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Full text of "Germania"

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ür 


GERMANIA. 


VIERTELJAHRSSCHRIFT 


FÜR 


DEUTSCHE  ALTERTHÜMSKUNDE. 


BEGRÜNDET  VON  FRANZ  PFEIFFER. 


HERAUSGEGEBEN 


KARL    BARTSCH. 


ZWEIUNDZWANZIGSTER  JAHRGANG. 
NEUE  REIHE   ZEHNTER    JAHRGANG 


WIEN. 

VERLAG  VON  CARL  GEROLD'S  SOHN. 

1877. 


.^^ 


INHALT. 


Seite 

Die  Berleburger  Handschrift   des  Titurel  und    der  Schluß    dieses   Gedichtes.  Von 

Fr.  Zarncke 1 

Die  Tübinger  Titurelbruchstiicke.    Von  Fr.  Zarncke 16 

Das  Spiel  von  den  sieben  Weibern,  die  um  einen  Mann  streiten.  Von  R.  Kühler     19 

Die  geworfenen  Steine.  Von  F.  Liebrecht 21 

Allerhand  Vermuthungen  und  Nachweise.  Von  F,  Bech 34 

Salomo  und  Saturn.  Von  J.  Schipper 50 

Über  Reinmar  von  Hagenau.  Von  R.  Becker "0,   19^ 

Zu  des  Strickers  Karl.    Von  C.  von  Jecklin 129 

Unterweisung  zur  Vollkommenheit.  Von  F.  Bech 16* 

Kleine  Mittheilungen.   Von  F.  Liebrecht 181 

Kleine  Beiträge  zur  Mythologie.  Von  C.  M.  Blaas 257 

Nachträgliches  zu  Albers  Tundalus.  Von  R.  Sprenger 264 

Die  Pariser  Handschrift  des  Iwein.    Von  O.  behaghel 273 

Zur  chronologischen  Bestimmung  des  VI.  und  VH.  Buches  von  Wolframs  Parzival 

und    über    den  Beginn  von  Wolframs  und  Walthers  Aufenthalt  in  Thüringen. 

Von  J.  E.  Wackernell 280 

Zu    einer    Stelle    in  Rudolfs  von  Ems   Barlaam    und   Josaphat.    Von  R.  Köhler.  285 

Zu  dem  Gratzer  Cisiojanus.  Von  K.  E.  H.  Krause. 286 

Wortformen  auf  -eze.    Von  F.  Bech 290 

Kinderlieder  und  Reime.  Von  Th.  Gelbe 293 

Die  Busse  Adams  und  Evas.  Von  H.  Fischer 316 

Susanna.    Von  K.  Schröder 342 

Lesefrüchte  aus  Zürich  und  Bern.  Von  F.  Vetter 352 

Zum  Marner.    Von  F.  Bech 385 

Wie  Meister  Eckhart  kam  ein  schöner  nackender  Pub.  Von  F.  Bech 391 

Die  althochdeutschen  Glossen  aus  Sanct  Peter.  Von  A.  Holder 392 

Zu  Gottfrieds  Tristan.  Von  R.  S  p  r  e  n  g  e  r 406 

Michael  Beheims  Lebensende.  Von  J.  Caspart..  412 

Ain  Vasnacht  Spill  von  den  Risn  oder  Reckhn.    Von  O brist .   420 

Beiträge  zur  Erklärung  der    religiösen  Dichtungen  Wahhers  von  der  Vogelweide. 

Von  J.  Fasching 4:29 

Mittheilungen  aus  Grazer  Handschriften.  Von  A,  Jeitteles 437 

LITTERATUR. 

C.  Callenberg,  Layamon  und  Orm.    Von  E.  Kölbing 93 

Ph.  Strauch,  der  Marner.  Von  K.  Bartsch    ...        95 

E.  Voigt,  Ecbasis  Captivi.  Von  K.  Bartsch 97 

E.  Kölbing,  Englische  Studien.  Von  J.  Schipper 98 

K,  G.  Andresen,  über  deutsche  Volksetymologie.  Von  K.  Bartsch 106 

H.  Rückert,  Heliand.   Von  O.  Behaghel 226 

H.  Gering,  Die  Causalsätze  und    ihre   Partikeln    bei    den    althochdeutschen    Über- 
setzern des  achten  und  neunten  Jahrhunderts.    Von  O.  Behaghel 229 


W,  Maunhardt,  Roggenwolf  und  Roggenhund ;  die  Korndämonea  etc.  Wald-  und 
Feldculte.  Erster  Theil.  Der  Baumcultus  der  Germanen  und  ihrer  Nachbar- 
stämme. Zweiter  Theil.  Antike  Wald- und  Feldculte  aus  nordeuropäischer  Über- 
lieferung erläutert.    Von  K.  J.  Schröer 232 

F.  Kramer,  Idiotismen  des  Bistritzer  Dialekts.  Von  K.  J.  Schröer    ....    241,  367 

G,  K,  Frommann,  Die  deutschen  Mundarten.  Von  K.  J.  Schröer 246 

Th.  Gelbe,  Deutsche  Sprachlehre.  Von  E.  Kölbing 371 

J.  Bächtold  und  F.  Vetter,   Bibliothek  älterer  Schriftwerke    der  deutschen  Schweiz 

und  ihres  Grenzgebietes.    Von  L.  Tobler.... 373 

O.  Behaghel,  Die  Modi  im  Heliand.  Von  P.  Piper 375 

M.  Vogler,  Sjurflar  kvsedi.  Von  B.  Symons 440 

BIBLIOGRAPHIE. 

Bibliographische  Übersicht   der  Erscheinungen  auf  dem  Gebiete  der   germanischen 

Philologie  im  Jahre  1876.    Von  Karl  Bartsch 447 

MISCELLEN. 

Bericht  über  die  Verhandlungen  der  germanisch-romanischen  Section  auf  der 
XXXI.    Versammlung    deutscher    Philologen    und    Schulmänner    zu    Tübingen 

(24.-27.  September  1876).  Von  R.  Kap  ff 107 

Deutsche    Handschriften    der   Georgs  -  Bibliothek    zu   Dessau    (Fortsetzung).     Von 

W.  Hosäus 114 

Verkäufliche  Abschriften  Heidelberger  Handschriften.  Von  W.  Schlüter  ....   116 

Theophil  Rupp.  Von  K.  Bartsch 123 

Alexander  Vollmer.    Von  K.  Bartsch 124 

Ein  Brief  F.  H.  von  der  Hageus  an  Fr.  D.  Gräter.    Von  H.  Fischer 127 

Erklärung.  Von  A.  Jeitteles 127 

Personalnotizen 127 

Mahnwort.  Von  K.  J.  Schröer 127 

Briefe  von  Jacob  Grimm  an  Karl  Dominique  Franz  von  Villers.    Von  Dr.  Isler.  248 

Erklärung 256 

Zwei  Briefe  Jacob  und  Wilhelm  Grimms.    Von  B.   Symons 380 

Germanistische  Vorlesungen  im  Soramersemester  1877 383 

Berichtigung 384 

Bericht  über  die  Verhandlungen  der  deutsch- romanischen  Abtheilung  der  32.  Phi- 
lologen-Versammlung zu  Wiesbaden  1877.  Von  Witte 496 

Berichtigung.    Von  Th    Möbius 508 


DIE  BERLEBURGER  HANDSCHRIFT  DES  TITU- 
REL  UND  DER  SCHLUSS  DIESES  GEDICHTES. 


I.  Die  Berleburger  Handschrift. 
Unmittelbar  nachdem  meine  Abhandlung  über  den  Graltempel 
erschienen  war,  wurde  ich  von  zwei  Seiten  darauf  aufmerksam  gemacht, 
daß  sich  auf  dem  Archive  zu  Berleburg  im  Besitze  des  Fürsten  von 
Wittgenstein  eine  vollständige  Handschrift  des  Titurel  befinde,  von 
der  bisher  noch  nirgends  die  Rede  gewesen  und  die  daher  auch  von 
mir  übersehen  worden  war.  Es  dauerte  eine  Zeitlang  bis  ich  in  Er- 
fahrung gebracht  hatte,  an  wen  ich  mich  zunächst  würde  wenden 
dürfen,  um  genauere  Mittheilung  über  jene  Handschrift  zu  erhalten, 
und  ich  war  in  dieser  Zeit  nicht  ohne  ernste  Sorge,  es  möge  der 
eben  von  mir  herausgegebenen  Arbeit  durch  dies  neue  Material  ein 
erheblicher  Schade  erwachsen;  denn  Berleburg  ist  ein  altes  Stamm- 
schloß der  von  jeher  reich  begüterten  Wittgenstein'schen  Familie, 
und  so  lag  die  Gefahr  nahe,  es  möge  die  dort  aufbewahrte  Hand- 
schrift vielleicht  schon  bald  nach  dem  Erscheinen  des  Gedichtes  ange- 
schafft und  in  dauerndem  Besitz  der  fürstlichen  Familie  geblieben  sein, 
also  eine  Handschi-ift,  an  Werth  etwa  der  Dietrichstein'schen  vergleich- 
bar. Dieser  Sorge  wurde  ich  freilich  enthoben,  als  Herr  Superinten- 
dent Dr.  th.  Fr.  Winckel  in  Berleburg  mir  mittheilte ^  daß  es  eine 
späte,  schlecht  geschriebene  Papierhandschrift  des  15.  Jahrhunderts 
sei,  die  wahrscheinlich  erst  in  der  Zeit  von  1532 — 1605  durch  den 
Grafen  Ludwig  sen.  sammt  den  Gütern  der  alten  Familie  Winter  er- 
worben worden  sei.  Aber  etwas  Näheres  konnte  er  mir  im  Augen- 
blicke nicht  mittheilen,  denn  ein  neckischer  Zufall  hatte  es  gefügt,  daß 
wenige  Stunden  vor  dem  Eintreffen  meiner  Anfrage  die  Handschrift 
an  den  Großherzog  von  Weimar  ausgeliehen  worden  war.  Nähere 
Nachforschungen,  die  auf  meine  Bitte  mein  Freund  Reinh.  Köhler  in 
Weimar  nach  der  Handschrift  anstellte,  ergaben,  daß  dieselbe  auf  die 
Jenaer  Universitätsbibliothek  entsendet  sei,  und  hier  hat  nun  Herr 
Prof.  E.  Sievers  die  Güte  gehabt,  die  Handschrift  in  meinem  Interesse 
in  Augenschein  zu  nehmen  und  mich  mit  den  im  Nachstehenden  von 
mir  verwendeten  Notizen  zu  versehen.     So  bin  ich   also  in  den  Stand 

GERMANU.  Nene  Reihe  X.  (XXII.)  Jahrg.  1 


2  F.  ZARNCKE 

gesetzt,  was  ich  im  vorigen  Bande  S.  432  noch  von  anderer  Seite  er- 
hoflPte,  selber  ausführen  zu  können. 

Die  Hs.  Litr.  T.  Xr.  437  in  Quart  (28,  7  c'"  hoch,  21,  5  c""  breit) 
der  fürstlichen  Bibliothek  zu  Berleburg  (wie  ein  auf  der  Iinieuseite  des 
Vorderdeckels  vom  15.  ^Nlärz  1845  datierter  Vermerk  besagt)  enthielt 
ausser  einer  vorgebundenen  Lage  leeren  Papiers  von  16  Blättern  ur- 
sprünglich 742  (unbezifferte)  Blätter  in  62  Lagen  zu  12  Bl.  (nur  Lage  8 
hat  14,  Lage  24  oder  25  und  52  nur  10  Bl.).  Die  Lagen  sind  auf 
der  Vorderseite  des  je  ersten  Blattes  rechts  oben  von  der  Hand  des 
Schreibers  gezählt.  Jetzt  ist  die  Hs.  unvollständig;  es  sind  ausge- 
rissen Bl.  34  (unmittelbar  vor  der  Beschreibung  des  Graltempels); 
289—91.  383—85.  419—29.  490.  Einige  Seiten  im  Innern  der  Hs. 
sind  unbeschrieben,  weil  die  Tinte  durch  das  Papier  gedrungen  war. 
Ebenso  sind  unbeschrieben  Bl.  1  und  12,  die  correspondierenden  Aussen- 
blätter  der  ersten  Lage*). 

Die  Handschrift  wurde  im  October  des  Jahres  1479  von  einem 
Priester  des  Benedictinerordeus,  Johannes  Doyle  aus  GJypperg,  für  den 
Ritter  Otto  Winther  geschrieben ,  wie  aus  den  zwei  vorhandenen  Sub- 
scriptionen  hervorgeht.  Die  erste  steht  am  Schlüsse  des  eigentlichen 
Gedichtes  :  Finit  feliciter  post  incarnacionem  Jesu  millesimo  quadrin- 
gentesimo  septuagesimo  nono  ipso  die  Seuerini  episcopi  (23.  October)  ad 
vtilitatem  vaVdi  Oito  Winth'e.  Dann  folgen  Capittel  der  auentür  (s.  u.)_, 
dann  auf  der  letzten  Seite  ein  Schreiber-  und  Malerscherz**)  und  unter 

*)  Der  Einband  scheint  noch  der  alte  Originalband  zvi  sein,  Holzdeckel  mit 
starkem  Schweinsleder  überzogen;  nur  sind  jetzt  die  Schliessen  und  Beschläge  abge- 
nommen. Auf  dem  Vorderdeckel  ist  ein  kleines  Pergamentstreifchen  aufgeklebt  mit 
dem  Titel  Der  Tytiirel,  noch  aus  dem  XV.  Jh. 

**)  Die  Seite  oberhalb  der  zweiten  Subscription  ist  wie  folgt  ausgefüllt: 
b  a 

Was  sagn  ir  nun  He?-  Johan  icas  sol  dis  ere 

Liebe  Junghr  ott  Volcziehn  es  nit  mere 

Das  wirt  s-ünder  spott  Ich  kan  es  nit  v''d7-agn 

Durch  mich  volczogn  Ich  ensage  nie  by  viy   dagn 

Ich  bin  vnbedrogn  Schentlich  ist  zil  vil  hofelich 

An  vto'r  wicz  d''  ist  gnüg  Düt  es  mas   ist  lobelich 

Was  nit  gesche  es  lo''  vnfug  Seczn  vff  wz  inohi  ir  diin. 

roth  saget  an  Jungh''  ott  Otto    Wynthers  roth 

Hierunter  das  Bild  des  Schreibers,    der  das  thün  ich  \\  stind'"  spott. 

seinen  Hut    in    der    rechten    Hand    trägt,  Hierunter  das  Bild  des  Otto  Winter  vor 

mit  der  linken  aber  seine  Kapuze  über  einem  halbverdeckten  Wnppen;  er  sucht 
den  Kopf  gestreift  hat.  die  Höflichkeitsbezeugung   des  Schreibers 

mit  vorgestreckten  Händen  abzuwehren. 
Der  Text  der   zweiten  Colunmc  gehört  vor  die   erste  (vgl.  die  Reime  diin :  nun) ; 


DIE  BERLEBURGEK  HANDSCHRIFT  DES  TITUREL.  3 

demselben  mit  rotlier  Sclirift  die  zweite  Subscription :  Scriptuiii  per  rae 
Joh.  doyle  de  Glypperg  sacerdotem  vt'  digü  professum  monachum  ordinis 
sanctissimi  henedicti  circa  annos  mundi  sex  milia  sexingentos  LXKVIII, 
circa  xpi  autem  M"  CCCC'LXXIX. 

Der  Text  beginnt  auf  Bl.  2*  mit  der  rotlien  Überschrift: 

Des  Strengen  hcr'nn   wolframs  von  Es.   in  Ty iure  11 
On  angenge  vnd  an  lecze.     Bistü  got  ewig  lebende. 
Din  krafFt  an  vndersecze    Hymel  vnd  erde  heldet  enbor  uff  swebende. 
Diu  ye  din  yem'.  ist  gar  vngephachtett. 
Sam  wirt  din  li()he.  breide  lenge  dieffe  nyni    merc  bedrachtet. 

Die  einzelnen  Verszeilen  sind  in  der  Hs.  nicht  abgesetzt,  auch 
nicht  immer  durch  Heimpunkte  getrennt.  Jede  Strophe  beginnt  mit 
einem  rothen  Initialbuchstaben.  Die  Bilder  stehen  je  zu  Anfang  eines 
Capitels.  Die  (stets  rothen)  Überschriften  der  letztern  stehen  theils 
schon  auf  der  dem  Bilde  (das  stets  eine  volle  Seite  füllt)  vorangehenden 
Seite,  theils  stehen  sie  unmittelbar  über  dem  Bilde  selbst.  Nur  das 
erste  Bild  hat  eine  eigene  Überschrift:  Hie  feret  Tyturison  zum  hei- 
ligu  grabe.     Die  Überschriften  der  ersten  Capitel  lauten: 

(I,  vor  Hahn  77.) 
Das  erste  wie  alles  das  das  Im  buch  parczifal  v'holen  vnd 
v''swigen  her  wolfrara  hie  zu  liecht  bringen  Avil.  Wie  der  keyser 
Vespasyan  Jherusalem  v^stort  die  Juddü  erslüg  Vnd  den  konig 
paryllen  mit  sich  zu  Rome  fuert  vnd  im  gros  ere  dett  vnd  vvie  die 
heidn  dem  selbn  v^gabn  Oüch  wie  er  vnd  Elyzabel  Zum  heilgü  grabe 
fuern  Vnd  von  irem  sou  Tyturison  Vnd  von  Tyturisons  son  Ty- 
türel  dem  erstn  konige  des  Grales. 

(II,  vor  Hahn  257.) 
Auentüer  wie  Tyturel  durch  den  engel  zum  Grale  v^kundet 
vnd  oüch  dar  hin  gefürt  wart. 


dem  entsprechend  stehen  über  ihnen  die  Buchstaben  a  und  h;  geschrieben  aber  wur- 
den sie  in  umgekehrter  Stellung,  weil  das  Bild  den  zuerst  redenden  Ritter  rechts,  den 
antwortenden  Schreiber  links  bot.  Der  Scherz  scheint  dieser  zu  sein,  daß  der  Ritter 
es  als  ein  Übermaß  von  Höflichkeit  abweist,  daß  der  Schreiber  vor  ihm  sein  Haupt 
entblößt.  Unvermerkt  zieht  der  Schreiber  die  Kapuze  über  den  Kopf  und  fragt  dann 
neckend:  tvas  sagen  ir  nun?  Daran  knüpft  er  dann  wieder  die  Versicherung,  daß  seine 
Höflichkeit  dem  würdigen  Ritter  gegenüber  nicht  übertrieben  gewesen  sei.  Diesen 
Scherz  auszuführen,  war  er  wohl  im  Stande,  weil  er  zugleich  Priester  und  Mönch  war. 
Vgl.  die  zweite  Subscription.     Nicht  klar  ist  mir,  was  die  Worte    das  thnn  ich  mnder 

svott  im  Munde  des  Ritters  bedeuten  sollen. 
'^  \  1  * 


4  F.  ZARNCKE 

(III,  vor  Hahn  281.) 
Wie   Tyturel    das    schlos    zürn    grale    Genant    Montsaluatsch 
büwett  vnd  ein  kostlich  capelle  dar  lune  etc. 

(IV,  vor  Hahn  416.) 
Wie  Tytürel    eyns    konges    dochter   von    Hyspanien    genant 
Richoüde  Vnd  wie  sin  sün  frymütell    die   küningyn  (-nnigyn  oder 
-ningyn)  Ciarissen  zu  der  ee  uam. 

(V,  vor  Hahn  476.) 
Aüentiir  wie  Tyturell  sin  kinde   lerte    tugende  vnd   in   geist- 
lich bedttdüng  des  grales    seide  vnd  von  tilgenden    ettlicher   cost" 
licher  steyne. 

(VI,  vor  Hahn  575.) 
Auentüer    wie    frimutel    könig    im    grale    wart  Vnd    sin    zw 
töchter  tschoysianen  Vnd  herczelöydil  herus  gap  in  die  'ee' 

Von  29  an  sind  die  Überschriften  in  Versen  abgefaßt,  die  offen- 
bar Producte  des  Schreibers  selbst  sind,  da  er  in  ihnen  auf  den  aus  dem 
Schlüsse  bekannten  Otto  Winthers  und  einen  Johan  Winthers  (vielleicht 
Vater  Ottos?)  Bezug  nimmt.  Also  auch  hier  zeigt  sich  die  in  so  vielen 
Handschriften  hervorbrechende  Lust;,  zu  gereimten  Überschriften  über- 
zugehen. 

(XXXII,  vor  Hahn  4589.) 
Wie  von  rome  keyser  lüciüs 
Vberczog  von  britan  artüs 
Vnd  von  im  erschlagn  wart  balt 
Des  halff  im  Grahors  von  graswalt 
Das  du  ich  dir  Johan  Winthers  beUant 
Dar  durch  v^los  derselbe  zwey  laut 
Ich  mein  den  richn  anscheüin 
Die  nam  im  d'  konig  lehelin. 

(XXXIII,  vor  Hahn  4673.) 
Wie  tschyona  der  hochgemeit 
Mit  zweyen  heideü  köngn  streyt 
Die  in  gesücheth  hattn  vff  griffen 
Ott  winthers  lat  vch  nit  entschliffn 
Höret  ir  solt  aüenenttir  haben 
Wie  arabadille  wart  begrabn 


DIE  BERLEBURGER  HANDSCHRIKT  DES  TITUREL. 

(XXXIV,  vor  Hahn  4«55.) 
Wie  tschyonatülander 
Kam  an  orilus  von  lalanc? 
Er  warff  in  nider  mit  ritt^schafft  gut 
Den  beschüt  syn  amye  ieschüt 
Vnd  sante  sygun  das  brackn  seyle 
Owe  Ott  winthers.  gros  vnheyle 
Geschach  des  barüchs  bode  wylde 
Vnd  oüch  was  ritterschajßft  zilde 
Vor  Gyngrifals  Gaylett 
Vnd  sin  ohem  Ekünett. 

(XXXV,  vor  Hahn  4994.) 
Heus  ir  waldecksü  ich  müs  clagen 
Durch  tyost  wirt  nü  erschlagen 
Von  orilus  tschyonatülander 
Das  doch  hir  nach  bevanter 
Von  Ekünatn  den  künen 
Parczifal  kam  zu  sygünen 
In  cleiden  den  narrii  hie  vVeysii 
Vnd  sagett  es  dem  brytuneysen 
Cündrie  kam  ouch  geiagett 
Ott  winthers  das  sy  vch  vVor  gesagett. 

(XXXVI,  vor  Hahn  5177.) 
Wie  der  vnclüge  parcifal 
Beschülden  wart  durch  den  grale. 
Von  sygün  der  konnigin 
Vnd  wie  mit  clügem  sinn 
Heccüba  sagett  lüde  vnd  nit  stille 
Wer  die  nach  secündille 
Köngn*).  weren 
Höret  diese  merii. 

(XXXVII,  vor  Hahn  5318.) 
Wie  sygün  vater  vnd  ouch  all  ir  fründe 
Kamen  czü  ir  vnd  clagtn  sie  an  d^  stünde. 


*)  Undeutlich. 


F.  ZARNCKE 

(XXXVIII,  vor  Hahn  5415.) 
Aueutür  wie  ab'r  parcifal  czu  sygfm  kam  Vnd  mau  ir  ein  ca- 
pell  büwete  Vnd  man  tschyonatülander  in  ein  sarg  legett 

(XXXIX,  vor  Hahn  5512.) 
Wie  der  küne  parcifal 
Die  köngin  pardistal 
Erlediget  mit  ritterschafft 
Vnd  mit  grosser  meisterschafFt 
Sin  clüger  nüklier 
In  fuert  gar  verre 
In  landt  die  widen 
Do  er  vant  stridn 
Vnd  gros  auentüre 
Im  wider  füer  der  gehüer 
Von  blümen  ekünatt 
Der  in  umbs  swert  batt 
Domit  er  erslug  orilus 
Des  betröbett  vnd  vrowett  sich  artus. 
Konig  der  bryteueysen 
Jungh'r  Ott  leiset  ir  vindet  müf  weisen. 

(XL,  vor  Haha  5769.) 
Wie  orikis  wart  erschagii 
Von  ekunat.    Vnd  by  dem  iagn 
Lorangrin  wartt  gesüchett 
als  es  sin  vroAv  rüchet 
Vnd  do  v'los  sin  lebn 
Vnd  ouch  wie  eben 
Der  gralc  bij  den  czidn 
In  india  kam  die  widn. . 

(XLI,  vor  Hahn  6142.) 
Höret  nü  wilde  aüentüer 
Otto  winthers  dan  sie  ist  gchüre 
Monsalüas  in  saluater  der  berg 
IMit  der  capell  vnd  allem  werg 
Durch  bede  der  wcrdu  diett 
In  ein    nacht  in  indieu  schiet 
Priest'r  Johan  der  hohe  vnd  wMe  man 
Gab  parcifals  rieh  d^  hies  do  als  er  Johan. 


DIE  BERLEBURGER  FTANDSCHRIKT  DES  TITUREL  ^ 

Der  Text  selbst  schließt  sich  sehr  nahe  an  den  Druck  (i'^j  an.  Das 
beweist  schon  die  Capiteleintheilun^,  die  mit  der  des  Drucks  (41  Ca- 
pitel)  übereinstimmt*)  und  der  Wortlaut  der  am  Schluß  des  Gedichtes 
zusammengestellten  Überschriften,  der  dieselbe  Quelle  verräth.  Da  ich  es  in 
der  Abhandlung  über  den  Graltempel  S.  42  (414)  fg.  unterlassen  habe, 
den  AVortlaut  dieser  Capitelübcrschiiften  des  Drucks  mitzutheilen,  nun- 
mehr aber  selber  habe  erfahren  müssen,  wie  wünschenswerth  dieser 
Beitrug  zur  Orientierung  über  die  Überlieferung  gewesen  wäre,  so  wjll 
ich  hier  nachholen,  was  ich  dort  verabsäumt  habe,  indem  ich  in  zwei 
Columnen  links  die  (gemeiniglich  längern)  Überschriften  des  Drucks, 
rechts  daneben  die  meist  kürzern  der  ßerleburger  Handschrift,  die  ich 
F^  zu  nennen  vorschlage,  setze**). 


1.   Der  Druck  (i;'). 
Di(i  seind  die  capitel  dili  bächs. 

Das  erste  wie  tyturel  der  rechte  herre  des 

grales  geboren  ward. 
Das  ander  wie  tyturel  durch  den  engel  zu 

dem  grale  verkündet  vnd  da  hin  gefuret 

wart. 
Dz  dritte  wie   tyturel   dz   sloß   zum    grale 

genant    montsaluatsch    bawete   vnd    ein 

kostliche  capelle  darinne. 
Das  vierde  wie  tyturel  eyns  küuiges  toch- 
.  ter  von  hyspanien  genant  reichande  zu 

der  ee  uam. 

Das  fünfte  wie  tyturel  sein  kiude  lerte  fu- 
gende vn  in  geistliche  betütunge  des 
grales  seite. 

Das  sechste  wie  frymutel  künig  im  grale 
ward  vn  seine  zwü  tochter  tschyosiane 
vnd  hertzelande  herauß  gab    in    die  ee. 

Das  sibende  do  kompt  dye  auentüre  an 
tschyonatulander  vnd  sygunen. 

Das  achte  wie  gamuret  zu  baldag  streit 
vnd  aide  sein  ende  nam. 

Das  nünde  von  tschyonatulander  und  si- 
gunen. 

Das  zehende  wie  tschyouatuland'  den  bra- 
cken  gardiuias  mit  dem  kostlichen  seyle 
ving  dz  im  seit  vil  knmbers  brachte. 

Das  elffte  wie  tschyonatulander  die  besten 
von  der  tafelrund  mit  tyostieren  valte 
vn  gar  grossen  preiß  beiagete. 


2.  Die  Berieb.   Hdsciir.  (F'). 
Capittel  der  aucutür. 
I.  Wie  tytürell  geboren  warft. 

II.  Wie  tytürell  czüui  grale  kam. 


III.  Wie  tyturel  dz   slos  Monsaluacz 
büwett. 

IUI.  Wie   tytürell  Richoyde   zur   ee 
nam. 

V.  Wie    tytiu-ell    sin    kinde    lerte 
dügendc. 

VI.  Wie    fyrmütell    konig    im   grale 
wardf. 

VII.  Hie  kompts  an  tschyonatulander. 

Vlir.  Wie    gamüret    zu    baidach    sin 
ende  nam. 
IX.  Von  tschyonä  vnnd  Sygünen. 

X.   Wie  tschyonä  den  bracken  gar- 
di"*  ving. 

XI.  Hie    beiaget  tschy  pris  mit  tyo- 
steren. 


*)  Nur  bei  Cap.  33  ist  eine    kleine  Abweichung,    die  Berleburger  Hs.  beginnt 
es  mit  4673  statt  mit  4377, 

**j  In    den    folgenden  Mittheilungen    ist  der  Unterschied    zwischen  langem  und 
kurzem  s  nicht  beachtet. 


F.  ZARNCKE 


Das  zwolffte  wie  der  barug  tschyonatiilan- 
der  gaben  schickte  vnd  wie  gaylet  von 
Spangen  ein  iungfraw  ernerte  mit  seiner 
ritterschaft  vnd  in  not  kam. 

Das  dreyzehende  wie  künig  artns  ein 
grosse  hocbzeit  vii  turney  bette  auf  dem 
velde  zu  floritscbantze  vnd  das  bracken- 
seyl  de  selbß  gelesen  ward. 

Das  vierzebende  das  ist  das  brackenseil. 

Das  fünfzehende  ist  der  turney  auif  florit- 
scbantze. 

Das  sechtzehende  do  werdet  etliche  genant 
do  ye  einer  de  andern  abestacb. 

Das  -XYII-  wie  der  mecbtige  heydeusch 
künig  von  marrocb  mit  grosser  berscbaft 
vnd  hofezucht  zu  dem  künige  artus  kam. 

Das  -XYIII-  von  der  aüentür  brücken. 

Das  -XIX-  wie  dreybundert  d*  höchsten 
frawe  vn  iungfrawe  an  küniar  artus  bof 
gestole  wurdent  mit  zauber  listen. 

Das  -XX-  wie  tscbyonatulander  mit  seinem 
volck  zu  dem  banig  wolte  vnd  gen  za- 
zamang  i  das  künigreich  kam. 

Das  -XXI-  wie  tscbyonatulander  mit  den 
galiotten  streit  vn  sy  betwangk. 

Das  XXII-  w'ie  tscbyonatulander  zu  dem 
barug  kam  vnd  von  im  vnd  all  den 
seinen  erlichen  enpfangen  ward. 

Das  XXIII-  wie  der  barug  vn  die  von 
babilonie  mit  grossem  her  zu  sammen 
kament  vnd  die  ritterschafft  zu  beyden 
teyle  vor  dem  streite  einvesperie  hieltent. 

Das  XXIIII-  wie  die  her  zu  beden  selten 
gerottieret  wurdent  iegliches  her  in  ze- 
ben  scharen. 

Das  -XXV-  wie  sich  erhüb  der  streit  zti 
plenantze. 

Das  -XXVI-  wie  tschyonatuläder  mit  se- 
cureili  vtiwissent  streit  vnd  in  erschlug. 

Dz  XXVII-  wie  sy  mit  de  streit  auff 
einen  andern  plan  zugent  genant  florit- 
stelle. 

Das  -XXVni'  wie  tscbyonatulander  an  den 
künig  ipomidon  kam  vnd  in  erschlug. 

Daz  -XXIX-  wie  der  banig  den  streit  ge- 
wan  mit  helffe  tschyonatulanders  vnd 
seiner  geselle  v5  die  stat  babilonie  in 
nam  vn  tscbyonatulander  grosse  ere  tet. 

Das  -XXX-  wie  tscbyonatulander  vnd  sein 
geselscbaft  wider  heim  zu  lande  kament. 

Dz  -XXXI-  wie  orilus  mit  grossem  her  zuge 
für  kanfoleiß  zoch  vnd  künig  artus  vnd 
tscbyonatulander  mit  macht  sy  dannen 
tribent. 


XII.   Wie  d''  barüg  tscby  gabn  schickt 
vnd  vö  Gailet. 


XIII.  Wie  artus  die  hochczit  hatt  vff 
flor  iczscbanz. 


XIIII.  Das  ist  das  brackenseyle. 

XV.  Der  turney  uff   floriczschancze. 

XVI.  Etlich   werden    gnant    do    eins 
den  and^n  abstach. 

XVII.  Hie  kompt  der  konig  von  Mar- 
rocb. 

XVIII.  Von  der  aüentür  brücken. 

XIX.  Wie  die  jungvrowii  gestoln  wür- 
den. 


XX.  Wie  tschyo  czüm  barug  czoch 
vnd  kam  czu  zazän. 

XXI.  Aüentür  von  dem  galiottn. 

XXII.   Wie  tschyo    vnd     die    sin   czü 
baidach  entphangen. 

XXIII.  Wie  der  barüg  vnd  die  von 
babylone  mit  here  czü  samen 
kamen. 

XXIIII.  Wie  die  here  gerottiert  würden. 


XXV.  Wie  sich  erhüb  der  strit  vff  ple- 
nancze. 

XXVI.  Wie    tschyo     mit    secureis    vn- 

wissn  streit. 
XXVII.  Wie  sie  vff  ein  and'n  plan  czü- 
gent. 

XXVIII.  Wie    tschyona     ypomidon     er- 
schlug. II 
XXIX.  Wie  d*  barüg    den  strit  gewan 
mit   bülff  tschyona  vnd    baby- 
lonie  innam. 


Wie  tschyona    wider   heim   czü 
land  füer. 


XXX. 
XXXI.  Wie  orilüs  vor  canfoleys  züg  etc. 


DIE  BERLEBURGER  HANDSCHIMFT  HKS  TITIJRKL. 


Das  •  XXXII-  wie  künifj  artns  von  dem 
koyser  von  romc  vberzogen  ward  vn 
tschyonatulander  artus  halft"  viT  er  da 
zwische  zwey  laiidt  verlor. 

Das  XXXIIl-  wie  tscliyonatulauder  mit 
zweyeii  lieydeusclie  künigen  streit  viid 
sy  betzwaiig  die  in  gesüchet  hettcn  vnd 
auft"  greiften  dar  geritten  wareut. 

Das  XXXIIII-  wie  tschyonatnlander  mit 
orilus  streit  vh  iestnte  orilus  entschutte 
vir  sy  sygnnen  das   brackenseil   sandte. 

Das  -XXXV-  wie  tschyonatulander  sein 
ende  nam  vnd  sigune  in  also  tot  bey  ir 
behielt  vn  auch  bey  im  bleib  als  lang 
sy  lebete. 

Das  -XXXVI-  wie  parzifal  czü  sygunen 
kam  vnd  gar  ser  vö  ir  bescholten  ward 
durch  Verlust  des  grales. 

Das  XXXVII-  wie  sygunr  vatter  vnd  an- 
der ir  fründe  zö  ir  kament  do  sy  klagete. 

Das  -XXXVIII-  wie  parzifal  aber  zii  sy- 
gunen kam  vnd  man  sigunen  ein  cappel 
bawete  vn  tschyonatulander  in  ein  sarck 
leyte. 

Das  -XXXIX-  wie  parzifal  dye  künigin 
pardistalen  mit  ritterschaft  ledigete. 

Das  -XL-  w'ie  ekunat  orilus  erschlug  vnd 
tschyonatulaudern  räch  vnd  wie  parzifal 
in  de  gral  künig  ward  vnd  auch  wie 
der  gral  darnach  in  indien  land  gefuret. 
ward. 


Das  XLI-  wie  das  schloß  czti  montsal- 
uatsch  mit  der  kostliche  cappell  in  einer 
nacht  gen  indien  czum  grall  kam. 


XXXII.  Wie    konig    artüs    vom    keiser 
vberzogn  wart. 


XXXIIl.  Wie  tRchyo  mit  den  streit  die 
in  vff  griffen  gesucht  hattii 
philip  vnd  alexan\ 

XXXIIII.  Wie  tschyona  mit  orilus   streit. 


XXXV.  Wie  tschyona  sin  ende  nam  vnd 
vü  sygün. 


XXXVI.  Wie  parcifal  czü  sygün  kam 
von  ir  bescheiden  wart  durch 
v-lüst  des  grales. 
XXXVII.  Wie  sygün  vatt'  vnd  ir  fründ 
zu  ir  käme. 
XXX VIII.  Wie  parcifal  aber  zu  sygün  kam 
Vnd  man  ir  ein  cape'l  büvvete. 

XXXIX.  Wie  parcifal  die  kongin  pardi- 
staln  erlost. 
XL.  Wie  ekünat  orilus  erslüg  vnd 
tschyö  räch  Vnd  wie  parcifal 
im  grale  konig  wart  Vnd  wie  in 
manch  wündMich  land  vnd  an 
den  magnetn  steu  vnd  durch 
das  lebermer  vnd  darnach  mit 
dem  grale  In  priester  Johans  lant 
füer. 

XLI.  Von  dem  richdüm  p'ster  Johan 
vnd  wie  die  bürg  Monsaluen  In 
ein*  nacht  In  indien  kam,  || 


Dasselbe  Resultat  ergeben  die  folgenden  Strophen,  die  Anfano-s- 
strophen  der  Schilderung  des  Graltempels,  in  denen  ich  die  bisher  allein 
im  Druck  (E^)  nachgewiesenen  Lesarten  gesperrt  setzen  lasse. 

1.  Begünnen  wirt  zu  male     Wie  Tjtürel  der  reyne 

In  godes  ere  dem  Grale     Ein  tempel  stifft  vs  lüterm  edel  gestein. 

Vnd  anders  nit  wan  vs  rodem  golde 

Das  dritte  lignüm-aloe     Ob  man  holcz  darcztt  bedorfFen  wolde. 

2.  Des  wolden  ouch  sie  geraden     Durch  richeit  vb'rhohe. 

Ich  sag  vch  wie  sie  daden     Der  edeln  koste  zu  prise  für  geczoge 

Was  nyrgent  holcz  dar  an  wan  gestüle 

Golt  vnd  das  gesteyne     Das  gab  in  wint'czit  mit  tüffe  küle. 


10  F.  ZARNCKE 

3.  Dar  vrab  wart  gevraget     Der  edclkeyt  czü  günste 

Des  warcncz  unbedragett     Die  von  pytagoras  der  aldcu  kunste 

Und  oüch  von  herctiles  der  steyne  kreffte 

Von  natür  bekanten     Die  warii  iehende  hie  mit  meisterscheffte 

4.  ]\Ian  fände  avoI  die  steyne     Von  art  also  geliüre 

Die  in  somm^zit  vil  reyne     Gebent  lüfft  vnd  winters  nach  dem  füre 

Gebent  heys  nach  der  rechten  teraperünge 

Als  is  dem  libe  zemende     w^e  zu  beyder  masse  nach  gerünge. 

5.  Abestus  heys  nach  füer     Git  waren  die  meist''  iehende 

Durch  das  von  im  ist  düre     Alle  kelde  in  winth''rczit  geschehende 

Vnd  erlischet  nym^  füer  das  er  erbrennet 

Er  ist  füer  vnd  1  i  e  c  h  t  werende  Ym''  mere  das  sin  doch  nicht  zury uet. 

6.  Ouch  heis  in  winthers  ziden     Ist  elytropia  gebende 

Ein  wasser  sond^  striden    In  eynem  becken  vol  vnd  stille  schwebende 

Für  das  derselbe  stein  dar  Inn  gefellett 

Den  winth^r  git  er  küle     wie  von   im    das  wassV   cleyne  vellett 

7.  Vil  dugende  zu  der  hicze     Git  der  steyne  gehüre 

Gesüutheit  seiden  wicze    Vnd  langes  leben  der  stein  ist  edel  vnd  düre 

Für  liegn  vnd  dryegn  vnd  für  alle  v''gifft 

Des  ist  ab^r  hie  vnnot     Yedoch  zympt  is  zu  wünsch  an  dis^r  stifft. 

8.  Schmehe  vnd  armüt     Diesem  tempel  wart  geferrett 

Sit  der  reyneu  raeigde  güde     Vnd  ir  kint  gefrowett  vnd  geherctt 

Sint  sie  hoch  vb''r  alle  creatüre 

Das  künde  wol  bedencknil     Tyturel  der  werde  vnd  der  gehüre. 

Man  könnte  fast  auf  die  Vermuthung  gerathen,  unsere,  1479  ge- 
schriebene Handschrift  sei  nur  eine  Abschrift  des  1477  erschienenen 
Drucks ;  der  etwas  abweichende  Dialekt  der  Hs.  würde  nicht  ausi'eichend 
dagegen  sprechen,  da  der  Schreiber  natürlich  die  ihm  geläufigen  Wort- 
formen schrieb,  auch  die  theils  kürzere,  theils  längere  Gestalt  des  In- 
haltsverzeichnisses nicht,  auch  die  langen  Capitelüberschriften  im  In- 
nern des  Textes  nichts  denn  diese  kommen  zu  offensichtlich  auf  Rech- 
nung des  Schreibers.  Aber  schon  die  Bilder  sprechen  dagegen,  da 
diese  nicht  dem  Druck  entnommen  sein  können,  avo  für  sie  nur  freier 
Raum  gelassen  ist,  noch  mehr  aber  der  Schluß,  in  welchem  zwischen 
E"^  und  F"^  eine  wesentliche  Abweichung  zu  constatieren  ist.  Ich  be- 
nutze diese  Gelegenheit,  um  über  den  Schluß  des  Titurel,  der  für  die 
verschiedenen  Redactionen  desselben  charakteristisch  ist^  ausführlicher 
zu  orientieren,  als  ich  es  in  meiner  Schrift  über  den  Graltempel  S.  11 
(833)  zu  thun  vermochte. 


DIE  BERLKBIIRGER  HANDSCHRIFT  DES  TITIJKEL.  1  1 

2.  Der  Schluß  des  Titurel. 

Nachdem  der  Gral  nacli  Indien  in  das  Reich  des  Priesters  Jo- 
hannes gebracht,  auch  der  Tempel  von  Monsalvatsch  dorthin  versetzt, 
und  nachdem  der  alte  '^J'iturel  gestorben  ist,  erhebt  sich  ein  Streit 
zwischen  dem  Priester  Johannes  als  König  jenes  Landes  und  dem 
Parzival  als  Gralkönig,  wer  nun  dort  die  Herrschaft  führen  solle,  in- 
dem Jeder  höflich  diese  Ehre  dem  andern  zuweisen  und  selber  dessen 
Untergebener  werden  Avill,  bis  endlich  eine  Inschrift  am  Gral  dahin 
entscheidet,  daß  Parzival  König  werden  solle,  aber  nur  auf  10  Jahre, 
weil  er  an  dem  Tode  seiner  Mutter  schuld  gewesen  sei;  während  dieser 
Zeit  muß  er,  wie  dies  bei  den  Päpsten  Sitte,  seinen  Namen  ablegen 
und  mit  dem  des  „Priester  Johannes"  vertauschen;  nach  Ablauf  seiner 
Herrschaft  kehrt  er  zu  seinem  Taufnamen  zurück,  und  der  Sohn  des 
Feirelis,  der  unterdessen  herangewachsen  ist,  wird  „Priester  Johannes". 
Aber  wenn  auch  so  der  Herrschaft  entkleidet,  steigt  Parzivals  Name 
doch  noch  immer  höher  und  man  glaubt  seiner  nicht  entrathen  zu 
können. 

Hiermit  schließt  der  erzählende  Inhalt  des  Gedichtes  in  Gruppe  7, 
und  es  folgt  (in  A^  nach  einem  Amen  und  mit  größerem  Zwischenraum) 
die  bekannte  Strophe  Nu  'prüfet  alle  werden  die  toirde  dises  büches 
(Hahn  G207). 

Es  ist  nicht  zu  leugnen,  daß  die  Erzählung  zur  Noth  so  schließen 
könnte.  Aber  sehr  abrupt  wäre  der  Schluß  doch,  und  im  Gegensatz 
zu  dem  Anfang  des  Gedichtes  vermißt  man  einen  geistlichen  Abschluß. 
Ferner  kann  die  Strophe  6207  nicht  dem  Dichter  selber  angehören: 
so  selbstbewußt  konnte  sich  dieser  über  sein  eigenes  Werk  nicht  aus- 
sprechen. Auch  ist  sonst  wo  es  sich  um  Strophenzahl  und  Strophcn- 
folge  handelt  immer  für  die  Gruppe  II  ein  günstiges  Vorurtheil  gerecht- 
fertigt. So  wird  denn  Lachmanu's  Ansicht*)  wohl  richtig  sein,  der,  wenn 
er  sagt,  daß  jene  Strophe  hier  „offenbar  den  Zusammenhang  störe",  da- 
mit andeutet,  daß  er  die  in  einigen  Überlieferungen  folgenden  Strophen 
noch  für  den  Zusammenhang  nothweudig,  also  zu  ihm  gehörig  betrachte. 

Weitere  Strophen  stehen  nun  in  Gruppe  II  und  in  dem  aus  dieser 
Gruppe  entnommeneu  Nachtrage  zu  C^  Leider  fehlt  uns  die  wichtige 
Controle  der  Hs.  H,  die  bereits  mit  Strophe  5157  schließt 

*)  Vgl.  Vorrede  zu  Wolfr.  v.  Eschenb.  S.  XXX.  Der  Ausdruck  ist  schief,  denn 
alle  Handschriften,  die  jene  Strophe  6207  haben ,  schließen  mit  ihr  und  haben  Nichts 
von  den  folgenden  Strophen,  ausser  C",  wo  sich  aber  die  hin7.ugefügten  Strophen  selber 
als  Nachtrag  bezeichnen  (hinter  6207  steht  bekanntlich:  DU  bhc  kir  ute  si.  van  (yturel 
des  wene  wi). 


12 


F. ZARNCKE 


In  Gruppe //ist  eine  ziemliche  Mannigfaltigkeit  der  Überlieferung 
zu   beachten. 

1.  Sämmtliche  erwähnte  Handschriften  enthalten  die  nachstehenden 
6  Strophen;  aber  in  Betrefi  des  Textes  trennen  sie  sich  in  zwei  Gruppen: 
einerseits  u4" 5^  C'-^  und  die  Biedegger  Bruchstücke  {D^  bricht  schon  mit 
Str.  6172  ab),  andererseits  der  Nachtrag  in  C'\  dann  der  Druck  (E"^) 
und  die  Berleburger  Hs.  (F^).  Es  ist  schwer  zu  entscheiden,  welche 
Gruppe  die  richtigem  Lesarten  bietet,  wenn  auch  in  der  letzten  Strophe 
das  Richtigere  offenbar  in  C^etc.  steht.  Ich  gebe  daher  beide  Texte  neben 
einander,  den  von  ^"etc.  vollständig  in  der  ersten  Columne",  den  von 
C^etc.  als  Varianten  in  der  zweiten. 


A'^B'^C  Ried. 

Hie  mit  was  ungeswachet 

fruht  diu  Ferafisen, 

ir  beider  wer  bedachet 

schuf  über  al  die  jungen  und  die  grisen. 

der  alte  priester  Johan,  der  vil  werde, 

noch  was  er  solher  wirde 

baz  danne  alle  kunige  sint  ouf  erde. 

iSwaz  si  dar  kinde  brähten 

und  diu  si  noch  gewunueu, 

ich  mein  der  wir  gedähten 

hie  vor,  daz  si  gelichten  wol  der  suunen : 

Kondwiramurs  undUrrepans  de  tschoien, 

der  beider  fruht  an  eren 

wuhs  sam  liljen  für  di  östergloien. 

Immer  mer  zünemende, 
pischof,  Patriarchen, 
dem  trone  wol  gczemende 
begunde  ir  aller  wirde  für  sich  starchen, 
swer  (1.  wer)   da  priester  Jöhan  wesen 

solde, 
da^  vindet  man  noch  hiute 
an  dem  gräl  geschriben  da  mit  golde. 

8us  lebent  si  mit  eren 

in  priester  Johans  lande: 

ir  sselde  kan  sich  meren, 

sicher  aller  sünde  und  aller   schände. 

swer  sich  aldä  mit  houbetsünden  letzet, 

der  wirt,   untz  er    gebuzet, 

von  den  Hüten  an   daz  velt   gesetzet. 


C'E^F^*) 


der  aide  konig  prister  Johan  werde, 

er  was  noch  gerichet 

baz  dann  ander  konge  uf  all  der  erde. 


für  dij  über 

patriarche  (Fehler) 
Star  che  (desgl.) 


lebeten 


swer  aber  sich  in  houbetsünden  ervellet 

der  müz  den  üz  gesetzten, 

uncz  daz  er   sie  gepuzet,  sin  gesellet. 


*)  Der  enge  Zusammenhang  von  E^  und  F^  ergiebt  sich  auch  hier  durch  ge- 
meinsame Fehler.  So  lesen  beide  Hss.  1,  3  gedachet'.,  1,  4  das  unsinnige  schüß 
{schiis)  statt  schfif'^  2,  4  do  für  da;^ ;  4,  4  sicher  aller  .fchande  mit  grober  Verkürzung 
des  Verses  u.  s.  w.  Daß  aber  F^  nicht  aus  E'^  direct  abgeschrieben  ist,  dafür  dürfte 
als  Beispiel  dienen  4,  5,  wo  F^  mit  C"  houhet-mndeyi  (hotvetsimden  C",  hoübelsündTi  F') 
liest,  während  E*,  wohl  des  Metrums  wegen,  in  hcmbetmnde  geändert  hat. 


DIE  BERLEBURGER  HANDSCHRIFT  DHS  TiTUREL.  J3 

5.  ledoch  sie  muzen  sterben, 
swie  si  der  priimic  junget, 
vvan  daz  si  niht  verderben 

an  der  sele  mügen;  gar  ungestunget  mügen  an  der  sele 

belibent  si  vor  aller  helle  quäle : 

in  dem  vegefiure 

lutert  sich  ir  kleinen  sünden  male.  kleiner 

6.  Ez  ist  vor  allem  msile, 

ich  mein  daz  übel  heizet,  ein  mal 

swer  sich  der  sünden  strale 
versniden  lät,  da/,  er  zer  helle  erbeizet: 
daz  ist  ein  mal,  daz  Cwiklichen  brennet. 
Vater,  snn,  heiliger  geist, 

mache  uns  die  himellroüde  [vvol  Ä'^B'']  mache   uns   vor   disem   male   vri    be- 

erkennet, kennet. 

Hieraufsteht  in  allen  Handschriften  (A^B^C^  Ried.  C^E'^F'^)  Arnen^ 
in  jB"  sogar  dreimal  Amen  Amen  Amen.  Wir  haben  also  keine  Über- 
lieferung, die  hier  nicht  auch  äusserlich  einen  erkennbai'en  Schluß 
böte.  Der  Abschluß  entspricht  auch  innerlich  allen  Anforderungen, 
die  wir  oben  noch  nicht  erfüllt  sahen ,  und  so  möchte  ich  es  als  be- 
wiesen annehmen,   daß  hier  der  alte  Schluß  des  Gedichtes  gewesen  ist. 

2.  Aber  nur  die  Hss.  A-B'^C-  Ried,  schließen  hier  wirklich,  die 
übrigen  fügen  noch  Weiteres  hinzu.  Es  sind  die  3  Hss.,  die  eben  be- 
reits in  Betreff  der  Lesarten  eine  Gruppe  für  sich  bildeten,  C^E'^F"- 
Aber  während  sie  in  dem  Factum  des  Weitergehens  zusammenstimmen, 
gehen  sie  im  Inhalte  desselben  alle  drei  ihren  eigenen  Weg. 

a)  Am  kürzesten  ist  der  Zusatz  in  F";  es  ist  die  folgende  Strophe 
jenen  6  nachgesetzt: 

Mit  ryraen  schlecht  drygenge     Sint  diese  lieder  worden 

Gemessen  in  rechter  lenge.    Wise  vnd  wort  nach  meisterlichem  orden. 

Czü  kürcz  czü  lang  ein  liet  vil  wol  schwachett 

Ich  Wolfram*)  bin  vnschüldig  Ob  schrib^r  recht  vnrichtig  machett. 
Es  ist  bekanntlich  eine  der  in  Gruppe  //  noch  erhaltenen,  auf 
die  Wolfram'schen  Fragmente  bezüglichen  Strophen  (vgl.  Lachraann's 
Vorrede  zu  W.  v.  E.  XXXII.  Graltempel  S.  49  [421]  Anm.)  aus  einer 
Hs.,  die  Ich  loolfram  las;  sie  ist  umgearbeitet  mit  Rücksicht  auf  die 
durch  den  Dichter  des  Jüngern  Titurel  eingeführten  drei  Reime  statt 
der  früheren  zwei.  Es  ist  also  eine  von  einem  Schreiber  improvisierte 
Verfassernotiz. 

h)  Weit  umfänglicher  ist  der  Zusatz,  der  in  C^  nach  Schlüsse  des 
Gedichtes  (bei  6207)  sammt  obigen  6  Strophen  aus  einer  andern  Hand- 
schrift nachgetragen  ward.     Er  zerfällt  in  zwei  Theile: 


*)  Darüber  roth :  von  esseubach. 


14  F.  ZARNCKE 

a)  10  Strophen  enthalten  ein  mystisches  Gleichniss  vom  Regen- 
bogen (der  früher  die  Krümme  drohend  auf  die  Erde  zu  gerichtet 
gehabt  habe,  seit  Noah  aber  von  der  Erde  abgewendet  am  Himmel 
stehe;  erst  am  jüngsten  Tage  werde  Gott  die  Welt  wieder  vernichten) 
mit  moralisierender  Ermahnung.  Ich  lasse  zunächst  die  Strophen 
folgen,    mit  Hülfe  von  E"  (s.  u.)  von  den  gröbsten  Fehlern  gereinigt. 

1.  Do  got  mit  wazzers  ünden     liez  al  die  werlt  verderben 

—  daz  was  verdient  mit  sünden  — ,     die  menschen  etwa  wolden  do 
fürbaz  [ze  bowen],  in  gehiezze  got  die  stsete,  [nicht  werben 

daz  er  den  zorn  icht  mere     so  gar  über  al  die  werlt  mit  wazzer  hsete. 

2.  Des  gap  er  in  hantveste     durch  sine  milden  gute, 

.ein  zeichen  wol  daz  beste,    daz  niemer  gar  diu  werlt  von  wazzers  flute 

verderben  sol:  den  regenbogen  er  urabe 

kert,  als  ob  ein  schütze  mirbütdieseneweundgenimselbdazkrumbe. 

3.  Der  böge  was  zornecliche     davor  gein  erde  bogende: 

gotes  erbermde  riebe     wart  in  do  durich  gute  wider  zogende, 

daz  er  den  schuz  ze  berge  hat  gerichtet, 

so  daz  er  niemer  mere     mit  wazzer  al  die  werlde  gar  vernichtet, 

4.  Biz  daz  von  menschen  künne     ervüllet  sint  die  köre 

zer  ewiclichen  wünne:     so  geit  mit  zorne  got  ein  ander  störe 

der  wcrld,  da  mit  so  miiz  si  haben  ende. 

O  wol  den  sa.'ldenrichen,     die  dann  gestaut  bi  gotes  zeswen  hende. 

5.  Die  selben  ist  er  ladende     mit  segene  sseldenriche, 

mit  fluch  den  andern  schadende,     daz  er  ir  wil  vergezzen  ewicliche, 

j  noch  nimmer  me  keim  einer  freud  gedenken*). 

Swer  guten  sin  erkennet,     den  sol  diu  sorge  wol  an  freuden  krenken. 

6.  In  sol  diu  Sünde  erschrecken,     so  daz  im  drabe  ergrüset. 

so  hat  ermütdenquecken,    swenne  er  gedenkt,  Aviejsemerlich  behüset 

werdent  die,  der  got  also  vergizzet, 

also  daz  diu  erbermde  sin     kein  ir  schaden   nimmerme  gemizzet. 

7.  Da  von  si  die  verlorne     du  hcizent;  gar  verfluchet 

sint  si  von  gotes  zorne,     wann  sin  genäd  si  nimmer  me  bes[r?|nchet, 

wan  iu  ir  martcr  nimmer  me  erbarmet: 

erst  rieh  ob  allen  künio:en     swer  nicht  in  solher  aremüt   erarmet. 


*)  Verderbte  Stelle:  Noch  nimmer  me  (^mer  E^)  noch  chain  {keim  E'^)  sein  freut 
(seiner  fnincl  E^)  gedenchen  C"  EK     Etwa  noch  nimmer-  mö  deheine  slunt  yedeiiken? 


DIE  BERLEBURGER  HANDSCHRIFT  DES  TITUREL.  15 

8.    NocLi  sin  Avir  wol  die  welndc,     ez  lit  uns  vor  geteilet: 

die  Sünde  von  in  schelnde     stn,  die  werdent  nimmer  sus  vermeiiet, 

und  werdent  die  da  got  mit  segene  riebet 

liechter  den  diu  sunne :     mit  kleiden  got  im  selben  si  gcbcbct. 

0.  Inner  snelbeit  gebende     ist  er  in  zu  der  kläre : 

|biz]  ein  augenblic  alswebendc     sint  si  tusent  mtle  dan*)  l'ürware. 

und  ob  daz  allz  ein  berc  von  stahel  waire, 

ir  snelheit  er  nicht  irret :     si  varnt  al  durch  und  durch  unirrebsere. 

10.    Daz  habent  die  unfrilten     vil  licht  ze  wunder  wilde: 

die  wären  Wünschelruten     got  selbe  git;  svver  hat  daz  für  unbilde, 

der  wil  got  an  siner  gotheit  krenken, 

wann  er  hat  mc  ze  gebenc    dann  aller  menschen  künne  müge  erdenken. 

Diese  Strophen  sind  leidlich  im  Charakter  des  Titureldichters  und 
sie  könnten  wohl  von  ihm  herrühren ,  aber  sie  können  auch  füglich 
von  einem  Andern  verfaßt  sein ;  und  da  sie  an  dieser  Stelle,  nachdem 
das  Gedicht  mit  einem  Gebete  in  aller  Form  geschlossen  ist,  durchaus 
deplaciert  sind,  so  ist  es  glaublicher,  daß  wir  es  hier  mit  einem  selbstän- 
digen Gedichte  in  der  Titurelstrophe  zu  thun  haben,  das  eben  in  Folge 
dieser  Gleichheit  der  Form  an  das  Ende  des  Titurel  angefügt  ward. 

ß)  Anders  steht  es  mit  2  Strophen,  die  in  O  hinter  jenen  10, 
doch  erst  nach  einem  Zwischenraum  von  2  Zeilen,  folgen  und  die 
eine  Verfassernotiz  enthalten.  Die  erste  hat  Lachmann  in  der  Vorrede 
zu  W.  V.  E.  XXXII  abdrucken  lassen;  ich  constituiere  aber  den  Text 
(wieder  mit  Hülfe  von  E^,  s.  u.)  von  Lachmann  abweichend: 

1.  Kyot  Flegetanise,     dem  was  her  Wolfram  gebende 

dise  aventiur  ze  prise :     di  bin  ich  Albrecht  hie  nach  im  üf  hebende  **) 

darumb  daz  drier  dinge  minner  wsere, 

der  Sünden  und  der  schänden,  daz  dritt  mich  drücket  aremut  diu  s  wsere. 


*)  fehlt. 
**)  Diese  beiden  Verse  hinten  in  der  Überlieferung:  kyofe  flegetanise'  (fleget- 
onse  C")  Devi  {dei-  E^)  ti-as  hei-  toolfram  gehende  Die  (diae  tcerden  C")  aventiure  ze 
preise.  Di  bin  ich  Albrecht  hiv  {hie  E')  nach  in  {im  E^)  uf  hebende.  Lachmann  be- 
hält trotz  der  Übeln  Betonung  im  ersten  Verse  die  beiden  Dative  bei,  und  ändert 
dann  dei'  {dem)  in  den,  und  später  im  (in  E',  welche  Quelle  Lachmann  allein  kannte) 
in  in,  wie  allerdings  C"  wirklich  hat.  Ich  nehme  Icyot  als  Nominativ  und  behalte  in 
dem  die  Lesart  von  C",  in  im  die  von  E^  bei.  Der  Sinn  ist:  Kyot  berief  sich  lobend 
{gab  %e  prise)  auf  Flegetanis  als  seine  Quelle,  auf  jenen  wieder  Wolfram;  ich  Albrecht 
knüpfe  an  letzteren  an. 


16  F.  ZARNCKE 

2.    Swer  disiu  driu  verswachet     mit  tagende  leben  ne  in  eren 

und  ir  nu  minner  machet,     dem  muze  got  der  sselden  rad  sG  keren, 

daz  er  darüf  belibe  stsete  und  lange^ 

ich  mein  ze  beiden  siteu,     hie  unde  dort  ze  engelischem  sänge. 

Hier  möchte  ich  die  Echtheit  mindestens  sehr  wahrscheinlich  finden. 
Welcher  Schreiber  sollte  darauf  gekommen  sein,  die  Reihenfolge  der 
Quellen  so  correct  darzustellen  und  so  treffend  aus  der  Seele  des 
stets  unterstützungsbedürftigen  Albrecht  heraus  und  in  seinem  Namen 
zu  klagen?  Daß  diese  beiden  Strophen  von  den  oben  besprochenen 
10  Strophen  zu  trennen  sind,  beweist  schon  der  Zwischenraum,  der  in 
O  zwischen  beiden  gelassen  ist. 

c)  Der  Druck  endlich  {E")  vereinigt  Alles,  was  in  C^  und  in  7^" 
für  sich  steht;  voran  gehen  die  10  -|-  2  Strophen  aus  C^,  es  schließt  die 
Strophe  aus  F^.  Der  Drucker,  oder  seine  Vorlage,  benutzte  also  gegen 
Ende  ausser  der  mit  F"  so  nahe  verwandten  Vorlage  noch  eine 
zweite,  die  die  in  C^  nachgetragenen  Strophen  enthielt*).  Der  Text 
ist  meistens  besser  als  in  C^  und  ward  oben  bereits  zur  Herstellung 
benutzt. 

Also  zu  verwerfen  sind:  1,  die  Schlußstrophe  in  Gruppe/,  Hahn  6207; 
2,  die  Schlußstrophe  in  F^E'-^  3,  die  10  Strophen  vom  ßogenbogen 
in  C^F^.  Dagegen  sicher  echt  sind  die  6  Strophen,  die  der  ganzen 
Gruppe  //  gemeinsam  sind,  und  wahrscheinlich  echt  die  2  Verfasser- 
strophen aus  C^E^. 

FE.  ZARNCKE. 


DIE  TÜBINGER  TITURELBRUCHSTÜCKE. 

Auf  diese  wurde  ich  durch  Hr.  Prof.  A.  von  Keller  aufmerksam 
gemacht,  der  sie  im  November  1838  von  dem  Einband  der  Hugonischen 
Postillen  losgelöst  hatte.  Sie  werden  jetzt  unter  den  Manusci'ipten  der 
Tübinger  Universität.sbibliothek  aufbewahrt  als  M.  d.  20  {Mst.  tah. 
1892).  Die  Zahl  der  bekannten  Handschriften  wird  dadurch  auf  38 
gebracht  (eigentlich  doch  nur  auf  37;  vgl.  Graltempel  S.  10  [382],  Anm. 
Nr.  31). 

Erhalten  sind  in  diesen  Bruchstücken  die  volle  12.  Lage  und 
das  erste  Doppelblatt  der  14.  Lage   einer  Pergamenthandschrift  in  4" 

*)  Wie  schon  oben  angedeutet,  giebt  auch  das  Fehlen  dieser  10  -j-  2  Strophen 
in  F'^  ein  Indicium  ab,  daß  F^  nicht  aus  E^  abgeschrieben  ward. 


DIE  TDBINGER  TITURELBRUCHSTÜCKE.  17 

des  13.  Jahrb.,  die  Lage  aus  5  Doppelblättcrn  bcstcliond.  Die  ersten 
drei  Doppelblättcr  der  12.  und  das  Doppelblatt  der  14.  Lage  sind  der 
Länge  nach  durchschnitten,  doch  ist  ein  Verlust  dadurch  nicht  einge- 
treten, die  Schnittlinien  passen  noch  ganz  wohl  aufeinander,  nur  hat 
sich  das  Pergament  durch  die  verschiedene  Behandlung  mit  Kleister 
verschieden  gedehnt,  ist  auch  mehrfach  zusammengeschrumpft,  so  daß, 
zumal  in  der  Nähe  des  Schnittes,  das  Lesen  erschwert  wird.  Außer- 
dem sind  die  Blätter  zur  Zeit  noch  nicht  vollständig  genug  von  an- 
klebenden Papier-  und  Lederresten  gereinigt,  um  schon  durchweg  les- 
bar zu  sein. 

Das  Gedicht  ist  in  Langzeilen  geschrieben,  was  für  unser  Ge- 
dicht sonst  nur  noch  bei  der  Heidelberger  Papier-Hdschr.  Nr.  141  vor- 
zukommen scheint;  Reimpunkte  finden  sich  meistens,  doch  keineswegs 
regelmäßig.  Linien  waren  mit  Blei  gezogen,  sie  sind  aber  so  verwischt, 
daß  man  auf  einigen  Blättern  sie  nicht  mehr  zu  entdecken  im  Stande 
ist;  auch  wurden  sie  von  Anfang  an  vom  Schreiber  wenig  beachtet, 
der  nur  zwischen  ihnen  hin  schrieb,  dessen  Buchstaben  aber  keines- 
wegs die  gerade  Linie  einhalten.  So  ähnelt  die  Schrift  etwas  der  der 
Nibelungenhandschrift  A,  nur  daß  diese  im  Ganzen  kleiner  geschrieben 
ist.  Kalligraphischer  Sorgfalt  entbehrt  die  Handschrift  ganz,  dennoch 
verräth  sie  ihr  Alter  auch  in  der  guten  mittelhochdeutschen  Schreibung, 
die  sie  noch  bietet.  Der  Rubricator  hat  nur  rothe  Buchstaben,  die  ihm 
vorgeschrieben  waren,  zu  Anfang  der  Strophen  eingemalt.  Am  imtern 
Rande  des  letzten  Blattes  der  beiden  Lagen  stehen  die  Ziffern  XII 
und  XIIII.  Auf  jeder  Seite  finden  sich  genau  40  Zeilen,  also  10  Stro- 
phen; demnach  gehen  200  Strophen  auf  die  Lage  von  5  Doppelblättem. 

Die  Vertheilung  der  Strophen  auf  die  Blätter  ist  die  folgende : 

1.  Lage  XU. 
Bl.     1  =  Hahn  2176—2180.  2163—2174  (so  daß  also  2175  fehlt). 
2181—2183. 
fBl.  2  =  2184—2203. 
rßl.  3  =  2204—2223. 

fBl.  4  =  2224-2237.  2240—2245. 

|B1.  5  =  2246-2257.  2264-2267.  2258—2261. 
(Bl.  6  =  2262  und  63.  2268-2285. 
Bl.  7  =  2286-2305. 
IbI.  8  =  2306-2325. 
Bl.  9  =  2326—2345. 
Bl.  10  =  2346-2354.  2357-2367. 

ÖERMANIA.  Neue  Reilip  X.   (XXII.  Jabrg.)  2 


18  F.  ZARNCKE,  DIE  TÜBINGER  TITURELBRUCHSTÜCKE. 

2.  Lage  XIIII. 
|B1.  1  (jetzt  11)  =  Hahn  25G7-2586. 
(Bl.  10  (jetzt  12)  =  2548—2767. 

Man  sielit,  es  fehlen  einige  Strophen,  2175,  2238  und  2239,  2355 
und  2356;  andere  stehen  in  anderer  Keihenfolge ,  vgl.  oben  Bl.  1, 
Bl.  5  und  6.  Ob  H  (die  Heidelberger  Papierhs.  141)  damit  überein- 
stimmt ,  vermag  icli  nicht  anzugeben  *) ;  die  beiden  Gruppen  1  und  II 
tliun  es  nicht,  sie  bieten  hier  dieselbe,  also  die  durch  die  Bezifferung 
nach  Hahn  angegebene,  Reihenfolge. 

Was  diese  beiden  Gruppen  (7  und  11)  betrifft,  so  gehören  unsere 
Bruchstücke  (.indem  wir  von  H  absehen)  entschieden  zu  I.  Das  be- 
weist einmal  schon  der  Umstand  ,  daß  keine  Capitelüberschrifteu  vor- 
handen sind,  auch  nicht  die  geringste  Andeutung  eines  Abschnittes 
sich  findet.  Sodann  steht  in  //je  eine  Strophe  nach  Str.  2176,  nach 
2222  und  nach  2237;  diese  fehlen  in  den  Bruchstücken.  Ob  die  Um- 
stellung der  Str.  2265 — 67^  die  in  E"^  erst  nach  2280  folgen,  der  ganzen 
Gruppe  77  gemein  ist,  vermag  ich  nicht  anzugeben.  In  den  Lesarten 
schwanken  die  Tübinger  Bruchstücke  bald  zu  I,  bald  zu  77,  haben 
hie  und  da  auch  Eigenthümliches,  wie  Str.  2244  für  Von  8  ad  er  s  iintz 
an  Iloye,  worin  7  und  77  übereinstimmen,  steht  in  ihnen  Preshurc.  Ich 
bezweifle  nicht,  daß  der  einstige  Herausgeber  des  Titurel  gut  finden 
wird,  auf  diese  Bruchstücke  einiges  Gewicht  zu  legen. 

Vom  Abdruck  aller  240  Strophen  sehe  ich  ab,  ich  begnüge  mich 
mit  der  Mittheiluug  weniger,  die  von  der  Orthographie  und  der  re- 
lativen Sauberkeit  des  Textes  ein  ausreichendes  Bild  zu  geben  im 
Stande  sind. 

2176. 

Di  fchar  fint  gar  benennet,  vii  al  ir  kapitane. 

mit  tioften  waf  zertrennet,  vil  der  liebten  heim  vf  dem  plane 

fi  warn  oh  vberal  der  sper  gevriet. 

der  lac   de  velt    bedecket,    fam   al    di  wochen    drvnzen  wsern  gesniet. 

2177. 
Alrerste  do  hvp  fih  dringen,  wer  den  vii  den  gevienge. 
mit  flaheune  vu  mit  ringen,  ob  iemen  tfchvmphentivr  mit  tiefte  enphienge 
fo  de  er  ficherheit  da  bot  zegebenne. 
ir  vrechiv  ger  de  wände,  in  waf  mit  riterfchaft  fo  not  zelebenne. 


*)  H  ist  an  dieser  Stelle  lückenhaft.     Red. 


R.  KÖHLER,  DAS  SPIEL  VON  DEN  SIEBEN    WEinp:RN.  ^9 

2184. 
Ich  claf^e  di  werden  diete.  die  vnd'  Icliilt  gehörten 
vn  die  dvrh  wibe  miete,  an  werdeni  dicnste  lazheit  vö  in  ftorten 
fwaz  den  ie  geschach  vfi  noh  gefchaihe 
wser  ih   de  niht  d^  clagen.  vö  rehte  man  vnfvge  mir  def  isehe. 

2185. 

Wie  vert  vz   gralwalde.    den  l'i  da  nennent  fvrlten 

der  tvgende  liohgezald(!.    wirbet  dvrh  di  reinen  mit  getvrften. 

div  da  wal'  fin  vrvdc  fvr  allez  trvren 

l'i  gab  im  lewen  herze  de  er  in  noten  moht  di  lenge  tvreu. 

2224. 
Die  vberwant  mit  eilen,  hie  tlchionatvlander. 
di  fwertriege  erzellen,  nienien  kvnde  noh  di  vivrf  glander 
die  von  fwerten  vz  den  hehnen  fcrieten 
doch  ficherheit  l'i  iahen  dem  talphin  an  werdecheit  ftaiten. 

2246. 
Swen  fin  manheit  leren,  def  willen  darzv  kvnde. 
der  grahardviz  den  eren.  imer  wolte  vü  riehen  zaller  ftvnde. 
gen  dem  paroc  rasenger  wirde  riebe. 

vn  fwaz  er  selbe  habte  de  fi  def  gervhten  dieneftliche.     u.  s.  w. 
LEIPZIG,  im  November  1876.  FU.  ZARNCKE. 


DAS  SPIEL  VON  DEN  SIEBEN  WEIBERN,  DIE 
UM  EINEN  MANN  STREITEN. 

In  Maßmanns  Erläuterungen  zum  Wessobrunner  Gebet,  S.  98 
bis  102,  und  daraus  in  Kellers  Sammlung  der  Fastnachtspiele,  Nach- 
lese, S.  14—16,  und  bei  Osterley,  Niederdeutsche  Dichtung  im  Mittel- 
alter, S.  35,  findet  sich  ein  niederrheinisches  Spiel,  in  welchem  sieben 
Weiber  um  einen  Mann  streiten. 

Ein  Spiel  gleichen  Inhalts  —  das  niederrheinische  kann  es  der 
Mundart  wegen  natürlich  nicht  gewesen  sein  —  ist  zu  Fastnacht  1518 
in  Zwickau  aufgeführt  worden.  Damals  fand  nämlich  in  Zwickau  ein 
von  dem  dort  Hof  haltenden  Herzog  Johann  von  Sachsen  ausge- 
schriebenes Turnier  statt,    zu  welchem  der  Kurfürst  von  Sachsen  und 

2* 


20  K.  KÖHLER. 

andere  Fürsten  gekommen  waren.  Über  dieses  Turnier  und  die  dabei 
veranstalteten  Festlichkeiten,  Spiele  und  Aufzüge  berichten  dieZwickaucr 
Chroniken  und  eine  besondere  gleichzeitige  handschriftliche  Aufzeich- 
nung im  gemeinschaftlichen  Hauptarchiv  des  Sachsen- Ernestinischen 
Hauses  zu  Weimar  (Reg.  D,  p.  69,  Nr.  20).  In  letzterer,  deren  Kennt- 
niss  ich  der  Güte  des  Herrn  Archivraths  Dr.  Burkhardt  in  Weimar 
verdanke,  heißt  es  nuu^  nachdem  berichtet  worden,  daß  die  Zwickauer 
uf  den  mantag  nach  Estomichi'  —  d.  i.  also  am  Tage  vor  dem  Fast- 
nachtsdienstag —  all  ihr  Geschütz  und  600  gerüstete  Mann  hatten  sehen 
lassen,  weiter: 

Sy  haben  auch  meynen  gnedigsten  und  guedigen  Hern  zu 
undertenigem  gefallen  die  Comedy  Eunuchi  aus  dem  Therencio  or- 
dentlich und  woU  spielen  und  anzeigen  lassen.  Item  ein  spiel  wie 
sich  syben  weyber  umb  einen  man  gezweihet  und  geschulten  haben, 
dergleichen  wye  syben  pawersleut  umb  eine  magt  haben  gefreyet,  alles 
zierlich  vnd  woll  gereimbt. 

In  Peter  Schumanns  handschriftlichen  Zwickauer  Anualen  —  bei 
E.  Herzog,  Chronik  der  Kreisstadt  Zwickau,  II,  Zwickau  1845,  S.  185, 
und  —  ohne  Quellenangabe  —  bei  T.  Schmidt,  Chronica  Cygnea,  Pars 
posterior,  oder  Zwickauischer  Chronicken  Anderer  Theil,  Zwickau  1656, 
S.  275,  —  lautet  die  Nachricht: 

Nachmals  [d.  i.  nach  der  Musterung  des  Geschützes  und  der 
600  Mann]  ist  die  Comcedia  Eunuchus*)  aus  dem  Terentio  ordentlich 
und  wol  gespielet  worden ;  zwischen  dieser  Action  hat  man  eingeführet, 
wie  sich  sieben  Weiber  umb  einen  Mann  gezanket  und  geschlagen, 
desgleichen  wie  sieben  Bauerknechte  umb  eine  Magd  gefreyet  haben, 
und  ist  dies  alles  zierlich  und  wolgereimt  agiret  worden**). 

Endlich  berichtet  Laurentius  Wilhelm,  Descriptio  Urbis  Cycnese^ 
Das  ist,  Warhafftige  vnd  Eigendliche  Beschreibung  der  vhralten  Stadt 
Zwickaw,  Zwickaw  1633,  S.  212: 

Sie  [d.  i.  die  Zwickauer]  haben  den  [sie!]  Churfürsten  zu  unterthäni- 
gen  [sie!]  Gehorsam  und  Gefallen  die  Comoediam  Eunuchi  aus  den 
[sie !]  Terentio  ordentlich  und  wol  spielen  lassen,  darzwischen  hat  man 
introducirt,  wie  sich  7  Weiber  umb  einen  Mann  gezanket  und  ge- 
scholten haben,  deßgleichen  wie  7  Bawernknecht  umb  eine  Magd  haben 
gefreyet,  und  ist  alls  zierlich  und  wol  gereimt  agiret  worden. 

WEIMAR,  October  1876.  REINHOLD  KÖHLER. 


*)  'Eunuchus  genant'  bei  Schmidt. 
**)  'zierlich  und  wol  abgangen    bei  Schmidt. 


V.  LIEBRECJIT,  DIE  GEWORFENEN  STEINE.  21 


DIE  GEWORFENEN  STEINE'). 

Es  ist  eine  weitverbreitete,  in  fern  von  einander  licgcuden  Ländern 
sich  wiederfindende  Sitte,  daß  Reisende  oder  sonst  Vorübergehende 
an  gewissen  Stellen  des  Weges  da,  wo  sich  ein  Steinhaufen  findet, 
einen  neuen  Stein  oder  in  Ermangelung  dessen  einen  Zweig  oder 
eine  Erdscholle  hinzuthun,  wenn  nämlich  jener  Haufen  Anzeichen  davon 
trägt,  daß  er  auf  diese  Weise  entstanden  ist.  Der  Grund  aber,  wes- 
halb dies  geschieht  und  der  stets  auf  einen  Volksglaubem  beruht,  ist 
ein  mehrfacher  und  läßt  sich  auf  folgende  Weise  zerlegen. 

I.  Die  Steine  u.  s.  w.  werden  auf  ein  Grab  gehäuft  (geworfen, 
gelegt).  Daß  die  Gräber  unter  den  verschiedenen  Völkern  des  Altcr- 
thums  (auch  des  germanischen)  mit  hoehaufgethürmten  Hügeln  ver- 
sehen waren,  ist  bekannt  genug;  der  Zweck  derselben  war  offenbar,  die 
Aufmerksamkeit  der  Vorübergehenden  oder  am  Ufer  Vorüborfahrenden 
in  liühenn  Grade  zu  erwecken,  weshalb  es  denn  auch  geschah,  daß 
die  Grabmäler,  um  sie  desto  augenfälliger  zu  machen,  auf  Anhöhen 
oder  längs  der  Heerstraßzn  errichtet  wurden,  und  es  lag  darin  ge- 
wissermassen  eine  Aufforderung  an  die  Überlebenden,  der  Todten  ein- 
gedenk zu  bleiben  imd  sie  zu  ehren.  Diese  Verehrung  aber,  zu  welcher 
die  Grabschriften  zuweilen  direct  aufforderten  {TOYH  AFA&OYZ 
KAI  ®ANONTAE  EYEPrETEIN  AEI)  geschah  durch  Todtenopfer, 
die  nicht  nur  von  Nahestehenden  ausgingen  sondern  auch  von  Frem- 
den, und  der  zu  Grunde  liegende  Gedanke  beruhte,  scheint  es,  auf 
der  Vorstellung,  daß  die  Verstorbenen  auch  noch  jenseits  des  Grabes 
auf  die  Schicksale  der  Zurückbleibenden  einen  mehr  oder  minder 
grossen  Einfluß  üben,  indem  sie  ja  in  der  Meinung  mancher  Völker 
sogar  zu  Göttern  oder  Dämonen  wurden.  Jene  Todtenopfer  nun 
waren  thcils  feierliche,  mit  mancherlei  Vorbereitungen  dargebrachte, 
theils  mußte  dazu  dienen  was  eben  zur  Hand  war,  wie  es  namentlich 
beim  zufälligen  Antreffen  eines  Grabes  stattfand.  Gewöhnlich  boten 
sich  dann  Erdschollen,  Zweige  und  besonders  Steine  als  die  auf  freiem 
Felde  und  auf  Landstrassen  fast  überall  vorhandenen  Opfergaben 
dar  ,    die   man   der    Grabstätte    zuwarf  und    Avodurch    diese    zugleich 

*)  In  diesem  Aufsatze  habe  ich  das  früher  über  diesen  Gegenstand  Mitgetheilte 
7,nsammengefaßt  und  umgearbeitet  so  wie  vielfach  ergänzt  und  berichtigt ,  wobei  ich 
es  sehr  bedauere,  daß  mir  James  Ferguson's  Ende  Stone  Monuments.  London 
1872,  so  wie  gar  manches  andere  Werk   niclit  zur  Verfügung  stand. 


22  F.  LIEBRECHT 

höher  und  ansehnlicher  Avurde.  Dieser  Gebranch  ist  jetzt  noch  in  und 
ausser  Europa  vorhanden;  so  heißt  auf  dem  Steige  zur  Zerzeralpe 
(bei  Burgeis,  einem  Dorfe  im  Vintschgauj  ein  Phitz  „zu  den  wilden  Fräu- 
lein". Es  befindet  sich  dort  ein  Steinhaufen,  unter  dem  die  wilden 
Fräulein  ruhen  sollen.  Kinder ,  die  zum  ersten  Mal  auf  die  Alpe 
gehen,  müssen  hier  Steine  aufheben,  sie  anspucken  und  mit  den  Wor- 
ten: „ich  opfere,  ich  opfere  den  wilden  Fräulein"  auf  den  Steinhaufen 
werfen.  Auch  Erwachsene  üben  noch  diesen  uralten  Brauch;  denn 
wer  diese  Opferung  unterläßt,  darf  nicht  allein  an  den  wilden  Fräulein 
vorübergehen ,  ohne  sich  grosser  Gefahr  auszusetzen ;  s.  Ignaz  von 
Zingerle,  Sitten  u.  s.  w.  des  Tiroler  Volks.  2.  A.  Innsbruck  1871, 
S.  220  f.  Auf  einigen  Höhen  und  gefährlichen  Alpenstrassen  der 
Dauphine  liegen  am  Rande  der  Strassen  selbst  Fclsenstücke,  welche 
dreieckige  Prismen  oder  Kegel  bilden ;  es  sollen  uralte  Gräber  sein. 
So  oft  ein  Bergbewohner  vorübergeht,  legt  er  einen  neuen  Stein  auf 
solche  Monumente.  Eckermann,  Lehrbuch  der  Religionsgesch.  Die 
Kelten.  2.  Abth.  S.  44.  Pallas  erzählt  in  seinen  Reisen,  daß  seine 
tatarischen  Begleiter  auf  dem  Gipfel  des  Kuna  am  Fusse  zweier  Grab- 
stätten Zweige  und  Steine  niederlegten ;  Edelestand  du  Meril,  Melanges 
arcbeol.  et  litter.  Paris  1850,  p.  113.  Dies  war  wohl  ein  sogenannter 
Kurgan,  wie  ihn  die  Kleinrussen  und  Tataren  in  Kleinrußland  durch 
Steine,  Zweige  und  Erdschollen  zu  vergrössern  pflegen.  „'Cela  rend 
le  voyage  heureux',  assure  le  dicton  petit  russien.  Chez  beaucoup  de 
peuples  primitifs  le  sentiment  de  bienveillance  se  manifeste  par  une 
c^r^monie  analogue.  'J'ajouterai  une  pierre  a  votre  cairn'  dit  en 
maniere  de  politesse  le  montagnard  des  highlands.  Le  Juif  encore 
aujourd'hui  apporte  un  caillou  sur  le  mausolee  d'une  personne  aira^e." 
Alfred  Rambaud,  La  Russie  Epique.  Paris  1876,  p.  498*).  Von  dem 
Zauberer  Heitsi  Eibip  (Kabip)  wird  unter  den  Hottentotten  erzählt,  er 
sei  raehremal  gestorben  und  wieder  lebendig  geworden;  wenn  sie  bei 
einem  seiner  Gräber  vorübergehen,  so  werfen  sie  einen  Stein  darauf, 
weil  ihnen  dies  Glück  bringt.  Bleek,  Reynard  the  Fox.  Lond.  1864, 
p.  76  (deutsch  Weimar  1870,  S.  59),  der  auch  noch  aus  James  E. 
Alexander,  Expedition  of  Discovery  into  the  Interior  of  Africa  1,  166 
hinzufügt:  „These  Naraaquas  thought  that  they  came  from  the  East. 
In  the  country  there  is  occasionally  found  (besides  the  common  graves 
covered  with  a  heap  of  stones)  large  heaps  of  stones,  on  which  had 
been  thrown  a  few  bushes;  and  if  the  Namaquas  are  asked  what 
these   are,   they   say  that  Heije  Eibib,    their  great  father,   is  below 

*)  S.  Nachtrag  1,  unten  S.  32. 


DIK  GEWORFENEN  .STEINE.  23 

thc  heup;  thcy  do  iint  know  wliat  ho  is  likc,  or  whul  he  doea;  tliey 
only  imaginc  that  hc  also  camc  fioin  the  P^ast,  and  had  plcnty  of 
shccp  and  goats;  and  when  thcy  add  a  stonc  or  branch  lo  the  heap, 
they  muttcr,  'Give  us  plcnty  of  cattic."  Bei  den  Einwohnern  von 
Unalaschka  (einer  der  Fuchsinscln)  herrscht  der  Gebrauch,  die  Todten 
auf  den  Giptchi  der  Berge  zu  begraben  und  kleine  Erdhügel  auf  dem 
Grabe  aufzuschütten,  auf  welche  überdem  noch  Steine  gelegt  werden. 
Jeder  Vorübergehende  wirft  einen  Stein  auf  den  Hügel,  wodurch  die 
Stätte  erhalten  wird.  Klemm,  Culturgesch.  2,  225,  angeführt  von  \V. 
Schwartz,  in  der  Zeitschr.  f.  Gymnasialwesen  20,  799,  wo  auch  (nach 
demselben  2,  98)  erwähnt  wird,  daü  die  Abiponer  (in  Paraguay)  ihre 
Gräber  von  aussenher  mit  Dornen  bestecken  um  die  Raubthiere  davon 
abzuhalten.  Vielleicht  war  dies  ehedem  auch  anderwärts  der  Fall;  so 
wenigstens  würde  sich  erklären,  was  Kochholtz,  Schweizersagen  aus 
dem  Aargau  1,  62  mittheilt,  daü  nämlich  auf  dem  Oberfelde  zwischen 
Kulm  und  Zetzwil,  wo  die  Laudstrasse  nach  Luzern  vorbeiführt,  seit 
undenklicher  Zeit  ein  Dornstrauch  aufgewachsen  war,  dessen  Stamm 
allein  drei  Fuß  dick  gewesen  sein  soll.  Jeder  der  des  Weges  kam, 
legte  einen  Stein  dazu  und  so  thürmte  sich  nach  und  nach  ein  kleiner 
Wall  ringsum  den  Dorn;  er  gedieh  in  diesem  Schutze,  gewann  sein 
eigenes  Plätzchen  Land  und  somit  blieb  dieses  unbcpflanzt.  Möglicher- 
weise war  dies  also  ein  altes  längst  vergessenes  Grab  und  der  Dorn- 
strauch ein  Rest  der  Umzäunung.  Viel  wahrscheinlicher  jedoch  haben 
wir  hier  eine  Reminiscenz  des  alten  Gebrauchs,  Leichen  mit  Dornen  zu 
verbrennen ;  s.  Grimm ,  Über  das  Verbrennen  der  Leichen  ,  in  den 
Denkschr.  der  Berl.  Akad.  1850,  S.  223  ff.,  wo  es  namentlich  S.  224 
heißt:  „Seit  das  Verbrennen  mit  dem  Begraben  tauschte,  konnte  es 
natürlich  sein,  daß  der  bisher  geheiligte  Dornstrauch  auch  auf  das 
unverbrannte  Leichen  umschließende  Grab  gepflanzt  wurde,  es  geschah 
vielleicht  aus  ähnlichem  Grund  auch  bei  den  Hügeln  verbrannter  Lei- 
chen", welche  Muthmassung  durch  den  Aargauer  Gebrauch  eine  will- 
kommene Bestätigung  erhält.  Daß  es  bei  den  alten  Griechen  gleich- 
falls Sitte  der  bei  Gräbern  Vorübergehenden  war,  geworfene  Steine  als 
Todtenopfer  darzubringen,  habe  ich  im  Philologus  20,  380  ff.  besprochen 
und  Ergänzungen  ebend.  28,  542  f.  (Germ.  16,  213)  hinzugefügt. 

Namentlich  auf  die  Gräber  von  Erschlagenen  oder  sonst  gewalt- 
sam Umgekommenen  wurden  Steine  u.  dgl.  hingeworfen;  so  z.  B.  heißt 
es  in  Graesse's  Sageusehatz  des  Königreichs  Sachsen  S.  216,  Nr.  286: 
„Bei  S ch wanne wi tz ,  einem  zu  Dahlen  bei  Oschatz  gehörigen  Dox'fe, 
das    seinen  Namen  von    dem    dort    in    einem   heiligen  Haine  von  den 


24  F.  LIEBRECHT 

Daleminziern  verehrten  Gotte  Schwantewit  empüng,  befindet  sich  ein 
Teich,  der  Mordteich  genannt,  wo  einige  Jungfrauen,  die  ihre  Unschuhl 
sich  nicht  hatten  rauben  lassen,  ermordet  worden  waren  und  heute 
noch  umgehen  sollen.  Dadurch  daß  jeder  Vorübergehende  ein  Reis 
auf  ihre  Grabstätte  warf,  schreibt  sich  die  bedeutende  Erhöhung  des 
Bodens."  Die  Sitte  erhellt  hieraus  klar,  wenngleich  es  sich  hier  ur- 
sprünglich von  Jungfrauen  handeln  mochte,  welche  als  ein  dem  Swan- 
tewit  dargebrachtes  Opfer  in  den  Teich  gestürzt  zu  werden  pflegten. 
Ferner  heißt  es  in  Kuhn  und  Schwartz,  Norddeutsche  Sagen  S.  85, 
Nr.  92:  „Etwa  eine  halbe  Stunde  vom  Dorfe  Rauen  liegt  am  Abhang 
der  Berge,  hart  au  der  Strasse  nach  Storkow,  zur  rechten  Hand,  ein 
Aufwurf  von  Steinen  und  Reisig,  den  jeder  Vorübergehende  vermehrt. 
Dieser  Hügel  heißt  der  Nobelskrug;  es  soll  da  nämlich  vor  alten 
Zeiten  ein  Krug  gestanden  haben^  in  dem  ein  Krüger,  Namens  Nobel, 
gewohnt ;  der  ist  dort,  niemand  weiß  weshalb,  erschlagen  worden,  und 
hat  man  denn  zum  Andenken  die  Steine  und  Baumzweige  hingeworfen." 
Vgl.  A.  Kuhn,  Märkische  Sagen  S.  113,  Nr.  110  „Der  Nobelskrug". 
Auch  sonst  noch  findet  man  in  deutschen  Wäldern  über  der  Grabstätte 
gewaltsam  Getödteter  Stein-  und  Zweighaufen,  auf  welche  jeder  Vor- 
übergehende einen  neuen  Zweig  oder  Stein  wirft;  vgl.  Weinhold,  Alt- 
nord. Leben  S.  488.  Auch  in  Schweden  findet  sich  diese  Sitte. 
,.'Här  ha  tvä  menniskor  mördat  hvarandra!'  sade  skjutsgossen  i  det 
vagnen  höll  stilla  ....  och  med  piskan  visade  han  pä  en  hög  af  ris 
och  stickor,  som  lag  straxt  framför  de  resande  til  venster  bredvid 
vagen,  och  som  hade  nägonting  ohyggligt  vid  sig.  Det  är  sed,  att  hvar 
forbigäende  kastar  en  sten  eller  sticka  pa  sädan  blodmärkt  plats  och 

sä.  växer   mordmonumentet Men  midt  uti  styggelsen  hade  en  ny- 

ponbuske  vuxit  upp,  och  sträekte  sina  friska  grenar  ut  mellan  de  torra 
risen."  Friederika  Bremer,  Hemmet.  Stockholm  1839  2,  190.  Wurde 
dieser  Hagebuttenstrauch  vielleicht  gleich  auf  das  frische  Grab  ge- 
pflanzt und  entspricht  er  dem  oben  erwähnten  Aargauer  Dornstrauch? 
Ein  anderes  Grab  gegenseitiger  Mörder  mit  dem  nämlichen  Hinzuwerfen 
von  Steinen  ist  das  von  mir  German.  16,  214  aus  Serv.  Aen.  11,  247 
angeführte,  das  sich  auf  der  Kuppe  des  Garganus  befand.  Eben  ein 
solches  findet  sich  in  Island,  District  Hamarsfjordr,  und  heißt  „Küster- 
grab" (Djaknadys),  weil  dort  einmal  ein  Geistlicher  und  ein  Küster 
einander  todtschlugen  und  begraben  wurden;  Aver  zum  ersten  Mal  bei 
demselben  vorüberreitet,  muß  drei  Steine  darauf  werfen,  sonst  wider- 
fährt ihm  ein  Unglück.  Jon  Arnason,  Islenzkar  jijodsögur  etc.  1^  664. 
Ebenso  droht  ein  solches   demjenigen,    der   bei   dem   unweit  Reykholt 


DIE  GEWORFENEN  STEINE.  25 

bofindlichcn  Grabe  eines  durch  seine  eigene  übermllthige  Unvorsichtig- 
keit Umgekommenen  vorüberreitet,  olme  drei  Steine  darauf  zu  werfen; 
a.  a.  O.  S.  479.  Auch  auf  das  Grab  der  Ill))urka,  einer  bösen  Frau 
der  Heidenzeit,  zwischen  Skard  und  Bydardal,  muß  jeder  zum  ersten 
Mal  Vorrüberreitende  einen  Stein  werfen;  ebend.  S.  211;  einen  Stein 
wirft  auch  jeder  Landende  auf  das  Grab  Ulfs  auf  der  Ulfsiusel,  einer 
der  Bulandsnessinsehi;  ebend.  S.  664.  Überhaupt  ist  es  an  manchen 
Orten  Islands  Sitte,  daß  wer  einen  Weg  zum  ersten  Mal  passiert, 
anderwärts  aber  jedesmal,  wann  er  vorüLerkommt,  auf  den  dort  be- 
tiudlicheu  Steinhaufen  einen  neuen  Stein,  zuweilen  aber  auch  drei  hin- 
zuthun  muß,  wenn  ihm  nichts  Schlimmes  widerfahren  soll;  in  Erman- 
gelung von  Steinen  nimmt  man  auch  wohl  einen  Schuh  oder  Schuli- 
flick,  einen  Handschuh,  ein  Strumpfband,  eine  Gerte,  einen  Strauch- 
zweig, zuweilen  auch  ein  kleines  Geldstück.  Man  nennt  einen  Stein- 
haufen dieser  Art  dys  (d.  i.  Grab  mit  darüber  gehäuften  Steinen), 
woraus  also  erhellt,  daß  derselbe  ein  Grab  voraussetzt;  einige  von 
diesen  Steinhaufen  führen  die  Benennung  greidi  d.  h.  Darbringung. 
Eine  solche  Darbringung  ist  aber  in  diesem  Sinne  ein  Opfer,  das  der 
Seele  des  unter  dem  Steinhaufen  Begrabenen  dargebracht  Avird,  sei  es 
als  Zeichen  der  Ehrfurcht  im  Allgemeinen  oder  um  ihr  Wohlwollen 
oder  ihren  Beistand  anzuflehen  oder  andererseits,  wenn  sie,  wie  na- 
mentlich bei  Erschlagenen,  Selbstmördern  oder  sonst  eines  gewaltsamen 
Todes  Gestorbenen  der  Fall  ist,  als  böswillig  gedacht  wird,  um  sie  zu 
beschwichtigen ;  wird  dies  unterlassen,  so  rächt  sich  der  erzürnte  Geist 
durch  einen  Unfall,  den  er  dem  Nachlässigen  zusendet  oder  indem  er 
selbst  wiederkommt  und  Böses  übt*).  Es  geschieht  auch  Avohl  daß  das 
Aufhäufen  der  Steine  auf  das  Grab  in  der  Absicht  stattfindet,  das  Wie- 
derkommen der  bösartigen  Seele,  des  Wiedergängers,  (revenant) 
materiell  zu  verhindern;  so  heißt  es  bei  Rochholtz,  Sagen  u.  s.  w. 
1,  70  von  dem  Fleck,  avo  ein  Selbstmörder  verscharrt  worden,  daß 
kein  Vorübergehender  vergaß  einen  Stein  darauf  zu  werfen,  damit  der 
Unhold  nicht  gleich  hervorkommen  könne,  wenn  ihn  etwa  der  Teufel 
wecken  wollte;  vgl.  Müllenhof,  Sagen  aus  Schleswig-Holstein  Nr.  161**). 
Zweifelhaft  ist  der  Grund  der  von  Schild,  De  Chaucis  2,  3  bei  Everard 
Otto,  De  Tutela  Viarum,  Ultra],  ad  Rhen.  1731,  p.  92  erAvähnten  stets 
vergrösserten  Steinhaufen:  „Videre  est  eximiae  celsitudinis  tumulos 
ßremam  inter  et  PraesuHs  arce  nobilem  Fordum  [Verden]  e  lapidibus 
accumulatos  et  quidem  ivodiovg,  hoc  est  in  ipso  propemodum  militarium 
margiue  viarum.     Tum    et   ii,    quibus   iter  isthac   faciundum  est 

*)  S.  Nachtrag  2.  **)  Ö.  Nachtrag  3, 


26  F.  LIEBRECHT 

suum  quisque  colliculis  istis  lapidem  adjiciunt  et  indies  e  magnis 
faciunt  inajoros."  Wnhrsclicinlich  sind  auch  dies  alte  Gräber,  nicht  aber 
wie  Otto  meint  „in  honorem  Mercurii,  viarum  praesidis"  zusammen- 
gehäuft. 

IL  Wir  haben  eben  gesehen,  wie  die  auf  Gräber  hingeworfenen 
oder  gelegten  Steine,  Zweige  u.  dgl.  eigentlich  ein  aus  verschiedenen 
Gründen  den  Seelen  der  Todten  dargebrachtes  Opfer  sind;  daß  letztere 
so  wie  deren  Cultus  sich  mit  den  Göttern  und  der  diesen  gezollten 
Verehrung  mehrfach  berührten,  wissen  wir  gleichfalls,  und  so  finden 
wir  denn  auch,  die  Verehrung  namhaft  gemachter  Götter  und  Dämonen 
durch  Steinopfer  der  genannten  Art ;  so  des  Hermes  bei  den  Griechen, 
s.  Philologus  20,381;  füge  hinzu  Everard  Otto  1.  c,  p.  170—175. 
Hierher  gehören  auch  die  bereits  (oben  S.  22)  angeführten  „wilden 
Fräulein"  in  Tirol,  die,  obwohl  von  ihren  Gräbern  die  Rede  ist^  doch 
ebentso  wie  der  mehrmals  begrabene  mächtige  Zauberer  oder  grosse 
Vater  der  Hottentotten,  Heitsi  Eibip*)  (oben  a.  a.  0.)  und  wie  die 
Lüdenscheider  Schonholdcn  (über  welche  s.  weiter  unten  zu  III,  S.  29) 
einer  überirdischen  Welt  angehören.  Aber  auch  sonst  noch  bediente 
man  sich  und  bedient  sich  noch  jetzt  der  Steine  als  Opfergabe  für  die 
Eibenwelt,  so  z.  B.  muß  jeder,  der  beim  Hinuntergehen  in  den  Brunnen 
auf  dem  Toraberg  (Rcgierungsbez.  Köln)  nicht  fallen  will,  einen  Stein 
hineinwerfen;  s.  Ztschr.  f.  deutsche  Myth.  4,  166,  Nr.  6.  Hier  gilt  das 
Opfer  dem  Brunnengeist.  Ebenso  werfen  die  Knaben  beim  Vorüber- 
gehen an  der  Querchkaul  (Zwerggrube)  bei  Weingarten  in  der  Eifel 
einen  Stein  hinein,  während  die  Pfullinger  Kinder  am  Remselesstein 
der  alten  Ursel  Hornknöpfe  opfern,  aber  auch  Steine,  auf  welchen  die 
Sonne  ein  Bild  oder  ein  Loch  eingebrannt  hat;  s.  J.  W.  Wolf, 
Beiträge  zur  d.  Myth.,  2,  280-  Meier,  Schwab.  Sagen  Nr.  1,  vgl.  Nr.  2. 
Einer  ganz  ähnlichen  Sitte  begegnen  wir  aber  auch  im  fernen  Osten; 
denn  aus  dem  hinterindischen  Tonkin  wh'd  folgendes  berichtet:  „Inde- 
pendamment  de  ces  esprits,  les  femmes  en  adorent  d'autres  dans  diffe- 
rents  endroits  oü  il  y  a  des  monticules  de  terre  ....  Elles  ont  coutüme 
d'invoquer,  en  passant,  Ou-dou,  c'est-ä-dire  le  seigneur  du  mouticule 
ou  l'Esprit  qui  y  domine,  et  de  faire  voeu,  s'il  leur  prete  son  secours 
pour  faire  de  bons  marches,  d'ajouter,  a  leur  retour,  quelques  mottes 
de  terre,  pour  augmenter  le  tertre,  ou  d'  y  poser  quelques  livres  de 
papier  dore  ou    argente    ou    des    couronnes    de   fleurs    ou  des   bätons 

*)  Auch  der  grosse  Geist  der  Rothhäute  hat  auf  der  Insel  Manitualin  im  Hu- 
ronensee  sein  durch  Tabaksopfer  verehrtes  Grab;  s.  J.  G.  Müller,  Gesch.  der  amerik. 
Urreligionen  S.  123. 


DIE  GEWORFENEN  STEINE.  27 

d'üdeurs;  cv.  qu'ellcs  fönt  ca  rcjvcnarit  du  marclie^  pour  s  ucf|uittcr  de 
leur  voeu.  C'est  pourquoi  Ton  y  voit  un  grand  norabrc  de  mottcs  de 
terrc  cntassees."  Journal  asiat.  Ire  Serie.  VI,  1G4.  Hieran  schließt  sich 
was  EvorardOtto,  De  Tutcia  Viarum  p.  96  aus  Vincent.  Bellov.  Spcc.  Hist. 
1.  IV  (wo  aber  die  Stelle  nicht  steht)  anführt:  „Duarum  Indiae  gen- 
tium^ quae  vocantur  Zechiam  et  Albarachumaj  antiqua  consuetudo  fuit, 
nudos  et  decalvatos,  magnisque  ululatibus  pcrsonantcs,  siraulacra  dae- 
monum  circumire,  angulos  quoque  osculari  et  projicert;  lapides  in  acer- 
vuni,  qui  quasi  pro  honore  diis  extruebatur.  Inde  est,  quod  in  libro 
Salomonis  [gemeint  ist  wohl  Sprüche  20,  8j  dicitur:  qui  projicit  lapidem 
in  honorem  Mercurii.  Faciebant  autera  hoc  bis  in  anno;  Sole  scilicet 
existente  in  prirao  gradu  Arietis,  et  rursum,  cum  esset  in  primo  gradu 
Librae:  hoc  est,  initio  Veris  et  Autumni."  Otto  fügt  dann  noch  weiter 
hinzu  aus  Olaus  Magnus,  De  Rit.  Gent.  Septentr.  3,  1 :  „In  confinibus 
Lithuanorum  ac  Moscovitarum*)  Zlatababae  statua  certis  munusculis  a 
viatoribus  est  placanda,  si  quam  velint  itineris  securitatem."  Ferner 
gehören  hierher  die  von  den  Kalmüken  zu  Ehren  der  Götter  aufge- 
worfenen Steinhügel  (obö),  welche  entstehen,  indem  jeder  Vorüber- 
gehende dem  frommen  Brauche  gemäß  einen  oder  mehrere  Steine  hin- 
zufügt.   Jülg,  Kalmükische  Märchen  S.  68. 

Aus  dem  bisher  in  Betreö'  der  Steinopfer  Angeführten  läßt  sich 
mit  gutem  Grunde  folgern,  daß  auch  sonst,  da  wo  ein  Grab  oder 
göttliches  Wesen  *  nicht  ausdrücklich  genannt  wird ,  gleichwohl  ein 
solches  vorausgesetzt  werden  muß.  So  wird  aus  der  englischen 
Grafschaft  Somersetshire  berichtet:  „On  the  highest  mount  of  the  hill 
above  Weston-super-Mare  is  a  heap  of  stones,  to  which  every  fisherraan 
in  his  daily  walk  to  Sand-Bay,  Kewstoke,  contributes  one  towards 
bis  day's  good  fishing."  Choice  Notes  from  Notes  and  Queries.  Folk- 
Lore.  Lond.  1859,  p.  175,  Nr.  13.  Ebenso  befindet  sich  in  der  Nähe 
der  heiligen  Stadt  Mesehed  in  Chorassan  auf  dem  Wege  von  Nisehapur 
her  eine  Anhöhe,  Salem  Sepessi  (Hügel  des  Heils)  genannt,  von  der 
folgendes  berichtet  wird:  „Chaque  pelerin  regarde  comme  un  devoir 
religieux  de  marquer  son  passage  par  ce  col  en  ajoutant  une  ou  plu- 
sieurs  plaques  d'ardoises,  tres  coramunes  dans  ces  montagnes,  aux  debris 
de  la  raeme  röche  (Steinart),  empiles  par  les  pieux  predecesseurs  en  nom- 
breux  pyramides  au  sommet  de  la  montagne  du  salut."  Le  Tour  du 
Monde  1861,  II'"''  sem.,  p,  278.     Auch  in  Tenessee  begegnen  wir  einem 

*)  Nach  Anderen  jedoch  (s.  zu  Gervas.  Tilber.  S.  262.  Bastian,  die  Rechtsver- 
hältnisse bei  verschiedenen  Völkern  S.  362)  findet  sich  das  Götzenbild  der  Slata  Baba 
(aurea  anus)  an  der  Mündung  des  Obj, 


28  F.  LIEHRECHT 

auf  einer  Anhohe  befindlichen  Steinhaufen  „which  had  been  thrown 
togethcr  in  accordancc  with  Chcrokee  superstition,  that  assigncd  some 
good  fortunc  to  the  accumulation  of  those  piles.  They  had  the  custom, 
in  their  journeys  and  warlike  expeditions,  at  certain  known  points 
before  marked  out,  of  casting  down  a  stone  and  upon  their  return 
another".  Annual  Report  of  the  Board  of  Regents  of  the  Smithsonian 
Institution.  Washington  1871,  p.  379.  In  diesen  letzteren  Fällen  lälit 
sich  nicht  erkennen,  ob  das  Steinopfer  den  Manen  eines  in  früherer 
Zeit  dort  Begrabenen  oder  einem  anderen,  höhern  Wesen  gilt.  Noch 
unsicherer  ist  die  Deutung  der  an  der  Grenze  des  spanischen  Gali- 
cicns  befindlichen  gewaltigen  Steinhaufen,  „welche  davon  herrühren, 
daß  jeder  Galicier,  welcher  auswandert,  um  nach  der  dortigen  Gewohn- 
heit im  übrigen  Spanien  Arbeit  zu  suchen,  entweder  beim  Weggehen 
oder  beim  Wiederkommen  einen  Stein  auf  diesen  Haufen  wirft".  Ecker- 
mann a.  a.  O.  Die  Kelten.  Zweite  Abth.  S.  75;  vgl.  W.  v.  Humboldt, 
Prüfung  der  Untersuchung  über  die  Urbewohner  Spaniens  S.  176. 
Solche  Grenzmäler,  die  Roß,  Pelopon.  1,  18.  174,  auch  an  den  Grenzen 
des  lakonischen  Landes  beobachtet  hat,  mögen  nun  allerdings  durch 
das  Bedürfniss  der  Grenzscheidung  entstanden  und  erhalten  worden 
sein,  indess  befanden  sie  sich  ursprünglich  gewiß  auch  in  der  Obhut 
irgend  eines  überirdischen  Wesens  (einer  Grenzgottheit,  wo  man  solche 
verehrte,  wie  Terminus,  Zeus  Horios,  Hermes  u.  s.  w,),  denen  die  hin- 
zugewoi'fenen  Steine  als  Opfer  dargebracht  wurden.  Auch  der  Vicars 
Cairn  in  der  irischen  Grafschaft  Armagh  ist  „ein  Haufen  auf  einander 
geworfener  Steine  mit  einem  Steinkreise,  in  welchem  ein  Stein  mit 
Ogham- Charakteren  beschrieben  ist,  und  ein  Eingang  führt  hier  in  die 
Tiefen.  Niemand  geht  vorüber  ohne  einen  Stein  mitzubringen  und  auf 
den  Haufen  zu  Averfen.  Wer  aber  einen  Stein  davon  nähme,  den  träfe 
sicherlich  grosses  Unglück".  Eckermann  a.  a.  0.  Letzterer  Umstand 
weist  deutlich  auf  einen  überirdischen  Schutz  dieses  Steinhaufens. 

III.  Im  Gegensatze  zu  den  bisher  besprochenen  Arten  des  Wer- 
fens, d.  h.  üarbringens  von  Steinen  u.  s.  w.,  wodurch  eine  Verehrung 
oder  Beschwichtigung  von  Göttern  oder  Seelen  beabsichtet  Avurde 
oder  wird,  findet  sich  aber  auch  das  Werfen  von  Steinen  als  Zeichen 
des  Hohnes,  als  Ausdruck  der  Abneigung  gegen  derartige  Wesen,  wie 
z.B.  gegen  die  Wintergottheiten  (Gott  oder  Göttin),  worüber  ich  später  an 
dieser  Stelle  sprechen  werde-  Zu  den  dort  anzuführenden  Beispielen  aus 
Deutschland,  Frankreich  und  Italien  füge  ich  noch  folgendes,  welches 
um  so  wichtiger  ist  als  es  in  so  uralte  Zeit  zurückz'eicht  und  mit  klaren 
Worten  den  Winter  nennt.     Bei  Herod.  2,  121  heißt  es  nämlich,  daß 


DIE  GEWORFENEN  STEINE.  29 

der  ägyptische  König  Rluinipsiuit  gcradcilb(M-  v(jii  den  l'ropyliien  des 
Hephästosteinpcls  zwei  25  Ellen  hohe  Bildsäulen  aufstellte,  so  wie  daß 
die  Ägypter  die  nach  Norden  zu  stelu^nde  Sommer,  die  nach  Süden  zu 
stehende  Winter  nannten  und  jener  Zeichen  von  Verehrung  und  Zunei- 
gung, letzterer  aber  gerade  das  Gegentheil  erwiesen  (xat  rnv  [lev  xak^ovoi 

d-SQOS,  TOIJTOI/  [liv  JtQOgXVVSOV0L  TS  Xßl  £V   ■JlüLEOVGl,  XOV    Ö£  %BLHaVU    XU- 

kev^svov  ta  iyinäktv  tovxcov  kgÖavöi).  liier  wird  nun  zwar  nicht  aus- 
drücklich gesagt,  daß  die  Bildsäule  des  Winters  mit  Steinen  gcAvorfen 
wurde,  doch  ist  es  sehr  wahrscheinlich,  daß  das  Volk  dieselbe  mit 
irgend  welchen  Gegenständen  bewarf",  vielleicht  mit  Koth  oder  kleinen 
Kieseln,  wodui'ch  die  Statue  nicht  beschädigt  wurde. 

Ein  Werfen  mit  Steinen  nach  Götterbildsäulen  als  Ausdruck  des 
Hasses  und  Hohnes  ist  aber  auch  das  sogenannte  Heidenwerfen , 
worüber  s.  Simrock  in  der  Ztsclir.  f.  d.  Myth.  2,  131  ff.;  allein  dies 
scheint  doch  meist  nur  eine  Umdrehung  früheren  Brauches,  und  jene 
Statue  der  Venus  oder  Diana  zu  Trier,  die  bis  vor  nicht  langer  Zeit 
zum  Zeichen  des  Sieges  über  das  Heidenthum  von  jedermann  mit  Steinen 
geworfen  wurde,  erhielt  dieselben,  wie  mir  dünkt,  zur  Römerzeit 
wahrscheinlich  als  Opfergaben  dargebracht;  auch  die  von  A.  Kuhn, 
Westphäl.  Sagen  2,  132  angeführten  Spiele  und  Bräuche  (auch  die  bei 
Grimm,  Myth.  172.  743)  lassen  sich  auf  obige  Weise  in  ihrem  Ur- 
sprünge erklären ,  ebenso  wie  das  von  Woeste  in  der  Ztschr.  f.  d. 
Myth.  2,  90  erwähnte  „Schonholden  schraeissen",  in  Betreff  dessen  der- 
selbe bemerkt:  „Im  Lüdenscheidschen  erzählt  man  sich  von  einem 
Herscheider  Kinderspiel  *de  Schonholden  smiten,  wovon  sich  jedoch 
in  Herscheid  selbst  nichts  erfahren  ließ.  Es  muß  wie  das  'Buern- 
smlten  ein  Werfen  mit  kleinen  Steinen  nach  einem  oder  mehreren 
grösseren  sein.  Der  Name  erinnert  an  das  Jupiterwerfen.  Grimm,  D. 
Myth.  172".  Die  Schonholden  (über  welche  s.  auch  A,  Kuhn  a.  a.  O. 
1,  156  ff.)  entsprechen  ziemlich  den  oben  (S.  22)  erwähnten  Tiroler 
„wilden  Fräulein",  und  allem  Anschein  nach  liegt  dem  Herscheider 
Kinderspiel   etwas    dem  Tiroler  Gebrauch  Entsprechendes    zu  Grunde. 

Ein  Übergang  früherer  Götterverehrung  durch  Steinopfer  in 
ein  später  feindseliges,  höhnisches  Werfen  mit  Steinen,  also  in  letzte- 
rem Sinne  gleichfalls  eine  Art  Heidenwerfen ,  wenn  man  es  so 
nennen  will,  ist  ferner  der  bekannte  Gebrauch  der  mahomedanischen 
Mekkapilger,  Eblis  (den  Teufel)  im  Thale  Minä  dreimal  an  verschie- 
denen Stellen  mit  Steinen  zu  werfen.  Zur  Erklärung  dieses  Brauchs 
führt  man  an,  daß^  als  Abraham  von  seiner  Pilgerfahrt  nach  Arafat 
zurückkehrte,  er  am  Eingange  des  genannten  Thaies  den  Teufel  antraf, 


30  F-  LIEBRECHT 

der  ihm  den  Weg  versperren  wollte ;  auf  den  Ratli  des  ihn  begleitenden 
Engels  Gabriel  warf  jedoch   der  Patriarch  den  Teufel    siebenmal   mit 
Steinen,    so   daß   er  sich  entfernte.     Das  nämliche  wiederholte  sich  in 
der  Mitte  und  am  Ausgang  des  Thaies  und  die  sieben  Steinwürfe  ver 
trieben   ihn  jedesmal.     „Ohne  Zweifel    aber    sind    die  Araber    im  Irr- 
thum,  wenn   sie  glauben,    daß    die  Steine    nach  dem  Teufel  geworfen 
wurden;  die  alten  Semiten  kannten  keinen  Teufel;    derselbe  ist  persi- 
schen Ursprungs'^,  wie  Dozy,  Die  Israeliten  zu  Mekka,  S.  118  anmerkt; 
vgl.  Osiander  Ztschr.  d.  d.  Morgenl.  Ges.  7,  495:   ^  Das  Thal  Minä  war 
ohne  Zweifel,  wie  auf  der  andern  Seite  [von  Mekka]  das  Thal  Nahiah, 
eine    alte    heilige    Stätte;    schon    seine  Ableitung  von    dem  alterthüm- 
lichen  mhij  {manu)  zertheilen,  schlachten  xveist  darauf  hin,  und  es  wird 
sogar  berichtet,    daß  vor  der  Erbauung  der  Kdbah  beinahe  alle  Cere 
monien  der  späteren  Festfeier  dort  verrichtet  worden  seien.   Dem  ent- 
spricht es  vollkommen,  wenn  al-Gauzi  (bei  Reiske,  PrimaeLineae  p.  124) 
erzählt,    daß  'Amr  b.  Luhaj  im  Thale  Minä   sieben  Idole   aufgerichtet 
habe.     Ob    es   nun   gerade   sieben  Götzenbilder  waren,   mag   dahin- 
gestellt  bleiben   —    wiewohl    diese   Zahl   immerhin   sehr    merkwürdig 
wäre  —  ebenso  ob  *Amr  b.  Luhaj  hier  nur  ein  Repräsentant  aller  Be- 
förderer des  Götzendienstes  ist;  aber  die  Existenz  von  Idolen  in  diesem 
Thale   ist   darnach    kaum   zu   bezweifeln."     Hier  werden  nun  sieben 
Idole    genannt    und    ebenso   viele    in    einer   von    Burckhardt   (Reisen, 
Deutsch,  Weimar  1830,  S.  414  -415)  erwähnten,  mir  von  Prof.  Gilde- 
meister freundlichst  nachgewiesenen  Stelle  bei  Azraki  (p.  402  ed.  Wü- 
stenfeld), welche   so   lautet:    „Muhammad   ihn   Ishäy    sagte:   Amr  ihn 
Luhayy  stellte  in  Minä  sieben  Götzenbilder  auf.  Er  stellte  einen  Götzen 
auf  auf  dem  kleinen  Hügel,  der  zwischen  der  Moschee  von  Minä,  und  der 
ersten  Gamra  ist,  einen  auf  der  ersten  Gamra,    einen    auf  Almudda'ä, 
einen  auf  der  mittleren  Gamra,  einen  am  obern  Theile  des  Thaies,  einen 
oberhalb  der  grossen  Gamra ,    einen    auf  der  grossen  Gamra  und  ver- 
theilte    auf    sie  21  Kieselsteinchen;   jeder   Götze  ward    mit    drei 
Steinchen    geworfen    und    zu    dem  Götzen  wurde,   Avenn   er 
geworfen  ward,    gesagt:    Du   bist  grösser    als   der  und  der 
Götze,  der  vor  dir  geworfen  ist."     Jetzt  freihch  finden  sich  nur 
drei  Steinpfeiler   vor,    von    denen   jeder    durch    die  Pilger   mit   sieben 
Steinchen  (also  im  Ganzen  wieder  21)  beworfen  wird  und  welche  Ma- 
homed  statt  der  früheren  sieben  Idole   auf  den  drei  Gamra's  aufgestellt 
haben  soll ;  vgl.  Burckhardt  a.  a.  O.  Warum  Mohammed  diese  Abänderung 
getroffen  haben  mag,  ist  leicht  einzusehen;  die  ursprünglichen  sieben 


DIE  GEWORFENEN  STEINE.  31 

Götzenbilder  stellten  nJUnlich,  wie  ich  j^laube,  die  si  eben  Planeten 
dar,  und  um  das  Andenken  an  diese  möglichst  zu  verwischen,  ersetzte 
Mohammed  sie  durch  drei  Steinpfeiler,  an  welche  er  dann  die  Kblis 
betreffende  Sage  knüpfte.  Daß  aber  die  sieben  Götzen  auf  die  Pla- 
neten gingen,  darauf  deuten  auch  die  Worte,  die  man  an  den  jedes- 
mal geworfenen  Götzen  richtete:  „Du  bist  grösser  als  der  und  der 
Götze,  der  vor  dir  geworfen  ist",  d.  h.  du  bist  ein  grösserer  Planet 
als  der  vor  dir  geworfene.  Worauf  es  jedoch  besonders  ankommt, 
ist  eben  diese  Angabe ,  daß  die  Götzenbilder  um  ihrer  Grösse  willen 
mit  Steinen  geworfen,  d.  h.  daß  ihnen  dieselben  als  Zeichen  der  Ver- 
ehrung darj,ebracht  oder  geopfert  wurden,  was  Mohammed  in  ein  Stein- 
werfen zur  Verhöhnung  oder  Beschimpfung  des  Eblis  umdeutete  oder 
umwandelte,  wobei  er  zugleich  statt  der  früheren  Giitzen  Steinpfeiler 
errichtete. 

IV.  Noch  ist  ekle  Art  von  Steinwerfen  zu  erwähnen,  wobei  an 
überirdische  Wesen  nicht  gedacht,  sondern  nur  dem  Gedanken  der 
Schmähung  oder  Verwünschung  gewisser  Gräber  Ausdruck  gegeben 
wird.  So  berichtet  Conze  im  Philol.  19,  166,  es  sei  in  Griechenland 
„eine  Volkssitte,  wenn  irgend  Jemand,  wohl  besonders  eine  bedeu- 
tendere Persr»nlichkeit,  der  sonst  nicht  gut  anzukommen  ist,  sich  nach 
der  gemeinsamen  Überzeugung  seiner  nächsten  Landsleute  schlecht 
benommen  hat,  dann  werfen  sie  an  einem  nahen  Wege  Steine  auf  ihn^ 
aber  nur  im  Gedanken  auf  ihn,  indem  sie  bei  jedem  Stein  rufen: 
dväd^Tj^a  'g  tov  ÖELva:  Fluch  über  ihn.  So  entsteht  der  Haufen,  das 
sogenannte  dvdS^rjfia  [richtiger  dvccd^efxa]  und,  wie  es  geht,  wenn  erst 
einige  ihren  Stein  geworfen  haben,  dann  kommt  Mancher  des  Weges, 
und  sieht  er  das  Fluchzeichen,  wirft  er  ihn  auch ,  flucht  sein  dvdd^rjiia, 
ohne  zu  wissen  wem  oder  weshalb  es  gilt".  Diese  Sitte  wird  wohl 
daraus  entstanden  sein,  daß  ehedem  auf  wirkliche  Gräber  von  Per- 
sonen, die  in  üblem  Angedenken  standen,  die  Vorübergehenden  Steine 
warfen.  Ob  dabei  blos  an  eine  symbolische  Steinigung  oder  anW^ie- 
d  er  ganger  und  an  die  Verhinderung  ihres  Wiederkommens  (s.  oben 
S.  25)  gedacht  wurde  (und  man  weiß  wie  verbreitet  der  Glaube  anVampyre, 
ßovQx6/.axxag,  xataxavag,  TVfiTtccvialos,  in  Griechenland  ist),  lasse  ich 
dahingestellt;  ebenso  was  es  mit  dem  auf  Imbros  befindlichen,  civai)'rj(ia- 
TiGxQa  genannten  Steinhaufen,  unter  dem  ein  gesteinigter  Deraarch 
des  nächsten  Ortes  liegen  sollte  (Conze  a.  a.  O.),  für  eine  Bewandtniss 
hat  und  ob  es  vielleicht  ursprünglich  nur  ein  gewöhnliches  durch  Stein- 
opfer geehrtes  Grab  war,  jene  Erklärung  aber  aus  letzterem  Gebrauch 
hervorgegangen  ist,  und  nur  weil  die  eigentliche  Bedeutung  desselben 


32-  F-  LIEBRECHT 

in  Vergessenheit  gerathen,  die  jetzige  Gestalt  angenommen  hat.  Aus- 
drücklich aber  weist  auf  die  arabische  Sitte  beabsichteter  Beschimpfung 
von  Gräbern  dm'ch  symbolische  Steinigung  die  Redensart  ,.das  Grab 
Ebu  Righal's",  worauf  nämlich  alle  Vorübergehende  Steine  warfen, 
weil  er  dem  Heere  des  äthiopischen  Königs  Abraha  als  Wegweiser 
gedient  hatte.     So  sagt  Meskin  ed-Darimi: 

„Wirf  jährlich  auf  sein  Grab,  wirf  Steine  ohne  Zahl, 
Wie  jeder  in  dem  Grab  noch  steinigt  den  Righal." 

(Z.  d.  d.  M.  Ges.  5,  294,  Nr.  167.) 

Es  versteht  sich  von  selbst,  daß  von  den  verschiedenen  oben 
besprochenen  Arten  des  Stein  werfen  s  im  Laufe  der  Zeit  die  eine  oft 
in  die  andere  übergegangen,  oder  mit  andern  Worten,  daß  die  ur- 
sprüngliche Absicht  des  Steinwerfens  vergessen  und  ihr  alsdann  eine 
andere  unterlegt  worden  sein  mag,  worauf  ich  oben  schon  mehrmal 
hingewiesen  habe. 

Übrigens  bemerke  ich  noch  schließlich,  daß  ich  immer  nur  die 
Sitte  des  Werfens  oder  sonstigen  Darbringeus  von  Steinen,  Erd- 
schollen u.  s.  w.  durch  Vorübergehende,  woraus  sich  natürlich  erst 
nach  und  nach  größere  Haufen  bildeten,  vor  Augen  gehabt  und  die- 
selbe zu  erklären  gesucht,  dagegen  solche  Steinhaufen,  die  gleich 
anfangs  in  irgend  einer  Absicht  aufgehäuft  worden ,  ohne  spätere 
Vermehrung  und  Erhöhung  genannter  Art,  nicht  in  den  Kreis  meiner 
Untersuchung  gezogen  habe. 

Nachträge  zu  Germ.  Bd.  XXII,  S.  21  ff. 

(Die  geworfenen  Steine.) 

1.  Zu  S.  22. 

Die  Szekler  und  Magyaren  üben  noch  heute  den  Gebrauch,  im 
Vorübergehen  Steine  auf  die  Gräber  zu  werfen.  Archiv  f.  Anthropol. 
von  Ecker  und  Lindenschmidt  3,  348. 

2.  Zu  S.  25. 

Hyltdn-Cavallius,  Wärend  och  Wirdarnc.  Stockholm  1864,  1,486  ff. 
bemerkt:  „Dödingarne  voro  i  hedna-verld  föremäl  för  en  egen  offer- 
dyrkan,  som  dels  var  offentlig  och  dels  huslig.  Af  den  förra  hafva 
spar  bibehällit  sig  i  ätskilliga  gamla  svenska  folkbruk.  Pä  stallen 
invid  vägarne,  der  nägon  vädligen  omkommit,  och  der  man  säledes 
fruktat  att  den  döde,  sasom  cn  oren  gast  eller  gengäugare,  skulle 
bry    och   fürvilla  vägfarande,    har   folket   i    manga  svenska  lands-orter 


DIE  GEWORFENKN  STEINE  33 

ända  tili  vjir  tid  brukat  offra;  en  sed,  som  iifven  varit  iakttagen, 
der  lönskaläge  eller  auuau  orenhct  yppat  sig  vid  vagen.  Offret  be- 
stär  deri,  att  mau  pti  dylika  stallen  kastar  nogcnting,  vare  sig 
en  ris-quist;  en  sten,  eller  og  (i  Westraanland)  en  penning  o.  s.  v. 
Den    hög,    som    pä    detta    satt    bildas    vid    sidan    af  vagen,    erbäller    i 

olika  landskaper  skilda  namn Bildas  bögen  uteslutande  af  kuller- 

sten,  sfi  kallas  bau  ett  kummel,  eller  sten-kummel.  Dylika  sten- 
kummel  hopkastas  an  i  dag  pä  nagra  stallen  i  Siidermanland,  West- 
nianlaud,  Gestrikland  o.  fl.  st.  Exempelvis  mä  nämnas  ett  kummel. 
pfi  Skärmarbo-mo,  "Y^  rail  ifran  Nora,  uppkaskad  pa  det  stalle,  der 
en  gösse  blef  mördad  för  trettio  ar  sedan.  Efter  en  murare,  som 
pä  1740  —  talet  blef  ibelslagen  pä  skogen  emellan  Hedsunda  ocb 
Walbo,  i  Gestrikland,  kastas  af  folket  ännu  kummel,  och  den  sä  bil  — 
dade  bögen,  som  bestär  allenast  af  st()rre  ocb  mindre  rullsten,  bar  nu 
ett  tvärmätt  af  minst  20  fot  ocb  en  böjd  öfv^er  marken  af  10  tili  12  fot- 
Nästan  öfvervallt,  der  dessa  .  .  .  kummel  före  komma,  bibebäller  sig 
og  den  folktron,  att  mau  offrar,  för  at  dödingen  eller  gasten 
icke  mä  göra  en  nägot  ondt,  da  man  färdas  vagen  fr  am." 

3.  Zu  ebendaselbst. 

Hylt^n-Cavallius  a.  a.  O.  I,  472:  „Sankt  Sigfrids  legend  förtäljer, 
om  dem  som  mördade  bans  systersöner,  att  'tha  tboko  tbe  kroppana 
ok  bundo  reep  um  tbera  fötir,  ok  drogbo  tbsem  tili  tbaen  stadb, 
som  diwrwm  var  vilsambir,  oc  neplica  kom  sool,  oc  kastadbo  storan 
stenahögb  upa  tbera  b^elgba  likama.'"  J\Ian  fürcbtete  also  daß  die  ge- 
mordeten Neffen  des  Heiligen  sich  als  Wiedergäuger  rächen  würden 
und  warf  daher  nicht  blos  Steine  auf  die  Leichname,  sondern  band 
ihnen  auch  noch  die  Füße  zusammen, 

LÜTTIGH.  FELIX  LIEBREOHT. 


GERMANIA.  Neu«  Reihe.  X.    (XXII.)  Jahrg. 


34  F-  BECK 

ALLERHAND  VERÄIUTHUNGEN  UND  NACH- 
WEISE. 

VON 

FEDOR  BECH. 

1.  Zum  Erec  5270. 
Dort  steht  in  der  Ausgabe  M.  Haupts  zu  lesen: 
Als  ez  do  morgen  loart 
unde  er  ouch  stner  vart 
durch  niemen  loolte  abe  stän, 
ditz  dühte  se  alle  missetän. 

Die  erste  dieser  Zeilen  lautet  in  der  Handschrift :  also  da  es  mor- 
gens toart.  Gegen  Haupts  Änderung  sind  in  mir  einige  Zweifel  auf- 
gestiegen nach  Vergleichuug  der  Stellen,  in  denen  icerden  wie  hier  in 
Verbindung  mit  Zeitbestimmungen,  zumal  bei  Übergängen,  sich  gebraucht 
findet.  In  den  meisten  Fällen  fehlt  hier,  wenn  ich  recht  beobachtet 
habe,  das  Pronomen  ez,  dessen  unsere  jetzige  Sprache  nicht  mehr  ent- 
rathen    kann.     Sagt    doch    Hartmann    im   Iwein   383   do    slafennes    zit 

loart,  do  gedähte  ick  an  mtne  vart  und  5015  do nach  ezzene  loart, 

den  Wirt  ivundert  umb  ir  vart\  ebenso  heißt  es  in  Gottfrieds  Tristan 
14525  do  des  andern  tages  loart ,  Meldt  sleich  aber  uf  sine  vart)  2668 
vil  schiere  loart,  daz  st  den  knaben  sähen]  5341  vil  schiere  wart,  daz 
Tristan  —  sehen  began]  beim  Meissner  in  vdHMS.  HI,  94%  11  eins  järes 
icartj  von  edeler  art  kos  man  da  einen  vürsten,  in  von  Laßbergs  LS. 
I,  342,  268  do  mornet  ivart  gen  tag,  do  kam  dm  amm]  642,  183  des 
andern  tages  frü  wart,  si  hüh  sich  aber  uf  die  vart;  644,  253  darnach  loart 
nit  ze  lang,  daz  man  die  mess  voll  sang.  Mit  Riicksicht  auf  diese  Dichter- 
stellen Hesse  sich  auch  im  Erec  verrauthen:  also  do  des  morgc.is  wart 
oder  alse  des  morgens  loart.  Aber  auch  die  Prosa  kennt  diese  Um- 
schreibung mit  werden.  So  schon  bei  Tatian,  freilich  mit  engem  An- 
schluß an  den  lateinischen  Text,  4,  1 1  ward  tho  in  tliemo  ahtuden  tage, 
quämen  zi  bisnidenne  thaz  kind  =  factum  est  in  die  octava,  venernnt 
circumcidere  puerum ;  70,  1  ivas  tho  giwordan  in  then  tagun,  gieng  in  berg 
beton  :=  factum  est  in  Ulis  diebus,  exiit  in  montem  orare  und  in  andern 
Beispielen  bei  Sievers  S.  476*.  Daran  reihen  sich  noch  folgende 
Stellen  aus  dem  12.  bis  15.  Jahrhundert:  Specul.  Eccles.  fol.  10*'  des 
andern  morgins  loart,  do  hete  diu  gerte  Aaronis  bluomin  und  este ;  fol.  63' 


ALT.ERTTAND  VEHMUTIirNCiEN  UND  NACIIWEISE.  35 

dd  toart  ane  dem  vierzifjisten  tage   alse   hiute   ist,   do   mochte   mit   in  ze 
ezzen ;  fol.  75"  Darnach  icart  ze  einir  ves'jjir  zit,  do  Zacharias  rauch  hete 

(jdeit  in  ein  rouchvaz\  fol.  109''  Vil  schiere  wart,  der  e  vil  vinsterr 

in  daz  munster  gienc,    der  selbe  gienc  vrolichen  wider  drüz;  —  Pretligt- 
macrlein  in  Gcrman.  III,  421,  11  7ind  eines  tages   wart,    do  sprach  sin; 
413,  31  Dar  noch  über  lang  v:art,  do  starp  der  grofe;  427,  16  eines  tages 
v^art,  du  er  frllege  uf  stuont  nnd  ein  seil  an  stnen  gürtel  hing,  er  erhörte 
eine  stimme;  —  Griesliabers  Predd.  II,  89  do    na   au    dem    vierden    tage 
wart,  do  hiez  Holofernes  ain  gröz  Wirtschaft  heraiten\  —  J.  ßothes  Cliroii. 
c.  256  unde  loart  darnach,    daz  her  sinen  tot  lange  zit  vorhin  louste;  — 
Schmidt,  Die  Gottesfreunde,  95  in  demselben  jore  icart ,    do  beschach  es, 
das   er   in  einan  siechtagen  fiel*)',  145  nii  an  dem   mendage  fruege  wart, 
do  gingent   wir   vur   den   rot   von   der   stat'^  154  do  daz  zerging^  do  zuo 
stunt  wart,    do    beschach   es,    daz   ein  lieht  —  —  icart]  157  iind   do    in 
demselben  (sc.  schlafwachen  Zustande)  icart,    do   ivas   mir  wie  daz  eine 
stimme  u.  s.  w.;  IGO  nnd  noch  dem  mitteme  tage  loart^  do  loir  ein  wenig 
gessen  hettent,    do  gingent  loir  aber  vür  den  icalt]  162  und  do  noch  dem 
essende  loart,  do  gingent  icir  aber  alle  drizehen  für  den  walt\  —  Schrei- 
bers Urkundenb.  von  Freiburg  I,  S.  379  (a.  1349)  do    ze  jungest   icart, 
do  kam  ein  Jude   von  /Sträzburg-  —  Weist.  I,  666  (a.  1320)  vrüge  wirt, 
so   sidlent   sie   iren   zins    teilen;    IV,  105  (15.  Jahrh.)  do    des    morgendes 
loiirt  (=  wirt),    so    sol    er    sie    antwürten    den    hueberen;    Twinger   von 
Koenigshoven    ed.  Schilter  41  {=  ed.  Hegel  300,  32)  dö    in    der    naht 
wart,  do  brühte  Nectanebus  mit  zoidter  zuo,  das  u,  s.  w. ;  Weist  4,  141  icenne 
am  siingechttage  würt,  so  söllent  die  huober  dem  meiger  gehorsam  zuo  sin 
(14.  Jahrh.) ;  —  Elsäßische  Predigten  in  der  Alemannia  I,  232  hin  gen 
tage  wart  und   er   in   solchen  riiiven   lag,    do   erschein  ime  ein  engel\  — 
Spiegel  deutscher  Leute  ed.  Ficker  VIII'^  eines  morgens  wart,  do  striten 
sie  mit  einander;  —  Nicolaus  von  Basel  176  an  dem  fünjften  tage  wart, 
do  sach  er  wol  daz  u.  s.  w. ;  187  in  diseme  hindersten  woi'te  wart,  da  befant 
ich  —  —  gar  grosse   frömede  mere;  195   in   disen   selben  gedenken  wart, 
do   stunt  ich  gar  geswinde  uf;  276  des  andern  tages  frllege  wart,  do  ko- 
ment  aber  dise  zwei  menschen  zuosamene;  —  Wackernagels  Predd.  LVIII, 
101  so   balde  wirt,    so   ist  er  trurig;  114  so   denne   an  dem  andren  tage 
loirty   so    lasset  er  sich  gar  stille  wider  nider;  147  so  nü  an  dem  dritten 
tage  wirt,  so  gänt  alliu  diu  meriounder  üsz;  —  Grieshaber  Predd.  I,  24 
do  enmornen  ml  wart,  so  nement  (?)  die  engel  herren  Loht;  —  Germania 
19,  310,  3  do  ze  iungest  amme  dritten  tage  wart,  do  u.  s.  w. 


*)  Nach"  wart  ist  in  der  Ausgabe  ein  tSemicolon  gesetzt! 


36  F.  BECH 

2.  Zum  Marner. 

XV,  7,  121   ed.  Strauch  heißt  es: 

Ein  esel  gap  für  eigen  sich 
dem.  fuhse,  daz  was  guot. 
Do  lert  ern  sprechen  wicht eclich: 
si  tvdren  beide  höchgemiiof. 

Daß  der  Fuchs  den  Esel,  der  sieh  in  seinen  Dienst  begeben  hat, 
alle  Dinge  (ivihteclich)  sprechen  lehrte,  erscheint  uacli  dem  Sinn  und 
Zusammenhange  der  Fabel  als  eine  müßige  Bemerkung.  Das  In- 
teresse des  Fuchses,  des  listigen  Jägersmannes,  konnte  doch  nur  darauf 
gerichtet  sein,  den  Esel  mit  Rücksicht  auf  seine  besondere  Leistungs- 
fähigkeit für  die  Jagd  zu  instruieren.  Was  hätte  es  ihm  in  dieser  Hin- 
sicht genützt,  wenn  er  ihn  ivihteclich  sprechen  lehrte?  Wenn  dagegen 
nach  Phaedrus  der  Esel  an  des  Löwen  Jagd  sich  betheiligt,  so  er- 
streckt sich  seine  Thätigkeit  darauf,  das  Wild  mit  seinem  Geschrei 
aus  dem  Lager  aufzustöbern  (insueta  voce  terrere  hestias  oder  turhare 
feras^,  wie  er  nach  einem  altdeutschen  Beispiele  in  den  Altd.  Wäldern 
III,  187 — 188  durch  seine  vreisUche  stimme  Alles  in  Furcht  setzt.  Eine 
andere  Rolle  als  die  des  Treibers  wird  der  Esel  auch  als  Knappe  des 
Fuchses  nicht  gespielt  haben.  Mit  Rücksicht  hierauf  vermuthe  ich, 
daß  die  Stelle  im  Marner  schon  früher  verderbt  Avorden  ist.  Der  Er- 
zählung weit  angemessener  scheint  es  mir,  wenn  man  für  sprechen  lesen 
dürfte  schrecken  =  excitare  terrere;  im  alemannischen  Dialecte  hieß  es 
ohnehin  schrechen,  vgl.  Weinhold,  Alem.  Gramm.  §.  220,  eine  Form 
aus  der  sich  die  Verderbniss  nur  noch  leichter  erklären  würde.  Unter 
ivihteclich  =  wihteglich  verstehe  ich  dann:  alle  Geschöpfe,  alle  Thiere 
ohne  Ausnahme,  vgl.  Hohes  Lied  ed.  J.  Haupt  GQ,  25:  siver  sine  ver- 
witze  cheren  ivil  nach  allen  den  des  in  gelüstet ,  so  daz  er  schefphet 
{^chapfet?)  nach  icichtigelichime  unde  loset  nach  allir  dinge  gelich  unde 
er  stinchen  teil  nach  allir  hluome  gelich  unde  er  smekchen  icil  zallir  chrCde 
gelich  u.  s.  w.  Wichte  braucht  von  den  Thieren  des  Waldes  Albrecht 
von  Halberstadt,  vgl.  Haupts  Zeitschr.  XI,  360,  4. 

XIV,  2,  25  sich  hinder  dich,  ivie  not  dir  von  dem  reinen  schepfer 
ist,  Des  Up  sich  an  daz  kriuze  here  Für  unsich  bot,  der  siieze  Kr  ist. 
Statt  dir  von  lese  ich  dervon  (darvon)  davon ,  deshalb ,  mit  Beziehung 
auf  das  Folgende,  nämlich  daß  „sein  Leib  an  das  Kreuz  sich  schla- 
gen ließ". 

XIV,  17,  266  folg.  —  eine  Schilderung  des  wunderbaren  Weltge- 
bäudes ^  wie    sie    sich    unter    andern    auch   bei  Heinrich  von  Neustadt 


ALLKKIIAND  VEKMUTHUNGEN  UND   NACHWKISK.  37 

in  Gottes  Zukuntl  1  — 15   und    in  Scib.  Brants  Narrenschifi"  (j(>,   1   iulg. 
Hndcl: 

icie  sich  die  sterne  im  loufe  rüeraat, 

wie  der  hiniel  geekset  ist, 

siben  planeten  kraft,  der  heizen  snilere  mez, 

■wä  sich  donre  und  icint  hinfüerent, 

toä  der  abgrunt  hat  sin  sez  u.  s.  w. 
In  der  Anmerkung  zu  2ß8  heißt  es :  „vielleicht  sind  gemeint  die 
snnitetistrirkc,  von  denen  Konrad  von  Mcgenberg  97, 16 folg.  sagt"  u.  s.  w. 
Schwerlich  ist  damit  der  Sinn  der  Stelle  getroffen.  Mit  snuor  ist  hier 
offenbar  das  lateinische  zoiia  wiedergegeben,  vgl.  Diefenbach,  Gloss. 
635''  zona  snur  vel  lant  vel  zirkel  in  dem  himmel;  auch  in  Bechsteins 
Glossar  zu  Mathias  von  Beheims  Evangelienbuch  S.  297  finden  sich 
Stelleu,  in  denen  snuor  als  Gürtel  gefaßt  ist;  vor  allen  aber  gehört 
hierher  Sebastian  Brants  Narr.  66,  11 

Ob  man  lud)  umb  die  ganz  weif  fnor, 

Was  Volkes  wone  under  yeder  schnuor, 

Ob  under  unsern  fuessen  Uli 

Ouch  sujen  u.  s.  w.  *). 
Hiernach  hat  man  unter  der  heizen  snilere  mez  zu  verstehen  die 
Größe ,  die  Ausdehnung  der  gürtelartigen  Bahnen,  welche  nach  der 
Anschauung  der  Alten  die  Planeten  in  ihrer  Gegenbewegung  be- 
schreiben; vgl.  Zarncke,  Der  Graltempel  S.  511  daz  firniament  zefüere 
von  siner  snellen  draete,  Wem  zirkel  heizer  snilere,  dar  inne  die  platteten 
loufent  staete;  dazu  die  Stellen,  welche  ich  in  dieser  Zeitschr.  VII, 
303  bei  der  Erklärung  von  Wolframs  Willeh.  2,  4  angeführt  habe,  und 
Vocabularius  optimus  S.  öS*"  planetae  quae  moventur  pi^oprio  motu  contra 
motuin  primi  mobilis. 

S.  160  bei  Strauch  beginnt  eine  unechte  Strophe  des  Marners 
mit  der  verdorbenen  Zeile :  Wer  töre  vfer  heringe  setzt  der  het  de  szale 
verlorn.  „Entsprechend  den  folgenden  Zeilen",  heißt  es  in  der  An- 
merkung dazu,  „muß  der  Sinn  ungefähr  der  sein:  Wer  einen  geringen 
Fisch  über  den  Hering  setzt,  der  hat  den  Verstand  {zal)  verloren." 
Da  ist  zunächst  der  het  de  czale  verlorn  ungenau,  man  kann  sagen  un- 

*)  An  derselben  Stelle  findet  sich  ein  anderer  seltener  Ausdruck,  V.  7 — 8: 
ime  tief  und  vevr  sich  zieh  das  mer  Und  ivas  enthalt  den  letzten  sper.  Sicher  ist  hier 
nicht  Äo-s-te  unter  sper  gemeint,  sondern  sphaera,  obwohl  sjje)-  meist  nur  als  femininum 
vorkömmt;  doch  vgl.  Bruder  Hansens  Marien!.  3080  Planeten  sün  da  sehen,  jezlich 
lenft  rjr  gezrcenze  mit  iren  speer  gar  eben  und  Wackernagels  Predd,  S.  SGI*",  40  daz 
himelspire. 


3g  F.  BECH 

richtig  wiedergegeben.  Denn  zal  {zale)  bedeutet  entweder  numerus  nu- 
meratlo  im  Allgemeinen,  oder  eine  bestimmte  Anzahl  als  Maß  z.  B. 
eÄne  zal  heringe  in  Schreibers  Urkundenb.  I,  86  und  ebenso  IX  tael  he- 
ringhe  in  Kindlingers  Gesch.  der  Hoerigk.  S.  399  und  529;  oder  es  be- 
deutet so  viel  wie  narratio;  danach  wird  die  gedachte  Redensart  einen 
andern  Sinn  gehabt  haben.  Es  steht  aber  auch  noch  nicht  fest,  ob 
man  an  dieser  Stelle  zale  oder  zdle  zäile  d.  i.  zagele  zu  lesen  habe. 
In  töre  oder  tore  mit  dem  Mhd.  Wörterbuchc  einen  verdorbenen  Fisch- 
uamen  zu  vermuthen,  dazu  ist  wohl  auch  kein  zwingender  Grund  vor- 
handen, wenn  man  bedenkt,  daß  dieselbe  Handschrift  in  ihrem  Dialekt 
(sieh  auf  derselben  Seite  vorher  V.  12)  döre  statt  toren  schreibt- 
Unter  dem  toren  verstand  aber  das  Mittelalter  ganz  besonders  auch 
den  Taubstummen,  wie  z.  B.  in  Gricshabers  Predd.  I,  91  ein  dore  der 
gehört  nit  noch  macht  nit  redim,  daher  der  imgehorende  tor  im  Hohen 
Liede  ed.  J.  Haupt  6,  31  und  in  Rudolfs  Barlaam  38,  28  neben  dem 
stummen  genannt.  Mit  Rücksicht  hierauf  könnte  der  hat  die  zal  ver- 
lorn bedeuten:  der  ist  ein  für  alle  Mal  um  das  Reden,  Erzählen  oder 
Antworten  betrogen,  hat  es  umsonst  gethan,  und  dieses  vorausgesetzt 
ließe  sich  folgende  Änderung  vermuthen:  Swer  toren  uf  erhoerung{e) 
[oder  ir  hoerunge]  setzt  {=  wer  Taubstumme  zum  Hören  oder  Horchen 
bestimmt),  der  hat  die  zal  verlorn,'  vgl.  über  erhoerunge  Zachers  Zeitschr. 
II,  371,  über  hoerunge  Weist.  I,  669  und  Grafts  Sprachsch.  IV,  1008. 
Indessen  bleibt  die  Vermuthung  eine  unsichere.  Vielleicht  setzt  aber 
das  Beigebrachte  andere  in  den  Stand  dem  Wahren   näher   zu   treten. 

3.  Zur  Erinnerung  cd.  Heinzel. 
V.  217 — 219  lauten  nach  der  Handschrift: 

ze  hoeser  gewinnunge 

ist  sin  herze  unt  sin  zunge 

in  wunderlicher  icise. 

Heinzel  sucht  den  verdorbenen  Versen  durch  Einschiebung  von 
halt  vor  der  letzten  Zeile  aufzuhelfen,  obwohl  er  selbst  eine  Con- 
struction  desselben  mit  ze  nicht  nachweisen  kann.  Trotzdem  aber^ 
daß  sich  halt  im  Mitteid.  wenigstens  so  gebraucht  findet  (vgl.  Erlösung 
4484  Petre  toas  zu  fugen  halt  und  H.  Elisabet  2261  daz  st  zu  gnade 
lourde  halt),  so  glaube  ich  doch,  daß  sich  der  Verderbniss  auf  leichtere 
Weise  abhelfen  läßt,  indem  man  schreibt  im  lounderlichen  idise.  Ähn- 
lich verbindet  xoise  mit  ze  der  Stricker  in  v.  d.  Hageus  Germania  II, 
86,  10:  der  ritter  tvas  ze  hehchen  ivise,  Hart  mann  im  Iwein  3323  er  xvas 


ALLERHAND  VEKMUTHUNGEN  UND  NACHWEISE.  39 

da  zuo  gnuoc  wise;  Ürtnit  I,  5  ze   stürme   loas  er  lots]  Ludwif^s  Kreuzf. 
245  uud  1434  zu  gote  ivts. 

V.  859  die  teile  dir  got  verlihe  die  mäht, 
daz  du  heder  dinge  icol  hast. 
Im  zweiten  Verse  möchte  ich  loal  statt  icol  lesen,  dann  hätte  man 
den    hier   geforderten  Sinn:    daß    du    zwischen  Gutem    und  Bösem    die 
Wahl  hast;  ivol  haben  mit  Genitiv  scheint  mir  nicht  mittelhochdeutsch, 
Priestcrlebeu  391  liegt  näher  zu    schreiben   sam  gewisse   sam   für 
so  gewisse  sam,  die  Handschr.  bietet  sin  für  so. 

4.  Zur  Livländi  sehe  n  Reimchronik  ed.  Leo  Meyer. 
V.  7740  folg.  Daz  loeter  was  naz  unde  kalt, 
Daz  kein  stürmen  nicht  enstalt. 
Der  zweite  dieser  Verse  enthält  in  enstalt  eine  Form,  die  in  der 
Sprache   der  Reimchronik   nach   meinem  Dafürhalten  unmöglich  wäre, 
wenn  man  sie  als  Abkürzung   für   enstalfe  nehmen  wollte.     Gleichwohl 
ist  im  Glossar  zu  dieser  Stelle  bemerkt:  „3.  sg.  pf.  7iicht  enstalt  nicht 
sich  ausführen  ließ?  nicht  gelang?"  Hier  läßt  sich  wohl  mit  fvecht  eine 
Verderbnis  vermuthen.     Ich  schlage  daher  folgende  Änderung  vor: 
Das  weter  naz  unde  halt 
Was  kein  (?^zu?)  stürmen  nicht  gestalt 
oder   Was  kein  stürmen  ungestalt. 
Vgl.  die  Magdeburger  Schöppenchronik,  in  der  es  S.  358,  3  folg. 
bei  einer  ähnlichen  Gelegenheit  heißt:    so  togen  se  to  saniene  vor  Sotzk 
und  legen  dar  vor  dre  loeken  mit  storme  unde  mit  stride,  doch  konden  se 
der  stad  nicht  af  hebben;    ök  was  dat  weder  gar   ungestalt,  und   regende 
dat  se  nicht  beginnen  konden. 

Y.  3883  folg.  ir  toten  —  die  brauten  sie  mit  dem  züge, 
vur  war  ich  nicht  enlüge: 
spere  schilde  brunje  jpfert 
helme  keyen  (?)  unde  sicert 
braute  man  durch  ir  willen. 
Was   bedeutet  hier   keyen?    auch    dazu   gibt   das  Glossar   keinen 
befriedigenden  Aufschluß,  indem  es   „Keulen?  Wurfspiesse?"  daneben 
setzt.     Zwar    verzeichnen  Kilian    und    das  Glossarium    belgicum    von 
Hoffmann  S.  51  keye  als  petra  und   silex;    diese  Bedeutung    sagt   aber 
hier  dem  Zusammenhange  nicht  zu,    wenn    man  nicht  annehmen  will, 
daß    auch    darunter    eine  Steinwaffe    gemeint    sein  könne,  vgl.   die 
ältere  Hochmeisterchronik  in  den  Scriptores  rer.  pruss.  III,  597,  wo  es 
von  den  Littawen  heißt:    ouch    lourffen  sy  vintlich  obir  das  vlts  noch 


40  F-  BECH 

den  cristen  mit  lourfspern  und  mit  steynen  keiolen  noch  irer  heidnischen 
fjewonheit.  Muß  es  denn  aber  nach  dem  Zusammenhange  eine  Waffe 
gewesen  sein?  Es  ist  ja  dcuthch  gesagt,  daß  die  Todten  mit  ihrem 
züge  (mhd.  ziuge),  d.  h.  mit  allem  was  sie  zum  Behuf  des  Krieges  mit 
sieh  führten  verbrannt  wurden-,  auch  ihre  Pferde  gehörten  z.  B.  dazu. 
Sollte  man  bei  keyen  nicht  an  kogen  (koyen)  denken  dürfen?  Daß  die 
Sameiten,  von  denen  hier  die  Rede  ist,  in  Schiffen  gekommen  waren, 
wird  in  den  vorhergehenden  Versen  (3820,  3843,  3849)  erwähnt;  den 
Besitzern  konnten  ihre  Nachen  so  gut  wie  ihre  Rosse  beim  Todten- 
opfer  mit  verbrannt  werden.  Leider  läßt  sich  eine  Form  keye  in  der 
Livl.  Chronik  nicht  nachweisen;  sie  kennt  nur  kocke  in  V.  3651  und 
8878.  Das  Wort  könnte  möglicher  Weise  auch  aus  kttile  oder  küle, 
Keule,  verderbt  sein,  das  als  Waffe  der  Heiden  wie  oben  so  hier  in 
V,  3692  neben  dem  Speer  genannt  wird. 

V.  1271  folg.    Wä  sie  (die  Eisten)  die  cristen  quämen  an, 
Ez  loere  kint  wib  oder  man, 
Die  giengen  vor  dem  loinde  hin. 
Im  Glossar  ist  zu  vor  dem  loinde  vermerkt:  „wie  vom  Winde  ge- 
trieben, weggefegt." 

Die  Phrase  vor  dem  loinde  findet  man  auch  bei  Burkart  von 
Hohenfels  in  MSH.  I,  205'',  2  snel  gedenken  vert  vor  loinde  {=  schneller 
als  der  Wind) ;  ferner  im  Pass.  K.  454,  53  Egidius  darin  (=  in  daz 
schif)  saz   Und  vür  mit  in  vor  winde. 

5.  Zum  Deutschen  Heldenbuche. 
Im  Ortnit  285,  4  steht  nach  der  Wiener  Handschrift:  dabei  sol  ev 
sein  gedenken.  Diese  unpersönliche  Construction  von  gedenken  ist  nicht 
häufig;  doch  kann  ich  den  von  Jänicke  in  den  Anmerkungen  Ame 
lungs  beigebrachten  Beispielen  noch  folgende  zufügen:  Weist.  II,  713, 
Z.  24  sü  haben  loal  gesien  ind  in  gedenkt,  dat  u.  s.  w.  (15.  Jahrh.)  und 
715,  Z.  22  van  der  ziit  dat  in  (=  cum)  gedencket]  Augsburger  Stadt- 
recht ed.  Meyer,  S.  179,  Z.  19  oh  halt  die  geziuge  nicht  gedencket, 
ob  er  im  den  lip  tragen  sol  oder  niht]  Fichard,  Frankf.  Archiv  I,  228 
(=  Boehmer,  Urkundenb.  von  Frankf.  S.  666)  aus  den  Jahren  1355 
bis  1359:  des  quam  es,  das  vor  ziten,  des  itnsir  ein  teyl  und  auch  me 
lüten  icole  gedenckit-^  Schiller  und  Lübben,  Mittelniederd.  Wort.  I, 
.504'',  2;  Hoefers  Ausw.  S.  83  (a.  1309)  der  decken  von  Vmneze,  deme 
v:ol  achzic  iär  gedenkit  und  de  nnsen  herrin  von  THre  an  horte:,  Marien 
Himmelf.  (Haupts  Zeitschr.  5,  549)  1266  Idz  dir  gedenken  ivi  ich  dir 
gefriste  —  den   lip',  MSH,  III,  268"  (13,  2)  iemer   krenket   min  gemüete, 


Al.l.KKIIANl)   VKKMUTIIUNGEN   IJNU  iNA(;il\VKl.SI':.  41 

so  mir  tjcdenkci  fäner  (jiiete',  Meyer  und  Mooycr,  Altd.  Dicht.  44,  53  sif 
daz  ich  cz  allez  sagen  muoz  —  daz  mir  von  ir  (jcdenkai  (:  (jek renket) ;  dazu 
vgl.  Bartsch  über  Karlmeinet  276;  Zarncke,  zum  Narrensch.  76,  S.  419 
bis  420;  Wackcrnagel,  Altfranz.  Lieder  S.  108. 

Biterolf  und  Dietleib  V.  11883  nu  hört  man  aber  erklingen  ma- 
neger hau  de  lüten  krach  (:  sprach)  und  V.  5532  man  hört  da  lüte  er- 
krachen (:  machen)  'pusvnen  die  hellen.  Aber  an  der  ersten  Stelle  hat 
die  Handschr.  prach  für  krach,  an  der  zweiten  erprachen  für  erkrachen. 
Ob  hier  der  Schreiber  der  Handschr.  willkührlich  geändert  oder  falsch 
gelesen  hat ,  ist  doch  noch  sehr  fraglich.  Lexer  im  Mhd  Hand- 
wörterb.  verzeichnet  brach,  fragor  aus  Nie.  von  Jeroschin  21905  mit 
ungestuirem  brache  (:  sache)  und  eben  daher  gebrach  20097  do  ivaH  so 
luite  ir  gebrach  {:  uf  brach)  und  21010  (:  geschach) -^  aber  es  findet  sich 
noch  an  folgenden  Stellen:  Rudolfs  Wcltchronik  ed.  Schütz  I,  S.  7 
groz  icas  ir  schal  und  ir  brach  {:sach)\  Nie.  von  Jeroscli.  8394  si  soldin 
machin  ein  schrien  und  ein  brachin'^  in  der  Krone  Heinrichs  von  demTürlin 
27401  hrasteln  unde  brachen  (:  machen)  horte  er  vil  vor  ime  da]  in  der 
Anm.  zu  der  letzten  Stelle  wird  ebenfalls  krachen  vermuthet,  obwohl  hier 
brachen  durch  die  Alliteration  gesichert  scheint.  Vgl.  Lexers  Hand- 
wört.  I,  759  s.  V.  gebrech. 

In  der  Berliner  Handschr.  des  Wolfdietrich,  vgl.  üeutsches  Hel- 
denb.  IV.  Theil,  S.  317 — 318^  steht:  du  bringest,  mich  noch  hiute  umb 
daz  leben  min]  dieselbe  Redensart  noch  im  dritten  Anhange  Schmellers 
zu  Laber,  im  Minnefalkner  5  (S.  172):  ob  sie  mich  senden  umb  daz 
leben  bringet. 

Wolfdietrich  B  761:  do  stuonden  im  ziio  schiere  die  sinen  dienst - 
man]  vgl.  von  Laßbergs  LS.  IT,  476,  131  also  habent  sy  es  verebent 
Und,  Stent  nü  ainander  zuo;  Brants  Narrensch.  28  toer  fackeln  zündet  an 
Und  will  der  simnen  glast  zuo  stän. 

Wolfdietrich  D.  IX,  211,  3  der  wart  ze  namen  geheizen  Hildebrant] 
vgl.  Walther  von  Rheinau  143^  56  der  {==  earum)  einiu  hiez  Maria  ze 
namen  Magdalena. 

6.  Zur  Straß  burger  Litanei. 
Lit.  195  da  —  ir  frowede  niemer  zu  ste]  das  im  Sinne  von  zugen 
hier  und  im  Credo  78  gebrauchte  zusfen,  mhd.  zestän  findet  sich  im 
Leipziger  Sachsenspiegel  I,  3,  2  und  I,  27,  2^  vgl.  das  Glossar  dazu  von 
Hildebrand  S.  181;  .bei  Ebernand  2486  ez  loere  ein  gewisse  pf runde, 
nimer  in  zustünde;  in  Weist.  V^  383  (aus  dem  Oberelsaß)  wenn  auch 
imsere  lehen  eins  absentze,  icurd  und  zestät  vier  icochen  und  ziuen  tag. 


42  F.  BECK 

Lit.  452  wi  gerne  ich  dinen  namen  hebute\  das  bisher  im  mhd. 
Wörterb.  nicht  verzeichnete  hehnwen  finde  ich  in  den  fränkischen  Weis- 
thümern  des  14.  Jahrhunderts^  vgl.  Weist.  VI,  7  (§.  16)  eins  apts  schul- 
tesz  ist  auch  gebieter,  die  gute  zu  hebüwen  zu  Zelle  (a.  1395);  ebenda  87 
(§.  21)  auch  sollen  alle  gute  der  herren  hehüioet  und  hefridet  sin  (a  1400); 
88  (§.  25)  auch  sal  man  alle  gute,  die  nit  hehüivet  iveren ,  in  einem  järe 
behüuien\  häufiger  ist  das  Wort  auf  niederdeutschem  Sprachgebiete^ 
vgl.  Urkundeubuch  der  Stadt  Hannover  I;,  407^,  9 — 12  (a.  1362)  und 
Schiller  und  Lübbcn  AVörterb.  I^  163^ 

Lit.  782  daz  loas  im  vil  aneminne.  Das  seltene  Adjectiv  findet 
sich  außer  bei  Veldeke  noch  im  Kolandsliede  265;,  26  gehorent  die 
heiden  sine  stimme,  si  ist  in  nicht  anminne;  bei  David  von  Augsburg  in 
Haupts  Zeitschr.  9,  43  du  looltest  uns  die  lere  vortragen  mit  dem  bilde, 
daz  si  uns  deste  anminner  ivaere]  beim  Mönch  von  Hailsbronn  im  Buche 
von  den  sechs  Namen  des  Fronleichnams  ed.  Merzdorf  33,  Z.  8  von 
unten:  das  er  ttire  werd  genäme  und  anminne  si\  77,  Z.  16  animinner 
und  dancnämer'^  61  dise  genäde  ist  mir  anminner  vil  {^=.  Alemannia  HIj, 
211,41;  221,25;  231,33). 

Lit.  1340  an  dir  stet  alzos  din  volleist;  hier  braucht  man  alzds 
nicht,  wie  in  Steinmeyers  Zeitschr.  7,  265  geschieht,  für  einen  Schreib- 
fehler anzusehen;  es  ist  wohl  eine  dialektische  Form,  eine  Contraction 
aus  alzoges,  cnts])rechcnd  dem  mnd.  altos,  vgl.  Schiller  und  Lilbben  I, 
63 ;  vgl.  dazu  alzois  aus  der  Kaiserchronik  bei  Müller  und  Zarncke  HI, 
933''  und  die  Anmcrk.  zu  Karlm.  86,  23. 

7.  Zur  Graz  er  Litanei. 

Lit.  225,  39  ivan  daz  mich  uf  sülit  (:  ervülit)  min  einiger  helfaere] 
über  sülen  vergleiche  man  ausser  den  Beispielen  aus  späterer  Zeit  bei 
Lexer  s.  v.  siiden  noch  den  Paternosterleich  3,  10  in  den  Denkmälern 
von  MüllenhofF  und  Scherer  (126,  3,  10):  mit  disen  siben  virtutibus  so 
seid  wir  sülin  unser  hüs]  des  Teufels  Sege  10696. 

Lit.  227,  9  swenne  ich,  uogit,  nf  dich  gehe\  mitteldeutsche  Bei- 
spiele von  uf  einen  jehen,  die  in  Steinmeyers  Zeitschr.  7,  257  vermißt 
werden,  finden  sich  an  folgenden  Stellen:  Siebenschläfer  ed.  Kara,jan 
624  und  jach  uf  s?;  Freiberger  Stadtr.  S.  267  man  sal  wegen  den,  uf 
den  he  geiehen  hat. 

8.  Zu  Eberhard  Zersne. 
Minneregel  465  folg.   Sy  (=  die   vögele)  sungen   in  acutis    Accent 
unde  ei'ypol,  Falseten  sußis  lutis,  Da  van  icart  ich  irquickit  u)ol\  zu  den 


ALLERHAND  VERMUTHUNGEN  UND  NACHWEISE.  43 

cir^'  verderbten  oder  verlesenen  »Stellen  dieses  Gedichtes  gehört  aucii 
die  vorliegende;  statt  en/pol  muß  es  jedenfalls  tnjpo/,  heißen;  vgl. 
Frisch  II,  388  ^tripjxd,,  propovtio  mitsicnlis  iripla,  kommt  also  von  triplus, 
eine  Abwcehslunp;  mit  dem  Takt  den  man  in  seinem  Anfang  mit  "/., 
zeichnet'';  dasselbe  Wort  in  Bruder  Hansens  Mai*icnleben  3007  vil 
mengen  suezen  fribul  Uns  discanteert  die  liehe  nachtegale.  Das  in  den 
Meisterliedern  der  Kolmarer  Liederhandschrift  S.  197^  20  stehende 
trippel  wird  von  Jacobsthal  in  Steinmeyers  Zeitschr.  8,  73  als  eine  Spe- 
cies  mehrstimmiger  Musik,  als  dreistimmiger  Satz  gefaßt*). 

9.  Zu  Vintler. 
Plueme  der  Tugent  9657 :  so  haben  ietzund  etleich  herven  die  aller - 
saödisfen  hochfart,  —  —  als  wnh  die  schilt  und  panier  und  ander  loun- 
derleich  groyr,  die  da  in  der  chirchen  stecket.  Im  Glossar  dazu  heil.U 
es  bei  groyr  „st.  n.  Wappen,  Schilderei  (?)"  und  Avird  auf  Lexer  I,  1745 
verwiesen^  avo  aber  das  Wort  ohne  Erklärung  aufgeführt  ist.  Es  findet 
sich  noch  —  mit  k  statt  g  —  im  Reinfried  von  Braunschweig  17343 
mit  des  speres  spile  er  dem  getauften  ruorte  daz  houbet  unde  fuorte  die 
croier  an  dem  schaffe  dan:,  dasselbe  ist  kreier  V.  633:  schiltknehte ,  die 
mit  guoten  siten  ie  zioene  hi  ein  ander  o'iten,  die  fuorten  sper  und,  kreiger 
da.  Das  Wort  steht  offenbar  mit  kroyieren  oder  groiieren  im  Zusammen- 
hange und  bezeichnet  zunächst  den  Schlachtruf,  die  Losung,  das  Er- 
kennungszeichen im  Kampfe,  dann  Avie  hier  speciell  den  Helmschmuck, 
daz  zimier  lif  dem  hehne:,  A^gl.  Diefenbach,  Glossar  310*  inha,  ein  kreyer, 
kreyrer,  krayer  und  158''  crista,  crey ,  Hclmzeichen;  desselben  Nov. 
Gloss.  113"  coans,  creyer  uff  eim.  hehne  und  120''  crista  kreyer  oder  vogels 
kamp.  Weitere  Belege  ausser  den  genannten  bietet  Hildebrand  im 
deutschen  Wörterbuche  V,  2136  unter  krei  (4);  2138  (4,  b.)  unter  kreide:, 
2143  (3)  unter  kreier. 

10.  Zu  J.  Laurent;,  Achener  Zustände. 
Bancklocke  340,  33,  bauckclocke  o9d,  12  Avird  im  Glossar  429*  erklärt 
.  als  „die  arme  Sünder- Glocke,  Bang-Glocke,  bei  deren  Ton  dem  Ver- 
urtheilten    bange   wird."    Dagegen    spricht    aber    der   Latein.  Ausdruck 
campaua  bannalis  ebendaselbst  226,  31  und  32. 

Birfiich,  adj.^  289,  14,  im  Glossar  fraglich  gelassen,    hier  wol  = 
nützlich,  behiflich  =  biderhelich ;  dasselbe  Wort  im  Karlmeinet  275,  37 


*)  Es  ist  zu  bedauern,  daß  in  der  genannten  Abhandlung  von  Jacobsthal  nicht 
zugleich  auf  die  an  musikalischen  Kunstausdrücken  reiche  Fundgrube  in  Eberhard  Zersnes 
Minnelehre  403—486  Eücksicht  genommen  ist. 


44  *'•  BECH 

Morant  hijrjflicher  (rechtschaffner,  ehrenhafter)  vacht  vur  sin  recht]  in 
Purg'oldts  Rechtsbucli  X,  18  (S.  310)  hederffliclien  nnd  erlichen  sein  amt 
vorstelle  im  Zeitzer  Karl  und  Elegast  fol.  168"  ein  fwste  bedreßelich 
vTi  toiß. 

Esling  SOS,  9  wird  S.  434''  mit  „einfacher  Nagel"  tibersetzt;  allein 
damit  stimmt  schon  nicht  die  Erwähnung  auf  S.  336,  7  wo  es  heißt: 
1250  schendelen  ind  2500  eyslinge  neille  und  S.  374,  12 :  9000  eslinge 
nelen  drilinge  latznelen  u.  s.  w.  Die  erste  Silbe  ist  dem  Dialekte  ent- 
sprechend ^=  ehs,  alis\  h  (ch)  vor  s  wird  hier  gewöhnhch  ausgestossen, 
so  hiisa  oder  busse  (huchse),  eysch  {achisch),  kriesch  (kriegisch),  oys 
(ochs),  ossenhuyd  (ochsenhüt),  Sassen  (Sachsen),  seys  (sechs),  verwassen 
(verwachsen),  %vaisskerz  (wachskerze).  Sonst  vgl.  über  dasAVort  H.  Beyer, 
Urkundenbuch  der  Regierungsbezirke  Coblenz  und  Trier  I,  145,  196 
(=  Kehrein  SammL  S"")  axiles  et  scindalae  ad  tecta  restauranda:  axiles 
y.  appellainns  esselUnge  et  scindalas  scimdelen,  scindelingas  (a.  1222); 
Schmeller-Frommann  1, 163  aus  einem  alten  Glossar  tessere  ehselinga  %inde 
domicilia  sternuntur',  ebenda  popeneissel  Rauchfangziegel,  gogkeissel  Zie- 
gelstein von  halber  Breite;  Diefenb.  Glossar.  163''  axilia,  scindelun, 
schindala;  Dietz,  Etym.  Wort.  11,201:  ais  fr.  hrett,  von  axis,  assis 
dimin.  aisseau,  Schindel,  von  axiceUus  ,  assicellus;  vgl.  Diefenb.  s.  v. 
axis  und  asser. 

Gelatern  „gläsern"  wird  auf  S.  435  und  sei  „Handhabe  Griff"  auf 
S.  447  angesetzt  mit  Beziehung  auf  S.  308,  4  wo  es  heißt:  It.  umh  22 
gelateren  sels  zen  dach  vinstern  val.  3^/^  m.  25.  Jedenfalls  fehlgegriffen. 
Ich  lese  gelate  renseh  und  verstehe  unter  dem  ersten  Worte  eine 
Gelte ,  als  Maß ,  ahd.  gellita  gellida  gellete  gellite,  vgl.  Lexer  I,  826 ; 
in  dem  Urkundenbuch  von  Neustift  ed.  Mairhofer  Nr.  318  tres  galetas 
olei  (a.  1278);  Nr.  328  solucione  18  galetarum  olei  (a.  1279);  Diefenb. 
Glossar.  370''  mulgarium;  gellate.  Über  rensei,  rtmsel,  rinsel,  vgl.  Diutisc. 
II,  206'',  Cornelius  Kil  und  Diefenb.  Glossar.  128'  s.  v.  coagulum.  Die 
Glaser  werden  die  geronnene  Milch  oder  den  Quark  (mit  Kalk  ver- 
mischt) zum  „Einstreichen"  der  Dachfenster  gebraucht  haben.  Von 
rennen,  renne,  rensei  abzuleiten  ist  auch  wol  das  Zeitwort  verrentzen  bei 
Boehmer,  Urkundenbuch  von  Frankfurt  S.  556:  die  fynster,  die  üz  dem. 
hCise  in  den  sal  geln,  versichern  und  verrentzen  und  bedeutet  vielleicht: 
verkitten,  verschmieren. 

Plackeyren,  swv.,  unerklärt  geblieben,  auf  S.  219,  22  It.  de  eadem 
(vorher  ist  von  dem  stahulum  equomm  cinitatis  die  Rede)  ze  plackeyren 
95.  per  rel.  Es  ist  wol  dasselbe  was  im  Franz.  plaquer,  plattieren, 
bekleiden,    mit  Gips  überziehen;  vgl.  plackewerg,  Bewurf,  und  plecken, 


ALLKIv'irANJ)  VERMUTHUNGEN  UND  NACHWEISE.  45 

argülare ,  viaculare  bei  Diefenb.  und  Wüloker,  Hocli-  und  Niederd. 
Wörterb.  257. 

Schospovze  S.  110,  33  soll  nacli  dem  Glossar  „eine  Thüre  in  dem 
Stadtthore  sein,  die  man  Abends  nur  gegen  Erlegung  einer  Abgabe^ 
Schos,  passieren  konnte'*;  vielnielir  eine  Fallthiir^  vgl.  Diefenb.  s.  v. 
catarrhacia  und  Lexer  Handw.  s.  v.  schozpoi'te,  schozgntei: 

Unledüj  S.  DO,  o  loir  .shit  noch  müeäüje  lüde  mit  lot/ieren,  wird  im 
Glossar  so  erklärt:  „nicht  wol  daran,  unlcidlicli  mit  etwas  dai'an  sein'*; 
vgl.  vielmehr  Lexer  im  Handwört.  II,  190G;  Diefenb.  Glossar.  392'' 
occnpatns,  bekümmeret,  unledech]  occupare,  unledegen\  occupatio,  tmlede; 
Diutisc.  225'\ 

Veil,  adj.^  289,  12:  It.  rjaff  v\an  A.  Redten  soene  zu  verdrenken,  ivant 
hee  veil  icort,  du  sün  hrilder  geschossen  ivas,  8  M. ;  dazu  im  Glossar  451": 
veil  icm^t  ohnmächtig  wurde?"  Yeil,  fei,  bedeutete  vielmehr  atrox,  vehe- 
mens ,  iniquus,  vgl.  HofFmann  zu  Caerl  ende  Elegast  397,  1297,"  1340; 
Karlmeinet  257,67;  306,23;  379,39;  478,34;  Bruder  Hans.  Marl. 
1443,  4535;  Gotfrid  Hagen  4834;  Diutisc.  H,  219\ 

Vursichdar  —  so  ist  im  Glossar  angesetzt  —  j^zur  Vorsicht,  vor- 
läufig?", mit  Beziehung  auf  89,  1  alsus  Mit  hey  yn  noch  vursichdar  ge- 
vangen.  Vielmehr:  vursich  dar,  weiter,  ferner  daselbst.  Man  sagte 
sogar  dti  gast  für  sich,  ich  gang  für  sich,  gdnt  ir  für  sich,  vgl.  Buch 
der  Beisp.  von  Antonius  Phor  132,38;  133,31;  Gottesfreunde  S.  71 
und  128. 

Bewerre  kann  nicht  „innerhalb"  (wie  im  Glossar  430'  angegeben 
ist)  bedeuten  auf  S.  88,  11  her  Reynart  tioanck  myt  gewalt  hroder  Hein- 
riche ind  ayverhroeder  Heinriche  heioeere  unser  hoeve  zo  Auwenheym  u.  s.  w. ; 
es  ist  vielmehr  das  mhd.  heicaraere  bei  Lexer  Handw.  =  curator  bei 
Schönhuth ,  ürdensbuch  S.  57,  Sievers  Md.  Schachb.  320,  5 ;  329, 
15;  330,  5. 

Eeselduych,  auf  S.  273,  33:  It.  den  pifferen  zu  yren  sommer  ind 
winter  roecken  ind  den  koeleren  zii  yren  jair  roecken  hadde  man  eyn  eesel 
d.yiich,  kost  11  gülden  ind  1  veirdel;  im  Glossar  433''  ist  dabei  vermerkt : 
„graues  Tuch?  oder  bezeichnet  hier  Esel  ein  Maß?"  Nur  die  erstere 
Erklärung  triflft  das  Richtige,  vgl.  Teufels  Sege  4938  (die  Abte  und 
Mönche)  soltint  tragen  sack  und  puntschuoh,  Darzuo  rok  und  kuttan  von 
eseltuoh.  Bei  Thomas  von  Buttelstedt  (in  den  Neuen  Mittheil,  des 
Thür.-Sächs.  Vereins  XII,  427.  folg.)  steht  eselstüch. 

Hoefde  sich  318,  19  gehört  nicht  zu  heven,  wie  S.  483''  ange- 
nommen ist,  sondern  zu  hoefen  =  mhd.  hüfen,  houfen,  Lexer  Handw. 
I,  1377. 


46  F.  BECH 

Schoeckebret,  322,  16:  It.  eyme  spruycher  25  s.  Item  eyme  anderen 
myt  detne  schoeckehrede  IS  s.  Im  Glossar  446''  als  „Hackebret,  Cymbal" 
gedeutet;  vielleicht  ist  dasselbe  gemeint  was  bei  Eberhard  Zersue  steht 
in  der  Minneregel  408:  noch  harffe  edir  flec/il,  noch  schachthret  mono- 
cordmm  u.  s.  w. 

Von  Wörtern^  die  der  Herausgeber  nicht  im  Glossar  mit  aufge- 
führt hat ,  verdienen  noch  folgende  eine  Berücksichtigung :  adugt, 
165,  5,  aquaedncfns.  —  aintvogel,  283,  11. — amhorstmecher,  337,  30;  398,  1. 

—  alrekun,  aller  Art,  allerhand,  392,  16  von  ander  alrekun  ysericerck.  — 
harhier,  barbitonsor,  flebotomator ,  310,  16,  vgl.  Germania  18^  260.  — 
barve,  die  Barbe^  282,  32;  303^  31;  cfr.  boirve.  —  bereiden,  248,  1  die 
duech  bereiden  und  247,  35;  vgl.  S.  42;  Ofner  Stadfrecht  §.  131  dy 
tüchheraytter  süllen  ire  tuecher  aus  lautier  gueter  lantwol  würchen  und  aus 
beraitten  und  S.  12;  Urkundenbuch  des  Stiftes  Klosternenburg  Nr.  213 
Elblein  dem  tuechberaite^'  (a.  1324).  —  berchstein,  337,  4  berchsfeyne  ind 
zielsteyn.  —  beyer  275",  30  It.  hern  Heynrich  den  beyer  van  Bobarden. 
bierassise,  Bieraccise,  296,  27.  —  blaysbalgemecher  358,  19;  367,  26;  = 
bläsbeiger,  Anzeiger  f.  K.  III,  274.  —  blidensiaingel,  306*',  38.  —  boyrt, 
186,  11  Item  de  rotis,  sturboym  et  boyrt  ad  navim.  —  brievedreger,  301,  4. 

—  buscher  i^i)  291,22.  —  dachvinster,  308,4,  vgl.  Buch  der  Beispiele 
von  A.  Phor  13,  30;  14,  1  ad  10.  —  did)el,  eine  Münze,  294,  22-24; 
296,  27;  297,  16;  dtthbel  moUones  238,  7  und  duhbelmutten  247,  13;  nach 
S.  417  ein  dubbel  motton  =  5  m.  öVs  S-  —  g^ffel^  Gilde,  Zunft,  137, 
19;  vgl.  Chroniken  d.  D.  St.  XII,  277,  8  und  20;  285,9  und  11 
(14.  Jahrb.).  —  frange,  Franze,  125,  8;  cfr.  frangel.  —  gastus,  Gustos, 
398,  36 — 37.  —  gadum,  plur.  gedumen,  357,  7  und  29 — 32;  366,  37.  — 
gelas,  plur.  gelaser.,  Glas,  282,  16.  —  gelaissemecher  373,  32;  376,  7.  — 
gelaissevinster,  n.,  373,  32.  —  gehange,  gehenge,  321,  17  umb  gehangen  ze 
doeren,  als  „Thürangel"  erklärt  S.  435;  188,  8  gehange,  klincken,  dele 
et  schalen ;  259,  3  pro  8  libris  gehengs ;  328,  26  dem  slossemecher  umb 
gehenge,  krempe,  slussel,  slos,  oeverval  up  alle  den  kesten\  cfr.  die  Anm. 
zum  Erec  7751.  —  sent  Gertrüden  minne,  306*^,  33.  —  ginster,  409,  12. 

—  grundele,  Gründling,  397,  32.  —  hantkese,  285,  32;  286,  6;  Deutsch. 
Wörterb.  4,  399.  —  harnaschhm  (?),  302\  29  Item  Baldeu-iin  des  her- 
zogen harnaschkun.  —  jaircleit,  325,  32;  377,  20;  Kleid  das  jedes  Jahr 
gereicht  wird.  — jairrock,  21  o,  26.  —  kaissc,  Gotteskasten,  399,  10; 
vgl.  Deut.  Wörterb.  5,  259.  —  kesselbuss6r ,  235,  23.  —  knyte,  Kreide, 
82,  21.  —  kleppel,  m.,  236,  31  de  uno  kleppel  in  campanam  bannalem.  — 
kanne,  Rohr?  299^,  27  Item  timb  kannen,  byessen^  gras  S^/^  m.  —  katze, 
246,  24  dem  gheine,  de  der  keysserynnen  katze  droech,   vgl.  DRAkten  I, 


ALIJORIfANl)  VERMIITHUNGEN  UND  NACHWEISE,  47 

170,  3.  —  kamm(':rUn(j,t  290,  1(5.  —  /aiyr/tjcUr,  17(j,  5;  202,  29  pro  cord'ts, 
fioiihus,  knyfjgeler,  f/ramine  in  foro,  juncis;  vgl.  koegeler  und  Lexer  unter 
(/iigelaere.  —  krwnheil,  322,  19.  —  lantdach,  300,  34.  —  leijst,  186,  8 
Item  pro  nno  leyste  ad  antiquam  hlidam.  2  m.  —  meyvisch,  281,  25.  — 
misseliere,  m.,  20G,  24;  S.  28  vom  Herausg.  abgeleitet  von  y^missilia, 
Geld,  welches  unter  das  Volk  geworfen  worden";  vgl.  dagegen  mas- 
salgter  246,  28.  —  violenmegger,  221,  27.  — musfart,  285,  5.  —  natürlich, 
351,  29  icaegen  süns  natürliclis  hrüder.  —  oisierhier,  280,  10;  300",  9.  — 
papegay,  133'",  10  Jtem    halistarüs   sagittantihus   papegey.  —  peltzer,    m., 

366,  21 ;  357,  17  van  der  nuioer  pelßer  Mise.  —  persenmecher,  der  Wein- 
pressen verfertigt,  298-,  7;  306»,  .3l".  —  peterziUe,  281,  36;  283,  2;  284,  5. 

—  pieke,  franz.  pique,  371,  26  und  30.  —  plattenmegger,  130,  26  =  mhd. 
hlatenaere.  —  prüme,  Pflaume,  283,  24  Item  umh  heren  ind  prumen  12  d. 

—  raitdach,  m.,  296,  10 — 11;  Rathssitzung ,  Sitzungstag.  — rentmeister, 
275',  10— 13;  341,27.  —  rentmeisterschaf,  Rentmeisteramt,  341,27; 
vgl.  Chronik  d.  D,  St.  XII,  323,  32.  —  reymsnyder ,  235,  25.  —  reyninge, 
Abgränzung,  325,  29.  —  rys,  n.,  307,  26  Item  umb  eyn  rys  kleyns  pap- 
piers]  322,  17  umh  eyn  riis  grois  pajners;  vgl.  Lexer  II,  455.  —  riol, 
ryol,  m.,  eine  Münze,  107,  4;    108,  38;    109,  25;    139,  38;   vgl.  S.  415. 

—  salme,  ein  Fisch,  281,  25;  282,  31:  307,  15.  —  sadehnecher,  392,  15. 

—  sarivorter,   235,  18.  —  salpeter ,    371,  19.  —  schPxlemegger ,    235,  17; 

367,  1.  — schioengel,  m.,  186,  15 — 19;  vgl.  swingel.  —  schoenmecher,  256 
12;  vgl.  277,  30  den  meicliden  die  die  pletzer  schoin  magden,  2  f.\  Era- 
clius  4481  die  halsperge  schoene  machen  u.  vegen;  Alemannia  I,  74  einen 
davon  schone  machen  (reinigen);  Würdtwein  Dipl.  ]\Iagunt.  II,  276  und 
277  die  phennige  iciss  schone  machen;  sich  seh.  machen  Berthold  347,  6; 
Nie.  von  Jerosch.  25265.  —  seilmenger,  386,  12.  —  Serpentine,  342,  14; 
vgl.  Vocab.  optim.  S.  53,  206.  —  sloyfflachen,  xx.,  322,  10  umh  eyn  par 
sloiff lachen.  —  smatz  (?),  308,  3  umh  keßer  smatz  zyn  ind  koerve  3^1^  m.  5 
ob  smaltz?  vgl.  337,  22.  —  steckate,  n.,  291,  22  Pallisadenzaun ,  vgl. 
S.  64.-  —  spade,  m.,  149,  10  der  Spaten.  —  steygerholz,  Holz  zum  Ge- 
rüste, 337,  6;  vgl.  Müller  und  Weitz,  Idiot.  68  unter  gesteigersch.  — 
stockvisch,  281,  30;  283,  17.  —  teschenmacher ,  382,  28;  Boehmer,  Ur- 
kundenb.  von  Frankf.  S.  483  deschenmecher.  —  vnderkoch,  m.,  292,  23. 

—  upkomynge,  369,  30;  383,  22;  das  Einkommen;  v.  d.  Hagens  Germ. 
VI,  54.  —  vashender,  m.,  272,  11.  —  vikeerise,  m.,  vicariolus,  „Meß- 
knabe%  330,  19;  377,  18;  vgl.  S.  16.  —  vleischheuwer ,  410,23;  400 
39.  —  vleischtonne ,  285,  1.  —  voelwln,  Wein  zum  Anfüllen,  282,  15; 
319,  22.  —  voirloin,  Fuhrlohu,  397,  7.  —  vurtzütz,  adv.,  91,  35;  93,  11, 
vormals.  —  icailhere,  f.,  281,  15   Item    umh    loailherea    ind    honen  3  /. ; 


48  F.  BECH 

Glossen  zu  Henrici  Summarium  in  Germania  9,22;  vaccinia,  ivalhere', 
Diefenb.  N.  Gl.  375''  icaltheere,  ioaelthese\  Müller  und  Weitz,  Idiot.  263 
ivolher,  vaccinmm  myrtülus.  —  ivemirugeii?  77,  27,  vielleicht  verlesen  für 
wennungen.  —  wentei^rock ,  vynterrock,  311  ^  24 — 26;  vgl.  Stadtbuch  von 
Augsb.  ed.  Meyer  S.  250.  —  tvinlegel,  n.,  285,  1.  —  ivoUe  kuchene,  f., 
313,  1 ;  318,  23—35,  der  Ort  wo  die  Tuchvvolle  gebrüht  wird.  —  weich- 
terkogele,  f.,  396,  5.  —  zeichengiesser,  294,  16;  382,  29;  vgl.  334*,  11. 

11.  Zu  W.  Wackernagels  altd.  Predigten  und  Gebeten. 

S.  253  wird  aus  der  Handschrift  der  Wasserkirche  in  Zürich 
C.  58/275  folgender  Mischvers  mitgetheilt:  Hie  dabitur  goteioez  cundis 
venientibiis  ascliez.  Das  Wort  dschez  hat  Weinhold  nicht  ins  Glossar 
mit  aufgenommen,  obwol  es  seines  nicht  häufigen  Vorkommens  wegen 
einer  Erklärung  bedurft  hätte.  Es  kann  hier  nur  bedeuten:  ohne  Geld- 
umsonst  =  ane  schätz  (Jesaias  55,  1  (ihsque  argenfo  et  absque  nlla  com, 
mutatione)  wie  es  bei  Reinmar  von  Z^veter  heißt  in  MSH.  211"',  187''  ich 
hau  eleu  wagen  dne  schätz  ze  kaufe  vunden.  Jünger  ist  die  Form  ah- 
schätz  im  Urkundenbuch  von  Neustift  ed.  Mairhofer  S.  465  so  icolten 
sy  es  nicht  gern  abschätz  und  öde  lassen  liegen  (a.  1410);  andere  Stelleu 
bei  Schöpf,  Tyrol.  Idiot.  593 — 594  und  Schmeller- Frommann   II,  496. 

Nr.  V,  54  nv  mag  sich  ein  iegelich  vbermvotiu  vlelwesge  icole  scamen. 
Wackernagel  hat  uhehvesge  für  ulelioesge  in  den  Text  gesetzt.  Gewil's 
mit  Recht  verwirft  dieß  Weinhold  im  Glossar  dazu  S.  513;  er  ver- 
muthet  in  viel  eine  Bildung  von  cläw  {vlaicjan,  vlaejen,  schweifen, 
spülen)  vielleicht  vldwili  =  dsioeif  imrgamenttim .  Ich  verweise  auf 
den  Namen  Else  Hidlenic escher sen ,  der  sich  in  einer  Urkunde  vom 
Jahre  1332  findet  bei  Böhmer,  Frankf.  Urkimdenb.  S.  516,  und  Elisabeth 
dicta  Hollenioeschersen  ebenda  S.  513.  Danach  ließe  sich  eine  hulle- 
wesge  hier  vermuthen.  Doch  auch  an  vnillemvesge  habe  ich  gedacht, 
vgl.  Diefenb.  Glossar,  s.  v.  fidlo. 

Nr.  XLII,  5  du  solt  niht  geloben  an  zober.  noch  an  liqype.  noch  an 
hess  noch  an  lachnye.  noch  an  fürsehen,  noch  an  messen.  Im  Glossar 
S.  514  wird  fürsehen  an  dieser  Stelle  mit  „vorhersehen,  die  Zukunft 
im  Gesicht  schauen^  gedeutet.  Ich  verstehe  darunter  das  ßursehen^ 
die  Pyromantie,  vgl.  German.  IX,  307  und  meine  Anmerkung  zum  Erec 
8132;  Vintler  7750. 

S.  551,  119  heißt  es  in  einer  Predigt  Taulers  (iV)  loffent  also  in 
eime  löffele  über  XX.  oder  vher  XXX  jär]  dazu  wird  in  der  Anmerkung 
vermerkt:  „was  heißt  in  einem  Löff'el  laufen?  Der  Sinn  verlangt:  im 
Kreis  herum  wie  ein  Pferd  in  der  Mühle."    An  Löffel  kann  hier  kaum 


Al.LERIlANl)  VKKMUTIIUNCJEN   UND  NACIIWEISK.  41) 

gedacht  werden,  elicr  an  Uhifd  (vgl.  loj'd  bei  Selimeller-Frommann  I, 
1451),  das  hier  denselben  Sinn  haben  wird  wie  das  in  ßliUeldeutsch- 
land  vorkommende  louf,  louft  oder  (jelonfe  =  der  Raum  zwischen  den 
Mühlsteinen  (dem  Läufer  und  dem  Bodenstein)  und  ihrer  liölzernen 
Einfassung,  oder  die  über  sie  gestürzte  Einfassung  selber,  sonst  auch 
zarge  genannt;  vgl.  die  Zwickauer  Mühlenordnung  vom  Jahre  1333  in 
Espes  Leipziger  Berichten  (Jahrg.  1848),  S.  28  dy  mulnere  sullen  ire 
steine  haben  dne  alle  graben  linden  und  ir  louft  vmme  die  steine  ganz 
vnd  nicht  loiter  zwischen  dem  louft  vnd  dem  steine  wenne  als  ein  stranc 
einis  dümen  dicke  da  zwischen  muge  gehen\  in  der  Mühlenordnung  von 
1460  verfügt  der  Rath  von  Leipzig  (vgl.  Urkundenb.  von  Leipzig  I, 
Nr.  346)  das  die  leufte  in  den  mol^n  nicht  zcu  wüt  noch  zcu  nederick  syn 
den  steynen^  das  sie  auch  nicht  vngenagelt  syn,  das  die  moller  auch  die 
leufte  mit  klyen  follen,  icenne  die  molen  gehauiven  syn,  das  auch  der  hert 
glich  halden  sal  dem  vndersteyne,  auch  das  die  leivffte  glich  gehalden  loer- 
den  den  löchern,  daruß  das  mehl  lauffen  sidle\  das  Eisen  achische  Rechts- 
buch aus  dem  14.  Jahrb.  (bei  Ortloff,  Samml.  Deut.  Rechtsqu.  I)  III, 
94  eyns  iclichin  midiers  loußt  umme  sinen  mullensteyn  sal  nicht  toyter  syn 
loan  als  eyn  sträng  als  eyn  düme  dicke  gezcogin  zcwuschin  dem  steyne  und 
loifte;  Rechtsgutachten  der  Magdeburger  Schijppen  vom  Jahre  1364 
bei  Dreyhaupt,  Beschreibung  des  Saal-Kreyses  II,  469:  echt  hebben  sie 
uns  gevräget  umme  recht ,  wü  grot  und  wü  wU  dat  geloufe  vmme  den 
molensteyn  scole  syn.  Hir  up  sprecke  wie  scepen  tho  Magdeburch  eyn  recht, 
dat  geloufe   umme   den   molensteyn   scal  syn   so  grot  und   wit   alse   deme 

steyne  bequemelik  is  to  sime  lope, und  wat  meles  von  deme  körne 

wert,  dat  men  dar  up  ghiit,  dat  is  des,  des  dat  körn  is,  it  lope  üt  der 
molen  eder  blive  in  deme  loife.   Vgl.  noch  besonders  Frisch  I,  584^ 

Bei  den  Predigten  Nr.  VI  und  Nr.  VII,  die  Wackernagel  aus  der 
Handschrift  der  Wasserkirche  in  Zürich  (C)  entnommen  hat,  war  noch 
zu  verweisen  auf  Haupts  Zeitschr.  15,440-442,  wo  J.  M.  Wagner 
Fragmente  der  genannten  Predigten  aus  einer  ehemaligen  Handschrift 
des  12.  Jahrhunderts  mitgetheilt  hat. 

Zu  Nr.  LI  Von  der  Sele  Closter  verweise  ich  auf  die  Offenbarungen 
der  Schwester  Mechthild  ed.  Morel  S.  249—251,  wo  sich  eine  ähnliche 
Auffassung  findet. 

In  den  Anmerkungen  zu  dem  Stücke  Nr.  LVI  sind  bereits  von 
Wackernagel  selbst  die  Parallelstellen  aus  dem  Canticum  Canticorum 
angemerkt;  nachzutragen  war  noch  daß  von  Z.  460  ab  Sprache  und 
Erklärung  sehr  ähnlich  sehen  der  Fassung,  welche  das  von  J.  Haupt 
herausgegebene  St.  Trudberter  Hohe-Lied  hat;  so  vergleiche  man  z.  B. 

GERMANIA.  Neue  Reihe  X.  (XXII.)  Jahrg.  4 


50  J.  SCHIPPER 

Wackern.  LVI,  461  folg.  mit  J.  Haupt  28,  27  folg.;  Wackern.  487  folg. 
mit  J.  H.  118,  12  folg. 

Zu  den  Stücken  Nr.  LX  und  Nr.  LXI  finde  ich  nicht  bemerkt, 
daß  dieselben  schon  bei  Pfeiffer,  Myst.  II,  91,  22  folg.  und  97,  19  folg. 
gedruckt  sind.  Das  bei  Wackern.  LX,  6.5  fehlende  Wort  ist  bei 
Pfeiffer  93,  11  vielleicht  nach  dem  alten  Drucke  der  Taulerschen  Pre- 
digten (von  Adam  Petri)  ergänzt.  Für  ivelicheit  in  Nr.  LXI,  74  steht 
bei  Pfeiffer  99,  18  wol  richtiger  weselicheit. 

Der  Abschnitt  bei  Wackern.  LXV,  118  folg.  findet  sich  auch  in 
den  Mystikern  II,  139,  11  folg. 

Zu  den  in  der  Anmerkung  auf  S.  325  von  Rieger  aufgeführten 
Beispielen  deutscher  Reimprosa  sind  noch  zu  rechnen  das  Leben  des 
Heiligen  Ludewig  von  Koeditz,  Salomonis  Hüs  in  Adrians  Mittheil. 
417  folg.,  Morolf  I  ed.  v.  d.  Hagen. 

In  Betreff  des  merkwürdigen  Wortes  smelinge  verweise  ich  noch 
auf  die  von  Lexer  übersehene  Stelle  im  Specul.  Eccles.  84;  vgl.  Ale- 
mannia HI.  65. 

Nr.  LV,  209  ist  für  same  zu  lesen  salme]  Nr.  LXII,  4  muß  es 
statt  foinnans  wohl  fornames  (=  vürnames)  heißen. 

ZEITZ,  September  1876. 

SALOMO  UND  SATURN. 

VON 

J.  SCHIPPER. 


Wenn  man  den  heutigen  englischen  Editoren  angelsächsischer*) 
und  altenglischer  Texte  zuweilen  den  Vorwurf  machen  kann,  daß  sie 
in  gar  zu  ängstlicher  Weise  an  dem  Buchstaben  der  Handschriften 
haften,  so  läßt  sich  doch  nicht  verkennen,  daß  die  möglichst  genaue 
Wiedergabe  handschriftlicher  Lesarten,  zumal  solcher  Werke,  die  nur 
in    einem    MS.  tiberliefert  sind,    eine   unerläßliche  Bedingung   ist.     In 

*)  Mit  gutem  Bedacht  behalte  ich  diesen  allbekannten,  nicht  mifszuverstehenden 
Ausdruck  bei,  statt  der  von  manchen  Vertretern  der  englischen  Philologie  bevorzugten 
Benennung  „Altenglisch"  für  die  erste  Periode  der  englischen  Sprache.  Hat  doch  auch 
H.  Sweet,  einer  der  eifrigsten  Vorkämpfer  für  die  neue  Bezeichnung,  obwohl  er  in  der 
ersten  Anmerkung  der  Vorrede  zu  seiner  Ausgabe  von  Gregory's  Pastoral  Care  den 
Ausdruck  anglo-saxon  verwirft,  seine  Ausgabe  betitelt  „King  Alfred's  West- Saxon 
Version  of  Gregorys  Pastoral  Care".  Auch  ist  derselbe  Gelehrte  neuerdings  wie  die 
Academy  Oct.  7,  1876  berichtete,  zum  Examinator  für  „Anglo-Saxon"  in  London  Uni- 
versity  College  ernannt  worden.  Ein  neuer  Beweis,  wie  wenig  der  Ausdruck  zu  ent- 
behren ist. 


SALOMO  UND  SATIJKN.  51 

wie  unzureichender  Weise  der  soubt  um  die  cingclsiichsisehe  Sprache 
und  Littcratur  hochverdiente  Benjamin  Thorpe  dieser  Anforderung  ent- 
sprach, ist  längst  bekannt  und  in  Bezug  auf  ein  wichtiges  Denkmal 
angelsächsischer  Poesie,  den  Codex  Exoniensis,  im  Einzelnen  von  mir 
nachgewiesen  worden  in  der  Germania,  Neue  Reihe  VII.  (XIX.)  Jahrg., 
p.  327—  338.  Indefs  auch  der  philologisch  besser  geschulte  John  M. 
Kemble  ist  von  diesem  Tadel  nicht  freizusprechen.  Ein  auf  neuer 
Vergleichung  mit  den  beiden  von  Kemble  übrigens  ausreichend  be- 
schriebenen MSS.  beruhender  Abdruck  des  seltsamen  ags.  Gedichts 
von  Salomo  und  Saturn  nebst  dem  eingeschalteten  Prosa-Bruchstück 
mag  daher  nicht  überflüssig  erscheinen.  Die  beiden  Handschriften  be- 
finden sich  bekanntlich  im  Corpus  Christi  College  zu  Cambridge,  wo- 
selbst die  Haupthandschrift  unserer  Dichtung ,  im  Folgenden  nach 
Kemble's  und  Grein's  Vorgang  zuerst  mit  A ,  dann  einfach  mit  MS. 
bezeichnet,  die  Signatur  Nr.  422,  die  andere,  eine  sehr  werthvolle  Hand- 
schrift von  Alfred's  Beda,  welche  uns  auf  dem  ziemlich  breiten  Rande 
der  Folio-Seiten  196 — 198  den  Anfang  von  Salomo  und  Saturn  über- 
liefert hat,  die  Signatur  Nr.  41  trägt. 

In  der  Interpunction  bin  ich  im  Ganzen  (jedoch  nicht  ausschließlich) 
Grein  gefolgt  und  habe  mich  überhaupt^  abgesehen  von  einzelnen  Bemer- 
kungen, weiterer  Editoren- Arbeit  geflissentlich  enthalten.  Die  Accente 
sind  diejenigen  der  MSS.  Der  Umfang  der  Lücken  ist  durch  Punkte 
(::;:=:  4  Buchstaben  fehlen)  bezeichnet.  Abkürzungen,  im  Text  durch  cur- 
siven  Druck  angedeutet,  kommen  in  den  beiden  MSS.  nur  wenige  vor, 
mit  Ausnahme  des  bekannten,  in  der  Regel  gebrauchten  Zeichens  "|  für 
ond,  wie  es  aufzulösen  ist  (nicht  and)  nach  Anleitung  einzelner  Fälle  des 
Prosa-Bruchstücks,  wo  das  Wort  sich  öfters  auf  p.  7 — 12  des  MS.  so  ge- 
schrieben findet,  entsprechend  den  übrigen  vocalisehen  Eigenthümlich- 
keiten  des  Denkmals,  für  welche  in  den  meisten  Punkten  die  Bemerkungen 
Sweet's  zum  westsächsischen  Dialekt  der  Zeit  König  Alfred's  in  der  Ein- 
leitung zu  seiner  Ausgabe  von  King  Alfred's  West-Saxon  Version  of  Gre- 
gory's  Pastoral  Care  (Early  English  Text  Society  Nr.  50,  p.  XIX  ff.)  gültig 
sind.  Die  ursprüngliche  Abfassung  des  Gedichts  ist,  wie  mir  scheint, 
unzweifelhaft  in  jene  erste  „classische"  Periode  der  angelsächsischen 
Litteratur  zu  verlegen ;  das  MS.  A  aber  ist  späteren  Datums,  fi-ühestens 
aus  dem  Ende  des  10.  Jahrhunderts,  und  der  Abschreiber  hat  sich 
sichtliche  Mühe  gegeben,  die  alterthümlichen  Formen  durch  diejenigen 
seiner  Zeit  zu  ersetzen.  Der  erste  Herausgeber  Kemble  hat  ihn  in 
diesem  Streben  unterstützen  zu  müssen  geglaubt,  und  von  seinem 
Standpunkte  aus,   nach  dem  damaligen  Stande  der  Wissenschaft,    mit 

4* 


52  J.  SCHIPPER 

Recht;  nur  hätte  er  mit  noch  grösserer  Conscquenz  verfahren  müssen. 
Das  Richtige  freilich  würde  gewesen  sein,  gerade  die  vom  Schreiber 
der  Handschrift  übersehenen  alterthümliclien  Formen  als  Norm  anzu- 
sehen und  danach  die  Orthographie  zu  regeln.  Indess  wäre  dazu  auch 
heute  noch  eine  genauere  Kenntniss  des  alten  westsächsischen  Dialekts 
erforderlich,  als  sie  die  bisherigen  Arbeiten  auf  diesem  Gebiete  er- 
möglichen; das  Gerathenste  wird  daher  sein,  die  Handschrift  in  der 
Gestalt,  wie  sie  vorliegt,  bekannt  zu  machen  und  nur  auf  die  alter- 
thümliclien Reste  in  der  Sprache  derselben  vorläufig  hinzuweisen. 
Wenn  übrigens  der  nachstehende  Text  nunmehr  auf  genaue  Überein- 
stimmung mit  den  MSS.  Anspruch  erheben  kann,  so  ist  dies  wesent- 
lich der  großen  Gefälligkeit  des  Rev.  W.  W.  Skeat  in  Cambridge  zu 
verdanken ,  der  mit  seiner  in  zahlreichen  vorzüglichen  Textausgaben 
bewiesenen  Sorgfalt  die  zweite  Correctur  noch  einmal  mit  den  Hand- 
schriften zu  vergleichen  die  Güte  hatte  und  dabei,  abgesehen  von  ein- 
zelnen wichtigeren  Punkten,  eine  große  Anzahl  kleiner  Berichtigungen 
anmerkte,  wie  z.  B.  das  Getrenntstehen  der  Composita  in  den  MSS-, 
im  Text  durch  Bindestriche  angedeutet,  die  Bezeichnung  der  Abkür- 
zungen durch  cm'siven  Druck  und  sonstige  derartige  Kleinigkeiten,  die 
ich  bei  meiner  Collation  entweder  übersehen  oder  als  unwesentlich 
nicht  berücksicht  hatte. 

In  Übereinstimmung  mit  der  Copula  ond,  welche  sich  in  dem 
Prosa-Bruchstück  des  MS.  öfters  so  ausgeschrieben  findet,  sind  zu- 
nächst andere  Falle  anzufübren,  in  denen  das  kurze  a  vor  w  zu  o  wird, 
z.  B.  feldgongende  23;  gestondan  97;  stondeä  474;  monna  59,  360;  da- 
gegen mannes  158  (K:  monnes)  und  manna  MS.  p-.ll;  ctonne  findet  sich 
häufig,  so  98,  105,  111,  123,  127,  133,  141  etc.  äajie  in  B  v.  46. 

Alterthümlich  ist  auch  das  Fehlen  der  Brechung  in  7niddan-gard 
(K:  -geard  wie  433)  MS.  p.  9,  dsgl.  das  Fehlen  des  e  hinter  anlautendem 
sc  in  scotaä  (K:  seofad)  MS.  p.  8;  scoldon  (K:  sceoldon)  465,  so  wie 
andererseits  das  Vorhandensein  des  ea  in  Wörtern  wie  neahtes  (K:  nihfes) 
394;  meahte  434,  505.  Charakteristisch  ist  ferner  das  öftere  Auftreten 
des  e  für  i  in  Wörtern  wie  eorrenga  98  (K  :  i) ;  [lejornenga  1 85 ;  brengan 
87,  88,  108  (K:  i);  laguswemmendra  (K:  i)  289;  sceppend  B  (MS.  A  und 
K:  ^)  56.  Der  frühsten  Periode  des  westsächsischen  Dialekts  entspre- 
chend ist  auch  das  eo  (io)  für  späteres  i  in  Wörtern  wie  fieosses  MS. 
p.  11,  12  (K:  pisses)-^  sioääan  323  (K:  siddan  wie  v.  321);  leofad  S51, 
367,  381;  weotena  400,  heoio  408,  sowie  e  für  eo  in  hefenum  60,  hefo- 
num  467  (K :  heofoniim  wie  37,  40,  464  etc.).  Für  u  tritt  o  auf  in  gripo 
B46  (MS.  A  und  K:  gripu);    loorold  358^  393.     Die  Zeichen   i  und  y 


SALOMO  UND  SATURN.  53 

sind  mit  eiDuncler  vermengt  worden,  vielleicht  erst  vom  Absclireiber; 
vgl.  cioyde  M  (K :  /);  synmhta  G8  (K:  /);  gefjpnhred  (B)  75-,  cirican  107; 
cinimj  173;  319;  (jahiran  320  etc.  Desto  deutlicher  ti-itt  der  alte  Sprach- 
gebrauch in  verschiedenen  andern  vom  Abschreiber  zum  Theil  beibe- 
haltenen Schreibungen  aus  seiner  modernisierten  Überarbeitung  hervor, 
so  zunächst  in  der  Schreibung  m  für  langes  a  in  Wörtern  wie  goest 
MS,  p.  11,  442;  anscecea  182;  fairett  281;  äcc  332;  ic(pxh<r  A\\;  na- 
mentlich aber  in  der  Schreibung  ie  für  verscliiedene  zu  Grunde  liegende 
Vocale  wie  ^,  y,  t  //,  e  in  Wörtern  wie  siemle  (B  symle)  85;  Jiiene  94 
(in  der  vorhergehenden  Zeile  vom  Schreiber  zu  hine  geändert;  wie 
auch  V.  107,  115,  138,  141  etc.)  103,  118,  127  etc.;  hrieced  95,  ongiel- 
ded  132;  forgietenan  MS.  p.  8;  siendon  p.  10;  gielpne  207;  hieltas  223; 
niehta  259,  310,  337;  gierde  90;  sienfidlaii  171;  hie  239,  244,  258  etc. 
hiera  230  etc.;  dierne  451;  s^e,  sien  öfters  auf  p.  9,  10,  11  des  MS.; 
ierene  p.  11;  liehd  181;  piestrost  310;  gesiene  321;  gehiere  324  {gehyre 
272);  hierde  451;  nieten  153.  Von  sonstigen  charakteristischen  Eigen- 
thttmlichkeiten  der  Schreibung  wäre  noch  hervorzuheben  der  zuweilen 
auftretende  seltsame  Gehrauch  des  d  statt  eines  ^  in  MS.  B:  gesemesd 
18 ;  ivesde  22  (vgl.  Sweet  Pastoral  Gare,  Appendix  I ,  p.  503)  und  die 
von  Kemble  in  der  Regel  beseitigte,  in  MS.  A  aber  sehr  beliebte  Con- 
sonanten Verdoppelung  in  Wörtern  wie  eallra  p.  11,  12;  v.  185;  hell 
p.  11;  godivehh  p.  12:  fidlgedrifen  p.  10,  v.  228;  feil  p.  8;  cynn  195;  monn 
386;  gimm.  284;  scmll  287,  328,  3(31  etc. 

Saturnus  cwaeä. 
hwjBt!  Ic  iglanda  eallra  hsebbe 
boca  onbyrged  |3urh  gebregd-stafas, 
larcrseftas  onloceu  libia  ond  greca. 
Swyice  eac  istoriam  indea  rices; 
5  me  ]3a  treahteras  tala  wisedon 
on  ]3am  micelan  bec,  ::::::::::: 
M:  ces  heardum.     Swyice  ic  nsefre 
on  eallum  ]iam  fyrngewrytum  findan  ne  mihte 
sode  samode.     Ic  sohte  da  git, 
10  hwylc  wsere  modes  odde  msegen-Jjrymmes, 
eines  odde  ?ehte  eorlscipes, 
se  ge-palmtwigoda  pater  uostev. 
Sille  ic  de  ealle,  sunu  dauides, 


1  Die  erste  Seite  des  Codex.  A,  von  v.  1 — 80"  ist  in  der  That  so  gut  toie  ganz 
unleshar.  Der  Text  ist  bis  dahin  dein  Codex  B  entnommen.  4  B;  Swyice.  5  B:  me. 
6  Nach  bec  findet  sich  ein  leerer  Raum,  auf  dem  10  oder  11  Buchhaben  Platz  haben 
würden.  Kemble  sagt  „A  line  erased'^ ;  von  ausradierten  Lettern  habe  ich  aber  nichts 
bemerkt,  auch  Mr.  Skeat  nicht,  der  einfach  notiea-te,  „a  blank  space^.  Hinter  dem  dann 
folgenden  M  und,  vor  ces  ist  Platz  für  einen  Buchstaben.         9  ß:  ic.         Vi  B :  Wille. 


54  J.  SCHIPPER 

jjeoden  israela  .xxx.  pimda 
15  smsetes  goldes  ond  mine  suna  twelfe, 

gif  du  mec  «-ebringest,  ])3et  ic  si  gebrydded 

durh  Jjses  cautices  cwyde  cristes  linan; 

gesemest  mec  mid  sode,  ond  ic  mec  gesund  fa[re] 

wende  mec  on  willau  on  wseteres  hricg, 
20  ofer  coferflod  caldeas  secan. 

SALOMON  cwsed. 

unlsede  bid  on  corjjan,  uuit  lifes, 

weste  wisdomes,  wealled  swa  nieten 

feld-gongende,  feoh  butan  gewitte 

Se  JDurb  done  cantic  ne  can  crist  ge-herian: 
25  warad  he  windes  füll,  worpad  hine  deofol 

on  domdsege  draca  egeslice 

bismorlice  of  blacere  lidran 

irenum  aflum;  ealle  beod  äweaxen 

of  edwittes  ida  heafdum; 
30  jjonne  him  bid  (Ms.  A.  p.  2)  leofre  donne  eall  deos  leohte  gesceaft 

gegoten  frawi  dam  gründe  goldes  ond  seolfres, 

feder-sceatum  füll  feoh-gestreona, 

gif  he  sefre  daes  organes  uwiht  cude: 

fracod  he  bid  donwe  ond  fremede  (Ms.  B.  p.  197)  frean  gelmihtigum, 
35  englum  ungesibb  äna  hwearfad. 

Saturnus  cwsed. 

ac  hwa  mseg  eadost  ealra  gesceafta 
da  halgan  duru  heofona  rices 
torhte  ontyuau  on  getselrime? 

Salomon  cwsed. 

jjset  ge-palm-twigede  pater  noster 
40  beofonas  ontyned,  haiige  geblissad, 

metod  gemiltsad,  mordor  gefylled, 

adwajsced  deofles  fyr,  dryhtnes  onseled. 

Swylce  du  miht  mid  dy  beorhtan  gebede  blöd  onhaetan, 

dses  deolles  drcam,  dset  him  dropan  stigad 
45  swate  geswided  sefan  intingura 

eges-fullicran  äonne  seo  aerene  gripu, 

donne  heo  for  .xii.  yra  tydernessum 

14  B:  iraela.         18  B:  gesemesd.  21  B:  unlaede.       22  B:  wesde.    B:  weal- 

lad.  25  lie  (Ä)  fehlt  in  B.  28  B  liest  weder  aplum ,  loie  Kemhle    angiebt,    noch 

afelum,  wie  er  druckt,  sondern  aflum.  Das  Wort  scheint  aber  sonst  nicht  belegt  zu 
sein.  Wäre  etwa  gaflum  (Bosio.  gaflas;  »i.  ^jZ.  forks)  zu  lesen,  was  einen  vortrefflichen 
Sinn  gehen  würde'i  Mr.  Skeat  erinnert  an  Icel.  afl  slrenglh.  30  B:  Jjeos.  31  A:  ge- 
geoten.  B  :  silofres.  32  B:  fedeiscette;  fyrngestreona.  33  B\  J)3es.  34  B:  fremde. 
35  A:  ungelic.  B:  ungesibb.  B\  hwarfaä.  36  J.:  ac.  B:  eadusd;  eallra.  37  B:  ha- 
ligan;  heofna.  38  .B:  on  getales  rime.  39  B:  gepalmtwigude.  40  B:  beofnas; 
hali6.  41  B:  gefillecl.  A:  gesylled.  42,  43  Ganz  wie  Orein  gedruckt  hat.  Es  findet 
sich  keine  Lücke  im  Text;  dy  (A)  fehlt  in  B.  HB:  dry.  A:  dream.  B:  drapan. 
B:  J)ges.  45  A:  seofan.  B:  sefan.  B:  intingan.  B:  egesfuUicra.  46  B:  Jjonwe; 
gripo.         47  heo  fehlt  in  B.      Vor  yra  üt  im  MS.  A  ein  Loch;  B  liest:  fyra. 


SAf.OMO  UND  SATURN.  55 

ofer  glcda  {jjripc  gifrust  wcalled; 
fordon  liaf.'i(t  se  cantic  ofer  ealle  cristes  bec 
50  wid-mserost  vvord:  he  gc-writu  lajreit, 
stefnuw  steored,  ond  h[ira]  stede  healded, 
heofona  rices,  heregeatewa  wiged. 

Saturnus  cwsed. 

ac  hulic  Ts  se  organ  in-gemyndum 

to  begonganne,  dam  de  bis  gast  wile 
55  meltan  wid  mordre,  mergan  of  sorge, 

äsceadan  of  scyldum?  huru  liim  scippend  geaf 

wuldor-licne  wlite!  mec  itses  on  worolde  füll  oft 

fyr-wit  frined,  fus  gewited, 

mod  gemenged;  nsenig  raonna  wat, 
60  hajleda  (MS.  A.  p.  3)  under  liefenum,  hu  min  hige  dreosect 

bysig  sefter  bocum :  bwilum  rae  bryne  stiged, 

hige  heortan  neah  hsedre  weallecl. 

Salomon  cwsed. 

gylden  is  se  (Ms.  B.  p.  198)  godes  ewide,  gimmum  ast^ened, 

hafad  sylfren  leaf;  sundor  mseg  seghwylc 
65  durh  gastes  gife  god-spel  secgan; 

he  bid  sefan  snytro  ond  saule  hunig 

ond  modes  meolc,  raserda  gesseligost; 

he  mseg  da  saule  of  sien-nihte 

gefeccan  under  foldan;  ngefre  hie  se  feond  to  daes  nider 
70  feterum  gefsestnad,  deah  he  hie  mid  fiftigu^i 

elusum  beclemme,  he  done  crseft  briced 

ond  da  ordancas  ealle  toslited; 

hungor  he  ähieded,  helle  gestruded, 

wylm  to-weorped,  wuldor  getirabred; 
75  he  is  modigra  middangearde, 

stadole  strengra  donne  ealra  stana  gripe; 

lamena  he  is  l^ece,  leoht  wincendra, 

swilce  he  is  deafra  duru,  dumbra  tunge, 

scyldigra  scyld,  scyppendes  seid, 
80  flodes  ferigend,  folces  nerigend, 

yda  yrfeweard  earmra  fisca 


48  B:  gifrost  weallafl.  49  B:  foraan.  51  B:  stered.     Hinfer  dem  h  in 

h[im]    ist    ein    Loch    im  MS.  A;    MS.  B :    him.  52  B :    heofonrices    heregeatowe 

weged.  53  £:  organan.  54  5:  begangenne;  ))a?rt  ]je  gsest.  55  5:miltan; 

merian.  56  5 :  Asceaden.  4 :  scyldigmM.  i?:  scyldum  5:  sceppend  57  5:  ])8es;  worulde. 
58  B:  fyrwet.  59  B:  mod  geond  menged.  60  B:  heofnum  wie  v.  31,  40.  hefe- 
num,  hefonum  (v.  461)  ist  die  altere  Form,  vgl.  King  Älfred's  West-Saxon  Version  of 
Gregory's  Pastoral  Care  ed.  hy  Henry  Sweet  Esq.  Part.  II,  Introd.  p.  XXIV— XXV. 
B:  dreoged.  61  B:  bisi;  hwyluw.  62  neah  fehlt  in  B.  B:  hearde.  63  B :  gym- 
mum.  64  B:  seolofren.  leaf  fehlt  in  B.  65  B:  gjestes;  godspellian;  in  B  fehlt 
secgan.  66  A:  seofan.     B:    snytero.  67  fehlt    in   A.     B:  majrjja   gesaelgost. 

68  B;  })a;  synnihte.  69  B :  gefetian.  B :  hi.  70  B  :  Jjeah;  hi.  71  B:  clausum; 
dane.  73  B:  gehided    MS.  hege  hege  hided).  74  B:  toworped;   getymbred. 

76  B:  he  is  strengra;  ealle.  77  B:  lamana;   winciendra.  78  B:  deadra   tunge 

79  B:  scildigra  scild;  scippendes.         80  B:  feriend;  neriend.         81  5:  eanna  tixa,. 


56  J-  SCHIPPER 

ond  wyrma  welm,  wildeora,  holt, 

On  westenne  weard,  wcord-mynda  geard; 

ond  se  de  wile  gcornlicc  done  godes  cwide 
85  singan  sodlice  ond  hinc  siemle  wile  lufiau 

butan  leahtrum,  he  mseg  done  ladan  gast 

feohtende  feond  fleonde  gebrengan, 

gif  du  him  rerest  on  ufan  ierne  gcbrengest 

prologum  priniura,  dam  is  P  nanaa: 
90  hafad  gndmseega  gierde  lange, 

gyldene  gade,  ond  a  done  g[rim]raan  (Ms.  A.  p.  4)  feond 

swidmod  sweopad,  ond  him  6u  swade  fylged 

a  ofer-msegene,  ond  hine  eac  öf-slihd. 

T  hine  teswad  ond  hiene  on  da  tungan  sticad, 
95  wraisted  him  dset  woddor,  ond  him  da  wongan  brieced. 

e  hine  yflad,  swa  he  a  wile 

ealra  feouda  gehwane  fseste  gestondan; 

donwe  hiene  on  undanc  r  ieorrenga  geseeed, 

bocstafa  brego  bregded  sona 
100  feond  be  dam  feaxe,  Iseted  flint  brecan 

seines  sconcan;  he  ue  besceawad  nö 

his  leomena  lid,  ne  bid  him  Isece  god; 

wended  he  hiene  Aoirae  under  wolcnum  wig-steall  seced 

heolstre  behclraed,  huru  him  bid  pet  heartan  wä, 
105  donne  [h]e  hangiende  helle  wisced, 

dses  engestan  edel-rices; 

äonne  hine  for-cinnad  da  cirican  ge-tuinnas, 

n.  ond  [o]  sjarajod;  aighwa^der  brenged 

sweopan  of  side;  sargiad  hwile 
HO  fremdne  flsesc-homan,  feorh  ne  be-murned; 

donne  S  cyraed,  engla  ge-rseswa, 

wuldores  stsef,  wradne  ge-griped 

feond  be  dam  fotum,  heted  fore-weard  hleor 

on  strangne  stan,  [ond]  stregdad  todas 
115  geond  helle  heap:  hyded  hine  seghwylc 

82  ond  fehli  in  B.     B:    wlcnco.  83    on  fehlt    in    B.     B  liest:    westennes 

vveard,    weordmynta  etc.  84  B:  Jjono.  85  B:  singan  smealice  ond  hine  symle 

luian  (f  au.ifiefallen)  wile  butan  lealitru»u  etc.  86  B:  lajjan  gesict.  87  B:  feoh- 

terne;  gebringan.  88  B:  Gyf  jui  him  serest  ufan  yorn  gebringed         89  A:  Prologa 

prima.  B:  jtrologo  prim.  ])am.  Vor  V.  sowie  im  Folgenden  vor  A.  T.  n.  s.  w.  stellen 
im  Cod.  A.  jedesmal  die  enl sprechenden  Runnen  awiser  v.  138  vor  H.  90  nach  guc! 

findet    sich    in    A    ein    von  jüngerer    Hand   geschriebenes     o.      B:    guilmaga    gyrde. 
91  B:  ond  jjone  grynnnan.         92  B:  swaped  ond  on  swade  huted  (wier  Iseted  ««<  filgid 
ühergesrhriehen).  \y^  B:  ofslehd.  94  Mit  dem  Burhstaben  T  endet  der  Text  in 

MS.  B.  Cod.  A  ist  daher  im  Folgenden  einfach  mit  MS.  citiert.  v.  108  G-rein  hat 
mit  seiner  Emendatimi  nahezu  das  Richtige  getroffen.  Das  erste  der  beiden  von  Kemhle 
für  Runen  gehaltenen  Zeichen  ist  ein  n  ,  das  ztoeite  die  gewöhnliche  Abkürzung  des  MS. 
für  ond,-  darauf  folgt,  wie  ]\Ir  Sheat  festgestellt  hat,  ein  deutlich  sichtbares  s,  dann  eine 
Lücke  fiir  zwei  Buchstaben  imd  hierauf  od.  Das  o  ziüiscJicn  ond  und  s  wurde  von  Mr. 
Skeat  e)-gänzt ,  ebenso  die  Lücke  hinter  s  nach  Kemble.  MS:  brenged,  wie  v.  87,  88; 
nicht  bringed  ivie  Kemhle  druckt,  dessen  vielfache  Änderungen  von  jetzt  an  nicht  mehr 
besonders  hervorgehoben  werden  sollen.         110  MS.:  bemurned. 


SALOMO  UND  SATURN.  57 

aefter  scoacles  sciman;  sceada  birf  frebisi^-od, 

satanes  degn  swide  <je-stilIod. 

swilce  hione  Q  oikI  U  cwoaliuc  go  Imtcgad^ 

frome  folc-togan,  farad  liim  togegncs, 
120  habbad  Icolit  spcru,  lange  sceaftas, 

swid-modc  swoopan ;  sweiiga  ne  wyruad 

(Ms.  A.  p.  5)  deorra  dynta ;  him  bid  dast  deofol  lad ; 

donwe  hine  [J  ond]  L  ond  sc  yrra  C 

gude  be-gyrdad:  gcap  staif  wiged 
125  biternc  brogan:  bigad  sona 

helle  hseftling,  dajt  ho  on  hiiider  ga;d; 

don?tß  hiene  F  ond  M  utan  ymbdriugad 

scyldigne  sceadan,   habbad  scearp  speru, 

atole  earh-fare:  telcd  laitad 
130  on  dies  feondes  fcax  flana  stregdan^ 

biterne  brogan ;  banan  heard-licc 

grimrae  on-gieldad,  dges  hie  oft  gilp  brecad. 

donxe  hine  a^t  niehstan  nearwe  stilled 

G  sc  geapa,  done  god  sended 
135  freondnr»  ön  fultuni;  faired  sefter  D, 

fifrasegnum  füll:  fyr  bid  se  dridda, 

stsef  strsete  neah,  stille  bided. 

H  ouetted :  eugel  hine  scierped, 

cristes  cempan,  on  cwicuni  wffidum 
140  godes  spyrigendes,  geonges  hrsegles ; 

donwe  hine  on  lyfte  lifgetvvinnan 

under  tnngla  ge-trunni9u  twigena  ordnni 

sweopuin  seolfrynum,  swide  weallad, 

odda^t  him  bän  blicad,  bledad  redran ; 
145  gar-torn  geotad  gifrum  deofle. 

Mseg  sirale  se  godes  cwide  gumena  gehwylcnm 

ealra  feonda  gehwane  fleondne  gebrengan, 

durh  mannes  mud,  mau-fulra  heap 

sweartne  ge-swencan.     Nfefre  hie  dses  syllice 
150  bleoum  bregdad  sefter  bancofan, 

feder-homan  On-fod.     hwilum  flotau  gripad, 

hwilum  hie  gewendad  in  wyrmes  lic 

strenges  ond  (Ms.  A.  p.  6)  sticoles,   stynged  nieten, 

feld-gongende  feoh  ge-struded; 
155  Hwilum  he  on  wsetere  wieg  ge-hnseged, 

hornum  ge-heawed,  oddeet  him  heortan  blöd 

famig  flodes  bsed  foldan  ge-seced. 

Hwilum  he  gefeterad  fseges  mannes, 

handa  ge-hefegad,  donne  he  ret  bilde  sceall 
160  wid  lad  werud  lifes  tiligan. 


123  von  Grein  ergänzt.  126  3IS.:  lia?ftlig.  133  Im  MS.  ein  gi-osses  (i  in  itonne. 
141  MS-:  liftwinnan.  148  3IS.:  mänfulra,  nicht  mit  11,  wie  Kemhle  angiebt.  153  Im 
MS.  steht  nach  Mr.  Skeat's  Angabe  deutlich  stronges,  wie  ich  auch  gelesen  hatte,  Kemble 
druckte  scearpes,  Grein:  styrnes.  158   G  ein  liest:  he  folme  gefeterad. 


58  J-  SCHIPPER 

Awrited  he  6n  his  waepne  wsell-nota  heap, 
bealwe  boc-stafas,  bill  forscrifed, 
meces  mterdo;  fordon  nsenig  man 
seile  oft  oriTances  üt  abredan 
105  wajpnes  eegge,  deah  de  him  se  wlite  cweme. 

Ac  sjmle  he  sceal  singan,  dom?e  he  his  sweord  ge-teo, 
pater  noster,  ond  dset  palmtreow 
biddan  mid  blisse,  dset  him  bu  gife 
feorh  ond  folme,  donne  his  feond  cyme. 

Ohne  Unterbrechung  im  MS.  folgt  nun  das  nachstehende  Prosa- 
BruchstücJc, 

Saturnus*)  cwsed.  Ac  hu  moniges  bleos  bid  dset  deofol  ond  se 
pater  noster  donne  hie  betwih  him  gewinnad? 

Salomon  cwsed.    dritiges  bleos. 

Saturnus  cwsed.   hwset  sindon  da  serestan? 

Salomon  cwsed.  daet  deofol  bid  serest  6n  geogod-hade,  6n  cildes 
6n-]icnisse :  don/ie  bid  se  pater  noster  6n  haiiges  gastes  6n-licnisse. 
driddan  side  bid  daet  deofol  6n  dracan  6n-licnisse:  Feordan  side  bid 
se  pater  nostev  on  strseles  onlicnisse  de  brachia  **)  dei  hatte.  Fiftan 
side  bid  dset  deofol  Cm  dystres  onlicnisse:  Sixtan  side  bid  se  pater 
noster  ön  leohtes  onlicnisse.  Seofodan  side  bid  donne  dast  deofol 
(Ms.  A.  p.  7)  on  wildeores  onlicnisse:  Eahteodan  side  bid  se  pater  noster 
ön  daBs  hwales  onlicnisse  de  leuiathan  hatte.  Nygodan  side  bid  dset 
deofol  on  atoles  swefnes  onlicnisse:  Teodan  side  bid  donne  dset  pater 
noster  on  heofon-licre  gesihde  onlicnisse.  Enleftan  side  bid  dset  deofol 
on  yfles  wifes  unlicnesse:  Twelftan  side  bid  se  pater  noster  on  heo- 
fonlicre  byrnan  onlicnisse.  rreoteodan'''**)side  bid  dset  deoful  on  sweordes 
onlicnesse:  Feower-teodan  side  bid  se  pater  noster  on  gyldenre  byrnan 
onlicnisse.  Fif-teodau' side  bid  dset  deofol  on  bremles  onlicnisse:  Six- 
teodannside  bid  se  pater  noster  on  seolfrenes  earnes  onlicnisse.  Seo- 
fon-teodan  side  bid  donne  dset  deofol  on  sleges  on-licnisse:  Eah[ta]teodan 
[MS.:  Eahteodan]  side  bid  se  pater  noster  on  seolfrenes  earnes  onlic- 
nisse. Niogonteodan  side  bid  dset  deofol  on  fylles  onlicnisse:  xx.  side 
bid  [se]  f )  pater  noster  on  cristes  onlicnesse.  On  xxi.  side  bid  dset  deofol 
on  setrenes  fugeles  onlicnisse:  on  xxii.  side  ff)  bid  dset  pater  noster  on 
gyldenes  earnes  onlicnisse.  On  xxiii.  side  bid  dset  deofol  on  wulfes 
onlicnisse:    on    xxiiii.    side  bid   se  pater  noster  on  gyldenre  racenteage 


*)   Von    hier    an    hat  Kemhle  seine  zahlreichen,  Ändertmgen   der  Schreibung   gar 
nicht  mehr  in  den  Noten  angegeben. 

**)  Ä:  brahhia  dl.  *'**)  Im  MS.  ein  grosse-^  A  zu  Anfang  des  Wortes. 

f)  IHe  Ergänzungen  in  diesem  Prosa- Bruchstück  sind  diejenigen  Kemble's. 
ff)    Von  hier  bis  zum  nächden  Absatz  liest  das  MS.  jedesmal  sida. 


SALOMO  UND  SATURN.  59 

onlicnisse.  ()ii  xxv.  side  bid  tlset  deofol  on  wrohte  Gnlicnisse:  on 
xxvi.  side  bid  se  pate-  noster  on  (Ms.  A.  p.  8)  sybbo  oidicnosse.  On 
xxvii.  side  bid  d;et  deofol  on  yfelcs  gedohtes  onlicuis|8f;|  on  xxviii. 
side  bid  se  pater  noster  on  arfaestes  gastes  onlicuesse.  On  xxxviiii. 
side  bid  deoplicor  goliwyrfed  da^t  deofol  On  deades  unlicnesse. 

Salonion  cwaid.  domlicor  bid  doune  se  pato*  noster  gelnvyrfed  un 
dryhtnes  Gnlicnesse. 

Saturnus  cwoed.  Tic  hwa  aspyred  dset  deofol  of  hefones*)  holte, 
ond  hine  gebringed  on  dara  cristes  cerapena  fsedrauin  de  dus  hatten, 
cherubin  ond  seraphin?  [Salomon  cwsed]  uriel  ond  rumiel. 

Saturnus  cwsed.  ac  hwa  scotad  dset  deofol  mid  weallendum 
stvsßluin? 

Salomon  cwsed.  se  pater  noster  scotad  dset  deofol  mid  weallen- 
dum strselum;  ond  seo  ligett  heo  bserned  ond  tacnad,  ond  se  regn  hit 
ufan  wyrded,  ond  da  genipu  hit  dweliad,  ond  se  duuor  hit  drysced 
mid  dsere  fyrenan  secxe,  ond  hit  drifed  to  dsere  irenan  rseccen-teage  de 
his  fsedor  on  eardad,  satan  ond  sathiel.  ond  donne  dset  deofol  swide 
wergad  hit  seced  scyldiges  raannes  nieten,  odde  unclsene  treow  ;  odde 
gif  hit  meted  uuge-senodes  mannes  raud  ond  lic-homan.  ond  hit  doniie 
»On  for-gietenan  mannes  innelfe  gewited.  ond  durh  his  feil  ond  durh  his 
fla3sc  on  da  eardan  gewited,  ond  danon  helle  vvesten  ge-spyrred. 

Saturnus  cwsed.    ac  hulic  heafod  hafad  se  pater  nostev? 

(Ms.  A.  p.  9)  Salomon  cwsed.  Pater  Noster  hafad  gjldeu  heafod 
ond  sylfren  feax;  ond  deah  de  ealle  eordan  wieter  sien  gemenged  wid 
dam  heofonlicu?«  wsetrum  üppe  on  ane  sedran,  ond  hit  samHce  rinau 
onginne  call  middan-gerd  mid  eallum  his  gesceaftuw,  he  mseg  undei*  dses 
pater  nosters  feaxe  anuni  locce  drige  gestandan:  ond  his  eagau  sindon 
xii.  dusendum  sida  beorhtran  donne  ealles  middau-geardes  eorde,  deah 
de  hio  sie  mid  dsere  beorhtestan  lilian  blostmuin  ond  brseded^  ond 
seghwylc  blostman  leaf  hsebbe  xii.  sunnan,  ond  seghwylc  blostma  hsebbe 
xii.  monan,  ond  seghwylc  mona  sie  sinderlice  xii.  dusendum  sida 
beorhtra,  donne  he  ieo  wses  ser  abeles  siege. 

Saturnus  cwsed.    ac   hulic  is  dses  pater  nosters  seo  wlitige  heorte? 

Salomon  cwoect**).  his  heorte  is  xii.  dusendujn  sida  beorhtre  donne 
ealle  das  seofon  heofonas  de  üs  syndon  öfer-gesettC;,  deah  de  hie  sien 
ealle  mid  di  domescan  fyre  on-seled,  ond  deah  de  call  deos  eorde  him 
neodan  to-gegnes  byrne ,  ond  heo  hsebbe  fyrene  tungan,  ond  gyldene 
hracan,  ond  leohtne  mud  inne-weardne;  ond  deah  de  call  middan-geard 

*)  Kevible  hat  unnöthiger  Weise  geändert  geofones  und  übersetzt :  from  the  coveit 
of  ocean. 

**)  MS.:  c. 


GO  J.  SCHIPPER 

sie  fraw  udames  fiyrafle  cd-niowe  o-ewurden,  ond,  anra  gehwelc  lisebbe 
da  .xii.  snyttro  habrahamcs  ond  isaces  ond  iacobes,  ond  äura  gebwylc 
raote  lifigan  drco  Imnd  wintra,  ne  mägon  (Ms.  A.  p.  10)  hie  daere 
tungan  gerecuesse,  ue  hire  rasegnes  swidmodnisse  aspyrian.  Ond*)  bis 
carmas  siendon  xii.  dusendum  sida  lengran  don?je  ealles  middaii- 
geardes  oordo,  odde  beamas,  deah  de  hie  sieu  raid  dy  beorhtestan  wvrh- 
tan  fohiium  to-somne  gefeged,  ond  änra  gehwylc  eude  sie  fram  odruwi 
to  daiu  midie  mid  dy  gulHscan  seolfre  Ofer-worht,  ond  mid  dam  neorxna- 
wonges  comp-gimmum  astajned;  ond  bis  handa  twa  hie  sint  bradrau 
donwe  xii.  middan-geardas  deah  hie  sien  ealle  tosömne  gesette.  Ond 
se  halga  cantie  he  hafad  gyldene  fingras,  ond  dara  is  anra  gehwylc  syn- 
derlice  xxxtigum  duseudw»  dsela  leugra [MS.: lengran]  donne  eall  middan- 
geard  odde  eorde;  ond  on  dses  pater  uos^ers  daere  swidran  handa  is 
gyldennes  sweordes  unlicnis,  dset  is  eallum  odrum  wgepnu?^  ungelic; 
bis  leoma  he  is  hlutra  ond  beorhtra  donne  ealra  heofona  tuugol,  odde 
6n  ealre  eordan  sien  goldes  ond  seolf'res  frset-wednessa  ond  fseger-nessa : 
ond  dses  dryhtenlican  wsepnes  seo  swidre  ecg-last  he  is  mildra  ond  gemet- 
fsestra  donne  ealles  middan-geardes  swetnissa,  odde  bis  steucas ;  Ond 
seo  wynstre  ccg-last  da^s  ilcau  waipnos,  he  is  redra  ond  scearpra  donne 
eal  middän-geard,  deah  he  sie  binnan  bis  feower  hwommum  full-gedrifen 
wildeora,  ond  anra  gehwylc  deor  haäbbe  synder  lice  .xii.  hornas  iereue, 
ond,  änra  gehwylc  (Ms.  A.  p.  11)  hörn  heebbe  .xii.  tindas  ierene,  ond 
aiu'a  gehwylc  tind  luebbe  synderlice  .xii.  ordas,  ond,  änra  gehwilc  [ord] 
sie  .xii.  dusendun?  sida  scearpra  donne  seo  an  flan  de  sie  fram  hund- 
twelftiguni  hyrdeuna  geond-hyrded.  Ond  deah  de  seofon  middan- 
geardas  sien  ealle  on  efen  äbrsedde  ön  deosses  [MS. :  deoses]  änes  Gnlic- 
nisse,  ond,  dser  sie  eall  ge-somnod  dsette  beofon  odde  hell  odde  eorde 
sefre  äcende,  ne  magon  hie  da  lifes  linan  on  middan  ymb-fsednian.  Ond 
se  pater  noster  he  maig  ana  ealla  gesceafta  on  bis  daere  swidran  band 
on  änes  weax-seples  on-licnisse  gedyn  ond  gewringan.  Ond  bis  gedoht 
he  is  spryngdra  ond  swyftra  donne  .xii.  dusendu  haligra  gsesta,  deah 
de  anra  gehwylc  gaist  hsebbe  synder-lice  .xii.  feder-homan,  ond  änra 
gehwylc  feder-homa  bajbbe  .xii.  windas,  ond  anra  gehwylc  wind  twelf 
sige-fsestnissa  synder-lice.  Ond  bis  stefen  heo  is  hludre  donne  eall 
manna  cynn  odde  eall  wildeora  cynn,  deah  de  hie  sien  ealle  ou  done 
munt  gesomnod,  de  sie  in  daere  lengode  seo  line  de  wile  xxiiitigum 
sida  calne  eordan  ymbe-hwyrft  ütän  ymb-licggan.  Ond  deh(5/c)de  d^r  on 
gesomnod  sie  eall  d^aette  beofon  odde  hell  odde  eorde  aefre  äcende,  ond 
änra  gehwylc  ge  dara  cwedendra  ge  dara  uncwedendra  (Ms.  A.  p.  12) 

*)  Im  MS.  so  geschrieben,  keine  Ahkürzunff ;  ebenso  im  Folgenden  da,  ivo  es  vicht 
cnrsiv  gedruckt  ist. 


SALOMO  UND  öATUKN.  f51 

haibbc  ji;yl(lciic  byinnn  on  nnidc,  ond  oallra  bymena  j:^ehvvylc  hicbbc 
xii  lilcodor,  ond  hl(!ü<h'a  f^^chwylc  sie  licol'onc  liearrc  ond  licllo  deoprc, 
donne  gona  (ta;s  lialgan  cantices  se  gyldcna  Organ  he  liie  ealle  ofcr- 
hleodrad,  ond  ealle  cta  octra  he  adyfcct. 

Saturnus  civcnä.  ac  hulic  is  dtts  (Pater  Nosters  seo  wlitigc  scrud? 
Salomon  cwfied]  pater  noster  hafad  gyldene  fonan ,  ond  seo  fane  is 
mid  .xii.  god-webbum  ütan  ymb-hangen,  ond  änra  gehwylc  god-web 
hangad  Od  huud-twelftigum  hringa  gyldenra.  Ond  dset  sereste  god-web 
is  baten  aurum  celaistiuwi,  dam  diostro  ne  magon  cxxtigum  mila 
ncah  gehleonian:  donne  neinnad  englas  dset  seftere  god-web,  sp^V^Y^tm 
paraclitum;  in  ctam  god-web-cynne  bid'  sanctus  mihhael  gescyrpcd  on 
domes  djeg:  donne  nemnad  englas  ttait  dridde  god-webb  pastonilices 
dset  god-webb  wajs  on  äsßs  god-webbcs  onlicnisse  de  ieo  ymb  mines 
fseder  danides  colum})an  hangodc  on  dcosnm  ilcan  tcmplc:  ctonne  is 
dait  feordc!  god-webb  baten  solacitum;  ctait  god-Aveb  wses  on  dais  god- 
Avebbes  onlicnisse  de  geo  abimelech  se  goda  cining  brohte  criste  to 
lacmn  ond  to  ansaigd-nesse:  donwe*)  is  dset  fifte  god-webb  baten  uita 
perpetua;  dajt  godwebb  is  donne  disere  halgan  drinisse:  ttonne*)  is  dset 
syxtc  godwebb  baten  sacrificium  dei;  dset  is  donne  ön  eallra  deora 
onlicnisse:  donne  is  dset  seofocte     *     *     * 

Hier  ist  ein  Blatt  ausgeschnitten  toorden. 
170  (Ms.  A.  p.  13)    ....      swice  ser  he  sod  wite, 

dset  da  sien-fullan  saula  sticieu, 

mid  hettendu/u  helle  to  middes; 

hated  donne  heahciuing  helle  be-tynan 

fyres  fulle^  ond  da  feondas  mid. 
175  Hicfde  da  se  snotra  sunu  dauides 

for-cunien  ond,  for-cyded  caldea  eorl; 

hwsedre  was  on  saslum,  sede  6f  side  cwom 

feorran  gefered;  nsefre  jur  bis  fehrd  ählog. 

Salomo  und  Saturn. 
IL  Theil. 

HW^T!  IC  FLITAN  GEFR^GN  On  fyrndagum 
180  mod-gleawe  men,  middan-geardes  r»swum, 

gewesän  ymbe  hira  wisdom;  wyrs  ded  se  de  liehd 

odde  dses  so  des  änsseced.  Salomon  was  bremra, 

deah  de  saturnus  sumra  hsefde 

bald  breost-tOga  böca  c[8ega| 
185  [le]ornenga  locan;  land  call  geond-hwearf, 

indea  [eard]  east  corsias, 

persea  rice,  palestinion, 


182  MS.:  was.         184 — 186  Die  Ergänzungen  nach  Kemhle. 
*)    Wie  V.  133. 


62  J-  SCHIPPER 

niniuen  ceastre  ond  norct  predan; 

meda  madctum-selas,  marculfcs  eard; 
190  Saulus  rice,  swa  he  suct  ligect 

yrabe  geallboe  ond  ymb  geador  nord, 

tilistina  flet,  fsesten  creca, 

wudu  egipta,  wseter  mathea, 

claudas,  coreffes,  caldea  rice, 
195  creca  craeftas,  cynn  arabia, 

lare  libia,  loud  siria 

pitdinia,  budanasan, 

pamhpilia  {sie)  pores  gemsere: 

macedonia,  mesopotamie, 
200  cappadocia,  cristes  galilea 

Hieryhco,  Hierusa[lemJ 

Hier  ist  eine  Seite  des  Ms.  ausradiert  und  üherschriehen. 

(Ms.  A.  p.  15)  odde  ic  stigie  nyttes  [bjycgge  deah  :::ic::: 

Wat  ic  donne,  gif  du  gewitest  on  weudel-s« 

ofer  cofor-flod  cydde  secean, 
205  dget  du  wille  gilpan,  daet  du  ha?bbe  g[um]ena  bearii 

forcumen  ond  forcydded;  wat  ic  da)t  wseron  caldeas 

gude  daes  gielpne,  ond  daes  gold-wlonce, 

mserda  dses  modige,  dser  to  dam  moning  gelomp 

sud  ymbe  sanere  feld.     Ssege  me  from  dam  laude, 
210  dser  nsenig  fyra  ne  mseg  fotum  gestaeppan. 

SATURNUS  CW^D. 

se  maera  wses  baten  sselidende 

weallende  wulf,  werdeodum  cud 

filistina,  freond  nebrondes; 

he  6n  dam  felde  ofslog  .xxv. 
215  dracena  6n  dsegred  ond  hine  da  of  dead  of-leoU: 

fordan  das  foldan  ne  mseg  fira  «nig 

done  merc-stede  raon  geseean, 

fugol  gefleogan,  ne  don  ma  foldan  neat; 

danon  setercynn  gerest  gewurdon 
220  wide  onwsecned,  da  de  nu  weallende 

durh  attres  orad  ingang  rymad; 

git  his  sweord  scined  swide  gescsened, 

ond  ofer  da  byrgenna  blicad  da  hieltas. 

SALOMON  cwsed. 
dol  bid  se  de  gsed  6n  deop  waeter, 
225  se  de  sund  nafad,  ne  ge-segled  scip, 


188  norcl  Piedan  Grein.      MS.:  nordpredan.  190  MS.:  liged.  191  nord 

Filistina  Grein.     MS.:  nord-filisUna.  204  secean    statt  secean  zu    lesen   nach  Mr. 

Skeat.  205  Das  g  ist  nach  Mr.  Skeat  sichtbar,  um  ergänzt  nach  Grein.  208  Grein: 
J)Eera  to.  209   Grein:  Senare.  210  MS.:  fyre.  218   Von  neat  ist  nach  Skeat 

nur  noch  das  n  deutlich  sichtbar.         222  MS.:  scinad.     Grein:  -ed, 

*)  Statt  des  D  in  der  Überschrift  ist  hier  und  im  Fohjenden  stets  ein  grosses  d 
zu  lesen. 


SALOMO  UND  SATURN.  63 

nc   i'uglcs  Hyht,  nc  hc  mid  l'otum  nc  maig 
grund  gei'iecau:  buru  se  f^odcs  cunnad 
füll  dyslice  dryhtnes  meahta. 

SATURNUS  CWA:D. 

(Ms.  A.  p.  1(5;  ac  hwset  is  se  dumba  se  de   on  sumre  dene  rested, 
230  swide  suyttrad;  liai'ad  scofon  tungän, 

bafad'  tungena  gebwylc  .xx.  orda, 

bafait  orda  gebwylc  engles  snytro, 

(tara  de  wile  äura  bwilc  uppe  bringan, 

daet  du  daere  gylduan  gesiebst  bierusalem 
235  weallas  blican  ond  biera  wiurod  lixan, 

sodfsestra  segn?  saga  bwaet  ic  maene. 

SALOMON  CWiED. 

bec  sindon  breme,  bodiaä  geueahbe 
weotodne  willan  dam  de  wibt  byged; 
gestrangad  bie  ond  gestadeliad  stadol-fsestne  gedobt, 
240  amyrgad  mod-sefan  mauna  gebwylces 
of  drea-medlan  disses  lifes. 

Saturnus  cwaed. 
Bald  bid  se  de  on-byreged  boca  crseftes; 
symle  bid  de  wisra^  de  bira  geweald  bafad. 

SALOMON  CW^D. 
sige  bie  6n-sendad  sodfsestra  gebwam, 
245  bselo  byde^  dam  de  bie  lufad. 

Saturnus  cwsed. 
an  wisa  is  6n  woruld-rice, 
yrab  da  me  fyrwet  brsec  .1.  wintra 
dseges  ond  nibtes  durb  deop  gesceaft, 
georarende  gast,  ded  iu  gena  swa, 
250  ser  don  me  ge-unne  ece  drybten, 
dset  me  geseme  snoterra  monn. 

SALOMON  CW^D. 

sod  is  daet  du  sagast;  seme  ic  (Ms.  A.  p.  17)  de  recene 
ymb  da  wrset-lican  wibt:  wilt  du  dset  ic  de  secgge? 
an  fugel  sited  6n  filistina 
255  middel-gemserum,  munt  is  bine  ymb-utan 
geap  gylden  weall;  georne  bine  bealdad 


233  MS,:  bringfau,  nicht  brengan,  ivie  vorher  v.  87,  88.  241  Kemble  hat.  dreauiedlan 
fjelesen,  denn  er  druckte  Sreanydlan;  als  deutlich  dreamedlan  geschrieben  habe  ich  v.  428 
das  Wcn-t  bei  der  Collation  bezeichnet;  Mr.  Skeat  bestätigt  es  auch  liier;  zur  Erklärung 
des  Worts  venveise  ich  auf  meine  Bemerkung:  Germania,  Neue  Reihe  VII,  331,  wozu 
noch  nachzutragen ,  daß  der  Cod.  Exon.  das  einfache  Wort  iiyd  niemals  nied  schreibt; 
in  unserem  MS.  A  von  Salm,  und  Sat.  findet  es  sich  v.  310  ned  geschrieben.  249  Mr. 
Skeat  las  nu,  also  wie  Grein  vermuthete. 


64  J.  SCHIPPER 

Avitan  filistina  wcnad  ct;es  tte  naht  is, 

(tret  biene  him  scyle  eall  cteod  onge-nagman 

waipua  ecggum,  hie  äxs  wajre  cunnon, 
260  healdad  hinc  niehta  gehwylce  norctau  ond  siutan 

6n  twa  healfa  tu  hund  wearda; 

se  fugel  hafad  .iiii.  heafdu 

medumra  mauna  ond  he  is  6n  middan 

hwselen  geowes;  he  hafad  fideru  ond  griffus  fct; 
265  liged  lonnum  fgest,  locad  un-hiere, 

swide  swinged,  ond  his  searo  hringed; 

gilled  geomorliee  ond  his  gyrn  sefad; 

wylled  hine  on  dara  wite^  wunad  imlustum, 

siugged  syllice:  seldum  sefrc 
270  his  leomu  lieggad;  lengad  hine  hearde, 

dynced  him  deet  sie  dria  .xxx.  dusend  wintra, 

^r  he  dom-dseges  dynn  gehyre; 

nyste  hine  on  dsere  foldan  fira  senig, 

eordan  cynnes,  ser  don  ic  hine  ann  on-fand, 
275  ond  hine  da  gebsendan  het  ofer  brad  wseter, 

dait  hine  se  modega  heht  melotes  bearn, 

filistina  fruma,  faeste  gebindan, 

lonnum  belucan,  wid  leodgryre; 

done  fugel  hatad  feorbueude 
280  filistina  fruman  uäsa  mortis. 

Saturnus  cwsed, 

ac  hwset  is  dset  wundor  de  geond  (Ms.  A.  p.  18)  das  worold  fsered, 

styrnenga  gsed.  stadolas  beated, 

äweeed  wopdropan,  winned  oft  hider? 

ne  mseg  hit  steorra  ne  stan,  ne  se  steapa  gimm, 
285  wseter  ne  wildeor  wihte  beswican, 

ac  him  on  band  gsed  heardes  07id  linesces 

micles   [ond]  mattes:  him  to  mose  sceall 

gegangan  geara  gehwelce,  grund-buendra, 

lyft-fleogeudra;  lagu- swemraendra, 
290  dria  dreoteno  dusend  ge-rimes. 

SALAMON  CWiED. 
yldo  beod  on  eordan  a3ghwa3s  erseftig 
mid  hidendre  hildewrajsne, 
rumre  rtlcenteage,  ra3ced  wide 
langre  linan,  lissed  eall  d.-Bt  heo  wile; 
295  beam  heo  äbreotcd  ond  bebriced  telgum; 
ästyred  standene  stefn  on  side, 

257,  258  So  das  MS.  Kemhle  ließ  die  Worte  von  wenad  bis  oiigenjemaii  aus 
und  verzeichnete  eine  Lücke.  260  il/S.:  bealdecl.  263  Ivi  MS.  ist  hier  keine  Lüche, 
vne  sie  bei  Kemble  anaerjehen,  iceshalb  Grein  err/änzte:  Se  grimma  fugel.  266  Statt 
searo  kann    auch  scaro  fjelesen  tcerden;  so  las  auch  Mr.  Skeat.  270  MS.:  leoma. 

276  MS.:  melotes.         277  il/-S'. :  filistina.         283  MS.:  avveced.         287  and  Grein. 


SALUM«)  irND  SATURN.  65 

äHllcit  liinc  ou  foldan;  trite^t  acflcr  dam 
wildne  fugol;  heo  oferwigeit  wuIf, 
hio  ofcrbided  stanas,  heo  oferstiged  style 
300  hio  abited  iren  mid  omc,  dcd  us-ic  swa. 

SATUKNUS  CWiED  {M^.:  C). 
äc  forhwon  l'ealled  se  snaw,  foldan  behydcti, 
bewrihtt  wyrta  cid,  waestmas  getigetf, 
geJyd  hie  ond  gcdreatatt,  dajt  hie  drage  beod 
cealdc  ge-clungnc:  füll  oft  he  gc-costau  eac 
305  wildeora  worn,  wsetura  he  ofer-hraeged, 
gebryced  burga  geat,  baldlice  fered:, 
reafad  (Ms.  A.  p.  19)  swidor  raicle  donne  se  swipra  nid, 
se  hine  gelaeded  on  da  ladan  wie 
mid  da  fraecnan  feonde  to  willan. 

Saturnus  cwaed. 
310  nieht  bid  wedera  diestrost,  ned  bid  wyrda  heardost, 
sorg  bid  swaerost  byrden,  slaep  bid  deade  gelicost. 

SALOMON  ewaed. 

lytle  hwile  leaf  beod  grene 

donne  hie  eft  fealewiad,  feallad  6n  eordan, 

ond  for-weorniad,  weordad  to  duste; 
315  swa  donne  gefeallad,  da  de  fyrena  ser 

lange  laestad,  lifiad  bim  in  mäne, 

hydad  heah-gestreon,  healdad  georne 

on  fsestenne,  feondum  to  willan, 

ond  wenad  wan-hogan  dset  hie  wille  wuldor-cining 
320  aelmihtig  god,  ece  gehiran. 

Saturnus  ewasd. 
sona  bid  ge-siene,  siddan  flowan  mot 
jd  ofer  eall  lond:  ne  wile  heo  äwa 
daes  sides  geswican,  sioddan  hire  se  sael  cymed; 
dset  heo  domes  dseges  dyn  ge-hiere. 

SALOMON  CW.ED  {MS.:  C). 
325  swa  bid  donne  dissum  modguin  monnum,  dam  de  her  nu  mid  mäne 

lengest 
lifiad  6n  disse  ]«nan  gesceafte!  ieo  dset  dine  leode  gecyddon: 
wunnon  hie  wid  dryhtnes  miehtum,fordon  hie  dsetworc  ne  ge-degdon. 
ne  sceall  ic  de  hwasdre,  brodor,  äbelgan ;  du  eart  swide  bittres  cynnes, 
eorre  eormen-strynde :  ne  be-yrn  da  (Ms.  A.  p.  20)  on  dainvvit-gecyndo. 

Saturnus  cwaed. 
330  saga  du  me,  salomon  cyning,  sunu  dauides, 
hwaet  beod  da  feowere  fseges  rapäs? 


317  MS.:  Healdad.         325  MS.:  swa.  nicht  wa. 
GERMANIA.  Neue  Reihe.  X.  (XXII.  Jahrg.) 


66  J.  SCHIPPER 

SALOMON  CW^D. 
gewurdene  wyrda,  5re  beod 
da.  feowere  fseges  rapas. 

Saturnus  cwaed, 
äc  hwa  demeä  äonne  dryhtne  criste 
335  6n  domes  dc-ege,  donne  he  demed  eallum  geceaftum? 

SALOMON  cwsed. 
hwa  dear  donne  dryhtne  deman,  de  us  6f  duste  geworhte, 
nergend  6f  niehtes  sunde?  ac  sajge  me  hwaet  naerende  wseron. 

Saturnus  cwsßd. 
äc  for-hwon  ne  mot  seo  sunne  side  gesceafte 
scire  geond-scinan?  for  hwam  be-sceaded  heo 
340  muntas  07id  moras  ond  monige  ec 
weste  stowa!  hu  ge-weorded  daet? 

SALOMON  CW^D. 
ac  for-hwan  nseron  eord[we]lan  ealle  gedseled 
leodum  gelice?  sum  to  lyt  hafad, 
godes  grsedig:  hine  god  seted 
345  durh  ge-earnunga  endgum  to  rseste. 

Saturnus  cwsed. 
ac  for-hwan  beod  da  gesidas  somod  setgasdre, 
wop  ond  hleahtor?   Füll  oft  hie  weord-geornra 
ssBlda  toslitad:  hu  gesssled  das.t? 

SALOMON  CW^D. 
unlsede  bid  ond  ormod,  se  de  ä  wile 
350  geomrian  on  gihda:  se  bid  gode  fracodast. 

(Ms.  A.  p.  21)  Saturnus  ctvced. 
for  hwon  ne  moton  we  donne  ealle  mid  onmedlan 
gegnum  gangan  in  godes  rice? 

SALOMON  CW^D  (MS.:  C). 
ne  maeg  fyres  feng  ne  forstes  eile, 
snaw  ne  sunne  somod  eardian, 
355  äldor  geaßfnan;  ac  hira  sceal  änra  gehwylc 
onlutan  ond  onlidigan,  de  hafad  laesse  msegn. 

Saturnus  cwsed. 
ac  for  hwon  donne  leofad  se  wyrsa  leng? 
se  wyrsa  ne  wat  in  worold-rice 
on  his  mseg-winum  maran  äre. 


342  MS.:    eorct    zu    Ende    der    Zeile,    die    dann    nach    Skeat    noch    eine    kleine, 
durch  Ausradierung    entstandene  Lücke  zeigt;    lan    steht    in    der   ncicJisten  Zeile,    welche 
weiter  die  verderbte  Lesart  bietet:    ealle  gode  led   leodum.  —  Das    gode    led    ist    wohl 
sicher  verschrieben  für  gedaeled  (Skeat).     Kemble,    Grein:    eordwelan    ealle   gedseled. 
übe  MS.:  msegnn. 


SALOMO  UND  RATIJKN.  ß7 

SALOMON  CWiED  {MS.:  C). 
360  ne  macg  mon  for  ildo  aonige  hwilc 

(Jone  deoran  sid,  ac  hc  hine  Jidreogan  sceall. 

Saturniis  cvvaict. 
äc  hu  geganged  da^t  gode  oddc  yflc? 
donne  hie  beod  durh  äne  idese  äccnde 
twegen  getwinnas,  nc  bid  bira  tir  gelic: 
365  oder  bid  unlaide  on  eordan,  oder  bid  eadig, 
swidc  leof-tsele  mid  leoda  dugudum; 
oder  leofad  lytlc  hwilc, 

swiccd  on  disse  sidan  gesceafte  ond  donne  eft  mid  sorgum  gewited; 
fricge  ic  dec,  hlaford  salomon,  hwaidrcs  bid  hira  folgod  betra? 

SALOMON  CW^D. 
370  modor  ne  rajded  donne  heo  magan  cenned, 

hu  him  weorde  geond  worold  widsid  sceapen. 

oft  heo  to  bealwe  bearn  äfeded, 

seolfre  to  sorge,  siddan  dreoged 

bis  earfodu  (Ms.  A.  p.  22)  orleg-stunde, 
375  heo  dges  äfran  sceall  oft  ond  gelome 

grimme  greotan,  donwe  he  geong  fared, 

hafad  wilde  mod,  werige  heortan, 

sefan  sorg-fullne^  slided  geneahhe 

werig  wilna  leas,  wuldres  bedseled. 
380  Hwilum  hige-geomor  healle  weardad, 

leofad  leodum  feor,  locad  geneahhe 

fram  dam  unlsedan  sengan  hlaford. 

for-dan  nah  seo  modor  geweald,  donne  heo  magan  cenned, 

bearnes  blsedes;  äc  sceall  6n  gebyrd  färan 
385  an  aefter  anum:  daet  is  eald  gesceaft! 

