ZEITZ, Mai 1876. FEDOR BECH.
KINDERLIEDER UND REIME
VON
TH. GELBE.
Daß Kinderlicder und Kinderspiele für die Erforschung und Er-
kundung der Völker- und Stamracsverhältnisse von größter Wichtig-
keit seien, hat wohl seit der Sammlung von Rochholz und seit Ger-
maniens Völkerstimmen ^ in denen diesem Theile der Volkspoesie und
diesem Ausdrucke des Volksgeistes eine erfreuliche Aufmerksamkeit
gewidmet worden ist, niemand bezweifelt. Der große Eifer, mit welchem
von verschiedenen Seiten die Sammlung und Aufzeichnung derselben
unternommen wurde, hat die erfreulichsten Erfolge gehabt, aber auch
gegen Rochholz erwiesen, daß dessen Behauptungen nicht immer das
Rechte trafen. Zunächst nämlich muß anerkannt werden, daß zwar
eine Anzahl Kinderlicder und Kinderspiele Gesammteigenthum der
gesammten spielenden Kinderwelt und sehr viele das der Kinder eines
Volksstammes, also in unserem Sinne, des deutschen, sind, aber auch
das darf nicht verkannt werden, daß davon nicht wenige sind, welche,
obgleich sie Gesammteigenthum zu sein scheinen, doch einzelnen Gauen
unbekannt blieben und andere nur in den einen oder anderen Gauen
aufzufinden sind, in denen sie entstanden. Ferner aber ist ebenso
sicher, daß einzelne in verschiedenen Gegenden oft in so verschiedener
Fassung auftreten, daß nur eine Vergleichung mit mehreren die Iden-
tität, sowie die ursprünglichste oder vollkommenste Gestalt festzustellen
vermag, ja nicht selten hat die eine Provinz zwei verschiedene Lieder
in eins verwebt. Man vergleiche nur meine Sammlung mit der des
geographisch so nahe liegenden Vogtlandes*). Endlich wird dem Samm-
ler nicht entgehen, daß der Kindermund auch neues schaffen, altes zu
erweitern vermag; wozu er sich um so mehr geneigt zeigt, je mehr freier
und froher Sinn ihn beseelt.
*) Dunger, Kinderlieder und Kinderspiele des Vogtlandes. Plauen 1874,
294 TH GELBE
Als ein solcher Gau, welcher seine ihm allein und durchaus
eigenthümlichen Liedclien besitzt, erschien dem Verfasser seine engste
Heimat, die Lausitz, speciell seine Vaterstadt Bautzen, wenn er sich
auch bald darüber klar ward, wie zurückhaltend sich während seiner
Zeit die dortige Kinderwelt gegen von fremd her eingeführte Lied-
chen verhielt. Freilich ist dies mit der Zeit anders geworden und wie
jetzt nicht mehr das quadratische Windspiel die einzige Drachenart
der Bautzner Knabenwelt ist, so haben sich auch Liedchen eingestellt,
die Verfasser bald als Gesammteigenthum der deutschen Kinderwelt
oder als Sondereigenthum der erzgebirgischen erkannte.
Bald fand auch der Verfasser, daß sogar in demselben Gaue zwei
verschiedene Orte verschiedene Fassung, ja daß dasselbe Liedchen in
Stolberg, einer Stadt von ungefähr 7000 Einw. verschiedene Fassung
habe. Seinen Plan, die mit allen Varianten versehene Sammlung von
über 500 Liedchen, von denen 233 entweder noch gar nicht gedruckt
oder doch in beinahe unkenntlicher Gestalt bekannt sind, zu veröffent-
lichen, hält er noch nicht für reif, weil ihm immer und immer wieder
neue Liedchen zuströmen und so versucht er zunächst eine kleine Aus-
wahl noch soweit er weiß uugedruckter zu publicieren.
Obschon ihn manches Reimloin drängt, einige erklärende Worte
beizufügen, versagt sich der Sammler dies doch, eine günstige spä-
tere Gelegenheit dazu erhoffend.
Die Anordnung Simrocks, wenn sie dem Sammler auch nicht die
richtigste zu sein scheint, ist beibehalten worden, in der Voraussetzung,
daß Simrocks Buch die weiteste Verbreitung gefunden habe. Auf
dessen sowie, wenn es thunlich erschien, auch auf die übrigen Samm-
lungen ist verwiesen.
Ch. bedeutet Chemnitz und Umgegend, B. Bautzen und Umge.-
gend, St. Stollberg und dessen weiteste Umgegend, Obererzgebirge ist
die Gegend von Schwarzenberg genannt worden.
Sollte sich ein oder das andere Liedchen schon gedruckt finden,
so bittet der Sammler dies damit zu entschuldigen, daß es ihm in
seinem etwas abgelegenen Wohnorte nicht möglich war, alle Samm-
lungen einzusehen.
1. Simr. 8. 2. Simr. 17 ff.
Wo wohnt der Schneider? a) Kinn, Kinnchen,
E Häusl weiter u. s. f. Mund, Mündchen,
Soll ich klingeln oder pochen? Nas, Naschen,
Ch. St. Guck, Guckchen,
KINDEKLIIiDER UND REIME.
295
Stirn, Stirnchen,
Zupp, zupp mei Hörnchen. St.
b) Kinnchen,
Mündchen,
Naschen^
Bäckein,
Guckein,
Stirnchen,
Zupp, zupp mei Hörnchen. B.
c) Kinnwippchen,
roth Lippchen,
Naseukippchen,
Augenbräunchen,
Stirnblättchen,
Zupp, zupp, zupp, Hühnelchen!
Erzgebirge.
3, Simr. 22, 1.
Kleiner Nickel,
Fingerringel,
Langer Stecken,
Quirllccker,
Lausekuicker.
St.
4. Simr. 43 ff.
a) Patsche, patsche, Küchel,
Mehl in den Tiegel,
Butter in e Eeinel,
'SJungel is e Schweinel.
b) 1 und 2 =: 1 und 2 in a, dann
Butter in e Pfännel,
Back mir e Männel,
So groß, 30 lang.
Wie ne Bank.
c) 1 und 2 = 1 und 2 in a, dann folgt :
Butter in die Pfanne,
'S Kindel soll nich zanne,
'S zannt aber immer,
'S wird alle Tage schlimmer. St.
5.
Wir schieben unsre 5 Finger zusamm'n,
Wir wollen eine neue Kammer anfang'n,
Die Kammer ist gut.
Setzt auf euern Hut,
Streicht an euern Bart
Nach Edelmanns Art.
Ei, du liebe Strodefidel,
Wer da lacht, dem geht es übel;
Rumpelte, bumbelte
Fuhrmannamützen muß man haben,
Wenn man will auf der Straße fahren .
St.
6.
Herzeliebe Puppe,
Lange nicht gesehn,
Koch mir eine Suppe,
Ja das soll geschehn ;
Für en Dreier Butter,
Für en Dreier Bier,
Herzeliebe Puppe,
Komm und iß mit mir. B.
7. Simr. 57. Peter 81.
Außer den von Simrock gegebenen 1 Zei-
len kennt man noch folgende Fortsetzung
in Stollberg:
Sie nimmt die Stückchen Brot,
Ich nehm die Dreier;
Sic nimmt den Dudelsack,
Ich nehm die Leier;
Sie geht nach Burckhardtsdorf,
Ich geh nach Geyer.
8. Sim. 78. Dung. 146. 276.
Lirum larum Löffelspiel,
Kleine Kinder essen viel,
Alle Tag zwei Groschenbrot,
Morgen sind sie alle tot. Cb.
oder als letzte Zeile:
Nimm dieKrauthack, schlag sie todt. St.
9. Simr. 98. Dung. 173. Peter 75.
Ausser diesem noch folgendes :
Was?
Katzendreck is naß. B.
10. Simr. 104. Dung. 30. 31.
1 — 4 = Simr. 104, 1 — 4, dann wie folgt:
a) Kommen dann die Müller mucken,
Die ihn hinten und vorne zwicken.
B.
od. b) Kommen dann die Wammeskatzen,
die ihn hinten und vorne kratzen.
Obererzgebirge.
296
TH. GELBE
11. Simr. 107.
So reiten die Herren,
Mit blanken Gewehren,
Mit blanken Pistolen,
Sie reiten nach Polen.
15. Simr.
A, b, ab,
Du hast en Klapp.
191.
St.
Ch.
16.
12. Simr. 107.
Säg Holz, säg Holz!
Plump Wasser, plump Wasser ! Ch.
13. Simr. 130 flf. Dung. 36. Peter 42.
Wie reiten denn die Bauern? sapp,
sapp, sapp!
Wie reiten denn die Herren? trab, trab,
trab !
Wie reiten denn die EdelleuteV Galopp,
galopp, galopp! B. Ch.
14. Simr. 192 ff. Dung. 123.
A, b, ab,
Mein Bauch schnappt,
B, e, c,
Das thut weh. St.
A, b, c,
Kopf in die Höh;
D, e, f,
Wart ich treff;
G, h, i,
Das macht Müh;
J, k, 1,
Nicht so schnell;
M, n, o,
Schrei nicht so ;
Das geht schwer;
S, t, u,
Machs Buch zu;
V, w, X,
Mach en Knix;
Y, z,
Nun geh zu Bett,
Ch.
Drinne bleiben,
Käse reiben,
Kuchen backen,
Fleisch hacken.
Hier mögen sich einige Schullieder anschließen, die bei Simrock ganz
fehlen: Dunger 124 ff. Peter 88 ff.
17, 20.
Erste Stunde: Tafelrechnen,
Zweite Stunde: Kopfzerbrechen,
Dritte Stunde: Deklamiren,
Vierte Stunde : Heimmarschireu. Fleisch hacken. St.
B. Ch. St.
18.
Die erste Bank kann gehn.
Die zweite Bank muß stehn,
Die dritte Bank ist faul gewesen,
Die vierte Bank kann gar nicht lesen,
Die fünfte Bank muß dableiben.
Die sechste Bank muß Käse reiben,
Die siebente Bank muß Nüsse knacken,
Die achte Bank muß Kuchen backen,
Die neunte Bank bleibt stehn,
Die zehnte Bank kann gehn. St.
19. Rochholz 120.
Unsre Schule ist jetzt aus,
Mit Gott gehn wir nach Haus,
Leben Sie wohl, Herr Schmidt!
St.
21. Simr. 201, 217 ff. Dung. 1 ff. Pet.
1 ff. Stöber 1 ff. Birl. 1 ff.
Schlaf, Kindchen, schlaf,
Der Vater hütet die Schaf,
Die Mutter schlachtet den Ziegenbock,
Da kriegt mein Kind einen neuen Rock.
St.
22.
Schlaf, mein Kindchen, schlaf,
Schöner wie ein Graf;
Engel tragen dich zur Ruh,
Drück im Frieden die Augen zu, St.
23.
Schlaf, mein Kind, beruhige dich!
Wärst du groß, so schlug ich dich.
KINDERLIEDER UND REIME.
297
Bist aber noch zu klein,
Schlaf, mein Kind, recht sachte ein.
St.
24. Simr. y.5B fV.
Müde bin ich, geh zur Ruh,
Schließe beide Auglein zu;
Lieber Vater, wache du!
0, du hast mir Guts gethau.
Mehr als ich verdienen kann,
Lieber Vater, steh mir bei.
Daß ich morgen besser sei. B.
25. Simr. 281. Dung. 112. Peter 123.
Bautzen hat ganz wie Simrock ; das
Erzgebirge hat nur die ersten 15 Zeilen
gleich^ dann wie Dunger 1 12 bis Zeile 23
und dann wie folgt:
a) Ein Viertel ist kein Pfund_,
Ein Pfund ist kein Viertel,
Die Bauermädel haben rothe Gürtel,
Rothe Gürtel haben die Bauennädel,
Eine Maus ist kein Rothkäthel,
Ein Rothkäthel ist keine Maus,
Hört meine Herrn, meine Predigt ist
aus,
b) Nach der Zeile 2 des von uns ge-
brachten Bruchstückes hat Stollberg
noch folgenden Schluß:
Meine Predigt ist dreiviertel^
Dreiviertel ist meine Predigt,
Ich geh nach Venedig,
Ich geh jetzt gleich naus,
Meine Herrn, die Predigt ist aus.
26. Simr. 372. Peter 240.
Adam und Eve,
Tanzten uf euer Schleefe;
Die Schleefe zerriß
Und Adam seh . ß. B.
27. Simr. 479. 480. Dung. 134. Vgl.
hinten Nr. 168. Peter 238.
Pinke, pinke, Feuer,
Die Jungen (die Mädel), die sind theuer,
Die Mädel (die Jungen), die sind wolfeel.
Fünfzehn um e Strohseel^
Zwanzig um en Taubendreck,
Sind die Mädel (die Jungen) alle vreg.
B.
28. Simr. 493.
Sechs mal sechs ist sechsunddreißig,
Fährt der Mann nach Besenreisig,
Will die Frau den Katfee kochen,
Hat der Mann den Topf zerbrochen.
Du verfluchter Schinderknochen.
Oder statt Zeile 5 wie folgt :
Wollt die Frau die Semmel holen,
Hat der Mann den Korb verloren.
29.
Hans bleib heem, du weißt ja nich,
wie's Wetter wird !
Hans bleib heem , du weißt ja nich
wie's wird!
'S kann ja regnen, 'S kan ja schnein,
'S kan aber ooch schö Wetter sein,
Hans bleib heem u. s. w. B.
30. Peter 301.
Hu, wie ists kalt,
Wie wackelt der Wald;
Das Bier ist bitter,
Das trinken die Ritter,
Der Wein ist sauer.
Den trinken die Bauern. St.
31. Simr. 525 ff. Dung. 68.
Schnecke, Schnecke, Schnierc,
Zeig mir deine Hörner alle viere ;
Wenstse mir nicht zeigst.
Schlag ich dein Köpfchen
Und dein Häuschen ein. St.
32. Simr. 535. Dung. 60 ff.
a) Goldkäfer, flieg aus.
Bring mir viel Glück ins Haus. GL.
b) Herrgottsschäfel, flieg aus.
Bring mir Butter und Brot ins Haus.
B.
33. Simr. 557. 558. Dung. 65. 66.
Pet. 147.
a) Johanniswürmchen, flieg aus,
Flieg nein ins Milchhaus,
Sauf die ganze Milch aus,
Und bring mir e Stückel Kuchen raus,
ö) Sonnenwürmcheu, flieg aus,
Flieg nein ins Milichhaus,
298
TH. GELBE
c) Sonncmvürmcheu flieg aus,
Und bring gutes Wetter raus. St.
34. Simr. 569.
a) Fledermaus,
Zieh mir mein Haare aus. B.
b) Fledermaus,
Rauf mir meine Haare aus,
leb seb doch gar zu pudlig aus, St.
35.
Als Gänseben flog er übern Rhein,
Und kam als Gränsricb wieder beim.
B.
36. (Wohl Fibelvers?)
Die Gans, wenn sie gebraten ist,
Wird mit der Gabel angespießt. B.
37. Dung. 51. 52.
o) Heile, heile, Kätzel,
Morgen kommt dein Schätzel. B.
b) Heile, heile, heile.
Das Kätzchen hat vier Beine
Und einen langen Schwanz,
Morgen ist die Wunde wieder ganz.
St.
38.
Putz dich, Kätzel!
Kommt mei Schätzel?
Sieh mich Miezel, Meizel an! Ch.
39. Simr. 642 fi". Dung. 79 ff. 84.
Heedelbeeren!
Wer will mir das Ding verwehren.
Daß ich schreie: Heedelbeeren. B.
40.
Beer, Beer, Beer!
Mei Topp is leer.
St.
41. Dung. 79. 81. 82. 83.
Rollc^ rolle, roll,
Mei Topp is voll;
Hab ihn wieder ausgegessen,
Hab mein'n Vater und Mutter vergessen^
Und bin: Beertoffel, Beertoffel, Beer-
toffel!
Oder anstatt Zeile 5 wie folgt:
Als ich nu nach nach Hause kam.
Nahm mei Vater die Ofengabel,
Stach mich nein in'n Beerenschnabel,
Schreit der Ziegenbock: Mäh! St.
42.
Toppe, Toppe, Beere,
Ich hab mein Topp voll Beere,
Einen Haufen drauf.
Wie's Schmiedloben Haus.
St.
St.
43.
Rolle, rolle, roll^
Mei Topp is voll^
Mei Bauch is leer,
Beer, Beer, Beer.
44.
Jetzt gchu die Beerleut alle heem,
Hab'u sie denn ooch voller?
Der letzte nich, der letzte uich,
Er is ue faule Mähre. St.
45. Dung. 81.
Hulehre,
Ich hab mein Topp voll Beere ;
Wer seinen Topp nicht voller hat.
Der is ne faule Mähre. St.
Beerleut'
Sind faule Leut.
46.
47.
St.
Schullehrer, Schullehrer,
Kauf'n se meinen Topp voll Beere,
Sind nich theuer, sind nich theuer,
'S Nösel, das kost't nur en Dreier. St.
48.
Beim Einschütten der Beeren:
Alter, dicker, fetter Mann,
Sammle nur recht weit an. St.
49.
Heedelbeere,
Wenn das Mädel meine wäre!
KINDERLIEDKR UND REIME.
290
'S ist nicht mein,
'S ist nicht dein,
'S ist dem dicken Müller sein.
50.
St.
Pfeifenliedchen : Kochh. 309. Simr.
648 ff. Dünger 70 ff. Diese Gattung
war in Bautzen ganz unbekannt. Die
Stollbergcr stehen Dunger 70 und 74
am nächsten^ doch haben sie immer
noch große Abweichungen,
cf. Dunger 74.
'S ging ein Männchen den Berg hinan,
Hat ein schön roth Röckleiu an,
Sagt': Wenn ich wieder komm,.
Muß das Pfeifchen fertig sein;
Wenns nicht fertig ist,
Werf ich dich in'n Graben,
Fressen dich die Raben,
Wird man dich abschaben.
St.
51,
Rade, Rade, roth (AgrostemmaGithago),
In drei Wochen neues Brot. B.
52. Dung. 75 ff.
Edelmann,
Bedelraann,
Bettelmann,
Polnischer Bauer.
53.
Kaiser, Petermann,
Jäckel und Bettelmann
Polnischer Bauer.
St,
St.
54. Simr. 668.
Zu Simrock noch folgende 2 Zeilen:
Das ist ja nicht wahr,
'S sind 'r ja zwei Paar. St.
55. Simr. 669.
Die Preußen hab'n uf'n
Sic hab'n vergessen den A . .
Papier, Papier, Papier!
Markt ge-
sch.ssen,
zu wischen,
B.
56.
Sächsischer Weckruf.
Habt ihr denn noch nich gegessen?
Seid ihr denn noch nicht bald satt?
B.
57.
Putzt mir nich mit Hammcrschlag
Und putzt mir nich mit Sand,
Sonst kommt er, sonst kommt er,
Sonst kommt der Herr Sergeant. B.
58.
a) Buttermilch und Sauerkraut,
Das paßt ja nich zusamm,
Iß du's doch, iß du's doch,
Ich raachs ja gar nich hab'n.
h) Buttermilch und Sauerkraut,
Das fressen die Franzosen,
Und wenn sie das gegessen hab'n,
Dann seh. . . ens in die Hosen. B.
59.
Sächsischer Appell.
Zusamm, zusamm, ihr Lumpenhund'
Ihr sollt zu euerm Hauptmann kumm'u.
B.
60. Simr. 731 ff. Dung. 179. u. S. 42.
Leinweber: Nimms Steckel,
Geh bettel !
Strumpwirker:KeeSalz, keeßrot, keeÖl.
Ch.
61.
Strumpfwirker: Bum, bum, schnarr.
Alle zwee Stund'n e Paar. St.
62. Simr. 422.
Böttcher, Böttcher, bum, bum, bum,
Schlag mir meine Pfeife krumm,
Laß mir noch ein Zöpfel stehn,
Daß ich kann zu Tanze gehn. B.
63.
Böttcher, Böttcher, bum, bum, bum,
Schlag mir meine Nase krumm,
Schlag mir sie wieder grade,
Bist auch mein Herr Pathe. St.
300
TH. GELBE
64. Simr. 441 ff. Duug. 140.
Feueressenkehrer, schwarzer Manu,
Hast mein Tag nichts Guts gethan ;
Wenn man denkt, du bist zu Haus,
Guckst du oben zur Esse raus. St.
65.
Feuerrüpel, Hieb,
Schmier mirs Maul mit Syrop.
66.
Feuerrüpel,
Hopautipel.
B.
B.
67. Simr. 423.
Ganz wie Simrock, nur Zeile 2 :
Schwarzen Kaffe ohne Zucker,
und nach Zeile 6 nur wie folgt:
Großen Säbel,
Nichts fürn Schnabel. B.
Müller, Mehler,
Katzenstehler.
68.
69.
St.
Müller, Pfüller, Katzenschinder^
Leineweber, Todengräber. St.
70.
Da drüben, da draußen, wo's Finkel
so singt,
Da tanzt der Herr Pastor, daß's Mützel
runter springt. St.
71.
Schieferdecker,
Mauerklecker,
Tagelöhner, sollt runter zum Essen kom-
men. St.
72.
Ich bin der Schleifer,
Und drehe geschwind
Und hänge mein Mäntelchen
Nach dem Wind. St.
73.
Schleifer, Schleifer, flink, flink,
Häng den Mantel nach dem Wind.
St.
74. Birl. 53.
Schmidt,
Wenn der Teufel kommt, nimmt er dich
mit,
Steckt dich nein in den Ranzen,
Mußt du drinnen tanzen. St.
75. Dung. 137. 138.
Schottsch widewett , was macht der
Schneider?
Schottsch widewett, er flickt die Kleider.
Schottsch widewett, was macht er denn?
Schottsch widewett, er flickt das Hemd.
St.
76. Dung. 136.
Schottsch widewett , was macht der
Schneider?
Draußen im Stall beim Ziegenbock Icit er,
Schottsch widewett, er hat gestohlen,
Schottsch widewett , er kommt an
Galgen,
Schottsch widewett, er baumelt schon.
Ch. St.
77. cf. Nr. 62.
Schneider, Schneider, meck, meck, meck.
Schneid mir meine Haare weg,
Laß mir noch ein Zöpfchen stebn,
Daß ich kann zu Tanze gehn.
78. cf. Nr. 169.
Auf dem Berge Sinai,
Wohnt der Schneider Ki,kriki.
Eine Treppe vorn heraus
Guckt er mit der Brille raus,
Eine Treppe hinten raus,
Flickt er sich die Hosen aus. Ch.
Statt letzter Zeile:
Guckt er mit dem A. .e raus. B.
79.
Ich bin der Schneider Kakadu,
Gereist durch alle Welt,
Und flicke jedes Löchel zu
Einem jedem, dems gefällt. B.
80.
Die Lampe brennt so duster.
Hier wohnt e alter Schuster. B.
KINDERLIEDER UND KEIME.
301
81.
Schuster kneift,
Deiu Vatei- pfeift,
Deine Mutter singt,
Der Knieriem winkt ;
Sollst heim kommen und Leder pochen,
Du infamer Schinkenknocheu. St.
82,
(Schneider) Schuster, meck, meck,
Die Hosen voll Dreck,
Die Schuhe voll Wanzen,
Der Schuster muß tanzen. B.
82,
Seht den Himmel, wie heiter,
Lauter bucklige Schneider;
Seht den Himmel wie duster,
Lauter krummbeinige Schuster. B
84.
Mit ßeilerklang und Wurstgestank,
Als ging es froh zur Jagd,
So ziehn wir Fleischer wohlgemuth,
Wenns Noth dem polschen Ochsen thut,
Hinab in'n Kuttelliof,
Hinab in'n Kuttelhof. B-
85.
Die Juden haben ein Schwein geschlachtet
Nicht weit vom Tempel Moses,
In'n Strumpf gesch . . en und Wurst ge-
macht,
Ist das nicht was Famoses? B.
86.
Alle Menschen müssen sterben,
Bios der alte N. N. nich;
Wer wird nu sei Köckel erben ?
Ich und du, wir freilich nich. B.
87.
Quirlequitzsch und Donauweibel *)
Sitzen ufn Dache wie c Paar Täubel.
B.
88.
Spott auf Mädchen.
Fräulein von Nixefix,
Auf der Gasse geht sie li.x
Und zu Hause hat sie nix. B.
89.
Roth kupp,
Stell Kegel uf,
Schmeiß Dreck druf,
Schieb zu! B.
90.
Rothkupp, zünd Licht an,
Daß der Schwarzkopp was sehen kann.
B.
91.
Rothbart, Teufelsart. B.
92.
Stiefmutter
Ist des Teufels Unterfutter. B.
93.
Wer nich kommt zur rechten Zeit,
Der muß nehmen, was übrig bleibt.
B. Ch.
94.
Meine Mutter hat gesaht.
Nimm dir keene Bauermahd,
Nimm dir eene aus der Stadt^
Die zehntausend Thaler hat. B. Ch.
95.
Eene kleene Hedelerche,
Ließ e F. .zel in der Kerche. B.
90.
Adelheit, mein Schiebbock schreit. B.
97. Simr. 419.
Agnes ist ein schöner Name,
Agnes möcht ich heißen ;
Agnes hat geheiratet
Den Bettelmann von Meißen. Ch.
*) Ein zwerghaftes Ehepaar iu Bautzen.
302
TH. GELBE
98.
Anna, Anna, was ist das ?
Deine ganze Schürz ist naß. St.
99.
Anneiusel, Annerusel fängt eine Maus,
Hängt das Fell zum Fenster raus.
Kommt der Kürschner, fragt wie theuer,
Annerusel, Annerusel spricht G Dreier.
B.
100.
Anne, backe Dusel. B. St.
101. Pct. 255.
a) Anton, Zitron;
Wanzen, Pomeranzen,
Kukuk ! St.
Oder
b): Anton, Zitron,
Pomeranzen,
Du sollst tanzen;
Kukuk. St.
102.
O, du lieber Augustin,
Alles ist hin 5
Das Geld ist weg,
Das Mädel ist weg,
Augustin hat en Dreck.
0, du lieber Augustin,
Alles ist hin. B. Ch. St.
103.
Eduärdel,
Geh ins Gärtel,
Pflück ein Blümel,
Gibs dem Mienel. Ch.
104. Simr. 411.
Emma,
Ziehs Hemd an,
Ziehs nicht an,
'S is Dreck dran. St.
105.
Ernat, bernst, Taubendreck
Reiß der Katze 's Arschloch weg. B.
106.
Fritz,
Seh. .ß in die Mutz,
Wirfs hinten uaus.
Wird ein junger Vogel draus.
107.
Fritz,
Du hast eine neue Mutz,
Häng sie an die Wand,
Das sieht scharmant.
108.
Ich und mein Franz,
Wir gehen zu Tanz,
Wenn niemand mit zu Tanze
Geh ich und mein Franz.
St.
St.
geht*),
St.
109. Simr. 403. Dung. 153. cf. Nr. 125.
Gottlieb, Gottlob, Gottleberecht,
Was macht denn deine Frau?
Sie liegt im Bett und strampelt recht,
Das weiß ich ganz genau.
Oder statt der letzten Zeile :
Und schreit dabei : Miau. St.
110. Dung. 151.
Gottlieb, Gottlob, Gott sei's gedankt,
Hat sich mit seiner Frau gezankt. St.
111.
Hanne,
Ahle Kaflfekanne. B.
112.
Henriette,
Seh. . . t ins Bette;
Friederike,
Brichts Genicke. B.
113.
Idel, Ilunds-Idel,
Davidel,
Kukuk. St.
114. Simr. Nachtrag GIB".
Jacob, wo bist du?
Im Walde.
*) Geht niemand mit zu Tanz (?).
KINDERLIEDER UND REIME.
303
Was hast du?
Eiu'n Vogel.
Gib mir'n.
Seh, .ß dir'n.
115.
Karl, marl, Hemmschuh.
St.
116. cf. N. 97.
Karl, das ist ein schöner Name,
Karl, so möcbt ich heeßen
Karin hat sich trauen lassen,
Mit en alten Besen. St.
117. cf, N. 104.
Karlemann,
Zieh Hosen an,
Hinten und vorne Knöpfe dran. B.
118. Peter 234. Firmenich 1, 431.
a) Lott ist tot, Lott ist tot,
Jule liegt im Schweinetrog. B,
b) Lott ist tot, Lott ist tot,
Jule liegt im Sterben;
Johann kommt, Jobann kommt,
Und will alles erben. B-
119.
Ich und mein Max,
Wir essen Bax.
St.
120. Roch. 3.51.
Mile, Male,
Kaflfeschale.
Paulematz,
Kaffesatz.
121.
122.
Traugott, laß den Affen los;
Denn der Spaß wird gar zu groß.
B. Ch. St.
123.
Werner,
Hat 10 Hörner;
Wollt er mich stoßen,
Zerplatzten die Hosen. St.
124.
Weidauerlob,
Steig aufs Grab,
Leck die Blätter.
Bist auch mein Vetter.
St.
125, cf. N. 109.
Napoleon, Napoleon,
Was macht denn deine Frau,
Sie wäscht sich nicht, sie kämmt sich
nicht,
Sie sieht aus wie ne Sau. St.
126.
Das Mädel ist von Jüterbogk,
Das Hemd is länger als der Rock.
B. Ch.
127. Großätti S. 46.
a) Meine Mutz is weg, meine Mutz is weg,
Wo is sie denn geblieben?
In Blasewitz, in Blase witz,
Da wird sie wohl noch liegen. B.
b) Meine Mutz is weg, meine Mutz isweg,
Wo Geier is sie hin?
Nach Klaffenbach, nach Klaffenbach,
Wo alle Mützen sin. Ch.
128.
Dresden ist ein schönes Städtchen,
Weil es an der Elbe liegt.
Und der Preuße wills gern haben,
Aber kriegen thut ers nicht. B.
129.
Ich ging einmal nach Pommerland (Ni-
niveh),
In Pommerland war Tanz,
Da nahm ich mein klein Hündchen mit.
Das wedelt mit dem Schwanz. St.
130. Dung. 177.
Wo biste denn gewesen?
In Leipzig und in Dräsen (Dresden).
Haste mir nischt mitgebracht?
Ich hab ja nich an dich gedacht. B.
Statt Zeile 2 hat Chemnitz:
Beim Weihnachtsmann in Dresen.
304
TH. GELBE
131.
Wo gehste denn hin?
a) Nach Tripstrille.
l) Nach Buxtehude, wo die Pfütze über
die Weide geht.
c) Dahin, Dorthin, wo'ch noch nich
gewesen bin.
d) Zu Peter MefiFert uf derLateruengasse.
B.
6) und c) auch in Ch.
132.
Gehste mitte (mit)?
Wo denn hin?
In'n Pudel seine Hitte. B.
133.
Was haste denn da?
Schüssel voll Hollunder,
Wenn dieKuh seh. .ßt, haltsMaul unter.
B.
134.
Welche Zeit is denn?
a) Drei Viertel uf die Schnalle,
Wenns schlägt, wird's alle.
h) Drei Viertel auf Guckenau (Guck ge-
nau).
B.
135.
Was essen wir denn heute?
o) Gebratne Lämmerschwänzel. B.
b) Eingelegte KcUerstufen. Cii.
136.
Auf jede andere Frage konnte man
antwoi'ten :
Kann mersch wissen, weeß mersch denn?
Und wenn man fragt, erfährt mersch
denn ? B.
137.
Das kannst du mir schenken :
Schenken, seh. .ßen, Schiebbock schie-
ben
Wird mit seh geschrieben. B. Ch.
138.
Zisch aus, lach aus,
Lachen dich alle Leute aus. B.
139.
Wart du hast gestohlen,
Für en Dreier Kohlen,
Für en Dreier Butter,
Das sag ich meiner Mutter. B.
140.
Herrjehe,
Zwee Flöhe,
Drei Wanzen,
Die tanzen
Uf der N. N. ihren Ranzen. B. Ch.
141.
Na, da weene nur nich,
Na, da weene nur nich.
In der Röhre stehn Klose,
Die kriegste ja nich. B.
142.
Sagt ichs nicht,
Sagt ichs nicht,
Gebt dem Jung'n die Geige nich ;
Denn der Kerl is so verwogen
Und zerbricht den Fidelbogen. B. Ch.
143.
Dudel, dudel, Leiersack,
Für en Dreier Schnupftabak,
Und en Dreier wieder.
Morgen komm'n wir wieder. Ch. St.
144.
Dudel, Dudel, Leiersack,
Morgen is e Feiertag,
Übermorgen wieder eener.
Sonst die ganze Woche kener, B
145.
Pietzsch und Lehmann komm'n in Laden :
Für en Dreier Käsemaden ;
Käsemaden hab'n wir nich,
Pietzsch und Lehmann drückten sich.
Ch.
146, Dung. 167 ff.
An Ankläger.
Bitel, bitel, Leier,
Die Mutter gibt dir en Dreier. Ch.
KINDERLIEDER UND REIMIv
305
147.
Dudel, dudel, Papa,
Häng en langen Sack na,
Häng ihn auf an die Stubendeck,
Daß er wieder runter kleckt,
Trag ihn nauf aufs Rathhaus
Und klatsche alle aus. St.
148.
Zankt euch nicht,
Prügelt euch nicht,
Gebt euch lieber
Ein Nasenstüber. B.
149.Duug. 138. 158.
Zutsch am Finger, zutsch am Daumen,
Denk es sind gebackne Pflaumen.
150.
Ei, du meine Güte,
Sahte Büttners Friede,
Wenn die Russen kommen,
Wilrii wir mitgenommen.
Warn in'n Sack gesteckt
Und mit fortgetreckt. Obererzgebirge.
151. Simr. 760.
Ganz gleich mit Simr,, aber auch:
Eins, perle, beins,
Nipel, napel, nuß, naus,
Ist der ganze Krieg aus. St.
152.
One done, daus,
Du bist raus.
B,
Oder statt Z.
2:
Ich oder du muß raus.
St
153.
0) Ex, Speck, Dreck (Oho Scheck),
Du fliegst (bist) weg. B. Ch. St.
1) Ex, Speck, daus.
Du fliegst naus. Ch.
154. Simr. 763. 799. Stob. 231. Peter42.
Gabel, Messer, Fingerhut^
Stirbt der Bauer, ist nicht gut.
Komm'n die Engel mit der Leich,
Tragen ihn ins Himmelreich,
GERMANIA. Nene Reihe X. (XXII.) Jahvg.
Himmelreich ist zugeschlossen
Und der Schlüssel abgebrochen ;
Bauer, du mußt raus ! St.
155.
a) Rober Zober,
Piff", paft, puft".
b) Haber, Zaber,
Klipper, klapper, puff". St.
156. Simr. 763. 764. 765. Dung. 216.
Peter S. 142, 22—23.
a) 1. 2. 3.
Bicke, backe, hei,
Bicke, backe Honigbrot,
7 Kinder lagen todt;
2 gebratne Fische
Lagen unter'm Tische;
Kam das Kätzchen, wollte naschen.
Kam der kleine Leineweber,
Schlug das Kätzchen auf das Leder,
Schreit das Kätzchen: Miau,
Herzeliebe junge Frau!
Wenn ihr werdt' mei Kätzel schlagen,
Werd ich euch zum Teufel jagen.
B,
h) 1. 2. 3.
Bicke, backe, rei,
Bicke, backe, oben, droben,
13 Kinder waren oben,
1 lag unterm Tisch,
Kam die Katze, fraß die Fisch,
Kam der alte Leineweber,
Schlug das Kätzchen auf das Leder,
That das Kätzchen Miau schrein.
Und du mußt der Haschemann sein.
St.
157. Simr. 765.
1, 2. 3.
Bicke, backe, Heu,
Bicke backe Haferstroh,
Morgen mach'n wir's wieder so. Ch.
158.
1. 2. 3.
Jetzt kommt die Polizei ;
Wem davor thut bangen,
Der muß uns jetze fangen. St.
20
306
TH. GELBE
159. Peter S. 141, 19.
1. 2. Zwirn,
3. gebackne Biru,
Lies dir eine aus,
Du mußt raus.
Haben sie weiße Hauben,
Sehn sie wie die Tauben^
Haben sie krumme Nasen,
Sehn sie wie Turkosen.
St.
St.
160.
1. 2. 3.
Stellt euch in die Reih !
4. 5. 6.
Kraut ist ein Gewächs,
Kraut, das ist ein gut Grericht,
Liebes Kind, dich brauch ich nicht.
St.
161. Simr. 793.
1. 2. 3. 4,
Unter dem Ciavier
Steckt eine Maus,
Die muß heraus. St.
162. Simr. 7 7 7. Peter S. 143, 25.
1. 2. 3. 4.
Eine Kanne Bier,
Eine Kanne Rum,
Bim, bam, bum. St.
163. Dung. 229. Peter S. 143, 26.
1. 2. 3. 4.
Saß ein Männchen vor der Thür,
Hatt' ein Gläsehen in der Hand,
Pinke, pank, Zuckerkant. St.
164. Dung. 233. Peter 45. 46.
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
Hilf mir meinen Schiebbock schieben
Bis vor N. N.'s Haus.
Hol mir ein Paar Wursteln (Semmeln)
raus. B.
165. cf. N. 27.
Ganz wie Dunger 135, doch noch fol-
gende Zeilen :
a) Mädchen kriegen Zuckerstengel,
Jungen die sind Gassenbcngel ;
Mädchen komm'n ins Himmelreich,
Jungen komm'n in'n Katzenteich.
Oder b) Mädchen tragen Myrtenkränze,
Jungen tragen Rattenschwänze;
166. Dung. 233. 234.
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
Schöne Mädchen muß man lieben,
Liebt man schöne Mädchen nicht,
Kommt man vor das Hochgericht.
Oder für letzte Zeile :
Ist mau ja ein Bösewicht. B.
167. Dung. 45.
I. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
Laß mir meine Anna gehn ;
Sie kann stricken, sie kann nähu,
Sie kann auch das Spinnrad drehn.
Nicht wahr, Vater, das ist schön.
Wenn man kann zu Tanze gehn? St.
168. Dung. 226. 227. Peter 146, 37.
Ganz gleich mit Dung. 226, 1 — 5, dann
wie folgt:
II. 12. Gott helf!
13. 14. In den Herzen.
15. 16. Brr!
17. 18. Du must wachsen,
19. 20. Mit dir tanz ich. St.
169. cf. N. 78.
a) Auf dem Berge Sinai
Wohnt der Schneider Kikriki,
Klopft sich seine Hosen aus.
Du bist naus.
b) Auf dem Berge Sinai,
Kräht der Hahn sein Kikriki,
Sperrt er seinen Schnabel auf,
Gickerle, Gackerle, du mußt raus.
St.
170.
a) Dort auf dieser Wies'
Wohnte einst ein Ries',
Der biß tot die Kindelein,
Wenn sie immer thaten schreiu.
b) Hinter diesem Berg
Wohnte einst ein Zwerg,
dann 3 und 4 wie in a). St.
KINDERLIEÜER UND UEIMK
307
171.
Auf einom liolicn Berg',
Da zankten sich zwi-i Zwerg'
Um einen halben Klos,
Da ging der Teufel los. St.
172.
Piff, paff; purt",
Peter, sehlag druff",
Schlag nich darneben,
Sonst kostets dich dein Leben. B.
173. Simr. 358. Dung. 2G4.
Eene, deene, Ditzelehen,
Meine Mutter kocht Schnitzelchen,
Da geh ich dran und leck,
Da kommt sie mit dem Steck';
Da geh ich zu dem Knecht,
Der hat gesagt, 's war recht;
Da geh ich zu der Magd,
Die hat mich ausgelacht:
Da geh ich zu der Maus,
Ich oder du bist naus. St.
174. Simr. 820. Dung. 293. Stob. 57.
a) Ri, ra, rutsch.
Die Mädel tanzen Schuttsch,
Die Jungen tanzen Walzer,
Das sind die besten Tanzer. Ch.
b) Ri, ra, rutsch,
Wir fahren in der Kutsch,
Bis an den grünen Rand,
Da sitzt ein Musikant. St.
c) Antone,
Citrone,
Schnapsgläsel,
Appelpappe,
Guckuck! B.
175. Simr. 821. Dung. 292. Firm. I,
vS. 398 und 460. Rochh. S. 379.
Ganz ähnlich Dunger 1 — 4, nur daß
in Bautzen und Chemnitz : Kaiser Fi-
filatus, in Stollberg: Kaiser und Pilatus
gesungen wird. Dann geht es weiter:
Er will ihr einen Mann verschaffen.
Was soll das für ein Mann wohl sein?
Es soll der kleine N. N. sein.
So nehmt die jüngste Tochter liin.
Ich nehm mein Schätzchen :in die Hand
Und geh damit (mit ihr) nacli Engclland.
B. Ch. St.
17G. Simr. 830. Dung. 325.
Ringel, Ringel, Rosenkranz,
Welche ist die Schönste?
Die so schön singen kann.
Blei uud Haar,
Wie ein Paar,
Hat gelebet 7 Jahr,
7 Jahr sind um und um,
Dreht sich N. N. um. St.
177. Dung. 327. 328
Ganz gleich mit Dunger 1 — 6. Doch
kennt man auch noch eine Fortsetzung :
Fischlein, Fischlein knie her,
Knie zu deinen Füßen,
Daß du bald erzeigen wirst
Deinen Mund zu küssen. St.
178. Simr. 831. 832. 833. Dung. 295.
294. Stob. 58. Peter 50. 52. Birl.160.
Stollberg ganz wie Dunger.
a) Kling, Klang, gloria.
Wer sitzt in dieser ThoriaV
Eine schöne Königstochter.
Was ißt sie gern ?
Was trinkt sie gern?
Einen zuckersüßen Mandelkern:
Und eine Hand muß ab. B.
b) 1 — 3 wie in a), dann
Kann man sie nicht zu sehn be-
kumm'n ?
Es sind zwei starke Mauern drum.
Die Mauern will ich zerstechen,
Den Stab will ich zerbrechen,
Und eine Hand muß ab. R.
c) Flink, flank, floria.
Steht die Königstochter da,
Steht eine feste Mauer da.
Mauer woU'n wir brechen.
Steine woU'n wir stechen,
Und eine Hand geht ab. St.
20*
308
TH. GELBE
179. Dunger 321. 322.
Bauerj Bauer Kessel,
Wir baun en neuen Kessel,
Morgen trag'n wir Wasser ein,
Fällt der ganze Kessel ein.
B.
180.
a) Bauer, Bauer Kessel,
Schöne rothe Nessel,
Wer sitzt drinne?
Die schöne Katharine.
Was macht sie?
Schließt Federn.
Trägt ein Känncheu Wasser ein,
Fällt der ganze Bauer Kessel ein.
St.
h) Chemnitz hat 1 — 3 gleich,
4 Eine große Spinne.
5 und 6 fehlen.
In Stollberg oft nur 1. 2. 7. 8.
181.
Reihe, Reihe, Rosentopp,
Gieb mir e Stückel Käs' und Brot.
Was wull'mer machen?
Lauter schöne Sachen.
Federn wull'mer schleißen,
Kielen wull'mer beißen,
Murgen trag'mer Wasser ein,
Fällt der ganze Kessel ein. B«
182.
a) Seht emal die Sackmütz an,
Wie se scheene tanzen kann.
Sackmütz hin,
Sackmütz her,
Sackmütz is e Zodelbär. B.
h) Jakub hat kee Brot im Haus,
Jakub macht sich gar nischt draus.
Jakub hin,
Jakub her,
Jakub is e Zodelbär. B.
183. Roch. 729.
Mädel putz dich , wasch dich , kämm
dich schön.
Wir woU'n zusamm zu Tanze gehn.
B.
184.
Tiroler sind lustig,
Tiroler sind froh,
Sie trinken ein Schnäpschen
Und tanzen dazu.
Erst dreht sich das Weibchen,
Dann dreht sich der Mann,
Sie uehm'n sich beim Leibchen
Und tanzen zusamm. B.
185.
Der Kirschbaum hat sein Laub verlor'n,
Wer soll denn dafür sorgen?
Der Bauersmann, der Bauersmann.
Gut'n Morgen,
Frau Storchen,
Könn'n sie mir nich en Dreier borgen
Bis morgen? Ch.
186. Simr. 834. Dung. 299. Birl. 162.
Wir wollen durch die Brücke.
Sie ist zerbrochen.
Laßt sie bauen.
Mit was?
Mit Silber, Gold und Edelstein.
Was gebt ihr dazu?
Das letzte Reitpferd, wenn ihrs kriegt.
Oder für 6 und 7 :
Was ist der Lohn?
Der letzte soll gefangen sein.
Oder nach 5 gleich :
Der letzte soll gefangen sein. St.
Oder wie Dunger, nach Z. 1 :
Wir wollen die alte Brücke baun.
Und Z. 4:
Mit seinem treuen Degen. St.
187. Simr. 859.
Wer ist denn draußen vor der Thür?
Der Bunzelmaun.
Was will er?
En Löifel Suppe.
Hat er en Löffel?
Nein.
Fang er sich cin'n. St.
KINDE KLIEDEK UND KEIME
30U
188. Simr. 152.
1 — d gleich, dium wie folgt:
Für sich e Stütlcel Brot,
Für seine Frau en Kuß,
Weil er polisch betteln muß. K.
189. Simr. 152.
Holla, holla!
Wer da?
Der Briefträger.
Was bringt er?
En Brief.
Was kostet er?
X Pfg. Ch.
190. Simr. 953. Peter 163, 72.
Ich bin ein Musikante
Und komm aus Schwabenland ;
Ich kann scheene spielen
Auf meiner Violine (Flötuse, Klarinette).
B. Ch.
191. Stob. 208.
Vetter Michel wohnt uf der Läramer-
Lämmergaß,
Er kann machen, was er will,
Da macht er sich en Hammer (e Beil,
und Feile u. s. f.) B.
192. Peter 162, 71.
Bautzen ganz wie Peter.
Gesellen : Es kommen , es kommen 5
reisende Handwerksburschen
Sie wollen ein goldnes Handwerk
lernen.
Meister : Mit was für einem goldnen
Buchstaben ?
Gesellen: Mit X.
Meister: Laßt euer goldnes Handwerk
sehen. Lößnitz.
293.
Ich bin die Apotheke.
Was soll der Apotheker?
Muß es denn immer der Apotheker sein?
Kanns denn nich ooch emal der Pro-
visor sein ?
Ich bin der Provisor u. s. w. Ch.
191. Dung. 296.
((■) Schotemann, Schotemann,
Wir sind in deinen Schoten.
Wenn nur der Schotemann käme
Und mir mein Säcklein nähme.
Hierauf entweder von vorn oder wie
Dunger, 298 Z. 3 ff. B.
b) Ei, die Schoten schmecken süß,
Schmecken süß und sauer ;
Ei, jetzt kommt der Bauer. St.
195.
Da kaure ich,
Da kaure ich,
Und flicke meine Schuh ;
Hinten e Löchel,
Vorne e Löchel,
Dann werden meine Löchel zu.
Lößnitz.
196. Dung. 332. 333.
Hölzel, halt feste,
Wie der Baum seine Äste,
Wie der Ring sein Demant,
Wers hat, sagt's niemand. B.
197. Peter 155. 58. Rochb. S.449, 73.
Ganz gewöhnlich , aber nicht Engel
und Teufel , sondern nur Vogelver-
käufer. Während der Käufer den flie-
henden Vogel zu fangen sucht, singen
die Vögel :
Vogel, Vogel, flieg aus,
Komm wieder in dein Leihhaus. B.
198. Dung. 288.
Dung. Vers 1 und 2 fehlen.
Sieh den Himmel an und lache nicht.
Was siehst du?
Einen Engel.
Was hat er?
Eine Butterbemme,
So lang
Wie ene Bank,
So kurz
Wie e F. .z. B.
310
TH. GELBE
199.
Mäusleinj Mäuslein komm heraus.
Ich komme aber doch nicht raus.
Kratz ich dir die Augen aus.
Fahr ich schnell zum Löchel raus.
B. Ch
200. Dung. 297.
o) Wassernixe, zieh mich rein,
Will ja gerne bei dir sein. B, Ch.
b) Wie a) doch noch folgende Zeilen :
Zieh mich nicht zu weit hinein,
Sonst muß ich immer bei dir sein.
St.
201.
Auf der Brücke zu Paris,
Wo man geht nach Sternanis,
Sitzen die Herrn von Domino,
Machen's alle so, so, so. B.
202. Dung.300.Birl. 161. Pet. 153,55.
a) Jetzt geht der Fuchsschwanz um,
Ihr Hei'ren, seht euch ja nicht um,
Ihr Herren, nehmt euch wohl in Acht,
Sonst werd't ihr auch noch ausgelacht.
Paßt auf! St.
b) Seht euch nicht um,
Wer sich wird umdrehn,
Wird Hiebe besehn. B.
c) 1 — 3 wie b) dann
Dem wird mein Plumpsack en Klaps
geben. Ch.
d) Hei, dideldum.
Mein Knötchen geht um.
Geht wohl um den Kreis,
Daß es niemand wei(i.
Wer sich wird umdrehn
Wird das Knötchen tanzen sehn. St.
203.
Tuchhalten.
Rühr, rühr im dicken Brei,
Thu e Stückel Butter nei,
Halt feste!
Rühr, rühr im dicken Brei,
Thu e Stückel Butter nei,
Laßt fahren ! St.
204.
Großmutter, was machst du denn da ?
Ich flicke für den Großvater ein Paar
alte Hosen.
Großmutter, laß uns einmal in'n Garten
gehn.
Nein, ihr dürft nicht naus.
Sei so gut, und laß uns doch raus.
Na, da geht nur, tret't mir aber die
jungen Hühner nicht tot.
Willst du tot! willst du tot!
Großmutter, es hat geläutet.
Was hat das zu bedeuten ?
Die jungen Hühner sind tot. St.
205.
a) Es gingen 2 Täubchen spazircn;
Das erste war weg,
Das zweite war weg.
Das erste war da,
Das zweite war da. St.
b) Es saßen 2 Tauben auf einem Dach ;
Die eine flog fort,
Die andre flog nach,
Die eine kam wieder,
Die andre kam wieder. Ch.
206.
Schinkenklopfen.
Der Schuster saß auf seinem Stuhl
Und benähte eine Sohl 5
Der Lehrling saß auf einem Schemel
Und bekam mit einem Trömel
Hiebe bis auf Fleisch und Blut.
Nun, Herr Schuster, nun ists gut.
Alter fauler Schusterknochen,
Kannst dein Leder selber pochen. St.
207.
Wahrsagen.
a) Ich sage dir wahr.
Deine Hand ist klar;
Ich sage dir was,
Deine Hand ist naß.
b) Was willst du: Feuer, Wasser oder
Wind?
Feuer wurde durch Zwicken, Wasser
wie bei a) durch Spucken auf und Wind
durch Blasen an die Hand beantwortet
KINDERLIEDER UND REIME.
'M\
208. Simr. 011 fl. Dung. 143. 144.
Erzählungen.
Ich will dir was erzilhleu
Von der Muhme Wehlcu,
Von der Madam Stinkewitzen,
Hat en Floh im Hemde sitzen. B.
209. Firm. H. 376.
Gestern Abends bei Mondenschein
Rumpeit's auf der Brücke,
Hansel führt sei Grethel heim
Auf der Ofenkrücke. B.
210. Simr. 842. 928. 930. Dung. 245.
285.
Es kam ene Frau mit Semmeln,
Da sagt ich: Gib mir eene,
Da gab se mir keene.
Sagt ich : Gib mir zweee,
Da gab se mir blos eene.
Da sagt ich : Gib mir drei^
Da gab se mir ene ganze Reihe.
Sagt ich: Gib mir viere,
Da führt se mich zu Biere.
Sagt ich: Gieb mir fünfc,
Da stand se da und schimpfte
oder (da strickt se mir e Paar Strümpfe).
Sagt ich: Gieb mir sechse,
Naunt se mich ene alte Hexe.
Sagt ich : Gieb mir sieben,
Da führt se mich in de Rüben.
Sagt ich: Gib mir achte,
Da stand se da und lachte.
Sagt ich : Gieb mir neune,
Da führt se mich in de Scheune.
Sagt ich : Gib mir zehne,
Da führt se mich nach Strehle.
Hier endigen einige, andere aber fahren
fort:
Als ich nu nach Strehle kam,
Bellten mich die Hunde an.
Hunde laßt das Bellen sein,
Laßt mich in das Haus hinein.
Als ich in das Haus kam,
Bellten mich die Hunde an,
Hunde laßt das Bellen sein,
Laßt mich in die Stube rein.
Als ich in die Stube kam,
Zankte mich der Vater aus ;
Vater, laß das Zanken sein,
Laß mich in die Kammer rein.
Als ich in die Kammer kam,
Zankte mich die Mutter aus;
Mutter, laß das Zanken sein,
Laß mich in das Bette nein.
Als ich in das Bette kam,
Bissen mich die Flöhe an;
Flöhe, laßt das Beißen sein,
Laßt mich ruhig schlafen ein.
B.
211. Simr. 945 ff. Birl.144. Dung. 88 tf.
a) Ahnlich wie Simr. 945 bis: Was ist
in selbigem Roß ? Dann wie folgt :
Ein wunderschöner Fink u. s. w.
Was ist in selbigem Fink?
Ein wunderschönes Lied u. s. w.
Was ist in selbigem Lied?
Ein wunderschönes Wort u. s. w.
Was ist in selbigem Wort?
Eine wunderschöne Silbe u. s. w.
B.
h) Beliebter war in Bautzen folgende
Fassung :
In dem Garten steht ein Baum,
Da ein Baum,
Dort ein Baum,
Ei, das ist ein schöner Baum u. s. w.
B.
212.
Hinterm Ofen Hegt ein alter Ranzen,
Der kann tanzen.
Seht emal den Ranzen au^
Wie er scheene tanzen kann. B.
213.
Im Keller, im Keller ist's finster.
Warum solls im Keller nich finster
sein,
'S scheint weder Sonne noch Mond her-
ein. Ch. St.
214.
«.) One done Durz
Der Teufel ließ en F . . z ;
312
TH. GELBE
El- ließ ihn in die Hosen,
Da wuchsen Aprikosen ;
Er ließ ihn wieder raus,
Da wurden Pflaumen draus. B.
6) One done Durz,
Wer ließ en F. .z?
Es war e alter Mann,
Der seineu one done F. .z nicht
halten kann. Ch.
215.
Es war emal e Mann,
Der hieß Pumphahn,
Pumphahn hieß er,
Große F . . ze ließ er,
Kleene gab er zu.
Die fraßt du. B.
Chemnitz: Z. 2. Bimbam,
Z. 6 : Der warst du.
216.
Salomo der Weise spricht:
Laute F . . ze stinken nicht,
Aber die da schleichen
Stinken ohne Gleichen. B,
217.
Ich ging mal in den Wald.
Ich ooch.
Da fällt ich mir en Baum.
Ich ooch.
Da baut ich mir en Schweinstall draus.
Ich ooch.
Da macht ich mir e Trögel rein.
Ich ooch.
Da fraßen meine Schweine draus.
Ich ooch. B. Ch.
218.
Jakub, wo biste?
Im Walde.
Was haste?
En Vogel.
Gib mir'n ;
Seh . . ß dir'n. B.
219. Simr. 888 ff. Pet. S. 87 ff. Birl'
S. 155 ff. Stöber 52 ff.
0, du lieber heiiger Christ.
Der du hold den Kindern bist,
Komm, beflügle deine Schritte,
Bring recht schöne Sachen mitte;
Apfel, Nüsse so en Sack,
Pfefferkuchen so en Pack,
Neue Stiefeln, neuen Rock
Und en großen Butterzopp. B.
220. Simr. 889. Stob. 114.
Die heiligen 3 Kön'ge mit ihrem Stern,
Sie essen, sie trinken und bezahlen
nicht gern. B.
221. Firm. U. 234, 10. Schi. I, 425.
a) Ich bin der kleene König,
Gebt mir nich zu wenig.
Laßt mich nich zu lange stehn.
Ich muß e Häusel weiter gehn. B.
b) Damit vergleiche man :
Bettel, bettel, Leinwand,
Gieb mir was in meine Hand,
3 und 4 wie bei o). Ch.
222.
Ich bin der König aus Mohrculand,
Die Sonne hat mich schwarz gebrannt;
Meine Mutter hat mich gewaschen mit
einem Lappen,
Drum bin ich so schwarz wie ein Rappen ;
Hätte sie mich gewaschen mit einem
Schwamm,
So war ich weiß wie ein Lamm. B.
223.
Ich gratulü- zum neuen Jahr,
Wünsch kurze Beene und langes Haar
Und ene Stube voll Kinder
Und en Stall voll Rinder
Und en Kopp voll Grinder. B.
224.
Kirmeß- und Kindtaufsingeu.
Ringel, riiigel um das Haus,
Bringt e Stückel Kuchen raus.
Kuchen, der is nich gerathen.
Bringt e Stückel Schweinebraten.
Schweinebraten is längst vorbei.
Bringt e Stückel Hirsebrei.
Obererzgebirge.
KINDEliLIEUf^R UND KEIME
3ia
225. Simr. 95'J. Ruch. S. 25. Dung. 11)5.
llc du, sags (lein'u Bub,
DalJ" dei Bub, moin'u Bub kcon'n Bub
mehr nennt,
Mci Bub is kec Bub, mci Bub is Gesell.
Ch.
226. Simr. 902. Dung. 198. Groliätti
35, 57.
Der dicke Dietrich trug den dünnen
Dietrich durch den dicken Dreck 5 da
dankte der dünne Dietrich dem dicken
Dietrich , daß der dicke Dietrich den
dünnen Dietrich durch den dicken Dreck
trug. Ch. St.
227. Simr. 966. 967.
In der Frische fischen Fischer Fische,
Fischer fischen in der FrischaJ'ischc.
^ St.
228.
Schöner, schhmker, schlichter Schiffer
3chifi:e schnell sieben geschliffene Schleif-
steine herbei. St.
229.
Mein Maurer mauert mir meine Mühle.
St.
230. Dung. 192.
Eenc gut gebratnc Gans und en
guter Gurkensalat sind eene gute Gabe
Gottes. B.
231.
Justel , jag doch die jungen Jänse
aus dem Jarteu , sie fressen ja das
janze junge Jras weg. Ch.
232. Peter 112. Birl. 132.
Hinter Herrn Heinrichs Hofe hausen
Hängen hundert Hasen hausen;
Hundert Hasen hängen hausen.
Hinter Herrn Heinrichs Hofe hausen.
St.
233.
Guten Tag Quatsch.
Schön Dank Quatsch.
Mci Quatsch läßt deiner Quatsch
einen guten Abend sagen \ meine Quatsch
soll deiner Quatsch c Paar junge Hühner
weggetragen haben. Wenn deine Quatsch
noch emal spricht, meine Quatsch soll
deine Quatsch e Paar junge Hühner
weggetragen haben , so geht meine
Quatsch ufs Gericht und thut deine
Quatsch verklagen. St,
234. Simr. 1001.
ii) Alaßer, Pappaßsie. B.
h) Alaßsie Lachsaßer. St.
c) Alaßer, Suppaßsie, Brühaßes. Ch.
235.
Es sitzt ne Frau am Berg: Hanfhat-
sefeel,
(Was hatse fecIV Hanf hat se feel).
Ch.
236. Dünger 202.
Oster Ben, Oster Ben,
Ohneglau, Bensterben
Ist des Men Schenverdei l)cn. St.
237. Simr. 1009. Rochh. S. 49, 10.
Dung. 201.
Aus dem kleinen Käpfensterchen
Guckt ein großes Gäspenst^rchen. B.
238.
Benediktinermönchsordenspriester. St.
239.
Gartenzaunthürschloßklinge. St.
240. Rochh. 42, 80. Dung. 199.
1 — 6 fast wie Dunger, dann wie folgt :
Hier hab ich 6 Pfd. Strümpfe, ma-
chen sie mir 3 Paar Garn daraus. Für
die Bange dürfen sie keine Bezahlung
haben ; denn mit morgigen Gelde kommt
meine Post an. St.
241. Dung. 215.
a) Beisprache wie Dunger. St.
b) Nfsprache wie Dunger. St.
;i4
TH. GELBE
c) Lcfsprafthe: I.alefaß inilerich milcfur
gelefehu, dulefu Julefnngelef'e, St
r/) Erfsprache: Laßaßerfaß mich icher
fich uunirerfur gehuehnerfehii, du
uerfii Junguugerfiingenerfe. B
242.
In der pi- pa- polschen Kirche
Geht es pi- pa- polisch zu,
Da tanzt der pi- pa- polsche Ochse
Mit der pi- pa- polschen Kuh. B.
243. Käthsel.
Simr, JOIO ff. Dunger 338 ff. Birl.
166 ff. Stob. 50 ff. ^ Peter S. 116 ff.
Großätti S. 42 ff. Peter 327. 330.
Simr. 1042.
Es kam ein Manu aus Hitteu Dittcn,
Der hatte 7 große Schlitten,
Jeder Schlitten 7 Pferde,
Jedes Pferd hat 7 Treiber,
Jeder Treiber 7 Weiber,
Jedes Weib hat 7 Kinder,
Jedes Kind hat 7 Ammen,
Wie viel machen das zusammen? B.
244. Stob. 73. Firm. 1, 1 63,5, Birl. 199.
Ri, ra, rumpel,
Schwarz ist der Stumpel,
Schwarz ist das Loch,
Wo Ri, ra, rumpel rein kroch. B.
245. Birl. 186. Pet. 340.
Es kamen zwei gegangen,
Sie brachten ein'n gefangen,
Sie führten ihn uach Quergelstädt,
Von Quergelstädt uach Nägelstädt
Und dort wird er gerichtet.
246. Simr. 1039.
Jemand und Niemand
Kauften ein Haus,
Jemand ging vorn heraus,
Niemand ging hinten heraus,
Wer blieb drin?
247. Simr. 1221.
Gefertigt ists seit langer Zeit,
Doch mehrstcnteils gemacht erst heut,
Gar treulich dient es seinem Herrn
Und dennoch hütet's niemand gern.
B. Ch.
248.
Es hängt an der Wand,
Hat 1000 Körnchen in der Hand. St.
249.
Sieht innig wie außen,
Hat hölzerne Graußen. St.
250.
Welcher Bock hat keine Haut? St.
251.
Wie viel Nägel bedarf ein wohlbeschla-
genes Pferd? St.
252.
Sage mir, wenn du's gesehn,
Wo die Gaus im Wasser gehn? St.
253. Dung. 364. Pet. 375. Großätti
54, 78.
Es geht jemand auf dem Kopfe die
Treppe herunter; ^Ver ists? St.
254.
Wenn ist's am gefährlichsten , im
Freien zu gehn? (im Frühlinge, wenn
die Bäume ausschlagen. Im Sommer,
wenn der Salat schießt und die Sonne
sticht.) Ch. St.
255. Simr. 1238.
Was machen die 12 Apostel im Him-
melreiche?
St.
256.
Welcher Monat ist der kürzeste? St.
257.
Was geht auf den Boden, hängt Wäsche
B. auf? St.
KINDERMEDER UND KEIME.
315
Nu eil trily u.
258.
Wart nur, was icli von dir wocß.
Na, was denn?
DieKartofFcln(Scnuneln) sind nich lieclJ.
B.
259.
Wart nur, was du hast getlian.
Na, was denn?
Uf der Treppe sitzt e Hahn. U.
2G0.
Koth und bhiu
Geht dem Hanswurst seine Frau.
Gelb und grün
Zieht der Hanswurst nach BerliU. Cli.
2G1.
Beim Ballspiel.
Winterradischen,
Steinernes Kieschen,
Alter Student,
Wasche die Hand,
Trockne sie ab,
Kämme das Haar,
Fall auf die Knie,
Bete zu Gott,
Steh wieder auf.
Halte deine Hand auf. St,
262.
Hans Adam,
Ziehs Loch zusamm. Ch.
2G3.
Quark macht stark ;
Quark alleenc
Macht schwache Becne. 15. Ch.
2ß4.
Zankt euch nicht.
Prügelt euch nicht,
Gebt euch lieber
Ell Nasenstieber. B.
265.
Wer's zuerst riecht,
Aus dem es kriecht. B. Cii.
266. Dung. 249 ff. Simr. 782.
Mademoiselle vis h vis.
Hübsch gerade, steife Knie,
Mademoiselle vis k vous.
Machen sie die Thüre zu;
Denn es wäre mir nicht lieb,
Wenn die Thüre offen blieb.
267.
Links und rechts,
Das gellt schlecht.
Du verflixter Stiefelknecht.
Ch.
B.
268.
Angeführt mit Löschpapier,
Morgen kommt der Unteroffizier.
B. Ch. St.
269.
Wo gehste denn hin?
In'n A . seh nach Kratzbeeren.
Wendste keene findst, kanste wieder
umkehren. B.
316 H. FISCHER
DIE BUSSE ADAMS UND EVAS.
Von einem Unbekannten.
Aus Handschriften der Weltchronik Rudolfs von Ems.
Sus wart Adam und Eva
gesetzet uf die erde sa
und üz dem paradis getribeu.
Do si uf der erden sus beliben,
Adam und Eva mit grözer klage
also wären siben tage,
daz si nicht enäzen,
ir freuden si vergäzen.
5 Do der achtet tag verschiet,
die eilenden hungern geriet.
Si suchten aber in siben tagen,
ob si icht mochten beiagen,
des si sich nerten
10 und von dem hunger werten,
an den selben stunden
nicht anders si vunden
den krüt loub unde gras,
daz der tier füter was.
15 do sprach her Adam,
do im daz füter nicht gezam:
'nü mag uns wol riuwen,
daz wir von des tiufels untriuwen
sin üz dem paradfse,
20 da wir der engel spise
lebten und heten gut gemach.'
Eva w^einende sprach:
'Adam, lieber herre min,
nü tu ez durch die gute din
25 und nim mich von dem libe.
lichte let dich got blibe
bi im und nirat dich wider in,
Sit du von den schulden min
dine vreude ha.st verlorn,
30 dar zu dich got hetc^erkoru.
do sprach der gute Adam,
dp er ir bete vernam:
'Eva, du solt nicht so spreche,
daz got nicht me an uns reche,
35 daz wir Avider in hän getan.
ich kan uns baz gewisen an.
DIE IUISf=E ADAMS UND EVAS. 317
wir Silin uns die buzo neme,
die unsci'u sunden wol gezenie;
da sul wir gote bezzern mite
40 und suln in weinende bite
durch die erbarmlicrzikeit,
die hat sin heih'ge gotheit^
daz er über uns arme
sich gerüehe erbarme
45 und vergebe uns unser seiiuide
und wider läze uns stne hulde.
Eva die getriuwe
sprach mit grozer riuwe:
aehein buze kan so groz sin,
50 da mite ich büze die sunde min;
die sint vil grozer den die din.
doch bin ich, lieber herre min,
dir vil gern gehörsam'.
du sprach der wise Adam :
55 'an gote du nicht verzage,
merke wol waz ich dir sage.
ein wazzer heizet Tigris,
daz fliuzet üz dem paradis ;
dar in solt du nackent gen
60 und solt üf einem steine steu
tief unz an din kinue.
die wile du stest darinne,
so solt du got nichtes bite,
daz dii in nicht erzürnest mite;
65 wan du des nicht wirdig bist,
daz du in der selben frist
in icht manest umb dine not,
wan du tete daz er dir verbot
nü merke wol waz ich dir sage:
70 also stant da drizig tage,
so wil ich in dem Jordan trage
die selben büze vierzig tage.
so ist unser herre so gut,
daz er uns lichte^ gnade tut'.
75 Do so geriet her Adam
und daz Eva wol vernara,
do gie die arme sä zehant,
da si daz selbe wazzer vant,
unde tet daz si nicht liez,
80 daz si her Adam tun hiez.
Adam was euch do bereit,
gein dem Jordan er do schreit;
zu der büze was im gäch;
si sach im iemerliche nach,
318 H. FISCHER
85 do er in daz Wcazzer tnit,
vil iemei'liche er do bat,
zu dem wazzer spracli er saa:
Meli bite dich, süzcr Jordäu,
und die visclie, die hinue sin,
90 und in den lüften iuch vogelin
und iuch tier al gemeine,
daz ir mir helfet weine
und minen grozeu kuramer klage,
den ich von minen sunden trage.
95 ir Sit unschuldig' dar an,
ich binz^der da gesundet hän.
do her Adam diz gesprach,
vil schiere er umbe sich sach
die tier und oucli die vogeliu,
100 daz wazzer lie sin fliezen sin,
die vische gebarten zu siuer klage
trüriclichen achzeheu tage.
Daz was dem tiufel leit,
der alle gi'ite ding ie neit ;
105 er verebte, ob si in der büze bestünden,
daz si sich mit gote sunden,
daz er si neme wider in.
er machte sich in eins engeis schin,
als ob er ein eugel were.
110 der valsche trugenere
kam zu dem wazzer zehant,
da er Evam in noten vant.
er begunde mit ir weine,
er sprach: 'wie stest du so eine?
115 mir ist leit din ungemach.
(mit untriuwen er daz sprach.)
diu weinen ist für got komen,
er hat Adames gebet vernomen ;
des hän wir engel in erbeten.
120 nü solt du üz dem wazzer treten
unde rüwen nCi zehant;
wau mich hat got nach dir gesant,
daz ich dich füre hin zu Adam,
den sol ich euch trösten alsam
125 und sol iuch denne wise
wider zu dem paradise
und solju schaffen gemach'
dö diz Eva gesach,
si geloubte im der mere dö
130 unde wart von herzen frö.
üz dem wazzer si dö gienc,
der tiufel si zehant cnpfienc.
DIE RUSSE ADAMS UND EVAS. 319
von froste was ir die liüt
getan sam ein valwez krüt.
135 von unmacht viel si nieder,
der tinl'el hCib si üf wider
uude fürte si zehant,
da er Adam in noten vant.
dö si Adam komen sach,
140 vil iemerlicbe er weinend sprach:
'0 we dir Eva we dir we!
du bist betrogen aber als e
von dem, der uns e verriet
und von dem paradise schiet.
145 erniuwet ist unser missetät.
wäfeu über sinen valschen rät!'
dö Adam also sprach
und ouch Eva daz gesach,
daz ir geverte der tiufel was,
150 zu der erden an daz gras
viel si von unmechte sän.
si sprach : 'waz han wir dir getan ?
wir wären einvaldig unde gut;
daz dich valte din ubermüt,
155 da sin wir unschuldig an;
got hat sin räche an dir^ getan'.
mit grimme sprach her Adam :
'war umbe bist du uns so gi-am?
din ere hän wir dir nicht genomen.
160 ez ist an unser schulde komen,
daz du verlure dinen gemach'.
der tiufel süft unde sprach :
'wenest du mir sagen daz?
gein dir trage ich von rechte haz.
165 wan daz ich wart verstozen
mit allen minen genözen,
daz kam von dinen schulden,
do ich wider gotes hulden
mit miner hochferte warp,
170 da von mine ere gar verdarp.
in an betten gemeine
alle engel denne ich eine.
Michael der engel berste
was do der aller erste
175 der selbe sprach so zu uiir:
**unser herre hat geboten dir,
du solt an beten in,
sit er dir wisheit unde sin
vor uns allen hat gegeben.
180 du solt nach sime geböte leben".
320 H. FISCHER
ich sprach daz ich des nicht eutete,
sit er mich geschaffen hete
schöner und wiser danne sich,
er mochte lichte erzürnen mich,
185 daz ich mit minem trOne
seze gein dem aquilöne
und wurde gelich dem hohen gote.
zehant geschach von sime geböte,
daz ich herab gestözen wart.
190 do für ich eine leide vart
her in diz eilende;
da von wolde ich wende,
daz ir nicht lenger sit beliben
in der wunne, danne ich bin vertriben,
195 und riet dinem wibe daz,
daz si daz verboten obez az,
da von wurde ouch du betrogen,
nü hän ich ir aber an erlogen,
daz si durch minen valschen rät
200 mir üz der büze gevolget hat,
und wil ouch immer mere,
swä ich kan, verkere
dich und diu gesiechte,
ich nide dich von rechte,
205 sit dich got setzen wil da hin,
da von ich verstözen bin,
und ich von miner schulde
v^erlös mins schepfers hulde'.
Adam der riuwesere,
210 do er hört die mere,
er süfte und sach üf zu gote,
er sprach: 'herre, in dime geböte
ste min sele unde ouch min lieben,
ich bite dich mir uü geben
215 dinen veterlichen trost,
daz ich von im werde erlost,
der mir ist so gevere.
got, milter erbarmere,
gib mir hilfe und dinen rät,
220 daz der, der mich betrogen hät^
mir nicht mer angesige
imd daz ich im nicht underlige.
des bit ich dich inneclichen,
du solt mir nicht geswichen,
225 sit ich bin din hantgetät,
so weiz ich nicht wä suchen rät,
den an dich herre aleinen,
du solt an mir bescheinen
DIE BUSSE ADAMS UND EVAS. 321
din veterliche gute,
230 daz ich vor im behüte
tnino sele und ouch min leben,
daz du mir, herre, hast gegeben',
du her Adam diz gespraeh
und got sin vesten mut gesach,
235 er tet, als er noch hiute tut;
swer an in wendet sinen müt,
ein ieglich sundere,
dem buzet er sin swire,
also daz er in gewert,
240 ob er rechter dinge gert.
Adame half er do zehant,
daz der leidige vint verswant,
daz er in nicht ^mere sach.
do die genäde Adame geschach,
245 an gote wolde er nicht verzagen;
er stünt do unz ze vierzig tagen,
daz er nie von dannen kam,
unz sin büze ein ende nam.
x)ö sprach Eva die riuwerin:
250 'Adam, lieber herre min,
du solt von rechte freuwen dich,
daz du nicht bist betrogen als ich,
[weder nü] noch zu dem ersten male:
des sol dir äne twäle
255 got unser herre geben
freude und ewiclichez leben,
und bestetige din gemüte
und rüche dich behüte
vor allem leide.
260 ich wil nü von dir scheide;
so michel ist mm unsin,
daz ich des nicht wirdig bin,
daz ich si din genoz.
min missetät ist so groz,
265 daz ich von rechte von dir var,
ich enrüche in der werlde war,
da ich mines endes bite'.
an der selben zite
begunde si von im ge;
270 daz scheiden tet in beiden wl;
si hüb an ze weine,
do kam si alterseine
zu der sunnen undergang.
daz ungewiter si do twang,
275 daz si zimmern begunde,
des si doch lutzel künde.
GEBMAKU. Neue Reihe. X. (XXU. Jahrg.) 21
322 H. FISCHER
si machet ir ein huttelin^
die freudelose saz dar in;
gemach was ir tiure,
280 si künde ouch nicht ze fiure.
niun mauede wären ergangen,
daz si hete enpfangen
ein kint nach menschlichem site.
da was si bekumert mite,
285 wan si da mite nicht künde,
die zit nähen begunde,
daz siz zer werlde solde bringen,
wewe begunde si twiugen.
do sprach die freuden arme:
290 'nü müze got erbarme,
daz ich unselig bin erkorn,
daz ich mines schepfers zorn
von miner schulde verdienet hän.
nü ist leider nieman
295 under allem himelischen gesinde,
an dem ich gnade vinde
oder der mir gebe deheinen rät,
wan got, der mich geschaffen hat.
der sende schiere an mich den tot
300 oder helfe mir von dirre not,
die ich von minen sunden trage',
unser herre horte nicht ir klage;
wan er hete sinen zom
gein ir dannoch nicht verkorn,
305 daz si im wolde erbarme,
do sprach aber die arme:
'owe daz ich nü nieman hän,
an dem ich fimde trostes wän,
daz er mir gebe rät
310 von miner grozen missetät,
sint mir nü alle geschefte sint gram.
westez doch her Adam
und weste ich wen ich funde,
der imz wolde künde!
315 ich wolde imz enbiete,
daz er mir dar zu geriete.
nü wil ich biten gerne
dich sunne und iuch sterne,
swenne ir zu dem Oriente kumet,
320 daz ir mir zu miner not frumet
und kündet Adam dem herren min,
daz ich hie lide groze pin'.
zehant bi der selben stunt
Adame wart ir klage kunt.
DIE BUSSE ADAMS UND EVAS. 323
325 er sprach mit ungeraüte:
'mochte ich nü behüte,
daz des tiufels gercte
der armen Even icht me tete,
als er e hat getan!'
330 trürend^ hfib er sich sän,
da er Evam in noten vant.
dp si in sach, si sprach zehant:
'Adam, lieber herre min,
nü bite unsern trechtin^
335 daz er sich erbarme über mich,
ob er lichte erhöret dich,
stt mmer sunden ist so vil,
daz er mich uicht^ erhören wii'.
dö tete der gute Adam,
340 als ez im vil wol gezam.
er mante flizicliche
got von himelriche,
daz er dar an gedechte,
ob si zer werlde brechte
345 ein kint, des hete er ere,
da von begunde sich mere
s£n lob und sin hantgetät.
got tete dö, des er in bat,
und gewerte in an der stat,
350 als die schrift der wärheit hat.
Got liez Evam erbarmen sich;
zwelf engel herlich
sante er ir zu helfe dö.
des wart si von herzen vrö,
355 dö si die grözen gnade vant,
si bereite sich zehant
ze gebern nach wiplichem site,
da si vil lutzel künde mite,
wan si ez nie hete getan.
360 sant Michel wlset siz an
und lerte, wie si solde tu
und half ir mit der hant dar zu,
und ander engel, als got gebot,
hülfen Even üz der not.
365 unsers herreu gute wart dö schin;
ich wene, daz ie keiserin
so herlich ammen ie gewan.
sant Michel tröste si sän,
er sprach: 'du solt selig sin,
370 Eva, von dem wirte din.
den hat got so gut erkant,
daz er uns hat zu dir gesant,
21*
324 H- FISCHER
der hat gestillet sinen zorn.
do wart ein schonez kint geborn,
375 daz wart geheizen Käin,
daz stünt üf und lief do hin
und brach ein grünez krütelin,
daz brächte ez der müter sin.
nach Käin wart ouch sä
geborn ir tochter Calmana,
diu bi Käin kint genuoc
in den selben ziten truoc u. s. w.
Lesarten. {Blosse Alioeichungen in der Orthographie oder ganz leichte
in den Wortformen sind nur da aufgeführt, ivo sie kritisch von Werth
sein konnten'^ Majuskeln zu Anfang der Zeile, außer in Namen, bezeichnen
farbige Initialen in sämmtlichen oder beinahe sämmtlichen Hss.)
1 groß h. — 2 waren C GUwh : waren si FS. — 3 niht F, niet S,
nit h ; da die Hss. überwiegend statt h vor Consonanten das md. ch haben,
so habe ich dieses überall hergestellt. — 4 daz sy ir freud gar v^gazzen C.
irr w, irher S; ir erscheint sonst in unserem Gedichte nicht decliniert. —
freud(e) CFh, frewnde iv. — gar vergazzen loh. — 5 achtent Ch.
achte FSw. — tach F; ich habe nicht darnach gestrebt, in der Behand-
lung der Media im Auslaut eine Regel durchziführen, da die Hss. hierin
keine zeigen. — 6 eilenden CFGS2^w: armen h. — 7 die /S. — such-
ten S, suochten (7 ; i h habe für uo und tie überall ü, für ü überall u
hergestellt , da die Hss. meist blosses u haben ; ebenso findet sich statt oe
und ö stets 6 und o, dagegen findet sich statt consequenten ü für iu fast
immer iu oder ew in den Hss., iceshalb ich hierin von Durchführung des
md. Vocalismus abgesehen habe. — in siben tagen CFGSZiio, siben
tag h. — 8 icht FGStv, sich C; fehlt 2J. — ob sy funden den beiag h;
lag vielleicht Ursprung' ich ein Infinitiv auf e zu Grunde:
si suchten aber siben tage,
ob si icht mochten beiage?
F hat sonst nachweislich keinen solchen Inf. entfernt. — 9 dez CGw,
daz Sh. — mit nerten h. — 10 vnd des hungers erwertü h. — 12
ander U. — 14 tiere F. — 15 da sprach da her adam h. — 16 da h;
auch sonst haben die Schreiber da und do nicht zu unterscheiden gewußt. —
17 rewen CGZlliw^ nur F und S haben eu für iu, sowie ei für 1 nie-
mals.— 18 wir CFhw : uns GSU. — des tmf eis fehlt h. — 19 des deufels
seyen aus dem pädy h. — 20 daz CGE. — edlen speis ä; CGEhw
setzen, doch ohne Consequenz, ei für i. — 21 guten Fw, fehlt CZ!h. —
22 wainund CG. — 24 nü fehlt h. — diw C; auch sonst zeigen die
Hss. kein Verständnis^ dieser Endung, weshalb ich das md. die consequent
DIE BUSRK ADAM8 ITND EVAS. 325
hergestellt habe. — 25 leben C, lehn h. — 26 leicht gerucht dir got
wid* gebe h. — vil leicht C. ~ bleibe ?«, beleihe GE, hüben S, be-
leiben C. — 27 sein huld und n, d. w. ein h. — 28 sint FS, seit
GEtoh, seyt C — 33 nicht so CFGll:n\i h, also nicht Sw. —
sprechen CG SEhio. — 84 iht F; niht und iht er.fcheinen in den Hss.
fast ganz promiscue:, ich habe ohne liücksichf auf die Hss. jedesmal das
mir passend scheinende eingesetzt. — ez mag got mer a. u. r. CGSZlvi
got wolt an u. r. h. — mer Cio, racre F. — rechen GSEhio, ge
rechen C. — 35 mer dann daz wir haben getä h. — daz wider in wir
han getan Sw. — haben Ch. — 36 ich kan vns daz pas geruffn an h.
— 37 nemen CGSShio. — 38 stunden h. — gezemen CGS Shvj. —
39 schulle Cio, suln U, sullen h, solen S. — gode S, got CFGUhio-
40 vnd flehen in mit wainendem sit h. — daz wir in w. b. CGSUw.
— wainund CGE. — piten C. — 41 daz er durch h. — barmherzi-
keit CSw , erberraikait h. — 43 sich vber vns erbarmen h. — er fehlt S.
— armen CGSEw. — 44 gerüch nun erarnen h. — czvrbarme (r,
erbarmen CS Ew. — 45 vnd vns vrab die schulde h. — vnder lo. —
46 geh ander sein hullde h. — uns fehlt S. — lazz vns wider sein C.
— 49 egeine S, kain h, chain CG. — mag Shw. — grozze w. — ge-
sein CEh. — 50 sund Gw, sunden S. — 51 die grosser sund vil h.
— danne din S. — 52 den räch deiner sunde zil h. — 53 ich sey ir
gehorsam h. — 55 du fehlt h. — 56 vnd merck wz ich dir sage h-
— wol fehlt C. — mirke S. — 58 rinnet C — 59 inne Sw. — 60 einem
stein Ctü, eyme steine F, ainen steine h, ein stain G, einen stein S.
61 tief CFGSEw : auf h. — daz CEh. — 62 sist S, seist lo, pist h.
— 63 dein mund in nichtz die weil pit h. — dw solt got n. b. C. —
vmb nichtes lo. — biten CGSEic. — 64 in icht CGE, iniht jP, nicht
in Sw; stand vielleicht da du in icht erzürnest mite? aber alle Hss. haben
daz. — miten Sw. — 65 w. d. niht des w. b. S, w. d. in des niht
w. b. F. — 67 nicht CGSEhw. — 68 daz FGShw-.wsiz CE. —
69 wol CFGSEw : recht h. — 71 in den Shic, inde G. — tragen
CGSEhio. — 72 zu (ze hw) vierzig (vierzehen hiü) tagen GSEhio,
in vierczig tagen C. — 74 lichte fehlt CGE, dann h. — 75 also Ch.
— geret hio. — 76 vnd eua daz uernam xS'. — gienk S, gieng h. —
77 so Chio. — czuhant FG; ich habe in anderen Verbindungen da, wo
die Hss. zu bieten, diese md. Form für ze hergestellt; in zehant loolUe
ich von den Hss. nicht abweichen. — 81 adam auch nit lie h. — auch
bereit Sio, da auch G. — 82 den S. — do fehlt h. — schreite C, gie h.
— 84 isemerleich E, iamerleich tu, iamerlichen h, iamerleichen CG', ich
ha^e mit drei Hss. gegen vier den Umlaut angenommen, den an anderen
326 H. FISCHER
Stellen mehr Hss. hiefen ; statt mhd. ge hohe ich stets md. e gesetzt, loas die
Hss. fast ausnahmslos haben. — 86 vil laut ruft er vnd pat h. — 87
mit solichen Worten ers began h; h scheint das md. sän entfernt zu
haben, wie dies unten, v. 368, von hiv und wohl v. 330 von allen ausser
F geschehen ist. — 88 bidden <S. — 89 vnde vische S. — hin h, hier
inne C, hie Sw. — 90 vnd in dem lust die vogelein h. — auch vo-
gelin Sio. — 91 die grossen zu den clainen h. — ueh S, auch (euch F)
Fw, euch (ewch C) CG, ev 2J. — gemeinen GSEto. — alle gemeinen S.
— 92 mich helffen h. — weinen CGS Hhw. — 93 kumber GS, kum-
mer S, chümer F. — klagen CGSShto. — 94 den ich mus von sunde
tragen h, den ich von meinen sunden muz t'ge C. — -tragen {C) GSZlhiv.
— 95 sind h. — an der dat h. — 96 hat h; h wollte die ihm auffällige Con-
struction „ich, der hän", die gleichioohl alle andern Hss. bieten, entfernen und
änderte hier iind im vorhergehenden Verse. — gesundiet S. — 98 da vmb h.
— gesachCi^. — 99 ouch CFGSZio : alleÄ. — 101 vnd geparten zu der
clag h. — gepaite C. — 102 drewlichen h. — 103 vil laid h. — 104 ie
fehlt Sio. — ^ maid h. — 105 er vorcht ob daz geschäch Ä; darnach in
h allein die vv.: daz got ir rew an säch vnd an der puss bestunden.