Saturnus  cwsed. 
ac  for  hwan  nele  monn  him  6n  giogode  georne  gewyrcan 
deores  dryht-scipes  ond  dsed-fruman 
wadan  on  wisdom,  winnan  sefter  snytro? 

Salomon  cwsed. 
hwset!  him  masg  eadig  eorl  eade  geceosan 
390  on  bis  mod-sefan,  mildne  hlaford, 

anne  aedeling";  ne  mseg  don  un-lsede  swa. 

Saturnus  cwsed. 
ac  for  hwam  winned  dis  wseter  geond  worold-rice, 
dreoged  deop  gesceaft,  ne  mot  on  daeg  restan 
neahtes  nedyd  crsefte  tyd; 
395  cristnad  ond  clsensad  cwicra  manigo, 

360  Eemble  änderte  for  ildo  zu  foryldan ;  vielleicht  ist  das  Verhum  hinter  sid 
ausgefallen.  385  Jf^S"  :  gaseaft.  386  MÄ.:  ac,  389  MÄ.:  hwset.  392  MÄ.:  ac. 
394  Kemble,  Grein:  nihtes  [stillan],  nydatt  etc. 

5* 


gg  J.  SCHIPPER 

wuldre  gcwlitigaä?  ic  wihte  nc  cann 

for  hwan  se  stream  ne  mot  stillan  neahtes 

(Ms.A.p.23)  his  lifes  fse^me;  simle  hit  bid  bis  lareowum  hyrsum: 

füll  oft  bit  eac  Sses  deofles  dugod  gebnseged, 
400  ctaer  weotena  bid  worn  gesamnod, 

donne  snottrum  men  snsed  odd-glided, 

da  be  be  leobte  gesibd  luted  sefter, 

gesegnad  ond  gesyfled,  ond  bim  sylf  frited; 

swilc  bid  seo  an  snsed  segbwylcum  men 
405  selre  micle,  gif  beo  gesegnod  bid, 

to  l^ycgganne,  gif  be  bit  gedencan  cann, 

domie  bim  sie  seofon  daga  symbel-gereordu. 

leobt  bafad  beow  ond  bad  baiiges  gastes, 

eristes  gecyndo,  bit  dset  gecy ded; 
410  füll  oft  gif  bit  unwitan  seuige  bwile 

bealdad  butan  bseftum,  bit  durb  brof  wseded, 

bryced  ond  basrned  bold-getimbru, 

seomad  steap  ond  geap,  stiged  6n  lenge, 

clymmed  6n  gecyndo;  cunnad  bwsenne  mote,^ 
415  fyr  on  bis  frum-sceaft  6n  fseder  geardas, 

eft  to  bis  edle,  danon  bit  seror  cuom, 

bit  bid  eallenga  eorlum  gesibde, 

dam  de  gedaelan  ean  drybtnes  decelan; 

forden  nis  naenegu  gecynd  cuic-lifigende, 
420  ne  fugel  ne  fisc,  ne  foldan  stan, 

ne  wseteres  wylm,  ne  wudu  telga, 

ne  munt  ne  mor,  ne  des  middan-geard, 

dset  be  ford  ne  sie  fyrenes  cynnes. 

Saturnus  cwaed. 

füll  oft  ic  frode  menn  fyrn  (Ms.  A.  p.  24)  gebyrde 
425  secggan  ond  swerian  ymb  sume  wisan, 

bwaeder  wsere  twegra  butan  tweon  strengra, 

wyrd  de  warnung,  donne  bie  winnad  oft 

mid  bira  drea-medlan,  bwseder  ne  adreoted  »r; 

ic  to  sodon  wät:  ssegdon  me  geara 
430  filistina  witan,  donne  we  6n  geflitum  saeton;, 

bocum  töbraeddon  ond  6n  bearm  legdon, 

medel-cwidas  mengdon,  moniges  fengOD, 

dset  nsere  nsenig  manna  raiddan-geardes, 

dset  meabte  dara  twega  tuion  aspyrian. 

SALOMON  CWMD  (MS.:  C). 
435  wyrd  bid  wended  bearde,  wealled  swide  geneabbe, 

beo  wop  weced,  beo  wean  bladed, 

beo  gast  scyd,  beo  ger  byred: 

ond  bwsedre  bim  maeg  wis-sefa  wyrda  gebwylce 


397  Nach  Kemble  soll  hier  ein  Blatt  oder  noch  mehr  ausgeschnitten  sein,  doch  ist  am 
MS.  nichts  davon  zu  sehen.  417  Grein:  [on]  gesihcte.  426  MS.:  strenra.  401  Statt  des 
kleinen  ß  in  donne  ist  ein  grosses  zu  lesen.     408  Hintei-  heow  setzt  das  MS.  einen  Punkt. 


SALOMO  UND  SATURN.  69 

gemetigian,  gif  he  bid  modes  f^leaw, 
440  ond  tu  his  freondum  wile  fuJtum  secan, 

deh-hwaidre  god-cundes  gaestes  brucan. 

SATURNUS  CWiED  {MS.:  C). 

ac  hwset  wited  us  wyrd  seo  swide, 

eallra  fyrena  fruma,  fsehdo  modor, 

weäna  wyrt-wela,  wopes  heafod, 
445  frum-scylda  gehwajs  freder  ond  modor, 

deades  dohtor?  ac  to  hwan  drohtad  heo  mid  us? 

hwset!  heo  wile  lifigende  late  ädreotan, 

dset  heo  durh  fyrena  gefiitu  faihdo  ne  tydre. 

SALOMON  cw^d. 

nolde  gaed  geador  in  godes  rice 
450  eadiges  engles  ond  dses  ofer-modan: 

oder  his  dryhtne  (Ms.A.p.25)  hierde;  oder  him  ongan  wyrcan  durh 

dierne  crseftas 

segn  ond  side  byrnan,  cwsed  dset  he  mid  his  gesidum  wolde 

hidan  eall  heofona  rice  ond  him  dier  6n  healfum  :::::: . 
455  ::::::  him  mid  äy  teodan  dsele,  od  dset  he  his  ::::::::::::: 

ende  durh  ::  sceafte;  da  weard  se  sedele  gedryht 

gedrefed  durh  daes  deofles  gehygdo:  forlethinedaof  dune  gehreosan, 

afielde  hine  da  under  foldan  sceatas, 

hebt  hine  dser  fseste  gebindan ;  dset  sindon,  da  us-ic  feohtad  on 
460  fordon  is  witena  gehwam  wopes  eaca. 

da  dset  eadig  onfand  engla  dryhten, 

dset  heo  leng  mid  hine  lare  ne  namon, 

äweorp  hine  da  6f  dam  wuldre  ond  wide  todraf, 

ond  bebead  him  bearn  heofon-wara, 
465  dset  hie  ec  scoldon  ä  denden  hie  lifdon 

wunian  in  wylme,  wop  drowian, 

heaf  under  hefonum,   ond  him  helle  gescop, 

wselcealde  wie  wintre  bedeahte: 

wseter  insende  ond  wyrmgeardas, 
470  ätol  deor  monig  irenum  hornum, 

blodige  earnas  ond  blace  nsedran, 

durst  ond  hungor  ond  dearle  gewin, 

egna  egesan,  unrotnesse; 

ond  seghwylc  him  dissa  earfeda  ece  stonded, 
475  butan  edwende,  a  denden  hie  lifigad. 

SATURNUS  cwc^d. 
is  äonne  on  disse  foldan  (MS.  A  p.  26)  fira  aenig 
eordan  cynnes,  dara  de  man  age 

451  Seite  24  des  MS.  endet  mit  dryht,  Seite  25  beginnt  mit  ne.  —  Kemhle 
änderte  die  Wortstellung  und  verzeichnete  eine  Lücke  hinter  wyrcan,  wovon  im  MS. 
nichts    bemerkbar;    welches  liest;    Surh    dire    (sie!)    crseftas    etc.  354—456  Kemble 

las  hinter  healfum  noch  sittan,  vor  him  noch  cyrran.  Das  MS.  erschien  mir  unleserlich; 
dsgl.  V.  455,  tvo  K.  hinter  his  noch  agenne  cude  entzifferte;  das  folgende  ende  kann  ich 
bestätigen;  vor  sceafte  ist  nur  Platz  för  einen  oder  zivei  Buchstaben;  wie  mir  schien, 
steht  in  da;  Mr.  Skeat  bestätigt  es.         477  MS.:  de  man  man  age. 


70  R.  BECKER 

dead  absede,  a^r  se  daeg-  cyme, 
daet  sie  his  calend-cwide  arunnen, 
480  ond  hine  mon  annimga  üt  abanne? 

SALOMON  CW^D  (MÄ:  C). 

8eghwel[cum  men  ejngel  onsended  diyhteii 

he::::::::::::ed  se  sceall  behealdan  hu  his  hyge 

g::::::::dig  growan  in  godes  sibbe, 
485  murnan  meto  des  drym,  mid  dy  de  hit  dseg  bid. 

donwe  hine  ymbe-gangad  gsestas  twegen: 

oder  bid  golde  glsedra,  oder  bid  grunditw  sweartra; 
490  oder  cymed  ofer  dsere  stylenan  helle, 

oder  hine  Ijered,  döet  he  lufan  healde, 

metodes  miltse,  ond  his  msega  rsed; 

oder  hine  tyhted  ond  on  tieso  Isered, 

ywed  him  ond  ypped  earmra  manna 
495  misgemynda,  ond  durh  deet  his  mod  hweted; 

Iseded  hine  ond  Iseced  ond  hine  geond  land  spaned, 

oddset  his  ege  bid  aefdancMm  füll, 

durh  earmra  scyld  yrre  geworden; 

swa  donne  feohted  se  feond  on  feower  gecynd, 
500  oddset  he  gewended  on  da  wyrsan  band 

deofles  dsedum,  daeg-longne  fyrst, 

ond  dses  willan  wyrcd,  de  hine  on  woh  spaned; 

gewited  donne  wepende  on  weg  faran 

engel  to  his  earde,  ond  dset  eall  secged: 
505  ne  meahte  ic  of  dsere  heortan  heardne  adringan 

stylenne  stan,  sticad  him  to  middes 

Der  Rest  ist  entweder  ausgeschnitten  oder  ausradiert  und  dann  ilher 
schrieben  worden  (Kemble). 


ÜBER  REINMAR  VON  HAGEN  AU. 

VON 

REINHOLD  BECKER. 


I.  Zur  Kritik  Reinmars. 
Reinmar  ist  neuerdings   nach  zwei  verschiedenen  Seiten   hin  ein- 
gehend bearbeitet  worden.  Zuerst  hat  E.  Regel  (Germania  XIX,  149  f.) 
die  Kunstformen  des  Dichters  mit  dankenswerther  Sorgfalt  behandelt. 
Obwohl    er  aber  ausdrücklich  darauf  verzichtet ,    auf   den  Inhalt   der 


481  7md  482    nach    den  Angaben  Skeats;   mir    e^'schien   das    MS.  mileserlich. 

485  Das  MS.  zeit/t  hier  nicht  die  von    Grein  mit  Recht  vermuthete  Lücke.  490  Kemhle 

ergänzt  susle;  Grein  liest  of  stearae  vnd  ergänzt  dnen  ganzen  Fer«  (489).  504Af>S^. :  sa- 
ga3;  Grein:  secged. 


ÜBER  REINMAR  VON  HAGENAU.  71 

Gedichte  selbst  einzugehen,  kommt  er  doch  in  der  Einleitung  und  auch 
sonst  gelegentlich  über  die  formale  Seite  hinaus  und  begründet  seine 
Meinung  über  den  Kreuzzug,  den  Rcinmar  mitmachte,  über  Lieder, 
welche  in  die  Zeit  dieses  Kreuzzuges  fallen,  über  eine  niedere  Minne 
des  Dichters  u.  s.  w.  Die  ganze  Arbeit  Regeis  aber  ruht  auf  der  Vor- 
aussetzung, daß  mit  Ausnahme  eines  schon  von  Lachmann-Haupt  an- 
gefochtenen Liedes  (102,  25)  sämmtliche  in  des  Minnesangs  Frühling 
unter  Reinmars  Namen  angeführte  Gedichte  wahres  Eigenthum  des- 
selben sind;  ja  er  vermehrt  den  Reichthum  Reinmars  noch,  indem  er 
ihm  das  von  Haupt  dem  Rugge  zugeschriebene  Lied  103,  3  f.  und  ein 
paar  in  den  Anmerkungen  stehende  Strophen  zuspricht.  Bald  darauf 
aber  wurde  durch  Erich  Schmidt  in  der  Schrift:  Reinmar  von  Ha- 
genau  und  Heinrich  von  Rugge  —  Straßburg  bei  Trübner  —  eine  lange 
Reihe  von  Liedern  unserm  Dichter  abgesprochen  und  zum  Theil  unter 
die  namenlosen  Lieder  gestellt,  zum  Theil,  und  das  gerade  die  werth- 
vollsten,  Rugge  zugewiesen.  Sollten  diese  Resultate  sich  bewähren,  so 
würde  Reinmar  ebenso  als  Mensch  wie  als  Dichter  an  Interesse  und 
Bedeutung  verlieren.  Vor  allem  würde  man  von  o^nem  Kreuzzuge 
dieses  Dichters  nicht  mehr  reden  können.  Auf  der  andern  Seite  würde 
Rugge  als  Dichter  viel  mehr  als  bisher  hervortreten.  Es  verlohnt  sich 
also,  die  Ergebnisse,  welche  Schmidt  uns  vorlegt,  einer  eingehenden 
Prüfung  zu  unterwerfen. 

Der  Weg,  den  Schmidt  einschlägt,  ist  ohne  Frage  der  einzig 
richtige.  Er  will  zunächst  (p.  5)  die  sichern  Züge  der  beiden  dichte- 
rischen Persönlichkeiten  fixieren,  um  auf  die  Kenntniss  ihrer  Eigenart 
gestützt,  über  die  strittigen  Strophen  urtheilen  zu  können.  Für  uns 
wird  es  sich  demgemäß  zunächst  um  die  Frage  handeln,  ob  denn  die 
Bilder,  die  er  von  beiden  Dichtern  entwirft,  getroffen  sind.  Erst  nach- 
dem wir  gesehen  haben,  ob  der  Maßstab,  an  dem  die  einzelnen  Lieder 
gemessen  werden,  der  richtige  ist,  können  wir  zur  Besprechung  der 
kritischen  Ergebnisse  Schmidts  selbst  übergehen. 

Von  vorn  herein  müssen  wir  unsere  Zustimmung  geben  zu  allem 
Wesentlichen,  was  über  die  stilistischen  Eigenthümlichkeiten  beider 
Dichter  bemerkt  ist.  Im  Einzelnen  werden  wir,  wie  sich  später  zeigen 
wird,  manches  modificiren  müssen,  aber  der  Nachweis,  wie  Reinmars 
Liebesverhältniss  auf  seinen  Stil  einwirkte  u.  A.  ist  eine  wirklich  dan- 
kenswerthe  Gabe. 

Bevor  Schmidt  die  Lieder  Rugges  einzeln  betrachtet,  geht  er  aus 
von  dem  Verhältniss  der  Handschriften  und  kommt  da  zu  dem  Resultat, 
daß  in  B  der  alte  Kern  der  Ruggeschen  Liebespoesie  vorliege,  gemäß 


72  R-  BECKER 

der  von  Scherer  geniachten  Beobachtung,  „daß  sich  in  den  Strophen  der 
Handschr.  B  sämmtliche  unreine  Reime  mit  Ausnahme  eines  einzieren 
finden".  In  C  sei  nach  Scherers  Darstelhing  eine  Sammlung  vorge- 
schoben, C.  1 — 12.  Diese  Strophen  nun  sollen  einer  späteren  Zeit  ange- 
hören, in  der  Reinmarischer  Einfluß  gewirkt  habe,  aber  auch  über- 
wunden worden  sei.  Dieser  Einfluß  wird  dahin  bestimmt,  daß  Rugge 
die  von  Reinmar  in  Schwung  gebrachte  Mode  des  Trauerns  eine  Weile 
mitgemacht  habe. 

Also  von  Reinmar  nahm  Rugge  diese  Mode  an.  Es  verlohnt  sich 
hier  nach  der  Zeit,  in  der  beide  Dichter  lebten  und  wirkten,  zu  fragen. 
Schmidt  scheint  darüber  mit  sich  nicht  ganz  einig  zu  sein.  Er  erwähnt 
p.  6,  daß  Pfeifer,  German.  VII,  110—112  einen  Heinricus  miles  de 
Rugge  in  den  Jahren  1175 — 1178  urkundlich  nachgewiesen  habe,  „der 
Zeit  nach  schwerlich  unsern  Dichter,  vielleicht  seinen  Vater".  Wir 
fragen,  warum  das  „schwerlich"?  Gar  vieles  beweist  doch,  daß  der 
Dichter  einer  ziemlich  frühen  Zeit  angehört.  Dafür  sprechen  schon 
die  zahlreichen  imreinen  Reime,  da  es  doch  einem  so  gewandten 
Dichter,  wie  Schmidt  selbst  bemerkt,  nicht  schwer  fallen  konnte,  an- 
statt derselben  ganz  reine  zu  finden,  wenn  es  zu  jener  Zeit  schon 
strenges  Erforderniss  gewesen  wäre.  In  dem  Kreuzleich  ist  die  Rein- 
heit vollständig  durchgeführt,  trotzdem  gerade  hier  die  kurzen  Zeilen 
leicht  zu  einer  Ungenauigkeit  hätten  führen  können.  Noch  zwei  an- 
dere Momente  hebt  Schmidt  als  alterthümlich  hervor,  nämlich  die  Vor- 
liebe Rugges  für  schlichte  Parataxe  (p.  10)  und  das  treue  Festhalten  an  der 
alten  Auß'assung  der  Jahreszeiten  (p.  28).  Auch  stimmt  gut  dazu,  daß  die 
Reflexion  noch  nicht,  wie  bei  den  Dichtern  der  eigentlichen  Blüteperiode, 
ins  Breite  geht.  Zu  alledem  aber  bemerkt  Schmidt  bei  der  Interpre- 
tation des  Leichs:  „Da  unser  Dichter  1175 — 1J78  als  miles  de  Rugge 
urkundlich  vorkommt,  wenn  er  es  ist,  der  Leich  zu  Ende  des  Jahres 
1190  gedichtet  wurde,  als  man  den  Tod  Kaiser  Friedrichs  erfuhr,  so 
stand  Rugge  damals  im  gereiften  Mannesalter,  dem  auch  der  hier  be- 
kundete gottergebene  Sinn  geziemt."  Hier  also  wird  der  Dichter  mit 
jenem  mUes  identificirt,  und  zwar,  wie  sich  aus  obigen  Gründen  ergibt, 
mit  vollem  Recht.  Das  dürfte  auch  die  eigentliche  Meinung  Schmidts 
sein,  der  so  vielfach  alterthümlich  es  bei  Rugge  findet.  Auch  Bartsch, 
Liederdichter  XXXI  erkennt  in  jenem  Heinricus  unsern  Dichter.  Ist 
dem  nun  aber  so,  wie  ist  es  dann  möglich ,  daß  Reinmar  noch  einen 
solchen  Einfluß  auf  ihn  ausgeübt  habe.  Lachmann  zu  Walther  82  hat 
angenommen,  daß  Reinmar  etwa  1190  zu  singen  begonnen  habe,  also 
zu  einer  Zeit,  wo  Rugge  bereits  im  gereiften  Mannesalter  stand.  Auch 


ÜBER  REINMAR  VON  HAGENAU.  7.} 

Scberer,  Deutsche  Stiulitm  II,  p.  80  nimmt  an,  daß  Reinraar  zu  Anfaiif; 
der  neunziger  Jahre  im  den  herzoglichen  Hof"  von  Osterreich  gekommen 
sei.  Der  Einfluß  der  Reinmarischen  Lyrik  kann  sich  zudem  doch  erst 
allmähHch  geltend  gemacht  liaben  und  üherhaupt  Läßt  sich  erweisen, 
daß  die  ältesten  Lieder  des  Dichters  nocli  nichts  von  Trauer  kennen. 
Verhält  es  sich  nun  so,  daß  einerseits  der  Dichter  Rugge  bereits  in  der 
Mitte  der  siebenziger  Jahre  urkundlich  vorkommt,  andererseits  der 
Einfluß  Reinmarischer  Poesie  erst  um  die  Mitte  der  neunziger  Jahre  zu 
einer  gewissen  Bedeutung  kommen  konnte,  so  ist  eine  Einwirkung 
Reinmars  auf  den  20  Jahre  altern  Zeitgenossen  sehr  unwahrscheinlich. 
Wie  sollte  Rugge,  der,  seinem  ganzen  Wesen  nach  gerade  und  offen, 
im  Leich  und  im  Kreuzlied  102,  14  einen  tiefernsten,  fast  weltflüchtigen 
Ton  anschlägt,  nachgerade  noch  so  unwahr  geworden  sein,  daß  er,  um 
dem  höfischen  bon  ton  zu  genügen,  trauerte,  wo  es  eigentlich  nichts 
zu  trauern  gab;  —  denn  nach  Schmidt  war  ja  sein  Liebesverhältniss 
glücklich  und  zwang  ihn  selten  zur  Trauer  (p.  24  und  26).  Die  Mög- 
lichkeit der  oben  gedachten  Einwirkung  wäre  freilich  auch  gerettet,  wenn 
Reinmar  früher  angesetzt  würde,  aber  das  würde  auf  so  viele  Schwie- 
rigkeiten stossen,  daß  wir  davon  absehen  können. 

Wir  sind  hiermit  auf  einen  Punkt  gestossen,  der  eine  Ausein- 
andersetzung dringend  fordert.  Die  Annahme,  daß  Rugge  nur  durch 
äußere  Einflüsse  bestimmt  dem  Trauern  als  einer  Modesache  eine  Zeit 
lang  gehuldigt  habe,  hat  auf  das  Bild,  das  Schmidt  von  ihm  entwirft, 
wesentlichen  Einfluß.  Indem  die  heiter  gehaltenen  Strophen  als  das  eigent- 
liche Gut  des  Dichters  betrachtet  werden,  wird  der  Gegensatz  zwischen 
Rugge  und  Reinmar  wesentlich  vertieft. 

Es  ist  jedenfalls  nicht  zu  beweisen,  daß  die  Trauer  Rugges  eine 
willkürliche  war,  uns  scheint  vielmehr  gerade  das  Gegentheil  wahr  zu 
sein.  Rugge  war  kein  Schauspieler,  sondern  hat  gesungen,  wie  es  ihm 
zu  Muthe  war.  Freilich  ist  es  eine  auffallende  Erscheinung,  daß  die 
höfische  Lyrik  fast  ganz  in  Liebesklage  aufgeht,  aber  daraus  läßt  sich 
nicht  folgern,  daß  diese  Richtung  eine  bloße  Mode^  also  ohne  innere 
Berechtigung  und  Wahrheit  war.  Schon  Uhland,  Ges.  Werke  V,  138  f. 
hat  dargethan,  wie  aus  den  gegebenen  Verhältnissen  der  höfischen  Ge- 
sellschaft der  elegische  Hintergrund  der  mittelhochdeutschen  Lyrik  sich 
mit  Nothwendigkeit  entwickelte.  Viele  werden  dann  freilich,  nachdem 
die  Richtung  einmal  gegeben  war^  ohne  innern  Trieb  mit  der  Strömung 
geschwommen  sein;  sie  nahmen  die  Zeitstimmung  in  sich  auf,  ohne  sie 
zu  individualisiren,  wie  das  ja  zu  allen  Zeiten  so  zu  geschehen  pflegt; 
unwahr  kann  man  die  Empfindung  solcher  Leute  doch  nur  dann  nennen, 


74  R   BECKER 

wenn  sie  mit  ihrer  ursprünglichen  Gefühlsweise  in  Widerspruch  steht. 
Aber  gerade  in  den  tiefern  und  bessern  Naturen  mußte  sich,  auch  wenn 
sie  ursprünglich  keineswegs  zur  Melancholie  neigten,  die  sentimentale 
Stimmung,  welche  der  allgemeine  Charakter  der  Lyrik  jener  Zeit  ist, 
mit  Nothwendigkeit  erzeugen,  da  der  Minnedienst  nicht  hielt,  was  er 
versprach.  Wie  viele  auch  das  alte  Lied  schon  vorher  gesungen 
hatten,  die  Trauer  blieb  für  jeden  Einzelnen,  der  die  Erfahrung  machte, 
neu.    Wir  werden  das  später  weiter  ausführen. 

Aber  wie,  wenn  nun  das  Liebesverhältniss  Rugges  ein  glückliches 
war?  wie  Schmidt  p.  26  und  an  vielen  andern  Stellen  behauptet.  Die 
Möglichkeit  ist  ja  immer  vorhanden,  wenn  es  auch  der  seltenere  Fall 
war,  daß  die  vornehme  Dame  dem  Ritter  lohnte,  wie  er  es  wünschte. 
Wenn  es  dann  auch  nicht  gerade  Reinmar  war,  dessen  Einfluß  die 
Trauerstrophen  veranlaßte,  so  mochte  es  Hüsen  oder  irgend  ein  anderer 
Sänger  sein.  Aber  betrachten  wir  doch  nur  einmal,  was  sich  aus  den 
Liedern  Rugges  für  sein  Liebesverhältniss  ergibt. 

Es  ist  eine  ganz  gewöhnliche  Erscheinung  in  jener  Zeit,  daß  die 
vornehmen  Damen  im  Anfang  den  ritterlichen  Sängern,  die  ihnen 
dienten,  bis  auf  einen  gewissen  Grad  ihre  Neigung  zuwandten.  So  ist 
es  auch  Rugge  ergangen.  Daß  er  zeitweilig  an  die  Gunst  der  Herrin 
glaubte  und  auch  berechtigt  war,  daran  zu  glauben,  wird  durch  mehrere 
Stellen  bewiesen  105,  18.  108,  11.  106,  6.  104,  33.  Aber  an  der  bloßen 
Neigung  ließ  sich  Rugge  so  wenig  wie  andere  genügen,  er  diente  um 
Lohn  und  verstand  darunter  vollständige  Hingabe  der  Dame.  Die 
angeführten  Stellen  aber  sprechen  nur  von  Hoffnungen,  keine  blickt  auf 
die  Erfülhmg  zurück.  Zu  oft  finden  sich  Klagen  über  getäuschte  Er- 
wartungen, als  daß  wir  nun  sofort  schließen  dürften,  es  sei  Rugge 
wirklich  nach  Wunsch  gelungen.  Und  so  klagt  denn  auch  er  in  der 
That,  indem  er  auf  freundliche  Worte  der  Herrin  mit  dem  Gefühl  der 
Enttäuschung  hinblickt,  in  seiner  hyperbolischen  Weise  102,  10  f.:  mim 
wart  diu  sele  noch  der  lip  deswär  nie  lieber  danne  mir  ie  was  ein  wip; 
diu  eteswenne  sprach,  daz  selbe  waere  ich  ir :  nu  hat  siz  gar  verkeret 
her  ze  mir.  Auch  107,  1  zeigt,  daß  die  Hoffnung  des  Dichters  nicht 
in  Erfüllung  gehen  wollte:  nu  machet  valscher  Hute  nit  daz  guot  ge- 
dinge  wirt  ein  teil  ze  spaete.  Es  ist  ganz  gewöhnlich,  daß  in  solchen 
Fällen  der  Ritter  sich  nicht  entschließen  kann,  der  Geliebten  selbst 
die  Schuld  zuzuschreiben,  weshalb  er,  bis  er  erst  spät  eines  bessern 
belehrt  wird,  valscher  liute  nit  anklagt.  Den  rechten  Glauben  hat  der 
Dichter  aber  105,  36  f.  schon  völhg  verloren.  Noch  bestimmter  aber 
spricht  er  sich  in  dem  Lied  101,  15  f.  aus;    dasselbe  schließt  mit   den 


ÜBER  REINMAK  VON  HAGENAU.  75 

Worten:  daz  ist  besunder  an  mir  gar  ein  wunder,  deich  mich  Verlan 
han  ze  verrc  uf  den  wan  der  mich  ie  trouc  und  mir  froisliclien  louc,  Bit 
ich  ir  dienen  begunde  als  ich  künde.  Daß  sieht  doch  nicht  aus,  als  ob 
nur  eine  zeitweilige  Verstimmung  den  Dichter  von  seiner  Dame  fern- 
gehalten hätte. 

Wir  haben  bisher  eine  Reihe  von  Stellen  nicht  berücksichtigt, 
weil  sie  eine  besondere  Behandlung  verlangen.  Wir  meinen  die  Stro- 
phen, welche  der  Dichter  der  Herrin  selbst  in  den  Mund  legt:  103, 
27  (vielleicht  unecht).  100,  23.  106,  15.  107,  17.  110,  8  (wahrschein- 
lich Reinmar  angehörig)  und  111,  5.  Diese  Strophen  setzen  sämmtlich 
die  Neigung  der  Dame  für  ihren  Ritter  voraus.  Sie  beklagt  107,  23 
das  „fremeden"  des  Ritters  und  versteigt  sich  106,  22  geradezu  zu  der 
wunderlichen  Bitte:  nu  lone  als  ich  gedienet  habe.  Sollte  man  da 
nicht  fast  glauben,  der  Ritter  sei  der  gesuchte,  nicht  der  suchende 
Theil?  Freilich  ergäbe  sich,  wenn  die  Bitte  ernstlich  gemeint  wäre,  ein 
unlösbarer  Widerspruch.  Die  Klagelieder  Rugges,  und  deren  sind  nicht 
wenige,  schwebten  dann  ganz  in  der  Luft  und  könnten  höchstens  so 
erklärt  werden,  wie  Schmidt  es  versucht,  nämlich  durch  äußere  Ein- 
flüsse. Doch  es  bedarf  einer  solchen  Erklärung  gar  nicht.  Denn  fassen 
wir  die  Frauenstrophen  auch  bei  andern  Dichtern  ins  Auge,  so  sehen 
wir,  daß  in  ihnen  vielfach  von  einer  Neigung  der  Dame  zu  dem  ritter- 
lichen Sänger  die  Rede  ist,  die  nach  andern  Anzeichen  gar  nicht  vor- 
handen war,  von  einer  Gunst,  die  der  Dichter  nicht  genossen  hat. 
Darum  sind  diese  Frauenstrophen  für  die  Beurtheilung  der  Minnever- 
hältnisse so  gut  wie  werthlos.  Es  verlohnt  sich  kaum,  diese  offenbare 
Thatsache  weiter  auszuführen;  doch  wollen  wir  ihr  noch  etwas  näher 
treten  und  sie  wenigstens  an  einem  Beispiel  erläutern. 

Es  ist  charakteristisch,  daß  in  der  weit  überwiegenden  Zahl 
dieser  Strophen  die  Dame  ihre  Liebe,  sei  es  nun  als  Klage,  weil  sie 
den  Geliebten  entbehren  muß,  oder  als  Freude  über  die  Liebesgemein- 
schaft ausspricht  —  und  doch  sind  solche  Strophen  häufig  mit  andern 
verbunden,  in  denen  der  Ritter  über  die  Hartherzigkeit  der  Geliebten 
klagt,  oder  doch  wenigstens  von  einer  Erhöruug  nichts  weiß ;  so  ist 
es  MF  39,  4  und  11.  Besonders  auffallend  aber  tritt  bei  Hüsen  die 
UnZuverlässigkeit  der  Frauenstrophen  hervor.  49,  8  f.  erklärt  die  Dame 
pathetisch:  si  möhten  e  den  Rin  gekeren  in  den  Pfät,  e  ich  mich  iemer 
sin  getroste,  swiez  ergät,  der  mir  gedienet  hat.  Dieselbe  Gesinnung 
spricht  sich  in  dem  herrlichen  Lied  54,  1  f.  aus.  Hier  beschließt  die 
Herrin  gar,  zu  gewähren  alles  swes  sin  herze  gert  und  solte  ez  kosten 
mir  den  lip.     Dagegen  halte  man,  was  3üsen  in  sämmtlichen  andern 


7G  R.  BECKER 

Strophen  von  der  Herrin  sagt,  so  wird  man  den  entschiedensten  Wi- 
derspruch nicht  leugnen  können.  Wir  wollen  hier  nur  eine  Stelle 
anführen,  47,  33  f. :  nieraan  darf  mir  wenden  daz  zunstaete  ob  ich  die 
hazze  diech  da  minnet  e.  swie  vil  ich  si  geflehet  oder  gebaete,  so 
tuet  si  rehte  als  ob  sis  niht  verste.  Es  liegt  hier  offen  zu  Tage,  daß 
der  Dichter  die  Form  der  Frauenstrophe  nur  verwandte,  um  die  Liebe 
der  Herrin,  wie  Uhland  sagt,  als  Gegenbild  seiner  eigenen  darzustellen. 
Es  ist  diese  Neigung  der  Herrin  eine  poetische  Fiction,  mit  der  sich 
der  Dichter  einmal  die  Meilen  kürzt,  aus  der  aber  für  sein  Minne- 
verhältniss  nichts  gefolgert  werden  kann  cf.  Regel  p.  169. 

Ohne  diese  Erscheinung  weiter  zu  verfolgen  kehren  wir  zu  Rugge 
zurück;  auch  bei  ihm  bewährt  sich,  was  wir  über  die  Frauenstrophen 
gesagt  haben.    In  dem  Wechsel  107,  7,  geht  der  Erklärung  der  Dame, 
welche  ihr  tiefstes  Sehnen  bekennt,  ein  elegischer  Seufzer  des  Ritters 
voraus:    min  wurde  rät,  wolte    si    mir    künden   liebiu  maere.     Schon 
daraus  erhellt,  daß  das  nun  sogleich  folgende  maere  fingiert  ist.     Die 
schon  oben   angeführte  Stelle  106,  22  erinnert    nach  Schmidt  an  jene 
frühere  Epoche,  wo   das  Weib   um    den   stolzen  Mann  warb    und    ihn 
um  Erwiderung    treuer  Liebe  bat.     Aber  diese  Zeit  war  vorüber  und 
durch  sein  eigenes  Verhältniss  konnte  Rugge,  wie  wir  sahen,  nicht  an 
sie  erinnert  werden.     Auch  Reinmar  singt  154,  17  f.:    „ir  gruoz   mich 
minnecliche  enphie.    vil  gerne  ich   ir   des   iemer   lone"    und    der   hatte 
doch  mit  jener  früheren  Epoche  keine  Berührung  mehr.    Wir  erklären 
uns  die  Stelle  anders ;  indem  der  Dichter  die  fingirte  Liebe  der  Dame 
poetisch  darstellt,   verwendet  er    unwillkürlich    die    ganz    gewöhnliche 
Bitte  der  damaligen  Sänger,  treuen  Dienst  zu  lohnen,  obgleich  dieselbe 
im  Munde  der  höfischen  Dame,  die  nicht  dient,  sondern  bedient  wird, 
eigentlich  nicht  paßt.  Das  Lied  110,8  schreiben  wir  Reinmar  zu;  zudem 
würde  ein  freundliches  Wort  beim  Scheiden  wenig  bedeuten.  Das  zeigt  sich 
uns  deutlich  an  Johansdorf   Als  er  auf  den  Kreuzzug  zog,  sagte  ihm 
die    Dame    manch    schönes  Wort  (94,  35.  86,  28),    aber  merkte  hinter- 
her selbst,  was  er  davon  zu  halten  hatte.    87,  33  f. :  nu  waenet  si  dur 
daz  ich  var  daz  ich  si  läze  vri.     Schließlich  erinnern  wir  daran,    daß 
die  durch  die  Überschwänglichkeit   der  Ritter  verwöhnten  Frauen  mit 
dem   schwärmerischen  Minnedienst   wohl  auch    ein   wunderliches  Spiel 
trieben,   zum  Scherz  Aussicht   auf  Lohn  machten  und  dann  wohl  gar 
in  spotes  wis  versagten. 

Aus  dem  Bisherigen  ergibt  sich: 

1.  Rugge  fand  so  wenig  als  Hüsen,  Guotenburg,  Johansdorf, 
Reinmar  u.  A.  Erhörung,  wenn  er  auch  eine  Zeit  lang  darauf  zu  hoffen 
berechtigt  war. 


ÜBER  KP:INMAK  von  IIAGENAÜ.  77 

2.  Die  klagenden  Strophen  Jviigges  sind  demgemäß  nicht  etwa 
conventionellc  Seufzer,  die  Keinniariscliom  EinHuü  zuzuschreiben  wären, 
sondern  sie  entsprechen  vollkommen  der  Situation,  in  der  der  Dichter 
sich  befand.  Rcinmar  steht  also,  was  das  Trauern  anlangt,  zu  ihm 
nicht  in  dem  Verhältniss  des  Gegensatzes,  sondern  in  dem  der  Stei- 
gerung. 

3.  Da  die  Frauenstrophen  meist  Phantasien  der  Sänger  sind,  so 
wird  man  dieselben  bei  Reinmar,  wenn  sich  in  ihnen  die  Neigung  der 
Dame  ausspricht,  nicht  ohne  weiteres  in  ein  niederes  Verhältniss  zurück- 
weisen, oder  gar  diesem  Dichter  absprechen  dürfen. 

Im  Übrigen  ist  der  Charakter  Rugges  kräftig,  und  trotzdem  er 
im  Minnedienst  kein  Glück  hat,  wird  er  doch  nicht  dauernd  trübselig. 
Während  Reinmar  in  seiner  Trauer  zeitweilig  eine  komische  Figur 
ward,  findet  sich  bei  Rugge  keine  Spur  davon,  daß  er  irgendwie  dem 
Spott  verfallen  sei.  Schon  von  diesem  Gesichtspunkt  aus  erregt  es 
Bedenken,  wenn  Schmidt  das  Lied  191,  34  Rugge  zuspricht  cf.  192, 
14.  Doch  darüber  später.  Dem  einfachen  schlichten  Rugge  fällt  es 
auch  nie  ein,  sich  irgendwie  seiner  dichterischen  Begabung,  seines 
„Könnens"  zu  rühmen,  während  der  sonst  so  vielfach  verzagte  Reinmar 
gerade  hierin  viel  Selbstbewußtsein  zeigt.  Reinmar  meint  lange  Zeit, 
er  müsse  durch  seine  „rede"  endlich  doch  die  Herrin  gewinnen  und  als 
er  sieht,  daß  sie  ihm  nicht  helfen  kann,  droht  er  sogar^  er  wolle  nun 
überhaupt  nicht  mehr  singen.  Schmidt  hat  mit  Recht  hervorgehoben, 
daß  sich  in  der  Sprache  Rugges  viel  volksthümliche  Wendungen  finden; 
so  bewahrt  er  auch  treu  die  Anknüpfung  der  Stimmung  an  die  Farbe  der 
Jahreszeit.  Dafür  aber  ist  er  auf  der  andern  Seite  auch  wenig  productiv; 
weder  ist  er  reich  an  originalen  Anschauungen  und  Bildern,  wie  Mo- 
rungen,  noch  ist  er  tief  in  der  Schilderung  seiner  Gefühle  wie  Reinmar. 

Die  sprachlichen  EigenthümUchkeiten  Rugges  zu  schildern  hal- 
ten wir  für  überflüssig,  da  wir  mit  den  Ausführungen  Schmidts  im 
Wesentlichen  einverstanden  sind.  Einzelnes  wird  bei  der  Kritik  der 
Lieder  seine  Stelle  finden. 

Von  den  in  MF  Rugge  zugetheilten  Liedern  schreibt  Regel  103,  3 
Reinmar  zu;  Haupt  schwankt,  welchem  der  beiden  Dichter  die  in  dem 
Ton  109^  9  f.  gedichteten  Strophen  angehören.  Wir  besprechen  zunächst 
109,  9  f.  Die  handschriftliche  Überlieferung  bevorzugt  Reinmar,  doch 
können  bei  ihrem  Schwanken  nur  innere  Gründe  den  Ausschlag  geben. 
Unter  Reinmars  Namen  hat  A  3  Strophen,  E  5  Strophen,  C  6  Strophen, 
aber  zwei  zu  gleicher  Zeit  unter  Rugges  Liedern,  B  endlich  bringt 
3  Strophen  unter  Hüsen.     Haupt   bemerkt   in   den   Anmerkungen   mit 


78  R.  BECKER 

Recht:  „von  geringem  Gewichte  ist  es,  daß  100,  12  so  saelic  man  ge- 
rade wie  hier  Z.  33  steht. 

Der  Dichter  geht  davon  aus,  daß  ihm  die  Sommerfreude  unmög- 
lich sei,  weil  er  verleitet  sei  auf  einen   lieben  Wahn,    „den   ich   noch 
leider  unverendet  hän".   Von  eigentlicher  Naturschilderung  findet   sich 
hier  nichts,  nur  wird  der  Sommerzeit  als  der  Zeit  der  Freude  gedacht; 
trotzdem  scheint  es  Schmidt,  daß  der  Eingang  gegen  Reinmar  spreche. 
Freilich  ist  bei  diesem  die  Form  des  Gegensatzes  von  Naturgefühl  und 
Minneempfindung  die  übliche,    aber  daß  er  über  den  Einklang  beider 
ironisch  spotte  (169,  14  ich  hän  mc  ze  tuenne  danne  bluomen  klagen), 
bestreiten  wir.     Es  ist  ihm  bitterer  Ernst  damit.    Wo   das  Gefühl  un- 
glücklicher Minne  so  sehr  überwog,    da    mußte    die  Trauer  über  das 
Verderben  der  Blumen  bedeutungslos  werden.     Noch  weniger    können 
wir  in  188,  39  f.  ironischen  Beigeschmack  entdecken ;  vielmehr  bestätigt 
gerade  die  schwermüthige  Stelle,  aus  der  man  die  Liebe  zu  der  bluo- 
men schin  und  zu  der  vogelline  sanc  herauslesen  kann,    die  populäre 
Tradition,    indem    sie    den    Winter    als    die  Zeit  der  Trauer    auffaßt, 
ez    muoz    mir    staete    winter    sin  ,    so    rehte    swaer    ist    min    gedankt 
155,  1  f.  bestätigt  Reinmar  ausdrücklich,    er  sei  früher  der  alten  Auf- 
fassung der  Jahreszeiten  treu  gewesen;    ebenso  165^  1  f.:   ich   bin    der 
sumerlangen   tage   so  vro.     Zu   diesen  Stellen   sind   noch   zwei  andere 
hinzuzurechnen,  die  freilich  sehr  abgeblaßt  sind  und  deshalb  von  Schmidt 
nicht  beachtet  zu  sein  scheinen,  158,  1  f. :  wol  ime,  daz  er  ie  wart  ge- 
born,  dem  disiu  zit  genaedeclichen  hinne  gät  .  . .  wie  deme  nähet  manic 
wünneclicher  tac;  ich  aber  muß  einsam  trauern"  —  und  201,  19:  wes 
versürae  ich  tumber  man  mit  grozer  liebe  schoene  zit  —  wo  man  fi^-ei- 
lich  auch  die  schöne  Zeit   noch    anders    deuten    kann.     Ganz  verfehlt 
erscheint  es,  wenn  Schmidt  auch  aus  dem  schönen  Trauerlied  auf  Liu- 
polt  einen  principiellen  Gegensatz  zur  Tradition  herauslesen  will.    Mit 
dem  Eingang  „si  jehent,  der  sumer  der  si  hie,  diu  wunne  diu  si  ko- 
men,    und    daz  ich  mich  wol  gehabe  als  e.    nu  rätent  unde  sprechen, 
wie"  —  scheide  der  Dichter  sich    selbst  von    den  Andern,  welche   am 
Frühling  ihre  Freude  haben.     Allerdings,    aber    man  sehe  doch   auch 
auf  das  Motiv;  der  Genosse  der  Sommerwonne  ist  der  Dame  —  denn 
diese  spricht  hier,    nicht  Reinmar  selbst  —  gestorben.     Gegen    diesen 
Grund  läßt  sich  doch  wohl  nichts  einwenden.    Daneben  aber  wird  die 
Freude  an  der  Sommerzeit  nicht  nur  nicht  principiell  verworfen,  son- 
dern geradezu  anerkannt.     Der  Sommer    heißt:  wunneclichiu    zit  und 
die  Dame  hatte  sich  Liupolt  ze  sumerlicher  ougenweide  erkom.  Jeden- 
falls dürfen  wir  demnach  zweierlei  für  erwiesen  halten,    daß  Reinmar 


ÜnVAl  KKINMAK  VON  HAfJENAlI.  79 

seinen  eigenen  Worten  155,  1  gcmäii  vor  der  Zeit  der  tiefsten  Trauer 
Naturgeftihl  anerkannte  und  demgemäß  wohl  auch  poetisch  verwerthete, 
sodann,  daß  auch  während  seiner  Trauer  der  Gegensatz  nicht  princi- 
piell,  sondern  nur  durch  die  Verhältnisse  bedingt  war. 

In  109,  0  f.  ist  der  Gedankengang  der  ersten  Strophe  ganz  der- 
selbe wie  in  158,  1  f.  Ich  wollte  mich  gerne  des  Sommers  freuen, 
aber  um  eines  Weibes  willen  muß  ich  trauern.  Wir  haben  hier  echt 
Reinmarisch  die  Form  des  Gegensatzes.  Ebenso  wenig  kann  der  Aus- 
druck zwene  tage  und  eine  guotc  naht  auffallen.  Reinmar  verschweigt 
zwar  manches,  aber  so  zurückhaltend,  wie  Schmidt  ihn  zeichnet  ist  er 
nicht.  176,  13:  soll  ich  iemer  lieben  tac  oder  naht  gesehen,  daz  muoz, 
frouwe,  an  dir  geschehen.  167,  8.  165,  17.  156,  25.  160,  14.  168,  8 
152,  4. 

Während  wir  so  die  Gegeninstanzen  abweisen  oder  vielmehr  ge- 
radezu für  uns  in  Anspruch  nehmen  können,  spricht  Sprachliches  und 
Sachliches  übereinstimmend  für  Reinmar. 

Ohne  großes  Gewicht,  aber  doch  erwähnenswerth,  ist  es ,  daß 
Reinmar  auch  190,  11  die  Verbindung  lieber  wän  hat.  Bedeutungs- 
voller schon  scheint  der  Ausdruck  109,  11  zu  sein:  do  rieten  mine  sinne 
daz  .  . .  Bei  Rugge  findet  sich  nur  in  dem  angefochtenen  Lied  103,  11 
ein  entsprechender  Ausdruck:  mir  gap  ein  sinnic  herze  rät.  Bei  Rein- 
mar sonst  noch  159,  19  f.:  der  lip  ratet,  152,39  ein  wille  riet  mir, 
169,28  und  188,27:  daz  herze  raetet;  Reinmars  Stärke  liegt,  wie 
Schmidt  öfters  richtig  hervorhebt,  in  feiner  Gefühlsaualyse;  dem  ent- 
sprechen solche  Ausdrücke,  wie  die  eben  erwähnten.  Vor  Allem  richtig 
aber  ist,  daß  der  Satzbau  weit  abweicht  von  der  Einfachheit  Ruggescher 
Satzfügung.  Wenn  Rugge  auch  hier  und  da  kunstvolle  Perioden  bildet, 
so  stehen  sie  bei  ihm  doch  vereinzelt,  während  sie  hier  durch  eine  Reihe 
von  Strophen  durchgehen.  Conditionaler  Ausdruck  ist  sehr  bevorzugt. 
Die  ganze  dritte  Strophe  ist  conditional  gefaßt.  Ausrufe  mit  Inversion, 
wie  V.  23  liebt  Reinmar  so  sehr,  daß  wir  Beispiele  nicht  anzuführen 
brauchen;  doch  findet  sie  sich  auch  bei  Rugge  im  Ganzen  fünfmal 
98,8  und  21;  102,21;  107,12;  108,19;  ebenso  ist  die  oratorische 
Frage  v.  30  ganz  in  Reinmars  Manier,  wie  Schmidt  p.  42  nachweist, 
bei  Rugge  findet  sie  sich  etwa  viermal.  Auch  Parenthesen  wie  v.  25 
hat  Reinmar  nicht  gerade  selten  in  seiner  mittleren  und  späteren  Zeit, 
so  170,  14.  190,  9.  195,  33.  202,  8.  20  —  während  der  einfache  Satz- 
bau Rugge's  dafür  kein  Bedürfniss  und  keinen  Raum  hat;  99,  19  wird 
kaum  als  Parenthese  empfunden. 


80  K.  BECKER 

Diese  an  sich  schon  entscheidenden  Gründe  werden  noch  durch 
ein  sachliches  Moment  verstärkt.  Der  Dichter  des  Liedes  hofft  v.  18  f., 
wenn  er  nur  ungestört  mit  der  Dame  reden  könne,  so  werde  er  sie 
schon  gewinnen.  Wir  haben  schon  hervorgehoben _,  daß  das  ein  echt 
Reinmarischer  Zug  ist,  während  sich  bei  Rugge  nichts  Ahnliches  findet. 
Reinraar  kommt  immer  wieder  auf  diesen  Punkt  zurück.  170,  22  meint 
er,  er  müsse  es  entgelten,  daß  sie  seine  klagende  Rede  selten  ver- 
nommen habe,  also  ganz  wie  hier.  Er  beklagt  153^  28  und  32,  daß 
er  vor  Schüchternheit  nicht  habe  reden  können.  Nachdem  er  dann 
abgewiesen  ist,  wünscht  er,  daß  ein  anderer  seine  „rede"  hätte  157, 
21  f.  u.  s.  w. 

Es  spricht  demnach  so  Vieles  für  Reinmar,  daß  wir  nicht  umhin 
können,  dies  Lied  als  gesichertes  Eigenthum  unseres  Dichters  zu  betrach- 
ten. Dasselbe  gilt  von  den  übrigen  Strophen  dieses  Tones.  Zum  Anfang 
von  109,  36  ist  156,  27  f.  zu  vergleichen.  Den  Schluß  findet  Schmidt 
unreinmarisch.  Reinmar  ziehe  sich  von  der  Welt  zurück,  in  der  Rugge 
Ehre  und  Lob  suche.  Diese ;  wie  wir  glauben,  gänzlich  irrige  Auf- 
fassung des  Charakters  unseres  Dichters  werden  wir  noch  besprechen; 
einstweilen  citiren  wir  zur  W^iderlegung  150,  10  f.  152,  32.  198,  30. 
202,  25.  Auch  192,  20  f.,  ein  unzweifelhaft  echtes  Lied  Reinmars,  wie 
wir  später  sehen  werden,  gehört  hierher. 

Der  Wechsel  110,  8  f.  paßt  ganz  gut  in  den  Anfang  der  Minne 
unseres  Dichters  (cf.  den  zweiten  Theil).  Die  Dame  warnt  den  Ritter 
er  möge  sich  hüten,  daß  ihr  nicht  „maere"  komme,  wie  recht  unstät  er 
sei.  waer  er  min  eigen  denne,  ich  lieze  in  vri.  Es  ist  dem  Ritter 
damit  eigentlich  nicht  viel  verheißen,  aber  er  freut  sich  doch  der  guten 
Aussicht.  Die  beiden  Strophen  sind  durch  Responsion  verbunden;  daß 
das  nur  scheinbar  gegen  Reinmar  spricht,  werden  wir  bei  Besprechung 
der  Kreuzlieder  dieses  Dichters  zu  zeigen  suchen.  Da  das  Lied  ver- 
hältnissmäßig früh  gedichtet  zu  sein  scheint,  tritt  die  spätere  Eigen- 
thümlichkeit  Reinmars  noch  nicht  so  stark  hervor,  als  in  109,  9  f.,  doch 
ist  sie  auch  hier  schon  zu  erkennen.  Die  Dame  motivirt  sorgsam 
ihre  Vorsicht,  ebenso  der  Ritter  seine  Fröhlichkeit,  und  zwar  mit  dem 
bei  Reinmar  in  causalem  Sinn  überaus  häufigen  sit.  Conditionale 
Fassung  des  Ausdrucks  v.  12  und  23.  Auch  die  Warnung  vor  un- 
staete  war  bei  diesem  Dichter  wohl  angebracht,  wie  174,  27,  197,  26 
und  160,  12  beweisen.  Bei  Rugge  findet  sich  kein  Hinweis  auf  frühere 
„unstaete".  Auch  152,  15  f.  warnt  die  Dame  vor  Untreue:  böte,  nu  sag 
me  niht  me  wan  mir  ist  leide  und  fürhte  des,  sich  scheide  diu  triuwe  der 
wir  pflägen  e.  —  Wenn  dennoch  auch  vieles   für  Reinmar   spricht,    so 


IJHElf  HKlNMAIv'  VON  IIA(;HNAn.  gl 

halten  wir  (loch  nur  den  einen  Grund  für  entscheidend,  daß  der  Wech- 
sel in  demselben  Ton  wie  101),  IJ  gedichtet  ist. 

Während  wir  bei  den  bisher  betrachteten  Stropiien  zu  einem 
bestimmten  Uesultat  gchino-ten,  kommen  wir  bei  103,  3  f.  über  den 
Zweifel  nicht  hinaus.  B  crüfthet  mit  dem  Lied  die  Strophen  Rugges, 
C  führt  es  unter  Rugge  und  Rcinmar,  also  doppelt  auf,  A  kennt 
3  Strophen  unter  Sevcns  Namen.  Gegen  Reinmar  kann  man  nicht  die 
einfache  Syntax  ins  Feld  führen,  denn  gerade  bei  diesem  Dichter  läßt 
sich  ein  Fortschritt  von  ganz  einfachem  zu  verwickeltem  Periodenbau 
nachweisen.  154,  5  und  löH,  10  sind  in  dieser  Beziehung  so  einfach, 
wie  103,  3  auch.  Das  Lied  müßte  dann  in  die  Jugendzeit  des  Dich- 
ters fallen,  und  ein  Jugendgedieht  scheint  es  nach  der  ganzen  Art,  wie 
die  noch  durch  keine  trübe  Erfahrung  geschwächte  Hoffnung  sich  aus- 
spricht; ein  Jugendgedicht  Rugges  von  4  Strophen  aber  ist  an  sich 
sehr  unwahrscheinlich.  Im  einzelnen  ist  zu  bemerken,  daß  Rugge  den 
sonst  durchaus  nicht  seltenen  Ausdruck  nähen  bi  oder  nähen  für  „an 
oder  im  Herzen"  vielleicht  aus  Zufall  nicht  gebraucht;  es  ist  das  aber 
gerade  eine  Lieblingswendung  Rcinmars  150,  1.  151,  38.  188,  9  und  32 
und  öfters.  Auffällig  ist  187,  23:  Keiner  sprach  von  wiben  nie  so 
nähen  und  154,  11:  näher  dan  in  dem  herzen  min.  —  103,  11:  mir  gap 
ein  sinnic  herze  rät;  über  das  Herze,  das  Rath  gibt,  haben  wir  schon 
gesprochen.  Das  Beiwort  sinnic  aber  scheint  so  recht  der  sich  selbst 
beobachtenden  und  lobenden  Art  Reinmars  zu  entsprechen.  Er  ge- 
braucht es  153,  24.  192^  .52  und  9,  und  zwar  auch  als  Beiwort  zu  herze. 
Schmidt  spricht  zwar  dies  Lied  Reinmarn  ab,  aber  mit  so  ungenügenden 
Gründen,  daß  wir  nicht  anstehen,  es  hier  schon  als  diesem  Dichter 
angehörig  zu  citiren.  Reinmar  gebraucht  das  Substantivum  „sin"  eigen- 
thümlich,  ohne  nähere  Bestimmung  150,  10:  ein  man  der  sinne  hat.  — 
103,  19  min  lip  vor  liebe  muoz  ertoben;  ähnlich  181,  24  wan  daz  ge- 
danke  wellent  toben.  Schmidt  schreibt  das  Ki'euzlied  Rugge  zu ,  wir 
Reinmar;  je  nachdem  man  sich  dort  entscheidet,  gewinnt  der  eine  oder 
der  andere  eine  nicht  unrichtige  Parallele.  —  v.  25  ich  bin  noch  staete 
als  ich  ie  pflac.  Reinmar  freilich  hebt  197,  26  hervor,  er  sei  jetzt 
staete,  während  er  es  früher  nicht  war.  Es  wäre  aber  denkbar,  daß 
die  Beschränkung  173,  2:  sit  daz  ich  ir  künde  alrerst  gevie  —  im 
Sinne  des  Dichters  hinzuzunehmen  wäre.  Oder  das  Lied  könnte  einem 
früheren  Minneverhältniss  angehören.  Wirklich  bedenklich  aber  ist, 
daß  v.  20  und  22  wip  und  lit  aufeinander  reimen.  Bei  einem  Dichter, 
der  in  der  Zeit  seiner  völligen  Reife  noch  die  ahd.  Parti cipialform  ot 
verwendet,  kann  man  in  der  Jugend  vielleicht  auch  noch  einen  solchen 

OEKMANIA.  Neue  Reihe  X.  (XXH.)  Jahrg.  Q 


82  R.  BECKER 

unreinen  Reim  begreifen.  Eine  bestimmte  Entscheidung  aber  überlassen 
wir  andern  und  zwar  um  so  mehr,  da  wir  die  von  Regel  angezogene 
Parallele  182,  18  und  19  nicht  gelten  lassen,  denn  dies  Lied  müssen 
wir  Reinmar  absprechen. 

Wir  gehen  nun,  dem  Gange,  den  uns  Schmidt  vorzeichnet,  fol- 
gend, zu  einer  Besprechung  der  zweifellos  echten  Lieder  Reinmars 
über.  Dann  werden  wir  die  Züge,  in  denen  Schmidts  Charakteristik 
unseres  Dichters  der  Ergänzung  oder  der  Berichtigung  zu  bedürfen 
scheint,  zusammenstellen. 

Nach  einigen  Erörterungen  über  die  Handschriftenfrage  begründet 
Schmidt  die  Ansicht,  MF  150 — 152,  24  enthalte  Reinmars  älteste,  einem 
früheren  Liebesverhältniss  angehörige  Lyrik,  p.  33:  Wir  müssen  Lieder, 
die  einer  früheren  Epoche,  der  Jugendzeit  des  Dichters  angehören,  von 
der  ungleich  größeren  Zahl  deren  scheiden,  welche  sti'eug  höfisches 
Gepräge  tragen  und  ein  ohne  Liebesgenuß  verlaufendes  Verhältuiss  be- 
handeln, p.  122  wird  dann  ausdrücklich  Bartsch  und  Regel  zuge- 
stimmt, daß  diese  frühere  Minne  eine  niedere  gewesen  sei. 

Daß  Reinmar  allerdings  vor  seiner  ersten  Minne  noch  ein  oder 
mehrere  Verhältnisse  gehabt  hat,  ist  zweifellos ;  wir  werden  das  im  An- 
fang des  zweiten  Theiles  näher  besprechen.  Es  fragt  sich  aber,  ob  die 
Lieder  150,  1 — 152,  24  auf  eine  niedere  oder  auf  die  vornehme  Dame 
der  hohen  Minne  zu  beziehen  sind.  Daneben  hat  noch  eine  dritte  An- 
sicht Raum,  daß  dieselben  einer  gemäßen  Minne  gelten. 

Betrachten  wir  die  betreffenden  Lieder  näher.  In  dem  prisliet 
150,  1  f.  singt  und  sagt  der  Dichter  die  Ehre  der  Geliebten;  er  selbst 
ist  von  frischem,  idealem  Streben  erfüllt:  ez  wii't  ein  man  der  sinne 
hat  vil  lihte  saelic  unde  wert,  der  mit  den  liuten  urabe  gät,  des  herze 
niht  wan  eren  gert.  Solche  ritterliche  Ehre  war  aber  doch  nur  bei 
hoher  Minne  zu  gewinnen.  Auf  hohe  Minne  weist  auch,  daß  der  Dichter 
von  dem  ntt  der  Leute  redet  und  daß  er  die  Geliebte  als  seines  Her- 
zens Königin  feiert. 

In  den  folgenden  Wechselliedern  ist  die  früher  hervorgehobene 
Eigenthümlichkeit  zu  bemerken,  daß  die  Frauenstrophen  sämmtlich 
die  entschiedene  Neigung  der  Dame  voraussetzen,  während  die  Stro- 
phen, in  denen  der  Dichter  selbst  spricht,  zum  Theil  Zweifel  verratheu. 
Am  wenigsten  tritt  das  noch  hervor  in  dem  ersten  Wechsel  151,  1  f. 
Die  Dame  sehnt  sich  nach  dem  Ritter:  bedachte  er  baz  den  willen  min 
s6  waere  er  zallen  ziten  hie,  als  ich  in  gerne  saehe.  Aus  der  Gegen- 
strophe   sehen  wir,    daß    der  Ritter  an  die  Liebe    der  Herrin    glaubt: 


ÜBER  REINMAK  VON  HAGENAU.  83 

mir  ist  geschehen  daz  ich  niht  bin  langer  vro  wan  unz  ich  lebe.  Das 
sieht  aus,  als  ob  ilim  Alles  gewährt  worden  sei  und  doch  könnte  das 
Ganze  auch  nur  Ausdruck  seines  Optimismus  sein,  der  au  eine  kleine 
Gunst  die  größten  Hoffnungen  knüpft.  Jedenfalls  mahnt  das  spätere 
Bekenntniss,  daß  er  nach  wslne  gesungen  habe  zur  Vorsicht.  Sehen 
wir,  was  sich  aus  den  folgenden  Strophen  ergibt. 

In  151,  17  tritt  der  Abstand  der  beiden  Strophen  von  einander 
deutlich  hervor.  Gnade  sucht  sein  Dienst  nun  schon  manchen  Tag.  Er 
hat  also  noch  nichts  erreicht.  Echt  optimistisch  fährt  er  fort:  ich  weiz 
wol  daz  si  mich  lät  geniezen  miner  staete.  Also  niedere  Minne  ließ 
sich  Reinmar  so  sauer  werden?  Die  Unsicherheit  dieser  Hoffnung  auf 
Lohn,  denn  mehr  hat  er  ja  nicht  erreicht,  tritt  recht  auffüllig  in  der 
nun  folgenden  oratorischen  Frage  hervor,  mit  der  dieselbe  begründet 
wird :  wa  naeme  si  so  boesen  rat,  daz  si  an  mir  ....  missetaete.  Die 
Frauenstrophe  ist  ganz  anders  gehalten.  Die  Dame  versichert  den  Ritter 
ihrer  völligen  Hingabe:  „wes  er  mit  rehter  staete  vro,  ich  sage  im 
liebiu  maere,  daz  ich  in  gelege  also,  mich  diuhte  ez  vil,  ob  ez  der 
keiser  waere."  Wie  reimen  sich  die  beiden  durch  Responsion  ver- 
bundenen Strophen  zusammen ,  wenn  nicht  die  Frauenstrophe  ein 
Phantasiebild  ist,  in  dem  der  Dichter  als  wirklich  darstellt,  was  er 
wünscht  und  vielleicht  auch  hofft? 

Bei  der  Besprechung  von  151,  33  f.  bemerkt  Schmidt,  es  sei  ihm 
nicht  klar,  warum  im  Minnesangs  Frühling  die  Strophen  B  6  und  7  eine 
Umstellung  erfahren  haben.  Dieselbe  ist  wohl  nicht  unpassend  erfolgt, 
weil  am  Ende  von  B  6  ein  liebez  maere  angekündigt  ist,  das  dann 
B  8  gleich  selbst  folgt.  Eine  Beziehung  auf  das  maere  des  vorigen 
Wechsels  scheint  nicht  so  nahe  zu  liegen.  Dem  Ritter  sind  in  diesem 
Lied  zwei  Strophen  zugetheilt,  der  Dame  nur  eine.  Sehr  bezeichnend 
ist,  daß  beide  den  gleichen  Gedanken  aussprechen,  nämlich  daß  jedes 
um  die  Treue  der  andern  sorgt.  152,  1 :  wil  diu  schoene  triuwen  pflegen 
und  diu  guote,  so  ist  mir  also  wol  ze  muote  als  der  bi  vrowen  hat 
gelegen.  Damit  correspondirt  v.  21  f. :  böte  nu  sag  imc  niht  me  wan 
mir  ist  leide  unde  fürhte  des,  sich  scheide  diu  triuwe  der  wir  pflägen  e. 
Wenn  die  Dame  wirklich  so  gesprochan  hätte,  wäre  gar  nicht  die  Rede 
davon,  daß  sie  mit  der  Herrin  der  späteren  Lieder  identisch  wäre,  aber 
sie  kann  nicht  so  gesprochen  haben,  weil  sonst  in  dem  Gedicht  ein 
schreiender  Widerspruch  bestünde.  Wäre  Reinmar  wirklich  ein  solches 
maere  zugekommen,  er  hätte  um  triuwe  nicht  zu  sorgen  brauchen, 
Entweder  ist  also  das  ganze  maere  eine  Fiction,  oder,  was  uns  wahr- 
scheinlicher ist,    irgend   ein  freundUches  Wort  ist  ihm  von  der  Dame 

6* 


84  «•  BECKEH 

zugekommen,  das  aber  nicht  genügte,  seine  Besorgniss  zu  heben,  also 
auch  nicht  mit  dem  Inhalt  der  Frauenstrophe  152,  15  identisch  sein 
kann.  Zum  Beweis,  daß  unser  Lied  sich  nicht  auf  die  spätere  Minne 
beziehen  könne,  führt  Schmidt  166,  20  an:  wan  ich  noch  nie  den  boten 
gesach  der  mir  ie  brachte  trost  von  ir,  wan  Icit  und  ungemach.  Der 
Widerspruch  ist  nur  dann  wesentlich,  wenn  wir  den  Inhalt  der  Frauen- 
strophe für  baare  Münze  nehmen.  Ein  freundliches  Wort,  das  beim 
Beginn  des  Minneverhältnisses  Bedeutung  hatte,  sofern  es  auf  weiteres 
hoffen  ließ,  konnte  später,  nachdem  die  Hoffnung  sich  nicht  erfüllt 
hatte,  in  seiner  Nichtigkeit  erkannt  werden  und  ganz  zurücktreten. 

Wir  fassen  nun  unser  Urtheil  über  die  vier  Lieder  kurz  zu- 
sammen. 

Das  prisliet  150,  1  feiert  mit  großer  Wahrscheinlichkeit  die  vor- 
nehme Dame  der  späteren  Lieder.  Ob  dies  auch  bei  den  drei  andern 
Liedern  der  Fall  ist,  bleibt  ungewiß.  Der  Inhalt  nöthigt,  da  die  Frauen- 
strophen unzuverlässig  sind,  uns  nicht,  sie  einem  ersten  Vcrhältniss  im 
Gegensatz  zu  dem  lang  dauernden  zweiten  zuzuweisen.  Wir  werden  später 
sehen,  daß  auch  sonst  Anzeichen  dafür  vorhanden  sind,  daß  jenes  einen 
scheinbar  glückverheißenden  Anfang  gehabt  hat.  Daß  Reinmar  sich 
manchmal  vielleicht  in  gutem  Glauben  den  Schein  gegeben  hatte,  als 
sei  er  begünstigt,  beweist  die  wichtige  Stelle  180,  1  f.:  ich  was  mines 
muotes  ie  so  her,  daz  ich  in  gedanken  dikke  schone  lac.  Das  hatte 
Gelegenheit  zu  falschem  Gerede  gegeben;  er  fährt  daher  fort:  daz 
wart  mir,  und  wart  och  mir  niht  mer.  swer  daz  äne  rede  niht  geläzen 
mac,  der  tuet  übel  unde  sündet  sich.  —  Einem  niederen  Verhältniss 
sind  die  drei  Lieder  jedenfalls  nicht  gewidmet.  Eher  könnte  man  an 
gemaeze  minne  denken  und  160,  12  f.  bietet  dafür  auch  einigen  Anhalt. 
Aber  es  scheint  uns  die  Nöthigung  zu  dieser  Annahme  zu  fehlen. 
Mögen  Andere  hierüber  entscheiden;  wir  jedenfalls  sind  bis  jetzt  zu 
einem  sicheren  Urtheil  nicht  gekommen,  wenn  wir  auch  einstweilen 
daran  festhalten,  daß  die  drei  Lieder  in  den  Anfang  der  hohen  Minne 
fallen.  Daß  zwischen  ihnen  und  den  späteren  ein  Unterschied  besteht, 
verkennen  wir  nicht,  aber  die  hohe  Minne  Reinmars  nahm  in  ihrem 
weiteren  Verlauf  einen  ganz  anderen  Charakter  an,  als  im  Anfang. 

Die  folgenden  Lieder  bis  180,  27  bedürfen  einer  so  genauen  Be- 
sprechung wie  die  bisherigen  nicht.  Wir  heben  nur  da  etwas  hervor, 
wo  wir  gegen  die  Ausführungen  Schmidts  Einsprache  erheben  müssen, 
oder  wo  es  gilt,  spätere  Schlüsse  vorzubereiten. 

154,  5  ff.,  3  Strophen,  in  A  und  C  erhalten.  Das  Lied  gehört 
sicher  zu  den  früheren,    cf.  v.  17  und  18.     Die  Klage  ist  so  gut  wie 


CfBEK  REINMAR  VON  PfAGICNAlI  85 

gar  nicht  vortreten.  Auf  den  hyperbolischen  Ausdruck  v.  1 1  liaben  wir 
schon  früher  aufmerksam  gcnnicht.  Das  Gedicht  ist  uns  besonders 
dadurch  merkwürdig,  daß  sich  die  spätere  Eigenart  des  Reinmarischen 
Stils  noch  nicht  erkennen  läßt.  Di(;  Sätze  sind  meist  einfache  Aus- 
sagesätze, wie  sie  Hugge  kaum  einfacher  hat.  Von  einer  Neigung  zu 
Antithesen,  zu  lebhaften  Ausrufen  u.  s.  w.  findet  sich  nicht  die  Spur. 
Auch  in  150,  1  f.  uiul  151,  17  ist  die  Syntax  noch  sehr  einfach,  wäh- 
rend in  151,  33  die  spätere  antithetische  Manier  sich  bereits  in  mehreren 
Beispielen  kundgibt,  cf.  v.  37  und  38;  152,  10  und  12. 

15G,  10.  Schmidt  hält  es  für  wahrscheinlich,  daß  das  Lied  dem 
ersten  Liebesverhältniss  zuzuweisen  sei.  Daß  dem  Dichter  der  Muth 
sich  wie  ein  Falke  erhebt,  weist  auf  hohe  Minne  hin,  cf.  180,  10,,  wo 
dasselbe  Bild  von  hoher  Minne  gebraucht  ist.  Trotzdem  am  Schluß 
die  Worte:  owol  mich  danne  langer  naht!  wie  künde  mich  verdriczen? 
Das  Gedicht  ist  sehr  frisch,  die  Satzbildung  aber  auch  hier  sehr  einfach. 

Ein  besonderes  Interesse  für  uns  hat  167,  31  f.  Da  Leopold  in 
den  letzten  Tagen  des  Jahres  1194  starb,  so  steht  für  die  Abfassung 
dieses  Gedichtes  der  Sommer  1195  fest.  Der  Ausdruck  ist  frischer  als 
in  irgend  einem  andern  Lied.  Die  Dame  hatte  sich  Liupolt  ze  sumer- 
licher  ougenweide  erkorn_,  er  war  ihr  auch  aller  vröuden  herre.  —  v.  12. 
miner  wunnen  Spiegel.  —  v.  8.  min  heil  an  sime  libe  lac.  —  Die  Werlt 
ist  personificirt.  Wir  sehen  an  diesem  Liede^  wie  frisch  Reinmar  da- 
mals noch  sein  konnte,  wo  er  doch  schon  einige  Jahre  der  Herrin 
scheint  gedient  zu  haben.  Der  Satzbau  wenigstens  hat  schon  vielmehr 
Reinmarisches  Colorit,  als  in  den  beiden  vorigen  Gedichten. 

Schmidt  verwirft  hier  mit  Recht  die  Annahme  von  Haupt  und 
Bartsch,  die  zwei  letzten  Strophen  seien  von  der  Frau  Werlt  ge- 
sprochen, cf.  V.  26:  der  ist  nun  hin.  was  töhte  ich  hie?  Die  letzten 
zwei  Strophen  legt  er  einer  Dame  in  den  Mund.  Warum  nicht  alle 
drei?  Durch  nichts  ist  ein  Wechsel  der  sprechenden  Personen  ange- 
deutet, also  ist  wohl  des  ganze  Lied  im  Sinn  einer  klagenden  Dame 
gesprochen. 

Zu  154,  32  f.  bemerkt  Schmidt  p.  37  :  „ein  anderer  verläßt  die 
Dame,  welche  seinen  Bitten  eine  beharrliche  Weigerung  entgegensetzt 
und  sucht  sein  Glück  bei  anderen  Frauen.  Nicht  so  Reinmar."  Auch 
hier  wfrd  unser  Dichter  ins  Schwarze  gemalt.  Er  thut,  was  die  anderen 
thun,  nur  vielleicht  etwas  auffälliger.  Hüsen,  Johansdorf,  Morungen, 
Rugge,  sie  alle  scheinen  mit  ihren  Bitten  nichts  erreicht  zu  haben, 
doch  es  ist  von  keinem  zu  erweisen,  daß  er  sich  daraufhin  wirklich 
zu  andern  Damen  gewandt  habe. 


86  R.  BECKER 

Zu  154,  5—31  hciüt  es  p.  43:  „in  A  scheint  hier  ein  Liederbuch 
zu  Ende  zu  gehen,  denn  Strophe  34  beginnt  „swaz  icli  nu  niuwer  maere 
sage".  So  wird  auch  p.  46  das  Lied  166,  16  an  der  Spitze  des  Cyclus 
von  der  rede  gestellt  wegen  des  crniuwet.  Ebenso  wird  p.  64  der 
Vers:  nu  muoz  ich  ie  min  alten  not  mit  sänge  niuwcu  unde  klagen 
zu  dem  Beweis  verwerthet,  daß  dort  ein  neues  Liederbuch  beginne. 
Warum  die  aber  gerade  an  dem  niuwe  zu  erkenuen  sein  sollen,  ist 
nicht  recht  ersichtlich.  Das  wäre  nur  dann  denkbar,  wenn  die  Lieder- 
bücher wirklich  genau  der  Chronologie  folgten,  was  aber  Schmidt  p.  45 
selbst  bestreitet.  Man  könnte  dann  sagen,  der  Dichter  habe  eine  Zeit 
lang  geschwiegen  und  sei  dann,  indem  er  eine  neue  Serie  von  Liedern 
begonnen  habe ,  unwillkürlich  auf  den  Ausdruck  niuwe  gekommen. 
Aber  in  den  Handschriften  und  demgemäß  auch  wohl  in  den  zu  Grunde 
liegenden  Liederbüchern  sind  die  Lieder  willkürlich  zusammengestellt, 
oder  nach  einem  Princip,  das  nicht  erweislich  schon  in  der  Intention 
des  Dichters  lag.  Da  nun  die  Stellung  der  Lieder  gewiß  vielfach  eine 
zufällige  war,  kann  aus  dem  niuwe  auch  auf  den  Anfang  eines  Lieder- 
buches nicht  geschlossen  werden.  Wunderlich  und  auf  die  Spitze  ge- 
trieben klingt  es,  wenn  gar  gefolgert  wird,  von  Bligger  sei  in  BC  nur 
der  Anfang  eines  Liederbuches  erhalten,  weil  die  erste  Strophe  beginnt: 
min  alte  swaere  die  klage  ich  für  niuwe.  Morungeu  singt  145,  17  f., 
es  habe  ihm  geträumt,  daz  verblichen  süle  ir  mündelin  so  rot.  des  hän 
ich  nu  niuwer  klage  begunnen  . .  .  Daß  ein  solches  Lied  nun  aber  auch 
an  die  Spitze  einer  Sammlung  gestellt  werden  mußte^  ist  nicht  zu 
erweisen. 

155,  27.  Lachmauns  formale  Bedenken  gegen  das  Lied  bleiben 
bestehen,  aber  der  Grund,  den  Schmidt  hinzufügt,  das  Duett  passe 
weder  in  Reinmars  früheres,  noch  in  sein  späteres  Verhältniss,  bedeutet 
wenig.  Die  beiden  Strophen  widersprechen  sich  und  würden,  wenn 
man  die  Frauenstrophe  nicht  als  poetische  Fiction  faßt,  in  gar  kein 
Verhältniss  passen.  Was  den  Inhalt  anbelangt,  so  könnte  das  Gedicht 
recht  gut  in  die  frühere  Zeit  der  hohen  Minne  fallen.  Auch  Regel 
p.  169  vertheidigt  das  Lied;  die  Frauenstrophe  stellt  er  zu  den  drei 
vorausgegangenen  Strophen, 

Schmidt  verläßt  p.  45  die  in  den  Handschriften  und  demgemäß 
in  MF  herrschende  Anordnung,  „welche  keine  historische  ist",  und 
greift  eine  Reihe  von  Liedern  heraus,  die  ihm  nach  deutlichen  An- 
zeichen auf  einander  zu  folgen  scheinen.  In  der  Anordnung  der 
Lieder    können    wir    ihm    nicht    immer    zustimmen,    doch    gehen    wir 


ÜBER  REINMAR  VON  HAGENAU  87 

daraul'  nicht  weiter  ein,  da  wir  im  zweiten  Tlicil  darlegen,  welche  An- 
ordnung wir  für  die  richtige  halten.  Nachdem  dann  sänimtliche  Lieder 
bis  180,  27  l)ehandelt  sind,  schließt  sich  an  die  Besprechung  derselben 
eine  Erörterung  über  die  geistigen  Eigenthüraliclikeiten  des  Dichters. 
Ein  zusanimeni'assendes  Urthcil  M'ar  allerdings  nothwendig,  denn  die 
folgenden  Strophen  stehen  meist  nur  in  C,  sind  also  schwach  bezeugt, 
da  diese  Handschrift  neben  zweifellos  Reinmarischc  ebenso  zweifellos 
Ruggesche  Strophen  gestellt  hat.  Daher  sind  wir  denn  bei  der  Kritik 
der  einzelnen  Lieder  vorwiegend  auf  innere  Gründe  angewiesen. 

Die  Charakteristik  Reinmars  war  schon  durch  gelegentliche  Be- 
merkungen vorbereitet,  so  p.  50  zu  der  Stelle  163,  7  f.:  daz  lop  wil 
ich  daz  mir  beste  und  mir  diu  kunst  diu  werlt  gemeine  gebe,  daz 
niht  mannes  kan  sin  leit  so  schone  tragen.  Dazu  bemerkt  Schmidt: 
„Er  sucht  also  etwas  in  seiner  Klage  und  sein  Schmerz  ist  kein  tief- 
gefühlter, denn  er  trägt  ihn  zur  Schau."  Und  p,  54  heißt  es:  „Er  stellt 
den  Satz  auf,  daß  ohne  Sorge  und  Kummer  niemand  wert,  d.  h.  inter- 
essant sei.  Aber  indem  dies  Schlagv/ort  als  Parole  ausgegeben  wird, 
öffnet  man  zugleich  gekünstelter  Empfindung  das  Thor"  —  und  weiter 
unten:  „Er  will  traurig  sein,  weil  es  zum  höfischen  bon  ton  gehört." 
Wenn  diese  Urtheile  begründet  sind^  so  ist  es  keine  Frage,  da(i  man 
sich  bisher  in  der  Beurtheilung  Reinmars  gründlich  geirrt  hat.  Nament- 
lich aber  ist  zu  verwundern,  daß  Walther  und  Gotfried,  die  sich  doch 
beide  auf  wahre  Poesie  verstanden,  so  gründlich  irrten.  Zwar  könnte 
auch  ihr  Blick  durch  die  einmal  herrschende  Mode  geblendet  gewesen 
sein,  doch  ermuthigt  immerhin  ihre  Autorität,  die  Sache  noch  einmal 
zu  prüfen.  Durch  das  Interesse  der  Sache  halten  wir  es  für  gerecht- 
fertigt, wenn  wir  uns  auf  den  Charakter  Reinmars  und  seine  Stellung 
zum  Minne  dienst  etwas  genauer  einlassen. 

Was  an  dem  Miunedienst  besonders  auffällt,  ist  die  Sitte,  daß  man 
hohen  und  vielfach  auch  verheirateten  Frauen  diente.  Gerade  dieser 
Umstand  ward  für  die  ganze  Richtung  verderblich.  Denn  indem  der 
Ritter  die  Vorstellungen,  welche  vom  Lehensdienst  galten,  auf  den 
Minnedienst  übertrug,  glaubte  er  sich  durch  treuen  Dienst  ein  klares 
Recht  auf  Lohn  zu  erwerben  und  dieser  Lohn  war  kein  anderer,  als 
vollständige  Hingabe  der  Dame.  So  eigenthümlich  berühren  sich  hier 
ideale  und  sinnliche  Momente.  Im  Interesse  der  vornehmen  Frauen 
aber  lag  es,  daß  die  Ritter  für  ihre  Dienste  sich  mit  idealem  Lohn  be- 
gnügten. Ausnahmen  mögen  ja  oft  genug  stattgefunden  haben,  auch 
mag,  wie  Scherer  treffend  bemerkt,  nicht  minder  die  Sitte,  als  die 
Sittlichkeit  das  Verhalten  der  Frauen    im    einzelnen    bestimmt    haben. 


88  K.  BECKEK 

„in  ist  licp  daz  man  si  staeteclichen  bite,  und  tuot  in  doch  so  wol  daz 
si  versageut"  —  so  zeichnet  Reiunaar  das  von  ihm  so  hoch  gepriesene 
schöne  Geschlecht  jener  Tage;  ähnlich  Vridank  100,  24  f.  bei  Grimm, 
I.  Auflage.  Aber  welcher  Art  auch  die  Motive  gewesen  seien,  jeden- 
falls suchten  die  Frauen  stürmisches  sinnliches  Begehren  fernzuhalten. 
Klar  und  deutlich  spricht  das  ein  Lied  des  trefi'lichen  Johansdorf  aus, 
MF  93,  12  f.  Der  Ritter  klagt  dort  der  Frau  seinen  Kummer,  aber 
damit  fährt  er  übel ;  v.  20:  wo,  was  sagent  ir  tumber?  ir  mugent  iuwer 
klage  wol  läzen  sin.  Dabei  verhehlt  sie  ihre  Neigung  für  den  vil 
lieben  man  durchaus  nicht ,  aber  sie  weiß :  werte  ich  iuch ,  des  hetet 
ir  ere;  so  waere  min  der  spot.  Und  als  er  nun  betrübt  fragt,  ob  denn 
sein  Singen  und  sein  Dienst  ohne  Lohn  sein  solle,  antwortet  sie  klug: 
j,iu  sol  wol  gelingen:  äne  Ion  so  sult  ir  niht  bestän."  „wie  meinent  ir 
daz  vrouwe  guot?"  „daz  ir  deste  werder  sint  und  da  bi  hochgemuot." 
Diese  Dame  ist  das  Urbild  vieler  gefeierten  Frauen.  Der  Dienst  des 
Ritters  war  die  Freude  und  Ehre  der  Frau,  aber  der  Lohn,  den  sie 
gewährte,  war  meist  nur  geistiger  Natur. 

Das  Lied  Johansdorfs  aber  führt  uns  noch  auf  ein  zweites  Mo- 
ment, und  hier  treten  wir  in  entschiedenen  Gegensatz  zu  Schmidt;  die 
Dame  verlacht  die  Klage  nnd  wünscht  den  Ritter  fröhlich  zu  sehen. 
Ganz  allgemein  kann  man  sagen,  Fröhlichkeit,  nicht  Trauer  galt  als 
Vorzug  und  als  das  eigentlich  höfische.  Es  war  das  gesellschaftliche 
Dogma  jener  Zeit,  daß  wahre  Freude  nur  im  Minnedienst  zu  erwerben 
sei,  ebenso  wie  daß  man  die  Gunst  der  Frauen  nur  durch  Fröhlichkeit 
erwerbe;  „mit  zühten  gemeit"  —  wie  Walther  sagt,  das  war  die  Losung 
der  höfischen  Gesellschaft.  Den  Jungen  ruft  dieser  Dichter  zu:  junger 
man,  wis  hohes  muotes  dur  diu  reinen  wol  gemuoten  wip.  In  dem 
Lied  43  nach  Lachmann  schildert  die  Dame  den  Mann,  der  Frauen 
wohl  behagt:  wer  übel  und  gut  erkennt,  von  Frauen  das  Beste  sagt, 
dem  sind  sie  hold.  „Kan  er  ze  reh*e  euch  wesen  fro  und  tragen  ge- 
mtiete  ze  raäze  nider  unde  ho,  der  mac  erwerben  swes  er  gert."  Solcher 
Stellen  könnte  man  aus  Walther,  Ulrich  von  Lichtenstein  und  a.  v. 
eine  ganze  Menge  ausheben.  Es  wird  geradezu  als  ein  Zeichen  des 
Verfalls  von  Walther  angesehen,  daß  die  jungen  Leute  nicht  mehr 
fröhlich  sind,  daß  sie  nur  noch  sorgen  können.  Dem  gegenüber  ist 
die  Behauptung  hinfällig,-  daß  Reinmar  der  Mode  zu  Liebe  getrauert 
habe.  Derselbe  rühmt  an  Herzog  Liupolt  168,  2  als  etwas  ganz  be- 
sonderes, man  habe  ihn  keinen  einzigen  Tag  traurig  gesehen.  Auch 
wünscht  seine  Dame  gerade  wie  die  Johansdorfs,  daß  er  anstatt  zu 
klagen  „wol  nach  fröiden"  singe  189,  14.  Weil  demnach  die  Trauer  für 


iJBEH  HEINMAI{  VON   IIAOKNAU.  S<) 

unliöfisch  galt,  so  suchte  man  sie  zu  verberf^cn.  Bci'ngcr  von  Horheim 
115,  16  f.  Blioger  118,  10.  Auch  Walther  verhehlt  sein  Leid  und  hebt 
mit  dem  Bewußtsein,  daß  er  damit  der  guten  Sitte  ein  Opfer  bringe^ 
hervor:  während  manch  anderer  Mann,  der  nicht  den  halben  Schaden 
hat,  trauert,  so  gebäre  ich  gelichc  als  ich  si  der  fröiden  riche. 

Der  ritterliche  Frauendienst  trug  durch  die  inneren  Widersprüche, 
die  in  dieser  Richtung  lagen,    schon   von  vorn   herein   den  Keim   der 
Vernichtung  in  sich  und  würde  auch  ohne  den  Verfall  des  politischen 
Lebens  bald  entartet  sein.     Die  Sitte  verlangte   von   dem  Kitter  Fröh- 
lichkeit  und    doch  mußten  gerade  die  treusten  Anhänger  des  Frauen- 
dienstes   zuletzt    am    meisten    in    trübe  Stimmung  verfallen,    weil    ihre 
Wünsche  nicht  erfüllt  Averden  konnten.     Am  besten  ging  es  wohl  den 
glatten    höfischen  Gesellen,    welchen    die  Minne    überhaupt    nicht   tief 
ging.     Sie    mochten    wohl    ein  Liedlein    von    ihrer    Sehnsucht    singen, 
blieben  dabei  aber  guter  Dinge,   weil    sie    den  Frauendienst    als    eine 
angenehme  Unterhaltung,  ein  Spiel  ohne  innere  Wahrheit  betrachteten. 
So  sagt  Reinmar   selbst  von   seiner   früheren  Zeit  157,  11:    ich  wände 
ie   ez  waere   ir   spot,   die  ich  von   minnen   grözer  swaere  horte  jehen 
und  man  meinte  ebenso  von  seiner  Liebesklage,  sie  sei  nur  ein  Scherz 
166,  11.  Diese  Leute,  denen  es  nach  Reinmars  Ausdruck  nicht  „nä  zc 
herzen"   ging,  scheinen  schon  früh  ziemlich  zahlreich  gewesen  zu  sein 
(118,  10)  und  es  liegt  in  der  Natur  der  Sache,    daß    sie    immer  zahl- 
reicher wurden.     Zu  den  besseren  und  tiefereu  Naturen  aber,  die  ehr- 
lich   an    das  Dogma    glaubten,    bis    sie    durch    böse  Erfahrungen    irre 
wurden,    zählen   wir   die   meisten   älteren   Minnesinger.     Manche   von 
ihnen  wandten  sich  zuletzt   enttäuscht  von   der   hohen  Minne    ab,  wie 
Walther,  Wolfram,  Hartman:  andere,  die  dazu  nicht  die  Kraft  hatten, 
verfielen  ganz  in  melancholisches  Trauern,  imd  zwar  um  so  mehr,  je 
inniger  und  begeisterter  sie  vorher  die   neue  Richtung   in   sich   aufge- 
nommen hatten.   Zu  diesen  Naturen  ist  vor  allem  Reinmar  zu  zählen. 
Reinmar   hatte  wie  Walther  in    der  Jugend  sich  niederer  Minne 
hingegeben,    aber   seine   sinnige,    ideal   gestimmte  Natur  war  wie   ge- 
schaffen für  den  Frauendienst  und    so    ergriff   er    denn,    nachdem    er 
einmal  in  dem  Streben,    ein  werther  Ritter   zu  werden,    auf  die   neue 
höfische  Sitte    eingegangen  war,    dieselbe    mit  voller,    tiefer  Begeiste- 
rung. Sein  tief  angelegtes,  innerliches  Wesen  spricht  sich  eigenthümlich 
darin  aus,  daß  er  oft  bemerkt,  wie  viel  ihm  die  Gedanken  zu  schaffen 
machen.   174,  24:  nie  wart  groezer  ungemach  danue  ez  ist  der  mit  ge- 
danken  umbe  gät.    151,  33.  163,  18.  161,  24  f.  (von  Schmidt  Rugge  zu- 
geschrieben).   So  sehr  aber  der  Frauendienst  auch  bei  ihm  auf  idealem 


90  K.  BECKER 

Grunde  ruhte,  so  hielt  er  doch  an  der  Auffassung  fest,  daß  treuem 
Dienst  sein  Lohn  gebühre  —  189,  35.  190,  23.  173,  34.  174,  23.  Unter 
diesem  Lohn  verstand  er  wie  seine  Zeitgenossen  völlige  Hingabe  der 
Herrin.  Dem  widerspricht  nicht,  daß  er  gelegentlich,  um  den  Herrn 
der  Dame  zu  besänftigen,  erklärt :  und  kan  ich  anders  niht  gewinnen, 
c  daz  ich  äne  ir  liuldc  si,  ich  wil  ir  güete  und  ir  gebaerde  minnen. 
Aber  auch  in  ganz  späten  Gedichten  kehrt  die  Bitte  um  Lohn  wieder 
—  109,  10,  cf.  201,  30;  ja  er  beruft  sich  sogar  darauf,  daß  die  Pflicht 
und  Ehre  der  Dame  es  erheische,  ihn  zu  lohnen  —  151,  23.  190,  18. 
Reinmar  nimmt  demnach  in  dieser  Beziehung  keine  andere  Stellung 
ein  als  die  übrigen  Minnesinger  und  es  ist  irrig,  Avenn  Schmidt  ihn 
von  den  anderen  isolirt.  Vergleicht  man  unsern  Dichter  mit  Walther, 
so  wird  man  finden ,  daß  derselbe  viel  genügsamer  ist  und  sich  meist 
schon  mit  einem  guten  Gruß  begnügen  will. 

Da  ihm  nun  sein  Dienst  anstatt  Lohnes  den  Zorn  der  Herrin 
zuzieht,  so  verfällt  der  für  höfische  Sitte  so  begeisterte  Dichter  in  ganz 
unhöfische  Trauer.  Er  kann  seinen  Kummer,  so  sehr  er  darnach  strebt, 
nicht  verbergen  und  wird  so  seinen  Genossen  zum  Spott  158,  12.  165, 
14.  166,  27  u.  ö.  Trotz  der  melancholischen  Schwernmth  aber,  in  die 
er  verfallen  ist,  liebt  der  Dichter  noch  immer  die  Freude  und  sehnt 
sich  beständig  nach  ihr.  Er  ist  158,  7  nach  Freude  verdaht;  der 
Dame  wirft  er  155,  23  vor:  si  was  ie  mit  fröiden  und  lie  mich  in  den 
sorgen  sin.  168,  2  rühmt  er  anLiupolt  dessen  Fröhlichkeit,  cf.  170,7  u.  a. 
Der  Stellen,  welche  beweisen ,  daß  er  in  der  That  die  Freude,  nicht 
die  Trauer  für  höfisch  hielt,  sind  so  viele,  daß  wir  einzelne  nicht 
weiter  ausheben  wollen.  Es  ist  daher  nur  schwer  begreiflich,  wie 
Schmidt  hierin  so  ganz  irren  konnte.  Daß  die  frohe  Stimmung  ver- 
hältnissmäßig so  selten  wirklich  hervortritt,  begreift  sich  leicht  aus 
seiner  Lage.  Zwar  ging  es  auch  andern  so ,  aber  die  wußten  sich 
leichter  damit  abzufinden.  Daß  er  sich  aber  so  ganz  unhöfischer  Klage 
hingab,  das  zieht  ihm  vielfach  Spott  zu.  Er  mußte  sich  gegen  die 
Spötter  158,  14  vertheidigen :  waz  sprichet  der  von  fröiden,  der  de- 
heine  hat?  und  165,  12  klagt  er,  daß  die  Freunde  seine  ewige  Klage 
verdrießt;  weil  dieselbe  im  Sinne  der  Zeitgenossen  durch  sein  Geschick 
nicht  genügend  motivirt  war,  erzählte  man  sich  wohl,  daß  er  „ze  spotte 
künne  klagen"  —  166,  11.  Auch  175,  8  erwähnt  er  des  Vorwurfes,  er 
künne  niht  wan  klagen;  doch  könne  er  nicht  anders;  sehe  er  aber 
gegen  Abend  einen  kleinen  Boten ,  so  solle  niemand  vor  Freuden 
besser  gesungen  haben.  Das  sieht  doch  nicht  aus,  als  ob  die  Trauer 
höfisch  wäre. 


ÜBER  RETNMAR  VON  HAGENAU  Ül 

Olnvuhl  <l(!r  JJicliter  mil  der  Siltc,  wie  wir  salicn,  in  ColÜHion  kam, 
so  wurzelte  er  docli  aucli  wieder  so  fest  in  derselben,  daß  er  ihr  ge- 
mäß sein  Leid,  so  gut  es  anging,  zu  verbergen  suchte.  Es  ist  w(»hl 
etwas  Selbsttäuschung  dabei,  Avcnn  er  164,  3  singt:  daz  truoc  ich  also 
daz  min  uugebaerdc  saeh  vil  lützcl  iemen  cf.  115,  <),  118,  KJ.  Er 
glaubt  sein  Leid  mit  zühten  zu  tragen,  d.  h.  so,  daß  es  iiichl  so  auf- 
fällig hervortritt.  Besonders  wichtig,  ja  geradezu  entscheidend  ist  164, 
o7:  nu  muoz  ich  fröide  nocten  mich  dur  daz  ich  bi  der  wcrlte  si. 
Solchen  Stelleu  gegenüber  läßt  sich  die  Auffassung,  das  Trauern  habe 
für  höfisch  gegolten,  nicht  halten.  Ein  leichter  melancholischer  Anstrich 
mochte  vielleicht  nicht  schaden,  aber  das  eigentliche  Lebeuselement 
der  höfischen  Gesellschaft  war  die  Freude.  Weil  nun  aber  die  Trauer 
Reinmars  weder  seiner  Natur  an  sich,  noch  den  Fordei'ungen  der  hö- 
fischen Sitte  entsprang,  sondern  in  der  Colli sion  beider  ihren  Grund 
hatte,  so  konnte,  wenn  diese  in  den  Hintergrund  trat,  der  Dichter  auch 
einmal  fröhlichere  Weisen  anschlagen.  Wir  haben  gesehen,  da(>  er 
uns  in  den  früheren  Liedern  viel  kräftiger  entgegentrat,  als  in  den 
Klageliedern.  Aber  auch  in  diesen  fehlen  nicht  Spuren  von  heiterem 
Scherz,  so  1.59,  37  f.  Das  ganze  Lied  176,  5  trägt  sehr  helle  Farben. 
168,  30  klingt  frisch  und  kräftig.  Wir  sehen  aus  dem  natürlichen  und 
kräftigen  Auftreten,  das  er  hier  bekundet,  dal^  er  nicht  immer  der  alte 
Greiner  geblieben  ist.  In  dem  Lied  171,  32  f.  ist  der  Gegensatz  des 
verzagten  Ritters  und  der  streitfertigen  Dame  höchst  humoristisch. 

Wir  haben  nun  den  Standpunkt  gewonnen,  von  dem  aus  wir 
Schmidts  Beurtheilung  Reinmars  zu  betrachten  haben.  198,  35 :  man 
sol  sorgen :  sorge  ist  guot ;  äne  sorge  ist  nieman  wert  —  scheint  frei- 
lich dem,  was  wir  über  höfische  Sitte  gesagt  haben,  zu  widersprechen. 
Aber  das  ist  nur  Schein.  Der  Dichter  hat  unter  der  Sorge  das  Ge 
gentheil  von  dem  verstanden,  was  Schmidt  darunter  versteht^  denn  er 
fährt  weiter  fort:  wol  mich  iemer  daz  min  muot  des  so  striteclichen 
gert  daz  mich  noch  gemachet  vro  —  und  199,  6  heißt  es:  swaz  ich 
noch  gesorgen  sol,  des  kum  ich  mit  fröiden  hin.  w^er  hat  liep  an  arebeit? 
Die  Sorge,  von  der  Reinmar  spricht,  ist  das  eifrige  Streben  im  Minne- 
dienst. Dieses  macht  ihn  wert,  d.  h.  nicht  interessant,  sondern  der 
Anerkennung  würdig ;  wert  =  lobelich.  Die  Stelle  wird  beleuchtet 
durch  110,  6:  swes  muot  iedoch  zer  werlte  als  der  mine  stät,  ich  waene 
er  menege  sorge  umb  ere  hat.  Auch  sagt  Rugge  102,  1  f.:  ich  was  vil 
ungewon  des  ich  nu  wonen  muoz,  daz  mich  der  minne  baut  von  sorgen 
lieze  iht  fin.  Er  wollte  also  ebensowenig  als  Reinmar  diese  Sorge 
missen.    Vollständig  verkannt  aber  ist  die  Meinung  des  Dichters,  wenn 


92  K.  BECKER,  ÜBER  REINMAK  VON  HAGENAU. 

p.  50  zu  163,  5  f.  bemerkt  ist,  der  Schmerz  Reimnars  gehe  nicht  tief, 
denn  er  trage  ihn  zur  Schau;  er  rühmt  sich  im  Gregentheil,  daß  er  sein 
Leid  so  gut  zu  verbergen  wisse,  denn  das  muß  nach  den  oben  ange- 
führten Parallelen  164,  7  und  38  das  schone  tragen  bedeuten.  Der 
Vorwurf  manierirter  Empfindung  läßt  sich  demnach  durch  diese  Stelle 
nicht  begründen.  Ähnliche  Vorwürfe  hatten  schon  einzelne  Zeitge- 
nossen, welche  für  die  Tiefe  seiner  Leidenschaft  kein  Verständniss 
hatten,  gegen  den  Dichter  erhoben  —  165,  19  f.  Mit  Entrüstung  ver- 
theidigt  er  sich  und  sehließt  mit  einer  Berufung  auf  den  Wortlaut 
seiner  Lieder :  swer  nu  gibt,  daz  ich  ze  spotte  künne  klagen^  der  läze 
im  mine  rede  beide  singen  und  sagen  unde  merke  wä  ich  ie  spreche 
ein  wort,  ezn  lige  e  i'z  gespreche  herzen  bi.  Kein  anderer  Minnesinger 
hat  so  bestimmt  wie  Reinmar  das  Bewußtsein,  daß  er  nichts  gemach- 
tes, conventionelles ,  sondern  sein  innerstes  Empfinden  gibt,  cf.  157, 
11  f.  187,  23.  197,  3  f.;  175,  34  sagt  er  von  seinen  Liedern  schön: 
nieman  könde  si  von  lüge  gesprochen  hän,  erne  hete  als  ich  getriuwen 
muot  cf.  189,  7 :  waz  touc  mir  ein  also  verlogenz  maere^  daz  ich 
ruomde  mich  von  alsG  fremeden  dingen.  Die  äul>eren  Verhältnisse,  in 
denen  er  stand,  waren  nicht  gesund^  aber  die  Art,  wie  er  sie  auffaßte 
und  in  seinen  Liedern  darstellte,  entsprang  mit  Nothwendigkeit  aus 
seiner  Natur  und  darum  ist  sie  charakteristisch  und  Avahr. 

Das  zeigt  sich  uns  auch  von  anderer  Seite  aus,  Schmidt  führt 
aus,  Reinmar  entferne  sich  in  der  Verwerfung  des  typischen  Einganges 
mit  Naturschilderung  ganz  von  der  gewöhnlichen  Auffassung.  Den 
Gegensatz  zur  populären  Tradition  geben  wir  zu ,  wenn  wir  auch 
leugnen,  daß  derselbe  principiell  war.  Wie  kommt  nun  aber  dieser 
Reinmar,  der  sich  doch  sonst  so  sklavisch  an  die  Mode  binden  soll, 
dazu,  sich  hier  in  so  scharfen  Gegensatz  zu  ihr  zu  stellen?  Darauf 
gibt  es  nur  eine  Antwort.  Auch  in  seinem  Minnedienst  ist  er  kein 
Modemensch,  sondern  nimmt  eine  Ausnahmestellung  ein.  Keinem  ist 
der  Frauendienst  so  nahe  gegangen  und  darum  fand  auch  bei  keinem 
eine  so  schneidige  Verwerfung  der  traditionellen  Naturempfindung  statt. 
Das  beweist  uns  aufs  neue,  wie  wahr  Reinmar  empfand  und  wie  ent- 
schieden er  alles  herkömmliche  verAvarf,  sofern  es  mit  seiner  Stimmung 
nicht  im  Einklang  war.  Daraus  aber  werden  wir  auf  der  anderen 
Seite  auch  schließen  dürfen,  daß  sich  der  Gegensatz  zur  Tradition 
Avieder  verlor,  sobald  die  Stimmung  eine  andere  wurde.  Wir  glauben 
nun  im  folgenden  nachweisen  zu  können,  daß  dem  Dichter  in  der  That 
die  beiden  Kreuzzugslieder  gehören  und  daß  sich  an  den  von  ihm 
mitgemachten  Kreuzzug  ein  Umschlag  der  Stimmung  anknüpfte.   Dem- 


LITTEKATUll:   ('    ( !A1J>EN1{H1{(J,   1.AYAMON   UND  OKM  tJ3 

nach  \V(!rclen  wir  uns  aucli  niciit  wiuulcvn,  wenn  wii-  liiiflcn.  fla(^  er 
hie  und  da  mit  der  Natur  sympathisirt. 

Auch  darin  erkennen  wir  Reinmars  Eigenart,  dal>  er,  gauz  mit 
seinen  Gefühlen  bcschäf'tipjt ,  Bilder  und  Gleichnisse  fast  ganz  ver- 
schmäht. Er  sieht  viel  mehr  in  sich  hinein,  als  aus  sich  heraus.  Wir 
erfahren  nicht  einmal  ganz  allgemeine  Züge  von  seiner  Herrin;  er 
preist  nicht  ihre  Augen,  ihren  Mund  u.  s.  w. ,  aber  gerne  spricht  er 
von  ihrer  und  aller  Frauen  Tugend  und  Ehre.  So  entwickelt  er  sich 
in  seiner  dichterischen  Eigenart  ganz  von  innen  heraus  und  hat,  was 
man  von  den  wenigsten  Minnesingern  sagen  kann,  einen  bestimmten 
dichterischen  Charakter. 

Und  wie  in  seiner  dichterischen  Anlage,  so  hat  er  auch  als  Mensch 
bestimmte  Züge.  Voll  Selbstbewußtsein  blickt  er  auf  seinen  Werth 
als  Dichter,  auch  seinem  moralischen  Vorzüge  im  Vergleich  mit  seinen 
Gegnern,  seine  Treue,  Dienstwilligkcit  u.  s.  w.  hebt  er  mitunter 
stark  hervor  —  198,  2.  169,  26.  Seine  ehrliche,  naive  Offenheit  macht 
zuweilen  einen  fast  komischen  Eindruck  —  175,  24.  152,  32.  Da  er 
mit  der  Herrin  nicht  selber  fertig  wird,  bittet  er  alle  Welt  um  Rath, 
oder  er  klagt,  daf.N  ihm  keiner  rathe.  Im  übrigen  ist  er  emptindlieh 
gegen  andere,  in  seiner  Stimmung  durch  die  Verhältnisse  leicht  alte- 
rirt;  Neben  tiefer  Verzagtheit  über  die  Fruchtlosigkeit  seines  Dienstes 
finden  sich  doch  auch  Spuren,  daß  er  dem  Spott  mitunter  festen  Trotz 
entgegensetzte.  169,  33  f.  169,  2.  158,  20.  180,  6. 

(Schluß  folgt.) 


LITTERATUR. 


C.    Callenberg :    Layamon    und   ( )rm    nach    ihren    Lautverhältnissen   verglichen. 
[Jenenser  Doctordissertation.]   Jena   1876.   74  SS.   8". 

Bei  einer  so  jungen  Wissenschaft,  wie  es  die  altenglische  Philologie  noch 
immer  ist,  haben  wir,  glaube  ich,  noch  mehr  als  sonst  die  VerpHichtung,  auch 
Erstlingsschriften,  die  Stoffe  aus  diesem  Gebiete  behandeln,  liebevolle  Aufmerk- 
samkeit zu  widmen ;  legen  dieselben  doch  mindestens  erfreuliches  Zeugniss  ab 
von  dem  stetig  zunehmenden  Interesse  für  ein  früher  recht  vernachlässigtes 
Arbeitsfeld.  Dies  Interesse  für  die  Sache  will  ich  auch  dem  Autor  der  vor- 
liegenden Abhandlung  gewiss  nicht  absprechen.  Indessen  wii-d  jeder,  der  den 
Titel  derselben  liest,  zuerst  fragen,  wie  diese  Darstellung  sich  verhält  zu  den 
entsprechenden  Partien  in  Kochs  Grammatik,  ßd.  I.  Es  ergiebt  sich  da,  daß 
Herr  Callenberg,  im  Gegensatz  zu  Koch,  nicht  vom  ags.  Lautbestande  ausgeht, 


94  LITTERATUR:  C.  CALLENBERG,  LAYAMON  UND  ORM. 

sondern  von  dem,  welchen  er  in  beiden  Denkmälern  vorfindet,  eine  Methode, 
die  zwar  bei  einer  Behundlung-  der  neuenglischen  Vokale  und  Consonanten  in 
Rücksicht  auf  ihre  Entstehung  am  Platze  ist,  wo  wir  es  mit  einem  fertigen 
Gebäude  zu  thun  haben,  bei  Orm  und  Layamon  aber,  die  nur  ein  Stadium 
in  der  Spracheutwicklung  repräsentieren,  durchaus  unpraktisch  erscheint,  und 
nur  zu  lästigen  Wiederholungen  Anlaß  giebt.  So  hat  z.  B.  der  Verlauf  des 
ags.  y,  des  i- Umlautes  von  u,  an  drei  verschiedenen  Stellen  (§.  4,  2,  §.  5,  2, 
und  §.  6)  bespi-ochen  worden  müßen.  Was  im  Übrigen  die  Zusammenstellungen 
Callenberg's  anlangt,  so  bieten  sie,  wenn  ich  das  strengere  Auseinanderhalten 
des  Sprachgebrauches  in  den  beiden  rass.  L's  und  die  größere  Fülle  von  Bei- 
spielen ausnehme,  im  Verhältuiss  zu  Koch,  der  im  Verlaufe  der  Arbeit  nicht 
ein  einziges  Mal  citiert  wird,  so  gut  wie  gar  nichts  Neues,  ja  zuweilen  finden 
wir  bei  Koch  Fragen  angeregt,  die  Callenberg  ganz  auf  sich  beruhen  läßt, 
z.  B.  ob  in  sprang  und  wand  das  a  bei  Orm  als  lang  anzusehen,  (Koch  §.  43) 
oder  das  i  in  lililit  (Koch  §,  52)  und  das  u  in  uss.  Schlimmer  ist,  daß  Herr 
C.  eine  Anzahl  grober  Fehler  gemacht  hat.  Vor  allem  weiß  Herr  C.  nicht  den  Un- 
terschied zwischen  organischem  ea,  eä,  eo,  eo  einerseits  und  den  ebenso  geschrie- 
benen Vocalverbindungen,  deren  e  nur  graphischer  Natur  und  durch  voraufge- 
hendes c  oder  g  verursacht  ist,  andererseits.  In  Folge  dessen  stellt  er  zeate 
und  zeaf  zu  earmes  und  heard  (§.  15,  3);  in  sceome  soll  eo  für  ags.  a 
stehen  etc.  —  §.  12,  4  wird  bemerkt,  ü  statt  ags.  6  zeige  Layamon  in  einigen 
pluralibus  präteriti  ablautender  Verba,  und  als  erstes  Beispiel  gullen^Lay.  A  18317 
angeführt;  Herr  C.  scheint  zellen  mit  galen,  gol  verwechselt  zu  haben,  weil 
sich  neben  gullen  in  A  zollen  in  B  findet;  die  Doppelconsonanz  hat  ihn  nicht 
stutzig  gemacht!  ea  in  leaden,  Lay.  A.  358  soll  ein  Beispiel  sein  für  fortge- 
setzte Brechung  von  a,  wo  dieses  im  ags.  noch  stand  (§.  15,  1);  die  Stelle 
lautet:  ....  )iat  he  heom  wolde  leaden  |  out  of  ))ane  leoden  =  that  he  would 
lead  them  out  of  the  country;  leaden  ist  also  offenbar  =  ags.  la?dan;  Herr  C. 
scheint  an  ags.  hladan  gedacht  zu  haben.  Als  Beweis  für  das  Vorkommen 
von  eo  bei  Lay.  an  Stelle  von  ags,  a  wird  (§.  16,  2)  u.  a.  aufgeführt:  leode 
A  1203,  B.  828.  Die  erstere  Stelle  heißt:  .  .  .  and  ledan  mine  leoden  |  to  ane 
wnsume  londe  =  and  lead  my  people  to  a  winsome  land ;  hier  dürfte  leoden 
=  ags.  leöd,  Volk,  sein;  B  v.  827  f.  lautet:  ich  wole  Jiisne  king  |  leode  mid 
Uli  seolue  :=  I  will  lead  this  king  with  myself;  also  leode  =  laeden,  wie  A 
wirklich  bietet.  Beide  Beispiele  sind  also  falsch.  —  Warum  ist  feola  Lay. 
A  405,  von  feola  A  1286  getrennt  (§.  16.  1  und  3 1?  §.  1,  5  meint  Herr  C, 
die  Beispiele,  wo  bei  Lay.  a  für  die  Brechung  eo  stehe,  wie  in  am  A  461, 
ham  B  46,  fale  B  405  etc.  seien  so  selten,  daß  sie  als  Schreibfehler  angesehen 
werden  könnten.  Bei  Orm  komme  ein  solches  a  nie  vor.  Nun  kommt  fale  bei 
Lay.  selbst  öfters  vor,  z.  B.  A  1286,  auch  später  bei  Hob.  of  Gl.  u.  sonst; 
ham  findet  sich  z.  B.  in  der  Ancren  Riwle,  p.  SO*^"  als  Dativ,  p.  8^  als 
acc. ,  und  amm  kommt  bei  Orm  sehr  oft  vor.  Von  Schreibfehlern  kann  also 
gar  keine  Rede  sein.  In  buggc  soll  j  ganz  ausgefallen  sein  (p.  50) ;  bekanntlich 
ist  aber  bugge  ^=  ags.  bycgan  :^  goth.  bugian;  j  ist  also  nicht  ausgefallen, 
sondern  hat  sich  dem  voraufgehenden  g  assimiliert.  Endlich  finden  sich  auch 
manche  Unebenheiten  im  deutschen  Stil  oder  im  Druck;  p.  16  heißt  es:  „Durch 
e  ersetzen  dann  beide  noch  zum  Theil  der  Brechungen  ea  und  eo"  etc.; 
p.   36 :    „Dagegen  unterscheidet    sich    das    ö  Layamon's    von   demjenigen   Orms, 


LTTTERATUR:  P.  STRAUCH,  DER  MARNER.  95 

als  ersteres  nuiiiontlicli  in  Jüngern  Texte  aucli  für  ä  gebraucht  wird:"  p.  18:  Als 
ä  tritt,   wie  schon  bisweilen   im  ags.,  %  auf  bei  Layamon'"    ftc. 

Durch  diese  und  ähnliche  Arbeiten  soll ,  nach  des  Verfassers  Meinung, 
die  Frage,  aus  welchen  Dialecten  sich  nach  und  nach  die  Schriftsprache  gebildet 
habe,  ihrer  Lösung  näher  geführt  werden  (p.  7  f.).  Am  Schluße  der  allgemeinen 
Einleitung  sagt  Herr  C. :  „Wenn  daher  der  Verfasser  eine  solche  Bearbeitung 
der  Quellen  in  Angriff"  nimmt  und  dieselbe  zunächst  mit  einer  vergleichenden 
Ijautlehre  der  grüßten  und  sprachlich  am  meisten  charakteristischen  Denkmäler 
der  beginnenden  englischen  Sprache,  des  Brut  Layamou's  und  des  Ormulums 
beginnt,  hoft't  derselbe  zur  historischen  Grammatik  keinen  unwesentlichen  Bei- 
trag zu  liefern."  Ich  wage  die  gegentheilige  Behauptung,  man  sollte  auf  Grund 
von  Arbeiten,  die  einen  so  geringen  wissenschaftlichen  Fortschritt  bezeichnen, 
wie  die  vorliegende,   ein   Doctordiplom   nicht   verleihen. 

BRESLAU,  im  Juni  1876.  E.  KÖLBING, 

Der  Marner.     Herausgegeben  von  Philipp  Strauch    (Quellen   und   Forschungen 
XIV).   Straßburg  1876.  Trübner.   8.    18G   S. 

Die  erste  kritische  Bearbeitung  sämmtlicher  dem  Marner  zugeschriebenen 
Lieder  und  Strophen.  Dem  Texte  voraus  geht  eine  sorgfältige  Einleitung,  in 
der  die  Zeugnisse  für  das  Leben  des  Dichters  untersucht,  seine  Sprache,  sein 
Stil,  seine  Bedeutung  als  Dichter  erörtert  und  die  handschriftliche  Überlieferung 
kritisch  geprüft  wird  (S.  1  —  79).  Dem  Texte  (S.  81  — 141)  folgen  Anmer- 
kungen (S.  142 — 184),  die  von  fleißiger  Leetüre  und  umsichtiger  Beobachtung 
Zeugniss  geben.  Von  neuen  Ergebnissen  für  das  Leben  des  Marners  ist  na- 
mentlich der  überzeugende  Nachweis  des  Prälaten  von  Maria  Saal,  Heinrich, 
hervorzuheben.  Zu  einzelnen  Stellen  der  Einleitung  wäre  etwa  noch  folgendes 
zu  bemerken.  In  dem  Spruche  Rumelants  (S.  3)  muß  in  Z.  9  den  statt  dem 
gelesen  werden;  die  Schlußzeile  der  Strophe  ist  in  zwei  Zeilen  zu  zerlegen, 
wie  schon  der  Eeim  (schallen  :  vollen)  beweist.  In  dem  Spruche  des  Meisner 
(S.  4)  halte  ich  rat  nicht  mit  Lexer,  dem  Strauch  folgt,  für  prät.  von  raden, 
sondern  für  das  adj.,  schnell'.  —  Wenn  der  Herausg.  S.  14  die  Annahme 
verficht,  daß  uns  in  C  1  —  35  'eine  Auswahl  der  verschiedenen  jugendlichen 
Bestrebungen  des  Dichters  vorliegt',  und  als  Stütze  dafür  die  Lücken  nach  Ton 
IV,  V  und  X  anführt,  so  kann  ich  dem  nicht  beistimmen.  Allerdings  geschah 
die  Aufzeichnung  in  C  nach  einem  bestimmten  Princip\  In  der  Zeit,  wo  C 
geschrieben  wurde,  war  die  ungleiche  Strophenzahl  eines  Liedes  (3  oder  5) 
so  zur  Regel  geworden,  daß  der  Sammler,  wo  er  seine  Vorlage  dagegen  ver- 
stoßend fand,  gewöhnlich  einen  freien  Raum  ließ.  Und  das  ist  bei  den  drei 
genannten  Tönen  der  Fall.  Von  den  beiden  ersten  fand  C  je  vier  Strophen, 
von  dem  dritten  zwei  Strophen  überliefert  und  ließ  daher  in  allen  Fällen  Raum 
für  eine  Strophe  frei,  in  der  Hoffnung,  die  vermeintliche  Lücke,  die  aber  gar 
nicht  vorhanden  ist,   aus   einer  anderen   Quelle  zu  ergänzen. 

Zu  dem  Sprachlichen  bemerke  ich,  daß  die  Durchführung  der  neutralen 
Form  die  statt  diu  auch  mir  nicht  berechtigt  erscheint,  wie  Strauch  selbst 
(S.  70)  gefühlt  hat.  Zu  dem  S.  71  angeführten  Reime  kewen :  zewen  (=  ze 
iioen)  oder  keim:  zeun  stellt  sich  das  bei  Wolfram  (zu  Parz.  IX,  1929)  zwar 
nicht  im  Reime  vorkommende,  aber  durch  den  Vers  und  die  handschriftliche 
Überlieferung  bezeugte  sewen  oder  seun. 


96  LITTERATUR:  P    STRAUCH,  DER  MARNER. 

Ich  gehe  zu  einzelnen  Stellen  des  Textes  über.  I,  20.  22  setzt  Strauch 
statt  hoch  :  flöch,  wie  beide  Hss.  haben,  ho  :  fln,  wegen  des  ßeimes  ho :  fro  XIII, 
58;  aber  ho  für  hoch  brauchen  viele  alemannische  Dichter,  während  von  flo 
für  floch  Weinhold  (S.  198  f.)  kein  einziges  Beispiel  anführt.  Es  wird  also 
Doppellorm  ho  und  hoch  anzuncluneu  sein.  —  I,  4G  wie  snel  ist  eines  äugen 
blic ,  so  snel  ist  da  ze  Josaphat  des  algerihtes  ende.  Die  Interpunction  zeigt, 
daß  Str.  aufgefaßt  hat:  'ebenso  schnell  wie  der  Blick  eines  Auges  ist,  ebenso 
schnell  ist .  Allein  dann  könnte  nimmermehr  ivie  stehen,  wie  ist  fragend ,  es 
ist  nach  hlic  also  ein  Fragezeichen  zu  setzen ,  wir  haben  hier  dieselbe  Aus- 
drucksweise wie  bei  Wolfram,  Parz.  3,  8 

wie  staete  ist  ein  dünnez  is, 

daz   ougestheize  sannen  hat? 

ir  lop  vil   ba'.de  alsus  zergät; 
oder  im  Winsbecken   52,  .5 

wie  zieret  golt  den  edeln  stein? 

also  tuont  wäriu  wort  den  lip. 

—  IV,  3  ist  die  Interpunction  wohl  zu  ändern  und  nach  meien  ein  Punkt  zu 
setzen ;  tanzen  unt  springen  aber  ist  aufzufassen :  "^laßt  uns  tanzen  und  springen" 
und  mit  /;•  megede  zu  verbinden.  Strauchs  Interpunction  ist  nicht  geradezu 
falsch,  aber  der  Strophenbau  macht  die  von  mir  vorgeschlagene  wahrscheinlich. 

—  IV,  23  ist  überliefert  daz  si  ir  armen  friunt  iht  versmähen-^  Str.  streicht 
armen  und  schreibt  iht  müge  versmähen,  mit  einer  für  das  Mhd.  bedenklichen 
Bedeutung  von  müge.  Der  Fehler  liegt  nur  in  versmdhen,  wofür  versmähe  zu 
schreiben;  dagegen  ist  26  zu  ändern  in  daz  den  al  sm  saelde  vergähe!  — 
V,  30  niemans  ist  schwerlich  richtig;  sioachen  kann  nicht  den  gen.  regieren, 
der  Schreiber  hatte  ein  Wort  wie  spotten,  schimpfen  im  Sinne.  Es  ist  nieman 
zu  lesen.  —  VI,  19  ist  beidemal  sioes  statt  ices  zu  schreiben.  —  VII,  11  die 
Analogie  zwischen  dem  Schluß  des  Abgesanges  und  dem  der  Stollen  zeigt  daß 
die  letzte  Stollenzeile  in  zwei  zu  zerlegen  ist: 

swer  den  winter  trüric  was 

und  ouch  ich, 
und  daß  daher  nicht,  wie  Str.  annimmt,  der  letzte  Fuß  im  Stollen  ein  Anapäst 
ist.  —  X,  1 5  ist  die  von  der  Hs.  gebrauchte  Form  adonis  nicht  anzutasten ; 
es  ist  Zusammenziehung  aus  aedonis,  die  ja  auch  griechisch  vorkommt.  Der 
Vers  aber  verlangt  nur  sechs  Silben.  —  XII,  5  schreibt  man  besser  da  ist 
fröude  an  ende  unde  an  ort,  denn  der  Hiatus  zwischen  ende  unde  ist  statthafter 
als  zwischen  ane  ort.  Die  Hs.  hat  also  an  ort  ganz  richtig  geschrieben.  — 
XIIT,  32  hat  man  nicht  nöthig  vil  gar  zu  streichen;  es  ist  zu  lesen  den  Eve 
uns  hräht  vil  gar  an  alle  schidde,  was  auch  dem  Auftakte  der  entsprechenden 
Zeilen  mehr  angemessen  ist.  —  XIII,  (30  st'igende  :  sigende  ist  bei  einem  Lyriker 
ein  bedenklicher  Reim ;  es  wird  stigent :  sirjent  zu  lesen  sein.  —  XIII,  65  ist 
natürlich  lange  lebende  zu  schreiben.  —  XIV,  55  sä  in  C  zu  ändern  sehe  ich 
keinen  Grund  ein.  —  XIV,  125  heizez  aus  t  gegen  CD  aufzunehmen  ist  be- 
denklich; es  ist  zu  schreiben  dine  zeher  unt  dm  weinen;  auftaktlos  sind  auch 
V.    106.    170.  —  XIV,  195   ist  wohl  swer  des  (statt  daz)  houhet  sach  zu  lesen. 

—  XIV,  212  ist  irrthümlich  beine  statt  bein  geschrieben.  —  XIV,  221.  Die 
Ergänzung  nd  ist  dem  Verse  entbehrlich  und  hat    keinen    rechten  Sinn.     Man 


LITTKKATUR:  E.  VOIGT,  ECBASIS  f!AI'TIVl.  97 

lese  diz  bispel  knmet  den  ze  mäzen.  —  253.  Die  Ergänzung  -nü  ist  auch  hier 
nicht  geschickt;  denn  mit  swer  wird  man  es  der  Wortstellung  wegen  nicht 
verbinden  dürfen.  Die  Correctur  iihersorgen  in  C  ist  sicherlich  das  richtige, 
und  ergibt  eine  noch  nicht  belegte  Coniposition  mit  sorgen.  In  der  fol- 
genden Zeile  ist  der ^  das  nicht  bloß  C  hat,  wie  die  Lesarten  angeben,  zu 
streichen  bedenklich;  die  Tilgung  verstößt  ganz  gegen  den  Stil  der  altdeutschen 
Poesie.  Der  Auftakt  steht  auch  V.  238.  —  259.  wol  zu  ergänzen  ist  über- 
flüssig; man  schreibe  vollerecken.  —  XV,  32;  auch  hier  ist  wol  keine  glückliche 
Ergänzung.  Ich  glaube  es  wird  zu  lesen  sein  miigg  nnde  hremcn ,  rnit  einer 
mhd.  sehr  häufigen  Freiheit,  daß  das  in  collectivem  Sinne  gebrauchte  Wort  im 
Singular  steht.  —  XV,  37  das  beliebte  der  für  daz  er.  anzubringen  war  hier 
gar  kein  Grund ;  man  lese  daz  erz  also  siht.  —  XV,  46  ist  zmde  zu  lesen : 
154  sinr  oder  S!«>c;  245  ist,  da  'mensche  ja.  ebenso  gut  neutr.  sein  kann,  eine 
Änderung  nicht  noth wendig.  —  XV,  294  ist  die  stärkere  Änderung  durch  Um- 
stellung der  Worte  zu  vermeiden;  lies  und  wirt  nach  viure  lebende  wider]  der 
Artikel  ist  vom   Schreiber  hier  ebenso  zugefügt  wie   XV,  304, 

Eine  Anmerkung  vermißt  man  zu  VIII,  28  über  die  vorgenommene  Text- 
ergänzung. Das  Nachschlagen  der  Anmerkungen  würde  erleichtert  worden  sein, 
wenn   oben   auf  der  Seite  der  betreffende  Ton   angegeben  wäre. 

Von  Druckfehlern  sind  mir  begegnet  nickt  II,  42.  IIT,  26.  IV,  30.  wüst- 
enunge  XIV,  164.  tnil  statt  vil  XV,  18. 

Der  Herausgeber  hat  durch  vorliegende  Arbeit  seine  Befähigung  zu  kri- 
tischer Behandlung  altdeutscher  Dichter  erwiesen  und  wir  sehen  daher  seinen 
weiteren   Veröffentlichungen  mit  gutem  Vertrauen  entgegen. 

K.  BARTSCH. 


Ecbasis  Captivi,  das  älteste  Thierepos  des  Mittelalters  Herausgegeben  von 
Ernst  Voigt  (Quellen  und  Forschungen  VIII).  Straßburg  1875.  VIU, 
150   S.   8. 

Die  Ecbasis  ist,  seitdem  J.  Grimm  sie  1838  in  den  Lateinischen  Ge- 
dichten des  X.  und  XI.  Jahrhunderts  herausgab,  zwar  mehrfach  zum  Gegen- 
stande der  Forschung  gemacht  worden ,  und  namentlich  der  Nachweis  der  von 
dem  Verfasser  benutzten  und  ausgeschriebenen  Dichter  hat  seit  Grimm  erfreu- 
liche Fortschritte  gemacht;  aber  an  einer  neuen  das  Ganze  umfassenden  kriti- 
schen und  litterarhistorischen  Behandlung  fehlte  es.  Und  doch  verdiente  die 
Ecbasis  dieselbe,  schon  weil  sie  das  älteste  xxns  erhaltene  wirkliche  Thierepos 
ist.  E.  Voigt,  der  schon  1874  in  einem  Berliner  Gymnasialprogramm  haupt- 
sächlich vom  metrischen  Standpunkte  die  Ecbasis  behandelt  und  schon  dort  für 
eine  kritische  Neubearbeitung  sich  befähigt  gezeigt  hatte,  ist  seitdem  mit  einer 
solchen  hervorgetreten.  Die  Hs.  A  ist  für  diesen  Zweck  aufs  neue  genau 
coUationiert  worden,  während  B  trotz  der  zugegebenen  Unabhängigkeit  von  A 
nur  verglichen  wurde.  Das  ist  zu  bedauern;  denn  wenn  doch  einmal  eine 
neue  Ausgabe  geliefert  wurde,  so  mußte  sie  auf  erschöpfender  Benutzung  der 
beiden  erhaltenen  Hss.  beruhen.  Der  Mangel  ist  inzwischen  ergänzt  worden, 
indem  E.  Grosse  in  den  Wissenschaftl.  Monatsblättern  1875,  Nr.  7  die  zweite 
Brüsseler  Hs.  herangezogen  hat. 

GKRMANIA.  Neno  Reihe.  X.    (XXTT.)  Jahrg.  7 


98  LITTEKATUK:  E    KÖLBING.  ENGLISCHE  STUDIEN. 

Die  ausführliche  Einleitung  gibt  ein  lebendiges  und  aut  guten  Studien 
fußendes  Cultuibild  vom  westfijlnkischeu  Klosterleben  an  der  Scheide  des  9. 
und  10.  Jahrhunderts,  behandelt  ferner  Abfassung  und  Tendenz  des  Gedichtes, 
die  sich  als  eine  satirische  erweist,  weiterhin  die  rhythmische  Form,  und  weist 
endlich   die  V.   852 — 906   überzeugend  als   eine  Interpolation  nach. 

Die  Textbehandlung  ist  eine  sorgfältige  und  löblich  conservative.  Von 
guten  Besserungen  hebe  ich  namentlich  hervor  vanam  statt  raram  V.  39;  ad 
libitus  (wegen  des  Reimes  auf  gavisvs)  statt  ad  libitum  V.  106;  uiuida  statt 
innida  V,  234;  in  ethera  statt  in  ethere  V.  236;  decafie  statt  decanie  V.  394; 
ertim  statt  eum  V.  559.  Bedenklicher  ist  mir  das  pervlgilis  mundi  statt  midti 
der  Hss.  V.  577,  mit  der  Erklärung  sehr  wachsam  auf  das  Reine  ;  freilich 
wird  es  schwer  sein  eine  überzeugende  Besserung  vorzuschlagen,  und  Voigts 
Bemerkung  gßgen  Grimm,  der  eine  lÄicke  vermutlietc,  ist  ohne  Zweifel 
richtig.  V.  71  möchte  ich  lesen  Voscuji  in  partibiis  cdtvs.  V.  133  scheint 
mir  die  Änderung  probat  et  statt  ploret  nicht  ganz  so  unbedenklich  wie  dem 
Herausgeber.  Ich  glaube  ploret  läßt  sich  vertheidigen:  Die  Überschreitungen 
der  Brüder  sollen  weinen  nach  Maßgabe  der  scripta  patrum',  deren  Vorschrift 
die  nächste  Zeile  erläutert,  heißt  nichts  anderes  als:  die  Brüder  sollen  ihre 
Überschreitungen  unter  Thräncn  büssen  .  V.  285  hätte  das  in  der  Anmerkung- 
erwähnte  est  statt  eiil  unbedenklich  in  den  Text  aufgenommen  werden  sollen. 
V.  291  ist  die  Besserung  fragrans  statt  flagrans  nicht  absolut  nothwendig: 
flagrans  kann  eine  populäre  Form  des  mittelalterlichen  Lateins  gewesen  sein, 
die  auch  dem  altfr,  flairer  zu  Grunde  liegt. 

Den  Schluß  bildet  ein  kleines  Glossar,  zu  dem  einiges  aus  altfranz. 
Sprachgebrauche  nachzutragen  wäre ,  der  hier  insofern  in  Betracht  kommt  als 
der  Dichter  der  romanischen  Sprachgrenze  benachbart  war.  So  zu  delita  la- 
xare  die  Bedeutung  von  afr.  laissier,  'erlassen  ;  zu  pares  afr.  li  per-^  zu  ri- 
patica  frz.  rivage\  tultus  ist  afr.  tolt ^  toid.  Auch  didcor  257,  forestaritis  97 
hätten  aufgenommen  werden  sollen. 

K.   BARTSCH. 


Englische  Studien.     Herausgegeben    von    Dr.   Eugen   Kölbing,    Docenten    an 
der  Universität  Breslau.    I.   Band.    1.   Heft.    Heilbronn    1877. 

Gewiß  können  sich  die  Freunde  der  englischen  Sprache  und  Litteratur  in 
England  und  Deutschland  kein  erfreulicheres  Zeichen  wünschen  für  das  mehr  und 
mehr  zunehmende  Interesse  an  dem  wissenschaftlichen  Studium  dieser  Fächer, 
als  den  Umstand,  daß  sofort  nach  dem  Eingehen  des  vortrefflich  geleiteten 
„Jahrbuchs  für  romanische  und  englische  Sprache  und  Litteratur",  worin  aber 
das  Englische  nur  verhältnissmäßig  wenig  Pflege  fand,  zwei  wissenschaftliche 
Organe  ziemlich  gleichzeitig  ins  Leben  treten,  welche  diesem  Bedürfniss  abzu- 
helfen bestimmt  sind:  eine  regelmäßig  erscheinende  Zeitschrift  „Anglia*'  unter 
der  Redaction  von  Prof.  VVülcker  in  Leipzig  und  die  nicht  an  bestimmte  Zeit 
gebundenen,  je  nach  dem  vorliegenden  Material  zu  veröffentlichenden  „Englischen 
Studien"  unter  der  Leitung  von  Dr.  Eugen  Kölbing  in  Breslau.  Der  Gedanke 
an  ein  derartiges  Unternehmen  lag,  so  zu  sagen,  in  der  Luft,  und  die  Aus- 
führung desselben  wurde,   wie  Ref.   versichern   kann,   auch   noch  von   zwei  andern 


LITTKKATUK:  E.  Kol.HlNO.   KNGLISCIIK  STIIUIKN.  99 

Seiten  beabsichtigt;  nur  w;ir  die  Zuversicht  für  das  Gelingen  des  Phins  nicht 
überall  gleich  groß.  Auch  Dr.  Külbing  trat  zuerst  nur  schüchtern  mit  seinem 
Unternehmen  hervor  und  sprach  in  dem  ersten  Prospect  der  Verlagshandiung 
die  Ansicht  aus,  daß  zur  Begründung  einer  „Zeitschrift"  für  Englische  Philo- 
logie in  Deutschland  die  Zeit  nocii  nicht  reif  sei.  Wonige  Wochen  darauf  er- 
schien die  Ankündigung  der  „Anglia".  Wir  sind  der  Ansicht,  daß  beide  Unter- 
nehmungen, die  doch  von  vorn  herein  verschieden  angelegt  sind,  sehr  wohl 
neben  einander  bestehen  können  und  hoffen  es  zuversichtlich  nach  Durchsicht 
des   nunmehr  vorliegenden   ersten  Heftes  der   „Englischen  Studien''. 

Die  in  den  Prospecten  angekündigte  Mannichfaltigkeit  des  in  den  „Eng- 
lischen Studien"  den  Lesern  zu  bietenden  Stoffes,  welcher  „litterarhistorische 
und  grammatische  Abhundltnigen  aus  dem  Gebiete  der  gesammten  englischen 
Philologie,  Abdrücke  weniger  umfangreicher  Tex^;e,  soweit  solche  unediert  oder 
schwer  zugänglich  sind,  ferner  Mittheilungen  über  Hss.  und  dgl.",  ausserdem 
„Recensionen  und  zusammenfassende  Litteraturberichte"  umfassen  soll,  ist  schon 
durch  das  erste  Heft  in  einem  ziemlich  hohen  Grade  bewahrheitet  worden,  und  dies 
verdient  um  so  mehr  Anerkennung,  als  weitaus  der  größte  Theil  (169  Seiten) 
des    186   Seiten  starken  Heftes   von   dem   Herausgeber   selber  herrührt. 

Betrachten   wir  jetzt  den   Inhalt  desselben  etwas   näher. 

Auf  p.  1  — 16  gibt  K.  zunächst  das  Resultat  seiner  Collation  des  einzigen 
auf  der  Bodleiana  befindlichen  MS.  des  Orinulum,  eines  der  wichtigsten 
Denkmäler  neuags.  Zeit,  mit  der  von  White  besorgten  Ausgabe  (Oxford  1852). 
welche  nach  der  grossen  Zahl  der  von  K.  beigebrachten  handschriftlichen  Be- 
richtigungen viel  iucorrecter  ist,  als  man  bisher  anzunehmen  geneigt  war.  Da 
indeß  unsere  Kenntniss  des  Orm'schen  Sprachgebrauchs  im  Großen  und  Ganzen 
dadurch  nicht  wesentlich  bereichert  wird,  so  wird  der  Werth  dieser  Mittheilung 
K.'s  durch  den  Umstand  etwas  verringert,  daß  er  nur  eine  einmalige  Durch- 
sicht der  Handschrift  vornehmen  konnte ,  deren  Ergebniss  nach  seiner  eigenen 
Angabe  zum  Zweck  einer  neuen  Ausgabe  nicht  unbedingt  ausreichend  sein 
dürfte. 

Die  folgende  Arbeit  K.'s  betitelt  „Die  jüngere  englische  Fassung  der 
Theophilussage,  mit  einer  Einleitung  zum  ersten  Male  herausgegeben"  schließt 
sich  an  an  die  Abhandlung  des  Verf.'s  „Über  die  Fassungen  der  Theophilussage" 
in  seinen  „Beiträgen  zur  vergleichenden  Geschichte  der  romantischen  Poesie 
und  Prosa  des  Mittelalters",  Breslau  1876,  p.  1 — 41.  Zu  den  dort  gebotenen 
Untersuchungen  liefert  K.  zunächst  in  der  Einleitung  dieses  zweiten  Aufsatzes 
seiner  „Englischen  Studien"  einige  werthvolle  Nachträge:  namentlich  werden 
zwei  dem  Verf.  neuerdings  bekannt  gewordene  Versionen  der  Theophilus-Le- 
gende,  eine  lateinische  in  Prosa  und  eine  französische  in  Versen,  beide  im  Brit. 
Mus.,  in  ihrem  Verhältniss  zu  einander  eingehend  untersucht.  Es  stellt  sieh 
dabei  durch  Vergleichung  längerer  Proben,  die  der  Verf.  mittheilt,  heraus,  daß 
die  französische  Version  nach  Vorlage  der  lateinischen  abgefaßt  ist  und  diese 
zurückweist  auf  eine  ausführlichere,  jetzt  verschollene  Prosafassung,  wodurch 
der  Verf.  seine  schon  in  dem  ersten  Aufsatz  ausgesprochene  Vermuthung  be- 
stätigt findet. 

Der  zweite  Theil  der  Arbeit  beschäftigt  sich  dann  mit  der  jüngeren  eng- 
lischen Fassung  der  Theophilussage  und  dem  Verhältniss  der  beiden  Haupthand- 
schriften zu  einander,    nämlich    der  Überlieferung    in   Cod.  Harl.  4196   (womit 

7* 


lOO  LITTERATITR:  E    KÖLBING,  ENGLISCHE  STUDIEN. 

der  durch  Brand  sehr  beschädigte  Cod.  Cotton.  Tib.  E.  VII  genau  überein- 
stimmt) und  derjenigen  des  Vernou  MS.  Der  Text  des  Harl.  MS.  ist  in  einem 
nordenglischen  Dialect  geschrieben,  derjenige  des  Vernon  MS.  in  einem  süd- 
lichen. Beide  Fassungen  sind  von  K.  zum  ersten  Male  in  parallelen  Columnen 
veröffentlicht  worden ,  weil  sie ,  obwohl  auf  einen  gemeinsamen  Original-Text 
zurückgehend,  wie  manche  genau  oder  ziemlich  genau  übereinstimmende  Stellen 
beweisen,  doch  auf  der  andern  Seite  in  Ausführung,  Reim  und  Wortstellung 
vielfach  sehr  beträchtlich  von  einander  abweichen.  Das  Verfahren  des  Heraus- 
gebers dürfte  daher  in  diesem  Fall  als  gerechtfertigt  erscheinen,  da  die  Ab- 
weichungen der  Handschriften  von  einander  zu  zahlreich  und  umfangreich  sind, 
als  daß  bloße  Mittheilung  der  Varianten  der  einen  Handschrift  vom  rein 
praktischen  Gesichtspunkte  aus  sich  empfohlen  hätte,  namentlich  aber,  da  bald 
die  eine,  bald  die  andere  Handschrift  Stellen  aufweist,  welche  —  wie  die  Ver- 
gleichung  mit  den  andern  mittelalterlichen  Versionen  des  Stoffes  ergab  —  dem 
vermißten  Original  näher  kommen,  dessen  Reconstruction  bei  der  großen  Ab- 
weichung dieser  beiden  Handschriften  —  wenn  nicht  noch  andere  Texte  der- 
selben Dichtung  aufgefunden  werden  —  gleichwohl  nicht  möglich  sein  dürfte. 
Diese  große  Verschiedenheit  beider  Überlieferungen  ein  und  desselben  Gedichts 
ist  nach  meiner  festen  Überzeugung  nur  erklärlich  dadurch,  daß  auch  diese 
mittelalterliche  Dichtung  ähnlich  wie  so  viele  andere,  bevor  sie  in  den  uns 
vorliegenden  Texten  handschriftlich  fixiert  wurde,  nur  durch  längere  Zeit  fort- 
gesetzte —  zuweilen  vielleicht  durch  eine  schriftliche  Aufzeichnung  mehr  ge- 
festigte —  vorwiegend  aber  mündliche  Tradition  der  Spielleute  so  willkürlich 
behandelt  und  entstellt  werden  konnte.  Ich  glaube  für  diese  Behauptung  un- 
längst die  nöthigen  Belege  beigebracht  zu  haben  in  meiner  Ausgabe  der  Ver- 
sion I  der  mittclenglischeu  Alexiuslegenden  bei  der  Besprechung  der  Handschriften 
(Quellen  und  Forschungen  etc.,  herausgcgcb.  von  B.  ten  Brink,  W.  Scherer, 
El.  Steinmeyer.  Straßburg  1877.  Heft  XX,  p.  8 — 12).  Aus  ebendemselben 
Grunde,  auf  den  K.  nicht  aufmerksam  geworden  zu  sein  scheint,  halte  ich  es 
für  unzulässig,  aus  den  Reimen  absolut  bindende  Schlüsse  ziehen  zu  wollen  für 
den  Dialect,  in  welchem  ein  Gedicht  ursprünglich  abgefaßt  worden  sein  soll. 
Gerade  die  vorliegenden  Texte  der  jüngeren  Theophilus-Legende  beweisen,  wie 
gewaltsame  Veränderungen  die  mittelalterlichen  Gedichte  bei  der  Unsicherheit 
der  Überlieferung  auch  in  Bezug  auf  die  Reime  erlitten ,  wie  auch  hier  die 
Spielleute  nach  Gutdünken  ihrem  unzuverlässigen  Gedächtnisse  nachhalfen  oder 
auch  wohl  —  wie  gerade  die  Texte  dieses  Gedichts  an  manchen  Stellen  er- 
kennen lassen  —  mit  Absicht  corrigierteu.  Wenn  daher  beispielsweise  ein  in 
einem  südlichen  Dialect  geschriebener,  aber  unzweifelhaft  durch  mündliche 
Tradition  beeinflußter  Text  mehrfache  Midland-Formen  und  Reime  aufweist,  so 
kann  man  doch  daraus  mit  einiger  Sicherheit  nur  den  Schlul.N  ziehen,  daß  die 
Dichtung  einige  Zeit  mündlich  oder  schriftlich  in  dem  Gewände  des  Midland- 
Dialects  in  Umlauf  gewesen  sein  muß,  aus  dem  sie  dann  ein  südlicher  Schreiber 
oder  Recitator,  der  aber  nicht  immer  geschickt  genug  war,  die  fremden  Formen 
zu  ändern  —  am  wenigsten,  wenn  sie  durch  neue  Reime  ersetzt  werden  mußten 
—  in  seinen  Dialect  übertrug.  Die  Original-Dielituug  kann  aber  dabei  sehr  wohl 
in  einem  ganz  andern  Dialect  gesehrieben  gewesen  sein ,  als  in  demjenigen, 
welchen  die  Handschrift  im  Großen  und  Ganzen  aufweist  oder  in  einzelnen 
Wortformen  vermuthen   läßt,   ganz  abgesehen  davon,  daß  auch  der  Dichter  selber 


LITTERATUR:  E    KÖLBING,  ENGLISCHE  STUDIEN.  U)\ 

durch  äußere  Einflüsse  irgendwelclier  Art,  ■/..  li.  zeitweisen  Aufuntliait  iu  einem 
andern  Landstrich,  eine  besondere  Vorliebe  für  einzelne  dieser  Provinz  eigcn- 
thümliche  Wörter  und  Wortfornien  gefaxt  haben  kann.  Ich  halte  demnach 
die  J?ehaui)tung  K.'s,  duB  das  Gedicht  im  Norden  Englands  entstanden  sei  und 
schon  aus  iliesem  Grunde  die  in  nijrdlicher  Sprache  geschriebene  Handschrift 
H  den  Vorzug  vor  V  verdiene,  nicht  für  erwiesen.  Meine  Ansicht  ist  vielmehr 
die,  daß  das  Gedicht  ursprünglich  in  einem  Midland-Dialect  abgefaßt  wurde,  aus 
welchem  es  von  H  in  den  nördlichen,  von  V  in  den  südlichen  Dialect  umge- 
schrieben wurde.  Es  mögen  hier  einige  Punkte  hervorgehoben  werden,  welche 
diese  Annahme  als  die  wahrscheinlich  richtige  erscheinen  lassen  können.  Daß 
die  Dichtung  nicht  im  Süden  entstanden  ist,  geht  allerdings  aus  verschiedenen 
sprachlichen  EigenthüinUchkeiten  des  Textes,  so  z.  B.  aus  den  Partie.  Präs.- 
Formen  auf  cmd  (563,  575,  G72),  die  zuweilen  mit  H  übereinstimmen,  zuweilen 
von  V  in  die  Form  auf  -ißige  geändert  sind  (559),  mit  ziemlicher  Sicherheit 
hervor. 

V.  671/2  hat  V  sogar  einen  derartigen  Reim  mehr  als  H,  nämlich  in 
den  Versen: 

and  rillt  jiere  pect  he  sauh  hire  stände 
in  ])at  stude  he  tvas  eitere  divellande 
wohingegen  H.  liest: 

and  pare  he  made  his  wonig  stede 
and  dioelled  pare  tili  he  war  ded. 

Wäre  diese  Lesart  in  H  die  ursprüngliche  gewesen,  so  wäre  schwer  ein 
Grund  zu  finden,  weshalb  der  Schreiber  von  V  diese  Verse,  welche  ihm  für 
die  Übertragung  in  seinen  Dialect  gar  keine  Schwierigkeiten  geboten  hätten, 
durch  die  beiden  andern  mit  den  nördlichen,  resp.  Midland-Reimen,  welche  er 
sonst  nur  nothgedrungen  beibehält ,  ersetzte.  Ebenso  auffallend  ist  es ,  daß 
ursprüngliches  ags.  u  gewisser  Wörter  keineswegs  durchgängig  als  a  erhalten 
bleibt,  wie  man  doch  bei  einem  ursprünglich  im  nördlichen  Dialect  abgefaßten 
Gedicht  erwarten  sollte,   sondern  oftmals  mit  o  wechselt. 

So  findet  sich  allerdings  iu  H  im  Keime  die  Form  hathe  (v.  243) ;  im 
Innern  des  Verses  aber,  wo  eine  Änderung  nicht  so  sehr  uothwendig  war,  in 
der  Regel  die  Form  hoth  (v.  8,  267,  470,  537,  683  etc.),  selten  dagegen  hath 
(446).  Gerade  so  verhält  es  sich  mit  mare,  welches  nur  in  dieser  Form  im 
Reime  steht  173,  228,  685-,  im  letzteren  Fall  in  Übereinstimmung  mit  V,  also 
wohl  ursprünglich,  wogegen  im  Innern  des  Verses  meistens  more  angetroffen 
wird  (v.  666,  678,  721,  689).  Auch  die  für  den  nördlichen  Dialect  charakte- 
ristische Schreibung  der  Flexionsendungen :  id,  is,  in  statt  ed,  es,  en  ist  keines- 
wegs in  H  consequent  durchgeführt  worden,  vgl.  entred  264,  300;  than- 
ked  258;  kneled  403,  550;  dampned  408,  420;  asked  442;  dwelled  742  etc.; 
dagegen  heljnd  307,  322,  329,  432;  fhankid  320 ,  337;  lifid  335;  tendid 
319;  ke2)id  509;  knelid  553;  ivaknid  548;  Äoj«rf  609 ;  forsakin  449;  takin 
450;  loretin  753;  eyhen-liddis  750.  Bemerkenswerth  ist,  daß  die  mit  H 
genau  übereinstimmende,  sehr  beschädigte  Handschrift  T  in  den  beiden  letzten 
von  K.  als  variae  lectiones  beigebrachten  Wörtern  den  Flexiousvocal  e  aufweist, 
wie  es  auch  noch  in  einigen  andern  Fällen  mehr  südliche  Laute  bevorzugt, 
z.  B.  statt  der  Reime  talde-calde  in  H  v.  638,  639  in  Übereinstimmung  mit  V 
tolde-colde.     Die  von  K.   aus  MS.  T  angeführten  Lesarten  sind  nicht  zahlreich 


l()2  LITTERATUR:  E.  KÖLBING,  ENGLISCHE  STUDIEN. 

genug,  um  von  der  Sprache  dieser  Handschrift  eine  klare  Anschauung-  ge- 
winnen zu  lassen.  In  den  meisten  Fällen  weisen  sie  ;mf  die  Sprache  des 
Midland  hin. 

Die  hervorgehobenen  Punkte  werden  indeß  ausreichen,  das  oben  ausge- 
sprochene Bedenken  gegen  K.'s  Behauptung,  daß  das  Gedicht  im  Norden 
Englands  entstanden  sei,  zu  rechtfertigen,  namentlich  aber  die  These  einzu- 
schränken ,  daß  die  lautlichen  und  flexivischen  Verliällnisse  gewisser  Wörter, 
wenn  sie  im  Reime  stehen,  allein  hinreichend  seien  zur  Bestimmung  des  Ent- 
stehungsorts einer  Dichtung,  ein  Beweismittel ,  welches  übrigens  ja  auch  K. 
nicht  für  absolut  zwingend  erklärt  (p.  35).  Über  das  Alter  des  MS.  H  spricht 
K.  seine  Ansicht  nicht  aus;  die  größere  Weitschweifigkeit  der  Darstellung, 
Versbau  und  Sprache  lassen  schließen ,  daß  es  jünger  ist  als  V,  namentlich 
auch  weist  die  größere  Z.ahl  französischer  Wörter,  die  besonders  auffallend  wäre 
bei   einem  ursprünglich   in  nördlicher  Sprache  abgefaßten   Gedicht,    darauf  hin. 

Docli  in  welchem  Verhältnisse  auch  die  beiden  Texte  zum  Originale 
stehen  mögen ,  die  Mittheilung  beider  muß  in  diesem  Fall  als  ebenso  zweck- 
mäßig und  richtig,  wie  dankenswerth  bezeichnet  werden.  Auch  machen  die 
beiden  Abdrücke  den  Eindruck  der  Zuverlässigkeit.  Einige  Bedenken  sind  mir 
aufgestiegen,  abgesehen  von  unbedeutenderen  Druckfehlern  wie  V,  201  Pe  statt 
pe,  H,  726  opei-  statt  o]ier.  In  V  wäre  docli  wohl  v.  487  statt  ernde  zu  lesen 
gewesen   erande  im  Reime  auf  favde,   dsgl.   v.    674  ivorld  statt  toold. 

Die  folgende  Abhandlung  K.'s  betitelt  „Zwei  mittelenglische  Bearbeitungen 
der  Sage  von  St.  Patrik's  Purgatorium"  dürfte  als  die  interessanteste  und 
werthvollste  seiner  „Englischen  Studien"  zu  bezeichnen  sein ,  wenn  auch  die 
einleitende  Vergleichung  der  verschiedenen  in  lateinischer,  französischer  und 
englischer  Sprache  erhaltenen  Versionen  dieser  Sage  vielleicht  in  etwas  anzie- 
henderer Weise  hätte  durchgeführt  werden  können.  Dafür  entschädigt  aber  in 
hohem  Grade  die  detaillierte  Genauigkeit  der  Untersuchung,  welche  freilich  das 
vorwiegend  negative  Resultat  ergab,  daß  die  verschiedenen  französischen  und 
englischen  Fassungen  der  Patrikslegende  unter  sich  in  keiner  engeren  Ver- 
wandtschaftsbeziehung stehen.  Von  den  drei  bis  jetzt  bekannten  englischen 
Versionen  der  Sage  war  I  schon  früher  veröffentlicht  worden  von  Horstmann, 
Altenglische  Legenden.  Paderborn  1865,  p.  149 — 211.  Version  II  und  III 
hat  uns  nun  K.  mitgetheilt,  die  letztere,  jüngere  zum  ersten  Male,  II  nach 
einem  Edinburgher,  von  ihm  aufs  Neue  mit  dem  MS.  collationierten  Druck 
vom  Jahre  1837,  der  aber  nur  in  S2  for  2^1'ivate  distrihution  bestimmten  Exem- 
plaren veröflPentlicht  worden  war.  Diese  Version  II  ist  von  besonders  hervor- 
ragendem Interesse  wegen  der  vielen  von  K.  hervorgehobenen  innigen  Berüh- 
rungen derselben  mit  Dantes  Divina  Commedia,  woraus  K.  den  nahe  liegenden 
Schluß  zieht,  daß  Dante  die  Patriks-Sage,  deren  Beziehungen  zur  Divina 
Commedia  übrigens  schon  früher  im  Allgemeinen  bekannt  waren,  gerade  in 
dieser  Gestalt  lateinisch  oder  französisch  gekannt  habe,  eine  Vermuthung,  deren 
Richtigkeit  von  den  Danteforscheru  zu  prüfen  sein  wird.  Bei  einer  weiteren 
Vergleichung  der  Version  II  von  St.  Patrilcs  Purgatory  mit  den  von  Horstmann 
aus  MS.  Laud  108  in  Herrig's  Archiv  Bd.  52  veröffentlichten  me.  Gedichten 
betitelt  Die  Vision  des  hl.  Paulus  und  Die  Sprüche  des  hl.  Bernhard  gelangt 
K.  aus  inhaltlichen  und  sprachlichen  Gründen  zu  dem  Schluß,  daß  alle  drei 
Gedichte,    die  in   demselben  Versmaß  abgefaßt  sind,    von    ein    und  demselben 


LITTIOKATUK:   K.   K(')LI{INO,   KNULISCIIK  STUDIEN.  lo;{ 

Verf.  lieiTÜlircii.  Ohne  uuf  diesen  l^unkt  weiter  eingehen  zu  wollen,  kann  ich 
doch  diis  Bedenken  niclit  unterdrücken,  daß  die  /aldrciclicn  fast  würllich  über- 
einstimmenden Steilen  des  Purgat.  und  der  Vision  Pauli  doch  nicht  zu  jenem 
Schluß  als  dem  einzig  uiüglichen  nüthigen,  daß  es  viehnelir  ebenso  wahrschein- 
lich ist,  tun  Dichter  habe  den  andern  benutzt,  als  daß  ein  und  derselbe  Dichter 
sich  in  so  geistloser  Weise  wiederholt  haben  sollte.  Auch  aus  dieser  Arbeit 
mache  ich  auf  einige  Kleinigkeiten  aufmerksam:  p.  68,  Z.  0  v.  u.  muß  es  heißen 
inou^'.  statt  inouz,  j).  115,  v.  201  dore  statt  j/ure,  p.  117,  v.  359  euerych  oun 
statt  eitery  ehoun,   p.  118   srneU  statt  .wutll  im  Keime  auf /eZZ. 

Die  folgende  längere  Abhandlung  beschäftigt  sich  mit  der  Überlieferung 
und  Quelle  des  uiittelcnglischen  Gedichts  Libiaus  Dlsconus ,  wobei  namentlich 
die  bisher  wenig  bekannte  Papier-Handschrift  XIII.  B.  29  der  kgl.  Bibliothek 
zu  Neapel  berücksichtigt  wird.  Dieselbe  enthält  auf  87 — 113  den  Text  jener 
Dichtung,  aus  welcliem  Köll)ing  die  von  dem  Ritson'schen  Druck  (ebenso  wie 
der  Hippeau'sche  nach  Cod.  Cott.  Calig.  A.  II  des  Brit.  Mus.)  abweichenden 
Lesarten  mittheilt,  indem  er  zugleich  das  Verliältniss  der  englischen  Version 
zu  dem  gleichnamigen  altfranzösischen  Gedicht  des  Renauld  de  Bcaujeu  und  zu 
den  einschlägigen  Partien  des  Wigalois  Wirnts  von  Gravenberg  bespricht.  Leider 
ist  dem  Verf.  das  Mißgeschick  begegnet,  daß  ihm  die  Furnivall  sehe  Ausgabe 
jener  mittelenglischen  Romanze  im  zweiten  Bande  von  Bischop  Percys  Folio 
Manuscript  ed.  hy  John  W.  Haies  and  Fred.  .7.  Furnivall.  London  1868  „erst 
zu  Gesicht  kam,  als  es  zu  spät  war,  seine  Arbeit  derselben  anzupassen",  ein 
Umstand,  den  ich  hier  in  seinem  Namen  erwähne,  und  der  in  diesem  Falle  um 
so  eher  zu  entschuldigen  sein  dürfte,  als  nahezu  die  ganze,  mit  emsigstem 
Fleiße  geförderte  Arbeit  für  das  erste  Heft  der  „Englischen  Studien"  auf  des 
Herausgebers  Schultern  lastete.  Auf  das  Verhältniss  des  von  Furnivall  nach 
5  MSS.  edierten  abweichenden  Textes  zu  dem  Ritson'schen  näher  einzugehen, 
sehe  ich  mich  um  so  weniger  veranlaßt,  als  schon  seit  längerer  Zeit  einer 
meiner  Schüler  sich  mit  dieser  Untersuchung  beschäftigt.  Da  die  Herausgeber 
von  Percy's  Folio  MS.  das  Neapeler  MS.  nicht  gekannt  haben,  so  bilden  die 
von  Kölbing  beigebrachten  Varianten  immerhin  eine  werthvoUe  Ergänzung  zu 
dem  dort  Gebotenen.  Nur  dürfte  die  Behauptung  Kölbings,  daß  das  MS.  eine 
im  Ganzen  sorgfältig  und  gleichmäßig  geschriebene  Handschrift  sei,  doch  eine 
für  die  Zuverlässigkeit  derselben  zu  günstige  Meinung  erwecken.  Das  MS., 
welches  nach  Angabe  des  Schreibers  a.  1457  geschrieben  ist,  enthält  zwar 
manche  gute  Lesarten,  aber  auch  recht  viele  corrumpierte  Stellen  und  trägt 
namentlich  zahlreiche  Spuren  mündlicher  Überlieferung  der  darin  enthaltenen 
Texte  an  sich ,  wie  ich  in  meiner  vorhin  citierten  Ausgabe  der  Version  I  der 
mittelenglischen  Alexiuslegenden  bei  Besprechung  der  Handschriften,  von  denen 
die  jüngste  uns  ebenfalls  auf  p.  80  —  86  des  Neapeler  Codex  überliefert  ist, 
des  Weiteren  angeführt  habe.  Dies  wird  noch  mehr  bestätigt  durch  die  von 
Kölbing  aus  diesem  MS.  beigebrachten  Varianten  zu  Libiaus  Disconus,  welche 
so  zahlreich  sind  und  zum  Theil  in  so  wesentlichen  Punkten  von  dem  Ritson- 
schen  Text,  der  1 7  Strophen  weniger  enthält,  abweichen,  daß  ein  vollständiger 
Abdruck  des  ganzen  Gedichts  nach  der  Neapeler  Handschrift  nicht  viel  mehr 
Raum  erfordert  haben  und  um  so  willkommener  gewesen  sein  würde,  als  eine 
so  reichhaltige  Varianten- Sammlung  für  einen  späteren  Editor    des  Textes    nur 


104  LITTERATUR:  E    KÖLBING,  ENGLISCHE  STUDIEN. 

mühsam  zu  benutzen  ist  und  bei  Anlegung  derselben  viel  leichter  Verseheu 
mit  unterlaufen  können,  als  bei  Anfertigung  einer  neuen  Abschrift.  Dies  ist 
um  so  eher  zu  befürchten ,  wenn  der  zur  Vcrgleichung  dienende  Abdruck  so 
schlecht  ist,  wie  der  Ilippeau'sche,  den  übrigens  K.  unmöglich  (obwohl  ich 
keine  Angabe  darüber  finde)  benutzt  haben  kann.  Denn  zu  dieser  Edition 
könnte  ich  aus  einer  von  mir  selber  im  Winter  1869  begonnenen,  wegen  Er- 
krankung aber  nur  bis  V.  252  fortgeführten  Copie  des  Gedichts  noch  eine  recht 
beträchtliche   Anzahl  nachträglicher  Varianten  liefern. 

Auf  diese  trotz  der  erwähnten  Uuvollständigkeit  immerhin  werthvoUe  Abhand- 
lung K.'s  über  eine  der  anziehenderen  mittelalterlichen  Romanzen  folgt  eine  kurze 
aber  interessante  Notiz  von  ihm  zu  dem  zuerst  von  Morris  in  seinen  Old  Eny- 
lisli  Ilomilies  edierten  Gedicht  „Ow  God  Oreisun  of  nre  Lefdi'^,  dessen  Verf., 
wie  K.  nachweist,  höchst  wahrscheinlich  das  ags.  Gedicht  vom  Phönix  gekannt 
und  benutzt  hat. 

Als  ein  besonders  werthvoller  Beitrag  schließt  sich  daran  an  eine  Reihe 
von  sieben  Mittheiluugeu  Felix  Liebrechts  zum  englischen ,  schottischen  und 
irischen  Aberglauben  und  Sagenschatz  unter  dem  gemeinsamen  Titel  Folk-lore. 

Die  letzte,  englisch  geschriebene  Abhandlung  endlich  ist  betitelt  The 
Quarto  Edition  of  Ben  Jonsons  ,^Every  Man  in  his  Humour'*  und  ist  unter- 
zeichnet mit  Adolf  Buff,  Augsburg,  rührt  also  doch  wohl,  wie  der  Name  vermuthen 
läßt,  von  einem  Deutschen  her.  Wir  bedauern,  daß  der  Herausgeber  der  „Eng- 
lischen Studien"  nicht  ebenso  wie  derjenige  der  „Anglia"  in  seinem  Prospect 
den  Gi'undsatz  ausgesprochen  hat  „Die  Zusendungen  eines  jeden  Mitarbeiters 
werden  in  seiner  Muttersprache  erwartet".  Das  ist  doch  ganz  gewiß  das  ein- 
zig Natürliche  und  Zweckmäßige;  es  dürfte  wenig  Deutsche  geben,  die  im 
Ernste  behaupten  wollten ,  daß  sie  sich  in  englischer  Sprache  correcter ,  ge- 
wandter und  klarer  auszudrücken  vermögen,  als  in  ihrer  eigenen  Muttersprache; 
nur  einem  Max  Müller  oder  W.  Ihne  würde  man  dies  glauben.  Ohne  die 
Sprache  der  vorliegenden  kleinen  Abhandlung,  die  übrigens  durch  verschiedene 
Druckfehler  entstellt  ist  (wie  p.  182,  Z.  2  necollect  statt  recollect,  Z.  7  the  thing 
in  to  he  done  statt  is  to  he  done,  p.  184,  16  so-mel  p.  185,  23  some  sister 
statt  come  sister)  einer  Kritik  unterwerfen  zu  wollen ,  kann  Ref.  im  Interesse 
des  Herausgebers  der  „Englischen  Studien"  die  wohlerwogene  Behauptung  nicht 
unterdrücken,  daß  derselbe  durch  consequent  durchgeführte  Aufnahme  englisch 
geschriebener  Artikel  von  deutschen  Verfassern  sein  Unternehmen  zunächst  in 
den  Augen  der  Engländer  in  kürzester  Zeit  discreditieren  und  leicht  völlig 
ruinieren  würde.  Übrigens  ist  diese  letzte  Abhandlung  der  „Englischen  Stu- 
dien" in  der  einige  Stellen  der  Quartausgabe  von  1601  des  Ben  Jonson'schen 
Lustspiels  „Every  Man  in  his  Humour^,  die  für  das  Verständniss  des  Stücks 
von  Interesse  sind,  eingehend  besprochen  werden,  inhaltlich  von  Werth  und 
neben  den  Liebrecht'schen  Beiträgen  schon  aus  dem  Grunde  willkommen  zu 
heißen,  weil  dadurch  die  litterar-  und  culturhistorische  Seite  des  Unternehmens, 
sowie  die  neuere  Periode  der  englischen  Sprache  und  Litteratur  gleich  von  An- 
fang au  —  wenn  auch  noch  verhältnissmäßig  in  einem  zu  geringen  Umfange 
—  vertreten  ist.  Sollen  die  „EngÜHchen  Studien"  die  gewünschte  Verbreitung 
finden ,  nicht  nur  an  den  Universitäten ,  sondern  auch  bei  den  Vertretern  des 
Englichen  an  den  Gymnasien  und  Realschulen,  so  darf  das  Neuenglische  nicht 
hinter    dem   Altenglischen   zurückstehen.      Erst    ein    geringer  Bruchtbeil    der    an 


LITTEUATUJi:   E    KÖLßlNG,  ENGLISCHE  STUDIEN.  Iu5 

jenen  Lehranstalten  beschäftigten  Fachgonossen  fußt  mit  seinen  Studien  auf 
dem  Boden  der  historischeu  Gruniinatik  (jder  hat  Gelegenheit  geliabt,  sich  um 
Perioden  der  englischen  Littcratur  viel  zu  kümmern,  die  vor  der  Shakspere'achen 
oder  besten  Falls  vor  der  Chaucer'schen  Zeit  liegen.  Man  kann  es  ihnen 
auch  kaum  verdenken,  wenn  es  ihnen  schwer  fällt,  den  größtentheils  ziemlich 
unerquicklichen,  mönchisch  beschränkten  und  inhaltlich  dürftigen  Erzeugnissen 
einer  lialbbarbarischen  Litteratur-  und  Cultur-Periodc,  sowie  dem  schwankenden 
Charakter  der  Sprache  dieser  Zeit  Geschmack  abzugewinnen,  wenn  sie  lieber 
ihr  Interesse  den  Geistesheroen  der  neuenglischen  Zeit  zuwenden  mögen,  deren 
Werke,  wie  jeder  zugeben  wird,  der  mit  dem  gegenwärtigen  Zustand  wissen- 
schaftlicher Erforschung  der  englischen  Litteraturgcschichte  bekainit  ist,  noch 
immer  auf  Schritt  und  Tritt  die  mannichfacliste  Gelegenheit  gewähren  zu  den 
anregendsten,  fruchtbringendsten  Studien,  deren  Erforschung  dem  Geiste  zugleich 
Erhebung  und  Genuß  verschafft.  Nur  wenn  auch  diesem  Standpunkte  in  ge- 
bührender Weise  liechnung  getragen  wird,  ist  zu  hoffen ,  daß  die  beiden  neu- 
gegründeten Organe  für  das  wissenschaftliche  Studium  des  Englischen  in  weiteren 
Kreisen,  namentlich  auch  bei  den  älteren  an  Schulen  beschäftigten  Fachge- 
nossen ein  lebhafteres  Interesse  für  die  ersten  Perioden  der  englischen  Sprache 
und  Litteratur  erregen  werden  —  wenn  auch  zunächst  vielleicht  aus  keinem 
anderen  Grunde ,  als  um  sich  der  Kenntniss  derselben  als  Mittel  zum  Zweck 
bedienen  zu  können,  d.  h.,  um  durch  die  Einsicht  in  die  früheren  Perioden 
der  englischen  Sprache  (vielfach  auch  der  Litteratur)  und  ihres  historischen 
Entwickelungsganges  zum  klaren  Verständniss  des  gegenwärtigen  Zustandes 
derselben  zu  gelangen  —  und  dies  ist  im  Grunde  ja  auch  der  wesentlichste 
Nutzen ,  den  das  jetzt  mit  so  großem  Eifer  betriebene  Studium  des  Altengli- 
schen gewährt. 

Übrigens  läßt  der  Prospeet  der  „Englischen  Studien''  hoffen ,  daß  die 
folgenden  Hefte  diesen  Wünschen  in  höherem  Maße  entsprechen  werden,  als 
das  vorliegende;  wir  wünschen  daher  mit  Zuversicht  dem  strebsamen  Heraus- 
geber den  besten  Erfolg  für  sein  Unternehmen,  welches  auch  von  der  Verlags- 
buchhandlung (abgesehen  davon,  daß  die  einzelnen  Lieferungen,  welche  man 
doch  nicht  sofort  einbinden  lassen  kann ,  besser  geheftet  sein  müssen)  in  wür- 
diger Weise  ausgestattet  worden  ist.  Auf  einen  Punkt  noch  möge  zum  Schluß 
hier  hingewiesen  werden.  Der  Herausgeber  erklärt  sich  in  dankenswerther 
Weise  bereit,  auch  größere  Arbeiten,  gediegene  Dissertationen  u.  dgl.  in  die 
„Englischen  Studien"  aufnehmen  zu  wollen.  In  solchen  Fällen  dürfte  es  sich 
gewiß  empfehlen  und  zur  Popularität  des  Untei-nehmens  wesentlich  mit  bei- 
tragen, die  äußere  Einrichtung  der  Straßburger  „Quellen  und  Forschungen" 
zu  adoptieren  und  derartige  längere  Abhaudlungem  als  selbständige  Hefte  mit 
doppeltem  Titel,  dem  speciellen  auf  der  Vorderseite,  dem  allgemeinen  auf  der 
Rückseite  des  Umschlags  ei'scheinen  zu  lassen. 

KÖNIGSBERG  i.  Pr.,  Ende  Februar  1877.  J.  SCHIPPER. 


lUH      LITTERATUR:  ANDRESEN,  K.  G,  ÜBER  D    VOLKSETYMOLOGIE. 


Andresen,    Karl    Gustav,    über    deutsclie    Volksetymologie.     Zweite    vermehrte 
Auflage,    lleilbronn    1877,    Gebr.    Heuniugor.    8.    VIII.    181    S. 

Noch  ehe  ich  dazu  kam ,  das  obeugcnauiite  Büchleiu  in  der  Germania 
anzuzeigen,  ist  eine  neue  Auflage  desselben  erschienen.  Dieser  überraschende, 
ja  glänzende  Erfolg  ist  zunächst  ein  Beweis  des  großen  Interesses,  welches  dem 
Gegenstande  auch  in  weiteren  Kreisen  entgegengebracht  wird.  Er  beweist  aber 
auch,  daß  es  dem  Verfasser  gelungen  ist  diesen  Gegenstand  in  einer  fesselnden 
und  anziehenden  Weise  zu  behandeln.  Seit  Ernst  Förstemann  in  seinem  den 
ersten  Band  der  Zeitschrift  für  vergleichende  Sprachforschung  eröffnenden 
schönen  Aufsatze  über  Volksetymologie  gesprochen  und  den  Namen  in  die 
Wissenschaft  eingeführt  hat,  ist  der  Stoff"  nicht  wieder  verarbeitet  worden.  Es 
liegt  in  der  Natur  der  Sache,  daß  eine  absolute  Vollständigkeit  auch  von  dem 
umsichtigsten  Bearbeiter  hier  nicht  erreicht  werden  kann.  Da  Dialektisches 
und  Lokales  vielfach  hineinspielt,  so  werden  von  mannigfaltigen  Seiten  Ergän- 
zungen nicht  ausbleiben.  Schon  die  zweite  Auflage  zeigt  dies  gegenüber  der 
ersten,  und  eine  sicherlich  nicht  fehlende  dritte  wird  wieder  manche  Nachträge 
zu  verzeichnen  haben.  Ich  lasse  ein  paar  solche  nebst  einigen  anderen  Be- 
merkungen hier  folgen.  Zu  dem  Ausdruck  'Maulaffen  feil  haben  oder  halten 
S.  7  f.  verweise  ich  auf  die  Erörterung  in  einem,  wie  es  scheint,  Andresen 
entgangenen  Programme  von  Preime,  Erklärung  deutscher  Redensarten  (Cassel 
1875),  S.  8  f.  —  Den  Spottruf  an  Juden  Hep  hep  als  Imperativ  von  heben 
(heb  den  Fuß)  zu  nehmen  (S.  13)  scheint  mir  sehr  bedenklich.  —  Daß  Charle- 
maine  das  deutsche  Karlnum  sei  (S.  23)  ist  zu  bestreiten,  da  aus  man  nicht 
maine  werden  kann.  —  Gegen  die  Annahme  (S.  26),  daß  engl,  ijeruse,  durch- 
lesen ,  aus  perrise  entstellt  sei ,  welches  peruise  geschrieben  und  falsch  gelesen 
wurde,  spricht  das  Bedenken,  daß  derartige  Entstellungen  nicht  durch  das  Auge 
sondern  durch  das  Ohr  vermittelt  werden.  —  Woran  wir  etwa  bei  mhd. 
schumpfentmre,  s  chimpfentiure  (S.  34)  denken,  darauf  kommt  es  nicht  an;  sicher 
ist  nur,  daß  man  im  12.  und  13.  Jahrh.  bei  dem  Worte  nicht  an  'Schimpf  und 
schimpfliche  Niederlage  gedacht  haben  kann.  —  Die  Vermuthung,  es  sei  bei 
dem  Namen  Ansclwmre  für  Anjou  (S.  35)  an  anschouwen  zu  denken,  ist  doch 
gar  zu  wenig  begründet,  ouwe  ist  aus  avium  (Andegavium)  entstanden  wie  in 
den  S.  36  angeführten  Namen,  und  seh  ist  die  gewöhnliche  Wiedergabe  von  j. 
—  Zu  der  Redensart  'faire  bonne  chere  (S.  48)  würde  sich  das  plattdeutsche 
dat  is  'n  anner  kes  stellen,  wenn  sicher  wäre,  daß  in  Ms  das  engl,  case 
(Fall)  läge;  ich  verweise  auf  das  Correspondenzblatt  des  niederd.  Sprachver- 
eins. —  Zu  S.  60  trage  ich  nach,  daß  der  Name  des  bei  Breslau  liegenden 
Dörfchens  Moryenau  aus  Mergenau  (Marienau)  entstellt  ist.  —  Zu  S.  64,  um- 
gedeutete Straßennamen,  aus  Rostock  den  Namen  der  Eselpföterstraße^  was  aus 
Eselvöterstraße  (benannt  nach  dem  Geschlechte  derer  von  Eselvot)  umgedeutet 
ist.  Auch  der  Name  Bussehart  in  Rostock  ist  in  seinem  ersten  Theilc  Ver- 
hochdcutschung  aus  Buten.  —  Zu  den  Namen  auf  win  (S.  71)  wäre  zu  bemerken, 
daß  deren  Entstellung  in  wein  nicht  erst  nhd.  ist,  sondern  schon  im  mhd. 
icin  beginnt;  vgl.  Ortwtn  etc.  Daher  sind  diese  Namen  zu  denen  auf  Mr  aus 
her  (S.  38)  zu  stellen.  —  Zuckermandel  (S.  77)  ist  wohl  zunächst  aus  Zuclcen- 
mantel   (mit  Artikel),     nicht  aus  Zuckmantel  entstellt,   wie  auch    in  Zuckschwert 


MISCKLLKN.  1()7 

=:  Zuckesschwert  der  Artikel  mit  enthalten  ist.  —  Zu  Stuudeiifaß  H.  83  wäre 
iiaehzutragen,  daß  die;  Dciitniig  auf  Fuß  sich  schon  bei  Fiscliart  (Griinm,  Hel- 
densage "  817)  findet.  —  Zu  der  im  Leben  oft  begegnenden  Übertragung  von 
vermeintlich  mundartlichen  Wörtern  in's  Hochdeutsche,  von  der  S.  84  die  Rede 
ist,  will  icli  ein  nieder-  und  ein  oberdeutsches  Beispiel  anfüliren.  Ein  Bedienter 
in  einer  norddeutschen  Stadt  fragte  die  'gnädige  Frau  nach  den  Zelöffeln 
(=  Thceläffciu).  In  Nürnberg  fragte  ein  Dienstmädchen,  ob  sie  die  Geiß 
anzünden  soll  (=:  dasGas),  wozu  zu  licmerkcn,  daß  das  Volk  in  Nürnberg  Gas  zum 
fem.  macht  und  gaß  zugleich  mundartl.  Aussprache  von  Geiß  (Ziege)  ist.  —  Von 
'Scldammbeißer  (S.  98)  kenne  ich  in  Schlesien  die  Form  'Sehlammpeitzger  (vgl. 
polnisch  piskors),  Avobci  wohl  an  peitschen  gedacht  ist.  —  Die  Ableitung  des  Wortes 
Weichbild  von  wich,  vicus,  ist  nicht  bloß  'wahrscheinlich'  die  richtigere,  sondern 
die  allein  richtige;  an  wich,  heilig,  kann  deswegen  gar  nicht  gedacht  werden, 
da  jenes  Wort  niederd.  k  hat  (S.  107).  —  Bei  der  Entstellung  'leichnam 
(S.  108)  sollte  erwähnt  werden,  daß  das  a  schon  im  12.  Jahrli.  lang  gebraucht 
wird  (licbnärae),  dabei  also  an  na7ne  (nomen)  nicht  zu  denken  ist.  —  Bei 
'Ohnmacht'  (S.  109)  liegt  ähnlich  wie  bei  'ungefähr  (S.  153)  eine  Vermi- 
schung zweier  alter  Formen,  ämaht  und  unmaht  zu  Grunde.  —  Schlittschuh 
(S.  112)  verdankt  sein  l  wohl  nicht  der  Anlehnung  an  Schlitten,  sondern  dem 
Verbum  slidan. 

K.  BARTSCH. 


MISCELLEN. 


Bericht 

über    die  Verhandlungen    der    germanisch  romanischen   Section    auf    der  XXXI. 
Versammlung    deutscher    Philologen    und     Schulmänner    zu    Tübingen    (24.    bis 

27.    September    1876). 

Am  24.  September  1876,  Mittags  1272  Uhr  nach  Schluß  der  ersten 
allgemeinen  Sitzung  constituierte  sich  die  vereinigte  germanistische  und  ro- 
manistische Section  im  Hörsaal  VI  der  neuen  Aula  unter  den  Vorsitz  von 
Professor  Dr.  Adelbert  von  Keller  und  Professor  Dr.  Holland  aus  Tübingen. 

Zu  Schriftführern  wurden  Dr.  Bernhard  Seuffert  aus  Würzburg  und  Dr. 
Reinold  Kap  ff  aus  Leutkirch  bestellt. 

Als  Mitglieder  zeichneten  sich  folgende  dreißig  ein:  Bartsch,  Karl, 
Professor  aus  Heidelberg;  Bauer,  Alfred  aus  Paris;  Birlinger,  Anton,  Prof. 
aus  Bonn;  Decker,  Gustaf,  philol.  caud.  aus  Tübingen;  Düntzer,  Heinrich, 
Prof.  aus  Köln;  Ehemann.  Professor  aus  Hall;  Eifert,  M.,  Pfarrer  aus 
Eningen;  Feit,  P.  ,  Dr.  aus  Lübeck;  Fischer,  J.  G. ,  Prof.  aus  Stuttgart; 
Fischer,  Dr.  Hermann,  Bibliothekar  aus  Stuttgart;  Georgii,  W.,  Prof.  aus 
Stuttgart;  Grat  er,  Victor,  Präceptor  aus  Murrhardt;  Holland,  Wilhelm  Lud- 
wig, Prof.  aus  Tübingen;  Jeitteles,  Dr.  Adalbert,  Bibliothekar  aus  Innsbruck; 
Kapff,  Reinold,  Dr.   aus  Leutkirch;    Keck,    Director   aus  Husum;    Keller, 


jQg  MISCELLEN. 

Adelbert  von,  Prof.  aus  Tübiugeu;  Klaiber,  Julius,  Prof.  aus  Stuttgart; 
Kreuter,  Gymnasiallehrer  aus  Saargemünd;  Laun,  Adolf,  Prof.  aus  Olden- 
burg: Neu  mann,  F.,  Dr.  aus  Heidelberg;  Opitz,  Dr.  aus  Naumburg'; 
Sachs,  Professor  aus  P>randcuburg;  Schlüter,  Dr.  Wolfgang,  Bibliothekar 
aus  Heidelberg;  Schmidt,  Ernst,  Privatdocent  aus  Würzburg;  Schwarz^ 
Julius,  Dr.  aus  Stuttgart;  Seuffert,  Bernhard,  Dr.  aus  Würzburg;  Theo- 
bai d,  Adolf,  Dr.  aus  Hamburg;  Voigt,  Dr.  F.,  Privatdocent  aus  Greifswald; 
Wirz,  H.,   Dr.  aus  Zürich. 

Die  erste  Sitzung  crüft'uete  der  erste  Vorsitzende  Prof.  Dr.  von  Keller 
am  Dienstag,  den  25.  September,  Morgens  8  Uhr  mit  Begrüßung  der  An- 
wesenden und  einem  Rückblicke  auf  die  im  abgeUiufeuen  Jahre  abgeschiedenen 
Fachgenossen,  Friedrich  Diez,  den  Begründer  der  romanischen  Sprachwissen- 
schaft, KarlSimrock,  den  liebenswürdigen  Dichter  und  feinsinnigen  Forscher, 
Rudolf  von  Raum  er,  den  ersten  umfassenden  Geschichtsschreiber  der  deutschen 
Sprachforschung,  Theophil  Rupp,  den  reichbegabten  Kenner  deutscheu  Alter- 
thums.  —  Hierauf  folgte  die  Mittheilung,  daß  zu  dem  rüstig  vorwärtsschrei- 
tenden mittelniederdeutschen  Wörterbuch  von  Lübben  und  Schiller,  von  dem 
das  14.  Heft  bis  jetzt  vollendet  ist,  ein  Beitrag  aus  der  deutschen  Reichscasse 
geleistet  worden. 

Zur  Vertheilung  an  die  Mitglieder  sind  aufgelegt:  von  Professor  Dr. 
Peters  in  Leitmevitz  „Gotische  Conjecturen"  ;  vom  Verein  für  Herstellung  des 
schweizerischen  Idiotikons  „Jahresbericht  u.  s.  w.  vom  Weinmonat  1873  bis 
Ende  Herbstmonat  1874",  „Proben  aus  dem  gesammelten  Materiale"  und  „die 
Reihenfolge  in  mundartlichen  Wörterbüchern  und  die  Revision  des  Alphabets"  ; 
ferner  von  Professor  Dr.  von  Keller  „Bestimmungen  über  das  Seminar  für 
neuere  Sprachen  in  Tübingen",  „Verzeichniss  der  Veröfi^jntlichungen  und  Mit- 
glieder des  litterarischen  Vereins  in  Stuttgart",  sowie  „Regulativ  der  Uhlauds- 
stiftung". 

Der  zweite  Vorsitzende  Professor  Dr.  Holland  theilt  ein  in  Uhlands 
Nachlaß  aufgefundenes,  aus  dem  Jahren  1815  — 1816  stammendes,  von  Uhlaud 
und  Rückert  gemeinschaftlich  verfaßtes  Gedicht  mit,  dem  er  nach  der  ersten 
Strophe  die  Aufschrift  „Wettgesang"  gegeben;  und  vertheilt  Abdrücke  hievon 
an  die  Anwesenden. 

Hierauf  hielt  Dr.  Bernhard  Seuffert  aus  Würzburg  einen  Vortrag  über 
den  Maler  Müller.  Aus  den  im  Besitze  der  k.  Bibliothek  zu  Berlin  befind- 
lichen Papieren,  die  Müller  bei  seiner  Romreise  in  Mannheim  zurückgelassen 
hat  (mit  Ausnahme  der  von  Tieck  1811  bei  der  Herausgabe  von  Müllers 
Werken  benützten),  meist  Bruchstücken  und  Entwürfen  aus  den  Jahren  1776 
bis  1778,  erhalten  wir  neue  Aufschlüsse  über  sein  Liebeslebcn  (so,  daß  er 
mit  seiner  Braut ,  Lottchen  Kürner ,  einen  Knaben  zeugte ,  sie  darauf  verließ 
lind  mit  einem  „Julchen"  ein  neues  Liebesverhältniss  anknüpfte),  über  seinen 
Verkehr  mit  der  Frau  Rath  Goethe,  Jak.  Mich.  Heinr.  Lenz,  Christ.  Kaufmann, 
Theatermaler  Klotz  und  Regierungsrath  Medikus ,  theils  aus  Berichten  über 
Reisen  des  Dichters  an  den  Rhein,  nach  Frankfurt  und  ins  pfälzische  Gebirge, 
theils  aus  einer  Aufzeichnung  über  einen  an  ihm  begangenen  Diebstahl,  die 
uns  zugleich  seine  Armuth  erkennen  läßt.  Seine  geachtete  Stellung  am  Mann- 
heimer Hofe  bezeugen  zwei  von  ihm  verfaßte  Gutachten  über  Errichtung  und 
Einrichtung  eines  Nationaltheaters  und  einer  Theaterschule. 


MIÖCELLKN.  lO'J 

Bedeutender  als  für  die  Lebensgeschichte  Müllers  sind  die  Zeugnisse  für 
seine  Dichtung;.  Alle  zeitüblichen  Diehtgattungen  sind  vertreten:  Hier  wird 
belegt  sein  Anschluli  an  die  Burdendichtung,  an  die  Anukreontik,  an  die 
Schäferpoesie  und  an  das  Volkslied ;  besonders  die  vülksthümlicho  Ballade  tritt 
glänzend  hervor.  Auch  für  die  lehrhafte  Dichtung  finden  sich  vereinzelte  An- 
sätze; ferner  Bruchstücke  von  Idyllen,  worin  sich  bei  antiken  und  patriarcha- 
lischen Stoffen  engste  Anlehnung  an  Geßner  verräth,  bei  den  ersteren  aber 
auch  schon  der  llbeigang  zu  Shakespeare  als  Vorbild;  ausserdem  vverthvolle 
Bruchstücke  zu  deutsclien  Idyllen,  worunter  neben  verschiedenen  satirischen 
auch  der  Entwarf  eines  rohen  Bauernidylls.  Die  vorhandenen  Bruchstücke  zn 
Ulrich  von  Copheim  weisen  den  romantischen  Stil,  den  yie  in  den  ticckischen 
Bearbeitungen  zeigen,   nicht  auf. 

Von  Dramatischem  ist  besonders  hevorzuhcben  der  einzige  Kcst  des  Dra- 
mas „Rina",  zahlreiche  Entwürfe  zu  dem  nach  „König  Lear"  bearbeiteten  „Hein- 
rich IV",  minder  zahlreiche  zu  „Ludwig  der  Strenge",  worin  er  sich  wohl  an 
Gn'thes  Götz  anlehnt;  zur  Fausttragödie  findet  sich  nur  ein  kurzes  Bruchstück; 
ferner  Keste  eines  im  Stil  der  französischen  Komödie  gehaltenen  Lustspiels 
„der  alte  Obrist"  und  die  Gruiidzüge  einer  Oper  „Alarich";  schlieWicIi  Theile 
einer  Recensiou  über  Mcchels  „Galleric  de  Dusseldorf'"  und  einer  Keihe  kiemer 
Sätze  meist  „Gedanken"  überschrieben,  flüchtige  Aufzeichnungen  von  Wendungen, 
die  dem  Dichter  gefielen. 

Für  die  sorgfältige  Art  zu  arbeiten  zeugen  die  allenthalben  zahlreichen 
Nachbesserungen   in  den   Handschriften. 

Der  Werth  der  in  Berlin  vorhandenen  Papiere  beruht  nach  des  Redners 
Ansicht  ebenso  auf  der  Fülle  der  Beiträge  zur  Kenntniss  der  Arten  und  Stoffe, 
die  Maler  Müller  bearbeitet  hat,  als  darin,  daß  sie  in  die  ursprüngliche  Ge- 
stalt seiner  Dichtungen   einweihen. 

Nachdem  der  erste  Vorsitzende  dem  Redner  den  Dank  für  die  anziehenden 
Mittheilungen  ausgesprochen  und  die  Tagesordnung  für  die  nächste  Sitzung 
festgestellt  war,   wird   die  erste   Sitzung  für  geschlossen   erklärt. 

In  der  zweiten  Sitzung  mußte  (gleichwie  in  der  dritten)  der  in  die 
Tagesordnung  aufgenommene  Berieht  des  Vereins  für  Herstellung  eines  schwei- 
zerischen Idiotikons  wegen   Nichteintreffens  des  Dr.  Kägi  unterbleiben. 

Namens  der  auf  der  vorigen  Versammlung  in  Rostock  eingesetzten  Com- 
mission  für  Feststellung  einer  einheitlichen  Rechtschreibung  für  die  Dialekt- 
forschung ergreift  zunächst  das   Wort 

Professor  Dr.  Sachs  aus  Brandenburg.  Derselbe  macht  zuerst  Mitthei- 
lung über  die  Einrichtung  dieser  Commission.  Außer  dem  Redner  seien  Dr. 
Neue,  Dr.  Böge  mann  und  Dr.  Theobai d  gewählt  worden  (allerdings  dar- 
unter, wie  Professor  Staub  [in  dem  Schriftchen  „Die  Reihenfolge  u.  s.  w."] 
mit  vollem  Recht  bemerke,  kein  Süddeutscher);  es  haben  jedoch  zwischen  den 
Mitgliedern  der  Commission  keine  weiteren  Verhandlungen  stattgefunden,  so 
daß  er  nur   im   Staude  sei,   seine  eigenen  Ansichten  darzulegen. 

Der  Redner  gab  zunächst  unter  Hinweisung  auf  den  gewaltigen  Abstand 
der  Schrift  von  der  Aussprache  eine  Übersicht  über  die  verschiedenen  phone- 
tischen Bestrebungen  auf  dem  Gebiete  des  Romanischen,  Englischen  und  Deut- 
schen. Als  maßgebende  Grundlage  erscheinen  dem  Redner  die  von  Lepsius 
aufgestellten  Grundsätze: 


110  MISCELLEN. 

1.  Jeder  einfache  Laut  ciaif  mu-  dmcli  ein  einfaches  Zeichen  ausgediückt 
werden. 

2.  Verschiedene  Laute  dürfen  nicht  durch  ein  und  dasselbe  Zeichen  aus- 
gedrückt werden. 

3.  Diejenigen  Buchstaben,  welche  in  den  wichtigsten  europäischen  Ortho- 
graphieeu  einen  verschiedenen  Worth  haben ,  sind  im  allgemeinen  Alphabet 
überhaupt  nicht  verwendbar. 

Da  es  sich  jedoch  bei  Lepsius  um  ein  aligemeines  Alphabet,  besondei's 
auch  für  orientalische  Sprachen,  handle,  so  schlug  der  Vortragende  einige  bei 
Zugrundelegung  romanischer  Lautverhältnisse  zur  Erzielung  einer  allseitig  gil- 
tigen und  leicht  verständlichen  Schreibung  wünschenswerthe  Beschränkungen 
vor.  Im  Gegensatz  zu  der  Einrichtung  des  schweizerischen  Idiotikons  empfiehlt 
er  Annahme  der  lateinischen  Schrift,  jedoch  aus  typographischen  Gründen  mit 
Zuhilfenahme  bisher  im  lateinischen  Alphabet  nicht  verwendeter  Zeichen. 
So  solle  für  den  kurzen  A-Laut  a,  für  den  kurzen  P]-Laut  e  gewählt  werden: 
oi,  oy,  ai  und  ay  dagegen  seien  wegen  Grundsatz  3.  ausgeschlossen;  ferner 
sei  c  und  ch ,  sowie  h  als  Delniungszeichen  zu  beseitigen,  letzteres  bloß  als 
echter  Fricativlaut  verwendbar:  im  Französischen  allerdings  sei  das  h  für  den 
Spiritus  sehr  bedenklich;  es  verleite,  ein  h  zu  sprechen,  wo  kein  Franzose 
eines  höre.  Aus  demselben  Grunde  sei  der  Consonant  j  durch  y  zu  ersetzen,  q 
neben  k  überflüssig;  betreffs  f  und  v  sei  „die  Reihenfolge  in  mundartlichen 
Wörterbüchern  u.  s.  w. "  zu  vergleichen;  r  sei  in  zwei  verschiedene  Laute  zu 
sondern,  in  das  scharfe  französische  r  und  das  fast  verschwindende  englische  r. 
Die  Anwendung  von  Binde-  und  Theilstrichen  werde  nothwendig  sein,  fraglich, 
ob   der   Apostroph  gesetzt  werden   solle. 

Der  Redner  schloß  mit  dem  dringenden  Wunsche,  die  so  wichtige  Frage 
in  möglichst  eingehender  Besprechung,  wenn  irgend  thunlich,  zu  einem  gedeih- 
lichen Abschluß  zu  bringen. 

Hierauf  erhielt  das  andere  anwesende  Mitglied  der  Rostocker  Commission, 
Dr.  Theobald  aus  Hamburg,  das  Wort.  Derselbe  ist  gleichfalls  für  die 
Wahl  der  lateinischen  Schrift,  da  uns  die  s.  g.  deutsche  Schrift  schon  von 
unseren  Sprachgeuossen,  den  Holländern,  wie  eine  tiefe  Kluft  scheide.  Maß- 
gebend sind  für  ihn  die  vier  Gesichtspunkte  des  Herkommens ,  der  Verständ- 
lichkeit, der  Gefälligkeit  und  der  Herstellbarkeit  einer  Schrift;  in  jedem  ein- 
zelnen Falle  handle  es  sich  darum,  welcher  Gesichtspunkt  der  ausschlaggebende 
sein  solle.  Für  die  Consonanten  wünscht  der  Redner  die  lateinischen  nach  der 
italienischen  Aussprache,  die  schon  eine  gewisse  allgemeine  Geltung  erlangt 
habe,  mit  Zuhilfouuiime  einiger  griechischer  Buchstaben,  wobei  jedoch  die  Lep- 
siusischen  „diakritischen  Zeichen"  wie  Xo,  Xj  u.  s.  w.  ausser  Anwendung  bleiben 
sollen;  hiefür  wäre  eine  andere  Unterscheidung  zu  suchen:  für  den  Laut  seh 
scheint  ihm  weder  s  (unterschieden  von  fj,  noch  s' zu  genügen;  er  verlangt 
hiefür  das  aus  dem  hebräischen  \I»  ins  Russische  übergegangene  Ul,  das  sich 
auch  wegen  seiner  Breite  zur  Bezeichnung  des  breiten  Sch-Lautes  eigne.  In 
den  Vocalen  will  der  Redner,  neben  den  einfachen  italienischen,  Anlehnung  an 
das  Schwedische  und  Dänische,  so  daß  jeder  Vocal,  der  eine  Färbung  eines  Grund- 
vocals  enthalte,  durch  letzteren  mit  Uberschreibung  des  Vocals,  gegen  den  er 
sich   färbe,  ausgedrückt  werde,   z.  •  B.   a. 


MI  sc  KLl.KN.  111 

Von  der  Hezeiclimmg  der  VocaUilrbung  sei  die  der  Liiiige  uud  der  ße- 
tonung  scharf  zu  trennen ,  die  Accente  lediglich  für  die  Betonung,  nicht  für 
die  Quantität  zu  verwenden.  Es  frage  sich  aber,  ob  alle  Zeichen  stäts  über 
dem   Vocale   Platz  finden;    es    könnte    etwa    durch   Schreibungen   wie   «<•  oder  | 

geholfen  werden;  für  ä,  das  folgerichtig,  aber  beschwerlich  sei,  schlägt  der 
Redner  0  vorj  auf  ähnliclie  Weise  werden  sich  weitere  Vereinfachungen  er- 
zielen lassen. 

Zum  Schluß  warnt  der  Hedner  vor  der  Besorgniss ,  als  ob  solche  Neue- 
rungen auf  die  allgemeine  Schriftsprache  angewandt  werden  wollten :  nur  für 
die  Mundarten  sei  die  Feststellung  einer  folgerichtigen  einheitlichen  Schreibung 
eine  wissenschaftliche  Nothwendigkcit. 

GL.  Kreuter  aus  Saargcmünd  vermißt  bei  beiden  Vorrednern  genügende 
Unterscheidung  zwischen  den  Bedürfnissen  der  Wissenschaft  und  denen  des 
großen  Publicums ;  für  das  letztere  sei  strengste  Auschließuug  an  die  gewöhn- 
liche Rechtschreibung  nothwendig,  wie  ja  z.  B.  die  verschiedenen  g  nirgends 
unterschieden  zu  werden  brauchen;  die  Wissenschaft  aber  verlange  eine  rück- 
sichtslose Consequenz;  hier  dürfe  an  das  Herkommen  gar  kein  Zugeständniss 
gemacht  werden. 

Professor  Dr.  Sachs  und  Dr.  Theobald  erklären  sich  hiermit  einver- 
standen, letzterer  mit  der  Bemerkung,  der  Abstand  sei  ja  nicht  so  ausser- 
ordentlich   groß,    da    für  die  Mundarten  keine  überlieferte  Schreibung  bestehe. 

Die  Versammlung  beschließt  nun ,  die  einzelnen  Fragen  der  Reihe  nach 
durchzunehmen,  und  der  erste  Vorsitzende  Professor  Dr.  von  Keller  legt 
daher    nach   dem  bisher  Verhandelten  folgende  Sätze  zur  Beschlußfassung  vor: 

„1.  die  Nothweudigkeit  einer  Regelung  der  ScTireibung  für  die  deutschen 
Mundarten   ist  nicht  zu  leugnen. 

2.  Grundlage   der  Schrift  bildet  die  lateinische. 

3.  Das  phonetische  Princip  ist  streng  durchzuführen,  da  es  sich  zunächst 
um   die  möglichst  genaue  Bezeichnung  des   Lautes  in   der  Schrift  handelt. 

4.  Einfaches  Zeichen  für  einfachen  Laut. 

5.  Für  jeden  Laut  ein  besonderes  Zeichen  (so  für  e  nur  ein  Zeichen 
[kein  e],  dagegen  weitere  für  die  Laute  ö  und  a)." 

Diese  Sätze  werden  von  der  Versammlung  ohne  Widerrede  angenommen. 

Bei  6.  „Leichte  Verständlichkeit  ist  oberster  maßgebender  Gesichtspunkt" 
wirft  GL.  Kreuter  die  Frage  auf,  was  unter  „Verständlichkeit"  zu  verstehen? 
Verständlich  sei  was  sich  an  das  Herkömmliche  anschliesse.  Brückes  neues 
Alphabet,  obwohl  geschnitten,  habe  bis  jetzt  noch  keine  Anwendung  gefunden ; 
also  scheine  diß  nicht  der  richtige  Weg.  Es  seien  nun  bis  jetzt  zwei  An- 
sicliten  aufgestellt:  1.  von  Professor  Dr.  Sachs  im  Anschluß  an  Lepsius  Be- 
rücksichtigung des  Europäischen;  2.  von  Dr.  Theobald  Bevorzugung  des 
Italienischen;  dagegen  empfehle  er  3.  den  Anschluß  an  das  Deutsche,  da 
wir  keine  Aussicht  haben  auf  sämmtliche  Gelehrte  Europas  entscheidend  ein- 
zuwirken. Außerdem  sei  das  Lepsius- Sachssche  System  inconsequent ;  z  und  j 
dürften  z.  B.  auch  nicht  verwendet  werden  wegen  ihrer  verschiedenen  Aus- 
sprache in  verschiedenen  Sprachen :  z  werde  deutsch  als  ts ,  italienisch  als  ts 
und  ds,  spanisch  als  \)  gesprochen. 


112  MISCELLEN. 

Hieriu  wird  der  Kedner  unterstützt  durch  deu  Vorsitzenden,  Professor  Dr. 
von  Keller,  welcher  gleichfalls  die  „Verständlichkeit"  nicht  dadurch  gefördert 
sieht,  daß  wir  z  statt  s  schreiben;  warum  denn  die  deutsche  Aussprache  ver- 
leugnen und  die  fremde   wählen? 

Gegen  Dr.  Theobalds  Bemerkung,  es  sei  leichter,  auf  möglichst 
breiter,  kosmopolitischer  Grundlage  die  Schrift  aufzubauen ,  wendet  Dr.  Feit 
aus  Lübeck  ein,  wir  haben  bei  einem  internationalen  Alphabet  um  viel  zu  viel 
uns  zu  kümmern,  das  für  das  Deutsche  lediglich  keinen  Werth  habe;  z  =  s 
wäre  für  ein  deutsches  Auge  beleidigend. 

Nach  mannigfacher  Besprechung  der  Frage,  ob  wir  für  die  ganze  Welt 
oder  zunächst  nur  für  das  Deutsche  sorgen  sollen,  wobei  Prof.  Dr.  v.  Keller 
darauf  hinweist,  daß  Moriz  Rapps  Alphabet  auf  Grundlage  des  Deutschen  alle 
lebenden  und  todten  Sprachen  umfasse,  kommt  eine  Einigung  dahin  zu  Stande, 
daß  zunäclist  das  Bedürfuiss  der  deutschen  (und  romanischen)  Mundarten  ins 
Auge  zu  fassen  sei. 

7.  Die  Frage  wegen  alphabetischer  Anordnung  wird  auf  Antrag  von 
Prof.  Dr.   S  a  c  h  s  verschoben  und  es  ergreift  nunmehr   nochmals  das  Wort 

GL.  Kreuter  zur  Darlegung  seiner  Ansichten  über  Vocalbezeichnung. 
Er  wünscht  hier  mehr  Berücksichtigung  der  Physiologie,  ohne  die  keine  den 
Forderungen  der  Wissenschaft  genügende  Schrift  zu  denken  seij  auf  dem  Ge- 
biete der  Lautphysiologie  herrsche  aber  noch  keine  Einigkeit;  diese  könne  nur 
erzielt  werden,  wenn  Grundsätze  festgestellt  seien.  Ais  solche  stellt  der  Red- 
ner auf: 

I.  Für  jeden  Einzellaut  wird  diejenige  Schreibung  gewählt,  die  dem- 
selben in  der  neuhochdeutschen  Rechtschreibung  gewöhnlich  zukommt,  wenn 
sie  nicht  (wie  seh,  ch,  ng)  mit  den  Grundgesetzen  einer  wissenschaftlichen 
Rechtschreibung  im  Widerspruch  steht.  Für  die  hiebei  zu  kurz  kommenden  Laute 
ist  eine  möglichst  systematische  Bezeichnung  zu  wählen  ,  und  es  wird  daher 
zur  Vermeidung  der  Neusclineidung  von   Buchstaben 

IL  jeder  Vocal,  der  in  der  Mundhöhle  eine  Verengerung  hat,  die  weiter 
zurückliegt  als  die  des  gewöhnlichen  Zeichens,  mit  diesem  Vocal  und  einem 
Gravis   bezeichnet ;   so  erhielten  wir  folgende  Tafel : 


u 


Das  System  lasse  sich  weiter  ausbauen. 

Hiegegen  wendet  Prof.  Dr.  Sachs  ein,  wenn  wir  warten  wollten,  bis  die 
Lautphysiologie  fertig  sei,  so  könnten  wir  lange  warten;  aber  GL.  Kreuters 
Vorschlag  sei  auch  wegen  des  Wortacccnts  nicht  durchführbar,  der  ebenso  wie 
die   Zeichen  für  Näselung   und  Länge    noch    auf   den  Vocal    zu    stehen    käme. 

Zeichen  wie  ö  wären  doch  Ungeheuerlichkeiten. 


MISCELLEN.  113 

GL.  Kreuter  glaubt  fürs  Deutsche  ohne  Bezeichnung  des  Wortaccent» 
auskommen  zu  können,  es  handle  sich  nur.  um  Länge-  und  Klangfärbungs- 
zeichen ;  und   da  schlage  er  vor: 

IIL  Die  Länge  wird  durch  einen  Akut  bezeichnet,  da  der  Querstrich 
über  dem  Vocal  unseren  Gewohnheiten  widerstreite  (die  Kürze  bleibe  iinbe- 
zeichnet);  hiedurch  wäre  ein  Anschluß  an  die  Rechtschreibung  des  Altnordischen, 
Czechiacheu,  Magyarischen,  Altirischen  erzielt.  würde  dann  die  Verbindung 
von     (Länge)  und     (Verdumpfung)  bedeuten. 

Da  der  Redner  über  diese  seine  Anträge  einen  Beschluß  der  Versamm- 
lung herbeizuführen  wünscht,  so  warnt  Professor  Dr.  von  Keller  hievor,  ein- 
mal aus  dem  sjachlichen  Grunde,  weil  man  zu  einem  befriedigenden  Ergebniss 
aus  Mangel  an  hinlänglich  bestimmten  Vorschlägen,  über  welche  der  Einzelne 
Zeit  gehabt  hätte  sich  ein  Urtheil  zu  bilden,  nicht  werde  kommen  können; 
dann  aus  dem  persönlichen,  weil  er  nicht  wünsche,  daß  Beschlüsse  unter  seinem 
Namen  in  die  Welt  hinauskommen ,  mit  denen  er  sich  nicht  einverstanden  er- 
klären könne;  er  habe  selbst  seine  bestimmten  Ansichten  über  diese  Fragen, 
könne  sie  aber  als  Vorsitzender  nicht  zur  Geltung  bringen. 

Ausserdem  leerte  sich  die  Section  mehr  und  mehr  und  so  wurde  ein 
(wiederholter)  Schlußantrag  für  diese  Sitzung  angenommen  und  an  die  "Ver- 
treter der  entgegengesetzten  Ansichten  das  Ansinnen  gestellt,  daß  sie  sich  bis  zur 
dritten  Sitzung  über  der  Versammlung  zu  unterbreitende  Sondervorschläge  zu 
einigen  suchten. 

In  der  dritten  Sitzung,  die  am  28.  September,  Morgens  9  Uhr,  begann, 
wurde  zunächst  die  Wahl  der  Vorsitzenden  für  die  nächste  Versammlung  in 
Wiesbaden  vorgenommen  und  auf  Vorschlag  von  Geh.  Hofrath  Professor  Dr. 
Bartsch  aus  Heidelberg 

zum  ersten  Vorsitzenden  Professor  Dr.  Creizenach  aus  Frankfurt  am 
Main, 

zum  zweiten  Dr.  Max  Kieger  aus  Darmstadt  gewählt. 

Professor  Dr.  von  Keller  setzt  die  Section  in  Kenntniss  von  Sehreiben 
verschiedener  Germanisten,  die  ihr  Bedauern  ausdrücken,  an  der  diesjährigen 
Versammlung  nicht  theilnehmen  zu  können,  und  ihre  Grüße  zu  übermitteln 
bitten. 

Ferner  hat  der  Vorsitzende  die  mündliche  Mittheilung  erhalten ,  daß  die 
bei  der  Rechtschreibungsfrage  besonders  betheiligten  Herren  darüber  einig 
seien,  daß  der  Gegenstand  heute  nicht  mehr  zum  Austrag  gelangen  könne.  Es 
sollten  daher  die  zu  machenden  Vorschläge  genau  abgefaßt  und  so  vorbereitet 
werden,  daß  die  nächste  Versammlung  in  Wiesbaden  darüber  Beschluß  fassen 
könnte,  wesl^alb  der  Vorsitzende  Druck  der  Anträge  empfiehlt. 

Professor  Dr.  Bartsch  spricht  als  besonders  dringenden  Wunsch 
aus,  daß  die  Anträge  nicht  bloß  gedruckt,  sondern  rechtzeitig  zur  allge- 
meinen Kenntniss  gebracht  werden,  etwa  bis  1.  Juni  1877;  zur  Verbrei- 
tung empfehle  sich  Frommanns  Zeitschrift  „die  deutschen  Mundarten";  sollte 
jedoch  die  Aufnahme  hierin  nicht  möglich  sein,  so  stelle  er  die  Germania  zur 
Verfügung.  Ferner  bedürfe  aber  die  Rostocker  Commission  einer  Ergänzung 
durch  süddeutsche  Mitglieder  und  als  solche  schlage  er  Dr.  Frommann  und 
Professor  Dr.   von  Keller  vor. 

OESlIAinA.  Nene  Reihe  X.  (XXII.  Jahrg.)  8 


114  MISCELLEN. 

Professor  Dr.  von  Keller  wünscht  an  seiner  Statt  Professor  Dr.  W  e  i  n- 
hold  in  Breslau  gewählt  zu  sehen,  wird  jedoch  mit  Dr.  Frommaun  von  den 
Anwesenden  einmüthig  gewülilt.  Den  ihm  angebotenen  Vorsitz  in  dieser 
Commission  lehnte  er  jedoch  aufs  bestimmteste  ab,  weshalb  derselbe,  da  wohl 
auch  Dr.  Frommanu  nicht  in  der  Lage  sein  werde  ihn  anzunehmen,  dem 
Professor  Dr.  Sachs  übertragen  wurde.  Sache  desselben  werde  es  sein, 
ausser  der  Leitung  des  brieflichen  Verkehres  der  Mitglieder  die  schließliche 
Formulierung  der  Thesen  zu  besorgen,  und  nur  diese,  wie  Professor  Dr. 
Bartsch  betont,  nicht  alle  abweichenden  Ansichten  der  Mitglieder,  sollen 
gedruckt  werden. 

Da  die  Gegenstände  der  Tagesordnung  erschöpft  waren ,  so  schloß  der 
erste  Vorsitzende,  Professor  Dr.  von  Keller,  mit  Dank  an  die  Anwesenden 
für  die  Theilnahme  und  Ausdauer  bei  den  Verhandlungen  die  eilfte  Versamm- 
lung der  germanistischen  und  romanistischen   Sectiou. 

Hierauf  erwiderte  Professor  Dr.  Sachs  mit  Verdankung  für  die  auf- 
o]ifernde  Thätigkeit  des  Vorsitzenden,  auf  den  das  Wort  des  Kanzlers  Dr.  von 
Rüuielin ,  Schwaben  habe  keine  großen  Philologen  aufzuweisen ,  keine  Anwen- 
dung finde.  Zur  Bekräftigung  erhoben  sich  säramtliche  Anwesende  von  ihren 
Sitzen. 

LEUTKIRCH  im  Allgäu.  Dr.  REINOLD  KAPFF. 


Deutsche    mittelalterliche    Handschriften    der   Fürst-Georgs-Bibliothek    zu 

Dessau. 
(Fortsetzung.) 

2. 
Die  Statuten   des  deutschen   Ordens. 

Diese  Handschrift,  wahrscheinlich  früher  zur  Fürst-Georgs-Biblio- 
thek gehörig,  befindet  sich  gegenwärtig  in  der  h erzog  1.  Bibliothek  zu 
Dessau.  Sie  ist  fest  gebunden  und  mit  zwei  (mit  rothem  Leder  überzogenen 
und  mit  10  Messingknöpfen  und  2  Messingschließen  verzierten)  Holzdeckeln 
versehen.  Die  innere  Seite  der  Holzdeckel  ist  mit  Papier  überzogen,  auf  dem 
sich  wirtlischaftliche  Bemerkungen  finden:  „Item  Daz  Huz  gebt  czu  Lipge- 
dinge  etc."  Woher  der  Codex  stammt,  wird  schwer  nachzuweisen  sein,  viel- 
leicht aus  dem  unweit  Dessau  an  der  Elbe  belegenen  Burow,  welches  ehe- 
mals eine  Bailei  des  Deutschordens  war.  Klein-Folio,  die  Blätter  27  c.  hoch, 
21  c.  hreit,  festes  Membran;  der  Codex  zählt  89  Blätter,  von  denen  das 
erste ,  das  letzte  und  ein  Blatt  zwischen  den  Bestimmungen  einzelner  Hoch- 
meister und  den  Capitelii  „der  gewonheit"  nicht  beschrieben  ist.  Beschriebene 
Blätter  zählt  demnach  der  Codex  8G.  Das  Pergament  liegt  im  Allgemeinen  in 
Lagen  zu  8  Blättern.  Am  Schluß  einiger  Lagen  finden  sich  unten  die  Anfänge 
der  neuen  Lage  (vgl.  Bl.  8,  40,  48,  80).  Die  Handschrift  ist  sehr  sauber 
und  leserlich,  die  eckige  Gothik  ist  aufgegeben,  die  Schriftzüge  nähern  sich 
der  späteren  sogenannten  sächsischen  Canzleischrift.  Überschriften  und  Initialen, 
wie  die  Zahlen  der  Capitel  sind  in  rother  Farbe  ,  jedoch  ohne  besonderen 
Schmuck,  ausgeführt,  daneben  sind  viele  Majuskeln  (auch  bis  wellen  Minuskeln) 


MISCELLEN.  115 

mit  rothen  Strichen  versehen.  Au  einzelnen  Steilen  hat  der  Text  Correctureu. 
Die  Seiten  sind  nicht  gespalten  und  enthalten  25 — 26  Zeilen.  Das  ganze 
Heft  (ausser  den  Deckeln  und  dem  1.  Blatte,  welches  beim  Einbinden  wahr- 
scheinlich hinzugefügt  ist),  ist  mit  einer  groben  Nadel  am  unteren  Rande  durch- 
stochen —  möglichenfalls  war  es  urs2)rünglich  mit  Schnur  und  Siegel  versehen, 
damit  das  Exemplar  als  beglaubigt  ercheinen  konnte.  Sprachlich  und  or- 
thographisch unterscheidet  sich  dieser  Codex  bedeutend  von  dem  von  Dr. 
Ernst  H  ennig  (^Königsb.  1806)  herausgegebeneu,  in  den  Materien  nur  durch 
etwas  andere  Anordnung,  durch  Auslassung  der  „nachgeschriebenen  Gesetze'' 
von  Bruder  Ludwig  von  Erlichshausen  (an  der  betreffenden  Stelle  be- 
findet sich  in  unsefem  Codex  ein  leeres  Blatt)  und  durch  einzelne  andere  kleine 
Abweichungen.  Jedenfalls  ist  die  Dessauer  Handschrift  nicht  Copie  der  von 
Henuig  herausgegebenen. 

Der  Codex  beginnt  mit  den  Worten:  „In  der  Jarczal  xpi  vnsers  hern 
Tusent  vierhun  j  dert  Im  czweyvndvirczigestn  Jare  Am  suntage  1  nehest  vor 
sant  Egidij  tag  habii  wir  btuder  Cun  |  rad  von  Erlichßhusen  homeister  dutsches 
Ordens  |  eyn  groß  capittel  vff  vnsers  ordens  heubthuse  zu  |  Marienburg  in 
prußen  gehaldn  mit  den  ersame  |  vnd  geistlichii  bruder  Eberhart  von  Sauß- 
heim  |  zu  dutsehii  vnd  welschen  landen  heydenrich  fincke  |  zu  lifflande  vnsers 
Ordens  obersten  gebietigern  |  etc."  Nach  dieser  Vorrede  folgt  die  Überschrift 
des  1.  Registers:  „Hie  hebn  sich  an  die  capittel  der  Regel"  (XXXIX  Capitel). 
Darauf:  „Hie  hebn  sich  an  die  capittel  der  gesecze"  (LIII  Capitel).  Im  Texte 
folgen  darauf  die  Bestimmungen  einzelner  Hochmeister  (vgl.  BL  43  —  64)  worauf 
die  Register  jedoch  nicht  Rücksicht  nehmen,  indem  nach  dem  53.  Capitel  der 
Gesetze  hier  sogleich  die  Überschrift  des  letzten  Registers  folgt:  „hie  heben 
sich  an  die  capittel  der  gewonheit"  (LXIIIl  Capitel).  Der  Codex  fährt  mit  einer 
weiteren  Einleitung  fort:  „In  dem  namen  der  heyllgen  dryual  |  diket  so  kun- 
digen wir  allen  dye  nu  sint  |  und  noch  komen  sullen  wie  sich  erhaben  (  hat 
vnd  von  weme.  vnd  wenne  vnd  |  wie  der  ordn  des  spittals  sente  Marien  |  dez 
dutschen  huses  von  Irlm  von  der  ge  |  burt  vnsers  hern  des  Tusend  vnd  hü  | 
dert  vnd  nunczig  iar  waren  In  den  |  geczitn  da  Akers  waz  beseßen  von  den 
cristn  |  vnd  mit  der  gotis  hulffe  widder  gewonen  wart  |  von  den  handn  der  vn- 
geloubign  zu  der  selbigen  |  zijt  yn  dem  here  da  waz  ein  teyl  guter  lute  v5  j 
bremen  vnd  von  lubicke  etc.".  Der  Schluß  der  Regeln  befindet  sich  auf 
Bl.  24  nebst  der  lat.  Unterschrift:  „Ego  heydinricus  dctus  de  Tunna  Sacerdos 
et  frater  ordis  doms  theutonice  per  mans  Jacobi  scptois  diuia  fauete  gracia 
compleui  comparando  hanc  Regula  Anno  domr  Millesimo  tricentesimo  quarto  Et 
hmlit.  depcor  legentes  milla  pro  me  viuo  siue  defücto  dominü  exorare".  Die 
Gesetze  „der  bruder  des  dutschen  huses  von  Iherusalem"  umfassen  die  Bl. 
von  25 — 42.  Auf  Bl.  43  beginnen,  wie  oben  bemerkt,  die  Bestimmungen  ver- 
schiedener Hochmeister:  „Dlß  sint  die  gesecze  die  gesaczt  vnd  bestedi  |  get 
sin  yn  dem  bogen  capittel  von  vnßm  |  homeister  bruder  Conrat  von  vucht- 
wägen  I  zu  franckfurt  etc.  etc."  Auf  die  Bestimmungen  Conrads  vonVucht- 
wangen,  welche  mit  den  Worten  schließen:  „wir  seczen  auch  daz  der  phaffii  | 
cellen  offen  sulln  wesn  eyner  spaüen  wit  gegattert  |  daz  man  bescheydenlich 
dor  yne  möge  gesehen"  (und  also  die  strengen  Gesetze  desselben  Hochmeisters 
„wie  man  die  tiircopele  vii  knechte  vnde  in  caritate  sullen  halden  vii  lasen" 
nicht  enthalten)  folgen   „die    gesecze    die    do    gesaczt  worden   yn    dem   großen 


8 


* 


116  MISCELLEN. 

capittel  zu  venedige  do  bruder  Gotfrit  von  hoenloche  wart  zu  meist'  erkorn  an 
des  heyligen  cruczes  tag  als  is  gefüden  wart".  Darauf  kommen  die  Gesetze 
von  Bruder  Werner,  Br.  Luder  von  Bruneswig,  Br.  Dieterich  von 
Waidenburg  (Bl.  46—49),  Br.  Ludolff  Konig,  Br.  Hinrich  Dupe- 
mer,  Br.  Winrich  von  Kniprode,  sodann  „das  capittel  von  der  offen- 
barunge  vnd  von  der  heymlichen  iusten  die  eyn  bruder  enphet  yn  siner 
büße  vnd  wie  mau  thun  suUe  yn  dem  capittel"  u.  s.  w.,  endlich  noch  die  Ge- 
setze von  Br.  Pauwel  von  Rußdorff  und  Br.  Cunrad  von  Erlich ß- 
husen  (Bl,  56  —  63).  Die  Gesetze  von  Br.  Ludwig  von  Erlichshusen 
fehlen  unserer  Hdsch.  (s.  o.).  —  Im  Register  der  Gewohnheiten  ist  das 
1.  Capitel  übersehen.  Im  Texte  (Bl.  64)  lautet  es  mit  Überschrift:  „Hie 
heben  an  die  großen  gewonheit  vnd  zu  dem  |  ersten  von  des  homeisters  tode  I  j 
Wenne  der  meister  disses  ordens  von  dem  |  siechtum  die  gewissn  vorbotii  des  todes 
sint  I  cntsebet  (so  liest  auch  die  ehemals  dem  Convent  zu  Thorn  gehörige 
Handschrift,  welche  Hennig  AA  bezeichnet,  andere  Handschriften  lesen  hie- 
für „vornymmet")  daz  ym  sin  ende  nahet  so  mag  er  eyne  |  bruder  dem  man 
daz  getruwen  mag  daz  er  |  gutes  vnd  versuchtes  lebens  sy  sin  stat  vnd  daz  | 
Ingesigel  beuelen  dem  meister  der  nach  ym  komf  |  tig  ist  zu  behaldn."  Die 
Gewohnheiten  schließen  im  64.  Capitel  „von  dem  bruder  der  da  zu  büße 
siezet"  mit  den  Worten  „vnd  ir  doch  yn  keinerley  wise  rite".  Darauf  folgt 
als  Überschrift  für  die  Venien  (Bl,  79 — 81):  „Diß  ist  wenne  die  bruder  j 
venien  sollen  ader  nicht."  Auf  Bl,  82  folgt  die  „benedictio  ensis  ad  facien- 
dum  militem"  etc.;  Bl.  83  enthält  die  bei  der  Weihe  des  Ritters  „pro  edi- 
ticacione  asstanciü"  zu  singende  „letania"  u.  s.  w. ;  Bl.  84  bringt  das  „Jura- 
mentum" :  „Ich  entheyße  vnd  gelobe  kuscheit  mynes  libes  |  vnd  an  eygen- 
schaflft  zu  sin  vnd  gehorsam  gote  j  vnd  sente  marien  vnd  uch  meister  des  or  - 
dens  I  des  dutschn  huses  vnd  uwern  nachkomen  nach  j  der  regeln  vnd  der  ge- 
wonheit des  Ordens  des  |  dutschn  huses  daz  ich  gehoi'sam  wil  sin  bis  an  | 
mynen  tod".  Hierauf  „Iniciü  sti  ewangelij  seeundü  Johez"  und  dann  „Wie  die  pri- 
sterbruder  yn  dem  capittel  suUen  bitten  vor  den  Cristenthum"  (Bl.  85),  Zum 
Schluß  mit  anderer  Hand  und  schwärzerer  Tinte,  jedoch  in  ähnlicher,  wenn  auch 
undeutlicherer  Schrift,  eine  ,,Nota",  welche  weitere  Vorschriften  für  aufzuneh- 
mende Brüder  enthält.  W.  HOSÄUS. 

(Fortsetzung  folgt.) 


Verkäufliche  Abschriften  Heidelberger  Handschriften. 

Im  Nachlasse  des  im  vorigen  Jahre  zu  Nußdorf  bei  Landau  verstorbenen 
Pfarrers  G.  J.  Lehmann,  bekannt  durch  eine  Reihe  werthvoller  Einzelsihriften 
über  pfälzische  Orts-  und  Adelsgesehichte,  fand  sich  eine  größere  Anzahl  Ab- 
schriften von  deutschen  Handschriften  der  Heidelberger  Universitätsbibliothek. 
Ein  summarisches  Verzeichniss  derselben,  sowie  einen  Katalog  einer  gleichfalls 
aus  dem  Nachlasse  Lehmanns  stammenden  größeren  Urkundensammlung  ließ 
Herr  Dr.  theol.  Hermann  Sevin  in  Mannheim  durch  Autographie  vervielfältigen 
und  behuf  Verkaufs  der  ganzen  Hinterlassenschaft  oder  einzelner  Theile  der- 
selben auf  privatem  Wege  verbreiten.  Im  Interesse  eines  möglichst  ausgedehnten 
Bekanntwerdens  dieser  Sammlung  besonders  im  Kreise  der  Germanisten  hat  der 
Unterzeichnete  folgendes  genauere  Verzeichniss  nach  den  Abschriften  selbst  an- 


MISCELLEN.  J 1 7 

gefertigt  und  zur  besseren  Orientierung  die  Nummer  des  Heidelberger  Katalogs 
der  Codices  Palatini  Germani  sowie  die  betr.  Seitenzahl  von  Williens  Ge- 
schichte u.  8.  w.  der  Heidelberger  Bücliersammlungen  hinzugefügt.  Die  An- 
ordnung ist  die  des  verstorbenen  Pfarrers  Lehmann ,  die  beizubehalten  räthlich 
schien,  um  bei  etwaigen  Kaufgeboten  Vurwecbslungen  zu  vermeiden.  Am 
Schlüsse  des  Verzeichnisses  habe  ich  die  Abschriften  in  der  Reihenfolge  des 
Heidelberger  Katalogs  geordnet. 

Was  die  Abschriften  im  einzelneu  betriflft,  so  sind  sie  von  Lehmann 
meist  in  der  zweiten  Hälfte  der  vierziger  Jahre  mit  einem  staunenswerthen 
Aufwände  von  Fleiß  und  Sorgfalt  eigenhändig  von  den  Heidelberger  Originalen 
genommen.  Wie  die  Unterschriften  aussagen,  sind  die  meisten  der  Abschriften 
einmal,  sehr  viele  zweimal  verglichen.  Wo  der  Unterzeichnete  die  Lehmannsche 
Abschrift  mit  einem  mittlerweile  erschieneneu  Abdrucke  vergleichen  konnte, 
ergab  sich  genaueste  Übereinstimmung.  Eine  nochmalige  Vergleichung  mit  den 
Originalen  war  wegen  Entfernung  des  Aufbewahrungsortes  von  hier  nicht  thun- 
lich.  Die  Abschriften  sind  sämmtlich  in  Folioformat,  äusserst  sauber  und 
leserlich  geschrieben ;  bei  poetischen  Werken  sind  die  Verszeilen  abgesetzt  und 
gezählt;  die  Paginierung  der  Handschrift,  sowie  Bemerkungen  über  ausgelassene 
Zeilen,  Umstellungen,  Rasuren,  Correcturen,  Undeutlichkeiten ,  Farbe  der  Ini- 
tialen ,  vorkommende  Bilder  sind  überall  am  Rande  oder  vorab  hinzugefügt ; 
kurz,  das  ganze  gewährt  den  Eindruck  peinlichster  Sorgfalt.  Nähere  Auskunft 
ertheilt  Herr  Dr.  tbeol.  Hermann  Sevin  in  Mannheim  (wohnhaft  M  IV,  2)  wo- 
hin auch  Angebote  auf  die  ganze  Sammlung  oder  einzelne  dieser  Abschriften 
zu  richten  sind. 

I.   Chroniken,   Geschichten  und   Miünelieder. 
(1  — 12  und  17  dieser  Abtheilung  sind  Pappbände,  alles  übrige  einzelne  Fascikel.) 

1.  Nicolaus  von    Jeruschin,  Reimchronik    des    deutschen   Ordens  =  Cod. 
Pal.  Germ.  367,  1.   Wilken,  S.  445. 

2.  Passional  =  Cod.  P.  G.  352.   Wilken,  S.  434. 

3.  a)  Bruder  Philipp,  Marienleben  =  Cod.  F.  G.  394,  1.  Wilken,  S.  463. 

6)  Lobgedicht  auf  die  Jungfrau  Maria  =  Cod.  P.  G.  350,  3.  fol.  43 — 63. 
Wilken,  S.  433. 

e)  Lobgedichte  auf  die  Jungfrau  Maria  =  Cod.  P.  G.  356,  2  —  5.  Wil- 
ken, S.  438. 

d)  Legende  der  heiligen  drei  Könige  =  Cod.  P.  G.  118.  fol.  1 — 90. 
Wilken,  S.  349. 

e)  35  Wundergeschichten  =  Cod.  P.  G.  118.  fol.  126"  — 176. 

/)  Evangelium  des  Nicodemus  =  Cod.  P.  G.  118.  fol.  90''— 126. 

g)  Von  der  hlg.   Agnes  =  Cod.  P.  G.  108.  fol.  101 — 105. 

h)  Leg.  V,   d.  hlg.  Achatius  =  Cod.  P.  G.  108.  fol,  91—100. 

i)  Leg.  V.  d.  geistl.  Mantel  d.  hlg.  Maria  =  Cod.  P.  G.  108.  fol.  86 — 90. 

k)  Leg.   V.   d.  hlg.  Dorothea  =  Cod.  P.  G.  108.   fol.  77  —  85. 

/)  Leg.   V.  d.    11000  Jungfrauen  =  Cod.  P.  G.  108.  fol.  1—76.  Wilken, 

S.  345. 
m)  Legende  v.  d.   drei  Jüngern    d.  big.  Hieronymus  =  Cod.  P.  G.  60,  6. 

Wilken,  S.  330. 


11g  MISCELLEN. 

n)  Legende  des  hlg.  Gregorius  =  Cod.  P.  G.  119,  6.  Wilken,  S.  350. 

0)  Legende  des  hlg.  Mauritius  =  Cod.  P.  G.  111,  l.  Wilken,  S.  346. 
p)  Legende  des  hlg.  Meinrad  =  Cod.  P.  G.  111,  2.  Wilken,  S.  347. 
q)  Legende  des  hlg.  Patricius  =  Cod.  P.  G.  60,  4.  Wilken,  S.  330. 

r)  Legenden  der  hlgg.  Pantaleon,  Erhart,  Colmannus,  Virgilius ,  Ulrich, 
Florentius,  Arbogast,  Maximilianus ,  Servatius ;  aus  Cod.  P.  G.  144. 
Wilken,  S.  359. 

s)  Legenden  der  hlgg.  Ulrich,  Dorothea,  Martin;  Lichtmefs;  aus  Cod.  P. 
G.  392.  Wilken,  S.  462. 

t)  Legende  des  hlg.  Alexius  =  Cod.  P.  G.  417,  4.   Wilken,  S.  471. 

u)  Legende  der  hlg.  Elisabeth  =  Cod.  P.  G.  602.  Wilken,  S.  511. 

v)  Legende  von  d.  hlg.  Elisabeth  =  Cod.  P.  G.  105.  Wilken,  S.  344. 

4.  a)  Hadamar  von  Laber,  Jagd  =  Cod.  P.  G.  326.  Wilken,  S.  409. 

b)  Freidank  =  Cod.  P.  G.  349;  der  dazu  gehörige  Anfang  ist  aus  Cod. 
P.   G.   360   hinzugefügt.  Wilken,  S.  432. 

c)  Hölle  und  Himmel  =  Cod.  P.  G.  349,  Bl.  l^ 

d)  Von  Minne  und  Gewinnen  =  Cod.  P.  G.  349,  Bl.  6^ 

e)  Freidank  (ohne  die  latein.  Verse)  =  Cod.  P.  G.  314,  6.  Wilken,  S.405. 
/)  Von  dem  Hausgeschirr  =  Cod.  P.  G.  314,  9.   Wilken,  S.  406. 

g)  Aus  dem  Titurel  —  Cod.  P.  G.  729,  1.  Wilken,  S.  526;  vgl.  Lach- 
manns  Ausg.   von   Wolfram,   S.  XXVII. 

h)  Moralische  Erzählungen  etc.  und  Todtentanz  =  Cod.  P.  G.  314,  2  und 
5.  Wilken,  S.  405. 

i)  Heilsamkeit  der  Bäder  —  Cod.  P.  G.  717.   Wilken,  S.  525. 

k)  Bethlehem.  Kindermord  =  Cod.  P.  G.  372,  2.   Wilken,  S.  452. 

1)  Der  Tugende  Spiegel  =  Cod.  P.  G.  394,  2.  Wilken,  S.  465. 

m)  Eine  guote  zuobari  u.  s.  w.  =  Cod.  P.  G.  384,  2.   Wilken,  S.  459. 
n)  Fabel  vom   Wolfe,  Pfaffen,  Bären    und  Fuchse  =  Cod.  P.  G.  367,  7. 

Wilken  S.  448. 
o)  Kleinere  Gedichte  =  Cod.  P.  G.  693,  2—5.  Wilken,  S.  522. 
p)  Teichner  =  Cod.  P.  G.  384,  1.  Wilken,  S.  458. 
q)  Meistergesänge    und  Volkslieder    aus  der   Miscellanhds.  =  Cod.  P.  G. 

109.   Wilken,  S.  345. 
r)  Muscatblüt,  Meisterlieder  aus  Cod.  P.  G.  392.  Wilken,  S.  462. 

5.  a)  Georg.  Buchananus  Scofus,  Baptistes  oder  Calumnia,     eine  Tragödie 

=  Cod.  P.  G.  377.   Wilken,  S.  455. 

b)  Roswitha,  Abraham  =  Cod.  P.  G.  298,  4.   Wilken,  S.  394. 

c)  Sündenfall,  Schauspiel  =  Cod.  P.  G.  507.   Wilken,  S.  496. 

d)  Passion  Christi,   Schauspiel  =  Cod.  P.  G.   402.  Wilken,  S.  468. 

e)  Haman,  Tragödie  =  Cod.  P.  G.  387.   Wilken,  S.  460. 
/)  Reimgespräch  =  Cod.  P.  G.  417,  3.   Wilken,   S.  471. 

g)   Ackermann  und  Tod  —  Cod.  P.  G.  76.   Wilken,   S.  335. 

h)   Historia    von  Walther    und    Griseldis  =  Cod.  P.  G.    119,   5.   Wilken, 

S.  349. 
i)  Historia  von  einem    reichen  Kaufmann  =  Cod.  P.  G.  119,  4.   Wilken, 

S.  349. 
k)  Historia  von   Guiscard  und  Sigismunda  =  Cod.  P.  G,  119,  2.   Wilken, 

S.  349. 


MLSCELLEN.  119 

l)   Historia  von   einem  Edelmann   und  seinem  Knechte  Heinrich    =    Cod. 
P.   G.  119,  7.  Wilken,  S.  350. 
m)  Erzählung  vom  Ritter  Coniat  =  Cod.  P.  G.  4,  2.  Wilken,  S.  305. 

n)  Rede  von  einer  Graserin  =  Cod.  P.  G.  4,  3,  Wilken,  S.  305. 

o)   Von  dem  Studenten  zu  Paris  =  Cod.  P.  G.  4,  4.  Wilken,  S.  305. 

p)  Krieg  des  Buhlers  und  Spielers  =  Cod.  P.  G.  4,  5.    Wilken,  S.  306. 

q)  Historia  von  Euriolus  und  Lucretia  =  Cod.  P.  G.  119,  1.  Wilken, 
S.  349. 

r)  Alda,  üb.  v.  Adam  Wernher  von  Themar  =  Cod.  P.  G.  298,  2.  Wil- 
ken, S.  394. 

s)  Erz.  V.  d.  Königin  v.  Frankreich  und  Lupoid  von  Osterreich  =  Cod. 
P.  G.  373,  3.  Wilken,  S.  452. 

6.  Johannes  von   Soest,  Margaretha  von  Limburg  =  Cod.  P.  G.  87.  Wil- 
ken, S.  337. 

7.  a)  Kaiserchronik  ==  Cod.  P.  G.  361.  Wilken,  S.  442. 

b)  Chronik  d.  röm.   Kaiser  =  Cod.  P.  G.  525,  1.   Wilken,  S.  503. 

c)  Spruch  von  dem  Pechamer  =  Cod.  P.  G.  525,  2.   Wilken,  S.  504. 

d)  Eroberung  Constantinopels  =  Cod.  P.  G.  525,  3.  Wilken,  S.  504. 

e)  Das  Buch  der  Könige  bis  auf  Conrad  H.  :=:  Cod.  P.  G.  145,  1.   Wil- 
ken, S.  360. 
/)   Chronica  der  römischen  Könige  =  Cod.  P.   G.  5,   4.  Wilken,  S.  307. 

8.  Heinrich  von  dem  Türlin,    Der  Aventiure  Crone  =  Cod.  P.  G.  374. 
Wilken,  S.  452. 

9.  a)  Rud.  V.  Ems,  Wilhelm  von  Orlens  =  Cod.  P.  G.  323.  Wilken,  S.  409. 
b)  Livländ.  Reimchronik  =  Cod.  P.  G.  367,  5.   Wilken,  S.  447. 

10.  a)   Gereimte  Legenden  —  Cod.  P.  G.  342.  Wilken,  S.  428. 

b)  Hermann  von  Fritzlar,  Legenden  =  Cod.  P.  G.  113  und  114.  Wilken, 
S.  348. 

11.  a)  Minnelieder  =  Cod.  P.  G.  357.  Wilken,  S.  438. 

b)  Altswert  =  Cod.  P.  C.  358,  1.  Wilken,  S.  440. 

c)  Aristoteles'  Rath  an  Alexander  =  Cod.  P.  G.  355,  1.  Wilken,  S.  435. 

d)  Lieder  von  Reinmar  von  Zweter,  Konrad  von  Würzburg,  Barthel  Re- 
genbogen ,  Heinrich  Frauenlob ,  Marncr  und  Ungenannten  =  Cod.  P. 
G.  350,  1.   Wilken,  S.  432. 

e)  geistliche  Lieder  =  Cod.  P.  G.  350,  2.  Wilken,  S.  433. 

/)  Meistergesänge  von  Regenbogen,  Marner  und  Frauenlob  =  Cod.  P. 
G.  350,  4.  Wilken,  S.  433. 

ff)  Miunelied  =  Cod.  P.  G.  349,  fol.  19^   Wilken,  S.  432. 

h)  Minnelied  =  Cod.  P.  G.  693,   fol,  40\  Wilken,  S.  522. 

i)  Des  elenden  Knaben  Reden  von  der  Minne  =:  Cod.  P.  G.  344,  1 — 4. 
Wilken,  S.  428. 

k)  Gericht  zwischen  Gerechtigkeit  und  Minne  =  Cod.  P.  G.  314,  4.  Wil- 
ken, S.  405. 

i)  Minnelied  in  der  Titurelstrophe  =  Cod.  P.  G.  729,  2,  fol.  6.  Wilken, 
vS.  526. 

12.  Poetische  Erzählungen  von  der  Minne,  Minnelieder  u.  s.  w.  =  Cod.  P. 
G.  313,  1—54.   Wilken,  S.  401. 


120  MISCELLEN. 


Folgende  vier  Nummern  sind  in  einem  Fascikel  vereinigt: 

13.  Egen  von  Bamberg,   Minneburg  =  Cod.  P.  G.  385.   Wilken,  S.  459. 

14.  Hugo  von  Montfort,  Gedichte  =  Cod.  P.  G.  329.   Wilken,  ö.  411. 

15.  Gedicht  von  der  Minne  =  Cod.  P.  G.  348.   Wilken,  S.  431. 

16.  Zwölf  kleinere   Gedichte,    meist    die  Minne    betreffend  =  Cod.   P.   G. 
893,  1  —  12.  Wilken,  S.  463. 


17.  Mich.  Behaim,  Beimchrouik  von  den  Thaten  Friedrichs  des  Siegreichen 
=  Cod.  P.  G.  335.  Wilken,  S.  414. 

II.  Größere  poetische  Werke: 

1.  Konrad  von  Amraenhausen,  Schachzabelbuch  =  Cod.  P.  G.  398.  Wil- 
ken, S.  466. 

2.  Ulrich  v.  Esehenbach,   Alexandreis  =  Cod.  F.  G.  333.  Wilken,  S.  413. 

3.  Seyfried,   Alexander  der  Grosse  =  Cod.  P.  G.  347.   Wilken,  S.  431. 

4.  Bruder  Wernher,  Marienleben  =  Cod.  P.  G.  372,  1.    Wilken,  S.  451. 

5.  Gedicht  von  Kaiser  Kothbart  =  Cod.  P.  G.  844,  9. 

6.  Heinrieh  von  Neustadt,  Von    der  Zukunft    des    Herrn  =  Cod.  P.  G. 
401.   Wilken,  S.  467. 

7.  Heinrich  von   Mugeln,    der  Meide  Kranz   =  Cod.  P.  G.    14.    Wilken, 
S.  309. 

8.  Mönch  von  Heilbronn,    die    sieben   Grade  =  Cod.  P.  G.  417,  2,    Wil- 
ken, S.  471. 

9.  Vom  Herzog  Belyant  und  seiner  Gemahlin  Libanit  =  Cod.  P.  G.  353. 
Wilken,  S.  434. 

10.  Thomasin    von  Zirklere;    welscher    Gast  =:  Cod.   P.  G.  389.    Wilken, 
S.  460. 

11.  Jans    der  Enenkel,  Weltchronik  =  Cod.  P.  G.  336.  Wilken,  S.  415. 

12.  Tantarias  und  Flordiwel  =  Cod.  P.  G.  370.   Wilken,  S.  449.  Nach  der 
Cölner    Handschrift    (in    der  Wallraffschen   Sammlung   X,  61)    ergänzt. 

13.  Friedrich   von  Schwaben  =  Cod.  P.  G.  345,  2.   Wilken,  S.  430. 

14.  Ogier  =  Cod.  P.  G.  363.  Wilken,  S.  444. 

15.  Segehart  v.  Babenberg,  Tristrand  =  Cod.  P.  G.  346.  Wilken,  S.  430. 

16.  Aeneis  =  Cod.  P.  G.  403.  Wilken,  S.  468. 

17.  Reinalt  oder  die  Heimonskinder  =  Cod.  P.   G.  399.   Wilken,  S.  466. 

18.  Malagis  =  Cod.  P.  G.  315.  Wilken,  S.  407. 

19.  Konrad,  Rolandslied  =  Cod.  P.  G.  112,   Wilken,  S.  347. 

20.  Wilhelm  von  Österreich  =  Cod.  P.  G.  143.  Wilken,  S.  359. 

21.  Der  Rosengarten  =  Cod.  P.  G.  359,  1.  Wilken,  S.  440. 

III.  Abschriften  geschichtlichen  Inhalts. 

1.  Leonhard  Flexel,  Beschreibung  des  Passauer  Herrenschießens  1555  = 
Cod.  P.  G.  686,  Wilken,  S.  520. 

2.  ders. ,   Beschreibung   des    Stuttgarter   Schießens    1560   =   Cod.  P.   G. 
325.  Wilken,  S.  409. 


MISCELLEN.  121 

3.  ders.,  Beschreibung  des  Wormser  Schießeue  1575  =  Cod.  P.  G.  405. 
Wilken,  S.  4G9. 

4.  Ungarische  Chronik  =  Cod.  P.  G.  156,   Wilken,  S.  369. 

5.  Heinrich   von   Mujicln,    ungar.   Chronik   =   Cod.   F.   G.   5,    3.   Wilken, 

6.  Wie  Jacob  von  Gültlingen  Conraden  von  Degenfeld  erstach  und  ent- 
hauptet wurde,  sammt  einem  Liede  über  diese  Begebenheit  =  Cod.  P. 
G.  52,  3,  4.    Wilken,  S.  327. 

7.  Erzählung  der  Begebenheiten  in  England  im  Heumonat  1553,  und 
wie  Job.  Diasiuis  seinen  Bruder  umbringen  ließ  1546  =  Cod.  P.  G, 
776,  3,  4.  Wilken,  S.  533. 

8.  Peter  Harrer,  Krieg  Philipps  von  Plessen  und  Johanns  von  Sachsen 
gegen  die  Bischöfe  =  Cod.  P.  G,  319.   Wilken,  S.  407. 

9.  ders.,  Gedicht  von  der  Hochzeit  des  Pfalzgrafen  Friedrich  III.  =  Cod. 
P,  G.  337.  Wilken,  S.  416. 

10.  Privilegien  der  Familie  Zolner  zir  Bamberg  (mit  Kaiserurkunden)  = 
Cod.  P.  G.  835,  3.  Wilken,  S.  542. 

11.  Stammtafel  d.  Brandenburg.  Fürsten  =^  Cod.  P.  G.  103.   Wilken,  S,  343. 

12.  Diarium  Wirtembergicum  von  Christ,  Bidenbach  =  Cod.  P.  G.  104. 
Wilken,  S.  343. 

13.  Lobrede  auf  Moriz  von  Oranien  =  Cod,  305,  1,   Wilken,  S.  39  7. 

14.  Zeitung  von  der  Schlacht  vor  Ofen  1541 5  Zeitung  von  dem  Minich 
in  Siebenbürgen   1551  =  Cod.  P.  G.  776,  1.  2.   Wilken,  S.  533. 

15.  Geschichte  der  Krönung  und  Vermählung  Friedrichs  III.  =  Cod.  P. 
G.  677,  1.  Wilken,  S.  519. 

16.  Elegien  auf  den  Tod  der  Churfürstin  Anna  zu  Sachsen  von  Barth, 
Hofmann  =  Cod,  P,  G.  734,  3.  Wilken,  S.  528. 

17.  Zur  Geschichte  der  Gefangenschaft  des  Herzogs  Joh,  Friederich  von 
Sachsen  =  Cod,  P.  G,  777.   Wilken,  S.  533. 

18.  M,  Kalnbergk,  Reden  auf  Joh.  Friedrich  von  Sachsen  =  Cod.  P.  G. 
733,  4.  Wilken,  S.  528. 

19.  Verschiedene  poetische  und  prosaische  Stücke,  betreflfend  die  Gesch. 
Morizs  von  Sachsen,  Heinrichs  von  Braunschweig,  Albrechts  von  Bran- 
denburg, des  Augsburger  Reichstags  von  1552  u.  s.  w. ;  ein  Spruch 
von  der  Armut;  Gedichte  von  Hans  Sachs  =  Cod.  P.  G.  774,  1  — 19- 
Wilken  (1—14),  S.  532. 

Verzeichniss  vorstehender  Hss,  nach  der  Reihenfolge  des  Heidelberger  Katalogs. 

C.  76  =  I,  5^ 

„  87  =  I,  6 

„  103  =  III,  11 

„  104  =  III,  12 

„  105  =  I,  3" 

„  108,  El.   1—  76  =  I,  3' 

„  108,  Bl.  77—  85  =  I,  3' 

„  108,  Bl.  86—  90  =  I,  3' 

„  108,  Bl,  91  —  100  =1,  3" 

„  108,  Bl.  101  —  105  =  I,  3^ 


C. 

4, 

2  =  I,  5 

v 

4, 

3  =  I,  5" 

n 

4, 

4  =  I,  5" 

v 

4, 

5  =  I,  5p 

)5 

5, 

3  =  III,  5 

T} 

5, 

4  =  I,  7^ 

71 

14 

=  11,7 

V 

52, 

3,  4  =  II,  6 

n 

60, 

4  =  I,  S"» 

n 

60, 

6  =  II,  3^ 

122 


MIS  GELLEN, 


C.  109  =  1,  4" 

„  111,  1  =  1,  3» 

„  111,  2  =  1,  3P 

„  112  =  11,  19 

„  113  und  114  =  I,  lO** 

„  118,  Bl.  1—  90  =  I,  S-^ 

„  118,  Bl.  90  —  126  =  I,  3' 

„  118,  Bl.  126—176  =  I,  3^ 

„  119,  1  =  1,  5'> 

„  119,  2  =  I,  5'' 

„  119,  4  =  1,5' 

„  119,  5  =  I,  ö"" 

,  119,6=1,  3° 

,,  119,  7  =  I,  5' 

,,  143  =  II,  20. 

,    144  =  I,  3' 

,  145,  1  =  I,  7^ 

,  156  =  III,  4 

,  298,  2  =  1,  5' 

,  298,  4  =  I,  ö'' 

,  305,  1  =  III,  13 

,  313  =1,  12 

,  314,  6  =  I,  4* 

,  314,  2.  5  =  I,  4" 

,  314,  4  =  1,  11"^ 

,  314,  9  =  I,  4^ 

,  315  =n,  18 

,  319  =  III,  8 

,  323  =  I,  9* 

,  325  =  III,  2 

,  326  =  I,  4» 

,  329  =  I,  14 

,  333  =  n,  2 

,  335  =  I,  17 

,  336  =  II,  11 

337  =  III,  9 

342  =  I,  lO'' 
,  344,  1—4  =  I,  11- 

345,  2  =  II,  13 

346  =  II,  15. 

347  =  n,  3 

348  =  I,  15 
349,  1  =  I,  4"^ 
349,  2  =  I,  4"^ 
349,  3  =  I,  4" 

349,  Bl.  19"  =  I,  11^ 

350,  1  =  I,  ll-» 
350,  2  =  1,  11« 


C.  350,  3  =  I,  3*" 
„  350,  4  =  1,  11^ 
„  352  =  I,  2 
„  353  =  II,  9 
„  355,  1  =  I,  11' 
„  356,  2—5  =  I,  3' 
„  357  =  I,  11" 
„  358,  1  =  I,  11" 
„  359,  1  =  II,  21 
„  361  =  I,  7* 
„  363  =  II,  14 
„  367,  1  =  I,  1 
^  367,  5  =  I,  9" 
..  367,  7  =  I,  4" 
^    370  =  II,  12 
„  372,  1  =  II,  4 
,,  372,  2  =  I,  4" 

;,  373,3  =  1,5' 

„  374=1,8 

^    dll  —  I,  5=^ 

„  384,  1  =  I,  4^ 

„  384,  2  =  I,  4- 

„  385  =  I,  13. 

„  387  =  I,  5^ 

^  389  =  II,  10 

„  392  =  1,3^ 

^,  392  =  T,  4' 

„  393,  1  —  12  =  I,  16 

„  394,  l  =  I,  3" 

„  394,  2  =  I,  4' 

^  398,  2  =  II,  1 

..  399  =  II,  17. 

.,  401  =  II,  6 

„  402  =  1,5'' 

„  403  =  II,  16 

„  405  =  III,  3 

„  417,2  =  11,8 

.,  417,  3  =  I,  5' 

„  417,  4  =  I,  3^ 

„  507  =  I,  5^ 

„  525,  1  =  I,  7" 

„  525,  2  =  I,  7<^ 

„  525,  3  =  I,  7'' 

„  602  =  I,  3" 

,  677,  1  =  m,  15 

^  686  =  III,  1 

„  693,  2—5  =  I,  4° 

,  693,  Bl.  40"  =  I,  11' 


MISCELLEN.  123 

C.  717  =  I,  4'  C.  776,  1.  2  =  III,  14 

„    729,  1  =  I,  4«  „    776,  3.  4  =  III,  7 

„    729,  2  =  1,  11'  „    777  =  III,  17 

„    733,  4  —  III,  18  „    835,  3  =  III,  10 

„    734,3  =  111,16  „    844,  9,  =  II,  5. 

„    774  =  m,  19 

HEIDELBERG,  im  Januar  1877.  W.  SCHLÜTER, 

Custos  an  der  Heid.  Univ.-Bibl. 


Theophil  Rupp. 

Es  liegt  mir  eine  Autobiographie  von  Th.  Rupp  vor,  die  vollständig  mit- 
zutheilen  zwar  der  Raum  verwehrt,  von  der  ich  jedoch  einen  Auszug  zu  liefern 
mir  erlaube.  Nicht  ein  Gelehrtenleben  ist  dies,  sondern  ein  auf  praktische 
Thätigkeit  gestelltes  Dasein,  das  in  der  letzten  Periode  ruhigen  Genießens  dem 
Triebe  zu  gelehrter  Thätigkeit  sich  endlich  hingeben  durfte.  Johann  Gottlieb 
Rupp  wurde  am  21.  Januar  1805  in  Reutlingen  geboren;  während  seines 
langen  Aufenthaltes  in  Italien  Teofilo  genannt,  hat  er  diesen  Vornamen  auch 
nach  der  Rückkehr  ins  Vaterland  beibehalten.  Er  trat,  nachdem  er  die 
Schule  durchgemacht,  als  Kaufmannslehrling  in  ein  Geschäft  in  Reutlingen 
ein  ,  gegen  seine  Neigung  ,  schon  damals  von  einem  unbändigen  Lern- 
triebe erfüllt.  'Sommer  und  Winter  war  Ich  um  4  Uhr  Morgens  an  der 
Arbeit  und,  um  zur  nöthigen  Zeit  zu  erwachen,  verfertigte  ich  mir  einen 
eigenen  Mechanismus  ,  durch  welchen  ich  mittelst  einer  Taschenuhr  und 
einer  alten  Kuhglocke  zum  Entsetzen  meiner  Schlafgenossen  einen  unfehlbaren 
Weckruf  hervorbrachte'.  Nach  B^/^  Jahren  kam  er  nach  Serriere  bei  Neu- 
chatel,  nach  einem  halben  Jahre  nach  Morges  am  Genfersee  in  eine  Colonial- 
waarenhandlung.  Während  dreijährigen  Aufenthaltes  lernte  er  hier  Französisch, 
auch  Englisch  und  die  Anfänge  des  Italienischen ,  und  las  fleißig  Geschichts- 
werke und  Reisebeschreibuugen.  Durch  einen  Aufruf  in  der  Zeitung,  wodurch 
jungen  Kaufleuten  Verwendung  bei  der  zu  gründenden  Bank  in  Athen  eröfi'net 
wurde,  veranlaßt,  entschloß  er  sich  über  Italien  nach  Griechenland  zu  gehen 
und  verließ  1827  die  Schweiz.  Schon  unterwegs  erfuhr  er,  daß  jene  griechischen 
Hoff'nungen  eitel  seien  und  beschloß  in  Italien  zu  bleiben.  In  Livorno  erhielt 
er  eine  Stelle  als  Commis  und  verblieb  in  wechselnder  Lage,  wobei  aber  überall 
die  Ehrlichkeit  und  Gradheit  seines  Charakters  sich  bewährte,  in  jener  Stadt 
die  letzten  14  Jahre  ein  Geschäft  unter  eigenem  Namen  führend.  Auch  in 
Italien  setzte  er  seine  Studien  aufs  eifrigste  fort,  die  Alten  las  er  meist  in 
italienischen  Übersetzungen,  wenngleich  er  noch  im  34.  Lebensjahre  bei  einem 
griechischen  Priester  Griechisch  zu  lernen  versuchte.  Auch  die  Litteratur  der 
Inder,  Perser,  Chinesen  lernte  er  in  englischen  und  französischen  Übersetzungen 
kennen.  Mit  Eifer  betrieb  er  nebst  einem  Freunde  Nachgrabungen  in  der 
toskanischen  Maremma,  die  manche  Alterthümer  zu  Tage  förderten.  —  Es 
kamen  die  Jahre  1847  und  1848  und  Rupp  nahm  persönlich  und  mithandelnd 
an  der  politischen  Bewegung  in  anti- österreichischem  Sinne  Theil.  Er  trat  mit 
Guerrazzi  in  intime  Verbindung,  von  dem  er,  trotz  mancher  Abweichung  der 
Ansichten  über  die  für  Italien  beste  Staatsform,  doch  Bedeutendes  erwartete. 
Rupp  mußte  von  der    toskanischen  Regierung  Verfolgung    erleiden,  wurde  ver- 


124  mSCELLEN. 

haftet  und  nach  Elba  gebracht.  Nachdem  er  in  Folge  der  Revolution  die 
Freiheit  wiedererlangt,  kehrte  er  vorläufig  zu  einem  Besuche  nach  Deutschland 
zurück  und  traf  am  31.  December  1848  in  Reutlingen  ein.  Die  Bekanntschaft 
mit  seiner  nachherigen  Frau  wurde  der  Anlaß,  daß  er  sich  ganz  in  der  Vater- 
stadt niederließ.  Am  6.  Mai  1850  verheirathete  er  sich;  fast  hätte  auf  der 
Hochzeitsreise  das  junge  Ehepaar  das  Leben  verloren.  Auch  in  Reutlingen 
noch  Geschäfte  treibend,  zog  er  sich  später  mehr  und  mehr  davon  zurück,  um 
sich  ganz  den  geliebten  Studien  zu  widmen.  Schon  1844  hatte  er  sich  Grinrms 
Mythologie  nach  Italien  kommen  lassen  und  sich  mit  ihrem  Inhalte  mit  beson- 
derer Liebe  vertraut  gemacht.  Mythologie  und  Alterthumskunde  wurden  der 
Mittelpunkt  seiner  Studien.  1864  veröffentlichte  er  seine  erste  dahin  gehende 
Schrift  "^Aus  der  Vorzeit  Reutlingens  ,  nachdem  er  sie  im  Manuscripte  Klüpfel 
und  Roth  in  Tübingen  mitgetheilt  und  durch  sie  zur  Veröffentlichung  ermuthigt 
worden  war.  Früher  hatte  er  in  Italien  ausser  einem  Versuche  in  Natur- 
philosophie (Das  Entstandene  und  das  Nichtentstandene)  nur  zahlreiche  Zeitungs- 
artikel geschrieben.  1865  schrieb  er  seine  Abhandlung  über  Fiölsvinnsmäl  und 
über  Hrafnagaldr  Odins,  1866  die  über  Baidur,  1867  einen  Nachtrag  dazu,  1868 
über  die  kurzen  Griffe  der  Bronzeschwerter,  1870  zur  Deutung  von  Fiöl- 
svinnsmäl, sämmtlich  in  dieser  Zeitschrift  veröffentlicht.  Die  drei  ersten  Ab- 
handlungen mit  einer  vierten  über  Freyja  vereinigt  erschienen  1868  unter  dem 
Titel  'Eddische  Studien  als  Buch.  Die  Schrift  Aus  der  Vorzeit  Reutlingens 
erschien  mit  einem  vermehrten  Abdruck  des  Artikels  über  die  Bronzeschwerter 
in  zweiter  Auflage   1869. 

Das  letzte  was  er  veröffentlichte  war  ein  Aufsatz  'über  die  Bedeutung 
von  Alm'  (Germ.  XVII);  das  letzte,  woran  er  arbeitete,  eine  Abhandlung 
'über  den  Namen  der  Germanen ,  die  ebenfalls  für  die  Germania  bestimmt  war. 
Eine  ehrende  Anerkennung  wurde  ihm  dadurch  zu  Theil,  daß  im  December  1866 
die  philosophische  Facultät  in  Tübingen  ihn  zum  Doctor  hon.  causa  ernannte. 
'Als  Professor  R.  Roth  in  Begleitung  von  Dr.  Euting  mir  das  Diplom  über- 
brachte, war  ich  eben  in  meinem  Magazin  mit  Wildhäuten  beschäftigt,  und 
konnte  mich  nach  einigem  Wartenlassen  nur  im  Magazins-Anzug  präsentieren. 
In  den  letzten  Jahren  hatte  er  an  körperlicher  Rüstigkeit  wohl  abgenommen, 
aber  die  ausserordentliche  Lebendigkeit  und  Regsamkeit  des  Geistes  hatte  er 
sich  bewahrt.  Im  September  1874  verlebte  ich  mehrere  herrliche  Herbsttage 
in  seinem  Hause,  nicht  ahnend,  daß  ich  ihn  zum  letzten  Male  sehen  sollte.  Er 
starb  am  25.  März  1876,  ein  treuer  Sohn  des  Vaterlandes,  der  auch  in 
der  Fremde  die  Liebe  zu  heimischer  Sprache  und  Sitte  fest  und  innig  im 
Herzen  trug. 

K.  BARTSCH. 


Alexander  Vollmer. 

Ein  beinahe  Verschollener,  ist  am  5.  December  1876  in  München  A. 
Vollmer  gestorben.  Er  hieß  mit  Vornamen  ursprünglich  Alois,  nannte  sich  aber 
später  Alexander.  Am  26.  September  1803  wurde  er  als  Sohn  eines  Schul- 
lehrers zu  Krcbeck  im  Eichsfolde  geboren,  machte  die  Lateinschule  in  Duder- 
stadt durch,  studierte  seit  1823  in  Göttingen  Philosophie,  dann  in  Bonn    und 


MISCELLEN.  125 

Würzburg  Theologie  bis  182G,  ließ  aber  zum  großen  Kummer  aeiner  Eltern 
dies  seine  Zukunft  sichernde  Studium  fallen.  Nachdem  er  einige  Zeit  als  Hof- 
meister fungiert,  begab  er  sich  nach  München  und  trieb  unter  Maßmann  ger- 
manistische Studien.  Seine  erste  Arbeit,  die  er  veröffentlichte,  war  die  für  die 
Göschenscheu  'Dichtungen  des  Mittelalters  bestimmte  Ausgnbe  von  Der  Nibe- 
lunge  Not  und  diu  Klage  (Leipzig  1843),  die  auf  der  Hs.  A  beruhte,  die 
Vollmer  aufs  neue  collationiert  hatte.  Der  Umstand  ,  daß  er  in  der  Klage 
mehrere  von  Lachmann  übersehene  Zeilen  entdeckte,  zog  ihm  freilich  den  hef- 
tigen Zorn  Lachmanns  zu.  Die  kritische  Arbeit  Vollmers  war  hier  nur  ge- 
ring ;  um  so  mehr  Anerkennung  verdient  seine  ebenfalls  in  genannter  Sammlung 
erschienene  Ausgabe  der 'Gudrun  (184.^),  die  einen  nicht  unwesentlichen  Fort- 
schritt in  der  Kritik  dieses  Gedichtes  bekundet.  1843  besorgte  er  eine  zweite 
Auflage  von  Beilhacks  Übersicht  der  sprachlichen  und  literarischen  Denkmäler 
des  deutschen  Volkes  ;  1850  erschien  seine  mit  C.  Hofmann  zusammen  unter- 
nommene Ausgabe  des  Hildebrandsliedes,  die  freilich  mehr  ein  Curiosum  ist. 
Dazwischen  fällt  seine  eingehende  liecension  der  Gabelentz-Löbeschen  Ulfilas- 
ausgabe in  den 'Gelehrten  Anzeigen  von  1846,  Nr.  163  — 168  und  245 — 249, 
die  zuerst  Vollmer  als  Specialforscher  des  Gotischen  bethätigte.  Von  da  an 
blieben,  auch  wenn  er  fast  nichts  mehr  veröffentlichte,  dem  Gotischen  und  Ur- 
deutschen seine  Studien  zugewendet.  Nur  noch  einmal  trat  er  hervor:  als  1862 
in  Augsburg  die  Philologenversammlung  tagte ,  auf  der  zum  ersten  Mal  die 
Germanisten  eine  selbständige  Section  bildeten,  stellte  sich  Vollmer  mit  seiner 
Ausgabe  der  'Skeireius  ein.  Noch  sehe  ich  ihn  vor  mir  wie  der  von  innerer 
Erregung  bebende  Mann  vor  Wackernagel  trat,  wie  die  am  dritten  Tage  leider 
schon  stark  gelichteten  Reihen  sich  erhoben  und  den  werthen  Faehgenossen 
mit  seltener  Einmüthigkeit  ehrten,  wie  da  die  Eiskruste  um  den  alten  Isegrim 
schmolz  und  derselbe  Nachmittags  beinahe  verjüngt  unter  den  Besten  seines 
Zeichens  im  Schiesgraben  saß*)'.  Die  Ausgabe  zeugt  von  liebevollster  und 
eindringendster  Beschäftigung,  verräth  aber  leider  eine  bedenkliche  Vorliebe  für 
Conjecturalkritik.  Und  das  würde,  ist  zu  fürchten,  auch  bei  seiner  lange  ge- 
planten Ulfilasausgabe  der  Fall  gewesen  sein ,  von  welcher  nach  der  Allgera. 
Zeitung  (a.  a.  0.  182'')  schon  ein  Theil  gedruckt  war,  aber  von  dem  fast 
blinden  und  an  der  Vollendung  verzweifelnden  Vollmer  1871  maculiert  wurde. 
Aber  immerbin  würde  es  ein  Werk  staunenswerthen  Fleißes  und  Scharfsinns 
geworden  sein,  und  es  wäre  zu  wünschen  daß,  was  noch  davon  existiert,  dem 
Untergang  entrissen  würde. 

K.  BARTSCH. 


Ein  Brief  F.  H.  von  der  Hagens  an  Fr.  D.  Gräter. 

Unter  der  Bezeichnung:  Manuscr.  misc.  4".  30.  enthält  die  k.  öffentliche 
Bibliothek  zu  Stuttgart  unter  anderen  Papieren  aus  dem  Nachlaß  Friedrich 
David  Gräters  auch  eine  ziemliche  Anzahl  von  Briefen  an  denselben,  worunter 
die  Namen  Brentano,  Gleim,  Jakob  Grimm,  v.  d.  Hagen,  Klopstock ,  Kose- 
garten, Uz  hervorragen.    Indem  ich  andere  Briefe  mitzutheilen  auf    später  ver- 


*)  Allgemeine  Zeitung  1876,  Beilage  13,  S.  183\ 


126  MISCELLEN 

schiebe,  gebe  ich  hier  den  v.  d.  Hagens,  welcher  für  die  Geschichte  der 
deutscheu  Philologie  und  besonders  der  Händel,  in  welche  die  mit  jugend- 
licher Frische  aufstrebenden  Brüder  Grimm  mit  älteren  Fachgenossen  geriethen, 
nicht  uninteressant  sein    dürfte. 

STUTTGART,  im  Juui  1876.  HERMANN  FISCHER. 

Breslau,  den  22.  Jan.   1812. 

Hochgeehrtester  Herr  Professor, 

Ich  bin  so  frei ,  Ihnen  hiebei  die  bis  jetzt  gedruckten  Bogen  meiner 
Ausgabe  der  Eddischen  Lieder,  welche  über  unsere  Nazioualmythen  gehen,  zu 
übersenden.  Es  sind  zwar  nur  die  Bogen  der  2.  Correktur,  aber  die  Aus- 
hängebogen fehlen  mir  selber  noch  (da  in  Berlin  gedruckt  wird),  und  ich  hoflfe 
Ihnen  doch  mit  diesen  Vergnügen  zu  machen,  da  Sie  (bei  Arndt)  vergeblich 
nach  diesen  Liedern  getrachtet,  und  Ihr  tiefes  Studium  der  Nords.  Literatur 
und  Mythologie  sie  Ihnen  natürlich  so  wichtig  machen  muß.  Mich  interessiren 
sie  besonders  aus  jener  nazionalen  Rücksicht;  welche  ich  in  der  Einleitung 
ausgeführt.  Meine  Abschrift,  durch  Nyerups  Güte,  ist  nach  dem  besten  Cod. 
Reg.,  der  Quelle  der  meisten  übrigen  Codd.  Ich  habe  sie  wohl  schon  \^l„  Jahr, 
und  sogleich  zur  Herausgabe  bestimmt.  Dieß  wußten  schriftlich  und  mündlich 
auch  die  HH.  Grimm,  und  ich  habe  ihnen  selber  noch  einen  Theil  davon  ab- 
schriftlich geschickt.  Die  Kollision  kann  mir  also  nicht  zur  Last  gelegt  werden. 
Auch  schadet  sie  gar  nicht:  und  jene  wollen  auch  den  ganzen  2.  Theil  der 
Sämunds.  Edda  ediren :  obgleich  soviel  ich  weiß  darin,  außer  beikommend  nur 
noch  Grougalldr  und  Getspeki  Heidreks  sind:  wenn  sie  nicht  Voluspa,  Hava- 
mal,  Runacap.,  Grottasaung  etc.  etc.  wiederholen  wollen.  Wie  weit  mögen  sie 
damit  sein?  Ich  komme  nächstens  mit  meiner  Ausgabe,  und  hoflfe  jenen  noch 
zuvor.  Eine  Übersetzung,  getreu  in  der  Nordischen  Form,  liefere  ich  besonders, 
zusammen  mit  der  der  Volsunga-Ragnar  Lodbroks-Nornagest-Wi[lkina  ist  wegge- 
rißen]  und  Niflunga-Saga's,  noch  in  diesem  Sommer,  da  sie  meist  schon  fertig. 
So  haben  wir  alles  Nords,  über  unsere  Nazioualmythen  beisammen.  Auch  die 
Blomsturvalla-Saga  und  Jarl  Magus-Saga,  die  dazu  gehören,  habe  ich  ab- 
schriftlich durch  Nyerup.  Das  übrige  überlasse  ich  den  Grimms.  Meinen  Plan 
habe  ich  schon  vor  Jahr  und  Tag  in  der  Vorrede  zum  Heldenbuch  dargelegt. 
—  Von  meinen  übrigen  liters.  Unternehmungen ,  welche  durch  meine  hiesige 
Versetzung  und  Amtsgeschäfte  gestört  sind,  nächstens  mehr.  Ich  muß  es  für 
ein  gutes  Zeichen  halten,  daß  gerade  bei  meiner  Anherokunft,  ohne  mein  Zu- 
thun,  so  viel  für  Altd.  und  Nords.  Lit.  geschieht,  durch  Sie  und  den  wackern 
Heinze.  Ich  will  auch  gern  mein  Theil  dazu  beitragen  und  hoflfe  Ihnen 
nächstens  einiges  vorzulegen;  denn  mein  Museum  scheint  vor  der  Hand  unter- 
brochen. Sonst  könnten  sämmtliche  Unternehmungen  dieser  Art  "recht  gut 
neben  einander  bestehen,  inid  man  muß  nur  wünschen,  daß  recht  viel  von  allen 
Seiten  begonnen  werde,  wenn  es  auch  nicht  lange  währt.  Mit  dem  Reineke  Voß  auf 
den  ich  mich  sehr  freue,  werden  Sie  auch  mit  Grimms  collidiren.  Diese  Herrn 
sind  aber  gar  eigensüchtig  und  möchten  gern  durch  solche  Ankündigungen  alles 
beste  für  sich  in  Beschlag  nehmen.  Ich  werde  mich  aber  durch  nichts  in 
meiner  unsere  alten  epischen  Nazionalgedichte  und  alle  auswärtigen  Darstellun- 
gen   und  Umbildungen  derselben  umfaßenden  Unternehmung  nicht  irren   lassen. 


MISCELLEN  127 

Hiezu  bitte  ich  Sie  auch  um  gefällige  Anzeige  und  Mittlieiiuiig  alles  dahin 
gehörigen,  besonders  Ihrer  zum  Tausch  ausgebotenen  Fragni.  des  Hcldenbuchs, 
worauf  ich  sehr  neugierig  bin.  Sind  es  wirklicli  alte  Originale,  nicht  Ab- 
schriften, will  ich  gern  Nordisches  dafür  geben.  Ich  besitze  jetzo  auch  das 
Kinderlings.  Fragni.  vom  Wolfdietrich.  Leben  Sie  reclit  wohl,  und  erfreuen  mich 
recht  bald   durch  eine   Antwort. 

Der  Ihrige 
V.  d.   Hage  n. 


Erklärung. 

Verschiedene  Anläße  bestimmen  mich  hiemit  zu  erklären,  daß  ich  folgende 
in  der  k.  k.  Universitätsbibliothek  zu  Graz  aufbewahrte  handschriftliche  Sprach- 
denkmäler so  bald,  als  es  meine  Zeitverhältnisse  gestatten,  theils  in  dieser 
Zeitschrift  theils  selbständig  zu  veröffentlichen  beabsichtige:  1.  eine  Legende 
auf  den  heiligen  Ludwig  Tholosanus  (Codex  33/1.  4"),  2.  ein  Gedicht  von  der 
heiligen  Dreifaltigkeit  (Cod.  39/63.  4"),  3.  Proben  aus  einem  deutschen  Psalter 
(Cod.  39/63.  4*'),  4.  Konrads  von  Megenberg  Bearbeitung  der  Sphaera  mundi 
von  Sacro-Bosco  (39/58.  fol.). 

INNSBRUCK,  22.  Januar  1877.  ADALB.  JEITTELES. 


Personalnotizeu. 

Der  Professor  Alfons  K  i  s  s  n  er  in  Erlangen  ist  als  Nachfolger  von  Schip- 
per nach  Königsberg  berufen;  an  seine  Stelle  kommt  als  ausserord.  Professor 
der  Privatdocent  Dr.  Karl  Vollmöller  in  Straßburg. 

Die  Stelle  Rudolfs  von  Raumer  ist  durch  die  Berufung  des  Professors 
Elias  Steinmeyer  nach  Erlangen  wieder  besetzt  worden. 

Der  ausserordentliche  Professor  Hermann  Paul  in  Freiburg  ist  zum  Or- 
dinarius  ernannt  worden. 

Professor  Wilhelm  Wilmanns  in  Greifswald  kommt  an  die  Stelle  von 
Karl  Simrock  in  Bonn;  nach  Greifswald  als  ausserord.  Professor  der  Privat- 
docent Dr.   Alexander  Reif fer  scheid  in  Bonn. 


Mahnwort. 

Durch  den  Tod  des  vielbeklagten  Leiters  der  Verlagsbuchhandlung  des 
Waisenhauses  zu  Halle  an  der  Saale  Oswald  Bertram  hat  auch  From- 
manns Zeitschrift:  Die  deutschen  Mundarten  ihren  Verleger  ver- 
loren, so  daß  ihr  Fortbestand  wieder  in  Frage  gestellt  ist,  nachdem  seit  ihrem 
Wiederaufleben  (1874)  zwei  Hefte  erschienen  waren.  Es  wäre  doch  wahr- 
haftig ein  Jammer,  wenn  sich  hier  keine  Hilfe  fände!   — 

Die  Mundarten  sind  im  Verschwinden.  Es  ist  aber  von  höchster  Wich- 
tigkeit, daß  ihr  Klang  nach  dem  Leben,  so  lange  es  noch  möglich  ist,  für 
alle  Zeiten  als  zuverlässiges  Material  der  Forschung  festgestellt  und  der  Zukunft 
überliefert  werde.     In  Darstellung  sowohl,  als    auch  in  Erforschung  der  JSIund- 


128  MISCELLEN. 

arten  können  bei  den  Fortschritten,  die  in  letzterer  Zeit  die  Wissenschaft  ge- 
macht, nun  erhöhte  Ansprüche  erhoben  und  auch  befriedigt  werden.  Schon 
haben  sich  in  den  zwei  Heften  det  Zeitschrift,  die  erschienen  sind,  Ansätze 
gezeigt  solchen  Ansprüchen  gerecht  zu  werden,  in  mancher  Hinsicht  mehr  als 
dies  noch  bisher  geschehen.  Rüstige  Arbeiter  sind  reichlich  vorhanden.  Über- 
haupt scheint  ja  doch  für  die  Erforschung  der  Mundarten  gerade  in  letzter  Zeit 
eine  neue  Aera  gekommen  zu  sein! 

Und  in  einem  solchen  Augenblicke  soll  die  Zeitschrift  für  Mundarten, 
geleitet  von  einem  Manne  wie  Fromm  ann,  aufhören?  — 

Bei  der  Forderung  an  den  deutschen  Sprachunterricht,  wie  ihn  seiner- 
zeit Raumer  gestellt  hat,  daß  er  auf  die  locale  Mundart  Rücksicht  nehme 
und  an  sie  anknüpfe,  ist  zu  erwarten,  daß  nicht  nur  die  Gelehrtenkreise,  son- 
dern auch  Lehrerseminare  und  Schulen  aller  Art  die  Zeitschrift  halten  werden. 
Erfahrene  Schulmänner  bezeugen,  daß  erst  durch  das  erwachende  Interesse 
des  Lehrers  für  die  Mundart  der  Sprachunterricht  recht  fruchtbar  werde. 
Gewinnt  aber  einerseits  auf  diese  Weise  der  Unterricht  ,  so  ist  auch  an- 
dererseits sowohl  zu  wünschen  als  auch  zu  erwarten ,  daß  Schulmänner  als 
getreue  Sammler  von  Beiträgen  gewonnen  werden,  so  wie  sich  Schulmänner, 
ohne  alle  gelehrte  Prätension ,  ja  auch  schon  vielfach  als  treue  Sammler  von 
Naturalien   bewährt  haben. 

Solchen  Voraussetzungen  gegenüber  scheint  die  Hoffnung  begründet,  daß 
das  Unternehmen,   richtig  betrieben,    auch   materiell  sich   lohnen  wird. 

Mögen  alle  Freunde  der  bedrohten  Zeitschrift  das  ihrige  thun  ihr  einen 
umsichtigen  Verleger  zu  gewinnen  und  dann  —  zu  ihrem  Gedeihen  in  jeder 
Hinsicht  beizutragen! 

Es  sei  gestattet  hier  noch  die  Worte  unseres  großen  Meisters  Jacob 
Grimm  in  Erinnerung  zu  bringen,  die  er  den  29.  Jänner  1858  Frommanns 
Zeitschrift  vox-aussendete.      Er  schrieb  damals : 

„Herrn  Dr.  Frommauns  Zeitschrift  für  deutsche  Mundarten  hat  alle 
Sprachforscher  überrascht,  nämlich  gezeigt ,  welche  Schätze  es  jetzt  noch  (und 
später  lange  nicht  so  leicht)  möglich  ist  aus  unsern  Volksmundarten  zu  heben. 
Das  deutsche  Publicum  hat  eine  doppelte  Pflicht,  einmal  Beiträge  zu  liefern, 
wie  gezeigt  ist,  daß  sie  sein  sollen,  dann  aber  das  Unternehmen  zu  sichern  und 
fortdauernd  zu  machen.  Wäre  sein  Werth  bereits  so  lebhaft  erkannt  worden, 
wie  man  erwarten  sollte,  es  bedürfte  nicht  erst  meiner  Empfehlung,  die  ich 
mit  voller  Überzeugung  gebe." 

Möge  das  Wort  des  Meisters  nicht  ungehört  verklingen!  —  Ich  bemerke 
nur  noch  daß  ich  mich  zu  diesem  Mahnworte  veranlaßt  sehe  durch  die  briefliche 
Mittheilung  des  verdienten  Herausgebers  der  in  Rede  stehenden  Zeitschrift,  daß 
die  Verlagshandlung  des  Waisenhauses  das  Unternehmen ,  das  durch  die  be- 
kannte Liebe  des  zu  früh  verstorbenen  0.  Bertram  für  das  Studium  der  deut- 
schen Sprache  jüngst  erst  wieder  ins  Leben  getreten  war,  aufzugeben  beschlossen 
habe.  Etwaige  Vorschläge  würden  an  Herrn  Director  Dr.  G.  Karl  Frommanu 
beim  germanischen  Museum  zu  Nürnberg  zu  richten  sein. 

SCHRÖER. 


zu  DES  STRICKERS  KARL 

VON 

C.  von  JECKLIN. 

Was  unsere  Aufmerksamkeit  auf  Strickers  Gedicht  von  Karl  dem 
Großen*)  lenkt,  ist  nicht  so  sehr  der,  nicht  gerade  sehr  bedeutende, 
eigene  dichterische  Werth  desselben,  als  vielmehr  der  Umstand,  daß 
es  als  Umarbeitung  von  des  Pfaffen  Konrads  Rolandsliede**)  uns  die 
Entwicklung  der  Sprache,  der  Vers-  und  Reimkunst  und  theilweise 
wenigstens  auch  des  Geschmackes  innerhalb  eines  Jahrhunderts  zeigt 
(in  runder  Zahl  von  1140  bis  1240).  Zu  diesen  beiden  Vergleichungs- 
objecten  kommt  dann  noch  als  drittes  der  Karl  meinet  ***),  bei  dem 
freilich  nur  die  sprachliche  Entwicklung  in  Betracht  kommen  kann, 
da  er  sich  in  sachlicher  Beziehung  viel  zu  sehr  an  seine  Vorlage  hält, 
um  hierin  bedeutende  Verschiedenheit  zu  zeigen. 

Was  im  Besonderen  den  Karl  betrifft,  so  ist  uns  das  Gedicht 
neben  dieser  mehr  culturhistorischen  Vergleichung  auch  noch  in  hand- 
schriftlicher Beziehung  dadurch  interessant,  daß  wir  bei  demselben  einen 
festen  Anhaltspunkt  für  die  Textkritik  haben:  das  alte  RolandsHed. 
Da  nun,  wie  ich  glaube,  dieser  Gesichtspunkt,  die  Vergleichung  des 
Rolandsliedes,  von  Bartsch  bei  seiner  Ausgabe  des  Karl  nicht  genügend 
festgehalten  ist,  auch  bei  seinem  Material,  d.  h.  ohne  Kenntniss  der 
Münchner  Pergamenthandschrift,  nicht  mit  Sicherheit  festgehalten  wer- 
den konnte,  will  ich  dies  hier  nachzuholen  suchen,  wobei  sich  zugleich 
ganz  interessante  und  für  das  Handschriftenwesen  des  Mittelalters 
lehrreiche  Ergebnisse  herausstellen  werden. 

*)  hsg.  von  K.  Bartsch,  Quedlbg.  und  Lpz.   18.57. 
**)  hsg.  von  W.  Grimm,  Göttg.  1838,  von  K.  Bartsch,  Lpz.  1874,  die  Lesarten 
dazu  Germ.  XIX,  385  ff.;  ich  citiere  nach  Grimm.  Das  Programm  von  Heydler:  Ver- 
gleichung des  Rolandsliedes   . . .  und  des  Karl  hat  keinen  Werth :    obschon    erst  1840 
erschienen,  kennt  es  Grimms  Ausgabe  des  Rolandsliedes  noch  nicht. 

***)  Karl  Meinet  hsg.  von  Ad.  v.  Keller,  Stutig.  (litt.  Ver.)  1858-,  vgl.  K. 
Bartsch,  Über  Karlmeinet,  Nürnbg.   1861. 

GERMANIA.  Neue  Reihe  X    (XXII.  Jahrg.)  9 


X30  C,  JECKLIN 

I.  Die  Handschriften. 

Vom  Karl  sind  uns  einige  zwanzig  Handschriften  bekannt*);  acht 
davon  (denn  J  rechne  ich  nicht,  weil  wir  aus  den  bei  Schilter  ange- 
führten Varianten  zu  wenig  davon  erfahren)  sind  von  Bartsch  benutzt ; 
die  wichtigsten  sind: 

A  die  St  Graller  Pergamenthdsch.  des  XIH.  Jhdts. 

F  die  in  Schilters  thesaurus  antiquitatum  gerin.  II  als  rythmus 
de  Caroli  M.  exped.  hispan.  abgedruckte,  nun  verbrannte,  Straßburger 
Pergamenthdschr.  des  XIV.  Jhdts. 

H  die  Münchner  Papierhdsch.  des  XV.  Jhdts. 

Dazu  kommt  nun  noch  eine  von  mir  mit  K  bezeichnete  Münchner 
Pergamenthdsch.  (cod.  germ.  5154).  Dieselbe  war  in  einer  Bücheranzeige 
von  Windprechts  Antiquariat  in  Augsburg  angekündigt  gewesen ;  durch 
Hrn.  Prof,  Zarncke  darauf  aufmerksam  gemacht,  ersah  ich  aus  einigen 
Angaben  der  Anzeige,  daß  die  Hdsch.  sich  nahe  zu  F  und  H  stelle; 
und  da  mir  schon  damals  diese  Gruppe  einen  vielfach  bessern  Text 
zu  bieten  schien,  erkundigte  ich  mich  nach  der  Hdsch.  und  erfuhr, 
daß  sie  damals  von  der  kgl.  Bibliothek  in  München  angekauft  Avorden 
war.  Durch  die  Freundlichkeit  des  Vorstandes  der  letzteren  und  durch 
gütige  Vermittlung  des  Oberbibliothekars  der  hiesigen  Universitäts- 
bibliothek, Hrn.  Prof.  Krehl,  war  es  mir  möglich,  dieselbe  längere 
Zeit  hier  zu  benutzen  und  zu  collationieren.  Die  Hdsch.  bestand  ur- 
sprünglich aus  13  Lagen  zu  vier  Doppelblättcrn ,  jede  Seite  zu  zwei 
Spalten  mit  je  30  abgesetzten  Vcrszeilen.     Davon  fehlen  jetzt: 

die  4.  Lage  (mit  D  bezeichnet):  v.  2855—  3874; 
die  7.  und  8.  Lage  (H  und  J):  v.  6087—  7943; 
die  11.  Lage   und   der   Schluß:  v.  9708—12206; 
außerdem   ist  in   der  Mitte   der  5.  Lage   ein  Blatt   zu  drei  Viertheilen 
abgerissen,    so    daß    von    den  v.  399.5—4103  nur  folgende  und    diese 
z.  Th.  nur  stückweise  erhalten  sind :  4005 — 4020"  (vgl.  die  Lesarten)^ 
4043--4050,   4071—4078,   4097—4103.     Diese  Lücken  müssen   schon 
ziemlich  alt  sein;  denn  ein  Job   Hartmann  Ennenckhel  von  Albrcchts- 
perg  (oder    an    einem    andern  Orte    H  (Hartmanu)  Enenkel    baro)^    in 
dessen  Besitz  die  Hdsch.  zu  Anfang  des  XVIL  .Jhdts.  (s.  w.  u.)  war,  be- 
merkte überall  bei  den  oben  bemerkten  Lücken  quae  hie  desunt  ex  altcro 
meo  codice  restitui  possunt  u.  Ä. ;  nur  am  Ende  der  Hdsch.  findet  sich 
eine  solche  Verweisung  nicht,  daher  ich  annehme  daß  der  Schluß  wohl 


*)  Bartsch,  Einleitung  XXXVI. 


zu  DE8  STRICKERS  KARL  131 

später  ausgefallen  ist.  Dieser  „alter  codex"  des  Freiherrn  Knnenkel  war 
die  ebenfalls  erhaltene  Wiener  Pergamenlhdsch.  E:  es  ergibt  sich  nämlich 
aus  mehreren  aus  dem  „alter  codex"  anj^cmerkten  Varianten*),  daß  der- 
selbe zu  der  Gruppe  *A  (vgl.  S.  1 33)  gehörte  und  aus  einigen  derselben 
insbesondere**),  daß  es  eben  die  Hdsch.  E  war;  auch  findet  sich  in 
der  letzteren  dieselbe  Einzeichnung***)  Job  llartmann  Ennenkel,  mit 
der  .lahrzahl  1614;,  womit  sich  zugleich  die  Einzeichnungen  in  K 
datieren. 

Die  Handschrift  ist  von  zwei  ganz  verschiedenen  Schreibern  an- 
gefertigt: der  erste  reicht 'bis  zur  Lücke  zwischen  der  sechsten  und 
neunten  Lage,  also  bis  v.  6087,  der  zweite  von  7943  an  bis  zu  Ende. 
Der  erste,  mit  einer  hübschen,  fast  zierlichen  Hand^  war  ohne  Zweifel 
ein  Alemannc,  der  noch  nirgends  die  verbreiterten  Vocale  zeigt;  der 
zweite,  mit  festen,  markigen  Zügen  war  hingegen  ein  Baier,  denn  er 
schreibt  überall  die  verbreiterten  Vocale  und  regelmäßig  die  Vorsilbe 
be-  als  we-f).  Trotz  dieser  Verschiedenheit  der  Schreiber  ist  die 
Hdsch.  zusammengehörig  und  auch  wohl  in  einem  Zuge  geschrieben: 
gleiches  Pergament,  gleiche  Linierung,  gleiche  Vorlage;  und  die  Be- 
rechnung der  Lücke  zwischen  beiden  Händen  zeigt,  daß,  wo  die  eine 
aufhörte,  die  andere  gleich  einsetzte.  Zwei  mundartlich  ganz  ver- 
schiedene Schreiber  sind  also  zur  Herstellung  der  Hdsch.  verwendet 
worden.  Schriftzüge  und  Sprachformen  weisen,  soweit  ich  dies  zu 
beurtheilen  im  Stande  bin,  die  Entstehung  der  Hdsch.  etwa  ums 
Jahr  1300. 

U.  Eintheilung  der  Handschriften. 
Bartsch  (Einleitung  XLI)  theilt  die  Hdsch.  in  zwei  Classen   ein: 

1.  ABFH; 

2.  CDE  (G,  wovon  J  Abschrift  zu  sein  scheint,  läßt  sich  nicht 
näher  bestimmen,  doch  gehört  es  im  Ganzen  mehr  zu  AB). 


*)  Es  standen  darin  z.  B.  die  v.  4115-22,  4765—78,  9631—46;  die  v.  3875 
bis  76  hat  er  sich  selbst  aus  seinem  andern  Exemplar  an  den  Rand  nachgetragen. 

**)  Zu  V.  10  (haben)  ist  angemerkt  halten  (so  EH),  und  zu  17  (valschez) 
vrebel  (so  DE);  ferner  ist  aus  dem  „alter  codex"  die  Überschrift  nachgetragen  dis  buch 
ist  uns  bechant  von  eine  (1.  eime)  der  hiz  Kulant,  ganz  wie  E  liest, 

***)  Museum    für    altd.  Kunst    und  Lit.  von   Docen   Ilagen  Büsching  I,  608  f.; 
Joh.  Hermann  En,,  wie  dort  steht,  ist  sicherlich  falsch  gelesen. 

f)  Er  schreibt  weit  Turpein  auf  chaum  haiden  etc.,  7943  z.  B-  wesiozzen, 
vgl.  Weinhold.  bair.  Gramm.  §.  136.  Beim  ersten  Schreiber  findet  sich  v.  671,  1543,  1619 
Auf  oder  Ouf,  was  jedoch  lediglich  dem  Rubricator  zufällt  und  auf  Entstehung  der 
Hdsch.  in  Baiern  deutet. 

9* 


132  C.  JECKLIN 

Diese  Eintheilung  erweist  sich  nunmehr  als  unrichtig;  es  gehören 
vielmehr  zusammen 

1.  ABCDE; 

2.  FH  und  dazu  K; 

Denn  daß  ABCDE  aus  einer  gemeinsamen  Quelle  gefloßen  sind, 
beweisen  ihnen  geraeinsame  Fehler,  wie  der  Ausfall  von  1305—1318 
(vgl.  Konr.  24,  11 — 22),  veranlaßt  durch  den  wiederkehrenden  Vers  daz 
ir  uns  den  touf  heizet  geben  (:  leben),  ferner  der  Ausfall  von  6951 — 62 
(vgl.  Konr.  210.  21 — 211.  15,  wo  zwar  andere  Namen  stehen,  allein 
vgl.  besonders  210.  30  mit  Karl  69.54)  in  Folge  des  gleichen  Versan- 
fanges Olivier.  —  Innerhalb  dieser  Gruppe  ist  A  die  vorzüglichste 
Hdsch.,  und  nur  wo  sie  nicht  vorliegt,  61.39-6230,  7061-7182,  7473 
bis  7.564,  11515--11674,  11835—12090*),  oder  wo  eine  Lücke  in  A 
aus  einer  andern  Hdsch.  als  der  gewöhnlichen  Vorlage  von  A  ergänzt 
wurde**),  greifen  wir  zu  BCDE  als  Vertretern  der  Gruppe. 

Daß  auch  (F)HK  aus  einer  Quelle  abzuleiten  sind,  beweist  der 
HK  gemeinschaftliche  Ausfall  von  5862—5867  (vgl.  Konr.  170.  27  bis 
171.  3),  veranlaßt  durch  das  beide  Male  im  Reime  stehende  schar 
(5861  und  5868),  noch  deutlicher  das  Fehlen  von  4878—4887  in  den- 
selben Hdsch.  durch  Abirren  von 

4878  äne  ritterlichen  muot 

auf  4888  ern  habe  ouch  ritterlichen  muot. 

Der  Ausfall  von  1547 — 50  in  FHK  wird  auch  durch  Abirreu 
von  dem  einen  ich  weiz  wol  (1546)  auf  das  andere  (1550)  zu  er- 
klären sein, 

vgl.Konr.  .30. 2.5  er  blutet  grozzez  gedingc 

ia  mach  man  da  gewinne 

maniger  richeite  vile. 
Da  wir  F,  als  eine  Mischhandschrift,  einstweilen  noch  bei  Seite 
lassen  (näheres  darüber  s.  S.  139  f.)^  bleiben  für  die  zweite  Gruppe 
noch  HK.  Nun  ist  H,  abgesehen  davon,  daß  es  aus  Abneigung  gegen 
manche  Formen  sich  nicht  unerhebliche  Änderungen  erlaubt***),  auch 
sonst  nicht  sehr  sorgfältig  geschrieben,    läßt  namentlich  ganze  Reihen 


*)  Bartsch,  Einleitung  XXXVII. 
**)  Bartsch,  Einleitung  XLII ;  es  betrifft  dies  die  v.  5064—5384,  die  aus  einer 
H  nahe  stehenden  Hdsch.  ergänzt  wurden. 

***)  Immer  ändert  H  die  im  Reime  lie  gie  vie  u.  Ä,  zeigenden  Verse  z.  B.  133 — 4, 
625— 6,  3611— 12,  4929-. 30,  5187,  5949,  8547  etc.,  ebenso  wo  iesä  im  Reime  erscheint, 
z.  B.  4858,  5831—2  F,  vgl.  Bartsch,  Einleitung  XXXIX. 


zu  DES  STRICKERS  KARL.  133 

von  Versen  aus*).  So  war  es  also  bisher  mit  der  Überlieferung  dieser 
Gruppe  übel  bestellt  und  um  so  werthvoller  ist  daher  diese  neue  Hdsch. 
derselben,  besonders  da  sie  sorgfältig  gesehrieben  und  mit  A  vielleicht 
gleichzeitig;  jedenfalls  nicht  viel  jünger  ist.  Sehr  zu  bedauern  ist,  daß 
sie  nur  so  lilckenhaft  erhalten  ist,  weshalb  wir  für  einen  großen  Theil 
des  Gedichtes  nur  11  als  Vertreter  dieser  Gruppe  haben  und,  da  II  etwa 
11820  abbricht,  für  den  Schluß  gar  keinen  mehr.  Ich  werde  mich 
daher  im  Folgenden  wesentlich  auf  die  Partieen  beschränken,  wo  K 
vorliegt  und  nur  dann  darüber  hinausgehen ,  wenn  wir  anderweitige 
Gewähr  einer  Lesart  haben. 

111.   Verhältniß  der  beiden  Gruppen  zu  einander. 
Zunächst   fallen    zwei    Unterschiede    der   beiden    Gruppen**)   ins 
Auge: 

1.  Daß  *A  eine  ziemliche  Anzahl  Verse  mehr  hat^  als  *K:  in 
den  nicht  ganz  7000  Versen,  wo  K  vorliegt,  sind  458  Verse  in  *A  allein 
überliefert,  nur  106  aber  in  *K  allein.   Näheres  darüber  später. 

2.  In  *K  finden  sich  viele,  an  Konrad  sich  enge  anschließende, 
lange  Verse,  welche  in  *A  das  gewöhnliche  Maaß  zeigen;  ich  führe 
von  solchen  an: 

Karl  1257  *K  als  diu  sunne  des  mitten  tages  tuot.  FHK 
*A  alsam  der  sunnen  schin  tuot. 
Konr.  23.  4  sam  der  sunne  umbe  mittin  tac. 
Karl  1616  *K  so  gesamnent  sich  die  kristen  niemer  me.  FHK 

*A  son  gesamnet  ir  si  niemer  me. 
Konr.  32.  20  so  ne  gesamnet  sich  der  cristiuheit  ere 
hinne  vure  nimir  mere. 
Karl  2223 — 4*Kkeret  wider  ze  unserm  herren 

da  enmac  iu  niht  gewerren  HK***) 
*A  ritet  zuo  dem  herren  min, 
da  muget  ir  äne  kumber  sin. 
Konr.  61.  28  nu  ritet  zu  minem  herren, 
da  ne  mag  ü  nit  gewerre. 
Karl  2368  *K  si  gesatent  sich  niemer  menschen  bluotes.  FHK 
*A  si  gelüstet  menschen  bluotes. 


*)  Z.  B.  31—92,  229—98;  auch  einzelne  Verse  sind  in  H  ausgefallen:   1904, 
1966,  1986  u.  ö. 

**)   Ich  werde  der  Kürze  halber  die  beiden  Gruppen  nach  ihren  Hauptvertretem 
*A  und  *K  nennen. 

***)  F  ändert  die  Verse  2223—6. 


134  C    JECKLIN 

Konr.  68.  12  sine  gesatent  sich  niemmir  menneschen  bluotes. 
Karl  2778  *K  wer  gap  Karle  (den  F)  gewalt  über  mich?  FHK 
*A  wer  sazte  Karlen  über  mich? 
Konr.  81.  15  wer  hat  Karle  den  gewalt  über  (mih  A)  gegeben? 
Karl  3595  *K  und  weiten  im  uz  der  hant  zucken.  FH*) 

*A  und  weiten  im  zucken. 
Konr.  109.  6  uut  wolt  im  in  uz  der  jhantj  zucken. 
Karl  6904  *K  si  müezen  uns  hiute  den  zins  geben.  FH*) 

*A  si  müezen  uns  den  zins  geben, 
Konr.  209.  4  si  muzen  hiute  uns  den  eins  geben. 

Karl  7600  er  sprach:  daz  wil  ich  (ieraer  FH*)  gote  klagen. 
Konr.  227.  12  nu  wil  ich  iz  imer  gote  chlagen. 

3.  Kann  man  sich  auch  nach  dem  Bisherigen  *A  aus  *K  ent- 
standen denken  einfach  durch  Hinzufügung  von  manchen  Versen  und 
durch  Kürzung  der  langen  Verse,  so  wird  diese  Erklärung  einer  ein- 
fachen Besserung  unmöglich  bei  mehreren  nunmehr  zu  besprechenden 
Stellen,  wo  jede  der  beiden  Gruppen  in  ihrer  abweichenden  Lesart 
sich  an  Konrads  Text  anlehnt,  jede  einen  Theil  des  konradschen  Ge- 
dankens wiedergibt,  doch  so,  daß  die  Möglichkeit  ausgeschlossen  bleibt, 
als  ob  in  einem  ursprünglichen  strickerischen  Texte  beide  Lesarten 
hätten  vereint  sein  können,  z.  B. 
Konr.  152.  17  daz  ros  er  mit  den  sporen  nam, 

er  cherte  rechte  in  gegen  dem  van. 
Karl  5343  *A  daz  ros  begunde  er  sere  manen 

und  rante  vaste  gein  dem  vanen.  ß  C  D  E  F 
*K  daz  ros  er  mit  den  sporn  nam. 

mit  grimme  er  dar  gevarn  quam.  A^HK**) 
Deutlich    gibt    hier  *K  die   erste   der  beiden   bei  Konrad   durch 
ungenauen  Reim  gebundenen  Verse  und  sucht  dazu  einen  neuen  Reim, 
während  *A  dasselbe  mit  der  zweiten  Zeile  Konrads  macht.  Eine  Ge- 
stalt aber  wie 

daz  ros  er  mit  den  sporn  nam 
und  rante  vaste  gein  dem  vanen 
für  den  Stricker  anzusetzen  ist  unmöglich.   Gegen  diese  Stelle  könnte 
nun  allerdings  eingewendet  werden,  daß  die  Verse  die  *K  hier  bietet, 
5423-24  in  allen  Hdsch.  (mit  Ausnahme  von  F,  das  sie  dort  ausläßt) 
stehen;  andererseits  findet  sich  aber  auch  die  Lesart  von  *A  mit  kleiner 


*)  K  liegt  hier  nicht  vor. 

**)  Mit  A""  bezeichne    ich    die  Partie  in  A,   wo   eine  Lücke   dieser  Hdsch.  aus 
einer  II  nahestehenden  Vorlage  ergänzt  wurde;  s.  S.  132- 


zu  DE«  STRICKERS  KARL.  ]35 

Änderung  5905 — G.  Es  ist  übcrliaupt  die  Bemerkunj^  zu  machen,  daß 
der  Stricker  sich  nicht  scheut,  sich  wörtlich  zu  wiedcjrholen,  nicht  nur 
in  einzelnen  Versen*),  sondern  auch  in  Reimpaaren**).  Wollte  man 
dennoch  hier  bloß  handschriftlich  zu  erklärendes  Ilerübernehmen  der 
Verse  annehmen,  so  bliebe  immer  noch  das  Zusammentreffen  beider 
Gruppen  mit  Konrad  äußerst  auffallend***).  Diese  eine  Stelle  würde 
in  Folge  dieses  verwickelten  Umstandes  für  sich  nicht  beweisend  sein, 
wären  nicht  andere  Stellen^  die  sich  keineswegs  aus  handschriftHcher 
Überlieferung  erklären  lassen. 

Konr.  38.  7  die  wisen  let  man  alle  under  wegen: 

die  in  wole  tochten 

ze  rate  und  ze  vechteu. 

die  sint  nu  gare  verchoren. 

war  ist  nu  chomen 

die  manechvaltiu  wisheit? 

dinen  fursten  ist  iz  allen  leit 


din  neve  Ruolant 
über  ruofet  uns  alle  samt. 
Karl  1684  und  länt  uns  wise  liute  wesen, 

der  mm  herre  grozen  frumen  hat 
ze  vehten  unde  euch  an  den  rät: 
•''K  die  hat  man  allesamt  verkorn;     *A  die  hat  man  alle  verlän. 

war  hat  min  herre  getan 
sine  manecvalte  wisheit? 
daz  mac  uns  wol  wesen   zorn.  mir  ist  daz  iemer  ein  leit, 

daz  enzimt  dem  riebe  niht  wol,  daz  uns  Ruolant  überrüefen  sol: 

daz  uns  Ruolant  überrüefen  sol.  daz  enzimt  dem  riche  niht  wol. 


*)  614  =  1825,  722  =  4343,  3896  =  4209,  5537  =  6413,  6326  =  7276. 
**)  863—864  =  10409—10,  2773—4  =  11011—12. 
***)  Ähnlich  verhält  es  sich  mit  der  Wiedergabe  von 
Konr.  74.  21  er  heizet  dich  vahen, 

von  einem  esele  vuoren 
an  sinen  stul  ze  Ache. 
Karl  2595  eru  väh  iuch  in  kurzen  stunden 
und  füere  iuch  hin  gebunden 
*K  an  sinen  stuol  ze  Äche  (HK)  *A  uf  einem  esel  ze  Äche 

wo  ebenfalls  jede  der  beiden  Handschriftengruppen  einen  Theil  von  Konrads  Text 
wiedergibt;  daß  v.  2117  die  Lesart  von  *A  wiederkehrt,  vergleicht  sich  mit  obigem 
Fall;  ich  glaube  aber  kaum,  daß  das  Zusammentreffen  beider  mit  Konrad  Zufall  sei; 
jedenfalls  beweist  diese  Stelle  für  die  Priorität  von  *K. 


136  C.  JECKLTN 

Während  *K  (HK)  die  Worte  Konrads  die  sint  nu  gare  verchoren 
aufnahm  und  dazu  einen  neuen  Reim  bildete  durch  Umschreibung  von 
dinen  fursten  ist  iz  allen  leit  in  daz  mac   uns  wol  wesen   zorn,    hatte 
es    den   Gedanken  Konr.  38.  11 — 12  ausgelassen;    *A  aber  umschrieb 
das  verchoren  (verlän)  und    behielt    damit   den  vollen  Gedanken;    aus 
einer  dritten  strickerschen  Lesart    die    beiden  vorliegenden    abzuleiten 
ist  unmöglich:  es  bleibt  nur  die  Annahme  übrig,    daß  beide  Gruppen 
direct  aus  Konrad  geschöpft  haben,    d.  h.  daß  die  jüngere  mit  Rück- 
sicht auf  Konrad  aus  der  älteren  geändert  wurde*). 
Konr.  132,  19  ich  en  zwivele  an  dir  nit, 
dirne  si  min  here  vil  liep 
ich  getruwe  dir  so  wol, 
so  ich  von  rechte  minem  kinde  sol. 
Dies  wird,  v.  4513  ff.,  verschieden  wiedergegeben  in  *K  und  *A  • 
*K  Marsilies  sprach  ich  bin  din  vro ;      *A  Marsilies  sprach :  ich  bin  dir  holt, 
ez  stet  mir  hin  ze  dir  also,  als  ouch  du  mir  von  rehte  solt. 

in  gezwivelt  an  dir  nie. 
ich  getriuwete  dir  ie 
ich  getriuwe  dir  also  wol,  miner  eren  also  wol, 

so  ich  von  rehte  minem  kinde  sol. 
Hier  ist  in  *A  der  Vers  132.  19  aus  Konrad  ziemlich  wörtlich 
aufgenommen  (=  *A  4515)  und  132.  21  danach  umgeändert  ("A  4516 
bis  17),  in  *K  aber  ist  diese  letztere  Zeile  Konrads  herübergenommen 
und  dafür  die  voraufgehende  ausgelassen.  Auch  hier  gibt  die  Annahme 
von  Auslassung  in  *K  keine  genügende  Erklärung.  Hierher  gehört 
ferner : 

Konr.  117.  7  den  (so!)  heim  hiez  Venerant, 
den  der  helt  uf  bant, 
mit  golde  beworchten, 
10  den  die  haiden  harte  verebten. 


*)  Die  eben  besprochene  Stelle  schwebte  dem  Stricker  wieder  vor  bei  seiner 
Klage  (Hahns  kleine  Ged.  vom  Stricker  XII)  in  dem  Abschnitte  über  die  Kathgeber 
bei  Hofe  v.   11.3  flf.  und  besonders  v.  135  ff.: 

den  andern   (stuol  ze  hove)  besäzen  die  wisen, 

die  jungen  und  die  grisen, 

die  rehter  wisheit  wielten: 

die  besäzen  und  behielten 

ir  stuol  und  ir  werdikeit: 

die  sint  nu  ze  hove  leit 

und  sint  gar  die  verkornen  etc. 


zu  DES  STRICKERS  KARL.  137 

mit  guldinen  buochstaben 
was  an  der  listen  ergraben  — 
Karl  4033  sin  heim  der  hiez  Venerant, 
*K  den  der  helt  üf  bant;  *A  den  der  degen  Kuolant 

üf  sinem  lioupte    wole  tragen; 
der  was  mit  golde  beslagen. 
au  der  listen  stuont  ergraben 
mit  guldinen  buoclistaben. 
*K  (nur  durch  H  vertreten,  da  K  durch  das  zerrissene  Blatt  der 
Vergleichung  entzogen  wird)  hat  Konr.  117.  8  beibehalten,  *A  117.  9. 
Vergeblich  wird   man    suchen    einen    strickerischen    Text    herzustellen, 
aus  dem  beide  Lesarten  abgeleitet  werden  könnten ;  Konrads  Text  muß 
bei  der  Änderung  vorgelegen  haben. 

Danach  sind  nun  auch  einige  andere  Stellen  zu  beurtheilen,   die 
an    sich    keinen    vollgültigen    Beweis    für    meine    Annahme    abgeben 
könnten,  sich  aber  dadurch  am  Leichtesten  erklären: 
Konr.  68.  4  nu  ne  zürne  nicht  raere,  lieber  herre, 
daz  ich  dich  sin  gevraget  han: 
ich  bin  leider  ein  alt  virwizzer  man. 
Karl  2354  dazu  lät  iu*)  niht  weseu  swsere, 
*K  daz  ich  es  iuch  gevraget  hän :      *A  ich  bin  ein  alwaere  man, 
ez  enist  wan  durch  guot  getan.  der  niht  arger  liste  kan. 

*)  Ich  merke  hier  den  (Jehraucli  des  Dutzens  und  Uirzeus  bei  Konrad  und 
beim  Stricker  an  (vgl.  Gr.  gr.  4.  301   ff.): 

Bei  Konrad  dutzt  sich  Alles,  nur  Roland  ihrzt  seinen  Stiefvater  und  Karl  den 
ehrwürdigen  Priester  Johannes ;  ausnahmsweise  ihrzt  einmal  (107.  10  fü'.)  Karl  Genelun, 
wie  er  ihm  Rolands  Tod  Schuld  gibt,  und  Roland  einmal  (198.  G  ff)  seineu  Freuud 
Olivier  ohne  ersichtlichen  Grund. 

Beim  Stricker  werden  noch  die  Unterthanen,  auch  die  Fürsten,  von  den  Königen 
(Karl,  Marsilies,  Paligan)  gedutzt,  mit  der  einzigen  Ausnahme,  daß  Karl  die  geistlichen 
Würdenträger  Johannes  und  auch  Tarpiu  ihrzt  (der  letztere  wird  bei  Konrad  noch 
gedutzt);  ebenso  dutzeu  die  genannten  Herrscher  auch  fremde  Unterthanen  (wie  Karl 
und  Marsilies  ihre  gegenseitigen  Boten);  der  Lehnsherr  seinen  Mann  (Roland:  Walther); 
Eltern  (und  ältere  Verwandte)  die  Kinder  (Genelun  :  Roland,  Karl :  Aliten  und  Roland) ; 
von  den  Fürsten  unter  sich  nur  noch  das  Freundespaar  Roland  und  Olivier;  und  end- 
lich noch  alle  im  Kampfe  sich  Treffenden,  selbst  Karl  und  Paligan.  Die  Anrede  mit 
ir  hat  also  sehr  an  Ausdehnung  gewonnen:  es  bedienen  sich  derselben  alle  Unter- 
thanen gegen  ihren  Herreu,  sowie  gegen  den  Herrscher  des  andern  Volkes,  der  Lehns- 
mann gegen  seinen  Lehnsherrn  (Walther  :  Roland),  Kinder  gegen  Eltern  (Malprimes  : 
Paligan,  Alderot :  Marsilies,  Roland  :  Genelun)  und  Pflegeeltern  (Alite  :  Gerhard  und  Karl) ; 
Männer  gegen  Frauen  in  höflicher  Anrede  (Paligan :  Pregmunda,  der  Frau  des  Marsi- 
lies), endlich  Gleichstehende,  sowohl  die  fränkischen  Fürsten  unter  sich,  selbst  Turpin 
und  Roland,  wie  auch  Angehörige  verschiedener  Völker  (Genelun  und  Blanscandiz). 


138  C.  JECKLIN 

d.  h.  *K  (HK;  über  F  an  dieser  Stelle  s.  S.  139)  nahm  die  erste  Zeile 
Konrads  auf  und  band  sie  durch  neuen  Reim,  *A  aber  die  zweite. 
Eine  beiden  zu  Grunde  liegende  gemeinsame  strickersche  Lesart,  etwa 
mit  dem  ungenauen  Reim  lian  :  kau,  herzustellen,  wird  man  vergeblich 
suchen. 

Konr.  81.  15  wer  hat  Karle  den  gewalt  über  mih*)  gegeben, 
daz  er  so  gewaltechliche 
virbiutet  mir  min  riche? 
unde  sich  underwindet  etc. 
Karl  2778 
*K  wergap  Karle  gewalt  über  mich^      *A  wer  sazte  Karlen  über  mich^ 

daz  er  mir  gewaltecliche 
verbiutet  miniu  riche^ 
daz  er  sich  vlizet  so  vil  —  und  sich  des  vlizet  so  vil  — 

Da  man  dem  Stricker  kaum  zutrauen  darf: 
wer  gap  Karle  gewalt  über  mich 
daz  er  mir  gewaltecliche  etc. 

wird  man  sich  die  Abweichungen  wohl  am  Besten  so  erklären,  daß 
man  annimmt,  *K  sei  der  Wiederholung  desselben  Wortes  bei  Konrad 
ausgewichen  durch  Auslassung  von  Konr.  81.  16 — 17,  *A  aber  durch 
Änderung  der  ersten  Zeile.    Ähnlich  zu  beurtheilen: 

Konr.  98.  .3  dar  chom  Margariz 

der  fürte  manigen  fraissamen  spiz 
Karl  3143  *K  dar  quam  der  künec  Margariez, 

der  brähte  manegen  scharfen  spiez 
*A  dar  bnlhte  der  künec  Margariez 
manegen  freislichen  spiez 

da  eine  an  Konr.  sich  eng  anschließende  Lesart 

dar  quam  der  künec  Margariez 

der  brächte  manegen  freislichen  spiez 

für  den  Stricker  hart,  wenn  auch  nicht  unmöglich  wäre.  Endlich  führe 
ich  noch  an: 

Konr.  114.  18  der  kaiser  wainte  vil  sere; 

vil  dicke  er  in  (Ruolant)  chuste, 
20  er  druhte  in  an  sine  brüste, 
er  beswif  in  mit  den  armen. 


*)  So  las  der  Stricker  mit  A  (Konr.) ;  vgl.  zu  dieser  Stelle  auch  oben  S.  134. 


zu  DES  STRICKERS  KARL.  139 

Karl  3982  du  weinte  Kail  sere; 
*K  *A  litiohinclen  er  dicke  kuste,  • 

und  dructen  an  sine  brüste, 
er  umbevie  in  mit  den    armen.  vil  vaste  mit  den  armen. 

*A  schliel>t  sieh  au  Konrad  in  der  Wiedergabe  von  114.  19 — 20, 
*K  (HK)  aber  in  etwas  wörtlicherem  Anschluß  an   114.  21. 

IV.  Die  Handschrift  F. 
Bevor  wir  das  Verhältniss  der  beiden  Gruppen  zu  einander  weiter 
verfolgen,  müssen  wir  noch  F  einen  Platz  anzuweisen  suchen,  um  zu 
wissen,  in  wie  weit  wir  seine  Lesarten  benutzen  dürfen.  —  Obschon 
diese  Ildsch.  sich  im  Ganzen  an  *K  anschließt,  können  doch  nicht  alle 
ihre  Lesarten  in  dieser  Gruppe  untergebracht  werden ;  vielmehr  zeigt 
sich,  daß  F  eine  Mischhandschrift  ist,  und  zwar: 

1.  Daß  der  Schreiber  von  F  (oder  vielmehr,  wie  die  elenden 
Kapitelüberschriften  des  Schreibers  von  F  beweisen,  einer  vorherge- 
henden Hdsch.)  außer  seiner  Vorlage  von  *K  auch  eine  Ildsch,  von  *A 
vor  sich  hatte.  Wir  haben  für  die  beiden  Gruppen  in  den  Versen 
2355 — 56  (s.  S.  137)  zwei  abweichende  Lesarten  festgestellt,  deren  jede 
sich  an  Konrad  anschheßt: 

*K  daz  ich  es  iuch  gevräget   hän:      "'A  ich  bin  ein  alwtere  man, 
ez  enist  wan  durch  guot  getan  der  niht  arger  liste  kan. 

F  verbindet  nun  beide  Lesarten,  indem  es  die  erste  Zeile  aus  *K, 
die  zweite  aus  ''■'A  entnimmt: 

ich  vräge  sin  niuwau  (hs  nuer)  durch  guot, 
ich  enhän  deheinen  valschen  muot. 
3353  ff.  weichen  *K  und  *A  auch  ziemlich  von  einander  ab  *) : 
*K  *A  Karl  hin  ze  himele   sach, 

sin  gebet  er   innecliche  sprach 
Karl  dankete  do  gote  zuo  dem  oberesten  gote. 

und  genädete  sime  geböte:  sinen  gnaden  und  sime  geböte 

den  danket  er  vil  sere; 
er  sagte  im  lop  und  ere : 
sine  venje  suochte  er  dristunt. 


*)  Vgl.  Konr.  103. 7  der  chaiser  hin  ze  himele  sach, 
siu  gebet  er  inneclichen  sprach : 
gelobet  sistu  herre! 
10  dise  mancvaltigen  ere 

scule  wir  von  dinen  gnaden  han. 


140  C.  JECKLTN 

F  läßt    mit  *K  3353—4  aus,    ^eht  3355  zu  *A  über  und  fährt 
dann  mit  *A  fort: 

Karl  ueie  gegen  gote 

sineu  gnaden  etc. 
Derartige  Combiuationen  von  F  sind  sehr  häufig. 

Eine  vermittelnde  Stellung  zwischen  *K  und  *A  nimmt  F  auch 
dadurch  ein,  daß  es,  wo  *K  eine  Anzahl  in  *A  stehender  Verse  nicht 
hat,  nur  einen  derselben  ausläßt,  z.  B. 

4997—5000  f.  *K  :  4997-4998  f.  F 

5861—5866  f.  •••K  :  5861—5862  f.  F 

6243-6254  f.  *K:  6251-6254  f.  F  u.  ö. 
oder  auch,  daß  es  dann  noch  mehr  dazu  ausläßt: 

4945—46  f.  *K  :  4945—50      f.  F 

5283-84  f.  *K  :  5277-84      f.  F 

5601-2    f.  ='-K  :  5595-5602  f.  F 

8485—86  f.  *K  :  8483-86      f.  F  u.  ö. 
oder  endlich,  daß  es  solche  Verse  an  anderer  Stelle  bringt: 

3177—78  fehlen  *K,  F  hat  die  Verse  nach  4620  in  der  Schilderung 
desselben  Mannes  (Konr.  98.  26  entspricht  Karl  3177 — 78). 

5089—5112  stehen  nur  in  *A  (s.  S.  144);  F   zertheilt   die  Verse 
und  setzt: 

5089-5098  nach  5114 

.5099—5106  nach  6140 

5107—5112  nach  6942 
9631-46  fehlen  *K  (s.  S.  152  ff.),  F  hat  sie  nach  9660. 
Am  Einfachsten  wäre  es,  anzunehmen,  es  seien  in  eine  Hdsch. 
von  *K  einzelne  Lesarten  von  *A  („ex  altero  codice")  au  den  Rand 
eingetragen  gewesen  und  von  einem  späteren  Abschreiber,  manchmal 
am  falschen  Orte,  in  den  Text  hineingenommen  worden.  Dem  steht 
aber  entgegen,  daß  F  in  einem  fort  wechselt  zwischen  Lesarten  von 
*K  und  von  solchen  von  *A;  z.  B. 

4283  FHK  si  envielen     *A  sin  müesen 

4285  HK  der  quam     F*A  der  reit 

4289  H  K  do  sach  er  waz  si  täten,  F  =  *A 

4295  FHK  dö  reit  er     *A  er  reit 

4296  FHK  sinen  vater     *A  den  künec 
4298  HK  und  müeze     F*A  der  müeze  etc. 

Man  kann  danach  nicht  umhin,  anzunehmen,  daß  der  Schreiber 
zwei  Hdsch.  der  verschiedenen  Gruppen  vor  sich  hatte,  bald  der  einen, 
bald  der    andern  folgte,    bald  sie  combinierte,  wobei  er,   wie  wir  ge- 


zu  DES  STRICKERS  KARL. 


141 


stehen  müssen,  nicht  ohne  Geschick  verfahr.    Wir  werden  uns  um    so 
eher  zu  dieser  Annahme  (',ntschlio(.''on,  da  wir  finden: 

2.  da(J  der  Schreiber  auch  Konrads  Text  vor  sich  hatte.  Nach 
dem  Bisherigen  ist  klar,  da(.^  bei  Übereinstimmung  der  andern  Hdsch. 
(d.  h.  von  *K  und  *A)  eine  abweichende  Lesart  von  F  allein  keinen 
Anspruch  auf  Echtheit  machen  kann.  Wenige  Beispiele  werden  genügen; 
am  Deutlichsten  ist  Karl  5679 — 93;  *A  und  *K  stimmen  im  Ganzen 
überein : 


Konr.    164.    12    di    vermazen   sich 

starcko, 
si  erlodigeten  im  sine  marche; 
wantTargis  der  marcgrave  was. 

15  do  er  ze  Tortolose  saz, 

do  diu   purch  wart  gewunnen, 
do  was  er  da  von  entrunnen 
zu  sinem  herren  Marsilien. 
do  hugeter  aver  widere 

20  mit  sinen  golt  win. 
vil  willic  waren  si  im, 
want  er  milticlichen  gab 


Karl  5679  si  verniHzen  sich  vil  starke, 

si  losten  im  die  marke 
der  er  ze  Tortose  pflac. 
da  was  er  herre  unz  an  den  tac, 
daz  diu  burc  wart  gewunnen. 
do  was  er  drabe  entrunnen 
85  ze  Marsilies,  der  in  behielt, 
er  wolt  daz  lant,  des  er  c  wielt, 
des  tages  vil  schiere  han  erlost, 
die  sine  gäben  im  guoten  trost. 
den  het  er  da  so  vil  gegeben 


die  wile  er  der   marche   phlac.     90  daz  si  weiten  läzen  ir  leben, 


ezn  quaeme  wider  in  sin  gebot, 
der  het  ein  liebez  apgot*). 

des  er  vil  flizecliche  pflac. 
starke, 


inoch  heten  si  behalten 
25  ain  got  alten, 

den  si  von  Tortulose  ernerten 
un  an  in  fliezeclichen  petten. 

F :  si  vermäzen  sich  vil 
si  losten  im  die  marke, 
er  hete  noch  behalten 
einen  lieben  got  alten, 
des  er  vil  vlizeclichen  pflac. 
das  heißt:  der  Schreiber  iiTte  ab  von  Karl  5680  die  marke,  der  er  — 
pflac   auf  Konr.   164.  23  die  wile    er    der   marke   pflac   und  fuhr  nun 
mit  Konrads  Worten  fort: 

er  hete  noch  behalten 
einen  lieben  got  alten; 


*)  5692  liest  *K  (HK) 

er  het  einen  alten  ap^ot 
wir  müssen  daher  Konr.  164.  25  herstellen 

ain  lieben  got  alten 
ganz  genau  wie  F  liest. 


142  C.  JECKLIN 

seinen  Irrthum  bemerkend,  geht  er  aber  gleich  wieder  zu  des  Sti'iekers 
Text  über.     So  erklärt  sich  die  Abweichung  auf  befriedigende  Weise, 
während  Bartschs  HersteUuugsversuch 
der  hete  einen  got 
danuoch  behalden 
ein  lieben  und  ein  alden 
daran   scheitert,    daß    daraus   die   Abweichungen    und    namentlich   die 
auffallende  Übereinstimmung  von  F  mit  Kourad,  nicht  erklärt  werden 
können. 

4972  ff.  weichen  *A  und  *K  von  einander  ab,  F  läßt  *K  unbe- 
rücksichtigt und  verbindet  *A  mit  Konrad: 

*A*)  dirn  geschach  nie  leit  merre,      F:  dirn  geschach  nie  leit  merre, 
dau  dir  noch  hiute  geschiht,  [dau  dir  noch    hiute   geschiht,] 

dir  enwerre  denne  daz  niht,  dir  enwerre  denne  daz  niht, 

75  daz   du  änc  houbet  ieraer  bist.  daz  du  äne  houbet  müczest  sin ; 

daz  füere  ich  für  den  herren  min ; 
wä  ist  nu  diu  herre  Krist?  dir  quam  din  herrc  Jesus  Krist 

nie  vcrrer  danne  er  hiute  ist. 
sin  wirt  etc.  sin  wirt  etc. 

vgl.Künr.  142  25  daz  ist  min  lehen 

von  Marsilie  min  im  herren, 
daz  ich  din  houbit  abeslahe 
unt  iz  für  den  chunc  trage. 
Krist  der  din  herre 
30  ist  dir  hiute  vil  verre. 

sin  wirt  vil  ubele  gesconet. 
Seine  Zusätze    entnahm    also   F:    4076   aus   Konr.    142.  28   und  4978 
aus  Konr.  142.  30. 

Da  also  F,  ausser  der  Vergleichung  von  *K  und  •'•'A,  auch  noch 
Konrads  Text  herbeizog,  hat  eine  für  sich  stehende  Lesart  dieser 
Hdsch.  für  uns  keinen  Wertli,  auch  wenn  sie  sich  auf  Konrad  stützt. 
Wohl  aber  kann  F,  wo  es,  nach  dem  Zeugniss  von  HK,  aus  *K 
schöpfte,  das  Bild  dieser  Gruppe  vervollständigen,  ohne  HK  aber  nie 
etwas  nützen**). 


*)  *K  liest:  dirn  geschach  nie  leit  merre 
dan  dir  hie  kunftec  ist. 
wA  ist  nii  din  herre  Krist? 
sin  wirt  etc. 
**)  Vgl.  z.  B.  S.  160  die  Verse  nach  7958, 


zu  DES  STRICKERS  KARL  14^ 


V.  Die    beiden  Gruppen    *K    und    *A    stellen    zwei    Bearbei- 
tungen dar*). 

Da  weder  ohne  Weiteres  *K  aus  *A,  noch  umgekehrt  *A  aus  *K, 
noch  endlich  beide  aus  einem  älteren  strickerschen  Texte  entstanden 
sein  können,  bleibt,  wie  bereits  angedeutet,  nur  die  Annahme  übrig 
von  einer  zweiten  Bearbeitung  des  ursprünglichen  Karl  mit  Zuhilfe- 
nahme von  Konrads  Rolandsliede.  Daß  *K  die  ältere  Gestalt  sei,  kann 
nach  dem  S.  133 — 4  Angeführten**)  nicht  zweifelhaft  sein:  *A  ist 
eine  jüngere,  geglättete  Bearbeitung  von  *K. 

Wie  schon  früher  bemerkt,  zeichnet  sich  *A  neben  der  Glättung 
der  Verse  namentlich  aus  durch  eine  ziemliche  Anzahl  von  Versen, 
die  es  mehr  hat,  als  *K.  Im  Einzelnen  auf  dieselben  einzugehen, 
verspare  ich  noch;  hier  führe  ich  nur  einige  Stellen  an,  an  denen  es 
besonders  deutlich  hervortritt,  da(>  *A  zu  dem  ursprünglichen  Texte, 
wie  er  in  *K  vorliegt,  hinzugedichtet  hat: 

Konr.  11.  24  swaz  in  der  creftigin  Karl  867  *K  daz  da  niemen  enwas, 

stete  was, 
si  sungen  alle  deo  gratias.  ern  sprseche  deo  gratias. 

Also  wonete  do  da  Sus  wonte  Karl  der  riebe 

der  keiser  in  Yspania.  sehs  jär,  etc. 

*A  daz  da  niemen  enwas, 
wan  der  deo  gratias 
mit  guotem  willen  dicke  sprach, 
do  man  diu  zeichen  gesach, 
do  bätens  got  vil  sere 
durch  siner  gnaden  ere, 
daz  ir  sin  heiliger  segen 
ewicliche  müese  pflegen. 
Sus  was  Karl  etc. 


*)  Schon  Bartsch  (Einleitung  XLIII)  stellte  eine  solche  Verrauthung   auf,    in- 
dem er  der  ersten  „Redaction"  die  „ungebührlich  langen  Verse  aus  dem  Koiiradschen 
Liede"  zuweist,    der  zweiten  aber  namentlich   die  Verse  5223—5230  und  5089—5112 
**)  Die  Möglichkeit  solcher  Verse  für  den  Stricker  beweisen  Stellen,  wo   auch 
in  *A  solche  stehen  geblieben    sind: 

3029  ez  gap  mir  der  künec  von  Tielsarke 
565G  und  nieman  den  andern  erkante 
7638  Ruolandes  und  Turpins  du  geruoche 
8468  do  begundens  fliehende  riten  u.  Ä. 


144 


C.  JECKLIN 


Hieher  gehört  auch  die  schon  von  Bartsch  eingeklammerte  Stelle 
5089-5112: 

Karl  5086  si  begunden  vaste  gähen 
Konr  145. 6  di  scar  si  umbehabeten,  an  der  kristene  schar. 

ir  sper  neigten  si  dar. 
[5089—5112] 
7  daz  gedrenge  wart  da  fraissam.      5113  daz  gedrenge  wart  vilfreissam, 

maneger  da  in  angest  quam. 
Die   nur   in  *A  sich  findenden  Verse  5089 — 5112  sind  nur  eine 
breite  Ausführung  von  5113 — 14  (welche  zwei  Verse  sich  daher  in  *A 
nicht  finden). 


Konr.  147.3  si  erslugen  si  alle  samt. 


do  sprach  der  helt  Ruolant; 
wa  bistu  nu  Machmet? 


Karl5182  er  zesluoc  diu  apgot  alle, 
[diu  warf  er,  als  ich  e  sprach, 
da   man   si  mit  schänden    ligen 

sach.] 
Mahmet,  der  ob  in  allen  saz, 
dem  erzeigte  Ruoland  smen  haz. 


5183 — 4,  die  bei  Kourad  nichts  Entsprechendes  haben,   finden  sich 
nur  in  *A^  und  beziehen  sich  auf  das  831  ff.  Erzählte. 
Konr.  156.  11  die  haiden  getorsten      Karl  5470  und  entorsten  niht  ent- 


nicht  geflihen 


vil  manige  selbe  tot  vielen. 


rmnen. 
[daz  was  also  getobet; 
si  heten  alle  gelobet, 
swer  flühtec  dannen  qufeme, 
daz  man  dem    den  lip   useme.] 
daz  nam  in  allen  daz  leben. 


Der  eingeklammerte  Zusatz  in  *A  bezieht  sich  auf  6557  ff.  (vgl.  Konr. 
192.  27-193.  3). 

Auch  die  Vergleichung  dieser  Stellen  mit  Konrad  beweist  deut- 
lich die  größere  Ursprünglichkeit  von  *K.  Nun  sind  aber  nicht  alle 
Zusätze  von  *A  so  leicht  als  solche  zu  erkennen;  sie  machen  manch- 
mal auf  den  ersten  Blick  den  Eindruck  der  größten  Echtheit.  Einer 
näheren  Besprechung  bedürfen  namentlich  zwei  Stellen :  8233 — 52  und 
9631-46. 

An  der  erstem  dieser  zwei  Stellen  wird  erzählt,  auf  welche  Weise 
man  von  Rolands  letzten  Schicksalen  Kunde  erhalten  habe,  da  doch 
kein  Augenzeuge  am  Leben  blieb:  ein  Engel  habe  nämlich  dem  ze 
Provinze  in   eime   hol   lebenden   hl.  Egidius*)  (Grilje)  die   Begebenheit 

*)  Für  den  Stricker  ist  wohl  die  Form  Egidius  anzusetzen,  wie  3545  FGH(K) 
esen  (8239  auch  DE);  auch  Konrad  hat  diese   Form. 


zu  DES  STRICKERS  KARL  145 

erzählt  und   dieser   den  Bericht   aufgeschrieben   und  Karl    übergeben. 
Bei  Konrad   wird    an    der    entsprechenden    Stelle  (vor  240.  19)  dieser 
Heilige  nicht  erwähnt,  wir  müssen  daher  die  ganze  Erzählung  als  einen 
Zusatz  von  *A  ansehen.     In  anderem  Zusammenhang  sagt  Konrad 
232.  11  daz  hiez  sent  Egidie  scriben 

ze  Leune  in  der  stat, 

also  in  der  kaiser  gebat. 
vgl.  Chans,  de  Rol.  2095  co  dit  la  Geste  e  eil  ki  el  camp  fut, 

li  bers  seinz  Gilies,  pur  ki  Dens  fait  vertuz 

e  flst  la  chartre  el  muster  de  Loüm. 
An  diese  Stelle  knüpft  offenbar  der  Zusatz  in  *A  an.  Obwohl 
nicht  ursprünglich,  trifft  er  doch  ganz  des  Strickers  Art :  sowohl  einer 
gcits  in  der  vernünftelnden  Erklärung*),  wie  man  von  einem  Ereig- 
nisse unterrichtet  sein  könne,  dessen  Theilnehmer  alle  umgekommen; 
als  auch  andererseits  in  dem  Hereinbringen  von  Übernatürlichem:  so 
findet  sich  nur  beim  Stricker  die  Sage  von  dem  Einsinken  von  Ro- 
lands Speer  in  den  Felsen  (3934 — 53),  dann  die  Sage,  daß  der  todte 
Roland  noch  sein  Schwert  so  fest  hält,  daß  Niemand  es  ihm  aus  den 
Händen  lösen  kann,  bis  Karl  selbst  kommt  (8357 — G3),  endlich  das 
Wunder  von  der  Scheidung  der  heidnischen  und  christlichen  Leichen 
durch   Dornen    und   Lilien**).     Ein   Mil.Werständniss***)  ist    entweder 


*)  Vgl.  z.  B.  des  .Strickers  Bemerkung  (10460),  daß  die  Christen  ihre  Todten 
(von    der  Schlacht  Karls    gegen  Paligan)  an    den    herausgezogenen    Barten    erkennen 
(vgl.  Karl  9382  ff.  Konr.  270.  23   ff.);    namentlich  aber  den  Grund,    den    er  dafür  an- 
gibt, daß  die  Heiden  nicht  über  die  Saybra  (Ebro '?)  können;  Konrad  sagt  einfacli : 
244.  6  iz  (daz  wazzer)  was  uz  gedozzen, 
di  schef  wai'en  hin  geflozzen. 
Der  Stricker  bringts  in  Verbindung  mit   dem    bei  Rolands  Tode    stattfindenden 
Erdbeben  und  Sturm  (vgl.  8253  ff.): 

8450  de  was  in  mit  den  winden, 

die  nach  Ruolandes  tode  waten, 
beidiu  sele  und  lip  verraten; 
diu  beten  diu  schef  enwec  getriben. 
diu  aber  stende  wilren  bliben, 
diu  wären  elliu  wazzers  vol. 
**)  10848—66;  vgl.  über  diese  Stelle  auch  S.  150  ff. 
"*"**)  Daß  auch  der  Stricker  den   konradschen  Text    mißverstanden    hat,    ist    an 
mehreren  Stellen  nachzuweisen;    entweder    geschah    es   aus    bloßer  Flüchtigkeit  beim 
Lesen : 

Konr.  129.   18  ich  han  ains  min  drizec  tusint  helede. 
Karl  4406  ich  hän  einz  unt  drizec  tüsent  man. 
vgl.  auch  Konr.  171.  5  mit  Karl  5869. 

GERÄIANIA.  Neue  Reihe.  X.    (XXH.)  Jahrg.  10 


146  C.  JECKLIN 

schon  bei  Konrad,  oder  erst  beim  Bearbeiter  untergelaufen  in  Bezug 
auf  den  Aufenthaltsort  des  Egidius:  muster  de  Loüm  der  Ch.  de  Rol- 
soll  Laon  sein,  des  Bearbeiters  ze  Provinze  in  eime  hol  zeigt  aber, 
daß  er  wenigstens  Konrads  Leun  als  Lyon  auffaßte.  Wahrscheinlich 
gellt  die  Erzählung  von  dem  als  Einsiedler  lebenden  Egidius  auf  eine 
französische  Quelle  zurück;  wenigstens  finde  ich  bei  L.  Gautier  (Ch. 
de  Rol.  II.  170)  aus  einem  spätem  französischen  Gedichte  (Hugues 
Capet)  die  Angabe,  daß  Egidius  (denn  dies  ist  offenbar  der  vieillard) 


Konr.  148.  17  do  cliom  Falsaron; 

von  der  erden  (d^  (t^?)  erden)  Dathan  unt  Abiron 
was  er  verre  gevaren. 
Karl  5235   .    .    .   der  herzöge  Falsaron, 
beidiu  Tartan  und  Abiron, 
zwene  herzogen  von  Terde, 
beide  edele  unde  werde: 
die  wären  durch  in  dar  komen. 
Daß  der  Stricker  nicht  etwa  in  Erinnerung  an  IV.  Mos.  16.  1  ff.  ans  den  Län- 
dernamen Personennamen  .macht,    zeigen    seine  Namensformen.     Aiiflallig    bleibt,  wie 
diese    beiden,    in   jeder  Form    des    Judeneides    vorkommenden  Namen  (s.  Müll.  Seh. 
Dkm.  C.  4  und  Anmerkung  626  if.)  von  der  Chans,  de  Eol.  und  Konrad  falsch  ange- 
wendet, vom  Stricker  aber  falsch  verstanden  werden  konnten. 
Konr.  275.  1  des  helven  in  die  Glessen 
Karl  9567  Tesselsen  unde  Glessen  die? 
H  liest    die    von  Kelsen    unde   von  Glessen    die,    und  K  des    helsen  vn    glessen   die; 
sollte  hieraus  vielleicht  herzustellen  sein: 

des  helfen  in  von  Glessen  die 
Konrads  Text  eigentlich  mißverstanden  hat  der  Stricker: 
Konr.  82.  10  er  enhat  sin  neheinen  rat 
d.  h.  er  kann  gar  nicht  anders  (Bartsch). 
Karl  2803  ez  enist  niht  sin  rat, 

wan  dez  im  got  geboten  hat. 
Konr.  96.  20  der  chunc  von  Phile 
der  gebot  in  siner  e. 
d.  h.  in  dem  seiner  Eeligion  (oder  seinem  Gesetze)  dienenden  Lande  (Bartsch). 

Karl  3106  der  hiez  gebieten  bi  der  e. 
F  allein  hat  aus  Konrad  herübergenommen  in  siner  e. 
Konr.  237.  33  Pulle  machete  ich  cinshaft, 
Malve  und  Palerne 
d.  h.  Apulicn,  Amalfi  (daher  nicht  mit  Bartsch  in  Malte  zu  ändern)  und  Palermo, 
Karl  8177  ich  betwanc  mit  dir  Palerne. 
die  dienent  dem  keiser  gerne. 
Konr.  262.  4  dar  nach  scol  er  sich  keren 
d.  h.  danach  handeln. 

Karl  8978  darnach  wil  er  ouch  danne  varn. 
Diese  Beispiele  ließen  sich  noch  vermehren. 


zu  DES  STRICKERS  KARL.  147 

Einsiedler  zu  werden   j^elobte,  wenn  er   dem  Kampfe  entkomme;    die 
gleiche  Sage  scheint  schon  in  der  Ch.  de  Rol.  durch: 

Qo  dit  la  Geste  e  eil  ki  el  camp  fut 

li  bers  seinz  Gilies. 
Bekanntschaft  mit  der  Egidiuslegcnde   zeigt  auch   der  Stricker: 
vgl.    die    ausfülirlichere  Erwähnung  von  Karls   houbetsünde   354G — 56 
gegenüber  der  kurzen  Andeutung  bei  Konrad  (108.  7 — 11);  vgl.  dazu 
Kehr.  D.  460.  9—461.  30. 

Schwieriger  zu  beurtheilen  ist  ein  anderer  Zusatz  in  *A:  9631 
bis  46;  da  sich  derselbe  mit  dem  Karlmeinet  sehr  nahe  berührt, 
müssen  wir  uns  vorerst  über  das  Verhältniss  des  Strickers  zu  diesem 
Gedichte  klar  werden. 

VI.  Verhältniss  des  Karl  zum  Karlmeinet. 
Aus  mehreren  geraeinsamen  Fehlern  unserer  Handschriften  des 
Rolandsliedes  hat  Bartsch  nachgewiesen*),  daL^  dieselben  auf  eine  etwas 
verderbte  Hdsch.  des  Liedes  zurückgehen**).  Andererseits  zeigen 
Karl  und  Karlmeinet  an  manchen  Stellen  übereinstimmend  etwas  ab- 
weichenden Text,  d.  h.  sie  lassen  eine  von  unserm  Texte  des  konrad- 
schen  Gedichtes  etwas  verschiedene  Vorlage  durchblicken,  vgl.  Bartsch, 
Germ.  XIX,  390  ff.  zu  Konr.  205,  234,  376,  444,  1882,  1883,  7163 
7475,  7659,  7671,  7951;  dazu  sind  noch  zu  vergleichen: 
Konr.  56.  12  sibeu  hundert  siner  manne  APS 

sehs  hundert  Karl  2136  Km.  443.  18 
Konr.  60.  18  er  was  dri  eilen  breit 
eneben  siner  ahsel  PS 
zweier  ein  breit  Karl  2184  Km.  444.  25. 
Alle  diese  angeführten  Verschiedenheiten  betreffen  nur  einzelne  Wörter. 
Es  fragt  sich  nun,  wie  stark  die  Abweichung  dieses  dem  Dichter 
des    Karlmeinet    und    dem    Stricker    vorliegenden    Rolandsliedes    von 
unserem  in  AP(SW)  erhaltenen  war,  und  ferner,  ob  wir  genöthigt  sind, 
aus  jedem  Zusammentreffen  von  Stricker  und  Karlmeinet  auf  eine  ge- 
meinsame Quelle  im  Rolandsliede  zu  schließen. 


*)  Bartsch,  Germ.  XEX,  388. 
**)  Darauf  deutet  schon  die  gleichmäßig  verschiedene  Schreibung  desselben 
Namens  in  den  Hdschr.  z.  B.  der  Ch.  de  Rol.  976  und  1316  Chernubles  genannte 
Heide  heißt  Konr.  98.  12  Zernubele  (PA)  134.  12  und  135.  19  Cenubiles  (PA),  178. 
11  und  19  Cornubiles  (PA);  der  Stricker  hat  überall  Cernoles  und  auch  bei  Konrad 
wird  durchweg  Ceraubiles  zu  lesen  sein. 

10* 


148  C.  JECKLIN 

Lückenhaft  überliefert  zeigt  sich  unser  Rolandslied  in  dem  Ver- 
zeichniss  der  zwölf  heidnischen  Heerführer  Konr.  126.  14 — 136.  9:  es 
fehlen  uns  nämlich  von  den  zwölfen  nicht  weniger  als  vier,  und  es  ge- 
nügt eine  Vergleichung  mit  den  entsprechenden  Stellen  der  Ch.  de  Rol. 
860 — 975  und  des  Strickers  4363 — 4658,  soAvie  mit  Konrad  selbst 
(142.  22—180.  11,  entsprechend  Ch.  de  Rol.  1188—1320  und  Karl 
4965—6151),  um  mindestens  sehr  wahrscheinlich  zu  machen,  daß  ein 
Schreiber,  dem  diese  im  Grunde  immer  dasselbe  besagenden  Trutzreden 
zu  langweilig  wurden,  vier  Fürsten  einfach  ausließ ;  diese  sind : 

Amurafel*)  Ch.  de  Rol.  894  Karl  4449  vgl.  Konr.  159.  18. 

Eschermunt  Ch.  de  Rol.  931  Karl  4532  vgl.  Konr.  168.  3. 

Estorgant  Ch.  de  Rol.  940  Karl  4554  vgl.  Konr.  172.  6. 

Stalmariz  Ch.  de  Rol.  941  Karl  4567  vgl.  Konr.   176.  16. 

Wahrscheinlich    ist    auch    das    Verzeichniss    der    zwölf  Paladine 
Karls  (Konr.  4.  10  ff.)  mangelhaft  überliefert:  in  Wirklichkeit  sind  es  nur 
acht.     Kaum  dürfte  Turpin  nach  Olivier  fehlen;  in  Bezug  auf  die  an- 
dern   aus    dem  Stricker  (Karlmeinet   stimmt   nicht   genau   zu  Konrad) 
zurückzuschließen,    ist  jedoch  gewagt:    es  zeigt  dies  am  Besten  Karl 
1149  ff.:  der  Stricker  fand  bei  Konrad  (18.  14—25)  eine  Reihe  Fürsten 
an  Marsilies  Hofe  aufgeführt,  es  sind  deren  zehn.  Da  er  sich  nun  aber 
an  Konr.  13.  3 — 4  erinnerte,   wo  Konrad,    durch   ein  Mißverständniss 
des  französischen  Textes**),  zwölf  Rathgeber  des  Heidenkönigs  erwähnt, 
macht  er  aus  den  zehn  unbefangen  zwelf  witzige  beiden,  indem  er  zwei 
Namen,  Blangriz  und  Dovel,  dazu  ei'findet.    Daß   aber  nicht  etwa  auch 
hier  Konrads  Text  lückenhaft  sei,  beweisen 
Ch.    de  Rol.  69  des  plus  feluns  dis  en  ad  apelez. 
Km.  426.  8  he  sante  do  gedraden 
na  zeyne  syner  beiden. 
Es  ergibt  sich  hieraus,  wie  vorsichtig  man  sein  muß  mit  Rückschlüssen 
aus  dem  Stricker  auf  Konrad. 

Ich  gebe  also  zu,  daß  das  dem  Stricker  und  dem  Dichter  des 
Karlmeinet  (d.  h.  dem  Dichter  dieses  Stückes)  vorliegende  Rolandslied 
in  einzelnen  Lesarten  von  PA  abwich,  daß  es  wahrscheinlich  das  voll- 
ständige Verzeiclmiss  der  zwölf  heidnischen  Fürsten  enthielt,  mög- 
licherweise  auch    eine  vollständigere  Aufzählung    der    duze   per.     Nun 


*)  Dem  amurafle  de  Balaguet  Ch.  de  Rol.  894  entspricht  Amurafel  und  nicht 
wie  Bartsch  (zu  Konr.  3665)  annimmt,  Ammirät  von  Palvier,  vgl.  Ch.  de  Rol.  1269  rr= 
Konr.   159.  18. 

**)  Bartsch  zn  der  Stelle  (404  B.). 


zu  IJES  «TKICKEKS  KAKI..  149 

geht  aber  Bartsch  weiter  und  bezeichnet  jene  Gestalt  als  eine  wesent- 
lich, namentlich  gegen  den  Schlul.^  hin,  erweiterte;  das  führt  uns  auf 
die  zweite,  wichtigere  und  schwierigere  Frage:  ob  alle  Übereinstimmung 
zwischen  Karlmeinet  und  Karl  in  das  ihnen  vorliegende  Rolandslied 
zurückverlegt  werden  muß.  Die  Stellen,  auf  die  es  hiebei  ankommt, 
fallen  (mit  Ausnahme  der  nachher  zu  besprechenden  Verse  9631—  46) 
auf  die  im  Karl  und  Karlraeinet  auf  Konrads  uns  vorliegendes  Gedicht 
folgenden,  jedoch  noch  vor  Genelims  Verurtheilung  eingeschobenen 
Erzählungen  von  des  Verräthers  Flucht  und  von  Alitens  Herbei- 
holung; daher  stellt  sich  die  Frage  bestimmter  so:  haben  wir  Grund 
zu  der  Annahme,  daß  den  beiden  Umarbeitern  des  Kolandsliedes  das- 
selbe nicht  in  unserer  Gestalt  (mit  der  eben  angeführten  Einschrän- 
kung) vorgelegen  habe,  sondern  in  einer  wesentlich  erweiterten,  worin 
die  oben  erwähnten  Ereignisse  eingeschoben  gewesen  wären?  Bartsch 
bejaht  entschieden  die  Frage  und  kommt  im  Verlaufe  seiner  Unter- 
suchung zu  folgender  Geschichte  des  Kolandsliedes:  erhalten  sind  zwei 
„Redactionen"  des  Liedes:  A  (die  Straßburger  Hdsch.)  stellt  die  erste, 
P  (die  Heidelberger  Hdsch.)  die  zweite  dar  (Germ.  XIX,  390);  auf 
diese  zweite  gehen  auch  die  Umarbeitungen  zurück,  aber  in  „einer 
wahrscheinlich  ausführlicheren  aber  jüngeren  Recension"  (Einleitung 
zum  Rolandsliede  XIX),  die  vielleicht  von  Konrad  selbst  war  (Über 
Karlmeinet  pg.  388  unten).  Diese  wurde  wahrscheinlich  noch  im 
XII.  Jhdt.  nach  den  jüngeren  französischen  Bearbeitungen  erweitert 
(Über  Karlm.  389)  und  sodann  zu  Anfang  des  XIII.  Jhdts.  von  einem 
niederrheinischen  Dichter  in  reine  Reime  umgesetzt*)  (Über  Karlm. 
388),  in  welcher  Gestalt  das  Gedicht  dann  im  Karlmeinet  Aufnahme  fand. 
Die  Zwischenstufen  stellen  sich  somit  dar: 

9    P  (  ^^^  Konrad 

3.  jüngere,  ausführlichere  Recension,  viell.  von  Konrad 

4-  Erweiterung  vom  Ende  des  XII.  Jhdts.  1     .  ,,  p  ,,      , 

pr    TT       •  A    r       j     VTTT  TT.  j^     /  vieil.  zusammentallend 

o.  Umreimung  vom  Anfang  des  Xlll.  Jhdts.  j 

6.  Karlmeinet. 

Daß  die  Gemeinsamkeit  nicht  auf  Konrad  selbst  zurückgehen 
kann ,  beweist  nicht  nur  der  Umstand ,  daß  die  -Erweiterung  die 
jüngeren  französischen  Bearbeitungen  kennt**),  während  Konrad  diese 


*)  Die    beiden  letztgenannten  Dichter  faßt  Bartsch  in  der  Einleitung  zum  Rol. 
(XIX)  als  einen  niedeirhein.  Dichter  vom  Ende  des  XII.  Jhdts. 
**)  Bartsch,   Germ.  VI,  28  ff. 


J50  C.  JECKLIN 

noch    niclit    kennt,    sondern    namentlicli    der    von    Konrads    Gedicht 
ganz  verschiedene  Ton  der  Erweiterung :  man  vergleiche  nur  die  kurze, 
aber  in  ihrer  Einfachheit  ergreifende  Schilderung  von  Alitens  Ankunft 
bei  Karl  (Konr.  296.  6  &.),  wie  der  Kaiser  ihr  die  erschütternde  Kunde 
vom  Tode  des  Bruders  und  des  Bräutigams  mittheilt: 
liebiu  liebiu  Alda, 
ich  netar  nicht  liegin: 
laider  dune  gesest  in  (Ruolant)  niemir. 
mit  der  schwülstigen  Redseligkeit   des  Karlmeinet  (der  sich  auch  hier 
dem  französischen  Texte,  also  auch  der  deutschen  Vorlage  von  Karl- 
meinet und  Karl,  enger  anschloß  als  der  Stricker,  vgl.  Germ.  VI,  36  ff.), 
mit  dieser  langweihgen ,    durch  200  Verse   sich   hinschleppenden  Auf- 
zählung von  sieben  Träumen  Aldas,  mit  der  ungeschickten   und  ganz 
zwecklosen  Täuschung  derselben  von  Seiten  Karls:  man  wird  zugeben, 
daß  das  nicht  von  einem  Dichter  sein  kann. 

Auf  eine  jüngere  „Recension  Konrads"  darf  also  die  fragliche  Er- 
weiterung nicht  zurückgeführt  werden;  ich  bezweifle  aber  überhaupt 
die  Existenz  eines  erweiterten  Rolandsliedes,  und  zAvar  aus  folgenden 
Gründen : 

1.  Der  Stricker  hat  unser  Rolandslied  vor  sich  gehabt;  das  be- 
weist die  an  Konrad  sich  enge  anschließende  Erzählung  von  Alitens 
Tod  (vgl.  11181  ff.  mit  Konr.  296.  10,  11670  ff.  mit  Konr.  297.  19  ff). 
Was  er  mehr  hat,  als  Konrad,  läßt  sich  ziemlich  reinlich  herausschälen: 
es  ist  erstlich  vor  Alitens  Tod  10763 — 11180  die  wunderbare  Scheidung 
und  die  Beerdigung  der  Gefallenen,  die  verschiedenen  frommen  Stif- 
tungen und  die  Besendung  Alitens;  zweitens  nach  deren  Tode  11230 
bis  11670  Gerhards  und  Karls  Klage  und  Geneluns  Flucht  und  Ein- 
holung; nur  wenige  Verse  Konrads  (295.  28 — 296.  10)  sind  auf  diese 
Weise,  als  überflüssig,  ausgefallen.  Ganz  anders  im  Karlmeinet:  hier 
bricht  plötzlich  488.  68  (=  Konr.  295.  13)  die  Übereinstimmung  mit 
Konrad  ab,  und  von  da  an  ist  ein  wirkliches  Zusammentreffen  dieser 
beiden  Gedichte  nicht  sicher  nachzuweisen.  Da  es  nun  kaum  wahr- 
scheinlich ist,  daß  der  Stricker  neben  Konrads  Lied  in  der  uns  er- 
haltenen Form  noch  eine  erweiterte  Gestalt  desselben  Gedichtes  benutzt 
habe,  das  uns  erhaltene  Rolandslied  ihm  aber  sicher  vorlag,  so  kommen 
wir  zu  dem  Schluß,  daß  ein  erweitertes  Rolandslied  von  ihm  nicht  be- 
nutzt wurde. 

2.  Auch  die  verschiedene  Art  der  Verwendung  dieser  Episoden 
(denn  solche  sind  es)  in  den  beiden  Umarbeitungen  spricht  gegen  eine 
ursprüngliche  Verbindung  mit  dem  Rolandsliede.    Daß  der  Karlmeinet 


zu  DES  STinCKEKS  KAKL.  ]51 

auch  hier,  wie  überall,  wo  wir  ihn  controllicren  können,  seiner  Vorlage 
ziemlich  getreu  folgt,  zeigt  die  Vergleichung  mit  dem  französischen 
Texte;  ebenso  zeigt  eine  solche  aber  auch,  daß  der  Stricker  in  den 
in  Frage  stehenden  Stücken  bedeutend  kürzt,  während  er  gegenüber 
Kom-ads  Gedicht  im  Gegcnthcil  eher  Neigung  zur  Ausführung  zeigt. 
Diese  ganz  verschiedene  Behandlung  von  Seiten  des  Strickers  wäre 
sehr  auffallend  bei  der  Annahme  eines  fortlaufenden  Gedichtes. 

3.  Endlich  ist  die  Anordnung  der  fraglichen  Episoden  nicht  die 
gleiche  im  Karlmeinct,  wie  im  Karl:  im  Ersteren  nämlich  reitet  Karl 
nach  der  Bestattung  der  Todten  heim,  und  während  der  Reise  entkommt 
Genelun ;  nach  dessen  Einbringung  erst  sendet  Karl  nach  Gerhard  und 
Alitc.  Im  Karl  hingegen  besendet  er  sie  zuerst,  und  bei  der  nach 
Alitens  Tode  herrschenden  Verwirrung  entkommt  Genelun. 

Während  also  nach  dem  Gesagten  die  Annahme  eines  um  die 
genannten  Episoden  erweiterten  Rolandsliedes  bedeutende  Schwierig- 
keiten hat,  scheint  mir  diejenige  mehr  Wahrscheinlichkeit  zu  haben, 
daß  den  Umarbeitern  ausser  dem  Rolandsliede  noch  andere  Gedichte  aus 
der  Karlssage,  und  so  auch  eines  über  diese  Begebenheiten,  bekannt 
gewesen  seien*).  Bekanntschaft  mit  der  Karlssage  zeigt  der  Stricker 
an  manchen  Stelleu,  wo  ihm  Konrad  nichts  bot;  mchreres  habe  ich 
schon  angeführt  (s.  S.  145),  ebenso  weiß  er  zn  erzählen:  Karls  Jugend- 
geschichte (124  —  274),  die  Erorberung  Deutschlands,  Gründuug  Aachens, 
Kaiserkrönung  in  Rom  (400 — 478) ;  er  erwähnt  Ludewic  und  Terramer 
12198;  besonders  beachtenswerth  ist  eine  Anspielung  auf  Oigiers  Ju- 
gendgeschichte: 

9197  Oygier  von  Tenemarke, 

ich  fröu  mich  din  vil  starke: 
Sit  ich  dich  ze  gisel  gewan, 
Sit  müesen  dich  alle  mine  man 
eren  also  min  kint. 
wo  Konrad  ganz  abweichend  sagt 
266.  17  unt  du  helt  Oigir, 

vil  wol  getriwe  ich  dir, 
du  bist  des  Waten  chunes**). 
Diese  Anspielung  des  Strickers  zeigt,  daß  er  die  Geschichte  Oigiers 
(der  in  der  That  der  Sage  nach  für  eine  von  seinem  Vater  gegen  Karl 


*)  Die  Möglichkeit  solcher  Gedichte  gibt  auch  Bartsch  zu:  Über  Karlm.  389  ii.  ö. 
**)  Grimm,  Deutsche  Heldensage  331. 


152  C.  JECKLIN 

verübte  Feindseligkeit  als  Geisel  an  des  letzteren  Hofe  lebte)  als  be- 
kannt voraussetzte.  Wie  es  nun  wahrsclieinlicli  ist,  daß  er  für  Karls 
Jugendgeschichte  ein  deutsches  Gedicht  benutzte*),  wie  es  kaum  anders 
möglich  ist,  als  daf>  er  sich  auf  ein  deutsches  Gedicht  über  Oigier 
bezieht**),  so  glaube  ich  auch,  daß  er  ebenso  die  Erzählung  von  Ge- 
neluns  Flucht  und  Alitens  Herbeiholung  einem  solchen  entnahm,  und 
daß  er  dieses  etwas  weitläufiger  benutzte,  weil  es  mit  dem  Inhalte  des 
ganzen  Gedichtes  in  engerer  Berührung  stand.  Auf  dieses  Gedicht 
führe  ich  also  die  Übereinstimmung  am  Schluß  des  Karl  und  Karl- 
meinet zurück;  der  Stricker  fügte  einen  Auszug  desselben  in  sein  Ge- 
dicht ein,  der  Dichter  des  Karlmeinet  aber,  den  wahrscheinlich  295.  13 
sein  Exemplar  des  Rolandsliedes  im  Stiche  ließ***),  folgt  von  da  an 
ganz  diesem  andern  Gedichte-,  daher  der  vom  Rolandsliede  so  ver- 
schiedene Charakter,  daher  die  Kürzung  beim  Stricker,  daher  auch 
die  verschiedene  Einfügung  in  die  Umarbeitungen. 

Nachdem  wir  ein  wesentlich  erweitertes  Rolandslicd   als  Vorlage 
von  Karlmeinet  und  Karl  als  mindestens  sehr  zweifelhaft  erkannt  haben, 
kehren  wir  zurück  zu  Karl  9631 — 46.     Bei  Konrad  heißt  es  vor  Be- 
ginn der  Schlacht  zwischen  Karl  und  Paligan: 
276.  19  Do  hiz  der  chunc  Paligan 

uf  richten  sinin  van 

ain  trache  dar  ane  stuont 

der  was  geziret  gnuoc 

von  golde  und  von  gestaine 
vgl.Ch.  deRol.3265  li  amiralz  dedavant  sei  fait  porter  sun  dragun 
also  ein  tragbares  Feldzeichen.     In  *K  wird    nun    dasselbe  gar  nicht 
erwähnt,   in  *A  hingegen  ist   daraus  eine  Art  carroccio  gemacht:    ein 


*)  Vgl.  Bartsch,  Über  Karlmeinet  S.  24,  der  jedoch  hiefür  eher  eine  französische 
Quelle  annehmen  möchte. 

**)  Entsprechend    vielleicht    der    französischen  Chevalerie  Ogier   des  Raimbert 
aus  dem  XII.  Jhdt. ;  denn  die  Enfances  Ogier  sind  jünger  als  der  Karl;  vgl.  L.  Gautier, 
zur  Ch.  de  Rol.  96,  G.  Paris  hist.  poet.  de  Charlemagne,  pg.  72 — 73.  Da  die  späteren 
nur  in  scblechthochdeutscher  Übersetzung  vorhandenen,  ursprünglich  niederländischen 
Gedichte  über  Ogier  (s.  Koberst.  Grdr.  I,  302.  Gervinus,  Nat.-Lit.  2^  74,  89.  Adelung, 
Nachrichten  92  ff.)  sich  ausdrücklich  aus  dem  Französischen  übersetzt  nennen : 
das  mag  er  hoeren  wer  es  begert, 
uss  dem  welsch  von  woi't  zu  wort, 
nit  gerauscht,  als  ich  es  hört, 
so    können  wir    sie    hier   nicht    beiziehen.     Über   einen  in  Deutschland  im  XII.  Jhdt. 
entstandenen  Auszug  aus  Oigirs  Leben  s.  G.  Paris  hist.  poet.,  pg.  51,  101,   105. 
***)  Bartsch,  Über  Karlmemet  S.  145. 


zu  DES  STRICKERS  KARL. 


153 


Konr.  276.  19   Do   hiz    der    cliunc 

Paligan 
uf"  richten  sinin  van. 
ain  tracliu  dar  ane  stuont: 


vgl.  Karl  9643—4 


von  Mccrochsen  gezogener  Wagen,  auf  dem  ein  holder  Drache  vom 
Winde  bewegt  wird.  In  auffallender  Übereinstimmung  damit  steht  die 
Beschreibung  des  Karlmeinet  477.  64  fi",  die  sieh  jedoch  auch  wieder 
z.  Th.  genauer  an  Konrad  anschließt: 

Km. 477. 64  do  heysch  der  konynck 

Paligan 
opp  richten  syne  vanen  sän; 
dar  ane  stoent  ein  zeichen  herlich, 
478.  1   eime  wilden  drachcn  gelich. 
der  drach  was  van  enbirien  hol, 
des  winds  wart  he  dicke  vol. 
dan  sach  dat  heidenisch  gesinde, 
5  so  WC  der  di'ache  in  dem  winde, 
spilde  ind  umbran; 
manche  vrouwede  dan  äff  quam, 
he  was  wis  ind  rot. 
BaHgän  ouch  gibot 
10  up  richten  den  standarde 
276.  22  der  was  geziret  gnuoc  der  was  gezeirt  harde 

von  golde  unt  von  gestaine.  mit  golde  ind  mit  gesteine. 

Es  ergibt  sich  aus  dieser  Gegenüberstellung,  daß  auch  hier  von 
einem  erweiterten  Rolandsliede  nicht  die  Rede  sein  kann,  da  diese  son- 
derbare Beschreibung  zwischen  ein  Reimpaar  des  konradschen  Textes 
hineingeschoben  ist,  und  auch  *K  von  derselben  noch  nichts  weiß.  Ob 
nun  Karlmeinet  und  -A  aus  einer  gemeinsamen  Quelle  schöpften,  oder 
ob  der  Eine  aus  dem  Andern,  kann  bei  der  Dunkelheit  von  Karlmei- 
nets  Entstehungsgeschichte  nicht  entschieden  werden;  zu  bemerken  ist 
aber,  daß  sich  wörtliche  Übereinstimmung  nur  in  zwei  Versen  findet, 
und  auch  in  diesen  nicht  völlige,  so  daß  man  vielleicht  besser  von  Remi- 
niscenz,  als  von  Entlehnung  spricht. 

VII.  Ergebnisse. 

1.  Aus  dem  S.  132  entwickelten  Handschriftenverhältniss  ergibt 
sich  eine  Berichtigung  über  den  Werth  der  Hdsch.  A:  wo  sie  allein 
steht  bei  Übereinstimmung  der  andern,  kann  ihre  Lesart  nicht  echt 
sein.  Die  hieraus  sich  ergebenden  Änderungen  sind  jedoch  alle  sehr 
unbedeutend,  wie  z.  B. 

555  wärens  alle  vil  bereit 
932  80  müesens  etc. 


154  C-  JECKLIN 

Bemerkenswerth  sind  nur  etwa: 

717  er  minnct  iuch  m.  s.  kr. 
1441  ine  läze  iuch  hinnen  mit  minnen 

1694  fride]  geleite,    durch   Mißverständnlss   aus  geleithcgen 
Konr.  39.  18. 
2.  Ebenso  sind  zu  verwerfen  nur  aus  F  geschöpfte  Lesarten^  und 
damit  nehmen  wir  schon  tiefer  einschneidende  Änderungen  vor: 
4972 — 79  muß  entweder  mit  *K  gelesen  werden: 
dirn  geschach  nie  leit  merre, 
dan  dir  hie  künftec  ist. 
wä  ist  nu  din  herre  Krist? 
sin  wirt  etc. 
oder  mit  ■•'A:  dirn  geschach  nie  leit  merre, 
dan  dir  noch  hiute  geschiht ; 
dir  enwerre  dcnnc  daz  niht, 
daz  du  äne  houbet  bist, 
wä  ist  nu  etc. 
vgl.   auch  S.  142 

6002  er  jagtes  alle  (gar  *A)  äne  wer;  zu  F  vgl.  Konr.  177.  8 
6451 — 4  Olivier  durch  eine  dicke  brach 
da  er  die  grosten  not  sach. 
die  Lesart  von  *K*A  findet  sich  theilweise  wieder  v.  6951,    zu  F  vgl. 
Konr.  190.  11-22. 

8347—50  nu  erbarmez  got  durch  sine  not, 
daz  ich  ie  gelebte  dinen  tot. 
zu  F  vgl.  Karl  9141,  Konr.  242.  6;  zu  erbarmez  got  durch  sine  not,  wie 
*K*A  lesen,  vgl. 

Karl  11353  tuet  ez  durch  die  grozen  not, 
und  durch  den  heiligen  tot, 
den  got  an  dem  kriuze  erleit. 
8871 — 74  rillten  lihcn  unde  geben 

und  gar  (rehte  *A)  in  küncges  wise  leben, 
zu  F  vgl.  Konr.  255.  13*). 


*)  Es  wäre  überflüssig,  auch  die  von  Bartsch  nicht  aufgenommenen  Lesarten 
von  F  anzuführen;  ich  nenne  hievon  als  besonders  bemerkenswerth  497  Wernis  statt 
Bernger.  Es  ergibt  sich  hieraus,  daß  F  eine  der  Pfälzer  des  Rolandsliedes  naheste- 
hende Hdsch.  benutzt  hat;  denn  ich  bilHge  ganz  Bartschs  Vermuthung,  daß  auch  dort 
Bernger  herzustellen  sei ;  ein  Wernis  erscheint  nirgends  in  den  "Verzeichnissen  der 
Zwölfe,  selten  aber  (s.  L.  Gautier  zu  Ch.  de  Rol.  262)  fehlt  Bernger.  —  Eben  hieher 
gehört    die  Einschiebuug    des  Witel    in  F  v.  5139,    vgl.  Konr.  145.  27;    der  Stricker 


zu  DES  STRICKERS  KARL.  155 

Namentlich  haben  eine  Reihe  von  Versen  auszufallen,  rlie  nur  in 
P  stehen 

1945—46  vgl.  Konr.  48.  3—4 

2041—42  (2043  1.:  er  liez  in)  vgl.  Konr.  51.  21—22 
2513-14  vgl.  Konr.  72.  5 
4199—4200  vgl.  Konr.  124.  14- IG 
6651—52  vgl.  Konr.  196.  16 

6943—48  stehen  schon  5107 — 12;    damit   fallen  auch  die  verbin- 
denden Verse  6949—50. 

3.  Die  Lesarten  von  *K,    als    der    älteren   Bearbeitung,    müssen 
möglichst  hergestellt  werden,    wo    nicht  Verderbniss    anzunehmen    ist, 
vor  Allem ,    wo    sie    sich    auf  Konrad    stützen.     Alle    diese    kleineren 
hieraus  sich  ergebenden  Veränderungen  mitzuthcilen,  wie  z.  B. 
284  er  mante  got  FHK  vgl.  Konr.  2.  9 
875  sus  wonte  FHK  vgl.  Konr.  11.  26 
wäre  zwecklos,  da  die  meisten  für  den  Reim  sowohl  und  das  Metrum, 
als  auch  für  den  Sinn  von    keiner    erheblichen  Bedeutung    sind.     Die 
wichtigeren  sind  im  Verlaufe    der   Untersuchung  (s.   besonders  S.  133 
bis  134)  namhaft  gemacht  worden;  ich  führe  hier  noch  einige  an,  die 
von  Interesse  sind: 

806  si  körten  über  die  buregraben  FHK 
Konr.  11.  3  er  kerte  an  den  buregraben 
ebenso  1195  die  boten  kerten  von  dan  FHK 
Konr.  20.  13  die  boten  au  cherten, 
dar  man  si  lerte. 
1075 — 6  daz  wir  niht  statte  wellen  län, 

swaz  wir  im  gelobet  hän.  FHK 
Konr.  15. 25 — 26  daz  wir  niene  leisten, 

al  daz  wir  ime  gehiezen. 
Die  Lesart  von  *A  findet  sich ,    ebenfalls  wieder    nur    in    dieser 
Bearbeitung,  4635 — 36,  wo  wieder  mit  *K  zu  lesen  ist: 
4635 — 37  Karl  ist  grimmes  muotes, 

in  getriuwe  im  deheines  guotes: 
er  heizt  iuwern  sun  hähen.  HK 
Konr.  135. 10 — 12  wirdet  der  kaiser  ubeles  muotes, 
ich  ne  getriwe  ime  neheines  guotes: 
din  sun  haizet  er  haben. 


vermeidet  es  möglichst,  blosse  Name  zu  nennen:  so  läßt  er  aus  170.  12 — 18  Nere,  Pan- 
dolt,  Martian,  Nerpa,  174.  27  ff.  Witrant,  Otnant,  Pillunc,  Sigebant,  189.  6  ff.  Eke- 
rich,  Antoir,  Gwimute,  198.  23  Spemualriz,  93.  7  Oliboris  etc. 


156  C-  JECKLIN 

1582 — 83  daz  mm  sele  iht  verderbe, 

ir  schaffe  got  etelichen  rät.  HK 
Konr.  31.  18  daz  der  sele  etlich  rat  werde. 

1994  owe  waz  wizestu  mir!  HK  vgl.  Konr.  50.  1. 
2009—10  Karl  der  sailden  riebe, 

der  sprach  friuntliche.  FHK 
Konr.50. 16—17  Karl  der  riche, 

der  manete  in  gezogenliche. 
2120  swederhalp  er  sich  danne  habe.  FHK 
Konr.  55.  18  sweder  halp  er  sich  welle  haben. 
2512  und  innen  grozen  valsch  hat.  HK 
Konr.  72.  2  unde  valsches  in  deme  herzen  phleget. 
2568  der  keiser  über  alle  himele  ist.  FHK 
Konr.  73.  22  kunich  aller  himele. 

4748  wir  werden  aber  hiutc  geheilet.  FHK 
Konr.  138.  17  so  werdent  aber  mit  bluote  gerainet 
di  heren  gotes  martere. 
5717—18  den  schilt  er  üf  züchte, 

daz  sper  er  vaste  druchte.  HK 
Konr.  166.2—3  den  schilt  er  uf  ruchte, 
den  spiez  er  uf  züchte. 
5813 — 15  Engelher  sprancte  sä  zestunt; 
zehant  do  stach  im  Eschermunt 
durch  den  schilt  einen  spiez.  HK 
vgl.  Konr.  169.  7—9*). 

Ebenso  an  Stellen,  wo  *K  nicht  vorliegt  z.  B.: 

3071  Bande:  üz  sime  lande.  H  vgl.  Konr.  95.  7 — 8 
3078  mit  stahel  wol  beslozzen.  H  vgl.  Konr.  95.  11 
3181  der  ich  doch  nennen  niht  enwil.  FH 
er  nennt  ja  keine  mehr,  vgl. 


*)  An  einer  ähnlichen  Stelle,  4531  — .'iH,  liest  *K: 

do  quam  ein  heiden  zehant, 

der  hetc  ouch  herzogen  lant, 

Eschermunt  von  Falderne. 
H  liegt  nicht  vor,  F  kannte  wahrscheinlich  auch  die  Lesart  von  K,  denn  es  comhiniert 
nach  seiner  uns  bekannten  Art! 

do  quam  ein  heiden  zestunt 

der  was  geheizen  Eschermunt 

ein  herzöge  von  Valtemene. 
Konrad  können  wir  hier  nicht  vergleichen  (s.  S.  148). 


zu  DES  STRICKERS  KARL.  157 

Konr.  98.  28  der  icli  nu  nennen  nine  wil  P 

(niht  ne  Avil  A) 
3451 — 55  er  sprach:  ir  edelinge, 
vil  werden  Kerlinge! 
Sit  wir  Spanje  hän  errungen  FH 
Konr.  106.  3  er  sprach:  wol  ir  edelinge, 
di  chimen  Karlinge! 
ir  wäret  ie  guoten  ehnechte, 
uwer  her  schilte  gerechte. 
Yspaniam  habet  ir  gewunnen*) 
6386  Alferich  FH  vgl.  Konr.  187.  22 
7201  e  wir  in  da  liezen  FH 
Konr,  217.  10  denne  si  sie  da  verliezen. 

l?edeutender  als  diese  Abweichungen  von  *K  und  *A  innerhalb 
eines  oder  einiger  Verse  sind  die  Plusverse.  Bei  der  Behandlung  der- 
selben müssen  wir  uns  einstweilen^  um  sicher  zu  gehen,  auf  die  durch 
K  mitvertretenen  Partien  beschränken,  da  in  Bezug  auf  Zusätze,  na- 
mentlich aber  auf  Auslassungen,  H  sehr  eigenmächtig  verfährt. 

In  *K  fehlen  also:  483—4  FHK**);  631—2  (633  die  suln,  634  si- 
hänt)  HK;  749-58  HK  (vgl.  Konr.  9.  18—31);  869—74  (s.  S.  143)-, 
949— 58HK;  983— 4HK  (vgl. Konr.  13.5);  1261— 2 (1260  an  im  lac  gotes 
meisterschaft)  HK;  1273—4  (1275—6  umgestellt)  HK  (vgl.  Konr.  23. 
13_14)5  1337—8  (1339  er  hiez  iuch  biten  durch  iuwer  vart)  FHK; 
1447—8  HK;  1469— 72  HK;  1547—50  FHK  (s.  S.  132):  1688-9  HK 
(s.S.  135);  1703—4  HK;  1727—8  (1729  der  unzucht  dunket  mich  sG 
vil)  H  K ;  1 759-60  (vgl.  Konr.  42. 1)  F  H  K ;  1767—70  FHK  (vgl.  Konr.  42. 
9—10);  2045-8  HK  (vgl.  Konr.  52.  2—4);  2231-2  FHK  (vgl.  Konr. 
62.  10—11);  2429—34  HK;  2467—74  HK  (vgl.  Konr.  69.  22-70.  3); 
2503—4  HK  (vgl.  Konr.  71.  17);  2546—9  (2545  Mahmet  der  tugende 
riebe)  FHK  (vgl.  Konr.  73.  2—7);  2569-70  HK  (vgl.  Konr.  73.23 
bis  24);  2659—62  HK  (vgl.  Konr.  78.  14—16);  2717—18  HK;  2779 
bis  80  (s.  S.  138). 


*)  Vielleicht  ist  danach  beim  Stricker  zn  lesen: 
er  sprach:  ir  edelinge, 
vil  werden  Kerlinge! 
ir  wärt  ie  gotes  knehte: 
weit  ir  nu  werben  rehte, 
Sit  wir  etc. 
**)  Wo  nichts  bemerkt  ist,  fehlt  eine  Entsprechung  bei  Konrad. 


158  C.  JECKLIN 

3875—6  FHK  (vgl.  Konr.  111.  33—34) ;  3983—4  (s.  S.  138) ;  4115 
bis  22  HK  (vgl.  Konr.  120.7—12);  4143-6  HK  (vgl.  Konr.  121. 14);  4165 
bis  76  HK  (vgl.  Konr.  123.  7—16);  4181—2  FHK  (vgl.  Konr.  123.  24); 
4187—98  HK  (vgl.  Konr.  124.  3—11);  4237—72  HK  (vgl.  Konr.  125. 14 
bis  126.  4) ;  4289—90  (4291  do  sach  er  waz  si  täten)  HK;  4329—30  HK 
(vgl.  Konr.  127.  16);  4359—62  HK;  4387—90  (F)HK  (vgl.  Konr.  129. 
7— 11);  4505— 12  HK  (vgl. Konr.  132.  5—10);  4515— 16  (s.S.  136);  4525 
bis  30  (H)K;  4541—44  (H)K;  4565-6  HK;  4583—4  HK  (vgl.  Konr. 
133. 9 ?) ;  4589-  90  H  K  ^vgl.  Konr.  133. 15) ;  4607—10 H K  (vgl.  Konr.  134. 
7—10);  4635-36  (s.S.  155);  4649—62  HK  (vgl. Konr.  135. 20— 28);  4689 
bis  90  HK;  4765—78  HK  (vgl.  Konr.  138.  26—139.  1);  4789—90  HK 
(vgl.  Konr.  139.  10—11);  4805—12  HK  (vgl.  Konr.  139.  28-140.  3); 
4841—8  FHK  (vgl.  Konr.  140. 22— 30) ;  4878— 87 (s. S.  132) HK;  4897—8 
FHK  (vgl.  Konr.  141. 1) ;  4923—24  H K  (vgl.  Konr.  141. 19—20) ;  4945-6 
(F)HK;  4957—8  HK  (vgl.  Konr.  142.  5-6) ;  4974-5  HK  (s.  S.  142); 
4983— 94  HK  (vgl.  Konr.  143.  1-10);  4997—5000  (4996  hat  dich  Mah- 
met  her  gesant)  HK  (vgl.  Konr.  143.  13—16);  5003—4  (5005— 6  nur 
in  F,  5007  du  wirdest  strites  hie  gewert)  HK  (vgl.  Konr.  143.  19  bis 
20);  5013—16  HK;  5075—6  A'^HK  (vgl.  Konr.  144.  31—32);  5089 
bis  5112  HK  (s.  S.  144);  5141-2  A^HK;  5183—4  A"HK  (s.  S.  144); 
5209—12  A'FHK;  5223-30  A^HK  (s.  S.  143);  5283—4  A'-HK; 
5439—42  HK;  5463—66  HK;  5471— 4  (5475  daz  gie  in  allen  an  daz 
leben)  FHK  (s.  S.  144);  5487—8  FHK  (vgl.  Kour.  156.  26);  5513—4 
(5511 — 12  diu  vierde  schar  mit  kraft,  die  brächte  ein  ritter  manhaft) 
HK  (vgl.  Konr.  157.  20—23);  5527—30  HK  (vgl.  Konr.  158.  11—15); 
5577 — 80  HK;  5601  —  2  (5603—4  si  sluogens  alle  under  sich,  daz  was 
unsers  herren  (trehtins)  gerich)  HK  (vgl.  Konr.  161.  6—9);  5613 — 14 
(5615  und  die  sine  algeliche)  HK  (vgl.  Konr.  161.  17);  5695-6  HK 
(vgl.  Konr.  165.  2);  5699-5700  HK  (vgl.  Konr.  165.  5-7);  5767 
bis  74  (F)HK  (vgl.  Konr.  167.  13—20)*);  5862—7  (5861  der  sluoc  si 
von  dem  libe  gar)  HK  (s.  S.  132);  5965-6  (5967—8  und  hülfen  Hatten 
wider;  da  vielen  die  beiden  nider)  HK  (vgl.  Kour.  175.  15);  6011—14 
(6015  Alsus)  FHK. 

8113—16  (8112  an  im]  daz  swert)  HK  (vgl.  Konr.  236.  14-20); 
8217-8  FHK  (vgl.  Konr.  239.  19);  8233-52  (s.  S.  144  ff.);  8327  bis 
30  HK;    8377-8  (8379  daz   er]   und)  HK;    8443-4  HK;    8485-6 


*)  Wie  die  Stelle  da  steht,  paßt  sie  nicht,  es  müßte  wohl  geändert  werden  die 
schützen  quamen  in  gröze  not,  denn  diese  Schützen  sind  eben  Targis'  Kerntruppen, 
vgl.  567G. 


zu  DES  STRICKERS  KARL.  159 

HK  (vgl.  Konr.  244.  32);  8729—30  HK  (vgl.  Konr.  251.  12-13); 
9285-92  II K  (vgl.  Konr.  268.  23-29);  9631-46  (s.  S.  152  ff.);  9771 
bis  74  II K. 

Dagegen  finden  sich  nur  in  *K :  1305—18  (s.  S.  132);  1475—6 
(vgl.  Konr.  28.  21);  1777-80  (vgl.  Konr.  42.  17—19);  1913-14  (vgl. 
Konr.  47.  1);  1923-32  (vgl.  Konr.  47.  5— IG);  1995—98  (vgl.  Konr 
50.  2-5);  2029—32  (vgl.  Konr.  51.  9—10);  2237—8  (vgl.  Konr.  62.  21) 
2315-18  (vgl.  Konr.  66.  14—17);  2461—62  (vgl.  Konr.  69.  19—20) 
4819—20  (vgl.  Konr.  140.  8—10);  4905-14;  5113-14  (vgl.  Konr 
145.  7);  5263-4;  5709—14  (vgl.  Konr.  165.  20—25);  6003—4  (vgl 
Konr.  177.  11); 

sowie  folgende,  die  Bartsch  nicht  aufgenommen  hat; 
nach  118  und  gerne  solhiu  wort  vernement 

diu  guoten  liuten  wol  gezement.  FHK 
nach  644  er  ist  unsers  heiles  vro, 

und  hat  ez  nu  gefüeget  so^ 
daz  aller  sin  wille  an  dem  ergät, 
der  vliz  ze  dirrc  verte  hat.  FHK 
nach  1024  üz  unserm  riche. 

ez  stet  uns  angestliche; 
swie  kumberliche  ez  nu  stät  .  .  . 
nach  1190  vallet  an  sine  vüeze, 

daz  ich  vride  haben  müeze.  FHK 
vgl.  Konr.  19.23 — 24  suochet  sine  vuoze 

daz  wir  vride  haben  muoze. 
nach  1708  daz  wir  sus  wider  heim  varn, 

sone  kan  daz  nieman  bewarn  FHK 
nach  1966  da  was  vil  raanic  edelman, 
der  sere  vlehen  began, 
daz  man  in  sante  da  hin; 
si  Westen  wol  den  gewin, 
swer  die  boteschaft  tsete 
daz  ers  iemer  ere  hsete.  FHK 
statt  1767 — 8  do  wolte  der  degen  Ruolant 
die  selben  ere  in  sine  hant 
schaffen  sinem  stieffater; 
euaer  stille  bat  er.  FHK 
statt  2383 — 4  des  wolte  ich  iemer  vro  wesen: 
so  mohtet  ouch  ir  genesen, 
wsere  et  Ruolant  eine  tot, 
und  mohtet  dar  nach  äne  not  FHK 


160  C,  JECKLIN 

nach  4020  dar  nach  sluof  der  jungelinc 

in  manegen  snewizen  rinc  HK 
nach  5832  Munschoy  rief  er  iesä 

unt  die  mit  im  wären  da  F(H)K 
nach  7958  so  vil  lac  toten  umbe  sie 

daz  mans  ungetretet  lie  FHK 
H  ungeerret,    K  ungetreit,    F  antretet;    der  Sinn    ist    wohl:    die 
Todten  lagen  bereits  in  so  hohen  Haufen^  daß  man  (d.  h.  die  heran- 
stUrmenden  Heiden)  nicht  über  sie  hinwegschreiten  konnte, 
nach  8030  der  bischof  sprach:  nu  tuot  also, 
des  bin  ich  grozliche  vro.  FHK 
vgl.  Konr.  234. 28 — 29  Ruolant  urloubes  bat, 
Turpin  im  daz  gap. 
nach  9034  sprach  Karl  der  reine, 

ich  sage  iu  wie  ich  daz  meine.  HK 
vgl.  Konr.  263. 17 — 18  Do  sprach  der  kaiser  here: 

nu  vernemit  ouch  mere. 
(Konr.  263.  19—26  fehlt  beim  Stricker). 

nach  9132  swen  ouch  versnidet  diz  swert, 
der  ist  des  todes  gewert.  FHK 
Alle  diese  angeführten  Stellen  kann  ich  natürlich  nicht  einzeln 
behandeln;  ich  beschränke  mich  darauf,  einige  der  sprechendsten  Bei- 
spiele herauszugreifen.  Schon  oben  (S.  143 — 4),  als  es  sich  darum 
handelte,  das  Vorhandensein  zweier  Bearbeitungen  zu  erweisen,  wurden 
mehrere  Stellen  angeführt,  au  denen  deutlich  *A  gegenüber  *K  und 
Konrad  zusetzte ;  diesen  reihen  sich  zunächst  solche  au ,  wo  *A  zwar 
seinen  Zusatz  aus  Konrad  entnahm,  wo  jedoch  der  Stricker  (d.  h.  *K) 
ohne  Zweifel  gekürzt  hatte.  Ein  sehr  bezeichnendes  Beispiel  hiefür 
bietet  4505  —  12:  in  *K  war  Konr.  131.  19—132.  16  unberücksichtigt 
geblieben ;  nun  aber  fand  der  Bearbeiter  in  *A  die  Verse  Konr.  132. 
5  —  10  verwendbar  und  setzte  sie  ein  (=:  Karl  4505 — 12),  ließ  aber  doch 
das  unmittelbar  Vorhergehende  und  Nachfolgende  aus.  Ahnlich  4143 
bis  46  =  Konr.  121.  14—17:  das  Folgende  (Konr.  121.  18—122.  9) 
wurde  auch  von  *A  weggelassen,  während  *K  die  ganze  Stelle  Konr 
121.  14-122.  9  übergangen  hatte. 

Sehr  oft  hat  der  Stricker  mitten  heraus  irgend  einen  kleinen 
Theil  der  konradschen  Erzählung  ausgelassen,  wie  z.  B.  Marsilies  Ver- 
sprechen,  Geneluns  Sohn  Baldewin  in  seinem  Reiche  zu  hohen  Ehren 
zu  bringen  (Konr.  99.  15 — 18,  vgl.  Karl  3200),  oder  die  Bemerkung, 
Grandon,  ein  heidnischer  Herzog,  habe  schon  an  der  Stimme  Roland 


zu  DES  STRICKERS  KARL.  KJl 

erkannt,  obwohl  er  ihn  gar  nicht  sah*)  (Konr.  189.  18  23,  vgl.  Karl 
6430  ff.)  u.  Ä.  m.  Viele  dieser  mitten  aus  Konrad  in  *K  fehlenden 
Bemerkungen,  wie  die  eben  angeführten,  läßt  nun  auch  *A  weg,  manche 
derselben  aber  holt  es  nach;  der  betreffende  Gedanke  ist  jedoch  meist 
sehr  leicht  zu  entbehren,  und  es  W>t  sich  noch  manchmal  nachfühlen, 
warum  die  Ergänzung  eintrat;  z.  B. 

8485 — 6  des  lobte  er  got  vil  sere; 

done  was  des  tages  niht  mere 
fehlen  in  *K ;  es  entspricht  zwar  der  zweite  Vers 

Konr.  244.  32  do  nachte  iz  der  nachte 
allein  derselbe  Gedanke  war  völlig  genügend  ausgedrückt  durch 
8487  uu  hiez  er  herbergen  da 

sin  her. 
Durch  4104—14  hatte  der  Stricker  einen  Theil  von  Rolands  Auftrag 
an  Walther  (nämlich  Konr.  120.13—26)  wiedergegeben,  120.  7 — 12  aber 
fortgelassen;  der  hierin  enthaltene  Befehl,  die  das  Thal  beherrschenden 
Anhöhen  zu  besetzen ,  schien  aber  dem  Bearbeiter  nicht  fehlen  zu 
dürfen,  und  er  fügt  denselben  nun  ein.  Nothwendig  sind  aber  die 
Verse  durchaus  nicht;  denn  die  Ausführung  der  darin  befohlenen  Hand- 
lung wird  4851 — 54  in  einer  Weise  erzählt,  die  unsere  Stelle  nicht  vor- 
aussetzt. 

Nach  *K  wird  der  Führer  der  vierten  heidnischen  Schaar  (5509  ff.) 
nicht  bei  seinem  Auftreten  genannt,  sondern  erst  5524,  womit  sich  ver- 
gleichen läßt  5871  ff.;  der  Stricker  durfte  das  um  so  eher  thun,  da 
er  schon  früher  (4363 — 4668)  diese  Heerführer  alle  der  Reihe  nach 
aufgezählt  hatte.  *A  aber  fand  es  offenbar  anstößig,  daß  Malprimes 
erst  nach  seinem  Tode  genannt  werde,  und  so  entnahm  es  aus  Konr. 
157.  20 — 23  seinen  Namen  und  die  Stärke  seines  Heeres.  Nun  wider- 
spricht dies  aber  dem  sonstigen  Gebrauche  des  Strickers:  nachdem  er 
4669—70  einmal  die  Stärke  eines  jeden  Heerhaufens  angegeben,  läßt 
er  jedesmal,  wo  Konrad  sie  wiederholt,  diese  Angabe  fort  (Konr.  149. 
2-3  vgl.  Karl  5257,  Konr.  154.  6—10  vgl.  Karl  5392,  Konr.  161.  15 
bis  16  vgl.  Karl  5611,  Konr.  164.  8  vgl.  Karl  5667,  Konr.  168.  4  vgl. 
Karl  5787,  Konr.  176.  15  vgl.  Karl  5972);  nur  einmal  (5895)  nennt 
er  noch  die  Zahl,  um  den  Muth  der  Christen  hervorzuheben,  die,  nur 


*)  doch  er  in  niene  sach  (vgl.  2.  6  daz  si  got  nine  vorchten)  ist  mit  A  zu 
lesen,  und  nicht  mit  P  doch  er  in  nie  gesach,  was  heißen  würde :  obwohl  er  ihn  noch 
nie  gesehen. 

GERMANIA.  Neue  Reihe  X.  (XXU.)  Jahrg.  H 


162  C.  JECKLIN 

1550  Mann  stark*),  es  mit  12000  aufzunehmen  wagen.  —  Eine  durch- 
gehende Absicht  läßt  sich  erkennen  in  den  Zusätzen  von  4387 — 90, 
4525—30,  4541—44,  4649—4662,  4957—58,  sowie  in  der  Auslassung 
von  2029 — 32:  unverkennbar  soll  dadurch  Rolands  Gestalt  mehr  in 
den  Vordergrund  gerückt  werden  gegenüber  den  Zwölfen;  es  ist  dies 
eine  Steigerung  der  schon  in  *K  gegenüber  Konrad  hervortretenden 
Verlegung  des  Hauptgewichts  (vgl.  z.  B.  Konr.  60.  8  mit  Karl  2178, 
Konr.  69.  11  mit  Karl  2390,  Konr.  89.  18  mit  Karl  2980);  wahrschein- 
lich hängt  damit  auch  zusammen  die  Auslassung  von  1923 — 32,  1995 
bis  98  u.  A.,  vielleicht  auch  der  Verse,  die  *K  allein  nach  1966  hat. 
Von  den  Plusversen  in  *K  hat  Bartsch  die  meisten  aufgenommen 
nämlich  diejenigen,  die  durch  Konrad  gestützt  werden  (mit  Ausnahme 
derer  nach  1190,  8030,  9034),  von  andern  nur  4905—14  und  5263—64. 
Gegen  die  Echtheit  der  genannten  drei,  Konrad  entsprechenden  Stellen 
spricht  nichts;  allein  auch  die  andern,  die  in  Konrads  Text  nichts  Ent- 
sprechendes haben,  möchte  ich  nicht  unbesehen  verwerfen,  sondern  sie, 
wenn  nicht  innere  Gründe  gegen  sie  sprechen,  für  echt  halten **j.  Auch 
diese  Auslassungen  in  *A  sind  wohl  meist  auf  eine  bestimmte  Absicht 
des  Bearbeiters  zurückzuführen.  Ein  Beispiel  hiefür  haben  wir  bereits 
besprochen  (2029—32);  andere  sind: 

2237 — 38  lät  in  got  gesunt  leben, 

er  sol  iu  lihen  unde  geben  (nur  *K) 
vgl.  Konr.  62.  21 ;  diese  Verse  werden  in  *A  ersetzt  durch 

2231 — 32  daz  er  vil  herliche  lebe 
unt  vil  miltecliche  gebe. 

vgl.  Konr.  62.  10 — 11;  neben  einander  haben  diese  Verse  im  Karl 
nicht  gestanden.  —  Mit  den  Zusätzen  in  *A  hängen  auch  zusammen 
die  Auslassungen  von  5113 — 14  (die  in  5089 — 5112  weitläufig  ausge- 
führt sind,  vgl.  S.  144),  und  von  4905  —  14  (durch  4923  —  24  gewisser- 
massen  ersetzt;  4915 — 22  können,  weil  nur  in  F  stehend,  nicht  in  Be- 
tracht kommen). 


*)  Konrad  nennt  1100  (171.  14).  Die  aufl'allende  Zahl  beim  Stricker  ist  Er- 
gebniss  folgenden,  jedenfalls  sehr  poetischen  Rechenexempels  (s.  Karl  4851 — 70): 
20000  Mann  behält  Roland  in  ßonzeval  (v.  3955,  Konr.  113.  30);  davon  erhält  Wal- 
ther zu  dem  oben  angeführten  Zwecke  1000;  von  den  Übrigen  erhält  erstlicli  jeder 
der  Zwölfe  1000,  bleiben  noch  7000,  getheilt  diircli  12  gibt  550,  Best  400,  diese 
werden  als  Keservemannschaft  zurückbehalten. 

**)  Für   unecht    halte    ich    namentlich    die    Zusätze    nach  1024  und  4020;    der 
letztere  ist  gewiß  aus  4013 — 14  wiederholt:  4013  *K  nu  wäfent  sich  der  jungelinc. 


zu  DES  STRICKERS  KARL.  Ißy, 

Abgesehen  als*»  von  einigen  Felilern  in  beiden  Bearbeitungen 
nehme  ich  die  nur  in  *K  überlieferten  Verse  für  die  erste  Bearbeitung 
allein,  die  in  '■•'A  allein  stehenden  nur  für  die  zweite  in  Anspruch. 

Bisher  kamen  hauptsäcldich  solche  Stellen  zur  Behandlung,  jin 
denen  Konrad  zur  Vcrgleichung,  vorlag.  Ist  aber  *K  der  ältere  Text, 
so  dürfen  wir  erwarten,  daß  es  auch  außerdem  vorzüglicher  sei,  als 
*A;  ich  führe  dafür  einige  Beispiele  an: 

Nach  2902  geben  FH  noch  vier  Verse,  die  bei  Konrad  (87.  18) 
zwar  nichts  Entsprechendes  haben  aber  mit  den  Worten  des  108.  Psal- 
raes  stimmen,  dem  der  ganze  Abschnitt  entnommen  ist: 

si  mtiesen  gefüeret  werden  hin  Ps.  108.  12   nee  sit  qui  misereatur 
sich  erbarme  niemen  über  in;  pupillis  ejus,  fiant  nati 

sin    küiino  werde  an  im    zende  ejus  in  interitum; 

brächt,  in  generatione  una 

zegote  werde  sin  niemer  gedächt.  deleatur  nomen  ejus. 

Ebenso  zugesetzt  hat  der  Stricker  aus  dem  Psalm  die  folgenden 
Verse : 

2903  sin  gewinne  ein  sündser  ober-  Ps.  108.  6  Constitue  super 

hant, 

der  neme  im  lip  unde  lant ;  cum  peccatorem, 

ze  siner  zeswen  siten  et  diabolus  stet 

ste  der  tiuvel  zallen  ziten.  a  dexteris  ejus. 

2915  er  werde   gekleidet   mit   der  Ps.  108.  29  ludicantur  —  pu- 

scham 

und  mitderverdampnissealsam,  dore  et  operiantur 

daz  si  an   im  werden   erkant,  sicut  diploide 

reht  als  ein  strifleht  gewant.  confusione  sua. 

2922  er  vloch  den  segen,  der  vliehe  Ps.  108.  18  et  noluit  benedictionem 

ouch  in,  et  elongabitur  ab  eo, 

er  minnet  denvluoch,  den  müeze  et  dilexit  maledictionem  et  ve 

er  hän.  niet  ei. 

diz  gebet  hat  Davit  getan.  Ps.  108.  1  Psalmus  David. 

So  hat  der  Stricker  auch  später  eine  Bibelstelle  zugefügt  (9027 
bis  31,  vgl.  Joh.  17.  24),  während  er  sich  anderswo  nicht  gerade  sehr 
bibelfest  zeigt :  Konr.  263.  31 — 264.  7  erkennt  er  nicht  als  den 
zweiten  Psalm  und  erlaubt  sich  daher  manche  Änderung  (Karl  9039), 
und  auch 

11* 


164  C.  JECKLIN 

9304 — 6  so  der  same  niht 

gedihet*)  üf  der  erden, 
sone  mac  des  wuochers  niht  werden, 
gegenüber  Konr.  269.  1  so  der  same  niht  erstirbet  in  der  erde,  zeugt, 
wenn  die  Überlieferung  richtig  ist,  nicht  von  sehr  großer  Bibelkennt- 
niss  (vgL  Joh.  12.  24  nisi  granum  fruraenti  cadens  in  terram  mortuuni 
fuerit,  ipsum  solum  manet). 

3759 — 74  sind  mit  FH  nach  2882  zu  stellen;  zwar  hat  an  der 
letzteren  Stelle  (vor  87.  1)  Konrad  nichts  Entsprechendes,  und  an  der 
ersteren  entzieht  uns  die  Lücke  der  Heidelberger  Hdschr.  die  Ver- 
gleichung  von  Konrads  Text;  wahrscheinlich  aber  fand  sich  auch  dort 
nichts  von  dem  Inhalte  dieser  Verse;  denn  aus 
Karl  3757 — 8  ze  dem  ewiclichen  sere, 

die  helle  büwet  er  iemermere 
srlaube    ich   bestimmt  noch  den  Schluß  eines  kouradschen  Abschnittes 
durchzuhören,  ähnlich  dem 

Konr,  2.  33  die  slehet  der  gotes  zorn 

an  libe  unt  an  sele:  ' 

die  helle  puwint  si  imermere. 
Jedenfalls  passen  die  fraglichen  Verse  nicht  nach  3758 :  nachdem 
3752 — 58  als  Beweggrund  zu  Geneluns  Verrath  seine  Habgier  angege- 
ben worden  war,  nun  gleich  darauf  zu  sagen,  er  habe  ihn  nur  begangen 
aus  Sehnsucht  nach  seinem  Weibe,  wäre  doch  zu  umgeschickt.  Wohl 
aber  konnte  der  Dichter  anderswo  dieses  Motiv  anführen:  denn  es 
bleibt  sowohl  beim  Stricker  als  bei  Konrad  unentschieden,  ob  Genelun 
mehr  aus  Geldgier,  oder  aus  Sehnsucht  nach  der  Heimat  und  nach 
Weib  und  Kind  zum  Verräther  an  seinem  Herrn  und  seinem  Glauben 
wurde. 

6572 — 75  *A  ein  herzöge  der  hiez  Abis, 

dem  nu  bevolhen  was  der  van, 
der  huop  sich  vientliche  dan. 
si  quämen  schiere  in  daz  tal. 
Diese  Verse  können  unmöglich  richtig  sein  aus   folgenden  Grün- 
den:   V.  6311  (vgl.  6301)  hatte  Marsilies    sein    Heer    in    vier  Schaaren 
zu  je  100000  Mann  getheilt,  und  das  Anrücken  derselben  erfolgt : 
der  ersten  6314  do  wären  tu  send  hundert 
an  ieslichem  teile, 
nach  grozem  unheile 


*)  H  gekumt,  K  bekumt,  was  denselben  Sinn  gibt  wie  gedihet;  sollte  vielleicht 
zu  lesen  sein  gekumt  in  (öf?)  die  erden  (cadens  in  terram)? 


zu  DES  STRICKERS  KARL.  Ifj5 

huop  sich  der  schar  ciniu  dan 

unde  riten  die  kristen  an. 
der  dritten  B789  sus  sant  er  hundert  tu  send  dar. 
der  vierten  7286  h  und  ert  tüsend  ritter  üzerwelt 

fuorte  er  mit  im  an  den  strit. 
so  daß  jede  Schaar  mit  der  Zahl  ihres  Bestandes  angekündigt  wird*j; 
es  fehlt  aber  die  zweite^  und  diese  kommt  zu  ihrem  Rechte,  wenn  wir 
statt  6572—75  mit  FH  lesen: 

ein  herzöge  der  hiez  Abis, 

den  hiez  Marsilies  dannen 

vor  hundert  tüsend  mannen 

mit  sinem  vanen  riten. 

die  quamen  in  kurzen  ziten 

ze  Runzeväl  in  daz  tal. 
So  nur  erhalten  wir  die  nöthige  äußerliche  Eintheilung,    auf  die 
der  Stricker  sorgfältig  bedacht  ist**). 

Auch  die  Einführung  der  vierten  Schaar  7279  ff.  ist  in  unserem 
Texte  entschieden  in  Verwirrung:  7262  spricht  Marsilies  die  Absicht 
aus,  nun  selbst  in  den  Kampf  zu  gehen;  er  thut  dieß 

7278  mit  grimme  reit  er  dannen 
und  nun  heißt  es  in  *A: 

7279  ein  künec  der  hiez  Alfabin, 
des  bruoder  hiez  Ebelin 
die  nu  des  vanen  pflägen 


hundert  tüsent  ritter  üzerwelt 

fuorte  er  mit  im  an  den  strit. 
Dieses  er  ist  schon  sehr  zweifelhaft;  grammatisch  müI.Ue  es  Wieder- 
aufnahme des  Subjectes  sein  (Alfabiu,  während  inzwischen  im  Relativ- 
satze immer  von  beiden  Brüdern  die  Rede  war),  dem  Sinne  nach 
paßt  es  aber  nur  auf  Marsilies^  der  ohne  Zweifel  im  nächsten  Verse 
unter  er  verstanden  werden  muß  (vgl.  besonders  7293).    Alle  Schwie- 

*)  Das  Verhältniss  ist  hier  anders,  als  bei  den  S.  161 — 2  angeführten  Schaaren : 
dort  wird  die  Eintheilung  bemerklich  gemacht  mittelst  einer  durchgeführten  Zählung, 
hier  dient  zum  gleichen  Zwecke  die  Angabe  der  Stärke  jedes  Heeres. 

**)  Der  Stricker  theilt  den  Kampf  Rolands  mit  Marsilies  in  zwei  Hauptschlachten 
(4965  —  6227  und  6301-8001)  und  diese  in  einzelne  Gefechte,  die  erste  in  12,  die 
zweite  in  4;  zu  allem  dem  fand  er  bei  Konrad  nur  schwache  Anhaltspunkte.  Der 
Kampf  Karls  mit  Paligan  wird  nicht  weiter  gegliedert,  das  Hauptgewicht  liegt  im 
Zweikampf  der  beiden  Herrscher. 


l^Q  C.  JECKLIN,  ZU  DES  STRICKERS  KARL. 

rigkeiten  lösen  sich  sehr   gut,  wenn  wir  mit  II  7279-80  ausscheiden 
und  7281 — 84  nach  7332  setzt;    es    schhc(>t  sich  dann  ganz  glatt  an: 
7278  mit  grimme  reit  er  (MarsiUcs)  dannen; 
als  ich  iu  e  hän  erzelt, 
hundert  tüsend  ritter  üzerwelt 
fuorte  er  mit  im  au  den  strit. 
Ks  ist  nicht  anders  möglich,    als    da(>   Marsilies   selbst   Anführer 
dieser  vierten  Schaar  sei. 

Das  Ergebniss  unserer  Untersuchung  ist  also,  daß  wir  den  ur- 
sprünglichen Text  des  Karl  in  *K  zu  suchen  haben,  und  daß  wir  daher, 
um  ein  richtiges  Bild  desselben  zu  bekommen,  unsere  Kenntniss  von 
*K  zu  vervollständigen  suchen  miüHen,  da  wir  bisher  nur  eine  zwar 
gute,  aber  lückenhafte,  alte,  und  eine  unzuverläßige,  auch  nicht  ganz 
vollständige,  junge  Handschrift  davon  haben. 

Ob  auch  die  Bearbeitung  *A  dem  Stricker  zuzuschreiben  sei,  ist 
sehr  zweifelhaft.  Die  Verschiedenheit  in  der  Behandlung  des  Metrums 
würde  nicht  dagegen  sprechen,  denn  der  Fortschritt  in  den  Änderun- 
gen ist  ziemlich  demjenigen  entsprechend,  der  sich  auch  zeigt  in  der  Ent- 
wicklung vom  Karl  (d.  h.  *K)  zum  Pfaffen  Amis;  es  ließe  sich  ja  wohl 
denken,  daß  der  Dichter,  nachdem  sich  seine  Kunst  vervollkommnet, 
nun  eine  Correctur  des  Werkes  vorgenommen,  und  so  gleichsam  eine 
zweite  Ausgabe  desselben  veranstaltet  hätte.  Allein  wie  wir  gesehen 
haben,  sind  mehrere  Änderungen  in  *A  so  im  Widerspruche  mit  der 
ursprünglichen  Abfassung,  daß  man  sie  kaum  dem  Dichter  selbst  zu 
schreiben  kann. 

Immerhin  bleibt  die  interessante  Thatsache,  daß  ein  nicht  unbe- 
gabter Dichter,  der  sich  ziemlich  in  des  Strickers  Art  hineingelesen 
hatte ,  mit  Zuhilfenahme  von  Konrads  Rolandsliede  den  Karl  einer 
Umarbeitung  unterzog;  und  daß  dann  noch  einmal  ein  anderer  Reimer 
diese  beiden  Ausgaben  unter  sich  und  wieder  mit  Konrads  Liede  ver- 
glich^ die  Abweichungen  der  drei  corabinierte  und  auch  aus  eigener 
Erfindung  manches  Neue  hinzufügte. 

LEIPZIG,  im  März  1876. 


F.  BECJI,  UNTEKVVEISlJNf;  ZUl.'   \ OI-l.KOMMENlIEiT.  Ifj? 


UN^J^EKWEIgUNG  ZUR  VOLLKOMMENHEIT. 

Ein   geistliches  Lehrgedicht   aus   dem  Kloster  AI  ilden  f'u  r  t. 

(14.  Jahrhundert.) 

[Ibl.  IIO'I  „Eya,  liebe  kunigin, 

Nu  clage  ich  die  den  brechin  min, 

Als  ich  die  bescheidin  wil. 

Andirin  ICitiu  rät  ich  vil, 
5  Daz  sie  vaste  dienin  die, 

Des  vinde  ich  leidir  nicht  an  mie. 

Von  hiemile  reine  siize  magit, 

Daz  si  rechte  die  geclagit, 

Daz  ich  dich  kuniginne 
10  Von  herzin  nicht  enminne. 

Nu   biete  ich,  liebe  vrouwe,  dich, 

Daz  du  wolHs  rechte  mich 

Brengin  vor  den  sunin  din, 

Und  hilf  raie  clagin  den  gebrechin  min. 
15  Christus,  liebir  herre  min, 

Icli  biete  dich  durch  die  gute  din 

Des,  daz  an  mie  nicht  erge 

Min  wille,  sundir  din  gesche. 

Daz  ist  kurz  daz  ist  lang, 
20  Min  eigin  wille  der  ist  so  crank, 

Daz  ich  noch  nie  den  tag  gesach, 

Ich  ensuchte  ere  oder  min  gemach. 

Owe  des  ich  arm  man, 

Daz  ich  vormidin  nicht  enkan, 
25  Swaz  ich  getu  durch  got  ensi 

Zu  hant  min  eigin  wille  bi, 

Also  daz  ich  da  vinde 

Des  vleischis  ingesindc, 

Itel  ere  und  andirs  vil 
[llO'j     oO  Manige  sache,  die  mich  wil 

Irrin  vollenkumeheit, 

Ine  weiz  waz  me,  iz  ist  mie  leit. 

Jesus,  minniglicher  Crist, 

Herre  min,  äu  uudirlist, 
35  Ich  müz  die  clagin  euch  min  leit. 

Der  weg  zur  vollenkumeheit 

Der  ist  vorworrin  mie  so  gar, 

Daz  ich  arme  niergin  dar 


1  kunigin.       2  nü.         4  lütin.       12  dv.       13  sünin.       14  gebrechi.        16  gfite. 
19  kürzt,  das  t  undeutlich.         22  ensuchte.     od\         25  getu.         26  zu         33  ihc. 


168  F.  BECH 

Vor  mich  seibin  kiirain  mag. 
40  Ich  vüle  welz  (?),  ich  böse  sach! 

Iz  ist  alliz  min  selbis  schult, 

Eigin  wille  und  ungedult, 

Gemach  und  ttel  ere, 

Die  wolHn  raie  vorkere, 
45  Daz  ich  nicht  enkan  gitü 

Durch  got^  sine  mischin  sich  dazu/' 
Dine  clage  hän  ich  wol  vernumin, 

Du  woldis  gerne  vollenkumin 

An  allin  dinin  werkin  sin 
50  Und  Jesum  Crist  den  herrin  din 

Lütirlichin  minnin. 

Daz  enkanstu  nicht  gewinnin 

Danne  mit  drien  sachin, 

Die  kunnin  herze  machin 
55  Sicher  unde  vroudin  rieh. 

Des  wil  ich  sus  bescheidin  dich 

Her  nach  unde  wisin  die, 

Wie  man  sin  selbis  so!  vorzie. 
[110']  Wiltü  nü  gerne  volgin  miC;, 

60  Daz  dunkit  mich  gut,  so  wil  ich  die 

Wisin  den  weg,  der  dich  da  treit 

Da  hin  zur  voUenkumeheit. 

Wiltii  nü  gar  an  undirscheit 

Din  herze  in  ganze  Sicherheit 
65  Der  wärin  minne  senkin, 

S6  saltil  dicke  denkin 

An  den  getrüwelichin  pfat 

Den  got  uns  vor  gegangin  hat, 

Nü  sich,  wie  he  sin  crüce  trüg, 
70  Daz  lie  noch  nie  des  gewüg, 

Swie  groz  was  sin  unschult, 

Die  brächte  in  nie  in  ungedult. 
„Sit  dirre  minniglicher  got 

Nicht  durch  in  wand  durch  unse  not 
75  Alsus  sin  crüce  wolde  nemin, 

Deiswär  so  mag  ich  mich  wol  schemin, 

Daz  mich  also  deine  schult 

Brengit  dicke  in  ungedult." 

Wiltü  nü  gerne  tuginde  pflege 
80  Und  rechte  vregin  nach  dem  wege. 

So  wizze  sicherliche, 

Nieman  ist  tuginde  riche. 


39  u.  48  kümin.       40  vüle.         45 — 46  gitfi :  dazv.         rtO  ihm.       51  Lütirlichin. 
55  unde]  vnd.         57  unde]  vnd.         59  wiltü.     nü.         62  vollenkvmeheit.         63  wiltü 

nü.         66  saltü.         67  getrüwelichin,  75  crüce.  76  scheml.  79  wiltü  nü. 

82  tuginde. 


UNTERWEISUNG  ZUR  VOLLKOMMENHEIT.  169 

Ernc  rauge  allir  erst  geleiste 

Dri  ermotc  an  deme  gciste. 
85  Deswär  die  hän  ich  harte  wert: 

Swer  im  seibin  nicht  cngert 

Und  im  seibin  nicht  enist 
|I10''J  Und  nicht  enminnit  den  durch  Crist, 

Swer  daz  ermotc  treit, 
90  Der  süchit  vollenkiinicheit. 

Wol  im  der  iz  trüge! 

Der  wurde  so  gevüge, 

Daz  he  alle  sachin 

Zu  vrumin  konde  machin. 
95  Ich  wene  he  is  deine  entguldc, 

Man  lobitin  odir  schulde. 

He  konde  wol  genieze, 

Swie  so  man  in  hieze 

Bösewicht  oder  biederbiman, 
100  Da  neme  he  alliz  vrumin  an. 

Im  begondin  vunf  sachin 

Groze  vroude  machin  : 

Daz  maniger  harte  ungerne  set^ 

Daz  eine  ist  daz  man  uns  vorsmet. 
105  Daz  andire  ist,  daz  man  uns  schildet, 

Des  maniger  sere  entgildet. 

He  niemit  euch  manigin  vrumin  an, 

Der  mit  der  sache  werbin  kan. 

Daz  dritte  ist  daz  wie  sich  sin. 
110  Daz  vierde  ist  daz  der  meistir  min 

Mich  heizit  daz  ich  nicht  gerne  se. 

Daz  vunfte  daz  tut  harte  we, 

Daz  ist  gebetis  trächeit, 

Daz  manigir  harte  unsanfte  treit, 
115  Der  mit  der  sache  werbin  kan.  (?) 

Sus  wirt  der  arme  ein  richir  man. 
111*]  Wiltü  nü  vollenkumin  sin, 

Sone  saltü  nü  nicht  wesin  diu. 

Du  salt  mit  rechtir  mäze 
120  Dich  seibin  gar  vorläze, 

So  daz  du  nicht  dan  gote  lebist 

Und  ime  so  gar  din  herze  gebist 

Zu  sime  lobe  und  andirs  nicht. 

Weistü  waz  die  dan  geschiechtV 
125  Din  sele  entpfet  daz  erste  cleit 

Der  rechtin  vollenkumeheit. 


8.3  möge.  90  suchit.  91  tröge.  92  gewuge.  94  Zu  vruniin. 

95  entgülde.       96  schulde.        101  sachin]  sache.     100  u.   107  vrümiu.       117  Wiltü  nu 
vollenkumin.         118  saltii  nü.         119  Dv.  121  dv,  123  Zu.  124  weistü. 

126  -ku-. 


J70  t'-  BECH 

Sus  stires  du  an  den  erstin  grät 
Den  got  uns  vorgegangin  hat. 
Wiltü  nu  vorbaz  sÜgcn, 

130  So  saltü  daruäcli  erigen, 

Wie  du  gar  von  die  geläst, 
Daz  du  die  selbir  nicht  enhast 
Wand  alliz  gote  zu  sime  lobe. 
Dune  Salt  euch  nimmir  so  getobe, 

135  Daz  an  dincs  herzin  valdin 
Irgin  liege  behaldin 
Ich  des,  daz  so  deine  sin, 
Daz  immer  muge  geheizin  din. 
Daz  Avere  nach  erin  wol  gccriegin. 

140  Sus  bistü  abir  vort  gestiegin 
Einir  treppin  vorebaz. 
Die  got  mit  smin  vüzin  maz. 

Wiltü  nü  an  den  dritten  grät, 
So  volge  mie,  daz  ist  mtn  rät, 

14Ö  Flinis  dingis,  des  mustü  entpern, 

Dune  Salt  euch  nicht  die  seibin  gern 
[lir'l  Wand  alliz  gote  durch  sin  ere, 

Also  saltü  din  herze  kere. 
Einis  dinges  saltü  euch  mich   gewere, 

150  Daz  immer  mer  an  diner  gere 
Gotis  ere  si  vorbedacht, 
E  dan  din  wille  st  volbrächt. 
Zwo  sachin  liegin  behaldin 
An  manigis  herzin  valdin, 

155  Die  man  vil  küme  kan  ervarn, 
Da  vor  saltü  dich  bewarn. 
Hüte  dich  vor  in  beidin. 
Beswere  dich  nicht  durch  scheidin: 
Sich  des  swaz  du  gütis  häs, 

160  Daz  du  daz  gerne  durch  in  las. 

Ich  rate,  swcs  du  euch  zu  ime  gers, 
Daz  du  des  durch  in  sanfte  cntpers, 
Urabeswere  daz  herze  din, 
Swö  du  weist  den  willin  sin. 

165  Wiltü  nü  gote  von  herzin  minne 

Und  tuginde  vil  zu  die  gewinne 
Und  daz  die  immer  muge  sanfte  sin, 
So  saltü  gar  den  willin  din 
Nach  gotis  willin  kerin, 

170  Sone  kan  dich  nicht  beswerin. 


127  dfi.  129  Wiltv  nfi.  130  saltu.  1.31.  132  du.     ^  134  Dune. 

138  muge.         140  bistfi.         142  wuzin.  143  wiltfi  nu.  145  inu.stu.         146  dune, 

gerin.         148.  149.  156  saltu.         155  kume.  157  Hute.  160  diu  161  zu. 

162.  164  du.         166  Wiltu  nü.         166  zu.         167  muge. 


UNTERWEISUNG  ZUK  VOLLKOMMKNIIKII'  171 

Daz  wizzc  sundir  zwtvclmüt, 
Daz  ,i;ot   alle  (\'m^  zu  i^üte  tut. 
Dariiinmo  dio  laz  geliclio  licl) 
Wcsiii  alliz  daz  j^eschict, 
|lll  I  1 7r>  7\iic  dru  ding  sullin  die  wcsin  leit, 
Daz  ist  sunde  unnütz  und  itclcheit. 
Wiltü  nu  vollenkumin  sTn, 
SO  hüte  dich  vastc  vor  den  drin 

Vunf  ding  «int  üzirmazin  <};nt. 
18U  Ey  wol  im,  der  in  rechte  tut: 
Daz  ist  ein  zit  vorliese  seidin 
Und  vrundschaft  wieder  scheldiu 
Und  in  pinin   süzin  müt 
Und  minnin  da.  man  leide  tut 
185  Und  vroude  in  der  smalieit. 
Swrr  dazu  rechte  sinne  treit, 
Daz  heiz  ich  vollenkumcnheit. 

Dru  ding  sint  raie  üzirmazin  lieb, 
Die  minne  nie  von  ir  geschiet: 
I'JO  Daz  erste  ist  daz  man  minne 
Mit  herzin  vnd  mit  sinne 
7\ndir  lüte  sclieheit, 
Und  einis  ieglichin  leit 
IJnse  leit  von  herzen  st, 
1*J5  Da  wont  die  minne  gerne  bi, 
Und  daz  man  imrair  mere 
Daz  ding  zum   bestin  kcre. 
Swer  daz  zu  allin  zitin  tut, 
Der  beheldet  gerne  reinin  müt. 
200  Drü  ding  sin  wol  im  der  sie  hat : 

Swaz  so  der  man  begät 
Daz  he  habe  die  mäze, 
He  tu  odir   läze, 
UV]  He  Itde  swaz  he  lide, 

205  Daz  he  des  nicht  vormide 
He  insüche  gotis  ere 
Darane  immer  mere 
Gar  getrüwelichin, 
Daz  machit  herze  richin. 
210  Vier  ding  wolde  ich  gerne  si 

An  andirin  lütin  und  an  mi: 
Daz  ist  daz  man  alle  tage 
Gote  lobe  und  sunde  clage, 


171  zwivelmüt.         172  zu  gute  tut.         175  drü.       177  wiltu.     nu.        178  hüte. 
179  gut.         180  tut.  182  vrundschaft.     wied\  183  suzin  raut.  —  Von  hier  ab 

werden  die  u    der  Handschrift  nicht  weiter  vermerkt.     187  vollenkümeheit.      188  Dry, 
210  sin,  aber  n  ausradiert. 


172  F.  BECH 

Leit  geduldiglichin  trage, 

215  Und  tuginde  mere  von  tage  zu  tage. 
Vunf  ding  prise  ich  harte  ho, 
]\Ian  wirt  ir  sicher  unde  vro : 
Daz  man  gote  wol  getrüwit, 
Dil  miete  ist  gebüwit 

220  AUir  tugiude  ein  vullemunt. 
Daz  andir  sal  ü  wesin  kunt, 
Daz  man  im  ouch  getrüwe  si. 
Daz  dritte  machit  herze  vri, 
Daz  immir  unse  wille  si 

225  Gotis  willin  undertän, 

Und  alle  ding  vor  gut  eutpfän. 
Und  daz  man  stete  dar  an  bestä. 
Da  volgit  michil  selde  nä. 

Drü  ding  ich  sere  prise^ 

230  Man  wirt  ir  harte  wise: 

Daz  ist  daz  ein  ieglich  man 
Sich  seibin  recht  erkennin  kau 
[112"]  Und  got  an  siner  gute, 

Des  wirt  man  othmüte, 

235  Und  alliz  daz  sin  ere  si, 
Daz  sint  gütir  stucke  dri. 
Ist  daz  vierde  dan  da  bi, 
So  mag  iz  vollenkumiu  si, 
Daz  man  ieglich  dirre  dinge 

240  Zu  rechte  vollenbringe. 

Mich  dunkin  vier  ding  harte   gut. 
He  ist  selig  der  sie  tut: 
Daz  erste  ist  daz  man  sal  han 
Zu  allin  lütin  gütin  wan. 

245  Und  swaz  ein  man  joch  selbe  tut, 
Daz  enlobe  he  alliz  nicht  vor  gut. 
He  sal  sinis  selbins  brechin  clagin 
Und  vremidir  sunde  stille  dagin. 
Ich  meine  daz  man  ir  nicht  sal  sagin. 

250  Swer  sich  rechte  des  gewiegit, 

Daz  her  drier  dinge  pfliegit. 
Der  besitzet  vroude  zu  allir  zit: 
Alliz  daz  uns  got  getüt, 
Daz  wie  daz  nemin  al  vor  gut; 

255  Swaz  uns  immer  geschiet  oder  geschach, 
Gemach  odir  ungemach, 
Und  alliz  daz  uns  noch  gesche. 
Uns  werde  sanfte  odir  wo, 
Daz  wie  Crist  den  herrin  min 

260  Lobin  al  der  gnädin  sin. 


217  vnd.         221  ü]  v.         225  vndHan.         249  sagl.         255  im\     od^ 


UNTERWEISUNG  ZUR  VOLLKOMMENHEIT.  ]!';', 

Mich  dunkln  vunf  din^  sere  gut, 
|112'']  He  ist  selich  der  sie  tut: 

Daz  ist  daz  nnin  alle  tage 

Von  gote  höre  gerne  sage, 
'2i)i)  Und  daz  man  ouch  belialde 

Daz  ist  ein  michil  salde, 

Und  daz  man  vorbaz  gerne  sage 

Dank  habe  ienir  der  des  pflage;, 

Daz  he  ouch  selbe  tu  darnä, 
270  So  ist  iz  vollinkumin  da. 

Daz  vunfte  ob  hes  nicht  enkaU; 

Daz  hes  doch  andirin  lütin  gan. 

Swer  vunf  ding  zu  allin  zitin  treit. 

Gedult  unt  ötmüticheit 
275  Die  mag  he  wol  gewinne, 

Also  nach  deme  sinne, 

Daz  he  sich  seibin  vorsme, 

Die  werlt  und  andirs  nieman  mP. 

Swenne  im  die  gnade  geschet, 
280  Daz  in  nieman  vorsmet, 

Da  sal  im  sanfte  wesiu  miete, 

Daz  ist  ein  tuginthaftir  siete, 

Doch  danke  he  unwerdig  sich 

Der  gnädin  siet^  daz  lobe  ich. 
285  Swiez  umme  alle  ding  ergät. 

An  drin  sachin  so  bestät 

AUir  lüte  selicheit, 

Swer  sie  zu  irme  rechte  treit 

Daz  man  sie  immer  mere 
290  Zu  gotis  lobe  kere, 
1112'^]  Daz  ist  wille  werk  und  wort. 

Alsus  wil  ich  iz  bescheidin  vort, 

Beide  sie  schadin  und  sie  vrumin. 

Ane  sie  ist  nieman  vullenkumin. 
295  Sie  sin  ouch  geselle 

Zu  hieraele  und  zu  der  helle; 

Sich  enkan  ouch  nieman  des   beware. 

Der  man  vare  swa  he  vare, 

Daz  he  des  immir  Werde  vri 
300  Der  drier  enwone  im  einiz  bi. 

Wol  im,  he  vil  selich  man, 

Der  sie  im  nutze  machin  kan. 

Zwei  ding  sint  bezzir  denne  gut. 

Die  manigir  umme  sus  vortut, 


272  toch  in  Rückerts  Abdruck,  ebenda  ferne  V.  276.  299  w'de.  300  einir. 

so  deutlich  die  Hdschr.;  bei  Rückert  einis. 


174  F.  BECH 

305  Vorwar  ich  uch  daz  sagin  sol, 

Der  enkan  sich  uiemau  erhoUn  wol : 

Daz  ist  zit  und  unse  lebin^ 

Die  hat  uns  got  also  gegebin, 

Daz  wie  in  lobin  soldin 
olO  An  beidin  ob  wie  woldin. 

Sich  trügit  selbe  mauig  mau 

Und  wenit  ouch  tugiude  hau; 

Swenne  he  tuginde  übin  sol, 

Hat  he  sie  denne,  daz  weiz  got  wol. 
315  Mauiger  wenit  habin  gedult, 

Der  in  schulde  äne  schult, 

Vil  lichte  iz  also  queme, 

Daz  hez  vor  ubil  ueine. 

Man  vindet  ouch  vil  nianigin  man. 
[112'^J  320  Der  alsus  gebärin  kan, 

Als  he  vil  sanftmütig  si, 

Deme^lichte  wonit  ein  zorn  bt. 

Othmütig  man  vil  manigin  sf't, 

Die  wile  in  nieman  vorsmet, 
325  Ob  he  gescholdin  were, 

Iz  vorsmäte  im  lichte  sere. 

Manigir  ouch  gehorsam  ist, 

Als  ich  ü  sage,  mit  underlist, 

Ob  he  des  ich  sohle  tu, 
330  Da  im  liebe  were  zu, 

So  were  he  vil  gereite 

Und  begonde  is  küme  erbeite. 

Man  vindet  ouch  vil  manigin  man, 

Der  au  andirin  lütin  kan 
335  Scheid  in  maniger  hande  siete, 

Die  im  doch  seibin  volgin  miete. 
Man  viudet  der  noch  mere. 

Die  audir  lute  lere 

Kunnin  michel  baz  den  sich, 
340  Der  gebich  selbe  schuldig  mich. 

Iz  sait  ouch  etlich  man 

Von  tugiudin  mer  dan  he  kan. 

Das  vorstehende  Gedicht  ist  einer  Pergamenthandschrift  in  klein  4** 
entnommen,  welche  sich  auf  der  Universitätsbibliothek  zu  Jena  befindet. 
Dieselbe  enthält  zu  Anfang  ein  deutsches  Martyrologium  in  Prosa  (vgl. 
Lexers  Handw.  II  -=  Quellenverzeichniss  S.  VP  s.  v.  Martyr.)  und  darauf 
zum  Schluß  „auf  einigen  leer  gelassenen  Blättern",  von  derselben  Hand 
geschrieben  das  hier  abgedruckte  Gedicht.    Sprache  und  Schrift  weisen 


328  vndMist.         333  manigl.         338  audirir. 


UNTEK'WEISUNO  ZUR  VOLLKOMxMENHEIT  175 

die  Hnndschr.  in  das  14.  Jalirlmndort;  vgl.  darüber  Rückert  in  der 
Zfitöclirift  des  Vereins  für  thürinyiselic  Geschichte  und  Altertluuns- 
kunde  I,  1,  51  und  in  Frommanns  Deutschen  Mundarten  I,  269.  Früher 
gehörte  die  Handschr.  dem  im  düringischen  Voigtlandc  berühmten 
Kloster  Mildenfurt.  Dieses  liegt  an  dem  Zusammenflul.^  der  Weida 
mit  der  Elster  unweit  der  alten  Stadt  Weida  und  ist  gegründet  von 
Heinrich  dem  Keichen  von  Weida  im  J.  1193,  jetzt  aber  in  eine  groli- 
herzogl.  Sachsen-Weimarische  Domäne  umgewandelt;  vgl.  den  18.  und 
19.  Jahresbericht  des  Voigtländischcu  Alterthumsforscheuden  Vereins 
S.  109  folg. 

Das  Gedicht  ist  „nach  Versen  abgesetzt'"  und  geht  ohne  irgend- 
Avelche  Unterbrechung  von  Fol.  110* — 112*^.  Dessenungeachtet  hat 
Rückert  es  in  Stücke  reissen  zu  müssen  geglaubt  und  den  ersten  Theil 
(V.  1  — 178,  nicht  177,  denn  von  V.  90  ab  ist  falsch  gezählt)  in  der 
zuerst  genannten  Zeitschrift,  den  letzten  (V.  261 — 342)  in  Frommans 
Mundarten  1.  1.  als  „Fragment"  abdrucken  lassen.  Weder  die  hand- 
schriftliche Überlieferung  noch  der  Inhalt  rechtfertigte  diese  Zerstü- 
ckelung. Nach  V.  337  folg.  muß  der  Dichter  dem  geistlichen  Stande 
angehört  haben.  Einen  nach  größerer  Vollkommenheit  verlangenden 
Genossen  seines  Standes  (denn  einen  solchen  scheint  er  nach  V.  4—6, 
23  und  337  folg.  vor  Augen  zu  haben)  läßt  er  sich  zuerst  an  die  Kö- 
nigin Maria  und  dann  an  den  Plerrn  Jesus  um  Hilfe  wenden  und 
darauf  in  einer  Reihe  von  spruchförmig  zurechtgelegten  Regeln  und 
Rathschlägen  ihm  Auskunft  ertheilen.  Wie  in  den  alten  Spruchsamm- 
lungen so  sind  auch  hier  die  verschiedenen  Gruppen  von  Vorschriften 
lose  und  ohne  Innern  Zusammenhang  an  einander  gereiht.  Zwar  ließe 
sich  der  äußern  Fassung  nach  ein  Unterschied  zwischen  der  ersten 
Hälfte  (V.  1  —  178j  und  der  darauf  folgenden  annehmen;  denn  in  dieser 
sind  die  Anweisungen  immer  nur  an  eine  einzelne  Person  gerichtet 
die  mit  dii  angeredet  wird ,  in  jener  dagegen  wird  der  Dichter  allge- 
meiner, bedient  sich  der  dritten  Person  im  Singular  [he)  oder  der 
zweiten  im  Plural.  Indessen  sind  auch  die  auf  179  folgenden,  in  der 
Handschr.  ununterbrochen  fortlaufenden  Verse  ihrem  Inhalte  nach  un- 
verkennbar zu  demselben  Zwecke  gedichtet  wie  die  vorhergehenden. 
Höchstens  wäre  daraus  zu  schließe  en,  daß  das  Ganze  nach  und  nach, 
in  verschiedenen  Zeiträumen  gesammelt  worden  wäre;  jedenfalls  aber 
müßte  dies  von  einer  Hand  geschehen  sein,  wie  die  sich  durchweg 
gleichbleibende  Sprache  und  der  in  beiden  herrschende  gleiche  Ton 
nicht  anders  vermuthen  lassen. 


176  F.  BECK 

Ebenso  wie  die  Trennung  des  ganzen  Lehrgediclites  in  drei  Bruch- 
stücke ein  Mißgriff  ist,  ebenso  läßt  die  Benutzung  der  Handschrift  und 
die  Gestaltung  des  Textes  durch  Rückert  Manches  zu  wünschen  übrig. 
Namentlich  ist  der  in  der  Zeitschrift  des  thüringischen  Vereins  befind- 
liche Druck  des  ersten  Stückes  nicht  frei  von  erheblichen  Fehlern. 
So  steht  gegen  den  Wortlaut  der  Überlieferung  V.  22  enruchte  für  en- 
stichte,  V.  57  underwisen  für  vnd  wisen,  V.  66  saldii  für  saltü,  V.  77 
dine  für  deine,  V.  80  rvegin  für  vregin,  V.  83  mage  für  tnüg^,  V.  97  ge- 
niezen  für  genieze,  V.  107  memit  für  niemit^  V.  132  selhis  für  selhir, 
V,  133  seine  für  sime,  V.  140  gestigen  für  gestiegen,  V.  172  denge  für 
rii'n^,  V.  175  drie  für  «^?'M.  Theil weise  können  diese  Fehler  daher 
rühren,  daß  Rückert  vielleicht  den  Druck  selbst  zu  überwachen  keine 
Gelegenheit  hatte.  Aber  auch  darin  ist  von  ihna  das  Rechte  nicht  ge- 
troffen, daß  er  gegen  die  im  Leben  des  heiligen  Ludewig  von  ihm  selbst 
befolgte  Regel  überall  den  oberdeutschen  Laut  wo  einführte  statt  des 
dem  Dialekt  zukommenden  ü.  Der  Ring  über  dem  u  soll  in  dieser 
wie  in  unzähligen  andern  mitteld.  Handschriften  des  14.  imd  des 
15.  Jahrhunderts  nur  die  vocalische  Natur  des  Lautes  anzeigen;  er 
steht  daher  nicht  bloß  in  ensuchte  22,  getu  :  zu  45,  wiltu,  nü,  trüge  :  ge- 
wüge  u.  s.  w.  sondern  ebenso  in  künigin  1,  sünin  13,  kümin  39,  tü- 
ginde  82,  müge  83^  vrümin  9S,  entgülde  94,  schulde  315  u.  s.  w. ;  zu- 
weilen hat  ihn  auch  der  Schreiber  gar  nicht  gesetzt;  vgl.  Bechstein, 
Zum  Spiel  der  zehen  Jungfrauen  S.  10—11. 

Dem  Inhalte  nach  bietet  das  Gedicht  wenig  Neues  das  von  In- 
teresse wäre.  Seine  Sprache  ist  einfach  und  nüchtern,  im  Ganzen 
ungewandt  und  dabei  eintönig;  poetische  und  rhetorische  Wendungen 
sind  wie  absichtlich  gemieden.  Gleichwohl  schien  es  als  altes  Zeug- 
niss  für  den  im  Voigilande  ehemals  herrschenden  Dialekt  einer  ver- 
besserten und  vollständigen  Ausgabe  nicht  unwerth.  Die  Vocale  zeigen 
sich  hier  fast  durchweg  nach  den  im  Düringischen  vorkommenden  Eigen- 
thümlichkeiten.  Hervorzuheben  ist  der  Gebrauch  von  sal  ausserhalb 
des  Reimes;  im  Reim  selber  ist  nur  sol  verwendet  V.  305  und  312. 
Ferner  ziemlich  häufig  ie  als  Brechung  des  kurzen  i,  so  in  hiemile 
V.  7  und  296,  biete  =:  hite  oder  bete  11  und  16;,  niergin  38  =  nirgin 
oder  nergin,  niemit  =  nimit  oder  nemit  107,  Uegin  136  und  153  =  ligin, 
gekriegin  :  gestiegin  139  und  140  =  gekrigin  :  gestigin,  iciedir  182,  miete 
219,  281,  336  =  mite,  siete  282,  284,  335  =  site  oder  sete,  hiederbiman 
99  (bei  Koeditz  27,  15  bidderman  und  beddirman),  gewiegit  :  pfliegit  (?) 
250 — 251 ;  vgl.  von  Liliencron  im  Glossar  zu  J.  Rothes  Chron.  S.  698" 
und  K.  Weinhold,    über  deutsche  Rechtschreibung  S.  8.     Sehr  häufig 


UNTERWEISUNG  ZUR  VOLLKOMMENHEIT.  177 

ist  der  Schwund  des  n  in  der  Infinitivendung  wie  in  vm-kere  vorzie 
viinne  ])flcge  u.  s.  w. ;  eigenthiimlich  besonders  die  durchj^ängige  Ab- 
werfung des  r  in  die  ■=  dir,  mie  =  mtV;  auch  in  unse  V.  74,  194,  224, 
307,  he  =  her  (nur  251  her)-,  t  fehlt  in  ich  =  icht  137  und  329,  in 
läs'.häs  159— IGO;  ch  für  g  (c)  im  Auslaute  von  selich  262  und  301 
(sonst  selig  242,  umverdig  283),  in  sach  40  =  sag  (sac);  vi  für  nd  in 
umbesioere  162.  Auffallend  sind  nach  der  dialektischen  Seite  der  Accu- 
sativ  sunin  V.  13  und  das  Präteritum  jyflage  V.  268,  vgl.  die  Anmer- 
kungen. 

Die  Verse  sind  hinsichtlich  des  Metrums  entsprechend  den  Regeln 
des  14.  Jahrhunderts  gebaut;  Überladungen  oder  andere  Unebenheiten, 
wie  sie  sonst  zuweilen  Gedichte  von  Geistlichen  zeigen,  finden  sich  hier 
nicht.  Geringere  Kunst  ist  auf  den  Reim  verwandt.  So  stehen  4  gleich- 
lautende Reime  nach  einander  in  V.  13 — 16  (din  :  mtn  ;  min  :  dm),  V.  57 
bis  60  (die  :  vorzie  :  mie  :  die),  V.  61 — 64  (freit :  heit :  scheit :  heit),  V.  212 
bis  215  (tage  :  dage  :  trage  :  tage),  V.  235—238  (si :  dri  :bi:si);  3  gleich- 
lautende in  V.  185—187,  222—224,  247—249  und  wahrscheinlich  auch 
in  250 — 252.  Ausserdem  reimt  zweimal  geschiet  :  lieb  172 — 173  und 
188—189.  Die  Bindung  sache :  machin  in  V.  100—101  ist  wohl  nur 
falsche  Schreibung. 

Der  hier  gebotene  Text  beruht  auf  einer  durch  Professor  Sievers 
in  Jena  mir  gütigst  überlassenen  Abschrift;  das  Original  selbst  wurde 
von  diesem  wiederholt  verglichen.  Die  Eigenthtimlichkeiten  der  im 
Ganzen  deutlich  und  correct  geschriebenen  Handschrift  sind  überall 
darin  belassen,  nur  augenfällige  Fehler  derselben  entfernt  und  in  das 
Variantenverzeichniss  verwiesen.  Die  Markierung  der  verschiedenen 
Gedankenreihen  durch  Absätze  sowie  die  Interpunction  sind  Zugabe 
des  Herausgebers. 

Anmerkungen. 

V.  2  die;  über  die  apocopierten  Formen  die^  mie,  mi  (211),  vgl. 
Bartsch  zur  Erlösung  S.  XLIX;  mtihi  in  dessen  Md.  Gedd.  25,  843; 
36,1250;  Henneberger  Urkundenb.  H,  67  (19,  21,  25);  MSH.  11,23 
(2,  1);  mie  Akd.  BL  I,  242  und  243;  Bechstein  Zum  Spiel  der  z.  J.  18. 

breche,  ebenso  247,  vielleicht  auch  14  statt  gebrechin,  als  swm. 
noch  bei  Joh.  von  Guben  Jahrb.  25,  6;  MSH.  HI,  243,  12;  DRAkten 
I,  570,  22 ;  Muscatblut  67,  52. 

V.  19  daz  ist  kurz  daz  ist  lang  scheint  ursprünglich  eine  sprich- 
wörtliche Redensart  zu  sein,  nimmt  sich  aber  hier  aus  wie  ein  Lücken- 
büsser;  nicht  ganz  ähnhch  sind  folgende  Ausdrücke:  Rulman  Merswin  7 

GERMANIA.  Neue  Reihe  X.  (XXIF,)  .Tabrg.  12 


178  F.  BECH 

ich  toü  dir  sagen ,  mache  es  kurz  mache  ez  lanc,  so  mach  es  doch  mit 
anders  sin  du  müst  es  dün\  —  ez  ste  kurz  oder  lanc  Iwein  605  und  7792, 
Altd.  Wälder  III,  208,  23,  Ernst  B.  4879,  Hildebrand  im  D.  W.  2841  unter 
a)  und  ß) ;  Bruder  Hansens  Marienlieder  5169  trouwen  mich  dunct,  ist 
paf  ist  ley,  se  varen  al  onder  das  cley,  vgl.  4582. 

V.  34  an  nnderlist,  ebenso  327;  Germania  V,  402,  138;  Göttinger 
Urkundenb.  I,  S,  110  dne  allerleyge  underlist  ht  güden  früicen  (a.  1332). 

V.  40  ich  vCde  7oelz  ist  jedenfalls  verderbt;  Rückerts  Bemerkung 
S.  54,  icel  sei  hier  verscbriebeu  für  tail,  verstehe  ich  nicht;  auch  an 
lüels  (vgl.  Diefenbach  s.  v.  midliis  und  ostrum),  sih.irus  glanis  bei 
Nemnich  1298,  jenen  trägen  sich  im  Grunde  der  Gewässer  aufhaltenden 
Fisch,  kann  man  kaum  denken.  Höchst  Avahrscheinlich  ist  loeJz  ver- 
schrieben für  wleiz  ■=  vleiz  oder  vleis,  letzteres  ist  eine  in  mitteldeut- 
schen Mundarten  sehr  häufig  begegnende  Form  für  vleisch;  vgl.  z.  B. 
Bartsch,  Md.  Gedd.  6,  177  vleis '^  Gespräche  zwischen  Seele  und  Leib 
in  der  Germ.  III,  401",  14  verwasen  vleiß  (:  kreiß)  und  22  och  armet 
vleiß',  Elisabeth  ed.  Rieger  1660  fleisUch  gelust]  Steffan  Stoffliefer  II, 
113  fleysdeyse-^  Henneberger  Urkundenb.  III,  75,  21  vleishidte\  Mone, 
Schausp.  121,  388  ßeißerhütte^  Neues  Lausitzer  Magazin  36,  45  vleyzo- 
were  (a.  1312);  Grieshaber  Sprachd.  S.  272  daz  unreine  vleis,  290  daz 
heiige  vleis-  die  Nachweise  im  Alemannischen  bei  Weinhold  S.  156; 
im  Trudperger  HLiede  22,  4  vleisz.  Ahnlich  sagt  der  Hinnenberger  in 
MSH.  III,  40  (12,  4)  vleisch  unreine  ! 

V.  40  ich  hose  sach ,  vgl.  hoeser  sac  bei  Lexer  II,  564,  4;  in  der 
kirchlichen  Sprache  sac  öfter  verwandt  zur  Bezeichnung  des  sterb- 
lichen Leibes;  z.  B.  Wackernagels  Predd.  II,  77  der  alte  sac]  82  der 
füle  sac]  Berthold  98,  23  der  horivige  irdenische  sac^  99,  18  ein  smaeher 
hoeser  loiderweriiger  sac\  Sievers,  Md.  Schachb.  169,  18  suntlicher  sac. 

V.  44  vorkeren,  intransitiv  wie  hier  mit  dem  Dativ,  im  Sinne  von 
verführen,  abhalten,  verhindern,  vermag  ich  nicht  weiter  zu  belegen; 
vielleicht  liegt  hier  ein  Fehler  vor;    etwa  mich  für  mie   zu    schreiben? 

V.  58  vorzle  =  mhd.  verzihen,  mit  bloßem  Genitiv  bei  Lexer  III, 
320;  Hoefers  Ausw.  S.  5,  13,  137. 

V.  63  an  undirscheit,  ohne  Bedingung,  ohne  Vorbehalt,  rückhalts- 
los, so  Freiberger  Stadtr.  271  sich  des  dne  und.  gütliche  herichten;  Kulmer 
Recht  IV,  15;  Purgoldts  Rechtsb.  I,  15;  ohne  Unterbrechung^  ununter- 
brochen, Erlösung  2029,  2481 ;  durchweg,  durchaus,  Heinrich  Frauenlob 
Spr.  316, 3 ;  337, 21 ;  340, 4 ;  oft  nur  phrasenhaft,  Bartsch  zur  Erlösung  6575. 

V.  69  he  =  har,  in  der  Betonung  schwankend  wie  noch  die  heu- 
tige Aussprache  zeigt,    vgl.  Bartsch,  Md.  Gedd.  89,  173  hohisch   riche 


UNTERWEISUNG  ZUR  VOLLKOMMENHETT.  179 

vnUle  ist  hP.  {:  nime) ;  194  daz  iz  tman  mP  Wizze  danne  ir  und  htl;  From- 
manns Mund.  II,  75,  9;  400,  12. 

V.  74  wcüid,  noch  V.  132  und  147  =  mhd.  u-an^  sondern,  vgl. 
Müller-Zarncke  III,  479^  20. 

V.  97  ist  wohl  konde  is  oder  kondes  zu  schreiben  für  konde. 

V.  103  Sei  =  md.  seliit,  wie  323  .s-«^ :  i'orsw«< ;  tet  dafür  zuschrei- 
ben, wie  Rückert  wollte,  ist  keine  Nilthigung  vorhanden ;  vgl.  Pass.  K. 
199,  74  sPA,  (videt)  :  wPt  und  Heinrich  von  Krolewitz  1210  nach  der  Va- 
riante sPt :  stet. 

V.  109  steh  ^=  mhd.  siech]  der  Sinn  der  Stelle  von  Rückert  ver- 
kannt, wenn  er  glaubte  icisec  oder  loifzec  lesen  zu  müssen  statt  wie  steh. 

V.  115  ist  schwerlich  echt  überliefert.  Vielleicht  hieß  es  in  der 
Vorlage :  der  mit  der  sacke  nicht  enkan ;  der  Schreiber  konnte  sich  durch 
den  ähnlichen  Vers  108  beirren  lassen. 

V.  124  geschieht:  nicht '^  daneben  </eschieht :  liel/  174,  189,  255  und 
geschet :  vorsmet  279. 

V.  135 — 136  und  153 — 154,  dieselbe  Ausdrucksweise  im  Passional 
H.  249,  42  die  tvart  vil  icol  hehcdden  in  ir  herzen  valden  und  Pass.  K. 
164,  16  des  ich  ot  hehalde  in  mtnes  herzen  valde  und  öfter  ebendaselbst, 

V.  137  ich  =  icht,  ebenso  328,  vgl.  Germania  XX,  333 ;  in  einem 
Gedicht  hinter  der  Erlösung  ed.  Bartsch,  S.  240,  46 ;  daz  icJi  =  ne  forte 
in  einem  Zeitzer  Psalter  (Mscr.  aus  dem  Ende  des  14.  Jahrh.)  fol.  44" 
und   11S\ 

V.  137 — 138  sind  wohl  verderbt;  für  sm  müßte  es  nach  der  über- 
lieferten Fassung  s?  heißen;  vielleicht  war  zu  schreiben:  Ich  des,  daz  so 
kleine  sin  Miige,  daz  immer  geheize  dm. 

V.  158  Sinn :  laß  dir  die  Trennung  (von  irdischen  Gütern)  nicht 
schwer,  nicht  leid  werden. 

V.  159  häs :  las  (daneben  hast :  geldst  130);  vgl.  Frommann  zu 
Herbort  4720  Eneds  :  häs,  Lisch  zu  Heinr.  von  Krolewitz  S.  16,  Rieger 
zur  Elisabeth  S.  40. 

V.  163  umbeswPre  =  ^md  heswere.  Im  folgenden  Vers  ist  sin  auf 
got  zu  beziehen. 

V.  171  ?:iotvelmüt,  vgl.  Müller-Zarncke  11%  268%  13;  Maßmann 
Eike  von  Repgow  587  der  sässen  homPd  vnde  ir  twivelmüt. 

V.  181  zit  Verliesen  schiuhet  geistUchiu  liehe  nach  David  von  Augs- 
burg in  den  Mystik.  I,  337,  36. 

V.  210  sl  ^=  sehen:,  sie  im  Reim  bei  Ebernand  1298  {:  die),  1756 
(:  hie),  1805,  3362  (:  tc7e). 

12* 


180  F.  BECH,  UNTERWEISUNG  ZUR  VOLLKOMMENHEIT. 

V.  228  selde  kann  verderbt  sein  für  salde,  wie  die  Form  V.  266 
und  auch  sonst  in  düringischen  Denkmälern  lautet. 

V.  247  stnis  selhins  (daneben  sin  selbis  V.  41  und  58)  erscheint 
schon  früh;  so  in  den  Alten  Gesetzen  von  Nordhausen,  Förstemanns 
N.  M.  III,  3,  S.  61  so  sal  eyn  man  selhins  dar  können;  Herquet,  Ur- 
kundenb.  von  Mühlhausen  Nr.  1002  icanne  wir  selhins  keyne  ingesigele 
enhabin  (a.  1348);  Eisenacher  Rechtsb.  II,  15  (OrtlofFs  Sammlung  I) 
ah  si  eris  mannes  und  eris  selhins  ere  unheschuldin  ist  (14,  Jahrb.). 
Über  däselhins  sieh  Lexer,  Handw.  II,  861;  Varr.  zu  Koeditz  31,  26; 
32,30;  63,16;  92,18;  Hoefers  Ausw.  S.  329  da  selvens  (a.  1339); 
Michelsen  Urk.  Beitr.  zur  Gesch.  der  Landfrieden  S.  26  und  27  aldd- 
selhins  (a.  1344);  Herquet  1.  1.  Nr.  1022  und  1023  (a.  1349)  däselhins; 
Urkundenbuch  von  Meißen  I,  416  (a.  1355),  II,  501  (a.  1358);  doselhins 
515  (a.  1359);  Henneberger  Urkundenb.  II,  S.  120,  19  also  selhins  sal 
iz  %inser  stvagir  gein  zms  laider  halden  (a.  1355);  aber  auch  Oberdeutsch- 
land weist  schon  sehr  früh  diese  Form  auf,  so  steht  bei  Hauswirth 
im  Urkundenb.  der  Bened.  Abtei  zu  den  Schotten  in  Wien  in  Nr.  154 
mehrmals  daselbens  (a.  1325),  bei  Zeibig,  Urkundenb.  von  Klosterneu- 
burg Nr.  312  (a.  1344),  Nr.  322  (a.  1346),  Nr.  341  (a.  1351). 

V.  250  sich  des  gewegen  im  Sinn  von:  sich  dazu  entschließen  oder 
verstehen,  seinen  Sinn  darauf  richten,  ist  sonst  nicht  gebräuchlich  für 
das  gewöhnlichere  sich  des  he-  oder  erivegeri  oder  sich  daruf  oder  dar 
zuo  loegen.  —  Wahrscheinlich  ist  übrigens  hier  und  im  folgenden  Verse 
zu  schreiben:  gewU  :  pflit,  so  daß  in  den  3  Zeilen  der  Reim  gleichlautete, 
wenn  man  nicht  annehmen  will,  daß  eine  zu  V.  252  gehörige  Reimzeile 
ausgefallen  sei. 

V.  268  pßage  scheint  als  Präteritum  auch  von  Seiten  des  Dialekts 
betrachtet  für  das  14.  Jahrh.  sehr  auffallend.  Möglich,  daß  die  Vorlage 
sege:  pflege  hatte;  vgl.  lüedersegen : pflegen  in  Rothes  Rittersp.  2412,  üz 
segen  :  ivegen  2568,  wegen  2789;  Lambert,  Die  Rathsgesetzgebung  von 
Mühlhausen  im  14.  Jahrh.  S.  162  und  163  (a.  1396);  Müllenhoff  und 
Scherer  zu  Christus  und  die  Samariterin  (X),  25. 

V.  284  der  genäden  siet  nehme  ich  im  Sinne  von :  der  Gnade  wie 
sie  Sitte  oder  gewöhnlich  ist,  der  Art  Gnade,  vgl.  Bruder  Davids  Spiegel 
der  Tugend  in  Pfeiffers  Myst.  I,  332,  30  [diu  genäde]  tele  mit  in  unde 
an  in  genäden  site  daz  ist  woltuon  den  unwirdigen.  Anders  Rückert, 
welcher  in  Fromm.  Mund.  1,268  siet  für  seht  =  videte  erklärt;  aber 
der  md.  Dialekt,  welcher  hier  in  Betracht  kommt ,  zeigt  nur  set  (:  tet) 
so  Jerosch.  27073,  Freiburger  Recht.  271,  Spiel  der  zehn  Jungfr.  S.  17 
und  21,  MüUer-Zarucke  II'',  275%  32;  sid  oder  sit,  wie  es  sich  in  Haupts 


F.  LIKBKECIIT,  KLEINE  MITTHEIJ>,UNGEN.  181 

Zeitschrift  VIII,  269  (F,  5)  uud  X,  135  findet,  scheint  mehr  am  Nieder- 
rhein |]jeläufig  gewesen  zu  sein. 

V.  316  der  in  schulde  äne  schult  kann  doch  hier  nur  den  Sinn 
haben:  wenn  jemand  oder  sobald  einer  ihn  schelten  würde  ohne  daß 
er  es  verdient  hätte.  Anders  wird  wohl  Niemand  die  Stelle  verstehen, 
und  danach  ist  Kttckerts  Besscrungsversuch  (Fromm.  Mund.  J,  268: 
vil  der  in  schulde  äne  schult)  unnöthig. 

ZEITZ,  Weihnachtsferien  1876.  FEDOR  BECH. 


KLEINE  MITTHEILUNGEN, 

VON 

FELIX  LIEBRECHT. 


1.  Jenny  Greenteeth. 
In  dem  Manchester  Guardian  vom  7.  September  1864  (Local 
Notes  Nr.  419)  wird  angeführt,  daß  Jenny  Greenteeth  in  Lanca- 
shire  ehedem  als  bösartiger  Wald-  und  Wassergeist  beriichtigt  war 
und  sich  in  der  Tiefe  von  Teichen  und  Lachen  aufhielt,  von  wo  sie 
auf  die  Kinder  Jagd  machte,  die  dem  Wasserrande  zu  nahe  kamen. 
Ein  anderer  Correspondent  fügt  hinzu  (12.  October  1874,  Loc.  Not. 
Nr.  488),  daß  der  Glaube  an  Jenny  Greenteeth  unter  der  Jugend 
Nord-Lancashire's  noch  unerschüttert  fortdauere  und  dieselbe  danach 
auch  in  fließenden  Gewässern  sich  aufhalte,  besonders  unter  dem  langen 
grünen  Grase,  welches  häufig  die  Oberfläche  der  letzteren  bedeckt  und 
in  einem  District  von  Lonsdale  so  wie  in  Cumberland  und  Westmore- 
land  gleichfalls  Jenny  Greenteeth  heißt.  Nähert  ein  Kind  sich 
dem  Wasser  so  weit,  daß  es  dieses  Gras  berühren  kann,  so  zieht  Jenny 
es  in  die  Tiefe  und  es  ist  unrettbar  verloren.  —  Über  die  Grausam- 
keit und  den  Blutdurst  der  Wassergeister,  s.  Grimm,  D.  M.  462  ff". 
Was  den  Namen  Greenteeth  betriff't,  so  kommt  er  sicherlich  von  den 
grünen  Zähnen  her,  welche  man  diesen  Geistern  beilegt;  Grimm 
a.  a.  0.  459,  Grohmann,  Sagen  aus  Böhmen  S.  163. 

2.  Ein  Rechtsalterthum. 
In  dem  nämlichen  englischen  Tageblatt  wird  unter   dem  16.  No- 
vember 1874  (Local  Notes  Nr.  533)  mitgetheilt,  daß  bis  in  das  17.  Jahrh. 
auf  einem  öfientlichen  Platze  zu  Halifax  eine  Guillotine  gestanden  habe, 


182  F.  LIEBRECHT 

die  freilich  damals  diese  Benennung  noch  nicht  tragen  konnte  und 
welche  zur  Hinrichtung  von  Tuchdieben  diente.  Diese  strenge  Be- 
strafung eines  gewöhnlichen  Diebstals  hielt  man  deswegen  für  noth- 
wendig,  weil  die  Tuchfabrikanten  ihr  Tuch  die  Nacht  über  im  Freien 
an  den  Kahmen  aufgespannt  Hessen,  und  eben  zum  Schutz  desselben 
wurde  über  die  Diebe  die  Todesstrafe  verhängt,  wenn  sie  auf  eine 
der  drei  folgenden  Weisen  ihres  Verbrechens  überführt  werden  konnten, 
nämlich:  ^Jiand  naj)ping^,  wenn  der  Dieb  auf  frischer  That  ertappt 
wurde;  ^hackhearing'^ ,  wenn  das  Tuch  bei  ihm  (upon  him)  gefunden 
wurde,  und  endlich  „tongiie  confessing^^ ,  wenn  er  sein  Verbrechen  ge- 
stand. Letzteres  mußte  aber  innerhalb  der  Freiheit  oder  dem  Weich- 
bilde des  Hardwicker  Forstes  begangen  worden  und  der  Werth  des 
gestohlenen  Gutes  höher  sein  als  13Vo  Pence.  —  Dieser  Halifaxer 
Rechtsgebrauch  nun  entspricht  genau  dem  altdeutschen,  wonach  man 
zu  jeder  Verurtheilung  eines  Verbrechers  eines  von  dreien  forderte, 
entweder  gichtigen  Mund  (Eingeständniss)  oder  handhafte  That 
(Betretung  über  Missethat)  oder  blickenden  Schein  (Vorzeigung 
des  corpus  delicti  am  Gericht).  Grimm,  RA.  879.  Zu  bemerken  ist 
hierbei,  daß  das  Jiancl  wappin^  des  Halifaxer  Rechts  dem  blickenden 
Schein  entspricht,  wobei  man  dem  auf  frischer  That  ergriffenen 
Diebe  das  gestohlene,  tragbare  Gut  hinten  auf  den  Rücken  band  und 
ihn  so  vor  den  Richter  führte;  Grimm  a.  a.  O.  637  f.  (Dieses  auf  den 
Rücken  Binden  gestohlenen  Gutes  kam  auch  im  altnavarrischen  Recht 
vor,  s.  Ferd.  Wolf,  Ein  Beitrag  zur  Rechtssymbolik,  in  den  Sitzungs- 
ber.  der  phil.-hist.  Classe  der  kais.  Akad.  d.  Wissensch.  zu  Wien, 
Bd.  LI,  S.  108  f.  Nr.  9.)  Die  Angelsachsen  nannten  einen  solchen  Dieb  bäc- 
berend  (Grimm  a.  a.  O.),  ein  Ausdruck,  der  nach  dem  Halifaxer  Recht 
(backhearing)  die  handhafte  That  bezeichnete,  während  tongue  con- 
fessing  den  gichtigen  Mund  ausdrückt. 

3.  Aus  Nordindien. 

Von  dem  vortrefflichen  Werke  unseres  Landmanns  Leitner,  Re- 
sults  of  a  Tour  in  Dardistan,  Kaskmir  etc.  ist  mir  leider  nur  der  erste 
Band  The  Langiiages  and  Races  of  Dardistan.  Part.  HI.  Labore  and 
London  1873  zu  Gesicht  gekommen,  woraus  ich  folgende  Stellen  mit- 
theile, weil  sie  mancherlei  Beziehungen  zu  Vorstellungen  u.  s.  w.  haben, 
die  auch  bei  uns  heimisch  oder  sonst  bekannt  sind. 

A.  Yatsh  {di.h.  schlecht  auf  Kaschmiri;  p.  1);  dies  sind  eine  Art 
riesenhafter  Dämonen  oder  Geister,  und  von  den  dieselben  betreffenden 
Mittheilungen  hebe  ich  folgende  zwei  hervor. 


KLEINE  MITTHEILUNGEN.  183 

The  Wedding  of  Dcmons.  Ein  8chikari  (Bewohner  von  Sckikar- 
pur)  hatte  sich  auf"  der  Jagd  verirrt,  und  nach  niehrlägif^eni  Umlier- 
streifen  erbhckte  er  einmal  bei  Nacht  in  einiger  Entfernung  eine  An- 
zahl einäugiger  Kiesen,  die  rings  um  ein  Feuer  ihre  Zeit  mit  Schmausen, 
Zechen  und  Singen  zubracliten.  Erschrocken  wollte  er  sich  davon- 
machen, allein  ein  nach  Wasser  abgeschickter  Kumpan  holte  ihn  ein 
und  fragte  ihn^  ob  er  ein  „Menschenkind"  wäre  ,  und  in  Folge  seiner 
bejahenden  Antwort  forderte  er  ihn  auf  sich  der  Gesellschaft  anzu- 
schließen^ die  eben  eine  Hochzeit  feierte.  Der  Schikarl  lehnte  dies 
ab,  weil  er  von  dem  Yatsch  für  sein  Leben  fürchtete;  jedoch  dieser 
versicherte  ihn  mit  einem  Schwur  bei  Sonne  und  Mond,  er  könne  ganz 
ruhig  sein  und  versteckte  ihn  dann  unter  einem  Busche,  worauf  er 
seinen  Gefährten  das  Wasser  brachte.  Diese  rissen  bald  nachher  eine 
Pflanze  aus,  so  daß  im  Boden  eine  kleine  Öffnung  entstand,  in  welche 
die  Riesen  auf  eine  oder  die  andere  Weise  alles,  was  sie  mit  sich 
hatten,  hineinwarfen,  Avorauf  sie  schließlich  sich  selbst  so  dünn  machten, 
daß  sie  durch  den  engen  Spalt  unter  die  Erde  zu  schlüpfen  vermochten. 
Auch  der  Schikari  nebst  seinem  Begleiter  kam  durch  die  Öffnung,  er 
wußte  selbst  nicht  wie,  und  befand  sich  dann  mit  einem  Mal  in  einem 
ungemein  großen  herrlich  erleuchteten  Saal,  wo  er  von  einem  Winkel 
aus  unbemerkt  alles,  was  vorging,  mit  ansehen  konnte  und  auch  von 
dem  Yatsch  einige  Speise  erhielt.  Zu  seinem  höchsten  Erstaunen  er- 
blickte er  unter  anderm  auf  den  vSchultern  eines  der  Riesen  seinen 
eigenen  Shawl,  den  er  zu  Hause  zurückgelassen;  ein  zweiter  hielt 
seine  (des  Schikari)  Flinte  in  der  Hand,  ein  dritter  aß  aus  seinen 
Schüsseln;  andere  hatten  seine  Strümpfe  an,  und  wieder  ein  anderer 
prangte  in  seinen  Feiertagspantoffcln.  Auch  viele  schöne  Sachen,  die 
seinen  Nachbarn  in  seinem  Heimatsdorfe  angehörten,  sah  er  im  Be- 
sitz und  Gebrauch  der  Riesen,  so  daß  er  kaum  den  Blick  davon  ab- 
zuwenden vermochte  und  sein  Gefährte  ihn  nur  mit  großer  Mühe  zu 
der  Stelle  zurückbrachte,  wo  er  ihn  zuerst  angetroffen.  Als  sie  sich 
dann  trennten,  gab  der  Yatsch  ihm  drei  Brotkuchen,  von  denen  er 
einen  mit  nach  Hause  brachte,  und  von  diesem  aß  sein  Vater,  dem  er 
alles  ihm  Zugestosseue  erzählte,  die  Hälfte;  die  andere  bewahrte  seine 
Mutter  in  der  Kornscheuer  auf,  welche  in  Folge  dessen  stets  voll  Ge- 
treide blieb;  denn  die  Yatsch  erweisen  sich  zuweilen,  und  namentlich 
bei  ihren  Festen,  freundlich  gegen  die  Menschen,  und  fügen  ihnen  blos 
Schaden  zu,  wenn  sie  von  ihnen  beleidigt  werden.  Was  die  Sachen 
betrifft,  die  der  Schikari  bei  den  Yatsch  unter  der  Erde  gesehen  hatte, 
so    fanden    sich   sowohl  die  seinen  wie  die  der  Nachbarn  vollkommen 


184  F.  LIEBRECHT 

unbeschädigt  an  ihrem  gehörigen  Orte  wieder,  und  eine  kluge  Frau  theilte 
ihm  mit,  daß  es  die  Gewohnheit  der  Yatsch  wäre,  für  ihre  Hochzeiten 
Geräthe  und  Kleider  der  Menschen  zu  entleihen^  dieselben  aber  auch 
stets  regelmäßig  wieder  zurückzubringen.  —  Diese  indischen  unter  der 
Erde  hausenden  Yatsch  entsprechen  ganz  unsern  Unterirdischen 
in  ihrem  Charakter  sowohl  wie  in  dem  Entleihen  der  den  Menschen 
angehörigen  Sachen  zum  Gebrauch  bei  ihren  Hochzeiten  und  unter- 
scheiden sich  von  ihnen  nur  in  der  Größe.  Grimm,  D.  M.  423,  427 — 9. 
D.  S.  Nr.  33. 

The  Demon's  Present  of  Coals  is  turned  into  gold  (p.  3).  Ein  Knabe 
wird  von  einem  Yatsch  entführt,  der  eine  Pflanze  ausreißt  und  ihn 
durch  die  so  entstandene  Spalte  in  einen  unterirdischen  Palast  bringt, 
wo  sich  männliche  und  weibliche  Yatsch  zu  einer  Hochzeit  versammelt 
hatten  und  er  alle  werthvollen  Sachen  der  Bewohner  seines  Dorfes 
wahrnahm.  Bei  seiner  Rückkehr  durch  den  Spalt  gab  ihm  sein  Be- 
gleiter einen  Sack  voll  Kohlen,  die  der  Knabe,  gleich  nachdem  ihn  der 
Letztere  verlassen,  wegschüttete;  zu  Hause  aber  verwandelte  sich  ein 
in  den  Sack  zurückgebliebenes  Stückchen  Kohle,  sobald  er  es  berührte, 
in  eine  Goldmünze.  —  Es  ist  in  deutschen  Sagen  ein  häufig  wieder- 
kehrender Zug ,  daß  von  elbischen  Wesen  für  einen  geleisteten 
Dienst  u.  s.  w.  irgend  etwas  Werthloses,  wie  Späne,  dürres  Laub 
u.  dgl.,  als  Lohn  oder  Geschenk  gegeben,  aber  von  dem  Empfänger  voll 
Geringschätzung  weggeworfen  wird ;  die  im  Sack,  Korb  u.  s.  w.  hängen 
gebliebenen  Reste  erweisen  sich  dann  aber  als  Gold;  s.  z.  B.  Kuhn  und 
Schwartz,  Nordd.  Sag.  Nr.  126,  5.,  H.  Kletke,  Das  Buch  von  Rübezahl. 
Breslau  1852.  S.  34  f.  u.  A. 

B.  Barai  (=  Peri,  Fairies,  p.  4).  Sie  sind  hübsch,  also  hierin 
verschieden  von  den  Yatsch^  auch  stärker  und  bewohnen  auf  dem 
Gipfel  des  Nanga  Parbat  oder  Dyarmul  (d.  h.  unzugänglich)  ein  Schloß, 
Namens  ßchell-hatte-kote ,  d.  h.  Schloß  aus  Glasstein.  —  Also  auch 
hier  finden  wir  Schlösser  aus  Glas  wie  weit  und  breit  in  Europa 
Glasthürme,  Glasmauern,  Glasburgen,  s.  Gervas.  von  Tilb.  S.  151  und 
meine  Nachweise  in  den  Gott.  Gel.  Anz.  1874,  S.  795. 

The  Fairy  loho  punished  her  human  Lover  (p.  5).  Ein  berühmter 
Jäger,  Namens  Kibd  Lori ,  hatte  eine  Peri  zur  Geliebten,  die  einst 
während  der  sieben  Hundstago  (Barda)  ihn  verließ  und  ihm  zugleich 
verbot,  während  dieser  ganzen  Zeit  auf  die  Jagd  zu  gehen,  da  dies 
sein  Tod  sein  würde.  Trotz  seines  Versprechens  konnte  er  jedoch 
seiner  Sehnsucht  nicht  widerstehen  und  suchte  sie  am  vierten  Tage 
auf,  wobei  er  sie  auf  einer  Ebene  inmitten  einer  unermeßlichen  Schaar 


KLEINE  MITTHEILUNGEN.  185 

von  allerlei  Wild  iinlraf,  wie  sie  eine  kill  (raarkhor)  in  einen  silbernen 
Eimer  melkte.  Als  das  Thier  ihn  nahen  hörte,  so  schlug  es  aus  und 
warf  das  Gefäß  um ,  die  Peri  aber  nahte  sich  ihrem  Geliebten  voll 
Zorn  und  schlug  ihn  ins  Gesicht.  Kaum  aber  hatte  sie  dies  gethan, 
so  gerieth  sie  in  Verzweiflung  und  rief  jammernd  aus,  er  müsse  binnen 
vier  Tagen  sterben,  forderte  ihn  jedoch  auf,  ein  Stück  Wild  zu  er- 
legen, damit  man  ihn  nicht  gegen  Gewohnheit  mit  leeren  Händen  zu- 
rückkehren sehe.  Der  arme  Kibä  legte  sich  indeB  zu  Hause  tief  be- 
kümmert ins  Bett  und  starb  nach  vier  Tagen.  —  Diese  Erzählung 
gehört  in  den  großen  Kreis  der  Melusinensage,  auf  die  ich  aber  hier  nicht 
näher  eingehen  will. 

D.  Historical  Legend  of  the  Origin  of  Ghilghit  (p.  6).  Von  drei 
Feenbrüdern  bestimmen  die  zwei  ältesten  den  jüngsten,  Namens  Azru- 
Schemscher,  zum  Radschah  von  Gilgit,  sobald  sie  den  Tyrannen  jener 
Gegend  getödtet  hätten,  und  führen  auch  ihre  Absicht  aus.  Die  Seele 
des  letzteren  war  aus  Schnee  gemacht,  und  er  konnte  blos  durch 
Feuer  umkommen,  weshalb  Azru  Brände  auf  ihn  warf,  so  daß  seine 
Seele  schmolz.  Er  war  aber  durch  den  Verrath  seiner  Tochter,  die 
sich  in  Azru  verliebt,  in  dessen  Gewalt  gerathen.  —  Eine  ähnliche 
Sage  wird  von  dem  König  von  Tachti-Bahi  (im  Gebiet  von  Labore) 
erzählt,  dessen  Tochter  sich  in  den  Sultan  Mahmud  von  Ghazni  ver- 
liebte und  ihren  Vater  an  denselben  verrieth.  Hier  war  es  aber  diese, 
welche  die  gebührende  Strafe  erlitt;  denn,  ähnlichen  Verrath  fürchtend, 
befestigte  Mahmud  sie  an  die  Spitze  des  höchstens  Felsens  bei  Rani- 
gatt,  wo  ihr  Körper  in  den  Stralen  der  Sonne  schmolz.  Trübner's 
Record,  Mai  31,  1871,  p.  166b.  —  Nach  diesen  beiden  Sagen  möchte 
es  scheinen,  daß  der  Stoff  der  Sage  vom  „Schneekind"  (s.  v.  d.  Hagen, 
Ges.  ab.,  Bd.  H,  S.  LUX  ff.,  vgl.  Österley,  zu  Pauli,  Gap.  208)  aus 
Indien  stammt,  um  so  mehr  als  dieselbe  auch  in  Doni's  Filosofia  j\Io- 
rale  1.  (nicht  t.)  2,  p.  111  vorkommt.  Über  Doni,  s.  Benfey's  Pan- 
tschat.  1,  10. 

E.  Legends  relating  to  Animals.  —  The  ßying  Poixupine  (p.  13). 
Man  glaubt  an  das  Vorhandensein  eines  Thieres^  Namens  Harginn, 
welches  einem  Stachelschwein  gleicht.  Der  Rücken  ist  rothbräunlich 
und  der  Bauch  gelblich.  Seine  Stacheln  sollen  giftig  sein  und  es  soll 
sich  zum  Angriff  auf  Menschen  und  Thiere  zusammenziehen  und  hoch 
in  die  Luft  springen,  von  wo  es  sich  seinem  Opfer  auf  den  Kopf 
stürze.  Man  sagt,  es  sei  gewöhnlich  eine  halbe  Elle  lang  und  eine 
Spanne  breit.  —  Dies  ist  vielleicht  derselbe  Glaube^  wie  der  alte  und 
weitverbreitete  von  dem  indischen  Stachelschwein ,    s.  die  Erklärer  zu 


186  F.  LIEBRECHT 

PI.  HN.  8,  53:  „Hystrices  generat  India  et  Africa  spina  contectas  ac 
herinaceoruin  gonero:  sed  histrici  longiores  aculei,  et  quum  iutendit 
cutem,  missiles.  Ora  urgentium  figit  canum  et  paulo  longius  iaculatur." 
Auch  in  den  Philosophical  Magazine^  vol.  42,  p.  285  findet  sich  folgende 
Angabe  eines  englischen  Officiers,  der  lange  im  nördlichen  Indien  ge- 
dient hatte^  in  Betreff  des  dortigen  Stachelschweines:  „Being  one 
moon-light  night  with  a  party  in  search  of  porcupines  with  dogs,  we 
liad  not  been  long  out  ere  we  discovored  a  hole  iuliabited  by  those 
quadrupeds.  A  dog  was  imniediatcly  put  to  it.  The  animal  had  not 
gone  in  raany  paces  when  he  howled  and  rctreatcd  with  sevcral  quills 
in  his  body.  One  in  particular  was  driven  an  inch  into  Ins  right  leg. 
The  porcupinc,  on  the  approach  of  the  dog,  drew  itself  into  the  shape 
of  a  ball,  like  a  hedge-hog,  and  darting  forward  with  all  its  strength, 
threw  its  quills  into  the  dog."  Eine  gleiche  IMeinung  herrscht  unter 
den  nordamerikanischen  Indianern  in  Betreff  des  Igels;  in  Longfellow's 
Hiaivatha  (Vll.  H.'s  Sailing)  heißt  es:  „From  a  hollow  tree  the  Hedge- 
hog  —  With  his  sleepy  eyes  looked  at  him,  —  Shot  his  shiuing  quills 
like  arrows,  —  Saying  with  a  drowsy  murmur,  —  Through  the  tangle 
of  his  whiskers,  —   „„Take  my  quills,  i)  Hiawatha!"" 

4.  Catalonische  Kinderspiele. 
Aus  dem  von  dem  Märchen sammler  Maspons  y  Labros  (s.  Hei- 
delb.  Jahrb.  1872,  S.  887)  herausgegebenen  Büchlein  Jochs  de  la  In- 
fancia  (Barcelona  1874)  will  ich  nachfolgend  einiges  mittheilen,  zumal 
von  dem  was  mit  deutschen  Kinderspielen  übereinstimmt,  soweit  mir 
diese  bekannt  sind,  wobei  ich  zur  Vergleichung  nur  hie  und  da  auf 
Simrock's  Kinderbuch  (Volksbücher  Bd.  IX)  und  Fiedler  s  Volksreime 
und  Volkslieder  in  Anhalt-Dessau  hinweise,  da  mir  andere  deutsche 
Sammlungen  dieser  Art  nicht  zu  Gebot  stehen. 

1.  Die  fünf  Finger  der  Hand  vom  Daumen  angefangen  (p.  16): 
„Aquest  es  lo  papa(el  pare),  —  Aquest  es  la  mama(la  mare)  —  Aquest 
fa  las  sopas,  —  Aquest  se  las  menja  totas,  —  Aquest  fa  piu,  piu,  — 
Quo  no  n'hi  ha  per  mi  —  Que  so  tant  petitet?"  (Das  ist  der  Vater  — 
Das  ist  die  Mutter^  —  Der  macht  die  Suppen,  —  Der  ißt  sie  alle  auf, 

—  Der  macht  pip,  pip;  —  Giebt's  nichts  für  mich,  —  Der  ich  so 
klein  bin?).  Es  folgen  dann  noch  mehrere  Varianten  dieses  Sprüchleins. 

—  Vgl.  Fiedler  S.  24,  Nr.  28.  Simrock  S.  80  ff. 

2.  Ein  Kind  ruft:  „Tauben  fliegen",  und  dabei  heben  alle  an- 
deren, auf  der  Erde  kauernd,  einen  Finger  in  die  Höhe;  dann  ruft  es 
weiter:  „Rebhühner  fliegen",  die  anderen  thun  wie  zuvor,  und  so  wird 


KLEINP:  MITTHEILUNGEN.  187 

noch  mehrmals  ein  Vogel  oder  sonst  ein  flio^^cndes  Thicr  genannt,  dann 
aber  plötzlich :  „üclisen  fliegen"  oder  ein  anderes  nicht  fliegendes 
Thier,  und  wer  dann  auch  hierbei  den  Finger  emporhebt,  gibt  ein 
Pfand  (p.  21).  —  Dieses  Spiel  habe  ich  oft  in  meiner  Jagend  gespielt 
(in  Breslau). 

3.  Phunpsack;  nur  tritt  statt  dieses  eine  Latsche  (Schlurre)  ein. 
Während  diese  unigclit,  singen  die  andern  Kinder :  „Wohin  gehen  die 
OchsenV  —  Zum  rflügcn!  —  Was  fressen  sie?  —  Gerste!  —  Was 
trinken  sie?  —  Wein!  —  Spring,  Martin!  Spring,  Martin!"  (p.  22). 

4.  Die  im  Kreise  stehenden  Kinder  singen:  „Las  gerras  de  San 
JMiquel  —  Totas  son  plenas,  totas  son  plenas,  —  Las  gerras  de  San  Mi- 
quel  —  Totas  son  plenas  d'aigua  y  mel.  — ^  Cuiru,  maduiru  —  Girat 
de  cuiru."  (Die  Krüge  des  heihgen  Michael  —  Sind  alle  voll ,  —  Die 
Krüge  des  heiligen  Michael  —  Sind  alle  voll  Wasser  und  Honig.  — 
Cuiru,  maduiru  u.  s.  w.).  Bei  dem  letzten  Worte  des  Liedchens  be- 
rührt das  in  der  Mitte  befindliche  Kind  mit  seinen  gefalteten  Händen 
ein  anderes,  das  sich  dann  umdreht,  und  dies  so  wie  das  Singen  des 
Liedchens  wiederholt  sich  so  oft  bis  alle  Kinder  sich  umgedreht  haben 
(p.  26).  —  S.  Fiedler  S.  63  f.,  Nr.  90. 

5.  Wenn  beim  Regen  die  Sonne  scheint,  singen  die  Kinder:  „Plou 
y  fa  sol,  —  Las  bruixas  se  pentinan.  —  Plou  y  fa  sol  (Var.  ab  un 
caragol)  —  Las  bruixas  y'Is  bruixots."  (Es  regnet  und  die  Sonne  scheint, 

—  Die  Hexen  kämmen  sich,  —  Es  regnet  und  die  Sonne  scheint,  Var. 
Mit  einer  Schnecke,  —  Die  Hexen  und  die  Hexenmeister).  Es  giebt 
hiervon  noch  einige  unbedeutende  Varianten  (p.  57).  —  S.  hierzu  meine 
Angaben  in  Ebert's  Jahrbuch  der  roman.  und  engl.  Litterat.  4,  119  f. 

6.  Bei  einem  Gewitter,  besonders  bei  Nacht,  singen  die  Kinder: 
„Santa  Barbara  va  pel  camp  —  Toda  vestida  de  blanch  —  De  blanch 
y  de  negra,  —  Santa  Maria  Magdalena.  —  Marc  de  Deu  que  feu  aqui? 

—  Deixam  estar  que  vuy  dormi!  —  Mira  que  venen  tres  llamps  —  Un 
de  trons,  un  de  llamps  —  Y  un  de  mals  espants."  (Die  heilige  Barbara 
geht  über  Feld  —  Ganz  weiß  gekleidet  —  Weiß  und  schwarz,  — -  Heilige 
Maria  Magdalena.  —  Mutter  Gottes,  was  machst  du  hier?  —  Laß  mich 
sein,  denn  ich  will  schlafen!  —  Sieh',  es  kommen  drei  Blitze  —  Einer 
mit  Donnerschlägen,  einer  mit  Blitzen  —  Und  einer  mit  bösen  Schrecken 
(p.  60). 

Sind  die  Kinder  größer  geworden,  so  singen  sie:  „Santa  Barbara 
va  pel  camp  —  Ab  la  llum  del  Esperit  Sant.  —  Barbara  no  cal  dormir 

—  Tres  nuvols  n'han  de  venir,  —  Un  de  trons,  un  de  llamps  —  Y  un 
de  mals  esperits  blanchs  —  'gafa  l'ös,  y  tira  Tos  —  Dins  d'aquella  fönt 


1^8  F.  LIEBRECHT 

divina  —  Que  no  hi  canta  gall  ni  gallina."  (Die  heilige  Barbara  geht 
über  Feld  —  Mit  dem  Lichte  des  heiligen  Geistes.  —  Der  Barbara  liegt 
nichts  am  Schlaf  —  Drei  Wolken  werden  kommen,  —  Eine  mit  Donner- 
schlägen, eine  mit  Blitzen  —  Und  eine  mit  bösen  weißen  Geistern,  — 
Pack  die  Angst,  —  Und  wirf  die  Angst  —  In  jene  göttliche  Quelle  — 
Daß  weder  Hahn  noch  Henne  danach  kräht  (p.  61). 

7.  Ein  Kindergebet  vor  dem  Einschlafen :  „A  n'aquest  llit  me  he 
ficat  —  Set  ängels  hi  he  trovat^  —  Qualre  als  peus,  tres  al  cap,  —  La 
Verge  Maria  al  meu  costat^  —  Que  me'n  diu:  —  Dorm  y  reposa,  — 
No  tingas  por  de  cap  mala  cosa,  —  Si  cap  mala  cosa  hi  ha  —  La 
Verge  Maria  te'n  traurd,"  (In  diesem  Bett  bin  ich  geblieben  —  Sieben 
Engel  habe  ich  dabei  gefunden,  —  Viere  zu  Füßen,  drei  zu  Köpfen,  — 
die  Jungfrau  Maria  zu  einer  Seite  —  Die  zu  mir  sagt:  —  Schlafe  und 
ruhe,  —  Habe  keine  Furcht  vor  irgend  etwas  Bösem  —  Wenn  irgend 
etwas  Böses  vorhanden  ist,  —  So  wird  die  Jungfrau  Maria  dich  daran 
befreien  (p.  61).     Findet  sich  auch  bei  uns  und  sonst  noch. 

8.  9.  Das  Spiel  Fet  ist  sowohl  „Verstecken"  wie  „Haschen"; 
—  Puput  ist  „Blinde  Kuh" ;  —  Amaga  esqitenas  (Verbirg  den  Rücken) 
oder  Quatre  cantom  (Die  vier  Winkel)  ist  unser  „Kämmerchen  ver- 
miethen",  wobei  die  Spielenden  sich  mit  dem  Rücken  an  die  Wand 
lehnen;  daher  jene  Benennung  (p.  80  ff.). 

10.  Bei  La  camipaneta  la  nincli  ninch  wird  von  einem  Kinde  etwas 
versteckt,  welches  dann  sagt:  „La  campaneta  la  ninch,  ninch  —  Qui 
la  trova  ja  la  tinch."  (Das  Glöcklein  macht  kling  kling  —  Wer's  findet, 
der  hat's).  Die  andern  suchen  dann,  und  in  dem  Maße,  wie  sie  dem 
versteckten  Gegenstaude  nahe  kommen,  ruft  das  erstere:  „Man  ver- 
brennt sich!"  oder  „Man  verbrennt  sich  mehr!"  oder  „Man  verbrennt 
sich  Aveniger!"  bis  er  endlich  gefunden  Avird  (p.  82).  Bei  uns  ruft  man: 
„Es  brennt!" 

11.  Bei  El  anell  'picadrell  nimmt  ein  Kind  einen  Ring  zwischen 
seine  beiden  Hände;  indem  nun  die  andern  niederkauernd  ihre  Hände 
ebenso  an  einander  halten ,  legt  jenes  die  seinen  der  Reihe  nach  zwi- 
schen die  ihrigen,  wobei  es  unbemerkt  den  Ring  einem  von  ihnen  hin- 
eingleiten läßt.  Dann  fragt  es  ein  anderes:  „Wer  hat  den  Ring?"  Räth 
letzteres  richtig,  so  tritt  es  an  die  Stelle  des  ersteren  ;  wenn  nicht,  so 
gibt  es  ein  Pfand  (p.  86).  —  Dies  Spiel  nennen  die  Kinder  in  Schlesien, 
wenn  ich  mich  recht  erinnere:  „Ringelchen  eintheilen". 

12.  Bei  einem  andern  Spiel  gibt  ein  Mädchen,  sitzend,  den  übrigen 
in  einer  Reihe  dastehenden  leise  den  Namen  irgend  eines  farbigen 
Bandes;   nur  zwei  bleiben  in  einiger  Entfernung,  von  denen  das   eine 


KLEINE  MITTHEILUNGEN.  189 

den  Engel,  das  andere  den  Teufel  macht.  Dann  kommt  das  erstere 
herbei  und  ruft:  „Pani,  para!"  Das  sitzende  Mädchen  fragt:  „Wer  ist 
da?"  —  «Kin  Engel  mit  der  Palme!"  —  „Was  will  er  habenV"  —  „Ein 
Band!"  —  „Von  welcher  Farbe?"  —  Der  Teufel  nennt  eine,  und  ist 
ein  solches  Band  vorhanden,  so  nimmt  der  Engel  das  betreffende  Mäd- 
chen mit;  andernfalls  kehrt  er  allein  zurück.  Dann  kommt  der  Teufel 
mit  dem  Zweizack  (forqueta)  und  macht  es  ebenso,  und  dies  geht  so 
fort,  bis  alle  Farben  errathen  sind,  worauf  jede  der  beiden  Parteien 
der  andern  ihre  Mitglieder  zu  entreissen  sucht  (p.  91).  —  Das  Spiel 
ist  dem  baierischen  (Mitten  waldener)  Färb  spiel  sehr  ähnlich,  s.  die 
Beschreibung  desselben  in  der  Ztschr.  f.  d.  Culturgesch.,  N,  F.  2,  604; 
ebenso  dem  schlesischen  „Vogel  flieg  aus!"  Die  bei  letzterem  vorkom- 
mende Wechselrede  lautet:  „Klicg,  Kling!"  —  „Wer  ist  da?"  —  „Der 
Teufel  mit  dem  Siroptopp!"  —  „Was  will  er  haben?"  —  „Einen  schönen 
Vogel!"  —  „Wie  soll  er  heißen?"  —  „Adler!"  —  „Nicht  da!  u.  s.w.  u.  s.  w. 
Hat  er  einen  voi'handeuan  Vogel  gerathen,  so  muß  er  ihn  erst  haschen, 
sonst  kehrt  er  allein  zurück.     Schließlich  gleichfalls  Kampf. 

13.  Bei  einem  andern  Spiel  singt  man  folgenden  Spruch :  „Quiuze 
sön  quinz^,  —  Quinze,  quinze,  quinze,  —  Quinze  sou  quiuze  —  Quinze, 
quinze  sön",  und  macht  bei  jeder  hier  bezeichneten  Silbe  einen  Strich 
auf  ein  Stück  Papier ;  schließlich  sind  es  fünfzehn  Sti'iche.  —  In  Schle- 
sien lautet  der  Spruch:   „Eins,  zwei,   drei,  —  Firlefirlefei  —  Firlefirle- 

firlefirlefirlefirlefei  —Wer  kän  zwanzig  zähln,  zwanzig  stehn  da."  (p.  93). 
Diese  Beispiele  mögen   genügen :  von  weiteren  Anführungen    und 
Vergleichungen  sehe  ich  ab,  da  dies  zu  weit  führen  würde. 

5.  Italische  Mythen. 
Unter  dieser  Überschrift  hat  Usener  in  dem  Rhein.  Mus.  für  Philol. 
N.  F.  XXX,  182  ff.  einen  sehr  anziehenden  Aufsatz  geliefert,  der  aber 
nicht  nur  das  italische,  sondern  ausser  anderm  auch  das  deutsche 
Alterthum  berührt,  so  namentlich  einiges,  wovon  in  dieser  Zeitschrift 
die  Rede  gewesen  ist,  weshalb  ich  hier  mancherlei  mittheile,  was  theils 
zur  Bestätigung  oder  Erweiterung,  theils  aber  auch  zur  Berichtigung 
des  von  Usener  Dargelegten  dienen  soll.  Er  weißt  nämlich  nach,  daß 
das  Austreiben  des  Winters  oder  alten,  abgelebten  Jahres  und  ebenso 
die  Ersetzung  des  letztern,  welches  sowohl  in  männlicher  wie  in  weib- 
licher Gestalt  erscheint,  durch  ein  neues  Götterpaar,  ferner  die  gleich- 
falls auftretende  Verbindung  dieser  beiden  Vorstellungen  in  Mythe  und 
Hochzeitsgebräuchen  sich  sowohl  bei  den  alten  Römern  wie  bei  den 
neuern  Romanen    und    Slaven    wiederfindet;    ähnliches    auch    bei    den 


190  F.  LIEBRECHT 

Griechen  und  Deutscheu.  In  dem  Nachstehenden  folge  ich  dem  Gange 
von  Usener's  Aufsatz,  indem  ich  das  jedesmal  Zubesprechende  her- 
vorhebe. 

Das  Herausiinden  der  Rechten  (der  Braut)  unter  mehreren  an- 
dern Frauen  (S.  183—9),  ein  häufig  vorkommender,  slavischer  Hoch- 
zeitsgebrauch, ist  ein  in  Märchen  und  Sagen  weitverbreiteter  altmytho- 
logischer Zug;  s.  Simrock,  Der  gute  Gerhard  S.  146;  ferner  bei  Soma- 
deva  s.  Brockhaus  in  den  Ber.  der  phil.-hist.  Classe  der  königl.  Sachs. 
Ges.  d.  Wissensch.  1861,  S.  225  f.  in  einer  neuseeländischen  Sage  bei 
A.  Kuhn  Herabk.  des  Feuers  S.  89,  u.  s.  w.  Mit  den  hierhergehörigen 
von  Simrock  a.  a.  O.  erwähnten  Mythen  von  Njördr  und  Skadi  so  wie 
von  Haddiug  und  Regnhild  vergleicht  sich  die  französische  Sitte  in 
Berry,  auf  die  ich  German.  16,  217  verwiesen. 

Weiterhin  führt  Usener  an  (S.  192  f.),  daß  man  in  Oberitalien 
zur  Zeit  der  Mitfasten  den  Vorübergehenden  Eselsköpfe  von  Papier 
an  den  Rücken  anzuheften  sucht.  „Die  römische  Straßenjugend  da- 
gegen schneidet  zu  diesem  Zweck  Treppchen  oder  kleine  Leitern  aus 
Papier  zurecht.  In  Trastevere  pflegt  man  um  dieselbe  Zeit  einen  unter 
irgend  welchen  Vorwand  zu  veranlassen,  eine  Leiter  zu  einem  Nach- 
barn zu  tragen:  sobald  er  sich  mit  dieser  in  Bewegung  gesetzt  hat, 
ruft  man  *^es  brennt,  es  brennt'  und  der  gefoppte,  den  man  mit  Wasser 
zu  begießen  sucht,  wird  der  Täuschung  inne."  Hierzu  bemerke  ich  zu- 
vörderst, daß  am  vierten  Sonntag  der  Fastenzeit  die  Straßenjugend 
in  Lancashire  ehedem  den  in  die  Kirche  gehenden  Frauen  heimlich 
ein  Stück  buntes  Tuch  an  die  Kleider  zu  heften  pflegt,  und  daß  man 
in  den  drei  letzten  Tagen  des  Carneval  auch  in  Portugal  den  Personen 
auf  der  Straße  hinterwärts  einen  langen  Papierstreifen  anhängt  und 
das  gemeine  Volk  ihnen  dann  nachruft 'rabo  leva!'  (d.  i.  er  trägt  einen 
Schweif);  s.  Harlaud  und  Wilkinson,  Lancashire  Folk-lore.  London 
1867  ,  p.  225.  In  Madrid  hingegen  spielt  die  obenerwähnte  Leiter  an 
einem  früheren  Feste,  nämlich  am  Dreikönigsabend  eine  große  Rolle; 
denn  von  einer  Schaar  Straßenbuben  begleitet,  welche  Windfackeln 
tragen  und  mit  Trommeln  und  Schellen  einen  Höllenläim  machen, 
durchzieht  ein  Galicier  mit  einer  ungeheuren  Leiter  die  Straßen  jener 
Stadt,  indem  man  ihn  glauben  macht,  er  müsse  auf  diese  Weise  die 
Ankunft  der  drei  Könige  erwarten,  die  natürlich  nicht  kommen,  so  daß 
er  am  folgenden  Morgen  tüchtig  ausgelacht  wird,  obschon  mancher 
Galicier  nur  so  den  Einfaltspinsel  spielt  um  ein  gutes  Abendbrot  und 
ein  paar  Pesetas  zu  erhaschen;  s.  Composiciones  Jocosas  etc.  o  sea  Co- 
leccion  etc.  publicada  por  A.  Herrraanu.    Lipsia  18G1,  p.  153  f.    Was 


KLEINE  MTTTHEILUNGEN.  191 

nun  den  Höllenspectakel  betrifft,  so  tintlen  wir  denselben  in  Rom  um 
die  nämliche  Zeit,  aber  dort  zu  Ehren  der  Befana  (Usener  8.  190  f.); 
hinsichtlich  der  in  Rom  und  Madrid  zur  Verspottung  gebrauchten  Leitern 
aber  will  ich  bemerken,  daß  sie  ihr  Analogen  oder  wahrscheinlich 
ihre  Erklärung  in  jenen  Leitern  finden,  die  auf  römischen  Amuleten 
zur  Abwehrung  des  bösen  Blickes  vorkommen,  zu  welchem  Zwecke 
bekanntlich  jede  Art  von  Verhöhnung  oder  Impertinenz  diente;  s. 
Jahn ,  Über  den  Aberglauben  des  bösen  Blicks  bei  den  Alten  in  den 
Ber.  der  phil.-hist.  Classe  der  kön.  Sachs.  Ges.  d.  Wissensch.  1855, 
S.  93  ff.  Wenn  jedoch  Useuer  S.  193  weiter  bemerkt:  „Der  Zusam- 
menhang mit  dem  Zersägen  der  Alten  wird  durch  einen  Scherz  deut- 
lich, den  mau  in  Neapel  freilich  nicht  zu  Mitfasten,  sondern  wie  bei 
uns  am  1.  April  ausübt;  die  Knaben  schneiden  Tuchlappen  zur  Ge- 
stalt von  Sägen  und  beschmieren  sie  mit  Gyps;  mit  diesen  'Sägen 
schlagen  sie  den  Vorübergehenden  auf  den  Rücken  und  diese  tragen 
so  das  Bild  einer  Säge  mit  sich  davon",  so  möchte  ich  dagegen  be- 
merken, daß  diese  Sägen  vielmehr  den  oben  erwähnten  Treppchen  oder 
kleinen  Leitern  der  römischen  Straßenjugeud  entsprechen,  da  das  Blatt 
einer  Säge  s  einer  kleinen  Treppe  sehr  ähnlich  sieht,  und  daß  sie 
also  mit  dem  Zersägen  der  Alten  in  keiner  näheren  Verbindung  stehen; 
sie  sind  eben  auch  nur  eine  Neckerei  oder  Verhöhnung. 

Daß  zu  Vaihingen  an  der  Ens  am  Abend  des  Maientages  (1.  Mai), 
der  dort  festlich  begangen  wird,  ehedem  die  Burschen  ÄFädchenröcke 
und  die  Mädchen  Mannskleider  trugen  (Usener  S.  195),  weist  gleichfalls 
auf  uralten  weitverbreiteten  Religionsgebrauch  hin;  denn  was  Deutsch- 
land betrifft ,  so  meldet  schon  Tac.  Germ.  43 :  „  Apud  Naharvalos  an- 
tiquae  religionis  lucus  osteuditur.  Praesidet  sacerdos  muliebri  ornatu." 
Außerdem  bemerke  ich,  daß  in  der  Woche  vor  Ostern  die  jungen 
Burschen  in  Ost-Lancashire  auf  beste  herausgeputzt  in  Abtheilungen 
von  fünf  oder  sechs  auf  dem  Lande  umherziehen  um  kleine  Geschenke 
einzusammeln,  namentlich  Eier;  sie  sind  von  einem  Lustigmacher  {fool 
oder  toss-pot)  begleitet,  und  während  die  einen  auf  Instrumenten  spielen, 
tanzen  die  übrigen.  Gelegentlich  schließen  sich  ihnen  auch  junge 
Frauenspersonen  an,  in  welchem  Falle  diese  Männerkleidung,  die  Bur- 
schen dagegen  Frauenkleidung  tragen ;  s.  Harland  und  Wilkinson  a.  a.  O., 
p.  231;  s.  ferner  über  diese  Kleidervertauschuug  Bachofen,  Mutterrecht 
im  Register  s.  v.  Gewänder,  bes.  S.  72.  233.  356;  dessen  Tauaquil 
S.  52,  Aum.  19;  Menzel,  Vorchristliche  Unsterblichkeitslehre  1,  170; 
Chwolsohn^  Die  Ssabier  und  der  Ssabismus  2,  731,  Anm.  95;  vgl.  auch 
Bastian  und  Hartmann's  Ztschr.  f.  Ethnol.  1,  88,  425. 


192  F.  LIEBRECHT 

Bei  der  Säcularfeier  uud  wahrscheinlich  vor  der  ersten  Nacht 
derselben  fanden  zu  Rom  Vertheilnngen  von  Weizen,  Gerste  und  Bohnen 
statt,  ebenso  auch  von  Gerste  und  Hülsenfrüchten  bei  der  symbolischen 
Beerdigung  der  Xagt^a  (Volkserfreuende,  Volksfreude),  welche  den  neun- 
jährigen Cyclus  der  Delphier  abschloß,  und  hiermit  steht  ferner  ein 
Fest  der  römischen  Jahresgöttin  Anna  in  Verbindung,  welche  in  Ge- 
stalt einer  armen  alten  Frau  einstmals  der  hungernden  plebs  auf  dem 
Mons  sacer  durch  ihre  Kuchen  das  Leben  fristete  (Usener  S.  203 — 205. 
208).  Hierbei  erinnere  ich  zunächst  daran,  daß  auch  bei  den  Floralien 
Bohnen  und  Erbsen  unter  das  Volk  geworfen  wurden,  so  wie  anderer- 
seits Bertha  „die  gute  Frau",  die  „bonne  dame"  und  ebenso  ihr  Ur- 
bild Berchta  eine  besonders  freundliche  Gesinnung  gegen  das  arme 
Volk  zeigen,  dessen  jährliche  Speisung  sie  anordnen  und  worüber  sie 
an  den  betreffenden  Festtagen  streng  wachen;  s.  Simrock,  Myth.  *, 
S.  394  f.  Der  noch  jetzt  den  Armen  verabreichte  „süße  Brei"  wird  aus 
Erbsen  und  Heidegrütze  gekocht;  Grimm,  D.  S. ,  Nr.  267.  In  allen 
den  hier  genannten  so  wie  in  noch  andern  mythologischen  weiblichen 
Gestalten  oder  Göttinen  „sehen  wir  nur  einzelne  Seiten  und  Erschei- 
nungen dargestellt,  die  zusammengenommen  einst  das  Wesen  der  ge- 
heimnissvoll wirkenden  Erdgöttin  ausmachten,  der  großen  Lebensmutter^ 
die,  Segen  und  Fruchtbarkeit  spendend,  selbst  als  Todesgöttin  nicht 
verderblich  wirkt,  indem  sie  die  Seelen  der  Verstorbenen  in  ihren  müt- 
terlichen Schoß  zurücknimmt."  Simrock  a.  a.  O.  S.  310.  Vgl.  meine 
Anzeige  von  Bachofen's  Tanaquil  in  den  GGA.  1870,  S.  736  f. 

Die  eben  erwähnte  römische  Anna  hatte  auch  den  Beinamen 
Perenna  und  Usener  sucht  nachzuweisen,  „daß  ursprünglich  den  Römern 
Anna  und  Perenna  oder  Anna  Perenna  zwei  getrennte  Cultusbegriffe 
waren:  das  laufende  Jahr  mit  seinem  Segen  und  das  abgelaufene  Jahr" 
(S.  208).  Diese  Zerlegung  der  einfachen  Göttin  in  eine  zweifache  wird 
sehr  zweifelhaft,  wenn  Anna  Perenna  identisch  ist  mit  der  indischen 
Anna'pürnä,  ein  Beiname  der  Göttin  Durgä  (s.  Roth  und  Böthling, 
Sanscritwb.  S.  1000)^  welcher  bedeutet  „voll  von  Speise",  also  der 
Speisegeberin  Anna  uud  den  ihr  als  solcher  verwandten  oben  ange- 
führten Göttinneu  genau  entspricht.  Das  Fest  der  Annapürnä  als 
Göttin  des  Überflusses  wird  mit  Schmausereien  gefeiert  und  sie  selbst 
mit  strotzenden  oder  zahllosen  Brüsten  dargestellt,  (s.  Inman,  Ancient 
Faiths  2'  ed.  Lond.  1872.  I,  83.  Cox,  IMythology  of  the  Aryan  Nations. 
Lond.  1870.  I,  433)  wozu  noch  kommt,  daß  Durga,  wie  Usener  selbst 
nach  Bohlen  anführt  (S.  189),  bei  einem  ihrer  Feste  in  feierlichem 
Umzüge  umhergetragen  und  dann  in  den  Ganges   geworfen  wird,  wie 


KLEINE  MITTHEILUNGEN.  193 

auch  Anna  in  dem  Fluß  Numicius  ertrinkt.  Au  der  Identität  der  Anna 
Perenna  und  Annapürna,  läßt  sich  also  kaum  zweifeln  und  erstere  darf 
daher  nicht  in  zwei  (Jüttinen  zerlegt  werden,  was  jedoch  niclit  hindert 
daß  römische  Alterthumsforscher,  wie  Varro  oder  auch  selbst  theilweise 
das  Volk,  in  jener  Göttin  sowohl  eine  Anna  wie  eine  Perenna  oder 
Peranna  mochten  erkennen  wollen.  Die  Frage  aber,  ob  das  lat.  annus 
und  das  sskr.  anna  mit  einander  etymologisch  verwandt  sind,  wage 
ich  blos  aufzuwerfen,  die  Entscheidung  competenterera  Urtheil  über- 
lassend; nur  möchte  ich  meinen,  daß  die  Begrifife  Speise,  Getreide,  Ernte, 
Jahresfrucht,  Jahr  einander  nicht  zu  fern  liegen  und  also  wohl  annus 
aus  anna  oder  einer  ähnlichen  arischen  Wortform  hervorgehen  konnte. 
Daß  die  Römer  bis  auf  die  Zeit  Caesar's  ihr  Jahr  mit  dem  März 
begannen  ist  bekannt,  und  im  März  auch  nehmen  die  irdischen  Ver- 
treter des  jungen  Jahresgottes  (Mamers,  Mars),  nämlich  die  Salier,  die 
Auspeitschung  und  Austreibung  des  alten  und  abgelebten  Jahresgottes, 
des  Mamurius  Veturius,  vor  (Usener  S.  218).  Neben  der  Austreibung 
des  letzteren  mag  aber  auch  im  alten  Italien  eine  Steinigung  des- 
selben stattgefunden  haben,  wie  aus  der  von  mir  Germ.  18,453  mit- 
getheilten  Schilderung  eines  zu  Alatri  in  der  römischen  Campagna 
gefeierten  Festes  hervorzugehen  scheint,  welche  Steinigung  man  also 
dann  in  ihrer  ursprünglichen  Bedeutung  nicht  als  Steinopfer  be- 
trachten könnte.  Diesem  in  die  Cyclopenraauer  der  Porta  Bellona 
eingemeißelten  und  gesteinigten  Marzo,  bei  dem  auch  der  Name  des 
Thors  nicht  zu  übersehen  ist,  entspräche  der  an  die  Mauer  gestellte 
Caramnniran  (careme-eutrant  =  careme-prenaut  =  Wintergott)  im  Depart. 
Finisterre,  so  wie  das  oben  (Germ.  22,  28  ff.)  aus  Herod.  2,  121  Ange- 
führte. Hierbei  ist  auch  der  von  Schröer  (Germ.  17,  459)  besprochenen, 
neben  dem  Wiener  Thor  zu  Heimburg  (dem  römischen  Caruunthum)  in 
der  Mauer  befindlichen  zwei  Steinbilder  zu  gedenken^  welche  das  Volk 
jetzt  als  Attila  oder  Winter  (und  Krimhilde?)  oder  Sommer  bezeichnet 
und  von  denen  ehedem  letztere  alljährlich  zu  Pfingsten  durch  die  Knaben 
gesteinigt  wurde.  Stellte  die  geharnischte  Mannsfigur  in  der  früheren  rö- 
mischen Mauer  dien  Mars  vor?  Die  weibliche  Figur,  ein  Seitenstück  des 
dem  Marzo  an  der  Porta  Bellona  zu  Alatri  als  Pendant  dienenden  Aprüe, 
wäre  dann  seine  Gemahlin  Nerio  oder  Bellona  gewesen.  Warum  aber 
wurde  Nerio  gesteinigt,  zumal  man  sie  doch  als  Sommergöttin  bezeich- 
nete, wie  sie  es  auch  war?  Lag  hierbei  nur  eine  spätere  Verwechslung 
vor  und  galt  die  Steinigung  ursprünglich  dem  Mars  als  Wintergott?  Doch 
genug  der  Fragen ,  schon  wegen  der  bekannten  Sprichwörter  (Simrock 
Nr.  7318 — 9  u.  s.  w.).  Nur  das  möchte  ich  noch  hinzufügen,  daß   Stein- 

GERMANIA.  Nene  Reihe.  X.  (XXU.  Jahrg.)  13 


194  F.  LIEBRECHT,  KLEINE  MITTHEILUNGEN. 

Opfer,  Steinigung  und  Heidenwerfen  in  späterer  Zeit  oft  in  einander 
übergegangen  sein  mögen,  so  wie  ferner  daß  in  einer  kleinen  nicht  näher 
bezeichneten  Ortschaft  der  spanischen  Provinz  Alcarria  (Guadalajara) 
einem  Steinbilde  des  Judas  alljährlich  zur  Fastenzeit  von  den  jungen 
Burschen  die  Nase  abgeschlagen,  dann  aber  für  das  kommende  Jahr 
aus  Gyps  erneut  wird.    Composiciones  jocosas  etc.  p.  142  f. 

6.  Hochzeitsprügel. 
Der  Grund  zu  den  Germ.  21,  78  besprochenen  Prügeln  des  Bräu- 
tigams wie  der  Braut  findet  sich  wahrscheinlich  in  der  ehemals  überall 
verbreiteten  Sitte  des  Mädchenraubs  und  den  dabei  stattgefundenen 
Kämpfen,  welche  demgemäß  späterhin  bei  der  Hochzeit  symbolisch 
dargestellt  wurden.  Man  vergleiche  hiermit  was  über  Neuseeland  be- 
richtet wird:  „Sehr  gewöhnlich  war  es,  das  Mädchen  mit  Gewalt  zu 
rauben  5  dabei  kam  es  oft  zu  sehr  erbitterten  Kämpfen,  in  welchen  das 
Mädchen  selbst  bisweilen  verwundet,  ja  wohl  gar,  um  es  nicht  der 
feindlichen  Partei  zu  überlassen,  getödtet  wurde.  Doch  auch  dann, 
wenn  Niemand  sich  der  Heirath  widersetzte,  führte  man  Streit  und 
Versöhnung  zum  Schein  auf  (Taylor  162  f.).  Ahnlich  erzählt  Dieffen- 
bach  (2,  36  f.),  daß  wenn  ein  Mädchen  von  zwei  Liebhabern  umfreit 
sei,  diese  die  Geliebte  je  au  einem  Arme  faßten  und  zu  sich  hinzögen; 
der  Stärkere  habe  sie  bekommen,  doch  sei  es  auch  hier  bisweilen 
nicht  ohne  Verrenkungen  abgegangen*).  Ein  Rest  dieser  Sitte  könnte 
es  sein,  daß  die  Neuvermählten  von  ihren  Freunden  ausgeplündert  und 
geprügelt  werden  (Pollack  Narr.  1,  379)."  Waitz  Authropol.  der  Natur- 
völker, Band  VI  (von  Gerland),  S.  126.  Ebenso  in  Neusüdwales:  „Hier 
wird  das  Mädchen,  auch  wenn  ihm  und  den  Seinen  die  Ehe  recht  ist, 
stets  heimlich  von  dem  Bräutiganj  und  seiner  Partei  überfallen  und 
womöglich  geraubt.  Da  aber  die  Angehörigen  des  Mädchens  auf  ihrer 
Huth  sind,  so  kommt  es  meist  zu  einem  sehr  hitzigen  Kampf,  in  wel- 
chem die  meisten  und  oft  sehr  schwere  Prügel  —  die  Braut  empfängt, 
welche  beide  Parteien  hin  und  herzerren,  so  daß  sie  auch  Verrenkungen 
oft  beträchtlicher  Art  gar  nicht  selten  erleidet.  Und  dabei  ist  das 
ganze  Gefecht  sehr  oft  nur  Scheingefecht,  dem  Herkommen  gemäß, 
welches  selbst  die  Weiber  nicht  abgeschafft  wissen  wollen."  Waitz 
a.  a.  O.  S.  773,  „Oft  übel  zugerichtet  muß  d.  Korjake  seine  Braut  er- 
haschen." Ebend.  1^  359.  Vgl.  Mannhardt,  Wald-  und  Feldculte  1,  299  f. 

*)  Wenn  es  nicht  noch  schlimmer  ablief  und  die  Ärmste  dabei  gar  das  Leben 
verlor;  vgl.  Plut.  Amator.  Narr.  I.  Grohmann,  Sagenbuch  v.  Böhmen  S.  184  „Jungfer 
Lida".  L, 


R.  BECKER,  ÜBER  REINMAR  VON  HAGENAU.  195 

ÜBER  REINMAR  VON  HAGENAU. 

VON 

REINHOLD  BECKER.  (vSchluß.) 

Wir  gehen  nun  zu  den  Strophen,  die  sich  meist  nur  in  C  finden, 
also  unsicher  bezeugt  sind. 

Es  folgen  zunächst  2  Kreuzlieder,  180,  28  und  181,  13,  beide 
nach  Schmidt  Eigenthura  Rugges.  Zu  dem  erstem  Liede  bemerkt  er : 
„die  Leute  wundern  sich  über  die  traurige  Miene  des  allezeit  fröhlichen 
Mannes.  Reinmar  wird  im  Gegentheil  wegen  seiner  unablässigen  Klagen 
ausgelacht."  Daß  dem  Dichter,  der  sich  sogar  im  tiefsten  Leid  zur 
Freude  nöthigen  wollte,  dieselbe  vor  der  entschiedenen  Abweisung  durch 
die  gefeierte  Dame  nicht  fern  lag,  haben  wir  gesehen.  Zugleich  aber 
mußten  wir  daraufhinweisen,  wie  bereit  er  war,  sich  selbst  zu  täuschen; 
sang  er  doch  164,  8  in  einem  Lied,  das  nicht  zu  den  friihern  gehört, 
seine  Ungebärde  habe  gar  selten  jemand  gesehen.  Auch  in  dem  spätem 
Lied  187,  31  erzählt  er,  die  Leute  fragten  ihn,  was  ihm  denn  so  Großes 
geschehen  sei,  daß  er  so  riuweclichen  klage.  Diese  Frager  verwun- 
derten sich  doch  auch.  Demnach  kann  man  den  Anfang  unseres  Liedes 
nicht  gegen  den  Dichter  geltend  machen.  Zudem  ist  der  Gegensatz : 
früher  froh,  jetzt  traurig  —  eine  Lieblingswendung  Reinmars  cf.  154,  36: 
ich  denke  wol,  daz  ich  ez  anders  pflac  hie  vor,  dö  mir  diu  sorge  so 
niht  ze  herzen  wac.  Gegen  Rugge  aber  spricht,  und  das  scheint  uns 
schon  allein  entscheidend  zu  sein,  die  v.  32  gebrauchte  Wendung:  kaem 
aber  mir  ein  lebender  tac,  ich  kan  noch  daz  ich  ie  kund  oder  mere. 
Rugge  spricht,  wie  wir  schon  früher  hervorgehoben  haben,  nie  von 
seinem  Können,  geschweige  denn,  daß  er  irgendwie  hervorhöbe,  sein 
Liebesleid  mindere  seine  Kunst;  ganz  ähnlich  aber  wie  hier  singt 
Reinmar  156,  30:  mir  hat  zwivel  den  ich  hän  al  daz  künde  gar  benomen 
wenne  sol  mir  iemer  spilndiu  fröide  komen.  Von  dieser  erwartet  er 
in  beiden  Liedern,  dass  sie  ihn  zu  fröhlicher  Kunst  wieder  anrege. 
Für  Rugge  klingt  auch  v.  30 :  dem  ist  nu  also  daz  ich  baz  niene  mac^ 
zu  resignirt. 

Zu  181,4  heißt  es  pag.  56:  „trüren  gehört  diesem  Dichter  also 
nicht  nothwendig  zum  Dienst."  Wir  sehen,  wie  das  falsche  Bild  von 
der  Persönlichkeit  Reinmars  auf  die  Kritik  einwirkt. 

Der  Gedanke  der  dritten  Strophe  ist  Rugge  98,  29  ähnlich,  wenn 
auch  nicht  gleich.  Dort  verachten  gute  Frauen  die  Zuiückbleibenden; 


196  K-  BECKER 

hier  wird  das  Zurückbleiben  als  vergeblich  dargestellt,  weil  gute  Frauen 
nicht  so  leicht  zu  gewinnen  sind.  Der  Ruggeschen  Stelle  steht  übrigens 
Hüsen  näher  als  Reinmar,  48,  13  f.  singt  Husen :  wie  künde  in  der 
gedieneu  iet,  der  gotes  verte  also  erschrac.  DalJ  Reinmar  den  Leich 
Rugges  gekannt  hat,  ist  von  vornherein  anzunehmen  und  so  mag  er 
sich  denn  diese  wirkungsvolle  Mahnung  angeeignet  haben.  Wir  Averden 
sehen ,  wie  er  sich  im  zweiten  Kreuzlied  an  Hüsen  anschließt.  Der 
Schluß  ist  echt  reinmarisch  und  weist  wie  der  Anfang  auf  böse  Er- 
fahrungen im  Minnedienste  hin. 

Ueber  das  Lied  im  allgemeinen  bemerkt  Schmidt,  der  Grundton 
stimme  trotz  der  leichtern  Einkleidung  durchaus  mit  dem  Geiste  des 
ruggischen  Kreuzleiches  überein.  Es  scheint  uns,  dass  man  mit  besserm 
Rechte  das  Gegentheil  behaupten  kann.  Der  Grundton  in  beiden  Ge- 
dichten ist  wesentlich  verschieden  und  die  Eigenart  Rugges  im  Unter- 
schied von  der  Reinmars  kann  man  hier  ebenso  wie  in  den  Minne- 
liedern beobachten.  Rugge  gehört  noch  der  altern  Zeit  an,  die  sich  in 
ihrer  Empfindungsweise  noch  durch  eine  gewisse  schlichte  Einfachheit 
kundgibt.  Die  Gefühle,  deren  sich  Rugge  bewußt  wird,  spricht  er 
positiv  und  bestimmt  in  aller  Kürze  aus ,  weshalb  ihm  auch  die  Ein- 
strophigkeit  in  den  meisten  Fällen  genügt.  Es  ist  immer  nur  ein  ein- 
zelnes Gefühl_,  das  ihn  belebt,  nichts  ist  zu  bemerken  von  einer  Spal- 
tung in  seinem  Innern,  von  dem  Streit  der  Gedanken,  dem  ungewissen 
Hin-  und  Herschwanken  und  dem  raschen  Wechsel  der  Gefühle,  der 
Reinmar  so  eigenthümlich  ist.  Betrachten  wir  kurz,  um  die  Art  dieses 
Dicliters  deutlich  zu  machen,  die  Strophe  157^  31,  Dieselbe  beginnt 
scheinbar  sehr  entschieden:  wüsste  ich  nicht,  dalS'  sie  mich  noch  werth 
machen  kann,  ich  diente  ihr  nicht  mehr.  Doch  nun  folge  ich  ihrer 
Tugend  und  bitte  um  Gnade.  Sofort  aber  macht  sich  nun  der  Zweifel 
geltend:  waz  hilfet  daz?  ich  weiz  wol  daz  siez  niht  entuot.  Die 
Strophe  schließt  dann  mit  der  ungläubigen  Bitte  an  die  Dame:  nu  tuo 
siez  durch  den  willen  min,  und  läze  mich  ir  tore  sin,  und  nemo  mino 
rede  für  guot.  Eine  solche  Strophe  würden  wir  Rugge  nicht  zutrauen 
können.  Die  schlichte  Geradheit  der  Gesinnung  dieses  Dichters,  die 
seinem  Charakter  aMe  Ehre  macht,  aber  der  individuellen  Vertiefung 
und  dem  Reichthum  der  späteren  Zeit  gegenüber  etwas  eintönig  ist, 
ist  auch  in  dem  Kreuzleich  zu  bemerken.  Die  subjective  Stimmung 
tritt  hier  ganz  in  den  Hintergrund.  Der  Ausdruck  ist  von  einer  Bestimmt- 
heit, die  verräth,  daß  der  Dichter  an  der  Wahrheit  seiner  Kreuzpredigt 
—  denn  eine  solche  ist  das  Gedicht  —  nicht  den  geringsten  Zweifel 
hegt.  Breit  ausgeführt  sind  die  Schilderungen  der  ewigen  Herrlichkeit 


ÜBER  REINMAE  VON  HAGENAU.  197 

im  Gegensatz  zu  der  Nichtigkeit  des  irdischen  Daseins.  Jenes  müssen 
Avir  wählen,  da  Gottes  Zorn  ergeht  über  den,  der  ihm  nicht  dienen 
will;  auch  lohnt  die  Welt  gar  manchem,  der  nach  ihr  strebt,  mit  bösem 
Ende.  In  solchen  Sätzen  spricht  Rugge  oö'enbar  die  Meinung  seiner 
Zeit  aus.  Er  folgt  treuherzig  der  Meinung  der  Kreuzprediger,  die  das 
irdische  Leben  recht  dunkel  malten,  um  einen  möglichst  starken  Gegen- 
satz für  die  himmlische  Seligkeit  zu  gewinnen.  Das  Leben  ist  so  schlecht, 
die  Seligkeit  so  groß,  da  kann  die  Wahl  nicht  schwer  fallen.  Ganz 
denselben  Geist  athmet  das  kleine  Kreuzlied  102,  14:  nu  länt  mich 
tüscnt  lande  hän :  c  ich  si  danne  wisse,  so  müest  ich  si  län  und  wirt 
mir  dar  nach  niht  wan  siben  füezc  lanc.  üf  bezzer  Ion  stet  aller  min 
gedanc.  Auch  hier  zeigt  sich  die  Gebundenheit  Rugges  der  Tradition 
gegenüber.  Von  der  weltflüchtigen  und  weltverachtenden  Stimmung  der 
beiden  Kreuzlieder  findet  sich  in  den  Minueliedern  nichts.  Zu  der  objec- 
tiven  Haltung  und  zu  der  weltflüchtigen  Stimmung  jener  Lieder  Rugges 
steht  das  Kreuzlied  180,  27  in  entschiedenem  Gegensatz.  Der  Dichter 
dieses  Liedes  hat  weltliche  Freude  und  Ehre  nicht  vergessen.  Die  Leute 
wundern  sich  über  seine  Trauer;  käme  ihm  aber  wieder  ein  guter  Tag, 
so  werde  er  die  alte  frohe  Kunst  schon  wieder  üben.  Doch  von  welt- 
lichen Dingen  will  er  nun  schweigen  um  der  Ehre  Gottes  willen  „der 
mir  saelden  hat  gegeben  so  vil ;  ich  gouch,  als  ich  des  nicht  erkennen 
wil".  Man  bemerke  hier  den  schnellen  Wechsel  der  vielfach  nur  leise 
angedeuteten  Empfindungen  —  echt  Reinmarisch.  In  der  ersten  Strophe 
hatte  der  Dichter  noch  von  seiner  Minnetrauer  gesprochen,  nun  hebt 
er  hervor,  dass  man  zur  Freude  besondern  Grund  habe,  man  könne 
ja  auf  dem  Kreuzzug  Lob  und  Ehre  —  also  weltliche  Güter  —  und 
dazu  Gottes  Huld  erwerben.  Er  ist  also  keineswegs  geneigt,  jene  gering 
zu  schätzen,  wie  der  Kreuzprediger  Rugge,  dessen  ,,  saelden"  im  Jenseits 
liegen,  von  dem  er  so  genaue  Rechenschaft  abzulegen  weiß.  Unser 
Gedicht  ist  jedenfalls  ganz  subjectiv,  es  befaßt  sich  nicht  mit  den 
Gründen,  warum  man  eine  Kreuzfahrt  machen  müsse,  sondern  es  schil- 
dert die  Gefühle  des  Dichters  bei  der  Sache. 

Denselben  Grundcharakter,  wie  das  erste  Kreuzlied  trägt  auch 
das  zweite,  181,  13  f.  Die  Gedanken,  welche  den  weltlichen  Dienst  nicht 
vergessen  können,  toben  ihm  gegen  einander  und  so  beschließt  er  denn 
sie  freizugeben.  Diese  Nachgiebigkeit  weicht  weit  ab  von  der  ent- 
schiedenen Festigkeit,  die  Rugge  im  Leich  und  im  Lied  zur  Schau  trägt. 
Die  Ohnmacht  des  Dichters  seinen  Gedanken  gegenüber,  das  willenlose 
Sich-hin-geben  an  dieselben  entspricht  sogar  der  eigenthümlichen  Natur 
Reinmars,  der  auch  174,  24  klagt:   nie  wart  groezer  ungemach  danne 


198  R-  BECKER 

ez  ist  der  mit  gedanken  umbe  gät  —  cf.  163,  18  151,  34,  in  welchen 
beiden  Stellen  die  Macht  der  Gedanken  ebenfalls  stark  hervorgehoben 
ist.  Bei  Rugge  nichts  ähnliches.  Diesem  allgemeinen  Charakter  gegen- 
über kann  die  Responsion  in  den  beiden  Kreuzliedern  um  so  weniger 
beirren,  da  sich  dieselbe  auch  sonst,  wenn  auch  nicht  gerade  oft,  be^ 
Reinmar  findet.  So  151,  17—25  und  21  f.  —  29.  152,  1  f.  und  21  f. 
177,  14.  20.  25.  176,  5  f.,  in  welchem  Lied  die  erste  und  die  letzte  Strophe, 
mit  der  Anrede  frouwe  schliessen,  die  beiden  mittlem  aber  damit  be- 
ginnen. Das  ist  freilich  nicht  viel  für  die  Masse  Reiumarischer  Lieder; 
sehen  wir  uns  die  betreffenden  Lieder  aber  näher  an,  so  bemerken  wir, 
daß  sie  sämmtlich  einen  frischen  heitern  Ton  anschlagen  oder  doch 
wenigstens  keine  Klagelieder  sind,  während  die  zahlreichen  Lieder,  in 
denen  er  seinen  Kummer  ausströmt,  nichts  von  solchen  Künsten  wissen. 
Auch  die  beiden  Kreuzlieder  verrathen  eine  gehobenere  Stimmung. 
Wir  hatten  schon  oben  den  hoffnungsfreudigen  Wechsel  110,  8  f.,  dessen 
beide  Strophen  ebenfalls  durch  Responsion  verbunden  sind,  Reinmar 
zugesprochen;  die  Responsion  in  demselben  schien  uns  um  so  we- 
niger anstößig,  da  sie  auch  in  dem  Wechsel  151,  17  hervortritt.  Zu 
den  oben  angeführten  4  Liedern  mit  Responsion  treten  demnach  noch 
3  andere,  die  durch  innere  Gründe  Reinmar  zugesprochen  werden 
müssen.  Da  dieselben  nun  sämmtlich  frische  Farben  tragen,  so  müssen 
wir  schließen,  daß  Reinmar  diese  Künstelei  nur  bei  den  eigentlichen 
Trauerliedern  absichtlich  gemieden  habe,  während  er  in  freierer  Zeit 
es  nicht  verschmähte,  in  dieser  Beziehung  der  Mode  zu  huldigen.  Dies 
Ergebniss  spricht  so  stark  für  die  innere  Wahrheit  und  Unmittelbar- 
keit der  reinmarischen  Liebesklage,  daß  dem  Zweifel  daran  jede  Be- 
rechtigung entzogen  wird. 