— uorthe S. — 106 vnd sich mit got versunten h. — versunden (h) C
Hat der lange v. 105 vielleicht anders gelautet? h hat einen offenbaren Ver-
such gemacht, mit kürzeren Zeilen auszukommen:, vielleicht fehlte ursprüng-
lich in der büze, welches ein Glossem sein kann, dann freilich ein altes
sein müßte. — 108 er nam an sich solichen schein h. — 109 ob fehlt Ch-
— wäre C. ~ 110 valschs lo. — 111 chom CF G Zw\ ich habe kam
geschrieben., welches v.247 im Reim auf ntan steht. — 113 weinen C G S Zlhw
— 114 valschlich trew erschainen h. — er sprach ist nieman bi (mit w)
dir einen CGSUw. — 115 er sprach mir h. — 116 daz CFEhio : do GS.
— 117 bekomen GFU. — 118 adams gepet hat er v^nomen h. — pet w,
fehlt S. — 119 dez CGw, daz h. — haben hw, hab C. — in fehlt Shw.
— gebeten Sw. — du solt auz C. — aus d^ püs h. — 121 rüwe S, rüchen h,
— all zehant h. — 122 zu G. — wan mich hat nach dir gesant Z!,
w. m. got zu dir hait g. S, w. m. got hat z. d. g. lo, wan er mich nach
dir hat g. C, got hat mich zu dir g. h. — 123 hin fehlt h. — 124 ouch fehlt S,
trösten ach allsam h. — 125 und ich iuch denne wise CGSUh,
vnd in auch danne weisen lo. — 126 paradeisen iv. - 127 gut gemach h,
guten gemach CG ZI. — 128 do er fruntlichen sprach A, geioiß um das
auffallende gesach/m- Wahrnehmung überhaupt zu entfernen. — 129 raere
fehlt S. — 130 dz drostes fro h. — 133 so was CEw. — 134 als FSh.
— valbez CGEhio. — 135 vor CGZ. — vnkreften h-, vielleicht hieß
es, mit fließenderem Metrum, unmechte, was v. 151 gewiß stand, hier hat
DIE BUSSE ADAMS UND EVA.S. 327
es keine Hs. — si do nider C. — 136 dez vals half ir d^ deufel wid^ h.
— 138 adamc G. — 139 sich iv, sey C. — 140 waincnt er mit wainent
sp''ch h. — wainund GU, wainud 0, weinende S, weinend to, weinde F.,
ist F zu folgen oder die harte Kürzung zu belassen? — 141 O fehlt CG£h,
A w. — 142 wider Sw. — als i e' G. — 144 und fehlt F. — 145 vnß h
— 146 valsch h. — 147 gesprach CFh. — 148 daz fehlt h. — 151 un
machte F/Sw, vmmecht G, vnmechten C, amechten h. — sani /*. —
152 habn h, hab iv. — ich C. — 153 — 156 fehlen Ch] der Schreiber
irrte von getan v. 152 auf getan v. 166 ab. — 153 einueldich 6',
ainvoltich G. — 155 synt F. — 159 er Ghiv. — haben hio, hab C. —
d* F. — 161 verlurt Ch. — din Sh; hier, wie auch sonst, habe ich die
längere Form vi beiden Wörtern, dinen imd gemach, belaßen, da bei der
Unsicherheit der Hss. kaum je sicher zu entscheiden ist, ivelches Wort in
der kürzeren Form gesetzt war. — 162 seuft vn (x, seuftet vii CF2Jh,
suftzende 8, sauftzende lo; suft unde {oder siuft unde) muß gestanden
haben, loenn zwei Abschreiber es für siuftunde= siuftendc lasen j oder sollte
diese alte Form, hier anzunehmen sein? — 163 du fehlt w. — 164
tragen S, ivelche auch sonst diese Form der 1. sg. hat. — 166 gnossen F-,
so wird loohl eher zu kürzen sein, als min genozen. - 169 hochvart Ch,
hofferte 2J, hoferte S, hoffart ö. - 170 er Gh. — erstarp FG. — 111
nun petoten an gemain h. — 173 herscht h, fürste C. — 175 do Siv,
da h, also CG 2^; der selbe mychel sprach czv myr F; mychel in F
toird ein Glossem sein:, die Abioeichungen in den andern Hss. erklären
sich aus ursprünglichem so am einfachsten; oder hieß es dirre selbe sprach
zu mir? — 176 genumen h. — 178 dir fehlt S. — 180 seinem gebot
CGZiw, seinen gepoten h, synem geböte F. — 181 er sprach S. — daz
niht Sh, dez nicht CGio. — entate C, tete F. — 182 gemachet i^. —
hate C. — Ist der überlange Vers 181 zu belaßen mit dreisilbigem Auftact?
tete mit kurzer Stammsilbe, als Indicativ, geht doch kaum\ eine einfache
Kürzung wäre; ich sprach deichs nicht entete. — 183 schon h. — 185
in meiner chron h, mit meiner chrono C. — 186 sacze CG, sas h. —
187 ward h. — hochstn h. — 188 seinem CGZ!tp, seim h. — 190 laidig h>
laidige C, laide G, laidiv U. — 192 da von ich gerne wende CGS2Jhw.
— 193 sit fehlt lo, weret F. — 194 daraus h. — bin fehlt h. — getribn h-
— 195 bin vude h. — 196 obs verpoten h. — 197 von fehlt lo; da von
so F. — ward h, wurde F. — dw auch C. ~ 198 nun han ich sy an-
gelogen h. — 199 si fehlt F. — valschen fehlt h. — 200 sie mir F\ mir
fehlt h. — der fehlt G. — 201 vnd wil daz noch meren h. — niemer S.
— meren (mern lo) CGSUio. — 202 wo Sw, wann h. — 203 geslacht G.
204 reht C. — 205 got dich w. — 206 von dannen S, von danne w. —
gestossen h. — 207 wye ich h; doch ist das erstere Wort nicht mehr ganz
328 H. FISCHER
deutlich. — 209 der rufet sere C, den rew sere lo. — 211 erseuft(e) FG,
ersäuftzt w. — 213 sey Ch. — ouch fehlt h. — 214 nu mir C, daz du
welest F. — 215 mir dynen F. — 216 werd von im Ch. — 219 helfe S.
— 220 ein der fehlt Fh:, vielleicht richtig? — 221 nicht mir mer h. —
222 niht F, nit bricht GSEio; nicht mer C. — 223 dich fehlt h. —
— innerchleichen G2^, innerlichen h, rainechleichen C. — 224 gewei-
chen C*, entwichen S, entweichen w. — 225 son F. — nie oder me {eher
letzteres) F. — wo C, swa G. — wa ich such rat h, — 227 alaine C^
allaine h; vielleicht mit Recht: aleine : bescheine? aber v. 288 haben alle
Hss. den Inf. aif en. — 228 beeunen S. — 230 ym sei behüte C, —
231 min .S, mein CGZhio, mym F. — 232 herre myr F. — 233 also
sprach h. — 234 syne stete F:, vielleicht richtig? — 235 hinte G. — 236
wer Shw, swenne F. — an im F. — 237 genzliche der svndere F. —
238 siner S'. - 240 begert h, pitet od* gert C. — 241 do soczehant C. —
242 leyde F. — 243 her F. — in fehlt S. — 244 beschach h. — 245 als
got F. — 246 do fehlt h, da FGw; man kann ziceifelhaft sein. — 247
von fehlt Ch. — 248 bis h. — 249 Eva CFGSUh : adam lo. — rew-
serin w. — 251 frewden C. — 253 weder noch oder zu u. s. w. C. —
zem2?, dem fehltF G; diese Abweichungen haben mich bestimmt., einen andern
Wortlaut in der Vorlage anzunehmen und weder nu, das recht gut fehlen
kann, für zugesetzt zu halten'., obwohl die übermässige Länge des Verses
dies nicht gerade fordern würde, da unser Versificator im Metrischen nicht
sehr genau ist. — 254 wale C, zal h. — 256 ewiges S. — 257 der stetige F,
und bestäten h. — 258 geruch w. — zv behüt C, behüten xS*; vor scha-
den er dich behüt Ä; man ist versucht, die La. der statt und in v. 257
anzunehmen, wenn nicht die gemeine La. die schwierigere wäre und h sicht-
lich den Versuch zeigte, die Construction glätter zu machen. — 259 vnd
vor allem laiden h. — 260 schaiden h. — ich nu hie von dir schaid' C;
ich hinne (hin w) nu von dir scheide Sto-, ich nur vor dir hin schaide
(schaid G)GS. — 263 bin 3. — 264 also F. — 266 ich enruch wie od*
war h. — 267 ich fehlt Siü. — daz ich C. — bit SZl, peit CGhio. —
268 {Q)z\tF82:, (c)zeit CGhw; doch habe ich 267 mit Fhite und 268
zite hergestellt, um den Vers 268 flüssiger zu machen, was allerdings im
Hinblick auf 259 nicht unbedingt nothioendig ist. — 260 do si C, si do G;
von im do ZI. — gen CGS2J, gan iü. — schied sy von im mit gross**
clag h. — 270 daz waz in beiden grozzer wen (wan Sw) CGSEw. —
sy gie vil mangen langen tag h. — 271. 212 fehlen h. — 271 si mocht
blvt weyne F ; ich habe nicht gewagt, das einzusetzen, da die andern H.ss.
bei Entfernung des Lif, auf -en nicht den ganzen Vers zu ändern brauchten.
— weinen CSw. — 272 alrerst aine C. — 273 vnd kam zu h. — 274
DIE BUSSE ADAMS UND EVAS. 329
bezwang h. — 275 zimbern CFGE-^ nach Analogie des handschriftlich
hesser hezeugten kuminer habe ich anch hier die md. Form, hergestellt. —
276 dez CGw, daz h. — 278 vreudenlosc GSEv), f'rewdlosen h. —
saz CGFSEio:%\c\x h. — da G. — 281 do neun C. — maned GZ,
manden F, manod lo, manat h, monet C. — 283 mensche G. — 284 daz
was F. — bekumbert FGS2J. — 288 we we CGSUio, die wewen F,
die ween h. — begund GHhw, begvnde F. — 289 frewde Ch. — 290
daz ez got erbarme h. — erbarmen S. — 291 ze vnseld h. — 293 mit h.
— gedienet Sw. — 294 nym nieman F. — 295 dem h. — hiraelisehem
FS. — 297 do der mir F, oder mir S:, od^ mir armen gebe rat h. —
chainen w, einen S. — 298 wan fehlt h — beschaffen CFGZ!: möchte
leicht echt sein. — 300 diser h. — 302 got hört h. — 303 het nicht seinen
zorn 10. — 304 nicht fehlt /8w. — verlorn ?«. — 305 im fehlt S, in hiv-
— erbarmen GSUhw. — 306 sy sprach we mir armen h. — 307 owo
fehlt h. — niemat h. — 308 den C, de G. — ich nü funde xS; nii ist
offenbar fälschlich aus v. 307 loiederholt. — 310 grozzer S. — 311 sint
mir alle geschepfde grami^Ä; die Mehrzahl der Hss. nöthigt^ diese schönere
La. aufzugeben, aus der nicht leicht die andere entstehen konnte^ ivährend,
das erste sint einmal = sunt aufgefaßt, die Änderung in Fh nahe lag. —
312 wistes S. — doch er her adam F. — 313 wiste *S'. — ich nv F;
ouch CGSUw. — 314 ez im F, mirz C. — tete zu künde CGSZxü,
sagen chunde h. — 315 ez im F. — enbieten CGSEhio. — so wolt ich
im enbieten h. — 316 daz zu E. — riete CF. — des ich mich nun mus
nieten h. — 317 byeten F. — 318 svnnen F. — auch Sio, ev E. — 319
sowanne S, wann h. — Aqvo. fehlt h. — den Orienten F GE. — choment F^
kument h. — 320 note F, note E. — daz ir mir damit frumet h. — 321
kundiet S, kunt es h. — 322 grozzew lo, grozzen CGE; die Hss.
nöthigen, die harte Kürzung pin f. pine anzunehmen. — 323 zehant (czv
hant G, ze band K) CGEhic :&\Q\\eni S, wan F; CG FE haben grosse
Initialen. — selber S. — 325 ungemuten CGSEiv, vnmüt h. — 326 be-
hüten CGSEio. — niocht ich ich behtit h. — 327 rete GS, rate E,
rate C, rät h, reten lo; mit F allein habe ich statt des sonst vnbezeugten
Nom. rsete- gersete gesetzt. — 328 nicht Chio. — täte C, täten ic; ir niht
mer det h\ ist Even ein Glossem? — 329 als er ir e F. — e fehlt C,
vor h. — hette S. — getan ee C. — 330 trovren F. — zu truren hub
er do an GSEiv, zv trauren hub do an er C, mit eyln hüb er sich
dan Ä; 87 hatte h das md. sän entfernt, 368 geschieht dies in hio] die
Abioeichungen der Hss. machen auch hier nothivendig, der einen F in diesem
und den ff. zxoei Versen zu folgen. — 331 vnd (er h) gie (gienck S) da
er in noten vant CGSEhio. — 332 evam si sprach zehant CGSEhio.
330 H. FISCHER
— 334 nu fehlt h. — vnßn herren drächtein h, vnsern herreu C. — 335
daz er hab gnad vber mich h. — 336 vil leicht erhört er dich h. —
337 sunde C. — wyl F. — 338 hören F. — 340 als im da vil h. — vil
fehlt C. — 341 er mont so vleizzichleich lo. — fleissikleichn h. — 342
fehlt C. — vnsern herren got v. h. F\ got den trostes reichen //. —
344 czvr G, zv der C. — her brehte F. — 345 chyn F. — biet CGU.
346 da von raocbt kernen mere CG/S£hw. — 347 lobt F. — sines lobes
(leibes h) und siner (fehlt h) hantgetat CGSEhio. — 348 vnser herre
got F. — do fehlt Fh. — daz h, dez CG. — in da pat h. — 349 an der
selben stat Fj an der zeit li. — 350 fehlt F. — alz die geschrift der
weishait halt C; des die geschrift vrchund geit h. — 350 liez sich
euam S. — eua h. — 353 hilfe C; anders als v. 219. — 354 des waz sy
pillichen fro h. — 357 zer gebvrt F, zvr gebern G. — na S. — wipi-
keit ß, wipleichen 2J. — 359 nie me Sic. — 360 Michael G, Michahel
F; ich habe des Verses loegen mit den übrigen gekürzt. — 360 sy daran h,
sis an lo , sye an F, sey an C. — 361 und sprach mit lere also tu
C G S Ehw. — 363 vnd dye andern i^. — 365 gotes gutin h. — 366 i. w. d. ie
deheyn cheyserin F ,• kindelein Ch. — 367 die Übereinstimmung aller Hss.
nöthigt das zweite ie zu belassen. — 368 weiset sis an w, drosten sy be.
gan A; s. zu vv. 87 und 330. — 369 er sprach eva dv F. — 370 von
adame dem wyrte dyn F; Adame ist offenbares Glossem, icegen dessen
Eva hier iveggelassen und 369, ivo es das Metrum litt, zugesetzt ward. —
Worte h. — 371 zu gut h. — den hat also got erchant ('. — 372 hat
fehlt F-, hat her zu dir Sto. — 374 chin F. — 375 kaim //, kaym C,
cayn /S. — 376 gieng do hin C. — da CrÄ; vielleicht richtig? vielleicht
fehlte das Wort ursprünglich ; F hat daz stvnt zehant vf vnd lief hin. —
378 vnd pracht ez CA; vnd brach daz — F. 379 kaim h, kaym C.
— 380 gebron 7*^. — ain [scheint aus ir corrigiert) dochter h, — calamana
S, Chalmana Fh, Galmana C. — 381 kaim h, kaym (lo {in. w wohl
aus kavm corrigiert). — kinde FS, chinder C.
Die Handschriften, in welchen diese Episode sich findet, sind in der
grundlegenden Schrift A. F. C. Vilmars, Die zwei Recensiouen und
die Handschriftenfamihen der Weltchronik Rudolfs von Ems (Marburg
1839), sämmtlich angegeben. Dort bilden sie zwei Classen, I C, d. h.
das ursprüngliche Werk Rudolfs mit Einschiebung unserer Episode,
und III B, d. h. Rudolfs Werk, mit Unterdrückung seines Anfangs bis
zum Sündenfall incl., an dessen Stelle die betreffenden Partien der Crist-
Herre-Recension getreten sind. In den Hss. dieser Gruppe gehen
unserem Text die vv. unmittelbar voraus:
DIE BUSSE ADAMS UND P:VA.S. 331
da von im der lij) wuh IcDmon
dio erde uz der er was genomen.
Eine Handschrift, der Cod. palat. 321, von mir mit h bezeichnet,
scheint keiner der beiden Gruppen anzugehören, da sie von Vilmar in
Classe IV, d. h. Anreiliung des zweiten Theils von Rudolf an die voll-
ständige Crist-Herre-Recension, aufgeführt wird. Allein, wie aueii Vilmar
angibt, in dieser Hs. ist unsere Episode von anderer Hand an späterem
Ort eingetragen, und zwar folgendermassen. fol. 21 c unten hat die
Hand, welche unsere Episode schrieb, zu den Worten: du erde vs d)
er lüaz genom, die in den Hss. der Classe HI B dem Beginne derselben
vorausgehen, bemerkt : such dar nach an dem 188 jjlat da stat daz dar
zu gehört, fol. 188 a steht daz gehört an daz 21 plat. Darauf folgt unser
Text und darauf der Text Rudolfs über Kain und Abel bis zu der
Erwähnung ihres Opfers, dieses ausgeschlossen; hierauf: da hat daz
end kum wider an daz 21 plat. Auf fol. 21 d sind dagegen die Worte
der Crist-Herre-Recension, welche auf diu erde üz der er loas genomen
folgen, ausgestrichen und der Text beginnt wieder mit der Erwähnung
des Opfers nach der Crist-Herre-Recension. Dies beweist ganz deut-
lich, daß die Hs., aus der der Schreiber unserer Erzählung in h die-
selbe nahm, der Gruppe HIB angehörte; denn der Text seiner
Vorlage hat nach unserer Geschichte mit Rudolf, vor derselben mit
seinem Umarbeiter übereingestimmt.
Ich zähle die sieben Hss. kurz auf; Nachweise über dieselben
finden sich bei Vilmar und im dritten Bande von Massmanns Kaiser-
chronik.
Zur Gruppe I C gehören:
F, die Hs. Nr. 184 der Fuldaer Landesbibliothek, 14. Jahrhundert,
Pergament, Folio. Unsere Episode steht auf fol. 5 a — 8 a.
S, die Hs. Bibl. fol. 5 der Stuttgarter öffentlichen Bibliothek, vom
Jahre 1383, Pergament, Großfolio. — fol. 3 a — 5 a.
10, die Hs. fol. 416 des Archivs der großh. Bibliothek zu Weimar,
15. Jahrhundert, Papier, Großfolio. — fol. 3 c — 5 d.
Zur Gruppe III B gehören:
C, die Hs. Ms. theol. fol. 4 der ständischen Landesbibliothek zu
Cassel, aus dem Jahre 1385, Pergament, Folio. — fol. 19 a — 21 b.
G, die Hs. Ms. Aug. 8 der Bibliothek zu Wolfenbüttel, (13 bis)
14. Jahrhundert, Pergament, Quart (vielleicht kleinstes Folio). — fol.
11 d— 13 b.
H, die Hs. der königlichen Privatbibliothek zu Stuttgart, 14. Jahr-
hundert, Pergament, Folio. — fol. 18 a — 20 c.
332 H. FISCHER
h, der Cod. palat. 321 der Heidelberger Bibliothek, 15. Jahr-
hundert, Papier, Folio. - fol. 188 a~190 b (s. o.).
Die Genealogie dieser kleinen Gruppe ist durchaus nicht leicht.
Der Umstand, daß alle Hss. der Gruppe III ß unsere Erzählung ent-
halten, nöthigt wohl anzunehmen, daß dieselbe ursprünglich in eine Hs.
dieser Gruppe eingeschoben worden ist und erst aus einer solchen in Hss.
der reinen Rudolfischen Weltchronik übergieng, obwohl ich für diesen
Beweis keine Sicherheit beanspruche. Dagegen zeigt der Text keine
derartigen Differenzen, daß III B und I C sich strenge sondern würden,
vielmehr überspringen die Lesartengleichheiteu und -Differenzen diese
Grenze wie es scheint ganz willkürlich. Nur wenige Gruppierungen
lassen sich mit Sicherheit machen. Vor allem sondern sich in einer
Anzahl von Fällen CFG Eh und Sw von einander ab, so zwar, daß
die Lesarten der 5 Hss. den Vorzug verdienen. Innerhalb dieser scheinen
C G ZI unter sich etwas näher verwandt , weniger F und h. Zugleich
freilich stehen Cund h in der allerengsten Verwandtschaft; beide haben
zahlreiche Lesarten gemeinsam und vor allem haben beide eine Strecke
weit nach unserer Erzählung die von Vilmar S. 52 f. erwähnte von
Adams Krankheit und Heilung, die ich unten mittheile und die ich
sonst in keiner Hs. fand, sowie auch beiden allein die vv. 153 — 156
unserer Erzählung fehlen. Daß h an zahlreichen Stellen von C — meist
auch von den andern — abweicht, ließe sich daraus erklären, daß der
Schreiber von h überhaupt sichtlich willkürlich mit seinem Texte um-
geht. Wir erhielten so die Genealogie:
Original
• — ^ p'v F S w
Ch ^^
Aber dieser Genealogie wiederspricht eine andere Betrachtung.
Vilmar hat S. 31 darauf hingewiesen, daß die Erzählung thüringischen
[oder fränkischen] Ursprungs ist, da sie Infinitive auf e im Reime zeigt.
Diese sind, soweit wir sehen, in F alle erhalten, in den andern Hss. ver-
schieden geändert, so v. 25 f. 93 f. 201 f. 257 f. 259 f. 271 f. 305 f.
315 f. Dagegen sind die Reime 71 f 125 f. 191 f. 345 f. 361 f. in allen
6 Hss., C (rSEhio, gleichmässig geändert, waren also in einer ihnen
gemeinsamen Vorlage x schon geändert. CGSEio aber stimmen, gegen-
über von Ä, überein in den Änderungen 33 f. 39 f. 63 f. 91 f. 269 f. 325 f.,
und zwar ist an diesen Stellen die Verschiedenheit von C GSZlio und h
derart, daß die 5 erstgenannten Hss. nicht einzeln geändert haben
können, sondern diese Änderungen einer Hs. y angehören müssen, von
der alle fünf stammen. So ergibt sich dieser Stammbaum :
DIE BUSSE ADAMS UND EVAS. 333
Original
y
F h ca 2: s w
Ich sehe kein Mittel, beide Stammbäume zu vereinigen. Für die
Auswahl der Lesarten macht die Entscheidung für den einen oder den
andern wenig aus, da die Beschaffenheit der einzelnen Hss. in manchen
Fällen Lieht gibt. Bei der Unsicherheit ihrer Zusammengehörigkeit habe
ich nicht gewagt, mich im einzelnen Falle gegen die starke ]\Iehrheit der
Hss. mit Sicherheit zu entscheiden. Am wenigsten maßgebend scheinen C
und h, von denen die letztere sehr oft auf eigene Faust ändert. Besser
sind aS' und ic, doch nie maßgebend, i^ scheint öfters selbständig geändert
zu haben, obwohl ich keine der Lesarten dieser Hs. für unmöglich
halte. Am seltensten von den andern abweichend und wohl auch im
allgemeinen am besten sind G und 2J. — Tiefer einzudringen wird man
erst vermögen auf Grund der Vergleichung dieser und anderer Hss.
durch die ganze Weltchronik hindurch. Jedenfalls ergibt die Betrachtung
schon hier eine Bestätigung dafür, daß der Hss. der Weltchronik und
ihrer Umarbeitung sehr viele gewesen sein müssen, da zur Erklärung
so verwickelter genealogischer Verhältnisse, wie wir sie fanden, allein
für den beschränkten Umkreis der Hss., die unsere Erzählung enthalten^
eine Reihe von älteren Hss. angenommen werden muß.
Diese Betrachtung nöthigt mich auch, der Erzählung ein relativ
hohes Alter zu geben. Fallen auch alle Hss. in das 14. Jahrhundert,
so wird doch das Gedicht älter sein. Ich gehe wohl nicht irre,
wenn ich dasselbe noch dem 13. Jahrhundert zuweise. Stand es
freilich zuerst in einer Hs. der Classe III B, so wird es mindestens in
den Context dieser Bearbeitung nicht lange vor 1300 gekommen sein^
da die reine Crist-Herre-Resension selbst erst nach 1250 entstanden
sein kann. Alter kann unsere Erzählung sein, ich sehe aber keinen
Grund, das anzunehmen. Wie auch andererseits in dem Gedichte selber
kein Grund liegt, es später als 1300 zu setzen. Die Reime sind, so-
wie man den Inf. auf -e herstellt , ganz rein, ä : a kommt vor 35 f.
{getan : an), 155 f. {an : getan), 293 f. {hän : nieman), 347 f. {hantgetät : bat),
349 f. {sfat : hat), 359 f. {getan : an), 367 f. (gewan : sän). — v. 203 f. {ge-
slehte : rehte) hat nichts auffallendes; s. Lexer, mhd. Hwb. I, 917. Die
Reime tiir. 21 f., 57 f., 107 f., 249 f., 351 f., 365 f. lassen sich durch An-
nahme von doppeltem i, 351 f. von doppeltem 7, einfach entfernen.
Dies sind die einzigen Reimfreiheiten und alle derart, wie sie im
13. Jahrhundert allgemein sind. Wenn übrigens die Genauig keit ed
334 TT. FISCHER
Reimers in den hintern Theilen der Erzählung nachzulassen scheint
(in den letzten 100 Versen finden sich b ä: a gegen 2 in den 280 ersten)
so beweist das nur, daß seine Diehterkraft keine hohe war, dali er
sich aber der strengeren Anforderungen seiner Zeit wohl bewußt war.
— Daß die Poesie unserer Erzählung nicht mit hohen Maßstabe ge-
messen werden darf, springt in die Augen; doch gehört sie, im Ver-
gleich mit der Erzählung von Adams Krankheit (s. u.) noch nicht zum
schlechtesten. Ich unterlasse, mehr über den Charakter des Gedichtes
zu sagen, als Vilmar S. 32 über einige volksthümliche Züge desselben
gesagt hat. — Im metrischen ist der Verfasser roher als im Reime;
doch ist von Silbenzählung noch keine Rede, und auch hier zeigt sich
der Dichter als ein minder begabter Versificator in besserer Zeit. —
Die fränkisch-thüringische Heimat ist durch die Infinitive auf -e erwiesen;
sonst wüßte ich an mitteldeutschem nur etwa sein für reinhochdeutsch sä
anzuführen, welches sän v. 87. 151. 368 im Reime steht. Dem rein
mittelhochdeutschen widerspricht sonst keiner von allen Reimen, aber
auch keiner dem mitteldeutschen.
Die Quelle unserer Legende ist mir ebenso unbekannt geblieben
wie Vilmar'n. Herr Professor Diestel in Tübingen hatte die Güte, auf
meine Anfrage mit grosser Zuvorkommenheit mir folgendes zu ant-
worten : „Die beregte Sage ist mir unbekannt. Auch in der jüdischen
Litteratur weiß ich keine Quelle dafür, obgleich die Sage selbst jüdi-
schen Charakter trägt. Daß Adam im Jordan Sühne sucht, hängt
wohl mit der Meinung zusammen, daß das Paradies in Judäa war. Er
vollendet die Busse als Stammvater des erwählten Volkes. Eva, im
Tigris die sühnende Lavation vornehmend, gilt vielleicht als Stamm-
mutter der nicht erwählten, darum sündigen Heidenwelt". Ich be-
schränke mich darauf, diese Ansicht einer anerkannten Autorität in
alttestamentarischen Dingen mitzutheilen. Meine eigenen Nachfor-
schungen sind erfolglos geblieben. Immerhin hat die Erzählung ver-
hältnissmässig wenig eigenthümliches an sich und könnte vielleicht
auch in Deutschland erfunden sein.
Vilmar führt S. 32, um zu beweisen, daß unsere Legende im
Munde des Volkes sehr gäng und gäbe gewesen, ein Lied des 16. Jahr-
hunderts an , welches aus derselben geflossen sei. Die beiden von
Vilmar citierten Liedersammlungen, in welchen sich dasselbe, das eiue-
mal hochdeutsch, das anderemal niederdeutsch, befindet, habe ich ver-
glichen und gebe hier nach beiden den Text des Liedes Strophe für
Strophe nebeneinander, indem ich in Noten die Abweichungen gebe,
welche Ph. Wackernagel's Ausgabe des hochdeutschen Liedes (Das
deutsche Kirchenlied, Band IV, Nr. 1255, S. 1082 f.) darbietet.
DIE BUSSE ADAMS TJND EVAS,
335
A.
Andre hundert: | Christlichj
er H a u ß g" e s e n g e , | welche in
H 11 d e r n K i r c h e n g e ö e n g I n i c h t
begrieffen sind, vnnd von |
frommen Christen mögen | ge-
sungen werden. | Allen from-
raenChristen, | so lusthaben,
Gott mit gesang I zu loben,
mit fleiß corrigirt | vnnd
zusamen ge | tragen. | Der
ander Theil. |
[Zu Ende des Buches :]
Gedruckt zu Nürmberg durch Jo-
hann Koler.
[Diese Sammlung bildet das letzte
Stück des Sammelbandes Cant. 8"
22 der ständischen Landesbibliothek
zu Cassel.]
fol. CXXXVII [richtig 147] a.
[No.] XCVII.
Von Adam vnd Eua^ | In diesen
gesehwinden zeyten zusing- | eu,
durch M. Johann Kym. |
B.
Nye I Christlike Ge- | senge
V n d e L e d e , V p a 11 c r- 1 1 e y a r d t
Melodien^der besten, |ol den,
Dl"! des che n Leder. | Allen fra-
men Christen | tho nutte,
Nu erstlick gemaket, | vnde
in den Drück gegen en:| Do rch
Hermannum Vespasium, |
Predyger tho Stade. | P. K.
(handschriftlich erklärt : pawel
Knufflok.j I 157L I
[Zu Ende des Buches :]
Gedrucket tho Lübeck | dorch As-
sueriim Kroger. | M. D. LXXL
[In Cant. 8* 23 der ständischen
Landesbibliothek zu Cassel. I
[No.j Clin.
EinGespreke vnser ersten | Olderen,
van crem klechlyken | valle in de
Sünde, Im Tone, Ick | stundt an
einen Mögen, [sie] »fcc. |
ICH stund an einem Morgen, |
heymlich an einem ort: Da hat j
ich mich verborgen , ich hört |
clägliche wort, Die Eua clage [sie]
jr gros I se noth, der Adam thet
sie trösten, mit | Gottes heiligen
[sie] Wort. I
Ick stundt an einem Mor- | gen,
Hemlick an einem ordt: | Dar had
ick my vörborgen, Ick | hördt ghar
klechlick wordt: De Eua | klagt er
grothe nodt, Idt dedt se Adam |
trösten, Mit Gades ewygem radt. j
Sie sprach O Kinder alle, hört |
[fol. 147 b.] mein clegliche pein :
Dem Todt bin | ich verfallen, O
weh euch Kindern j mein, Meins
hertzen frewd ist gar | dahin, Ach
Adam liebster Adam, wo | seind wir
komen hin. |
Se sprack 0 Kinder alle, Hördt !
myne kleglyke stem: Dem Dodt
bin ick 1 vöruallen, O we juw Kin-
deren myn: | J\[yns Herten fröwdt
is ghar darben, | Och Adam leue-
ster Adam, Wor syndt | wy gka-
meu hen. 1
Str. 1, Z. 5 (nach Reimzeilen gezählt): klagt Wackernagel — 1, 7 ewigem
rath — 2, 4 kinder, — 2, 5 gantz.
336
H. FISCHER
Wohin ist nun die frewde, die
freu- I de des Paradeiß : Nichts
mehr denn 1 hertzen leyde, allhie
auff Erden ist. In | schmertzen ar-
mut muh vnnd not, wir | müssen
jmmer bleiben, vnd schliessen | mit
dem Tod. 1
Worhen is nu de froude, de
froude des | Paradyß: Nichts mheer
den Herte leyde, j Alhyr vp Erden
is: In smarten, Ar- | modt, möy
vnd nodt, Mothe wy jUmmer |
blyueu, Vndt bsluten mit demDodt.
Mich jamert vber massen, der
ar I men Kinder mein: Das ich sie
muß I lassen^ der schweren Todt-
licher [sie] peyn, | Ach leyder was
hab ich gethan^ ver- | flucht muß
sein die Schlangen, die | mir es
gerhaten hat. |
Adam.
5.
Nun hör vnnd laß dein clagen^
du I liebste Männin mein: Wir
wolln 1 drumb nicht verzagen, ob
wir wol I Siinder sein, Grott ist er-
zürnt vmb vn- I [fol. CXLVIII aj
sernt willen, gnad wil er vnns er-
zey- 1 gen, vrab eines andern willen. |
6.
Ein Sam von deinem Leibe, das |
heyl ist vnns gelobt : Der allen
Kin- I dem dienen , vnd vns hilfft
von dem i Tod, der sol die frewd
vnnd wonne | sein, in allen vnsern
noten, wollen | wir gedultig sein. |
7.
Gott gibt vnns diesen Samen,
als I was wir han verlorn : Drumb
wollen I wir nit so clagen, wird
[sie] seind jetzt new | geborn, Ein-
My Jamert ouer mathen. Der
ar- I men Kinder my [sie], Dat ick
se nu moth la- ] then. In swarer
Dodes pyn : Och leyder | [folgende
Seite] boß is myne daeth, Vur-
flöckt moth syn | de Slange , De
myt geraden hadt. |
Adam.
Nu hör vnd lath dyn klagen.
Du le- I ueste Mennin myn, Wi
wil drum | nicht vortzagen, Efft
wy wol Sunder | syn: Godt is
vörntörnt dorch Sunde | veel, Gnad
wil he vns ertögen, Vm ei- | nes
andren will. I
Ein Saedt van dynem Lyue,
Thom I Heil vns is gelauet: Wel-
cker vns ewich | blyue, Weddr den
so jegn vns dauet: De | schal de
frowd vnd wunne syn, In allen |
vnsen noden, Trostn wy vns des
allein. 1
Godt gifft dörch dissen Samen,
All I wat wy hebbn v6rlarn : Drfim
wiln wy | nicht so klagen, Wy
syn dt nu ny gebarn: | Ein ander
3, 2 freud des Paradiß. — 3, 3 dann. — 3, 6 mir müssen. — 4, 3 d. i. s.
nun m. 1. — 4, 4 schwern todlichen, — 4, 5 a. 1. boli ist meine that. — 4, 6 Schlange.
4, 7 mirs. — 5,5 erzürnet durch sunden viel. — 5, 7 wil. — 6, 2 zum H. —
6, 3 welcher vns ewig bleibe. — 6, 4 wider den so gegen vns tobt. — 6, 7 trösten
wir vns des allein. — 7, 1 G. g. durch d. S.
DIE HUSSE ADAMS UND KVAS.
337
ander leben hebt sich an, | der Leuendt heuet sick an^ De | Hem-
Hiniel ist eröffnet, wir w<tllcn mit | niel is geopent, Wy wilhi mith
frewden hinan. fVoiiden hen an.
I folgende Seite.]
Elia.
Ach Adam liebester freunde, wie- 1
wol ojefelt mir dein wort: Ich liab |
aiiß Gottes munde, auch selbs sol-
ches I gehört. Lehr mich du Heb-
ster Hauß- j wirt mein, wie ich
vnd meine kiuder, | sollen Gott ge-
fellig sein.
[fol. CXLVIII b|
9.
Adam.
Gottwil daswir jhn forchten,lie- |
ben aiiß rechtem gruudt : Von
hertz- I en jm vertrawen, vund hal-
ten seinen | Bund, In aller not jn
rüffenan,jhn | loben vnnd bekennen,
dann heilig ist | sein Nam.
10.
Wir sollen im Fried hie leben,
in I rechter trew vnd lieb : Die
schuld auch | gern vergeben, in
guten willig sein, [ Sich hüten vor
dem bösen all, was 1 recht ist all-
zeit pflegen^ So wird rhat [ vnserm
fall.
11.
Eua.
Des wil ich allzeyt pflegen, vnnd |
bitt all Kinder mein : Das sie sich |
auch ecAvegen [sie], jhren willen zu
geben | drein, Goet gesegne euch
liebste Kiu- \ der all, Gott wird
euch bald erretten, | von vnserm
schweren Fall.
[fol. CXLIX.]
Eua.
Och Adam leuester Fründe, Wo-|
wol gueldt my dyn wordt: Ick heb
vth I Gades Munde, Ock sülucst
sülcks ge- 1 hördt: Lheer my du
leueste Hwßwert | myn, Wo ick vnd
myne Kinder , Schöln j Godt ge-
uollich syn.
Adam.
Wy scholen vp ehn buweu, Ehn
le- I iien vth rechtem grundt: Van
Herten | ehra vörtruwen, Vnd hol-
den synen | Bimdt: In aller nodt
ehn ropen an, | Ehn lauen vnd be-
kennen^ Den hillich is | syn Naem.
Wy scholn im fred hyr leuen,
In 1 rechter trüw vnd leue : De
schuldt ock I gern vörgeuen, Thoin
goden wiilich syn : I Vns hoden vor
dem bösen all, Wat recht | is al
tydt plegen, So werdt radt vnsem |
vall.
Eua.
Des wil ick all tydt plegen, Vnd
bid I all Kinder myn: Dat se sick
ock erwegen, | Em willu tho geuen
darin : Godt ge- | segn Juw leueste
Kinder all^ Godt werdt | juw bald
erredden , Van unserm swaren |
vall, Amen.
7, 6 geöffnet. — 7, 7 freucl. — 8, 1 liebster. — 8, 2 gfelt. — 8, 7 solln. —
9, 1 Wir sollen auff jn bawen. — 9, 2 in liebn. — 10, 2 lieb vnd trew. — 10, 4 im
guten. — 10, 5 vns hüten. — 11, 3 erwegen. - 11, 4 irn wiln. — 11, 5 Gott gsegen
GEKMANT.A. Neiip TIeilie \. (\'^■IT.) .Tahig. 22
338 H. FISCHER
12.
Solches Lied hab ich gsimgen, |
als mich drang Adams fall: Meinj
leyd ist vberwunden, Genad herr-
schet I vberall^ Gelobet sey GOtt [fehlt.]
im Himel- | reich, der vnns hat
widergeben, das \ Leben ewiglich,
Amen.
Man sieht, die Ähnlichkeiten mit unserer Legende sind nicht
sehr groß. Jedem fehlen wesentliche Züge des andern. Der Erzählung
fehlt der trostreiche Ausblick des Liedes, diesem die wesentlichsten
Züge der Legende: die Busse (obwohl dies Vilmar so zu erklären
sucht, daß dieselbe als unevangelisch weggefallen sei) nebst der Er-
scheinung des Teufels, Ada*ns Entfernung, Kains Geburt. Daß beide
„fast denselben Gedankengang" zeigen (Vilmar S. 32), kann ich un-
möglich finden. Es bleibt nur das gemeinsam, daß Adam und Eva
nach der Austreibung sehr betrübt gewesen. Und das zum Gegen-
stand eines Liedes zu machen, konnte einem Dichter ganz wohl ohne
jeden Vorgänger einfallen, zumal da es eine Variation des oft variierten:
„Ich stund an einem Morgen heimlich an einem Ort'"'' galt. Unsere Le-
gende steht also auch von dieser Seite allein da.
Anhangsweise theile ich die schon erwähnte Erzählung von der
Krankheit und Heilung Adams mit. Sie findet sich von allen mir
bekannten Hss. nur in C und h. C hat dieselbe auf fol. 23 a — d;
voran gehen die Verse: Ena pei Adam trug alz ich furicar 'peioeiset piii
ane Seih vnd an kaym; nach folgen diese Verse: an dirr zeit beyonde
sehen alz loir di geschrift hören iehen von Beth (1. Seth) di gotes sein (1.
siln) di nam (1. man) etc. — h hat auf fol. 25 b bei den Worten: tvie
der icglicher starb in welchem alter er v'darh daz hete ich lieh alhie ge-
sait wan daz ich es dar vmhe mait daz üch der zal v\lrüs8e nicht der du
gescrijft vö n. iare gicht folgende Bemerkung von derselben Hand, die
die Legende von der Busse geschrieben hat: her nach an dem 190 plat
finst die tvie Ena vnd adam tod send vnd an dem 191 plat. Der Text
fährt auf fol. 25 b weiter: Nv heten ende genomen adä vü sin nach-
komen etc. Auf fol. 190 — 191 hat alsdann dieselbe spätere Hand die
Geschichte eingetragen. Die zwei ersten Verse derselben, die ich des
Zusammenhanges wegen mittheile, finden sich auch in den übrigen
12, 1 Solchs Lied hab ich gesungen. — 12, 4 Gnad. — 12, 5 Gelobt, —
Amen fehlt.
DIE BUSSE ADAMS UND EVAS. 339
Hss. dieser Bearbeitung, welche nach denselben ebenso fortfahren wie
C {an dirre zU hegonden sehen etc.). Ich gebe den Text von 6" mit den
wesentlichen Abweichungen von A, aber ohne mir zu verhohlen, daß
h manchmal die besseren Lesarten hat. Den Text kritisch herzustellen,
lohnte nicht der Mühe.
(Vil svn vnd tochter von der art
geporn vil geslachtes wart)
daz di werlt davon cham
got frawen Euara Adam nara
5 daz er yn selber must begraben
sus must er lait vnd reuwe haben
lang zeit vnd manigen tag
darnach hub sich ein ander chlag
mit einem siehtum der yu twanch
10 daran ym selbe misselauch
ein huf ym faulen began
do sprach der wol getan man
ZV einem seinem chinde
nu ge hin vnd nicht cnwinde
15 einen weg den ich dir weise
der treit dich zv dem paradeise
wen dw vindest darinne sten
zv dem soltu nahen gen
vnd pit yn daz er mich bedenche
20 e ich mich zv sere chrenche
der siehtum den ich han
du solt nicht gen vom ym dan
e du gehörest sein lere
dy soltu mercken sere
25 waz er mir sende daz pring mir
dez hab ich ze danchen dir
daz geschach alz er do hiez
der pote dez nicht enliez
er gie sein strazze do
30 durch die erczneie so
die seinem vater wäre gut
dez het er stetichleichen mut
vncz er indaz paradyse cham
do vaud er sten daz ym do zam
1 h docht^n. — 2 gebom aus den geschlachtn w^d. — 4 fraw eua. — 5 daz er
sy selb must v^grabn. — 6 des. — 7 lange. — 9 zwang. — 10 ser. — 11 schwellen.
— 12 der alte weise man. — 13 chind. — 14 gang hin nit erwind. — 15 ain. — dich
weis. — 16 tret. — paradeis, — 17 stan. — 18 nachent gan. — 19 vnd fehlt. — bedenck.
20 ich fehlt, — krenck. — 21 den siechtum. — 22 du solt von im nit schaide dan. —
23 v^nimest. — 26 han. — 27 do fehlt. — 29 er straich etc. — 31 w^ — 32 willigen.
— 33 bis er zum padeis kam. — 34 da vand er stan als im gezä.
22*
340 H. FISCHER
35 einen engel schön vnd chlar
der fragt yu zeliant offenbar
waz er sucht vnd waz er wolde
er sait ym wider alz er solde
seines vater potschaft werben
40 der wil laider gar verderben
an einem siehtum dez hat er mich
her gesant dez pit ich dich
daz dw furbaz pote seizt
ZV dem der allen seuch weiz
45 vnd mag si wol vertreiben
ob mein vater lebentig mug beleiben
da gert er deiner hilfe zv
der engel sprach nu peite dw
ich wil ym ein ercznei senden
50 da mit wil ich seinen siehtum enden
er gie do hin vnd nam
daz reis da von der apfel cham
damit man daz gepot zeprach
in einer stuiide daz geschach
55 er gab iz dem poten zehant
vnd sprach ez also genant
vmb daz reis dz merche dw
daz dein vater nu
cliain gesunt mag gesehen
60 ein wurcz muz an disem reis sten
wenn daz geschieht da merche pei
so wirt er seiner seuche frei
von danne schied der pot du
vnd gedacht manigerlay dar zv
65 wie daz ymmer sold ergen
ez must in der erden sten
daz ez wurczelt vnd grünet
sam andrew grüne zwei tunt
vnd want ez solder von obz chomen
70 inner dez het er vernomen
36 zehant fehlt. — 37 wolt. — 38 set. — solt. — 39 vat^s. — 40 er sprach er
wil v^derbn. — 41 siechtag'. — 42 nü pit ich dich. — 43 dz du mein pot wellest
wesn. — 44 zu im der tut wol genesen. — 45 — 49 statt dieser ff. m. : alln siechen
spat vil frü | da bgH er dein'' hilfe zu | d' engel sprach daz sei sein 1 ich wil adam dem
vat^ dein | ain ertzney senden. — 50 damit sol sich vHvenden. — nach 50 TMiei
weitere vv.: sein grosse siechait | w5 die ist mir für in lait. — 54 als ich vor mit
wortü sprach. — 55 er gabs dem poten in die hand. — 56 gewant. — 57 m^k vil eben.
— 58 deinem vat^ wirt nit gebii. — 59 «ife.sunthait ditz daz ist. gescheh. ■ — 60 dz ge-
wurtz will gehfi. — 61 — 64 statt dieser {]' 6 vv.: die höchst wurtz an dem reise | ez
wirt adam der weyse | ze hand seiner schweren suchte frey | nun var gat dein gelait
sey ) von danna schied er sa zehant | nil wz daz vil vnbechant. — 65 ergan. — 66 daz
reis mus in d''erde stan. — 67 er wurtzlot. — 68 als. — 69 solt. — 70 innen.
I
DIK lUJS.SE ADAM« UND liVAH. H4 1
eiu vil swcrlcichcw not
sein vator Adam wor tot
er wider zv im cham
daz selbe reis er do nain
75 vnd stacket iz ym in seinen numt
daz ez grünet vnd zv der stvnd
wuelis ZV einem pavme j^roz
der zwen cstc von ym selioz
des geleich da noch nie waz
80 adam seint davon geuaz
daz sein siehtum von ym quam
die ym von got lagen an
vier tausent iar vnd dennoch rac
wie cz vmb den paum furbaz ste
85 daz sait vns fraw Sibilla
di weissaget offenbar i)inden nach
darnach über manig liundert iar
ez must sein vnd wart seint war
daz er stund vil f'ruchtichleichen
90 vnd must allenden weinen deihen
daz in dein paradoyse waz geschehen
nv welle wir darumb furbaz spehen u. s. w.
STUTTGART. HERMANN FISCHER.
72 d* wer tot. — 74 da. — 76 nach d^ stund. — 77 pame. — 79 da fehlt. —
81 daz der sieclitü ende iiam. — 82 der im von got gezam. — 83 dannocht m^ —
84 pam. — 85 Sibila. — 86 die spricht weyssagent da. — 88 must es sein vu ward
war. — 89 daz es stund fruchbeleichn — 90—92 hImII dieser ff] w. : mit d'' frucht
reichen | die vns wz ain güt^ trost | vnd von d"' hell hat erlost.
Nachschrift. Soeben finde ich, was nicht früher gesehen zu haben mir sehr
bedauerlich ist, daß meine Erzählung nur eine verkürzende Bearbeitung der in Hagen's
Gesammtabenteuer Nr. 1 (Band I, S. 1 ff.) mitgetheilten ist Ich behalte mir vor, auf
das Verhältniss beider Gestalten der Legende ein andermal zurückzukommen. Inter-
essant bleibt die aus der Vergleichung beider hervorgehende Thatsache, daß die Er-
zählung nicht nur am Anfang und Ende, was sich von selbst erklären würde, sondern
auch in der Mitte mehrfach verkürzt in Rudolfs Weltchronik aufgenommen worden
ist. Einstweilen bitte ich, meine Mittheilung als ein — wie mich die Vergleichung
lehrte, durchaus nicht werthloses — Variantenverzeichniss anzusehen, das über den
Ursprung der Legende Gesagte aber (s. Hagen, Ges. Abent. l, S. LXX ff.) als nicht
gesagt zu betrachten.
342
K. SCHRÖDER
SUSANNA.
[159*"] Hie hebt sich an das*) leben der heyligen frawen Su-
sanna, wie die von zwain falschen richtern pracht bardt
vom leben zum**)tod und doch darvon erledigt wardt.
Wie der ain richter zu dem an-
deren sprach, da sy in dem gart-
tenmiteinanderspaczierengien-
gen.
Gesell, du wayst wol dy mär,
warumb wir kommen sein her.
was wir haben gedacht,
gedenk das es werd volpracht
5 an Susanna dem schonen weyb,
wie wir kommen hinder iren leyb,
unseren willen zepeginnen.
darumb laß uns wol pesinnen :
ob sy uns nit wolt gehorsam sein,
10 so kämen wir selbs in groß pein.
wir wellen sagen und sprechen,
das wir ainen jungling frechen
haben pey ir gefunden, [160*j
durch sein sterk sey er uns ent-
rannen.
Der ander richter antwurtat
und sprach zu im:
15 Gesell, dein rat der gefeit mir wol,
das wir den sachen thuen also.
schmük und truk dich in das ekk.
wartt das dich nyemant erstick.
Susanna dy schon kumbt da her,
20 sy ist unsers herczen peger.
so wil ich mich auch undter
schmyegen,
darumb mich nyemant mach pe-
triegen.
Susanna dy kam mit zwain jun k-
frawen in den garten da her
jUnd sprach zu yn:
Ir lieben tochter, zaycht mir her
des 61s und der sayffen ich peger,
25 das ich mich salb, wasch und dann
nun
get und schliest dy thür nach euch zu.
Dy j unk frawen antburten ir:
Fraw, eur wil der gescheg. [160'']
gedenkt das euch nyemant sech.
wir wellen gen hin ze hauß.
30 wann ir eur sach habt gericht auß,
wellen wir wider kommen her,
ist es anders eur peger.
Der erst richter zu der Susan na
sprach:
Susanna, nun nymb war,
dythiir des garten ist peschlossen gar
35 und ist nyemant der uns siecht,
gedenkh, hab ze uns dein iiflicht,
unsers willen soltu sein,
wildu nit verlieren das leben dein.
Susanna dyseuftat und sprach:
Angst und not hat mich umbgeben.
40 ach got von himel, wie sol ich leben ?
ei'fuU ich den richtern ir wegir,
so ist der ewig tod mit mir. [l61*]
wil ich denn iren willen nit beginnen,
so mach ich iren hendten nit ent-
rinnen.
*) Das dz der Hs. habe ich in das aufgelöst, weil die ausgeschriebene Form
allemal das, nicht daz lautet.
**) Hs. zwm und zw durchweg, ebenso ewr, frewnt, sewftat, hawß, hawpp, lewt,
sawmbt, gelawbt, pedewtent. pawrn, sawren.
5 schon. 12 frechtn. 41 irii. Der Schreiber wollte irii willen schreiben,
besserte aber während des Schreibens willen in wegir und vergaß irü zu corrigieren.
SUSANNA.
343
45 ea ist mir vil pesser das,
das ich in dy weck val in iren has,
denn das ich sundt wider got
und uheigieng sein gepot.
Der ander richte r sprach zu ir:
Susanna, ob du nit wild unsers
willen pflegen,
50 so wellen wir zeugniß über dich
geben,
das wir ainen pey dir haben ge-
funden
und dich verdampnen zestundcn
umb das übel das du hast gethan :
das wellen wir klagen deinem man.
55 es ist wägerer du pehaltst das leben
dein
und wellest uns hye gehorsam sein.
Susanna mit lautterstim sehr ay
und sprach:
HelfFt helfFt, mich wellent dy alten
hye in disem garten gewalten !
[lGl']Auch schriten auffdy zwen
altt richter mit lauter stimm:
HelflFt helfft, er ist uns entsprungen,
60 den wir pey ir haben gefunden !
Da sprach der knccht Joram
zu seinem gesellen:
Ehud, lieber gesell mein,
was mach diss geschray sein?
mein fraw in dem garten schreydt,
wer wayß was yr anleydt?
65 wol aufl", wir wellen schawen
was anlig unser frawen.
das well wir freuntlich rechen,
wir wellen aynn oder zwen der-
stechen.
Der knecht Eliud sprach:
Joram, das gefeldt mir wol.
70 seydt ich darzu raten sol,
so wellen wir pald geben endt
und uns heben gar pehendt.
wir wellen auch vast traben,
ob wir funden dy posen knaben.
75 sy sindt heut nit hynncn gebesen,
ich mayn sy haben das unrecht
plat gelesen. [162*]
der teufel hat sy petrogen,
das sy sich in den garten haben
gestollen.
eill pald j gesell, und laß uns
laufFen dar,
80 das wir der warhait werden gbar.
Da lieffen dy knecht mit un-
gestümen zu und sprachen:
Was geschray treybt ir hye
oder was ist eur pegir?
weit ir mein frawen hye beczwin-
gen,
es mocht euch nit gar wol gelingen.
85 es thuet mir auff euch gar andt,
das ir meinem herren thuet soliche
schandt.
ich sag euch pey meinen treweu,
dy sach mocht euch wol gerewen.
Der erst richter sprach:
Gesell, dein red laß undterwegen.
90 wir wellen das zeugnuß geben,
das dein fraw hat unrecht gethan,
ir trew geprochen an irem man.
das haben wir hye gesehen. [162'']
bor, gesell, das wunder ist ge-
schehen.
95 schik nach der frawen Susanna
also genant,
aiu haußfraw Joachim wol pekanndt.
Der Susanua knecht sprach:
Ist das dann also geschehen ist,
als du sprichst zu diser frist,
so sprich ich das an diser stat,
100 das sy wirt gestraflFt werden umb
dise tat.
55 wager',
absichtigt war?
Ob der als Abkürzungszeichen für er übliche Haken wirkHch be-
68 d'stechchn.
;34i
K. schrödp:h
Da sprach rabiMoyses zu seinem
kuccht Joseph:
Joseph, du lieber diener meio,
gee und volg dem rat meio,
dcinn gesellen nymm zu dir
und eifiilt uns unser pegir,
105 pringt uns Susanuam für gericlit,
das verhört werdt dise geschieht,
als uns dy richter tbundt kundt
auß iren payden Worten zestuudt.
Der knecht autburtat seinem
h e r r e n r a b i M o y s i und sprach:
Moyses, das sol sein. [163"]
110 ich und dy gesellen mein
wellen volpringen dein pegir
und Suaanuam pringen hcrfur,
und wellen uns uit lenger sparen.
woU aufi', geselkn, uns sol got pe-
baren.
Da d y k n c c h t r a b i Rf o y s i k a m e n
zuSusannam, sprachen sy zu ir:
115 Wol auf, Susanna, es mueß sein.
du hast gethann wider dy trew dein,
als dy zwen richtter thuent jehen.
wir furchten, du miiest umb dy
tat sterben.
D y f r a w S u s a n n a s p r a c h "■*■) :
Ich pitt euch, last mir aiu klaine
frist,
120 das ich das klag got dem herren
an list,
vatter muetter und dy freundt
zesam pring,
wann dy sach mir nit ist ring.
Wie d y f r a w S u s a n n a das vatter
und muetter und iren freunten
klaget:
Hcrczen liebster vatter mein, f 163'']
ich wil dir klagen meins herczen pein,
125 wie dy alten richter mich thuent
tringen
und vom leben zum tod pringen.
darumb das ich uit hab iren willen
verpracht,
haben sy wider mich falsche tat
gedacht.
nun mueß ich für das gericht
kommen
130 pald und schnell und nit verlcugcn.
Der vatter zu Susanna sprach:
Susanna, liebste tochter mein,
scez in got dy hofnung dein,
der dich mit seiner gnad mach
wol erleding,
das du mit dem recht nit wirst
peschedigt.
135 ach herre got von himelreich,
groß sehmerczen und layd mir
anleydt
umb dy schmach der tochter mein,
ich pitt dich, das du weist ir rich-
ter sein
und euphilig dirs in dy hendt dein.
Da k 0 m S u s a n n a für das g e r i c li (
mit vatter und muetter und mit
iren freunten waynend und kla-
gend. [164"] Der ander richter
V c r k 1 a g a t Susanuam und sprach
zu den j u den:
140 Da wir wandlaten in dem garten,
unser weyßhait außzerwarten,
kom dise tochter hye gegangen
mit zwain tochteren schon prangen,
dy zwo tochter sy pald von ir trayb,
115 sy alain in dem garten pelayb.
ain schöner jungling da zu ir kom
und sey undter sein arm nam.
er spilt mit ir der freuden spil,
das ich hye nit nennen wil.
150 wir sahen das verporgenleich,
wir eylten zu pehentiklich
und wolten das haben undterstandcn,
das sy nit weren worden ze
schandten.
der jungling uns da enthran
155 und lieff auß dem garten darvon.
*) spracht. 129 Vermuthlich stand in der Vorlage gengen statt kommen.
8U8ANNA.
;U5
dcö well wir liye zougmiß geben,
das sy soll Verliesen ilus leben,
nun, liibi Moysi , fnieh ieb dieh
auir dy trew dein,
was tunkt dieli das pest sein (164;''J
IGO wie man den eepruch straften solV
das wayst du auß der gcscliriH't wol.
Der r a b i M o i s c 3 s p r a e b :
Ich sag aurt' mein judiscbail,
das mir das ist von berczcn layd
das diso sach ist gescbehen.
165 noch mueß ieb yedy warbait jeben:
unib soliebc saeb und missetat
dy dise fraw verschuldt bat,
sol sy verstaindt werden zu diser
st und t,
als uns got gepoten bat durch
Moyses mund.
Des r a b i Moysi k n e c b t sprach:
170 Moises, ieb volg dem urtayl dein:
Susanna sol sterben und leydcn pein
umb dy sach dy sy hat gethau
an Joachim iren vil lieben mau.
Der erst r i c b t c r zu dem Y s a a e
sprach:
Isaac, du pist ain alter man, 1 1()5''|
1 75 laß uns dein maynung hyc verstau,
wie mau mit dem eepruch sol leben.
darumb tbue uns deinen ratt geben.
Der Isaac sprach:
Ich hayß rabi Ysaac
und bab gelebt manigen tag:
ISO solich sach ist mir nit chundt,
al3 ich bor zu diser stund
von diser frawen wert,
das sy ir bercz hat abgekert
von Joachim irera lieben man.
185 des mueß sy hye rotscham stan
und Verliesen ir leben,
also wil ich mein urtayl geben.
Ain ander jud sprach:
Isaac, dein rat gefeit mir wol,
das Susanna sterben sol
1 00 umb dy sach dy man sagt,
darumb sy ist worden verklagt.
f 1 6 5''J D a das g e s c h a c b , d y z w e n
rieht er legaten ir bendt auf
yr haupp, und der erst sprach:
Susaunam sol man nemen pehendt
und sey füren an dy endt
da man dy leut vcrstainen thuet,
105 dy da haben solicbeu muet
das sy ir ec also zeprechen :
das wil got an yn rechen,
gett und saumbt euch nit lang
und bist dem rechten seinen gang,
"200 so peleybt solichs undterwcgen.
nit pcssers urtayl wayß ich geben.
Da das urtayl w aß geben, sprach
dy fraw Susanna:
O herre got in der ewikayt,
du pist ain erkenner der verporgen-
bait,
du cikcust alle ding ee das sy ge-
schehen,
205 du kanst es in der klarhält sehen,
berrc, du wayst und erkenst das,
das dy richter durch neyd und baß
[IGG^'I
mich zu dem tod haben vcrdambt.
sy haben sich des nit gcscbambt,
210 vor dir und vor aller weldt
haben sy ain falsch urtayl gefehlt
über mich, dy armen tochtcr dein,
das laß dir, horre, armen sein
und erloß mich von irer hendt,
215 das ich nit werd also geschenndt.
DaspracbJoaehim, der Susanna
haußwirt, mit klag:
Ach mir der jämerleychen klag,
das ich ye gelebt hab den tag!
was janiers gesehiecht meinem leyb,
den ich siech an meinem schonen
weyb.
203 erkenner der verporgenhait ist
des Blattes von späterer Hand gesetzt: dw
durchstrichen und dafür am unteren Bande
pist dy ebig wai-haj't. 217 nye. 219 denn.
346
K. SCHRÖDER
220 ich het sey mir außerkoren,
so hab ich mein trew an ir verloren,
we mir der jamerlichen geschieht !
hat sy sich zu ainem andern ver-
pflicht,
dy mir dy liebst ist gebesen,
225 ach got, wie sol mein hercz genesen?
[166^1
wäger war mir der tod
wenn das ich leyden sol disen spot.
o höchster got in der ewikayt,
laß dir das wesen ymer layd.
Der Susanna vatter sprach:
230 Klagens thuet mir also not.
wäger war mir der pitter tod
wenn das ich ffol hören dise mär
von meiner aller liebsten tochtcr,
dy ich hab in allen eren erzogen.
235 herre got, sy wirdt hye angelogen
und falsch leich verklagt,
darzu unrechtleich versagt.
das sy solichs nit hat gethan,
das gelaubt ir frawen und man.
Der Susanna muetter sprach:
240 Du aller liebste tochter mein,
wie groß ist mein layd und das dein !
ano-st und not hat uns umbgebcn.
ich furcht, du verliest hye dein leben,
umb Unschuld wicrstu hye ermort,
245 wann solichs ist von dir nye wor-
den derhort,
in dem man dich thuet hye ver-
schulden,
ach got, wie muessen wirß gedulden,
piß uns got sein hilffe senndt,
das sy selbs werden geschenndt.
Da dy ding also gesc h ah en, da
fürte man Susannam hin, das
man*) sey verstay net. Aber Da-
niel der prophet sprang auß
der mitt des volks her auß und
sprach:
250 Unschuldig pin ich an disem pluet.
secht das ir den Sachen recht thuet.
Da &prach ainer von den Juden:
Was pedeutent dise wortt,
dy du da schreyst als das mordt?
oder ist den sachen nit recht?
[167'^]
255 des peschayd uns, du gottes knecht.
Ain ander jud nam den Daniel
pey der handt und sprach zu im:
Daniel du vil klaines kind,
wie tapflter deine wort sind!
du redts als du seyst ain alter man.
wildu dich der sach nemmen an?
260 es tunkt mich schwär, auf meinen
ayd!
nur got sey mit dir, es wirdt dir layd,
wann dy sach ist hertt und schwär,
Daniel mein liebster junger.
Daniel zu dem volk sprach:
Gett wider zu gericht,
265 es habent geurtaylt zwen poßwicht.
schaydt sy von einander,
das sy nit kommen zu einander.
Da sy von einander geschayden
wurden, sprach Daniel zu dem
ersten richte r:
Du veralteter in deinen tagen, [1 68' j
merck was ich wil sagen:
270 nun kumbt an dy sunnen,
was du dein tag hast gespunnen.
dy schuldigen hastu lassen leben,
dy imschuldigcn in den tod geben,
mm sag auß deinem posen posem:
275 undter welichem paum sagstu sy
mit einander kosen?
Der erst richter antburtat und
sprach:
Undter ainem kutenpaum hab ich
sy gesehen,
was von yn payden ist geschehen.
*) mein. 254 denn 274 posen plosen.
SUSANNA.
347
Aber Daniel sprach zu ym:
In deinen hulli hastu gelogen,
der teufel hat dich wol petrogen.
280 der enge! des herren schayd dich
von einandei",
das du wcrst hye zu schänden.
Daniel zu dem anderen richter
sprach:
Semen Chanaan und nit Juda, [168'']
wie stest du hye also da?
dy gestalt der frawen hat dich pe-
trogen,
285 das du hye also hast gelogen,
sach, uudter welchem paum du sy
thest sehen
mit einander schimpffen alz du
thuest jehen?
Der ander richter sprach:
Undter ainem zipperpaum das ge-
schach,
da selbs ich sy pey einander li-
gen sach.
Daniel der sprach zu ym:
290 In dein haiipp hast du gelogen,
du pist ser worden petrogen.
der engel des herren der sei dich
cntrennen,
das das volkh mi'ig erkennen,
das ir der tochter habt unrecht getan.
295 das merkth ir frawen und ir man,
huet euch vor solichem gericht,
das nit über euch kom solich ge-
schieht
als den zwain ist geschehen,
dy da falschlich haben da verjehen.
Aber sprach Daniel: [l69"]
300 Secht an, ir jungen und ir alten,
wie schon kunneu liegen dy zwen
alten !
wie sy so gleych zu einander sagen,
als waren sy kinder pey dreyen
tagen !
darumb ich »y urtayl und ist mein
mayuung,
305 das man sy für zu der verstaynung.
darumb nembt sy pahl dahin
und verstaintz, das ist mein syn.
und darumb , Mannasses , ain
richter in dem ganczcn landt,
dy sach ist dir wol pekanndt,
310 wie du mit yn solt varen,
das solichs füran nit werd mer er-
karen.
Also ward erledigt dy fraw Su-
sanna und Joachim sprach auff
seinen kny en :
Gelobt sey got ymer mer,
der von mir hat genumen mein wee
und mich erlöst hat auß grosser pein
315 und auch dy liebst haußfrawen mein.
D a r i c h t a t M a u a s s e s d e r r i c h t e r :
Ich Mannasses, ain richter im gan-
czen Babilon, [169'']
als ich wol auß der geschrift ver-
sten kan :
Susanna, alz Daniel hat gesagt,
unrechtlich ist worden verklagt.
320 darumb gib ich das urtayl mein:
dy zwen richter sollen selber leyden
pein.
darumb , züchtiger , nym hyn dy
zwen poßwicht
und verstain sy gancz ze nicht.
Also verstainet der zuchtiger dy
zwen richter und sprach zuyn:
Ir habt der tochter hye wellen
unrecht thun,
325 das wirt an euch selber. . . .
darumb seydt ir von dem richter
her gestelt,
als das urtayl ist gevelt.
das wil ich an euch volpringen
und füran euch weren das klingen.
330 und hat euch der pukel guktt
und dy poßhait getrukt,
280 enge! des engel, wie auch in V. 292 ; vgl. Vulgata Prophetia Danielis c. 13
V. 55: Angelas Dei und 59: Angelus Domini. 298 ist doppelt. 325 Nach selber
ein durch Correctur entstelltes Wort, von dem khay noch erkennbar ist. 329 eub.
348
K. SCHRÖDER
des wil ich euch pueß machen,
das cur kaincr wirt hichcn.
darumb Semen Chanaan, kum her
zu mir, [170"]
335 innkh was ich dir geben wil.
Der erst r i c li t c r sprach:
Puelschaft priugt mich iimb mcjiu
leben,
darumb wolt ich alz mein gut geben.
dy jicgir des fleysch hat verkert
mein hercz.
CS ist mir nun layder auß dem schercz.
Der zuchtiger sprach zu ym:
340 Nun wenn er schon biet ain pose
pegir,
ich wil yms wcrcn, das gelaub mir.
Als war dt der erst verstaindt
u n d w a r d her p r a c h t d e r a u d e r ,
und der sprach:
Puelschafft hat mich petrogen,
darumb ich mein layd mueß klagen.
biet ich aber das nit gethan,
315 so dcrfft ich nit hyc an dcrmartter
stan.
Der zu cht ig er sprach zu ym:
Hastu das sucß geren cingenumcii,
so ist es nun zu dem sauren kumen.
knyc nidcr, ich wil dir scheren,
das du dich wirst von der poßhait
kcren. [170'J
Des z u c h t i g e r k n e c h t sprach:
850 Der hurcsun wolt wider lebentig
werden,
peyt, peit, ich wil dir anders scheren.
Der zuchtiger zu sei n en knech-
ten sprach:
Nun, lieben sun, nun habt der sach
vleyß
und lern dt nach meiner weyß,
das ir auch zu cren kombt als ich.
355 darumb dy stummen loben mich,
wann ich hab mich wol anlassen.
das siecht man hye an mir auff
der Strassen,
das ich in meiner kunst in mai-
sterschafFt stee.
ich_rcytt oder ich gee,
360 so thuent dy leut aufif mich zaygen
und sprechen : secht an den vaygen,
wie tregt er der eren ain krancz
recht als der afF den langen swancz.
so kau ich auch solch urtayl nit
widersprechen,
365 ichwoltdenn an dcrwarhait prechen,
wann ich pin ye ain erber man,
das merkt ir all auff disem plan.[l 7 1"]
darumb lernn cur yeder alz ain
guetter knecht,
so wirt er auch zu solicheu crberen
Sachen recht.
D y knecht a n t b u r t a t e u und
sprachen:
370 Lieber maister, wir volgen gancz
deiner 1er,
damit wir auch erlangen solch er,
und kainer sol anders von uns
gelauben,
denn das wir gcrcn er wolten auff-
klaubeu,
und wo man sy vor uns zett,
375 da laufl'en wir dar umb dy gbctt.
wir haben auch selbs vil eren zer-
stratt,
dy uns der windt hat hyngewatt.
darumb bnrff ainer wol ein schaff
arbayß auff disen plan,
ce er undter uns traff ain frum-
men man.
Da sprach der peschlcusser:
380 Hortt, lieben Herren jung und alt,
wie dy sach auß dem alten ge-
seczt ist erschalt,
wenn der heylig prophct Daniel
das thuct schreyben am XIII capitel,
[I71"1
379 truff.
i
SUSANNA ;{4!)
und ist in barhait also geschehen doch sol das sein l'iumen f'ruwen uin
385 alzir des h VC ain figur habt gesehen, ^eyspill,
wie Susanne dem rainen weyb 395 das sy nit trettcn mit der ee über
ward gestellt nach dem leyb, das zill.
als noch wol mtieht geschehen, es ist auch mit den mannen wol
als dann wol eilich muessen verjehen, zepesorgen,
390 aber es ist ycczuud villeicht zepe- sy thuen das unverporgeu.
sorgen, sy sullen sich aber huetten von
das gescheg offt gar unverporgen. soüchen saehen,
ja wolt man yeczund den eepruch anders vvirt man sy darumbstrafl'en.
also straöen, 400 nun macht auff und last uns singen
es wurden der stain zebenig in und darnach ain tancz oder zwen
allen gassen. herumb springen.
Amen.
Daß die Handschrift Nr. 3027 der k. k. Hofbibliothek zu Wien
ein Spiel von der Susanna enthalte, war eine seit Hoflfmann's von
Fallersleben Verzeichniss der altdeutschen Handschriften zu Wien be-
kannte Thatsache, mit der auch unsere Litterarhistoriker — beispiels-
weise Wackernagel, Geschichte der deutschen LitteraturS. 313; Goedeke,
Grundrili S. 93, Nr. IG; Koberstein-Bartsch I, S. 367 — bereits ge-
rechnet haben. Schon aus diesem Grunde scheint mir das vorliegende,
jener Handschrift entnommene Stück einen Abdruck zu verdienen, um so
mehr als Begebenheiten des Alten Testamentes im Mittelalter nur selten
in selbständiger Behandlung den Inhalt geistlicher Spiele bilden. Und
daß die Historie von der keuschen Susanna ein dankbares Motiv zu
dramatischer Bearbeitung bietet, haben wenigstens die Dramatiker
einer nicht viel späteren Zeit wohl erkannt: besitzen wir doch aus
dem 16. Jahrhundert neben einer lateinischen Bearbeitung (gedruckt
Antwerpen 1533 oder 1534), deren in Wackernagel's kleineren Schriften
I, S. 354 Erwähnung geschieht, nicht weniger als vier deutsche : durch
Sixt Birk, Paul Rebhun, Leonart Stöckel und Herzog Heinrich Julius
von Braunschweig. Gegen die Werke dieser besser geschulten Dichter
steht freilich unser Spiel mit seiner schlichteu Behandlung zurück.
Unser Verfasser hielt sich, soweit es angieug, an die Vulgata:
der peschleusser weist uns ausdrücklich auf das 13. Capitel des Buches
Daniel hin, Avelches die Lutherische Bibel bekanntlich vom Daniel
trennt und den Apokryphen zuweist. Einen guten Theil des Vulgata-
textes hat denn auch der Dichter fast wörtlich benutzt, wie nachfolgende
Zusammenstellung der Verse des Stückes mit denen der Vulgata dar-
thut. Zu V. 23—26 vgl. Vulgata a. a. O. 17: Afferte mihi oleum et
3% ze fehlt.
350 K SCHRÖDER
smigmata^ et ostia pomarii claudite ut laver. — V. 33—51 entsprechen
ziemlich genau Vulgata 20 — 23, wo es heißt: Ecce ostia pomarii clausa
sunt, et nemo nos videt, et nos in concupiscentia tui sumus: quam ob
rem assentire nobis, et commiscere nobiscum: quod si nolueris, dice-
mus contra te testimonium, quod fuerit tecum juvenis .... Ingemuit
Susanna, et ait: Angustiae sunt mihi undique: si enim hoc egero, mors
mihi est, si autem non egero, non eflfugiam manus vestras. Sed melius
est mihi absque opere incidere in manus vestras, quam peccare in
conspectu Domini. — nur daß der Dichter die beiden Richter nicht
gemeinschaftlich reden läßt^ sondern den ersten Theil der Rede dem
einen, den zweiten dem andern Richter in den Mund legt und die
Antwort der Susanna, statt sie der Vulgata gemäß an das Ende zu
setzen, zwischen beide Reden einschiebt. — Die Rede des „andern"
Richters V. 140 — 156, in der Vulgata beiden presbyteri gemeinsam,
stimmt zu Vulgata 36—40: Cum dearabularenms in pomario soli, in-
gressa est haec cum duabus puellis, et clausit ostia pomarii^ et dimisit
a se puellas. Venitque ad eam adolescens, qui erat absconditus, et
concubuit cum ea. Porro nos , cum essemus in angulo pomarii , vi-
dentes iniquitatem , concurrimus ad eos , et vidimus eos pariter com-
misceri. Et illum quidem non quivimus comprehendere .... et apertis
ostiis exsilivit .... hujus rei testes sumus, — Zum Gebete der Susauna
V. 202 — ^212 vgl. Vulgata 42 — 43: Dens aeterno, qui absconditorum
es cognitor, qui nosti omnia, antequam tiant, tu scis, quoniam falsum
testimonium tulerunt contra me, et ecce, morior, cum nihil herum fe-
cerim, quae isti malitiose composuerunt adversum me. — Der Ausruf
des Daniel V. 250 entspricht Vulgata 46: Mundus sum a sanguine
hujus; Daniel's Aufforderung V. 264—267 lautet in der Vulgata 49:
Revertimini ad Judicium, quia falsum testimonium locuti sunt adversus
eam, und 51 : Separate illos ab invicem procul , seine Anrede an den
ersten Richter V. 268 — 275 in der Vulgata 52 — 54: Inveterate dierura
malorum, nunc venerunt peccata tua, quae operabaris prius: judicans
judicia injusta, inuocentes opprimens .... Nunc ergo si vidistis eam,
die sub qua arbore videris eos colloquentes sibi. Vgl. auch V. 278
und 280 mit Vulgata 55 : Recte mentitus es in caput tuum : ecce enim An-
gelus Dei .... scindet te medium ; ferner V. 282 und 284 mit Vulgata 56 *
Semen Chanaan et non Juda, species decepit te; sodann V. 286 und 287
mit Vulgata 58: Nunc ergo die mihi, sub qua arbore comprehenderis
eos loquentes sibi; endlich V. 290 und 292 mit Vulgata 59: Recte
mentitus es et tu in caput tuum, manet enim Augelus Domini ut
secet te medium.
8USANNA. 351
Bei allem Anschluß an die Vorlage blieb freilich dem Dichter noch
Raum genug übrig zu eigener Zuthat, da er ja die erzählenden Ab-
schnitte der Vulgata in Dialog umsetzen mußte. Ganz sein EigenUium
sind namentlich das Zwiegespräch der Knechte Joram und Eliud V. Gl
bis 80, der Dialog zwischen Susanna und ihrem — im Stück nicht mit
Namen genannten — Vater Helcias V. 123 — 139, die Klagen des Joachim
sowie der Eltern der Susanna V. 216 — 249 und der ganze Schluß
von V. 324 an, in welchem dem volksthümlichen Element der geist-
lichen Spiele hinreichend Rechnung getragen ist. Ein dankbares Motiv
hat sich übrigens der Dichter entgehen lassen, indem er die Stelle der
Vulgata 32: At iniqui illi jusserunt, ut discooperiretur (erat enim coo-
perta), ut vel sie satiarentur decore ejus unbeachtet ließ, — eine Stelle
übrigens, über die z. B. auch Paul Rebhun in seiner Susanna (Act 4,
Scene 4) flüchtig hinwegglitt.
Eine Gliederung des Stückes in Abschnitte hat die Handschrift
nicht vorgenommen; der Strich nach V. 100 ist von derselben späteren
Hand hinzugefügt, die auch stellenweise einige Namen beigeschrieben
hat, z. B. den des Vaters der Susanna, sodann beim Knechte des Rabbi
Moses vor V. 109 'Rüben', bei 'ain ander jud' vor 188 'nomine Achior,
welch letzteren beiden Namen in der Vulgata nicht vorkommen. Nach
V. 100 ist ja ein Abschnitt geboten : der Beginn der Verhandlung gegen
Susanna hat erst am folgenden Tage statt (Vulgata 27: Et facta est
dies crastina). Die Verse 101 — 114 bilden einen allerdings sehr kurzen
Abschnitt für sich und spielen wohl im Hause des Rabbi Moses;
V. 115 — 139 sind ebenfalls eine in sich geschlossene Scene im Hause
der Susanna. Von V. 140 an befinden wir uns auf dem Richthause,
und nach V. 323 Avird eine letzte Verwandlung der Scene anzunehmen
sein, da der Dichter (vgl. V. 192 ff.) einen besonderen herkömmlichen
Ort für die Steinigung anzunehmen scheint.
Daß die Handschrift nicht Original ist, wird wohl durch die mehr-
fachen Fehler derselben ausser Frage gestellt. Die Sprache des Ab-
schreibers ist die stark ausgeprägte bairische Mundart. V^'^ie groß aber
der Zeitraum ist, der den gegen Ende des 15. Jahrhunderts thätigen
Abschreiber vom Dichter getrennt hat^ dürfte schwer zu sagen sein.
Nur das kann wohl vermuthet werden, daß Original und Copie dem-
selben Jahrhundert angehören.
- LEIPZIG, im Herbst 187G. KARL SCHRÖDER.
352 P- VETTER
LESEFRÜCHTE AUS ZÜRICH UND BERN.
VON
FERDINAND VETTER.
I. Zürcher M i 1 c h s c g e n.
Der nunmehr geschiedene EttmüUer theilte mir 1874 zur Ver-
öffentlichung die Abschrift eines ahd. Zauberspruches mit, welchen
nach seiner Angabe H. Wislicenus, kurz vor seinem traurigen Ende
bei der Schneeruns am Grünhorn, in einer aus St. Gallen stammenden
Zürcher Miscellanhandschrift gefunden.
Ich habe zwar beim Durchgehen der stattlichen Anzahl von St.
Galler Handschriftenbänden, die von der Toggenburgerkriegsbeute her
auf der Stadtbibliothek in Zürich verblieben sind, bislier diesen Spruch
nicht wieder auffinden können, gebe ihn aber hier gleichwohl vorläufig
nach der genannten durchaus zuverlässigen Überlieferung.
Ad signandum domum contra diabolum.
Uuola uuilit toz tu tieist^
taz tu tiiiiht heizist,
taz tune uueist noch ne cllanst
cheden chuospinci.
chuospinci, wenn richtig abgeschrieben, dürfte für cJniospuinii stf.,
Kuheuter (spunm Graff, Sprsch. 6, 343), oder chuospunsti stf. pl., Kuh-
nielkungen, Kuhmilch, stehen: spanan schlägt in Ableitungen vielfach
in die Wurzel spinnan über, Gr., Gr. II, Nr. 37,5; endlich wäre Ver-
schreibung aus cliuospemti stf. pl. Kuhbezauberungen, möglich. Sicher-
heit wird erst die Wiederaufiiudung des Originals geben.
Ich übersetze demgemäß :
Gut, TFicht, daß du icehi,
daß du IFicht heissest,
daß du nicht weist noch kannst
sprechen „/vuhmilch" ;
(oder ,,Kuheuter"?) d. h. Avohl: Der Wicht, sobald er bei seinem Namen
als Wicht genannt ist, verliert die Macht über die edle Gottesgabe der
Milch, deren schönen Namen er nicht einmal weiß noch sprechen
kann. Oder
. . . daß du nicht weist noch A;annst
/uihbezMuberung aussprechen,
LESEFRÜCHTE AUS ZÜRICH UND BERN. 353
d. h. durch Zauberspruch deu Kühen die Milch abtreiben oder ver-
derben.
Die Orthographie zeigt beste Notkerische Tradition {taz, tu u. s.w.);
inkonsequent sind nur das einfache n und das ch in ueist und noch.
Die Allitteration ist regelrecht: aa/ax und xb/bb (2 -|- 1 und 1 -\-2),
nur daß vor a auch die Malfüllung {uuola) noch einen überzähligen
Reim hat. Wer LioduhäUr im Deutschen anzunehmen liebt, mag
V. 1 und 3 in zwei Verse theilen und in V. 3 noch einen Keim her-
stellen.
II. Lateinisches.
Cod. C 78 der Zürcher Stadtbibliothek enthält S. 104 ff. ein
meines Wissens noch nicht veröffentlichtes Gedicht auf Karl den
Großen (Rex Karolus caput orbis amor populique decusque), mit
deutschen Namen seiner Töchter: Rhodrud, Berta, Gisela,
Rhodhaid und seiner Gemahlin: Liutgardis. Anfang von Cap. I:
Rursus in ambiguos gravis ammonet anchora calles
Vela dare, incertis classem coucredere ventis.
Cod. C 129/453 auf dem Anfangsblatt steht als Federprobe das
Distichon:
Rinoceron pectus uideat si forte puellae,
Inde (?) separatur atque miser capitur.
IIL Rudolf von Habsburg und der Priester.
In der Chronik des Ulrich Krieg (15. Jahrb., Zürcher Stadt-
bibl. Cod. A 80/56) findet sich ßl. 10* eine Version der bekannten Er-
zählung von Rudolfs Begegnung mit dem Priester, die von der jüngeren
beiTschudi wie sie Schillern vorlag (ueuestens gedruckt in Goedeke's
Schiller- Ausgabe 11, 459 ff.) wesentlich abweicht.
Es was ein grauff gesessen by Bru gg dem stättli, da die Arr
in die lindmag gautt nütt ferr davon, und die Rüss, uff einer bürg,
hieß habsburg, und hiel''* ouch der grauff Grauff Ruodolff von
habsburg, und was gar ein fromer her, Als er wol bewertt mit
göttlichen tugenden, und der selb graff Rudolff reitt eins mals über
veld. Do reitt ein ander herr mit im ; Do begegnett inen uff dem veld
ein priester mit ünsers herren fronlichnam und wolt einen menschen
bewaren. Do knüwetten die zwen heren nider uff die erden, und do
der priester zuo innen kam, Do sprach Grauff Rudolff von habspurg
zuo dem priester: lieber herr, warumb rittent ir nütt? Do sprach der
priester: da han ich ein armes pfründlin und mag es nütt haben als
ich es gern hetti. Do sprach der vorgenautt Grauff Ruodolff zuo dem
GEEMANIA. Neue Keiiie X. (Xill, Jahrg.) 23
354 ^^ VETTER
priester: lieber herr, so nement min pferitt und band es allweg got ze
lob und ze eren. Do das der ander herr sach, der gab sin pfäritt
dem Sigristen. Nun giengent die Zwen herren zuo fuoss, des sy nütt
gewon warent, und giengent für einen holen stein ; da was ein klous-
nerinne, zuo deren giengent sy und gesachent sy und gruoßtent sy und
enpfalchentt sich in ir gebett. Do sprach die selb klossnerin: lieber
herr, ir heind gott ein Er erbotten; ir sond wissen, daz ir sond XXX iar
uff gan mit allen eren ; Gott wil es wol erkennen die adellich tugent
die ir im erbotten band, und wil üch gott üwer sei ewenklich erfröwen.
Nun merk ein yecklich man: wer got er büttet mit adellicher tugent,
das mag im got wol dancken ewenklichen und an dirre weit, Als es
wol schinbar ward hernach an diesem herren, do er Römischer küng
ward, gott weist wol umb sin sele.
IV. Angelsächsische Urkunden aus Bern.
Die Pergamenthandschrift Nr. 671 der Berner Stadtbibliothek,
9. Jahrb., 8" (Hagen, Catalogus S. 498), welche die vier Evangelien
lateinisch in angelsächsischer Schrift enthält, zeigt auf den letzten vier
Blättern verschiedene etwas spätere Einzeichnungen von demselben
Schriftcharakter. Bl. 74'' stehen die zwei Akrosticha auf AELFRED
in Hexametern, welche in Hagen's Carmina medii sevi (Bern 1877)
S. 11 abgedruckt sind. 75'' folgen Aufzeichnungen in angelsächsischer
Sprache. Ihren Inhalt gibt Hagen's Katalog a. a. O. nach einer hand-
schriftlichen Mittheilung Vollmer's, welchem Halm, mit den Vorarbeiten
zum Katalog beschäftigt, dieselben vorgewiesen, folgendermassen an:
a) Adalward postulat ut Kiolbreht dei ministris Bederindensibus
(lies: Bedevindensibus) duas decumae partes det.
b) Societas monachorum quaedam statuit, quid singulis pendendum
sit pro sociorum salute animarum.
c) Odwinus patitur Birhtgundum (lies: Birhtgundam, oder eig. ags.
ByrhtgyP) in aliam terram transferri.
d) Odwinus {Eddvnne) patitur Agiwunniam {Ecgvynne) in aliam
terram migrare.