Wir  kehren  zu  dem  zweiten  Kreuzlied  zurück.  Die  schöne  bild- 
liche Vorstellung,  welche  dem  Gedichte  zu  Grunde  liegt,  kann  nicht 
gegen  Reinmar  geltend  gemacht  werden,  denn  sie  ist  doch  gar  wenig 
individuell  ausgemalt;  sie  überschreitet  kaum  den  gewöhnlichen  Sprach- 
gebrauch, da  sie  sich  an  das  bekannte  Sprichwort  anlehnt:  gedanke 
sint  vrt.  cf.  auch  den  Morunger  125,  21:  ich  var  als  ich  fliegen  künne 
mit  gedanken  iemer  umbe  sie.  Im  übrigen  lehnt  sich  das  Gedicht  181,  13 
ganz  an  das  bekannte  Kreuzlied  Hüsens  au,  nicht  aber  an  die  Ge- 
dankenreihen Rugges.  Wie  hier  die  Gedanken,  so  scheiden  sich  dort 
Herz  und  Leib.  Auch  dort  heißt  es  wie  hier:  ich  wände  ledic  sin  von 
solher  swaere.  In  beiden  Gedichten  folgt  dann  in  der  dritten  Strophe 
der  Entschluss,  das  Herz  oder  die  Gedanken  zui'  Geliebten  hinzusenden. 


ÜBER  REINMAR  VON  HAGENAU.  199 

Auch  in  diesem  Punkte  also  zeigt  sich  der  Zusammenhang  Rcinmars 
mit  Hüsen,  den  Schmidt  selbst  öfters  hervorgehoben  hat. 

Die  einzelne  Strophe  182,  4,  der  der  Character  der  reinraarischen 
Lyrik  an  die  Stirn  geschrieben  ist,  fällt  natürlich  demselben  Verfasser 
zu,  wie  181,  13,  da  sie  in  demselben  Ton  gedichtet  ist.  Schmidt  mußte 
sie  aus  dem  Eiufluss  Reinmars  aufRugge  erklären;  wie  problematisch 
aber  der  ist,  haben  wir  gesehen. 

Bevor  wir  zu  dem  folgenden  Lied  übergehen,  schließen  wir  kurz 
noch  einige  Erwägungen  an.  Besonders  am  ersten  Kreuzlied,  aber  auch 
am  zweiten  sieht  man,  daß  die  neuen  Verhältnisse  und  Aufgaben,  in 
welche  Reinmar  durch  die  Kreuzfahrt  eintrat,  eine  größere  Frische 
zur  Folge  hatten.  Und  wie  sonst  in  leichter  gehaltenen  Liedern  Res- 
ponsiou  hervorgetreten  war,  so  zeigt  sie  sich  auch  hier  wieder;  sie 
wird  ihm  also  überhaupt  für  Zeiten,  in  denen  er  frischer  fühlte  und 
dichtete,  nicht  abgesprochen  werden  können.  Ferner  erinnern  wir  an 
das,  was  wir  über  die  Naturschilderungen  bei  Reinmar  sagten.  Beson- 
ders 167,  31  zeigt  uns,  da(>  er  kein  principieller  Gegner  der  Tradition 
war,  sondern  sie  nur  in  der  Zeit  seiner  Trauer  naturgemäß  verwarf. 
Endlich  sahen  wir,  wie  sehr  sich  der  Dichter  auch  in  der  Trauer  nach 
Freude  sehnte.  Nach  alledem  schließen  wir,  daß  man  die  Trauerlieder 
nicht  in  jeder  Beziehung  zum  Maßstab  machen  darf,  an  dem  man 
Lieder^  die  vielleicht  einer  andern  Periode  angehören,  mißt. 

Wir  schreiten  nun  in  der  Betrachtung  der  einzelnen  strittigen 
Lieder  weiter  fort,  indem  wir  im  wesentlichen  der  auch  von  Schmidt 
befolgten  Anordnung  in  MF  uns  anschließen. 

182,  14.  Dies  Lied  hat  Schmidt  mit  vollem  Rechte  Reinmar  ab- 
gesprochen; daß  es  darum  aber  Rugge  angehört,  ist  uns  mehr  als 
zweifelhaft ,  denn  dieser  spricht  es  nirgendwo ,  wie  es  hier  geschieht 
aus,  seine  Dame  habe  ihn  in  allen  Stücken  erhört,  er  kommt  an  keiner 
Stelle  über  die  Hoffnung^  daß  es  noch  geschehen  werdC;  hinaus.  Hier 
dagegen  wird  v.  21  auf  vollständige  Erhörung  zurückgeblickt.  Auch 
zu  einer  niedern  Minne  des  Dichters  scheint  das  Lied  nicht  recht  zu 
passen,  denn  v.  18  klingt  im  Munde  eines  Ritters,  sei  es  nun  Reinmar 
oder  Rugge,  sehr  seltsam:  ich  hän  ir  niht  ze  gebenne  wan  min 
selbes  lip.    Das  Lied  rührt  wohl  von  einem  Spielmann  her. 

182,  34.  Ein  Lied  der  Sehnsucht  nach  Freude,  das  Schmidt  Rein- 
marn  abspricht,  weil  der  Dichter  seine  Trauer  gern  los  wäre  —  „Rein- 
mar aber  will  der  Sorge  gar  nicht  entbehren."  Ueber  das  Mißverständ- 
niss,  das  diesen  Worten  zu  Grunde  liegt,  haben  wir  schon  gesprochen. 
Eine  schlagende  Parallele   zu  183,  7,    welche   zugleich   die  Auffassung 


200  R-  BECKER 

Schmidts  vernichtet^  steht  in  dem  von  ihm  selbst  als  reinmarisch  an- 
erkannten Lied  190,  v  23  f. :  wenn  sie  mich  nicht  erhört,  so  mac  ich 
klagen  vil  ich  tumber  man,  daz  ich  miner  tage  wider  niht  gewinnen 
kan.  Auch  der  Gebrauch  der  Parenthese  v  35  spricht  für  Reinmar. 

183,  9.  Haupt  in  den  Anmerkungen:  „Die  Reime  gesehen  —  ergen 
verdächtigen  das  Lied."  Er  sucht  daher  zu  bessern  getan  und  ergän. 
Wir  wagen  nicht  bestimmt  für  die  Conjectur  einzutreten,  denn  kein 
innerer  Grund  fordert  die  Aenderung,  und  die  Tradition  der  Handschrift 
C,  welche  das  Lied  Reinmar  zuschreibt,  ist  zu  unsicher  in  Bezug  auf 
die  Verfasser  der  einzelnen  Lieder,  als  daß  wir  auf  ihre  Autorität 
hin  die  Aenderung  zu  Gunsten  Reinmars  für  gesichert  halten  könnten. 
Ein  Jugendgedicht  Rugges  aber  darf  man  hier  nicht  suchen.  Wie 
sollte  die  resignirte  Stimmung,  die  sich  hier  äussert,  zu  Rugge  passen, 
der  doch  nach  Schmidt  nur  um  Minnesold  dient  —  cf.  v  19  nu  waenet 
si  mich  hän  betrogen,  nu  löne  ir  got:  ich  bin  von  ir  genädeu  wol 
gezogen.  Und  gar  in  seiner  Jugend  sollte  dieser  so  gesprochen  haben? 
Theilt  uns  doch  Schmidt  auf  derselben  pag.  59  mit,  was  wir  freilich 
anzweifeln  mußten,  dem  Dichter  sei  von  Anbeginn  volles  Liebesglück 
bescheert  gewesen  (zur  letzten  Strophe  von  182,  14).  Wenn  wir  von 
jener  schon  besprochenen  verdächtigen  Stelle  absehen,  so  scheint  uns 
das  Gedicht  echt  reiumarisches  Gepräge  zu  tragen;  der  Einfachheit 
des  Salzbaues  gemäß  müßte  es  in  die  frühere  Periode  des  Dichters 
fallen.  Bei  dem  Dichter,  dessen  naive  Offenheit  so  oft  dem  Spott  der 
Genossen  ausgesetzt  war  (cf.  besonders  167,  13),  macht  sich  der  Ein- 
gang nieman  frage  mir  ze  leide  wes  min  tumbez  herze  fröuwe  sich 
ganz  natürlich,  tump  nennt  sich  der  Dichter  auch  sonst.  160,  20;  171, 
25;  180,  16.  Nach  v.  19  hat  er  schon  Enttäuschungen  erfahren,  doch 
gibt  er  die  Hoffnung  nicht  auf.  EchtReinraarische  Art  ist  es,  daß  die  Dame, 
obwohl  sie  Schuld  hat,  doch  schnell  wieder  entschuldigt  wird,  wie  hier 
v.  20,  cf.  163,  10.  171,  2  f.  161,  24  f.  Auch  die  letzte  Strophe  spricht  für 
Reinmar.  Dieser  ist  es,  der  ganz  besonders  das  Lob  nicht  etwa  blos 
eines  einzelnen  Weibes,  sondern  des  ganzen  Geschlechtes  cultivirt; 
nur  Johansdorf  noch  gleichzeitig.  Rugge  vertheidigt  in  seiner  lebhaften 
Manier  die  Frauen  gegen  die  Unhöfischen,  ohne  doch  positiv  das  Ge- 
schlecht als  solches  zu  feiern.  Daß  gerade  dies  Verdienst  Reinmars 
besonders  hoch  angeschlagen  wurde,  beweist  Walthers  Todtenklage: 
hetst  anders  niht  wan  eine  rede  gesungen  „so  wol  dir  wip,  wie  reine 
ein  nam!"  du  betest  also  gestriten  an  ir  lop,  daz  elliu  wip  dir  gnaden 
solten  biten.  —  Hat  demnach  das  Lied  auch  vieles,  was  Reinmarischer 


ÜBER  REINMAR  VON  FIAGENAU  201 

Art  verwandt  ist,  so  ist  doch  eine  sichere  Entscheidung  nicht  wolil  zu 
erlangen. 

183,  32  f.  Schmidt  vergleicht  das  Gedicht  mit  denen  aus  Kein- 
mars  späterer  Periode,  wobei  dann  fVeilicii  ein  groLun-  Abstand  zu  Tage 
tritt;  anders  stellt  sich  die  Sache,  wenn  wir  es  mit  den  frühesten  Ge- 
dichten vergleichen  —  und  so  müssen  wir  verfahren,  denn  es  rührt 
offenbar  von  einem  jugendlichen  Sänger  her.  Jener  frühen  Zeit  unseres 
Dichters  ist  einfache  Satzfügung  eigenthümlich.  Unvermittelte  Schluß- 
sätze aber  sind  bei  ihm  so  häufig,  daß  sie  in  keiner  Weise  gegen  ihn 
angeführt  werden  können.  Die  Variation ,  Avelche  Schmidt  besonders 
betont,  ist,  nachdem  110,  8  und  die  beiden  Kreuzlieder  Reinmar  zuge- 
sprochen sind,  bei  ihm  in  keiner  Weise  auffallend.  Auch  die  Hyperbel 
wird  in  jugendfrischer  Zeit  bei  dem  Dichter,  dem  die  Geliebte  „näher 
dan  in  dem  herzen"  ist,  nicht  befremden.  Der  Dichter  glaubt,  wie  151 
und  154,  5  f.  an  die  Zuneigung  der  Herrin.  Auffallend  scheint  auf  den 
ersten  Blick  die  breit  ausgeführte  Natursehilderung,  aber  daß  solche 
für  die  früheste  Zeit,  in  der  die  Übereinstimmung  mit-  der  Tradition 
noch  nicht  gestört  war,  anzunehmen  ist,  konnte  mit  voller  Sicherheit 
nachgewiesen  werden.  Zu  unzweifelhaften  Resultaten  wird  man  auch 
hier  nicht  kommen  können,  da  aus  der  früheren  Zeit  reinmarischer 
Lyrik  wir  nur  vereinzelte  Lieder  haben,  die  zur  Vergleichung  dienen 
könnten.  Gegen  Rugge  spricht  die  Vielstrophigkeit.  Das  Gedicht  müßte 
auch  bei  ihm  in  den  Anfang  des  Miunedienstes  gesetzt  werden,  um  so 
auffallender  wäre  ein  Lied  von  5  Strophen.  Wie  es  in  diesem  Gedicht 
geschieht,  nennt  Reinmar  auch  156,  15  die  Geliebte  friunt. 

184.  31.  Ein  fröhliches  Lied.  Einen  neuen  Anfang  frischeren 
Fühlens  und  Dichtens  nahmen  wir  schon  bei  den  Kreuzliedern  wahr. 
Da  Schmidt  diese  Reinmar  absprach,  so  fehlt  ihm  zum  Verständniss 
unseres  Liedes  die  nothwendige  historische  Voraussetzung.  Das  Sprach- 
liche spricht  ganz  für  Reinmar.  Scharf  zugespitzt  ist  die  Antithese 
V.  33  f.:  WC,  ja  was  ich  al  der  werltc  trost:  wie  zaeme  ir  daz^  siu 
tröste  euch  mich?  Auch  der  Anfang  der  zweiten  Strophe  ist  antithe- 
tisch gehalten.  Die  dritte  Strophe  ist  ganz  condicional  gefaßt.  Nicht 
unwichtig  ist  auch  der  Ausruf  we  v.  33.  Rugge,  dessen  männlicher  Art 
er  wenig  entspricht,  hat  ihn  nicht  ein  einziges  Mal^,  während  Reinmar 
ihn,  wie  er  denn  auch  sonst  häufig  ist,  in  seiner  mittleren  und  späteren 
Zeit  sehr  oft  anwendet,  sei  es  in  der  kürzeren  Form  we,  oder  in  der 
breiteren  owe  —  162,  2.  163,  13.  164,  19  ff.  Merkwürdig  ist,  daß  Rein- 
mar in  seiner  früheren  Zeit  dagegen  ihn  nie  anwendet,  weder  in  150 
bis  152,  noch  154,  5  oder  156,  10.  170,  1  u.  a.    Auch  in  dem  Klagelied 


202  R.  BECKER 

auf  Liupolts  Tod,  in  dem  die  Anwendung  doch  nahe  gelegen  hätte, 
kommt  das  Wort  nicht  vor.  In  unserem  Lied  ist  es  ungemein  charak- 
teristisch, wie  sich  gerade  in  die  Freude  der  Klageruf  mit  der  Erin- 
nerung an  die  strenge  Herrin  einmischt.  Der  Ausdruck  v.  6  f.:  kume 
ich  wider  an  mine  fröide  als  e ,  daz  ist  allen  senden  siechen  guot  — 
erinnert  an  180,  31.  Reinmar  ist  auch  sonst  sehr  davon  überzeugt,  daß 
er  für  die  Freude  der  Welt  eine  wichtige  Person  ist.  164,  3:  der  ie  die 
werlt  gefröite  baz  dann  ich,  der  müeze  mit  genäden  leben.  177,  28« 
ist  ab  daz  ichz  niene  gebiute,  so  verliuse  ich  mine  saelde  an  ime  und 
verfluochent  mich  diu  liute,  daz  ich  al  der  werlte  vröude  nieme.  Von 
seinen  Liedern  hat  er  eine  hohe  Meinung  und  bezeichnet  sie  160,  6 
als  das  beste ,  das  je  ein  Mann  sprach.  Bei  Rugge  findet  sich  von 
solch  eitelem  Selbstgefühl  nicht  eine  Spur.  Zu  allem  übrigen  wird 
unser  Gedicht  noch  durch  193,  22  geschützt,  ein  Lied,  dem  der  Stempel 
Reinmarischer  Lyrik  unverkennbar  aufgedrückt  ist.  Wenn  Schmidt 
dasselbe  trotzdem  Reinmar  abspricht,  so  ist  das  nur  so  zu  erklären, 
daß  die  Voraussetzungen  der  zweiten  Strophe  zu  dem  einseitigen  Bild, 
das  er  sich  von  dem  Dichter  gemacht  hat,  auf  keine  Weise  stimmen 
wollen.  Dort  singt  Reinmar,  indem  er  aus  betrübter  Lage  auf  die 
frohe  Zeit  zurückblickt:  man  horte  wol  daz  ich  do  sprach  vil  manege 
rede  guote.  hei  was  mannes  was  ich  dö !  Das  paßt  auf  die  Situation, 
welche  184,  32  f.  voraussetzt,  wie  angegossen.  Auf  193,  22  kommen 
wir  noch  zurück. 

All  diesen  Gründen  gegenüber  wollen  die  Gegeninstanzen  wenig 
verschlagen.  Über  die  Ansicht,  das  Lied  sei  für  Reinmar  zu  froh,  ist 
nicht  nöthig  noch  weiter  zu  sprechen.  Auch  können  wir  nicht  zugeben, 
weil  Reinmar  170,  36  sagt:  nieman  seneder  suoche  an  mich  deheinen  rät: 
ich  mac  min  selbes  leit  erwenden  niht  —  so  könne  er  nicht  wohl  hier 
sagen:  nieman  ist  von  sorgen  also  we,  wil  er,  ich  mache  in  wolgemuot. 
Die  Stimmung  ist  eben  eine  andere  geworden  und  mit  den  Stimmungen 
ändern  sich  bekanntlich  auch  die  Meinungen.  So  heißt  es  180,  16: 
ich  turaber  lide  senden  kumber,  des  ich  gar  schuldic  bin;  cf.  auch  171, 
18.  Nach  anderen  Stellen  aber  wie  165,  16;  174,  11  u.  a.  ist  die  Noth 
des  Dichters  eine  unverschuldete.  —  Die  Hyperbel  und  die  zwei  Zeilen 
Naturschilderung  begreifen  sich  leicht  aus  der  glücklichen  Lage  und 
Stimmung  des  Dichters;  jedenfalls  kann  in  diesen  beiden  Punkten  nichts 
entscheidendes  gefunden  werden.  Wenn  wir  demnach  unbedenklich  das 
Lied  glauben  Reinmarn  zusprechen  zu  müssen,  so  werden  wir  darin 
noch  bestärkt  durch  die  in  demselben  Ton  gedichtete  Nachtragstrophe, 
die  echt  Reinmarisches  Colorit  trägt.     Irgend  etwas    hat  den  empfind- 


Ctber  reinmar  von  hagenau  203 

liehen  Mann  aus  dem  Concept  gebracht;  v.  26:  wie  tuot  man  wider 
mich  nu  so?  Ähnlich  175,  24:  wc  war  umbe  taete  ab  iemen  daz?  169, 
26:  owc  daz  mir  niemen  ist  als  ich  im  bin.  Rugge  klagt  nie  in 
dieser  Weise. 

Daß  Uhland,  Gervinus  u.  a. ,  wenn  sie  Reinmars  dichterische 
Eigenart  schildern,  sich  nur  an  die  Klagelieder  halten^  ist  sehr  natür- 
lich und  spricht  nicht  gegen  unsere  Auffassung;  sie  heben  eben  blos 
das  hervor,  was  für  ihn  charakteristisch  ist,  worin  seine  eigentliche  Be- 
deutung liegt,  nicht  das,  was  er  mit  anderen  gemein  hat. 

185,  27.  Auch  dies  Gedicht  schreibt  Schmidt  Rugge  zu.  Dazu 
paßt  freilich  schlecht,  daß  er  p.  29  sagt:  Sein  Liebesverhältniss  zwang 
ihn  selten  zur  Trauer  —  und  p.  59:  Langes  trüren  ist  entschieden 
seine  Sache  nicht.  Der  Dichter  dieses  Liedes  spricht  von  einem 
Trauern,  das  nun  schon  manchen  Tag  in  seinem  Herzen  begraben 
liegt  und  fürchtet,  wenn  sie  nun  sein  Leid  nicht  wenden  wolle,  sost 
mir  lip  unmaere  und  ander  spil,  so  entoug  ich  ir  vor  alter  niht.  Die 
vv.  32  und  33:  si  sagent  mir  alle,  trüren  stc  mir  jaemerlichen  an  — 
und:  Sit  si  jehent  wie  wol  mir  fröide  zeme  .  . .  sind  ganz  in  Reinmars 
Art.  Ein  lebhaftes  Bedürfniss  nach  Anerkennung  vereinigt  sich  bei 
ihm  mit  einer  gewissen  inneren  Unsicherheit,  woher  es  kommt,  daß 
er  sich  viel  mit  dem  zu  schaffen  machte  was  andere  Leute  sagen,  daß 
er  alle  Welt  um  Rath  angeht,  aber  auch  wieder  gegen  den  Tadel  der 
Welt  sehr  empfiudHch  ist  cf.  152,  25;  175,  8;  166,  25  u.  a.  v.  Das  Selbst- 
gefühl des  Dichters  zeigt  sich  auch  in  dem  Schluß  unseres  Gedichtes, 
der  nichts  mit  dem  Vollgefühl  früherer  Zeiten  zu  thun  hat,  wie  Schmidt 
annimmt.  Zu  dem  Gedanken  ist  177,30  zu  vergleichen;  zu  dem  Aus- 
druck aber  haben  wir  schon  bei  Besprechung  von  109,  9  die  betreffenden 
Stellen  beigebracht.  Auch  die  Leichtigkeit  des  Satzbaues,  der  rasche 
Wechsel  der  Empfindungen,  deren  zarte  Nuancen  Reinmar  wie  kein 
anderer  anzudeuten  weiß,  sprechen  für  diesen  Dichter.  Condieionaler 
Ausdruck  tritt  vielfach  hervor.  Die  Stimmung  wird  sorgfältig  motivirt 
v.  27  und  33.  Der  Zwiespalt  der  Empfindungen,  das  Versunkensein 
in  Trauer  und  daneben  die  Sehnsucht  nach  Freude,  der  Kampf  der 
verschiedenen  Gefühle,  der  sich  auch  durch  dies  Gedicht  hinzieht,  das 
alles  ist  dem  Rugge  noch  fremd. 


An  die  bisher  behandelten  aageblich  Ruggeschen  Strophen  schließt 
sich  ein  unzweifelhaft  echtes  Lied  Reinmars  an,  186,  19  f.  Reinmar  hatte 
sich  164,  10  Schweigen  auferlegt.  „Die  Dame  besprach  diese  Äußerung 
mit  dem  Boten  (177),    forderte    aber  Reinmar    noch    nicht   zu   neuem 


204  R.  BECKER 

Gesang  auf.  Die  AufForclernng  erfolgt  erst  mit  diesem  Liede,  wie  wir 
gleich  des  nähern  sehen  werden.  Deshalb  muß  sich  C  155  ff.  an  C  113  ff. 
anschließen."  Daß  das  Lied  der  Chronologie  gemäß  ganz  passend  auf 
C  113  f.  folgen  würde,  ist  nicht  zu  bestreiten,  aber  überhaupt  ist  die 
Anordnung  in  C  nicht  chronologisch ,  wie  denn  Schmidt  selbst  kurz 
vorher  p.  62  bemerkt,  C  118—121  gehören  nicht  historisch  mit  C  llo 
bis  1]7  zusammen;  die  Quelle  von  b  und  C  habe  sie  nur  wegen  ihrer 
ähnlichen  Art  zusammengestellt.  Daher  ist  mit  jenem  Nachweis  histo- 
rischer Zusammengehörigkeit  für  die  Kritik  nichts  gewonnen.  C  ist 
eben  in  der  Anordnung  völlig  inconsequent.  Wenn  die  Handschrift  auch 
einmal  zwei  Lieder,  wie  177  und  178  ihres  ähnlichen  Charakters  wegen 
neben  einander  stellt,  so  ist  doch  der  Beweis,  daß  dies  durchgängig 
geschieht,  unmöglich.  Was  bedeutet  nun  aber  bei  dieser  Sachlage  die 
Behauptung,  C  122 — 154  schiebe  sich  störend  ein,  denn  C  155  müsse 
auf  121  folgen?  Daß  die  Strophen,  welche  wir  bisher  besprochen  haben, 
nichts  mit  dem  Cyclus  von  der  rede  zu  thun  haben,  steht  ausser  Frage. 
Aber  verdächtigt  würden  dieselben  nur  dann,  wenn  nachgewiesen  würde, 
daß  im  übrigen  die  Grundlage  von  C  durchaus  planmäßig  die  Lieder 
zusammenstellte  und  nun  diese  Planmäßigkeit  durch  die  vom  Schreiber 
der  Handschrift  C  eingeschobenen  Lieder  vernichtet  würde. 

Die  Nothwendigkeit^  daß  C  155  auf  C  121  folgen  müsse,  dürfte 
Schmidt  eigentlich  um  so  weniger  behaupten,  da  nach  ihm  mit  C  155 
ein  neues  Liederbuch  beginnt.  Welcher  Zusammenhang  ist  denn  da 
noch  zu  zerstören?  p.  64  heißt  es:  Das  von  den  beiden  Interpolationen 
eingeschlossene  Lied  186,  19—187,  30  =  C  155 — 159  ist  der  Anfang 
eines  Liederbuches.  Es  endet  die  im  Cyclus  behandelte  wichtigste 
Episode  des  Liebesverhältnisses  und  mahnt  zu  neuem  Sang.  Auf  die 
in  diesem  Lied  enthaltene  Aufforderung  bricht  Reinmar  —  in  C  schie- 
ben sich  160 — 173  dazwischen  —  sein  Schweigen  mit  C  174:  nu  muoz 
ich  ic  min  alten  not  mit  sauge  niuwen  ...  —  Es  trifft  sich  übrigens 
unglücklich  für  diese  Liederbuchtheorie,  daß  C  sofort  nach  dem  ersten 
Lied,  das  zudem  mit  dem  zweiten  eng  zusammenhängen  soll,  12  Rug- 
gesche  Strophen  einschiebt.  Sagt  doch  Schmidt  selbst:  Interpolationen 
finden  sich  meist  an  der  Scheide  von  Liederbüchern  —  und  nun  findet 
sich  diese  wirklich  nachweisbare  Interpolation  gerade  nach  dem  ersten 
Lied  eines  Buches  und  zerstört  die  nothwendige  Verbindung.  Und  noch 
seltsamer:  5  Strophen  vorher  war  schon  einmal  die  Verbindung  gestört. 
Warum  traten  die  12  Ruggeschen  Strophen  nicht  dort  ein?  Wir  sehen, 
die  Liebesbuchtheorie,  wie  sie  hier  verwandt  wird,  hat  mit  bedenk- 
lichen Schwierigkeiten  zu  kämpfen.     Einen  nothwendigen  Zusammen- 


ÜBER  REINMAR  VON  HAGENAU.  205 

hang  zwischen  18G,  19  und  187,  31  können  wir  zudem  nicht  anerkennen, 
denn  Reinmar  bricht  ja  sein  Schweigen  nicht  erst  mit  187,  31.  Die 
Frauenlieder  177,  10  und  180,  19  rühren  doch  auch  von  ihm  her  und 
wenn  ihnen  auch  Aussagen  der  Herrin  zu  Grunde  liegen,  so  hat  er 
dieselben  doch  poetisch  verarbeitet  und  also  sein  Schweigen  gebrochen. 
Ausserdem  glaubten  wir  C  160 — 162  =  109,  9—35  für  Reinmar  zurück- 
fordern zu  müssen,  so  daß  für  uns  auch  nach  Eliminirung  der  Rugge- 
schen  Strophen  C  163—173  der  Zusammenhang  von  186,  19  mit  187, 
31  schon  ohne  weiferes  unterbrochen  ist. 


AVir  gehen  nun  in  der  Besprechung  der  einzelnen  Lieder,  soweit 
sie  zu  kritischen  Bemerkungen  Anlaß  geben,  weiter. 

Die  Lieder  186,19;  187,31;  188,31  werden  als  echt  Reiuma- 
risches  Gut  anerkannt, 

189,  5.  Schmidt  bemerkt  bei  der  Besprechung  des  unreinen  Reimes 
lan  —  an,  Reinmars  Verfasserschaft  sei  nicht  völlig  gesichert,  obwohl 
man  gerade  diesen  unreinen  Reim  ihm  schon  einmal  zutrauen  dürfe. 
Die  Beziehung  auf  das  Verbot  des  Siugens,  die  ihm  entgangen  zu  sein 
scheint,  legitimirt  das  Lied  vollständig,  v.  14:  wil  diu  vil  guote  daz 
ich  iemer  singe  wol  nach  fröiden,  wan  mac  si  mich  danne  leren  also 
daz  si  mir  mine  not  geringe?  Die  Stelle  steht  in  Beziehung  zu  der 
Drohung,  er  wolle  nicht  mehr  singen,  wenn  die  Herrin  es  nicht  gebiete. 
Darauf  war  ihm  offenbar  bedeutet  worden,  er  möge  anstatt  ewig  zu 
trauern,  doch  frohe  Lieder  singen,  worauf  der  Dichter  seinerseits  in 
unserem  Lied  entgegnet,  warum  es  ihm  dann  die  Dame  nicht  lehre, 
indem  sie  ihm  seine  Noth  „geringe".  Auch  das  Sprachliche  spricht, 
wie  Schmidt  bemerkt,  für  Reinmar. 

190,  27.  Haupt  scheint  selbst  zu  fühlen,  daß  seine  Besserung  der 
Corruption  in  der  zweiten  Strophe  nur  ein  Nothbehelf  ist.  Die  über- 
einstimmende Überlieferung  von  A  und  C  ist  indessen  noch  unbefi'ie- 
digender.  Schmidt  meint,  der  Begriff  des  Wunders  passe  gar  nicht; 
ganz  recht;  demnach  muß  die  Stelle  corrupt  sein,  mag  das  Gedicht 
nun  von  Rugge  oder  von  Reinmar  herrühren.  Ist  aber  eine  Corruption 
anzunehmen,  so  fällt  auch  jeder  Grund  weg,  das  Gedicht  Reinmarn 
abzusprechen.  Daß  die  Responsion  und  die  Forderung  des  Trostes 
für  den  Leib  nichts  gegen  ihn  beweisen,  wurde  schon  öfters  hervor- 
gehoben. Für  Rugge  ist  das  Lied  zu  leicht  dahinschwebend;  er  hat 
wenigstens  nichts  ähnliches;  an  Rhythmus  und  Stimmung  dagegen  ist 
es  176,  5  nahe  verwandt.  Auch  dort  findet  Responsion  statt;  zwei 
Strophen  beginnen  dort  mit  frouwe;  so  hier  die  erste  Strophe,  während 


206  R.  BECKER 

die  zweite  mit  leichter  Variation  fröuwe  .  .  an   die  Spitze   stellt.     Das 
we  wie  tuost  du  so  ...  spricht  auch  ftir  Reinmar;  s.  zu  184,  31. 

Es  folgt  nun  in  C  eine  lange  Strophenreihe  186 — 206,   die  Rugge 
angehört  mit  Ausnahme  von  C  187  =  109,  36;  C  193  und  186  =  110,  8 
bis  25;  C  194 — 197  =  103,  3  f.  blieb  uns  zweifelhaft.  Unstreitig  könnte 
es  an  solchen  Stellen  um  so  leichter  geschehen  sein,  daß  diesem  Dichter 
angehörige  Lieder  mit  eingedrungen  wären.   Daß  dies  am  Anfang  des 
Einschubs   nicht   zu   erweisen   ist,   haben  wir   schon  gesehen.     Zudem 
forderten  wir  die    erste  Strophe,  C  186,   gerade   für  Reinmar   zurück. 
Für    das    auf  den  Einschub    in   C  folgende   Lied  191,  7  hat   Schmidt 
Argumente,  die  mit  mehr  Kraft  für  Rugge  zu  sprechen  scheinen.  Gleich 
zu  dem  Eingang  führt  er  ein  paar  Parallelen  an,  doch   findet  sich  die 
eine  derselben  in  dem    verdächtigen  Lied  103,   3,    sodann    finden  sich 
auch  bei  Reinmar  nahverwandte  Stellen  170,  8;  159,  23.     Auch  v.  15 
kann  nicht  für  Rugge  speciell   in  Anspruch    genommen  werden,    denn 
wir  haben  gesehen,  daß  auch  Reinmar  für  seinen  Dienst  Lohn  fordert, 
über  die  Ausdrücke:   ich  weite  . .  .  durch   mines    herzen   rät  und  not 
diu  nahe  gät  haben  wir  schon  gesprochen;  auch  liegt  in  solchen  Wen- 
dungen  nichts   entscheidendes.     Aber   es   finden  sich  doch  auch  sonst 
Anklänge    an   die  Gedankenwelt  Reinmars.   Wie  v.  20  so  verweist   er 
auch  188,  22  die  thörichten  Frager   auf  die  eigene  Erfahrung,     v.  23: 
von  schulden  ich  den  kumber  dol,  ich  brahte  selbe  mich  darin  —  ist 
bei  Rugge  ohne  Beispiel,    ähnlich    aber   ist  180,  16;    cf.  auch  171,  31. 
Die  Sprache  ist  sehr  einfach,  doch  gilt  dasselbe  von  Reinmars  früheren 
Gedichten.  Sehr  scharf  antithetisch  zugespitzt  ist  v.  22:  ich  gloube  im 
wol,  als  er  mir  sol.  Sehr  stark  gegen  Reinmar  spricht  aber  der  innere 
Reim,  an  den  er  sonst  nur  Anklänge  hat.     Freilich  bringt  er  auch  in 
dem  Lied  154,  32  f.  Körner  an^,  die  sich  sonst  nirgends  bei  ihm  finden. 
Doch  ist  der  Fall  in  sofern  ein  anderer,  als  dieses  Lied  sowohl  durch 
die  Eigenthümlichkeiten  der  Sprache  und  des  Inhaltes,  als  auch  durch 
die  gute  äußere  Beglaubigung  unserem  Dichter  zweifellos  zugesprochen 
wird,  während    bei  191,  7  Sprache    und  Inhalt    die  Möglichkeit,    daß 
Reinmar   der  Verfasser    ist,    zulassen',    aber    nicht   eine   starke  Wahr- 
scheinlichkeit für  ihn  begründen  können.  Da  nun  außer  der  unsicheren 
Beglaubigung  noch  die  Anwendung   des   inneren  Reimes    hinzukommt, 
so  spricht    die   Wahrscheinlichkeit    gegen    ihn.     Damit    ist    aber    noch 
nicht  erwiesen,   daß    es    nun  Rugge    angehören    müsse.     Die  Stellung 
spricht  zwar   dafür ,    da  sich  die  drei  Strophen  C  206,  208,  207  an  die 
eingeschobenen    Ruggeschen   Strophen    unmittelbar    anschließen;    aber 
wir  führten,  was  den  Sprachgebrauch  und   den  Inhalt  anlangt,    schon 


ÜBER  REINMAR  VON  HAGENAU.  207 

soeben  einiges  an,  was  wir  in  einem  Ruggeschen  Gedieht  nicht  erwarten, 
sodann  ist  auch  gerade  diese  Art  des  inneren  Reimes  bei  Rugge  sonst 
nicht  vertreten.  Zweifellos  wäre  kein  genügender  Grund  vorhanden, 
ihm  das  Gedicht  abzusprechen,  wenn  gute  Handschriften  für  ihn 
sprächen;  da  dies  aber  nicht  der  Fall  ist,  so  genügen  die  gegen  Rugge 
angeführten  Gründe,  um  uns  von  einer  Entscheidung  zu  seinen  Gunsten 
zurückzuhalten. 

191,  34,  Wir  kommen  nun  zu  einem  Liede,  bei  welchem  die  Ent- 
scheidung sicherer  und  leichter  ist,  als  bei  vielen  anderen  und  bei  dem 
es  sich  recht  deutlich  zeigt,  wie  die  falschen  Voraussetzungen  seiner 
Kritik  Schmidt  nothwendig  zu  einem  falschen  Resultat  führen  mußten. 
p.  69  heißt  es :  „Dieser  Dichter  kennt  keine  Verzweiflung ;  seine  Lebens- 
philosophie ist  auf  Hoffnung  gegründet:  ez  wirdet  rät,  es  muß  gut  wer- 
den_,  während  Reinmar  sich  nur  fatalistisch  mit  der  Annahme  einer  zwin 
genden  Prädestination  zu  trösten  vermag."  Wir  haben  hier  ein  Beispiel,  wie 
eine  gelegentliche  Äußerung  des  Dichters  (164,  2)  einseitig  zum  Maaß- 
stab  für  seine  Sinnesart  gemacht  wird.  Von  diesem  Fatalismus  ist 
doch  169,  36  nichts  zu  spüren;  ganz  besondei's  nahe  aber  ist  unserer 
Stelle  162,  34  vei'wandt.  Der  Gedanke  dort  ist  der:  wer  warten  kann, 
kommt  schon  zum  Ziel,  also  ding  ich  daz  min  noch  werde  rät.  Im 
übrigen  zeigt  sich  Reinmar  hier  ganz  so,  wie  wir  ihn  oben  gezeichnet 
haben.  Er  ist  echter  Idealist  —  v.  20;  trotz  seines  Leides  ist  die 
Freude  sein  Ziel  v.  4;  seine  Klage  entschuldigt  er  damit,  daz  ein 
„sinnic"  herze  sich  beklagen  sol  des  im  geschiht.  Auch  der  Spott  derer, 
die  nicht  so  sinnig  sind,  wird  getadelt,  ein  deutlicher  Beweis,  daß  das 
Lied  nicht  von  Rugge  herrührt;  denn  dieser  erwähnt  mit  keiner  Silbe, 
daß  er  je  dem  Spott  verfallen  sei.  Auch  das  ist  charakteristisch^  wie 
Reinmar  seine  eigene  Person  herausstreicht.  Der  empfindliche  Reinmar 
fühlt  gar  oft  das  Bedürfiiiss,  seine  Tugend  mit  fremder  Ungerechtigkeit 
zu  vergleichen.  —  Nach  alledem  zweifeln  wir  nicht  im  geringsten,  daß 
wir  hier  ein  Lied  Reinmars  vor  uns  haben  und  wie  die  beiden  Kreuz- 
lieder, so  dient  auch  es  zum  Beweise,  daß  Schmidt  der  Natur  desselben 
nicht  ganz  gerecht  geworden  ist. 

Das  nun  folgende  Frauenlied  192^  25  verweisen  wir  mit  Haupt 
und  Schmidt  unter  die  namenlosen  Lieder;  siehe  die  Bemerkungen  bei 
Haupt.  Einiges  erinnert  an  die  Reinmarischen  Frauenlieder,  haupt- 
sächlich aber  scheint  Hüsen  54  nachgeahmt  zu  sein,  mit  welchem  Lied 
im  Gedankengang  und  Ausdruck  vielfache  Berührungen  stattfinden. 

193,  22.  Daß  das  Gedicht  im  Gedanken  wie  vielfach  im  Ausdruck 
Reinmarische  Art  hat,  gibt  Schmidt  zu ;  doch  meint  er,  ein  unbekannter 


208  R-  BECKER 

Verfasser  habe  Reinraar  in  etwas  roher^  ungelenker  Weise  copirt.  Die 
Gründe  dafür  scheinen  uns  durchaus  nicht  zu  genügen.  Der  Schluß 
der  ersten  Strophe :  nun  weiz  ich  waz  ich  sprechen  sol,  wan  ich  enkan  nicht 
mere  —  halten  wir  keineswegs  für  prosaisch^  obwohl  damit  noch  nichts 
bewiesen  wäre,  denn  auch  ein  trefflicher  Dichter  hat  seine  schw^achen 
Stellen;  vielleicht  könnte  man  mit  mehr  Recht  der  Parallele  156,  30 
den  Vorwurf  machen:  mir  hat  zwivel,  den  ich  hän,  al  daz  ich  -künde 
gar  benomen,  —  Und  wenn  Reinmar  v.  33  ausruft:  hey  w^as  mauues 
was  ich  do!  so  klingt  das  freilich  nach  unserer  Auffassung  nicht  be- 
scheiden, aber  es  ist  doch  nicht  auffälliger  als  192,  15:  die  sint  übel 
und  ich  bin  guot  . .  .  Daß  Reinmar  sehr  viel  von  sich  hält,  haben  wir 
schon  früher  gesehen.  Die  Stelle  wird  erläutert  durch  184,  31  f.  In 
beiden  Gedichten  ist  es  augenscheinlich  die  sehr  gehobene  Stimmung, 
an  der  Schmidt  sich  stößt.  —  194,  14  soll  nicht  gewählt  genug  für 
Reinmar  sein,  der  Ausdruck  aber  wird  geschützt  'durch  160,  32  und 
202,  24.  Die  Gründe,  mit  denen  demnach  dies  Lied  Reinmarn  abzu- 
sprechen versucht  wird,  scheinen  uns  geringfügig  und  ohne  Gewicht 
zu  sein.  Das  Hin-  und  Herschwanken  der  Stimmung,  der  Wechsel 
von  Selbstgefühl  und  Verzagtheit  ist  echt  Reinmarisch. 

Die  in  C  nun  folgende  Strophe  hat  Haupt  mit  Recht  in  die  An- 
merkungen verwiesen;  auch  Schmidt  erkennt  sie  nicht  an. 

194,  18.  Schmidt  spricht  das  schöne  Lied  Reinmar  ab,  weil  die 
Lebhaftigkeit  und  Bildlichkeit  dem  Charakter  Reinmarischer  Poesie 
widerstreben;  Lebhaftigkeit  gewiß  nicht,  aber  die  Ausführung  des 
schönen  Bildes  ist  bei  ihm  auffallend.  Doch  findet  sich  etwas  Ahnliches 
180,  10,  wo  das  Bild  vom  Falken  auch  durch  6  Zeilen  festgehalten  wird, 
und  in  dem  zweiten  Ki-euzlied,  welches  die  Gedanken  personificirt. 
Daher  halten  wir  für  wohl  möglich,  daß  Reinmar  das  schöne  Bild  dem 
Morunger,  mit  dem  er  überhaupt  vieles  geraein  hat,  entlehnte,  cf.  127,  7: 
si  kam  her  dur  diu  ganzen  ougen  sunder  tür  gegangen.  Daß  das  Lied 
von  Rugge  ist,  halten  wir  für  sehr  unwahrscheinlich.  Dieser  producirt 
sehr  wenig  neues;  deshalb  möchten  wir  auch  nicht  ihn,  sondern  den 
phantasiereichen  Morunger  für  den  glücklichen  Finder  des  Bildes  halten. 
Die  un verbundenen  Schlußsätze  beweisen  nichts  für  Rugge;  in  dem 
201,  33,  das  Schmidt  trotz  seiner  schwachen  Beglaubigung  Reinmarn 
zuschreibt,  schließen  alle  fünf  Strophen  in  dieser  Weise. 

Die  folgenden  Lieder  bis  198,  3  mit  Ausnahme  von  195,  37;,  das 
wir  mit  199,  25  zusammenfassen,  können  wir  übergehen,  da  sie  als 
echt  anerkannt  werden  und  zu  weiteren  kritischen  Bemerkungen  keinen 
Anlaß  geben. 


ÜBER  REINMAU  VON  RAGEN  AU.  209 

198,  4  f.  Grammatischer  Reim.  Reinmar  verliert  nichts,  wenn  er 
dies  Lied,  wie  Schmidt  behauptet,  niclit  gedichtet  hat.  Der  Inhalt  der 
Frauenstropjicn  beweist  nicht  gej^cn  ihn,  aber  die  Raffinirtlieit  des 
Reimgebäudes  bleibt  für  ihn  höclist  auffälUg.  Bei  Keinmar  überwiegt 
sonst  überall,  wie  Regel  richtig  bemerkt,  die  Dichtkunst  über  die  Ton- 
kunst; hier  dagegen  ist  die  Forin  vollendet,  der  Inhalt  ärmlich. 

Auf  das  zweifellos  echte  Lied  198,  28  folgt  ein  grosses  Frauen- 
lied, 199,  25;  wir  haben  195,  37  aufgespart,  um  beide  Lieder  zusammen 
zu  betrachten.  Die  Dame  spricht  ihre  Liebe  zu  dem  Ritter  aus  und 
stellt  die  Gewährung  ihrer  Minne  in  sichere  Aussicht.  Wir  sahen,  daß 
das  in  der  Regel  so  ist,  und  deshalb  ist  der  Grund  hinfällig,  die  beiden 
Frauenlieder  könnten  nicht  von  Reinmar  sein,  da  sie  seinem  Minne- 
verhältniss  nicht  entsprechen.  Freilich  hat  derselbe  zuletzt  die  Tra- 
dition verlassen  und  in  den  Frauenliedern  die  wirklichen  Empfindungen 
der  Dame  darzustellen  gesucht.  Darin  ist  ihm  Hüsen  (54,  1)  voran- 
gegangen, doch  behielt  derselbe  wenigstens  das  bei,  daß  —  im  Wider- 
streit mit  dem  wii'klichen  Sachverhalt  —  die  Dame  beschließt,  den 
Ritter  zu  erhören.  In  den  Liedern  177,  10;  178,  1;  186,  19  dagegen 
spricht  Reinmar  die  wahren  Gesinnungen  der  Dame  in  poetischer  Form 
aus.  Aber  dazu  scheint  er  erst  allmählich  gekommen  zu  sein ,  denn 
in  151,  1.  17.  33  huldigt  er  noch  ganz  der  alten  Weise. 

Wenn  demnach  auch  von  dieser  Seite  aus  kein  Resultat  zu  ge- 
winnen ist,  so  ist  uns  doch  199,  25  sehr  verdächtig.  Reinmar  rühmt 
sich  zwar  168,  30  seiner  Freude,  aber  die  Lustigkeit  des  Ritters,  wie 
ihn  die  Dame  im  Frauenlied  199,  25  schildert,  hat  etwas  übermüthig 
possenhaftes,  das  wir  unserem  Dichter  nicht  zutrauen.  Ein  objectives 
Criterium  haben  wir  nicht,  es  ist  nur  ein  Gefühl,  daß  uns  veranlaßt, 
Schmidt  zuzustimmen.  Der  Charakter  Reinmars  scheint  zu  ernst  und 
tief,  sein  Scherz,  wo  er  einmal  hervortritt,  zu  fein  zu  sein,  als  daß 
wir  ihm  dies  Lied  zuschreiben  sollten,  dessen  possenhafte  Lustigkeit 
nichts  von  der  seelischen  Tiefe  ahnen  läßt,  welche  aller  Lieder  dieses 
Dichters  mehr  oder  minder  auszeichnet. 

Nicht  so  bestimmt  ist  unser  Urtheil  in  Bezug  auf  195,  37.  Es 
scheint  uns,  wenn  auch  nicht  gerade  wahrscheinlich,  so  doch  nicht 
unmöglich^  daß  Reinmar  das  Gedicht  in  früherer  Zeit  gedichtet  habe, 
in  der  er,  wie  öfters  hervorgehoben  wurde,  an  die  Neigung  der  Dame 
glaubte.  In  einem  Fraueulied  würde  196,  22  um  so  weniger  auffallen, 
da  die  Stelle  doch  immerhin  verblümt  ausdrückt,  was  der  Dichter  an 
anderen  Stellen  offen  fordert  oder  wünscht.  Von  dem  vorigen  Gedicht 
unterscheidet  sich  dieses  sehr  bestimmt  durch  das  elegische  Colorit. 

GKUMANIA.  Neuo  Reihe.  X.    (XXII.)  Jahrg.  14 


210  R-  BECKER 

Die  drei  auf  109,  25  zunächst  folgenden  Gedichte  hält  Schmidt 
für  echtes  Gut  Reinmars.  Daß  er  beiden  letzten  Gedichte  in  MF 
unter  die  namenlosen  Lieder  verweist,  halten  wir  für  durchaus  gerecht- 
fertigt. Unentschieden  aber  ist  unser  Urtheil  wieder  über  die  Wacher- 
nagel Reinmar  vindicirten  Strophen.  Entscheidende  Criterien  können 
wir  an  ihnen  nicht  entdecken.  Doch  ist  es  nicht  ganz  richtig ,  wenn 
Schmidt  sagt,  Reinmar  klage  nie  im  allgemeinen  über  den  Verfall  der 
Freude  und  Sitte  ganzen  Zeit  cf.  172,  23. 

Wenden  wir  noch  einmal  den  Blick  rückwärts,  um  die  wesent- 
lichen Momente  unserer  Antikritik  zusammenzufassen. 

Am  meisten  stand  der  Kritik  Schmidts  die  falsche  Auffassung  der 
Persönlichkeit  Reinmars  im  Wege,  dem  er  ein  Traurig-sein-wollen  zu- 
schreibt. Dadurch  mußte  ihm  eine  Reihe  von  Gedichten  unverständlich 
werden,  so  vor  allem  das  erste  Kreuzlied,  sodann  184,  31,  193^  22  u.  a. 
Wir  legen  daher  besonderen  Nachdruck  auf  den  Nachweis,  daß  Freu- 
digkeit auch  Reinmars  höfisches  Ideal  war.  Die  innerlich  wahre  Natur 
des  Dichters  zeigte  sich  uns  besonders  in  dem  Einfluß ,  den  seine 
Trauer  auf  sein  Dichten  ausübte.  Mit  dem  Umschlag  der  Stimmung 
ändert  sich  auch  seine  traditionelle  Naturempfiudung,  auch  verschmähte 
er  in  den  Klageliedern  die  Responsion  vollständig;  beides  aber  nehmen 
Avir  für  frischere  Zeiten  in  Anspruch.  Hiernach  sind  die  Voraus- 
setzungen unserer  Kritik  wesentlich  andere  als  die,  von  denen  Schmidt 
ausgeht.  Als  wichtige  Kennzeichen  konnten  wir  wiederholt  bestimmte 
Charakterzüge  geltend  machen,  namentlich  sein  Selbstgefühl  als  Dichter, 
seine  Empfindlichkeit,  das  unentschiedene  Schwanken  und  den  raschen 
Wechsel  der  Gefühle,  Züge,  die  ihn  bestimmt  von  Rugge  unterscheiden. 
Auch  der  Spott,  den  er  von  seinen  Genossen  erfährt,  ist  für  ihn  cha- 
rakteristisch. Was  das  Sprachliche  anlangt,  so  verwendet  Schmidt  das 
Bild,  das  er  in  dieser  Beziehung  von  beiden  Dichtern  entwirft,  wie  uns 
scheint,  in  der  Kritik  der  einzelnen  Lieder  nicht  consequent  genug; 
109,  9  f.  und  184,  31  müßten  z.  B.  nach  seiner  eigenen  Schilderung 
der  stilistischen  Eigenthümlichkeiten  Reitimars  und  Rugges  auf  des 
erstereu  Seite  fallen.  Auch  die  Liederbuchtheorie  scheint  uns  nicht 
mit  Glück  für  die  Kritik  verwerthet  zu  sein.  Daß  das  niuwe  den 
Anfang  einer  Sammlung  beweisen  sollte,  schien  uns  eine  willkürliche 
Annahme.  Daß  180,28—186,  18  ein  Einschub  Ruggescher  Lieder  sei, 
erscheint,  auch  abgesehen  von  der  Einzelkritik,  schon  dadurch  in  Frage 
gestellt  zu  werden,  daß  die  betreffenden  Lieder  sämmtlich  vielstrophig 
sind,  während  fast  alle  Lieder  Rugges  nur  aus  einer  Strophe  bestehen. 


ÜBEK  ItKlNMAK  VON  RAGKNAU.  211 

Zu  den  Liedern,  welche  Keinmar  mit  großer  \Vaiirt>clieinlichkeit 
zugesprochen  werden  müssen,  rechnen  wir  180,28;  181,  13;  184,31; 
185,  37;  191,  34;  193,  22  und  109,  9—110,  25  auch  190,  27  halten  wir 
für  Reinmarisch,  wenngleich,  vielleicht  in  Folge  der  Kürze  des  Ge- 
dichtes, unbedingt  entscheidende  Criterien  sich  nicht  finden;  dagegen 
sind  ihm  mit  überwiegenden  Gründen  abzusprechen  182,  14;  192,  25; 
199,  25;  203,  10;  203,  24;  198,  4.  Bei  einigen  Gedichten  mußten  wir 
mit  unserem  Urtheil  zurückhalten,  nämlich  bei  183,  9;  183,  33;  194» 
18  und  195^  37,  obwohl  wir  an  der  Möglichkeit,  daß  sie  von  Keinmar 
herrühren  können,  entschieden  festhalten. 

II.  Reinraars  Leben  und  Chronologie  der  Gedichte. 
Nachdem  wir  zu  dem  Resultat  gelangt  sind,  daß  die  Gedichte, 
welche  in  M  F  Reinmar  zugewiesen  sind,  ihm  mit  wenigen  Ausnahmen 
erweislich  angehören  oder  doch  nicht  mit  genügenden  Gründen  abge- 
sprochen werden,  gehen  wir  dazu  über,  die  Andeutungen  über  sein 
Leben  und  Lieben,  welche  sich  in  den  Gedichten  finden,  zusammen- 
zufassen und  in  Verbindung  damit  eine  chronologische  Ordnung  der 
wichtigsten  Lieder  zu  geben.  Es  können  hier  natürlich  nur  die  Grund- 
züge gezeichnet  werden ,  denn  stoffliche  Andeutungen  sind  wie  in  der 
mild.  Lyrik  überhaupt,  so  besonders  bei  Reinmar  sehr  selten.  Um 
aber  doch  eine  zusammenhängende  Darstellung  zu  gewinnen,  werden 
wir  an  einigen  Stellen,  manches,  was  schon  im  ersten  Theil  besprochen 
wurde,  noch  einmal  kurz  berühren  müssen. 

Zunächst  einiges  über  die  äußeren  Verhältnisse  des  Dichters. 
Auch  hier  sind  wir  fast  ganz  auf  die  Andeutungen  verwiesen,  die  sich 
in  den  Liedern  finden.  Daß  Reinmar  ritterlichen  Geschlechtes  war,  er- 
gibt sich  mit  voller  Sicherheit  sowohl  aus  der  Gesammthaltung  der 
Gedichte,  als  auch  aus  einzelnen  Stelleu,  wie  150,  15.  Auch  die  Hand- 
schriften nennen  ihn  her,  herre.  Über  die  Heimath  des  ritterlichen 
Sängers  ist  noch  nichts  sicheres  ermittelt.  Gewöhnlich  nimmt  man 
an,  daß  die  von  Gottfried  so  hochgepriesene  Nachtigall  von  Hagenau 
(Tristan  v.  4777)  unseren  Reinmar  bezeichne  und  daß  der  Zuname 
von  der  bekannten  elsässischen  Stadt  gleichen  Namens  als  seiner  Heimat 
herrühre.  Nun  aber  scheint  der  Dichter  im  späteren  Leben  sich  nicht 
am  Rhein ,  sondern  am  Hofe  der  babenbergischen  Fürsten  aufge- 
halten zu  haben.  Der  Klagegesang  auf  Leopolds  Tod  MF  167, 
31  f.  bezieht  sich  nämlich  wahrscheinlich  auf  Leopold  VI.  Derselbe 
starb  in  den  letzten  Tagen  des  Jahres  1194.  Daß  Reinmar  den  dahin- 
geschiedenen  Fürsten   in   jenem    schönen   Lied   betrauert ,    setzt    eine 

14* 


212  R   BECKER 

nähere  Verbindung  mit  dem  Hof  zu  Wien  voraus.  Daher  wird  man 
denn  auch  vermuthen  dürfen,  daß  die  Herrin,  welche  zu  den  meisten 
Gedichten  den  Anhiß  gab,  einem  österreichischen  Geschlecht  angehörte 
Nnn  könnte  man  recht  wohl  glauben,  daß  der  Glanz  des  babenbergi- 
scheu  Hofes,  an  welchem  die  junge  lyrische  Kunst  so  eifrige  Pflege 
fand,  den  jugendhchen  Dichter  verlockt  habe,  seine  rheinische  Heimath 
zu  verlassen,  um  sich  an  jenem  berühmten  Sammelort  ritterlichen  Le- 
bens und  Treibens  ein  neues  Heim  zu  suchen.  Doch  steht  dieser  An- 
nahme, welche  besonders  Regel  vertritt,  ein  gewichtiges  Bedenken 
entgegen.  Es  scheint  nämlich,  daß  Reinmar  nicht  wie  AValther  auf  die 
Geschenke  des  Hofes  und  der  Vornehmen  angewiesen  war,  sondern 
sich  in  einer  äußerlich  durchaus  sorgenfreien  Lage  befand.  Mit  Recht 
macht  Regel  zum  Beweis  dafür  die  Stelle  168,  32  geltend:  michn  be- 
swaere  ein  rehte  herzeclichin  not,  min  sorge  ist  anders  kleine;  ganz 
ähnlich  lautet  175,  15:  ich  bin  aller  dinge  ein  saelic  man,  wan  des  einen 
da  man  Ionen  sol  —  wo  mit  dem  einen  natürlich  der  Minnesold  gemeint 
ist,  der  nach  ritterlicher  Ansicht  treuem  Dienst  gebührt.  Wie  hat  man 
sich  nun  aber  diese  sorgenfreie  Existenz  zu  erklären?  Wenn  der 
Dichter  seine  rheinische  Heimat  dauernd  verließ,  so  liegt  der  Schluß 
nahe,  daß  er  dort  nicht  eben  viel  zu  verlieren  hatte.  Sollen  wir  aber 
annehmen,  Leopold  VI.  habe  dem  gleich  manchem  andern  herbeige- 
wanderten Sänger  sogleich  mit  einem  ausreichenden  Lehen  ausgestattet? 
Die  Erfahrungen  Walthers  sprechen  dafür,  daß  man  an  den  kunst 
liebenden  Hof  zu  Wien  sich  in  der  Freigebigkeit  doch  zu  begrenzen 
wußte.  Später  gelang  es  diesem,  von  Kaiser  Friederich  H. ,  sowie 
Neidhart,  von  Herzog  Friedrich  H.  von  Osterreich  Lehen  zu  erhalten, 
doch  lassen  beide  Dichter  in  ihren  Dank  die  Bemerkung  einfließen, 
daß  die  ihnen  ertheilten  Güter  kaum  hinreichten,  ihr  Leben  zu  fristen. 
Diese  Schwierigkeit  fände  die  einfachste  Lösung,  wenn  Reinmar  gar 
nicht  ein  Rheinländer,  sondern  ein  Österreicher  wäi-e.  In  der  That 
erwähnt  Wagernagel  im  Wörterbuch  ein  österreichisches  Hagenau.  Die 
einfachste  und  natürlichste  Annahme  ist  demnach  wohl  die,  daß  Rein- 
mar in  Osterreich  geboren  ist  und  dort  ein  ausreichendes  Erbe  be- 
sessen hat. 

Eine  andere  Ansicht  theilt  Schmidt  im  Eingang  seiner  Schrift 
über  Reinmar  und  Rugge  mit.  Prof.  Schmidt  in  Straßburg  hat  in  einem 
Aufsatz  über  Gottfried  de  Haguenau,  poete  du  treizieme  sifecle  die 
Vermuthung  ausgesprochen,  daß  Reinmar  ein  Verwandter  jenes  Gott- 
fried, also  ein  Mitglied  des  straßburger  Geschlechtes  von  Hagenau  ge- 
wesen sei.     E.  Schmidt  stimmt  dem  zu  mit  der  Bemerkung,    daß  das 


ÜBER  REINMAK  VON  IIAGENAU.  213 

Lob  Guttfriuds  im  Tristan  dcmiiacli  durch  LuicalpHtriotibmus  im  VVärmo 
möge  gewonnen  haben.  In  der  That  hat  die  Vermuthuug  etwas  be- 
stechendes, nur  bleibt  daini  die  soeben  von  uns  dargelegte  Schwierig- 
keit bestehen.  Der  Dichter  lebte  in  ganz  gesicherter  äußerer  Lage. 
Wäre  er  aber  im  Elsaß  begütert  gewesen,  so  hätte  er  schwerlich  seine 
Ileimath  dauernd  mit  dem  österreichischen  Hof  vertauscht.  Der  Grund, 
daß  dort  seiner  Reflexionspoesie  reicherer  Ruhm  und  regere  Aner- 
kennung zu  Theil  werden  mußte  (p.  3),  genügt  nicht  zur  Erklärung; 
wir  haben  schon  im  ersten  Theil  gesehen,  daß  zu  Reinmars  Lebzeiten 
seine  Anerkennung  als  Dichter  durchaus  nicht  so  allgemein  war,  als 
nach  seinem  Tode.  Zudem  ist  in  den  früheren  Gedichten  der  hohen 
Minne  der  spätere  Charakter  seiner  Lyrik  noch  wenig  entwickelt,  so 
daß  die  Eigenthümlichkeit  derselben  in  der  Jugend  des  Dichters  kaum 
als  genügender  Grund  für  einen  so  wichtigen  Entschluß  gelten  kann. 
So  lange  demnach  nicht  ganz  bestimmte  Nachweisungen  über  die  Hei- 
math des  Dichters  erfolgen,  wird  man  ihn  für  einen  Österreicher 
halten  müssen. 

Daß  die  uns  erhaltenen  Minnelieder  sich  ausschließlich  auf  hohe 
Minne  beziehen,  suchten  wir  oben  zu  erweisen.  Dieser  aber  ging  — 
und  hierin  sind  wir  mit  Regel  und  Schmidt  einig  —  eine  niedere  vor- 
aus, wie  sich  aus  174,  27:  diu  mich  vil  uustaeten  man  betwungen  hat 
und  aus  197,  26:  war  zuo  sol  ein  unstaeter  man?  daz  was  ich  e:  nu 
bin  ichz  niht  —  zu  ergeben  seheint.  Zwar  nennt  sich  der  Dichter 
hier  zunächst  nur  unstaete,  daß  aber  seine  früheren  Minneverhältnisse 
nicht  vornehmen  Frauen  galten,  ergibt  sich  aus  der  Art,  wie  er  sich 
über  den  Beginn  seines  Dienstes  bei  der  neuen  Herrin  ausspricht  170,  8: 
mich  betwang  ein  maere,  daz  ich  von  ir  horte  sagen^  wie  si  ein 
vrouwe  waere  diu  sieh  schone  künde  tragen.  Auch  157,  11;  ich 
wände  ie,  ez  waere  ir  spot,  die  ich  von  minnen  grozer  swaere  horte 
jehen  —  scheint  in  Verbindung  mit  174,  27  und  197,  26  zu  verrathen, 
daß  er  in  der  Jugend  in  niederer  Minne  behaglichen  Zeitvertreib  fand*). 
Nach  Seiners  päteren  Auffassung  war  er  damals  „ringes  muotes",  er  strebte 
also  nicht  nach  dem,  was  höfisch  war  und  einen  Ritter  wert  machte, 
bis  er  eines  wibes,  d.  h.  der  hohe  Herrin  Rede  vernahm.     Diese  war 


*)  Irrig  führt  Kegel  a.  a.  O.  auch  190,  12—15  au:  wände  waere  er  (seil:  wan) 
von  mir  anderswji,  da  müest  iedoch  wän  bi  tröste  sin.  Das  „von  mir"  müßte  nach 
seiner  Auffassung  gleich  min  wän  sein.  Offenbar  geht  das  anderswä  auf  die  Herrin. 
Sehnte  sie  sich  nach  ihm,  so  will  er  sagen,  so  würde  er  nicht  so  hartherzig  sein, 
solchen  wän  ohne  Trost  zu  lassen.  Auch  160,  12  f.  und  201,  12  f.  deuten  wir  anders 
als  Regel;  siehe  später. 


214  R.  BECKER 

also  die  erste  und  wahrscheinlicli  auch  die  einzige  hohe  Herrin,  der 
er  diente.  Wir  sehen  hier  zugleich,  wie  Reinmar  ein  Kind  seiner  Zeit 
war.  Es  war  im  Anfang  keine  Leidenschaft,  welche  ihn  in  den  Dienst 
der  Herrin  zwang,  er  strebte  vielmehr  nur  nach  dem  Ideal  seiner 
Zeit,  ein  werther  Ritter  zu  werden  im  Dienst  einer  hohen  Frau. 

In  welchem  Alter  Reinmar  der  niederen  Minne  den  Abschied 
gab,  um  auf  weiser  Leute  Rede  und  nach  seines  eigenen  Herzens  Rath 
jener  hohen  Herrin  zu  dienen,  läßt  sich  nicht  genau  ermitteln.  Zwar 
bemerkt  er  162,  27,  sie  habe  ihm  in  der  Jugend  „mit  ir  wol  schoener 
zuht"  die  Freude  abgebrochen,  aber  je  älter  man  wird,  um  so  weiter 
pflegt  man  in  der  Erinnerung  seine  Jugendzeit  auszudehnen.  Daß  der 
Dichter  nicht  mehr  ganz  jung  war,  geht  aus  dem  Liedc  156,  27  f.  her- 
vor. Er  klagt  nämlich  157,  16,  solle  er  ihr  volle  ein  jär  unmaere  sein, 
so  müsse  seine  Freude  ohne  Trost  zergehn.  v.  4  aber  heißt  es:  ich 
alte  ie  von  tage  ze  tage  und  bin  doch  hiute  nihteswtser  danne  vert. 
Also  noch  nicht  ein  Jahr  nach  seiner  Abweisung  gedenkt  er  des 
Alterns;  bei  einem  ganz  jugendlichen  Dichter  wäre  das  doch  nicht 
natürlich  cf.  auch  174,  27:  vil  unstaeten.  Auf  der  anderen  Seite  aber 
ist  zu  bedenken,  daß  in  den  ersten  Gedichten  eine  bestimmte  dichte- 
rische Individualität  noch  nicht  entwickelt  ist.  Das  warnt  uns,  die 
Zeit  seiner  unstaete,  aus  der  uns  leider  keine  gut  beglaubigten  Ge- 
dichte erhalten  sind,  zu  weit  auszudehnen. 

Der  dichterich  so  reich  begabte  Ritter  scheint  im  Anfang  schnell, 
wenn  nicht  geradezu  Neigung,  so  doch  freundliches  Gedenken  bei  der 
Herrin  gefunden  zu  haben*).  Obwohl  er  eigentlich  nie  das  Ziel  seiner 
Wünsche  erreichte,  ist  er  ihm  doch  im  Anfang  am  nächsten  gewesen. 
Gerade  diejenigen  Lieder,  welche  offenbar  zu  den  späteren  gehören, 
wie  198,  28.  185,  27  u.  A.  wissen  nichts  von  irgend  welcher  Erhöh- 
rung;  dagegen  gibt  der  Dichter  au  vielen  Stellen  zu  erkennen,  daß 
im  Anfang  eine  gewisse  Annäherung  stattgefunden  hatte.  In  dem 
frühen  Liede  154,  17  singt  er:  ir  gruoz  mich  minnecliche  enphie.  vil 
gerne  ich  ir  des  iemer  lone.  Reinmar  hatte  in  jener  ersten  Zeit  bei  der 
Herrin  stetigen  Zutritt.    153,  25:  ich  sach  si,  waene  ich,  alle  tage,  daz 

*)  V.  d.  Hagen  MS.  IV,  241  meint  gerade  umgekehrt,  erst  durch  langen  Dienst 
liabe  der  Ritter  die  Gunst  der  Herrin  errungen,  sicher  irrig.  Einige  Gedichte  scheinen 
zwar  Liebesglück  anzudeuten,  aber  z.  Th.  sind  sie  wie  182,  14.  203,  10  unecht,  z.  Th. 
gilt  von  ihnen,  was  der  Dichter  180,  1  f.  sagt:  ich  was  mines  muotes  ie  so  her,  daz 
ich  in  gedauken  dikke  schone  läc.  daz  wart  mir  uud  wart  och  mir  uiht  mer.  Schmidt 
p.  36  ist  der  Ansicht,  der  Dichter  werde  zuerst  lange  Zeit  gänzlich  verschmäht;  dann 
wende  sich  ihm  die  Dame  zu,  um  ihn  zu  Verstössen,  sobald  er  von  Liebesgenuli  rede. 


ÜBER  REINMAR  VON  IIAGENAIJ.  215 

mich  daz  icraor  wunder  hat,  daz  ich  uiht  redete,  swaz  icli  wolle.  Ja, 
nachdem  bereits  eine  gewisse  Verstimmung  von  Seiten  der  Herrin  ein- 
getreten war,  war  es  ilim  noch  vergönnt,  sie  zu  selten  174,  12  ff. 
170,  29;  aber  in  letzterem  Lied  v.  25  heißt  es  doch  nocli:  nie  kund 
ich  ir  näher  kernen.  Doch  sollte  er  auch  allmählich  noch  weiter  als 
bis  zum  Gruß  und  zum  Sehen  kommen.  152,  14  erzählt  der  Dichter, 
eine  liebe  Nachricht  sei  ihm  zugekommen;  ebenso  ist  110,  17  f.  von 
einem  maere  die  Rede,  in  dem  die  Dame  ihm  mittheilte,  wenn  er  sie 
zur  Freundin  gewinnen  Avolle,  so  möge  er  sich  vor  „unstaete"  hüten. 
Auch  158,  39  läßt  vermuthen ,  daß  er  im  Anfang  mehr  hoffen  durfte, 
als  er  später  erreichte  (ist  mir  da  raisselungcn  an,  doch  gab  ichz  wol, 
als  ez  da  lac).  Noch  weiter  führt  uns  164,  21  f.,  aus  welcher  Stelle 
hervorgeht,  daß  er  einmal  in  der  Lage  war,  die  Herrin  allein  sprechen 
zu  können.  Er  macht  sich  später  bittere  Vorwürfe  darüber,  daß  er 
die  günstige  Gelegenheit  zum  Sprechen  nicht  wahrnahm.  Ausführlich 
beschreibt  er  152,  25,  wie  ihm  die  Schüchternheit  der  Liebe  den  Mund 
verschloß,  obgleich  er  wohl  weiß,  daz  „ein  zage  unsanfte  ein  sinnic 
wip  bestät"  cf.  auch  153,  32. 

Der  Lieder,  welche  der  ersten  hoffnungsvollen  Zeit  angehören, 
sind  nicht  viele.  Möglich  ist,  daß  uns  nicht  wenige  fehlen,  vielleicht, 
weil  es  später  der  veränderten  Geraüthsstimmung  des  Dichters  nur 
mehr  wenig  entsprach ,  sie  zu  erhalten.  Von  den  uns  vorliegenden 
Gedichten  scheint  jener  Zeit  zunächst  156,  10  anzugehören.  In  diesem 
frischen,  einstrophigen  Lied  bittet  er  Gott,  daß  er,  wenn  er  in  die  Heimath 
zuräckkomme ,  die  Geliebte  sehen  dürfe  und  al  ir  swaere  büeze  .  .  . 
owol  mich  danne  langer  naht!  Ferner  sind  hierher  zu  stellen  die 
Wechsel  151,  1  f.  151,  17  f.  151,  33  f.  In  den  beiden  letztgenannten 
Liedern  tritt  zwar  schon  der  Zweifel  auf,  aber  die  Hoffnung  überwiegt. 
Der  Bau  der  Strophen  und  die  Syntax  sind  in  151,  1  und  151,  17 
noch  sehr  einfach.  Reim  Verbindung  a.  b.  a.  b.  —  c.  d.  c.  d.  Zu  151,  33 
stellen  wir  auch  den  Wechsel  110,  8,  in  dem  die  Herrin  in  freund- 
licher Weise  vor  „unstaete"  warnt.  In  den  beiden  Gedichten  ist  der 
Satzbau  schon  verhältnissmäßig  entwickelt.  Wenn  183,  33  Reinmar 
angehört,  so  muß  auch  dies  Lied  in  frühe  Zeit  fallen.  Er  singt  hier, 
mit  dem  grünen  Laub  sei  auch  seine  Noth  vergangen  durch  ein  Weib : 
ich  hän  si  mir  ze  friunde  bereit,  svvaz  ieman  seit.  Manche  anderen 
bemühen  sich  auch,  doch  ist  mir  nicht  bange,  sie  wissen  nicht,  wie  es 
seit  kurzem  ergangen  ist.  In  stilistischer  Beziehung  sehr  einfach  ist 
das  Lied  154,  5.  Der  Dichter  dient  der  Dame  schon  einisfe  Zeit,  ohne 
doch  etwas  erreicht  zu  haben.    Trotzdem    ist    er    noch    guten  Muthes. 


216  ß-  BECKER 

Wie  156,  21  ei'  alle  ihre  swaere  büezen  will ,  so  will  er  hier  es  ihr 
immer  lohnen,  daß  ihr  gruoz  ihn  minniglich  empfing.  Wir  sehen  hier- 
aus, daß  er  noch  ein  gewisses  Selbstgefühl  der  Dame  gegenüber  hat. 
Eine  gewisse  Ähnlichkeit  mit  diesem  Lied  hat  150,  I  f.  Der  für  ritter- 
liche Ehre  begeisterte  Dichter  feiert  die  Herrin,  doch  hat  nach  v.  7  ff. 
das  Verhältniss  schon  etwas  an  Unbefangenheit  verloren.  Den  Neidern, 
die  sprechen:  wes  toert  sich  der,  antwortet  er,  nur  ein  Thor  könne 
so  fragen,  wan  nieman  in  der  weite  lebt,  ern  vinde  sines  herzen  küne- 
ginne.  In  allen  diesen  Gedichten  ist  die  Sprache  meist  einfach,  aber 
frisch,  die  Klage  ist  kaum  angedeutet,  die  Empfindung  geht  noch  nicht 
tief,  sie  ist  noch  ohne  die  Leidenschaftlichkeit  der  mittleren  und  ohne 
das  nachdenkliche  Gesicht  der  letzten  Periode. 

Was  nun  der  eigentliche  Grund  war,  daß  das  Verhältniss  trotz 
des  guten  Anfanges  doch  bald  einen  so  ungünstigen  Verlauf  nahm  und 
nehmen  müßte,  haben  wir  im  ersten  Theil  ausführlich  dargelegt.  Ge- 
rade der  Umstand,  daß  die  Dame  seinen  Dienst  zwar  freundlich  annahm, 
im  übrigen  ihn  aber  klug  fern  zu  halten  wußte ,  scheint  ihm  immer 
fester  gefesselt  zu  haben.  Er  blieb  nicht,  wie  so  viele,  in  conven- 
tioneller  Galanterie  wurzeln.  Hatte  er  es  früher  für  Scherz  gehalten, 
wenn  man  von  großer  Minnenoth  redete,  so  empfand  er  nun  ihre 
„swaere"  bald  mehr  als  andere.  Seine  Lieder,  welche  vielfach  so  wun- 
derbar zart  und  tief  seinen  Gefühlen  Ausdruck  geben,  legen  Zeugniss 
davon  ab,  daß  sein  Gemüth  bald  von  tiefer  und  starker  Erregung 
ergriffen  wurde.  Weil  er  sich  aber  den  Minnedienst  so  ungewöhnlich 
nahe  gehen  ließ,  wurde  er  vielfach  der  Spott  der  glatten  höfischen 
Gesellschaft  150,  22.  158,  11  und  19.  165,  14.  166,  27.  167,  13.  Jeden- 
falls war  die  tiefe  Leidenschaft,  welche  er  nun  offenbarte,  seiner  Um- 
gebung unverständlich.  Daher  wunderte  man  sich  188,  13,  daß  er  „so 
riuwcciichen  klage"  und  kam  nach  166,  11  auf  den  Gedanken,  daß  er 
„ze  spotte  künne  klagen".  Sein  naiver  Idealismus  mußte  mit  der  höfischen 
Sitte  bald  in  Conflict  kommen.  Was  er  in  Gutem  nicht  erreichen 
konnte,  hoffte  er  übereifrig  durch  Drängen  zu  erlangen  cf.  152,  34  ff. 
Wenn  er  sich  auch  die  beste  Gelegenheit  hatte  entgehen  lassen,  so  war 
es  ihm  doch  noch  möglich,  seine  Bitte  vor  sie  zu  bringen  173,  6.  161, 
34.  179,  16.  Dieses  fortgesetzte  Bitten  scheint  der  Herrin  bald  lästig 
so  geworden  zu  sein,  daß  sie  wiederholt  dem  begehrlichen  Mann  sagte, 
er  möchte  es  lassen,  da  er  doch  nicht  zum  Ziele  käme  174,  12  f.  „und 
tuot  noch  hiute,  swanne  si  mich  siht".  Anziehend  läßt  der  Dichter  die 
Dame  in  dem  Botenlied  ihre  Meinung  aussprechen  178,  22:  spreche 
er  daz  er  welle  her,  daz  ichs  iemer  lone  dir^  so  bit  in  daz  er  verber 


ÜHKR  KEINMAK  VON  IIAGENAU.  217 

rede  dier  jungest  sprach  zc  mir:  so  mac  ich  in  ungesehon.  lu  duju- 
sclben  Licdo  bekennt  die  Dame  übrigens  unumwunden  ihre  Neigung 
zu  dem  Sänger:  ich  bin  im  von  herzen  holt  und  saehc  in  gcrncr  dennc 
den  lichten  tac.  AusführHch  beschreibt  Reiumar  den  Verhiuf  seiner 
unglückHchen  Liebe  in  dem  für  uns  höchst  wichtigen  Lied  KiO,  ß  ff. 
Nachdem  er  sich  mit  seiner  Bitte  schon  oft  an  sie  gewandt  hat,  fragt 
sie  cndhch  zu  seinem  großen  Verdruß,  um  welche  Gnade  er  denn  bitte. 
Die  entscheidende  Stelle  lautet  161,  2  f.:  ich  weiz  wol,  waz  mich  hat 
betrogen:  du  seite  ich  ir  ze  gar,  swaz  mir  leides  ie  von  ir  geschach 
unde  ergap  mich  ir  ze  zere.  Da  sie  das  vernommen,  habe  sie  ihm 
Leid  zu  jeder  Stunde  entboten  und  zuletzt  in  Folge  eines  neuen  Zornes 
ihm  sogar  die  Rede  über  sie  verboten. 

Zunächst  zeigen  einige  Lieder  den  Dichter  in  innerer  Unruhe 
Er  hofft  noch  die  Geliebie  zu  gewinnen,  doch  fürchtet  er  die  Ver- 
läumdung  der  Neider  und  Feinde.  Unbedenklich  darf  man  wohl 
170,  1  hierher  stellen,  ein  Lied,  in  dem  die  Trennung  von  dem  Geliebten 
noch  nicht  vorausgesetzt  ist.  Daß  ihn  die  Herrin  noch  nicht  erhörtCj 
schreibt  er,  willig  sich  selbst  zu  täuschen,  denn  Umstand  zu,  daß  sie 
seine  klagende  Rede  nur  selten  vernommen  habe*),  während  er  später 
recht  wohl  erkennt,  duß  er  zu  viel  klage  (165,  12  f.  194^  14).  Den 
durch  ihre  Gegenwart  lästigen  Gesellen,  die  doch  selbst  nicht  reden 
können,  gibt  er  zu  bedenken,  daß  es  höfisch  wäre,  wenn  sie  von  dannen 
gingen,  statt  andern  durch  ihre  GegenAvart  freie  Rede  mit  der  Herrin 
zu  wehren.  Man  sieht,  der  noch  durch  keine  Abweisung  Gedemüthigte 
glaubt  durch  ein  gutes  Wort  zu  gelegener  Stunde  gewinnen  zu  können. 
Auch  hier  sind  Stimmung  und  Ausdruck  noch  frisch,  v.  14:  also  grOs 
als  umbe  ein  här.  v.  19:  österlicher  tac  v.  21.  In  ganz  ähnlicher 
Situation  sehen  wir  den  Dichter  109,  9  f.  Wenn  er  in  dieser  Sommer- 
zeit doch  zwei  Tage  und  eine  gute  Nacht  mit  ihr  ungestört  reden 
könnte,  so  hörte  gewiß  sein  Trauern  auf.  ouch  läze  ichs  unversuochet 
niht.  Doch  steckt  er  schon  tiefer  in  der  Sorge  und  der  Zweifel  an  der 
Erfüllung  seiner  Hoffnung  spricht  sich  bereits  charakteristisch  in  den 
vielen  condicionalen  Elementen  des  Ausdruckes  aus.  Noch  auffallender 
häufen  sich  die  Condicionalsätze  in  173,  6.  In  diesem  Lied  sind  die 
Hoffnungen  des  Dichters  bereits  sehr  gedämpft,  denn  schon  manche 
vergebliche  Bitte,  manche  ehrliche  Versicherung,  die  ohne  Erfolg  blieb, 
hat  ihn  belehrt,  daß  seine  Aussicht,  die  Herrin  zu  gewinnen,  nicht  sehr 
groß    ist;    aber    sie    hat    ihn  doch  auch  noch  nicht  entschieden  abge- 


'')  Oder  bedeutet  das  selten  auch  hier  geradezu  so  viel  als  die  pure  Negation? 


218  K.  BECKER 

wiesen,  si  nimt  miner  swachen  bete  vil  kleine  war  und  v.  22 :  si  weiz 
wol,  swie  lange  si  mich  biten  lät  daz  ichz  doch  der  bitende  bin.  In 
diese  Zeit  fallen  auch  152,  34.  153,  5  und  33.  Eine  schon  weiter 
fortgeschrittene  Situation  zeigt  uns  das  Lied  174,  3.  Er  hat  varender 
vröuden  vil,  aber  so  oft  er  lachen  will,  verbietet  es  ihm  das  Herz,  denn 
die  Herrin  will  nicht  an  seinen  Dienst  glauben.  Sie  begnügt  sich 
aber  nicht  mehr  damit,  auf  seine  Bitte  nicht  zu  achten,  sondern  schon 
oft  hat  sie  ihm  gesagt,  daß  er  es  ließe,  er  möchte  nimmer  zu  Ende 
kommmeu  und  tuet  noch  hiute  swanne  si  mich  siht.  Sie  hoffte  damals 
wohl  noch,  der  Dichter,  der  erfolglosen  Arbeit  müde,  werde  von  seinen 
Bitten  ablassen.  Reinmar  zeigt  in  diesem  Liede  bereits  alle  Eigen- 
thümlichkeiten  seines  Stils,  besonders  die  Antithesen  und  die  Ausrufe 
mit  we  und  owe,  die  sich  von  nun  an  so  häufig  bei  ihm  finden.  In 
seiner  Stimmung  ist  er  schon  ganz  verzagt,  er  ist  dem  übermächtigen 
Geflihl  gegenüber  ohnmächtig;  kaum  erinnert  noch  ein  Ausbruch  wie 
V.  30:  „we  wan  haete  ichs  do  verläzen"  an  den  „vil  unstaeten"  man 
von  früher. 

Da  sich  nun  Reinmar  nicht  abweisen  ließ  und  fast  ungestüm  die 
verlorene  Gunst  der  Herrin  wieder  zu  gewinnen  suchte,  mußte  dieselbe 
zuletzt  einen  entschiedenen  Schritt  thun,  161,  6:  do  si  daz  vernam  daz 
ich  niemer  von  ir  kernen  künde,  du  was  si  mir  iemer  mere  in  ir  herzen 
gram  unde  erbot  mir  leit  ze  aller  stunde,  also  hän  ich  si  verlorn,  und 
wil  nu,  dest  ein  niuwer  zoru,  daz  ich  si  der  rede  gar  begebe.  Nun 
sieht  er  freilich  ein,  was  ihm  den  Schaden  gemacht  hat  (daz  ich  si 
niht  verholen  künde,  swaz  mir  war);  aber  doch  kann  er  es  nicht  be- 
greifen und  fragt  vorwurfsvoll:  sol  mich  daz  verjagen  daz  ich  si  sach 
unde  ich  euch  dar  under  ihtes  hän  gegert,  daz  ich  solte  hän  verswigen 
180,  22.  Nach  diesem  neuen  Zorn  fand,  wie  es  scheint,  gänzliche  Ab- 
öchheßung  Reinmars  von  jedem  Verkehr  mit  der  Dame  statt,  cf.  179,  6  f. 
201,  26  und  197,  30.  Aber  obwohl  nichts  mehr  zu  hoffen  ist,  findet 
er  nicht  die  Kraft  ihr  zu  entsagen  und  um  nicht  ganz  hoffnungslos  zu 
sein,  spiegelt  er  sich  vor,  sie  wolle  durch  die  Abweisung  nur  seine 
Treue  erproben  161,  29  f.^  oder  er  tröstet  sich,  sie  zürne  nicht  so  sehr, 
als  sie  sich  den  Schein  gebe  166^  35.  Auf  das  Verbot,  sie  fernerhin 
zu  besingen,  antwortet  er  nicht  ohne  Selbstgefühl,  wenn  sie  es  nicht 
selbst  gebiete,  werde  er  nun  überhaupt  nicht  mehr  singen  164,  10. 
Die  Erklärung  scheint  nicht  ganz  erfolglos  gewesen  zu  sein.  Die 
Herrin,  welche  seinen  Gesang  schätze,  lenkte  ein  und  ließ  ihn  auf- 
fordern, frohe  Weisen  anstatt  der  beständigen  Klagelieder  anzustimmen 
189,15.    187,9   und   21.    177,22.     Die    typischen    Naturschilderungen 


fTBER  REINMAR  VON  H AGENAU.  219 

lagen  ihm  zu  keiner  Zeit  sehr  nahe,  doch  hatte  er  sie  früher  wohl 
hie  und  da  verwandt,  aber  nun  setzt  er  sich  dazu  in  dirccten  Gegen- 
satz. Das  Leben  in  der  Natur  wird  ihm  bedeutungslos,  da  sein  eigenes 
Leben  so  schwere  Nöthe  zu  bestehen  hat.  Auch  mit  der  höfischen 
Sitte  befindet  er  sich  nicht  mehr  im  Einklang.  Er  trauert  zu  viel, 
verfällt  dem  Spott  und  entfernt  sich  von  seinen  Genossen  mehr  und 
mehr.  Durch  die  Klage  klingt  oft  die  Erinnerung  durch,  daß  er  früher 
anders  gewesen  sei. 

Welche  Gedichte  nun  nach  dem  ersten  Zorn  anzusetzen  sind, 
läßt  sich  nicht  genau  bestimmen ;  diejenigen  aber,  welche  sich  auf  das 
Verbot,  die  Herrin  fernerhin  noch  zu  besingen,  beziehen,  setzen  damit 
jedenfalls  den  neuen  Zorn  voraus.  Dieser  letzten  Steigerung  müssen 
jedenfalls  auch  die  3  Gedichte  angehören,  in  welchen  die  gänzliche 
Abschließung  von  der  Herrin  vorausgesetzt  ist,  wenn  dieselbe  nicht 
gar  eine  neue  und  letzte  Maßregel  gegen  das  unhöfischc  Drängen  des 
Dichters  war. 

Ziemlich  früh,  vielleicht  noch  vor  die  erste  entschiedene  Ab- 
weisung, ist  das  ungemein  lebhafte  und  bewegte  Gedicht  158,  1  zu 
setzen.  Kaum  wagt  der  Dichter  noch  zu  hoffen,  daß  ihm  die  zu  Theil 
werde,  an  der  aller  seiner  saelden  wän  liege  und  doch  könne  er  sie 
nicht  lassen :  stirbet  si,  so  bin  ich  tot.  hat  si  mir  anders  niht  gegeben, 
so  erkenne  ich  doch  wol  senede  not.  Die  ganze  Haltung  des  Ge- 
dichtes, besonders  der  unmittelbaren  Lebhaftigkeit  des  Gefühles  und 
der  entschiedene  Kampf  gegen  die  Spötter  und  Neider,  denen  die  Haupt- 
schuld beigemessen  wird,  sprechen  dafür,  daß  das  Gedicht  in  den 
Anfang  dieser  Periode  zu  setzen  ist.  An  ungestümer  Aufregung  wird 
es  aber  noch  von  196,  35  übertroffen,  wo  sich  Reinmar  gegen  den 
Vorwurf  der  „unmäze"  vertheidigt.  ungefüeger  schimpf  bestet  mich  alle 
tage :  si  jehent,  daz  ich  ze  vil  gerede  von  ir  und  die  liebe  si  ein  lüge 
diech  von  ir  sage.  Hätte  die  Herrin  damals  ihm  schon  die  Rede  über 
ihn  verboten  gehabt,  Reinmar  hätte  das  hier  erwähnen  müssen.  Daher 
fällt  das  Gedicht  wohl  vor  den  zweiten  Zorn.  Fast  scheint  es,  daß 
vor  dem  Eingreifen  der  Herrin  seine  Genossen  durch  ihre  Vorstellungen 
ihn  zur  Mäßigung  zurückzuführen  suchten,  aber  freilich,  ohne  etwas 
anderes  bei  ihm  zu  erreichen,  als  daß  er  sie  nun  auch  als  Neider  und 
Feinde  betrachtete.  Nicht  ganz  so  verzagt,  aber  ebenfalls  sehr  be- 
wegt ist  das  Lied  165,  10  f.  Der  Dichter  erkennt,  daß  die  Freunde 
seine  Klage  verdrießt.  Die  Hochgemuthen  werfen  ihm  vor,  er  übertreibe 
seine  Liebe.  Um  ihnen  zu  zeigen,  wie  sehr  es  ihm  mit  wahrem  Frauen- 
dienste Ernst   ist,    stimmt  er  jenen  schönen  Lobgesang  auf  das  Weib 


220  1^    BECKER 

an,  den  Walther  in  der  Todtenklage  Reinmars  so  besonders  auszeichnet. 
Manche  andere  Gedichte,  welche  vielleicht  noch  vor  dem  zweiten  Zorn 
gedichtet  sind,  zeigen  einen  weniger  leidenschaftlichen  Charakter.  Wir 
nennen  hier  noch,  doch  ohne  für  die  Zeitbestimmung  eintreten  zu 
wollen,  170,  36  und  159,  1  f.  Bemerkenswerth  ist  in  letzterem  Lied 
besonders  v.  19  f.:  als  eteswenne  mir  der  lip  dur  sine  boese  uustaete 
ratet  daz  ich  var  und  mir  gefriunde  ein  ander  wip,  so  wil  iedoch  daz 
herze  niene  wane  dar.  Etwas  später  spricht  sich  Reinmar  noch  deut- 
licher aus  160,  12:  künde  ich  mich  dar  hän  gewendet,  da  manz  dikke 
bot  minem  libe  rehte  als  ich  wolte,  ich  het  eteswaz  verendet.  Eine 
dritte  Stelle  dieser  Art  findet  sich  201,  12:  ich  solte  da  beliben  sin, 
da  man  mi's  tougentichen  bat.  Die  zwei  letzteren  Stellen  führt  Regel 
p.  181  als  Beweise  für  die  niedere  Minne  des  Dichter  an,  aber  160, 
12  wenigstens  ist  der  Freundlichkeit  anderer  Frauen  offenbar  im  Ge- 
gensatz zu  der  Härte  der  vielbesungenen  Herrin  gedacht;  Frauen 
niederen  Standes  hätten  jedoch  mit  dieser  gar  nicht  verglichen  werden 
können.  Daher  darf  man  annehmen,  daß,  während  Reinmar  sich  ver- 
geblich um  die  Neigung  der  einmal  erwählten  Herrin  bewarb,  im  Stillen 
andere  Frauen  von  adeligem  Geschlecht ,  vielleicht  durch  seinen 
Dichterruhm  bestochen,  ihm  ihre  Gunst  zuwandten,  die  er  jedoch  jener 
zu  Liebe  beharrlich  verschmähte.  Wenn  die  Lieder  151,  1—152,  24 
mit  genügenden  Gründen  der  hohen  Minnen  abgesprochen  werden 
könnten,  so  würde  man  sie  passend  auf  ein  solches  Verhältniss  be- 
ziehen, wie  es  in  160,  12  und  201,  12  vorausgesetzt  wird. 

Zu  den  Liedern ,  welche  den  zweiten  Zorn  voraussetzen ,  gehört 
vor  allem  das  schon  oft  citierte  Lied  160,  6,  sodann  auch  das  wichtige 
Lied  163,  23  f.*).  Der  resignierte  Dichter  hat  jetzt  nur  noch  den  kleinen 
Trost  „swaz  geschehen  sol,  daz  geschiht".  Nachdem  ihm  nun  sein 
Gesang  so  wenig  geholfen  hat,  erklärt  er  bestimmt,  er  werde  nun 
schweigen,  bis  die  Herrin  ihn  zum  Singen  auffordere.  In  dem  schönen 
Botenlied  177,  10  nimmt  Reinmar  auf  jene  Erklärung  Bezug  und  gibt 
in  den  Erwägungen,  die  er  der  Dame  in  den  Mund  legt,  zu  verstehen, 
daß  sie  nicht  ganz   erfolglos   geblieben  war  (v.  22).     Das  Avird   durch 

*)  Haiijit  trenut  die  7  Strophen  dieses  Tones  in  4  Theile.  Wackernagel  im 
Lesebuch  dagegen  scheint  die  ersten  6  Strophen  als  ein  zusammenhängendes  Lied  zu 
betrachten.  Die  letzte  Strophe  stimmt  nicht  recht  zu  den  anderen  und  scheint,  wie 
Schmidt  bemerkt,  früh  gedichtet  zu  sein.  Nach  177,  10  könnte  man  freilich  an- 
nehmen, daß  der  Dichter  sie  doch  zu  den  anderen  rechnete.  Die  3  Antworten  des 
Boten  scheinen  sich  nämlich  auf  165,  1.  164,  2  und  164,  10  zu  beziehen,  doch  kann 
die  erste  Antwort  des  Boten  auch  auf  163,  23  gehen. 


ÜBER  REINMAK  VON  HAGENAU.  221 

189,  14  f.^  wie  wir  schon  gesehen  haben,  bestätigt.  Die;  Dame  hatte 
ihn  zu  fröhlichem  Gesang  auffordern  lassen,  aber  der  Dichter  deutete 
ihr  an,  so  lange  er  ungetrfistet  sei,  könne  er  nicht  „wol  uäcli  fröiden" 
singen.  Dies  Gedicht  ist  also,  wie  auch  177,  10  baki  nach  163,  23 
gedichtet*).  Den  neuen  Zorn  setzt  auch  186,  19  voraus,  v.  6  und  16 
deutet  der  Dichter  an,  wie  auch  sonst  öfters,  daß  es  der  Dame  doch 
nicht  ganz  Ernst  mit  ihrem  Zorn  gewesen  sei.  Zu  der  Bemerkung 
mir  ist  lieber  daz  er  bite.  danne  ob  er  sin  sprechen  lieze  ist  zu  ver- 
gleichen 173,  22  sowie  171,  11.  In  diese  Zeit  scheint  ferner  156,  27 
zu  fallen.  Nach  157,  7  erkennt  er  als  den  Grund  des  Zornes  seiner 
Dame:  daz  ich  si  niht  verholen  künde  swaz  mir  war.  v.  16  zeigt, 
daß  die  Trennung  schon  längere  Zeit  bestand,  aber  doch  noch  nicht 
ein  ganzes  Jahr. 

Wir  lassen  es,  wie  schon  bemerkt  wurde,  unentschieden,  ob  die 
drei  nun  folgenden  Gedichte,  welche  die  äußere  Abschließ ung  des 
Dichters  von  der  Herrin  andeuten,  dem  zuletzt  beschriebenen  Studium 
der  Entwickelung  angehören ;  in  diesem  Falle  würde  die  Abschließung 
zugleich  mit  dem  Verbot  der  rede  erfolgt  sein.  Dafür  scheint  164, 
19  f.  zu  sprechen:  owe,  do  ich  danne  muoste  gen,  wie  jaemerlich  ich 
umbe  sach,  in  welcher  Stelle  vielleicht  gerade  der  Beginn  der  äußeren 
Trennung  geschildert  ist.  Jedenfalls  gehört  das  Gedicht  179,  3  f., 
eines  der  schönsten  Lieder,  welche  Reinmar  gedichtet  hat,  der  Höhe 
der  Entwickelung  an.  miner  ougen  wunne  —  so  klagt  er  —  lät  mich 
nieman  sehen,  diu  ist  mir  verboten  gar.  nu  verbieten  also  dar  und 
hüeten,  daz  si  sich  erwüeten!  we  wes  nement  si  sich  war?  Wir  er- 
kennen aus  diesem  Gedicht  aber  auch,  daß  man  guten  Grund  hätte, 
den  Dichter  zu  entfernen.  Denn  um  das  Gerede  des  Böswilligen  zum 
Schweigen  zu  bringen,  gibt  er  180,  1  f.  der  Herrin  gegenüber  gewisser- 
maßen eine  Ehrenerklärung  ab.  Daß  die  „valschen  maeren"  auch 
späterhin  nicht  verstummten,  zeigt  195,  18.  Dieselbe  gespannte  Si- 
tuation, wenn  auch  nicht  ganz  den  hohen  Flug,  erkennen  wir  in  197, 
15.  Auch  in  diesem  Gedicht  hält  er  es  für  Glück  und  Freude  genug, 
wenn  ihn  Jemand  die  Herrin  nur  sehen  lasse.  Manchen  guten  Mann 
beneidet  er  darum,  daß  sie  ihn  gerne  sieht,  weil  er  gut  zu  sprechen 
weiß.  Doch  ist  des  Dichters  Trost,  daß  sie  das  nicht  lange  Jahre 
thäte  V.  39.  Die  Stelle  bcAveist,  daß  Reinmar  selbst  eine  Reihe  von 
Jahren  bei  der  Herrin  Zutritt  hatte,    bis  ihm  die  Thüren  verschlossen 

*)  Kegel  p.  173  setzt  das  Lied  des  uureineu  Reimes  wegen  in  ganz  frühe  Zeit; 
daß  das  durch  den  Inhalt  unmöglich  gemacht  wird,  ergibt  sich  aus  obigem.  Reinmar 
hat  also  auch  in  den  Zeiten  seiner  dichterischen  Reife  unreinen  Reim  nicht   gescheut. 


222  R-  BECKER 

wurden.  Daß  demgemäß  auch  die  bisher  geschilderte  Entwickehmg 
der  Liebe  Reinmars  eine  geraume  Zeit  in  Anspruch  nahm,  wird  neben 
dieser' entscheidenden  Stelle  auch  gestützt  durch  158,  II.  157,  1.  171,  6, 
wobei  freilich  vorausgesetzt  ist,  daß  die  Einordnung  dieser  Gedichte 
in  den  Gang  der  Entwickelung,  wie  wir  sie  vorgeschlagen  haben,  im 
wesentlichen  richtig  ist.  Den  zwei  zuletzt  besprochenen  Gedichten 
reihen  wir  noch  201,  12  an.  Auch  hier  hat  der  Dichter,  wie  es  scheint, 
zur  Herrin  keinen  Zutritt  (v.  26),  ja  er  besorgt  sogar,  daß  ein  anderer 
von  ihr  Lohn  empfange. 

Es  findet  sich  eine  Reihe  von  Gedichten,  welche  aus  verschiedenen 
Gründen  sich  in  den  Rahmen  der  bisher  geschilderten  Entwickelung 
nicht  wohl  einfügen  lassen.  In  denselben  zeigt  sich  im  Allgemeinen 
eine  weniger  gespannte  Situation,  als  in  den  früheren  Gedichten,  sofern 
sie  nach  den  ersten  Zorn  fallen,  auch  tragen  sie  nicht  im  gleichen 
Grade  den  Charakter  leidenschaftlichen  Ringens  und  Begehrens.  Die 
Vorwürfe,  welche  man  vorher  dem  leidenschaftlichen  Dichter  gemacht 
hatte,  sind  verschwunden ;  von  seiner  Schuld  ist  nicht  mehr  die  Rede. 
Das  Verhältniss  zur  Herrin  zeigt  vor  allem  nicht  mehr  jenen  krankhaft 
akuten  Charakter,  der  zuletzt  die  gänzliche  Abschließung  des  Dichters 
von  ihr  zur  Nothwendigkeit  gemacht  hatte.  Zwar  ist  das  zuversicht- 
liche Hofi'en  der  Jugendzeit  geschwunden,  aber  doch  nimmt  man  öfters 
auch  wieder  einen  frischeren  Ton  wahr.  In  zweien  dieser  Gedichte 
spricht  Reinmar  von  sich  in  einer  Weise,  daß  man  sieht,  er  muß  irgend 
etwas  bedeutendes  erlebt  haben.  Wir  wissen  aber  nur  von  einem  be- 
deutenden Ereigniss,  das  ihn  persönlich  berührte,  wir  meinen  den 
Kreuzzug ,  von  dem  die  beiden  Kreuzlieder  zeugen.  Eine  länger 
dauernde  Abwesenheit  durch  die  Fahrt  nach  Palästina  würde  die 
größere  Beruhigung  im  Minnedienst  und  überhaupt  die  gehobene 
Stimmung,  welche  wir  hie  und  da  finden,  einigermaßen  erklären.  Auch 
mußte  es  dem  Dichter  in  jener  Zeit,  wo  ihm  die  Thüren  zu  seiner 
Herrin  Wohnung  verschlossen  waren,  am  leichtesten  fallen,  die  lange 
dauernde  Fahrt  anzuti'cten.  In  der  Heimath  hatte  er  nun  nichts  mehr 
zu  verlieren,  so  mochte  ihm  denn  der  Kreuzzug  sehr  gelegen  kommen. 
Aber  warum  setzen  wir  den  Kreuzzug  erst  hierher  an  das  Ende 
der  ersten  Periode  und  nicht  an  den  Anfang  derselben?  In  engster 
Verbindung  damit  steht  die  Frage,  welchem  Kreuzzug  Reinmar  sich 
angeschlossen  habe.  v.  d.  Hagen  MS.  IV,  140  läßt  es  unentschieden, 
ob  der  Dichter  Leopold  VI.  1190  oder  Friedrich  I.  1197  nach  Palä- 
stina begleitet  habe.  Regel  vermuthet,  er  habe  ihn  im  Gefolge  seines 
geliebten  Fürsten  1190  unternommen;  so  auch  Bartsch.    Einen  Grund 


ÜBER  RKINMAU  VON  HAOKNAU  223 

für  seine  Annahme  gibt  Regel  nicht ,  aber  er  folgte  dabei  wohl  der 
Annahme  Lachmanns  (Walther  p.  1Ö5),  der  den  Anfang  von  Reinmars 
dichterischer  Thätigkeit  in  die  Zeit  von  1190  setzt.  Da  ihm  nun 
mehrere  Gedichte  fröhlichen  Inhaltes,  die  auf  den  Kreuzzug  eine  Be- 
ziehung zu  haben  scheinen,  als  ziemlich  früh  gedichtet  gelten,  so  mußte 
er  sich  wohl  für  den  ersten  der  beiden  genannten  Kreuzzüge  ent- 
scheiden. Auch  wir  haben  keinen  Grund ,  von  jener  Zeitbestimmung 
Lachmanus,  die  allgemein  angenommen  zu  sein  scheint,  abzugehen. 
Sehen  wir  uns  nun  aber  das  erste  Kreuzlied  an,  so  finden  wir  hier 
die  antithetische  Manier  unseres  Dichters  schon  vollkommen  entwickelt. 
Sodann  wundern  sich  die  Leute  seines  Trauerns  und  er  belehrt  sie, 
wenn  ihm  nur  wieder  ein  lebender  Tag  käme,  er  könne  noch,  das  er 
früher  gekonnt  habe.  Damit  weist  er  auf  eine  fröhliche  Zeit  im  Gegen- 
satz zu  der  jetzigen  Minnetrauer  zurück.  Und  wenn  in  der  letzten 
Strophe  den  Zurückbleibenden  gerathen  wird_,  nicht  zu  glauben ,  daß 
sie  mit  den  Flauen  ihren  Willen  hätten,  „denn  weiz  got,  guotes  wibes 
vingerlin  daz  sol  niht  sanfte  nu  zerwerben  sin",  so  verräth  auch  die 
Betheueruug,  daß  die  Lehre  aus  eigener  Erfahrung  geschöpft  ist.  Das 
alles  paßt  nicht  auf  die  Jugend  Reinmars;  wir  sahen,  daß  er  damals 
„vil  unstaete"  gewesen  war,  also  wohl  keine  Veranlassung  hatte,  sich  in 
dieser  Weise  auszusprechen  über  die  Schwierigkeit,  guotes  wibes  vin- 
gerlin zu  erwerben.  Sodann  aber  kannte  er  in  jener  Zeit  wenig  von 
Trauer;  die  ergriff  ihn  erst,  als  die  Treue  im  Dienst  der  hohen  Dame 
ohne  Lohn  blieb.  Offenbar  ist  in  unserem  Lied  die  ganze  Eutwicke- 
lung  der  Liebe  Reinmars,  wie  wir  sie  von  jugendlich  frohem  Hoffen 
bis  zu  Vollender  Hoffnungslosigkeit  aus  den  Liedern  nachgewiesen 
haben,  deutlich  voraussetzt.  Zu  demselben  Resultat  führt  uns  184,  31. 
Wenn  der  Dichter  in  diesem  Lied  klagt :  da  (nämlich  in  Palästina) 
sin  alse  jaemerlichin  jär,  daz  ich  mich  andern  ougeu  ramph  und 
sprach  „nu  geut  üz,  gräwiu  här"  —  so  deutet  er  damit  an,  daß  die 
grauen  Haare  durch  die  ausgestandene  Noth  gekommen  sind;  aber  ein 
Jüngling,  wie  er  nach  Regel  damals  noch  war,  hätte  doch  wohl  darüber 
noch  nicht  zu  klagen  gehabt.  Die  sprachlichen  Eigenthümlichkeiten 
Reinmars  sind  auch  hier,  wie  wir  im  ersten  Theil  gesehen  haben,  schon 
vollkommen  entwickelt.  Das  unglückliche  Minneverhältniss  ist  v.  34 
vorausgesetzt.  Da  nun  der  Proceß  der  Entwickelung,  der  also  vor 
den  Kreuzzug  fällt,  nach  unseren  obigen  Bemerkungen  eine  Reihe  von 
Jahren  in  Anspruch  genommen  hat,  so  kann  der  Kreuzzug  Barba- 
rossas nicht  mehr  in  Frage  kommen,  da  derselbe  noch  in  die  Jugend 
des  Dichters  fiel.     Der  nächste  Zug  aber  fand  1197  —  98  statt  und  an 


224  R-  BECKER 

diesem  mag  sich  denn  auch  unser  Dichter  im  Gefolge  seines  Herzogs 
betheiligt  haben.  Wollen  Bartsch  und  Regel  an  den  Zug  von  1189 
festhalten  j  so  müssen  sie  den  Beginn  der  Dichterthätigkeit  Reinmars 
um  eine  Reihe  von  Jahren  früher  ansetzen. 

Die  beiden  Lieder  180,  28  und  181,  13  sind  bereits  früher  so 
eingehend  besprochen  worden,  daß  wir  hier  über  sie  hinweggehen 
können.  184,  31  schließt  sich  jenen  an;  das  Lied  ist  offenbar  auf  der 
Rückreise  gedichtet.  Die  Stimmung  ist  auch  hier  sehr  gehoben  Das 
Land,  in  dem  weder  Vögel  noch  Blumen  trösten,  wird  man  passend 
auf  Palästina  beziehen.  Daß  die  Hyperbel  „ich  hän  hundert  tüsent 
herze  erlost  von  sorgen"  nicht  ganz  auf  Rechnung  dichterischer  Ein- 
bildung zu  setzen  ist,  zeigt  deutlich  der  dritte  Vers:  wo,  ja  was  ich 
al  der  werlte  trost.  Auf  jenem  Kreuzzug  gab  es  freilich  gar  viel  zu 
trösten.  Zu  der  Entfernung  von  der  Heimath  kam  noch,  daß  das 
Heer  lange  Zeit  in  Palästina  lag,  den  Kaiser  erwartend.  Als  dann 
endlich  die  Nachricht  von  dessen  Tode  gekommen  war  und  man  nun 
schleunigst  wieder  zurückkehrte ,  starb  der  österreichische  Herzog 
Friedrich.  Fast  scheint  es,  als  habe  Reinmar  damals  günstig  auf  die 
Stimmung  vieler  gewirkt  und  dafür  allgemeine  Anerkennung  erfahren. 
Dafür  spricht  besonders  193,  22,  auf  welches  Lied  wir  gleich  kommen. 
Freilich  unter  den  uns  überlieferten  Liedern  ist  keines,  dem  wir  eine 
so  bedeutende  Einwirkung  auf  die  Stimmung  der  durch  das  lange 
Warten  verdrossenen  Kreuzfahrer  zuschreiben  können;  es  ist  aber  auch 
an  und  für  sich  wahrscheinlich,  daß  nur  ein  Theil  der  Lieder  erhalten 
ist,  wie  das  in  Bezug  auf  Walther  ja  erwiesen  ist.  Zur  Sache  erinnern 
wir,  daß  ja  auch  Rugges  Leich  ganz  bestimmt  zu  dem  Zwecke  ge- 
dichtet war,  zu  dem  Kreuzzug  auffordern.  Ja  auch  Reinmars  Kreuz- 
lied 180,  28  ist  vielleicht  direckt  im  Interesse  Friedrichs  gedichtet 
worden,  um  den  lange  vorbereiteten  Kreuzzug  zu  fördern. 

Die  Hoffnung  in  der  Heimath  die  Herrin  zu  seinen  Gunsten  um- 
gestimmt zu  finden,  täuschte  den  Dichter.  Auch  die  späteren  Lieder 
bezeugen ,  daß  seine  Bitten  und  Klagen  erfolglos  geblieben  waren. 
Jene  fröhliche  Stimmung  scheint  daher  auch  bald  wieder  geschwunden 
zu  sein.  Doch  ein  Abglanz  der  schönen  Zeit,  in  der  er  eine  so  be- 
deutende Rolle  mag  gespielt  haben,  fällt  auch  auf  sein  späteres  Leben 
und  bricht  in  dem  Lied  193,  22,  aus  dem  Kummer,  in  den  er  in  der 
Heimath  wieder  gerathen  ist,  in  eigenthümlicher  Weise  durch.  In 
diesem  verzagten  Lied  kehrt  das  charakteristische  we,  owe  dreimal 
wieder.  In  seiner  tiefen  Trauer  blickt  der  Dichter  auf  jene  bedeutende 
Zeit  zurück,   man  hurte  wol  daz  ich  do  sprach  vil  manege  rede  guote. 


ÜBER  REINMAR  VON  ITAGENAU.  225 

hei  was  raannes  was  ich  du.  Zweifellos  ist  es  freilich  nicht,  daß  Reia- 
niar  liier  den  Kreuzzug  im  Auge  hat,  aber  es  ist,  wenn  wir  die  Stelle 
mit  184,  31  f.  vergleichen,  doch  sehr  wahrscheinlich.  Das  wilent  v.  29 
auf  die  Jugend  zu  beziehen,  in  der  Reinmar  ja  auch  fröhliche  Lieder 
sang,  verwehrt  der  Ausruf  v.  33:  hei  was  mannes  was  icn  do!  So 
hätte  sich  der  Dichter  doch  wohl  kaum  über  jene  frühe  Zeit  ausge- 
sprochen. In  ruhigerer  Weise  bespricht  Reinmar  den  langen  Kummer 
in  dem  Lied  195,  10.  Aus  v.  17  geht  hervor,  daß  böse  Zungen  immer 
noch  zischelten.  Die  späte  Zeit,  welcher  die  ganze  Haltung  des  Liedes 
entspricht,  erhellt  besonders  aus  v.  32  f. :  do  ich  gesanc,  daz  ich  gesunge, 
niemer  liet  in  minen  tagen  (owe  also  langes  klagen)  ich  waene  ez  noch 
also  geste."  Nach  der  Fassung  des  Ausdrucks  zu  schließen  liegt  die  Zeit, 
in  der  er  zuerst  so  sang,  schon  lange  hinter  ihm.  Man  erkennt  aber  auch 
aus  dieser  Stelle,  daß  die  Drohung  damals  nicht  ohne  Erfolg  geblieben 
war;  anders  könnte  er  sich  jetzt  nicht  darauf  berufen.  Die  persönlichen 
Beziehungen  treten  in  einigen  der  späteren  Lieder  sehr  zurück.  Man 
fühlt  es  dem  Lied  191,  34  merklich  an,  daß  der  Dichter  älter,  aber 
auch  innerlich  gereifter  geworden  ist.  Wenn  ihm  etwas  Widerwärtiges 
begegnet,  so  trägt  er  es  mit  fuoge  tougenlichen  und  denkt :  es  wirdet 
rät.  Etwas  lebhafter  gehalten  ist  1 85,  27,  ein  Lied,  in  dem  der  Dichter 
des  nahenden  Alters  gedenkt.  Obwohl  ihm  die  Leute  sagen ,  daß 
Freude  ihm  so  wohl  anstehe,  so  ist  es  doch  schon  lange,  daß  seine  Augen 
keine  Freude  mehr  sahen,  so  siz  nu  vil  gerne  wenden  wil,  dig  leit 
daz  mir  von  ir  geschiht,  sost  mir  lip  unraaere  und  ander  spil;  so  en- 
toug  ich  ir  vor  alter  niht;  doch  geht  die  Klage  nicht  so  tief,  wie  in 
früherer  Zeit.  Sehr  elegisch  klingt  auch  198,28;  es  sind  weiche  Töne, 
ohne  die  ungemäßigte  Klage  und  das  heftige  Begehreu  der  früheren 
Zeit.  Doch  freut  sich  der  alternde  Dichter^  daß  sein  Sinn  noch  so 
striteclichen  gert,  was  ihn  noch  froh  machen  kann.  Er  preist  die  Sorge, 
ohne  die  Niemand  wert  sei,  aber  unter  dieser  Sorge  versteht  er  nicht 
Kummer,  sondern  das  Streben  nach  ritterlicher  Ehre.  Das  anziehende 
Gedicht  schließt  mit  den  Worten: 

miniu  jär  diu  müezen  mit  ir  ende  neraen, 

so  mit  fröiden,  so  mit  klage. 

Daß  Reinmar  1220  sicher  todt  war,  hat  Haupt  in  der  Vorrede 
zu  Hartmanns  kleineren  Gedichten  erwiesen,  wahrscheinlich  aber  fällt 
sein  Tod  viel  früher,  wie  man  aus  Tristan  4777  geschlossen  hat. 


GERMANIA.  Neue  Reihe  X    (XXII.  Jahrg.)  15 


226  LITTERATUR:  H.  RÜCKERT,  HELIAND. 

LITTERATUß. 


Heliaud,  herausgegeben  von  Heinrich  Rückert.  Leipzig.  Brockhaus  1876. 
(Deutsche  Dichtungen  des  Mittelalters.  Mit  Wort-  und  Sacherkläruugen 
herausgegeben  von  Karl  Bartsch.  Vierter  Band).  XL.   308   S. 

Siever's  Heliandausgabe  läßt  länger  als  man  erwarten  durfte  und  als  den 
Heliandfreunden  lieb  ist,  auf  sich  warten.  So  mag  denn  die  Besprechung  von 
Rückert's  Heliand  allein  ihren  Weg  gehen,  dem  letzten  Werk  des  auch  der 
Germania  nahestehenden  Forschers.  Es  ist  ihm  nicht  vergönnt  gewesen,  seine 
Arbeit,  auf  die  er  so  viel  Liebe  und  Sorgfalt  verwendet,  vollendet  zu  sehen. 
Nur  etwa  bis  zum  sechsten  Bogen  ist  der  Druck  noch  von  ihm  selbst  corrigiert ; 
die  Fertigstellung  des  weiteren,  größeren  Theiles  verdanken  wir  dem  Heraus- 
geber der  Sammlung,   der  auch  das   Glossar  bearbeitet  hat. 

Der  Zweck  der  Ausgabe  läßt  sich  aus  dem  Titel  der  ganzen  Sammlung 
entnehmen.  Aber  doch  würden  wir  gerne,  wenn  Rückert  noch  unter  den  Le- 
benden weilte,  ihm  die  Frage  vorlegen,  welches  Publicum  er  eigentlich  im  Auge 
gehabt.  Ein  gelehrtes  offenbar  gewiß  nicht.  Dem  Ungelehrten  aber,  d.  h. 
demjenigen,  der  sich  nicht  speciell  mit  deutscher  Sprache  beschäftigt,  dürfte 
es  kaum  möglich  sein,  sowie  die  Ausgabe  vorliegt,  ein  auch  nur  elementares 
Verstäudniss  des  Gedichtes  zu  gewinnen,  wenn  er  nicht  weitere  Hülfsmittel  zu 
Rathe  zieht.  Dem  Mangel  wäre  leicht  abzuhelfen  gewesen,  wenn  R.  statt  der 
allgemeinen  Bemerkungen  über  die  altsächsische  Sprache  (Einl.  p.  XXXIV  ff.) 
seiner  Ausgabe  eine  kurze  Formenlehre  des  As.  vorausgeschickt  hätte  und  dem 
Mangel  wäre  jetzt  noch  abzuhelfen,  wenn  die  Verlagsbuchhandlung  ein  paar 
Seiten  wollte  nachträglich  drucken  lassen,  die  ausser  der  Formenlehre  aber 
dann  noch  einige  Bemerkungen  enthalten  müßten  über  die  altsächsischen  Laute 
und  die  ihnen  entsprechenden  hochdeutschen.  Ist  auf  diese  Weise  das  Ver- 
stäudniss erleichtert,  so  wird  sich  Rückert's  Ausgabe  rasch  Freunde  erwerben. 
Vielleicht  entschließt  sich  dann  und  wann  ein  classischer  Philologe  zur  Leetüre, 
dem  das  Mittelalter  nicht  gänzlich  als  Barbarei  erscheint;  dann  unsere  Historiker. 
Vor  Allem  denke  ich  an  unsere  Geistlichen,  die  sich  angezogen  fühlen  müssen 
von  dieser  ältesten  deutsch-nationalen  Darstellung  des  Christeuthums.  Daß  dies 
schon  jetzt  geschieht,  beweist  unter  Anderem  eine  Notiz,  die  ich  im  Süd- 
deutschen evangelisch-protestantischen  Wochenblatt  1877,  p.  8  finde:  dort  steht 
eine  Einladung  zu  der  Conferenz  der  jüngeren  Geistlichen  des  Badischen 
Unterlandes  und  die  Tagesordnung  verspricht  einen  Vortrag  über  den  Heliaud. 

In  der  Einleitung,  die  für  Rückert  verhältnissmäßig  knapp  gefaßt  ist, 
wird  zuuächst  in  vortrefflicher  Weise  die  litterarische  Stellung  und  die  ästhe- 
tische Bedeutung  des  Gedichtes  erörtert.  Die  Prologe  sind  auch  für  R.  apokryjjh ; 
die  versus  setzt  er  in  die  Ottonenzeit.  Nachdem  gezeigt,  wie  tief  der  Heliand 
auf  deutschem  Boden  wurzelt,  kommen  die  christlich-römischen  Culturelemente 
zur  Besprechung.  Hier  wäre  es  am  Platz  gewesen,  das  für  die  Metrik  wie  für 
die  lautliche  Entwickeluug  so  bedeutsame  Gesetz  auszusprechen,  daß  in  Fremd- 
wörtern der  Accent    durchaus    auf   die    erste  Silbe    gezogen  wird.     Dann    erst 


LITTEWATIIR:  If.   KÜOKKRT,  IIELIAND.  227 

wird  CS  verstslndlich  wie  z.  B.  aus  tclonium  tolna  werden  konnte  (v.  1195); 
dann  wäre  für  den  Commentar  unter  dem  Text  die  mindestens  10  Mal  er- 
scheinende Bemerkung  (v.  18,  54,  60,  76,  250,  340,  764,  920,  952,  1153) 
erspart  worden,  daß  diese  Betonung  auch  für  die  fremden  Eigennamen  durch- 
aus gilt  (mit  einziger  Ausnahme  von  Herodes,  das  auch  auf  der  zweiten  Silbe 
betont  erscheint,  Lachm.  Abh.  d.  Bcrl.  Ak.  1832,  Th.  I,  264).  Auf  eine  Be- 
sprechung der  metrischen  Verhältnisse  folgen  stilistische  Bemerkungen.  Eine 
feine  und  fruchtbare  Wahrnehmung  ist  es,  wenn  er  (p.  XXXII)  ausspricht: 
„die  äußere  Si)rachform,  die  sinnliche  Gestalt  des  einzelnen  Wortes  zeigt  eine 
ausgesprochene  Neigung,  in  möglichster  Variation  sich  darzustellen.  Wo  irgend 
Doppclformen  derselben  Casus-  und  Verbalendungen  sich  finden,  werden  diese 
abwechselnd  miteinander  gebraucht".  Das  gilt  denn  auch  für  verschiedene 
gleich  berechtigte  Constructionen ,  und  wir  erhalten  das  Gesetz  des  stilisti- 
schen Wechsels,  das  R.  in  den  Armierkungen  dann  vielfältig  nachweist,  bei 
Wechsel  von  starkem  und  schwachen  Adjectiv,  von  Compositum  und  Sub- 
stantiv u.  a.  m.  Sievers  (Jenaer  Litteraturzeitung  1877,  p.  31)  scheint  sich 
zu  dieser  ganzen  Anschauungsweise  ablehnend  zu  verhalten,  und  ich  gebe  zu, 
daß  R.  zu  weit  geht,  wenn  er  auch  den  Wechsel  des  Geschlechtes  in  dem- 
selben Substantiv  auf  diese  Weise  erklären  will.  Aber  Thatsachen  wie  ich  sie, 
von  R.  unabhängig,  in  meinen  „Modi  im  Heliand"  p.  9  und  p.  21  ,  sowie 
Germ.  XXI,  145*)  zusammengestellt,  leiden  keine  andere  Auslegung,  und  es  wäre 
interessant ,  die  ganze  Frage  einmal  im  Zusammenhang  zu  behandeln.  Den 
Schluß  bildet  eine  Übei'sicht  über  „die  Hauptzüge  der  originalen  Sprachgestalt 
des  Heliand",    mit    einzelnen  für  den  Grammatiker  bedenklichen  Bemerkungen. 

Der  Text  ist  nach  C  gearbeitet,  welches  R.  in  einer  Vergleichung  Bartsch's 
vorlag  und  zwar  in  sehr  conservativer  Weise,  was  nicht  anders  zu  erwarten 
war.  Interessant  und  geistreich,  aber  auch  sehr  gewagt  ist  die  Weise,  wie 
R.  bei  der  Feststellung  der  Vocale  in  den  Endsilben  verfahren.  Er  hat  in 
jedem  einzelnen  Falle  (cf.  p.  XXXVIII)  untersucht,  ob  das  Streben  nach  Va- 
riaton oder  das  nach  Assimilation  mit  den  benachbarten  Vocalen  den  Sieg 
davongetragen,  ohne  die  Entscheidung  „der  meist  confusen  und  rein  willkür- 
lichen Praxis  der  Handschriften  zu  überlassen".  Wie  soll  aber  ein  System  ge- 
stützt werden,  wenn  nicht  durch   die  Handschriften? 

Die  Anmerkungen  sind  im  Großen  und  Ganzen  vortrefflich  und  legen 
schönes  Zeugniss  ab  von  dem  gemüthvollen  und  feinsinnigen  Wesen  des  ver- 
storbenen Forschers.  Besonders  hübsch  ist,  was  über  die  Abweichungen  von 
der  Quelle  und  ihre  Begründung,  so  wie  über  das  nationale  Costüm  des 
fremden  Stoffes  gesagt  wird.  Große  Sorgfalt  ist  auf  die  Bestimmung  der 
Begriffe  verwendet,  sogar  biswellen  etwas  zu  viel  des  Guten  gethan.  So  hat 
es  für  das  Verständniss  absolut  keinen  Werth ,  wenn  v.  139  zu  gimahlian  be- 
merkt wird:  „reden,  die  Worte  nach  einanderstellen ,  wie  sie  gehören"  oder 
267:    „eldi  Masr.  PI.   1.     Die  Menschen    als  Gewächs,    Erzeugniss    der  Erde". 

Die  Fassung  der  Noten  entbehrt  vielfach  der  Klarheit  und  Präcision,  so 
V.  8:  „berhtliko  Adv.  od.  Adj.  berht-lik,  wie  alle  solche  Zusammensetzungen 
das  erste  Wort  verstärkend"  oder  v.  50:    „wid  Präp.   mit  Dat.   und  Acc.  Grund- 


*)  Nachzutragen  ist  hier  v.  2719:   that  he  thena  werold-kuning  sprakono  gesponi 
endi  spahon  wordun,  wo  R.  gerade  seltsamer  Weise  keine  Bemerkung  macht. 

15* 


228  LITTEBATUR:  H,  RÜCKERT,  HELIAND. 

bedeutung  des  engsten  körperlicben  Anschlusses".  Vgl.  noch  die  Anmerkungen 
zu  V.  76,  603,  2497,  4146.  Unverständlich  ist  mir  des  Erklärers  Meinung 
zu  V.  95,  861,  1492,  2992,  4327.  (Soll  es  etwa  heißen:  der  größte  aller 
Menschen,  den  ich  kenne?)  Am  schwächsten  sind  die  Anmerkungen  über  syn- 
tactische  Dinge.  In  Betreff  der  Anwendung  der  Modi  ist  kaum  ein  einziges 
Gesetz  richtig  erkannt  und  ausgesprochen.  Um  den  Conjunctiv  nach  Superlativ 
zu  erklären,  heißt  es  zu  v.  835:  „der  Conj.  steht,  weil  jeder  solche  relative 
Zusatz  etwas  subjectives  von  der  Meinung  und  dem  Glauben  abhängendes  ent- 
hält", und  zu  v.  3022  wird  gar  die  kühne  Behauptung  ausgesprochen  „ant- 
fallan  Conj.  wie  gewöhnlich  im  relativen  Nebensatze".  Gerade  auf  diesem 
Gebiet  fehlen  auch  mehrfach  die  zum  Verständniss  nothwendigen  Fingerzeige 
80  zu  V.  26  und  27,  zu  v.  127  (Singular  des  Vei'bs  vor  pluralem  Subject) 
zu  5601   und  2. 

Eine  Reihe  von  Stellen  sind  von  R.  unrichtig  aufgefaßt  oder  unrichtig 
geschrieben.  V.  15:  Sin  kann  sich  nicht  auf  word,  sondern  nur  auf  bok  be- 
ziehen.—  V.  50:  heleandero  batst  ist  nicht  Apposition  zu  kristes,  sondern  zu 
giburd;  denn  von  einer  flexionslosen  Apposition,  wie  R.  will,  kann  keine  Rede 
sein.  —  V.  57:  Weshalb  R.  das  u  von  Rüma  für  kurz  ansieht,  weiß  ich  nicht; 
etwa  wegen  des  Wechsels  von  o  und  u ,  der  in  der  Einleitung  einmal  zum 
Beweis  für  die  Kürze  einer  Endsilbe  verwendet  wird?  Lat.  6  wird  mannigfach 
im  Deutschen  durch  ü  reflectiert,  cf.  clüstar-claustrum,  tüfstein-  tofus  (Wackern. 
Kl.  Sehr.  III,  286),  ebenso  wie  im  Romanischen  (Diez,  Gr.  I,  148).  —  V.  112: 
gruri  ist  ein  bedenklicher  N.  PI.  des  rt.  m.  gruri.  —  V.  227:  wita  is  thena 
fater  fragon  kann  nicht  heißen:  laßt  uns  seinen  Vater  fragen;  dagegen  spricht 
die  Stellung  des  is;  is  ist  Gen.  der  Relation  wie  in  der  ganz  analogen  Stelle 
Otfr.  III,  20,  93:  fraget  inan  es  in  war  (vgl.  noch  Erdmann,  Synt.  d.  Spr. 
Otfr.  II,  184).  Etwas  anders,  mit  mehr  objectiver  Bedeutung  steht  der  Gen. 
in  V.  816:  fragoda  sie  firiwitliko  wisaro  wordo,  wo  R.  irrig  den  Gen.  instru- 
mental auffaßt,  denn  fragon  kann  nicht  absolut  stehen  =  Fragen  vorlegen. 
(Ganz  ähnlich  wie  816  ist  2814:  was  im  firiwit  mikil  wisaro  wordo.)  —  V.  239: 
„giwitti  nicht  subjectiv  Verstand,  Besinnung,  die  hat  er  nicht  verloren";  ganz 
richtig  —  vom  heutigen  Standpunkt.  Aber  bekanntlich  wird  auf  unentwickelter 
Bildungsstufe  Stumm-  und  Taubheit  nicht  als  physisches  Leiden  bloß,  sondern 
auch  als  geistige  Störung  aufgefaßt.  —  V.  248 :  die  Lesart  der  Handschrift 
al  liutstamna  war  beizubehalten,  cf.  2222:  al  seokaro  manno  und  Otfr.  I, 
2,33:  AI  gizungilo;  diese  Lesart  ist  jedenfalls  auch  gegenüber  von  M  die 
echte.  —  V.  785:  Warum  nicht  die  väterlichen  Verwandten  genannt  sind, 
erklärt  ganz  einfach  das  Bedürfniss  der  Alliteration.  —  V.  1370:  daß  das  zweite 
them  Dativ  statt  Nominativ  sei,  ist  wohl  nur  ein  lapsus  calami.  —  V.  1535: 
„für  die  Übergebung  des:  si  quis  te  percusserit  in  dexteram  maxillam^  praebe 
ei  et  alteram  liegt  nicht  in  der  „anders  gearteten  deutschen  Phantasie"  ;  son- 
dern der  Dichter  wußte,  daß  er  so  Etwas  seinen  Sachsen  nicht  bieten  durfte, 
was  dergestalt  allen  ihren  Begriffen  von  Ehre  und  Männerwürde  zuwiderlief.  — 
V.  1625:  is  geld  niman:  is  kann  nicht  Masc.  sein  =  Bestrafung  von  Gott, 
vgl.  die  vollständig  gleich  gebauten  Stellen  v.  1790  und  3779,  wo  is, 
bezw.  thes  nur  als  Neutrum  gefaßt  werden  kann.  —  V.  1811:  weg  scheint 
nach  R.  Bauwerk,  Gebäude  zu  bedeuten ;  also  der  Manu,  der  auf  dem  Felsen 
oben  seine  Bauwerke,   Gebäude  errichtet?  R.   hat  oflfenbar  Scherers  Vermuthung 


UTTERATUR:  IT.   (JERING,  DIE  CAUSALSÄTZE  et«.  229 

übcracbcu,  der  weg  gleich  got.  vaddjiis  setzt  und  wegos  tils  die  Mauern  =: 
domum   suam   des   Originals   auffaßt  (Ztsclir.   f.   österr.   Gymn.    18G6,   (»31). 

303(5  euilarliudi  nennt  der  Dichter  nach  R.  die  eigentlichen  Juden  im 
Gegensatz  zu  den  Galiiilern.  Das  scheint  mir  nicht  nur  „gelehrt  genug"^  son- 
dern zu  gelehrt,  süd  ist  einfach  im  Gegensatz  zu  des  Dichters  nordischer 
Ileimath  gebraucht.  —  4356:  fora  thiu  gi  wardon  skulun  versteht  R. :  vor 
diesem  (Tag)  sollt  ihr  euch  hüten.  Daß  fora  thiu  =  deshalb  ist,  wird  theils 
durch  die  parallele  Stelle  v.  4376,  theils  durch  Vergleichung  des  Originals 
erwiesen  (Mc.  13,  35:  vigilate  ergo,  ne  cum  venerit  repente  inveniat  vos 
dormientes),  abgesehen  davon ,  daß  der  masculine  Instrumental  thiu  doch  sehr 
fraglich  (darf  man  ihn  suchen  in  MSDLX  2,  10:  Petrus,  in  antreitin  dero 
apostolono  eristo  enti  furisto,  in  diu  gabauhnita  christanhciti  =  apostolorum 
primo  et  praecipuo,  in  quo  figurabatur  ccclesia?).  —  V.  5961.  Nach  tc  Emaus 
ist  ein   Komma  zu  setzen,   dann  wird  die   Anmerkung  überflüssig. 

Wenn  Rückert's  Ausgabe  eine  zweite  Auflage  zu  Thcil  wird,  werden 
demnach  allerlei  Verbesserungen  anzubringen  sein.  Dann  wird  auch  im  Glossar 
nachgetragen  werden  müssen  biwardon  2561,  obarhugdi  4256,  samwurdi  5548, 
v/arlik  1804.  Wir  hoffen  und  wünschen,  daß  eine  solche  zweite,  verbesserte 
Ausgabe  in  nicht  zu  langer  Zeit  möge  nothwendig  werden. 

CARLSRUHE,  den  15.  April  1877.  OTTO  BEHÄGHEL. 


Hugo  Gering,  Die  Causalsätze  und  ihre  Partikeln  bei  den  althochdeutschen 
Uebersetzern  des  achten  und  neunten  Jahrhunderts.  Eine  syntactische 
Untersuchung.  Halle   1876.   52   S.   (Habilitationsschrift). 

Gering  gibt  in  seiner  Schrift  eine  erschöpfende  Darstellung  der  Art  und 
Weise,  wie  bei  den  althochdeutschen  Übersetzern,  besonders  bei  Tatian,  be- 
gründender und  begründeter  Satz  verknüpft  werden,  und  er  erörtert  im  Ein- 
zelnen die  Entstehungsgeschichte  der  verschiedenen  Verbindungsformen.  Sein 
Verfahren  ist  so  ziemlich  dasselbe  wie  das  Erdmanns  in  seiner  Syntax  der 
Sprache  Otfrieds.  Sehr  hübsch  und  treffend  ist  der  Abschnitt  über  die  mit  inu 
und  ja  eingeführten  Sätze  (p.  35  ff.);  ferner  ist  es  recht  dankenswerth ,  daß 
Gering  auf  die  Wortstellung  stets  sorgfältig  Rücksieht  genommen.  Auch  mit 
dem  Anderen,  was  Gering  von  seinem  Standpunkt  aus  bietet,  kann  man  im 
Wesentlichen  einverstanden  sein.  Aber  gegen  diesen  Standpunkt  selbst  erhebt 
sich  ein  principielles  Bedenken.  G.  hat  meines  Erachtens  die  Sache  nicht  beim 
richtigen  Ende  angefaßt  oder  vielmehr  nicht  zum  richtigen  Ende  und  nicht 
weit  genug  fortgeführt.  Wenn  man  die  Übersetzungslitteratur  zum  Gegenstand 
syntactiseher  Untersuchung  macht,  so  ist  es  von  ganz  untergeordnetem  Interesse, 
zu  wissen,  was  überhaupt  in  derselben  gebräuchlich  ist,  sondern  der  Schwer- 
punkt der  Frage  liegt  darin:  wie  weit  zeigt  sich  originale  deutsche  Fügung? 
Daraus  ergibt  sich  mit  Nothwendifrkeit,  daß  eine  solche  Untersuchung  ver- 
gleichend geführt  werden  muß  und  jede  einzelne  Erscheinung  scharf  auf  ihr 
germanisches  Bürgerrecht  zu  prüfen  ist.  Statt  nun  dai'auf  hin  die  ganze  Ab- 
handlung anzulegen,  wird  nur  ganz  gelegentlich  auf  diese  Frage  Rücksicht  ge- 
nommen. Ganz  richtig  hat  G.  erkannt,  daß  warlihho  und  giwisso  als  Causal- 
partikeln  nicht  ursprünglich   deutsch  sind  (p.    45);    aber  trotzdem  gibt  er  eine 


230  LITTERATUR:  H.  GERING,  DIE  CAUSALSÄTZE  etc. 

ganze  Seite  von  Beispielen  dieser  undeutschen  Constructiou.  Wozu  das?  Ein 
andermal  wirft  er  allerdings  die  Frage  auf,  ob  der  Gebrauch,  „daß  im  ersten 
Satze  das  Verbum  am  Ende  steht,  während  im  zweiten  gewöhnliche  Wort- 
stellung oder  Inversion  angewandt  ist"  dem  Deutscheu  angemessen  sei  (p.  18), 
weiß  dies  aber  nicht  zu  entscheiden.  Besagte  Construction  ist  in  der  That 
echt  deutsch J  cf.  Hei.  1901:  hwand  in  thiu  spä-hSd  kumid,  endi  sprikit  the 
helago  gest.  Dagegen  ist  z.  B.  die  Construction  in  MSDLIX,  4,  17  durchaus 
undeutsch,  mag  man  nun  Einschachtelung  oder  Asyndeton  annehmen  (G.  p.  16). 
Vor  Allem  ist  mir  die  Echtheit  der  bei  den  Übersetzern  so  wichtigen  Con- 
junction  bidiu  hwanta  sehr  zweifelhaft.  Es  ist  mir  nicht  bekannt,  daß  sie  durch 
ein  selbständiges ,  nicht  lateinischem  Einfluß  unterworfenes  Denkmal  gestützt 
würde.  Bei  Otfried,  dem  einige  weitere  Flicksilben  so  manches  Mal  willkommen 
gewesen  wären,  steht  bi  thiu,  wanta  ein  einziges  Mal:  III,  23,  52  thaz  ir  gi- 
loubet  bi  thiu,  wanta  ih  hiar  nu  was  mit  iu,  also  im  Reim.  W^elche  sprach- 
liche Unmöglichkeiten  aber  der  Reim  bei  Otfried  möglich  gemacht,  mögen  fol- 
gende Verse  zeigen  I,  4,  5: 

Wärun  siu  bediu  gote  filu   drudiu 

joh  iogiwar  sinaz   gebot  fuUentaz, 

wizzod  sinan  io  wirkeudan. 
(Ich  verweise  weiter  auf  meine  „Modi  im  Heliand"  p.  7;  auch  Erdmann 
hat  mehrfach  auf  den  Reimeinfluß  aufmerksam  gemacht,  aber  nicht  genügend; 
ich  werde  auf  die  Sache  zurückkommen.)  Im  Heliand  steht:  Be  thiu  wärun 
siu  an  iro  hugi  blinda  hwand  siu  ina  ni  antkendun  (v.  3606),  allein  be  thiu 
bezieht  sich  auf  das  Vorhergehende:  Sie  dienten  den  Teufeln,  deswegen  waren 
sie  blind.  Der  Satz  mit  hwand  nimmt  dann  die  Begründung  noch  einmal  auf, 
nach  der  beliebten  Weise  des  Parallelismus,  die  ich  a.  a.  0.  p.  24  und  25 
besprochen.  Das  gleiche  Verhältniss  liegt  vor  v.  2227,  3777,  4442,  4752, 
5048  und  Otfr.  IV,  7,  53.  Ich  glaube  nun,  daß  wie  wärlihho  und  gewiss©  erst 
in  den  deutschen  Übersetzerschulen  zu  Causalpartikeln  geworden  sind,  so  auch 
bi  thiu  wanda  deren  Schöpfung  ist,  in  welcher  man  für  die  lateinischen  Con- 
junctionen  propterea,  ideo,   eo  quod   eine  Vertretung  suchte. 

Der  letzte  Grund  des  angedeuteten  Mangels  von  Gering's  Arbeit  liegt 
wohl  darin ,  daß  der  Verfasser  die  Selbständigkeit  und  den  Geist  des  Tatiau- 
übersetzers  überschätzt.  Das  zeigt  sich  auch  an  anderen  Stellen.  Tat.  232,  2 
wird  dixit  eis:  quoniam  sie  scriptum  est,  et  sie  oportebat  Christum  pati  über- 
setzt mit  quad  in:  bidiu  so  giscriban  ist,  wanta  so  gilauf  Christ  troen;  G. 
bemüht  sich  nun  auf  einer  halben  Seite  (p.  23),  einen  vernünftigen  Sinn  in 
das  Deutsche  hineinzuinterpretieren.  Natürlich  vergebens,  denn  der  deutsche 
Übersetzer  hat  die  Stelle  eben  nicht  verstanden,  so  wenig  als  Gering ;  quoniam 
ist  nichts  als  die  buchstäbliche  Übersetzung  des  griechischen  ort,  das  nach 
einem  Verbum  dicendi  die  directe  Rede  einführt  (s.  Luc.  24,  46)*).  Über- 
haupt durften  Sätze,  bei  denen  der  Übersetzer  augenscheinlich  nichts  Klares 
gedacht  hat,  gar  nicht  zur  Untersuchung  herangezogen  werden.  Denn  da  mußte 
natürlich  ein  Tasten  und  Suchen  des  Ausdruckes  stattfinden ,  und  wir  haben 
keine  Gewähr  für  sprachliche  Richtigkeit;  so  bei  Tat.  131,  20:  ih  wärlihho, 
wanta  ih  war  quidu,   ni  giloubet  ir  mir  (G.  p.  24);    so  bei  Tat.  57,  5   et  ideo 


*)  Ähnlich   205,  3  zu  Ende. 


LITTEKATUR:  II.  GERING,  DIE  CAUÖALSÄTZE  etc.  23) 

major  Salomone  hie  —  inti  bithiu:  hiev  ist  mcra  Salamonc  (wie  Gr.  p.  51  das 
Deutsche  anfTaßt),  denn  ideo  im  Sinne  von  „deshalb"  ist  hier  schlechterdings 
unverständlich.  Damit  wird  auch  die  Deutschheit  dieser  höchst  seltsamen  Con- 
struction  mit  „causaler  Interjection"  in  f»7,  5  hinfällig.  (In  84,  2:  bidiu  god 
quad  liegt  überhaupt  gar  kein   Grund  vor,   eine  solche   anzunehmen.) 

Nun  komme  ich  zu  einigen  einzelnen   Punkten.   Was  G.  p.  6   ff.   über  die 
Übersetzung  bczw.  NichtÜbersetzung  von  nam   und   enim   bemerkt,   ist  nicht  sehr 
genau.      Nam   wird  stets   übersetzt  bei  Tatian  (Ausnahme  nur   47,  5);    nam    et 
wird  32,  6   durch  inti  wiedergegeben,  indem  et  fälschlich   als  Conjunction  auf- 
gefaßt wurde;    daneben    hatte    eine  Causalpartikel    keinen  Raum    mehr.     Was 
enim  (bezw.  et  enim)  betrifft,    so  wii'd    zweimal   die  causale  Construction  ganz 
verlassen:   56,  10   und   82,  4.    In   4,  13   las    der  Übersetzer    vielleicht    nur    et 
statt   et  enim.      In  einer  Anzahl  von  Fällen    steht    das    uudcutsche   wärlihho 
(2,  6;     4,  17;     64,  11;     64,  13;    66,  3;    84,  5;    145,  13)  und  giwesso   211,  1 
(quippe  enim  giwesso   so   58,  2).      Alle    diese  Fälle    können    nicht    in   Betracht 
kommen  bei  der  Frage,  in   wie  weit  das  Deutsche  jener  Zeit  und  Bildungsstufe 
den  begründeten  und  begründenden  Satz  verband.     Es  bleiben  nun ,  wenn  ich 
recht  gezählt,    noch   176   Fälle.     Von  diesen  sind  es  nur  11   Fälle,    in  denen 
eine  causale  Partikel   (wanta)   erscheint,    denn    tho    kann    nicht    zu    diesen  ge- 
rechnet werden,   also  6,2^.     Es  ist  dieser  Thatsache    gegenüber    ganz    nutzlos 
wenn  G.   mehr    als    zwei    Seiten    dazu  verwendet,    um  verschiedene  Kategorien 
aufzustellen ,    in  denen  keine  Übersetzung  stattfindet.     Unrichtig    ist    es,  wenn 
G.   sagt  (p.    8):    „Vorzugsweise  gern  scheint    enim    auch    in    denjenigen   Sätzen 
ausgelassen  zu  werden,  die  den  Grund  zu  einer  im  Imperativ  ausgesprochenen 
Aufforderung  angeben."    Von  jenen   176  Stellen,  in  denen   enim  nicht   übersetzt 
wird,    fallen    52    auf    Causalsätze    nach    Imperativ,    also     29^5^;    von    den 
1 1   Stellen,  in  denen  Übersetzung  eintritt,  fallen  4  auf  Causalsätze  nach   einer 
Aufforderung  (5,  8;   9,  2;   11,  1;   13,  2.  Die  weiteren  sieben  Fälle  sind:   5,  8; 
8,  3;    19,  1;    43,  1;    84,  1 ;  123,  1;   140,  1),    also   36,4$^.     Das  Verhältniss 
ist  also  im  Wesentlichen  dasselbe;    sogar  tritt  nach  Imperativsätzen   die  Über- 
setzung noch  etwas  häufiger  ein  als  sonst.     Richtig  ist  dagegen  die  Wahrneh- 
mung,    daß  nach   directen  Fragen  enim  nicht    übersetzt  wird   (p.   9).      Die  Ur- 
sache  dieser  Erscheinung    aber    hat   G.   nicht    erkannt ,     denn    seine  Erklärung 
(p.    8)   beweist  zu  viel,    da  sie  auch  für  die  Begründung  eines  Imperativsatzes 
gelten  würde.   Die  Sache  scheint  mir  etwas  tiefer  zu  liegen.  Es  gibt  überhaupt 
ein  Vierfaches,  was  begründet  werden  kann,  das   Sein,   das  Werden,    das  Er- 
kennen,   das  Handeln   (Schopenhauer's   „vierfache  Wurzel    des   Satzes  vom    zu- 
reichenden  Grunde").      Nun  fallen  weder  Frage    noch  Aufforderung    unter    eine 
dieser  vier  Kategorien,   können   also  an  sich  nicht  begründet  werden.    Die  Auf- 
forderung aber  läßt  sich  mit  Leichtigkeit  auf  ein    „Du  sollst,    es    ist  nothwen- 
dig",  also  auf  eine  Thatsache,    ein  Sein  zurückführen,    und    so    ist  doch   eine 
reale  Begründung  möglich.  Bei  der  Frage  dagegen  kann  eine  ähnliche  Zurück- 
führung  nur  dann  statt  finden,   wenn  sie  eine  bloß  rhetorische  ist.    Sonst  kann 
an   eine  Frage  nur  in   ganz  loser  Weise,    nur    auf  Umwegen   eine  Begründung 
angeknüpft  werden.    So  ist  in  Tat.   8,  1    der  Gedanke:     „Wo  ist  der,    der  ge- 
boren  ist  als  König  der  Juden?  Wir  reden   deshalb  von  der  Geburt  eines  Juden- 
königs, weil  wir  seinen  Stern  gesehen  haben".    Auch  im  Nhd.  ist  es  uns  hier  un- 
möglich zu  sagen:  wo  ist  der  Juden   König,   denn  wir  haben   gesehen.     Noch 


232     LITTERATUR:  W.  MANNHARDT,  ROGGENWOLF  U»  ROGGENHUND. 

viel  weniger  könnte  der  Tatianübersetzer  eine  Causalpardkel  anwenden,  der  sie 
unr  dann  setzt,  wenn  der  reale  Zusammenhang  von  Unter-  und  Obersatz  ganz 
unmittelbar  auf  der   Hand  liegt,  also  niemals  bei   einem  sog.   Idealgrund. 

Zu  den  Stellen,  wo  für  lateinische  Causalsätze  im  Deutschen  Relativsätze 
gesetzt  sind,  ist  (p.  51)  nachzutragen  Tat.  82,  4  filius  hominis,  huuc  enim  patcr 
signavit  deus  —  then  thie  fater  zeihhonota  got. 

Zum  Schluß  noch  ein  Wort  über  zwei  Tatianstellen,  die  G.  unbegreiflich 
sind  (p.  2).  Die  eine  ist  79,  3  audito  eo  multa  faciebat  —  gihorentemo  imo 
thaz  her  managu  teta.  Ich  vermuthe,  daß  in  der  Übersetzung^  „die  in  G. 
offenbar  nicht  im  Originale  selbst  vorliegt"  (Sievers  p.  7),  ursprünglich  stand : 
gihorentemo  imo  thaz,  managu  teta,  und  daß  her  durch  ein  Mißverständniss 
eingeschoben  wurde.  Dann  haben  wir  in  dieser  Stelle  einen  der  wenigen 
schwachen  Versuche ,  ein  absolutes  Particip  des  Passivs  activ  wiederzugeben. 
Ich  kenne  ausser  diesem  noch  zwei  Beispiele  in  Tatian :  11,1  Defuncto  Herode. 
tho  Herod  arstarb  und  197,  1  Pilatus  convocatis  principibus  sacerdotum  et 
magistratibus  et  plebe  —  Pilatus  gihalota  thie  heroston  thero  bisgoffo  inti 
themo  meistarduomc  inti  themo  folke.  Wenn  uns  diese  letztere  Stelle  zeigt, 
welche  Schwierigkeit  eine  solche  Umwandelung  unserem  Übersetzer  bereitete, 
so  werden  wir  keinen  Anstoß  nehmen  an  dem  absoluten  Dativ  in  79,  3,  wäh- 
rend das  Particip  mit  dem  Subject  in  Übereinstimmung  stehen  sollte.  Die  gleiche 
Erscheinung  findet  sich  übrigens  14,  3:  themo  heilante  gitoufitemo,  sliumo  uf 
arsteig  (freilich  unter  Vorgang  des  Lateinischen). 

Bei  der  zweiten  Stelle:  138,  9  wedaran  minnota  her  mer  kann  sich 
der  Übersetzer  etwas  ganz  Vernünftiges  gedacht  haben.  Denn  an  die  That- 
sache,  daß  A  dem  B  500  Denare  dem  C  aber  nur  50  Denare  geschenkt, 
schließt  sich  für  die  naive  Anschauung  doch  entschieden  natürlicher  die  Frage 
an:  wen  hat  er  mehr  geliebt,  als  die:   welcher  wird  ihn  mehr  lieben. 

CARLSRUHE,  den  8.  April  1877.  OTTO  BEHAGHEL. 


W.  Mannhardt,  Koggeuwolf  und  Roggenhund.  2.  Auflage.  Danzig  1866.  70  S. 
Die  Korndämonen  etc.  Berlin  1868.  48  S.  Wald-  und  Feldculte.  Erster 
Theil.  Der  Baumcultus  der  Germanen  und  ihrer  Nachbarstämme.  Berlin 
1875.  Gebrüder  Bornträger.  8.  646  S.  Zweiter  Theil.  Antike  Wald-  und 
Feldculte  aus  nordeuropäischer  Überlieferung  erläutert.  Berlin  1877.  Born- 
träger. 8.   359  S. 

Seit  mehr  als  dreißig  Jahren  sehen  wir  den  Verf.  auf  dem  Gebiete  der 
Mythenforschung  unermüdet  thätig.  Meines  Erinnerns  begegnete  ich  dem  Namen 
zuerst  1855  in  Wolfs  Zeitschrift  für  deutsche  Mythologie;  1858  erschien  von 
ihm:  Germanische  Mythen;  1860:  Die  Götterwelt  der  deutschen  und  nordischen 
Völker;  1868  gab  er  heraus  das  Büchlein  des  Job.  Lasicius  Polonus :  De 
Diis  Samagitarum.  Und  nun  noch  die  in  der  Überschrift  genannten  reichhaltigen 
Schriften  über  Wald-  und  Feldculte.  Ein  so  anhaltend  Einem  Ziele  zuge- 
wendetes Streben  erfüllt  jederzeit  mit  Achtung.  Wir  sehen  die  Mühen  eines 
Menschendaseins,  die  ernsten  Anstrengungen  einer  eigenthümlichen  Individualität 
vor  uns  und  fühlen  uns  schon  dadurch  verpflichtet  mit  unserm  Urthcil  nicht 
leicht  darüber  hinwegzugehen.     Andererseits   will  ich   nur  gleich   bekennen,   daß 


LITTEKATUK:   W.  MANNHAUDT,  UOOOENWOLF  U    ROf}GKNHUND.     233 

ich  nur  zögernd  der  wicdcrlioltcn  dringenden  Auflordcrung  der  Hcdaction  zu 
einem  Bericht  über  diese  Schriften  nachgegeben  habe ,  namentlich  in  Hinblick 
darauf,  dali  mich  die  größten  liedcnken  gegenüber  einer  neuen  Wissenschaft 
erfüllen,  deren  Aufbau  ein  Material  voraussetzt,  das  eigentlich  noch  gar  nicht 
gesammelt  ist,  so  daß  ich  mir  auch  ein  Urtheil  von  abschließendem  Gewicht 
nicht  zutrauen  darf.  Da  solche  Bedenken  nun  auch  andere  theilen  werden, 
sind  aber  diese  Schriften  leicht  in  der  Gefahr  lodtgeschwiegen  zu  werden. 
Diese  Erwägung  entschied  für  mich,  einen  Bericht  nach  Kräften  zu  versuchen. 
Mir  fiel  beim  Überblick  von  Mannhardts  Forschungen  ein  Wort  Gcnthes  ein, 
das  er  Eckermann  gegenüber  aussprach ,  als  ihm  dieser  erzählte,  welche  Er- 
fahrungen er  gemacht  über  die  Beschaflenheit  verschiedener  Holzarten ,  indem 
er  das  geeignete  Holz  zu  einem  Bogen  suchte,  da  er  ein  leidenschaftlicher 
Bogenschütze  war.  Da  sagte  Goethe  (Gespräche  3,  73):  „Hm,  hm!  Sie  sind 
übrigens  durch  ihre  Bogentendenz  zu  ganz  hübschen  Kenntnissen  gekommen. 
—  Das  ist  aber  immer  der  Vortbeil  irgend  einer  leidenschaftlichen  Richtung, 
daß  sie  uns  in  das  Innere  der  Dinge  treibt.  Auch  ist  das  Suchen  und  Irren 
gut,   denn   durch  Suchen  und  Irren   lernt  man." 

In   wieweit  dieser  Ausspruch   hier  zutreffend  ist,   werden   wir  weiter  sehen. 

Grimms  Mythologie  hat  geradezu  bezaubernd  gewirkt.  Die  geistvolle 
Darstellungsform  mit  der  uns  Grimm  fesselt,  indem  er  uns  an  der  Hand  führt 
und  theil  nehmen  läßt  an  seiner  Art  zu  schauen,  uns  mit  rathen  läßt  an  seinen 
Käthseln;  die  durchdringende  Divination  seines  Geistes,  mit  der  er  zu  unserer 
größten  Überraschung  gleichsam  im  Kehricht  Götterspuren  findet,  wirkten  über- 
raschend, zugleich  weckend  und  belebend.  Ich  gebe  nicht  zu,  daß  seine  My- 
thologie ein  großer  Irrthum  sei.  Sie  ist  im  Gegentheil  eine  große  Wahrheit 
und  wirkte  befruchtend  auf  Anschauungen  und  Forschungen  ein.  Die  Aus- 
stellungen,  die  gegen  sie  gemacht  werden,  treffen  nicht  das  Wesen,  sondern 
doch  nur  Nebensächliches.  Ein  Mangel  seiner  Mythologie  ist  allerdings,  daß 
er  den  mythischen  Theil  der  deutschen  Heldendichtung  nicht  gehörig  in  seinen 
Bereich  gezogen  (J.  Seherer,  J.  Grimm  S.  149),  wozu  Lachmann  den  Weg 
gewiesen,  den  dann  z.  Th.  Uhland  weiter  verfolgt  hat.  Zuweit  ging  Grimm, 
indem  er  in  Abstractionen  mhd.  Dichter  Überlieferungen  aus  heidnischen  Vor- 
stellungen zu  sehen  geneigt  war.  Aber  zu  weit  gehen  wohl  auch  diejenigen, 
die  „alle  Brauchbarkeit"  der  Märchen  „für  die  Mythologie"  (wohl  auf  einen 
Ausspruch  Benfeys  gestützt)  leugnen ,  weil  die  Märchen  fremden  Ursprunges 
seien.  Scherer  a.  a.  0.  S.  149.  Sagt  doch  derselbe  Gelehrte  a.  a.  0.  S.  60 
selbst:  „Deutsch  sind  (in  den  Märchen)  auch  die  Reste  des  Heidenthums,  die 
spärlichen,  die  hier  und  dort  zum  Vorschein  kommen:  doch  das  ist  nicht  viel 
mehr  als  was  bis  heute  noch  abgesondert  davon  und  selbständig  sich  vom  alten 
Heidenthum  in  unserem  Volke  gefristet  hat."  Damit  ist  denn  doch  wohl  schwer 
zu  vereinigen,  daß  den  Märchen  alle  Brauchbarkeit  für  die  Mythologie  abzu- 
sprechen sei.  Ja  es  wird  noch  mehr  zugegeben  werden  müssen.  Die  Über- 
einstimmung des  Gehaltes  einzelner  Märchen  mit  beglaubigten  Mythen  der 
Heldensage  wird  uns  das  Zugeständniss  abzwingen ,  daß  neben  den  Märchen, 
die  in  christlicher  Zeit  aus  dem  Orient  eingewandert ,  sich  auch  solche  nach- 
weisen lassen  ,  die  aus  deutscheu  Mythen  hervorgegangen  sind.  Überhaupt 
wird  es  schwer  fallen  für  den  Begriff  Märchen  eine  Definition  zu  finden, 
nach    der    man    sagen    kann:    das  Märchen    sei    gleichsam    eine  Erfindung    des 


234     LITTERATUR:  W.  MANNHARDT,  ROGGEN  WOLF  U.  ROGGENHUND. 

10.  Jahrhunderts.  Nach  den  mythologischen  Erzählungen  der  alten  Griechen 
muß  die  Vorstellung  des  Griechenvolkes  gewimmelt  haben  von  Märchen,  d.  i. 
mythischen  Erzählungen,  die  unseren  deutschen  Märchen  geschwisterähnlich  sind. 
Es  fehlten  den  alten  Griechen  nur  die  Brüder  Grimm,  die  sie  aus  dem  Munde 
des  Volkes  gesammelt  hätten.  Es  ist  daher  wohl  eine  Übertreibung  den  ganzen 
Märchenschatz  Eurojias  als  eine  im  Mittelalter  importierte  Waare  aus  dem 
Orient  anzusehen.  Damit  will  ich  nun  nicht  in  Abrede  stellen ,  daß  Grimms 
Mythologie  zu  lächerlichen  Folgerungen  seiner  Nachahmer  geführt  habe,  die 
nicht  die  Götterspur  im  Kehricht  fanden,  sondern  jeden  Kehricht  für  eine 
solche  hielten !  Auch  ist  allerdings  das  Aufhäufen  von  Vermuthungen  vom 
Übel  und  zu  wünschen,  daß  man  sich  hierin  einschränke  und  nach  beweisenden 
Thatsachen  ausgehe. 

Was  Grimms  Forschung  Grenzen  setzte  ist  der  Stand  der  Wissenschaft 
seiner  Zeit  überhaupt  und  die  ihm  dadurch  naturgemäß  auferlegte  Selbstbe- 
schränkung auf  die  germanische  Welt.  Es  ist  ähnlich  wie  mit  der  Grammatik. 
So  weit  es  möglich  war  ohne  Zugrundelegung  des  Sanskrit  oder  eigentlich  der 
Vergleichung  der  gesammten  arischen  Sprachstämme,  hat  er  unsere  Sprache 
dargestellt  und  zwar  so  gründlich,  daß  wir  noch  immer  zu  ihm  zurückkehren 
müssen ,  ja  sein  Blick  hat  auch  über  die  Grenzen  gereicht  und  seine  Ent- 
deckungen haben  auf  die  allgemeine  Sprachvergleichung  befruchtend  gewirkt. 
Die  Mythologie  eines  indogermanischen  Volkes,  die  natürlich  auf  ältesten  Über- 
lieferungen beruhte,  kann  volles  Licht  erst  erhalten,  wenn  wir  durch  Kenntniss 
der  ältesten  indischen  und  persischen  Mythen,  über  deren  Zusammenhang  mit 
denen  der  antiken  und  modernen  Welten  im  Reinen  sind.  Das  war  zur  Zeit 
J.   Grimms  noch   nicht  möglich,   ist  es  zum  Theil  auch  heute  noch  nicht. 

Mannhardt  ist,  wie  mit  ihm  viele  andere,  durch  Grimms  Mythologie  lebhaft 
angeregt,  zuerst  darauf  ausgegangen  —  wie  seine  Beiträge  in  Wolfs  Zeitschr. 
zeigen  —  in  noch  lebenden  Volksgebräuchen,  Sagen  und  Mythen  heidnische  Spuren 
nachzuweisen.  Aber  schon  frühzeitig  fühlte  er  das  Bedürfniss  nach  dem  Vor- 
bilde A.  Kuhns,  durch  das  Studium  der  indischen  Mythen  Licht  zu  gewinnen 
über  das  Grundwesen  germanischer  Gottheiten.  So  vergleicht  er  schon  in  seinen 
german.  Mythen  (1858)  Thor  und  Indra.  Kuhn  anerkannte  schon  beim  Er- 
scheinen dieses  Werkes  im  Centralblatt  (1858,  S.  718)  die  umfassende  Gelehr- 
samkeit des  Verfs.,  so  wie  auch  manches  Richtige  in  den  Gedanken,  doch  be- 
dauerte er ,  daß  er  bei  seinen  Studien  der  indischen  Texte  nur  Übersetzungen 
zu  Rathe  gezogen  und  dadurch  in  zahlreiche  Misverständnisse  hineingerathen 
sei,   die  dann  von  Kuhn  nachgewiesen  werden. 

Natürlich  erweiterten  sich  die  Kenntnisse  des  unermüdlichen  Forschers 
seitdem  ausserordentlich  und  wir  müssen  anerkennen ,  daß  er  redlich  bemüht 
war,  den  rechten  Weg  zu  finden  und  Belehrungen,  die  ihm  durch  die  Schriften 
geistvoller  Forscher  wie  Müllenlioff,  Scherer,  Kuhn  u.  a.  geworden  sind,  zu  be- 
nutzen. Wenn  uns  gegenüber  seinen  Arbeiten  etwas  zu  wünschen  bleibt ,  so 
kann  es  ihm  eigentlich  nicht  zum  Vorwurfe  gereichen ;  es  ist  Alles  auf  den 
Entwickelungsgang  seiner  Studien  zurückzuführen.  Müßte  man  wünschen,  daß 
der  deutsche  Mythenforscher  zuerst  und  vor  Allem  anderen  der  indischen  Mythe 
jahrelange  Studien  zuwende,  um  dann  zu  der  persischen,  endlich  zur  Mythe 
der  alten  und  neuen  europäischen  Völker  überzugehen  und  dann  dasjenige, 
was  von  mythischen  Vorstellungen    noch    jetzt    im  Volke    lebt    unbefangen   zu 


LITTERATITK:  W.  MANNHARDT,  ROGGENWOLF  U.  ROGGENHUND      235 

beurthcilen,  so  ist  Mannhardt  —  und  mit  ihm  auch  andere  —  den  umgekehrten 
Weg  gegangen.  Er  ging  von  der  lebendigen  deutschen  Überlieferung  aus,  von 
da  zur  nordischen,  nioderneuropäischen,  dann  zur  antikeuropüischcn  und  indi- 
schen Mythe  über.  Das,  von  dem  er  ausging,  war  aber  Stückwerk,  oft  un- 
erkennbar, undeutlich  und  herangezogen  wurden  zu  diesen  Stücken  Analogien  von 
anderswo,   aber  eigentlich  meistens  doch  nur  —   gelegentlich. 

In  „Roggenwolf  und  Roggenhund"  machte  M.  aufmerksam  auf  viele  ger- 
manische Erntegebräuche  die  den  Gedanken  erkennen  lassen,  daß  im  Getreide  ein 
überirdisches  Wesen  hause,  Roggenwolf,  Roggenhund,  Kornwolf  etc.,  das  im  Schnitt 
gefangen  wird.  Merkwürdiger  Weise  beachtet  er  nicht  den  gehaltvollen  Auf- 
satz von  J.  Grimm:  Der  Nothalm  bei  Haupt  7,  385 — 394,  wo  gerade  über 
jenes  Götterwesen  gehandelt  wird,  dem  der  letzte  Getreidebüschel  irn  Schnitt 
verehrt  oder  der  selbst  als  Strohpuppe  mit  der  letzten  Garbe  dargestellt  wird, 
jene  Frau  Fricke,  Frau  Gode  —  Wodans  GemahHn  oder  jener  Wol,  Waul, 
Answald ,  Woldan ,  wohl  Wodan  selbst.  M.  bringt  nun  schätzbare  Zeugnisse 
für  den  Roggenwolf  und  den  Roggenhund,  die  im  Getreide  hausen  und  ihm 
Segen   bringen.      Der  naheliegenden   Deutung  aber  weicht  er  förmlich  aus. 

Wir  wissen,  daß  Wodan,  oder  doch  der  nordische  Odin,  als  Vater  nament- 
lich der  Helden  angesehen  wurde.  Die  in  der  Schlacht  Gefallenen  kamen  in 
seine  Halle  5  dann  aber  hieß  zu  Odin  fahren  soviel  als  sterben.  In 
Deutschland  ist  der  wilde  Jäger,  der  durch  die  Nacht  fährt,  nichts  anderes  als 
Wodan,  den  die  Verstorbenen  im  Zuge  begleiten.  Die  Vorstellung  liegt  nahe, 
ihn  als  Entführer  der  Seelen  ins  Todtenreich  anzusehen.  Er  ist  also  ähnlich 
Hermes,  der  ja  Seelenführer  ^l-'V^OTtOfiTlog  genannt  wird  uikI  Wodan  wurde 
lateinisch  mit  Mercurius  wiedergegeben.  In  den  Mythen  vom  wilden  Jäger 
haben  wir  sichere  Spur  noch  lebender  heidnischer  Erinnerungen.  Das  für  Wodan 
zuweilen  der  Teufel  genannt  wird  ist  bekannt,  es  wäre  ab(;r  auch  ganz  sieher 
nachzuweisen,  daß  er  einmal  ebenso  als  Tod  und  ein  andermal  als  Winter 
auftritt.  Wodans  Beziehungen  zu  Wolf  und  Hund  sind  in  neuerer  Zeit  be- 
stritten worden.  Mannhardts  Schriften  Roggen  wolf  und  Roggen  h  und 
sprechen  dafür,    obwohl  er  selbst  Roggenwolf  S.  68   es   nicht  zugeben  will. 

S.  28  wird  erzählt  der  Drescher,  der  zuletzt  fertig  wird  (um  Roggen- 
burg), erhält  die  Hundsfod,  ein  Strohband  in  das  ein  Stein  gebunden  ist.  Er 
läuft  damit  zur  nächsten  Dreschtenne  und  wirft  die  Hundsfod  unter  die  Drescher. 
Diese  fangen  ihn,  schwärzen  ihm  das  Gesicht,  setzen  ihn  auf  ein  Pferd 
und  führen  ihn  durch  das  Dorf.  Ahnliche  Sitten  werden  noch  weiter  angeführt,  wo 
nach  der  Ernte  immer  einer  gleichsam  zur  Puppe  einer  Gottheit  gemacht  wird, 
es  wird  ihm  namentlich  das  Gesieht  geschwärzt  und  er  wird  mit  Stroh 
umwunden.  So  aber  wird  bei  Aufführung  des  Sommer-  und  Winterkampfes 
immer  noch  der  Winter  dargestellt:  mit  geschwärztem  Gesicht  und  mit 
Stroh  umwunden,  und  ebenso  auch  der  Tod  s.  Germania  12,  289  ö'. 
S.   36   erzählt  M. :    „in   der  Gegend  von  Teterow    ist    die     letzte   Erntefuhr    mit 

einer  Puppe  geschmückt ,   —  Die   Puppe  wie    das  Fuder  heißen  Wolf." 

„In  Lieberose  —  wird  die  letzte  Garbe,  der  Wulf,  wie  ein  Mensch  gestaltet." 
Da  mag  man  nun  sagen  was  man  will,  die  Puppe  ist  =  der  Answald,  Woldan 
und  zugleich  auch  der  Roggenwolf  und  so  ist  denn  der  Übergang  des  Gottes 
in  einen  Wolf  und  seine  Stellvertretung  durch  einen  Wolf  unleugbar.  Viele 
merkwürdige  Angaben  folgen  nach,  z.   B.  daß  die  Magd,   die  die  letzte  Garbe 


236     LITTERATUR:  W.  MÄNNHARDT,  ROGGEN  WOLF  U.  ROGGENHUND. 

bindet  Wolf  heißt;  wer  in  der  Ernte  stirbt,  ist  vom  Wolf  geholt;  im  Korn- 
feld sitzt  die  Kornmutter  in  riesiger  Größe  (S.  42)  u.  s.  f.  (=  Frau  Gode, 
Frikka).  In  Oberbaiern  wird  ein  Volksdrama  aufgeführt  beim  Abdreschen  etc. 
(S.  55),  wo  ein  Bursche  den  Wolf  spielt  mit  umgekehrter  Pelzjacke, 
mit  einer  Pelzhaube,  die  Hose  mit  Ahrenbüscheln  vom  Schilf  besetzt. 
So  erscheint  in  den  Weihnachtspielen  eine  Rauhnachtgestalt  mit  umgekehrtem 
Pelz,  die  Pelzmütze  auf,  einen  Gürtel  um,  s.  meine  Weihnachtspiele  S.  91. 
Über  heidnische  Göttergestalten  im  Weihnachtsp.  s.  auch  Weinhold  bei  Haupt  7, 
S.  91.  Das  ist  wohl  auch  kein  anderer  als  Isegrim  der  W^olf,  dessen  Name 
an  altnord.  grima  Hülle,  Helm  und  an  Grimnir  (Heiname  Octins)  erinnert. 
S.  60  heißt  es:  in  Gr.  Trebbow  bleibt  die  letzte  Ähre  dem  Wolfe  als  Futter 
für  sein  Pferd  stehen.  Dem  Herrn  Verf.  entging  die  Stelle  in  Grimms  Mythol. 
S.  140  f.  wo  aus  Schonen  und  Blekingen  berichtet  wird,  „daß  die  Ernter  auf 
dem  Acker  eine  Gabe  für  Od:ins  Pferde  zurückließen." 

Damit  ist  klar,  daß  das  einemal  der  „Korndämon"  der  Wolf,  das  andere- 
mal  Octin  genannt  wird.  Wodan,  der  auch  als  Todtenführer  und  dann  als 
Tod  aufgefaßt  wird,  erscheint  offenbar  auch  als  Wolf  oder  als  Hund  oder  ent- 
sendet statt  seiner  einen  Wolf  oder  Hund,  was  an  die  Sälavrikas,  die  Wölfe 
erinnert,  die  im  indischen  Glauben  im  Reiche  der  Todten  hausen.  Bekanntlich 
ist  in  Tirol  der  Gangger  ein  böser  Geist  Schöpf  S.  173,  der  aber  auch 
Tschank,  Tschankerl  heißt  daselbst  S.  764.  In  meinem  kleinen  „Beitrag 
zur  Mythologie"  (Presburg  1855)  theilte  ich  mit,  wie  ich  über  diesen  Geist 
aus  dem  Volksmunde  belehrt  wurde.  Der  Tschankerl  ist  nicht  der  Teufel. 
In  einem  Liede  sagt  ein  verzweifelter  Mörder,  ich  bleib  schon  da  bis  der 
Tschankerl  kommt  und  holt  mich  ab  a.  a.  0.  S.  14.  Nach  einer  weiteren  Mit- 
theilung daselbst  erscheint  dieser  Geist  als  großer  schwarzer  Hund,  der 
einen  Schlüssel  am  Halse  trägt.  Er  erscheint  um  Mitternacht  auf  dem  Fried- 
hofe, öffnet  mit  dem  Schlüssel  das  Grab  des  zuletzt  Begrabenen,  gibt  ihm  das 
Merkszeichen  „daß  'n  unser  Herrgott  kennt"  und  verwandelt  diejenigen,  die 
ihn  dabei  überraschen  zu  Steinen.  Ich  lasse  dahingestellt  sein,  ob  dieser  Hund 
oder  Wolf  auf  Fenrir  der  nordischen  Mythe  zurückzuführen  und  eine  Ver- 
mischung der  Mythen  von  Loki  und  Octin  anzunehmen ,  ob  es  statthaft  ist, 
bei  dem  Namen  Gangger  an  den  nordischen  Beinamen  Odins:  Giingrädir  zu 
erinnern,  womit  er  als  viator  indefessus  (so  bei  Saxo,  Grimm,  Mythol.  2,  1207) 
bezeichnet  wird,  so  viel  steht  aber  doch  fest:  daß  hier  ein  Hund  die  Wodan 
zukommenden  Functionen  ausführt,  so  wie  in  dem  früheren  Beispiel  einmal  für 
des  Wolfes  Pferd  (!),  das  anderemal  für  Odins  Pferd  die  letzte  Ähre  oder 
eine  andere  Gabe  auf  dem  Acker  zurückbleibt.  Damit  fallen  die  Ausführungen 
Mannhardts  mit  denen  er  das  Büchlein  über  Roggenwolf  und  Roggenwolf  schließt: 
daß  der  Roggenwolf  nicht  Wodans  Thier  sei.  Er  sagt  S.  68 :  „Keine  einzige 
Andeutung  berechtigt  uns  zu  dem  Schluß,  daß  der  Wolf  Wodans  Stelle  ver- 
trat —  -— .  Wann  endlich  werden  wir  aufhören  mit  dem  von  J.  Grimm  ein- 
geführten bequemen  aber  nebelhaften  Begriffe  des  Vertreten  s  einen  uner- 
hörten Misbrauch  zu  treiben,  welcher  die  ganze  Mythenforschung  zu  einem 
mechanischen  Rechenexempel  macht!"  Besonnene  Kritik  ist  schon  recht,  daß 
hier  aber  eine  „Vertretung"  anzunehmen  ist,  scheint  mir  denn  doch  unab- 
weisbar! 


LITTERATUR:  W,  MANNHAKDT,  ROGGENWOLF  U.  ROGGENHUND,     237 

Das  nächste  Schriftclien  Mannhardts  Die  Korndäraonen  unternahm  es, 
den  Gegenstand  in  weiterem  Umfange  zu  behandehi.  Eine  Menge  interessanter 
Belege  werden  mitgetheilt,  wie  die  Geister  des  Erntesegens  auch  bei  christ- 
lichen Auflührungen  zu  Weihnacht  und  Fasnacht  auftreten.  Hier  kommt  Verf. 
ausführlich  auf  die  Roggenuiutter,  lioggenmuhme,  die  Gefährtin  des  wilden 
Jägers  zu  sprechen.  S.  32  heißt  es,  daß  der  Frau  Holle  drei  Ähren  stehen 
gelassen  werden  —  ein  SeitenstUck  für  die  letzte  Ähre  für  Odins  Pferd  — -  und 
S.  33  wird  sie  mit  Demeter  verglichen  was  schon  Grimm  in  dem  erwähnten 
Aufsatze  über  Nothhalm  sehr  eindringend  gethan.  Schien  in  der  ersten 
Schrift  die  Verwandlung  der  Geister  in  Thiere  bestritten,  so  werden  hier  the- 
riomorphische  und  anthropomorphische  Dämonen  vielfach  nachgewiesen. 

Ein  bei  weitem  größerer  Gesichtskreis  eröffnet  sich  in  dem  Buche:  Der 
Baumcultus  der  Germanen  und  ihrer  Nachbarstämme.  „Aus  der  Beobachtung 
des  Wachsthums  schloß  der  Urmensch  auf  Wesensgleichheit  zwischen  sich  und 
der  Pflanze :  er  maß  ihr  eine  der  seinigen  ähnliche  Seele  bei.  Auf  dieser 
Grundvorstellung  beruht  der  Baumcultus  nordeuropäischer  Völker."  Nach  diesen 
in  der  Einleitung  ausgeführten  Gedanken,  behandelt  der  Herr  Verf.  den  Gegen- 
stand in  folgenden  Capiteln:  1.  Die  Baumseele.  2.  Die  Waldgeister  und  ihre 
Sippe.  3.  Die  Baumseele  als  Vegetationsdämon.  4.  Anthropomorphische  Wald- 
und  Baumgeister.  5.  Vegetationsgeister:  Maibrautschaft.  G.  Sonnenzauber,  Oster- 
feuer  etc.    7.  Nerthus. 

Bei  der  Besprechung  des  Mythus  von  Askr  und  Embla  S.  7  scheint 
dem  Verf.  der  schöne  Vortrag  J.  Grimms :  Über  Frauennamen  aus  Blumen  nicht 
gegenwärtig  gewesen  zu  sein.  Derselbe  erwähnt  unter  anderen  auch  S.  26 
eines  ostjakischen  Mythus,  nach  dem  sich  die  Ostjaken  von  Es  und  Imlja 
ableiten. 

Von  dem  Weltbaume  Yggdrasill  wird  S.  54 — 58  wahrscheinlich  gemacht, 
daß  diese  Vorstellung  aus  der  von  üblichen  Schutzbäumen  {vard  träd  in  Schweden) 
hervorgegangen  sei. 

Zu  S.  89:  „Die  Wildleute  in  Tirol,  Faaggen"  will  ich  hier  doch 
aufmerksam  machen  auf  das  was  Schneller  in  dessen  Die  romanischen 
Volksmundarten  in  Südtirol  (Gera  1870)  dazu  angibt.  Der  römische 
Süvanus  wurde  zu  Solvay,  so  heißt  in  den  ladinischen  Thälern  ein  mythisches 
Wesen,  daraus  sei  bei  den  Deutschen  Salvangga  und  endlich  fangga  geworden, 
Vicentinisch  ist  Salbanello  1.  ein  gespenstig,  rothgekleidet  Männchen  ,  2.  eine 
Krankheit  des  Maulbeerbaumes,  3.  und  der  durch  einen  Spiegel  zurückgeworfene 
Strahl.  Wenn  die  Etymologie  auch  anfechtbar  ist,  die  Angaben  über  Salba- 
nello (den  Mannhardt  S.  114  gleichfalls  nennt)  gehören  hieher.  In  diesem 
Zusammenhange  wird  S.  108 — 110  die  rauhe  Else  der  Wolfdietrichsage  be- 
sprochen und  von  schwedischen  und  russischen  Waldgeistern  eine  Menge  von 
Einzelheiten  mitgetheilt  zu  dem  sich  endlich  merkwürdige  Analogien  in  Brasilien 
und  Peru  S.  143 — 5  nachweisen  lassen.  Anziehend  sind  die  Betrachtungen 
über  den  Weihnachtsbaum  S.  224  —  251,  den  Schlag  mit  der  Lebensruthe 
S.  302,  was  alles  reich  mit  Beispielen  aus  der  Sittenkunde  der  Völker  be- 
legt wird. 

S.  303 — 310  folgt  ein  Auslauf  über  die  Irmensäule,  der  übrigens  kein 
befriedigendes  Ergebniss  bringt.  Auch  die  Abhandlung  S.  567  —  602  über  Ner- 
thus bringt  den  Gegenstand  wohl  nicht  zum  Abschluß. 


238     LITTERATUR:  W.  MANNHARDT,  ROGGENWOLF  U.  ROGGENHUND. 

Die  Hauptergebnisse  des  Buches  spricht  Mannhardt  in  einem  Schluss- 
worte aus:  „Die  ßaumseele  webt  in  dem  Baume  als  in  ihrem  Leibe,  den  sie 
nicht  verlassen  kann."  Der  Baumgeist  tritt  zuweilen  aus  der  Pflanze  heraus. 
Sein  Leben  hängt  ab  von  ihrem  Leben,  Es  entstehen  daraus  Waldgeister  in 
Menschen-  und  Thiergestalt.  Sie  gehen  als  Vegetationsgeister  im  Winde  über 
das  Kornfeld  (wenn  ein  Wolf,  Hund  oder  Fuchs  als  dämonisches  Wesen  die 
Reife  der  Vegetation  durch  seine  Berührung  befördert,  so  könnte  das  wohl  der 
Wodan  oder  den  Tod  vertretende  Gangger  sein*).  Schutzbäume  werden  vor  die 
Häuser  gesetzt.  Der  Baumgeist  wird  zuweilen  als  Puppe  darauf  gehängt.  Auch 
ein  in  Laub  gehüllter  Mensch  stellt  den  Baumgeist  dar  (derselbe  wäre  viel- 
leicht als  Sommerriese  aufzufassen*),  der  in's  Wasser  geworfen  wird,  damit  Re- 
gen die  Pflanzenwelt  erquicke.  Er  erscheint  zuweilen  mit  einem  mit  Russ  ge- 
schwärzten Antlitz  (dann  ist  er  wohl  als  Winterriese  oder  als  Tod  aufzu 
fassen*).  Zuweilen  wird  der  Sommeranfang  durch  ein  M  a  ibrautpaar  gefeiert, 
einen  in  Laub  gekleideten  Schläfer,  den  ein  Mädchen  weckt.  Das  Sonnwend- 
feuer bringt  Segen  und  Fruchtbarkeit  der  Vegetation.  Liebespaare  springen 
darüber. 

Was  von  Baumgeistern  angenommen  wird,  gilt  auch  von  Korngeistern. 
„Aus  allen  diesen  bis  in's  kleinste  gehenden  Uebereinstimmungen  dürfen  wir 
mit  Sicherheit  die  Identität  der  Baumgeister  und  Korngeister  folgern;  sie  sind 
besondere  Manifestation  der  Vorstellung  Vegetations-Dämon."  Mit  diesen 
Sätzen  schliesst  das  Buch. 

Aufrichtig  gestanden  ,  macht  es  den  Eindruck  ,  als  ob  hier  mit  einem 
ungeheueren  Material  uns  eigentlich  sehr  wenig  als  wirkliches  Ergebniss  in 
Händen  bliebe.  Die  Ergebnisse  sind  so  allgemeiner  Natur,  daß  sie  fast  selbst- 
verständlich scheinen.  Den  Hauptwert  —  und  zwar  dauernden  Wert  —  des 
Buches  werden  wir  wohl  dem  ausgesuchten  Material  beimessen  müssen  ,  das 
durch   ein  Register  bequem   benützt  werden  kann. 

Nach  dem  Vorworte  der  letzten  Publication  M's. ,  zu  der  wir  uns  jetzt 
wenden  können  —  Antike  Wald-  und  Feldculle  —  gewinnt  der  erste  Band: 
Baumcultur  der  Germanen  etc.  erst  volle  Bedeutung,  indem  dieser  Band  jedem 
Capitel  des  ersten  Analogien  aus  der  antiken,  namentlich  griechisch-römischen 
Mythe  gegenüberstellt.  Dies  ist  nun  allerdings  nicht  der  natürliche  Gang  histo- 
rischer Betrachtung ,  mit  dem  Neuen  zu  heginnen  und  mit  dem  Aelteren  zu 
schließen ;  doch  hängt  dieser  Gang  mit  der  Entwickelung  des  Verfassers  zu- 
sammen ,  deren  schon  gedacht  ist.  Fruchtbarer  wäre  wohl  der  umgekehrte 
Gang  gewesen.    Dennoch  wollen  wir  uns  auch  der  so  gebotenen  Ergebnisse  freuen. 

M.  berichtet  in  der  Vorrede  dieses  Bandes  über  seine  Studien.  Hinge- 
rissen von  J.  Grimm's  Darstellungsweise  ,  in  dessen  Mythologie,  verfiel  er  zu- 
nächst, wie  er  angibt,  in  dessen  Fehler,  indem  er  (S.  X)  „vorzugsweise  der 
lebendigen  Ueberlieferung ,  als  der  vermeintlichen  Hauptquelle  einer  eigenthüm- 
lich  deutschen  Mythologie  zugewandt  blieb."  Dem  gegenüber  kann  Ref.  denn 
doch  nicht  umhin,  hervorzuheben,  daß  Gr.  durchaus  nicht  „vorzugsweise  der  leben- 
digen Überlieferung  —  zugewandt  blieb",  daß  ihm  aber  beispiellose  Gelehrsamkeit, 
und  geistvoller  Tiefblick  zu  Gebote  stand,  so  daß  denn  doch  seine  Ausfüh- 
rungen   nirgend  so  ärmlich    aussehen ,     als    sie    nach    obiger    Angabe    scheinen 

*)  Zusatz  des  Referenten. 


LITTERATUR:  W.  MANNliARDT,  ROGGENWOLF  U.  ROGOENHUND.     23'J 

könnten.  Erschüttert  werden  M.s  derartige  Anschauungen  durch  die  geistvolle 
Schrift  Scherer's  über  J.  Grimm  (18G5).  Als  einen  Fortschritt  in  der  Mythcu- 
forschuug  bezeichnet  er  dünn  mit  Recht  (S,  XIV)  MüllenhoH's  Hinweis  auf  die 
vielfachen  Berülirungeu  der  Sage  mit  der  Dichtung  und  Sitte  des  Mittelalters 
in  der  Vorrede  seiner  schleswig-holsteinischen  Sagen  (1845).  Als  einen  zweiten 
Förderer  dieser  Studien  bezeichnet  er  Kuhn,  der  in  seinen  Sagensammlungen 
den  Anfang  machte  zur  Vergleichung  mit  den  Sagensammlungen  der  Literatur 
und  der  ferner  Grimm's  Methode  auf  das  weitere  indogermanische  Gebiet  über- 
trug und  eine  indische  llrmythologie  nachzuweisen  unternahm,  aus  welcher  auch 
die  griechische  und  römische  hervorgegangen.  Die  Richtung  steckte  der  For- 
schung neue  Ziele.  Noch  sei  man  hierin  aber,  meint  M.,  erst  in  den  Anfängen 
(S.  XVII).  Der  sichere  Gewinn  beschränke  sich  auf  wenige  Götternamen : 
(Dyaus-Zeus,  Tius,  Parjana-Perkunas,  Bhaga-ßog,  Varuna-Uranos  etc.).  Manche 
scheinbare  Entdeckungen  Kuhn's  (SArameya-Hermeias,  Saranyus-Erinnys,  Ken- 
tauros-Gandharva  u.  s.  w.)  halten  vor  der  Kritik  nicht  Stand.  —  Auch  M, 
Müller's  mj'thenvergleichenden  Studien  vermag  M.  nur  beschränkte  Geltung  zu- 
zugestehen (S.  XX).  Als  eine  in  gewissem  Umfange  wichtige  Entdeckung  er- 
kennt er  aber  die  Ansicht  Schwartz's  ,  „dass  in  den  unter  dem  Volke  noch 
lebendigen  Sagenmassen  eine  niedere  Mythologie  enthalten  sei  ,  welche  einen 
früheren  Zustand  der  später  daraus  erwachsenen  Götterlehre  darstellt.  Diese 
niedere  Mythologie  mag  sich  beim  Volke  von  Urzeiten  erhalten  haben,  indem 
seitdem  großartige  Göttersagen  in  der  höheren  Gesellschaft  ausgebildet  wurden 
und  wieder  erloschen  sind." 

Für  diese  Anschauung  sprechen  allerdings  die  in  M's  Darstellung  wie- 
derholt dargelegten  Wandlungen  einer  und  derselben  Sage.  Z.  B.  die  der 
Rauchelse  im  Wolfdietrich  Baumculte  S.  108  ff.,  die  von  Peleus  und  Thetis 
Antike  Baumculte  S.  77  durch  die  Benfey's  Behauptung,  wie  M.  meint,  widerlegt 
wird ,  daß  die  Märchenstoffe  durchweg  buddhistischen  Ursprungs  und  erst  in 
verhältnissmäßig  später   Zeit  nach   Europa  gekommen   seien. 

So  kömmt  denn  M.  am  Schlüsse  seines  Werkes  zu  dem  Ausspruche,  der 
in   seinem  Schlussworte  S.   349   enthalten  ist: 

„Für  das  Verständniss  der  antiken  Mythologie  schließen  die  angestellten 
Untersuchungen  eine  ganz  neue  Seite  auf.  Was  unsere  mythologischen  Hand- 
bücher uns  von  denselben  zur  Anschauung  bringen,  ist  die  Fülle  jüngerer  und 
jüngster  Bildungen,  welche  in  der  Literatur,  im  historisch- bewegten  und  ver- 
feinerten Leben  städtischer  Volkskreise  aus  den  ursprünglichen  mythischen  Vor- 
stellungen und  Handlungen  erwachsen  sind.  Nun  schimmert  unter  dieser 
Mythologie  der  Gebildeten  mit  einem  Male  eine  Volksmytho- 
logie hervor,  welche  die  überraschendste  Aehnlichkeit  mit  den 
Volksüberlieferungen  der  nordeuropäischen  Bauern  bekundet. 
Diese  Aehnlichkeit  erstreckt  sich  auf  Volkssageu,  Märchen  und  Gebräuche ;  die 
einzelnen  Ueberlieferungen  behandeln  dieselben  Gegenstände  wie  die  unsrigen 
und  decken  sich  nach  Umfang  und  Inhalt  mit  denselben.  —  Da  wiederholen 
sich  die  Volkssagen  vom  Tode  des  Waldgeistes  (des  großen  Pan)  ,  von  dem 
Verschwinden  der  Elfin  (Thetissage)  ,  von  der  am  Wege  harrenden  Blume 
(Klytia)"  etc.  etc.  Wenn  auch  Manches  in  der  reichen  Fülle  solcher  in  diesem 
Bande  angeführten  Analogien  von  der  Wissenschaft  nicht  als  bewiesen  angenom- 
men werden  sollte  ,    Vieles  scheint  doch  derart ,    daß  es  kaum  wird  abgelehnt 


240    LITTERATÜR:  W.  MANNHARDT,  ROGGEN  WOLF  U.  ROGGENHUND. 

werden  können  und  jedenfalls  scheint  der  erst  in  diesem  Bande  lebendiger  er- 
griffene eben  dargelegte  Grundgedanke  fruchtbar.  Dan  Ganze  ist  ebenso  wie 
der  erste  Band  als  Materialiensammlung  gewiß  von  bleibendem  Wert.  — 
Auf  eine  eingehende  Besprechung  des  Einzelnen  verzichte  ich  ;  muß  ich 
ja  schon  mit  dem  Gegenwärtigen  befürchten,  zu  ausführlich  geworden  zu  sein. 
Nur  Einiges  will  ich  noch  bemerken. 

Bei  der  eingehenden  Behandlung  aller  mit  dem  Naturleben  in  Verbin- 
dung stehenden  Gebräuche  und  darauf  bezüglichen  Dichtungen  vermißt  man 
eine  Besprechung  der  Rosengärten  in  der  deutschen  Poesie,  der  die 
reichhaltige  Darstellung  Uhland  s  Germania  VI,  307  ff.  Werke  8,  504  reichen 
Stoff  geboten  hätte.  Es  wirft  diese  Abhandlung  doch,  wie  es  Ref.  scheint,  Licht 
auf  die  symbolischen  Darstellungen  des  Kampfes  zwischen  Sommer  und 
Winter.  Auch  dieser  Kampf  hätte  wohl  eine  ausführlichere  Darstellung  ver- 
dient. Auch  hier  wäre  die  Abhandlung:  Uhland's  Schriften  3,  VI  ff.  ergiebig 
gewesen  und  auch  die  antike  Mythe  hätte  vielleicht  Analogie  geboten,  nament- 
lich in  den  Dionysien  und  Bacchanalien,  die  S.  200  nur  flüchtig  berührt  wer- 
den. Den  Dionysien  liegt  doch  der  Gedanke  an  den  Sieg  des  der  Vegetation 
günstigen  Gottes  über  den  Winter  zu  Grunde.  Mich  erinnerte  die  Mythe  von 
dem  Kampfe  des  Dionysos  mit  dem  mythischen  Lykurgos ,  dem  Sohne  des 
Dryas,  in  welchem  Lykurgos  gefangen  genommen  und  der  Augen  beraubt 
wurde  (in  der  Erzählung  Diodor's  von  Sicilien  3.  Buch,  Cap.  65),  immer  an  den 
deutschen  Kampf  des  Sommers  mit  dem  Winter,  wo  es  heißt:  der  Winter 
liegt  gefangen  —  stecht  dem  Winter  die  Augen  au  s.  Grimm,  Myth. 
725,  726.  Auch:  Stecht  dem  Tod  die  Augen  aus!  S.  726.  Im  ungri- 
schen  Bergland  (siehe  des  Referenten  Nachtrag  zum  Wörterbuch  der  Mundart 
des  Ungar.  Berglandes  S.  47  und  auch  an  andern  Orten)  ist  der  Winter  (oder 
Tod)  im  Gesicht  mit  Kohle  schwarz  gemacht.  Wenn  wir  uns  erinnern ,  daß  der 
Tod  auch  durch  einen  Wolf  dargestellt  wird  ,  so  möchten  wir  sogar  fragen, 
ob  Lykurgos  nicht  mit  seinem  Namen  an  den  Winterwolf  oder  Todeswolf 
erinnert.  Diesen  Gedanken  würde  ich  als  abenteuerlich  nicht  auszusprechen 
wagen ,  wenn  mich  die  Erörterungen  M's  über  Roggenwölfe  und  Roggenhunde 
oder  Getreidewölfe,  die  er  mit  den  Hirpi  Sorani  der  Römer,  den  Wölfen  des 
Sonnengottes  vergleicht ,  die  an  die  griechischen  Lykaia  erinnern  ,  nicht  er- 
muthigten,  auf  diese  Analogien  hinzuweisen.  Daß  der  Wolf  den  Saaten  Segen 
bringt,  scheint  unvereinbar  damit,  daß  er  den  Tod  darstellt.  Der  Segen  kann 
aber  darin  liegen,  dass  er  das  Reifwerden  verursacht.  Von  reifen  Trauben,  die 
sich  bräunlich  färben,  heisst  es,  der  Fuchs  habe  seinen  Schweif  daran  abge- 
wischt, d.  h.  er  hat  ihr  Reifwerden  herbeigeführt.  —  Wenn  der  Wolf  des 
Mars  der  Römer  (Lupus  Martins),  dem  Wolfe  des  Apollon  der  Griechen,  dem 
Wolfe  des  Odin  der  Germanen  verglichen  wird  (S.  336),  wenn  Sommerfeste, 
Sonnwendfeste  Wolfsfeste  genannt  werden  ,  so  liegt  dem  Allen  doch  eine  ge- 
meinsame ,  noch  nicht  hinreichend  erklärte  Anschauung  zu  Grunde  ,  die  mit 
diesem  gefürchteten  Tliiere  in  Verbindung  steht.  Ganz  deutlich  ist  der  Roggen- 
wolf und  Roggenhund  Wodan  selbst  oder  durch  ihn  gesendet;  früher  der  See- 
lenführer in  die  Unterwelt,  dann  der  Tod  selbst,  und  der  Tod  ist  auch  in  der 
Volksvorstellung  der  Winter.  Daneben  geht  eine  andere  Vorstellung,  nach  der 
Gott  Donar  als  Sommergott  auftritt.  Was  hierüber  von  Uhland  in  seiner  Ab- 
handlung der  Rosengarten  von  Worms  a.  a.   0.   angeführt  ist,  hat  M.,  wie  mir 


LTTTER4.TUR:  F.  KRVMER,  IDIOTISMEN  etc.  241 

scheint  mit  Unrecht,  übergiingen.  Schon  Grimm  hatte  Mythoi.  S.  744  hervor- 
gehoben, dass  Sommer  und  Winter  sich  dramatisch  gegenüber  gestellt  wurden, 
der  eine  in  Laub  und  Blumen,  der  andere  in  Stroh  und  Moos  gekleidet.  In 
manchen  Gegendon  lilsst  man  aber  den  in  Laub  gekleideten  Sommer  als  Bären 
tanzen.  Auch  in  Rauhnachtumzügen  erscheint  der  Bär  an  der  Kette  (S.Wein- 
hold,  Weihnachtspiele  S.  6).  Gr.  erinnert  dabei  an  den  Helden  in  Bärenhaut 
der  Heldensage,  was  von  Uhland  weiter  ausgeführt  wird.  Danach  erscheint  be- 
kanntlich in  der  nordischen  Saga  und  im  niederländischen  Liede  ein  Held  im  Bäreu- 
kleide,  der  einem  anderen  Helden  gegenübersteht,  dessen  Name  ihn  auch  als 
Bären  bezeichnet,  kämpfend,  was  Uhland  a.  a.  0.  S.  514  f.  zu  dem  Schlüsse 
führt ,  der  Kampf  des  Sommers  mit  dem  Winter  möchte  ursprünglich  als  ein 
Sieg  des  Waldbären  über  den  Eisbären  dargestellt  gewesen  sein.  Dazu  dürfte 
auch  das  vom  Referenten  über  Zalmolxis  Germania  13,  214  bemerkte  zu  ver- 
gleichen sein.  Dietrich  von  Bern  vertrete  ferner  ein  Erbtheil  germanischer 
Göttersage  vom  Donar.  Es  ergibt  sich,  daß  das  Bärenspiel  auf  ein  Sommerfest 
im  Rosengarten  zurückgeht  und  Dietrich  steht  auf  der  Seite  des  Sommers.  Ob 
auch  seine  Abkunft  vom  Wolfdietrich,  seine  Eigenschaft  eines  Trost  der  Wülf- 
inge  mythisch  zu  deuten  sei,  bleibe  hier  unerörtert,  —  Das  sind  übrigens  flüch- 
tige, gelegentliche  Bemerkungen  ,  die  in  keinem  Verhältnisse  stehen  zu  dem 
bedeutenden  Werke  M's,  das  wir  weiterer  gründlicher  Prüfung  Kundiger  bestens 
empfehlen  und  das  bei  seinem  reichen  Inhalte  in  einem  kurzen  Bericht  gar  nicht 
erschöpfend  gewürdigt  werden  kann. 

Weitgehende  wissenschaftliche  Fragen,  wie  die  hier  auftauchenden,  können 
wohl  auch  in  der  gebotenen  Kürze  einer  Anzeige  nicht  zu  Ende  geführt  werden ; 
daher  hier  Bemerkungen,  die  nur  den  Zweck  haben  anzuregen ,  wohl  eher  ge- 
stattet sein  mögen,  wenn  man  sie  auch  in  einem  systematischen  Werke  nicht  in  d  er 
Form  wagen  würde.  Von  M.'s  größerem  Werke  Wald-  und  Feldculte  kann 
ich  zum  Schlüsse  nur  wiederholen,  daß  es  als  ein  Zeugniss  deutschen  aus- 
dauernden Strebens  alle  Achtung  verdient  und  mannigfaltige  Anregungen  gibt. 
Daß  es  ferner  manche  Ergebnisse  gebracht,  die  Beachtung  finden  werden  und 
daß  es  endlich  eine  Sammlung  von  werthvollem  Material  ans  Licht  gestellt,  die 
als  ganz   unschätzbar  begrüßt  zu  werden   verdient.  SCHEÖER. 


Krämer  Friedrich,  Idiotismen  des  Bistritzer  Dialekts.  Programm  des  Gymna- 
siums zu  Bistritz  (Siebenbürgen).  Bistritz.  J.  E.  Filtsche'sche  Erben.  1876. 
A  bis  L.  83  Seiten. 

Erst  unlängst  war  Ref.  veranlasst^  in  Zarnckes  Centralblatt  Nr.  11  (1877) 
S.  384  bei  Besprechung  von  Dr.  K.  Reißenberger's  kleiner  Schrift:  Die  For- 
schungen über  die  Herkunft  des  siebenbürgischen  Sachsenvolkes,  Hermannstadt 
1877,  auf  die  Rüstigkeit  der  dortigen  Gelehrten  auch  auf  dem  Gebiete  der 
Sprach-  und  Mundartforschung  hinzuweisen.  Ref.  erlaubte  sich  dabei  in  Hinblick 
auf  die  dort  herrschenden  traurigen  Verbältnisse  die  Bemerkung:  „Sie  haben 
sich  700  Jahre  hindurch  auf  der  Höhe  deutscher  Bildung  erhalten  und  sollen 
jetzt  der  Entnationalisirung  preisgegeben  werden!  Ein  neuer  Ausgleich  ist  im 
Werke,  dem  10  Millionen  Deutsche  diesseits  der  Leitha  zustimmen  sollen  und 
unter  ihnen  erhebt  sich  keine  Stimme  für  das  dem  Unter  gange 
GERMAOTA.  Neue  Keihe  X.  (XXII.)  Jahrg.  16 


242  LITTERATUR:  F.  KRAMER,  IDIOTISMEN  etc. 

geweihte  Volk  der  Siebenbürger  Sachsen!"  —  Wenn  es  auf  poli- 
tischem Gebiete  immer  noch  nicht  gelingen  will  ,  den  Antheil  und  die  that- 
kräftige  Unterstützung  des  deutschen  Volkes  zu  gewinnen ,  auf  wissenschaft- 
lichem Gebiete  sollten  die  rühmlichen  Bestrebungen  eines  deutschen  Stammes 
an  jenen  äußersten  Grenzen  der  Civilisation  nicht  todtgeschwiegen  werden! 
—  Es  ist  vielleicht  sogar  am  Platze,  ihnen  eine  besondere  Aufmerksamkeit  zu- 
zuwenden. 

Bekannt  ist  die  1874  bei  S.  Hirzel  in  Leipzig  in  neuer  Auflage  erschie- 
nene treffliche  Geschichte  der  Siebenbürger  Sachsen  von  G.  D.  Teutsch.  Be- 
kannt sind  auch  die  vortrefiflichen  Sammelwerke:  Die  deutschen  Volks- 
märchen aus  dem  Sachsenlande  in  Siebenbürgen,  gesammelt  von  Jos.  Halt- 
rich,  Berlin  1856,  Jul.  Springer;  die  Siebenbürger  Sagen,  gesammelt 
und  mitgetheilt  von  Friedr.  Müller,  Kronstadt  1857,  Joh.  Gott;  endlich  die 
siebenbürgisch -sächsischen  Volkslieder  mit  Anmerkungen  und  Ab- 
handlungen, herausgegeben  von  Friedrich  Wilhelm  Schuster,  Hermannstadt 
1865.  Th.  Steinhausser.  Alles  hervorragende  Musterwerke.  —  In  neuerer  Zeit 
nun  regt  sich  unter  jüngeren  siebenbürgischen  Gelehrten  ein  sehr  anerkennens- 
werthes  Streben  auf  dem  Gebiete  der  Sprachforschung.  Schon  1871  trat  Prof. 
Reißenberger  hervor  in  seiner  Doctor-Dissertation  „Über  Hartmann's  Rede 
vom  Glauben"  ,  in  der  er  die  rhein-fränkische  ,  siebenbürgische  Mundart  mit 
dem  Studium  älterer  deutscher  Sprachdenkmale  in  Beziehung  brachte.  1872 
folgte  eine  Laut-  und  Formenlehre  der  starken  Verba  im  Siebenbürgisch-säch- 
sischen  von  Johann  Roth,  Hermannstadt  1872.  Bei  v.  Closius  Erben.  1873 
erschien  in  dem  Programm  des  Gymnasiums  zu  Mühlbach  in  Siebenbürgen : 
Der  Consonantismus  des  Siebenbürgisch  -  sächsischen  von  Johann  Wolff. 
Diese  Arbeit  wurde  im  Ceutralblatt  1873,  Nr.  45,  von  W.  Braune  mit 
Auszeichnung  gewürdigt.  1875  folgte  ebenfalls  im  Programm  von  Mühl- 
bach eine  Abhandlung  desselben  Verfassers:  „Über  die  Natur  der  Vocale  im 
siebenbürgisch-sächsischen  Dialect."  —  Diesen  neueren  Arbeiten  schließt  sich 
nun  an:  die  erste  Hälfte  eines  Wörterbuches  der  Mundart  des  Nösner  oder 
Bistritzer  Dialectes  ,  von  Friedrich  Kramer ,  das  in  der  Überschrift  genannt 
ist.  Alle  diese  Erscheinungen  beurkunden  gewiss  eine  Rührigkeit  dieses  kleinen 
Volksstammes,   wie  sie  kaum  bei   einem  anderen  anzutreffen  ist. 

Zu  einem  Wörterbuche  der  siebenbürgisch-sächsischen  Mundart  wird  schon 
lange  gesammelt.  Im  Di'uck  erschienen,  außer  einigen  kleineren  Aufzeichnungen 
früherer  Zeit,  im  Jahre  1865  zwei  größere  Vorarbeiten:  I.Beiträge  zu  einem 
Wörterbuche  der  siebenbürgisch-sächsischen  Mundart ,  von  J.  C.  Schuller  ,  Prag 
1865,  bei  F.  A.  Credner,  75  Seiten  und  2.  Plan  zu  Vorarbeiten  für  ein 
Idiotikon  der  siebenbürgisch-sächsischen  Volkssprache,  von  Jos.  Haltrich.  Kron- 
stadt  1865,   bei  J.   Gott.   150   Seiten. 

Einen  besondern  Werth  hat  nun  vorliegende  Sammlung,  indem  sie  von 
einer  Sprachinsel  herrührt,  die  von  der  Hauptgruppe  der  sächsischen  Ansied- 
lungen  Siebenbürgens  abgetrennt  und  ziemlich  weit  entfernt  sich  auch  in  der 
Spi-ache  eigenthümlich  entwickelt  hat.  Die  große  Sprachinsel  von  Hermannstadt, 
die  sogenannten  Saxones  septem  sedium,  die  sieben  sächsischen  Richterstühle, 
bilden  den  Hauptstock  des  Siebenbürger  Sachsenvolkes.  Sie  sind  die  Nachkom- 
men der  unter  Geisa  II.  (1141  — 1161)  in's  Land  gerufenen  Einwanderer. 
Außer  dieser  Hauptgruppe  sind  noch    zwei   davon  abseits  liegende   „sächsische" 


LITTERATÜR:  F.  KRAMER,  IDIOTISMEN  etc.  243 

Sprachinseln  vorhanden.  Das  Burzenland  im  Südo.sten  mit  der  Hauptstadt  Kron- 
stadt und  der  Nösner  (Jau  im  Norden  mit  der  Hauptstadt  Nösen  oder  Bistritz. 
Das  Burzenland  ist  im  ersten  Viertel  des  18.  Jahrhunderts  gegründet.  Andreas  H. 
schenkte  das  territorium  quod  dicitur  Wurza  (so  bei  P.  von  Duisburg;  ein 
gebit  man  nande  in  Ungirlande  Wurzä  Jeroschin  113j  im  Jahre  1213  dem 
deutschen  Ritterorden ,  der  es  vorübergehend  bis  1225  besaß.  —  llber  die 
Gründung  des  Nösner  Gaues  ist  nichts  bekannt.  Teutsch  ,  1,  S.  IG,  ist  zur 
Annahme  geneigt,  daß  sie  in  die  Zeit  vor  Geisa  hinaufreiche. 

Die  Sprache  des  Nösner  Gaues  soll  den  Uebergang  bilden  von  dem  Sie- 
benbürger Silchsischen  zur  Sprache  der  Zips;  im  „Ungrischen  Magazin  (Pres- 
burg  1783)"  I,  260  wird  sie  ein  „makaronisches  Sächsisch"  genannt,  d.  h. 
halb  „deutsch"  halb  „sächsisch".  Jedenfalls  müssen  wir  den  Beitrag  aus  dem 
Nösner  Gau  hoch   willkommen   heißen. 

Wir  erlauben  uns  gelegentliche  Bemerkungen  zu  demselben,  die  viel- 
leicht bei  Ausarbeitung  des  zweiten  Theiles,  dessen  baldige  Veröffentlichung  wir 
hoflfen  dürfen,  einige  Beachtung  finden.  Manches,  was  hier  zu  bemerken  ist, 
gilt  überhaupt  der  Abfassung  mundartlicher  Wörterbücher. 

In  dem  Vorworte  heisst  es  S.  HI.  ,,Die  leitenden  Gesichtspunkte  dabei 
waren :  Rückführung,  wenn  möglich  eines  jeden  Wortes,  auf  die  alt-  und  mit- 
teldeutsche Form  oder  Wurzel  desselben  und  Vergleich  mit  ähnlichen  Formen 
deutscher  Dialecte." 

Der  Nachweis  der  alten  Formen  und  des  Vorkommens  eines  Wortes  in 
anderen  Dialecten  ist  allerdings  und  ohne  Frage  höchst  erwünscht.  Bei  einer 
ersten  Sammlung  von  Idiotismen  aus  dem  Volksmunde  darf  dies  aber  keines- 
wegs die  Hauptsache  sein.  Die  Hauptsache  ist  hier  das  Sammeln  der 
eigenthümlichen  Formen,  ihre  genaue  schriftliche  Darstellung 
und  eine  erschöpfende,  befriedigende,  wo  es  nöthig  ist,  mit 
guten  Beispielen  belegte  Darlegung  ihrer  Bedeutung  und  ihres 
Gebrauchs.  —  Wenn  die  Etymologie  vorderhand  noch  Schwierigkeiten  macht, 
so  ist  es  viel  angemessener,  erstens  die  Form,  dann  die  Bedeutung,  den  Ge- 
brauch festzustellen:  denn  das  ist  das  werthvolle  Material,  um  das 
es  sich  handelt.  Nur  zu  oft  eilt  der  Verfasser  eines  mundartlichen  Wörter- 
buches mit  einer  kurzen ,  ungenügenden  Angabe  der  Bedeutung  sogleich  zu 
etymologischen  Erörterungen  und  schleppt  eine  Menge  ungesichteten  Materials 
herbei  und  am  Ende  sind  wir  nicht  sicher  der  mundartlichen  Form,  nicht  der 
Bedeutung  und  nicht  der  Ableitung.  —  So  hat  einst  der  wackere  J.  K.  Schuller 
eine  Abhandlung  geschrieben  über  den  „Muorlef"  in  der  eine  Masse  gelehrter 
Erörterungen  aufgehäuft  war,  die  beweisen  sollten,  daß  der  Muorlef  eine  Er- 
innerung  an  die  Morolfsage  ist;  uns  wurde  aber  aus  der  ganzen  Abhandlung 
nicht  hinreichend  klar,  wie,  wann,  wo  bei  den  Siebenbürger  Sachsen  das  Wort 
Muorlef  angewendet  wird.  Hätte  Schuller  Beispiele  gesammelt  über  den  Ge- 
brauch des  Wortes,  in  erschöpfender  Weise,  daß  auch  der  Nichtsiebenbürger 
mit  dem  Worte  vertraut  werden  konnte,  wir  hätten  es  ihm  mehr  gedankt.  — 
Der  ein  mundartliches  Wörterbuch  abfaßt,  muß  immer  daran  denken,  daß  das, 
was  er  mittheilt,  dem  größten  Theil  des  Publicums,  für  das  es  bestimmt  ist, 
unbekannt  ist.  Er  muß  sogar  denken  ,  daß  eine  Zeit  kommen  wird  ,  wo  das 
Mundartliche  erlöschen  wird.  Daß  es  daher  darauf  ankommt,  es  für  alle  Zeit 
und    für  Jedermann    zu  fixiren    und    vollkommen    befriedigend    darzulegen    — 

16* 


244  LITTERATLTR:  F.  KRAMER,  IDIOTISMEN  etc. 

das  ist  die  Hauptsache.  Kann  der  Verf.  die  Etymologie,  das  Vorkom- 
men anderswo  nachweisen,  so  ist  es  natürlich  um  so  besser;  nur  darf  er  uns 
nicht  zu  viel  des  Selbstverständlichen  und  Allbekannten  mit  in  Kauf  geben,  in 
den  Nachweisen  nicht  unnöthig  breit  werden.  Kann  der  Verf.  die  ältere  Form 
nicht  nachweisen ,  so  beschränke  er  sich  auf  die  Mittheilung  des  Idiotismus, 
seiner  Form ,  seines  Gebrauches.  Eine  Anhäufung  von  Vermuthungen ,  die  zu 
keinem  bestimmten  Ergebniss  führen,  ist  ohne  Werth. 

Die  kleine  Besorgniss^  welche  die  oben  angeführten  Worte  des  H.  Vfs. 
erregten,  wird  nicht  gemindert,  wenn  er  am  Schlüsse  des  Vorwortes  als  „Quelle" 
seiner  Beiträge  nächst  der  Sammlung  aus  dem  Munde  des  Volkes:  Graff's  ahd. 
Sprachschatz,  das  mhd.  Wörterbuch,  Grimm's  Grammatik,  den  Iwein,  die  Ni- 
belungen, Parzival  etc.  —  mit  einem  Worte  seine  ganze  kleine  Hausbibliotbek 
anführt!  —  Nun   einige  Bemerkungen  im  Einzelnen. 

äbersch  und  dbesch  verkehrt.  „Das  Wort  ist  allgemein ,  namentlich 
in  ganz  Mitteldeutschland  verbreitet."  Darauf  werden  die  alten  und  neuen  For- 
men aufgeführt,  das  Charakteristische  der  Mundart  aber  wird  nicht  hervorge- 
hoben. In  Baiern  und  Oesterreich  herrscht  die  alte  Form  abich  nicht  abisch. 
Wenn  der  Vf.  getrennt  die  Gegenden,  in  denen  abich  und  in  denen  abisch  ge- 
bräuchlich ist,  betrachtet  hätte,  hätte  sich  ergeben,  daß  letzteres  md.  ist.  äbsch 
geht  durch  ganz  Mitteldeutschland.  Weinhold  5.  Es  ist  aus  dem  Nl.  herüber- 
genommen, mnl.  avesch  nnl,  aafscJi.  Im  Schwäbischen  kömmt  neben  abich  auch 
ähsch  vor;    letzteres  ist  auch   hier  aus  dem  nl.   eingedrungen. 

äder  in  der  Bedeutung:  aber,  neben  oder.  Dazu  werden  md.  Idiotiken 
citirt  (mein  Wörterbuch  der  Mundarten  des  ung.  Berglandes  wird  regelmässig 
mit  unrichtiger  Seitenzahl  angeführt),  dann  aber  heißt  es:  „bair.  Schm.  1, 
27,  also  allgemein  mittel-  und  oberdeutsch."  Der  Vf.  erwägt  nicht,  daß  Schmel- 
1er  s  Wörterbuch  drei  Mundarten  vertritt,  auch  eine  mdeutsche.  A.  a.  0.  sagt 
Schm.   ausdrücklich    „Ob.  Pf.  Franken." 

aklich  ener  und  äddrich  änner  werden  als  Nebenformen  nebeneinander 
besprochen.  Sie  wären  getrennt  zu  behandeln,  aklich  ener  geht  auf  mhd.  iegelich 
(angls.  ägelic)  zurück,  die  Verbindung  mit  ener  vergleicht  sich  mit  nl.  elk 
{==.  iegelich)  een  engl,  every  one  S.  Gr.  Gr.  III,  54;  hingegen  äddrich  {änner) 
eine  Erweiterung  von  ieder  (aus  ze-weder)  nnl.  ieder  ider  ist,  gleichsam  jederig 
einer  wie  mhd.  ie  dichein  u.  a.  —  ,^ält  adv.  manchmal,  zuweilen  Haltr.  Id.  38 
ebenso  und  alt  5s^"  verstärkend  „alt  eV".  Das  wird  alles  so  hingeschüttet, 
dazu  noch  aus  Fromm.  4,  194:  .^altäkend^'  manchmal,  als  ob  wir  Leser  alle  Sie- 
benbürger Sachsen  wären!  Wer  weiß  was  alt  ist  und  alt  et  und  altäkend  sein 
kann,  wie  es  angewendet  wird?  Gebrauchsanwendungen  und  Formen  müßten 
erklärt  und  in  Sätzen  in  der  Anwendung  gezeigt  werden.  Das  hilft  uns  nicht 
weiter,  wenn  man  anführt,  daß  ein  Wort  schon  von  Haltrich  S.  38  und  bei 
Frommann  a.  a.  0.  vorkommt,  wenn  dort  ebenfalls  nicht  mehr  dabei  steht  als 
hier!  —  Die  Ableitung  von  rheinfränk.  aW,  schon,  ist  kaum  richtig,  jenes  alt  be- 
deutet: manchmal,  nicht:  schon.  Damit  zu  vergleichen  ist  älst  manchmal  aus 
mhd.  accus,  adv.  allez  vgl.  Fromm.  II,  S.  286,  65  und  140.  —  ämfrä  auch 
ämtfrä  Hebamme,  ist  nicht,  mit  Hinweis  auf  Haltrich,  zu  deuten  als  Amtfrau. 
Das  t  ist  späterer  Zusatz  und  gemeint  ist  eine  Frau,  die  Amme  ist.  Amme  ist 
nicht  nur  die  Säugerin.  In  manchen  Gegenden  heißt  eine  Kinderfrau  :  trockene 
Amme  (so   im  ungr.    Bergland).  —  So  ist  mit  Heb-amme  heutzutage  eine  Kind- 


LITTERATUR:  F.  KRAMER,  IDIOTISMEN  etc.  245 

hebende  Pflegerin  gemeint  (wcun  da«  Wort  auch  auf  ein  noch  unaufgeklärtes  hefi- 
hanna  zurückgeht).  Bei  Ayrer  kommen  die  Formen  Ammenfräulein  ,  Amma- 
fräulein  für  Amme  vor.  Gr.  Wtb.  1,  278.  —  dne ,  änfjden  ,  iine  immer,  ane 
c'nt ,  ina  int,  äne  niesch  immer  ein,  immer  gleicli.  Alle  diese  Formen  werden 
unter  Einem  vor-  und  auf  mhd.  iender  zurück  geführt,  mit  weiterer  Berufung 
auf  die  Formen  inde  aus  Breslau  und  der  Zips,  die  Weinhold  und  Ref.  aus 
iender  erklärten.  Das  gibt  ein  Chaos !  Alle  oben  angeführten  Formen  müssen 
getrennt  betrachtet,  ihre  Formen  festgestellt ,  ihr  Gebrauch  an  Beispielen  ge- 
zeigt werden.  Dann  ist  zu  sehen,  ob  alle  auf  Eine  Form  zurückzuführen  und 
wie  die  Verschiedenheiten  der  Formen  zu  erklären  sind.  Auf  iender  sind  sie  alle 
nicht  zurückzuführen.  Da  äne  int  immer  eins  bedeutet,  so  wäre  das  von  mir 
angeführte  (Nachtrag  34''):  anä  mhd.  in  ein,  enein  in  eins  allerdings  zu  er- 
erwägen (=  in  ein  einez).  —  ^nsem  empfindlich,  wird  von  ande  abgeleitet: 
gewiß  falsch.  Hätte  uns  der  Hr.  Verf.  lieber  reichliche  Belege  mitgetheilt,  die 
uns  das  Wort  in  lebendigem  Gebrauch  gezeigt  hätten!  Es  erinnert  an  das 
siebenbürgische:  anjem,  das  auch  noch  unaufgeklärt  ist,  auch  an  das  schlesische: 
e.s-f  w  (egisarn).  —  erden  einholen,  dazu  vgX.derdonen  erreichen,  eigentlich  erspannen, 
mhd.  donen  spannen  mein  Nachtr.  S.  22;  Weinhold  schles.  Wtb.  15.  —  disem  m. 
Sauerteig.  Da  die  ahd.  Form  deismo  aufgeführt  ist,  hätte  der  alte,  irreleitende 
Erklärungsversuch  „Teigsamen",  der  nach  Haltr.  hinzugefügt  ist  und  schon  von 
Frisch  gemacht ,  von  Gr.  Wtb.  I.  914  aber  zurückgewiesen  ist  ,  wegbleiben 
sollen.  —  fälfes  n.  Weidenkorb,  eigentlich  Futterschwinge,  wurde  von  Haltrich 
Id.  28  schon  richtig  aus  FüUfass  erklärt.  WolfF  Conson.  38  und  nach  ihm 
Kramer  wollen  es  von  ahd.  felawa  Weide  ableiten.  Ebenso  wollte  Regel  das- 
selbe Wort  fölwas,  wie  es  in  Ruhla  lautet,  von  felioa  ableiten,  und  zwar  gegen 
Vilmar,  der  es  aus  füllfass  erklärte.  Ref.  glaubt  in  seiner  Schrift:  Das  Bauern- 
haus auf  der  Weltausstellung  1873  (oflficieller  Bericht)  S.  12  überzeugend 
nachgewiesen  zu  haben,  daß  das  Wort,  das  auch  im  ung.  Berglande,  ferner  im 
sigerländischeu  und  in  schmalkaldischen  Dörfern  üblich  und  in  das  Slovakische 
in  der  Form  filfas  übergegangen,  aus  Füllfass  zu  erklären  ist.  —  Bei 
feiti  m.  rothe  Stickwolle,  wird  Pfeid,  got.  paida  herbeigezogen,  ja  damit  sogar 
pändel  in  Verbindung  gebracht  (das  n  sei  eingeschoben)!  —  In  solche  Aben- 
teuer wollen  wir  uns  nicht  einlassen! 

gömern  beim  Anblick  von  essenden  Personen  ki-ankhaft  nach  dessen  Speisen 
verlangen.  Haltrich  und  Wolfif  führen  an  die  Formen  gömern  und  giumern  und 
leiten  es  ab  von  vahd.jämern,  was  im  Bisti'itzer  Dialect,  nach  Angabe  des  Hr.  Verfs. 
S.  36,  jomern  heißt.  Wenn  demnach  im  B.  Dialect  gömern  und  jomern  neben  ein- 
ander bestehen,  dann  ist  für  ersteres  eine  andere  Abstammung  zu  suchen.  Es 
ist  wahrscheinlich  eine  Erweiterung  von  gaumen  (got.  gaumjan  ahd.  goumjan)  das 
in  der  Schweiz,  im  Osterreichbairischen,  in  Gottschee  (Wtb.  S.  90:  gämen)  in 
der  Bedeutung  beobachten,  bewachen  üblich  ist.  —  Zu  greiserlich  entsetzlich 
wird  angeführt  mhd.  freislich,  was  nicht  hieher  gehört.  Die  diesem  greiserlich  ent- 
sprechende mhd.  Form  ist  natürlich:  griuslich.  —  Zu  löfter  f.  Klafter  wäre  zu  bemer- 
ken, daß  die  laßer  auch  altniederrheinisch  (im  Annoliede)  vorkommt,  daß  aber 
die  Zipser  Form  louchter  (=  lächier)  nicht  die  „oberdeutsche"  ist,  wie  Kr. 
angibt,  sondern  die  niederd.  niederländische,  mit  eh  für  f.  —  Unter  lis  f.  Leiste 
belehrt  Hr.  Kr.  den  Referenten  in  einer  Weise,  die  abgelehnt  werden  muß. 
Daß  bairisch  leuchse  auf  mhd.  liuche  zurückzuführen  ist  u.  s.  f.  (Hr.  Kr.  schreibt 


246     LITTERATUR:  G.  K.  FROMM  ANN,  DIE  DEUTSCHEN  MUNDARTEN. 

mhd.  linche    linchze)  hat   derselbe    bereits   1859  ,  Nachtrag  S.  38  auseinander- 
gesetzt. 

Besonders  hervorzuheben  an  dem  Material  des  NÖsner  Idiotikons  ist  die 
überwältigende  Fülle  des  Übereinstimmenden  mit  der  Zipser  Sprache.  Möge 
die  zweite  Hälfte  nicht  zu  lange  auf  sich  warten  lassen.  —  Von  der  Uner- 
schöpflichkeit der  eigentlichen  Idiotismen  eines  kleinen  Gebietes  macht  man 
sich  oft  übertriebene  Vorstellungen.  Sie  haben  doch  immer  nur  einen  relativ 
kleinen  Ideenkreis,  der  sich  auf  die  im  täglichen  Verkehr  vorkommenden  Dinge 
bezieht.  Was  über  das  Gebiet  des  Nächstliegenden  hinausgreift,  greift  auch 
schon  über  das  Gebiet  der  Mundart  hinaus  und  muß  der  Schriftsprache  ent- 
nommen werden.  Dergleichen  gehört  nicht  in  das  Idiotikon.  Diese  Bemer- 
kung mache  ich,  weil,  gerade  die  Siebenbürger  Sachsen  in  der  Vorstellung 
von  der  Unerschöpflichkeit  ihrer  Idiotismen,  wie  mir  vorkommt,  zu  weit  gehen, 
was  mir  aus  den  umständlichen  Anstalten  zu  erhellen  scheint,  die  seit  De- 
cennien  zu  einem  siebenbürgisch-sächsischen  Idiotikon  gemacht  werden;  Kramer 
hat  recht  gethan,  daß  er  frisch  daran  gegangen  ist,  die  Idiotismen  von  Bistritz 
zusammenzustellen. 

Möchte  ihm  bald  ein  Zweiter  folgen  mit  einem  Idiotikon  des  Burzenlandes. 
Dann  aber  wäre  es  Zeit  endlich  an  die  Herstellung  eines  siebenbürgisch- 
sächsischen  Idiotikons  zu  gehen,  das  ich  mir  nicht  zu  groß  denke.  Bei  den 
genannten  kleinen  Sammlungen  wiederholt  sich  doch  sohon  Bekanntes  immer 
wieder.  Ich  glaube,  wenn  Alles  in  der  Mundart  bisher  Gedruckte  gut  benutzt 
wird,  so  wird  nicht  leicht  etwas  Bemerkenswerthes  übersehen  werden.  Möchten 
wir  bald  ein   siebenbürgisch-sächsisches  Idiotikon  erleben! 

SCHRÖER. 


Frommann,  Dr.  G.  Karl.  Die  deutschen  Mundarten.  Zeitschrift  für  Dichtung, 
Forschung  und  Kritik.  Siebenter  Band,  III.  und  IV.  Heft.  Halle,  Verlag 
der  Buchhandlung  des  Waisenhauses   1877.   8.   S.   257 — 508. 

Mit  diesem  Doppel-Hefte  wird  der  siebente  Band  dieser  verdienstvollen 
Zeitschrift  abgeschlossen;  wenn  nicht  unerwartete  Hilfe  kommt,  leider  der  letzte! 
—  Der  Inhalt  des  vorliegenden  Heftes  ist  so  bedeutend,  so  reich  an  ausge- 
suchten Mittheilungen  sorgfältig  behandelter  Sprachproben,  an  lehrreichen  Er- 
gebnissen der  Forschung,  daß  mich  dies  veranlaßt,  mein  schon  einmal  ausge- 
sprochenes Bedauern  zu  wiederholen  und  auf  den  Wert  dieser  Zufluchtsstätte 
für  die  letzten  Athemzüge  der  dahinschwindenden  Mundarten  unseres  Volkes 
und  für  die  wissenschaftliche  Bearbeitung  derselben  hinzuweisen. 

Das  erste  Stück  in  dem  Hefte  ist  eine  Fortsetzung  von  B.  Spieß' 
Beiträge  zu  einem  h  ennebergischen  Idiotikon.  Es  gelangt  hier  bis 
zu  dem  Buchstaben  J  fexclusive),  so  daß  nicht  einmal  die  Hälfte  der  Samm- 
lung veröff"entlicht  ist.  Wo  soll  der  Herr  Verf.  die  zweite  Hälfte  erscheinen 
lassen,  wenn  Frommanns   Zeitschrift  erlischt? 

Ein  höchst  werthvoller  Beitrag  ist  gleich  das  zweite  Stück:  Über 
mundartliche  Orthographie  von  J.  F.  Kräuter,  von  dem  fast  gleichzeitig  eine 
sehr  beachteuswerthe  Schrift:  Zur  Lautverschiebung  (Straßburg.  K.  J.  Trübner 
1877.    154   Seiten)  erschienen  ist. 


LITTEKATUK:  G.  K.  FKOMMANN,  DIE  DEUTSCHEN  MUNDAKTEN.     247 

Kräuter  gedenkt  in  einer  Anmerkung  freundlich  eines  früher  von  mir 
veröffentlichten  Aufsatzes  „Über  erhöhte  Ansprüche,  die  nun  an  die  Aufzeich- 
nung mundartlicher  Sprachproben  zu  stellen  wären"  mit  den  Worten:  „Sehr, 
hat  über  diesen  Gegenstand  sehr  Beherzigensvverthes  gesagt",  meint  aber  mit 
vollem  Recht,  daß  damit  die  Veröffentlichung  seines  Aufsatzes  doch  nicht  über- 
flüssig gemacht  sei*).  Ich  hatte  künftige  Mittheilungen  von  Sprachproben  von 
Männern  im  Auge,  die  dem  Volksleben  nahe  stehen,  wie  z.  B.  Lehrer  auf 
dem  Lande,  deren  Lebensberuf  nicht  auf  Lösung  der  Probleme  der  Wissen- 
schaft gerichtet  ist  und  von  denen  nicht  zu  erwarten  noch  zu  verlangen  ist, 
daß  sie  mit  der  Methode  der  Sprachforschung  vertraut  sind,  Beiträge  von 
solchen  Männern  können  sehr  willkommen  sein,  wenn  sie  mit  Ti'eue  und  Sorg- 
falt wiedergegeben  sind  und  eine  Zeitschrift  für  Mundarten  darf  auf  sie  nicht 
verzichten.  —  Solche  Mitarbeiter  hatte  ich  in  jenem  Aufsatze  im  Auge,  indem 
ich  sie  anregen  wollte  ihre  mundartlichen  Beiträge  möglichst  so  niederzuschreiben, 
daß  der  Klang  der  Mundart  bis  in's  Einzelne  auch  für  denjenigen  erkennbar 
ist,  der  sie  nie  gehört. 

Kräuter  hat  in  seinem  Aufsatze  nur  Dialektforscher  vom  Fach  im  Auge. 
Hier  kommt  nun  namentlich  eiu  neues  Moment  in  Betracht,  die  physio- 
logische Bestimmung  der  Laute ,  ein  Moment  von  dem  wir  Alten  in  unserer 
Jugend  nichts  lernen  konnten ,  ein  Moment  durch  das  das  jüngere  Geschlecht 
uns  überlegen  ist.  Wer  das  Glück  hatte  die  dazu  erforderlichen  Studien  an 
der  Hand  eines  kundigen  Lehrers  auf  der  Hochschule  zu  machen,  wird  sich 
auf  diesem  Gebiete  immer  gewandter  bewegen  als  wir,  die  wir  mühsam  in 
späteren  Jahren  die  neugewonnenen  Anschauungen  uns  anzueignen  haben. 

Ein  wesentlicher  Unterschied  zwischen  den  Alten  und  den  Jüngern  in 
Bezug  auf  die  Darstellungsart  der  Laute  scheint  mir  abgesehen  von  allem 
Andern  auch  schon  dadurch  gekennzeichnet,  daß  jene  nur  die  wirklichen 
Laute  der  Mundart  im  Auge  hatten ;  ihnen  entgingen  die  Laute ,  die  in  der 
Mundart  nicht  vorkommen;  indem  die  Jüngeren,  abgesehen  von  der  wirklichen 
Erscheinung,  das  ganze  Gebiet  der  physiologischen  Möglichkeiten  vor  Augen 
haben.  Hier  können  freilich  wohl  auch  Täuschungen  vorkommen  —  und  sind 
vorgekommen  —  indem  man  um  einen  möglichen  Laut  in  einem  Beispiel  an- 
schaulich zu  machen ,  ihn  in  einem  wirklichen ,  zuweilen  irrthümlich  zu  er- 
kennen glaubte  (ich  erinnere  z.  B.  an  Brücke's  e°  in  ziaölf  oder  dessen  i" 
in  Myiie**).  Ähnliche,  nach  meiner  Anschauung  unbegründete  Annahmen, 
fand  ich,  was  ich  hier  sogleich  bemerken  muß,  in  vorliegendem  Aufsatz  nicht. 
Nicht  zutreffend  schien  mir  nur,  daß  als  Beispiel  für  das  deutsche  ö  (in  Töne), 
französisch  hoeufs,  oeufs,  neben  feu  deux  angeführt  wird.  Der  Vocal  in  boeufs 
liegt  doch,    wie  mir  scheint,   wie  der  in  veuve ,     zwischen  e"  und  ö",  indem  das 


*)  Er  sagt  noch  „übrigens  kann  ich  mich  mit  einzelnen  seiner  Vorschläge  nicht 
einverstanden  erklären«  und  ich  darf  es  wohl  beklagen,  daß  er  diese  Einzelheiten  nicht 
namhaft  macht. 

**)  Der  Vocal  in  zwölf,  ursprünglich  zwelf  wird  in  den  Mundarten  entweder 
ö  oder  e  oder  —  durch  Einfluß  des  1  —  ö  gesprochen;  so  hört  man  ja  auch  ö7/ für 
elf,  eilf.  Von  einem  Laute,  der  etwas  anderes  ist  als  ä,  e  oder  ö  ist  mir  nichts  vor- 
gekommen. Eiu  dem  ö  anders  genähertes  e  als  in  Wölfe  kenne  ich  nicht.  So  spricht 
man  auch  Mirte  oder  Mürte,  an  ein  drittes  kann  ich  nicht  glauben.  Das  Wort  reimt 
entweder  vollständig  auf  Hirte  oder  vollständig  auf  gürte. 


248  MISCELLEN. 

e?{  in  feu  dem  deutschen  ö  (Brücke's  o")  gleichkommt.  —  Im  Ganzen  ist 
Kräuter's  Aufsatz  wohl  überdacht,  in  hohem  Grade  beachtenswerth  und  gereicht 
diesem  Heft  zur  besonderen  Zierde. 

Ich  nenne  noch  von  dem  Inhalte  desselben :  einen  posthumen  Aufsatz 
von  H.  Rückert:  Über  die  mundartliche  Stellung  der  deutschen  Bestaudtheile 
in  Wiggerts  Psalmenfragmenten ;  einen  anziehenden  etymologischen  Auslauf  des 
Herausgebers  über  Schlamassel;  den  Schluß  zu  Staubs  Abhandlung  über 
ein  alemannisches  Lautgesetz;  einen  Beitrag  A.  Stengels  über  die  Mundart 
an  der  schwäb.  Retzat;  2  Idyllen  in  Steinlacher  Mundart  mitgetheilt  von  M. 
Bührer;  Beiträge  aus  dem  Niederdeutschen  von  F.  Woeste;  Volkssprüche 
aus  Schwaben  von  G.  Scuffer;  Hebels  Habermus  nach  der  Aussprache  von 
Hausen  von  Joh.  Meyer  (bei  dieser  Gelegenheit  wäre  es  wohl  erwünscht  und 
vielleicht  auch  thunlich  gewesen  den  a.  a.  0.  von  mir  gestellten  Anfor- 
derungen einigermaßen  Rechnung  zu  tragen !) ;  zu  den  deutschen  Dialekten  von 
Mieck;  Schwäbische  Einladung  zu  einem  Fasnachtscherze  von  A.  Birlinger; 
eine  Anfrage  über  ülfen  von  G.   Brückner,  — 

Als  vortrefflich  dürfen  noch  hervorgehoben  werden  die  Besprechungen 
von  L.  Tob  1er  und  F.  Kräuter  (beide  über  Wintelers  Kerenzer  Mund- 
art),  von   Fr.  Latendorf  über  Edm.   Höfers:   wie  das  Volk  spricht  u.   a. 

Sehr  zu  bedauern  ist,  daß  diesem  7.  Bande  das  alphabetische  Verzeich- 
niss  der  Wörter  und  Sprachformen  fehlt,  indem  doch  die  6  früheren  Bände 
ohne  Ausnahme  mit  einem  solchen  schlössen,  was  ihi-e  Brauchbarkeit  so  sehr 
erhöht  hat.  SCHRÖER. 


MISCELLEN. 


Briefe  von  Jacob  Grimm  an  Karl  Dominique  Franz  von  Villers*). 
Mithgetheilt  von  Dr.   I  s  1  e  r  in  Hamburg. 

I. 

Cassel,   15.   October   1810. 

Ich  komme  mit  einer  Bitte.  Eine  fröhliche  Nachricht  aus  Rom  hat  mich 
ganz  in  Eifer  und  Flammen  gebracht.  Glökle,  welcher  dort  den  altdeutschen 
Rein  hart  Fuchs  aus  dem  13.  Jahrhundert  entdeckt  hat,  wird  mir  ihn  ver- 
muthlich  zur  Herausgabe  überlassen  und  in  kurzem  zusenden.  Nun  habe  ich 
damit  nichts  weniger  vor,  als  ihn  in  Ansehung  der  Sprache  nicht  nur,  sondern 
auch  historisch  kritisch  recht  fleissig  zu  bearbeiten.  Dazu  ist  aber  eins  unum- 
gänglich nöthig,  die  Einsicht  und  genaue  Benutzung  der  altfranzösischen  Ge- 
dichte ,  welche  zu  Paris  handschriftlich  begraben  liegen.  Die  elende  Arbeit, 
welche  Legrand  im  fünften  Band  der  notices  et  extraits  de  la  bibl.  nationale, 


*)  Geb.  zu  Bolchen  in  Lothringen  4.  November  1765,  gest.  zu  Göttingen  26.  Fe- 
braar  1815.  Über  ihn  vgl.  Biographie  universelle  s.  v.  Villers,  von  St(apfe)r,  W.  von 
ßippen,  Charles  von  Villers  und  seine  deutschen  Bestrebungen,  Preuß.  Jahrbücher 
Bd.  27,  S.  288-307. 


MISCELLEN.  249 

darüber  geliefert,  ist  mir  für  ineiue  Absicht  wenig  oder  gar  niclit  brauchbar. 
Ich  betrachte  es  fogar  als  nothwciidig,  das  älteste  französische  Gedicht  grösten- 
theils  oder  ganz  mit  drucken  zu  lassen,  denn  wer  mag  darauf  warten,  bis  es 
einmal  die  Franzosen  thun!  Glauben  Sie  wohl,  dass  man  mir  die  zwei  oder 
drei  merkwürdigsten  FIss.  des  alten  Renard  aus  der  kaiserlichen  Bibl.  hier  her 
schickt  und  auf  ein  Halbjahr  zur  Benutzung  übcriässt?  der  Fall  ist  wohl  fchwierig, 
aber  nicht  unerhört,  wurde  doch  die  berühmte  Manessische  Handschrift  Bod- 
mern  auch  ausgewirkt!  neuerer  Beispiele  zu  geschweigen.  Und  mit  Recom- 
mendationen könnte  ich  mich  am  End  leichter  versehen  als  Bodmer.  Misslänge 
der  Versuch,  fo  fcheiterte  freilich  der  gröste  und  beste  Thcil  meines  Plans 
auf  einmal,  also  lasse  ich  mich  nicht  fo  leicht  abschrecken  und  werde  wenig- 
stens alles  mögliche  versuchen  und  bewegen.  Dabei  rechne  ich  nun  ein  grosses 
Stück  auf  Ihre  Freundlichkeit  und  die  eigene  Erkenntnis,  die  Ihnen  von  der 
Vorfrefflichkeit  dieser  herrlichsten  aller  Fabeln  aufgegangen.  Erstens  geben  Sie 
mir  Ihren  Rath,  wie  ich  es  am  besten  und  füglichsten  anzufangen  habe  und 
dann  bitte  ich  um  ein  Empfehlungslchreiben,  worin  blos  zu  l'tehen  braucht,  dass 
die  mss.  in  meinen  Händen  ficher  aufgehoben  find,  und  dass  ich  mich  be- 
kanntlich mit  altdeutscher  und  folglich  auch  altfranzösischer  Literatur  und  Poesie 
abgebe.  Auch  Reinhard'),  einen  Namensverwandten  doch  ohne  Schaden 
gesagt!  der  ja  felbst  de  1' Institut  ist,  will  ich  um  eine  Empfehlung  bitten, 
und  hoffe  dass  ers  auch  in  bestem  Sinne  thut.  Ob  ich  mich  nun  an  Langles 
oder  Dacier  wende,  hängt  vielleicht  davon  ab,  welchem  von  beiden  Sie  und 
Reinhard  mich  am  besten  empfehlen  können.  Ich  weiss  zwar,  dass  Langles 
nur  mit  oriental.  Hss.  zu  thun  hat,  allein  er  fcheint  mir  wärmer,  thätiger  als 
Dacier,  und  er  kann  dann  die  Autorisation  zur  Absendung  diesem  immer  ab- 
geben, wenn  er  nur  felbst  gute  Einleitung  trifft.  Ich  kann  mir  zur  Noth  auch 
noch  von  Brugniere'^)  ein  Zeugniss  ausstellen  lassen,  dass  ich  hier  im  Ca- 
binet  des  Königs  angestellt  bin  u.  dergleichen.  Und  welchen  Weg  zur  Sendung 
müsste  man  wohl  vorschlagen.  Diligencen  sind  unsicher,  also  am  besten  durch 
Buchhändler,  da  man  doch  alles  herauslässt.  Könnte  ich  nur  selbst  nach  Paris, 
allein  das  ist  mir  noch  vorerst  versperrt.  —  Schreiben  Sie  mir  nun  über  meinen 
Plan,  nnd  machen  Sie  mir  nur  volle  Hoffnung.  —  Finden  fich,  wie  es  fehr  zu 
wünschen  ist,  im  altdeutschen  Lied  historische  Aufschlüsse  und  Data  genug,  fo 
denke  ich  mich  feruers  über  das  plattdeutsche  Gedicht  und  feine  vielfachen 
Übertragungen,  dann  auch  über  das  hoUänd.  Prosabuch  zu  verbreiten  und  ihrem 
Ursprung  und  Zusammenhang  unter  einander  nachzuspüren.  Vielleicht  erlange 
ich  auch  das  griechische  Werk,  dessen  einmal  Lessing  erwähnt"^),  ohne  in- 
dessen über  das  Verhältnis  zu  Reinecke  nur  irgend  etwas  befriedigendes  beizu- 
bringen, fo  dass  es  etwa  gar  nichts  damit  ist.  —  Die  Arbeit  mag  ihre  Schwie- 
rigkeiten haben,  fie  dünkt  mir  ausserordentlich  reizend,  über  den  Geist  des 
ganzen  Buchs  hat  mir  eben  Gör  res  fehr  fchön  geschrieben,  ich  will  Ihnen 
feine  Worte  ein  andermal  mittheilen,  und  vergesse  jetzt  nicht  Sie  noch  zu  er- 
suchen ,     mir  doch  Ihren   eigenen   Artikel  über  den  Renard ,   wovon   Sie  mir   in 

')  Karl  Friedrich  Reinhard,  als  Schriftsteller  und  Diplomat  bekannt,  Schwieger- 
sohn des  jüngeren  Reinmarns. 

^)  Brugniere,  Secretaire  du  cabinet  de  Jerome,  Roi  de  Vestphalie,  wo  Grimm 
Auditeur  au  Conseil  d'Etat  und  Bibliothekar  war. 

')  Sämmtl.  Sehr.  XI,  1,  240  Maltz. 


250  MISCELLEN. 

Göttingen  erzählt  und  den  Sie  für  das  Dictionnaire  univ.  (chcz  Michaud  ^)  be- 
stimmt mitzutheilen.  Da  ich  ihn  unter  dem  Buchstaben  A  (Alkmaar)  vermuthe, 
so  muss  er  jetzt  wohl  fchon  gedruckt  feyn,  und  leider  hat  man  hier  auf  das 
fchlechte  dict.  von  Prudhomme^)  subscribirt,  so  dass  ich  das  andere  nicht 
kaufen  kann. 

Können  Sie  mir  etwas  näheres  über  Herrn  Julius^)  aus  Hamburg  mel- 
den, in  dem  ich  auch  einen  Liebhaber  altdeutscher  Poesie  vermuthe  und  von 
dem  neulich  ein  etwas  starkgespannter,  aber  doch  nicht  unebener  Aufsatz  im 
Vaterländischen  Museum*)  gestanden  hat?  Im  Ganzen  finde  ich  doch,  dass 
fich  das  Museum  zu  breit  nimmt,  und  so  kann  ich  ihm  keine  lange  Dauer 
voraussehen.  Bisher  habe  ich  fo  überhäuft  zu  thun,  dass  ich  noch  nicht 
an  meine  Schuldigkeit  denken  können,  Perthes  einen  Beitrag  dafür  zu  über- 
senden. Aber  fo  bald  ich  kann  will  ich  wenigstens  meinen  guten  Willen  be- 
zeigen. Ihren  Aufsatz  über  die  verschiedene  Liebe  ^)  hätte  ich  lieber  in  der 
neuen  Umarbeitung  wieder  gelesen,  womit  Sie  uns  beschenken  wollen,  als  in  der 
zimmermannischen  Übersetzung;  auch  bitte  ich  Sie  alsdann,  mehr  und  glänzendere 
Beispiele  auszuwählen,  was  nicht  fehr  fchwer  fallen  wird,  besonders  wenn  Sie 
mehr  auf  die  altdeutsche  Literatur  zurückgehen.  Einiges  wird  auch  den  Fran- 
zosen in  ihrer  alten  Poesie  noch  zu  ftatten  kommen ,  was  fie  in  der  neueren 
verscherzt  haben.  Aber  hier  gilt  es  freilich  das  Ganze  und  in  so  fern  gefällt 
es  mir  gar  wohl,  wenn  Sie  Ihrem  neuen  Plane  nach,  das  Ganze  weiter  nehmen 
und  ausführen  wollen.  Ich  weiss  nicht  was  ich  gegen  Zimmermann^)  eigent- 
lich habe,  ich  kenne  ihn  nicht  persönlich,  allein  manches  gefällt  mir  nicht  von 
ihm,  fein  Aufsatz  über  Joh.  Müller')  ist  neulich  mit  grossem  Recht  in  der 
leipz.  Lit.  Z.  heruntergemacht  worden,  wer  möchte  auch,  um  über  Müller  etwas 
zu  sagen,  einen  Morgenstern  ausschreiben  wollen!  dieser  Morgenstern*^)  ist 
mir  geradezu  einer  der  fatalsten  unberufensten  Schriftsteller,  Hofprediger  hätte 
er  meinetwegen  werden  mögen,   oder  fo  gelehrt  wie  Böttiger. 


*)  Gemeint  ist  die  Biographie  universelle,  wo  der  betreffende  Artikel  Bd.  I, 
S.  582  sich  befindet. 

^)  Prudhomme,  Dictionnaire  universel  geographique,  statistique,  historique  et  po- 
litique  de  la  France.  Paris  1804;  5  Bde.  4". 

')  Nicolaus  Heinrich  Julius,  Dr.  Med.,  beschäftigte  sich  vielfach  mit  Literatur, 
und  war  mit  den  Romantikern  (Chamisso,  Varnhagen  u.  a.)  befreundet.  Er  nahm  Theil 
an  der  Redaction  des  Vaterländischen  Museums.  Von  ihm  ist  erschienen :  Bibliotheca 
german.  glottica ,  oder  Versuch  einer  Litteratur  der  Alterthümer ,  der  Sprachen  und 
Völkerschaften  der  Reiche  germanischen  Ursprungs  und  germanischer  Beimischung. 
Hamb    1817.  8. 

')  Vaterländisches  Museum,  eine  Zeitschrift,  die  Friedr.  Perthes  im  Jahre  1810 
zur  Belebung  vaterländischen  Sinnes  unternahm.  Es  sind  nur  sieben  Hefte  erschienen, 
da  die  Besetzung  Hamburgs  durch  die  Franzosen  im  J.  1811  die  Fortsetzung  unmög- 
lich machte. 

^)  Villers  Erotique  compar^e,  oii  Essai  sur  la  mani^re  essentiellement  differente 
dont  les  poetes  franijais  et  allemands  traitent  l'amour,  1807,  deutsch  von  Zimmermann 
im  Vaterl.  Mus. 

*)  Friedr.  Gottlieb  Zimmermann,  damals  Collaborator ,  später  Professor  am  Jo- 
hanneum  zu  Hamburg,    nahm  ebenfalls  an  der  Redaction   des  Vaterl.  Museums  Theil. 

')  In  Archenholz  Minerva  1809. 

*)  Karl  Morgenstern,  Professor  der  classischen  Literatur  in  Dorpat. 


MTSCELLEN.  251 

Ich  habe  Sic  letzt  nicht  hier  zu  fehcn  bekommen,  wünsche  Ihnen  aber 
Glück,  dass  Sie,  wie  ich  vermuthe,  vom  Antheil  am  Moniteur  ')  wieder  gänzlich 
losgekommen.  Vielleicht  glauben  Sie  mir  bald  mehr,  als  vor  einigen  Monaten, 
dass  hier  mit  den  Leuten  nichts  gutes  zu  treiben  ist.  So  höre  ich  eben,  dass 
die  Hauptschule  hier  in  Cassel,  welche  fönst  recht  brave  Lateiner  gebildet  hat, 
und  gegenwärtig  aus  Mangel  einiger  Lehrer  etwas  herabgekommen  ist,  aus 
ihrem  fchöuen  Local  in  der  Künigsstrasse,  das  für  fie  erbaut  worden,  verwiesen 
und  in  ein  miserables  Gebäude  in  der  Altstadt  verlegt  werden  foll,  um  in  jenes 
ein  Bureau  zu  bringen.  Nun  ist  klar,  dass  die  Schule  damit  den  letzten  Stoss 
erhält  und  das  kann  L.  ^)  zugeben !  der  hat  nur  Sinn  für  das  äusserliche  in 
Göttingen ,  z.  B.  in  .  .  .  .  "*)  fehlt  sehr  ein  braver  Mytholog ,  der  nicht  fo  ein 
blosser  Sprachphilolog  ist,  als  Wagner*),  einer  wie  Creuzer  in  Heidel- 
berg u.  a.  Wenn  ich  bedenke,  dass  der  geistreiche  Gör  res  in  Coblenz  fast 
wie  ein  Schulmeister  leben  und  leine  Familie  mit  elendigen  1200  fr.  erhalten 
muss !  die  Werke  die  er  fo  übereilen  muss,  würden  wir  sonst  reifer  und  aus- 
gearbeiteter bekommen.  Doch  preise  ich  ihn  und  seines  gleichen  glückseelig. 
—  Ich  achte  die  herrlichen  Anstalten  in  G.  wie  einer,  und  ehre  feine  Ge- 
lehrten ,  aber  diese  werden  fich  jeuer  nicht  überheben ;  eine  arme  Universität 
kann  gross  und  erregend  werden  durch  die  Liebe  einer  Krone  von  trefflichen 
Lehrern  und  diese  lebendige  Verwandschaft  zwischen  Lehrern  und  Schülern  ist 
es  ja,  was  wir  an  unsern  Univers,  als  das  deutsche  erkennen  follen.  Paris 
hat  auch  die  Menge  von  Anstalten,  aber  gilt  da  auch  die  Frömmigkeit  und 
Stille  im  Lernen  und  Lehren,  welche  allein  es  leidet,  dass  der  Jünger  neben 
dem  Meister  aufkomme  und  beide  durch  einander  lernen.  Doch  ich  will 
Ihnen  nicht  fchreiben ,  was  Sie  zwar  nicht  inniger  glauben  können,  wie  ich, 
aber  viel  gründlicher  und  aus  längerer  Erfahrung  wissen.  Bleiben  Sie  mir 
freundschaftlich  geneigt  und  begünstigen  Sie  baldigst  mein  obiges  Vorhaben. 

ich  bin  aufrichtig  der  Ihrige 
Jacob  Grimm  ^). 
Monsieur 

Monsieur  de  Villers 

k  Gottingue 

en  cas  q'uil  fiit  parti  de  cette  ville,  des  renseigemens  für  fa  demeure 
actuelle  pourront  etre  pris  chez  Mr.   le  professeur  Heeren. 


')  Moniteur  Vestphalien. 

^)  Leist,  Unterrichtsminister  im  Köiiigr.  Westphalen. 

')  Mit  dem  Siegel  weggerissen,  ohne  Zweifel  Marburg. 

•*)  C.  F.  Ch.  Wagner,  Prof.  der  Philologie  in  Marburg. 

^)  Grimm's  Arbeit  über  Reinhard  Fuchs  ist  bekanntlich  erst  1834  erschienen, 
obgleich  in  F.  Schlegels  deutschem  Museum  1812,  Bd.  1,  S.  .391  —  415  die  Ankündi- 
gung des  baldigen  Erscheinens  von  den  Brüdern  Gi'iram  erfolgt  war.  Das  franzö- 
sische Gedicht  wurde  inzwischen  in  Frankreich  veröifentlicht,  der  Plan  daher,  das- 
selbe zugleich  mit  dem  deutschen  herauszugeben,  nicht  ausgeführt. 


252  MISCELLEN. 

II. 

9.  Januarj   1811, 
Lieber  Herr  von  Villers, 

ich  weiss  nicht,  was  von  dreien  ich  zuerst  thun  miiss,  Sie  um  Ihre  Ge- 
sundheit fragen,  oder  Ihnen  zu  der  Professur  Glück  wünschen,  oder  für  Ihren 
letzten  werthen  Brief  danken.  Über  die  erste  fiel  mir  neulich  ein  Hamburger 
Zeitungsartikel  in  Hände  und  hat  mich  beunruhigt,  möge  l'ich  alles  jetzt  fchon 
gegeben  haben!  Machen  Sie  nur  dass  Ihnen  zur  zweiten  nicht  noch  einmal  das 
alte  Vaterland  nachzieht.  Was  mich  angeht,  fo  ist  mir  der  Athem  fchon  eng 
genug  geworden ,  Gott  erhalte  nur  das  Blut  rein,  wenn  man  fich  auch  aus 
zehren  muss.  Doch  halte  ich  noch  am  Trost  fest  und  fchreibe  Ihnen  daher 
am  leichtesten  über  Ihr  letztes  Schreiben,  das  ich  nebst  dem  eingelegenen 
Reynaert  de  Vos  zu  herzlichem  Dank  erhalten  habe.  Das  hätte  ich  fchon  früher 
vermeldet,  wenn  ich  nicht  mein  kleines  Buch  ^)  gerne  mitschicken  wollen,  wo- 
mit mich  nun  fchon  feit  September  Dieterich  gegen  Recht  und  Billigkeit  auf- 
hält. Sobald  es  fertig  wird  foU  er  Ihnen  ein  Exempl.  übermachen  und  dann 
bin  ich  auf  Ihr  Urtheil  um  fo  begieriger,  als  Sie  an  meine  Sache  wenig  zu 
glauben  fchienen.  Und  gerade  in  ihr  meine  ich  doch  ziemlich  fest  zu  ftehen, 
das  Mangelhaftige  der  Ausführung  weiss  ich  fo  gut  wie  einer.  Nur  müssen  Sie 
bedenken  das")  alles  nach  und  nach,  und  in  verschiedener  Absicht  zusammen- 
getragen worden  ist ,  weshalb  manches  in  den  Noten  fteht ,  was  besser  in  den 
Text  gehörte.  Anderes ,  zB.  in  der  Vorrede  über  Universität  und  gegen  die 
Juden  wäre  nicht  gesagt  worden,  ohne  besondere  Privatursache,  ich  dachte  das 
Publikum  werde  bei  einem  unbedeutenden  Buch  folche  Ausweichungen  gleich- 
gültig ansehen.  Auch  glaube  ich  ist  es  einem  deutschen  Schriftsteller  über- 
haupt jetzo  zu  erlauben,  dass  er  feine  Sorge  und  Liebe  zu  der  allgemeinen, 
wenn  auch  bekannten  aber  doch  oft  vergessenen  Wahrheit  allerwärts  einfliessen 
lässt,  leibst  wo  fie  ungehörig  fchiene,  wenn  wir  ruhiger  und  glücklicher  find, 
dann  wollen  wir  auch  ftreng  und  enthaltsam  fchreiben,  jetzt  ist  grosse  Freude 
und  Trost  in  dem  Bekenntniss,  wie,  glaube  ich,  kein  recht  protestantisches  Kind 
die  Oeffentlichkeit  feiner  Glaubenserklärung  vor  Gott,  der  Kirche  und  den 
Menschen  dahingehen  würde,  um  kein  Gut  der  Welt.  Wenn  es  je  gefühlt  wer- 
den muss,  fo  ist  es  in  unsern  Tagen,  wie  ftark  jedwede  reine  menschliche  Sitte 
auf  die  Herzen  wirkt,  und  fie  ftärkt  und  zusammen  hält;  Mittheilung  ist  fo 
natürlich  und  eigentlich  der  einzige  Grund,  warum  man  etwas  drucken  lässt. 
Darum  verzeihen  Sie  auch  hier  der  Abschweifung. 

Meine  Aussicht  das  bewusste  pariser  Ms.  zu  erhalten,  ist  freilich  fchwach, 
besonders  feit  der  wenigen  Hofi'nung,  die  Sie  mir  gemacht,  jedoch  noch  nicht 
aufgegeben.  Ich  habe  an  Dacier  einen  langen,  und  um  ihm  fowohl  mein 
Interesse  zu  zeigen,  als  feines  zu  erregen,  gemischten  Brief  geschrieben,  wegen 
des  Transports  alle  mögliche  Sicherheit  und  Bequemlichkeit  gegeben,   und  über- 


')  Jac.  Grimm  Über  den  altdeutschen  Meistergesang,  Gott.  Dieterich  1811 
(gegen  B.  J.  Docen  Über  den  Unterschied  und  die  gegenseitigen  Verhältnisse  der 
Minne-  und  Meistersänger.  Ein  Beitrag  zur  Karakteristik  der  frühereu  Zeitalter  der 
deutschen  Poesie,  im  Museum  für  altdeutsche  Literatur  und  Kunst,  herausgeg.  v.  F.  H. 
V,  d.  Hagen,  B.  J.  Docen  und  J.  G.  Büsching.  Berl.   1809.  Bd.  I). 

')  So! 


MI8CELLEN.  253 

dem  mich  an  Hase')  noch  besonders  gewendet.  Reinhard  hat  hierzu  ferner 
(eine  Empheluug  gethan  und  ich  warte  täglich  auf  Entscheidung.  Wilren  die 
Conservatcurs  der  bibl.  imp«''riaie  so  liberal  gesinnt,  als  mein  pariser  Correspou- 
dent  Roquefort"),  fo  hätte  ich  alles  was  ich  wünsche,  noch  eben  bietet  mir 
dieser  ein  ihm  leibst  aus  Lyon  geliehenes  Ms.  du  roman  di  Tristan  an.  Ihren 
Aufsatz  über  die  Miunelieder  in  Millius  Journal  habe  ich  mit  Vergnügen  ge- 
lesen, doch  auch  mit  einiger  Furcht  wegen  des  Schlusses.  Sollte  es  gerathen 
seju,  den  pariser  Herrn  viel  von  der  Kostbarkeit  der  altdeutschen  Sachen  in 
Rom  in  den  Kopf  zu  setzen?  fo  verfallen  fie  leicht  auf  einen  Transport  nach 
Paris,  vielleicht  auf  eine  Auswahl ;  bei  beiden  kann  einzelnes  verloren  werden 
oder  in  lange  Unordnung  gerathen,  da  man  jetzt  in  der  Vatikana  durch 
Glökles  Eifer  mit  Catalog  und  Ordnung  ziemlich  im  Reinen  ist  und  fich 
zu  Rom  doch  noch  vergnüglicher  arbeitet.  Auch  könnten  in  etwas  besserer 
Zeit  deutsche  Reclamationen  unseres  Eigenthums  eher  erhört  werden ,  wenn  es 
fo  bleibt,  aber  fchwerer,  wenn  einmal  der  pariser  Schlund  auch  das  verschlungen 
hat.  Dies  waren  meine  Gedanken,  fönst  fähe  ich  einige  Mss.  fo  gern  wie  Sie 
in  Benekes   Händen,   wenn  auch  nur  geliehene. 

Bevor  die  Handschriften  eintreffen,  fange  ich  an  dem  Reiuecke  nicht  zu 
arbeiten  an.  Sie  leihen  mir  also  Ihren  holländischen  noch  ein  wenig,  voraus- 
gesetzt, dass  ich  ihn  nicht  mittlerzeit  durch  den  Buchhandel  bekommen  kann. 
Sein  Verhältuiss  zu  dem  französischen  und  andererseits  zum  plattdeutschen 
macht  ihn  wichtig  genug.   Auf  ein  andermal  mehr  davon   und  von  meinem  Plan. 

Champol  1.  Figeac**)  über  die  patois,  den  Sie  mir  anempfehlen,  hätte 
ich  Ihnen  ja  felbst  fchon  gezeigt  bei  Ihrem  Hierseyn,  wenn  Sie  nur  je  länger 
als  eine  Viertelstunde  bei  uns  ausgehalten  hätten.  Manches  ist  darin  recht 
gut,  am  wenigsten  das  Allgemeine  und  das  einzelne  hätte  zehnmiil  besser  werden 
können,  in  einem  fo  vorzüglichen  Landstrich,  als  das  Delphinat  ist,  dessen 
Alterthümer  mich  höchlich  reizen ,  wegen  des  vermuthlichen  Zusammenhangs 
mit  einigen  Sagen  unsers  alten  Titurel.  Können  Sie  mir  daher  irgend  einmal 
ein  gelehrtes  Buch  über  diesen  Gegenstand  nennen,  fo  foll  es  mich  freuen.  Wo 
ich  nicht  irre  ist  die  Anzeige  obiges  Buches  in  der  A.  L.  Z.  von  Ihnen  ge- 
wesen. —  Haben  Sie  Sich  denn  feitdem  noch  nicht  das  von  Docen*)  edirte 
kleine,  aber  köstliche  Fragment  des  Titurels  angeschafft?  Man  kann  fagen  das 
es  in  der  Mitte  liegt  zwischen  dem  Stil  des  Nibelungenepos  und  den  Minne- 
liedern, in  beiden  könnten  einzelne  Stellen  daraus  aufgenommen  werden,  und 
doch  ist  es  wieder  ganz  von  frischem  und  eigenthümlichem  Ton ,  dass  ich  es 
reiner  und  grösser  halte,  als  die  Meistergesänge  und  fchwächer  aber  gemüth- 
licher  wie  die  Nibelungen,  wie  weit  fteht  es  über  Ariost  und  Tasso,  die 
freilich  eleganter  find,  aber  mir  wenigstens  unherzlicher  fcheinen,   oft  gesucht. 


')  Carl  Benedict  Hase,  bei  der  Verwaltung  der  Manuscripte  der  k.  Bibliothek 
zu  Paris  angestellt. 