Die Aufzeichnungen sind von drei verschiedenen Händen gemacht:
die erste setzt für y ein /^-ähnliches Zeichen, die zweite das gewöhnliche,
die dritte bald das eine bald das andere. Die Wörter sind unregel-
mäßig oder gar nicht abgesetzt. Ich lese wie folgt:
(Tö*") f sejjelveard cyd ceolbrehte Jjset ic ville J)8et J)U agife ]5a
tvegen dselas Jjsere teodunge from bedevindan and fram lamburnan \>&m.
LESEFRÜCHTE AUS ZÜRICH UND BERN. 355
godes })eovum to fostre set bedevindan and hie hit dselen betveoh him
s.va de gemetlic |)ynce.
6 Zeilen ausgeschabt.
(Andere Haud.)
t jjyses gegildes gersednes is gif hyrra hvylcum foret sit (sie;
könnte es fore and szcC heissen?) gebyrige begyte selce uif msessan.
odde fif saiteras for j^a saule and set Jjam J)ritigeJ)an (lies: priti-
gestan'^) daege tvegen (Fussnote: miserere uobis).
(76") and tvegen uifl hafas and an penig veord sufles svylces he
begyttan*) msege and set hyrra mitting gesceotan tvegen and tvegen
anne pennig for hyra savle and ait husbryne tvegen and tvegen fojsoini
timbres and dset bevyrcen**) o|)J)e tvegen peniggas and ))an msesse-
preos]3e (lies : -preoste) on gagdagas sceotan tva ge sam hivan an geogscep
o])])e tvegen peniggas and gif hva his giidan gelihinie oJjJDe gevyxse
on his gildsetle gebete raid fif anib breon ea laj) and mid J)ri — (die
Zeile und die Seite nicht ausgeschrieben).
(Dritte Hand.)
(76'') h) Ic (?) cy]) jjset eadvine geuj)e vynsige and a])elno]3e his
men J)8et he moste adon byrhtgyJDe ut of J)am geburlande mid tyn man
cussan fser frige on selc land jja selfsige folga]^ hsefde and vynstan vass
his gingra on hyra gevitnesse and on gelfhe hes (sie) msessepreostes and
on 8e]3eldry]3e |)8ere minnan and on titsiges and on tsetiges and on ealra
J)ara godes ]3eova set bedevindan and on ceolbyrhtes suna gevitnesse
sigestaues and 8e]3elsta(nes) and on ealles JDses folces.
J)is is gevitnes (übergeschrieben) ecgvynnes jiset eadvine hyre
geuj)e ]3(a5t) heo hy moste adon ut of j^am geburlande fser frige on selc
land mid tyn man cusson seolfres Jsa selfsige folgaj) hsefde and vynstan
vses hi(s) geongra on hyra gevitnesse and on selfhehes msessepreostes
and on ealra jjara godes })eova set bedevindan and on ealles jjses folces.
Von Werth dürften in diesen Urkunden für uns nur die zahlreichen
Eigenamen sein: Apelveard, Ceolbreht (76'' Ceolbyrht), Bedevinde, Läm-
hurna, Eadvine, Vynsige, Apelnop, Byrhtgyp, Älfsige, Vynstan, AIJ-he[re?],
Apeldryp, Tifsige, Tcetige, Sigestän, Äpelstan, Ecgvynne, von denen ich
nebst dem unsichern J!(/Äe[re?] (zweimal)^ den Titsige (zu üd'i) und
Tcetige (zu tcetan, altn. teita^ teitr, ahd. gei??) mir nicht zu deuten weiß«
77'' ist noch eingetragen:
Aubertus. Gauterius. Amelina. Conidos.
*) Das e übergeschrieben.
**) a/nd äcet bevyrcen übergeschrieben.
23
356 F- VETTER
Nomina VII'*" dorinientum. Maximianus. Malchus. Marthinianus.
Dyonisius. Johannes. Serapion. Constantinus.
Descriptio filacteriorum uel uasorum auri et argenti quas habet
capicherius sub custodia sua. habet enim filacteria aurea IUI aUa uero
quorum opercula .... (abgebrochen)
V. Gebete.
Ein ausLuzern stammender, im Besitze des Herrn Großrath Bürki in
Bern befindlicher Handschrifteubaud (Pap., 4", 15. Jahrhundert), welcher
demnächst an die Berner Stadtbibliothek übergehen wird, enthält nach-
stehende deutsche Stücke:
1. Sammlung von geistlichen Traktaten und Gebeten, von
einer und derselben Hand (nach S. 111'' Jacob Amgrund, Scolaris
in Luceria, in festo S. Crucis 1465, Bruder des aus der Sage von
Niklaus von der Flüe bekannten Pfarrers Amgrund), und zwar: S. 1.
2. 21 — 41 Auslegende Umsehreibung des englischen Grusses, Prosa,
mystisch gefärbt, von einer Frau, mit angeknüpfter Geschichte Christi
und Marienlegenden, welche denen in Pfeiffer's Marienlegenden XXI
(v. d. Hagen, Ges. Ab. 89) und Gödeke, Mittelalter S. 133, 46, 6 ent-
sprechen. S. 42 Auslegung des Paternoster. S. 56 Gereimte Paraphrase
des Ave Maria (s. unten). S. 60 Gedicht an den Erlöser (s. unten).
S. 63 Gebete an Maria und an Christum (s. unten), vgl. S. 8 und 65.
64 Neun „Nutz" des Ave Maria. 65 Betrachtung des Leidens Christi.
19. 20. 67 ff. „S. Anshelms Frag" an Maria über das Leiden Christi.
97 Klage über Christi Leiden. 98 Die 9903 Wunden Christi. Legende
vom Tod Marise. 105 Lob der Maria. 110 Gebet des heil. Franziskus.
Schlusswort.
2. Ahnliche Sammlung, andere Hand: Leiden Christi, Leh-
ren des heil. Bernhard, Mystische Sprüche, 12 Strassen zur Hölle (s.
unten) u. s. w.
3. Ein Marienleben, Prosa, mit sehr fleissig ausgeführten Feder-
zeichnungen, die Legende und die alttestamentlichen Weissagungen und
Vorbilder illustrierend. Allerlei Volksmässiges (Kälte zu Weihnachten;
Josephs Hosen 146").
4. Heinrich Suso's Büchlein von der ewigen Weisheit,
mit dem Epilog (Inhaltsangabe und Fluch auf die Interpolatoren).
5. Spiel vom jüngsten Tage. Theilweise gedruckt bei Mone
Schausp. d. M. A. I, 273; hier etwa HO Verse mehr.
6. Philipps des Karthseusers Marienleben, letzter Theil,
bei Rückert Vss. 9196—10065; die Nachrede 10066—10131 fehlt.
LESEFRÜCIITE AUS ZfJRICH UNI) HERN. 357
7. Traktat vom zeitlichen und ewigen Tod, von Hölle und
Himmel.
Ich gebe im Folgenden aus Nr. 1 die Stücke S. 56'' — 64'' und 4".
Vom zweiten Stück an sind die Verse in der Hs. nicht mehr abgesetzt,
von St. 3, Z. 7 od. 10 an gehen sie in Prosa über. Zwischen 2 a und b
ist kein Absatz. Die Verse sind sehr frei gebaut; wo die Füllung
metrischer Lücken sich leicht ergab, ist dieselbe durch kursiv ge-
druckte Ergänzungen erfolgt. Die Schreibung ist nach den gewöhn-
lichen Grundsätzen geändert, so auch die des ä (und ä) in haut = hat
1, 40. 63, aufi = a^ 1, 116, — nicht aber die mundartlichen Formen:
die für diu (oft), zuo f. ze (oft), loa^ f. swa^ 1, 85. 206, wenn f. sioenne
1, 56, Timnd f. munde (Prosa), gedenk f. gedenke 2, 65 (doch 2, 9 dinen
gesetzt wegen des Versmasses; 2, 4 dmjamer ist wohl Neutr.); si sdhent,
hundent, sluogent u, s. w. 2, 13 ff. (2, 27 stand freilich schluogen, riioffen)]
unverserti f. unversertiu 1, 45, sogar lieht : diehe 2, 17; Äeri, süez, (Hs. süss)
f. harte, suo%e 2, 38. 1, 135, manschen f. menschen 1, 195 u. ö. , heligi f.
heilige 2, 73 u. ö., zwang, gezwangen f. tioanc 2, 16. 24. — Namentlich
sind die der Mundart dieses ersten Schreibers eigenthümlichen zweiten
Personen des Sing. Impf. Ind. auf t(e) belassen : Hs. du, gebert 1, 3,
lüurt 1, 113, gebt 1, 196, Mengt, starbt (Prosa), anderswo du verlurte u.s.w.
(vgl. — unrichtig — schuofft 1,190, hiest ib., 3. Pers. loeist 1, 192).
Daneben steht freilich hattest (Prosa), sogar loerest : maere. — Andere
beibehaltene Inkonsequenzen der Hs. sind die dialektischen „unechten"
Tenues in hymeltiett 1, 48, pluot (Verb.) 1, 59, tot^ 1, 114, itirst 2, 5,
trang (= dranc) 2, 15, pitter 2, 61, die unechte Media in drank = tranc
2, 61, neben hluost 1, 61, bkiot 2, 15, dürnin 1, 17^ getrenket 1, 63; ferner
künsch 1, 12, 127 neben kilsch 1, 81. 119; über 2, 9 (sonst M&er); her
neben herre, Jesus neben Jhesus.
1. Paraphrase des Ave Maria.
[56"] Ave Maria.
Ave! got grüe^ dich, reine magt!
Gro^ lob und er si dir gesagt
Darumb da^ du gebaert den trost,
Der uns von Adams val erlost,
5 Den Eua unser muoter schuof
Erhoer, Maria, minen ruof
Und nim mich in die gnade din.
Du unvermaelter ganzer schrin!
Du bist die port und ouch die arch,
10 Dar in got selber sich verbarc,
3 gebert. 10 sich got selber.
358 F- VETTER
Der rigelslo^ nie wart zertrant,
Als all propheten tuond bekaut,
Und schribt^ euch menges lerers hant.
Gracia
Gracia: gnäd, fröid und heil!
15 Erwirp mir, frou, den hoehsten teil
Umb got, den iemer werden Ion!
Der üf sim houpt ein dürnin krön
Für mich und alle sünder truoc,
Den got, der Olofernum sluoc
20 Und Sodoma versinken liez,
Der sich daz mer halten hiez
[57*] Und Jacobs kinder darüber fuort,
Die hant, die adams rippe ruort:
Die soltü für mich bitten vast,
25 Maria, lichter sunnenglast.
Der gnäd und saelde nie gebrast!
Plena
Plena: vol der gotheit gro?!
Der sich am kriuz lie? sehen blo?,
Maria, er wart von dir geborn,
30 Der in Egipto sinen zorn
Mit siben zeichen schinen lie^,
Der Baalams esel reden hie^
Und Abraham dri engel sant,
Des muoter und magt du bist genant!
35 Des lob ich dich, Maria zart^
Du bluomenbernder rosengart!
Tuo mir diner gnädenhilfe stiur,
Du rein gebalsemt creatiur,
Gehüet mich vor der helle viur!
Dominus
40 Dominus: der herre hat
Mit dir vereint sin trinität,
Als Gabriel die botschaft warp.
Got, der an der mönscheit starp.
Der selb ze muoter dich erkos.
45 Du unverserti ganze klos,
["] Du bist, die got und mönsch gebar;
Darumb bistu erhoehet gar
Dort über alle himeltiet.
Jhesus, dtn kint, im selber riet.
13 och schribz mges leres. 26 Die gnad. 35 lopt dich. 37 gnade hilfe.
38 gebalaam. 40 der her hmit. 42 wart. 48 all hymel tiett.
LESEFRÜCHTE AUS ZÜRICH UND BERN. 359
50 Daj; er ze muoter dich erwalt
Und dort zuo grossen fröiden zait;
Maria, din gnäd ist mänigvalt!
T e c u m
Tecum: mit dir ist der saelden hört.
Durch zuogetän verslo^^en port
55 Wart got von himel dir gesant.
Du bist der busch gar unverbrant,
Den Moyses sach in viures flam;
(Maria) du bist die ruot und ouch der stam,
Die Aaron in dem gezelte pluot,
60 Von der Ysayas reden tuot,
Die mandelloup und bluost gebar;
Du bist der brunne, der die schar
Von Israhel getrenket hat;
Des lopt dich, got in maiestät,
65 Der vater mit des sunes rät.
Benedicta
Benedicta: gesegnet du bist,
Und ouch din fruht, als billich ist,
Von Yesse und von Jericho;
Din nam in ganzer wirde ho
[58*] 70 Der kum ze trost mir dort und hie.
Der Stern der üf von Jacob gie,
Der bistü, künsch juncfrouwe rein.
Jhesus, der ouch den schachern zwein
Am kriuz ir sünden antlä:;, gap,
75 Der Lazarum erkiket von dem grap,
Der selb ze muoter din verjach,
Als Abakuk und Daniel sprach
Vor mengen jaren e da? geschach.
Tu
Tu: du bist genäden rieh.
80 Maria, din kint bit für mich,
Da? kiusch in dinem libe lac.
Der Noe in der archen pflac
Und Jonas in dem vische huot,
Der selb durch dineu willen tuot,
85 Wa^ du in ze bitten hast.
Ob du mich des genießen läst^
Des ich dich iemer loben wil
Mit minem gebet bi? üf da? zil.
56 biist. 59 gezeÜ pluot. 62 bnin. 63 haut. 69 hoch, 72 jukfro.
73. 74 den schaez; das Folgende fehlt in der Hs. 87 Das
360 F. VETTER
Da? ich niht lenger leben sol.
90 Maria, du bist gnaden vol:
Min sei zuo den erweiten hol!
In mulieribus
In mulieribus: ob allen frouwen du bist,
Die got empfieng, den heiligen christ,
Und drier person mit ein genas;
[^] 95 Wie schint die sunn durch ganzem glas,
Also gebar din zarter lip
Den wären got, als David schript,
Und Samuel des propheten munt.
Des lobent dich ze aller stunt
100 Die cngel in der himel choer.
Maria, min gebet erhoer!
Ich armer sünder ruof dich an;
Du bist die niht versagen kan :
Der selben gnäd ich dich erman.
Et benedictus
105 Et benedictus: und gesegnet schon!
(Maria)^ du bist der tempel Salomon
Und da:? zeit der heilikeit;
Du bist ouch wol da? ewic kleit,
Das; im got selber hat gefuogt.
110 In hat so wol mit dir benuogt,
Da? nieman dich volloben mac.
Do Moyses sach den gotes nac,
Do wurt du ze muoter im erborn.
Maria, ros an alle torn,
225 Du bist da:^ honic, da? Jonathas
So güetlich uff dem boum a?
Nach dem als David sluoc Golias.
Fructus
Fructus: fruht ob aller fruht
[59] Gebar din lib in kiuscher zuht:
120 Altissimum den höchsten got,
Der alle ding nach sim gebot
Geordnet und gefüeget hat.
Maria, du bist des hoehsten rät,
Der dort die sunnen stil hie;;; stän,
125 Do Josue von Gabaon
Der fünf küng her, die beiden, sluoc.
Maria, din künscher lip der truoc
93 den heiigen geist. 107 halikeit. 110 so wol benugt. 116 auß.
121 gehott. 122 gefugt.
LESEFRÜCHTK AUS ZÜRICH UND BP:RN. 361
Den got, dem Sant Johans mit schTp
Genigen ha,t in miiotcr lip :
130 Des lopt dicli billich man vmd wip.
Ventris.
Ventris: libes und der sei,
Du reine? kint von Ysrahel,
Du bist geliciliget hie und dort.
Jeronimus der sine wort
135 So süei; von dir gesprochen hat;
Maria, din hoher, wiscr rät
Ze trost uns armen Sündern kam.
Du bist die würz und ouch der stam
Von Syon, aller saelden hört.
140 Vcrsliuj; vor mir der helle port.
Und wis mich üf die rehten ruor.
Die Enoch und Helias fuor
Zuo_^got, der bi im selben swuor.
["] Tui
Tui: dtner gnäd beger ich von dir!
145 Maria, du malit wol helfen mir.
Ich ruof dich an umb all min not
Und man dich an den scharpfen tot,
Den Jesus leit din (vil) lieber sun;
Wir wurdent alle gesunt da von,
150 Als dort von einem slangen wart
Da^ volc von Ysrahelscher art.
Der rein üf gehangen was.
Maria, lüter^ Spiegelglas,
Ich kan dich nicht volloben gnuoc:
155 Du bist da^ velt, da^ Gedion truoc,
Do er den künc von Madion sluoc.
Jesus Cristus, amen!
Di^ lop hän ich in dinem namen
Maria, muoter, dir gesagt ;
160 Du himelsche küngin^, reine magt,
Du bist der hört von Jedeon ;
Den got, der sich vom höchsten tron
Herab lie^, Maria, zuo dir^
Den bit und hilf genäde mir
165 In unzergenglichen vröiden dort.
Maria, vernim mine wort
135 süss. 141 uff die rechten had, corrig. : 7-urt. Zu riMr = Spur vgl. Mhd.
Wb. II, 816. 142 ßirt. 143 selben fehlt. 144 Tu. 155 feli sie. Der Dichter
scheint durch Verwechslung aus dem Fell ein Feld Gideons gemacht zu haben,
160 künge. 164 gnade 165 froden.
362 F. VETTER
Vil haz, denn ichs gesprochen hab!
[60"] Des wunde pluot und wa5:^er gap,
Der selb mich ouch behüeten miie:?!
170 Künd ich mit minen worten süez;,
Maria, din lop gesprechen ba?,
Da^ taet ich gern; so bin ich la?
Der künst; mir sind die sinn ze swach!
Maria, aller lop ursach,
175 Du bist die magt, die Jepte sant
Ze Opfer got, doch unverbrant;
Du sitzest bt der rechten haut.
Ich sprich got her ob allen lop :
Din lop da:? schwebt ob,
180 Als des himels volmunt
Ob tiefe des meres grünt;
. Wan du bist . . aller ding
Ufenthalt und ursprinc,
Und da^ reht fundament,
185 Die spher und dement,
Luft^ erd, wa^^er und viur.
Dar in alle creatiur
Ir leben hänt bes ander;
Du bist, der alli wunder
190 Schuof und . . werden hie?;
Der Sternen und des meres grie?
[''J Weist din gewalt die zal;
E Adam tet den . . val,
Do wist din grundlos gtiete
195 Der mönschen kranc gemüete,
Und gaebt ouch selber die kraft.
HIr über alle herschaft,
Himelscher keiser, atmirät,
Gewaltiger vogt in maiestät,
200 La? dir von mir enpfenclich sin,
Da^ ich der werden muoter din
Di? lop \if gnäd gedichtet hän.
Du treist ouch selb die höchsten krön
Und bist ob allen dingen hoch.
205 Kein lop sich nie gen dir gezöch,
Wa'. ie sprach der meister wort;
An anvanc und an endes ort.
Du bist gewaltic hie und dort.
Amen.
168 iimnd die pluot. 171 gesprochen. 172 künsch. 180 vol mund.
185 sper. 190 Schafft, hie.it. 192 Weist sie. 194 gut. 195 mansch, gemut.
196 gebt. 198 Hymelsch. 200 enpflich. Zu Bedeutung von enpfenclich, vgl. em-
p/encltchiu güeter Mbd. Wb. III, 211"?
LESEFRÜCHTE AUS ZÜRICH UND BERN. 363
2, Gedichte an den Erlöser.
Ich manen dich, herr Jhesu Crist,
Won du unser loeser bist:
Gedenk an alle din arbeit,
An din järaer und an din leit,
5 An den hunger und an den turst,
An die hitz und [91"! an den vrost,
An den zeher und den swei:?,
Der dir bluotiger und hei?
Über dinen ruggen vl6;5
10 Und nider üf die erden go? ;
Ich manen dich an die stunden,
Do dich die Juden funden;
Si sähent nit an din eilend,
Si bundent dir, lieber her, din hend,
15 Da? da? bluot zuo den neglen üz tranc.
0 süe?er got, wie sere dich zwanc
Die gro? veterlich liebi,
Da^ du glich einem diebe
Dich weitest läzen vüeren
20 Und von den sündern berüeren!
Ich manen dich, her, an die smächeit.
Die dir erbot die Judscheit,
Do si dich baten gevangen
Und in großen gezwangen.
25 Si sluogent dich, herr, üf dinen hals,
Und sprächent, din 1er waere valsch;
Si sluogent und rouften dich;
Mit iren speichelen ver ["] spuwent si dich;
Si wärent gen dir nit weich,
30 Sie gäbent dir menigen streich,
Da? da? bluot von dir ran.
O süezer got, gedenk dar an.
Und vergip mir min schulde,
Und verlieh mir din hulde!
35 Ich manen dich, lieber her min.
Gedenk an alle m arter din,
An die nagel und an da? sper,
Da von du hert stüend in ser.
Und an die tiefen wunden,
40 Die dir, her, blibent un verbunden;
6 an den vrost fehlt. 8 hieß. 9 din. 11 stund. 15 tranff. 17 v'dtter-
lick. 19 lasen. 23 hatten. 24 gezwangen; sonst nur Sing.: in getwange Mhd.
Wb. III, 164". 27 schlugen, rofften. 38 hert stund. 39 tiffen.
364 F. VETTER
Gedenk an din marter und tot
Und behüet mich vor der helle not!
Hilf mir zuo der rehten hant,
Da der Schacher ruowe vant!
45 Verlieh mir rehte riuwe
Durch din veterliche triuwe:
Da^ bit ich durch die marter (1. muoter) din,
Maria, du (1. die) hochgeborn küngin,
Da^ [61"] du gedenkest, her, an ir leit,
50 Da? ein swert ir herz versneit,
Do ir käment diu maere,
Da? du, [lieber] her, gevangen waere;
Gedenk an den grözen smerzen
Und troest mir min arme;^ herze
55 In allem minem leide!
Wenn ich von hinnen scheide,
So troest, her, die armen sele min
Und lä? si nit lang in noeten sin!
Noch manen ich dich, zarter got,
60 Gedenk an der Juden spot.
Und an da:? pitter dranc,
Und an den jaemerlichen ganc.
Den du zuo der marter woltest gän
Und so jaemerlichen stän,
65 Do diu urteil über dich gienc,
Da/, man dich an da? kriuze hienc!
Süe?er got, min heilant!
AI min sünd wärend dir bekant,
Do [''] du din heiig pluot woltest vergießen;
70 Des lä? mich, lieber her, genießen,
Und vergip mir alle min missetät,
Die min sündiger lip begangen hat
Wider din heligi gotheit
Und wider din heligi mönscheit
75 Mit minen fünf sinnen
Mit den siben totsünden,
Wider die sehs werc der erbarmherzikeit
Und wider die aht saelikeit
Und wider die hehgen zehen gebot:
80 Die vergip mir, lieber herre got.
Und lä? mich nit ersterben,
E da? ich din huld erwerbe;
Und e min lip erkalte,
So enpfäch min sei mit gewalte!
44 rüwe (= riuwe?) 45 rüw. 46 h-uio. 51 die mare. 52 weresi.
66 dich dich an. 69 vegiessen. 82 erwerbe sie; ist e^-werben zu schreiben, wie
unten 91 bittenl
LESEFRÜCHTE AUS ZÜRICH UND BERN. 365
85 Des eewer mich, zarter got
Uüd laz mich in keiner not;
Ich setz min gedingen und min muot,
Jesu Crist, in din [63"] huot;
Nu 1er mich, zarter her, den pfat,
90 Der zuo den ewigen vrüiden gät!
Ich bitten dich, vil heber her,
Umb die spis miner sei.
Und umb die narung mines libes,
Und umb die wonung des vron himelriches!
95 Her, ich wil dich rüefen an,
Dich und din heiigen lichnam
Und din helige^ bluot so rot,
Daz, mir der tot nie tue so not,
Mir werd din helige^ brot,
100 Da;^ din götlichi hant bot
Dinen lieben jungren guot.
Und der segen, den der priester tuot
Über sin lichnam und da^ hGlig bluot,
Der si mir vür al min vigent guot!
105 Bis got wilkomen, du lebendez; brot,
Gip mir day, leben und nit den tot !
P'J Ich gloub wol, herre Jhesus Christ,
Da:^ du der war lichnan bist,
Geborn von der reinen magt,
110 Der einic an die marter trat.
Her, ich setz min leben in din hend:
Hilf mir hiut und an mim lesten end!
Amen.
3. Gebet an Maria und Christum.
Ach, Maria, durch dines kindes tot,
Da^ vor dir hienc mit bluote rot,
Hilf, da^ ich der engel brot
Mit ganzer riuw' enpfäh' in todes not!
5 Ach, Maria, durch dines kindes bluot,
Da;^ da durch din herze wuot
Als eines tiefen wäges vlui^ (1. vluot):
Hilf mir, Maria, durch dines kindes bluot,
Da^ min end werd guot!
89 herre den weg. 97 helign. 98 Düs mir der hitter tod nieme}' tu so notl.
100. 101 hand sinen lieben iiingren am letzsten nachtmal bott \ und . . . 105 lebendiga.
107 xpt. 108 lichnan sie. 112 hilf mir hütt und iememer ewenklich vrnd an mi-
nem lesten end
366 F. VETTER, LESEFRÜCHTE AUS ZÜRICH UND BERN.
10 Ach, Maria, bit din kint für mich durch alle die liebi, die du zuo
dinem herz [64"] lieben hattest, so erbarm dich über mich! Her,
himelscher kling, ich ermanen dich hiut , da^ du hiengt an dem
kriuz mit minnender gotheit, mit senfter sei, mit verwuntem herzen,
mit krachenden glidren, mit verhounem lip, mit bluotigen wunden,
15 mit vlie^enden rünsen, mit zerspannen armen, mit betrüepten sinnen,
mit genagleten henden und vüe^en, mit rüefendem mund, mit
heiser stimm, mit toetlicher varw, mit weinenden ougen^ mit ge-
kroentem houpt, mit swindlendera hirni, mit trürigen gebaerden,
mit lachendem herzen gegen dem sünder, mit geneigtem houpt,
20 mit verscheitem end, mit totem lib, mit üfgetänem herzen, mit
gierenden bechen des lebendigen brunnen, der ursprunc gienc ü^
in die ewigen [^] drivaltikeit, und brach üf da^ herze des ewigen
Vaters. Also brich, her, von mir alle^ da^ mir schad sl an sei, an
lib, an er, an guot und an gesuntheit!
Amen.
Vgl. damit ein ganz prosaisches Gebet ib. S. 8*:
Ich manen dich vnd dancken dir, lieber herre ihu xpe, als du
ze non zit starbt an dem cnitze, da du, ewiges leben vnd himelscher
küng, hiengt alleine Mit minnender gotheit, Mit senfter sele, Mit ver-
wuutdem hertzem (sie), mit krancken gelidren . . . mit zerdenten adren.
Mit rüffendem mund, Mit heiser stimm, mit bleichem antlit . . . Mit
bninnendem ernst. Mit ächzendem hertzen. Mit sunfzeder kelen, mit
geneigtem plnttendem houpt, Mit gotlicher menscheit, mit totlichem
lib, Mit verscheidnem end. Mit ufgetanem hertzen vnd siten u. s. w.
4. Zwölf Strassen zur Hölle.
[4°] Zwölf strass gand zuo der helle: Die erste strass ist:
alt lüt üppig und wunderlich; die ander strass: jung lut einrichtig
und unvertragenlich; die trit Strasse: mägt unkusch und verlassen;
die fierd strass: elüt kriegig und uulidlich; die fünft strass: witwen wit-
schweifig und ungeberdig; die sechst stras: closterlüt eigenschaftig und
ungemeinsamig; die VII. strass: pfaflfen nidig und hessig; die VIH. strass ;
geistlich lüt gittig und unbenügig; die IX. strass: edel lüt untugenhaft und
uugetrüw gegen iren armen lüten; die X. strass: amptlüt gotlos, gnad-
los und an er; die XI. strass: burger in stetten schalckhafftig und be-
trogen; die zwölft strass: usslüt ufsätzig und hingebig gegen ein ander.
16 zerspannem. 20 verscheitem sie; unten verscheidnem.
LITTERATIIR: F. KRAMKR, IDIOTISMEN etc 367
Vgl. damit die in Gegenstand und Ausdruck ähnliche Vorstellung
von 12 Geissen des Teufels, wie sie auf dem kunstreich verschlun-
genen Spruchbande einer Saaldecke des Klosters Stein am Rhein v. J.
1515 (Lübke, Gesch. d. dtsch. Renaiss, S. 235) erscheint:
Dis sind die XII gayssen des tüffels: die erst gayss: alt töricht
Itit; undultig siech lüt; witwen on enthaltung; gaistlich lüt on den
orden; eliit on den frid; kofflüt on die warhait; jung lüt ungezogen;
arm hofi'ertig lüt; ain jungfrow [on] küuschait; pfaffen on kunst; herren
on ere; und richter die das recht zu unrecht machen.
LITTERATÜR.
Krämer, Friedrich, Idiotismen des Bistritzer Dialekts (Schluß). Programm des
Gymnasiums zu Bistritz (Siebenbürgen). Bistritz. J. E. Filtsch'sche Erben.
1876. 147 Seiten. 8.
Die Besprechung des ersten Theiles dieses kleinen mundartlichen Wörter-
buches in dieser Zeitschr. war kaum gedruckt, als wir schon mit der Fortsetzung
und dem Schluß überrascht wurden. In Hinblick auf die dort ausgesprochene
Absicht jener bedrohten äußersten Vorwacht des Deutschthums besondere
Aufmerksamkeit zu schenken *), erlaube ich mir auch zu diesem Theil dieser
Schrift einige Bemerkungen, wie sie sich mir beim Durchlesen ergaben. Da
es von Belang ist das Vorkommen derselben Idiotismen auch in der Zips überall
wo es statthat zu erweisen, so erlaube ich mir, wo es der Herr Verf. über-
sehen. Hinweise auf mein Wörterb. der deutsch. Mundarten des ungr, Berg-
landes (1858) und den Nachtrag dazu (1859), beizufügen.
malt f. Backtrog ; ist wohl nichts anderes als unser Mulde, jedoch nicht
abzuleiten von maln, wie Hr. Kr. will. Es ist bekanntlich das lat. mulctra, das
durch Formen wie ahd. mulhtra, muoltra, multere, später inulde, molde hindurch-
gegangen ist, s. Weigand 2, 207 f.
mer f. in dat git mer an laut das erregt Aufsehen. Dazu war anzuführen
aus der Zips: lojS dir dos a mär sein, mein Wtb. S. 79 und lautmceng
Nachtr. S. 40.
mierög n. (Meerauge) Bergsee. Es ist zu bemerken , daß nicht nur in
der Zips und in Siebenbürgen, sondern auch in Kärnten iui Drauthale kleine
Seen so genannt werden, Lexer S. 12.
*) Eine andere anziehende neuere Publication aus Siebenbürgen will ich hier
nur noch nennen: Volksthümlicher Glaube und Brauch bei Geburt und
Taufe im Siebenbürger Sachsenlande. EinBeitrag zur Kulturgeschichte
von Johann Hillner. Schäßburg. Druck von Friedrich Jördens. 1877. Großquart
52 Seiten. Programm des Schäßburger evang. Gymnasiums
368 LITTERATUR: F. KRAMER, IDIOTISMEN etc.
mueser m. Soldat. Hierzu hätte genügt der Hinweis auf das von mir
Wtb. 81 angeführte: nd. mi/fi Ring im Kettenpanzer, imiserie Zeughaus, muse-
mester curator armamentarii etc. brem. Wtb. III, 208. Mindestens hilft das
Durcheinanderwerfen von mhd. müsaere und rnüza-re mit gotisch motjan, wovon
ein jedes andern Ursprungs ist u. dgl. m. nicht weiter.
njarn knurren, dazu war auch die nd. Form nirren aus der Zips anzu-
führen, mein Wtb. 84.
nutschein saugen. Dazu in der Zips nötscheln, mein Wtb. 84.
oper f. Augenbrau ist wohl aus mhd. oucbrä entstellt, wie wimper aus wintprd.
pändel m. Frauenhemd leitet der Verf. vom madj. pendel ab. In der
Zips heißt das Unterhemd , das unter dem Oberhemd angebändelt ist Bendel-
hemd, s. mein Wtb. 34, wo ich auch umgekehrt das magyar. pendel vom sie-
benbürgischen pändel ahd. mhd, pentil, bendel m. abgeleitet habe. Auch die
Übereinstimmung des siebenbürg. Wortes mit dem altdeutschen im Geschlecht
spricht für diese natürliche Ableitung.
pärseheln sengen leitet der Verf. von madj. perzsel ab. Ich möchte es
mit dem in der Zips üblichen preseln mein Nachtr. 19 vergleichen, das ich zu
dem Aachenischen bröselen durcheinanderkochen gestellt habe, von dem auch
madjar. perzsel abzuleiten sein wird, wie magyar. pörköl schmoren von dem in
der Zips üblichen preegeln schmoren, s. mein Nachtr. 19. Vgl. auch meine
Darstellung der deutschen Mundarten des ungr. Berglandes S. 423.
päzen schlagen. Der Verf. bemerkt dazu „die mhd. Wurzel des Wortes ist
ich biuze (!) stosse". Ich glaube nicht daß hier an mhd. bozen zu denken ist, das
sich im österreichischen misse passen allerdings noch erhalten zu haben scheint
(in Kärnten in der vollem Form poassen Lexer 37). patzen schlagen haben
auch Schmeller 1, 302 und Lexer 18. Weigand 2, 349 leitet es ab von nd.
bats Schlag. — puzich aufgeblasen erscheint auch in der Zips, s. mein Wtb. 33,
wo ich das nl. bats trotzig verglich.
peit f. Teigbrett, ist unser Beute mhd. Mute f., Nebenform des gotischen
biuds Tisch, das noch in dem östr. bairischen der biet Brett in der Mitte der
Weinpresse, das den Boden der Kelter bildet, erhalten ist. — - Ich habe dazu
schon Nachtr. 17 die siebenbürg. Nebenform beokt angeführt.
plämplänk m. Schweinsmagen, auch in der Zips s. mein Wtb. 31 ist noch
unerklärt, doch wäre zu verweisen auf plampen frei hangend sich langsam hin
und her bewegen Weigand 2, 388 und die von mir in Die Laute der
deutsch. Mundarten des ungr. Berglandes im Wortverzeichuiss unter plempleng
angeführten Ausdrücke plempe , plempel, blämbel in Nordböhmen, in der Schweiz,
dem Elsaß, Tirol etc., vielleicht auch auf das bairische lampel — alles in der
Bedeutung schlechtes Getränk, schlechtes Bier — ferner der See lampelt, wenn
er hoch geht und von Wellen und Schaum kraus ist; Lampen an der Mutter-
brust trinken Schmeller 2, 467. Die Form „glimpf an der gurtet, pendix vo-
cab. 1419" Schmeller 2, 469 läßt vermuthen, daß etwas schwabbelndes, klun-
kerndes mit verschiedenen Ausdrücken bezeichnet wird, die alle auf ein altes
limpfan, lampf zurückgehen, vgl. etwa mhd. limphen hinken.
pocht f. Streu etc. ist von mir bereits Wtb. 38 zu mhd. buht n. gestellt,
Nachtr. 16 ist auch das Geschlecht besprochen, das Weinhold schles. als Neutr.
bezeichnet, während es bei Holtei als Femin, gebraucht wird.
LITTERATUR: F. KRAMER, IDIOTISMEN etc. lUVJ
raich, rtcli n. Berg. Das Wort ist bei uiir schon Wtb. 34'' unter Berg
Durst. 3G2^ L'4. 409, 2 in den Formen rlijikal , riguL bes])roeli('ii, vgl. uucli
Fronimann G, 18, 108, kärntisch luyl Lexer 208.
rainzel, rünzel Lab zum Gerinnen der Milch. Wieder eines der seltaamen
Wörter wie dürpel, füllfaJS^ honklicli, laweiul, malzen, rust u. v. a., die den Sieben-
bürger Sachsen und Zipsern gemein sind. Zunächst ist etwa zu vgl. cimbrisch
renschen impuzzare Wtb. 160 zu lat. rancere , raucidusj tirolisch rantschen
Schöpf 534.
tjerdll n. unnützer Kram. Das aus der Bergmannssprache auch in das
Zipser Deutsch übergegangene gerüll, grull, s. meine Darst. 30, 8 und 311.
rämp m. 1. salzramp Salzgefiiß. Dazu ist zu vergleichen rampf m. Gle-
fäß darein man Erdbeer liest vocab. 1482 bei Schmeller 3, 91.
rast m. der schwere Balken auf dem die Zimmerdecke ruht.
Zu diesem im hd. und md. seltenen altsächsischen Worte, das sich im
ungr. Bergland wie in Siebenbürgen noch erhalten hat, wäre zu verweisen auf
meine Schrift: Das Bauernhaus auf der Wiener Weltausstellung (ofTieieller Aus-
stellungsbericht) S. 13 f. und S. 23. Das Wort lautet altsächs. hrust, engl.
roost, nid. roest, im ungr. Berglande (im Klange dem engl, und id. entsprechend)
rüst m. in Siebenbürgen rast m.
Wieder ein Wort, das im ungr. Bergland und Siebenbürgen sich erhalten
hat und das im hd. nur etwa in raeshaum Schmeller 3, 138 noch vorkommt.
vom m. 1. Weingartenpfahl, 2. Kuß, 3. Sahne. Von diesen drei Wörtern
wäre jedes besonders zu behandeln. W^eingartenpfahl geht auf mhd. ram m.
zurück; Ruß ist mhd. rdm m.; Salme mhd. ronm nid. room.
ru'gen starren. Es hätte genügt hier auf mhd. ragen zu verweisen, nicht
auf „ahd. regan, mhd. regen"' ; dann auf mein Wtb. 8(j. Naclitr. 43.
beschimmern von Dämmerung überfallen werden. Dazu war zu vergleichen
mein Nachtr. S. 46 nnter schomcrig. Verf. meint „das Wort hat — nichts mit
Schimmer — ahd. scimo , mhd. scliime (so) zu thun." Ahd. sctmo ist mhd.
schhne, beide gehören zu ahd. scman, aber auch as. scimOj md. schimcy daher
nd. md. schimmern, daher schimmern etc., die auf die Form des Plur. Priit.
zurückgehen, gehören hieher.
süren go das Vorgehen der Zünfte gegen nichtzünftige Handwerker» Dies
ist das bairische auf die Stör gm, stören gehn Schmeller 3, 655.
siiel blaß, bleich von der Haut des Menschen. Hier war zu verweisen
auf mein Wtb. S. 89" : sal gelblich, versahm vergilben, ahd. salo salawcs, scliwäb.
sal, seil, franz. sale, ital. saldvo.
Summer fogel m. Schmetterling. „An Ausdrücken für Schmetterling fehlt
es den deutschen Dialekten nicht, einen dem unsrigen entsprechenden habe ich
nur im Sauerland gefunden" bemerkt der Hr. Verf. Er hätte nicht so weit
zu suchen gebraucht. Der Ausdruck ist aligemein österreichisch, auch tiroliscli
Schöpf 729.
timpcln mit Gärteige mischen, dimpel Sauerteig. Statt an mhd. tempe-
rieren zu denken war hier einfach zu verweisen auf: Das Dämpflein Sauerteig,
diimpfeln mit Sauerteig anmachen Schmeller 1, 373.
„tröm m. Balken etc., so auch Haltr. S. 34. Hier ist wieder Verschie-
denes zusammengeworfen, das nach den Gesetzen der Lautverschiebung unver-
einbar ist." Das Wort wurzelt in trab oder trav^ got. triu , slov. drevo I etc.,
9ERMANU. Neue Reihe. X. (XXII. Jahrg.) 24
370 LITTERA.TUR: F. KRAMER, IDIOTISMEN etc.
mhd. dräme, trdme etc. „rhein. trov^ schles. troben etc." — Dieses trom, unser
Tram, mhd. dräme heißt siebenbürg, sächsisch sonst trof HaXtr. 34 (vgl. rheinisch
trov) und dies gehört wohl zu lateinisch tvab-s vgl. griech. rpojrog, TQOTtig etc.,
altnord. thref n. thraf-ni m. Balken. — Hingegen got. triu , sl. drevo gehört
zu sanskr. dru Holz, gr. ÖQV-g Fick, indg. Wtb. Sp. 79. 91 und ist von jenem
Stamme völlig zu trennen.
tschoke f. schwarze Dohle. Dazu war zu vgl. mein Wtb. 46'' f. tschoge-
lester augeblich „Zugelster''^ wozu ich an engl, chough, fr. choucas ^ so wie an
mundartl. Schalaster und ahd. ägalastra erinnerte.
„hiberüs f. die weiße Lilie" war wohl zu erklären mit Tuberose, polyanthes
tuberosa.
wälgern wälzen. Dazu vgl. loälgem mein Wtb. 103".
weimerchi Johannisbeere. Auch in der Zips heißt die Johannisbeeere
v; einher cJien, s. mein Wtb. 104* unter wein.
wier 1. Maulwurfsgrille, 2. angeschwollenes Augenlid. — Auch hier sind
zwei urspr. Formen zu unterscheiden, 1. die Werre, Larve des Maikäfers und
2. die Wern ahd. icerna, das nhd. auch Werre lautet.
wu^llebroden m. die Wade. Dazu war zu vergleichen mein Wtb. der Mund-
art von Gottschee S. 60: j)ratcn m. die Wade, wo auch cimbr. mauseprate
W^ade und brät. Waden, das aus Henisch : Die teutsche Sprache und Weisheit.
Augsburg 1616 angeführt ist.
Zaulc f. Hündin, in der Zips zaulce, s. mein Wtb. 106" nicht wie hier
angegeben wird siüce.
„zwcflcrich zweifach, eigentlich nur von zweifach geflochtenen Dingen ge-
braucht. In der Zips findet sich ziooflirich zweifach von Dingen , die man
zusammenlegen kann, Sehr, 31, 268 (soll heißen Schröer, Nachtrag, Seite 20
[im Bd. der Akademieschriften S. 268]), wobei ich die dort versuchte Ab-
h'itung nicht theilen kann." Das muß ich wirklich bedauern, um so mehr als der
Hr. Verf. keine andere dafür vorschlägt. In Siebenbürgen heißt ein Fachwerk
geflürr , woraus ich schließe, daß der flerren oder die flerre ein großes breites
Stück, also eine Breite, wie in der Zips (mein Wtb. 51") und bei Schmeller
1, 590 und nd. brem. Wtb. 1, 403. 412 auch für die sieb, sächs. Mundart
anzunehmen sein dürfte. Daraus erklärte sich zweflerieh als: zweifach von ge-
flochtenen Dingen, wie ziodflirich von zusammenlegbaren, gleichsam als : zwei-
flächig, zweifächig, zweibreitig, und bei diesem Deutungsversuche von 1859 bleibe
ich heute noch, so lange eine bessere nicht gefunden ist, wenn mir auch Hr.
Kr. seine Zustimmung versagt.
zwithörn (= zwitärn) m. Hermaphrodit. Dies Wort, das den Schluß der
interessanten Sammlung bildet, führe ich nur an wegen der Seltenheit dieser
alten Form ahd. zwitaran, zioitarn, mhd. zwitarn\ Schmeller 4, 299 hat aus
späterer Zeit nur noch die entstelltere Form zividarm für zwitter.
SCHRÖER.
LITTERATUR: TH. GELBE, DEUTSCHE SPRACHLEHRE. 371
Theodor Gelbe, Deutsche Sprachlehre für höhere Lehranstalten sowie zum
Solbststuiliuin. Eisenach, Bacmeister [1877]. 219 S. 8.
Eine Anzeige dieses Buches darf, glaube ich , ebenso gut in der Ger-
mania einen Platz beanspruchen, als etwa in einer pädagogischen Zeitschrift,
weil dasselbe durchaus auf sprachgeschichtlicher Grundlage ruht und also auch
hauptsächlich von diesem Standpunkte aus beurtheilt werden muß. Ein Leit-
faden, wie der vorliegende, war trotz der vielen vorhandenen deutschen Gram-
matiken für Schulen unbedingt ein Bodürfniss und der Verfasser war mehr als
viele andere geeignet, demselben abzuhelfen, da er, von der Universität her
tüchtig germanistisch geschult, in seinen verschiedenen Berufsstellungen an höheren
Schulen sich Jahre hindurch mit dem uneigennützigsten Eifer bemüht hat, in
einem Kreise von geistig anregbaren Volksschullehrcrn das Interesse für die
wissenschaftliche Erkenntniss der Muttersprache wach zu rufen und zu nähren.
Aus Vorträgen über einzelne Capitel der deutschen Grammatik , in den er-
wähnten Verhältnissen gehalten und mit Beifall aufgenommen, ist denn auch
nach und nach das Buch entstanden, welches in vielen seiner Theile sich also
gewissermaßen schon vor seinem Erscheinen als brauchbar bewährt hat.
Gelbe hat in seiner Arbeit das Princip befolgt, durchweg vom neuhoch-
deutscheu Sprachstande auszugehen und ihn durch Laut-, Flexions- und Wort-
bildungslehre hindurch mit Hülfe der älteren Sprachstufen zu erklären , wobei
sehr häufig auch das Gotische, nicht selten auch das Altnordische und Eng-
lische zur Vergleichung herbeigezogen werden. Dieser Weg war jedenfalls der
einzig richtige für die Erreichung seines Zweckes, und der Verf. hat in der
Hinzunehmung sprachwissenschaftlicher Momente mit einem ausgezeichneten
Takte das rechte Maß zu halten verstanden: der Stoff ist klar und durchsichtig
überliefert, die philologischen Parthien ermüden den unvorbereiteten Leser nicht,
sondern können ihn höchstens zu weiteren Studien auf diesem Gebiete anregen.
Endlich mag auch noch rühmend die Belesenheit in den neueren Classikern
hervorgehoben werden, welche auf jeder Seite der Arbeit entgegentritt.
Wenn sich dem gegenüber der Verf. , der im Allgemeinen durchaus auf
der Höhe der Zeit steht, in einzelnen Abschnitten nicht mit allen neuereu
einschlägigen Arbeiten vertraut zeigt, so wird einem Schuldirector in einer kleinen
Stadt daraus niemand unter den Fachgenossen, welche gar wohl wissen, wie
leicht einem selbst in einer Universitätsstadt das eine oder andere von neuen
Forschungen entgehen kann , einen ernsten Vorwurf machen , auch dürfte dgl.
dem Werth des Buches in den Kreisen, für welche es bestimmt ist, wenig
oder keinen Eintrag thun.
Je wahrscheinlicher es aber ist, daß das praktisch angelegte Bach eine
zweite Auflage erleben wird, um so weniger sehe ich mich veranlaßt, meine
Einwendungen gegen einzelne Punkte zu unterdrücken ; ich füge dieselben also
hier, nach der Reihenfolge, wie ich sie gefunden, bei.
p. 3 f. Es erscheint mir bedenklich , eine jetzt so ziemlich allgemein
acceptierte Ansicht , wie die von der Zweitheilung der germanischen Sprachen
ist, nur mit einem kurzen: ^wie man oft irrthümlich annimmt" abzuthun; hat
der Verf., woran ich nicht zweifle, triftige Gründe für die Dreitheiligkeit, so
sei er andurch gebeten , dieselben in einem unserer Fachorgane niederzulegen,
wozu in seinem Buche allerdings der Raum fehlte ; bis dahin aber können wir
24*
372 LITTERATUR: TH. GELBE, DEUTSCHE SPRACHLEHRE.
sein apodiktisches Urtheil nicht billigen, p. 12, Z, 12 v. u. lies gabrannja für
braunja. p. 13. Sehr zu beklagen ist es, daß hier wieder die veraltete Ansicht
von der Brechung des aus a entstandenen i zu e und u zu o vorgetragen wird,
um so mehr, als dadurch auch die Lehre von den starken Verben so intensiv
beeinflußt wird; die zuerst von Jessen aufgestellte richtige Ansicht, daß die
Reihenfolge vielmehr ist: a, e, i und a, o, u, sollte, nachdem sie so oft ge-
druckt worden, nun doch endlich zum Gemeingut der betheiligten Kreise ge-
worden sein! p. 27, 19 lies Corssen. p. 30. Die Passivbildung im Altnordischen
würde ich nicht „Umschreibung" genannt haben, überhaupt ist die Vergleichung
des Nordischen hier zwecklos, wenn nicht ein Beispiel mitgetheilt wird. p. 30 o.
hätte an die bei Luther noch öfters auftretenden Formen: funden, bunden,
erinnert werden können, p. 39 u. heißt es: „Erklärer von Uhlands Gedichten
und anderen Werken der deutschen Classiker helfen sich oft mit der Behaup-
tung, Formen wie hub, stund, schwung, seien alte, hob, stand, schwang seien
neue Formen. Dies ist, wie aus oben Mitgetheiltem ersichtlich, ein Irrthum :
nur stund ist das alte stuont". Ist denn hub nicht das alte huob? Und was
thun diese zwei Verba in den Anmerkungen zur ersten Ablautclasse? p. 40. Daß
ve in kveman sich unter Mitwirkung des folgenden m zu o verwandelt haben
soll, ist mir doch sehr unwahrscheinlich, p. 42 o. wird das ai der gotischen
Reduplication noch immer Diphthong genannt, während seine Geltung als e doch
wohl feststehen dürfte, p. 46 ist von queljan — quellen — quälen die Rede:
quällen hört man noch jetzt im bair. Volksdialekte, p. 48 o. Sollte es nicht
am kürzesten sein, zu sagen : die schwachen Verba werden jedesmal aus der
Form des stai-ken Verbums gebildet, welche den reinen — nicht geschwächten
und nicht verstärkten — Wurzelvocal repräsentiert? p. 50. Über viljau, das
hier noch als Conj. Prät. aufgeführt wird, vgl. jetzt Joh. Schmidt: Zur Gesch. des
indog. Vocalismus II, p. 468 und Scherer in: Ztschr. f. d. A. XIX, p. 158 f.
p. 56. Bei der Besprechung des Überganges von was, erat, in war, lag es
sehr nahe, das Volkslied: So dir geschenkt ein Knösplein was — glas, anzu-
führen; ich habe mit eigenen Ohren gehört, daß ein Lehrer einer städtischen
Bürgerschule dies „was" für ein Pron. indef. erklärte, p. 58 ff. Die Erörterung
über Reduplication und Ablaut sei für den Fall einer zweiten Auflage der
sorgfältigsten Revision dringend empfohlen. Bei Berücksichtigung neuerer Ar-
beiten, wie Scherer, z. G. d. D. S. p. 6 ff., Sievers in Paul und Braunes Beiti-. I,
p. 504 ff. und Scherer, Zeitschr. f. d. A. XIX, p. 154 ü\ und Zeitschr. f. öst.
Gymn. XXIV, p. 295 ff. würde der Verf. vielleicht von seiner Ansicht, Ablaut
habe früher bestanden, als Reduplication, zurückkommen, p« 63 Mitte: bei
Neutra] lies: bei Neutren oder Neutris. p. 67, 2 ist mhd. doch wohl nur ein
Druckfehler für ahd. p. 69. Unter den Femininbilduugen auf -er war ausser
Tochter noch Mutter anzuführen, p. 76. Unter den Belegen für zweifache
Pluralform mag das sonst lehrreiche: Mensch — Menschen — Menscher, in
Rücksicht auf die Schule fortgelassen sein, wie mir scheint, mit Unrecht, p. 82,
11. „Chemnitzens Industrie" habe ich wenigstens nie sagen hören: diese
Genitivform ist auch gar nicht zu billigen, p. 99, 5 muß es für minnir, was
doch keine got. Form ist, minniza heißen, p. 110, 24 lies hos, he, ho für
hos, he, hon. Das. 26 ff. „Das Relativ selbst aber ist, wenn neuere For-
schungen Rech t behalten, kein ursprüngliches, sondern hat sich aus dem
Demonstrative .... entwikelt". Hier ist die vorsichtige Einschränkung gewiß
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LITTEKATUR: J. BÄCHTOLD U. K. VKTTEK, MIl'.I.IO'IMIKK ctc 373
unnöthig! p, 115, 11 v. u. Dem got. aums »tcht engl, soine und schwed. aoin
lautlich näher :ils das noidischc sein. p. löfJ, 14 ist von der urapiünglich tem-
poralen licdeutung von „weil" die Rede; es lag nahe, das engl, while, whilsl
zu vergleichen, p. 178, 8 v. u. wird gesagt, die Worte: Vater, Mutter, liruder,
Schwester, Tochter hätten diese Endung (r) schon im Gotischen gehabt; es
ist dabei übersehen, daß zwar im Nord, mödir, das entsprechende gotische
Wort aber nicht vorkommt.
Ich mag diese aus lebhaftem Interesse für das Buch und der Erin-
nerung an angenehme collegialische Beziehungen zu dem Verfasser hervor-
gegangene Anzeige nicht schließen, ohne das Werkchen nicht nur höheren
Schulen und Seminarien, sondern überhaupt allen gebildeten Deutschen, welche
sich als Laien über die Geschichte ihrer Muttersprache unterrichten möchten,
angelegentlichst zur Leetüre zu empfehlen.
BRESLAU, im Juni 1877. E. KÖLBING,
Bibliothek älterer Schriftwerke der deutschen Schweiz und ihres Grenz-
gebietes. Herausgegeben von Jacob Bächtold und Ferdinand Vetter.
Frauenfeld, Druck und Verlag von J. Huber.
Erster Band: Die Stretlingcr Chronik. Ein Beitrag zur Sagen- und
Legcndengcsehichte der Schweiz aus dem XV. Jahrhundert. Mit einem
Anhang : Vom Herkommen der Schwyzer und Oberhasler. Herausg. von
Dr. J. Bächtold. 1877.
Der kurz vor dem Erscheinen dieses ersten Bandes herausgegebene Prospect
des ganzen Unternehmens beruft sich zunächst auf die Thatsache, daß die
historische Forschung auf dem Gebiete der politischen Geschichte, der Kunst,
der Sprache und der Antiquitäten gegenwärtig in der Schweiz lebhaft betrieben
werde und knüpft daran den Gedanken , daß dieselbe doch nur durch Fest-
haltung oder weitere Nachweisuug des Zusammenhanges der deutscheu Schweiz
mit dem Gesammtgebiete deutscher Kultur recht fruchtbar werden könne. Ins-
besondere wird als Hauptaufgabe der heutigen Litteraturgeschichte aufgestellt,
auf den kleineren Gebieten einzelner deutscher Stämme die bedeutenderen
Denkmäler zu sammeln, um eine Übersicht über den eigenartigen Antheil der-
selben an der Gesammtentwickelung zu gewinnen. Es wird dann in Erinnerung
gebracht, daß die deutsche Schweiz in allen Perioden der deutschen Litteratur,
zum Thcil in origineller und nachhaltiger Weise, eingegriffen und mitgewirkt
habe, und daraus die Berechtigung abgeleitet, eine Auswahl der bezüglichen
Werke herauszugeben , bei der die heutige geographisch-politische Grenze der
Schweiz nicht allzu streng innegehalten werden soll. Die Publicationen sollen
zunächst auf handschriftliches oder nur in älteren Ausgaben vorliegendes Material
beschränkt werden und die nöthigen Einleitungen nebst Wort- und Sacher-
klärungen mitgeben. Die Sammlung schließt sich also auch in dieser Beziehung
an die Brockhausische Ausgabe „Deutscher Dichter des XVI. und XVII. Jahr-
hunderts" und der ..Deutschen Nationallitteratur des XVIII. und XIX. Jahr-
hunderts" an, zu denen sie eine provincielle Ergänzung bilden wird. Die Her-
ausgeber haben sich durch anderweitige Leistungen auf diesem Gebiete bereits
vortheilhaft bekannt gemacht, J. Bächtold zuletzt durch seine Ausgabe des ,,Hans
374 LITTEKATUR: J. BÄCHTOLD U. F. VETTER, BIBLIOTIIKK etc.
Salat, schweiaerischer Chronist und Dichter aus der ersten Hälfte des XVI. Jahr-
hunderts", Basel 1876, welche bereits als Vorläufer iind sachlich als Bcstand-
theil der jetzt eröffneten Sammlung betrachtet werden kann, F. Vetter durch
seine ebenfalls im vorigen Jahre erschienenen „Neue Mittheilungen aus Konrads
von Ammenhausen Schachzabelbuch", welchen eine Gesammtausgabe des Werkes,
mit Beigabe des lateinischen Originals, als IV. Band der Bibliothek folgen
soll. Von demselben Herausgeber haben wir zu erwarten als V. und VI. Band
„Elsbeth Stagel und Heinrich Suso", zum Theil ganz neue Beiträge zur Ge-
schichte der Mystik im XIV. Jahrhundert, welchen als VII. Band ähnliche
Mittheilungen von Dr. A. Lütolf folgen werden , der durch seine im ersten
Band des Jahrbuchs ^für Schweiz. Geschichte (Zürich 1877) erschienene Ab-
handlung über den „Gottesfreund im Oberland" das Interesse für diesen ge-
heimnissvollen Mann neu belebt hat. Von Bächtold wird zunächst noch er-
scheinen eine durch neue Stücke vermehrte Ausgabe des Niki, Manuel und als
Schluß der ganzen Sammlung eine „Geschichte der deutschen Litteratur in der
Schweiz". Von demselben ist auch der vorliegende erste Band bearbeitet,
der seinem stofflichen Werthe nach nicht gerade die erste Stelle in der Reihe
verdiente, aber in der Behandlung und Ausstattung als empfehlende Probe des
Unternehmens dienen kann.
Die Einleitung gibt zunächst (p. VII — XX) eine urkundliche Geschichte
der Herren von Stretlingen, unter denen der als Minnesänger bekannte wahr-
scheinlich Heinrich III. war, dessen drei Lieder denn auch (p. XXII — XXV)
mitgctheilt werden. Sie enthalten nichts Eigenthümliches , können aber nicht
als Probe des durchschnittlichen Charakters der schweizerischen Minnesänger
betrachtet werden, unter welchen mehrere, besonders Ulrich von Singenberg,
Steiumar und Hadlaub auch nicht als Vertreter des allgemeinen Charakters
der deutschen Minnepoesie gelten können. Wenn übrigens dies der Fall wäre,
so wäre der Ausdruck „daß die Minnesinger der Schweiz einen ganz eigenen
Körper bilden" (p. XXI unten) nicht eben glücklich gewählt.
p. XXVII — LXXXV folgt eine einleitende Abhandlung über die Stret-
linger Chronik selbst, deren Inhalt p. XXXVII — XLVII auszugsweise angegeben
wird. Der geschichtliche Werth derselben kann nur darin bestehen, daß sie,
wie der Titel der Ausgabe andeutet , Beiträge zur Sagen- und Legendenge-
schichte jener Zeit liefert. In dieser Beziehung sind besonders die vom Her-
ausgeber sorgfältig zusammengestellten Zeugnisse für die Verbreitung des Mi-
chael-Cultus (p. LIII — LXII) von allgemeinem Interesse. Diesen Cultus, der
auch in der zur Herrschaft Stretlingen gehörenden uralten Kirche von Einigen
eine Stätte hatte, benutzte der Verfasser der Chronik, um seine sehr persönlich
tendenziösen Ansi^iüche zu stützen. Er war nämlich Eulogius Kiburger, Kirch-
herr zu Einigen. Von weiterem Interesse , freilich nur für die schweizerische
Gcschichtforschuug, ist dann der das letzte Capitel der Einleitung (p. LXIII
bis LXXXV) bildende sehr gelungene Nachweis, daß derselbe E. K. auch die
politische Tendenzschrift „Vom Herkommen der Schwyzer und Oberhasler" (aus
dem Norden) verfaßte, die noch vor Kurzem dem Luzerner Joh. Fründ, Land-
schreiber in Schvvyz, zugeschrieben wurde. Der Text dieser Schrift, nach der
ältesten Handschrift gegeben, bildet als Anhang p. 179 — 197 den Schluß des
vorliegenden Bandes,
LITTERATUli: O. liiuUMniKL, DIE MODI IM IIELIAND. -375
Ich kann nicht umhin, die mit demselben glücklich eröffnete „Bibliothek
älterer Schriftwerke der deutschen Schweiz" den Fucligenosscn auch in Deutsch-
land angelegentlich zu empfehlen und dieselben zu ermuntern, durch Betreibung
der Subscription auf die ganze Sammlung auch dem Verleger, der für würdige
Ausstattung eine bisher in der Schweiz seltene Opferwilligkeit an den Tag
legt, sein Unternehmen zu erleichtern.
ZÜRICH, Juni 1877. LUDWIG TOBLER.
Otto Behaghel, Die Modi im Heiland. Paderborn 1876. Ferdinand Schöningh's
Verlagsbuchhandlung. 8. 60 S.
In vorliegender Arbeit ist nicht nur ein neuer Beitrag zur Erklärung des
Hcliand, sondern auch eine erfreuliche Erweiterung unserer Kenntniss der alt-
deutschen Syntax gegeben. Sie wird ergänzt durch einen Aufsatz desselben
Verfassers „zum Heliand" in der Germania^ Band XIX, S. 139 flf., auf welchen
ich mich auch in dieser Besprechung beziehen werde. Mit großem Fleiße sind
in dieser Schrift die Belege aus Ileliand gesammelt und gesichtet und die Les-
arten beider Ilaudschiifteii benutzt, und es ist zu wünschen, daß Herr Be-
haghel in nicht allzulanger Zeit seine Arbeit zu einer Syntax des Heliand
vervollständigt. Da nun in einer Kecension das, was man billigt, naturgemäß
weniger zur Geltung kommt , als das , was man anders sehen möchte , so will
ich nur gleich bündig versichern, daß ich die vorliegende Schrift mit großem
Antheil durchgenommen habe und in ihr eine recht brauchbare Vorarbeit für
eine dereinstige allgemeine germanische Syntax sehe.
Als Erdmauu seine Syntax veröffentlichte, hatte auch ich schon umfassende
Sammlungen für eiiie Otfridische Satzlehre angelegt und einzelne Theile einge-
hender bearbeitet. Meine Resultate stimmten nicht überall mit denen Erd-
manns, und bei der Recension von dessen Syntax, Theil I (Germania XVII,
S. 437 ff.) habe ich Gelegenheit genommen, meine Auffassung von der Ver-
wendung der Tempora im ahd. darzulegen ; Behaghels Arbeit gibt mir den
Anlaß, auch über den Gebrauch der Modi im Altdeutschen meine Ansicht aus-
zusprechen.
Bei Behaghel wie bei Erdmauu ist mir aufgefallen , daß den Ca-
piteln , welche der Entwicklung der Grundbedeutung und der Hauptverwen-
dungen des selbständigen Conjunctivs gewidmet sind, ein so knapper Raum
zugewiesen ist. Beide haben vorwiegend dafür nur die selbständigen Sätze
untersucht. Nun dient aber der Conjunctiv im Nebensatze nicht nur zum
Ausdi'uck der Art der Verbindung desselben mit seinem Hauptsatze, sondern
hat auch einen selbständigen Werth. Über die Anschauung, wonach, wie der
Name sagt, der Conjunctiv in erster Reihe der Verbindung der Sätze dient,
sind wir ja längst hinaus und Heliand, namentlich auch Otfrid, zeigen im Neben-
satze so feine Abschattieruugen im Gebrauch des Conjunctivs, daß man es auf-
geben muß, dieselben in Form von Regeln, Ausnahmen und Ausnahmen von
Ausnahmen als Ausfluß des Verhältnisses der Sätze darzustellen. Die Neben-
sätze hat man sich ja , wie Erdmann nachgewiesen hat , als aus Hauptsätzen
entstanden vorzustellen, principiell sollte also jeder Conjunctiv im Nebensatze
aus einer der Grundbedeutungen, welche derselbe im Hauptsatze hat, zu er-
376 LITTERATUR: O. BEHAGHEL, DIE MODI IM IIELIAND.
klären sein. Nun wurde aber für gewisse Arten der Nebensätze der Conjunctiv
scliematisch und man entwöhnte sich früh, die absolute Geltung desselben her-
auszufühlen, nahm vielmehr die relative als die maßgebende, und so wurde für
bestimmte Arten der Nebensätze der Conjunctiv zur Regel. Es ist also die
Aufgabe, zu untersuchen , in welchen Fällen der Conjunctiv im Nebensatze zu
einer bestimmten Zeit der Entwicklung einer Sprache bereits schematisch für
gewisse Arten der Nebensätze geworden ist und wo er noch seine selbständige
Bedeutung behalten hat. Die Entscheidung darüber ist nicht schwer, wenn man
die verschiedenen Arten der Nebensätze von einem Denkmal, wie der Heliand,
geordnet übersieht. Auf diese Weise ergibt sich uns eine erstaunliche Mannig-
faltigkeit der selbständigen Verwendung des Conjuuctivs. Das subjective Element,
welches in demselben liegt, stellt sich uns dar als vorsichtige Behauptung, als
Wunsch, als Befehl, als Vermuthung, als Bedingtheit. Der Conjunctiv in den
germanischen Sprachen hat sicher ein mindestens ebenso ausgedehntes Verwen-
dungsgebiet, als beispielsweise im Griechischen und Lateinischen, wo er, da eine
reichere Litteratur in diesen Sprachen eine solche Praxis befördert, im Neben-
satze meist seine absolute Geltung verloren hat und als Ausdruck der Relation
dient. Erdmann hat diese doppelte Bedeutung des Conjunctivs im Nebensatze
wohl herausgefühlt und hat bei Besprechung der einzelnen Nebensätze den
selbständigen Werth des Conjunctivs zur Geltung kommen lassen , Bchaghel
aber mußte bei dem knappei*en Räume, der seiner Schrift zugemessen war, von
einer eingehenden Besprechung der Beispiele absehen. Gefährlich ist nun die Art,
wie letzterer sich hilft, wenn der Modus einmal nicht in die aus der großen Mehr-
zahl der Beispiele entnommene Regel über den relativen Werth desselben
hineinpassen wollte. Er findet uns in solchen Fällen entweder durch Annahme
des Reimzwanges (für Otfrid) oder eines Fehlers ab, oder er nimmt seine Zu-
flucht zur Conjectur. Was den Reirazwang angeht, so ist zunächst zuzugeben,
daß bei Otfrid hier und da wohl der Reim zu einer ungewöhnlicheren Con-
struction den Dichter bewogen hat ; allein der Grammatiker darf sich dabei
doch nicht beruhigen; er muß sich vielmehr, da der Dichter doch nicht baren
Unsinn bloß des Reimes wegen geschrieben haben kann, die Frage vorlegen:
welche psychologische Beziehung rechtfertigt und ermöglicht den Conjunctiv an
dieser Stelle? Ebenso mißlich ist es, scheinbare Unregelmässigkeiten im Heliand
und Otfrid durch Conjccturen heilen zu wollen. Beides sind die einzigen um-
fassenden , vom Lateinischen unabhängigen Sprachdenkmäler ihres Dialektes,
welche uns erhalten sind, und wir sollen die Regeln ihres Satzbaues aus ihnen
gewinnen, nicht die von uns a priori, wimn auch aus einer Anzahl von Bei-
spielen construicrtcn in ihnen wiederfinden wollen. Zudem ist der Text des
Monaceusis wenigstens, den ich selbst benut;^t habe, so klar und fast correctur-
los überliefert und dabei doch so sorgsam geschrieben, daß auch Schreibfehler
nur mit großer Vorsicht zu statuieren sind. Großes Lob verdient in der Be-
ziehung Erdmann, welcher in seiner Syntax Otfrids mit der größten Sorgsamkeit
den einzelnen Beispielen gefolgt ist und den Modus in ihnen aus der Grundbe-
deutung desselben immer herzuleiten gesucht hat, obgleich nach der Beschaften-
lieit der Handschriften das Ursprüngliche bei Otfrid lange nicht so sicher ist,
als im Heliand.
Bei der nun folgenden Besprechung der einzelnen Theilc von Bchaghel's
Schrift werde ich ganz von den daselbst besprochenen r)tfridstellen absehen, da
LITTEKATUR: <>. IJKilAGlIEL, DIE MODI IM IIELIANI). 377
ich annehmen darf, daß um die Zeit, wo diese ßeeen.sion im Druck erscheint,
auch der erste Band meiner Otl'ridausgabe vorliegt, welche darüber Auskunft
gibt 5 in einzelnen Fällen hat Behaghel Erdmann's Auflassung berichtigt.
In den ersten acht Paragraphen bespricht B. einige Eigenthiimlichkeitcn
der Sprache des Ileliand in Bezug auf den Modusgebrauch. Nachdem er in
§. 2 die Fälle zusammengestellt hat, wo C und M in Bezug auf den Modus-
gebrauch von einander abweichen , gibt er in §. 3 diejenigen , wo in ein und
demselben Satze die Modi wechseln, ohne jedoch eine Erklärung dieser Er-
scheinung zu geben. In §. 4 spricht er über die conseeutio tcmporum , in
§. 5 gibt er eine recht ansprechende Übersicht über den Übergang der in-
direeten Rede in die direete, bespricht in §. 6 die Parenthesen, in §. 7 die
Anacoluthien, in §. 8 das aito xoivov im Verhältniss von Haupt- und Neben-
sätzen zu einander. In Bezug auf diesen einleitenden Theil möchte ich nur
bemerken , daß B. in den §§. 3. 5 den Anfang der direetcn Rede öfters ent-
schieden unrichtig ansetzt. Es ist eine Beobachtung, welche für den Heliand
wie für Otfrid gilt, daß der Übergang des Conjunetivs in den Indieativ nicht
hinreicht, um den Anfang der directen Rede anzusetzen. Bei dem Übergange
der indirecten Rede in die directe ist vielmehr der Anfang der letzteren erst
bei dem Satze anzunehmen, wo ein Pronomen oder die Person des Verbs dazu
zwingt; folgt ein solches nicht (wie 3415), so ist der Anfang der directen
Rede bei der nächsten stärkeren Intcrpuuction anzusetzen (vgl. Otfr. I, 8, 21.
IV, 26, 13). Die vorhergehenden Indieative bilden den Übergang von der
Abhängigkeitsform der Conjunetive der indirecten zu der unabhängigen indica-
tivischeu Fovm der dii-ecten Rede. In Bezug auf Hei. 5242 (§. 3; Germ,
a. a. 0. S. 150). 1321. 2627. 2715. 3414 theile ich durchweg Heynes und
Rückerts Auffassung. An der letzteren Stelle ist der Übergang aus dem Con-
junctiv des Präteritums in denjenigen des Präsens durchaus nicht maßgebend,
denn der (/onj. Prät. gibt das Eintreten, der des Präsens die nach diesem Ein-
treten noch zur Zeit der Rede stattfindende Dauer der Handlung an. -— Zu
§. 6 bemerke ich, daß in 1846 der Satz mit huuand nicht als Parenthese zu
fassen ist; vielmehr ist derselbe zweifellos der Vordersatz zu dem mit so uuesat
gi mildea beginnenden Nachsatze. Das ganze Satzgefüge stellt dar, woran in
Gihuggead gi Christus die Jünger zu denken mahnt. Wenn also Heyne huuand
durch daß übersetzt, so ist das nur eine durch den gedrungenen Ausdruck im
Wörterbuehe entschuldigte Ungenauigkeit des Ausdrucks.
In §. 9 gibt Behaghel eine Übersicht über den Inhalt des Folgenden.
Über den in §§. 10 — 13 dargestellten unabhängigen Conjunctiv habe ich meine
Erinnerungen schon oben gegeben; über den imperativischen Conjunctiv speciell
ist zur Genüge, besonders von Erdraann und Sievers, gehandelt. Bei der von
§. 14 ab folgenden Besprechung der abhängigen Sätze tritt nun recht der oben
erwähnte Mangel hervor, daß Behaghel nicht die absolute Bedeutung des Con-
junetivs im Nebensatze von der schematisch-relativen desselben gesondcrt^hat.
Es kann nicht in meiner Absicht liegen, eine Revision des gesammten bear-
beiteten Materials hier vorzunehmen (man wii'd nicht fehlgehen, wenn man die
meinten Stellen, wo B. eine Ausnahme statuiert oder eine Conjectur für nöthig
hält, nach den von mir aufgestellten Gesichtspunkten aus aufs Neue untersucht) ;
doch an einigen Beispielen der Hauptsatzarten will ich das Gesagte erläutern.
In §§. 14 — 19 sind die Substautivsätze oder Explicativsätze, wie sie B, nennt,
378 LITTERATUR: O. BEHAGHEL, DIE MODI IM HELIAHD.
besprochen. Es ist lichtig, was B. bemerkt, daß diesen Sätzen vorwiegend
der Indicativ eigenthümlieh ist; allein einen Vers wie 272: huuo mag gi-
uuerdan that so, that ik magu fodie, bloß weil ein Conjunctiv im abhängigen
Satze steht, als Consecutivsatz zu erklären, nenne ich gewaltsam. Man vgl,
Otfr. I, 5, 37: Unio mag iz io uuerdan uiiiir, thaz ih uuerde suangar. Ähn-
liche Beispiele bei Erdmanu I, §, 247. Der Conjunctiv hat also nicht seinen
Grund in der Andersartigkeit des Nebensatzes, sondern darin, daß die in dem
fragenden Hauptsatze ausgedrückte Ungewißheit sich auf den Nebensatz über-
trägt. B. gibt nur nach Ausdrücken des Erlangeus, des Zulassens, Bestimmens,
nach es ist würdig, nach gewohnt und bereit sein den Conjunctiv zu, doch
trifft er auch hier im Einzelnen nicht immer das Richtige. So vermag ich in
den Sätzen 4955: it an is friunde abad, that man ina gangan let und 5410:
enna haftan man abiddian skoldun, that im ferah fargäbi in einem Unterschiede
der Bedeutung des Verbs abiddian keinen Grund des verschiedenen Modus im
Nebensatze zu finden. Die Bedeutung ist in beiden Sätzen dieselbe. Die
Nebensätze sehe ich beide als Folgesätze an ; Objectssätze können es nicht
wohl sein, da das Verb in beiden (wie auch in 5417) schon ein Object bei
sich hat. Der Conjunctiv in dem zweiten erklärt sich dadurch, daß die Hand-
lung des Nebensatzes noch nicht Thatsache geworden ist, sondern nur in der
Form eines Postulats besteht. Unnöthig, und deshalb verwerflich scheint mir
auch die Conjectur zu 5347 (Germ. a. a. 0. S. 150), wo B. ein thi ergänzen
will. Lehrreich ist, was S. 24 f. über den Parallelismus gesagt ist; doch lasse
ich für die Nummern I, a. b. c, wo vom Parallelismus zwischen Substantiv und
Relativsatz die Rede ist, nur Beispiele, wie 452 gelten, wo das Substantiv den
Sinn des Nebensatzes vorwegnimmt; die andern halte ich für Consecutivsätze.
— In den in §§. 20 — 23 besprochenen Behauptungssätzen kommt nun nament-
lich zur Geltung, was ich oben über den absoluten Werth des Conjunctivs im
Nebensatze gesagt habe. In vielen Fällen bestimmt eine andere subjective
Beziehung, als die in der Art der Abhängigkeit des Nebensatzes vom Haupt-
satze ausgedrückte, den Modus des Nebensatzes als Conjunctiv. Erdmann hat
für Otfrid in dem Abschnitte über die directe Rede diesen absoluten Conjunctiv
im Nebensatze (in §. 309) vortrefflich dargestellt. Für Otfrid ist allerdings die
Mannigfaltigkeit eine größere, aber auch in dem objectiver gehaltenen Heliand
finden sich Beispiele genug. Zunächst ist zu constatieren , daß bei quettan
der Conjunctiv als Ausdruck der Abhängigkeit der Thatsache des Nebensatzes
von dem denkend thätigen Subjecte schematisch geworden ist. Noch heute
ist es der gebildeten niederdeutschen Sprechweise eigenthümlieh, den Conjunctiv
in der mit daß eingeführten indirecten Rede zu gebrauchen. Ahnlich wie
dieser Conjunctiv bei quedan , ist er aufzufassen bei sprekan in 2880. 3049.
seggean 869. 2845. 3149. 3967. 5558. 5923; nach ed gisuuor 4979; het
scriban 5553. Allein der absolute Conjunctiv kommt zur Geltung, wo er be-
stimmt ist durch den Inhalt des Nebensatzes, nicht durch die Art seiner Ab-
hängigkeit vom Hauptsatze. Hierher gehören a) die Fälle, wo im Nebensatze
ein Befehl ausgedrückt ist. Meist steht dann ein Hülfsverb im Conjunctiv
dabei, so skal nach quertan in 134. 136. 584. 585. 589. 1109. 2051. 3523.
4474. 4735. 5935; nach sprekan 443; mag nach quedan in 723. 2555; mot
nach uuord in 709 ; doch steht auch der blosse Conjunctiv in diesem Sinne
4173: gispräkun, that sie im ni letin iro mod tuuehon. 5137. Meist steht
LITTERATUK: O. 13EHAGHKL, DIE MODI IM IIELIAND. 37'J
der Conjunctiv des Präteritums, tlocli kommt auch das dein iinperativischeu
Conjunctiv näher stehende Präsens vor, so 1508. 4420, die übrigen abhän-
gigen Heischesätze sind in *?. 43 behandelt, b) der Conjunctiv im Nebensätze
drückt eine Absicht, einen Entschiuli aus, so nach sprekan 4492; hierher ge-
hören auch alle die Fälle, wo uueldi, uueldin nach quedan steht; vgl. 132.
643. 1101. 1158. 2320. 2559. 4703. 4988, 5144, 5484; ein Beweis dafür
liegt in 2101, wo einfacher Conjunctiv und uueldi mit einem Infinitiv gleich-
bedeutend neben einander stehen; c) eine Annahme, so 170G. 5886; d) eine
Verranthung oder Ungewißheit, so 2322. 4483. 3053; hierzu gchijren wohl
auch die Fälle, wo der Nebensatz nacli einem Verb des Sagens verneint ist,
wenngleich die Trennung vom schematischen Conjunctiv im Nebensätze hier
nicht so sicher ist; vgl. 2876. 3863. 3930. 3978. 4277. 4696. 4963. 5137.
5200. 5924; e) eine in der Meinung des Sprechenden irreale Thateache; so
nach gehan stets: 1976. 3953. 5106. 5340; nach quedan 5193. 5365; nach
seggean 3046. 5333. 5576; f) eine Prophezeiung^ nach seggean 582. 609.
913. 575«; nach quedan 138; nach uuord 625. 4937. 5001. 5861. — Auch
für die in §. 24 dargestellten Relativsätze hat meine obige Bemerkung Gül-
tigkeit. Ob in dem Relativsatze nach einem Superlativ (und enig) der Con-
junctiv oder Indicativ steht , richtet sich nicht darnach , ob der Hauptsatz be-
jahend ist oder verneint, sondern nach dem Grade der Realität, welchen in des
Sprechenden Augen die Thatsache des Nebensatzes hat. — Der §. 25 spricht
über die Adverbialsätze der Zeit. AuflFallend ist zwar der Modus in 4349 uuerold
ni mot tefaran, er than uuerde gifuUit so , da sonst im Nebensatze mit er
nach negiertem Hauptsatze der Indicativ steht und da besonders auch, was B.
nicht erwähnt, der ganz analog gebaute Satz iu 4568 den Indicativ hat;
gleichwohl bestreite ich die Berechtigung , uuerde als Fehler zu erklären und
uuirdid zu setzen, weil die Hindeutung auf die Zukunft eine Ungewißheit iu
sich achließt, welche zur Erklärung des Conjunctivs hinreicht (auf der letzten
Seite widerruft auch B. selbst diese Coujccturj. — Die in §. 26 behandelten
Adverbialsätze des Ortes bieten keine Schwierigkeit. In §§. 27 — 80 ist über
die Vergleichungssätze, in §§. 31. 32 über die Folgesätze gehandelt. Zu den
letzteren bemerke ich nur, daß ich eine Änderung des Textes iu 4078 (mosti)
und in 2504 (that) nicht für nöthig halte. Daß 4091 erst erzählt ist, daß
das Grab wirklich geöffnet wurde, wird entschuldigt durch die eingeschobene,
längere Rede der Maria, über welcher Schreiber und Leser das vorher Gesagte
vci'gessen. Es folgen dann in §. 33 die Causal-, in §. 34 die Absichtssätze,
in §§. 35 — 37 die Bediugungs- und in §. 38 die Concessivsätze. Die Behandlung
des Materials ist erschöpfend und klar, wenn ich gleichwohl auch hier gegen einige
Einzelheiten Einsprache erheben möchte. So halte ich die Conjectur thär oder
than (in §. 34) zu v. 3460 für unnöthig und besonders bestehe ich auf der
ursprünglichen Lesart gifrummien in 3402, Es folgen in §. 39 — 42 die ab-
hängigen Fragesätze, iu §§. 43 — 46 der abhängige Heischesatz. Letzterer
mußte sich unmittelbar an die Explicativsätze anreihen (vgl. oben) ; es wäre
bei dieser Anordnung manches Beispiel in richtigerer Beleuchtung erschienen.
In den folgenden Paragraphen ist die Rede von den Nebensätzen zweiter Ord-
nung und dem Gebrauch des Conjunctivs in denselben. Auch hier hätte ich
einige Bedenken zu äußern, doch das bereits Angeführte dürfte zur Charakte-
i'istik von Behaghels Arbeit hinreichen.
380 MISCELLEN
Ich schließe mit der Bcnicrkiing, die ich schou oben gemacht: möchte
die Schrift bald zu einer vollständigen Syntax des Heliand umgestaltet werden!
und ich füge hinzu : möchten wir demselben anregenden Einflüsse , unter dem,
nach mehreren Ilindeutungen zu schließen, die Schrift entstanden ist, bald
ähnliche Arbeiten über die Syntax der Edda, des Beowulf, der kleineren ahd.
Denkmäler und , was mir die schwierigste Arbeit scheint, der ahd. Übersetzer
zu verdanken iiaben !
ALTONA, im April 1877. P. PIPER
MISCELLEN.
Zwei Briefe Jacob und Wilhelm Grimms.
Die hier mitgetheilten beiden Briefe der Brüder Grimm befinden sich
im Besitz eines hiesigen Kaufmanns, des Herrn Knowles. Sie sind in mehr als
einer Beziehung interessant, namentlich als nicht unwichtiger Beitrag zu dem
Bestreben der Brüder, eine Concurrcnz von weniger Befähigten auf ihrem Gebiete
nach Kräften fern zu halten.
Der Brief Jacobs ist an August Zeune in Berlin gerichtet, der, bekannt-
lich seit von der Hagens Abgang im Jahre 1811 Professor an der dortigen Uni-
versität, namentlich als Mitglied der ISl."! gestifteten Berlinischen Gesellschaft
für deutsche Sprache eine umfassende , wenn auch für die Wissenschaft wenig
gedeihliche, Thätigkeit entwickelte. Das Nähere über die in dem Briefe berührten
Punkte findet sich, worauf Herr Professor Zarucke mich freundlichst aufmerksam
macht, in dem Vorbericht zu dem ersten Baude des Jahrbuches der Berlinischen
Gesellschaft für deutsche Sprache (Berlin 1820), S. XIII f. Die Gesellschaft
hatte 1817 auf eine zeitgemäße Umarbeitung von J. G, Schottelius ausführ-
licher Arbeit von der Teutsclien Haubt Sprache (Braunschweig 1663)' einen
Preis gesetzt ■•"). Als sich k- iu Bewerber fand, bestimmte sie das mobil gemachte
Geld zur Unterstützung anderer Arbeiten germanistischen Inhalts. Zu diesen Ar-
beiten gehörte auch der Plan einer Ausgabe des Vulfila. Sie unterblieb, wohl
kaum zum Schaden der Wissenschaft. — Aus Jacob Grimms beabsichtigter
Reise nach Mailand ist 1824 bekanntlich nichts geworden. Wie sehr ihm aber
eine Reise zum Zwecke der Herausgabe dnr ambrosianischcn Handschriften am
Herzen lag, geht noch aus einer Äusserung hervor, die in dem am 5. De-
ccmber 1844 in der Berliner Akademie vorgelesenen Bericht über seine ita-
lienische und skandinavische Reisen sich findet (kl. Sehr. I, 57): 'auf den Süden,
seit die Mailänder Palimpscsten herausgegeben waren , hatte meine Spannung
nachgelassen; Heber wollte ich lernen ohne zu reisen als reisen ohne zu lernen .
Der Brief Wilhelms an J. G. Büsching in Breslau bezieht sich auf die
zu Wittingshausen im Herbst 1818 und im Anfang des folgenden Jahres ge-
fundenen mit Zeichen versehenen Steine, über die W. Grimm, über deutsche
Runen (Gott. 1821) S. 268 ff. gehandelt hat. Noch sei bemerkt, daß die erste
*) Darauf bezieht sich die 'Aufwärmuup: Sehotteis'.
MISCELLEN 381
Nachricht von diesem Funde uus der Feder des Hol'arehivdirectors liomuicl in
Casael, auf die der Brief Bezujj nimmt, in den Güttinger Gel. Anzg. vom Jahre
1819, Stück 143 erschien (vgl. über deutsche Kuuen, S. 278 Anm.J.
Die Orthographie beider Briefe ist von mir beibelialten. Wie durchweg
bei den Brüdern , ist Jacobs Brief in Antiqua , der Wilhelms in deutscher
Schrift geschrieben.
KOTTKKIJAM, September 1876. B. ÖYMONS.
I.
Jacob Grimm an Zeune.
Cassel, 12. april 1824.
Ew. wohlgeborn melden mir unaufgefordert unterm 21. febr. d. j. die
berliner gesellschaft für deutsehe spräche habe eine handausg. des Ullilas vor.
Briefwechsel mit Mai und Castiglioni wegen der maililuder handschrifteu ertheile
nicht viel trost „die gesellschaft sei inzwischen der meinung das was da ist zu
geben." Ich solle rathen. Das heisft sehr deutlich: die gesellschaft will, ohne
bekanntmachung der mail cod. abzuwarten jetzt gleich und unaufgeschoben den
zahnischen text wohlfeil abdrucken laßen. Begehrten rath ertheilte ich offen
dahin: eine solche handausg. scheine mir keineswegs dringend und störe mich
in meinem vorhaben einer critischen, vollständigen ausgäbe, derentwegen ich
auch noch heuer nach Mailand zu reisen hoffe.
Wieder schrieben Sie darauf den 30. merz: gesellschaft wolle in einigen
Wochen einen abschreiber nach Mailand schicken, um die hss. durchzuzeichnen,
habe deßhalb schon schritte zu Wien und beim preuß. Ministerium gethan ;
beßeres ziel als die aufwärmung Schotteis seien die ambros. handschrifteu.
Das heißt sehr deutlich eins von zweien: entweder im ersten schreiben
hehlen Sie den eigentlichen plan, wie es scheint ohne allen grund, da ich eher
um ihn zu befragen gewesen wäre, als um eine bloße handausgabe. Oder,
wenn der damahlige vorsatz einer handausg. ohne die mail. hss. Wahrheit
war, gesellschaft hat sich nach meines briefs empfang, ohne rücksicht
zu nehmen, welche vorarbeiten, Verbindungen, cinleitungen meinem plane zu
grund liegen, entschloßen mit einzuschreiten und trägt mir Vereinigung an.
In jenem fall widerstreben meiner gesinnung rückhalt und halbheit des
erften briefs; im letzten fall eben so sehr eindrängung in die absiebten eines
andern, der es gut und tüchtig mit der sache meint, die wirklich oder angeb-
lich bereits gethauen, meine erkläruug nicht einmahl abwartenden schritte.
Keiner der beiden folgerungen habe ich auszuweichen vermocht und bitte, wenn
Sie es auch nicht vermögen, alle weitere correspondenz abzubrechen.
Da Sie den zweiten brief im auftrage der gesellschaft geschrieben zu
haben erklären, ermächtige ich Sie, meine antwort ihr, unter deren mitgliedern
ehrenwerthe mänuer sitzen, vorzulegen. Daff die gesellschaft ihre löblich fte
thätigkeit für unser vaterländ. alterthum auf vielfältige weise bewähren kann,
und den plan eines mannes, der- fich durch langes ftudium zu dem mail. Ulfilas
ausgerüstet hat, nicht eben zu ftören braucht, glaube ich. Vielleicht il't ihm
dadurch schon geschadet worden! Ich hatte mich an den oestreich. liof ge-
wendet, sehe delTen entscheidung entgegen und bin, wenn er ablehnt, bereits
feit einiger zeit des Ulfilas halber mit dem Stifter der gesellschaft für deutsche
geschichte in Verhandlung, lo daff ich in diesem augenblicke wenigftens nicht
noch andere Verbindungen eingehen kann. Jacob Grimm.
382 MISCELLEN.
IL
Wilhelm Grimm an Büsching.
Cassel, 16. märz 1825.
Ew. wohlgeboren geehrtes schreiben vom 18. februar habe ich von Wittings-
hausen richtig erhalten. Zwar hatte ich dem hn. v. Schwertzell so genau als
möglich beschrieben, wie er verfahren müßte, wenn er einen ordentlichen abguß
der fteine zu stände bringen wollte, weil ich aber weiß, wie wenig man auf
einem landgute auf dergleichen eingerichtet ift, wo z. B. schwerlich feiner gyps
vorhanden sein wird, fo erbot ich mich gleich, so bald ich selbst wieder hin-
käme , die arbeit zu übernehmen. Sie können darauf rechnen, daff ich mein
versprechen halten werde, nur kann ich nicht versichern: in kurzer zeit. Wit-
tingshausen ist zu entfernt (14 stunden von hier), als daff in einem oder zwei
tagen die reise abzumachen wäre 5 ich pflege gewöhnlich im Spätsommer die
farailie, mit der ich feit lange freundschaftlich verbunden bin, auf einige zeit
zu besuchen; eher alfo dürften Sie eine erfüllung Ihres Wunsches, inl'oweit sie
von mir abhängt, nicht erwarten.
Ich wiederhole nicht meine ansieht über diese zeichen, da ich mich schon
iu der schi'ift über die runen darüber geäußert habe, die Sie ohne mühe wer-
den erhalten können. Hätte nicht hr. Rommel vorher das publicum darauf
aufmerksam gemacht und nach meiner meiuung allzugroße erwartungen erregt,
fo weiß ich noch nicht einmal, ob ich irgend etwas öffentlicli davon gesagt
hätte. Sie gedenken diefe steine im schlimmitcu fall als Warnungstafeln zu
benutzen, aber es kommt mir vor, als würde es ebenfo fchwer fallen zu be-
weisen, daff der augenschein trüge und diese zeichen unbedeutend und zufällig
seyen , als das gegentheil. Man thut recht die sibirischen zeichen genau ab-
zubilden und bekannt zu machen, aber glauben Sie, daff man zu irgend einem
rcsultat gelangt, wenn man aus verschiedenen welttheilen zeichen, von denen
man nur vorausfetzt, daff es buchstaben seyen, scharfsinnig vergleicht, ohne
das geringfte von der spräche zu wisfen , der sie angehören und mit dem In-
nern bewußtseyn, auch nicht ein wort davon lesen zu können? Nimmt man in
den paar mexikanischen zeichen bei Humboldt noch einen welttheil dazu, fo
kommt man doch nicht weiter und wird mit der behauptung einer gewiffen
allgemeinen ähnlichkeit und mit dem wünsch oder höchstens der prophezeiuug,
daff die zukunft mehr enthüllen werde, anfangen und aufliören ; was hat man
damit? Ich ftreite nicht ab, daff nicht jemand noch einen witzigen einfall dar-
über haben könne und endlofe vermuthungen möglich seyen, aber ich glaube
bpi dem gegenwärtigen zustand der litteratur erwirbt man fich ein verdienst,
wenn man dergleichen zurückhält. Ich gestehe, daff die genaue und richtige
erklärung eines einzigen der mit jenen deutschen runen beschriebenen gold-
bleche zu Kopenhagen in meinen äugen wichtiger und nützlicher seyn würde,
als die ausführlichfte abhandlung mit vermuthungen über ein halbes dutzend
zweifelhafte, völlig unverständliche zeichen.
Tambronis brief über die urne zu Castel Gandolfo haben wir auf der
bibliothek. Warum wollen Sie die kupfertafel nachstechen laßen? Wie wenige
können fich mit paläographischen Untersuchungen abgeben, und diefe werden
sich das ital. achriftchen ohne mühe und große kosten verschaffen können.
Sie müßten denn etwas überraschendes oder eine neue entdeckung hinzuzufügen
I
MISCELLEN. 383
haben. Ich weiß nichts darübei- zu sagen, oder was soll der weit eine ver-
muthung auf die ich selbst keinen wcrtli lege, weil ich morgen und übermorgen
und jeden folgenden tag eine andere darüber äußern könnte? lud wir haben
noch so viel zeit zur bearbeitung trefflicher und reichhaltiger quellen nöthig,
wo wir ohne schwanken fortschreiten und eines sicheren gewinnes uns erfieuen
können ! Hochachtungsvoll
Ew. Wohlgeboren crgebenfter
Willi. Grimm.
Germanistische Vorlesungen im Sommersemester 1877.
Encyclopädie und Greschichte der Philologie: Breslau-Bobcrtag; Hei-
delberg-Bartsch.
Vergleichende Grammatik der indogcrman. Sprachen: Basel-v. d.
Mühll; Bonn- Aufrecht ; Göttingcn-Fick; Münster- Jacobi; Wien-Müller ; Überblick
über die Völker und Sprachen indogerman. Stammes: Halle-Pott; Wesen und
Eintheilung der Sprachen: Innsbruck- Jülg; allgem. Sprachwissenschaft: Zürich-
Tobler; Sprachwissenschaft und Völkerkunde: Würzburg- Jolly ; Probleme der
vergleich. Syntax: Straßburg-Windisch.
DeutscheGrammatik: Berlin-Müllenhoff ; Göttingen- W. Müller ; Leipzig-
Hildebrand, Braune; Wicn-Tomaschek; vergleichende Grammatik der altgerman.
Dialekte: Basel Heyne; ausgewählte Capitel : Czornowitz-Strobl 5 Marburg-Lucae;
deutsche Conjugation : Bonn-Andresen; Syntax: Gießen- Weigand; Stil: Bonn-
Andresen.
Gotische Grammatik: Dorpat-Meyer; Münster-Storck ; Prag-Kelle.
Gotische und althochdeutsche Grammatik: Bonn-Birlinger;
Erlangen-Steinmeyer.
Althochdeutsche Grammatik: Basel- Meyer; Jena- Sie vers.
Altsächsische Grammatik: Kiel-Pfeiffer.
Angelsächsische Grammatik: Kiel-Möbius.
Englische Grammatik: historische: Berliu-Zupitza ; Kostock-Lindncr ;
altenglische: Gießen-Lomcko ; neuenglische: Leipzig- Wülcker; Syntax: Berlin
(Akad.)-J. Schmidt.
Altnordische Grammatik: Halle-Gering.
Schwedische Grammatik: historische: Berlin (Akad.)-Nordenskjöld.
Deutsche Mythologie: Prag-Kelle.
Deutsch e AI te rthümer: Leipzig-Arndt: Alt. deutschen Budens : Jena-
Klopfleisch; deutsches Leben auf den Burgen im Mittelalter: Innsbruck-Zin-
gerle; schweizerische Culturgeschichte: Zürich-Vögelin. — Tacitus' Germania:
Erlangen- Wölflflin; Königsberg- Wiehert: Wien-Heinzel.
Deutsche Rechts quellen: Basel-Heusler; Erlangen- Vogel ; Sachsen-
spiegel: Göttingen-Sickel; Jena-Schulz; Königsberg-Phillips; Leipzig-Höck.
Deutsche Litterat Urgeschichte: Bonn-Birlinger; Leipzig-Zarncke;
Tübingen-Keller; bis Ausgang des 16. Jhs.: Bonn-Reifferscheid ; bis Opitz:
München-Bernays ; im Mittelalter: Freiburg-Paul; Rostock-Bechstein ; Zürich-
Honegger; vergleichende Litteraturgeschichte des MA.: Dorpat-Masiug; vom
13. Jh. bis zur Reformation : Straßburg-Scherer; neuere deutsche: Kiel-Pfeiffer 5
von der Reformation an: Würzburg -Lexer; von Opitz an: Breslau-Weinhold;
Göttingen-Tittmann; Wien-Tomaschek; seit Gottsched: Halle-Haym; von Klop-
384 MISCELLEN.
stock bis Schillers Tod: Berlin- Geiger; von 1770 au: Jiouu-Wilmanus; Sturm-
und Drangperiode: Würzburg-Schmidt; 19. Jahrb.: Bern-Hirzel; Erlangeu-
Waguer; Gießen-Zimmermann. — Lessing: Czernowitz-Strobl; Göttingeu-Goe-
deke ; Prag-Lambel; Goethe: Tübingen-Köstlin ; Schillers Dramen: Zürich-Stiefel;
Seh. 's lyrische Gedichte: Beni-Hirzel; Seh. 's ästhet. und philos. Schriften: Zürich-
Jacoby; deutsche Dramatiker des 19. Jhs. : Zürich-Stiefel.
Englisch e Litteratu rg eschichte: Wien-Schipper: von Chaucer bis
Milton: Breshiu-Kölbing.
D eutsche Metrik: Prag-Martin; Würzburg-Schmidt; altdeutsche: Berlin-
MüUenhoff; Graz-Schönbach: Straliburg-Rödiger; mittelhochdeutsche: Innsbruck-
Zingerlc.
Sprachdenkmäler:
Gotische, althochd., uhd. Interpretation: Würzburg-Lcxer.
Althochdeutsche: Basel-Meyer; Otfrid und Denkmäler des 9. Jlis. :
KönigsbergSchade.
Mittelhochdeutsche: Gedichte: Zürich-Ettmüller.
Drama des Mittelalters: Rostock-Bechstein.
Gottfrieds Tristan : Innsbruck- Ziugerle.
Gudrun: Breslau- Weinhold ; Göttingen Wilken j Leipzig-Hildebrand.
Minnesänger : Freiburg - Paul : Greifswald - Vogt ; Straßburg - Rödiger ;
Zürich-Tobler.
Nibelungenlied: Heidelberg-Bartsch; Leipzig-Edzardi ; Müuster-Storck ;
Tübingen-Keller.
Walther von der Vogelweide: Bern- Vetter: Bonn-Wilmanns ; Erlangen-
Wagner; Gießen- Weigand, Zimmermann; Göttingeu-W. Müller; Graz-Schön-
bach; Halle-Zacher; Leipzig Zarncke; Prag-Martin.
Wolframs Parzival: Halle-Zacher; Marbnrg-Lucae; München-Hofraann ;
Straßburg- Scherer.
Altsächsisch: Heliand: Bern-Vetter ; Breslau-Kölbing; Gießen-Weigand ;
Göttingen-Wilken ; Kiel-Pfeiffer.
Angelsächsische: Beowulf: Berlin (Akad.)-Zoniial; Greifswald-Hoefer ;
Juna-Sievers; Kiel-Möbius; Straßburg-ten Brink.
Altenglische: nach Mätzner: Gießen-Lemcke : Chaucer's Canterbury
Tales: Berlin (Akad.)-Herrig.
Altnordische: nach Dietrich: Wicn-Heinzel; poetische Edda: Halle-
Gering; Zürich-Ettmüller; prosaische Edda: Straßburg- Bergmann; eine Islen-
dingasaga : Leipzig-Edzardi.
Berichtigung.
Zu Germ. XXI, 347. Als ich im vorigen Jahre den Messegesang Got vater
aller kristenheit unter der überlieferten Überschrift Ein ijuot gehet aus einer St.
Florianerhs. des 15. Jhs. mittheilte, war meinem Gedächtniss entschwunden, daß
derselbe in der Spruchsammlung Freidaiiks 181, 10 ff. W. Grimm sich findet,
sowie auch daß E. Steinmeyer ihn nach einer viel altera Weingartner Auf-
zeichnung des 12. Jhs. ^jetzt in Fulda) in der Zs. f. d. A. XVlll , 455 f.
herausgegeben hatte, gleichfalls ohne sich sogleich auf den Zusammenhang mit
Freidank zu besinnen, den er erst nachträglich a. a. O. XIX, 163 f. darlegte.
H. LAMBEL.
ZUM MARNER
Daß von einem Gegner Marners einmal ein Spruch gedichtet
sein mußte, in welchem sich eine Anspielung auf die ursprüngliche
Bedeutung seines Namen — marnaere marmarms Schiffer — befand,
ei'gibt sich nach meiner Vermuthung aus MSH. II, 253*, einer dem
Marner beigelegten Strophe, in welcher es unter andern heißt:
ein totser meister riet miiy daz ich arge 'z ruodel würfe hin,
vgl. Germania 19, 52 und Strauch in der Einleitung zu seinem Marner
S. 1. Eine Anspielung derselben Art glaube ich inzwischen gefunden
zu haben in einem Spruche, welchen die Pariser Liederhandschrift
unter Boppes Namen bringt, in MSH. II, 384'' (III, 2). Um diesen
einer näheren Besprechung zu unterziehen, muß ich ihn ganz hersetzen :
Hoert ir'z, her esel, liei' dvnkelguof, her erenntdinc,
Her galgenswenkel wend ir ivars (?), her niemansvriunt, her glidinc.
Ir Sit wol des witehopfen genoz,
In gebristet an rehter kunst, an eren und. an muote,
5 Sigels unt stiure enhabt ir niht, ir vliezet äne riiote-^
Her swalioennest, iuwer schal der ist ze groz.
Waz sol der kneje Uten, loaz sol der vrösche schrien, der hennen gagzen ?
Swelch schale im, selben dilnref, dem schal der hagel, sus siht man
slaht in slaht ez flagzen.
Hoert ir'z, her entensnabel, her sürtel und ouch her tore,
10 Her sniudel, toaz sniudelt ir uns an? waz sol ein loolf ze km'e?
Her affenzagel, her schandendeckehloz?
Was hier der Dichter in V. 4 — 5 sagt: Euch fehlt es an rechter
Kunst und an ehrenhafter Gesinnung, ihr führt weder Segel noch Steuer,
ihr fahrt ohne Ruder: das scheint mir nämlich nur dann einen annehm-
baren Sinn zu geben, wenn man es auf den Marner bezieht. Es ent-
V. 3 withopfen. — 4 iuch. — 5 siges, von v. d, Hagen verbessert, enhaht] der
habt, vliessent. — 7 hiejen. — 8 slahtes. flegzen. — 9 vor her sürtel steht noch her
sniidel. her tore] ir tore.
GERMANIA. Neue Reihe. X. (XXII. .lahrg.) 25
386 F. BECH
steht hierbei nur die Frage, ob diese Worte direkt gegen denselben
als Gegner gerichtet waren, oder ob sie etwa — die Richtigkeit der
Überlieferung vorausgesetzt — vonBoppe dem Meißner zugex'ufen wurden
um den Marner gegen ihn in Schutz zu nehmen. Dem hier mitge-
theilten Spruche geht nämlich in der Pariser Handschrift ein anderer
voraus, den die Jenenser Handschrift mit mehr Wahrscheinlichkeit
imter Meißners Liedern aufführt. Beide sind in demselben Tone ab-
gefaßt, in welchem wir vom Meißner eine Reihe Strophen besitzen,
vgl. MSH. IH, 86 — 88. Daß der erstere weit eher von Meißner als
von Boppe stammt, dafür spricht vor allem der klingend gebrauchte
Reim strebet : lebet ^ der bei einem Oberdeutschen jener Zeit auffal-
lend wäre. Der Meißner schildert in seinem Spruche das Gebahren
und das Schicksal des „Schalkes" durch Beispiele aus der Thierwelt;
er stellt ihm an die Seite die Fledermaus, den Esel, den Fuchs, den
Wolf, die Ziesel- und die Bilchmaus*). Nach Hagens Auffassung
hat (MS. IV, 693'' und öDö"") sich Boppe dieß angenommen und in dem
darauf folgenden Spruche, welchen ich oben mitgetheilt habe, eine Er-
widerung erlassen im Tone des Meißners.
Aber in dem Inhalte wie in der Ausdrucksweise beider Sprüche
vermag ich nichts zu entdecken, aus dem mit Bestimmtheit hervor-
gienge^ daß der eine Verfasser auf die Äußerungen des andern Bezug-
nahme. Wenn der Meißner sagt zisel und bilchmüs sint miiise genoz,
Boppe dagegen ir Sit lool des loitehopfen genoz ^ so sehe ich dadurch
noch keineswegs die Nothwendigkeit einer solchen Beziehung bedingt.
Überdieß findet sich in dem sprachlichen Ausdruck einiges, das nicht
gerade für einen Verfasser aus Oberdeutschland spricht, wohin doch
Boppe gehörte.
So gleich das Scheltwort dimkelguot = hypocrita, pharisaeus,
Scheinheiliger. Die mhd. Wörterbücher haben es gar nicht aufgenommen.
Es findet sich aber in md. Denkmälern vor, so in einem Spruche
Meister Kelins**) in MSH. III, 22'' (III, 1): die varnden smeichent unde
machent manigen man ze dimkelguot; in den Offenbarungen der Schwester
*) Für pillichmiuse steht in der Pariser Hs. polmiusej über die Bedeutung
des letzteren Wortes verweise ich auf Nemnich S. 424 — 425, nach dessen Angaben
arctomys cüellus {mua noricus) bei den Deutschen auch die polnische Maus, bei den
Böhmen Polnj mys, hei den Polen viy^-z polna heißt.
**) Nach V. d. Hagen freilich in MS. IV, 709 sind Sprache und Eeim Kelins
„meist rein Oberdeutsch". Für norddeutsche Heimat des Dichters sprechen aber die
Heime vrunde : s-imde, lügenere : Sre, sowie die Formen keMe (nominaret), krün (grus),
wan (= gewan), scM (= geschehe).
ZUM MAHNER. 387
Mechtild od. Morel S. '224: bl dunkelguot sollen wir nimur Hin, uud in
den Stellen, welche das deut. Wörterbuch I, 1541 beibringt; noch häu-
tiger tindet siclis im Mittclnioderd. , vgl. Schiller und Lübben Mnd.
Wort. I, 597, Ubei haupt sind die Zusammensetzungen mit dunkel oder
dunkel dem Oberdeutschen fremd, mundrechter dagegen dem Mittel-
deutschen und dem Niederdeutschen. So dunkelhiderhe bei H"inrich
Frauenlob in den Sprüchen 304, 1 ed. Ettraüller, wo fälschlich f.unkel
biderhe in den Text gesetzt und in der Anmerkung dazu als non illus-
tris, „von dunkler Herkunft" genommen ist; es ist =^ eingebildet oder
dem Scheine nach bieder, scheinheilig; — dunkelere f. bei Meister Ger-
velin in MS. III, 37* = Scheinehre; — dunkelkouf m. = Scheinkauf in
den Weist. 1,478; — dunkelmeister m. = Scheinmeister, eingebildeter
M. bei Gervelin in MS. III, 36'' und bei Luther nach Dietz Wörterb.
I, 463; — dunkelmütekeit = Einbildung, Eigendünkel, Eitelkeit {= dtmck-
lickeit beim monachus Pirnensis 1471) in einem md. Gedicht bei Grimm
Reinh. S. 433*); — dunkelvriunt = mhd. trügevriunt im Kaland des
Pfaften Konemann ed. Schatz 201 ; — ebendahin gehört das bei Lexer
I, 476 stehende dunkelhilde, so viel als trughüde, und die in Luthers
Schriften vorkommenden Wörter dünkelfein, dünkelcjeist , dünkelkltig^
dunkelwerk bei Dietz I, 462— 463. In Oberdeutschlaud traten dafür auf
Zusammensetzungen mit wän (vgl. Frommanns Mund. III, 187 — 188) oder
mit irug.
Auffällig ist auch im 2. Verse der Ausdruck glidinc im Reime
auf mdinc. Falsch ist es, wenn es im Mhd. Wörterb. I, 548'' heißt, daß
hier der Esel damit angeredet werde ; das Wort esel ist ja hier auch
nur Schelte, nicht das Thier selbst; und eben weil der Ausdruck esel
kurz vorher gebraucht ist, wird glidinc wohl etwas anderes bedeuten
müssen. Dazu kommt, daß glien, von dem man glidinc bis jetzt ab-
geleitet hat, niemals das Geschrei des Esels bezeichnet, sondern zu-
nächst nur die klagende Stimme gewisser Raubvögel wie des Habichts
des Geiers des Adlers**), sodann die wehklagende, wimmernde Men-
schenstimme; außerdem kommt vor mit dem. hlate glien in MSFr. 242,
10, und darnach war wohl die klie oder glie in der Krone Heinrichs
von dem Türlin 22095 eine Art Blatt- oder Lockpfeife oder ein dem
ähnlich klingendes Blasinstrument. Hiernach würde glidinc einen win-
selnden, wimmernden, weinerlich klagenden Vogel oder Sänger (etwa
*) Die beiden letzten Composita stehen bei Lexer ü, 1571 nicht an der rich-
tigen Stelle; ebenso ist djunkelhre falsch untergebracht unter tunkel in 11, 1570.
**) Bei Nemnich S. 1580 führt die Weihe, falco milviis, im Angels. den Namen
glida, im Nordenglischen glade or tjlead, im Englischen the glead.
25*
388 F. BECH
Schreihals) oder Pfeifer bezeichnen; man vgl. damit das Wort snur-
rinc. "Was die Wortbildung betrifft, zumal die Einschiebung des d
nach vocalisch auslautender Wurzelsilbe, so stammen bei weitem die
meisten Beispiele, welche Weinholds Mhd. Gramm. §. 174 (vgl. §. 172)
davon aufweist, aus mitteldeutschen Quellen : das Alemannisch-Schwä-
bische, die Sprachheimath Boppes, kennt solche Fügungen fast gar
nicht; imBairischen finden sich mehrere Beispiele davon erst aus späterer
Zeit, vs:l. Weinholds Bair. Gramm. S. 153. Indessen bleibt diese Ab-
leitung noch unsicher. Es ist nicht unmöglich, daß das Wort mit dem
md. gltden = mhd. gltten zusammenhängt ; dann würde man etwa
einen Schleicher oder Leisetreter darunter zu verstehen haben.
Schwieriger ist die Erklärung von Vers 8. Bei den ersten Worten
wird man erinnert an das Sprichwort, welches bei Wander I, 674 lautet :
donnere dir seihst , so schlägt dich der Hagel nicht ; in einem unächten
neidhartischen Liede MSH. II, 78'' (= ed. Haupt XXIV, 12) siver seihe
teilet unde icelt unde witert swie er loil, den sol der hagel slahen selten \
im J. Titurel 3756 swer nach siner girde im seihen donret, der niac wol
hehalden allen smen hou vil 'unverhagelet\ im Liher sententiolarum in
Haupts Zeitschr. VI, 304, 18 grandine tutus erit sihimet quicunque tonabit
und dazu Wackernagels Anm. sowie Müllenhoffs und Scherers Denkm.
S. 355. An unserer Stelle ist aber von einem „Schalke" die Rede,
welchen, wenn er «m selben dunret, der Hagel vielmehr treffen soll.
Vielleicht ist schol oder sal zu lesen für schal, obwohl sich letzteres
auch halten läßt. In flagzen (oder ßegzen) vermuthe ich einen schall-
nachahmenden Ausdruck im Sinne von schlagen, platschen, klatschen,
patschen, wettern; man denke an das bei Walther 124, 16 ed. Lachm.
in der Pariser Handschr. stehende flac] an flacke, md. vläge, mnd.
vlaghe, nnl. vlaag bei J. Grimm im Deut. Wort. III, 1705, a,n flachen
Wolle mit Stäben schlagen, ^acÄ;er Wollschläger ebendaselbst; sm. flachein
(uiederöstreichisch) in Fromm. Mund. IV, 44 = schlagen; ferner an flec
mit der Bedeutung von Schlag in md. Quellen wie im Pass. K. 33, 77
im Tristan Heinrichs von Freiberg 5472 ; an nider vlecken, niederschlagen,
im Pass. K. 431, 18, zuflecken, zerflecken, zerhauen in Herborts Troj. 7584,
Pantaleon 1843: auch hläch, plage , pfläge, über welche man German.
111,335 vergleiche, gehören wohl hierher, sowie eine Stelle in der H.
Magdalena (Wiener Hs.) fol. 8": sich üz ogen, munt dazflw hlachsen
{: wachsen), wo hlachsen = schlagen, blitzen, sprühen; dazu flochzen
pflochzgen flochzgen im Schwäbischen Wörterb. von Schmid S. 63; viel-
leicht endlich ist damit verwandt das im obersächsischen Osterlande
noch lebende flackne, Schläge, und flacksen (flachsen), durchflacksen
ZUM marnp:r. 389
= hauen, schlagen, prügeln, falls es nicht auf flachs = nervus chorda
bei Grimm D. W. 3, 1701 und flachse 1702 zurückgeht; vgl. auch vlxischn
und vlatscha im Mhd. Wörterb. 3, 337. Für s/aht in slaht könnte man
slach in (gein?) slach oder slac in slac vermuthen; doch finde ich hin
und wieder slachf im Sinne von slac gebraucht in mnd. und md.
Schriftdenkmälern, vgl. Schiller und Lübben IV, 221 und 222; hadshcht
= Hagelschlag in Hoefers Ausav. S. 78 (a. 1309); und die Beispiele aus
dem Passionale bei MüUer-Zarncke IP, 388*, 52 folg. Nach dieser längeren
Auseinandersetzung Hesse sich der vorliegende Vers etwa so interpre-
tieren: Wenn ein Schalk sich herausnimmt zu donnern, so mag ihn
billig der Hagel treffen ; dann sieht man wie Schlag auf (um) Schlag
(Hagelschlag auf Donnerschlag) es wettert.
In den übrigen Worten und Wendungen des Gedichtes kann ich
freilich nichts weiter auffinden, das specifisch mitteldeutsch wäre. Das
im zweiten Verse stehende wend ir wars bildete wahrscheinlich mit dem
vorhergehenden galgenswenkel einen Begriff, weil sonst auch wol das
Wort her vorgesetzt wäre wie bei den übrigen Schimpfwörtern. Was
es bedeutet ist mir auch unklar. Vielleicht steckt darin wintdüiTc
awars oder iointdürr äs . was zu dem vorhergehenden Worte allenfalls
passen würde; vgl. Braunschweiger Reimchronik ed. Weiland 6493 vH
irer ouch lointdurre hmc (d. h. am Galgen hieng) /Sunder hosen unte
scon] Reinfrid 2181 wre ougen liuhten Mehten noch durchfiuhten Ein kerze
{? herze?) gar wintdürre und ivintdörrez holz im Gegensatz zu grüenez
holz in Weist. III, 513 sowie im Mhd. Wörterb. I, 322^'*); über aivars,
ahars vgl. Schmeller-Fromm. 1, 12 und II, 1019 sowie Germania 18, 257.
Die oben besprochenen mitteldeutsch gefärbten Ausdrücke sind
indessen hinreichend, um die Autorschaft Boppes wenigstens in Zweifel
zu ziehen. Ich glaube vielmehr, daß der Spruch denjenigen Dichter
zum Verfasser hatte, dem der Ton gehörte in welchem er gedichtet ist,
den Meißner, denselben von welchem auch der vorhergehende Spruch
herrührte. Unsere Strophe scheint mir nach dem allen nicht sowohl eine
Antwort als eine Fortsetzung oder ein Nachtrag zu der vorhergehenden
zu sein. Auch das hoert ir'z zu Anfang gewinnt dann einen angemesseneren
Sinn. Durch die Aufzählung der sechs gemeinen Thiere, mit denen
der Schalk in der Strophe vorher in eine Reihe gesetzt wird, wird
*) Wintdürre = vom Winde gedörrt, verwittert, vertrocknet; an eine andere
Erklärung darf man hierbei nicht denken , obwohl es in der H. Magdalena fol. SS*"
heißt: ein gnaden dürrez lointspil bin ich und wir heute die Ausdrücke hundedürre,
hundemager haben, vgl. M. Heyne ira Deut. Wörterbuch.
390 F. BECH
man erinnert an die Aufzählung und Schilderung der sechs edeln Thiere
{leioe, helfanf, strüz, adelar, fenix, pelUcänus), die Marner als Sinnbilder
der Erlösung aufgeführt hat in seinem Spruche XV, 15 ; gegen letzteren
war Meißner als gegen einen lügensanc bereits mit vier Sprüchen in
hofmeisternder Weise aufgetreten, vgl. MS. III, 100^ und 101"; auch
hier könnte es scheinen, als wäre auf jenen Spruch Marners eine Parodie
beabsichtigt worden. Man könnte sich z. B. denken, der Meißner sei
der Ansicht gewesen, daß sein Gegner mit obigem Gedicht seine fromme
kirchliche Gesinnung habe bethätigen und sich bei einflußreichen Pfaffen
in Gunst setzen wollen oder daß er gar ihn aus ihrer Gunst verdrängt
habe. Dann erhalten die von ihm gebrauchten Ausdrücke her dunkel-
guot und toaz sol ein wolf ze köre erst ihr rechtes Licht.
Vom Meißner ist es ohnehin bekannt, daß er sich wiederholt über
Marner lustig machte; bald spielte er mit seinem Vornamen Ktionrcit,
bald mit dem Namen Marnere, vgl. Strauch S. 3-^5; von Meister Ger-
velin ward ihm deshalb vorgeworfen, daß er jenem seinen Dichterruhm
nicht gönne^ vgl. ebenda S. 5. Überhaupt war es so seine Art in Wort-
spielen seine Kunst zu zeigen, wie man noch aus den Sprüchen auf
Bischof Herman von Kamin (MS. III, 92'', 4) und auf Herdegen von
Grindelach (87", 9) ersehen kann. Mit diesen Spielereien läßt sich die
Redeweise des vorliegenden Spruches in V. 4 — 5 vergleichen ; sie ist
wahrscheinlich direkt gegen Marner gerichtet und will besagen: So-
wenig du ein wirklicher Marner (mammre) bist, so wenig bist du ein
wirklicher Künstler. So aufgefaßt Hessen sich vielleicht noch in einigen
andern Ausdrücken beabsichtigte Seitenhiebe auf Äußerungen Marners
vermuthen ; so könnte V. 7 der vrösche schrien auf Marner XIV, 6 (auf
die Anwendung welche dort von der Fabel der Frösche und des Storches
gemacht wird), her äffenzagel in V. 11 auf Marner XV, 12, 231 (wo
dieser Ausdruck zum ersten Male auftaucht) Bezug nehmen; her swal-
loennest würde an einen Spruch Rumelands erinnern in MSH, II, 369'', 2,
in welchem wahrscheinlich auch der Marner als Schwalbe verspottet
wird; der Meißner selber hat noch in zwei Sprüchen (MSH. III, 109''
und 110*) die Schwalbe zu einer Schilderung verwandt, die er von dem
loterritter entwirft.
ZEITZ im Juli 1877. FEDOR BECH.
WIE MEISTER ECKHART KAM EIN SCHONER NACKENDER PUB. 39]
WIE MEISTER ECKHART KAM EIN SCHONER
NACKENDER PUB
[Hs. 206''] Meyster Eckhart dem kam wachet
Ein schöner nackender pub der lachet.
Eckhnrt sprach: Wan kumstu so spotV
Der knab sprach : Ich kum von got.
Wo liestu got, an allen scherczen?
Der pub sprach: In allen reinen herzen,
Do wil ich ytz zu got wider hin.
Eckhart sprach: Wo finstu in?
Bey allen creaturen, Eckhart, wistu.
So Sag mir hie, mein knab, wer pistuV
Ich pin ein kunigk, das sag ich dir.
Wo ist dein kunigreich? sag du mir.
[206"] Der knab sprach: in dem hertzen mein.
Mags ymant mit dir besiezen sein?
Er sprach: Ich entü mit gutem gemach.
Er fürt in in sein zell und sprach:
Nim welches cleid vnd cleid dich mit.
Er sprach: So wer ich ein kunick nit.
Do mit verswaut er in kurczer eil.
Got het Eckhnrt gemacht ein kurczweil.
Die vorstehenden Verse verdanke ich einer freundlichen Mitthei-
lung des Professors E. Sievers in Jena. Aus welcher Handschrift sie
entnommen sind, weiß derselbe nicht sicher mehr anzugeben; viel-
leicht aus dem Cod. Guelferb. 417 in folio.
Dieselbe Anekdote^ nur in Prosa, hat Franz Pfeiffer in seinem
Meister Eckhart unter den Sprüchen desselben auf S. 624 — 25, und
zwar nach dem Vorwort S. X aus dem Cod. germ. 116 der königl.
Hof- und Staatsbibliothek in München (15. Jahrb. 8). Der Vergleichung
halber setze ich sie ganz hierher:
Meister Eckeharten bekom ein schoener nackender buche. Do
fraget er in, wannän er kerne. Er sprach „ich kume von gote." —
„Wä liezest du in?" — „In tugenthaften herzen." — „War wilt du?*'
— „Zuo gote." — y)Wä vindest du in?" — „Da ich alle creatüre liez."
— „Wer bist du?'* — «Ein kunic." — j7Wä ist din kunicriche?" —
392
A. HOLDER
„In minem herzen." — „Hüete, daz ez ieman mit dir besitze." — „Ich
tuen." — Do fuorte er in in sine zelle unde sprach: „nim, welchen
roc du wilt." — „So were ich nicht ein künic" unde verswant. Da
was ez gut selber unde hete mit im do ein kurzewile.
FEDOR BECH.
DIE ALTHOCHDEUTSCHEN GLOSSEN AUS
SANCT PETER.
GLOSAE DIVINORVIVI LIBRORV.
DE PROLOGO LIBRl GENESIS.
sufifocatiouem.
(Bl. 62' Spalte 1) suggillatio. er-
thempunga.
DE LIB GENESIS.
2, 5 Virgultum] sumer lode. (r auf
Rasur von s)
3, 7 Peri^omata.] questa
— 24Versatile. i. uibrabile.] que-
kilik.
4, 7 appetitus] giritha.
6, 24 Leuigatis] githigenon
(Sp. 2.) gluten] uastosto lim.
6, 16 In cubito] Cubitus. elina.
14, 6 Campestria. pharan.] giuildi.
— 23 Subtem.] Vueual.
24, 20 in canalib ;] ennohin. t in-
drogin.
25, 29 Pulmtum.J 1 suual.
(Bl. 620 32, 22 Vadü.] uörd.
37, 3. 23 Polimita] Imelot. 1 deco-
rata. sliht.
Teristrü.] uuimpal. i. hullidok.
38, 17. 18 Arrabo] Pant. l uueddi.
— 18. 25 Armill^] armborg, (sie)
38, 27 Obstetrix] uost moder.
— 27. 30 Coccinü] 1 godeuuebbi.
qd sericü uocat^.
40, 1. 2. 9 Pincerna.J butticlari.
40, 1. 2. 16 Pistor.] brad baccari.
— 16. 17. 18 Canistrum] ?einn*.
intpres .
— 22 Coniector.] Antprest.
43, 11 Amigdalü] mandale.
47, 14 Aerariuro. tresecamere.
49, 17 Coluber] slango. (g auf d)
— — Cerastes] hörn uurra.
(Sp.2) Ellesmoth. heB. ex od gr.
exitus latine.
2, 13 fiscellä scirpeä.] Coruilin. bi-
niz:^n.
— 3. 4 in carecto.] en bini^ze.
3, 2 Rubus.] bramal buse.
5, 7 lateres.] tieglan.
8, 16. 17. 18 scinifes.] knelli^z§.
11, 7 muttiet] nigellot.
9, 31 FoUiculus.] balg, in quo granü
GSt
(Bl. 6.3') 16, 14 Pilum] stamp.
16, 31 Coriaudrum.] kullundar.
21, 6 Subula] siula.
37, 19 stips.] gitiuht.
22, 13 Comestü.] uretan.
Scabro.] hur ni^.
25, 31 Sciphi.] nappas.
Sperulas.] sciuan.
(Sp. 2) 26, 1 Cortin^] ümihank.
26, 11 Fibula.] nusgia.
conpaginationes.] gi uogithan.
27^ 4 Craticula.] hurd.
a crate.] harst.
27^ lOCelatura. e sculptura eminen-
{rras bisam.
tior. a c^lo uocata qd est genus
ferramenti.
in modü plum^.j gi bo kod.
27, 19 Paxillus.] bil. pal. pin.
DIE ALTHOCHDEUTSCHEN GLOSSEN AUS SANCT PETEK.
393
28^ 4 Cidarim.) hu nun.
in occipicio| luiuid loca.
ex urina] migge.
28^ 32 Capiciü.| i. houidluc.
(Bl. 63") 28, 42 F(,'minalia.| brog.
29, 2 A^ima.J thcrp.
^iknedan.
Panis oleo cspersus. in inedio
lingiliug.
ccauus & tortus.
29, 13 Reticulü.] uetti.
— iecoris.j leberon.
30, 13 obolos.j hallingas.
— 18 LabrumJ bekkin.
20, 25 Cult.] i. uuafan saJis.
(Sp. 2) DE LIIJRO LEVITICO.
1, 7 Strues.] hufFo.
— 17 Ascellas.] oh hase.
2, 4 Lagana.J therui.
— 5 Sartago. panue.
3, 4 Renunculi.J lumbala.
8, 7 Subucula. ipsa e & podcris.
tunica linea stricta cuti adherens
que uulgo camisia dr.
11, 16 Noctua] Vuuila.
uocticorax.] nahtram.
11, 17 Bubo.] huuuo.
— merchus.] ducari.
— ISOnocratalon] onocratulus. horo
dumil.
(Bl. 640 11 , 19 Vpupamj uuido-
hoppa.
— 30 Migale.j nich hus.
— Stelio] mol
— Lacerta] euuidebsa.
— Talpa] mu uuerf.
(Sp. 2) 23, 40 Spatul^.] suerdulon.
21, 20 Herniosus.] haladi.
DE LIBRO NVMERORV.
5, 14. 15. 18. 25. 29. 30 Zelotipie.|
firiuuiz gen. i. suspiciens.
6, 4 Acinü] Iura.
(Bl. 64^) 11, 5 Pepo.] pedena.
ad clunes.] huffin.
24, 24_Trieris.] kiol.
DE LTB DEVTRONOMII.
(Sp. 2) 28, 27 eü pruritu.J mid
rüden.
DE PROLOCO JJlUii IIIESVNAVE.
Siren^] meriminnon.
(B1.65'') DE LIBRO lUESVNAVE.
Htekcun.
23, 13 Sudes, stipites.
DE LIB QVI HEB SOPHr | LA'I'INE IV-
DICVM DICITVU.
4, 21 malleus| haraar.
8, 24. 25 InaureöJ oringa.
9, 48 Ramus gen' est rubi qua
uulgo sentice ursinä uocant.
(Sp. 2J Problema-I radisli.
sniiau.
Anoboladiü. amictoriü. lineü femi-
narü quo humeri operiunt^. qd
gr & lat sindone uocant.
IN LIBRO RVTir.
3, 2 Area.J Denni.
DE PROLOGO REGV.
Coniectore.] i. ratiri.
DeliBqui he'Bmalachi in. 1 a t.
regum df.
(Bl. 65') I Reg. 2, 14 cucuma.J
cohcma.
Fuscinula.j crauuuil.
2, 20 Fenus.l viieddi.
5, 9 extales.] gro;? darm.
9, 7 Sistarti^. proprio sunt nautarü.
dict(j qd sint sut^. malaha l dasga.
fo.'-soiiii.
13, 20 Sarculum] get isarn.
— 21 Tridens.l greift.
15, 12 fornix.j suiboga.
17, 4 Cubitusf elafdra.
— Palm'.] munt.
— 6 Ocrea.] beinbirga.
— 7 Licetoriü.] mittul.
— 18 Formella casei.J forinii^zi.
(Sp. 2) II 16, 1 Alligaturis.] han-
gilla.
1 6, 8. 11. 15 Capselia.] capsilin.
DE PAJRTE. U. SAMVEL-
(Bl. 660 II Reg. 15, 31 Infatua.] bi-
dubili.
spriu.
— 17, 19 Pthipsane grecü nom est.
— 28 Stratoria.] beddiuuadi.
Gemineus.j gizuinelo.
394
A. HÜLDEK
(Sp. 2) DE PARTE. III. IIEGV.
stciuoD.
6;, 7 Dedülatis lapidib;] gimei^zotcn.
5^ 15 latomi.] me^zon.
6^ 8 Coclee.] scala.
6;, 18. 29 C^latura.] irgrabida.
— 36 lapidis politi.] gime^t^ot.
uuy,zi.
7^ 17 reciacula. i. retinacula.
— 24 lötriatarü.] Vuieron.
— 26 Grossitudo.j thikki.
labet.
— Luter.] uas aeneü. XL. batos
capiens. alii endo dict'.
— 30 Axis] ahsa.
luiii.
— Humeruli. qui in extremitatib;
axis fiuut. ne de eo rota labatur.
— 33 Radii.] .speichiin.
medioli.] nabun.
(Bl. 66"^) 1, 40 Scutrej bahuueigon.
— 49 Forcipes.] cluuui.
— 50 Fuscinula.] crouuil.
— Mortariola.] morsari.
leudil.
8^ 19 Renes. Ilia. lanea.
9, 11 de tilia.] linda.
amballa.
(Sp. 2) 17, 12. 14. 16 Lechitü. uas
custodiendi olei.
19, 10 Zelatus sum.J andoda.
20, 14 Pedissequus. pedestris.]
uendo.
— 42 Furibundus.] Vuadeuder.
DE LIBRO. ini. REGVM.
3, 25 Fictiles muri.] i. thabine. \
lignei.
cü funda] sleugira
(Bl. 67") Cucurbita] curbi^
cropli. coi. coUimbain.
6, 25 Cabistircoris. uacui inanis.
und am linken Rande: Alt über
die. Quarta pars caui stercoris
columbarü.
9, 35 Caluaria.] gibilla.
13, 7 Tritura. are^.] flegilunga.
(Sp. 2) 19, 28 camum.] chain.
21, 6 Ariolatus est] gaugeleda.
22, 14 in scda hierusale intra ex-
teriore murü. qui ad augendä
ciuitate f'nct'. e.] antbemu uore-
burgi.
•/•
23, 11 Exedra. absida. locus sub-
selliorü latinü est. & gr cyclon
•/■
dr. und am rechten Rande: cu
circulo facta, thuereb hus. 1 loc'
ad sedendum.
25, 14 Trull(j.] drugula.
— Tridens.] greifa.
IN LIBRO ISAIE PROPb.
1, 8 tuguriü.] huttia.
Cucuraeres a terra sunt ort§ ad si-
militudine peponü. i. raelonü.
pedeuon.
— 18 Coccinum. rubrü] gelan.
kruago.
— 22. 25 Scoria.] sinder.
3, 20 Olfactoriola.] disoma.
(Bl. 67^) 7, 4 Ticio.] brant.
— 25 Sarculü.] spado.
(Sp. 2) 19, 6 Juncus.] binu^.
28, 25 Vicia.] uuicca.
hirsi.
Miliü.] milli.
27, 3 Propinabo.] sceukio. & e uerbü.
28, 25. 27 ciminü.] smalsad.
33, 21 Trieris. durco. uauis magna.
i. kiolmigua. hebreus sermo. .e.
i. mixtura.
(Bl. 68^- Sp. 1) 34, 13 Vrtice.] ne>;-
zilon.
— Paliur".] thistil.
— 14 Lamias.] agengunt.
38, 21 Cataplasma.] i. plastar.
41, 19 Buxus] bubsboura.
44, 13 Circinus.] circil.
(Sp. 2) — Runcina.] ieda.
(Bl. 68' Sp. 1) DE LIBRO HIEZE-
CHIHEL PROPHETE.
(Bl. 69' Sp. 1) 27, 19 Nundine.] iar
markat.
(Bl. 69' Sp. 1) DE LIBRO DANIELIS
PROPb.
(Sp. 2) 14, 32 Intriuerat] instun-
geta
DE LiB EivsDE {nemlich oseae
PKOPfi.)
DIE ALTHOCHDKIITSCHEN GLOSSEN AUS SANC'J- l'ETEU.
y>95
\), G. 10, 8 Lappa. I kleddo.
DK LIH lOHEL I'ROP.
3, 10 Lio-ones] seh
(Bl. 70') Di: I.UJ MICIIE IMiopll.
Ad michoani inorastiten. inorastim.
qui usq, liodie iuxta eleuthcro-
polim urbc palestinc liaud gran-
dis iiiuculic;. morasti aüt in nrä
lingua berede sonat.
7, 4 Palinrus.] distil.
DE LIB SOPIIOXIE riiOPft.
2, 14 Ouocrotalus.j horodubil.
Nugax.] bosiling.
DE LIB ZACHARIE PKOPfi
hiiat
Cidaris. pilleus sacerdotalis ex bisse.
bunc grcci & nos tiara. quidä
etiä miträ uocant.
(Sp. 2) 9, 15 funda.J slengira
(Bl. 70' Sp. 1) DE LIBRO BEATI lOJ!.
suacliit
3, 18 Exactor. qui res exigit.
(Sp. 2) 8, 11 Scirp'.] binu^.
Carix.] saherai.
15, 27 Aruina.] smero.
18, 10 Decipula.] falla.
lB1.7rSp.l) 18, 8 Macula.] masgo.
8, 16 Humectus.] fuhfinunga.
19, 23 Librum.] rinda.
— 15 luquilini.] in knebda. {lies
inknebda)
21, 33 Glarea. I grioi^.
28, 15 Obrii^um.] gismeli;it.
(Sp. 2) 36, 30 Cardo] ango.
40, 13 Cartilagines.] brustbeini.
(Bl. 7r Sp. 1) 40, 19. 20 Ham'J
angul
— 28 Frustrabitur.] bidrogau uuer-
thit.
41, 9 Sternutatio.] ru/, zunga.
— 15 Incus] anaboli^
DE LIB PSALMORV.
(Sp. 2) 9, 7 Framea. ex utraq, parte
gladius acutus, qua uulgo spata
uocant. ipsa est & romphea.
(Bl. 720 34, 4 Reuereantur.] interet
uuerdon.
(Sp. 2) 40, 8 Susurratio] runi^unga.
41, 3 Quando ueniä| uuanne hie
quome.
43, 3 Ventilabimus. J uuincuucre fe-
teraes.
- 13 Cömutatio.] uuehsal.
— 25 Glutinü.] lim.
51, 4 Nouacula] scarascah.
(Bl. 72^)54, 24 Non dimidiabimtj ni-
medel scafFon.
aK'nlthorn
57, 10 Ramn' est. spioarü genus
a)ralciu
pmolestü. qd prius in herbä mol-
lissimä pubescit. sed ubi adulta
aetate caluerit. ramusculos pro-
ducit acutissimos. & cius dure-
scunt sudes. in arboream firmi-
tate.
(Sp. 2) 68, 20 Reuerentia.] inderunga.
(Bl. 73' Sp. 1) 77, 46 Erugo.] rai-
lidou.
(Bl. 73^ Sp. 1) 101 , 7 Pellicanus. I
sisegomo.
(Bl. 74') 104, 31 Synifes. musce mi-
nutissim^ sunt, aculeis pmoleste.
quas uulgus uocat ^In'^ilas.
quattulon.
104, 40 Ooturriices. aues paruae.
similes illis quas uulgus quasqui-
las uocat.
105, 28 Iniciati sunt.] heili^idun.
106, 34 /. Salsugo. alia editio. sal-
silago. humor salsus e, qui fruc-
tib; probatur aduersus. quia ubi-
cüq, dominatus fuerit. gram fe-
cunditatis intcipit. imd am Unken
Rande : /. Sul^a in paludib ; a
malitia. propt malitiä habitant
in ea.
(Sp. 2) 108, 11 Feuerator] bisti-
lihari.
117, 13 Inpulsus.] anagisto^aner.
(74^) 127, 3 Nouella.] nuuilendi.
rSp. 2) 140, 4 Ad excusandas ex-
cusat.] ?iur sagenne.
(75'- Sp. 2) Is. 38, 12 du adhuc or-
direr] girauuit. vuurti.
Aculeus ango. acerbitas mortis,
DE PROLOGO SALOMONIS.
Prelum.] pressiri.
396
A. HOLDKK
De lila qiie heb Diasloth. grcci
parabolä. latini prouerbiii
uoc.
(75n 7, 6 Cancellus.] piliri.
10, 5 Stertit] ruzi;et.
19^ 24 Ascella] ocliasan.
20, 16 Fideiussor] burigo.
colbo.
(Sp. 2) 23, 34 Clauus est. quo
claiiiim na^iit.
regit" nauis.
25;, 8 Dehonestaueris. j interet uuer-
dis.
27, 22 Ptipsane.J sucus prirorum 1
uuir'i;.
de ordeo fiunt. polenta & ptipsana
pfusü aqua hordeü nocte una sic-
catur.
30, 15 Sanguissuga.J egela (g aus b*
— 33 Emungor.] u^snuzo. inde
snuzunga.
emunctoriü.
giplumor
31, 22 Stragula. uestis est diseolor.
quae manu artificis diuersa ua-
rietate distingitur.
De ÜB qui hebf coelech. gl-
ecclesiastes. dicit^.
10, 18 Contignatio] ubartimbri.
(76"") DE LIBRO QVI VOCATVR CAN-
TICA CANTICORV.
1,10 Vermiculata.] giuuorinot.
j rien.so.
(Sp. 2) 3, 9 Ferculü lectum.
4, 4. 8, 9 Propugnacula.] brustuucr.
DE LIB SAPIENTIE
(76' Sp. 1) 5, 24 Turbedo uenti.|
gidruabida.
12, 21 conuentioues. I gi:^amunga.
faso
13, 4 Fuscus {lies: Fucus) herba.
tingendis uestib; apta.
14, 11 ]Muscipulü.| musfalla.
coturnicum.J quattula.
14, 11. 19, 14 Kespectus ex f^erni.
a respicio. respiceris. firsio.
< "ipressus. arbor ciberissa.
De libro ihesu filii Sarach
qui ecclesiasticus dicitur.
3, 13 Decus turpe.] honitha.
5, 16 Susurro.J runi:^ari.
luiffo.
8, 4 Strues. congeries.
(Sp. 2) 11, 32 Perdix.] repliuau (u
aus ti)
12, 10 Eruginat.] errostet.
13, 3 Cacabus.] cohma.
14, 3 Liuido.] blauue mo.
22, 21 inpeusa.] spendunga.
24, 19 Platanus.] ahorn.
25, 24 Saccus.] hairra.
27, 5 Inpcussura cribri.J riterunga.
(77-- Sp. 1) 29, 29 Asseres.] first
scindelun.
DE PROLOGO LIB rAKALIPEME^'^'''
Cornix.] craa.
(77' Sp. 2) DE LIBRO HESTER.
fir ebbita.
2, 1 Differbuerat. pcesserat.
3, 8 Insolescat.] ergeile.
bara fridara.
8^ 10. 14 Veredarii. uehendo dicti.
qui festinanter in equis currunt.
habent pennas in capite. ut inde
intelligatur festinatio itineris.
spitz.
10, 3 Obelo i. ueru.
Lm. 11. DE LIB TOBIE.
1, 7 Proselitis.] haga stalt.
<Uinc.
(78' Sp. 1) 2, 19 Textrinum opus. i.
femiuarum.
6, 4 Brantia] kio.
burssa.
8, 2 De cassidi. de sacello. i sae-
kiula-
ciperio.
DE LIBKO EIVSDE (iudith)
10, 3 Dextraliola.] arrailon.
1 flasga
— 5 Ascopa. sirailis utri. Polenta.
I brocco
Legumina. Lapates. oll^ minores.
Hugnezi.
— 19 Conopeum.
— Culex.] cornix.
(78'') DE LIBKO MATHEI EVANGELIST.
3, 12 Ventilabrü.] pala uann'.
(Sp.2)5, 31 Repudiüm.] firdribunga.
hleho 3" custodia ubi iuscripta fucnnil <lc e ucrba legis.
1^79") 23, 5 Philacteria carmina l
cantica turpia dicuntur.
J)IE ALTHOCHDEUTSCHEN GLOSSEN AUS 8ANCT PETER.
391
23, 25. 26 Parapsis. «^ebitn I cotin'.
uJ acet.'ibnifi niaius. Parapsis.
quadrangulü. c^ quadi'ilateiu iias.
i. parib; absidis.
(Sp. 2) DE LII'.KO MAHCl EUANCEL.
iiulnnimiiNl.
(Bl. 79^) 7, 34 Effeta. i. adaperire.
DE L LVCE EVAN(i.
3, 17 Ventilabrü est. quo palee
uentilantur. id e. /'pala uann'.
iSp. 2) 15, 1(5 Siliq] t boletus, bnli/,.
16, 1 Diffamatus.j bisprohhavi.
(8O0 22, 31 Cribrarent.J riderodin.
DE LIB lOIIANN EV.
2, 14. 15 Trapezeta.] muniz ;;ari.
(Sp. 2) 19, 2. 5 Purpura, deindi het
follo uariatü.
{SV Sp. 2) DE EPLA. l. I'ETRI APLI.
2, 18 Discolis.] missituhtige.
4, 9 Hospitales.] gas luome.
(Bl. 81") DE EPLA. I. AD CORINTfi.
4, 15 Pedagogus. pedestris. uendo.
12, 3 Anathema.] firuua>;iiissi.
(Sp. 2) 15, 8 Auortiuum] uruuerpf.
DE EPLA. IL AD CORINTHIOS.
13, 2 Parcä,] borgen.
DE EPL. AD EFFES.
(Bl. 82' Sp. 1) 4, 8 CaptiuitateTu.]
elilentida.
— Captiuam.] elilcnda.
DE EPLA AD PHILIP.
2, 17 ';
3, 7 Detrimenta. däpna. libar. im-
moler. occidar.
(Bl. 82'' Sp. 2) DE VIRTVT1P.VS Al'lA)-
RVM.
Peluis.] label.
Basis.] stollo. scinka.
Qomen. ,iffo.
Dorcas. interpretat^ simia.
Comparare.] couffan.
Scortator.] huuarari.
Assentatio.] gehengida.
Falx.] sichila.
Decuplo] ^eanfalt.
Stips.] pruanta.
corb.
Sareofagus.
Squama.J sciiobba.
Sarmentum.| spali.
apostaticus.] ab drun niger.
Preditus. I gioder.
Prestrigium.] ^oubar.
Congelauero.] Zisamene gi.
Deliro.] auuit^^on.
Giro.] uinbikeru.
resina. e. fliod. & sciffa etharza.
Infestatio.| biuuillida.
maritima.] selih.
Tristigium.] solari.
Scirpus. I binui;.
Pauimentum.| esdrih.
(Bl. 83'- Sp. 1) Theatrum.] spilehus.
curruB.
Carruca.] carrub.
Piscina.] uuihiri.
Formica.] ameiz^a.
Zaberna.] malaha.
Sponsio.] erborgida.
Mica.] brosma.
Incutio.l Anasmidon.
Fiscale.j fisclih. i. uilla.
Rubeta. bofo. krota. rana inquieta.
musca uenenosa.] fliega.
Terebro.] boron.
Pulli.] huaner.
Ferio. ferias.] uiron.
(Sp. 2) Coniono. as.] digon.
Hydrops.] uua:^arkalb.
Verenda.j heidrosi.
Thussis.] huasto.
Citerior.] gendra.
Pincerna.] scenko.
Cementü.] balstar.
Sugillo.] erdempfu.
Lanx.] bahueiga.
bad.
Therma. ag§ binige.
Lentum.] horo.
tus. p partes mollitus.] giuuichiter,
Arteria.] senadra.
Matrona.] idis.
Nümularius.] muni2;ari.
Colobium.] godeuuebbi.
Scandalia.] girumi.
Amentum.] la^.
Lunatic'.] manuduuiliger.
398
A. HOLDER
Kurba. 1 tiirca. Fuligo.] ruaz.
Stips.J bisanct. stoc.
Ablactatus.J intuueniter.
(Bl. 83^ Sp. 1) Fantasia.J drugida.
Profectio.] fuara.
pannis.J loderon.
Fiscus. I lisc Camera
iiscus.] lim.
Couflictus.] baga.
Scrinia. capsa. Caps, kefsa.
DE SCo MARTINO.
Detrimentü.] ungifuari.
Pannonii.] huni.
Sibaria. cisibarii.
(Sp. 2) Vertigo.] suindiluduiuntes
briit.
Cultro.] sahse.
duacli.
Peniculum. genus pallii.
Parisius.] peris.
poculare uas.] kennili.
Coüieere] radisson.
Calceis.j scoon.
Incude.J anabolz.
Secretarium.] sigindri.
Pesculum.] grindil.
Toga.] selecho.
Tolose.] tul
tugurium.] liutta.
detrimentum.j ungifuri.
(Bl. 84^ Sp. 1) Gallo, i. lac. inde
dicunt" galli. a candore corporis.
Carica.] figon.
kot^o
Byrrum. kottus.
Lacerna. genus pallii timbri.
Fuco. obscuritate. inde color fusc.
Fiscalis reda. dorainicalis equitatus.
bära.
sitelosa.
Ritudula. serua sine ritu.
Pessuli. grindila. ^'="*'''"
salmo.
Esox. genus piscis.
ofe. Icne.
(Sp. 2) Eulogio. benedictione.
Absis. Caps. i. qd circa alt.
DE SCO SEBASTIANO.
scrmius.
Süerent.
camerari.
siuuidin.
ungula.] uagal.
DE SCO DIONISIO.
Bitalas simore. talassis. """
cer \ conscius secretoru.
Simmestes. conseci'etalis consa. \\
(Bl. 84'' Sp. 1) Questus sum.] kla-
geta.
(Sp. 2) Lutecia. parisiorü. ciuitas
parisius.
Catasta. genus pen^ aculeo simile
Irämon.
Sequana.] sigana.
Campana.] glogga.
DE PASTORALI.
Queritur. arguit.] klagot.
Mola asinaria. mola asine.] mulin
sten.
Cellas. Cameras.] luhhir.
(Bl. 85'' Sp. 1) Pertinax.] eiustridih.
Gybbus.] houaradi.
Lippus.J bodanbrauui.
Impetigo.] ^itdruas.
Ponderosus.] holiter.
Hebetes. inutiles.] dumbe.
afftü.
Pupill^, rotunditates oculorum.
Palpebra.] slegibrana.
Grossescunt.] gro^zent.
armum.] buag.
Bistincto cocco. ^uirogiduncot.
uermiculus.] uuormo.
Mala punica. afFricana.] ephili.
Boui trituranti.] riderendemo.
In libris moralibus.j sidelichen.
Laterem.] :?iegelon.
Frixura.] rostunga.
obtrectatio.] bisprachida.
Derogant.] bisprehhent.
Fascinauit.] bi^ouberata.
Ostentare.] ruaman.
(Sp. 2) serio.J skirno.
Duplicitas.] :^iuusgili.
ericius.] igil.
Pila.] stok.
Pilus.] stamfiri.
Tipsane.] hirsi spriu
Stagnum.] ein.
plumbum.] bli.
Digestum uinum.] fideuuit. (siel)
repo.J slichu.
DIE AI.THOCHDEUTSCHEN GLOSSEN AUS SANCT PETEK.
:5H9
Venalis. I k<jui lik
Saceulum.| secUil.
pertusum.| bistozi^au.
Desipisco.j intuuizo.
terit] i^ispizit.
Haducei. Dissensio.J ungi7,uiit.
Galaad. aceriius testinionii. liuflu.
Debrico.] or drenko.
Tignus.] sparro.
Resarcio.j uidarsiiiui.
Conglutinata est.] z;isame negiran.
Diliniü.] gilindi^u.
Volutabrum.] Viial z;unga.
Culix.] mngga.
Menta.] niin^a.
Anetum.j dilli.
Propino.] stenko. {lies: scenko)
luctor.] ringo.
drauua. V intellect'.
Animaduersio.
DE REGVLA SCT BENEDICTI ABBAT.
(Bk 85" Sp. 1) cap. 11 Temperius.]
gi^itor.
(c. 23) Contumax.j frazorer.
(e. 40) Apostatare. I narri^^an.
deuorator.] fva./,.
(c. 55) cuculla.] offena.
Pedules.] fuaz; duocha.
Obstinatus.] absturniger.
Zelotipus.] bi^ihtigei'.
suspiciosus.[ firi uuis; ger uer
abscelli.
(c. 65) Absurdum, coutrarium.
DE DIALOGO.
Calicula.] soc.
Capistrum.] halef dra.
Plelum.] stampf.
Camisa.] hemitlii.
Merola.] amasla.
Tortitudo.] krumbi.
Siliquas.] eichelon. bulii^a.
Curialis.] spragman.
Sago.] fil^. lachan.
Spatarius armiger.] suerdrago.
Tripedica stuak ubi uasa ponunt".
Conicere.] radisson.
Surix.l mus.
euaneo.] uarsuindu.
Inposterü] hindiriu.
(Sp. 2) Vuanga. I hoiimia.
(Jscito] ges kou.
Clauus.| nagak
Clauis.J slui;/,ik
inanrus.] mor.
Armentarius.] sueigeri.
Vulgär, popularis. bulgari.
Latercula.] scindela.
Teguia.] latta.
(Jassari.J negagan.
Säbana] saban.
Eunuchizare.J füren.
VERSVS SEQVENT.
Minito. mino Idithun. asceusia tran-
situs.
(86' Sp. 1) Craticula.] rost.
Lippitudo.] bodil brauue.
Rimula.] runcilo.
Avniila.] armboug.
Pusio.] ^eizo.
Vagiens.] uueindi.
INCIPIVNT CAPITVLA LEGIS RIBVA-
RIAE*).
aste
Ramo.] rise.
l totide
Dilatura. quod longe est qd n psol-
uitur.] laiscat.
Sonestis. stuat rura. suanus.
Scrofa.J SU.
cü uerre.] ber.
Festuca.] halm.
comitatu-
Tangano. Ducatü.
inenan.
Mannire. bannan. Legitimara strude.
Taxaga. iudex, fiscalis.
cigistfTtanne
Strude. distructionem.
Spata. cü scogilo. mahak
Fideiussor.] burigo.
Sunnis. legalis. necessitas.
Beneficium.] lehan.
Interciauit.] anafangeda.
Bauuarii. loriei.
*) Diese Glossen zur Lex ribuaria sind von Graff Diiit. I, S. .341 f. herausgegeben.
400
A. HOLDKR
Conmorsu.] gibeizdan.
Inconuulsum.] uneruuendit.
h
Truitis.j druin.
Retorta.] uuid.
Cappulauerit] firhou uuid.
Cambortus.] etar.
Traue".] stigilla.
Scrutinium.J hussuacha.
Vicarius. uicedomnus. 1 uogat.
Conuca.] quenela.
Idonea.] giuuaroda.
Multa.] glet.
Arte.] roth.
Butina.] lach.
Mutilifactfj.] marcsteina.
Lit'.] la:^.
Emunitas.J hantfeste.
Balista.] siengira.
Lacina.] uuegeuuahda.
Standente.
Lacata. matr. MentonaHs.
Fissa.] gispaltan.
Decorticatum.] biscindit.
Coleb. Inclida. biscilbit. Parri-
cum.
P^xcorticauerit.] biscindit.
Affatimire. | ^igifadimanne.
Alodibus.] (Sp. 2) proprietatib;
{ST Sp. 2) DE CETERFS VICIIS.
Vadat^.] erborgeda.
(87" Sp. 1) DE TROPIS.
Catacresis. scdm iudiciü.j i. an-
dari.
Torrere] bachan.
Testudo.] scerdifedera.
Incipit ars donati gfamatici
urbis roratj.
(SS' Sp. 1) DE QVALlf.
Nepos. neuo. k luxuriosus.
Aries. animal quadrupedfi. et siguü
in c^lo et petherari.
(Sp. 2) Palpo.] greifari.
DE GENERE.
Porrum.] porro.
Cephas di- Caput, inde cepe. surio.
Forü.] marcat.
(88^) Sinapi.] sinaf.
Pomilio nan'.] giduerg.
(Sp. 2) DE QVALITATE.
Sorbillo.] suffo.
Sugillo.] sugo.
nuanco
Vacillo. uagor mebris.
(89') DE PARTICIPIO.
a tuendo.] scirmto.
DE PREPOSITIONE.
Expresse.] erracto.
(Sp. 2) PRVDENTIV' INCI? CARM.
Incip HB catemerinon. carm
consecrationü siue coti-
dianü.
(89'' Sp. l; :3, 26 Ederas.j ebachi.
53 Pampin'.] blat.
54 Palmes.i thona.
63 Siliq.] fesa.
66 Mulctra.] melcubilin.
kenioD.
93 Resonä. 94 caueara inore.
Asclepiadeü ab asclepiade.
pcitata.) erhauenerit.
(Sp. 2) Anacreontiü. ab in ueu-
tore.
6, 27 Feriatum.] gifirat.
Archilogicü. sümiloquü.
1, 63 Seta.] bursta.
— Lanugo.] ascorunga.
— 73 notas.] Inzihti.
— 79 Metallum.J zimbar.
— 119 Molares.] kinni^eni.
— 153 Inpexa.] ungistralit.
lachaii
— 157 Lena, palliü. indumentum.
— 165 Papilla.] brüst.
Adonium ab inuentore.
8;, 42 Lappa.] kleddo.
43 Sudes.] stekken.
44 Carduus.] distil,
59 Crate.] hurt.
9, 65 Obstacida. I in gegen sta-
nunga.
DIE ALTHOCHDEUTSCHEN GLOSSEN AUS SANCT PETER.
4<)1
(90' Sp. 1) 9, 74 Obi'ce. uccte.
9, 102 Glutinü.] lim.
Deueteri testamento & nouo.
Scyphus.J urcil.
Parapsis.| ii^inari.
Tinxit.] 2;eheta.
pi^omata.] questa.
Regina austri. mcrca.
Lanx.J uuaga.
Incipit über apotheosis.
id est dediuiuitate.
Praef. 9 Diuortiü.j thanake runga.
18 Pruriat.j iukke.
24 plectil,] gifloh tan.
26 Versipelli.] uuandalhuti.
uersutie.] glauui.
39 fax. facula,
54 Recreraentü.j spriu.
Lolin.] radau. (hanaart. 216)
(Sp. 2) 145 Thiara.] huuit
162 Obses.J gisal.
199 Mola.j quirn.
210 Spera.l polum.
ab elefante
Bard. stuttus.
343 Surcul.] z;uig.
430 Get^.] gothi.
433 Mauri.] mori.
464 Culter.] me? 2;ei'es.
484 Frustrator {lies : Frustratur).]
bidrugit.
523 Fornix.] suibogo.
592 Pusio ndum n nat infans df .
pusilin.
(Bl.90^ Sp. 1) 686scatebras.j quellon.
719 ßesudat.] sui^ta.
— Crud.] rauuer.
725 Ruder.] aru^z.
DE NATVßA ANIME.
816 Linia.] linna.
826 Oblita.j biklenan.
827 Pessü.] male.
Flabrum.] uuinda.
natural.] anagiboran.
1040 Quorsü.] uuarasun.
1046 Destituit.] /\ sa^ 7,a.
tendc.
1088 anafeh.
GERMANIA. Neue Reihe X. (XXII. Jahrg.)
U« orlginc poccatnrum.
iNCiriT AMAKTIGENIA.
16 Sarculü.] getisan. 1 eelo.
(Sp. 2) 82 (Jonieetare.l radisßon.
97 Examina.] .suarma.
138 Neruos.l seneuuon.
140 Plagis.] magon.
144 Anfractib; curuis. circuitioni-
bus.] ^ibrochi don.
207 Suppellex.j gi^auua.
216 Culta.] gilenti.
228 Brucus.] keuera.
233 Cicuta.] scerning,
404 Incerat.] uuahsit.
267 lacinthis .sutilib;] iachenton gi-
giriget.
271 Calculus. Concharii. qui sumi-
tur a conchis.] musculon inraari.
293 Plectitur.] gikerait.
294 Versicolor.] raissiuaro.
295 Indumenta plumea.] giplumet.
peregrine odore. hisemo. (('>» • bisemn)
295. 296 Peregrino puluere.
298 Vegetamina.] fouronga.
303 Fotib; nutrimentis.] boungan.
305 Dotes.] pdia eigana.
308 Pupula. pupilla.] seha.
322 Ganeo.] slinto. glutto.] fraz.
uestibnlnm
368 Proseema. {lies: Proscenia) as-
furikclü.
cena.
397 Obtrectatio.] bisprachida.
410 Casside.] helme.
(Bl. 91' Sp. 1)433 Limes.] marc sten.
434 Manica.] menichilo.
444Limat.] filot.
ziegelou.
465 Limo & paleis.
477 Botria.] drubo.
480 Lutius {lies-, lituis).] ludihoru.
489 Aries.] peterari.
492 Propugnacula.] uuihhus.
ferio.
502 Charon mundi.
634 Vendat.] fir coufe.
636 Fornix. suibogo. ubi Inpanar
erat. \ arc' triumphal.
667 Argumentü.] urthanca heretic.
748 Menta.] kinni.
26
402
A. HOLDER
(Sp. 2) 760 Forum, mercatü.] 1
angar.
761 Propolas.] hutten.
810 TortQ set^.] funna. masga.
848 cöpes.] thruth.
869 Specculü.] seha.
— Concreta.] girunnida
872 palpebralib ;] slei brauuon.
873 setis.] haron.
pupilla.
874 Papula.] seha,
920 Notabit.] fucurascit.
942 Luxus, i. luxuria.] getilosi.
(B1.9rSp. 1) 950 Specubus.] holon.
957 Castrata.] erfurit.
INCIPIT PSYCHEMACHIA.
Praef. 31 Buculas.] cuauui.
LIBIDO.
66 Matrona.] idis.
79 Glute.] lim.
(Sp. 2) 126 Torax.] brüst roch.
137 Capulum.] lielza.
140 Cassis.J heim.
148 Pudendi decoris.J sconi.
153 Rasile. Cicatrix. ulcela.
SVPERBIA.
186 carbasea.] segelahti.
191 Lupatum.J kämindil.
HVMILITAS.
216 Ridiculum.] gamanlih.
236 Friuola.] bosa.
249 Stipula.] halm.
255 Vmbo.J rand.
LVXVKIA.
311 Prodiga.J ferliesa.
316 Mareida.] uuelku.
323 arundo.j ^ein.
324 Neruum.] sineuua.
325 Amentum.J la>;o.
336 Axis.] naba.
337 Radiorum.] spei cheno.
quecsilbar.
.339 Electrum obri^ura. ubarguldi.
sc. itoru.
343 Genearü (lies: Ganearura.) de-
Imzisfo (dVs : liazisso)
uoratricü. 1 guldi.
SOBRIETA8.
355 Vernantes.j gruanente.
358 Mitra.] huat.
369 Cyatus.] stouf.
377 Crapula.] ubaraa; ^i.
426 Offa.] bi^zo.
435 Sistrum.] ludihorn.
440 Peplum.J oral.
448 ( *rinalis acus.] spinela
449 Fibula.] nusca.
Strofium. reuersio.] uuindila,
AVARITIA.
(Bl. 92^ Sp. 1) 459 cruminis.] se-
kilon.
460 Fiscos.] sekki.
463 Vngues.] krouuila.
RATIO.
526 IVIoneta.] muni^^a.
532 Parapsis.] sulz kar.
a firunazan.
Anathem. alienatio. pditio.
567 Manicis.] handruhin
OPERATIO.
582 Loculus.] ek kil.
583 Foenore.J erlehnunga.
594 Palpitat.J ^abelota.
620 Venalib;] fircof lingen.
CONCORDIA.
645 Victrices aquilas ; signa.] in
quib;
653Calx.] calc
658 Plectrum.] ^idarpin.
665 Castrensis porte.] her eherclil.
(lies: hereberclih).
666 Bifori cord (lies : cardin e) .] duro.
DE FIDE. ET CONCORDIA.
728 Statioues.] heriberga.
744 Vela.j segela.
745 Stertens.] ru^ ^enti.
(Sp. 2) DE FIDE.
826 Harundo. ptica.] rouda.
835 Dolata.] erholot,
(Bl. 92^ Sp. 1) 872 Concha.] labol.
(92'') PRVDENTIVS CTRA SYMMACHV.
I 16 Tabeutis uulneris.] eit tergiu.
DE lOVE.
(Sp. 2) 63 Olor.] elbi^.
65 Pessulus.] grindil,
66 cuneus] uueggi.
guntfanon.
DIE ALTHOCHDEUTSCHEN GLOSSEN AUS SANCT PETER.
403
DE MEKCVKK).
97 Incantare.| bi^oug «olau.
DK rUIAI'O.
PQnis.J giniath.
DE MBKO QVI ET HACRVS.
128 profudit.J big-oj;.
130 Celindros. uirgulas clepalmito.]
uuinton.
157 Fiinctis. clefunctis.| ginu^i^iclcn.
(93'' Sp. 1) Vnde error ualuit-
204 unguento.| smalj; zc.
DE SIMVLAC AVGVSTI.
(Sp. 2) 259 Vitricus-I stiffader.
260 Priiiiguus.] stief sun.
269 Venustas.] kusgi.
De cultura solis. Sol est unü si-
dus. VII. planetarü quQ in aera
pendent. l natant.] suebont.
349 Trabea.] gi garuuui.
scdes. aprabhus.
— Sella curul
De cultura lunQ qua &dianä
dieunt.
bilunkulat.
(Bl. 93^ Sp. 1) 421 Hebetat, hebe-
tes facit.
bitiinktilat.
426 nimbosa elementa. tenebrosa
idola.
433 nugas.J bosa.
438 Lamnis enis. aeneis läminis.]
blekkot.
439 Lima.] fila.
440 Scabra.] Iah hahti rost.
1 fieri
459 inmanes ppü.
DE POTENT CRVGIS.
transactis.
467 Transmissis alpib ; elboli.
suftunga. conducta.
480 Suspiria conuexa.
515 Fossis] grabon.
(Sp. 2) D e s e n at u s c u e r s i o n e.
575 nugis] bosou-
D e er edulit pleb.
scerntinga
631 Mimica sollemnia.
D e sedulio.
binazter.
Irrecit' {lies: irretitus)] tentus.
prediiim.
3 Patrimoniü.] alode.
Supciliu. supbia.j uuintbra auia.
22 Niliacis biblis. nilus fluuiuK
in <|iiit) ; Kcribcljal '
egipti. ipse. ö. & geon in quo
nascit^ paffur.
45 Labrusca.J haneberi.
(94'- Sp. 1) 180 Obrita (//e.s-: Or-
bita).] uuaganleisa.
278 Violaria.] ubi uiolo st herbi.
lara.
279 Cardu {lies: Carduus).] cardo.
Paliurus.l distil.
285 Tholus.] rouhhus.
II 127 Lanio.] mCi^elari.
182 arista.l ehir,
210 pinna.j uuintberga.
DE LIBRO. II.
ni 47 Cimba.] flat scip.
98 Scapula.] scultira.
CGptus la mo.r.
183 manc'. raanube.
235 uitreos.] glesin(\
277 Liclm'.] cari;.
Turgida. tumida.] ^iquebit. (bajtfh)
DE LIBRO. in.
V 24 Linteolü.] saban.
41 Pactus.] uuiniscaffender.
43 Nomisma.] muni^a
63 Sudes.] stekko.
138 apostata.] abdruninger.
156 Falx.l segesna.
Falcicula.J sichila.
165 Coccus.] krilago.
215 Setiger, setas gerens.] brustun.
Abustus.] gibra tan.
SEDVLIVS DE GRECA (C auf rad. G).
Seaturire.] quellan
Sponda.] boctibret
Oerea.] beinberga.
socka
Vdones. pedela.
(Sp. 2) Braga.] broah.
patella.] panna
Frustellü.] stuk kilin.
Lucanice. lupini.] figbonun.
Norma.] rigilstap.
Greta.] crida.
Lardum.] spek
26*
404 A. HOLDER
Taberna.] taberna (b aus u) Satyra proprie dr scutella. om-
Sacrarium.] sigitari. nib; ciborü generibus referta.
Liqmen.] smar^. (Sp^ 2) Ledo. ledonis. Recessus
Gobio.] cresso. maris*).
Anguilla.] al. Malina. raalin§. Accessus maris.
Tructa.J forchna. Conigastus. propriü nomen homi-
Caulos. Brasica.] koli. j^is^
Nucleus.j ker no. Trigguilla. propriü nomen hominis.
budin.
Apolitario. cuba. & doleu. (95"^ Sp. 2) Curia, sprekhus. inde
Forpex.l scara. , ,. fawistoias.
Poples.] kniredo. ^^^^>^« dicuntur.
librans. legal] ufuuani^enti. (99^ Sp. 2) Curiositas.| fkuukz-
cambota.J krucka. Stigidos. kfruk^")
cunis. cunabulis.j uuaga. satisfaciens.] kfub gpnif
Scotica.] geisla. liqueor.j pffbnbkn"*).
Licia.] üz, ^a. nauseo.f mkrxxkllpt *).
(94'' Sp. 1) INCIPIVNT GLOSAE DE aperio. rbchkspu/^
DivERSis avctorib;. Enucleo. sereno. {lies: screo).
Codex membranaeeus catenatus der Großherzoglicheu Hof- und
Landesbibliothek in Carlsruhe, 106 Blätter, 335°"" hoch, 235 """ breit,
in Holzdeckel gebunden, besteht aus drei verschiedenen Handschriften:
1. Bl. 1 und 2;, ein Unio, in 2 Spalten, Ende des 10. oder Anfang
des 11. Jahrhunderts, lateinisches Glossar; S. 1"^ auf den vorderen
Deckel angeklebt; 1' beginnt: Adam. homo. Adir. urbs qua expugna-
uit hiesus rege illius interfecto. Ademe. intribu neptali. Ader, grex u, s.w.
Bl. 2" schließt: Beelfegor qd intptatur simulachrü ignomini^. Est aüt
idolü moab cognomento baal super monte fogor. que latini priapü
uocant. Et de hoc inlibris hebraicarü questionü plenius.
2. Bl. 3 — 61, fünf Senionen; in je 2 Spalten beschrieben, 58 — 61
sind leer; das auf 61 folgende, fol. 51 entsprechende, Blatt ist ausge-
schnitten. Lateinisches Glossar aus dem 15. Jahrhundert; vgl. H. Usener,
Khein. Museum für Philologie. N. F. 24, 388«). Anfang f. 3'^: A litt'a
id^o inomib;^ ligs. Schluß Bl. 57" 1. Spalte: Zo^im dict'^ uiuax inuidus |
fap. 0 deus o criste quo über explicit iste. Dann: Hie est defcüs 1 una
colüpna 1 ponat'^ ubi iuei*^ tale signü 8-jj-O | Colliriü df uncco fcä ad
det^gendas feces oclorum . . . Ende von Spalte 2: Comesso. as. s,m
qd ueit ab ultfo supio d'r qmedi. dis. qd e cömesum "] qmestü dr
') Vgl. Beda de temp. rat. 29: et crescentes quidem malinas, decrescentes autem
placuit appellare ledones'. Glossar, cod. Bitixell. 10859 fol. 16" col. 2: Dodrans. Ledoii.
id inflatio maris. Gloss. anglosax. Bruxell. 1829 fol. 50"^ col. 2 : Ledo. nep flod.
') = fiuaizkemi. ^) = otfan bin. ^) mir Jiuillöt. ') = rachisön.
DIE ALTHOCIfDKUTSCHEN (iLOSSEN AUS 8AN0T PETEK. 405
treqlir 9med'e u. s. vv. bis: aic cömedo q, <" cöpoitum ab edo ht dup' su-
pinü qmesü q-- cömestum.
3. Bl. 62—106; 92—100 sind fünf Quatcrnionen , 101 — 106 eine
Ternio ; aus dem Ende des zehnten oder Anfange des eilften Jahrhun-
derts (nicht aus dem neunten!), zweispaltig. 62' roth: gl(^sae divin<v
KVM LiHRORV. | DE PROLOGO LiBRi GENESIS. Darunter: Prologus. plocutio-
proemiü. id iniciü dicendi. psagiü. pscientia. Pentatheucü. v. librorü.
siiffocationcDi
suggillatio. erthempuuga. Die altdeutschen Glossen , welche theils
im Texte, theils darüber zwischen den Zeilen, theils am Rande stehen,
hat zuerst E. G. Graft Diutiska 1 (1826), S. 341 f., II (1827), S. 167
bis 188 (vgl. Morgenblatt 1825, Nr. 297) ausgehoben; Glossen zu
Prudentius trug er in seiner Zusammenstellung ebd. 11 , 308 — 355
nach. Nachlese hielt F. J. Mone in seinem Anzeiger für Kunde der
teutschen Vorzeit V (1836), Sp. 229 — 234. Da beide Herausgeber
theils zu wenig, theils zu viel — Mone mischt viel Undeutsches ein,
wie tristega, tricamerata, pinnula, ticio, mutiret, esto, agenc (lies: age
nunc);, toreuma, uastor natile (lies: uas tornatile) — und das Gebotene
mehrfach unrichtig gegeben haben, hielt ich es bei dem hohen gram-
matischen Werthe dieser Glossen für gerathen, eine neue getreue Ab-
schrift derselben zu veröffentlichen, eine eingehendere Besprechung an
einem anderen Orte mir voi'behaltend.
Eine Untersuchung über den Lautstand dieser Glossen und deren
Zusammenhang mit der Sangaller Handschrift Nr. 292 veröffentlichte
V. E. Mourek in dem Bud weiser Programm Druha vyrocni zprdva c.
k. ceskeho gymnasia v Budejovicich za skolni rok 1873. — Tisk Jana
Krupicky a spol. v Budejovicich. 4".
Der Codex stammt aus dem Kloster St. Peter im Schwarzwalde,
für welches denselben der Abt Philipp Jacob Steyrer im Jahr 1781,
wahrscheinlich in Franken^ gekauft hat; Bl. 3' oben steht geschrieben:
Emit Philippus Jacobus Abbas äö 1781. Über diesen Abt von St.
Peter vgl. F, J. Mone in der Quellensammlung der badischen Landes-
geschichte 1, S. 63 f. Seit 1807 befindet sich die Handschrift in
Carlsruhe.
Bl. 101"^ 1. Spalte steht roth: In nomine diTT nri ihu ^i in hoc
corpore continentur Glos^ ide interpretationes ul proprietates sermonü
excerpte de libris autenticis auctorum orthodoxorum tam ueteris qm
noui testamenti.
In xP^ nomine incipit liber ScT eusebii hieronimi pfcri super he-
braica nomina scdm hebraicä ueritatera.
406 K- SPRENGER
INCIPIT PROLOGVS.
EUSEBius QUi A BEATO Pamphilo martyre cognomento sortitus
est
Schluß Bl, 106" . . solitas ferunt. unde & nomen acceper////.
Am Rande von Bl. 97' steht eine Vitae des Boetius. Anfang : Te-
pore theoderiei regis insignis auetor boetius claruit. Schluß : ab aureo
elio. hoc e. specioso sole cui sacrificabat lege festü pöpeium.
CARLSRUHE in Baden. Dr. ALFRED HOLDER.
ZU GOTTFRIEDS TRISTAN.
2388 (61, 30) und als ez an den äbent do
und an ein scheiden muose gän,
ir klage, diu % was undertän,
diu wart do gar einbsere:
si triben niwan ein maere ....
undertän erklärt das mhd. Wb. an dieser Stelle, und danach
Bechstein = dazwischen gethan, untermischt, verschieden. Darnach
wäre der Sinn der Verse wohl dieser: Die Leute gaben^ während sie
vorher mit verschiedenen Worten geklagt hatten, nun dieselbe mit
gleichen Worten kund. Das ist jedoch ein unpassender Gedanke,
undertuon ist aber auch = subigere, s. Lexer II, 108. Danach ist der
Gedanke wohl folgender: Die Klage, die im Laufe des Tages stiller
geworden war, erhub sich nun von Neuem, einhcere = 'einhellig über-
einstimmend' wäre also nicht direct mit ir klage zu verbinden, sondern
aus dem Zusammenhang zu ergänzen: "^rait der Klage zu Anfang-
Nach 2391 (61, 33) ist besser Punkt, als Kolon zu setzen.