■^)  Jean  Baptiste  Boniface  de  Roquefort,  Forscher  der  altfranzösiscben  Litteratur. 

^)  Jos.  ChampoUion-Figeac,  Nouvelles  recherches  sur  les  Patois  ou  idiomes  vul- 
gaires  de  France  et  en  particulier  sur  ceux  du  departement  d'Isere.  Paris  1809. 

^)  B.  J.  Docen  Erstes  Sendschreiben  über  den  Titurel ,  enthaltend  die  Frag- 
mente einer  Vor-Eschenbachschen  Bearbeitung  des  Titurel.  Aus  einer  Handschrift 
der  kön.  Bibliothek  zu  Miinclien  herausgegeben  und  mit  einem  Commentar  begleitet. 
Berl.  u.  Leipz.    1810. 


254  MISCELLEN. 

Sehr  gefreut  hat  mich  Ihr  günstiges  Urtheil  über  Grörres  Mythenge- 
schichte, und  wenn  Sie  den  guten  Geist  folcher  und  ähnlicher  Anerkennungen 
in  G.  einführen,  fo  ist  fchon  allein  dadurch  der  Erwerb  Ihrer  Person  ein  deut- 
licher Gewinn.  Denn  ich  ftelle  mir  vor,  dass  eben  jene  Schrift  in  den  Gott. 
Anzeigen  hart  verkannt  werden  könne,  gerade  aber  der  Trieb,  der  in  ihr  regiert 
und  der  allein  fie  hervorgebracht  hat,  ist  höchst  fchäzbar,  und  wenn  die  Aus- 
führung in  einzelnen  ungleich ,  manchmal  übereilt ,  einigemal  unglücklich  ist, 
l'o  will  das  wieder  wenig  sagen  gegen  den  Reichthum  fruchtbarer  und  glück- 
licher Combinationen.  Hauptfehler  des  Buchs  fcheint  mir  die  Vernachlässigung 
der  griechischen  Mythologie  zu  seyn ,  welche ,  weil  wir  fo  viel  davon  wissen, 
ein  grosses  Licht  zurückstrahlen  kann  auf  das  frühere,  freilich  viel  lautere  und 
heilige  Wesen  asiatischer  Religion.  Auch  im  kleinen  und  fpäten  ist  Gott  zu 
finden,  fchwerer  gewiss,  aber  vielleicht  desto  ficherer.  Aus  diesem  Grund  hat 
auch  Creuzer  eine  Ungerechtigkeit  an  der  griechischen  Mythologie  begangen, 
dadurch  dass  er  fie  für  bedeutungslos  erklärt  und  fie  im  Gegensatz  zum  Symbol 
viel  zu  viel  vernachlässigt,  dennoch  hat  diese  Einseitigkeit  auch  wieder  seinem 
Werk  genutzt.  Nur  hätte  der  Plan  besser  und  einfacher  werden  können,  wenn 
er  mehrere  grammatische  Untersuchungen  als  blose  Beweise  feiner  Ansicht  in 
Noten  oder  Anhang  verwiesen  hätte.  Übrigens  ist  auch  der  Geist  der  in  diesem 
Werke  herrscht  vortrefflich  und  ich  achte  es  für  weit  höher  als  das,  was  ich 
mir  daran  anders  wünsche.  Nichts  freut  mich  mehr,  als  dass  auch  unser  alt- 
deutsches Studium  zu  denselben  Resultaten  führt,  wie  denn  auch  Creuzer  einige 
feiner  einleuchtendsten  Erläuterungen  aus  der  Quelle  des  Christenthums  herge- 
nommen hat. 

Über  des  herrlichen  Runge  Tod  ^)  werden  Sie  nicht  weniger  betrübt  ge- 
wesen feyn,  als  wir;  wohl  ihm,  ich  habe  aber  gehört,  er  hätte  noch  gern 
gelebt.  Nun  möchte  ich  wissen,  ob  er  noch  verschiedene  Arbeiten  angefangen 
und  vollendet  hat,  namentlich  wollte  er  zu  Görres  Ausgabe  der  alten  Heimons- 
kinder  Umrisse  liefern.  —  Wie  wird  es  jetzo  dem  braven  Perthes  gehen, 
und  auch  das  Museum  kann  nun  nicht  fo  bleiben.  In  den  letzten  Heften  hat 
mir  besonders  Stollbergs  Aufsatz  über  unsere  Sprache  gar  wohl  gefallen, 
ich  gestehe,  er  ist  mir  das  liebste,  was  im  Journal  gestanden,  Kolbe  gegen 
die  Wortmenger  hat  auch  ganz  recht,  fagt  aber  wenig  neues. 

Sobald  Sie  ohne  Beschwer  ein  paar  Zeilen  fchreiben  können,  wird  mich 
Ihre  Nachricht  von  Ihrer  Genesung  fehr  freuen,  ob  gleich  ich  fie  von  Göttingen 
aus  früher  zu  erfahren  hoffe.  Harding*^)  ist  heute  durchgereist,  ohne  dass 
ich  ihn  gesprochen  habe.  Leben  Sie  wohl  und  nehmen  Sie  meinen  Gruss,  fo 
wie   einen  von  meinem  Bruder  mit  gewohnter  Güte  an. 

Ganz  der  Ihrige 
Gr. 

Die  in  meinem  letzten  von  hier  gegebenen  Nachrichten  find  zum  Glück 
ungegründet  geworden. 


*)  Phil.  Otto  Runge,  1777 — 1810,  Maler  und  Schriftsteller.  Seine  hinterlassenen 
Schriften  sind  Hamburg  1840  erschienen.  Über  seine  künstlerischen  Arbeiten  s.  Ham- 
burgisches Künstler-Lexicon  (Hamb.  1854)  S.  211. 

^)  Professor  der  Astronomie  in  Göttingen. 


MISCELLEN.  2Ö5 

III. 

Cassel,   13.   Februar   1811. 
Lieber  Herr  von  Villers, 

Sie  wissen  l'chon,  dass  Sie  in  jedem  Brief  von  mir  geplagt  werden,  mit 
Bitten  um  mancherlei  Hilfe,  warum  find  Sie  aber  auch  fo  hilfreich?  Gör  res, 
den  Sie  l'elber  ehren  und  achten ,  wünscht  gar  zu  gern  den  Schah  Nameh 
Ferdusi's  zu  ftudiren,  davon  liegen  in  Göttingen  Handschriften,  ich  glaube 
zwar  keine  der  besteo,  welche  man  in  Paris  und  Wien  zu  lachen  hätte ;  ihm 
aber  ist  es  fo  theuer  um  die  Sache  zu  thun ,  dass  er  der  Uuvollkommenheit 
des  Textes  vorerst  noch  nachsehen  würde.  Er  fragt  mich  ob  die  Benutzung  dieser 
Quelle  ihm  offen  zu  machen  wäre?  indem  ich  fein  Anliegen  in  Ihre  Hände  zuerst 
lege,  thue  ich  nichts,  als  was  er  wohl  von  felbst  gethan  hätte,  wenn  er  schon 
dazumal  Ihre  nähere  Verbindung  mit  Göttingen  gewusst  hätte.  Alles  was  dabei 
beschwerlich  oder  fönst  gleichgiltig  zu  thun  wäre,  weisen  Sie  aber  auf  mich  zurück. 

Ich  lege  Ihnen  lieber  feinen  eigenen  Brief  bei,  damit  Sie  zugleich  darauss 
fehen,  dass  meine  Erwartung  vom  deutschen  Reinhart  Fuchs  ein  wenig  gesunken 
ist,  doch  freue  ich  mich  immer  noch  auf  die  Besorgung  der  Ausgabe.  Mit  den 
pariser  Mss.  geht  es  fchlecht  an,  der  erste  mühsame  Brief  an  Dacier  war  im 
Bureau  des  Duc  de  Cadore  verloren  oder  verirrt,  fo  dass  er  lieh  aus  diesem  Mal- 
pertuis  nicht  finden  lassen  wollte.   Nun  habe  ich  ihn  zum  zweitenmahl  abgeschickt. 

Die  andere  Bitte  betrifft  mich  näher,  wie  Sie  gleich  am  Titel  der  Hand- 
schrift hören  können,  denn  eine  Handschrift  ist  es  auch.  Der  bekannte  Codex 
der  Meistersänger  in  Colmar  ist  augenscheinlich  äusserst  wichtig  unb  blutwenig 
bekannt.  Wie  wäre  er  zu  erlangen  ?  durch  Connexionen  in  Strasburg,  das  nicht 
fo  weit  davon  liegt,  aber  freilich  ist  Colmar  eine  verschiedene  Praefectur? 
Rathen  Sie  mir  gütigst.  Seine  Wichtigkeit  ist  im  dritten  Heft  des  altdeutschen 
Mus.  ^)  zu  ersehen,  worin  auch  zwei  Aufsätze  von  mir,  die  ich  Ihrer  Nachsicht 
empfehle,  wann   Sie  darauf  stossen. 

Sie  haben  doch  meinen  Brief  von  bald  nach  Neujahr  erhalten?  hier  gibts 
durchaus  nichts  neues,  Göttingen  aber  hat  den  guten  Beckmann')  verloren, 
mit  dem  Sie  mich  noch  bekannt  gemacht,  und  mit  dem  wir  einmal  von  Piorillo 
aus  nach  Haus  gingen.  In  den  gel.  Anzeigen  hat  mich  lange  nichts  fo  lehr 
gefreut  als  die  neuliche  von  Jacobs  Rede ,  dergleichen  Stimme  thut  einem 
wohl,  und  fie  war  diesmal  fo  klug,  dass  man  ihr  dabei  nichts  anhaben  kann.  — 
Können  Sie  mir  nichts  über  den  B""  Pommereuil"^)  melden?  welcher  ja  nun 
Portalis  gefolgt  ist,  womit  der  Kaiser  unzufrieden  soll  gewesen  seyn.  So  bald 
Ihnen  die  deutsche  Currentschrift  durch  die  neue  Professur  geläufig  ist,  fo 
erlassen  Sie  mir  diese  lateinischen  Lettern,  welche  mich  gern  zum  Verschreiben 
bringen ,  obgleich  nicht  zum  Verzweifeln,  dass  ich  es  nicht  noch  einmal  gewohnt 
werden  könne.  Legen  Sie  mir  gütigst  Görres  Brief  wieder  bei,  wenn  Sie  mir 
antworten,  welches  mich  je  eher  erfreut  je  eher  es  geschieht, 

von  Herzen  und  immer  der  Ihrige 
Jacob  Gr. 


')  Museum  für  altdeutsche  Literatur  und  Kunst,  herausgegeben  von  F.  H.  v.  d. 

Hagen,  B.  J.  Docen,  J.  G.  Büschin^.  Berl.  1809  ff. 

^)  Joh.  Beckmann,  Professor  in  Göttingen,  durch  vielfache  Schriften  bekannt, 
)  Fran9ois  Rene  Jean,    Baron    de  Pommereuil,    nachdem  Portalis   in  Ungnade 

gefallen,  Directeur  general  de  Timprimerie  et  de  la  litterature. 


256  MISCELLEN. 

IV. 

Cassel,   24.  Febr.    1812. 

Tyderaann  aus  Franeker  bittet  mich  Ihnen  zu  fchreiben,  dass  er  Ihre 
voriges  Jahr  vor  der  pariser  Reise  abgesandte  depeche  nicht  erhalten  habe, 
und  dass  Sie  ihm  einen  Dienst  erweisen  würden,  wenn  Sie  jetzt,  wo  man  in 
Paris  die  Organisation  des  holländischen  Studienwesens  und  von  der  Wieder- 
anstellung der  auf  den  eingegangenen  Universitäten  angestellten  Professoren  die 
Rede  ist,  —  an  Ihre  dortigen  Freunde  fchreiben  und  folchen,  die  hiebei  Ein- 
fluss  haben,  empfehlen  wollten.  Es  fey  ihm  in  der  Hauptsache  eins ,  in  Gro- 
ningen oder  Leiden  angestellt  zu  werden. 

von  Gör  res  habe  ich  neulich  Briefe,  ich  hatte  ihm  wegen  des  zweiten 
äasserlich  besseren  MS.  des  Schahnameh  geschrieben,  das  noch  in  Göttiugen 
befindlich  wäre,  er  wusste  das  wohl,  hält  aber  das  andere  für  vorzüglicher.  Zu 
feiner  Reise  hierher  u.  nach  Gott,  ist  wenig  Aussicht,  er  denkt  vielleicht  noch 
d.  J.  fich  für  immer  in  Paris  niederzulassen,  welches  ich  ihm  in  hundert  Hin- 
sichten nicht  verdanke"*),  deutsch  wird  er  immer  bleiben,  und  gewiss  ins  alt- 
französische eine  lebendige  Bewegung  bringen.  —  Ich  habe  heut  wenig  Zeit 
und  Raum,  Beneke  grüssen  Sie  doch  vielmal,  er  fchreibt  auch  gar  nicht,  oder 
immer  nur  ein  paar  Worte.  Sie  versprachen  mir  die  Bogen  über  den  renard 
aus  dem  T,  v  der  notices  et  extr.  zu  fenden,  wo  Ihnen  nichts  daran  liegt, 
wäre  es  mir  lieb,  damit  ich  den  Band  an  die  dort.  Bibl.  zurückgeben  kann. 
Demnächst  bekommen  Sie  ein  Freiexemplar  meiner  Ausgabe  dafür.  Zu  Rein- 
hard gehen  wir  jetzt  öfter,  und  haben  neulich  angefangen  die  Nibelungen  vor- 
zulesen,  was  auch   vollführt  werden    foll. 

Ich  wünsche,   dass   es  Ihnen  wohl   geht  und  grüsse  Sie  herzlich,   wie  immer 
der  Ihrige  J.   Grimm. 


Erklärung^. 

Gegenüber  dem  Mahnwort  des  Herrn  Prof.  Dr.  Schröer  in  der  Germania 
S.  127  sehe  ich  mich  zu  der  Bemerkung  veranlaßt,  daß  der  Tod  Bertrams  mit 
dem  Aufhören  der  Zeitschrift  „Die  deutschen  Mundarten"  nichts  zu 
schaffen  hat,  sondern  daß  mein  Vorgänger  die  Kündigung  selber  hätte  aus- 
sprechen müssen,  wenn  er  länger  am  Leben  geblieben  wäre.  Das  Unternehmen 
hat  nämlich  kaum  ein  Viertel  der  Kosten  eingetragen.  Schon  bei  Übernahme 
der  Administration  wurde  ich  deshalb  darauf  aufmerksam  gemacht,  daß  dasselbe 
wohl  schwerlich  fortzuführen  sei,  und  es  hat  mir  denn  auch  nicht  viel  Mühe 
verursacht,  mich  hiervon  zu  überzeugen.  Das  Bedauern,  daß  ein  so  verdienst- 
liches Unternehmen  aus  Mangel  an  Unterstützung  eingehen  muß,  theile  ich  mit 
jedem  Anderen. 

HALLE  a.  S.,  8.  Juni  1877.  AUG.  SCHÜRMANN. 

Administrator  der  Buchhandlung  des  Waisenhauses 


0  so! 


I 


KLEINE  Br]ITRAGE  ZUR  MYTHOLOGIE. 


Aus:  „Der  zu  vielen  nutzlichen  Wissenschaften  dienstlich  anwei- 
sende, und,  auf  vieler  Verlangen  und  Begehren  fortgesetzte  Curiose 
Kunstler  etc.".  Nürnberg.  J.  L.  Buggel.   1705. 

1.  Da(>  das  Gctreyde  nicht  b randicht  werde. 

Nimm  ein  Tisch-Tuch,  oder  sonsten  ein  anderes  Tuch,  laß  zuvor 
waschen,  und  das  Getrcyd(>  aus  demselben  säen,  darnach  wann  du  gar 
gesäet  hast,  so  lege  das  Tuch  also  ungewaschen  in  eine  Truhen,  und 
laß  das  gantze  Jahr  ungenutzt  liegen,  biß  du  wieder  säen  wilst,  dann 
nimm  und  wasche  es  wieder,  und  säe  aus  demselben,  verwahre  es  also 
wiederum,  nachdem  du  gesäet  hast,  das  gantze  Jahr,  und  folge  also 
alle  Jahr  hernach,  so  wird  dir  gewißlich  kein  Gctreyde  brandicht. 
Probatum  est. 

NB,  Man  hält  auch  gCAviß  dafür,  der  Wcitzen  werde  nicht  so 
leicht  brandicht,  wann  er  in  der  Crcutz-Wochen  im  letzten  Vierthel  des 
Monden  gesäet  wird. 

Im  Vollmond  solle  man  ihn  Vormittage  .  im  Neumonden  aber 
Nachmittage  säen  (I.  Buch,  S.  28). 

2.  Ein  anders  bewährtes  Mittel  für  den  Brand   im  Weitzen. 

Nimm  einen  dürren  Birn-Baum,  brenne  ihn  zu  Aschen^  und  nimm 
die  Aschen  und  Saltz  darzu,  gcuß  Wasser  darauf,  und  rühre  es  unter- 
einander, hernach  nimm  einen  scheinigen  Hahn,  schneide  ihme  die 
Gurgel  ab,  und  lasse  das  Blut  in  obgemeldtes  Wasser,  hernach  rühre 
es  wieder  untereinander,  und  wann  du  den  Weitzen  säen  wüst,  so  be- 
sprenge ihn  mit  obgemeldtcm  Wasser.  Probatum  est (I.B.,S.28). 

3.  So  eine  Kranckhc  it  unter  die  Pferde  kommet,  daran  viel 

sterben  müssen,  daß  die  andern  lebendig  bleiben. 

Nimm  Lang  und  Leber ,  und  ein  Stuck  vom  Hertz  des  todten 
Pferdes ,  thue  das  in  einen  neuen  ungenützten  Hafen ,  vermache 
das  wohl,  und  lasse  es  beym  Feuer  dörren,  dal.^  ein  Pulver  daraus 
wird,  dieses  Pulvers  nimm  1  Loth,  theile  es  in  o  Theile,  und  giebe  ein 

ÜEKMANIA.  Neue  Keilie  X.  (XXH.)  Jahrg.  17 


258  C.  M.  BLAAS 

Theil  dem  Pferde,  ein  jedes  wohl  in  dem  Futter  ein,  den  Topff  ver- 
grabe vor  der  Sonnen- Aufgang,  und  unter  der  Schwelle,  wo  die  Pferde 
ein-  und  ausgehen  (II.  B.,  S.  111). 

4.  Vor  das  Verfangen  der  Pferde. 
Eisen-Kraut  dem  Pferde  ins  Gebiß  gebunden ^    macht,    daß  sich 

das  Pferd  niemalen  verfanget  (II.  B.,  S.  112). 

5.  Wann  ein  Pferd  bezaubert  ist. 

Dieses  sind  die  Zeichen  eines  bezauberten  Roßes,  es  hänget  den 
Kropff  unter  die  Krippen,  und  lässt  die  Haar  am  Mohn  und  Schweiff 
ausgehen,  es  schwitzet  und  kann  vor  Mattigkeit  fast  keinen  Schenkel 
erheben;  Nimm  ein  Todten-Bein  von  einem  Kirchhofe,  darnach  suche 
ein  Stuck  Holtz  im  Wasser,  welches  das  Wasser  hat  ausgeworffen 
alsdann,  nimm  einen  Topff,  thuc  darein  vor  6  Pfennig  guten  scharffen 
Eßig,  scheiß  s.  v.  in  den  Topff,  darein  du  den  P^ßig  gethan  hast, 
schabe  ein  wenig  von  dem  Beine,  auch  von  dem  Holtz,  und  thue  das 
auch  in  den  Topff,  und  rühre  es  wohl  mit  dem  Holtze,  und  geuß  dem 
Roß  ein,  du  must  aber  das  Roß  mit  dem  Kopff  in  die  Höhe  binden, 
daß  es  alles  verschlingen  muß,  und  schlage  ihme  die  Bug-  und  Schranck- 
Ader,  und  binde  von  dem  Bein  und  Holtze  dem  Roß  auf  der  rechten 
Seiten  ein  wenig  unter  die  Mohn,  und  trage  jedes  wieder  an  seinen  Ort, 
wo  du  es  genommen  hast,  es  wird  von  Stunden  an  besser  (IL  B., 
S.  112  u.  113). 

6.  Wann  du   mit   einem  willt   in   die  Wette  reiten,    oder 

lauffen  lassen. 

Binde  deinem  Roß  Eber-Wurtzel  in  das  Gebiß,  so  nimmt  es  dem 
andern  die  Stärke.  Oder:  Wer  Eisen-kraut-Wurtzel  in  die  Schuhe 
leget,  oder  dem  Roß  ins  Gebiß  hänget,  so  wird  es  nicht  müde,  und 
verfanget  sich  nicht  (11.  B.,  S.  113). 

7.  So  einem  ein  Pferd  gestohlen  wird. 

So  nimm  desselben  Roßes  Zeug,  als  Sattel  und  Zaum,  stecke  es 
in  einem  Backofen  und  vermache  den  Ofen  wohl,  so  kan  der  Dieb 
das  Pferd  nicht  weg  bringen  (II.  B.,  S.  113). 

8.  Wann  man  weit  reiten  will,  da(.^  kein  Pferd  sich  verfanget. 

R.  Verbenam    zwischen    zweyen    Frauen-Tagen    gebrochen,    und 

Artemisiara,  binde  es  dem  Roß  an  das  Mundstuck,  so  thust  du  dem  Roß 

keinen  Schaden,  Avann  du  gleich  200  Meilen  reiten  must  (II.  B.,  S.  114). 


Kl.KlNK  I51':IT1;A(;K  /HK  IMVTllOl.OdlK.  25V) 

i).  So    die  Pferde,    oder  !iiid(!r  Vielie,    von  bösen    Menschen 

b  e  z  a  u  b  e  )•  t  worden. 
R.  Teuffcls-Dreck,  vergrabe  den  mit  reinen  Aschen  zwischen 
zweyen  reinen  Stützen  unter  der  Schwellen,  darüber  die  Pferde  aus- 
und  einfachen,  der  Mensch,  welcher  die  bezaubert  hat,  der  verdorret 
bey  gehendem  Leibe.  Wilt  du  aber,  daß  er  das  Jahr  sterben  solle,  so 
lasse  einem  Pferd,  aus  jedem  Huf  oder  Fuß  einen  Span  schneiden,  und 
nimm  von  jedem  Ohr  die  obersten  Haare,  und  über  den  Augen  auch 
ein  wenig,  binde  es  zusammen,  wann  man  eine  Leiche  begräbt,  lasse 
das  mit  begraben,  der  Zauberer  muß  das  Jahr  sterben  (II.  B.,  S.  115). 

10.  Wann  ein  l'ferd  aufstössig  wird  im  Felde  oder  Stall, 
daß  es  die  Wurme  beisscn^  oder  die  Feibel  anstösset,  und 
man  nicht  erkennen  kan,  wo  es  fehlet. 
Man  nimmt  Farrcn-Wurtzel  mit  dem  Adler  zischen  zwey  Frauen- 
Tagen  früh  vor  der  Sonnen-Aufgang,  binde  es  ihmc  unter  die  Zungen, 
lasse  es  eine  Viertcl-Stund  umher  führen,  und  laß  demnach  stehen,  so 
wird  es  schon  besser  (II.  B.,  S.  121 1. 

11.  Sonderbares  Pferd-Stücklein. 
Ut  cquus  non  comedat,  illinc  saponem  intus  ad  labra,  superius  & 
inferius,  non  comedet,  donec  beue  cluatur  aqua.  Ut  claudicet,  clavum 
ex  ferro  ejus  sublatum  excandefacias  flamma  &  claudicabit ,  donec 
clavis  projiciatur  in  aquam  fluentem.  Scd  illiberalia  sunt  haec  Magiae 
rudimenta,  quibus  si  quis  temere  abutatur,  in  legem  Christianae  Cha- 
ritatis facile  pcccabit,  &  aeternae  damnationis  reus  est  (II.  B.,  S.  121). 

12.  Geschwinde  und  hurtige  Pferde  zu  machen. 
Antonius  Mizaldus  berichtet  aus  dem  Rose  und  Alberto  Magno, 
daß  die  Huf-Eisen,  welche  von  einem  Rieht-  oder  Henckcr-Schwert 
gemacht  worden,  geschwinde  und  hurtige  Pferde  machen  sollen;  und 
wann  man  aus  solchen  schlüchtigen  Eisen  die  Gebiß  oder  Mundstücke 
an  die  Zähne  machet,  so  Averdeu  die  unbändigen,  hart-mäulichten,  kol- 
lernden und  tobenden  Gäule  gutes  Zaums  und  bändig  gemachet  (II.  B., 
S.  125). 

18.  Auf  eine  andere  Art. 

Es   lassen   ihnen    die  Roß-Täuscher    aus    den  Galgen-Ketten,    an 

welchen  ein  Dieb  gehangen,  Räder  oder  Sternen  in  die  Spornen  machen, 

damit  können  sie  die  stetigen  Pferde,  und  diejenigen,  so  den  schlaffenden 

Koller  haben,  leichtlich  von  statten  bringen,  und  flüchtig  machen :  Oder, 

17* 


2ßO  f.  ^I.  BLAAS 

laßt  ihme  ein  Glied  cntzwey  hauen,  und  feylen  dasselbige  spitzig,  und 
darmit  stechen  sie  das  Pferd  im  Reiten  auf  den  Kamm,  so  vermögen 
sie  nicht  länger  zu  stehen ,  sie  müssen  von  statten  gehen.  Es  muß 
aber  das  Rädlein  kalt  ohne  Feuer  gemachet  werden,  daß  man  es  allein 
mit  einem  Hammer  breit  quetsche  und  schlägt,  und  alsdann,  wie  es 
sich  gebühret,  feylet  (II.  B.,  S.  126). 

14.  Von  Bozauberung  des  Viehes. 
Nimm  Knoblauch  und  Dille,  oder  Beerwurtzel,  Thost,  Knoblauch, 
Widerthan  durcheinander,  und  gieb  es  ihnen  zu  lecken,  oder  Meister- 
Wurtzel,  Liebstöckel,  Lungen- Wurtzel  und  Wermuth,  hacke  es  durch- 
einander, und  gib  ihm  solches  zu  lecken  (II.  B.,  S.  134). 

15.  Vor  Beraubung  und  Verzauberung  der  Milch,  oder,  so 
einem   sonsten  das  Viehe  bezaubert  worden. 

Vor  dergleichen  Boßheiten  kan  nichts  besseres  dienen,  dann  ein 
recht  eyfriges  Gebet  eines  Hauß-Vaters,  nebenst  diesen  aber  bediene 
man  sich  des  sogenannten  Johannes-Kraut,  und  hencke  es  in  denen 
Ställen  auf,  dann  als  man  einsmals  einen  Bessenen  in  Hall  eine  Kannen 
mit  Bier  vorstellte,  worinnen  dergleichen  Kraut  war,  konte  er  nicht 
einen  einigen  Tropfen  dai^von  genicssen,  ja  man  machte  ihme  über  das 
eine  JVIützen  mit  bemeldtem  Kraut  angcfüllet,  als  man  nun  ihme  die- 
selbige  aufsetzen  wollte,  zerrisse  er  sie  in  Stucken,  und  kunte  der 
böse  Feind  solches  gar  nicht  dulten. 

Andere  gebrauchen  auch  bey  so  gestalten  Sachen,  nebenst  gc- 
meldtem  Kraut,  auch  Daranth,  Gartheil,  Creutz-Rautcn ,  und  rothen 
Knoblauch,  binden  es  in  ein  Bündelein  zusammen,  und  vergraben  es 
unter  die  Schwellen,  worüber  das  Viche  gehen  muß^  waschen  auch  das 
Gefäße  mit  stoltzen  Heinrich,  so  solle  der  Milch  nichts  schaden  können. 

Mann  nimt  auch  wohl  die  verzauberte  Milch  oder  Käß  ,  schüttet 
sie  auf  glühende  Kohlen,  darvon  werden  dann  dergleichen  Gabel-Reu- 
terinuen  und  Hexen  dermassen  geplaget,  daß  sie  nirgend  ruhen  könen. 

So  weiß  man  dann  gewiß ,  wann  ^bei  theils  Bauers-Leuten  den 
Kühen  die  Milch  bezaubert  worden^  daß  sie  die  Milch  über  das  Feuer 
gesetzet,  sie  gar  heiß  werden  lassen,  Saltz  darein  gethan,  und  wohl 
untereinander  gerühret  haben,  alsdann  eine  Sichel  glühend  gemacht, 
und  durch  die  Milch  gezogen ,  und  endlichen  solche  in  das  (Jloac  ge- 
gossen, so  man  nun  solches  zu  etlichmaln  gethan  hat,  so  haben  als- 
dann die  Kühe  ihre  Milch  wieder  bekommen. 


KLEINE  BETTKÄGE  ZUR  MYTHOLOGIE.  261 

Quendel  und  Knoblaueli  in  das  Brod  gebacken,  und  des  iSlorgens 
eine  Schnitt  zAvey  oder  drey,  darnach  des  Viehes  viel  ist,  von  dem  Brod 
gesclniitten,  und  auf  einer  Seiten  wohl  mit  Saltz,  auf  der  andc'm  Seiten 
mit  Aschen  gerieben,  und  darnach  wohl  gebehet,  und  also  dem  Viehe 
jedem  ein  BilUein  vorgeben,  solle  gut  vor  Beraubung  der  Milch  seyn 
(II.  B.,  S.  134,  i;55). 

16.   Daß  das  Viehe  nicht  mag  bezaubert  werden. 

.  .  .  Etliche  nehmen  Beer-Wurtzel  und  Widerthon,  backen  diese 
Dinge  alle  ins  Brod^  und  geben  des  Morgens  den  Kühen  ein  Stücklein 
zu  essen,  so  sollen  sie  die  Unholden  nicht  berauben  können. 

Item,  Liebstöckel  ist  den  Kühen  allezeit  gut  zur  Milch,  wann  mans 
ihnen  im  Grase  wohl  gebrühet  mit  ingiebet ,  oder  in  das  Brod 
backet  .  .  .  (II,  B.,  S.  170). 

17.  Zu  verschaffen,  daß  sich  die  Milch  nicht  verwandle. 
Nimm  Myrrhen ,  Weyrauch ,  Johannis-Kraut  oder  Feldhopffen, 
Orant,  die  mittelste  Borcke  von  der  Evirthana,  zerstosse  alles,  und 
beräuchere  die  Kammer  oder  den  Keller,  darein  man  die  Milch  haben 
will,  alle  acht  Tage  einmalen,  deßgleichen  im  Stalle,  da  das  Vieh  innen 
stehet,  so  kan  sich  kein  böser  Wurm  darinn  aufhalten,  man  kau  auch 
dem  Viehe  oder  Milch  keine  Büberey  thun. 

Auch  solle  man  im  Stall,  darinnen  das  Viehe  ist,  allezeit  St. 
Johannis-Kraut  oder  Feldhopffen,  Siebengezeit,  Orant  oder  Durant, 
Widerthon,  Knoblauch,  Tosten  oder  Wohlgemuth  haben,  und  solle 
dieses  alles  in  ein  Bündlein  thun,  und  nicht  allein  im  Stalle  beym  Viehe, 
sondern  auch  im  Keller  oder  in  der  Kammer  bey  der  Milch  haben,  so 
kan  ihrae  durch  Gottes  Segen  und  gnädige  Hülffe  keine  Zauberey 
wiederfahren. 

QW^  Man  sollte  auch  die  Töpfe  und  das  Gefäße,  darinn  man  die  Milch 
haben  und  halten  will,  auswendig  zu  rings  umher  mit  Knoblauch  wohl 
bestreichen  oder  reiben,  damit  die  Milch  vor  dem  Ungeziefer  bewahret 
bleibe  (IL  B.,  S.  171). 

18.  Daß  alle  Hunde  schweigen  müssen. 
Wann  du  in  der  linken  Hand  haltest  ein  Hunds-Hertz,  in  welches 
mitten  hinein  ein  Hunds-Zahn  gestecket  seye,  so  werden,  wo  du  zu- 
gegen^ alle  Hunde  stillschweigen,  zumaln  wann  bey  des  von  einem 
schwartzen  Hund  genommen,  wie  mir  fürwahr  und  bewehrt  fürgebracht 
worden  ist  (IL  B.,  S.  178). 


262  C.  M.  BLAAS 

19.  Daß  die  Tauben  nicht  wegfliegen. 
.  .   .  Am  Frey  tage  frühe  die  Nester,  Körbe  und  Taubenhaus  zu 
räumen  und  aufzumachen,  stehen  hernach,  und  mehren  sich  wohl  (IL  B., 
S.  186). 

20.  Daß  die  Katzen  den  Tauben  nicht    schaden. 
So  hänge  oder  lege  an  die  Fenster  und  Gänge  des  Taubenschlags 
viel  Kautenstengel,  es  hilfft  (IL  B.,  S.  186). 

21.  Daß  der  Iltis  die  Tauben  nicht  fresse. 
So   hänge   einen  Wolffs-Kopf  in  das  Taubenhaus  (IL  B,,  S.  186). 

22.  Feuers-Pjrunst  zu  löschen. 

Dieses  solle  eine  wahrhaffte  Kunst  für  die  Feuers-Brunst  seyn, 
so  weyland  von  dem  hocherfahrenen  Astrologe  A.  G.  einem  guten 
Freund  in  grossem  Vertrauen  mitgetheilet  worden: 

Man  nimmt  rein  unverfälschtes  Jungfern- Wachs  (welches  Aerem 
bedeuten  solle)  einer  halben  Handvoll  Hirschen-Brunst,  welches  die  Hir- 
schen in  ihrer  Brunst  fallen  lassen  (wodurch  das  Feuer  angezeiget  werden 
solle)  Stern-Butzen  (durch  welches  das  Wasser  verstanden  werden  solle) 
und  endlichen  einer  Nu(>  groß  Schwalben-Nest  (für  die  Erden)  diese  drey 
Stuck  würcket  und  raalaxiret  man  unter  besagtes  Jungfern- Wachs  wohl 
untereinander^  und  formiret  endlichen  eine  Kugel  daraus. 

Wann  nun  eine  Feuers-Brunst  entstehet,  oder  aus  Uufürsichtigkeit 
ein  Feuer  auskommet,  muß  man  diese  Kugel  hineinwerffen ,  sobalden 
nun  solche  in  dem  Feuer  zerschmiltzet,  so  solle  selbiges  allgemach 
ausgehen,  und  nicht  weiter  um  sich  fressen. 

So  will  man  auch  sagen,  wann  diese  Kugel  unter  eine  Thür- 
Schwelle  vergraben  wird,  solle  kein  Gespcnste  mehr  in  selbiges  Ge- 
mach kommen,  und  alle  Zauberey  im  selbigem  LIauß  ihre  KrafFt  ver- 
liehren  (IV.  B.,  S.  335). 

23.  Balthasar  Schnurrens  Brunst-Löschung. 
Man  nimmt  einen  Laib  Roggencs-Brod,  verbrennt  ihn,  bis  er  gantz 
schwartz  wird,  und  stößt  ihn  zu  Pulver,  nimmt  hernach  ein  wenig 
Stuben-kehricht,  und  aus  einer  jMesser-Scheiden  den  Staub  darauf  ge- 
klopffet,  in  ein  Bündelcin  gebunden,  und  ins  Feuer  geworfFcn,  so  ver- 
lischt es  (IV.  B.,  S.  336). 


KLEINE  BEITRÄGE  ZUR  MVTHf)[/)GIE  2G3 

24.  Für  das  Reisson  in  Gliedern,  so  dem  Podagra  vergliclien 

wird. 

Erstlichen,  solle  man  einen  jungen  Sau-  oder  Schwein-Igel  nehmen, 
und  ihme  den  Bauch  öffnen,  so  findet  man  ein  Fett  in  demselbigen,  gleich- 
wie das  Schmeer  in  einem  Schwein,  darnach  jung  Eychen  - Holtz, 
welches  aufPhilippi  Jacobi  vor  der  Sonnen- Aufgang  gehauen  worden,  und 
solches  zu  glühenden  Kohlen  brennen,  und  sich  bey  denselbigen  Kohlen 
mit  obgedachtcm  Fette  schmieren  lassen,  so  wird  man  gewißlich  Bes- 
serung finden  (V.  B.,  Cap.  I.,  S.  379). 

25.  Balsam  für  alle  Gifft  und  Zauberey. 
Nimm  des  St.  Johanuisblumen  (Jls  ein  Pfund,  guten  alten  Rhein- 
Wein  anderthalb  Pfund,  Venedischen  Terpentin,  destillirt  Ziegelstein- 
Öl,  Regenwurm-Ol,  jedes  2  Untz,  ]Menschen-Schmaltz,  Menschenbein- 
Marck,  jedes  3  Untz,  Theriack  und  ^Mithridat,  jedes  1  Quint,  fol.  per- 
sicar.  Vincae  pervincae,  jedes  3  Handvoll,  Johannisblumen  4  Handvoll, 
rother  Betonienblumen,  Tausendgüldenkraut,  Brunellen,  Gullden-Gunsel- 
Schelkrautblumen ,  jedes  anderthalb  Handvoll,  Radic.  Dracuucul,  ma- 
culat.  runder  Hohlwurtz,  Wallwurtz,  jedes  ein  halbe  Handvoll:  Alles 
untereinander  zerschnitten,  vermischet,  und  in  einem  doppelten  Gefässe 
so  lange  miteinander  sieden  lassen,  biß  sich  der  Wein  allerdings  ver- 
sotten hat,  dann  zwinget  und  presset  man  solches  durch  ein  rein  Tuch 
auf  das  stärckeste,  thut  dann  ferner  dazu  Mumiae  verae,  Mastix,  Wey- 
rauch, Myrrhen,  jedes  2  Quint,  lasset  es  wieder  ein  viertel  Stund  lang 
miteinander  sieden,  dann  verwahret  man  solchen  in  einem  reinen  Glas 
auf  das  beste  (V.  B.,  Cap.  H.,  S.  465). 

26.  Gebrauch  dieses  Balsams. 
Dieser  Balsam  ist  von  solcher  Krafft  und  Tugend,  daß  man  Gott 
nicht  genug  darum  danken  kan,  dann  er  dienet  wieder  allerley  Gifft, 
es  komme  auf  was  Weiß  es  wolle,  durch  Eingebung,  Beschreyung» 
Bezauberung,  Anhauchen,  Schlagen  etc.  Auch  so  einem  die  Mannheit 
genommen  wird,  auch  den  jungen  Kindern  in  der  Wiegen,  so  be- 
schrien worden,  daß  sie  ganz  ausdon-en,  auch  gar  lahm  werden;  die 
gar  jungen  Kinder  schmiere  man  10  Tage  nacheinander  an  den  8  Pulßen, 
als  an  beyden  Schiäffen,  auf  beyden  Seiten,  an  dem  Plalß,  an  beeden 
Händen,  und  unten  inwendig  an  beede  Knoden,  auch  mögen  ihme  vier, 
fünff,  bis  neun  Tropffen  in  einer  Brühe  oder  sonsten  eingegeben  werden. 
(V.  B.,  Cap.  H.,  S.  465). 


264  R    SPRENGER 

27.  Einem  bezauberten  Habicht  wieder  zu  rechte  zuhelffeu. 

Man  zerpulvert  das  sogenannte  Kraut-Hahnen-FuiJ,  und  gibt  es 
dem  Habicht  auf  Fleisch  gestreuet,  zu  fressen. 

Oder  man  nehme  den  Schwamm  von  einem  Myrrten-Baura^  Wey- 
rauch, Asphaltum,  Stechpalmen,  lege  es  in  einen  Ziegelscherben  und 
beräuchere  den  Vogel  damit.  Diß  kann  man  auch  andern  Vögeln 
zum  Weidwerck  gebrauchen  (VH.  B.,  S.  613). 

STOCKERAU  in  Niederösterreich.  C.  M.  BLAA.S. 


NACHTRÄGLICHES  ZU  ALBERS  TUNDALÜS. 

R.  Sprenger,  Albers  Tundalus.  Dissert.  Halle  1875. 

I. 

Aus  der  Untersuchung  über  die  sprachlichen  Eigenheiten  des 
Gedichtes ,  die  ich  auf  S.  5 — 26  geführt  habe ,  ergab  sich  ,  daß  bei 
weitem  das  meiste,  was  uns  in  demselben  als  unreiner  Reim  erscheint, 
in  der  Mundart  des  Dichters  seine  Erklärung  findet,  und  nur  einige 
wenige  wirklich  unreine  Reime  übrig  bleiben.  Ich  habe  darum  keinen 
Anstand  genommen  dasselbe  noch  ins  13.  Jahrhundert  zu  setzen  vind 
konnte  dies  um  so  eher  thun,  als  wir  hier  das  Werk  eines  Geistlichen 
vor  uns  haben,  von  dem  man  leicht  annehmen  konnte,  daß  er  in  künst- 
lerischer Durchbildung  hinter  den  höfischen  Dichtern  der  Zeit  zurück- 
geblieben sei.  Immer  bleiben  aber  blosse  Assonanzen,  wie  volleclichen : 
angrifen  45,  49,  erbUchen  :  begriffen  44,  3  für  das  13.  Jahrh.  bedenklich, 
und  auch  der  Reim  koufliuten :  witen  42,  13  wird  sich  kaum  durch  die 
Annahme  einer  Form  wie  koufliten  entschuldigen  lassen.  Bei  näherer 
Betrachtung  zeigt  sicli  aber,  daß  die  Zahl  der  unreinen  Reime  noch 
zu  vermehren  ist.  An  einer  Reihe  von  Stellen  erweisen  sieh  nämlich 
die  reinen  Reime  nicht  als  ursprünglich.  Es  sind  folgende,  die  ich 
hier  einer  Erörterung  unterziehe: 

50,  64  in  kern  ein  sele  her  engegen 

mit  einer  swEeren  bürde 

nu  saget  waz  ir  Avurde 
waz  ir  wurde  = 'was  ihr  geschah'  läßt  sich  wohl  verstehen,    doch  ist 
es  fast  unzweifelhaft,  daß:  waz  ir  w?7rre  (:  bürde)  =  'was  ihr  im  Wege 
war    das  ursprüngliche  ist. 


NA(MITI,'Ä(JLlCHIOS  ZU  ALBER8  TUNDALUS.  :J05 

51,  65  (iri  wureu  die  becherten 
die  selben  scliar  nierten 
riter  unt  gebüren. 
Daß  nnr  bescherten  (;  merten),  d.  i.  die  Verdammten  richtig  sein 
kann,  hat  schon  Pleinzel  z.  Erinn.  27  bemerkt 
53,  2  si  gebar  si  üf  dem  ise 

unt  begiinde  sich  ze  der  vnse 
ze  allen  ir  riuwen 
ze  den  noeten  iteniuwen 
daz  unreine  geslähte 
ze  der  wise  'auf  diese  Weise'  würde  etwa  angehen.  Es  ist  aber  schon 
an  sich  wahrscheinlich  und  wird  durch  die  Vergleichung  des  lat.  Textes 
[S.  11,  21  renovabantur  ad  tormenta]  zur  Gewissheit,  daß  es  ursprüng- 
lich gelautet  hat:  ze  der  iütze(:ise). 

Herr  Professor  Bartsch ,  dem  ich  diese  Bemerkung  mittheilte, 
machte  mich  auf  eine  weitere  Anzahl  von  Stellen  aufmerksam.  Es  sind 
folgende : 

43,  11  welaht*)  daz  lant  wuochers  truoc 
daz  was  für  daz  eiter  guot  genuoc. 
Hier  erweist  sich  genuoc  durchaus  als  FHckwort^  so  daß  ursprüng- 
lich getruoc  :  guot  gereimt  hat. 

47,  49 — 52  unt  het  ein  isnia  überlit 
bedacht  was  ez  da  mit 
sehs  kläfter  was  ez  dicke 
daz  ez  got  nicke 

Hier  verräth  sich  besonders  V.  50  als  ungeschickter  Einschub. 
Es  werden  daher  wohl  ursprünglich  nur  zwei  Verse  gestanden  haben, 
die  also  lauteten: 

unt  het  ein  isnin  überlit, 
sehs  khtfter  Avas  ez  die. 
Auch  die  ungewöhnliche  Adjectivform  dicke  [:  nickej  verdankt  wohl 
nur   dem   Bestreben   nach   Herstellung   eines    reinen   Reims    ihr    Ent- 
stehen.    Auch 

52,  54 — 57  daz  si  ze  ir  unheile 

sin  gescheiden  von  dem  teile 

der  wunne  die  niemen  ercellen  mac. 

manicvalt  ist  ir  slac 


^)  So  wird  mit  Haupt  zu  schreiben  sein. 


266  R-  SPRENGER 

ist  zum  mindesten  imnöthig-  weitschweifig,   imd  der  Vergleich  mit  61, 
42  macht  es  wahrscheinlich,  daß  es  ursprünglich  gelautet  habe: 

daz  si  ze  ir  unheile 

sin  gescheidn  von  dirre  wunne  teile. 

Hier  hätte  dann  nicht  der  unreine  Reim ,  sondern  die  metrische 
Unregelmäßigkeit  [Klingender  Vers  von  drei  Hebungen  mit  vierlie- 
bigem  gebunden]  die  Änderung  veranlaßt.  Auch  die  arg  entstellten 
Reime  53,  22  ff.;  56,  31  ff.  wären  vielleicht  hier  in  Betracht  zu  ziehen, 
wenn  eben  ihre  jetzige  verderbte  Gestalt  ein  Urtheil  über  dieselben 
erlaubte. 

Die  meisten  dieser  Änderungen  sind  nun  derart,  daß  wir  sie  einem 
einfachen  Abschreiber  nicht  zutrauen  können,  sondern  daß  sie  die  be- 
wußte Absicht  eines  Bearbeiters  voraussetzen,  dessen  Bestreben  haupt- 
sächlich darauf  gerichtet  war  anstatt  der  Assonanzen  strenge  Reime 
herzustellen;  so  daß  uns  das  Gedicht  nicht  in  ursprünglicher  Gestalt 
vorläge.  Dennoch  Avürde  ich  nur  auf  Grund  einiger  Stellen  diese  Be- 
hauptung auszusprechen  Anstand  nehmen,  wenn  dieselbe  nicht  durch 
einen  weiteren  gewichtigen  Grund  gestützt  würde.  Wir  finden  nämlich 
an  zwei  Stellen  des  Gedichtes  persönliche  Bemerkungen  des  Schrift- 
stellers.    Einmal  heißt  es  zu  Anfang: 

41,  62  Nu  schribe  wirz  ze  diute 
durch  die  ungelerten  Hute: 
den  alten  mit  den  jungen 
ze  einer  bezzerunge; 
und  daz  sin  (st.  wir)  müezen  niezen 
die  ez  schriben  hiezen. 
daz  sint  dise  frouwen  dri: 
Otgebe  Heilka  unt  Gisel  da  bi  etc. 

Am  Schluß  heißt  es  dagegen: 

66,  7  dirre  wenige  list, 

daz  ditze  buoeh  gerimet  ist, 
daz  kom  von  eines  herren  bete 
ze  Winneberge  in  der  stete: 
der  heizet  bruoder  Kuonrät. 

und  der  Verfasser  nennt  sich  selbst  66,  43 : 

der  aller  schuldigiste  man, 
der  briesters  namen  ie  gewan : 
er  ist  geheizen  Alber. 


Jii 


NACIITRÄOLICHK.S  ZU  ALBEUS  TIINDALU.S  267 

Wir  luiben  also  eine  doppelte  Anj^abe.  Einmal  zu  Anfange  die 
eines  Ungenannten,  dal>  das  Bueh  auf  liefelil  dreier  Frauen :  Ottegebe, 
Heilka,  Gisela  geschrieben  sei.  Dagegen  bezeugt  aber  am  Schlüsse 
ein  Priester  Alber,  daß  er  das  Buch  auf  die  Bitte  eines  Klosterbruders 
Konrad  in  Winneberg  (jertmef  habe.  Beide  Angaben  sind  durchaus  von 
einander  zu  trennen  und  dürfen  nicht  zusammengeworfen  werden,  wie  es 
Wackernagel,  Literatgesch.  S.  161  (2.  Ab.  I,  S.203)  thut,  der  angibt,  daß 
der  Tundalus  von  einem  Priester  Alber  bearbeitet  sei,  'der  damit  dem 
Auftrage  einiger  Fi'auen  folgte'.  Ich  suchte  in  obiger  Abhandlung  S.  38 
die  sich  ergebende  Schwierigkeit  so  zu  lösen,  daß  ich  annahm,  die 
drei  Frauen  hätten  nur  die  Niederschrift  des  lateinischen  Originals 
veranlaßt.  Dagegen  erheben  sich  aber  gegründete  Bedenken.  Denn 
der  Zusammenhang  der  betr.  Stelle  im  Anfange  des  Gedichts  [vgl.  be- 
sonders 41,  62]  erlaubt  doch  wohl  nur  sie  mit  dem  Gedichte  selbst  in 
Beziehung  zu  bringen.  Ausserdem  ist  es  unwahrscheinlich,  daß  Per- 
sonen, die  nur  in  so  entfernter  Beziehung  zu  dem  Gedichte  und  in 
gar  keiner  persönlichen  zu  dem  Dichter  standen,  von  diesem  in  seine 
Fürbitte  sollten  eingeschlossen  sein.  Es  bleibt  somit  nur  eine  Annahme 
möglich,  nämlich  die,  da(.^  die  Bemerkungen  zu  Anfang  von  dem  eigent- 
lichen Verfasser  des  Gedichts  stammen,  der  wahrscheinlich  ein  Geist- 
licher aus  Regensburg  oder  dessen  Umgebung  war,  da  er  das  Gedicht 
auf  Anregung  dreier  vornehmen  Nonnen  des  dortigen  St.  Paulsklosters 
verfaßt  hat.  Für  Alber  bleibt  dagegen  nur  die  Rolle  eines  Bearbeiters 
übrig,  der  dem  alten  Gedicht  dadurch,  daß  er  es  den  Gesetzen  der 
strengeren  Reim-  und  Verskunst  anbequemte,  unter  seinen  Zeitgenossen 
neue  Leser  zu  gewinnen  suchte.  Daß  diese  Bearbeitung  zu  Anfang 
des  dreizehnten  Jahrhunderts  vorgenommen  sei,  bedarf  wohl  weiter 
keines  Beweises.  Es  wird  daher  was  auf  S.  55,  56  obiger  Abhandlung 
über  die  Persönlichkeit  Albers,  sowie  über  den  Bruder  Konrad  in 
Winneberg  vermuthungsweise  vorgebracht  ist,  auch  jetzt  noch  bestehen 
können. 

Bei  der  Annahme  einer  derartigen  Überarbeitung  erklärt  sich  dann 
auch  einfach  der  Gegensatz  den  wir  in  der  strengen  metrischen  Form 
des  Gedichts  vuul  dem  häutigen  Vorkommen  von  Archaismen  u.  dgl. 
(S.  53)  bemerkten.  Die  Art  und  Weise ,  wie  diese  Umarbeitungen 
gemacht  wurden,  können  wir  am  besten  aus  der  Bearbeitung  des  Rein- 
hart Fuchs  erkennen,  da  wir  hier  ein  Stück  des  Originals  erhalten 
haben.  Auch  gibt  der  Bearbeiter  dort  selbst  am  Schlul.^  über  seine 
Thätigkeit  nähere  Auskunft.  Sie  beschränkte  sich  wesentlich  auf  die 
Herstellung   reiner    Reime,    die   auf  die   verschiedenste   Weise,    durch 


268  K-  SPHKNGER 

Weglassimg    und    Zusatz    von   Worten*),    soAvie    durch    Einschiebung 
ganzer  Verse,  erzielt  wurde.     Da(i  es  dabei  nicht  immer  gelang  auch 
wirklich  streng  reine  Keime  herzustellen,  ist  selbstverständlich.     Alber 
ließ  jedoch  im  Ganzen  nur  die  unreinen  Rei)ne  bestehen,  die  die  bai- 
rische  Mundart  entschuldigte.     Hätte  er  ein  selbständiges  Gedicht   ge- 
schaöen ,    so  würde  er  wahrscheinlich  in  durchaus  reinen  Reimen  ge- 
schrieben haben,  wenigstens  läßt  darauf  der  Umstand    schließen,  daß 
der    ganze   Epilog,    den   er   selbständig   verfaßte  [65,77—66,52],    mit 
Ausnahme    der  Bindung  e  :  e,    die  vereinzelt  auch  bei  allen  höfischen 
Dichtern  erscheint,  nur  durchaus  reine  Reime  aufweist.    Ob  A.  ausser 
der  Herstellung  einer  kunstmässigeren  Form  auch  noch  innerhalb  des 
Gedichtes  geändert  habe,  läßt  sich  nicht  beweisen,  ist  mir  aber,  wenn 
auch  das,  was   mir  die  Bekanntschaft   des  Dichters   mit  dem  Parzival 
zu  beweisen  schien  (s.  S.  55)^  theils  zufällig  sein  mag,  theils  sich  durch 
die  gleiche  Mundart  beider  Gedd.  erklärt,  doch  wahrscheinlich.    Über 
sein«  Arbeit    denkt  A.  selbst    sehr   bescheiden,  vgl.  66,  7  dirre  loenige 
Ust,  daz  ditze  buoch  gerimet  ist.    Ferner  sagt  er  von  sich  66,  23,  der 
dise  rede  hat  getihtet  und  ze  rimen  gerihtet.     Letzteres    ist   der  tech- 
nische Ausdruck  für  die  Herstellung  regelmässiger  Vershebungen  (vgl. 
J.  Grimm,  z,  Reinh.  2258);  aus  ersterem  darf  man  aber  nicht  den  Be- 
weis ziehen  wollen,  daß  A.  der  Verfasser  des  Originals  sei,  denn  mit 
dem  Ausdruck  tihten  verband  man  im  Ma.  nicht  einen  so  hohen  Begriff, 
als  wir  es  thuu.  Es  bezeichnete  jede  Art  schriftlicher  Abfassung,  auch 
das  bloße  Niederschreiben  (s.   mhd.  Wb.  HI,  35  b).     Übrigens   konnte 
sich    Alber    mit    mindestens    ebenso    viel   Rechte    als    tiht.Tre   fühlen, 
wie  der  Bearbeiter  des  Reinhart,  dessen  Arbeit  doch  jedenfalls  eine  sehr 
äusserliche  war.  Derselbe  nennt  sich  aber  mit  unverkennbarem  Selbst- 
bewustsein:  einen  man,  der  euch  ein  teil  getihtes  kan  [Reinh.  2252  ff.]. 
Es  wäre  nun    noch  die  Abfassungszeit  des  Originals  genauer  zu 
bestimmen.     Es  würde  dies  möglich  sein,  wenn  wir  jene  drei  Frauen, 
die  jedenfalls  in  ihrem  Kloster  eine  hervorragende  Stellung  eingenommen 
haben,  urkundlich  nachweisen  könnten,  was   mir  trotz  meiner  Bemü- 
hungen [s.  S.  39]  nicht    gelunge}i   ist.    Wenn  Lachmann  [Abhandlung, 
der   Berliner   Akademie  1836.    S.   162]  das    Gedicht    nach    1180  setzt, 
so   hat   er    dabei   die  jetzt  vorliegende  Gestalt  im  Auge,    die  wie  wir 
gesehen  haben,  noch  bedeutend  jünger  ist.  Ich  nehme  keinen  Anstand 
dasselbe  bis  in  die  Mitte   des  12.  Jahrhunderts   zurückzusetzen,   denn 


*)   Der  Kniistansdrnck  dafür  ist:    an    sümelicbo  rime  me  sprechen.  Kcinh.   2258 
und  Grimms  Anm. 


NA("IITK\(;i.K*IIHS  Zi:  ALI5KKS  TI'XDALI'S  260 

in  dieser  Zeit  war  am  meisten  das  Interesse  für  dcr;^lcichen  Stoffe 
lebendif]^.  Dazu  kommt,  dalJ>  das  Gedicht  Berührunj^en  mit  den  Dich- 
tunjijen  Heinrichs  von  Melk,  die  schon  dem  Anf'anji^c  des  Jahrhunderts 
angehören,  zeigt.  Einiges  derartige,  das  schon  theilweisc  Heinzei  in 
den  Anmerkungen  seiner  Ausgabe  Heinrichs  beigebracht  liat ,  möge 
hier  eine  SteUe  finden.  Zu  41,  !*.>  und  gebe  uns  teil  der  wunne,  die 
niemen  erzellcn  kunne  vgl.  Erinn.  956  da  ist  wunne  also  vil,  daz  sl 
niemen  ercellcn  mac  [und  Anm.];  41,  21  in  nomine  domini  reden  wir 
sä  vgl.  Erinn.  454  des  beginne  wir  in  nomine  domini;  48,  -i?  des  ir 
ze  liebe  ie  geschach  vgl.  Erinn.  801  swaz  mir  zc  vrcuden  ie  geschach; 
53,  o6  antheiz  s.  Heinzel  z.  I,  188;  .55,  29  got  selben  ich  ane  väht 
[r=  Scrvat.  1023]  vgl.  Erinn.  268  u.  Anm.  Ferner  sachlich:  z.  61,40; 
62,  58,  72  vgl.  Heinzel  z.  Priesterl.  482;  45,  76  ähnlich  ist  Erinn.  597 
durch  die  Beziehung  auf  das  Erotische  s.  Heinzel  z.  d.  St. ;  45,  42  ff. 
s.  z.  Erinn.  901. 

H. 

Die  Überlieferung  des  Tundalus  leidet  an  zahlreichen  Verderb- 
nissen. Viele  und  nicht  immer  auf  der  Hand  liegende  habe  ich  schon 
in  obiger  Abhandlung  gebessert.  Hier  bringe  ich  noch  einiges  zur 
Kritik  und  Erklärung  bei,  das  nochmalige  genaue  Nachprüfung  er- 
geben hat. 

45,  35  diu  sele  habe  danc. 

wir  sulen  ir  singen  ein  gesanc 

ze  dem  ewegen  verlor. 

si  hat  getreten  in  unser  spor 

als  wir  sie  da  Uezen. 

nü  sul  wir  sie  niezen 

und  in  dem  fiwcr  brennen. 
Statt  Uezen  muß  hiezen  gelesen  werden.  Unklar  ist  noch  was  hier 
niezen  bedeuten  soll.  Das  mhd.  Wb.  H,  1,  391a  übersetzt:  'nun  wollen 
wir  (die  Teufel)  unsern  Genuß  an  ihr  haben'.  Das  ist  aber  gegen  den 
mhd.  Sprachgebrauch,  und  es  müßte  dann  wenigstens  heißen:  n.  s.  w. 
ir  n.  Ausserdem  ergibt  der  Zusammenhang  deutlich,  daß  mit  niezen 
ein  Theil  der  Höllenstrafeu  bezeichnet  wird;  wir  können  auch  sagen 
welche,  nämlich  jene  Prozedur,  die  54,  19—30  beschrieben  wird:  in 
ieglicher  ezze  wurdens  gar  von  den  verwäzen  gebert  unt  zcrläzen  vgl. 
auch  47,  69.  Die  Auflösung  der  Seele  in  kleine  Theile  ist  gemeint, 
niezen  c.  acc.  =  terere  consumere  vgl.  Graff  II,  1121,  da  das  mhd.  Wb. 
in  diesem  Artikel  nicht  ganz  genau  ist.    Doch  könnte  niezen  vielleicht 


270  1^  HPKKNGKK 

auch  nur  = 'ergreifen,    packen    sein,    was  nach  Lachmann,  Kl.  Sehr. 
S.  192  die  ursprüngliche  Bedeutung  des  Wortes  ist. 

47,  59  lies:    da.    statt    daz.     Die    hiltze    bezeichnet   daz   vreisliche 
tal  V.  41. 

53,  21  ir  vreude  diu  ist  zergangen. 

der  armen  sei  wfF 

der  unreinen  wrm  rufF 

die  also  sint  betwungen 

ez  mac  dehein  zunge 

ir  not  vol  chunden. 
Die  Stelle  läßt  sich  nur  verstehen,  wenn  wir  V.  22,  23  umstellen 
und  lesen: 

ir  vreude  diu  ist  zergangen 

von  der  unreinen  wurme  ruof 

der  (vil)  armen  sele  wuof, 

die  also  sint  betwungen,  etc. 
61,  63  do  sprach  der  cngel:  wol  dan! 

wir  sulcn  fürbaz  gän 
Die  auf  S.  6  vorgeschlagene  Änderung   des    ivol  dan  iu  ivolgetän 
scheint    mir   nach  reiferer  Überlegung  unnütz.     Beispiele  von  rvol  dan 
s.  mhd.  Wb.  III,  TM  a. 

63,  66  die  gotes  hus  si  mcrten. 

diu  gevallen  waren  nidcre, 

diu  zimbertcns  hin  widere. 

si  begundcn  dar  üf  zeigen 

ir  lohen  und  ir  eigen 

sich  selben  dar  zuo 

bediu  spät  unde  fruo 

zuo  allem  guote  bereit. 

des  habent  si  die  schoenheit 
Die  entsprechende  Stelle  im  lat.  Text  lautet  bei  Schade  S.  21, 
16:  Hec  arbor  typus  est  sancte  ccclesie,  et  isti  qui  sub  ea  sunt  viri 
et  femine  constructores  et  dcfensores  erant  sanctarura  ccclesiarum,  et 
pro  beneficijs,  (/iie  sanctis  eccleaijs  largiehantur,  ipsarum  fratcrnitatcra 
consecuti  sunt  .  .  .  Die  Vorlage  ist  an  dieser  Stelle  sehr  frei  be- 
handelt, gibt  aber  doch  den  Fingerzeig  für  die  Berichtigung  des  ver- 
derbten zeigen,  in  dem  ein  seltenes  Wort  des  Gebens,  Schenkens  ver- 
steckt sein  mu(.\  Das  richtige  ergibt  die  Heranziehung  von  Virginal 
974,  19  ich  wil  iu  gerne  seigen  lip  guot  unde  dar  zuo  lant.  Das  seltene 
aeigen  =  schenken  wird    hier    herzustellen    sein,    und    man  wird    nun 


NACIITKÄfJLKMIKS  /U  AI.IJKKS  TlJNUAl.US.  271 

auch  jene  Stolle  des  Vir^inal  iiiclit  mehr   bezweifeln.     Es    ist   also   zu 
schreiben  mit  folgender  Interpunctiou: 

si  begunden  dar  üf  seigen 

ir  lehen  und  ir  eigen 

(iint)  sich  selben  dar  zuo, 

bC'diu  spät  undc  fruo 

zuo  allem  guote  bereit. 
d.  h.  Sie  gaben  ihr  Sehen  und  Eigen  und  sich  selbst  (als  Dienstraannen 
vgl.  z.  Gerh.  180)  den  Kirchen    hin.     V.  71,  72  sind;,    wie    die  Inter- 
punction  andeutet,  Apposition  zu  si. 

Eine  mehrfach  verderbte  Stelle  ist  fi4,  49  ff. : 

hie  muget  ir  hoiren  Wunders  vil, 

daz  die  geverten  von  einigem  zil 

die  vollen  frcudc  sähen, 

und  dar  zuo,  so  si  jähcn^ 

wie  die  unguotcn 

an  den  loitzen  wuotcn 
vgl.  Schade  S.  22,  5  Ab  illo  ergo  loco.,  in  quo  tunc  stabant,  non  solum 
omnem  quam  ante  videranl  gloriara ,  verum  et  predictarum  supplicifi 
penarum  videbant  .  .  Aus  der  Vergleichung  des  lat.  Textes  geht  zu- 
erst hervor,  daÜ  einigem  in  V.  50  verderbt  ist.  Es  muß  heissen  von 
enem  zil  =  ab  illo  loco.  Die  alte  und  nach  Grimm  ursprüngliche 
Form  des  pron.  demonstr.  wurde  mehrfach  von  den  späteren  Schreibern 
nicht  mehr  verstanden  und  meistens  zu  einer  entstellt.  So  Kindh. 
Jes.  85,58  in  derselben  Handschrift.  Ebenso  Tund.  41,51,  wo  eines 
aber  wahrscheinlicher  zu  streichen  ist.  [Auch  Parz.  458,  27  führt  die 
Lesart  von  G  d  under  einen  zu  der  Vermuthung,  (\ai'>  ursprünglich  mider 
enen  gestanden  habe.]  predictarum  führt  ferner  darauf,  da(.^  statt  des 
sinnlosen  so  si  jähen  so  wir  j.  zu  lesen  ist.  Zugleich  ergibt  die  Ver- 
gleichung des  lat.  T.  aber  auch,  daß  V.  54  nicht  richtig  überliefert 
sein  kann.  Im  mhd.  Wb.  III,  53H  a  finden  wir  die  Stelle  unter  wVeten 
aufereführt.  Es  wäre  demnach  etwa  zu  übei'setzen:  'wie  die  Bösen  an 
ihrem  Verstände  bethört  waren .  Das  entspricht  aber  der  lat.  Vorlage 
nicht  und  paßt  überhaupt  nicht  in  den  Zusammenhang.  Es  ist  viel- 
mehr zu  lesen:  wie  die  unguotcn  in  den  wizen  wuoten.  wize  bedeutet 
Strafe,  besonders  die  im  Fegefeuer;  dann  geradezu  dieses  selbst :  Wig. 
4069  daz  ich  von  den  wizen  gen  des  tages  ie  zu  dirre  stunt  'um  diese 
Zeit  aus  dem  Fegefeuer  entlassen  werde'.  Und  Parz.  468,  6  hat  statt 
des  ze  helle  der  übrigen  Handschriften  g:  in  witze.  Es  fragt  sich  nun 
noch,  wie  wuoten  zu  erklären  sei.     Dies    kann    zweierlei    sein,    näml. 


272  15-  SPKENGEK.  NACHTRÄGLICHES  ZU  ALBEKS  TUNüALUS. 

prät.  1,  von  sw.  v.  wüeten  2,  vom  st,  v.  waten.  Nehmen  wir  crsteres 
an,  so  können  unter  den  \mguoten'  nur  die  Teufel  verstanden  sein. 
Nehmen  Avir  es  dagegen  wie  52,  45  als  Bezeichnung  der  Verdammten, 
so  kann  wuotcn  nur  Präterit.  von  vaten  sein.  Der  Dichter  denkt  sich 
dann  die  Strafe  derselben  als  ein  Waten  in  dem  brennenden  Fegefeuer, 
wie  König  Cormachus  60,  74  bis  an  die  Brust  im  Feuer  sitzt. 

6(5,  42  ist  zu  lesen: 

des  bitte  iuch  in  der  minne 
der  aller  schuldigste  man  etc. 
über  die  geistliche  Bittformel    in  der  minne  vgl.  Haupt  z.  MSF57,  5 
und  zu  Neifen  45,  12,  wo  noch  Hclmbr.  1769  nachzutragen  ist. 
64,  69  got  mtteze  dein  loalfen, 
diner  herverte  walten! 

Statt  des  schon  von  W.  Grimm  vorgeschlagenen  dich  hehalten 
ist  mit  näherem  Anschluß  an  die  Überlieferung  zu  schreiben:  dich 
halten  vgl.  Parz.  147,  19  der  knappe  sprach:  got  halte  dich! 

Die  Verse  i\('t^  51,  52  verrathen  sich  als  ungeschickter  Zusatz  des 
Schreibers  und  verdanken  ihr  Entstehen  wohl  dem  Bestreben  desselben, 
das  Gedicht  mit  einer  runden  Zahl  von  Versen  (Abschnitt  von  30  Zeilen) 
zu  schliefen. 

in. 

Zu  S.  51,  N.  24.  Rcinhold  Köhler  weist  mir  nach:  S.  Kudanus  = 
Rodanus  oder  Ruadanus,  abbas  Lothrensis  in  Hibernia.  vide  Acta  Sauctt. 
Boll.  15.  Apr.  II,  382  [Potthast,  Bibliothcca  bist,  mcdii  aevi  S.  871], 
Es  ist  demnach  Budamis  im  lat.  Text  nicht  als  Entstellung  von  Bran- 
danus anzusehen.  Doch  dürfen  wir  wohl,  nach  dem,  was  ich  zu  62» 
85  bemerkt  habe,  annehmen,  daß  schon  der  Dichter,  wenigstens  Alber, 
den  Brandanus  einführte. 

S.  51,  N.  25.  Daß  von  den  Bischöfen  nur  S.  Malachias  genannt 
wird,  scheint  auch  darin  seineu  Grund  zu  haben,  da(.^  dieser  eine  auch 
in  Deutschland  bekanntere  Persönlichkeit  war.  Eine  lat.  vita  S.  Ma- 
lachie  episcopi  tinde  ich  aufgeführt  in  einem  Bücherverzeichniss  der 
Cistercienserabtei  Amelungsborn ,  abgedruckt  im  Osterprograram  des 
Gymnasiums  zu  Holzminden  a.  W.  1876. 

GÖTTINGEN,  September  187fi  K.  SPRENGER. 


O.  BEHAGITEL,  DIE  PARISER  HANDSCHRIFT  DES   IWEIN.  273 


DIE  PARISER  HANDSCHRIFT  DES  IWEIN. 


Bächtold  hat  in  Germ.  XX  Kunde  von  einer  Handschrift  des 
Iwein  gegeben,  welche  sich  auf  der  bibliotheque  nationale  in  Paris  be- 
findet. Ich  habe  dieselbe  bei  einem  Aufenthalte  in  Paris  einer  näheren 
Prüfung  unterzogen  und  bin  in  der  Lage,  sie  etwas  eingehender 
zu  charakterisieren.  Die  Angabe  im  Katalog  der  Bibliothek  lautet : 
„115  (1060'^)  Hartmannus,  Poeta  antiquus  Germanicus.  Le  roman  du 
Chevalier  et  du  Lion ,  en  vers  alleraands.  1  vol.  in  fol,  pag.  XV  e  s.  en 
raauvais  dtat". 

Ein  moderner  Einband  umschließt  187  Blätter,  theilweise  schlimm 
zugerichtet,  aber  bei  dem  neuen  Einband  hübsch  zusammengeflickt. 
Die  Blätter  sind  von  moderner  Hand  mit  Bleistift  durchgezählt,  auf 
jeder  Seite  steht  eine  Spalte  zu  17 — 21  Zeilen.  Am  Beginn  von  Ab- 
schnitten des  Inhalts  finden  sich  rothe  Initialen,  dieselben  werden 
jedoch  gegen  das  Ende  immer  seltener.  Von  größeren  Abschnitten 
stehen,  ebenfalls  mehr  auf  den  vorderen  Blättern,  kurze  Inhaltsan- 
gaben (roth). 

Der  Text  selbst  zeichnet  sich  durch  eine  ziemliche  Reihe  von 
kleineren  und  größeren  Lücken  aus.  Ganz  absehend  von  einzelneu 
ausgelassenen  Versen,  verzeichne  ich  folgende  als  fehlend:  (2 — 8  und 
24 — 34  durch  die  V^erstümmelung  von  Bl.  1  verloren),  284—306  incl. 
(zwischen  Blattende  und  -anfang),  388 — 504  incl.  (ebenso),  387 — 607 
(ebenso),  1593—1609,  1621-77,  1831-42,  1893-1916,  2321—39 
(zwischen  Blattende  und  -anfang),  3281—3300  (ebenso),  3827-3844 
(zwischen  92  b  und  93  a;  auf  92  b  stehen  nur  8  Zeilen),  4011 — 27 
(zwischen  Blattende  und  -a-nfang),  4973—93  (zwischen  120  b  und  121  a; 
auf  120  b  stehen  nur  11  Zeilen),  5291 — 5306  (zwischen  Blattende  und 
-anfang),  6065—72  (ebenso),  6158 — 71  (ebenso),  6425—46  (zwischen 
Bl.  152  b  und  153  a;  auf  152b  nur  14  Zeilen),  6668-6737  (zwischen 
Blattende  und  -anfang),  7161 — 70,  7425 — 55  (zwischen  Blattende  und 
-anfang?). 

Bei  mehr  als  der  Hälfte  der  Lücken  fällt  somit  Anfang  und  Ende 
mit  Blattende  und  Blattanfang  zusammen ;  man  wäre  deshalb  zunächst 
geneigt,  eine  Verstümmelung  der  Handschrift,  das  Fehlen  von  mehreren 
Blättern  anzunehmen.  Allein  dem  widerstreitet  in  den  meisten  Fällen 
der  geringe  Umfang  der  Lücken.  Es  scheint,  als  ob  der  Schreiber 
nach  Beendigung   von  Blättern  oder  Lagen    gern   eine   kleine  Kunst- 

GEEJIANIA.  Neue  Eeihe.  X.   (XXII.  Jahrg.)  18 


274  O.  BEHAGHEL 

pause  gemacht  hätte,  etwa  um  sich  an  einem  stärkenden  Schhick  zu 
erlaben.  Ein  Blattausfall  Hesse  sich  nur  denken  bei  dem  Fehlen  von 
388 — 504  und  6668 — 6737.  Die  116  Verse  der  ersteren  Lücke  würden 
darstellen  3  Blätter  =  6  Spalten,  etwa  4  zu  19  Versen  und  2  zu  20 
Versen,  die  zweite  Lücke  von  69  Versen  entspräche  2  Blättern  mit 
3  mal  17  und  1  mal  18  Versen. 

Die  Handschrift  bestand  dann  ursprünglich  aus  187  +  3  -f-  2  = 
192  Blättern,  Nun  gehören  je  4  Blätter  zu  einer  Lage,  wie  uns  zwei 
Blattversetzungen  lehren  (Bl.  134 — 137  incl.  sollten  auf  Bl.  129  folgen, 
stehen  aber  nach  133;  Bl.  172 — 75  stehen  nach  Bl.  171  statt  nach 
Bl.  180),  und  192  ist  ein  Vielfaches  von  4.  Soweit  würde  Alles  stim- 
men. Leider  habe  ich  versäumt,  durch  den  Augenschein  mich  zu  über- 
zeugen, ob  an  den  betreffenden  Stellen  Blätter  fehlen.  Auch  habe 
ich  zwei  andere  Bedenken  gegen  das  Zutreffende  dieser  Annahme  über 
das  Fehlen  von  Blättern.  Einmal  wäre  die  ungleiche  Verszahl  auf  den 
fehlenden  Blättern  ziemlich  auffallend  (4  Spalten  zu  19  und  2  zu  20 
gegen  4  zu  17  oder  18).  Sodann  würden  wir  durch  diese  Annahme 
die  Möglichkeit  verlieren,  eine  eigenthümliche  Erscheinung  befriedigend 
zu  erklären,  ich  meine  das  Abbrechen  des  Schreibers  auf  unvollendeter 
Seite.  Nimmt  man  kein  Fehlen  von  Blättern  an,  so  sind  diese  unbe- 
endigten  Seiten  die  Schlußseiten  ganzer  Lagen  (92  b,  120  b,  152  b). 
Der  Schreiber  hat  seine  Arbeit  einen  Augenblick  unterbrochen  und 
die  Lage  bei  Seite  geschoben.  Beim  Wiederbeginn  glaubte  er  die  letzte 
Lage  vollendet  und  griff  zu  einer  neuen.  Nehmen  wir  dagegen  für  die 
Lücke  388  —  504  das  Fehlen  dreier  Blätter  an,  so  fallen  die  unvollen- 
deten Seiten  in  die  Lagen  hinein  und  dem  Schreiber  wäre  jenes  Über- 
sehen kaum  möglich  gewesen. 

Suchen  wir  somit  eine  andere  Erklärung  für  die  Lücken  388  bis 
504  und  6668—6737,  so  können  sie  in  einer  Lücke  der  Vorlage  ihren 
Grund  haben ,  oder  der  Schreiber  übersprang  Theile  der  Vorlage. 
Fehlen  oder  Überspringen  eines  Blattes  liesse  sich  für  die  erste  Lücke 
annehmen:  116  =^4.  29.  Dann  wäre  jedoch  mit  den  69  Versen  der 
zweiten  Lücke  Nichts  anzufangen.  Wir  müssen  also  Überspringen  meh- 
rerer Spalten  annehmen.  Die  Spalte  der  Vorlage  enthielt  dann  23  Verse: 
116  minus  1=5  mal  23  (der  überzählige  Vers  mag  der  letzte  der  vor- 
hergehenden Spalte  gewesen  sein),  69  =  3.  23.  Zu  dieser  Zahl  stimmt 
die  (nicht  nach  Blattende  eintretende)  Lücke  1893 — 1916  =  23  Verse« 
Und  dazu  stimmt  noch  ein  Anderes.  Haben  wir  wirklich  in  504  den 
Schluß,  in  6668  den  Anfang  einer  Spalte,  so  werden  die  zwischenhe- 
genden  Spalten   ausgefüllt   von  6668  minus  504  Versen  =  6164;    dies 


DIE  PARISER  HANDSCHRIET  DES  IVVEIN.  275 

ist  aber  =  268  mal  23.  Für  die  der  Lücke  388 — 504  vorhergehenden 
Verse  ist  eine  ähnliche  Rechnung  bedenklich,  da  wir  nicht  wissen,  auf 
welcher  Stelle  der  ersten  Seite  der  Text  begann.  Nehmen  wir  aber 
das  Natürlichste  an,  dal.^  er  mit  dem  Kopf  der  Spalte  anfieng,  so  ergibt 
sich  Folgendes.  Spaltenanfang  ist  389  (wogen  des  überschüssigen 
Verses)^  dann  gehen  vorher  388  Verse;  391  =  17.  23,  die  fehlenden 
drei  Verse  können  der  Übei'schrift :  hie  begint  etc.  entsprechen. 

Ist  das  so  auffällige  Zutreffen  der  Zahlen,  besonders  bei  ersterer 
Berechnung,  nicht  ein  Spiel  des  Zufalls,  so  wird  zugleich  wahrschein- 
lich, daß  die  Vorlage  des  Schreibers  fast  lückenlos  war  *),  und  er  allein 
die  Schuld  trägt  an  dem  Fehlen  so  vieler  Versgruppen. 

Überall  läßt  sich  noch  für  die  nicht  am  Blattende  stehenden 
Lücken  die  äußere  Veranlassung  erkennen.  Überspringen  in  Folge 
gleichlautender  Verse  fand  statt  1621 — 77  (1620:  nü  sluoc  ich  doch  ir 
man;  1676:  ouwe  ja  sluoc  ich  den  man)  und  1831 — 42  (1830:  enist 
da  niemen  der  in  wert;  1842:  enist  dan  niemen  der  in  wer).  Über- 
springen von  Abschnittsinitiale  zu  Abschnittsinitiale  mag  vorliegen  bei 
1593 — 1609.  Schon  in  der  Vorlage  fehlte  (wie  sich  zeigen  wird)  7161 
bis  70.  Bewußte  Kürzung  der  langen  Rede  könnte  man  vermuthen  bei 
dem  Fehlen  von  7425 — 65;  nur  wäre  dann  das  Fehlen  von  7455  auf- 
fällig, während  der  damit  reimende  Vers  7456  geblieben.  Leider  sind 
an  dieser  Stelle  die  von  mir  in  mein  Exemplar  des  Iweiu  einge- 
tragenen Zeichen  nicht  mehr  sicher  zu  lesen,  allein  es  scheint  mir,  als 
ob  auch  die  Lücke  7425 — 55  zwischen  Blattende  und  Blattanfang  fiele, 
also  ihre  Erklärung  mit  den  übrigen  der  gleichen  Art  findet. 

Das  für  die  vorläufige  Wertschätzung  des  Textes  bedeutsame  Er- 
gebniss  meiner  bisherigen  Untersuchung  ist  also :  nach  einer  fast  lücken- 
losen Vorlage  ist  unsere  Handschrift  zwar  mit  großer  Nachlässigkeit, 
aber  ohne  willkürliches,  subjectives  Eingreifen  des  Schreibers  gefertigt. 

Der  Text  der  Handschrift,  die  ich  einstweilen  p  nennen  will, 
stellt  sich  zur  Gruppe  E  (H)  a.  Ich  gebe  die  Belege  zunächst  für  den 
mit  v.  3000  beginnenden  Theil,  dem  Beispiele  Pauls  (Beiträge  I,  288  ff.) 
folgend  :**) 

3306  dez  pEa  =  diu\  (3372  sie  spi^acli  dijs  ist  der  man  ist  nicht 
sehr   beweiskräftig,    steht   aber   doch  Ea:    si  gedaJit  ditz  ist  (ez  ist  a) 

*)  Ausgenommen  7161 — 70;  dadurch  wird  unser  Rechenexempel  natürlich  nicht 
gestört,  da  diese  Lücke  sich  nach  der  von  uns  zur  Berechnung  benutzten  findet. 

**)  Ich  gebe  die  Stellen  in  der  Schreibweise  von  p ,  ohne  E  a  genauer  anzu- 
führen, da  dies  für  meinen  Zweck  ganz  überflüssig. 

18* 


276  O-  BEHAGHEL 

näher,  als  mi  diiht  er  si  Dcaf);    3407  ich  pEa  =  und  ich  (3432  also 
pEa  richtig  =  als  BDb);    3436  hi   der  loile  pEa  =  der  seihen;    3514 
loünnecliches  pEa  =  richez  (diese  Stelle  von  Paul  a.  a.  0.  p.  314  nicht 
angeführt);  3523  mit  pEa  =  ze  ABd;  3552  uff  pEa  =  nach  (fehlt  bei 
Paul);  3567  zu  {einer  m.)  pEa  =  in;  3583  der  fehlt  pEa  (3611  fehlt); 
3644  er  saz  pEa  ^  sus  saz  er;  3645  sie  fürte  in  pEa  =  mt  vuorte   si 
in;  3768  do  fehlt  pEa  (vil  steteclichen  p  =  werlichen);  3804  7nit  pEa 
=  von;  3881  er  pEa  =:  2md;  3894  er  grüssete  m  pEa  =  do  gi-uoztern; 
3895  do   volgete  er  pEa  =  imd  volgt;    3901    er   schände   es  pEa  =  nw 
schauterz;    3923  nu  pEa  =  c?o;    2970  nie  ere  pEa  =:  me   deheine   ere; 
3985  daz  lasier  p  E  a  =  daz ;  4042  mich  dez  p  E  a  =  mich ;  4052  und  fehlt 
pEa;  4062  mich  icundert  pEa  =  ouch  ivundert  mich;    4067  ez  ist  niht 
pEa  =  ouch  ist  ez  niht\  4095  ich  loeysß  daz  pEa  =  und  iceiz  daz;  4117 
min  vrouive  p  E  a  =  si  nu ;    4125  nuioend  schuffe  p  E  a  =  scufe  nieivan ; 
4126  sus  fehlt  pEa;  4154  ein  teil -p^a.  =  geivesen;  4193  lenger  pF,a.  ^= 
langer;    4227  herlediget  pEa  =  erloeset;    4336  oh  bezw.  ab  fehlt  pEa; 
4338  p  E  a  fehlt  ivan ;  4344  schade  p  E  a  =  dehein  schade  (4350  ir  früm 
unde  ir  leit  p,  frum  und  ir  ere  1.  E  a  =  ere  unde  ir  vrume) ;  4374  do 
sach  er  pEa  =  und  sach;  4413  t^nibe  fr.  pEa  =  trüge  fr.  (4419  lichte 
fr.  unentschieden);  4445  ich  sage  7ich  pEa  =  so  sage  ich  iu;  4483  der 
pEa  =  a-;  4581  des  fehlt  pEa;  4703  enet  pEa  =  henet;  5396  hestunt 
nu  p  (E)  a  =  bestunden  L. ;  6375  ein  p  E  a  :=  dehein  (6459^  60  ouch  mochte 
sye  wol   lachen  an   in   aweiu   gemachen  p  stimmt  doch  wohl  zu  6460 
Ea  vil  wol  =  vil  lihte)  (6602   ganz  verändert:    uu  tuon   ich   uch    das 
erkant);  6793  vil  gar  pEa  =  gar  (p  sin  gnade);  6914  hynamen  pEa  = 
alle;  6954  loolde  fehlt  pEHa;  Q^bb  loolte  an  dem  selhmi  tage  pEHa  = 
mit  dem  andern  an  dem  tage;  6960  nu  pEHa  =  ir  nu  df,  nu  hie  BDb; 
7019 — 20  fehlen  pEHa;  7021,  22  (myune    unde    has   hattent)  besessen 
das  vaspHa  (E  fehlt)  =  hesäzen;  7161 — 70  fehlen  pEHa;  7238  muher 
sit  pEa  :=  harte  lange  zit;   7729  do  verspieret  {versperret  Ea)  pEa  = 
da  in  versperret). 

Ich  habe  diese  Übereinstimmungen  so  vollständig  gegeben,  weil 
sie  einzeln  für  sich  wenig  beweiskräftig  sind.  Doch  lassen  Stellen  wie 
4154,  6914,  6955,  7238,  das  Fehlen  von  7019—20,  7161—70  dem  Ge- 
danken an  zufälliges  Zusammentreffen  keinen  Raum  und  thun  dar,  daß 
innerhalb  der  Classe  AdEa(H)  p  mit  E(H)a  eine  gesonderte  Stellung 
einnimmt. 

Suchen  wir  nun  das  Verhältniss  von  p  zu  seinen  Nachbarn  näher 
zu  umschreiben,  so  zeigt  sich  zunächst,  daß  p  nicht  aus  derselben  Vor- 
lage   stammt   wie  ETI.     p  hat    nicht    die  Lücken  6967  und  68,  7025 


DIE  PARISEK  HANDSCHRIFT  DES  IVVEIN,  277 

und  26;  es  liest  7160  nicht  ein  lonp  wie  EH,  sondern  one  lohe,  ein  ein- 
faches Misverständniss  von  an  lobe  (oder  ane  lobe,  wie  wohl  die  Vor- 
lage von  p  hatte).  (6952  p  sye  euch  gegen  ouch  si  EH,  was  an  sich 
nicht  viel  beweist). 

Ebensowenig  steht  p  in  näherer  Beziehung  zu  a.  Vielmehr  scheint 
sich  a  im  Gegensatz  zu  p  —  EH  zu  stellen :  7002  e  niht  p E H  =  niht . 
Hier  jedoch  kann  die  gemeinsame  Vorlage  von  pEHa  e  niht  darge- 
boten und  Ms.  a  auf  eigene  Rechnung  das  e  weggelassen  haben.  Ahnlich 
ist  es  mit  7074,  wo  das  in  pEH  fehlende  und  sehr  leicht  von  a 
selbständig  zugefügt  sein  kann,  um  das  Asyndeton  der  Vorlage  zu  be- 
seitigen. Dagegen  ist  es  schlechthin  beweisend,  wenn  in  7075  p  liest: 
er  ist  zu  flössen  drdte  =  er  ist  zeslipen  drate  E  H  gegen  ir  ros  diu  liehen 
der  übrigen.  Denn  hier  liegt  doch  unmöglich  ein  Verlesen  vor,  wie 
es  zwei  Schreiber  unabhängig  von  einander  zu  Stande  bringen  konnten; 
ebensowenig  konnte  a  aus  der  Entstellung  die  richtige  Lesart  heraus- 
finden. Wir  erhalten  dann  folgendes  Bild  des  Verwandtschaftsver- 
hältnisses : 

Merkwürdiger  Weise  aber  finden  wir  eine 
ganze  Reihe  von  Stellen,  in  denen  a  eine  Ab- 
Aveichung  gemein  hat  mit  E(H),  während  p  das 
Richtige  darbietet:  3408  daz  fehlt  Ea,  nicht  p; 
3715  nach  alle  Ea  =  nach  (richtig!);  4909  des  iht 
Ea  =  des  nit  p;  5231  vil  fehlt  Ea  nicht  p;  5405 
nu  vahten  si  Ea  =  si  vahten  si  pL. ;  5902  nu  Ea 
=  fyomcepBCDd]  6194  un  loas  iedoch  E,  und 
es  icas  doch  ir  a  =  ir  emcas  iedoch  p  L.  (6297  mit  E  a  könnte  richtig 
sein  gegen  in  Ab^,  61/  pDd);  6493  hei  ein.  Ea  =  zuo  ein\  6549  loirt- 
schaft  und  ere  Ea  =  also  groze  ere  pL. ;  6750  harte  fehlt  Ea,  die  ir  eyme 
do  wart  harte  schiere  zu  leite  p;  6760  ergie  ouch  Ea  :=  ging  pL.;  7070 
Wirt  EHa  =  ivart. 

Es  ist  nun  sehr  bedenklich,  in  allen  diesen  13  Stellen  einen  bloßen 
Zufall  anzunehmen.  Allerdings  sind  sie  nicht  gleich  beweiskräftig.  So 
kann  in  3408,  3715,  4904  die  Vorlage  von  p  mit  E(H)a  gestimmt 
haben  und  p  selbständig  —  mit  oder  ohne  Überlegung  auf  das  Ur- 
sprüngliche gekommen  sein.  Dagegen  ist  zufälliges  ZusammentrefiFen 
von  E,  (H),  und  a  möglich  in  6493,  6750,  7070.  Zwischen  beiden 
Annahmen  Heße  sich  wählen  für  5231  und  5902.  Schon  weniger  ist 
ein  Zufall  denkbar  in  5405,  6194,  6760,  und  ausgeschlossen  ist  ein 
solcher  bei  6549. 


278  Ö-  BEHAGHEL 

Wir  erhalten  somit  folgendes  Bild: 
und  zwar  scheint  p  gegenüber  von  y  den 
Vorzug  zu  verdienen  (oder  wenigstens  die 
Vorlage  von  p;  doch  weiß  ich  nicht  zu 
entscheiden,,  ob  zwischen  x  und  p  ein  Mit- 
telglied noch  anzunehmen  ist). 

Aber  nun,  heißt  es  nicht,  wer  zu 
viel  beweist,  beweist  gar  Nichts?  Stehen 
nicht  die  beiden  von  mir  gefundenen  Formeln  für  das  Handschriften- 
verhältniss:  a  4-  [p  -f-  (E  +  H)]  und  p  +  [a  +  (E  -}-  H)],  stehen 
sie  nicht  in  directem  Widerspruch?  Die  zunächst  liegende  Lösung 
dieses  Widerspruchs  wäre  die  Annahme,  daß  p  eine  Mischhandschrift 
ist,  d.  h.  daß  p  zwar  in  directer  Linie  von  x  abstammt,  aber  daneben 
eine  Handschrift  der  Classc  EH  benutzt  hat  (diese  Entstehungsart 
würde  die  Annahme  eines  Mittelgliedes  zwischen  x  und  p  nothwendig 
machen,  denn  der  Schreiber  von  p  besaß  eine  solche  Sorgfalt  gewiss 
nicht).  Die  umgekehrte  Annahme,  daß  p  zur  Classe  EH  gehört  und 
nebenbei  eine  direct  aus  x  stammende  Vorschrift  benutzt  hat,  oder 
endlich  die  Annahme  einer  gleichmäßigen  Benützung  zweier  Vorlagen 
widerstreitet  den  Thatsachen:  für  die  Gruppierung  a  —  pEH  sprechen 
nur  3,  für  die  Gruppierung  p  —  aEH  13  Stellen. 

Dies  Verhältniss  macht  es  mir  überhaupt  zweifelhaft,  ob  wirklich 
eine  Mischhandschrift  vorliegt.  Dann  müßte  eine  der  beiden  Formeln 
unrichtig  sein  und  dies  wäre  wahrscheinlich  der  Ansatz  a  —  pEH. 
Dafür  spricht  mir  der  Umstand ,  daß  ich  keine  Stelle  gefunden  habe, 
wo  pE  mit  einem  gemeinsamen  Fehler  a  gegenüber  stehen,  so  daß  a 
das  Ursprüngliche  bewahrt  hätte;  diese  Combination  wäre  doch  sicher 
zu  erwarten,  wenn  die  Formel  a  —  pEH  Gültigkeit  hätte.  Allerdings 
habe  ich,  in  meiner  Zeit  beschränkt^  nicht  alle  die  Stellen  verglichen, 
in  denen  E  und  a  unter  sich  abweichen. 

Die  Formel  a  —  pEH  ist  eigentlich  nur  gestützt  durch  7075. 
Da  wäre  es  immerhin  möglich,  daß  in  den  Angaben  der  Lesarten  ein 
Irrthum  sich  eingeschlichen  und  auch  a  mit  EH  stimmt.  Sind  die 
Lesarten  richtig,  so  wird  es  bei  der  Mischhandschrift  bleiben  müssen. 
Doch  halt,  es  gibt  noch  einen  dritten  Ausweg,  und  dieser  dünkt  mir 
der  wahrscheinlichste,  daß<  nicht  p,  sondern  a  eine  Mischhandschrift 
ist  und  die  Bewahrung  des  Echten  in  7075  der  Benutzung  einer 
zweiten  Quelle  verdankt.  In  der  That  ist  dies  Pauls  Ergebniss  (a.  a.  O. 
p.  347):  „Es  wird  kaum  eine  andere  Annahme  übrig  bleiben,  als  daß 
a  (oder  ihre  Vorlage)  zwei  verschiedene  Quellen  benutzt  hat,  von  denen 


DU':  TAKISER  IIANDSCHRIF^T  DES  IWEIN.  279 

die  eine  besonders  in  dem  vorderen  Theilc  zugezogene  mit  A  noch 
näher  verwandt  war  als  d,  während  die  andere,  welche  ihre  eigentliche 
Grundlage  gebildet  hat,  auch  von  Anfang  an  dieselbe  gewesen  sein 
mag  wie  die,  aus  der  E  geflossen  ist". 

Für  den  ersten  Theil  ist  die  Untersuchung  mit  großen  Schwie- 
rigkeiten verbunden,  da  hier  sich  alle  möglichen  Combinationen  durch- 
kreuzen. Ausserdem  steht  mir  hier  nur  für  verhältnissmäßig  wenige 
Stellen  die  Vergleichung  zu  Gebot,  indem  ich  durch  einen  ärgerlichen 
Zufall  in  der  Vollendung  meiner  Arbeit  gehindert  wurde.  Ich  wage 
deshalb  nur  einige  Andeutungen  zu  geben. 

Die  erste  von  Paul  (p.  339)  nachgewiesene  Corabination  ist  B(b)E 
gegen  AD  ad.  Von  den  wenigen  entscheidenden  Stellen  fällt  1367  in 
eine  Lücke  von  p,  1584  ist  gänzlich  verändert:  allez  da  betwang. 
Bleibt  1502:  wez  sin  aber  alsus  stat,  was  zu  Aad,  nicht  zu  BE  stimmt- 

Die  zweite  Formel  (p.  339)  ist  AdBD  gegen  Eab.  Von  den  ver- 
gleichbaren Stellen  stimmt  p  1611  zu  Ad,  indem  mir  mangelt,  wo  ein 
Zufall  sehr  leicht  mögheh.  Dagegen  widerspricht  p  den  beiden  Mss. 
Ad  in  1386  {=  euch  fehlt),  1548  (umb  ir  wunden),  1680  (daz  es 
myme  liebe  dete  baß),  2218  (durch  ir  gemmeliche).  Im  letzten  Falle 
wenigstens  ist  ein  Zufall  undenkbar. 

Über  die  Paul  341  besprochene  Combinatiou  Ada  gegen  BD  Ehe 
weiß  ich  nicht  zu  entscheiden,  da  mir  p  2230  fehlt,  die  einzige  Aus- 
schlag gebende  Stelle.  2305  hat  p  muot,  was  aber  als  Entstellung  für 
guot  sehr  nahe  lag. 

Dagegen  läßt  sich  mit  ziemlicher  Sicherheit  behaupten,  daß  p 
nicht  in  näherem  Verhältniss  zu  Aa  steht:  73  iif  An  =  umhe  pBDb  d; 
95  von  A  a  =  imd  von  p ;  155  und  wir  da?:  loizen  vil  icol  A^  und  das 
tvissin  icir  alh  icol  a  =  und  loere  daz  bynamen  icol  pBDdr;  162  nider 
geleit  A  a  =  vertraget  p ;  332  (Zo  A  a  =  n?t  p  etc. ;  722  un  den  Idf  darumbe 
lau  Aa  =  p  oder  es  muss  mir  an  den  lip  gan\  1735  anders  tca  Aa  = 
nicht  anders  p;  2222  gesach  Aa  =  «we  sack  p.  Entscheidend  sind  155 
und  722.  Dagegen  kommen  wenige  Stellen,  wo  p  zu  Aa  stimmt,  nicht 
in  Betracht:  169  von  uch  pAa  =  BDd  an  m;  229  alle  sament  pAa, 
aber  auch  D  =  alle  Bcd  (259  daz  ist  loar  pAa  und  b cd  =  c?a  von 
ist  ez  icar  B  d,  was  wohl  richtig). 

Noch  eine  Negation:  p  gehört  nicht  zu  bc(D):  14  und  wenne  bc 
=  die  jehent  p  (so  Bd);  15  cliss  bc  =  daz  p;  19  verliert  bc  =^  enoert  p  ; 
21  so  Dbc  =  der  pBdr;  38  sicacher  Dbc  =  hoese  pBd;  39  harte  bösem 
bc,  lichtem  D  =  vil  sioachem  pBd  (d  vil  swachendem)\  69,  70  bc  stim- 
men zu  L"  in  ihrer  Stellung,  p  geht  mit  den  übrigen. 


280  J-  E.  WACKERNELL 

Diese  Negation  ist  abei'  zugleich  eine  Position,  sie  zeigt,  daß  p 
näher  zu  Bd  gehört  (bezw.  zu  Bdr).  Dafür  noch  einige  Belege:  56 
da  pBd  =  dciz  A,  syt  abcf,  s  wie  D;  80  lowent  sament  pBdr  =  wa- 
ren AD,  mit  einander  a,  auch  bc;  318  clagete  ich  pBd  gez.  Präsens 
der  übrigen.  Nicht  gegen  diese  Zusammenstellung  spricht  12  des  habent 
die  B  d  =  daz  hejecht  ijme  die  p ;  denn  hier  lag  Grund  und  Art  der 
Änderung  allen  Handschriften  gleichmälHg  nahe.  Ebensowenig  1502 
(schon  vorhin  angeführt),  wo  BE  sich  den  übrigen  und  auch  p  gegen- 
überstellt. Denn  offenbar  hat  hier  B  seine  eigentliche  Vorlage  ver- 
lassen, um  sich  E  anzunähern. 

Bemerkt  sei  noch,  daß  aus  der  Gruppe  Bdr  besonders  r  zu  p 
zu  stimmen  scheint.  12  daz  hejecht  yme  die  p^  das  gichet  im  die  etc. ; 
80  sament  p  r  =  ensamt  B,  zusamen  d ;  155  hynamen  (benamen  r)  p  r  = 
iceiz  got  BDa. 

Hat  nun  p  im  ersten  Theil  eine  andere  Vorlage  benützt,  als  im 
zweiten?  Das  zu  sagen  ist  sehr  schwierig,  da  die  Combination  Bd  selbst 
sich  nicht  im  zweiten  Theile  findet  (mit  Ausnahme  des  Schlusses).  Es 
muß  eine  nochmalige  Untersuchung  des  ersten  Theils  und  über  das 
Verhältniss  seines  Textes  zu  dem  des  zweiten  abgewartet  werden  und 
diese  kann  nur  geschehen  mit  Hcranziehimg  von  neuem  Materiale.  Daß 
dabei  die  Pariser  Handschrift  so  gut  oder  mehr  als  manche  andere 
eine  Berücksichtigung  verdient,  glaube  ich  gezeigt  zu  haben. 

CÄRLSEUHE,  September  1876.  OTTO  BEHAGHEL. 


ZUR  CHRONOLOGISCHEN  BESTIMMUNG  DES 
VI.  UND  VH.  BUCHES  VON  WOLFRAMS  PARZI- 
VAL  UND  ÜBER  DEN  BEGINN  VON  WOLFRAMS 
UND  WALTHERS  AUFENTHALT  IN  THÜRINGEN. 

Die  Entstehung  des  VI.  Buches  des  Parzival  setzt  man  gewöhn- 
lich nach  dem  Sommer  1204*).  Consequent  rückt  man  auch  den  Be- 
ginn von  Wolframs  und  Walthers  Aufenthalt  in  Thüringen  in  diese  Zeit. 
Aber  beide  Ansätze  müssen  um  ein  Jahr  weiter  hinaufgerückt  werden. 
Die  hier  zunächst  in  Betracht  kommende  Stelle  des  VI.  Buches  ist 
L.  297,  16: 


*)  Lachmann,  Wolfram  von  Esch.  XIX;    San-Marte,  Leben  Wolframs  II,  211; 
Simrock,  Parz.  I,  476;  Bartsch,  Parz.  XIX;  Bech,  Iwein  VI  u.  A. 


ZUR  CHRONOLOGISCHEN  BESTIMMUNG  DES  VI.  BUCHES  etc.        281 

'von  Dürgen  fürste  Hcrraan, 

etslich  din  ingcsinde  ich  raaz, 

daz  uzgesinde  hieze  baz. 

dir  waere  och  eines  Keien  not, 

Sit  wäriu  milto  dir  gebot 

so  raanecvalten  anehanc, 

etswä  sraaehlich  gedranc 

unt  etswä  Averdez  dringen. 

des  muoz  her  Walther  singen: 

„guoten  tac,  boes  unde  guot"', 
worin  die  Anwesenheit  beider  Dichter  auf  der  Wartburg  bezeugt  ist. 
Man  nahm  nun  an,  daß  Walther,  der  Anhänger  Philipps,  nicht  nach 
Thüringen  gekommen  sei,  so  lange  dessen  Fürst  ein  Gegner  seines 
Königs  war.  Die  Unterwerfung  Hermanns  geschah  im  September  1204 
darum  —  schloß  man  —  muß  diese  Stelle,  in  der  Walther  gleichzeitig 
mit  Wolfram  schon  auf  der  Wartburg  anwesend  erscheint,  erst  nach 
dem  Sommer  dieses  Jahres  entstanden  sein*). 

Allein  diese  Annahme  ist  zu  unbegründet  um  daraus  Schlüsse  ziehen 
zu  können ,  wie  ich  später  zu  zeigen  versuchen  werde.  Die  Entste- 
hungszeit dieser  Stelle  läßt  sich  am  sichersten  durch  eine  andere  des 
VIT.  Buches  bestimmen.  L.  379,  18 : 

'ErfFurter  wingarte  giht 

von  treten  noch  der  selben  not: 

maneg  orses  fuoz  die  slägc  bot'. 
Als  diese  Stelle  entstand,  sah  der  Dichter  und  seine  Umgebung 
die  Verwüstung  in  den  Weingärten  um  Erfurt,  welche  durch  die  Be- 
lagerung im  Sommer  1203  angerichtet  worden  war,  noch  so  vollständig, 
daß  er  sie  mit  einem  frischen  Kampfplatze  vergleichen  und  dadurch 
seinen  Zuhörern  gleichsam  die  Illustration  zu  seiner  Schilderung  geben 
konnte. 

Daraus  wird  sich  nun  nicht  in  Abrede  stellen  lassen,  daß  diese 
Stelle  des  VII.  Buches  spätestens  am  Beginn  des  Frühjahres  1204, 
bevor  die  Weinberge  wieder  bearbeitet  wurden,  entstanden  sein  kann. 
Man  hat  diese  Stelle,  um  einer  Klemme  mit  dem  einmal  als  sicher 
feststehend  angenommenen  Beginn  von  Walthers  Aufenthalt  in  Thüringen 
auszuweichen,  zu  wenig  in  Betracht  gezogen.  Nur  Bartsch  hat,  auf 
ihren  Inhalt  und  auf  das  *^noch'  in  derselben  gestützt,  sie  in  ihre  rich- 


*)  Lachmann,    Walther  v.  Vglw.    zu    20,  4;    San-Marte  II,  310  tf . ;    Simrock  I, 
476;  Bartsch  \X  und  XIX. 


282  J.  E.  WACKERNELL 

tigc  Entstchungszeit  gesetzt*),  suchte  aber  in  dem  dadurch  entstan- 
denen chronologischen  Widerspruch  zwischen  dem  VI.  und  VII.  Buche 
einen  Ausweg,  indem  er  das  VII.  vor  dem  VI.  gedichtet  werden  ließ, 
so  daß  ersteres  bald  nach  1203,  letzteres  nach  dem  Sommer  1204  ent- 
standen wäre.  Allein  es  bedarf  kaum  der  Erwähnung,  daß  eine  solche 
Annahme  bei  einem  neueren  Dichter  wohl  zulässig  wäre;  bei  einem 
mittelalterlichen  aber,  noch  dazu  bei  einem,  der  nach  seinem  eigenen 
Zeugnisse  : 

'Swaz  an  den  buochen  stet  geschriben. 

des  bin  ich  künstelos  beliben' 
nicht  lesen  noch  weniger  schreiben  konnte,  völlig  unstatthaft  ist. 

L.  379,  18  kann  also  spätestens  in  den  Februar  oder  März 
1204,  die  obige  Stelle  des  VI.  Buches  daher  spätestens  an  den 
Schluß  von  1203  fallen,  um  welche  Zeit  auch  Walther  und  Wolfram 
in  Thüringen  gewesen  sein  müssen,  wozu  andere  Verhältnisse  der  beiden 
Dichter  überraschend  stimmen. 

Im  V.  Buche  des  Parzival  rinden  wir  nach  L.  230,  12  Wolfram 
noch  auf  Wildenberg: 

'so  groziu  fiwer  sit  noch  c 

sach  nieman  hie  ze  Wildenherc , 
woraus  wir  nach  dem  Gesagten  den  Beginn  seines  Thüringer  Aufenthaltes 
bestimmen  können.  Vor  1203  ist  er  nicht  in  Thüringen  gewesen,  weil 
das  V.  Buch  noch  auf  Wildenberg  entstanden  ist  —  man  müßte  denn 
eine  höchst  unregelmäßige  Entstehung  des  Parzival  annehmen,  wozu 
wir  nicht  nur  keine  Veranlassung  haben,  sondern  was  schon  durch  die  Ent- 
stehungszeit des  ganzen  Parzival  und  durch  Wolframs  Dichtungsweise 
widerlegt  wird.  —  Während  des  Frühlings  und  des  Sommers,  während 
welcher  Zeit  Thüringen  Schauplatz  eines  grausamen  Krieges  war,  gieng 
er  gewiss  nicht  dahin;  spätestens  zu  Ende  1203  bezeugt  er  in  der 
Mitte  des  VI.  Buches  seine  und  Walthers  Anwesenheit  auf  der 
Wartburg,  ist  also  nach  Beendigung  des  Krieges,  im  Spätherbste  1203, 
auf  die  Wartburg  gekommen. 

Dazu  stimmen  auch  Walthers  damalige  Verhältnisse.  Nach  der 
jüngst  aufgefundenen  Reiserechnung  Bischof  Wolfgers**)  finden  wir 
Walther  anfangs  November  1203  in  Österreich  —  also  nicht  bei  Philipp, 
wie  man  früher  glaubte.  In  der  Schrift  Walther  von  der  Vogelweide 
in  Österreich  p.  74  ff.  meine  ich  nachgewiesen  zu  haben ,  daß  er  und 


*)  Parz.  11,  47    zu  1249:    „da    der    Dichter    sagt    noch,    noch   jetzt,    so    muß 
dieser  Theil  des  Parz.  bald  nach  1203  gedichtet  sein. 
**)  Zingerle,  Germania  XXI,  193, 


ZÜU  CnRONOLOGTSCHEN  BESTIMMUNG  DES  VI.  HUCIIES  etc         283 

Wolfger  auf  der  in  dicso  Zeit  fallenden  Hochzeit  Leopolds  mit  Theodora 
Komncna  in  Wien  anwesend  gewesen  sei.  Am  12.  November  finden 
wir  ihn  unter  der  Begleitschaft  des  Bischofs  in  Zeiselmauer  (nw.  v. 
Wien)  und  zwar  war  Wolfger  damals^  wie  wir  aus  den  im  Itinerar 
angeführten  Ortschaften  ersehen,  bereits  auf  der  Rückreise  von  Wien. 
Walther  war  also  damals  auf  dem  directen  Wege  nach  Thüringen,  wo 
er  wirklich  noch  Ende  November  oder  im  Deceraber  1203  eintreffen 
konnte,  um  welche  Zeit  Wolfram  nach  L.  297,  16  seine  Anwesenheit 
daselbst  bezeugt. 

Es  erübrigt  nur  noch  zu  zeigen,  dai'i  die  Annahme,  auf  die  man 
früher  den  Beginn  von  Walthers  und  Wolframs  Aufenthalt  in  Thüringen 
gestützt  hatte,  nicht  stichhaltig  sei. 

Wenn  ein  Sänger  an  den  Hof  eines  kunstliebenden  Fürsten  kam, 
hieß  das  seine  politische  Partcistellung  gut  heißen?  Übrigens  liegt  in 
der  zuerst  von  Uhland  aufgestellten  Behauptung  selbst  eine  Inconse- 
quenz.  Wolfram  war  ein  unverholener  Anhänger  Ottos.  Wenn  nun  beide 
Dichter  nach  dem  Sommer  1204  nach  Thüringen  gekommen  sein  sollen, 
so  war  wohl  Walther  ein  Parteigenosse  Hermanns,  aber  Wolfram  ein 
politischer  Gegner  desselben.  Wäre  die  politische  Meinungsverschieden- 
heit eines  Dichters  bei  Hermann  Grund  genug  gewesen,  denselben 
von  seinem  Hofe  fern  zu  halten,^  wie  kam  dann  Wolfram  nach  dem 
Sommer  1204  dahin?  Als  Hermann  später  wieder  auf  die  Seite  Ottos 
trat  und  wieder  von  ihm  abfiel,  blieb  Wolfram  dennoch  an  seinem 
Hofe,  war  also  bald  Gegner  bald  Anhänger  der  politischen  Gesinnung 
seines  Fürsten,  ohne  daß  dadurch  ihr  gegenseitiges  Verhältniss  gestört 
worden  wäi'e.  Ein  Fürst,  der  innerhalb  sechs  Jahren  viermal  seine 
Partei  wechselte,  nahm  es  damit  gerade  nicht  so  genau! 

Auch  der  Überzeugungstreue  Walthers  stand  sein  Thüringer  Be- 
such um  1203  nicht  entgegen.  Wolfram  gibt  auch  hierin  das  schla- 
gendste Zeugniss ,  daß  ein  durch  und  durch  charaktervoller  Sänger 
am  Hofe  eines  kunstschützenden  Fürsten  mit  allgemeiner  Anerkennung 
seine  Lieder  singen  konnte,  ohne  mit  ihm  die  Parteistellung  zu  theilen. 
Warum  sollte  das,  was  man  bei  Wolfram  einem  edlen  Charakter  nicht 
zuwider  findet,  bei  Walther  anstößig  sein? 

Aber  von  all  dem  abgesehen  konnte  Walther  nach  der  Lage  der 
politischen  Verhältnisse  im  Herbste  1203  gerade  als  Anhänger  Philipps 
und  als  Vertreter  seiner  Interessen  auf  die  Wartburg  kommen.  Der 
Krieg  des  Jahres  1203  gieng  mit  Beginn  October  zu  Ende.  Der  Böhmen- 
könig hatte  für  seine  Parteistellung  zu  Otto  IV.  die  langersehnte  An- 
erkennung der  böhmischen  Krone  von  Seite  der  Kirche  erlangt;  war  der 


284     J-  E.  WACKERNELL,  ZUK  CHRONOLOGISCHEN  BESTIMMUNG  etc. 

Gefahr,  die  ihm  durch  seinen  Abfall  von  Philipp  von  dessen  Seite  ge- 
droht hatte,  entronnen;  hatte  die  Erhebung  Theobalds  III.  auf  den 
böhmischen  Thron  vereitelt  und  endlich  noch  Aussicht  erhalten,  daß 
Böhmen  von  der  Mainzer  Metropolitaugewalt  abgetrennt  werde.  Otto  IV. 
trug  natürlich  den  größten  Gewinn  von  diesem  Feldzuge.  Sein  Gebiet 
und  seine  Partei  hatten  sich  bedeutend  vergrößert;  er  hatte  das  fest- 
geschlossene Reich  seines  Gegners  in  zwei  getrennte  Stücke  zerrissen 
und  konnte  überzeugt  sein,  daß  Innocenz  III.  nach  diesem  militärischen 
Erfolg;  noch  rücksichtsloser  die  Autorität  der  Kirche  für  seine  Aner- 
kennung  geltend  machen  werde.  Dagegen  hatte  Hermann  nichts  ge- 
wonnen, außer  einige  leere  Versprechungen  von  Otto.  Sein  Land, 
das  während  des  ganzen  Feldzuges  Kriegsschauplatz  gewesen,  war 
gräulich  verwüstet,  dazu  noch  mehr  von  seinen  Verbündeten  als  vom 
Feinde;  ähnliche  Vorfälle  waren  ihm,  wenn  er  auf  Seite  Ottos  beharrte, 
noch  in  Aussicht  gestellt*).  Solche  Früchte  hatte  er  sicher  nicht  er- 
wartet, als  er  sich  auf  die  gegnerische  Seite  locken  ließ,  wo  er  Vor- 
theile  hoffte!  Was  Wunders,  wenn  er  mit  den  Ergebnissen  des  Jahres 
unzufrieden  war,  da  er  nur  für  seinen  Vortheil,  nicht  für  die  Sache 
des  Weifen  kämpfen  wollte  ?  War  es  nun  nicht  möglich,  daß  Walther, 
der  wo  immer  er  konnte  für  die  Sache  seines  Herrn  thätig  war,  dem 
Philipp  wahrscheinlich  geradezu  diplomatische  Missionen  anvertraute, 
diese  Enttäuschung  des  Landgrafen  zu  benützen  suchte,  um  den  leicht- 
beweglichen Fürsten  wieder  auf  die  staufische  Seite  zu  bringen? 

Daraus  wird  klar  sein,  daß  die  frühere  Annahme  lange  nicht  so 
gewichtig  sei,  um  dem  directen  Zeugnisse  Wolframs,  dem  natürlichen 
Zusammenhange  der  Lebensverhältnisse  der  beiden  Dichter  gegenüber 
aufkommen  zu  können. 

Es  fällt  demnach  die  Entstehung  des  VI.  Buches  des  Parzival 
in  den  Spätherbst,  die  des  VII.  in  den  Winter  1203/4.  Die  Ankunft 
Wolframs  auf  der  Wartburg  an  den  Beginn  des  Spätherbstes  und  die 
Walthers  in  den  November  oder  December  1203. 

WIEN,  April  1877.  J.  E.  WACKERNELL. 


*)  Vgl.  dazu  Winkelmann,  Philipp  I,  293. 


R.  KÖHLER,  ZU  EINER  STELLE  IN  RTTDOLFS  BARLAAM.  285 

ZU  EINER  STELLE  IN  RUDOLFS  VON  EMS 
BARLAAM  UND  JOSAPHAT. 

In  Rudolfs  von  Ems  Barlaam  und  Josaphat  sagt  Nachor  zu  den 
griechischen  Meistern    über    ihren    Gott   Jupiter    unter    anderem    auch 
folgendes  (Sp.  251,  Z.  19-29  der  Ausgabe  von  Pfeiffer) : 
19  so  saget  ir  von  im  anderswa, 
daz  in  diu  schoene  Alcmenä 
mit  minnen  triuten  began 
vür  Amphitrion  ir  man, 
dem  er  geliches  libes  was ; 
und  Getä  was  Archas, 
25  wie  diu  mit  trügelicher  art 
von  disem  man  betrogen  wart. 
daz  zimt  gotes  namen  niht, 
ob  man  der  rehten  wärheit  gibt, 
ez  zseme  baz  des  tiuvels  spil. 
Zu  Zeile  24  bemerkt  Pfeiffer :  'Diese  Zeile  verstehe  ich  nicht ;  im 
Lateinischen  fehlt  der  Inhalt  der  Zeilen  19 — 26'.  Vermuthlich  werden  auch 
heute    noch    gar    manche  Leser  gleich  wie  Pfeiffer  bekennen  müssen, 
daß  sie  die  Zeile  nicht  verstehen,    denn    sie    kann  nur  dem  verständ- 
lich   sein,    dem    das  lateinische  gewöhnlich  Geta  betitelte  Gedicht  des 
Vitalis  Blesensis,  welches  den  Stoff  des  Plautinischen  Amphitryon  be- 
handelt, bekannt  ist*).     In  diesem  Gedicht;,  welches  Rudolf  von  Ems 
gekannt  haben  muß,  heißt  Amphitryons  Sklave,    dessen  Gestalt  Mer- 
curius  annimmt^  Geta,  und  Mercur  wird  darin  nie  mit  seinem  eigent- 
lichen Namen,  sondern  mit  zwei  bei  römischen  Dichtern  vorkommenden 
Beinamen  genannt,  nämlich  zweimal  (V.  27  und  359)  Caducifer,  sonst 
aber    immer    Areas    oder  —  nach    der  Schreibung   wohl    der    meisten 
Handschriften  —  Archas. 

Die  Worte  'Und  Getä  was  Archas'  bedeuten  also:  Und  Geta, 
d.  h.  der  falsche  Geta,  war  in  Wirklichkeit  Archas,  d.  i.  Mercurius, 
wie  der  falsche  Amphitryon,  den  Alcmena  für  ihren  Mann  hielt,  in 
Wirklichkeit  Jupiter  war. 

Natürlich  ist  nun  Pfeiffers  Interpunction  zu  ändern  und  nach 
'was  (Z.  23)  ein  Komma,  nach  'Archas'  ein  Semikolon,  nach  'wart' 
ein  Komma  zu  setzen. 

WEIMAR,  Mai  1877.  REINHOLD  KÖHLER. 


*)  Näheres  über  dieses  Gedicht  und  dessen  Ausgaben  s.  in  der  flistoire  litteraire 
de  la  France  XXII  (1852),  41-48, 


286  K.  E.  H.   KRAUSE 

ZU  DEM  GRATZER  CISIOJANUS. 

aermania  XXI  (IX),  S.  338  ff. 


Die  Cisiojanus  dienen  bekanntlich  nicht  nur  dazu  die  Reihen- 
folge der  Fest-  und  Heiligentage  anzugeben,  sondern  sie  bezeichnen 
ganz  genau  das  Datum  selbst. 

Vom  Datum,  dem  Kalendertage,  sind  sie  daher  durchaus  abhän- 
gig, alles  andere:  Verszahl,  Verständlichkeit,  jDoetischer  Witz  kommen 
erst  in  zweiter  Linie.  Von  diesem  Gesichtspunkte  aus  zerfallen  alle 
deutschen  Cisiojanus  in  2  Classen: 

1.  Solche,  die  wie  die  lateinischen  den  Tag  durch  Silbenzahl 
angeben; 

2.  Die  dasselbe  durch  Wortzählung-  erreichen. 

Zu  den  ersten  gehört  der  niederdeutsche  des  Konrad  Gesselen, 
den  ich  bekannt  machte'*'),  zur  zweiten  Classe  der  von  Jeitteles  in  der 
Germania**)  mitgetheilte  Gratzer. 

Die  Erkennung  dieser  Zählmethode  würde  sofort  verderbte  oder 
richtige  Kalenderverse  ergeben  haben,  während  jetzt  einzeln  sogar  durch 
die  Amendierung  der  Kalender  in  Unordnung  gerathen  ist.  Im  Silben- 
Cisiojanus  muß  also  Januar  31,  Februar  28,  März  31  etc.  Silben  haben, 
im  Wörter-Cisiojanus  je  eben  so  viel  Wörter.  Als  Beispiel  setze  ich 
den  October  des  K.  Gesselen  her: 

Äemigius  der  was  milde, 

Dingesdach  maket  gilde, 

ock  is  Zwcas  mit  weghede  dar, 

dat  seget  symon  vorwar. 
Die  erste  Silbe  eines  Namens  gibt  die  Stichzahl:  i?emigius  Oct.  1., 
Dingesdach  Oct.  9. ;  es  ist  Dionysii,  Rustici  et  Eleutherii,  Dionysii  et 
sociorum  ,  ,.Dionisius  ende  syn  gesellen"  eines  niederl.  Kalenders 
saec.  XV  —  daher  die  gilde;  Lncas  Oct.  18.,  weghede  Oct.  21.  „elf 
dusent  maechden";  /Symon  Oct.  28. 

Sehen  wir  darnach  den  Cisiojanus  von  Jeitteles  an,  so  hat  Ja- 
nuar 31,  Februar  27!,  März  32!,  April  31!,  Mai  31,  Juni  30,  Juli  30!, 
August  30!,  September  30,  October  31,  Nov.  30,  December  30!  Worte 


*)  Im  Osterpr.  187.')  des  Gymn.  zu  Rostock;  von  Jeitteles  übersehen. 
**)  XXI  (IX),  S.  338  ff. 


zu  DEM  GRATZER  CISIOJANUS.  287 

resp.  Tage;  in  den  Versen  für  Februar,  März,  April^  August,  December 
stecken  also  Fehler,  deren  Stelle  sich  durch  die  HeiHgentage  näher 
feststellen  läßt. 

Im  Januar  stimmen  die  Tage  genau,  wenn  für  jedes  Wort  die 
Zahl  von  dessen  Stelle  gesetzt  wird:  besniten  1.  (circumcisio),  ciiunik 
(h.  3  Könige)  6.,  Erhart  8.,  Marcell  16.,  Antony  17.,  Prisca  18.,  Fa 
bian  20.,  Agnes  21.,  Vincenz  22.,  Paulus  25.  „Pauwels  bekeringe", 
conversio  Pauli;  Policarp  26. 

Im  Februar  tritt  der  Fehler  nachScolastica  ein;  denn  es  stimmen: 
Breid  („Brigida  raaecht")  1.,  Marein  („onser  vrouwen  lichtmis")  2., 
Blasen  (Blasius)  3.,  Dorothea  6.,  Scolastica  10.  —  Valtein,  Valeutinus 
presb.  et  raart.  bei  Biuterim,  sollte  auf  den  14.  fallen,  fällt  aber  im 
Cisiojanus  auf  den  13.  und  so  alle  folgenden  einen  Tag  zu  früh.  Es 
ist  daher  S.  341,  V.  14  die  Lesart  von  B.  richtig: 

„daz  im  sand  Valtein  (oder  Valentein)"- 

Dadurch  fällt  nunmehr  Valentin  auf  den  14.,  Juliaua  auf  den  16., 
Petrus,  „Sunte  Peters  seteling",  Cattedra  S.Petri  in  Antiochia  (Binterim), 
auf  den  22.  und  Mathias  auf  den  24. 

Im  März  stimmen  die  Heiligen:  Adrian  4.,  Gregor  12.,  Gedräut 
17.,  Benedict  21.,  Maria  ("^ons  heren  entfangenis',  im  niederd.  Lübecker 
Kalender  Rost.  Univ.  Bibl.  Mss.  theol.  14.  saec.  XV:  unser  vrouwen 
dach  der  badeschop)  25.,  Ruprecht  27.;  da  nach  ihm  aber  noch  5  Wörter 
folgen  statt  4,  so  ist  „verguet"  zu  verbinden  und  die  Zahl  31  ist  her- 
gestellt. 

Kalendarisch  genommen  ist  auch  die  Lesart  von  W.  im  V.  19 
richtig : 

Merz  haizz  Kunigunden  Adrian, 
denn  Kunigund  fällt  auf  den  3. 

April  ist  schwerer  herzustellen.  Die  Heiligentage  des  Ambrosius 
(4.),  und  Tiburtius  (14.)  stimmen;  aber  ein  Valerian  kommt  nirgend 
zum  18.,  sondern  nur  zum  14.  vor:  „Tiburtii  et  Valeriani",  oder  „Ti- 
burtii  Valeriani  Maxiraiani"  (Binterim).  Im  Lübeckischen  Kalender 
finde  ich  aber  ganz  isoliert  einen  Valerius  zum  18.,  der  sonst  dem  h, 
Eleutherius  gehört.  Es  wird  also  wegen  der  bekannten  Zugehörigkeit 
des  Valerian  zum  Tiburtius  eine  Verwechslung  beim  Abschreiben  vor- 
gekommen sein;  kannte  der  ursprüngliche  Verfasser  die  Bedeutung 
des  griech.  Namens,  so  war  der  Vers: 

Eleuther  sich  daz  grozz  elend 
recht    bezeichnend;    im  jetzt  vorliegenden   scheint  sogar  auf  Valerian 


288  1^-  ^-  H.  KRAUSE 

das  Geschäft  des  Valentin:  die  Fallsucht,  das  Elend  zu  heilen,  über- 
tragen werden  zu  sollen.  Eine  noch  gröli^ere  Schwierigkeit  macht 
Jörgen,  St.  Georg,  dem  fast  überall  in  Deutschland  und  Frankreich 
der  23.  April  geweiht  ist;,  hier  im  Cisiojanus  aber  der  25.,  welcher 
unbestritten  dem  Evangelisten  Marcus  gebührt,  obwohl  dieser  hier 
auf  den  26.  gerückt  ist.  Da  nun  auch  Vital  vom  29.  auf  den  30- 
geschoben  und  dem  April  31  Tage  beigelegt  sind,  so  ergeben  sich  die 
beiden  nothwendigen  Remeduren,  wenn  zwischen  'Valerian'  und  Morgen' 
ein  Wort  gestrichen  wird,  wodurch  Vital  auf  den  29.,  Marcus  den  25., 
Georg  den  24  gerückt  wird.  In  letzterem  Tage  hätte  Gratz  sich  dann 
nach  Mailand,  Aquileja  und  Pavia  gerichtet,  wo  der  Georgstag  am 
24.  April  gefeiert  ist.  Vgl.  Weidenbach,  Calend.  S.  168,  Sp.  2.  Im 
Verse  11  S.  342  war  daher  richtig  in  A.  corrigiert: 

Furcht  Jörgen,  Marxen  gachen  end; 

und  es  muß  dann  interpungiert  werden,  mit  Anspielung  auf  den  Namen 
VitaHs: 

Furcht  Jörgen,  Marxen;  gachen  end 

Vital  daz  wend. 

Mai  und  Juni  sind  kalendarisch  richtig,  S.  342,  V.  15  giebt 
„chreuz"  (niederl.  Cal.:  't  heilig  cruce  vinding,  Lübecker  Cal. :  cruces 
dach  alset  vunden  wart),  Invencio  crucis  den  3.  Mai;  V.  16  Johannes 
(niederl.  Cal. :  Sunte  Jan  in  die  olie),  Johannes  ante  portam  latinam 
den  6.;  S.  343,  V.  5  ,.Vriaul",  F.:  'fryel'  hat  Jeitteles  als  unerklärbar 
angegeben;  von  8  mir  vorliegenden  Calendarien  nennen  5  diesen  Tag 
(23.  Juni)  einfach  Vigilia,  vighelij,  Lübeck.  Cal. :  ,,de  avent",  nämlich 
St.  Johannis  baptistae.  Sollte  daraus  in  Erinnerung  an  das  benach- 
barte Friaul  und  den  kurz  vorher  citierten  Ortsnamen  (Petronell) 
Vriaul  entstanden  sein?  Bei  der  Lesart  Stagaul  -—  St.  Agaul  könnte 
man  übrigens  auch  an  die  heiligen  Agilbert  (Aglibert)  und  Agoardus 
denken,  welche  aber  nicht  zum  23.,  sondern  zum  24.  Juni  gehören.  — 
V.  7  bietet  Hensel  die  Stichzahl  für  'Jan  ende  Pawels  Martelaren 
(26.)  und  slwp  für  'Seven  slapers'  Germanorum  etc.  (27.) ;  darauf  Peter 
für  Peter  und  Paul  (29.),  Paul  für  conversio  Pauli,  niederl.  Cal.:  S. 
Pauwels  ghedenkenis,  Lübeck.  Cal.:  Sunte  Pawels  gedechtnisse  (30.). 

Für  Juli  sind  nur  30  Worte  angesetzt,  das  31.  ist  zu  suchen; 
da  alle  Heiligentage  stimmen,  ist  irgend  ein  nichtssagendes  Wort  nach 
Jacob  (S.  344,  V.  3)  ausgefallen,  vielleicht  bildeten  4  Worte  dann  eine 
besondere  Verszeile  und  reimte  vorher  Magdalein  :  treun.  Der  zweite 
Tag  nach  Margret  (13.)  heißt  Divisio  apostolorum  (15.),  niederl.  Cal.: 


zu  DEM  GRATZER  CISIOJANUS.  289 

der  apostolen   sceiding,  S.  343,  V.  13  gibt    daher    von    'poten    senteri 
das  letztere  Wort  die  Stichzabl*). 

Aucli  für  August  ist  das  31.  Wort  zu  suchen;  die  Stelle  ist 
leicht  zu  finden:  schon  Laurenz  steht  nicht  richtig  (9.)  und  gar 
Maria  (14.)  hat  einen  Tag  verloren,  denn  assuraptio  Marie  ist  bekannt- 
lich der  15.  August.  Da  Afra  auf  den  7.  richtig  angesetzt  ist,  muß 
S.  341,  V.  7  also  die  Lesart  von  B.  die  Richtige  sein: 

sich  pey  laurenczen  in  großen  noten  stan, 
so  erhält  Laurentius  seinen  10.,  Maria  den  15.,    und  die  Vermuthung 
in  der  Note  ist  nicht  stichhaltig.    Auch  die  Versforna: 

sich  pey  laurenczen  und  sant  Polten  stan 
ist  möglich,  denn  Ypolitus  fällt  auf  den  13. ;  Wernhart  sollte  mit  B. 
doch  richtiger  Bernhart  heißen**):  Bernardi  Abbatis  Aug.  20.;  im  v.  11 ; 

Augustin  unser  seid  meren 
ist    seid    deutlich    anspielendes  Stichwort  (30.)  auf  Felicis  et  Adaucti; 
welcher  letzterer  im  Lübeck.  Cal.  nur  Auctus  heißt. 

September,  October  und  November  sind  der  Wortzahl 
nach  richtig;  schon  darnach  darf  S.  344,  v.  13  *most  wein'  nicht  in 
ein  Wort  zusammengezogen  werden.  Auch  im  niederl.  Cal.  heißt 
Aegidius  'Gillis,  abt';  in  v.  15  ist  'chreuz'  das  Stichwort  des  14.  Sept.: 
niederl.  Cal.  'T  heilig  cruce  verheffing,  Lübeck.  Cal.:  des  hilghen 
cruces  dach  der  vorhoginge.  Ruprecht  S.  345,  v.  2,  Bischof  von  Salz- 
burg, f  Ostern  723***),  wird  am  27.  oder  auch  am  25.  März  gefeiert; 
hier  ist  "^Ruprecht  im  Herbste^  Ruperti  translatio,  Sept.  24,  geraeint. 

Für  den  1.  October  ist  Turchkan  freilich  nicht  zu  deuten; 
sollte  ein  slawischer  Namef)  darin  stecken?  Zum  1.  Oct.  kommen  an 
Heiligen  nur  Trade  episc.  und  Domnius  vor,  die  man  in  Frage  ziehen 
könnte.  Wer  den  Dionysius  in  den  Cisiojanus  aufnehmen  wollte,  hätte 
aus  der  Lesart  von  B.  *so'  zu  streichen: 

Marcus  hayß  dionisium  (9.)  etc. 


*)  Sollte  ursprünglich  dagestanden  haben: 
dar  umb  wil  Margreiten 
poten  scei(e>i? 
Der  von  Jeitteles  vermißte  Reim  wäre    dann    hergestellt.     Die  in  B.  vor  Jacob 
eingeschobene  Christiana  ist  S.  Christine  mit  dem  richtigen  Tage  (24). 
**)  Obwohl  dialectisch  Wernhart  =  Bernhart  sein  kann. 
***)  Kehrein,  Lat.  Sequenzen  des  Mittelalters.  Mainz  1873.  s.  v.  Potthart  bibl. 
sup.  397. 

t)  S.  346,  V.  7  not.  Lesart  B.  Nischka  für  Niclas  uud  Z.  5  v.  u.  „chentmail". 
GERMANIA.  Neue  Reihe  X.  (XIII,  Jahrg.)  19 


290  F-  BECH 

Im  November  wird  S.  345^  v.  12  „alle'*  an  'Aller  Seelen  Tag» 
anspielen  (2.);  niederl.  Cal.:  alre  seelen,  Lüb.  Cal. :  allen  cristen 
sele  dach. 

Dem  December  fehlt  wieder  ein  Tag,  und  zwar  vor  Lucey, 
die  hier  auf  12.  statt  13.  fällt.  S.  346,  v.  9  muß  es  also  nach  W. 
und  F.  heißen: 

daß  Niclas  uns  Maria 
gnaden  erpit.     Zu  Venedig 
Lucey  etc. 
So  wird    auch  'Christ'  v.  12  Stichwort    für    den  25.,  Weihnacht 
Stephan    für    den  26.,  Haus  =  Johannis   evaugelista  für  den  27.  und 
'chinder,  Lüb.  Cal.:  kindere  dach,  niederl.  Cal.:  Die  onnosel  Kinder, 
für  den  28.,  so  daß  alles  stimmt. 

ROSTOCK,  December  1876.  K.  E.  H.  KRAUSE, 


WORTFORMEN  AUF  -EZR 

Nachtrag  zu  Germania  X,  395—398  und  XIV,  431  folg. 


Zu  geheime :  vgl.  Koelhoffsche  Chron.  (Cb-on.  der  D.  Städte  B.XIII) 
516,  7  sin  geheins  wart  zo  Coellen  bracht'^  ebenso  521,  20;  gebeintz  522, 
33  sin  gebeintz  wart  bracht  van  dan.  —  Gebertze,  «.,  Bahre,  Traggestell, 
Koelhoflfsche   Chronik  145,  3  do    lachte   men    si    doit   up    ein   gebeirtze, 

—  Gebirgeze,  Gebirge:  Schambach  Wörterb.  60''  und  Hildebrand  im  D. 
W.  IV,  1774—75;  vgl.  Eberhard  Zersne  Minneregel  4272:  da  nach — 

begund  ich  riten durch  gebirgete',  Görlitzer  Annalen  235:    an  dem 

gebirgide]  247:  obir  das  gebirgide\  Zeitzer  Copialbuch  (vgl.  in  dieser 
Zeitschr.  XX,  S.  330)  fol.  103*  loüste  dorffir  in  dem  gebirgedc,  ebenda 
die  dorffir  mit  allen  iren  czügehorungen  weiden  und  gehirgeden\  Bruder 
Hansens  Marienlieder  1913:  gehircht'^  2992:  in  den  gebirchten  lustlüch 
iceterhellet  der  cleyner  voglün  singen.  In  der  Koelhoffschen  Chronik 
512,  1  (a.  1499)  heißt  es:  dat  he  eme  allit  naevonlchde  over  dat  gebirchtz 
ind  wae  he  is  zo  doin  hatte',  514,  16  over  dat  gebirchts\  513,  1  buschoj 
Reinolt  reisde  mit  dem  keiser  over  dat  gebirchs;  291,  33  si  gink  snellich- 
lich  over  dat  gebirchs  (==  Lucas  1,  38  abiif  in  montana  cum  festinatione). 

—  Gebloimeze,  gebloimetse,  das  Blühen,  die  Blüthe,  z.B.  des  Getreides,  (vgl. 
geblüete  in  Fundgr.I,  312,34,  Wolkenst.  115,2,6)  bei  Schambach  1. 1.  60"; 
geblimts  in  der  Hennebergischen  Mundart  bei  Frommann  Mund.  IH,  135; 


WORTFORMEN  AUF  -EZB  291 

=  nd.  geblomete,  Schiller  und  Lübben  Wörterb.  II,  21''.  —  Zu  gebü- 
weze:  vgl.  gebüwede  bei  Daniels  und  Gruben,  Das  Sächsische  Weich- 
bildrecht 384,  25;  das  gebeuwede  383,  32;  Laurent,  Aachner  Zustände 
S.  54:  die  oversfe  borg  2er  Dicke  mit  yren  tornen,  sailen,  muren,  gebü- 
loetse  ind  graven  (a.  1383).  —  Gedeckeze,  gedechze?  =  Decke,  Dachung; 
Weist.  IV,  G22  (aus  Neubamberg,  15.  Jahrh.)  hält  der  arm  man  nif 
gedecks,  soll  der  becker  alss  vil  gedecks  dar  geben^  dass  der  deyck  hewart 
sij\  11,683  aus  einem  SchefFenweisthum  von  Zinxheim  (a.  1622):  ein 
haus  zu  Weiere  soll  den  bauch  von  der  kirchen  an  der  sommerselten  in 
gewhönlichem  gedächs  hallen'^  =  gedeckede  bei  Twinger  von  Koenigs- 
hofen  ed.  Hegel  632,  1 :  do  sanie  er  erber  botten  vnd  ein  ros  mit  eime 
ühergüldeten  gedeckede  =  mit  eime  vergidteten  gedeckete  ed.  Schilter  235; 
bei  letzterem  S.  522  aus  der  „Lombardica  historia"  fol.  104^":  der  ging 
eines  nahtes  zu  der  boren  do  Sant  Athala  uff  lag  und  warff  das  gedeckete 
abe  ir]  Zarucke  zu  Seb.  Brants  Narrenschiff  18,  20  über  gedeckt]  vgl, 
ahd.  bedeckeda  und  muotferdecchidi  bei  GrafF  V,  103.  —  Gedermeze, 
das  Gedärme ,  bei  Martin  Schultze  Idiotie,  der  nordthür.  Mundart 
S.  39;  =  gedermete  bei  Schiller  u.  Lübben  1.  1.  II,  28,  ghedarmfe  bei 
Kilian.  —  Zu  gedingefze  vergleiche  man  noch  Weist.  VI,  393  (aus 
Stockstadt  a.  1387):  und  gebe  gedingtze  zu  urholtze\  =  gedingede  im 
Stadtbuche  von  Augsburg  ed.  Meyer  S.  204;  Alemannia  III,  115,  46: 
nit  gedingden  hän:  Scriptt.  rer.  Pruss.  IV^  432:  mit  ingedinget  das,  unter 
der  Bedingung  daß.  —  Gehotnveze,  gehouze,  Hau,  Holzschlag,  aus  Arnoldis 
Beiträgen  42  bei  Lexer  Handw.  I,  793;  =  gehouivede,  das  bisher  noch 
nicht  nachgewiesen  ist,  —  Zu  gejagetze :  aus  der  Gegend  der  Untermosel 
bei  Grimm  Weist.  II,  440,  Z.  1 :  item  haint  sie  gewyst  v.  gn.  h.  v.  Trier 
das  gejegs  vnd  den  wiltpanne  (a.  1468) ;  aus  der  Gegend  der  Obermosel 

ebenda  258,  Z.  11:   toir   loeisen  unserm   hern geiügts  vnd  darzu 

zween  vogelhundt\  ferner  ziehe  ich  hierher  V,  678,  Z.  14:  item  die  bach 
minem  gn.  h.  von  Bitsche  und  dasz  gegeczs  (?)  etc.  (a.  1484);  ebenda 
heißt  es  S,  509,  Z.  23:  kompt  unser  g.  h.  von  Hanau  mit  dem  gejägs  in 
eigener  person  her  und  begert  zu  jagen  (a.  1490).  Koellioflfsclie  Chron 
383,  14  he  ivart  erslagen  as  he  des  nachtz  van  dem  gejegs  quam.  —  Zu 
gemaelze:  vgl.  in  dieser  Zeitschrift  XVI,  86  die  bilder  und  das  gemäls 
(a.  1560).  Was  heißt  gemilze  waehe  im  .J.  Tit.  ed.  Hahn  1650,  4?  — 
Zu  geremze:  vgl.  Laurent  Aach.  Zust.  187,  1  Item  de  geremze  supra  lo- 
bium  mngistrorum  civiutn  2^1^  m.  (a.  1346);  dazu  halte  man  geräms 
gräms  bei  Müller  u.  Weitz,  Die  Aachener  Mundart  66.  Koelhoffsche 
Chron.  634,  8 — 9  dairzo  macht  men  dem.  bischof  ein  iseren  geremsse  as 
ein  vogelskorf  buissen  an  der  muiren  vam  slos.  —  ßteingeschurreze  ?  stein- 

19* 


292  F.  BECH,  WOKTFOKMEN  AUF  -EZE. 

geschürze  für  steingeschürß  vermuthet  bei  Suchenwirth  18,  25,  vgl.  Lexer 
Handwört.  II,  1165;  dies  würde  ein  geschürrede  oder  geschorrede  voraxis- 
setzen.  —  Zu  gesteinze:  vgl.  edele  gestei/nte  in  dem  Vergleiche  zwischen 
Erzbischof  Albrecht  und  Claus  von  Bißmark  aus  dem  J.  1370  bei 
Dreyhaupt  Beschr.  des  Saalkreyses  I,  83;  ebenso  bei  Janota  (Krakauer 
Progr.  a.  1855)  S.  8  (nicht  7)  sowie  im  Urkundenbuche  von  Meieren 
II,  Nr.  805  (a.  1409)  daz  guldin  pectordl  mit  deme  gesteinde.  —  Zu  gestinitze: 
vgl.  noch  Koelhoffsche  Chron.  289,  26:  astronomie  dat  is  die  kunst  van 
dem  gestirntz.  —  Zu  gestülze :  vgl.  Koelhoffsche  Chron.  496,  25 :  dairinne 
stoinden  vil  buschoioe  ind  heirlicher  prelaten  gestoils.  —  Zn  getierze:  vgl. 
gederze,  gedirze  bei  Schambach  1.  1.  60;  getirts  in  der  Henneb ergischen 
Mundart  bei  Frommann  1.  1.  III,  135  und  getierz  Plural  getierzer  ebenda 
VI,  514,  Z.  25;  jetierze  in  Martin  Schultzes  Idiot,  der  nord-thür.  Mund- 
art S.  39;  daselbst  S.  45  imgetierze,  Unthier;  aus  einem  Weisthum  von 
Udelhoven  (in  der  Nähe  von  Prüm,  a.  1481)  bei  Grimm  II,  533,  Z.  5: 

die  kyrchengijft    und   alle    zehenden    klein    und   groifi von    allen 

hiesten  und  gedierzehen  weisen  sey  dem  gottshauß.  —  Zu  gevogelze:  aus 
einer  Bannformel  von  Lützelnau  in  Weist.  IV,  575  ich   teylen  das  ivtp 

ein  loittwe  und  kynde  weysen  und  syn  gudt  den  rechten  erhen den 

hals  dem  lande,  den  Itp  dem  gefogeltz-,  Diefenhach  Gloss.  628*  volatile 
das  gefogeltz]  =  gevogelte  bei  Schiller  u.  Lübben  II,  96**.  —  Gevuorze 
=  gevüere,  Fuhrwerk,  Vortheil,  aus  den  Frankfurter  Bürgermeister- 
büchern des  15.  Jahrh.  und  aus  Oberlin  497  bei  Lexer  1.  1.  I,  970 ; 
vgl.  Herbort  Troj.  4108  als  ez  im  zti  eren  gezam  und  zti  gevort  (?)  ivol  quam. 
—  Geweintze,  das  Weinen,  Gewinsel,  bei  Fichard  Frankfurter  Archiv 
II,  57  in  der  d/injer  hern  laut  ist  grosz  geweintz  (:  A/eintz)  Von  kindem 
frauwen  und  auch  von  mannen.  —  Gewennerze?  geicanerds,  gewaenerz, 
das  Gespenst,  vom  tcandern  benannt,  bei  Vilmar  Idiot.  441.  —  Zu  ^e- 
wulfze :  gewelfze,  vgl.  gewelmts,  Gewölbe  in  der  Hennebergischen  Mund- 
art bei  Frommann  1.  1.  III,  135;  dazu  geioelhde  in  dem  früher  erwähnten 
Zeitzer  Copialbuche  fol.  324"  die  kirche  hat  eyn  gut  gewelhde:,  ebenso 
324'',  444''  kelre  ader  geioelhde\  445''  gewelpde]  =  geweift  bei  Schiller 
u.  Lübben  1,  1.  II,  101*.  —  Gezünze,  das  Umzäunte,  die  Umzäunung, 
Weist.  V,  596  aus  den  Rechten  der  Abtei  Limburg  a.  1448:  inwendig 
deme  gezüntzen  (so!);  VI,  421  aus  Weidenthal  a.  1552:  im  gezüntze; 
vgl.  mhd.  geziune,  md.  gezüne  und  mnd.  tCinete  im  Sachsenspiegel  Landr. 
ed.  Homeyer  I,  20,  1  und  24,  1  (=  ed.  Goeschen  I,  Artikel  II  und  16) 
mit  der  Variante  gezünede.  — 

Nicht    hierher    gehörig,   wenn    auch    der   Schreibung    nach    sehr 
ähnlich,  ist  was  sich  in  Raabs  Urkundenbuch  von  Seitenstetten   findet 


TH,  GELBE,  KINDERLIEDER  UND  REIME.  203 

S.  149  (a.   1312):   Ich   Wetitihart  von  Schaffer-velde  vergich dfiz  ich 

—  —  den  eigensehaff  und  alz  daz  reht  daz  ich gehabt  hau  ajt  dem 

lecken daz    da    leit    in    der  Trcftiich,    ze    holtze    und   ze    velde,  be- 

suechtze    und    unehesuechtze ,     gepaunz    und    ungepatmz ,    ge- 

stiftze  und  ungestifze  unser  vraioen  zu  /Seittenstetten ze  chatiffen 

hän  gegeben. 

ZEITZ,  Mai  1876.  FEDOR  BECH. 


KINDERLIEDER  UND  REIME 


VON 

TH.  GELBE. 


Daß  Kinderlicder  und  Kinderspiele  für  die  Erforschung  und  Er- 
kundung der  Völker-  und  Stamracsverhältnisse  von  größter  Wichtig- 
keit seien,  hat  wohl  seit  der  Sammlung  von  Rochholz  und  seit  Ger- 
maniens  Völkerstimmen ^  in  denen  diesem  Theile  der  Volkspoesie  und 
diesem  Ausdrucke  des  Volksgeistes  eine  erfreuliche  Aufmerksamkeit 
gewidmet  worden  ist,  niemand  bezweifelt.  Der  große  Eifer,  mit  welchem 
von  verschiedenen  Seiten  die  Sammlung  und  Aufzeichnung  derselben 
unternommen  wurde,  hat  die  erfreulichsten  Erfolge  gehabt,  aber  auch 
gegen  Rochholz  erwiesen,  daß  dessen  Behauptungen  nicht  immer  das 
Rechte  trafen.  Zunächst  nämlich  muß  anerkannt  werden,  daß  zwar 
eine  Anzahl  Kinderlicder  und  Kinderspiele  Gesammteigenthum  der 
gesammten  spielenden  Kinderwelt  und  sehr  viele  das  der  Kinder  eines 
Volksstammes,  also  in  unserem  Sinne,  des  deutschen,  sind,  aber  auch 
das  darf  nicht  verkannt  werden,  daß  davon  nicht  wenige  sind,  welche, 
obgleich  sie  Gesammteigenthum  zu  sein  scheinen,  doch  einzelnen  Gauen 
unbekannt  blieben  und  andere  nur  in  den  einen  oder  anderen  Gauen 
aufzufinden  sind,  in  denen  sie  entstanden.  Ferner  aber  ist  ebenso 
sicher,  daß  einzelne  in  verschiedenen  Gegenden  oft  in  so  verschiedener 
Fassung  auftreten,  daß  nur  eine  Vergleichung  mit  mehreren  die  Iden- 
tität, sowie  die  ursprünglichste  oder  vollkommenste  Gestalt  festzustellen 
vermag,  ja  nicht  selten  hat  die  eine  Provinz  zwei  verschiedene  Lieder 
in  eins  verwebt.  Man  vergleiche  nur  meine  Sammlung  mit  der  des 
geographisch  so  nahe  liegenden  Vogtlandes*).  Endlich  wird  dem  Samm- 
ler nicht  entgehen,  daß  der  Kindermund  auch  neues  schaffen,  altes  zu 
erweitern  vermag;  wozu  er  sich  um  so  mehr  geneigt  zeigt,  je  mehr  freier 
und  froher  Sinn  ihn  beseelt. 


*)  Dunger,  Kinderlieder  und  Kinderspiele  des  Vogtlandes.  Plauen  1874, 


294  TH    GELBE 

Als  ein  solcher  Gau,  welcher  seine  ihm  allein  und  durchaus 
eigenthümlichen  Liedclien  besitzt,  erschien  dem  Verfasser  seine  engste 
Heimat,  die  Lausitz,  speciell  seine  Vaterstadt  Bautzen,  wenn  er  sich 
auch  bald  darüber  klar  ward,  wie  zurückhaltend  sich  während  seiner 
Zeit  die  dortige  Kinderwelt  gegen  von  fremd  her  eingeführte  Lied- 
chen verhielt.  Freilich  ist  dies  mit  der  Zeit  anders  geworden  und  wie 
jetzt  nicht  mehr  das  quadratische  Windspiel  die  einzige  Drachenart 
der  Bautzner  Knabenwelt  ist,  so  haben  sich  auch  Liedchen  eingestellt, 
die  Verfasser  bald  als  Gesammteigenthum  der  deutschen  Kinderwelt 
oder  als  Sondereigenthum  der  erzgebirgischen  erkannte. 

Bald  fand  auch  der  Verfasser,  daß  sogar  in  demselben  Gaue  zwei 
verschiedene  Orte  verschiedene  Fassung,  ja  daß  dasselbe  Liedchen  in 
Stolberg,  einer  Stadt  von  ungefähr  7000  Einw.  verschiedene  Fassung 
habe.  Seinen  Plan,  die  mit  allen  Varianten  versehene  Sammlung  von 
über  500  Liedchen,  von  denen  233  entweder  noch  gar  nicht  gedruckt 
oder  doch  in  beinahe  unkenntlicher  Gestalt  bekannt  sind,  zu  veröffent- 
lichen, hält  er  noch  nicht  für  reif,  weil  ihm  immer  und  immer  wieder 
neue  Liedchen  zuströmen  und  so  versucht  er  zunächst  eine  kleine  Aus- 
wahl noch  soweit  er  weiß  uugedruckter  zu  publicieren. 

Obschon  ihn  manches  Reimloin  drängt,  einige  erklärende  Worte 
beizufügen,  versagt  sich  der  Sammler  dies  doch,  eine  günstige  spä- 
tere Gelegenheit  dazu  erhoffend. 

Die  Anordnung  Simrocks,  wenn  sie  dem  Sammler  auch  nicht  die 
richtigste  zu  sein  scheint,  ist  beibehalten  worden,  in  der  Voraussetzung, 
daß  Simrocks  Buch  die  weiteste  Verbreitung  gefunden  habe.  Auf 
dessen  sowie,  wenn  es  thunlich  erschien,  auch  auf  die  übrigen  Samm- 
lungen ist  verwiesen. 

Ch.  bedeutet  Chemnitz  und  Umgegend,  B.  Bautzen  und  Umge.- 
gend,  St.  Stollberg  und  dessen  weiteste  Umgegend,  Obererzgebirge  ist 
die  Gegend  von  Schwarzenberg  genannt  worden. 

Sollte  sich  ein  oder  das  andere  Liedchen  schon  gedruckt  finden, 
so  bittet  der  Sammler  dies  damit  zu  entschuldigen,  daß  es  ihm  in 
seinem  etwas  abgelegenen  Wohnorte  nicht  möglich  war,  alle  Samm- 
lungen einzusehen. 

1.  Simr.  8.  2.  Simr.  17  ff. 

Wo  wohnt  der  Schneider?  a)  Kinn,   Kinnchen, 

E  Häusl  weiter  u.  s.  f.  Mund,   Mündchen, 

Soll  ich  klingeln  oder  pochen?  Nas,  Naschen, 

Ch.  St.  Guck,  Guckchen, 


KINDEKLIIiDER  UND  REIME. 


295 


Stirn,   Stirnchen, 

Zupp,   zupp  mei   Hörnchen.  St. 

b)  Kinnchen, 
Mündchen, 
Naschen^ 
Bäckein, 
Guckein, 
Stirnchen, 

Zupp,  zupp  mei  Hörnchen.  B. 

c)  Kinnwippchen, 
roth  Lippchen, 
Naseukippchen, 
Augenbräunchen, 
Stirnblättchen, 

Zupp,  zupp,  zupp,  Hühnelchen! 

Erzgebirge. 

3,  Simr.  22,  1. 
Kleiner  Nickel, 
Fingerringel, 
Langer  Stecken, 
Quirllccker, 
Lausekuicker. 


St. 


4.  Simr.  43  ff. 

a)  Patsche,  patsche,  Küchel, 
Mehl  in  den  Tiegel, 
Butter  in  e  Eeinel, 
'SJungel  is  e  Schweinel. 

b)  1   und  2  =:  1   und   2   in  a,  dann 
Butter  in  e  Pfännel, 

Back  mir  e  Männel, 
So  groß,  30  lang. 
Wie  ne  Bank. 

c)  1  und  2  =  1  und  2  in  a,  dann  folgt : 
Butter  in  die  Pfanne, 

'S  Kindel  soll  nich   zanne, 

'S  zannt  aber  immer, 

'S  wird  alle  Tage  schlimmer.       St. 

5. 

Wir  schieben  unsre  5  Finger  zusamm'n, 

Wir  wollen  eine  neue  Kammer  anfang'n, 

Die  Kammer  ist  gut. 

Setzt  auf  euern  Hut, 

Streicht  an  euern  Bart 

Nach  Edelmanns  Art. 

Ei,  du  liebe  Strodefidel, 

Wer  da  lacht,  dem  geht  es  übel; 


Rumpelte,   bumbelte 
Fuhrmannamützen  muß  man  haben, 
Wenn  man  will  auf  der  Straße  fahren . 

St. 
6. 

Herzeliebe  Puppe, 

Lange  nicht  gesehn, 

Koch  mir  eine   Suppe, 

Ja  das  soll  geschehn ; 

Für  en  Dreier  Butter, 

Für  en  Dreier  Bier, 

Herzeliebe  Puppe, 

Komm  und  iß  mit  mir.  B. 

7.  Simr.  57.  Peter  81. 
Außer  den  von  Simrock  gegebenen  1  Zei- 
len kennt  man  noch  folgende  Fortsetzung 

in  Stollberg: 
Sie  nimmt  die  Stückchen  Brot, 
Ich  nehm  die  Dreier; 
Sic  nimmt  den  Dudelsack, 
Ich  nehm  die  Leier; 
Sie  geht  nach  Burckhardtsdorf, 
Ich  geh   nach   Geyer. 

8.  Sim.  78.  Dung.  146.  276. 
Lirum  larum  Löffelspiel, 
Kleine  Kinder  essen  viel, 
Alle  Tag  zwei  Groschenbrot, 
Morgen  sind  sie  alle  tot.  Cb. 

oder  als  letzte  Zeile: 
Nimm  dieKrauthack,  schlag  sie  todt.     St. 

9.  Simr.  98.  Dung.  173.  Peter  75. 
Ausser  diesem  noch  folgendes : 
Was? 
Katzendreck  is  naß.  B. 

10.  Simr.  104.  Dung.  30.  31. 
1 — 4  =  Simr.  104, 1 — 4,  dann  wie  folgt: 
a)  Kommen  dann  die  Müller  mucken, 
Die  ihn  hinten   und  vorne    zwicken. 

B. 
od.  b)  Kommen  dann  die  Wammeskatzen, 
die  ihn  hinten  und  vorne  kratzen. 
Obererzgebirge. 


296 


TH.  GELBE 


11.  Simr.  107. 
So   reiten  die  Herren, 
Mit  blanken  Gewehren, 
Mit   blanken  Pistolen, 
Sie  reiten  nach   Polen. 


15.  Simr. 
A,  b,  ab, 
Du  hast  en  Klapp. 


191. 


St. 


Ch. 


16. 


12.  Simr.  107. 
Säg  Holz,  säg  Holz! 
Plump   Wasser,  plump   Wasser !        Ch. 

13.  Simr.  130  flf.  Dung.  36.  Peter  42. 
Wie    reiten    denn    die  Bauern?    sapp, 

sapp,  sapp! 
Wie  reiten  denn  die  Herren?  trab,  trab, 

trab ! 
Wie  reiten  denn  die  EdelleuteV  Galopp, 
galopp,   galopp!      B.  Ch. 

14.  Simr.  192  ff.  Dung.  123. 

A,  b,  ab, 

Mein  Bauch   schnappt, 

B,  e,  c, 

Das  thut   weh.  St. 


A,  b,  c, 

Kopf  in  die  Höh; 

D,  e,   f, 

Wart  ich   treff; 

G,  h,  i, 

Das  macht  Müh; 

J,  k,  1, 

Nicht  so  schnell; 

M,  n,  o, 

Schrei  nicht  so ; 

Das  geht  schwer; 

S,  t,  u, 

Machs  Buch  zu; 

V,   w,   X, 

Mach  en  Knix; 

Y,  z, 

Nun  geh  zu  Bett, 


Ch. 


Drinne    bleiben, 
Käse  reiben, 
Kuchen  backen, 
Fleisch  hacken. 


Hier  mögen  sich  einige  Schullieder  anschließen,  die  bei  Simrock  ganz 
fehlen:  Dunger  124  ff.  Peter  88  ff. 

17,  20. 

Erste  Stunde:   Tafelrechnen, 
Zweite   Stunde:   Kopfzerbrechen, 
Dritte  Stunde:   Deklamiren, 

Vierte  Stunde :    Heimmarschireu.  Fleisch  hacken.  St. 

B.  Ch.  St. 

18. 
Die  erste  Bank  kann   gehn. 
Die  zweite  Bank  muß  stehn, 
Die  dritte  Bank  ist  faul  gewesen, 
Die  vierte  Bank  kann  gar  nicht  lesen, 
Die  fünfte  Bank   muß  dableiben. 
Die  sechste   Bank  muß  Käse  reiben, 
Die  siebente  Bank  muß  Nüsse  knacken, 
Die  achte  Bank   muß   Kuchen    backen, 
Die  neunte  Bank   bleibt  stehn, 
Die  zehnte  Bank   kann   gehn.  St. 


19.  Rochholz  120. 
Unsre  Schule  ist  jetzt  aus, 
Mit  Gott  gehn  wir  nach  Haus, 
Leben   Sie  wohl,   Herr  Schmidt! 


St. 


21.  Simr.  201,  217  ff.  Dung.  1  ff.  Pet. 

1  ff.  Stöber  1  ff.  Birl.  1  ff. 
Schlaf,  Kindchen,   schlaf, 
Der  Vater  hütet  die   Schaf, 
Die  Mutter  schlachtet  den  Ziegenbock, 
Da  kriegt  mein  Kind  einen  neuen  Rock. 

St. 
22. 
Schlaf,  mein  Kindchen,   schlaf, 
Schöner  wie  ein  Graf; 
Engel  tragen  dich  zur  Ruh, 
Drück  im  Frieden  die  Augen  zu,         St. 

23. 
Schlaf,   mein  Kind,   beruhige  dich! 
Wärst  du  groß,   so  schlug  ich  dich. 


KINDERLIEDER  UND  REIME. 


297 


Bist  aber  noch  zu  klein, 
Schlaf,  mein   Kind,    recht   sachte  ein. 

St. 
24.  Simr.  y.5B  fV. 
Müde  bin  ich,   geh  zur  Ruh, 
Schließe  beide  Auglein  zu; 
Lieber  Vater,   wache  du! 
0,   du  hast  mir  Guts  gethau. 
Mehr  als  ich  verdienen   kann, 
Lieber  Vater,   steh   mir  bei. 
Daß  ich   morgen  besser  sei.  B. 

25.  Simr.  281.  Dung.  112.  Peter  123. 
Bautzen  hat  ganz  wie  Simrock ;  das 
Erzgebirge  hat  nur  die  ersten  15  Zeilen 
gleich^  dann  wie  Dunger  1 12  bis  Zeile  23 
und  dann   wie  folgt: 

a)  Ein  Viertel  ist  kein  Pfund_, 
Ein  Pfund  ist  kein  Viertel, 

Die  Bauermädel  haben  rothe  Gürtel, 
Rothe  Gürtel  haben  die  Bauennädel, 
Eine  Maus  ist  kein   Rothkäthel, 
Ein  Rothkäthel  ist  keine  Maus, 
Hört  meine  Herrn,  meine  Predigt  ist 

aus, 

b)  Nach  der  Zeile  2  des  von  uns  ge- 
brachten Bruchstückes  hat  Stollberg 
noch  folgenden  Schluß: 

Meine  Predigt  ist  dreiviertel^ 
Dreiviertel  ist  meine  Predigt, 
Ich  geh  nach  Venedig, 
Ich  geh  jetzt  gleich  naus, 
Meine  Herrn,   die  Predigt  ist  aus. 

26.  Simr.  372.  Peter  240. 
Adam  und  Eve, 
Tanzten  uf  euer  Schleefe; 
Die  Schleefe  zerriß 
Und  Adam  seh  .  ß.  B. 

27.  Simr.  479.   480.  Dung.  134.   Vgl. 

hinten  Nr.  168.  Peter  238. 
Pinke,  pinke,  Feuer, 
Die  Jungen  (die  Mädel),  die  sind  theuer, 
Die  Mädel  (die  Jungen),  die  sind  wolfeel. 
Fünfzehn  um  e  Strohseel^ 
Zwanzig  um  en  Taubendreck, 
Sind  die  Mädel  (die  Jungen)   alle  vreg. 

B. 


28.  Simr.  493. 
Sechs  mal  sechs   ist  sechsunddreißig, 
Fährt   der   Mann   nach   Besenreisig, 
Will   die  Frau  den   Katfee  kochen, 
Hat  der  Mann   den  Topf  zerbrochen. 
Du  verfluchter   Schinderknochen. 

Oder  statt  Zeile  5  wie  folgt : 
Wollt  die  Frau  die  Semmel  holen, 
Hat  der  Mann  den   Korb   verloren. 

29. 
Hans    bleib    heem,     du  weißt  ja  nich, 
wie's  Wetter  wird ! 
Hans    bleib    heem ,    du    weißt  ja  nich 

wie's    wird! 
'S  kann  ja  regnen,   'S  kan  ja  schnein, 
'S  kan  aber  ooch  schö  Wetter  sein, 
Hans  bleib  heem  u.  s.  w.  B. 

30.   Peter  301. 
Hu,  wie  ists  kalt, 
Wie  wackelt  der   Wald; 
Das   Bier  ist  bitter, 
Das  trinken   die  Ritter, 
Der   Wein  ist  sauer. 
Den  trinken  die  Bauern.  St. 

31.  Simr.  525  ff.  Dung.  68. 
Schnecke,  Schnecke,   Schnierc, 
Zeig  mir  deine  Hörner  alle  viere ; 
Wenstse  mir   nicht  zeigst. 
Schlag  ich  dein  Köpfchen 

Und   dein  Häuschen   ein.  St. 

32.  Simr.  535.  Dung.  60  ff. 

a)  Goldkäfer,   flieg  aus. 

Bring  mir  viel  Glück  ins  Haus.      GL. 

b)  Herrgottsschäfel,  flieg  aus. 

Bring  mir  Butter  und  Brot  ins  Haus. 

B. 

33.    Simr.    557.    558.    Dung.    65.   66. 
Pet.  147. 

a)  Johanniswürmchen,   flieg  aus, 

Flieg  nein   ins  Milchhaus, 

Sauf  die  ganze  Milch  aus, 

Und  bring  mir  e  Stückel  Kuchen  raus, 
ö)  Sonnenwürmcheu,  flieg  aus, 

Flieg  nein  ins  Milichhaus, 


298 


TH.  GELBE 


c)  Sonncmvürmcheu  flieg  aus, 

Und  bring  gutes  Wetter  raus.         St. 

34.  Simr.  569. 

a)  Fledermaus, 

Zieh  mir  mein  Haare  aus.  B. 

b)  Fledermaus, 

Rauf  mir  meine  Haare  aus, 

leb  seb  doch  gar  zu  pudlig  aus,        St. 

35. 
Als  Gänseben  flog  er  übern  Rhein, 
Und    kam    als    Gränsricb    wieder    beim. 

B. 

36.  (Wohl  Fibelvers?) 
Die  Gans,  wenn  sie  gebraten  ist, 
Wird  mit  der  Gabel  angespießt.        B. 

37.  Dung.  51.  52. 

o)  Heile,  heile,  Kätzel, 

Morgen  kommt  dein  Schätzel.        B. 

b)  Heile,  heile,  heile. 

Das  Kätzchen  hat  vier   Beine 
Und   einen   langen   Schwanz, 
Morgen  ist  die  Wunde  wieder  ganz. 

St. 

38. 

Putz  dich,  Kätzel! 

Kommt  mei  Schätzel? 

Sieh  mich  Miezel,   Meizel  an!  Ch. 

39.  Simr.  642  fi".  Dung.  79  ff.  84. 
Heedelbeeren! 

Wer  will  mir  das  Ding  verwehren. 
Daß  ich  schreie:  Heedelbeeren.  B. 


40. 


Beer,  Beer,  Beer! 
Mei  Topp  is  leer. 


St. 


41.  Dung.  79.  81.  82.  83. 
Rollc^   rolle,  roll, 
Mei  Topp  is  voll; 
Hab  ihn  wieder   ausgegessen, 
Hab  mein'n  Vater  und  Mutter  vergessen^ 
Und   bin:  Beertoffel,  Beertoffel,  Beer- 
toffel! 


Oder  anstatt  Zeile   5  wie  folgt: 
Als  ich  nu  nach  nach  Hause  kam. 
Nahm  mei  Vater  die   Ofengabel, 
Stach   mich    nein    in'n  Beerenschnabel, 
Schreit  der  Ziegenbock:  Mäh!  St. 


42. 

Toppe,  Toppe,  Beere, 

Ich  hab  mein  Topp  voll  Beere, 

Einen  Haufen   drauf. 

Wie's  Schmiedloben    Haus. 


St. 


St. 


43. 
Rolle,  rolle,  roll^ 
Mei  Topp  is  voll^ 
Mei  Bauch  is  leer, 
Beer,  Beer,  Beer. 

44. 
Jetzt  gchu  die  Beerleut  alle  heem, 
Hab'u  sie  denn  ooch  voller? 
Der  letzte  nich,  der  letzte  uich, 
Er  is  ue  faule  Mähre.  St. 

45.  Dung.  81. 

Hulehre, 

Ich  hab  mein  Topp  voll  Beere ; 
Wer  seinen  Topp  nicht  voller  hat. 
Der  is  ne  faule  Mähre.  St. 


Beerleut' 

Sind  faule  Leut. 


46. 


47. 


St. 


Schullehrer,  Schullehrer, 
Kauf'n  se  meinen  Topp  voll  Beere, 
Sind  nich  theuer,  sind  nich  theuer, 
'S  Nösel,  das  kost't  nur  en  Dreier.      St. 

48. 
Beim  Einschütten  der  Beeren: 
Alter,  dicker,   fetter  Mann, 
Sammle  nur  recht  weit  an.  St. 

49. 

Heedelbeere, 

Wenn  das  Mädel  meine  wäre! 


KINDERLIEDKR  UND  REIME. 


290 


'S  ist  nicht  mein, 

'S  ist  nicht  dein, 

'S   ist  dem   dicken   Müller  sein. 

50. 


St. 


Pfeifenliedchen  :     Kochh.     309.     Simr. 
648    ff.   Dünger   70  ff.     Diese  Gattung 
war  in   Bautzen  ganz    unbekannt.     Die 
Stollbergcr  stehen  Dunger   70   und    74 
am  nächsten^    doch    haben    sie  immer 
noch  große  Abweichungen, 
cf.  Dunger  74. 
'S  ging  ein  Männchen   den  Berg  hinan, 
Hat  ein   schön   roth  Röckleiu  an, 
Sagt':   Wenn  ich   wieder  komm,. 
Muß  das  Pfeifchen  fertig  sein; 
Wenns  nicht  fertig  ist, 
Werf  ich  dich   in'n   Graben, 
Fressen   dich   die  Raben, 
Wird  man   dich   abschaben. 


St. 


51, 


Rade,  Rade,  roth  (AgrostemmaGithago), 
In  drei   Wochen  neues  Brot.  B. 


52.  Dung.  75  ff. 
Edelmann, 
Bedelraann, 
Bettelmann, 
Polnischer  Bauer. 


53. 
Kaiser,   Petermann, 
Jäckel  und  Bettelmann 
Polnischer  Bauer. 


St, 


St. 


54.  Simr.  668. 
Zu  Simrock  noch  folgende  2  Zeilen: 
Das  ist  ja  nicht  wahr, 
'S  sind  'r  ja  zwei  Paar.  St. 


55.  Simr.  669. 
Die    Preußen     hab'n    uf'n 

Sic  hab'n  vergessen  den  A . . 
Papier,  Papier,   Papier! 


Markt    ge- 

sch.ssen, 

zu  wischen, 

B. 


56. 
Sächsischer   Weckruf. 
Habt  ihr  denn  noch  nich  gegessen? 
Seid    ihr    denn    noch    nicht  bald  satt? 

B. 

57. 
Putzt  mir  nich   mit  Hammcrschlag 
Und  putzt  mir  nich   mit  Sand, 
Sonst  kommt  er,   sonst  kommt  er, 
Sonst  kommt  der  Herr  Sergeant.  B. 

58. 

a)  Buttermilch   und  Sauerkraut, 
Das  paßt  ja  nich  zusamm, 
Iß  du's  doch,   iß  du's  doch, 
Ich   raachs  ja  gar  nich  hab'n. 

h)  Buttermilch   und   Sauerkraut, 
Das  fressen   die  Franzosen, 
Und  wenn    sie    das    gegessen  hab'n, 
Dann  seh.  .  .  ens  in  die  Hosen.        B. 

59. 

Sächsischer  Appell. 
Zusamm,   zusamm,   ihr   Lumpenhund' 
Ihr  sollt  zu  euerm  Hauptmann  kumm'u. 

B. 

60.  Simr.  731  ff.  Dung.  179.  u.  S.  42. 
Leinweber:   Nimms  Steckel, 

Geh  bettel ! 
Strumpwirker:KeeSalz,  keeßrot,  keeÖl. 

Ch. 

61. 

Strumpfwirker:   Bum,   bum,   schnarr. 
Alle  zwee  Stund'n  e  Paar.  St. 

62.  Simr.  422. 
Böttcher,  Böttcher,  bum,  bum,  bum, 
Schlag  mir  meine  Pfeife  krumm, 
Laß  mir  noch   ein   Zöpfel  stehn, 
Daß   ich  kann  zu  Tanze  gehn.  B. 

63. 
Böttcher,  Böttcher,  bum,  bum,  bum, 
Schlag  mir  meine  Nase  krumm, 
Schlag  mir  sie  wieder  grade, 
Bist  auch  mein  Herr  Pathe.  St. 


300 


TH.  GELBE 


64.  Simr.  441  ff.  Duug.  140. 

Feueressenkehrer,  schwarzer  Manu, 
Hast  mein  Tag  nichts  Guts  gethan ; 
Wenn  man  denkt,   du  bist  zu  Haus, 
Guckst  du  oben   zur  Esse  raus.         St. 


65. 
Feuerrüpel,  Hieb, 
Schmier  mirs  Maul  mit  Syrop. 


66. 


Feuerrüpel, 
Hopautipel. 


B. 


B. 


67.  Simr.  423. 
Ganz  wie   Simrock,  nur  Zeile   2 : 
Schwarzen  Kaffe  ohne  Zucker, 

und  nach   Zeile   6   nur  wie  folgt: 
Großen  Säbel, 
Nichts  fürn   Schnabel.  B. 


Müller,  Mehler, 
Katzenstehler. 


68. 


69. 


St. 


Müller,   Pfüller,  Katzenschinder^ 
Leineweber,  Todengräber.  St. 

70. 

Da  drüben,    da   draußen,   wo's  Finkel 

so  singt, 
Da  tanzt  der  Herr  Pastor,  daß's  Mützel 

runter  springt.  St. 

71. 

Schieferdecker, 
Mauerklecker, 

Tagelöhner,  sollt  runter  zum  Essen  kom- 
men. St. 
72. 
Ich   bin   der   Schleifer, 
Und   drehe  geschwind 
Und  hänge  mein  Mäntelchen 
Nach  dem  Wind.  St. 


73. 
Schleifer,   Schleifer,   flink,   flink, 
Häng  den  Mantel  nach  dem  Wind. 


St. 


74.  Birl.  53. 
Schmidt, 

Wenn  der  Teufel  kommt,  nimmt  er  dich 

mit, 
Steckt  dich  nein  in   den  Ranzen, 
Mußt   du   drinnen  tanzen.  St. 

75.  Dung.  137.  138. 
Schottsch    widewett ,    was    macht    der 

Schneider? 
Schottsch  widewett,  er  flickt  die  Kleider. 
Schottsch  widewett,  was  macht  er  denn? 
Schottsch    widewett,  er  flickt  das  Hemd. 

St. 

76.  Dung.  136. 
Schottsch     widewett  ,    was    macht    der 

Schneider? 
Draußen  im  Stall  beim  Ziegenbock  Icit  er, 
Schottsch  widewett,  er  hat  gestohlen, 
Schottsch     widewett  ,     er     kommt     an 

Galgen, 
Schottsch   widewett,   er  baumelt  schon. 

Ch.  St. 

77.  cf.  Nr.  62. 

Schneider,  Schneider,  meck,  meck,  meck. 
Schneid   mir  meine  Haare  weg, 
Laß   mir  noch  ein   Zöpfchen  stebn, 
Daß  ich  kann  zu  Tanze  gehn. 

78.  cf.  Nr.  169. 

Auf  dem  Berge  Sinai, 

Wohnt  der  Schneider  Ki,kriki. 

Eine  Treppe  vorn  heraus 

Guckt  er  mit  der  Brille  raus, 

Eine  Treppe  hinten  raus, 

Flickt  er  sich  die  Hosen  aus.  Ch. 

Statt  letzter  Zeile: 
Guckt  er  mit  dem  A.  .e  raus.  B. 

79. 

Ich   bin   der  Schneider   Kakadu, 

Gereist  durch  alle  Welt, 

Und  flicke  jedes  Löchel  zu 

Einem  jedem,   dems  gefällt.  B. 

80. 
Die  Lampe  brennt  so  duster. 
Hier  wohnt  e  alter  Schuster.  B. 


KINDERLIEDER  UND  KEIME. 


301 


81. 
Schuster  kneift, 
Deiu   Vatei-  pfeift, 
Deine  Mutter  singt, 
Der  Knieriem   winkt ; 
Sollst  heim  kommen   und  Leder  pochen, 
Du  infamer  Schinkenknocheu.  St. 

82, 
(Schneider)    Schuster,   meck,   meck, 
Die  Hosen  voll  Dreck, 
Die  Schuhe  voll   Wanzen, 
Der  Schuster  muß  tanzen.  B. 

82, 
Seht  den  Himmel,   wie  heiter, 
Lauter  bucklige   Schneider; 
Seht  den  Himmel  wie    duster, 
Lauter  krummbeinige  Schuster.  B 

84. 
Mit  ßeilerklang  und   Wurstgestank, 
Als  ging    es  froh    zur  Jagd, 
So  ziehn  wir  Fleischer  wohlgemuth, 
Wenns  Noth  dem  polschen  Ochsen  thut, 
Hinab   in'n  Kuttelliof, 
Hinab  in'n  Kuttelhof.  B- 

85. 

Die  Juden  haben  ein  Schwein  geschlachtet 
Nicht  weit  vom  Tempel  Moses, 
In'n  Strumpf  gesch .  .  en  und  Wurst  ge- 
macht, 
Ist  das  nicht  was   Famoses?  B. 

86. 
Alle  Menschen   müssen  sterben, 
Bios  der  alte  N.  N.  nich; 
Wer  wird  nu   sei  Köckel  erben  ? 
Ich   und  du,   wir  freilich   nich.  B. 

87. 
Quirlequitzsch  und  Donauweibel  *) 
Sitzen  ufn  Dache  wie  c  Paar  Täubel. 

B. 


88. 
Spott  auf  Mädchen. 
Fräulein  von   Nixefix, 
Auf  der  Gasse  geht  sie   li.x 
Und  zu   Hause  hat  sie  nix.  B. 

89. 
Roth  kupp, 
Stell  Kegel  uf, 
Schmeiß   Dreck   druf, 
Schieb  zu!  B. 

90. 
Rothkupp,   zünd  Licht   an, 
Daß   der  Schwarzkopp  was  sehen  kann. 

B. 

91. 
Rothbart,  Teufelsart.  B. 

92. 

Stiefmutter 

Ist  des  Teufels  Unterfutter.  B. 

93. 
Wer  nich   kommt  zur   rechten   Zeit, 
Der    muß    nehmen,    was    übrig    bleibt. 

B.  Ch. 

94. 
Meine  Mutter  hat  gesaht. 
Nimm   dir  keene   Bauermahd, 
Nimm   dir  eene   aus   der   Stadt^ 
Die  zehntausend  Thaler  hat.         B.  Ch. 

95. 
Eene  kleene  Hedelerche, 
Ließ  e  F.  .zel  in  der  Kerche.  B. 

90. 
Adelheit,  mein  Schiebbock  schreit.       B. 

97.  Simr.  419. 
Agnes   ist  ein  schöner  Name, 
Agnes   möcht  ich   heißen ; 
Agnes  hat  geheiratet 
Den   Bettelmann  von  Meißen.  Ch. 


*)  Ein  zwerghaftes  Ehepaar  iu  Bautzen. 


302 


TH.  GELBE 


98. 
Anna,   Anna,  was  ist  das  ? 
Deine  ganze  Schürz   ist  naß.  St. 

99. 
Anneiusel,  Annerusel  fängt  eine  Maus, 
Hängt  das  Fell  zum   Fenster  raus. 
Kommt  der  Kürschner,  fragt  wie  theuer, 
Annerusel,   Annerusel   spricht  G  Dreier. 

B. 

100. 
Anne,  backe  Dusel.  B.  St. 

101.  Pct.  255. 
a)     Anton,  Zitron; 

Wanzen,  Pomeranzen, 

Kukuk !  St. 

Oder 
b):  Anton,   Zitron, 

Pomeranzen, 

Du  sollst  tanzen; 

Kukuk.  St. 

102. 
O,   du  lieber  Augustin, 
Alles   ist  hin  5 
Das  Geld  ist  weg, 
Das  Mädel   ist  weg, 
Augustin   hat  en   Dreck. 
0,   du  lieber  Augustin, 
Alles  ist  hin.  B.  Ch.  St. 

103. 
Eduärdel, 
Geh  ins  Gärtel, 
Pflück   ein   Blümel, 
Gibs   dem   Mienel.  Ch. 

104.  Simr.  411. 

Emma, 

Ziehs  Hemd  an, 

Ziehs  nicht  an, 

'S  is  Dreck   dran.  St. 

105. 
Ernat,   bernst,  Taubendreck 
Reiß  der  Katze  's  Arschloch   weg.     B. 


106. 
Fritz, 

Seh.  .ß  in  die  Mutz, 
Wirfs   hinten   uaus. 
Wird   ein  junger  Vogel   draus. 

107. 
Fritz, 

Du  hast  eine  neue  Mutz, 
Häng  sie  an   die  Wand, 
Das  sieht   scharmant. 

108. 
Ich  und  mein  Franz, 
Wir  gehen   zu  Tanz, 
Wenn  niemand   mit    zu  Tanze 
Geh  ich   und  mein  Franz. 


St. 


St. 


geht*), 
St. 


109.  Simr.  403.  Dung.  153.  cf.  Nr.  125. 
Gottlieb,   Gottlob,   Gottleberecht, 
Was  macht  denn  deine  Frau? 
Sie  liegt  im  Bett  und  strampelt  recht, 
Das  weiß  ich  ganz  genau. 

Oder  statt  der  letzten   Zeile : 
Und  schreit  dabei :  Miau.  St. 

110.  Dung.  151. 
Gottlieb,   Gottlob,   Gott    sei's   gedankt, 
Hat  sich  mit  seiner  Frau  gezankt.      St. 

111. 

Hanne, 

Ahle  Kaflfekanne.  B. 

112. 

Henriette, 

Seh.  .  . t  ins   Bette; 

Friederike, 

Brichts  Genicke.  B. 

113. 

Idel,   Ilunds-Idel, 

Davidel, 

Kukuk.  St. 

114.  Simr.  Nachtrag  GIB". 
Jacob,  wo  bist  du? 
Im  Walde. 


*)  Geht  niemand  mit  zu  Tanz  (?). 


KINDERLIEDER  UND  REIME. 


303 


Was  hast  du? 
Eiu'n  Vogel. 
Gib  mir'n. 
Seh,  .ß  dir'n. 

115. 
Karl,  marl,   Hemmschuh. 


St. 


116.  cf.  N.  97. 
Karl,  das  ist  ein  schöner  Name, 
Karl,  so  möcbt  ich  heeßen 
Karin  hat  sich  trauen  lassen, 

Mit  en  alten  Besen.  St. 

117.  cf,  N.  104. 
Karlemann, 

Zieh  Hosen  an, 

Hinten  und  vorne  Knöpfe  dran.         B. 

118.  Peter  234.  Firmenich  1,  431. 

a)  Lott  ist  tot,  Lott  ist  tot, 

Jule  liegt   im  Schweinetrog.  B, 

b)  Lott  ist  tot,  Lott  ist  tot, 
Jule  liegt  im  Sterben; 
Johann  kommt,   Jobann  kommt, 
Und  will   alles  erben.  B- 

119. 
Ich  und  mein  Max, 
Wir  essen  Bax. 


St. 


120.  Roch.  3.51. 


Mile,  Male, 
Kaflfeschale. 


Paulematz, 
Kaffesatz. 


121. 


122. 


Traugott,  laß  den  Affen  los; 
Denn   der  Spaß  wird  gar  zu  groß. 

B.  Ch.  St. 

123. 
Werner, 

Hat   10  Hörner; 
Wollt  er  mich  stoßen, 
Zerplatzten  die  Hosen.  St. 


124. 
Weidauerlob, 
Steig  aufs  Grab, 
Leck   die  Blätter. 
Bist  auch   mein   Vetter. 


St. 


125,  cf.  N.  109. 
Napoleon,  Napoleon, 
Was  macht  denn  deine  Frau, 
Sie  wäscht  sich   nicht,   sie    kämmt  sich 

nicht, 
Sie  sieht  aus  wie  ne   Sau.  St. 

126. 
Das  Mädel  ist  von  Jüterbogk, 
Das  Hemd   is  länger  als  der  Rock. 

B.  Ch. 

127.  Großätti  S.  46. 

a)  Meine  Mutz  is  weg,  meine  Mutz  is  weg, 
Wo   is   sie  denn  geblieben? 

In  Blasewitz,  in  Blase witz, 

Da  wird  sie  wohl  noch  liegen.  B. 

b)  Meine  Mutz  is  weg,  meine  Mutz  isweg, 
Wo  Geier  is  sie  hin? 

Nach  Klaffenbach,  nach  Klaffenbach, 
Wo  alle  Mützen  sin.  Ch. 

128. 
Dresden  ist  ein  schönes  Städtchen, 
Weil   es  an   der  Elbe  liegt. 
Und  der  Preuße  wills  gern  haben, 
Aber  kriegen  thut  ers  nicht.  B. 

129. 

Ich  ging  einmal  nach  Pommerland  (Ni- 

niveh), 
In  Pommerland  war  Tanz, 
Da  nahm  ich  mein  klein  Hündchen  mit. 
Das  wedelt  mit   dem  Schwanz.  St. 

130.  Dung.  177. 
Wo  biste   denn  gewesen? 
In  Leipzig    und    in  Dräsen    (Dresden). 
Haste  mir  nischt  mitgebracht? 
Ich  hab  ja  nich  an  dich  gedacht.         B. 

Statt  Zeile  2   hat  Chemnitz: 
Beim   Weihnachtsmann  in   Dresen. 


304 


TH.  GELBE 


131. 
Wo  gehste  denn   hin? 
a)  Nach  Tripstrille. 

l)  Nach  Buxtehude,  wo  die  Pfütze  über 
die  Weide  geht. 

c)  Dahin,    Dorthin,    wo'ch    noch    nich 

gewesen  bin. 

d)  Zu  Peter  MefiFert  uf  derLateruengasse. 

B. 
6)  und  c)  auch  in  Ch. 

132. 

Gehste   mitte   (mit)? 

Wo   denn  hin? 

In'n   Pudel  seine  Hitte.  B. 

133. 
Was  haste  denn  da? 
Schüssel  voll  Hollunder, 
Wenn  dieKuh  seh.  .ßt,  haltsMaul  unter. 

B. 

134. 

Welche  Zeit  is  denn? 
a)  Drei  Viertel  uf  die  Schnalle, 

Wenns  schlägt,  wird's  alle. 
h)  Drei  Viertel  auf  Guckenau  (Guck  ge- 


nau). 


B. 


135. 


Was  essen  wir  denn   heute? 
o)  Gebratne  Lämmerschwänzel.  B. 

b)  Eingelegte  KcUerstufen.  Cii. 

136. 
Auf  jede    andere   Frage    konnte    man 

antwoi'ten : 
Kann  mersch  wissen,  weeß  mersch  denn? 
Und  wenn  man  fragt,     erfährt  mersch 
denn  ?  B. 

137. 
Das  kannst  du  mir  schenken : 
Schenken,  seh.  .ßen,   Schiebbock  schie- 
ben 
Wird   mit  seh  geschrieben.  B.  Ch. 

138. 
Zisch  aus,  lach   aus, 
Lachen  dich  alle  Leute  aus.  B. 


139. 
Wart  du   hast  gestohlen, 
Für  en  Dreier  Kohlen, 
Für  en  Dreier   Butter, 
Das  sag  ich   meiner  Mutter.  B. 

140. 
Herrjehe, 
Zwee  Flöhe, 
Drei   Wanzen, 
Die  tanzen 
Uf  der  N.  N.  ihren  Ranzen.       B.  Ch. 

141. 
Na,   da  weene  nur  nich, 
Na,  da  weene  nur  nich. 
In  der   Röhre  stehn  Klose, 
Die  kriegste  ja  nich.  B. 

142. 
Sagt  ichs  nicht, 
Sagt  ichs  nicht, 

Gebt  dem  Jung'n  die  Geige  nich ; 
Denn  der  Kerl  is  so  verwogen 
Und  zerbricht  den  Fidelbogen.      B.  Ch. 

143. 
Dudel,  dudel,  Leiersack, 
Für  en  Dreier  Schnupftabak, 
Und  en  Dreier  wieder. 
Morgen  komm'n  wir  wieder.  Ch.  St. 

144. 
Dudel,   Dudel,   Leiersack, 
Morgen  is  e  Feiertag, 
Übermorgen  wieder  eener. 
Sonst  die  ganze  Woche  kener,  B 

145. 
Pietzsch  und  Lehmann  komm'n  in  Laden  : 
Für  en  Dreier  Käsemaden ; 
Käsemaden  hab'n  wir  nich, 
Pietzsch    und  Lehmann  drückten  sich. 

Ch. 

146,  Dung.  167  ff. 
An  Ankläger. 
Bitel,  bitel,  Leier, 
Die  Mutter  gibt  dir  en  Dreier.        Ch. 


KINDERLIEDER  UND  REIMIv 


305 


147. 
Dudel,   dudel,  Papa, 
Häng  en  langen  Sack  na, 
Häng  ihn   auf  an  die  Stubendeck, 
Daß  er  wieder  runter  kleckt, 
Trag  ihn   nauf  aufs  Rathhaus 
Und  klatsche  alle  aus.  St. 

148. 
Zankt  euch   nicht, 
Prügelt  euch  nicht, 
Gebt  euch    lieber 
Ein  Nasenstüber.  B. 

149.Duug.  138. 158. 
Zutsch   am  Finger,  zutsch  am  Daumen, 
Denk  es  sind  gebackne  Pflaumen. 

150. 
Ei,   du  meine   Güte, 
Sahte  Büttners   Friede, 
Wenn   die  Russen   kommen, 
Wilrii  wir  mitgenommen. 
Warn   in'n   Sack  gesteckt 
Und  mit  fortgetreckt.       Obererzgebirge. 

151.  Simr.  760. 
Ganz  gleich  mit  Simr,,   aber  auch: 
Eins,  perle,  beins, 
Nipel,  napel,  nuß,  naus, 
Ist  der  ganze  Krieg  aus.  St. 


152. 

One  done,  daus, 

Du  bist  raus. 

B, 

Oder  statt  Z. 

2: 

Ich   oder  du  muß  raus. 

St 

153. 

0)  Ex,   Speck,  Dreck  (Oho   Scheck), 
Du  fliegst  (bist)   weg.         B.  Ch.  St. 

1)  Ex,   Speck,   daus. 

Du  fliegst  naus.  Ch. 

154.  Simr.  763.  799.  Stob.  231. Peter42. 
Gabel,  Messer,   Fingerhut^ 
Stirbt  der  Bauer,   ist  nicht  gut. 
Komm'n  die  Engel  mit  der  Leich, 
Tragen   ihn  ins  Himmelreich, 

GERMANIA.  Nene  Reihe  X.  (XXII.)  Jahvg. 


Himmelreich   ist  zugeschlossen 
Und   der  Schlüssel  abgebrochen ; 
Bauer,   du   mußt  raus !  St. 

155. 

a)  Rober  Zober, 
Piff",   paft,    puft". 

b)  Haber,   Zaber, 

Klipper,  klapper,  puff".  St. 

156.  Simr.  763.  764.  765.  Dung.  216. 

Peter  S.  142,  22—23. 
a)  1.  2.  3. 

Bicke,   backe,   hei, 
Bicke,   backe   Honigbrot, 
7    Kinder  lagen   todt; 
2  gebratne  Fische 
Lagen  unter'm  Tische; 
Kam  das  Kätzchen,   wollte  naschen. 
Kam  der  kleine  Leineweber, 
Schlug  das  Kätzchen  auf  das  Leder, 
Schreit  das  Kätzchen:   Miau, 
Herzeliebe  junge  Frau! 
Wenn  ihr  werdt'  mei  Kätzel  schlagen, 
Werd    ich    euch    zum    Teufel    jagen. 

B, 

h)  1.  2.  3. 

Bicke,  backe,  rei, 
Bicke,  backe,  oben,  droben, 
13  Kinder  waren  oben, 
1   lag   unterm  Tisch, 
Kam  die  Katze,  fraß  die  Fisch, 
Kam  der  alte  Leineweber, 
Schlug  das  Kätzchen  auf  das  Leder, 
That  das  Kätzchen  Miau  schrein. 
Und   du  mußt  der  Haschemann  sein. 

St. 
157.  Simr.  765. 

1,  2.  3. 

Bicke,  backe,  Heu, 

Bicke  backe  Haferstroh, 

Morgen  mach'n  wir's  wieder  so.  Ch. 

158. 
1.  2.  3. 

Jetzt  kommt  die  Polizei ; 
Wem  davor  thut  bangen, 
Der  muß  uns  jetze  fangen.  St. 

20 


306 


TH.  GELBE 


159.  Peter  S.  141,  19. 
1.  2.  Zwirn, 
3.  gebackne  Biru, 
Lies   dir  eine  aus, 
Du  mußt  raus. 


Haben  sie   weiße  Hauben, 
Sehn  sie  wie  die  Tauben^ 
Haben  sie  krumme  Nasen, 
Sehn  sie  wie  Turkosen. 


St. 


St. 


160. 

1.  2.  3. 

Stellt  euch  in  die  Reih ! 
4.  5.  6. 

Kraut  ist  ein   Gewächs, 
Kraut,   das  ist  ein  gut  Grericht, 
Liebes   Kind,    dich    brauch    ich  nicht. 

St. 
161.  Simr.  793. 

1.  2.  3.  4, 

Unter  dem   Ciavier 

Steckt  eine  Maus, 

Die  muß  heraus.  St. 

162.  Simr.  7  7  7.  Peter  S.  143,  25. 
1.  2.  3.  4. 
Eine  Kanne  Bier, 
Eine  Kanne  Rum, 
Bim,   bam,  bum.  St. 

163.  Dung.  229.  Peter  S.  143,  26. 
1.  2.  3.  4. 

Saß  ein  Männchen  vor  der  Thür, 
Hatt'  ein  Gläsehen  in  der  Hand, 
Pinke,  pank,   Zuckerkant.  St. 

164.  Dung.  233.  Peter  45.  46. 
1.  2.  3.  4.  5.  6.  7. 

Hilf   mir    meinen   Schiebbock   schieben 
Bis  vor  N.   N.'s  Haus. 
Hol  mir  ein  Paar  Wursteln  (Semmeln) 
raus.  B. 

165.  cf.  N.  27. 
Ganz  wie  Dunger  135,  doch  noch  fol- 
gende Zeilen : 
a)  Mädchen  kriegen  Zuckerstengel, 
Jungen  die  sind  Gassenbcngel ; 
Mädchen    komm'n    ins  Himmelreich, 
Jungen   komm'n  in'n  Katzenteich. 
Oder  b)   Mädchen  tragen  Myrtenkränze, 
Jungen  tragen  Rattenschwänze; 


166.  Dung.  233.  234. 
1.  2.  3.  4.  5.  6.  7. 
Schöne  Mädchen  muß   man  lieben, 
Liebt  man   schöne  Mädchen  nicht, 
Kommt  man  vor  das  Hochgericht. 

Oder  für  letzte  Zeile : 
Ist  mau  ja  ein   Bösewicht.  B. 

167.  Dung.  45. 

I.  2.  3.  4.  5.  6.  7. 

Laß  mir  meine  Anna  gehn ; 
Sie  kann  stricken,   sie  kann  nähu, 
Sie  kann  auch  das  Spinnrad  drehn. 
Nicht  wahr,  Vater,   das  ist  schön. 
Wenn  man  kann  zu  Tanze  gehn?       St. 

168.   Dung.  226.  227.    Peter  146,  37. 

Ganz  gleich  mit  Dung.  226, 1  — 5,  dann 

wie  folgt: 

II.  12.  Gott  helf! 

13.  14.  In   den  Herzen. 

15.  16.  Brr! 

17.  18.  Du  must  wachsen, 

19.  20.  Mit  dir  tanz  ich.  St. 

169.  cf.  N.  78. 

a)  Auf  dem   Berge  Sinai 
Wohnt  der  Schneider  Kikriki, 
Klopft  sich  seine  Hosen  aus. 
Du  bist  naus. 

b)  Auf  dem  Berge  Sinai, 
Kräht  der  Hahn   sein  Kikriki, 
Sperrt  er  seinen  Schnabel  auf, 
Gickerle,   Gackerle,    du   mußt  raus. 

St. 
170. 

a)  Dort  auf  dieser  Wies' 
Wohnte  einst  ein  Ries', 
Der  biß  tot  die  Kindelein, 
Wenn  sie  immer  thaten   schreiu. 

b)  Hinter  diesem   Berg 
Wohnte  einst  ein  Zwerg, 

dann   3   und   4   wie  in  a).  St. 


KINDERLIEÜER  UND  UEIMK 


307 


171. 
Auf  einom   liolicn   Berg', 
Da   zankten   sich   zwi-i   Zwerg' 
Um  einen   halben  Klos, 
Da  ging  der  Teufel  los.  St. 

172. 
Piff,   paff;  purt", 
Peter,   sehlag  druff", 
Schlag  nich  darneben, 
Sonst  kostets  dich   dein  Leben.  B. 

173.  Simr.  358.  Dung.  2G4. 

Eene,   deene,   Ditzelehen, 

Meine  Mutter  kocht  Schnitzelchen, 

Da  geh  ich  dran  und  leck, 

Da  kommt  sie  mit  dem  Steck'; 

Da  geh  ich  zu  dem  Knecht, 

Der  hat  gesagt,   's   war  recht; 

Da  geh  ich  zu  der  Magd, 

Die  hat  mich   ausgelacht: 

Da  geh  ich  zu    der  Maus, 

Ich   oder  du  bist  naus.  St. 

174.  Simr.  820.   Dung.  293.  Stob.  57. 

a)  Ri,   ra,   rutsch. 

Die  Mädel  tanzen   Schuttsch, 

Die  Jungen  tanzen  Walzer, 

Das  sind   die   besten  Tanzer.         Ch. 

b)  Ri,    ra,   rutsch, 

Wir  fahren  in  der  Kutsch, 

Bis  an   den  grünen  Rand, 

Da  sitzt  ein   Musikant.  St. 

c)  Antone, 
Citrone, 
Schnapsgläsel, 
Appelpappe, 

Guckuck!  B. 

175.  Simr.  821.    Dung.  292.    Firm.  I, 
vS.  398  und  460.  Rochh.  S.  379. 

Ganz  ähnlich  Dunger  1 — 4,  nur  daß 
in  Bautzen  und  Chemnitz :  Kaiser  Fi- 
filatus,  in  Stollberg:  Kaiser  und  Pilatus 
gesungen  wird.  Dann  geht  es  weiter: 
Er  will  ihr  einen  Mann  verschaffen. 
Was  soll  das  für  ein  Mann  wohl  sein? 
Es   soll  der  kleine  N.   N.   sein. 


So   nehmt  die  jüngste  Tochter   liin. 
Ich  nehm  mein  Schätzchen  :in  die  Hand 
Und  geh  damit  (mit  ihr)  nacli  Engclland. 

B.  Ch.  St. 

17G.  Simr.  830.  Dung.  325. 

Ringel,  Ringel,   Rosenkranz, 

Welche   ist  die   Schönste? 

Die  so  schön   singen   kann. 

Blei  uud  Haar, 

Wie  ein  Paar, 

Hat  gelebet   7   Jahr, 

7   Jahr  sind  um  und    um, 

Dreht  sich  N.   N.   um.  St. 

177.  Dung.  327.  328 

Ganz  gleich   mit  Dunger    1  —  6.     Doch 

kennt  man  auch  noch  eine  Fortsetzung : 

Fischlein,   Fischlein  knie   her, 

Knie  zu   deinen  Füßen, 

Daß   du  bald   erzeigen   wirst 

Deinen   Mund  zu  küssen.  St. 

178.  Simr.  831.  832.  833.  Dung.  295. 
294.  Stob.  58.  Peter  50.  52.  Birl.160. 

Stollberg  ganz  wie   Dunger. 

a)  Kling,   Klang,   gloria. 

Wer  sitzt  in   dieser  ThoriaV 

Eine  schöne  Königstochter. 

Was  ißt  sie  gern  ? 

Was   trinkt  sie  gern? 

Einen  zuckersüßen  Mandelkern: 

Und  eine  Hand  muß  ab.  B. 

b)  1 — 3   wie  in  a),  dann 

Kann    man    sie    nicht    zu    sehn    be- 

kumm'n  ? 
Es   sind  zwei  starke  Mauern   drum. 
Die  Mauern   will  ich   zerstechen, 
Den   Stab  will  ich  zerbrechen, 
Und  eine  Hand  muß   ab.  R. 

c)  Flink,   flank,  floria. 

Steht  die  Königstochter  da, 
Steht  eine  feste  Mauer    da. 
Mauer  woU'n   wir  brechen. 
Steine  woU'n   wir  stechen, 
Und  eine  Hand  geht  ab.  St. 

20* 


308 


TH.  GELBE 


179.  Dunger  321.  322. 
Bauerj   Bauer  Kessel, 
Wir  baun  en  neuen  Kessel, 
Morgen  trag'n  wir  Wasser  ein, 
Fällt  der  ganze  Kessel  ein. 


B. 


180. 
a)  Bauer,  Bauer  Kessel, 

Schöne  rothe  Nessel, 

Wer  sitzt  drinne? 

Die  schöne  Katharine. 

Was  macht   sie? 

Schließt  Federn. 

Trägt   ein  Känncheu  Wasser  ein, 

Fällt    der    ganze   Bauer  Kessel    ein. 

St. 
h)  Chemnitz   hat   1 — 3   gleich, 

4  Eine   große   Spinne. 

5  und   6  fehlen. 

In   Stollberg  oft  nur  1.  2.  7.  8. 

181. 
Reihe,  Reihe,  Rosentopp, 
Gieb   mir  e  Stückel  Käs'   und   Brot. 
Was  wull'mer  machen? 
Lauter  schöne  Sachen. 
Federn  wull'mer  schleißen, 
Kielen   wull'mer  beißen, 
Murgen  trag'mer  Wasser  ein, 
Fällt  der  ganze  Kessel  ein.  B« 

182. 
a)  Seht  emal  die  Sackmütz  an, 

Wie  se  scheene  tanzen  kann. 

Sackmütz  hin, 

Sackmütz  her, 

Sackmütz  is  e  Zodelbär.  B. 

h)  Jakub  hat  kee  Brot  im  Haus, 

Jakub  macht  sich  gar  nischt  draus. 

Jakub  hin, 

Jakub  her, 

Jakub  is  e  Zodelbär.  B. 

183.  Roch.  729. 
Mädel  putz    dich ,   wasch    dich ,     kämm 

dich  schön. 
Wir    woU'n    zusamm    zu    Tanze    gehn. 

B. 


184. 
Tiroler  sind  lustig, 
Tiroler  sind  froh, 
Sie  trinken  ein  Schnäpschen 
Und  tanzen  dazu. 
Erst  dreht  sich  das  Weibchen, 
Dann  dreht  sich   der  Mann, 
Sie  uehm'n  sich  beim  Leibchen 
Und  tanzen  zusamm.  B. 

185. 
Der  Kirschbaum  hat  sein  Laub  verlor'n, 
Wer  soll  denn  dafür  sorgen? 
Der  Bauersmann,   der  Bauersmann. 
Gut'n  Morgen, 
Frau  Storchen, 

Könn'n  sie  mir  nich   en  Dreier  borgen 
Bis  morgen?  Ch. 

186.  Simr.  834.  Dung.  299.  Birl.  162. 

Wir  wollen  durch  die  Brücke. 

Sie  ist  zerbrochen. 

Laßt  sie  bauen. 

Mit  was? 

Mit  Silber,   Gold  und  Edelstein. 

Was  gebt  ihr   dazu? 

Das  letzte  Reitpferd,  wenn  ihrs   kriegt. 

Oder  für   6   und   7 : 
Was  ist  der  Lohn? 
Der  letzte  soll  gefangen  sein. 
Oder  nach   5  gleich : 
Der  letzte  soll  gefangen  sein.  St. 

Oder  wie  Dunger,  nach  Z.   1 : 
Wir  wollen  die  alte  Brücke  baun. 

Und  Z.   4: 
Mit  seinem  treuen  Degen.  St. 

187.  Simr.  859. 
Wer  ist  denn   draußen  vor   der  Thür? 
Der  Bunzelmaun. 
Was  will   er? 
En  Löifel  Suppe. 
Hat  er  en  Löffel? 
Nein. 
Fang  er   sich   cin'n.  St. 


KINDE KLIEDEK  UND   KEIME 


30U 


188.  Simr.   152. 

1  —  d   gleich,  dium   wie  folgt: 
Für  sich   e   Stütlcel   Brot, 
Für  seine   Frau  en   Kuß, 
Weil   er  polisch  betteln  muß.  K. 

189.  Simr.  152. 

Holla,  holla! 

Wer  da? 

Der  Briefträger. 

Was   bringt   er? 

En  Brief. 

Was  kostet  er? 

X  Pfg.  Ch. 

190.  Simr.  953.  Peter  163,  72. 
Ich   bin   ein  Musikante 
Und  komm  aus  Schwabenland ; 
Ich   kann   scheene  spielen 
Auf  meiner  Violine  (Flötuse,  Klarinette). 

B.  Ch. 

191.  Stob.  208. 
Vetter  Michel   wohnt    uf  der  Läramer- 

Lämmergaß, 
Er  kann   machen,  was  er  will, 
Da  macht  er  sich   en  Hammer  (e  Beil, 

und  Feile  u.  s.  f.)  B. 

192.  Peter  162,  71. 
Bautzen  ganz  wie  Peter. 
Gesellen :   Es   kommen ,     es   kommen   5 
reisende  Handwerksburschen 
Sie    wollen    ein    goldnes    Handwerk 
lernen. 
Meister :   Mit  was    für    einem    goldnen 

Buchstaben  ? 
Gesellen:   Mit  X. 

Meister:  Laßt  euer  goldnes  Handwerk 
sehen.  Lößnitz. 

293. 
Ich  bin  die  Apotheke. 
Was  soll  der  Apotheker? 
Muß  es  denn  immer  der  Apotheker  sein? 
Kanns  denn  nich  ooch  emal    der  Pro- 
visor sein  ? 
Ich  bin  der  Provisor  u.  s.  w.  Ch. 


191.  Dung.  296. 

((■)  Schotemann,   Schotemann, 
Wir  sind   in  deinen  Schoten. 
Wenn  nur  der  Schotemann   käme 
Und  mir  mein   Säcklein  nähme. 

Hierauf   entweder    von    vorn    oder   wie 
Dunger,  298  Z.  3  ff.  B. 

b)  Ei,   die  Schoten   schmecken   süß, 
Schmecken  süß   und  sauer ; 
Ei,  jetzt  kommt  der  Bauer.  St. 

195. 
Da  kaure  ich, 
Da  kaure  ich, 
Und  flicke  meine  Schuh ; 
Hinten   e  Löchel, 
Vorne  e  Löchel, 
Dann  werden  meine  Löchel   zu. 

Lößnitz. 

196.  Dung.  332.  333. 
Hölzel,  halt  feste, 
Wie  der  Baum  seine  Äste, 
Wie  der  Ring  sein  Demant, 
Wers  hat,  sagt's  niemand.  B. 

197.  Peter  155.  58.  Rochb.  S.449,  73. 
Ganz  gewöhnlich  ,  aber  nicht  Engel 
und  Teufel  ,  sondern  nur  Vogelver- 
käufer. Während  der  Käufer  den  flie- 
henden Vogel  zu  fangen  sucht,  singen 

die  Vögel : 
Vogel,  Vogel,  flieg  aus, 
Komm  wieder  in  dein  Leihhaus.        B. 

198.  Dung.  288. 
Dung.   Vers   1    und   2  fehlen. 
Sieh  den  Himmel  an  und  lache  nicht. 
Was  siehst  du? 
Einen  Engel. 
Was  hat  er? 
Eine  Butterbemme, 
So   lang 
Wie  ene  Bank, 
So  kurz 
Wie  e  F.  .z.  B. 


310 


TH.  GELBE 


199. 
Mäusleinj  Mäuslein  komm   heraus. 
Ich   komme  aber   doch  nicht  raus. 
Kratz  ich   dir  die   Augen  aus. 
Fahr  ich   schnell  zum  Löchel  raus. 

B.  Ch 

200.  Dung.  297. 
o)  Wassernixe,  zieh  mich  rein, 

Will  ja  gerne  bei  dir  sein.         B,  Ch. 
b)  Wie  a)  doch  noch  folgende  Zeilen : 
Zieh  mich  nicht  zu  weit  hinein, 
Sonst  muß  ich  immer  bei    dir  sein. 

St. 

201. 
Auf  der  Brücke  zu   Paris, 
Wo  man   geht  nach   Sternanis, 
Sitzen   die  Herrn   von  Domino, 
Machen's  alle  so,  so,   so.  B. 

202.  Dung.300.Birl.  161.  Pet.  153,55. 

a)  Jetzt  geht  der  Fuchsschwanz  um, 
Ihr  Hei'ren,   seht  euch  ja   nicht  um, 
Ihr  Herren,  nehmt  euch  wohl  in  Acht, 
Sonst  werd't  ihr  auch  noch  ausgelacht. 
Paßt  auf!  St. 

b)  Seht  euch  nicht  um, 
Wer  sich   wird  umdrehn, 

Wird  Hiebe  besehn.  B. 

c)  1 — 3   wie   b)   dann 

Dem  wird   mein  Plumpsack  en  Klaps 
geben.  Ch. 

d)  Hei,   dideldum. 

Mein   Knötchen  geht  um. 

Geht  wohl  um  den   Kreis, 

Daß   es  niemand  wei(i. 

Wer  sich   wird  umdrehn 

Wird  das  Knötchen  tanzen  sehn.     St. 

203. 
Tuchhalten. 
Rühr,    rühr  im   dicken   Brei, 
Thu  e  Stückel  Butter  nei, 
Halt  feste! 

Rühr,   rühr  im  dicken  Brei, 
Thu  e  Stückel  Butter  nei, 
Laßt  fahren !  St. 


204. 
Großmutter,  was  machst  du  denn    da  ? 
Ich  flicke  für  den  Großvater  ein  Paar 

alte  Hosen. 
Großmutter,  laß  uns  einmal  in'n  Garten 

gehn. 
Nein,   ihr  dürft  nicht  naus. 
Sei  so   gut,   und  laß  uns  doch  raus. 
Na,  da  geht  nur,    tret't  mir  aber  die 
jungen  Hühner   nicht  tot. 
Willst  du  tot!  willst  du  tot! 
Großmutter,  es  hat  geläutet. 
Was  hat  das  zu  bedeuten  ? 
Die  jungen   Hühner  sind  tot.  St. 

205. 

a)  Es  gingen  2  Täubchen  spazircn; 
Das  erste  war  weg, 

Das   zweite  war  weg. 

Das  erste  war  da, 

Das  zweite  war  da.  St. 

b)  Es  saßen  2  Tauben  auf  einem  Dach ; 
Die  eine  flog  fort, 

Die  andre  flog  nach, 

Die  eine  kam   wieder, 

Die  andre  kam  wieder.  Ch. 

206. 
Schinkenklopfen. 
Der  Schuster  saß  auf  seinem   Stuhl 
Und  benähte  eine  Sohl  5 
Der  Lehrling  saß  auf  einem   Schemel 
Und  bekam   mit  einem  Trömel 
Hiebe  bis  auf  Fleisch   und  Blut. 
Nun,   Herr   Schuster,   nun  ists  gut. 
Alter  fauler  Schusterknochen, 
Kannst  dein  Leder  selber  pochen.        St. 

207. 
Wahrsagen. 

a)  Ich  sage  dir  wahr. 
Deine  Hand  ist  klar; 
Ich  sage  dir  was, 
Deine  Hand  ist  naß. 

b)  Was  willst  du:  Feuer,  Wasser  oder 

Wind? 
Feuer  wurde  durch  Zwicken,  Wasser 
wie  bei  a)  durch  Spucken  auf  und  Wind 
durch  Blasen  an  die  Hand  beantwortet 


KINDERLIEDER  UND  REIME. 


'M\ 


208.  Simr.  011   fl.  Dung.  143.  144. 
Erzählungen. 
Ich   will  dir  was   erzilhleu 
Von  der  Muhme  Wehlcu, 
Von  der   Madam   Stinkewitzen, 
Hat  en  Floh  im  Hemde  sitzen.  B. 

209.  Firm.  H.  376. 
Gestern  Abends  bei  Mondenschein 
Rumpeit's  auf  der  Brücke, 
Hansel  führt  sei   Grethel  heim 
Auf  der  Ofenkrücke.  B. 

210.  Simr.  842.  928.  930.  Dung.  245. 

285. 
Es  kam  ene  Frau  mit  Semmeln, 
Da  sagt  ich:   Gib  mir   eene, 
Da  gab  se  mir  keene. 
Sagt  ich :  Gib  mir  zweee, 
Da  gab  se  mir  blos  eene. 
Da  sagt  ich  :   Gib  mir  drei^ 
Da  gab   se  mir  ene  ganze  Reihe. 
Sagt  ich:   Gib   mir  viere, 
Da  führt  se  mich  zu  Biere. 
Sagt  ich:   Gieb  mir  fünfc, 
Da  stand  se  da  und  schimpfte 
oder  (da  strickt  se  mir  e  Paar  Strümpfe). 
Sagt  ich:   Gieb  mir  sechse, 
Naunt  se  mich  ene  alte  Hexe. 
Sagt  ich :    Gieb  mir  sieben, 
Da  führt  se  mich  in  de  Rüben. 
Sagt  ich:   Gib   mir  achte, 
Da  stand  se  da  und  lachte. 
Sagt  ich :   Gieb   mir  neune, 
Da  führt  se  mich  in  de  Scheune. 
Sagt  ich :   Gib  mir  zehne, 
Da  führt  se  mich  nach   Strehle. 
Hier  endigen  einige,  andere  aber  fahren 

fort: 
Als  ich  nu  nach  Strehle  kam, 
Bellten  mich  die   Hunde  an. 
Hunde  laßt  das  Bellen  sein, 
Laßt  mich  in  das  Haus  hinein. 
Als  ich  in  das  Haus  kam, 
Bellten  mich  die  Hunde  an, 
Hunde  laßt  das  Bellen   sein, 
Laßt  mich  in  die  Stube  rein. 


Als   ich   in   die   Stube  kam, 
Zankte  mich   der  Vater  aus  ; 
Vater,  laß   das  Zanken   sein, 
Laß  mich  in  die  Kammer  rein. 
Als  ich  in  die  Kammer  kam, 
Zankte  mich  die  Mutter  aus; 
Mutter,  laß  das  Zanken  sein, 
Laß  mich  in  das  Bette   nein. 
Als  ich  in  das  Bette   kam, 
Bissen  mich  die  Flöhe  an; 
Flöhe,  laßt  das  Beißen  sein, 
Laßt  mich  ruhig  schlafen  ein. 


B. 


211.  Simr.  945  ff.  Birl.144.  Dung.  88  tf. 
a)  Ahnlich  wie  Simr.  945   bis:   Was  ist 

in  selbigem  Roß  ?  Dann  wie  folgt : 

Ein   wunderschöner  Fink  u.  s.  w. 

Was  ist  in  selbigem  Fink? 

Ein  wunderschönes  Lied  u.  s.  w. 

Was  ist  in  selbigem  Lied? 

Ein  wunderschönes  Wort  u.  s.  w. 

Was  ist  in  selbigem  Wort? 

Eine    wunderschöne    Silbe    u.  s.  w. 

B. 
h)  Beliebter  war  in  Bautzen  folgende 
Fassung : 

In  dem  Garten  steht  ein   Baum, 

Da  ein  Baum, 

Dort  ein  Baum, 

Ei,  das  ist  ein  schöner  Baum  u.  s.  w. 

B. 

212. 
Hinterm   Ofen    Hegt    ein    alter   Ranzen, 
Der  kann  tanzen. 
Seht  emal  den  Ranzen   au^ 
Wie  er  scheene  tanzen  kann.  B. 

213. 
Im  Keller,  im  Keller  ist's  finster. 
Warum    solls    im    Keller    nich    finster 

sein, 
'S  scheint  weder  Sonne  noch  Mond  her- 
ein. Ch.  St. 

214. 
«.)  One  done  Durz 

Der  Teufel  ließ  en  F .  .  z ; 


312 


TH.  GELBE 


El-  ließ   ihn   in   die   Hosen, 
Da  wuchsen  Aprikosen ; 
Er  ließ  ihn  wieder  raus, 
Da  wurden  Pflaumen  draus.  B. 

6)  One  done  Durz, 
Wer  ließ  en  F.  .z? 
Es  war  e  alter  Mann, 
Der    seineu    one    done    F.  .z    nicht 
halten  kann.  Ch. 

215. 
Es  war  emal  e  Mann, 
Der  hieß  Pumphahn, 
Pumphahn   hieß   er, 
Große  F .  .  ze  ließ  er, 
Kleene  gab  er  zu. 

Die  fraßt  du.  B. 

Chemnitz:   Z.    2.  Bimbam, 
Z.   6 :  Der  warst  du. 

216. 
Salomo  der  Weise  spricht: 
Laute  F .  .  ze  stinken  nicht, 
Aber  die  da  schleichen 
Stinken  ohne  Gleichen.  B, 

217. 
Ich  ging  mal  in  den  Wald. 
Ich  ooch. 

Da  fällt  ich   mir   en   Baum. 
Ich  ooch. 

Da  baut  ich  mir  en  Schweinstall  draus. 
Ich   ooch. 

Da  macht  ich  mir  e  Trögel  rein. 
Ich   ooch. 

Da  fraßen  meine  Schweine  draus. 
Ich   ooch.  B.  Ch. 

218. 
Jakub,   wo  biste? 
Im   Walde. 
Was  haste? 
En  Vogel. 
Gib  mir'n ; 
Seh  .  .  ß  dir'n.  B. 

219.    Simr.  888  ff.    Pet.  S.  87  ff.  Birl' 

S.  155  ff.  Stöber  52  ff. 
0,   du  lieber  heiiger  Christ. 
Der  du  hold  den  Kindern  bist, 


Komm,  beflügle  deine   Schritte, 

Bring  recht  schöne   Sachen  mitte; 

Apfel,  Nüsse  so  en  Sack, 

Pfefferkuchen  so  en  Pack, 

Neue  Stiefeln,  neuen  Rock 

Und  en  großen  Butterzopp.  B. 

220.  Simr.  889.  Stob.  114. 
Die  heiligen  3  Kön'ge  mit  ihrem  Stern, 
Sie    essen,    sie    trinken    und  bezahlen 
nicht  gern.  B. 

221.  Firm.  U.  234,  10.  Schi.  I,  425. 

a)  Ich  bin  der  kleene  König, 
Gebt  mir  nich  zu  wenig. 

Laßt  mich  nich  zu  lange  stehn. 
Ich  muß  e  Häusel  weiter  gehn.        B. 

b)  Damit  vergleiche  man : 
Bettel,   bettel,   Leinwand, 
Gieb  mir  was  in  meine  Hand, 

3  und  4  wie  bei  o).  Ch. 

222. 
Ich  bin  der  König  aus  Mohrculand, 
Die  Sonne  hat  mich  schwarz  gebrannt; 
Meine  Mutter  hat  mich  gewaschen  mit 
einem  Lappen, 
Drum  bin  ich  so  schwarz  wie  ein  Rappen ; 
Hätte    sie   mich   gewaschen  mit  einem 

Schwamm, 
So  war  ich  weiß  wie  ein  Lamm.      B. 

223. 
Ich  gratulü-  zum  neuen  Jahr, 
Wünsch  kurze  Beene  und  langes  Haar 
Und   ene  Stube  voll  Kinder 
Und  en  Stall  voll  Rinder 
Und  en  Kopp  voll  Grinder.  B. 

224. 
Kirmeß-  und  Kindtaufsingeu. 
Ringel,  riiigel  um  das  Haus, 
Bringt  e  Stückel  Kuchen  raus. 
Kuchen,   der  is  nich  gerathen. 
Bringt  e  Stückel  Schweinebraten. 
Schweinebraten  is  längst  vorbei. 
Bringt  e  Stückel  Hirsebrei. 

Obererzgebirge. 


KINDEliLIEUf^R  UND  KEIME 


3ia 


225.  Simr.  95'J.  Ruch.  S.  25.  Dung.  11)5. 
llc  du,   sags  (lein'u   Bub, 

DalJ"  dei  Bub,    moin'u  Bub   kcon'n  Bub 

mehr  nennt, 

Mci  Bub  is  kec  Bub,  mci  Bub  is  Gesell. 

Ch. 

226.  Simr.  902.    Dung.  198.    Groliätti 

35,  57. 
Der  dicke  Dietrich  trug  den  dünnen 
Dietrich  durch  den  dicken  Dreck  5  da 
dankte  der  dünne  Dietrich  dem  dicken 
Dietrich ,  daß  der  dicke  Dietrich  den 
dünnen  Dietrich  durch  den  dicken  Dreck 
trug.  Ch.  St. 

227.  Simr.  966.  967. 
In  der  Frische  fischen  Fischer  Fische, 
Fischer  fischen  in  der  FrischaJ'ischc. 

^       St. 

228. 
Schöner,  schhmker,  schlichter  Schiffer 
3chifi:e  schnell  sieben  geschliffene  Schleif- 
steine herbei.  St. 

229. 
Mein  Maurer  mauert  mir  meine  Mühle. 

St. 

230.  Dung.  192. 

Eenc     gut    gebratnc    Gans    und    en 

guter  Gurkensalat  sind  eene  gute  Gabe 

Gottes.  B. 

231. 
Justel ,    jag    doch    die  jungen  Jänse 
aus    dem  Jarteu ,    sie    fressen    ja    das 
janze  junge  Jras  weg.  Ch. 

232.  Peter  112.  Birl.  132. 
Hinter   Herrn  Heinrichs  Hofe  hausen 
Hängen   hundert  Hasen  hausen; 
Hundert  Hasen  hängen   hausen. 
Hinter  Herrn   Heinrichs    Hofe    hausen. 

St. 
233. 
Guten  Tag  Quatsch. 
Schön   Dank  Quatsch. 


Mci  Quatsch  läßt  deiner  Quatsch 
einen  guten  Abend  sagen  \  meine  Quatsch 
soll  deiner  Quatsch  c  Paar  junge  Hühner 
weggetragen  haben.  Wenn  deine  Quatsch 
noch  emal  spricht,  meine  Quatsch  soll 
deine  Quatsch  e  Paar  junge  Hühner 
weggetragen  haben  ,  so  geht  meine 
Quatsch  ufs  Gericht  und  thut  deine 
Quatsch  verklagen.  St, 

234.  Simr.  1001. 

ii)  Alaßer,   Pappaßsie.  B. 

h)  Alaßsie  Lachsaßer.  St. 

c)  Alaßer,  Suppaßsie,   Brühaßes.  Ch. 

235. 
Es    sitzt    ne  Frau    am   Berg:   Hanfhat- 

sefeel, 
(Was  hatse    fecIV    Hanf   hat    se    feel). 

Ch. 

236.  Dünger  202. 
Oster  Ben,   Oster  Ben, 
Ohneglau,  Bensterben 
Ist  des  Men   Schenverdei   l)cn.  St. 

237.    Simr.   1009.    Rochh.  S.  49,   10. 
Dung.  201. 

Aus   dem  kleinen  Käpfensterchen 
Guckt  ein  großes  Gäspenst^rchen.        B. 

238. 
Benediktinermönchsordenspriester.      St. 

239. 
Gartenzaunthürschloßklinge.  St. 

240.  Rochh.  42,  80.  Dung.  199. 
1  —  6  fast  wie  Dunger,  dann  wie  folgt : 
Hier  hab  ich  6  Pfd.  Strümpfe,  ma- 
chen sie  mir  3  Paar  Garn  daraus.  Für 
die  Bange  dürfen  sie  keine  Bezahlung 
haben ;  denn  mit  morgigen  Gelde  kommt 
meine  Post  an.  St. 

241.  Dung.  215. 

a)  Beisprache   wie  Dunger.  St. 

b)  Nfsprache  wie  Dunger.  St. 


;i4 


TH.   GELBE 


c)  Lcfsprafthe:  I.alefaß  inilerich  milcfur 
gelefehu,  dulefu  Julefnngelef'e,        St 

r/)  Erfsprache:  Laßaßerfaß  mich  icher 
fich  uunirerfur  gehuehnerfehii,  du 
uerfii  Junguugerfiingenerfe.  B 

242. 
In   der  pi-  pa-  polschen  Kirche 
Geht  es  pi-  pa-   polisch   zu, 
Da  tanzt  der  pi-  pa-  polsche  Ochse 
Mit  der  pi-  pa-   polschen  Kuh.  B. 

243.  Käthsel. 

Simr,    JOIO    ff.    Dunger    338    ff.    Birl. 

166  ff.    Stob.  50  ff. ^ Peter  S.   116  ff. 

Großätti    S.   42    ff.     Peter    327.    330. 

Simr.  1042. 

Es    kam    ein  Manu    aus  Hitteu  Dittcn, 

Der  hatte   7   große   Schlitten, 

Jeder  Schlitten   7   Pferde, 

Jedes  Pferd   hat   7   Treiber, 

Jeder  Treiber   7    Weiber, 

Jedes   Weib  hat   7    Kinder, 

Jedes  Kind  hat   7   Ammen, 

Wie  viel  machen  das  zusammen?         B. 

244.  Stob.  73.  Firm.  1, 1  63,5,  Birl.  199. 

Ri,   ra,   rumpel, 

Schwarz  ist  der  Stumpel, 

Schwarz  ist  das  Loch, 

Wo  Ri,   ra,   rumpel   rein   kroch.  B. 

245.  Birl.  186.  Pet.  340. 

Es  kamen  zwei   gegangen, 
Sie   brachten   ein'n  gefangen, 
Sie  führten  ihn   uach   Quergelstädt, 
Von   Quergelstädt  uach   Nägelstädt 
Und  dort  wird   er  gerichtet. 

246.  Simr.  1039. 

Jemand   und   Niemand 
Kauften   ein  Haus, 
Jemand  ging  vorn   heraus, 
Niemand  ging  hinten  heraus, 
Wer  blieb  drin? 


247.  Simr.  1221. 
Gefertigt  ists  seit  langer  Zeit, 
Doch   mehrstcnteils  gemacht  erst  heut, 
Gar  treulich  dient  es  seinem  Herrn 
Und  dennoch  hütet's  niemand  gern. 

B.  Ch. 

248. 
Es   hängt   an    der   Wand, 
Hat  1000  Körnchen  in  der  Hand.      St. 

249. 
Sieht  innig  wie  außen, 
Hat  hölzerne   Graußen.  St. 

250. 
Welcher  Bock  hat  keine  Haut?        St. 

251. 
Wie  viel  Nägel  bedarf  ein  wohlbeschla- 
genes  Pferd?  St. 

252. 
Sage   mir,   wenn   du's    gesehn, 
Wo   die   Gaus  im   Wasser  gehn?       St. 

253.    Dung.   364.    Pet.  375.    Großätti 

54,  78. 

Es  geht  jemand   auf  dem  Kopfe  die 
Treppe  herunter;  ^Ver  ists?  St. 

254. 
Wenn  ist's  am  gefährlichsten ,  im 
Freien  zu  gehn?  (im  Frühlinge,  wenn 
die  Bäume  ausschlagen.  Im  Sommer, 
wenn  der  Salat  schießt  und  die  Sonne 
sticht.)  Ch.  St. 

255.  Simr.  1238. 
Was  machen  die   12  Apostel  im  Him- 


melreiche? 


St. 


256. 


Welcher  Monat  ist  der  kürzeste?     St. 

257. 
Was  geht  auf  den  Boden,  hängt  Wäsche 
B.  auf?  St. 


KINDERMEDER  UND   KEIME. 


315 


Nu  eil  trily  u. 

258. 

Wart  nur,   was   icli   von   dir   wocß. 
Na,   was   denn? 

DieKartofFcln(Scnuneln)  sind  nich  lieclJ. 

B. 

259. 

Wart  nur,   was   du   hast  getlian. 

Na,   was  denn? 

Uf  der  Treppe  sitzt  e  Hahn.  U. 

2G0. 

Koth   und  bhiu 

Geht  dem  Hanswurst  seine   Frau. 

Gelb   und  grün 

Zieht  der  Hanswurst  nach  BerliU.       Cli. 

2G1. 

Beim  Ballspiel. 

Winterradischen, 

Steinernes  Kieschen, 

Alter  Student, 

Wasche  die  Hand, 

Trockne  sie  ab, 

Kämme   das  Haar, 

Fall  auf  die  Knie, 

Bete  zu  Gott, 

Steh  wieder  auf. 

Halte  deine  Hand  auf.  St, 

262. 
Hans  Adam, 
Ziehs  Loch  zusamm.  Ch. 


2G3. 
Quark  macht  stark  ; 
Quark   alleenc 
Macht  schwache   Becne.  15.  Ch. 

2ß4. 
Zankt  euch  nicht. 
Prügelt  euch  nicht, 
Gebt  euch   lieber 
Ell   Nasenstieber.  B. 

265. 
Wer's  zuerst  riecht, 
Aus  dem   es  kriecht.  B.  Cii. 

266.  Dung.  249  ff.  Simr.  782. 
Mademoiselle  vis  h  vis. 
Hübsch   gerade,  steife  Knie, 
Mademoiselle  vis  k  vous. 
Machen   sie   die  Thüre   zu; 
Denn   es   wäre  mir  nicht  lieb, 
Wenn   die  Thüre   offen   blieb. 

267. 
Links   und   rechts, 
Das  gellt  schlecht. 
Du  verflixter  Stiefelknecht. 


Ch. 


B. 


268. 
Angeführt  mit  Löschpapier, 
Morgen  kommt  der  Unteroffizier. 

B.  Ch.  St. 

269. 
Wo  gehste  denn   hin? 
In'n  A .  seh   nach  Kratzbeeren. 
Wendste    keene    findst,     kanste   wieder 
umkehren.  B. 


316  H.  FISCHER 

DIE  BUSSE  ADAMS  UND  EVAS. 

Von  einem  Unbekannten. 
Aus  Handschriften  der  Weltchronik  Rudolfs  von  Ems. 


Sus  wart  Adam  und  Eva 
gesetzet  uf  die  erde  sa 
und  üz  dem  paradis  getribeu. 
Do  si  uf  der  erden  sus  beliben, 

Adam  und  Eva  mit  grözer  klage 
also  wären  siben  tage, 
daz  si  nicht  enäzen, 
ir  freuden  si  vergäzen. 
5  Do  der  achtet  tag  verschiet, 
die  eilenden  hungern  geriet. 
Si  suchten  aber  in  siben  tagen, 
ob  si  icht  mochten  beiagen, 
des  si  sich  nerten 

10  und  von  dem  hunger  werten, 
an  den  selben  stunden 
nicht  anders  si  vunden 
den  krüt  loub  unde  gras, 
daz  der  tier  füter  was. 

15  do  sprach  her  Adam, 

do  im  daz  füter  nicht  gezam: 
'nü  mag  uns  wol  riuwen, 
daz  wir  von  des  tiufels  untriuwen 
sin  üz  dem  paradfse, 

20  da  wir  der  engel  spise 

lebten  und  heten  gut  gemach.' 
Eva  w^einende  sprach: 
'Adam,  lieber  herre  min, 
nü  tu  ez  durch  die  gute  din 

25  und  nim  mich  von  dem  libe. 
lichte  let  dich  got  blibe 
bi  im  und  nirat  dich  wider  in, 
Sit  du  von  den  schulden  min 
dine  vreude  ha.st  verlorn, 

30  dar  zu  dich  got  hetc^erkoru. 
do  sprach  der  gute  Adam, 
dp  er  ir  bete  vernam: 
'Eva,  du  solt  nicht  so  spreche, 
daz  got  nicht  me  an  uns  reche, 

35  daz  wir  Avider  in  hän  getan. 
ich  kan  uns  baz  gewisen  an. 


DIE  IUISf=E  ADAMS  UND  EVAS.  317 

wir  Silin  uns  die  buzo  neme, 

die  unsci'u  sunden  wol  gezenie; 

da  sul  wir  gote  bezzern  mite 
40  und  suln  in  weinende  bite 

durch  die  erbarmlicrzikeit, 

die  hat  sin  heih'ge  gotheit^ 

daz  er  über  uns  arme 

sich  gerüehe  erbarme 
45  und  vergebe  uns  unser  seiiuide 

und  wider  läze  uns  stne  hulde. 

Eva  die  getriuwe 

sprach  mit  grozer  riuwe: 
aehein  buze  kan  so  groz  sin, 
50  da  mite  ich  büze  die  sunde  min; 

die  sint  vil  grozer  den  die  din. 

doch  bin  ich,  lieber  herre  min, 

dir  vil  gern  gehörsam'. 

du  sprach  der  wise  Adam : 
55  'an  gote  du  nicht  verzage, 

merke  wol  waz  ich  dir  sage. 

ein  wazzer  heizet  Tigris, 

daz  fliuzet  üz  dem  paradis ; 

dar  in  solt  du  nackent  gen 
60  und  solt  üf  einem  steine  steu 

tief  unz  an  din  kinue. 

die  wile  du  stest  darinne, 

so  solt  du  got  nichtes  bite, 

daz  dii  in  nicht  erzürnest  mite; 
65  wan  du  des  nicht  wirdig  bist, 

daz  du  in  der  selben  frist 

in  icht  manest  umb  dine  not, 

wan  du  tete  daz  er  dir  verbot 

nü  merke  wol  waz  ich  dir  sage: 
70  also  stant  da  drizig  tage, 

so  wil  ich  in  dem  Jordan  trage 

die  selben  büze  vierzig  tage. 

so  ist  unser  herre  so  gut, 

daz   er   uns   lichte^ gnade  tut'. 
75  Do  so  geriet  her  Adam 

und  daz  Eva  wol  vernara, 

do  gie  die  arme  sä  zehant, 

da  si  daz  selbe  wazzer  vant, 

unde  tet  daz  si  nicht  liez, 
80  daz  si  her  Adam  tun  hiez. 

Adam  was  euch  do  bereit, 

gein  dem  Jordan  er  do  schreit; 

zu  der  büze  was  im  gäch; 

si  sach  im  iemerliche  nach, 


318  H.  FISCHER 

85  do  er  in  daz  Wcazzer  tnit, 
vil  iemei'liche  er  do  bat, 
zu  dem  wazzer  spracli  er  saa: 
Meli  bite  dich,  süzcr  Jordäu, 
und  die  visclie,  die  hinue  sin, 
90  und  in  den  lüften  iuch  vogelin 
und  iuch  tier  al  gemeine, 
daz  ir  mir  helfet  weine 
und  minen  grozeu  kuramer  klage, 
den  ich  von  minen  sunden  trage. 
95  ir  Sit  unschuldig'  dar  an, 

ich   binz^der  da  gesundet  hän. 
do  her  Adam  diz  gesprach, 
vil  schiere  er  umbe  sich  sach 
die  tier  und  oucli  die  vogeliu, 

100  daz  wazzer  lie  sin  fliezen  sin, 

die  vische  gebarten  zu  siuer  klage 
trüriclichen  achzeheu  tage. 
Daz  was  dem  tiufel  leit, 
der  alle  gi'ite  ding  ie  neit ; 

105  er  verebte,  ob  si  in  der  büze  bestünden, 
daz  si  sich  mit  gote  sunden, 
daz  er  si  neme  wider  in. 
er  machte  sich  in  eins  engeis  schin, 
als  ob  er  ein  eugel  were. 

110  der  valsche  trugenere 

kam  zu  dem  wazzer  zehant, 

da  er  Evam  in  noten  vant. 

er  begunde  mit  ir  weine, 

er  sprach:  'wie  stest  du  so  eine? 

115  mir  ist  leit  din  ungemach. 

(mit  untriuwen  er  daz  sprach.) 
diu  weinen  ist  für  got  komen, 
er  hat  Adames  gebet  vernomen ; 
des  hän  wir  engel  in  erbeten. 

120  nü  solt  du  üz  dem  wazzer  treten 
unde  rüwen  nCi  zehant; 
wau  mich  hat  got  nach  dir  gesant, 
daz  ich  dich  füre  hin  zu  Adam, 
den  sol  ich  euch  trösten  alsam 

125  und  sol  iuch  denne  wise 
wider  zu  dem  paradise 
und  solju  schaffen  gemach' 
dö  diz  Eva  gesach, 
si  geloubte  im  der  mere  dö 

130  unde  wart  von  herzen  frö. 
üz  dem  wazzer  si  dö  gienc, 
der  tiufel  si  zehant  cnpfienc. 


DIE  RUSSE  ADAMS  UND  EVAS.  319 

von  froste  was  ir  die  liüt 

getan  sam  ein  valwez  krüt. 
135  von  unmacht  viel  si  nieder, 

der  tinl'el  hCib  si  üf  wider 

uude  fürte  si  zehant, 

da  er  Adam  in  noten  vant. 

dö  si  Adam  komen  sach, 
140  vil  iemerlicbe  er  weinend  sprach: 

'0  we  dir  Eva  we  dir  we! 

du  bist  betrogen  aber  als  e 

von  dem,  der  uns  e  verriet 

und  von  dem  paradise  schiet. 
145  erniuwet  ist  unser  missetät. 

wäfeu  über  sinen  valschen  rät!' 

dö  Adam  also  sprach 

und  ouch  Eva  daz  gesach, 

daz  ir  geverte  der  tiufel  was, 
150  zu  der  erden  an  daz  gras 

viel  si  von  unmechte  sän. 

si  sprach :  'waz  han  wir  dir  getan  ? 

wir  wären  einvaldig  unde  gut; 

daz  dich  valte  din  ubermüt, 
155  da  sin  wir  unschuldig  an; 

got  hat  sin  räche  an  dir^  getan'. 

mit  grimme  sprach  her  Adam : 

'war  umbe  bist  du  uns  so  gi-am? 

din  ere  hän  wir  dir  nicht  genomen. 
160  ez  ist  an  unser  schulde  komen, 

daz  du  verlure  dinen  gemach'. 

der  tiufel  süft  unde  sprach : 

'wenest  du  mir  sagen  daz? 

gein  dir  trage  ich  von  rechte  haz. 
165  wan  daz  ich  wart  verstozen 

mit  allen  minen  genözen, 

daz  kam  von  dinen  schulden, 

do  ich  wider  gotes  hulden 

mit  miner  hochferte  warp, 
170  da  von  mine  ere  gar  verdarp. 

in  an  betten  gemeine 

alle  engel  denne  ich  eine. 

Michael  der  engel  berste 

was  do  der  aller  erste 
175  der  selbe  sprach  so  zu  uiir: 

**unser  herre  hat  geboten  dir, 

du  solt  an  beten  in, 

sit  er  dir  wisheit  unde  sin 

vor  uns  allen  hat  gegeben. 
180  du  solt  nach  sime  geböte  leben". 


320  H.  FISCHER 

ich  sprach  daz  ich  des  nicht  eutete, 
sit  er  mich  geschaffen  hete 
schöner  und  wiser  danne  sich, 
er  mochte  lichte  erzürnen  mich, 

185  daz  ich  mit  minem  trOne 
seze  gein  dem  aquilöne 
und  wurde  gelich  dem  hohen  gote. 
zehant  geschach  von  sime  geböte, 
daz  ich  herab  gestözen  wart. 

190  do  für  ich  eine  leide  vart 
her  in  diz  eilende; 
da  von  wolde  ich  wende, 
daz  ir  nicht  lenger  sit  beliben 
in  der  wunne,  danne  ich  bin  vertriben, 

195  und  riet  dinem  wibe  daz, 

daz  si  daz  verboten  obez  az, 
da  von  wurde  ouch  du  betrogen, 
nü  hän  ich  ir  aber  an  erlogen, 
daz  si  durch  minen  valschen  rät 

200  mir  üz  der  büze  gevolget  hat, 
und  wil  ouch  immer  mere, 
swä  ich  kan,  verkere 
dich  und  diu  gesiechte, 
ich  nide  dich  von  rechte, 

205  sit  dich  got  setzen  wil  da  hin, 
da  von  ich  verstözen  bin, 
und  ich  von  miner  schulde 
v^erlös  mins  schepfers  hulde'. 
Adam  der  riuwesere, 

210  do  er  hört  die  mere, 

er  süfte  und  sach  üf  zu  gote, 
er  sprach:  'herre,  in  dime  geböte 
ste  min  sele  unde  ouch  min  lieben, 
ich  bite  dich  mir  uü  geben 

215  dinen  veterlichen  trost, 

daz  ich  von  im  werde  erlost, 
der  mir  ist  so  gevere. 
got,  milter  erbarmere, 
gib  mir  hilfe  und  dinen  rät, 

220  daz  der,  der  mich  betrogen  hät^ 
mir  nicht  mer  angesige 
imd  daz  ich  im  nicht  underlige. 
des  bit  ich  dich  inneclichen, 
du  solt  mir  nicht  geswichen, 

225  sit  ich  bin  din  hantgetät, 

so  weiz  ich  nicht  wä  suchen  rät, 
den  an  dich  herre  aleinen, 
du  solt  an  mir  bescheinen 


DIE  BUSSE  ADAMS  UND  EVAS.  321 

din  veterliche  gute, 
230  daz  ich  vor  im  behüte 

tnino  sele  und  ouch  min  leben, 
daz  du  mir,  herre,  hast  gegeben', 
du  her  Adam  diz  gespraeh 
und  got  sin  vesten  mut  gesach, 
235  er  tet,  als  er  noch  hiute  tut; 
swer  an  in  wendet  sinen  müt, 

ein  ieglich  sundere, 

dem  buzet  er  sin   swire, 

also  daz  er  in  gewert, 
240  ob  er  rechter  dinge  gert. 

Adame  half  er  do  zehant, 

daz  der  leidige  vint  verswant, 

daz  er  in  nicht  ^mere  sach. 

do  die  genäde  Adame  geschach, 
245  an  gote  wolde  er  nicht  verzagen; 

er  stünt  do  unz  ze  vierzig  tagen, 

daz  er  nie  von  dannen  kam, 

unz  sin  büze  ein  ende  nam. 

x)ö  sprach  Eva  die  riuwerin: 
250  'Adam,  lieber  herre  min, 

du  solt  von  rechte  freuwen  dich, 

daz  du  nicht  bist  betrogen  als  ich, 

[weder  nü]  noch  zu  dem  ersten  male: 

des  sol  dir  äne  twäle 
255  got  unser  herre  geben 

freude  und  ewiclichez  leben, 

und  bestetige  din  gemüte 

und  rüche  dich  behüte 

vor  allem  leide. 
260  ich  wil  nü  von  dir  scheide; 

so  michel  ist  mm  unsin, 

daz  ich  des  nicht  wirdig  bin, 

daz  ich  si  din  genoz. 

min  missetät  ist  so  groz, 
265  daz  ich  von  rechte  von  dir  var, 

ich  enrüche  in  der  werlde  war, 

da  ich  mines  endes  bite'. 

an  der  selben  zite 

begunde  si  von  im  ge; 
270  daz  scheiden  tet  in  beiden  wl; 

si  hüb  an  ze  weine, 

do  kam  si  alterseine 

zu  der  sunnen  undergang. 

daz  ungewiter  si  do  twang, 
275  daz  si  zimmern  begunde, 

des  si  doch  lutzel  künde. 

GEBMAKU.  Neue  Reihe.  X.  (XXU.  Jahrg.)  21 


322  H.  FISCHER 

si  machet  ir  ein  huttelin^ 
die  freudelose  saz  dar  in; 
gemach  was  ir  tiure, 

280  si  künde  ouch  nicht  ze  fiure. 
niun  mauede  wären  ergangen, 
daz  si  hete  enpfangen 
ein  kint  nach  menschlichem  site. 
da  was  si  bekumert  mite, 

285  wan  si  da  mite  nicht  künde, 
die  zit  nähen  begunde, 
daz  siz  zer  werlde  solde  bringen, 
wewe  begunde  si  twiugen. 
do  sprach  die  freuden  arme: 

290  'nü  müze  got  erbarme, 

daz  ich  unselig  bin  erkorn, 
daz  ich  mines  schepfers  zorn 
von  miner  schulde  verdienet  hän. 
nü  ist  leider  nieman 

295  under  allem  himelischen  gesinde, 
an  dem  ich  gnade  vinde 
oder  der  mir  gebe  deheinen  rät, 
wan  got,  der  mich  geschaffen  hat. 
der  sende  schiere  an  mich  den  tot 

300  oder  helfe  mir  von  dirre  not, 

die  ich  von  minen  sunden  trage', 
unser  herre  horte  nicht  ir  klage; 
wan  er  hete  sinen  zom 
gein  ir  dannoch  nicht  verkorn, 

305  daz  si  im  wolde  erbarme, 
do  sprach  aber  die  arme: 
'owe  daz  ich  nü  nieman  hän, 
an  dem  ich  fimde  trostes  wän, 
daz  er  mir  gebe  rät 

310  von  miner  grozen  missetät, 

sint  mir  nü  alle  geschefte  sint  gram. 
westez    doch  her  Adam 
und  weste  ich  wen  ich  funde, 
der  imz  wolde  künde! 

315  ich  wolde  imz  enbiete, 

daz  er  mir  dar  zu  geriete. 
nü  wil  ich  biten  gerne 
dich  sunne  und  iuch  sterne, 
swenne  ir  zu  dem  Oriente  kumet, 

320  daz  ir  mir  zu  miner  not  frumet 

und  kündet  Adam  dem  herren  min, 
daz  ich  hie  lide  groze  pin'. 
zehant  bi  der  selben  stunt 
Adame  wart  ir  klage  kunt. 


DIE  BUSSE  ADAMS  UND  EVAS.  323 

325  er  sprach  mit  ungeraüte: 

'mochte  ich  nü  behüte, 

daz  des  tiufels  gercte 

der  armen  Even  icht  me  tete, 

als  er  e  hat  getan!' 
330  trürend^  hfib  er  sich    sän, 

da  er  Evam  in  noten  vant. 

dp  si  in  sach,  si  sprach  zehant: 

'Adam,  lieber  herre  min, 

nü  bite  unsern  trechtin^ 
335  daz  er  sich  erbarme  über  mich, 

ob  er  lichte  erhöret  dich, 

stt  mmer  sunden  ist  so  vil, 

daz  er  mich  uicht^  erhören  wii'. 

dö  tete  der  gute  Adam, 
340  als  ez  im  vil  wol  gezam. 

er  mante  flizicliche 

got  von  himelriche, 

daz  er  dar  an  gedechte, 

ob  si  zer  werlde  brechte 
345  ein  kint,  des  hete  er  ere, 

da  von  begunde  sich  mere 

s£n  lob  und  sin  hantgetät. 

got  tete  dö,  des  er  in  bat, 

und  gewerte  in  an  der  stat, 
350  als  die  schrift  der  wärheit  hat. 

Got  liez  Evam  erbarmen  sich; 

zwelf  engel  herlich 

sante  er  ir  zu  helfe  dö. 

des  wart  si  von  herzen  vrö, 
355  dö  si  die  grözen  gnade  vant, 

si  bereite  sich  zehant 

ze  gebern  nach  wiplichem  site, 

da  si  vil  lutzel  künde  mite, 

wan  si  ez  nie  hete  getan. 
360  sant  Michel  wlset  siz  an 

und  lerte,  wie  si  solde  tu 

und  half  ir  mit  der  hant  dar  zu, 

und  ander  engel,  als  got  gebot, 

hülfen  Even  üz  der  not. 
365  unsers  herreu  gute  wart  dö  schin; 

ich  wene,  daz  ie  keiserin 

so  herlich  ammen  ie  gewan. 

sant  Michel  tröste  si  sän, 

er  sprach:  'du  solt  selig  sin, 
370  Eva,  von  dem  wirte  din. 

den  hat  got  so  gut  erkant, 

daz  er  uns  hat  zu  dir  gesant, 

21* 


324  H-  FISCHER 

der  hat  gestillet  sinen  zorn. 
do  wart  ein  schonez  kint  geborn, 
375  daz  wart  geheizen  Käin, 

daz  stünt  üf  und  lief  do  hin 
und  brach  ein  grünez  krütelin, 
daz  brächte  ez  der  müter  sin. 

nach  Käin  wart  ouch  sä 

geborn  ir  tochter  Calmana, 

diu  bi  Käin  kint  genuoc 

in  den  selben  ziten  truoc  u.  s.  w. 

Lesarten.  {Blosse  Alioeichungen  in  der  Orthographie  oder  ganz  leichte 
in  den  Wortformen  sind  nur  da  aufgeführt,  ivo  sie  kritisch  von  Werth 
sein  konnten'^  Majuskeln  zu  Anfang  der  Zeile,  außer  in  Namen,  bezeichnen 
farbige  Initialen  in  sämmtlichen  oder  beinahe  sämmtlichen  Hss.) 
1  groß  h.  —  2  waren  C  GUwh :  waren  si  FS.  —  3  niht  F,  niet  S, 
nit  h  ;  da  die  Hss.  überwiegend  statt  h  vor  Consonanten  das  md.  ch  haben, 
so  habe  ich  dieses  überall  hergestellt.  —  4  daz  sy  ir  freud  gar  v^gazzen  C. 
irr  w,  irher  S;  ir  erscheint  sonst  in  unserem  Gedichte  nicht  decliniert.  — 
freud(e)  CFh,  frewnde  iv.  —  gar  vergazzen  loh.  —  5  achtent  Ch. 
achte  FSw.  —  tach  F;  ich  habe  nicht  darnach  gestrebt,  in  der  Behand- 
lung der  Media  im  Auslaut  eine  Regel  durchziführen,  da  die  Hss.  hierin 
keine  zeigen.  —  6  eilenden  CFGS2^w:  armen  h.  —  7  die /S.  —  such- 
ten S,  suochten  (7 ;  i  h  habe  für  uo  und  tie  überall  ü,  für  ü  überall  u 
hergestellt ,  da  die  Hss.  meist  blosses  u  haben ;  ebenso  findet  sich  statt  oe 
und  ö  stets  6  und  o,  dagegen  findet  sich  statt  consequenten  ü  für  iu  fast 
immer  iu  oder  ew  in  den  Hss.,  iceshalb  ich  hierin  von  Durchführung  des 
md.  Vocalismus  abgesehen  habe.  —  in  siben  tagen  CFGSZiio,  siben 
tag  h.  —  8  icht  FGStv,  sich  C;  fehlt  2J.  —  ob  sy  funden  den  beiag  h; 
lag  vielleicht  Ursprung' ich  ein  Infinitiv  auf  e  zu  Grunde: 

si  suchten  aber  siben  tage, 

ob  si  icht  mochten  beiage? 
F  hat  sonst  nachweislich  keinen  solchen  Inf.  entfernt.  —  9  dez  CGw, 
daz  Sh.  —  mit  nerten  h.  —  10  vnd  des  hungers  erwertü  h.  —  12 
ander  U.  —  14  tiere  F.  —  15  da  sprach  da  her  adam  h.  —  16  da  h; 
auch  sonst  haben  die  Schreiber  da  und  do  nicht  zu  unterscheiden  gewußt.  — 
17  rewen  CGZlliw^  nur  F  und  S  haben  eu  für  iu,  sowie  ei  für  1  nie- 
mals.—  18  wir  CFhw  :  uns  GSU.  —  des  tmf eis  fehlt  h.  —  19  des  deufels 
seyen  aus  dem  pädy  h.  — 20  daz  CGE.  —  edlen  speis  ä;  CGEhw 
setzen,  doch  ohne  Consequenz,  ei  für  i.  —  21  guten  Fw,  fehlt  CZ!h.  — 
22  wainund  CG.  —  24  nü  fehlt  h.  —  diw  C;  auch  sonst  zeigen  die 
Hss.  kein  Verständnis^  dieser  Endung,  weshalb  ich  das  md.  die  consequent 


DIE  BUSRK   ADAM8  ITND   EVAS.  325 

hergestellt  habe.  —  25  leben  C,  lehn  h.  —  26  leicht  gerucht  dir  got 
wid*  gebe  h.  —  vil  leicht  C.  ~  bleibe  ?«,  beleihe  GE,  hüben  S,  be- 
leiben C.  —  27  sein  huld  und  n,  d.  w.  ein  h.  —  28  sint  FS,  seit 
GEtoh,  seyt  C  —  33  nicht  so  CFGll:n\i  h,  also  nicht  Sw.  — 
sprechen  CG  SEhio.  —  84  iht  F;  niht  und  iht  er.fcheinen  in  den  Hss. 
fast  ganz  promiscue:,  ich  habe  ohne  liücksichf  auf  die  Hss.  jedesmal  das 
mir  passend  scheinende  eingesetzt.  —  ez  mag  got  mer  a.  u.  r.  CGSZlvi 
got  wolt  an  u.  r.  h.  —  mer  Cio,  racre  F.  —  rechen  GSEhio,  ge 
rechen  C.  —  35  mer  dann  daz  wir  haben  getä  h.  —  daz  wider  in  wir 
han  getan  Sw.  —  haben  Ch.  —  36  ich  kan  vns  daz  pas  geruffn  an  h. 

—  37  nemen  CGSShio.  —  38  stunden  h.  —  gezemen  CGS Shvj.  — 

39  schulle  Cio,  suln  U,  sullen  h,  solen  S.  —  gode  S,  got  CFGUhio- 

40  vnd  flehen  in  mit  wainendem  sit  h.  —  daz  wir  in  w.  b.   CGSUw. 

—  wainund  CGE.  —  piten  C.  —  41  daz  er  durch  h.  —  barmherzi- 
keit  CSw ,  erberraikait  h.  —  43  sich  vber  vns  erbarmen  h.  —  er  fehlt  S. 

—  armen  CGSEw.  —  44  gerüch  nun  erarnen  h.  —  czvrbarme  (r, 
erbarmen  CS  Ew.  —  45  vnd  vns  vrab  die  schulde  h.  —  vnder  lo.  — 
46  geh  ander  sein  hullde  h.  —  uns  fehlt  S.  —  lazz  vns  wider  sein  C. 

—  49  egeine  S,  kain  h,  chain  CG.  —  mag  Shw.  —  grozze  w.  —  ge- 
sein  CEh.  —  50  sund  Gw,    sunden  S.  —  51  die  grosser  sund  vil  h. 

—  danne  din  S.  —  52  den  räch  deiner  sunde  zil  h.  —  53  ich  sey  ir 
gehorsam  h.  —  55  du  fehlt  h.  —  56  vnd    merck   wz   ich   dir    sage    h- 

—  wol  fehlt  C.  —  mirke  S.  —  58  rinnet  C  —  59  inne  Sw.  —  60  einem 
stein  Ctü,  eyme  steine  F,  ainen  steine  h,  ein  stain  G,  einen  stein  S. 
61  tief  CFGSEw :  auf  h.  —  daz  CEh.  —  62  sist  S,  seist  lo,  pist  h. 

—  63  dein  mund  in  nichtz  die  weil  pit  h.  —  dw  solt  got  n.  b.  C.  — 
vmb  nichtes  lo.  —  biten  CGSEic.  —  64  in  icht  CGE,  iniht  jP,  nicht 
in  Sw;  stand  vielleicht  da  du  in  icht  erzürnest  mite?  aber  alle  Hss.  haben 
daz.  —  miten  Sw.  —  65  w.  d.  niht  des  w.  b.  S,  w.  d.  in  des  niht 
w.  b.  F.  —  67  nicht  CGSEhw.  —  68  daz  FGShw-.wsiz  CE.  — 
69  wol  CFGSEw :  recht  h.  —  71  in  den  Shic,  inde  G.  —  tragen 
CGSEhio.  —  72  zu  (ze  hw)  vierzig  (vierzehen  hiü)  tagen  GSEhio, 
in  vierczig  tagen  C.  —  74  lichte  fehlt  CGE,  dann  h.  —  75  also  Ch. 

—  geret  hio.  —  76  vnd  eua  daz  uernam  xS'.  —  gienk  S,  gieng  h.  — 
77  so  Chio.  —  czuhant  FG;  ich  habe  in  anderen  Verbindungen  da,  wo 
die  Hss.  zu  bieten,  diese  md.  Form  für  ze  hergestellt;  in  zehant  loolUe 
ich  von  den  Hss.  nicht  abweichen.  —  81  adam  auch  nit  lie  h.  —  auch 
bereit  Sio,  da  auch   G.  —  82  den  S.  —  do  fehlt  h.  —  schreite  C,  gie  h. 

—  84  isemerleich  E,  iamerleich  tu,  iamerlichen  h,  iamerleichen  CG',  ich 
ha^e  mit  drei  Hss.  gegen  vier  den  Umlaut  angenommen,  den  an  anderen 


326  H.  FISCHER 

Stellen  mehr  Hss.  hiefen ;  statt  mhd.  ge  hohe  ich  stets  md.  e  gesetzt,  loas  die 
Hss.  fast  ausnahmslos  haben.  —  86  vil  laut  ruft  er  vnd  pat  h.  —  87 
mit  solichen  Worten  ers  began  h;  h  scheint  das  md.  sän  entfernt  zu 
haben,  wie  dies  unten,  v.  368,  von  hiv  und  wohl  v.  330  von  allen  ausser 
F  geschehen  ist.  —  88  bidden  <S.  —  89  vnde  vische  S.  —  hin  h,  hier 
inne  C,  hie  Sw.  —  90  vnd  in  dem  lust  die  vogelein  h.  —  auch  vo- 
gelin Sio.  —  91  die  grossen  zu  den  clainen  h.  —  ueh  S,  auch  (euch  F) 
Fw,  euch  (ewch  C)  CG,  ev  2J.  —  gemeinen  GSEto.  —  alle  gemeinen  S. 

—  92  mich  helffen  h.  —  weinen  CGS Hhw.  —  93  kumber  GS,  kum- 
mer  S,  chümer  F.  —  klagen  CGSShto.  —  94  den  ich  mus  von  sunde 
tragen  h,  den  ich  von  meinen  sunden  muz  t'ge  C.  — -tragen  {C)  GSZlhiv. 

—  95  sind  h.  —  an  der  dat  h.  —  96  hat  h;  h  wollte  die  ihm  auffällige  Con- 
struction  „ich,  der  hän",  die  gleichioohl  alle  andern  Hss.  bieten,  entfernen  und 
änderte  hier  iind  im  vorhergehenden  Verse.  —  gesundiet  S.  —  98  da  vmb  h. 

—  gesachCi^.  —  99  ouch  CFGSZio :  alleÄ.  —  101  vnd  geparten  zu  der 
clag  h.  —  gepaite  C.  —  102  drewlichen  h.  —  103  vil  laid  h.  —  104  ie 
fehlt  Sio.  — ^  maid  h.  —  105  er  vorcht  ob  daz  geschäch  Ä;  darnach  in 
h  allein   die  vv.:   daz   got   ir   rew  an  säch  vnd  an  der  puss  bestunden. 

—  uorthe  S.  —  106  vnd  sich  mit  got  versunten  h.  —  versunden  (h)  C 
Hat  der  lange  v.  105  vielleicht  anders  gelautet?  h  hat  einen  offenbaren  Ver- 
such gemacht,  mit  kürzeren  Zeilen  auszukommen:,  vielleicht  fehlte  ursprüng- 
lich in  der  büze,  welches  ein  Glossem  sein  kann,  dann  freilich  ein  altes 
sein  müßte.  —  108  er  nam  an  sich  solichen  schein  h.  —  109  ob  fehlt  Ch- 

—  wäre  C.  ~  110  valschs  lo.  —  111  chom  CF G Zw\  ich  habe  kam 
geschrieben.,  welches  v.247  im  Reim  auf  ntan  steht. —  113  weinen  C G  S Zlhw 

—  114  valschlich  trew  erschainen  h.  —  er  sprach  ist  nieman  bi  (mit  w) 
dir  einen  CGSUw.  —  115  er  sprach  mir  h.  —  116  daz  CFEhio  :  do  GS. 

—  117  bekomen  GFU.  —  118  adams  gepet  hat  er  v^nomen  h.  —  pet  w, 
fehlt  S.  —  119  dez  CGw,  daz  h.  —  haben  hw,  hab  C.  —  in  fehlt  Shw. 

—  gebeten  Sw.  —  du  solt  auz  C.  —  aus  d^  püs  h.  —  121  rüwe  S,  rüchen  h, 

—  all  zehant  h.  —  122  zu  G.  —  wan  mich  hat  nach  dir  gesant  Z!, 
w.  m.  got  zu  dir  hait  g.  S,  w.  m.  got  hat  z.  d.  g.  lo,  wan  er  mich  nach 
dir  hat  g.  C,  got  hat  mich  zu  dir  g.  h.  —  123  hin  fehlt  h.  — 124  ouch  fehlt  S, 
trösten  ach  allsam  h.  —  125  und  ich  iuch  denne  wise  CGSUh, 
vnd  in  auch  danne  weisen  lo.  —  126  paradeisen  iv.  -  127  gut  gemach  h, 
guten  gemach  CG  ZI.  —  128  do  er  fruntlichen  sprach  A,  geioiß  um  das 
auffallende  gesach/m-  Wahrnehmung  überhaupt  zu  entfernen.  —  129  raere 
fehlt  S.  —  130  dz  drostes  fro  h.  —  133  so  was  CEw.  —  134  als  FSh. 

—  valbez  CGEhio.  —  135  vor  CGZ.  —  vnkreften  h-,  vielleicht  hieß 
es,  mit  fließenderem  Metrum,  unmechte,  was  v.  151  gewiß  stand,  hier  hat 


DIE  BUSSE  ADAMS  UND  EVA.S.  327 

es  keine  Hs.  —  si  do  nider  C.  —  136  dez  vals  half  ir  d^  deufel  wid^  h. 