3512 (89, 34) Nu kom Tristan der Parmenois
und saz ze sinen füezen dar
und nam so flizeclichen war
des leiches und der süezen noten.
wser ez im an den lip geboten,
ern möhte ez niht verswigen hän etc.
So sind die Verse zu interpungieren. Denn wenn man mit Bech-
stein und Maßmann hinter 3515 (89^ 37) ein Komma statt eines Punktes
setzt, so ergibt sich der schiefe Gedanke : Er achtete so eifrig auf das
Spiel, daß er, wäre es ihm auch bei Todesstrafe verboten^, es nicht
zu GOTTFRIEDS TRISTAN. 407
mit Stillschweigen zu übergehn vermocht hätte. Bei unserer Inter-
punction ist dagegen so = 'auf diese Weise, in dieser Lage'.
3531 (90, 13) Svaz weistu\ sprach er, 'liebez kint,
von wannen diso noten sint?
kanstu ihtes iht hier an?'
ja schcener meister^;, sprach Tristan
'ich hcete hie von meisterschaft;
nu hat ez aber so kleine kraft,
daz ich vor iu niht engetar.
Im Gegensatz zu nu in V. 3536 (90, 18) entbehrt man eine Be-
zeichnung der Vergangenheit in V. 3535 (90, 17). Dies bemerkte schon
Maßmann und schrieb deshalb : ich hoet e hie von m. Diese leichte
Verbesserung könnte man sich schon gefallen lassen, wenn nicht noch
anderes in dem Verse anstössig wäre. '^ meisterschaft von einem dinge
ist nämlich nicht weiter belegt und scheint nicht mhd. Alle im M. W.
aufgeführten Stellen zeigen das Wort vielmehr mit dem Genetiv ver-
bunden. Beide Bedingungen werden erfüllt^ wenn wir mit F lesen:
ich hoet es hie vor meisterschaft;
hcete hie stützt sich übrigens nur auf die Autorität von W, während //
die Entstellung heize hie aufweist, in der vielleicht das richtige het es
(ez) verborgen ist.
4462 (113, 23) wil du din herze kereu
ze vorderlichen eren.
vorderltch erklärt Bechstein durch Vorzüglich' und vergleicht das nhd.
förderlich. Das könnte aber nur filrderlich heißen, vorderliche gehorn sin
Fundgr. 1, 120, 7 heißt Von adlicher Geburt sein'. Ich glaube das
Wort ist direet von dem Subst. die vordem = Vorfahren [Trist. 5214; in
Bechsteins Wortregister zu ergänzen] abgeleitet, vorderltche eren wären
demnach Pracht und Herrlichkeit, wie sie dem Adel zukommen.
4742 (120, 24) und ist diu selbe künde
so witen gebreitet^
so raanege wis geleitet,
daz alle, die nu sprechent,
daz die den wünsch da brechent
von bluomen und von risen,
an Worten unde an wisen.
H. Paul^ Germania XVII, 391 findet hier geleitet unverständlich^
und bemerkt: 'Man müßte billig fiagen wohin? Es wird ein Synoni-
raum zu gebreitet verlangt'. Nun haben aber geleitet M und F, die Les-
408 K. SPRENGER
art stützt sich also immerhin auf die Autorität zweier Handschritten-
classen. NO haben zeleitet, W zerspreitet. Paul entscheidet sich für ze-
leitet "^nach den verschiedenen Seiten hingeführt'. Dieselbe Bedeutung
hat aber auch leiten speciell beim Baume. Vgl. eine linde leiten "^die
Zweige derselben nach einer bestimmten Richtung biegen, damit sie
dort Schatten geben. Parz. 185, 28; Lexerl, 1873. Die künde wird hier
aber mit einem Baume verglichen^ und deshalb ist gewiß das seltnere
geleitet das richtige; zerleitet und zerspreitet sind dagegen Änderungen
der Schreiber;, die den seltenen Ausdruck nicht verstanden.
5343 (135^ 25) die selben fragte er maerC;,
wä der herzöge wsere.
die täten ez im iesä kunt;
und er des endes sä, zestunt.
In V. 5346 (135^ 28) fehlt ein Verbum. Dies bemerkte auch schon
Th. V. Hagen, Krit. Beitr. z. G. v. St. Tristan S. 46. Er will deshalb
mit leichter Änderung und er in und vuoi' verwandeln, so daß ein er
aus dem im des vorhergehenden Verses zu entnehmen sei. Bechstein
dagegen behält die handschriftliche Lesart bei, und erklärt das Fehlen
des Verbums hier durch den lebhaften Ausdruck. Nun kann allerdings
der Schriftsteller in solche Lebhaftigkeit gerathen, daß er das Verbum
vergißt, aber es ist hier gar kein Grund der gesteigerten Lebhaftig-
keit abzusehen*). H. Paul, Germ. XVII. 395 wendet dagegen gegen v.
Hagens Änderung ein, daß er nicht zu entbehren sei, da ein scharfer
Nachdruck darauf liege. Auch eine Einschiebung von vuor mit Bei-
behaltung von er wird beanstandet, da dadurch das logisch stark be-
tonte er zweite Silbe des Auftakt werden würde. Alle Bedenken er-
ledigen sich leicht, wenn wir schreiben:
die selben fragte er msere,
wä der herzöge wsere
(die täten ez im iesä kunt)
und vuor des endes sä zestunt.
Gegen die Auffassung des bedeutungslosen V. 5345 (135, 27) als
Parenthese wird Niemand etwas einzuwenden haben. Er scheint aber
schon früh nicht mehr als solche erkannt zu sein, und dies hatte dann
das Verderbniss zur Folge. Es wurde nämlich dann eine Wiederholung
des Pronomens er vor vuor nöthig, und schließlich wurde vuor, da so
der Auftakt überladen schien, ganz aus dem Verse verdrängt.
■^) Es findet sich hier eine hübsche Parallelstelle in Goethes Werther S. 11, vgl.
Michael Bernays, über Gesch. und Kritik des Goetheschen Textes S. 15. Auch dort
ist die Herstellung des Verbums durchaus geboten.
zu GOTTFRIEDS TRISTAN. 400
8699 (219^ j?l) Willi kuolitc und uiaruajre,
diu vorsehen der maere
ui' der brücke vor der schif'tür.
brücke erklärt Beclistein = schifbrucke und verweist auf 13372.
Daß nun brücke hier die Landungsbrücke sei, die vom Schiffe nach
dem Ufer gelegt wird, ist nicht möglicli. Auch wäre dann der Zusatz
vor der schit'tür, womit nur der Zugang zur Cajüte bezeichnet werden
kann^ unbegreiflich. Dali damit, wie B. zu 13372 verrauthet, 'das den
alten Schiffen eigenthümliche vordere Halbdeck, Back genannt sei, von
dem aus die Beobachtungen angestellt werden', ist eben nur Vermu-
thung. Es war zu fragen, ob das Wort brücke im mhd. nicht noch
eine andere Bedeutung als pons, nhd. Brücke hat. Und wirklich hat
es das Wigalois 7468. Es bedeutet dort ein hölzernes Gerüst. Vergleiche
über das Wort noch Schmeller, B. W. 1, 258; Deutsches Wbch. 2, 422.
Auch hier wird wohl ein hölzernes Gerüst vor der Cajütenthür, zum
Ausschauen errichtet, gemeint sein.
9004 (227;, 9) des treip er vil und so genuoc.
Es ist wohl zu schreiben, wie die Formel gewöhnlich lautet : des
tr. er vil unde genuoc.
10701 (269, 23) da ganc geswäsliche hin
und vräge, welher under in
Kurvenal da si genant:
dem selben rüne zehant^
daz er ze sinem herren ge;
und sage ouch nieman niht me
und bringe in lise als hövesch du sis.
nu Arne, daz tet Paranis.
Was nu herre in V. 10708 (269^ 30) bedeuten soll^ ist mir gänz-
lich unklar. Es ist wohl sicher eine Verderbniss. Zu verbessern, wie
mir erst einfiel 'ja herre\\ so daß dies Paranisens Antwort auf Tristans
Befehl wäre, halte ich nicht mehr für statthaft. Ich glaube, es ist zu
schreiben: nu verre daz tet P. = Dies richtete P. sehr sorgfältig aus.
Man wird sich erinnern^ daß verre zur Verstärkung^ bei Verben wie
manen, hiten etc. steht. Vgl. Diemer 304, 1 da hän ich ven-e getan
wider minem heile, herre aus verre verderbt findet sich auch Kindh.
Jesu 86^ 2.
11939 (275, 21) diu tassel, da diu solten sin,
daz was ein kleinez sntierlin
von wizen berliu in getragen.
410 R SPRENGER
So lautet unverständlich der Text bei Maßmaun. Beehstuin änderte
schon in der 1. Ausgabe daz in V. 10940 in da. So auch schon v. d.
Hagen. Nicht hiergegen, sondern gegen die Erklärung von In tragen als
ein faß en wendete sich H. Paul, Germ. XVII^ 382. Er erklärt: Svo die
Spangen hätten sitzen sollen^ da war eine Schnur von Perlen ange-
bracht'. Ihm stimmt jetzt Bechstein in der 2. Ausgabe bei. Nun hat
zwar, wie Paul bemerkt, nicht nur H^, wie Maßmann angibt, sondern
alle Handschriften ausser W Z. 22 da lüas, gleichwohl müssen wir aber
an dieser Lesart festhalten. Wenn wir nämlich die analogen Stellen
Mai 41, 25, Trojanerkr. 20081, Marleg. 22, 394, Laur. 69 f., Virgin. 251, 7
vergleichen, ergibt sich, daß nicht daz Z. 22 in dci, sondern da in Z. 21
in daz zu ändern ist. Die Verbindung ist Eigenthümlichkeit des Mittel-
hochdeutschen. So heißt es in Albers Tundalus 63, 81 daz der morter sin
solde daz was von lüterem gokle. Die entsprechende Stelle in der lat.
Vorlage (Schade 21, 23) lautet: erat namque ex omnium lapidum prc-
ciosorum [genere] bene constructus (murus) variis coloribus luetallis
interpositis, ita ut habere videretur aurum pro cemento. Auch hier
würden wir nach neuhochdeutscher Auffassung erwarten : da der morter
sin solde, da was lüterez golt. Die Verse daz diu tassel solden sin, daz
was ein kleinez snüerlin sind demnach zu übersetzen: 'Die Stelle der
Spangen vertrat eine feine Schnur, die mit weißen Perlen be-
festigt war'. Denn letzteres ist die Bedeutung von m tragen, sowohl
hier, als in V. 11119, 20 (279, 40) ein netze daz loas üf daz tack von
vnzen herlin getragen. Das ist so zu verstehen, daß die einzelnen Ma-
schen des Netzes durch weiße Perlen auseinandergehalten und durch
dieselben auf das Kleid befestigt (aufgetragen) sind, von hat natür-
lich hier eine vom neuhochdeut. etwas abweichende Bedeutung und ist
etwa mit durch, mit zu übersetzen. Zu vergleichen ist Rolandsl. 307,
1 1 von aller slahte Zungen lobeten si got alsus , wo mir die Erklärung
des M. W. (unter von) mehr zusagt, als die dem neuhochdeutschen
entsprechende Bartschens.
12464 (313, 26) sine wart niht zeinem male rot
und missevar von dirre bete,
als ez ir michel not tete.
D. h.: 'Sie wurde nicht einmal, sondern ein über das andere Mal
roth und bleich bei dieser Bitte'. Kurtz: 'Sie ward da mehr als ein-
mal roth und wieder bleich bei diesem Sang; Auch thats ihr Noth'.
Nach V. 12465 ist Punkt statt des Komma zu setzen.
13101 (329, 23) nu Tristan was gemuothaft.
ze erneste und ze ritterschaft
zu GOTTFRIEDS TRISTAN. 1 1 1
vertetc er siner stunde vil:
er dienete mit vederspil
sinen müezigcn tagen.
er reit birsen unde jagen
so ez an der zit also geviel.
Der letzte Vers ist genau : 'Wenn es die Jahreszeit so mit sich
brachte'. Vgl. Boner 13, 1 ieglichez zit sich richtet als ez got hat ge-
tichtet (auf den Sommer folgt der Winter etc.).
13770 (346, 12) dem gebeideten leide
dem gieng er rehte nach dem site
und nach dem billiche mite,
wan als er an Isolde
der liebe dienen wolde,
so wante es in der arcwän.
Sowohl Bechstein als die Übersetzer haben diese Stelle nicht
richtig verstanden, der liebe kann nur Dativ sein , doch bedeutet es
hier nicht geschlechtliche Liebe, Minnepflicht (Bechstein), sondern be-
zeichnet den Gegensatz zu leit V. 13770. 'Marke war stets von dop-
peltem Leide befangen: dem Zweifel gegen Isolde und Tristan. Denn,
wenn er sieh der Freude an Isolde hingeben wollte, so brachte ihn
der Argwohn davon ab'.
14294 (359, 16) der hof der tribe ein m«ere,
man wolte es büetende sin,
da von im unde der künigin
leit unde laster raöhte enstän.
Im V. 14294 vermißt man eine Bemerkung bei Bechstein. Daß
derselbe aber nicht so leicht zu verstehen ist, beweist, daß Kurz hier
gänzHch falsch übersetzte: 'Am Hofe sei ein Märe, man hüte sie,
lausche, schleiche nach'. Man hüte sie. Das kann nur auf Tristan
und Isolde gehen. Aber wo steht das im Text? Dort steht ja es, was
nur der Genetiv des neutralen ez sein kann. Ich denke , man kann
den Satz nur als negat. Bedingungssatz auffassen und ist daher ge-
nöthigt zu schreiben: man enwolte es hüetende sin. Es ist demnach
zu tibersetzen: 'Am Hofe gehe ein Gerücht um derart, daß^ wenn mau
sich nicht davor in Acht nähme, leicht Leid und Schmach für ihn und
die Königin daraus entstehen könnte'.
15241 (383^ 3) sin zwivel unde sin arcwän,
die er e haete gar Verlan,
ze den so was er aber geweten :
wan er den estrich unbetreten
412 J. CASPART
vor dem bette fundeu hsete,
da von wand' er untsete
von sinem neven äne sin;
Ich gebe diese Verse, zu denen ich bei Bechstein eine Erklärung
vermisse, gleich mit der mir allein richtig scheinenden Interpunction.
Den Sinn derselben scheint mir trefflich Kurtz wiedergegeben zu haben :
'Seinen Zweifel und seinen Wahn, die er erst hatte hingethan, trug er
nun aber an der Kette: Daß er den Estrich vor dem Bette erfunden
hatte mit dem Mehl, das ließ den Neffen ohne Fehl und nahm ihm
diesen Zweifel hin. Die Schwierigkeit liegt in der Erklärung von
V. 15246. Was heißt: Da von wand' er untsete von sinem neven? Wenn
Avir untät in der gewöhnlichen Bedeutung von übele That, Missethat
nehmen, so würden wir gerade das Gegentheil von dem erhalten, was
der Sinn verlangt: 'Deßhalb, weil er den Estrich unbetreten fand, ver-
muthete er das Verbrechen von seinem Neffen'. Mir scheint hier untät
in einer ungewöhnlichen Bedeutung zu nehmen, nämlich als Negation
der That überhaupt, nicht als Negation der guten That. In dem
Adject. untcetic haben wir noch diese Bedeutung erhalten.
GÖTTINGEN. ß. SPRENGER.
MICHAEL BEHEIMS LEBENSENDE.
über M. Beheims Lebensende war bisher nichts bekannt. Sein
Biograph, Th. G. v. Karajan, der mit großer Liebe und Genauigkeit
in seiner Ausgabe von Beheims Buch von den Wienern (Wien 1843)
des Sängers Leben schrieb, hat nach den in dessen Schriften enthaltenen
Angaben festgestellt, daß M. Beheim den 27. September 1416 zu Sülz-
bach bei Weinsberg geboren wurde, als Sohn des armen Webers Jo-
hannes Beheim, dessen Großvater als ein einst wohlhabender, aber
durch den Krieg um das Seine gekommener Mann aus Pilsen in Böhmen,
weßhalb er früher Konrad Bilsner hieß, ausgewandert war und sich
zu Erdmannhausen bei Marbach in Würtemberg vom Betrieb einer
Wirthschaft ernährt hatte. Er berichtet uns dann wie Michael bei seinem
Vater das Weberhandwerk erlernte und betrieb bis er etwa 23 Jahre
alt war, von wo an er ein viel und reich bewegtes Leben führte. Denn
damals ums Jahr 1439 geschah es, daß Beheim von seinem Landesherrn
Konrad von Weinsberg in seinen Dienst genommen und als Kriegs-
MICHAEL BEN KI MS LEBENSENDE. 41:',
mann ausgerüstet wurde. Mit seinem Herrn, dem Reichserbkäuimerer,
im deutschen Reiche weit umherreisend, erlernt«- er die von ihm hoch-
geschätzte Dichtkunst, die er foi'tan, viel beneidet und angefeindet, an
manchem Fttrsteniiofe in und ausserhalb Deutschlands übte. Nach dem
Tode Konrads von Weinsberg (1448) trat er in die Dienste des Mark-
grafen Albrecht Achilles von Brandenburg in Ansbach, wurde aber
in dessen Städtekriege von den Rottenburgern gefangen und durfte
nach seiner Auslösung in diesem Kriege nicht mehr dienen. So verließ
er im Frühjahre 1450 die Heimath, zog über Köln durcii Westphalen
und Sachsen nach Lübeck und .schift'te sich dort nach Kopenhagen
ein um den Hof des jungen Christian I. zu besuchen. Die Königin nahm
ihn huldreich auf und schickte ihn mit einem Schiffe^ das eben ausge-
rüstet wurde, zum König nach Norwegen, wo er nach manchem Aben-
teuer zur See in Drontheim die Krönungsfeierlichkeiten mitmachte.
Vom Könige^ der sich dem Sänger sehr gnädig erwies, über Bergen,
wo er die Kaufmannsgüter vieler Nationen lagern sah, mitgenommen,
wohnte er nach der Rückkehr noch zu Kopenhagen dem TaufFeste
des erstgebornen Prinzen an und kehrte dann heim.
Seine Ehefrau, deren Namen nicht genannt wird, mit der er sich
im Jahre 1439 verheirathet und die ihm 1440 — 44 drei Söhne Lazarus.
Clemens und Paulus und noch im .Jahre 1452 eine Tochter, Notpurg^
geboren hatte, scheint den 30. November 1453 gestorben zu sein. Nach
einem kurzen Aufenthalte bei Herzog Albrecht IH. in München;, gieng
B. zu Erzherzog Albrecht VL nach Wien. Am Hofe dieses hochver-
rätherischen Fürsten aber konnte er, der unrechtmässige Gewalt stets
offen tadelte;, nicht bleiben. Er trat daher im Sommer 1456 in die
Dienste des Grafen Ulrich von Cilly, der mit dem Könige Ladislaus
von Böhmen und Ungarn gegen die Türken zog und als der Graf zu
Belgrad von den gegen ihn empörten Ungarn erschlagen worden war,
trat B. in die Dienste des Königs Ladislaus (des erstgebornen Sohnes
Kaiser Albrechts H.) und zog als dieser von den Ungarn vertrieben
wurde mit ihm im Juni 1457 nach Wien und im September nach Prag.
Obwohl bei dem Könige selbst beliebt, wurde B. doch von der Hof-
parthei der Taboriten verdrängt. Nun gieng er nach Wien und trat
in den Dienst des Kaisers Friedrich HI., dessen ergebener Diener er
war. Er nennt sich „unseres Herrn Kaisers deutscher Poet"^ auch „der
Kaiserin Diener". Heldenmüthig betheiligte er sich bei derVertheidigung
der kaiserlichen Hofburg;, als diese von den aufständischen Wienern
und Erzherzog Albrecht vom 2. October bis 4. December 1462 belagert
wurde und kam dadurch der kaiserlichen Familie sehr nahe. Mit ihr
414 J' CAS PART
zog er nach Wienerisch-N e u s t a d t und betheiligte sich an der kühnen
Erstürmung der nahen Felsenburgen Urschendorf und Scheuhenstein,
über welch letztere er als Hauptmann gesetzt Avurde. Als aber der
Kaiser sich mit den Wienern im Jahre 1465 versöhnt hatte, konnte B.
nicht länger bleiben. Er hatte nämlich während des Krieges sein „Buch
von den Wienern" geschrieben, eine Reimchronik über den Aufstand,
worin er das Benehmen der Wiener gegen den Kaiser in derben Worten
geisselte, wodurch sie so sehr gegen den kühnen Sänger erbittert wurden,
daß sie einen Preis von 400 Stück Ducaten auf seinen Kopf setzten
und der Kaiser ihn entlassen mulUe. Wohin er sich nun zunächst
wandte, ist nicht bekannt. Eine Zeit lang war er bei dem Grafen
Eberhard, genannt im Bart, von Würtemberg, in Urach. Ihm zur
Ehre verfaßte er ein Lied, worin ein Graf Eberhard von W. mit dem
wilden Jäger in Verbindung gebracht ist. Vom Jahre 1467 an stand
B., nach Karajan, im Dienste des Pfalzgrafeu Friedrich L, des Sieg-
reichen, in Heidelberg, welcher im Jahre 1440 die Stadt und 1450
Burg und Herrschaft Weinsberg erkauft hatte und so sein Landes-
herr geworden war. Von dem Pfalzgrafen, der ihn auszeichnete, be-
auftragt, beschrieb B. in einer Reimchronik, unter dem Beistande des
Hofcaplans Mathias von Kemnat und des Geheimschreibers Alexander
Bellendörfer, in den Jahren 1469 — 71 die Thaten des „unüberwindlich-
sten Fürsten". Er nannte sich damals „unsers allergnädigsten Herrn,
des römischen Kaisers Friedrich und meines gnädigen Herrn, Herrn
Friderichs, Pfalzgrafen bei Rhein, teutscher Poet und Dichter" (cf.
Uhland, hinterlassene Schriften Bd. II, S. 332). Karajan scHießt seine
Lebensbeschreibung mit den folgenden Worten: „Die Erzählung der
Ereignisse in Bs. erwähnter Pfälzer Chronik reicht bis zum 26. August
1471, dem Tage an welchem das siegreiche Heer des Pfalzgrafen vor
das Schloß Landsberg rückte. Die Handscln-ift selbst ist vom Jahre
1472, rührt aber nicht von Bs. eigener Hand, wohl aber die Handschrift
Nr. 334 vom Jahre 1474, welche mit jenen Nr. 312 und 386, von denen
es bekannt ist, daß B. sie eigenhändig geschrieben, ganz dieselbe Hand
zeigt, und vermuthen läßt, daß ov 1474 noch am Hofe des Pfalzgrafen
verweilte. Von da an verschwinden alle sichern Spuren über die Lebens-
umstände unseres Dichters, wenn nicht etwa die Nürnberger Handschrift
seiner Gedichte weitern Aufschluß gewährt". Sie scheint ihn nicht zu
gewähren, denn noch im vorigen Jahre schließt Bartsch den Artikel über
M. B. in der allg. deutsch. Biographie mit den Worten: „Noch 1474
war B. wahrscheinlich in Heidelberg, dann aber verlassen uns alle
Spuren und wahrscheinlich ist er um diese Zeit gestorben".
MICHAEL BEHEIMS LEBENSENDE. 4];-,
Indessen sind im vorigen Jahre hier in seinnm Geburtsorte Sülz-
bach sichere Spuren in zwei steinei-nen Urkunden gefunden worden,
die uns k^liren, dali der vielgewanderte, fruchtbare, zu seiner Zeit be-
rühmte kriegerische Meistersänger in seinem Heimathdorfe einen idylli-
schen Lebensabend und ein tragisches Ende gefunden l)at. Nachdem
er in Heidelberg als der Homer des „bösen Pfälzer Friz" sein Werk
vollbracht, kehrte er im Jahre 1472 als weitgereister, viel erfahrener
Odysseus, 56 Jahre alt, wieder zur alten Heimath ein, wurde hier;, nach-
dem er sich ein neues Haus erbaut, Schulthcil> und ward bald nachher
erschlagen. Des Sängers Namen meldet kein Brief noch Kirchenbuch :
aber ein bemoostes, fast versunkenes Steinkreuz an einem Kreuzwege
draussen an der alten Landstrasse und ein steinernes Wappen an
einem Bauernhause. Im Strassengraben an der Stelle^ wo der Fahr-
weg von Sülzbach zur Eisenbahnstation Willsbach in die von Heilbronn
nach Hall führende Landstrasse mündet und sich jenseits als Fußweg
über den „Kezersberg" nach Lehrensleinsfeld fortsetzt^, steckt, halb vom
Boden bedeckt, mit abgebrochenem Kopfe ein grosses verwittertes
Steinkreuz, ein sogenanntes „Sühnkreuz" wie es der Todtschläger einst
zur Sühne und zum Gedächtniss des Erschlagenen an der Stelle, wo
der Mord geschehen war, eri'ichten lassen mußte. Die Sage ließ an
dieser Stelle in alten Tagen zwei Fuhrleute bald , bald zwei Schnitte-
rinnen einander gegenseitig im Streite getödtet haben. Da sich Spuren
von eingehauener Schrift zeigten, bat ich den Besitzer des Feldstückes,
in dem der rechte Arm des Kreuzes verborgen war, im vorigen Herbste
denselben frei zu legen und nachdem der Stein gesäubert und abge-
waschen war, vermochte ich die zweite der beiden Zeilen deutscher
Minuskeln, die mit Ausnahme der weggestossenen ersten und letzten
Buchstaben der Zeile noch ziemlich gut erhalten ist, zu entziffern. Sie
sagt: „e/icrwi schulteis fzu Sultzhach ersch/agn'-^. Darunter auf dem Be-
ginne des Kreuzfusses stehen die beiden Worte: ^gof gnacV^. Von der
oberen Langzeile sind nur nocli schw^ache Spuren der eingegrabeneu
Jahreszahl übrig; zu sehen ist noch ein S. und dahinter der untere
Theil eines l dem zwei XX folgten, von denen ebenfalls nur noch die
Füsse zu sehen sind, das Übrige ist abgeschlagen oder zerstossen. Die
Jahreszahl ergibt also 1470 und wohl noch etwas darüber. Dieß ließ
mich alsbald vermuthen, der Name eham, dem sichtlich der vordere
Buchstabe fehlt , möge durch ein b zu ergänzen und beham zu lesen
sein, wie unser B. seinen Namen selbst oft schrieb. So lautet er auch
in der Beischrift zu seinem Wappen, wie es in dem von ihm eigen-
händig geschriebenen Codex gemalt ist, das Karajan auf dem Titelblatte
416 T- C ASPART
des Buchs von den Wienern abbilden ließ. Doch entstand die Frage
ob der erschlagene Schultheiß B. nicht etwa M. Bs. Vater oder ein
Bruder von ihm war? Sein Vater war es nicht, denn abgesehen davon,
daß ein armer, nicht ursprünglich im Dorfe angesessener Weber nicht
leicht Schultheiß wird und damals wohl noch weniger als etwa heut-
zutage zu dieser Würde gelangen konnte, wäre Hans B. im Jahre 1470
doch schon zu alt gewesen, da sein Sohn Michel im Jahre 1416 ge-
boren ist, er selbst also, wenn dieser auch sein erstgebornes Kind war,
doch kaum später als etwa im Jahre 1388 zur Welt gekommen sein
kann. Wäre sein Vater Schultheiß seines Geburtsortes gewesen oder
geworden, so würde es der Dichter nicht unterlassen haben, diesen
Umstand in seinem Liede „von Michel Behem Geburt und auch von
seinem Herkommen" zu berichten oder doch gelegentlich davon zu reden.
Von einem Bruder meldet er auch nichts. Wohl aber erfahren wir,
daß er zwei Schwestern hatte, denn in der Aufzählung des pfälzischen
Kriegsvolkes bei der Erzählung der berühmten Schlacht bei Secken-
heim (30. Juni 1462) nennt er seinen Schwager Scharpfhanns „der
Pfiffer Spielgraf" (ein trefflich deutsches Wort für Oapellmeister) und
ein andermal sagt er: „vnd mein Schwager Brenger. war auch ein An-
sprenger", heißt der Name etwa im Mscr. Strenger, so ist es der Name
des dermaligen Besitzers des Feldes, auf welchem Bs. Kreuz steht.
Von Brüdern seines Vaters redet B. auch nirgends, sein Vater scheint
allein von Erdmannhausen nach Sülzbach gezogen zu sein. Daß aber
M. B. selbst im .lahre 1472 in Sülzbarh wohnte, davon gibt ein an-
derer Stein Bericht. Es war im December vorigen Jahres, daß mich
Herr Adlerwirth Hang dahier (aus der ältesten der hier ansässigen
Familien, die schon im Jahre 1489 urkundlich als hier begütert er-
scheint) auf einen Stein am Hinterhause seines Vetters Volpp aufmerk-
sam machte, auf dem ein altes Wappen mit einer Zahl eingehauen
sei. Bei näherer Besichtigung fand ich, daß der an einem verborgenen
Orte in die Mauer eingefügte 60 CM. hohe, 45 CM. breite Stein ver-
kehrt eingemauert sei und siehe da, er zeigt das Wappen Michael
Beheims, ganz so, wie es auf dem Titelblatte des Buches von den
Wienern sich findet : im Schilde und auf dem geschlossenen Helme
eine gekrönte „Sirene" oder Meerjungfrau, ihre beiden Fischschwänze
mit den Händen fassend. Darunter die Jahreszahl lfiX2 (1472). Dieß
Wappen redet wohl von des Sängers Meerfahrt über das „Wester-
meer" nach Norwegen. Dieser beim Neubau des (jetzt gar statthchen.
1811 und 1840 abermals neugebauten) Hauses nach der Zerstörung
des Dorfes im Jahre 1525 durch den Truchseß Georg von Waldburg
MICirAP^L BEHEIMS EEREXSENDE. 417
von den Bauleuten verworfene Stein, er sa^4 uns doch wohl deutlich
genug, daß hier einst der berühmte kaiserliche und churpfälzische
Dichter, des Wanderns müde, im Jahre 1472 sich zur liuhe setzte und
über seines Hauses Pforte sein ritterliches Wappen prangen ließ.
Schon früher hatte ich dasselbe Wappen in der hiesigen Kirche
gefunden, wo es neben 3 andern an dem Epitaphe des hiesigen Müllers
Michael Oetinger f 1609 und seines Sohnes Michael , Baupäegers der
im Jahre 1619 wieder neuerbauten Kirche, f 1635, angebracht ist. Es
scheint mir das Wappen der Anna f 1593^ Ehefrau des altern Michael
Oetinger zu sein, deren Familienname in den Kirchenbüchern nicht
genannt ist, da sie sich im Jahre 1569 als Witwe des Schultheissen Hans
Müller wieder hier verheirathete. Daß dieser Michael Oetinger der
Stammvater des berühmten Theosophen Friedrich Christoph Oetinger
gewesen, der 1752 — 1759 Dekan in Weinsberg war und 1765 als Prälat
in Murrhard starb, werde ich an einem andern Orte nachweisen. Die
Stammmutter der Familie Oetinger aber scheint eine geborne Be-
be im, eine Urenkelin unseres Dichters, gewesen zu sein. — Ein drittes
Mal fand ich das Beheimsche Wappen auf einem Grabsteine an der
Kirche zu Willsbach, als das der Frau eines im Jahre 1572 dort ge-
storbenen Schultheißen. Der ISiame desselben ist nicht mehr lesbar
und in den hiesigen Kirchenbüchern ist er nicht zu finden , da Wills-
bach, bis 1571 Filial der Parochie Sülzbach^ in diesem Jahre zur
eigenen Pfarrei erhoben wurde. Den Namen Beheim suchte ich in den
hiesigen alten Kirchenregistern vergeblich, fand ihn jedoch im Tauf-
register des benachbarten Dorfes EUhofen (das bis zum Jahre 1593
gleichfalls zu der ehemals das ganze Weinberger Thal umfassenden
Pfarrei Sülzbach gehörte). Einem Jerg Behem werden 3 Söhne ge-
boren und getauft: im Jahre 1558 Jerg, 1559 Hans^ 1560 Lenhart.
Den 5. September 1587 verheirathete sich „Mathäus Beham des
Jergen Behamben seligen Sun zu Elhouen mit Genoveva des Kilian
Schneider sei. Tochter zu Bretach, Newenstetter Ampts." Den 28. August
1590 wurde dem Leonhart Böhem ein Sohn Georg, den 10. August
1591 dem Johann Böhem ein Sohn Johannes getauft. — Daß zahlreiche
Nachkommen von M. B. im Lande Würtemberg leben, wird hiedurch
wahrscheinlich, doch wie viele weiß ich nicht.
Das Hofgut, das seit mehr als Menschengedenken zu dem Hause
gehörte, an dem sich B's. Wappen befindet, hieß der „Nonnenhof" und
ist nun (seit 1848) freies Eigenthum des Bauern Christian Volpp, wie es
zuvor schon Haus und Hausgarten, sowie andere dazu erkaufte Güter
waren. Früher gehörte das Hofgut dem Nonnenkloster zu St. Clara
GERMANIA. Neue Keihe. X. (XXii. Jahr-.) 27
418 J- CASPART
in Heilbronn, das in der Umgegend von Weinsberg auch sonst be-
gütert war. Dieß ergibt sich aus den Acten des K. Kameralamts in
Weinsberg, von welchen mir, ebenso wie von denen des Stadtarchivs zu
Heilbronn und des K. Staatsarchivs zu Stuttgart, gütigst gestattet wurde
Einsicht zu nehmen. Im Jahre 1722 war Träger der hiesigen Güter
von St. Clara Hans Jerg Betz, dessen Familie in den hiesigen Kirchen-
büchern seit 1560 mit der Familie Beheim in Ellhofen in naher Ver-
binduns: erscheint. In dem Heilbronner Archiv befinden sich nur noch
die Urkunden, welche die Stadtmarkung betrefien. Im K. Staatsarchiv
in Stuttgart fand ich B's. Namen nicht in den Salbüchern von St. Clara,
deren älstestes von 1477.
Noch ist ein Umstand zu erwähnen, der M. B. zur Übersiedlung
nach der alten Heimath mag neben anderem veranlaßt haben. Pfäl-
zischer Vogt zu Weinsberg war damals der Ritter Lutz Schott, den
B. in seiner Pfälzer Reimchronik mehrmals nennt und besonders in der
Erzählung der Schlacht bei Beilstein (30. April 1460);, wo die Würtem-
berger siegten, als einen tapfern Ritter rühmt, der sich so hielt, daß
die Pfälzer den schon gewonnenen Sieg behalten hätten, wenn alle
seinem Beispiele gefolgt wären. Im März desselben Jahres hatte Lutz
Schott einen Angrifi" der Würtemberger auf Weinsberg mit zugezogener
Hilfsmannschaft von Heilbronu und Wimpfen tapfer zurückgeschlagen.
Von dem Ritter Lutz Schott ist in der Weinsberger Gegend noch
Folgendes bekannt: Im Jahre 1464 erwirkte derselbe von dem Abte
des Benediktinerklosters Schönthal für die Gemeinde Lehrenssteinsfeld
die Erlaubniss, in Steinsfeld^ unschädlich der Pfarrkirche zu Sülzbach,
eine Capelle zu erbauen und im Jahre 1469 verkaufte er das nahe
Dorf Waldbach, das er 1459 von Eberhard von Sikingen erkauft hatte,
an das nahe Frauenkloster Lichtenstern, wo im Jahre 1459 eine Eli-
sabeth Schottin als Aebtissin gestorben war. Er war wohl ein Gönner M.
B's. und machte ihn zum Schultheißen in seinem Geburtsdorfe Sülzbach.
Endlich drängt sich noch die Frage auf, wer war es, der
den Sänger erschlug? war es ein alter oder ein ganz neuer Feind?
Wenn wir uns daran erinnern, daß die durch das zu ihrer Schmach
vom ihm gedichtete Buch aufs äußerste gegen ihn erbitterten Wiener
einen Preis von 400 Ducaten auf B's. Kopf gesetzt hatten, so liegt
der Gedanke nicht so ferne, es könnte ein Wiener, der irgendwie
in diese Gegend kam^ mit dem bestgehaßten Sänger auf der Strasse
zusammengetroffen sein und ihn im Streit erschlagen haben. Auch
eine noch ältere Feindschaft könnte hier ihr blutiges Ende gefunden
haben. Vom Hofe des böhmischen Königs Ladislaus, welchem B.
MICHAEL BEHEIMS LEBENSENDE. 419
ganz besonders ergeben war, wurde er hauptsächlich durch einen
Edelmann verdrängt, der aus der Weinsberger Gegend stammte; er
sagt ausdrücklich von jenem: sein Großvater saß in einem Dorfe, das
liegt ganz nahe dem, in dem ich selbst geboren bin und fügt hinzu,
des Edelmanns und sein Vater seien öfters auf den Kirchweihen und
bei ähnlichen Gelegenheiten in den benachbarten Dörfern beisammen
gesessen. Ganz nahe nun bei Sülzbach liegt das Dorf Steinsfeld, wo-
hin der Weg an B's. Krenz vorüberführt, es ist das nächste Dorf, in
welchem Edelleute sassen , deren mehrere an diesem Weinsbergischen
Lehen Theil hatten und im Jahre 1378 eilaubten die Herren von W.
dem Sigfrid von ]\Iichelfeld ein Haus in dem Burgstadel zu Steinsfeld
zu bauen*). Ein Nachkomme dieses Sigfrids dürfte es gewesen sein,
der uusern B. von Prag vertrieb und er oder einer seiner Verwandten
dürfte ihn auch am Scheideweg, wo der Weg nach Steinsfeld die
grosse Heilbronn-Haller Landstrasse schneidet, erschlagen haben. Aber
auch in Heidelberg hatte der Dichter Feinde und Neider, denn er
erzählt (nach Karajan), daß der Pfalzgraf, der ihm den ehrenvollen
Auftrag gab, seine Thateu zu besingen, ihn selbst gegen die Willkür
der Hofleute in Schutz nahm, die neidisch den Ankömmling zu ent-
fernen suchten.
Überhaupt hatte sein Freimuth, mit dem er in allen Lebenslagen
das Unrecht tadelte und strafte, wie Bartsch von ihm rühmt, dem
kühnen Sänger überall auch Feindschaft zugezogen und mit solchen,
deren Groll er sich in Heidelberg zugezogen, konnte er in der Um-
gegend von Weinsberg, die von 1450 — 1504 ganz zur Churpfalz ge-
hörte, oft genug zusammentreffen. So hatte z. B. des Pfalzgrafen
Friedrich I. Thürhüter Hans Heil im Jahre 1465 von Dieterich von
Weiler den vierten Theil an Gericht und Vogtei der beiden zusammen-
gehörigen Dörfer Steinsfeld und Lehren erworben. Vielleicht gerieth
der Dichter mit ihm in Streit oder sonst mit einem Herrn, den ein
freimüthiges Spottlied verletzt hatte.
Wie ein Edelmann und ein Schultheiß oder ländlicher Vogt auf
dem Heimwege von einer Kirchweihe oder ähnlichen Gelegenheit, wo
sie vergnügt beisammen gesessen , schließlich in blutigen Streit ge-
rathen konnten, davon gibt eine Erzählung, die ich zur Erklärung der
Art, wie unser B. gefallen sein möchte, noch anführen will, ein er-
götzliches Beispiel.
*) Ludewig, Reliq. 12, 609.
27'
420 OBEIST
In dem lesenswerthen Büchlein „Christoph Martin, Freiherr von
Degenfeld, venetianischer General- Gouverneur von Dalmatien und Al-
banien, nach schriftl. Quellen bearbeitet von M. F. G. Kapff, Dekan
zu Geißlingeu, Ulm 1844" ist von dem Vater des Helden, Martin II.
f 1504, dem Stammvater aller jetzt lebenden Freiherrn und Grafen von
Degenfeld, Folgendes erzählt. „Dieser Martin, welcher meistentheils
als würtembergischer Obervogt zu Göppingen seinen Wohnsitz hatte,
gerieth einmal beim Heimreiten von einem Geislinger Markt mit dem
Ulmischen Vogt von Stötteu (einem Dörflein auf der Alb) das nahe bei
Hohen-Eybach (seit 1456 Stammschloß des Hauses Degenfeld) liegt, in
einen Streit und wurde, da beide sogleich vom Leder zogen, hart ver-
wundet. Als der Herzog sich seiner annahm und bei dem Ulmer Rathe
auf Absetzung und Bestrafung drang, antwortete der Rath ganz naiv:
solch Unglück wäre schwerlich geschehen , wenn beide selbiges Tags
mehr Wasser als Wein getrunken hätten. Martin aber erwiederte
ebenso naiv: er habe sein Lebtag mehr Wein als Wasser getrunken."
Ob unser M. B. in solchem Streite im Zweikampfe gefallen ist
oder ob er meuchlings erschlagen ward, wissen wir nicht; doch nehmen
wir von dem reisigen Sänger, der müd vom Kriegen und vom — Singen
zur alten Heimath eingekehrt war, lieber an, er sei den Degen in der
Faust, ein Trutzlied auf den Lippen, von einem Feinde seiner freien
Rede erschlagen worden, im Jahre 1474, aus welchem das letzte von
seiner Hand geschriebene Lied herrührt, im 58. Jahre seines Alters. Gott
gnad ihm.
SÜLZBACH bei Weinsberg, 27. September 187G. ' J. CASPART,
Pfarrer.
AIN VASNACHT SPILL VON DEN RISN ODER
RECKEN.
Precursor. Dar in da saß ain herr vnd der
Nun merckht ir herrn all geleich was beit erkannt,
frauen vnd man, arm vnd reich, 10 Kinig gibich war er genannt.
Was ich euch verckhunden will: Derhet aintochterdiehiesKrimhild,
gar ain kurczbeyligs vasnacbtspill, mit hoflfart traib sy groß vnpild;
Wies vor zeytn ist geschechn, Sy pflanczt ainen rosngartu,
Dz wert ir hie gern hörn vnd sechn. des mueßtn 6 starcker risu wartn.
Dort an dem rein, da ligt ain stat: 15 Dye risn dienten der kinigein
wurms sy den namen hat. vnd waß sy wolt dz muest sein.
AIN VASNACIIT SPILL VON DEN RISN 0DP:R RECKIIN.
421
Das kam ir zu gioßm Vnstat.
nu mercklit wie es wcyter gat:
Die kinigin ain potn gen pern
Sandt
20 (1cm perncr vnd vnd dem altn
hileprant
Vnd dz sy kernen an den rein
vnd vcchten vmb ain kienczeleiu.
Da wart mancher riß erschlagen,
darumb solt ir stille tagn.
25 Ir trauen sollet auch nit erschrickn,
wan ir dy schbert wert sechn
plickhen ;
Dan es gar schimpflichen zuegat,
wie woll es yederman ernstlichn
anstat.
Darumb, ir herrn allgcleich,
30 wir pitten euch gar tugentleich,
Dz irs in guetn auffthitct nemen,
dz mir zu euch her ein sein khemen.
Darumb so hert gar ebu zue
vnd schaft't vns ain klaine weill rue !
35 Ruckht aus dem Weg stuell vnd
penckh.
der hirne seyfridist gar vngelenckh.
So .wellen wir den schimpf fa-
chen an :
Hir secht ir dy edl kiuigin stan.
Des K i n i g s t o c h t e r.
Ich bin kinigin Krimhild genant,
40 mein lob dz ist gar weyt erckant.
So hab ich ain liechtn rosngartn,
den hab ich erczogn also zartu,
Der ist also woll pehuet
von Sex starckher risn guet
45 Und dy da zu aller zeyt
dss garten huetn mit großem streit
Vnd wer die risn rnocht pestou,
dem geb ich ain rosn krancz zu Ion.
So hab ich oift heru sagn die mer
50 woll von her dietrich dem perner
vnd von dem altn hileprantt
Vnd von Wolfart dem weigant.
Den will ich empietn auf der fart,
dz sy komen in meinen rosngart
55 Vnd ob sy mochtn preys erberben
vnd von den risn nit verderben.
Den will ich geben ein krenczlcin,
dz sy dz tragen durch den willen
mein;
Darumb lieber herr, hochgenant
GO ain edler fürst auß prabandt,
Vill getreuer diener mein,
ir solt mein gtrcuer pote sein!
Nun ziecht gen pern in dz landt,
daselbst euch die beiden werden
bekant,
65 Vnd sag in allen den willen mein,
ob sy wellen fechtn umb ein
krenczlein.
Herczog Aus brabant.
Vill edle kinigin hochgeporn,
seidt dz ir mich hapt auscrkorn,
So will ich dy potschafFt werben
70 vnd sohlt ich halt darumb sterben.
So will ich euch gehorsam sein ;
dz wisset auff die treue mein
Vnd will ziechn gen pern in die
land,
da mir die beiden werden peckhant.
Da get er nun zuiucnvnd spricht
zum perner.
75 Vill edler fiirst gar hochgeporn,
ir solt sein an allen zorn :
Ich pin ein potschafft hergesandt
zueuch her in dz landt
Von krimhild, der liebsten frauen
mein,
SO ein gebaltige kinigin an dem rein.
Ir vater ist gar weytt erckhandt,
kinig gibich ist er genandt.
Die selb hat er zogn ain rosngartn,
des thuen allczet 6 starckher risn
bartn
85 Vnd wer ir ainen will peston
vnd kumen wolt zu in auff den plan.
Der pring mit im funff beiden gut
vnd den zu vechtn sey zu muet
Vnd welicher dz pestthet in der not,
90 dem will sy pietn ir mundlen rot
Vnd auch ain rosnkrenczelein :
darumb ir kumen solt an den rein.
422
OBRIST
Der perner.
Ach was zeichen mich dj frauen,
dz ich mit stechn vnd mit hauen
95 Soll eibeiben ain rosnkrenczelein
von Krimliild, der edlen kinigein.
Seit ich darumb tverdn erschlagen,
ich muest den spot zum schadn
haben;
Darumb hilprant, lieber maester
mein,
100 nun ratt vns auff die treue dein,
Was vns dz pest sey zuton,
oder wellen wir frid verston?
Der hilprant.
Herr dietrich, lieber herre mein,
wier wollen ziecbn anden rein
105 Zudem schonen rossn gartn
vnd wellen da der risn wartn,
Wan es wer vns gar ain grosse
zagckhait,
wo man dz von vns paidn sait.
Darumb, wittich, dietleib vnd bolf-
hart^
llO prueder ilsam, macht euch aufF di
fart
Vnd last vns ziechn Anden rein,
da den die reckhn all versamlet
sein.
Der Wolfhart.
Seidt dem also solt sein,
dz ain rosn gartn andern rein
115 Also schon geczieret ist,
als ich her den zu diser frist,
Dz er van den risn wol ist pehuett,
ey so ist mir also woll zumuet,
Dz ich die rosn sechn soll;
120 mein hercz, dz ist ganz freidenvoU.
Ich will in des mein treu gebm,
es mues ainem geltn dz lebm
Vnd wird ich ainen sichtig an,
er soll sechn, dz ich im will pestan.
Der Wittich
125 So wir die rosn sullen sechn,
furwar ich dz woll darfF jechn :
Wird ich ain risn sichtig an,
ich will zu im tretn auf den plan
Vnd gib im des mein trew zu pfand,
130 ich renn mit im durch ain wand
Vnd schlach im dar zue wundn tieff,
es wer dan^ dz er mier entlieff,
Sunst mueß er mir lassn dz lehn,
wir wellen nit mer darvon redn
135 Vnd last vns siechn zudem gartn,
da pey die starckhen risn wartn.
Der dietleib.
lerherrn, last nun von euren sorgen,
pedenckht euch paß pis auf den
morgen.
So wir dy leut mit äugen ansechen,
140 darnach wir frolich zuinen wollen
nechen
Vnd schautt, was ir hapt zu schafFn,
dz ir nit thuet wie dy affn
Vnd wan es an ein treffn kem,
ich wolt gern sechn, wer mir mein
schbert nem!
Der perner.
145 Herr edler fürst aus prabant,
ziecht frolich widerumb haim zu
land
Vnd sagt krimhild, der kinigein fein,
wier wollen ziechn an den rein
Zu irem rosn gartn:
150 Schlagn vnd stechn wollen wier
erbartn,
wir wollen auch preiß erberben
vnd solten wir darumb sterben.
Der herczog.
Got danckh euch, edler fürst vnd
herr !
eur grosse zucht vnd er,
155 Dy mir von euch peschechn ist.
got pehuet euch zu aller frist!
Der herczog get widerumb zu
des kinigs tochter.
Genedigste kinigein,
die wulfing wellen her kumen an-
den rein
Vnd wellen preis hie erberben
160 vnd solten sy darumme sterben.
AIN VASNACHTSPILL VON DEN RISN ODER EECKHN.
423
V II (l ;i 1 s 0 t r c 1 1 0 n a y a u c li li i n z u e.
der p e r n e r b p i- i c h [t] :
Sagt an, genedigistc kinigein kiiin-
hilt,
waiumb hapt ir heir dietrich von
pern her geczilt?
Die ki uigiu.
Herr dietrich von pern vud ir,
alter hileprant,
dzthueicheuch ieczvnd peckhandt:
165 Der frid hat yeczund gleicli ain
endt.
schaut aufF, dz ir nit werdt geschendt,
Ir muest eurn Icib daran streckhen
zu disen fraysamen reckhen,
Die hie in disem gartn
17 0- in meinem dienst der rosn vyartn.
Welt ir die mit kämpf pestan,
ein fraintlich halsn seit ir von
mir han,
Darzue ain rosnkrenczelein,
dz Bolt ewr er vnd Ion sein ;
175 Aber ich pesorg, ir hapt kain so
stolcz man,
der meiner risn ain dorst pestan.
Der hilliprant.
Genedige kinigin krimhild :
eur hochfardt dunckht mich ain
unpild,
Dz ir vns also verachtn thüet.
180 furbar : Es zimpt mich nit guet!
Nempt eur risn vud fliecht zuhant,
ee dz ir wert von vns geschaut.
Die tochter zum Vater.
0 mein lieber herr vnd vater,
hört ir nit dise mer,
185 Wie mich der hillprant thuet scheltn ;
ich pit euch , ir wolt im wider geltn,
Im vnd allen seyneu man.
ich hab im doch nie kein laed
getan.
Der ki n ig.
Liebe tochter, da thuet er gar vbl an
190 vnd ist gegen ainer fraueu vn-
recht getan.
Ich will dich selber rechen,
Dz sy darnach mueßn sprechen :
Vnfall hat vns her getragn.
woll furher, pusolt, du muest den
erstn schlagn
19.Ö Vnd spring in den gartn pehend
vnd trad
den es dier gar ritterlichn anstat.
Pusolt, der springt in den gartn.
Genedigster kinig vnd her mein,
dz mueß warlich gerochn sein!
Den von pern will ich pestan 5
200 desgleichn auch hiltprant vnd all
sain man.
Ich will auch sein gancz vnverzagt,
welher ist der ders mit mir wagt?
Der hillprant.
Herstu du nit, du edler wolfhart?
nun mach dych pald anff dy fart
205 Vnd spring zu im ein den gartn
vnd laß in nit lenger wartn
Vnd thue als ain redlich man ;
dz stett dier ritterlichn an.
Wolfhart.
Herr von pern vnd auch maester
hilliprant,
210 die Verachtung thuet mir im (^ ant.
Sy treiben so große vber muett ;
furbar es duckhet mich nit guet.
So will ich sein der erst auf dy fart
vnd will in wenden ir große hoffart,
215 Dz sy vnser hinfur nummer pegern,
des glob ich euch pey meinen ern,
dz sy vnser hinfur nummer pegern.
Darumb, pusoldt, sich auff gar eben,
ich will dier nemen leib und leben.
Pistu zu vechtn her pesagt,
220 so wer dich mein gar vuverczagt.
Vnd schlagent die zben an and
vnd pusolt leyt darnider vnd
von dannen getragn: kinig:
0 we meiner großn nott!
mein lieber pusolt ist mir todt.
Es was so gar ain redlich man !
wolfurher, riß aspryan,
424
OBRIST
225 Nun hilff mir deinen prueder
ckhlagn,
der hie da ligt vnd ist erschlagn
Vnd gedenckh in deinem herczn,
wie du wolst rechn seinen schmerczn,
Den er dein prueder gebesn ist
230 vnd dein geleich mit manhayt ge-
besn ist.
Asprian springt in den gartn
vnd spricht:
0 we meins großn hercznlaid!
verfluecht seyestu, wolfart, zu aller
zeit,
Das du mein prueder hast erschlagn !
furbar, ich mags kume nit vertragn.
235 Furstn und herrn mueßn darumb
sterben,
auch ritter vnd kneeht mueßn ver-
derben,
Es mueß noch kostn manchen man,
ich sich kain so frischn der mich
dirff pestan.
Hilprant zum Wittich.
Horstu nit, edler wittich ?
240 der riß asprian thuet verachtn dich,
Nun spring zuim in den gartn
vnd haub im in den leib schart»
Vnd eijag an im ritterliche tat,
dz selb deiner manhet gar woU
anstat.
Wittich spricht:
245 Lieber maester hileprant:
darumb pin ich kernen in dz land,
Dz ich well manlich streitn
vnd will auch hie nit leuger peytn,
Vnd wan er haldt noch wer so groß,
250 Der teufl wer den sein genoß!
Durch got vnd schone frauen
will ich den risen zu tode hauen.
Asprian zum Wittich.
Sag an, du kleiner man,
nimstu dich den auch streittns an
255 Vmb rosn in disem gartn?
fliech, ich schlach in dich ain
schartn !
Nun pistu doch so gar klain.
furbar, ich peste dich nit allein.
Ich gtrau deiner zechn woll zupstan:
260 Graust dir, du magst woll darvon
gan.
Wittich antburt:
Ich gib nicht vmb die trobort dein.
dir ist verporgn die manhat mein.
Du hast nit ausgenommen, wilsgot!
des hastu verge?sn, dz ist dein spot!
265 Darumb schau gar ebm auf mich,
velstu mein, so triff ich dich.
Wittich schlegt Aspriani, der
aufdie knie: der kinig spricht:
Ach got^ was soll ich heben an!
meiner risn mag keiner nit pstan.
Sy wern derschlagn vnd lign ernider.
270 noch hoff ich, es kem gluckh her-
wider:
Vill starckher ris staudnfues vom
rein,
laß dir mein laed in treuer klag sein !
Staudn fues.
Genediger kinig, ich soll pillich der
sein gebesn,
so wern vnser risn vor schad genesn.
275 Noch will ich durch eurn willn
gar pald ir hochfart stilin,
Daran wag ich leib vnd lebm,
den segen will ich in gebm
Mit meiner stachlen stangen,
280 wo ich sy darmit mag erlangen,
So mueß es ir ende sein
Von wegn meiner frauen der ki-
nigein!
Hilprant zum Min ich.
Hort ir nit, prueder ilsam,
dz ist der aller pesest mau!
285 Er maint, dz im niemant gleicht,
nun get pald vnd hört in peicht,
Er ist gehaissn staudnfueß von rein
ir solt sein peicht vater sein.
prueder ilsam.
Ich will im ton pald pegegnen
290 vnd ich gib im sand Johans segen ,
AIN VASNACHT SPILL VON DEN K'ISN ODER RECKHN.
425
Dz er mueli lassii hinfur sein
Bchbaczn.
Er raiicß sich noch hinter den orn
kraczn.
Die kinigin zum mini eh.
Lieber herr mimnich, ir seyt gar
frisch,
ich maen ir seyt halber nerrisch.
295 Nach wem thuet ir hie ringen?
plipt ir da haim vnd hulft metton
singen !
Dz wer woU geistlich getan,
den dz ir die beiden weit pestan.
prueder ilsam zu der kinigin.
Hochgeporne [kiniginj
300 achtet nur nit dz ich ain raun-
nieh pin
Vnd laßt mich nit entgeltn meiner
kappn,
Darin ich da herurab mueß gnappn,
Ich wil auch die rosn han
vnd solt ich mein gugl darumb lan ;
305 Mit rosn will ich sy pesteckn
vnd biet ir noch so vill starckher
reckhn.
Mit in will ichs gar frischlich wagn
vnd dy rosn so vill ich ier mag
getragn.
Staudnfues.
Ach du lieber thor mein:
310 nun mueß ich doch nur lachen dein!
Waß ist doch nur dein pegern?
ich main, dz der von pern
Sein narrn bab hergesandt,
furbar, biet er vns recht erckhant,
315 Er biet es gar woll vermittn !
pait^ ich will dier dy gugl schutn
Vnd darzueschlachn auffden grindt,
dz dier dievesper zumars außrindt.
Der Minich ilsam.
Du pist ain schelm vnd darczue faul
320 vnd ist an dier nicht dan ain peses
maul!
pistu fritch, so tritt herr zue
schau aufF, ob ich als ain man thue !
staudnfueß ligt darnidcr. Der
k i n i g spricht.
Ach got, wie soll ich dz verstcn !
meiner risn, der mag kainer psten I
325 Noch wayß ich ain risn,
der ist alzet hochgeprisn,
Er laßt sich auch nit erschreckhen ;
woUfurher, walther, ob allen recken
Geporner fürst von Wexenstcin,
330 du furgst weder groß noch klaiii.
Walther.
Gnediger kinig, ich hab euchs vor
gesait ;
da mainet ir ich redecz aufszaghait,
Ich west woll, dz der von pern
alle zeit thet vechtn gern
335 Vnd hat auch vill redlicher tatn
getan.
noch will ich auch ainen pstan.
Mainet ir nit, dz ander leut [leut]
auch habn kraft?
vnser hoffart macht vns ofift vnsige-
haft
Vnd den vber mut, den wir treibm,
340 der mag nit vngerochn pleibm.
Dochwillichs nit lenger lassn stan
vnd will auch mit ainem auff den
plan.
Hilprant zu dietleib.
Dietleib, stolczer vnd kuener,
hörst du nit dise mär?
345 Rieht dich pald auff disen man
vnd dthue als dy andern haben
gtan!
Dietleib.
Herr, ich hab mirs langst furge-
noraen
vnd pin auch darumb herkumen^
Dz ich will manlich streitn,
350 wie woll walther pey seinen zeitn
V^ill ritterlicher tatn hat getan,
darumb will ich in auch pestan,
Vnd will durch in wagn mein
stolczn leib
zu gefallen aller schonen weib
426
OBRIST
255 Vnd zu . . dem liebstn pueln mein
mueß es gar rittterlich gestritn sein ;
Darumb, riß, du grosser man,
wer dich mein, du muest daran!
Die zben schlagen annander nit
nider^ die kinigiu schaydt vnd
o-ibt yedem ain krenzl vnd
spricht zu inen:
Hort auff, ir zben gesellen guet,
360 last von eurem streitn vnd seyt
wol gemuet :
Ich gib euch paed gebunnen,
kainer ist dem andern entrunnen
Vnd seyd ped zben redlich mann!
imgartnhapt ir noch dz pest getan.
365 Ain rosn krenczl taill ich euch mit,
rech euch der hirnene seyfrid!
Hurnenseyfridtritindengartn,
spricht:
Hew, wo ist nun der mann,
der mich allhie will pstan?
Ich wolt doch also gern
370 dz es wer herr dieterich von pern !
Man lopt in doch also ser.
furbar, es ist im ain klaine er
Von junckhfraun vnd von frauen,
dz er sich nit darflF lassn schauen.
H i 1 p r a n t zum p e r n e r.
375 Herr von pern, hört ir nit,
wie euch veracht der hürnen sey-
fridtV
Er treipst sein gespöt so vlll,
get pald vnd haltet im fueß zuzil!
Gedenckht an alle schone weib,
380 spart nit den euren stolczen leib.
Der p e 1' n e r.
Hilprant, lieber maester mein,
mein wappen maister solt ir sein,
Wan seine straich gend so ge-
schbind!
maria mit irm lieben kind,
385 Die wolle mir da pey pestan
mir vill klainen schbachen man
Vnd wer er noch hürnen oder
stechlen,
wils got, so will ich sein nit välen !
Seyfrid zum p e r n e r.
Hew wie lang thuestu verziechen !
390 du mainst vielleicht, ich soll dich
fliehu ?
Du treibst so gar ain grossn praus
vnd pist doch ain klaine vilczlaus
Vnd thuest auch ainem knabn
gleichn,
ich gtrau dich woU mit ruetn
streichn!
395 Es ist doch nur ain scband,
dz du solt sein einfurst genant;
Den du der man darnach nit pist,
der einem furstn geleich ist.
Der pern er.
Du liessest woU dein hoffart sein,
400 du vnd die kinigin dein 5
Es kundt der valschn list so vill,
der ich nit lenger leidn will.
Nun biet dich eben vor mier!
dein hürnene haut, die will ich dir
105 Mit meinem schbert zerhauen.
des walt got vnd vnser frauen!
Seyfrid fleucht vnd ligt auch
nider. Der kinig spricht:
0 we heut vnd jmer mer
der meinen grossn er!
Nun sich ich erst woll,
410 dz ich kaiu gluekh nit habu soll
In disem verfluechtn gartn!
den stich vnd straich, der mues ich
erwartn.
Des schäm ich mich also hart,
selber will ich auch auf die fart.
115 Wo pistu, alter hileprandt?
deinvalsche tückh, die thuen mir ant,
Ich will mich yeczund an dir rechn,
dz du selbst muest sprechn,
Dir sey von mir gar recht gcschechn ;
420 darumb thue gar ebn auf mich sechn,
Ich will dir mainen leib vnd leben
vnd muest dich deines altn palckh
verbegen.
AIN VASNACHT SPILL VON DEN RISN ODEK RECKHN.
427
H i 1 p r a n t.
Ja ich pin der alt liileprandt:
ich rhet «lir uic weder histcr noch
schandt,
425 Wie wol du inier hast abgesait.
wils got so wirstu nit erfraet.
Soll ich den hie vechtn in lieb
der tochter dein,
so mueß furbar dein ende sein.
Der kinig wirt nid er geschlagen
Vnd die tochter lauft zue zu
schal dn vnd spricht:
0 nit, lieber maister hilleprant!
430 ich gib euch für mein vater ain
gancz laud
Vnd last mir in leben,
ich will euch ain rosnkrenczl gebn;
Den es wer euch vnfurstlich getan,
wan ir erschluegt ain seihen altn
mau.
h i 1 p r a n t.
435 Frau krimhild, edle kinigein
ich hab gesigt den vater dein^
Setz mir den krancz auff meinen
graen köpf:
ich hab in gbunnen mit des schber-
tes knöpf.
Die kinigin gibt im dz krenczl
vnd sprich t:
Set hin, vill liebster hiltprant mein,
440 ain lieplich halsn soll eur aign sein,
Darczue will ich euch er vnd preys
jechn,
dz hab ich heut von euch gesechu.
hilpran t.
Ich aht eurs halsn vnd kuszn nit,
verfluecht sey eur hoffsit!
445 Dz halsn will ich sparn meiner
frauen,
dysich in ernalleczeyt last schauen.
Aber ains thue ich pegern
von wegen meines herrn :
Will eur vater von im lechn em-
pfaehn,
450 so will ich in nit zu tode schlachen.
Der kinig.
0 gern, lieber hiltprandt,
icli gf'lob . . . pej' meiner hant.
Dz ich will sein dein gevangen.
aufFgib ich mein schbert vnd stangen
455 Vnd thue dich weyter nit an mir
vergachen
gern will ich lechn von deinem
herrn empfachn.
Der p e r n e r.
Krimhild, edle kinigein,
eur vater mueß mein aigen sein !
Sein laut, bute schon ,
4*30 raues er von mier zu lechn han !
Hiet ir vns lassn pleibm zu pern,
so wert hie andem rein laug ge-
sessn mit grossn ern-
precursor pschluistz spil.
herr perner, ir solt von den din-
gen lassn!
wir solltn tretn auff dy strassn,
465 Da wir den weiter zu schaffn han,
darumb stet all weithin dan_,
Seyt ir habt gebort vnd gesechn,
waß vor zeytn ist geschechn
Vnd wie ain yeder gestritn hat,
470 wie es ein end genummen hat
Vnd wie herr dieterich von pern
•-iu wurms ist abgeschidn mit ern
Vnd hat erborben ain krenczelein
von krimhilden der edlen kinigein.
475 Vnd ob mir yemand gestossn hettn
so well wir euch iecz haben gepetn,
Dz irs wolt auff nemen zuguet,
so pleipt ain yeder pey guetn muet ;
Den wir send zogen perg vnd
hohe joch,
480 dz vns gar hart durstet noch:
Wer vns den zu trinckbn wolt
schenckn,
der soll sich nit lang pedenckhn,
Damit woll wir von hinnen farn,
der lieb got soll vns all bebarn!
485 Damit So ziechn wir davon ;
got pehuet euch frauen vor man !
Ain endt des spills (200 93 p).
di helden
428 OBRIST, AIN VASNACHT SPILL VON DEN RISN ODER RECKHN.
person des spills 15.
precursor
kinig gibich
Kvimhild dj tochter
herczog aus brabaut^ der pott
perner
hilprant
wolfhart
wittich
dietlieb
minieh jlsam
pusolt
asprian
Stauden fues |. ^[ reckhn
walther
hürnen Seifrid I
Vorstehendes Vasnachtspiel bildet einen integrierenden Bestandtheil
der reichhaltigen Sammlung von weltlichen und geistlichen Spielen aus
dem ersten Drittheil des XVI. Jahrhunderts, welche das Eigenthum der
alten tirolischen Stadt Sterzing sind, in deren Archive sie Jahrhunderte
hindurch aufbewahrt lagen. Schon Adolf Pichler hat in seinem „Drama
des Mittelalters in Tirol" einzelne Stücke im Auszuge mitgetheilt und die
„Bibliothek ■ des litterar. Vereins in Stuttgart" hat auf seine Vermittlung
hin die Sterzinger Hs. Q. in den „Fastnachtspielen aus dem XV. Jahr-
hundert hg. V. Adelbert v. Keller" Incipit ludus solatiosus etc. (Nr. 115,
Bd. XXTX^ Th, II, S. 987 flf.) abgedruckt. Seit jener Publication sind
24 Jahre verstrichen, jedoch erst 2 Jahre^ seitdem der Lehramtsadjunct
Conrad Fischnaler im Stadthause zu Sterzing die Entdeckung von
weiteren 29 Heften machte^ welche sämmtlich von der Hand des Malers
Vigil Raber geschriebene Spiele enthalten, die von 1510 — 1539
reichen. (Von 1510 finden sich 3, von 1511 nicht weniger denn 12 Stücke.
Die Jahreszahl 1512 ist mit 2, 1514 mit 2, 1515 mit 1, 1516 mit 2,
1520 mit 1, 1522 mit 1, 1529 mit 2 Stücken, 1531 mit 1, 1535 mit 1
und 1539 mit 1 Stücke vertreten.) Hr. Fischnaler erwirkte seinem
Freunde Job. Georg Obrist, Amanuensis an der k. k. Universitäts-
bibliothek in Innsbruck die Erlaubniss der Sterzinger Stadtverwaltung
zur Herausgsbe der Stücke , welche denn auch in der vorerwähnten
-Bibl. des litt. Vereins in Stuttgart" im Anschlüsse an die darin bereits
J. FASCHING, ZU DEN RELIGIÖSEN DICHTUNGEN WALTHERS. 429
von A. V. Keller gebotenen Fastnaehtspicle binnen nicht allzuferner
Zeit erfolgen wird.
Über das „reckhnspil" wäre in Kürze noch Folgendes zu be-
merken. Dasselbe stellt sich dar als eine Papierhandsehrift von 13 be-
schriebenen, 21 Ctm. hohen^ 7 Ctm. breiten Blättern in Pergaraent-
umschlag. Letzterer trägt zwischen den Initialen des Namens des
Schreibers (ob auch Verfassers? bleibe vorläufig dahingestellt) V i g i 1
Raber, „V. und R"^ die Jahreszahl 1511.
Gerade dieses Stück zählt wegen des darin behandelten Stoffes
zu den interessantesten der jedenfalls sehr beachtenswerthen Samm-
lung, deren Reichhaltigkeit nur von den einschlägigen handschriftlichen
Schätzen zu Wolfenbüttel und München übertroffen wird.
BEITRÄGE ZUR ERTvLÄRUNG DER RELIGIÖSEN
DICHTUNGEN WALTHERS VON DER VOGEL-
WEIDE.
Im Nachfolgenden soll der Versuch gemacht werden, vom Boden
kirchlicher Anschauung und altkirchlicher Dichtung aus Walthers
religiöse Dichtungen zu beleuchten.
84, 4 ff. Pfeiffer führt Walther mit Berufung auf die Voraussage
der hl. Schrift als Vorzeichen des jüngsten Gerichtes an: .,diu sunne
hat ir schin verkeret" : „Sol obscurabitur" Matth. 24, 29.
„erge ir sämen üz gereret allenthalben" : „Et quoniam ahundavit
malitia refrigescet charitas multorum" Matth. 24, 12.
„der vater bi dem kinde untriuwe vindet, der bruoder sinem bruoder
liuget" : „Tradet autem frater fratrem in mortem et pater filium: et
consurgent filii in parentes" Marc. 13, 12.
Ferner wird noch auf das schlechte Beispiel so mancher Geist-
lichen hingewiesen, das wohl auch als Vorzeichen des herannahenden
jüngsten Gerichtes aufzufassen ist: „geisthchez leben in kappen triuget,
die uns ze himel solteu stegen : „Tunc si quis vobis dixerit: Ecce hie
est Christus, aut illic: nolite credere. Surgent enim pseudochristi et
pseudoprophetae" Matth. 24, 23. 24.
430 J- FASCHING
89 handelt von der Strenge des jüngsten Gerichtes. Der Eingang
„Ich hoere des die wisen jehen" etc. erinnert an die Sequenz in
Todtenmessen :
Dies irae, dies illa
solvet saeclum in favilla
teste David cum Syhilla.
V. 4 fF. der richter sprichet sä zehant :
"^gilt äne borg und äne pfant'.
da wirt des raannes rät vil kurz und enge,
sowie die Stelle 79, 61 — 63:
und swer dheine schult hie lät
unverebenet, wie der stät
dort, da er pfant noch bürgen hat !
haben viele Ähnlichkeit mit folgenden Versen der Sequenz „Dies irae" :
Quid sum miser tunc dicturus?
quem patronum rogaturus,
cum vix iustus sit securus? (v. 19 — 21)
173. In diesem Gedichte fordert Walther unter anderm auch zum
Lobe der Gottesmutter auf mit den Worten:
nü dar die alten mit den jungen,
daz ir werde lop gesungen !
s'ist guot ze lübenne, wan s'ist guot v. 14 — 16.
Diese Verse sind wohl Anspielungen auf Stellen in den Psalmen,
worin zum Lobe Gottes aufgefordert wird: „Senes cum iunioribus laudent
nomen domini" Ps. 148, 12; „bonum est confiteri doraino" Ps. 91, 2;
„confitemini domino, quoniam bunus" Ps. 117. 1. In der letzten Strophe
apostrophiert der Dichter die drei Erzengel, von denen er jeden nach
einer weit verbreiteten Anschauung als Heerführer von dreien der neun
Engelchöre bezeichnet. Zugleich erinnert er sie an ihre charakteri-
stischen Eigenschaften. Die ,,wisheit"^ welche dem hl. Michael zuge-
theilt wird, erklärt ein alter Hymnus (i\Ione I, 314) in folgender Weise:
Principalibus doctrinis
divinisque vocibus
princeps exercitus Dei
insignis afatibus.
Quis maris profunditatis,
quis coeli de extremis,
quis conscius celsitatis
adonai de supernis? (v. 57 — 64)
zu DEN RKLIGIÖSEN DICHTUNGEN WALTHERS. 431
Saluberrima doctrina*)
claroque inoiiiinine
liberavit Michael mundum (v. 69 — 71).
Die Eigcusehaften, welche den beiden andern Erzengehi zugetheilt
werden, erwähut auch ein vom Mainzer Bischof Hraban stammender
lateinischer Hymnus auf die hl. Engel (M. 1, 311):
Angelus fortis Gabriel (v. 9).
Anjrclum nobis medicum salutis
mitte de coelis Ra-phael (v. 12. 13).
Auf diese Eigenschaften weisen auch die Namen dieser beiden
Erzengel hin. ''^*??"^ heißt nämlich der starke Gott oder nach An-
dorn: der starke Engel und ''^'f'] heißt Heilung Gottes oder Engel
der Heilung.
Die Benennung, welche Walther dem Erzengel Raphael noch über-
dies gibt, nämlich „tiuvels vient", wird sich wohl auf die Bezwingung
jenes Teufels beziehen, der sieben Männer der Sara, Raguels Tochter,
tödtete. „Tunc Raphael Angelus apprehendit daemoninm, et religavit
illud in deserto superioris Aegypti" Tob. 8, 3. — Bezog sich so eben
besprochenes Gedicht schon theilweise auf den Kreuzzug, so sind Nr. 78
und 79 eigentliche Kreuzlieder ihrem ganzen Inhalte nach. Was das
erstere (78) stellenweise ziemlich dunkle anbelangt, so beginnt es mit
einer Anrufung des hl. Geistes, denn auf diesen beziehen sich die An-
fangsverse :
Vil siieze wrere minne,
berihte kranke sinne (v. 1. 2)
vgl. 137,7: „got, vater unde sun, din geist berihte mine sinne".
M. I, 180, 1 wird der hl. Geist angerufen mit den Worten: „Amor
patris et filii", wozu Mone bemerkt: „Spiritus sanctus amor est, unde
et Joannes dicit: deus Caritas est (1. Joan. 4, 8. 16). Gregor. M. hom.
in ev. 2, 30, 1". Im selben Hymnus wird der hl. Geist auch genannt:
„omnis rectitudinis ac beatitudinis donator". Warum der hl. Geist in
einem Kreuzliede an erster Stelle angerufen und darin noch öfters er-
wähnt wird, könnte zum Theil auch seine Erklärung finden in einem
*) Diese „saluberrima doctrina" und das „clanxm monimen" ist im Namen dieses
Erzengels enthalten. PXD'^O heißt nämlich: Wer ist wie Gott? mit welchem Rufe
Michael den aufrührerischen Lucifer vom Himmel stürzte. Dies ist wenigstens eine
weitverbreitete Ansicht, wenngleich sie sich nicht ausdrücklich in der hl. Schrift aus-
gesprochen findet.
432 J- FASCHING
andern Hymnus auf den hl. Geist (M. I, 188, 17—20);, wo zu ihm ge-
betet wird :
Veni navigantiura sidus,
naufragantium portus !
Dann fährt der Dichter fort:
got, durcli diu anebeginne
bewar die Christenheit (v. 3. 4).
Hier kann doch unter „anebeginne" nicht die Menschwerdung
Christi gemeint sein, was mir wenigstens ganz vom kirchlichen Sprach-
gebrauch abweichend erscheint und schwerlich zu belegen sein dürfte.
Möglicher Weise liegt eine Anspielung auf mehrere Stellen der hl.
Schrift vor, wo der zweiten göttlichen Person besonders das Sein von
Anfang an zugetheilt wird, ja, wo sich diese selbst geradezu den
Anfang nennt: „In principio erat Verbum" Joan. 1, 1, wo „verbum''
soviel als Ao'j/oj, d. i. die zweite göttliche Person bezeichnet. Ferner:
„Dicebant ergo ei: Tu quis es? Dixit eis Jesus: Principium, qui et
loquor vobis" Joan. 8, 25. Mehrere hl. Väter legen darum auch in
Hinsicht auf diese Stelle Gren. 1: „In principio creavit Dens coelum
et terram" aus: Gott schuf durch die zweite göttliche Person („princi-
pium") Himmel und Erde (Allioli zu Gen. 1). Sollte demgemäß der
Sinn unserer Stelle nicht vielleicht folgender sein : Gott (Vater) um
deines Sohnes (principium = anebeginne) willen bewahre die Christen-
heit? In diesem Falle hätten wir im Eingange eine Anrufung der
Trinität vor uns. Oder sollte „got, durch din anbeginne" an die zweite
göttliche Person gerichtet sein und so viel heissen als: Gott (Christus)
durch dein Sein von Anbeginn (in principio erat Verbum)? Überhaupt
wendet sich der Dichter in dieser Strophe abwechselnd an die zweite
und die dritte göttliche Person. Denn die folgenden vier Verse be-
ziehen sich wahrscheinlicher wieder auf den hl. Geist. Seine Ankunft
in den Herzen wird ja in kirchlichen Hymnen vorzüglich als eine
freudebringende bezeichnet :
Impleta gaudent viscera
afflata sancto spiritu (M. I, 182, 17 f.);
er wird iii den hl. Schriften des neuen Bundes der Tröster xar' ago^rfv
genannt und in alten Hymnen als Vater der Waisen und Bedrängten
angerufen, so M. I^ 188:
Veni iam veni,
benignissime
dolentis animae
consolator,
zu DEN RELIGIÖSEN DICHTUNGEN VVALTIIERS. 433
promptissimus
in opportunitatibus
et tribulationibus
adiutor! (v. 1—8)
Veni ....
pius pater orphanorum,
dulcis vindex viduarum! (v. 11 — 14)
Die Verse 34 — 38 dürften nur verständlich sein, wenn man sie auf
Psalm 2 bezieht. Dieser Psalm wurde in der katholischen Kirche von
jeher auf die Heiden (Philatus — „quare fremuerunt gentes" v. 1) und
Juden („principes convenerunt in unum adversus dominum et adversus
Christum eins" v. 2) bezogen, welche Christum in den Tod überliefert
haben. Dieses beweist schon^ daß dieser Psalm in der Matutin des
Charfreitages gleich am Anfange gesungen wird. Die Anspielung auf
diesen Psalm macht es uns erklärlich, warum der Dichter für Heiden
den Ausdruck „diu diet" gebraucht hat, den er noch eigens durch den
Vers „der touf sie seit unkristen" erklären muß. Es ist dies eben
wörtliche Übersetzung des Wortes „gentes" in Ps. 2, 1: „Quare fre-
muerunt gentes et populi meditati sunt inania?", wo „gentes" nach
kirchlichem Sprachgebrauche „Heiden" bezeichnet: „der touf sie seit
unkristen". Das „verlisten" hängt vielleicht zusammen mit dem „me-
ditari inania" (v. 1) der Heiden , und dem^ was über das Verhalten
Gottes ihren Rathschlägen gegenüber in v. 4 gesagt ist: „Qui ha-
bitat in coelis irridebit cos, et Dominus subsannabit eos." — v. 36
und 37 unseres Liedes werden als Frage aufgefaßt werden müssen:
wan fürhtent sie den stap,
der euch die Juden villet?
Von diesem Stabe, der alle Feinde Christi, Juden und Heiden^
zerschmettern soll, ist Ps. 2, 9 die Rede. Dem Erlöser wird nämlich
von seinem himmlischen Vater das Versprechen gegeben: „Reges eos
in virga ferrea et tauquam vas figuli confringes eos". Die Verse 38
und 39 unseres Liedes sind als Gegensätze aufzufassen: Das Schreien
und Toben der Feinde Christi ertönet laut [qua,re fremuerunt gentes?"
Ps. 2, 1), aber auch zum Lobe des Kreuzes hört man viele rufen:
„erloesen wir daz grap!"
In der letzten Strophe wird Gott um seine Hilfe in der Todes-
stunde gebeten:
bewar uns . . .
vor helleheizen wallen,
daz wir dar in iht vallen (v. 63 — 66).
GERMANIA. Neue Reihe X. (XXII.) Jahrg. 28
434 J- FASCHING
Eine ähnliche Stelle findet sich im Hymnus der Matutin im Ad-
vent (Strophe 4):
Non esca flammarum nigros
volvamur inter turbines.
(J. Pauly, Hymni Breviarii Romani, 3 Theile. Aachen 1868 — 1870).
Das Lied 79 preist das Glück, das dem Dichter zu Theil ge-
worden, das hl. Land zu betreten. So viel er der Länder gesehen,
dieses ist doch ihrer aller Krone; denn
swaz got mit der werlte ie
wunderliches noch begic,
daz huop sich und endet hie. (v. 68—70)
In classischer Ktirze ist in diesen wenigen Versen die hohe Bedeu-
tung des hl. Landes ausgesprochen. Der Dichter geht jedoch auch näher
auf diese wundervollen Anstalten Gottes zum Heile der Menschen ein,
indem er die Hauptmomente aus dem Leben Christi, seine Geburt,
Taufe, denVerrath durch Judas und sein freiwilliges Leiden und Sterben
hervorhebt. Wer diesem Gedichte poetischen Schwung abspricht, möge
nur auf die schönen Gegensätze achten, die sich hier finden: Er, der
Reine, ließ sich taufen, damit der unreine Mensch rein würde (v. 15 f.) .
er ließ sich verkaufen, daß wir Unfreie frei würden (v. 17 f.); er, der
so Reiche, litt für uns, damit wir Arme von imserer Noth befreit wür-
den (v. 22—25).
Sodann wird erzählt von der Höllenfahrt Christi, und wie er
dabei stets als göttliche Person mit dem Vater und dem hl. Geiste
vereint blieb. Diese fortwährende innige Vereinigung und Durchdrin-
gung der drei göttliclieu Personen wird mit dem theologischen Fach-
ausdrucke als „circuminsessio TisQLXGJQrjaLs'^'^ bezeichnet; vgl. Hieronym.
in cap. 3 Ezech.: „Filius est locus patris, et pater est locus filii, di-
cente domino salvatore: Ego in patre, et pater in me." Vgl. auch aus
dem messianischen Psalm 15, 10: „Quoniam non derelinques animam
meam in inferno." In v. 33 — 35 vergleicht der Dichter die innige
Gemeinschaft und Durchdringung der drei göttlichen Personen, in der
sie nur ^ines ausmachen, in etwas cigenthümlicher Weise mit einem
glatten Stabe, vielleicht einem Pfeilschaft, der, obwohl im Innern aus
verschiedenen Theilen bestehend, nach Aussen doch als etwas durch-
aus einheitliches erscheint. Die Erscheinung Gottes, von der v. 35
gesprochen wird, findet sich in Gen. 18 erzählt. Gott erschien nämlich
dem Abraham in der Gestalt eines Mannes von zwei Engeln begleitet.
Bemerkenswerth ist die Neigung des Dichters bei gegebener Gelegen-
heit seine Kenntnisse in Bezug auf das Mysterium der Trinität zu ver-
zu DEN RELTCIIÖSEN DICHTUNGEN WALTITDIi«. 43")
werthcn. V<^1. den Eingang des Kreuzliedes 78; 79,44—47; HO, 1—9;
HO, IIG; auch an manchen andern »Stellen des Leiches linden sich
tiefere Beziehungen auf das Trinitätsgeheimniss ; ferner 137, 7.
Zu V. 41, 42 vgl. „Videbuut in quem transfixerunt." Joan. 19, 37;
Zach. 12, 10.
Aber damit ist die Bedeutung des hl. Landes noch nicht abge-
schlossen, denn hier (nach alter Überlieferung im Thale Josaphat) wird
auch das jüngste Gericht abgehalten werden. Schließlich bemerkt der
Dichter noch, daß Juden, Christen und Heiden auf dieses Land An-
spruch machen und bittet Gott, er möge diesen Streit nach Gerechtig-
keit entscheiden, wobei ihm der Psalmvers, der täglich in der hl. Messe
vorkommt, vorgeschwebt haben mag: „Judica me Deus, et discerne
causam meam de gente non sancta" (Ps. 42, 1).
Im Ganzen erinnert dieses Lied an zwei alte lateinische Hymnen^
in denen die Hauptmomente des Lebens und Leidens Christi beschrieben
werden (bei Mono I, 27. 28).
88 ist ein Gebet, das Walther am Morgen, vor einer anzutre-
tenden ßeise^ zu Gott emporschickt, v. 4 wendet er sich an Christus
und bittet ihn um der Ehre seiner Mutter willen, er möge ihm gnädig
einen schützenden Engel zur Seite stellen, wie ja ihn selbst, da er in
der Krippe lag, und obwohl der gute Joseph ihn. hütete, doch ein Engel
vor allen Gefahren bewahrte. Es ist hier wohl au jenen Engel zu
denken, der dem hl. Joseph im Traume den Auftrag gab, mit dem
Kinde und seiner Mutter nach Ägypten zu fliehen (Matth. 2, 13). Die
Berufung auf diesen Engel paßt um so besser, als ja der Dichter selbst
im Begriffe ist, eine Reise anzutreten.
V. 9 „junger mensch und alter got" hat mehrere Parallelstellen in
lateinischen Plymnen, wie die Zusammenstellung dieser Gegensätze bei
kirchlichen Schriftstellern überhaupt beliebt war; vgl. M. II, 372, 29. 30:
Novus esse
coepit antiquus dierum.
M. I, 31, 13 f.: A matre natus tempore,
sed sempiternus a patre ;
wozu Mone in der Anmerkung citiert: Augustiu. in Evang. Joan. 2, 15:
„Novus Christus in carne , sed antiquus in divinitate". Bei dem „vij
götelich gebot" in v. 15 denkt der Dichter wohl an Ps. 90, 11: „Quo.
uiam angelis suis mandavit de te, ut custodiant te in omnibus tuis
viis", welcher Psalmvers auch im ,.Itinerarium clericorum" vorkömmt.
28*
436 J- FASCHING, ZU DEN RELIGIÖSEN DICHTUNGEN WALTHERS.
Zu Spruch 158 ist aus der hl. Schrift zu vergleichen Rom. 11,
33: „O altitudo divitiarum sapientiae et scientiae Dei: quam iucompre-
hensibilia sunt iudicia eius, et investigabiles viae eius".