—  138  adamc  G.  —  139  sich  iv,  sey  C.  —  140  waincnt  er  mit  wainent 
sp''ch  h.  —  wainund  GU,  wainud  0,  weinende  S,  weinend  to,  weinde  F., 
ist  F  zu  folgen  oder  die  harte  Kürzung  zu  belassen?  —  141  O  fehlt  CG£h, 
A  w.  —  142  wider  Sw.  —  als  i  e'  G.  —  144  und  fehlt  F.  —  145  vnß  h 

—  146  valsch  h.  —  147  gesprach  CFh.  —  148  daz  fehlt  h.  —  151  un 
machte  F/Sw,  vmmecht  G,  vnmechten  C,  amechten  h.  —  sani  /*.  — 
152  habn  h,  hab  iv.  —  ich  C.  —  153 — 156  fehlen  Ch]  der  Schreiber 
irrte  von  getan  v.  152  auf  getan  v.  166  ab.  —  153  einueldich  6', 
ainvoltich  G.  —  155  synt  F.  —  159  er  Ghiv.  —  haben  hio,  hab  C.  — 
d*  F.  —  161  verlurt  Ch.  —  din  Sh;  hier,  wie  auch  sonst,  habe  ich  die 
längere  Form  vi  beiden  Wörtern,  dinen  imd  gemach,  belaßen,  da  bei  der 
Unsicherheit  der  Hss.  kaum  je  sicher  zu  entscheiden  ist,  ivelches  Wort  in 
der  kürzeren  Form  gesetzt  war.  —  162  seuft  vn  (x,  seuftet  vii  CF2Jh, 
suftzende  8,  sauftzende  lo;  suft  unde  {oder  siuft  unde)  muß  gestanden 
haben,  loenn  zwei  Abschreiber  es  für  siuftunde=  siuftendc  lasen  j  oder  sollte 
diese  alte  Form,  hier  anzunehmen  sein?  —  163  du  fehlt  w.  —  164 
tragen  S,  ivelche  auch  sonst  diese  Form  der  1.  sg.  hat.  —  166  gnossen  F-, 
so  wird  loohl  eher  zu  kürzen  sein,  als  min  genozen.  -  169  hochvart  Ch, 
hofferte  2J,  hoferte  S,  hoffart  ö.  -  170  er  Gh.  —  erstarp  FG.  —  111 
nun  petoten  an  gemain  h.  —  173  herscht  h,  fürste  C.  —  175  do  Siv, 
da  h,  also  CG 2^;  der  selbe  mychel  sprach  czv  myr  F;  mychel  in  F 
toird  ein  Glossem  sein:,  die  Abioeichungen  in  den  andern  Hss.  erklären 
sich  aus  ursprünglichem  so  am  einfachsten;  oder  hieß  es  dirre  selbe  sprach 
zu  mir?  —  176  genumen  h.  —  178  dir  fehlt  S.  —  180  seinem  gebot 
CGZiw,  seinen  gepoten  h,  synem  geböte  F.  —  181  er  sprach  S.  —  daz 
niht  Sh,  dez  nicht  CGio.  —  entate  C,  tete  F.  —  182  gemachet  i^.  — 
hate  C.  —  Ist  der  überlange  Vers  181  zu  belaßen  mit  dreisilbigem  Auftact? 
tete  mit  kurzer  Stammsilbe,  als  Indicativ,  geht  doch  kaum\  eine  einfache 
Kürzung  wäre;  ich  sprach  deichs  nicht  entete.  —  183  schon  h.  —  185 
in  meiner  chron  h,  mit  meiner  chrono  C.  —  186  sacze  CG,  sas  h.  — 
187  ward  h.  —  hochstn  h.  —  188  seinem  CGZ!tp,  seim  h.  —  190  laidig  h> 
laidige  C,  laide  G,  laidiv  U.  —  192  da  von  ich  gerne  wende  CGS2Jhw. 

—  193  sit  fehlt  lo,  weret  F.  —  194  daraus  h.  —  bin  fehlt  h.  —  getribn  h- 

—  195  bin  vude  h.  —  196  obs  verpoten  h.  —  197  von  fehlt  lo;  da  von 
so  F.  —  ward  h,  wurde  F.  —  dw  auch  C.  ~  198  nun  han  ich  sy  an- 
gelogen h.  —  199  si  fehlt  F.  —  valschen  fehlt  h.  —  200  sie  mir  F\  mir 
fehlt  h.  —  der  fehlt  G.  —  201  vnd  wil  daz  noch  meren  h.  —  niemer  S. 

—  meren  (mern  lo)  CGSUio.  —  202  wo  Sw,  wann  h.  —  203  geslacht  G. 
204  reht  C.  —  205  got  dich  w.  —  206  von  dannen  S,  von  danne  w.  — 
gestossen  h.  —  207  wye  ich  h;  doch  ist  das  erstere  Wort  nicht  mehr  ganz 


328  H.  FISCHER 

deutlich.  —  209  der  rufet  sere  C,  den  rew  sere  lo.  —  211  erseuft(e)  FG, 
ersäuftzt  w.  —  213  sey  Ch.  —  ouch  fehlt  h.  —  214  nu  mir  C,  daz  du 
welest  F.  —  215  mir  dynen  F.  —  216  werd  von  im  Ch.  —  219  helfe  S. 

—  220  ein  der  fehlt  Fh:,  vielleicht  richtig?  —  221  nicht  mir  mer  h.  — 
222  niht  F,  nit  bricht  GSEio;    nicht  mer  C.  —  223  dich  fehlt  h.  — 

—  innerchleichen  G2^,  innerlichen  h,  rainechleichen  C.  —  224  gewei- 
chen C*,  entwichen  S,  entweichen  w.  —  225  son  F.  —  nie  oder  me  {eher 
letzteres)  F.  —  wo  C,  swa  G.  —  wa  ich  such  rat  h,  —  227  alaine  C^ 
allaine  h;  vielleicht  mit  Recht:  aleine  :  bescheine?  aber  v.  288  haben  alle 
Hss.  den  Inf.  aif  en.  —  228  beeunen  S.  —  230  ym  sei  behüte  C,  — 
231  min  .S,  mein  CGZhio,  mym  F.  —  232  herre  myr  F.  —  233  also 
sprach  h.  —  234  syne  stete  F:,  vielleicht  richtig?  —  235  hinte  G.  —  236 
wer  Shw,  swenne  F.  —  an  im  F.  —  237  genzliche  der  svndere  F.  — 
238  siner  S'.  -  240  begert  h,  pitet  od*  gert  C.  —  241  do  soczehant  C.  — 
242  leyde  F.  —  243  her  F.  —  in  fehlt  S.  —  244  beschach  h.  —  245  als 
got  F.  —  246  do  fehlt  h,  da  FGw;  man  kann  ziceifelhaft  sein.  —  247 
von  fehlt  Ch.  —  248  bis  h.  —  249  Eva  CFGSUh :  adam  lo.  —  rew- 
serin  w.  —  251  frewden  C.  —  253  weder  noch  oder  zu  u.  s.  w.  C.  — 
zem2?,  dem  fehltF  G;  diese  Abweichungen  haben  mich  bestimmt.,  einen  andern 
Wortlaut  in  der  Vorlage  anzunehmen  und  weder  nu,  das  recht  gut  fehlen 
kann,  für  zugesetzt  zu  halten'.,  obwohl  die  übermässige  Länge  des  Verses 
dies  nicht  gerade  fordern  würde,  da  unser  Versificator  im  Metrischen  nicht 
sehr  genau  ist.  —  254  wale  C,  zal  h.  —  256  ewiges  S.  —  257  der  stetige  F, 
und  bestäten  h.  —  258  geruch  w.  —  zv  behüt  C,  behüten  xS*;  vor  scha- 
den er  dich  behüt  Ä;  man  ist  versucht,  die  La.  der  statt  und  in  v.  257 
anzunehmen,  wenn  nicht  die  gemeine  La.  die  schwierigere  wäre  und  h  sicht- 
lich den  Versuch  zeigte,  die  Construction  glätter  zu  machen.  —  259  vnd 
vor  allem  laiden  h.  —  260  schaiden  h.  —  ich  nu  hie  von  dir  schaid'  C; 
ich  hinne  (hin  w)  nu  von  dir  scheide  Sto-,  ich  nur  vor  dir  hin  schaide 
(schaid  G)GS.  —  263  bin  3.  —  264  also  F.  —  266  ich  enruch  wie  od* 
war  h.  —  267  ich  fehlt  Siü.  —  daz  ich  C.  —  bit  SZl,  peit  CGhio.  — 
268  {Q)z\tF82:,  (c)zeit  CGhw;  doch  habe  ich  267  mit  Fhite  und  268 
zite  hergestellt,  um  den  Vers  268  flüssiger  zu  machen,  was  allerdings  im 
Hinblick  auf  259  nicht  unbedingt  nothioendig  ist.  —  260  do  si  C,  si  do  G; 
von  im  do  ZI.  —  gen  CGS2J,  gan  iü.  —  schied  sy  von  im  mit  gross** 
clag  h.  —  270  daz  waz  in  beiden  grozzer  wen  (wan  Sw)  CGSEw.  — 
sy  gie  vil  mangen  langen  tag  h.  —  271.  212  fehlen  h.  —  271  si  mocht 
blvt  weyne  F ;  ich  habe  nicht  gewagt,  das  einzusetzen,  da  die  andern  H.ss. 
bei  Entfernung  des  Lif,  auf  -en  nicht  den  ganzen  Vers  zu  ändern  brauchten. 
—  weinen  CSw.  —  272  alrerst   aine  C.  —  273  vnd  kam   zu  h.  —  274 


DIE  BUSSE  ADAMS  UND  EVAS.  329 

bezwang  h.  —  275  zimbern  CFGE-^  nach  Analogie  des  handschriftlich 
hesser  hezeugten  kuminer  habe  ich  anch  hier  die  md.  Form,  hergestellt.  — 
276  dez  CGw,  daz  h.  —  278  vreudenlosc  GSEv),  f'rewdlosen  h.  — 
saz  CGFSEio:%\c\x  h.  —  da  G.  —  281  do  neun  C.  —  maned  GZ, 
manden  F,  manod  lo,  manat  h,  monet  C.  —  283  mensche  G.  —  284  daz 
was  F.  —  bekumbert  FGS2J.  —  288  we  we  CGSUio,  die  wewen  F, 
die  ween  h.  —  begund  GHhw,  begvnde  F.  —  289  frewde  Ch.  —  290 
daz  ez  got  erbarme  h.  —  erbarmen  S.  —  291  ze  vnseld  h.  —  293  mit  h. 

—  gedienet  Sw.  —  294  nym  nieman  F.  —  295  dem  h.  —  hiraelisehem 
FS.  —  297  do  der  mir  F,  oder  mir  S:,  od^  mir  armen  gebe  rat  h.  — 
chainen  w,  einen  S.  —  298  wan  fehlt  h  —  beschaffen  CFGZ!:  möchte 
leicht  echt  sein.  —  300  diser  h.  —  302  got  hört  h.  —  303  het  nicht  seinen 
zorn  10.  —  304  nicht  fehlt  /8w.  —  verlorn  ?«.  —  305  im  fehlt  S,  in  hiv- 

—  erbarmen  GSUhw.  — 306  sy  sprach  we  mir  armen  h.  —  307  owo 
fehlt  h.  —  niemat  h.  —  308  den  C,  de  G.  —  ich  nü  funde  xS;  nii  ist 
offenbar  fälschlich  aus  v.  307  loiederholt.  —  310  grozzer  S.  —  311  sint 
mir  alle  geschepfde  grami^Ä;  die  Mehrzahl  der  Hss.  nöthigt^  diese  schönere 
La.  aufzugeben,  aus  der  nicht  leicht  die  andere  entstehen  konnte^  ivährend, 
das  erste  sint  einmal  =  sunt  aufgefaßt,  die  Änderung  in  Fh  nahe  lag.  — 
312  wistes  S.  —  doch  er  her  adam  F.  —  313  wiste  *S'.  —  ich  nv  F; 
ouch  CGSUw.  —  314  ez  im  F,  mirz  C.  —  tete  zu  künde  CGSZxü, 
sagen  chunde  h.  —  315  ez  im  F.  —  enbieten  CGSEhio.  —  so  wolt  ich 
im  enbieten  h.  —  316  daz  zu  E.  —  riete  CF.  —  des  ich  mich  nun  mus 
nieten  h.  —  317  byeten  F.  —  318  svnnen  F.  —  auch  Sio,  ev  E.  —  319 
sowanne  S,  wann  h.  —  Aqvo.  fehlt  h.  —  den  Orienten  F  GE.  —  choment  F^ 
kument  h.  —  320  note  F,  note  E.  —  daz  ir  mir  damit  frumet  h.  —  321 
kundiet  S,  kunt  es  h.  —  322  grozzew  lo,  grozzen  CGE;  die  Hss. 
nöthigen,  die  harte  Kürzung  pin  f.  pine  anzunehmen.  —  323  zehant  (czv 
hant  G,  ze  band  K)  CGEhic  :&\Q\\eni  S,  wan  F;  CG  FE  haben  grosse 
Initialen.  —  selber  S.  —  325  ungemuten  CGSEiv,  vnmüt  h.  —  326  be- 
hüten CGSEio.  —  niocht  ich  ich  behtit  h.  —  327  rete  GS,  rate  E, 
rate  C,  rät  h,  reten  lo;  mit  F  allein  habe  ich  statt  des  sonst  vnbezeugten 
Nom.  rsete-  gersete  gesetzt.  —  328  nicht  Chio.  —  täte  C,  täten  ic;  ir  niht 
mer  det  h\  ist  Even  ein  Glossem?  —  329  als  er  ir  e  F.  —  e  fehlt  C, 
vor  h.  —  hette  S.  —  getan  ee  C.  —  330  trovren  F.  —  zu  truren  hub 
er  do  an  GSEiv,  zv  trauren  hub  do  an  er  C,  mit  eyln  hüb  er  sich 
dan  Ä;  87  hatte  h  das  md.  sän  entfernt,  368  geschieht  dies  in  hio]  die 
Abioeichungen  der  Hss.  machen  auch  hier  nothivendig,  der  einen  F  in  diesem 
und  den  ff.  zxoei  Versen  zu  folgen.  —  331  vnd  (er  h)  gie  (gienck  S)  da 
er  in  noten  vant  CGSEhio.  —  332  evam  si  sprach  zehant  CGSEhio. 


330  H.  FISCHER 

—  334  nu  fehlt  h.  —  vnßn  herren  drächtein  h,  vnsern  herreu  C.  —  335 
daz  er  hab  gnad  vber  mich  h.  —  336  vil  leicht  erhört  er  dich  h.  — 
337  sunde  C.  —  wyl  F.  —  338  hören  F.  —  340  als  im  da  vil  h.  —  vil 
fehlt  C.  —  341  er  mont  so  vleizzichleich  lo.  —  fleissikleichn  h.  —  342 
fehlt  C.  —  vnsern  herren  got  v.  h.  F\  got  den  trostes  reichen  //.  — 
344  czvr  G,  zv  der  C.  —  her  brehte  F.  —  345  chyn  F.  —  biet  CGU. 
346  da  von  raocbt  kernen  mere  CG/S£hw.  —  347  lobt  F.  —  sines  lobes 
(leibes  h)  und  siner  (fehlt  h)  hantgetat  CGSEhio.  — 348  vnser  herre 
got  F.  —  do  fehlt  Fh.  —  daz  h,  dez  CG.  —  in  da  pat  h.  —  349  an  der 
selben  stat  Fj  an  der  zeit  li.  —  350  fehlt  F.  —  alz  die  geschrift  der 
weishait  halt  C;  des  die  geschrift  vrchund  geit  h.  —  350  liez  sich 
euam  S.  —  eua  h.  —  353  hilfe  C;  anders  als  v.  219.  —  354  des  waz  sy 
pillichen  fro  h.  —  357  zer  gebvrt  F,  zvr  gebern  G.  —  na  S.  —  wipi- 
keit  ß,  wipleichen  2J.  —  359  nie  me  Sic.  —  360  Michael  G,  Michahel 
F;  ich  habe  des  Verses  loegen  mit  den  übrigen  gekürzt.  —  360  sy  daran  h, 
sis  an  lo ,  sye  an  F,  sey  an  C.  —  361  und  sprach  mit  lere  also  tu 
C G S Ehw.  — 363  vnd  dye  andern  i^.  —  365  gotes  gutin  h.  —  366  i.  w.  d.  ie 
deheyn  cheyserin  F ,•  kindelein  Ch.  —  367  die  Übereinstimmung  aller  Hss. 
nöthigt  das  zweite  ie  zu  belassen.  —  368  weiset  sis  an  w,  drosten  sy  be. 
gan  A;  s.  zu  vv.  87  und  330.  —  369  er  sprach  eva  dv  F.  —  370  von 
adame  dem  wyrte  dyn  F;  Adame  ist  offenbares  Glossem,  icegen  dessen 
Eva  hier  iveggelassen  und  369,  ivo  es  das  Metrum  litt,  zugesetzt  ward.  — 
Worte  h.  —  371  zu  gut  h.  —  den  hat  also  got  erchant  ('.  —  372  hat 
fehlt  F-,  hat  her  zu  dir  Sto.  —  374  chin  F.  —  375  kaim  //,  kaym  C, 
cayn  /S.  —  376  gieng  do  hin  C.  —  da  CrÄ;  vielleicht  richtig?  vielleicht 
fehlte  das  Wort  ursprünglich ;  F  hat  daz  stvnt  zehant  vf  vnd  lief  hin.  — 
378  vnd   pracht   ez  CA;    vnd  brach  daz  —  F.  379  kaim  h,   kaym  C. 

—  380  gebron  7*^.  —  ain  [scheint  aus  ir  corrigiert)  dochter  h,  —  calamana 
S,  Chalmana  Fh,  Galmana  C.  —  381  kaim  h,  kaym  (lo  {in.  w  wohl 
aus  kavm  corrigiert).  —  kinde  FS,  chinder  C. 

Die  Handschriften,  in  welchen  diese  Episode  sich  findet,  sind  in  der 
grundlegenden  Schrift  A.  F.  C.  Vilmars,  Die  zwei  Recensiouen  und 
die  Handschriftenfamihen  der  Weltchronik  Rudolfs  von  Ems  (Marburg 
1839),  sämmtlich  angegeben.  Dort  bilden  sie  zwei  Classen,  I  C,  d.  h. 
das  ursprüngliche  Werk  Rudolfs  mit  Einschiebung  unserer  Episode, 
und  III  B,  d.  h.  Rudolfs  Werk,  mit  Unterdrückung  seines  Anfangs  bis 
zum  Sündenfall  incl.,  an  dessen  Stelle  die  betreffenden  Partien  der  Crist- 
Herre-Recension  getreten  sind.  In  den  Hss.  dieser  Gruppe  gehen 
unserem  Text  die  vv.  unmittelbar  voraus: 


DIE  BUSSE  ADAMS  UND  P:VA.S.  331 

da  von  im  der  lij)  wuh  IcDmon 
dio  erde  uz  der  er  was  genomen. 

Eine  Handschrift,  der  Cod.  palat.  321,  von  mir  mit  h  bezeichnet, 
scheint  keiner  der  beiden  Gruppen  anzugehören,  da  sie  von  Vilmar  in 
Classe  IV,  d.  h.  Anreiliung  des  zweiten  Theils  von  Rudolf  an  die  voll- 
ständige Crist-Herre-Recension,  aufgeführt  wird.  Allein,  wie  aueii  Vilmar 
angibt,  in  dieser  Hs.  ist  unsere  Episode  von  anderer  Hand  an  späterem 
Ort  eingetragen,  und  zwar  folgendermassen.  fol.  21  c  unten  hat  die 
Hand,  welche  unsere  Episode  schrieb,  zu  den  Worten:  du  erde  vs  d) 
er  lüaz  genom,  die  in  den  Hss.  der  Classe  HI  B  dem  Beginne  derselben 
vorausgehen,  bemerkt :  such  dar  nach  an  dem  188  jjlat  da  stat  daz  dar 
zu  gehört,  fol.  188  a  steht  daz  gehört  an  daz  21  plat.  Darauf  folgt  unser 
Text  und  darauf  der  Text  Rudolfs  über  Kain  und  Abel  bis  zu  der 
Erwähnung  ihres  Opfers,  dieses  ausgeschlossen;  hierauf:  da  hat  daz 
end  kum  wider  an  daz  21  plat.  Auf  fol.  21  d  sind  dagegen  die  Worte 
der  Crist-Herre-Recension,  welche  auf  diu  erde  üz  der  er  loas  genomen 
folgen,  ausgestrichen  und  der  Text  beginnt  wieder  mit  der  Erwähnung 
des  Opfers  nach  der  Crist-Herre-Recension.  Dies  beweist  ganz  deut- 
lich, daß  die  Hs.,  aus  der  der  Schreiber  unserer  Erzählung  in  h  die- 
selbe nahm,  der  Gruppe  HIB  angehörte;  denn  der  Text  seiner 
Vorlage  hat  nach  unserer  Geschichte  mit  Rudolf,  vor  derselben  mit 
seinem  Umarbeiter  übereingestimmt. 

Ich  zähle  die  sieben  Hss.  kurz  auf;  Nachweise  über  dieselben 
finden  sich  bei  Vilmar  und  im  dritten  Bande  von  Massmanns  Kaiser- 
chronik. 

Zur  Gruppe  I  C  gehören: 

F,  die  Hs.  Nr.  184  der  Fuldaer  Landesbibliothek,  14.  Jahrhundert, 
Pergament,  Folio.  Unsere  Episode  steht  auf  fol.  5  a — 8  a. 

S,  die  Hs.  Bibl.  fol.  5  der  Stuttgarter  öffentlichen  Bibliothek,  vom 
Jahre  1383,  Pergament,  Großfolio.  —  fol.  3  a — 5  a. 

10,  die  Hs.  fol.  416  des  Archivs  der  großh.  Bibliothek  zu  Weimar, 
15.  Jahrhundert,  Papier,  Großfolio.  —  fol.  3  c — 5  d. 

Zur  Gruppe  III  B  gehören: 

C,  die  Hs.  Ms.  theol.  fol.  4  der  ständischen  Landesbibliothek  zu 
Cassel,  aus  dem  Jahre  1385,  Pergament,  Folio.  —  fol.  19  a  — 21  b. 

G,  die  Hs.  Ms.  Aug.  8  der  Bibliothek  zu  Wolfenbüttel,  (13  bis) 
14.  Jahrhundert,  Pergament,  Quart  (vielleicht  kleinstes  Folio).  —  fol. 
11  d— 13  b. 

H,  die  Hs.  der  königlichen  Privatbibliothek  zu  Stuttgart,  14.  Jahr- 
hundert, Pergament,  Folio.  —  fol.  18  a — 20  c. 


332  H.  FISCHER 

h,  der  Cod.  palat.  321  der  Heidelberger  Bibliothek,  15.  Jahr- 
hundert, Papier,  Folio.  -  fol.  188  a~190  b  (s.  o.). 

Die  Genealogie  dieser  kleinen  Gruppe  ist  durchaus  nicht  leicht. 
Der  Umstand,  daß  alle  Hss.  der  Gruppe  III  ß  unsere  Erzählung  ent- 
halten, nöthigt  wohl  anzunehmen,  daß  dieselbe  ursprünglich  in  eine  Hs. 
dieser  Gruppe  eingeschoben  worden  ist  und  erst  aus  einer  solchen  in  Hss. 
der  reinen  Rudolfischen  Weltchronik  übergieng,  obwohl  ich  für  diesen 
Beweis  keine  Sicherheit  beanspruche.  Dagegen  zeigt  der  Text  keine 
derartigen  Differenzen,  daß  III  B  und  I  C  sich  strenge  sondern  würden, 
vielmehr  überspringen  die  Lesartengleichheiteu  und  -Differenzen  diese 
Grenze  wie  es  scheint  ganz  willkürlich.  Nur  wenige  Gruppierungen 
lassen  sich  mit  Sicherheit  machen.  Vor  allem  sondern  sich  in  einer 
Anzahl  von  Fällen  CFG  Eh  und  Sw  von  einander  ab,  so  zwar,  daß 
die  Lesarten  der  5  Hss.  den  Vorzug  verdienen.  Innerhalb  dieser  scheinen 
C  G  ZI  unter  sich  etwas  näher  verwandt ,  weniger  F  und  h.  Zugleich 
freilich  stehen  Cund  h  in  der  allerengsten  Verwandtschaft;  beide  haben 
zahlreiche  Lesarten  gemeinsam  und  vor  allem  haben  beide  eine  Strecke 
weit  nach  unserer  Erzählung  die  von  Vilmar  S.  52  f.  erwähnte  von 
Adams  Krankheit  und  Heilung,  die  ich  unten  mittheile  und  die  ich 
sonst  in  keiner  Hs.  fand,  sowie  auch  beiden  allein  die  vv.  153  —  156 
unserer  Erzählung  fehlen.  Daß  h  an  zahlreichen  Stellen  von  C  —  meist 
auch  von  den  andern  —  abweicht,  ließe  sich  daraus  erklären,  daß  der 
Schreiber  von  h  überhaupt  sichtlich  willkürlich  mit  seinem  Texte  um- 
geht.  Wir  erhielten  so  die  Genealogie: 

Original 


• — ^    p'v    F  S  w 

Ch    ^^ 

Aber  dieser  Genealogie  wiederspricht  eine  andere  Betrachtung. 
Vilmar  hat  S.  31  darauf  hingewiesen,  daß  die  Erzählung  thüringischen 
[oder  fränkischen]  Ursprungs  ist,  da  sie  Infinitive  auf  e  im  Reime  zeigt. 
Diese  sind,  soweit  wir  sehen,  in  F  alle  erhalten,  in  den  andern  Hss.  ver- 
schieden geändert,  so  v.  25  f.  93  f.  201  f.  257  f.  259  f.  271  f.  305  f. 
315  f.  Dagegen  sind  die  Reime  71  f  125  f.  191  f.  345  f.  361  f.  in  allen 
6  Hss.,  C (rSEhio,  gleichmässig  geändert,  waren  also  in  einer  ihnen 
gemeinsamen  Vorlage  x  schon  geändert.  CGSEio  aber  stimmen,  gegen- 
über von  Ä,  überein  in  den  Änderungen  33  f.  39  f.  63  f.  91  f.  269  f.  325  f., 
und  zwar  ist  an  diesen  Stellen  die  Verschiedenheit  von  C  GSZlio  und  h 
derart,  daß  die  5  erstgenannten  Hss.  nicht  einzeln  geändert  haben 
können,  sondern  diese  Änderungen  einer  Hs.  y  angehören  müssen,  von 
der  alle  fünf  stammen.     So  ergibt  sich  dieser  Stammbaum : 


DIE  BUSSE  ADAMS  UND  EVAS.  333 

Original 


y 


F  h  ca        2:  s  w 

Ich  sehe  kein  Mittel,  beide  Stammbäume  zu  vereinigen.  Für  die 
Auswahl  der  Lesarten  macht  die  Entscheidung  für  den  einen  oder  den 
andern  wenig  aus,  da  die  Beschaffenheit  der  einzelnen  Hss.  in  manchen 
Fällen  Lieht  gibt.  Bei  der  Unsicherheit  ihrer  Zusammengehörigkeit  habe 
ich  nicht  gewagt,  mich  im  einzelnen  Falle  gegen  die  starke  ]\Iehrheit  der 
Hss.  mit  Sicherheit  zu  entscheiden.  Am  wenigsten  maßgebend  scheinen  C 
und  h,  von  denen  die  letztere  sehr  oft  auf  eigene  Faust  ändert.  Besser 
sind  aS' und  ic,  doch  nie  maßgebend,  i^  scheint  öfters  selbständig  geändert 
zu  haben,  obwohl  ich  keine  der  Lesarten  dieser  Hs.  für  unmöglich 
halte.  Am  seltensten  von  den  andern  abweichend  und  wohl  auch  im 
allgemeinen  am  besten  sind  G  und  2J.  —  Tiefer  einzudringen  wird  man 
erst  vermögen  auf  Grund  der  Vergleichung  dieser  und  anderer  Hss. 
durch  die  ganze  Weltchronik  hindurch.  Jedenfalls  ergibt  die  Betrachtung 
schon  hier  eine  Bestätigung  dafür,  daß  der  Hss.  der  Weltchronik  und 
ihrer  Umarbeitung  sehr  viele  gewesen  sein  müssen,  da  zur  Erklärung 
so  verwickelter  genealogischer  Verhältnisse,  wie  wir  sie  fanden,  allein 
für  den  beschränkten  Umkreis  der  Hss.,  die  unsere  Erzählung  enthalten^ 
eine  Reihe  von  älteren  Hss.  angenommen  werden  muß. 

Diese  Betrachtung  nöthigt  mich  auch,   der  Erzählung  ein  relativ 
hohes  Alter  zu  geben.     Fallen  auch  alle  Hss.  in  das  14.  Jahrhundert, 
so    wird    doch    das    Gedicht    älter    sein.     Ich    gehe   wohl    nicht    irre, 
wenn    ich    dasselbe    noch    dem    13.    Jahrhundert    zuweise.      Stand    es 
freilich  zuerst  in  einer  Hs.  der  Classe  III  B,  so  wird  es  mindestens  in 
den  Context  dieser  Bearbeitung  nicht  lange  vor  1300  gekommen  sein^ 
da  die  reine  Crist-Herre-Resension   selbst   erst  nach  1250  entstanden 
sein  kann.     Alter  kann  unsere  Erzählung  sein,  ich  sehe  aber  keinen 
Grund,  das  anzunehmen.  Wie  auch  andererseits  in  dem  Gedichte  selber 
kein  Grund  liegt,  es  später  als  1300  zu  setzen.     Die  Reime  sind,  so- 
wie man  den  Inf.  auf  -e  herstellt ,    ganz    rein,     ä :  a  kommt  vor  35  f. 
{getan  :  an),  155  f.  {an  :  getan),  293  f.  {hän  :  nieman),  347  f.  {hantgetät :  bat), 
349  f.  {sfat :  hat),  359  f.  {getan :  an),  367  f.  (gewan  :  sän).  —  v.  203  f.  {ge- 
slehte :  rehte)  hat  nichts  auffallendes;  s.  Lexer,  mhd.  Hwb.  I,  917.     Die 
Reime  tiir.  21  f.,  57  f.,  107 f.,  249 f.,  351  f.,  365  f.  lassen  sich  durch  An- 
nahme  von   doppeltem   i,  351  f.  von    doppeltem   7,   einfach    entfernen. 
Dies    sind    die    einzigen  Reimfreiheiten    und    alle    derart,    wie   sie  im 
13.  Jahrhundert  allgemein  sind.   Wenn  übrigens    die  Genauig  keit  ed 


334  TT.  FISCHER 

Reimers  in  den  hintern  Theilen  der  Erzählung  nachzulassen  scheint 
(in  den  letzten  100  Versen  finden  sich  b  ä:  a  gegen  2  in  den  280  ersten) 
so  beweist  das  nur,  daß  seine  Diehterkraft  keine  hohe  war,  dali  er 
sich  aber  der  strengeren  Anforderungen  seiner  Zeit  wohl  bewußt  war. 
—  Daß  die  Poesie  unserer  Erzählung  nicht  mit  hohen  Maßstabe  ge- 
messen werden  darf,  springt  in  die  Augen;  doch  gehört  sie,  im  Ver- 
gleich mit  der  Erzählung  von  Adams  Krankheit  (s.  u.)  noch  nicht  zum 
schlechtesten.  Ich  unterlasse,  mehr  über  den  Charakter  des  Gedichtes 
zu  sagen,  als  Vilmar  S.  32  über  einige  volksthümliche  Züge  desselben 
gesagt  hat.  —  Im  metrischen  ist  der  Verfasser  roher  als  im  Reime; 
doch  ist  von  Silbenzählung  noch  keine  Rede,  und  auch  hier  zeigt  sich 
der  Dichter  als  ein  minder  begabter  Versificator  in  besserer  Zeit.  — 
Die  fränkisch-thüringische  Heimat  ist  durch  die  Infinitive  auf -e  erwiesen; 
sonst  wüßte  ich  an  mitteldeutschem  nur  etwa  sein  für  reinhochdeutsch  sä 
anzuführen,  welches  sän  v.  87.  151.  368  im  Reime  steht.  Dem  rein 
mittelhochdeutschen  widerspricht  sonst  keiner  von  allen  Reimen,  aber 
auch  keiner  dem  mitteldeutschen. 

Die  Quelle  unserer  Legende  ist  mir  ebenso  unbekannt  geblieben 
wie  Vilmar'n.  Herr  Professor  Diestel  in  Tübingen  hatte  die  Güte,  auf 
meine  Anfrage  mit  grosser  Zuvorkommenheit  mir  folgendes  zu  ant- 
worten :  „Die  beregte  Sage  ist  mir  unbekannt.  Auch  in  der  jüdischen 
Litteratur  weiß  ich  keine  Quelle  dafür,  obgleich  die  Sage  selbst  jüdi- 
schen Charakter  trägt.  Daß  Adam  im  Jordan  Sühne  sucht,  hängt 
wohl  mit  der  Meinung  zusammen,  daß  das  Paradies  in  Judäa  war.  Er 
vollendet  die  Busse  als  Stammvater  des  erwählten  Volkes.  Eva,  im 
Tigris  die  sühnende  Lavation  vornehmend,  gilt  vielleicht  als  Stamm- 
mutter der  nicht  erwählten,  darum  sündigen  Heidenwelt".  Ich  be- 
schränke mich  darauf,  diese  Ansicht  einer  anerkannten  Autorität  in 
alttestamentarischen  Dingen  mitzutheilen.  Meine  eigenen  Nachfor- 
schungen sind  erfolglos  geblieben.  Immerhin  hat  die  Erzählung  ver- 
hältnissmässig  wenig  eigenthümliches  an  sich  und  könnte  vielleicht 
auch  in  Deutschland  erfunden  sein. 

Vilmar  führt  S.  32,  um  zu  beweisen,  daß  unsere  Legende  im 
Munde  des  Volkes  sehr  gäng  und  gäbe  gewesen,  ein  Lied  des  16.  Jahr- 
hunderts an  ,  welches  aus  derselben  geflossen  sei.  Die  beiden  von 
Vilmar  citierten  Liedersammlungen,  in  welchen  sich  dasselbe,  das  eiue- 
mal  hochdeutsch,  das  anderemal  niederdeutsch,  befindet,  habe  ich  ver- 
glichen und  gebe  hier  nach  beiden  den  Text  des  Liedes  Strophe  für 
Strophe  nebeneinander,  indem  ich  in  Noten  die  Abweichungen  gebe, 
welche  Ph.  Wackernagel's  Ausgabe  des  hochdeutschen  Liedes  (Das 
deutsche  Kirchenlied,  Band  IV,  Nr.  1255,  S.  1082  f.)  darbietet. 


DIE  BUSSE  ADAMS  TJND  EVAS, 


335 


A. 

Andre  hundert:  |  Christlichj 
er  H a u  ß  g" e s e n g e ,  |  welche  in 
H 11  d  e  r  n  K  i  r  c  h  e  n  g  e  ö  e  n  g  I  n  i  c  h  t 
begrieffen   sind,   vnnd   von  | 
frommen  Christen  mögen  |  ge- 
sungen werden.  |  Allen  from- 
raenChristen,  |  so  lusthaben, 
Gott    mit  gesang  I  zu   loben, 
mit     fleiß     corrigirt     |     vnnd 
zusamen     ge    |    tragen.    |   Der 
ander  Theil.  | 
[Zu  Ende  des  Buches :] 
Gedruckt   zu  Nürmberg   durch  Jo- 
hann Koler. 

[Diese  Sammlung  bildet  das  letzte 

Stück  des  Sammelbandes  Cant.  8" 

22  der  ständischen  Landesbibliothek 

zu  Cassel.] 

fol.  CXXXVII  [richtig  147]  a. 
[No.]  XCVII. 

Von  Adam  vnd  Eua^  |  In  diesen 

gesehwinden    zeyten    zusing-  |  eu, 

durch  M.  Johann  Kym.  | 


B. 

Nye  I  Christlike    Ge-  |  senge 

V  n  d  e  L  e  d  e ,  V  p  a  11  c  r- 1 1  e  y  a  r  d  t 

Melodien^der  besten, |ol den, 

Dl"!  des  che n  Leder.  |  Allen  fra- 

men    Christen    |    tho    nutte, 

Nu   erstlick    gemaket,  |  vnde 

in  den  Drück  gegen  en:|  Do  rch 

Hermannum  Vespasium,  | 

Predyger    tho   Stade.    |    P.    K. 

(handschriftlich      erklärt  :      pawel 

Knufflok.j  I  157L  I 

[Zu  Ende  des  Buches :] 

Gedrucket  tho  Lübeck  |  dorch  As- 

sueriim  Kroger.  |  M.  D.  LXXL 

[In    Cant.    8*  23    der    ständischen 
Landesbibliothek  zu  Cassel.  I 


[No.j  Clin. 

EinGespreke  vnser  ersten  |  Olderen, 

van  crem  klechlyken  |  valle  in    de 

Sünde,    Im  Tone,    Ick  |  stundt  an 

einen  Mögen,  [sie]  »fcc.  | 


ICH  stund  an  einem  Morgen,  | 
heymlich  an  einem  ort:  Da  hat  j 
ich    mich    verborgen ,    ich    hört  | 
clägliche  wort,  Die  Eua  clage  [sie] 
jr  gros  I  se  noth,    der   Adam   thet 
sie    trösten,    mit  |  Gottes    heiligen 
[sie]  Wort.  I 


Ick  stundt  an  einem  Mor-  |  gen, 
Hemlick  an  einem  ordt:  |  Dar  had 
ick  my  vörborgen,  Ick  |  hördt  ghar 
klechlick  wordt:  De  Eua  |  klagt  er 
grothe  nodt,  Idt  dedt  se  Adam  | 
trösten,  Mit  Gades  ewygem  radt.  j 


Sie  sprach  O  Kinder  alle,  hört  | 
[fol.  147  b.]  mein  clegliche  pein : 
Dem  Todt  bin  |  ich  verfallen,  O 
weh  euch  Kindern  j  mein,  Meins 
hertzen  frewd  ist  gar  |  dahin,  Ach 
Adam  liebster  Adam,  wo  |  seind  wir 
komen  hin.  | 


Se  sprack  0  Kinder  alle,  Hördt  ! 
myne  kleglyke  stem:  Dem  Dodt 
bin  ick  1  vöruallen,  O  we  juw  Kin- 
deren  myn:  |  J\[yns  Herten  fröwdt 
is  ghar  darben,  |  Och  Adam  leue- 
ster  Adam,  Wor  syndt  |  wy  gka- 
meu  hen.  1 


Str.  1,  Z.  5  (nach   Reimzeilen    gezählt):    klagt  Wackernagel    —   1,  7    ewigem 
rath    —  2,  4  kinder,  —  2,  5  gantz. 


336 


H.  FISCHER 


Wohin  ist  nun  die  frewde,  die 
freu-  I  de  des  Paradeiß  :  Nichts 
mehr  denn  1  hertzen  leyde,  allhie 
auff  Erden  ist.  In  |  schmertzen  ar- 
mut  muh  vnnd  not,  wir  |  müssen 
jmmer  bleiben,  vnd  schliessen  |  mit 
dem  Tod.  1 


Worhen  is  nu  de  froude,  de 
froude  des  |  Paradyß:  Nichts  mheer 
den  Herte  leyde,  j  Alhyr  vp  Erden 
is:   In    smarten,  Ar-  |  modt,    möy 

vnd  nodt,    Mothe    wy  jUmmer  | 
blyueu,  Vndt  bsluten  mit  demDodt. 


Mich  jamert  vber  massen,  der 
ar  I  men  Kinder  mein:  Das  ich  sie 
muß  I  lassen^  der  schweren  Todt- 
licher  [sie]  peyn,  |  Ach  leyder  was 
hab  ich  gethan^  ver-  |  flucht  muß 
sein  die  Schlangen,  die  |  mir  es 
gerhaten  hat.  | 

Adam. 
5. 
Nun  hör  vnnd  laß  dein  clagen^ 
du  I  liebste  Männin  mein:  Wir 
wolln  1  drumb  nicht  verzagen,  ob 
wir  wol  I  Siinder  sein,  Grott  ist  er- 
zürnt vmb  vn-  I  [fol.  CXLVIII  aj 
sernt  willen,  gnad  wil  er  vnns  er- 
zey- 1  gen,  vrab  eines  andern  willen.  | 

6. 
Ein  Sam  von  deinem  Leibe,  das  | 
heyl  ist  vnns  gelobt :  Der  allen 
Kin-  I  dem  dienen ,  vnd  vns  hilfft 
von  dem  i  Tod,  der  sol  die  frewd 
vnnd  wonne  |  sein,  in  allen  vnsern 
noten,  wollen  |  wir  gedultig  sein.  | 


7. 

Gott    gibt    vnns    diesen   Samen, 

als  I  was  wir  han  verlorn :  Drumb 

wollen  I  wir    nit    so    clagen,    wird 

[sie]  seind  jetzt  new  |  geborn,  Ein- 


My  Jamert  ouer  mathen.  Der 
ar-  I  men  Kinder  my  [sie],  Dat  ick 
se  nu  moth  la-  ]  then.  In  swarer 
Dodes  pyn :  Och  leyder  |  [folgende 
Seite]  boß  is  myne  daeth,  Vur- 
flöckt  moth  syn  |  de  Slange ,  De 
myt  geraden  hadt.  | 


Adam. 
Nu  hör  vnd  lath  dyn  klagen. 
Du  le-  I  ueste  Mennin  myn,  Wi 
wil  drum  |  nicht  vortzagen,  Efft 
wy  wol  Sunder  |  syn:  Godt  is 
vörntörnt  dorch  Sunde  |  veel,  Gnad 
wil  he  vns  ertögen,  Vm  ei-  |  nes 
andren  will.  I 


Ein  Saedt  van  dynem  Lyue, 
Thom  I  Heil  vns  is  gelauet:  Wel- 
cker  vns  ewich  |  blyue,  Weddr  den 
so  jegn  vns  dauet:  De  |  schal  de 
frowd  vnd  wunne  syn,  In  allen  | 
vnsen  noden,  Trostn  wy  vns  des 
allein.  1 


Godt  gifft  dörch  dissen  Samen, 
All  I  wat  wy  hebbn  v6rlarn :  Drfim 
wiln  wy  |  nicht  so  klagen,  Wy 
syn  dt   nu  ny   gebarn:  |  Ein  ander 


3,  2  freud  des  Paradiß.  —  3,  3  dann.  —  3,  6  mir  müssen.  —  4,  3  d.  i.  s. 
nun  m.  1.  —  4,  4  schwern  todlichen,  —  4,  5  a.  1.  boli  ist  meine  that.  —  4,  6  Schlange. 
4,  7  mirs.  —  5,5  erzürnet  durch  sunden  viel.  —  5,  7  wil.  —  6,  2  zum  H.  — 
6,  3  welcher  vns  ewig  bleibe.  —  6,  4  wider  den  so  gegen  vns  tobt.  —  6,  7  trösten 
wir  vns  des  allein.  —  7,  1  G.  g.  durch  d.  S. 


DIE  HUSSE  ADAMS  UND  KVAS. 


337 


ander  leben  hebt  sich  an,  |  der  Leuendt  heuet  sick  an^  De  |  Hem- 
Hiniel  ist  eröffnet,  wir  w<tllcn  mit  |  niel  is  geopent,  Wy  wilhi  mith 
frewden  hinan.  fVoiiden  hen  an. 

I folgende  Seite.] 


Elia. 
Ach  Adam  liebester  freunde,  wie- 1 
wol  ojefelt  mir  dein  wort:  Ich  liab  | 
aiiß  Gottes  munde,  auch  selbs  sol- 
ches I  gehört.  Lehr  mich  du  Heb- 
ster  Hauß-  j  wirt  mein,  wie  ich 
vnd  meine  kiuder,  |  sollen  Gott  ge- 
fellig  sein. 

[fol.  CXLVIII  b| 

9. 
Adam. 
Gottwil  daswir  jhn  forchten,lie-  | 
ben  aiiß  rechtem  gruudt :  Von 
hertz-  I  en  jm  vertrawen,  vund  hal- 
ten seinen  |  Bund,  In  aller  not  jn 
rüffenan,jhn  |  loben  vnnd  bekennen, 
dann  heilig  ist  |  sein  Nam. 

10. 
Wir  sollen  im  Fried  hie  leben, 
in  I  rechter  trew  vnd  lieb :  Die 
schuld  auch  |  gern  vergeben,  in 
guten  willig  sein,  [  Sich  hüten  vor 
dem  bösen  all,  was  1  recht  ist  all- 
zeit pflegen^  So  wird  rhat  [  vnserm 
fall. 

11. 

Eua. 
Des  wil  ich  allzeyt  pflegen,  vnnd  | 
bitt  all  Kinder  mein :  Das  sie  sich  | 
auch  ecAvegen  [sie],  jhren  willen  zu 
geben  |  drein,  Goet  gesegne  euch 
liebste  Kiu-  \  der  all,  Gott  wird 
euch  bald  erretten,  |  von  vnserm 
schweren  Fall. 

[fol.  CXLIX.] 


Eua. 
Och  Adam  leuester  Fründe,  Wo-| 
wol  gueldt  my  dyn  wordt:  Ick  heb 
vth  I  Gades  Munde,  Ock  sülucst 
sülcks  ge-  1  hördt:  Lheer  my  du 
leueste  Hwßwert  |  myn,  Wo  ick  vnd 
myne  Kinder ,  Schöln  j  Godt  ge- 
uollich  syn. 


Adam. 
Wy  scholen  vp  ehn  buweu,  Ehn 
le-  I  iien  vth  rechtem  grundt:  Van 
Herten  |  ehra  vörtruwen,  Vnd  hol- 
den synen  |  Bimdt:  In  aller  nodt 
ehn  ropen  an,  |  Ehn  lauen  vnd  be- 
kennen^ Den  hillich  is  |  syn  Naem. 


Wy  scholn  im  fred  hyr  leuen, 
In  1  rechter  trüw  vnd  leue :  De 
schuldt  ock  I  gern  vörgeuen,  Thoin 
goden  wiilich  syn :  I  Vns  hoden  vor 
dem  bösen  all,  Wat  recht  |  is  al 
tydt  plegen,  So  werdt  radt  vnsem  | 
vall. 


Eua. 
Des  wil  ick  all  tydt  plegen,  Vnd 
bid  I  all  Kinder  myn:  Dat  se  sick 
ock  erwegen,  |  Em  willu  tho  geuen 
darin :  Godt  ge-  |  segn  Juw  leueste 
Kinder  all^  Godt  werdt  |  juw  bald 
erredden ,  Van  unserm  swaren  | 
vall,  Amen. 


7,  6   geöffnet.    —   7,  7  freucl.  —  8,  1  liebster.    —    8,  2   gfelt.  —  8,  7    solln.  — 
9,  1  Wir  sollen  auff  jn  bawen.   —  9,  2  in  liebn.  —  10,  2  lieb  vnd   trew.  —   10,  4  im 
guten.  —  10,  5  vns  hüten.  —  11,  3  erwegen.     -  11,  4  irn  wiln.   —  11,  5  Gott  gsegen 
GEKMANT.A.  Neiip  TIeilie  \.  (\'^■IT.)  .Tahig.  22 


338  H.   FISCHER 

12. 

Solches  Lied  hab  ich  gsimgen,  | 
als  mich  drang  Adams  fall:  Meinj 
leyd  ist  vberwunden,  Genad  herr- 
schet I  vberall^  Gelobet  sey  GOtt  [fehlt.] 
im  Himel-  |  reich,  der  vnns  hat 
widergeben,  das  \  Leben  ewiglich, 
Amen. 

Man  sieht,  die  Ähnlichkeiten  mit  unserer  Legende  sind  nicht 
sehr  groß.  Jedem  fehlen  wesentliche  Züge  des  andern.  Der  Erzählung 
fehlt  der  trostreiche  Ausblick  des  Liedes,  diesem  die  wesentlichsten 
Züge  der  Legende:  die  Busse  (obwohl  dies  Vilmar  so  zu  erklären 
sucht,  daß  dieselbe  als  unevangelisch  weggefallen  sei)  nebst  der  Er- 
scheinung des  Teufels,  Ada*ns  Entfernung,  Kains  Geburt.  Daß  beide 
„fast  denselben  Gedankengang"  zeigen  (Vilmar  S.  32),  kann  ich  un- 
möglich finden.  Es  bleibt  nur  das  gemeinsam,  daß  Adam  und  Eva 
nach  der  Austreibung  sehr  betrübt  gewesen.  Und  das  zum  Gegen- 
stand eines  Liedes  zu  machen,  konnte  einem  Dichter  ganz  wohl  ohne 
jeden  Vorgänger  einfallen,  zumal  da  es  eine  Variation  des  oft  variierten: 
„Ich  stund  an  einem  Morgen  heimlich  an  einem  Ort'"''  galt.  Unsere  Le- 
gende steht  also  auch  von  dieser  Seite  allein  da. 


Anhangsweise  theile  ich  die  schon  erwähnte  Erzählung  von  der 
Krankheit  und  Heilung  Adams  mit.  Sie  findet  sich  von  allen  mir 
bekannten  Hss.  nur  in  C  und  h.  C  hat  dieselbe  auf  fol.  23  a — d; 
voran  gehen  die  Verse:  Ena  pei  Adam  trug  alz  ich  furicar  'peioeiset  piii 
ane  Seih  vnd  an  kaym;  nach  folgen  diese  Verse:  an  dirr  zeit  beyonde 
sehen  alz  loir  di  geschrift  hören  iehen  von  Beth  (1.  Seth)  di  gotes  sein  (1. 
siln)  di  nam  (1.  man)  etc.  —  h  hat  auf  fol.  25  b  bei  den  Worten:  tvie 
der  icglicher  starb  in  welchem  alter  er  v'darh  daz  hete  ich  lieh  alhie  ge- 
sait  wan  daz  ich  es  dar  vmhe  mait  daz  üch  der  zal  v\lrüs8e  nicht  der  du 
gescrijft  vö  n.  iare  gicht  folgende  Bemerkung  von  derselben  Hand,  die 
die  Legende  von  der  Busse  geschrieben  hat:  her  nach  an  dem  190  plat 
finst  die  tvie  Ena  vnd  adam  tod  send  vnd  an  dem  191  plat.  Der  Text 
fährt  auf  fol.  25  b  weiter:  Nv  heten  ende  genomen  adä  vü  sin  nach- 
komen  etc.  Auf  fol.  190 — 191  hat  alsdann  dieselbe  spätere  Hand  die 
Geschichte  eingetragen.  Die  zwei  ersten  Verse  derselben,  die  ich  des 
Zusammenhanges  wegen  mittheile,    finden    sich    auch    in   den  übrigen 


12,  1  Solchs    Lied    hab    ich    gesungen.   —   12,  4  Gnad.   —   12,   5    Gelobt,  — 
Amen  fehlt. 


DIE  BUSSE  ADAMS  UND  EVAS.  339 

Hss.  dieser  Bearbeitung,  welche  nach  denselben  ebenso  fortfahren  wie 
C  {an  dirre  zU  hegonden  sehen  etc.).  Ich  gebe  den  Text  von  6"  mit  den 
wesentlichen  Abweichungen  von  A,  aber  ohne  mir  zu  verhohlen,  daß 
h  manchmal  die  besseren  Lesarten  hat.  Den  Text  kritisch  herzustellen, 
lohnte  nicht  der  Mühe. 

(Vil  svn  vnd  tochter  von  der  art 

geporn  vil  geslachtes  wart) 

daz  di  werlt  davon  cham 

got  frawen  Euara  Adam  nara 
5  daz  er  yn  selber  must  begraben 

sus  must  er  lait  vnd  reuwe  haben 

lang  zeit  vnd  manigen  tag 

darnach  hub  sich  ein  ander  chlag 

mit  einem  siehtum  der  yu  twanch 
10  daran  ym  selbe  misselauch 

ein  huf  ym  faulen  began 

do  sprach  der  wol  getan  man 

ZV  einem  seinem  chinde 

nu  ge  hin  vnd  nicht  cnwinde 
15  einen  weg  den  ich  dir  weise 

der  treit  dich  zv  dem  paradeise 

wen  dw  vindest  darinne  sten 

zv  dem  soltu  nahen  gen 

vnd  pit  yn  daz  er  mich  bedenche 
20  e  ich  mich  zv  sere  chrenche 

der  siehtum  den  ich  han 

du  solt  nicht  gen  vom  ym  dan 

e  du  gehörest  sein  lere 

dy  soltu  mercken  sere 
25  waz  er  mir  sende  daz  pring  mir 

dez  hab  ich  ze  danchen  dir 

daz  geschach  alz  er  do  hiez 

der  pote  dez  nicht  enliez 

er  gie  sein  strazze  do 
30  durch  die  erczneie  so 

die  seinem  vater  wäre  gut 

dez  het  er  stetichleichen  mut 

vncz  er  indaz  paradyse  cham 

do  vaud  er  sten  daz  ym  do  zam 


1  h  docht^n.  —  2  gebom  aus  den  geschlachtn  w^d.  —  4  fraw  eua.  —  5  daz  er 
sy  selb  must  v^grabn.  —  6  des.  —  7  lange.  —  9  zwang.  —  10  ser.  —  11  schwellen. 

—  12  der  alte  weise  man.  —  13  chind.  —  14  gang  hin  nit  erwind.  —  15  ain.  —  dich 
weis.  —  16  tret.  —  paradeis,  —  17  stan.  —  18  nachent  gan.  —  19  vnd  fehlt.  —  bedenck. 
20  ich  fehlt,  —  krenck.  —  21  den  siechtum.  —  22  du  solt  von  im  nit  schaide  dan.  — 
23  v^nimest.  —   26  han.  —  27  do  fehlt.  —  29  er  straich  etc.  —  31  w^  —  32  willigen. 

—  33  bis  er  zum  padeis  kam.  —  34  da  vand  er  stan  als  im  gezä. 

22* 


340  H.  FISCHER 

35  einen  engel  schön  vnd  chlar 
der  fragt  yu  zeliant  offenbar 
waz  er  sucht  vnd  waz  er  wolde 
er  sait  ym  wider  alz  er  solde 
seines  vater  potschaft  werben 

40  der  wil  laider  gar  verderben 

an  einem  siehtum  dez  hat  er  mich 
her  gesant  dez  pit  ich  dich 
daz  dw  furbaz  pote  seizt 
ZV  dem  der  allen  seuch  weiz 

45  vnd  mag  si  wol  vertreiben 

ob  mein  vater  lebentig  mug  beleiben 
da  gert  er  deiner  hilfe  zv 
der  engel  sprach  nu  peite  dw 
ich  wil  ym  ein  ercznei  senden 

50  da  mit  wil  ich  seinen  siehtum  enden 
er  gie  do  hin  vnd  nam 
daz  reis  da  von  der  apfel  cham 
damit  man  daz  gepot  zeprach 
in  einer  stuiide  daz  geschach 

55  er  gab  iz  dem  poten  zehant 
vnd  sprach  ez  also  genant 
vmb  daz  reis  dz  merche  dw 
daz  dein  vater  nu 
cliain  gesunt  mag  gesehen 

60  ein  wurcz  muz  an  disem  reis  sten 
wenn  daz  geschieht  da  merche  pei 
so  wirt  er  seiner  seuche  frei 
von  danne  schied  der  pot  du 
vnd  gedacht  manigerlay  dar  zv 

65  wie  daz  ymmer  sold  ergen 
ez  must  in  der  erden  sten 
daz  ez  wurczelt  vnd  grünet 
sam  andrew  grüne  zwei  tunt 
vnd  want  ez  solder  von  obz  chomen 

70  inner  dez  het  er  vernomen 


36  zehant  fehlt.  —  37  wolt.  —  38  set.  —  solt.  —  39  vat^s.  —  40  er  sprach  er 
wil  v^derbn.  —  41  siechtag'.  —  42  nü  pit  ich  dich.  —  43  dz  du  mein  pot  wellest 
wesn.  —  44  zu  im  der  tut  wol  genesen.  —  45  —  49  statt  dieser  ff.  m. :  alln  siechen 
spat  vil  frü  |  da  bgH  er  dein''  hilfe  zu  |  d'  engel  sprach  daz  sei  sein  1  ich  wil  adam  dem 
vat^  dein  |  ain  ertzney  senden.  —  50  damit  sol  sich  vHvenden.  —  nach  50  TMiei 
weitere  vv.:  sein  grosse  siechait  |  w5  die  ist  mir  für  in  lait.  —  54  als  ich  vor  mit 
wortü  sprach.  —  55  er  gabs  dem  poten  in  die  hand.  —  56  gewant.  —  57  m^k  vil  eben. 
—  58  deinem  vat^  wirt  nit  gebii.  —  59  «ife.sunthait  ditz  daz  ist.  gescheh.  ■ —  60  dz  ge- 
wurtz  will  gehfi.  —  61  —  64  statt  dieser  {]'  6  vv.:  die  höchst  wurtz  an  dem  reise  |  ez 
wirt  adam  der  weyse  |  ze  hand  seiner  schweren  suchte  frey  |  nun  var  gat  dein  gelait 
sey  )  von  danna  schied  er  sa  zehant  |  nil  wz  daz  vil  vnbechant.  —  65  ergan.  —  66  daz 
reis  mus  in  d''erde  stan.  —  67  er  wurtzlot.  —  68  als.   —  69  solt.   —  70  innen. 


I 


DIK  lUJS.SE  ADAM«  UND  liVAH.  H4  1 

eiu  vil  swcrlcichcw  not 

sein  vator  Adam  wor  tot 

er  wider  zv  im  cham 

daz  selbe  reis  er  do  nain 
75  vnd  stacket  iz  ym  in  seinen  numt 

daz  ez  grünet  vnd  zv  der  stvnd 

wuelis  ZV  einem  pavme  j^roz 

der  zwen  cstc  von  ym  selioz 

des  geleich  da  noch  nie  waz 
80  adam  seint  davon  geuaz 

daz  sein  siehtum  von  ym  quam 

die  ym  von  got  lagen  an 

vier  tausent  iar  vnd  dennoch  rac 

wie  cz  vmb  den  paum  furbaz  ste 
85  daz  sait  vns  fraw  Sibilla 

di  weissaget  offenbar  i)inden  nach 

darnach  über  manig  liundert  iar 

ez  must  sein  vnd  wart  seint  war 

daz  er  stund  vil  f'ruchtichleichen 
90  vnd  must  allenden  weinen  deihen 

daz  in  dein  paradoyse  waz  geschehen 

nv  welle  wir  darumb  furbaz  spehen  u.  s.  w. 

STUTTGART.  HERMANN  FISCHER. 


72  d*  wer  tot.  —  74  da.  —  76  nach  d^  stund.  —  77  pame.  —  79  da  fehlt.  — 
81  daz  der  sieclitü  ende  iiam.  —  82  der  im  von  got  gezam.  —  83  dannocht  m^  — 
84  pam.  —  85  Sibila.  —  86  die  spricht  weyssagent  da.  —  88  must  es  sein  vu  ward 
war.  —  89  daz  es  stund  fruchbeleichn  —  90—92  hImII  dieser  ff]  w. :  mit  d''  frucht 
reichen  |  die  vns  wz  ain  güt^  trost  |     vnd  von  d"'  hell  hat  erlost. 

Nachschrift.  Soeben  finde  ich,  was  nicht  früher  gesehen  zu  haben  mir  sehr 
bedauerlich  ist,  daß  meine  Erzählung  nur  eine  verkürzende  Bearbeitung  der  in  Hagen's 
Gesammtabenteuer  Nr.  1  (Band  I,  S.  1  ff.)  mitgetheilten  ist  Ich  behalte  mir  vor,  auf 
das  Verhältniss  beider  Gestalten  der  Legende  ein  andermal  zurückzukommen.  Inter- 
essant bleibt  die  aus  der  Vergleichung  beider  hervorgehende  Thatsache,  daß  die  Er- 
zählung nicht  nur  am  Anfang  und  Ende,  was  sich  von  selbst  erklären  würde,  sondern 
auch  in  der  Mitte  mehrfach  verkürzt  in  Rudolfs  Weltchronik  aufgenommen  worden 
ist.  Einstweilen  bitte  ich,  meine  Mittheilung  als  ein  —  wie  mich  die  Vergleichung 
lehrte,  durchaus  nicht  werthloses  —  Variantenverzeichniss  anzusehen,  das  über  den 
Ursprung  der  Legende  Gesagte  aber  (s.  Hagen,  Ges.  Abent.  l,  S.  LXX  ff.)  als  nicht 
gesagt  zu  betrachten. 


342 


K.  SCHRÖDER 


SUSANNA. 


[159*"]  Hie  hebt  sich  an  das*)  leben  der  heyligen  frawen  Su- 
sanna, wie  die  von  zwain   falschen    richtern    pracht    bardt 
vom  leben  zum**)tod  und  doch  darvon  erledigt  wardt. 


Wie  der  ain  richter  zu  dem  an- 
deren sprach,  da  sy  in  dem  gart- 
tenmiteinanderspaczierengien- 
gen. 

Gesell,   du  wayst  wol  dy  mär, 
warumb  wir  kommen  sein  her. 
was  wir  haben   gedacht, 
gedenk  das  es  werd  volpracht 
5   an   Susanna  dem  schonen  weyb, 
wie  wir  kommen  hinder  iren  leyb, 
unseren  willen  zepeginnen. 
darumb  laß  uns   wol  pesinnen : 
ob  sy  uns  nit  wolt  gehorsam  sein, 
10  so  kämen  wir  selbs  in  groß  pein. 
wir  wellen  sagen  und  sprechen, 
das  wir  ainen  jungling  frechen 
haben  pey  ir  gefunden,        [160*j 
durch  sein  sterk  sey  er  uns  ent- 
rannen. 

Der     ander    richter     antwurtat 
und  sprach  zu  im: 

15  Gesell,  dein  rat  der  gefeit  mir  wol, 

das  wir  den  sachen  thuen  also. 

schmük  und  truk  dich  in  das  ekk. 

wartt  das   dich  nyemant  erstick. 

Susanna  dy  schon  kumbt  da  her, 
20  sy  ist  unsers  herczen  peger. 

so  wil  ich  mich  auch  undter 
schmyegen, 

darumb  mich  nyemant  mach  pe- 
triegen. 


Susanna  dy  kam  mit  zwain  jun k- 

frawen     in    den    garten    da    her 

jUnd  sprach  zu  yn: 

Ir  lieben  tochter,   zaycht  mir  her 

des   61s  und  der  sayffen  ich  peger, 

25   das  ich  mich  salb,  wasch  und  dann 

nun 
get  und  schliest  dy  thür  nach  euch  zu. 

Dy  j  unk  frawen  antburten  ir: 

Fraw,  eur  wil  der  gescheg.     [160''] 
gedenkt  das   euch  nyemant  sech. 
wir  wellen  gen  hin  ze   hauß. 
30  wann  ir  eur  sach  habt  gericht  auß, 
wellen  wir  wider  kommen  her, 
ist  es  anders  eur  peger. 

Der  erst  richter  zu  der  Susan  na 
sprach: 
Susanna,   nun  nymb   war, 
dythiir  des  garten  ist  peschlossen  gar 
35   und  ist  nyemant  der  uns  siecht, 
gedenkh,  hab  ze  uns  dein  iiflicht, 
unsers  willen  soltu  sein, 
wildu  nit  verlieren  das  leben  dein. 

Susanna  dyseuftat  und  sprach: 
Angst  und  not  hat  mich  umbgeben. 
40  ach  got  von  himel,  wie  sol  ich  leben  ? 
ei'fuU  ich  den  richtern  ir  wegir, 
so  ist  der  ewig  tod  mit  mir.  [l61*] 
wil  ich  denn  iren  willen  nit  beginnen, 
so  mach  ich  iren  hendten  nit  ent- 
rinnen. 


*)  Das  dz  der  Hs.  habe  ich  in  das  aufgelöst,  weil  die  ausgeschriebene  Form 
allemal  das,  nicht  daz  lautet. 

**)  Hs.  zwm  und  zw  durchweg,  ebenso  ewr,  frewnt,  sewftat,  hawß,  hawpp,  lewt, 
sawmbt,  gelawbt,  pedewtent.  pawrn,  sawren. 

5  schon.  12  frechtn.         41  irii.     Der  Schreiber  wollte    irii   willen    schreiben, 

besserte  aber  während  des  Schreibens  willen  in  wegir  und  vergaß  irü    zu    corrigieren. 


SUSANNA. 


343 


45   ea  ist  mir  vil  pesser  das, 

das  ich  in  dy  weck  val  in  iren  has, 
denn  das  ich  sundt  wider  got 
und  uheigieng  sein  gepot. 

Der  ander  richte r  sprach  zu  ir: 

Susanna,    ob    du  nit  wild   unsers 

willen   pflegen, 

50  so   wellen  wir  zeugniß    über    dich 

geben, 
das  wir  ainen  pey  dir  haben  ge- 
funden 
und  dich  verdampnen  zestundcn 
umb  das  übel  das  du  hast  gethan : 
das  wellen  wir  klagen  deinem  man. 
55  es  ist  wägerer  du  pehaltst  das  leben 

dein 
und  wellest  uns  hye  gehorsam  sein. 

Susanna  mit  lautterstim  sehr  ay 
und   sprach: 
HelfFt  helfFt,  mich  wellent  dy  alten 
hye  in   disem  garten  gewalten ! 

[lGl']Auch  schriten  auffdy  zwen 

altt    richter    mit    lauter    stimm: 

HelflFt  helfft,  er  ist  uns  entsprungen, 

60   den   wir    pey  ir  haben  gefunden  ! 

Da    sprach    der     knccht    Joram 
zu  seinem  gesellen: 
Ehud,  lieber  gesell  mein, 
was  mach  diss  geschray  sein? 
mein  fraw  in  dem  garten  schreydt, 
wer  wayß  was  yr  anleydt? 
65   wol  aufl",  wir  wellen  schawen 
was  anlig  unser  frawen. 
das  well   wir  freuntlich  rechen, 
wir    wellen    aynn    oder  zwen  der- 
stechen. 

Der  knecht  Eliud  sprach: 
Joram,   das  gefeldt  mir  wol. 
70  seydt  ich  darzu  raten  sol, 

so   wellen  wir  pald  geben  endt 
und   uns  heben  gar  pehendt. 


wir  wellen  auch  vast  traben, 

ob  wir  funden  dy  posen    knaben. 

75   sy  sindt  heut  nit  hynncn  gebesen, 

ich  mayn  sy    haben    das    unrecht 

plat  gelesen.    [162*] 

der  teufel  hat  sy  petrogen, 

das  sy  sich  in  den  garten  haben 

gestollen. 

eill    pald  j    gesell,    und    laß    uns 

laufFen  dar, 

80   das  wir  der  warhait  werden  gbar. 

Da    lieffen    dy    knecht    mit    un- 
gestümen zu  und  sprachen: 

Was  geschray  treybt  ir  hye 
oder  was  ist  eur  pegir? 
weit  ir  mein  frawen  hye  beczwin- 

gen, 
es  mocht  euch  nit  gar  wol  gelingen. 
85  es  thuet  mir  auff  euch  gar  andt, 
das  ir  meinem  herren  thuet  soliche 
schandt. 
ich  sag  euch  pey  meinen  treweu, 
dy  sach  mocht  euch  wol  gerewen. 

Der  erst  richter  sprach: 
Gesell,   dein  red  laß  undterwegen. 

90   wir  wellen  das  zeugnuß  geben, 
das  dein  fraw  hat  unrecht  gethan, 
ir  trew  geprochen  an  irem  man. 
das  haben  wir  hye  gesehen.    [162''] 
bor,    gesell,    das    wunder    ist    ge- 
schehen. 

95   schik    nach     der    frawen   Susanna 

also  genant, 

aiu  haußfraw  Joachim  wol  pekanndt. 

Der  Susanua  knecht  sprach: 
Ist  das  dann  also    geschehen    ist, 
als   du  sprichst  zu  diser  frist, 
so  sprich  ich    das    an    diser    stat, 
100   das  sy  wirt  gestraflFt  werden  umb 

dise  tat. 


55  wager', 
absichtigt  war? 


Ob  der  als  Abkürzungszeichen    für    er   übliche  Haken  wirkHch   be- 
68  d'stechchn. 


;34i 


K.  schrödp:h 


Da  sprach  rabiMoyses  zu  seinem 
kuccht  Joseph: 
Joseph,   du  lieber  diener  meio, 
gee  und  volg  dem  rat  meio, 
dcinn   gesellen  nymm  zu  dir 
und   eifiilt  uns  unser  pegir, 

105  pringt  uns  Susanuam  für  gericlit, 
das  verhört  werdt  dise  geschieht, 
als  uns  dy  richter  tbundt  kundt 
auß  iren  payden  Worten  zestuudt. 

Der    knecht    autburtat     seinem 
h  e  r  r  e  n   r  a  b  i  M  o  y  s  i  und    sprach: 
Moyses,  das  sol  sein.  [163"] 

110   ich   und  dy  gesellen  mein 
wellen  volpringen  dein  pegir 
und   Suaanuam   pringen   hcrfur, 
und  wellen   uns   uit  lenger  sparen. 
woU  aufi',  geselkn,  uns  sol  got  pe- 

baren. 


Da  d y  k n  c c h t  r a b i  Rf  o y  s i  k  a m e n 

zuSusannam,   sprachen  sy  zu  ir: 

115   Wol  auf,   Susanna,   es  mueß  sein. 

du  hast  gethann  wider  dy  trew  dein, 

als  dy  zwen  richtter  thuent  jehen. 

wir  furchten,     du    miiest  umb   dy 

tat  sterben. 

D  y  f  r  a  w  S  u  s  a  n  n  a  s  p  r  a  c  h  "■*■) : 
Ich   pitt  euch,   last   mir  aiu  klaine 

frist, 
120   das  ich   das   klag  got  dem  herren 

an   list, 
vatter    muetter     und     dy    freundt 
zesam  pring, 
wann   dy  sach   mir  nit  ist  ring. 

Wie  d  y  f  r  a  w  S  u  s  a  n  n  a  das  vatter 

und  muetter  und  iren    freunten 

klaget: 

Hcrczen  liebster  vatter  mein,  f  163''] 

ich  wil  dir  klagen  meins  herczen  pein, 

125   wie  dy  alten  richter  mich   thuent 

tringen 
und  vom  leben  zum    tod    pringen. 


darumb  das  ich  uit  hab  iren  willen 

verpracht, 

haben  sy  wider  mich    falsche    tat 

gedacht. 

nun    mueß    ich    für    das    gericht 

kommen 

130  pald  und  schnell  und  nit  verlcugcn. 

Der  vatter  zu  Susanna    sprach: 
Susanna,   liebste  tochter  mein, 
scez  in  got  dy  hofnung  dein, 
der    dich    mit    seiner    gnad    mach 
wol  erleding, 
das    du    mit    dem    recht  nit  wirst 
peschedigt. 
135   ach   herre  got  von   himelreich, 

groß  sehmerczen  und  layd  mir 
anleydt 
umb  dy  schmach  der  tochter  mein, 
ich  pitt  dich,  das  du  weist  ir  rich- 
ter sein 
und  euphilig  dirs  in  dy  hendt  dein. 


Da  k 0 m  S u s  a n n  a  für  das  g  e r  i  c li  ( 
mit  vatter  und  muetter  und  mit 
iren  freunten  waynend  und  kla- 
gend. [164"]  Der  ander  richter 
V  c  r  k 1 a  g  a  t  Susanuam  und  sprach 

zu  den  j  u den: 
140   Da  wir  wandlaten  in  dem  garten, 
unser  weyßhait  außzerwarten, 
kom    dise    tochter    hye  gegangen 
mit  zwain  tochteren  schon  prangen, 
dy  zwo  tochter  sy  pald  von  ir  trayb, 
115   sy   alain   in   dem   garten   pelayb. 
ain   schöner  jungling  da  zu  ir  kom 
und   sey  undter  sein  arm   nam. 
er  spilt  mit  ir   der  freuden  spil, 
das  ich   hye  nit  nennen  wil. 
150   wir  sahen  das  verporgenleich, 
wir  eylten  zu  pehentiklich 
und  wolten  das  haben  undterstandcn, 
das     sy     nit     weren     worden     ze 
schandten. 
der  jungling  uns   da  enthran 
155   und   lieff  auß   dem  garten  darvon. 


*)  spracht.         129  Vermuthlich  stand  in  der  Vorlage  gengen  statt  kommen. 


8U8ANNA. 


;U5 


dcö  well  wir  liye  zougmiß  geben, 
das  sy  soll  Verliesen  ilus  leben, 
nun,  liibi  Moysi ,  fnieh  ieb  dieh 
auir  dy  trew  dein, 
was  tunkt  dieli  das  pest  sein  (164;''J 
IGO  wie  man  den  eepruch  straften  solV 
das  wayst  du  auß  der  gcscliriH't  wol. 

Der  r  a  b  i   M  o  i  s  c  3   s  p  r  a  e  b  : 

Ich  sag  aurt'  mein  judiscbail, 
das  mir  das  ist  von  berczcn  layd 
das  diso  sach   ist  gescbehen. 
165   noch  mueß  ieb  yedy  warbait  jeben: 
unib  soliebc  saeb   und  missetat 
dy  dise  fraw  verschuldt  bat, 
sol  sy  verstaindt  werden  zu  diser 
st  und  t, 
als    uns    got    gepoten    bat    durch 
Moyses  mund. 

Des  r  a  b  i  Moysi   k  n  e  c  b  t  sprach: 

170   Moises,  ieb  volg  dem  urtayl  dein: 
Susanna  sol  sterben  und  leydcn  pein 
umb  dy  sach   dy  sy  hat  gethau 
an  Joachim  iren   vil    lieben    mau. 

Der  erst  r i  c b t c r    zu    dem   Y s a a e 
sprach: 

Isaac,  du  pist  ain  alter  man,  1 1()5''| 

1  75  laß  uns  dein  maynung  hyc  verstau, 

wie  mau  mit  dem  eepruch  sol  leben. 

darumb  tbue  uns  deinen  ratt  geben. 

Der  Isaac  sprach: 

Ich   hayß  rabi  Ysaac 

und  bab  gelebt  manigen  tag: 

ISO  solich  sach  ist  mir  nit  chundt, 
al3  ich  bor  zu  diser  stund 
von   diser  frawen  wert, 
das  sy  ir  bercz  hat  abgekert 
von  Joachim  irera  lieben    man. 

185   des  mueß   sy    hye    rotscham    stan 
und  Verliesen  ir  leben, 
also  wil    ich    mein    urtayl    geben. 


Ain  ander   jud   sprach: 
Isaac,   dein  rat  gefeit  mir   wol, 
das  Susanna  sterben  sol 
1  00   umb   dy  sach   dy  man  sagt, 

darumb  sy  ist  worden  verklagt. 

f  1 6 5''J  D  a  das  g  e  s  c  h  a  c  b  ,   d  y  z  w  e  n 
rieht  er     legaten     ir     bendt     auf 
yr  haupp,   und  der  erst  sprach: 
Susaunam  sol  man  nemen  pehendt 
und  sey  füren  an  dy  endt 
da  man  dy  leut  vcrstainen  thuet, 
105   dy  da  haben  solicbeu  muet 
das  sy  ir  ec  also  zeprechen : 
das  wil  got  an  yn  rechen, 
gett  und  saumbt  euch   nit  lang 
und  bist  dem  rechten  seinen  gang, 
"200  so  peleybt  solichs  undterwcgen. 
nit  pcssers  urtayl  wayß  ich  geben. 

Da  das  urtayl  w  aß  geben, sprach 
dy  fraw  Susanna: 
O  herre  got  in  der  ewikayt, 
du  pist  ain  erkenner  der  verporgen- 

bait, 
du  cikcust  alle  ding  ee  das  sy  ge- 
schehen, 
205   du  kanst  es  in  der  klarhält  sehen, 
berrc,   du  wayst  und  erkenst  das, 
das  dy  richter  durch  neyd  und  baß 

[IGG^'I 
mich  zu  dem  tod  haben  vcrdambt. 
sy  haben  sich  des  nit  gcscbambt, 
210   vor  dir  und   vor  aller  weldt 

haben  sy  ain  falsch  urtayl  gefehlt 
über  mich,  dy  armen  tochtcr  dein, 
das   laß  dir,   horre,   armen  sein 
und   erloß  mich   von  irer  hendt, 
215   das  ich   nit  werd  also  geschenndt. 

DaspracbJoaehim,  der  Susanna 
haußwirt,  mit  klag: 
Ach   mir  der  jämerleychen  klag, 
das  ich  ye  gelebt  hab   den  tag! 
was  janiers  gesehiecht  meinem  leyb, 
den  ich  siech   an  meinem   schonen 

weyb. 


203  erkenner  der  verporgenhait   ist 
des  Blattes  von  späterer  Hand  gesetzt:  dw 


durchstrichen  und  dafür  am  unteren   Bande 
pist  dy  ebig  wai-haj't.     217  nye.     219  denn. 


346 


K.  SCHRÖDER 


220  ich  het  sey  mir  außerkoren, 

so  hab  ich  mein  trew  an  ir  verloren, 
we  mir  der  jamerlichen  geschieht ! 
hat  sy  sich  zu  ainem  andern  ver- 
pflicht, 
dy  mir  dy  liebst  ist  gebesen, 

225   ach  got,  wie sol  mein hercz genesen? 

[166^1 
wäger  war  mir  der  tod 
wenn  das  ich  leyden  sol  disen  spot. 
o  höchster  got  in  der  ewikayt, 
laß  dir  das  wesen  ymer  layd. 

Der  Susanna  vatter  sprach: 
230   Klagens  thuet  mir  also  not. 
wäger  war  mir  der  pitter  tod 
wenn   das  ich  ffol  hören   dise  mär 
von  meiner  aller  liebsten  tochtcr, 
dy  ich  hab  in  allen  eren  erzogen. 
235  herre  got,   sy  wirdt  hye  angelogen 
und  falsch leich  verklagt, 
darzu  unrechtleich  versagt. 
das  sy   solichs  nit  hat  gethan, 
das  gelaubt    ir    frawen  und  man. 

Der   Susanna  muetter  sprach: 
240  Du  aller  liebste  tochter  mein, 

wie  groß  ist  mein  layd  und  das  dein ! 
ano-st  und  not  hat  uns   umbgebcn. 

ich  furcht,  du  verliest  hye  dein  leben, 
umb  Unschuld  wicrstu  hye   ermort, 
245    wann  solichs  ist  von   dir  nye  wor- 
den derhort, 
in   dem  man   dich   thuet  hye  ver- 
schulden, 
ach  got,  wie  muessen  wirß  gedulden, 
piß  uns  got  sein   hilffe  senndt, 
das  sy    selbs  werden    geschenndt. 

Da  dy  ding  also  gesc  h  ah  en,  da 
fürte  man  Susannam  hin,  das 
man*)  sey  verstay net.  Aber  Da- 
niel der  prophet  sprang  auß 
der  mitt    des  volks    her  auß    und 

sprach: 
250   Unschuldig  pin  ich  an  disem  pluet. 
secht  das  ir  den  Sachen  recht  thuet. 


Da  &prach   ainer  von  den  Juden: 

Was  pedeutent  dise  wortt, 
dy  du  da  schreyst  als  das  mordt? 
oder    ist    den    sachen    nit   recht? 

[167'^] 
255  des  peschayd  uns,  du  gottes  knecht. 

Ain  ander  jud    nam    den  Daniel 
pey  der handt und  sprach  zu  im: 

Daniel  du  vil  klaines  kind, 
wie  tapflter  deine  wort  sind! 
du  redts  als  du  seyst  ain  alter  man. 
wildu  dich  der  sach  nemmen  an? 
260   es  tunkt  mich  schwär,   auf  meinen 

ayd! 
nur  got  sey  mit  dir,  es  wirdt  dir  layd, 
wann  dy  sach  ist  hertt  und  schwär, 
Daniel  mein  liebster  junger. 

Daniel  zu  dem  volk  sprach: 

Gett   wider  zu  gericht, 
265  es  habent  geurtaylt  zwen  poßwicht. 
schaydt  sy  von   einander, 
das  sy  nit  kommen    zu    einander. 

Da  sy  von  einander  geschayden 

wurden,   sprach  Daniel  zu   dem 

ersten  richte r: 

Du  veralteter  in  deinen  tagen,  [1 68'  j 
merck  was  ich   wil  sagen: 

270   nun   kumbt  an   dy   sunnen, 

was  du  dein  tag  hast  gespunnen. 
dy  schuldigen  hastu  lassen  leben, 
dy  imschuldigcn  in  den  tod  geben, 
mm  sag  auß  deinem  posen  posem: 

275   undter  welichem  paum  sagstu    sy 
mit  einander  kosen? 

Der  erst  richter  antburtat  und 
sprach: 

Undter  ainem  kutenpaum  hab  ich 

sy  gesehen, 

was  von  yn  payden  ist  geschehen. 


*)  mein.        254  denn        274  posen  plosen. 


SUSANNA. 


347 


Aber  Daniel   sprach  zu  ym: 
In  deinen   hulli  hastu  gelogen, 
der  teufel  hat  dich  wol  petrogen. 
280  der  enge!  des  herren  schayd  dich 
von  einandei", 
das  du  wcrst  hye  zu  schänden. 

Daniel  zu  dem  anderen    richter 
sprach: 
Semen  Chanaan und  nit  Juda,  [168''] 
wie  stest  du  hye  also  da? 
dy  gestalt  der  frawen  hat  dich  pe- 
trogen, 
285   das  du  hye  also  hast   gelogen, 
sach,  uudter  welchem  paum  du  sy 
thest  sehen 
mit    einander    schimpffen    alz    du 
thuest  jehen? 

Der  ander  richter  sprach: 

Undter  ainem  zipperpaum  das  ge- 

schach, 

da  selbs  ich  sy  pey  einander    li- 

gen  sach. 

Daniel  der  sprach  zu  ym: 
290   In  dein  haiipp  hast  du  gelogen, 
du  pist  ser  worden  petrogen. 
der  engel  des  herren  der  sei  dich 
cntrennen, 
das  das   volkh   mi'ig  erkennen, 
das  ir  der  tochter  habt  unrecht  getan. 
295   das  merkth  ir  frawen  und  ir  man, 
huet  euch  vor  solichem  gericht, 
das  nit  über  euch   kom  solich  ge- 
schieht 
als  den  zwain  ist  geschehen, 
dy  da  falschlich  haben  da  verjehen. 

Aber  sprach   Daniel:       [l69"] 

300   Secht  an,   ir  jungen  und  ir  alten, 

wie  schon  kunneu  liegen  dy  zwen 

alten ! 
wie  sy  so  gleych  zu  einander  sagen, 
als  waren   sy  kinder    pey    dreyen 

tagen ! 


darumb  ich  »y  urtayl  und  ist  mein 
mayuung, 
305   das  man  sy  für  zu  der  verstaynung. 
darumb  nembt   sy   pahl   dahin 
und   verstaintz,    das  ist   mein  syn. 
und      darumb  ,     Mannasses  ,     ain 
richter  in   dem  ganczcn   landt, 
dy  sach  ist   dir  wol   pekanndt, 
310   wie  du   mit  yn   solt  varen, 

das  solichs  füran  nit  werd  mer  er- 

karen. 

Also  ward   erledigt  dy  fraw  Su- 
sanna und  Joachim  sprach  auff 
seinen  kny en : 
Gelobt  sey  got  ymer  mer, 
der  von  mir  hat  genumen  mein  wee 
und  mich  erlöst  hat  auß  grosser  pein 
315   und  auch  dy  liebst  haußfrawen  mein. 

D  a  r  i  c  h  t  a  t  M  a  u  a  s  s  e  s  d  e  r  r  i  c  h  t  e  r  : 

Ich  Mannasses,  ain  richter  im  gan- 

czen   Babilon,      [169''] 

als  ich  wol  auß  der  geschrift  ver- 

sten  kan  : 

Susanna,   alz  Daniel  hat  gesagt, 

unrechtlich   ist   worden   verklagt. 

320   darumb  gib  ich   das  urtayl  mein: 

dy  zwen  richter  sollen  selber leyden 

pein. 
darumb ,   züchtiger ,    nym   hyn   dy 
zwen    poßwicht 
und  verstain  sy  gancz   ze  nicht. 

Also  verstainet  der  zuchtiger  dy 
zwen  richter  und  sprach  zuyn: 

Ir  habt  der  tochter  hye  wellen 
unrecht  thun, 
325   das  wirt  an  euch   selber.  .  .  . 

darumb  seydt  ir  von  dem  richter 
her  gestelt, 

als  das  urtayl  ist  gevelt. 

das  wil  ich  an  euch  volpringen 

und  füran  euch  weren  das  klingen. 
330   und  hat  euch  der  pukel  guktt 

und  dy  poßhait  getrukt, 


280  enge!  des  engel,  wie  auch  in  V.  292 ;  vgl.  Vulgata  Prophetia  Danielis  c.  13 
V.  55:  Angelas  Dei  und  59:  Angelus  Domini.  298  ist  doppelt.  325  Nach  selber 
ein  durch  Correctur  entstelltes  Wort,  von  dem  khay  noch  erkennbar  ist.  329  eub. 


348 


K.  SCHRÖDER 


des  wil  ich  euch  pueß  machen, 
das  cur  kaincr  wirt  hichcn. 
darumb  Semen  Chanaan,   kum  her 
zu  mir,      [170"] 
335    innkh  was  ich   dir  geben  wil. 

Der  erst  r  i  c  li  t  c  r  sprach: 

Puelschaft  priugt  mich  iimb  mcjiu 

leben, 

darumb  wolt  ich  alz  mein  gut  geben. 

dy  jicgir  des  fleysch    hat  verkert 

mein  hercz. 

CS  ist  mir  nun  layder  auß  dem  schercz. 

Der  zuchtiger  sprach  zu  ym: 

340   Nun  wenn  er  schon  biet  ain  pose 

pegir, 
ich  wil  yms  wcrcn,  das  gelaub  mir. 

Als    war  dt    der    erst    verstaindt 

u  n  d  w  a  r  d  her  p  r  a  c  h  t  d  e  r  a  u  d  e  r , 

und  der  sprach: 

Puelschafft  hat  mich  petrogen, 

darumb  ich  mein  layd  mueß  klagen. 

biet  ich  aber  das  nit  gethan, 

315   so  dcrfft  ich  nit  hyc  an  dcrmartter 

stan. 

Der  zu  cht  ig  er  sprach  zu  ym: 
Hastu  das  sucß  geren  cingenumcii, 
so  ist  es  nun  zu  dem  sauren  kumen. 
knyc  nidcr,  ich  wil  dir  scheren, 
das  du  dich  wirst  von  der  poßhait 
kcren.     [170'J 

Des  z  u  c  h  t  i  g  e  r  k  n  e  c  h  t  sprach: 

850   Der  hurcsun   wolt  wider    lebentig 

werden, 
peyt,  peit,  ich  wil  dir  anders  scheren. 

Der  zuchtiger  zu  sei  n  en  knech- 
ten  sprach: 
Nun,  lieben  sun,  nun  habt  der  sach 

vleyß 
und  lern  dt  nach   meiner  weyß, 
das  ir  auch  zu  cren  kombt  als  ich. 
355   darumb    dy  stummen  loben  mich, 


wann  ich  hab  mich  wol  anlassen. 

das  siecht  man  hye   an    mir   auff 

der  Strassen, 

das  ich  in   meiner  kunst  in    mai- 

sterschafFt  stee. 

ich_rcytt  oder  ich  gee, 

360   so  thuent  dy  leut  aufif  mich  zaygen 

und  sprechen :  secht  an  den  vaygen, 

wie  tregt  er  der  eren  ain  krancz 

recht  als  der  afF  den  langen  swancz. 

so   kau   ich  auch  solch   urtayl  nit 

widersprechen, 

365   ichwoltdenn an dcrwarhait prechen, 

wann  ich  pin  ye  ain   erber    man, 

das  merkt  ir  all  auff  disem  plan.[l  7 1"] 

darumb  lernn    cur  yeder    alz    ain 

guetter  knecht, 

so  wirt  er  auch  zu  solicheu  crberen 

Sachen  recht. 

D  y      knecht     a  n  t  b  u  r  t  a  t  e  u      und 
sprachen: 

370  Lieber  maister,   wir  volgen  gancz 

deiner  1er, 

damit  wir  auch  erlangen  solch  er, 

und    kainer    sol    anders  von    uns 

gelauben, 

denn  das  wir  gcrcn  er  wolten  auff- 

klaubeu, 

und   wo  man   sy  vor  uns  zett, 

375   da  laufl'en  wir  dar  umb  dy  gbctt. 

wir  haben  auch  selbs  vil  eren  zer- 

stratt, 

dy  uns  der  windt  hat  hyngewatt. 

darumb  bnrff  ainer  wol   ein  schaff 

arbayß    auff  disen  plan, 

ce  er  undter  uns  traff   ain    frum- 

men  man. 

Da  sprach   der  peschlcusser: 

380  Hortt,  lieben  Herren  jung  und  alt, 

wie  dy  sach  auß    dem    alten    ge- 

seczt  ist  erschalt, 

wenn    der    heylig    prophct  Daniel 

das  thuct  schreyben  am  XIII  capitel, 

[I71"1 


379  truff. 


i 


SUSANNA  ;{4!) 

und  ist  in   barhait  also  geschehen  doch  sol  das  sein  l'iumen  f'ruwen  uin 

385    alzir  des h VC  ain  figur  habt  gesehen,  ^eyspill, 

wie  Susanne   dem  rainen  weyb  395   das  sy  nit  trettcn  mit  der  ee  über 

ward  gestellt  nach  dem  leyb,  das  zill. 

als  noch  wol  mtieht  geschehen,  es  ist  auch  mit    den    mannen  wol 

als  dann  wol  eilich  muessen  verjehen,  zepesorgen, 

390  aber  es  ist  ycczuud  villeicht  zepe-  sy  thuen  das  unverporgeu. 

sorgen,  sy    sullen    sich    aber    huetten  von 

das  gescheg  offt  gar  unverporgen.  soüchen  saehen, 

ja  wolt  man  yeczund  den  eepruch  anders  vvirt  man  sy  darumbstrafl'en. 

also  straöen,  400  nun  macht  auff  und  last  uns  singen 

es   wurden    der    stain    zebenig    in  und   darnach   ain  tancz  oder  zwen 

allen  gassen.  herumb  springen. 

Amen. 

Daß  die  Handschrift  Nr.  3027  der  k.  k.  Hofbibliothek  zu  Wien 
ein  Spiel  von  der  Susanna  enthalte,  war  eine  seit  Hoflfmann's  von 
Fallersleben  Verzeichniss  der  altdeutschen  Handschriften  zu  Wien  be- 
kannte Thatsache,  mit  der  auch  unsere  Litterarhistoriker  —  beispiels- 
weise Wackernagel,  Geschichte  der  deutschen  LitteraturS.  313;  Goedeke, 
Grundrili  S.  93,  Nr.  IG;  Koberstein-Bartsch  I,  S.  367  —  bereits  ge- 
rechnet haben.  Schon  aus  diesem  Grunde  scheint  mir  das  vorliegende, 
jener  Handschrift  entnommene  Stück  einen  Abdruck  zu  verdienen,  um  so 
mehr  als  Begebenheiten  des  Alten  Testamentes  im  Mittelalter  nur  selten 
in  selbständiger  Behandlung  den  Inhalt  geistlicher  Spiele  bilden.  Und 
daß  die  Historie  von  der  keuschen  Susanna  ein  dankbares  Motiv  zu 
dramatischer  Bearbeitung  bietet,  haben  wenigstens  die  Dramatiker 
einer  nicht  viel  späteren  Zeit  wohl  erkannt:  besitzen  wir  doch  aus 
dem  16.  Jahrhundert  neben  einer  lateinischen  Bearbeitung  (gedruckt 
Antwerpen  1533  oder  1534),  deren  in  Wackernagel's  kleineren  Schriften 
I,  S.  354  Erwähnung  geschieht,  nicht  weniger  als  vier  deutsche :  durch 
Sixt  Birk,  Paul  Rebhun,  Leonart  Stöckel  und  Herzog  Heinrich  Julius 
von  Braunschweig.  Gegen  die  Werke  dieser  besser  geschulten  Dichter 
steht  freilich  unser  Spiel  mit  seiner  schlichteu  Behandlung  zurück. 

Unser  Verfasser  hielt  sich,  soweit  es  angieug,  an  die  Vulgata: 
der  peschleusser  weist  uns  ausdrücklich  auf  das  13.  Capitel  des  Buches 
Daniel  hin,  Avelches  die  Lutherische  Bibel  bekanntlich  vom  Daniel 
trennt  und  den  Apokryphen  zuweist.  Einen  guten  Theil  des  Vulgata- 
textes  hat  denn  auch  der  Dichter  fast  wörtlich  benutzt,  wie  nachfolgende 
Zusammenstellung  der  Verse  des  Stückes  mit  denen  der  Vulgata  dar- 
thut.     Zu  V.  23—26  vgl.  Vulgata  a.  a.  O.  17:  Afferte   mihi  oleum  et 


3%  ze  fehlt. 


350  K    SCHRÖDER 

smigmata^  et  ostia  pomarii  claudite  ut  laver.  —  V.  33—51  entsprechen 
ziemlich  genau  Vulgata  20 — 23,  wo  es  heißt:  Ecce  ostia  pomarii  clausa 
sunt,  et  nemo  nos  videt,  et  nos  in  concupiscentia  tui  sumus:  quam  ob 
rem  assentire  nobis,  et  commiscere  nobiscum:  quod  si  nolueris,  dice- 
mus  contra  te  testimonium,  quod  fuerit  tecum  juvenis  ....  Ingemuit 
Susanna,  et  ait:  Angustiae  sunt  mihi  undique:  si  enim  hoc  egero,  mors 
mihi  est,  si  autem  non  egero,  non  eflfugiam  manus  vestras.  Sed  melius 
est  mihi  absque  opere  incidere  in  manus  vestras,  quam  peccare  in 
conspectu  Domini.  —  nur  daß  der  Dichter  die  beiden  Richter  nicht 
gemeinschaftlich  reden  läßt^  sondern  den  ersten  Theil  der  Rede  dem 
einen,  den  zweiten  dem  andern  Richter  in  den  Mund  legt  und  die 
Antwort  der  Susanna,  statt  sie  der  Vulgata  gemäß  an  das  Ende  zu 
setzen,  zwischen  beide  Reden  einschiebt.  —  Die  Rede  des  „andern" 
Richters  V.  140 — 156,  in  der  Vulgata  beiden  presbyteri  gemeinsam, 
stimmt  zu  Vulgata  36—40:  Cum  dearabularenms  in  pomario  soli,  in- 
gressa  est  haec  cum  duabus  puellis,  et  clausit  ostia  pomarii^  et  dimisit 
a  se  puellas.  Venitque  ad  eam  adolescens,  qui  erat  absconditus,  et 
concubuit  cum  ea.  Porro  nos ,  cum  essemus  in  angulo  pomarii ,  vi- 
dentes  iniquitatem ,  concurrimus  ad  eos ,  et  vidimus  eos  pariter  com- 
misceri.  Et  illum  quidem  non  quivimus  comprehendere  ....  et  apertis 
ostiis  exsilivit  ....  hujus  rei  testes  sumus,  —  Zum  Gebete  der  Susauna 
V.  202 — ^212  vgl.  Vulgata  42 — 43:  Dens  aeterno,  qui  absconditorum 
es  cognitor,  qui  nosti  omnia,  antequam  tiant,  tu  scis,  quoniam  falsum 
testimonium  tulerunt  contra  me,  et  ecce,  morior,  cum  nihil  herum  fe- 
cerim,  quae  isti  malitiose  composuerunt  adversum  me.  —  Der  Ausruf 
des  Daniel  V.  250  entspricht  Vulgata  46:  Mundus  sum  a  sanguine 
hujus;  Daniel's  Aufforderung  V.  264—267  lautet  in  der  Vulgata  49: 
Revertimini  ad  Judicium,  quia  falsum  testimonium  locuti  sunt  adversus 
eam,  und  51 :  Separate  illos  ab  invicem  procul ,  seine  Anrede  an  den 
ersten  Richter  V.  268 — 275  in  der  Vulgata  52 — 54:  Inveterate  dierura 
malorum,  nunc  venerunt  peccata  tua,  quae  operabaris  prius:  judicans 
judicia  injusta,  inuocentes  opprimens  ....  Nunc  ergo  si  vidistis  eam, 
die  sub  qua  arbore  videris  eos  colloquentes  sibi.  Vgl.  auch  V.  278 
und  280  mit  Vulgata  55 :  Recte  mentitus  es  in  caput  tuum :  ecce  enim  An- 
gelus  Dei  ....  scindet  te  medium ;  ferner  V.  282  und  284  mit  Vulgata  56  * 
Semen  Chanaan  et  non  Juda,  species  decepit  te;  sodann  V.  286  und  287 
mit  Vulgata  58:  Nunc  ergo  die  mihi,  sub  qua  arbore  comprehenderis 
eos    loquentes    sibi;    endlich   V.  290  und   292  mit  Vulgata  59:   Recte 

mentitus  es  et  tu  in  caput  tuum,  manet  enim  Augelus  Domini ut 

secet  te  medium. 


8USANNA.  351 

Bei  allem  Anschluß  an  die  Vorlage  blieb  freilich  dem  Dichter  noch 
Raum  genug  übrig  zu  eigener  Zuthat,  da  er  ja  die  erzählenden  Ab- 
schnitte der  Vulgata  in  Dialog  umsetzen  mußte.  Ganz  sein  EigenUium 
sind  namentlich  das  Zwiegespräch  der  Knechte  Joram  und  Eliud  V.  Gl 
bis  80,  der  Dialog  zwischen  Susanna  und  ihrem  —  im  Stück  nicht  mit 
Namen  genannten  —  Vater  Helcias  V.  123 — 139,  die  Klagen  des  Joachim 
sowie  der  Eltern  der  Susanna  V.  216 — 249  und  der  ganze  Schluß 
von  V.  324  an,  in  welchem  dem  volksthümlichen  Element  der  geist- 
lichen Spiele  hinreichend  Rechnung  getragen  ist.  Ein  dankbares  Motiv 
hat  sich  übrigens  der  Dichter  entgehen  lassen,  indem  er  die  Stelle  der 
Vulgata  32:  At  iniqui  illi  jusserunt,  ut  discooperiretur  (erat  enim  coo- 
perta),  ut  vel  sie  satiarentur  decore  ejus  unbeachtet  ließ,  —  eine  Stelle 
übrigens,  über  die  z.  B.  auch  Paul  Rebhun  in  seiner  Susanna  (Act  4, 
Scene  4)  flüchtig  hinwegglitt. 

Eine  Gliederung  des  Stückes  in  Abschnitte  hat  die  Handschrift 
nicht  vorgenommen;  der  Strich  nach  V.  100  ist  von  derselben  späteren 
Hand  hinzugefügt,  die  auch  stellenweise  einige  Namen  beigeschrieben 
hat,  z.  B.  den  des  Vaters  der  Susanna,  sodann  beim  Knechte  des  Rabbi 
Moses  vor  V.  109  'Rüben',  bei  'ain  ander  jud'  vor  188  'nomine  Achior, 
welch  letzteren  beiden  Namen  in  der  Vulgata  nicht  vorkommen.  Nach 
V.  100  ist  ja  ein  Abschnitt  geboten :  der  Beginn  der  Verhandlung  gegen 
Susanna  hat  erst  am  folgenden  Tage  statt  (Vulgata  27:  Et  facta  est 
dies  crastina).  Die  Verse  101 — 114  bilden  einen  allerdings  sehr  kurzen 
Abschnitt  für  sich  und  spielen  wohl  im  Hause  des  Rabbi  Moses; 
V.  115 — 139  sind  ebenfalls  eine  in  sich  geschlossene  Scene  im  Hause 
der  Susanna.  Von  V.  140  an  befinden  wir  uns  auf  dem  Richthause, 
und  nach  V.  323  Avird  eine  letzte  Verwandlung  der  Scene  anzunehmen 
sein,  da  der  Dichter  (vgl.  V.  192  ff.)  einen  besonderen  herkömmlichen 
Ort  für  die  Steinigung  anzunehmen  scheint. 

Daß  die  Handschrift  nicht  Original  ist,  wird  wohl  durch  die  mehr- 
fachen Fehler  derselben  ausser  Frage  gestellt.  Die  Sprache  des  Ab- 
schreibers ist  die  stark  ausgeprägte  bairische  Mundart.  V^'^ie  groß  aber 
der  Zeitraum  ist,  der  den  gegen  Ende  des  15.  Jahrhunderts  thätigen 
Abschreiber  vom  Dichter  getrennt  hat^  dürfte  schwer  zu  sagen  sein. 
Nur  das  kann  wohl  vermuthet  werden,  daß  Original  und  Copie  dem- 
selben Jahrhundert  angehören. 

-  LEIPZIG,  im  Herbst  187G.  KARL  SCHRÖDER. 


352  P-  VETTER 

LESEFRÜCHTE  AUS  ZÜRICH  UND  BERN. 

VON 

FERDINAND  VETTER. 


I.  Zürcher  M  i  1  c  h  s  c  g  e  n. 

Der  nunmehr  geschiedene  EttmüUer  theilte  mir  1874  zur  Ver- 
öffentlichung die  Abschrift  eines  ahd.  Zauberspruches  mit,  welchen 
nach  seiner  Angabe  H.  Wislicenus,  kurz  vor  seinem  traurigen  Ende 
bei  der  Schneeruns  am  Grünhorn,  in  einer  aus  St.  Gallen  stammenden 
Zürcher  Miscellanhandschrift  gefunden. 

Ich  habe  zwar  beim  Durchgehen  der  stattlichen  Anzahl  von  St. 
Galler  Handschriftenbänden,  die  von  der  Toggenburgerkriegsbeute  her 
auf  der  Stadtbibliothek  in  Zürich  verblieben  sind,  bislier  diesen  Spruch 
nicht  wieder  auffinden  können,  gebe  ihn  aber  hier  gleichwohl  vorläufig 
nach  der  genannten  durchaus  zuverlässigen  Überlieferung. 
Ad  signandum  domum  contra  diabolum. 
Uuola  uuilit  toz  tu  tieist^ 

taz  tu  tiiiiht  heizist, 
taz  tune  uueist  noch  ne  cllanst 
cheden  chuospinci. 
chuospinci,  wenn  richtig  abgeschrieben,  dürfte  für  cJniospuinii  stf., 
Kuheuter  (spunm  Graff,  Sprsch.  6,  343),  oder  chuospunsti  stf.  pl.,  Kuh- 
nielkungen,  Kuhmilch,  stehen:  spanan  schlägt  in  Ableitungen  vielfach 
in  die  Wurzel  spinnan  über,  Gr.,  Gr.  II,  Nr.  37,5;    endlich  wäre  Ver- 
schreibung  aus  cliuospemti  stf.  pl.  Kuhbezauberungen,  möglich.  Sicher- 
heit wird  erst  die  Wiederaufiiudung  des  Originals  geben. 
Ich  übersetze  demgemäß  : 

Gut,   TFicht,  daß  du  icehi, 
daß  du  IFicht  heissest, 
daß  du  nicht  weist  noch  kannst 
sprechen  „/vuhmilch" ; 
(oder  ,,Kuheuter"?)  d.  h.  Avohl:  Der  Wicht,  sobald  er  bei  seinem  Namen 
als  Wicht  genannt  ist,  verliert  die  Macht  über  die  edle  Gottesgabe  der 
Milch,    deren    schönen  Namen    er    nicht    einmal  weiß    noch    sprechen 
kann.   Oder 

.  . .  daß   du  nicht  weist  noch  A;annst 
/uihbezMuberung  aussprechen, 


LESEFRÜCHTE  AUS  ZÜRICH  UND  BERN.  353 

d.  h.  durch  Zauberspruch   deu  Kühen    die  Milch    abtreiben    oder    ver- 
derben. 

Die  Orthographie  zeigt  beste  Notkerische  Tradition  {taz,  tu  u. s.w.); 
inkonsequent  sind  nur  das  einfache  n  und  das  ch  in  ueist  und  noch. 
Die  Allitteration  ist  regelrecht:  aa/ax  und  xb/bb  (2  -|-  1  und  1  -\-2), 
nur  daß  vor  a  auch  die  Malfüllung  {uuola)  noch  einen  überzähligen 
Reim  hat.  Wer  LioduhäUr  im  Deutschen  anzunehmen  liebt,  mag 
V.  1  und  3  in  zwei  Verse  theilen  und  in  V.  3  noch  einen  Keim  her- 
stellen. 

II.  Lateinisches. 
Cod.  C  78   der    Zürcher    Stadtbibliothek    enthält    S.    104  ff.    ein 
meines   Wissens    noch    nicht   veröffentlichtes   Gedicht    auf  Karl    den 
Großen  (Rex  Karolus  caput    orbis    amor    populique    decusque),    mit 
deutschen    Namen    seiner    Töchter:     Rhodrud,     Berta,    Gisela, 
Rhodhaid  und  seiner  Gemahlin:  Liutgardis.     Anfang  von  Cap.  I: 
Rursus  in  ambiguos  gravis  ammonet  anchora  calles 
Vela  dare,  incertis  classem  coucredere  ventis. 
Cod.  C  129/453  auf  dem  Anfangsblatt   steht  als  Federprobe  das 
Distichon: 

Rinoceron  pectus  uideat  si  forte  puellae, 
Inde  (?)  separatur  atque  miser  capitur. 

IIL  Rudolf  von  Habsburg  und  der  Priester. 

In  der  Chronik  des  Ulrich  Krieg  (15.  Jahrb.,  Zürcher  Stadt- 
bibl.  Cod.  A  80/56)  findet  sich  ßl.  10*  eine  Version  der  bekannten  Er- 
zählung von  Rudolfs  Begegnung  mit  dem  Priester,  die  von  der  jüngeren 
beiTschudi  wie  sie  Schillern  vorlag  (ueuestens  gedruckt  in  Goedeke's 
Schiller- Ausgabe  11,  459  ff.)  wesentlich  abweicht. 

Es  was  ein  grauff  gesessen  by  Bru gg  dem  stättli,  da  die  Arr 
in  die  lindmag  gautt  nütt  ferr  davon,  und  die  Rüss,  uff  einer  bürg, 
hieß  habsburg,  und  hiel''*  ouch  der  grauff  Grauff  Ruodolff  von 
habsburg,  und  was  gar  ein  fromer  her,  Als  er  wol  bewertt  mit 
göttlichen  tugenden,  und  der  selb  graff  Rudolff  reitt  eins  mals  über 
veld.  Do  reitt  ein  ander  herr  mit  im ;  Do  begegnett  inen  uff  dem  veld 
ein  priester  mit  ünsers  herren  fronlichnam  und  wolt  einen  menschen 
bewaren.  Do  knüwetten  die  zwen  heren  nider  uff  die  erden,  und  do 
der  priester  zuo  innen  kam,  Do  sprach  Grauff  Rudolff  von  habspurg 
zuo  dem  priester:  lieber  herr,  warumb  rittent  ir  nütt?  Do  sprach  der 
priester:  da  han  ich  ein  armes  pfründlin  und  mag  es  nütt  haben  als 
ich  es  gern  hetti.    Do  sprach  der  vorgenautt  Grauff  Ruodolff  zuo  dem 

GEEMANIA.  Neue  Keiiie  X.   (Xill,  Jahrg.)  23 


354  ^^    VETTER 

priester:  lieber  herr,  so  nement  min  pferitt  und  band  es  allweg  got  ze 
lob  und  ze  eren.  Do  das  der  ander  herr  sach,  der  gab  sin  pfäritt 
dem  Sigristen.  Nun  giengent  die  Zwen  herren  zuo  fuoss,  des  sy  nütt 
gewon  warent,  und  giengent  für  einen  holen  stein ;  da  was  ein  klous- 
nerinne,  zuo  deren  giengent  sy  und  gesachent  sy  und  gruoßtent  sy  und 
enpfalchentt  sich  in  ir  gebett.  Do  sprach  die  selb  klossnerin:  lieber 
herr,  ir  heind  gott  ein  Er  erbotten;  ir  sond  wissen,  daz  ir  sond  XXX  iar 
uff  gan  mit  allen  eren ;  Gott  wil  es  wol  erkennen  die  adellich  tugent 
die  ir  im  erbotten  band,  und  wil  üch  gott  üwer  sei  ewenklich  erfröwen. 
Nun  merk  ein  yecklich  man:  wer  got  er  büttet  mit  adellicher  tugent, 
das  mag  im  got  wol  dancken  ewenklichen  und  an  dirre  weit,  Als  es 
wol  schinbar  ward  hernach  an  diesem  herren,  do  er  Römischer  küng 
ward,  gott  weist  wol  umb  sin  sele. 

IV.  Angelsächsische  Urkunden  aus  Bern. 
Die  Pergamenthandschrift  Nr.  671  der  Berner  Stadtbibliothek, 
9.  Jahrb.,  8"  (Hagen,  Catalogus  S.  498),  welche  die  vier  Evangelien 
lateinisch  in  angelsächsischer  Schrift  enthält,  zeigt  auf  den  letzten  vier 
Blättern  verschiedene  etwas  spätere  Einzeichnungen  von  demselben 
Schriftcharakter.  Bl.  74''  stehen  die  zwei  Akrosticha  auf  AELFRED 
in  Hexametern,  welche  in  Hagen's  Carmina  medii  sevi  (Bern  1877) 
S.  11  abgedruckt  sind.  75''  folgen  Aufzeichnungen  in  angelsächsischer 
Sprache.  Ihren  Inhalt  gibt  Hagen's  Katalog  a.  a.  O.  nach  einer  hand- 
schriftlichen Mittheilung  Vollmer's,  welchem  Halm,  mit  den  Vorarbeiten 
zum  Katalog  beschäftigt,  dieselben  vorgewiesen,   folgendermassen  an: 

a)  Adalward  postulat  ut  Kiolbreht  dei  ministris  Bederindensibus 
(lies:  Bedevindensibus)  duas  decumae  partes  det. 

b)  Societas  monachorum  quaedam  statuit,  quid  singulis  pendendum 
sit  pro  sociorum  salute  animarum. 

c)  Odwinus  patitur  Birhtgundum  (lies:  Birhtgundam,  oder  eig.  ags. 
ByrhtgyP)  in  aliam  terram  transferri. 

d)  Odwinus  {Eddvnne)  patitur  Agiwunniam  {Ecgvynne)  in  aliam 
terram  migrare. 

Die  Aufzeichnungen  sind  von  drei  verschiedenen  Händen  gemacht: 
die  erste  setzt  für  y  ein  /^-ähnliches  Zeichen,  die  zweite  das  gewöhnliche, 
die  dritte  bald  das  eine  bald  das  andere.  Die  Wörter  sind  unregel- 
mäßig oder  gar  nicht  abgesetzt.     Ich  lese  wie  folgt: 

(Tö*")  f  sejjelveard  cyd  ceolbrehte  Jjset  ic  ville  J)8et  J)U  agife  ]5a 
tvegen  dselas  Jjsere  teodunge  from  bedevindan  and  fram  lamburnan  \>&m. 


LESEFRÜCHTE  AUS  ZÜRICH  UND  BERN.  355 

godes  })eovum  to  fostre  set  bedevindan  and  hie  hit  dselen  betveoh  him 
s.va  de  gemetlic  |)ynce. 

6  Zeilen  ausgeschabt. 

(Andere  Haud.) 

t  jjyses  gegildes  gersednes  is  gif  hyrra  hvylcum  foret  sit  (sie; 
könnte  es  fore  and  szcC  heissen?)  gebyrige  begyte  selce  uif  msessan. 

odde  fif  saiteras  for  j^a  saule  and  set  Jjam  J)ritigeJ)an  (lies:  priti- 
gestan'^)  daege  tvegen  (Fussnote:  miserere  uobis). 

(76")  and  tvegen  uifl  hafas  and  an  penig  veord  sufles  svylces  he 
begyttan*)  msege  and  set  hyrra  mitting  gesceotan  tvegen  and  tvegen 
anne  pennig  for  hyra  savle  and  ait  husbryne  tvegen  and  tvegen  fojsoini 
timbres  and  dset  bevyrcen**)  o|)J)e  tvegen  peniggas  and  ))an  msesse- 
preos]3e  (lies :  -preoste)  on  gagdagas  sceotan  tva  ge  sam  hivan  an  geogscep 
o])])e  tvegen  peniggas  and  gif  hva  his  giidan  gelihinie  oJjJDe  gevyxse 
on  his  gildsetle  gebete  raid  fif  anib  breon  ea  laj)  and  mid  J)ri  —  (die 
Zeile  und  die  Seite  nicht  ausgeschrieben). 

(Dritte  Hand.) 

(76'')  h)  Ic  (?)  cy])  jjset  eadvine  geuj)e  vynsige  and  a])elno]3e  his 
men  J)8et  he  moste  adon  byrhtgyJDe  ut  of  J)am  geburlande  mid  tyn  man 
cussan  fser  frige  on  selc  land  jja  selfsige  folga]^  hsefde  and  vynstan  vass 
his  gingra  on  hyra  gevitnesse  and  on  gelfhe  hes  (sie)  msessepreostes  and 
on  8e]3eldry]3e  |)8ere  minnan  and  on  titsiges  and  on  tsetiges  and  on  ealra 
J)ara  godes  ]3eova  set  bedevindan  and  on  ceolbyrhtes  suna  gevitnesse 
sigestaues  and  8e]3elsta(nes)  and  on  ealles  JDses  folces. 

J)is  is  gevitnes  (übergeschrieben)  ecgvynnes  jiset  eadvine  hyre 
geuj)e  ]3(a5t)  heo  hy  moste  adon  ut  of  j^am  geburlande  fser  frige  on  selc 
land  mid  tyn  man  cusson  seolfres  Jsa  selfsige  folgaj)  hsefde  and  vynstan 
vses  hi(s)  geongra  on  hyra  gevitnesse  and  on  selfhehes  msessepreostes 
and  on  ealra  jjara  godes  })eova  set  bedevindan  and  on  ealles  jjses  folces. 

Von  Werth  dürften  in  diesen  Urkunden  für  uns  nur  die  zahlreichen 
Eigenamen  sein:  Apelveard,  Ceolbreht  (76''  Ceolbyrht),  Bedevinde,  Läm- 
hurna,  Eadvine,  Vynsige,  Apelnop,  Byrhtgyp,  Älfsige,  Vynstan,  AIJ-he[re?], 
Apeldryp,  Tifsige,  Tcetige,  Sigestän,  Äpelstan,  Ecgvynne,  von  denen  ich 
nebst  dem  unsichern  J!(/Äe[re?]  (zweimal)^  den  Titsige  (zu  üd'i)  und 
Tcetige  (zu  tcetan,  altn.  teita^  teitr,  ahd.  gei??)  mir  nicht  zu  deuten  weiß« 

77''  ist  noch  eingetragen: 

Aubertus.  Gauterius.  Amelina.  Conidos. 


*)  Das  e  übergeschrieben. 
**)  a/nd  äcet  bevyrcen  übergeschrieben. 

23 


356  F-  VETTER 

Nomina  VII'*"  dorinientum.  Maximianus.  Malchus.  Marthinianus. 
Dyonisius.  Johannes.  Serapion.  Constantinus. 

Descriptio  filacteriorum  uel  uasorum  auri  et  argenti  quas  habet 
capicherius  sub  custodia  sua.  habet  enim  filacteria  aurea  IUI  aUa  uero 
quorum  opercula  ....    (abgebrochen) 

V.  Gebete. 
Ein  ausLuzern  stammender,  im  Besitze  des  Herrn  Großrath  Bürki  in 
Bern  befindlicher  Handschrifteubaud  (Pap.,  4",  15.  Jahrhundert),  welcher 
demnächst  an  die  Berner  Stadtbibliothek  übergehen  wird,  enthält  nach- 
stehende deutsche  Stücke: 

1.  Sammlung  von  geistlichen  Traktaten  und  Gebeten,  von 
einer  und  derselben  Hand  (nach  S.  111''  Jacob  Amgrund,  Scolaris 
in  Luceria,  in  festo  S.  Crucis  1465,  Bruder  des  aus  der  Sage  von 
Niklaus  von  der  Flüe  bekannten  Pfarrers  Amgrund),  und  zwar:  S.  1. 
2.  21 — 41  Auslegende  Umsehreibung  des  englischen  Grusses,  Prosa, 
mystisch  gefärbt,  von  einer  Frau,  mit  angeknüpfter  Geschichte  Christi 
und  Marienlegenden,  welche  denen  in  Pfeiffer's  Marienlegenden  XXI 
(v.  d.  Hagen,  Ges.  Ab.  89)  und  Gödeke,  Mittelalter  S.  133,  46,  6  ent- 
sprechen. S.  42  Auslegung  des  Paternoster.  S.  56  Gereimte  Paraphrase 
des  Ave  Maria  (s.  unten).  S.  60  Gedicht  an  den  Erlöser  (s.  unten). 
S.  63  Gebete  an  Maria  und  an  Christum  (s.  unten),  vgl.  S.  8  und  65. 
64  Neun  „Nutz"  des  Ave  Maria.  65  Betrachtung  des  Leidens  Christi. 
19.  20.  67  ff.  „S.  Anshelms  Frag"  an  Maria  über  das  Leiden  Christi. 
97  Klage  über  Christi  Leiden.  98  Die  9903  Wunden  Christi.  Legende 
vom  Tod  Marise.  105  Lob  der  Maria.  110  Gebet  des  heil.  Franziskus. 
Schlusswort. 

2.  Ahnliche  Sammlung,  andere  Hand:  Leiden  Christi,  Leh- 
ren des  heil.  Bernhard,  Mystische  Sprüche,  12  Strassen  zur  Hölle  (s. 
unten)  u.  s.  w. 

3.  Ein  Marienleben,  Prosa,  mit  sehr  fleissig  ausgeführten  Feder- 
zeichnungen, die  Legende  und  die  alttestamentlichen  Weissagungen  und 
Vorbilder  illustrierend.  Allerlei  Volksmässiges  (Kälte  zu  Weihnachten; 
Josephs  Hosen  146"). 

4.  Heinrich  Suso's  Büchlein  von  der  ewigen  Weisheit, 
mit  dem  Epilog  (Inhaltsangabe  und  Fluch  auf  die  Interpolatoren). 

5.  Spiel  vom  jüngsten  Tage.  Theilweise  gedruckt  bei  Mone 
Schausp.  d.  M.  A.  I,  273;  hier  etwa  HO  Verse  mehr. 

6.  Philipps  des  Karthseusers  Marienleben,  letzter  Theil, 
bei  Rückert  Vss.  9196—10065;  die  Nachrede  10066—10131  fehlt. 


LESEFRÜCIITE  AUS  ZfJRICH  UNI)  HERN.  357 

7.  Traktat  vom  zeitlichen  und  ewigen  Tod,  von  Hölle  und 
Himmel. 

Ich  gebe  im  Folgenden  aus  Nr.  1  die  Stücke  S.  56'' — 64''  und  4". 
Vom  zweiten  Stück  an  sind  die  Verse  in  der  Hs.  nicht  mehr  abgesetzt, 
von  St.  3,  Z.  7  od.  10  an  gehen  sie  in  Prosa  über.  Zwischen  2  a  und  b 
ist  kein  Absatz.  Die  Verse  sind  sehr  frei  gebaut;  wo  die  Füllung 
metrischer  Lücken  sich  leicht  ergab,  ist  dieselbe  durch  kursiv  ge- 
druckte Ergänzungen  erfolgt.  Die  Schreibung  ist  nach  den  gewöhn- 
lichen Grundsätzen  geändert,  so  auch  die  des  ä  (und  ä)  in  haut  =  hat 
1,  40.  63,  aufi  =  a^  1,  116,  —  nicht  aber  die  mundartlichen  Formen: 
die  für  diu  (oft),  zuo  f.  ze  (oft),  loa^  f.  swa^  1,  85.  206,  wenn  f.  sioenne 

1,  56,  Timnd  f.  munde  (Prosa),  gedenk  f.  gedenke  2,  65  (doch  2,  9  dinen 
gesetzt  wegen  des  Versmasses;  2,  4  dmjamer  ist  wohl  Neutr.);  si  sdhent, 
hundent,  sluogent  u,  s.  w.  2,  13  ff.  (2,  27  stand  freilich  schluogen,  riioffen)] 
unverserti  f.  unversertiu  1,  45,  sogar  lieht :  diehe  2,  17;  Äeri,  süez,  (Hs.  süss) 
f.  harte,  suo%e  2,  38.  1,  135,  manschen  f.  menschen  1,  195  u.  ö. ,  heligi  f. 
heilige  2,  73  u.  ö.,  zwang,  gezwangen  f.  tioanc  2,  16.  24.  —  Namentlich 
sind  die  der  Mundart  dieses  ersten  Schreibers  eigenthümlichen  zweiten 
Personen  des  Sing.  Impf.  Ind.  auf  t(e)  belassen :  Hs.  du,  gebert  1,  3, 
lüurt  1,  113,  gebt  1,  196,  Mengt,  starbt  (Prosa),  anderswo  du  verlurte  u.s.w. 
(vgl.  —  unrichtig  —  schuofft  1,190,  hiest  ib.,  3.  Pers.  loeist  1,  192). 
Daneben  steht  freilich  hattest  (Prosa),  sogar  loerest  :  maere.  —  Andere 
beibehaltene  Inkonsequenzen  der  Hs.  sind  die  dialektischen  „unechten" 
Tenues  in  hymeltiett  1,  48,  pluot  (Verb.)  1,  59,  tot^  1,  114,  itirst  2,  5, 
trang  (=  dranc)  2,  15,  pitter  2,  61,  die  unechte  Media  in  drank  =  tranc 

2,  61,  neben  hluost  1,  61,  bkiot  2,  15,  dürnin  1,  17^  getrenket  1,  63;  ferner 
künsch  1,  12,  127  neben  kilsch  1,  81.  119;  über  2,  9  (sonst  M&er);  her 
neben  herre,  Jesus  neben  Jhesus. 

1.  Paraphrase  des  Ave  Maria. 
[56"]  Ave  Maria. 

Ave!  got  grüe^  dich,  reine  magt! 
Gro^  lob  und  er  si  dir  gesagt 
Darumb  da^  du  gebaert  den  trost, 
Der  uns  von  Adams  val  erlost, 
5  Den  Eua  unser  muoter  schuof 
Erhoer,  Maria,  minen  ruof 
Und  nim  mich  in  die  gnade  din. 
Du  unvermaelter  ganzer  schrin! 
Du  bist  die  port  und  ouch  die  arch, 
10  Dar  in  got  selber  sich  verbarc, 


3  gebert.        10  sich  got  selber. 


358  F-  VETTER 

Der  rigelslo^  nie  wart  zertrant, 

Als  all  propheten  tuond  bekaut, 

Und  schribt^  euch  menges  lerers  hant. 

Gracia 
Gracia:  gnäd,  fröid  und  heil! 

15  Erwirp  mir,  frou,  den  hoehsten  teil 
Umb  got,  den  iemer  werden  Ion! 
Der  üf  sim  houpt  ein  dürnin  krön 
Für  mich  und  alle  sünder  truoc, 
Den  got,  der  Olofernum  sluoc 

20  Und  Sodoma  versinken  liez, 
Der  sich  daz  mer  halten  hiez 
[57*]  Und  Jacobs  kinder  darüber  fuort, 

Die  hant,  die  adams  rippe  ruort: 
Die  soltü  für  mich  bitten  vast, 

25  Maria,  lichter  sunnenglast. 

Der  gnäd  und  saelde  nie  gebrast! 

Plena 
Plena:  vol  der  gotheit  gro?! 
Der  sich  am  kriuz  lie?  sehen  blo?, 
Maria,  er  wart  von  dir  geborn, 

30  Der  in  Egipto  sinen  zorn 

Mit  siben  zeichen  schinen  lie^, 

Der  Baalams  esel  reden  hie^ 

Und  Abraham  dri  engel  sant, 

Des  muoter  und  magt  du  bist  genant! 

35  Des  lob  ich  dich,  Maria  zart^ 
Du  bluomenbernder  rosengart! 
Tuo  mir  diner  gnädenhilfe  stiur, 
Du  rein  gebalsemt  creatiur, 
Gehüet  mich  vor  der  helle  viur! 

Dominus 

40  Dominus:  der  herre  hat 
Mit  dir  vereint  sin  trinität, 
Als  Gabriel  die  botschaft  warp. 
Got,  der  an  der  mönscheit  starp. 
Der  selb  ze  muoter  dich  erkos. 
45  Du  unverserti  ganze  klos, 
["]  Du  bist,  die  got  und  mönsch  gebar; 

Darumb  bistu  erhoehet  gar 
Dort  über  alle  himeltiet. 
Jhesus,  dtn  kint,  im  selber  riet. 


13  och  schribz  mges  leres.         26  Die  gnad.         35  lopt  dich.  37  gnade  hilfe. 

38  gebalaam.         40  der  her  hmit.         42  wart.         48  all  hymel  tiett. 


LESEFRÜCHTE  AUS  ZÜRICH  UND  BERN.  359 

50  Daj;  er  ze  muoter  dich  erwalt 

Und  dort  zuo  grossen  fröiden  zait; 
Maria,  din  gnäd  ist  mänigvalt! 

T  e  c  u  m 

Tecum:  mit  dir  ist  der  saelden  hört. 

Durch  zuogetän  verslo^^en  port 
55  Wart  got  von  himel  dir  gesant. 

Du  bist  der  busch  gar  unverbrant, 

Den  Moyses  sach  in  viures  flam; 

(Maria)  du  bist  die  ruot  und  ouch  der  stam, 

Die  Aaron  in  dem  gezelte  pluot, 
60  Von  der  Ysayas  reden  tuot, 

Die  mandelloup  und  bluost  gebar; 

Du  bist  der  brunne,  der  die  schar 

Von  Israhel  getrenket  hat; 

Des  lopt  dich,  got  in  maiestät, 
65  Der  vater  mit  des  sunes  rät. 

Benedicta 
Benedicta:  gesegnet  du  bist, 
Und  ouch  din  fruht,  als  billich  ist, 
Von  Yesse  und  von  Jericho; 
Din  nam  in  ganzer  wirde  ho 
[58*]    70  Der  kum  ze  trost  mir  dort  und  hie. 
Der  Stern  der  üf  von  Jacob  gie, 
Der  bistü,  künsch  juncfrouwe  rein. 
Jhesus,  der  ouch  den  schachern  zwein 
Am  kriuz  ir  sünden  antlä:;,  gap, 
75  Der  Lazarum  erkiket  von  dem  grap, 
Der  selb  ze  muoter  din  verjach, 
Als  Abakuk  und  Daniel  sprach 
Vor  mengen  jaren  e  da?  geschach. 

Tu 

Tu:  du  bist  genäden  rieh. 
80  Maria,  din  kint  bit  für  mich, 

Da?  kiusch  in  dinem  libe  lac. 

Der  Noe  in  der  archen  pflac 

Und  Jonas  in  dem  vische  huot, 

Der  selb  durch  dineu  willen  tuot, 
85  Wa^  du  in  ze  bitten  hast. 

Ob  du  mich  des  genießen  läst^ 

Des  ich  dich  iemer  loben  wil 

Mit  minem  gebet  bi?  üf  da?  zil. 


56  biist.         59  gezeÜ  pluot.         62  bnin.         63  haut.  69  hoch,  72  jukfro. 

73.  74  den  schaez;  das  Folgende  fehlt  in  der  Hs.         87  Das 


360  F.  VETTER 

Da?  ich  niht  lenger  leben  sol. 
90  Maria,  du  bist  gnaden  vol: 
Min  sei  zuo  den  erweiten  hol! 

In  mulieribus 
In  mulieribus:  ob  allen  frouwen  du  bist, 
Die  got  empfieng,  den  heiligen  christ, 
Und  drier  person  mit  ein  genas; 
[^]    95  Wie  schint  die  sunn  durch  ganzem  glas, 
Also  gebar  din  zarter  lip 
Den  wären  got,  als  David  schript, 
Und  Samuel  des  propheten  munt. 
Des  lobent  dich  ze  aller  stunt 
100  Die  cngel  in  der  himel  choer. 
Maria,  min  gebet  erhoer! 
Ich  armer  sünder  ruof  dich  an; 
Du  bist  die  niht  versagen  kan : 
Der  selben  gnäd  ich  dich  erman. 

Et  benedictus 
105  Et  benedictus:  und  gesegnet  schon! 

(Maria)^  du  bist  der  tempel  Salomon 

Und  da:?  zeit  der  heilikeit; 

Du  bist  ouch  wol  da?  ewic  kleit, 

Das;  im  got  selber  hat  gefuogt. 
110  In  hat  so  wol  mit  dir  benuogt, 

Da?  nieman  dich  volloben  mac. 

Do  Moyses  sach  den  gotes  nac, 

Do  wurt  du  ze  muoter  im  erborn. 

Maria,  ros  an  alle  torn, 
225  Du  bist  da:^  honic,  da?  Jonathas 

So  güetlich  uff  dem  boum  a? 

Nach  dem  als  David  sluoc  Golias. 

Fructus 
Fructus:  fruht  ob  aller  fruht 
[59]  Gebar  din  lib  in  kiuscher  zuht: 

120  Altissimum  den  höchsten  got, 
Der  alle  ding  nach  sim  gebot 
Geordnet  und  gefüeget  hat. 
Maria,  du  bist  des  hoehsten  rät, 
Der  dort  die  sunnen  stil  hie;;;  stän, 
125  Do  Josue  von  Gabaon 

Der  fünf  küng  her,  die  beiden,  sluoc. 
Maria,  din  künscher  lip  der  truoc 


93  den  heiigen  geist.  107  halikeit.  110  so  wol  benugt.  116  auß. 

121  gehott.        122  gefugt. 


LESEFRÜCHTK  AUS  ZÜRICH  UND  BP:RN.  361 

Den  got,  dem  Sant  Johans  mit  schTp 
Genigen  ha,t  in  miiotcr  lip : 
130  Des  lopt  dicli  billich  man  vmd  wip. 

Ventris. 

Ventris:  libes  und  der  sei, 

Du  reine?  kint  von  Ysrahel, 

Du  bist  geliciliget  hie  und  dort. 

Jeronimus  der  sine  wort 
135  So  süei;  von  dir  gesprochen  hat; 

Maria,  din  hoher,  wiscr  rät 

Ze  trost  uns  armen  Sündern  kam. 

Du  bist  die  würz  und  ouch  der  stam 

Von  Syon,  aller  saelden  hört. 
140  Vcrsliuj;  vor  mir  der  helle  port. 

Und  wis  mich  üf  die  rehten  ruor. 

Die  Enoch  und  Helias  fuor 

Zuo_^got,  der  bi  im  selben  swuor. 

["]  Tui 

Tui:  dtner  gnäd  beger  ich  von  dir! 
145  Maria,  du  malit  wol  helfen  mir. 

Ich  ruof  dich  an  umb  all  min  not 

Und  man  dich  an  den  scharpfen  tot, 

Den  Jesus  leit  din  (vil)  lieber  sun; 

Wir  wurdent  alle  gesunt  da  von, 
150  Als  dort  von  einem  slangen  wart 

Da^  volc  von  Ysrahelscher  art. 

Der  rein  üf  gehangen  was. 

Maria,  lüter^  Spiegelglas, 

Ich  kan  dich  nicht  volloben  gnuoc: 
155  Du  bist  da^  velt,  da^  Gedion  truoc, 

Do  er  den  künc  von  Madion  sluoc. 

Jesus  Cristus,  amen! 

Di^  lop  hän  ich  in  dinem  namen 

Maria,  muoter,  dir  gesagt ; 
160  Du  himelsche  küngin^,  reine  magt, 

Du  bist  der  hört  von  Jedeon ; 

Den  got,  der  sich  vom  höchsten  tron 

Herab  lie^,  Maria,  zuo  dir^ 

Den  bit  und  hilf  genäde  mir 
165  In  unzergenglichen  vröiden  dort. 

Maria,  vernim  mine  wort 


135  süss.         141  uff  die  rechten  had,  corrig. :  7-urt.    Zu  riMr  =  Spur  vgl.   Mhd. 
Wb.  II,  816.         142  ßirt.         143  selben  fehlt.       144  Tu.       155  feli  sie.     Der  Dichter 
scheint    durch  Verwechslung    aus    dem   Fell   ein  Feld  Gideons    gemacht   zu    haben, 
160  künge.         164  gnade         165  froden. 


362  F.  VETTER 

Vil  haz,  denn  ichs  gesprochen  hab! 
[60"]  Des  wunde  pluot  und  wa5:^er  gap, 

Der  selb  mich  ouch  behüeten  miie:?! 
170  Künd  ich  mit  minen  worten  süez;, 

Maria,  din  lop  gesprechen  ba?, 

Da^  taet  ich  gern;  so  bin  ich  la? 

Der  künst;  mir  sind  die  sinn  ze  swach! 

Maria,  aller  lop  ursach, 
175  Du  bist  die  magt,  die  Jepte  sant 

Ze  Opfer  got,  doch  unverbrant; 

Du  sitzest  bt  der  rechten  haut. 

Ich  sprich  got  her  ob  allen  lop : 

Din  lop  da:?  schwebt   ob, 

180  Als  des  himels  volmunt 

Ob  tiefe  des  meres  grünt; 
.  Wan  du  bist .  .  aller  ding 

Ufenthalt  und  ursprinc, 

Und  da^  reht  fundament, 
185  Die  spher  und  dement, 

Luft^  erd,  wa^^er  und  viur. 

Dar  in  alle  creatiur 

Ir  leben  hänt  bes ander; 

Du  bist,  der  alli  wunder 
190  Schuof  und  .  .  werden  hie?; 

Der  Sternen  und  des  meres  grie? 
[''J  Weist  din  gewalt  die  zal; 

E  Adam  tet  den  .  .  val, 

Do  wist  din  grundlos  gtiete 
195  Der  mönschen  kranc  gemüete, 

Und  gaebt  ouch  selber  die  kraft. 

HIr  über  alle  herschaft, 

Himelscher  keiser,  atmirät, 

Gewaltiger  vogt  in  maiestät, 
200  La?  dir  von  mir  enpfenclich  sin, 

Da^  ich  der  werden  muoter  din 

Di?  lop  \if  gnäd  gedichtet  hän. 

Du  treist  ouch  selb  die  höchsten  krön 

Und  bist  ob  allen  dingen  hoch. 
205  Kein  lop  sich  nie  gen  dir  gezöch, 

Wa'.  ie  sprach  der  meister  wort; 

An  anvanc  und  an  endes  ort. 

Du  bist  gewaltic  hie  und  dort. 
Amen. 


168  iimnd  die  pluot.  171  gesprochen.  172  künsch.  180  vol  mund. 

185  sper.       190  Schafft,  hie.it.  192    Weist  sie.  194  gut.  195  mansch,  gemut. 

196  gebt.         198  Hymelsch.  200  enpflich.     Zu  Bedeutung  von  enpfenclich,  vgl.  em- 

p/encltchiu  güeter  Mbd.  Wb.  III,  211"? 


LESEFRÜCHTE  AUS  ZÜRICH  UND  BERN.  363 

2,  Gedichte  an  den  Erlöser. 


Ich  manen  dich,  herr  Jhesu  Crist, 

Won  du  unser  loeser  bist: 

Gedenk  an  alle  din  arbeit, 

An  din  järaer  und  an  din  leit, 
5  An  den  hunger  und  an  den  turst, 

An  die  hitz  und  [91"!  an  den  vrost, 

An  den  zeher  und  den  swei:?, 

Der  dir  bluotiger  und  hei? 

Über  dinen  ruggen  vl6;5 
10  Und  nider  üf  die  erden  go?  ; 

Ich  manen  dich  an  die  stunden, 

Do  dich  die  Juden  funden; 

Si  sähent  nit  an  din  eilend, 

Si  bundent  dir,  lieber  her,  din  hend, 
15  Da?  da?  bluot  zuo  den  neglen  üz  tranc. 

0  süe?er  got,  wie  sere  dich  zwanc 

Die  gro?  veterlich  liebi, 

Da^  du  glich  einem  diebe 

Dich  weitest  läzen  vüeren 
20  Und  von  den  sündern  berüeren! 

Ich  manen  dich,  her,  an  die  smächeit. 

Die  dir  erbot  die  Judscheit, 

Do  si  dich  baten  gevangen 

Und  in  großen  gezwangen. 
25  Si  sluogent  dich,  herr,  üf  dinen  hals, 

Und  sprächent,  din  1er  waere  valsch; 

Si  sluogent  und  rouften  dich; 

Mit  iren  speichelen  ver  ["]  spuwent  si  dich; 

Si  wärent  gen  dir  nit  weich, 
30  Sie  gäbent  dir  menigen  streich, 

Da?  da?  bluot  von  dir  ran. 

O  süezer  got,  gedenk  dar  an. 

Und  vergip  mir  min  schulde, 

Und  verlieh  mir  din  hulde! 
35  Ich  manen  dich,  lieber  her  min. 

Gedenk  an  alle  m arter  din, 

An  die  nagel  und  an  da?  sper, 

Da  von  du  hert  stüend  in  ser. 

Und  an  die  tiefen  wunden, 
40  Die  dir,  her,  blibent  un verbunden; 


6  an  den  vrost  fehlt.         8  hieß.         9  din.         11  stund.         15  tranff.     17  v'dtter- 
lick.         19  lasen.  23  hatten.         24  gezwangen;  sonst  nur  Sing.:  in  getwange   Mhd. 

Wb.  III,  164".         27  schlugen,  rofften.        38  hert  stund.        39  tiffen. 


364  F.  VETTER 

Gedenk  an  din  marter  und  tot 
Und  behüet  mich  vor  der  helle  not! 
Hilf  mir  zuo  der  rehten  hant, 
Da  der  Schacher  ruowe  vant! 

45  Verlieh  mir  rehte  riuwe 
Durch  din  veterliche  triuwe: 
Da^  bit  ich  durch  die  marter  (1.  muoter)  din, 
Maria,  du  (1.  die)  hochgeborn  küngin, 
Da^  [61"]  du  gedenkest,  her,  an  ir  leit, 

50  Da?  ein  swert  ir  herz  versneit, 
Do  ir  käment  diu  maere, 
Da?  du,  [lieber]  her,  gevangen  waere; 
Gedenk  an  den  grözen  smerzen 
Und  troest  mir  min  arme;^  herze 

55  In  allem  minem  leide! 

Wenn  ich  von  hinnen  scheide, 
So  troest,  her,  die  armen  sele  min 
Und  lä?  si  nit  lang  in  noeten  sin! 
Noch  manen  ich  dich,  zarter  got, 

60  Gedenk  an  der  Juden  spot. 
Und  an  da:?  pitter  dranc, 
Und  an  den  jaemerlichen  ganc. 
Den  du  zuo  der  marter  woltest  gän 
Und  so  jaemerlichen  stän, 

65  Do  diu  urteil  über  dich  gienc, 

Da/,  man  dich  an  da?  kriuze  hienc! 

Süe?er  got,  min  heilant! 

AI  min  sünd  wärend  dir  bekant, 

Do  ['']  du  din  heiig  pluot  woltest  vergießen; 

70  Des  lä?  mich,  lieber  her,  genießen, 
Und  vergip  mir  alle  min  missetät, 
Die  min  sündiger  lip  begangen  hat 
Wider  din  heligi  gotheit 
Und  wider  din  heligi  mönscheit 

75  Mit  minen  fünf  sinnen 
Mit  den  siben  totsünden, 
Wider  die  sehs  werc  der  erbarmherzikeit 
Und  wider  die  aht  saelikeit 
Und  wider  die  hehgen  zehen  gebot: 

80  Die  vergip  mir,  lieber  herre  got. 
Und  lä?  mich  nit  ersterben, 
E  da?  ich  din  huld  erwerbe; 
Und  e  min  lip  erkalte, 
So  enpfäch  min  sei  mit  gewalte! 


44  rüwe  (=  riuwe?)         45  rüw.         46  h-uio.  51  die  mare.  52  weresi. 

66  dich  dich  an.  69  vegiessen.  82  erwerbe  sie;  ist  e^-werben  zu  schreiben,  wie 

unten  91  bittenl 


LESEFRÜCHTE  AUS  ZÜRICH  UND  BERN.  365 


85  Des  eewer  mich,  zarter  got 
Uüd  laz  mich  in  keiner  not; 
Ich  setz  min  gedingen  und  min  muot, 
Jesu  Crist,  in  din  [63"]  huot; 
Nu  1er  mich,  zarter  her,  den  pfat, 

90  Der  zuo  den  ewigen  vrüiden  gät! 


Ich  bitten  dich,  vil  heber  her, 
Umb  die  spis  miner  sei. 
Und  umb  die  narung  mines  libes, 
Und  umb  die  wonung  des  vron  himelriches! 
95  Her,  ich  wil  dich  rüefen  an, 
Dich  und  din  heiigen  lichnam 
Und  din  helige^  bluot  so  rot, 
Daz,  mir  der  tot  nie  tue  so  not, 
Mir  werd  din  helige^  brot, 

100  Da;^  din  götlichi  hant  bot 
Dinen  lieben  jungren  guot. 
Und  der  segen,  den  der  priester  tuot 
Über  sin  lichnam  und  da^  hGlig  bluot, 
Der  si  mir  vür  al  min  vigent  guot! 

105  Bis  got  wilkomen,  du  lebendez;  brot, 
Gip  mir  day,  leben  und  nit  den  tot ! 
P'J  Ich  gloub  wol,  herre  Jhesus  Christ, 
Da:^  du  der  war  lichnan  bist, 
Geborn  von  der  reinen  magt, 

110  Der  einic  an  die  marter  trat. 

Her,  ich  setz  min  leben  in  din  hend: 
Hilf  mir  hiut  und  an  mim  lesten  end! 
Amen. 

3.  Gebet  an  Maria  und  Christum. 

Ach,  Maria,  durch  dines  kindes  tot, 
Da^  vor  dir  hienc  mit  bluote  rot, 
Hilf,  da^  ich  der  engel  brot 
Mit  ganzer  riuw'  enpfäh'  in  todes  not! 
5  Ach,  Maria,  durch  dines  kindes  bluot, 
Da;^  da  durch  din  herze  wuot 
Als  eines  tiefen  wäges  vlui^  (1.  vluot): 
Hilf  mir,  Maria,  durch  dines  kindes  bluot, 
Da^  min  end  werd  guot! 


89  herre  den  weg.  97  helign.  98  Düs  mir  der  hitter  tod  nieme}'  tu  so  notl. 
100.  101  hand  sinen  lieben  iiingren  am  letzsten  nachtmal  bott  \  und  .  . .  105  lebendiga. 
107  xpt.         108  lichnan  sie.  112  hilf  mir  hütt  und  iememer  ewenklich  vrnd  an  mi- 

nem  lesten  end 


366  F.  VETTER,  LESEFRÜCHTE  AUS  ZÜRICH  UND  BERN. 

10  Ach,  Maria,  bit  din  kint  für  mich  durch  alle  die  liebi,  die  du  zuo 
dinem  herz  [64"]  lieben  hattest,  so  erbarm  dich  über  mich!  Her, 
himelscher  kling,  ich  ermanen  dich  hiut ,  da^  du  hiengt  an  dem 
kriuz  mit  minnender  gotheit,  mit  senfter  sei,  mit  verwuntem  herzen, 
mit  krachenden  glidren,  mit  verhounem  lip,  mit  bluotigen  wunden, 
15  mit  vlie^enden  rünsen,  mit  zerspannen  armen,  mit  betrüepten  sinnen, 
mit  genagleten  henden  und  vüe^en,  mit  rüefendem  mund,  mit 
heiser  stimm,  mit  toetlicher  varw,  mit  weinenden  ougen^  mit  ge- 
kroentem  houpt,  mit  swindlendera  hirni,  mit  trürigen  gebaerden, 
mit  lachendem  herzen  gegen  dem  sünder,  mit  geneigtem  houpt, 
20  mit  verscheitem  end,  mit  totem  lib,  mit  üfgetänem  herzen,  mit 
gierenden  bechen  des  lebendigen  brunnen,  der  ursprunc  gienc  ü^ 
in  die  ewigen  [^]  drivaltikeit,  und  brach  üf  da^  herze  des  ewigen 
Vaters.  Also  brich,  her,  von  mir  alle^  da^  mir  schad  sl  an  sei,  an 
lib,  an  er,  an  guot  und  an  gesuntheit! 

Amen. 
Vgl.  damit  ein  ganz  prosaisches  Gebet  ib.  S.  8*: 
Ich  manen  dich  vnd  dancken  dir,  lieber  herre  ihu  xpe,  als  du 
ze  non  zit  starbt  an  dem  cnitze,  da  du,  ewiges  leben  vnd  himelscher 
küng,  hiengt  alleine  Mit  minnender  gotheit,  Mit  senfter  sele,  Mit  ver- 
wuutdem  hertzem  (sie),  mit  krancken  gelidren  .  .  .  mit  zerdenten  adren. 
Mit  rüffendem  mund,  Mit  heiser  stimm,  mit  bleichem  antlit  .  .  .  Mit 
bninnendem  ernst.  Mit  ächzendem  hertzen.  Mit  sunfzeder  kelen,  mit 
geneigtem  plnttendem  houpt,  Mit  gotlicher  menscheit,  mit  totlichem 
lib,  Mit  verscheidnem  end.  Mit  ufgetanem  hertzen  vnd  siten  u.  s.  w. 

4.  Zwölf  Strassen  zur  Hölle. 
[4°]  Zwölf  strass  gand  zuo  der  helle:  Die  erste  strass  ist: 
alt  lüt  üppig  und  wunderlich;  die  ander  strass:  jung  lut  einrichtig 
und  unvertragenlich;  die  trit  Strasse:  mägt  unkusch  und  verlassen; 
die  fierd  strass:  elüt  kriegig  und  uulidlich;  die  fünft  strass:  witwen  wit- 
schweifig  und  ungeberdig;  die  sechst  stras:  closterlüt  eigenschaftig  und 
ungemeinsamig;  die  VII.  strass:  pfaflfen  nidig  und  hessig;  die  VIH.  strass ; 
geistlich  lüt  gittig  und  unbenügig;  die IX.  strass:  edel  lüt  untugenhaft  und 
uugetrüw  gegen  iren  armen  lüten;  die  X.  strass:  amptlüt  gotlos,  gnad- 
los und  an  er;  die  XI.  strass:  burger  in  stetten  schalckhafftig  und  be- 
trogen; die  zwölft  strass:  usslüt  ufsätzig  und  hingebig  gegen  ein  ander. 


16  zerspannem.         20  verscheitem  sie;  unten  verscheidnem. 


LITTERATIIR:  F.  KRAMKR,  IDIOTISMEN  etc  367 

Vgl.  damit  die  in  Gegenstand  und  Ausdruck  ähnliche  Vorstellung 
von  12  Geissen  des  Teufels,  wie  sie  auf  dem  kunstreich  verschlun- 
genen Spruchbande  einer  Saaldecke  des  Klosters  Stein  am  Rhein  v.  J. 
1515  (Lübke,  Gesch.  d.  dtsch.  Renaiss,  S.  235)  erscheint: 

Dis  sind  die  XII  gayssen  des  tüffels:  die  erst  gayss:  alt  töricht 
Itit;  undultig  siech  lüt;  witwen  on  enthaltung;  gaistlich  lüt  on  den 
orden;  eliit  on  den  frid;  kofflüt  on  die  warhait;  jung  lüt  ungezogen; 
arm  hofi'ertig  lüt;  ain  jungfrow  [on]  küuschait;  pfaffen  on  kunst;  herren 
on  ere;  und  richter  die  das  recht  zu  unrecht  machen. 


LITTERATÜR. 


Krämer,  Friedrich,  Idiotismen  des  Bistritzer  Dialekts  (Schluß).  Programm  des 
Gymnasiums  zu  Bistritz  (Siebenbürgen).  Bistritz.  J.  E.  Filtsch'sche  Erben. 
1876.   147  Seiten.   8. 

Die  Besprechung  des  ersten  Theiles  dieses  kleinen  mundartlichen  Wörter- 
buches in  dieser  Zeitschr.  war  kaum  gedruckt,  als  wir  schon  mit  der  Fortsetzung 
und  dem  Schluß  überrascht  wurden.  In  Hinblick  auf  die  dort  ausgesprochene 
Absicht  jener  bedrohten  äußersten  Vorwacht  des  Deutschthums  besondere 
Aufmerksamkeit  zu  schenken  *),  erlaube  ich  mir  auch  zu  diesem  Theil  dieser 
Schrift  einige  Bemerkungen,  wie  sie  sich  mir  beim  Durchlesen  ergaben.  Da 
es  von  Belang  ist  das  Vorkommen  derselben  Idiotismen  auch  in  der  Zips  überall 
wo  es  statthat  zu  erweisen,  so  erlaube  ich  mir,  wo  es  der  Herr  Verf.  über- 
sehen. Hinweise  auf  mein  Wörterb.  der  deutsch.  Mundarten  des  ungr,  Berg- 
landes  (1858)  und   den  Nachtrag  dazu  (1859),  beizufügen. 

malt  f.  Backtrog ;  ist  wohl  nichts  anderes  als  unser  Mulde,  jedoch  nicht 
abzuleiten  von  maln,  wie  Hr.  Kr.  will.  Es  ist  bekanntlich  das  lat.  mulctra,  das 
durch  Formen  wie  ahd.  mulhtra,  muoltra,  multere,  später  inulde,  molde  hindurch- 
gegangen ist,    s.  Weigand  2,  207  f. 

mer  f.  in  dat  git  mer  an  laut  das  erregt  Aufsehen.  Dazu  war  anzuführen 
aus  der  Zips:  lojS  dir  dos  a  mär  sein,  mein  Wtb.  S.  79  und  lautmceng 
Nachtr.  S.  40. 

mierög  n.  (Meerauge)  Bergsee.  Es  ist  zu  bemerken ,  daß  nicht  nur  in 
der  Zips  und  in  Siebenbürgen,  sondern  auch  in  Kärnten  iui  Drauthale  kleine 
Seen  so  genannt  werden,  Lexer  S.    12. 


*)  Eine  andere  anziehende  neuere  Publication  aus  Siebenbürgen  will  ich  hier 
nur  noch  nennen:  Volksthümlicher  Glaube  und  Brauch  bei  Geburt  und 
Taufe  im  Siebenbürger  Sachsenlande.  EinBeitrag  zur  Kulturgeschichte 
von  Johann  Hillner.  Schäßburg.  Druck  von  Friedrich  Jördens.  1877.  Großquart 
52  Seiten.  Programm  des  Schäßburger  evang.  Gymnasiums 


368  LITTERATUR:  F.  KRAMER,  IDIOTISMEN  etc. 

mueser  m.  Soldat.  Hierzu  hätte  genügt  der  Hinweis  auf  das  von  mir 
Wtb.  81  angeführte:  nd.  mi/fi  Ring  im  Kettenpanzer,  imiserie  Zeughaus,  muse- 
mester  curator  armamentarii  etc.  brem.  Wtb.  III,  208.  Mindestens  hilft  das 
Durcheinanderwerfen  von  mhd.  müsaere  und  rnüza-re  mit  gotisch  motjan,  wovon 
ein  jedes  andern  Ursprungs  ist  u.   dgl.   m.   nicht  weiter. 

njarn  knurren,  dazu  war  auch  die  nd.  Form  nirren  aus  der  Zips  anzu- 
führen, mein  Wtb.   84. 

nutschein  saugen.    Dazu  in   der  Zips  nötscheln,   mein  Wtb.    84. 

oper  f.  Augenbrau  ist  wohl  aus  mhd.  oucbrä  entstellt,  wie  wimper  aus  wintprd. 

pändel  m.  Frauenhemd  leitet  der  Verf.  vom  madj.  pendel  ab.  In  der 
Zips  heißt  das  Unterhemd ,  das  unter  dem  Oberhemd  angebändelt  ist  Bendel- 
hemd,  s.  mein  Wtb.  34,  wo  ich  auch  umgekehrt  das  magyar.  pendel  vom  sie- 
benbürgischen  pändel  ahd.  mhd,  pentil,  bendel  m.  abgeleitet  habe.  Auch  die 
Übereinstimmung  des  siebenbürg.  Wortes  mit  dem  altdeutschen  im  Geschlecht 
spricht  für  diese  natürliche  Ableitung. 

pärseheln  sengen  leitet  der  Verf.  von  madj.  perzsel  ab.  Ich  möchte  es 
mit  dem  in  der  Zips  üblichen  preseln  mein  Nachtr.  19  vergleichen,  das  ich  zu 
dem  Aachenischen  bröselen  durcheinanderkochen  gestellt  habe,  von  dem  auch 
madjar.  perzsel  abzuleiten  sein  wird,  wie  magyar.  pörköl  schmoren  von  dem  in 
der  Zips  üblichen  preegeln  schmoren,  s.  mein  Nachtr.  19.  Vgl.  auch  meine 
Darstellung  der  deutschen  Mundarten   des   ungr.  Berglandes  S.   423. 

päzen  schlagen.  Der  Verf.  bemerkt  dazu  „die  mhd.  Wurzel  des  Wortes  ist 
ich  biuze  (!)  stosse".  Ich  glaube  nicht  daß  hier  an  mhd.  bozen  zu  denken  ist,  das 
sich  im  österreichischen  misse  passen  allerdings  noch  erhalten  zu  haben  scheint 
(in  Kärnten  in  der  vollem  Form  poassen  Lexer  37).  patzen  schlagen  haben 
auch  Schmeller  1,  302  und  Lexer  18.  Weigand  2,  349  leitet  es  ab  von  nd. 
bats  Schlag.  —  puzich  aufgeblasen  erscheint  auch  in  der  Zips,  s.  mein  Wtb.  33, 
wo  ich  das  nl.   bats  trotzig  verglich. 

peit  f.  Teigbrett,  ist  unser  Beute  mhd.  Mute  f.,  Nebenform  des  gotischen 
biuds  Tisch,  das  noch  in  dem  östr.  bairischen  der  biet  Brett  in  der  Mitte  der 
Weinpresse,  das  den  Boden  der  Kelter  bildet,  erhalten  ist.  — -  Ich  habe  dazu 
schon  Nachtr.   17   die  siebenbürg.  Nebenform  beokt  angeführt. 

plämplänk  m.  Schweinsmagen,  auch  in  der  Zips  s.  mein  Wtb.  31  ist  noch 
unerklärt,  doch  wäre  zu  verweisen  auf  plampen  frei  hangend  sich  langsam  hin 
und  her  bewegen  Weigand  2,  388  und  die  von  mir  in  Die  Laute  der 
deutsch.  Mundarten  des  ungr.  Berglandes  im  Wortverzeichuiss  unter  plempleng 
angeführten  Ausdrücke  plempe ,  plempel,  blämbel  in  Nordböhmen,  in  der  Schweiz, 
dem  Elsaß,  Tirol  etc.,  vielleicht  auch  auf  das  bairische  lampel  —  alles  in  der 
Bedeutung  schlechtes  Getränk,  schlechtes  Bier  —  ferner  der  See  lampelt,  wenn 
er  hoch  geht  und  von  Wellen  und  Schaum  kraus  ist;  Lampen  an  der  Mutter- 
brust trinken  Schmeller  2,  467.  Die  Form  „glimpf  an  der  gurtet,  pendix  vo- 
cab.  1419"  Schmeller  2,  469  läßt  vermuthen,  daß  etwas  schwabbelndes,  klun- 
kerndes  mit  verschiedenen  Ausdrücken  bezeichnet  wird,  die  alle  auf  ein  altes 
limpfan,  lampf  zurückgehen,  vgl.  etwa  mhd.  limphen  hinken. 

pocht  f.  Streu  etc.  ist  von  mir  bereits  Wtb.  38  zu  mhd.  buht  n.  gestellt, 
Nachtr.  16  ist  auch  das  Geschlecht  besprochen,  das  Weinhold  schles.  als  Neutr. 
bezeichnet,  während  es  bei  Holtei  als  Femin,  gebraucht  wird. 


LITTERATUR:  F.  KRAMER,  IDIOTISMEN  etc.  lUVJ 

raich,  rtcli  n.  Berg.  Das  Wort  ist  bei  uiir  schon  Wtb.  34''  unter  Berg 
Durst.  3G2^  L'4.  409,  2  in  den  Formen  rlijikal ,  riguL  bes])roeli('ii,  vgl.  uucli 
Fronimann   G,  18,  108,   kärntisch   luyl  Lexer  208. 

rainzel,  rünzel  Lab  zum  Gerinnen  der  Milch.  Wieder  eines  der  seltaamen 
Wörter  wie  dürpel,  füllfaJS^  honklicli,  laweiul,  malzen,  rust  u.  v.  a.,  die  den  Sieben- 
bürger Sachsen  und  Zipsern  gemein  sind.  Zunächst  ist  etwa  zu  vgl.  cimbrisch 
renschen  impuzzare  Wtb.  160  zu  lat.  rancere ,  raucidusj  tirolisch  rantschen 
Schöpf  534. 

tjerdll  n.  unnützer  Kram.  Das  aus  der  Bergmannssprache  auch  in  das 
Zipser  Deutsch  übergegangene  gerüll,   grull,  s.   meine  Darst.  30,  8    und   311. 

rämp  m.  1.  salzramp  Salzgefiiß.  Dazu  ist  zu  vergleichen  rampf  m.  Gle- 
fäß   darein  man  Erdbeer  liest  vocab.   1482   bei  Schmeller  3,  91. 

rast  m.  der  schwere  Balken  auf  dem  die  Zimmerdecke  ruht. 

Zu  diesem  im  hd.  und  md.  seltenen  altsächsischen  Worte,  das  sich  im 
ungr.  Bergland  wie  in  Siebenbürgen  noch  erhalten  hat,  wäre  zu  verweisen  auf 
meine  Schrift:  Das  Bauernhaus  auf  der  Wiener  Weltausstellung  (ofTieieller  Aus- 
stellungsbericht)  S.  13  f.  und  S.  23.  Das  Wort  lautet  altsächs.  hrust,  engl. 
roost,  nid.  roest,  im  ungr.  Berglande  (im  Klange  dem  engl,  und  id.  entsprechend) 
rüst  m.   in  Siebenbürgen  rast  m. 

Wieder  ein  Wort,  das  im  ungr.  Bergland  und  Siebenbürgen  sich  erhalten 
hat   und    das  im    hd.   nur  etwa    in    raeshaum   Schmeller   3,  138   noch   vorkommt. 

vom  m.  1.  Weingartenpfahl,  2.  Kuß,  3.  Sahne.  Von  diesen  drei  Wörtern 
wäre  jedes  besonders  zu  behandeln.  W^eingartenpfahl  geht  auf  mhd.  ram  m. 
zurück;  Ruß   ist  mhd.   rdm   m.;    Salme   mhd.   ronm   nid.   room. 

ru'gen  starren.  Es  hätte  genügt  hier  auf  mhd.  ragen  zu  verweisen,  nicht 
auf  „ahd.  regan,  mhd.   regen"'  ;   dann   auf  mein  Wtb.    8(j.    Naclitr.   43. 

beschimmern  von  Dämmerung  überfallen  werden.  Dazu  war  zu  vergleichen 
mein  Nachtr.  S.  46  nnter  schomcrig.  Verf.  meint  „das  Wort  hat  —  nichts  mit 
Schimmer  —  ahd.  scimo ,  mhd.  scliime  (so)  zu  thun."  Ahd.  sctmo  ist  mhd. 
schhne,  beide  gehören  zu  ahd.  scman,  aber  auch  as.  scimOj  md.  schimcy  daher 
nd.  md.  schimmern,  daher  schimmern  etc.,  die  auf  die  Form  des  Plur.  Priit. 
zurückgehen,  gehören  hieher. 

süren  go  das  Vorgehen  der  Zünfte  gegen  nichtzünftige  Handwerker»  Dies 
ist  das  bairische  auf  die  Stör  gm,   stören  gehn   Schmeller  3,  655. 

siiel  blaß,  bleich  von  der  Haut  des  Menschen.  Hier  war  zu  verweisen 
auf  mein  Wtb.  S.  89" :  sal  gelblich,  versahm  vergilben,  ahd.  salo  salawcs,  scliwäb. 
sal,  seil,   franz.  sale,   ital.   saldvo. 

Summer fogel  m.  Schmetterling.  „An  Ausdrücken  für  Schmetterling  fehlt 
es  den  deutschen  Dialekten  nicht,  einen  dem  unsrigen  entsprechenden  habe  ich 
nur  im  Sauerland  gefunden"  bemerkt  der  Hr.  Verf.  Er  hätte  nicht  so  weit 
zu  suchen  gebraucht.  Der  Ausdruck  ist  aligemein  österreichisch,  auch  tiroliscli 
Schöpf   729. 

timpcln  mit  Gärteige  mischen,  dimpel  Sauerteig.  Statt  an  mhd.  tempe- 
rieren zu  denken  war  hier  einfach  zu  verweisen  auf:  Das  Dämpflein  Sauerteig, 
diimpfeln  mit  Sauerteig  anmachen   Schmeller    1,  373. 

„tröm  m.  Balken  etc.,  so  auch  Haltr.   S.    34.      Hier  ist  wieder  Verschie- 
denes  zusammengeworfen,   das  nach  den  Gesetzen  der  Lautverschiebung  unver- 
einbar ist."    Das  Wort  wurzelt  in   trab  oder  trav^  got.   triu ,   slov.   drevo  I   etc., 
9ERMANU.  Neue  Reihe.  X.  (XXII.  Jahrg.)  24 


370  LITTERA.TUR:  F.  KRAMER,  IDIOTISMEN  etc. 

mhd.  dräme,  trdme  etc.  „rhein.  trov^  schles.  troben  etc."  —  Dieses  trom,  unser 
Tram,  mhd.  dräme  heißt  siebenbürg,  sächsisch  sonst  trof  HaXtr.  34  (vgl.  rheinisch 
trov)  und  dies  gehört  wohl  zu  lateinisch  tvab-s  vgl.  griech.  rpojrog,  TQOTtig  etc., 
altnord.  thref  n.  thraf-ni  m.  Balken.  —  Hingegen  got.  triu ,  sl.  drevo  gehört 
zu  sanskr.  dru  Holz,  gr.  ÖQV-g  Fick,  indg.  Wtb.  Sp.  79.  91  und  ist  von  jenem 
Stamme  völlig  zu  trennen. 

tschoke  f.  schwarze  Dohle.  Dazu  war  zu  vgl.  mein  Wtb.  46''  f.  tschoge- 
lester  augeblich  „Zugelster''^  wozu  ich  an  engl,  chough,  fr.  choucas ^  so  wie  an 
mundartl.  Schalaster  und  ahd.   ägalastra  erinnerte. 

„hiberüs  f.  die  weiße  Lilie"  war  wohl  zu  erklären  mit  Tuberose,  polyanthes 
tuberosa. 

wälgern  wälzen.     Dazu  vgl.  loälgem  mein   Wtb.   103". 

weimerchi  Johannisbeere.  Auch  in  der  Zips  heißt  die  Johannisbeeere 
v; einher cJien,  s.  mein  Wtb.    104*  unter  wein. 

wier  1.  Maulwurfsgrille,  2.  angeschwollenes  Augenlid.  —  Auch  hier  sind 
zwei  urspr.  Formen  zu  unterscheiden,  1.  die  Werre,  Larve  des  Maikäfers  und 
2.   die  Wern  ahd.   icerna,  das  nhd.   auch    Werre  lautet. 

wu^llebroden  m.  die  Wade.  Dazu  war  zu  vergleichen  mein  Wtb.  der  Mund- 
art von  Gottschee  S.  60:  j)ratcn  m.  die  Wade,  wo  auch  cimbr.  mauseprate 
W^ade  und  brät.  Waden,  das  aus  Henisch :  Die  teutsche  Sprache  und  Weisheit. 
Augsburg   1616   angeführt   ist. 

Zaulc  f.  Hündin,  in  der  Zips  zaulce,  s.  mein  Wtb.  106"  nicht  wie  hier 
angegeben  wird  siüce. 

„zwcflcrich  zweifach,  eigentlich  nur  von  zweifach  geflochtenen  Dingen  ge- 
braucht. In  der  Zips  findet  sich  ziooflirich  zweifach  von  Dingen ,  die  man 
zusammenlegen  kann,  Sehr,  31,  268  (soll  heißen  Schröer,  Nachtrag,  Seite  20 
[im  Bd.  der  Akademieschriften  S.  268]),  wobei  ich  die  dort  versuchte  Ab- 
h'itung  nicht  theilen  kann."  Das  muß  ich  wirklich  bedauern,  um  so  mehr  als  der 
Hr.  Verf.  keine  andere  dafür  vorschlägt.  In  Siebenbürgen  heißt  ein  Fachwerk 
geflürr ,  woraus  ich  schließe,  daß  der  flerren  oder  die  flerre  ein  großes  breites 
Stück,  also  eine  Breite,  wie  in  der  Zips  (mein  Wtb.  51")  und  bei  Schmeller 
1,  590  und  nd.  brem.  Wtb.  1,  403.  412  auch  für  die  sieb,  sächs.  Mundart 
anzunehmen  sein  dürfte.  Daraus  erklärte  sich  zweflerieh  als:  zweifach  von  ge- 
flochtenen Dingen,  wie  ziodflirich  von  zusammenlegbaren,  gleichsam  als :  zwei- 
flächig, zweifächig,  zweibreitig,  und  bei  diesem  Deutungsversuche  von  1859  bleibe 
ich  heute  noch,  so  lange  eine  bessere  nicht  gefunden  ist,  wenn  mir  auch  Hr. 
Kr.  seine  Zustimmung  versagt. 

zwithörn  (=  zwitärn)  m.  Hermaphrodit.  Dies  Wort,  das  den  Schluß  der 
interessanten  Sammlung  bildet,  führe  ich  nur  an  wegen  der  Seltenheit  dieser 
alten  Form  ahd.  zwitaran,  zioitarn,  mhd.  zwitarn\  Schmeller  4,  299  hat  aus 
späterer   Zeit  nur  noch   die  entstelltere  Form  zividarm  für  zwitter. 

SCHRÖER. 


LITTERATUR:  TH.  GELBE,  DEUTSCHE  SPRACHLEHRE.  371 

Theodor   Gelbe,    Deutsche    Sprachlehre    für    höhere   Lehranstalten    sowie    zum 
Solbststuiliuin.  Eisenach,   Bacmeister  [1877].    219  S.    8. 

Eine  Anzeige  dieses  Buches  darf,  glaube  ich ,  ebenso  gut  in  der  Ger- 
mania einen  Platz  beanspruchen,  als  etwa  in  einer  pädagogischen  Zeitschrift, 
weil  dasselbe  durchaus  auf  sprachgeschichtlicher  Grundlage  ruht  und  also  auch 
hauptsächlich  von  diesem  Standpunkte  aus  beurtheilt  werden  muß.  Ein  Leit- 
faden, wie  der  vorliegende,  war  trotz  der  vielen  vorhandenen  deutschen  Gram- 
matiken für  Schulen  unbedingt  ein  Bodürfniss  und  der  Verfasser  war  mehr  als 
viele  andere  geeignet,  demselben  abzuhelfen,  da  er,  von  der  Universität  her 
tüchtig  germanistisch  geschult,  in  seinen  verschiedenen  Berufsstellungen  an  höheren 
Schulen  sich  Jahre  hindurch  mit  dem  uneigennützigsten  Eifer  bemüht  hat,  in 
einem  Kreise  von  geistig  anregbaren  Volksschullehrcrn  das  Interesse  für  die 
wissenschaftliche  Erkenntniss  der  Muttersprache  wach  zu  rufen  und  zu  nähren. 
Aus  Vorträgen  über  einzelne  Capitel  der  deutschen  Grammatik ,  in  den  er- 
wähnten Verhältnissen  gehalten  und  mit  Beifall  aufgenommen,  ist  denn  auch 
nach  und  nach  das  Buch  entstanden,  welches  in  vielen  seiner  Theile  sich  also 
gewissermaßen   schon  vor  seinem   Erscheinen  als  brauchbar  bewährt  hat. 

Gelbe  hat  in  seiner  Arbeit  das  Princip  befolgt,  durchweg  vom  neuhoch- 
deutscheu  Sprachstande  auszugehen  und  ihn  durch  Laut-,  Flexions-  und  Wort- 
bildungslehre hindurch  mit  Hülfe  der  älteren  Sprachstufen  zu  erklären ,  wobei 
sehr  häufig  auch  das  Gotische,  nicht  selten  auch  das  Altnordische  und  Eng- 
lische zur  Vergleichung  herbeigezogen  werden.  Dieser  Weg  war  jedenfalls  der 
einzig  richtige  für  die  Erreichung  seines  Zweckes,  und  der  Verf.  hat  in  der 
Hinzunehmung  sprachwissenschaftlicher  Momente  mit  einem  ausgezeichneten 
Takte  das  rechte  Maß  zu  halten  verstanden:  der  Stoff  ist  klar  und  durchsichtig 
überliefert,  die  philologischen  Parthien  ermüden  den  unvorbereiteten  Leser  nicht, 
sondern  können  ihn  höchstens  zu  weiteren  Studien  auf  diesem  Gebiete  anregen. 
Endlich  mag  auch  noch  rühmend  die  Belesenheit  in  den  neueren  Classikern 
hervorgehoben   werden,   welche  auf  jeder  Seite  der  Arbeit  entgegentritt. 

Wenn  sich  dem  gegenüber  der  Verf. ,  der  im  Allgemeinen  durchaus  auf 
der  Höhe  der  Zeit  steht,  in  einzelnen  Abschnitten  nicht  mit  allen  neuereu 
einschlägigen  Arbeiten  vertraut  zeigt,  so  wird  einem  Schuldirector  in  einer  kleinen 
Stadt  daraus  niemand  unter  den  Fachgenossen,  welche  gar  wohl  wissen,  wie 
leicht  einem  selbst  in  einer  Universitätsstadt  das  eine  oder  andere  von  neuen 
Forschungen  entgehen  kann ,  einen  ernsten  Vorwurf  machen ,  auch  dürfte  dgl. 
dem  Werth  des  Buches  in  den  Kreisen,  für  welche  es  bestimmt  ist,  wenig 
oder  keinen  Eintrag  thun. 

Je  wahrscheinlicher  es  aber  ist,  daß  das  praktisch  angelegte  Bach  eine 
zweite  Auflage  erleben  wird,  um  so  weniger  sehe  ich  mich  veranlaßt,  meine 
Einwendungen  gegen  einzelne  Punkte  zu  unterdrücken ;  ich  füge  dieselben  also 
hier,  nach  der  Reihenfolge,   wie   ich   sie  gefunden,   bei. 

p.  3  f.  Es  erscheint  mir  bedenklich ,  eine  jetzt  so  ziemlich  allgemein 
acceptierte  Ansicht ,  wie  die  von  der  Zweitheilung  der  germanischen  Sprachen 
ist,  nur  mit  einem  kurzen:  ^wie  man  oft  irrthümlich  annimmt"  abzuthun;  hat 
der  Verf.,  woran  ich  nicht  zweifle,  triftige  Gründe  für  die  Dreitheiligkeit,  so 
sei  er  andurch  gebeten ,  dieselben  in  einem  unserer  Fachorgane  niederzulegen, 
wozu  in  seinem   Buche  allerdings  der  Raum  fehlte ;   bis  dahin  aber  können  wir 

24* 


372  LITTERATUR:  TH.   GELBE,  DEUTSCHE  SPRACHLEHRE. 

sein  apodiktisches  Urtheil  nicht  billigen,  p.  12,  Z,  12  v.  u.  lies  gabrannja  für 
braunja.  p.  13.  Sehr  zu  beklagen  ist  es,  daß  hier  wieder  die  veraltete  Ansicht 
von  der  Brechung  des  aus  a  entstandenen  i  zu  e  und  u  zu  o  vorgetragen  wird, 
um  so  mehr,  als  dadurch  auch  die  Lehre  von  den  starken  Verben  so  intensiv 
beeinflußt  wird;  die  zuerst  von  Jessen  aufgestellte  richtige  Ansicht,  daß  die 
Reihenfolge  vielmehr  ist:  a,  e,  i  und  a,  o,  u,  sollte,  nachdem  sie  so  oft  ge- 
druckt worden,  nun  doch  endlich  zum  Gemeingut  der  betheiligten  Kreise  ge- 
worden sein!  p.  27,  19  lies  Corssen.  p.  30.  Die  Passivbildung  im  Altnordischen 
würde  ich  nicht  „Umschreibung"  genannt  haben,  überhaupt  ist  die  Vergleichung 
des  Nordischen  hier  zwecklos,  wenn  nicht  ein  Beispiel  mitgetheilt  wird.  p.  30  o. 
hätte  an  die  bei  Luther  noch  öfters  auftretenden  Formen:  funden,  bunden, 
erinnert  werden  können,  p.  39  u.  heißt  es:  „Erklärer  von  Uhlands  Gedichten 
und  anderen  Werken  der  deutschen  Classiker  helfen  sich  oft  mit  der  Behaup- 
tung, Formen  wie  hub,  stund,  schwung,  seien  alte,  hob,  stand,  schwang  seien 
neue  Formen.  Dies  ist,  wie  aus  oben  Mitgetheiltem  ersichtlich,  ein  Irrthum  : 
nur  stund  ist  das  alte  stuont".  Ist  denn  hub  nicht  das  alte  huob?  Und  was 
thun  diese  zwei  Verba  in  den  Anmerkungen  zur  ersten  Ablautclasse?  p.  40.  Daß 
ve  in  kveman  sich  unter  Mitwirkung  des  folgenden  m  zu  o  verwandelt  haben 
soll,  ist  mir  doch  sehr  unwahrscheinlich,  p.  42  o.  wird  das  ai  der  gotischen 
Reduplication  noch  immer  Diphthong  genannt,  während  seine  Geltung  als  e  doch 
wohl  feststehen  dürfte,  p.  46  ist  von  queljan  —  quellen  —  quälen  die  Rede: 
quällen  hört  man  noch  jetzt  im  bair.  Volksdialekte,  p.  48  o.  Sollte  es  nicht 
am  kürzesten  sein,  zu  sagen  :  die  schwachen  Verba  werden  jedesmal  aus  der 
Form  des  stai-ken  Verbums  gebildet,  welche  den  reinen  —  nicht  geschwächten 
und  nicht  verstärkten  —  Wurzelvocal  repräsentiert?  p.  50.  Über  viljau,  das 
hier  noch  als  Conj.  Prät.  aufgeführt  wird,  vgl.  jetzt  Joh.  Schmidt:  Zur  Gesch.  des 
indog.  Vocalismus  II,  p.  468  und  Scherer  in:  Ztschr.  f.  d.  A.  XIX,  p.  158  f. 
p.  56.  Bei  der  Besprechung  des  Überganges  von  was,  erat,  in  war,  lag  es 
sehr  nahe,  das  Volkslied:  So  dir  geschenkt  ein  Knösplein  was  —  glas,  anzu- 
führen; ich  habe  mit  eigenen  Ohren  gehört,  daß  ein  Lehrer  einer  städtischen 
Bürgerschule  dies  „was"  für  ein  Pron.  indef.  erklärte,  p.  58  ff.  Die  Erörterung 
über  Reduplication  und  Ablaut  sei  für  den  Fall  einer  zweiten  Auflage  der 
sorgfältigsten  Revision  dringend  empfohlen.  Bei  Berücksichtigung  neuerer  Ar- 
beiten, wie  Scherer,  z.  G.  d.  D.  S.  p.  6  ff.,  Sievers  in  Paul  und  Braunes  Beiti-.  I, 
p.  504  ff.  und  Scherer,  Zeitschr.  f.  d.  A.  XIX,  p.  154  ü\  und  Zeitschr.  f.  öst. 
Gymn.  XXIV,  p.  295  ff.  würde  der  Verf.  vielleicht  von  seiner  Ansicht,  Ablaut 
habe  früher  bestanden,  als  Reduplication,  zurückkommen,  p«  63  Mitte:  bei 
Neutra]  lies:  bei  Neutren  oder  Neutris.  p.  67,  2  ist  mhd.  doch  wohl  nur  ein 
Druckfehler  für  ahd.  p.  69.  Unter  den  Femininbilduugen  auf  -er  war  ausser 
Tochter  noch  Mutter  anzuführen,  p.  76.  Unter  den  Belegen  für  zweifache 
Pluralform  mag  das  sonst  lehrreiche:  Mensch  —  Menschen  —  Menscher,  in 
Rücksicht  auf  die  Schule  fortgelassen  sein,  wie  mir  scheint,  mit  Unrecht,  p.  82, 
11.  „Chemnitzens  Industrie"  habe  ich  wenigstens  nie  sagen  hören:  diese 
Genitivform  ist  auch  gar  nicht  zu  billigen,  p.  99,  5  muß  es  für  minnir,  was 
doch  keine  got.  Form  ist,  minniza  heißen,  p.  110,  24  lies  hos,  he,  ho  für 
hos,  he,  hon.  Das.  26  ff.  „Das  Relativ  selbst  aber  ist,  wenn  neuere  For- 
schungen Rech  t  behalten,  kein  ursprüngliches,  sondern  hat  sich  aus  dem 
Demonstrative  ....  entwikelt".    Hier    ist    die    vorsichtige  Einschränkung    gewiß 


1 


LITTEKATUR:  J.  BÄCHTOLD  U.  K.  VKTTEK,  MIl'.I.IO'IMIKK  ctc         373 

unnöthig!  p,  115,  11  v.  u.  Dem  got.  aums  »tcht  engl,  soine  und  schwed.  aoin 
lautlich  näher  :ils  das  noidischc  sein.  p.  löfJ,  14  ist  von  der  urapiünglich  tem- 
poralen licdeutung  von  „weil"  die  Rede;  es  lag  nahe,  das  engl,  while,  whilsl 
zu  vergleichen,  p.  178,  8  v.  u.  wird  gesagt,  die  Worte:  Vater,  Mutter,  liruder, 
Schwester,  Tochter  hätten  diese  Endung  (r)  schon  im  Gotischen  gehabt;  es 
ist  dabei  übersehen,  daß  zwar  im  Nord,  mödir,  das  entsprechende  gotische 
Wort  aber  nicht  vorkommt. 

Ich  mag  diese  aus  lebhaftem  Interesse  für  das  Buch  und  der  Erin- 
nerung an  angenehme  collegialische  Beziehungen  zu  dem  Verfasser  hervor- 
gegangene Anzeige  nicht  schließen,  ohne  das  Werkchen  nicht  nur  höheren 
Schulen  und  Seminarien,  sondern  überhaupt  allen  gebildeten  Deutschen,  welche 
sich  als  Laien  über  die  Geschichte  ihrer  Muttersprache  unterrichten  möchten, 
angelegentlichst  zur  Leetüre  zu  empfehlen. 

BRESLAU,  im  Juni  1877.  E.  KÖLBING, 


Bibliothek  älterer  Schriftwerke  der  deutschen  Schweiz  und  ihres  Grenz- 
gebietes. Herausgegeben  von  Jacob  Bächtold  und  Ferdinand  Vetter. 
Frauenfeld,   Druck  und  Verlag  von  J.   Huber. 

Erster  Band:  Die  Stretlingcr  Chronik.  Ein  Beitrag  zur  Sagen-  und 
Legcndengcsehichte  der  Schweiz  aus  dem  XV.  Jahrhundert.  Mit  einem 
Anhang :  Vom  Herkommen  der  Schwyzer  und  Oberhasler.  Herausg.  von 
Dr.  J.    Bächtold.   1877. 

Der  kurz  vor  dem  Erscheinen  dieses  ersten  Bandes  herausgegebene  Prospect 
des  ganzen  Unternehmens  beruft  sich  zunächst  auf  die  Thatsache,  daß  die 
historische  Forschung  auf  dem  Gebiete  der  politischen  Geschichte,  der  Kunst, 
der  Sprache  und  der  Antiquitäten  gegenwärtig  in  der  Schweiz  lebhaft  betrieben 
werde  und  knüpft  daran  den  Gedanken ,  daß  dieselbe  doch  nur  durch  Fest- 
haltung oder  weitere  Nachweisuug  des  Zusammenhanges  der  deutscheu  Schweiz 
mit  dem  Gesammtgebiete  deutscher  Kultur  recht  fruchtbar  werden  könne.  Ins- 
besondere wird  als  Hauptaufgabe  der  heutigen  Litteraturgeschichte  aufgestellt, 
auf  den  kleineren  Gebieten  einzelner  deutscher  Stämme  die  bedeutenderen 
Denkmäler  zu  sammeln,  um  eine  Übersicht  über  den  eigenartigen  Antheil  der- 
selben an  der  Gesammtentwickelung  zu  gewinnen.  Es  wird  dann  in  Erinnerung 
gebracht,  daß  die  deutsche  Schweiz  in  allen  Perioden  der  deutschen  Litteratur, 
zum  Thcil  in  origineller  und  nachhaltiger  Weise,  eingegriffen  und  mitgewirkt 
habe,  und  daraus  die  Berechtigung  abgeleitet,  eine  Auswahl  der  bezüglichen 
Werke  herauszugeben ,  bei  der  die  heutige  geographisch-politische  Grenze  der 
Schweiz  nicht  allzu  streng  innegehalten  werden  soll.  Die  Publicationen  sollen 
zunächst  auf  handschriftliches  oder  nur  in  älteren  Ausgaben  vorliegendes  Material 
beschränkt  werden  und  die  nöthigen  Einleitungen  nebst  Wort-  und  Sacher- 
klärungen mitgeben.  Die  Sammlung  schließt  sich  also  auch  in  dieser  Beziehung 
an  die  Brockhausische  Ausgabe  „Deutscher  Dichter  des  XVI.  und  XVII.  Jahr- 
hunderts" und  der  ..Deutschen  Nationallitteratur  des  XVIII.  und  XIX.  Jahr- 
hunderts" an,  zu  denen  sie  eine  provincielle  Ergänzung  bilden  wird.  Die  Her- 
ausgeber haben  sich  durch  anderweitige  Leistungen  auf  diesem  Gebiete  bereits 
vortheilhaft  bekannt  gemacht,  J.  Bächtold  zuletzt  durch  seine  Ausgabe  des  ,,Hans 


374       LITTEKATUR:  J.  BÄCHTOLD  U.  F.  VETTER,  BIBLIOTIIKK  etc. 

Salat,  schweiaerischer  Chronist  und  Dichter  aus  der  ersten  Hälfte  des  XVI.  Jahr- 
hunderts", Basel  1876,  welche  bereits  als  Vorläufer  iind  sachlich  als  Bcstand- 
theil  der  jetzt  eröffneten  Sammlung  betrachtet  werden  kann,  F.  Vetter  durch 
seine  ebenfalls  im  vorigen  Jahre  erschienenen  „Neue  Mittheilungen  aus  Konrads 
von  Ammenhausen  Schachzabelbuch",  welchen  eine  Gesammtausgabe  des  Werkes, 
mit  Beigabe  des  lateinischen  Originals,  als  IV.  Band  der  Bibliothek  folgen 
soll.  Von  demselben  Herausgeber  haben  wir  zu  erwarten  als  V.  und  VI.  Band 
„Elsbeth  Stagel  und  Heinrich  Suso",  zum  Theil  ganz  neue  Beiträge  zur  Ge- 
schichte der  Mystik  im  XIV.  Jahrhundert,  welchen  als  VII.  Band  ähnliche 
Mittheilungen  von  Dr.  A.  Lütolf  folgen  werden ,  der  durch  seine  im  ersten 
Band  des  Jahrbuchs  ^für  Schweiz.  Geschichte  (Zürich  1877)  erschienene  Ab- 
handlung über  den  „Gottesfreund  im  Oberland"  das  Interesse  für  diesen  ge- 
heimnissvollen Mann  neu  belebt  hat.  Von  Bächtold  wird  zunächst  noch  er- 
scheinen eine  durch  neue  Stücke  vermehrte  Ausgabe  des  Niki,  Manuel  und  als 
Schluß  der  ganzen  Sammlung  eine  „Geschichte  der  deutschen  Litteratur  in  der 
Schweiz".  Von  demselben  ist  auch  der  vorliegende  erste  Band  bearbeitet, 
der  seinem  stofflichen  Werthe  nach  nicht  gerade  die  erste  Stelle  in  der  Reihe 
verdiente,  aber  in  der  Behandlung  und  Ausstattung  als  empfehlende  Probe  des 
Unternehmens  dienen   kann. 

Die  Einleitung  gibt  zunächst  (p.  VII — XX)  eine  urkundliche  Geschichte 
der  Herren  von  Stretlingen,  unter  denen  der  als  Minnesänger  bekannte  wahr- 
scheinlich Heinrich  III.  war,  dessen  drei  Lieder  denn  auch  (p.  XXII — XXV) 
mitgctheilt  werden.  Sie  enthalten  nichts  Eigenthümliches ,  können  aber  nicht 
als  Probe  des  durchschnittlichen  Charakters  der  schweizerischen  Minnesänger 
betrachtet  werden,  unter  welchen  mehrere,  besonders  Ulrich  von  Singenberg, 
Steiumar  und  Hadlaub  auch  nicht  als  Vertreter  des  allgemeinen  Charakters 
der  deutschen  Minnepoesie  gelten  können.  Wenn  übrigens  dies  der  Fall  wäre, 
so  wäre  der  Ausdruck  „daß  die  Minnesinger  der  Schweiz  einen  ganz  eigenen 
Körper  bilden"    (p.  XXI  unten)  nicht  eben  glücklich  gewählt. 

p.  XXVII — LXXXV  folgt  eine  einleitende  Abhandlung  über  die  Stret- 
linger  Chronik  selbst,  deren  Inhalt  p.  XXXVII — XLVII  auszugsweise  angegeben 
wird.  Der  geschichtliche  Werth  derselben  kann  nur  darin  bestehen,  daß  sie, 
wie  der  Titel  der  Ausgabe  andeutet ,  Beiträge  zur  Sagen-  und  Legendenge- 
schichte jener  Zeit  liefert.  In  dieser  Beziehung  sind  besonders  die  vom  Her- 
ausgeber sorgfältig  zusammengestellten  Zeugnisse  für  die  Verbreitung  des  Mi- 
chael-Cultus  (p.  LIII — LXII)  von  allgemeinem  Interesse.  Diesen  Cultus,  der 
auch  in  der  zur  Herrschaft  Stretlingen  gehörenden  uralten  Kirche  von  Einigen 
eine  Stätte  hatte,  benutzte  der  Verfasser  der  Chronik,  um  seine  sehr  persönlich 
tendenziösen  Ansi^iüche  zu  stützen.  Er  war  nämlich  Eulogius  Kiburger,  Kirch- 
herr zu  Einigen.  Von  weiterem  Interesse ,  freilich  nur  für  die  schweizerische 
Gcschichtforschuug,  ist  dann  der  das  letzte  Capitel  der  Einleitung  (p.  LXIII 
bis  LXXXV)  bildende  sehr  gelungene  Nachweis,  daß  derselbe  E.  K.  auch  die 
politische  Tendenzschrift  „Vom  Herkommen  der  Schwyzer  und  Oberhasler"  (aus 
dem  Norden)  verfaßte,  die  noch  vor  Kurzem  dem  Luzerner  Joh.  Fründ,  Land- 
schreiber in  Schvvyz,  zugeschrieben  wurde.  Der  Text  dieser  Schrift,  nach  der 
ältesten  Handschrift  gegeben,  bildet  als  Anhang  p.  179  — 197  den  Schluß  des 
vorliegenden  Bandes, 


LITTERATUli:  O.   liiuUMniKL,  DIE  MODI  IM  IIELIAND.  -375 

Ich  kann  nicht  umhin,  die  mit  demselben  glücklich  eröffnete  „Bibliothek 
älterer  Schriftwerke  der  deutschen  Schweiz"  den  Fucligenosscn  auch  in  Deutsch- 
land angelegentlich  zu  empfehlen  und  dieselben  zu  ermuntern,  durch  Betreibung 
der  Subscription  auf  die  ganze  Sammlung  auch  dem  Verleger,  der  für  würdige 
Ausstattung  eine  bisher  in  der  Schweiz  seltene  Opferwilligkeit  an  den  Tag 
legt,  sein  Unternehmen  zu  erleichtern. 

ZÜRICH,  Juni  1877.  LUDWIG  TOBLER. 


Otto  Behaghel,   Die  Modi  im  Heiland.  Paderborn    1876.   Ferdinand  Schöningh's 
Verlagsbuchhandlung.    8.   60   S. 

In  vorliegender  Arbeit  ist  nicht  nur  ein  neuer  Beitrag  zur  Erklärung  des 
Hcliand,  sondern  auch  eine  erfreuliche  Erweiterung  unserer  Kenntniss  der  alt- 
deutschen Syntax  gegeben.  Sie  wird  ergänzt  durch  einen  Aufsatz  desselben 
Verfassers  „zum  Heliand"  in  der  Germania^  Band  XIX,  S.  139  flf.,  auf  welchen 
ich  mich  auch  in  dieser  Besprechung  beziehen  werde.  Mit  großem  Fleiße  sind 
in  dieser  Schrift  die  Belege  aus  Ileliand  gesammelt  und  gesichtet  und  die  Les- 
arten beider  Ilaudschiifteii  benutzt,  und  es  ist  zu  wünschen,  daß  Herr  Be- 
haghel in  nicht  allzulanger  Zeit  seine  Arbeit  zu  einer  Syntax  des  Heliand 
vervollständigt.  Da  nun  in  einer  Kecension  das,  was  man  billigt,  naturgemäß 
weniger  zur  Geltung  kommt ,  als  das ,  was  man  anders  sehen  möchte ,  so  will 
ich  nur  gleich  bündig  versichern,  daß  ich  die  vorliegende  Schrift  mit  großem 
Antheil  durchgenommen  habe  und  in  ihr  eine  recht  brauchbare  Vorarbeit  für 
eine   dereinstige  allgemeine  germanische   Syntax   sehe. 

Als  Erdmauu  seine  Syntax  veröffentlichte,  hatte  auch  ich  schon  umfassende 
Sammlungen  für  eiiie  Otfridische  Satzlehre  angelegt  und  einzelne  Theile  einge- 
hender bearbeitet.  Meine  Resultate  stimmten  nicht  überall  mit  denen  Erd- 
manns, und  bei  der  Recension  von  dessen  Syntax,  Theil  I  (Germania  XVII, 
S.  437  ff.)  habe  ich  Gelegenheit  genommen,  meine  Auffassung  von  der  Ver- 
wendung der  Tempora  im  ahd.  darzulegen ;  Behaghels  Arbeit  gibt  mir  den 
Anlaß,  auch  über  den  Gebrauch  der  Modi  im  Altdeutschen  meine  Ansicht  aus- 
zusprechen. 

Bei  Behaghel  wie  bei  Erdmauu  ist  mir  aufgefallen ,  daß  den  Ca- 
piteln ,  welche  der  Entwicklung  der  Grundbedeutung  und  der  Hauptverwen- 
dungen des  selbständigen  Conjunctivs  gewidmet  sind,  ein  so  knapper  Raum 
zugewiesen  ist.  Beide  haben  vorwiegend  dafür  nur  die  selbständigen  Sätze 
untersucht.  Nun  dient  aber  der  Conjunctiv  im  Nebensatze  nicht  nur  zum 
Ausdi'uck  der  Art  der  Verbindung  desselben  mit  seinem  Hauptsatze,  sondern 
hat  auch  einen  selbständigen  Werth.  Über  die  Anschauung,  wonach,  wie  der 
Name  sagt,  der  Conjunctiv  in  erster  Reihe  der  Verbindung  der  Sätze  dient, 
sind  wir  ja  längst  hinaus  und  Heliand,  namentlich  auch  Otfrid,  zeigen  im  Neben- 
satze so  feine  Abschattieruugen  im  Gebrauch  des  Conjunctivs,  daß  man  es  auf- 
geben muß,  dieselben  in  Form  von  Regeln,  Ausnahmen  und  Ausnahmen  von 
Ausnahmen  als  Ausfluß  des  Verhältnisses  der  Sätze  darzustellen.  Die  Neben- 
sätze hat  man  sich  ja ,  wie  Erdmann  nachgewiesen  hat ,  als  aus  Hauptsätzen 
entstanden  vorzustellen,  principiell  sollte  also  jeder  Conjunctiv  im  Nebensatze 
aus  einer  der  Grundbedeutungen,   welche  derselbe  im  Hauptsatze    hat,     zu  er- 


376  LITTERATUR:  O.  BEHAGHEL,  DIE  MODI  IM  IIELIAND. 

klären  sein.  Nun  wurde  aber  für  gewisse  Arten  der  Nebensätze  der  Conjunctiv 
scliematisch  und  man  entwöhnte  sich  früh,  die  absolute  Geltung  desselben  her- 
auszufühlen, nahm  vielmehr  die  relative  als  die  maßgebende,  und  so  wurde  für 
bestimmte  Arten  der  Nebensätze  der  Conjunctiv  zur  Regel.  Es  ist  also  die 
Aufgabe,  zu  untersuchen ,  in  welchen  Fällen  der  Conjunctiv  im  Nebensatze  zu 
einer  bestimmten  Zeit  der  Entwicklung  einer  Sprache  bereits  schematisch  für 
gewisse  Arten  der  Nebensätze  geworden  ist  und  wo  er  noch  seine  selbständige 
Bedeutung  behalten  hat.  Die  Entscheidung  darüber  ist  nicht  schwer,  wenn  man 
die  verschiedenen  Arten  der  Nebensätze  von  einem  Denkmal,  wie  der  Heliand, 
geordnet  übersieht.  Auf  diese  Weise  ergibt  sich  uns  eine  erstaunliche  Mannig- 
faltigkeit der  selbständigen  Verwendung  des  Conjuuctivs.  Das  subjective  Element, 
welches  in  demselben  liegt,  stellt  sich  uns  dar  als  vorsichtige  Behauptung,  als 
Wunsch,  als  Befehl,  als  Vermuthung,  als  Bedingtheit.  Der  Conjunctiv  in  den 
germanischen  Sprachen  hat  sicher  ein  mindestens  ebenso  ausgedehntes  Verwen- 
dungsgebiet, als  beispielsweise  im  Griechischen  und  Lateinischen,  wo  er,  da  eine 
reichere  Litteratur  in  diesen  Sprachen  eine  solche  Praxis  befördert,  im  Neben- 
satze meist  seine  absolute  Geltung  verloren  hat  und  als  Ausdruck  der  Relation 
dient.  Erdmann  hat  diese  doppelte  Bedeutung  des  Conjunctivs  im  Nebensatze 
wohl  herausgefühlt  und  hat  bei  Besprechung  der  einzelnen  Nebensätze  den 
selbständigen  Werth  des  Conjunctivs  zur  Geltung  kommen  lassen ,  Bchaghel 
aber  mußte  bei  dem  knappei*en  Räume,  der  seiner  Schrift  zugemessen  war,  von 
einer  eingehenden  Besprechung  der  Beispiele  absehen.  Gefährlich  ist  nun  die  Art, 
wie  letzterer  sich  hilft,  wenn  der  Modus  einmal  nicht  in  die  aus  der  großen  Mehr- 
zahl der  Beispiele  entnommene  Regel  über  den  relativen  Werth  desselben 
hineinpassen  wollte.  Er  findet  uns  in  solchen  Fällen  entweder  durch  Annahme 
des  Reimzwanges  (für  Otfrid)  oder  eines  Fehlers  ab,  oder  er  nimmt  seine  Zu- 
flucht zur  Conjectur.  Was  den  Reirazwang  angeht,  so  ist  zunächst  zuzugeben, 
daß  bei  Otfrid  hier  und  da  wohl  der  Reim  zu  einer  ungewöhnlicheren  Con- 
struction  den  Dichter  bewogen  hat ;  allein  der  Grammatiker  darf  sich  dabei 
doch  nicht  beruhigen;  er  muß  sich  vielmehr,  da  der  Dichter  doch  nicht  baren 
Unsinn  bloß  des  Reimes  wegen  geschrieben  haben  kann,  die  Frage  vorlegen: 
welche  psychologische  Beziehung  rechtfertigt  und  ermöglicht  den  Conjunctiv  an 
dieser  Stelle?  Ebenso  mißlich  ist  es,  scheinbare  Unregelmässigkeiten  im  Heliand 
und  Otfrid  durch  Conjccturen  heilen  zu  wollen.  Beides  sind  die  einzigen  um- 
fassenden ,  vom  Lateinischen  unabhängigen  Sprachdenkmäler  ihres  Dialektes, 
welche  uns  erhalten  sind,  und  wir  sollen  die  Regeln  ihres  Satzbaues  aus  ihnen 
gewinnen,  nicht  die  von  uns  a  priori,  wimn  auch  aus  einer  Anzahl  von  Bei- 
spielen construicrtcn  in  ihnen  wiederfinden  wollen.  Zudem  ist  der  Text  des 
Monaceusis  wenigstens,  den  ich  selbst  benut;^t  habe,  so  klar  und  fast  correctur- 
los  überliefert  und  dabei  doch  so  sorgsam  geschrieben,  daß  auch  Schreibfehler 
nur  mit  großer  Vorsicht  zu  statuieren  sind.  Großes  Lob  verdient  in  der  Be- 
ziehung Erdmann,  welcher  in  seiner  Syntax  Otfrids  mit  der  größten  Sorgsamkeit 
den  einzelnen  Beispielen  gefolgt  ist  und  den  Modus  in  ihnen  aus  der  Grundbe- 
deutung desselben  immer  herzuleiten  gesucht  hat,  obgleich  nach  der  Beschaften- 
lieit  der  Handschriften  das  Ursprüngliche  bei  Otfrid  lange  nicht  so  sicher  ist, 
als  im   Heliand. 

Bei  der  nun  folgenden  Besprechung   der  einzelnen  Theilc  von  Bchaghel's 
Schrift  werde  ich  ganz  von   den   daselbst  besprochenen  r)tfridstellen  absehen,   da 


LITTEKATUR:  <>.  IJKilAGlIEL,  DIE  MODI  IM  IIELIANI).  377 

ich  annehmen  darf,  daß  um  die  Zeit,  wo  diese  ßeeen.sion  im  Druck  erscheint, 
auch  der  erste  Band  meiner  Otl'ridausgabe  vorliegt,  welche  darüber  Auskunft 
gibt  5   in   einzelnen   Fällen  hat  Behaghel   Erdmann's   Auflassung   berichtigt. 

In  den  ersten  acht  Paragraphen  bespricht  B.  einige  Eigenthiimlichkeitcn 
der  Sprache  des  Ileliand  in  Bezug  auf  den  Modusgebrauch.  Nachdem  er  in 
§.  2  die  Fälle  zusammengestellt  hat,  wo  C  und  M  in  Bezug  auf  den  Modus- 
gebrauch von  einander  abweichen ,  gibt  er  in  §.  3  diejenigen ,  wo  in  ein  und 
demselben  Satze  die  Modi  wechseln,  ohne  jedoch  eine  Erklärung  dieser  Er- 
scheinung zu  geben.  In  §.  4  spricht  er  über  die  conseeutio  tcmporum ,  in 
§.  5  gibt  er  eine  recht  ansprechende  Übersicht  über  den  Übergang  der  in- 
direeten  Rede  in  die  direete,  bespricht  in  §.  6  die  Parenthesen,  in  §.  7  die 
Anacoluthien,  in  §.  8  das  aito  xoivov  im  Verhältniss  von  Haupt-  und  Neben- 
sätzen zu  einander.  In  Bezug  auf  diesen  einleitenden  Theil  möchte  ich  nur 
bemerken  ,  daß  B.  in  den  §§.  3.  5  den  Anfang  der  direetcn  Rede  öfters  ent- 
schieden unrichtig  ansetzt.  Es  ist  eine  Beobachtung,  welche  für  den  Heliand 
wie  für  Otfrid  gilt,  daß  der  Übergang  des  Conjunetivs  in  den  Indieativ  nicht 
hinreicht,  um  den  Anfang  der  directen  Rede  anzusetzen.  Bei  dem  Übergange 
der  indirecten  Rede  in  die  directe  ist  vielmehr  der  Anfang  der  letzteren  erst 
bei  dem  Satze  anzunehmen,  wo  ein  Pronomen  oder  die  Person  des  Verbs  dazu 
zwingt;  folgt  ein  solches  nicht  (wie  3415),  so  ist  der  Anfang  der  directen 
Rede  bei  der  nächsten  stärkeren  Intcrpuuction  anzusetzen  (vgl.  Otfr.  I,  8,  21. 
IV,  26,  13).  Die  vorhergehenden  Indieative  bilden  den  Übergang  von  der 
Abhängigkeitsform  der  Conjunetive  der  indirecten  zu  der  unabhängigen  indica- 
tivischeu  Fovm  der  dii-ecten  Rede.  In  Bezug  auf  Hei.  5242  (§.  3;  Germ, 
a.  a.  0.  S.  150).  1321.  2627.  2715.  3414  theile  ich  durchweg  Heynes  und 
Rückerts  Auffassung.  An  der  letzteren  Stelle  ist  der  Übergang  aus  dem  Con- 
junctiv  des  Präteritums  in  denjenigen  des  Präsens  durchaus  nicht  maßgebend, 
denn  der  (/onj.  Prät.  gibt  das  Eintreten,  der  des  Präsens  die  nach  diesem  Ein- 
treten noch  zur  Zeit  der  Rede  stattfindende  Dauer  der  Handlung  an.  -—  Zu 
§.  6  bemerke  ich,  daß  in  1846  der  Satz  mit  huuand  nicht  als  Parenthese  zu 
fassen  ist;  vielmehr  ist  derselbe  zweifellos  der  Vordersatz  zu  dem  mit  so  uuesat 
gi  mildea  beginnenden  Nachsatze.  Das  ganze  Satzgefüge  stellt  dar,  woran  in 
Gihuggead  gi  Christus  die  Jünger  zu  denken  mahnt.  Wenn  also  Heyne  huuand 
durch  daß  übersetzt,  so  ist  das  nur  eine  durch  den  gedrungenen  Ausdruck  im 
Wörterbuehe  entschuldigte  Ungenauigkeit  des  Ausdrucks. 

In  §.  9  gibt  Behaghel  eine  Übersicht  über  den  Inhalt  des  Folgenden. 
Über  den  in  §§.  10 — 13  dargestellten  unabhängigen  Conjunctiv  habe  ich  meine 
Erinnerungen  schon  oben  gegeben;  über  den  imperativischen  Conjunctiv  speciell 
ist  zur  Genüge,  besonders  von  Erdraann  und  Sievers,  gehandelt.  Bei  der  von 
§.  14  ab  folgenden  Besprechung  der  abhängigen  Sätze  tritt  nun  recht  der  oben 
erwähnte  Mangel  hervor,  daß  Behaghel  nicht  die  absolute  Bedeutung  des  Con- 
junetivs im  Nebensatze  von  der  schematisch-relativen  desselben  gesondcrt^hat. 
Es  kann  nicht  in  meiner  Absicht  liegen,  eine  Revision  des  gesammten  bear- 
beiteten Materials  hier  vorzunehmen  (man  wii'd  nicht  fehlgehen,  wenn  man  die 
meinten  Stellen,  wo  B.  eine  Ausnahme  statuiert  oder  eine  Conjectur  für  nöthig 
hält,  nach  den  von  mir  aufgestellten  Gesichtspunkten  aus  aufs  Neue  untersucht) ; 
doch  an  einigen  Beispielen  der  Hauptsatzarten  will  ich  das  Gesagte  erläutern. 
In  §§.  14 — 19   sind   die  Substautivsätze  oder  Explicativsätze,  wie  sie  B,   nennt, 


378  LITTERATUR:  O.  BEHAGHEL,  DIE  MODI  IM  HELIAHD. 

besprochen.  Es  ist  lichtig,  was  B.  bemerkt,  daß  diesen  Sätzen  vorwiegend 
der  Indicativ  eigenthümlieh  ist;  allein  einen  Vers  wie  272:  huuo  mag  gi- 
uuerdan  that  so,  that  ik  magu  fodie,  bloß  weil  ein  Conjunctiv  im  abhängigen 
Satze  steht,  als  Consecutivsatz  zu  erklären,  nenne  ich  gewaltsam.  Man  vgl, 
Otfr.  I,  5,  37:  Unio  mag  iz  io  uuerdan  uiiiir,  thaz  ih  uuerde  suangar.  Ähn- 
liche Beispiele  bei  Erdmanu  I,  §,  247.  Der  Conjunctiv  hat  also  nicht  seinen 
Grund  in  der  Andersartigkeit  des  Nebensatzes,  sondern  darin,  daß  die  in  dem 
fragenden  Hauptsatze  ausgedrückte  Ungewißheit  sich  auf  den  Nebensatz  über- 
trägt. B.  gibt  nur  nach  Ausdrücken  des  Erlangeus,  des  Zulassens,  Bestimmens, 
nach  es  ist  würdig,  nach  gewohnt  und  bereit  sein  den  Conjunctiv  zu,  doch 
trifft  er  auch  hier  im  Einzelnen  nicht  immer  das  Richtige.  So  vermag  ich  in 
den  Sätzen  4955:  it  an  is  friunde  abad,  that  man  ina  gangan  let  und  5410: 
enna  haftan  man  abiddian  skoldun,  that  im  ferah  fargäbi  in  einem  Unterschiede 
der  Bedeutung  des  Verbs  abiddian  keinen  Grund  des  verschiedenen  Modus  im 
Nebensatze  zu  finden.  Die  Bedeutung  ist  in  beiden  Sätzen  dieselbe.  Die 
Nebensätze  sehe  ich  beide  als  Folgesätze  an ;  Objectssätze  können  es  nicht 
wohl  sein,  da  das  Verb  in  beiden  (wie  auch  in  5417)  schon  ein  Object  bei 
sich  hat.  Der  Conjunctiv  in  dem  zweiten  erklärt  sich  dadurch,  daß  die  Hand- 
lung des  Nebensatzes  noch  nicht  Thatsache  geworden  ist,  sondern  nur  in  der 
Form  eines  Postulats  besteht.  Unnöthig,  und  deshalb  verwerflich  scheint  mir 
auch  die  Conjectur  zu  5347  (Germ.  a.  a.  0.  S.  150),  wo  B.  ein  thi  ergänzen 
will.  Lehrreich  ist,  was  S.  24  f.  über  den  Parallelismus  gesagt  ist;  doch  lasse 
ich  für  die  Nummern  I,  a.  b.  c,  wo  vom  Parallelismus  zwischen  Substantiv  und 
Relativsatz  die  Rede  ist,  nur  Beispiele,  wie  452  gelten,  wo  das  Substantiv  den 
Sinn  des  Nebensatzes  vorwegnimmt;  die  andern  halte  ich  für  Consecutivsätze. 
—  In  den  in  §§.  20 — 23  besprochenen  Behauptungssätzen  kommt  nun  nament- 
lich zur  Geltung,  was  ich  oben  über  den  absoluten  Werth  des  Conjunctivs  im 
Nebensatze  gesagt  habe.  In  vielen  Fällen  bestimmt  eine  andere  subjective 
Beziehung,  als  die  in  der  Art  der  Abhängigkeit  des  Nebensatzes  vom  Haupt- 
satze ausgedrückte,  den  Modus  des  Nebensatzes  als  Conjunctiv.  Erdmann  hat 
für  Otfrid  in  dem  Abschnitte  über  die  directe  Rede  diesen  absoluten  Conjunctiv 
im  Nebensatze  (in  §.  309)  vortrefflich  dargestellt.  Für  Otfrid  ist  allerdings  die 
Mannigfaltigkeit  eine  größere,  aber  auch  in  dem  objectiver  gehaltenen  Heliand 
finden  sich  Beispiele  genug.  Zunächst  ist  zu  constatieren ,  daß  bei  quettan 
der  Conjunctiv  als  Ausdruck  der  Abhängigkeit  der  Thatsache  des  Nebensatzes 
von  dem  denkend  thätigen  Subjecte  schematisch  geworden  ist.  Noch  heute 
ist  es  der  gebildeten  niederdeutschen  Sprechweise  eigenthümlieh,  den  Conjunctiv 
in  der  mit  daß  eingeführten  indirecten  Rede  zu  gebrauchen.  Ahnlich  wie 
dieser  Conjunctiv  bei  quedan ,  ist  er  aufzufassen  bei  sprekan  in  2880.  3049. 
seggean  869.  2845.  3149.  3967.  5558.  5923;  nach  ed  gisuuor  4979;  het 
scriban  5553.  Allein  der  absolute  Conjunctiv  kommt  zur  Geltung,  wo  er  be- 
stimmt ist  durch  den  Inhalt  des  Nebensatzes,  nicht  durch  die  Art  seiner  Ab- 
hängigkeit vom  Hauptsatze.  Hierher  gehören  a)  die  Fälle,  wo  im  Nebensatze 
ein  Befehl  ausgedrückt  ist.  Meist  steht  dann  ein  Hülfsverb  im  Conjunctiv 
dabei,  so  skal  nach  quertan  in  134.  136.  584.  585.  589.  1109.  2051.  3523. 
4474.  4735.  5935;  nach  sprekan  443;  mag  nach  quedan  in  723.  2555;  mot 
nach  uuord  in  709  ;  doch  steht  auch  der  blosse  Conjunctiv  in  diesem  Sinne 
4173:   gispräkun,    that    sie    im    ni    letin    iro    mod  tuuehon.    5137.   Meist  steht 


LITTERATUK:  O.  13EHAGHKL,  DIE  MODI   IM   IIELIAND.  37'J 

der  Conjunctiv  des  Präteritums,  tlocli  kommt  auch  das  dein  iinperativischeu 
Conjunctiv  näher  stehende  Präsens  vor,  so  1508.  4420,  die  übrigen  abhän- 
gigen Heischesätze  sind  in  *?.  43  behandelt,  b)  der  Conjunctiv  im  Nebensätze 
drückt  eine  Absicht,  einen  Entschiuli  aus,  so  nach  sprekan  4492;  hierher  ge- 
hören auch  alle  die  Fälle,  wo  uueldi,  uueldin  nach  quedan  steht;  vgl.  132. 
643.  1101.  1158.  2320.  2559.  4703.  4988,  5144,  5484;  ein  Beweis  dafür 
liegt  in  2101,  wo  einfacher  Conjunctiv  und  uueldi  mit  einem  Infinitiv  gleich- 
bedeutend neben  einander  stehen;  c)  eine  Annahme,  so  170G.  5886;  d)  eine 
Verranthung  oder  Ungewißheit,  so  2322.  4483.  3053;  hierzu  gchijren  wohl 
auch  die  Fälle,  wo  der  Nebensatz  nacli  einem  Verb  des  Sagens  verneint  ist, 
wenngleich  die  Trennung  vom  schematischen  Conjunctiv  im  Nebensätze  hier 
nicht  so  sicher  ist;  vgl.  2876.  3863.  3930.  3978.  4277.  4696.  4963.  5137. 
5200.  5924;  e)  eine  in  der  Meinung  des  Sprechenden  irreale  Thateache;  so 
nach  gehan  stets:  1976.  3953.  5106.  5340;  nach  quedan  5193.  5365;  nach 
seggean  3046.  5333.  5576;  f)  eine  Prophezeiung^  nach  seggean  582.  609. 
913.  575«;  nach  quedan  138;  nach  uuord  625.  4937.  5001.  5861.  —  Auch 
für  die  in  §.  24  dargestellten  Relativsätze  hat  meine  obige  Bemerkung  Gül- 
tigkeit. Ob  in  dem  Relativsatze  nach  einem  Superlativ  (und  enig)  der  Con- 
junctiv oder  Indicativ  steht ,  richtet  sich  nicht  darnach ,  ob  der  Hauptsatz  be- 
jahend ist  oder  verneint,  sondern  nach  dem  Grade  der  Realität,  welchen  in  des 
Sprechenden  Augen  die  Thatsache  des  Nebensatzes  hat.  —  Der  §.  25  spricht 
über  die  Adverbialsätze  der  Zeit.  AuflFallend  ist  zwar  der  Modus  in  4349  uuerold 
ni  mot  tefaran,  er  than  uuerde  gifuUit  so ,  da  sonst  im  Nebensatze  mit  er 
nach  negiertem  Hauptsatze  der  Indicativ  steht  und  da  besonders  auch,  was  B. 
nicht  erwähnt,  der  ganz  analog  gebaute  Satz  iu  4568  den  Indicativ  hat; 
gleichwohl  bestreite  ich  die  Berechtigung ,  uuerde  als  Fehler  zu  erklären  und 
uuirdid  zu  setzen,  weil  die  Hindeutung  auf  die  Zukunft  eine  Ungewißheit  iu 
sich  achließt,  welche  zur  Erklärung  des  Conjunctivs  hinreicht  (auf  der  letzten 
Seite  widerruft  auch  B.  selbst  diese  Coujccturj.  —  Die  in  §.  26  behandelten 
Adverbialsätze  des  Ortes  bieten  keine  Schwierigkeit.  In  §§.  27  —  80  ist  über 
die  Vergleichungssätze,  in  §§.  31.  32  über  die  Folgesätze  gehandelt.  Zu  den 
letzteren  bemerke  ich  nur,  daß  ich  eine  Änderung  des  Textes  iu  4078  (mosti) 
und  in  2504  (that)  nicht  für  nöthig  halte.  Daß  4091  erst  erzählt  ist,  daß 
das  Grab  wirklich  geöffnet  wurde,  wird  entschuldigt  durch  die  eingeschobene, 
längere  Rede  der  Maria,  über  welcher  Schreiber  und  Leser  das  vorher  Gesagte 
vci'gessen.  Es  folgen  dann  in  §.  33  die  Causal-,  in  §.  34  die  Absichtssätze, 
in  §§.  35 — 37  die  Bediugungs-  und  in  §.  38  die  Concessivsätze.  Die  Behandlung 
des  Materials  ist  erschöpfend  und  klar,  wenn  ich  gleichwohl  auch  hier  gegen  einige 
Einzelheiten  Einsprache  erheben  möchte.  So  halte  ich  die  Conjectur  thär  oder 
than  (in  §.  34)  zu  v.  3460  für  unnöthig  und  besonders  bestehe  ich  auf  der 
ursprünglichen  Lesart  gifrummien  in  3402,  Es  folgen  in  §.  39 — 42  die  ab- 
hängigen Fragesätze,  iu  §§.  43 — 46  der  abhängige  Heischesatz.  Letzterer 
mußte  sich  unmittelbar  an  die  Explicativsätze  anreihen  (vgl.  oben) ;  es  wäre 
bei  dieser  Anordnung  manches  Beispiel  in  richtigerer  Beleuchtung  erschienen. 
In  den  folgenden  Paragraphen  ist  die  Rede  von  den  Nebensätzen  zweiter  Ord- 
nung und  dem  Gebrauch  des  Conjunctivs  in  denselben.  Auch  hier  hätte  ich 
einige  Bedenken  zu  äußern,  doch  das  bereits  Angeführte  dürfte  zur  Charakte- 
i'istik  von  Behaghels   Arbeit  hinreichen. 


380  MISCELLEN 

Ich  schließe  mit  der  Bcnicrkiing,  die  ich  schou  oben  gemacht:  möchte 
die  Schrift  bald  zu  einer  vollständigen  Syntax  des  Heliand  umgestaltet  werden! 
und  ich  füge  hinzu :  möchten  wir  demselben  anregenden  Einflüsse ,  unter  dem, 
nach  mehreren  Ilindeutungen  zu  schließen,  die  Schrift  entstanden  ist,  bald 
ähnliche  Arbeiten  über  die  Syntax  der  Edda,  des  Beowulf,  der  kleineren  ahd. 
Denkmäler  und ,  was  mir  die  schwierigste  Arbeit  scheint,  der  ahd.  Übersetzer 
zu  verdanken   iiaben ! 

ALTONA,  im  April  1877.  P.  PIPER 


MISCELLEN. 


Zwei  Briefe  Jacob  und  Wilhelm  Grimms. 

Die  hier  mitgetheilten  beiden  Briefe  der  Brüder  Grimm  befinden  sich 
im  Besitz  eines  hiesigen  Kaufmanns,  des  Herrn  Knowles.  Sie  sind  in  mehr  als 
einer  Beziehung  interessant,  namentlich  als  nicht  unwichtiger  Beitrag  zu  dem 
Bestreben  der  Brüder,  eine  Concurrcnz  von  weniger  Befähigten  auf  ihrem  Gebiete 
nach   Kräften  fern  zu  halten. 

Der  Brief  Jacobs  ist  an  August  Zeune  in  Berlin  gerichtet,  der,  bekannt- 
lich seit  von  der  Hagens  Abgang  im  Jahre  1811  Professor  an  der  dortigen  Uni- 
versität, namentlich  als  Mitglied  der  ISl."!  gestifteten  Berlinischen  Gesellschaft 
für  deutsche  Sprache  eine  umfassende ,  wenn  auch  für  die  Wissenschaft  wenig 
gedeihliche,  Thätigkeit  entwickelte.  Das  Nähere  über  die  in  dem  Briefe  berührten 
Punkte  findet  sich,  worauf  Herr  Professor  Zarucke  mich  freundlichst  aufmerksam 
macht,  in  dem  Vorbericht  zu  dem  ersten  Baude  des  Jahrbuches  der  Berlinischen 
Gesellschaft  für  deutsche  Sprache  (Berlin  1820),  S.  XIII  f.  Die  Gesellschaft 
hatte  1817  auf  eine  zeitgemäße  Umarbeitung  von  J.  G,  Schottelius  ausführ- 
licher Arbeit  von  der  Teutsclien  Haubt  Sprache  (Braunschweig  1663)'  einen 
Preis  gesetzt  ■•").  Als  sich  k- iu  Bewerber  fand,  bestimmte  sie  das  mobil  gemachte 
Geld  zur  Unterstützung  anderer  Arbeiten  germanistischen  Inhalts.  Zu  diesen  Ar- 
beiten gehörte  auch  der  Plan  einer  Ausgabe  des  Vulfila.  Sie  unterblieb,  wohl 
kaum  zum  Schaden  der  Wissenschaft.  —  Aus  Jacob  Grimms  beabsichtigter 
Reise  nach  Mailand  ist  1824  bekanntlich  nichts  geworden.  Wie  sehr  ihm  aber 
eine  Reise  zum  Zwecke  der  Herausgabe  dnr  ambrosianischcn  Handschriften  am 
Herzen  lag,  geht  noch  aus  einer  Äusserung  hervor,  die  in  dem  am  5.  De- 
ccmber  1844  in  der  Berliner  Akademie  vorgelesenen  Bericht  über  seine  ita- 
lienische und  skandinavische  Reisen  sich  findet  (kl.  Sehr.  I,  57):  'auf  den  Süden, 
seit  die  Mailänder  Palimpscsten  herausgegeben  waren ,  hatte  meine  Spannung 
nachgelassen;  Heber  wollte  ich   lernen   ohne  zu   reisen  als  reisen  ohne  zu  lernen . 

Der  Brief  Wilhelms  an  J.  G.  Büsching  in  Breslau  bezieht  sich  auf  die 
zu  Wittingshausen  im  Herbst  1818  und  im  Anfang  des  folgenden  Jahres  ge- 
fundenen mit  Zeichen  versehenen  Steine,  über  die  W.  Grimm,  über  deutsche 
Runen  (Gott.  1821)  S.  268  ff.  gehandelt  hat.    Noch  sei   bemerkt,   daß  die  erste 

*)  Darauf  bezieht  sich  die  'Aufwärmuup:  Sehotteis'. 


MISCELLEN  381 

Nachricht  von  diesem  Funde  uus  der  Feder  des  Hol'arehivdirectors  liomuicl  in 
Casael,  auf  die  der  Brief  Bezujj  nimmt,  in  den  Güttinger  Gel.  Anzg.  vom  Jahre 
1819,   Stück    143   erschien   (vgl.   über  deutsche   Kuuen,   S.    278   Anm.J. 

Die  Orthographie  beider  Briefe  ist  von  mir  beibelialten.  Wie  durchweg 
bei  den  Brüdern ,  ist  Jacobs  Brief  in  Antiqua ,  der  Wilhelms  in  deutscher 
Schrift  geschrieben. 

KOTTKKIJAM,  September  1876.  B.  ÖYMONS. 

I. 

Jacob   Grimm   an   Zeune. 

Cassel,   12.   april   1824. 

Ew.  wohlgeborn  melden  mir  unaufgefordert  unterm  21.  febr.  d.  j.  die 
berliner  gesellschaft  für  deutsehe  spräche  habe  eine  handausg.  des  Ullilas  vor. 
Briefwechsel  mit  Mai  und  Castiglioni  wegen  der  maililuder  handschrifteu  ertheile 
nicht  viel  trost  „die  gesellschaft  sei  inzwischen  der  meinung  das  was  da  ist  zu 
geben."  Ich  solle  rathen.  Das  heisft  sehr  deutlich:  die  gesellschaft  will,  ohne 
bekanntmachung  der  mail  cod.  abzuwarten  jetzt  gleich  und  unaufgeschoben  den 
zahnischen  text  wohlfeil  abdrucken  laßen.  Begehrten  rath  ertheilte  ich  offen 
dahin:  eine  solche  handausg.  scheine  mir  keineswegs  dringend  und  störe  mich 
in  meinem  vorhaben  einer  critischen,  vollständigen  ausgäbe,  derentwegen  ich 
auch   noch  heuer  nach  Mailand  zu  reisen   hoffe. 

Wieder  schrieben  Sie  darauf  den  30.  merz:  gesellschaft  wolle  in  einigen 
Wochen  einen  abschreiber  nach  Mailand  schicken,  um  die  hss.  durchzuzeichnen, 
habe  deßhalb  schon  schritte  zu  Wien  und  beim  preuß.  Ministerium  gethan ; 
beßeres  ziel  als  die  aufwärmung  Schotteis  seien  die  ambros.   handschrifteu. 

Das  heißt  sehr  deutlich  eins  von  zweien:  entweder  im  ersten  schreiben 
hehlen  Sie  den  eigentlichen  plan,  wie  es  scheint  ohne  allen  grund,  da  ich  eher 
um  ihn  zu  befragen  gewesen  wäre,  als  um  eine  bloße  handausgabe.  Oder, 
wenn  der  damahlige  vorsatz  einer  handausg.  ohne  die  mail.  hss.  Wahrheit 
war,  gesellschaft  hat  sich  nach  meines  briefs  empfang,  ohne  rücksicht 
zu  nehmen,  welche  vorarbeiten,  Verbindungen,  cinleitungen  meinem  plane  zu 
grund   liegen,   entschloßen  mit  einzuschreiten   und  trägt  mir   Vereinigung  an. 

In  jenem  fall  widerstreben  meiner  gesinnung  rückhalt  und  halbheit  des 
erften  briefs;  im  letzten  fall  eben  so  sehr  eindrängung  in  die  absiebten  eines 
andern,  der  es  gut  und  tüchtig  mit  der  sache  meint,  die  wirklich  oder  angeb- 
lich bereits  gethauen,  meine  erkläruug  nicht  einmahl  abwartenden  schritte. 
Keiner  der  beiden  folgerungen  habe  ich  auszuweichen  vermocht  und  bitte,  wenn 
Sie  es  auch   nicht  vermögen,   alle  weitere   correspondenz  abzubrechen. 

Da  Sie  den  zweiten  brief  im  auftrage  der  gesellschaft  geschrieben  zu 
haben  erklären,  ermächtige  ich  Sie,  meine  antwort  ihr,  unter  deren  mitgliedern 
ehrenwerthe  mänuer  sitzen,  vorzulegen.  Daff  die  gesellschaft  ihre  löblich fte 
thätigkeit  für  unser  vaterländ.  alterthum  auf  vielfältige  weise  bewähren  kann, 
und  den  plan  eines  mannes,  der-  fich  durch  langes  ftudium  zu  dem  mail.  Ulfilas 
ausgerüstet  hat,  nicht  eben  zu  ftören  braucht,  glaube  ich.  Vielleicht  il't  ihm 
dadurch  schon  geschadet  worden!  Ich  hatte  mich  an  den  oestreich.  liof  ge- 
wendet, sehe  delTen  entscheidung  entgegen  und  bin,  wenn  er  ablehnt,  bereits 
feit  einiger  zeit  des  Ulfilas  halber  mit  dem  Stifter  der  gesellschaft  für  deutsche 
geschichte  in  Verhandlung,  lo  daff  ich  in  diesem  augenblicke  wenigftens  nicht 
noch  andere  Verbindungen  eingehen  kann.  Jacob   Grimm. 


382  MISCELLEN. 

IL 

Wilhelm   Grimm   an   Büsching. 

Cassel,    16.   märz    1825. 

Ew.  wohlgeboren  geehrtes  schreiben  vom  18.  februar  habe  ich  von  Wittings- 
hausen  richtig  erhalten.  Zwar  hatte  ich  dem  hn.  v.  Schwertzell  so  genau  als 
möglich  beschrieben,  wie  er  verfahren  müßte,  wenn  er  einen  ordentlichen  abguß 
der  fteine  zu  stände  bringen  wollte,  weil  ich  aber  weiß,  wie  wenig  man  auf 
einem  landgute  auf  dergleichen  eingerichtet  ift,  wo  z.  B.  schwerlich  feiner  gyps 
vorhanden  sein  wird,  fo  erbot  ich  mich  gleich,  so  bald  ich  selbst  wieder  hin- 
käme ,  die  arbeit  zu  übernehmen.  Sie  können  darauf  rechnen,  daff  ich  mein 
versprechen  halten  werde,  nur  kann  ich  nicht  versichern:  in  kurzer  zeit.  Wit- 
tingshausen  ist  zu  entfernt  (14  stunden  von  hier),  als  daff  in  einem  oder  zwei 
tagen  die  reise  abzumachen  wäre  5  ich  pflege  gewöhnlich  im  Spätsommer  die 
farailie,  mit  der  ich  feit  lange  freundschaftlich  verbunden  bin,  auf  einige  zeit 
zu  besuchen;  eher  alfo  dürften  Sie  eine  erfüllung  Ihres  Wunsches,  inl'oweit  sie 
von  mir  abhängt,   nicht  erwarten. 

Ich  wiederhole  nicht  meine  ansieht  über  diese  zeichen,  da  ich  mich  schon 
iu  der  schi'ift  über  die  runen  darüber  geäußert  habe,  die  Sie  ohne  mühe  wer- 
den erhalten  können.  Hätte  nicht  hr.  Rommel  vorher  das  publicum  darauf 
aufmerksam  gemacht  und  nach  meiner  meiuung  allzugroße  erwartungen  erregt, 
fo  weiß  ich  noch  nicht  einmal,  ob  ich  irgend  etwas  öffentlicli  davon  gesagt 
hätte.  Sie  gedenken  diefe  steine  im  schlimmitcu  fall  als  Warnungstafeln  zu 
benutzen,  aber  es  kommt  mir  vor,  als  würde  es  ebenfo  fchwer  fallen  zu  be- 
weisen, daff  der  augenschein  trüge  und  diese  zeichen  unbedeutend  und  zufällig 
seyen ,  als  das  gegentheil.  Man  thut  recht  die  sibirischen  zeichen  genau  ab- 
zubilden und  bekannt  zu  machen,  aber  glauben  Sie,  daff  man  zu  irgend  einem 
rcsultat  gelangt,  wenn  man  aus  verschiedenen  welttheilen  zeichen,  von  denen 
man  nur  vorausfetzt,  daff  es  buchstaben  seyen,  scharfsinnig  vergleicht,  ohne 
das  geringfte  von  der  spräche  zu  wisfen ,  der  sie  angehören  und  mit  dem  In- 
nern bewußtseyn,  auch  nicht  ein  wort  davon  lesen  zu  können?  Nimmt  man  in 
den  paar  mexikanischen  zeichen  bei  Humboldt  noch  einen  welttheil  dazu,  fo 
kommt  man  doch  nicht  weiter  und  wird  mit  der  behauptung  einer  gewiffen 
allgemeinen  ähnlichkeit  und  mit  dem  wünsch  oder  höchstens  der  prophezeiuug, 
daff  die  zukunft  mehr  enthüllen  werde,  anfangen  und  aufliören ;  was  hat  man 
damit?  Ich  ftreite  nicht  ab,  daff  nicht  jemand  noch  einen  witzigen  einfall  dar- 
über haben  könne  und  endlofe  vermuthungen  möglich  seyen,  aber  ich  glaube 
bpi  dem  gegenwärtigen  zustand  der  litteratur  erwirbt  man  fich  ein  verdienst, 
wenn  man  dergleichen  zurückhält.  Ich  gestehe,  daff  die  genaue  und  richtige 
erklärung  eines  einzigen  der  mit  jenen  deutschen  runen  beschriebenen  gold- 
bleche  zu  Kopenhagen  in  meinen  äugen  wichtiger  und  nützlicher  seyn  würde, 
als  die  ausführlichfte  abhandlung  mit  vermuthungen  über  ein  halbes  dutzend 
zweifelhafte,   völlig  unverständliche  zeichen. 

Tambronis  brief  über  die  urne  zu  Castel  Gandolfo  haben  wir  auf  der 
bibliothek.  Warum  wollen  Sie  die  kupfertafel  nachstechen  laßen?  Wie  wenige 
können  fich  mit  paläographischen  Untersuchungen  abgeben,  und  diefe  werden 
sich  das  ital.  achriftchen  ohne  mühe  und  große  kosten  verschaffen  können. 
Sie  müßten   denn   etwas   überraschendes   oder  eine  neue  entdeckung  hinzuzufügen 


I 


MISCELLEN.  383 

haben.  Ich  weiß  nichts  darübei-  zu  sagen,  oder  was  soll  der  weit  eine  ver- 
muthung  auf  die  ich  selbst  keinen  wcrtli  lege,  weil  ich  morgen  und  übermorgen 
und  jeden  folgenden  tag  eine  andere  darüber  äußern  könnte?  lud  wir  haben 
noch  so  viel  zeit  zur  bearbeitung  trefflicher  und  reichhaltiger  quellen  nöthig, 
wo  wir  ohne  schwanken  fortschreiten  und  eines  sicheren  gewinnes  uns  erfieuen 
können !  Hochachtungsvoll 

Ew.   Wohlgeboren  crgebenfter 

Willi.   Grimm. 

Germanistische  Vorlesungen  im  Sommersemester  1877. 

Encyclopädie  und  Greschichte  der  Philologie:  Breslau-Bobcrtag;  Hei- 
delberg-Bartsch. 

Vergleichende  Grammatik  der  indogcrman.  Sprachen:  Basel-v.  d. 
Mühll;  Bonn- Aufrecht ;  Göttingcn-Fick;  Münster- Jacobi;  Wien-Müller  ;  Überblick 
über  die  Völker  und  Sprachen  indogerman.  Stammes:  Halle-Pott;  Wesen  und 
Eintheilung  der  Sprachen:  Innsbruck- Jülg;  allgem.  Sprachwissenschaft:  Zürich- 
Tobler;  Sprachwissenschaft  und  Völkerkunde:  Würzburg- Jolly ;  Probleme  der 
vergleich.   Syntax:   Straßburg-Windisch. 

DeutscheGrammatik:  Berlin-Müllenhoff ;  Göttingen- W.  Müller ;  Leipzig- 
Hildebrand,  Braune;  Wicn-Tomaschek;  vergleichende  Grammatik  der  altgerman. 
Dialekte:  Basel  Heyne;  ausgewählte  Capitel :  Czornowitz-Strobl  5  Marburg-Lucae; 
deutsche  Conjugation :  Bonn-Andresen;  Syntax:  Gießen- Weigand;  Stil:  Bonn- 
Andresen. 

Gotische   Grammatik:   Dorpat-Meyer;   Münster-Storck ;  Prag-Kelle. 

Gotische  und  althochdeutsche  Grammatik:  Bonn-Birlinger; 
Erlangen-Steinmeyer. 

Althochdeutsche  Grammatik:   Basel- Meyer;  Jena- Sie vers. 

Altsächsische  Grammatik:  Kiel-Pfeiffer. 

Angelsächsische  Grammatik:   Kiel-Möbius. 

Englische  Grammatik:  historische:  Berliu-Zupitza ;  Kostock-Lindncr ; 
altenglische:  Gießen-Lomcko ;  neuenglische:  Leipzig- Wülcker;  Syntax:  Berlin 
(Akad.)-J.   Schmidt. 

Altnordische   Grammatik:    Halle-Gering. 

Schwedische   Grammatik:   historische:  Berlin   (Akad.)-Nordenskjöld. 

Deutsche  Mythologie:   Prag-Kelle. 

Deutsch  e  AI  te  rthümer:  Leipzig-Arndt:  Alt.  deutschen  Budens  :  Jena- 
Klopfleisch;  deutsches  Leben  auf  den  Burgen  im  Mittelalter:  Innsbruck-Zin- 
gerle;  schweizerische  Culturgeschichte:  Zürich-Vögelin.  —  Tacitus'  Germania: 
Erlangen- Wölflflin;  Königsberg- Wiehert:   Wien-Heinzel. 

Deutsche  Rechts  quellen:  Basel-Heusler;  Erlangen- Vogel ;  Sachsen- 
spiegel:  Göttingen-Sickel;   Jena-Schulz;   Königsberg-Phillips;  Leipzig-Höck. 

Deutsche  Litterat  Urgeschichte:  Bonn-Birlinger;  Leipzig-Zarncke; 
Tübingen-Keller;  bis  Ausgang  des  16.  Jhs.:  Bonn-Reifferscheid ;  bis  Opitz: 
München-Bernays ;  im  Mittelalter:  Freiburg-Paul;  Rostock-Bechstein ;  Zürich- 
Honegger;  vergleichende  Litteraturgeschichte  des  MA.:  Dorpat-Masiug;  vom 
13.  Jh.  bis  zur  Reformation :  Straßburg-Scherer;  neuere  deutsche:  Kiel-Pfeiffer 5 
von  der  Reformation  an:  Würzburg -Lexer;  von  Opitz  an:  Breslau-Weinhold; 
Göttingen-Tittmann;  Wien-Tomaschek;   seit   Gottsched:   Halle-Haym;   von  Klop- 


384  MISCELLEN. 

stock  bis  Schillers  Tod:  Berlin- Geiger;  von  1770  au:  Jiouu-Wilmanus;  Sturm- 
und Drangperiode:  Würzburg-Schmidt;  19.  Jahrb.:  Bern-Hirzel;  Erlangeu- 
Waguer;  Gießen-Zimmermann.  —  Lessing:  Czernowitz-Strobl;  Göttingeu-Goe- 
deke  ;  Prag-Lambel;  Goethe:  Tübingen-Köstlin ;  Schillers  Dramen:  Zürich-Stiefel; 
Seh. 's  lyrische  Gedichte:  Beni-Hirzel;  Seh. 's  ästhet.  und  philos.  Schriften:  Zürich- 
Jacoby;   deutsche  Dramatiker  des    19.   Jhs. :   Zürich-Stiefel. 

Englisch  e  Litteratu  rg  eschichte:  Wien-Schipper:  von  Chaucer  bis 
Milton:   Breshiu-Kölbing. 

D  eutsche  Metrik:  Prag-Martin;  Würzburg-Schmidt;  altdeutsche:  Berlin- 
MüUenhoff;  Graz-Schönbach:  Straliburg-Rödiger;  mittelhochdeutsche:  Innsbruck- 
Zingerlc. 

Sprachdenkmäler: 

Gotische,    althochd.,   uhd.   Interpretation:   Würzburg-Lcxer. 
Althochdeutsche:   Basel-Meyer;    Otfrid   und   Denkmäler    des   9.   Jlis. : 
KönigsbergSchade. 

Mittelhochdeutsche:    Gedichte:   Zürich-Ettmüller. 
Drama  des  Mittelalters:   Rostock-Bechstein. 
Gottfrieds  Tristan  :   Innsbruck- Ziugerle. 

Gudrun:   Breslau- Weinhold  ;   Göttingen  Wilken  j   Leipzig-Hildebrand. 
Minnesänger :     Freiburg  -  Paul :     Greifswald  -  Vogt ;     Straßburg  -  Rödiger ; 
Zürich-Tobler. 

Nibelungenlied:  Heidelberg-Bartsch;  Leipzig-Edzardi ;  Müuster-Storck  ; 
Tübingen-Keller. 

Walther  von  der  Vogelweide:  Bern- Vetter:  Bonn-Wilmanns  ;  Erlangen- 
Wagner;  Gießen- Weigand,  Zimmermann;  Göttingeu-W.  Müller;  Graz-Schön- 
bach; Halle-Zacher;  Leipzig  Zarncke;   Prag-Martin. 

Wolframs  Parzival:  Halle-Zacher;  Marbnrg-Lucae;  München-Hofraann ; 
Straßburg- Scherer. 

Altsächsisch:  Heliand:  Bern-Vetter ;  Breslau-Kölbing;  Gießen-Weigand  ; 
Göttingen-Wilken ;  Kiel-Pfeiffer. 

Angelsächsische:  Beowulf:  Berlin  (Akad.)-Zoniial;  Greifswald-Hoefer ; 
Juna-Sievers;   Kiel-Möbius;   Straßburg-ten   Brink. 

Altenglische:  nach  Mätzner:  Gießen-Lemcke :  Chaucer's  Canterbury 
Tales:  Berlin   (Akad.)-Herrig. 

Altnordische:  nach  Dietrich:  Wicn-Heinzel;  poetische  Edda:  Halle- 
Gering;  Zürich-Ettmüller;  prosaische  Edda:  Straßburg- Bergmann;  eine  Islen- 
dingasaga  :   Leipzig-Edzardi. 

Berichtigung. 

Zu  Germ.  XXI,  347.  Als  ich  im  vorigen  Jahre  den  Messegesang  Got  vater 
aller  kristenheit  unter  der  überlieferten  Überschrift  Ein  ijuot  gehet  aus  einer  St. 
Florianerhs.  des  15.  Jhs.  mittheilte,  war  meinem  Gedächtniss  entschwunden,  daß 
derselbe  in  der  Spruchsammlung  Freidaiiks  181,  10  ff.  W.  Grimm  sich  findet, 
sowie  auch  daß  E.  Steinmeyer  ihn  nach  einer  viel  altera  Weingartner  Auf- 
zeichnung des  12.  Jhs.  ^jetzt  in  Fulda)  in  der  Zs.  f.  d.  A.  XVlll ,  455  f. 
herausgegeben  hatte,  gleichfalls  ohne  sich  sogleich  auf  den  Zusammenhang  mit 
Freidank   zu  besinnen,   den   er  erst  nachträglich   a.    a.   O.  XIX,  163  f.   darlegte. 

H.  LAMBEL. 


ZUM  MARNER 

Daß  von  einem  Gegner  Marners  einmal  ein  Spruch  gedichtet 
sein  mußte,  in  welchem  sich  eine  Anspielung  auf  die  ursprüngliche 
Bedeutung  seines  Namen  —  marnaere  marmarms  Schiffer  —  befand, 
ei'gibt  sich  nach  meiner  Vermuthung  aus  MSH.  II,  253*,  einer  dem 
Marner  beigelegten  Strophe,  in  welcher  es  unter  andern  heißt: 

ein  totser  meister  riet  miiy  daz  ich  arge  'z  ruodel  würfe  hin, 
vgl.  Germania  19,  52  und  Strauch  in  der  Einleitung  zu  seinem  Marner 
S.  1.  Eine  Anspielung  derselben  Art  glaube  ich  inzwischen  gefunden 
zu  haben  in  einem  Spruche,  welchen  die  Pariser  Liederhandschrift 
unter  Boppes  Namen  bringt,  in  MSH.  II,  384''  (III,  2).  Um  diesen 
einer  näheren  Besprechung  zu  unterziehen,  muß  ich  ihn  ganz  hersetzen : 

Hoert  ir'z,  her  esel,  liei'  dvnkelguof,  her  erenntdinc, 

Her  galgenswenkel  wend  ir  ivars  (?),  her  niemansvriunt,  her  glidinc. 

Ir  Sit  wol  des  witehopfen  genoz, 

In  gebristet  an  rehter  kunst,  an  eren  und.  an  muote, 
5  Sigels  unt  stiure  enhabt  ir  niht,  ir  vliezet  äne  riiote-^ 

Her  swalioennest,  iuwer  schal  der  ist  ze  groz. 

Waz  sol  der  kneje  Uten,  loaz  sol  der  vrösche  schrien,  der  hennen  gagzen  ? 

Swelch   schale   im,  selben   dilnref,    dem   schal  der  hagel,    sus  siht  man 

slaht  in  slaht  ez  flagzen. 

Hoert  ir'z,  her  entensnabel,  her  sürtel  und  ouch  her  tore, 
10  Her  sniudel,  toaz  sniudelt  ir  uns  an?  waz  sol  ein  loolf  ze  km'e? 

Her  affenzagel,  her  schandendeckehloz? 
Was  hier  der  Dichter  in  V.  4 — 5  sagt:  Euch  fehlt  es  an  rechter 
Kunst  und  an  ehrenhafter  Gesinnung,  ihr  führt  weder  Segel  noch  Steuer, 
ihr  fahrt  ohne  Ruder:  das  scheint  mir  nämlich  nur  dann  einen  annehm- 
baren Sinn  zu  geben,  wenn  man  es  auf  den  Marner  bezieht.    Es  ent- 


V.  3  withopfen.  —  4  iuch.  —  5  siges,  von  v.  d,  Hagen  verbessert,  enhaht]  der 
habt,  vliessent.  —  7  hiejen.  —  8  slahtes.  flegzen.  —  9  vor  her  sürtel  steht  noch  her 
sniidel.     her  tore]  ir  tore. 

GERMANIA.  Neue  Reihe.  X.  (XXII.  .lahrg.)  25 


386  F.  BECH 

steht  hierbei  nur  die  Frage,  ob  diese  Worte  direkt  gegen  denselben 
als  Gegner  gerichtet  waren,  oder  ob  sie  etwa  —  die  Richtigkeit  der 
Überlieferung  vorausgesetzt — vonBoppe  dem  Meißner  zugex'ufen  wurden 
um  den  Marner  gegen  ihn  in  Schutz  zu  nehmen.  Dem  hier  mitge- 
theilten  Spruche  geht  nämlich  in  der  Pariser  Handschrift  ein  anderer 
voraus,  den  die  Jenenser  Handschrift  mit  mehr  Wahrscheinlichkeit 
imter  Meißners  Liedern  aufführt.  Beide  sind  in  demselben  Tone  ab- 
gefaßt, in  welchem  wir  vom  Meißner  eine  Reihe  Strophen  besitzen, 
vgl.  MSH.  IH,  86 — 88.  Daß  der  erstere  weit  eher  von  Meißner  als 
von  Boppe  stammt,  dafür  spricht  vor  allem  der  klingend  gebrauchte 
Reim  strebet :  lebet  ^  der  bei  einem  Oberdeutschen  jener  Zeit  auffal- 
lend wäre.  Der  Meißner  schildert  in  seinem  Spruche  das  Gebahren 
und  das  Schicksal  des  „Schalkes"  durch  Beispiele  aus  der  Thierwelt; 
er  stellt  ihm  an  die  Seite  die  Fledermaus,  den  Esel,  den  Fuchs,  den 
Wolf,  die  Ziesel-  und  die  Bilchmaus*).  Nach  Hagens  Auffassung 
hat  (MS.  IV,  693''  und  öDö"")  sich  Boppe  dieß  angenommen  und  in  dem 
darauf  folgenden  Spruche,  welchen  ich  oben  mitgetheilt  habe,  eine  Er- 
widerung erlassen  im  Tone  des  Meißners. 

Aber  in  dem  Inhalte  wie  in  der  Ausdrucksweise  beider  Sprüche 
vermag  ich  nichts  zu  entdecken,  aus  dem  mit  Bestimmtheit  hervor- 
gienge^  daß  der  eine  Verfasser  auf  die  Äußerungen  des  andern  Bezug- 
nahme. Wenn  der  Meißner  sagt  zisel  und  bilchmüs  sint  miiise  genoz, 
Boppe  dagegen  ir  Sit  lool  des  loitehopfen  genoz  ^  so  sehe  ich  dadurch 
noch  keineswegs  die  Nothwendigkeit  einer  solchen  Beziehung  bedingt. 
Überdieß  findet  sich  in  dem  sprachlichen  Ausdruck  einiges,  das  nicht 
gerade  für  einen  Verfasser  aus  Oberdeutschland  spricht,  wohin  doch 
Boppe  gehörte. 

So  gleich  das  Scheltwort  dimkelguot  =  hypocrita,  pharisaeus, 
Scheinheiliger.  Die  mhd.  Wörterbücher  haben  es  gar  nicht  aufgenommen. 
Es  findet  sich  aber  in  md.  Denkmälern  vor,  so  in  einem  Spruche 
Meister  Kelins**)  in  MSH.  III,  22''  (III,  1):  die  varnden  smeichent  unde 
machent  manigen  man  ze  dimkelguot;  in  den  Offenbarungen  der  Schwester 


*)  Für  pillichmiuse  steht  in  der  Pariser  Hs.  polmiusej  über  die  Bedeutung 
des  letzteren  Wortes  verweise  ich  auf  Nemnich  S.  424 — 425,  nach  dessen  Angaben 
arctomys  cüellus  {mua  noricus)  bei  den  Deutschen  auch  die  polnische  Maus,  bei  den 
Böhmen  Polnj  mys,  hei  den  Polen  viy^-z  polna  heißt. 

**)  Nach  V.  d.  Hagen  freilich  in  MS.  IV,  709  sind  Sprache  und  Eeim  Kelins 
„meist  rein  Oberdeutsch".  Für  norddeutsche  Heimat  des  Dichters  sprechen  aber  die 
Heime  vrunde  :  s-imde,  lügenere :  Sre,  sowie  die  Formen  keMe  (nominaret),  krün  (grus), 
wan  (=  gewan),  scM  (=  geschehe). 


ZUM  MAHNER.  387 

Mechtild  od.  Morel  S.  '224:  bl  dunkelguot  sollen  wir  nimur  Hin,  uud  in 
den  Stellen,  welche  das  deut.  Wörterbuch  I,  1541  beibringt;  noch  häu- 
tiger tindet  siclis  im  Mittclnioderd. ,  vgl.  Schiller  und  Lübben  Mnd. 
Wort.  I,  597,  Ubei  haupt  sind  die  Zusammensetzungen  mit  dunkel  oder 
dunkel  dem  Oberdeutschen  fremd,  mundrechter  dagegen  dem  Mittel- 
deutschen und  dem  Niederdeutschen.  So  dunkelhiderhe  bei  H"inrich 
Frauenlob  in  den  Sprüchen  304,  1  ed.  Ettraüller,  wo  fälschlich  f.unkel 
biderhe  in  den  Text  gesetzt  und  in  der  Anmerkung  dazu  als  non  illus- 
tris,  „von  dunkler  Herkunft"  genommen  ist;  es  ist  =^  eingebildet  oder 
dem  Scheine  nach  bieder,  scheinheilig;  —  dunkelere  f.  bei  Meister  Ger- 
velin in  MS.  III,  37*  =  Scheinehre;  —  dunkelkouf  m.  =  Scheinkauf  in 
den  Weist.  1,478;  —  dunkelmeister  m.  =  Scheinmeister,  eingebildeter 
M.  bei  Gervelin  in  MS.  III,  36''  und  bei  Luther  nach  Dietz  Wörterb. 
I,  463;  —  dunkelmütekeit  =  Einbildung,  Eigendünkel,  Eitelkeit  {=  dtmck- 
lickeit  beim  monachus  Pirnensis  1471)  in  einem  md.  Gedicht  bei  Grimm 
Reinh.  S.  433*);  —  dunkelvriunt  =  mhd.  trügevriunt  im  Kaland  des 
Pfaften  Konemann  ed.  Schatz  201 ;  —  ebendahin  gehört  das  bei  Lexer 
I,  476  stehende  dunkelhilde,  so  viel  als  trughüde,  und  die  in  Luthers 
Schriften  vorkommenden  Wörter  dünkelfein,  dünkelcjeist ,  dünkelkltig^ 
dunkelwerk  bei  Dietz  I,  462—  463.  In  Oberdeutschlaud  traten  dafür  auf 
Zusammensetzungen  mit  wän  (vgl.  Frommanns  Mund.  III,  187 — 188)  oder 
mit  irug. 

Auffällig  ist  auch  im  2.  Verse  der  Ausdruck  glidinc  im  Reime 
auf  mdinc.  Falsch  ist  es,  wenn  es  im  Mhd.  Wörterb.  I,  548''  heißt,  daß 
hier  der  Esel  damit  angeredet  werde ;  das  Wort  esel  ist  ja  hier  auch 
nur  Schelte,  nicht  das  Thier  selbst;  und  eben  weil  der  Ausdruck  esel 
kurz  vorher  gebraucht  ist,  wird  glidinc  wohl  etwas  anderes  bedeuten 
müssen.  Dazu  kommt,  daß  glien,  von  dem  man  glidinc  bis  jetzt  ab- 
geleitet hat,  niemals  das  Geschrei  des  Esels  bezeichnet,  sondern  zu- 
nächst nur  die  klagende  Stimme  gewisser  Raubvögel  wie  des  Habichts 
des  Geiers  des  Adlers**),  sodann  die  wehklagende,  wimmernde  Men- 
schenstimme; außerdem  kommt  vor  mit  dem.  hlate  glien  in  MSFr.  242, 
10,  und  darnach  war  wohl  die  klie  oder  glie  in  der  Krone  Heinrichs 
von  dem  Türlin  22095  eine  Art  Blatt-  oder  Lockpfeife  oder  ein  dem 
ähnlich  klingendes  Blasinstrument.  Hiernach  würde  glidinc  einen  win- 
selnden, wimmernden,  weinerlich  klagenden  Vogel   oder  Sänger  (etwa 


*)  Die  beiden  letzten  Composita  stehen  bei  Lexer  ü,  1571  nicht   an  der  rich- 
tigen Stelle;  ebenso  ist  djunkelhre  falsch  untergebracht  unter  tunkel  in  11,  1570. 

**)  Bei  Nemnich  S.  1580  führt  die  Weihe,  falco  milviis,  im  Angels.   den  Namen 
glida,  im  Nordenglischen  glade  or  tjlead,  im  Englischen  the  glead. 

25* 


388  F.  BECH 

Schreihals)  oder  Pfeifer  bezeichnen;  man  vgl.  damit  das  Wort  snur- 
rinc.  "Was  die  Wortbildung  betrifft,  zumal  die  Einschiebung  des  d 
nach  vocalisch  auslautender  Wurzelsilbe,  so  stammen  bei  weitem  die 
meisten  Beispiele,  welche  Weinholds  Mhd.  Gramm.  §.  174  (vgl.  §.  172) 
davon  aufweist,  aus  mitteldeutschen  Quellen :  das  Alemannisch-Schwä- 
bische, die  Sprachheimath  Boppes,  kennt  solche  Fügungen  fast  gar 
nicht;  imBairischen  finden  sich  mehrere  Beispiele  davon  erst  aus  späterer 
Zeit,  vs:l.  Weinholds  Bair.  Gramm.  S.  153.  Indessen  bleibt  diese  Ab- 
leitung  noch  unsicher.  Es  ist  nicht  unmöglich,  daß  das  Wort  mit  dem 
md.  gltden  =  mhd.  gltten  zusammenhängt ;  dann  würde  man  etwa 
einen  Schleicher  oder  Leisetreter  darunter  zu  verstehen  haben. 

Schwieriger  ist  die  Erklärung  von  Vers  8.  Bei  den  ersten  Worten 
wird  man  erinnert  an  das  Sprichwort,  welches  bei  Wander  I,  674  lautet : 
donnere  dir  seihst ,  so  schlägt  dich  der  Hagel  nicht ;  in  einem  unächten 
neidhartischen  Liede  MSH.  II,  78''  (=  ed.  Haupt  XXIV,  12)  siver  seihe 
teilet  unde  icelt  unde  witert  swie  er  loil,  den  sol  der  hagel  slahen  selten  \ 
im  J.  Titurel  3756  swer  nach  siner  girde  im  seihen  donret,  der  niac  wol 
hehalden  allen  smen  hou  vil  'unverhagelet\  im  Liher  sententiolarum  in 
Haupts  Zeitschr.  VI,  304,  18  grandine  tutus  erit  sihimet  quicunque  tonabit 
und  dazu  Wackernagels  Anm.  sowie  Müllenhoffs  und  Scherers  Denkm. 
S.  355.  An  unserer  Stelle  ist  aber  von  einem  „Schalke"  die  Rede, 
welchen,  wenn  er  «m  selben  dunret,  der  Hagel  vielmehr  treffen  soll. 
Vielleicht  ist  schol  oder  sal  zu  lesen  für  schal,  obwohl  sich  letzteres 
auch  halten  läßt.  In  flagzen  (oder  ßegzen)  vermuthe  ich  einen  schall- 
nachahmenden Ausdruck  im  Sinne  von  schlagen,  platschen,  klatschen, 
patschen,  wettern;  man  denke  an  das  bei  Walther  124,  16  ed.  Lachm. 
in  der  Pariser  Handschr.  stehende  flac]  an  flacke,  md.  vläge,  mnd. 
vlaghe,  nnl.  vlaag  bei  J.  Grimm  im  Deut.  Wort.  III,  1705,  a,n  flachen 
Wolle  mit  Stäben  schlagen, ^acÄ;er  Wollschläger  ebendaselbst;  sm. flachein 
(uiederöstreichisch)  in  Fromm.  Mund.  IV,  44  =  schlagen;  ferner  an flec 
mit  der  Bedeutung  von  Schlag  in  md.  Quellen  wie  im  Pass.  K.  33,  77 
im  Tristan  Heinrichs  von  Freiberg  5472 ;  an  nider  vlecken,  niederschlagen, 
im  Pass.  K.  431,  18,  zuflecken,  zerflecken,  zerhauen  in  Herborts  Troj.  7584, 
Pantaleon  1843:  auch  hläch,  plage ,  pfläge,  über  welche  man  German. 
111,335  vergleiche,  gehören  wohl  hierher,  sowie  eine  Stelle  in  der  H. 

Magdalena  (Wiener  Hs.)  fol.  8":  sich üz  ogen,  munt  dazflw  hlachsen 

{:  wachsen),  wo  hlachsen  =  schlagen,  blitzen,  sprühen;  dazu  flochzen 
pflochzgen  flochzgen  im  Schwäbischen  Wörterb.  von  Schmid  S.  63;  viel- 
leicht endlich  ist  damit  verwandt  das  im  obersächsischen  Osterlande 
noch    lebende  flackne,    Schläge,    und  flacksen    (flachsen),    durchflacksen 


ZUM  marnp:r.  389 

=  hauen,  schlagen,  prügeln,  falls  es  nicht  auf  flachs  =  nervus  chorda 
bei  Grimm  D.  W.  3,  1701  und  flachse  1702  zurückgeht;  vgl.  auch  vlxischn 
und  vlatscha  im  Mhd.  Wörterb.  3,  337.  Für  s/aht  in  slaht  könnte  man 
slach  in  (gein?)  slach  oder  slac  in  slac  vermuthen;  doch  finde  ich  hin 
und  wieder  slachf  im  Sinne  von  slac  gebraucht  in  mnd.  und  md. 
Schriftdenkmälern,  vgl.  Schiller  und  Lübben  IV,  221  und  222;  hadshcht 
=  Hagelschlag  in  Hoefers  Ausav.  S.  78  (a.  1309);  und  die  Beispiele  aus 
dem  Passionale  bei  MüUer-Zarncke  IP,  388*,  52  folg.  Nach  dieser  längeren 
Auseinandersetzung  Hesse  sich  der  vorliegende  Vers  etwa  so  interpre- 
tieren: Wenn  ein  Schalk  sich  herausnimmt  zu  donnern,  so  mag  ihn 
billig  der  Hagel  treffen ;  dann  sieht  man  wie  Schlag  auf  (um)  Schlag 
(Hagelschlag  auf  Donnerschlag)  es  wettert. 

In  den  übrigen  Worten  und  Wendungen  des  Gedichtes  kann  ich 
freilich  nichts  weiter  auffinden,  das  specifisch  mitteldeutsch  wäre.  Das 
im  zweiten  Verse  stehende  wend  ir  wars  bildete  wahrscheinlich  mit  dem 
vorhergehenden  galgenswenkel  einen  Begriff,  weil  sonst  auch  wol  das 
Wort  her  vorgesetzt  wäre  wie  bei  den  übrigen  Schimpfwörtern.  Was 
es  bedeutet  ist  mir  auch  unklar.  Vielleicht  steckt  darin  wintdüiTc 
awars  oder  iointdürr  äs .  was  zu  dem  vorhergehenden  Worte  allenfalls 
passen  würde;  vgl.  Braunschweiger  Reimchronik  ed.  Weiland  6493  vH 
irer  ouch  lointdurre  hmc  (d.  h.  am  Galgen  hieng)  /Sunder  hosen  unte 
scon]  Reinfrid  2181  wre  ougen  liuhten  Mehten  noch  durchfiuhten  Ein  kerze 
{? herze?)  gar  wintdürre  und  ivintdörrez  holz  im  Gegensatz  zu  grüenez 
holz  in  Weist.  III,  513  sowie  im  Mhd.  Wörterb.  I,  322^'*);  über  aivars, 
ahars  vgl.  Schmeller-Fromm.  1,  12  und  II,  1019  sowie  Germania  18,  257. 

Die  oben  besprochenen  mitteldeutsch  gefärbten  Ausdrücke  sind 
indessen  hinreichend,  um  die  Autorschaft  Boppes  wenigstens  in  Zweifel 
zu  ziehen.  Ich  glaube  vielmehr,  daß  der  Spruch  denjenigen  Dichter 
zum  Verfasser  hatte,  dem  der  Ton  gehörte  in  welchem  er  gedichtet  ist, 
den  Meißner,  denselben  von  welchem  auch  der  vorhergehende  Spruch 
herrührte.  Unsere  Strophe  scheint  mir  nach  dem  allen  nicht  sowohl  eine 
Antwort  als  eine  Fortsetzung  oder  ein  Nachtrag  zu  der  vorhergehenden 
zu  sein.  Auch  das  hoert  ir'z  zu  Anfang  gewinnt  dann  einen  angemesseneren 
Sinn.  Durch  die  Aufzählung  der  sechs  gemeinen  Thiere,  mit  denen 
der   Schalk    in    der  Strophe  vorher   in  eine  Reihe   gesetzt   wird,  wird 


*)  Wintdürre  =  vom  Winde  gedörrt,  verwittert,  vertrocknet;  an  eine  andere 
Erklärung  darf  man  hierbei  nicht  denken ,  obwohl  es  in  der  H.  Magdalena  fol.  SS*" 
heißt:  ein  gnaden  dürrez  lointspil  bin  ich  und  wir  heute  die  Ausdrücke  hundedürre, 
hundemager  haben,  vgl.  M.  Heyne  ira  Deut.   Wörterbuch. 


390  F.  BECH 

man  erinnert  an  die  Aufzählung  und  Schilderung  der  sechs  edeln  Thiere 
{leioe,  helfanf,  strüz,  adelar,  fenix,  pelUcänus),  die  Marner  als  Sinnbilder 
der  Erlösung  aufgeführt  hat  in  seinem  Spruche  XV,  15 ;  gegen  letzteren 
war  Meißner  als  gegen  einen  lügensanc  bereits  mit  vier  Sprüchen  in 
hofmeisternder  Weise  aufgetreten,  vgl.  MS.  III,  100^  und  101";  auch 
hier  könnte  es  scheinen,  als  wäre  auf  jenen  Spruch  Marners  eine  Parodie 
beabsichtigt  worden.  Man  könnte  sich  z.  B.  denken,  der  Meißner  sei 
der  Ansicht  gewesen,  daß  sein  Gegner  mit  obigem  Gedicht  seine  fromme 
kirchliche  Gesinnung  habe  bethätigen  und  sich  bei  einflußreichen  Pfaffen 
in  Gunst  setzen  wollen  oder  daß  er  gar  ihn  aus  ihrer  Gunst  verdrängt 
habe.  Dann  erhalten  die  von  ihm  gebrauchten  Ausdrücke  her  dunkel- 
guot  und  toaz  sol  ein  wolf  ze  köre  erst  ihr  rechtes  Licht. 

Vom  Meißner  ist  es  ohnehin  bekannt,  daß  er  sich  wiederholt  über 
Marner  lustig  machte;  bald  spielte  er  mit  seinem  Vornamen  Ktionrcit, 
bald  mit  dem  Namen  Marnere,  vgl.  Strauch  S.  3-^5;  von  Meister  Ger- 
velin ward  ihm  deshalb  vorgeworfen,  daß  er  jenem  seinen  Dichterruhm 
nicht  gönne^  vgl.  ebenda  S.  5.  Überhaupt  war  es  so  seine  Art  in  Wort- 
spielen seine  Kunst  zu  zeigen,  wie  man  noch  aus  den  Sprüchen  auf 
Bischof  Herman  von  Kamin  (MS.  III,  92'',  4)  und  auf  Herdegen  von 
Grindelach  (87",  9)  ersehen  kann.  Mit  diesen  Spielereien  läßt  sich  die 
Redeweise  des  vorliegenden  Spruches  in  V.  4 — 5  vergleichen ;  sie  ist 
wahrscheinlich  direkt  gegen  Marner  gerichtet  und  will  besagen:  So- 
wenig du  ein  wirklicher  Marner  (mammre)  bist,  so  wenig  bist  du  ein 
wirklicher  Künstler.  So  aufgefaßt  Hessen  sich  vielleicht  noch  in  einigen 
andern  Ausdrücken  beabsichtigte  Seitenhiebe  auf  Äußerungen  Marners 
vermuthen ;  so  könnte  V.  7  der  vrösche  schrien  auf  Marner  XIV,  6  (auf 
die  Anwendung  welche  dort  von  der  Fabel  der  Frösche  und  des  Storches 
gemacht  wird),  her  äffenzagel  in  V.  11  auf  Marner  XV,  12,  231  (wo 
dieser  Ausdruck  zum  ersten  Male  auftaucht)  Bezug  nehmen;  her  swal- 
loennest  würde  an  einen  Spruch  Rumelands  erinnern  in  MSH,  II,  369'',  2, 
in  welchem  wahrscheinlich  auch  der  Marner  als  Schwalbe  verspottet 
wird;  der  Meißner  selber  hat  noch  in  zwei  Sprüchen  (MSH.  III,  109'' 
und  110*)  die  Schwalbe  zu  einer  Schilderung  verwandt,  die  er  von  dem 
loterritter  entwirft. 

ZEITZ  im  Juli  1877.  FEDOR  BECH. 


WIE  MEISTER  ECKHART  KAM  EIN  SCHONER  NACKENDER  PUB.     39] 

WIE  MEISTER  ECKHART  KAM  EIN  SCHONER 
NACKENDER  PUB 


[Hs.  206'']  Meyster  Eckhart  dem  kam  wachet 

Ein  schöner  nackender  pub  der   lachet. 

Eckhnrt  sprach:  Wan  kumstu  so  spotV 

Der  knab  sprach :  Ich  kum  von  got. 

Wo  liestu  got,  an  allen  scherczen? 

Der  pub  sprach:  In  allen  reinen  herzen, 

Do  wil  ich  ytz  zu  got  wider  hin. 

Eckhart  sprach:  Wo  finstu  in? 

Bey  allen  creaturen,  Eckhart,  wistu. 

So  Sag  mir  hie,  mein  knab,  wer  pistuV 

Ich  pin  ein  kunigk,  das  sag  ich  dir. 

Wo  ist  dein  kunigreich?  sag  du  mir. 
[206"]  Der  knab  sprach:  in  dem  hertzen  mein. 

Mags  ymant  mit  dir  besiezen  sein? 

Er  sprach:  Ich  entü  mit  gutem  gemach. 

Er  fürt  in  in  sein  zell  und  sprach: 

Nim  welches  cleid  vnd  cleid  dich  mit. 

Er  sprach:  So  wer  ich  ein  kunick  nit. 

Do  mit  verswaut  er  in  kurczer  eil. 

Got  het  Eckhnrt  gemacht  ein  kurczweil. 
Die  vorstehenden  Verse  verdanke  ich  einer  freundlichen  Mitthei- 
lung des  Professors  E.  Sievers  in  Jena.     Aus  welcher  Handschrift  sie 
entnommen   sind,    weiß  derselbe    nicht    sicher    mehr  anzugeben;    viel- 
leicht aus  dem  Cod.  Guelferb.  417  in  folio. 

Dieselbe  Anekdote^  nur  in  Prosa,  hat  Franz  Pfeiffer  in  seinem 
Meister  Eckhart  unter  den  Sprüchen  desselben  auf  S.  624 — 25,  und 
zwar  nach  dem  Vorwort  S.  X  aus  dem  Cod.  germ.  116  der  königl. 
Hof-  und  Staatsbibliothek  in  München  (15.  Jahrb.  8).  Der  Vergleichung 
halber  setze  ich  sie  ganz  hierher: 

Meister  Eckeharten  bekom  ein  schoener  nackender  buche.  Do 
fraget  er  in,  wannän  er  kerne.  Er  sprach  „ich  kume  von  gote."  — 
„Wä  liezest  du  in?"  —  „In  tugenthaften  herzen."  —  „War  wilt  du?*' 

—  „Zuo  gote."  —  y)Wä  vindest  du  in?"  —  „Da  ich  alle  creatüre  liez." 

—  „Wer  bist  du?'*  —  «Ein   kunic."  —  j7Wä  ist  din  kunicriche?"   — 


392 


A.  HOLDER 


„In  minem  herzen."  —  „Hüete,  daz  ez  ieman  mit  dir  besitze."  —  „Ich 
tuen."  —  Do  fuorte  er  in  in  sine  zelle  unde  sprach:  „nim,  welchen 
roc  du  wilt."  —  „So  were  ich  nicht  ein  künic"  unde  verswant.  Da 
was  ez  gut  selber  unde  hete  mit  im  do  ein  kurzewile. 

FEDOR  BECH. 


DIE  ALTHOCHDEUTSCHEN   GLOSSEN  AUS 
SANCT  PETER. 


GLOSAE   DIVINORVIVI   LIBRORV. 
DE  PROLOGO   LIBRl    GENESIS. 

sufifocatiouem. 

(Bl.  62'  Spalte  1)    suggillatio.    er- 
thempunga. 

DE  LIB   GENESIS. 

2,  5  Virgultum]  sumer  lode.  (r  auf 
Rasur  von  s) 

3,  7  Peri^omata.]  questa 

—  24Versatile.  i.  uibrabile.]    que- 
kilik. 

4,  7  appetitus]  giritha. 

6,  24  Leuigatis]  githigenon 

(Sp.  2.)  gluten]  uastosto  lim. 
6,  16  In  cubito]  Cubitus.  elina. 
14,  6  Campestria.  pharan.]  giuildi. 

—  23  Subtem.]  Vueual. 

24,  20  in   canalib ;]  ennohin.    t    in- 
drogin. 

25,  29  Pulmtum.J  1  suual. 
(Bl.  620  32,  22  Vadü.]  uörd. 

37,  3.  23  Polimita]  Imelot.  1  deco- 
rata.  sliht. 

Teristrü.]  uuimpal.  i.  hullidok. 

38,  17.  18  Arrabo]  Pant.  l  uueddi. 

—  18.  25  Armill^]  armborg,  (sie) 
38,  27  Obstetrix]  uost  moder. 

—  27.  30  Coccinü]  1  godeuuebbi. 
qd  sericü  uocat^. 

40,  1.  2.  9  Pincerna.J  butticlari. 
40,  1.  2.  16  Pistor.]  brad  baccari. 

—  16.  17.  18  Canistrum]  ?einn*. 

intpres . 

—  22  Coniector.]  Antprest. 


43,  11  Amigdalü]  mandale. 
47,  14  Aerariuro.    tresecamere. 
49,  17  Coluber]  slango.  (g  auf  d) 

—  —  Cerastes]  hörn  uurra. 
(Sp.2)  Ellesmoth.  heB.  ex  od  gr. 

exitus  latine. 

2,  13  fiscellä  scirpeä.]  Coruilin.  bi- 
niz:^n. 

—  3.  4  in  carecto.]  en  bini^ze. 

3,  2  Rubus.]  bramal  buse. 
5,  7  lateres.]  tieglan. 

8,  16.  17.  18  scinifes.]  knelli^z§. 
11,  7  muttiet]  nigellot. 

9,  31  FoUiculus.]  balg,  in  quo  granü 

GSt 

(Bl.  6.3')  16,  14  Pilum]  stamp. 
16,  31  Coriaudrum.]  kullundar. 

21,  6  Subula]  siula. 
37,  19  stips.]  gitiuht. 

22,  13  Comestü.]  uretan. 
Scabro.]  hur  ni^. 

25,  31  Sciphi.]  nappas. 
Sperulas.]  sciuan. 

(Sp.  2)  26,  1  Cortin^]  ümihank. 

26,  11  Fibula.]  nusgia. 
conpaginationes.]  gi  uogithan. 
27^  4  Craticula.]  hurd. 

a  crate.]  harst. 

27^  lOCelatura.  e  sculptura  eminen- 

{rras  bisam. 

tior.  a  c^lo  uocata  qd  est  genus 
ferramenti. 
in  modü  plum^.j  gi  bo  kod. 

27,  19  Paxillus.]  bil.  pal.  pin. 


DIE  ALTHOCHDEUTSCHEN  GLOSSEN  AUS  SANCT  PETEK. 


393 


28^  4  Cidarim.)  hu  nun. 

in  occipicio|  luiuid  loca. 

ex  urina]  migge. 

28^  32  Capiciü.|  i.  houidluc. 

(Bl.  63")  28,  42  F(,'minalia.|  brog. 

29,  2  A^ima.J  thcrp. 

^iknedan. 

Panis     oleo     cspersus.     in     inedio 

lingiliug. 

ccauus  &  tortus. 

29,  13  Reticulü.]  uetti. 

—  iecoris.j  leberon. 

30,  13  obolos.j  hallingas. 

—  18  LabrumJ  bekkin. 

20,  25  Cult.]  i.  uuafan  saJis. 

(Sp.  2)  DE    LIIJRO    LEVITICO. 

1,  7  Strues.]  hufFo. 

—  17  Ascellas.]  oh  hase. 

2,  4  Lagana.J   therui. 

—  5  Sartago.   panue. 

3,  4  Renunculi.J  lumbala. 

8,    7  Subucula.  ipsa   e    &  podcris. 

tunica  linea  stricta  cuti  adherens 

que  uulgo  camisia  dr. 
11,  16  Noctua]  Vuuila. 
uocticorax.]  nahtram. 
11,  17  Bubo.]  huuuo. 

—  merchus.]  ducari. 

—  ISOnocratalon]  onocratulus.  horo 
dumil. 

(Bl.  640  11 ,    19   Vpupamj   uuido- 
hoppa. 

—  30  Migale.j  nich  hus. 

—  Stelio]  mol 

—  Lacerta]  euuidebsa. 

—  Talpa]  mu  uuerf. 

(Sp.  2)  23,  40  Spatul^.]    suerdulon. 

21,  20  Herniosus.]  haladi. 

DE    LIBRO    NVMERORV. 

5,  14.  15.  18.  25.  29.  30  Zelotipie.| 
firiuuiz  gen.  i.  suspiciens. 

6,  4  Acinü]  Iura. 

(Bl.  64^)  11,  5  Pepo.]  pedena. 
ad  clunes.]  huffin. 
24,  24_Trieris.]  kiol. 

DE   LTB    DEVTRONOMII. 

(Sp.  2)  28,   27    eü    pruritu.J  mid 
rüden. 


DE    PROLOCO    JJlUii    IIIESVNAVE. 

Siren^]  meriminnon. 

(B1.65'')   DE    LIBRO    lUESVNAVE. 

Htekcun. 

23,  13  Sudes,  stipites. 

DE  LIB  QVI  HEB  SOPHr  |  LA'I'INE  IV- 
DICVM   DICITVU. 

4,  21  malleus|  haraar. 

8,  24.  25  InaureöJ  oringa. 

9,  48  Ramus  gen'  est  rubi  qua 
uulgo  sentice  ursinä  uocant. 

(Sp.  2J  Problema-I  radisli. 

sniiau. 

Anoboladiü.  amictoriü.  lineü  femi- 
narü  quo  humeri  operiunt^.  qd 
gr  &  lat  sindone  uocant. 

IN    LIBRO    RVTir. 

3,  2  Area.J  Denni. 

DE    PROLOGO   REGV. 

Coniectore.]  i.  ratiri. 
DeliBqui  he'Bmalachi  in.  1  a  t. 
regum  df. 

(Bl.  65')   I   Reg.    2,    14   cucuma.J 

cohcma. 
Fuscinula.j   crauuuil. 
2,  20  Fenus.l  viieddi. 

5,  9  extales.]  gro;?  darm. 

9,  7  Sistarti^.  proprio  sunt  nautarü. 
dict(j  qd  sint  sut^.  malaha  l  dasga. 

fo.'-soiiii. 

13,  20  Sarculum]  get  isarn. 

—  21  Tridens.l  greift. 
15,  12  fornix.j  suiboga. 
17,  4  Cubitusf  elafdra. 

—  Palm'.]  munt. 

—  6  Ocrea.]  beinbirga. 

—  7  Licetoriü.]  mittul. 

—  18  Formella  casei.J  forinii^zi. 
(Sp.  2)  II  16,   1   Alligaturis.]  han- 

gilla. 
1  6,  8.  11.  15  Capselia.]  capsilin. 

DE    PAJRTE.    U.    SAMVEL- 

(Bl.  660  II  Reg.  15,  31  Infatua.]  bi- 
dubili. 

spriu. 

—  17, 19  Pthipsane  grecü  nom  est. 

—  28  Stratoria.]  beddiuuadi. 
Gemineus.j  gizuinelo. 


394 


A.  HÜLDEK 


(Sp.  2)  DE    PARTE.    III.    IIEGV. 

stciuoD. 

6;,  7  Dedülatis  lapidib;]  gimei^zotcn. 

5^  15  latomi.]  me^zon. 

6^  8  Coclee.]  scala. 

6;,  18.  29  C^latura.]  irgrabida. 

—  36  lapidis  politi.]  gime^t^ot. 

uuy,zi. 

7^  17  reciacula.  i.  retinacula. 

—  24  lötriatarü.]  Vuieron. 

—  26  Grossitudo.j  thikki. 

labet. 

—  Luter.]  uas  aeneü.  XL.  batos 
capiens.  alii  endo  dict'. 

—  30  Axis]  ahsa. 

luiii. 

—  Humeruli.  qui  in  extremitatib; 
axis  fiuut.  ne  de  eo  rota  labatur. 

—  33  Radii.]   .speichiin. 
medioli.]  nabun. 

(Bl.  66"^)  1,  40  Scutrej  bahuueigon. 

—  49  Forcipes.]  cluuui. 

—  50  Fuscinula.]   crouuil. 

—  Mortariola.]  morsari. 

leudil. 

8^  19  Renes.  Ilia.  lanea. 
9,  11  de  tilia.]  linda. 

amballa. 

(Sp.  2)  17,  12.  14.  16  Lechitü.  uas 
custodiendi  olei. 

19,  10  Zelatus  sum.J  andoda. 

20,  14  Pedissequus.  pedestris.] 
uendo. 

—  42  Furibundus.]  Vuadeuder. 

DE    LIBRO.    ini.    REGVM. 

3,  25  Fictiles   muri.]  i.    thabine.    \ 

lignei. 
cü  funda]  sleugira 

(Bl.  67")  Cucurbita]  curbi^ 

cropli.  coi.  coUimbain. 

6,  25  Cabistircoris.  uacui  inanis. 
und  am  linken  Rande:  Alt  über 
die.  Quarta  pars  caui  stercoris 
columbarü. 

9,  35  Caluaria.]  gibilla. 

13,  7  Tritura.  are^.]  flegilunga. 

(Sp.  2)  19,  28  camum.]  chain. 

21,  6  Ariolatus  est]  gaugeleda. 

22,  14  in  scda  hierusale  intra  ex- 
teriore    murü.    qui    ad    augendä 


ciuitate  f'nct'.  e.]  antbemu  uore- 

burgi. 
•/• 
23,  11  Exedra.    absida.  locus   sub- 

selliorü   latinü    est.  &  gr  cyclon 

•/■ 

dr.    und    am    rechten  Rande:   cu 

circulo  facta,  thuereb  hus.  1  loc' 

ad  sedendum. 
25,  14  Trull(j.]  drugula. 

—  Tridens.]  greifa. 

IN   LIBRO  ISAIE   PROPb. 

1,  8  tuguriü.]  huttia. 

Cucuraeres  a  terra  sunt  ort§  ad  si- 

militudine    peponü.    i.     raelonü. 

pedeuon. 

—  18   Coccinum.     rubrü]     gelan. 
kruago. 

—  22.  25  Scoria.]  sinder. 
3,  20  Olfactoriola.]  disoma. 
(Bl.  67^)  7,  4  Ticio.]  brant. 

—  25  Sarculü.]   spado. 

(Sp.  2)  19,  6  Juncus.]  binu^. 
28,  25  Vicia.]  uuicca. 

hirsi. 

Miliü.]  milli. 

27, 3  Propinabo.]  sceukio.  &  e  uerbü. 

28,  25.  27  ciminü.]  smalsad. 

33,  21  Trieris.  durco.  uauis  magna. 

i.  kiolmigua.  hebreus  sermo.  .e. 

i.  mixtura. 
(Bl.  68^-  Sp.  1)  34,  13  Vrtice.]   ne>;- 

zilon. 

—  Paliur".]  thistil. 

—  14  Lamias.]  agengunt. 

38,  21  Cataplasma.]  i.  plastar. 
41,  19  Buxus]  bubsboura. 
44,  13  Circinus.]   circil. 
(Sp.  2)  —  Runcina.]  ieda. 

(Bl.    68'     Sp.    1)    DE     LIBRO     HIEZE- 
CHIHEL    PROPHETE. 

(Bl.  69'  Sp.  1)  27,  19  Nundine.]  iar 
markat. 

(Bl.  69'    Sp.   1)    DE    LIBRO    DANIELIS 
PROPb. 

(Sp.  2)  14,  32   Intriuerat]    instun- 

geta 
DE     LiB    EivsDE    {nemlich    oseae 

PKOPfi.) 


DIE  ALTHOCHDKIITSCHEN  GLOSSEN  AUS  SANC'J-  l'ETEU. 


y>95 


\),  G.  10,  8  Lappa.  I  kleddo. 

DK    LIH    lOHEL    I'ROP. 

3,  10  Lio-ones]  seh 

(Bl.  70')  Di:    I.UJ    MICIIE  IMiopll. 

Ad  michoani  inorastiten.  inorastim. 
qui  usq,  liodie  iuxta  eleuthcro- 
polim  urbc  palestinc  liaud  gran- 
dis  iiiuculic;.  morasti  aüt  in  nrä 
lingua  berede  sonat. 

7,  4  Palinrus.]  distil. 

DE    LIB    SOPIIOXIE    riiOPft. 

2,  14  Ouocrotalus.j  horodubil. 
Nugax.]  bosiling. 

DE    LIB    ZACHARIE   PKOPfi 

hiiat 

Cidaris.  pilleus  sacerdotalis  ex  bisse. 

bunc   grcci    &   nos    tiara.    quidä 

etiä  miträ  uocant. 
(Sp.  2)  9,  15  funda.J  slengira 

(Bl.  70'  Sp.  1)  DE  LIBRO  BEATI  lOJ!. 

suacliit 

3,  18  Exactor.  qui  res  exigit. 
(Sp.  2)  8,  11  Scirp'.]  binu^. 
Carix.]   saherai. 

15,  27  Aruina.]  smero. 

18,  10  Decipula.]  falla. 
lB1.7rSp.l)  18,  8  Macula.]  masgo. 

8,  16  Humectus.]  fuhfinunga. 

19,  23  Librum.]  rinda. 

—  15  luquilini.]  in  knebda.  {lies 
inknebda) 

21,  33  Glarea.  I  grioi^. 

28,  15  Obrii^um.]  gismeli;it. 

(Sp.  2)  36,  30  Cardo]  ango. 

40,  13  Cartilagines.]  brustbeini. 
(Bl.  7r  Sp.  1)  40,   19.   20   Ham'J 

angul 

—  28  Frustrabitur.]  bidrogau  uuer- 
thit. 

41,  9  Sternutatio.]  ru/,  zunga. 

—  15  Incus]   anaboli^ 

DE    LIB    PSALMORV. 

(Sp.  2)  9,  7  Framea.  ex  utraq,  parte 
gladius  acutus,  qua  uulgo  spata 
uocant.  ipsa  est  &  romphea. 

(Bl.  720  34,  4  Reuereantur.]  interet 
uuerdon. 

(Sp.  2)  40,  8  Susurratio]  runi^unga. 

41,  3  Quando  ueniä|  uuanne  hie 
quome. 


43,  3  Ventilabimus. J  uuincuucre  fe- 

teraes. 

-  13  Cömutatio.]   uuehsal. 
—  25  Glutinü.]  lim. 
51,  4  Nouacula]  scarascah. 
(Bl.  72^)54,  24  Non  dimidiabimtj  ni- 

medel   scafFon. 

aK'nlthorn 

57,  10  Ramn'    est.    spioarü    genus 

a)ralciu 

pmolestü.  qd  prius  in  herbä  mol- 
lissimä  pubescit.  sed  ubi  adulta 
aetate  caluerit.  ramusculos  pro- 
ducit  acutissimos.  &  cius  dure- 
scunt  sudes.  in  arboream  firmi- 
tate. 

(Sp.  2)  68, 20  Reuerentia.]  inderunga. 

(Bl.  73'  Sp.  1)  77,  46  Erugo.]  rai- 
lidou. 

(Bl.  73^  Sp.  1)  101 ,  7  Pellicanus.  I 
sisegomo. 

(Bl.  74')  104,  31  Synifes.  musce  mi- 
nutissim^  sunt,  aculeis  pmoleste. 
quas  uulgus  uocat  ^In'^ilas. 

quattulon. 

104,  40  Ooturriices.  aues  paruae. 
similes  illis  quas  uulgus  quasqui- 
las  uocat. 

105,  28  Iniciati  sunt.]  heili^idun. 

106,  34  /.  Salsugo.  alia  editio.  sal- 
silago.  humor  salsus  e,  qui  fruc- 
tib;  probatur  aduersus.  quia  ubi- 
cüq,  dominatus  fuerit.  gram  fe- 
cunditatis  intcipit.  imd  am  Unken 
Rande  :  /.  Sul^a  in  paludib ;  a 
malitia.  propt  malitiä  habitant 
in  ea. 

(Sp.  2)  108,    11    Feuerator]  bisti- 

lihari. 
117,  13  Inpulsus.]  anagisto^aner. 

(74^)  127,  3  Nouella.]  nuuilendi. 

rSp.  2)  140,  4  Ad  excusandas  ex- 
cusat.] ?iur  sagenne. 

(75'-  Sp.  2)  Is.  38,  12  du  adhuc  or- 
direr]  girauuit.  vuurti. 

Aculeus  ango.  acerbitas  mortis, 

DE   PROLOGO   SALOMONIS. 

Prelum.]  pressiri. 


396 


A.  HOLDKK 


De  lila  qiie  heb  Diasloth.  grcci 
parabolä.  latini  prouerbiii 
uoc. 

(75n  7,  6  Cancellus.]  piliri. 

10,  5  Stertit]  ruzi;et. 

19^  24  Ascella]  ocliasan. 

20,  16  Fideiussor]  burigo. 

colbo. 

(Sp.   2)    23,    34    Clauus    est.    quo 

claiiiim  na^iit. 

regit"  nauis. 
25;,  8  Dehonestaueris.  j  interet  uuer- 

dis. 
27,  22  Ptipsane.J  sucus  prirorum  1 

uuir'i;. 
de  ordeo  fiunt.  polenta  &  ptipsana 

pfusü  aqua  hordeü  nocte  una  sic- 

catur. 
30,  15  Sanguissuga.J  egela  (g  aus  b* 
—    33    Emungor.]    u^snuzo.     inde 


snuzunga. 

emunctoriü. 

giplumor 


31,  22  Stragula.  uestis  est  diseolor. 

quae  manu  artificis    diuersa   ua- 

rietate  distingitur. 
De  ÜB  qui   hebf    coelech.    gl- 

ecclesiastes.  dicit^. 
10,  18  Contignatio]  ubartimbri. 

(76"")    DE    LIBRO   QVI   VOCATVR    CAN- 
TICA    CANTICORV. 

1,10  Vermiculata.]  giuuorinot. 

j  rien.so. 

(Sp.  2)  3,  9  Ferculü  lectum. 

4,  4.  8,  9  Propugnacula.]  brustuucr. 

DE   LIB    SAPIENTIE 

(76'  Sp.  1)  5,  24  Turbedo    uenti.| 
gidruabida. 

12,  21  conuentioues.  I  gi:^amunga. 

faso 

13,  4  Fuscus   {lies:  Fucus)    herba. 
tingendis  uestib;  apta. 

14,  11  ]Muscipulü.|  musfalla. 
coturnicum.J  quattula. 

14,  11.  19,  14  Kespectus   ex    f^erni. 

a  respicio.  respiceris.  firsio. 
<  "ipressus.  arbor  ciberissa. 
De   libro    ihesu    filii    Sarach 

qui   ecclesiasticus   dicitur. 
3,  13  Decus  turpe.]  honitha. 


5,  16  Susurro.J  runi:^ari. 

luiffo. 

8,  4  Strues.  congeries. 
(Sp.  2)  11,  32  Perdix.]  repliuau  (u 
aus  ti) 

12,  10  Eruginat.]   errostet. 

13,  3  Cacabus.]   cohma. 

14,  3  Liuido.]  blauue  mo. 
22,  21  inpeusa.]  spendunga. 

24,  19  Platanus.]  ahorn. 

25,  24  Saccus.]  hairra. 

27,  5  Inpcussura  cribri.J  riterunga. 
(77--  Sp.  1)    29,  29   Asseres.]    first 
scindelun. 

DE    PROLOGO    LIB    rAKALIPEME^'^''' 

Cornix.]  craa. 

(77'    Sp.  2)  DE    LIBRO    HESTER. 

fir   ebbita. 

2,  1  Differbuerat.  pcesserat. 

3,  8  Insolescat.]  ergeile. 

bara  fridara. 

8^  10.  14  Veredarii.  uehendo  dicti. 
qui  festinanter  in  equis  currunt. 
habent  pennas  in  capite.  ut  inde 
intelligatur  festinatio  itineris. 

spitz. 

10,  3  Obelo  i.  ueru. 

Lm.    11.    DE    LIB    TOBIE. 

1,  7  Proselitis.]  haga  stalt. 

<Uinc. 

(78'  Sp.  1)  2,  19  Textrinum  opus.  i. 
femiuarum. 

6,  4  Brantia]  kio. 

burssa. 

8,  2  De  cassidi.    de  sacello.  i  sae- 

kiula- 

ciperio. 

DE    LIBKO    EIVSDE    (iudith) 

10,  3  Dextraliola.]  arrailon. 

1    flasga 

—  5  Ascopa.  sirailis  utri.   Polenta. 

I    brocco 

Legumina.  Lapates.  oll^  minores. 

Hugnezi. 

—  19  Conopeum. 

—  Culex.]  cornix. 

(78'')  DE  LIBKO  MATHEI  EVANGELIST. 

3,  12  Ventilabrü.]  pala  uann'. 
(Sp.2)5,  31  Repudiüm.]  firdribunga. 

hleho  3"  custodia  ubi  iuscripta  fucnnil  <lc  e  ucrba  legis. 

1^79")  23,  5  Philacteria  carmina  l 
cantica  turpia  dicuntur. 


J)IE  ALTHOCHDEUTSCHEN  GLOSSEN  AUS  8ANCT  PETER. 


391 


23,  25.  26  Parapsis.  «^ebitn  I  cotin'. 
uJ  acet.'ibnifi  niaius.  Parapsis. 
quadrangulü.  c^  quadi'ilateiu  iias. 
i.  parib;  absidis. 

(Sp.  2)  DE    LII'.KO    MAHCl     EUANCEL. 

iiulnnimiiNl. 

(Bl.  79^)  7,  34  Effeta.  i.  adaperire. 

DE    L    LVCE    EVAN(i. 

3,  17  Ventilabrü  est.  quo  palee 
uentilantur.  id  e.   /'pala  uann'. 

iSp.  2)  15,  1(5  Siliq]  t  boletus,  bnli/,. 
16,  1  Diffamatus.j  bisprohhavi. 
(8O0  22,  31  Cribrarent.J  riderodin. 

DE    LIB    lOIIANN   EV. 

2,  14.  15  Trapezeta.]  muniz  ;;ari. 
(Sp.  2)  19,  2.  5  Purpura,  deindi  het 
follo  uariatü. 

{SV  Sp.  2)  DE    EPLA.   l.  I'ETRI    APLI. 

2,  18  Discolis.]  missituhtige. 

4,  9  Hospitales.]  gas  luome. 

(Bl.  81")    DE   EPLA.    I.    AD    CORINTfi. 

4,  15  Pedagogus.    pedestris.  uendo. 

12,  3  Anathema.]  firuua>;iiissi. 
(Sp.  2)  15,  8  Auortiuum]   uruuerpf. 

DE    EPLA.    IL    AD    CORINTHIOS. 

13,  2  Parcä,]  borgen. 

DE    EPL.    AD    EFFES. 

(Bl.  82'  Sp.  1)  4,  8  CaptiuitateTu.] 

elilentida. 
—  Captiuam.]  elilcnda. 

DE   EPLA  AD    PHILIP. 

2,  17  '; 

3,  7  Detrimenta.  däpna.  libar.  im- 
moler.  occidar. 

(Bl.  82''  Sp.  2)  DE  VIRTVT1P.VS  Al'lA)- 
RVM. 

Peluis.]  label. 
Basis.]  stollo.  scinka. 

Qomen.  ,iffo. 

Dorcas.  interpretat^  simia. 
Comparare.]  couffan. 
Scortator.]  huuarari. 
Assentatio.]  gehengida. 
Falx.]   sichila. 
Decuplo]  ^eanfalt. 
Stips.]  pruanta. 

corb. 

Sareofagus. 


Squama.J  sciiobba. 

Sarmentum.|  spali. 

apostaticus.]  ab  drun  niger. 

Preditus.  I  gioder. 

Prestrigium.]  ^oubar. 

Congelauero.]  Zisamene  gi. 

Deliro.]  auuit^^on. 

Giro.]  uinbikeru. 

resina.  e.  fliod.  &  sciffa  etharza. 

Infestatio.|  biuuillida. 

maritima.]  selih. 

Tristigium.]  solari. 

Scirpus.  I  binui;. 

Pauimentum.|  esdrih. 

(Bl.  83'-  Sp.  1)  Theatrum.]  spilehus. 

curruB. 

Carruca.]  carrub. 

Piscina.]  uuihiri. 

Formica.]  ameiz^a. 

Zaberna.]  malaha. 

Sponsio.]  erborgida. 

Mica.]  brosma. 

Incutio.l  Anasmidon. 

Fiscale.j  fisclih.  i.  uilla. 

Rubeta.  bofo.  krota.  rana  inquieta. 

musca  uenenosa.]  fliega. 

Terebro.]  boron. 

Pulli.]  huaner. 

Ferio.  ferias.]  uiron. 

(Sp.  2)  Coniono.  as.]  digon. 

Hydrops.]  uua:^arkalb. 

Verenda.j  heidrosi. 

Thussis.]  huasto. 

Citerior.]  gendra. 

Pincerna.]  scenko. 

Cementü.]  balstar. 

Sugillo.]  erdempfu. 

Lanx.]  bahueiga. 

bad. 

Therma.  ag§  binige. 

Lentum.]  horo. 

tus.  p  partes  mollitus.]  giuuichiter, 

Arteria.]  senadra. 

Matrona.]  idis. 

Nümularius.]  muni2;ari. 

Colobium.]  godeuuebbi. 

Scandalia.]  girumi. 

Amentum.]  la^. 

Lunatic'.]  manuduuiliger. 


398 


A.   HOLDER 


Kurba.  1  tiirca.  Fuligo.]   ruaz. 

Stips.J  bisanct.  stoc. 

Ablactatus.J  intuueniter. 

(Bl.  83^  Sp.  1)  Fantasia.J  drugida. 

Profectio.]  fuara. 

pannis.J  loderon. 

Fiscus.  I  lisc  Camera 

iiscus.]  lim. 

Couflictus.]  baga. 

Scrinia.  capsa.  Caps,  kefsa. 

DE    SCo    MARTINO. 

Detrimentü.]  ungifuari. 
Pannonii.]  huni. 
Sibaria.  cisibarii. 

(Sp.    2)  Vertigo.]     suindiluduiuntes 

briit. 
Cultro.]  sahse. 

duacli. 

Peniculum.  genus  pallii. 
Parisius.]  peris. 
poculare  uas.]  kennili. 
Coüieere]  radisson. 
Calceis.j  scoon. 
Incude.J  anabolz. 
Secretarium.]  sigindri. 
Pesculum.]  grindil. 
Toga.]  selecho. 
Tolose.]  tul 
tugurium.]  liutta. 
detrimentum.j  ungifuri. 

(Bl.  84^  Sp.   1)  Gallo,    i.    lac.   inde 
dicunt"  galli.  a  candore  corporis. 
Carica.]  figon. 

kot^o 

Byrrum.  kottus. 
Lacerna.  genus  pallii  timbri. 
Fuco.  obscuritate.  inde  color  fusc. 
Fiscalis  reda.  dorainicalis  equitatus. 
bära. 

sitelosa. 

Ritudula.  serua  sine  ritu. 
Pessuli.  grindila.  ^'="*'''" 

salmo. 

Esox.  genus  piscis. 

ofe.  Icne. 

(Sp.  2)  Eulogio.  benedictione. 
Absis.  Caps.  i.  qd  circa  alt. 

DE  SCO  SEBASTIANO. 


scrmius. 
Süerent. 


camerari. 
siuuidin. 


ungula.]  uagal. 

DE    SCO    DIONISIO. 

Bitalas  simore.  talassis.  """ 

cer  \  conscius  secretoru. 

Simmestes.  conseci'etalis  consa.  \\ 
(Bl.  84''  Sp.  1)  Questus  sum.]  kla- 

geta. 
(Sp.  2)  Lutecia.    parisiorü.    ciuitas 

parisius. 
Catasta.  genus  pen^  aculeo   simile 

Irämon. 
Sequana.]  sigana. 
Campana.]  glogga. 

DE    PASTORALI. 

Queritur.  arguit.]  klagot. 

Mola   asinaria.    mola   asine.]  mulin 

sten. 
Cellas.  Cameras.]  luhhir. 
(Bl.  85''  Sp.  1)  Pertinax.]  eiustridih. 
Gybbus.]  houaradi. 
Lippus.J    bodanbrauui. 
Impetigo.]  ^itdruas. 
Ponderosus.]  holiter. 
Hebetes.  inutiles.]  dumbe. 

afftü. 

Pupill^,  rotunditates  oculorum. 

Palpebra.]  slegibrana. 

Grossescunt.]  gro^zent. 

armum.]  buag. 

Bistincto  cocco.  ^uirogiduncot. 

uermiculus.]  uuormo. 

Mala  punica.  afFricana.]  ephili. 

Boui  trituranti.]  riderendemo. 

In  libris  moralibus.j  sidelichen. 

Laterem.]  :?iegelon. 

Frixura.]  rostunga. 

obtrectatio.]  bisprachida. 

Derogant.]   bisprehhent. 

Fascinauit.]  bi^ouberata. 

Ostentare.]  ruaman. 

(Sp.  2)  serio.J  skirno. 

Duplicitas.]  :^iuusgili. 

ericius.]  igil. 

Pila.]  stok. 

Pilus.]  stamfiri. 

Tipsane.]  hirsi  spriu 

Stagnum.]  ein. 

plumbum.]  bli. 

Digestum  uinum.]  fideuuit.  (siel) 

repo.J  slichu. 


DIE  AI.THOCHDEUTSCHEN  GLOSSEN  AUS  SANCT  PETEK. 


:5H9 


Venalis. I  k<jui  lik 

Saceulum.|  secUil. 

pertusum.|  bistozi^au. 

Desipisco.j   intuuizo. 

terit]  i^ispizit. 

Haducei.  Dissensio.J  ungi7,uiit. 

Galaad.  aceriius    testinionii.    liuflu. 

Debrico.]  or  drenko. 

Tignus.]  sparro. 

Resarcio.j  uidarsiiiui. 

Conglutinata   est.]  z;isame   negiran. 

Diliniü.]  gilindi^u. 

Volutabrum.]  Viial  z;unga. 

Culix.]  mngga. 

Menta.]  niin^a. 

Anetum.j  dilli. 

Propino.]  stenko.  {lies:  scenko) 

luctor.]  ringo. 

drauua.     V  intellect'. 

Animaduersio. 

DE    REGVLA    SCT    BENEDICTI    ABBAT. 

(Bk  85"  Sp.  1)  cap.  11  Temperius.] 

gi^itor. 
(c.  23)  Contumax.j  frazorer. 
(e.  40)  Apostatare.  I  narri^^an. 
deuorator.]  fva./,. 
(c.  55)  cuculla.]  offena. 
Pedules.]  fuaz;  duocha. 
Obstinatus.]  absturniger. 
Zelotipus.]  bi^ihtigei'. 
suspiciosus.[  firi  uuis;  ger  uer 

abscelli. 

(c.  65)  Absurdum,  coutrarium. 

DE   DIALOGO. 

Calicula.]  soc. 

Capistrum.]  halef  dra. 

Plelum.]  stampf. 

Camisa.]  hemitlii. 

Merola.]  amasla. 

Tortitudo.]  krumbi. 

Siliquas.]  eichelon.  bulii^a. 

Curialis.]  spragman. 

Sago.]  fil^.  lachan. 

Spatarius  armiger.]  suerdrago. 

Tripedica  stuak  ubi  uasa  ponunt". 

Conicere.]  radisson. 

Surix.l  mus. 


euaneo.]  uarsuindu. 
Inposterü]  hindiriu. 

(Sp.  2)  Vuanga.  I  hoiimia. 
(Jscito]  ges  kou. 
Clauus.|  nagak 
Clauis.J  slui;/,ik 
inanrus.]  mor. 
Armentarius.]  sueigeri. 
Vulgär,  popularis.  bulgari. 
Latercula.]  scindela. 
Teguia.]  latta. 
(Jassari.J  negagan. 
Säbana]  saban. 
Eunuchizare.J  füren. 

VERSVS    SEQVENT. 

Minito.  mino  Idithun.  asceusia  tran- 
situs. 

(86'  Sp.  1)  Craticula.]  rost. 
Lippitudo.]  bodil  brauue. 
Rimula.]  runcilo. 
Avniila.]  armboug. 
Pusio.]  ^eizo. 
Vagiens.]  uueindi. 

INCIPIVNT    CAPITVLA    LEGIS     RIBVA- 
RIAE*). 

aste 

Ramo.]  rise. 

l  totide 

Dilatura.  quod  longe  est  qd  n  psol- 

uitur.]  laiscat. 
Sonestis.  stuat  rura.  suanus. 
Scrofa.J  SU. 
cü  uerre.]  ber. 
Festuca.]  halm. 

comitatu- 

Tangano.  Ducatü. 

inenan. 

Mannire.  bannan.  Legitimara  strude. 
Taxaga.  iudex,  fiscalis. 

cigistfTtanne 

Strude.  distructionem. 
Spata.  cü  scogilo.  mahak 
Fideiussor.]  burigo. 
Sunnis.  legalis.  necessitas. 
Beneficium.]  lehan. 
Interciauit.]  anafangeda. 
Bauuarii.  loriei. 


*)  Diese  Glossen  zur  Lex  ribuaria  sind  von  Graff  Diiit.  I,  S.  .341  f.  herausgegeben. 


400 


A.  HOLDKR 


Conmorsu.]  gibeizdan. 
Inconuulsum.]  uneruuendit. 

h 

Truitis.j  druin. 
Retorta.]  uuid. 
Cappulauerit]  firhou  uuid. 
Cambortus.]  etar. 
Traue".]  stigilla. 
Scrutinium.J  hussuacha. 
Vicarius.  uicedomnus.  1  uogat. 
Conuca.]  quenela. 
Idonea.]  giuuaroda. 
Multa.]  glet. 
Arte.]  roth. 
Butina.]  lach. 
Mutilifactfj.]  marcsteina. 
Lit'.]  la:^. 

Emunitas.J  hantfeste. 
Balista.]  siengira. 
Lacina.]  uuegeuuahda. 

Standente. 

Lacata.  matr.  MentonaHs. 
Fissa.]  gispaltan. 
Decorticatum.]  biscindit. 
Coleb.     Inclida.     biscilbit.      Parri- 

cum. 
P^xcorticauerit.]  biscindit. 
Affatimire.  |  ^igifadimanne. 

Alodibus.]  (Sp.  2)  proprietatib; 

{ST  Sp.  2)  DE    CETERFS    VICIIS. 

Vadat^.]  erborgeda. 

(87"  Sp.  1)  DE  TROPIS. 

Catacresis.     scdm    iudiciü.j    i.    an- 

dari. 
Torrere]  bachan. 
Testudo.]   scerdifedera. 
Incipit  ars  donati    gfamatici 

urbis  roratj. 

(SS'  Sp.   1)  DE    QVALlf. 

Nepos.  neuo.  k  luxuriosus. 

Aries.  animal  quadrupedfi.  et  siguü 

in  c^lo  et  petherari. 
(Sp.  2)  Palpo.]  greifari. 

DE    GENERE. 

Porrum.]  porro. 


Cephas  di-  Caput,  inde  cepe.  surio. 
Forü.]  marcat. 
(88^)  Sinapi.]  sinaf. 
Pomilio  nan'.]  giduerg. 

(Sp.  2)  DE    QVALITATE. 

Sorbillo.]  suffo. 
Sugillo.]  sugo. 

nuanco 

Vacillo.  uagor  mebris. 

(89')  DE   PARTICIPIO. 

a  tuendo.]  scirmto. 

DE    PREPOSITIONE. 

Expresse.]  erracto. 

(Sp.  2)  PRVDENTIV'    INCI?   CARM. 

Incip  HB  catemerinon.  carm 
consecrationü  siue  coti- 
dianü. 

(89''  Sp.  l;  :3,  26  Ederas.j  ebachi. 

53  Pampin'.]  blat. 

54  Palmes.i  thona. 

63  Siliq.]  fesa. 

66  Mulctra.]  melcubilin. 

kenioD. 

93  Resonä.  94  caueara  inore. 
Asclepiadeü  ab  asclepiade. 
pcitata.)  erhauenerit. 
(Sp.  2)  Anacreontiü.  ab  in  ueu- 

tore. 
6,  27  Feriatum.]  gifirat. 
Archilogicü.  sümiloquü. 
1,  63  Seta.]  bursta. 

—  Lanugo.]  ascorunga. 

—  73  notas.]  Inzihti. 

—  79  Metallum.J  zimbar. 

—  119  Molares.]  kinni^eni. 

—  153  Inpexa.]  ungistralit. 

lachaii 

—  157  Lena,    palliü.    indumentum. 

—  165  Papilla.]  brüst. 
Adonium  ab  inuentore. 
8;,  42  Lappa.]  kleddo. 

43  Sudes.]  stekken. 

44  Carduus.]  distil, 
59  Crate.]  hurt. 

9,  65  Obstacida.  I  in  gegen  sta- 
nunga. 


DIE  ALTHOCHDEUTSCHEN  GLOSSEN  AUS  SANCT  PETER. 


4<)1 


(90'  Sp.  1)  9,  74  Obi'ce.  uccte. 

9,  102  Glutinü.]  lim. 

Deueteri  testamento  &  nouo. 

Scyphus.J  urcil. 

Parapsis.|  ii^inari. 

Tinxit.]  2;eheta. 

pi^omata.]  questa. 

Regina  austri.  mcrca. 

Lanx.J  uuaga. 

Incipit     über     apotheosis. 

id  est  dediuiuitate. 
Praef.  9  Diuortiü.j   thanake  runga. 
18  Pruriat.j  iukke. 
24  plectil,]  gifloh  tan. 
26  Versipelli.]  uuandalhuti. 
uersutie.]  glauui. 
39  fax.  facula, 
54  Recreraentü.j  spriu. 
Lolin.]  radau.     (hanaart.  216) 
(Sp.  2)  145  Thiara.]  huuit 
162  Obses.J  gisal. 
199  Mola.j  quirn. 
210  Spera.l  polum. 

ab  elefante 

Bard.  stuttus. 

343  Surcul.]  z;uig. 

430  Get^.]  gothi. 

433  Mauri.]  mori. 

464  Culter.]  me?  2;ei'es. 

484  Frustrator  {lies  :    Frustratur).] 

bidrugit. 
523  Fornix.]  suibogo. 
592  Pusio   ndum  n   nat   infans    df . 

pusilin. 
(Bl.90^  Sp.  1)  686scatebras.j  quellon. 
719  ßesudat.]  sui^ta. 
—  Crud.]  rauuer. 
725  Ruder.]  aru^z. 

DE   NATVßA    ANIME. 

816  Linia.]  linna. 

826  Oblita.j  biklenan. 

827  Pessü.]  male. 
Flabrum.]  uuinda. 
natural.]  anagiboran. 
1040  Quorsü.]  uuarasun. 
1046  Destituit.]  /\  sa^  7,a. 

tendc. 

1088  anafeh. 

GERMANIA.  Neue  Reihe  X.  (XXII.  Jahrg.) 


U«  orlginc  poccatnrum. 

iNCiriT    AMAKTIGENIA. 

16  Sarculü.]  getisan.  1  eelo. 
(Sp.  2)  82  (Jonieetare.l  radisßon. 
97  Examina.]  .suarma. 
138  Neruos.l  seneuuon. 

140  Plagis.]   magon. 

144  Anfractib;    curuis.    circuitioni- 

bus.]  ^ibrochi  don. 
207  Suppellex.j  gi^auua. 
216  Culta.]  gilenti. 
228  Brucus.]  keuera. 
233  Cicuta.]  scerning, 
404  Incerat.]  uuahsit. 
267  lacinthis  .sutilib;]  iachenton  gi- 

giriget. 
271  Calculus.  Concharii.  qui  sumi- 
tur  a  conchis.]  musculon  inraari. 

293  Plectitur.]  gikerait. 

294  Versicolor.]  raissiuaro. 

295  Indumenta  plumea.]   giplumet. 

peregrine  odore.  hisemo.  (('>»  •  bisemn) 

295.  296  Peregrino  puluere. 

298  Vegetamina.]  fouronga. 

303  Fotib;   nutrimentis.]  boungan. 

305  Dotes.]  pdia  eigana. 

308  Pupula.  pupilla.]  seha. 

322  Ganeo.]  slinto.  glutto.]  fraz. 

uestibnlnm 

368  Proseema.  {lies:  Proscenia)  as- 

furikclü. 

cena. 
397  Obtrectatio.]  bisprachida. 
410  Casside.]  helme. 
(Bl.  91'  Sp.  1)433  Limes.]  marc  sten. 
434  Manica.]  menichilo. 
444Limat.]  filot. 

ziegelou. 

465  Limo  &  paleis. 

477  Botria.]  drubo. 

480  Lutius  {lies-,   lituis).]   ludihoru. 

489  Aries.]  peterari. 

492  Propugnacula.]  uuihhus. 

ferio. 

502  Charon  mundi. 

634  Vendat.]  fir  coufe. 

636  Fornix.    suibogo.   ubi  Inpanar 

erat.  \  arc'  triumphal. 
667  Argumentü.]  urthanca    heretic. 
748  Menta.]  kinni. 

26 


402 


A.  HOLDER 


(Sp.  2)    760  Forum,    mercatü.]    1 

angar. 
761  Propolas.]  hutten. 
810  TortQ  set^.]  funna.  masga. 
848  cöpes.]  thruth. 
869  Specculü.]  seha. 
—  Concreta.]  girunnida 

872  palpebralib ;]  slei  brauuon. 

873  setis.]  haron. 

pupilla. 

874  Papula.]  seha, 

920  Notabit.]  fucurascit. 

942  Luxus,  i.  luxuria.]  getilosi. 

(B1.9rSp.  1)  950  Specubus.]  holon. 
957  Castrata.]  erfurit. 

INCIPIT    PSYCHEMACHIA. 

Praef.  31  Buculas.]  cuauui. 

LIBIDO. 

66  Matrona.]  idis. 
79  Glute.]  lim. 

(Sp.  2)  126  Torax.]  brüst  roch. 

137  Capulum.]  lielza. 

140  Cassis.J  heim. 

148  Pudendi  decoris.J  sconi. 

153  Rasile.  Cicatrix.  ulcela. 

SVPERBIA. 

186  carbasea.]  segelahti. 
191  Lupatum.J  kämindil. 

HVMILITAS. 

216  Ridiculum.]  gamanlih. 
236  Friuola.]  bosa. 
249  Stipula.]  halm. 
255  Vmbo.J  rand. 

LVXVKIA. 

311  Prodiga.J   ferliesa. 
316  Mareida.]  uuelku. 

323  arundo.j   ^ein. 

324  Neruum.]  sineuua. 

325  Amentum.J  la>;o. 

336  Axis.]  naba. 

337  Radiorum.]  spei  cheno. 

quecsilbar. 

.339  Electrum    obri^ura.    ubarguldi. 

sc.  itoru. 

343  Genearü  (lies:  Ganearura.)  de- 

Imzisfo  (dVs  :   liazisso) 

uoratricü.  1  guldi. 

SOBRIETA8. 


355  Vernantes.j  gruanente. 

358  Mitra.]  huat. 

369  Cyatus.]  stouf. 

377  Crapula.]  ubaraa;  ^i. 

426  Offa.]  bi^zo. 

435  Sistrum.]  ludihorn. 

440  Peplum.J  oral. 

448  ( *rinalis  acus.]  spinela 

449  Fibula.]  nusca. 
Strofium.  reuersio.]  uuindila, 

AVARITIA. 

(Bl.  92^  Sp.  1)  459  cruminis.]   se- 

kilon. 
460  Fiscos.]  sekki. 
463  Vngues.]  krouuila. 

RATIO. 

526  IVIoneta.]  muni^^a. 
532  Parapsis.]  sulz  kar. 

a  firunazan. 

Anathem.  alienatio.  pditio. 
567  Manicis.]  handruhin 

OPERATIO. 

582  Loculus.]  ek  kil. 

583  Foenore.J  erlehnunga. 
594  Palpitat.J  ^abelota. 
620  Venalib;]  fircof  lingen. 

CONCORDIA. 

645  Victrices    aquilas ;    signa.]    in 

quib; 
653Calx.]  calc 
658  Plectrum.]  ^idarpin. 

665  Castrensis  porte.]  her  eherclil. 
(lies:  hereberclih). 

666  Bifori  cord  (lies :  cardin  e) .]  duro. 

DE    FIDE.    ET    CONCORDIA. 

728  Statioues.]  heriberga. 

744  Vela.j  segela. 

745  Stertens.]  ru^  ^enti. 

(Sp.  2)  DE    FIDE. 

826  Harundo.  ptica.]  rouda. 

835  Dolata.]  erholot, 

(Bl.  92^  Sp.  1)  872  Concha.]   labol. 

(92'')  PRVDENTIVS    CTRA    SYMMACHV. 

I  16  Tabeutis  uulneris.]  eit  tergiu. 

DE   lOVE. 

(Sp.  2)  63  Olor.]  elbi^. 

65  Pessulus.]  grindil, 

66  cuneus]  uueggi. 


guntfanon. 


DIE  ALTHOCHDEUTSCHEN  GLOSSEN  AUS  SANCT  PETER. 


403 


DE  MEKCVKK). 

97  Incantare.|  bi^oug  «olau. 

DK    rUIAI'O. 

PQnis.J  giniath. 

DE    MBKO    QVI    ET    HACRVS. 

128  profudit.J  big-oj;. 

130  Celindros.  uirgulas  clepalmito.] 

uuinton. 
157  Fiinctis.  clefunctis.|  ginu^i^iclcn. 
(93'' Sp.  1)  Vnde   error  ualuit- 
204  unguento.|  smalj;  zc. 

DE    SIMVLAC    AVGVSTI. 

(Sp.  2)  259  Vitricus-I  stiffader. 

260  Priiiiguus.]  stief  sun. 

269  Venustas.]  kusgi. 

De  cultura  solis.  Sol  est  unü  si- 
dus.  VII.  planetarü  quQ  in  aera 
pendent.  l  natant.]  suebont. 

349  Trabea.]  gi  garuuui. 

scdes.  aprabhus. 

—  Sella  curul 

De  cultura  lunQ  qua  &dianä 
dieunt. 

bilunkulat. 

(Bl.  93^  Sp.  1)  421  Hebetat,  hebe- 
tes  facit. 

bitiinktilat. 

426  nimbosa    elementa.   tenebrosa 

idola. 
433  nugas.J  bosa. 

438  Lamnis  enis.  aeneis  läminis.] 
blekkot. 

439  Lima.]  fila. 

440  Scabra.]  Iah  hahti  rost. 

1  fieri 

459  inmanes  ppü. 

DE   POTENT   CRVGIS. 

transactis. 

467  Transmissis  alpib ;  elboli. 

suftunga.  conducta. 

480  Suspiria  conuexa. 

515  Fossis]  grabon. 

(Sp.  2)  D  e  s e n at u  s   c u e r s i o n e. 

575  nugis]  bosou- 

D  e  er  edulit  pleb. 

scerntinga 

631  Mimica  sollemnia. 
D  e  sedulio. 

binazter. 

Irrecit'  {lies:  irretitus)]  tentus. 

prediiim. 

3  Patrimoniü.]  alode. 


Supciliu.  supbia.j  uuintbra  auia. 
22  Niliacis     biblis.     nilus     fluuiuK 

in  <|iiit) ;  Kcribcljal  ' 

egipti.  ipse.  ö.    &    geon    in    quo 
nascit^  paffur. 
45  Labrusca.J  haneberi. 

(94'-  Sp.  1)    180  Obrita    (//e.s-:    Or- 
bita).] uuaganleisa. 

278  Violaria.]    ubi    uiolo    st    herbi. 
lara. 

279  Cardu  {lies:  Carduus).]  cardo. 
Paliurus.l  distil. 

285  Tholus.]  rouhhus. 
II  127  Lanio.]  mCi^elari. 

182  arista.l  ehir, 

210  pinna.j  uuintberga. 

DE   LIBRO.    II. 

ni  47  Cimba.]  flat  scip. 
98  Scapula.]  scultira. 

CGptus  la  mo.r. 

183  manc'.  raanube. 
235  uitreos.]  glesin(\ 
277  Liclm'.]  cari;. 

Turgida.  tumida.]  ^iquebit.  (bajtfh) 

DE   LIBRO.   in. 

V  24  Linteolü.]  saban. 

41  Pactus.]  uuiniscaffender. 

43  Nomisma.]  muni^a 

63  Sudes.]  stekko. 

138  apostata.]  abdruninger. 

156  Falx.l  segesna. 

Falcicula.J  sichila. 

165  Coccus.]  krilago. 

215  Setiger,  setas  gerens.]  brustun. 

Abustus.]  gibra  tan. 

SEDVLIVS    DE    GRECA    (C  auf  rad.    G). 

Seaturire.]  quellan 
Sponda.]  boctibret 
Oerea.]  beinberga. 

socka 

Vdones.  pedela. 

(Sp.  2)  Braga.]  broah. 
patella.]  panna 
Frustellü.]  stuk  kilin. 
Lucanice.  lupini.]  figbonun. 
Norma.]  rigilstap. 
Greta.]  crida. 
Lardum.]   spek 

26* 


404  A.  HOLDER 

Taberna.]  taberna  (b  aus  u)  Satyra  proprie  dr    scutella.  om- 
Sacrarium.]  sigitari.  nib;  ciborü  generibus  referta. 

Liqmen.]  smar^.  (Sp^    2)    Ledo.    ledonis.     Recessus 

Gobio.]  cresso.  maris*). 

Anguilla.]   al.  Malina.  raalin§.  Accessus  maris. 

Tructa.J  forchna.  Conigastus.    propriü    nomen  homi- 

Caulos.  Brasica.]  koli.  j^is^ 

Nucleus.j  ker  no.  Trigguilla.  propriü  nomen  hominis. 


budin. 


Apolitario.  cuba.  &  doleu.  (95"^  Sp.  2)  Curia,    sprekhus.    inde 

Forpex.l  scara.  ,        ,.      fawistoias. 

Poples.]  kniredo.  ^^^^>^«  dicuntur. 

librans.  legal]  ufuuani^enti.  (99^    Sp.    2)    Curiositas.|    fkuukz- 

cambota.J  krucka.  Stigidos.  kfruk^") 

cunis.  cunabulis.j  uuaga.  satisfaciens.]  kfub  gpnif 

Scotica.]  geisla.  liqueor.j  pffbnbkn"*). 

Licia.]  üz,  ^a.  nauseo.f  mkrxxkllpt  *). 

(94''    Sp.     1)      INCIPIVNT       GLOSAE       DE  aperio.  rbchkspu/^ 

DivERSis  avctorib;.  Enucleo.  sereno.  {lies:  screo). 

Codex  membranaeeus  catenatus  der  Großherzoglicheu  Hof-  und 
Landesbibliothek  in  Carlsruhe,  106  Blätter,  335°""  hoch,  235  """  breit, 
in  Holzdeckel  gebunden,  besteht  aus  drei  verschiedenen  Handschriften: 

1.  Bl.  1  und  2;,  ein  Unio,  in  2  Spalten,  Ende  des  10.  oder  Anfang 
des  11.  Jahrhunderts,  lateinisches  Glossar;  S.  1"^  auf  den  vorderen 
Deckel  angeklebt;  1'  beginnt:  Adam.  homo.  Adir.  urbs  qua  expugna- 
uit  hiesus  rege  illius  interfecto.  Ademe.  intribu  neptali.  Ader,  grex  u, s.w. 
Bl.  2"  schließt:  Beelfegor  qd  intptatur  simulachrü  ignomini^.  Est  aüt 
idolü  moab  cognomento  baal  super  monte  fogor.  que  latini  priapü 
uocant.   Et  de  hoc  inlibris  hebraicarü  questionü  plenius. 

2.  Bl.  3 — 61,  fünf  Senionen;  in  je  2  Spalten  beschrieben,  58 — 61 
sind  leer;  das  auf  61  folgende,  fol.  51  entsprechende,  Blatt  ist  ausge- 
schnitten. Lateinisches  Glossar  aus  dem  15.  Jahrhundert;  vgl.  H.  Usener, 
Khein.  Museum  für  Philologie.   N.  F.  24,  388«).  Anfang  f.  3'^:  A  litt'a 

id^o  inomib;^  ligs.  Schluß  Bl.  57"  1.  Spalte:  Zo^im  dict'^  uiuax  inuidus  | 
fap.  0  deus  o  criste  quo  über  explicit  iste.  Dann:  Hie  est  defcüs  1  una 
colüpna  1  ponat'^  ubi  iuei*^  tale  signü  8-jj-O  |  Colliriü  df  uncco  fcä  ad 
det^gendas  feces  oclorum  .  .  .  Ende  von  Spalte  2:  Comesso.  as.  s,m 
qd   ueit   ab    ultfo    supio    d'r    qmedi.    dis.    qd  e  cömesum  "]    qmestü   dr 


')  Vgl.  Beda  de  temp.  rat.  29:    et  crescentes  quidem  malinas,  decrescentes  autem 
placuit  appellare  ledones'.  Glossar,  cod.  Bitixell.  10859  fol.  16"  col.  2:  Dodrans.  Ledoii. 
id    inflatio    maris.    Gloss.    anglosax.   Bruxell.  1829  fol.  50"^    col.  2 :    Ledo.    nep    flod. 
')  =  fiuaizkemi.  ^)  =  otfan  bin.  ^)  mir  Jiuillöt.  ')  =  rachisön. 


DIE  ALTHOCIfDKUTSCHEN  (iLOSSEN   AUS  8AN0T  PETEK.  405 

treqlir  9med'e  u.  s.  vv.  bis:  aic  cömedo  q,  <"  cöpoitum  ab  edo  ht  dup'  su- 
pinü  qmesü  q--  cömestum. 

3.  Bl.  62—106;  92—100  sind  fünf  Quatcrnionen ,  101  —  106  eine 
Ternio ;  aus  dem  Ende  des  zehnten  oder  Anfange  des  eilften  Jahrhun- 
derts (nicht  aus  dem  neunten!),  zweispaltig.  62'  roth:  gl(^sae  divin<v 
KVM  LiHRORV.  |  DE  PROLOGO  LiBRi  GENESIS.  Darunter:  Prologus.  plocutio- 
proemiü.  id   iniciü   dicendi.    psagiü.   pscientia.   Pentatheucü.  v.  librorü. 

siiffocationcDi 

suggillatio.  erthempuuga.  Die  altdeutschen  Glossen  ,  welche  theils 
im  Texte,  theils  darüber  zwischen  den  Zeilen,  theils  am  Rande  stehen, 
hat  zuerst  E.  G.  Graft  Diutiska  1  (1826),  S.  341  f.,  II  (1827),  S.  167 
bis  188  (vgl.  Morgenblatt  1825,  Nr.  297)  ausgehoben;  Glossen  zu 
Prudentius  trug  er  in  seiner  Zusammenstellung  ebd.  11 ,  308 — 355 
nach.  Nachlese  hielt  F.  J.  Mone  in  seinem  Anzeiger  für  Kunde  der 
teutschen  Vorzeit  V  (1836),  Sp.  229 — 234.  Da  beide  Herausgeber 
theils  zu  wenig,  theils  zu  viel  —  Mone  mischt  viel  Undeutsches  ein, 
wie  tristega,  tricamerata,  pinnula,  ticio,  mutiret,  esto,  agenc  (lies:  age 
nunc);,  toreuma,  uastor  natile  (lies:  uas  tornatile)  —  und  das  Gebotene 
mehrfach  unrichtig  gegeben  haben,  hielt  ich  es  bei  dem  hohen  gram- 
matischen Werthe  dieser  Glossen  für  gerathen,  eine  neue  getreue  Ab- 
schrift derselben  zu  veröffentlichen,  eine  eingehendere  Besprechung  an 
einem  anderen  Orte  mir  voi'behaltend. 

Eine  Untersuchung  über  den  Lautstand  dieser  Glossen  und  deren 
Zusammenhang  mit  der  Sangaller  Handschrift  Nr.  292  veröffentlichte 
V.  E.  Mourek  in  dem  Bud weiser  Programm  Druha  vyrocni  zprdva  c. 
k.  ceskeho  gymnasia  v  Budejovicich  za  skolni  rok  1873.  —  Tisk  Jana 
Krupicky  a  spol.  v  Budejovicich.  4". 

Der  Codex  stammt  aus  dem  Kloster  St.  Peter  im  Schwarzwalde, 
für  welches  denselben  der  Abt  Philipp  Jacob  Steyrer  im  Jahr  1781, 
wahrscheinlich  in  Franken^  gekauft  hat;  Bl.  3'  oben  steht  geschrieben: 
Emit  Philippus  Jacobus  Abbas  äö  1781.  Über  diesen  Abt  von  St. 
Peter  vgl.  F,  J.  Mone  in  der  Quellensammlung  der  badischen  Landes- 
geschichte 1,  S.  63  f.  Seit  1807  befindet  sich  die  Handschrift  in 
Carlsruhe. 

Bl.  101"^  1.  Spalte  steht  roth:  In  nomine  diTT  nri  ihu  ^i  in  hoc 
corpore  continentur  Glos^  ide  interpretationes  ul  proprietates  sermonü 
excerpte  de  libris  autenticis  auctorum  orthodoxorum  tam  ueteris  qm 
noui  testamenti. 

In  xP^  nomine  incipit  liber  ScT  eusebii  hieronimi  pfcri  super  he- 
braica  nomina  scdm  hebraicä  ueritatera. 


406  K-  SPRENGER 


INCIPIT   PROLOGVS. 

EUSEBius    QUi    A  BEATO  Pamphilo    martyre    cognomento    sortitus 


est 


Schluß  Bl,  106"  .  .  solitas  ferunt.  unde  &  nomen  acceper////. 

Am  Rande  von  Bl.  97'  steht  eine  Vitae  des  Boetius.  Anfang :  Te- 
pore  theoderiei  regis  insignis  auetor  boetius  claruit.  Schluß :  ab  aureo 
elio.  hoc  e.  specioso  sole  cui  sacrificabat  lege  festü  pöpeium. 

CARLSRUHE  in  Baden.  Dr.  ALFRED  HOLDER. 


ZU  GOTTFRIEDS  TRISTAN. 


2388  (61,  30)  und  als  ez  an  den  äbent  do 

und  an  ein  scheiden  muose  gän, 
ir  klage,  diu  %  was  undertän, 
diu  wart  do  gar  einbsere: 
si  triben  niwan  ein  maere  .... 

undertän  erklärt  das  mhd.  Wb.  an  dieser  Stelle,  und  danach 
Bechstein  =  dazwischen  gethan,  untermischt,  verschieden.  Darnach 
wäre  der  Sinn  der  Verse  wohl  dieser:  Die  Leute  gaben^  während  sie 
vorher  mit  verschiedenen  Worten  geklagt  hatten,  nun  dieselbe  mit 
gleichen  Worten  kund.  Das  ist  jedoch  ein  unpassender  Gedanke, 
undertuon  ist  aber  auch  =  subigere,  s.  Lexer  II,  108.  Danach  ist  der 
Gedanke  wohl  folgender:  Die  Klage,  die  im  Laufe  des  Tages  stiller 
geworden  war,  erhub  sich  nun  von  Neuem,  einhcere  =  'einhellig  über- 
einstimmend' wäre  also  nicht  direct  mit  ir  klage  zu  verbinden,  sondern 
aus  dem  Zusammenhang  zu  ergänzen:  "^rait  der  Klage  zu  Anfang- 
Nach  2391  (61,  33)  ist  besser  Punkt,  als  Kolon  zu  setzen. 
3512  (89,  34)  Nu  kom  Tristan  der  Parmenois 

und  saz  ze  sinen  füezen  dar 

und  nam  so  flizeclichen  war 

des  leiches  und  der  süezen  noten. 

wser  ez  im  an  den  lip  geboten, 

ern  möhte  ez  niht  verswigen  hän  etc. 
So  sind  die  Verse  zu  interpungieren.  Denn  wenn  man  mit  Bech- 
stein und  Maßmann  hinter  3515  (89^  37)  ein  Komma  statt  eines  Punktes 
setzt,  so  ergibt  sich  der  schiefe  Gedanke :  Er  achtete  so  eifrig  auf  das 
Spiel,    daß  er,   wäre  es  ihm  auch  bei  Todesstrafe  verboten^,    es  nicht 


zu  GOTTFRIEDS  TRISTAN.  407 

mit  Stillschweigen    zu    übergehn    vermocht    hätte.     Bei    unserer  Inter- 
punction  ist  dagegen  so  =  'auf  diese  Weise,  in  dieser  Lage'. 
3531  (90,  13)  Svaz  weistu\  sprach  er,  'liebez  kint, 

von  wannen  diso  noten  sint? 

kanstu  ihtes  iht  hier  an?' 

ja  schcener  meister^;,  sprach  Tristan 

'ich  hcete  hie  von  meisterschaft; 

nu  hat  ez  aber  so  kleine  kraft, 

daz  ich  vor  iu  niht  engetar. 

Im  Gegensatz  zu  nu  in  V.  3536  (90,  18)  entbehrt  man  eine  Be- 
zeichnung der  Vergangenheit  in  V.  3535  (90,  17).  Dies  bemerkte  schon 
Maßmann  und  schrieb  deshalb :  ich  hoet  e  hie  von  m.  Diese  leichte 
Verbesserung  könnte  man  sich  schon  gefallen  lassen,  wenn  nicht  noch 
anderes  in  dem  Verse  anstössig  wäre.  '^ meisterschaft  von  einem  dinge 
ist  nämlich  nicht  weiter  belegt  und  scheint  nicht  mhd.  Alle  im  M.  W. 
aufgeführten  Stellen  zeigen  das  Wort  vielmehr  mit  dem  Genetiv  ver- 
bunden.    Beide  Bedingungen  werden  erfüllt^  wenn  wir  mit  F  lesen: 

ich  hoet  es  hie  vor  meisterschaft; 
hcete  hie  stützt  sich  übrigens  nur  auf  die  Autorität  von  W,  während  // 
die  Entstellung  heize  hie  aufweist,  in  der  vielleicht  das  richtige  het  es 
(ez)  verborgen  ist. 
4462  (113,  23)  wil  du  din  herze  kereu 

ze  vorderlichen  eren. 
vorderltch  erklärt  Bechstein  durch  Vorzüglich'  und  vergleicht  das  nhd. 
förderlich.  Das  könnte  aber  nur  filrderlich  heißen,  vorderliche  gehorn  sin 
Fundgr.  1,  120,  7  heißt  Von  adlicher  Geburt  sein'.  Ich  glaube  das 
Wort  ist  direet  von  dem  Subst.  die  vordem  =  Vorfahren  [Trist.  5214;  in 
Bechsteins  Wortregister  zu  ergänzen]  abgeleitet,  vorderltche  eren  wären 
demnach  Pracht  und  Herrlichkeit,  wie  sie  dem  Adel  zukommen. 
4742  (120,  24)  und  ist  diu  selbe  künde 

so  witen  gebreitet^ 

so  raanege  wis  geleitet, 

daz  alle,  die  nu  sprechent, 

daz  die  den  wünsch  da  brechent 

von  bluomen  und  von  risen, 

an  Worten  unde  an  wisen. 
H.  Paul^  Germania  XVII,  391  findet  hier  geleitet    unverständlich^ 
und    bemerkt:    'Man  müßte  billig  fiagen  wohin?    Es  wird  ein  Synoni- 
raum  zu  gebreitet  verlangt'.  Nun  haben  aber  geleitet  M  und  F,  die  Les- 


408  K.  SPRENGER 

art  stützt  sich  also  immerhin  auf  die  Autorität  zweier  Handschritten- 
classen.  NO  haben  zeleitet,  W  zerspreitet.  Paul  entscheidet  sich  für  ze- 
leitet  "^nach  den  verschiedenen  Seiten  hingeführt'.  Dieselbe  Bedeutung 
hat  aber  auch  leiten  speciell  beim  Baume.  Vgl.  eine  linde  leiten  "^die 
Zweige  derselben  nach  einer  bestimmten  Richtung  biegen,  damit  sie 
dort  Schatten  geben.  Parz.  185,  28;  Lexerl,  1873.  Die  künde  wird  hier 
aber  mit  einem  Baume  verglichen^  und  deshalb  ist  gewiß  das  seltnere 
geleitet  das  richtige;  zerleitet  und  zerspreitet  sind  dagegen  Änderungen 
der  Schreiber;,  die  den  seltenen  Ausdruck  nicht  verstanden. 
5343  (135^  25)  die  selben  fragte  er  maerC;, 

wä  der  herzöge  wsere. 

die  täten  ez  im  iesä  kunt; 

und  er  des  endes  sä,  zestunt. 
In  V.  5346  (135^  28)  fehlt  ein  Verbum.  Dies  bemerkte  auch  schon 
Th.  V.  Hagen,  Krit.  Beitr.  z.  G.  v.  St.  Tristan  S.  46.  Er  will  deshalb 
mit  leichter  Änderung  und  er  in  und  vuoi'  verwandeln,  so  daß  ein  er 
aus  dem  im  des  vorhergehenden  Verses  zu  entnehmen  sei.  Bechstein 
dagegen  behält  die  handschriftliche  Lesart  bei,  und  erklärt  das  Fehlen 
des  Verbums  hier  durch  den  lebhaften  Ausdruck.  Nun  kann  allerdings 
der  Schriftsteller  in  solche  Lebhaftigkeit  gerathen,  daß  er  das  Verbum 
vergißt,  aber  es  ist  hier  gar  kein  Grund  der  gesteigerten  Lebhaftig- 
keit abzusehen*).  H.  Paul,  Germ.  XVII.  395  wendet  dagegen  gegen  v. 
Hagens  Änderung  ein,  daß  er  nicht  zu  entbehren  sei,  da  ein  scharfer 
Nachdruck  darauf  liege.  Auch  eine  Einschiebung  von  vuor  mit  Bei- 
behaltung von  er  wird  beanstandet,  da  dadurch  das  logisch  stark  be- 
tonte er  zweite  Silbe  des  Auftakt  werden  würde.  Alle  Bedenken  er- 
ledigen sich  leicht,  wenn  wir  schreiben: 

die  selben  fragte  er  msere, 

wä  der  herzöge  wsere 

(die  täten  ez  im  iesä  kunt) 

und  vuor  des  endes  sä  zestunt. 
Gegen  die  Auffassung  des  bedeutungslosen  V.  5345  (135,  27)  als 
Parenthese  wird  Niemand  etwas  einzuwenden  haben.  Er  scheint  aber 
schon  früh  nicht  mehr  als  solche  erkannt  zu  sein,  und  dies  hatte  dann 
das  Verderbniss  zur  Folge.  Es  wurde  nämlich  dann  eine  Wiederholung 
des  Pronomens  er  vor  vuor  nöthig,  und  schließlich  wurde  vuor,  da  so 
der  Auftakt  überladen  schien,  ganz  aus  dem  Verse  verdrängt. 


■^)  Es  findet  sich  hier  eine  hübsche  Parallelstelle  in  Goethes  Werther  S.  11,  vgl. 
Michael  Bernays,  über  Gesch.  und  Kritik  des  Goetheschen  Textes  S.  15.  Auch  dort 
ist  die  Herstellung  des  Verbums  durchaus  geboten. 


zu  GOTTFRIEDS  TRISTAN.  400 

8699  (219^  j?l)  Willi  kuolitc  und  uiaruajre, 

diu  vorsehen   der  maere 

ui'  der  brücke  vor  der  schif'tür. 
brücke  erklärt  Beclistein  =  schifbrucke  und  verweist  auf  13372. 
Daß  nun  brücke  hier  die  Landungsbrücke  sei,  die  vom  Schiffe  nach 
dem  Ufer  gelegt  wird,  ist  nicht  möglicli.  Auch  wäre  dann  der  Zusatz 
vor  der  schit'tür,  womit  nur  der  Zugang  zur  Cajüte  bezeichnet  werden 
kann^  unbegreiflich.  Dali  damit,  wie  B.  zu  13372  verrauthet,  'das  den 
alten  Schiffen  eigenthümliche  vordere  Halbdeck,  Back  genannt  sei,  von 
dem  aus  die  Beobachtungen  angestellt  werden',  ist  eben  nur  Vermu- 
thung.  Es  war  zu  fragen,  ob  das  Wort  brücke  im  mhd.  nicht  noch 
eine  andere  Bedeutung  als  pons,  nhd.  Brücke  hat.  Und  wirklich  hat 
es  das  Wigalois  7468.  Es  bedeutet  dort  ein  hölzernes  Gerüst.  Vergleiche 
über  das  Wort  noch  Schmeller,  B.  W.  1,  258;  Deutsches  Wbch.  2,  422. 
Auch  hier  wird  wohl  ein  hölzernes  Gerüst  vor  der  Cajütenthür,  zum 
Ausschauen  errichtet,  gemeint  sein. 

9004  (227;,  9)  des  treip  er  vil  und  so  genuoc. 

Es  ist  wohl  zu  schreiben,  wie  die  Formel  gewöhnlich  lautet :  des 
tr.   er  vil  unde  genuoc. 

10701  (269,  23)  da  ganc  geswäsliche  hin 

und  vräge,  welher  under  in 

Kurvenal  da  si  genant: 

dem  selben  rüne  zehant^ 

daz  er  ze  sinem  herren  ge; 

und  sage  ouch  nieman  niht  me 

und  bringe  in  lise  als  hövesch  du  sis. 

nu  Arne,  daz  tet  Paranis. 
Was  nu  herre  in  V.  10708  (269^  30)  bedeuten  soll^  ist  mir  gänz- 
lich unklar.  Es  ist  wohl  sicher  eine  Verderbniss.  Zu  verbessern,  wie 
mir  erst  einfiel  'ja  herre\\  so  daß  dies  Paranisens  Antwort  auf  Tristans 
Befehl  wäre,  halte  ich  nicht  mehr  für  statthaft.  Ich  glaube,  es  ist  zu 
schreiben:  nu  verre  daz  tet  P.  =  Dies  richtete  P.  sehr  sorgfältig  aus. 
Man  wird  sich  erinnern^  daß  verre  zur  Verstärkung^  bei  Verben  wie 
manen,  hiten  etc.  steht.  Vgl.  Diemer  304,  1  da  hän  ich  ven-e  getan 
wider  minem  heile,  herre  aus  verre  verderbt  findet  sich  auch  Kindh. 
Jesu  86^  2. 

11939  (275,  21)  diu  tassel,  da  diu  solten  sin, 
daz  was  ein  kleinez  sntierlin 
von  wizen  berliu  in  getragen. 


410  R    SPRENGER 

So  lautet  unverständlich  der  Text  bei  Maßmaun.  Beehstuin  änderte 
schon  in  der  1.  Ausgabe  daz  in  V.  10940  in  da.  So  auch  schon  v.  d. 
Hagen.  Nicht  hiergegen,  sondern  gegen  die  Erklärung  von  In  tragen  als 
ein  faß  en  wendete  sich  H.  Paul,  Germ.  XVII^  382.  Er  erklärt:  Svo  die 
Spangen  hätten  sitzen  sollen^  da  war  eine  Schnur  von  Perlen  ange- 
bracht'. Ihm  stimmt  jetzt  Bechstein  in  der  2.  Ausgabe  bei.  Nun  hat 
zwar,  wie  Paul  bemerkt,  nicht  nur  H^,  wie  Maßmann  angibt,  sondern 
alle  Handschriften  ausser  W  Z.  22  da  lüas,  gleichwohl  müssen  wir  aber 
an  dieser  Lesart  festhalten.  Wenn  wir  nämlich  die  analogen  Stellen 
Mai  41,  25,  Trojanerkr.  20081,  Marleg.  22,  394,  Laur.  69  f.,  Virgin.  251,  7 
vergleichen,  ergibt  sich,  daß  nicht  daz  Z.  22  in  dci,  sondern  da  in  Z.  21 
in  daz  zu  ändern  ist.  Die  Verbindung  ist  Eigenthümlichkeit  des  Mittel- 
hochdeutschen. So  heißt  es  in  Albers  Tundalus  63,  81  daz  der  morter  sin 
solde  daz  was  von  lüterem  gokle.  Die  entsprechende  Stelle  in  der  lat. 
Vorlage  (Schade  21,  23)  lautet:  erat  namque  ex  omnium  lapidum  prc- 
ciosorum  [genere]  bene  constructus  (murus)  variis  coloribus  luetallis 
interpositis,  ita  ut  habere  videretur  aurum  pro  cemento.  Auch  hier 
würden  wir  nach  neuhochdeutscher  Auffassung  erwarten :  da  der  morter 
sin  solde,  da  was  lüterez  golt.  Die  Verse  daz  diu  tassel  solden  sin,  daz 
was  ein  kleinez  snüerlin  sind  demnach  zu  übersetzen:  'Die  Stelle  der 
Spangen  vertrat  eine  feine  Schnur,  die  mit  weißen  Perlen  be- 
festigt war'.  Denn  letzteres  ist  die  Bedeutung  von  m  tragen,  sowohl 
hier,  als  in  V.  11119,  20  (279,  40)  ein  netze  daz  loas  üf  daz  tack  von 
vnzen  herlin  getragen.  Das  ist  so  zu  verstehen,  daß  die  einzelnen  Ma- 
schen des  Netzes  durch  weiße  Perlen  auseinandergehalten  und  durch 
dieselben  auf  das  Kleid  befestigt  (aufgetragen)  sind,  von  hat  natür- 
lich hier  eine  vom  neuhochdeut.  etwas  abweichende  Bedeutung  und  ist 
etwa  mit  durch,  mit  zu  übersetzen.  Zu  vergleichen  ist  Rolandsl.  307, 
1 1  von  aller  slahte  Zungen  lobeten  si  got  alsus ,  wo  mir  die  Erklärung 
des  M.  W.  (unter  von)  mehr  zusagt,  als  die  dem  neuhochdeutschen 
entsprechende  Bartschens. 
12464  (313,  26)  sine  wart  niht  zeinem  male  rot 

und  missevar  von  dirre  bete, 

als  ez  ir  michel  not  tete. 
D.  h.:  'Sie  wurde  nicht  einmal,  sondern  ein  über  das  andere  Mal 
roth  und  bleich  bei  dieser  Bitte'.    Kurtz:  'Sie  ward   da    mehr   als    ein- 
mal   roth    und  wieder   bleich   bei    diesem  Sang;    Auch  thats   ihr  Noth'. 
Nach  V.  12465  ist  Punkt  statt  des  Komma  zu  setzen. 
13101   (329,  23)  nu  Tristan  was  gemuothaft. 

ze  erneste  und  ze  ritterschaft 


zu  GOTTFRIEDS  TRISTAN.  1 1  1 

vertetc  er  siner  stunde  vil: 

er  dienete  mit  vederspil 

sinen  müezigcn  tagen. 

er  reit  birsen  unde  jagen 

so  ez  an  der  zit  also  geviel. 
Der  letzte  Vers  ist  genau :  'Wenn  es  die  Jahreszeit  so    mit    sich 
brachte'.   Vgl.  Boner  13,  1  ieglichez  zit  sich  richtet  als  ez  got  hat  ge- 
tichtet  (auf  den  Sommer  folgt  der  Winter  etc.). 
13770  (346,  12)  dem  gebeideten  leide 

dem  gieng  er  rehte  nach  dem  site 

und  nach  dem  billiche  mite, 

wan  als  er  an  Isolde 

der  liebe  dienen  wolde, 

so  wante  es  in  der  arcwän. 
Sowohl  Bechstein  als  die  Übersetzer  haben  diese  Stelle  nicht 
richtig  verstanden,  der  liebe  kann  nur  Dativ  sein ,  doch  bedeutet  es 
hier  nicht  geschlechtliche  Liebe,  Minnepflicht  (Bechstein),  sondern  be- 
zeichnet den  Gegensatz  zu  leit  V.  13770.  'Marke  war  stets  von  dop- 
peltem Leide  befangen:  dem  Zweifel  gegen  Isolde  und  Tristan.  Denn, 
wenn  er  sieh  der  Freude  an  Isolde  hingeben  wollte,  so  brachte  ihn 
der  Argwohn  davon  ab'. 
14294  (359,  16)  der  hof  der  tribe  ein  m«ere, 

man  wolte  es  büetende  sin, 

da  von  im  unde  der  künigin 

leit  unde  laster  raöhte  enstän. 
Im  V.  14294  vermißt  man  eine  Bemerkung  bei  Bechstein.  Daß 
derselbe  aber  nicht  so  leicht  zu  verstehen  ist,  beweist,  daß  Kurz  hier 
gänzHch  falsch  übersetzte:  'Am  Hofe  sei  ein  Märe,  man  hüte  sie, 
lausche,  schleiche  nach'.  Man  hüte  sie.  Das  kann  nur  auf  Tristan 
und  Isolde  gehen.  Aber  wo  steht  das  im  Text?  Dort  steht  ja  es,  was 
nur  der  Genetiv  des  neutralen  ez  sein  kann.  Ich  denke ,  man  kann 
den  Satz  nur  als  negat.  Bedingungssatz  auffassen  und  ist  daher  ge- 
nöthigt  zu  schreiben:  man  enwolte  es  hüetende  sin.  Es  ist  demnach 
zu  tibersetzen:  'Am  Hofe  gehe  ein  Gerücht  um  derart,  daß^  wenn  mau 
sich  nicht  davor  in  Acht  nähme,  leicht  Leid  und  Schmach  für  ihn  und 
die  Königin  daraus  entstehen  könnte'. 
15241  (383^  3)  sin  zwivel  unde  sin  arcwän, 

die  er  e  haete  gar  Verlan, 

ze  den  so  was  er  aber  geweten : 

wan  er  den  estrich  unbetreten 


412  J.  CASPART 

vor  dem  bette  fundeu  hsete, 
da  von  wand'  er  untsete 
von  sinem  neven  äne  sin; 

Ich  gebe  diese  Verse,  zu  denen  ich  bei  Bechstein  eine  Erklärung 
vermisse,  gleich  mit  der  mir  allein  richtig  scheinenden  Interpunction. 
Den  Sinn  derselben  scheint  mir  trefflich  Kurtz  wiedergegeben  zu  haben : 
'Seinen  Zweifel  und  seinen  Wahn,  die  er  erst  hatte  hingethan,  trug  er 
nun  aber  an  der  Kette:  Daß  er  den  Estrich  vor  dem  Bette  erfunden 
hatte  mit  dem  Mehl,  das  ließ  den  Neffen  ohne  Fehl  und  nahm  ihm 
diesen  Zweifel  hin.  Die  Schwierigkeit  liegt  in  der  Erklärung  von 
V.  15246.  Was  heißt:  Da  von  wand'  er  untsete  von  sinem  neven?  Wenn 
Avir  untät  in  der  gewöhnlichen  Bedeutung  von  übele  That,  Missethat 
nehmen,  so  würden  wir  gerade  das  Gegentheil  von  dem  erhalten,  was 
der  Sinn  verlangt:  'Deßhalb,  weil  er  den  Estrich  unbetreten  fand,  ver- 
muthete  er  das  Verbrechen  von  seinem  Neffen'.  Mir  scheint  hier  untät 
in  einer  ungewöhnlichen  Bedeutung  zu  nehmen,  nämlich  als  Negation 
der  That  überhaupt,  nicht  als  Negation  der  guten  That.  In  dem 
Adject.  untcetic  haben  wir  noch  diese  Bedeutung  erhalten. 

GÖTTINGEN.  ß.  SPRENGER. 


MICHAEL  BEHEIMS  LEBENSENDE. 


über  M.  Beheims  Lebensende  war  bisher  nichts  bekannt.  Sein 
Biograph,  Th.  G.  v.  Karajan,  der  mit  großer  Liebe  und  Genauigkeit 
in  seiner  Ausgabe  von  Beheims  Buch  von  den  Wienern  (Wien  1843) 
des  Sängers  Leben  schrieb,  hat  nach  den  in  dessen  Schriften  enthaltenen 
Angaben  festgestellt,  daß  M.  Beheim  den  27.  September  1416  zu  Sülz- 
bach bei  Weinsberg  geboren  wurde,  als  Sohn  des  armen  Webers  Jo- 
hannes Beheim,  dessen  Großvater  als  ein  einst  wohlhabender,  aber 
durch  den  Krieg  um  das  Seine  gekommener  Mann  aus  Pilsen  in  Böhmen, 
weßhalb  er  früher  Konrad  Bilsner  hieß,  ausgewandert  war  und  sich 
zu  Erdmannhausen  bei  Marbach  in  Würtemberg  vom  Betrieb  einer 
Wirthschaft  ernährt  hatte.  Er  berichtet  uns  dann  wie  Michael  bei  seinem 
Vater  das  Weberhandwerk  erlernte  und  betrieb  bis  er  etwa  23  Jahre 
alt  war,  von  wo  an  er  ein  viel  und  reich  bewegtes  Leben  führte.  Denn 
damals  ums  Jahr  1439  geschah  es,  daß  Beheim  von  seinem  Landesherrn 
Konrad  von  Weinsberg  in  seinen  Dienst  genommen  und  als  Kriegs- 


MICHAEL  BEN  KI  MS  LEBENSENDE.  41:', 

mann  ausgerüstet  wurde.  Mit  seinem  Herrn,  dem  Reichserbkäuimerer, 
im  deutschen  Reiche  weit  umherreisend,  erlernt«-  er  die  von  ihm  hoch- 
geschätzte Dichtkunst,  die  er  foi'tan,  viel  beneidet  und  angefeindet,  an 
manchem  Fttrsteniiofe  in  und  ausserhalb  Deutschlands  übte.  Nach  dem 
Tode  Konrads  von  Weinsberg  (1448)  trat  er  in  die  Dienste  des  Mark- 
grafen Albrecht  Achilles  von  Brandenburg  in  Ansbach,  wurde  aber 
in  dessen  Städtekriege  von  den  Rottenburgern  gefangen  und  durfte 
nach  seiner  Auslösung  in  diesem  Kriege  nicht  mehr  dienen.  So  verließ 
er  im  Frühjahre  1450  die  Heimath,  zog  über  Köln  durcii  Westphalen 
und  Sachsen  nach  Lübeck  und  .schift'te  sich  dort  nach  Kopenhagen 
ein  um  den  Hof  des  jungen  Christian  I.  zu  besuchen.  Die  Königin  nahm 
ihn  huldreich  auf  und  schickte  ihn  mit  einem  Schiffe^  das  eben  ausge- 
rüstet wurde,  zum  König  nach  Norwegen,  wo  er  nach  manchem  Aben- 
teuer zur  See  in  Drontheim  die  Krönungsfeierlichkeiten  mitmachte. 
Vom  Könige^  der  sich  dem  Sänger  sehr  gnädig  erwies,  über  Bergen, 
wo  er  die  Kaufmannsgüter  vieler  Nationen  lagern  sah,  mitgenommen, 
wohnte  er  nach  der  Rückkehr  noch  zu  Kopenhagen  dem  TaufFeste 
des  erstgebornen  Prinzen  an  und  kehrte  dann  heim. 

Seine  Ehefrau,  deren  Namen  nicht  genannt  wird,  mit  der  er  sich 
im  Jahre  1439  verheirathet  und  die  ihm  1440 — 44  drei  Söhne  Lazarus. 
Clemens  und  Paulus  und  noch  im  .Jahre  1452  eine  Tochter,  Notpurg^ 
geboren  hatte,  scheint  den  30.  November  1453  gestorben  zu  sein.  Nach 
einem  kurzen  Aufenthalte  bei  Herzog  Albrecht  IH.  in  München;,  gieng 
B.  zu  Erzherzog  Albrecht  VL  nach  Wien.  Am  Hofe  dieses  hochver- 
rätherischen  Fürsten  aber  konnte  er,  der  unrechtmässige  Gewalt  stets 
offen  tadelte;,  nicht  bleiben.  Er  trat  daher  im  Sommer  1456  in  die 
Dienste  des  Grafen  Ulrich  von  Cilly,  der  mit  dem  Könige  Ladislaus 
von  Böhmen  und  Ungarn  gegen  die  Türken  zog  und  als  der  Graf  zu 
Belgrad  von  den  gegen  ihn  empörten  Ungarn  erschlagen  worden  war, 
trat  B.  in  die  Dienste  des  Königs  Ladislaus  (des  erstgebornen  Sohnes 
Kaiser  Albrechts  H.)  und  zog  als  dieser  von  den  Ungarn  vertrieben 
wurde  mit  ihm  im  Juni  1457  nach  Wien  und  im  September  nach  Prag. 
Obwohl  bei  dem  Könige  selbst  beliebt,  wurde  B.  doch  von  der  Hof- 
parthei  der  Taboriten  verdrängt.  Nun  gieng  er  nach  Wien  und  trat 
in  den  Dienst  des  Kaisers  Friedrich  HI.,  dessen  ergebener  Diener  er 
war.  Er  nennt  sich  „unseres  Herrn  Kaisers  deutscher  Poet"^  auch  „der 
Kaiserin  Diener".  Heldenmüthig  betheiligte  er  sich  bei  derVertheidigung 
der  kaiserlichen  Hofburg;,  als  diese  von  den  aufständischen  Wienern 
und  Erzherzog  Albrecht  vom  2.  October  bis  4.  December  1462  belagert 
wurde  und  kam  dadurch  der  kaiserlichen  Familie  sehr  nahe.     Mit  ihr 


414  J'  CAS  PART 

zog  er  nach  Wienerisch-N  e  u s  t  a  d t  und  betheiligte  sich  an  der  kühnen 
Erstürmung  der  nahen  Felsenburgen  Urschendorf  und  Scheuhenstein, 
über  welch  letztere  er  als  Hauptmann  gesetzt  Avurde.  Als  aber  der 
Kaiser  sich  mit  den  Wienern  im  Jahre  1465  versöhnt  hatte,  konnte  B. 
nicht  länger  bleiben.  Er  hatte  nämlich  während  des  Krieges  sein  „Buch 
von  den  Wienern"  geschrieben,  eine  Reimchronik  über  den  Aufstand, 
worin  er  das  Benehmen  der  Wiener  gegen  den  Kaiser  in  derben  Worten 
geisselte,  wodurch  sie  so  sehr  gegen  den  kühnen  Sänger  erbittert  wurden, 
daß  sie  einen  Preis  von  400  Stück  Ducaten  auf  seinen  Kopf  setzten 
und  der  Kaiser  ihn  entlassen  mulUe.  Wohin  er  sich  nun  zunächst 
wandte,  ist  nicht  bekannt.  Eine  Zeit  lang  war  er  bei  dem  Grafen 
Eberhard,  genannt  im  Bart,  von  Würtemberg,  in  Urach.  Ihm  zur 
Ehre  verfaßte  er  ein  Lied,  worin  ein  Graf  Eberhard  von  W.  mit  dem 
wilden  Jäger  in  Verbindung  gebracht  ist.  Vom  Jahre  1467  an  stand 
B.,  nach  Karajan,  im  Dienste  des  Pfalzgrafeu  Friedrich  L,  des  Sieg- 
reichen, in  Heidelberg,  welcher  im  Jahre  1440  die  Stadt  und  1450 
Burg  und  Herrschaft  Weinsberg  erkauft  hatte  und  so  sein  Landes- 
herr geworden  war.  Von  dem  Pfalzgrafen,  der  ihn  auszeichnete,  be- 
auftragt, beschrieb  B.  in  einer  Reimchronik,  unter  dem  Beistande  des 
Hofcaplans  Mathias  von  Kemnat  und  des  Geheimschreibers  Alexander 
Bellendörfer,  in  den  Jahren  1469 — 71  die  Thaten  des  „unüberwindlich- 
sten Fürsten".  Er  nannte  sich  damals  „unsers  allergnädigsten  Herrn, 
des  römischen  Kaisers  Friedrich  und  meines  gnädigen  Herrn,  Herrn 
Friderichs,  Pfalzgrafen  bei  Rhein,  teutscher  Poet  und  Dichter"  (cf. 
Uhland,  hinterlassene  Schriften  Bd.  II,  S.  332).  Karajan  scHießt  seine 
Lebensbeschreibung  mit  den  folgenden  Worten:  „Die  Erzählung  der 
Ereignisse  in  Bs.  erwähnter  Pfälzer  Chronik  reicht  bis  zum  26.  August 

1471,  dem  Tage  an  welchem  das  siegreiche  Heer  des  Pfalzgrafen  vor 
das  Schloß  Landsberg  rückte.     Die  Handscln-ift    selbst   ist  vom  Jahre 

1472,  rührt  aber  nicht  von  Bs.  eigener  Hand,  wohl  aber  die  Handschrift 
Nr.  334  vom  Jahre  1474,  welche  mit  jenen  Nr.  312  und  386,  von  denen 
es  bekannt  ist,  daß  B.  sie  eigenhändig  geschrieben,  ganz  dieselbe  Hand 
zeigt,  und  vermuthen  läßt,  daß  ov  1474  noch  am  Hofe  des  Pfalzgrafen 
verweilte.  Von  da  an  verschwinden  alle  sichern  Spuren  über  die  Lebens- 
umstände unseres  Dichters,  wenn  nicht  etwa  die  Nürnberger  Handschrift 
seiner  Gedichte  weitern  Aufschluß  gewährt".  Sie  scheint  ihn  nicht  zu 
gewähren,  denn  noch  im  vorigen  Jahre  schließt  Bartsch  den  Artikel  über 
M.  B.  in  der  allg.  deutsch.  Biographie  mit  den  Worten:  „Noch  1474 
war  B.  wahrscheinlich  in  Heidelberg,  dann  aber  verlassen  uns  alle 
Spuren  und  wahrscheinlich  ist  er  um  diese  Zeit  gestorben". 


MICHAEL  BEHEIMS  LEBENSENDE.  4];-, 

Indessen  sind  im  vorigen  Jahre  hier  in  seinnm  Geburtsorte  Sülz- 
bach sichere  Spuren  in  zwei  steinei-nen  Urkunden  gefunden  worden, 
die  uns  k^liren,  dali  der  vielgewanderte,  fruchtbare,  zu  seiner  Zeit  be- 
rühmte kriegerische  Meistersänger  in  seinem  Heimathdorfe  einen  idylli- 
schen Lebensabend  und  ein  tragisches  Ende  gefunden  l)at.  Nachdem 
er  in  Heidelberg  als  der  Homer  des  „bösen  Pfälzer  Friz"  sein  Werk 
vollbracht,  kehrte  er  im  Jahre  1472  als  weitgereister,  viel  erfahrener 
Odysseus,  56  Jahre  alt,  wieder  zur  alten  Heimath  ein,  wurde  hier;,  nach- 
dem er  sich  ein  neues  Haus  erbaut,  Schulthcil>  und  ward  bald  nachher 
erschlagen.  Des  Sängers  Namen  meldet  kein  Brief  noch  Kirchenbuch : 
aber  ein  bemoostes,  fast  versunkenes  Steinkreuz  an  einem  Kreuzwege 
draussen  an  der  alten  Landstrasse  und  ein  steinernes  Wappen  an 
einem  Bauernhause.  Im  Strassengraben  an  der  Stelle^  wo  der  Fahr- 
weg von  Sülzbach  zur  Eisenbahnstation  Willsbach  in  die  von  Heilbronn 
nach  Hall  führende  Landstrasse  mündet  und  sich  jenseits  als  Fußweg 
über  den  „Kezersberg"  nach  Lehrensleinsfeld  fortsetzt^,  steckt,  halb  vom 
Boden  bedeckt,  mit  abgebrochenem  Kopfe  ein  grosses  verwittertes 
Steinkreuz,  ein  sogenanntes  „Sühnkreuz"  wie  es  der  Todtschläger  einst 
zur  Sühne  und  zum  Gedächtniss  des  Erschlagenen  an  der  Stelle,  wo 
der  Mord  geschehen  war,  eri'ichten  lassen  mußte.  Die  Sage  ließ  an 
dieser  Stelle  in  alten  Tagen  zwei  Fuhrleute  bald  ,  bald  zwei  Schnitte- 
rinnen einander  gegenseitig  im  Streite  getödtet  haben.  Da  sich  Spuren 
von  eingehauener  Schrift  zeigten,  bat  ich  den  Besitzer  des  Feldstückes, 
in  dem  der  rechte  Arm  des  Kreuzes  verborgen  war,  im  vorigen  Herbste 
denselben  frei  zu  legen  und  nachdem  der  Stein  gesäubert  und  abge- 
waschen war,  vermochte  ich  die  zweite  der  beiden  Zeilen  deutscher 
Minuskeln,  die  mit  Ausnahme  der  weggestossenen  ersten  und  letzten 
Buchstaben  der  Zeile  noch  ziemlich  gut  erhalten  ist,  zu  entziffern.  Sie 
sagt:  „e/icrwi  schulteis  fzu  Sultzhach  ersch/agn'-^.  Darunter  auf  dem  Be- 
ginne des  Kreuzfusses  stehen  die  beiden  Worte:  ^gof  gnacV^.  Von  der 
oberen  Langzeile  sind  nur  nocli  schw^ache  Spuren  der  eingegrabeneu 
Jahreszahl  übrig;  zu  sehen  ist  noch  ein  S.  und  dahinter  der  untere 
Theil  eines  l  dem  zwei  XX  folgten,  von  denen  ebenfalls  nur  noch  die 
Füsse  zu  sehen  sind,  das  Übrige  ist  abgeschlagen  oder  zerstossen.  Die 
Jahreszahl  ergibt  also  1470  und  wohl  noch  etwas  darüber.  Dieß  ließ 
mich  alsbald  vermuthen,  der  Name  eham,  dem  sichtlich  der  vordere 
Buchstabe  fehlt ,  möge  durch  ein  b  zu  ergänzen  und  beham  zu  lesen 
sein,  wie  unser  B.  seinen  Namen  selbst  oft  schrieb.  So  lautet  er  auch 
in  der  Beischrift  zu  seinem  Wappen,  wie  es  in  dem  von  ihm  eigen- 
händig geschriebenen  Codex  gemalt  ist,  das  Karajan  auf  dem  Titelblatte 


416  T-  C  ASPART 

des  Buchs  von  den  Wienern  abbilden  ließ.  Doch  entstand  die  Frage 
ob  der  erschlagene  Schultheiß  B.  nicht  etwa  M.  Bs.  Vater  oder  ein 
Bruder  von  ihm  war?  Sein  Vater  war  es  nicht,  denn  abgesehen  davon, 
daß  ein  armer,  nicht  ursprünglich  im  Dorfe  angesessener  Weber  nicht 
leicht  Schultheiß  wird  und  damals  wohl  noch  weniger  als  etwa  heut- 
zutage zu  dieser  Würde  gelangen  konnte,  wäre  Hans  B.  im  Jahre  1470 
doch  schon  zu  alt  gewesen,  da  sein  Sohn  Michel  im  Jahre  1416  ge- 
boren ist,  er  selbst  also,  wenn  dieser  auch  sein  erstgebornes  Kind  war, 
doch  kaum  später  als  etwa  im  Jahre  1388  zur  Welt  gekommen  sein 
kann.  Wäre  sein  Vater  Schultheiß  seines  Geburtsortes  gewesen  oder 
geworden,  so  würde  es  der  Dichter  nicht  unterlassen  haben,  diesen 
Umstand  in  seinem  Liede  „von  Michel  Behem  Geburt  und  auch  von 
seinem  Herkommen"  zu  berichten  oder  doch  gelegentlich  davon  zu  reden. 
Von  einem  Bruder  meldet  er  auch  nichts.  Wohl  aber  erfahren  wir, 
daß  er  zwei  Schwestern  hatte,  denn  in  der  Aufzählung  des  pfälzischen 
Kriegsvolkes  bei  der  Erzählung  der  berühmten  Schlacht  bei  Secken- 
heim  (30.  Juni  1462)  nennt  er  seinen  Schwager  Scharpfhanns  „der 
Pfiffer  Spielgraf"  (ein  trefflich  deutsches  Wort  für  Oapellmeister)  und 
ein  andermal  sagt  er:  „vnd  mein  Schwager  Brenger.  war  auch  ein  An- 
sprenger",  heißt  der  Name  etwa  im  Mscr.  Strenger,  so  ist  es  der  Name 
des  dermaligen  Besitzers  des  Feldes,  auf  welchem  Bs.  Kreuz  steht. 
Von  Brüdern  seines  Vaters  redet  B.  auch  nirgends,  sein  Vater  scheint 
allein  von  Erdmannhausen  nach  Sülzbach  gezogen  zu  sein.  Daß  aber 
M.  B.  selbst  im  .lahre  1472  in  Sülzbarh  wohnte,  davon  gibt  ein  an- 
derer Stein  Bericht.  Es  war  im  December  vorigen  Jahres,  daß  mich 
Herr  Adlerwirth  Hang  dahier  (aus  der  ältesten  der  hier  ansässigen 
Familien,  die  schon  im  Jahre  1489  urkundlich  als  hier  begütert  er- 
scheint) auf  einen  Stein  am  Hinterhause  seines  Vetters  Volpp  aufmerk- 
sam machte,  auf  dem  ein  altes  Wappen  mit  einer  Zahl  eingehauen 
sei.  Bei  näherer  Besichtigung  fand  ich,  daß  der  an  einem  verborgenen 
Orte  in  die  Mauer  eingefügte  60  CM.  hohe,  45  CM.  breite  Stein  ver- 
kehrt eingemauert  sei  und  siehe  da,  er  zeigt  das  Wappen  Michael 
Beheims,  ganz  so,  wie  es  auf  dem  Titelblatte  des  Buches  von  den 
Wienern  sich  findet :  im  Schilde  und  auf  dem  geschlossenen  Helme 
eine  gekrönte  „Sirene"  oder  Meerjungfrau,  ihre  beiden  Fischschwänze 
mit  den  Händen  fassend.  Darunter  die  Jahreszahl  lfiX2  (1472).  Dieß 
Wappen  redet  wohl  von  des  Sängers  Meerfahrt  über  das  „Wester- 
meer"  nach  Norwegen.  Dieser  beim  Neubau  des  (jetzt  gar  statthchen. 
1811  und  1840  abermals  neugebauten)  Hauses  nach  der  Zerstörung 
des  Dorfes  im  Jahre  1525  durch   den  Truchseß  Georg  von  Waldburg 


MICirAP^L  BEHEIMS  EEREXSENDE.  417 

von  den  Bauleuten  verworfene  Stein,  er  sa^4  uns  doch  wohl  deutlich 
genug,  daß  hier  einst  der  berühmte  kaiserliche  und  churpfälzische 
Dichter,  des  Wanderns  müde,  im  Jahre  1472  sich  zur  liuhe  setzte  und 
über  seines  Hauses  Pforte  sein  ritterliches  Wappen  prangen  ließ. 

Schon  früher  hatte  ich  dasselbe  Wappen  in  der  hiesigen  Kirche 
gefunden,  wo  es  neben  3  andern  an  dem  Epitaphe  des  hiesigen  Müllers 
Michael  Oetinger  f  1609  und  seines  Sohnes  Michael ,  Baupäegers  der 
im  Jahre  1619  wieder  neuerbauten  Kirche,  f  1635,  angebracht  ist.  Es 
scheint  mir  das  Wappen  der  Anna  f  1593^  Ehefrau  des  altern  Michael 
Oetinger  zu  sein,  deren  Familienname  in  den  Kirchenbüchern  nicht 
genannt  ist,  da  sie  sich  im  Jahre  1569  als  Witwe  des  Schultheissen  Hans 
Müller  wieder  hier  verheirathete.  Daß  dieser  Michael  Oetinger  der 
Stammvater  des  berühmten  Theosophen  Friedrich  Christoph  Oetinger 
gewesen,  der  1752 — 1759  Dekan  in  Weinsberg  war  und  1765  als  Prälat 
in  Murrhard  starb,  werde  ich  an  einem  andern  Orte  nachweisen.  Die 
Stammmutter  der  Familie  Oetinger  aber  scheint  eine  geborne  Be- 
be im,  eine  Urenkelin  unseres  Dichters,  gewesen  zu  sein.  — Ein  drittes 
Mal  fand  ich  das  Beheimsche  Wappen  auf  einem  Grabsteine  an  der 
Kirche  zu  Willsbach,  als  das  der  Frau  eines  im  Jahre  1572  dort  ge- 
storbenen Schultheißen.  Der  ISiame  desselben  ist  nicht  mehr  lesbar 
und  in  den  hiesigen  Kirchenbüchern  ist  er  nicht  zu  finden ,  da  Wills- 
bach, bis  1571  Filial  der  Parochie  Sülzbach^  in  diesem  Jahre  zur 
eigenen  Pfarrei  erhoben  wurde.  Den  Namen  Beheim  suchte  ich  in  den 
hiesigen  alten  Kirchenregistern  vergeblich,  fand  ihn  jedoch  im  Tauf- 
register des  benachbarten  Dorfes  EUhofen  (das  bis  zum  Jahre  1593 
gleichfalls  zu  der  ehemals  das  ganze  Weinberger  Thal  umfassenden 
Pfarrei  Sülzbach  gehörte).  Einem  Jerg  Behem  werden  3  Söhne  ge- 
boren und  getauft:  im  Jahre  1558  Jerg,  1559  Hans^  1560  Lenhart. 

Den  5.  September  1587  verheirathete  sich  „Mathäus  Beham  des 
Jergen  Behamben  seligen  Sun  zu  Elhouen  mit  Genoveva  des  Kilian 
Schneider  sei.  Tochter  zu  Bretach,  Newenstetter  Ampts."  Den  28.  August 

1590  wurde    dem  Leonhart  Böhem    ein  Sohn  Georg,    den  10.  August 

1591  dem  Johann  Böhem  ein  Sohn  Johannes  getauft.  —  Daß  zahlreiche 
Nachkommen  von  M.  B.  im  Lande  Würtemberg  leben,  wird  hiedurch 
wahrscheinlich,  doch  wie  viele  weiß  ich  nicht. 

Das  Hofgut,  das  seit  mehr  als  Menschengedenken  zu  dem  Hause 
gehörte,  an  dem  sich  B's.  Wappen  befindet,  hieß  der  „Nonnenhof"  und 
ist  nun  (seit  1848)  freies  Eigenthum  des  Bauern  Christian  Volpp,  wie  es 
zuvor  schon  Haus  und  Hausgarten,  sowie  andere  dazu  erkaufte  Güter 
waren.     Früher    gehörte    das  Hofgut   dem  Nonnenkloster  zu  St.  Clara 

GERMANIA.  Neue  Keihe.  X.    (XXii.  Jahr-.)  27 


418  J-  CASPART 

in  Heilbronn,  das  in  der  Umgegend  von  Weinsberg  auch  sonst  be- 
gütert war.  Dieß  ergibt  sich  aus  den  Acten  des  K.  Kameralamts  in 
Weinsberg,  von  welchen  mir,  ebenso  wie  von  denen  des  Stadtarchivs  zu 
Heilbronn  und  des  K.  Staatsarchivs  zu  Stuttgart,  gütigst  gestattet  wurde 
Einsicht  zu  nehmen.  Im  Jahre  1722  war  Träger  der  hiesigen  Güter 
von  St.  Clara  Hans  Jerg  Betz,  dessen  Familie  in  den  hiesigen  Kirchen- 
büchern seit  1560  mit  der  Familie  Beheim  in  Ellhofen  in  naher  Ver- 
binduns:  erscheint.  In  dem  Heilbronner  Archiv  befinden  sich  nur  noch 
die  Urkunden,  welche  die  Stadtmarkung  betrefien.  Im  K.  Staatsarchiv 
in  Stuttgart  fand  ich  B's.  Namen  nicht  in  den  Salbüchern  von  St.  Clara, 
deren  älstestes  von  1477. 

Noch  ist  ein  Umstand  zu  erwähnen,  der  M.  B.  zur  Übersiedlung 
nach    der    alten  Heimath  mag  neben  anderem  veranlaßt  haben.     Pfäl- 
zischer Vogt   zu  Weinsberg  war  damals    der  Ritter  Lutz  Schott,    den 
B.  in  seiner  Pfälzer  Reimchronik  mehrmals  nennt  und  besonders  in  der 
Erzählung  der  Schlacht  bei  Beilstein  (30.  April  1460);,  wo  die  Würtem- 
berger  siegten,  als  einen  tapfern  Ritter  rühmt,    der  sich  so  hielt,    daß 
die  Pfälzer    den    schon    gewonnenen  Sieg    behalten    hätten,  wenn  alle 
seinem  Beispiele  gefolgt  wären.    Im  März  desselben  Jahres  hatte  Lutz 
Schott  einen  Angrifi"  der  Würtemberger  auf  Weinsberg  mit  zugezogener 
Hilfsmannschaft  von  Heilbronu  und  Wimpfen  tapfer  zurückgeschlagen. 
Von  dem  Ritter  Lutz  Schott  ist  in  der  Weinsberger  Gegend  noch 
Folgendes   bekannt:    Im  Jahre  1464  erwirkte   derselbe  von   dem  Abte 
des  Benediktinerklosters  Schönthal  für  die  Gemeinde  Lehrenssteinsfeld 
die  Erlaubniss,  in  Steinsfeld^  unschädlich  der  Pfarrkirche  zu  Sülzbach, 
eine  Capelle  zu  erbauen    und    im  Jahre  1469  verkaufte    er    das    nahe 
Dorf  Waldbach,  das  er  1459  von  Eberhard  von  Sikingen  erkauft  hatte, 
an  das  nahe  Frauenkloster  Lichtenstern,  wo    im  Jahre  1459  eine  Eli- 
sabeth Schottin  als  Aebtissin  gestorben  war.   Er  war  wohl  ein  Gönner  M. 
B's.  und  machte  ihn  zum  Schultheißen  in  seinem  Geburtsdorfe  Sülzbach. 
Endlich    drängt    sich    noch    die    Frage    auf,    wer    war    es,    der 
den  Sänger   erschlug?   war   es   ein   alter   oder   ein   ganz  neuer  Feind? 
Wenn  wir  uns  daran  erinnern,    daß    die  durch  das  zu  ihrer  Schmach 
vom  ihm  gedichtete  Buch    aufs    äußerste    gegen   ihn  erbitterten  Wiener 
einen  Preis  von  400  Ducaten    auf  B's.  Kopf  gesetzt    hatten,    so    liegt 
der  Gedanke    nicht    so   ferne,    es   könnte    ein  Wiener,    der  irgendwie 
in    diese  Gegend   kam^    mit  dem  bestgehaßten  Sänger  auf  der  Strasse 
zusammengetroffen    sein   und   ihn   im   Streit  erschlagen    haben.     Auch 
eine   noch   ältere  Feindschaft  könnte  hier  ihr   blutiges  Ende   gefunden 
haben.     Vom    Hofe    des    böhmischen   Königs   Ladislaus,    welchem   B. 


MICHAEL  BEHEIMS  LEBENSENDE.  419 

ganz  besonders  ergeben  war,  wurde  er  hauptsächlich  durch  einen 
Edelmann  verdrängt,  der  aus  der  Weinsberger  Gegend  stammte;  er 
sagt  ausdrücklich  von  jenem:  sein  Großvater  saß  in  einem  Dorfe,  das 
liegt  ganz  nahe  dem,  in  dem  ich  selbst  geboren  bin  und  fügt  hinzu, 
des  Edelmanns  und  sein  Vater  seien  öfters  auf  den  Kirchweihen  und 
bei  ähnlichen  Gelegenheiten  in  den  benachbarten  Dörfern  beisammen 
gesessen.  Ganz  nahe  nun  bei  Sülzbach  liegt  das  Dorf  Steinsfeld,  wo- 
hin der  Weg  an  B's.  Krenz  vorüberführt,  es  ist  das  nächste  Dorf,  in 
welchem  Edelleute  sassen ,  deren  mehrere  an  diesem  Weinsbergischen 
Lehen  Theil  hatten  und  im  Jahre  1378  eilaubten  die  Herren  von  W. 
dem  Sigfrid  von  ]\Iichelfeld  ein  Haus  in  dem  Burgstadel  zu  Steinsfeld 
zu  bauen*).  Ein  Nachkomme  dieses  Sigfrids  dürfte  es  gewesen  sein, 
der  uusern  B.  von  Prag  vertrieb  und  er  oder  einer  seiner  Verwandten 
dürfte  ihn  auch  am  Scheideweg,  wo  der  Weg  nach  Steinsfeld  die 
grosse  Heilbronn-Haller  Landstrasse  schneidet,  erschlagen  haben.  Aber 
auch  in  Heidelberg  hatte  der  Dichter  Feinde  und  Neider,  denn  er 
erzählt  (nach  Karajan),  daß  der  Pfalzgraf,  der  ihm  den  ehrenvollen 
Auftrag  gab,  seine  Thateu  zu  besingen,  ihn  selbst  gegen  die  Willkür 
der  Hofleute  in  Schutz  nahm,  die  neidisch  den  Ankömmling  zu  ent- 
fernen suchten. 

Überhaupt  hatte  sein  Freimuth,  mit  dem  er  in  allen  Lebenslagen 
das  Unrecht  tadelte  und  strafte,  wie  Bartsch  von  ihm  rühmt,  dem 
kühnen  Sänger  überall  auch  Feindschaft  zugezogen  und  mit  solchen, 
deren  Groll  er  sich  in  Heidelberg  zugezogen,  konnte  er  in  der  Um- 
gegend von  Weinsberg,  die  von  1450 — 1504  ganz  zur  Churpfalz  ge- 
hörte, oft  genug  zusammentreffen.  So  hatte  z.  B.  des  Pfalzgrafen 
Friedrich  I.  Thürhüter  Hans  Heil  im  Jahre  1465  von  Dieterich  von 
Weiler  den  vierten  Theil  an  Gericht  und  Vogtei  der  beiden  zusammen- 
gehörigen Dörfer  Steinsfeld  und  Lehren  erworben.  Vielleicht  gerieth 
der  Dichter  mit  ihm  in  Streit  oder  sonst  mit  einem  Herrn,  den  ein 
freimüthiges  Spottlied  verletzt  hatte. 

Wie  ein  Edelmann  und  ein  Schultheiß  oder  ländlicher  Vogt  auf 
dem  Heimwege  von  einer  Kirchweihe  oder  ähnlichen  Gelegenheit,  wo 
sie  vergnügt  beisammen  gesessen ,  schließlich  in  blutigen  Streit  ge- 
rathen  konnten,  davon  gibt  eine  Erzählung,  die  ich  zur  Erklärung  der 
Art,  wie  unser  B.  gefallen  sein  möchte,  noch  anführen  will,  ein  er- 
götzliches Beispiel. 


*)  Ludewig,  Reliq.  12,  609. 

27' 


420  OBEIST 

In  dem  lesenswerthen  Büchlein  „Christoph  Martin,  Freiherr  von 
Degenfeld,  venetianischer  General- Gouverneur  von  Dalmatien  und  Al- 
banien, nach  schriftl.  Quellen  bearbeitet  von  M.  F.  G.  Kapff,  Dekan 
zu  Geißlingeu,  Ulm  1844"  ist  von  dem  Vater  des  Helden,  Martin  II. 
f  1504,  dem  Stammvater  aller  jetzt  lebenden  Freiherrn  und  Grafen  von 
Degenfeld,  Folgendes  erzählt.  „Dieser  Martin,  welcher  meistentheils 
als  würtembergischer  Obervogt  zu  Göppingen  seinen  Wohnsitz  hatte, 
gerieth  einmal  beim  Heimreiten  von  einem  Geislinger  Markt  mit  dem 
Ulmischen  Vogt  von  Stötteu  (einem  Dörflein  auf  der  Alb)  das  nahe  bei 
Hohen-Eybach  (seit  1456  Stammschloß  des  Hauses  Degenfeld)  liegt,  in 
einen  Streit  und  wurde,  da  beide  sogleich  vom  Leder  zogen,  hart  ver- 
wundet. Als  der  Herzog  sich  seiner  annahm  und  bei  dem  Ulmer  Rathe 
auf  Absetzung  und  Bestrafung  drang,  antwortete  der  Rath  ganz  naiv: 
solch  Unglück  wäre  schwerlich  geschehen ,  wenn  beide  selbiges  Tags 
mehr  Wasser  als  Wein  getrunken  hätten.  Martin  aber  erwiederte 
ebenso  naiv:  er  habe  sein  Lebtag  mehr  Wein  als  Wasser  getrunken." 

Ob  unser  M.  B.  in   solchem  Streite    im  Zweikampfe   gefallen  ist 

oder  ob  er  meuchlings  erschlagen  ward,  wissen  wir  nicht;  doch  nehmen 

wir  von  dem  reisigen  Sänger,  der  müd  vom  Kriegen  und  vom  —  Singen 

zur  alten  Heimath  eingekehrt  war,  lieber  an,  er  sei  den  Degen  in  der 

Faust,  ein  Trutzlied  auf  den  Lippen,  von  einem  Feinde    seiner   freien 

Rede  erschlagen  worden,  im  Jahre  1474,  aus  welchem  das   letzte  von 

seiner  Hand  geschriebene  Lied  herrührt,  im  58.  Jahre  seines  Alters.  Gott 

gnad  ihm. 

SÜLZBACH  bei  Weinsberg,  27.  September   187G.  '       J.  CASPART, 

Pfarrer. 


AIN  VASNACHT  SPILL  VON  DEN  RISN  ODER 

RECKEN. 


Precursor.  Dar  in  da  saß  ain  herr  vnd    der 

Nun  merckht  ir  herrn  all  geleich  was  beit  erkannt, 

frauen  vnd  man,    arm  vnd   reich,  10  Kinig  gibich  war  er  genannt. 

Was    ich  euch  verckhunden  will:  Derhet aintochterdiehiesKrimhild, 

gar  ain  kurczbeyligs  vasnacbtspill,  mit  hoflfart  traib    sy  groß  vnpild; 

Wies  vor  zeytn  ist  geschechn,  Sy  pflanczt  ainen  rosngartu, 

Dz  wert  ir  hie  gern  hörn  vnd  sechn.  des  mueßtn  6  starcker  risu  wartn. 

Dort  an  dem  rein,  da  ligt  ain  stat:  15  Dye  risn  dienten  der  kinigein 

wurms  sy  den  namen  hat.  vnd  waß   sy  wolt   dz    muest    sein. 


AIN  VASNACIIT  SPILL  VON  DEN  RISN  0DP:R  RECKIIN. 


421 


Das  kam   ir  zu  gioßm  Vnstat. 
nu  mercklit  wie  es  wcyter  gat: 
Die    kinigin    ain   potn    gen    pern 

Sandt 
20   (1cm     perncr    vnd    vnd    dem    altn 

hileprant 
Vnd   dz   sy  kernen  an   den  rein 
vnd   vcchten  vmb  ain  kienczeleiu. 
Da  wart  mancher  riß  erschlagen, 
darumb  solt  ir  stille  tagn. 
25   Ir  trauen  sollet  auch  nit  erschrickn, 
wan     ir    dy    schbert    wert    sechn 
plickhen ; 
Dan  es  gar  schimpflichen  zuegat, 
wie    woll    es    yederman   ernstlichn 
anstat. 
Darumb,   ir  herrn    allgcleich, 
30  wir  pitten  euch  gar  tugentleich, 
Dz  irs  in  guetn  auffthitct  nemen, 
dz  mir  zu  euch  her  ein  sein  khemen. 
Darumb  so  hert  gar  ebu   zue 
vnd  schaft't  vns  ain  klaine  weill  rue ! 
35   Ruckht  aus    dem  Weg  stuell  vnd 

penckh. 
der  hirne  seyfridist  gar  vngelenckh. 
So    .wellen    wir    den   schimpf   fa- 
chen an : 
Hir  secht  ir  dy   edl  kiuigin   stan. 

Des  K  i  n  i  g  s  t  o  c  h  t  e  r. 
Ich  bin  kinigin  Krimhild  genant, 

40   mein  lob   dz  ist  gar  weyt  erckant. 
So  hab  ich  ain  liechtn  rosngartn, 
den  hab  ich    erczogn    also    zartu, 
Der  ist  also  woll  pehuet 
von  Sex  starckher  risn  guet 

45   Und  dy  da  zu  aller  zeyt 

dss  garten  huetn  mit  großem  streit 
Vnd  wer  die  risn  rnocht  pestou, 
dem  geb  ich  ain  rosn  krancz  zu  Ion. 
So  hab  ich  oift  heru  sagn  die  mer 

50   woll  von  her  dietrich   dem  perner 
vnd  von  dem  altn  hileprantt 
Vnd  von  Wolfart  dem   weigant. 
Den  will  ich  empietn  auf  der  fart, 
dz  sy  komen   in   meinen    rosngart 

55   Vnd   ob  sy  mochtn  preys  erberben 
vnd    von    den    risn  nit  verderben. 


Den  will  ich  geben  ein  krenczlcin, 
dz  sy  dz  tragen  durch  den  willen 

mein; 
Darumb  lieber  herr,  hochgenant 
GO   ain  edler  fürst  auß  prabandt, 
Vill  getreuer  diener  mein, 
ir  solt  mein  gtrcuer  pote   sein! 
Nun  ziecht  gen  pern  in  dz  landt, 
daselbst  euch    die    beiden  werden 
bekant, 
65   Vnd  sag  in  allen  den  willen  mein, 
ob     sy     wellen    fechtn     umb     ein 
krenczlein. 

Herczog  Aus  brabant. 
Vill  edle  kinigin  hochgeporn, 
seidt  dz   ir  mich  hapt    auscrkorn, 
So  will  ich   dy  potschafFt  werben 
70  vnd  sohlt  ich  halt  darumb  sterben. 
So  will    ich  euch  gehorsam  sein ; 
dz  wisset  auff  die  treue  mein 
Vnd  will  ziechn  gen  pern  in    die 

land, 
da  mir  die  beiden  werden  peckhant. 

Da  get  er  nun  zuiucnvnd  spricht 
zum  perner. 

75    Vill  edler  fiirst  gar  hochgeporn, 
ir  solt  sein  an  allen  zorn : 
Ich  pin  ein  potschafft  hergesandt 
zueuch  her  in  dz  landt 
Von  krimhild,   der  liebsten  frauen 

mein, 

SO   ein  gebaltige  kinigin  an  dem  rein. 
Ir  vater  ist  gar  weytt  erckhandt, 
kinig  gibich  ist  er  genandt. 
Die  selb  hat  er  zogn  ain  rosngartn, 
des  thuen  allczet  6  starckher  risn 

bartn 

85   Vnd  wer  ir  ainen  will  peston 
vnd  kumen  wolt  zu  in  auff  den  plan. 
Der  pring  mit  im  funff  beiden  gut 
vnd  den  zu  vechtn  sey  zu  muet 
Vnd  welicher  dz  pestthet  in  der  not, 

90   dem  will  sy  pietn  ir  mundlen  rot 
Vnd  auch  ain  rosnkrenczelein  : 
darumb  ir  kumen  solt  an  den  rein. 


422 


OBRIST 


Der  perner. 
Ach  was  zeichen  mich  dj  frauen, 
dz  ich  mit  stechn  vnd  mit  hauen 
95  Soll  eibeiben  ain  rosnkrenczelein 
von  Krimliild,  der  edlen  kinigein. 
Seit  ich  darumb  tverdn  erschlagen, 
ich  muest  den  spot  zum  schadn 
haben; 
Darumb   hilprant,     lieber    maester 

mein, 
100   nun   ratt  vns  auff  die  treue   dein, 
Was  vns   dz  pest  sey  zuton, 
oder  wellen  wir  frid  verston? 

Der  hilprant. 
Herr    dietrich,    lieber  herre  mein, 
wier  wollen  ziecbn  anden  rein 
105   Zudem   schonen   rossn  gartn 
vnd  wellen  da  der  risn  wartn, 
Wan  es  wer  vns    gar    ain    grosse 
zagckhait, 
wo  man   dz  von  vns  paidn  sait. 
Darumb,  wittich,  dietleib  vnd  bolf- 

hart^ 
llO   prueder  ilsam,   macht  euch  aufF  di 

fart 
Vnd  last  vns  ziechn  Anden  rein, 
da  den  die    reckhn    all  versamlet 

sein. 
Der  Wolfhart. 
Seidt  dem  also  solt  sein, 
dz  ain  rosn  gartn  andern  rein 
115   Also  schon   geczieret  ist, 

als  ich   her  den  zu  diser  frist, 
Dz  er  van  den  risn  wol  ist  pehuett, 
ey  so  ist  mir  also  woll  zumuet, 
Dz  ich   die  rosn  sechn  soll; 
120   mein  hercz,  dz  ist  ganz  freidenvoU. 
Ich  will  in  des    mein    treu  gebm, 
es  mues  ainem  geltn  dz  lebm 
Vnd  wird    ich  ainen  sichtig  an, 
er  soll  sechn,  dz  ich  im  will  pestan. 

Der  Wittich 
125   So  wir   die  rosn  sullen   sechn, 
furwar  ich  dz   woll   darfF  jechn  : 
Wird  ich   ain  risn  sichtig  an, 
ich  will  zu  im  tretn  auf  den  plan 


Vnd  gib  im  des  mein  trew  zu  pfand, 
130  ich  renn  mit  im  durch  ain  wand 
Vnd  schlach  im  dar  zue  wundn  tieff, 
es  wer  dan^  dz  er  mier  entlieff, 
Sunst  mueß  er  mir  lassn  dz  lehn, 
wir  wellen  nit  mer  darvon  redn 
135  Vnd  last  vns  siechn  zudem  gartn, 
da  pey  die  starckhen   risn  wartn. 

Der  dietleib. 

lerherrn,  last  nun  von  euren  sorgen, 

pedenckht  euch  paß  pis    auf   den 

morgen. 

So  wir  dy  leut  mit  äugen  ansechen, 

140   darnach   wir  frolich  zuinen  wollen 

nechen 
Vnd  schautt,  was  ir  hapt  zu  schafFn, 
dz  ir  nit  thuet  wie   dy  affn 
Vnd  wan  es  an   ein  treffn  kem, 
ich  wolt  gern  sechn,  wer  mir  mein 
schbert  nem! 

Der  perner. 
145   Herr   edler  fürst  aus  prabant, 

ziecht  frolich  widerumb    haim    zu 

land 

Vnd  sagt  krimhild,  der  kinigein  fein, 

wier  wollen    ziechn    an    den    rein 

Zu  irem   rosn  gartn: 

150   Schlagn    vnd     stechn    wollen  wier 

erbartn, 
wir  wollen  auch  preiß  erberben 
vnd    solten    wir    darumb     sterben. 

Der  herczog. 
Got  danckh  euch,    edler  fürst  vnd 

herr ! 
eur  grosse  zucht  vnd  er, 
155   Dy  mir  von   euch  peschechn  ist. 
got  pehuet  euch   zu  aller  frist! 

Der    herczog   get    widerumb     zu 
des  kinigs  tochter. 

Genedigste  kinigein, 
die  wulfing  wellen  her  kumen  an- 
den rein 
Vnd  wellen  preis  hie  erberben 
160  vnd    solten    sy    darumme  sterben. 


AIN  VASNACHTSPILL  VON  DEN  RISN  ODER  EECKHN. 


423 


V II  (l  ;i  1  s  0  t  r  c  1 1 0  n  a  y  a  u  c  li  li  i  n  z  u  e. 
der  p  e  r  n  e  r  b  p  i-  i  c  h  [t] : 
Sagt  an,  genedigistc  kinigein  kiiin- 

hilt, 

waiumb    hapt  ir  heir  dietrich  von 

pern  her  geczilt? 

Die  ki  uigiu. 

Herr    dietrich    von    pern    vud  ir, 

alter  hileprant, 

dzthueicheuch  ieczvnd  peckhandt: 

165   Der  frid  hat    yeczund   gleicli    ain 

endt. 
schaut  aufF,  dz  ir  nit  werdt  geschendt, 
Ir  muest  eurn  Icib  daran  streckhen 
zu  disen  fraysamen  reckhen, 
Die  hie  in  disem  gartn 
17  0- in  meinem  dienst  der  rosn  vyartn. 
Welt  ir  die  mit  kämpf  pestan, 
ein    fraintlich    halsn     seit    ir    von 
mir  han, 
Darzue  ain  rosnkrenczelein, 
dz  Bolt  ewr  er  vnd  Ion  sein ; 
175   Aber  ich  pesorg,  ir  hapt  kain  so 

stolcz  man, 
der  meiner  risn  ain  dorst  pestan. 

Der  hilliprant. 
Genedige  kinigin   krimhild  : 
eur  hochfardt    dunckht    mich    ain 

unpild, 

Dz  ir  vns  also  verachtn  thüet. 

180  furbar :  Es  zimpt  mich    nit   guet! 

Nempt  eur  risn  vud  fliecht  zuhant, 

ee  dz  ir  wert    von  vns    geschaut. 

Die  tochter  zum   Vater. 
0  mein  lieber  herr  vnd  vater, 
hört   ir  nit  dise   mer, 
185   Wie  mich  der  hillprant  thuet  scheltn ; 
ich  pit  euch  ,  ir  wolt  im  wider  geltn, 
Im  vnd  allen  seyneu  man. 
ich    hab    im    doch    nie    kein  laed 

getan. 

Der  ki  n  ig. 

Liebe  tochter,  da  thuet  er  gar  vbl  an 

190   vnd    ist    gegen    ainer    fraueu    vn- 

recht  getan. 


Ich   will   dich   selber  rechen, 
Dz  sy  darnach    mueßn    sprechen : 
Vnfall   hat  vns   her   getragn. 
woll  furher,  pusolt,   du  muest  den 
erstn  schlagn 
19.Ö   Vnd   spring  in  den   gartn   pehend 

vnd  trad 
den  es  dier  gar  ritterlichn  anstat. 

Pusolt,  der  springt  in  den  gartn. 
Genedigster  kinig    vnd    her  mein, 
dz   mueß   warlich  gerochn  sein! 
Den  von  pern  will  ich  pestan  5 

200   desgleichn   auch  hiltprant  vnd   all 

sain  man. 
Ich  will  auch  sein  gancz  vnverzagt, 
welher  ist  der  ders  mit  mir  wagt? 

Der  hillprant. 
Herstu  du  nit,   du   edler  wolfhart? 
nun  mach   dych  pald  anff  dy  fart 
205   Vnd  spring  zu  im  ein  den   gartn 
vnd  laß  in  nit  lenger  wartn 
Vnd   thue   als  ain  redlich  man ; 
dz  stett  dier  ritterlichn  an. 

Wolfhart. 

Herr  von  pern  vnd  auch  maester 

hilliprant, 

210   die  Verachtung  thuet  mir  im  (^  ant. 

Sy  treiben  so  große  vber  muett ; 

furbar  es   duckhet  mich   nit  guet. 

So  will  ich  sein  der  erst  auf  dy  fart 

vnd  will  in  wenden  ir  große  hoffart, 
215  Dz  sy  vnser  hinfur  nummer  pegern, 

des  glob  ich  euch  pey  meinen  ern, 

dz  sy  vnser  hinfur  nummer  pegern. 

Darumb,  pusoldt,  sich  auff  gar  eben, 

ich  will  dier  nemen  leib  und  leben. 

Pistu  zu  vechtn  her   pesagt, 
220   so  wer  dich  mein  gar  vuverczagt. 

Vnd  schlagent    die  zben   an  and 

vnd    pusolt    leyt    darnider    vnd 

von   dannen  getragn:   kinig: 

0   we  meiner  großn  nott! 

mein  lieber  pusolt  ist  mir  todt. 

Es   was    so    gar  ain  redlich   man  ! 

wolfurher,  riß  aspryan, 


424 


OBRIST 


225   Nun    hilff    mir     deinen     prueder 

ckhlagn, 
der  hie  da  ligt  vnd  ist  erschlagn 
Vnd  gedenckh  in  deinem  herczn, 
wie  du  wolst  rechn  seinen  schmerczn, 
Den  er  dein  prueder  gebesn  ist 
230  vnd  dein  geleich  mit  manhayt  ge- 
besn ist. 

Asprian    springt    in    den    gartn 
vnd  spricht: 

0  we  meins  großn  hercznlaid! 
verfluecht  seyestu,  wolfart,  zu  aller 

zeit, 

Das  du  mein  prueder  hast  erschlagn ! 

furbar,  ich  mags  kume  nit  vertragn. 

235   Furstn  und  herrn   mueßn  darumb 

sterben, 
auch  ritter  vnd  kneeht  mueßn  ver- 
derben, 
Es  mueß  noch  kostn  manchen  man, 
ich   sich  kain  so  frischn  der  mich 
dirff  pestan. 

Hilprant  zum   Wittich. 
Horstu  nit,   edler  wittich  ? 
240   der  riß  asprian  thuet  verachtn  dich, 
Nun  spring  zuim  in  den  gartn 
vnd  haub  im  in  den  leib  schart» 
Vnd  eijag  an  im  ritterliche  tat, 
dz   selb    deiner    manhet    gar   woU 

anstat. 

Wittich  spricht: 
245   Lieber  maester  hileprant: 

darumb  pin  ich  kernen  in  dz  land, 
Dz  ich  well   manlich  streitn 
vnd  will  auch  hie  nit  leuger  peytn, 
Vnd  wan  er  haldt  noch  wer  so  groß, 
250   Der  teufl  wer  den  sein  genoß! 
Durch  got  vnd  schone  frauen 
will  ich   den  risen  zu  tode  hauen. 

Asprian   zum   Wittich. 
Sag  an,   du  kleiner  man, 
nimstu  dich  den  auch   streittns  an 
255  Vmb  rosn  in  disem  gartn? 

fliech,     ich    schlach    in    dich    ain 
schartn  ! 


Nun  pistu  doch  so  gar  klain. 

furbar,  ich  peste  dich  nit    allein. 

Ich  gtrau  deiner  zechn  woll  zupstan: 
260   Graust  dir,  du  magst  woll  darvon 

gan. 
Wittich  antburt: 

Ich  gib  nicht  vmb  die  trobort  dein. 

dir  ist  verporgn  die  manhat  mein. 

Du  hast  nit  ausgenommen,  wilsgot! 

des  hastu  verge?sn,  dz  ist  dein  spot! 
265   Darumb  schau  gar  ebm  auf  mich, 

velstu  mein,  so  triff  ich  dich. 

Wittich  schlegt  Aspriani,  der 
aufdie  knie:   der  kinig  spricht: 

Ach  got^   was  soll  ich  heben  an! 

meiner  risn  mag  keiner  nit  pstan. 

Sy  wern  derschlagn  vnd  lign  ernider. 
270  noch  hoff  ich,  es  kem  gluckh  her- 

wider: 

Vill  starckher  ris   staudnfues  vom 

rein, 

laß  dir  mein  laed  in  treuer  klag  sein ! 

Staudn  fues. 
Genediger  kinig,  ich  soll  pillich  der 
sein  gebesn, 
so  wern  vnser  risn  vor  schad  genesn. 
275   Noch  will  ich  durch  eurn  willn 
gar  pald  ir  hochfart  stilin, 
Daran  wag  ich  leib  vnd  lebm, 
den  segen  will  ich  in  gebm 
Mit  meiner  stachlen  stangen, 
280   wo  ich  sy  darmit  mag  erlangen, 
So  mueß  es  ir   ende  sein 
Von  wegn  meiner  frauen   der  ki- 
nigein! 

Hilprant  zum  Min  ich. 
Hort  ir  nit,  prueder   ilsam, 
dz  ist  der  aller  pesest  mau! 
285   Er  maint,  dz  im  niemant  gleicht, 
nun  get  pald  vnd  hört  in  peicht, 
Er  ist  gehaissn  staudnfueß  von  rein 
ir  solt  sein  peicht  vater  sein. 

prueder  ilsam. 
Ich  will  im  ton  pald  pegegnen 
290  vnd  ich  gib  im  sand  Johans  segen , 


AIN  VASNACHT  SPILL  VON  DEN  K'ISN  ODER  RECKHN. 


425 


Dz     er    mueli     lassii     hinfur     sein 

Bchbaczn. 

Er  raiicß   sich  noch  hinter  den  orn 

kraczn. 

Die  kinigin  zum  mini  eh. 
Lieber  herr   mimnich,   ir  seyt  gar 

frisch, 
ich  maen  ir  seyt  halber  nerrisch. 
295  Nach  wem  thuet  ir  hie  ringen? 
plipt  ir  da  haim  vnd  hulft  metton 
singen ! 
Dz  wer  woU  geistlich  getan, 
den  dz  ir  die  beiden  weit  pestan. 

prueder  ilsam  zu  der  kinigin. 

Hochgeporne   [kiniginj 
300   achtet    nur    nit    dz    ich   ain  raun- 

nieh   pin 
Vnd  laßt  mich  nit  entgeltn  meiner 

kappn, 
Darin  ich  da  herurab  mueß  gnappn, 
Ich   wil  auch   die  rosn  han 
vnd  solt  ich  mein  gugl  darumb  lan  ; 
305   Mit  rosn  will  ich  sy  pesteckn 

vnd  biet  ir  noch  so  vill  starckher 

reckhn. 

Mit  in  will  ichs  gar  frischlich  wagn 

vnd   dy   rosn  so  vill    ich   ier   mag 

getragn. 

Staudnfues. 
Ach  du   lieber  thor  mein: 

310  nun  mueß  ich  doch  nur  lachen  dein! 
Waß   ist  doch  nur   dein  pegern? 
ich  main,   dz  der  von  pern 
Sein  narrn  bab   hergesandt, 
furbar,  biet  er  vns  recht  erckhant, 

315   Er  biet  es  gar  woll  vermittn  ! 

pait^  ich  will  dier  dy  gugl  schutn 
Vnd  darzueschlachn  auffden  grindt, 
dz  dier  dievesper  zumars  außrindt. 

Der  Minich  ilsam. 
Du  pist  ain  schelm  vnd  darczue  faul 
320    vnd  ist  an  dier  nicht  dan  ain  peses 

maul! 
pistu  fritch,   so  tritt  herr  zue 
schau  aufF,  ob  ich  als  ain  man  thue ! 


staudnfueß     ligt    darnidcr.     Der 
k  i  n  i  g  spricht. 
Ach  got,   wie  soll  ich   dz  verstcn  ! 
meiner  risn,  der  mag  kainer  psten  I 

325   Noch  wayß  ich  ain  risn, 
der  ist  alzet  hochgeprisn, 
Er  laßt  sich  auch  nit  erschreckhen  ; 
woUfurher,  walther,  ob  allen  recken 
Geporner  fürst  von   Wexenstcin, 

330   du  furgst  weder  groß  noch   klaiii. 

Walther. 
Gnediger  kinig,  ich  hab  euchs  vor 

gesait ; 
da  mainet  ir  ich  redecz  aufszaghait, 
Ich  west  woll,  dz  der  von  pern 
alle  zeit  thet  vechtn  gern 
335    Vnd  hat  auch  vill    redlicher    tatn 

getan. 

noch   will   ich   auch   ainen  pstan. 

Mainet  ir  nit,    dz  ander  leut  [leut] 

auch  habn  kraft? 

vnser  hoffart  macht  vns  ofift  vnsige- 

haft 

Vnd  den  vber  mut,  den  wir  treibm, 

340   der  mag  nit  vngerochn   pleibm. 

Dochwillichs  nit  lenger  lassn  stan 

vnd  will  auch   mit  ainem  auff  den 

plan. 

Hilprant  zu  dietleib. 
Dietleib,  stolczer  vnd   kuener, 
hörst  du  nit  dise  mär? 
345   Rieht  dich  pald  auff  disen   man 
vnd    dthue    als    dy   andern  haben 

gtan! 

Dietleib. 
Herr,  ich  hab    mirs  langst    furge- 

noraen 
vnd  pin  auch    darumb   herkumen^ 
Dz  ich  will  manlich  streitn, 
350    wie  woll  walther  pey  seinen  zeitn 
V^ill  ritterlicher  tatn   hat  getan, 
darumb   will  ich  in  auch  pestan, 
Vnd    will     durch    in    wagn    mein 
stolczn  leib 
zu  gefallen  aller    schonen  weib 


426 


OBRIST 


255   Vnd  zu  .  .  dem  liebstn  pueln  mein 
mueß  es  gar  rittterlich  gestritn  sein  ; 
Darumb,   riß,   du  grosser  man, 
wer  dich  mein,  du  muest  daran! 

Die  zben  schlagen  annander nit 
nider^   die  kinigiu   schaydt    vnd 
o-ibt     yedem      ain      krenzl      vnd 
spricht  zu  inen: 
Hort  auff,   ir  zben  gesellen  guet, 
360   last    von    eurem    streitn  vnd    seyt 
wol  gemuet : 
Ich  gib  euch  paed  gebunnen, 
kainer  ist  dem  andern    entrunnen 
Vnd   seyd  ped  zben  redlich  mann! 
imgartnhapt  ir  noch  dz  pest  getan. 
365   Ain  rosn  krenczl  taill  ich  euch  mit, 
rech   euch  der  hirnene  seyfrid! 

Hurnenseyfridtritindengartn, 

spricht: 

Hew,  wo  ist  nun  der  mann, 

der  mich  allhie   will  pstan? 

Ich  wolt  doch   also   gern 

370   dz  es  wer  herr  dieterich  von  pern  ! 
Man  lopt  in   doch   also  ser. 
furbar,   es  ist  im   ain   klaine  er 
Von  junckhfraun  vnd  von  frauen, 
dz   er  sich  nit  darflF  lassn  schauen. 

H  i  1  p  r  a  n  t  zum  p  e  r  n  e  r. 
375   Herr  von  pern,  hört  ir  nit, 

wie  euch  veracht  der  hürnen  sey- 

fridtV 
Er  treipst  sein  gespöt  so   vlll, 
get  pald  vnd  haltet  im  fueß  zuzil! 
Gedenckht  an  alle  schone  weib, 
380   spart  nit  den  euren  stolczen  leib. 

Der  p  e  1'  n  e  r. 
Hilprant,   lieber  maester  mein, 
mein  wappen  maister  solt  ir  sein, 
Wan    seine    straich    gend    so    ge- 
schbind! 
maria  mit  irm  lieben   kind, 
385   Die  wolle  mir  da  pey  pestan 
mir  vill  klainen  schbachen  man 


Vnd    wer  er    noch    hürnen    oder 

stechlen, 

wils  got,  so  will  ich  sein  nit  välen ! 

Seyfrid  zum  p  e  r  n  e  r. 
Hew  wie  lang  thuestu  verziechen  ! 
390   du  mainst  vielleicht,   ich  soll  dich 

fliehu  ? 

Du  treibst  so  gar  ain  grossn  praus 

vnd  pist  doch  ain  klaine  vilczlaus 

Vnd    thuest    auch     ainem     knabn 

gleichn, 

ich    gtrau    dich     woU     mit     ruetn 

streichn! 

395   Es  ist   doch   nur  ain  scband, 

dz  du  solt  sein   einfurst  genant; 
Den  du  der  man  darnach  nit  pist, 
der  einem  furstn  geleich  ist. 

Der  pern  er. 

Du  liessest  woU  dein  hoffart  sein, 
400  du  vnd  die  kinigin   dein  5 

Es  kundt  der  valschn  list  so  vill, 

der  ich  nit  lenger  leidn  will. 

Nun  biet  dich   eben  vor  mier! 

dein  hürnene  haut,  die  will  ich  dir 
105   Mit  meinem  schbert  zerhauen. 

des  walt  got  vnd   vnser  frauen! 

Seyfrid    fleucht    vnd    ligt    auch 
nider.  Der  kinig  spricht: 
0  we  heut  vnd  jmer  mer 
der  meinen  grossn  er! 
Nun  sich  ich  erst  woll, 

410  dz  ich  kaiu  gluekh  nit  habu  soll 
In  disem  verfluechtn  gartn! 
den  stich  vnd  straich,  der  mues  ich 
erwartn. 
Des  schäm  ich  mich  also  hart, 
selber  will  ich  auch  auf  die  fart. 
115   Wo  pistu,   alter  hileprandt? 

deinvalsche  tückh,  die  thuen  mir  ant, 
Ich  will  mich  yeczund  an  dir  rechn, 
dz   du  selbst  muest  sprechn, 
Dir  sey  von  mir  gar  recht  gcschechn  ; 

420   darumb  thue  gar  ebn  auf  mich  sechn, 

Ich  will  dir  mainen  leib  vnd  leben 

vnd  muest  dich  deines  altn  palckh 

verbegen. 


AIN  VASNACHT  SPILL  VON  DEN  RISN  ODEK  RECKHN. 


427 


H  i  1  p  r  a  n  t. 
Ja  ich  pin  der  alt  liileprandt: 
ich  rhet  «lir  uic  weder   histcr  noch 
schandt, 
425   Wie  wol  du  inier  hast  abgesait. 
wils  got  so    wirstu  nit  erfraet. 
Soll    ich    den    hie    vechtn    in  lieb 
der  tochter  dein, 
so  mueß   furbar  dein   ende  sein. 

Der  kinig  wirt  nid  er  geschlagen 

Vnd    die    tochter    lauft     zue    zu 

schal dn   vnd  spricht: 

0  nit,   lieber  maister  hilleprant! 

430   ich  gib   euch    für    mein  vater  ain 

gancz  laud 
Vnd  last  mir  in  leben, 
ich  will  euch  ain  rosnkrenczl  gebn; 
Den  es  wer  euch  vnfurstlich  getan, 
wan  ir    erschluegt  ain  seihen  altn 

mau. 
h  i  1  p  r  a  n  t. 
435    Frau  krimhild,   edle  kinigein 
ich  hab  gesigt  den  vater  dein^ 
Setz  mir  den  krancz  auff  meinen 
graen   köpf: 
ich  hab  in  gbunnen  mit  des  schber- 
tes  knöpf. 

Die   kinigin  gibt  im  dz   krenczl 
vnd  sprich  t: 

Set  hin,  vill  liebster  hiltprant  mein, 

440   ain  lieplich  halsn  soll  eur  aign  sein, 

Darczue  will  ich  euch  er  vnd  preys 

jechn, 
dz  hab  ich  heut  von  euch  gesechu. 

hilpran  t. 

Ich   aht  eurs  halsn  vnd  kuszn  nit, 
verfluecht  sey  eur  hoffsit! 

445    Dz    halsn    will    ich    sparn  meiner 

frauen, 
dysich  in  ernalleczeyt  last  schauen. 
Aber  ains  thue  ich  pegern 
von  wegen   meines  herrn : 
Will   eur  vater  von   im  lechn  em- 
pfaehn, 

450   so  will  ich  in  nit  zu  tode  schlachen. 


Der  kinig. 
0   gern,   lieber   hiltprandt, 
icli   gf'lob  .  .  .  pej'  meiner  hant. 
Dz   ich  will  sein   dein  gevangen. 
aufFgib  ich  mein  schbert  vnd  stangen 
455   Vnd   thue  dich  weyter  nit  an    mir 

vergachen 

gern    will    ich     lechn    von  deinem 

herrn  empfachn. 

Der  p  e  r  n  e  r. 
Krimhild,    edle  kinigein, 
eur  vater  mueß  mein   aigen   sein ! 
Sein  laut,  bute  schon , 
4*30   raues  er  von  mier  zu  lechn   han ! 
Hiet  ir  vns  lassn  pleibm  zu  pern, 
so   wert  hie  andem  rein  laug    ge- 
sessn   mit  grossn  ern- 

precursor  pschluistz   spil. 
herr  perner,   ir   solt  von  den   din- 
gen lassn! 
wir  solltn  tretn  auff  dy  strassn, 

465   Da  wir  den  weiter  zu  schaffn  han, 
darumb  stet  all  weithin   dan_, 
Seyt  ir  habt  gebort  vnd  gesechn, 
waß  vor  zeytn   ist  geschechn 
Vnd   wie  ain  yeder  gestritn  hat, 

470   wie  es  ein  end   genummen  hat 

Vnd  wie  herr  dieterich  von  pern 
•-iu  wurms  ist  abgeschidn  mit  ern 
Vnd  hat  erborben  ain  krenczelein 
von  krimhilden  der  edlen  kinigein. 

475  Vnd  ob  mir  yemand  gestossn  hettn 
so  well  wir  euch  iecz  haben  gepetn, 
Dz  irs  wolt  auff  nemen  zuguet, 
so  pleipt  ain  yeder  pey  guetn  muet ; 
Den  wir  send  zogen  perg  vnd 
hohe  joch, 

480   dz  vns  gar  hart  durstet  noch: 

Wer  vns  den  zu  trinckbn  wolt 
schenckn, 
der  soll  sich  nit  lang  pedenckhn, 
Damit  woll  wir  von  hinnen  farn, 
der  lieb  got  soll  vns  all    bebarn! 

485   Damit  So  ziechn  wir  davon ; 

got  pehuet  euch  frauen  vor  man  ! 

Ain    endt    des    spills  (200   93  p). 


di  helden 


428       OBRIST,  AIN  VASNACHT  SPILL  VON  DEN  RISN  ODER  RECKHN. 

person  des  spills  15. 

precursor 

kinig  gibich 

Kvimhild  dj  tochter 

herczog  aus  brabaut^  der  pott 

perner 

hilprant 

wolfhart 

wittich 

dietlieb 

minieh  jlsam 

pusolt 

asprian 

Stauden  fues         |.  ^[  reckhn 

walther 

hürnen  Seifrid       I 

Vorstehendes  Vasnachtspiel  bildet  einen  integrierenden  Bestandtheil 
der  reichhaltigen  Sammlung  von  weltlichen  und  geistlichen  Spielen  aus 
dem  ersten  Drittheil  des  XVI.  Jahrhunderts,  welche  das  Eigenthum  der 
alten  tirolischen  Stadt  Sterzing  sind,  in  deren  Archive  sie  Jahrhunderte 
hindurch  aufbewahrt  lagen.  Schon  Adolf  Pichler  hat  in  seinem  „Drama 
des  Mittelalters  in  Tirol"  einzelne  Stücke  im  Auszuge  mitgetheilt  und  die 
„Bibliothek  ■  des  litterar.  Vereins  in  Stuttgart"  hat  auf  seine  Vermittlung 
hin  die  Sterzinger  Hs.  Q.  in  den  „Fastnachtspielen  aus  dem  XV.  Jahr- 
hundert hg.  V.  Adelbert  v.  Keller"  Incipit  ludus  solatiosus  etc.  (Nr.  115, 
Bd.  XXTX^  Th,  II,  S.  987  flf.)  abgedruckt.  Seit  jener  Publication  sind 
24  Jahre  verstrichen,  jedoch  erst  2  Jahre^  seitdem  der  Lehramtsadjunct 
Conrad  Fischnaler  im  Stadthause  zu  Sterzing  die  Entdeckung  von 
weiteren  29  Heften  machte^  welche  sämmtlich  von  der  Hand  des  Malers 
Vigil  Raber  geschriebene  Spiele  enthalten,  die  von  1510 — 1539 
reichen.  (Von  1510  finden  sich  3,  von  1511  nicht  weniger  denn  12  Stücke. 
Die  Jahreszahl  1512  ist  mit  2,  1514  mit  2,  1515  mit  1,  1516  mit  2, 
1520  mit  1,  1522  mit  1,  1529  mit  2  Stücken,  1531  mit  1,  1535  mit  1 
und  1539  mit  1  Stücke  vertreten.)  Hr.  Fischnaler  erwirkte  seinem 
Freunde  Job.  Georg  Obrist,  Amanuensis  an  der  k.  k.  Universitäts- 
bibliothek in  Innsbruck  die  Erlaubniss  der  Sterzinger  Stadtverwaltung 
zur  Herausgsbe  der  Stücke ,  welche  denn  auch  in  der  vorerwähnten 
-Bibl.  des  litt.  Vereins  in  Stuttgart"  im  Anschlüsse  an  die  darin  bereits 


J.  FASCHING,  ZU  DEN  RELIGIÖSEN  DICHTUNGEN  WALTHERS.      429 

von  A.  V.  Keller   gebotenen    Fastnaehtspicle   binnen    nicht   allzuferner 
Zeit  erfolgen  wird. 

Über  das  „reckhnspil"  wäre  in  Kürze  noch  Folgendes  zu  be- 
merken. Dasselbe  stellt  sich  dar  als  eine  Papierhandsehrift  von  13  be- 
schriebenen,  21  Ctm.  hohen^  7  Ctm.  breiten  Blättern  in  Pergaraent- 
umschlag.  Letzterer  trägt  zwischen  den  Initialen  des  Namens  des 
Schreibers  (ob  auch  Verfassers?  bleibe  vorläufig  dahingestellt)  V  i  g  i  1 
Raber,  „V.  und  R"^  die  Jahreszahl  1511. 

Gerade  dieses  Stück  zählt  wegen  des  darin  behandelten  Stoffes 
zu  den  interessantesten  der  jedenfalls  sehr  beachtenswerthen  Samm- 
lung, deren  Reichhaltigkeit  nur  von  den  einschlägigen  handschriftlichen 
Schätzen  zu  Wolfenbüttel  und  München  übertroffen  wird. 


BEITRÄGE  ZUR  ERTvLÄRUNG  DER  RELIGIÖSEN 
DICHTUNGEN   WALTHERS    VON   DER   VOGEL- 
WEIDE. 

Im  Nachfolgenden  soll  der  Versuch  gemacht  werden,  vom  Boden 
kirchlicher  Anschauung  und  altkirchlicher  Dichtung  aus  Walthers 
religiöse  Dichtungen  zu  beleuchten. 

84,  4  ff.  Pfeiffer  führt  Walther  mit  Berufung  auf  die  Voraussage 
der  hl.  Schrift  als  Vorzeichen  des  jüngsten  Gerichtes  an:  .,diu  sunne 
hat  ir  schin  verkeret"  :  „Sol  obscurabitur"  Matth.  24,  29. 

„erge  ir  sämen  üz  gereret  allenthalben"  :  „Et  quoniam  ahundavit 
malitia  refrigescet  charitas  multorum"  Matth.  24,  12. 

„der  vater  bi  dem  kinde  untriuwe  vindet,  der  bruoder  sinem  bruoder 
liuget"  :  „Tradet  autem  frater  fratrem  in  mortem  et  pater  filium:  et 
consurgent  filii  in  parentes"  Marc.  13,  12. 

Ferner  wird  noch  auf  das  schlechte  Beispiel  so  mancher  Geist- 
lichen hingewiesen,  das  wohl  auch  als  Vorzeichen  des  herannahenden 
jüngsten  Gerichtes  aufzufassen  ist:  „geisthchez  leben  in  kappen  triuget, 
die  uns  ze  himel  solteu  stegen  :  „Tunc  si  quis  vobis  dixerit:  Ecce  hie 
est  Christus,  aut  illic:  nolite  credere.  Surgent  enim  pseudochristi  et 
pseudoprophetae"  Matth.  24,  23.  24. 


430  J-  FASCHING 

89  handelt  von  der  Strenge  des  jüngsten  Gerichtes.  Der  Eingang 
„Ich  hoere  des  die  wisen  jehen"  etc.  erinnert  an  die  Sequenz  in 
Todtenmessen : 

Dies  irae,  dies  illa 

solvet  saeclum  in  favilla 

teste  David  cum  Syhilla. 
V.  4  fF.  der  richter  sprichet  sä  zehant : 

"^gilt  äne  borg  und  äne  pfant'. 

da  wirt  des  raannes  rät  vil  kurz  und  enge, 
sowie  die  Stelle  79,  61  —  63: 

und  swer  dheine  schult  hie  lät 

unverebenet,  wie  der  stät 

dort,  da  er  pfant  noch  bürgen  hat ! 
haben  viele  Ähnlichkeit  mit  folgenden  Versen  der  Sequenz  „Dies  irae"  : 

Quid  sum  miser  tunc  dicturus? 

quem  patronum  rogaturus, 

cum  vix  iustus  sit  securus?  (v.  19 — 21) 
173.  In  diesem  Gedichte  fordert  Walther  unter  anderm  auch  zum 
Lobe  der  Gottesmutter  auf  mit  den  Worten: 

nü  dar  die  alten  mit  den  jungen, 

daz  ir  werde  lop  gesungen ! 

s'ist  guot  ze  lübenne,  wan  s'ist  guot  v.  14 — 16. 
Diese  Verse  sind  wohl  Anspielungen  auf  Stellen  in  den  Psalmen, 
worin  zum  Lobe  Gottes  aufgefordert  wird:  „Senes  cum  iunioribus  laudent 
nomen  domini"  Ps.  148,  12;  „bonum  est  confiteri  doraino"  Ps.  91,  2; 
„confitemini  domino,  quoniam  bunus"  Ps.  117.  1.  In  der  letzten  Strophe 
apostrophiert  der  Dichter  die  drei  Erzengel,  von  denen  er  jeden  nach 
einer  weit  verbreiteten  Anschauung  als  Heerführer  von  dreien  der  neun 
Engelchöre  bezeichnet.  Zugleich  erinnert  er  sie  an  ihre  charakteri- 
stischen Eigenschaften.  Die  ,,wisheit"^  welche  dem  hl.  Michael  zuge- 
theilt  wird,  erklärt  ein  alter  Hymnus  (i\Ione  I,  314)  in  folgender  Weise: 

Principalibus  doctrinis 

divinisque  vocibus 

princeps  exercitus  Dei 

insignis  afatibus. 

Quis  maris  profunditatis, 

quis  coeli  de  extremis, 

quis  conscius  celsitatis 

adonai  de  supernis?  (v.  57 — 64) 


zu  DEN  RKLIGIÖSEN  DICHTUNGEN  WALTHERS.  431 

Saluberrima  doctrina*) 

claroque  inoiiiinine 

liberavit  Michael  mundum  (v.  69 — 71). 
Die  Eigcusehaften,  welche  den  beiden  andern  Erzengehi  zugetheilt 
werden,    erwähut  auch    ein  vom  Mainzer  Bischof  Hraban    stammender 
lateinischer  Hymnus  auf  die  hl.  Engel  (M.  1,  311): 

Angelus  fortis  Gabriel  (v.  9). 

Anjrclum  nobis  medicum  salutis 

mitte  de  coelis  Ra-phael  (v.  12.  13). 
Auf  diese  Eigenschaften   weisen   auch   die  Namen   dieser    beiden 
Erzengel  hin.  ''^*??"^  heißt    nämlich    der    starke    Gott    oder  nach   An- 
dorn:  der   starke  Engel  und  ''^'f']  heißt  Heilung   Gottes    oder   Engel 
der  Heilung. 

Die  Benennung,  welche  Walther  dem  Erzengel  Raphael  noch  über- 
dies gibt,  nämlich  „tiuvels  vient",  wird  sich  wohl  auf  die  Bezwingung 
jenes  Teufels  beziehen,  der  sieben  Männer  der  Sara,  Raguels  Tochter, 
tödtete.  „Tunc  Raphael  Angelus  apprehendit  daemoninm,  et  religavit 
illud  in  deserto  superioris  Aegypti"  Tob.  8,  3.  —  Bezog  sich  so  eben 
besprochenes  Gedicht  schon  theilweise  auf  den  Kreuzzug,  so  sind  Nr.  78 
und  79  eigentliche  Kreuzlieder  ihrem  ganzen  Inhalte  nach.  Was  das 
erstere  (78)  stellenweise  ziemlich  dunkle  anbelangt,  so  beginnt  es  mit 
einer  Anrufung  des  hl.  Geistes,  denn  auf  diesen  beziehen  sich  die  An- 
fangsverse : 

Vil  siieze  wrere  minne, 

berihte  kranke  sinne  (v.  1.  2) 
vgl.  137,7:  „got,  vater  unde  sun,  din  geist  berihte  mine  sinne". 
M.  I,  180,  1  wird  der  hl.  Geist  angerufen  mit  den  Worten:  „Amor 
patris  et  filii",  wozu  Mone  bemerkt:  „Spiritus  sanctus  amor  est,  unde 
et  Joannes  dicit:  deus  Caritas  est  (1.  Joan.  4,  8.  16).  Gregor.  M.  hom. 
in  ev.  2,  30,  1".  Im  selben  Hymnus  wird  der  hl.  Geist  auch  genannt: 
„omnis  rectitudinis  ac  beatitudinis  donator".  Warum  der  hl.  Geist  in 
einem  Kreuzliede  an  erster  Stelle  angerufen  und  darin  noch  öfters  er- 
wähnt wird,  könnte  zum  Theil  auch  seine  Erklärung  finden    in   einem 


*)  Diese  „saluberrima  doctrina"  und  das  „clanxm   monimen"  ist  im  Namen  dieses 

Erzengels  enthalten.     PXD'^O  heißt  nämlich:  Wer   ist    wie  Gott?    mit    welchem  Rufe 

Michael  den  aufrührerischen  Lucifer  vom  Himmel  stürzte.  Dies  ist  wenigstens  eine 
weitverbreitete  Ansicht,  wenngleich  sie  sich  nicht  ausdrücklich  in  der  hl.  Schrift  aus- 
gesprochen findet. 


432  J-  FASCHING 

andern  Hymnus  auf  den  hl.  Geist  (M.  I,  188,  17—20);,  wo  zu   ihm  ge- 
betet wird : 

Veni  navigantiura  sidus, 

naufragantium  portus ! 
Dann  fährt  der  Dichter  fort: 

got,  durcli  diu  anebeginne 

bewar  die  Christenheit  (v.  3.  4). 
Hier  kann  doch  unter  „anebeginne"  nicht  die  Menschwerdung 
Christi  gemeint  sein,  was  mir  wenigstens  ganz  vom  kirchlichen  Sprach- 
gebrauch abweichend  erscheint  und  schwerlich  zu  belegen  sein  dürfte. 
Möglicher  Weise  liegt  eine  Anspielung  auf  mehrere  Stellen  der  hl. 
Schrift  vor,  wo  der  zweiten  göttlichen  Person  besonders  das  Sein  von 
Anfang  an  zugetheilt  wird,  ja,  wo  sich  diese  selbst  geradezu  den 
Anfang  nennt:  „In  principio  erat  Verbum"  Joan.  1,  1,  wo  „verbum'' 
soviel  als  Ao'j/oj,  d.  i.  die  zweite  göttliche  Person  bezeichnet.  Ferner: 
„Dicebant  ergo  ei:  Tu  quis  es?  Dixit  eis  Jesus:  Principium,  qui  et 
loquor  vobis"  Joan.  8,  25.  Mehrere  hl.  Väter  legen  darum  auch  in 
Hinsicht  auf  diese  Stelle  Gren.  1:  „In  principio  creavit  Dens  coelum 
et  terram"  aus:  Gott  schuf  durch  die  zweite  göttliche  Person  („princi- 
pium")  Himmel  und  Erde  (Allioli  zu  Gen.  1).  Sollte  demgemäß  der 
Sinn  unserer  Stelle  nicht  vielleicht  folgender  sein :  Gott  (Vater)  um 
deines  Sohnes  (principium  =  anebeginne)  willen  bewahre  die  Christen- 
heit? In  diesem  Falle  hätten  wir  im  Eingange  eine  Anrufung  der 
Trinität  vor  uns.  Oder  sollte  „got,  durch  din  anbeginne"  an  die  zweite 
göttliche  Person  gerichtet  sein  und  so  viel  heissen  als:  Gott  (Christus) 
durch  dein  Sein  von  Anbeginn  (in  principio  erat  Verbum)?  Überhaupt 
wendet  sich  der  Dichter  in  dieser  Strophe  abwechselnd  an  die  zweite 
und  die  dritte  göttliche  Person.  Denn  die  folgenden  vier  Verse  be- 
ziehen sich  wahrscheinlicher  wieder  auf  den  hl.  Geist.  Seine  Ankunft 
in  den  Herzen  wird  ja  in  kirchlichen  Hymnen  vorzüglich  als  eine 
freudebringende  bezeichnet : 

Impleta  gaudent  viscera 

afflata  sancto  spiritu  (M.  I,  182,  17  f.); 
er  wird  iii  den  hl.  Schriften  des  neuen  Bundes  der  Tröster  xar'  ago^rfv 
genannt  und  in  alten  Hymnen  als  Vater   der  Waisen  und  Bedrängten 
angerufen,  so  M.  I^  188: 

Veni  iam  veni, 

benignissime 

dolentis  animae 

consolator, 


zu  DEN   RELIGIÖSEN  DICHTUNGEN  VVALTIIERS.  433 

promptissimus 

in  opportunitatibus 

et  tribulationibus 

adiutor!  (v.  1—8) 

Veni  .... 

pius  pater  orphanorum, 

dulcis  vindex  viduarum!  (v.  11 — 14) 
Die  Verse  34 — 38  dürften  nur  verständlich  sein,  wenn  man  sie  auf 
Psalm  2  bezieht.  Dieser  Psalm  wurde  in  der  katholischen  Kirche  von 
jeher  auf  die  Heiden  (Philatus  —  „quare  fremuerunt  gentes"  v.  1)  und 
Juden  („principes  convenerunt  in  unum  adversus  dominum  et  adversus 
Christum  eins"  v.  2)  bezogen,  welche  Christum  in  den  Tod  überliefert 
haben.  Dieses  beweist  schon^  daß  dieser  Psalm  in  der  Matutin  des 
Charfreitages  gleich  am  Anfange  gesungen  wird.  Die  Anspielung  auf 
diesen  Psalm  macht  es  uns  erklärlich,  warum  der  Dichter  für  Heiden 
den  Ausdruck  „diu  diet"  gebraucht  hat,  den  er  noch  eigens  durch  den 
Vers  „der  touf  sie  seit  unkristen"  erklären  muß.  Es  ist  dies  eben 
wörtliche  Übersetzung  des  Wortes  „gentes"  in  Ps.  2,  1:  „Quare  fre- 
muerunt gentes  et  populi  meditati  sunt  inania?",  wo  „gentes"  nach 
kirchlichem  Sprachgebrauche  „Heiden"  bezeichnet:  „der  touf  sie  seit 
unkristen".  Das  „verlisten"  hängt  vielleicht  zusammen  mit  dem  „me- 
ditari  inania"  (v.  1)  der  Heiden ,  und  dem^  was  über  das  Verhalten 
Gottes  ihren  Rathschlägen  gegenüber  in  v.  4  gesagt  ist:  „Qui  ha- 
bitat  in  coelis  irridebit  cos,  et  Dominus  subsannabit  eos."  —  v.  36 
und  37  unseres  Liedes   werden   als  Frage    aufgefaßt  werden    müssen: 

wan  fürhtent  sie  den  stap, 

der  euch  die  Juden  villet? 
Von  diesem  Stabe,  der  alle  Feinde  Christi,  Juden  und  Heiden^ 
zerschmettern  soll,  ist  Ps.  2,  9  die  Rede.  Dem  Erlöser  wird  nämlich 
von  seinem  himmlischen  Vater  das  Versprechen  gegeben:  „Reges  eos 
in  virga  ferrea  et  tauquam  vas  figuli  confringes  eos".  Die  Verse  38 
und  39  unseres  Liedes  sind  als  Gegensätze  aufzufassen:  Das  Schreien 
und  Toben  der  Feinde  Christi  ertönet  laut  [qua,re  fremuerunt  gentes?" 
Ps.  2,  1),  aber  auch  zum  Lobe  des  Kreuzes  hört  man  viele  rufen: 

„erloesen  wir  daz  grap!" 
In  der  letzten  Strophe  wird  Gott    um   seine  Hilfe  in   der  Todes- 
stunde gebeten: 

bewar  uns  .  .  . 

vor  helleheizen  wallen, 

daz  wir  dar  in  iht  vallen  (v.  63 — 66). 

GERMANIA.  Neue  Reihe  X.  (XXII.)  Jahrg.  28 


434  J-  FASCHING 

Eine  ähnliche  Stelle  findet  sich  im  Hymnus  der  Matutin  im  Ad- 
vent (Strophe  4): 

Non  esca  flammarum  nigros 

volvamur  inter  turbines. 
(J.  Pauly,   Hymni   Breviarii  Romani,  3  Theile.    Aachen    1868 — 1870). 
Das  Lied  79  preist   das  Glück,    das    dem  Dichter   zu  Theil    ge- 
worden, das   hl.  Land   zu   betreten.     So  viel   er   der  Länder  gesehen, 
dieses  ist  doch  ihrer  aller  Krone;  denn 

swaz  got  mit  der  werlte  ie 

wunderliches  noch  begic, 

daz  huop  sich  und  endet  hie.  (v.  68—70) 
In  classischer  Ktirze  ist  in  diesen  wenigen  Versen  die  hohe  Bedeu- 
tung des  hl.  Landes  ausgesprochen.  Der  Dichter  geht  jedoch  auch  näher 
auf  diese  wundervollen  Anstalten  Gottes  zum  Heile  der  Menschen  ein, 
indem  er  die  Hauptmomente  aus  dem  Leben  Christi,  seine  Geburt, 
Taufe,  denVerrath  durch  Judas  und  sein  freiwilliges  Leiden  und  Sterben 
hervorhebt.  Wer  diesem  Gedichte  poetischen  Schwung  abspricht,  möge 
nur  auf  die  schönen  Gegensätze  achten,  die  sich  hier  finden:  Er,  der 
Reine,  ließ  sich  taufen,  damit  der  unreine  Mensch  rein  würde  (v.  15  f.) . 
er  ließ  sich  verkaufen,  daß  wir  Unfreie  frei  würden  (v.  17  f.);  er,  der 
so  Reiche,  litt  für  uns,  damit  wir  Arme  von  imserer  Noth  befreit  wür- 
den (v.  22—25). 

Sodann  wird  erzählt  von  der  Höllenfahrt  Christi,  und  wie  er 
dabei  stets  als  göttliche  Person  mit  dem  Vater  und  dem  hl.  Geiste 
vereint  blieb.  Diese  fortwährende  innige  Vereinigung  und  Durchdrin- 
gung der  drei  göttliclieu  Personen  wird  mit  dem  theologischen  Fach- 
ausdrucke als  „circuminsessio  TisQLXGJQrjaLs'^'^  bezeichnet;  vgl.  Hieronym. 
in  cap.  3  Ezech.:  „Filius  est  locus  patris,  et  pater  est  locus  filii,  di- 
cente  domino  salvatore:  Ego  in  patre,  et  pater  in  me."  Vgl.  auch  aus 
dem  messianischen  Psalm  15,  10:  „Quoniam  non  derelinques  animam 
meam  in  inferno."  In  v.  33 — 35  vergleicht  der  Dichter  die  innige 
Gemeinschaft  und  Durchdringung  der  drei  göttlichen  Personen,  in  der 
sie  nur  ^ines  ausmachen,  in  etwas  cigenthümlicher  Weise  mit  einem 
glatten  Stabe,  vielleicht  einem  Pfeilschaft,  der,  obwohl  im  Innern  aus 
verschiedenen  Theilen  bestehend,  nach  Aussen  doch  als  etwas  durch- 
aus einheitliches  erscheint.  Die  Erscheinung  Gottes,  von  der  v.  35 
gesprochen  wird,  findet  sich  in  Gen.  18  erzählt.  Gott  erschien  nämlich 
dem  Abraham  in  der  Gestalt  eines  Mannes  von  zwei  Engeln  begleitet. 
Bemerkenswerth  ist  die  Neigung  des  Dichters  bei  gegebener  Gelegen- 
heit seine  Kenntnisse  in  Bezug  auf  das  Mysterium  der  Trinität  zu  ver- 


zu  DEN  RELTCIIÖSEN  DICHTUNGEN  WALTITDIi«.  43") 

werthcn.  V<^1.  den  Eingang  des  Kreuzliedes  78;  79,44—47;  HO,  1—9; 
HO,  IIG;  auch  an  manchen  andern  »Stellen  des  Leiches  linden  sich 
tiefere  Beziehungen  auf  das  Trinitätsgeheimniss ;  ferner  137,  7. 

Zu  V.  41,  42  vgl.  „Videbuut  in  quem  transfixerunt."  Joan.  19,  37; 
Zach.  12,  10. 

Aber  damit  ist  die  Bedeutung  des  hl.  Landes  noch  nicht  abge- 
schlossen, denn  hier  (nach  alter  Überlieferung  im  Thale  Josaphat)  wird 
auch  das  jüngste  Gericht  abgehalten  werden.  Schließlich  bemerkt  der 
Dichter  noch,  daß  Juden,  Christen  und  Heiden  auf  dieses  Land  An- 
spruch machen  und  bittet  Gott,  er  möge  diesen  Streit  nach  Gerechtig- 
keit entscheiden,  wobei  ihm  der  Psalmvers,  der  täglich  in  der  hl.  Messe 
vorkommt,  vorgeschwebt  haben  mag:  „Judica  me  Deus,  et  discerne 
causam  meam  de  gente  non  sancta"  (Ps.  42,  1). 

Im  Ganzen  erinnert  dieses  Lied  an  zwei  alte  lateinische  Hymnen^ 
in  denen  die  Hauptmomente  des  Lebens  und  Leidens  Christi  beschrieben 
werden  (bei  Mono  I,  27.  28). 

88  ist  ein  Gebet,  das  Walther  am  Morgen,  vor  einer  anzutre- 
tenden ßeise^  zu  Gott  emporschickt,  v.  4  wendet  er  sich  an  Christus 
und  bittet  ihn  um  der  Ehre  seiner  Mutter  willen,  er  möge  ihm  gnädig 
einen  schützenden  Engel  zur  Seite  stellen,  wie  ja  ihn  selbst,  da  er  in 
der  Krippe  lag,  und  obwohl  der  gute  Joseph  ihn.  hütete,  doch  ein  Engel 
vor  allen  Gefahren  bewahrte.  Es  ist  hier  wohl  au  jenen  Engel  zu 
denken,  der  dem  hl.  Joseph  im  Traume  den  Auftrag  gab,  mit  dem 
Kinde  und  seiner  Mutter  nach  Ägypten  zu  fliehen  (Matth.  2,  13).  Die 
Berufung  auf  diesen  Engel  paßt  um  so  besser,  als  ja  der  Dichter  selbst 
im  Begriffe  ist,  eine  Reise  anzutreten. 

V.  9  „junger  mensch  und  alter  got"  hat  mehrere  Parallelstellen  in 
lateinischen  Plymnen,  wie  die  Zusammenstellung  dieser  Gegensätze  bei 
kirchlichen  Schriftstellern  überhaupt  beliebt  war;  vgl.  M.  II,  372,  29.  30: 

Novus  esse 

coepit  antiquus  dierum. 
M.  I,  31,  13  f.:  A  matre  natus  tempore, 
sed  sempiternus  a  patre ; 

wozu  Mone  in  der  Anmerkung  citiert:  Augustiu.  in  Evang.  Joan.  2,  15: 
„Novus  Christus  in  carne ,  sed  antiquus  in  divinitate".  Bei  dem  „vij 
götelich  gebot"  in  v.  15  denkt  der  Dichter  wohl  an  Ps.  90,  11:  „Quo. 
uiam  angelis  suis  mandavit  de  te,  ut  custodiant  te  in  omnibus  tuis 
viis",  welcher  Psalmvers  auch  im   ,.Itinerarium  clericorum"  vorkömmt. 

28* 


436       J-  FASCHING,  ZU  DEN  RELIGIÖSEN  DICHTUNGEN  WALTHERS. 

Zu  Spruch  158  ist  aus  der  hl.  Schrift  zu  vergleichen  Rom.  11, 
33:  „O  altitudo  divitiarum  sapientiae  et  scientiae  Dei:  quam  iucompre- 
hensibilia  sunt  iudicia  eius,  et  investigabiles  viae  eius". 

Auch  für  die  Bezeichnung  geistiger  Dinge  durch  die  körperlichen 
Raumverhältnisse  (v.  1)  finden  sich  in  der  hl.  Schrift  Belege.  So 
schreibt  der  hl.  Paulus  an  die  Ephesier  (3^  18;  f.):  „ut  positis  compre- 
hendere  cum  omnibus  sanctis,  quae  sit  latitudo  et  longitudo  et  sublimitas 
et  profundum:  scire  etiam  supereminentera  scientiae  caritatem  Christi." 

Seinen  Leich  (80)  beginnt  der  Dichter  mit  einem  Bekenntnisse 
der  Trinität. 

In  V.  4  wird  der  Doppelpunkt  besser  nach  „jehen  wir"  gesetzt, 
als  am  Ende  des  Verses,  so  daß  das  folgende  „mit  driunge  diu  drie 
ist  ein  einunge"  =  die  Dreifaltigkeit  ist  eine  Einheit  in  der  Dreiheit 
als  Inhalt  des  Bekenntnisses  hervortritt.  Wie  Bartsch  (Germ.  6,  193) 
bemerkt,  ist  es  hier  dem  Dichter  gerade  um  scharfe  Gegenüberstellung 
der  scheinbaren  Gegensätze  zu  thun.  Und  auch  das  symbolum  Atha- 
nasianum  hat  in  v.  3,  der  dem  Dichter  an  dieser  Stelle  vorgeschwebt 
haben  mag,  ganz  in  ähnlicher  Weise:  „Fides  autem  catholica  haec 
est,  ut  unum  deum  in  trinitate  et  trinitatem  in  unitate  veneremur." 

In  den  folgenden  Versen  (6 — 9)  liegt  vielleicht  abermals  ein  Be- 
kenntniss  der  Trinität.  Zuerst  wird  die  Einheit  Gottes  betont:  „ein 
got",  dann  wird  Gott  Vater  angerufen:  „der  hohe  here"  (Optimus 
Maximus),  welche  Prädicate  besonders  dieser  göttlichen  Person  wegen 
der  ihr  vorzüglich  zugetheilten  Allmacht  gebühren.  Dann  wird  Gott 
Sohn  erwähnt:  „des  ie  selbwesendiu  ere"  (vgl.  v.  79  „ie  gewesende*'). 
Als  Belege  für  die  Zulässigkeit  dieser  Auffassung  mögen  dienen :  Joan. 
1,  14,  wo  es  mit  Bezug  auf  die  zweite  göttliche  Person  heißt:  „Vi- 
dimus  gloriam  eius,  gloriam  quasi  unigeniti  a  patre".  Hebr.  1,  3  wird 
Christus  genannt:  „Splendor  gloriae  et  figura  substantiae  (patris)", 
auf  welche  Stelle  sich  offenbar  ein  dem  hl.  Ambrosius  zugeschriebener 
Hymnus  bezieht,  in  dem  er  Gott  Sohn  begrüßt  als:  „Splendor  paternae 
gloriae"  (M-  I,  272,  1).  In  einem  andern  in  der  kirchlichen  Liturgie 
gebrauchten  uralten  Hymnus  (M.  I,  159,  1.  3)  wird  die  zweite  göttliche 
Person  geradezu  genannt: 

Aeterna  coeli  gloria, 
celsi  tonantis  unice. 

Auch  das  Attribut  „selbwesend"  deutet  auf  ein  persönliches  Wesen, 
nicht  auf  etwas  bloß  Abstractes. 

Daß  es  ferner  dem  kirchlichen  Sprachgebranche  keineswegs  fremd 
wäre,  den  hl.  Geist  unter  dem  Namen  „lere"  zu  bezeichnen,  zeigt  uns 


A.  JEITTELEÖ,  MITTHEILUNÜEN  AUS  (JKAZEK  HANDSCHRIFTEN.     437 

eine  Schriftstelle,  die  bei  ihrem  häufigen  Gebrauche  dem  Dichter  gewiß 
nicht  unbekannt  war  nämlich  Joau.  14^  2G :  „Paraclitus  autem  spiritus 
sanctus^  quem  mittet  pater  in  nominn  meo,  ille  vos  docebit  omnia."  Auch 
im  Zusammenhalte  mit  dem  Inlialt  des  ganzen  Gedichtes  pafit  dieser 
Sinn  ganz  gut,  da  ja  der  ganze  Leich  eigentlich  nichts  anderes  ist, 
als  eine  Bitte  an  die  hl.  Dreifaltigkeit  um  die  Gnade  des  hl.  Geistes 
durch  die  Fürbitte  Mariens.  Dann  ist  mit  Lachniann  nach  v.  5  Punkt 
zu  setzen  und  v.  9  zu  lesen:  der  sende  uns  sine  lere. 

(Schluß  folgt.) 

JOSEF  FASCHING. 


MITTHEILUNGEN  AUS  GRAZER  HAND- 
SCHRIFTEN*). 


5.  Priesterliche  Eheverlöbnissforniel. 

Papierhandschrift  36/33  fol,  der   k.  k.  Universitätsbibliothek  zu  Graz. 

Nach  der  aufsatzung  der  heiligen  väter  ist  gewonhait,  wan 
czway  mensch  zu  einander  in  dy  heilige  chonschaft  tretten  wellen, 
das  scholl  man  melden  drey  suntag  nach  einander,  ob  das  wer,  das 
zwiescheu  den  zwayen  levten  ein  irrung  wer,  es  wer  von  freunt- 
5  Schaft  wegen  oder  von  geuatterschaft  oder  welcherlay  das  wer,  do 
mit  hinfür  dy  heilige  chonschaft  mocht  gestört  werden. 

Do  frag  ich  alle  frawn  vnd  man,  dy  hie  gegenburtig  sein, 
auf  ir  trew  vnd  gewiessen,  als  sy  got  antworten  schülln  an  dem 
jüngsten   tag   zu   dem    ersten   mal  etc.:  Wie  haistu,  man?    Zu  der 

10  frawen  des  geleichen:  Hanns,  ich  frag  dich  auf  dein  gewissen  vnd 
trew,  ob  du  der  gegenbürtigeu  Kathrein  icht  enwaig  pist  von  frewnt- 
schaft  wegen  oder  von  gevatterschaft  wegen  oder  einer  ander  glü- 
bung  versprochen  hiest.  Ich  frag  dich  zu  dem  ersten  mal;,  zu  dem 
andern  mal,  zu  dem  dritten  mal.  Des  geleichen  frag  man  dy  frawn 

15  auch.  Hanns ,  nimstu  die  gegenburtigen  Kathrein  willicleich  vnd 
gern  zu  einer  chan?  ich  frag  dich  zum  ersten  mal^  zum  andern 
mal,  zum  dritten  mal.  Des  geleichen  frag  man  die  fraun  auch. 
Hanns,  ich  verpewt  dir  all  ander  fraAven  zu  buntlichen  Sachen,  dan 
dy  gegenburtigen   erlawb  ich  dir.    Des  geleichen  verpewt  man  der 

*)  S.  Germania  XX,  437  ff.  XXI,  33S  ff.  4-5  freimtschaf.  5  werd. 

9  haistu   M.  11    katheiu.    emwaig  (=   enweg);    vgl.    Weinh.,    bair.    Gh.    S.  84. 

14  andm.         17  mal  nach  Ar'Men  fehlt.         18—19  dan    dy  in  der  Es.  tciederhoU. 


438  A.  JEITTELES 

20  frawen.  Hanns,  so  enphill  ich  dir  dy  gegcnbiirtigc  Kathrein  auf 
dein  trew  vnd  gcbiessen,  das  du  ir  gewertige  seist,  trcw  vnd  lieb  er- 
zaigst  zu  pet,  ticsch  vnd  gassen  vnd  in  allem  dem,  das  zur  hei- 
ligen chanschaft  gehört.  Des  geleichen  euphelch  man  der  frawn 
den  man  vnd  leg  ir  sein  ringl  auf  iren  vinger  und  ir  ringl  an  sein 

25  vinger  vnd  leg  yn  payde  hent  in  ein  ander  vnd  Sprech:  also  gib 
ich  ewch  zamb,  Hanns  vnd  Kathrein,  in  den  orden  der  heiligen 
chanschaft  in  nemen  got  des  vaters  vnd  suns  vnd  des  heiligen  geist. 

6,  Fünfzehn  Paternoster. 

Die  Pergamenthandschrift  39/55  fol.  in  der  Grazer  Universitäts- 
bibliothek, 158  Seiten  stark,  enthält  nach  einem  lateinischen  Psalter 
auf  Seite  157  folgende  Aufschreibung  in  deutscher  Sprache,  die  von 
derselben  Hand  herrührt,  welche  den  Psalter  geschrieben  hat,  und 
dem  Ausgang  des  14.  oder  dem  Beginn  des  15.  Jahrhunderts  angehören 
dürfte.     Die  Sprache  ist  echt  österreichisch. 

Vnser  herre  lert   ainen  seiner  vreunt  funfzechen  pater  noster 
vnd  als  manigs  aue  maria. 

Mit  dem  ersten  pater  noster  man  mich  der  zerrung  aller  meiner 

glider   an    dem   chneutz.     Mit   dem    andern  pater  noster  man  mich 

5  der  widerstassen    nagel,    da  mit  mein  hent  vnd  mein  fuez  derpard 

wurden.     Mit    dem    tritten    pater  noster  mau  mich    der   Zerlegung 

aller  meiner  glider,  also  daz  ir  chaines  an  seiner  rechten  stat  nicht 

pestvnt.     Mit   dem  vierten  pater  noster   man  mich  der  flucht  aller 

meiner  freunt  an  mein  mueter  Maria  vnd  Johans  den  ewangelist  vnd 

10  Maria  Magdalena  vnd  ander  vrowen,   an  den  doch  lutzil  hilf  was. 

Mit    dem    fumften   pater    noster    man   mich    der  vmsteung    meiner 

veint.  Mit  dem  sechsten  pater  noster  man  mich  des  wertes^  do  ich 

sprach:    mich  turst  doch  noch  chainem  tranch  nicht  wan  noch  der 

menschen  hail.  Mit  dem  sibenten  pater  noster  mau  mich  des  pittern 

15  tranchs ,    da    mir    gemischt  wart    ezzeich   mit    der   gall.     Mit    dem 

achten    pater    noster    man  mich  der  pittern  pein ,    do    ich    sach    in 

dem  Spiegel  der  gothait,   daz  mein  martcr  an  so  manigem  menschen 

scholt  verlaren  werden.     Mit  dem  neunten  pater   noster   man    mich 

des    rcvfen,    do    ich  sprach:    mein  got,  mein  got,  warumb  hast  tu 

20  mich  verlazzen?    Mit    dem    zechenten    pater    noster  man  mich  des 

21  den  trew.  21 — 22  erzägst.  22 — 23  in  allen  den     das  zu  heilige. 

24  sein  ringl',         25  pay  lientt.     sprach,     alzo.       27  nem.     snnß, 

i  herc.  .']  man  ich  mich.  5  wider   stassen.      der  pard.  9  mcinhi. 

Johans  der  ewangelist         10  waz.  12  dez  wertes.  13   Über  noch  =  nach  viß. 

Weinhold,    bah:    Gr. §.22.  chainc.  17  spigel.  19  dez  rev^en.         20  dez. 


MITTIIKlLUNriKN   Als   filv'A/Kl.'   IIANDSCl  IHUTEN.  4;3<.) 

rufs,  do  ich  sprach:  vater,  icli  eni)liilch  meinen  geist  in  dein  hent. 
Mit  dem  ainleftcn  pater  noster  man  mich  der  verzerung  aller  meiner 
chrelt,  wan  all.iin  ich  gotes  sun  was;  doch  was  ich  in  solcher 
chranchhait  au   dem  chraiitz,  daz  ich  ein  halm  von  der  erden  nicht 

25  meciit  haben  erheft.  Mit  dem  zwölften  pater  noster  man  mich  der 
verzerung  alles  meines  plutes,  wan  ich  plutes  als  gar  an  was  als 
Adam,  do  ich  den  gemacht  het  aus  dem  laimchnollen,  e  ich  di  sei 
in  seinen  leichnaui  het  gegozzen.  Mit  dem  treizechent  pater  noster 
man  mich  der  prait  meiner  wunden.     Mit  dem  vierzechenten  pater 

30  noster  man  mich  der  tief  meiner  wunden.  Mit  dem  fumfzechenten  pater 
noster  mau  mich  der  meuig  meiner  wunden:  der  waren  neun  tau- 
sent  vnt  neun  hundert  vnd  treizich  an  di  fumf  wunden. 

7.  Eine  Sterbeforiiiel  des  heil.  Anselm. 

An  obige  fünfzehn  Paternoster  reiht  sich  in  derselben  Handschrift 
unmittelbar  darnach  folgende  aus  der  gleichen  Feder  gefloßene  Ansprache 
an  einen  Sterbenden  an.     Der  Schluß  derselben  fehlt. 

Item  Sant  Anshalm  der  piseholf  von  Chanzilwerch  lered 
sprechen  dise  wart,  so  der  mensch  an  dem  tot  leid,  daz  er  ge- 
nesen mug  vor  dem  ebigem  tot.  Als  der  mensch  nechent  zu  dem 
tot,  so  scliol  mau  iu  frogen  vnd  schol  er  antwurtcn:  frseustu  dich, 
5  daz  tu  christe  pist  vnd  in  christem  gelauben  sterben  scholt?  Ant- 
wurt  er :  Ja  ich  freu  mich.  Geist  tu  dich  schuldich .  daz  tu  nicht 
also  gelebt  hast  noch  christenleichem  orden  als  tu  schöltest?  Ant- 
wurt  er:  Ja,  ich  gib  mich  schuldich.  Reut  iz  dich  von  niderm 
deinem  herzen?  Ja,  iz  reut  mich.     Hast  tu  den  willen,  ob  tu  fuer- 

10  bas  leben  scholdest,  daz  tu  dich  gern  pessern  woldest?  Ja  gern. 
Gelaubest  tu,  daz  vnser  herr  Jesus  Christus,  der  wäre  gotes  sun, 
durch  deinen  willen  den  pittern  tot  erliden  hat?  Ja,  ich  gelaub  iz. 
Sagest  tu  im  des  gnade  vnd  wilt  geduldich  sein  in  tot?  Ja  gern. 
Gelaubest  tu,  daz  tu  nicht  pehalten  macht  werden  nuer  mit  seinem 

15  tot?  Ja,  ich  gelaub  iz.  So  schol  man  den  siechen  manen  vnd 
schol  sprechen  also:  Seid  tu  daz  gelaubest,  so  sag  vnserm  herren 
Jesu  Christo  gnat  vnd  tauch  seiner  martyr,  di  weil  dein  sei  in  dir 
ist,  vnd  leg  allen  deinen  geding  allain  an    seinen   tot  vnd   hab   zu 


23  sun   waz.         26  meinnes.  27  laim  chuolleu.     Das  Längezeichen  über  dem 

Werfe  e  in  der  Handschrift.         30  tief  mein^a. 

1  Item  mit  Bezug  auf  die  vorhergehenden  15  Paternoster.  6  frey.     schullich. 

9  deine.         13  dez. 


440  LITTERATUK:  M.  VOGLER,  SJURDAR  KV^DI. 

dhain    andern    dingen    trost^    daz    tu    anders  icht  pehalten  mügest 

20  werden.     In    den    tot    scholt  tu   dich  allensant  senchen  vor  deinen 

veinden.     Mit  dem  tot  scholt  tu  dich  bedechen.     In  den  tot  scholt 

tu  dich  alsant  winden.     Chumt    dan    solch    chlag    vber    dich,    daz 

dein  got  der  vater  vber  dich  richten  wil,  so  sprich:  Herr,  ich  han 

anders  nicht  für  ze  pieten  dan  den  vnuerdienten    tot    deines    suns, 

25  meines  herren  Jesu  Christi;    den   setz  ich  zwischen  mich  vnd  dich 

für  deinen  zorn.  Dar  noch  sprich  treistunt:  in  manus  tuas,  domine, 

commendo  spiritum  meum  etc.     Daz  spricht  also:  her  got,  ich  en- 

philch   mein  sei  in  dein   hent  var  aller  meiner  veinde  chundichaid; 

heiliger    geist,    herr,    ich    enphilch    meinen    geist  in  dein  hent  var 

30  aller   ... 

INNSBRUCK.  ADALB.  JEITTELES. 


LITTERATÜR. 


Sjürdar  kvsedi.  Die  färöischen  Lieder  von  Sigurd.  Zum  erstenmal  mit  Ein- 
leitungen, Anmerkungen  und  ausführlichem  Glossar  herausgegeben  von 
Max  Vogler.  I.  Regln  smiäur.  Paderborn  1877.  Schöningh.  8.  VI 
und    106    S. 

Eine  neue  Ausgabe  der  färöischen  Sigurdslieder  ict  gewiß  ein  dankens- 
wcrthes  Unternehmen.  Die  vorliegende  erste  Abtheilung  einer  solchen,  die  der 
Herausgeber  dem  jüngst  verstorbenen  Ludwig  EttmüUer  gewidmet  hat,  bietet 
den  Text  des  ersten  Gesangs,  Regln  smictur,  nebst  ziemlich  ausführlicher  Ein- 
leitung über  den  Gesang  auf  den  Färöer,  die  Hss.  und  früheren  Ausgaben, 
Ursprung  und  Alter  der  Sigurdslieder,  ihr  Verhältniss  zur  nordischen  und 
deutschen  Gestalt  der  Sage,  einigen  Bemerkungen  über  den  Dialekt  und  die 
Form,  einem  Abschnitt,  der  diese  Lieder  ästhetisch  zu  würdigen  versucht,  end- 
lich Namensverzeichniss  und  Glossar.  So  wäre  denn  alles  beisammen,  was  man 
von  einer  derartigen  Ausgabe  zu  fordern  berechtigt  ist,  imd,  entspräche  nur  die 
Qualität  des  Gebotenen  seiner  Quantität,  so  könnte  man  in  jeder  Beziehung  zu- 
frieden sein.  Der  Herausgeber  will  eine  kritische  Ausgabe  liefern  im  Gegen- 
satz zu  den  beiden  „mehr  oder  minder  mangelhaften  dänischen  Sammlungen" 
von  Lyngby  und  Hammcrshaimb,  „welche  beinahe  jedes  wissenschaftlichen  Ap- 
parates  entbehrten".  Aber  vergebens  sucht  man  zu  erkennen,  inwiefern  denn 
die  Ausgabe  des  Hrn.  Vogler  über  Hammcrshaimb  li inausgeht.  Der  einzige 
abweichende  Punkt    ist    die    noch    mehr   normalisierte    Orthographie ,     und  hier 


22  winden;  wo?il  i^  vinden?  '24  vm^VIicten.  25  stwissen,         26  deiiine. 

sprechs.         28  var  allen  meinne  veinde.         80  aller:   das  Schlußwort  der  letzten  Seite 
der  Handschrift, 


LITTEKATUK:  M.   VOüLEll,  SJUKDAK  KV  ALDI.  44I 

fragt    CS    sich,     ob    cli(!  Methode    des  Herausgebers  zu   binigen   ist.      Der  gram- 
matisclicn   Forsclumg   l)iingt   es   keinen   Voitheil,    wenn   man   die   Eigentliürnlich- 
keiten   des  fjlröischen  Dialekts  gewaltsam  in  den  Rahmen  des  islündiseiien  zwängt, 
und  keinesfalls   hätte  der  Herausgeber  hierin  weiter  gehen   sollen  als  Hammers - 
haimb.      Ganz    anders    steht    es    mit    der    normalisierten   Orthographie   des  Isl. 
Für  diese   Gesänge   der  Färinger  gibt  es    meiner  Überzeugung    nach     nur    eine 
doppelte  Möglichkeit :     entweder    eine    mit    feinem   Gehör    vorzunehmende  Auf- 
zeichnung der  Lieder    mit  Beibehaltung    aller     dialektischen   Eigenheiten,     oder 
aber  geradezu   eine  Rückübersetzung    in    das   isländische    des   Mittelalters.     Na- 
mentlich bei   dem   hohen  Alter,   das   der  neueste  Herausgeber  diesen  Denkmälern 
zuerkennt,  hätte  diese  letztere  Methode  völlige    Berechtigung,   da  färöische  Ur- 
kunden des  14.  und  15.  Jahrhunderts   eine  rein  isländische  Sprache  zeigen.   Die 
Herstellung  einer   Art  moderner  färöischer  Schriftsprache  ist  ebenso    ungereimt, 
wie  wenn  man  eine  neuniederdeutsche  Schriftsprache  schallen  wollte,  um  den  Ober- 
deutschen das  Verständniss  Fritz  Reuters  zu  erleichtern.  —  Von  dieser  rein   äußer- 
lichen Abweichung  abgesehen  ist  der  Text  des  Hrn.  Vogler  eine  einfache  Wider - 
gäbe  des  Hammershaimb'schen  nebst  gelegentlich  angeführten  Abweichungen   der 
Aufzeichnung  Lyngbys.  In  der  That  ist  auch  kaum  abzusehen,    was   der  Heraus- 
geber,  ohne  selber  die  Lieder  aus  dem  Volksmunde  neu  aufgezeichnet  zu  haben, 
mehr  hätte  geben  können,   wenn  er  nicht  zur  Conjecturalkritik    greifen   wollte, 
was  bei  diesen  aus  dem  Volksmunde  aufgezeichneten  Gesängen  sein  recht  misliches 
hat.   Aber  im  Bewustsein  dieser  Unmöglichkeit  hätte  der  Herausgeber   sich   über 
seine  Leistung  etwas   bescheidener  äußeru  sollen.      Ich  knüpfe  hieran    zunächst 
einige  Bemerkungen  über  den  Text.    Während   Str.   30  und  sonst  richtig  gekk 
und  fekk   geschrieben  wird,   steht  z.  B.  Str.  23   feil,   während   diese  Fälle  natür- 
lich   absolut    gleich    zu    beurtheilen    sind.      Der  Herausgeber    scheint    aber    die 
Kürze  des  altn.   e  im  Prät.   der  reduplicierenden  Verba  mit  a-f-Consonantenver- 
bindung  nicht  zu  kennen.    Sonst  würde  er  nicht  S.  46   das  i   in  gingu   und  fingu 
erklären  als  aus  i  =  isl.  e  verkürzt ;    gerade  dieses  übrigens  schon  früh   durch 
Skaldenreime  bezeugte  i  ist  der  beste  Beweis  für  die  Kürze  des  e  (vgl.  Sievers, 
Paul-Braune,  Beitr.   I,  505).    —  Str.    13   ist    die  Conjectur    tad    für    teir    über- 
flüssig:  das  Relativum  fehlt,   wie  ganz  gewöhnlich  im  Acc.  —  Str.  65,  4  ist  statt 
adra  ferd  zu  lesen  aftur  ä  ferct  vgl.   79.  —  Die  zweite  Zeile  von  Str.  85 
tad^  rennur  ein  4  fra  kelduni  upp, 
onnur  skamt  i'fra, 
nach  Hammerhaimbs  Überlieferung  ist  sinnlos.      Hr.   Vogler  meint,   es  sei  nach 
der  ersten  Halbstrophe  eine  Lücke  anzunehmen,   in  der  erzählt  gewesen  sei,  wie 
Sigurd    mit    dem  Schwerte  Gram    eine  treibende  Wollflocke  zerschnitt.      Durch 
diese    Annahme    wird    aber    Z.    2     nicht    erklärt,     denn    es    wäre    wunderlich, 
daß  zu  dieser  Probe  zwei  Flüsse    nöthig    sind.      Es    ist    keine  Lücke    da,  viel- 
mehr ist  statt   des  unsinnigen  onnur  einfach  ormur  zu  lesen.   Die  Strophe  deutet 
in  nicht  sehr    geschickter,    aber  ganz  begreiflicher  Weise  auf  die  Erschlagung 
des  Drachen.  —  Im  Namenverzeichniss   S.   94   wird  die    sonderbare,    allerdings 
durch   ein  Fragezeichen  gemilderte  Vermuthung  aufgestellt,  raudargny   Str.    13. 
89  if.  sei    ein  Eigenname   und     bezeichne    den   Sitz    der  Hundinge.      DaÄ,   wie 
Lyngby  versichert,   die  Färinger  den  Ort  nicht  kennen,   wollen   wir  ihnen  gerne 
glauben,   denn  selbstverständlich  ist    das  Wort    Appellativum,  'Schildgetöse'.   — 
Das  Lied  ist  offenbar  an   manchen  Stellen   durch   spätere,   in  der  Tradition  aus- 


44:^  LITTERATUK:  M.  VOGLEK,  S.IUKDAK  KVJEBl. 

gebildete  Zusätze  entstellt.  Namentlich  scheinen  manchmal  öfter  wiederkehrende 
Strophen  sich  auch  au  falsche  Stellen  eingedrängt  zu  haben.  Als  Sigurd  zum 
ersten  Male  zu  Regin  kommt,  um  sich  aus  den  Trümmern  von  Sigmunds  gött- 
lichem Schwerte  ein   neues  schmieden  zu  lassen,  heißt  es   Str.   57: 

tad  var   hinn   ungi   Sjiirctur, 

ri'dur  fjri   dyrnar  fram; 

Regin  kastar  smidi   öllum 

og  tok  saer  svörd  i  hond- 
Die  Strophe ,  die  hier  sinnlos  ist  —  fordert  doch  Sigurd  den  Schmied 
erst  zur  Arbeit  auf  —  wiederholt  sich  Str.  67.  81  und  hat  sich  von  dort  aus 
fälschlich  schon  au  unsere  Stelle  verirrt,  da  die  Ähnlichkeit  der  Situation  auch 
die  Einkleidung  auf  Kosten  des  Sinus  uniformierte.  Etwas  ähnliches  finden 
wir  in  Briuhild  Str.  64  flP.  Das  Bild  der  zauberkundigen  Grimhild ,  die  vor 
Gjukis  Hof  steht  und  dem  vorüberreiteuden  Sigurd  das  Roß  anhält,  ist  Str.  130  f. 
von  trefflicher  Wirkung.  Schon  Brynhild  und  Budli  haben  den  ahnungslosen 
Jüngling  davor  gewarnt.  Gänzlich  zusammenhangslos  stehen  aber  dieselben 
Strophen  au  der  ersteren  Stelle,  wo  ich  sie  nur  als  Ausweitung  ansehen  kann. 
Freilich  wäre  hier  noch  eine  andere  Erklärung  möglich.  Wie  bekannt,  stellt 
die  Gripisspä  Str.  13  f.  Sigurds  Besuch  bei  Gjuki  schon  zwischen  die  Tödtung 
Fäfnirs  und  die  Erweckung  der  Valkyrie,  ein  Mißverständniss  von  Fafn.  40  ff. 
(vgl.  Bugge ,  Edda  S.  415).  Es  wäre  denkbar,  daß  unserm  färöischen  Liede 
die  Gripisspä  bekannt  war  und  es  zu  dieser  Darstellung  veranlaßt  hätte.  Ich 
wüßte  aber  diese  Vermuthung  durch  nichts  zu  stützen.  Gegen  sie  spricht,  daß 
höchst  wahrscheinlich  nicht  die  Eddalieder,  sondern  die  Völsunga  saga  unserm 
Liede  als  Quelle  gedient  haben.  Darauf  komme  ich  zurück.  —  Manche  Strophen 
haben  sich  an  falsche  Stellen  eingedrängt,  während  ihr  ursprünglicher  Zusam- 
menhang verloren  ist.  Ein  schlagendes  Beispiel  ist  Brinh.  Str.  223.  224.  Si- 
gurd ist  ermordet  (2 19  —  222):  die  Mörder  tragen  ihn  auf  einem  Schilde  heim 
und  legen  die  Leiche  der  Gudrun  in  den  Schooß  (225  ff).  Dazwischen  treten 
zwei   Strophen : 

teir  skiftu  si'ni  klagdini, 

hvör  vid  sinum  lit, 

ikki   vildi  Grani   ganga, 

ti  hann  hevdi  manns  vit. 

Ikki  vildi   Grani  ganga, 

ti   Gunar  honum   reid, 

firr   enn   hinn   snari   SJurdur 

honum  ä  herdar  neig. 
Es  gehört  wenig  Scharfsinn  dazu,  zu  entdecken,  daß  die  beiden  Strophen 
hier  unmöglich  sind.  Sie  schildern  die  Scene,  wie  Sigurd  in  Gunnars  Gestalt 
die  Waberlohe  durchreitet  und  sind  die  Überbleibsel  eines  jetzt  verlornen  Theils 
unseres  Liedes,  die  sich  hierher  verirrt  haben.  Das  hat  auch  Hammershaimb 
erkannt.  Hr.  Vogler  dagegen  nimmt  S.  35  an  dem  überlieferten  Zusammen- 
hange gar  keinen  Anstoß  und  findet  es  sogar  bezeichnend,  daß  Grani  nicht 
eher  vorwärts  gehen  will,  als  bis  man  Sigurds  Leiche  auf  seinen  Kücken  gelegt 
hat.  Da  nun  nach  Str.  225  der  todte  Held  a  skildi  heimgeführt  wird,  scheint 
Hr.   Vogler  sich  vorzustellen,   daß  Roß  und  Reiter  in  diesen   Schild  hineingelegt 


MTTKK'ATUK:  M.   VDGLKIJ,  S,JI:KDAI{   KVTlllM.  44;-i 

worden   sinrl.   Walirlicli    „bezeichnend"    für    die   kritisclic   Mühewaltung   des   Her- 
ausgebers. 

Was  uns  die  anspruchslosen  Sjürdar  kvaetti  so  wcrth  macht,  ist  die 
frische,  in  ihrer  Einfachheit  nicht  selten  ergreifende  Weise,  in  welcher  trotz 
mancher  Entstellungen  die  Heldensage  in  ihnen  fortlebt.  Es  ist  namentlich  der 
Umstand,  daß  diese  Denkmäler  uns  im  Norden  die  Umgestaltung  zeigen,  die 
die  veränderte  Sagengestalt  auf  ihre  alte  Form  gewirkt  hat.  Freilich ,  diese 
Umgestaltung  ist  nicht  von  innen  heraus  entwickelt,  sondern  sie  wurde,  ein 
fremdes  Reis,  dem  alten  Stamme  aufgepfropft.  Mittelbar  oder  unmittelbar  muß 
wenigstens  dem  dritten  Liede  (Högni)  und  der  zweiten  Hälfte  des  zweiten  (Brin- 
liild)  die  ridreks  saga  zu  Grunde  liegen.  Dennoch  gewährt  es  einen  eigen- 
Ihümlichen  Reiz,  zu  sehen,  wie  das  alte  sieh  nicht  völlig  durch  die  neuen  Vor- 
stellungen hat  überwuchern  lassen.  Dies  im  einzelnen  zu  verfolgen,  hätte  die 
erste  Aufgabe  einer  gründlichen  Einleitung  sein  müssen.  Der  Herausgeber  macht 
S.  28  —  43  einige  einschlägige  Bemerkungen,  die  indes  keineswegs  ausreichen. 
Schlimmer  ist,  daß  auch  diese  wenigen  Bemerkungen  von  unerhörter  Flüchtig- 
keit sind  und  zuweilen  dem  Verdachte  Raum  geben,  daß  Hr.  Vogler  die  Quellen, 
die  er  herausgibt  oder  zur  Vergleichung  heranzieht,  entweder  nicht  immer  ver- 
standen oder  so  flüchtig  gelesen  hat,  daß  ihre  richtige  Bedeutung  ihm  nicht 
klar  geworden  ist.  Daß  diese  Beschuldigung  nur  zu  berechtigt  ist,  dafür  einige 
Beispiele.  In  der  Inhaltsangabe  des  zweiten  Gesanges,  Brinhild ,  heißt  es 
(S.  29):  „Sie  (Brinhild)  bittet  daher  ihren  Vater  einen  Saal  auf  dem  freien 
Felde  zu  bauen  und  läßt  ringsherum  Feuer  anzünden ,  damit  ihn  die  Zwerge 
nicht  durch  Runenkraft  entrücken  möchten".  Dies  muß  sich  beziehen  auf  Str.  34 f. 
Dort  wird  aber  gerade  erzählt ,  daß  die  Zwerge  durch  geheime  Künste  die 
Waberlohe  anlegen;  eine  ähnliche  Vorstellung  spricht  sich  aus  in  dem  Ausdruck 
vi'ss  vafrlogi  Skirn.  8.  Fiölsv.  31.  —  S.  38:  ..Das  färöische  Lied  (Högni)  hat 
auch  noch  darin  etwas  besonderes,  daß  nach  dieser  Darstellung  Gudrun  (Str.  151 
bis  163)  Sigurd,  auf  goldener  Bahre  liegend,  zu  erscheinen  be.'ichwört .  um 
gegen  Högni  zu  streiten.  Aber  Sigurd  räth  zum  Frieden  u.  s.  w.".  Die  Über- 
lieferung weiß  davon  rein  gar  nichts.  Sigurds  Leiche  macht  Högni  Vorwürfe 
über  seine  Treulosigkeit,  alles  andere  ist  Erfindung  des  Herausgebers.  —  S.  3.5  f. 
setzt  Hr.  Vogler  die  Verschiedenheit  des  zweiten  Theils  der  Sage  nach  ihrer 
nordischen  und   deutschen  Fassung  auseinander.   Da  heißt  es:    „Nach   der  Edda 

lockt    Atli    Gudruns   Brüder    an In    der  Volsunga-   '^sic!)    und   Vilkina- 

saga  dagegen,  sowie  in  allen  die  Siegfriedssage  behandelnden  Gedichten  und 
auch  im  färöischen  Lied  bittet  Gudrun  ihre  Brüder  an  Atlis  Hof  zu  Besuch 
und  bewirkt ,  während  Atli  die  Giukungen  gar  nicht  angreifen  möchte ,  die 
Ermordung  derselben,  um  sich  für  den  von  ihnen  vollführten  Tod  Sigurds  zu 
rächen".  In  der  Völsnngasaga !  Kann  das  jemand  behaupten,  der  die  Saga 
auch  nur  durchgeblättert  hat?  —  Auf  S.  34  wird  behauptet,  das  färöische  Lied 
Avisse  nichts  von  Sigurds  Ritt  durch  die  Waberlohe  in  Guunars  Gestalt.  Wir 
sahen  bereits,  daß  Brinh.  Str.  223  f.  ein  Überbleibsel  jener  Seene  sind,  deren 
Zusammenhang  verloren  ist.  Dann  heißt  es  aber  weiter  „es  scheint  also,  wie 
für  die  sämundische  Edda,  in  der  sich  bekanntlich  zwischen  Sigurds  Verlobung 
mit  Brinhild  und  Brinhilds  Rache  eine  erhebliche  Lücke  bemerkbar  macht, 
auch  für  unser  Lied  die  Erinnerung  an  diese  Begebenheit  verloren  gegangen 
zu   sein,   während  sie   in  jenen   beiden  Werken   [Völs.  S.   und   SE]   bewahrt  wor. 


444  LITTEKATUK:  M.  VOGLER,  SJURDAR  KV^DI. 

den  ist".  Niemand  wird  diese  Worte  anders  verstehen  können,  als  daß  nach 
Hrn.  Voglers  Ansicht  bei  der  Sammlung  der  Eddalieder  über  die  Begeben- 
heiten, die  Völs.  S.  Ciip.  23 — 29  erzählt  werden,  keine  Lieder  mehr  vorhanden 
waren ,  während  doch  nur  die  Bescliaftenheit  des  Regius  diesen  Quellenmangel 
verschuldet.  —  Diosolbe  Seite  belehrt  uns  darüber,  daß  ,  während  in  der  Völs. 
S.  der  Streit  der  Königinnen  erst  nach  der  Veimälilung  Gunnars  stattfindet, 
im  färöischcn  Liede  „Brinhild  ihrem  Freier  Gunnar  nur  dann  die  Hand  reichen 
will,  wenn  er  die  Untreue  Sigurds  und  die  verlorene  Ehre  zu  rächen  sich  an- 
schickt". Dadurch  soll  der  Charakter  der  Brinhild  „um  ein  erhebliches  stärker, 
ihre  Empfindung  entschlossener,  ihre  ganze  Persönlichkeit  gewichtiger"  geworden 
sein.  Nur  schade,  daß  von  alledem  das  Lied  nichts  weiß.  Brinh.  Str.  185 
verweigert  allerdings  Brinhild  dem  Gunnar  jeden  Beweis  der  Liebe  ,  bevor  sie 
den  Trug  an  Sigurd  gerächt  sieht.  Daß  dies  aber  nach  der  Vermählung  zu 
denken  ist,  bedarf  kaum  des  Beweises;  zum  Übertluß  kennt  die  isländische 
Überlieferung  genau  denselben  Zug  (Sig.  HI,  10.  11.  Völs.  S.  Cap.  30,  bei 
Bugge  155,  9  IT.). 

Von  den  Forschungen  über  die  Nibelungensage  scheint  der  Herausgeber 
ausser  W.  Grimms  Heldensage  und  P,  E.  Müllers  Sagabibliothek  kaum  etwas 
zu  kennen.  Die  ganze  Einleitung  trägt  deswegen  einen  veralteten  Stempel  und 
könnte  ebensogut  vor  mehreren  Decennien  geschrieben  sein.  Dieser  Mangel 
tritt  schon  in  den  Namen  der  Quellen  hervor:  wer  redet  jetzt  noch  von  einer 
Vilkinasaga  oder  citiert  die  Edda  als  SaemundV  Gripisspä  hat  langen  Vocal  in 
der  ersten  Silbe  (Zupitza,  Zachers  Zeitschr.  4,445),  Fäf'nir  desgleichen,  wie 
die  Schreibung  Faabni  und  die  Form  Fofnir  beweisen  (Bugge  zu  Häv.  112,  1), 
das  Brot  af  BrynhildarkviJu  (S.  32)  ist  richtiger  Brot  af  Sigurctarkvidu  zu 
eitleren.  Nicht  einmal  die  grundlegende  Abhandlung  Müllenhoff"«  im  zehnten 
Bande  von  Haupts  Zeitschr.  scheint  dem  Herausgeber  bekannt  zu  sein,  da  er 
sonst  wohl  diese  und  nicht  W.  Grimms  Worte  bei  der  Besprechung  der  Um- 
gestaltung unserer  Sage  citieren  und  wohl  auch  nicht  mehr  von  dem  doppelten 
Atli  (S.  68  Anm.  2)  reden  würde.  Die  Bemerkungen  über  die  Quellen  des 
Högni  von  Döring  (Zachers  Zeitschr.  H,  2(39  ff'.)  scheinen  Hrn.  Vogler  gleich- 
falls unbekannt  zu  sein.  Die  Vertheidigung  von  Odins  Einmischung  in  Sigurds 
Schicksale  gegen  W.  Grimms  Einwendungen  betreffend,  erlaube  ich  mir,  den 
Herausgeber  auf  meine  Bemerkungen  Paul-Braune  Beitr.  3,  294  ff",  zu  verweisen. 

Über  die  Frage  nach  Alter  und  Ursprung  der  färöischen  Sigurdslieder 
entwickelt  der  Herausgeber  eigenthümliche  Ansichten.  Er  hält  es  für  möglich, 
daß  den  färöischen  Liedern  noch  Überlieferung  aus  allen  Gesängen  zu  Theil 
geworden  ist,  die  der  Edda  verloren  gegangen  sind  (S.  43).  Solch  ein  alter 
Zug  soll  es  z.  B.  sein  ,  wenn  das  Lied  Ismal  fra;ga  kempa  (bei  Hammershaimb 
S.  74  ff".)  berichtet,  daß  Sigurd  bei  der  Hochzeit  seiner  Halbschwester  Svanhild 
Solaljoma  Bryuhild  zum  ersten  Mal  als  seiner  Schwester  Brautjungfer  gesehen 
habe.  „Dadurch  wird  die  sich  nachher  off"enbarende  Neigung  Brynhilds  zu  Sigurd 
motiviert!"  Dieser  abenteuerlichen  Behauptung  gegenüber  genügt  der  Hinweis,  daß 
jene  plötzlich  auftauchende  Halbschwester  Sv;uiliild  Solaljoma  ganz  deutlich  nur 
eine  Entstellung  von  Sigurds  Tochter  Svanhild  ist,  die  bereits  Sig.  IH,  55  glän- 
zender als  der  Sonnenstrahl  heißt.  Einer  ernsten  Widerlegung  bedürfen  solche 
Einfälle  allerdings  nicht.  Da  aber  der  Herausgeber  damit  ein  Zeugniss  erbracht 
zu  haben   glaubt  „für  das  hohe   Alter,   welches   diesen  färöischen  Liedern  ihrem 


LITTERATUR:  M.  VOGLER,  S.IIRDAR  KV^EDT.  445 

Kerne,  nach   zukommt",    <l;irf  man   sich   nicht  wundern,     daß  er  sich   S.   27    der 
Ansicht  P.  E.  Müllers   iinscliließt   und   es   wahrscheinlicli   findet,    „daß   wir   in   den 
fiirüisclicu  Gesängen   von  Sigurd  Lieder   i-.uriickhabeii,   die   durch    ein   Jahrtausend 
(wenigstens  fast  durch  ein  Jalntausend)  sich   mündlicli   fortgepflanzt  haben ,    so 
daß  wohl  die  lange  spätere  Zeit  in  der  Form  die  Farbe  der  Sprache  gewechselt 
hat,   daß  im  Inhalt  einige  Züge  verändert  worden  sind   und   Verschiedenes   hin- 
zugesetzt worden   ist ,    aber    daß  doch  das   wesentliche  sowohl  in  Form   wie   im 
Inhalt   bewahrt  worden   ist".   —   Wir  haben   das   erste  Lied  (Regin   smidur)  und 
den  ersten  Theil  des  zweiten   (Brinhild)   von    dem    zweiten   Theile    des    zweiten 
und    dem    dritten   (Högni)   zu    trennen.      Die    letztere  Partie    steht  völlig    unter 
dem  Einflüsse  der  deutschen  Sagengestalt  und  hat,  mittelbar  oder  unmittelbar, 
die  ridrekssaga  zur  Grundlage.   Schon  der  Zug  von  den  ausgebreiteten  Häuten, 
den   wohl  jeder  als  eine   Erfindung    des  Sagaschreibers    ansehen  wird,     bewiese 
dies.   Über  die   Quellen   von   Ilügni  hat  Döring  gehandelt.   Ich   kann   nicht  ganz 
mit  seinen  Kesultalen   übereinstimmen.      Ich   beabsichtige,    demnächst  in  anderm 
Zusammenhange  auf  diese  Frage  zurückzukommen  und    beschränke    mich     hier 
auf  einige   Bemerkungen  über  die  beiden   ersten  Lieder.   Sie  haben  im  Wesent- 
lichen   die    nordische   Gestalt    der   Sage  bewahrt.      In   einer  Anzahl  von  Einzel- 
heiten aber  stimmen  sie  näher  zur  Völsungasaga    als    zu    den    uns    bekannten 
eddisehen  Liedern.      Dabei    kann    natürlich     die    Erzählung    von    Sigmunds  Tod 
auf  der  Walstatt  nicht  in  Betracht  kommen,   da  für  sie   auch  der  Völs.  S.  wohl 
noch    ein  verlorenes  Lied    zu   Gebote    stand.     Wohl    aber    die    folgenden    Züge. 
Das  Schwert  Gram   wird    aus    den    zerbrochenen   Stücken   von   Sigmunds  Odins- 
schwerte    neu    geschmiedet,    und   erst  das  zweite  Mal  wird   es  fest  und  scharf. 
Granis    Erkiesung    wird    ausführlich    geschildert.      Auf   Odins     Anrathen    gräbt 
Sigurd  mehrere  Gruben ,  um  das  Blut  des  Drachen  besser  abfließen  zu  lassen. 
Vorzüglich   wichtig  aber    ist    die  Erwähnung    der  Asla  (Aslaug),    die    hier    auf 
Brinhilds  Gebot  im   Flusse  ausgesetzt  wird.    —    Der  zweite  Theil  von    Brinhild, 
Sigurds  Ermordung,    stimmt  dagegen  zur  deutschen  Sagengestalt.      Aber    diese 
Scheidung    nach    der  Sagengestaltung    darf   nicht   auf    die  Lieder  selber  ausge- 
dehnt werden.    Die  gleiche,  nicht  hohe,  aber  frisch  lebendige  Art  der  Darstel- 
lung,  der  gleiche   Refrain^  die  vielfachen   Berührungen  im   Ausdruck  (vgl.  z.  B. 
Brinh.  143  ff.  und  Högni  91  ff.)   weisen  auf  die  enge  Zusammengehörigkeit    der 
drei  Gesänge.   Es  tritt  uns  in  ihnen  demnach   eine  Contamination   der  nordischen 
und  deutschen  Sagengestalt  entgegen,   die   erst  unter  dem  Einfluße   der  ridr.  S. 
zu  Stande  gekommen  sein  kann.      Die  nordischen   Sagenzüge  stimmen  eng    zur 
Völs.   S.      Es    kommt    hinzu,    daß    in  einem  andern  färöischen  Liede,   Ragnars 
tättur,   das  in  nichts  von   dem  Stile  der  Sigurdslieder  abweicht,   eine   offenbare 
Paraphrase  der  Ragnarssaga  vorliegt.   Ferner:   nach  Lyngbys  Aufzeichnung  des 
Regin  smidur  spielt  bei  der  Erschlagung  des  Drachen  Nornagest  die  Rolle,   die 
sonst  Odin  zugetheilt  wird,  und   eine  Schnalle  an  Granis  Sattelgurt,   die  springt, 
kommt  in  den  Besitz  Nornagests.      Nun    ist    eines    der    färöischen   Lieder,     die 
Nornagests  ri'ma,  deutlich  dem  Norn.  rättr  nachgebildet,  und  in  diesem  Liede 
schenkt  Sigurd   dem  Nornagest  die  Schnalle  (Str.   31).    Dadurch   erhellt  einmal 
die  enge  Zusammengehörigkeit  der  färöischen  Lieder;    zweitens    aber  wird    die 
Annahme  gerechtfertigt,   daß,   wie  dort  die  Ragn.   S.   und   Norn.  r.,   die   Quelle 
für  Regin    smidur    und    den    ersten  Theil  von   Brinhild    geradezu  die  Völs.   S. 
gewesen  ist.    Wie  unsere  Lieder  vorliegen ,   sind  sie  keine  aus  lebendiger  Sage 


446  LITTERATUR:  M.  VOGLER,  SJURDAR  KV^DI. 

hervorgegangenen  Volkslieder,  sondern  durch  eine  Coutamination  von  zwei  aut 
verschiedener  Sagengestaltung  beruhenden  Quellen  entstanden.  Am  meisten 
gleichen  sie  den  isländischen  rimur.  Ob  wirkliche  Volkslieder  zu  Grunde  liegen, 
die  erst  das  Bekanntwerden  der  Völs.  S.  und  rictr.  S.  umgestaltete,  läßt  sich 
mit  Sicherheit  nicht  entscheiden,  es  ist  aber  wahrscheinlich.  Es  kann  wunder- 
bar erscheinen,  daß  diese  auf  litterarischem  Wege  entstandenen  Lieder  Jahr- 
hunderte lang  sich  im  Volksmunde  erhalten  und  fortpflanzen  konnten.  Man 
vergegenwärtige  sich  aber  die  Abgeschlossenheit  der  Inselgruppe,  man  erinnere 
sich  an   ähnliche   Verhältnisse  auf  Island,    und  die  Thatsache  wird    begreiflicli. 

So  können  wir  aber  auch  die  Überlieferung  richtig  würdigen ,  die  unter 
den  Färingera  selber  über  den  Ursprung  ihrer  kvsecti  lebt  (vgl.  Vogler  S.  20  f.). 
Das  Buch  oder  die  Bücher,  in  denen  die  Gesänge  auf  die  Insel  Sandse  ge- 
kounnen  sein  sollen,  werden  Sagahandschriften  gewesen  sein,  die  die  Quellen 
unserer  Lieder  wurden.  Durch  die  Annahme,  daß  die  gegenwärtige  Form  der 
Sjürdar  kvsedi  auf  einer  Coutamination  aus  der  Völs.  S.  und  ridr.  S.  beruht, 
zu  der  aber  viele  Zuthaten  in  der  Tradition  hinzugetreten  sind,  erklären  sich 
auch  einzelne  Züge.  So,  wenn  trotz  der  völligen  Umgestaltung  der  Sage  Gudrun 
ihren  Namen  behält,  weil  sie  im  ersten  auf  nordischer  Überlieferung  beruhenden 
Theile  der  Sage  so  hieß,  während  z.  B.  der  Name  Artala  nicht  aus  dem  Atli 
der  eddischen  Überlieferung,  sondern  nur  aus  dem  Attila  der  ridr.  S.  ent- 
standen sein  kann.  So  erklärt  sich  auch,  daß  Artala  nicht  zum  Bruder  der 
Brinhild  gemacht,  und  der  Einfluß,  den  er  nach  einem  Theile  der  eddischen 
Überlieferung  auf  ßrinhilds  Geschick  ausübt,  ausschließlich  dem  Budli  beigelegt 
wird,   wie  Völs.   S.   Cap.   27.    29. 

Nach  alledem  ist  nicht  daran  zu  denken,  daß  die  färöischen  Lieder  älter 
sind  als  die  dänischen  Folkeviser,  welche  die  erstereu  meiner  Überzeugung  nach 
an  poetischem  Werthe  bei  weitem  überragen  und  in  ganz  anderer  Weise  den 
Namen  von  Volksliedern  verdienen.  Der  Kern  ihrer  jetzigen  Gestalt  kann 
kaum  älter  sein  als  das  14.  Jahrh.,  es  wird  aber  wohl  die  von  Island  herüber- 
gekommene Sage  schon  früher  ihren  Ausdruck  in  älteren  Gesängen  gefunden 
haben,  die  auch  den  zweiten  Theil  der  Sage  nach  der  nordischen  Gestalt  dargestellt 
haben  werden.  Auf  ein  solches  älteres  Lied  wird  man  auch  am  einfachsten 
das  aufi'allende  i  bragdar  tätti  beziehen,  worauf  sich  die  Lieder  ein  paar  Mal 
als  Quelle  berufen.  Vermuthen  läßt  sich,  weil  nach  dem  was  aus  diesem  bragdar 
tättur  citiert  wird,  das  Lied  von  Atli  und  Gudrun  handelte,  daß  es  den  zweiten 
Theil  der  Sage  in  der  nordischen  Fassung  dargestellt  hat.  Die  Vermuthung 
P.  E.  Müllers  über  diese  Quelle  (bei  Lyngby  S.  41  f.  vgl.  Vogler  S.  25)  liat 
keinerlei  innere  Wahrscheinlichkeit. 

Doch  diese  Bemerkungen  sollen  den  einer  Anzeige  gesteckten  Raum 
nicht  überschreiten.  Die  Einzelheiten  der  Untersuchung  bleiben  andrer  Gelegen- 
heit vorbehalten. 

Ilr.  Vogler  gedenkt,  die  beiden  andern  Lieder,  Brinhild  und  Högni  ,  in 
nicht  ferner  Zeit  folgen  lassen  zu  können.  Ich  kann  den  Wunsch  nicht  unter- 
drücken, daß  der  Herausgeber  durch  die  Fortsetzung  seiner  Arbeit  uns  für  die 
Mängel  ihres  Anfangs  entschädigen  möge. 

ROTTERDAM,  im  August  1877.  ß.  SYMONS. 


BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT 

DER 

ERSCHEINUNGEN  AUF  DVM  GEBIETE  DER  GERMANISCHEN 
PHILOLOGIE  IM  JAHRE  1876. 

VON 

KARL   BARTSCH*). 


I.   Begriff  und   Geschichte  der  germanischen   Philologie. 

1.  Baechtold,  J.,  und  A.  Birlinger,  Lexicalisch-etymologische  und 
grammatische  Versuche  älterer  Zeit. 

Alemannia  4,  152 — 155.  Zur  Geschichte  der  Philologie. 

2.  Diez.   —   Tob  1er,  Adolf,   Friedrich  Diez. 
Im  neuen  Reich  1876,  Nr.  24. 

.3.    Neumann,  F.,   Friedrich   Diez. 
Allgem.  Zeitung  1876,  Beilage  253. 

4.  Görres.  —  Galland^  Joseph,  Joseph  von  Görres.  Aus  Anlaß  seiner 
100jährigen  Geburtsfeier  in  seinem  Leben  und  Wirken  dem  deutschen  Volke 
geschildert.   8.   (704  S.)  Freiburg  i.  B.    1876.   Herder.   7  M. 

In:  Sammlung  historischer  Bildnisse.  3.  Serie.  7.  Bdchen.  Vgl.  Literar.  Rund- 
schau 1877,  Nr.  7. 

5.  Sepp,   Dr.,  zum  Centenarium  Johann  Josephs  von  Görres. 
Allgem.  Zeitimg  1876,  Beilage  25  ff. 

6.  Joseph  Görres.  Gedächtnissrede  zur  Feier  seines  100.  Geburtstages, 
gehalten  zu  Coblenz  am   25.  Januar   1876. 

Der  Katholik  1876,  S.  157—171. 

7.  J.  J.   Görres    politischer    und    wissenschaftlicher    Entwickelungsgang. 
Historisch-politische  Blätter  77.  Bd.  2.  Heft  (1876). 

8.  Grimm.  —  Bächtold,  J.,  der  Briefwechsel  der  Brüder  Grimm  mit 
Joseph   Görres   (Schluß). 

Germania  21,  118—121. 

9.  Hauptii,  Maur.,  opuscula.  Vol.  II.  III,  1.  8.  (VI,  520,  III,  268  S.) 
Leipzig    1876.  Hirzel.   18  M. 

Vgl.  Liter.   Centralblatt  1876.  Nr.  52;  Preulk  Jahrbücher  .S9,  5. 

10.  Hoffmann  von  Fallersieben.  —  Gottschall,  Rudolf,  Porträts  und 
Studien.   5.   Bd.  Leipzig    1876.   Brockhaus. 

Darin:  Hoffmann  von  Fallersleben. 

*)  Mit  Unterstützung  von  J.  H.  Gallee  in  Haarlem,  K.  Gislason  in  Kopenhagen. 
Th.  Möbins  in  Kiel,  Södervall  in  Lnnd. 


448  BIBLIOGRAPHIE  VON  1876. 

11.  Homeyer.    —   Bö h  lau,  Hugo,   Carl  Gustav  Homeyer.  Nekrolog. 
Zeitschrift  für  Rechtsgeschichte  12,  291—299  (1876). 

12.  Lewis,   Carl  Gustav  Homeyer.   Nekrolog. 
Kritische  Vierteljahrssclirift  18,  91—104  (1876). 

13.  Lachmann,  Karl,  Kleinere  Schriften.  1.  Band.  Zur  deutsehen  Phi- 
lologie,  herausgegeben   von  K.   MüUenhofF.   8.   Berlin    1876.   Reimer.   9  M. 

Vgl.  Liter.  Centralblatt  1876,  Nr.  50;  Jenaer  Liter.  Zeitung  1877,  Nr.  6. 

14.  Raumer.   —  Schröer,  Rudolf  von  Raumer. 
Germania  21,  495—498. 

15.  Sommer,  J.  L.,  Rede  bei  der  Beerdigung  des  Herrn  Dr.  Rudolf 
von  Raumer,  am   1,   September  1876  gehalten.   4.   Erlangen   1876. 

16.  Rudolf  von  Raumer.   Nekrolog. 
AUgem.  Zeitung  1876,  Beilage  249. 

17.  Rudolf  von  Raumer. 

Neue  evangelische  Kirchenzeitung  18.  Jahrg.  (1876),  Nr.  41. 

18.  Rückert.   —  Bartsch,   Karl,  Heinrich   Rückert. 
Germania  18,  122  —  124. 

19.  Pfeiffer^   Frdr.,  Heinrich   Rücke-rt.   Nekrolog. 
Zeitschrift  für  deutsche  Philologie  8,  95—99. 

20.  Fortlage,  Prof.,   zur  Erinnerung  an  Heinrich  Rückert. 
Die  Grenzboten  1876,  Nr.  6. 

21.  Professor  Dr.   Heinrich  Rückert. 

Zeitschrift  des  Vereins  für  Geschichte  und  Alterthum  Schlesiens  XIII,   1. 

22.  Schmeller.   —  Baechtold,  J.,   Schmeller  in  Spanien. 
Allgem.  Zeitung  1876,  Beilage  119. 

23.  Schmeller  und  das  Vaterland. 
Allgem.  Zeitung  1876,  Beilage  308. 

24.  Simrock.   —  Bartsch,   Karl,   Karl  Simrock.   Nekrolog. 
Allgem.  Zeitung  1876,  Beilage  212. 

25.  Wein  hold,   Karl,   Karl   Simrock.   Ein   Nachruf. 
Schlesische  Presse  vom  25.  Juli  1876. 

26.  Düntzer,  H.,  Erinnerungen  an  K.  Simrock.    Zum  28.  August   1876. 
Monatsschrift  für    rlieinisch-westfäl.  Geschichtsforschung  II,    7  —  12  (1876).     III, 

1—3  (1877).  Vgl.  Hi.stor.  polit.  Blätter  79,  6. 

27.  Grieben,   Hermann,   K.   Simrock. 
Wochenausgabe  der  Kölnischen  Zeitung  28.  Juli  1876. 

28.  Seifert,   K. ,   Karl   Simrock. 
Über  Land  und  Meer  1876,  Nr.  48. 

29.  Karl  Simrock. 

Deutscher  Merkur  v.  J.  A.  Meßmer.  7.  Jahrg.,  Nr.  32. 

30.  Karl   Simrock. 
Illustrirte  Zeitung  Nr.   1729. 

31.  Wismayr.  —  Wagner,  H.  F.,  der  Pädagoge  Josef  Wismayr  in 
Salzburg.  Ein  Beitrag  zur  Geschichte  der  deutschen  Sprachstudien  in  Süd- 
deutschland.  8.   Salzburg   1876. 

32.  Nerger,  K.,  Bericht  über  die  Verhandlungen  der  germanisch-ro- 
manischen Abtheilung  der  XXX.  Philologensammlung  zu  Rostock. 

Zeitschrift  für  deutsche  Philologie  7,  99-103. 

33.  Germanistische  Vorlesungen  im  Wintersemester  1875/76,  im 
Sommersemester   1876. 

Germania  21,  124-127.  248—250. 


III.  SPKACIIWISSEN.SCHAFT  UND  SPHACIIVKKOLEICHUxNG  449 

II.   Hand  schriftoii  k  11 11(1  (■   uimI    H  i  1)  I  i  ograp  li  i  c. 

34.  Altdeutsche!  11  iiudac  hl  i  i'tcn  verzeichnet  von  Adelbert  v.  Keller. 
115.  Tübingen   187G.   8.   2  151. 

35.  Ho  saus,  W.,  Deutsche  Handschriften  der  Georgs  Bibliothek  zu 
Dessau. 

Germania  21,  ÖOO— 502. 

36.  Catalogus  codicum  latinorum  bibliothecae  regiacMouacensis.  Tomi  II 
pars  n.   8.   (288  S.)  Mouachii   187 G.  Palm  iu  Comm.   6  M. 

37.  Rathgcber,  J.,  die  handachriftlichen  Schätze  der  früheren  Straß- 
burger Stadtbibliothek.   8.   (VIII,   216   S.)   Gütersloh   1876.   Bertelsmann.    4  M. 

Vgl.  Anzeiger  für  deutsches  Alterthum  2,  287  ff.  (8teinmeyer);  Scliwähiscber 
Merkur  1876,  Nr.  251;  Jenaer  Literatnr-Zeitniig  Nr.  44;  Liter.  Centralblatt  1877, 
Nr.  25;  Z.  f.  d.  ge.s;uiimte  luth.  Theologie  4;  Kuropa  1876,  Nr.  45;  Magazin  f.  d.  Lit. 
d.  Ausl.  1877,  Nr.  7;  Zeitschrift  f.  d.  östcrr.  Gymnas.  28,  8.  9. 

38.  Wegucr,  Dr.,  Verzcichniss  der  auf  der  Zeitzer  Stiftsbibliothek  be- 
iindlichen  Handschriften.   4.   Zeitz   1876.  Programm  des  Gymnasiums. 

39.  Handschriften  in  englischem   Privatbesitze. 
Germania  21,  127. 

40.  Bartsch,  Karl,  Bibliographische  Übersicht  der  Erscheinungen  auf 
dem  Gebiete  der  germanischen  Philologie  im  Jahre   1875. 

Germania  21,  449—495. 

41.  Bibliotheca  germanica.  Verzcichniss  der  vom  Jahre  1830  bis 
Ende  1875  in  Deutschland  erschienenen  Schriften  über  altdeutsche  Sprache  und 
Literatur  nebst  verwandten  Fächern.  Herausgegeben  von  C.  H.  Herrmann. 
1.  Heft.   8.   (98   S.)  Halle   1877.   Herrmann. 

Vgl.  Liter.  Centralblatt  1877,  Nr.  41  (Bohaghel).  ._ 

42.  Bibliotheca  philologica,  oder  geordnete  Übersicht  aller  auf  dem 
Gebiete  der  classischen  Alterthumswissenschaft  wie  der  älteren  und  neueren 
Sprachwissenschaft  in  Deutschland  und  dem  Ausland  neu  erschienenen  Bücher. 
Herausgegeben  von  Dr.  Müldener.  28.  Jahrg.  1.  Heft.  (122  S.)  M.  1.20.  2.  Heft. 
(123—306.)  M.  3.60. 

43.  Nag,  Bibliotheca  Germanorum  erotica.  Verzcichniss  der  gesammten 
deutschen  erotischen  Literatur.   Leipzig   187  6.   Minde.   9  M. 

HL  Sprachwissenschaft  und   Sprachvergleichung. 

44.  Müller,  F.,  Grundriß  der  Sprachwissenschaft.  1.  Bd.  2.  Abtheilung. 
8.   (IX,   262   S.)  Wien   1877.  Holder.   5  M.   60  Pfg. 

Vgl.  Allgem.  Zeitung  1877,  Beilage  118;  das  Ausland  Nr.  19;  Zeitschrift  für 
Völkerpsychologie  IX.  4  (v.  d.  Gabelentz). 

45.  Müller,  Max,  la  science  du  langage.  Traduit  par  G.  Harris  et  G. 
Perrot.   3'  edition.   8.   (XLIV,   498   S.)  Paris  1876.  Durand. 

46.  Müller,  Max,  Essays.  IV.  Band.  Aufsätze  hauptsächlich  sprach- 
wissenschaftlichen Inhalts  enthaltend.  Aus  dem  Englischen  übersetzt  von  Dr. 
R.  Fritzsche.   8.   (VI,   502   S.)  Leipzig   1876.  Engelmann.   M.  7.50. 

Vgl.  Liter.  Centralblatt  1877,  Nr.  7. 

47.  Whitney,  W.  D.,  language  and  its  study,  with  especial  reference 
to  the  Indo-Europcan  family  of  languagcs.  Seven  Lectures,  edited  by  R.  Morris. 
8.  (328  S.)  London   1876.  Trübner.   5  sh. 

GEUMANIA.  Neue  Reihe  X.  (XXII.)  Jahrg.  29 


450  BIBLIOGRAPHIE  VON  1876. 

48.  Whitney,  Will.  Dwight,  Leben  und  Wachsthum  der  Sprache. 
Übersetzt  von  A.  Leskien.  (Internationale  wissenschaftl.  Bibliothek.  20.  Bd.) 
8,  Leipzig   1876.   Brockhaus. 

Vgl.  Zeitschrift  f,  d.  österr.  Gymnasien  27,  4;  Lehmamis  Magazin  1876,  Nr.  47. 

49.  Whitney ,  W.  D.,  Taal  en  taalstudie.  Voorlezingen  over  de  gronden 
der  wetenschappelijke  taalbeoefening.  Volgeus  de  derde  uitgave  voor  Neder- 
landers  bewerkt  door  J.  Beckering  Vinckers.  I,  1.  8.  (XVI,  97  S.)  Haarlem 
1876.  Bohn.   1  f.   20  c. 

Vgl.  De  Bode  1877,  Nr.  1. 

50.  Whitney,  W.  D.,  della  liaguistica  uioderna ,  ossia  la  vita  e  lo 
sviluppo  del  linguaggio.  Versione  dall'  inglese  e  note  di  F.  d'  Ovidio.  8, 
(390   S.)  Milano   1876.   6  1. 

51.  Schwabe,  L. ,  über  Volk  und  Sprache.  (Neue  Volksbibliothek, 
n.   Serie,  6.  Heft.)   16.  (32   S.)   Stuttgart   1876.   Levy  und  Müller.    60  Pfg. 

52.  Geiger,  h.,  zur  Entwickelungsgeschichte  d^r  Menschheit,  Vorträge. 
8.   Stuttgart   1876.   Cotta.   3  M. 

Inhalt:  I.  Die  Sprache  und  ihre  Bedeutung  für  die  Entwickelungsgeschichte 
der  Menschheit.  II.  Die  Urgeschichte  der  Menschheit  im  Lichte  der  Sprache  mit  be- 
sonderer Berücksichtigung  auf  die  Entstehung  des  Wei-kzeugs.  III.  Über  den  Farben- 
sinn der  Urzeit  und  seine  Entvvickelung.  IV.  Über  Enf.stphung  der  Schrift.  V.  Die  Ent- 
deckung des  Feuers.  VI.  Über  den  Ursitz  der  Indogermanen. 

53.  Bergmann,  F.  G.,  Cours  de  linguistique.  8.  Paris  1876.  Sandoz  & 
Fischbacher. 

Vgl.  Academy  vom  23.  September  1876. 

54.  Breymann,  H.,  Sprachwissenschaft  und  neuere  Sprachen.  Vortrag. 
8.   (48   S.)   München   1876.  Ackermann.    80  Pfg. 

Vgl.  Blätter  f.  d.  bayer.  Gymn.  XII,  6;  Lehmanns  Magazin  1876,  Nr.  52;  Her- 
rigs  Archiv  56,  457  f.;  Academy  1877,  27.  Octob. 

55.  Ritter,  F.,  gehört  die  Sprachwissenschaft  zu  den  historischen  oder 
zu  den  Naturwissenschaften  ?  8.  Tauberbischofsheim  1876.  Lang  in  Comm. 
20  Pfg. 

56.  Wackernagel,  W.,  über  den  Ursprung  und  die  Entwickelung  der 
Sprache.   2.  Aufl.  8.  Basel   1876.   Schweighauser.    1  M, 

57.  Faücher,   Julius,   Gedanken  über  die  Herkunft  der  Sprache. 
Vierteljahrsschrift  für  Volkswirthschaft  13.  Jahrg.  3.  u.  4.  Bd.  (1876). 

58.  Raumer,  ß.  v.,  Sendschreiben  an  Herrn  Prof.  Whitney  über  die 
Urverwandtschaft  der  semitischen  und  indogermanischen  Sprachen.  8.  (20  S.) 
Frankfurt  a.   M.    1876.  Heyder  u.   Zimmer.   50  Pfg. 

59.  Grotemeyer,  über  die  Verwandtschaft  der  indogermanischen  und 
semitischen  Sprachen.  3.  Theil.  4.  (25  S.)  Programm  des  Gymnasiums  zu 
Kempen  1876. 

60.  Michalowski,  F.,  vcstiges  dans  les  langues  europeennes  des  in- 
vasions  orientales.   8.   (51    S.)  Saint-Etienne  1876. 

61.  Schleicher,  August,  Compendium  der  vergleichenden  Grammatik 
der  indogermanischen  Sprachen.  4.  Auflage.  8.  (XLVIII ,  816  S.)  Weimar 
1876.  Böhlau.   17  M.  50  Pfg. 

62.  Fick,  Aug.,  vergleichendes  Wörterbuch  der  indogermanischen  Spra- 
chen sprachgeschichtlich  angeordnet.  4.  (Schluß)  Bd.  3.  Aufl.  8.  (503  S.) 
Göttingen   1876.   Vandenhoeck   und  Ruprecht.    10  M. 


in.  SPRACIIWISSENSCTTAFT  UND  SPRACnVEKC;LETCnUNG.  451 

(j'S.  Pott,  A.  F.,  etymologische  Forschungen  uuf  dein  Gebiete  der  indo- 
germanischen Sprachen.  2.  Aufiage.  G.  Ud.  Wurzel-,  Wort-,  Namen-  und  Sach- 
register von  IL  E.  Biudseil.  8.  (VIII,  603  S.)  Detmold  187(3.  Meyer.  12  M. 
corapl.  150  M. 

Vgl.  Pliilolog.  Anzeiger  VIII,  l  (G.  Meyer). 

()4.  Ilasencamp,  R.,  über  den  Zusammenhang  des  lettoslavischcn  und 
germanischen  Spraclistammcs.   4.   (64   S.)   Leipzig   1876.   liirzcl.   3  M. 

Preisschrirteu  der  Jablonovvskischeu  Gesellschaft  Nr.  XX.  Vgl.  Liter.  Central- 
blatt  1877,  Nr.  2  (Braune);  Jen.  Lit.-Zeitung  17;  Anzeiger  f.  d.  Alterthum  3,  240  fif. 
(Bechtel), 

65.  Brücke,  E.,  Grundxüge  der  Physiologie  und  Systematik  der  Sprach- 
laute.  2.   Auflage.   8.   (172   S.)  Wien   1876.   Gerold.   4M. 

Vgl.  Liter.  Ceutralblatt  1877,  12  (Braune);  Lebmanns  Magazin  9;  Zeitschrift  f. 
d.  österr.  Gymnasien  Nr.  2  (Zimmer) ;  Blätter  f.  d.  bayer.  Gymnasialschulwesen  XIII,  3  ; 
Anzeiger  f.  d.  Alterthum  3,  71   ff.  (Scberer). 

66.  Sievers,  E.,  Grundzüge  der  Lautphysiologie  zur  Einleitung  in  das 
Studium  der  Lautlehre  der  indogermanischen  Sprachen.  8.  (X,  150  S.)  Leip- 
zig  1876.    Breitkopf  und  Hiirtcl.   3  M. 

Bibliothek  indogermanischer  Grammatiken.  1.  Bd.  Vgl.  Liter.  Centralblatt  1876, 
Nr.  36  (Biauue) ;  Jenaer  Liter.  Zeitung  Nr.  45  (Winteler);  Deutsche  Zeitung  Nr.  1778; 
Herrigs  Archiv  57,  225  ff.;  Anzeiger  f.  d.  Alterthum  3,  1  ff.  (Kräuter). 

67.  Merguet,  H,,  über  den  Einfluß  der  Analogie  und  Difi'erenzirung 
auf  die  Gestaltung  der  Sprachformen.   4.   (16  S.)  Königsberg   1876.   75  Pfg. 

Programm. 

68.  Verner,  Karl,  zur  Ablautsfrage. 

Zeitschrift  für  vergleichende  Sprachforschung  23  (1876),  131 — 138. 

69.  Schmidt,  Johannes,  Was  beweist  das  e  der  europäischen  Sprachen 
für  die  Annahme  einer  einheitlichen  Grundsprache? 

Zeitschrift  für  vergleichende  Sprachforschung  23,  333 — 375. 

70.  Verner,  Karl,   eine  Ausnahme  der  ersten  Lautverschiebung. 
Zeitschrift  für  vergleichende  Sprachforschung  23,  97 — 130. 

71.  Osthoff,  H.,   Spuren  eines  ursprachlichen  tönenden  Zischlautes. 
Zeitschrift  für  vergleichende  Sprachforschung  23,  87  ff. 

72.  Leskien,  A.,  die  Declination  im  Slavisch-Litauischen  und  im  Ger- 
manischen.  8.   (XXIX,   158   S.)  Leipzig   1876.  Hirzel.   5  M. 

Preisschrift  der  Jablonovvskischen  Gesellschaft.  Vgl.  Liter.  Centralblatt  1877, 
Nr.  2  (Braune);  Jen.  Lit.  Zeitung  17;  Anzeiger  f.  d.  Alterthum  3,  215—240  (Bechtel). 

73.  Osthoff,  H.,  über  das  eingedrungene  s  in  der  nominalen  SutFixform 
-stra  und  vor  dental  anlautenden  Personalendungen  des  deutschen,  griechischen 
und  altbaktrischen  Verbums. 

Zeitschrift  f.  vergleich.  Sprachforschung  23,  313—333. 

74.  Osthoff,  H.,  Forschungen  im  Gebiete  der  indogermanischen  nomi- 
nalen Stammzusammensetzuug.   2,  Teil.   8.  (XI,  183  S.)  Jena  1876.   Costenoble. 

Vgl.  Germania  21,  368  ff.  (Schlüter);  Anzeiger  f.  d,  Alterthum  1,  111.  129. 
Lit.  Centralblatt  1876,  Nr.  14;  Jenaer  Liter.  Zeitung  Nr.  14;  Zeitschrift  f.  d.  österr. 
Gymnasien  27,  7  (Brugman). 

75.  Rohr,  A. ,  einige  Bemerkungen  über  Wesen,  Aufgabe  und  Ziele 
einer  vergleichenden  Syntax.   8.  (16   S.)  Bern   1876.  Huber.   40  Pfg. 

76.  Böttcher,  C,  the  development  of  the  Aryan  roots  apa  and  para 
in  the  Tcutouic  languages.  I.  The  gothic  adverbs  of  place  and  prepositions  be- 
longing  to  apa  and  para.  4.   (15   S.)   Hamburg   1876. 

Programm. 

29* 


452  BIBLIOGRAPHIE  VON  1876. 

77.  Bezzeu  berger,  A.,  Etymologieu. 
Bezzenberger,  Beiträge  1,  68  f.  (1876).  Got.  daubs. 

78.  Bezzenberger,  A.,   und  A.   Fick,  Miscellanea. 

Bezzenberger,  Beiträge  1,  163  fl".  (1876).  ai'yXrj-,  Germ,  vrisan,  Riese;  nhtl. 
Tanne;  ndcl.  man;  germ.  })ikja;  nbd.  garstig. 

79.  Fick,  A.,   Allerlei. 

Bezzenberger,  Beiträge  1,  57 — 68.  Darin;  an.  illr,  engl,  ill,  übel;  altgall.  avi- 
gut;  enrop.  gbal,  können;  an.  faer,  Schaf;  nhd.  Burg;  an.  bälkr,  Scheidewand;  ahd. 
wona;  europ.  la,  wollen;  nhd.  schnökern. 

80.  Brugman,  K.,  griech.   yaßrrjQ,   lat.  venter,  got.  laus-qithrs. 
Studien  zur  griech.  und  latein.  Grammatik  von  G.  Curtius.  9.  Bd.,  2.  Heft,  1876. 

IV.   Grammatik. 

81.  Schleicher,  A.,  the  german  language.  Translated  by  T.  C.  Snow 
and  E.  J.  Arnold.   8.   1876. 

82.  Berichtigungen  und  Nachträge  zu  Sievers  Paradigmen  zur  deut- 
schen Grammatik.  Halle   1876.  Waisenhaus. 

83.  Siemering,  die  Nominal-  und  Verbalflexion  in  Notkers  Psalmen- 
Übersetzung.    1876.    4. 

Programm  der  Realschule  in  Tilsit, 

84.  Martin,  Ernst,  mittelhochdeutsche  Grammatik,  nebst  Wörterbuch 
zu  der  Nibelunge  Not,  zu  den  Gedichten  Walthers  von  der  Vogelweide  und  zu 
Laurin.  Für  den  Schulgebrauch.  7.  Auflage.  8.  (102  S.)  Berlin  1876.  Weid- 
mann.  1  M. 

85.  Grundzüge  einer  Grammatik  der  mittelhochdeutschen  Sprache.  8. 
(32   S.)   Cöthen   1876.   Schettler.   40  Pfg. 

86.  Brendicke,  H. ,  Laut-  und  Formenlehre  in  den  Grieshaberscheu 
Predigten  aus  dem   13.  Jahrh.   8.   (47   S.)  Jenaer  Dissertation  (1876). 

87.  Kießling,  G.,  Bibelsprache  und  Mittelhochdeutsch.  4.  (28  S.) 
Programm   des  SchuUehrerseminariums  zu  Zschopau   1876. 

88.  Bartsch,  Karl,   vom  deutschen  Geiste  in  den  romanischen  Sprachen. 
Verhandlungen  der  30.  Versammlung  deutscher  Philologen.  Leipzig  1876,  S.  37—43. 

89.  Gützlaff,   geschwundenes  Sprachbewußstein   im   Deutschen. 
Programm  der  Realschule  I.  Ordmmg  in  Elbing  1876.  4.  Vgl.  Herrigs  Archiv  58, 96  f. 

90.  Kelten,  W.  L.  van,  nederlandsche  spraakkunst  ten  behoeve  van 
onderwiizers  en  belangstellenden.  1  Stuk.  De  klinkers  en  medeklinkers.  8.  (XVI, 
142  S.)  Rotterdam.   1  f.   90  c. 

91.  Hilmer,  über  die  Sprache  der  altenglischen  Story  of  Genesis  and 
Exodus.   1876.   4. 

Programm  des  Gymnasiums  in  Sondershausen. 

92.  Campbell,  D.,  Outlines  of  the  history  of  english  language.  12. 
(76   S.)  Edinburgh    1876.   9  d. 

93.  Wimmer,  L.  F.  A.,  oldnordisk  formlaerc  til  skolebrug.  2,  udgave. 
8.   (80   S.)   Kopenhagen   1876.    1  kr.    25  ö. 


94.  Zimmer,    II.,   Ostgermanisch   und   westgermanisch. 

Zeitschrift  für  deutsches  Alterthum  19,  393—162.    Vgl.  Anzeiger    für    deutsches 
Alterthum  2,  213  f.;  Jenaer  Lit.  Zeitung  1876,  Nr.  29  (Sievers). 

95.  Prochazka,   A.,  das  deutsche  Sprachgebiet  in   Böhmen. 
Mittlieilungen  des  Vereins  für  Geschichte   der  Deutschen  in  Böhmen.     14.  Jlig., 

Nr.  3—4  (1876), 


IV.  GRAMMATIK.  453 

96.  Pietsch,  P.,  der  oberfiilnkische  Lautstaiid  im   IX.   Julnliuiidcrt. 
Zeitschrift  für  deutsche  Phih)logio  7,  .3.30— .368.  407—450. 

97.  Kissling,  G. ,  die  Laute  des  Neuhochdeutschen,  eine  phonetische 
Studie.  4.   (33   S.)  Bremen   1870. 

Programm. 

98.  Leffler,  L.  F.,  Bidrag  tili  läran  om  i-omljudet  med  särskilt  hänsyn 
tili   tidon  för   den   germaniska  sprakenheten    (Schluß). 

Nordisk  Tid.skrift  för  Filologi  og  Pacdagogik  N.  K.  2,  231—320. 

99.  Le  Marchant  Douse,  Grimm's  law,  or  hiuts  towards  an  ex- 
planation  of  the  so-called  „Lautverschiebung".  8.  (XVI,  231  S.)  London  1876. 
Trübuer. 

Vgl,  Jenaer  Liter.  Zeitung  1877,  Nr,  20  (Sievers);  Liter.  Centralblatt  Nr.  14 
(Braune). 

100.  Wen  k  er,  G.,  über  die  Verschiebung  des  Stammsilben- Auslauts  im 
Germanischen.   Tabellen  und  Untersuchungen.    4.  Bonn  1876.   Mai'cus.    12  M. 

Vgl.  Liter.  Centralblatt  1876,  Nr.  51;   Revue  critique  1877,  Nr.  10. 

101.  Konsonantlj  uden,  de  klusila.  Kritisk  Uppsats  af  J.  A.  A.  8. 
(65   S.)  Norrköping   1876.    1  Kr. 

102.  Scherer,   W.,  die  nhd.  und   ahd.   tenuis-media. 
Zeitschrift  für  deutsches  Alterthum  20,  205—213. 

103.  Kräuter,  J.  F.,   die  Prosodie  der  neuhochdeutschen  Mitlauter. 
Paul  und  Braune,  Beiträge  2,  561  —  573. 

104.  Augustin y.  Fr.,  das  Substautivurn  in  den  germanischeu  Sprachen. 
1.   Die   Substantivflexion   im    Nordgermanischen.   4.   (25    S.) 

Programm  des  Gymnasiums  zu  Gera  1876. 

105.  Osthoff,  H. ,  zur  Frage  des  Ursprungs  der  germanischen  N-De- 
clination.  (Nebst  einer  Theorie  über  die  ursprüngliche  Unterscheidung  starker 
und  schwacher  Casus  im  Indogermanischen.) 

Paul  und  Braune,  Beiträge  3,  1-89.  Nachtrag  S.  197  f. 

106.  Oäthoff,   H, ,   der  gotische  nom.   sing,   der  männlichen  ja-Stämme. 
Zeitschrift  für  vergleichende  Sprachforschung  23,  89  ft".  (1876). 

107.  Witte,   D.   J.,   Pluralbildung  im  Neuangelsächsischen. 
Jahrbuch  für  romanisclie  und  englische  Literatur  15  (1876),  312  —  368. 

108.  Kern,   H.,   over  het  als   lidwoord. 
Taalkundige  ßijdragen  1,108—111. 

109.  Kern,    H.,   hun  als   bezittelijk   voornamwoord. 
Ebenda  1,  112. 

110.  Lindner,   Felix,  zur   Formenlehre  des  pron.   rel.   im  Englischen. 
Jahrbuch  für  romanische  und  englische  Literatur  15,  221 — 228. 

111.  P  e  n  n  i  n  g ,  G.  E.,  a  history  of  the  reflective  pronouns  in  the  Eng- 
lish   language.   Bremen    1875.    (Leipziger  Dissertation). 

112.  Osthoff,  H.,   die  gotischen  Adverbia  auf  o   und  a. 
Zeitschrift  für  vergleichende  Sprachforschung  N.  F,  3,  90  ft". 

113.  Ost  hoff,   H, ,     die   SuflPixform   -sla-  vornehmlich    im   Germanischen. 
Paul  und  Braune,  Beiträge  3,  335 — 347. 

114.  Kern,  H.,  Volksnamen  op  i,  an  en  ari. 
Taalkundige  Bijdragen  1,  99—107. 

115.  Tamm,  Fredr. ,  om  tyska  prefix  i  Svenskan,  8.  (50  S.)  Up- 
sala  1876. 

Dissertation. 

116.  Ambrosius,  Nore,  Undersökningar  om  ordfogniugen  i  Färöiskan, 
afhandl.   8.    (40   S.)   Lund   1876. 


454  BIBLIOGRAPHIE  VON  1876. 

117.  Erdmann,  Oskar,  Untersuchungen  über  die  Syntax  der  Sprache 
Otfrids.  Gekrönte  Preissehrift.  2.  Teil.  Die  Formationen  des  Nomens.  8. 
(Vm,   272   S.)  Halle  1876.   Waisenhaus.   8  M. 

Vgl.  Jenaer  Liter.  Zeitung  1876 ,  Nr.  49  (Windisch) ;  Liter.  Centralblatt  1877, 
Nr.  3  (Kölbing). 