Auch für die Bezeichnung geistiger Dinge durch die körperlichen
Raumverhältnisse (v. 1) finden sich in der hl. Schrift Belege. So
schreibt der hl. Paulus an die Ephesier (3^ 18; f.): „ut positis compre-
hendere cum omnibus sanctis, quae sit latitudo et longitudo et sublimitas
et profundum: scire etiam supereminentera scientiae caritatem Christi."
Seinen Leich (80) beginnt der Dichter mit einem Bekenntnisse
der Trinität.
In V. 4 wird der Doppelpunkt besser nach „jehen wir" gesetzt,
als am Ende des Verses, so daß das folgende „mit driunge diu drie
ist ein einunge" = die Dreifaltigkeit ist eine Einheit in der Dreiheit
als Inhalt des Bekenntnisses hervortritt. Wie Bartsch (Germ. 6, 193)
bemerkt, ist es hier dem Dichter gerade um scharfe Gegenüberstellung
der scheinbaren Gegensätze zu thun. Und auch das symbolum Atha-
nasianum hat in v. 3, der dem Dichter an dieser Stelle vorgeschwebt
haben mag, ganz in ähnlicher Weise: „Fides autem catholica haec
est, ut unum deum in trinitate et trinitatem in unitate veneremur."
In den folgenden Versen (6 — 9) liegt vielleicht abermals ein Be-
kenntniss der Trinität. Zuerst wird die Einheit Gottes betont: „ein
got", dann wird Gott Vater angerufen: „der hohe here" (Optimus
Maximus), welche Prädicate besonders dieser göttlichen Person wegen
der ihr vorzüglich zugetheilten Allmacht gebühren. Dann wird Gott
Sohn erwähnt: „des ie selbwesendiu ere" (vgl. v. 79 „ie gewesende*').
Als Belege für die Zulässigkeit dieser Auffassung mögen dienen : Joan.
1, 14, wo es mit Bezug auf die zweite göttliche Person heißt: „Vi-
dimus gloriam eius, gloriam quasi unigeniti a patre". Hebr. 1, 3 wird
Christus genannt: „Splendor gloriae et figura substantiae (patris)",
auf welche Stelle sich offenbar ein dem hl. Ambrosius zugeschriebener
Hymnus bezieht, in dem er Gott Sohn begrüßt als: „Splendor paternae
gloriae" (M- I, 272, 1). In einem andern in der kirchlichen Liturgie
gebrauchten uralten Hymnus (M. I, 159, 1. 3) wird die zweite göttliche
Person geradezu genannt:
Aeterna coeli gloria,
celsi tonantis unice.
Auch das Attribut „selbwesend" deutet auf ein persönliches Wesen,
nicht auf etwas bloß Abstractes.
Daß es ferner dem kirchlichen Sprachgebranche keineswegs fremd
wäre, den hl. Geist unter dem Namen „lere" zu bezeichnen, zeigt uns
A. JEITTELEÖ, MITTHEILUNÜEN AUS (JKAZEK HANDSCHRIFTEN. 437
eine Schriftstelle, die bei ihrem häufigen Gebrauche dem Dichter gewiß
nicht unbekannt war nämlich Joau. 14^ 2G : „Paraclitus autem spiritus
sanctus^ quem mittet pater in nominn meo, ille vos docebit omnia." Auch
im Zusammenhalte mit dem Inlialt des ganzen Gedichtes pafit dieser
Sinn ganz gut, da ja der ganze Leich eigentlich nichts anderes ist,
als eine Bitte an die hl. Dreifaltigkeit um die Gnade des hl. Geistes
durch die Fürbitte Mariens. Dann ist mit Lachniann nach v. 5 Punkt
zu setzen und v. 9 zu lesen: der sende uns sine lere.
(Schluß folgt.)
JOSEF FASCHING.
MITTHEILUNGEN AUS GRAZER HAND-
SCHRIFTEN*).
5. Priesterliche Eheverlöbnissforniel.
Papierhandschrift 36/33 fol, der k. k. Universitätsbibliothek zu Graz.
Nach der aufsatzung der heiligen väter ist gewonhait, wan
czway mensch zu einander in dy heilige chonschaft tretten wellen,
das scholl man melden drey suntag nach einander, ob das wer, das
zwiescheu den zwayen levten ein irrung wer, es wer von freunt-
5 Schaft wegen oder von geuatterschaft oder welcherlay das wer, do
mit hinfür dy heilige chonschaft mocht gestört werden.
Do frag ich alle frawn vnd man, dy hie gegenburtig sein,
auf ir trew vnd gewiessen, als sy got antworten schülln an dem
jüngsten tag zu dem ersten mal etc.: Wie haistu, man? Zu der
10 frawen des geleichen: Hanns, ich frag dich auf dein gewissen vnd
trew, ob du der gegenbürtigeu Kathrein icht enwaig pist von frewnt-
schaft wegen oder von gevatterschaft wegen oder einer ander glü-
bung versprochen hiest. Ich frag dich zu dem ersten mal;, zu dem
andern mal, zu dem dritten mal. Des geleichen frag man dy frawn
15 auch. Hanns , nimstu die gegenburtigen Kathrein willicleich vnd
gern zu einer chan? ich frag dich zum ersten mal^ zum andern
mal, zum dritten mal. Des geleichen frag man die fraun auch.
Hanns, ich verpewt dir all ander fraAven zu buntlichen Sachen, dan
dy gegenburtigen erlawb ich dir. Des geleichen verpewt man der
*) S. Germania XX, 437 ff. XXI, 33S ff. 4-5 freimtschaf. 5 werd.
9 haistu M. 11 katheiu. emwaig (= enweg); vgl. Weinh., bair. Gh. S. 84.
14 andm. 17 mal nach Ar'Men fehlt. 18—19 dan dy in der Es. tciederhoU.
438 A. JEITTELES
20 frawen. Hanns, so enphill ich dir dy gegcnbiirtigc Kathrein auf
dein trew vnd gcbiessen, das du ir gewertige seist, trcw vnd lieb er-
zaigst zu pet, ticsch vnd gassen vnd in allem dem, das zur hei-
ligen chanschaft gehört. Des geleichen euphelch man der frawn
den man vnd leg ir sein ringl auf iren vinger und ir ringl an sein
25 vinger vnd leg yn payde hent in ein ander vnd Sprech: also gib
ich ewch zamb, Hanns vnd Kathrein, in den orden der heiligen
chanschaft in nemen got des vaters vnd suns vnd des heiligen geist.
6, Fünfzehn Paternoster.
Die Pergamenthandschrift 39/55 fol. in der Grazer Universitäts-
bibliothek, 158 Seiten stark, enthält nach einem lateinischen Psalter
auf Seite 157 folgende Aufschreibung in deutscher Sprache, die von
derselben Hand herrührt, welche den Psalter geschrieben hat, und
dem Ausgang des 14. oder dem Beginn des 15. Jahrhunderts angehören
dürfte. Die Sprache ist echt österreichisch.
Vnser herre lert ainen seiner vreunt funfzechen pater noster
vnd als manigs aue maria.
Mit dem ersten pater noster man mich der zerrung aller meiner
glider an dem chneutz. Mit dem andern pater noster man mich
5 der widerstassen nagel, da mit mein hent vnd mein fuez derpard
wurden. Mit dem tritten pater noster mau mich der Zerlegung
aller meiner glider, also daz ir chaines an seiner rechten stat nicht
pestvnt. Mit dem vierten pater noster man mich der flucht aller
meiner freunt an mein mueter Maria vnd Johans den ewangelist vnd
10 Maria Magdalena vnd ander vrowen, an den doch lutzil hilf was.
Mit dem fumften pater noster man mich der vmsteung meiner
veint. Mit dem sechsten pater noster man mich des wertes^ do ich
sprach: mich turst doch noch chainem tranch nicht wan noch der
menschen hail. Mit dem sibenten pater noster mau mich des pittern
15 tranchs , da mir gemischt wart ezzeich mit der gall. Mit dem
achten pater noster man mich der pittern pein , do ich sach in
dem Spiegel der gothait, daz mein martcr an so manigem menschen
scholt verlaren werden. Mit dem neunten pater noster man mich
des rcvfen, do ich sprach: mein got, mein got, warumb hast tu
20 mich verlazzen? Mit dem zechenten pater noster man mich des
21 den trew. 21 — 22 erzägst. 22 — 23 in allen den das zu heilige.
24 sein ringl', 25 pay lientt. sprach, alzo. 27 nem. snnß,
i herc. .'] man ich mich. 5 wider stassen. der pard. 9 mcinhi.
Johans der ewangelist 10 waz. 12 dez wertes. 13 Über noch = nach viß.
Weinhold, bah: Gr. §.22. chainc. 17 spigel. 19 dez rev^en. 20 dez.
MITTIIKlLUNriKN Als filv'A/Kl.' IIANDSCl IHUTEN. 4;3<.)
rufs, do ich sprach: vater, icli eni)liilch meinen geist in dein hent.
Mit dem ainleftcn pater noster man mich der verzerung aller meiner
chrelt, wan all.iin ich gotes sun was; doch was ich in solcher
chranchhait au dem chraiitz, daz ich ein halm von der erden nicht
25 meciit haben erheft. Mit dem zwölften pater noster man mich der
verzerung alles meines plutes, wan ich plutes als gar an was als
Adam, do ich den gemacht het aus dem laimchnollen, e ich di sei
in seinen leichnaui het gegozzen. Mit dem treizechent pater noster
man mich der prait meiner wunden. Mit dem vierzechenten pater
30 noster man mich der tief meiner wunden. Mit dem fumfzechenten pater
noster mau mich der meuig meiner wunden: der waren neun tau-
sent vnt neun hundert vnd treizich an di fumf wunden.
7. Eine Sterbeforiiiel des heil. Anselm.
An obige fünfzehn Paternoster reiht sich in derselben Handschrift
unmittelbar darnach folgende aus der gleichen Feder gefloßene Ansprache
an einen Sterbenden an. Der Schluß derselben fehlt.
Item Sant Anshalm der piseholf von Chanzilwerch lered
sprechen dise wart, so der mensch an dem tot leid, daz er ge-
nesen mug vor dem ebigem tot. Als der mensch nechent zu dem
tot, so scliol mau iu frogen vnd schol er antwurtcn: frseustu dich,
5 daz tu christe pist vnd in christem gelauben sterben scholt? Ant-
wurt er : Ja ich freu mich. Geist tu dich schuldich . daz tu nicht
also gelebt hast noch christenleichem orden als tu schöltest? Ant-
wurt er: Ja, ich gib mich schuldich. Reut iz dich von niderm
deinem herzen? Ja, iz reut mich. Hast tu den willen, ob tu fuer-
10 bas leben scholdest, daz tu dich gern pessern woldest? Ja gern.
Gelaubest tu, daz vnser herr Jesus Christus, der wäre gotes sun,
durch deinen willen den pittern tot erliden hat? Ja, ich gelaub iz.
Sagest tu im des gnade vnd wilt geduldich sein in tot? Ja gern.
Gelaubest tu, daz tu nicht pehalten macht werden nuer mit seinem
15 tot? Ja, ich gelaub iz. So schol man den siechen manen vnd
schol sprechen also: Seid tu daz gelaubest, so sag vnserm herren
Jesu Christo gnat vnd tauch seiner martyr, di weil dein sei in dir
ist, vnd leg allen deinen geding allain an seinen tot vnd hab zu
23 sun waz. 26 meinnes. 27 laim chuolleu. Das Längezeichen über dem
Werfe e in der Handschrift. 30 tief mein^a.
1 Item mit Bezug auf die vorhergehenden 15 Paternoster. 6 frey. schullich.
9 deine. 13 dez.
440 LITTERATUK: M. VOGLER, SJURDAR KV^DI.
dhain andern dingen trost^ daz tu anders icht pehalten mügest
20 werden. In den tot scholt tu dich allensant senchen vor deinen
veinden. Mit dem tot scholt tu dich bedechen. In den tot scholt
tu dich alsant winden. Chumt dan solch chlag vber dich, daz
dein got der vater vber dich richten wil, so sprich: Herr, ich han
anders nicht für ze pieten dan den vnuerdienten tot deines suns,
25 meines herren Jesu Christi; den setz ich zwischen mich vnd dich
für deinen zorn. Dar noch sprich treistunt: in manus tuas, domine,
commendo spiritum meum etc. Daz spricht also: her got, ich en-
philch mein sei in dein hent var aller meiner veinde chundichaid;
heiliger geist, herr, ich enphilch meinen geist in dein hent var
30 aller ...
INNSBRUCK. ADALB. JEITTELES.
LITTERATÜR.
Sjürdar kvsedi. Die färöischen Lieder von Sigurd. Zum erstenmal mit Ein-
leitungen, Anmerkungen und ausführlichem Glossar herausgegeben von
Max Vogler. I. Regln smiäur. Paderborn 1877. Schöningh. 8. VI
und 106 S.
Eine neue Ausgabe der färöischen Sigurdslieder ict gewiß ein dankens-
wcrthes Unternehmen. Die vorliegende erste Abtheilung einer solchen, die der
Herausgeber dem jüngst verstorbenen Ludwig EttmüUer gewidmet hat, bietet
den Text des ersten Gesangs, Regln smictur, nebst ziemlich ausführlicher Ein-
leitung über den Gesang auf den Färöer, die Hss. und früheren Ausgaben,
Ursprung und Alter der Sigurdslieder, ihr Verhältniss zur nordischen und
deutschen Gestalt der Sage, einigen Bemerkungen über den Dialekt und die
Form, einem Abschnitt, der diese Lieder ästhetisch zu würdigen versucht, end-
lich Namensverzeichniss und Glossar. So wäre denn alles beisammen, was man
von einer derartigen Ausgabe zu fordern berechtigt ist, imd, entspräche nur die
Qualität des Gebotenen seiner Quantität, so könnte man in jeder Beziehung zu-
frieden sein. Der Herausgeber will eine kritische Ausgabe liefern im Gegen-
satz zu den beiden „mehr oder minder mangelhaften dänischen Sammlungen"
von Lyngby und Hammcrshaimb, „welche beinahe jedes wissenschaftlichen Ap-
parates entbehrten". Aber vergebens sucht man zu erkennen, inwiefern denn
die Ausgabe des Hrn. Vogler über Hammcrshaimb li inausgeht. Der einzige
abweichende Punkt ist die noch mehr normalisierte Orthographie , und hier
22 winden; wo?il i^ vinden? '24 vm^VIicten. 25 stwissen, 26 deiiine.
sprechs. 28 var allen meinne veinde. 80 aller: das Schlußwort der letzten Seite
der Handschrift,
LITTEKATUK: M. VOüLEll, SJUKDAK KV ALDI. 44I
fragt CS sich, ob cli(! Methode des Herausgebers zu binigen ist. Der gram-
matisclicn Forsclumg l)iingt es keinen Voitheil, wenn man die Eigentliürnlich-
keiten des fjlröischen Dialekts gewaltsam in den Rahmen des islündiseiien zwängt,
und keinesfalls hätte der Herausgeber hierin weiter gehen sollen als Hammers -
haimb. Ganz anders steht es mit der normalisierten Orthographie des Isl.
Für diese Gesänge der Färinger gibt es meiner Überzeugung nach nur eine
doppelte Möglichkeit : entweder eine mit feinem Gehör vorzunehmende Auf-
zeichnung der Lieder mit Beibehaltung aller dialektischen Eigenheiten, oder
aber geradezu eine Rückübersetzung in das isländische des Mittelalters. Na-
mentlich bei dem hohen Alter, das der neueste Herausgeber diesen Denkmälern
zuerkennt, hätte diese letztere Methode völlige Berechtigung, da färöische Ur-
kunden des 14. und 15. Jahrhunderts eine rein isländische Sprache zeigen. Die
Herstellung einer Art moderner färöischer Schriftsprache ist ebenso ungereimt,
wie wenn man eine neuniederdeutsche Schriftsprache schallen wollte, um den Ober-
deutschen das Verständniss Fritz Reuters zu erleichtern. — Von dieser rein äußer-
lichen Abweichung abgesehen ist der Text des Hrn. Vogler eine einfache Wider -
gäbe des Hammershaimb'schen nebst gelegentlich angeführten Abweichungen der
Aufzeichnung Lyngbys. In der That ist auch kaum abzusehen, was der Heraus-
geber, ohne selber die Lieder aus dem Volksmunde neu aufgezeichnet zu haben,
mehr hätte geben können, wenn er nicht zur Conjecturalkritik greifen wollte,
was bei diesen aus dem Volksmunde aufgezeichneten Gesängen sein recht misliches
hat. Aber im Bewustsein dieser Unmöglichkeit hätte der Herausgeber sich über
seine Leistung etwas bescheidener äußeru sollen. Ich knüpfe hieran zunächst
einige Bemerkungen über den Text. Während Str. 30 und sonst richtig gekk
und fekk geschrieben wird, steht z. B. Str. 23 feil, während diese Fälle natür-
lich absolut gleich zu beurtheilen sind. Der Herausgeber scheint aber die
Kürze des altn. e im Prät. der reduplicierenden Verba mit a-f-Consonantenver-
bindung nicht zu kennen. Sonst würde er nicht S. 46 das i in gingu und fingu
erklären als aus i = isl. e verkürzt ; gerade dieses übrigens schon früh durch
Skaldenreime bezeugte i ist der beste Beweis für die Kürze des e (vgl. Sievers,
Paul-Braune, Beitr. I, 505). — Str. 13 ist die Conjectur tad für teir über-
flüssig: das Relativum fehlt, wie ganz gewöhnlich im Acc. — Str. 65, 4 ist statt
adra ferd zu lesen aftur ä ferct vgl. 79. — Die zweite Zeile von Str. 85
tad^ rennur ein 4 fra kelduni upp,
onnur skamt i'fra,
nach Hammerhaimbs Überlieferung ist sinnlos. Hr. Vogler meint, es sei nach
der ersten Halbstrophe eine Lücke anzunehmen, in der erzählt gewesen sei, wie
Sigurd mit dem Schwerte Gram eine treibende Wollflocke zerschnitt. Durch
diese Annahme wird aber Z. 2 nicht erklärt, denn es wäre wunderlich,
daß zu dieser Probe zwei Flüsse nöthig sind. Es ist keine Lücke da, viel-
mehr ist statt des unsinnigen onnur einfach ormur zu lesen. Die Strophe deutet
in nicht sehr geschickter, aber ganz begreiflicher Weise auf die Erschlagung
des Drachen. — Im Namenverzeichniss S. 94 wird die sonderbare, allerdings
durch ein Fragezeichen gemilderte Vermuthung aufgestellt, raudargny Str. 13.
89 if. sei ein Eigenname und bezeichne den Sitz der Hundinge. DaÄ, wie
Lyngby versichert, die Färinger den Ort nicht kennen, wollen wir ihnen gerne
glauben, denn selbstverständlich ist das Wort Appellativum, 'Schildgetöse'. —
Das Lied ist offenbar an manchen Stellen durch spätere, in der Tradition aus-
44:^ LITTERATUK: M. VOGLEK, S.IUKDAK KVJEBl.
gebildete Zusätze entstellt. Namentlich scheinen manchmal öfter wiederkehrende
Strophen sich auch au falsche Stellen eingedrängt zu haben. Als Sigurd zum
ersten Male zu Regin kommt, um sich aus den Trümmern von Sigmunds gött-
lichem Schwerte ein neues schmieden zu lassen, heißt es Str. 57:
tad var hinn ungi Sjiirctur,
ri'dur fjri dyrnar fram;
Regin kastar smidi öllum
og tok saer svörd i hond-
Die Strophe , die hier sinnlos ist — fordert doch Sigurd den Schmied
erst zur Arbeit auf — wiederholt sich Str. 67. 81 und hat sich von dort aus
fälschlich schon au unsere Stelle verirrt, da die Ähnlichkeit der Situation auch
die Einkleidung auf Kosten des Sinus uniformierte. Etwas ähnliches finden
wir in Briuhild Str. 64 flP. Das Bild der zauberkundigen Grimhild , die vor
Gjukis Hof steht und dem vorüberreiteuden Sigurd das Roß anhält, ist Str. 130 f.
von trefflicher Wirkung. Schon Brynhild und Budli haben den ahnungslosen
Jüngling davor gewarnt. Gänzlich zusammenhangslos stehen aber dieselben
Strophen au der ersteren Stelle, wo ich sie nur als Ausweitung ansehen kann.
Freilich wäre hier noch eine andere Erklärung möglich. Wie bekannt, stellt
die Gripisspä Str. 13 f. Sigurds Besuch bei Gjuki schon zwischen die Tödtung
Fäfnirs und die Erweckung der Valkyrie, ein Mißverständniss von Fafn. 40 ff.
(vgl. Bugge , Edda S. 415). Es wäre denkbar, daß unserm färöischen Liede
die Gripisspä bekannt war und es zu dieser Darstellung veranlaßt hätte. Ich
wüßte aber diese Vermuthung durch nichts zu stützen. Gegen sie spricht, daß
höchst wahrscheinlich nicht die Eddalieder, sondern die Völsunga saga unserm
Liede als Quelle gedient haben. Darauf komme ich zurück. — Manche Strophen
haben sich an falsche Stellen eingedrängt, während ihr ursprünglicher Zusam-
menhang verloren ist. Ein schlagendes Beispiel ist Brinh. Str. 223. 224. Si-
gurd ist ermordet (2 19 — 222): die Mörder tragen ihn auf einem Schilde heim
und legen die Leiche der Gudrun in den Schooß (225 ff). Dazwischen treten
zwei Strophen :
teir skiftu si'ni klagdini,
hvör vid sinum lit,
ikki vildi Grani ganga,
ti hann hevdi manns vit.
Ikki vildi Grani ganga,
ti Gunar honum reid,
firr enn hinn snari SJurdur
honum ä herdar neig.
Es gehört wenig Scharfsinn dazu, zu entdecken, daß die beiden Strophen
hier unmöglich sind. Sie schildern die Scene, wie Sigurd in Gunnars Gestalt
die Waberlohe durchreitet und sind die Überbleibsel eines jetzt verlornen Theils
unseres Liedes, die sich hierher verirrt haben. Das hat auch Hammershaimb
erkannt. Hr. Vogler dagegen nimmt S. 35 an dem überlieferten Zusammen-
hange gar keinen Anstoß und findet es sogar bezeichnend, daß Grani nicht
eher vorwärts gehen will, als bis man Sigurds Leiche auf seinen Kücken gelegt
hat. Da nun nach Str. 225 der todte Held a skildi heimgeführt wird, scheint
Hr. Vogler sich vorzustellen, daß Roß und Reiter in diesen Schild hineingelegt
MTTKK'ATUK: M. VDGLKIJ, S,JI:KDAI{ KVTlllM. 44;-i
worden sinrl. Walirlicli „bezeichnend" für die kritisclic Mühewaltung des Her-
ausgebers.
Was uns die anspruchslosen Sjürdar kvaetti so wcrth macht, ist die
frische, in ihrer Einfachheit nicht selten ergreifende Weise, in welcher trotz
mancher Entstellungen die Heldensage in ihnen fortlebt. Es ist namentlich der
Umstand, daß diese Denkmäler uns im Norden die Umgestaltung zeigen, die
die veränderte Sagengestalt auf ihre alte Form gewirkt hat. Freilich , diese
Umgestaltung ist nicht von innen heraus entwickelt, sondern sie wurde, ein
fremdes Reis, dem alten Stamme aufgepfropft. Mittelbar oder unmittelbar muß
wenigstens dem dritten Liede (Högni) und der zweiten Hälfte des zweiten (Brin-
liild) die ridreks saga zu Grunde liegen. Dennoch gewährt es einen eigen-
Ihümlichen Reiz, zu sehen, wie das alte sieh nicht völlig durch die neuen Vor-
stellungen hat überwuchern lassen. Dies im einzelnen zu verfolgen, hätte die
erste Aufgabe einer gründlichen Einleitung sein müssen. Der Herausgeber macht
S. 28 — 43 einige einschlägige Bemerkungen, die indes keineswegs ausreichen.
Schlimmer ist, daß auch diese wenigen Bemerkungen von unerhörter Flüchtig-
keit sind und zuweilen dem Verdachte Raum geben, daß Hr. Vogler die Quellen,
die er herausgibt oder zur Vergleichung heranzieht, entweder nicht immer ver-
standen oder so flüchtig gelesen hat, daß ihre richtige Bedeutung ihm nicht
klar geworden ist. Daß diese Beschuldigung nur zu berechtigt ist, dafür einige
Beispiele. In der Inhaltsangabe des zweiten Gesanges, Brinhild , heißt es
(S. 29): „Sie (Brinhild) bittet daher ihren Vater einen Saal auf dem freien
Felde zu bauen und läßt ringsherum Feuer anzünden , damit ihn die Zwerge
nicht durch Runenkraft entrücken möchten". Dies muß sich beziehen auf Str. 34 f.
Dort wird aber gerade erzählt , daß die Zwerge durch geheime Künste die
Waberlohe anlegen; eine ähnliche Vorstellung spricht sich aus in dem Ausdruck
vi'ss vafrlogi Skirn. 8. Fiölsv. 31. — S. 38: ..Das färöische Lied (Högni) hat
auch noch darin etwas besonderes, daß nach dieser Darstellung Gudrun (Str. 151
bis 163) Sigurd, auf goldener Bahre liegend, zu erscheinen be.'ichwört . um
gegen Högni zu streiten. Aber Sigurd räth zum Frieden u. s. w.". Die Über-
lieferung weiß davon rein gar nichts. Sigurds Leiche macht Högni Vorwürfe
über seine Treulosigkeit, alles andere ist Erfindung des Herausgebers. — S. 3.5 f.
setzt Hr. Vogler die Verschiedenheit des zweiten Theils der Sage nach ihrer
nordischen und deutschen Fassung auseinander. Da heißt es: „Nach der Edda
lockt Atli Gudruns Brüder an In der Volsunga- '^sic!) und Vilkina-
saga dagegen, sowie in allen die Siegfriedssage behandelnden Gedichten und
auch im färöischen Lied bittet Gudrun ihre Brüder an Atlis Hof zu Besuch
und bewirkt , während Atli die Giukungen gar nicht angreifen möchte , die
Ermordung derselben, um sich für den von ihnen vollführten Tod Sigurds zu
rächen". In der Völsnngasaga ! Kann das jemand behaupten, der die Saga
auch nur durchgeblättert hat? — Auf S. 34 wird behauptet, das färöische Lied
Avisse nichts von Sigurds Ritt durch die Waberlohe in Guunars Gestalt. Wir
sahen bereits, daß Brinh. Str. 223 f. ein Überbleibsel jener Seene sind, deren
Zusammenhang verloren ist. Dann heißt es aber weiter „es scheint also, wie
für die sämundische Edda, in der sich bekanntlich zwischen Sigurds Verlobung
mit Brinhild und Brinhilds Rache eine erhebliche Lücke bemerkbar macht,
auch für unser Lied die Erinnerung an diese Begebenheit verloren gegangen
zu sein, während sie in jenen beiden Werken [Völs. S. und SE] bewahrt wor.
444 LITTEKATUK: M. VOGLER, SJURDAR KV^DI.
den ist". Niemand wird diese Worte anders verstehen können, als daß nach
Hrn. Voglers Ansicht bei der Sammlung der Eddalieder über die Begeben-
heiten, die Völs. S. Ciip. 23 — 29 erzählt werden, keine Lieder mehr vorhanden
waren , während doch nur die Bescliaftenheit des Regius diesen Quellenmangel
verschuldet. — Diosolbe Seite belehrt uns darüber, daß , während in der Völs.
S. der Streit der Königinnen erst nach der Veimälilung Gunnars stattfindet,
im färöischcn Liede „Brinhild ihrem Freier Gunnar nur dann die Hand reichen
will, wenn er die Untreue Sigurds und die verlorene Ehre zu rächen sich an-
schickt". Dadurch soll der Charakter der Brinhild „um ein erhebliches stärker,
ihre Empfindung entschlossener, ihre ganze Persönlichkeit gewichtiger" geworden
sein. Nur schade, daß von alledem das Lied nichts weiß. Brinh. Str. 185
verweigert allerdings Brinhild dem Gunnar jeden Beweis der Liebe , bevor sie
den Trug an Sigurd gerächt sieht. Daß dies aber nach der Vermählung zu
denken ist, bedarf kaum des Beweises; zum Übertluß kennt die isländische
Überlieferung genau denselben Zug (Sig. HI, 10. 11. Völs. S. Cap. 30, bei
Bugge 155, 9 IT.).
Von den Forschungen über die Nibelungensage scheint der Herausgeber
ausser W. Grimms Heldensage und P, E. Müllers Sagabibliothek kaum etwas
zu kennen. Die ganze Einleitung trägt deswegen einen veralteten Stempel und
könnte ebensogut vor mehreren Decennien geschrieben sein. Dieser Mangel
tritt schon in den Namen der Quellen hervor: wer redet jetzt noch von einer
Vilkinasaga oder citiert die Edda als SaemundV Gripisspä hat langen Vocal in
der ersten Silbe (Zupitza, Zachers Zeitschr. 4,445), Fäf'nir desgleichen, wie
die Schreibung Faabni und die Form Fofnir beweisen (Bugge zu Häv. 112, 1),
das Brot af BrynhildarkviJu (S. 32) ist richtiger Brot af Sigurctarkvidu zu
eitleren. Nicht einmal die grundlegende Abhandlung Müllenhoff"« im zehnten
Bande von Haupts Zeitschr. scheint dem Herausgeber bekannt zu sein, da er
sonst wohl diese und nicht W. Grimms Worte bei der Besprechung der Um-
gestaltung unserer Sage citieren und wohl auch nicht mehr von dem doppelten
Atli (S. 68 Anm. 2) reden würde. Die Bemerkungen über die Quellen des
Högni von Döring (Zachers Zeitschr. H, 2(39 ff'.) scheinen Hrn. Vogler gleich-
falls unbekannt zu sein. Die Vertheidigung von Odins Einmischung in Sigurds
Schicksale gegen W. Grimms Einwendungen betreffend, erlaube ich mir, den
Herausgeber auf meine Bemerkungen Paul-Braune Beitr. 3, 294 ff", zu verweisen.
Über die Frage nach Alter und Ursprung der färöischen Sigurdslieder
entwickelt der Herausgeber eigenthümliche Ansichten. Er hält es für möglich,
daß den färöischen Liedern noch Überlieferung aus allen Gesängen zu Theil
geworden ist, die der Edda verloren gegangen sind (S. 43). Solch ein alter
Zug soll es z. B. sein , wenn das Lied Ismal fra;ga kempa (bei Hammershaimb
S. 74 ff".) berichtet, daß Sigurd bei der Hochzeit seiner Halbschwester Svanhild
Solaljoma Bryuhild zum ersten Mal als seiner Schwester Brautjungfer gesehen
habe. „Dadurch wird die sich nachher off"enbarende Neigung Brynhilds zu Sigurd
motiviert!" Dieser abenteuerlichen Behauptung gegenüber genügt der Hinweis, daß
jene plötzlich auftauchende Halbschwester Sv;uiliild Solaljoma ganz deutlich nur
eine Entstellung von Sigurds Tochter Svanhild ist, die bereits Sig. IH, 55 glän-
zender als der Sonnenstrahl heißt. Einer ernsten Widerlegung bedürfen solche
Einfälle allerdings nicht. Da aber der Herausgeber damit ein Zeugniss erbracht
zu haben glaubt „für das hohe Alter, welches diesen färöischen Liedern ihrem
LITTERATUR: M. VOGLER, S.IIRDAR KV^EDT. 445
Kerne, nach zukommt", <l;irf man sich nicht wundern, daß er sich S. 27 der
Ansicht P. E. Müllers iinscliließt und es wahrscheinlicli findet, „daß wir in den
fiirüisclicu Gesängen von Sigurd Lieder i-.uriickhabeii, die durch ein Jahrtausend
(wenigstens fast durch ein Jalntausend) sich mündlicli fortgepflanzt haben , so
daß wohl die lange spätere Zeit in der Form die Farbe der Sprache gewechselt
hat, daß im Inhalt einige Züge verändert worden sind und Verschiedenes hin-
zugesetzt worden ist , aber daß doch das wesentliche sowohl in Form wie im
Inhalt bewahrt worden ist". — Wir haben das erste Lied (Regin smidur) und
den ersten Theil des zweiten (Brinhild) von dem zweiten Theile des zweiten
und dem dritten (Högni) zu trennen. Die letztere Partie steht völlig unter
dem Einflüsse der deutschen Sagengestalt und hat, mittelbar oder unmittelbar,
die ridrekssaga zur Grundlage. Schon der Zug von den ausgebreiteten Häuten,
den wohl jeder als eine Erfindung des Sagaschreibers ansehen wird, bewiese
dies. Über die Quellen von Ilügni hat Döring gehandelt. Ich kann nicht ganz
mit seinen Kesultalen übereinstimmen. Ich beabsichtige, demnächst in anderm
Zusammenhange auf diese Frage zurückzukommen und beschränke mich hier
auf einige Bemerkungen über die beiden ersten Lieder. Sie haben im Wesent-
lichen die nordische Gestalt der Sage bewahrt. In einer Anzahl von Einzel-
heiten aber stimmen sie näher zur Völsungasaga als zu den uns bekannten
eddisehen Liedern. Dabei kann natürlich die Erzählung von Sigmunds Tod
auf der Walstatt nicht in Betracht kommen, da für sie auch der Völs. S. wohl
noch ein verlorenes Lied zu Gebote stand. Wohl aber die folgenden Züge.
Das Schwert Gram wird aus den zerbrochenen Stücken von Sigmunds Odins-
schwerte neu geschmiedet, und erst das zweite Mal wird es fest und scharf.
Granis Erkiesung wird ausführlich geschildert. Auf Odins Anrathen gräbt
Sigurd mehrere Gruben , um das Blut des Drachen besser abfließen zu lassen.
Vorzüglich wichtig aber ist die Erwähnung der Asla (Aslaug), die hier auf
Brinhilds Gebot im Flusse ausgesetzt wird. — Der zweite Theil von Brinhild,
Sigurds Ermordung, stimmt dagegen zur deutschen Sagengestalt. Aber diese
Scheidung nach der Sagengestaltung darf nicht auf die Lieder selber ausge-
dehnt werden. Die gleiche, nicht hohe, aber frisch lebendige Art der Darstel-
lung, der gleiche Refrain^ die vielfachen Berührungen im Ausdruck (vgl. z. B.
Brinh. 143 ff. und Högni 91 ff.) weisen auf die enge Zusammengehörigkeit der
drei Gesänge. Es tritt uns in ihnen demnach eine Contamination der nordischen
und deutschen Sagengestalt entgegen, die erst unter dem Einfluße der ridr. S.
zu Stande gekommen sein kann. Die nordischen Sagenzüge stimmen eng zur
Völs. S. Es kommt hinzu, daß in einem andern färöischen Liede, Ragnars
tättur, das in nichts von dem Stile der Sigurdslieder abweicht, eine offenbare
Paraphrase der Ragnarssaga vorliegt. Ferner: nach Lyngbys Aufzeichnung des
Regin smidur spielt bei der Erschlagung des Drachen Nornagest die Rolle, die
sonst Odin zugetheilt wird, und eine Schnalle an Granis Sattelgurt, die springt,
kommt in den Besitz Nornagests. Nun ist eines der färöischen Lieder, die
Nornagests ri'ma, deutlich dem Norn. rättr nachgebildet, und in diesem Liede
schenkt Sigurd dem Nornagest die Schnalle (Str. 31). Dadurch erhellt einmal
die enge Zusammengehörigkeit der färöischen Lieder; zweitens aber wird die
Annahme gerechtfertigt, daß, wie dort die Ragn. S. und Norn. r., die Quelle
für Regin smidur und den ersten Theil von Brinhild geradezu die Völs. S.
gewesen ist. Wie unsere Lieder vorliegen , sind sie keine aus lebendiger Sage
446 LITTERATUR: M. VOGLER, SJURDAR KV^DI.
hervorgegangenen Volkslieder, sondern durch eine Coutamination von zwei aut
verschiedener Sagengestaltung beruhenden Quellen entstanden. Am meisten
gleichen sie den isländischen rimur. Ob wirkliche Volkslieder zu Grunde liegen,
die erst das Bekanntwerden der Völs. S. und rictr. S. umgestaltete, läßt sich
mit Sicherheit nicht entscheiden, es ist aber wahrscheinlich. Es kann wunder-
bar erscheinen, daß diese auf litterarischem Wege entstandenen Lieder Jahr-
hunderte lang sich im Volksmunde erhalten und fortpflanzen konnten. Man
vergegenwärtige sich aber die Abgeschlossenheit der Inselgruppe, man erinnere
sich an ähnliche Verhältnisse auf Island, und die Thatsache wird begreiflicli.
So können wir aber auch die Überlieferung richtig würdigen , die unter
den Färingera selber über den Ursprung ihrer kvsecti lebt (vgl. Vogler S. 20 f.).
Das Buch oder die Bücher, in denen die Gesänge auf die Insel Sandse ge-
kounnen sein sollen, werden Sagahandschriften gewesen sein, die die Quellen
unserer Lieder wurden. Durch die Annahme, daß die gegenwärtige Form der
Sjürdar kvsedi auf einer Coutamination aus der Völs. S. und ridr. S. beruht,
zu der aber viele Zuthaten in der Tradition hinzugetreten sind, erklären sich
auch einzelne Züge. So, wenn trotz der völligen Umgestaltung der Sage Gudrun
ihren Namen behält, weil sie im ersten auf nordischer Überlieferung beruhenden
Theile der Sage so hieß, während z. B. der Name Artala nicht aus dem Atli
der eddischen Überlieferung, sondern nur aus dem Attila der ridr. S. ent-
standen sein kann. So erklärt sich auch, daß Artala nicht zum Bruder der
Brinhild gemacht, und der Einfluß, den er nach einem Theile der eddischen
Überlieferung auf ßrinhilds Geschick ausübt, ausschließlich dem Budli beigelegt
wird, wie Völs. S. Cap. 27. 29.
Nach alledem ist nicht daran zu denken, daß die färöischen Lieder älter
sind als die dänischen Folkeviser, welche die erstereu meiner Überzeugung nach
an poetischem Werthe bei weitem überragen und in ganz anderer Weise den
Namen von Volksliedern verdienen. Der Kern ihrer jetzigen Gestalt kann
kaum älter sein als das 14. Jahrh., es wird aber wohl die von Island herüber-
gekommene Sage schon früher ihren Ausdruck in älteren Gesängen gefunden
haben, die auch den zweiten Theil der Sage nach der nordischen Gestalt dargestellt
haben werden. Auf ein solches älteres Lied wird man auch am einfachsten
das aufi'allende i bragdar tätti beziehen, worauf sich die Lieder ein paar Mal
als Quelle berufen. Vermuthen läßt sich, weil nach dem was aus diesem bragdar
tättur citiert wird, das Lied von Atli und Gudrun handelte, daß es den zweiten
Theil der Sage in der nordischen Fassung dargestellt hat. Die Vermuthung
P. E. Müllers über diese Quelle (bei Lyngby S. 41 f. vgl. Vogler S. 25) liat
keinerlei innere Wahrscheinlichkeit.
Doch diese Bemerkungen sollen den einer Anzeige gesteckten Raum
nicht überschreiten. Die Einzelheiten der Untersuchung bleiben andrer Gelegen-
heit vorbehalten.
Ilr. Vogler gedenkt, die beiden andern Lieder, Brinhild und Högni , in
nicht ferner Zeit folgen lassen zu können. Ich kann den Wunsch nicht unter-
drücken, daß der Herausgeber durch die Fortsetzung seiner Arbeit uns für die
Mängel ihres Anfangs entschädigen möge.
ROTTERDAM, im August 1877. ß. SYMONS.
BIBLIOGRAPHISCHE ÜBERSICHT
DER
ERSCHEINUNGEN AUF DVM GEBIETE DER GERMANISCHEN
PHILOLOGIE IM JAHRE 1876.
VON
KARL BARTSCH*).
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In: Sammlung historischer Bildnisse. 3. Serie. 7. Bdchen. Vgl. Literar. Rund-
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Allgem. Zeitimg 1876, Beilage 25 ff.
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Studien. 5. Bd. Leipzig 1876. Brockhaus.
Darin: Hoffmann von Fallersleben.
*) Mit Unterstützung von J. H. Gallee in Haarlem, K. Gislason in Kopenhagen.
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30. Karl Simrock.
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Vgl. Anzeiger für deutsches Alterthum 2, 287 ff. (8teinmeyer); Scliwähiscber
Merkur 1876, Nr. 251; Jenaer Literatnr-Zeitniig Nr. 44; Liter. Centralblatt 1877,
Nr. 25; Z. f. d. ge.s;uiimte luth. Theologie 4; Kuropa 1876, Nr. 45; Magazin f. d. Lit.
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Ende 1875 in Deutschland erschienenen Schriften über altdeutsche Sprache und
Literatur nebst verwandten Fächern. Herausgegeben von C. H. Herrmann.
1. Heft. 8. (98 S.) Halle 1877. Herrmann.
Vgl. Liter. Centralblatt 1877, Nr. 41 (Bohaghel). ._
42. Bibliotheca philologica, oder geordnete Übersicht aller auf dem
Gebiete der classischen Alterthumswissenschaft wie der älteren und neueren
Sprachwissenschaft in Deutschland und dem Ausland neu erschienenen Bücher.
Herausgegeben von Dr. Müldener. 28. Jahrg. 1. Heft. (122 S.) M. 1.20. 2. Heft.
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deutschen erotischen Literatur. Leipzig 187 6. Minde. 9 M.
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Vgl. Allgem. Zeitung 1877, Beilage 118; das Ausland Nr. 19; Zeitschrift für
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wissenschaftlichen Inhalts enthaltend. Aus dem Englischen übersetzt von Dr.
R. Fritzsche. 8. (VI, 502 S.) Leipzig 1876. Engelmann. M. 7.50.
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Übersetzt von A. Leskien. (Internationale wissenschaftl. Bibliothek. 20. Bd.)
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Vgl. De Bode 1877, Nr. 1.
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8. Stuttgart 1876. Cotta. 3 M.
Inhalt: I. Die Sprache und ihre Bedeutung für die Entwickelungsgeschichte
der Menschheit. II. Die Urgeschichte der Menschheit im Lichte der Sprache mit be-
sonderer Berücksichtigung auf die Entstehung des Wei-kzeugs. III. Über den Farben-
sinn der Urzeit und seine Entvvickelung. IV. Über Enf.stphung der Schrift. V. Die Ent-
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57. Faücher, Julius, Gedanken über die Herkunft der Sprache.
Vierteljahrsschrift für Volkswirthschaft 13. Jahrg. 3. u. 4. Bd. (1876).
58. Raumer, ß. v., Sendschreiben an Herrn Prof. Whitney über die
Urverwandtschaft der semitischen und indogermanischen Sprachen. 8. (20 S.)
Frankfurt a. M. 1876. Heyder u. Zimmer. 50 Pfg.
59. Grotemeyer, über die Verwandtschaft der indogermanischen und
semitischen Sprachen. 3. Theil. 4. (25 S.) Programm des Gymnasiums zu
Kempen 1876.
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chen sprachgeschichtlich angeordnet. 4. (Schluß) Bd. 3. Aufl. 8. (503 S.)
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(Bechtel),
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Vgl. Liter. Ceutralblatt 1877, 12 (Braune); Lebmanns Magazin 9; Zeitschrift f.
d. österr. Gymnasien Nr. 2 (Zimmer) ; Blätter f. d. bayer. Gymnasialschulwesen XIII, 3 ;
Anzeiger f. d. Alterthum 3, 71 ff. (Scberer).
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Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. 8. (X, 150 S.) Leip-
zig 1876. Breitkopf und Hiirtcl. 3 M.
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Nr. 36 (Biauue) ; Jenaer Liter. Zeitung Nr. 45 (Winteler); Deutsche Zeitung Nr. 1778;
Herrigs Archiv 57, 225 ff.; Anzeiger f. d. Alterthum 3, 1 ff. (Kräuter).
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Preisschrift der Jablonovvskischen Gesellschaft. Vgl. Liter. Centralblatt 1877,
Nr. 2 (Braune); Jen. Lit. Zeitung 17; Anzeiger f. d. Alterthum 3, 215—240 (Bechtel).
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Vgl. Germania 21, 368 ff. (Schlüter); Anzeiger f. d, Alterthum 1, 111. 129.
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94. Zimmer, II., Ostgermanisch und westgermanisch.
Zeitschrift für deutsches Alterthum 19, 393—162. Vgl. Anzeiger für deutsches
Alterthum 2, 213 f.; Jenaer Lit. Zeitung 1876, Nr. 29 (Sievers).
95. Prochazka, A., das deutsche Sprachgebiet in Böhmen.
Mittlieilungen des Vereins für Geschichte der Deutschen in Böhmen. 14. Jlig.,
Nr. 3—4 (1876),
IV. GRAMMATIK. 453
96. Pietsch, P., der oberfiilnkische Lautstaiid im IX. Julnliuiidcrt.
Zeitschrift für deutsche Phih)logio 7, .3.30— .368. 407—450.
97. Kissling, G. , die Laute des Neuhochdeutschen, eine phonetische
Studie. 4. (33 S.) Bremen 1870.
Programm.
98. Leffler, L. F., Bidrag tili läran om i-omljudet med särskilt hänsyn
tili tidon för den germaniska sprakenheten (Schluß).
Nordisk Tid.skrift för Filologi og Pacdagogik N. K. 2, 231—320.
99. Le Marchant Douse, Grimm's law, or hiuts towards an ex-
planation of the so-called „Lautverschiebung". 8. (XVI, 231 S.) London 1876.
Trübuer.
Vgl, Jenaer Liter. Zeitung 1877, Nr, 20 (Sievers); Liter. Centralblatt Nr. 14
(Braune).
100. Wen k er, G., über die Verschiebung des Stammsilben- Auslauts im
Germanischen. Tabellen und Untersuchungen. 4. Bonn 1876. Mai'cus. 12 M.
Vgl. Liter. Centralblatt 1876, Nr. 51; Revue critique 1877, Nr. 10.
101. Konsonantlj uden, de klusila. Kritisk Uppsats af J. A. A. 8.
(65 S.) Norrköping 1876. 1 Kr.
102. Scherer, W., die nhd. und ahd. tenuis-media.
Zeitschrift für deutsches Alterthum 20, 205—213.
103. Kräuter, J. F., die Prosodie der neuhochdeutschen Mitlauter.
Paul und Braune, Beiträge 2, 561 — 573.
104. Augustin y. Fr., das Substautivurn in den germanischeu Sprachen.
1. Die Substantivflexion im Nordgermanischen. 4. (25 S.)
Programm des Gymnasiums zu Gera 1876.
105. Osthoff, H. , zur Frage des Ursprungs der germanischen N-De-
clination. (Nebst einer Theorie über die ursprüngliche Unterscheidung starker
und schwacher Casus im Indogermanischen.)
Paul und Braune, Beiträge 3, 1-89. Nachtrag S. 197 f.
106. Oäthoff, H, , der gotische nom. sing, der männlichen ja-Stämme.
Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung 23, 89 ft". (1876).
107. Witte, D. J., Pluralbildung im Neuangelsächsischen.
Jahrbuch für romanisclie und englische Literatur 15 (1876), 312 — 368.
108. Kern, H., over het als lidwoord.
Taalkundige ßijdragen 1,108—111.
109. Kern, H., hun als bezittelijk voornamwoord.
Ebenda 1, 112.
110. Lindner, Felix, zur Formenlehre des pron. rel. im Englischen.
Jahrbuch für romanische und englische Literatur 15, 221 — 228.
111. P e n n i n g , G. E., a history of the reflective pronouns in the Eng-
lish language. Bremen 1875. (Leipziger Dissertation).
112. Osthoff, H., die gotischen Adverbia auf o und a.
Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung N. F, 3, 90 ft".
113. Ost hoff, H, , die SuflPixform -sla- vornehmlich im Germanischen.
Paul und Braune, Beiträge 3, 335 — 347.
114. Kern, H., Volksnamen op i, an en ari.
Taalkundige Bijdragen 1, 99—107.
115. Tamm, Fredr. , om tyska prefix i Svenskan, 8. (50 S.) Up-
sala 1876.
Dissertation.
116. Ambrosius, Nore, Undersökningar om ordfogniugen i Färöiskan,
afhandl. 8. (40 S.) Lund 1876.
454 BIBLIOGRAPHIE VON 1876.
117. Erdmann, Oskar, Untersuchungen über die Syntax der Sprache
Otfrids. Gekrönte Preissehrift. 2. Teil. Die Formationen des Nomens. 8.
(Vm, 272 S.) Halle 1876. Waisenhaus. 8 M.
Vgl. Jenaer Liter. Zeitung 1876 , Nr. 49 (Windisch) ; Liter. Centralblatt 1877,
Nr. 3 (Kölbing).
118. Hansel, H. , über deu Gebrauch der pronomina reflexiva bei
Notker. 8. (30 S.) Halle 1876. (Dissertation).
119. Kölbing, E., zur Entstehung der Relativsätze in den germanischen
Sprachen.
Germania 21, 28—40.
120. Kujack, on the use of auxiliary verbs in OldEnglish. 4. Pro-
gramm der Albinus Stiftung in Lauenburg.
121. Lücke, Otto, absolute Participia im Gotischen und ihr Verhältniss
zum griechischen Original , mit besonderer Berücksichtigung der Skeireins. 8.
(58 S.) Magdeburg 1876. Göttinger Dissertation.
Vgl. Zeitschrift für deutsche Philologie 8, 352 ff. (Bernhardt).
122. Sattler, W., Beiträge zur engl. Grammatik. I. Die adverbialen
Zeil Verhältnisse. 8. (51 S.) Halle 1876. Gesenius. 1 M.
Vgl. Englische Studien 1, 502 (Lindner).
123. Collin, sur les conjonctions gothiques. 40 S.
o
Arsskrift, Lunds universitets. XII. 1875 — 76. 4, Lund, Gleerup.
124. Gering, H. , die Causalsätze und ihre Partikeln bei den ahd.
Übersetzern des 8. und 9. Jahrhunderts. 8. (52 S.) Halle 1876.
Habilitationsschrift. Vgl. Germania 22, 229 ff. (Behaghel).
125. Behaghel, Otto, die Modi im Heliand. Paderborn 1876.
Heidelberger Doctordissertation. Vgl. Germania 22, 375—380 (Piper); Jenaer
Liter. Zeitung 1876, Nr. 51 (Sievers).
V. Lexicographie.
126. Grimm, Jacob, und Wilhelm Grimm, deutsches Wörterbuch.
Fortgesetzt von M. Heyne, R. Hildebrand und K. Wcigand. 4. Bd. 1. Abth.
8. Liefg. Bearbeitet von R. Hildebrand. (Sp. 1585—1776.) 4. Bd. 2. Abth.
10. Liefg. Bearbeitet von M. Heyne. (Sp. 1969-2160.) 4. Leipzig 1876.
Hirzel. k 2 M.
127. Schade, Oskar, altdeutsches Wörterbuch. 2. umgearbeitete und
vermehrte Auflage. 3. Heft. 8. (S. 321—486.) Halle 1876. Waisenhaus. 3 M.
Vgl. Zeitschrift für deutsche Philologie 8, 110 ff". (K. Zacher).
128. Lcxer, Matthias, mittelhochdeutsches Handwörterbuch. Zugleich als
Supplement und alphabetischer Index zum mittelhochdeutschen Wörterbuch
von Benekc-Müller-Zarneke. 13. — 15. Liefg. gr. 8. Leipzig 1876. Hirzel. ä 4 M.
129. Ileinzel, R. , Wortschatz und Sprachforraeu der W^iener Notker-
Handschrift. I— III. 8. (68, 150 u. 20 S.) Wien 1875—76. Gerold in Comm.
3 M. 80 Pfg.
Aus den Sitzungsberichten der Akademie. Vgl. Liter. Centralblatt 1876, Nr. 39.
130. Diefenbach, Lorenz, und Ernst Wülcker, hoch- und nieder-
deutsches Wörterbuch der mittleren und neueren Zeit. Zur Ergänzung der vor-
handenen Wörterbücher, insbesondere des der Brüder Grimm. 4. Liefg. 4.
(S. 433—536.) Frankfurt a. M. 1876. Winter. 2 M. 40 Pfg.
Vgl. Anzeiger f. d. n. päd. Lit. VI, 2.
V. LEXICOGRAPHIE. 455
131. Weigand, Fr. L. Karl, deutsches Wörterbuch. 2. verb. und ver-
mehrte Auflage. (4. Aufl. von Fr. Sclimitthenncr's kurzem deutschem Wörter-
buch.) 4. Halbbanri. 2. Abtheilung. 2. Bd. (XVI, und ö. 961 — 1213.) Gießen
187G. Kicker. 5 M.
132. Gombert, Bemerkungen und Ergänzungen zu Weigands deutschem
Wörterbuche. 4. (20 S.)
Programm des Gymnasiums zu Gr. Strelitz 1876. Vgl. Herrig .58, 97.
133. Woordenboek der Nederlandsche taal. 's Gravenhage en Leiden
1876. 1. Serie, 12. aflev. ; 2. serie. 5. aflev. 5 3. serie, 9. aflev.
134. Oudemans, A. C. , Kijdrage tot ecn Middei- en Oudnederlandsch
woordenboek. VI, 1: S — Sintmeer. Arnhem 1876.
135. Jager, A., Woordenboek der frequentatieven in het Nederlantsch.
2" deel, aflev. 1—7. 4. GouHa 1870.
136. Sprachproben, altenglische. Nebst einem Wörterbuch. Heraus-
gegeben von Ed. Mätzner. 2. Band. Wörterbuch. 3. und 4. Liefg. (Sp. 321
bis 576.) Berlin 1876. Weidmann.
137. Jellinghaus, H., Ergänzungen zu E. Müllers etymol. Wörterbuch
der engl. Sprache aus dem Niederdeutschen.
Herrigs Archiv 55 (1876), 157-164.
138. Skeat, W. , appendix to Cleasby and Vigfusson, icelandic dic-
tionary. 1876. 4. 2 sh.
139. rorkelsson, Jon, Supplement til islandske Ordboger. (II) 0 — ö
(S. 41 — 96) Reykjavik 1876.
Vgl. Liter. Centralblatt 1877, Nr. 36.
140. Förstemanu, E., über deutsche Volksetymologie.
Zeitschrift für vergleichende Sprachforschimg 23, 375 — 384.
141. Birlinger, A., zur Wortforschung V.
Alemannia 4, 155 — 161.
142. Bech, F., zur Wortforschung. VI.
Ebenda 4, 195—197.
143. Sprenger, R., zum mittelhochdeutschen Wortschatz.
Bezzenbergers Beiträge zur Kunde der indogermanischen Sprachen 1, 51 — 57.
nuz, ungenozzen, sehutzgenoz, keskar, geloter, einzeht, ricien, bi'ienmuos, broedelich, rot.
144. Sprenger, R., kleine Bemerkungen.
Germania 21, 351 f.
145. Jahrbuch des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung. Jahrg.
1875. 8. Bremen 1876. Kühtmann.
Darin u. a. Hauschen un hot S. 107; zum nd. Kalender S. 110 — 112; wenn
causal gebraucht? S. 113; die dreizehnten S. 113 f.; asna; öhl- ehl- ahlstein S. 114;
plattdeutsch S. 114—116.
146. Verwijs, E., Sprokkelingen.
Taalkundige Bijdragen I, 3—28 (1876).
147. Kern, H., middelnederlandsche woorden uit oorkonden.
Taalkundige Bijdragen I, 46 — 53.
148. V er dam, J,, Dietsche Verscheidenhciden.
Taalkundige Bijdragen I, 54 — 83,
149. De Navorscher onder redactie van P. Lcendertz. 1876.
Enthält viele lexical. Beiträge zum Niederländischen.
150. Gislason, Konr., (Egir og JEgiv.
Aarböger for nordisk Oldkyndighed 1876, 313—330.
456 BIBLIOGRAPHIE VON 1876.
151. Varnhagen, H., an inquiiy into the origiu and different meanings
of the English particle „but". 8. (71 S.) Göttingen 1876. PeppmüUer. 1 M.
60 Pfg.
Eostocker Dissertation.
152. Cosijn, P. T., deuy, doy, doey.
Taalkimdige Bijdragen 1, 94 — 99.
153. Osthoff, H., Urdeutsch *faigja.
Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung 23, 427 f. (1876).
154. Sprenger, R., Getrehte.
Zeitschrift für deutsche Philologie 7, 94.
155. Kern, H., Hredh eu Hredhgotan.
Taalkundige Bijdragen 1, 29 — 46.
156. Jeitteles, A., zu mhd. lütbrechic.
Germania 21, 250 f.
157. Liebrecht, F., zu Germ. XVIII, 456. Tpru, Purt.
Germania 21, 399 f.
158. Bech, F., min allerliebestes suzelin.
Alemannia 4, 18.
159. Über deutsche Ortsnamen,
Das Ausland 1876, S. 353-356.
160. Hierlemann, über Ortsnamen mit Anlehnung an den Bezirk Geis-
lingen.
Korrespondenzblatt des Vereins für Kunst und Alterthum in Ulm. 1. Jahrg. 1876.
161. Kasper, Leopold, Erklärung einiger Ortsnamen. Beitrag zu einem
historisch-topographischen Lexicon von Niederösterreich.
Blätter des Vereins für Landeskunde von Niederösterreich N. F. 9. Jahrg. 1876.
162. Magerstedt, A. F., die genetische Bedeutung der Einzelnamen
innerhalb der Flurmark Grossen-Ehrich im Fürstenthum Schwarzburg- Sonders-
hausen. 8. (VL 88 S.) Sondershausen 1876. Eupel. 75 Pfg.
163. Eine Sammlung rheinischer Flurnamen.
Monatsschrift für rheinisch-westfäl. Geschichtsforschung 2. Jahrg. (1876).
164. Mucke, Alb., zur deutschen Ortsnamenkunde, insbesondere zur
westfälischen.
Monatsschrift für rheinisch-westfäl. Geschichtsforschung 2, 7 — 9.
165. Rabe, die Orfsnamen um Biere.
Geschichts-Blätter für Stadt und Land Magdeburg 11. Jahrg. 1. Heft (1876).
166. Rabe, die Ortsnamen zwischen Elbe, Saale, Bode und Sülze.
Geschichls-Blätter für Magdeburg 11. Jahrg. 3. Heft. 1876.
167. Hoppe, F., Ortsnamen der Provinz Preußen. 8. Gumbinnen 1876.
Sterzel. 60 Pfg.
Aus der Alfpreuß. Monatsschrift 13. Bd.
168. Fränkel, Dr. M., zum Namen Dessau.
Mittheilungen des Vereins für anhaltischc Geschiclite. I. Bd., 6. Heft, 1876.
169. Evelt, Jul., über den Ursprung des Ortsnamens „Paderborn".
Zeitschrift für vaterländische Geschichte 4. Folge. 4. Bd. 8. Münster 1876.
170. Mülle nli off, K., Donau. Dunavu. Dunaj.
Zeitschrift für deutsches Altertlunn 20, 26 — 35.
171. Laftmann, E., och H. ll(ildebrand), Tvä grupper af fornsven-
ska ortnamn.
Vitterhets Historie och Antiqvitets Äkademieus Munadsblad 1876. S. 295—307.
VI. MUNDARTEN. 457
172. Andresen, K. G., zur deutschen Namenkunde.
Germania 21, 47—50.
17.3. Schwartz, J., die deutschen Volksnainen. Namenerkläruug. Eine
Festschrift. 8. (Gl S.) Stuttgart 187ß. Schwab.
174. Doornkaat Koolmann, J. ten, ein Excurs ül)er den Volksnamen
' Frese, Friese .
Ausland 1876, S. 374-376.
17.'). Bronisch, C. B., eine Conjectur über den Volksnamen Wende.
N. Lausitz, Magazin LH, 2 (187G).
176. Wagner, A., die deutschen Namen der ältesten Freisiuger Ur-
kunden. 8. (60 S.) Erlangen 1876. Deichcrt. M. 1, 60.
Vgl. Liter. Centralblatt 1877, Nr. 21; Zeitschrift f. d. österr. Gymnas. 28, 8. 9.
177. Du mm 1er, E., altdeutsche Namen.
Zeitschrift für deutsches Alterthnm 20, 115—117.
178. Grrässe, J. Th. , unsere Vor- und Taufnamen in ihrem Ursprung
und ihrer Bedeutung. 8. (46 S.) Dresden 1875. Zahn. 2 M.
Vgl. Magazin f. d. Liter, d. Auslandes 1876, Nr, 3.
179. Zilluer, launige Geschlechtsnamen aus Salzburg. Urbarien und
Steuerbüchern des 14. Jahrhunderts,
Mittheilungen des Vereins für Salzburg. Landeskunde 16. Jahrg. 1876.
180. Koch, E., Saalfelder Familiennamen und Familien aus dem 16.
und 17. Jahrhundert. 4. (36 S.)
Programm der Realschule zu Saalfeld 1877.
181. Knorr, W. , die Familiennamen des Fürstenthums Lübeck. 4.
(VIII, 55 S.)
Programm des Gymnasiums zu Eutin 1876.
182. Zuuz, gesammelte Schriften. 2 Bd. 8. (304 S.) Berlin 1876.
Gerschel. 6 M.
Vgl. Liter. Centralblatt 1876, Nr. 16. Enthält in der Schrift über 'Namen der
Juden' vieles zur deutschen Namenkunde.
183. Hoorebeeke, G. van, etudes sur Torigine des noms patronymiques
flamands et sur quelques questions qui sc rattachent aus noms. 8. (530 S.)
Bruxelles 1876. 10 fr.
184. Nederlandsche Spot- en Scheidnamen.
De Navorscher 1876, Lief, 5—6.
185. Winkler, Johan, Eeu en ander over fricsche Eigennamen.
Sonderabdruck aus: De Vrije Fries. Leeuwarden 1876.
186. Kehr ein, Joseph, Fremdwörterbuch mit etymologischen Erklärungen.
1.— 4. Lieferung. 8. (S. 1—384) Stuttgart 1876. Cotta. k M. 1, 60.
Vgl. Allgem. Zeitung 1876, Beil. 321; Schulfreund 33, 1.
187. Neumaun, Fr., die germanischeu Elemente in der provcnzalischen
und französischen Sprache. I. 8. Heidelberg 1876. Dissertation.
188. Schultze, M., die germanischen Elemente der französischen
Sprache. 8. (26 S.) Berlin 1876. Calvary. 1 M.
VI. Mundarten.
189. Wiuteler, J,, die Kereuzer Mundart des Cantous Glarus in ihren
Grundzügen dargestellt. 8. (XII, 240 S.) Leipzig 1876. Winter. 5 M.
Vgl. Liter. Centralblatt 1876, Nr. 10; Anzeiger f. d. Alterthum 3, 57 ff. (Scherer);
die deutschen Minidarten 7, 489 ff. (Tobler); Magazin f, d. Liter, d. Ausl. 1876, Nr. 29;
Jen. Liter. Zeitung 1877, Nr. 42 (Sievers).
458 BIBLIOGRAPHIE VON 1876.
190. Staub, F., ein schweizerisch-alemannisches Lautgesetz (Fortsetzung).
Die deutschen Mundarten 7, 191—207.
191. Meyer, Joh., das gedehnte e in nordostalemannischen Mundarten.
Die deutschen Mumiarten 7, 177 — 191.
192. Maeder, Adam, die letzten Zeiten der ehemaligen eidsgenössischen
Republik Mülhausen. In Sprache und Sittenbildern geschildert. Herausgeg. von
A. Stöber. 8. (VIII, 123 S.) Mülhausen 1876.
Vgl. die deutschen Mundarten 7, 50.3.
193. Czoernig, C. v., die Sprachinsel Devitschruth.
Zeitschrift des deutschen und österr. Alpenvereins 1875, S. 247 — 253. Stammt
aus dem 13. Jahrh. (Krain).
194. Czoernig, C. v., die deutsche Sprachinsel Zarz in Krain.
Zeitschrift des deutscheu und österr. Alpenvereins 7. Bd. 2. Heft. 1876.
195. Hurapert, über den sauerländischen Dialect im Hönne-Thale.
1. Theil. Programm des Gymnasiums zu Bonn 1876. 4. (47 S.)
Vgl. Jen. Liter. Zeitung 1877, Nr 42 (Sievers).
196. Bauerufeind, einige sprachliche Eigeuthümlichkeiten aus dem
Wupperthale. 4. Programm der Realschule II. Ordnung in Barmen 1876.
Vgl. Herrigs Archiv 58, 98 f.
197. Grün wald, M. , über den jüdisch-deutschen Jargon. 8. Buda-
Pesth 1876.
198. Eene sp elliugkwesti e.
Weckblad voor het lager-, middelbaar- eu hooger onderwijs. Groningen 1876.
Nr. 8. Zum Groningischen Dialect (Lautlehre).
199. Nicolai, A. F., über die Dialecte der englischen Sprache.
Herrigs Archiv 55 (1876), 383—406.
200. M iln er , G., the Lancashire dialect considered as a vehicle for poetry,
Transactions of the Manchester literary club. Session 1874 — 75. London 1876.
Trübner.
201. Papers of the Manchester literary club. Vol. 2. Session 1875
bis 76. (VI, 190 S.) London 1876, Heywood.
Enthält: a bibliogiaphical list of books illustrating the Lancashire dialect.
I 202. Elworthy, F., the dialect of West Somerset.
Publication der Dialect Society 1875.
203. Continuatiou of the bibliographical list of books thal illustrate
English dialects.
Ebenda 1875.
204. Blackie, J. St., the language and litcrature of the scottish High-
lands. 8. (326 S) Edinburgh 1876. Edmonston. 6 sh.
205. Staub, Fr., die Reihenfolge in mundartlichen Wörterbüchern und
die Revision des Alphabetes. 8. Zürich 1876.
206. Werfer, Dr., Volksausdrücke in Oberschwaben.
Korrespondenzblatt des Vereins für Kunst und Alterthum in Ulm. 1. Jahrgang
1876. 4.
207. Kramer, Fr., Idiotismen des Bistritzer Dialcctcs. 8. (83 S.)
Programm des evangel. Gymnasiums in Bistritz 1876. Vgl. Germania 22,
241 ff. 367 ff. (Schröer).
208. Spie SS, Beiträge zu einem hennebergischen Idiotikon.
Die deutsclien Mundarten 7, 129 — 176.
209. Bech, F., seltene Bezeichnungen von Feldgrundstücken in der
Mundart des düringisch-sächsischen Osterlandes.
Die deutsclien Mundarten 7, 253 — 255.
VI. MUNDARTEN. 459
210. Wörterbuch der mccklouburgisch-vorpommcrschen Mundart von
Mi. 8. (IV, 110 S.) Leipzig 187(j. Koc-li. 2 M. 00 Pfg.
211. Wocstc, F., Heiträge aus dem Niederdeutschen.
Zeitschrift für deutsche Philologie 7, 174.
212. Latendorf, Fr., kritische Beitrüge zu dem sogenannten Anliang
der Lauremberg'schen Scherzgedichte.
Germania 21, 53—66.
213. Chemnitz, E., und W. H. Mieick, die nd. Sprache des Tisch-
lergcwerks in Hamburg und Holstein.
Jahrbuch des Vereins f. nd. Sprachforschung 1875, S. 72—92.
214. Nodal, J. H. , and G. Mi In er, a glossary of the Lancashire
Dialect. I.
Publication der Euglish Dialect Society 1875.
215. Robinson, F. R., a glossary of words used in the neigbourhood
of Whitby. Part. I. (A— R.)
Publication der English Dialect Society 1875.
216. Deutsche Dialektdichter.
Deutsche Monatshefte 1876. 4. Jhg. 7. Bd. 1. Heft,
217. Bartels, D., der Grillenscheucher. Original-Gedichte in hoch- und
plattdeutscher Sprache. Hamburg 187G. Nestler und Melle.
218. Hebel's, J. L. , allemannische Gedichte. Neue vollständige Origi-
nalausgabe. 16. (XIV, 287 S.) Aarau 1876. SauerUinder. 3 M. 60 Pfg.
219. Hagen, K., Alemaunische Gedichte aus Vorarlberg.
Alemannia 4, 19 — 22.
220. Hagen, Caspar, Dichtungen in alemannischer Mundart aus Vorarl-
berg. III. Sammlung. 8. (874 S.) Innsbruck 1876. Wagner. 2 fl.
221. Schild, F. J., Aus dem Volk und für das Volk. Zwei Erzäh-
lungen in solothurncr Mundart, nebst einem Anhang von Gedichten. 8. (164 S.)
Bicl 1876. Kuhn.
222. Kobell, F. v., Gedichte in pfälzischer Mundart. 6. Auflage. 8.
(VI, 239 S.) Stuttgart 1876. Cotta. M. 2, 50.
223. Deklamator, der schwäbische. Eine Auswahl von Gedichten und
Aufsätzen in schwäbischer Mundart. 16. (32 S.) Reutlingen 1876. Enßlin und
Laiblin. 10 Pfg.
224. Griminger, Adolf, mei Derhoim. Gedichte in schwäbischer Mund-
art.. 3. Auflage. 8. (XXPV, 224 S.) Stuttgart 1876. Cotta. 3 M.
225. Keller, F., Döaraschleah von oigene und fremde Hecka. Eine
Sammlung von Gedichten in schwäbischer Mundart. 3. Auflage. 16. (104 S.)
Kempten 1876. Kösel. 80 Pfg.
226. Keller, F., Erdbörln os'm Wald. Gedichte in schwäbischer Mund-
art. 16. (151 S.) Ebenda. 1 M. 40 Pfg.
227. Kobell, F. v., Gedichte in oberbayerischer Mundart. 8. Auflage.
8. Stuttgart 1877. Cotta. 3 M. 50 Pfg.
228. Kobell, F. v., der Hansl' vo' Finsterwald. Der schwarzi Veitl.
's Kranzner Resei. 3 größere Gedichte nebst andern in oberbayer. Mundart.
2. Auflage. 16. Ebenda. 2 M. 25 Pfg.
229. Anzinger, P, , Eichenzweig und Daxbosch n. Hochdeutsche und
oberbayerische Gedichte. 8. München 1876. Fritsch. 3 M.
460 BIBLIOGRAPHIE VON 1876.
230. Stieler, K., Weil's mi freut! Neue Gedichte in oberbaier. Mund-
art. 8. (XX, 131 S.) Stuttgart 1876. Mayer und Zeller. 3 M.
2. Auflage 1876.
331. Sei dl, J. G., drei Jahrl'n uaeh'm letzt' u Fenslerl'n. Alpenscene in
Österreich. Mundart. 8. (13 S.) Wien 1876. Wallishauser. 1 M.
Wiener Theaterrepertoir Nr. 300.
232. Schnadah üpf 'in, 650 der schönsten, Oberlander Liadln, nebst's
letzte Fensterin'. 16, Reutlingen 1876. Enßlin und Laiblin. 20 Pfg.
233. Kogl, Gedichte in oberösterreichischer Mundart. 16. (60 S.) Linz
(Wien) 1876. Ebenhöch. 60 Pfg.
234. Misson, J.. „da Naz", a niederösterreichischer Bauernbui geht
in d'Fremd'. Gedicht in unterennsischer Mundart. 3. Aufl. Herausgegeben von
K. Landsteiner. 8. (HI, 72 S.) Wien 1876. Gerold. 1 M. 60 Pfg.
235. Schröer, deutsche Sprachproben aus Ungarn.
Die deutschen Mundarten 7, 220-227.
236. Palm, H., Proben schlesischer Schriftsprache aus dem XV. Jahr-
hundert.
Die deutschen Mvmdarten 7, 238—243.
237. Tschampel, G., Gedichte in schlesischer Gebirgsmundart. 4. Aufl.
Volks-Ausgabe. 16. (XII, 276 S.) Schweidnitz 1876. Heege. 1 M. 25 Pfg.
238. Allerlee aus der EberJausitz. AU'n Froind'n dar Eberlausitz ge-
widmet vun'n Verfass'r. 16. (IV, 98 S.) Bautzen 1876. Kühl. 1 M.
239. Sommer, A., Bilder und Klänge aus Rudolstadt in Volksmund-
art. S.Auflage. 1. — 6. Heft. 16. Kudolstadt 1876. Fröbel. k 1 M. — 7. Bänd-
chen. Ebenda. (112 S.) 1 M.
240. Keime un Biller, uordhüsche. 2 Nrn. gr. 4 (ä 8 S.) Nordhausen
1876. Haacke. k 25 Pfg.
241. Volksgespräche, Kölner, und Sprichwörter herausgegeben von
Dr. Alex. Reifferscheid. 8. Hannover 1876.
242. Honig, Fritz, der Boorejung em Thiater. Der Lehrjung. Humores-
ken. 16. (16 S.) Köln 1876. Heyn. 25 Pfg.
243. Honig, F., et BUtze. De Kaväntschaff. Frei nach gegebenen
Motiven. Ebenda. (16 S.) 25 Pfg.
244. Honig, F., des Sängers Flooch. Lotterbovestreich. Humoresken.
(15 S.) Ebenda. 25 Pfg.
245 Honig, F., Geschräppels. Humoresken. 1. Bd. 8. (96 S.) Köln
1875. Heyn. 1 M.
246. Leopold, J. A., cn L. Leopold, van de Scheide tot de Weich-
sel. Nederduitsche dialecteu in dicht en ondicht, uitgelezen en opgehelderd.
Groningen 1876.
Vgl. De Bodc! 1877, Nr. 1; Jen. Liter. Zeitung Nr. 42 (Sievers).
247. Gedichte, plattdeutsche, zum Dechuniren. 8. (III, 176 S.) Ham-
burg 1876. Richter. 1 M. 20 Pfg.
248. Husfründ, plattdütsche. Herutg. Willem Kastner. 1. Jahrg. fol.
Schiewig 1876. JohanLsen. 4 M.
249. Jürs, Heinrich, Hoch un Platt, for Jeden wat. Hochdeutsche und
plattdeutsche Gedichte. 8. (188 S.) Altona 1876. Grabow. 2 M. 70 Pfg.
250. Müller. A., plattdeutsche Gedichte. 2, Auflage. 16. (VI, 125 S.)
Hagen 1876. Butz. 2 M. 50 Pfg.
VT. MUNDARTEN. 40 1
251. Schacht, H. , phitttkiitsche Gedichte zum Vortrag in geselligen
Kreisen. 3. AiiHage. 8. (56 S.) Iluiuburg 1870. Richter. 75 Pfg.
252. Vorbrodt, F. A., übberswemnit ! En swartes Blatt. Oder eu par
Bilder ut nc swere Tid. 8. (13 S) Schönebeck 1876. Schmidt. 25 Pfg.
253. Vorbrodt, F. A., en bettchen vvat Spassiges ut de Watertid 1876.
8. (16 S.) Schönebeck 1876. Schmidt. 25 Pfg.
254. Grimme, F. W. , Schwanke und Gedichte in sauerländischer
Mundart. 0. AuH. 8. (207 S.) Paderborn 1876. Schöningh. M. 1, 50.
255. Grimme, F. W., Jaust und Durtel oder de Kiärmissengauk.
Lustspiel in sauerländischer Mundart. 2. Auflage. 16. (84 S.) Münster 1877.
Nasse. 1 M.
256. Höarmeckan, F., „Je länger je lewer". Stöckskes on Vertell-
sches en Wopperdhaler Mongkaat. 8. (111 S.) Elberfeld 1876. Löwensteiu. 1 M.
Vgl. Magazin f. d. Liter, d. Ausl. 1877, Nr. 6.
257. Woeste, F., Bu R(!inke de Foss sin wif op de Prouve stellt.
Die deutschen Mundarten 7, 228 — 237.
258. Holthusen, Gustav, ole Erinnerungen, Gedichten un Geschichten
in Bremer Mundart. 1. Decl. 12. (109 S.) New- York 1876. Willmer und Ro-
gers. 2 M.
259. Piening, Th., de tweete Reis na'n Hamborger Dom. 2 Deele.
2. Oplag. 8. Hamburg 1876. Richter. 1 M.
260. Grothe, K,, Ut min Jungsparadies. Dree Vertelln. 8. (VII, 184 S.)
Berlin 1876. Stilke. 2 M.
261. Beuthien, Angelius, Sleswig-Holsteeuer Buerngeschichteu. Klaas
Hinnerk. 1. Bd. 8. (VII, 182 S.) Lübeck 1876. Seelig. 3 M.
262. Stabenow, h., Wordennig as Hinnerk und Krüschan op Fehmarn
över de Socialdemokraten snackt. 8. (12 S.) Kiel 1876. Haeseler in Comm.
80 Pfg.
263. Bunte Biller ut min' Kinnerjohren. Von Enen, de sineu Namen
woll für sich behollen mücht. 8. (IV, 215 S.) Neustrelitz 1876. Barnewitz.
M. 2, 25.
264. B rinckman, John, ausgewählte plattdeutsche Erzählungen. Bd 1.
3. Auflage. (VI, 315 S.) Rostock 1877. Werther. 3 M.
265. Brinckman, John, Voss un Swinegel oder dat Brüden geit um.
2. Auflage, herausgegeben von Dr. K. Nerger. 8. (VI, 25 S.) Rostock 1877.
Werther. 60 Pfg.
266. Keller, E. 0., De Peerlotterie. En lustig Stückchen von 011
Bohlmann ut groot Zimpelhoagen. Plattdütsch verteilt. 16. (31 S.) Pyritz 1875.
Backe. 30 Pfg.
267. Reinhardt, G., Harwstblaumen. Plattdütsche Gedichte. 8. (40 S.)
Güstrow 1876. Opitz u. Co. 50 Pfg.
268. Quitzow, W. A. , Mekelnbörger Geschichten. 2. Bd. Hanne
Möller un sin Mudder. Verteilt för Jung un Olt. 8. (247 S.) Leipzig 1877.
Koch. 2 M. 40 Pfg.
269. Wellner, C. G., wat sick dat Volk verteilt. Plattdütsche Ge-
schichten, dei würklich passirt sünd. 8. (96 S.) Rostock 1876. Stiller. 1 M.
25 Pfg.
462 BIBLIOGRAPHIE VON 1876.
270. Lucia, Ellen (W. Weyergang), olle Scharteken. Vel im noch wat
van taa Hus. Erzählungen im plattdeutschen Dialekt. 1. Bd. 8. (Ill, 229 S.)
Greifsvvald 1876. Bamberg. 3 M.
271 Pächter, T. M., Korl un Lotting. 8. (IV, 141 S.) Greifswald
1876. Bindewald. 2 M.
272. Bijekoer, de, frisk jierbockje for't skrikkeljaer 1876. 8. (16 und
80 S.) Frjentsjer 1876. Telenga. 30 c.
278. Swanneblummen. Jierbokje for it jier 1876. 8. (XII, 8 S.) Her-
ren ven 1876. Hingst.
274. Dijkstra, Waling, De Boeresjonger. Ny frisk lieterboek. Fre-
antsjer 1876. f. 0, 30.
275. Dijk stra, Waling, Sokke mar raear. Kluchtspel mei sang. Ebenda,
f. 0, 30.
276. Dijkstra, Waling, Friske winterjune-nocht. Foardrachtcn in rim
en unrim. 5^ boek. 8. (175 S.) Freantsjer 1876. Telenga. 1 f.
277. Dijkstra, Waling, Oebele glüper. Blyspil in fiuf bidrjuwen. Fry
forfriske nei Moliere's Tartufe. 8. (96 S.) Ljeawerd 1876. Kuipers. 60 c.
278. Kaertlidster, de, fan Gritsebürren. Toanielstik in tiouer üt-
komsten. Oarde printinge. 8. (64 S.) Frentsjer 1876, Telenga. 30 c.
VII. Mythologie.
279. Grimm, J., deutsche Mythologie. 4. Ausgabe, besorgt von E, H.
Meyer. 2. Bd. 8. (XLIII, S. 539—1044) Berlin 1876. Dümmler. 12 M.
Vgl. Revue critique 1877, Nr. 14,
280. Colshorn, Th., deutsche Mythologie fürs deutsche Volk. 2. Aufl.
8. (XXVI, 412 S.) Hannover 1877. Rümpler. 6 M.
Vgl. Nordd. Allg. Zeitung 1876, Nr. 269; Europa Nr. 50; Hamburg. Corre-
spondent Nr. 287; Neue Freie Presse Nr. 4509; Anzeiger für die neueste päd. Lit.
1877, Nr. 7.
281. Perls, A., altdeutsche Götterlehre. 8. (VIII, 79 S.) Leipzig 1876.
Webel. 1 M. 20 Pfg.
Vgl. Grenzboten 1876, 32; Allg. Modenzeitung Nr. 37.
282. Winter, A., Walhalla. Mythologie der alten Deutschen. 8. Aufl.
8. (22 S.) Langensalza 1876. Schulbuchhandlung. 75 Pfg.
283. Anderson, R. B. , Norse Mythology: or the religion of our
forefathers. Containing all the mytlis of the Eddas , systematized and inter-
preted. With an introduction, vocabulary and index. 12. (473 S.) Chicago 1876.
12 s. 6 d.
284. Hörn, Fr. Winkel, Vore Ftedres Guder, en kortfattet nordisk My-
thologi til Folketesning og Skolebrug. 8. (IV, 110, 2 S.) Kjöbenh. 1875.
285. Petersen, Henry, Om Nordboernes gudedyrkelse og gudetro i
hedenold, en antikvarisk undersagelse. 8. (137, 1 S.) Kjobenhavu 1876.
286. Fritzner, Job., Lappernes Hedenskab og Trolddomskunst, samuicn-
holdt med andre Folks, isajr Nordmrendenes, Tro og Overtro. Christiania 1876.
83 S. 8.
287. Grund tvig, N. F. S., Bragc-Snak om gracske og nordiske Myter
og Oldaagn for Damer og Herrer. Foredrig, holdte i Vintercn 1843 — 44.
Andet Oplag. 8. (382 S.) Kopenhagen 1876. Schönberg. 3 kr. 50 ö.
VII. MYTHOLOGIE. 46^^
288. Ilnfin, J. G. v., sagwissenschaftliche Studie», gr. 8. (XII, 708 S.)
Jena 187G. Mauke. 12 M.
Vgl. WeHtermaiins Monatshefte 1877, September.
289. Melilis, C, Studien zur deutschen Mythologie.
Das Ausland 1876, Nr. 29—52.
290. Hahn, Werner, der germanische Mythus und die bildende Kunst,
Zeitschrift für bildende Kunst 11. Bd. 10. Heft (1876).
291. Lütolf, A., kleine Beiträge zur Mythologie.
Germania 21, 80.
292. Körner, Prof. Fr., Deutsche Götter und Göttersagen, soweit sie
sich in Dichtung, Sprüchwort und Brauch lebendig erhalten haben. Eine
Vorschule zum Verständniss der deutscheu Literatur. 8. (IV, 412 S.) Leipzig
1876. Douffet. 5 M.
Vgl. Deutsche Schule IV, 4; Anzeiger f. d. neueste pädag. Lit. 1877, Nr. 7.
293. Wedde, J., Miscelien aus dem Sachsenwalde.
Jahrbuch d. Vereins f. nd. Sprachforschung 1875, S. 101 — 105.
294. Was sich das Volk in Ostfriesland von Werwölfen und Waalrideru
erzählt.
Der Globus v. R. Kiepert 29. Bd. (1876).
295. Merkelt, Untersuchungen über den Freyja-Mythus. 8. (XVIII S.)
Programm des Matthias-Gymnasiums zu Breslau 1876.
296. Haupt, K., germanische Dionysien.
N. Lausitz. Magazin (1876) 52. Bd. 1. Heft.
297. Hahn, Werner, Nacht und Tag in der mythischen Poesie der
Germanen.
Archiv für das Studium der neueren Sprachen 56 (1876), 1 — 10.
298. Chevalier, L.^ der deutsche Mythus in der Pflanzenwelt. 8.
(44 S.) Programm des Realgymnasiums zu Smichow 1876. Prag, Dominicus
in Conim.
299. Mannhardt, W., Klytia. 8. (52 S.) Berlin 1876. Habel. 1 M.
Sammlung gemeinverst<ändl. Vorträge Nr. 239. Vgl. Revue critique 1876, Nr. 50.
300. Bazing, die Verehrung des Misteis, ein Rest heidnischen Glaubens.
Korrespondenzblatt des Vereins für Kunst und Alterthum in Ulm. 1. Jhg. 1876.
301. Müllenhoff, K., Segen und Gebete.
Zeitschrift für deutsches Alterthum 20, 20 — 25.
302. Müller, Alois, ein mit hebräischen Buchstaben niedergeschriebener
deutscher Segen gegen die Bärmutter.
Zeitschrift für deutsches Alterthum 19, 473 — 478.
303. Schönbach, A., und K. Müllenhoff, ein Bruchstück des To-
biassegens.
Zeitschrift für deutsches Alterthum 19, 495 — 497.
304. Baader, J., zur Geschichte des Hexenwesens.
Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit 1876, Sp. 225—230, 259—270, 292
bis 299.
VIII. Märchen und Sagen.
305. Grimm, J., und W., Kinder- und Hausmärchen. Kleine Ausgabe.
23. Aufl. 16. (IV, 311 S.) Berlin 1876. Dümmler. IM. 50 Pfg.
306. Grimm, de Gebroeders, Sprookjes en vertellingen. Naar de lOe
volledige uitgave uit het Hoogduitsch door A. van der Velde. Met een voor-
woord door M. P. Lindo. 3. en 4. deel. (230 u. 236 S.) 's Gravenhage 1876.
V. Cleef. k 1 f . 75 c.
464 BIBLIOGRAPHIE VON 1876.
307. Bechstein, L., neues deutsches Märchenbuch. 30. — 32. Auflage.
8. Wien 1876. Haitieben. M. 1, 20.
308. Löhr's, J. A. C, deutsche Märchen. Neu geordnet von G. Harrer.
8. (226 S.) Leipzig 1876. Berndt. 3 M.