118.  Hansel,  H. ,  über  deu  Gebrauch  der  pronomina  reflexiva  bei 
Notker.   8.   (30  S.)  Halle  1876.  (Dissertation). 

119.  Kölbing,  E.,  zur  Entstehung  der  Relativsätze  in  den  germanischen 
Sprachen. 

Germania  21,  28—40. 

120.  Kujack,  on  the  use  of  auxiliary  verbs  in  OldEnglish.  4.  Pro- 
gramm der  Albinus  Stiftung  in  Lauenburg. 

121.  Lücke,  Otto,  absolute  Participia  im  Gotischen  und  ihr  Verhältniss 
zum  griechischen  Original ,  mit  besonderer  Berücksichtigung  der  Skeireins.  8. 
(58  S.)  Magdeburg   1876.   Göttinger  Dissertation. 

Vgl.  Zeitschrift  für  deutsche  Philologie  8,  352  ff.  (Bernhardt). 

122.  Sattler,  W.,  Beiträge  zur  engl.  Grammatik.  I.  Die  adverbialen 
Zeil  Verhältnisse.  8.  (51   S.)  Halle  1876.  Gesenius.  1  M. 

Vgl.  Englische  Studien  1,  502  (Lindner). 

123.  Collin,   sur  les   conjonctions  gothiques.   40  S. 

o 

Arsskrift,  Lunds  universitets.  XII.   1875  —  76.  4,  Lund,  Gleerup. 

124.  Gering,  H. ,  die  Causalsätze  und  ihre  Partikeln  bei  den  ahd. 
Übersetzern  des   8.  und  9.  Jahrhunderts.   8.   (52   S.)  Halle   1876. 

Habilitationsschrift.  Vgl.  Germania  22,  229  ff.  (Behaghel). 

125.  Behaghel,   Otto,   die  Modi  im  Heliand.   Paderborn   1876. 
Heidelberger  Doctordissertation.    Vgl.  Germania  22,    375—380  (Piper);    Jenaer 

Liter.  Zeitung  1876,  Nr.  51  (Sievers). 

V.   Lexicographie. 

126.  Grimm,  Jacob,  und  Wilhelm  Grimm,  deutsches  Wörterbuch. 
Fortgesetzt  von  M.  Heyne,  R.  Hildebrand  und  K.  Wcigand.  4.  Bd.  1.  Abth. 
8.  Liefg.  Bearbeitet  von  R.  Hildebrand.  (Sp.  1585—1776.)  4.  Bd.  2.  Abth. 
10.  Liefg.  Bearbeitet  von  M.  Heyne.  (Sp.  1969-2160.)  4.  Leipzig  1876. 
Hirzel.  k  2  M. 

127.  Schade,  Oskar,  altdeutsches  Wörterbuch.  2.  umgearbeitete  und 
vermehrte  Auflage.   3.  Heft.  8.   (S.  321—486.)  Halle   1876.   Waisenhaus.   3  M. 

Vgl.  Zeitschrift  für  deutsche  Philologie  8,  110  ff".  (K.  Zacher). 

128.  Lcxer,  Matthias,  mittelhochdeutsches  Handwörterbuch.  Zugleich  als 
Supplement  und  alphabetischer  Index  zum  mittelhochdeutschen  Wörterbuch 
von  Benekc-Müller-Zarneke.  13. — 15.  Liefg.   gr.  8.  Leipzig  1876.    Hirzel.  ä  4  M. 

129.  Ileinzel,  R. ,  Wortschatz  und  Sprachforraeu  der  W^iener  Notker- 
Handschrift.  I— III.  8.  (68,  150  u.  20  S.)  Wien  1875—76.  Gerold  in  Comm. 
3  M.   80  Pfg. 

Aus  den  Sitzungsberichten  der  Akademie.  Vgl.  Liter.  Centralblatt  1876,  Nr.  39. 

130.  Diefenbach,  Lorenz,  und  Ernst  Wülcker,  hoch-  und  nieder- 
deutsches Wörterbuch  der  mittleren  und  neueren  Zeit.  Zur  Ergänzung  der  vor- 
handenen Wörterbücher,  insbesondere  des  der  Brüder  Grimm.  4.  Liefg.  4. 
(S.   433—536.)  Frankfurt  a.  M.   1876.  Winter.   2  M.   40  Pfg. 

Vgl.  Anzeiger  f.  d.  n.  päd.  Lit.  VI,  2. 


V.  LEXICOGRAPHIE.  455 

131.  Weigand,  Fr.  L.  Karl,  deutsches  Wörterbuch.  2.  verb.  und  ver- 
mehrte Auflage.  (4.  Aufl.  von  Fr.  Sclimitthenncr's  kurzem  deutschem  Wörter- 
buch.) 4.  Halbbanri.  2.  Abtheilung.  2.  Bd.  (XVI,  und  ö.  961  —  1213.)  Gießen 
187G.  Kicker.   5  M. 

132.  Gombert,  Bemerkungen  und  Ergänzungen  zu  Weigands  deutschem 
Wörterbuche.   4.  (20   S.) 

Programm  des  Gymnasiums  zu  Gr.  Strelitz  1876.  Vgl.  Herrig  .58,  97. 

133.  Woordenboek  der  Nederlandsche  taal.  's  Gravenhage  en  Leiden 
1876.   1.  Serie,   12.   aflev. ;   2.   serie.   5.   aflev. 5   3.   serie,   9.  aflev. 

134.  Oudemans,  A.  C. ,  Kijdrage  tot  ecn  Middei-  en  Oudnederlandsch 
woordenboek.   VI,   1:   S — Sintmeer.  Arnhem  1876. 

135.  Jager,  A.,  Woordenboek  der  frequentatieven  in  het  Nederlantsch. 
2"  deel,   aflev.   1—7.   4.   GouHa  1870. 

136.  Sprachproben,  altenglische.  Nebst  einem  Wörterbuch.  Heraus- 
gegeben von  Ed.  Mätzner.  2.  Band.  Wörterbuch.  3.  und  4.  Liefg.  (Sp.  321 
bis   576.)  Berlin   1876.    Weidmann. 

137.  Jellinghaus,  H.,  Ergänzungen  zu  E.  Müllers  etymol.  Wörterbuch 
der  engl.   Sprache  aus   dem  Niederdeutschen. 

Herrigs  Archiv  55  (1876),  157-164. 

138.  Skeat,  W. ,  appendix  to  Cleasby  and  Vigfusson,  icelandic  dic- 
tionary.   1876.   4.   2  sh. 

139.  rorkelsson,  Jon,  Supplement  til  islandske  Ordboger.  (II)  0 — ö 
(S.  41  —  96)  Reykjavik  1876. 

Vgl.  Liter.  Centralblatt  1877,  Nr.  36. 


140.  Förstemanu,  E.,  über  deutsche  Volksetymologie. 
Zeitschrift  für  vergleichende  Sprachforschimg  23,  375 — 384. 

141.  Birlinger,  A.,   zur  Wortforschung  V. 
Alemannia  4,  155 — 161. 

142.  Bech,  F.,  zur  Wortforschung.   VI. 
Ebenda  4,  195—197. 

143.  Sprenger,    R.,  zum   mittelhochdeutschen  Wortschatz. 
Bezzenbergers  Beiträge   zur  Kunde    der    indogermanischen  Sprachen  1,  51 — 57. 

nuz,  ungenozzen,  sehutzgenoz,  keskar,  geloter,  einzeht,  ricien,  bi'ienmuos,  broedelich,  rot. 

144.  Sprenger,   R.,   kleine  Bemerkungen. 
Germania  21,  351  f. 

145.  Jahrbuch  des  Vereins  für  niederdeutsche  Sprachforschung.  Jahrg. 
1875.   8.  Bremen   1876.   Kühtmann. 

Darin  u.  a.  Hauschen  un  hot  S.  107;  zum  nd.  Kalender  S.  110 — 112;  wenn 
causal  gebraucht?  S.  113;  die  dreizehnten  S.  113  f.;  asna;  öhl-  ehl-  ahlstein  S.  114; 
plattdeutsch  S.  114—116. 

146.  Verwijs,   E.,   Sprokkelingen. 
Taalkundige  Bijdragen  I,  3—28  (1876). 

147.  Kern,   H.,  middelnederlandsche  woorden  uit  oorkonden. 
Taalkundige  Bijdragen  I,  46 — 53. 

148.  V  er  dam,  J,,  Dietsche  Verscheidenhciden. 
Taalkundige  Bijdragen  I,  54 — 83, 

149.  De  Navorscher  onder  redactie  van  P.  Lcendertz.   1876. 
Enthält  viele  lexical.  Beiträge  zum  Niederländischen. 

150.  Gislason,   Konr.,   (Egir  og  JEgiv. 
Aarböger  for  nordisk  Oldkyndighed  1876,  313—330. 


456  BIBLIOGRAPHIE  VON  1876. 

151.  Varnhagen,  H.,  an  inquiiy  into  the  origiu  and  different  meanings 
of  the  English  particle  „but".  8.  (71  S.)  Göttingen  1876.  PeppmüUer.  1  M. 
60  Pfg. 

Eostocker  Dissertation. 

152.  Cosijn,  P.   T.,   deuy,   doy,   doey. 
Taalkimdige  Bijdragen  1,  94  —  99. 

153.  Osthoff,  H.,  Urdeutsch  *faigja. 

Zeitschrift  für  vergleichende  Sprachforschung  23,  427  f.  (1876). 

154.  Sprenger,  R.,   Getrehte. 
Zeitschrift  für  deutsche  Philologie  7,  94. 

155.  Kern,   H.,   Hredh   eu  Hredhgotan. 
Taalkundige  Bijdragen  1,  29  —  46. 

156.  Jeitteles,   A.,  zu  mhd.   lütbrechic. 
Germania  21,  250  f. 

157.  Liebrecht,   F.,  zu  Germ.   XVIII,   456.  Tpru,  Purt. 
Germania  21,  399  f. 

158.  Bech,  F.,  min  allerliebestes  suzelin. 
Alemannia  4,  18. 

159.  Über  deutsche  Ortsnamen, 
Das  Ausland  1876,  S.  353-356. 

160.  Hierlemann,  über  Ortsnamen  mit  Anlehnung  an  den  Bezirk  Geis- 
lingen. 

Korrespondenzblatt  des  Vereins  für  Kunst  und  Alterthum  in  Ulm.  1.  Jahrg.  1876. 

161.  Kasper,  Leopold,  Erklärung  einiger  Ortsnamen.  Beitrag  zu  einem 
historisch-topographischen  Lexicon  von  Niederösterreich. 

Blätter  des  Vereins  für  Landeskunde  von  Niederösterreich  N.  F.  9.  Jahrg.  1876. 

162.  Magerstedt,  A.  F.,  die  genetische  Bedeutung  der  Einzelnamen 
innerhalb  der  Flurmark  Grossen-Ehrich  im  Fürstenthum  Schwarzburg- Sonders- 
hausen.  8.  (VL  88   S.)   Sondershausen   1876.  Eupel.   75  Pfg. 

163.  Eine  Sammlung  rheinischer  Flurnamen. 

Monatsschrift  für  rheinisch-westfäl.  Geschichtsforschung  2.  Jahrg.  (1876). 

164.  Mucke,  Alb.,  zur  deutschen  Ortsnamenkunde,  insbesondere  zur 
westfälischen. 

Monatsschrift  für  rheinisch-westfäl.  Geschichtsforschung  2,  7 — 9. 

165.  Rabe,   die   Orfsnamen  um  Biere. 

Geschichts-Blätter  für  Stadt  und  Land  Magdeburg  11.  Jahrg.  1.  Heft  (1876). 

166.  Rabe,  die  Ortsnamen  zwischen  Elbe,   Saale,   Bode  und  Sülze. 
Geschichls-Blätter  für  Magdeburg  11.  Jahrg.  3.  Heft.  1876. 

167.  Hoppe,  F.,  Ortsnamen  der  Provinz  Preußen.  8.  Gumbinnen  1876. 
Sterzel.   60  Pfg. 

Aus  der  Alfpreuß.  Monatsschrift  13.  Bd. 

168.  Fränkel,   Dr.   M.,  zum  Namen  Dessau. 

Mittheilungen  des  Vereins  für  anhaltischc  Geschiclite.  I.  Bd.,  6.  Heft,  1876. 

169.  Evelt,   Jul.,   über  den  Ursprung  des  Ortsnamens    „Paderborn". 
Zeitschrift  für  vaterländische  Geschichte  4.  Folge.  4.  Bd.  8.  Münster  1876. 

170.  Mülle nli off,   K.,  Donau.   Dunavu.   Dunaj. 
Zeitschrift  für  deutsches  Altertlunn  20,  26 — 35. 

171.  Laftmann,  E.,  och  H.  ll(ildebrand),  Tvä  grupper  af  fornsven- 
ska  ortnamn. 

Vitterhets  Historie  och  Antiqvitets  Äkademieus  Munadsblad  1876.  S.  295—307. 


VI.  MUNDARTEN.  457 

172.   Andresen,   K.   G.,   zur  deutschen   Namenkunde. 
Germania  21,  47—50. 

17.3.  Schwartz,  J.,  die  deutschen  Volksnainen.  Namenerkläruug.  Eine 
Festschrift.    8.    (Gl    S.)   Stuttgart    187ß.   Schwab. 

174.   Doornkaat  Koolmann,  J.  ten,  ein  Excurs  ül)er  den  Volksnamen 

'  Frese,  Friese  . 

Ausland  1876,  S.  374-376. 

17.').   Bronisch,   C.  B.,     eine  Conjectur    über  den   Volksnamen   Wende. 

N.  Lausitz,  Magazin  LH,  2  (187G). 

176.  Wagner,  A.,  die  deutschen  Namen  der  ältesten  Freisiuger  Ur- 
kunden.   8.    (60   S.)   Erlangen    1876.   Deichcrt.  M.  1,  60. 

Vgl.  Liter.  Centralblatt  1877,  Nr.  21;  Zeitschrift  f.  d.  österr.  Gymnas.  28,   8.   9. 

177.  Du  mm  1er,  E.,   altdeutsche  Namen. 
Zeitschrift  für  deutsches  Alterthnm  20,  115—117. 

178.  Grrässe,  J.  Th. ,  unsere  Vor-  und  Taufnamen  in  ihrem  Ursprung 
und   ihrer  Bedeutung.   8.    (46    S.)   Dresden    1875.   Zahn.   2  M. 

Vgl.  Magazin  f.  d.  Liter,  d.  Auslandes   1876,  Nr,  3. 

179.  Zilluer,  launige  Geschlechtsnamen  aus  Salzburg.  Urbarien  und 
Steuerbüchern   des    14.  Jahrhunderts, 

Mittheilungen  des  Vereins  für  Salzburg.  Landeskunde  16.  Jahrg.  1876. 

180.  Koch,   E.,   Saalfelder  Familiennamen    und    Familien    aus    dem    16. 

und   17.  Jahrhundert.   4.    (36   S.) 

Programm  der  Realschule  zu  Saalfeld  1877. 

181.  Knorr,  W. ,  die  Familiennamen  des  Fürstenthums  Lübeck.  4. 
(VIII,  55  S.) 

Programm  des  Gymnasiums  zu  Eutin  1876. 

182.  Zuuz,    gesammelte    Schriften.     2   Bd.     8.   (304   S.)    Berlin     1876. 

Gerschel.   6  M. 

Vgl.  Liter.  Centralblatt  1876,  Nr.  16.  Enthält  in  der  Schrift  über  'Namen  der 
Juden'  vieles  zur  deutschen  Namenkunde. 

183.  Hoorebeeke,  G.  van,  etudes  sur  Torigine  des  noms  patronymiques 
flamands  et  sur  quelques  questions  qui  sc  rattachent  aus  noms.  8.  (530  S.) 
Bruxelles   1876.   10  fr. 

184.  Nederlandsche  Spot-  en  Scheidnamen. 
De  Navorscher  1876,  Lief,  5—6. 

185.  Winkler,  Johan,  Eeu  en  ander  over  fricsche  Eigennamen. 
Sonderabdruck  aus:  De  Vrije  Fries.  Leeuwarden  1876. 


186.  Kehr  ein,  Joseph,  Fremdwörterbuch  mit  etymologischen  Erklärungen. 
1.— 4.   Lieferung.   8.    (S.    1—384)   Stuttgart    1876.   Cotta.   k  M.  1,  60. 

Vgl.  Allgem.  Zeitung  1876,  Beil.  321;  Schulfreund  33,  1. 

187.  Neumaun,  Fr.,  die  germanischeu  Elemente  in  der  provcnzalischen 
und  französischen  Sprache.  I.   8.  Heidelberg  1876.  Dissertation. 

188.  Schultze,  M.,  die  germanischen  Elemente  der  französischen 
Sprache.   8.   (26   S.)  Berlin   1876.   Calvary.   1  M. 

VI.   Mundarten. 

189.  Wiuteler,  J,,  die  Kereuzer  Mundart  des  Cantous  Glarus  in  ihren 
Grundzügen  dargestellt.    8.   (XII,    240   S.)   Leipzig   1876.   Winter.   5  M. 

Vgl.  Liter.  Centralblatt  1876,  Nr.  10;  Anzeiger  f.  d.  Alterthum  3,  57  ff.  (Scherer); 
die  deutschen  Minidarten  7,  489  ff.  (Tobler);  Magazin  f,  d.  Liter,  d.  Ausl.  1876,  Nr.  29; 
Jen.  Liter.  Zeitung  1877,  Nr.   42  (Sievers). 


458  BIBLIOGRAPHIE  VON  1876. 

190.  Staub,  F.,  ein  schweizerisch-alemannisches  Lautgesetz  (Fortsetzung). 
Die  deutschen  Mundarten  7,  191—207. 

191.  Meyer,  Joh.,   das  gedehnte  e  in  nordostalemannischen  Mundarten. 
Die  deutschen  Mumiarten  7,  177 — 191. 

192.  Maeder,  Adam,  die  letzten  Zeiten  der  ehemaligen  eidsgenössischen 
Republik  Mülhausen.  In  Sprache  und  Sittenbildern  geschildert.  Herausgeg.  von 
A.   Stöber.   8.   (VIII,   123   S.)   Mülhausen   1876. 

Vgl.  die  deutschen  Mundarten  7,  50.3. 

193.  Czoernig,   C.  v.,  die   Sprachinsel  Devitschruth. 

Zeitschrift  des  deutschen  und  österr.  Alpenvereins  1875,  S.  247 — 253.  Stammt 
aus  dem  13.  Jahrh.  (Krain). 

194.  Czoernig,  C.  v.,  die  deutsche  Sprachinsel   Zarz  in  Krain. 
Zeitschrift  des  deutscheu  und  österr.  Alpenvereins  7.  Bd.  2.  Heft.   1876. 

195.  Hurapert,  über  den  sauerländischen  Dialect  im  Hönne-Thale. 
1.   Theil.   Programm  des   Gymnasiums  zu  Bonn    1876.    4.   (47    S.) 

Vgl.  Jen.  Liter.  Zeitung  1877,  Nr    42  (Sievers). 

196.  Bauerufeind,  einige  sprachliche  Eigeuthümlichkeiten  aus  dem 
Wupperthale.   4.  Programm  der  Realschule  II.  Ordnung  in  Barmen   1876. 

Vgl.  Herrigs  Archiv  58,  98  f. 

197.  Grün  wald,  M. ,  über  den  jüdisch-deutschen  Jargon.  8.  Buda- 
Pesth   1876. 

198.  Eene  sp  elliugkwesti  e. 

Weckblad  voor  het  lager-,  middelbaar-  eu  hooger  onderwijs.  Groningen  1876. 
Nr.  8.  Zum  Groningischen  Dialect  (Lautlehre). 

199.  Nicolai,  A.  F.,   über  die  Dialecte  der  englischen  Sprache. 
Herrigs  Archiv  55  (1876),  383—406. 

200.  M  iln  er ,  G.,  the  Lancashire  dialect  considered  as  a  vehicle  for  poetry, 
Transactions  of  the  Manchester  literary  club.    Session  1874 — 75.    London  1876. 

Trübner. 

201.  Papers  of  the  Manchester  literary  club.  Vol.  2.  Session  1875 
bis   76.   (VI,   190   S.)   London   1876,   Heywood. 

Enthält:  a  bibliogiaphical  list  of  books  illustrating  the  Lancashire  dialect. 
I  202.   Elworthy,   F.,   the  dialect  of  West  Somerset. 

Publication  der  Dialect  Society   1875. 

203.  Continuatiou  of  the  bibliographical  list  of  books  thal  illustrate 
English   dialects. 

Ebenda   1875. 

204.  Blackie,  J.  St.,  the  language  and  litcrature  of  the  scottish  High- 
lands.  8.   (326   S)  Edinburgh    1876.  Edmonston.   6  sh. 


205.  Staub,   Fr.,   die  Reihenfolge  in   mundartlichen   Wörterbüchern  und 
die  Revision   des  Alphabetes.   8.   Zürich   1876. 

206.  Werfer,    Dr.,  Volksausdrücke  in   Oberschwaben. 
Korrespondenzblatt  des  Vereins  für  Kunst  und  Alterthum  in  Ulm.    1.  Jahrgang 

1876.  4. 

207.  Kramer,   Fr.,   Idiotismen  des  Bistritzer   Dialcctcs.    8.  (83   S.) 
Programm    des    evangel.    Gymnasiums    in    Bistritz    1876.     Vgl.    Germania    22, 

241  ff.  367  ff.  (Schröer). 

208.  Spie  SS,  Beiträge  zu  einem  hennebergischen  Idiotikon. 
Die  deutsclien  Mundarten  7,   129 — 176. 

209.  Bech,  F.,    seltene    Bezeichnungen    von    Feldgrundstücken    in    der 
Mundart   des   düringisch-sächsischen   Osterlandes. 

Die  deutsclien  Mundarten  7,  253  —  255. 


VI.  MUNDARTEN.  459 

210.  Wörterbuch  der  mccklouburgisch-vorpommcrschen  Mundart  von 
Mi.   8.  (IV,    110   S.)    Leipzig   187(j.    Koc-li.    2  M.   00  Pfg. 

211.  Wocstc,  F.,   Heiträge  aus  dem  Niederdeutschen. 
Zeitschrift  für  deutsche  Philologie  7,   174. 

212.  Latendorf,  Fr.,  kritische  Beitrüge  zu  dem  sogenannten  Anliang 
der  Lauremberg'schen  Scherzgedichte. 

Germania  21,  53—66. 

213.  Chemnitz,  E.,  und  W.  H.  Mieick,  die  nd.  Sprache  des  Tisch- 
lergcwerks  in  Hamburg  und  Holstein. 

Jahrbuch  des  Vereins  f.  nd.  Sprachforschung  1875,  S.  72—92. 

214.  Nodal,  J.  H. ,    and  G.   Mi  In  er,     a    glossary    of   the    Lancashire 

Dialect.   I. 

Publication  der  Euglish  Dialect  Society  1875. 

215.  Robinson,   F.   R.,  a  glossary  of  words  used  in   the  neigbourhood 

of  Whitby.  Part.   I.   (A— R.) 

Publication  der  English  Dialect  Society  1875. 

216.  Deutsche  Dialektdichter. 

Deutsche  Monatshefte  1876.  4.  Jhg.  7.  Bd.   1.  Heft, 

217.  Bartels,  D.,  der  Grillenscheucher.  Original-Gedichte  in  hoch-  und 
plattdeutscher  Sprache.  Hamburg   187G.  Nestler  und  Melle. 

218.  Hebel's,  J.  L. ,  allemannische  Gedichte.  Neue  vollständige  Origi- 
nalausgabe.   16.   (XIV,   287   S.)  Aarau   1876.   SauerUinder.   3  M.   60  Pfg. 

219.  Hagen,  K.,   Alemaunische  Gedichte  aus  Vorarlberg. 
Alemannia  4,   19 — 22. 

220.  Hagen,  Caspar,  Dichtungen  in  alemannischer  Mundart  aus  Vorarl- 
berg. III.   Sammlung.   8.   (874  S.)  Innsbruck   1876.  Wagner.   2  fl. 

221.  Schild,  F.  J.,  Aus  dem  Volk  und  für  das  Volk.  Zwei  Erzäh- 
lungen in  solothurncr  Mundart,  nebst  einem  Anhang  von  Gedichten.  8.  (164  S.) 
Bicl   1876.   Kuhn. 

222.  Kobell,  F.  v.,  Gedichte  in  pfälzischer  Mundart.  6.  Auflage.  8. 
(VI,   239   S.)   Stuttgart   1876.   Cotta.  M.  2,  50. 

223.  Deklamator,  der  schwäbische.  Eine  Auswahl  von  Gedichten  und 
Aufsätzen  in  schwäbischer  Mundart.  16.  (32  S.)  Reutlingen  1876.  Enßlin  und 
Laiblin.    10  Pfg. 

224.  Griminger,  Adolf,  mei  Derhoim.  Gedichte  in  schwäbischer  Mund- 
art..  3.  Auflage.   8.  (XXPV,   224   S.)   Stuttgart   1876.  Cotta.   3  M. 

225.  Keller,  F.,  Döaraschleah  von  oigene  und  fremde  Hecka.  Eine 
Sammlung  von  Gedichten  in  schwäbischer  Mundart.  3.  Auflage.  16.  (104  S.) 
Kempten   1876.  Kösel.   80  Pfg. 

226.  Keller,  F.,  Erdbörln  os'm  Wald.  Gedichte  in  schwäbischer  Mund- 
art.  16.   (151   S.)  Ebenda.   1  M.   40  Pfg. 

227.  Kobell,  F.  v.,  Gedichte  in  oberbayerischer  Mundart.  8.  Auflage. 
8.   Stuttgart   1877.  Cotta.   3  M.   50  Pfg. 

228.  Kobell,  F.  v.,  der  Hansl'  vo'  Finsterwald.  Der  schwarzi  Veitl. 
's  Kranzner  Resei.  3  größere  Gedichte  nebst  andern  in  oberbayer.  Mundart. 
2.  Auflage.  16.  Ebenda.   2  M.   25  Pfg. 

229.  Anzinger,  P, ,  Eichenzweig  und  Daxbosch  n.  Hochdeutsche  und 
oberbayerische  Gedichte.   8.   München    1876.   Fritsch.   3  M. 


460  BIBLIOGRAPHIE  VON  1876. 

230.  Stieler,  K.,  Weil's  mi  freut!  Neue  Gedichte  in  oberbaier.  Mund- 
art.   8.   (XX,    131    S.)  Stuttgart  1876.   Mayer  und  Zeller.   3  M. 

2.  Auflage  1876. 

331.  Sei  dl,  J.  G.,  drei  Jahrl'n  uaeh'm  letzt' u  Fenslerl'n.  Alpenscene  in 
Österreich.  Mundart.   8.  (13   S.)  Wien    1876.  Wallishauser.    1  M. 

Wiener  Theaterrepertoir  Nr.   300. 

232.  Schnadah  üpf 'in,  650  der  schönsten,  Oberlander  Liadln,  nebst's 
letzte  Fensterin'.    16,  Reutlingen    1876.   Enßlin  und  Laiblin.    20  Pfg. 

233.  Kogl,  Gedichte  in  oberösterreichischer  Mundart.  16.  (60  S.)  Linz 
(Wien)  1876.  Ebenhöch.    60  Pfg. 

234.  Misson,  J..  „da  Naz",  a  niederösterreichischer  Bauernbui  geht 
in  d'Fremd'.  Gedicht  in  unterennsischer  Mundart.  3.  Aufl.  Herausgegeben  von 
K.  Landsteiner.   8.   (HI,   72   S.)  Wien   1876.   Gerold.    1  M.   60  Pfg. 

235.  Schröer,   deutsche   Sprachproben  aus   Ungarn. 
Die  deutschen  Mundarten  7,  220-227. 

236.  Palm,  H.,  Proben  schlesischer  Schriftsprache  aus  dem  XV.  Jahr- 
hundert. 

Die  deutschen  Mvmdarten  7,  238—243. 

237.  Tschampel,  G.,  Gedichte  in  schlesischer  Gebirgsmundart.  4.  Aufl. 
Volks-Ausgabe.   16.   (XII,   276   S.)  Schweidnitz   1876.   Heege.   1  M.   25  Pfg. 

238.  Allerlee  aus  der  EberJausitz.  AU'n  Froind'n  dar  Eberlausitz  ge- 
widmet vun'n  Verfass'r.   16.   (IV,   98   S.)  Bautzen   1876.  Kühl.   1  M. 

239.  Sommer,  A.,  Bilder  und  Klänge  aus  Rudolstadt  in  Volksmund- 
art. S.Auflage.  1.  — 6.  Heft.  16.  Kudolstadt  1876.  Fröbel.  k  1  M.  —  7.  Bänd- 
chen. Ebenda.   (112   S.)    1  M. 

240.  Keime  un  Biller,  uordhüsche.  2  Nrn.  gr.  4  (ä  8  S.)  Nordhausen 
1876.  Haacke.   k  25  Pfg. 

241.  Volksgespräche,  Kölner,  und  Sprichwörter  herausgegeben  von 
Dr.  Alex.   Reifferscheid.    8.   Hannover   1876. 

242.  Honig,  Fritz,  der  Boorejung  em  Thiater.  Der  Lehrjung.  Humores- 
ken.   16.   (16    S.)    Köln   1876.  Heyn.   25  Pfg. 

243.  Honig,  F.,  et  BUtze.  De  Kaväntschaff.  Frei  nach  gegebenen 
Motiven.   Ebenda.   (16   S.)   25  Pfg. 

244.  Honig,  F.,  des  Sängers  Flooch.  Lotterbovestreich.  Humoresken. 
(15   S.)  Ebenda.   25  Pfg. 

245  Honig,  F.,  Geschräppels.  Humoresken.  1.  Bd.  8.  (96  S.)  Köln 
1875.  Heyn.   1  M. 

246.  Leopold,  J.  A.,  cn  L.  Leopold,  van  de  Scheide  tot  de  Weich- 
sel. Nederduitsche  dialecteu  in  dicht  en  ondicht,  uitgelezen  en  opgehelderd. 
Groningen    1876. 

Vgl.  De  Bodc!  1877,  Nr.   1;  Jen.  Liter.  Zeitung  Nr.  42  (Sievers). 

247.  Gedichte,  plattdeutsche,  zum  Dechuniren.  8.  (III,  176  S.)  Ham- 
burg  1876.   Richter.   1  M.   20  Pfg. 

248.  Husfründ,  plattdütsche.  Herutg.  Willem  Kastner.  1.  Jahrg.  fol. 
Schiewig   1876.  JohanLsen.   4  M. 

249.  Jürs,  Heinrich,  Hoch  un  Platt,  for  Jeden  wat.  Hochdeutsche  und 
plattdeutsche   Gedichte.   8.    (188   S.)   Altona    1876.   Grabow.    2  M.    70  Pfg. 

250.  Müller.  A.,  plattdeutsche  Gedichte.  2,  Auflage.  16.  (VI,  125  S.) 
Hagen   1876.  Butz.   2  M.   50  Pfg. 


VT.  MUNDARTEN.  40 1 

251.  Schacht,  H. ,  phitttkiitsche  Gedichte  zum  Vortrag  in  geselligen 
Kreisen.   3.   AiiHage.   8.  (56   S.)  Iluiuburg    1870.   Richter.   75  Pfg. 

252.  Vorbrodt,  F.  A.,  übberswemnit !  En  swartes  Blatt.  Oder  eu  par 
Bilder  ut  nc  swere  Tid.   8.   (13   S)  Schönebeck   1876.   Schmidt.   25  Pfg. 

253.  Vorbrodt,  F.  A.,  en  bettchen  vvat  Spassiges  ut  de  Watertid  1876. 
8.  (16   S.)  Schönebeck   1876.   Schmidt.   25  Pfg. 

254.  Grimme,  F.  W.  ,  Schwanke  und  Gedichte  in  sauerländischer 
Mundart.   0.   AuH.   8.   (207   S.)   Paderborn    1876.   Schöningh.   M.  1,  50. 

255.  Grimme,  F.  W.,  Jaust  und  Durtel  oder  de  Kiärmissengauk. 
Lustspiel  in  sauerländischer  Mundart.  2.  Auflage.  16.  (84  S.)  Münster  1877. 
Nasse.   1  M. 

256.  Höarmeckan,  F.,  „Je  länger  je  lewer".  Stöckskes  on  Vertell- 
sches  en  Wopperdhaler  Mongkaat.  8.  (111  S.)  Elberfeld  1876.  Löwensteiu.    1  M. 

Vgl.  Magazin  f.  d.  Liter,  d.  Ausl.  1877,  Nr.  6. 

257.  Woeste,   F.,   Bu  R(!inke  de  Foss  sin  wif  op  de   Prouve  stellt. 
Die  deutschen  Mundarten  7,  228 — 237. 

258.  Holthusen,  Gustav,  ole  Erinnerungen,  Gedichten  un  Geschichten 
in  Bremer  Mundart.  1.  Decl.  12.  (109  S.)  New- York  1876.  Willmer  und  Ro- 
gers.   2  M. 

259.  Piening,  Th.,    de    tweete  Reis    na'n  Hamborger  Dom.     2   Deele. 

2.  Oplag.   8.  Hamburg   1876.  Richter.    1  M. 

260.  Grothe,  K,,  Ut  min  Jungsparadies.  Dree  Vertelln.  8.  (VII,  184  S.) 
Berlin   1876.   Stilke.   2  M. 

261.  Beuthien,  Angelius,  Sleswig-Holsteeuer  Buerngeschichteu.  Klaas 
Hinnerk.    1.  Bd.   8.  (VII,   182   S.)  Lübeck   1876.   Seelig.   3  M. 

262.  Stabenow,  h.,  Wordennig  as  Hinnerk  und  Krüschan  op  Fehmarn 
över  de  Socialdemokraten  snackt.  8.  (12  S.)  Kiel  1876.  Haeseler  in  Comm. 
80  Pfg. 

263.  Bunte  Biller  ut  min'  Kinnerjohren.  Von  Enen,  de  sineu  Namen 
woll  für  sich  behollen  mücht.  8.  (IV,  215  S.)  Neustrelitz  1876.  Barnewitz. 
M.  2,  25. 

264.  B  rinckman,  John,   ausgewählte   plattdeutsche    Erzählungen.  Bd   1. 

3.  Auflage.   (VI,  315   S.)   Rostock   1877.  Werther.   3  M. 

265.  Brinckman,  John,  Voss  un  Swinegel  oder  dat  Brüden  geit  um. 
2.  Auflage,  herausgegeben  von  Dr.  K.  Nerger.  8.  (VI,  25  S.)  Rostock  1877. 
Werther.   60  Pfg. 

266.  Keller,  E.  0.,  De  Peerlotterie.  En  lustig  Stückchen  von  011 
Bohlmann  ut  groot  Zimpelhoagen.  Plattdütsch  verteilt.  16.  (31  S.)  Pyritz  1875. 
Backe.  30  Pfg. 

267.  Reinhardt,  G.,  Harwstblaumen.  Plattdütsche  Gedichte.  8.  (40  S.) 
Güstrow  1876.  Opitz  u.   Co.   50  Pfg. 

268.  Quitzow,  W.  A. ,  Mekelnbörger  Geschichten.  2.  Bd.  Hanne 
Möller  un  sin  Mudder.  Verteilt  för  Jung  un  Olt.  8.  (247  S.)  Leipzig  1877. 
Koch.   2  M.   40  Pfg. 

269.  Wellner,  C.  G.,  wat  sick  dat  Volk  verteilt.  Plattdütsche  Ge- 
schichten, dei  würklich  passirt  sünd.  8.  (96  S.)  Rostock  1876.  Stiller.  1  M. 
25  Pfg. 


462  BIBLIOGRAPHIE  VON  1876. 

270.  Lucia,  Ellen  (W.  Weyergang),  olle  Scharteken.  Vel  im  noch  wat 
van  taa  Hus.  Erzählungen  im  plattdeutschen  Dialekt.  1.  Bd.  8.  (Ill,  229  S.) 
Greifsvvald   1876.   Bamberg.   3  M. 

271   Pächter,  T.  M.,    Korl    un    Lotting.     8.   (IV,   141    S.)  Greifswald 

1876.  Bindewald.   2  M. 

272.  Bijekoer,  de,  frisk  jierbockje  for't  skrikkeljaer  1876.  8.  (16  und 
80    S.)  Frjentsjer  1876.   Telenga.   30  c. 

278.  Swanneblummen.  Jierbokje  for  it  jier  1876.  8.  (XII,  8  S.)  Her- 
ren ven   1876.   Hingst. 

274.  Dijkstra,  Waling,  De  Boeresjonger.  Ny  frisk  lieterboek.  Fre- 
antsjer  1876.  f.  0,  30. 

275.  Dijk  stra,  Waling,  Sokke  mar  raear.  Kluchtspel  mei  sang.  Ebenda, 
f.  0,  30. 

276.  Dijkstra,  Waling,  Friske  winterjune-nocht.  Foardrachtcn  in  rim 
en  unrim.   5^  boek.    8.   (175   S.)    Freantsjer   1876.   Telenga.   1  f. 

277.  Dijkstra,  Waling,  Oebele  glüper.  Blyspil  in  fiuf  bidrjuwen.  Fry 
forfriske  nei  Moliere's  Tartufe.   8.   (96  S.)  Ljeawerd   1876.   Kuipers.   60  c. 

278.  Kaertlidster,  de,  fan  Gritsebürren.  Toanielstik  in  tiouer  üt- 
komsten.  Oarde  printinge.   8.   (64  S.)  Frentsjer   1876,  Telenga.   30  c. 

VII.  Mythologie. 

279.  Grimm,  J.,  deutsche  Mythologie.  4.  Ausgabe,  besorgt  von  E,  H. 
Meyer.   2.   Bd.   8.   (XLIII,   S.   539—1044)  Berlin   1876.  Dümmler.   12  M. 

Vgl.  Revue  critique  1877,  Nr.  14, 

280.  Colshorn,  Th.,  deutsche  Mythologie  fürs  deutsche  Volk.  2.  Aufl. 
8.   (XXVI,   412   S.)  Hannover   1877.  Rümpler.   6  M. 

Vgl.  Nordd.  Allg.  Zeitung  1876,  Nr.  269;  Europa  Nr.  50;  Hamburg.  Corre- 
spondent  Nr.  287;    Neue  Freie  Presse  Nr.  4509;    Anzeiger  für   die   neueste   päd.  Lit. 

1877,  Nr.  7. 

281.  Perls,  A.,  altdeutsche  Götterlehre.   8.  (VIII,  79  S.)  Leipzig   1876. 

Webel.  1  M.  20  Pfg. 

Vgl.  Grenzboten  1876,  32;  Allg.  Modenzeitung  Nr.  37. 

282.  Winter,  A.,  Walhalla.  Mythologie  der  alten  Deutschen.  8.  Aufl. 
8.  (22   S.)   Langensalza   1876.   Schulbuchhandlung.   75  Pfg. 

283.  Anderson,  R.  B. ,  Norse  Mythology:  or  the  religion  of  our 
forefathers.  Containing  all  the  mytlis  of  the  Eddas ,  systematized  and  inter- 
preted.  With  an  introduction,  vocabulary  and  index.  12.  (473  S.)  Chicago  1876. 
12  s.   6  d. 

284.  Hörn,  Fr.  Winkel,  Vore  Ftedres  Guder,  en  kortfattet  nordisk  My- 
thologi  til  Folketesning  og  Skolebrug.   8.   (IV,   110,   2  S.)  Kjöbenh.   1875. 

285.  Petersen,  Henry,  Om  Nordboernes  gudedyrkelse  og  gudetro  i 
hedenold,   en  antikvarisk  undersagelse.   8.  (137,   1   S.)  Kjobenhavu   1876. 

286.  Fritzner,  Job.,  Lappernes  Hedenskab  og  Trolddomskunst,  samuicn- 
holdt  med  andre  Folks,  isajr  Nordmrendenes,  Tro  og  Overtro.  Christiania  1876. 
83  S.  8. 

287.  Grund  tvig,  N.  F.  S.,  Bragc-Snak  om  gracske  og  nordiske  Myter 
og  Oldaagn  for  Damer  og  Herrer.  Foredrig,  holdte  i  Vintercn  1843 — 44. 
Andet  Oplag.   8.    (382   S.)  Kopenhagen   1876.  Schönberg.   3  kr.   50  ö. 


VII.  MYTHOLOGIE.  46^^ 

288.  Ilnfin,  J.  G.  v.,  sagwissenschaftliche  Studie»,   gr.  8.   (XII,  708  S.) 

Jena   187G.   Mauke.   12  M. 

Vgl.  WeHtermaiins  Monatshefte  1877,  September. 

289.  Melilis,   C,  Studien   zur  deutschen   Mythologie. 
Das  Ausland   1876,  Nr.  29—52. 

290.  Hahn,   Werner,  der  germanische  Mythus  und   die  bildende  Kunst, 
Zeitschrift  für  bildende  Kunst  11.  Bd.    10.  Heft  (1876). 

291.  Lütolf,   A.,   kleine  Beiträge  zur  Mythologie. 
Germania  21,  80. 

292.  Körner,  Prof.  Fr.,  Deutsche  Götter  und  Göttersagen,  soweit  sie 
sich  in  Dichtung,  Sprüchwort  und  Brauch  lebendig  erhalten  haben.  Eine 
Vorschule  zum  Verständniss  der  deutscheu  Literatur.  8.  (IV,  412  S.)  Leipzig 
1876.  Douffet.   5  M. 

Vgl.  Deutsche  Schule  IV,  4;  Anzeiger  f.  d.  neueste  pädag.  Lit.   1877,  Nr.  7. 

293.  Wedde,   J.,   Miscelien  aus  dem   Sachsenwalde. 
Jahrbuch  d.  Vereins  f.  nd.  Sprachforschung  1875,   S.  101 — 105. 

294.  Was  sich  das  Volk  in  Ostfriesland  von  Werwölfen  und  Waalrideru 
erzählt. 

Der  Globus  v.  R.  Kiepert  29.  Bd.  (1876). 

295.  Merkelt,   Untersuchungen  über  den  Freyja-Mythus.   8.   (XVIII  S.) 
Programm  des  Matthias-Gymnasiums  zu  Breslau  1876. 

296.  Haupt,  K.,   germanische  Dionysien. 
N.  Lausitz.  Magazin  (1876)  52.  Bd.   1.  Heft. 

297.  Hahn,  Werner,    Nacht    und    Tag    in    der    mythischen  Poesie    der 

Germanen. 

Archiv  für  das  Studium  der  neueren  Sprachen  56  (1876),  1  —  10. 

298.  Chevalier,  L.^  der  deutsche  Mythus  in  der  Pflanzenwelt.  8. 
(44  S.)  Programm  des  Realgymnasiums  zu  Smichow  1876.  Prag,  Dominicus 
in    Conim. 

299.  Mannhardt,  W.,   Klytia.    8.   (52   S.)   Berlin   1876.    Habel.    1  M. 
Sammlung  gemeinverst<ändl.  Vorträge  Nr.  239.  Vgl.  Revue  critique   1876,  Nr.  50. 

300.  Bazing,  die  Verehrung  des  Misteis,  ein  Rest  heidnischen  Glaubens. 
Korrespondenzblatt  des  Vereins  für  Kunst  und  Alterthum  in  Ulm.  1.  Jhg.  1876. 

301.  Müllenhoff,  K.,  Segen  und  Gebete. 
Zeitschrift  für  deutsches  Alterthum  20,  20 — 25. 

302.  Müller,  Alois,  ein  mit  hebräischen  Buchstaben  niedergeschriebener 
deutscher  Segen  gegen  die  Bärmutter. 

Zeitschrift  für  deutsches  Alterthum  19,  473  —  478. 

303.  Schönbach,  A.,  und  K.  Müllenhoff,  ein  Bruchstück  des  To- 
biassegens. 

Zeitschrift  für  deutsches  Alterthum  19,  495  —  497. 

304.  Baader,  J.,  zur  Geschichte  des  Hexenwesens. 

Anzeiger  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit  1876,  Sp.  225—230,  259—270,  292 
bis  299. 

VIII.   Märchen   und  Sagen. 

305.  Grimm,  J.,  und  W.,  Kinder-  und  Hausmärchen.  Kleine  Ausgabe. 
23.  Aufl.   16.   (IV,   311   S.)  Berlin   1876.  Dümmler.   IM.  50  Pfg. 

306.  Grimm,  de  Gebroeders,  Sprookjes  en  vertellingen.  Naar  de  lOe 
volledige  uitgave  uit  het  Hoogduitsch  door  A.  van  der  Velde.  Met  een  voor- 
woord  door  M.  P.  Lindo.  3.  en  4.  deel.  (230  u.  236  S.)  's  Gravenhage  1876. 
V.   Cleef.  k  1  f .    75  c. 


464  BIBLIOGRAPHIE  VON  1876. 

307.  Bechstein,   L.,  neues  deutsches   Märchenbuch.    30.  —  32.   Auflage. 
8.  Wien   1876.  Haitieben.   M.  1,  20. 

308.  Löhr's,  J.  A.  C,  deutsche  Märchen.  Neu  geordnet  von  G.  Harrer. 
8.   (226   S.)  Leipzig   1876.  Berndt.   3  M. 

309.  Sclimidt,   Ferd.,   Buch  deutscher  Märchen.    Für  Schule   und  Haus 
gesammelt.   3.  Auflage.    8.    (V,   230   S.)   Berlin   1876.   Haack.   4  M.   OO  Pfg. 

310.  Hansen,   R. ,     dithmarsische  Märchen,    in    dithmarsischer  Mundart 
aufgezeichnet. 

Zeitschrift  der  Gesellschaft  für  Schlesw.-Holst.  Lauenb.  Gesch.  7.  Bd. 


311.  Köhler,  Ernst,  deutsche  Sagen  im  Lichte  der  Geologie.  Ein 
Vortrag. 

Bildungsblätter  für  unser  Volk,  4.  Serie,  2.  Heft.    London  1876.  W.  Wohlauer. 

312.  Birlinger,  A,  Zauber-  und  Gespenstergeschichten. 
Alemannia  4,  161—181. 

313.  Rothenbach,  J.  E. ,  Volksthümliches  aus  dem  Kanton  Bern. 
Localsagen  und  Satzungen  des  Aberglaubens.  8.  Zürich  1876.  Schmidt.  1  M. 
20   Pfg. 

314.  Sc  hau -in 's  Land.  Blätter  für  Geschichte,  Sagen,  Kunst  und 
Naturschönheiten  des  Breisgaus.  1.,  2.  und  3.  Jahrg.  ä  12  Nrn.  4.  Freiburg 
1876.   ä  6  M. 

315.  Stoffel  und  Stob  er,    sechs  elsässische  Sagen  und  Volksmärchen. 
Alsatia  1875—76. 

316.  Goedsche,  H.,  die  Sage  vom  Ottilienstein,  6.  Auflage.  16.  Suhl. 
1876.   Kaufmann.   25  Pfg. 

317.  Sepp,  Altbayerischer  Sagenschatz  zur  Bereicherung  der  indoger- 
manischen Mythologie.    8.   (XVI,    735   S.)   München   1876,   Stahl.   8  M. 

Vgl.  Alfgem.  Zeitung  1876,  Nr.  361  f.;  Wiss.  Beilage  d.  Leipz.  Ztg.  1877,  Nr.  19. 

318.  Heller,  Prof.  Ambros,  Sagen  aus  der  Douaugegend  Niederösterreichs. 
Blätter    des  Vereins    für  Landeskunde  Niederösterreichs  N.  F.  9.  Jahrg.  (1876). 

319.  Volkssagen,   kärntnerische. 
Cariiithia  65.  Jahrg.  (1875). 

320.  Peter,  A.,  Volksthümliches  aus  Österreich-Schlesien.  IH.  8.  Te- 
schen    1876.   Prochaska  in  Comm.    2  M.    80  Pfg. 

321.  Richter,  J.  W.  Otto,  das  deutsche  Kyflfhäuserbuch.  Geschichte, 
Sagen  und  Volksleben.  Eisleben   1876.   Mähnert.    2  M, 

Vgl.  Liter.  Centralblatt  1876,  Nr.  32;  Europa  1876,  Nr.  32;  Blätter  f.  d.  bayer. 
Gymnasien  XIII,  3. 

322.  Simrock,  K.,  Rheinsagen.  7.  Auflage.  8.  Bonn  1876.  Weber. 
4  M.   50  Pfg. 

323.  Kiefer,  F.  J. ,  die  Sagen  des  Rheinlandes  von  Basel  bis  Rotter- 
dam. 4.  Auflage.   8.   (IV,   314   S.)  Mainz   1876.  Kopp.   3  M. 

324.  Ei  chwald,  K.,  und  J.  Töbelmann,  Bremer  Schwank  und  Sage 
in  Wort  und  Bild.    1.  Serie.   Fol.    (12  autogr.  Bl.)  Bremen  I87G.   Tannen.   2  M. 

325.  Handelmann,  H.,  der  Kliiikerbcrg  und  die  Wittorfer  Burg  im 
Kirchspiel  Neumünster.   Die  Wulfsburg   oder  Wolfsbüttel.   Die   Stellcrburg. 

Zeitschrift  des  Vereins  f.  Schlesw.-IIolst.  Geschichte  V,  148  ff.  (187.5). 

326.  Schottmüller,  A.,   die  Krügcrin   von   Eichmedien. 
Programm  des  Gymnasiums  zu  Bartenstein   1875. 


VIII.  MÄKCIIEN  UND  SAGEN.  465 

327.  Grundtvig,  S. ,  danske  Folkccvftntyr  cftei  utrykte  Kilder  gjen- 
fortallo.    8.   ('240   S.)    Kopenhagen    187G.   Ileitzel.    1  Kr.   50  ö. 

328.  Kristensen,  E,  T. ,  jydske  Folkesagn,  sainlede  af  Folkijniunde. 
1.    u.   2.   Heft.   8.    (ä  80  S.)   Kopenbagen    187G.   Gyldendal.   k  1  Kr. 

329.  Asbjörnscn,  P.  Chr.,  Noordsche  volksvcrtclliugen.  Vcrtaald  door 
T.   Terwey.   8.   ("xil,   224   S.)   Ilaarlem  1876.   Kruseman.    1  f.    90  c. 

330.  Hy  Iten- Caval  lius,  G.  O.,  och  G.  Stepliens,  Svenska  folk- 
sagor.   8.   (185   S.)   Stockholm   1876.   Norstett.   3  kr.   50  ö. 

331.  Säve,  P.  A.,  Akerns  Sagor.  Spridda  drag  ur  odhngshäfderna  och 
folklifvet  pä  Gothiiid.  8.  (140  S.)  Stockholm  1876.  Norstett  och  Söner. 
1  kr.   50  ö. 

332.  Juvenca  Margaretha,   on   vestmanländsk  folksägen. 
Dybeck,  Runa  II,  3,   187G. 

333.  Djurkiou,   G.,   Sagor  i   Svenskt  landsmäl. 
Nu  1876,  S.  41—45,  68—71. 

334.  Lieb  recht,   F.,   Isländisches. 
Germania  21.  67 — 75.  Volksüberlieferung. 


335.   Liebrecht,   F.,   zur  deutschen  Helden.sage. 
Germania  21,  67—68. 

3*36.  Bartsch,  K. ,  come  ha  preso  forma  poetica  la  leggenda  dei  Ni- 
belunghi  ? 

Kivista  Internazionale  1876,  S.  2—6.  33— .36. 

337.  Wolzogen,  H.  v. ,  der  Nibelungenmythos  in  Sage  und  Literatur. 
8.  (XVI,    143    S.)  Berlin    1876.   Weber.   2  M.    40  Pfg. 

Vgl.  Europa  1876,  Nr.  24;  N.  Preuß.  Zeitung,  Sonntagsbeilage  25;  Lehmanns 
Magazin  Nr.  27;  Schwab.  Merkur  Nr.  173. 

338.  Finger,  F.  A.,  die  Sage  von  den  Nibelungen  für  die  Jugend  er 
zählt.   3.   Aufl.   16.  (XVI,   127  S.)  Frankfurt  a.  M.    1875.   Winter.   2  M. 

339.  Morris,  Will.,  the  story  of  Sigurd  the  Volsung,  and  tue  fall  of 
the  Nibelungs.   8.   (392   S.)    1876.   12  s.    (Dichtung.) 

340.  Haustein,  M.,  die  Aslaug-Sage.  8.  Berlin  1876.  1  M.  50  Pfg. 
(Dichtung.) 

Vgl.  D.  Rundschau  II,   11;   Gegenwart  1876,  Nr.  34;  Europa  Nr.  34. 

341.  Richter,  A.,  Götter  und  Helden.  Griechische  und  deutsche  Sagen. 
3   Hefte.   8.  Leipzig   1876.   Brandstetter.   3  M.    60  Pfg. 

Vgl.  Die  deutsche  Volksschule  1876,  Nr.  9. 

342.  Schlegel,  Friedrich,  Romantische  Sagen  und  Dichtungen  des 
Mittelalters.   Neue  Ausgabe.   8.   Bonn    1876.   Lempertz.    2  M. 

343.  Osterwald,  K.  W.,  Erzählungen  aus  der  alten  deutschen  Welt. 
4.-6.  Theil.   8.   Halle   1876.   Waisenhaus,  k  2  M. 

4.  König  Rother.  Engelhart.  3.  Aufl.  (VIII,  192  S.)  —  5.  6.  Parzival.  4.  Aufl. 
(VI,  224,  VI,  244  S.) 

344.  Osterwald,  K.  W.,  Erzählungen  aus  der  alten  deutschen  Welt. 
11.  Theil.  Alte  deutsche  Volksbücher  in  neuer  Bearbeitung.  3.  Bd.  Die  Hei- 
monskinder.   8.   (196    S.)  Halle   1876.  Waisenhaus.    1  M.   50  Pfg. 

345.  Richter,  A.,  Iweiu  und  Parzival.  Zwei  Rittersagen  des  Mittelalters 
erzählt  und   erläutert.   8.   (III,  284  S.)   Leipzig   187G.  Brandstetter.    3  M. 

Vgl.  Herrigs  Archiv  58.  Bd    2.  Heft. 

GKRMANIÄ.   Neiip  Reihe  X     (XXII.  Jabrg.)  30 


46G  BIBLIOGRAPHIE  VON  187G. 

346.  Bäßler,  F.,  Sagen  aus  der  Geschiebte  des  deutschen  "Volkes 
(4.  Heft  der  'Neuen  Folge  der  Heldengeschichten  des  Mittelalters).  2.  Autl.  8. 
(XVI,   453   S.)   Berlin   1875.   Decker.   4  M.   50  Pfg. 

Vgl.  Lehmauns  Magazin  1876,  Nr.  15;  die  d.  Schule  IV,  ü. 

347 .  D  ü  m  m  1  e  r  ,   E.,   zur  Tierfabel. 
Zeitschrift  für  deutsches  Alterthum  20,  213—215. 

348.  Zarncke,   F.,  zur  Geschichte  der  Gralsage. 
Paul  und  Braune,  Beiträge  .3,  304-334. 

349.  Y  seint  Greal,  beiug  the  adventures  of  King  Arthur's  knights  of 
the  round  table,  Edited  by  R.    Williams.   3   Parts.  London    1874 — 187(5. 

Vgl.  Liter.  Centralblatt  1876,  Nr.  7  und  37. 

350.  Compart,  F.,  die  Sagenüberlieferungen  in  den  Tristan  -  Epen 
Eilharts    von    Oberge     und     Gottfrieds    von     Straßburg.      8.     (44     S.)    Güstrow 

1876.  Opitz. 

Vgl.  Liter.  Centralblatt  1877,  Nr.  34. 

351.  Bechstein,  E. ,  Tristan  und  Isolt  in  deutschen  Dichtungen  der 
Neuzeit.   8.   (VIII,   235   S.)   Leipzig  1876.  Teubner.   4  M. 

Vgl.  Europa  1876,  Nr.  26;  D.  Dichterhalle  V,  16;  Arch.  f.  Lit.  Gesch.  6,  434 
bis    437  (Boxberger);    Liter.    Centralblatt    1877,    Nr.  2  (Paul);    BI.    f.    liter.    Unterh 

1877,  Nr.   19;  Herrigs  Archiv  58.  2.  Heft. 

352.  Zarncke,  Friedrich,  der  Priester  Johannes.  2.  Abtlieilung ,  ent- 
haltend Cap.   IV,-  V  und   VI.   4.   (186   S.)  Leipzig   1876.   Hirzel. 

Aus  dem  Vlll.  Band  der  Abhandlungen  der  k.  sächs.  Gesellschaft  der  Wissen- 
schaften. Vgl.  Liter.  Centralblatt  1877,  Nr.  21  (Selbstanzeige)  ;  Anzeiger  f.  d.  Alter- 
timm 3,  165  ff.  (Steinmeyer);  Zeitschrift  f.  d.  österr.  Gymn.  XXVIII,  7. 

353.  Bruun,   Ph.,   die  Verwandlungen   des    Presbyters   Johannes. 
Zeitschrift  der  Gesellschaft  für  Erdkunde  11.  Bd.   1876. 

354.  Brosch,   M.,   die  Friedrichsage  der  Italiener. 
Histor.  Zeitschrift  18.  Jahrg.  (1876),   1.  Heft. 

355.  Rochholz,  E.  L.,  Teil  und  Geßler  in  Sage  und  Geschichte.  Nach 
urkundl.   Quellen.    8.   Heilbronn   1876.   Henninger. 

Vgl.  Liter.  Centralblatt  1877,  Nr.  2;  Europa  1876,  Nr.  33.  36;  Im  neuen  Reich 
Nr.  37;  Wiener  Abendpost  Nr.  218  ff.;  Frankf.  Zeitung  269,  I;  Gienzboten  Nr.  42  f.; 
AUgem.  Zeitung  1877,  Nr.  50;  Nordd.  allgem.  Zeitung  Nr.  264;  Westermaiius  Mo- 
natshefte Nr.  246;  Schwab.  Merkur  Nr.  293;  Bibliogr.  d.  Schweiz  VI,  11.  12;  Theo- 
log. Literaturbl.  Nr.  8;  Revue  critique  Nr.  24;  Lehmanns  Magazin  Nr.  27;  Mitthei- 
lungen aus  der  histor.  Liter.  V,  3. 

356.  Busch,  M.,   die  Mythe  von  W^ilhelm  Teil.  I.  II. 
Die  Grenzboten  1876,  Nr.  42.  43. 

357.  Meyer  v.  Knonau,  G.,  aus  mittleren  und  neueren  Jahrhunderten. 
8.  (X,   259   S.)   Zürich   1876.   Schulthess.   4  M. 

Vgl.  Liter.  Centralblatt  1877,  Nr.  33.    Enthält  einen  Aufsatz  über  die  Tellsage. 

358.  Schillers  Wilhelm  Teil  auf  seine  Quellen  zurückgeführt  und 
sachlich  und  sprachlich  erläutert  von  Joachim  Meyer.  Nach  des  Verf.  Tod  neu 
herausgeg.  von  Hugo  Barbeck.  I.  Anhang:  Literatur  der  Tellsage.  II.  Anhang: 
Literatur  des   Schillerschen  Teil.    4.   Nürnberg   187G.   Heerdegen.    1  M.  80  Pfg. 

359.  Lieb  recht,   F.,  von  den   drei   Frauen. 
Germania  21,  385—399. 

360.  Schwebel,  Oscar,  der  Tod  in  deutscher  Sage  und  Dichtung.  8. 
Berlin  1876.   Weile. 

Vgl.  Liter.  Centralblatt  1876,  Nr.  33;  Blätter  f.  liter.  Unterh,  1877,  7;  Hamb. 
Reform   1876,  64. 


IX.  VOLKS-  UND   KlNDMlvTJKDKR,  SPRICIiWORTEli  etc.  407 

3()1.    Dfia   Todt  nnroi  eil    in   dcnlsclior   Sage,   uiul    Diclitmig. 

Europa  187G,   Nr.   1!). 

o()2,  Grrässc,  .).  (jl.  I  li. ,  (Jcsclileclits- Namon-  und  Wappensagen  des 
Adels  deutscher  Nation.  Mit  178  Abbildungen.  8.  fVI,  192  S.)  Dresden 
187Ü.   Seliönfeld.  10  M. 

Vijl.  Über  Land  luid  Meer  ISTO,  4G;  Liter.  Correspondcnz  I,  2;  Liter,  Central- 
blatt  1877,  Nr.  'JG. 

IX.  Volks-  und  K i n  d e  r  li  e  d e r ,  ö  p r i c h  w ö )•  t e r ,  Sitten  und  G c b r :l u e li  e. 

3G3.  Liederbueli,  altdeutsches.  Volkslieder  der  Deutschen  nach  Wort 
und  Weise  aus  dem  12.  bis  zum  17.  Jahrhundert.  Gesammelt  und  erläutert 
von  Franz  M.  Böhme,  gr.  8.  (LXXII,  832  S.)  Leipzig  1876.  Breitkopf  und 
Härtel. 

Vgl.  AUgem.  Zeitung  1877,  Nr.  35  (Köstlin);  Monatshefte  f.  Musikgeschichte 
IX,  3;  Illustr.  Zeitung  1775;  Liter,  Centralblatt  Nr.  24;  Liter,  Handweiser  XVI,  9. 

364.  Arnim,  A.  L.  v.,  und  Cl.  Brentano,  des  Knaben  Wunderhorn. 
Alte  deutsche  Lieder.  Gesammelt.  14,  Lief.  (2  Bl.  S.  257—320)  8.  Wies- 
baden  187G.  Killinger.   1  M.   20  Pfg. 

365.  Erk,  L. ,  Weinkauff,  und  die  Herausgeber,  zu  des  Knaben 
Wunderhorn. 

Alemannia  4,  33—45. 

366.  Baumert,  L.,  deutsehe  Volkslieder.  2.  Aufl.  8.  Langensalza  1870. 
Beyer.  40  Pfg. 

367.  Deutsche  Lieder.  Festgruß  an  Ludw.  Erk  zum  50jährigen  Dienst- 
jubiläum. Berlin  den  10.  Juni  1876.  Dargebracht  von  A.  Birlinger  und  W. 
Crecelius.   Heilbronn  1876.   Henninger.   M.  1,  60. 

Vgl.  Liter.  Centralblatt  Nr.  50;  Im  neuen  Keich  37;  Westermanns  Monats- 
hefte Nr.  247. 

368.  Liliencron,  R.  von,  ein  neues  Lied  auf  die  Sempacher  Schlacht. 
Historisches  Taschenbuch  5.  Folge.    6. Jahrg.  (187G). 

369.  Krause,  K.  E.  H. ,  Rostocker  historisches  Lied  aus  dem  Accise- 
streit   1566. 

Jahrbuch  des  Vereins  f.  nd.  Sprachforschung  1875,  S.  57 — 05. 

370.  Wagner,   J.   M.,   ein   historisches   Volkslied  vom  Jahre    1689. 
Die  deutschen  Mundarten  7,  243—252. 

371.  Crecelius,   W.,  zur  Crailsheimer  Schulordnung. 
Alemannia  4,  16  — 18  (Lieder). 

372.  Run  das  und  Eeimsprüche  aus  dem  Voigtlaude.  Mit  22  voigtländ. 
Schnadahüpfl-Melodien.  Gesammelt  und  herausg.  von  Dr.  Herrn.  Dünger.  8. 
Plauen   1876.  Neupert.   4M.   50  Pfg. 

Vgl.  die  deutschen  Mundarten  VII,  506;  Wiener  Abendpost  1876,  Nr.  187; 
Wissenscliaftl.  Beilage  der  Leipz.  Zeitung  Nr.  67;  Blätter  f.  d.  bayer,  Gymn.  XII,  6; 
Blätter  für  liter.  Unterhaltung   1877,  40. 

373.  Frisch  hier.   Ostpreußische  Volkslieder. 
Die  deutscheu  Mundarten  7,  208—219. 

374.  Steiner,  0.,  die  winileod  und  zwei  ungedruckte  ostpreußisehe 
Varianten  des  Herderschen  Volksliedes    Kein  schönre   Freud   auf  Erden   ist'. 

Germania  21,  209-213. 

375.  Knips  er,  J.,  das  kirchliche  Volkslied  in  seiner  geschichtlichen 
Entwicklung.    8.   Bielefeld    1875.   Velhagen   und   Klasing.   3  M. 

Vgl.  Mittheil.  u.  Nachrichten  f.   d    ev,  Kirche  in  Rußland  31,  2. 

30* 


4ß8  BIBLIOGRAPHIE  VON  1876. 

376.  Loon,  J.  vau,  en  M.  de  ßoer,  it  lieteboek.  Frysce  sang.  4.  (VIII, 
136  S.   mit  Musiknoten.)   Heanenfean   1876.    1  f.    60  c. 

377.  Percy,  Bp. ,  Reliques  of  ancient  English  poetry.  Edited  by  ,1. 
Prichard.   2   vols.    8.   (999    S.)  London    1876.   Bell   and   Sons,   a  3  sh.    6  d. 

378.  Böddeker.  K.,  Englische  Lieder  und  Balladen  aus  dem  16  Jahr- 
hundert, nach  einer  Handschsift  der  Cottoniauischeu  Bibliothek  des  Britisehcn 
Museums   (Schluß). 

Jahrbuch  für  romanische  und  englische  Sprache  und  Literatur  15,  92  — 129. 

379.  Gilpin,  Sidney,  the  populär  poetry  of  Cumberland  and  the  Lake 
Country,  with  biographieal  sketchos  and  notes.  12.  (VIII,  246  S.)  1876. 
3  sh.    6  d. 

380.  Paterson,  W. ,  ancient  ballads  and  songs  of  the  Nord  of  Scot- 
land.   2  vols.   8.   15  s. 

381.  Friis,  P.,  udsigt  over  de  danske  kaempeviser  og  folkesange  fra 
middeialderen.    8.   (VII,    79    S.)  Kjöbenhavn    1875.   Wöldike.    1  kr. 

382.  Faedr  e  land  ssange  og  folkesange,  nordiske,  samlede  af  C.  Vagü 
og  J.  Nörregärd.  Andet  oplag.  8.  (388  S.)  Kopenhagen  1876.  Schönberg. 
1  kr.   20  ö. 

383.  Fredrek  pä  Rannsätt,  Viser  pä  varmlandske  tongmäle.  Annre 
pränte.   12.   (60  S.)   Stockholm   1876.   Norstedt.   50  ü. 

384.  Derselbe,  Speller  nye  wiser  pä  varmlandske  tongmäle.  8.  (45  S.) 
Ebenda.   50  ö. 

385.  Danmarks  gamle  Folkeviser,  udgivne  af  S.  Grundtvig.  4.  Dels 
4.   Hfefte.   8.    (192   S.)  Kjöbenhavn    1876. 

386.  Liebrecht,  F.,  Offenes  Sendschreiben  an  Herrn  Professor  Svend 
Gruudtvig  in  Kopenhagen. 

Germania  21,  252-255. 

387.  Svenska  f  olkmelodi  er. 
Dybeck,  Runa  II,  3.   1876. 


388.  Spiele    und   Reime    der  Kinder    in    Osterreich.     Herausg.   von  Th. 
Vernaleken  und  F.   Branky. 

Hand-Bibbothek    f.  Lehrer    und    Schulfreunde.    3.  Bdchn.  8.  Wien  1876.    Sall- 
raayer  u.  Co.  1  M.  60  Pfg. 

389.  Meier,  H.,  das  Kind  und  die  Volksreime  der  Ostfriesen. 
Der  Globus  29-  30.  Bd. 


390.  Hagen,  H.,  antike  und  mittelalterliche  Räthselpoesie.  Eine  populäre 
Skizze.    Neue  Ausgabe.   8.   (51   S.)  Bern   (1869)   1877.     Frobeen  u.   Co.    1  M. 

Vgl.  Bibliographie  der  Schweiz   1877,  Nr.  5. 

391.  Räthselbuch,  Straßbiirger.  Die  erste  zu  Straßburg  ums  J.  1505 
gedruckte  Rätbselsammlung.  Neu  herausg.  von  F.  A.  Butsch.  8.  Straßburg  1876. 
Trübner.   4  M. 

Vgl.  Grenzboten  1876,  Nr.  41. 


392.   Wander,  K.  F.  W.,  Deutsches  Sprichwörterlexicon.  56.-59.  Liefg. 
hoch   4.    (Bd.   4,   Sp.    1281—1792.)  Leipzig   1876.   Brockhaus,   ä  2  M. 


IX.  VOLKS-  UND    l{IM>Kin,IKl)ER,  SPKICIIWÖKTKK  etc,  .\f^(j 

;J93.  Wie  diis  Volk  spricht.  Spricliwürtliche  Redensarten.  Heruusgeg.  von 
E.  lloofcr.  8.  vciinolirte  Auflage.  !•;.  (IV,  226  S.)  Stuttgart  1876.  Kröner. 
M.  2,  40. 

Vgl.  Die  deutschen  Minularten  VI,  496  ff.  (Latendorf). 

394.  Der  Deutschen  Sprichwörter  und  Spruclnedcn.  8.  i'lSl  S.  mit 
Holzschnitten.)  Leipzig   1876.   Wigiind.    1  .M. 

395.  Osenbrüggen,  Ed.,  die  deutschen  lieclitssprichwörter.  8,  (40  S.) 
Basel    1876.    Schweighauser.    80  Pfg. 

Öffentl.  Vorträge  3.  Bd.  (».   Heft. 

396.  Franc  k's,  Seh.,  erste  namenlose  Spricliwövtcrsammlung  vom  .Jahre  1532 
herausgegeben   von  Fr.   Latendorf.   8.    (4  ßl.,  368  S.)   Pösneck    1876.  Latendorf. 

Vgl.  Zeitschrift  f.  d.  Pliilologie  8,  375  ff.  (Lübbon);  Liter.  Centralbiatt  1877, 
Nr.  7  ;  Lehmanus  Magazin  Nr.  9 ;  Jenaer  Liter.  Zeitung  Nr.   22. 

397.  Latendorf,   F.,   zu   Seb.  Francks   Sprichwörtern   vom   Jahre    1532. 
Anzeiger  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit   187(j,  Sp.  363-364. 

398.  Glandorpii,  J. ,  Monasterieusis,  Disticha  ad  bonos  mores  parae- 
netica  quae  tantum  uon  omnia  ex  germanicis  Agricolae  proverbiis  conversa  esse 
ostcndit.  Edidit  W.  H.  D.  Surin  gar.  Liber  primus.  8.  (4,  XXIV,  122  S.) 
Lugduni   Batavorum    1876.   f.  1,  75. 

399.  Suringar,  Dr.  W.  H.  D. ,  Joannes  Glandorpius  in  zijne  Latijn- 
sche  Disticha  als  Vertaler  van  Agricola's  Sprichwörter  aangewezen.  Tweede 
gcdeelte.   8.    (XXIV,    122    S.)   Leiden   1876.    Brüll. 

Vgl.  Liter.  Centralblatt  1876,  Nr.  41. 

400.  Junker  und  Pfaften  im  Gewände  des  Sprichwortes  und  unter  der 
Geissei   des  Volkswitzes.    2.   Auflage.   8.    Berlin   1876.  Denicke.    1  M. 

401.  Stuhlmann,    C.   W.,   das    Weib  im  plattd.    Sprichwort. 
Globus  von  Kiepert  29.  Bd.  (1876). 

402.  Schulze,  C,  Deutsche  Spruchweisheit  auf  Münzen,  Medaillen  und 
Marken. 

Archiv  für  das  Studium  der  neueren  Sprachen  56  (1876),  65 — 90. 

403.  Ra  tilg  eher,  J.,  Sprichwörter  und  sprichwörtliche  Redensarten  aus 
dem   alten  Hanauer  Laude. 

Alsatia  1875-76. 

404.  Heigel,   K.   Tb.,   Spruchweisheit  der  Landshuter   Stadtschreiber. 
Anzeiger  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit  1876,  Sp.  79  —  80.  (16.  Jh.) 

405.  Kern,  VV.  G. ,  und  W.  Willms,  Ostfriesland  wie  es  denkt  und 
spricht.  Eine  Sammlung  der  gangbarsten  ostfries.  Sprichwörter  und  Redensarten. 
Mit  einem  Vorwort  von  W.  J.  Jütting.  3.  (Titel-)Auflage.  8.  (XVI,  137  S.) 
Bremen    (1871)    1876.   Kühtmann.  M.  1,  80. 

406.  Sprichwörter,  preußische,  und  volksthümliche  Redensarten.  Ge- 
sammelt und  herausgegeben  von  H.  Frischbier.  2.  Sammlung.  8.  (XII,  264  S.) 
Berlin    1876.   Enslin.   4  M. 

Vgl.  Liter.  Centralblatt  1877,  Nr.   19. 

407.  Floto,  X  für  U. 
Germania  21,  255  f. 

408.  Zeemann,  C.  F.,  Nederlandsche  spreekwoordcn  ,  spreekwijzen, 
benamigen  en  volksuitdrukkingen ,  aan  de  bijbel  ontleend.  Bekroond  door  de 
„Hollandsche  maatschappij  van  fraaie  kunsten  en  wetenschappen".  1.  Stuk. 
8.  (VIII,   264   S.)   Dordrecht   1876.   f.  3. 

Vgl.  Weekblad  voor  het  onderwijs   1876,  Nr.  27. 


470  BIBLIOGKAPHIE  VON  187B. 

409.  Herroem,  A.  E.  B. ,  Bacchus  iu  Spreekwoordeutaal  aangetoond 
in  eenige  houderden  Spreekwooideu  en  spreckwoordelijkc  Gezcgdeu.  8.  (VIII, 
152   S.)    Goriuchcm   1874.   Schock.    1  fl. 

Vgl.  Liter.  Ccntralblatt  1876,  Nr.  10. 

410.  Hendersou,  Andrew,  Scottish  provcrbs.  New  edition,  with  cx- 
phmatory  notes  and  a  glossary  by  J.   Donald.    12.   (2'2(3    S.)   1876.   3  sh. 

411.  Rasmussen,  H.  V.^  danske  Ordsprog.  Audet  oplag.  8.  (28  S.) 
187Ü.    30  ü. 


412.  Eochholz,  E.  L.,  Deutsche  Volks-  und  Heldenbücher  neu  erzählt. 
8    (VIII,   223   S.)  Leipzig   1876.   Löwe.   M.  4,  50. 

413.  Lach  manu,  C,  wundersame  und  ergötzliche  Historie  von  Till 
Eulenspiegel  dem  Schalksnarren.  8.  Elberfeld  1876.  Püttmann,  30  Pfg.  —  Die 
Schildbürger.   Ebd.   30  Pfg.  —  Die   sieben   Schwaben.   Ebd.   30  Pfg. 

414.  Till  Euleuspiegels  Schnurren,  Schwanke  und  Streiche.  Eine 
heitere  Historie.  6.  Auflage.  16.  (64  S.)  Reutlingen  1876.  Enßlin  und  Laiblin. 
20  Pfg. 

415.  Braun  au,  A.,  Genovefa,  Pfalzgräfin  am  Rhein.  8.  (64  S.)  Elber- 
feld 1876.  Püttmann.  30  Pfg.  —  Die  Sage  vom  gehörnten  Siegfried.  8.  (64  S.) 
Ebd.    30  Pfg. 

416.  Historie  von  der  schönen  Hirlande.  5.  Aufl.  8.  Reutlingen  1876. 
Enßlin  und  Laiblin.  15  Pfg.  Ebenda:  Leben,  Thaten  und  Höllenfahrt  des 
Erzschwarzkünstlers  Dr.  Johannes  Faust.  6.  Auflage.  20  Pfg.  —  Der  gehörnte 
Siegfried.  4.  Auflage.  15  Pfg.  —  Tyll  Eulenspiegels  Schnurren,  Schwanke  und 
Streiche.   6.   Aufl.   20  Pfg. 

417.  Geschichte,  die,  von  den  sieben  weisen  Meistern.  8.  Reutlingen 
1876.   Enßlin  und  Laiblin.  20  Pfg.  Ebenda:  Hellas,  der  Schwancnrittcr.    15  Pfg. 

418.  Liebrecht,   F.,  zur  englischen  Volkslitteratur. 
Germania  21,  401—404. 

419.  Roch  holz,  E.  L.,  und  A.  Birlingcr,  Schweizersitten.  1.  Kilt 
gang   und  Kiltsprüche  im   Aargau.   2.   Kilten   in   Schwyz. 

Alemannia  4,   1 — 12. 

420.  Stoffel  und   Stöber,   elsässische  Volkssprache  und   Volkssittc. 
Alsatia  1875—76. 

421.  Stob  er,  A.,  der  Klappersteiu  und  die  Bestrafung  des  Fluchens 
und   Gotteslästerns  im  Elsaß. 

Alsatia  187.')- 76. 

422.  Hagen,   Sitten   und  Gebräuche  am  Bodensce.   Fortsetzung. 
Schriften  des  Vereins  für  Geschiclito  des  Bodensees  6.  Heft    1875. 

423.  Birlinger,   A.,   Schwabeuneckereien  II. 
Alemannia  4,  144  —  151. 

424.  Hartmann,  Fr.  H.,  Sitten  und  Gebräuche  in  den  Landgerichts- 
bezirken  Dachau  und  Brück  bei   der  Geburt,   der   Hochzeit  und  dem   Tode. 

Oberbayrisches  Archiv  XXXV,  2.  .<J.  Heft  (1875—6). 

425.  Blaas,   C.  M.,   Volksthümliches  aus  Niederösterrcich   über   Pflanzen. 
Germania  21,  411  —  416. 

426.  Wormstall,  J. ,  alte  Gebräuche,  Feste  und  Volkslieder  aus  den 
niederrhein.-wcstphäl.   Grenzgebieten. 

Monatsscln-ift  f.  rbein.-westf.  Geschichtsforschung.  2.  .Jahrg.   1876. 


IX.  VOLKS-  UND  KlXUKin.lIOlJEK,  .SFKICIIWOKTKIC  .,tc  471 

427.  De   bijcn   in   den    rouw. 
Do  Navur.sclicr  1S76,  3.  4.   7.  Licfg. 

428.  Reste  alten  Aberglaubens   in   Scliottlnnd. 
Magazin  für  dio  Literatur  des  Auslandes   1870,  Nr.  40. 

429.  Binzeiius,  N.  G.,  Allniogelifet  i  Ingclstads  liürad  i  Skanc  under 
slutct  af  förra  och  början    af  detta   arliundrade.   8.  (120  S.)  Ystad    187(i.    I  kr. 

430.  Kichert,  M.  15.,  Kulturliistoriska  bilder  framstälda  gcnom  under- 
sökuing  af  de  sveuska  ordens   bcmärkelser  I,   IL 

Svensk  Tidskrift  1876,  S.   1— JO,  105—131. 

431.  Andree,  Richard,  Tagwählerei,  Angang  und  Schicksalsvögel  in 
der  Völkerkunde. 

Mittheilungen  der  anthropologischen  Gesellschaft  in  Wien.  IV.  Band  Nr  18'> 
187G. 

432.  Schwalbe,  B.,  über  Wetteraberglaube  und  die  Wetterregeln  des 
gewöhnlichen   Lebens.    8.   Berlin    18 7G.   Gerschel.    1  M. 

433.  Deutscher  Glaube  und  Brauch  bei  Aussaat  und  Ernte. 
Die  Grenzboten  1876,  Nr.  41,  S.  57—67. 

434.  Schmidt,   Franz,   den  Tod  austragen  und  den   Sommer  gewinnen, 
Globus  von  Kiepert  30.  Bd.  Nr.  19  (1876). 

435.  Der  Ring  im   Aberglauben. 
Die  Greuzbotün  1876,  Nr.  45. 

436.  Zernial,  Thiere  und  Pflanzen  in  der  germanischen  Volkspoesie. 
4,  (27  S.)  Programm  der  Victoriaschule  in  Berlin  1876.  =  Frommann  in 
Jena   1877.   1  M, 

437.  Lieb  recht,  Felix_,  Bienenaberglaube,  ^oseberry.  Grashalm  im 
Munde.  Eine  gimpclhafte  Frage. 

Germania  21,  75  —  80. 

438.  Zernial,   U.,   der  Kuckuk  im  germanischeu   Volksglauben. 
Daheim  1876,  Nr.  34. 

439.  Die  Z  auberpf  1  anzcn  im  Volksglauben. 
Die  Grenzboten  1876,  Nr.  26. 

440.  Blaas,   C.  RL,  zur  St.  Johannis  Minne. 
Germania  21,  213—218. 

441.  Ar  mini  US,   G.  T.  H.,   St.  Martini. 

Sonntagsblatt  von  Ruppius  1875,  Nr.  45.     Enthält  das  wohl  älteste  Martinslied. 

442.  Löffelt,  A.   C,  het  Kerstfest. 
De  Nederl.  Speetator  1876,  S.  36. 


443.  Müllen  hoff,  K.,  Schwerttanzspiel  aus  Lübeck  nebst  andern  Nach- 
trilgcu   über  den   Schwerttanz. 

Zeitschrift  für  deutsches  Alterthum  20,    10—20. 

444.  Müllenhoff,  K.,  ein  Spiel  von  David  und  Goliath  aus  Dit- 
marschen. 

Zeitschrift  für  deutsches  Alterthum  20,  1—10. 

446.  Köhler,  R.,  der  alte  Hildebrand  als   PuppenspicL 

Germania  21,  201, 

446.  Puppenkomödien,  deutsche.  Herausgegeben  von  C.  Engel, 
V.  Christoph  Wagner.  Antraschek  und  Juratschek.  8.  Oldenburff  1876.  Schulze. 
M.  l,  20, 


472  BIBLIOGRAPHIE  VON  1876. 


X.  Alterthümer  und  Cult Urgeschichte. 

447.  Hellwald,  F.  v. ,  Culturgeschichte  in  ihrer  uatürlichen  Entwickc- 
luug   bis  zur  Gegenwart.   2.   Auflage.   8.   Ausgsburg   1876.   Lampart. 

Vgl.  Liter.  Centralblatt  1877,  Nr.  32;  Jenaer  Liter.  Zeitung  Nr.  34;  Wester- 
raauns  Monatshefte  1877,  Mai;  Athenaeum  11,  6;  Zeitung  f.  d.  höhere  Unterrichts- 
wesen V,  30;  Academy  Nr.  199;  Europa  Nr.  34;  Deutsche  Zeitung  Nr.  1669;  Archiv 
f.  Anthropol.  X,  1.  2;  Anzeiger  f.  d.  neueste  pädag.  Liter.  V,  6;  Aus  allen  Weltth eilen 
VII,  9;  Allgem.  Zeitung  f.  Judenthum  I,  6;  fr.  deutsche  Schulzeitung  1877,  Nr.  50; 
Rigasche  Zeitung  Nr.  299. 

448.  Scherr,  J.,  deutsche  Kultur-  und  Sittengeschichte.  6.  Auflage.  8. 
Leipzig   1876.   8  M. 

Vgl,  Mähr.  Correspond.  1876,  10;  Liter.  Verkehr  VI,  23. 

449.  Scherr,  Johannes,  Germania.  Zwei  Jahrtausende  deutschen  Lebens. 
Kulturgeschichtlich  geschildert.   Mit  Bildern.    8.   Stuttgart   1876.    Spemauu. 

Vgl.  Berliner  Fremdenblatt  1877,  Nr.  22;  Schles.  Presse  84;  Deutsche  Zeitung 
1868;  Schles.  Presse  291;  Deutsche  Zeitung  1917;  Deutsche  allg.  Zeitung  70;  Wiener 
Fremdenblatt  105;  Post  129;  Allgem.  Zeitung  161. 

450.  Congres  International  d'Anthropologie  et  d'Archeologie  prc- 
historiques.  Compte  rendu  de  la  7*^  session.  Stockholm  1874.  I.  II.  8.  (V, 
1019   S.)    Stockholm    1876. 

451.  Keller,  F.,  Pfahlbauten.  7.  Bericht.  4.  (3  Bl.,  69,  XIII  S.  und 
24  Taff.)   Zürich    1876.   Orell,   Füßli   und   Co.    8  M. 

Vgl.  Liter.  Centralblatt  1877,  Nr.  34. 

452.  Tacitus,  Cornelius,  a  Carolo  Nipperdeio  recognitus.  J'.  IV:  Agri- 
colam  Gerinaniam  Dialogum  de  oratoribus  continens.  Accedit  index  nominum. 
8.    (4  Bl.,    132   S.)   Berlin   1876.   Weidmann.    1  M     50  Pfg, 

Vgl.  Liter.  Centralblatt  1876,  Nr.  40. 

453.  P.  Cornelii  Taciti  opera,  reo.  J.  Gaspar  OrelHus.  IL  Germania. 
Dialogus.  Agricola  Historiae.  Editionem  alterara  curaverunt  H.  Schweizer-Sidler, 
G.   Audresen,   C.   Meiser.    Berlin    1876.   Calvary. 

454.  Gern.  Taciti  Germania,  besonders  für  Studirende  erläutert  von 
Prof.  Dr.  Anton  Baumstark.  8.  (XVI,  148  S.)  Leipzig  1876.  T.  0.  W^eigel.   2  M. 

Vgl.  Zeitschrift  für  deutsehe  Philologie  8,  248  ff.;  Liter.  Centralblatt  1876, 
Nr.  34;  Jenaer  Liter.  Zeitung  36. 

455.  Tacitus'  Germania.  Deutsche  Übersetzung  von  A.  Baumstark.  8. 
(44   S.)   Freiburg  i.   B.    1876.   Herder.   50  Pfg. 

456.  Tacitus,  C,  Germania,  übersetzt  von  M.  Oberbreyer.  Leipzig  1876. 
20  Pfg. 

Reclams  Universal-Bibliothek  726. 

457.  Tacitus,  C,  della  vita  di  Giulio  Agricola  c  della  Germania,  ver- 
sione  italiana  di   M.   Messina  Faulisi.    16.    (70   S.)   Palermo    1875. 

458.  Wormstall,  Emendationen  und  Erläuterungen  zur  Germania  des 
Tacitus.    1876.   4. 

Programm  des  k.  Paulin.   Gymnasiums  zu  Münster. 

459.  Hane,  G. ,  exposita  veterum  Germaniae  notitia  usque  ad  Taciti 
tempora  judicetur  de  hujus  scriptoris  libello,  qui  de  Germania  inscribitur.  8. 
(32  S.)  Rostochii   1875. 

Dissertation. 

460.  Roskoff,   G.,   Das   Ethos   der  Germanen  bei  Tacitus. 
Jahrbücher  für  protestant.  Theologie  1876,  4.  Heft. 


X.  Ai/ri;iM'iiijMi':u  und  (^ulturgesciuciite.  47;] 

4g  1.  Arnold,  Wilhelm,  Ansiedelungen  und  Wanderungen  deutscher 
Stämme.  Zumeist  nach  hessisehen  Ortsnamen.  2.  Abtlieilung.  8.  (H.  '2i\ — 1;94) 
Marburg    187G.   Elwert.    10  M. 

4G2.  JJ  au  mann,  Dr.  F.  L.^  Schwaben  und  Alemannen,  ihre  Herkunft 
und    Identität. 

Forschung-en  zur  deutschen  ücscliiclite  IG  (1876),  215—278. 

4G3.  Gantrellc,  ,).,  Sueben  an  der  Scheldemünduug  und  ihre  Göttin 
Nehalcnnia. 

lilätter  für  das  bayer.  Gymnasialschiilwesen  XII,  7. 

464.  Müllenhoff,   K.,   Cugerni-Cubemi. 
Hermes  12.  Bd.  8.  Heft  (1877). 

465.  Die  AI  terthümer  unserer  heidnischen  Vorzeit.  Nach  den  in  ößent- 
lichen  und  Privatsammlungen  befindliehen  Originalien  zusammenga.stellt  und 
herausgegeben  von  dem  römisch-germanischen  Centralmuseum  in  Mainz  durch 
dessen  Conservator  L.  Lindenschmit.  3.  Bd.  G.  Heft.  (24  S.  mit  Steintaf. i 
Mainz    1876.   v.    Zabern.    4  M. 

466.  Müller,  Dr.  H.  A.,  und  Bau-Rath  Dr.  Osk.  Mothes,  illustriites 
archäologisches  Wörterbuch  der  Kunst  des  germanischen  Alterthums,  des  Mittel- 
alters sowie  der  Renaissance.  10. — 15.  Lieferung.  8.  Leipzig  1876.  Spamer. 
:'i   1    M. 

Vgl.  Anzeiger  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit  1876,  Nr.  8;  Theulog.  Quartal- 
.schr.  LIX,   1. 

467.  Mehlis,  der  Rhein  und  der  Strom  der  Kultur  in  Kelten-  und 
Römerzeit.   8.  (44   S.)   Berlin   1876.   Habel. 

Sammlung-  gemeinverständlicher  wissenschaftl.  Vorti'äge  XI,  259.  Vgl.  Jenaer 
Liter.  Zeitung  1877,15;  Bibliographie  der  Schweiz  9. 

468.  Oetker,  Dr.  Friedrich,  Belgische  Studien.  Schilderungen  und  Er- 
örterungen.  8.   Stuttgart   1876.    Auerbach. 

469.  W  immer,  L.  F.  A.,  Les  habitants  du  Nord  scandinave  dans  Tage 
du   fer.    8.    (17    S.)   Copenhague    1875. 

Extrait  du  Compte-rendu  du  congres  d'anthropologie  1869  ä  Copenhague. 

470.  Müller,   Sophus,    Bronzealderens   Perioder. 
Aavböger  for  nordisk  Oldkyndighed  1876,  p.   185  —  312. 

471.  Engel  hart,  C. ,  Kong  Gorms  og  Dronning  Thyras  Mindestene  i 
Jellinge.      Archaeologiske  Bemaerkuinger   om   Runestene  og  deres  Oprindelse. 

Aarböger  for  nordisk  Oldkyndighed  1876,  II,  S.  93—150. 

472.  Binzelius,   N.  G.,   Hunnestads  stenarne. 
Ny  Illustrerad  Tidniug  1876,  S.  428. 

473.  Montelius,  0.,  Sveriges  Arkeologiska  litteratur  aren  1875 
och   1876. 

Svenskn  Fornminnesföreningens  tidskrift  III,  187 — 194. 

474.  Montelius,  W.,  Führer  durch  das  Museum  vaterländischer  Alter- 
thümer  in  Stockholm.  Übersetzt  von  J.  Mestorf.  8.  (138  S.)  Hamburg  1876. 
Meissner.    3  M. 

Vgl.  Jenaer  Liter.  Zeitung  1877,  Nr.  7;  Liter.  Centralblatt  Nr.  23. 

475.  Dondorff,  die  Normannen  und  ihre  Bedeutung  für  das  europ. 
Culturleben  im   Mittelalter.    8.   Berlin    1876.   Lüderitz. 

Vgl.  Magazin  für  die  Liter,   d.  Ausl.   1876,  Nr.  24. 

476.  Bodiu,  Th.,  Viehzucht,  Jagd  und  Fischfang  bei  den  alten  Ger- 
manen. 

Die  Natur  1876,  Nr.  45. 


474  BIBLIOGRAPHIE  VON  1876. 

477.  Liliencioii,  Frh.  R.  v.,  über  den  Inhalt  der  allgemeinen  Bildung 
in  der  Zeit  der  Scholastik.  Festrede.  4.  (47  S.)  München  1876.  Franz  in  Comni. 
IM.   80  Pfg. 

Vgl.  Liter.  Centralblatt  1876,  Nr.  31,  Magazin  f    d.  Liter,  d.  Ausl.  33. 

478.  Specht,  F.  A.  K.  v,,  Geschichte  der  Waffen.  Nachgewiesen  und 
erläutert  durch  die  Kultur-Entwickelung  der  Völker  und  Beschreibung  ihrer 
Waffen  aus  allen  Zeiten.  2.  Bd.  2.  Abtheilung.  Liefg.  4.  5.  Berlin  1876. 
Luekhardt.   k  3  M. 

Vgl.  Liter.   Ceutralblatt  187(),  Nr.  50. 

479.  Koppmann,  K.,    Schwerttanz. 

Jahrbuch  de.s  Vereins  f.  nd.  Sprachforschung  1875,  S.   105—107. 

480.  Berge  mann,  B.,  das  höfische  Leben  nach  Gottfried  von  Straß- 
burg.  8.    (51    S.)  Hallische  Dissertation   (187G). 

481.  Laurent,  J.,  Aachener  Zustände  im  14.  Jahrhundert.  Auf  GruTid 
von  Stadtrechnuugen  nach  den  Stadtarchiv-Urkunden  mit  Einleitung ,  Register 
und  Glossar  herausgegeben.    8.   (455  S.)   Aachen  1876.   Kaatzer.    4  M.   50  Pfg. 

482.  Das  Scheukbuch  einer  Nürnberger  Patriciersfrau  von  1416  bis 
1438.   Von   Frh.  Georg  v.  Kress. 

Anzeiger  für  Kunde  der  deutscheu  Vorzeit  1876,  Sp    37  -  42.  70 — 74. 

483.  Eye,   A.   von,   Falkenhauben  im  germanischen  Museum. 
Anzeiger  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit  1876,  Sp.   291  f. 

484.  Vogt,  Fr.,  Leben  und  Dichten  der  deutschen  Spielleute  im  Mittel- 
alter.  Vortrag.   8.   (32   S.)   Halle   1876.   Lippert.   80  Pfg. 

Vgl.  Liter.  Centralblatt  187G,  Nr.  50;  Anzeiger  f.  deutsches  Alterthum  2,  81  li". 
(Steinmeyer);  Deutsche  Zeitung  Nr.   16ij9. 

485.  Aldenkir eben,  J.,  rheinisch- westfälische  und  niedersächsische 
Hausinschriften. 

Monatsschrift  für  rheinisch-westfälische  Geschichtsforschung  2.  Jahrg.  (1876). 

486.  Voges,  mittelalterliche  Glockeninschriften  aus  dem  Hcrzogthum 
Braunschweig. 

Anzeiger  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit  1876,  Sp.  202—205. 

487.  Heigel,  Badisches  Bierbraurecept  vom  Jahre   1409. 
Anzeiger  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit  1876,  Sp.  43 — 46. 

488.  Heinrich,   Dr.,  Aderlaßregeln. 

Anzeiger  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit  1876,  Sp.  302.  Deutsche  Verse  vom 
Anfang  des  16.  Jh. 

489.  Ploss,  H.  H.,  das  Kind  in  Brauch  und  Sitte  der  Völker.  Anthro- 
pologische Studien.  2  Bände,  gr.  8.  (XH,  324;  294  S.)  Stuttgart  1876.  Auer- 
bach.   10  M.   80  Pfg. 

Vgl.  Wiener  Abendpost  Nr.  257  tf.;  lllustrirtc  Zeitung  Nr.  1745;  Blätter  für 
liter.  Unterhaltung  1877,  Nr.  15;  Cornelia  72,  2;  Österr.  Jahrbuch  f.  Pädiatrik  Vll,  2; 
Daheim  1877,  28^ 

490.  Just,  K.  S.,  zur  Pädagogik  des  Mittelalters.  8.  (48  S.)  Eisenacb 
1876.   Bacmeister.    1  M.    20  Pfg. 

Vgl.  Anzeiger  für  deutsches  Alterthum  2,  286  (Steinmeyer). 

491.  Kämmel,   die  Stadtschulen  des  Mittelalters.   8.   Zittau    1876. 

492.  Lacroix,  Paul,  Sciences  et  lettres  au  moyen  äge  et  k  l'epoquc 
de   la   Renaissance.   Ouvrag^   illustre.   4.   (IV,  612  S.)   Paris  1876.   Didot.    30  fr. 


XI.  KUNST.    XJl.   IvKCUTSCiEÖClIICHTE   Vl^D  liECIITSALTEKTlIÜMEK.     475 


XI.    Kunst. 

493.  Lübko,  \V.,  Griindiili  der  Kuiistgescliiclite.  '.i.  Aufl.  2  Bde.  8. 
(XI,  388,  XXIV,  459   S.)   Stuttgart   187(5,   Ebner  und   Scubert.  k   7  M.    20  Pfg. 

494.  llalin,  J.  R.,  Goscliiclitn  der  bildenden  Künste  in  der  Schweiz 
von  den  ältesten  Zeiten  bis  zum  Scldiiß  des  Mittelalters.  3.  Abtlieilung.  (Schluß.) 
8.   (XXVIl,   S.   433-841)  Zürich   187G.   Staub.    IG  M. 

Vgl.  Liter.  Centralblatt  1877,  Nr.  34. 

495.  Gruebcr,  B.,  die  Kunst  des  Mittelalters  in  Böiimen,  3.  Theil. 
Die  Periode  des  luxemburg.  Hauses  1310—1437.  4.  Lieferung,  gr.  4.  Wien 
1876.    Gerold   in   Comm.    2  M, 

496.  Wernickc,  E.,  urkundliche  Beiträge  zur  Künstlergeschichte  Schle- 
siens.  (Fortsetzung.) 

Anzeiger  fiir  Kunde  der  deutschen  Vorzeit  187G,  Sp.  360—363.  1877,  Sp.  97 
bis  103.   132—139.   173—176.  206—215. 

497.  Weruicke,   E.,   Maler  und  Bildschnitzer  des  Mittelalters   in  Görlitz. 
N.  Lausitz.  Magazin  52.  Bd.   1.  Heft  (1876). 

498.  Nord  hoff,  die  kunstgeschichtlichen  Beziehungen  zwischen  dem 
Rhcinlande   und   Westfalen.   8.    Münster   1876.   Theissing. 

Vgl.  Jenaer  Liter.  Zeitung  1877,  Nr.  10. 

499.  Mithoff,  H.  W.  H. ,  Kunstdenkmälcr  und  Altertliümer  im  Han- 
noverschen.   4.  Bd.   Fürstenthuu:  Lüneburg.    4.    Hannover   1876.   Helwing. 

Vgl.  Beilage  zum  D,  Keichsauzeiger  1877,11;  Zeitschrift  des  Architektenvcreiues 
XXIII,  2;  Liter.  Centralblatt  1877,  Nr.  14. 

500.  Janner,  F.,  die  Bauhütten  des  deutschen  Mittelalters.  8.  Leipzig 
1876.   Seemann.   4  M.    60  Pfg. 

501.  Löffler,   J.   B.,   Vestervig  kloster  og   „liden  Kirstins   Grav". 
Aarböger  for  nordisk  Oldkyndighed   1876,  p.   1  —  55. 

502.  Meissner,  A.  L.,  die  bildlichen  Darstellungen  des  Keineke  Fuchs 
iui  Mittelalter. 

Herrigs  Archiv  56,  265—280  (1876). 

503.  Prüfer^  Ph.,  Architekt,  der  Todtentanz  in  der  Marienkirche  zu 
Berlin  und  Geschichte  und  Idee  der  Todtentänze  überhaupt.  Fol.  Berlin  1876. 
V.   Decker.    3  M. 

Vgl.  Liter.  Centralblatt  1877,  Nr.   19. 

504.  Väggmalning   i   Veeteras   domkyrka. 
Dybek,  Runa  II,  3.  187G. 

505.  Sehubiger,  P.  A.,  System  der  Lauten  aus  einem  Ms.  vom  Jahre 
1532   (mit  Abbildung). 

Monatshefte  für  Musik-Üesehichte  VIII.  Jhg.  (1876)/ Nr.   1. 

XII.  Kech  tsgeschi  cht  e   und  Re  ch  t  salter  thümer. 

506.  Amira,  K  v. ,  über  Zweck  und  Mittel  der  germanischen  Rechts- 
geschichte. Antrittsrede  am  15.  December  1875.  8.  (74  8.)  München  1876. 
Ackermann.    1  M.    60  Pfg. 

Vgl.  Liter.  Centralblatt  Nr.  42;  Magazin  f.  d.  Liter,  d.  Au.sl,  28;  Kritische 
Vierteljahr.sschrift  XVIII,  4;  Jen.  Liter.  Zeitung.  Nr.  ol. 

507.  Cohn,  George  die  Justizverweigerung  im  altdeutschen  Rechte.  8. 
Karlsruhe   1876. 

Habilitationsschrift.  Vgl.  Liter.  Centralblatt  1877,  Nr.   13. 


476  BIBLIOGRAPHIE  VON  1876. 

508.  Gierke,   Otto,  Erbrecht  und  Vicinenrecht  im   Edict  Chilperichs. 
Zeitschrift  für  Rechtsgeschichte  12  (1876),  430—490. 

509.  Zur  Bienenzucht  und  zum  Bienenrecht  in  der  Lüneburger  Heide. 
Beilage  zum  D.   Reichsanzeiger  1876,  Nr.  43. 

510.  Löning,  Rieh.,  der  Vortragsbruch  und  seine  Rechtsfolgen.  1.  Bd. 
Der  Vertragsbrucli  im  deutschen  Rechte.  8.  (XX,  604  S.)  Straßburg  1876. 
Trübner.    12  M. 

511.  Miller,   H.,   das   langobardische  Erbrecht. 
Zeitschrift  für  Rechtsgeschichte  13  (1876),  38—104. 

512.  Naegeli,  Alfred,  das  germanische  Selbstpfändungsrecht  in  seiner 
historischen  Entwicklung  mit  besonderer  Rücksicht  auf  die  Schweiz.  8.  (XI, 
lU   S.)   Zürich    1876.   SchultheCs.    2  M.   40  Pfg. 

Vgl.  Liter.  Centralblatt  1876,  Nr.  49. 

513.  Pfordten,  von  der,  die  Beweisführung  nach  Kaiser  Ludwigs  ober- 
bayrischem  Landrechte  von    1346. 

Zeitschrift  für  Rechtsgeschichte  12  (1876),  346—429. 

514.  Sohm,  R. ,  das  Recht  der  Eheschließung  aus  dem  deutschen  und 
canonischeu  Recht  geschichtlich  entwickelt.  8.  (XI,  335  S.)  Weimar  1875. 
Böhlau.    6  M. 

Vii:!.  Liter.  Centralblatt  1876,  Nr.  11;  Zeitschrift  f.  d.  gesammte  Handelsrecht 
XXI,  3.  4. 

515.  Sohm,  R.,  Trauung  und  Verlobung.  Eine  Entgegnung  auf  Fried- 
berg: Verlobung  und  Trauung.   8.   Weimar  1876,   Böhlau.    3  M. 

Vgl.  Jenaer  Liter.  Zeitung  1876,  32;  Zeitschrift  f.  d.  Priv.  u.  öÖ'.  Recht  d. 
Gegenwart  3,  4. 

516.  Maurer,  Konr.,  das  Alter  des  Gesetzsprecher- Amtes  in  Norwegen. 
1875.  (69  S.)  (in:  AI.  Brinz  und  K.  Maurer's  Festgabe  zum  Doctor- Jubi- 
läum  des  Prof.   Ludw.   Arndts.    München    1876.   V,    138   S.    8.) 

517.  Jörgensen,  A.  D.,  Bidrag  til  Oplysning  af  Middelalderens  Love 
og  Samfundsforhold. 

Aarböger  for  nurdisk   Oldkyndighed  1876,  S.  56—92.   151 — 184. 


518.  Luschin,   Nachtrag  zu  Homeyers  Rechtsbüchern. 
Zeitschrift  für  Rechtsgeschichte  12  (1876),  317—319. 

519.  Clement,  K.  J. ,  Forschungen  über  das  Recht  der  salischen 
Franken  vor  und  nach  der  Königszeit.  Lex  Salica  und  Malbergische  Glossen. 
Nachgelassen!  s  Werk.  Herausgegeben  und  mit  Vorwort  versehen  von  K.  Zocpfl. 
8.    Berlin    1876.    Grieben.   (Bibliothek   für   Wissenschaft   und   Literatur  III.) 

Vgl.  Deutsche  Zeitung  1669;  Alni;i  mater  1877,  14;  Revue  critique  Nr.  33 
(Sohm);  Liter.  Centralblatt  1877,  Nr.  11  Zeitschrift  f.  d.  Priv.  u.  öff.  Recht  d.  Gegen- 
wart IV,  2. 

520.  Behrend,  J.   F.,   die  Textcntwickelung  der  Lex   Salica. 
Zeitschrift  für  Rechtsgeschichte  13  (1876),  S.   1—37. 

521.  Rosin,  II.,  Commeutatio  ad  titulum  legis  Salicae  LIX.  de  alodis  . 
8.  (42   S.)  Breslauer  Dissertation    1876. 

522.  Riezler,    S.,   über  die   Entstehungszeit   der  Lex  Baiuwariorum. 
Forschungen  zur  deutschen  Geschichte  16.  Bd.  3.  Heft  (1876). 

523.  Eggert,  Udo,  Studien  zur  Geschichte  der  Landfrieden.  Nebst 
Nachweis  der  Nichtbenutzung  der  Treuga  Henrici  im  Sachsenspiegel.  8.  (84  S.) 
Göttingen   1875.  PeppmüUer.   M.  1,  80. 

Vgl.  Liter.  Centralblatt  1877,  Nr.  44. 


XIII.  LITTKIJATrRORSC'HIOHTK  L'ND  SPIiACni>KN'KMÄrj:iJ.  477 

524.  Hais  er,  K.,  zur  Geiiealugie  «ler  SchwabeuBpiegelliaiidschriften  f. 
Lex.    8.   (172   S.)    Weimar    187G.   Röhhiu.    5  M. 

Vgl.  Krit.  ViiMteljahrsschiift  XIX,  4  (Uockinger);  Liter.  Centialblatt  1877,  Nr.  4«. 

525,  R  0  c  k  i  11  g  e  r  ,  über  das  Verhältniss  des  Schwabenspiegels  zu 
den    Fredigtcu    des     Bruders     Berchtold     und     zur     Summa     dos    Raimund     von 

Pcnnaforte. 

Sitzungsberichte  der  Miiiicliencr  Akademie   1876.  5.  Heft. 

52G.  Wi.stocki,  Vlad.,  der  Pilsner  Codex  enthaltend  Magdeburger  Ent- 
scheidungen. 

Bibliographische  Berichte  der  Akademie  der  Wissenschaften  in  Krakan.  1.  Heft. 
Krakaii   187G. 

527.  Mayr,  Martin,  über  einen  zu  Neustadt  a.  D.  befindlichen  Auszug 
aus   dem   Stadtrcchtbuehc   Kaiser  Ludwig  des   Bayern. 

Verhandlungen  des  hi.storisclu'n  Vereins  für  Niederbayern  XIX.  Bd.   1876. 

528.  Müller,  A.,  in  Olmütz,  das  handschriftliche  Wiener  Stadtreehts- 
buch    der   Olmützer  k.   k.    Bibliothek. 

Neuer  Anzeiger  für  Bibliographie   1870.  August. 

529.  Stadtbuch  von  Brüx  bis  zum  Jahre  1526.  Bearbeitet  von  Dr.  L. 
Schlesinger.   Prag  (Leipzig.   Broekhaus)    1876.    4.  (Vill,   236    S.)    9  M. 

Beiträge  zur  Geschichte  Böhmens  Abth.  IV.  1.  Bd. 

530.  Das  Verfassungsbuch  der  Stadt  Stralsund.  Von  Otto  Francke. 
Mit  einer  Einleitung  von  F.  Frensdorflf.  8.  (XCVI,  165  S.)  Halle  1875.  Wai- 
senhaus.  5  M. 

Hansische  Geschichtsquellen  1.  Bd. 

531.  Essays  in  Anglo-Sa.\on  laws.  8.  (XII,  392  S.)  Boston  (London)  1876. 
Vgl,    Liter.    Centralblatt    1877,    Nr,    31;    Kritische    Vierteljahrs.schrift    XIX,    4 

(Maurer). 

532.  Bischoff,  F.,  Erster  Bericht  über  Weisthüinerforschungen  in 
Steiermark.    8.   Wien    1876.   Gerold    in   Comm.    50  Pfg. 

533.  Aargauer  Weisthümer ,  erhoben  und  rechts-  und  ortsgeschichtlich 
erklärt  von   E.  L.   Rochholz.    8.   Aarau    1876.    Sauerländer.    3  M.   60  Pfg. 

Vgl.  Bibliographie  der  Schweiz  VI,  8.  9. 

534.  Schönbach,   A.,   untersteirische   Bannbestimmungen. 
Beiträge  zur  Kitnde  Steiermark.  Geschichtsquelien.  13.  Jahrgang  (1876). 

535.  Werth,   A.,  Weisthum   des  Hauses   Dussel. 
Zeitschrift  des  Bergischen  Geschichtsvereins   12.  Bd.  (1876). 

XIII.   L  i  1 1  e  r  a  t  u  r  g  e  s  c  h  i  c  h  t  c  und   Sprachdenkmäler. 

536.  Wackernagel,  Wilhelm,  Geschichte  der  deutschen  Lit(eratur. 
Ein  Handbuch.  2.  vermehrte  und  verbesserte  Auflage,  herausgegeben  von  Ernst 
Martin.    1 .  Bd.    1.  Lieferung,   gr.  8.    (112  S.)  Basel    1877.  Schweighauser.    2  M. 

Vgl.  Liter.  Verkehr  VIII,  3;  Westermanns  Monatshefte  1877,  Mai. 

537.  Kurz,  H.,  Geschichte  der  deutschen  Literatur.  1.  —  3.  Bd.  7.  Aufl. 
gr.   8.  Leipzig   1876.  Teubner.   ä  12  M. 

Vgl.  Anzeiger  f.   d.  neueste  pädagog.   Literatur  VI,   1,   3, 

538.  Lindemann,  W. ,  Geschichte  der  deutschen  Literatur  von  den 
ältesten  Zeiten  bis  auf  die  Gegenwart,  4.  Auflage.  8.  (V,  732  S,)  Freiburg 
i.   B.    1876.   Herder.    6  M. 

Vgl,  Sonntagsbeilage  der  N.  Preuß.  Zeitung  1877,  Nr,  1 ;  Ül)er  Land  und  Meer 
1876,  Nr.  5. 


478  BIHLIOGRAPHIE  VON  1876. 

539.  Kluge,  Hermann,  Geschichte  der  deutschen  National-Literatur.  Zum 
Gebrauche  an  lioheren  Unterrichtsaustalten  und  zum  SelHststudimn  bearbeitet. 
G. — 7.   Auflage.    8.   Altenburg   1875  — 7Ü.   Bonde.    2  M. 

Vgl.  Pädagog.  Archiv  XVII,  4. 

540.  Burkhardt,  J.  G.  E.,  Geschichte  der  deutschen  Literatur.  I.  Die 
Poesie.   3.  Auflage.   8.    (XI,   268   S.)   Leipzig   1877.  Klinldmrdt.   2  M. 

Vgl.  Repertorium  der  Pädag.  N.  F.  XI,  10. 

541.  Droese,  A.,  Einführung  in  die  deutsche  Literatur  von  ihren  ersten 
Anfängen  bis  zur  Gegenwart,  gr.  8.  (XVI,  572  S.)  Langensalza  1876.  Schul- 
buchhandlung.   2  M.    50  Pfg. 

Vgl.  Pädag.  Intelligenzblatt  1877,  Nr.  27. 

542.  Frank,  Paul,  Handbüchiein  der  deutschen  Literaturgeschichte. 
5.   vermehrte  Auflage.    8.   (VIII,    261    S.)   Leipzig   1876.    Merseburger.    1  M. 

543.  Goetz,  \V.,  kurzer  Abriß  der  Geschichte  der  deutschen  Sprache 
und  Literatur  für  höhere  Bürgei'-  und  Töchterschulen.  8.  Aarau  1876,  Sauer- 
länder.   40  Pfg. 

541.  Großmann,  K.,  Handbuch  zur  Einführung  in  die  deutsche  Dich- 
tung.  8.   Wolfenbüttel  1876.   Zwißler.    1  M.    25  Pfg. 

Vgl.  Hannov.   Schulzeitung   1877,  Nr.  4. 

545.  Hoefer,  Edmund,  deutsche  Literaturgeschichte  für  Frauen  und 
Jungfrauen.    8.   Stuttgart   1876.   Kröner.    7  M. 

Vgl.  Schlesische  Zeitung  571  (1875);  lUnstrirte  Frauenzeitung  IIT,  6;  Nurdd. 
Allg.  Zeitung  287;  Allg.  Modenzeitung  13;  Im  neuen  Eeich  1875.  50;  Fraueu-Anw.alt 
VII,  1;  Gegenwart  öo;  Wiss.  Beilage  der  Leipziger  Zeitung  1S7(),  .39;  Blätter  für 
liter.  Unterhaltung   1876,  52;    Weser  Zeitung  10744,  II;  VVe.sterm;inn  8.  F.  Nr.  58. 

54G.  Lange,  0.,  Grundriß  der  Geschichte  der  deutschen  Literatur. 
8.   verbesserte  Auflage.   8.   (103   S.)   Berlin   1876.   Gärtner.    80  Pfg. 

547.  Lelimann,  J.  A.  0.  L.,  Handbuch  der  deutschen  Literatur. 
2.   Auflage.   8.   Leipzig   1875.  T.   0.   Weigel.  M.  4,  50. 

Vgl.  Blätter  für  liter.  Unterhaltung  1875,  25  (Zabel);  Päd.   Archiv   19,  2. 

548.  Oberbreyer,  M.,  Abriß  der  deutschen  Literaturgeschichte  von 
Ulfilas   bis   Uhland.  Berlin    1876.   Stubeurauch.   40  Pfg. 

Vgl.  Schulfreund  .33.  1;  Anzeiger  f.  d.  neueste  päd.  Liter.  \l.  3;  Würteniberg. 
Schulblatt  1877,  20;  kathol.  Scliulbote  23,  7. 

549.  Pelleter,  J.  A. ,  Geschichte  der  deutschen  Literatur  für  höhere 
Bildungsanstalten,  gr.  8.  (VIII,  259  S.)  Leipzig  1876.  Siegismund  und  Vol- 
kening.    2  M.   40  Pfg. 

550.  Kleine  deutsche  Literaturgeschichte  von  H.  K.  8.  (VII,  39  S.) 
Würzburg    1876,   Stabcl.    60  Pfg. 

551.  Rößler,  C. ,  Leitfaden  für  den  Unterricht  in  der  deutschen  Lite- 
raturgeschichte.   8.   (46    S.)   Leipzig    1876.   Naumann.    75  Pfg. 

Vgl.  Allg.  Schulzeituug  187G,  42. 

552.  Schumann,  Ad.,  kurzer  Abriß  der  Geschichte  der  deutschen 
Literatur  für  höhere  Töchterschulen.  Neu  herausgegeben  von  W.  Wegenor. 
6.   Auflage.   Brandenburg   1876.    Wiesike.    90  Pfg. 

553.  Stern,  A.,  Katechismus  der  allgemeinen  Literaturgeschichte.  2.  Aufl. 
8,   Leipzig    1876.   W.d)er.    2  M.    40  Pfg. 

554.  Stöhn,  IL,  lichrbuch  der  deutsehen  Literatur  für  hölnu-e  Töchter- 
schulen.  2.   Auflage,   gr.   8.   Leipzig   1876.  Teubner.    2  M.    40  Pfg. 


Xm.  LITTERATIJROHSCIITCIITI';  UND  SFiaCFrDKN'KMÄLKK.  47<,) 

5.^)5.  Zellen  (1  er,  F.,  Übersieht  der  deutsehen  Litcüiturgeschiclite  von 
den  ältesten  Zeiten  bis  zur  Gegenwart.  4.  (212  S.)  Winterthnr  1876.  West- 
fehling.    4  M. 

556.  Gros  de  Vour,  F.  E.,  histoire  critiqiie  de  la  littdrature  alle- 
nmnde.    1"  vol.   8.   (XVI,    131    S.)   Beifort    1876.   Pelot. 

557.  Brummer,  Franz,  deutsches  Dichter-Lexikon.  Biographische  und 
bibliographische  Mittlu-iluiigen  über  deutsche  Dichter  aller  Zeiten.  12.  bis 
25.  (Schluß)  Lieferung.  2^  Bd.  8.  (552  S.)  und  Nachtrag  (140  S.)  Eichstätt 
187G.    Krüll.   a  1  M. 

558.  Lübben,  A.,  zur  Charakteristik  der  mittelniederdeutschen  Literatur. 
Jahrbuch    des    Vereins    für    niederdeutsche    Sprachforschung,    Jahrgang    1875, 

S.  ü-U. 

559.  Huberts,  W.  J.,  W.  J.  A.  Elberts,  eu  F.  J.  van  den  Bran- 
den, Biographisch  Woordenboek  der  Noord-  en  Zuid-  nederlandsche  letter- 
kunde.   AHev.    1—13.   Deventer   1876. 

560.  Vloten,  J.  van,  Jonckbloets  zoegenoemdc  Geschiedcnis  der  Nederl. 
Letterkunde,  ten  dienste  van  haer  Iczers  gctoelst  en  toegelicht.  1.  Afl. 
S.    1—48.   Arnhem    1876.   f.  0,  60. 

Vgl.  De  Bode  1877,  Nr.  1. 

561.  Taine,  H.  A.,  den  cngelske  Literaturs  Historie.  Renaissancen  i 
England.  Oversat  af  H.  S.  Vodskov.  11.  — 13.  Hft.  8.  ('i\  80  S.)  Kopenhagen 
1876.    Gyldendal.  k  75  ö. 

562.  Chambers'  Cyclopaedia  of  English  literature:  a  history,  critical 
and  biographical,  of  British  authors.  Third  edition.  2  vols.  Vol.  L  8.  (XVl, 
816    S.)   London    1876.   Chambers.    10  sh. 

563.  Morley,  H.,  first  sketch  of  English  literature.  8.  London  1876. 
Cassell.    7  d.    6  d. 

564.  Stopfoid  Brocke,  Primes  of  English  literature.  London  1876. 
Macmillan. 

Vgl.  Academy   187G,  22.  April. _ 

565.  Traut  mann,  M. ,  Über  Verfasser  und  Entstehungszeit  einiger 
alliterirenden   Gedichte  des  Altenglischen.    8.   Halle    1876.    Lippert.    1  M. 

566.  Storm,  Gust.,  De  ieldste  Forbindciser  mellem  den  norske  og  den 
islandske  historiske  Litteratur.  8.  (16  S.)  (Christiauia- Vidensk. -Selsk.  For- 
handl.  for  1875.) 

567.  Wollschläger,  C.  S.,  Handbuch  der  allgemeinen  Literatur-Ge- 
schichte.  2.  Auflage.    8.   Eisenach    1876.    Bacmeister.   4  M.   80  Pfg. 

568.  Scherr,  J.,  almindelig  Literaturhistorie.  Oversat  og  bearbeidet 
med  sasrligt  Hensyn  til  Norden  af  Fr.  Winkel  Horu.  14. — 16.  Levering.  8, 
(a  64  S.)  Kopenhagen    1876.   ä  1  Kr. 


569.  Leitschuh,  F.,  der  gleichmäßige  Entwicklungsgang  der  griechi- 
schen und  deutschen  Kunst  und  Literatur.  8.  Leipzig  1876.  T.  O.  Weigel. 
2  M.   40  Pfg. 

Vgl.  Leiunanns  Magazin  1877,  Nr.  9;  Liter.  Centralblatt  Nr.  15;  Zeitschrift  f. 
d.  österr.  Gymnasien  28,  7. 

570.  Hammerich,  Nordens  aeldste  Digt,  oplyst  og  oversat.  8.  (144  S.) 
Kopenhagen    1876.   Gyldendal.   2  Kr. 


480  BIBLIOGRAPHIE  VON  1876. 

571.  Günther,  E.  A.  W.,  kurzer  Leitfailen  der  deutschen  Heldensage 
des  Mittelalters,  nebst  einem  Überblick  über  die  Götterlehre  der  Deutschen.  8. 
(IV,    45   S.)   Hannover   187G.   Brandes.    60  Pfg. 

572.  Jordan,    Wilhelm,    Epische    Briefe.     8.     Frankfurt    a.    M.     187G, 

Selbstverlag.   5  M. 

Vgl.  Jen.  Liter.  Zeitung  1877,  Nr.    1  (Keck). 

573.  Remmers,    die    epische  Poesie    bei    den    alten    und  den  modernen 

Völkern.    1876.   4. 

Programm   der  h.  Bürgerschule  in  Nienburg. 

574.  Kölbing,  E.,  Beiträge  zur  vergleichenden  Geschichte  der  roman- 
tischen Poesie  und  Prosa  des  Mittelalters  unter  besonderer  Berücksichtigung  der 
englischen  und  nordischen  Litteratur.   Breslau    1876.  Köbner.    7  M.    50  Pfg. 

Vgl.  Liter.  Ceutralblatt  1876,  Nr.  29;  Wissensch.  Monatsblätter  IV,  9;  Jen. 
Lit.  Zeitung  1877,  Nr.  4;  Revue  critique  1877,  23. 

575.  Kr  es  sn  er,  Adolf,  über  die  Thierbücher  des  Mittelalters  nebst 
einem   Bruchstück   einer  proveuz.   Handschrift. 

Herrigs  Archiv  55,  241—296  (1876). 

576.  Martin,   E.,   die  Carmina  Burana  und   die  Anfänge  des  deutsehen 

Minnesangs. 

Zeitschrift  für  deutsches  Alterthum  20,  46-69.   Vgl.  S.  128. 

577.  Henrici,  Ernst,  zur  Geschichte  der  mittelhochdeutschen  Lyrik.  8. 
(IV,    74   S.)  Berlin    1876.   Calvary.    2  M.   40  Pfg. 

Vgl.  Liter.  Centralblatt  1876,  Nr.  39  (R.  Lehfeld) :  Anzeiger  für  deutsches  Alter- 
thum 2,  138  ff.  (Steinmeyer);  Zeitschrift  für  deutsche  Philologie  7,  481 ;  Herrigs  Archiv 
57,  87. 

578.  Jacobsthal,    G-,   über  die  musikalische  Bildung  der  Meist(rsänger. 
Zeitschrift  für  deutsches  Alterthum  20,  69 — 91. 

579.  Goetze,   Edmund,   das   Wappen   der  Meistersänger. 
Schnorrs  Archiv  5,  281—286. 

580.  Baumann,  F.  L.,  die  Meistersinger  und  ein  Volksfest  zu  Donauwörth. 
Zeitschrift  des  histor.  Vereins  für  Schwaben  und  Neuburg  III.  Jahrg.  (1876). 

581.  Wackernagel,  Philipp,  das  deutsche  Kirchenlied  von  der  ältesten 
Zeit  bis  zum  Anfang  des  17.  Jahrhunderts.  50. — 55.  Lieferung.  Lex.  8.  (Bd.  V, 
S.  481—1056)  Leipzig  1876.  Teubner.   k  2  M. 

582.  Koch,  E.    E. ,     Geschichte    des    Kirchenlieds    und  Kirchengesangs. 

8.  Band.    3.   Auflage.    Neu    bearbeitet    von  R.   Lauxmann.     8.    Stuttgart  1876. 

Belser.   6  M. 

Vgl.  Monatshefte  für  Musikgeschichte  IX,  2. 

583.  Schure,  E.,  histoire  du  Lied  ou  la  chanson  populaire  en  Allemagne. 
2.  edition.   8.  Paris   1876.  Sandoz.   3  M.   50  Pfg. 

584.  Die  Naturanschauung  in  der  deutschen   Volksdichtung. 
Beilage  zum  D.  Reichsanzeiger  1876,  Nr.  51 — 53. 

585   Hirsch,   Franz,   Dichterweisheit  des  deutschen   Mittelalters. 

Das  Neue  Blatt  1876,  Nr.  32. 

586.  Bober  tag,  E. ,  Geschichte  des  Romans  und  der  ihm  verwandten 
Dichtungsgattungen  in  Deutschland.  1.  Abtheilung.  1.  Bd.  8.  (457  S.)  Breslau 
1876.   Gosohorsky.   5  M. 

Vgl.  Jen.  Liter.  Zeitung  1876,  Nr.  36  (Palm);  Liter.  Verkehr  1877,  14;  Bl.  f. 
Hier.  Unterh.  Nr.  39  (Schröer) ;  Grazer  Wochenschrift  1,2;  Schles.  Presse  156;  Blätter 
f.  litor.  Unterhaltung  18;  Westermanns  Monat.shcfte  Mai;  Archiv  f.  Lit.  Geschichte 
G,  008  ff.  (E.  Schmidt);  Anzeiger  für  deutsches  Alterthum  3,  201  ff.  (Scherer). 


Xm.  LITTERATUROESCHICHTE  UND  SPRACHDENKMÄLER.  481 

587.  Keiter,  H. ,  Versuch  einer  Theorie  des  Romans  und  der  Erzähl- 
kuDst.  Mit  einem  orientirenden  Vorwort  von  F.  Kreyssig.  8.  (VII,  224  S.) 
Paderborn    1876.   Schöningh.    2  M. 

588.  Lorenz,  0.,  Deutschlands  Geschichtsquellen  im  Mittelalter  seit  der 
Mitte  des   13.   Jahrh.    1.   Bd.   2.  Auflage.   8.    Berlin    1876.   Besser.   6  M. 

Vgl.  Theolog.  Literaturblatt  1877,  Nr.  13;  Liter.  Centralblatt  Nr.  8.  31;  histor. 
Zeitschrift  1877,  2.  Heft;  Anzeiger  f.   d.   Alterthum  4,  104  ff.  (Scherer). 

589.  Röhricht,   R.,    die  Deutschen   auf  den  Kreuzzügen. 
Zeitschrift  für  deutsche  Philologie  7,  125  —  174.  296 — 329. 

590.  Ward,  A.  W.,  a  history  of  euglish  dramatic  literature  to  the  death 
of  Queen  Anne.   8.   2   vols.   London    1875.   Macmillan. 

Vgl.  Athenaeum  Nr.  2508;  Liter.  Centralblatt  1876,  Nr.  36;  Revue  critique  1877, 
Nr.  30;  Jen.  Liter.  Zeitung  49  (Wülcker);  Anglia  1,  164  ff.  (Wagner). 

591.  Klein,  J.  L.,  Geschichte  des  englischen  Dramas.  1.  und  2.  Band. 
8.  Leipzig   1876.  T.   0.  Weigel.   15   und   18  M. 

Vgl.  Liter.  Centralblatt  1877,  Nr.  21  (Wülcker);  Magazin  f.  d.  Liter,  d.  Ansl. 
1876,  Nr.  22;  Saturday  Review  Nr.  1060;  N.  fr.  Presse  Nr.  4503;  Liter.  Verkehr  VII, 
17;  Westermanns  Monatshefte  Nr.  240;  Nationalzeitung  1877,  Nr.  173;  Englische  Stu- 
dien I,  505  ff.  (Kölbing). 

592.  Stern,   Ad.,  der  Untergang  des  altenglischen  Theaters. 
Historisches  Taschenbuch  5.  Folge,  6.  Jahrgang  (1876). 


593.  Wackernagel,  Wilhelm,  Deutsches  Lesebuch.  2.  Theil.  Proben 
der  deutschen  Poesie  seit  dem  XVI.  Jahrhundert.  3.  Aufl.  4.  (XXII,  1824  Sp.) 
Basel   1876.   Schweighauser.   1 2  M. 

Vgl.  W^estermann  1877,  Mai;  Jen.  Liter,  Zeitung  Nr.  20. 

594.  Reichel,  K.,  mittelhochdeutsches  Lesebuch  mit  Glossar  für  Gym- 
nasien.  3.  Auflage  von  R.  Reichel.   8.  Wien   1876.   Gerold.   2  M.   80  Pfg, 

595.  Stier,  G. ,  Material  für  den  mhd.  Unterricht  auf  höheren  Lehr- 
anstalten.  4.  Auflage.   8.  Leipzig   1876.   Teubner.   1  M.   80  Pfg. 

Vgl.  Zeitschritt  f.  d,  österr.   Gymnasien  27,  3, 

596.  Gude,  C,  Erläuterungen  deutscher  Dichtungen.  5.  Reihe.  Dich- 
tungen  aus   dem   Mittelalter.   8.    (XI,   338  S.)   Leipzig   1876.   Brandstetter.   3  M. 

597.  Sweet,  H.,  an  Anglo-Saxon  reader  in  prose  and  verse.  With 
grammatical  introduction,   notes   and  glossary.    12.  (400    S.)   1876.    8  s.    6  d. 

Vgl.  Revue  critique  1877,  Nr.  5;  Englische  Studien  I,  497  ff.  (Körner). 

598.  Silling,  C.  F. ,  a  manual  of  English  literature  illustrated  by 
poetical  extracts.   8.  (IV,   144  S.)  Leipzig   1876.  Klinkhardt.   1  M.   50  Pfg. 

599.  Three  centuries  of  English  poetry.  Being  Selections  from  Chaucer 
to  Herrick.  With  introductions  and  notes  by  R.  Orme  Masson,  and  a  general 
preface  by  D.   Masson.   London   1876.   Macmillan. 

Vgl.  Saturday  Review  7.  Oct.   1876. 

600.  Wilson,  J.,  the  poets  and  poetry  of  Scotland ,  from  the  earliest 
to  the  präsent  time.  Comprising  characteristic  selections  from  the  works  of  the 
more  noteworthy  Scottish  poets,  with  biographical  and  critical  notes.  Vol.  2. 
8.   (570   S.)   1876.    12  s.   6  d. 

601.  Nygaard,  M. ,  Udvalg  af  den  norröne  Literatur  for  Latin- 
og  Realgymnasier.  Med  oplysende  Anmaerkninger  og  Glossar.  Bergen  1876. 
1  Sp.   30  sk. 

ÖEBMANTA.  Nene  Reihe.  X.  (XXII.  Jahrg.)  31 


482  BIBLIOGRAPHIE  VON  1876. 

602.  Rieger,  Max,   die  alt-   und  angelsächsische  Verskunst. 
Zeitschritt  für  deutsche  Philologie  7,  1 — 64. 

603.  Buchner,  W. ,  deutsche  Dichtung.  Die  Lehre  von  den  Formen 
und   Gattungen   derselben.   3.   Auflage.   8.   Essen    1876.   Bädeker.   80  Pfg. 

604.  StrobI,  über  die  Entstehung   der  Kudrunstrophc. 
Zeitschrift  f.  d.  österr.  Gymnasien  XXVII,  12  (1876). 

605.  Wolzogen,  H.  v.,  Poetische  Lautsymbolik.  Psychische  Wirkungen 
der  Sprachlaute  im  Stabreim  aus  R.  Wagners  'Ring  des  Nibelungen  versuchs- 
weise  bestimmt.    2.  Abdruck.    8.  Leipzig   1876.   Schloemp.    1  M. 

606.  Lindner,  Felix,  the  alliteration  in  Chaucer's  Canterbury  Tales.  8. 
(Separatabdruck  aus   den   Schriften  der  Chaucer  Society.) 

607.  Seh  er  er,  W.,  Haupt  über  vergleichende  Poetik. 
Anzeiger  für  deutsches  Alterthum  2,  322 — 326. 

A.   Gotisch. 

608.  Ohrloff,  O. ,  die  alttestamentlichen  Bruchstücke  der  gotischen 
Bibelübersetzung.   Eine  kritische  Untersuchung. 

Zeitschrift  für  deutsche  Philologie  7,  251 — 295.  Vgl.  Theolog.  Literaturblatt 
1877,  Nr.  9. 

609.  Peters,  J.,  gotische  Conjecturen  (zu  Luc.  1,  4.  5.  3,  5.  8,  14. 
Marc.  6,  19).   Programm   des   Obergymnasiums  zu  Leitmeritz.   8.   (12   S.) 

Vgl.  Zeitschrift  für  deutsche  Philologie  7,  481. 

B.  Althochdeutsch. 

610.  Clemm,  Villelmus,  de  fragmento  quodam  Alemanno  commentatio. 
4.   (18   S.)  Gissae   1876. 

Programm. 

611.  Müllenhoff,  K.,  zu  Ezzos  Gesang. 
Zeitschrift  für  deutsches  Alterthum  19,  493  f. 

612.  Vogt,   F.,   Nachtrag   (zu   Genesis   und  Exodus). 
Paul  und  Braune,  Beiträge  2,  586—592. 

613.  Glossen,   die  Augsburger.   Von   Alfred  Holder. 
Germania  21,  1 — 18. 

614.  Holder,  A.,  die  althochdeutschen  Glossen  zum  Evangelium  Lucae 
aus  St.  Paul. 

Germania  21,  332—338. 

615.  Holder,  A.,  die  Glossae  SanBlasianae. 
Germania  21,  135—139. 

616.  Dümmler,   Glossen  zu  Walahfrids   Gedichten. 
Zeitschrift  für  deutsches  Alterthum  20,  114 — 115. 

617.  Schulze,  zur  Geschichte  der  Kritik  und  Erklärung  des  Hilde- 
brandsliedes.   4.   (33   S.)   Programm  des  Domgymnasiums  zu  Naumburg.    1876. 

Vgl.  Zeitschr.  f.  d.  Gymnasialwesen  31,  9  (Schröder);    Herrigs   Archiv  58,   100. 

618.  Wilken,  E.,  zu  den  Merseburger  Sprüchen. 
Germania  21,  218—225. 

619.  Notkers  Psalmen.  Nach  der  Wiener  Handschrift  herausgegeben 
vonR.  Heinzel  u.  W.  Scherer.   8.    (LH,  327  S.)    Straßburg  1876.    Trübner.   8  M. 

Vgl.  Liter.  Centralblatt  1876,  Nr.  39;  Revue  critique  39;  Anzeiger  für  deut- 
sches Alterthum  3,     131   ff.  (Steinmeyer). 

620.  Holder,   A.,   St.   Pauler  Bruchstücke  aus  Notker's   Psalter. 
Germania  21,  129—1.34. 


XIIL  C.  MITTELHOCHDEUTSCH.  483 


C.  Mittelhochdeutsch. 

621.  Jeittcles,   A.,   Mittheilungen  aus  Grazer  üandschriften. 
Germauifi  21,  338  —  346.   1.  Ein  deutscher  Cisiojanus. 

622.  Guttmann^  Dr.,  einige  kleine  Funde  aus  der  Bibliothek  des 
Gymnasiums  zu   Bricg. 

Programm  des  Gymnasiums  zu  llirschberg  1875.  Enthält  Proben  einer  altdeut- 
schen Psalnienübersetzuug  (perg.)  und  Bruclistücke  einer  Hs.  von  Wolframs  WilKdialm. 
Vgl.  Archiv  für  das  Studium  der  neueren  Sprachen  F)5,   111. 

623.  Seh  er  er,  W. ,  Litteratur  des  12.  Jahrhunderts.  1.  Hohenburger 
Hohes  Lied.   2.  Geistlicher  rät.    3.  Trost  iu   Verzweiflung. 

Zeitschrift  iür  deutsches  Alterthum  20,   198—205.  341—355. 

624.  Boner.  —  Gottschick,  R.  ,  über  die  Benutzung  Avians  durch 
Boner. 

Zeitschrift  für  deutsche  Philologie  7,  237—243. 

625.  Breviarien.  —  Schönbach,  A.,  über  einige  Breviarien  von 
Sanct  Lambrecht. 

Zeitschrift  für  deutsches  Alterthum  20,  129—197. 

626.  Die  Chroniken  der  deutschen  Städte  vom  14.  bis  ins  16.  Jahr- 
hundert. 13.  Bd.  Die  Chroniken  der  niederrheinischen  Städte.  Cöhi.  2.  Bd,  8. 
Leipzig   1876.  Hirzel.    15  M. 

Vgl.  Theolog.  Literaturblatt  XII,  4;  Liter.  Centralblatt  1877,  Nr.  4;  Köln.  Volks- 
zeitung 1876,  Nr.  344;  Monatshefte  f.  rhein.  westf.  Geschichtsf.  II,  7  —  9;  Hansische 
Geschichtsblätter  V;  Sonntagsbeilage  z.  N.   i'reuß.  Zeitung  1877,  Nr.  23. 

627.  Dalimil.  — Loserth,  Beiträge  zur  Kritik  des  gereimten  deutschen 
Daliinil. 

Mittheilungen  des  Vereins  für  Geschichte  der  Deutschen  in  Böhmen  14.  Jahrg. 
(1876),  Nr.  4. 

628.  Ernst.    —   Zamcke,   F.,  zu  den  Gedichten  vom  Herzog   Ernst. 
Paul  und  Biaune,  Beiträge  2,  57G — 585. 

629.  Freidank.  —  Vogt,  Dr.,   deutsche  Sinnsprüche. 

Anzeiger  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit  1876,  365  f.  Sämmtlich  (16  Zeilen)  aus 
Freidank.  Vgl.  auch  Nr.  632. 

630.  Friedricli  von  Hausen.  —  Lehfeld,  Richard,  Über  Friedrich 
von  Hausen. 

Paul  und  Braune,  Beiträge  2,  345 — 405. 

631.  Spirgatis,  M.,  die  Lieder  Friedrichs  von  Hausen.  8.  Tübingen 
1876.   Fues.   80  Pfg. 

632.  Gebet.  —  Lambel,  H.,   ein  guot  gebet. 

Germania  21,  347 — 348.   Verse  aus  Freidank:  vgl.   Germania  22,  384. 

633.  Gebete,  altdeutsche,  Mariengrüße,  Heiliggeistgrüße.   Von  A.  Holder. 
Alemannia  4,  86  —  106. 

634.  Gedichte.  —  Garthe,  H.,  altdeutsche  Verse  aus  einer  Perga- 
menthandschrift des    15.   Jahrhunderts. 

Jahrbücher  des  Vereins  von  Alterthumsfreunden    im  Kheinland  59.  Heft  (1876). 

635.  Gedicht  über  die  Gründung  der  Abtei  Altenberg.  Mitgetheilt  von 
W.   Harleß. 

Zeitschrift  des  Bergischen  Geschichtsvereins  N.  F.  11.  Bd.  1876.  S.  73—80. 
(Kölnisch.  15.  Jh.) 

636.  Holder,  Alfred,  aus   einer  Karlsruher  Handschrift. 

Anzeiger  für  Kimde  der  deutschen  Vorzeit  1876,  Sp.  200—202.  Gedicht  aus 
einer  Hs.  des  14.  Jhs. 

31* 


484  BIBLIOGRAPfflE  VON  1876. 

637.  Holstein,  Prof.,   altdeutsche  Verse  über  Hölle  und  Himmelreich. 
Anzeiger  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit  1876,  Sp.  367  f.   15.  — 16.  Jahrh. 

638.  Bächtold,   J.,   Von   dem  Hurübel. 
Germania  21,  205—209. 

689.  Geistliches.  —  Paul,  H.,  Greistliche  Stücke  aus  der  Berner  Gre- 
goriushandschrift. 

Paul  und  Braune,  Beiträge  3,  358-372.   Vgl.  5,   192. 

640.  Schönbach,   A.,   Notiz. 

Zeitschrift  für  deutsches  Alt erthum  20,  117  f.  Über  eine  deutsche  Hs.  geistlichen 
Inhalts  15.  Jh. 

641.  Gottfried    von    Straßburg.    —    Sprenger,    R. ,    zu    Gottfrieds 

Tristan. 

Zeitschrift  für  deutsche   Philologie  7,  64. 

642.  Schmidt,  C. ,  ist  Gottfried  von  Straßburg  (der  Dichter)  Straß- 
burger Stadtschreiber  gewesen?  Eine  historische  Untersuchung.  8.  (15  S.) 
Straßburg   1876.   Schmidt.   80  Pfg. 

Vgl.  Anzeiger  für  deutsches  Alterthum  1,  212  (Steinmeyer). 

643.  Hagene.   —  Merlo,  J.  J.,   Meister  Godefrit  Hagene. 
Jahrbücher  des  Vereins  von  Alterthumsfreunden    im  Rheinlande  59.  Heft.   1876. 

644.  Hartmann  von  Aue.  —  Paul,  H.,  zum  Erek. 
Paul  und  Braune,  Beiträge  3,  192—197. 

645.  Hidber,   B.,   eine  neue   Handschrift  von  Hartmanns  Gregorius. 
Paul  und  Braune,  Beiträge  3,  90-133. 

646.  Paul,  H,,  zur  Kritik  des  Gregorius. 
Ebenda  3,  133—139. 

647.  Paul,  H.,  zur  Iweinkritik. 
Paul  und  Braune,  Beiträge  3,   184—192. 

648.  Bai  er,  A.,  zur  Erklärung  von  Hartmanns  Iwein. 
Germania  21,  404-411. 

649.  Lungen,  W.,  war  Hartmann  von  Aue  ein  Franke  oder  ein 
Schwabe?  8.   (42   S.)   Jena   1876.   Deistung.   60  Pfg. 

Vgl.  Zeitschrift  für  deutsche  Philologie  7,  479. 

650.  Ow,  H.  C.  V.,  Nachtrag  zu  Hartmans  von  Owe  Heimat  und 
Stammburg. 

Germania  21,  251—252. 

651.  Heinrich  von  Freiberg.  —  Toischer,  W.,  die  Heimath  Hein- 
richs von  Freiberg. 

Mittheilungen  für  die  Geschichte  der  Deutschen  in  Böhmen.  15.  Jahrgang. 
Nr.  2  (1876). 

652.  Heldenbuch.  —  Crecelius,  W. ,  Dortmunder  Bruchstücke  einer 
Hs.  des  Heldenbuchs  aus  dem   15.  Jahrh. 

Zeitschrift  für  deutsches  Alterthum  19,  468—470.  Vgl.  20,  128. 

653.  Hildebrandslied.  —  Edzardi,  A.,  noch  einmal  das  jüngere  Hil- 
debrandslied. 

Germania  21,  51 — 53. 

654.  Hohe  Lied.  —  Hayner,  T. ,  das  St.  Trudperter  (Hohenburger) 
hohe  Lied. 

Paul  und  Braune,  Beiträge  3,  491—523.  Vgl,  Nr.  623. 

655.  Johannes.  —  Vomberg,  drei  Bruchstücke  einer  poetischen  deut- 
schen Bearbeitung  des  Lebens  Johannes  des  Täufers  aus  dem  XIL  Jahrhundert. 
8.  Marburg   1876. 

Dissertation. 


Xin.  C.  MITTELHOCHDEUTSCH.  485 

666.  Konrad  von  Würzburg.  —  Sprenger,  R.,  zu  Konrada  Schwanritter. 
Germaniii  21,  419  (. 

657.  Leutolds  von  Sähen  Gedichte.  2.  Auflage.  8.  (IX,  17  S.)  Inns- 
hiuck    1876.    Wagner.   M.  1,  20. 

658.  Marienlied.  —  Steinmeyer,   E.,  zum  Melker  Marienlied. 
Zeitschrift  für  deutsches  Alterthum  20,   127. 

659.  Holder,  A.,  der  Lobgesang  auf  die  hl.  Jungfrau  nach  der  Karls- 
ruher Handschrift. 

Germania  21,  416-419. 

660.  Der  Marner.  Herausgegeben  von  Philipp  Strauch.  8.  (186  S.) 
Straßburg   1876.   Trübner.    4  M. 

Quellen  und  Forschungen  14.  Heft.  Vgl.  Germania  22,  95  ff.  (Bartsch) ;  Revue 
critique  1876,  Nr.  45;  Jenaer  Liter.  Zeitung  1877,  Nr.  27;  Anzeiger  für  deutsches 
Alterthum  3,  118  ff.  (Schönbach). 

661.  Fischer,  Dr.,  Beiträge  zur  Litteratur,  Kritik  und  Erklärung  des 
Marner.   4.  Berlin   1876. 

Programm. 

662.  Strauch,  Ph.,   zum  Marner. 
Zeitschrift  für  deutsches  Alterthum  20,   127. 

663.  Minnesinger.  —  Paul,  H.,  kritische  Beiträge  zu  den  Minne- 
singern. 

Paul  und  Braune,  Beiträge  2,  406—560. 

664.  Bartsch,  K.,  zwei  Tagelieder. 
Germania  21,  421—424. 

665.  Lüttich,  E.  v.,  deutsche  Minnesänger  in  Bild  und  Wort.  Mit 
Text  von  H.  Holland.  1.  Lieferung,  gr.  fol.  (VHI  u.  S.  27  —  39,  mit  2  Kpftf.) 
Wien   1876.  Kaeser.    7  M.   50  Pfg. 

Vgl.  Liter.  Eundscbau  1877,  Nr.  10;  Deutsche  Rundschau  III,  9;  Nationalzeitung 
1876,  Nr.  593;  Allgem.  Zeitung:  Nr.  355;  Deutsche  Zeitung  Nr.  1778. 

666.  Mönch  von  Heilsbronn.  —  Wagner,  A, ,  über  den  Mönch  von 
Heilsbroun.  8.  (92  S.)  Straßburg  1876.  Trübner.  (Quellen  und  Forschungen 
15.   Heft.)   2  M. 

Vgl.  Anzeiger  für  deutsches  Alterthum  2,  300  ff.  (Denifle) ;  Jenaer  Liter.  Zei- 
tung 1877,  Nr  27. 

667.  Wagner,  Albrecht,  zum  Mönch  von  Heilsbronn.  Die  Münchner 
Hs.   der  Sechs  Namen  des  Fronleichnam. 

Zeitschrift  für  deutsches  Alterthum  20,  92—113. 

668.  Mystiker.  — Lichtstrahlen  aus  den  Schriften  der  katholischen 
Mystiker.  3.  Bd.  Lichtstrahlen  aus  den  Schriften  des  ehrwürdigen  Abtes  Jo- 
hannes Tauler  und  des  ehrwürdigen  Johannes  Rusbrock,  gesammelt  vom  ehrw. 
Abte  L.  Blasius.  Herausgegeben  von  M.  Jocham.  16.  (IV,  78.  IV,  95  S.)  Mün- 
chen  1876.    1  M.   20  Pfg. 

669.  Denifle,  P.  H.  S.,   das  Leben  der  Margaretha  von  Kentzingen. 
Zeitschrift  für  deutsches  Alterthum  19,  478—491. 

670.  Der  Nibelunge  Not  mit  den  Abweichungen  von  der  Nibelunge 
Liet,  den  Lesarten  sämmtlicher  Handschriften  und  einem  Wörterbuche  heraus- 
gegeben von  K.  Bartsch.  2.  Theil,  1.  Hälfte.  Lesarten.  8.  (III,  292  S.) 
Leipzig   1876.  Brockhaus.   5  M. 

Vgl.  Jenaer  Liter.  Zeitung  1876,  Nr.  20  (Paul);  Schwäbische  Kronik  Nr.  55 
(Fischer);  Wissenschaftliche  Beilage  der  Leipziger  Zeitung  Nr.  83;  Anzeiger  f.  d. 
Alterthum  4,  44  ff. 


486  BIBLIOGRAPHIE  VON  1876. 

671.  Das  Nibelungenlied  übersetzt  von  Karl  Simrock.  32.  Auflage. 
8.  Stuttgart  1876.   Cotta.    3  M. 

Vgl,  Academy  Nr.  215. 

672.  Paul,   Hermann,  zur  Nibclungenfrage. 

Paul  und  Braune,  Beiträge  3,  37.3  490.  Auch  separat  erschieuen.  Vgl.  Ijiter. 
Centralblattt  1876,  Nr.  51  (Zarncke) ;  .Jenaer  Liter.  Zeitung  1877,  Nr.  22;  Zeitschrift 
f.  d.  österr.  Gymn.  XXVIII,  5  (Schönbach);  Anzeiger  f.  d.  Alterthuin  4,  46  ff. 

673.  Fischer,  Hermann,  Entgegnung  in  Sachen  meines  Buches  Die 
Forschungen  über  das  Nibelungenlied  seit  K.   Lachmann  . 

Germania  20,  111—122. 

674.  Rehorn,   C. ,   die  Nibelungen  in   der  deutschen  Poesie.   4.   (53   S.) 
Programm  der  Musterschule  in  Frankfurt  a.  M.  1876.  Vgl.  Herrigs  Archiv  58,  100  ff. 

675.  Timm,  H.,  das  Nibelungenlied  nach  Darstellung  und  Sprache  ein 
Urbild  deutscher  Poesie.  2.  (Titel-)Auflage.  8.  (VI,  217  S.)  Leipzig  1876 
(1852).    Siegismund  und  Volkening.    2  M. 

676.  Falk,   F.,   das  Nibelungenlied  und  seine   Beziehung  zu   Worms. 
Monatsschrift  für  rheinisch-westfälische  Geschichtsforschung  2.  Jahrgang  (1876). 

677.  Oswald.  —  Edzardi,  Anton,  Untersuchungen  über  das  Gedicht 
von  Sanct  Oswald.   (IV,    108   S.)   8.   Hannover   1876.   Rümpler. 

Vgl.  Liter.  Centralblatt  1876,  Nr.  41 ;  Anzeiger  für  deutsches  Alteithura  2,  245  ff. 
(Eödiger);  Zeitschrift  f.  d.  österr.  Gymn.  28,  7. 

678.  Edzardi,  A.,   die   Stuttgarter  Oswaltprosa  (Schluß). 
Germania  21,   171-193. 

679.  Passional.  —  Jeitteles,  A.,   zum  Passional. 
Germania  21,   170  f. 

680.  Pilatus.  —  Sprenger,  R.,  zu  Pilatus. 
Zeitschrift  für  deutsche  Philologie  7,  368. 

681.  Predigtbruchstücke  II.  Von  A.  Schönbach. 
Zeitschrift  für  deutsches  Älterthum  20,  217—250. 

682.  Priameln.  —  Keller,  A.  v.,  alte  gute  Schwanke.  2.  Auflage.  8. 
Heilbronn  1876.   Henninger. 

Vgl.  Anzeiger  für  deutsches  Älterthum  2,  212  f.;  Wiener  Abendpost  Nr.  183; 
Anzeiger  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit  Nr.  8;  Europa  Nr.  36;  Nordd.  allg.  Zeitung 
Nr.   158;  Lehmanns  Magazin  1877,  Nr.  7;  Deutsche  Dichterhalle  1877,  Nr.   15. 

683.  Püterich.   —   Schrott,   J.,  zwei  Münster  in  Dörfern.   III. 
Allgem.  Zeitung  1876,  Beilage  vom  30.  April.  Handelt  von  Jacob  Püterich, 

684.  Putsch.   —   Zingerle,  J.   V.,   Ulrich  Putsch. 
Germania  21,  41—46. 

685.  Recepte   aus  dem  Anfang  des  14.  Jahrhunderts.   Von  Dr.  Heinrich. 
Anzeiger  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit  1876,  Sp.  271  —  276. 

686.  Livländische  Reimchronik  mit  kritischen  Anmerkungen  und  aus- 
führlichem Glossar  herausgegeben  von  L.  Meyer.  8.  Paderborn  1876.   Schöningh. 

Vgl.  Wissenschaftl.  Beilage  der  Leipziger  Zeitung  1876,  Nr.  7') ;  Revue  critique 
Nr.  40;  Anzeiger  f.  deutsches  Älterthum  2,  240  ff.  (Steinm.);  Liter.   Centralblatt  Nr.  51. 

687.  Berkholz,  G.,  über  einige  handschriftliche  Materialien  zur  livlän- 
dischen  Reimchronik. 

Sitzungsberichte  der  Gesellschaft  für  Geschichte  der  Ostseeprovinzen  1876.  Vor- 
trag im  J.  1875. 

688.  Reinmar  von  Zweter.  —  Wilmanns,  W.,  einige  Sprüche  Rein- 
mars von   Zweter  und  das   Tragemundslied. 

Zeitschrift  für  deutsches  Älterthum  20,  250-254. 

689.  Der   Rosengarten.  Aus  dem  Mhd.    erneut  von  H.    A.   Junghans. 
Reclams  Universalbibliothek  Nr.  760.  1876.  20  Pfg. 


XIII.  C.  MITTELHOCHDEUTSCH.  4S7 

(■)*J0.  Rudolf  von  Ems.  —  Palm,  II.,  zwei  Hiuchstücke  einer  bislicr 
unbekannten   Handschrift  des  Wilhelm   von   Orions. 

Germania  21,   197—201. 

G91.   Werner,  zwei  Fragmente  aus  der  Weltchronik   des  Rudolf  von  Ems. 

Zoitsc.hrit't  für  dcutsclies  AUcrthum  20,  416—432. 

ü02.  Schmidt,  J.,  Untersuchungen  zu  den  beiden  literarhi8tori.schen 
Stellen  Kudolfs  von   Ems. 

Paul  und  Praune,  Beiträge  3,   140  —  181. 

693.  Paul,   H.,  Bemerkungen  dazu. 
Ebenda  3,   181  —  183. 

694.  Ruprecht  von  Würzburg,  zwei  Kaufleute.  Eine  Erzählung.  Kritisch 
bearbeitet  von  RIoriz  Haupt. 

Zeitschrift  für  deutsche  Philologie  7,  65—90. 

695.  Seuse,  Heinrich,  Schriften.  Nach  den  ältesten  Hss.  in  der  jetzigen 
Schriftsprache  vollständig  herausgegeben  von  F.  H.  S.  Denifle.  1.  Band.  Deut- 
sche Schriften.  1.  Abtheilung.  Seuses  Exemplar.  8.  (IV,  224  S.)  München  1876. 
Literar.  Institut.   4  M. 

Vgl.  Wissensch.  Beilage  der  Leipziger  Zeitung  1877,  Nr.  82. 

696.  Preger,  W.,   die  Briefbücher  Susos. 
Zeitschrift  für  deutsches  Alterthum  20,  373—415. 

697.  Spervogel.  —  Schneider,  R.,  Spervogels  Lieder  für  die  Schule 
erläutert  und  mit  einem  Glossar  versehen.  4.  (21  S.)  Programm  der  Realschule 
1.  Ordnung  in  Halberstadt  1876. 

698.  Sündenklage.   —  Rödiger,  M.,  die  Millstätter  Sündenklage, 
Zeitsclirift  für  deutsches  Alterthum  20,  255—323. 

699.  Titurel.  —  Zamcke,  Fr.,  der  Graltempel.  Vorstudie  zu  einer 
Ausgabe  des  Jüngern  Titurel.    4.  Leipzig   1876. 

Abhandlungen  der  k.  sächs.  Gesellsch.  der  Wissensch.  VII,  373 — 454.  Vgl.  Lit. 
Ceutralblatt  1876,  Nr.  43  (F.  Z.);  Anzeiger  für  deutsches  Alterthum  3,  167  ff.  (Stein- 
meyer); Jenaer.  Liter.  Zeiung  1877,  Nr.  43  (Strobl). 

700.  Treutier,  H.,  Bruchstück  einer  Handschrift  des  jüngeren  Titurel. 
Germania  21,  153 — 156. 

701.Milchsack,  G.,  Bruchstücke  von  drei  Handschriften  des  jungem  Titurel. 
Germania  21,  157—169. 

702.  Zarncke,  F.,  Wolfenbüttler  Bruchstück  des  jungem  Titurel. 
Germania  21,  431—434. 

703.  Tusch,  H.  Erhart,  die  burgundisch  Hysterie.  Eine  Reimchronik  1477. 
Herausg.  von  E.  Wendung  u.  A.  Stöber.   8.  (11 1  S.)   Colmarl876.   Barth.   2  M. 

Auch  in:  Alsatia  1875—76. 

704.  Ulrich  von  Eschenbach,  Wilhelm  von  Wenden.  Herausgegeben  von 
W.   Toischer. 

Bibliothek  der  mittelhochdeutschen  Litteratur  in  Böhmen.  Herausgegeben  von 
E.  Martin.  1.  Band.  8.  Leipzig  1876,  Brockhaus  iu  Comm.  6  M.  Vgl.  Jenaer  Liter. 
Zeitung  Nr.  48;  Liter.  Centralblatt  1877,  Nr.  20;  Anzeiger  für  deutsches  Alterthum  3, 
107  ff.  (Martin);  Zeitschrift  für  deutsche  Philologie  8,  349  ff. 

705.  Martin,   E.,   ein  deutscher  Dichter  am  böhmischen  Königshofe. 
Im  neuen  Reich  1876,  Nr.  45. 

706.  Ulrich  von  Winterstetten.  —  Oeynhausen,  J.  Graf  von,  die 
Schenken  von   Winterstedt. 

Vierteljahrsschrift  lür  Heraldik,  Sphragistik  und  Genealogie,  1876.  1.  Heft. 

707.  Ulrich  von  Zazikhoven.  —  Sprenger,  R.,  und  J.  Zacher, 
kritische  Bemerkungen  zu  mhd.  Gedichten. 

Zeitschrift  für  deutsche  Philologie  7,  92 — 94, 


488  BIBLIOGRAPHIE  VON  1876. 

708.  Walthers  von  der  Vogelweide  Gedichte  übersetzt  von  Karl  Sim- 
rock.   6.   Auflage.   8.   (XXXIX,   360   S.)  Leipzig   1876.   Hirzel.   5  M. 

709.  Walthers  von  der  Vogelweide  sämmtliche  Gedichte.  Über- 
setzt von  K.  Pannier.    (177   S.)  Leipzig   1876.   Reclam.   80  Pfg. 

Reclams  Universalbibliothek  Nr.  819.  820. 

710.  Zarncke,  F.,  zu  Walthers  Elegie. 
Paul  und  Braune,  Beiträge  2,  674—576. 

711.  Zingerle,   J.    V.,  zu  Walther  von   der  Vogelweide. 
Germania  21,  193—196. 

712.  Zingerle,  J.  V.,  Walther  von  der  Vogelweide. 
Wiener  Abendpost  1876,  Nr.  108. 

713.  Schönbach,  A.,   Walther  von   der  Vogelweide. 
Zeitschrift  für  deutsches  Alterthum  19,  497  f. 

714.  Anzoletti,  P.,  zur  Heimatfrage  Walthers  von  der  Vogelweide.  8. 
Bozen  (Innsbruck,   Wagner)   1876.    1  M.   50  Pfg. 

715.  Jauker,  Prof.  C,  das  Verhältniss  Walthers  von  der  Vogelweide 
zu   Reinmar  dem  Alten. 

Programm  des  Gymnasiums  zu  Hern  1875.  Vgl.  Herrigs  Archiv  57,  109. 

716.  Grimm,  Adolf,  über  die  politische  Dichtung  Walthers  von  der 
Vogelweide.   4.   Schwerin   1876.  Programm   des  Gymnasiums. 

Vgl,  Herrigs  Archiv  58,  104. 

717.  Thaner,  die  Sprüche  Walthers  von  der  Vogelweide  über  Kirche 
und  Reich.    8.  Nördlingen   1876.    Beck.   80  Pfg. 

Vgl.  Liter.  Centralblatt  Nr.  42;  Deutsche  Zeitung  Nr.  1592;  Kritische  Viertel- 
jahrsscbrift  XVIH,  4;  Jen.  Liter.  Zeitung  1877,  Nr.  3. 

718.  Gumpert,  die  sittliche  Lebensanschauung  Walthers  von  der  Vogel- 
weide.  4.    1876. 

Programm  der  Realschule  zu  Würzen.  Vgl.  Herrigs  Archiv  58,  104. 

719.  Pechel,  Ludwig,  die  kulturhistorischen  Momente  in  der  Dichtung 
Walthers  von  der  Vogelweide.   4.   (22   S.)  Malchin   1876. 

Programm;  zugleich  Rostocker  Dissertation. 

720.  Zingerle,  J.  V.,  Fro  Bone. 
Germania  21,  47. 

721.  Der  Weinschwelg  mittelhochdeutsch  und  neuhochdeutsch  heraus- 
gegeben von  K.  J.  Schröer.    16,   (X,   45   S.)  Jena   1876.   Frommann. 

Vgl.  Deutsche  Zeitung  Nr.  1839;  Alma  Mater  I,  11;  Wiss.  Beilage  der  Leipziger 
Zeitung  Nr.  78. 

722.  Wernher  der  Gartenaere,  Maier  Helmbrecht.  Die  älteste  deutsche 
Dorfgeschichte.  Aus  dem  Mittelhochdeutschen  übersetzt  von  Karl  Pannier.  8. 
(92   S.)   Cöthen  1876.    Schulze.    1  M.   50  Pfg. 

Vgl.  Über  Land  und  Meer  Nr.  51 ;  Bildungs- Verein  IV,  39 ;  Lehmanns  Magazin 
1877,  Nr.  6. 

723.  Sprenger,  R.,  zum  Meier  Helmbrecht. 
Germania  21,  348—350. 

724.  Wirnt.  —  Pudmenzky,  Bruno,  über  Wirnts  Ausdrucksweise  mit 
besonderer  Rücksicht  auf  Hartmann  und  Wolfram.   8.  (36   S.)  Halle   1876. 

Dissertation. 

725.  Wolframs  von  Eschenbach  Parzival  und  Titurel.  Herausgegeben 
von  Karl  Bartsch,   2.  Theil.   2.  Aufl.    8.  Leipzig   1876.  Brockhaus.   3  M.  50  Pfg. 

Deutsche  Classiker  des  Mittelalters  10.  Bd.  Vgl.  Deutsche  allg.  Zeitung  Nr.  257. 

726.  Wolfram  von  Eschenbach,  Parzival  und  Titui-el.  Ritterge- 
dichte. Übersetzt  und  erläutert  von  K,  Simrock.  5,  Auflage.  8.  (376  S.) 
Stuttgart  1876.  Cotta.   10  M. 


XUI.  C.  MITTELHOCHDEUTSCH.  489 

727.  Sicvers,   E.,  zum  Parzival. 

Zeitschrift  für  deutsches  Alterthum  20,  215  f.  zu  P    2,  20  ff. 

728.  Zettel,   K.,   zu  einer  kritischen   Stelle  des    „Parzival" 
Blätter  f.  d.  bayer.  Gymuasialschulwesen  XII,  J   (1876). 

729.  Bötticher,  G.,  über  die  Eigenthümlichkeiten  der  Sprache  Wolframs. 
Germania  21,  257—332. 

730.  Bartsch,  K.,  Wolframs  von  Eschenbach  Parzival  als  psychologi- 
Bches  Epos. 

Der  Salon  1876,  S.  41—48,  200—206. 

731.  Piderit,  K.  W. ,  Bilder  aus  Parzival.  Ein  Cyclus  von  Vorträgen. 
8.  (VII,   286   S.)   Gütersloh    1875.  Bertelsmann.   2  M.   70  Pfg. 

732.  Bobertag,  F.,  Valentin  Schumann  und  Michael  Lindener,  zwei 
deutsche  Humoristen  des  XVI.   Jahrhunderts. 

Archiv  für  Literaturgeschichte  6  (1876),   129—149. 

733.  Schnorr  von  Carolsfeld,  F.,  über  Klaus  Narr  und  M.  Wolfgang 
Bütner. 

Archiv  für  Literaturgeschichte  6  (1876),  277—328. 

734.  Alberus.   —   Crecelius,   W.,  Erasmus  Alberus. 
Archiv  für  Literaturgeschichte  6  (1876),   1 — 20. 

735.  Ayrer,  Jac,  die  ehrliche  Bäckin  mit  ihren  drei  vermeinten  Liebsten. 
Ein  Possenspiel.   8.   (26   S.)  Wien  1876.  Roßner.   1  M. 

Neues  Wiener  Theater  Nr.  65. 

736.  Wolff,  Th.,  zur  Kenntniss  der  Quellen  von  Jacob  Ayrers  Schau- 
spielen.  4.   (26    S.)   Berlin    1875. 

Programm  der  Luisenstädtischen  Gewerbeschule. 

737.  Cysat.  —  Archiv  für  schweizerische  Geschichte.  20.  Band.  8. 
Zürich   1876.  Höhr. 

Enthält  von  Prof.  Hidber  in  Bern  eine  Biographie  von  dem  Luzerner  Stadt- 
schreiber Rennward  Cysat. 

738.  Fischart,  Johann,  Aller  Praktik  Großmutter.  Abdruck  der  ersten 
Bearbeitung  (1572).   8.   (VI,   32   S.)   Halle  a.   S.   1876.   Lippert    60  Pfg. 

Neudrucke  deutscher  Litteraturwerke  des  XVI.  und  XVH.  Jahrhunderts  Nr.  2. 
Vgl.  Liter.  Centralblatt  44;  Allg.  Zeitung  304. 

739.  Dederding,  zur  Charakteristik  Fischarts.  4.  (24  S.)  Programm 
der  Luisenstädtischen  Gewerbeschule  in   Berlin    1876. 

Vgl.  Herrigs  Archiv  58,   104  f. 

740.  Flexel.  —  Camesina,  A. ,  das  große  Freischießen  im  Jahre 
1563.   Besungen   durch  den  Augsburger  Pritschenmeister  Lienhart  Flexel. 

Blätter  des  Vereins  für  Landeskunde  von  Niederösterreich.  N.  F.  9.  Jahrg.  1876. 

741.  Franck.   —   Weinkauff,   F.,   Zwei  Briefe  Sebastian  Francks. 
Alemannia  4,  24 — 30. 

742.  Geiler  von  Kaisersberg.  —  Dacheux,  L.,  un  reformateur  ca- 
tholique  ä  la  fin  du  XV  si^cle.  Jean  Geiler  de  Kaysersberg,  predicateur  k  la 
catht^drale  de  Strasbourg.  1478 — 1510.  Etüde  sur  sa  vie  et  son  temps.  8. 
(583   und  XCVI  S.)  Paris   1876   (Strasbourg). 

743.  Johann  von  Morßheim,  —  Köhler,  H.,  abermals  Johann  von 
Morßheim. 

Germania  21,  66. 

744.  Luthers  vermischte  Predigten.  Herausgegeben  von  Enders.  1.  Band. 
8.  Erlangen   1876. 

Vgl.  Grenzboteu  1877,  Nr.  22. 


490  BIBLIOGRAPHIE  VON  1876. 

745.  RoUenhagen,  6.,  Froschmeuseler.  Herausgegeben  von  K.  Goedeke. 
2   Theile.   8.   Leipzig  1876.   Brockhaus,  ä  3  M.   50  Pfg. 

Deutsche  Dichter  des  16.  Jaluhunderts  herausgeg'eben  von  K.  Goedeke  iind 
J.  Tittmann.  8.  und  9.  Band.  Y^\.  Westeiraaiins  Monatshefte  Nr.  247;  Blätter  für 
liter.  Unterhaltung  1877,  Nr.   19. 

746.  Sachs,  Hans,  das  heyßEisen,  ein  Nürnberger  Fastnachtsspiel.  Schwank. 
16.   (28   S.)   Wien   1876.   Wallishauser.    1  M. 

747.  Sachs,  Hans,  das  heyß  Eisen.  Ein  Fastnachtsspiel  auf  frewdiger 
Schawbine  eröflfnet.   8.   (16   S.)   Wien   1876.  Roßner.   80  Pfg. 

Neues  Wiener  Theater  Nr.  64. 

748.  Haueis,  E.,  Hans  Sachs,  Lobspruch  der  Hauptstadt  Wien  in 
Österreich.  Zum  ersten  Male  nach  dem  hs.  Texte  herausgegeben  und  mit  Ein- 
leitung und  Anmerkungen  versehen.  8.  (22  S.)  Programm  des  Landes-ßealgym- 
nasiums  in  Baden  bei  Wien   1876. 

749.  Lützelberg  er,  E.  K.  J.,  Hans  Sachs.  Sein  Leben  und  seine  Dich- 
tung. Eine  Festgabe.  2.  Ausgabe.  8,  (VI,  220  S.)  Nürnberg  1876.  Ebner. 
M.  2,  50. 

750.  Bu ebner,   W.,  Hans  Sachs. 
Sonntagsblatt  von  F.  Michels  1876,  Nr.  5. 

751.  Salat,  Hans.  Ein  schweizerischer  Chronist  und  Dichter  aus  der  ersten 
Hälfte  des  16.  Jahrhunderts.  Herausgegeben  von  Dr.  J.  Baechtold.  8.  (XH, 
308    S.)   Basel   1876.   Bahnmaier.   M.  6,  40. 

Vgl.  Liter.  Centralblatt  Nr.  45;  Bibliographie  der  Schweiz  VI,  6.  7;  Im  neuen 
Reich  Nr,  42;  Revue  critique  Nr.  52;  AUgem.  Zeitung  Nr.  348;  Lehmanns  Magazin 
1877,  Nr.  14;  Theolog.  Literaturblatt  21;  Histor.  Zeitschrift  N.  F.  II,  3;  Archiv  für 
Literaturgeschichte  7,  260  ff. 

752.  Schmeltzels  Vorwort  zu  seinem  Liederbuche  von   1544. 
Monatshefte  für  Musik-Geschichte.  8.  Jahrgang.    1876. 

753.  Weidner,  Johann  Jacob,  von  W.  Crecelius. 
Alemannia  4,  30—33. 

754.  Wüst.  —  Weinkauff,  F.,  Paul  Wüst,   ein  schwäbischer  Jongleur. 
Alemannia  4,  181 — 184. 


D.  Altsächsisch. 

755.  Heliand.  Herausgegeben  von  Heinrich  Rückert.  8.  (XLHI,  808  S.) 
Leipzig   1876.   Brockhaus.   M.  3,  50. 

Deutsche  Dichtungen  des  Mittelalters.  4.  Band.  Vgl.  Germania  22,  226  flf. 
(Behaghel);  Deutsche  Zeitung  Nr.  1704;  D.  Allg.  Zeitung  Nr.  257;  Jen.  Liter.  Zeitung 
1877,  2  (Sievers). 

756.  Behaghel,   Otto,   zum  Heliand. 
Germania  21,   139—153. 

757.  Behaghel,   0.,  zu  den  kleinen  altniederdeutschen  Denkmälern. 
Germania  21,  202—205. 


E.  Mittelniederdeutsch. 

758.  Sprenger,  R..    zur  mittelniederdeutschen  Litteratur. 
Germania  21,  352  f. 

759.  Cosijn,  P.  J.,   middelsaksisch. 
Taalkundige  Bijdragen  1,  84— 9.S. 


XIII    E.  MITTELNIEDEKDEUTSCII.  F.  MITTELNIEDERLÄNDISCII.     491 

7G0,  Moniimcnta  Germaniae  historica,  Scriptoruin  qui  vern;icul;i  lingua 
usi  sunt  I.  IT.  Deutsche  Chroniken  und  andere  Geschichtsbüclior  des  Mittel- 
alters.   2.   Band.    4.   (VI,    709    S.)   Hannover    1877.   Hahn. 

Enthält:  Sächsisclie  Weltcliroailc ,  hcrausfresrebeu  von  L.  Weiland,  nebst  den 
Fortsetzungen;  Elicrhards  Ixeimchronik  von  Gaudersheim,  ed.  Weiland;  Hraunschwei- 
gischo  Reiinclironik,  ed.  Weiland;  Chronik  des  Stiftes  S.  Simon  nnd  Jud.-is  in  (Joslar, 
ed.  Weiland;  Holsteinische  Keinichronik,  ed.  Weiland;  Kegister  von  O.  Holdcr-Egger ; 
Glossar  von  Pli.  Strauch. 

761.  Niedersächsisehe  geistliche  Gcd i eh te,  mitgetheilt  von  Prof.  Mantels. 
Zeitschrift  des  Vereins  für  Lnbeckische  Ge.schichte  III,  3  (1876). 

762.  Culemaun,   F.   G.  II.,   Lobgedicht  auf  die   Stadt  Braunschweig. 
Jahrbuch  des  Vereins  f.  nd.  Sprachforschung  I,  56  f. 

763.  Walther,   C,   Hamburger  mittelniederdeutsche  Glossen. 
Jahrbuch  des  Vereins  f.  nd.  Sprachforschung,  I,  15  — öl. 

764.  Krause,   K.   E.   H.,   zum  Leben  Jesu. 

Zeitschrift  für  deutsches  Alterthum  19,  471   f.  Nicht  mnl,  sondern  mnd. 

765.  Mantels,  W. ,  aus  einem  niedersächsischen  Pfarrherru  von  Ka- 
1  enberjo^. 

Jahrbuch  etc.  1875,  S.  66—71. 

766.  Kohlmanu,  K.,  die  Braunschweiger  Reimchronik  auf  ihre  Quellen 
geprüft.  Kiel   1876.  Haeseler.   3  M. 

Vgl.  Histor.  Zeitschrift  N.  F.  I,   1;  Jenaer  Liter.  Zeitung  1877,  Nr.  18. 

767.  Sprenger,   R.,   zu  Reinke   Vos. 
Germania  21,  350  f. 

768.  Walther,   C,   Mundartliches   im  Reineke  Vos. 
Jahrbuch  des  Vereins  für  nd.  Sprachforschung  1875,  S.  92—101. 

769.  Das  Scebuch.  Von  Karl  Koppmann.  Mit  einer  nautischen  Ein- 
leitung von  Arthur  Breusing.  Mit  Glossar  von  Christoph  Walther.  8.  (LHI, 
130   S.)  Bremen   1876.   Kühtmann. 

Vgl.  Germania  21,  448  (K.  B.);  Die  deutschen  Mundarten  VII,  507  f. ;  Liter.  Cen- 
tralblatt  1877,  Nr.  37;  Zeitschrift  für  deutsches  Alterthum  21,  29  ft'.  (Strauch);  Jen. 
Lit.  Zeitung  Nr.  42    (Sievers). 

770.  Ein   alter  niederdeutscher   Codex  der  Imitatio   Christi. 
Der  Katholik.  18.  Jahrg.  December  1876. 

771.  Lübben,   A.,  Niederdeutsche  Tischzucht. 
Germania  21,  424—430. 

772.  Des  Dodes  danz  herausgegeben  von  E.  Baethke.  8.  Tübingen  1876. 
127.  Publication  des  litter.  Vereins.  Vgl.  Liter.  Centralblatt  1876,  Nr.  30. 

773.  Mantels,  W.,   Zwiegespräch  zwischen  Leben  und  Tod. 
Jahrbuch  etc.  1875,  S.  54—56. 

F.  Mittelniederländisch. 

774.  Flandrijs.  Fragmente  eines  mittelniederländischen  Rittergedichtes. 
Zum  ersten  Male  herausgegeben  von  Joh.  Franck.  8.  Straßburg  1876.  Trüb- 
ner.  4  M. 

Vgl.  Zeitschrift  für    deutsches  Alterthum  21,  54—56  (Martin);    De  Bode  Nr.  1. 

775.  Jacob  van  Maerlants  Spieghel  historiael.  2.  partie,  bewerkt 
door  Philip  Utenbrocke.  Uitgegeven  door  F.  v.  Hellwald,  onder  medewerking 
van   M.   de  Vries  en  E.   Verwijs.   5.  Aflevering.   4.  Leiden    1876.   3  M. 

776.  De  Roman  der  Lorreinen  (Nieuw  entdeckte  Gedeelten)  uitgegeven 
door  J.   C.  Matthes.   8.   Groningen   1876.   Wolters. 

17.  Lieferung  der  Bibliothek  van  middelnl.  Letterkunde.  Vgl.  Zeitschrift  für 
roman.  Philologie  1,  137—144  (Stengel). 


492  BIBLIOGRAPHIE  VON  1876. 

777.  Vos,  C.  M.,  nieuwe  mysteriespelen. 
De  Gids  1876,  S.  265  ff. 

778.  Habets,  Jos.,  De  echtverbintenis  van  Maria.  Een  Limburgsch 
mysteriespel  en  eene  legende  uit  het  begin  der  XVI'*'^  eeuw.  8.  (18  S.) 
Roermond   1876.  Romen.   25  c. 

779.  De  nederlandsche  Ogier  door  J.   C.   Matthes.   8.  (27   S.) 
Taal-  eu  Letterbode  1876.   Vgl.  Romania  1876,  S.  383  f.  (G.  P.) 

780.  Verwijs,   E.,  De  Rinclus. 

Verslagen  en  Mededeelingen  der  k.  Ak.  van  Wetenschappen  1876,  S.  153  flf. 

G.  Angelsächsisch. 

781.  Beowulf:  a  heroic  poem  of  the  eighth  Century.  With  a  trans- 
lation,  notes  and  appendix  by  Th.  Arnold.  8.  (264  S.)  London  1876.  Long- 
mans,   Green  a.   Co.    12  s. 

Vgl,  Liter,   Centralblatt  1877,  Nr.  20  (Wülcker). 

782.  Botkine,  L.,  Beowulf^  ^pop^e  anglo-saxonne.  Analyse  bistorique 
et  geographique.  8.  (22  S.)  Le  Havre  1876. 

783.  Kölbing,  E.,  zur  Beövulf-Handschrift. 

Archiv  für  das  Studium  der  neueren  Sprachen  56  (1876),  S.  91 — 118. 

784.  Wülcker,  R.,  über  den  Hymnus  Caedmons. 
Paul  und  Braune,  Beiträge  3,  348—357, 

785.  Be  Domes  Daege,  De  die  judicii,  an  old  english  version  of  the 
latin  poem  ascribed  to  Bede,  edited  by  J.  R.  Lumby.  8.  (VIII,  87  S.)  London 
1876.   Trübner.    2  sh. 

Early  English  Text  Society. 

786.  Bückling  Homilies,  the,  of  the  tenth  Century.  Edited  by  R.  Morris. 
Part.  2.   8.  London   1876.  Trübner.   4  sh. 

Early  English  Text  Society. 

H.  Mittelenglisch. 

787.  Alexi  usli  eder ,  zwei,  herausgegeben  von  C.  Horstmann. 
Archiv  für  das  Studium  der  neueren  Sprachen  56  (1876),  391—416. 

788.  Kölbing,  E.,   zu  der  Auci-en  Riwle. 
Jahrbuch  für  romanische  Literatur  15,   179  —  197. 

789.  Monfries,  Alex,,  introduction  to  the  study  ofChaucer.  12.  (140  S.) 
Edinburgh   1876.    2  sh. 

790.  Furnivall,  the  Character  ofChaucer's  prioress,  illustrated  by  the 
Paper  Survey  of  St.  Mary's  Abbey,   Winchester. 

Publication  der  Chaucer  Society  1876. 

791.  Engel,  J.,  kritische  Bemerkungen  über  A  remarkable  fragment  of 
an  Old  English   Chronicle   (ed,   by  Th.   Hearne).   8.   (62   S,) 

Göttinger  Dissertation  1876. 

792.  Cursor  Mundi  (The  Cursor  of  the  World).  A  northumbrian 
poem  of  the  14,  Century.  Edited  by  R,  Morris.  Part.  3.  8.  London  1876. 
Trübner. 

Early  English  Text  Society, 

793.  Embleme  s  and  Epigrames  edited  by  F.  J.  Furnivall.  8,  Lon- 
don  1876. 

Early  English  Text  Society, 


XIII.  H.  MITTELENGLISCH.  I,  ALTNORDISCH.  493 

794.  Gregorius  auf  dem  Steine.  Aus  Mb.  Verrion  p.  44.  Herausgegeben 
von   Dr.   C.   Horstmann. 

Henigs  Archiv  55  (1876»,  407—438.  Vgl.  Germania  21,  437  ff  (Kölbing) ;  An- 
zeiger für  deutsches  Alterthum  3,  86  ff.  (Zupitza). 

795.  Schulz,  Fritz,  die  englische  Gregor-Legende  nach  dem  Auchinlek 
Ms.  mit  Anmerkungen  und  ausführlichem  Glossar.  8,  Königsberg  1876.  Här- 
tung.   4  M. 

Dissertation.  Vgl.  Wissensch.  Monatsblätter  1876,  Nr.  12;  Anzeiger  für  deut- 
sches Alterthum  3,  86  ff.  (Zupitza);  Germania  21,  437  ff.  (Kölbing). 

796.  W^issmann,  Theodor,  King  Hörn.  Untersuchungen  zur  miftel- 
englischen  Sprach-  und  Litteraturgeschichte.  (Quellen  und  Forschungen  XVJ.). 
8.   Straßburg   1876.   Trübner.   3  M. 

Vgl.  Revue  critique  1876,  Nr.  49;  Englische  Studien  1,  351   ff.  (Stimming). 

797.  Wülcker,  R.,  über  die  Quellen  Layamons. 
Paul  und  Braune,  Beiträge  3,  524 — 555. 

798.  Marienlegenden,  altenglische,  aus  Ms.  Vernon  zum  ersten  Mal 
herausgegeben  von  Dr.    Carl  Horstmann. 

Archiv  für  das  Studium  der  neueren  Sprachen  56  (1876),  221 — 236, 

799.  Zupitza,   J.,   Englisches  aus  Prudentiushandschriften. 
Zeitschrift  für  deutsches  Alterthum  20,  36—45. 

800.  A  reprint  in  facsimile  of  a  treatise  spekynge  of  the  arte  and 
crafte  to  know  well  how  to  dye.  Translated  out  of  Frenshe  in  to  Englyshe 
by  Will.  Caxton.  (25  S.)   1876.   16  sh. 

I.   Altnordisch. 

801.  Edda.  —  Die  Lieder  der  älteren  Edda  (Stemundar  Edda),  herausg. 
von  Karl  Hildebrand.   8.   (XIV,  323   S.)   Paderborn   1876.   Schüuingh. 

Vgl.  Germania  21,  376  Ö'.  (Kölbing);  Liter.  Centralblatt  Nr.  31  (Edzardi)  ;  Gott. 
Gel.  Anzeigen  1877,  Nr.  21  (Wilken);  Revue  critique  Nr.  14;  Zeitschrift  f.  d.  Philo- 
logie 8,  483  ff.  (Gering). 

802.  Edda,  die,  die  ältere  und  jüngere,  nebst  den  mythischen  Erzäh- 
lungen der  Skalda  übersetzt  und  mit  Erläuterungen  begleitet  von  K.  Simrock. 
6.   Auflage.   8.   (VIII,   462   S.)  Stuttgart  1876.   Cotta.   8  M. 

803.  Die  Edda.  Götterlieder  und  Heldenlieder  aus  dem  Altnordischen. 
Von  H.  V.  V^^olzogen.    1  M.   20  Pfg. 

Reclams  Univ.  Bibl.  781 — 784.  Vgl.  Sonntagsbeilage  der  N.  Preuß.  Zeitung 
1876,  Nr.  45. 

804.  Kichert,  försök  tili  belysning  af  mörkare  og  oförstädda  stallen  i 
den  poetiska  eddan.   8.   (IH,   57   S.) 

o 

In:    Upsala  Universitets  Arsskrift  1876  —  77. 

805.  Hamäismal.  Aus  den  Vorarbeiten  zu  einer  neuen  Ausgabe  der 
sogenannten   Ssemundar-Edda.   Von   S.   Bugge. 

Zeitschiift  für  deutsche  Philologie  7  (1876),  377—406.  454. 

806.  Kölbing,   E.,  zu  Oegisdrekka. 
Germania  21,  27  f. 

807.  Rigs  Sprüche  (Rigs  Mal)  und  das  Hyndla-Lied  (Hyndlu-liod). 
Zwei  sozial-ethische  Gedichte  der  Saemunds-Edda  erklärt  von  F.  W.  Bergmann. 
8.   (XIX,    188   S.)   Straßburg   1876.   Trübner.   4  M. 

Vgl,  Liter,  Centralblatt  1877,  Nr.  22  (Edzardi). 

808.  Nordens  seldste  digt  (V0lvespa),  oplyst  og  oversat  af  Fr.  Hain- 
merich.  (VI;  138  S.)  (Mit  Titelbild  u.  Melodie  von  V.)  Kebh.  1876.  Gyldendal. 


494  BIBLIOGRAPHIE  VON  1876. 

809.  Runen.  —  Nyfunna  svenska  runstenar. 
Dybeck,  Ruua  II,  3.   1876. 

810.  Stephens,  G.,  Runstenen  fran  Skel. 

Bidrag  tili  kännedom  om  Göteborgs  och  Bohusläns  fornminnen  och  historia, 
S.  166—174, 

811.  Dybeck,  ß.,  Sveriges  rmmrkunder.  I  7.  Fol.  (S.  39—40,  pl.  68 
bis   73),  II  6.  Fol.   (S.   27—28,  pl.   50—65).  Stockholm   1876.   6  kr. 

812.  Stephen  s,  Gr.,   En  svensk  historisk  runbaktreat. 
Sveuska  fornminnesföreningens  tidskrift  III,  S.   47 — 64. 

813.  Wimmer,  L.  F.  A.,  die  Runensteine  des  sogenannten  JaelHngekreds  . 
In:  Opuscnla  philol.  ad  J.  H.  Madvigium  missa  1876.  Kopenh.  Gyldendal. 

814.  Kohn,   Albin,   die  Mikorzyner  Runensteine. 
Zeitschrift  für  Ethnologie  8.  Jahrgang  (1876),  8.  Heft. 

815.  Sagas.  —  Nordiske  Heltesagaer.  Paa  Dansk  ved  Fr.  Winkel 
Hern.    8.    (XIV,   306   S.)  Kobenhavn   1876. 

Enth. :  Völsunga  S..  Nornagests  S.,  Hervarar  S.,  Sörla  S.  sterka.,  Asmundar  S., 
Hrolfs  S.  kraka. 

816.  Billeder  af  Livet  paa  Island.  Islandske  Sagaer.  Paa  Dansk  ved 
Fr.   W.   Hern.   3.    Sämling.   (297    S.)   Kjöbh.    1876. 

S.:  Germ.  XX,  Nr.  779. 

817.  Storm,  Gust.,  Om  Indskudene  i  „Fagrskinna".  8.  (28  S.)  (Chri- 
stiania-Vidensk.-Selsk.   Forhandl.   for   1875.) 

818.  Sagan  af  Holta-r  ori.  Utgefandi:  Magnus  Sigurttsson.  8.  (24  S.) 
Reykjavik   1876. 

819.  Köhler,  Reinhold,  zur  Mägus-Saga. 
Germania  21,   18—27. 

820.  Thomas  Saga  Erkibyskups.  Edited  by  Eirikr  Magnusson.  Lon- 
don  1875. 

Vgl.  Academy  1876,  22.  Januar  (Warner). 

821.  Symons,   B.,  Untersuchungen  über  die  sogenannte  Völsunga  Saga. 
Paul  und  Braune,  Beiträge  3,   199  —  303. 

822.  Storm,  Gust.,  Om  Haandskrifterne  af  Thjodrek  Munk.  8.  (8  S.) 
(Christiania-Vidensk.-Selsk.   Forhandl.   for   1875.) 

Über  Theodoricus  monachus  s.  Catalogus  p.  55. 

823.  Äldre  Västgötalagen.  Normaliserad  text.  (Utg.  af  E.  Schwartz 
och  A.   Noreen).   8.   (XII,   67   S.)  Upsala   1876.   Schultz.    1  kr.   25  ö. 

824.  Diplomatariu  m  Islandicum.  Islenzkt  forn  bi'efa  safn,  sem  hefir 
inni  art  halda  bret  og  gjörnfnga,  doma  og  maldaga  og  adrar  skrär,  er  snerta 
Island  eda  i'slenzka  menn.  Gefid  üt  af  hinu  islenzka  bökmentafelagi.  I.  bindi: 
834—1264.    Kaupmannahöfn    1857—76. 

Bearbeiter  ist  J6n  Sigurdsson. 

K.   Altschwedisch. 

825.  Stockholms  stads  jordebok  1420 — 1474.  Utg.  af  kongl.  Samfundet 
för  utgifvande  af  handskrifter  rörande  Skandinaviens  historia  genom  H.  Hil- 
debrand. (De  Svenska  stadsböckerna  frän  äldre  tid.  I.)  8.  (458  S.)  Stock- 
holm 1876.   Haeggström.   7  kr.   50  ö. 

826.  Johan  Gcrsons  bok  om  djefvulens  frestelse.  Ofversatt  af  Ericus 
Nicolai.  Tryckt  i  Stockholm  1495.  Fotografiskt  atergifven  efter  det  enda  ex. 
8.  (49  S.)  Stockholm   1876.   5  kr. 

* '         Samlingar  etc.  H.  66. 


XIII.  L.  MITTELLATEINISCHE   POESIE.  495 

L.   Mittellateinische  Poesie. 

827.  Wattenbach,   W. ,  mittelalterliche   Umarbeitung  latein  claasiacher 

Dichtungen. 

Anzeiger  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit   1876,  Sp.  75 — 77. 

828.  Klein,  J.,   Zu  den  versus   Scoti  cuiusdam  de  alphabeto. 
Rheinisches  Museum  N.  F.  31,  465  ff.  (1876). 

829.  Carmina  clericorum,  Studentenlieder  des  12.  und  13.  Jahr- 
hunderts edidit  domus  quaedam  vetus.  2.  Auflage  1876.  Heilbronn  187G. 
Henninger. 

Vgl.  Kölnische  Zeitung  1876,  166:  Nordd.  Allg.  Zeitung  Nr.  155;  Im  neuen  Reich 
37;  Eixropa  36;  Deutsche  Zeitung  Nr.  1662;  Blätter  für  das  bayer.  Gymu.  XII,  6; 
Jen.  Liter.  Zeitung  1876,  50. 

830.  Meyer  v.  Knonau,  G.,  die  Ekkeharte  von  St.  Gallen.  Vortrag. 
8.  Basel    1876.   Schwoighauser. 

831.  Henkel,  über  den  historischen  Werth  der  Gedichte  des  Ermoldus 
Nigellus. 

Programm  der  holi.  Bürgerschule  in  Eilenburg  1876.  4.  (22  S.) 

832.  Zink,  B.,  über  Roswithas  Carmen  de  gestis  Oddonis.  8.  Leipzig 
1876,  Keßler.   2  M.   50  Pfg. 

833.  Huebaldi  Elnonensis  monachi  de  Laude  calvorum  carmen  mirabile. 
Le  poeme  admirable  d'Hucbald,  moine  de  Saint-Amand ,  k  la  louange  des 
chaiives.   Avec  preface  par  J.   Dessilve.   8.   (63    S.)   Valenciennes   (1876). 

834.  Watten bach,   W.,  zu  dem  Gedicht  über  den  Mongoleneinfall. 
Forschungen  zur  deutschen  Geschichte  16,  370  f.  (1876). 

835.  Gedicht  an   Bischof  Sigebert  von  Minden  (1022)  von  E.  Dümmler. 
Anzeiger  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit  1876,  Sp.  289—291. 

836.  Dümmler,   E.,   Gedieht  Walahfrids  an  Kaiser  Lothar. 
Zeitschrift  für  deutsches  Alterthum  21,  462 — 466. 

837.  Dümmler,   E.,   Gedichte  aus  Frankreich. 

Neues  Archiv  der  Gesellschaft  für  ältere  deutsche  Geschichtskunde  II,  1  (1876). 

838.  Dümmler,   Reichenauer  Reliquien. 

Anzeiger  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit  1S76,  Sp.  177  ff. 

839.  Dümmler,  E.,  Metrum  Anacreontium. 
Ebenda  Sp.  180. 

840.  Dümmler,  E.,  Aus  einer  Tegernseer  Hs. 
Ebenda  Sp.  237—239.  Lat.  Gedicht  11.  Jh. 

841.  Dümmler,   E.,   Gedichte   aus  dem   11-  Jahrhundert. 

Neues  Archiv  der  Gesellschaft  für  ältere  deutsche  Geschichtsknnde.  Herausg. 
von  W.  Wattenbach.  I,   1.  Hannover  1876.  Hahn. 

842.  Köhler,   R.^    Nachtrag  zu  den  latein.   Versen  'zur   Schafzucht. 
Anzeiger  für  Kunde  der  deutscheu  Vorzeit  1876,  Sp.  48. 

843.  Nolte,  Dr.,  Subscriptionen  und  Preise  von  Hss.  nebst  kleinen 
unedirten  Gedichten. 

Anzeiger  etc.  1876,  233—237. 

844.  Sepet,  M.,  cantique  latin  du  deluge,  public  d'apr^s  le  ms.  fran^. 
25408  de  la  Bibliotheque  nationale.  8.  (8  S.)  (Bibliotheque  de  l'Ecole  des  Ch. 
Nogent-le-Rotrou   1876). 

845.  Ulmann,  H.,  über  den  angeblichen  Verfasser  des  Gedichtes  in 
den  Annales  Ceccanenses. 

Neues  Archiv  der  Gesellschaft  etc.  I,  1.  1876, 


496  MISCELLEN. 

846.  Wattenbach,  W.,  Ährenlese  aus  Münchener  Handschriften. 
Anzeiger  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit  1876,  Sp.  334—336.  356 — 360. 

847.  Wattenbach,   W.^    Schreibervers. 
Ebenda  1876,  Sp.  46  f. 

848.  Wattenbach,   W.,  Klage  über  die   schlechten  Zeiten. 
Anzeiger  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit  1876,  Sp.  16. 

849.  Wattenbach,  W.,  Lob  der  Häuslichkeit  für  einen  Priester. 
Anzeiger  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit  1876,  Sp.  277—279. 


MISCELLEN. 


Bericht 

über  die  Verhandlungen   der  deutsch-romanischen  Abtheilung  der  32.  Philologen- 
Versammlung  zu  Wiesbaden   1877. 

An  den  Verhandlungen  nahmen  Theil  die  Herrn  Prof.  Dr.  Th.  Crei- 
zenach  aus  Frankfurt  a.  M.,  erster  Vorsitzender;  Prof.  Dr.  K.  Lucae  aus 
Marburgs  zweiter  Vorsitzender;  Altenburg,  W.,  aus  EupenJ  Arnold,  Dr. 
W.,  Gymnalsiallehrer  aus  Dresden;  Bangert,  F.,  Realschullehrer  aus  Bocken- 
heim; Bechstein,  R.,  Professor  aus  Rostock ;  Bindewald,  Dr.  0.,  Realschul- 
lehrer aus  Gießen;  Bohnemann,  A.,  Lehrer  aus  Köln;  Crecelius,  Dr.  W., 
Professor  aus  Elberfeld;  Creizenach,  Dr.  W.,  Assistent  an  der  Universitäts- 
bibliothek in  Breslau;  Düntzer,  Dr.  H. ,  Professor  aus  Köln;  Gering,  Dr. 
Hugo,  Privatdocent  aus  Halle;  Grotefend,  Dr.  H.,  Stadtarchivar  aus  Frank- 
furt a.  M. ;  Heinzerling,  Dr.  J.,  Realschullehrer  aus  Siegen;  Hengsten- 
berg, Rector  aus  Solingen;  Heuser^  Prorector  aus  Kassel;  Holland,  Dr. 
W.,  Professor  aus  Tübingen;  Hoepfner,  Dr.  E.,  Provinzialschulrath  aus  Ko- 
blenz; Hüf  er,  Gymnasiallehrer  aus  Wesel;  Kaiser,  Dr.,  aus  Elberfeld;  Kelch- 
ner, Dr.  Ernst,  aus  Frankfurt  a.  M. ;  Kling  elhoeff  er,  Dr.,  Gymnasial- 
lehrer aus  Darmstadt;  Koch,  Dr.  Franz,  Gymnasiallehrer  aus  Aachen;  Köhler, 
Dr.  Reinhold,  Bibliothekar  aus  Weimar;  Köster,  Dr.,  aus  Iserlohn;  Kräuter, 
Dr.,  Gymnasiallehi-er  aus  Saargemünd;  Kuhlmey,  Dr.,  Oberlehrer  aus  Wies- 
baden; Kühn,  Dr.,  aus  Wiesbaden;  Lauer,  Dr.,  Gymnasialdirector  aus  Wetzlar; 
Lehmann,  Dr.  Bernhard,  Realschullehrer  aus  Frankfurt  a.  M. ;  Matthias, 
Dr.  E.,  aus  Barmen;  Maue,  Dr.  H.  C,  Lehrer  aus  Frankfurt  a.  M.;  May,  H., 
Rector  aus  Frankfurt  a.  M. ;  Merz,  J.  W.,  Realschullehrer  aus  Bockenheim; 
Neumann,  Dr.,  aus  Frankfurt  a.  M. ;  Opel,  K,,  Reallehrer  aus  Friedberg; 
Opitz,  Dr.,  Oberlehrer  aus  Naumburg;  Rei  ff  er  scheid,  Dr.  AI.,  Professor 
aus  Greifswald;  Rovenbagen,  Dr.,  Oberlehrer  aus  Aachen;  Sachs,  Dr. 
Karl,  Professor  aus  Brandenburg;  Schauenburg,  Dr.,  Realschuldirector  aus 
Crefeld ;  Schmidt ,  Dr.  Erich,  Professor  aus  Straßburg;  Schrammen,  Lehrer 
aus  Köln;  Schroeter,  Dr.,  Gymnasiallehrer  aus  Wesel;  Sprenger,  Dr.  Rob., 
aus  Göttingen;  Steinthal,  Dr.  H.,  Professor  aus  Berlin;  Stengel,  Dr.  E., 
Professor  aus  Marburg;  Theobald,  Dr.  A. ,  aus  Hamburg;  Thiele,  Fr., 
Oberlehrer  aus  Bochum;  Urlichs,  Dr.,  Professor  aus  Würzburg;  Victor, 
Dr.  Wilh.,   aus  Düsseldorf;  Warth,  Präceptor  aus  Böblingen ;  Weiland,  Dr., 


MISCELLEN  497 

Professor  aus  Gießen;  Wein  and,  Dr.,  Gymnasiallehrer  aus  Neuss;  Werle, 
aus  Oberlahnstein;  Werner,  Dr.  Karl,  aus  Halle  a.  S.;  Witte,  Dr.,  aus 
Wiesbaden;  Wiilcker,  Dr.  E. ,  aus  Weimar;  Wülcker,  Dr.  R.,  Professor 
aus  Leipzig;   Zacher,   Dr.  K.,   Privatdocent  aus  Halle. 

Zu   Schriftführern   wurden   bestimmt   Dr.    Witte   und   Dr.   Heinzerling. 

1.    Sitzung.   Mittwoch  den   26.   September,   Vormitttags    1 1 V^    Uhr. 

Nachdem  die  Constituierung  der  deutsch-romanischen  Abtheilung  stattge- 
funden hat,  eröffnet  Hr.  Prof.  Creizenach  die  Sitzung.  Er  macht  die  ge- 
schäftliche Mittheilung,  daß  die  Herausgabe  des  mittelniederdeutschen  Wörter- 
buches von  Lübben  und  Schiller,  für  welche  die  Section  eine  Subvention 
von  Seiten  des  deutschen  Reiches  erwirkt  habe,  auch  in  diesem  Jahre  erfreu- 
lichen Fortschritt  genommen,  wie  denn  das  18.  Heft  bereits  erschienen  sei.  Er 
legt  sodann  einige  Schriften  vor,  welche  den  Mitgliedern  der  Section  von  den 
Verfassern  zur  Verfügung  gestellt  woi'den  sind: 

1.  Bemerkungen  über  das  Neuangelsächsische  Pronomen  von  Dr.  Witte. 

2.  Einen  von  Prof.  Bartsch  in  Tübingen  gehaltenen  Vortrag  über  Dante. 
Exemplare  dieses  Vortrages  sind  durch  Hrn.  Prof.  Dr.  Holland  der  Versamm- 
lung überbracht  worden,  welcher  zugleich  im  Namen  des  Hrn.  Prof.  Bartsch 
die  Versammlung  begrüßt  und  erklärt,  derselbe  bedauere  sehr,  daß  es  ihm  nicht 
möglich   gewesen  sei,   an   den  Sitzungen  der  Section  Theil  zu  nehmen. 

3.  Thesen  zur  einheitlichen  Orthogi*aphie  der  Dialecte,  im  Auftrage  der 
germanistisch-romanistischen  Section  der  Tübinger  Philologen- Versammlung  zu- 
Bammengestellt  von  Prof.  Dr.   Sachs. 

4.  Thesen  für  die  Schreibung  der  deutschen  Dialecte  (Abänderungsvor- 
schläge zu  Prof.   Dr.   Sachs'  Thesen)   von   G.   Michaelis. 

5.  Grundsätze  und  Forderungen  für  die  Bestimmung  der  Schriftzeichen 
für  mundartliche  Forschung.  Als  Ergänzung  zu  den  Thesen  des  Hrn.  Prof. 
Dr.  Sachs-Brandenburg  und  den  des  Hrn.  Prof.  Dr.  v.  Keller-Tübingen  und 
Hrn.   Prof.   Dr.   Michaelis-Berlin  von  Adolf  Theobald  Dr.  phil. 

Nach  einer  kurzen  Debatte  wird  beschlossen ,  daß  in  der  am  Freitag 
stattfindenden  Sitzung  die  für  die  Feststellung  einer  Orthographie  der  Dialecte 
in  der  Sectionssitzung  der  vorigen  Philologen-Versammlung  gewählte  Commission 
der  Section   ihre   Vorschläge  machen   solle. 

Der  Vorsitzende  zeigt  ferner  an ,  daß  ihm  aus  St.  Louis  (Ver.  Staaten) 
eine  von  einem  Deutsch-Amerikaner  verfaßte  englische  Übersetzung  des  Haupt- 
gedichtes von  Frauenlob  zugeschickt  worden,  unter  dem  Titel  „Heinrich  von 
Meißens  generally  known  as  Frauenlob  Cantica  canticorum  or  Lay  of  our  Lady 
translated  by  A.  E.  Kroeger".  Er  empfiehlt  diese  sorgfältige  Arbeit  um  so 
mehr  der  Aufmerksamkeit,  als  sie  wohl  die  erste  Probe  strenger  mittelhoch- 
deutscher Studien  jenseits  des  Oceans  sein  möchte. 

2.   Sitzung.  Donnerstag  den   27.   September  Morgens   8  Uhr. 

Prof.  Wülcker  entwirft  eine  kurze  Schilderung  von  Greins  Leben,  führt 
die  von  ihm  veröffentlichten  Schriften  an  (vgl.  den  Aufsatz  in  der  Anglia)  und 
fährt  dann  fort:  Ich  hatte  s.  Z.  in  dem  Nachruf  in  der  Anglia  darauf  aufmerk- 
sam gemacht,  daß  der  litterarische  Nachlaß  noch  manche  kleinere  Arbeit  aus 
dem  Angelsächsischen  liefern  werde.  Ich  war  unterdessen  in  Hannover,  um  den 
Nachlaß  zu  ordnen  und  muß  nun  meine  Behauptung  zurücknehmen;  es  hat 
sich  so  gut  wie  gar  nichts  gefunden,  wohl  eine  Folge  der  langen  Krankheit  des 
GEBBLANIA.  Neue  Reihe.  X.   (XXII.  Jahrg.)  32 


498  MISCELLEN. 

Dahingeschiedenen.  Das  einzige  ist  eine  neue  druckfertige  Ausgabe  der  Ein- 
zelausgabe des  Beovulf.  Ausserdem  bin  ich  schon  vom  Verleger  AVigand  be- 
auftragt worden,  die  beiden  letzten  Bände  der  angelsächsischen  Poesie  neu 
herauszugeben.  Ich  glaube,  daß  ich  mich  der  Zustimmung  aller  Fachgenosseu 
erfreue,  wenn  ich  nicht  nach  englischer  Weise  unnöthig  Pietät  an  dem  Verstor- 
benen übe,  sondern  seine  kleineu  Fehler  entferne,  die  Texte  mit  den  Handschriften 
vei'gleiche  und  damit  den  Vorwurf,  welchen  die  Engländer  Grein  macheu ,  be- 
seitige. Freilich ,  wenn  die  Engländer  ihm  Vorwürfe  machen ,  so  machen  sie 
auch  solche  ihren  eigenen  Landsleuten,  nach  deren  Texten  er  herausgab.  Diese 
sind  freilich  oft  recht  ungenau.  Als  z.  B.  vor  einigen  Jahren  ein  deutscher 
Gelehrter,  Prof.  Schipper,  zufällig  die  von  Thorpe  veröffentlichten  Räthsel 
mit  der  Handschrift  verglich,  fand  er,  daß  das  10.  Räthsel  einfach  weggelassen 
war,  weil  es  zu  schwierig  war.  Kemble  gibt  die  10  Gebote  heraus,  unter 
welchen  eins  fehlt.  Sieht  man  aber  die  Handschrift  selbst  nach,  so  findet  man, 
daß  hier  gar  nichts  fehlt,  sondern,  daß  er  einfach  einige  Zeilen  überschlagen 
hat.  Greins  Arbeiten  wurden  während  seines  Lebens  vielfach  angefeindet,  die 
Werke  des  Dahingeschiedenen  werden  eine  billigere  Kritik  erfahren.  Bei  der 
Beurtheilung  der  Verdienste  Greins  darf  nicht  aus  den  Augen  gelassen  werden, 
daß  seine  Bedeutung  in  der  Bearbeitung  der  angelsächsischen  Poesie  liegt,  nicht 
in  seinen  sprachvergleichenden  Arbeiten,  daß  er  nur  wenig  Zeit  auf  dieselben 
verwenden  konnte,  daß  er  nie  die  Manuscripte  selbst  sah.  Durch  seine  Textes - 
ausgaben  ist  übei'haupt  erst  ein  Studium  des  Angelsächsischen  möglich  geworden. 
Das  Studium  des  Angelsächsischen  breitet  sich  nicht  nur  in  Deutschland,  Eng- 
land und  Amerika  immer  weiter  aus,  sondern  vor  einiger  Zeit  ist  Beovulf  auch 
ins  Französische  übersetzt  worden.  Wo  in  Zukunft  das  Studium  des  Angel- 
sächsischen blüht,   wird  Grein's  Name  nicht  vergessen  sein. 

Ich  möchte  hieran  noch  eine  kleine  Bemerkung  schließen.  Es  handelt  sich 
um  ein  Werk,  welches  ziemlich  vergessen  war,  ich  meine  die  altfranzösiscben 
und  altenglischen  Glossarien,  welche  s.  Z.  Th.  Wright  herausgab.  Nur  der 
eine  Band  war  buchhändlerisch  zu  haben,  der  zweite  wurde  nach  englischer 
Unsitte  nur  privatim  veröffentlicht.  Es  wurde  mir  nun  vom  Verleger  aufgetragen, 
diese  Glossarien  aufs  neue  herauszugeben  und  hier  wird  manches  zu  verbessern 
sein.  Th.  Wright  war  ein  Vielschreiber.  Er  hat  Wörter  aufgestellt,  die  nie 
im  Angelsächsischen  vorkommen.  So  findet  sich  an  einer  Stelle :  lesia  =  para 
oder  wie  Th.  Wright  liest  pana.  Sieht  man  genauer  in  der  Handschrift  nach, 
so  findet  man  über  para  noch  ein  dis.  Das  Wort  lautet  also  paradis,  während 
lesia  als  elysia  zu  erklären  ist.  Nachdem  der  Redner  noch  ein  ähnliches  Beispiel 
von  Ungenauigkeit  angeführt  hat,  erwähnt  er  zum  Schluß,  daß  noch  Manches 
zu  dem  von  Wright  veröffentlichten  hinzugefügt  werden  müsse,  da  Wright 
einfach   ganze  Seiten  überschlagen  habe,   die   er  nicht  habe  lesen   können. 

Prof.  Greiz  enach  knüpft  auf  Befragen  noch  einige  Bemerkungen  an 
die  englische  Übersetzung  der  Cantica  canticorum  (s.  oben) ;  sie  sei  überaus 
genau  und  zeige  philologische  Durchdringung  des  Stoffes,  vor  allem  sei  es  dem 
Übersetzer  trefflich  gelungen,  das  Schwunghaft-Üppige  von  Frauenlobs  Poesie 
nachzuahmen.  Nach  seiner  Überzeugung  werde  Frauenlobs  Werth  neuerdings 
unterschätzt.  Er  habe  deutsch-mythische  Tradition  in  eigenthümlicher  Weise 
mit  biblischer  zu  vereinigen  gewußt,  so  an  jener  Stelle  wo  Maria  Gott  ihren 
alten  Friedel  nennt  und  sagt  :   er  warf  mir  den   Hammer  in  den  Schooß. 


MISCELLEN.  499 

Hierauf  hält  Prof.  Sachs  seinen  Vortrag  über  Fr.  Diez.  Er  erwähnt 
einleitend  ,  da(i  im  vorigen  Jahre ,  als  der  Vorsitzende  das  Dahinscheiden  von 
Diez  erwähnt  habe,  alle  ein  Gefühl  der  Trauer  erlullt  habe.  Da  darnal.s  von 
Diez  nicht  ausführlicher  die  Rode  gewesen  sei,  so  habe  er  sich  entschlossen, 
auf  der  diesjährigen  Versammlung  die  Schuld  gegen  den  großen  Gelehrten  ab- 
zutragen. Da  der  Vortrag  demnächst  veröffentlicht  wird,  so  sehen  wir  von  einer 
genaueren  Inhaltsangabe  ab;  er  schildert  Diez'  Leben,  zählt  seine  Werke  nebst  den 
darüber  erschienenen  Recensionen  auf,  rühmt  nicht  nur  die  VortrefFlichkeit 
dieser  Werke,  sondern  des  Verfassers  schlichtes,  einfaches  Wesen,  seinen  schönen 
Charakter,  in  Folge  dessen  er  allgemeine  Verehrung  genossen  habe,  wie  sich 
dies  namentlich  am  fünfzigsten  Jahrestage  seiner  Pr-omotion  gezeigt  habe.  Um 
seinen  Werth  in  seinem  ganzen  Umfang  zu  begreifen,  sagt  er,  genüge  eine  kurze 
Übersicht  über  das,  was  in  den  romanischen  Sprachen  vor  Diez  und  was  jetzt 
geleistet  sei.  Vor  ihm  könne  von  einer  Wissenschaft  der  romanischen  Sprachen 
nicht  die  Rede  sein,  wenn  auch  hie  und  da  einzelne  Versuche  lexikalischer  und 
gramuiatischer  Arbeiten  aufgetaucht  seien.  Er  zählt  sodann  das  auf,  was  in  den 
romanischen  Sprachen  vor  Diez  geleistet  wurde  und  hebt  darauf  hervor,  daß  jetzt 
schon  verschiedene  deutsche  und  außerdeutsche  Zeitschriften  für  romanische 
Sprachforscher  das  bequemste  und  reichhaltigste  Gebiet  zum  Ideenaustausch 
bildeten ,  daß  auf  den  Universitäten  mit  wenigen  Ausnahmen  für  das  Studium 
der  romanischen  Sprachen  gesorgt  sei,  daß  das  Prüfungsreglement  sie  zum  ersten 
Male  als  besonderes  Fach  anerkannt  habe.  Zum  Schluß  spricht  er  noch  den 
Wunsch  aus,  dafi  die  Diezstiftung,  für  die  bereits  gegen  M.  4000  gesammelt 
seien,   in  nicht  allzu  ferner   Zeit  ins  Leben  treten   möge. 

Prof.  Creizenach  fordert  die  Section  auf,  noch  einmal  herauszutreten 
zur  Unterstützung  einer  bedeutenden  Sache ;  es  handle  sich  diesmal  um  die 
geeigneten  Schritte,  die  Regierung  für  die  Unterstützung  der  Frommann'schen 
Zeitschrift  „die  deutschen  Mundarten"  zu  gewinnen.  Wegen  der  schon  vorge- 
rückten   Zeit  wird  beschlossen,   die  Angelegenheit  auf  morgen  zu   vertagen. 

3.   Sitzung.   Freitag  den   22.   September  8V2    Uhr. 

Prof.  Creizenach  theilt  zunächst  mit,  daß  mehrere  Schriften  eingesandt 
worden  seien,  unter  anderen: 

„Beiträge  zur  Kenntniss  der  jüdisch-deutschen  Litteratur,  ein  hebräisch- 
deutsches Glossar,  herausgegeben  von  Brüll",  welches  ihm  der  Aufmerskamkeit 
der  Sprachforscher  sehr  würdig  scheine.  Dann  verliest  er  einen  Brief  von  Prof. 
Weigand  aus  Gießen,  worin  derselbe  sein  Bedauern  darüber  ausspricht,  daß 
er  wegen  einer  erst  jetzt  beseitigten  Krankheit  verhindert  sei  an  den  Sitzungen 
der  Section  Theil  zu  nehmen  und  zugleich  seiner  Verwunderung  Ausdruck  gibt 
über  die  Orthographie  der  Frankfurter  Lehrer  wie  über  die  Beschlüsse  der 
Berliner  Conferenz  und  sich  gegen  eine  einfache  Abstimmung  in  der  ortho- 
graphischen Frage  verwahrt.  Nachdem  Prof.  Creizenach  dann  noch  mit- 
getheilt  hat,  daß  von  Prof.  Bartsch  eine  freundliche  Erwiederung  auf  den 
ihm  übersandten  Gruß  eingegangen  sei,  fordert  er  die  Hrn.  Prof.  Sachs,  Dr. 
Theobald  und  Dr.  Kräuter  auf,  über  ihre  Berathung  in  Betreff  der  Ortho- 
graphie der  Mundarten  Bericht  zu  erstatten.  Prof.  Creizenach  bemerkt 
noch  zixr  Kenntnissnahme,  daß  auf  der  vorigen  Philologen-Versammlung  die 
Section  eine  Commission  zur  Fixierung  der  dialectischen  Laute  gewählt  habe 
und    daß    Prof.    Sachs  als   Vorsitzender    derselben    mit  der  Formulierung  der 


500  MISCELLEN. 

der  Section  vorzulegenden  Thesen  beauftragt  worden  sei.  Zu  diesen  von  ihm 
aufgestellten  Thesen  habe  nun  Hr.  Prof.  Michaelis  Abänderungsvorschläge 
und  Hr.  Dr.  T  h  e  o  b  a  1  d  G-rundsätze  und  Forderungen  für  die  Bestimmung  der 
Schriftzeichen  u.  s.  w.   drucken  lassen. 

Prof.  Sachs:  Zuerst  muß  ich  einem  Mißverständnisse  entgegentreten. 
Der  Zweck  dieser  Vorschläge  hat  gar  nichts  mit  der  Schul-  und  Schriftsprache 
zu  thnn ,  sie  sollen  nur  für  die  germanischen  und  romanischen  Dialecte  eine 
Handhabe  bieten,  damit  man  ohne  weiteres  wisse,  wie  jeder  Buchstabe  auszu- 
sprechen sei  und  wie  der  Autor  das  betr.  Lautzeichen  auftaßt.  Darum  wurden 
diese  Thesen  aufgestellt,  für  die  Hr.  Prof.  Greiz  enach  in  der  rheinfränkischen 
Mundart  die  Schreibeprobe  gemacht  hat,  die  sehr  befriedigend  ausfiel.  Jeden- 
falls sind  die  Thesen  der  verschiedenen  Herren  sehr  leicht  zu  vereinigen.  Da  wir 
eine  Schreibweise  nicht  für  Germanisten  speciell,  sondern  auch  für  Romanisten 
feststellen  wollen,  so  wären  die  lateinischen  Buchstaben  zu  empfehlen.  Wie  die 
Nasalierung  bezeichnet  wird,  ob  j  oder  y  das  Zeichen  der  Mouillierung  ist,  das 
sind  alles  Nebenfragen.  Die  Hauptfrage  ist:  Sollen  für  diese  Aufzeichnung, 
was  Prof.  V.  Keller  nicht  wünscht,  die  lateinischen  Schriftzeichen  genommen 
werden  und  sollen  die  drei  ersten  Thesen  als  Grundlage  angenommen  werden? 
Dr.  Theo  bald  schließt  sich  dem  von  Hrn.  Prof.  Sachs  Gesagten  an  und 
bemerkt,  es  sei  ein  wesentlicher  Fortschritt  gegen  das  in  Tübingen  Geschehene 
zu  constatieren ;  in  den  Grundsätzen  herrsche  durchweg  Übereinstimmung  und 
aus  der  Anwendung  dieser  Grundsätze  würde  sich  eine  große  Menge  von  brauch- 
baren Einzelheiten  ergeben.  Ob  das  Dreieck  des  Hrn.  Prof.  Michaelis  das 
vollendete  Symbol  des  Verhältnisses  der  Vocale  zu  einander  sei,  sei  noch  zwei- 
felhaft, vielleicht  würde  man  am  richtigsten  die  Laute  in  einer  geraden  Linie 
dai-stellen. 

Prof.  Sachs  theilt  darauf  noch  mit,  daß  ihm  Hr.  Prof.  Bartsch  ein 
Schreiben  zugesandt  habe,  worin  er  seine  Übereinstimmung  mit  den  meisten  von 
ihm   aufgestellten  Thesen  ausgesprochen  habe. 

Präceptor  Warth  aus  Böblingen  bemerkt:  Das  schwedische  a  mit  über- 
geschriebenem o  wird  schwedisch  wie  ein  reines  o  gesprochen,  dagegen  hat  der 
Schwede  auch  einen  dem  a  im  englischen  talk  entsprechenden  Laut,  den  er  mit 
a  bezeichnet.  Es  ist  noch  ein  einfacheres  Zeichen  für  das  in  These  5  aufge- 
stellte zu  empfehlen,  auch  die  Nasalierung  dürfte  sich  durch  ein  einfacheres 
Zeichen  ausdrücken  lassen.  Man  könnte  am  Vocale  selbst  eine  kleine  Verän- 
derung anbringen,  etwa  ein  Häkchen  oder  irgend  eine  Schleife,  man  wäre  dann 
nicht  genöthigt,  mit  der  Hand  abzusetzen.  —  Hr.  Dr.  Th  e  ob  a  Id  erklärt,  daß  er 
in  der  Hauptsache  damit  einverstanden  sei,  aber  auf  einzelne  Laute  komme  es 
nicht  an,  wie  z.  B.  diesen  schwedischen,  sondern  auf  die  Zweckmäßigkeit  der 
Bezeichnung  überhaupt.  Es  gäbe  eine  Legion  von  Bezeichnungen  in  altnieder- 
deutschen Urkunden  und  eine  Menge  von  Überschreibungen ,  aus  allen  aber 
leuchte  das  Princip  hervor,  daß  der  überschriebene  Laut  eine  Nüancierung  an- 
deute und  dies  Princip  scheine  ihm  richtig,  bei  der  genauen  einzelnen  Laut- 
fixierung seien  Hilfszeichen  nicht  zu  entbehren.  —  Hr.  Präceptor  Warth  bemerkt 
darauf  noch,  Hr.  Dr.  Theo  bald  sage  in  einer  These,  daß  da,  wo  das  latei- 
nische Alphabet  nicht  ausreiche,  andere  Alphabete  ergänzend  eintreten  könnten ; 
80  könne  man  für  den  Laut  zwischen  a  und  o  das  Griechische  CO  gebrauchen. 
Die  Griechen  hatten  ein  O)  neben  o  eingeführt  wie    ein  rj  neben  e.     Von    da 


MISCELLEN  501 

an  datiere  eine  neue  Schreibung  und  wir  seien  froh  darüber,  daß  die  Griechen 
beiderlei  Zeichen  hätten.  Warum  sollten  wir  vor  einer  solchen  Schreibung  zurück- 
sehrecken? —  Dr.  Kräuter  sagt,  man  wäre  in  das  gerathen,  was  vermieden 
werden  sollte,  in  eine  Besprechung  einzelner  Punkte,  die  privatim  zu  besprechen 
seien  und  stellt  den  Antrag  auf  Schluß  der  Debatte.  —  Prof.  Creizenach  be- 
merkt, daß  sich  ihm  immermehr  die  Überzeugung  aufdränge,  daß  eine  Berathung 
über  Fragen,  wie  sie  jetzt  vorgebracht  würden,  nicht  hieher  gehöre,  dies  sei 
eine  freie  Versammlung  wissenschaftlicher  Männer,  welche  man  von  diesem  Ein- 
gehen ins  Einzelne,  das  kein  Ende  voraussehen  lasse,  entlasten  müsse.  —  Dr. 
Theo  bald  erklärt,  daß  sich  die  Versammlung  mit  dem  Vorschlage  einverstanden 
erklären  könne,  da  gegen  die  Principien  nichts  eingewandt  sei  und  drückt  den 
Wunsch  aus,  daß  die  Section  die  Commission  noch  weiter  bestehen  lasse.  —  Prof. 
Sachs  erklärt,  daß  er  damit  einverstanden  sei,  daß  mau  hier  über  Einzelheiten 
nicht  berathen  dürfe,  doch  könnten  die  Grundgedanken  der  ersten  Thesen  sehr 
leicht  erledigt  und  dadurch  eine  Basis  gefunden  werden,  es  sei  nicht  gut  die 
Sache  ad  infiuitum  zu  vertagen.  —  Prof.  Creizenach  stellt  darauf  folgende 
Fragen :  Will  die  Versammlung  sich  mit  den  ersten  Thesen  einverstanden  er- 
klären, will  sie  sich  auf  daraus  sich  ergebende  Discussionen  einlassen,  oder  will 
sie  besondere  Vorschläge  über  die  Schreibung  der  einzelnen  Laute  abweisen? 
Prof.  Steinthal  bemerkt  sodann,  die  allgemeinen  Grundsätze  müßten  die  sein, 
die  schon  die  Wissenschaft  angenommen  habe,  darüber  könne  kein  Mensch  mehr 
streiten.  Nur  wäre  die  Frage,  welche  specielle  allgemeine  Grundsätze  einzu- 
führen seien,  dies  führe  zu  Fragen,  auf  die  man  sich  nicht  einlassen  könne, 
ohne  in  vSpecialitäten  zu  gerathen.  Man  lasse  also  diese  Frage.  Prof.  Crei- 
zenach läßt  abstimmen  und  die  überwiegende  Mehrheit  ist  dafür,  daß  die 
Frage  jetzt  nicht  weiter  erörtert  werde. 

Prof.  Creizenach  bemerkt  zu  einem  von  Prof.  Sachs  in  seinem  Ne- 
krologe über  Diez  angeführten  Umstände^  er  wolle  auf  den  ungemeinen  Einfluß 
aufmerksam  machen,  den  ein  von  Goethe  gegebener  Rath  auf  diesen  großen 
Gelehrten  ausgeübt  habe.  Die  Radien  von  Goethes  Wirksamkeit  theilten  sich 
je  mehr  wir  ihn  kennen  lernen  in  die  Peripherie  um  so  weiter  aus  und  die 
deutsche  Gelehrtenwelt  thue  recht  daran,  wenn  sie  auf  die  eminente  Bedeutung 
dieser  großen  Persönlichkeit  einen  solchen  Nachdruck  lege.  Wie  großartig  die 
Thätigkeit  des  Dichters  von  1810  — 18  gewesen  sei,  werde  klar,  wenn  man  die 
von  ihm  gegebenen  literarischen  Anregungen  überschaue.  Es  zeige  sich  dann 
auch,  daß  er  für  die  echte,  später  erprobte  wissenschaftliche  Richtung  der  ro- 
mantischen Schule  fördernd  eingetreten,  dagegen  ihren  Verirrungen  entgegen- 
getreten sei.  Es  sei  noch  nicht  genug  beachtet^  mit  welchem  andauernden  Eifer 
Goethe  die  erste  germanistische  Zeitschrift  von  einiger  Bedeutung  durch  Bei- 
träge und  Subscription  unterstützt  habe,  er  meine  die  „Wöchentlichen  Nach- 
richten" von  Büsching.  —  Im  Anschluß  daran  theilt  Prof.  Creizenach  einen 
bisher  unbekannten  Brief  Goethes  an  einen  Hrn.  Engelmann  in  Frankfurt  mit, 
welcher  deshalb  eine  große  Bedeutung  habe,  weil  der  Dichter  sich  hier  zuerst 
in  seiner  milden  Weise  über  die  dem  Mittelalter  zugewandten  Bestrebungen  aus- 
spricht. In  den  Briefen  des  erwähnten  Zeitraumes  fänden  sich  auch  manche 
Anspielungen,  welche  zeigten,  daß  er  bisweilen  die  Schriftsteller  des  15.  und 
16.  Jahrhunderts  vornahm,  freilich  nicht  immer  in  kritischer  Weise,  wie  er  denn 
einmal  das  Trinklied  «der  liebste  Buhle"  dem  frommen  Paul  Gerhard  zuschreibe. 


502  MISCELLEN. 

Demnächst  hielt  Prof.  Erich  Schmidt  einen  Vortrag  über  eine  Briefsamm- 
Iiing.  Es  handelt  sich  hier,  begann  er,  um  den  Nachlaß  eines  den  meisten 
jedenfalls  bekannten  Mannes,  Fr.  D.  Ring,  welcher  Prinzenerzieher  und  Geh. 
Hofrath  in  Karlsruhe  war  und  mit  Herder,  Klopstock,  Wieland  und  einer  Reihe 
anderer  bekannter  Männer  in  Verbindung  stand.  Sein  Name  wurde  in  den  letzten 
Jahren  dadurch  bekannter,  daß  Keil  einen  etwas  medisanten,  klatschsüchtigen 
Brief  von  ihm  an  Wieland  veröffentlichte.  Da  ich  nun  erfuhr,  daß  in  der  Frei- 
burger Bibliothek  nicht  weniger  als  36  Quartanten  als  Nachlaß  Rings  vorhanden 
wären,  so  wandte  ich  mich  nach  Freiburg  um  diese  nach  Straßburg  zu  be- 
kommen. Erst  nach  vielen  Umständen  konnte  ich  einen  Theil  davon  erhalten, 
den  größeren  Theil  mußte  ich  escerpieren.  Was  ich  hier  mittheile  ,  ist 
daher  nicht  das  Resultat  eingehender  Vorbereitung.  Ring  wurde  zu  Straß- 
burg geboren,  wo  sein  Vater  Meistersänger  war^  studierte  Theologie,  wurde  Haus- 
lehrer und  kam  dann  nach  Zürich,  zu  der  Zeit,  wo  Wieland  dort  war.  Er  ver- 
kehrte viel  in  dem  Kreise  von  Bodmer,  Breitinger  und  Geßner.  Da  er  auch 
mit  Wieland  verkehrte,  so  haben  sich  Briefe  aus  dieser  Zeit  erhalten,  aus  denen 
wir  Einiges  über  diesen  erfahren.  Später  wurde  Ring  Prinzenerzieher  in  Karls- 
ruhe. Die  meisten  dieser  Quartanten  enthalten  Briefe.  Ich  habe  natürlich  nur 
das  speciell  Litterarhistorische  herausgenommen.  Für  die  älteste  Zeit  sind  gleich 
interessant  die  Briefe  von  Pfeffel  und  Nikolai.  Pfeflfel  spricht  sich  in  diesen 
Briefen  viel  freier  aus  als  später.  Er  schreibt  zuerst  noch  durchweg  Deutsch, 
bis  sich  auf  einmal  der  Übergang  zum  Französischen  findet.  Die  Briefe  aus 
den  siebenziger  Jahren  werfen  interessante  Stieiflichter  auf  die  Sturmperiode. 
Nicolai,  der  erst  Deutsch,  später  ebenfalls  vornehmlich  Französisch  schreibt, 
spricht  sich  in  seinen  Briefen  über  die  Anakreontiker  aus.  W^ährend  er  für  Uz 
begeistert  ist,  nimmt  er  gegen  Wieland  eine  gewisse  Kühle  an.  Der  Karls- 
ruher Hof  bot  einem  ihm  naher  stehenden  viel  anregendes  wegen  der 
vielen  damit  in  Verbindung  stehenden  bedeutenden  Persönlichkeiten.  Die 
Markgräfin  von  Baden-Durlach  correspondierte  z.  B.  mit  Linne,  trat  mit  dem 
Philosophen  von  Ferney  in  Verbindung  etc.  Es  ist  mir  gelungen,  eine  Reihe 
von  Voltaires  Briefen  au  die  Markgräfin  zu  finden ,  die  einen  ausführlichen 
Bericht  über  die  Reise,  welche  die  Markgräfin  mit  einigen  Verwandten  nach 
Ferney  unternahm,  enthalten.  Ebenso  wie  durch  den  Aufenthalt  am  Hofe  wurde 
Ring  auch  dadurch  angeregt  und  gefördert,  daß  er  verschiedene  Reisen  unter- 
nahm und  litterarisch  bedeutende  Männer  aufsuchte.  So  besuchte  er  in  Prank- 
furt das  Goethesche  Haus,  lernte  dort  die  Mitglieder  des  Jacobischen  Kreises 
kennen,  ferner  in  Berlin  und  Leipzig  die  berühmtesten  Theologen.  Ich  will 
jedoch  hier  nur  darauf  näher  eingehen,  was  sich  aus  Rings  Nachlaß  für  die 
hervorragendsten  litterarischen  Persönlichkeiten  ergibt,  so  zuerst  für  Horder.  Er 
ist  mit  Ring  durch  das  gleiche  Interesse  für  Klopstocks  Oden  verbunden  und 
so  drehen  sich  denn  die  ersten  Zettelchen  Herders  von  Straßburg  aus  um  diese 
Oden.  Ring  hatte  in  seiner  Jugend  ungedruckte  Gedichte  gesammelt  und  besaß 
daher  deren  mehr  als  die  meisten  damaligen  Klopstock- Verehrer.  Herder  hatte 
schon  früh  begonnen  sich  eine  ähnliche  Sammlung  anzulegen  und  hat  denn 
auch  einen  vollständigen  ungedruckten  Bogen  dieser  Ringschen  Sammlung  nicht 
zurückgegeben.  Die Herderschen  Briefe  sind  ferner  interessant  mancher  Aufschlüsse 
wegen,  die  seinen  Straßburger  Aufenthalt  betreffen.  So  z.  B.  motiviert  er  in 
einem  Briefe  aufs  bestimmteste,   warum  er  seine  Stellung  niedergelegt  habe  und 


MISCELLEN  503 

beklagt  sich  namcntlicli  über  die  Beleidigungen,  welche  ihm  von  untergeordneten 
Domestiken  in  der  Umgebung  des  Prinzen  widerfahren  seien.  Was  Wieland 
betrift't,  so  knüpft  dieser  die  von  Zürich  bestehende  Verbindung  mit  Ring  wie- 
der an  im  Interesse  seines  Merkura.  Wir  bewundern  in  seinen  Hriefin  die 
ungemein  geschickte  Art,  wie  er  als  Redacteur  auftritt.  Er  will  auch  in  Süd- 
deutschland  Abonnenten  zu  gewinnen  suchen  und  bittet  Ring  daher  um  seine 
Vermittlung.  Er  spricht  sich  bei  dieser  Gelegenheit  auch  über  Begründung 
und  Intentionen  des  Merkur  au.s.  King  unterstützt  ihn  auch  wirklich  und  ge- 
winnt ihm  namentlich  am  markgrilflicheu  Hofe  Abonnenten,  obgleich  er  hinzu- 
fügen muß,  daß  sich  der  badische  Adel  anfänglich  ablehnend  verhalten  habe. 
Dann  correspondieren  sie  auch  über  „den  goldenen  Spiegel''  und  „Alceste". 
Was  wir  hierbei  über  letzteres  Werk  erfahren,  kann  uns  zu  einer  günstigeren 
Beurtheilung  desselben  führen,  insofern  Wieland  schreibt,  er  sei  nicht  gutes  Muthes 
in  Bezug  auf  den  Erfolg  dieses  Singspiels,  er  habe  zu  sehr  mit  dem  vorhan- 
denen Material  rechnen  müsson  ,  welches  ein  Kunstwerk  abzugeben  wenig  geeignet 
sei.  Rings  Verbindung  mit  Wioiand  wird  noch  befestigt  durch  eine  Verwandte 
Rings,  die  Frau  Kammerrath  Volz,  durch  deren  Briefe  wir  zugleich  manches 
über  die  geselligen  Verhältnisse  von  Wetzlar  in  der  vorgoethischen  Zeit  er- 
fahren, u.  a.  daß  es  namentlich  die  Legationsräthe  waren,  welche  dort  Leben 
machten.  Wir  finden  auch  einen  Brief  der  Frau  Volz,  worin  der  Fall  des  jungen 
Jerusalem  besprochen  wird.  Durch  diese  Volz  erhielt  Ring  auch  einen  Brief 
Wielands,  welchen  dieser  an  sie  schrieb,  als  sein  Vater  im  Sterben  lag.  —  Was 
Klopstock  angeht,  so  habe  ich,  führt  Redner  fort,  einen  sehr  ausführlichen 
Aufsatz  über  Klopstock  in  Karlsruhe  gefunden ,  gewissermassen  eine  weitere 
Ausführung  seines  klatschsüchtigen  Briefes  an  Wieland.  Klopstock  wird  uns 
als  salope,  ja  sogar  als  schmutzig  geschildert.  Das  mag  übertrieben  sein.  Das 
rechte  trifft  man  aber  wohl,  wenn  man  sich  ihn  als  etwas  turnerhaft  vorstellt. 
Imponierend  ist,  wie  fest  Klopstock  am  Karlsruher  Hofe  auftritt;  Höflingsnaturen 
wie  Ring  sind  natürlich  darüber  aufs  höchste  erstaunt  und  so  werden  von  ihm 
auch  eine  Menge  kleiner  Auftritte  erzählt,  Klopstocks  Gebahren  betreffend.  — 
Rings  Odensammlung  ist  schon  frühzeitig  angelegt  worden,  wobei  vorläufig  dahin- 
gestellt bleiben  muß,  ob  von  dieser  Sammlung  schon  alles  gedruckt  ist.  Wichtig 
ist  der  Theil  der  Sammlung,  welcher  Klopstock  betrifft.  Ein  großer  Tbeil  der 
Oden  erscheint  in  der  Fassung,  wie  sie  uns  aus  älteren  Drucken  bekannt  sind, 
dagegen  sind  mehrere  u.  zw.  die  wichtigsten  in  einer  Fassung  vorhanden,  wie 
wir  sie  vorher  nicht  kannten.  Bei  der  Bedeutung,  welche  Klopstock  nament- 
lich für  die  Entwickelung  der  Sprache  des  18.  Jahrhunderts  hat,  müssen  wir 
Klopstocks  Sprache  in  ihrer  genetischen  Entwickelung  aufs  genaueste  durch- 
studieren und  daher  ist  diese  Sammlung  wichtig.  —  Auch  über  Schubart  er- 
fahren wir  durch  Briefe  aus  Schwaben  Manches.  Die  Ergebnisse  für  den 
Goetheschen  Kreis  sind  nicht  groß,  aber  immerhin  nicht  unerheblich.  Goethe, 
damals  in  Straßburg,  steht  durchaus  in  dem  Rufe  eines  sittenlosen  irreligiösen 
Menschen.  —  Auch  über  Lenz  erfahren  wir  Manches.  Wir  hören,  daß  er  sich 
damals  um  eine  Stelle  als  Hofmeister  bewarb,  obgleich  er  sich  hiergegen  ver- 
wahrt hat.  Er  stand  auch  in  keinem  besonderen  Rufe ,  worüber  Oberlin  und 
Stöber  berichtet  haben.  Ring  kennt  auch  Lavater,  aber  als  entschiedener  Ra- 
tionalist nimmt  er  gegen  ihn  eine  immer  entschiedenere  Stellung  ein.  Auch 
über  die  Gelehrten  des  18.  Jahrhunderts  erfahren  wir  Manches,  namentlich  den 


504  MISCELLEN. 

Klotzschen  Kreis.  Ring  hat  auch  an  dem  Streit  gegen  Klotz  etwas  Antheil 
genommen.  Insbesondere  ist  sein  Nachlaß  interessant  wegen  der  regen  durch 
viele  Briefe  bezeugten  Verbindung  mit  Riedel.  Es  tritt  da  zugleich  die  Per- 
sönlichkeit Glucks  auf,  in  dessen  Haus  Riedel  lebt.  Das  Bild  eines  genialen, 
aber  haltlosen  Menschen,  welches  von  ihm  entworfen  zu  werden  pflegt,  wird 
hier  auf  das  glänzendste  bestätigt.  Von  Philologen,  mit  denen  Ring  in  Ver- 
bindung stand,  ist  etwa  noch  der  bekannte  Villoison  zu  erwähnen,  welcher  sich 
in  einem  Briefe  ausführlich  über  Weimar  ausspricht:  wir  lernen  12  lateinische 
Epigramme  von  ihm  über  Weimarer  Persönlichkeiten  kennen.  Auch  für  den 
Betrachter  der  politischen  Geschichte  ergibt  sich  Manches  aus  unsern  Briefen, 
so  über  die  Revolution  in  Straßburg  und  Paris.  Erlauben  Sie  mir  nun  noch 
auf  einen  Namen  specieller  einzugehen,  nämlich  auf  Heinr.  Leopold  Wagner, 
um  dessentwillen  ich  mich  hauptsächlich  nach  Freiburg  gewandt  hatte.  Zu 
meiner  Freude  fand  ich  in  der  Sammlung  21.  Briefe,  welche  Wagners  Leben 
ganz  anders  dai'stellen,  als  es  bisher  uns  bekannt  war.  Der  erste  Theil  meiner 
Schrift  über  Wagner  wird  daher  eine  gänzlich  andere  Gestalt  gewinnen  müssen. 
Aus  diesen  Briefen  ergibt  sich  Folgendes:  Wir  sehen  die  sehr  precären  Um- 
stände der  Familie  Wagner:  schon  früh  muß  er  auswärts  Stellen  suchen,  Ring 
bemüht  sich  in  Schwaben  für  ihn  :  doch  sind  die  Berichte  über  ihn  aus  Straß- 
burg nicht  eben  die  günstigsten.  Er  hat  damals  den  Plan,  eine  Sammlung  von 
Gedichten  herauszugeben,  die  aus  mehreren  100  Stück  bestanden  haben  muß. 
Einige  mögen  sich  erhalten  haben,  die  Masse  derselben  ist  nicht  bekannt,  der 
ästhetische  Verlust  ist  jedoch  nur  ein  geringer.  Die  Straßburger  Censur  ver- 
wirft die  Herausgabe  dieser  Gedichte  und  Wagner  ist  ganz  entrüstet  über  die 
Prüderie,  welche  dort  walte.  Mitte  Februar  1773  tritt  Wagner  seine  Stelle 
als  Hofmeister  beim  Präsidenten  von  Günderode  in  Saarbrücken  an,  dessen 
Stellung  schon  damals  eine  sehr  wankende  war.  Wagner  muß  Beiträge  für  das 
dortige  Wochenblatt  geliefert  haben.  Es  liegen  sehr  schwache  Producte  vor, 
die  er  an  Ring  schickte,  z.  B.  kleine  Festschriften  für  den  Geburtstag  des 
Herrn  von  Günderode.  Wichtiger  ist  uns  aber  die  Stellung ,  welche  dieser 
spätere  Stürmer  und  Dränger  zu  den  damaligen  litterarischen  Größen  einnimmt. 
So  ist  es  überraschend,  daß  Wagner  damals  Niemand  anders  vergöttert  als  Wie- 
land und  Jacobi.  Wahrscheinlich  durch  das  kühle  Verhalten  Wielands  gegen 
ihn  hat  sich  dann  weiterhin  diese  Stellung  verändert.  Wir  sehen ,  daß  er  sich 
eifrig  bemüht,  sich  die  neuere  Litteratur  anzueignen.  Das  Französische  ist  ihm 
schon  früh  bekannt,  in  Saarbrücken  treibt  er  auch  Spanisch  und  Italienisch.  Er 
wirkt  auch  für  die  Verbreitung  des  Merkur.  Falsch  aber  ist  die  Annahme,  daß 
Wagner  mit  Goethe  in  Frankfurt  schon  näher  verkehrte.  Nachdem  er  Saarbrücken 
verlassen ,  irrlichteliert  er  in  der  Frankfurter  Gegend  herum  und  ist  eine  Zeit 
lang  in  Frankfurt  Assistent  eines  Lehrers  der  neueren  Sprachen.  Nun  wird  allmäh- 
lich die  Verbindung  mit  Goethe  eine  engere.  Auch  über  „Prometheus",  „Deukalion 
und  seine  Rccensenten"  erfährt  man  einiges  und  es  ist  endlich  einmal  Zeit  sich 
darüber  klar  zu  werden ,  daß  Goethe  mit  dieser  Satire  so  gut  wie  gar  nichts 
zu  thun  hat.  „Ich  gebe  jetzt",  sagt  Wagner,  „ein  neues  Drama  heraus,  ich 
muß  mich  in  Acht  nehmen,  daß  mir  die  Recensenten  nicht  in  die  Quere  kommen, 
als  Verfasser  des  Prometheus".  Wagner  ist  damals  schon  vollständig  mit 
Goethe  zerfallen.  Der  Prolog  des  Prometheus  ist  durchaus  nicht  in  Frankfurter 
Mundart  geschrieben ,    sondern    mehr    in   Straßburger  und  das  spricht  auch  für 


MISCELLEN.  505 

Wagner  als  den  Verfasser.  Andererseits  kann  auch  die  genaue  Betrachtung 
des  Knittelverses  zeigen ,  daß  derselbe  für  Goetht^  doch  zu  schlecht  ist-  In 
den  Goetheschen  Farcen  ist  ferner  immer  ein  breiter  Hintergrund,  große  Ideen 
treten  hervor,  wie  denn  z.  B.  in  seinem  Satyros  eine  Fülle  von  Poesie  ist. 
Das  Wagnersche  Werk  dagegen  ist  nichts  weiter  als  eine  taktlose  Satire. 
Zum  Schlüsse  verspricht  der  Redner  noch,  daß  sein  „Wagner"  sich  im  näch- 
sten  Jahre  vollständig  darbieten   werde. 

Director  Schauen  bürg  aus  Crefcld  thcilt  mit,  daß  er  wilhiend  eines 
Aufenthaltes  in  Paris  ein  altes  Manuscript,  eine  Dichtung  geistlichen  Inhaltes 
aus  dem  14.  vielleicht  auch  15.  Jahrhundert  enthaltend,  erworben  habe.  Es 
sind  80  Blätter,  Papier  in  Lagen  von  4  Blättern  geheftet.  Den  Inhalt  bilden 
28  geistliche  Betrachtungen  in  Versen,  welche  mit  der  Verkündigung  und  Geburt 
beginnen  und  mit  der  Himmelfahrt  und  der  Krönung  Mariae  endigen,  jedoch 
in  der  Mitte  eine  Lücke  enthalten.  Manche  Verse  sind  von  großer  Länge, 
manche  von  unstatthafter  Kürze.  Wahrscheinlich  zum  Vorlesen  in  einem  Nonnen- 
kloster dienend,  ist  das  Manuscript  Abschrift  eines  Originals.  Beim  Abschreiben 
ist  aber  nicht  alles  verstanden  worden,  so  ist  z.  B.  der  Name  Codrus  Cedeus 
geschrieben.  Die  Handschrift  ist  ferner  mit  einer  nicht  geringen  Anzahl  von 
Bildern  ausgestattet,  derartig,  daß  jede  Blattseite  halb  zu  einer  Darstellung 
aus  dem  alten ,  halb  zu  einer  aus  dem  neuen  Testament  verwendet  worden  ist 
und  hierbei  das  symbolische  Verhältniss  des  alten  zum  neuen  Testamente ,  als 
eines  prophetischen,  durchweg  zum  Ausdruck  kommt.  Die  Bilder,  nicht  unge- 
schickt behandelt,  verrathen  Studium  der  Anatomie  und  des  Faltenwurfes  und 
sind  insofern  auch  für  den  Kunsthistoriker  von  einigem  Interesse.  Die  Sprache 
des  Textes  scheint  oberdeutsch  zu  sein,  wofür  Ausdrücke  wie  gesin  für  ge- 
wesen u.  a.  zeugen.  Redner  liest  hierauf  eine  Anzahl  Verse  vor  und  erklärt 
sich  am  Schlüsse  seines  Vortrages  bereit,  das  Manuscript  einer  Bibliothek  zu 
näherer  Prfifung  zu  übergeben.  Prof.  Crecelius  bemerkt,  daß  das  Werk 
entschiedene  Ähnlichkeit  mit  einer  Historienbibel  habe.  Prof.  Bech  stein 
meint,  daß  es  wegen  des  Wasserzeichens  des  Papieres  nach  Süddeutschland 
gehöre  und  zwar  wohl  in   das  Gebiet  des  Alemannischen. 

An  die  von  Director  Schauen  bürg  gemachte  Bemerkung,  daß  im  vor- 
liegenden Manuscript  neben  einem  Bilde  aus  dem  neuen  Testament  ein  ent- 
sprechendes aus  dem  alten  dargestellt  sei,  knüpft  Prof.  Creizenach  einen 
längeren  Vortrag  an  über  die  Nebeneinanderstellung  des  Jüdischen  und  Christ- 
lichen in  Kunstwerken  des  späteren  Mittelalters.  „Wie  weit  die  Vorliebe  für 
derartige  Parallelisierung  gegangen  ist",  sagt  er,  „können  wir  uns  heutzutage 
kaum  vorstellen.  Ich  möchte  allen  Mitgliedern  der  Section  insbesondere  ein 
genaues  Studium  der  Schnitzereien  an  den  Chorstühlen  der  damaligen  Zeit 
dringend  empfehlen.  Im  späteren  Mittelalter  gab  es  keine  Äußerung  des  öffent- 
lichen Culturlebens,  die  so  wichtig  war  wie  die  Procession.  Das  Auge  des  Volkes 
gewöhnte  sich  damals  an  die  Anschauung  von  Parallelen,  von  auf  einander  be- 
züglichen Symbolen  in  einem  solchen  Grade,  daß  der  Mann  aus  dem  Volke 
einen  besseren  Überblick  über  die  sinnbildlichen  Bezüge  hatte  als  heutzutage  der 
Gelehrte.  Das  alte  Testament  erlangte  dadurch  neuen  Werth,  daß  es  zur  Verglei- 
chung  Veranlassung  gab,  z.B.  Eva,  durch  welche  die  Welt  verloren  gieng,  an  Maria, 
die  Retterin  derselben,  erinnerte,  wobei  man  nicht  zu  erwähnen  vergaß,  daß 
Eva  umgekehrt  ave  laute.     Solche  Beziehungen  auf  das  alte  Testament  finden 


506  MISCELLEN. 

sich  namentlich  im  späteren  Mittehilter,  wo  man  anfieng,  sich  sehr  viel  mit 
dem  Judenthum  zu  beschäftigen  und  wo  die  Aufmerksamkeit  auf  das  Juden- 
thum  eine  gewisse  Feindseligkeit  erzeugte,  wie  Rumeland  und  Muscatblüt  zu 
erkennen  geben,  der  iiber  den  Einfluß  der  Juden  klagt,  die  auch  anfiengen, 
ritterliche  Namen  anzunehmen.  Die  späteren  Zeiten  des  Mittelalters  sind  gegen 
das  Judenthum  feindseliger  als  die  früheren.  Übrigens  waltete  auch  im  Juden- 
thum, in  Liedern  und  Gedichten  Vorliebe  für  Zahlensymbolik,  die  am  liebsten 
in  Räthselfragen  eixigekleidet  wurde.  EttmüUer  theilt  in  seinem  an  nützlichen 
Aufschlüssen  reichen,  aber  wegen  seiner  barocken  Einkleidung  ausserhalb  aller 
Verbreitung  gebliebenen  Werke  „Herbstabende  und  Winternächte"  (II,  272)  ein 
solches  Lied  in  Fragen  und  Antworten  mit,  welches  mit  der  Frage  beginnt :  Wer 
ist  Eins?  (Quis  est  unus?)  und  so  bis  zur  Zwölfe  fortschreitet.  Dem  entspricht 
ein  ganz  ähnliches  Lied  in  dem  hebräischen  Gebetbuch  Hagada,  welches  noch 
gegenwärtig  an  jedem  Osterabend  von  dem  frommen  Juden  gesungen  wird,  nur 
daß  dieses  mit  der  dreizehn  anfängt  und  bis  zum  Einen,  Gott,  vorschreitet. " 
Prof.  Greiz  enach  bemerkt  zum  Schluß,  daß  aus  einer  sorgfältigen  Beachtung 
dieses  Zusammenhanges  von  Jüdischem  und  Christlichem  sich  noch  manches 
Interessante   ergeben  werde. 

Hierauf  legt  Prof.  Urlichs  das  Manuscript  eines  Gedichtes  von  Lenz 
vor  und  bemerkt  dabei:  dieses  Gedicht  ist  in  abweichender  Fassung  in  Schillers 
Musenalmanach  für  1798  unter  dem  Titel  „Die  Liebe  auf  dem  Lande"  ver- 
öffentlicht worden.  Das  von  Schiller  veröffentlichte  Gedicht  ist  ohne  allen 
Zweifel  von  Schiller  aus  den  Papieren,  die  ihm  aus  der  Hinterlassenschaft  von 
Lenz  durch  Goethe  zugeschickt  wurden,  aufgenommen.  Merkwürdig  ist  nun, 
daß  dieses  Gedicht  in  einer  früheren  Gestalt  existiert.  Diese  erste  Fassung  ist 
mir  zufällig  vor  einiger  Zeit  von  einem  eifrigen  Sammler  Lenzischer  Fragmente, 
einem  Hrn.  P^wald  zugestellt  worden  mit  der  Erlaubniss  es  in  irgend  einer  Weise 
zu  benutzen.  Während  nun  hier  der  Anfang  lautet:  „Ein  wohlgenährter  Cau- 
didat,  der  niemals  einen  Fehltritt  that",  heißt  es  im  Musenalmanach:  „Ein 
schlechtgeuährter  Candidat,  der  oftmals  einen  Fehltritt  that".  Ausserdem  unter- 
scheidet sich  das  gedruckte  von  dem  ungedruckten  durch  eine  größere  Aus- 
führlichkeit. Die  Frage  ist  nun  die,  wie  und  durch  wen  die  weitere  Ausführung 
stattgefunden  habe.  Es  ist  nicht  undenkbar,  daß  Schiller,  welcher  mit  großer 
Freiheit  mit  den  Erzeugnissen  anderer  schaltete,  dieses  Gedicht,  das  er  etwas 
mager  fand,  ausgeschmückt  hätte.  Der  Ausdruck  „eräschert",  welcher  sich 
darin  findet,  madit  jedoch  diese  Annahme  wiederum  zweifelhaft,  da  er  mehr 
niederdeutsch   ist. 

Nach  einigen  an  diese  Mittheilung  geknüpften  Bemerkungen  von  Prof. 
C reizen  ach   über  das  Lenziche  Gedicht  wird  die  Vormittagssitzung  geschlossen. 

4.   Sitzung.  Freitag  den   28.   September  Nachmittags   5   Uhr. 

Zunächst  wurde  darüber  berathen,  in  welcher  Weise  die  Section  wohl 
dazu  beitragen  könne ,  die  Fortsetzung  der  Frommannschen  Zeitschrift  „Die 
deutschen  Mundarten"  zu  ermöglichen.  Prof.  Sachs  schlägt  vor,  unter  den 
einzelnen  Mitgliedern  der  Section  eine  Anzahl  Subscribenten  zu  gewinnen,  was 
jedoch  abgelehnt  wird.  Prof.  Creizenach  beantragt  eine  Commission  zu  er- 
nennen ,  welche  die  Sache  in  die  Hand  nehmen  und  sich  bemühen  solle ,  die 
Regierung  für  die  Unterstützung  der  Zeitschrift  zu  gewinnen.  Es  werden  hier- 
auf  auf   seinen  Vorschlag    die  Herren   Prof.   Bechstein    und  Sachs  von  der 


MISCELLEN.  507 

Versammluug  zu  diesem  Zwecke  gewählt,  mit  dem  Auftrag,  sich  nocli  durch 
3  Mitglieder  zu  verstärken,  als  welche  die  Herren  Prof.  Wein  hold,  Seh  er  er, 
Bartsch   oder  von   Keller  in   Vorschlag  gebracht  werden. 

Prof.  C  reize  nach  erinnert  sodann  noch  daran,  daß  ausser  Diez  und 
Grein  noch  zwei  bedeutende  Fachgenossen  in  der  letzten  Zeit  gestorben  seien: 
Philipp  Wackernagel  und  Ludwig  EttmüUer.  Ich  kann,  sagt  er,  nicht  ihr  Leben 
und  ihre  ganze  Wirksamkeit  schildern,  nur  auf  Eins  will  ich  aufmerksam  machen. 
Beide  waren  Greise,  beide  fiengen  ilire  Wirksamkeit  an,  als  die  Ziele  der  Ger- 
manistik noch  unbestimmt  waren.  Phil.  Wackernagel  hat  unvergängliche  Ver- 
dienste um  das  Kirchenlied,  er  hat  zuerst  eine  Periodenbestimmung  für  das- 
selbe möglich  gemacht.  Bei  seiner  streng  protestantischen  Richtung  hat  er 
sich  doch  der  vorlutherischen  Lieder  mit  Eifer  angenommen.  Welche  Arbeits- 
kraft gehörte  dazu,  da  im  Jahre  1700  die  Zahl  der  Kirchenlieder  auf  30.000 
angewachsen  war,  allgemeine  Gesichtspunkte  aufzustellen.  Wie  schön  hat  Wacker- 
nagel die  Perioden  bis  auf  Paul  Gerhard  gezeichnet!  Ihm  war  von  Natur  eine 
gewisse  alterthümelnde  Geschmacksrichtung  eigen  und  so  hat  er  auch  jene 
Lieder,  die  dem  heutigen  Publicum  nicht  mehr  nach  Geschmack  sind,  doch  zu 
würdigen  gewußt.  Von  Phil.  Wackernagel  geht  die  besondere  Würdigung  der 
sog.  alten  Kernlieder  aus,  über  welche  man  sich  jetzt  bis  zur  Gartenlaube  hinab 
lustig  macht.  Er  hatte  eine  ausserordentliche  ßelesenheit  und  wußte  mit  feinem 
Sinn  das  Charakteristische  aus  jeder  Epoche  herauszufinden.  Er  hat  daher  eine 
große  Bedeutung  als  Anthologe. 

Ettmüller  war  von  Wackernagel  in  der  Gesinnung  grundverschieden. 
Wackernagel  hatte  eine  J^hrfurcht  vor  alten  Einrichtungen  uml  Religionsan- 
schauungen, die  bis  zur  Verknöcherung  gieng.  Die  Vergötterung  der  guten  alten 
Zeit  hat  Niemand  so  weit  getrieben ,  wie  er.  Er  hätte  sich  nie  entschließen 
können  ein  Schriftstück  von  Börne  aus  der  würdigsten  Epoche  seiner  Thätig- 
keit,  etwa  die  Denkrede  auf  Jean  Paul  in  seine  Anthologie  aufnehmen.  Ett- 
müller hingegen  ist  in  politischer  Hinsicht  schroffer  Republikaner ,  ein  Feind 
des  Klosterlebens  wie  der  allzu  eifrigen  Versenkung  in  die  älteren  Cultusforraen 
und  hat  dies  nach  der  anderen  Seite  mit  gleicher  Einseitigkeit  kundgethan. 
Ettmüller  hat  in  dem  Werke ,  dessen  barocke  Form  ich  schon  erwähnt  habe, 
Bedeutendes  geleistet,  er  hat  das  Ganze  der  deutschen  Heldensage  mit  kühnem 
Überblick  dargestellt,  er  ist  einer  der  Begründer  der  jetzt  so  blühenden  angel- 
sächsischen Studien.  Endlich  hat  er  sich  auch  als  tüchtiger,  maßvoller  Philologe 
in  der  Ausgabe  des  Heinrich  von  Veldeke  gezeigt,  während  er  als  Heraus- 
geber der  Gudrun  einem   sehr  weitgehenden  Kriticismus  huldigt. 

Den  Schluß  der  Vorträge  bildete  eine  Mittheilung  des  Prof.  Lucae  aus 
Marburg  aus  seinen  Parzivalstudien ,  wobei  Redner  zunächst  den  Wunsch  aus- 
sprach, daß  die  Zahl  der  Parzivalerklärer  die  sich  gegenseitig  zu  fördern  hätten, 
zunehmen  möge,  damit  nach  dem  dankeuswerthen  Commentar  von  Bartsch  das 
baldige  Zustandekommen  einer  tiefergehenden,  der  Bedeutung  des  Dichters 
entsprechenden,  durchgängigen  Erklärung  des  Parzival  ermöglicht  werde.  Eigent- 
licher Gegenstand  des  Vortrages  war  der  Traum ,  welchen  Parzivals  Mutter 
Herzeloyde  in  ihrer  Schwangerschaft  träumt  (Abschn.  103,  25  — 104,  17).  Davon 
ausgehend,  daß  im  zweiten  Traumbild  Parzival  mit  einem  Drachen  verglichen 
wird,  ein  Vergleich  der  weder  durch  sein  Wesen  noch  auch  durch  seine  Schuld 
der  Mutter  gegenüber  gerechtfertigt  erscheint,    daher  wohl  einer  anderen  Sage 


508  MISCELLEN. 

entlehnt,  auf  Parzival  nur  übertragen  und  seiner  Geschichte  angepaßt  ist,  er- 
innert der  Vortragende  an  das  was  römische  und  griechische  Schriftsteller  von 
ähnlichen  Träumen  der  Mutter  des  Augustus,  Scipio,  Africanus  maior,  des 
Aristomenes,  Aratus,  sowie  endlich  Alexanders  des  Großen  berichten,  auf  dessen 
Zeugungssage  die  Sagen  von  der  göttlichen  Herkunft  der  eben  genannten 
Helden  zurückzuführen  sind. 

Auch  für  die  Parzivalstelle  sind  nach  Ansicht  des  Vortragenden  Reminis- 
cenzen  der  Alexandersage  verwerthet  worden,  zumal  auch  das  erste  Traumbild 
der  Herzeloyde,  das  Eingreifen  von  Donner  und  Blitz  an  die  Sage  von  gleichen 
Vorgängen  bei  Alexanders  Geburt  erinnert.  Eine  Hinweisung  auf  Lessings 
Deutung  der  besprochenen  Träume  in  seinem  Laokoon  bildete  den  Schluß  des 
Vortrages ,  welcher  demnächst  in  der  Zeitschrift  für  deutsche  Philologie  zum 
Abdruck   gelangen  wird. 

Nachdem  hierauf  der  Vorsitzende  mitgetheilt ,  daß  der  Versammlungsort 
der  nächstjährigen  Philologen- Versammlung  Gera  sein  werde  und  die  Section 
beschlossen  hatte ,  das  Präsidium  der  deutsch-romanischen  Abtheilung  Prof. 
Eduard  Sievers  in  Jena  zu  übertragen,  wurden  die  diesmaligen  Verhand- 
lungen, für  deren  lehrreiche  und  umsichtige  Leitung  Prof.  Holland  aus  Tü- 
bingen den  herzlichsten  Dank  der  Anwesenden  an  Prof.  Creizenach  aussprach, 
geschlossen. 

WIESBADEN.  Dr.  WITTE. 

Berichtigung. 

Von  befreundeter  Seite  bin  ich  darauf  aufmerksam  gemacht  worden,  daß 
ich  in  der  neuen  Ausgabe  meiner  Analecta  norroena  (Leipzig  1877),  Vorrede 
Vni^,  wo  ich  eine  Stelle  aus  Konr.  Gislawons  Abhandlung  in  Ann.  f.  nord. 
Oldk.  1863,  405  anführe,  statt  "des  Verfassers  Meinung'  ungenau  citiert  habe 
'Thorodds  Meinung',  Die  Vermuthung,  daß  der  Verf.  der  ältesten  Abhandlung 
über  das  isländische  Alphabet  der  in  Jons  saga  biskups  kap.  13  besprochene 
rorroddr  Gamlason  sei  (s.  K.  Maurer,  Altnord.  S.  7  und  54)  -—  eine  Ver- 
muthung, von  der  ich  nicht  einmal  weiß,  ob  sie  Prof.  Gislason  billige  oder 
nicht  —  sie  gehört  lediglich  Gudbrand  Vigfusson  an,  der  jene  Abhand- 
lung zu  wiederholten  Malen  in  seiner  Vorrede  zur  Eyrbyggja  (Leipzig  1864) 
und  in   seinem  Wörterbuche  (Oxf.    1869)   unter  Thorodds  Namen  aufführt. 

In  meinem  Abdruck  der  genannten  Abhandlung  selber  (AN.  S.  189 — 201) 
stehen  auf  S.  196^^"'^*  die  Namen  der  (/ousonanten  fälschlich  unterhalb  statt 
oberhalb  (196*^^  ofan!)  ihrer  Figuren. 

Zugleich  benutze  ich  diese  Gelegenheit,  den  Leser  meiner  Anmerkungen 
zu  den  Proben  (S.  290 — 311)  auf  Gudbrand  Vigfussons  Vorrede  zur 
Eyrbyggja  (Leipzig  1864)  und  namentlich  auf  die  so  überaus  lehrreichen  Ar- 
tikel über  die  einzelnen  Buchstaben  in  seinem  Wörterbuch  (Oxf.  1869)  hier- 
mit noch   ganz   besonders  zu  verweisen. 

KIEL,  20  Dec.  1877.  TH.  MÖBIUS. 


PF       Germania 
3003 

Jg. 22 


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