309. Sclimidt, Ferd., Buch deutscher Märchen. Für Schule und Haus
gesammelt. 3. Auflage. 8. (V, 230 S.) Berlin 1876. Haack. 4 M. OO Pfg.
310. Hansen, R. , dithmarsische Märchen, in dithmarsischer Mundart
aufgezeichnet.
Zeitschrift der Gesellschaft für Schlesw.-Holst. Lauenb. Gesch. 7. Bd.
311. Köhler, Ernst, deutsche Sagen im Lichte der Geologie. Ein
Vortrag.
Bildungsblätter für unser Volk, 4. Serie, 2. Heft. London 1876. W. Wohlauer.
312. Birlinger, A, Zauber- und Gespenstergeschichten.
Alemannia 4, 161—181.
313. Rothenbach, J. E. , Volksthümliches aus dem Kanton Bern.
Localsagen und Satzungen des Aberglaubens. 8. Zürich 1876. Schmidt. 1 M.
20 Pfg.
314. Sc hau -in 's Land. Blätter für Geschichte, Sagen, Kunst und
Naturschönheiten des Breisgaus. 1., 2. und 3. Jahrg. ä 12 Nrn. 4. Freiburg
1876. ä 6 M.
315. Stoffel und Stob er, sechs elsässische Sagen und Volksmärchen.
Alsatia 1875—76.
316. Goedsche, H., die Sage vom Ottilienstein, 6. Auflage. 16. Suhl.
1876. Kaufmann. 25 Pfg.
317. Sepp, Altbayerischer Sagenschatz zur Bereicherung der indoger-
manischen Mythologie. 8. (XVI, 735 S.) München 1876, Stahl. 8 M.
Vgl. Alfgem. Zeitung 1876, Nr. 361 f.; Wiss. Beilage d. Leipz. Ztg. 1877, Nr. 19.
318. Heller, Prof. Ambros, Sagen aus der Douaugegend Niederösterreichs.
Blätter des Vereins für Landeskunde Niederösterreichs N. F. 9. Jahrg. (1876).
319. Volkssagen, kärntnerische.
Cariiithia 65. Jahrg. (1875).
320. Peter, A., Volksthümliches aus Österreich-Schlesien. IH. 8. Te-
schen 1876. Prochaska in Comm. 2 M. 80 Pfg.
321. Richter, J. W. Otto, das deutsche Kyflfhäuserbuch. Geschichte,
Sagen und Volksleben. Eisleben 1876. Mähnert. 2 M,
Vgl. Liter. Centralblatt 1876, Nr. 32; Europa 1876, Nr. 32; Blätter f. d. bayer.
Gymnasien XIII, 3.
322. Simrock, K., Rheinsagen. 7. Auflage. 8. Bonn 1876. Weber.
4 M. 50 Pfg.
323. Kiefer, F. J. , die Sagen des Rheinlandes von Basel bis Rotter-
dam. 4. Auflage. 8. (IV, 314 S.) Mainz 1876. Kopp. 3 M.
324. Ei chwald, K., und J. Töbelmann, Bremer Schwank und Sage
in Wort und Bild. 1. Serie. Fol. (12 autogr. Bl.) Bremen I87G. Tannen. 2 M.
325. Handelmann, H., der Kliiikerbcrg und die Wittorfer Burg im
Kirchspiel Neumünster. Die Wulfsburg oder Wolfsbüttel. Die Stellcrburg.
Zeitschrift des Vereins f. Schlesw.-IIolst. Geschichte V, 148 ff. (187.5).
326. Schottmüller, A., die Krügcrin von Eichmedien.
Programm des Gymnasiums zu Bartenstein 1875.
VIII. MÄKCIIEN UND SAGEN. 465
327. Grundtvig, S. , danske Folkccvftntyr cftei utrykte Kilder gjen-
fortallo. 8. ('240 S.) Kopenhagen 187G. Ileitzel. 1 Kr. 50 ö.
328. Kristensen, E, T. , jydske Folkesagn, sainlede af Folkijniunde.
1. u. 2. Heft. 8. (ä 80 S.) Kopenbagen 187G. Gyldendal. k 1 Kr.
329. Asbjörnscn, P. Chr., Noordsche volksvcrtclliugen. Vcrtaald door
T. Terwey. 8. ("xil, 224 S.) Ilaarlem 1876. Kruseman. 1 f. 90 c.
330. Hy Iten- Caval lius, G. O., och G. Stepliens, Svenska folk-
sagor. 8. (185 S.) Stockholm 1876. Norstett. 3 kr. 50 ö.
331. Säve, P. A., Akerns Sagor. Spridda drag ur odhngshäfderna och
folklifvet pä Gothiiid. 8. (140 S.) Stockholm 1876. Norstett och Söner.
1 kr. 50 ö.
332. Juvenca Margaretha, on vestmanländsk folksägen.
Dybeck, Runa II, 3, 187G.
333. Djurkiou, G., Sagor i Svenskt landsmäl.
Nu 1876, S. 41—45, 68—71.
334. Lieb recht, F., Isländisches.
Germania 21. 67 — 75. Volksüberlieferung.
335. Liebrecht, F., zur deutschen Helden.sage.
Germania 21, 67—68.
3*36. Bartsch, K. , come ha preso forma poetica la leggenda dei Ni-
belunghi ?
Kivista Internazionale 1876, S. 2—6. 33— .36.
337. Wolzogen, H. v. , der Nibelungenmythos in Sage und Literatur.
8. (XVI, 143 S.) Berlin 1876. Weber. 2 M. 40 Pfg.
Vgl. Europa 1876, Nr. 24; N. Preuß. Zeitung, Sonntagsbeilage 25; Lehmanns
Magazin Nr. 27; Schwab. Merkur Nr. 173.
338. Finger, F. A., die Sage von den Nibelungen für die Jugend er
zählt. 3. Aufl. 16. (XVI, 127 S.) Frankfurt a. M. 1875. Winter. 2 M.
339. Morris, Will., the story of Sigurd the Volsung, and tue fall of
the Nibelungs. 8. (392 S.) 1876. 12 s. (Dichtung.)
340. Haustein, M., die Aslaug-Sage. 8. Berlin 1876. 1 M. 50 Pfg.
(Dichtung.)
Vgl. D. Rundschau II, 11; Gegenwart 1876, Nr. 34; Europa Nr. 34.
341. Richter, A., Götter und Helden. Griechische und deutsche Sagen.
3 Hefte. 8. Leipzig 1876. Brandstetter. 3 M. 60 Pfg.
Vgl. Die deutsche Volksschule 1876, Nr. 9.
342. Schlegel, Friedrich, Romantische Sagen und Dichtungen des
Mittelalters. Neue Ausgabe. 8. Bonn 1876. Lempertz. 2 M.
343. Osterwald, K. W., Erzählungen aus der alten deutschen Welt.
4.-6. Theil. 8. Halle 1876. Waisenhaus, k 2 M.
4. König Rother. Engelhart. 3. Aufl. (VIII, 192 S.) — 5. 6. Parzival. 4. Aufl.
(VI, 224, VI, 244 S.)
344. Osterwald, K. W., Erzählungen aus der alten deutschen Welt.
11. Theil. Alte deutsche Volksbücher in neuer Bearbeitung. 3. Bd. Die Hei-
monskinder. 8. (196 S.) Halle 1876. Waisenhaus. 1 M. 50 Pfg.
345. Richter, A., Iweiu und Parzival. Zwei Rittersagen des Mittelalters
erzählt und erläutert. 8. (III, 284 S.) Leipzig 187G. Brandstetter. 3 M.
Vgl. Herrigs Archiv 58. Bd 2. Heft.
GKRMANIÄ. Neiip Reihe X (XXII. Jabrg.) 30
46G BIBLIOGRAPHIE VON 187G.
346. Bäßler, F., Sagen aus der Geschiebte des deutschen "Volkes
(4. Heft der 'Neuen Folge der Heldengeschichten des Mittelalters). 2. Autl. 8.
(XVI, 453 S.) Berlin 1875. Decker. 4 M. 50 Pfg.
Vgl. Lehmauns Magazin 1876, Nr. 15; die d. Schule IV, ü.
347 . D ü m m 1 e r , E., zur Tierfabel.
Zeitschrift für deutsches Alterthum 20, 213—215.
348. Zarncke, F., zur Geschichte der Gralsage.
Paul und Braune, Beiträge .3, 304-334.
349. Y seint Greal, beiug the adventures of King Arthur's knights of
the round table, Edited by R. Williams. 3 Parts. London 1874 — 187(5.
Vgl. Liter. Centralblatt 1876, Nr. 7 und 37.
350. Compart, F., die Sagenüberlieferungen in den Tristan - Epen
Eilharts von Oberge und Gottfrieds von Straßburg. 8. (44 S.) Güstrow
1876. Opitz.
Vgl. Liter. Centralblatt 1877, Nr. 34.
351. Bechstein, E. , Tristan und Isolt in deutschen Dichtungen der
Neuzeit. 8. (VIII, 235 S.) Leipzig 1876. Teubner. 4 M.
Vgl. Europa 1876, Nr. 26; D. Dichterhalle V, 16; Arch. f. Lit. Gesch. 6, 434
bis 437 (Boxberger); Liter. Centralblatt 1877, Nr. 2 (Paul); BI. f. liter. Unterh
1877, Nr. 19; Herrigs Archiv 58. 2. Heft.
352. Zarncke, Friedrich, der Priester Johannes. 2. Abtlieilung , ent-
haltend Cap. IV,- V und VI. 4. (186 S.) Leipzig 1876. Hirzel.
Aus dem Vlll. Band der Abhandlungen der k. sächs. Gesellschaft der Wissen-
schaften. Vgl. Liter. Centralblatt 1877, Nr. 21 (Selbstanzeige) ; Anzeiger f. d. Alter-
timm 3, 165 ff. (Steinmeyer); Zeitschrift f. d. österr. Gymn. XXVIII, 7.
353. Bruun, Ph., die Verwandlungen des Presbyters Johannes.
Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde 11. Bd. 1876.
354. Brosch, M., die Friedrichsage der Italiener.
Histor. Zeitschrift 18. Jahrg. (1876), 1. Heft.
355. Rochholz, E. L., Teil und Geßler in Sage und Geschichte. Nach
urkundl. Quellen. 8. Heilbronn 1876. Henninger.
Vgl. Liter. Centralblatt 1877, Nr. 2; Europa 1876, Nr. 33. 36; Im neuen Reich
Nr. 37; Wiener Abendpost Nr. 218 ff.; Frankf. Zeitung 269, I; Gienzboten Nr. 42 f.;
AUgem. Zeitung 1877, Nr. 50; Nordd. allgem. Zeitung Nr. 264; Westermaiius Mo-
natshefte Nr. 246; Schwab. Merkur Nr. 293; Bibliogr. d. Schweiz VI, 11. 12; Theo-
log. Literaturbl. Nr. 8; Revue critique Nr. 24; Lehmanns Magazin Nr. 27; Mitthei-
lungen aus der histor. Liter. V, 3.
356. Busch, M., die Mythe von W^ilhelm Teil. I. II.
Die Grenzboten 1876, Nr. 42. 43.
357. Meyer v. Knonau, G., aus mittleren und neueren Jahrhunderten.
8. (X, 259 S.) Zürich 1876. Schulthess. 4 M.
Vgl. Liter. Centralblatt 1877, Nr. 33. Enthält einen Aufsatz über die Tellsage.
358. Schillers Wilhelm Teil auf seine Quellen zurückgeführt und
sachlich und sprachlich erläutert von Joachim Meyer. Nach des Verf. Tod neu
herausgeg. von Hugo Barbeck. I. Anhang: Literatur der Tellsage. II. Anhang:
Literatur des Schillerschen Teil. 4. Nürnberg 187G. Heerdegen. 1 M. 80 Pfg.
359. Lieb recht, F., von den drei Frauen.
Germania 21, 385—399.
360. Schwebel, Oscar, der Tod in deutscher Sage und Dichtung. 8.
Berlin 1876. Weile.
Vgl. Liter. Centralblatt 1876, Nr. 33; Blätter f. liter. Unterh, 1877, 7; Hamb.
Reform 1876, 64.
IX. VOLKS- UND KlNDMlvTJKDKR, SPRICIiWORTEli etc. 407
3()1. Dfia Todt nnroi eil in dcnlsclior Sage, uiul Diclitmig.
Europa 187G, Nr. 1!).
o()2, Grrässc, .). (jl. I li. , (Jcsclileclits- Namon- und Wappensagen des
Adels deutscher Nation. Mit 178 Abbildungen. 8. fVI, 192 S.) Dresden
187Ü. Seliönfeld. 10 M.
Vijl. Über Land luid Meer ISTO, 4G; Liter. Correspondcnz I, 2; Liter, Central-
blatt 1877, Nr. 'JG.
IX. Volks- und K i n d e r li e d e r , ö p r i c h w ö )• t e r , Sitten und G c b r :l u e li e.
3G3. Liederbueli, altdeutsches. Volkslieder der Deutschen nach Wort
und Weise aus dem 12. bis zum 17. Jahrhundert. Gesammelt und erläutert
von Franz M. Böhme, gr. 8. (LXXII, 832 S.) Leipzig 1876. Breitkopf und
Härtel.
Vgl. AUgem. Zeitung 1877, Nr. 35 (Köstlin); Monatshefte f. Musikgeschichte
IX, 3; Illustr. Zeitung 1775; Liter, Centralblatt Nr. 24; Liter, Handweiser XVI, 9.
364. Arnim, A. L. v., und Cl. Brentano, des Knaben Wunderhorn.
Alte deutsche Lieder. Gesammelt. 14, Lief. (2 Bl. S. 257—320) 8. Wies-
baden 187G. Killinger. 1 M. 20 Pfg.
365. Erk, L. , Weinkauff, und die Herausgeber, zu des Knaben
Wunderhorn.
Alemannia 4, 33—45.
366. Baumert, L., deutsehe Volkslieder. 2. Aufl. 8. Langensalza 1870.
Beyer. 40 Pfg.
367. Deutsche Lieder. Festgruß an Ludw. Erk zum 50jährigen Dienst-
jubiläum. Berlin den 10. Juni 1876. Dargebracht von A. Birlinger und W.
Crecelius. Heilbronn 1876. Henninger. M. 1, 60.
Vgl. Liter. Centralblatt Nr. 50; Im neuen Keich 37; Westermanns Monats-
hefte Nr. 247.
368. Liliencron, R. von, ein neues Lied auf die Sempacher Schlacht.
Historisches Taschenbuch 5. Folge. 6. Jahrg. (187G).
369. Krause, K. E. H. , Rostocker historisches Lied aus dem Accise-
streit 1566.
Jahrbuch des Vereins f. nd. Sprachforschung 1875, S. 57 — 05.
370. Wagner, J. M., ein historisches Volkslied vom Jahre 1689.
Die deutschen Mundarten 7, 243—252.
371. Crecelius, W., zur Crailsheimer Schulordnung.
Alemannia 4, 16 — 18 (Lieder).
372. Run das und Eeimsprüche aus dem Voigtlaude. Mit 22 voigtländ.
Schnadahüpfl-Melodien. Gesammelt und herausg. von Dr. Herrn. Dünger. 8.
Plauen 1876. Neupert. 4M. 50 Pfg.
Vgl. die deutschen Mundarten VII, 506; Wiener Abendpost 1876, Nr. 187;
Wissenscliaftl. Beilage der Leipz. Zeitung Nr. 67; Blätter f. d. bayer, Gymn. XII, 6;
Blätter für liter. Unterhaltung 1877, 40.
373. Frisch hier. Ostpreußische Volkslieder.
Die deutscheu Mundarten 7, 208—219.
374. Steiner, 0., die winileod und zwei ungedruckte ostpreußisehe
Varianten des Herderschen Volksliedes Kein schönre Freud auf Erden ist'.
Germania 21, 209-213.
375. Knips er, J., das kirchliche Volkslied in seiner geschichtlichen
Entwicklung. 8. Bielefeld 1875. Velhagen und Klasing. 3 M.
Vgl. Mittheil. u. Nachrichten f. d ev, Kirche in Rußland 31, 2.
30*
4ß8 BIBLIOGRAPHIE VON 1876.
376. Loon, J. vau, en M. de ßoer, it lieteboek. Frysce sang. 4. (VIII,
136 S. mit Musiknoten.) Heanenfean 1876. 1 f. 60 c.
377. Percy, Bp. , Reliques of ancient English poetry. Edited by ,1.
Prichard. 2 vols. 8. (999 S.) London 1876. Bell and Sons, a 3 sh. 6 d.
378. Böddeker. K., Englische Lieder und Balladen aus dem 16 Jahr-
hundert, nach einer Handschsift der Cottoniauischeu Bibliothek des Britisehcn
Museums (Schluß).
Jahrbuch für romanische und englische Sprache und Literatur 15, 92 — 129.
379. Gilpin, Sidney, the populär poetry of Cumberland and the Lake
Country, with biographieal sketchos and notes. 12. (VIII, 246 S.) 1876.
3 sh. 6 d.
380. Paterson, W. , ancient ballads and songs of the Nord of Scot-
land. 2 vols. 8. 15 s.
381. Friis, P., udsigt over de danske kaempeviser og folkesange fra
middeialderen. 8. (VII, 79 S.) Kjöbenhavn 1875. Wöldike. 1 kr.
382. Faedr e land ssange og folkesange, nordiske, samlede af C. Vagü
og J. Nörregärd. Andet oplag. 8. (388 S.) Kopenhagen 1876. Schönberg.
1 kr. 20 ö.
383. Fredrek pä Rannsätt, Viser pä varmlandske tongmäle. Annre
pränte. 12. (60 S.) Stockholm 1876. Norstedt. 50 ü.
384. Derselbe, Speller nye wiser pä varmlandske tongmäle. 8. (45 S.)
Ebenda. 50 ö.
385. Danmarks gamle Folkeviser, udgivne af S. Grundtvig. 4. Dels
4. Hfefte. 8. (192 S.) Kjöbenhavn 1876.
386. Liebrecht, F., Offenes Sendschreiben an Herrn Professor Svend
Gruudtvig in Kopenhagen.
Germania 21, 252-255.
387. Svenska f olkmelodi er.
Dybeck, Runa II, 3. 1876.
388. Spiele und Reime der Kinder in Osterreich. Herausg. von Th.
Vernaleken und F. Branky.
Hand-Bibbothek f. Lehrer und Schulfreunde. 3. Bdchn. 8. Wien 1876. Sall-
raayer u. Co. 1 M. 60 Pfg.
389. Meier, H., das Kind und die Volksreime der Ostfriesen.
Der Globus 29- 30. Bd.
390. Hagen, H., antike und mittelalterliche Räthselpoesie. Eine populäre
Skizze. Neue Ausgabe. 8. (51 S.) Bern (1869) 1877. Frobeen u. Co. 1 M.
Vgl. Bibliographie der Schweiz 1877, Nr. 5.
391. Räthselbuch, Straßbiirger. Die erste zu Straßburg ums J. 1505
gedruckte Rätbselsammlung. Neu herausg. von F. A. Butsch. 8. Straßburg 1876.
Trübner. 4 M.
Vgl. Grenzboten 1876, Nr. 41.
392. Wander, K. F. W., Deutsches Sprichwörterlexicon. 56.-59. Liefg.
hoch 4. (Bd. 4, Sp. 1281—1792.) Leipzig 1876. Brockhaus, ä 2 M.
IX. VOLKS- UND l{IM>Kin,IKl)ER, SPKICIIWÖKTKK etc, .\f^(j
;J93. Wie diis Volk spricht. Spricliwürtliche Redensarten. Heruusgeg. von
E. lloofcr. 8. vciinolirte Auflage. !•;. (IV, 226 S.) Stuttgart 1876. Kröner.
M. 2, 40.
Vgl. Die deutschen Minularten VI, 496 ff. (Latendorf).
394. Der Deutschen Sprichwörter und Spruclnedcn. 8. i'lSl S. mit
Holzschnitten.) Leipzig 1876. Wigiind. 1 .M.
395. Osenbrüggen, Ed., die deutschen lieclitssprichwörter. 8, (40 S.)
Basel 1876. Schweighauser. 80 Pfg.
Öffentl. Vorträge 3. Bd. (». Heft.
396. Franc k's, Seh., erste namenlose Spricliwövtcrsammlung vom .Jahre 1532
herausgegeben von Fr. Latendorf. 8. (4 ßl., 368 S.) Pösneck 1876. Latendorf.
Vgl. Zeitschrift f. d. Pliilologie 8, 375 ff. (Lübbon); Liter. Centralbiatt 1877,
Nr. 7 ; Lehmanus Magazin Nr. 9 ; Jenaer Liter. Zeitung Nr. 22.
397. Latendorf, F., zu Seb. Francks Sprichwörtern vom Jahre 1532.
Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit 187(j, Sp. 363-364.
398. Glandorpii, J. , Monasterieusis, Disticha ad bonos mores parae-
netica quae tantum uon omnia ex germanicis Agricolae proverbiis conversa esse
ostcndit. Edidit W. H. D. Surin gar. Liber primus. 8. (4, XXIV, 122 S.)
Lugduni Batavorum 1876. f. 1, 75.
399. Suringar, Dr. W. H. D. , Joannes Glandorpius in zijne Latijn-
sche Disticha als Vertaler van Agricola's Sprichwörter aangewezen. Tweede
gcdeelte. 8. (XXIV, 122 S.) Leiden 1876. Brüll.
Vgl. Liter. Centralblatt 1876, Nr. 41.
400. Junker und Pfaften im Gewände des Sprichwortes und unter der
Geissei des Volkswitzes. 2. Auflage. 8. Berlin 1876. Denicke. 1 M.
401. Stuhlmann, C. W., das Weib im plattd. Sprichwort.
Globus von Kiepert 29. Bd. (1876).
402. Schulze, C, Deutsche Spruchweisheit auf Münzen, Medaillen und
Marken.
Archiv für das Studium der neueren Sprachen 56 (1876), 65 — 90.
403. Ra tilg eher, J., Sprichwörter und sprichwörtliche Redensarten aus
dem alten Hanauer Laude.
Alsatia 1875-76.
404. Heigel, K. Tb., Spruchweisheit der Landshuter Stadtschreiber.
Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit 1876, Sp. 79 — 80. (16. Jh.)
405. Kern, VV. G. , und W. Willms, Ostfriesland wie es denkt und
spricht. Eine Sammlung der gangbarsten ostfries. Sprichwörter und Redensarten.
Mit einem Vorwort von W. J. Jütting. 3. (Titel-)Auflage. 8. (XVI, 137 S.)
Bremen (1871) 1876. Kühtmann. M. 1, 80.
406. Sprichwörter, preußische, und volksthümliche Redensarten. Ge-
sammelt und herausgegeben von H. Frischbier. 2. Sammlung. 8. (XII, 264 S.)
Berlin 1876. Enslin. 4 M.
Vgl. Liter. Centralblatt 1877, Nr. 19.
407. Floto, X für U.
Germania 21, 255 f.
408. Zeemann, C. F., Nederlandsche spreekwoordcn , spreekwijzen,
benamigen en volksuitdrukkingen , aan de bijbel ontleend. Bekroond door de
„Hollandsche maatschappij van fraaie kunsten en wetenschappen". 1. Stuk.
8. (VIII, 264 S.) Dordrecht 1876. f. 3.
Vgl. Weekblad voor het onderwijs 1876, Nr. 27.
470 BIBLIOGKAPHIE VON 187B.
409. Herroem, A. E. B. , Bacchus iu Spreekwoordeutaal aangetoond
in eenige houderden Spreekwooideu en spreckwoordelijkc Gezcgdeu. 8. (VIII,
152 S.) Goriuchcm 1874. Schock. 1 fl.
Vgl. Liter. Ccntralblatt 1876, Nr. 10.
410. Hendersou, Andrew, Scottish provcrbs. New edition, with cx-
phmatory notes and a glossary by J. Donald. 12. (2'2(3 S.) 1876. 3 sh.
411. Rasmussen, H. V.^ danske Ordsprog. Audet oplag. 8. (28 S.)
187Ü. 30 ü.
412. Eochholz, E. L., Deutsche Volks- und Heldenbücher neu erzählt.
8 (VIII, 223 S.) Leipzig 1876. Löwe. M. 4, 50.
413. Lach manu, C, wundersame und ergötzliche Historie von Till
Eulenspiegel dem Schalksnarren. 8. Elberfeld 1876. Püttmann, 30 Pfg. — Die
Schildbürger. Ebd. 30 Pfg. — Die sieben Schwaben. Ebd. 30 Pfg.
414. Till Euleuspiegels Schnurren, Schwanke und Streiche. Eine
heitere Historie. 6. Auflage. 16. (64 S.) Reutlingen 1876. Enßlin und Laiblin.
20 Pfg.
415. Braun au, A., Genovefa, Pfalzgräfin am Rhein. 8. (64 S.) Elber-
feld 1876. Püttmann. 30 Pfg. — Die Sage vom gehörnten Siegfried. 8. (64 S.)
Ebd. 30 Pfg.
416. Historie von der schönen Hirlande. 5. Aufl. 8. Reutlingen 1876.
Enßlin und Laiblin. 15 Pfg. Ebenda: Leben, Thaten und Höllenfahrt des
Erzschwarzkünstlers Dr. Johannes Faust. 6. Auflage. 20 Pfg. — Der gehörnte
Siegfried. 4. Auflage. 15 Pfg. — Tyll Eulenspiegels Schnurren, Schwanke und
Streiche. 6. Aufl. 20 Pfg.
417. Geschichte, die, von den sieben weisen Meistern. 8. Reutlingen
1876. Enßlin und Laiblin. 20 Pfg. Ebenda: Hellas, der Schwancnrittcr. 15 Pfg.
418. Liebrecht, F., zur englischen Volkslitteratur.
Germania 21, 401—404.
419. Roch holz, E. L., und A. Birlingcr, Schweizersitten. 1. Kilt
gang und Kiltsprüche im Aargau. 2. Kilten in Schwyz.
Alemannia 4, 1 — 12.
420. Stoffel und Stöber, elsässische Volkssprache und Volkssittc.
Alsatia 1875—76.
421. Stob er, A., der Klappersteiu und die Bestrafung des Fluchens
und Gotteslästerns im Elsaß.
Alsatia 187.')- 76.
422. Hagen, Sitten und Gebräuche am Bodensce. Fortsetzung.
Schriften des Vereins für Geschiclito des Bodensees 6. Heft 1875.
423. Birlinger, A., Schwabeuneckereien II.
Alemannia 4, 144 — 151.
424. Hartmann, Fr. H., Sitten und Gebräuche in den Landgerichts-
bezirken Dachau und Brück bei der Geburt, der Hochzeit und dem Tode.
Oberbayrisches Archiv XXXV, 2. .<J. Heft (1875—6).
425. Blaas, C. M., Volksthümliches aus Niederösterrcich über Pflanzen.
Germania 21, 411 — 416.
426. Wormstall, J. , alte Gebräuche, Feste und Volkslieder aus den
niederrhein.-wcstphäl. Grenzgebieten.
Monatsscln-ift f. rbein.-westf. Geschichtsforschung. 2. .Jahrg. 1876.
IX. VOLKS- UND KlXUKin.lIOlJEK, .SFKICIIWOKTKIC .,tc 471
427. De bijcn in den rouw.
Do Navur.sclicr 1S76, 3. 4. 7. Licfg.
428. Reste alten Aberglaubens in Scliottlnnd.
Magazin für dio Literatur des Auslandes 1870, Nr. 40.
429. Binzeiius, N. G., Allniogelifet i Ingclstads liürad i Skanc under
slutct af förra och början af detta arliundrade. 8. (120 S.) Ystad 187(i. I kr.
430. Kichert, M. 15., Kulturliistoriska bilder framstälda gcnom under-
sökuing af de sveuska ordens bcmärkelser I, IL
Svensk Tidskrift 1876, S. 1— JO, 105—131.
431. Andree, Richard, Tagwählerei, Angang und Schicksalsvögel in
der Völkerkunde.
Mittheilungen der anthropologischen Gesellschaft in Wien. IV. Band Nr 18'>
187G.
432. Schwalbe, B., über Wetteraberglaube und die Wetterregeln des
gewöhnlichen Lebens. 8. Berlin 18 7G. Gerschel. 1 M.
433. Deutscher Glaube und Brauch bei Aussaat und Ernte.
Die Grenzboten 1876, Nr. 41, S. 57—67.
434. Schmidt, Franz, den Tod austragen und den Sommer gewinnen,
Globus von Kiepert 30. Bd. Nr. 19 (1876).
435. Der Ring im Aberglauben.
Die Greuzbotün 1876, Nr. 45.
436. Zernial, Thiere und Pflanzen in der germanischen Volkspoesie.
4, (27 S.) Programm der Victoriaschule in Berlin 1876. = Frommann in
Jena 1877. 1 M,
437. Lieb recht, Felix_, Bienenaberglaube, ^oseberry. Grashalm im
Munde. Eine gimpclhafte Frage.
Germania 21, 75 — 80.
438. Zernial, U., der Kuckuk im germanischeu Volksglauben.
Daheim 1876, Nr. 34.
439. Die Z auberpf 1 anzcn im Volksglauben.
Die Grenzboten 1876, Nr. 26.
440. Blaas, C. RL, zur St. Johannis Minne.
Germania 21, 213—218.
441. Ar mini US, G. T. H., St. Martini.
Sonntagsblatt von Ruppius 1875, Nr. 45. Enthält das wohl älteste Martinslied.
442. Löffelt, A. C, het Kerstfest.
De Nederl. Speetator 1876, S. 36.
443. Müllen hoff, K., Schwerttanzspiel aus Lübeck nebst andern Nach-
trilgcu über den Schwerttanz.
Zeitschrift für deutsches Alterthum 20, 10—20.
444. Müllenhoff, K., ein Spiel von David und Goliath aus Dit-
marschen.
Zeitschrift für deutsches Alterthum 20, 1—10.
446. Köhler, R., der alte Hildebrand als PuppenspicL
Germania 21, 201,
446. Puppenkomödien, deutsche. Herausgegeben von C. Engel,
V. Christoph Wagner. Antraschek und Juratschek. 8. Oldenburff 1876. Schulze.
M. l, 20,
472 BIBLIOGRAPHIE VON 1876.
X. Alterthümer und Cult Urgeschichte.
447. Hellwald, F. v. , Culturgeschichte in ihrer uatürlichen Entwickc-
luug bis zur Gegenwart. 2. Auflage. 8. Ausgsburg 1876. Lampart.
Vgl. Liter. Centralblatt 1877, Nr. 32; Jenaer Liter. Zeitung Nr. 34; Wester-
raauns Monatshefte 1877, Mai; Athenaeum 11, 6; Zeitung f. d. höhere Unterrichts-
wesen V, 30; Academy Nr. 199; Europa Nr. 34; Deutsche Zeitung Nr. 1669; Archiv
f. Anthropol. X, 1. 2; Anzeiger f. d. neueste pädag. Liter. V, 6; Aus allen Weltth eilen
VII, 9; Allgem. Zeitung f. Judenthum I, 6; fr. deutsche Schulzeitung 1877, Nr. 50;
Rigasche Zeitung Nr. 299.
448. Scherr, J., deutsche Kultur- und Sittengeschichte. 6. Auflage. 8.
Leipzig 1876. 8 M.
Vgl, Mähr. Correspond. 1876, 10; Liter. Verkehr VI, 23.
449. Scherr, Johannes, Germania. Zwei Jahrtausende deutschen Lebens.
Kulturgeschichtlich geschildert. Mit Bildern. 8. Stuttgart 1876. Spemauu.
Vgl. Berliner Fremdenblatt 1877, Nr. 22; Schles. Presse 84; Deutsche Zeitung
1868; Schles. Presse 291; Deutsche Zeitung 1917; Deutsche allg. Zeitung 70; Wiener
Fremdenblatt 105; Post 129; Allgem. Zeitung 161.
450. Congres International d'Anthropologie et d'Archeologie prc-
historiques. Compte rendu de la 7*^ session. Stockholm 1874. I. II. 8. (V,
1019 S.) Stockholm 1876.
451. Keller, F., Pfahlbauten. 7. Bericht. 4. (3 Bl., 69, XIII S. und
24 Taff.) Zürich 1876. Orell, Füßli und Co. 8 M.
Vgl. Liter. Centralblatt 1877, Nr. 34.
452. Tacitus, Cornelius, a Carolo Nipperdeio recognitus. J'. IV: Agri-
colam Gerinaniam Dialogum de oratoribus continens. Accedit index nominum.
8. (4 Bl., 132 S.) Berlin 1876. Weidmann. 1 M 50 Pfg,
Vgl. Liter. Centralblatt 1876, Nr. 40.
453. P. Cornelii Taciti opera, reo. J. Gaspar OrelHus. IL Germania.
Dialogus. Agricola Historiae. Editionem alterara curaverunt H. Schweizer-Sidler,
G. Audresen, C. Meiser. Berlin 1876. Calvary.
454. Gern. Taciti Germania, besonders für Studirende erläutert von
Prof. Dr. Anton Baumstark. 8. (XVI, 148 S.) Leipzig 1876. T. 0. W^eigel. 2 M.
Vgl. Zeitschrift für deutsehe Philologie 8, 248 ff.; Liter. Centralblatt 1876,
Nr. 34; Jenaer Liter. Zeitung 36.
455. Tacitus' Germania. Deutsche Übersetzung von A. Baumstark. 8.
(44 S.) Freiburg i. B. 1876. Herder. 50 Pfg.
456. Tacitus, C, Germania, übersetzt von M. Oberbreyer. Leipzig 1876.
20 Pfg.
Reclams Universal-Bibliothek 726.
457. Tacitus, C, della vita di Giulio Agricola c della Germania, ver-
sione italiana di M. Messina Faulisi. 16. (70 S.) Palermo 1875.
458. Wormstall, Emendationen und Erläuterungen zur Germania des
Tacitus. 1876. 4.
Programm des k. Paulin. Gymnasiums zu Münster.
459. Hane, G. , exposita veterum Germaniae notitia usque ad Taciti
tempora judicetur de hujus scriptoris libello, qui de Germania inscribitur. 8.
(32 S.) Rostochii 1875.
Dissertation.
460. Roskoff, G., Das Ethos der Germanen bei Tacitus.
Jahrbücher für protestant. Theologie 1876, 4. Heft.
X. Ai/ri;iM'iiijMi':u und (^ulturgesciuciite. 47;]
4g 1. Arnold, Wilhelm, Ansiedelungen und Wanderungen deutscher
Stämme. Zumeist nach hessisehen Ortsnamen. 2. Abtlieilung. 8. (H. '2i\ — 1;94)
Marburg 187G. Elwert. 10 M.
4G2. JJ au mann, Dr. F. L.^ Schwaben und Alemannen, ihre Herkunft
und Identität.
Forschung-en zur deutschen ücscliiclite IG (1876), 215—278.
4G3. Gantrellc, ,)., Sueben an der Scheldemünduug und ihre Göttin
Nehalcnnia.
lilätter für das bayer. Gymnasialschiilwesen XII, 7.
464. Müllenhoff, K., Cugerni-Cubemi.
Hermes 12. Bd. 8. Heft (1877).
465. Die AI terthümer unserer heidnischen Vorzeit. Nach den in ößent-
lichen und Privatsammlungen befindliehen Originalien zusammenga.stellt und
herausgegeben von dem römisch-germanischen Centralmuseum in Mainz durch
dessen Conservator L. Lindenschmit. 3. Bd. G. Heft. (24 S. mit Steintaf. i
Mainz 1876. v. Zabern. 4 M.
466. Müller, Dr. H. A., und Bau-Rath Dr. Osk. Mothes, illustriites
archäologisches Wörterbuch der Kunst des germanischen Alterthums, des Mittel-
alters sowie der Renaissance. 10. — 15. Lieferung. 8. Leipzig 1876. Spamer.
:'i 1 M.
Vgl. Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit 1876, Nr. 8; Theulog. Quartal-
.schr. LIX, 1.
467. Mehlis, der Rhein und der Strom der Kultur in Kelten- und
Römerzeit. 8. (44 S.) Berlin 1876. Habel.
Sammlung- gemeinverständlicher wissenschaftl. Vorti'äge XI, 259. Vgl. Jenaer
Liter. Zeitung 1877,15; Bibliographie der Schweiz 9.
468. Oetker, Dr. Friedrich, Belgische Studien. Schilderungen und Er-
örterungen. 8. Stuttgart 1876. Auerbach.
469. W immer, L. F. A., Les habitants du Nord scandinave dans Tage
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Meissner. 3 M.
Vgl. Jenaer Liter. Zeitung 1877, Nr. 7; Liter. Centralblatt Nr. 23.
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Vgl. Magazin für die Liter, d. Ausl. 1876, Nr. 24.
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manen.
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in der Zeit der Scholastik. Festrede. 4. (47 S.) München 1876. Franz in Comni.
IM. 80 Pfg.
Vgl. Liter. Centralblatt 1876, Nr. 31, Magazin f d. Liter, d. Ausl. 33.
478. Specht, F. A. K. v,, Geschichte der Waffen. Nachgewiesen und
erläutert durch die Kultur-Entwickelung der Völker und Beschreibung ihrer
Waffen aus allen Zeiten. 2. Bd. 2. Abtheilung. Liefg. 4. 5. Berlin 1876.
Luekhardt. k 3 M.
Vgl. Liter. Ceutralblatt 187(), Nr. 50.
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Jahrbuch de.s Vereins f. nd. Sprachforschung 1875, S. 105—107.
480. Berge mann, B., das höfische Leben nach Gottfried von Straß-
burg. 8. (51 S.) Hallische Dissertation (187G).
481. Laurent, J., Aachener Zustände im 14. Jahrhundert. Auf GruTid
von Stadtrechnuugen nach den Stadtarchiv-Urkunden mit Einleitung , Register
und Glossar herausgegeben. 8. (455 S.) Aachen 1876. Kaatzer. 4 M. 50 Pfg.
482. Das Scheukbuch einer Nürnberger Patriciersfrau von 1416 bis
1438. Von Frh. Georg v. Kress.
Anzeiger für Kunde der deutscheu Vorzeit 1876, Sp 37 - 42. 70 — 74.
483. Eye, A. von, Falkenhauben im germanischen Museum.
Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit 1876, Sp. 291 f.
484. Vogt, Fr., Leben und Dichten der deutschen Spielleute im Mittel-
alter. Vortrag. 8. (32 S.) Halle 1876. Lippert. 80 Pfg.
Vgl. Liter. Centralblatt 187G, Nr. 50; Anzeiger f. deutsches Alterthum 2, 81 li".
(Steinmeyer); Deutsche Zeitung Nr. 16ij9.
485. Aldenkir eben, J., rheinisch- westfälische und niedersächsische
Hausinschriften.
Monatsschrift für rheinisch-westfälische Geschichtsforschung 2. Jahrg. (1876).
486. Voges, mittelalterliche Glockeninschriften aus dem Hcrzogthum
Braunschweig.
Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit 1876, Sp. 202—205.
487. Heigel, Badisches Bierbraurecept vom Jahre 1409.
Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit 1876, Sp. 43 — 46.
488. Heinrich, Dr., Aderlaßregeln.
Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit 1876, Sp. 302. Deutsche Verse vom
Anfang des 16. Jh.
489. Ploss, H. H., das Kind in Brauch und Sitte der Völker. Anthro-
pologische Studien. 2 Bände, gr. 8. (XH, 324; 294 S.) Stuttgart 1876. Auer-
bach. 10 M. 80 Pfg.
Vgl. Wiener Abendpost Nr. 257 tf.; lllustrirtc Zeitung Nr. 1745; Blätter für
liter. Unterhaltung 1877, Nr. 15; Cornelia 72, 2; Österr. Jahrbuch f. Pädiatrik Vll, 2;
Daheim 1877, 28^
490. Just, K. S., zur Pädagogik des Mittelalters. 8. (48 S.) Eisenacb
1876. Bacmeister. 1 M. 20 Pfg.
Vgl. Anzeiger für deutsches Alterthum 2, 286 (Steinmeyer).
491. Kämmel, die Stadtschulen des Mittelalters. 8. Zittau 1876.
492. Lacroix, Paul, Sciences et lettres au moyen äge et k l'epoquc
de la Renaissance. Ouvrag^ illustre. 4. (IV, 612 S.) Paris 1876. Didot. 30 fr.
XI. KUNST. XJl. IvKCUTSCiEÖClIICHTE Vl^D liECIITSALTEKTlIÜMEK. 475
XI. Kunst.
493. Lübko, \V., Griindiili der Kuiistgescliiclite. '.i. Aufl. 2 Bde. 8.
(XI, 388, XXIV, 459 S.) Stuttgart 187(5, Ebner und Scubert. k 7 M. 20 Pfg.
494. llalin, J. R., Goscliiclitn der bildenden Künste in der Schweiz
von den ältesten Zeiten bis zum Scldiiß des Mittelalters. 3. Abtlieilung. (Schluß.)
8. (XXVIl, S. 433-841) Zürich 187G. Staub. IG M.
Vgl. Liter. Centralblatt 1877, Nr. 34.
495. Gruebcr, B., die Kunst des Mittelalters in Böiimen, 3. Theil.
Die Periode des luxemburg. Hauses 1310—1437. 4. Lieferung, gr. 4. Wien
1876. Gerold in Comm. 2 M,
496. Wernickc, E., urkundliche Beiträge zur Künstlergeschichte Schle-
siens. (Fortsetzung.)
Anzeiger fiir Kunde der deutschen Vorzeit 187G, Sp. 360—363. 1877, Sp. 97
bis 103. 132—139. 173—176. 206—215.
497. Weruicke, E., Maler und Bildschnitzer des Mittelalters in Görlitz.
N. Lausitz. Magazin 52. Bd. 1. Heft (1876).
498. Nord hoff, die kunstgeschichtlichen Beziehungen zwischen dem
Rhcinlande und Westfalen. 8. Münster 1876. Theissing.
Vgl. Jenaer Liter. Zeitung 1877, Nr. 10.
499. Mithoff, H. W. H. , Kunstdenkmälcr und Altertliümer im Han-
noverschen. 4. Bd. Fürstenthuu: Lüneburg. 4. Hannover 1876. Helwing.
Vgl. Beilage zum D, Keichsauzeiger 1877,11; Zeitschrift des Architektenvcreiues
XXIII, 2; Liter. Centralblatt 1877, Nr. 14.
500. Janner, F., die Bauhütten des deutschen Mittelalters. 8. Leipzig
1876. Seemann. 4 M. 60 Pfg.
501. Löffler, J. B., Vestervig kloster og „liden Kirstins Grav".
Aarböger for nordisk Oldkyndighed 1876, p. 1 — 55.
502. Meissner, A. L., die bildlichen Darstellungen des Keineke Fuchs
iui Mittelalter.
Herrigs Archiv 56, 265—280 (1876).
503. Prüfer^ Ph., Architekt, der Todtentanz in der Marienkirche zu
Berlin und Geschichte und Idee der Todtentänze überhaupt. Fol. Berlin 1876.
V. Decker. 3 M.
Vgl. Liter. Centralblatt 1877, Nr. 19.
504. Väggmalning i Veeteras domkyrka.
Dybek, Runa II, 3. 187G.
505. Sehubiger, P. A., System der Lauten aus einem Ms. vom Jahre
1532 (mit Abbildung).
Monatshefte für Musik-Üesehichte VIII. Jhg. (1876)/ Nr. 1.
XII. Kech tsgeschi cht e und Re ch t salter thümer.
506. Amira, K v. , über Zweck und Mittel der germanischen Rechts-
geschichte. Antrittsrede am 15. December 1875. 8. (74 8.) München 1876.
Ackermann. 1 M. 60 Pfg.
Vgl. Liter. Centralblatt Nr. 42; Magazin f. d. Liter, d. Au.sl, 28; Kritische
Vierteljahr.sschrift XVIII, 4; Jen. Liter. Zeitung. Nr. ol.
507. Cohn, George die Justizverweigerung im altdeutschen Rechte. 8.
Karlsruhe 1876.
Habilitationsschrift. Vgl. Liter. Centralblatt 1877, Nr. 13.
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Zeitschrift für Rechtsgeschichte 12 (1876), 430—490.
509. Zur Bienenzucht und zum Bienenrecht in der Lüneburger Heide.
Beilage zum D. Reichsanzeiger 1876, Nr. 43.
510. Löning, Rieh., der Vortragsbruch und seine Rechtsfolgen. 1. Bd.
Der Vertragsbrucli im deutschen Rechte. 8. (XX, 604 S.) Straßburg 1876.
Trübner. 12 M.
511. Miller, H., das langobardische Erbrecht.
Zeitschrift für Rechtsgeschichte 13 (1876), 38—104.
512. Naegeli, Alfred, das germanische Selbstpfändungsrecht in seiner
historischen Entwicklung mit besonderer Rücksicht auf die Schweiz. 8. (XI,
lU S.) Zürich 1876. SchultheCs. 2 M. 40 Pfg.
Vgl. Liter. Centralblatt 1876, Nr. 49.
513. Pfordten, von der, die Beweisführung nach Kaiser Ludwigs ober-
bayrischem Landrechte von 1346.
Zeitschrift für Rechtsgeschichte 12 (1876), 346—429.
514. Sohm, R. , das Recht der Eheschließung aus dem deutschen und
canonischeu Recht geschichtlich entwickelt. 8. (XI, 335 S.) Weimar 1875.
Böhlau. 6 M.
Vii:!. Liter. Centralblatt 1876, Nr. 11; Zeitschrift f. d. gesammte Handelsrecht
XXI, 3. 4.
515. Sohm, R., Trauung und Verlobung. Eine Entgegnung auf Fried-
berg: Verlobung und Trauung. 8. Weimar 1876, Böhlau. 3 M.
Vgl. Jenaer Liter. Zeitung 1876, 32; Zeitschrift f. d. Priv. u. öÖ'. Recht d.
Gegenwart 3, 4.
516. Maurer, Konr., das Alter des Gesetzsprecher- Amtes in Norwegen.
1875. (69 S.) (in: AI. Brinz und K. Maurer's Festgabe zum Doctor- Jubi-
läum des Prof. Ludw. Arndts. München 1876. V, 138 S. 8.)
517. Jörgensen, A. D., Bidrag til Oplysning af Middelalderens Love
og Samfundsforhold.
Aarböger for nurdisk Oldkyndighed 1876, S. 56—92. 151 — 184.
518. Luschin, Nachtrag zu Homeyers Rechtsbüchern.
Zeitschrift für Rechtsgeschichte 12 (1876), 317—319.
519. Clement, K. J. , Forschungen über das Recht der salischen
Franken vor und nach der Königszeit. Lex Salica und Malbergische Glossen.
Nachgelassen! s Werk. Herausgegeben und mit Vorwort versehen von K. Zocpfl.
8. Berlin 1876. Grieben. (Bibliothek für Wissenschaft und Literatur III.)
Vgl. Deutsche Zeitung 1669; Alni;i mater 1877, 14; Revue critique Nr. 33
(Sohm); Liter. Centralblatt 1877, Nr. 11 Zeitschrift f. d. Priv. u. öff. Recht d. Gegen-
wart IV, 2.
520. Behrend, J. F., die Textcntwickelung der Lex Salica.
Zeitschrift für Rechtsgeschichte 13 (1876), S. 1—37.
521. Rosin, II., Commeutatio ad titulum legis Salicae LIX. de alodis .
8. (42 S.) Breslauer Dissertation 1876.
522. Riezler, S., über die Entstehungszeit der Lex Baiuwariorum.
Forschungen zur deutschen Geschichte 16. Bd. 3. Heft (1876).
523. Eggert, Udo, Studien zur Geschichte der Landfrieden. Nebst
Nachweis der Nichtbenutzung der Treuga Henrici im Sachsenspiegel. 8. (84 S.)
Göttingen 1875. PeppmüUer. M. 1, 80.
Vgl. Liter. Centralblatt 1877, Nr. 44.
XIII. LITTKIJATrRORSC'HIOHTK L'ND SPIiACni>KN'KMÄrj:iJ. 477
524. Hais er, K., zur Geiiealugie «ler SchwabeuBpiegelliaiidschriften f.
Lex. 8. (172 S.) Weimar 187G. Röhhiu. 5 M.
Vgl. Krit. ViiMteljahrsschiift XIX, 4 (Uockinger); Liter. Centialblatt 1877, Nr. 4«.
525, R 0 c k i 11 g e r , über das Verhältniss des Schwabenspiegels zu
den Fredigtcu des Bruders Berchtold und zur Summa dos Raimund von
Pcnnaforte.
Sitzungsberichte der Miiiicliencr Akademie 1876. 5. Heft.
52G. Wi.stocki, Vlad., der Pilsner Codex enthaltend Magdeburger Ent-
scheidungen.
Bibliographische Berichte der Akademie der Wissenschaften in Krakan. 1. Heft.
Krakaii 187G.
527. Mayr, Martin, über einen zu Neustadt a. D. befindlichen Auszug
aus dem Stadtrcchtbuehc Kaiser Ludwig des Bayern.
Verhandlungen des hi.storisclu'n Vereins für Niederbayern XIX. Bd. 1876.
528. Müller, A., in Olmütz, das handschriftliche Wiener Stadtreehts-
buch der Olmützer k. k. Bibliothek.
Neuer Anzeiger für Bibliographie 1870. August.
529. Stadtbuch von Brüx bis zum Jahre 1526. Bearbeitet von Dr. L.
Schlesinger. Prag (Leipzig. Broekhaus) 1876. 4. (Vill, 236 S.) 9 M.
Beiträge zur Geschichte Böhmens Abth. IV. 1. Bd.
530. Das Verfassungsbuch der Stadt Stralsund. Von Otto Francke.
Mit einer Einleitung von F. Frensdorflf. 8. (XCVI, 165 S.) Halle 1875. Wai-
senhaus. 5 M.
Hansische Geschichtsquellen 1. Bd.
531. Essays in Anglo-Sa.\on laws. 8. (XII, 392 S.) Boston (London) 1876.
Vgl, Liter. Centralblatt 1877, Nr, 31; Kritische Vierteljahrs.schrift XIX, 4
(Maurer).
532. Bischoff, F., Erster Bericht über Weisthüinerforschungen in
Steiermark. 8. Wien 1876. Gerold in Comm. 50 Pfg.
533. Aargauer Weisthümer , erhoben und rechts- und ortsgeschichtlich
erklärt von E. L. Rochholz. 8. Aarau 1876. Sauerländer. 3 M. 60 Pfg.
Vgl. Bibliographie der Schweiz VI, 8. 9.
534. Schönbach, A., untersteirische Bannbestimmungen.
Beiträge zur Kitnde Steiermark. Geschichtsquelien. 13. Jahrgang (1876).
535. Werth, A., Weisthum des Hauses Dussel.
Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins 12. Bd. (1876).
XIII. L i 1 1 e r a t u r g e s c h i c h t c und Sprachdenkmäler.
536. Wackernagel, Wilhelm, Geschichte der deutschen Lit(eratur.
Ein Handbuch. 2. vermehrte und verbesserte Auflage, herausgegeben von Ernst
Martin. 1 . Bd. 1. Lieferung, gr. 8. (112 S.) Basel 1877. Schweighauser. 2 M.
Vgl. Liter. Verkehr VIII, 3; Westermanns Monatshefte 1877, Mai.
537. Kurz, H., Geschichte der deutschen Literatur. 1. — 3. Bd. 7. Aufl.
gr. 8. Leipzig 1876. Teubner. ä 12 M.
Vgl. Anzeiger f. d. neueste pädagog. Literatur VI, 1, 3,
538. Lindemann, W. , Geschichte der deutschen Literatur von den
ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart, 4. Auflage. 8. (V, 732 S,) Freiburg
i. B. 1876. Herder. 6 M.
Vgl, Sonntagsbeilage der N. Preuß. Zeitung 1877, Nr, 1 ; Ül)er Land und Meer
1876, Nr. 5.
478 BIHLIOGRAPHIE VON 1876.
539. Kluge, Hermann, Geschichte der deutschen National-Literatur. Zum
Gebrauche an lioheren Unterrichtsaustalten und zum SelHststudimn bearbeitet.
G. — 7. Auflage. 8. Altenburg 1875 — 7Ü. Bonde. 2 M.
Vgl. Pädagog. Archiv XVII, 4.
540. Burkhardt, J. G. E., Geschichte der deutschen Literatur. I. Die
Poesie. 3. Auflage. 8. (XI, 268 S.) Leipzig 1877. Klinldmrdt. 2 M.
Vgl. Repertorium der Pädag. N. F. XI, 10.
541. Droese, A., Einführung in die deutsche Literatur von ihren ersten
Anfängen bis zur Gegenwart, gr. 8. (XVI, 572 S.) Langensalza 1876. Schul-
buchhandlung. 2 M. 50 Pfg.
Vgl. Pädag. Intelligenzblatt 1877, Nr. 27.
542. Frank, Paul, Handbüchiein der deutschen Literaturgeschichte.
5. vermehrte Auflage. 8. (VIII, 261 S.) Leipzig 1876. Merseburger. 1 M.
543. Goetz, \V., kurzer Abriß der Geschichte der deutschen Sprache
und Literatur für höhere Bürgei'- und Töchterschulen. 8. Aarau 1876, Sauer-
länder. 40 Pfg.
541. Großmann, K., Handbuch zur Einführung in die deutsche Dich-
tung. 8. Wolfenbüttel 1876. Zwißler. 1 M. 25 Pfg.
Vgl. Hannov. Schulzeitung 1877, Nr. 4.
545. Hoefer, Edmund, deutsche Literaturgeschichte für Frauen und
Jungfrauen. 8. Stuttgart 1876. Kröner. 7 M.
Vgl. Schlesische Zeitung 571 (1875); lUnstrirte Frauenzeitung IIT, 6; Nurdd.
Allg. Zeitung 287; Allg. Modenzeitung 13; Im neuen Eeich 1875. 50; Fraueu-Anw.alt
VII, 1; Gegenwart öo; Wiss. Beilage der Leipziger Zeitung 1S7(), .39; Blätter für
liter. Unterhaltung 1876, 52; Weser Zeitung 10744, II; VVe.sterm;inn 8. F. Nr. 58.
54G. Lange, 0., Grundriß der Geschichte der deutschen Literatur.
8. verbesserte Auflage. 8. (103 S.) Berlin 1876. Gärtner. 80 Pfg.
547. Lelimann, J. A. 0. L., Handbuch der deutschen Literatur.
2. Auflage. 8. Leipzig 1875. T. 0. Weigel. M. 4, 50.
Vgl. Blätter für liter. Unterhaltung 1875, 25 (Zabel); Päd. Archiv 19, 2.
548. Oberbreyer, M., Abriß der deutschen Literaturgeschichte von
Ulfilas bis Uhland. Berlin 1876. Stubeurauch. 40 Pfg.
Vgl. Schulfreund .33. 1; Anzeiger f. d. neueste päd. Liter. \l. 3; Würteniberg.
Schulblatt 1877, 20; kathol. Scliulbote 23, 7.
549. Pelleter, J. A. , Geschichte der deutschen Literatur für höhere
Bildungsanstalten, gr. 8. (VIII, 259 S.) Leipzig 1876. Siegismund und Vol-
kening. 2 M. 40 Pfg.
550. Kleine deutsche Literaturgeschichte von H. K. 8. (VII, 39 S.)
Würzburg 1876, Stabcl. 60 Pfg.
551. Rößler, C. , Leitfaden für den Unterricht in der deutschen Lite-
raturgeschichte. 8. (46 S.) Leipzig 1876. Naumann. 75 Pfg.
Vgl. Allg. Schulzeituug 187G, 42.
552. Schumann, Ad., kurzer Abriß der Geschichte der deutschen
Literatur für höhere Töchterschulen. Neu herausgegeben von W. Wegenor.
6. Auflage. Brandenburg 1876. Wiesike. 90 Pfg.
553. Stern, A., Katechismus der allgemeinen Literaturgeschichte. 2. Aufl.
8, Leipzig 1876. W.d)er. 2 M. 40 Pfg.
554. Stöhn, IL, lichrbuch der deutsehen Literatur für hölnu-e Töchter-
schulen. 2. Auflage, gr. 8. Leipzig 1876. Teubner. 2 M. 40 Pfg.
Xm. LITTERATIJROHSCIITCIITI'; UND SFiaCFrDKN'KMÄLKK. 47<,)
5.^)5. Zellen (1 er, F., Übersieht der deutsehen Litcüiturgeschiclite von
den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart. 4. (212 S.) Winterthnr 1876. West-
fehling. 4 M.
556. Gros de Vour, F. E., histoire critiqiie de la littdrature alle-
nmnde. 1" vol. 8. (XVI, 131 S.) Beifort 1876. Pelot.
557. Brummer, Franz, deutsches Dichter-Lexikon. Biographische und
bibliographische Mittlu-iluiigen über deutsche Dichter aller Zeiten. 12. bis
25. (Schluß) Lieferung. 2^ Bd. 8. (552 S.) und Nachtrag (140 S.) Eichstätt
187G. Krüll. a 1 M.
558. Lübben, A., zur Charakteristik der mittelniederdeutschen Literatur.
Jahrbuch des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung, Jahrgang 1875,
S. ü-U.
559. Huberts, W. J., W. J. A. Elberts, eu F. J. van den Bran-
den, Biographisch Woordenboek der Noord- en Zuid- nederlandsche letter-
kunde. AHev. 1—13. Deventer 1876.
560. Vloten, J. van, Jonckbloets zoegenoemdc Geschiedcnis der Nederl.
Letterkunde, ten dienste van haer Iczers gctoelst en toegelicht. 1. Afl.
S. 1—48. Arnhem 1876. f. 0, 60.
Vgl. De Bode 1877, Nr. 1.
561. Taine, H. A., den cngelske Literaturs Historie. Renaissancen i
England. Oversat af H. S. Vodskov. 11. — 13. Hft. 8. ('i\ 80 S.) Kopenhagen
1876. Gyldendal. k 75 ö.
562. Chambers' Cyclopaedia of English literature: a history, critical
and biographical, of British authors. Third edition. 2 vols. Vol. L 8. (XVl,
816 S.) London 1876. Chambers. 10 sh.
563. Morley, H., first sketch of English literature. 8. London 1876.
Cassell. 7 d. 6 d.
564. Stopfoid Brocke, Primes of English literature. London 1876.
Macmillan.
Vgl. Academy 187G, 22. April. _
565. Traut mann, M. , Über Verfasser und Entstehungszeit einiger
alliterirenden Gedichte des Altenglischen. 8. Halle 1876. Lippert. 1 M.
566. Storm, Gust., De ieldste Forbindciser mellem den norske og den
islandske historiske Litteratur. 8. (16 S.) (Christiauia- Vidensk. -Selsk. For-
handl. for 1875.)
567. Wollschläger, C. S., Handbuch der allgemeinen Literatur-Ge-
schichte. 2. Auflage. 8. Eisenach 1876. Bacmeister. 4 M. 80 Pfg.
568. Scherr, J., almindelig Literaturhistorie. Oversat og bearbeidet
med sasrligt Hensyn til Norden af Fr. Winkel Horu. 14. — 16. Levering. 8,
(a 64 S.) Kopenhagen 1876. ä 1 Kr.
569. Leitschuh, F., der gleichmäßige Entwicklungsgang der griechi-
schen und deutschen Kunst und Literatur. 8. Leipzig 1876. T. O. Weigel.
2 M. 40 Pfg.
Vgl. Leiunanns Magazin 1877, Nr. 9; Liter. Centralblatt Nr. 15; Zeitschrift f.
d. österr. Gymnasien 28, 7.
570. Hammerich, Nordens aeldste Digt, oplyst og oversat. 8. (144 S.)
Kopenhagen 1876. Gyldendal. 2 Kr.
480 BIBLIOGRAPHIE VON 1876.
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des Mittelalters, nebst einem Überblick über die Götterlehre der Deutschen. 8.
(IV, 45 S.) Hannover 187G. Brandes. 60 Pfg.
572. Jordan, Wilhelm, Epische Briefe. 8. Frankfurt a. M. 187G,
Selbstverlag. 5 M.
Vgl. Jen. Liter. Zeitung 1877, Nr. 1 (Keck).
573. Remmers, die epische Poesie bei den alten und den modernen
Völkern. 1876. 4.
Programm der h. Bürgerschule in Nienburg.
574. Kölbing, E., Beiträge zur vergleichenden Geschichte der roman-
tischen Poesie und Prosa des Mittelalters unter besonderer Berücksichtigung der
englischen und nordischen Litteratur. Breslau 1876. Köbner. 7 M. 50 Pfg.
Vgl. Liter. Ceutralblatt 1876, Nr. 29; Wissensch. Monatsblätter IV, 9; Jen.
Lit. Zeitung 1877, Nr. 4; Revue critique 1877, 23.
575. Kr es sn er, Adolf, über die Thierbücher des Mittelalters nebst
einem Bruchstück einer proveuz. Handschrift.
Herrigs Archiv 55, 241—296 (1876).
576. Martin, E., die Carmina Burana und die Anfänge des deutsehen
Minnesangs.
Zeitschrift für deutsches Alterthum 20, 46-69. Vgl. S. 128.
577. Henrici, Ernst, zur Geschichte der mittelhochdeutschen Lyrik. 8.
(IV, 74 S.) Berlin 1876. Calvary. 2 M. 40 Pfg.
Vgl. Liter. Centralblatt 1876, Nr. 39 (R. Lehfeld) : Anzeiger für deutsches Alter-
thum 2, 138 ff. (Steinmeyer); Zeitschrift für deutsche Philologie 7, 481 ; Herrigs Archiv
57, 87.
578. Jacobsthal, G-, über die musikalische Bildung der Meist(rsänger.
Zeitschrift für deutsches Alterthum 20, 69 — 91.
579. Goetze, Edmund, das Wappen der Meistersänger.
Schnorrs Archiv 5, 281—286.
580. Baumann, F. L., die Meistersinger und ein Volksfest zu Donauwörth.
Zeitschrift des histor. Vereins für Schwaben und Neuburg III. Jahrg. (1876).
581. Wackernagel, Philipp, das deutsche Kirchenlied von der ältesten
Zeit bis zum Anfang des 17. Jahrhunderts. 50. — 55. Lieferung. Lex. 8. (Bd. V,
S. 481—1056) Leipzig 1876. Teubner. k 2 M.
582. Koch, E. E. , Geschichte des Kirchenlieds und Kirchengesangs.
8. Band. 3. Auflage. Neu bearbeitet von R. Lauxmann. 8. Stuttgart 1876.
Belser. 6 M.
Vgl. Monatshefte für Musikgeschichte IX, 2.
583. Schure, E., histoire du Lied ou la chanson populaire en Allemagne.
2. edition. 8. Paris 1876. Sandoz. 3 M. 50 Pfg.
584. Die Naturanschauung in der deutschen Volksdichtung.
Beilage zum D. Reichsanzeiger 1876, Nr. 51 — 53.
585 Hirsch, Franz, Dichterweisheit des deutschen Mittelalters.
Das Neue Blatt 1876, Nr. 32.
586. Bober tag, E. , Geschichte des Romans und der ihm verwandten
Dichtungsgattungen in Deutschland. 1. Abtheilung. 1. Bd. 8. (457 S.) Breslau
1876. Gosohorsky. 5 M.
Vgl. Jen. Liter. Zeitung 1876, Nr. 36 (Palm); Liter. Verkehr 1877, 14; Bl. f.
Hier. Unterh. Nr. 39 (Schröer) ; Grazer Wochenschrift 1,2; Schles. Presse 156; Blätter
f. litor. Unterhaltung 18; Westermanns Monat.shcfte Mai; Archiv f. Lit. Geschichte
G, 008 ff. (E. Schmidt); Anzeiger für deutsches Alterthum 3, 201 ff. (Scherer).
Xm. LITTERATUROESCHICHTE UND SPRACHDENKMÄLER. 481
587. Keiter, H. , Versuch einer Theorie des Romans und der Erzähl-
kuDst. Mit einem orientirenden Vorwort von F. Kreyssig. 8. (VII, 224 S.)
Paderborn 1876. Schöningh. 2 M.
588. Lorenz, 0., Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter seit der
Mitte des 13. Jahrh. 1. Bd. 2. Auflage. 8. Berlin 1876. Besser. 6 M.
Vgl. Theolog. Literaturblatt 1877, Nr. 13; Liter. Centralblatt Nr. 8. 31; histor.
Zeitschrift 1877, 2. Heft; Anzeiger f. d. Alterthum 4, 104 ff. (Scherer).
589. Röhricht, R., die Deutschen auf den Kreuzzügen.
Zeitschrift für deutsche Philologie 7, 125 — 174. 296 — 329.
590. Ward, A. W., a history of euglish dramatic literature to the death
of Queen Anne. 8. 2 vols. London 1875. Macmillan.
Vgl. Athenaeum Nr. 2508; Liter. Centralblatt 1876, Nr. 36; Revue critique 1877,
Nr. 30; Jen. Liter. Zeitung 49 (Wülcker); Anglia 1, 164 ff. (Wagner).
591. Klein, J. L., Geschichte des englischen Dramas. 1. und 2. Band.
8. Leipzig 1876. T. 0. Weigel. 15 und 18 M.
Vgl. Liter. Centralblatt 1877, Nr. 21 (Wülcker); Magazin f. d. Liter, d. Ansl.
1876, Nr. 22; Saturday Review Nr. 1060; N. fr. Presse Nr. 4503; Liter. Verkehr VII,
17; Westermanns Monatshefte Nr. 240; Nationalzeitung 1877, Nr. 173; Englische Stu-
dien I, 505 ff. (Kölbing).
592. Stern, Ad., der Untergang des altenglischen Theaters.
Historisches Taschenbuch 5. Folge, 6. Jahrgang (1876).
593. Wackernagel, Wilhelm, Deutsches Lesebuch. 2. Theil. Proben
der deutschen Poesie seit dem XVI. Jahrhundert. 3. Aufl. 4. (XXII, 1824 Sp.)
Basel 1876. Schweighauser. 1 2 M.
Vgl. W^estermann 1877, Mai; Jen. Liter, Zeitung Nr. 20.
594. Reichel, K., mittelhochdeutsches Lesebuch mit Glossar für Gym-
nasien. 3. Auflage von R. Reichel. 8. Wien 1876. Gerold. 2 M. 80 Pfg,
595. Stier, G. , Material für den mhd. Unterricht auf höheren Lehr-
anstalten. 4. Auflage. 8. Leipzig 1876. Teubner. 1 M. 80 Pfg.
Vgl. Zeitschritt f. d, österr. Gymnasien 27, 3,
596. Gude, C, Erläuterungen deutscher Dichtungen. 5. Reihe. Dich-
tungen aus dem Mittelalter. 8. (XI, 338 S.) Leipzig 1876. Brandstetter. 3 M.
597. Sweet, H., an Anglo-Saxon reader in prose and verse. With
grammatical introduction, notes and glossary. 12. (400 S.) 1876. 8 s. 6 d.
Vgl. Revue critique 1877, Nr. 5; Englische Studien I, 497 ff. (Körner).
598. Silling, C. F. , a manual of English literature illustrated by
poetical extracts. 8. (IV, 144 S.) Leipzig 1876. Klinkhardt. 1 M. 50 Pfg.
599. Three centuries of English poetry. Being Selections from Chaucer
to Herrick. With introductions and notes by R. Orme Masson, and a general
preface by D. Masson. London 1876. Macmillan.
Vgl. Saturday Review 7. Oct. 1876.
600. Wilson, J., the poets and poetry of Scotland , from the earliest
to the präsent time. Comprising characteristic selections from the works of the
more noteworthy Scottish poets, with biographical and critical notes. Vol. 2.
8. (570 S.) 1876. 12 s. 6 d.
601. Nygaard, M. , Udvalg af den norröne Literatur for Latin-
og Realgymnasier. Med oplysende Anmaerkninger og Glossar. Bergen 1876.
1 Sp. 30 sk.
ÖEBMANTA. Nene Reihe. X. (XXII. Jahrg.) 31
482 BIBLIOGRAPHIE VON 1876.
602. Rieger, Max, die alt- und angelsächsische Verskunst.
Zeitschritt für deutsche Philologie 7, 1 — 64.
603. Buchner, W. , deutsche Dichtung. Die Lehre von den Formen
und Gattungen derselben. 3. Auflage. 8. Essen 1876. Bädeker. 80 Pfg.
604. StrobI, über die Entstehung der Kudrunstrophc.
Zeitschrift f. d. österr. Gymnasien XXVII, 12 (1876).
605. Wolzogen, H. v., Poetische Lautsymbolik. Psychische Wirkungen
der Sprachlaute im Stabreim aus R. Wagners 'Ring des Nibelungen versuchs-
weise bestimmt. 2. Abdruck. 8. Leipzig 1876. Schloemp. 1 M.
606. Lindner, Felix, the alliteration in Chaucer's Canterbury Tales. 8.
(Separatabdruck aus den Schriften der Chaucer Society.)
607. Seh er er, W., Haupt über vergleichende Poetik.
Anzeiger für deutsches Alterthum 2, 322 — 326.
A. Gotisch.
608. Ohrloff, O. , die alttestamentlichen Bruchstücke der gotischen
Bibelübersetzung. Eine kritische Untersuchung.
Zeitschrift für deutsche Philologie 7, 251 — 295. Vgl. Theolog. Literaturblatt
1877, Nr. 9.
609. Peters, J., gotische Conjecturen (zu Luc. 1, 4. 5. 3, 5. 8, 14.
Marc. 6, 19). Programm des Obergymnasiums zu Leitmeritz. 8. (12 S.)
Vgl. Zeitschrift für deutsche Philologie 7, 481.
B. Althochdeutsch.
610. Clemm, Villelmus, de fragmento quodam Alemanno commentatio.
4. (18 S.) Gissae 1876.
Programm.
611. Müllenhoff, K., zu Ezzos Gesang.
Zeitschrift für deutsches Alterthum 19, 493 f.
612. Vogt, F., Nachtrag (zu Genesis und Exodus).
Paul und Braune, Beiträge 2, 586—592.
613. Glossen, die Augsburger. Von Alfred Holder.
Germania 21, 1 — 18.
614. Holder, A., die althochdeutschen Glossen zum Evangelium Lucae
aus St. Paul.
Germania 21, 332—338.
615. Holder, A., die Glossae SanBlasianae.
Germania 21, 135—139.
616. Dümmler, Glossen zu Walahfrids Gedichten.
Zeitschrift für deutsches Alterthum 20, 114 — 115.
617. Schulze, zur Geschichte der Kritik und Erklärung des Hilde-
brandsliedes. 4. (33 S.) Programm des Domgymnasiums zu Naumburg. 1876.
Vgl. Zeitschr. f. d. Gymnasialwesen 31, 9 (Schröder); Herrigs Archiv 58, 100.
618. Wilken, E., zu den Merseburger Sprüchen.
Germania 21, 218—225.
619. Notkers Psalmen. Nach der Wiener Handschrift herausgegeben
vonR. Heinzel u. W. Scherer. 8. (LH, 327 S.) Straßburg 1876. Trübner. 8 M.
Vgl. Liter. Centralblatt 1876, Nr. 39; Revue critique 39; Anzeiger für deut-
sches Alterthum 3, 131 ff. (Steinmeyer).
620. Holder, A., St. Pauler Bruchstücke aus Notker's Psalter.
Germania 21, 129—1.34.
XIIL C. MITTELHOCHDEUTSCH. 483
C. Mittelhochdeutsch.
621. Jeittcles, A., Mittheilungen aus Grazer üandschriften.
Germauifi 21, 338 — 346. 1. Ein deutscher Cisiojanus.
622. Guttmann^ Dr., einige kleine Funde aus der Bibliothek des
Gymnasiums zu Bricg.
Programm des Gymnasiums zu llirschberg 1875. Enthält Proben einer altdeut-
schen Psalnienübersetzuug (perg.) und Bruclistücke einer Hs. von Wolframs WilKdialm.
Vgl. Archiv für das Studium der neueren Sprachen F)5, 111.
623. Seh er er, W. , Litteratur des 12. Jahrhunderts. 1. Hohenburger
Hohes Lied. 2. Geistlicher rät. 3. Trost iu Verzweiflung.
Zeitschrift iür deutsches Alterthum 20, 198—205. 341—355.
624. Boner. — Gottschick, R. , über die Benutzung Avians durch
Boner.
Zeitschrift für deutsche Philologie 7, 237—243.
625. Breviarien. — Schönbach, A., über einige Breviarien von
Sanct Lambrecht.
Zeitschrift für deutsches Alterthum 20, 129—197.
626. Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahr-
hundert. 13. Bd. Die Chroniken der niederrheinischen Städte. Cöhi. 2. Bd, 8.
Leipzig 1876. Hirzel. 15 M.
Vgl. Theolog. Literaturblatt XII, 4; Liter. Centralblatt 1877, Nr. 4; Köln. Volks-
zeitung 1876, Nr. 344; Monatshefte f. rhein. westf. Geschichtsf. II, 7 — 9; Hansische
Geschichtsblätter V; Sonntagsbeilage z. N. i'reuß. Zeitung 1877, Nr. 23.
627. Dalimil. — Loserth, Beiträge zur Kritik des gereimten deutschen
Daliinil.
Mittheilungen des Vereins für Geschichte der Deutschen in Böhmen 14. Jahrg.
(1876), Nr. 4.
628. Ernst. — Zamcke, F., zu den Gedichten vom Herzog Ernst.
Paul und Biaune, Beiträge 2, 57G — 585.
629. Freidank. — Vogt, Dr., deutsche Sinnsprüche.
Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit 1876, 365 f. Sämmtlich (16 Zeilen) aus
Freidank. Vgl. auch Nr. 632.
630. Friedricli von Hausen. — Lehfeld, Richard, Über Friedrich
von Hausen.
Paul und Braune, Beiträge 2, 345 — 405.
631. Spirgatis, M., die Lieder Friedrichs von Hausen. 8. Tübingen
1876. Fues. 80 Pfg.
632. Gebet. — Lambel, H., ein guot gebet.
Germania 21, 347 — 348. Verse aus Freidank: vgl. Germania 22, 384.
633. Gebete, altdeutsche, Mariengrüße, Heiliggeistgrüße. Von A. Holder.
Alemannia 4, 86 — 106.
634. Gedichte. — Garthe, H., altdeutsche Verse aus einer Perga-
menthandschrift des 15. Jahrhunderts.
Jahrbücher des Vereins von Alterthumsfreunden im Kheinland 59. Heft (1876).
635. Gedicht über die Gründung der Abtei Altenberg. Mitgetheilt von
W. Harleß.
Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins N. F. 11. Bd. 1876. S. 73—80.
(Kölnisch. 15. Jh.)
636. Holder, Alfred, aus einer Karlsruher Handschrift.
Anzeiger für Kimde der deutschen Vorzeit 1876, Sp. 200—202. Gedicht aus
einer Hs. des 14. Jhs.
31*
484 BIBLIOGRAPfflE VON 1876.
637. Holstein, Prof., altdeutsche Verse über Hölle und Himmelreich.
Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit 1876, Sp. 367 f. 15. — 16. Jahrh.
638. Bächtold, J., Von dem Hurübel.
Germania 21, 205—209.
689. Geistliches. — Paul, H., Greistliche Stücke aus der Berner Gre-
goriushandschrift.
Paul und Braune, Beiträge 3, 358-372. Vgl. 5, 192.
640. Schönbach, A., Notiz.
Zeitschrift für deutsches Alt erthum 20, 117 f. Über eine deutsche Hs. geistlichen
Inhalts 15. Jh.
641. Gottfried von Straßburg. — Sprenger, R. , zu Gottfrieds
Tristan.
Zeitschrift für deutsche Philologie 7, 64.
642. Schmidt, C. , ist Gottfried von Straßburg (der Dichter) Straß-
burger Stadtschreiber gewesen? Eine historische Untersuchung. 8. (15 S.)
Straßburg 1876. Schmidt. 80 Pfg.
Vgl. Anzeiger für deutsches Alterthum 1, 212 (Steinmeyer).
643. Hagene. — Merlo, J. J., Meister Godefrit Hagene.
Jahrbücher des Vereins von Alterthumsfreunden im Rheinlande 59. Heft. 1876.
644. Hartmann von Aue. — Paul, H., zum Erek.
Paul und Braune, Beiträge 3, 192—197.
645. Hidber, B., eine neue Handschrift von Hartmanns Gregorius.
Paul und Braune, Beiträge 3, 90-133.
646. Paul, H,, zur Kritik des Gregorius.
Ebenda 3, 133—139.
647. Paul, H., zur Iweinkritik.
Paul und Braune, Beiträge 3, 184—192.
648. Bai er, A., zur Erklärung von Hartmanns Iwein.
Germania 21, 404-411.
649. Lungen, W., war Hartmann von Aue ein Franke oder ein
Schwabe? 8. (42 S.) Jena 1876. Deistung. 60 Pfg.
Vgl. Zeitschrift für deutsche Philologie 7, 479.
650. Ow, H. C. V., Nachtrag zu Hartmans von Owe Heimat und
Stammburg.
Germania 21, 251—252.
651. Heinrich von Freiberg. — Toischer, W., die Heimath Hein-
richs von Freiberg.
Mittheilungen für die Geschichte der Deutschen in Böhmen. 15. Jahrgang.
Nr. 2 (1876).
652. Heldenbuch. — Crecelius, W. , Dortmunder Bruchstücke einer
Hs. des Heldenbuchs aus dem 15. Jahrh.
Zeitschrift für deutsches Alterthum 19, 468—470. Vgl. 20, 128.
653. Hildebrandslied. — Edzardi, A., noch einmal das jüngere Hil-
debrandslied.
Germania 21, 51 — 53.
654. Hohe Lied. — Hayner, T. , das St. Trudperter (Hohenburger)
hohe Lied.
Paul und Braune, Beiträge 3, 491—523. Vgl, Nr. 623.
655. Johannes. — Vomberg, drei Bruchstücke einer poetischen deut-
schen Bearbeitung des Lebens Johannes des Täufers aus dem XIL Jahrhundert.
8. Marburg 1876.
Dissertation.
Xin. C. MITTELHOCHDEUTSCH. 485
666. Konrad von Würzburg. — Sprenger, R., zu Konrada Schwanritter.
Germaniii 21, 419 (.
657. Leutolds von Sähen Gedichte. 2. Auflage. 8. (IX, 17 S.) Inns-
hiuck 1876. Wagner. M. 1, 20.
658. Marienlied. — Steinmeyer, E., zum Melker Marienlied.
Zeitschrift für deutsches Alterthum 20, 127.
659. Holder, A., der Lobgesang auf die hl. Jungfrau nach der Karls-
ruher Handschrift.
Germania 21, 416-419.
660. Der Marner. Herausgegeben von Philipp Strauch. 8. (186 S.)
Straßburg 1876. Trübner. 4 M.
Quellen und Forschungen 14. Heft. Vgl. Germania 22, 95 ff. (Bartsch) ; Revue
critique 1876, Nr. 45; Jenaer Liter. Zeitung 1877, Nr. 27; Anzeiger für deutsches
Alterthum 3, 118 ff. (Schönbach).
661. Fischer, Dr., Beiträge zur Litteratur, Kritik und Erklärung des
Marner. 4. Berlin 1876.
Programm.
662. Strauch, Ph., zum Marner.
Zeitschrift für deutsches Alterthum 20, 127.
663. Minnesinger. — Paul, H., kritische Beiträge zu den Minne-
singern.
Paul und Braune, Beiträge 2, 406—560.
664. Bartsch, K., zwei Tagelieder.
Germania 21, 421—424.
665. Lüttich, E. v., deutsche Minnesänger in Bild und Wort. Mit
Text von H. Holland. 1. Lieferung, gr. fol. (VHI u. S. 27 — 39, mit 2 Kpftf.)
Wien 1876. Kaeser. 7 M. 50 Pfg.
Vgl. Liter. Eundscbau 1877, Nr. 10; Deutsche Rundschau III, 9; Nationalzeitung
1876, Nr. 593; Allgem. Zeitung: Nr. 355; Deutsche Zeitung Nr. 1778.
666. Mönch von Heilsbronn. — Wagner, A, , über den Mönch von
Heilsbroun. 8. (92 S.) Straßburg 1876. Trübner. (Quellen und Forschungen
15. Heft.) 2 M.
Vgl. Anzeiger für deutsches Alterthum 2, 300 ff. (Denifle) ; Jenaer Liter. Zei-
tung 1877, Nr 27.
667. Wagner, Albrecht, zum Mönch von Heilsbronn. Die Münchner
Hs. der Sechs Namen des Fronleichnam.
Zeitschrift für deutsches Alterthum 20, 92—113.
668. Mystiker. — Lichtstrahlen aus den Schriften der katholischen
Mystiker. 3. Bd. Lichtstrahlen aus den Schriften des ehrwürdigen Abtes Jo-
hannes Tauler und des ehrwürdigen Johannes Rusbrock, gesammelt vom ehrw.
Abte L. Blasius. Herausgegeben von M. Jocham. 16. (IV, 78. IV, 95 S.) Mün-
chen 1876. 1 M. 20 Pfg.
669. Denifle, P. H. S., das Leben der Margaretha von Kentzingen.
Zeitschrift für deutsches Alterthum 19, 478—491.
670. Der Nibelunge Not mit den Abweichungen von der Nibelunge
Liet, den Lesarten sämmtlicher Handschriften und einem Wörterbuche heraus-
gegeben von K. Bartsch. 2. Theil, 1. Hälfte. Lesarten. 8. (III, 292 S.)
Leipzig 1876. Brockhaus. 5 M.
Vgl. Jenaer Liter. Zeitung 1876, Nr. 20 (Paul); Schwäbische Kronik Nr. 55
(Fischer); Wissenschaftliche Beilage der Leipziger Zeitung Nr. 83; Anzeiger f. d.
Alterthum 4, 44 ff.
486 BIBLIOGRAPHIE VON 1876.
671. Das Nibelungenlied übersetzt von Karl Simrock. 32. Auflage.
8. Stuttgart 1876. Cotta. 3 M.
Vgl, Academy Nr. 215.
672. Paul, Hermann, zur Nibclungenfrage.
Paul und Braune, Beiträge 3, 37.3 490. Auch separat erschieuen. Vgl. Ijiter.
Centralblattt 1876, Nr. 51 (Zarncke) ; .Jenaer Liter. Zeitung 1877, Nr. 22; Zeitschrift
f. d. österr. Gymn. XXVIII, 5 (Schönbach); Anzeiger f. d. Alterthuin 4, 46 ff.
673. Fischer, Hermann, Entgegnung in Sachen meines Buches Die
Forschungen über das Nibelungenlied seit K. Lachmann .
Germania 20, 111—122.
674. Rehorn, C. , die Nibelungen in der deutschen Poesie. 4. (53 S.)
Programm der Musterschule in Frankfurt a. M. 1876. Vgl. Herrigs Archiv 58, 100 ff.
675. Timm, H., das Nibelungenlied nach Darstellung und Sprache ein
Urbild deutscher Poesie. 2. (Titel-)Auflage. 8. (VI, 217 S.) Leipzig 1876
(1852). Siegismund und Volkening. 2 M.
676. Falk, F., das Nibelungenlied und seine Beziehung zu Worms.
Monatsschrift für rheinisch-westfälische Geschichtsforschung 2. Jahrgang (1876).
677. Oswald. — Edzardi, Anton, Untersuchungen über das Gedicht
von Sanct Oswald. (IV, 108 S.) 8. Hannover 1876. Rümpler.
Vgl. Liter. Centralblatt 1876, Nr. 41 ; Anzeiger für deutsches Alteithura 2, 245 ff.
(Eödiger); Zeitschrift f. d. österr. Gymn. 28, 7.
678. Edzardi, A., die Stuttgarter Oswaltprosa (Schluß).
Germania 21, 171-193.
679. Passional. — Jeitteles, A., zum Passional.
Germania 21, 170 f.
680. Pilatus. — Sprenger, R., zu Pilatus.
Zeitschrift für deutsche Philologie 7, 368.
681. Predigtbruchstücke II. Von A. Schönbach.
Zeitschrift für deutsches Älterthum 20, 217—250.
682. Priameln. — Keller, A. v., alte gute Schwanke. 2. Auflage. 8.
Heilbronn 1876. Henninger.
Vgl. Anzeiger für deutsches Älterthum 2, 212 f.; Wiener Abendpost Nr. 183;
Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit Nr. 8; Europa Nr. 36; Nordd. allg. Zeitung
Nr. 158; Lehmanns Magazin 1877, Nr. 7; Deutsche Dichterhalle 1877, Nr. 15.
683. Püterich. — Schrott, J., zwei Münster in Dörfern. III.
Allgem. Zeitung 1876, Beilage vom 30. April. Handelt von Jacob Püterich,
684. Putsch. — Zingerle, J. V., Ulrich Putsch.
Germania 21, 41—46.
685. Recepte aus dem Anfang des 14. Jahrhunderts. Von Dr. Heinrich.
Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit 1876, Sp. 271 — 276.
686. Livländische Reimchronik mit kritischen Anmerkungen und aus-
führlichem Glossar herausgegeben von L. Meyer. 8. Paderborn 1876. Schöningh.
Vgl. Wissenschaftl. Beilage der Leipziger Zeitung 1876, Nr. 7') ; Revue critique
Nr. 40; Anzeiger f. deutsches Älterthum 2, 240 ff. (Steinm.); Liter. Centralblatt Nr. 51.
687. Berkholz, G., über einige handschriftliche Materialien zur livlän-
dischen Reimchronik.
Sitzungsberichte der Gesellschaft für Geschichte der Ostseeprovinzen 1876. Vor-
trag im J. 1875.
688. Reinmar von Zweter. — Wilmanns, W., einige Sprüche Rein-
mars von Zweter und das Tragemundslied.
Zeitschrift für deutsches Älterthum 20, 250-254.
689. Der Rosengarten. Aus dem Mhd. erneut von H. A. Junghans.
Reclams Universalbibliothek Nr. 760. 1876. 20 Pfg.
XIII. C. MITTELHOCHDEUTSCH. 4S7
(■)*J0. Rudolf von Ems. — Palm, II., zwei Hiuchstücke einer bislicr
unbekannten Handschrift des Wilhelm von Orions.
Germania 21, 197—201.
G91. Werner, zwei Fragmente aus der Weltchronik des Rudolf von Ems.
Zoitsc.hrit't für dcutsclies AUcrthum 20, 416—432.
ü02. Schmidt, J., Untersuchungen zu den beiden literarhi8tori.schen
Stellen Kudolfs von Ems.
Paul und Praune, Beiträge 3, 140 — 181.
693. Paul, H., Bemerkungen dazu.
Ebenda 3, 181 — 183.
694. Ruprecht von Würzburg, zwei Kaufleute. Eine Erzählung. Kritisch
bearbeitet von RIoriz Haupt.
Zeitschrift für deutsche Philologie 7, 65—90.
695. Seuse, Heinrich, Schriften. Nach den ältesten Hss. in der jetzigen
Schriftsprache vollständig herausgegeben von F. H. S. Denifle. 1. Band. Deut-
sche Schriften. 1. Abtheilung. Seuses Exemplar. 8. (IV, 224 S.) München 1876.
Literar. Institut. 4 M.
Vgl. Wissensch. Beilage der Leipziger Zeitung 1877, Nr. 82.
696. Preger, W., die Briefbücher Susos.
Zeitschrift für deutsches Alterthum 20, 373—415.
697. Spervogel. — Schneider, R., Spervogels Lieder für die Schule
erläutert und mit einem Glossar versehen. 4. (21 S.) Programm der Realschule
1. Ordnung in Halberstadt 1876.
698. Sündenklage. — Rödiger, M., die Millstätter Sündenklage,
Zeitsclirift für deutsches Alterthum 20, 255—323.
699. Titurel. — Zamcke, Fr., der Graltempel. Vorstudie zu einer
Ausgabe des Jüngern Titurel. 4. Leipzig 1876.
Abhandlungen der k. sächs. Gesellsch. der Wissensch. VII, 373 — 454. Vgl. Lit.
Ceutralblatt 1876, Nr. 43 (F. Z.); Anzeiger für deutsches Alterthum 3, 167 ff. (Stein-
meyer); Jenaer. Liter. Zeiung 1877, Nr. 43 (Strobl).
700. Treutier, H., Bruchstück einer Handschrift des jüngeren Titurel.
Germania 21, 153 — 156.
701.Milchsack, G., Bruchstücke von drei Handschriften des jungem Titurel.
Germania 21, 157—169.
702. Zarncke, F., Wolfenbüttler Bruchstück des jungem Titurel.
Germania 21, 431—434.
703. Tusch, H. Erhart, die burgundisch Hysterie. Eine Reimchronik 1477.
Herausg. von E. Wendung u. A. Stöber. 8. (11 1 S.) Colmarl876. Barth. 2 M.
Auch in: Alsatia 1875—76.
704. Ulrich von Eschenbach, Wilhelm von Wenden. Herausgegeben von
W. Toischer.
Bibliothek der mittelhochdeutschen Litteratur in Böhmen. Herausgegeben von
E. Martin. 1. Band. 8. Leipzig 1876, Brockhaus iu Comm. 6 M. Vgl. Jenaer Liter.
Zeitung Nr. 48; Liter. Centralblatt 1877, Nr. 20; Anzeiger für deutsches Alterthum 3,
107 ff. (Martin); Zeitschrift für deutsche Philologie 8, 349 ff.
705. Martin, E., ein deutscher Dichter am böhmischen Königshofe.
Im neuen Reich 1876, Nr. 45.
706. Ulrich von Winterstetten. — Oeynhausen, J. Graf von, die
Schenken von Winterstedt.
Vierteljahrsschrift lür Heraldik, Sphragistik und Genealogie, 1876. 1. Heft.
707. Ulrich von Zazikhoven. — Sprenger, R., und J. Zacher,
kritische Bemerkungen zu mhd. Gedichten.
Zeitschrift für deutsche Philologie 7, 92 — 94,
488 BIBLIOGRAPHIE VON 1876.
708. Walthers von der Vogelweide Gedichte übersetzt von Karl Sim-
rock. 6. Auflage. 8. (XXXIX, 360 S.) Leipzig 1876. Hirzel. 5 M.
709. Walthers von der Vogelweide sämmtliche Gedichte. Über-
setzt von K. Pannier. (177 S.) Leipzig 1876. Reclam. 80 Pfg.
Reclams Universalbibliothek Nr. 819. 820.
710. Zarncke, F., zu Walthers Elegie.
Paul und Braune, Beiträge 2, 674—576.
711. Zingerle, J. V., zu Walther von der Vogelweide.
Germania 21, 193—196.
712. Zingerle, J. V., Walther von der Vogelweide.
Wiener Abendpost 1876, Nr. 108.
713. Schönbach, A., Walther von der Vogelweide.
Zeitschrift für deutsches Alterthum 19, 497 f.
714. Anzoletti, P., zur Heimatfrage Walthers von der Vogelweide. 8.
Bozen (Innsbruck, Wagner) 1876. 1 M. 50 Pfg.
715. Jauker, Prof. C, das Verhältniss Walthers von der Vogelweide
zu Reinmar dem Alten.
Programm des Gymnasiums zu Hern 1875. Vgl. Herrigs Archiv 57, 109.
716. Grimm, Adolf, über die politische Dichtung Walthers von der
Vogelweide. 4. Schwerin 1876. Programm des Gymnasiums.
Vgl, Herrigs Archiv 58, 104.
717. Thaner, die Sprüche Walthers von der Vogelweide über Kirche
und Reich. 8. Nördlingen 1876. Beck. 80 Pfg.
Vgl. Liter. Centralblatt Nr. 42; Deutsche Zeitung Nr. 1592; Kritische Viertel-
jahrsscbrift XVIH, 4; Jen. Liter. Zeitung 1877, Nr. 3.
718. Gumpert, die sittliche Lebensanschauung Walthers von der Vogel-
weide. 4. 1876.
Programm der Realschule zu Würzen. Vgl. Herrigs Archiv 58, 104.
719. Pechel, Ludwig, die kulturhistorischen Momente in der Dichtung
Walthers von der Vogelweide. 4. (22 S.) Malchin 1876.
Programm; zugleich Rostocker Dissertation.
720. Zingerle, J. V., Fro Bone.
Germania 21, 47.
721. Der Weinschwelg mittelhochdeutsch und neuhochdeutsch heraus-
gegeben von K. J. Schröer. 16, (X, 45 S.) Jena 1876. Frommann.
Vgl. Deutsche Zeitung Nr. 1839; Alma Mater I, 11; Wiss. Beilage der Leipziger
Zeitung Nr. 78.
722. Wernher der Gartenaere, Maier Helmbrecht. Die älteste deutsche
Dorfgeschichte. Aus dem Mittelhochdeutschen übersetzt von Karl Pannier. 8.
(92 S.) Cöthen 1876. Schulze. 1 M. 50 Pfg.
Vgl. Über Land und Meer Nr. 51 ; Bildungs- Verein IV, 39 ; Lehmanns Magazin
1877, Nr. 6.
723. Sprenger, R., zum Meier Helmbrecht.
Germania 21, 348—350.
724. Wirnt. — Pudmenzky, Bruno, über Wirnts Ausdrucksweise mit
besonderer Rücksicht auf Hartmann und Wolfram. 8. (36 S.) Halle 1876.
Dissertation.
725. Wolframs von Eschenbach Parzival und Titurel. Herausgegeben
von Karl Bartsch, 2. Theil. 2. Aufl. 8. Leipzig 1876. Brockhaus. 3 M. 50 Pfg.
Deutsche Classiker des Mittelalters 10. Bd. Vgl. Deutsche allg. Zeitung Nr. 257.
726. Wolfram von Eschenbach, Parzival und Titui-el. Ritterge-
dichte. Übersetzt und erläutert von K, Simrock. 5, Auflage. 8. (376 S.)
Stuttgart 1876. Cotta. 10 M.
XUI. C. MITTELHOCHDEUTSCH. 489
727. Sicvers, E., zum Parzival.
Zeitschrift für deutsches Alterthum 20, 215 f. zu P 2, 20 ff.
728. Zettel, K., zu einer kritischen Stelle des „Parzival"
Blätter f. d. bayer. Gymuasialschulwesen XII, J (1876).
729. Bötticher, G., über die Eigenthümlichkeiten der Sprache Wolframs.
Germania 21, 257—332.
730. Bartsch, K., Wolframs von Eschenbach Parzival als psychologi-
Bches Epos.
Der Salon 1876, S. 41—48, 200—206.
731. Piderit, K. W. , Bilder aus Parzival. Ein Cyclus von Vorträgen.
8. (VII, 286 S.) Gütersloh 1875. Bertelsmann. 2 M. 70 Pfg.
732. Bobertag, F., Valentin Schumann und Michael Lindener, zwei
deutsche Humoristen des XVI. Jahrhunderts.
Archiv für Literaturgeschichte 6 (1876), 129—149.
733. Schnorr von Carolsfeld, F., über Klaus Narr und M. Wolfgang
Bütner.
Archiv für Literaturgeschichte 6 (1876), 277—328.
734. Alberus. — Crecelius, W., Erasmus Alberus.
Archiv für Literaturgeschichte 6 (1876), 1 — 20.
735. Ayrer, Jac, die ehrliche Bäckin mit ihren drei vermeinten Liebsten.
Ein Possenspiel. 8. (26 S.) Wien 1876. Roßner. 1 M.
Neues Wiener Theater Nr. 65.
736. Wolff, Th., zur Kenntniss der Quellen von Jacob Ayrers Schau-
spielen. 4. (26 S.) Berlin 1875.
Programm der Luisenstädtischen Gewerbeschule.
737. Cysat. — Archiv für schweizerische Geschichte. 20. Band. 8.
Zürich 1876. Höhr.
Enthält von Prof. Hidber in Bern eine Biographie von dem Luzerner Stadt-
schreiber Rennward Cysat.
738. Fischart, Johann, Aller Praktik Großmutter. Abdruck der ersten
Bearbeitung (1572). 8. (VI, 32 S.) Halle a. S. 1876. Lippert 60 Pfg.
Neudrucke deutscher Litteraturwerke des XVI. und XVH. Jahrhunderts Nr. 2.
Vgl. Liter. Centralblatt 44; Allg. Zeitung 304.
739. Dederding, zur Charakteristik Fischarts. 4. (24 S.) Programm
der Luisenstädtischen Gewerbeschule in Berlin 1876.
Vgl. Herrigs Archiv 58, 104 f.
740. Flexel. — Camesina, A. , das große Freischießen im Jahre
1563. Besungen durch den Augsburger Pritschenmeister Lienhart Flexel.
Blätter des Vereins für Landeskunde von Niederösterreich. N. F. 9. Jahrg. 1876.
741. Franck. — Weinkauff, F., Zwei Briefe Sebastian Francks.
Alemannia 4, 24 — 30.
742. Geiler von Kaisersberg. — Dacheux, L., un reformateur ca-
tholique ä la fin du XV si^cle. Jean Geiler de Kaysersberg, predicateur k la
catht^drale de Strasbourg. 1478 — 1510. Etüde sur sa vie et son temps. 8.
(583 und XCVI S.) Paris 1876 (Strasbourg).
743. Johann von Morßheim, — Köhler, H., abermals Johann von
Morßheim.
Germania 21, 66.
744. Luthers vermischte Predigten. Herausgegeben von Enders. 1. Band.
8. Erlangen 1876.
Vgl. Grenzboteu 1877, Nr. 22.
490 BIBLIOGRAPHIE VON 1876.
745. RoUenhagen, 6., Froschmeuseler. Herausgegeben von K. Goedeke.
2 Theile. 8. Leipzig 1876. Brockhaus, ä 3 M. 50 Pfg.
Deutsche Dichter des 16. Jaluhunderts herausgeg'eben von K. Goedeke iind
J. Tittmann. 8. und 9. Band. Y^\. Westeiraaiins Monatshefte Nr. 247; Blätter für
liter. Unterhaltung 1877, Nr. 19.
746. Sachs, Hans, das heyßEisen, ein Nürnberger Fastnachtsspiel. Schwank.
16. (28 S.) Wien 1876. Wallishauser. 1 M.
747. Sachs, Hans, das heyß Eisen. Ein Fastnachtsspiel auf frewdiger
Schawbine eröflfnet. 8. (16 S.) Wien 1876. Roßner. 80 Pfg.
Neues Wiener Theater Nr. 64.
748. Haueis, E., Hans Sachs, Lobspruch der Hauptstadt Wien in
Österreich. Zum ersten Male nach dem hs. Texte herausgegeben und mit Ein-
leitung und Anmerkungen versehen. 8. (22 S.) Programm des Landes-ßealgym-
nasiums in Baden bei Wien 1876.
749. Lützelberg er, E. K. J., Hans Sachs. Sein Leben und seine Dich-
tung. Eine Festgabe. 2. Ausgabe. 8, (VI, 220 S.) Nürnberg 1876. Ebner.
M. 2, 50.
750. Bu ebner, W., Hans Sachs.
Sonntagsblatt von F. Michels 1876, Nr. 5.
751. Salat, Hans. Ein schweizerischer Chronist und Dichter aus der ersten
Hälfte des 16. Jahrhunderts. Herausgegeben von Dr. J. Baechtold. 8. (XH,
308 S.) Basel 1876. Bahnmaier. M. 6, 40.
Vgl. Liter. Centralblatt Nr. 45; Bibliographie der Schweiz VI, 6. 7; Im neuen
Reich Nr, 42; Revue critique Nr. 52; AUgem. Zeitung Nr. 348; Lehmanns Magazin
1877, Nr. 14; Theolog. Literaturblatt 21; Histor. Zeitschrift N. F. II, 3; Archiv für
Literaturgeschichte 7, 260 ff.
752. Schmeltzels Vorwort zu seinem Liederbuche von 1544.
Monatshefte für Musik-Geschichte. 8. Jahrgang. 1876.
753. Weidner, Johann Jacob, von W. Crecelius.
Alemannia 4, 30—33.
754. Wüst. — Weinkauff, F., Paul Wüst, ein schwäbischer Jongleur.
Alemannia 4, 181 — 184.
D. Altsächsisch.
755. Heliand. Herausgegeben von Heinrich Rückert. 8. (XLHI, 808 S.)
Leipzig 1876. Brockhaus. M. 3, 50.
Deutsche Dichtungen des Mittelalters. 4. Band. Vgl. Germania 22, 226 flf.
(Behaghel); Deutsche Zeitung Nr. 1704; D. Allg. Zeitung Nr. 257; Jen. Liter. Zeitung
1877, 2 (Sievers).
756. Behaghel, Otto, zum Heliand.
Germania 21, 139—153.
757. Behaghel, 0., zu den kleinen altniederdeutschen Denkmälern.
Germania 21, 202—205.
E. Mittelniederdeutsch.
758. Sprenger, R.. zur mittelniederdeutschen Litteratur.
Germania 21, 352 f.
759. Cosijn, P. J., middelsaksisch.
Taalkundige Bijdragen 1, 84— 9.S.
XIII E. MITTELNIEDEKDEUTSCII. F. MITTELNIEDERLÄNDISCII. 491
7G0, Moniimcnta Germaniae historica, Scriptoruin qui vern;icul;i lingua
usi sunt I. IT. Deutsche Chroniken und andere Geschichtsbüclior des Mittel-
alters. 2. Band. 4. (VI, 709 S.) Hannover 1877. Hahn.
Enthält: Sächsisclie Weltcliroailc , hcrausfresrebeu von L. Weiland, nebst den
Fortsetzungen; Elicrhards Ixeimchronik von Gaudersheim, ed. Weiland; Hraunschwei-
gischo Reiinclironik, ed. Weiland; Chronik des Stiftes S. Simon nnd Jud.-is in (Joslar,
ed. Weiland; Holsteinische Keinichronik, ed. Weiland; Kegister von O. Holdcr-Egger ;
Glossar von Pli. Strauch.
761. Niedersächsisehe geistliche Gcd i eh te, mitgetheilt von Prof. Mantels.
Zeitschrift des Vereins für Lnbeckische Ge.schichte III, 3 (1876).
762. Culemaun, F. G. II., Lobgedicht auf die Stadt Braunschweig.
Jahrbuch des Vereins f. nd. Sprachforschung I, 56 f.
763. Walther, C, Hamburger mittelniederdeutsche Glossen.
Jahrbuch des Vereins f. nd. Sprachforschung, I, 15 — öl.
764. Krause, K. E. H., zum Leben Jesu.
Zeitschrift für deutsches Alterthum 19, 471 f. Nicht mnl, sondern mnd.
765. Mantels, W. , aus einem niedersächsischen Pfarrherru von Ka-
1 enberjo^.
Jahrbuch etc. 1875, S. 66—71.
766. Kohlmanu, K., die Braunschweiger Reimchronik auf ihre Quellen
geprüft. Kiel 1876. Haeseler. 3 M.
Vgl. Histor. Zeitschrift N. F. I, 1; Jenaer Liter. Zeitung 1877, Nr. 18.
767. Sprenger, R., zu Reinke Vos.
Germania 21, 350 f.
768. Walther, C, Mundartliches im Reineke Vos.
Jahrbuch des Vereins für nd. Sprachforschung 1875, S. 92—101.
769. Das Scebuch. Von Karl Koppmann. Mit einer nautischen Ein-
leitung von Arthur Breusing. Mit Glossar von Christoph Walther. 8. (LHI,
130 S.) Bremen 1876. Kühtmann.
Vgl. Germania 21, 448 (K. B.); Die deutschen Mundarten VII, 507 f. ; Liter. Cen-
tralblatt 1877, Nr. 37; Zeitschrift für deutsches Alterthum 21, 29 ft'. (Strauch); Jen.
Lit. Zeitung Nr. 42 (Sievers).
770. Ein alter niederdeutscher Codex der Imitatio Christi.
Der Katholik. 18. Jahrg. December 1876.
771. Lübben, A., Niederdeutsche Tischzucht.
Germania 21, 424—430.
772. Des Dodes danz herausgegeben von E. Baethke. 8. Tübingen 1876.
127. Publication des litter. Vereins. Vgl. Liter. Centralblatt 1876, Nr. 30.
773. Mantels, W., Zwiegespräch zwischen Leben und Tod.
Jahrbuch etc. 1875, S. 54—56.
F. Mittelniederländisch.
774. Flandrijs. Fragmente eines mittelniederländischen Rittergedichtes.
Zum ersten Male herausgegeben von Joh. Franck. 8. Straßburg 1876. Trüb-
ner. 4 M.
Vgl. Zeitschrift für deutsches Alterthum 21, 54—56 (Martin); De Bode Nr. 1.
775. Jacob van Maerlants Spieghel historiael. 2. partie, bewerkt
door Philip Utenbrocke. Uitgegeven door F. v. Hellwald, onder medewerking
van M. de Vries en E. Verwijs. 5. Aflevering. 4. Leiden 1876. 3 M.
776. De Roman der Lorreinen (Nieuw entdeckte Gedeelten) uitgegeven
door J. C. Matthes. 8. Groningen 1876. Wolters.
17. Lieferung der Bibliothek van middelnl. Letterkunde. Vgl. Zeitschrift für
roman. Philologie 1, 137—144 (Stengel).
492 BIBLIOGRAPHIE VON 1876.
777. Vos, C. M., nieuwe mysteriespelen.
De Gids 1876, S. 265 ff.
778. Habets, Jos., De echtverbintenis van Maria. Een Limburgsch
mysteriespel en eene legende uit het begin der XVI'*'^ eeuw. 8. (18 S.)
Roermond 1876. Romen. 25 c.
779. De nederlandsche Ogier door J. C. Matthes. 8. (27 S.)
Taal- eu Letterbode 1876. Vgl. Romania 1876, S. 383 f. (G. P.)
780. Verwijs, E., De Rinclus.
Verslagen en Mededeelingen der k. Ak. van Wetenschappen 1876, S. 153 flf.
G. Angelsächsisch.
781. Beowulf: a heroic poem of the eighth Century. With a trans-
lation, notes and appendix by Th. Arnold. 8. (264 S.) London 1876. Long-
mans, Green a. Co. 12 s.
Vgl, Liter, Centralblatt 1877, Nr. 20 (Wülcker).
782. Botkine, L., Beowulf^ ^pop^e anglo-saxonne. Analyse bistorique
et geographique. 8. (22 S.) Le Havre 1876.
783. Kölbing, E., zur Beövulf-Handschrift.
Archiv für das Studium der neueren Sprachen 56 (1876), S. 91 — 118.
784. Wülcker, R., über den Hymnus Caedmons.
Paul und Braune, Beiträge 3, 348—357,
785. Be Domes Daege, De die judicii, an old english version of the
latin poem ascribed to Bede, edited by J. R. Lumby. 8. (VIII, 87 S.) London
1876. Trübner. 2 sh.
Early English Text Society.
786. Bückling Homilies, the, of the tenth Century. Edited by R. Morris.
Part. 2. 8. London 1876. Trübner. 4 sh.
Early English Text Society.
H. Mittelenglisch.
787. Alexi usli eder , zwei, herausgegeben von C. Horstmann.
Archiv für das Studium der neueren Sprachen 56 (1876), 391—416.
788. Kölbing, E., zu der Auci-en Riwle.
Jahrbuch für romanische Literatur 15, 179 — 197.
789. Monfries, Alex,, introduction to the study ofChaucer. 12. (140 S.)
Edinburgh 1876. 2 sh.
790. Furnivall, the Character ofChaucer's prioress, illustrated by the
Paper Survey of St. Mary's Abbey, Winchester.
Publication der Chaucer Society 1876.
791. Engel, J., kritische Bemerkungen über A remarkable fragment of
an Old English Chronicle (ed, by Th. Hearne). 8. (62 S,)
Göttinger Dissertation 1876.
792. Cursor Mundi (The Cursor of the World). A northumbrian
poem of the 14, Century. Edited by R, Morris. Part. 3. 8. London 1876.
Trübner.
Early English Text Society,
793. Embleme s and Epigrames edited by F. J. Furnivall. 8, Lon-
don 1876.
Early English Text Society,
XIII. H. MITTELENGLISCH. I, ALTNORDISCH. 493
794. Gregorius auf dem Steine. Aus Mb. Verrion p. 44. Herausgegeben
von Dr. C. Horstmann.
Henigs Archiv 55 (1876», 407—438. Vgl. Germania 21, 437 ff (Kölbing) ; An-
zeiger für deutsches Alterthum 3, 86 ff. (Zupitza).
795. Schulz, Fritz, die englische Gregor-Legende nach dem Auchinlek
Ms. mit Anmerkungen und ausführlichem Glossar. 8, Königsberg 1876. Här-
tung. 4 M.
Dissertation. Vgl. Wissensch. Monatsblätter 1876, Nr. 12; Anzeiger für deut-
sches Alterthum 3, 86 ff. (Zupitza); Germania 21, 437 ff. (Kölbing).
796. W^issmann, Theodor, King Hörn. Untersuchungen zur miftel-
englischen Sprach- und Litteraturgeschichte. (Quellen und Forschungen XVJ.).
8. Straßburg 1876. Trübner. 3 M.
Vgl. Revue critique 1876, Nr. 49; Englische Studien 1, 351 ff. (Stimming).
797. Wülcker, R., über die Quellen Layamons.
Paul und Braune, Beiträge 3, 524 — 555.
798. Marienlegenden, altenglische, aus Ms. Vernon zum ersten Mal
herausgegeben von Dr. Carl Horstmann.
Archiv für das Studium der neueren Sprachen 56 (1876), 221 — 236,
799. Zupitza, J., Englisches aus Prudentiushandschriften.
Zeitschrift für deutsches Alterthum 20, 36—45.
800. A reprint in facsimile of a treatise spekynge of the arte and
crafte to know well how to dye. Translated out of Frenshe in to Englyshe
by Will. Caxton. (25 S.) 1876. 16 sh.
I. Altnordisch.
801. Edda. — Die Lieder der älteren Edda (Stemundar Edda), herausg.
von Karl Hildebrand. 8. (XIV, 323 S.) Paderborn 1876. Schüuingh.
Vgl. Germania 21, 376 Ö'. (Kölbing); Liter. Centralblatt Nr. 31 (Edzardi) ; Gott.
Gel. Anzeigen 1877, Nr. 21 (Wilken); Revue critique Nr. 14; Zeitschrift f. d. Philo-
logie 8, 483 ff. (Gering).
802. Edda, die, die ältere und jüngere, nebst den mythischen Erzäh-
lungen der Skalda übersetzt und mit Erläuterungen begleitet von K. Simrock.
6. Auflage. 8. (VIII, 462 S.) Stuttgart 1876. Cotta. 8 M.
803. Die Edda. Götterlieder und Heldenlieder aus dem Altnordischen.
Von H. V. V^^olzogen. 1 M. 20 Pfg.
Reclams Univ. Bibl. 781 — 784. Vgl. Sonntagsbeilage der N. Preuß. Zeitung
1876, Nr. 45.
804. Kichert, försök tili belysning af mörkare og oförstädda stallen i
den poetiska eddan. 8. (IH, 57 S.)
o
In: Upsala Universitets Arsskrift 1876 — 77.
805. Hamäismal. Aus den Vorarbeiten zu einer neuen Ausgabe der
sogenannten Ssemundar-Edda. Von S. Bugge.
Zeitschiift für deutsche Philologie 7 (1876), 377—406. 454.
806. Kölbing, E., zu Oegisdrekka.
Germania 21, 27 f.
807. Rigs Sprüche (Rigs Mal) und das Hyndla-Lied (Hyndlu-liod).
Zwei sozial-ethische Gedichte der Saemunds-Edda erklärt von F. W. Bergmann.
8. (XIX, 188 S.) Straßburg 1876. Trübner. 4 M.
Vgl, Liter, Centralblatt 1877, Nr. 22 (Edzardi).
808. Nordens seldste digt (V0lvespa), oplyst og oversat af Fr. Hain-
merich. (VI; 138 S.) (Mit Titelbild u. Melodie von V.) Kebh. 1876. Gyldendal.
494 BIBLIOGRAPHIE VON 1876.
809. Runen. — Nyfunna svenska runstenar.
Dybeck, Ruua II, 3. 1876.
810. Stephens, G., Runstenen fran Skel.
Bidrag tili kännedom om Göteborgs och Bohusläns fornminnen och historia,
S. 166—174,
811. Dybeck, ß., Sveriges rmmrkunder. I 7. Fol. (S. 39—40, pl. 68
bis 73), II 6. Fol. (S. 27—28, pl. 50—65). Stockholm 1876. 6 kr.
812. Stephen s, Gr., En svensk historisk runbaktreat.
Sveuska fornminnesföreningens tidskrift III, S. 47 — 64.
813. Wimmer, L. F. A., die Runensteine des sogenannten JaelHngekreds .
In: Opuscnla philol. ad J. H. Madvigium missa 1876. Kopenh. Gyldendal.
814. Kohn, Albin, die Mikorzyner Runensteine.
Zeitschrift für Ethnologie 8. Jahrgang (1876), 8. Heft.
815. Sagas. — Nordiske Heltesagaer. Paa Dansk ved Fr. Winkel
Hern. 8. (XIV, 306 S.) Kobenhavn 1876.
Enth. : Völsunga S.. Nornagests S., Hervarar S., Sörla S. sterka., Asmundar S.,
Hrolfs S. kraka.
816. Billeder af Livet paa Island. Islandske Sagaer. Paa Dansk ved
Fr. W. Hern. 3. Sämling. (297 S.) Kjöbh. 1876.
S.: Germ. XX, Nr. 779.
817. Storm, Gust., Om Indskudene i „Fagrskinna". 8. (28 S.) (Chri-
stiania-Vidensk.-Selsk. Forhandl. for 1875.)
818. Sagan af Holta-r ori. Utgefandi: Magnus Sigurttsson. 8. (24 S.)
Reykjavik 1876.
819. Köhler, Reinhold, zur Mägus-Saga.
Germania 21, 18—27.
820. Thomas Saga Erkibyskups. Edited by Eirikr Magnusson. Lon-
don 1875.
Vgl. Academy 1876, 22. Januar (Warner).
821. Symons, B., Untersuchungen über die sogenannte Völsunga Saga.
Paul und Braune, Beiträge 3, 199 — 303.
822. Storm, Gust., Om Haandskrifterne af Thjodrek Munk. 8. (8 S.)
(Christiania-Vidensk.-Selsk. Forhandl. for 1875.)
Über Theodoricus monachus s. Catalogus p. 55.
823. Äldre Västgötalagen. Normaliserad text. (Utg. af E. Schwartz
och A. Noreen). 8. (XII, 67 S.) Upsala 1876. Schultz. 1 kr. 25 ö.
824. Diplomatariu m Islandicum. Islenzkt forn bi'efa safn, sem hefir
inni art halda bret og gjörnfnga, doma og maldaga og adrar skrär, er snerta
Island eda i'slenzka menn. Gefid üt af hinu islenzka bökmentafelagi. I. bindi:
834—1264. Kaupmannahöfn 1857—76.
Bearbeiter ist J6n Sigurdsson.
K. Altschwedisch.
825. Stockholms stads jordebok 1420 — 1474. Utg. af kongl. Samfundet
för utgifvande af handskrifter rörande Skandinaviens historia genom H. Hil-
debrand. (De Svenska stadsböckerna frän äldre tid. I.) 8. (458 S.) Stock-
holm 1876. Haeggström. 7 kr. 50 ö.
826. Johan Gcrsons bok om djefvulens frestelse. Ofversatt af Ericus
Nicolai. Tryckt i Stockholm 1495. Fotografiskt atergifven efter det enda ex.
8. (49 S.) Stockholm 1876. 5 kr.
* ' Samlingar etc. H. 66.
XIII. L. MITTELLATEINISCHE POESIE. 495
L. Mittellateinische Poesie.
827. Wattenbach, W. , mittelalterliche Umarbeitung latein claasiacher
Dichtungen.
Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit 1876, Sp. 75 — 77.
828. Klein, J., Zu den versus Scoti cuiusdam de alphabeto.
Rheinisches Museum N. F. 31, 465 ff. (1876).
829. Carmina clericorum, Studentenlieder des 12. und 13. Jahr-
hunderts edidit domus quaedam vetus. 2. Auflage 1876. Heilbronn 187G.
Henninger.
Vgl. Kölnische Zeitung 1876, 166: Nordd. Allg. Zeitung Nr. 155; Im neuen Reich
37; Eixropa 36; Deutsche Zeitung Nr. 1662; Blätter für das bayer. Gymu. XII, 6;
Jen. Liter. Zeitung 1876, 50.
830. Meyer v. Knonau, G., die Ekkeharte von St. Gallen. Vortrag.
8. Basel 1876. Schwoighauser.
831. Henkel, über den historischen Werth der Gedichte des Ermoldus
Nigellus.
Programm der holi. Bürgerschule in Eilenburg 1876. 4. (22 S.)
832. Zink, B., über Roswithas Carmen de gestis Oddonis. 8. Leipzig
1876, Keßler. 2 M. 50 Pfg.
833. Huebaldi Elnonensis monachi de Laude calvorum carmen mirabile.
Le poeme admirable d'Hucbald, moine de Saint-Amand , k la louange des
chaiives. Avec preface par J. Dessilve. 8. (63 S.) Valenciennes (1876).
834. Watten bach, W., zu dem Gedicht über den Mongoleneinfall.
Forschungen zur deutschen Geschichte 16, 370 f. (1876).
835. Gedicht an Bischof Sigebert von Minden (1022) von E. Dümmler.
Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit 1876, Sp. 289—291.
836. Dümmler, E., Gedieht Walahfrids an Kaiser Lothar.
Zeitschrift für deutsches Alterthum 21, 462 — 466.
837. Dümmler, E., Gedichte aus Frankreich.
Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde II, 1 (1876).
838. Dümmler, Reichenauer Reliquien.
Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit 1S76, Sp. 177 ff.
839. Dümmler, E., Metrum Anacreontium.
Ebenda Sp. 180.
840. Dümmler, E., Aus einer Tegernseer Hs.
Ebenda Sp. 237—239. Lat. Gedicht 11. Jh.
841. Dümmler, E., Gedichte aus dem 11- Jahrhundert.
Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtsknnde. Herausg.
von W. Wattenbach. I, 1. Hannover 1876. Hahn.
842. Köhler, R.^ Nachtrag zu den latein. Versen 'zur Schafzucht.
Anzeiger für Kunde der deutscheu Vorzeit 1876, Sp. 48.
843. Nolte, Dr., Subscriptionen und Preise von Hss. nebst kleinen
unedirten Gedichten.
Anzeiger etc. 1876, 233—237.
844. Sepet, M., cantique latin du deluge, public d'apr^s le ms. fran^.
25408 de la Bibliotheque nationale. 8. (8 S.) (Bibliotheque de l'Ecole des Ch.
Nogent-le-Rotrou 1876).
845. Ulmann, H., über den angeblichen Verfasser des Gedichtes in
den Annales Ceccanenses.
Neues Archiv der Gesellschaft etc. I, 1. 1876,
496 MISCELLEN.
846. Wattenbach, W., Ährenlese aus Münchener Handschriften.
Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit 1876, Sp. 334—336. 356 — 360.
847. Wattenbach, W.^ Schreibervers.
Ebenda 1876, Sp. 46 f.
848. Wattenbach, W., Klage über die schlechten Zeiten.
Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit 1876, Sp. 16.
849. Wattenbach, W., Lob der Häuslichkeit für einen Priester.
Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit 1876, Sp. 277—279.
MISCELLEN.
Bericht
über die Verhandlungen der deutsch-romanischen Abtheilung der 32. Philologen-
Versammlung zu Wiesbaden 1877.
An den Verhandlungen nahmen Theil die Herrn Prof. Dr. Th. Crei-
zenach aus Frankfurt a. M., erster Vorsitzender; Prof. Dr. K. Lucae aus
Marburgs zweiter Vorsitzender; Altenburg, W., aus EupenJ Arnold, Dr.
W., Gymnalsiallehrer aus Dresden; Bangert, F., Realschullehrer aus Bocken-
heim; Bechstein, R., Professor aus Rostock ; Bindewald, Dr. 0., Realschul-
lehrer aus Gießen; Bohnemann, A., Lehrer aus Köln; Crecelius, Dr. W.,
Professor aus Elberfeld; Creizenach, Dr. W., Assistent an der Universitäts-
bibliothek in Breslau; Düntzer, Dr. H. , Professor aus Köln; Gering, Dr.
Hugo, Privatdocent aus Halle; Grotefend, Dr. H., Stadtarchivar aus Frank-
furt a. M. ; Heinzerling, Dr. J., Realschullehrer aus Siegen; Hengsten-
berg, Rector aus Solingen; Heuser^ Prorector aus Kassel; Holland, Dr.
W., Professor aus Tübingen; Hoepfner, Dr. E., Provinzialschulrath aus Ko-
blenz; Hüf er, Gymnasiallehrer aus Wesel; Kaiser, Dr., aus Elberfeld; Kelch-
ner, Dr. Ernst, aus Frankfurt a. M. ; Kling elhoeff er, Dr., Gymnasial-
lehrer aus Darmstadt; Koch, Dr. Franz, Gymnasiallehrer aus Aachen; Köhler,
Dr. Reinhold, Bibliothekar aus Weimar; Köster, Dr., aus Iserlohn; Kräuter,
Dr., Gymnasiallehi-er aus Saargemünd; Kuhlmey, Dr., Oberlehrer aus Wies-
baden; Kühn, Dr., aus Wiesbaden; Lauer, Dr., Gymnasialdirector aus Wetzlar;
Lehmann, Dr. Bernhard, Realschullehrer aus Frankfurt a. M. ; Matthias,
Dr. E., aus Barmen; Maue, Dr. H. C, Lehrer aus Frankfurt a. M.; May, H.,
Rector aus Frankfurt a. M. ; Merz, J. W., Realschullehrer aus Bockenheim;
Neumann, Dr., aus Frankfurt a. M. ; Opel, K,, Reallehrer aus Friedberg;
Opitz, Dr., Oberlehrer aus Naumburg; Rei ff er scheid, Dr. AI., Professor
aus Greifswald; Rovenbagen, Dr., Oberlehrer aus Aachen; Sachs, Dr.
Karl, Professor aus Brandenburg; Schauenburg, Dr., Realschuldirector aus
Crefeld ; Schmidt , Dr. Erich, Professor aus Straßburg; Schrammen, Lehrer
aus Köln; Schroeter, Dr., Gymnasiallehrer aus Wesel; Sprenger, Dr. Rob.,
aus Göttingen; Steinthal, Dr. H., Professor aus Berlin; Stengel, Dr. E.,
Professor aus Marburg; Theobald, Dr. A. , aus Hamburg; Thiele, Fr.,
Oberlehrer aus Bochum; Urlichs, Dr., Professor aus Würzburg; Victor,
Dr. Wilh., aus Düsseldorf; Warth, Präceptor aus Böblingen ; Weiland, Dr.,
MISCELLEN 497
Professor aus Gießen; Wein and, Dr., Gymnasiallehrer aus Neuss; Werle,
aus Oberlahnstein; Werner, Dr. Karl, aus Halle a. S.; Witte, Dr., aus
Wiesbaden; Wiilcker, Dr. E. , aus Weimar; Wülcker, Dr. R., Professor
aus Leipzig; Zacher, Dr. K., Privatdocent aus Halle.
Zu Schriftführern wurden bestimmt Dr. Witte und Dr. Heinzerling.
1. Sitzung. Mittwoch den 26. September, Vormitttags 1 1 V^ Uhr.
Nachdem die Constituierung der deutsch-romanischen Abtheilung stattge-
funden hat, eröffnet Hr. Prof. Creizenach die Sitzung. Er macht die ge-
schäftliche Mittheilung, daß die Herausgabe des mittelniederdeutschen Wörter-
buches von Lübben und Schiller, für welche die Section eine Subvention
von Seiten des deutschen Reiches erwirkt habe, auch in diesem Jahre erfreu-
lichen Fortschritt genommen, wie denn das 18. Heft bereits erschienen sei. Er
legt sodann einige Schriften vor, welche den Mitgliedern der Section von den
Verfassern zur Verfügung gestellt woi'den sind:
1. Bemerkungen über das Neuangelsächsische Pronomen von Dr. Witte.
2. Einen von Prof. Bartsch in Tübingen gehaltenen Vortrag über Dante.
Exemplare dieses Vortrages sind durch Hrn. Prof. Dr. Holland der Versamm-
lung überbracht worden, welcher zugleich im Namen des Hrn. Prof. Bartsch
die Versammlung begrüßt und erklärt, derselbe bedauere sehr, daß es ihm nicht
möglich gewesen sei, an den Sitzungen der Section Theil zu nehmen.
3. Thesen zur einheitlichen Orthogi*aphie der Dialecte, im Auftrage der
germanistisch-romanistischen Section der Tübinger Philologen- Versammlung zu-
Bammengestellt von Prof. Dr. Sachs.
4. Thesen für die Schreibung der deutschen Dialecte (Abänderungsvor-
schläge zu Prof. Dr. Sachs' Thesen) von G. Michaelis.
5. Grundsätze und Forderungen für die Bestimmung der Schriftzeichen
für mundartliche Forschung. Als Ergänzung zu den Thesen des Hrn. Prof.
Dr. Sachs-Brandenburg und den des Hrn. Prof. Dr. v. Keller-Tübingen und
Hrn. Prof. Dr. Michaelis-Berlin von Adolf Theobald Dr. phil.
Nach einer kurzen Debatte wird beschlossen , daß in der am Freitag
stattfindenden Sitzung die für die Feststellung einer Orthographie der Dialecte
in der Sectionssitzung der vorigen Philologen-Versammlung gewählte Commission
der Section ihre Vorschläge machen solle.
Der Vorsitzende zeigt ferner an , daß ihm aus St. Louis (Ver. Staaten)
eine von einem Deutsch-Amerikaner verfaßte englische Übersetzung des Haupt-
gedichtes von Frauenlob zugeschickt worden, unter dem Titel „Heinrich von
Meißens generally known as Frauenlob Cantica canticorum or Lay of our Lady
translated by A. E. Kroeger". Er empfiehlt diese sorgfältige Arbeit um so
mehr der Aufmerksamkeit, als sie wohl die erste Probe strenger mittelhoch-
deutscher Studien jenseits des Oceans sein möchte.
2. Sitzung. Donnerstag den 27. September Morgens 8 Uhr.
Prof. Wülcker entwirft eine kurze Schilderung von Greins Leben, führt
die von ihm veröffentlichten Schriften an (vgl. den Aufsatz in der Anglia) und
fährt dann fort: Ich hatte s. Z. in dem Nachruf in der Anglia darauf aufmerk-
sam gemacht, daß der litterarische Nachlaß noch manche kleinere Arbeit aus
dem Angelsächsischen liefern werde. Ich war unterdessen in Hannover, um den
Nachlaß zu ordnen und muß nun meine Behauptung zurücknehmen; es hat
sich so gut wie gar nichts gefunden, wohl eine Folge der langen Krankheit des
GEBBLANIA. Neue Reihe. X. (XXII. Jahrg.) 32
498 MISCELLEN.
Dahingeschiedenen. Das einzige ist eine neue druckfertige Ausgabe der Ein-
zelausgabe des Beovulf. Ausserdem bin ich schon vom Verleger AVigand be-
auftragt worden, die beiden letzten Bände der angelsächsischen Poesie neu
herauszugeben. Ich glaube, daß ich mich der Zustimmung aller Fachgenosseu
erfreue, wenn ich nicht nach englischer Weise unnöthig Pietät an dem Verstor-
benen übe, sondern seine kleineu Fehler entferne, die Texte mit den Handschriften
vei'gleiche und damit den Vorwurf, welchen die Engländer Grein macheu , be-
seitige. Freilich , wenn die Engländer ihm Vorwürfe machen , so machen sie
auch solche ihren eigenen Landsleuten, nach deren Texten er herausgab. Diese
sind freilich oft recht ungenau. Als z. B. vor einigen Jahren ein deutscher
Gelehrter, Prof. Schipper, zufällig die von Thorpe veröffentlichten Räthsel
mit der Handschrift verglich, fand er, daß das 10. Räthsel einfach weggelassen
war, weil es zu schwierig war. Kemble gibt die 10 Gebote heraus, unter
welchen eins fehlt. Sieht man aber die Handschrift selbst nach, so findet man,
daß hier gar nichts fehlt, sondern, daß er einfach einige Zeilen überschlagen
hat. Greins Arbeiten wurden während seines Lebens vielfach angefeindet, die
Werke des Dahingeschiedenen werden eine billigere Kritik erfahren. Bei der
Beurtheilung der Verdienste Greins darf nicht aus den Augen gelassen werden,
daß seine Bedeutung in der Bearbeitung der angelsächsischen Poesie liegt, nicht
in seinen sprachvergleichenden Arbeiten, daß er nur wenig Zeit auf dieselben
verwenden konnte, daß er nie die Manuscripte selbst sah. Durch seine Textes -
ausgaben ist übei'haupt erst ein Studium des Angelsächsischen möglich geworden.
Das Studium des Angelsächsischen breitet sich nicht nur in Deutschland, Eng-
land und Amerika immer weiter aus, sondern vor einiger Zeit ist Beovulf auch
ins Französische übersetzt worden. Wo in Zukunft das Studium des Angel-
sächsischen blüht, wird Grein's Name nicht vergessen sein.
Ich möchte hieran noch eine kleine Bemerkung schließen. Es handelt sich
um ein Werk, welches ziemlich vergessen war, ich meine die altfranzösiscben
und altenglischen Glossarien, welche s. Z. Th. Wright herausgab. Nur der
eine Band war buchhändlerisch zu haben, der zweite wurde nach englischer
Unsitte nur privatim veröffentlicht. Es wurde mir nun vom Verleger aufgetragen,
diese Glossarien aufs neue herauszugeben und hier wird manches zu verbessern
sein. Th. Wright war ein Vielschreiber. Er hat Wörter aufgestellt, die nie
im Angelsächsischen vorkommen. So findet sich an einer Stelle : lesia = para
oder wie Th. Wright liest pana. Sieht man genauer in der Handschrift nach,
so findet man über para noch ein dis. Das Wort lautet also paradis, während
lesia als elysia zu erklären ist. Nachdem der Redner noch ein ähnliches Beispiel
von Ungenauigkeit angeführt hat, erwähnt er zum Schluß, daß noch Manches
zu dem von Wright veröffentlichten hinzugefügt werden müsse, da Wright
einfach ganze Seiten überschlagen habe, die er nicht habe lesen können.
Prof. Greiz enach knüpft auf Befragen noch einige Bemerkungen an
die englische Übersetzung der Cantica canticorum (s. oben) ; sie sei überaus
genau und zeige philologische Durchdringung des Stoffes, vor allem sei es dem
Übersetzer trefflich gelungen, das Schwunghaft-Üppige von Frauenlobs Poesie
nachzuahmen. Nach seiner Überzeugung werde Frauenlobs Werth neuerdings
unterschätzt. Er habe deutsch-mythische Tradition in eigenthümlicher Weise
mit biblischer zu vereinigen gewußt, so an jener Stelle wo Maria Gott ihren
alten Friedel nennt und sagt : er warf mir den Hammer in den Schooß.
MISCELLEN. 499
Hierauf hält Prof. Sachs seinen Vortrag über Fr. Diez. Er erwähnt
einleitend , da(i im vorigen Jahre , als der Vorsitzende das Dahinscheiden von
Diez erwähnt habe, alle ein Gefühl der Trauer erlullt habe. Da darnal.s von
Diez nicht ausführlicher die Rode gewesen sei, so habe er sich entschlossen,
auf der diesjährigen Versammlung die Schuld gegen den großen Gelehrten ab-
zutragen. Da der Vortrag demnächst veröffentlicht wird, so sehen wir von einer
genaueren Inhaltsangabe ab; er schildert Diez' Leben, zählt seine Werke nebst den
darüber erschienenen Recensionen auf, rühmt nicht nur die VortrefFlichkeit
dieser Werke, sondern des Verfassers schlichtes, einfaches Wesen, seinen schönen
Charakter, in Folge dessen er allgemeine Verehrung genossen habe, wie sich
dies namentlich am fünfzigsten Jahrestage seiner Pr-omotion gezeigt habe. Um
seinen Werth in seinem ganzen Umfang zu begreifen, sagt er, genüge eine kurze
Übersicht über das, was in den romanischen Sprachen vor Diez und was jetzt
geleistet sei. Vor ihm könne von einer Wissenschaft der romanischen Sprachen
nicht die Rede sein, wenn auch hie und da einzelne Versuche lexikalischer und
gramuiatischer Arbeiten aufgetaucht seien. Er zählt sodann das auf, was in den
romanischen Sprachen vor Diez geleistet wurde und hebt darauf hervor, daß jetzt
schon verschiedene deutsche und außerdeutsche Zeitschriften für romanische
Sprachforscher das bequemste und reichhaltigste Gebiet zum Ideenaustausch
bildeten , daß auf den Universitäten mit wenigen Ausnahmen für das Studium
der romanischen Sprachen gesorgt sei, daß das Prüfungsreglement sie zum ersten
Male als besonderes Fach anerkannt habe. Zum Schluß spricht er noch den
Wunsch aus, dafi die Diezstiftung, für die bereits gegen M. 4000 gesammelt
seien, in nicht allzu ferner Zeit ins Leben treten möge.
Prof. Creizenach fordert die Section auf, noch einmal herauszutreten
zur Unterstützung einer bedeutenden Sache ; es handle sich diesmal um die
geeigneten Schritte, die Regierung für die Unterstützung der Frommann'schen
Zeitschrift „die deutschen Mundarten" zu gewinnen. Wegen der schon vorge-
rückten Zeit wird beschlossen, die Angelegenheit auf morgen zu vertagen.
3. Sitzung. Freitag den 22. September 8V2 Uhr.
Prof. Creizenach theilt zunächst mit, daß mehrere Schriften eingesandt
worden seien, unter anderen:
„Beiträge zur Kenntniss der jüdisch-deutschen Litteratur, ein hebräisch-
deutsches Glossar, herausgegeben von Brüll", welches ihm der Aufmerskamkeit
der Sprachforscher sehr würdig scheine. Dann verliest er einen Brief von Prof.
Weigand aus Gießen, worin derselbe sein Bedauern darüber ausspricht, daß
er wegen einer erst jetzt beseitigten Krankheit verhindert sei an den Sitzungen
der Section Theil zu nehmen und zugleich seiner Verwunderung Ausdruck gibt
über die Orthographie der Frankfurter Lehrer wie über die Beschlüsse der
Berliner Conferenz und sich gegen eine einfache Abstimmung in der ortho-
graphischen Frage verwahrt. Nachdem Prof. Creizenach dann noch mit-
getheilt hat, daß von Prof. Bartsch eine freundliche Erwiederung auf den
ihm übersandten Gruß eingegangen sei, fordert er die Hrn. Prof. Sachs, Dr.
Theobald und Dr. Kräuter auf, über ihre Berathung in Betreff der Ortho-
graphie der Mundarten Bericht zu erstatten. Prof. Creizenach bemerkt
noch zixr Kenntnissnahme, daß auf der vorigen Philologen-Versammlung die
Section eine Commission zur Fixierung der dialectischen Laute gewählt habe
und daß Prof. Sachs als Vorsitzender derselben mit der Formulierung der
500 MISCELLEN.
der Section vorzulegenden Thesen beauftragt worden sei. Zu diesen von ihm
aufgestellten Thesen habe nun Hr. Prof. Michaelis Abänderungsvorschläge
und Hr. Dr. T h e o b a 1 d G-rundsätze und Forderungen für die Bestimmung der
Schriftzeichen u. s. w. drucken lassen.
Prof. Sachs: Zuerst muß ich einem Mißverständnisse entgegentreten.
Der Zweck dieser Vorschläge hat gar nichts mit der Schul- und Schriftsprache
zu thnn , sie sollen nur für die germanischen und romanischen Dialecte eine
Handhabe bieten, damit man ohne weiteres wisse, wie jeder Buchstabe auszu-
sprechen sei und wie der Autor das betr. Lautzeichen auftaßt. Darum wurden
diese Thesen aufgestellt, für die Hr. Prof. Greiz enach in der rheinfränkischen
Mundart die Schreibeprobe gemacht hat, die sehr befriedigend ausfiel. Jeden-
falls sind die Thesen der verschiedenen Herren sehr leicht zu vereinigen. Da wir
eine Schreibweise nicht für Germanisten speciell, sondern auch für Romanisten
feststellen wollen, so wären die lateinischen Buchstaben zu empfehlen. Wie die
Nasalierung bezeichnet wird, ob j oder y das Zeichen der Mouillierung ist, das
sind alles Nebenfragen. Die Hauptfrage ist: Sollen für diese Aufzeichnung,
was Prof. V. Keller nicht wünscht, die lateinischen Schriftzeichen genommen
werden und sollen die drei ersten Thesen als Grundlage angenommen werden?
Dr. Theo bald schließt sich dem von Hrn. Prof. Sachs Gesagten an und
bemerkt, es sei ein wesentlicher Fortschritt gegen das in Tübingen Geschehene
zu constatieren ; in den Grundsätzen herrsche durchweg Übereinstimmung und
aus der Anwendung dieser Grundsätze würde sich eine große Menge von brauch-
baren Einzelheiten ergeben. Ob das Dreieck des Hrn. Prof. Michaelis das
vollendete Symbol des Verhältnisses der Vocale zu einander sei, sei noch zwei-
felhaft, vielleicht würde man am richtigsten die Laute in einer geraden Linie
dai-stellen.
Prof. Sachs theilt darauf noch mit, daß ihm Hr. Prof. Bartsch ein
Schreiben zugesandt habe, worin er seine Übereinstimmung mit den meisten von
ihm aufgestellten Thesen ausgesprochen habe.
Präceptor Warth aus Böblingen bemerkt: Das schwedische a mit über-
geschriebenem o wird schwedisch wie ein reines o gesprochen, dagegen hat der
Schwede auch einen dem a im englischen talk entsprechenden Laut, den er mit
a bezeichnet. Es ist noch ein einfacheres Zeichen für das in These 5 aufge-
stellte zu empfehlen, auch die Nasalierung dürfte sich durch ein einfacheres
Zeichen ausdrücken lassen. Man könnte am Vocale selbst eine kleine Verän-
derung anbringen, etwa ein Häkchen oder irgend eine Schleife, man wäre dann
nicht genöthigt, mit der Hand abzusetzen. — Hr. Dr. Th e ob a Id erklärt, daß er
in der Hauptsache damit einverstanden sei, aber auf einzelne Laute komme es
nicht an, wie z. B. diesen schwedischen, sondern auf die Zweckmäßigkeit der
Bezeichnung überhaupt. Es gäbe eine Legion von Bezeichnungen in altnieder-
deutschen Urkunden und eine Menge von Überschreibungen , aus allen aber
leuchte das Princip hervor, daß der überschriebene Laut eine Nüancierung an-
deute und dies Princip scheine ihm richtig, bei der genauen einzelnen Laut-
fixierung seien Hilfszeichen nicht zu entbehren. — Hr. Präceptor Warth bemerkt
darauf noch, Hr. Dr. Theo bald sage in einer These, daß da, wo das latei-
nische Alphabet nicht ausreiche, andere Alphabete ergänzend eintreten könnten ;
80 könne man für den Laut zwischen a und o das Griechische CO gebrauchen.
Die Griechen hatten ein O) neben o eingeführt wie ein rj neben e. Von da
MISCELLEN 501
an datiere eine neue Schreibung und wir seien froh darüber, daß die Griechen
beiderlei Zeichen hätten. Warum sollten wir vor einer solchen Schreibung zurück-
sehrecken? — Dr. Kräuter sagt, man wäre in das gerathen, was vermieden
werden sollte, in eine Besprechung einzelner Punkte, die privatim zu besprechen
seien und stellt den Antrag auf Schluß der Debatte. — Prof. Creizenach be-
merkt, daß sich ihm immermehr die Überzeugung aufdränge, daß eine Berathung
über Fragen, wie sie jetzt vorgebracht würden, nicht hieher gehöre, dies sei
eine freie Versammlung wissenschaftlicher Männer, welche man von diesem Ein-
gehen ins Einzelne, das kein Ende voraussehen lasse, entlasten müsse. — Dr.
Theo bald erklärt, daß sich die Versammlung mit dem Vorschlage einverstanden
erklären könne, da gegen die Principien nichts eingewandt sei und drückt den
Wunsch aus, daß die Section die Commission noch weiter bestehen lasse. — Prof.
Sachs erklärt, daß er damit einverstanden sei, daß mau hier über Einzelheiten
nicht berathen dürfe, doch könnten die Grundgedanken der ersten Thesen sehr
leicht erledigt und dadurch eine Basis gefunden werden, es sei nicht gut die
Sache ad infiuitum zu vertagen. — Prof. Creizenach stellt darauf folgende
Fragen : Will die Versammlung sich mit den ersten Thesen einverstanden er-
klären, will sie sich auf daraus sich ergebende Discussionen einlassen, oder will
sie besondere Vorschläge über die Schreibung der einzelnen Laute abweisen?
Prof. Steinthal bemerkt sodann, die allgemeinen Grundsätze müßten die sein,
die schon die Wissenschaft angenommen habe, darüber könne kein Mensch mehr
streiten. Nur wäre die Frage, welche specielle allgemeine Grundsätze einzu-
führen seien, dies führe zu Fragen, auf die man sich nicht einlassen könne,
ohne in vSpecialitäten zu gerathen. Man lasse also diese Frage. Prof. Crei-
zenach läßt abstimmen und die überwiegende Mehrheit ist dafür, daß die
Frage jetzt nicht weiter erörtert werde.
Prof. Creizenach bemerkt zu einem von Prof. Sachs in seinem Ne-
krologe über Diez angeführten Umstände^ er wolle auf den ungemeinen Einfluß
aufmerksam machen, den ein von Goethe gegebener Rath auf diesen großen
Gelehrten ausgeübt habe. Die Radien von Goethes Wirksamkeit theilten sich
je mehr wir ihn kennen lernen in die Peripherie um so weiter aus und die
deutsche Gelehrtenwelt thue recht daran, wenn sie auf die eminente Bedeutung
dieser großen Persönlichkeit einen solchen Nachdruck lege. Wie großartig die
Thätigkeit des Dichters von 1810 — 18 gewesen sei, werde klar, wenn man die
von ihm gegebenen literarischen Anregungen überschaue. Es zeige sich dann
auch, daß er für die echte, später erprobte wissenschaftliche Richtung der ro-
mantischen Schule fördernd eingetreten, dagegen ihren Verirrungen entgegen-
getreten sei. Es sei noch nicht genug beachtet^ mit welchem andauernden Eifer
Goethe die erste germanistische Zeitschrift von einiger Bedeutung durch Bei-
träge und Subscription unterstützt habe, er meine die „Wöchentlichen Nach-
richten" von Büsching. — Im Anschluß daran theilt Prof. Creizenach einen
bisher unbekannten Brief Goethes an einen Hrn. Engelmann in Frankfurt mit,
welcher deshalb eine große Bedeutung habe, weil der Dichter sich hier zuerst
in seiner milden Weise über die dem Mittelalter zugewandten Bestrebungen aus-
spricht. In den Briefen des erwähnten Zeitraumes fänden sich auch manche
Anspielungen, welche zeigten, daß er bisweilen die Schriftsteller des 15. und
16. Jahrhunderts vornahm, freilich nicht immer in kritischer Weise, wie er denn
einmal das Trinklied «der liebste Buhle" dem frommen Paul Gerhard zuschreibe.
502 MISCELLEN.
Demnächst hielt Prof. Erich Schmidt einen Vortrag über eine Briefsamm-
Iiing. Es handelt sich hier, begann er, um den Nachlaß eines den meisten
jedenfalls bekannten Mannes, Fr. D. Ring, welcher Prinzenerzieher und Geh.
Hofrath in Karlsruhe war und mit Herder, Klopstock, Wieland und einer Reihe
anderer bekannter Männer in Verbindung stand. Sein Name wurde in den letzten
Jahren dadurch bekannter, daß Keil einen etwas medisanten, klatschsüchtigen
Brief von ihm an Wieland veröffentlichte. Da ich nun erfuhr, daß in der Frei-
burger Bibliothek nicht weniger als 36 Quartanten als Nachlaß Rings vorhanden
wären, so wandte ich mich nach Freiburg um diese nach Straßburg zu be-
kommen. Erst nach vielen Umständen konnte ich einen Theil davon erhalten,
den größeren Theil mußte ich escerpieren. Was ich hier mittheile , ist
daher nicht das Resultat eingehender Vorbereitung. Ring wurde zu Straß-
burg geboren, wo sein Vater Meistersänger war^ studierte Theologie, wurde Haus-
lehrer und kam dann nach Zürich, zu der Zeit, wo Wieland dort war. Er ver-
kehrte viel in dem Kreise von Bodmer, Breitinger und Geßner. Da er auch
mit Wieland verkehrte, so haben sich Briefe aus dieser Zeit erhalten, aus denen
wir Einiges über diesen erfahren. Später wurde Ring Prinzenerzieher in Karls-
ruhe. Die meisten dieser Quartanten enthalten Briefe. Ich habe natürlich nur
das speciell Litterarhistorische herausgenommen. Für die älteste Zeit sind gleich
interessant die Briefe von Pfeffel und Nikolai. Pfeflfel spricht sich in diesen
Briefen viel freier aus als später. Er schreibt zuerst noch durchweg Deutsch,
bis sich auf einmal der Übergang zum Französischen findet. Die Briefe aus
den siebenziger Jahren werfen interessante Stieiflichter auf die Sturmperiode.
Nicolai, der erst Deutsch, später ebenfalls vornehmlich Französisch schreibt,
spricht sich in seinen Briefen über die Anakreontiker aus. W^ährend er für Uz
begeistert ist, nimmt er gegen Wieland eine gewisse Kühle an. Der Karls-
ruher Hof bot einem ihm naher stehenden viel anregendes wegen der
vielen damit in Verbindung stehenden bedeutenden Persönlichkeiten. Die
Markgräfin von Baden-Durlach correspondierte z. B. mit Linne, trat mit dem
Philosophen von Ferney in Verbindung etc. Es ist mir gelungen, eine Reihe
von Voltaires Briefen au die Markgräfin zu finden , die einen ausführlichen
Bericht über die Reise, welche die Markgräfin mit einigen Verwandten nach
Ferney unternahm, enthalten. Ebenso wie durch den Aufenthalt am Hofe wurde
Ring auch dadurch angeregt und gefördert, daß er verschiedene Reisen unter-
nahm und litterarisch bedeutende Männer aufsuchte. So besuchte er in Prank-
furt das Goethesche Haus, lernte dort die Mitglieder des Jacobischen Kreises
kennen, ferner in Berlin und Leipzig die berühmtesten Theologen. Ich will
jedoch hier nur darauf näher eingehen, was sich aus Rings Nachlaß für die
hervorragendsten litterarischen Persönlichkeiten ergibt, so zuerst für Horder. Er
ist mit Ring durch das gleiche Interesse für Klopstocks Oden verbunden und
so drehen sich denn die ersten Zettelchen Herders von Straßburg aus um diese
Oden. Ring hatte in seiner Jugend ungedruckte Gedichte gesammelt und besaß
daher deren mehr als die meisten damaligen Klopstock- Verehrer. Herder hatte
schon früh begonnen sich eine ähnliche Sammlung anzulegen und hat denn
auch einen vollständigen ungedruckten Bogen dieser Ringschen Sammlung nicht
zurückgegeben. Die Herderschen Briefe sind ferner interessant mancher Aufschlüsse
wegen, die seinen Straßburger Aufenthalt betreffen. So z. B. motiviert er in
einem Briefe aufs bestimmteste, warum er seine Stellung niedergelegt habe und
MISCELLEN 503
beklagt sich namcntlicli über die Beleidigungen, welche ihm von untergeordneten
Domestiken in der Umgebung des Prinzen widerfahren seien. Was Wieland
betrift't, so knüpft dieser die von Zürich bestehende Verbindung mit Ring wie-
der an im Interesse seines Merkura. Wir bewundern in seinen Hriefin die
ungemein geschickte Art, wie er als Redacteur auftritt. Er will auch in Süd-
deutschland Abonnenten zu gewinnen suchen und bittet Ring daher um seine
Vermittlung. Er spricht sich bei dieser Gelegenheit auch über Begründung
und Intentionen des Merkur au.s. King unterstützt ihn auch wirklich und ge-
winnt ihm namentlich am markgrilflicheu Hofe Abonnenten, obgleich er hinzu-
fügen muß, daß sich der badische Adel anfänglich ablehnend verhalten habe.
Dann correspondieren sie auch über „den goldenen Spiegel'' und „Alceste".
Was wir hierbei über letzteres Werk erfahren, kann uns zu einer günstigeren
Beurtheilung desselben führen, insofern Wieland schreibt, er sei nicht gutes Muthes
in Bezug auf den Erfolg dieses Singspiels, er habe zu sehr mit dem vorhan-
denen Material rechnen müsson , welches ein Kunstwerk abzugeben wenig geeignet
sei. Rings Verbindung mit Wioiand wird noch befestigt durch eine Verwandte
Rings, die Frau Kammerrath Volz, durch deren Briefe wir zugleich manches
über die geselligen Verhältnisse von Wetzlar in der vorgoethischen Zeit er-
fahren, u. a. daß es namentlich die Legationsräthe waren, welche dort Leben
machten. Wir finden auch einen Brief der Frau Volz, worin der Fall des jungen
Jerusalem besprochen wird. Durch diese Volz erhielt Ring auch einen Brief
Wielands, welchen dieser an sie schrieb, als sein Vater im Sterben lag. — Was
Klopstock angeht, so habe ich, führt Redner fort, einen sehr ausführlichen
Aufsatz über Klopstock in Karlsruhe gefunden , gewissermassen eine weitere
Ausführung seines klatschsüchtigen Briefes an Wieland. Klopstock wird uns
als salope, ja sogar als schmutzig geschildert. Das mag übertrieben sein. Das
rechte trifft man aber wohl, wenn man sich ihn als etwas turnerhaft vorstellt.
Imponierend ist, wie fest Klopstock am Karlsruher Hofe auftritt; Höflingsnaturen
wie Ring sind natürlich darüber aufs höchste erstaunt und so werden von ihm
auch eine Menge kleiner Auftritte erzählt, Klopstocks Gebahren betreffend. —
Rings Odensammlung ist schon frühzeitig angelegt worden, wobei vorläufig dahin-
gestellt bleiben muß, ob von dieser Sammlung schon alles gedruckt ist. Wichtig
ist der Theil der Sammlung, welcher Klopstock betrifft. Ein großer Tbeil der
Oden erscheint in der Fassung, wie sie uns aus älteren Drucken bekannt sind,
dagegen sind mehrere u. zw. die wichtigsten in einer Fassung vorhanden, wie
wir sie vorher nicht kannten. Bei der Bedeutung, welche Klopstock nament-
lich für die Entwickelung der Sprache des 18. Jahrhunderts hat, müssen wir
Klopstocks Sprache in ihrer genetischen Entwickelung aufs genaueste durch-
studieren und daher ist diese Sammlung wichtig. — Auch über Schubart er-
fahren wir durch Briefe aus Schwaben Manches. Die Ergebnisse für den
Goetheschen Kreis sind nicht groß, aber immerhin nicht unerheblich. Goethe,
damals in Straßburg, steht durchaus in dem Rufe eines sittenlosen irreligiösen
Menschen. — Auch über Lenz erfahren wir Manches. Wir hören, daß er sich
damals um eine Stelle als Hofmeister bewarb, obgleich er sich hiergegen ver-
wahrt hat. Er stand auch in keinem besonderen Rufe , worüber Oberlin und
Stöber berichtet haben. Ring kennt auch Lavater, aber als entschiedener Ra-
tionalist nimmt er gegen ihn eine immer entschiedenere Stellung ein. Auch
über die Gelehrten des 18. Jahrhunderts erfahren wir Manches, namentlich den
504 MISCELLEN.
Klotzschen Kreis. Ring hat auch an dem Streit gegen Klotz etwas Antheil
genommen. Insbesondere ist sein Nachlaß interessant wegen der regen durch
viele Briefe bezeugten Verbindung mit Riedel. Es tritt da zugleich die Per-
sönlichkeit Glucks auf, in dessen Haus Riedel lebt. Das Bild eines genialen,
aber haltlosen Menschen, welches von ihm entworfen zu werden pflegt, wird
hier auf das glänzendste bestätigt. Von Philologen, mit denen Ring in Ver-
bindung stand, ist etwa noch der bekannte Villoison zu erwähnen, welcher sich
in einem Briefe ausführlich über Weimar ausspricht: wir lernen 12 lateinische
Epigramme von ihm über Weimarer Persönlichkeiten kennen. Auch für den
Betrachter der politischen Geschichte ergibt sich Manches aus unsern Briefen,
so über die Revolution in Straßburg und Paris. Erlauben Sie mir nun noch
auf einen Namen specieller einzugehen, nämlich auf Heinr. Leopold Wagner,
um dessentwillen ich mich hauptsächlich nach Freiburg gewandt hatte. Zu
meiner Freude fand ich in der Sammlung 21. Briefe, welche Wagners Leben
ganz anders dai'stellen, als es bisher uns bekannt war. Der erste Theil meiner
Schrift über Wagner wird daher eine gänzlich andere Gestalt gewinnen müssen.
Aus diesen Briefen ergibt sich Folgendes: Wir sehen die sehr precären Um-
stände der Familie Wagner: schon früh muß er auswärts Stellen suchen, Ring
bemüht sich in Schwaben für ihn : doch sind die Berichte über ihn aus Straß-
burg nicht eben die günstigsten. Er hat damals den Plan, eine Sammlung von
Gedichten herauszugeben, die aus mehreren 100 Stück bestanden haben muß.
Einige mögen sich erhalten haben, die Masse derselben ist nicht bekannt, der
ästhetische Verlust ist jedoch nur ein geringer. Die Straßburger Censur ver-
wirft die Herausgabe dieser Gedichte und Wagner ist ganz entrüstet über die
Prüderie, welche dort walte. Mitte Februar 1773 tritt Wagner seine Stelle
als Hofmeister beim Präsidenten von Günderode in Saarbrücken an, dessen
Stellung schon damals eine sehr wankende war. Wagner muß Beiträge für das
dortige Wochenblatt geliefert haben. Es liegen sehr schwache Producte vor,
die er an Ring schickte, z. B. kleine Festschriften für den Geburtstag des
Herrn von Günderode. Wichtiger ist uns aber die Stellung , welche dieser
spätere Stürmer und Dränger zu den damaligen litterarischen Größen einnimmt.
So ist es überraschend, daß Wagner damals Niemand anders vergöttert als Wie-
land und Jacobi. Wahrscheinlich durch das kühle Verhalten Wielands gegen
ihn hat sich dann weiterhin diese Stellung verändert. Wir sehen , daß er sich
eifrig bemüht, sich die neuere Litteratur anzueignen. Das Französische ist ihm
schon früh bekannt, in Saarbrücken treibt er auch Spanisch und Italienisch. Er
wirkt auch für die Verbreitung des Merkur. Falsch aber ist die Annahme, daß
Wagner mit Goethe in Frankfurt schon näher verkehrte. Nachdem er Saarbrücken
verlassen , irrlichteliert er in der Frankfurter Gegend herum und ist eine Zeit
lang in Frankfurt Assistent eines Lehrers der neueren Sprachen. Nun wird allmäh-
lich die Verbindung mit Goethe eine engere. Auch über „Prometheus", „Deukalion
und seine Rccensenten" erfährt man einiges und es ist endlich einmal Zeit sich
darüber klar zu werden , daß Goethe mit dieser Satire so gut wie gar nichts
zu thun hat. „Ich gebe jetzt", sagt Wagner, „ein neues Drama heraus, ich
muß mich in Acht nehmen, daß mir die Recensenten nicht in die Quere kommen,
als Verfasser des Prometheus". Wagner ist damals schon vollständig mit
Goethe zerfallen. Der Prolog des Prometheus ist durchaus nicht in Frankfurter
Mundart geschrieben , sondern mehr in Straßburger und das spricht auch für
MISCELLEN. 505
Wagner als den Verfasser. Andererseits kann auch die genaue Betrachtung
des Knittelverses zeigen , daß derselbe für Goetht^ doch zu schlecht ist- In
den Goetheschen Farcen ist ferner immer ein breiter Hintergrund, große Ideen
treten hervor, wie denn z. B. in seinem Satyros eine Fülle von Poesie ist.
Das Wagnersche Werk dagegen ist nichts weiter als eine taktlose Satire.
Zum Schlüsse verspricht der Redner noch, daß sein „Wagner" sich im näch-
sten Jahre vollständig darbieten werde.
Director Schauen bürg aus Crefcld thcilt mit, daß er wilhiend eines
Aufenthaltes in Paris ein altes Manuscript, eine Dichtung geistlichen Inhaltes
aus dem 14. vielleicht auch 15. Jahrhundert enthaltend, erworben habe. Es
sind 80 Blätter, Papier in Lagen von 4 Blättern geheftet. Den Inhalt bilden
28 geistliche Betrachtungen in Versen, welche mit der Verkündigung und Geburt
beginnen und mit der Himmelfahrt und der Krönung Mariae endigen, jedoch
in der Mitte eine Lücke enthalten. Manche Verse sind von großer Länge,
manche von unstatthafter Kürze. Wahrscheinlich zum Vorlesen in einem Nonnen-
kloster dienend, ist das Manuscript Abschrift eines Originals. Beim Abschreiben
ist aber nicht alles verstanden worden, so ist z. B. der Name Codrus Cedeus
geschrieben. Die Handschrift ist ferner mit einer nicht geringen Anzahl von
Bildern ausgestattet, derartig, daß jede Blattseite halb zu einer Darstellung
aus dem alten , halb zu einer aus dem neuen Testament verwendet worden ist
und hierbei das symbolische Verhältniss des alten zum neuen Testamente , als
eines prophetischen, durchweg zum Ausdruck kommt. Die Bilder, nicht unge-
schickt behandelt, verrathen Studium der Anatomie und des Faltenwurfes und
sind insofern auch für den Kunsthistoriker von einigem Interesse. Die Sprache
des Textes scheint oberdeutsch zu sein, wofür Ausdrücke wie gesin für ge-
wesen u. a. zeugen. Redner liest hierauf eine Anzahl Verse vor und erklärt
sich am Schlüsse seines Vortrages bereit, das Manuscript einer Bibliothek zu
näherer Prfifung zu übergeben. Prof. Crecelius bemerkt, daß das Werk
entschiedene Ähnlichkeit mit einer Historienbibel habe. Prof. Bech stein
meint, daß es wegen des Wasserzeichens des Papieres nach Süddeutschland
gehöre und zwar wohl in das Gebiet des Alemannischen.
An die von Director Schauen bürg gemachte Bemerkung, daß im vor-
liegenden Manuscript neben einem Bilde aus dem neuen Testament ein ent-
sprechendes aus dem alten dargestellt sei, knüpft Prof. Creizenach einen
längeren Vortrag an über die Nebeneinanderstellung des Jüdischen und Christ-
lichen in Kunstwerken des späteren Mittelalters. „Wie weit die Vorliebe für
derartige Parallelisierung gegangen ist", sagt er, „können wir uns heutzutage
kaum vorstellen. Ich möchte allen Mitgliedern der Section insbesondere ein
genaues Studium der Schnitzereien an den Chorstühlen der damaligen Zeit
dringend empfehlen. Im späteren Mittelalter gab es keine Äußerung des öffent-
lichen Culturlebens, die so wichtig war wie die Procession. Das Auge des Volkes
gewöhnte sich damals an die Anschauung von Parallelen, von auf einander be-
züglichen Symbolen in einem solchen Grade, daß der Mann aus dem Volke
einen besseren Überblick über die sinnbildlichen Bezüge hatte als heutzutage der
Gelehrte. Das alte Testament erlangte dadurch neuen Werth, daß es zur Verglei-
chung Veranlassung gab, z.B. Eva, durch welche die Welt verloren gieng, an Maria,
die Retterin derselben, erinnerte, wobei man nicht zu erwähnen vergaß, daß
Eva umgekehrt ave laute. Solche Beziehungen auf das alte Testament finden
506 MISCELLEN.
sich namentlich im späteren Mittehilter, wo man anfieng, sich sehr viel mit
dem Judenthum zu beschäftigen und wo die Aufmerksamkeit auf das Juden-
thum eine gewisse Feindseligkeit erzeugte, wie Rumeland und Muscatblüt zu
erkennen geben, der iiber den Einfluß der Juden klagt, die auch anfiengen,
ritterliche Namen anzunehmen. Die späteren Zeiten des Mittelalters sind gegen
das Judenthum feindseliger als die früheren. Übrigens waltete auch im Juden-
thum, in Liedern und Gedichten Vorliebe für Zahlensymbolik, die am liebsten
in Räthselfragen eixigekleidet wurde. EttmüUer theilt in seinem an nützlichen
Aufschlüssen reichen, aber wegen seiner barocken Einkleidung ausserhalb aller
Verbreitung gebliebenen Werke „Herbstabende und Winternächte" (II, 272) ein
solches Lied in Fragen und Antworten mit, welches mit der Frage beginnt : Wer
ist Eins? (Quis est unus?) und so bis zur Zwölfe fortschreitet. Dem entspricht
ein ganz ähnliches Lied in dem hebräischen Gebetbuch Hagada, welches noch
gegenwärtig an jedem Osterabend von dem frommen Juden gesungen wird, nur
daß dieses mit der dreizehn anfängt und bis zum Einen, Gott, vorschreitet. "
Prof. Greiz enach bemerkt zum Schluß, daß aus einer sorgfältigen Beachtung
dieses Zusammenhanges von Jüdischem und Christlichem sich noch manches
Interessante ergeben werde.
Hierauf legt Prof. Urlichs das Manuscript eines Gedichtes von Lenz
vor und bemerkt dabei: dieses Gedicht ist in abweichender Fassung in Schillers
Musenalmanach für 1798 unter dem Titel „Die Liebe auf dem Lande" ver-
öffentlicht worden. Das von Schiller veröffentlichte Gedicht ist ohne allen
Zweifel von Schiller aus den Papieren, die ihm aus der Hinterlassenschaft von
Lenz durch Goethe zugeschickt wurden, aufgenommen. Merkwürdig ist nun,
daß dieses Gedicht in einer früheren Gestalt existiert. Diese erste Fassung ist
mir zufällig vor einiger Zeit von einem eifrigen Sammler Lenzischer Fragmente,
einem Hrn. P^wald zugestellt worden mit der Erlaubniss es in irgend einer Weise
zu benutzen. Während nun hier der Anfang lautet: „Ein wohlgenährter Cau-
didat, der niemals einen Fehltritt that", heißt es im Musenalmanach: „Ein
schlechtgeuährter Candidat, der oftmals einen Fehltritt that". Ausserdem unter-
scheidet sich das gedruckte von dem ungedruckten durch eine größere Aus-
führlichkeit. Die Frage ist nun die, wie und durch wen die weitere Ausführung
stattgefunden habe. Es ist nicht undenkbar, daß Schiller, welcher mit großer
Freiheit mit den Erzeugnissen anderer schaltete, dieses Gedicht, das er etwas
mager fand, ausgeschmückt hätte. Der Ausdruck „eräschert", welcher sich
darin findet, madit jedoch diese Annahme wiederum zweifelhaft, da er mehr
niederdeutsch ist.
Nach einigen an diese Mittheilung geknüpften Bemerkungen von Prof.
C reizen ach über das Lenziche Gedicht wird die Vormittagssitzung geschlossen.
4. Sitzung. Freitag den 28. September Nachmittags 5 Uhr.
Zunächst wurde darüber berathen, in welcher Weise die Section wohl
dazu beitragen könne , die Fortsetzung der Frommannschen Zeitschrift „Die
deutschen Mundarten" zu ermöglichen. Prof. Sachs schlägt vor, unter den
einzelnen Mitgliedern der Section eine Anzahl Subscribenten zu gewinnen, was
jedoch abgelehnt wird. Prof. Creizenach beantragt eine Commission zu er-
nennen , welche die Sache in die Hand nehmen und sich bemühen solle , die
Regierung für die Unterstützung der Zeitschrift zu gewinnen. Es werden hier-
auf auf seinen Vorschlag die Herren Prof. Bechstein und Sachs von der
MISCELLEN. 507
Versammluug zu diesem Zwecke gewählt, mit dem Auftrag, sich nocli durch
3 Mitglieder zu verstärken, als welche die Herren Prof. Wein hold, Seh er er,
Bartsch oder von Keller in Vorschlag gebracht werden.
Prof. C reize nach erinnert sodann noch daran, daß ausser Diez und
Grein noch zwei bedeutende Fachgenossen in der letzten Zeit gestorben seien:
Philipp Wackernagel und Ludwig EttmüUer. Ich kann, sagt er, nicht ihr Leben
und ihre ganze Wirksamkeit schildern, nur auf Eins will ich aufmerksam machen.
Beide waren Greise, beide fiengen ilire Wirksamkeit an, als die Ziele der Ger-
manistik noch unbestimmt waren. Phil. Wackernagel hat unvergängliche Ver-
dienste um das Kirchenlied, er hat zuerst eine Periodenbestimmung für das-
selbe möglich gemacht. Bei seiner streng protestantischen Richtung hat er
sich doch der vorlutherischen Lieder mit Eifer angenommen. Welche Arbeits-
kraft gehörte dazu, da im Jahre 1700 die Zahl der Kirchenlieder auf 30.000
angewachsen war, allgemeine Gesichtspunkte aufzustellen. Wie schön hat Wacker-
nagel die Perioden bis auf Paul Gerhard gezeichnet! Ihm war von Natur eine
gewisse alterthümelnde Geschmacksrichtung eigen und so hat er auch jene
Lieder, die dem heutigen Publicum nicht mehr nach Geschmack sind, doch zu
würdigen gewußt. Von Phil. Wackernagel geht die besondere Würdigung der
sog. alten Kernlieder aus, über welche man sich jetzt bis zur Gartenlaube hinab
lustig macht. Er hatte eine ausserordentliche ßelesenheit und wußte mit feinem
Sinn das Charakteristische aus jeder Epoche herauszufinden. Er hat daher eine
große Bedeutung als Anthologe.
Ettmüller war von Wackernagel in der Gesinnung grundverschieden.
Wackernagel hatte eine J^hrfurcht vor alten Einrichtungen uml Religionsan-
schauungen, die bis zur Verknöcherung gieng. Die Vergötterung der guten alten
Zeit hat Niemand so weit getrieben , wie er. Er hätte sich nie entschließen
können ein Schriftstück von Börne aus der würdigsten Epoche seiner Thätig-
keit, etwa die Denkrede auf Jean Paul in seine Anthologie aufnehmen. Ett-
müller hingegen ist in politischer Hinsicht schroffer Republikaner , ein Feind
des Klosterlebens wie der allzu eifrigen Versenkung in die älteren Cultusforraen
und hat dies nach der anderen Seite mit gleicher Einseitigkeit kundgethan.
Ettmüller hat in dem Werke , dessen barocke Form ich schon erwähnt habe,
Bedeutendes geleistet, er hat das Ganze der deutschen Heldensage mit kühnem
Überblick dargestellt, er ist einer der Begründer der jetzt so blühenden angel-
sächsischen Studien. Endlich hat er sich auch als tüchtiger, maßvoller Philologe
in der Ausgabe des Heinrich von Veldeke gezeigt, während er als Heraus-
geber der Gudrun einem sehr weitgehenden Kriticismus huldigt.
Den Schluß der Vorträge bildete eine Mittheilung des Prof. Lucae aus
Marburg aus seinen Parzivalstudien , wobei Redner zunächst den Wunsch aus-
sprach, daß die Zahl der Parzivalerklärer die sich gegenseitig zu fördern hätten,
zunehmen möge, damit nach dem dankeuswerthen Commentar von Bartsch das
baldige Zustandekommen einer tiefergehenden, der Bedeutung des Dichters
entsprechenden, durchgängigen Erklärung des Parzival ermöglicht werde. Eigent-
licher Gegenstand des Vortrages war der Traum , welchen Parzivals Mutter
Herzeloyde in ihrer Schwangerschaft träumt (Abschn. 103, 25 — 104, 17). Davon
ausgehend, daß im zweiten Traumbild Parzival mit einem Drachen verglichen
wird, ein Vergleich der weder durch sein Wesen noch auch durch seine Schuld
der Mutter gegenüber gerechtfertigt erscheint, daher wohl einer anderen Sage
508 MISCELLEN.
entlehnt, auf Parzival nur übertragen und seiner Geschichte angepaßt ist, er-
innert der Vortragende an das was römische und griechische Schriftsteller von
ähnlichen Träumen der Mutter des Augustus, Scipio, Africanus maior, des
Aristomenes, Aratus, sowie endlich Alexanders des Großen berichten, auf dessen
Zeugungssage die Sagen von der göttlichen Herkunft der eben genannten
Helden zurückzuführen sind.
Auch für die Parzivalstelle sind nach Ansicht des Vortragenden Reminis-
cenzen der Alexandersage verwerthet worden, zumal auch das erste Traumbild
der Herzeloyde, das Eingreifen von Donner und Blitz an die Sage von gleichen
Vorgängen bei Alexanders Geburt erinnert. Eine Hinweisung auf Lessings
Deutung der besprochenen Träume in seinem Laokoon bildete den Schluß des
Vortrages , welcher demnächst in der Zeitschrift für deutsche Philologie zum
Abdruck gelangen wird.
Nachdem hierauf der Vorsitzende mitgetheilt , daß der Versammlungsort
der nächstjährigen Philologen- Versammlung Gera sein werde und die Section
beschlossen hatte , das Präsidium der deutsch-romanischen Abtheilung Prof.
Eduard Sievers in Jena zu übertragen, wurden die diesmaligen Verhand-
lungen, für deren lehrreiche und umsichtige Leitung Prof. Holland aus Tü-
bingen den herzlichsten Dank der Anwesenden an Prof. Creizenach aussprach,
geschlossen.
WIESBADEN. Dr. WITTE.
Berichtigung.
Von befreundeter Seite bin ich darauf aufmerksam gemacht worden, daß
ich in der neuen Ausgabe meiner Analecta norroena (Leipzig 1877), Vorrede
Vni^, wo ich eine Stelle aus Konr. Gislawons Abhandlung in Ann. f. nord.
Oldk. 1863, 405 anführe, statt "des Verfassers Meinung' ungenau citiert habe
'Thorodds Meinung', Die Vermuthung, daß der Verf. der ältesten Abhandlung
über das isländische Alphabet der in Jons saga biskups kap. 13 besprochene
rorroddr Gamlason sei (s. K. Maurer, Altnord. S. 7 und 54) -— eine Ver-
muthung, von der ich nicht einmal weiß, ob sie Prof. Gislason billige oder
nicht — sie gehört lediglich Gudbrand Vigfusson an, der jene Abhand-
lung zu wiederholten Malen in seiner Vorrede zur Eyrbyggja (Leipzig 1864)
und in seinem Wörterbuche (Oxf. 1869) unter Thorodds Namen aufführt.
In meinem Abdruck der genannten Abhandlung selber (AN. S. 189 — 201)
stehen auf S. 196^^"'^* die Namen der (/ousonanten fälschlich unterhalb statt
oberhalb (196*^^ ofan!) ihrer Figuren.
Zugleich benutze ich diese Gelegenheit, den Leser meiner Anmerkungen
zu den Proben (S. 290 — 311) auf Gudbrand Vigfussons Vorrede zur
Eyrbyggja (Leipzig 1864) und namentlich auf die so überaus lehrreichen Ar-
tikel über die einzelnen Buchstaben in seinem Wörterbuch (Oxf. 1869) hier-
mit noch ganz besonders zu verweisen.
KIEL, 20 Dec. 1877. TH. MÖBIUS.
PF Germania
3003
Jg. 22
PLEASE DO NOT REMOVE
CARDS OR SLIPS FROM THIS POCKET
UNIVERSITY OF TORONTO LIBRARY